Theorie und Praxis des heutigen gemeinen preußischen Privatrechts auf der Grundlage des gemeinen deutschen Rechts: Band 1 [3. Aufl. Reprint 2019] 9783111472744, 9783111105871


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German Pages 842 [844] Year 1873

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Table of contents :
Vorwort Zur Ersten Auflage
Vorwort Zur Zweiten Auflage
Vorwort Zum Vierten Bande
Vorwort Zur Dritten Auflage
Uebersicht Des Systems
Inhaltsverzeichnis Des I. Bandes
Erklärung Der Abgekürzten Citate
Einleitung
Erstes Buch. Die Grundbegriffe
Erster Theil. Das Recht
Zweiter Theil. Die Berechtigung
Zweites Buch. Die Besonderen Privatrechte
Erster Theil. Die Persönlichen Rechte Oder Die Lehre Von Den Schuldverhältnissen
Erster Abschnitt. Der Begriff Und Die Arten
Zweiter Abschnitt. Die Persönliche Theilnahme
Dritter Abschnitt. Die Leistung
Fünfter Abschnitt. Die Lösung
Sechster Abschnitt. Die Veränderung
Siebenter Abschnitt. Der Gerichtliche Schutz
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Theorie und Praxis des heutigen gemeinen preußischen Privatrechts auf der Grundlage des gemeinen deutschen Rechts: Band 1 [3. Aufl. Reprint 2019]
 9783111472744, 9783111105871

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Theorie und Praris des

heutigen gemeinen preußischen

Privatrechts auf der Grundlage des gemeinen deutschen Rechts.

Vorr

Franz Förster, Dr. der Rechte, Geh. Oberjustizrath und vortr. Rath im Justizministerium.

I. Ban d.

Dritte Aullage.

Berlin.

Druck und Verlag von Georg Reimer. 1873.

Förster,

Preußisches Privatrecht.

Vorwort zur er ft en Auflage.

Oür die Bearbeitung der einzelnen deutschen Landesrechte ist es in doppelter Hinsicht unabweisbar,

das gemeine Recht nicht bloß zu einer

äußerlichen Vergleichung zu benutzen, sondern als Grundlage zu nehmen:

einmal für die Erkenntniß der Landesrechte selbst,

um dadurch nachzu­

weisen, daß sie nur Zweige an einem und demselben Stamme sind, au» dem

sie fort und fort ihre Nahrung ziehen; sodann für daS gemeine deutsche Recht, welches in ihnen eine eigenthümliche Gestaltung, eine Art von Ab­

schluß erlangt hat, der nothwendig auf seine fernere Entwickelung zurück­

wirkt.

ES ist auch in neuerer Zeit immer mehr erkannt worden, daß die

Auffassung, eS seien die Landesrechte isolirte Schöpfungen freier Gesetzge­

bung, die Rechtsbildung auf beiden Gebieten nicht fördert.

Aber soll diese

innige Verbindung deS gemeinen mit den Landesrechten wirklich fruchtbrin­

gend werden, so muß sie selbst eine fortschreitende sein;

e» darf da»

Landesrecht nicht nur auS dem Standpunkt erörtert werden, den da» ge­

meine zur Zeit der Gesetzgebung darbot, eS muß vielmehr auch die spätere Entwickelung deS letzteren für die des Landesrecht- nutzbar gemacht wer­

den.

Oder man verzichte auf die weitere Entwickelung des letzteren, stelle

e» außer den Denn

da» ist

Fluß der Geschichte

nun

und gebe eS dem Absterben Preis.

einmal nicht zu leugnen, daß

die gemeinrechtliche

Wiffenschaft und Praxis, weil sie weniger durch den Buchstaben gebunden

ist, sich mannichfaltiger, freier, kühner entfalten kann, daß da» Leben in

ihr ein frischeres, die Erfolge reicher und unmittelbarer smd.

Wäre auch

auS ihr nicht positive Bereicherung für die einzelnen Recht-sätze zu gewin­ nen, schon daß man Theil nehme an diesem frischeren Geiste, muß der Wissenschaft der Landesrechte reichen Gewinn bringen.

Zwar wird hierbei

sich ost ergeben, daß die Lände-gesetzgebung einen von der heutigen Wiffen­ schaft längst verlassenen oder überwundenen Standpunkt festgehalten, daß sie Sätze ausgenommen hat, die heute al- Irrthümer erkannt sind.

Selbst

Dorwort zur ersten Auflage.

VI

solche Erkenntniß ist unstreitig ein großer Vortheil.

Andererseits aber

wird man auch oft zu der Einsicht gelangen, daß Bestimmungen des Lan­

desrecht» einen tieferen Grund haben, während man bisher sich bei der Annahme beruhigte, daß sie Schöpfungen einer willkürlichen Reflexion Hierzu hilft wesentlich die neuerdings mit Vorliebe und Erfolg

seien.

unternommene dogmengeschichtliche Behandlung der einzelnen RechtSinsti-

tute, deren Ergebnifle darauf hingeführt haben, daß Vieles, was bisher

al» Mißbildung verworfen wurde, al» Fortbildung erwiesen ist, die in nationalen und modernen Bedürfnissen ihre Rechtfertigung findet. Die s. g. historische Schule hat ihre Sendung erfüllt: das Material

de» gemeinen Rechts, diese- eigenthümlichen Gebildes au» heimischem und fremdem Stoff, ist von ihr nach seinen Ursprüngen gesichtet, gewissermaßen noch einmal durch einen kritischen Reinigung»prozeß hindurch getrieben

worden.

Jetzt ist man wieder dabei, e» inniger zusammenzufügen.

Die

moderne Civilistik hat den Gedanken Kar und bestimmt erfaßt, daß sich da» deutsche Recht al» Ganze» nicht verstehen läßt, wenn man e- in zwei

Hälften spaltet, und jede für sich abgesondert wissenschaftlich pflegt, daß vielmehr auS beiden ein organisches Ganze erarbeitet werden muß. Und grade diese neuere Richtung der RechtSwiffenschafl ist für das

A.L.R. von besonderer Wichtigkeit, weil waS jene heute erstrebt, diese« bereit» vor 70 Jahren erreichen sollte: freilich heute mit anderen Kräften und anderer Einsicht. Aber darum ist eS auch nützlich, den Maßstab

de» Heute an die Leistung de» Damals zu legen; e» wird dadurch eine tiefere Erkenntniß der letzteren gewonnen, man wird sich ihrer Irrthü­ mer und Vorzüge klarer bewußt werden.

Dazu kommt, daß das preußische

Recht seitdem vielfach verändert worden.

Da» A.L.R. hat jetzt selbst

schon seine Geschichte, mehr und mehr ist e» so zu sagen in einen histo­

rischen Hintergrund getreten.

Zwar ist e» noch die bei weitem bedeu­

tendste und reichste, keineswegs aber heute die einzige Quelle des Privat­

recht».

Die Thätigkeit der neueren Gesetzgebnng hat Biele» und Wichti­

ge» geändert, die Entwickelung de» Verkehr» die Recht-institute vermehrt, die Praxi» hat bestimmter gestaltet, weiter gefördert. Dadurch ist da­ preußische Privatrecht zu einem großen Theil modernisirt worden und man

wird diesen ModernisirungSprozeß, seinen Ursprung und seine Ziele nicht verstehen, wenn man nicht fortgesetzt die neuere Rechtsentwicklung in

Deutschland beobachtet und zur Vergleichung heranzieht.

Vorwort zur ersten Auflage.

VII

Trotz mancher tüchtiger Pflege, die dem preußischen Privatrecht zuge­ wendet worden, darf man sich doch der Einsicht nicht verschließen, daß die

preußische

Rechtswissenschaft sich auf dem Standpunkt der gemeinrecht­

lichen noch nicht befindet.

Denn wie hoch man auch die Verdienste Ko ch's

um dieselbe schätzen mag, wahr ist es doch, daß er im Wesentlichen auf dem wissenschaftlichen Standpunkt der dreißiger Jahre stehen geblieben.

Selbst die neuesten Auflagen seiner Schriften bringen in dieser Hinsicht keinen Fortschritt, sie enthalten Nichts von den Bewegungen, die seitdem in der deutschen Jurisprudenz hervorgetreteu, Literatur und Praxis der­ selben sind großentheils unbeachtet geblieben, weder hat er die germanisti­

schen

Elemente

in unserem Gesetzbuch, noch

die Gestaltung, die das

römische Recht als gemeines deutsches im Laufe der Zeit erhalten, überall

richtig gewürdigt.

In dem Werk,

dessen Veröffentlichung hiermit begonnen wird,

soll

versucht werden, das heutige preußische Recht von dem Standpunkt der heutigen

Wissenschaft zu

Praxis haben daher

erörtern.

umfassende

Die neuere

deutsche

Berücksichtigung gefunden,

Theorie und auch ist die

Praxis des A.L.R. in den außerpreußischen Ländern (Baiern) nicht un­ benutzt geblieben.

Daß die neueren großen Legislationen, zu denen 1863

das zwar schon publizirte aber noch nicht in Giltigkeit getretene sächsische

Civilgesetzbuch hinzugekommen ist, zur Vergleichung herangezogen sind, be­

darf nicht besonderer Rechtfertigung. Wenn aber auch die Absicht des Verfassers dahin geht, das preußische

Privatrecht vollständig darzuftellen — so mußte doch eine Grenze darin gefunden werden, daß eben nur preußisches Recht den Gegenstand bilde

und dies führte zum Ausschluß derjenigen Gebiete, welche jetzt nicht mehr den Charakter des preußischen Rechts haben, sondern Preußen mit Deutsch­

land gemeinsam sind: des Handels-, Wechsel- und Seerechts.

Dieselben

erfreuen sich übrigens jetzt einer so lebhaften wissenschaftlichen Pflege, daß

ein Bedürfniß zur Vermehrung dieser Leistungen dem Verfasser nicht vor­

zuliegen scheint.

In

der Lehre von den Schuldverhältnissen ist jedoch

das deutsche Handelsgesetzbuch berücksichtigt worden.

