Der Parlamentarische Rat 1948-1949: BAND 3 Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung 9783486702323, 9783486418590


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Der Parlamentarische Rat 1948-1949: BAND 3 Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung
 9783486702323, 9783486418590

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Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wurde im Herbst 1948 bis Frühjahr 1949 durch den Parlamentarischen Rat geschaffen. Diese Editionsreihe möchte den Entstehungsprozeß des Grundgesetzes eingehend dokumentieren, indem sie die bislang weitgehend unveröffentlichten Wortprotokolle und Arbeitspapiere der Fachausschüsse, des Hauptausschusses und des Plenums des Parlamentarischen Rates in kommentierter Form veröffentlicht. Zusammen mit den im Anmerkungsapparat verarbeiteten weiteren Überlieferungen, wie Eingaben aus der Bevölkerung, von Verbänden und Organisationen ergibt sich ein tiefer und aufschlußreicher Einblick in die Willens- und Entscheidungsbildungen auf dem Weg zum Das

Grundgesetz.

Nachdem mit Bd. 1 Dokumente

zur

Vorgeschichte des Pari. Rates vorgelegt worden sind, mit Bd, 2 die Arbeit des Verfassungskonventes von

Herrenchiemsee dokumentiert

wurde, werden in diesem und den

folgenden Bänden die oben benann-

Gremien selbst zu Worte kommen. Der Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung befaßte sich vor allem mit Fragen der Verteilung der Gesetzzwischen gebungszuständigkeit Bund und Ländern und mit Problemen des Verhältnisses von Bundesund Landesverwaltung. Angesichts der Wichtigkeit dieser Beratungsgegenstände für den Aufbau und die Gestaltung unseres föderativen Gemeinwesens waren und sind die Arbeitsergebnisse dieses Ausschusses von großer und nicht nur historischer, sondern auch aktueller Bedeutung. ten

HARALD BOLDT VERLAG BOPPARD AM RHEIN

Der Parlamentarische Rat 1948-1949 Akten und Protokolle

Der Parlamentarische Rat 1948-1949

Band 3

Der Parlamentarische Rat 1948-1949 Akten und Protokolle

herausgegeben

Deutschen Bundestag und vom Bundesarchiv

vom

unter

Leitung

von

Kurt G. Wernicke und Hans Booms

Der Parlamentarische Rat 1948-1949 Akten und Protokolle

Band 3

Ausschuß für

Zuständigkeitsabgrenzung bearbeitet von

Wolfram Werner

© HARALD BOLDT VERLAG



BOPPARD AM RHEIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Deutschland

(Gebiet

unter Alliierter Besatzung) Parlamentarischer Rat Der Parlamentarische Rat: 1948-1949; Akten u. Protokolle hrsg. vom Dt. Bundestag u. vom Bundesarchiv unter Leitung von Kurt Georg Wernicke und

Hans Booms am Rhein: Boldt

Boppard NE:

Wernicke,

Kurt

Georg [Hrsg.];

HST

Bd. 3. Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung bearb. von Wolfram Werner. 1986 ISBN 3-7646-1859-0 NE:

-

Werner, Wolfram [Bearb.]

ISBN 3-7646-1859-0 1986

© Harald Boldt Verlag Boppard am Rhein Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany Herstellung: boldt druck boppard gmbh •



INHALTSVERZEICHNIS

Seite

Einleitung. 1. Errichtung und personelle Zusammensetzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung 2. Die Tätigkeit des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung a. Zur Aufgabenstellung im Allgemeinen und zur Methodik .

.

VII VII XIV

der Beratungen. b. Einzelne Beratungsgegenstände

XVI XXV

Dokumente, ihre Einrichtung und Kommentierung

XXXVI

Verzeichnis der Dokumente.

XLI

.

3. Auswahl der

.

1

.

773

Dokumente (Nr. 1-28) Konkordanzen A.

Artikelbezifferung Chiemseer Entwurf Grundgesetz Artikelbezifferung Grundgesetz Chiemseer Entwurf

....

773

-

B.

....

773

-

Verzeichnis der

Abkürzungen.

775

Verzeichnis der

ungedruckten Quellen.

777

gedruckten Quellen und der Literatur. Dokumentationen, Dokumentensammlungen

779

Verzeichnis der 1.

.

779

Gesetzblätter 3. Memoiren und Darstellungen.

780

Personenindex.

785

Sachindex.

789

2. Amts- und

.

780

V

EINLEITUNG

1. ERRICHTUNG UND PERSONELLE ZUSAMMENSETZUNG DES

AUSSCHUSSES FÜR ZUSTÄNDIGKEITSABGRENZUNG

Über die Anzahl und die Zusammensetzung der Ausschüsse des Parlamentarischen Rates wurde in der zweiten interfraktionellen Besprechung beraten, die am 1. September 1948 von 17.00-18.15 Uhr im Zimmer des gerade gewählten Präsidenten Adenauer im Anschluß an die konstituierende Sitzung stattfand1). Als Ergebnis dieser Besprechung sollten folgende fünf Fachausschüsse geschaffen werden: Ein Ausschuß für Grundsatzfragen, ein Ausschuß für Aufbau und Gestaltung der Organe, ein Ausschuß für Abgrenzung der Zuständigkeiten, ein Ausschuß Besatzungsstatut und ein Ausschuß Wirtschaftsfragen. Für Finanzfragen sollte entweder ein Unterausschuß im Ausschuß für die Abgrenzung der Zuständigkeiten oder ein eigener weiterer Ausschuß gebildet werden, der eng mit dem Zuständigkeitsausschuß würde zusammenarbeiten müssen. Adenauer, seit wenigen Stunden Präsident des Parlamentarischen Rates, plädierte dafür, Zuständigkeits- und Ausschuß für Finanzfragen zu trennen. „Man müsse vermeiden, daß die Klärung grundsätzlicher Fragen dadurdi erschwert werde, daß bei jeder Forderung, welche von föderalistischer Seite erhoben werde, sofort die finanzielle Belastung entgegengehalten werde. Man müsse zunächst das Grundsätzliche vom Finanziellen trennen."2) Offenbar wurde das Vorhaben, den Ausschuß für Zuständigkeiten mit dem Finanzausschuß zu kombinieren, vor allem von Seiten der CSU favorisiert3). Auch der geplante Ausschuß für Organisation des Bundes und der Ausschuß für den Verfassungsgerichtshof und die Rechtspflege sollte als „kombinierter Ausschuß" errichtet werden. Nach Beratungen im Ältestenrat vom 8.-9. September 1948 war ein Vorschlag erarbeitet worden, der vom Plenum in seiner dritten Sitzung am 9. September angenommen wurde und der für die künftige Arbeit des Parlamentarischen Rates die Weichen stellte. Demnach sollten außer dem Ältestenrat, Geschäftsordnungsausschuß und Hauptausschuß folgende Fadrausschüsse gebildet werden: 1. Grundsatzfragen und Grundrechte, 2. Zuständigkeitsabgrenzung, 3. Finanzfragen, 4. Organisation des Bundes, 5. Verfassungsgerichtshof und Rechts-

1) Prot, in: Bayer. HStA NL Pfeiffer/72. Das folgende nach diesem Prot. 2) Ebenda. 3) Vgl. die ungez. und undat. Aufzeichnung „Vorsitz der Ausschüsse" in: Bayer. HStA NL Pfeiffer/175.

VII

Einleitung 6. Besatzungsstatut, 7. Wahlrechtsfragen4). Der Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung wie auch die meisten anderen Fachausschüsse sollten aus zehn stimmberechtigten Mitgliedern bestehen, die sich auf die Parteien wie folgt ver-

pflege,

teilen würden, CDU/CSU: 4, SPD: 4, FDP: 1. DP, KPD und Zentrum sollten zusammen einen Sitz erhalten, wobei diejenigen der drei kleineren Parteien, die in einem Fachausschuß nicht stimmberechtigt waren, je einen Vertreter in den Ausschuß entsenden konnten, der Rede- und Antragsrecht, jedoch kein Stimmrecht besaß. Der Beschluß vom 9. September sah vor, daß der Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung und der Ausschuß für Finanzfragen als „kombinierter Ausschuß" tagen würde und demgemäß gab das Sekretariat des Parlamentarischen Rates auch eine entsprechende Mitgliederliste heraus5). Auch die Drucksache, mit der die Termine für die Konstituierung der Ausschüsse festgesetzt wurde, ging noch von dieser Planung aus6). Aus welchen Gründen die beiden Ausschüsse dann doch nicht zusammen als „kombinierter Ausschuß" getagt haben, ließ sich nicht feststellen; von der ersten konstituierenden Sitzung beider Ausschüsse liegen nur kurze Beschlußprotokolle vor7). Lediglich vom Abgeordneten Schlör (CSU) ist eine Äußerung in der zweiten Sitzung des Finanzausschusses belegt, in der er bedauerte, daß man den Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung und den Finanzausschuß so schnell aus-

einandergerissen habe8). Endgültig gefestigt hat sich die Bezeichnung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung in den drei Monaten seines Bestehens im übrigen nicht. Immer wieder begegnet er gelegentlich selbst in den Überschriften der Protokolle als „Ausschuß für Kompetenzabgrenzung" oder auch als „Ausschuß für Zuständigkeitsfragen ". Viele Argumente in den Beratungen des Ausschusses beruhen auf beruflichen und politischen Erfahrungen und Kenntnissen seiner Mitglieder. Es ist daher angebracht, einige biographische Informationen hier einzufügen und bei dieser Gelegenheit auch mit aufzuführen, in welchen weiteren Ausschüssen des Parlamentarischen Rates sie tätig waren9). Als ergänzende Quelle wird aus einem außergewöhnlich interessanten Bericht des britischen Verbindungsoffiziers -

4) Vgl.

die Drucks. Nr. 16 und 19 in: Z 5/126. Ferner: Verhandlungen über die PlenarS. 57. In einer Mitteilung der Fraktion der CDU/CSU im Pari. Rat an ihre Mitglieder vom 8. Sept. 1948 war noch von einem „Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzungen (Kompetenz-Ausschuß)" die Rede (IfZ ED 94/Bd 91). Drucks. Nr. 22 e (Z 5/139). Drucks. Nr. 25 (Z5/10). Vgl. Dok. Nr. 1. Kurzprot. des Finanzausschusses in: Z 5/170. Prot, in: Z 5/24, Bl. 44. Die folgenden biographischen Angaben nach den von Pfeiffer für seine geplante Arbeit über den Pari. Rat gesammelten Materialien, insbesondere einer Umfrage bei den Mitgliedern im Jahre 1956 (Z 5 Anhang/1). Ferner OMGUS: Documents on the Creation of the German Federal Constitution, S. 50-61 sowie der in Anm. 10 benannte Bericht.

sitzungen,

6)

«) 7) 8) 9)

VIII

Einleitung Chaput de Saintonge zitiert10), der nach Abschluß der Arbeiten die Abgeordbiographisch skizzierte, ihren Anteil an der Arbeit wertete, ihr gesell-

neten

schaftliches Verhalten schilderte und ihren Informationswert für die Militärregierung umriß. Die CDU/CSU benannte für den Ausschuß

folgende Mitglieder:

Adolf Blomeyer (15. Januar 1900

5. März 1969), Nordrhein-Westfalen. Nach einigen Semestern Studium der Geschichte und der Volkswirtschaft hatte er eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert, da er zum Erben des väterlichen Gutes bestimmt war. Als Gutsbesitzer war er in berufsständischen landwirtschaftlichen Organisationen tätig. Sein Interesse im Ausschuß galt vor allem landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Fragen. Das Urteil des britischen -

Verbindungsoffiziers11), Blomeyer

sei

nur

eine

Abstimmungsgroße („voting

unit") gewesen und habe keinerlei konstruktiven Beitrag zur Arbeit des Parlamentarischen Rates geleistet, ist angesichts der hier publizierten Protokolle sicherlich überspitzt. Bei forst- und landwirtschaftlichen Fragen war er ein durchaus engagiertes Ausschußmitglied. Blomeyer war auch Mitglied des Ausschusses für Wahlrechtsfragen und stellv. Mitglied im kombinierten Ausschuß für die Organisation des Bundes und für Verfassungsgerichtshof und Rechts-

pflege. Dr. Walter

Strauß (15. Juni

1900

1.

Januar 1976),

Hessen.

-

Strauß hatte Geschichte, Wirtschaftswissenschaften und Jura studiert und von an bis zu seiner aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums erfolgten Entlassung im Jahre 1935 im Reichswirtschaftsministerium gearbeitet. Nach 1945 war er zunächst am Aufbau der CDU in Berlin beteiligt gewesen, 1946-1947 Staatssekretär im hessischen Staatsministerium, seit Oktober 1947 stellv. Direktor in der Verwaltung für Wirtschaft. Zum 1. April 1948 war er zum Leiter des Rechtsamtes des Vereinigten Wirtschaftsgebietes ernannt worden. Sein Anteil an der Arbeit des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung und darüber hinaus an der Erarbeitung des Grundgesetzes ist sehr hoch einzuschätzen. Der britische Verbindungsoffizier meinte, Strauß habe trotz genereller Einhaltung der CDU-Positionen sich mit rechtskundigen Mitgliedern anderer Parteien zu einigen gewußt und zahlreiche Positionspapiere seien mit seiner Hilfe zustandegekommen. Allerdings habe sein autokratisches Verhalten häufig zu Zusammenstößen geführt, vor allem mit Mitgliedern in der KPD12). 1928

10) Chaput de Saintonge, britischer Verbindungsoffizier haber

neurs

") i2)

im Büro der drei OberbefehlsPari. Rat, an O. E. Steel, Political Advisor des britischen Militärgouvervom 10. Mai 1949 (PRO FO 371/189, als Kopien im BArch: Kl. Erw. 792/Bd 3). zum

Siehe Anm. 10. Ebenda.

IX

Einleitung Strauß war sowohl stellv. Vorsitzender des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung als auch des Ausschusses für Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege. Ferner war er Mitglied im Ausschuß für das Besatzungsstatut und stellv. Mitglied im Hauptausschuß.

Joseph Ferdinand

Kleindinst (20. Oktober 1881-8. September 1962), Bayern. Nach einem Jurastudium in München und der Ableistung des Staatsexamens für den bayerischen höheren Justiz- und Verwaltungsdienst arbeitete er von 1919 bis 1945 als Stadtreditsrat in der Stadtverwaltung Augsburg, zwischenzeitlidr (1931) beurlaubt zur Mitarbeit für den Reichssparkommissar13). Bis 1933 war er Mitglied des Wohlfahrtsausschusses des Deutsdien Städtetages und des gleichnamigen Ausschusses des Bayerisdien Städtebundes. Sein wissenschaftliches Interesse galt Fragen des Fürsorgewesens und der Verwaltungsreform. Das Hauptgewicht seiner Arbeit im Parlamentarisdren Rat lag nach britisdier Einschätzung14) in der Mitarbeit an Anträgen und Positionspapieren der CSU, bei der er sich als fester Vertreter der Ultra-föderalistischen Politik der CSU gezeigt habe. Kleindinst war auch stellv. Mitglied des Hauptausschusses, dessen Sitzungen er häufig beiwohnte. Dr.

Dr. Wilhelm Lafoiet (19. November 1888 14. September 1959), Bayern. Laforet hatte nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften die Laufbahn eines bayerischen Ministerialbeamten eingeschlagen. In den Jahren 1908 1914 war er Regierungsrat im bayerischen Ministerium des Innern, 1918 1922 Vorstand des Bezirksamtes Ochsenfurt, 1922 1927 Oberregierungsrat und Ministerialrat im bayerischen Staatsministerium des Innern. Seit 1927 hatte er den Lehrstuhl für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der

Prof.

-

-

-

-

Universität Würzburg inne. Nachdem er vor 1933 der Bayerischen Volkspartei angehört hatte, schloß er sich 1945 der CSU an, für die er seit 1946 Abgeordneter im Bayerischen Landtag war. Aus britischer Sicht15) war Laforet der anerkannte Sprecher der extremen Föderalisten im Parlamentarischen Rat. Jede Frage habe er zunächst unter dem Aspekt der Rechte der einzelnen Länder betrachtet, worunter er allerdings nur das Land Bayern verstanden habe. Das habe dazu geführt, daß er sich häufig in Kleinigkeiten verlor, die mit der Sache, die er eigentlich vertrat, wenig zu tun hatten. Da er kein Gefühl für Proportionen gezeigt habe und nidit kompromißfähig gewesen sei, sei sein Einfluß letztlich gering gewesen, wenn er auch von Mitgliedern anderer Parteien wegen seiner Gelehrsamkeit persönlidi respektiert worden sei. Daß er die Zeit seiner Kollegen sehr beanspruchte, zeigt auch der

13)

Kleindinst hatte sich für diese Tätigkeit vermutlich durch seine Publikation „Verwaltungspolitik und Verwaltungsreform im Reich und in den Ländern, München 1929"

qualifiziert. 14) Vgl. Anm. 10.

15) X

Ebenda.

Einleitung Vers von Theodor Heuss im „ABC des Parlamentarischen Rates"10) über ihn: In langen Linien läuft die Sitzung fort, skandiert von Laforet: „Ich bitt ums Wort". Laforet war auch Mitglied des Hauptausschusses und stellv. Mitglied im

Ausschuß für

Verfassungsgerichtshof

Als stellvertretende

Mitglieder

und

waren

Rechtspflege.

seitens der CDU/CSU benannt worden:

Dr. Carl Schroeter (29. Mai 1887 26. Februar 1953), Schleswig-Holstein Dr. Kaspar Seibold (geb. 14. Oktober 1914), Bayern Dr. Josef Schwalber (19. März 1902 16. August 1969), Bayern Dr. Heinrich v. Brentano (20. Juni 1904 14. November 1964), Hessen -

-

-

Von der SPD waren in den Ausschuß für Abgeordnete entsandt worden:

Zuständigkeitsabgrenzung folgende

Friedrich Wilhelm Wagner (28. Februar 1884 17. März 1971), Rheinland-Pfalz. Wagner hatte Jura, politische Wissenschaften und Philosophie studiert und sich anschließend (1922) in Ludwigshafen als Rechtsanwalt niedergelassen. In den Jahren 1930 1933 war er für die SPD Mitglied des Reichstages. Nach 1933 emigrierte er über die Schweiz und Frankreich in die USA, von wo er 1947 nach Deutschland zurückkehrte und seine Anwaltstätigkeit in Ludwigshafen wieder aufnahm. Er verteidigte unter anderem den Generaldirektor der IG-Farben, Prof. Wurster, vor dem Nürnberger Militärtribunal. Seit 1947 war er Mitglied im Rheinland-pfälzischen Landtag, dessen Rechts- und Hauptausschuß er leitete. Wagner wurde von den Briten17) als Persönlichkeit und eigenständiger Kopf („strong character with a mind of his own") eingeschätzt, obwohl er nicht zu den ganz bedeutenden Mitgliedern seiner Fraktion gehört habe. Seine Ansichten seien sehr zentralistisch gewesen, was zu scharfen Auseinandersetzungen mit Anhängern anderer Parteien geführt hätte. Er sei einer der Vorkämpfer für die Abschaffung der Todesstrafe gewesen. Als Folge seines Aufenthaltes in Übersee habe er einen weiteren geistigen Horizont als viele seiner Kollegen gezeigt. Wagner war Vorsitzender des Ausschusses für Zuständigkeitsfragen, ferner Mitglied im Ausschuß für das Besatzungsstatut und im Ausschuß für Organisation des Bundes und für Verfassungsgerichtshof und Rechts-

-

pflege.

Dr. Fritz Hoch

(21. Oktober 1896 20. Oktober 1984), Hessen. Hoch hatte Rechtswissenschaften studiert und war dann in der preußischen inneren Verwaltung tätig gewesen: Landratsamt Dortmund und Regierung Liegnitz (1925-1926), Preußisches Ministerium des Innern (1926-1932) und die Regierung in Kassel (1943-1945) waren die Stationen seiner Beamten-

laufbahn.

16)

Das ABC des Parlamentarischen Rates. Bonn, 12. Mai 1949

17)

Siehe Anm. 10.

von

Theodor Heuss

(NLHeuss/Bd418). XI

Einleitung Nach dem Zusammenbruch von 1945 wurde er Oberpräsident der kurzlebigen Provinz Kurhessen, dann Regierungspräsident der Regierung Kassel. Hoch war an den vorbereitenden Arbeiten für die Hessische Verfassung beteiligt gewesen und seit 1948 auch Mitglied des Hessischen Kabinettsausschusses für Verwal-

tungsreform. Außer im Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung war er stellvertretendes Mitglied in mehreren anderen Ausschüssen: Im Ausschuß für Organisation des Bundes, im Finanzausschuß und im Ausschuß für Wahlrechtsfragen. Im Hauptausschuß trat er gelegentlich als Berichterstatter auf, ohne ihm jedoch anzugehören. Der Schwerpunkt seiner Arbeit im Parlamentarischen Rat lag jedoch im hier behandelten Ausschuß17a).

Adolf Ehlers (21. Februar 1898 20. Mai 1978], Bremen. Nach Ableistung seiner kaufmännischen Lehre und nach -

dem Ende des Ersten Bremer Werft AG und ließ sich zum Brenner und Schweißer ausbilden. Politisch engagierte er sich im Kommunistischen Jugendverband, später vertrat er die KPD in der Bürgerschaft. Während des Dritten Reiches leitete er die illegale Sozialistische Arbeiterpartei. Nach 1945 wurde er unter Wilhelm Kaisen Leiter des Arbeitsamtes und erhielt später das Ressort Wohlfahrt und Gesundheitswesen im Senat. Zum Senator für Innenund Polizeiwesen wurde er 1948 ernannt, nachdem er seit 1946 Mitglied der SPD war. Im Zuständigkeitsausschuß äußerte sich Ehlers nicht sehr häufig, sein eigentliches Engagement bei der Grundgesetzberatung galt vielmehr der Schulfrage. Im Gespräch mit Alliierten sei er sehr angenehm und umgänglich gewesen, vor allem wenn er den Gesprächspartner als politisch links eingeschätzt habe18).

Weltkrieges arbeitete Ehlers auf der

Hannsheinz Bauer (geb. 28. November 1909), Bayern. Bauer studierte Jura und engagierte sich bereits als Student in der Parteiarbeit der SPD im Rahmen der sozialistischen Studentenarbeit. Im Jahre 1933 brach er sein Studium ab und war im Bankfach und in der Automobilbranche tätig. Nachdem er im August 1944 in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten war, aus der er im November 1945 entlassen wurde, schloß er sich wieder der SPD an und wurde Mitglied der Bayerischen Verfassunggebenden Landesversammlung und des Bayerischen Landtages. Wenn er auch sehr selten im Ausschuß das Wort ergriff, so ist die spöttische Äußerung19), es gäbe keinerlei Nachweis, daß er im Parlamentarischen Rat je etwas gesagt habe, doch unzutreffend

17a) Der Bericht von Chaput de Saintonge (vgl. Anm. 10) 18) 19) XII

ergiebig.

Siehe Anm. 10. Ebenda.

ist für die Person

von

Hoch

un-

Einleitung Bauer

war

jedoch

von

ausschuß

zunächst als Mitglied für den Finanzausschuß vorgesehen, wurde seiner Fraktion gegen Menzel, der zunächst für den Zuständigkeits-

vorgesehen

Ernst Reuter,

Berlin. Reuter

war,

ausgetauscht20).

Regierender Oberbürgermeister (29. Juli

1889

29.

Sept. 1953),

-

war von der Fraktion der SPD als Berliner Abgeordneter mit beratender Stimme für den Ausschuß benannt worden; in den Aufstellungen über die Mitglieder des Ausschusses begegnet er nicht. Die ersten sechs Sitzungen besuchte er regelmäßig und lieferte ebenso engagierte wie fundierte Beiträge, unter ande-

Frage des Bodenrechts. Seit Anfang Oktober 1948 war er aufgrund der krisenhaften Entwicklungen in Berlin nicht mehr abkömmlich, so daß seine Mitwirkung im Ausschuß zu dieser Zeit abbrach. rem zur

Als stellv. Mitglieder benannte die SPD: Dr. Heinrich Grève (30. Januar 1908 11. Juni 1968), Niedersachsen, Karl Kuhn (geb. 14. Februar 1898), Rheinland-Pfalz, Friederike Nadig (11. Dezember 1897 14. August 1970), Nordrhein-Westfalen, Dr. Otto Suhr (17. August 1894 30. August 1975), Berlin. -

-

-

Für die FDP

war

im Ausschuß

tätig:

Dr. Hans Reif (19. Januar 1899 11. November 1984), Berlin. Nach einem Studium der Nationalökonomie, des öffentlichen Rechts und der Philosophie war Reif 1924 1933 Geschäftsführer des Reichsausschusses für Handel, Industrie und Gewerbe sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter des Hansabundes. Nach 1945 war er Mitbegründer der LDP in Leipzig sowie Bezirksvorsitzender und Stadtverordneter in Berlin. Er war Mitherausgeber der Berliner Tageszeitung „Mittagsecho" und Dozent für die Wirtschaftspolitik an der neugegründeten Deutschen Hochschule für Politik. Reifs Teilnahme als reguläres Ausschußmitglied erregte beträchtliches Aufsehen bei den Alliierten, da er als Berliner Vertreter eigentlich nur mit beratender Stimme hätte teilnehmen dürfen21). Er war Schriftführer des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung, trat in dieser Eigenschaft allerdings so gut wie nicht hervor. An den Aussprachen des Ausschusses nahm er zwar gelegentlich Anteil und vertrat eher zentralistische Positionen; da er sich jedoch nicht an der konkreten Erarbeitung von Positionspapieren beteiligte, blieb sein Einfluß doch relativ gering. -

-

20) 21)

Siehe S. 4, Anm. 3. Siehe S. 1, Anm. 3.

XIII

Einleitung Für das Zentrum

war

in den Ausschuß entsandt worden:

Helene Wessel (6. Juli 1898 13. Oktober 1969), Nordrhein-Westfalen. Frau Wessel war zunächst Wohlfahrtspflegerin, bevor sie im Jahre 1915 Parteisekretärin des Zentrums wurde, für das sie 1928-1933 auch Abgeordnete im Preußischen Landtag war. Ihre Mitgliedschaft im Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung war eher eine theoretische. Als eine von nur zwei Vertretern des Zentrums im Parlamentarischen Rat fand sie vermutlich nicht die Zeit, sich eingehender mit Detailfragen der Zuständigkeitsabgrenzung zu befassen. Im Ausschuß selbst ergriff sie vor allem zu den ihr besonders naheliegenden Fragen der Fürsorge das Wort22). Sie wurde des öfteren von Seebohm (DP) vertreten23). -

Aus der Aufstellung auf S. XV läßt sich ablesen, wie häufig jedes der ordentlichen Mitglieder in den insgesamt 21 Sitzungen des Ausschusses anwesend war. Damit ist natürlich nur wenig über das Engagement und den Einfluß des einzelnen für die Arbeit des Ausschusses gesagt. Nicht selten waren sicherlich die Mitgliedschaft im Landtag und in anderen Ausschüssen des Parlamentarischen Rates oder auch anderweitige berufliche Termine der Grund für Abwesenheiten. Während einige der stellvertretenden Mitglieder nicht an einer einzigen Ausschußsitzung teilnahmen24), waren andere zum Teil recht häufig anwesend25). Darüber hinaus besuchten auch Nichtmitglieder „mit beratender Stimme", gelegentlich auch als Vertreter für abwesende Abgeordnete, die Sitzungen26), vor allem wenn, wie beispielsweise in der 5. Sitzung, politisch relevante Fragen auf der Tagesordnung standen27). Die Hauptarbeit des Ausschusses leisteten folgende Mitglieder: Strauß, Laforet und Kleindinst seitens der CDU/CSU und seitens der SPD Hoch und Wagner. Sie prägten entscheidend die insgesamt 57 Stunden währenden Beratungen. Laforet und Hoch waren als einzige in allen 21 Ausschußsitzungen anwesend. Sie beide und auch Strauß erarbeiteten in der Regel die erforderlichen Arbeits- und Positionspapiere28). Laforet und Hoch überprüften auch die Kurz-

protokolle auf ihre Richtigkeit29). Wie aus den obigen biographischen Hinweisen zu ersehen ist, hatten fast Aussdrußmitglieder eingehende politische oder administrative Erfahrungen

alle aus

22) Siehe S. 390 ff. 23) Vgl. Dok. Nr. 14, Anm. 4. Seebohm war insgesamt achtmal anwesend. 24) Von den stellv. Mitgliedern nahmen Grève (SPD), Schröter, Schwalber, Seibold (CDU/CSU) an keiner Sitzung teil. 25) Kuhn achtmal, v. Brentano viermal, Frau Nadig dreimal. 26) Es nahmen teil: Schönfelder sechsmal; Fecht, Schlör, Dehler zweimal; Maier, Diederich, Zimmermann, Höpker-Aschoff, Kaiser, Schmid einmal. 27) Vgl. z.B. die Anwesenheitsliste der 5. Sitzung (S. 173). 28) Seebohm charakterisierte im Finanzausschuß einmal Laforet und Hoch als die erfahrensten Mitglieder des Ausschusses auf dem Gebiet des Verwaltungsrechtes. Sie hätten in den meisten Fällen die endgültigen Vorschläge gemeinsam ausgearbeitet und vorgelegt (Sitzung vom 19. Okt. 1948, Prot, in: Z 5/281, Bl. 98). 29) Vgl. S. 174. XIV

Einleitung ANWESENHEIT DER ORDENTLICHEN MITGLIEDER DES AUSSCHUSSES FÜR ZUSTÄNDIGKEITSABGRENZUNG

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Menzel und Bauer siehe Dok. Nr. 2, Anm. 2. XV

Einleitung der Zeit der Weimarer Republik. Strauß und Hoch waren in Berliner Preußischen bzw. Reichsressorts tätig gewesen, Wagner war Mitglied des Reichstages gewesen. Laforet und Kleindinst entstammten hingegen der traditionsreichen bayerischen Bürokratie. fast jenseits der parteipoliDamit zeichneten sich die Fronten im Aussdiuß tischen Gegensätze, die natürlich ebenfalls von Bedeutung waren bereits deutlich ab. Auf der einen Seite standen mit Laforet und Kleindinst zwei prononcierte Vertreter des bayerischen Föderalismus, die bereits in der Zeit der Weimarer Republik engagiert gegen das Vordringen der Zentralgewalt und des Reichsrechts gekämpft hatten. Auf der anderen Seite standen mit Hodi und Wagner, gelegentlich auch Strauß, Persönlichkeiten, die aufgrund ihrer politischen Erfahrungen zentralstaatlichen Lösungen nicht von vornherein Argwohn ent-

-

gegenbrachten.

zum föderalistischen Flügel zu rechnen des Ausschusses als Leiter des Rechtsamtes einziges Mitglied war30), des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Erfahrungen aus der bizonalen Verwaltung. Über ihn liefen auch die Versuche bizonaler Ämterchefs, Einfluß auf die Verfassungsberatungen zu nehmen31). Zur Vorbereitung seiner Referate im Ausschuß hatte er sich Informationen bei den bizonalen Verwaltungen besorgt32). Im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee war keiner der Ausschußmitglieder tätig gewesen.

Strauß, der innerhalb der CDU eher hatte als

TÄTIGKEIT DES AUSSCHUSSES FÜR ZUSTÄNDIGKEITSABGRENZUNG

2. DIE

a.