Dankbar für die Belehrung, die die bisherigen Arbeiten dem Ver­

fasser geboten und auf die er sich vielfach hat stützen können, übergiebt er hiermit den ersten Band dem juristischen Publikum in der doppelten Hoff­

nung, Etwas beigetragen zu haben zur Erreichung des Zieles, die preußische

VIII

Borwort znr ersten Auflage.

Rechtswissenschaft und Praxis in nähere Beziehung zur gemeinrechtlichen zu bringen, und den preußischen Juristen, von denen ein großer Theil fern von aller Berührung mit der fortschreitenden Wissenschaft in ent­ legenen Provinzialstadten sein Amt verwalten muß, eine Gabe zu bieten, die ihm diese Fortschritte zugänglich macht, die in der Ausbildung begriffe­ nen jungen Männer aber darauf hinzuführen, daß, wie Savignh in seiner Dorrede zum System so wahr sagt, der Sinn für die Wissenschaft im praktischen Geschäft selbst stets lebendig bleiben muß, daß die bloße Gewandheit und Leichtigkeit in der Auffassung und Beurtheilung einzelner RechtSfälle — wie schätzenSwerth diese Eigenschaft auch sein mag — doch nicht gegen Oberflächlichkeit sichert, diese vielmehr nur durch ein ernste-, gewiffenhafteS, unablässiges Studium der Wiffenschaft vermieden wer­ den kann. Greifswald, Ostern 1864.

Vorwort zur zweiten Auflage. Die zweite Auflage enthält eine Reihe von Berichtigungen und Zu­

sätzen ; einer erheblichen Umarbeitung mußte in Folge der neueren Gesetz­ gebung der §. 68. unterworfen werden. Dagegen konnte nur in den Roten auf die jetzt im Fluß befindliche Reform auf dem Gebiete deS Immobiliarsachenrechts hingewiesen werden, weil zur Zeit noch nicht zu übersehen ist, wann sie zum Abschluß gelangen und welchen Erfolg sie haben wird. Der Verfaffer hat die der ersten Auflage zu theil gewordenen Be­ urtheilungen sorgsam geprüft und sich der Erwägung, ob daS Werk tiefer greifende Aenderungen, insbesondere in Betreff der systematischen Anord­ nung erleiden müsse, nicht entzogen, ist jedoch zu einem verneinenden Er­ gebniß gelangt. ES ist ihm Bedürfniß, sich hierüber zu rechtfertigen. Bemängelt worden ist, daß in dem s. g. allgemeinen Theil, der in dem Werk die Bezeichnung der Grundbegriffe erhalten hat, nicht Lehren

Vorwort zur zweiten Auflage.

IX

ihren Platz gefunden haben, die, wie die Lehre von den Verträgen, vom Besitz, von der Anfechtung der Rechtshandlungen zahlungsunfähiger Schuld­

ner, besser hier als tut s. g. besonderen Theil stehen würden.

Nicht un­

absichtlich oder aus Sucht nach Eigenthümlichkeiten hat der Verfasser die Bezeichnung „Grundbegriffe" für den allgemeinen Theil gewählt.

dadurch anzeigen

Er hat

wollen, daß nach seiner Ansicht der allgemeine Theil

nicht der Ablagerungsort für solche Rechtsinstitute sein dürfe, die man anderwärts nicht unterzubringen wisse, daß in den allgemeinen Theil über­ haupt nicht die Darstellung konkreter Rechtsinstitute, sondern in der That nur die allen oder vielen derselben zu Grunde liegenden allge­

meinen Rechtsbegriffe gehören.

Das kann freilich im einzelnen Fall

Zweifel übrig lassen, so ist namentlich die systematische Stellung des

paullianischen Anfechtnngsrechts im Obligationenrecht nicht ohne Bedenken,

weil durch dasselbe nicht bloß Vertragsrechte, sondern auch Eigenthums­ Dergleichen Zweifel, die übrigens mehr oder

rechte angegriffen werden.

weniger gegen jede systematische Anordnung erhoben werden können, er­ fahren

aber

wohl am einfachsten und natürlichsten ihre Lösung dadurch,

daß jeder Lehre im System eine solche Stellung angewiesen wird, welche

ihre hauptsächliche Eigenthümlichkeit am besten hervortreten läßt,

sagen a potiori genommen ist.

so zu

Und von diesem Gesichtspunkt aus scheint

sich auch die Stellung des paullianischen Rechtsmittels zu rechtfertigen.

Mehrfach ist in den Beurtheilungen dieses Werk mit dem von Unger über das

österreichische Privatrecht in Vergleich gebracht und dabei mit

Recht darauf hingewiesen worden, daß eine gleiche Bedeutung, wie sie das

letztere für das gemeine Recht in Anspruch zu nehmen hat, dem vorliegen­

den nicht beigelegt werden kann.

Dankbar erkennt der Verfasser die reiche

Anregung und Belehrung an, die ihm Ungers Werk geboten hat.

Als

er aber den Plan für seine Arbeit entwarf, konnte ihm nicht entgehen, daß eine Darstellung des preußischen Rechts bei der fast erdrückenden Masse seines Details und seines übergroßen Stoffreichthums weit weniger

Raum gewähre für selbständige Untersuchungen, die dem Gebiete des ge­ meinen Rechts angehörten.

wendig Beschränkungen

Er mußte sich daher in dieser Beziehung noth­

auferlegen,

während bei einer Bearbeitung des

österreichischen Rechts in Folge des viel kompendiöseren Charakters des allgemeinen bürgerlichen

Gesetzbuchs die Lehren des gemeinen Rechts in

einem breiteren Strom hineingeleitet werden konnten, und für ausführ-

X

Vorwort zur zweiten Auslage.

liche Erörterungen gemeinrechtlicher

Kontroversen mehr Raum

geboten

Dazu kommt, daß dem Verfasser, vielleicht in Folge seines Lebens­

war. berufs,

nahe lag,

der gemeinrechtlichen Praxis

eine größere Berück­

sichtigung zu widmen, als dies bisher in den Lehr- und Handbüchern ge­ schehen ist.

In der gemeinrechtlichen Praxis vollzieht sich täglich der noch

keineswegs abgeschlossene Prozeß der Rezeption des fremden Rechts, sie

darf nicht einseitig das Gebiet des Privatrechts in zwei getrennte Felder,

ein romanistisches und germanistisches, zertheilen, wie dies leider noch aus­ schließlich und zum größten Nachtheil für die Rechtsentwickelung in Deutch-

land in der Doktrin geschieht.

Darum giebt aber auch die Praxis zur

Zeit ein viel unmittelbareres und viel richtigeres Bild von dem wirklichen,

geltenden Recht, als es ans den Lehr- und Handbüchern gewonnen wer­

den kann. Berlin, Weihnachten 1868.

Vorwort zum vierten Bande. -SL'dg Erscheinen des 4. Bandes ist durch eine im Jahre 1868 ein­

getretene Veränderung der amtlichen Stellung des Verfassers und durch

vermehrte Berufsarbeiten verspätet worden.

Die Vollendung des Werks

wird möglichst beschleunigt werden.

Gegenwärtig ein deutsches

Partikularrecht zum Gegenstand wissen­

schaftlicher Darstellung zu machen, kann fast als unzeitgemäß erachtet werden.

Und doch sind gerade in neuester Zeit solche Arbeiten besonders

gepflegt worden, wie das eben erschienene verdienstvolle Werk Paul Roths über das bairische Civilrecht beweist.

Wenn eS gewiß die Aufgabe der

nächsten Zukunft sein wird, aus der unendlichen und unübersehbaren Ver­ schiedenheit der Rechte zu einem einheitlichen deutschen Rechte zu gelangen-

so werden jene Arbeiten wenigstens das Verdienst haben,

was tüchtigen

Vorarbeiten für ein neues Unternehmen gebührt, dessen Grundlage doch immer der bisherige Zustand sein wird, welcher deßhalb genau und voll-

XI

Vorwort zum vierten Bande.

ständig gekannt sein muß. versagen,

Hoffentlich wird weder Muth noch Befähigung

das große Ziel eines deutschen Civilgesetzbuchs zu erreichen:

wenn je, so muß eS in einer Zeit erreicht werden können, die einzig ist

durch die Großartigkeit ihrer Ereignisse.

Wie ganz anders, mit wie viel

befferer Vorbereitung würde heute ein solches Werk begonnen werden

können, als 1814, geblich

verlangte.

wo der edle patriotische Eifer Thibauts es noch ver­

Was damals Savignh dagegen einwendete und ein­

zuwenden berechtigt war, trifft heute kaum noch zu.

Die Rechtsentwicke­

lung in der Doktrin, in der Praxis und Gesetzgebung ist jetzt so weit

vorgeschritten, daß nicht allein eine klare Einsicht in den Umfang und in die Tiefe der Aufgabe, sondern auch eine bessere und einfachere Technik

in der Ausarbeitung erreichbar ist, als sie den bisherigen Gesetzgebungen beiwohnte.

Aber Alles drängt auch darauf hin, die Arbeit zu wagen,

sie zeigt sich als unabweisbare

Nothwendigkeit.

Mag man auch den

Werth des idealen Gutes einer deutschen Rechtseinheit sehr hoch halte«;

er allein würde nicht ausreichenden Antrieb geben: die realen Nothwendig­

keiten werden viel kräftiger und nachhaltiger dazu treiben.

Die Einheit

des Verkehrs im deutschen Reich ist auf dem volkswirthschaftlichen Gebiete nahezu erreicht; sie wird nicht gedeihen und immer wieder der Gefahr,

in partikulare Zersplitterung zu zerfallen, ausgesetzt sein, wenn nicht das schützende Recht überall dasselbe ist. — Ein einheitliches deutsches Prozeß­

recht steht in Aussicht und eS wird hoffentlich gelingen, trotz der an­

kämpfenden Borurtheile und engen Gewöhnungen dieses schwierige Werk

zu vollenden;

aber man täusche sich nicht:

die gedeihliche Handhabung

des Prozesses hängt wesentlich von der Gestaltung des Civilrechts ab.