Zur

Aufgabenstellung und

zur

Methodik der Beratungen

Als der Aussdiuß am 15. September 1948, also 14 Tage nach der feierlichen Konstituierung des Parlamentarischen Rates33), seine Arbeit aufnahm, waren die von ihm zu leistenden Aufgaben in ihren Grundzügen bereits recht deutlich. Zunächst würde man über die Zuständigkeitsabgrenzung in der Gesetzgebung zwischen dem zu schaffenden Bund und den Ländern zu beraten haben. In der Endfassung des Grundgesetzes wurde diese Materie in Art. 70-75 des Abschnittes VII (Die Gesetzgebung des Bundes) zusammengefaßt, im Chiemseer Entwurf waren dies die Artikel 32 36. Ein weiterer zentraler Aufgaben-

30)

3t) 32) 33) XVI

In einer Aufstellung (Bayer. HStA NL Pfeiffer/213 handschriftlich mit dem Datum 2. Dez. 1948 versehen, vermutlich von Leusser) wurden von bayerischer Seite als Föderalisten im Pari. Rat bezeichnet: Dr. Pfeiffer, Dr. Schwalber, Dr. Kroll, Dr. Laforet, Dr. Kleindinst, Sigmund Mayr, Caspar Schlör, Dr. Seibold, Walter, Dr. Binder, Dr. Fecht, v. Brentano, Dr. Strauß, Dr. Finck, Dr. Süsterhenn. Einige der Abgeordneten seien allerdings nicht in sämtlichen Punkten eindeutige Föderalisten. Außerdem seinen einige recht kompromißfreudig. Siehe z.B. Dok. Nr. 12, Anm. 1. Die Korrespondenz hierzu verstreut im IfZ ED 94/Bd 109-111. Die Konstituierung des Pari. Rates erfolgte in seiner ersten Plenarsitzung. Vgl. Stenographische Berichte, S. 1 ff.

Einleitung bereich würde die Klärung der Fragen sein, die später im Grundgesetz unter dem Abschnitt VIII (Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung] geregelt wurden; im Chiemseer Entwurf waren dies die Artikel 112-120. Schließlich hatte der Ausschuß Vorarbeiten für die Artikel 28, 31-37 des Abschnittes II des Grundgesetzes (Der Bund und die Länder] zu leisten. Im Chiemseer Entwurf waren dies die Artikel 29, 31, 39-43 gewesen. Auch über die Arbeitsgrundlage bestand im Ausschuß von Beginn an ein Konsens. Man würde vor allem die in Herrenchiemsee erarbeiteten Vorarbeiten

heranziehen34].

Dies

geschah

in

so

enger und

eindeutiger Weise,

daß

man

ohne Einschränkung sagen kann, der Ausschuß diskutierte weitgehend über Artikel des Chiemseer Entwurfs. Demgegenüber spielten im Ausschuß die Vorarbeiten der Parteien für eine Verfassung eine verhältnismäßig geringe Rolle35]. Sie wurden zwar in den Diskussionen erwähnt und zitiert, das Chiemseer Werk mit seiner Systematik und seinen Erläuterungen blieb jedoch, trotz gelegentlicher Kritik an Einzelheiten, die eigentliche Basis der Beratungen. Der Chiemseer Verfassungsentwurf war das Werk von Verfassungsspezialisten der nach 1945 etablierten Länderregierungen, die in der Kontinuität deutschen verfassungsrechtlichen Denkens standen. Der Entwurf sei so schrieb Hans Simons, amerikanischer Verbindungsoffizier zum Pari. Rat und Leiter der Governmental Structure Branch von OMGUS, an Walter Lippmann Ende November 1948 eine „ziemlich vollständige und richtige Zusammenfassung der verfassungsrechtlichen Vorstellungen in Westdeutschland"30]; als Arbeitsgrundlage habe er das Denken der Abgeordneten des Parlamentarischen Rates beträchtlich beeinflußt. Revolutionäre, von deutschen staatsrechtlichen Traditionen entfernte Vorschläge waren im Chiemseer Entwurf nicht enthalten. Politischen Grundsatzentscheidungen war man aus dem Weg gegangen, indem für sie alternative Entscheidungsmöglichkeiten entworfen wurden. Die personelle und politische Zusammensetzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung bot von vornherein die Gewähr dafür, daß für die Kompetenzabgrenzungen zwischen Bund und Ländern föderalistische Lösungen angestrebt werden würden. Insofern gab es auch keinen fundamentalen Gegensatz zu der von den Alliierten gestellten Forderung, ein föderalistisches Staatsgebilde zu schaffen37]. Die Frage konnte nur lauten, wie sehr sich die Vertreter extrem -

-

34) Vgl. den von Peter Bucher bearbeiteten Bd 2

dieser Edition, in dem die Arbeiten des

Verfassungskonventes von Herrenchiemsee dokumentiert sind. 35] Sie werden hier in der Einleitung nicht weiter berücksichtigt, weil sie bereits von Peter Bucher in der Einleitung zu Bd 2 dieser Edition eingehender abgehandelt wurden. Ediert wurden die verschiedenen Vorschläge der Parteien am vollständigsten bei W. Benz: Zur Geschichte des Grundgesetzes. 86) Hans Simons an Walter Lippmann vom 29. Nov. 1948 (Z 45 F -15/147-2/1 fiche 5). 37] In Nr. 1 der „Frankfurter Dokumente" war als Aufgabe des Pari. Rates bestimmt worden, „eine demokratische Verfassung" auszuarbeiten, „die für die beteiligten Länder eine Regierungsform des föderalistischen Typs schafft, die am besten geeignet ist, die gegenwärtig zerrissene deutsche Einheit schließlich wieder herzustelXVII

Einleitung föderalistischer

(CSU]

zu

Vorstellungen durchsetzen würden. Schließlich

Beginn der Arbeit des Parlamentarischen Rates noch

hatte Laforet einem zu

von

schaffenden Staatenbund und nicht von einem Bundesstaat gesprochen38). Wie groß der Spielraum bei den Alliierten gewesen wäre, wenn die deutsche Seite zentralistische Lösungen stärker angestrebt hätte, ist eine nur hypothetische Frage. Werner Weber meinte unmittelbar nach Abschluß der Verfassungsberatungen: „Auch wenn das Volk Westdeutschlands weniger Neigung gehabt hätte, als in ihm lebendig war, zum liberal-demokratischen Verfassungssystem im Sinne der westeuropäischen Tradition zurückzukehren, hätte es in dessen Bahnen einlenken müssen. In der Föderalisierung seines Staatsgefüges war ihm sogar mehr Zwang auferlegt, als seiner Mehrheit lieb war"39). Trotz des Grundkonsenses im Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung, in der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern föderalistische Lösungen zu entwickeln, wurde um einige Materien sehr eingehend gestritten, wie im Abschnitt zwei dieses Kapitels zu zeigen sein wird. Es waren vor allem die bayerischen CSU-Abgeordneten Laforet und Kleindinst, die zunächst fast jede Frage unter dem Gesichtspunkt betrachteten, ob nicht bei einer Zuweisung an den Bund bayerisches Recht oder bayerische Verwaltung beeinträchtigt werden könnte. Andere Mitglieder, vor allem aus der SPD-Fraktion wie etwa Hoch, Wagner und Reuter, forderten hingegen wiederholt und eindringlich, Entscheidungen unter Berücksichtigung künftiger Entwicklungen und nach der „Zweckmäßigkeit der Sache" zu fällen40). Hoch formulierte dies einmal mit diesen Worten: „Es gibt zwei Welten, die eine, die die Dinge von einer ängstlichen föderalistischen Auffassung her sieht, und die andere, die glaubt, die Dinge von dem etwas weiteren Gesichtspunkt der kommenden Entwicklung aus betrachten zu müssen"41). Wagner und Hoch warnten die bayerischen Kollegen davor, dem Bund immer nur mit Mißtrauen zu begegnen und immer nur aus einer Abwehrhaltung bzw. aus „Angst vor dem Bund" zu entscheiden42). In pointierter Überspitzung warf Reif bei Gelegenheit Laforet vor, er tue so, als ob die künftige Bundes-

-

len, und die Rechte der beteiligten Länder schützt, eine angemessene Zentral-

38)

39) 40) 41) 42)

instanz schafft und die Garantien der individuellen Rechte und Freiheiten enthält" (Der Pari. Rat Bd 1, S. 31). Die Neue Zeitung hatte am 25. Sept. 1948 eine Bildseite den Abgeordneten des Pari. Rates gewidmet, und von jedem der Abgeordneten ein „Leitwort" hinzugesetzt. Dr. Laforet hatte gesagt: „Das Grundgesetz, das der Parlamentarische Rat annehmen wird, muß die einheitliche Zusammenfassung aller Befugnisse verbinden mit der Erhaltung lebensfähiger Einzelstaaten des deutschen Bundes." Ähnlich föderalistisch akzentuiert der Leitspruch von Dr. Kleindinst: „Darin liegt das Problem: Im Norden Deutschlands gibt es keine geschichtlich gewordenen Staaten. Wir werden so lange keinen Verfassungsfrieden haben, bis dieser Tatsache nicht Rechnung getragen wird." W. Weber: Weimarer Verfassung und Bonner Grundgesetz, S. 8. Siehe die Ausführungen von Dr. Hoch auf S. 609. Siehe die Ausführungen von Dr. Hoch auf S. 456. Siehe die Ausführungen von Dr. Hoch auf S. 98 und die von Wagner auf S. 257.

XVIII

Einleitung regierung

aus

ehemaligen

hinter sich hätte, der

gewaltigen43).

nur

Nationalsozialisten bestünde und einen Bundestag die Aufgabe vor sich sähe, die Süddeutschen zu ver-

Die Diskussionen zwischen Laforet und Kleindinst auf der einen und Hoch und Wagner auf der anderen Seite scheinen gelegentlich unmittelbar an Auseinandersetzungen zwischen Bayern und dem Reich aus den Jahren der Weimarer Republik anzuknüpfen. Für beide Seiten standen hinter diesen Konflikten persönliche Erfahrungen, aus denen sie unterschiedliche Konsequenzen ziehen zu sollen glaubten. Laforet und Kleindinst führten als absdireckende Beispiele die Entwicklungen und Kompetenzverschiebungen zugunsten der Reichsverwaltung bis 1933 an, die Schaffung einer Arbeitsverwaltung und das Eindringen von Reichsrecht in die Wohlfahrt44). Der Zentralismus des Dritten Reiches war als abschred (Export).

Fünfte Sitzung 29.

September

1948

Nr. 5

wird, und eine solche Befragung durch den Bund ist natürlich notwendig. Der Bund wird Vors.

es

normalerweise sowieso tun. Es heißt nicht „befragen", sondern

[Wagner]:

„beteiligen". Befragen

ist

viel mehr. Dr. Seebohm: Man kann sich darüber streiten, ob der Begriff „beteiligen" gegenüber dem Land so weit geht. Vors. [Wagner]: Es muß informiert sein. Es ist berechtigt, an den Erörterungen oder Verhandlungen teilzunehmen. Dr. Seebohm: Das meine ich. Dann sind wir darüber klar. In diesem Zusammenhang halte ich es für richtig, daß bei einer solchen internen Situation die beteiligten Länder auf Grund einer solchen Bestimmung der Verfassung verlangen können, daß sie durch den Bund bei den Verhandlungen nicht ausgeschlossen werden. Man könnte sich den Fall denken, wo insbesondere ein Fachminister des Bundes ein Interesse daran hat, ein bestimmtes Land auszuschließen, weil er von ihm in seinen Plänen in irgendeiner Weise gestört wird. Um ihm dazu nicht die Möglichkeit zu geben, daß er ein Land überfahren kann, will ich diese Bestimmung in der Verfassung verankert sehen. Vors. [Wagner]: Formulieren Sie bitte einmal die Bestimmung, während die anderen Herren diskutieren. Dr. Reif: Ich wollte auch für Zusammenziehung der beiden Sätze plädieren, weil man damit den Begriff der wirtschaftlichen Beziehung auch mit zum ersten Satz bringt. Vors. [Wagner]: Wollen Sie das bitte formulieren? Es ist zweckmäßig und fördert die Verhandlungen. Dr. Seebohm: „Schließt der Bund Verträge über wirtschaftliche Dinge mit Nachbarstaaten, an denen ein Land besonders interessiert ist" ganz allgemein -, „so ist dieses Land" usw. Dr. Laforet: Man kann ja aus dem zweiten Satz die Worte: „bei besonderen wirtschaftlichen Beziehungen eines Landes" übernehmen. Dr. Hoch: „Über wirtschaftliche Gegenstände, die besondere wirtschaftliche Beziehungen eines Landes betreffen". Vors. [Wagner]: Es soll also ein Satz aus den zwei Sätzen gemacht werden? -

(Zustimmung.) Dr. Hoch: Und dabei der

die

Beteiligung

nur

Gedanke, daß grundsätzlich weggelassen wird, daß

erfolgen müßte,

wenn es

ein Nachbarstaat ist.

Vors. [Wagner]: Die Interessen eines anderen Landes können sogar größer sein als die des Nachbarstaats. Dr. Hoch: „Schließt der Bund Verträge über Gegenstände" überhaupt über Gegenstände oder Angelegenheiten (Vors. [Wagner]: „Wirtschaftlich" muß in irgendeiner Form hinein!) „die die besonderen wirtschaftlichen Beziehungen eines Landes zu einem ausländischen Staat berühren, so ist das Land an den Verhandlungen, die dem -

-

Vertragsabschluß vorangehen, zu beteiligen." Vors. [Wagner]: Man sollte es doch auf „wirtschaftliche Gegenstände"

ken;

es

würde sonst

zu

weit führen. Der Sinn

war:

beschrän-

wirtschaftliche Verhältnisse. 227

Nr. 5

Fünfte Sitzung 29.

September 1948

besondere „wirtschaftliche Beziewirtschaftliche Dinge. hungen" überhaupt Dr. Hoch: Der Herr Kollege macht nach meiner Ansicht mit Recht darauf aufmerksam: es brauchen ja nicht wirtschaftliche Beziehungen dieses Landes zu einem ausländischen Staat zu sein, sondern es kann überhaupt die wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes berühren. Dann würden wir vielleicht statt „wirtschaftliche Beziehungen" sagen: „die besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes". Vors. [Wagner]: Ja, das ist weitergehend. Reuter: Ich bitte um eine bescheidene Belehrung. Glaubt irgendeiner der verehrten anwesenden Abgeordneten, daß es irgendeinen wirtschaftlichen Vertrag mit irgendeinem Land geben wird, bei dem nicht irgendein deutsches Land irgendwelche wirtschaftlichen Interessen haben wird? Vors. [Wagner]: „Besondere" wirtschaftliche Interessen! Reuter: Berlin wird immer besonders interessiert sein. Wir werden immer und ununterbrochen unsere Ellbogen gebrauchen. Wenn ich mir überlege, wie sich das in der Verwaltungspraxis abspielen soll, wird mir etwas blümerant dabei. Schließlich haben wir doch einen Senat oder einen Bundesrat oder irgendeine Einrichtung, wo die Länder zur Geltung kommen werden. Aber wie soll das exerziert werden, wenn es hier verfassungsrechtlich so geregelt wird? Ich bitte um Entschuldigung. Ich versuche, mir das schließlich in der Praxis der Verhandlungs- und Verwaltungsführung vorzustellen. Ich kann es mir nicht vorstellen. Wer entsdieidet darüber, ob ein Land besonders interessiert ist? Über mein besonderes Interesse entscheide ich doch, nicht wahr? Dr. Kleindinst: Es braucht sich aber nicht zu

handeln, sondern

um

um

(Widerspruch.]

Ergänzung möchte ich darauf hinweisen: der Art. 81 Abs. 2 gilt natürlich hier auch, daß nämlich Staatsverträge zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung des Bundestages und des Bundesrats gemäß den einschlägigen Bestimmungen bedürfen. Vors. [Wagner]: Wenn es dessen schon bedarf, dann sind sie ja beteiligt, dann ist das ja überflüssig. Dr. Seebohm: Es ist doch ein erheblicher Unterschied, ob ich bei Verhandlungen vorher beteiligt bin oder nachher im Bundesrat die Zustimmung gebe. Es scheint Dr. Hoch: Nur

zur

mir doch folgendes wesentlich zu sein: Die Schwierigkeiten, die der Herr Kollege Reuter sieht, sehe ich nicht. Beispielsweise wird sich Schleswig-Holstein gar nicht dafür interessieren, ob irgendwelche Verträge über Stahlproduktion oder Kohlenausfuhr geschlossen werden. Das mag auch zum Teil andere Länder nicht berühren. Aber es ist wesentlich, daß eben nicht nur hinterher der Bundesrat mitspricht, sondern daß vorher die Experten der Länder eingeschaltet werden. Denken Sie z. B. an einen Fall, daß das Reich, ausgehend nur von dem absoluten Standpunkt des Ruhrgebiets, einen Vertrag über Eisenangelegenheiten o. ä. abschließt und daß dadurch dann das ganze an sich schon notleidende Gebiet der armen deutschen Eisenerze um Salzgitter völlig lahmgelegt wird. Da muß Niedersachsen sich bei der Behandlung der Angelegenheit einschalten können, und zwar vorher, nicht erst hinterher. 228

Fünfte Sitzung 29. September 1948

Nr. 5

früheren Praxis57) folgender Fall bekannt. Es Tabakzoll beschlossen, und zwar für importierte Zigarren, eine Maßnahme, die ausgesprochen Kuba berührt. Kuba ist der Hauptabnehmer für die Produkte der thüringischen Kleineisenindustrie und erklärt daraufhin: wenn ihr das macht, dann werden wir die Einfuhr dieser Messer usw., die für die Pflanzer geliefert wurden, unterbinden. Also hier liegt ein typischer Fall vor, wo, sagen wir einmal, unter Berücksichtigung einer Branche, die meinetwegen in Hamburg und Bremen ihren Sitz hat, etwas unternommen wird, was mit Rücksicht auf andere Beziehungen des betreffenden Auslandes wieder ganz einseitig unter Umständen auf Thüringen oder meinetwegen auf das Siegerland oder sonst etwas zurückschlägt. Das ist doch denkbar. Selbstverständlich soll eine vernünftige Außenhandelspolitik solche Dinge berühren. Ich stelle das durchaus anheim, ob das nicht auch auf anderem Wege zu machen ist. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, daß in besonderen bestimmte Länder ein Fällen Pilsener Bier oder was da in Frage kommt besonderes Interesse geltend machen wollen und da irgendwie eine verfassungs-

Reif: Mir ist z. B. aus meiner wird plötzlich eine Änderung im Dr.

-

-

mäßige Grundlage nötig ist. Dr. Laforet: Was schadet denn die Bestimmung?

Wen bindet sie denn? Nur den Bund! Dr. Hoch: Sie bindet den Bund mit der Wirkung, daß die Länder Vertreter zu den Verhandlungen hinschicken. Vors. [Wagner]: Daß die Verhandlungen schwerfälliger und verlangsamt werden. Dr. Hoch: Was Herr Dr. Reif ausgeführt hat, ist durchaus beachtlich. Dann wird unter Umständen ein Industriezweig, an den man im Ministerium noch gar nicht denkt, sehr stark berührt und kommt hinterher und macht Krach, daß er nicht beteiligt worden ist, daß sein verfassungsmäßiges Recht verletzt worden ist. Schön ist es also nicht. Es ist doch so: der Bund schließt einen Vertrag ab. Also wenn der große Bruder kommt und mit dem Ausland verhandeln will, dann sitzen die Vertreter der verschiedenen Länder bei den Vertragsverhandlungen dabei und können ihre speziellen Interessen in dieser Verhandlung durchzukämpfen versuchen. Selbstverständlich wäre es aber, daß man sich zu Hause in Deutschland schön zusammensetzt und über diese Frage unter sich debattiert. Will man sich auseinandersetzen, gut! Aber dem Ausland gegenüber soll man geschlossen auftreten. Das wird auch die deutsche Position stärken. Dr. Reif: Denken Sie doch an den spanischen Handelsvertrag und die entsetzlichen Kämpfe mit dem Weinzoll58). Dr. Hoch: Vom gesamtdeutschen Interesse aus! Dann würden unter Umständen zwei oder drei Länder, die durchaus von den Dingen berührt werden können, dabeisitzen und würden in den Verhandlungen mit dem Ausland sehr heftig ihre, ich möchte beinahe sagen, rein lokalen Interessen vertreten und würden

57) 58)

Reif war von 1924-1933 Geschäftsführer des Reichsausschusses für Handel, Industrie und Gewerbe und des Reichsmittelstandsausschusses der Deutschen Demokratischen Partei. Unterlagen hierzu im BArch in den Akten der Reichskanzlei: R 43 1/1117, 1118. 229

Nr. 5

Fünfte Sitzung 29.

September 1948

dadurch unter Umständen die Position Deutschlands beeinträchtigen können, und die Ausländer freuen sich und können einen gegen den anderen ausspielen. Vors. [Wagner]: Ich glaube, es ist unmöglich, daß die Sache so gehandhabt werden kann, daß der Bund, wenn er einen Vertrag über wirtschaftliche Gegenstände mit einem ausländischen Staat abschließt, bei seinen Verhandlungen die Vertreter von Länderinteressen neben sich hat und daß der Bund unter Umständen hott und die Ländervertreter hü sagen. Das ist unmöglich. Es kann doch nur so verstanden werden, daß intern die Länder gemeinsam mit Bundesorganen die Dinge unter sich behandeln, ihre Interessen dem Bunde vortragen, und daß dann der Bund als solcher dem Ausland gegenüber völlig einheitlich auftritt. Reuter: Gut, das ist ganz etwas anderes. Aber genau das, Herr Vorsitzender, steht hier nicht. Vors. [Wagner]: Deswegen diskutieren wir hier. Die Diskussion hat doch den Zweck, die Sache herauszuarbeiten. Dr. Laforet: Sie wollen haben, daß nicht beim Vertragsabschluß der große Bruder und die kleinen Brüder beieinandersitzen und streiten. Sie wollen aber den kleinen Bruder dem großen Bruder gegenüber unter allen Umständen zu Wort kommen lassen. Da sagen Sie doch einfach: zu hören. Vors. [Wagner]: Dann ist die ganze Sache anders. Also würden wir anstatt „zu

beteiligen" sagen: „zu hören". Dr. Laforet: Also „bei den Verhandlungen, die dem Vertragsabschluß vorangehen, zu hören". Dr. Hoch: Er hat sie „vor dem Vertragsabschluß zu hören". Dr. Seebohm: Ich würde sagen: „vor den Verhandlungen". Dr. Hoch: Es kann doch auch während der Verhandlungen sein. (Zustimmung.) Vors. [Wagner]: Wenn Sie sagen: „vor den Verhandlungen", schränken Sie

doch das, was Sie sagen wollen, ein. Dr. Seebohm: Ich wollte sagen: „vor und während der Verhandlungen". Vors. [Wagner]: „Vor Vertragsabschluß" sagt alles. Das ist der Zeitpunkt der Verhandlungen. Man kann manchmal seine Grundsätze durch Übertreibung auch

verletzen.

Dr. Seebohm: Nein,

Vertragsabschluß", kann es so ausgelegt werden, daß die Verhandlungen völlig durchgeführt sind und daß nur ein bereits paraphierter Vertrag den beteiligten Ländern noch einmal vorgelegt wird. Wenn man sagt: „bei den Verhandlungen", dann heißt das: während der ganzen Zeit, in denen die Verhandlungen stattfinden. Das ist dasselbe, was Sie auch meinen. Aber wenn man sagt: „vor Vertragsabschluß" und diese Formulierung böswillig auslegt, kann es sein, daß man das Land erst in den allerletzten Minuten hört, wenn nichts mehr zu ändern ist, weil die Verhandlungen schon zu einem Resultat geführt haben. Dr. Fecht: Ich weiß nicht, ob von den Anwesenden schon jemand bei derartigen Verhandlungen im Ausland beteiligt war. Was hier eben gesagt worden ist, ist ganz 230

richtig.

wenn

Sie sagen: „vor

Die verschiedenen Ländervertreter verhandeln zunächst mit der

Fünfte

Sitzung

29.

September 1948

Nr. 5

Bundesregierung darüber, was sie für unbedingt notwendig halten. Ich habe selbst solche Verhandlungen mitgemacht59) und zwar vor allen Dingen in Italien, wo badische Interessen durch die Schmuckwarenindustrie beteiligt waren. Nun wird natürlich vorher in den Vorverhandlungen alles dargelegt, was vom Inter-

esse der Industrie aus zu sagen ist. Das schließt aber nicht aus, daß nachher während der Verhandlungen Meinungsverschiedenheiten darüber auftreten, wieweit man eventuell gegenüber der anderen Macht, mit der man verhandelt, nachgeben kann, und da ist es doch von allergrößtem Interesse, wenn bei besonders schwierigen Fällen eben ein Vertreter des betreffenden Landes, der die Industrie des betreffenden Landes genau kennt, zugegen ist. Wir haben damals in Rom niemals in Gegenwart der Italiener uns gestritten; aber wir waren dabei. Vors. [Wagner]: Entschuldigen Sie, Herr Minister, das ist eine Frage des gesunden Menschenverstandes, möchte ich sagen, und zugleich des Takts, daß der Bundesvertreter, der hinkommt und verhandelt, die Sachkenner des betreffenden Landes mitbringt. Wenn er über Schmuckwarenindustrie verhandelt, wird er die Pforzheimer Vertreter mitnehmen. Dr. Fecht: Aber wir haben niemals vor den Italienern etwa einen Streit mit der Reichsregierung ausgetragen. Man muß jedenfalls die Möglichkeit schaffen, daß die Landesregierung bei derartigen Verhandlungen, die wirklich vitale Interund das war hier der Fall, ich kann Ihnen sagen, essen eines Landes berühren daß damals bei den Verhandlungen in Rom Millionen für die Pforzheimer Industrie dadurch herausgekommen sind, daß wir dabei waren -, man muß die Möglichkeit schaffen, daß die Landesregierung ausreichend vertreten ist. Denn das ist nun einmal so; Derjenige, der nicht selbst im Lande an einer solchen Spezialindustrie beteiligt ist, kann das nicht so beurteilen. Also ich wäre doch dankbar, wenn die Formulierung lauten würde; „bei den Verhandlungen". Das andere ist eine Frage des Takts, und ich glaube, soviel Takt kann man bei der Reichsregierung und bei den Länderregierungen voraussetzen, daß sie etwas derartiges nicht machen. Vors. [Wagner]: Herr Dr. Fecht, wir sind die ganze Zeit mißtrauisch gegenüber dem Bund. Dr. Lafoiet: Gegen die Bürokratie. Vors [Wagner]: Man muß und darf aber auch mißtrauisch sein gegen die Bürokratie der Länder, daß sie sagen, ich habe jetzt das Recht, mich an den Verhandlungen zu beteiligen. Es kommt auch darauf an, was für Pflichten sie da haben. Dr. Hoch: Auch abweichend von der Meinung des Bundes. Vors. [Wagner]: Und es besteht die Gefahr, daß sie sich auf die Verfassung berufen und sagen: wir haben das Recht, bei den Verhandlungen gehört zu werden. Ich habe Bedenken gegen die Fassung: „bei den Verhandlungen". -

59)

Dr. Hermann Fecht

(20. Mai 1880-4. Febr. 1952), Baden, CDU, war von 1931-1933 Stimmführer Badens im Reichsrat und Leiter der Vertretung Badens beim Reich. 231

Nr. 5

Fünfte Sitzung 29. September 1948

Dr. Hoch: Eine Frage! Sind „Verhandlungen" nicht Gespräche zwischen dem ausländischen Staat und dem Bund? Das halte ich für gefährlich. Das kann man nicht als verfassungsmäßiges Recht für die Länder festlegen. Wenn wir sagen: „vor dem Vertragsabschluß zu hören", ist das doch, glaube ich, für den Juristen

ganz selbstverständlidi; aber „während der Verhandlungen zu hören" halte ich für falsch. Vors. fWagner]: Das kann böse Konsequenzen haben! Dr. Hoch: Ich bin mir ganz klar darüber: jeder Jurist würde sagen, es wäre ein ungesetzliches Verhalten, wenn man grundsätzlich die Verträge so weit abschließen würde, daß man sagt: die Verträge sind schon so weit, wir können jetzt nicht mehr zurück. Dr. Fecht: Es werden eben oft im letzten Augenblick Änderungen vorgenommen, und da muß mitgeredet werden können; sonst ist es zu spät, wenn man schon vor dem Vertragsabsdiluß steht. Vor. [Wagner]: Das ist schon richtig. Ich glaube, wir meinen das gleiche, drücken es aber nicht richtig aus. Was Sie meinen, ist dasselbe, was ich gesagt habe: es ist nicht angängig, daß der Vertreter eines Landes z. B. vor dem Vertragspartner von der Meinung des Bundesvertreters abweicht. Darüber sind wir einig.

(Zustimmung.]

Gut! Dann müssen wir eine -

die

Formulierung finden, die das trifft, und ich glaube, Formulierung „bei den Verhandlungen zu hören" trifft das nicht, weil sie

eine falsche

Auslegung bekommen (Widerspruch.]

-

kann.

Bitte, haben wir nicht den Eindrudc gehabt, das sei so? Fiat nicht der Herr

Kollege Reuter den Eindruck gehabt: das ist so? Und wenn er sdion diesen Eindruck hat, der die Sache nicht mißtrauisch betrachtet, was macht dann ein Ministerialbeamter irgendeines Landes unter Umständen für einen Gebrauch davon! Reuter: Er pocht auf sein Recht und sagt: wenn ihr da mit Kuba verhandelt, bin ich über die Verhandlungen zu unterrichten. Vors. [Wagner]: Das sind oft unerfahrene Leute. Da müssen wir sehr vorsichtig

sein. Dr. Hoch: „So ist das Land vor dem Vertragsabschluß so rechtzeitig zu hören, daß es seine besonderen Interessen geltend madren kann." Vors. [Wagner]: Gut! Das muß klar zum Ausdruck kommen, nicht im Verhältnis nach außen, sondern im internen Verhältnis. Ich bin sehr dankbar, Herr Dr. Fecht, daß Sie die Verhandlungen gefördert haben. Dr. Hoch: Dann würde die Fassung lauten: -

Schließt der Bund Verträge über

Gegenstände, die die besonderen Verhältberühren, so ist das Land vor dem Vertragsabschluß so hören, daß es seine besonderen Interessen geltend machen

nisse eines Landes

rechtzeitig

kann.

zu

Reuter: Darf ich rein redaktionell darauf aufmerksam machen: Wir wollen doch eine Verfassung haben, die kurz im Ausdruck ist. Müssen wir aus dem ununterbrochenen Mißtrauen heraus so lange Bandwurmsätze formen? Ist nicht wirk232

Fünfte Sitzung 29. September 1948 lieh die

Nr. 5

vor Vertragsabschluß zu hören" oder „hat das äußern" wirklich ausreichend? Vors. [Wagner]: Es wäre für vernünftige Menschen ausreichend. Reuter: Es liegt doch eine Praxis vor. Dr. Laforet: „So ist das Land rechtzeitig zu hören."

Formulierung „sind

Recht, sich

zu

(Zustimmung.)

Dr. Hoch: Also: Vor dem Abschluß eines Vertrags, der die besonderen Verhältnisse eines Landes berührt, hat der Bund das Land rechtzeitig zu hören.

(Zustimmung.)

Reuter: Und der zweite Satz fällt vollkommen weg. Dann ist die deutend kürzer geworden. Vors. [Wagner]: Gut! Darüber sind wir einig.