Wo das letztere undurchsichtig,

stofflich überladen, vielfach bestritten, in

zahlreichen einzelnen Gesetzen zerstreut ist, wird das mündliche Verfahren

mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben;

es wird sich leicht und

elastisch bewähren, wenn das Civilrecht einfach gegliedert, auf einfache Grundsätze zurückgeführt, von erdrückender Kasuistik frei ist. — Das links­

rheinische Gebiet Deutschlands, in welchem das dort geltende französische Recht theils längst nicht mehr an der Fortbildung Theil nimmt, die es in Frankreich erfährt, theils erst in diesen Tagen von derselben getrennt

worden ist, kann

nur durch eine Gesammtcodisication des Privatrechts

für die gemeinsame deutsche Rechtsbildung wieder gewonnen werden; wird

sie ihm versagt, so geht das rheinisch-französische Recht in seiner Isolirung

unvermeidlich einer unheilvollen Versumpfung entgegen. Scho» jetzt ist seine wissenschaftliche Pflege eine äußerst geringe. — Bor allem aber kann nicht ernst und nachdrücklich genug darauf hingewiesen werden, daß der Rechtsentwickelung in Deutschland eine schwere Gefahr droht, wenn der organische Zusammenhang des Privatrechts zerrissen wird, wenn einzelne Theile von der Reichsgesetzgebung geordnet werden, die anderen den vielen Landesgesetzgebungen frei bleiben sollten. ES ist schon ein zweifelhaftes Gut, daß sich von dem gemeinen Obligationenrecht ein besonderes Handels­ obligationenrecht zu selbständiger Entwickelung abgezweigt hat; ein viel größerer Zwiespalt würde in daS gesammte Privatrecht getragen werden, wenn daS Obligationcnrecht aus seinem Zusammenhang herauSgerissen als Reichsrecht bearbeitet würde. Wie soll dies geschehen, ohne nicht zu­ gleich tief in alle übrigen Materien des Privatrechts einzugreifen, wie soll es möglich sein, ein solches Obligationenrecht gleich passend für daö gemeine, das preußische und das rheinische Recht zu verfassen! Man denke nur an die großen Verschiedenheiten deS dinglichen Rechts in diesen drei Systemen, insbesondere deS Pfand- und Hypothekenrechts, an die Verschiedenheiten auf den Gebieten des ehelichen Güterrechts und des Erbrechts. Soll denn immer ein deutscher Rechtszustand überreich an Verwickelungen sein, statt endlich einmal zu einer einfachen Entwickelung zu gelangen? Seit der Receptio» des römischen Rechts lagerte sich über die mannigfachen partikularen Rechte das gemeine Recht; es bot wohl ein einheitliches Recht dar, aber es stand nicht in organischem Zusammen­ hang mit den deutschen Unterlagen; trotz seines hohen inneren Werthes blieb eS ein fremdes Recht und die theils ausgeführten, theils unausge­ führt gebliebenen Versuche, durch die Gesetzgebung dieses fremde Recht unseren Zuständen zu assimiliren, sind daher bis in unsere Tage zahlreich gewesen. Aus dieser gesetzgeberischen Unruhe werden wir nicht heraus­ kommen, so lange wir unS nicht zur Ausarbeitung eines das ganze Privat­ recht umfassenden Gesetzbuchs ermuthigen können oder wollen. Und was wird durch das stückweise Codifiziren einzelner Materien oder durch die jetzt beliebten Gelegenheitsgesetze erreicht werden? Ein in Fetzen herumflatterndeS Privatrecht, ganz ungeeignet, eine dauerhafte und gesunde Grundlage der RechtSentwickelung für die nächsten Generationen zu bilden. Darum aber muß cS sich jetzt vornehmlich handeln, einen solchen Grund zu legen, ans dem ein wahrhaft gemeines deutsches Recht emporwachsen

kann, endlich einmal die schwere nnd wohl unlösbare Aufgabe abzuschließen, welche die vergangenen Jahrhunderte der deutschen Rechtswissenschaft und Rechtspflege gestellt haben, täglich fremdes Recht zu recipiren nnd täglich den Versuch zu erneuern, das Fremde in einen organisch-shstematischen Zusammenhang mit dem Heimischen zu bringen. Gelegenheitsgesetze sind nicht so gut, wie Gelegenheitsgedichte; man kann bei ersteren, wenn sie nicht einen ganz eingeschränkten, vereinzelten Inhalt haben, nie mit Sicher­ heit ermessen, wohin ihre Tragweite sich ausdehnt, wie tief und wie störend sie in das ganze Rechtssystem eingreifen nnd gelegentlich nimmt man es sich bei solchen Gelegenheitsgesetzen auch nicht sonderlich übel, die juristische Theorie zu durchbrechen. ES ist aber kein Vorwurf gegen Gesetze, die das Recht normiren, wenn sie juristisch richtig gedacht sind; es giebt keinen Gegensatz zwischen richtiger Theorie und gesunder Praxis. — Man meine doch auch nicht, daß gewisse Theile des Privatrechts ihrer Natur nach einen provinziellen Charakter haben und deßhalb von der Ccdification des Ganzen ausgeschlossen bleiben müßten. WaS ist denn überhaupt provin­ zielles Recht? Das ist ein ganz unbestimmbarer Begriff: soll man das preußische Allgem. Landrecht so bezeichnen, da es nicht in allen Provinzen des Staates gilt, oder das rheinische Recht, oder das lübische, was fast am ganzen Saume der Ostsee galt und zum Theil noch gilt, — während doch gewiß das königl. sächsische Gesetzbuch gemeines Landesrecht ist? Freilich mag das Anerben- oder Meierrecht sich in der einen Landschaft anders gebildet haben, als in einer anderen: Niemand wird es einfallen, solche Rechtsinstitute durch eine Codification zu Instituten des gemeinen Rechts zn machen, oder Lehne und Familienfideicommiffe mit diesem Cha­ rakter zu bekleiden. Dergleichen mag in dem engen Kreise bleiben, dem es angehört. Auch wird es angehen, gewissen lokalen Formen des ehe­ lichen Güterrechts noch Raum zu geben, wie es ja z. B. das Allgem. Landrecht gethan hat. Aber weder das Familien- noch das Erbrecht sind von Natur provinzialrechtlich. Wer will dem gemeinen Dotalrecht, dem römischen Jntestat-, Testaments- und Pflichttheilsrecht, dem französischen und preußischen Familien- und Erbrecht den allgemeinen Charakter ab­ sprechen, oder wer will behaupten, daß die Lebenskreise, die unter diesen Rechten stehen, an Individualismus, an berechtigten Eigenthümlichkeiten eingebüßt haben. Männer, die in der vordersten Reihe der Wissenschaft stehen, wie Windscheid, hegen die Hoffnung und den Wunsch, daß wir

jetzt zur Einheit des Privatrechts gelangen können. Noch fehlt die formelle Zuständigkeit für das Reich, da ihm Art. 4 der Verfassung nur das Obligationenrecht überwiesen hat. Sollte es so schwer sein, in diesem Artikel das Wort Obtigationenrecht mit dem Worte Civilrecht zu vertauschen? Berlin, Ostern 1871.

Vorwort zur dritten Auflage.

L-ie neuere preußische Gesetzgebung hat auf dem Gebiete des Privatrecht« insbesondere durch die Gesetze vom 5. Mai 1872 über das Immo­ biliarsachenrecht tief in da- System des A.L.R. eingegriffen. In Folge dessen hat die dritte Auflage vielfache Veränderungen erleiden müssen, welche zwar hauptsächlich im 3. Bande hervortreten, aber auch schon im 1. Bande erhebliche Umarbeitungen nothwendig gemacht haben. Im Uebrigen ist der Verfasser bemüht gewesen, Verbesserungen im Einzelnen vorzunehmen, zu welchen ihm von manchen Seiten, theilweise namenlos, dankenSwerthe Beiträge zugegangen sind, sowie die neue Literatur und Rechtssprechung zu berücksichtigen; von letzterer bedarf jetzt auch die Rechts­ sprechung des ReichSoberhandelSgerichtS besonderer Beachtung. Das Re­ gister zu den früheren Auflagen hat Herr KreiSrichter Rademacher auSgearbeitet, er hat sich bereit erklärt, daffelbe auch für die dritte Auflage zu übernehmen und erwirbt sich hierdurch einen besonderen Anspruch auf den Dank des VerfafferS. Was in der Vorrede zum 4. Bande als Wunsch und Nothwendigkeit ausgesprochen worden ist, daß die Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung auf das ganze Civilrecht ausgedehnt werde, ist jetzt nahe seiner Verwirk­ lichung. Inzwischen sind bereits in der Literatur sehr verschiedene An­ sichten über die beste Art und Weise der Ausarbeitung eines deutschen CivilgesetzbuchS ausgesprochen worden. Fitting fürchtet einen zu plötzlichen

und unvermittelten Uebergang in das neue Recht, wenn sofort das Gesetz­ buch verfaßt würde, und will deshalb demselben erst eine zweck- und planmäßige Spezialgesetzgebung vorangehen lassen, welche zunächst die­ jenigen Rechtssätze einheitlich regele, welche am leichtesten und unbedenk­ lichsten einer einheitlichen Festsetzung zugänglich sind, und fortschreitend einen immer wachsenden Grundstock gemeinsamen Rechts bilden würde, bis dann als Schluß sich für die Alles znsammenfaffende Codification das Ganze als die durch die Stückcodificationen gereifte Frucht wie von selbst ergäbe. Bürkel widerräth diesen Weg zu betreten: die sofortige Abfassung

eines vollständigen deutschen Civilgesetzbuchs sei das allein Angemessene. Ueberzeugend weist er nach, daß jener Weg nicht betreten werden darf,

daß er, indem auf ihm Schwierigkeiten vermieden werden sollen, in neue und unerträglichere Schwierigkeiten führen müßte. Aber auch Paul Rothe will nicht gleich mit der Abfassung des Civilgesetzbuchs beginnen lassen, sondern der Codification eine Unification, eine allmählige Auftäumung der kleineren Partikularrechte voranschicken, während wieder der Verfasser eines

Aufsatzes in der Augsburger Allgemeinen Zeitung (Beilage v. 13. Mai 1873 V—ff.) frisch und muthig das große Werk zu unternehmen räth. Wer

wollte zweifeln, daß nur auf diesem Wege ein Gelingen in absehbarer Zeit möglich und denkbar ist. Wie groß die Schwierigkeiten sind, die der Aufstellung eines einheitlichen deutschen Privatrechts entgegenstehen, nach­ dem Jahrhunderte lang der Mischungs- und Verwirrungsprozeß des fremden und einheimischen Rechts gedauert hat, Landschaften und Ort­ schaften ihre besonderen Rechte sich gegründet und große Gesetzbücher neu­

gestaltend einen Rechtszustand sixirt haben, der zum Theil bereits veraltet

und durch die weiteren Entwickelungen der neueren Zeit überwunden worden ist, und endlich in unseren Tagen zu den alten Gegensätzen des statutarischen, Landes- und gemeinen Rechts der neue Gegensatz des Reichsrechts sich gesellt hat, welches nicht subsidiär wie das gemeine Recht, sondern durchgreifend und durchschneidend gilt und Alles umwirft, was ihm in den Weg tritt, das Alles weiß jeder Jurist.