Fassung be-

(Erneute Zustimmung.) [5. GESETZMÄSSIGKEIT DER Wir kommen

VERWALTUNG

(ART. 29,

ZIFF. 2

CHE)]

Verwaltung. Da hat Herr Geheimrat Dr. Laforet liebensReferat übernommen. Berichterstatter Dr. Laforet: Meine Herren, ich muß leider zuerst vor der Inangriffnahme dieser Bestimmung des Art. 42 auf eine andere Frage näher eingehen. Es dreht sich darum, wer im Verhältnis zwischen Bund und Gliedstaaten die Verwaltung führt und die Bundesgesetze ausführt. Ich unterscheide streng zwischen Verwaltung und Ausführung der Bundesgesetze. Es ist nicht richtig, was hier auch leider in dem Flerrenchiemseer Entwurf zu Beginn der Vorschriften über die Gesetzgebung hineingekommen ist, daß nämlich in Satz 1 des Art. 101 steht: „Jede Ausübung der Staatsgewalt bedarf der Grundlage im Gesetz". Das ist nicht richtig. Das ist eine meiner Ansicht nach falsdte Begriffsbestimmung des Grundsatzes der Rechtmäßigkeit der Verwaltung. Die Verwaltung hat in der Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben gewiß den Rahmen der Reditsordnung. Sie bedarf aber nicht etwa zu jeder einzelnen Maßnahme eines geschriebenen Gesetzes. Ob eine Verwaltungsbehörde eine, wie ich sage, schöpferische Maßnahme ergreift, schöpferisch tätig wird, ob sie z. B. eine Kleinkinderschule gründet, ob der Landrat sich bemühen soll, daß in seinem Landkreis ein Eisenbahnunternehmen gegründet wird, ob der Bürgermeister eine Sammlung für einen besonderen Notstand vornimmt, ob die Polizeidirektion in der Abwehr der Gefahren etwa Plakate anschlägt, Belehrungen, Mahnungen erteilt, ob sie hier eine Schutzimpfung, die ihr nicht als Pflicht zukommt, durchführt, (Dr. Seebohm: Wo steht das im Entwurf?) Der Satz steht hier im Art. 101 Satz 1. Das ist falsch. Der Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung heißt: es darf kein Verwaltungsakt in Eigentum und Freiheit der Staatsbürger eingreifen, ohne daß dazu eine Reditsregel einschließlich des Gewohnheitsrechts gegeben ist. Nun ist das Merkwürdige, daß die Herren im Grundsatzausschuß das genau so empfunden haben, und sie haben in ihrem Grundsatzaussdruß für die Freiheit nun zur

würdigerweise das





233

Nr. 5

Fünfte Sitzung 29. September 1948

bereits die richtige Formulierung. Es heißt im Art. 2 nach dem Vorschlag des Redaktionsausschusses des Grundsatzausschusses: „In diese Freiheit darf die Verwaltung nur im Rahmen der Rechtsordnung eingreifen"60). „Im Rahmen der Rechtsordnung", jetzt ist es richtig. Sie darf eingreifen. Das muß aber auch für das Eigentum noch kommen. Denn die Verwaltung darf auch in das Eigentum nur eingreifen, wenn ihr eine Rechtsregel dazu die Grundlage gibt.

(Zustimmung.)

Das ist meiner Ansicht nach hier für die Freiheit schon richtig gesagt. Ich habe mir erlaubt, dem Herrn Vorsitzenden des Grundsatzausschusses meine persönliche Ansicht dahin auszusprechen, daß ich diesen gleichen Satz auch für das Eigentum erbitte. Das sind unsere Anforderungen, die wir als Verwaltungsrechtler über die Rechtmäßigkeit der Verwaltung stellen, daß die Verwaltung nicht in Eigentum und Freiheit einbrechen darf ohne eine ganz besondere Rechtsregel einschließlich des Gewohnheitsrechts. (Dr. Hoch: Warum „Eigentum"? „In die Rechte"!) Es kommt nur Freiheit und Eigentum in Frage. So ist unsere Regelung. So schreibt auch Jellinek61). So ist es auch in Bayern in der Verfassungsurkunde von 1818. Ich habe auch gar nichts dagegen, wenn Sie aus Vorsichtsgründen sagen: „in die Rechte". Dann werden Sie nämlich sehen, daß das das gleiche ist. Was kommt denn sonst noch in Frage? Vors. [Wagner]: Mindestens die Formulierung ist natürlich weitergehend. Dr. Laforet: Ich habe gar nichts dagegen. Dr. Hoch: Die Staatsgewalt als obrigkeitliche Funktion. Dr. Laforet: Die Staatsgewalt als obrigkeitliche Funktion, nicht als zivilrechtliche Tätigkeit. Ich habe noch nichts gefunden, wo nicht Freiheit oder Eigentum Eigentum im weitesten Sinn, so wie es im Enteignungsgesetz vom Reichsgericht ausgelegt worden ist berührt wäre. Das Entscheidende ist, daß an irgendeiner Stelle dieser Satz hinein muß. Nun entsteht und entstand heute früh schon die für mich wichtige Gelegenheit, zu der Frage Stellung zu nehmen: sollen wir den Rechtsstaat hier im Art. 29 aufbauen. Wenn Sie das Wort „Gesetzmäßigkeit" oder „Rechtmäßigkeit" der Verwaltung in Art. 29 Abs. 2 richtig auslegen, dann steht das darin; denn unter „Gesetzmäßigkeit" oder besser „Rechtmäßigkeit" der Verwaltung verstehen wir jetzt seit doch vielen Jahren vor der Nazizeit, daß die Hoheitsgewalt in die Rechte des Staatsbürgers nur eingreifen kann, wenn sie die Grundlage der Rechtsordnung hat, wenn sie von einer Rechtsregel gedeckt ist. Es braucht kein Gesetz zu sein. -

-

-

-

60)

Dabei handelte es sich um die Drudcs. Nr. 66 vom 22. Sept. 1948: „Unterlage für den Ausschuß für Grundsatzfragen.", der Vorschläge für die Artikel 1-3 enthielt

°1)

Walter Jellinek (12. Juli 1885-9. Juni 1955), Staatsrechtslehrer und Professor in Kiel (1911) und Heidelberg (1929-1939 sowie nach 1945). Gemeint ist vermutlich sein Handbuch des Verwaltungsrechts, 3. Auflage 1931; Neudruck 1966 mit Nach-

(Z 5/126, Bl. 155).

trägen. 234

Fünfte Sitzung 29. September 1948

Nr. 5

Ein Beispiel. Wir haben in Bayern meiner Ansicht nach noch keine oberstgerichtliche Anerkennung des Grundsatzes, den Sie im preußischen Verwaltungsrecht Generalklausel nennen. Alles das, was da notwendig ist, das haben Sie jetzt in Ihrem Polizeiverwaltungsgesetz. [Dr. v. Brentano: Der frühere § 10 II, 17!)62) Das ist der frühere § 10 II, 17. Diese Befugnis der Polizei wird in der Literatur fast eindeutig bei uns in Bayern vom Gewohnheitsrecht getragen. Da er vom -

Gewohnheitsrecht getragen ist, darf dann die Polizei das tun. Aber die besondere Zuspitzung ist die: es darf nicht ohne eine Rechtsgrundlage erfolgen. Das ist auch schon so ausgedrückt worden; mein verehrter Kollege Jellinek spricht vom belastenden Verwaltungsakt. Das ist genau das gleiche. Ich halte es nun für unerläßlich vom Standpunkt des Rechtsstaats aus, daß an irgendeiner Stelle dieser Grundsatz zum Ausdrude kommt und damit unser heute 1948 gegebener Verfassungsentwurf den Anforderungen unseres heutigen Verwaltungsrechts entspricht. Auf diesem Boden ist auch unser Verwaltungsgeriditsgesetz63) gebaut, das ja für die drei Länder der amerikanischen Zone als gleichlautendes Gesetz der Länder gilt, das in der britischen Zone jetzt audi eingeführt worden ist64) und bei dem andere Länder und Staaten in Erwägung ziehen, es einzuführen. Verlangt wird hier für den Eingriff, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, den belastenden Verwaltungsakt, eine Grundlage in der Rechtsregel. Für die Tätigkeit der Verwaltung, die nicht eingreift, ist nur erforderlich, daß die Verwaltungsbehörde zuständig ist. Eine Behörde der allgemeinen inneren Verwaltung, also Landrat, Oberbürgermeister, der die Aufgabe hat, den Gemeinschaftsaufgaben sich schlechthin zu widmen, darf alles einbeziehen, wofür nicht eine andere Behörde zuständig ist. Er darf sich nicht etwa einer Einzelfrage des Finanzrechts, des Abgabenrechts, widmen; da fehlt ihm die Zuständigkeit. Aber er darf alles tun, was unter seine Zuständigkeit fällt und was ihm nicht durch ein Gesetz verboten wäre. Es ist eben ein Unglück, daß man den Sitz der dritten Gewalt nadi Gesetzgebung und Verwaltung Vollzug nennt, während neben Gesetzgebung und Rechtsprechung die Regierung und Verwaltung die dritte Gewalt ist. Verwaltung ist nicht nur Ausführung der Gesetze, es ist die allgemeine Tätigkeit in der Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben. Das brauchen wir meiner Ansicht nach nicht ausdrücklich auszusprechen. Es ist in dieser Herrenchiemseer Verfassung ich komme nodi darauf in Art. 30 eine richtige Fassung Es ist dort gesagt: „sind die staatlichen Befugnisse und Aufgaben gewählt. Sache der Länder und der in ihnen bestehenden Selbstverwaltungen". Das ist -

-

-

-

62) „Der frühere 10 II, 17" wurde in Anm. 8 zitiert. 6S) Gesetz Nr. 39 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit 64)

vom

23.

Sept.

1946

(Bayer.

GVOB1. 1946, S. 281). Dies geschah durch die VO Nr. 165 (VOB1. brit. Zone, S. 263), die mit Wirkung vom 15. Sept. 1948 an die Stelle der nur eine Übergangsregelung darstellenden VO Nr. 141 (ebenda, S. 111) trat. Vgl. den Aufsatz von Dr. Ule: Verwaltungsgerichtsbarkeit und Justiz, in: Zentral-Justizblatt für die Britische Zone 1949, S. 61-66. 23S

Nr. 5

Fünfte

Sitzung

29.

September 1948

nicht gerade vollkommen, aber eine genügende Bezeichnung der Verwaltung, bei der die einzige Grenze die ist, daß die jeweilige Behörde zu dem Verwaltungsakt zuständig sein muß. Eine Verkehrsbehörde kann nicht eine Aufgabe der inneren Verwaltung erfüllen. Es kann aber auch keine Behörde der inneren Verwaltung eine Aufgabe der Finanzverwaltung erfüllen. Zuständig muß sie

sein. Die erste

Frage ist die. Muß das über den Text des Art. 30 hinaus noch besonders gesagt werden? Ich habe den Verfasser dieses Entwurfs so verstanden, daß er im Anschluß an den Begriff der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung den Abs. 2 des Art. 29 hier und bei Wiederholung der Worte „Gesetzgebung und Verwaltung" in Art. 30 Satz 2 versucht hat auszusprechen, was Verwaltung ist. Diese Verwaltung kommt, wenn nicht darüber haben wir uns noch in der diese Verwaltungstätigkeit ausdrücklich dem nächsten Zeit zu unterhalten Bunde zugewiesen ist, den Ländern zu, nach Maßgabe ihrer Organisations-

-

bestimmungen. Erst dann möchte ich mich dem Teil dieser Tätigkeit zuwenden, der die eigentliche Ausführung der Gesetze betrifft. Also, um kurz zusammenzufassen, der Begriff der Verwaltung ist mehr als Ausführung der Bundesgesetze. Zur Ver-

waltung gehört die schöpferische Tätigkeit. (Zurufe: Sehr gut! Ausgezeichnet!) Ich habe den Begriff immer so geprägt: schöpferische Tätigkeit. Sie muß rechtmäßig sein. Sie ist es dann, wenn sie auf dem Boden der Rechtsordnung ich komme noch mit der Bitte, das sich bewegt, wenn sie die Grundsätze Wort „Gesetzmäßigkeit" in Art. 29 in „Rechtmäßigkeit" zu ändern (Zustimmung) wenn sie die Grundsätze der Rechtmäßigkeit der Verwaltung befolgt. (Vors. [Wagner]: Gewohnheitsrecht!) -

-

-

-

-Auch das Gewohnheitsrecht! Dr. Hoch: In der Sache bin ich einverstanden. Ich glaube nur, man legt in den Ausdruck etwas anderes. „Gesetzmäßigkeit" ist eben die Tatsache, daß auf Grund einer rechtlichen Grundlage etwas gemacht wird. Es ist ein Gesetz da. Es ist etwas geschehen. Ob es nun aber wirklich dem Gesetz entspricht, das ist die Frage der Rechtmäßigkeit. Ich verstehe den Begriff so. Mir ist zweifelhaft, ob das mit dem Wort gedeckt ist. Dr. Laforet: Dann müssen Sie damit einverstanden sein, daß wir das Wort „Gesetzmäßigkeit der Verwaltung" so auffassen, daß „Gesetz" hier im Sinne der Rechtsregel gemeint ist, die auch die Normen des Gewohnheitsrechts, die Rechtsregeln des Gewohnheitsrechts mitumfaßt. Dr. Hoch: Verwaltung kann als hoheitsmäßige Funktion nur tätig werden, wenn irgendeine Rechtsgrundlage vorhanden ist. Vors. [Wagner]: Das schränkt ein. Dr. Laforet: Jetzt bin ich nicht einverstanden. Es muß nicht für jeden Akt, den sie vornimmt, ein Gesetz vorhanden zu sein. Dr. Hoch: Auf dem Gebiet der schöpferischen Verwaltung natürlich nicht, aber auf dem Gebiet der hoheitlichen Verwaltung. 236

Fünfte Sitzung 29.

September 1948

Nr. 5

Der hoheitlichen Verwaltung; sie darf nur nicht in Eigentum oder Freiheit oder in die Rechte des Staatsbürgers eingreifen, wenn ihr nicht eine Rechtsregel jetzt brauche ich das Wort „Rechtsregel" dazu die Grundlage gibt. Dagegen für ihre Gemeinschaftserfüllung, ihr schöpferisches Handeln ist nicht nötig, wie es im österreichischen Recht steht, daß sie für jeden Akt ein Gesetz braucht. Das ist in das österreichische Recht durch Kelsen05] hineingekommen. Das gilt auch für das Gemeinderecht. Dort wirkt es sich besonders aus, ob für jeden Akt des verfassungsmäßigen Organs des Selbstverwaltungskörpers ein Gesetz notwendig ist. Andernfalls kommen Sie zu dem tollen Ergebnis, daß für jeden schöpferischen Akt einer Gemeindeverwaltung eine lex erforderlich wäre. Das ist ganz unmöglich. Reuter: Das würde vollkommen unserer deutschen Praxis in unserem ungeschriebenen Gesetz widersprechen. Dr. Laforet: Und die Folgerung muß dann gezogen werden. Die Österreicher haben einmal dieses unglückliche Recht bekommen und bemühen sich, es jetzt wieder unschädlich zu machen. Die Frage ist, ob wir in diesem Kompetenzausschuß zu dieser Frage Stellung nehmen. Eins muß ich erbitten: daß der Satz 1 bei Beginn der Gesetzgebung im Art. 101: „Jede Ausübung der Staatsgewalt bedarf der Grundlage im Gesetz." herauskommt. Die Vorstellung ist ja ganz richtig. Hier hat wieder ein anderer als der Redakteur des Art. 29 gearbeitet. Dem Redakteur des Art. 29 sind die Dr.

Lafoiet:

-

-

verwaltungsrechtlichen Begriffe klar.

Zweitens. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie Gesetzmäßigkeit der Verwaltung im Art. 29 stehen lassen. Dann würde ich aber bitten, daß zu Protokoll genommen wird, daß „Gesetzmäßigkeit" hier die Bindung an die Rechtsregel heißt, nicht nur an das Gesetz im formellen Sinn. Drittens: eine Inanspruchnahme des Grundsatzausschusses: wenn er schon diesen Gedanken hier in seinen allerersten Bestimmungen Rechnung tragen will und den meiner Ansicht nach richtigen Satz aufnimmt: „In diese Freiheit darf die Verwaltung nur im Rahmen der Rechtsordnung eingreifen", dann muß dieser Satz auch zu dem zweiten großen Gebiet gelten, daß auch in das Eigentum im weitesten Sinne die Verwaltung nur im Rahmen der Rechtsordnung eingreifen darf. Das wäre dann zu erbitten, daß unser Herr Vorsitzender dies mit dem Herrn Kollegen Mangold05*] vereinbart, daß das mit Veranlassung wird, daß dieser völlig unnötige Satz in Art. 101 verschwindet. Dr. v. Brentano: Wenn ich zu dem letzten, was der Herr Kollege Hoch gesagt hat, noch eine Frage aufwerfen darf. Ist es nicht zu eng, wenn wir lediglich auf die Freiheit und das Eigentum abstellen? Es könnte als argumentum e contrario geschlossen werden, daß das die beiden einzigen Gesichtspunkte sind, während es, wenn man zivilistisch denkt, ja Rechte gibt, die jenseits von Freiheit oder Eigentum stehen, z. B. den Besitz. (Dr. Laforet: Das ist wieder Eigentum!)

65) 65a)

Hans Kelsen (11. Okt. 1881-19. April 1973), österreichisch-amerikanischer Jurist. Dr. Hermann v. Mangoldt (18. Nov. 1895-24. Febr. 1953), Schleswig-Holstein,

CDU,

war

Vorsitzender des Ausschusses für

Grundsatzfragen.

237

Nr. 5

Fünfte

Sitzung

29.

September 1948

Wenn man zivilistisch denkt, ist es nicht Eigentum. Ich weiß, wie Sie es meiSie haben den Eigentumsbegriff im Sinn, wie ihn das Reichsgericht im Enteignungssinn ausgelegt hat. Aber das ist eventuell später eine Frage der Kommentierung des Art. 2 oder 3 der Bonner Verfassung. Wenn wir aber ausdrücklich sagen: „Freiheit und Eigentum", dann kann derjenige, der zivilistisch

-

nen.

denkt, die Verfassung so auslegen. Dr. Laforet: Dann sagen Sie „Rechte", dann haben wir nichts dagegen. Vors. [Wagner]: Gut, dann decken wir das alles. Dr. Lafoiet: Das muß gesagt werden, daß „Rechte" alle Rechtsansprüche deckt.

(Zustimmung,)

Aber bitte, nicht etwa in dem Sinn, daß nur die öffentlich-rechtlichen Rechtsansprüche gemeint wären. Um Gottes willen! Rechtsanspruch ist ein Begriff, der sowohl das bürgerliche wie das öffentliche Recht umfaßt. Vors. [Wagner]: Nicht „Rechtsansprüche", sondern „Rechte" muß gesagt werden. Dr. u. Brentano: Das hat der Grundsatzausschuß zu formulieren. Dr. Lafoiet: Es ist auch richtig, wenn gesagt wird „im Rahmen der Rechtsord-

nung". (Zustimmung.)

Ich habe auch nichts dagegen. Wir müssen uns dann nur darüber klar sein, daß die Rechtsordnung durch schriftliche Gesetze erlassen wird und auf dem Weg des Gewohnheitsrechts. Wir müssen nur vorsichtig sein. Es kommt jetzt auch noch die völkerrechtliche Wurzel dazu.

(Zurufe.)

Das ist abgeleitet. Es ist selbstverständlich. Es genügt jede Polizeivorschrift, die ja materielle Rechtsverordnung ist. Es genügt die Satzung einer Gemeinde, die materiell nichts anderes ist als Rechtsverordnung. Sie ist eine lex. Sie ist eine Rechtsregel. Die Schwierigkeit entsteht nur durch das Gewohnheitsrecht und im Völkerrecht, weil die anerkannten Sätze des Völkerrechts bei uns die Rechtseigenschaft einer lex haben, und zwar (jetzt) nach der jetzt anerkannten Meinung nicht nur mit der Wirkung, daß sie unseren Staat binden, sondern daß sie dem einzelnen einen unmittelbar wirkenden Anspruch oder eine unmittelbar wirkende Pflicht zuweisen. Aber das ist nichts anderes als Kommentierung: Ich würde nur erbitten ich will es über Sonntag machen -, für eine Festlegung im Protokoll ein paar Sätze geben zu können, die vorher von unserem Ausschuß gebilligt sein müssen88). Vors. [Wagner]: Gut! -

66)

238

Besondere Ausführungen von Laforet für das Kurzprotokoll ließen sich nicht ermitteln. Der Satz über die Polizei und ihre Überwachung durch demokratisch gewählte Organe wurde im Kurzprot. unterstrichen. Vgl. Kurzprot. der 5. und 6. Sitzung in: Z 12/41. Nicht ganz auszuschließen ist, daß der im Kurzprot. formulierte Beschluß damit gemeint ist, der lautete: „Der Ausschuß ist einmütig der Auffassung, daß a. Art. 101 ChE abgeändert werden müsse, b. daß zu Art. 29 Abs. 2 „Gesetzmäßigkeit der Verwaltung protokollarisch festgelegt werden solle, daß mit diesem Terminus nicht die Bindung an ein Gesetz im formalen Sinne sondern an eine Rechtsregel allgemein (einschließlich gewohnheitsrechtlicher Übungen) gemeint sei."

Fünfte Sitzung 29.

September 1948

Nr. 5

Dr. Hoch: Ich bin mit Herrn Geheimrat Laforet sehr weitgehend einer Meinung. Beim Art. 101 halte ich die Auslegung nicht für ganz zutreffend, Herr Geheimrat, denn hier steht: „Ausübung der Staatsgewalt". Ausübung der Staatsgewalt würde ich immer als Ausfluß der obrigkeitlichen Funktion aufgefaßt haben,

(Dr. Laforet: Als Hoheitsakt!) nicht etwa Staat mehr oder weniger als Privatrecht. Dr. Laforet: Im Privatrecht untersteht er dem bürgerlichen Recht. Das sind Hoheitsakte. Dr. Hoch: Nur auf dem Gebiet ist hier die Grundlage eines Gesetzes vorgeschrieben. Ich gebe Ihnen aber insofern recht, als sich hier gerade aus dem Zusammenhang ergibt und das halte ich für einen besonderen oder, wenn Sie wollen, den zweiten Fehler in dieser Fassung hier -, das ergibt sich mit aller Deutlichkeit, daß es sich hier nur um ein formelles Gesetz handelt. Das ergibt sich auch aus dem letzten Satz: „Auch der Bundeshaushalt wird durch Gesetz festgestellt". Das ist doppelt falsch. Dr. Laforet: Ich komme noch aus einem anderen Anlaß darauf. Da steht: „nur durch Gesetz begründet". Das könnte man auslegen: formelles Gesetz, namentlich weil dahinter steht „durch Gesetz festgestellt", und da haben wir die typische Form im Haushaltsgesetz, das niemals eine materielle Bestimmung ist. Also Abs. 1 muß unter allen Umständen umredigiert werden. Dr. Hoch: Der gehört auch in einen gewissen allgemeinen Teil hinein. Dr. Laforet: Mich berührt aber bei der Frage der Verwaltung nur der erste Satz. Wenn ich das noch sagen darf, alle diese Akte der schöpferischen Verwaltung, die ein Bürgermeister hier vornimmt, wenn er plant, wenn er hilft, macht er nur als Träger der öffentlichen Gewalt in Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben. Dr. Hoch: Das ist kein ziviler Akt. Ich möchte nicht, daß wir uns zu weit in die theoretischen Dinge hier vertiefen. Ich weiß nicht, ob man das in dem Gebiet, in dem idi groß geworden bin, im preußischen Verwaltungsrecht, ohne weiteres dem gleidisetzen würde. Wir haben bei uns einen gewissen Unterschied ich nehme an, in Bayern wird es nicht viel anders sein zwischen Staatsverwaltung und Kommunalverwaltung, und zwar insoweit, als wir bei Staatsverwaltung der Verwaltung doch nur diejenigen Aufgaben geben, die mehr oder weniger durch Gesetz ihr zugewiesen sind, -

-

-

(Widerspruch) bei uns andererseits sagt, die Universalität, die Totalität der Aufnicht beim Staat, sondern liegt bei uns in Preußen bei den Gemeingabe liegt so ungefähr heißt es in den Wirden. Die Gemeinde kann jede Aufgabe ein Gesetz einer ihrer die nicht durch anderen kungsbereich Tätigkeit ziehen, Stelle überwiesen ist, während die staatlichen Verwaltungsstellen nur diejenigen Aufgaben wahrnehmen können, die ihnen aufgrund eines Gesetzes zustehen, sowohl innerhalb der Gesamtnation als auch im Einzelfall.

während

man

-

-

(Widerspruch.) ungefähr, glaube ich, auch die Situation. Auf dem Gebiet der inneren Verwaltung kann ich auch nicht alle Gebiete regeln und in Anspruch nehmen, auch nicht als sogenannten schöpferischen Verwaltungsakt. So ist

239

Nr. 5

Fünfte Sitzung 29.

(Dr. Laforet:

Wenn Sie

September 1948

zuständig sind?)

nicht zuständig. Bei uns ist nicht der Staat zuständig zu allen Maßnahmen, auch nicht auf dem Gebiet der schöpferischen Verwaltung, sondern das muß erst mehr oder weniger in irgendeiner Form gesetzlich geregelt werden. Bei

uns

ist

man

-

(Widerspruch.)

Für alle anderen Maßnahmen ist grundsätzlich bei uns die Gemeinde, die Selbstverwaltung zuständig. Ich glaube, es ist überhaupt so eine Frage, die bei

dem Gesamtrahmen unserer Verfassung, unseres Grundgesetzes hier auch nicht übersehen werden sollte, ob man nicht das Recht der kommunalen Selbstverwaltung an irgendeiner Stelle festlegen muß, also das, was wir in der Reichsverfassung gemacht haben und was in unserer Verfassung auch hineinkommen müßte. Da müßte der Gedanke, der offenbar im bayerischen Verwaltungsredit etwas anders ist, schon wieder ausgeschaltet werden. Bei uns liegt das Schwergewicht der schöpferischen Verwaltung restlos bei der Gemeinde. Dr. Laforet: Und der Landrat? Dr. Hoch: Der Landrat ist bei uns eine Doppelperson. Dr. Laforet: Ich meine den staatlichen Aufgabenkreis. Dr. Hodi: Da kann er nicht alles mögliche madien. Dr. Laforet: Kann er nicht helfen? Dr. Hoch: Was heißt „helfen", Herr Geheimrat? Helfen ist kein Rechtsbegriff. Dr. Laforet: Sie können den Begriff der schöpferischen Verwaltung nur erfüllen, Herr Kollege, wenn Sie sagen, er erfüllt Gemeinschaftsaufgaben, und da ist der Landrat als Behörde der inneren Verwaltung derjenige, der die Gemeinsdiaftsaufgaben erfüllt. Dr. Hoch: Bei uns nicht. Bei uns ist es der örtliche Bürgermeister, der Kreisverband, der Kreis, und der Landrat ist nur der Vorsitzende dieser Sache. Das ist der Träger dieser helfenden schöpferischen Tätigkeit. Dr. Laforet: Nein, der Landkreis. Dr. Hoch: In Bayern ist die Entwiddung erst am Anfang. Insofern bin ich vollkommen mit Ihnen der Auffassung: Art. 101 muß wesentlich geändert werden. Es fragt sich nur, ob man sich mit Art. 29 Abs. 2 begnügen soll der gesamte Artikel schreibt ja lediglich die Grundsätze für die Länderverfassungen vor -, ob man nicht an einer anderen Stelle eine Vorschrift aufnehmen sollte, die den Grundsatz festlegt, daß die Verwaltung, sofern sie nicht schöpferische Verwaltung, soweit sie obrigkeitliche Verwaltung ist, also in Rechte des Bürgers eingreift, nur tätig werden kann, wenn ein Gesetz sie dazu ermäditigt. Dr. Laforet: Im Rahmen der Rechtsordnung! Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung genügt Ihnen nicht? Dr. Hoch: Der Gedanke doch! Ob das aber gerade die riditige Stelle ist? Das gilt dodi natürlidi erst recht für den Bund. Ich würde das als allgemeinen Grundsatz hineinbringen. Dr. Laforet: Das gilt nur für die Länder. Dr. Hoch: Der Grundsatz muß doch für den Bund genauso gelten. Dr. Laforet: Das muß bei den Grundrechten vorn festgesetzt werden. -

240

Fünfte Sitzung 29. September 1948

Nr. 5

Dr. Hoch: Wir müßten eine Art Grundrecht haben, das diesen Grundsatz festDann würde der Ausdruck „gesetzmäßige Verwaltung" mehr oder weniger eine Verweisung auf den vorher festgelegten Grundsatz sein. Dr. Laforet: So habe ich es mir gedacht. Dr. Hoch: Sehr schön! Also sind wir auch wieder einig. Das ist also nur eine

legt.

Vorfrage. Dr. Laforet:

-

Das ist die erste Frage. Jetzt wird es sich darum handeln, ob wir mit dem Grundsatzausschuß in Verbindung treten. Vors. [Wagner]: daß die entsprechenden Bestimmungen für den Bund getroffen werden. Dr. Laforet: und daß wir eine Auslegung des Wortes „Gesetzmäßigkeit" der Verwaltung im Sinne des Bundesrechts als Pflicht für die Länder machen. Dr. Hoch: An sich geht uns das nichts an. Dr. Laforet: Den Art. 29 habe ich audi schon als zu uns gehörig betrachtet. Es sind die Minimalforderungen, die an die Länder gestellt werden; diese Prüfung -

-

kommt Vors.

uns zu.

[Wagner]:

Das ist eine

haben. Ich würde Dr.

Laforet:

Verpflichtung, die die Länder dem glauben, daß das zu uns gehört.

Bund

gegenüber

Man kann natürlich verschiedener Ansicht sein. Ich habe die Kom-

petenzausscheidung hier als einen allgemeinen Gesichtspunkt betrachtet, der uns aber nicht der Aufgabe enthebt, diese ganze Frage anzusehen. Wir wollen ja auch nodi die Frage des Art. 18 der Weimarer Verfassung betrachten, die Neugliederung. Vors. [Wagner]: Die gehört auch zu uns.

Laforet: Ich habe den Eindrude, daß nicht nur das, sondern auch die Gestaltung in unseren Ausschuß gehört. Vors. [Wagner]: Das meine ich auch. Dr. Laforet: Das ist die erste Frage. Ich werde über Sonntag für die nächste Wodie Ihnen noch eine ganz kurze Aufzeichnung anfertigen, um diese im ProDr.

tokoll oder sonstwie

festzulegen67).

[6. VERWALTUNG UND AUSFÜHRUNG

(ART. 30, 42,

DER BUNDESGESETZE 112-114 CHE UND S. 49 DES DARSTELLENDEN TEILS DES

CHE)]

Jetzt kommt weiter und hier muß ich anerkennen, daß der Verfasser des Entdas Kapitel „Die Ausführung der wurfs eine klare Linie herausgeholt hat Seite von der Verwaltung und der AusSehe ich einmal Bundesgesetze", 4968). der für so sind die führung Bundesgesetze ab, Durchführung des Gemeinsdiaftslebens, die sidr in der Gesetzgebung in Normen verdichtet, in einem Bundesstaat oder Staatenstaat vier Möglichkeiten gegeben. Es kann eine eigene Angelegenheit des Landes sein das ist die Ziffer 1, Seite 49 -, dann ist allein -

-

-

67) Vgl. Anm. 66. 68) Abdruck in: Der

Pari. Rat Bd. 2, S. 605. 241

Nr. 5

Fünfte Sitzung 29.

September 1948

zuständig, und es gibt keinerlei Einwirkung des Bundes auf diese Verwaltungstätigkeit; es gibt eine Einwirkung des Bundes nicht auf die Orgadas Land

nisation. Es heißt mit Redit: Die Länder regeln die Organisation der Behörden und das allgemeine Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsverfahren. Die Regelung des Verwaltungsverfahrens schließt auch die Regelung der Zuständigkeit in sich. Was hier in Frage steht, ist reine Landesverwaltung; und alles und das bitte ich jetzt zu prüfen -, alles, was nicht dem Bunde an Verwaltung gegeben ist, kommt dem Lande zu, also mit anderen Worten: die Länder haben verfassungsmäßig das Recht auf ihre eigene Verwaltung. Dr. Hoch: Es handelt sich zunächst nicht um die Frage der Ausführung von -

Bundesgesetzen? Vors. fWagner]: Dr. Laforet: Die

Nein, die landeseigene Verwaltung.