Aber man hoffe

nicht, diese Schwierigkeiten zu überwinden, wenn man zu tief sich in die­ selben einläßt, wenn man erst all das kleine, fast durchweg unbrauchbare Detail des Partikularrechts schonend ordnen und bewahren, wenn man stückweise vorschreiten will, während doch gleich ein Ganzes, ein System des Rechts gebildet werden soll, das vor Allem der Einheitsarbeit bedarf.

XVI

Vorwort zur dritten Auflage.

Wohl

gehört nicht bloß eine unendliche Fülle von Selbstbescheidung und

Mäßigung zu dem Gelingen

de-

Werks;

denn

viel Altgewohnte- und

theoretische Liebling-ansichten werden aufgegeben werden müssen, weil sie

sich in die Einheit nicht fügen können.

Ebenso sehr aber wird auch ein

unbeugsamer, kühner Muth gefordert,

nach allen Richtungen hin aufzu­

räumen, da- Veraltete niederzureißen oder wegzuwerfen.

Gewiß wird da-

neue Werk nicht zu Stande kommen ohne große und zahlreiche Mangel.

Aber die Aufgabe der Gegenwart ist e-, daß die feste, einheitliche Grund­ lage gewonnen werde, eine Grundlage, welche im Großen und Ganzen dem heutigen Standpunkt der Wissenschaft und Recht-sprechung, den heu­

tigen Verkehr-bedürfnissen und Leben-verhältnissen entspricht.

Da- kann

und da- muß gelingen, heute so gut wie in späteren Jahren.

Wa- dann,

wenn die Einheit erst gewonnen, im Einzelnen zu bessern übrig bleibt,

mögen diejenigen besorgen, die nach un» kommen: ihre Arbeit wird immer noch eine unendlich viel leichtere sein al- die unsrige.

Möge ein günstige-

Geschick dem gewaltigen Unternehmen beschieden sein! Berlin, Ende Juni 1873.

Der Berfaffer.

Uebersicht des Systems.

E inleitung.

Erstes Buch.

Die Grundbegriffe.

Erster Theil. Zweiter Theil.

Zweite» Buch.

Das Recht.

Die Berechtigung.

Die besonderen Privatrechte.

Erster Theil.

Die persönlichen Rechte oder die Lehre von den

Schuldverhältnissen. Zweiter Theil.

Die dinglichen Rechte.

Dritter Theil.

Da» Familienrecht.

Bierter Theil.

DaS Erbrecht.

Fünfter Theil.

Da» GesestschaftSrecht.

zörster, Preuß. Privatrecht. 1. 3. Aufl.

*

Jnhaltsverzeichniß des I. Bandes Einleitung.

Seite

§. 1. Geschichtliches..................................................................................................... §. 2. Daö allgemeine Landrecht und die allgemeine Gerichtsordnung.... Redaktion des A LR. 6. Quellen. 8. Publikation. 9. Redaktion der A G.O. 9. Verhältniß beider Gesetzbücher zu einander. 10.

1 6

§. 3

Spatere Gesetzgebung............................................................................................... 11 Erster Anhang. 11. RevisiouSarbeiten. 11.

§. 4

Giltigkeit des ALR als gemeinen Rechts........................................................ 12

§. 5.

Giltigkeit des A L.R. als Rechts der Preußischen Staaten............................ 14 Theilwcise SuSpenston. 14 Einführung in die neuen Provinzen. Ge meine- und französisches Recht. 15.

§. 6. §. 7.

Beurtheilung des A.L.R..............................................................................................16 System des A.L.R....................................................................................................... 20

§. 8.

Wissenschaft des preußischen Rechts....................................................................24

Verhältniß zu den Provinzialrechten. 12.

System diese- Werks. 22.

Erstes Buch. Die Grundbegriffe. Erster Theil.

Das Recht.

Erstes Kapitel. §. 9.

Da- Gesetz................................................................................................................ 31 Daö Gesetz als vorherrschende Quelle des preußischen Rechts. 32. Unter­ schied von Gesetz und Verordnung. 33. Prüfung der Gesetzmäßigkeit durch die Gerichte. 34. Publikation. 34. Giltigkeit deö Gesetzes. 35.

§. 10.

Zeitliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze........................................36 Nicht Rückwirkung. 37. Besonders bei Gesetzen über das Dasein von Rechten. 38. Rechts- und Handlungsfähigkeit. 40. Verträge. 41. Form der Rechtsgeschäfte. §. 43 I. 3. A.L R. §. 17. Einl. 41. Widerrechtliche Beschädigung; Eigenthum; dingliche Rechte. 43. Fanlilienrecht 45. Erbrecht. 46. Prozeßvorschristen. 47.

§.11.

Oertliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze........ Staatsverträge. 48. System der Stammrechte, der Landesrechte, der Gleichberechtigung. 48. Personal-, Real-, gemischte Statuten. 48. Grund­ satz nach Savigny. 49. Wohnsitz, Herkunft. 50. Rechts und Handlungs­ fähigkeit 51. Vermögensrecht 53. Obligationen. 55. Form der Rechts­ geschäfte, locus regit actum. 55. Inhalt und Wirkung der Rechts­ geschäfte. 56. Gesetzliche Obligationen 57. Delikte 58. Familienrecht. 58. Erbrecht. 60. Prozeßgesetze, Klagenverjäbrung 61. RetorsionSrecht 63.

47

JnhaltSverzeichniß des I Bandes.

XIX Seite

§. 12.

Auslegung der Gesetze................................................................................................ 64

Grammatische, logische Interpretation. 64. Register, Marginalien. PublPat. §. IX. 65. Landtags- und Reichstagsverhandlungen. 66. §.13.

Analogie...............................................................................................................................67

ZweiteS Kapitel. §. 14.

Das Sonderrecht und Privilegium........................................................................ 68

Drittes Kapitel. §. 15.

Erlasse deS Königs und der Behörden.................................................................. 70

Viertes Kapitel. §.16.

Daö Gewohnheitsrecht.

DaS VolkSrecht............................................................................................................71

Observanz. 71. §. 17

DaS Juristenrecht...........................................................................................................73 Präjudikate deS ObertribunalS. 74.

Zweiter Theil. Die Berechtigung. Erstes Kapitel.

§. 18.

Begriff und allgemeine Grundsätze.................................................................

75

Rechtssätze, Rechtsverhältnisse, Rechtsinstitute. 75. Berechtigung. Rechts­ erzeugende Thatsachen. Wohlerworbene Rechte, Recht-erwartungen. Selb­ ständige, abhängige Rechte. 76. Hanpt- und Nebenrecht. Verbindlich­ keit. Absolutes, relatives Recht. 77. Inhalt, Gegenstand. Theilbarkeit. Berechtigung als Macht. 78. Ausübung. 79. Beschränkungen der Rechtöausübung aus sittlichen, öffentlichen Gründen. 79. Kollision. 80. Ver­ äußerung. 82. Entäußerung, Verzicht, Entsagung. 83. Unentgeltlicher Erlaß, entgeltliche Entsagung. 86. Untergang. 87. Ausschließung. 87.

Zweites Kapitel.

§. 19

DaS Rechtssubjekt, die Person.............................................................................

88

Begriff der Rechts- und Handlungsfähigkeit. 88. Leibesfrucht. 89. Ge­ burt. 89. Tod. Verschollenheil. 90. Todeserklärung. 91. Geschlecht. 94. Alter. 94. Religion, Ehre. Geburtsstände. Krankhafte Körper- und Seelenzustände. 95. Verschwender. 96. Juristische Personen. Publi­ kum. 97. Dritte- Kapitel. §. 20.

DaS Rechtsobjekt.

Begriff der Sache...................................................................................................

97

Auslegung des § 3.1. 2. A.L.R. 98.

§

21.

Eintheilung der Sachen.........................................................................................

99

Körper, individuelle Sachen, Inbegriff. 100. Facti. Juris. 100. Be wegliche, unbewegliche Sachen, Substanz. 102. Grund und Boden. Oberfläche. Ländliche, städtische Grundstücke. 103. Theilbare, untheilbare S. Verbrauchbare, vertretbare S. 104. In und außer dem Verkehr. 104. Frucht. Nutzen, Nutzung 105. Haupt- und Nebensache, An- und Zu­ wüchse. 107. Pertinenz 108. Rechte. 110. §. 22.

Werth der Sache, rechtliche- Interesse.................................................................. 111

Gebrauchs- und Tauschwerth. 112. Waare, Preis, Geld 112. Gemei­ ner, außerordentlicher und Werth der Vorliebe. 113. Höherer und mitt­ lerer Werth. 114. Pretium succedit in locum rei. 115 Vierte- Kapitel.