Ausführung der Bundesgesetze muß getrennt werden. kommt die zweite Gruppe. Es ist möglich, daß Aufgaben durch die Länder Jetzt als vom Bund übertragene Angelegenheiten erfüllt werden. Das ist das Gegenstück zum übertragenen Wirkungskreis im Kommunalrecht. Dann ist ein Weisungsrecht des Bundes, der Bundesregierung, an die Landesverwaltung gegeben. Das ist Seite 49, Ziffer lb. Hier, um es kurz zu geben, ist auf Seite 50 unter Ziffer 4 erklärt: Diese Verwaltungsform ist im Entwurf des Grundgesetzes nur für die Fälle besonderen Bedürfnisses vorgesehen, insbesondere für die Verwaltung der vormaligen Reichswasserstraßen und unter Umständen für die Verwaltung der dem Bund zufließenden Abgaben. Die Schaffung einer neuen Landesverwaltung nach Weisung bedarf der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit des Bundesrats. Dritte Gruppe: Bundesbehörden, die eine Verwaltungstätigkeit entfalten; bundeseigene Verwaltung. Hier kommt allein dem Bund eine Befugnis zu. Sie soll nur aus zwingenden Gründen zur Anwendung kommen. Eine solche bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau ist nur vorgesehen für die Verwaltung auswärtiger Angelegenheiten, die Eisenbahn und die Post. Das soll noch eigens in dem nächsten Satz verdichtet werden, und deshalb das Verzeichnis nach der Fassung b. Dazu kommt noch ein Viertes, was zunächst überrascht, was aber, wenn man unser Sozialversicherungsredit in Betradit zieht, zeigt, daß der Herr Verfasser die Dinge richtig durchdacht hat: die Erfüllung von Gemeinsdiaftsaufgaben, insbesondere den Vollzug der Bundesgesetze, deren Ausführung durch einen Selbstverwaltungskörper des öffentlidien Rechts als Verwaltungsträger erfolgt. Das kann nach Meinung des Herrn Verfassers der Begründung deshalb unerläßlich sein, weil Träger der Sozialversicherung hier in Frage kommen, für die diese Form der Verwaltung und Ausführung der Bundesgesetze durch Selbstverwaltungskörper unter Aufsicht des Bundes einheitlich für den ganzen Bund geschieht. Das trifft zu für die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte, dann, wollen wir annehmen idi weiß es ja nicht, wie es wird, aber ich hoffe, daß die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenes wieder so wird

-

-

-

242

Fünfte Sitzung 29. September 1948

Versicherung, wie sicherung auf den

Nr. 5

sie sich

nennen mögen. Ich nehme an, daß unsere Sozialverbewährten Grundlagen bleibt, und ich würde hoffen, daß wir nicht etwa Zweifel haben müssen, ob diese doch bewährte Form und der bewährte Träger der Sozialversicherung, die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte, erhalten bleibt, und zwar als Selbstverwaltungskörper, nicht etwa, wie es in der Nazizeit gestaltet ist, daß diese Versicherungsträger gar nichts anderes sind als Vollzugsstellen der Weisungen einer Staatsbehörde. Meine Herren, ich nehme es niemand übel, wenn er eine andere Meinung hat. Ich bin der Anschauung als Sozialrechtler, von dem einmal das erste Ausführungsgesetz zur RVO in Bayern stammt69), daß in der Sozialversicherung die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte der Träger der Rentenversicherung für die Angestellten ist. (Vors. [Wagner]: Da sind wir uns alle einig!) Die Nazis waren es natürlich absolut nicht. Aber es gab auch einzelne Leute, auf die sie sich stützen konnten. Ich halte die abweichende Anschauung für verfehlt. Wir waren stolz auf dieses Gebäude, das auf deutschem Boden zum erstenmal eine große Frage als Gemeinschaftsarbeit der Arbeiter und Unternehmer und des Staats gelöst hat, und zwar auf der Grundlage der Selbstverwaltung, also der Entscheidung des verfassungsmäßigen Organs dieses Versicherungsträgers in lebenswichtigen Dingen, bei denen eine staatliche Behörde in die Zweckmäßigkeitsfragen nicht hineinreden kann, außer wenn bestimmte Verwaltungsakte an eine Genehmigung einer staatlichen Behörde gebunden sind. Wenn man das durchdenkt, dann kommt man dazu, die bundesunmittelbare Selbstverwaltung zu bejahen. Sie muß auf die Fälle beschränkt werden, die hier in Frage stehen, nur auf ihren ganz besonderen Zweck, und diesem Zweck ist die Bestimmung gewidmet. Es paßt mir nicht, daß hier in den Art. 112 ff. im Anschluß an Weimar nur immer von Ausführung der Bundesgesetze gesprochen wird. Ich behalte mir, wenn wir uns einmal hier ausgesprochen haben, vor, vielleicht noch kleine redaktionelle Änderungen aus grundsätzlichen Erwägungen Ihnen zu unterbreiten. -

Der Art. 112 sagt: Soweit die Ausführung der Bundesgesetze Sache einer bundeseigenen Verwaltung oder einer bundesunmittelbaren Selbstverwaltung ist, erlassen die

Bundesregierung und nach Maßgabe ihrer Geschäftsordnung die einzelnen Bundesminister die notwendigen Durchführungsverordnungen und Einzelanweisungen.

Zweite Gruppe, Art. 113: Soweit die Ausführung der

Bundesgesetze durch die Länder nach Weisung des Bundes erfolgt, bedürfen die Durchführungsverordnungen der Bundesregierung der Zustimmung des Bundesrats (Senats). Die Organisation der Behörden bleibt im Rahmen der einschlägigen Bundesgesetze Sache der

69) Bayerisches Ausführungsgesetz vom

14. März 1930

GVOB1., S. 196).

zur

Reichsverordnung

(Bayer. GVOB1. S. 38); Fassung

über die

vom

1.

Fürsorgepflicht April 1935 (Bayer. 243

Nr. 5

Fünfte Sitzung 29.

September 1948

Länder. Die Landesbehörden unterstehen den Anweisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden. Art. 114: Soweit die Ausführung der Bundesgesetze eigene Sache der Länder ist, gilt für Durchführungsverordnungen Art. 113 Satz 1 entsprechend. Und nun kommen Einschränkungen. Art. 116 Abs. 1: In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt der auswärtige Dienst, die Bundeseisenbahnen und die Bundespost. Als bundesunmittelbare Selbstverwaltungskörper sind nur zulässig: soziale Versicherungsträger, in deren Bereich der Gefahrenausgleich nur bei einheitlicher Zusammenfassung für das ganze Bundesgebiet gewährleistet ist. Die Begriffsbestimmung paßt mir; die ist richtig. Dann kommt noch im Abs. 4 die Bemerkung: Außerdem besteht eine Bundeswährungsbank. Die ist ganz getrennt. Und in Abs. S heißt es nur: Art. 105 bleibt unberührt. Dieser Art. 105 heißt: Ein Gesetz bedarf im Bundesrat der Zustimmung von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl, wenn dadurch eine Bundesoberbehörde oder eine neue bundesunmittelbare Selbstverwaltung geschaffen wird oder ein neues Weisungsrecht des Bundes gegenüber Landesbehörden eingeführt wird. Das Dritte kommt hier nicht in Betracht. Ein Gesetz, durch das ein bundeseigener Behördenunterbau neu geschaffen wird, bedarf der einstimmigen Annahme im Bundesrat. Meine Flerren, ich wollte zuerst, da wir ja, wie der Herr Vorsitzende Kollege Strauß70) gesagt hat, zunächst nicht redigieren, sondern bei einem solchen Abschnitt zunächst einmal allgemein riditen, Ihnen ein allgemeines Bild der Zusammenhänge klar vor Augen führen, und ich würde nun bitten, daß das zunächst allgemein Gegenstand unserer Erörterung ist. Dann bleibt uns allerdings nichts anderes übrig, wenn wir die grundsätzliche Verteilung für richtig halten, als die vier Möglichkeiten ins Auge zu fassen und zu jeder einzelnen Möglichkeit Stellung zu nehmen. Dr. Hoch: Meine Herren, ich habe im allgemeinen keinerlei abweichende Meinung vorzutragen. Der Herr Kollege Laforet hat getrennt zwischen der eigentlichen Verwaltung der Länder das ist die eine Frage und der anderen Frage: Ausführung der Bundesgesetze. Die Grundlage für die vollkommene Selbständigkeit, die auch ich für selbstverständlich halte, der Länderverwaltung ergibt sich wohl aus Art. 30. Ich weiß nicht, ob ich ihn bei ihren Ausführungen im -

-

70)

Strauß

war

schusses;

er

nicht Vorsitzender sondern stellvertretender Vorsitzender des Aushatte die vierte Sitzung des Ausschusses in Abwesenheit des Vor-

sitzenden Wagner 244

-

geleitet.

Fünfte Sitzung 29. ersten

September 1948

Nr. 5

Teil vielleicht falsch verstanden habe. Ich fasse ihn weiter. Er ist der

Grundsatz, der im Unterabschnitt „Bund und Länder" die Zuweisung

unserer

Staatsgewalt festlegt, also nicht nur für die Verwaltung, auch für die Selbstverwaltung, auch für die Rechtsprechung, für alles, auch für alle Funktionen der Staatsgewalt: Soweit nicht dieses Grundgesetz die Zuweisung an den Bund anordnet oder zuläßt, sind die staatlichen Befugnisse und Aufgaben aller Art Sache der Länder und der in ihnen bestehenden Selbstverwaltungen. Dies gilt insbesondere kommt ausdrücklich hinterher für die Gesetzgebung, die Verwaltung, die Rechtspflege usw. Also es ist ein Stück aus dem Art. 30, wenn Herr Dr. Laforet hier betont hat: soweit nicht dieses Grundgesetz etwas Besonderes sagt, sind eben die Länder in ihrer eige-

-

nen

Dr.

-

-

Verwaltung völlig selbständig. Art. 30 ist maßgebend.

Laforet:

Auch in der

Ausführung ihrer eigenen

Ge-

setze.

Dr. Hoch: Das ist ganz selbstverständlich. Der zweite Fragenkomplex ist im Art. 42 geregelt. Dazu kommen noch die Artikel 112 bis 114, die Artikel 116 bis 118 und Art. 105, der eine Ergänzung dazu ist; und für die Kostenfrage wäre noch der Art. 121 Abs. 1 von Bedeutung: die Kosten der Bundesverwaltung einschließlich der Kosten für eine Verwaltung, die die Länder nach den Weisungen des Bundes führen; das ist sehr interessant als eine Sache, die der Bund zu tragen hätte. Ich glaube, diese Vorschrift würde noch mit in den Kreis der Erörterung zu ziehen sein. Was ich nun noch behandeln möchte, sind also lediglich die Artikel, wie die Bundesgesetze ausgeführt werden, und da gibt es die vier Arten, die vorn in der Einleitung sehr schön zusammengestellt sind und von denen ich glaube, daß man gegen die Prinzipien, die da festgelegt sind, keine Bedenken zu erheben hat. Ich bin im Gegenteil der Meinung, das ist einer der Teile, der ausgezeichnet und sehr gut dargestellt ist. Ich kann eigentlich in jeder Hinsicht nur dem beitreten, was hier vorn ausgeführt worden ist und was auch Herr Geheimrat Laforet gesagt hat. Dr. Laforet: Ich darf bitten, nun zunächst den Art. 30 zu nehmen. Vors. [Wagner]: Über Art. 30 haben wir ja schon in anderem Zusammenhang -

-

gesprochen. Dr. Laforet:

Nicht in anderem Bei Art. 30 keine Erinnerung.

Zusammenhang;

das ist die erste

Einführung. •-

(Zustimmung.)

Dann käme Art. 42. Ich habe mir auch überlegt, ob man Art. 42 nicht an eine andere Stelle setzt. Vors. [WagnerJ: Es wird schwierig sein. Dr. Laforet: Es ist so ein allgemeiner Satz, der mit Art. 114 ff. in Zusammen-

hang

steht. 245

Nr. 5

Fünfte Sitzung 29. September 1948

Vors. [Wagner]: Ich verlese Art. 42 Abs. 1: Soweit nicht dieses Grundgesetz etwas anderes bestimmt oder zuläßt, ist die Ausführung der Bundesgesetze eigene Angelegenheit der Länder. Sie regeln insoweit selbst die Organisation der Behörden und das allgemeine Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsverfahren. Der Bund überwacht gemäß den Bestimmungen über die Bundesaufsicht (Art. 114 Abs. 2 und 3) nur die Gesetzmäßigkeit der Ausführung.) Ist dazu etwas zu sagen? Dr. Lafoiet: „Nur die Gesetzmäßigkeit der Ausführung" heißt es dreht sich um ein Bundesgesetz die Gesetzmäßigkeit wird vom Bund bestimmt. Im Gegensatz zu den Zweckmäßigkeitsfragen, wie sie z. B. im Rahmen der Gewerbeordnung auftreten können, hier ist eine Weisung der Landesregierungen ent-

-

scheidend. Dr. Hoch: Ich würde es eigentlich nicht so formulieren. Der Bund überwacht, heißt es doch hier, lediglich die Gesetzmäßigkeit, die Rechtmäßigkeit. In Ermessensfragen darf er sich gar nicht einmischen. Vors. [Wagner]: Darüber sind wir einig. Dr. Hoch: Und das Land führt aus. Etwas anderes brauchen wir nicht zu erwähnen. Daß das Land Ermessensfragen durch eine generelle Anweisung regelt, ist selbstverständlich. Vors. [Wagner]: Nur die Gesetzmäßigkeit. Dr. Laforet: Die Sache ist in der Gewerbeordnung dort brennend, wo der Landesverwaltungsbehörde Ermessen gegeben wird.

(Zustimmung.) Reichsgesetzgeber Ermessen bestimmt hat, dann kann, wenn ich mich so ausdrücken darf, die übergeordnete Landesbehörde Verwaltungsvorschriften über die Ermessensausübung geben. Der Bund selbst kontrolliert nur die Gesetzmäßigkeit. Vors. [Wagner]: Da sind wir einig. (Zustimmung.) Wenn der

Dann kann ich mit Abs. 2 des Art. 42 fortfahren. Dr. Laforet: Ich würde doch bitten, noch einmal den Art. 114 Abs. 2 und 3 anzusehen. Dr. Hoch: Ich würde empfehlen, daß wir die Ausführung der Bundesgesetze

besonders nehmen.

Vors. [Wagner]: Das wollen wir zurückstellen und bei dem Gesamtkomplex verhandeln. Dr. Hoch: Daß eine Aufsicht da sein muß, ist ganz klar. Vors. [Wagner]: Das wollen wir also zurückstellen. Dann also Abs. 2 des Art. 42: Die Übertragung der Ausführung eines Bundesgesetzes an eine Selbstverwaltungseinrichtung, die unter Ausschaltung der Länder unmittelbar vom Bund beaufsichtigt wird, ist nur zulässig, soweit dieses Grundgesetz sie anordnet oder zuläßt. -

246

Fünfte Dr.

Lafoiet:

Das wird

richtungen in Art.

nur

verständlich,

Sitzung

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wenn man

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die

116 Abs. 3 in Betracht zieht. Da heißt

Nr. 5

Selbstverwaltungsein-

es:

Als bundesunmittelbare Selbstverwaltungseinrichtungen werden diejenigen sozialen Versicherungsträger eingerichtet, in deren Bereich der Gefahrenausgleich nur bei einheitlicher Zusammenfassung für das ganze Bundesgebiet gewährleistet ist. Bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte ist die Erfüllung der Aufgabe aus dem Ganzen heraus gewachsen, also nicht lokal und territorial aufzugliedern. Es steht allerdings einer der größten Kapitalträger im Deutschen Reich in Frage, der aber auch sozial sehr tätig war. Es wird gesagt: Es ist unerläßlich, den Gefahrenausgleich im ganzen Bunde vorzunehmen. Ich bin der Meinung, es ist gut so; man lasse es. Aber die Herren müssen sich erst aussprechen, wie sie unsere Arbeitsvermittlung und unsere Arbeitslosenversicherung gestalten wollen. Wir sind ja schon einmal in die Nähe dieses Gebiets gekommen. Auch ich persönlich bin der Anschauung, daß es eine Arbeitslosenversicherung eines Gliedstaates nicht geben kann. Vors. [Wagner]: Das ist ganz klar.

(Zustimmung.)

Laforet: Namentlich nach diesem so entsetzlichen Zusammenbruch sind das Aufgaben, die nur von einer Stelle aus gelöst werden können, also durch einen einheitlichen Versicherungsträger. Aber, meine Herren, es kommt ein zweiter Dr.