Die rechtliche Beziehung de- Recht-sllbjektS auf da-Objekt.

1. Abschnitt. §. 23.

Die allgemeine Natur dieser Beziehung..................................................................117 Dingliches und persönliches R. 117. Erkennbarkeit deS dingl. R. 121. Titel u. Modus 123. Besitzergreifung. 124. Eintragung 125. Grund**

XX

InhaltSverzeichuiß M I. Bande-.

Seite buch, Einrichtung desselben. 126. Oeffentlichkeit und Glaube de- Grund­ buch«. 127. Objektiver, subjektiver Glaube. 128. Wa- heißt wissen, wann muß mau wissen. 129. Beweis de- Wissens. 130. Ausnahmen von der Vollständigkeit des Grundbuchs. 130. Bedeutung der Einschrei bungen. 131. Endgiltige, vorläufige Einschreibungen. Konsensprinzip. 132. Legalität-prinzip. 133.

2. Abschnitt. §. 24.

Ursachen der Berechtigungen.

Allgemeine-....................................................................................................................... 133 Thatsachen: Handlungen und Begebenheiten. 133. Rückziehung. 134. Kontinuität deS Recht-. 135.

1. Abtheilung.

Die Handlungen und Willenserklärungen, Rechtsgeschäfte.

§. 25.

Der Begriff...................................................................................................................135 Handlungen. 136. Unterlassungen. Rechtliche, widerrechtliche. RechtSgeschäst. 136. Einseitig, zweiseitig. Vertrag. Entgeltlich, unentgeltlich. Unter Lebenden, von Todeswegen. 137. Folgen der Handlungen. 137.

§. 26.

I. Die Handlungsfähigkeit...........................................................................................138 Unfähigkeit an- natürlichen Gründen. 139. Au- Gründen deS Ge­ setze-. 141.

§. 27.

Insbesondere die Zurechnung.................................................................................142 Begriff. 142. Vorsatz, Versehen. 143. Sorgfalt. 143. Grade deS ver­ sehens. 144. Zufall. 147.

§. 28.

II. Die Verfügung-fähigkeit......................................................................................148

§. 29.

I. Freiheit. Zwang........................................................................................................ 150 Physische, psychische Gewalt. Furcht. 150. Drohung. 151. Nichtig oder anfechtbar. 152.

§. 30.

I. Freiheit. Irrthum......................................................... Wesentlicher Irrthum. 156. Unwesentlicher. 157.

§. 31.

I. Freiheit. Betrug....................................................................................................158 Exc. doli generalis. 159.

§. 32.

II.

§. 33.

III.

§. 34.

I Arten............................................................................................................................162 Ausdrückliche, stillschweigende, vermuthete Erklärung.

35.

a. Unbeschränkter Wille............................................................................................... 163

A.

B.

Die Willen-fähigkeit.

Der Willen-entschluß

Ernst.

C.

154

Scherz und Schein................................................................................. 160

Gewißheit..............................................................................................................162

Die Willensäußerung.

II. Inhalt. §

Wesentliche, natürliche, zusällige Bestandtheile

b. Selbstbeschränkter Wille.

§. 36.

Bedingung.......................................................................................................................164 Keine Nebenbestimmung. Beschränkung de- Dasein- de- Willen-. 166. Bedingtheit de- Recht-verhältnisse-, nicht de- Rechtsgeschäft-. Definitio­ nen. 167 Ereigniß. 167. Ungewißheit. 168. Nothwendige, unmögliche, unerlaubte, 169, affirmative, negative B 170. Aufschieben, auflösen 170. Wirkung während de- Schweben-. 171. Entscheidung, Existenz, Deficienz 173. Wirkung der uneigentlichen B. 176 Bedingung nicht ver­ muthet. 177. Willen-erklärungen, die nicht bedingt sein dürfen. 178.

§. 37.

Zeitbestimmung............................................................................................................. 178 Unterschied von der Bedingung. 179. Anfangstermin. 179. Endter­ min 180. Rückziehung. 180. Unmögliche Zettbeflimmung. 180. Un­ gewißheit. 181.

Znhalt«v Bergt. Martin a. a. O. S. 244 fg. Stobbe S. 211. 4. I. S 210 fg. (wo auch die Bedeutung biefer Begriffe für die Systematik erörtert ist). Windscheid a. a- S 86 Note 2. Die Unterschei­ dung de» Letzteren zwischen Verhältnissen, die nur Recht-verhältnisse, d. h. durch die Rechtsordnung geschaffen seien ^Eigenthum), und solchen, die zugleich Leben-verhältniffe sind (Vertrag), dürste unfruchtbar zu nennen sein, sie kommt darauf hiitau», ob man von einem „Leben-verhältniß" der Person zur Sache, oder nur von solchem zwischen Personen sprechen kann. Der Sprachgebrauch hält auch Er­ stere- für zulässig: da» Verhältniß der Person zur Sache, die sie al» ihr Eigen­ thum ansteht, die sie besitzt, ist auch ein an- thatsächlichen Umständen hervorgegan­ gene- Leben-verhältniß, nicht erst vom Recht geschaffen.

inftitut also umfaßt eine Anzahl Recht-regeln, welche gewisse menschliche Leben-verhältnisse in die Rechtsordnung einstigen sollen, diese sind der Stoff, welcher vom Recht die seinem Zweck entsprechende Form erhalten soll. Sie entstehen au- Thatsachen, die entweder vom freien Willen de- Menschen hervorgerufen werden, oder sich unabhängig von seinem Willen ereignen (§ 24). Soweit nun solche Thatsachen unter die Rege­ lung eine- Recht-institut- fallen, bildet sich da- Recht-verhältniß, und der Mensch, zu welchem e- in Beziehung steht, hat die Befugniß, in seinem Interesse dasselbe nach den Geboten und Normen de» Recht» zu gebrau­ chen, auSzuüben (Recht int subjektiven Sinn, Berechtigung.) Als Thatsachen, au- denen die Rechte der Menschen entstehen, bezeichnet daA.L.R. Geburt, Stand, Handlungen und Begebenheiten, mit denen die Gesetze diese Wirkungen verbinden, d. h. sofern und soweit sie unter die Herrschaft de» Recht- fallen, erzeugen sie Rechte. An jedem Recht-verhältniß, an jedem einzelnen Recht ist eine thatsächliche und recht­ liche Seite zu unterscheiden. Der Eintritt solcher Thatsachen macht erst da- abstrakte Recht-verhältniß zum konkreten, praktisch wirklichen. Die Rechte bieten der Betrachtung — abgeseben von ihrem verschie­ denen Inhalt und Gegenstand — auch schon an sich, nach ihrer allge­ meinen Natur Unterschiede. Sie sind entweder schon wohlerworbene'), wirklich daseiende, zur vollen Existenz gelangte Berechtigungen, oder noch schwebende Recht-erwartungen, je nachdem die Thatsachen bereit­ sämmtlich eingetreten, die die Begründung de- Recht- vollenden, oder erst Thatsachen eingetreten sind, die nur in Verbindung mit künftig eintreten­ den, also noch gehofften Thatsachen jene Begründung bewirken. ES ist auch int letztem Fall schon ein Anspruch entstanden — die erste Stufe zum Erwerb de- Recht- — aber e» fehlt noch an den weiteren Bedin­ gungen. Wäre weniger vorhanden, nur eine allgemeine Möglichkeit für den künftigen Erwerb eine- Recht-, eine bloße Hoffnung, so gehört diese dem Recht-gebiet überhaupt noch nicht an. Nur da- wohlerworbene Recht (jua quaesitum) ist ein wirkliche- Recht, mit dem Schutze der allgemei­ nen Rechtsordnung und der Eigenschaft der Kontinuität ausgerüstet, d. h. einmal entstanden, dauert e- fort bi- zur Erfüllung seine» Zweck-, oder bi- zum Eintritt von Thatsachen, die in entgegengesetzter Richtung wirken'). Da» Recht ferner kann selbständig oder abhängig von der Existenz eine» anderen Recht- sein, auf welche- e» sich bezieht, von dessen Existenz seine eigne bedingt ist. Hiernach unterscheidet sich da- Haupt» a) Ueber wohlerworbene Reckte bergt. ® euffert, Archiv B. 8. Nr. 112. 282. B. 9. Nr. 214. und oben §. 10. Note 2. S. 27. Sin teni« 2. A. I. S- 87. •) Die Kontinuität des entstandenen Recht« ist besonder« im Prozeß bei der Frage nach der Ausdehnung der Beweislast von Wichtigkeit. Der Eintritt von That­ sachen, die sie hätten unterbrechen können, wird nicht vermuthet. Siehe unten tz. 24. Note 3.

und Nebenrecht. Da» letztere entsteht zwar au- einem eignen selbständigen Grunde, aber einmal entstanden und mit einem anderen Rechte, al- seinem Hauptrecht verknüpft, kann eS von diesem nicht mehr willkürlich getrennt werden, eS muß mit ihm in demselben Subjekt ver­ einigt bleiben; eS kann nicht länger bestehen, al» jene-, eS überträgt sich mit ihm auf jeden neuen Erwerber. Nur relativ, soweit eS eine beson­ dere Leistung dem Berechtigten gewährt, kann e» abgesondert von seinem Hauptrecht gerichtlich erzwingbar gemacht werden, sonst nur mit diesem zugleich*). Weil der Mensch nur in der menschlichen Gesellschaft, nur anderen Menschen gegenüber Rechte hat, so folgt, daß jede- solche Recht nicht allein an sich die seinem Begriff entsprechenden Grenzen hat, sondern auch, da diese Umgrenzung nicht verletzt werden darf, daß jedem Recht eine Verbindlichkeit, eine Pflicht, gegenübersteht: die Pflicht eine» Jeden, die Grenze der Recht-sphäre de» Andern zu achten. Sie kann au» besonderen Gründen nach der Natur de» einzelnen Recht» einem be­ stimmten Menschen besonder» obliegen, sie kann nicht blo» ein negative» Nichtstören, sondern ein positive» Thun oder Leisten enthalten — aber auch, wenn solche besondere Verpflichtung nicht vorliegt, ist doch die all­ gemeine Aller vorhanden, die Rechtsordnung dadurch zu achten, daß da» Rechtsgebiet jede» Einzelnen unversehrt bleibt. Ausnahmslos gilt im Privatrecht der Satz, daß jeder Berechtigung eine Verpflichtung entspricht. „Aus dem Recht des Einen", sagt da» A.L.R., „folgt die Pflicht de» Andern zur Leistung oder Duldung desien, was die Ausübung de» Recht­ erfordert. Wer den Andern in der Ausübung feine- Recht- hindert, be­ leidigt ihn und wird ihm verantwortlich." Je nachdem diese Verpflich­ tung zur Rechtsanerkennung jene allgemeine, allen Menschen obliegende und daher ihrer Natur nach negative, oder von einer bestimmten Person in besonderer Weise zu erfüllen ist, und daher auch in positiven Leistun­ gen bestehen kann, hat da» Recht einen absoluten oder relativen Charakter. Da» absolute Recht äußert sich mit gleicher Stärke gegen alle Menschen, da- relative nur gegen eine bestimmte Person, jene- umfaßt die s. g>- Zustandsrechte (z. B. väterliche Gewalt) und da- s. g. Vermö­ gensrecht, soweit die- dinglichen Charakter hat; diese» da» reiche Gebiet de» Verkehr» von Person zu Person, da» Obligationenrecht. Jene» ist da» Recht in der Ruhe, in seiner vollendeten Abgeschloffenheit; diese» da» Recht in seiner Bewegung, in seinem der Vollendung zustrebenden Werden. Befugniß und Verpflichtung bilden zusammen den Inhalt de» Recht». An» dem Begriff de» Recht», dem da» konkrete RechtSverhältniß ange-

78

Erste- Buch.

Die Grundbegriffe.

hört, ergiebt er sich. Verschieden davon ist der Gegenstand, ihn bieten die Ereignisse deS Lebens, auf ihn bezieht sich Berechtigung und Ver­ pflichtung, er ist für beide derselbe, eine Sache oder Handlung, auf welche der Berechtigte seine Macht übt. Hieran knüpft sich die Eigenschaft der Theilbarkeit oder Unteilbarkeit'). Sie trifft den Inhalt, nicht den Gegenstand. Jedes Recht besteht aus einer Mehrheit von Befugniffen; steht verschiedenen Personen, jeder eine andere dieser Befugnifle zu, so wird jede derselben ein besonderes Recht, und das Recht, welche» ihnen die Einheit gab, hat aufgehört. ES ist nicht getheilt, sondern zer­ stört, aufgelöst. Wohl aber kann das Recht mit allen seinen Befugniffen, in seiner Einheit erhalten, mehreren Personen zustehen, und diese be­ schränken sich gegenseitig nur den Umfang derselben. Hier hat jeder Ein­ zelne alle Befugnifle, die diese» Recht bietet, nur in geringerem Umfang, qualitativ daflelbe Recht, quantitativ ein geringeres. In diesem Fall ist das Recht getheilt. Nicht jede» Recht ist theilbar, wie sich die» bei der Darstellung der einzelnen Rechte erst erweisen läßt. Die Berechtigung ist eine Macht, ein Dürfen') — nicht schran­ kenlos, vielmehr gebunden an die Gebote der allgemeinen Rechtsordnung, des gesetzten Rechts, dem sie nicht widersprechen kann'). Aber weil sie Macht ist, d. h. die freie Selbstbestimmung de» Menschen erweitert, ist ihr Gebrauch dem freien Willen anheimgegeben; Niemand kann gezwungen werden, sich seine» Rechts zu bedienen'). Daß an die Nichtausübung des Recht» unter Umständen nachtheilige Folgen sich anfchließen, hebt den Grundsatz nicht ans, denn da diese Folgen vom Gesetz allgemein gestellt sind, so sind sie von dem Einzelnen, der verniöge seiner freien Selbstbe­ stimmung sie herbeiführt, al» gewollte zu betrachten. Ferner, weil sie Macht ist, kann sie nur der Person zustehen. Wenn auch das positive Recht vielfach Begriffe personifizirt und dadurch zu Rechts­ subjekten erhebt, so geschieht dies nur au» äußerlichen Zweckmäßigkeits­ gründen, die bei tieferer Einsicht nicht bestimmend sein sollten, und auch bei solchen künstlich geschaffenen, abstrakten Persönlichkeiten läßt sich immer da» Wollen deS Rechts auf konkrete Personen zurückführen. In gleicher Weise kann die gegenüberstehende Verpflichtung nur der Person Wiegen, weil sie ebenso im Willen ihren Grund hat, selbst wenn sie zunächst an eine Sache geknüpft erscheint. Soweit nun Jemand ein Recht erlangt hat, ist er daflelbe in den •) Wächter S. 579. Savigny, Lbliz. R. B. 1. S, 310. Unger S 607. *) Windscheid S 86 Note 2. ’) SBttgl. 1.7. § 7. 16. D. II. 14. 1.26.35.$.!. D. XLV. 1. 1. 112. §. 3. de leg. I. §. 36. in fine J. II. 20. 1. 4. C. VIII. 39. •) 1. 20. §. 5. D. VIII. 2. 1. un. C. III. 7. Hiervon macht die Diffamation-llage eine Ausnahme. S. unten §. 58. A.G.O. I. 32. §. 1.

§. 18. Begriff der Berechtigung und allgemeine Grundsätze.

79

gesetzmäßigen Schranken auSzullben befugt, wobei das Recht zum Größeren oder Mehreren auch das geringere oder wenigere Recht gleicher Art in sich schließt'). Er befindet sich durch den Erwerb des Rechts im Besitz aller vom Gesetz bewilligten Mittel, ohne welche es nicht auSgeiibt werden kann"). Die Ausübung des Rechts ist daher nicht allein nach Außen, durch die Rechtssphären anderer Personen begrenzt, sondern hat sich auch innerhalb dieser Grenzen an die Vorschriften der Gesetze zu binden und nur diejenigen Mittel anznwenden, die die Gesetze bewilligen; durch deren gesetzmäßigen Gebrauch ist die Person zu allen Vortheilen be­ fugt, die das Recht zu gewähren im Stande ist. Wenn ein solcher Ge­ brauch Dritte beschädigt, so liegt in ihm doch kein Unrecht und verpflichtet nicht zum Schadenersatz (qui jure buo utitur, neminem laedit)11). Der sittliche Gebrauch des Rechts ist zwar nicht Recht-pflicht"), trotzdem, weil das Recht der Unsittlichkeit nicht Vorschub leisten darf, giebt e» in sittlichem Interefle Beschränkungen für die Ausübung des Recht- (;. B. die Interdiktion der Verschwender, die Einschränkungen de- ExekutionörechtS gegen Arme, die Recht-wohlthat der Kompetenz). „Wie weit diese Beschränkungen gehen können, kann abstrakt nicht bestimmt werden. Sie bilden eine Linie, die sich mit der sittlichen nnd rechtlichen Anschanung, mit der Bildung eine- Volke- ändert" "). Abgesehen von diesem sittlichen Interesse, welchem der Gesetzgeber unter Umständen da- rechtliche unter­ ordnet, wird da- letztere al- nur da- einer einzelnen Person auch auanderen höheren Gründen zu weichen haben, wenn da» Interefle der Ge­ meinschaft, welche» der Staat zu befördern berufen ist, sich entgegen­ stellt. Da» A.L.R. stellt hier al- Prinzip hin: jede» Mitglied de» Staat­ ist da- Wohl nnd die Sicherheit de» gemeinen Wesen- nach dem Verhält­ niß seine» Stande» und Vermögens zu unterstützen (d. h. also positiv zu fördern) verpflichtet. Daraus leitet e- ab, daß die Privatrechte der Ein­ zelnen den Rechten und Pflichten zur Beförderung de» gemeinschaftlichen Wohle», wenn zwischen beiden ein wirklicher Widerspruch eintritt, nach­ stehen, daß also in solchem Fall der Einzelne seine besonderen Rechte und Vortheile dem gemeinen Wohle opfern muß. Nur soll der Einzelne da•) I. 21. de R. J. Beispiel bei den Wegeservituten pr. J. II. 3. A.L R. I. 21. §. 66. '*) 1. 56. 62 D. III. 1. 3 §. 3. D. VIII. 3. 1.11. pr. §. 1. D.VIII. 4. Wächter S. 60. ") Ueber diesen Recht»satz: Seusfert B. 14. S. 354. 1. 55. 151. de R. J. ") I. 38. v. VI. 1. 1. 1. §. 21. I. 2. §. 9. D. XXXIX 3. enthalten, wie Wächter S- 195 Note 10. zeigt, nur spezielle Borschriste», die nicht Verallgemeinert werden dürfen. Da» A LR. rügt an mehreren Stellen den Mißbrauch de» Recht», der zur Kränkung, zum Schaden Anderer gereicht. $. 37. I. 6. §. 28. 1. 8. Vergleiche hierzu den jetzt nicht mehr praktischen §. 516.11. 20. ") Ähren», juristische Encyklopädie, 1855. S. 597.