Gedanke dazu. Wollen Sie wirklich an den Grundbegriffen etwas ändern, daß neben der fördernden Arbeitslosenfürsorge, daß es neben der Arbeitslosenunterstützung nicht eine Arbeitslosenversicherung gibt? es

Vors. [Wagner]: Die gibt es! Dr. Laforet:70*) Eine Versicherung, also einen Rechtsanspruch auf Leistung? Dr. Hoch: Der ist ja da! Dr. Lafoiet: Wenn wir uns einig sind, wenn ich von den Herren Zustimmung bekomme, ist es für mich auch in der ganzen Einstellung, auch in der literari-

schen Seite, kein Zweifel.

Vors. [Wagner]: Das ist ganz selbstverständlich. Dr. Laforet: Um so erfreulicher! Dr. Hoch: Ich weiß nicht, ob die Frage sich damit erschöpft. Ich weiß, daß natürlich zum Teil Zuschüsse bezahlt werden. Dr. Lafoiet: Nach englischem Recht. Dr. Hoch: Die neueste Regelung in England? Das ist eine ganz andere Frage. Das ist eine Möglichkeit, die auch bei uns eines Tages kommen könnte. Das wird dadurch nicht ausgeschlossen. Dr. Lafoiet: Nein! Aber wir haben jetzt in der Sozialversicherung eine Regelung, in der die Gefahren je nach der geschichtlichen Entwicklung verschiedenen

Versicherungsträgern zugewiesen werden. Dr. Hoch: „Kann"!

70a) Folgt gestrichen: „Die

Brüder haben doch die ganze Sache

beseitigt." 247

Nr. 5

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Lafoiet: „Kann", nicht „muß". Also zunächst bleibt es bei den verschieVersicherungsträgern. Im Osten haben ja die Russen die berühmte Einheitsversicherung eingeführt. Vors. fWagner]: Damit soll natürlich nicht der Weg zu einer Weiterentwicklung Dr.

denen

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verbaut werden. Dr. Lafoiet: Nein, den möchte ich nicht verbauen. Vors. fWagner]: Zum Beispiel ist es sehr die Frage, ob nicht das englische System, das jetzt eingeführt worden ist, das zum Teil auf dem Beveridge-Plan71) beruht, eines Tages sich bei uns auch als zweckmäßig erweisen wird. Dr. Lafoiet: Jedenfalls eingeführt wird es zunächst nicht, sondern es ist nur die Formel gewählt: „diejenigen Sozialversicherungsträger, in deren Gefahrenbereich der Ausgleich nur bei einheitlicher Zusammenfassung für das ganze Bundesgebiet gewährleistet ist". Darüber entscheidet der Reichsgesetzgeber. Hat er das so bestimmt, kann er eine bundesunmittelbare Selbstverwaltungskörperschaft schaffen. Dr. Seebohm: Nach dieser Fassung, wenn ich richtig verstehe, hat man in Herrenchiemsee die Lösung der Probleme, auch der der Einheitsversicherung, der ganzen weiteren Entwicklung der Sozialversicherung überlassen. Ich halte es auch für richtig und notwendig, diese Fragen nicht im Grundgesetz zu regeln, sondern der Spezialgesetzgebung zu überlassen.

[Zustimmung.] unbedingt notwendig. Dasselbe gilt auch für die Fragen der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung. Auch sie werden sich in Spezialgesetzen regeln. Der Grundsatz des Gefahrenausgleichs ist ja festgelegt, wenn wir eine Arbeitslosenversicherung haben, die sich auf die Gesamtheit ausdehnt und auch nur in gleicher Weise für die Gesamtheit geregelt werden kann soweit sich bei der Arbeitsvermittlung Differenzen ergeben könnten, kann man diese auch der Spezialgesetzgebung überlassen, (Dr. Laforet: Auch das möchte ich in der Hand des Bundes haben!] an sich grundsätzlich, Herr Geheimrat. Es bestehen da zu verschiedene Bestrebungen, aber das braucht uns hier nicht zu berühren. Dr. Hoch: Ich möchte auch noch einmal ganz klar sagen: Wir beschäftigen uns, Das ist

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Juristen sagen würden, hier nicht mit der Materie, sondern nur mit der Kompetenz. Also die Frage: wie kann die Angelegenheit sachlich geregelt werden, entscheiden wir nicht. Es wird jedenfalls durch diese Fassung die Möglichkeit zu irgendeiner Sozialgesetzgebung oder sozialen Einheitskasse, wie das heute in England gemacht wird, nicht ausgeschlossen, auch wenn sie in Form wie die

einer bundesunmittelbaren

71)

Selbstverwaltungsangelegenheit kommt.

William Henry Lord Beveridge (5. März 1879 -16. März 1963) wurde 1940 von der britischen Regierung beauftragt, einen Sozialplan für die Nachkriegszeit zu entwerfen. Sein 1942 veröffentlichtes Gutachten der Beveridge-Plan sah die Einführung eines freien Gesundheitsdienstes, staatliche Altersrenten und Pensionen vor und wurde zur Grundlage für die Sozialreformen in Großbritannien nach Kriegsende. Deutsche Fassung: Der Beveridgeplan. Sozialversicherung und verwandte Leistungen. Bericht von Sir William Beveridge. Dem Britischen Parlament überreicht im November 1942. Zürich und New York 1943. -

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Dr. Laforet: Aber es kommt damit grundsätzlich der Gedanke einer Arbeitslosenversicherung, nicht nur einer Arbeitslosenunterstützung ohne Rechtsanspruch, sondern auch die Möglichkeit einer echten Versicherung, bei der die Vorleistung an Beiträgen der Arbeitgeber und der Arbeiter oder Angestellten erfolgt, bei denen dann ein echter Rechtsanspruch des öffentlichen Rechts erworben wird, was es niemals bei der Arbeitslosenfürsorge geben kann. Dr. Hoch: Ich wollte

nur auf eins hinweisen. Bundesunmittelbare Selbstverwalkönnen auch eigenen Unterbau haben. Es ist also nicht etwa tungseinrichtungen nur so wie bei der Angestelltenversicherung, daß es eine Reichsanstalt gibt und keinen Unterbau, sondern zum Beispiel bei der Arbeitslosenversicherung gab es auch noch die Möglichkeit, durch Landesarbeitsämter usw. Verwaltungsmaßnahmen auszuführen. Diese Landesarbeitsämter waren ja audi bundeseigene, reichseigene Verwaltungsbehörden. Also diese Frage des Unterbaus spielt hierbei gar keine Rolle. Ich sage es nur deshalb, weil im übrigen bei den editen bundeseigenen Behörden getrennt wird zwischen denjenigen, die nur aus einer Bundesoberbehörde bestehen, also ohne eigenen Verwaltungsunterbau, und soldien wie hier mit eigenem Verwaltungsunterbau. Reuter: Ich glaube, die Materie wird hier nicht erörtert werden können, denn in der Materie stedcen eine ganze Reihe von Problemen. Ich will nur andeuten, daß z. B. bei den bundeseigenen Verwaltungen ich sage damit vielleicht eine die Beziehungen zu der bundeseigenen Verwaltung in ganz große Ketzerei den Ländern eine ganz wichtige Frage sein werden. Das hängt auch mit der Neugliederung des Reidis und der Findung geeigneter Ländergrenzen zusammen, die das vollkommene Durcheinander der bisherigen Regelung der bundeseigenen Verwaltung beseitigen: soundsoviel Postdirektionen, soundsoviel Eisenbahndirektionen, soundsoviel Arbeitsdienststellen usw., die sich vollkommen übersdmitten, nach ganz versdiiedenen Gesichtspunkten geregelt waren usw. Der Gesetzgeber wird in Zukunft da noch ein sehr interessantes Arbeitsgebiet haben. Hier kann ja nur die Klassifizierung der verschiedenen Möglichkeiten festgestellt werden. Mehr können wir im Augenblick nidit tun. Wir wollen doch in der Verfassung nidit materiell der Gesetzgebung vorgreifen, sondern nur schematisch aufzeichnen, welche versdiiedenen Möglichkeiten unter welchen Voraussetzungen gegeben sind. Vors. [Wagner]: Das Materielle wird ja in diesem Zusammenhang nur herangezogen, um eine klare Kompetenzabstimmung zu erreichen, nichts anderes. Dr. Seebohm: Wir können ja nicht in einer Vorschrift festlegen, daß der bundeseigene Unterbau sich unbedingt der Ländergrenze anpassen muß. Das gilt gerade für die Eisenbahndirektionen. Der Hinweis hierauf ist ein sehr wesentlicher Gesichtspunkt. Das ist eine Frage, die zweckmäßigerweise nicht in der Verfassung geregelt wird. Wenn man sie regeln will, ist das ein sehr starker Anlaß für die Auseinandersetzung. Bei bundesunmittelbaren Selbstverwaltungseinrichtungen ist es ganz klar, daß, wenn es sich um echte Selbstverwaltungseinrichtungen handelt, sie auch ihren eigenen Unterbau haben können, soweit er notwendig ist. Denn damit tritt ja dann keine Konkurrenz mit den Zuständigkeiten irgendeines Landes auf. Eine bundesunmittelbare Selbstverwaltung -

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muß sich orientieren, wie

es mit den für sie gegebenen Notwendigkeiten steht. Infolgedessen ist es meiner Ansicht nach nicht notwendig, in Abs. 3 von einem Verwaltungsunterbau zu sprechen, weil jede Selbstverwaltung sich eben kraft eigenen Organisationsrechts selbst organisieren muß. Dr. Laforet: Richtig! Beispielsweise, um gleich praktisch zu reden: wenn die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte Zahlstellen in den einzelnen Län-

dern hat, dann hat sie schon den Unterbau. (Dr. Hoch: Ganz einverstanden!) wenn sie nicht die Krankenkassen oder die Landesversicherungsanstalten in Anspruch nimmt. Ich möchte es ihr nicht unmöglich machen, daß sie eigene Zahl- und Empfangsstellen in ihrer Selbstverwaltungstätigkeit bekommt, daß ihr diese verwehrt werden. Ich bin völlig der Auffassung, wie sie Herr Dr. Seebohm ausgesprochen hat. Wir müssen die Frage nur einmal rechtlich nachprüfen. Vors. [Wagner]: Ich werde eben darauf aufmerksam gemacht, daß um 5 Uhr eine Pressekonferenz der Vorsitzenden stattfindet72). Ich bin grundsätzlich gegen solche Unterbrechungen, weil dadurch die ganzen Ausschußarbeiten gestört werden. Aber wir lassen heute eine kurze Pause eintreten, und ich unterbreche die Sitzung bis V2 6 Uhr. (Unterbrechung der Sitzung von 17.15 Uhr bis 17.40 Uhr.) Vors. [Wagner]: Wir waren bei Art. 42 stehen geblieben. Dr. Seebohm: Ich wollte noch eine Frage anschneiden, die auf den Vortrag von Herrn Geheimrat Laforet zurückgeht, in dem er sich mit Art. 101 und seinen Zusammenhängen beschäftigt hat. Ich hätte von Herrn Dr. Laforet gern folgendes gehört. Wir legen doch den größten Wert darauf, daß uns die Generalklausel unter allen Umständen erhalten bleibt. (Dr. Hoch: Was verstehen Sie unter Generalklausel?) Daß ich gegen jede Verwaltungsmaßnahme im Verwaltungsstreitverfahren angehen kann. Wenn nun bei dem ersten Satz des Art. 101 ich nehme es beinahe an von dem Verfasser an den Zusammenhang mit der Generalklausel gedacht war, würde ich nun gern hören, Herr Geheimrat Laforet, da Sie ja gerade auf diesem Gebiet doch sehr eingehend bewandert und selbst ein Vertreter der Generalklausel, wenn ich recht unterrichtet bin, sind, ob nicht durch Herausnahme dieses Satzes die Grundlagen für die Generalklausel erschüttert werden. Dr. Laforet: Es fragt sich, ob wir die Generalklausel verfassungsmäßig festlegen müssen. Vielleicht ist Herrn Dr. Seebohm interessant, wie die Dinge sich z. Zt. entwickelt haben. Vielleicht darf ich es noch konkreter geben. Unser Vorsitzender, mein hochverehrter Landsmann, hat mich vor folgende Frage gestellt; sie wollen das Verwaltungsgerichtsverfahren in Rheinland-Pfalz einführen, ob ich -

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72) Pressekonferenzen sollten nach

einem Beschluß des

Geschäftsordnungsausschusses

22. Sept. 1948 zunächst regelmäßig dienstags, mittwochs und donnerstags um 17.00 Uhr stattfinden. Falls freitags beraten wurde, auch freitags um 13.00 Uhr. (Vgl. Mitteilung an die Ausschuß Vorsitzenden vom 22. Sept. 1948 in: Z 5/11). Später wurden die Zeiten geändert. Protokolle der Konferenzen liegen im Bestand Z 5 nicht vor und wurden offensichtlich auch nicht angefertigt. vom

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ihm hier einen Rat geben kann, und da glaube ich, sagen zu sollen: ja, unter allen Umständen, und zwar nach dem Entwurf, wie er auf unsere Arbeit in Heidelberg zurückgeht73]. Aber eins bitte ich zu überlegen. Wir waren uns vollständig klar darüber, daß die Generalklausel ein Petitum der Zukunft ist, ein unerläßliches. Ob es aber z. Zt. möglich ist, die Generalklausel auf allen Gebieten einzuführen, das ist sehr zweifelhaft. (Zustimmung. Vors. [Wagner]: Es ist im Augenblick wahrscheinlich nicht

möglich!]

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Es ist für den Kollegen Dr. Seebohm wahrscheinlich bedeutsam, wenn ich ihm sage, daß zur Zeit unsere Verwaltungsgerichte fast kampfunfähig geworden sind, weil die Wohnungssachen sich geradezu fürchterlich auswirken. Nun waren wir damals der Meinung: Sie müssen eingezogen werden; denn auf keinem Gebiet war die Rechtslosigkeit und das üble Verhalten der Behörden so wie auf dem Gebiet des Wohnungswesens. Der Bremenser wir haben zuerst einen Entwurf für Bremen beraten hat glatt die Wohnungsangelegenheit herausgenommen, und ich habe unserem verehrten Herrn Vorsitzenden gesagt, er möge es sich nach seinen örtlichen Verhältnissen wohl überlegen. Er kann ja dann eine Frist bestimmen, daß einstweilen von der Möglichkeit des Gesetzgebers -

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gemacht wird, einzelne Gegenstände auszunehmen. (Vors. [Wagner]: Auf Zeit!) Wenn man das nun hier hineinschreibt und den verwaltungsgerichtlichen Schutz als Mindestforderung für die Länder einführt, dann muß ich in einer ÜberGebrauch

gangsbestimmung erwähnen, daß Ausnahmen gemacht werden können; und die Art der Technik, die hier notwendig ist, hat auch mich bestimmt, von einem förmlichen Antrag beim Katalog Abstand zu nehmen. Aber das gleiche Ziel kann dadurch erreicht werden, daß ja alle Länder ich meine, bei Ihnen in der britischen Zone ist ja jetzt das Gesetz eingeführt74), ich glaube, im wesentlichen so, wie es bei uns im Süden im Wortlaut festgelegt ist, ich weiß es nicht -, Dr. Seebohm: Uneingeschränkt, für jeden Verwaltungsakt! Dr. Laforet: Daß das das Petitum der Zukunft ist, unterliegt gar keinem Zweifel. Es kann sich nur darum drehen, ob man zur Verhütung des Zusammenbruchs der Verwaltungsgerichte den Gegenstand vorübergehend herausnimmt. Die Sache ist natürlich noch besonders mißlich. Die Amerikaner lassen bei uns in Bayern einen Mitläufer als Richter zum Verwaltungsgericht nicht zu. (Dr. Hoch: Auch in der ersten Instanz nicht.) In der ersten Instanz. Also wir sind in einer furchtbaren Not an Kräften. Das muß natürlich jedes Land nach seinen Verhältnissen beurteilen. Aber das war der Grund, der mich bestimmt hat, obwohl ich schlechthin Anhänger der Generalklausel bin, von einer ausdrücklichen Erwähnung im Gesetz Abstand zu nehmen. Dr. u. Brentano: Ich möchte eigentlich den anderen Standpunkt einnehmen, Herr Kollege Laforet. Ich kenne die Schwierigkeiten, die heute bei Verwaltungs-

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73) Vgl. 7