für vom Staat entschädigt werden"). Dieser Anspruch setzt voraus, daß der Staat in Ausübung seines Hoheit-rechts ein Opfer im allge­ meinen Interesse verlangt, und er ist nicht vorhanden, wenn vom Staat der Privatperson der Schaden dadurch zugefügt worden ist, daß er sich gegen sie seines ihm an sich schon zustehenden Privatrechts, z. B. als Besitzer von Grundstücken, sei es innerhalb oder außerhalb der gesetzlichen Schranken bedient hat — denn in jenem Fall ist überhaupt nicht zu ent­ schädigen, in diesem Fall haftet der Staat, wie jede Privatperson"). Und wenn durch Gesetz da- Privatrecht Einzelner aufgehoben oder einge­ schränkt wird, die Maßregel also nicht von der Staatsverwaltung auSgeht, so kann eine Entschädigung nur verlangt werden, wenn daS Gesetz selbst sie bewilligt"). Nicht allein auS sittlichen Rücksichten oder gegenüber dem höheren Recht des gemeinen Wohls wird die Ausübung des Rechts beschränkt, sondern auch durch daS Recht anderer Personen, wenn dieses und jenes nicht in vollem Umfang neben einander bestehen können, wenn sie kolliViren"). Hier giebt daS A.L.R. folgende Grundsätze: Es weicht daS mindere Recht dem stärkeren, der gesuchte Bortheil dem abzuwendenden Schaden; sind die Rechte von gleicher Beschaffenheit, so muß jeder der Berechtigten von dem seinigen soviel nachgeben, als erforderlich ist, damit die Ausübung beider bestehen kann"). Zunächst ist aber der Begriff der Kollision der Rechte, über welchen keineswegs Uebereinstimmung der Mei­ nungen herrscht, näher festzustellen, und dies wird am besten dadurch ge­ schehen, daß diejenigen Fälle, welche man zur Kollision hat rechnen wollen, und die in der That nicht dazu gehören, auSgeschieden werden. AuS dem Begriff der Kollision an sich folgt schon, daß er den Widerstreit zweier Berechtigungen erfordert. ES kann also eine Kollision nicht stattfinden, M) Berfaff. Urs. Art. 9. Ein Expropriation-gesetz ist noch nicht erlaffen aber vorbe­ reitet. A.L R. I S. §. 29. 33. fg. 11. § 4. **) Ueber die Entschädigung-pflicht de- Staat» für dem gemeinen Wohl gebrachte Opfer vergl. des. Entsch. B. 20. S. 3. (Plenarbeschl), da« Gutachten de« Staats­ ministerium« u. die Kab-Ordre v. 4. Dezbr. 1831 (Ges.-S. S. 255). Entsch. B. 49. S- 80. B. 53. S- 31 B. 56. S. 19. Strieth. B. 51. S. 34. b. Al« ein Opfer, welche« dem gemeinen Wesen gebracht wird, steht e» da« Obertribunal nicht an, wenn durch Erweiterung de« KestungS-Rapon» die Benutzung der an­ liegenden Grundstücke vermindert wird- Sie fei nur eine Beschränkung, der sich Jeder unterwerfen mutz, für welche eine Entschädigung vom Staat nur verlangt werden könnte, wenn sie gesetzlich ausdrücklich zugesichert worden wäre. Entscheid. B. 20. S- 101. — Koch, Kommentar zu§. 75. Einl. u Pr. R-1. S. 393. Siete 1. Da auch die Minderung oder Einschränkung eine« Recht« ein Opfer erheischt, so ist die Unterscheidung, die da» O.Trib. zwischen jener und gänzlichem Verlust de« Recht« macht, eine willkürliche, in den Gesetzen nirgend au-gesprochene. ») Präjudiz 863. (Sammt. I. S. 4.) und Entsch. B. 17. S. 374. Strieth. B. 60. S. 111. *’) Wächter II. S- 587. Unger I. S. 621. **) Koch, Kommentar zu §. 95—97. Einl. Note 99.100. 101.

wenn verschiedene Personen dasselbe Recht, jede für sich ausschließlich in Anspruch nehmen, denn hier kann eS nur einer zustehen, und jede andere hat eS nicht zu fordern: welcher eS zusteht, wird auf dem Wege des Pro­ zesses durch richterliches Urtheil entschieden. Es können ferner nicht zwei Rechte kollidiren, wenn sie demselben Subjekt zustehen, denn hier fehlt eS an dem Widerstreit: eS ist möglich, daß der Berechtigte nicht zugleich beide Rechte auSüben kann, aber dann ist da» eine erloschen. Weiter ist nicht Kollision vorhanden, wenn da» eine Recht die Bestimmung hat, da» an­ dere nur in der Ausübung zu beschränken, weil hier schon die Natur und der Zweck de» einschränkenden Rechts den Widerstreit beseitigt. Endlich kann nicht von Kollision gesprochen werden in allen Fällen einer RechtSgemeinschaft, weil hier'schon die Gemeinschaft die Lösung eine- Widerstreit» enthält. Vielmehr ist der Begriff der Kollision der Rechte dahin festzu­ stellen, daß verschiedene Personen Befugnifle ans denselben Gegenstand auöüben dürfen, die einander stören und widersprechen. Jede Person muß ein begründete» Recht zur Ausübung haben, jede» dieser Rechte muß sich auf denselben Gegenstand beziehen, die Ausübung deS einen muß gehindert werden durch die Ausübung des andern. Die» kann eintreten entweder dadurch, daß beide Rechte ihrem Zweck und Ziel nach gegen einander gerichtet sind, oder dadurch, daß der Gegenstand die Ausübung beider Rechte neben einander nicht zu tragen vermag, daß er dazu nicht anSreicht. Daß die Rechte ihrem Begriff nach gleichartige sind, ist nicht nothwendig: wesentlich ist nur, daß die Befugnisse, die au» den beiden Rechten fließen, geeignet sind, einander zu stören. ES kann also eine Kollision vorhanden sein, wenn ein dingliche» und ein persönliche» Recht auf denselben Gegenstand zusammen treffen, obgleich beide Rechte ungleichartig sind"). ES ist Kollision, wenn mehrere dingliche Rechte oder mehrere persönliche Rechte auf denselben Gegenstand sich vereinigen, und dieser nicht jede» vollständig befriedigen kann. Für solche Fälle muß da» Gesetz die Regeln einer Lösung bieten. Welche da» A.L.R. giebt, ist oben erwähnt; zunächst da» stärkere Recht weicht dem geringern. E» fragt sich, worin die größere Stärke zu finden ist"). Hierher gehören be­ stimmte Vorzüge, die daS Gesetz einem Recht beigelegt hat"), höhere» Alter der Entstehung") (prior tempore potior jure), unmittelbarere und ") Die Kollision dinglicher und persönlicher Rechte wird durch die Einrichtung deS Grundbuchs zu Gunsten der eingetragenen Berechtigten, deren guten Glauben an die Richtigkeit des Grundbuchs vorausgesetzt, entschieden. Ges. über den EigenthumSerwerb v. 5. Mai 1872 §. 4. 9. *•) Der Entwurf z. allgem. GB. hatte in §. 103. Einl. die Bestimmung: welches Recht das stärkere (jus potius) sei, muß der Richter nach den Gesetzen bestimmen. DaS versteht sich von selbst.

’*) Z. v. A.L.R. I. 17. §. 26. 27.1. 20. §. 587. 588. 274. fg. I. 22. §. 128. fg. II 4 §. 4. 5. 88. II. 11. §. 344. II. 16. §. 159. **) Z. B. A.L.R. I. 10. §. 20 22. I. 19. §. 19.1. 20. §. 500. 590. I. 21. §. 72. Förster, Preuß. Prtvatrecht. I. 3. Ausl.

6

Erste« Buch.

82

Die Grundbegriffe.

vollere Beherrschung des Gegenstandes bei dem einen, als bei dem andern (bei dem durch Besitz oder Eintragung begründeten dinglichen Recht gegen­

Entscheidet nicht daS Uebergewicht deS einen

über dem persönlichen)").

Rechts, sind beide gleich stark, so soll ein gegenseitige- Nachgeben statt­ finden.

ES ist nicht klar,

wie dies

ins Werk gesetzt werden soll, wie

man da« Maß deS Nachgebens zu finden hat, wenn es sich um einen theilbaren Gegenstand handelt.

Der Grundsatz kann

daß eine verhältnißmäßige Theilung möglich ist,

nur voraussetzen,

und dies

tritt ein

im

Konkurse der gleichberechtigten Gläubiger gegen eine unzulängliche Masse.

Ist der Gegenstand nicht theilbar, so wird das LooS entscheiden müssen, welches zwar daS A.L.R. in einzelnen Fällen anwenden läßt"), hier aber

als allgemeines Lösungsmittel für Rechtskollisionen nicht erwähnt.

Ebenso

läßt eS die Wirkung der Prävention unerwähnt, die gemeinrechtlich aner­ kannt wird").

Gleichwohl wird sie auch für das preußische Recht anzu­

erkennen sein,

weil sie, sofern der Prävenirende sich in den Besitz deS

Gegenstandes setzt, seinem Recht eine größere Stärke verleihet"). Wenn daS Recht nur existiren kann in Beziehung auf eine bestimmte

Person, weil eö mit deren besonderen persönlichen Eigenschaften zusam­ menhängt, ist eS auf andere Personen nicht übertragbar. Weitaus die meisten Rechte aber, insbesondere die Vermögensrechte, sind der Willkür

deS Subjekts unterworfen, und können, unbeschadet ihres Daseins und ihrer Wirkungen, von ihm auf andere übertragen,

veräußert werden.

Es geht dann das bestimmte HerrschaftSvcrhältniß über einen Gegenstand,

welches dieses Recht gewährt, auf die andere Person so weit über, als

eS der Veräußerer will.

ES giebt eine gänzliche und eine theilweise Ver­

äußerung, aber niemals kann der Veräußerer mehr Recht übertragen, als er selbst hat"). DaS Recht geht über mit seinen Lasten und Einschrän­ kungen: der Wechsel der Subjekte ändert nichts an dem Umfang und den Eigenschaften, an der Individualität deS Rechts"). ») Z. B. A.L.R. I. 10. ?. 19. 23. I. 19. §. 4. I. 20. §. 9. 10 I. 20. §. 626. Körperliche Uebergabe wirkt stärker als symbolische. I. 7. §. 74. Strieth. B. 48. S. 21. Eintragung wirkt stärker, wie Uebergabe. Ges. v. 5. Mai 1872. §. 1. 4.

,4) Z. B. A.L.R. I. 9. §. 317. I. 12. §. 394. I. 17. §. 28. Nach I. 17. §. 62. entscheidet die Wahl des aus dem Miteigentum Ausscheidenden unter den verschiedenen zum Vorkauf berechtigten Miteigenthümern. 2S) Unger S. 629. Vergl. besonders die Belege in Note 30. das. S. 630. Z. B. AL.R. I. 9. §. 256. II. 4. §. 237. A.G.O. I. 31. §. 19. Gegen die Prä vention durch Eintragung sprach §. 25.1. 10. A L.R. Der Satz ist durch §. 4. 15. des Ges. vom 5. Mai 1872 beseitigt. Förster pr. Gruudbuchr. S. 48. f. ”) I. 54. I. 160. §. 2. I. 175. §. 1. I. 177. pr. I. 143 de R. J. S. Gruchot, Beitr. XIV. S. 603. sg. Hierher gehört auch der Fall, wo der Veräußerer daö Recht nur auf Zeit hatte. Hier erlischt daö Recht bei Eintritt dieses Zeitpunktes auch bei dem neuen Erwerber (resolute jure dantis resolvitur jus accipieutis). Vergl. Fitting, über den Begriff der Rückziehung, 1856 S. 66. 28) Dies ist neuerdings von Kuntze (die Obligation und Singularsuccession 1855.

§. 18.

Begriff der Berechtigung und allgemeine Grundsätze.

83

geht also daS Recht nicht unter, es bleibt

Durch die'Veräußerung

erhalten, nur der bisher Berechtigte giebt es auf.

Sein Wille ist hierbei

das bestimmende Moment, und weil nicht vermuthet werden kann, daß

sich Jemand feines Rechts begeben wolle, so muß klar feststehen, daß der

Wille auf das Veräußern gerichtet gewesen.

„Die Willensäußerung soll

deutlich und zuverlässig sein"").

DaS Recht, wenn es nur überhaupt die Eigenschaft der Uebertrag-

barkeit hat, geht auch nicht unter, wenn der Berechtigte stirbt — es fällt dann an den Erben. An die Veräußerung lassen sich die Grundsätze von der Entäuße­

rung

eines Rechts,

schließen").

von der

Entsagung oder dem Verzicht an­

Wie Erstere daS Rechtsverhältniß objektiv erhält und nur

die subjektive Beziehung ändert, indem dasselbe Recht unverändert auf ein anderes Subjekt übertragen wird, so vernichtet die Entäußerung das

Recht selbst, in seinem objektiven Bestände.

Dieses Erlöschen des Rechts

durch die Entäußerung des Berechtigten kann zufällig die Wirkung haben,

daß nunmehr das Recht eines Anderen zur Geltung kommt, so wenn einer angefallenen Erbschaft entsagt wird und in Folge dessen der nächstberech­

tigte Erbe hervortritt, — aber eine Uebertragung desselben Rechts auf einen Anderen findet nicht statt, auch nicht wenn dem Recht ausdrücklich

zu Gunsten des Anderen entsagt wird, denn auch in diesem Fall wird nur bewirkt, daß dieser Andere nunmehr sein eigenes, welches immer ein

anderes Recht ist, geltend machen kann.

So ist denn die Entsagung das

Aufgeben eines Rechts ohne Uebertragung auf einen Anderen, ein Erlö­ schungsgrund. Die Entsagung ist ihrem Wesen nach eine einseitige Handlung, die sich jedoch schieden äußern kann.

nach

Regel nicht, sondern eS

muß noch ein Verhalten,

hinzukommen, die den Willen

Recht erlöschen kann.

der Beschaffenheit des Rechts sehr ver­

DaS bloße Wollen der Entäußerung genügt in der

in

eine Handlungsweise

der Art realisirt, daß daS

betreffende

Wer sein Eigenthum bloß nicht auSübt, verliert eS

S. 53 fg.) in Betreff der Singularsuccession bestritten. Er geht davon aus, daß di« Zugehörigkeit des einzelnen Rechts zu einer bestimmten Person so sehr zu sei­ nem Wesen gehöre, daß, wenn die Person des Berechtigten wechsele, daS Recht selbst ein andere« werde. Diese, mit der modernen Rechtsentwickelung, namentlich bei der Cession in Widerspruch stehende Ansicht verflüchtigt da» Recht zu einem der Person anhaftenden Schatten und entzieht ihm seine konkrete Individualität. Die Ansicht, sehr lebhaft und wortreich vorgetragen, hat nirgend Bcistimmung ge­ sunden. Dergl. Kritische Ueberschau B. 4. S. 55. Unger B. 2. S. 17. Note 4. Arndt», Pand. 4. A. 1861. S. 59. Note 1. Windscheid I S. 151. Note 3. ") Vergl. Koch, Kommentar zu §. 106. Einl. Anin. 108. An sich liegt in den Worten: „deutlich und zuverlässig" nicht, daß der Wille ausdrücklich erklärt wer­ den muß. §. 58. 59.1. 4. A L.R. “■) AL.R. I. 16. §. 378-404. Koch, R. d. Forder. II. S. 741. fg. und Kommentar. Bornemann III. S. 388. f. Dernbnrg I. §. 85. S. 152. — Savigny IV. S. 544 fg. Unger II. §. 94. S. 179 fg.

84

Erste« Buch.

Die Grundbegriffe.

nicht, wenn er nicht die Sache preißgiebt, wem ein im Grundbuch ein­

getragenes dingliches Recht an einem fremden Grundstück zusteht, entäußert ES gilt der Grundsatz: nihil tarn naturale est, quam eo genere quidque sich dessen nicht durch den bloßen Willen, so lange eS ungelöscht ist.

dissolvere, quo colligatum est; omnia, quae jure contrahuntur, con­ trario jure pereunt; iisdem modis res desinunt esse nostrae, quibus So lange nicht- eingetreten ist, was das Rechtsverhält­

acquiruntur").

niß in seinem objektiven Bestände vernichtet hat, kann der EntsagungSwille sich ändern und das Recht steht nach wie vor dem Entsagenden zu.

die Rechtsordnung verlangt, daß einer solchen

Aber

Willen-änderung

Schranken gesetzt werden in denjenigen Fällen, wo in Folge der Entsagung

bereit-

Recht

da-

werden kann.

eine- Anderen

wirksam geworden ist, oder wirksam

Sie verlangt daher entweder eine gewisse Form der Ent­

sagungserklärung und macht sie dann unwiderruflich (Erbschaft-entsagung vor Gericht), oder sie erfordert eine Annahme Seitens Desjenigen, dessen

Recht in Folg' der Entsagung hervortritt, und dann erhält die Entsagung

den Charakter eines konkreten bindenden Rechtsgeschäft-. Die Borschriften de- A.k.R. über die Entsagung der Rechte sind verworren, sie werfen verschiedene Begriffe durcheinander, eS kann der Theorie nicht gelingen, das Verworrene zu entwirren").

Schon die

Definition: „die Erklärung, von einem Rechte keinen Gebrauch machen zu wollen"") ist wenigstens in der Ausdrucksweise schief, denn eS kann nicht blos dem Gebrauch eines Recht-, sondern offenbar auch dem Recht

selbst, seiner Existenz nach, entsagt werden “).

Sodann macht das A.L.R.

einen Unterschied zwischen einem bereits erworbenen und einem erst zu erwerbenden Recht; im ersteren Fall ist die Entsagung Erlaß, im letz­

teren Verzicht").

wider.

Da- ist dem Sprachgebrauch und dem Begriff zu­

Wem erläßt man sein bereit- erworbene- Eigenthum, wenn man

demselben durch Wegwerfen der Sache entsagt? wie kann einem noch nicht zur Existenz gelangten Rechte entsagt, ein Ding vor seiner Entstehung vernichtet werden? der Fehler deS A.L.R. liegt einmal

darin, daß der

Erlaß al-

aufgefaßt wird,

ein allgemeiner Artbegriff der Entsagung

wahrend er sich nur auf RechtSverhähltnisse bezieht, in denen zwei be­

stimmte Personen

berechtigt und verpflichtet

einander

gegenüberstehen.

Durch den Erlaß wird die in diesem Recht-verhältniß verpflichtete Person ganz oder theilweiS befreit.

Der Erlaß ist ein

besonderer Vertrag —

pactum de non petendo —, hat seine konkrete Bedeutung im Obli« ") **) ”) w) ”)

1. 35. 100. D. de R. J. 1. 80. D. XLVI. 3. Vergl. Koch, Kommentar Note 1. zu §. 378. d. T§. 378. d. T. Dernburg S. 152. Note 1. §• 379. d. D-

§. 18.

Begriff der Berechtigung und allgemeine Grundsätze.

85

gationenrecht") kann aker nicht als eine allgemeine Rechtsform der Ent'

Will man ferner einen Unterschied des Sprach­ gebrauchs zwischen Entsagung und Verzicht aufstellen, so kann man ihn

fagung aufgefaßt werden.

allenfalls darin finden, daß der Verzicht die Entsagung in solchen Fällen

ist, wo in Folge derselben ein andere- Recht wirksam wird; aber nimmer­ mehr kann daS unterscheidende Merkmal darin gefunden werden, daß der Verzicht die Entsagung eine- noch

nicht erworbenen Rechts sei.

Auf

ganz unbestimmte künftige Rechte könnte ohnehin nicht verzichtet werden,

jedenfalls müßte doch schon ein RechtSgrund für das Existentwerden des

Rechts vorliegen, oder wie das A.L.R. sich ausdrückt:

„ein zwar noch

künftiges, aber doch so beschaffenes Recht, daß der Anfall desselben dem Entsagenden (Verzichtenden)

gewiß war."

Aber daS

einzige Beispiel,

an welche- hier zu denken ist, der Erbverzicht ist ein zwischen dem ohne

oder gegen den Willen deS Erblassers gesetzlich berufenen Erben und dem Erblasser errichteter Vertrag deS Inhalts, daß die durch daS Gesetz be­ schränkte Testirfreiheit deS Erblassers von dieser Beschränkung befreit

wird").

Der künftige Erbe entsagt seinem schon vorhandenen

lichen Anspruch auf den künftigen Anfall und Erwerb

gesetz­

der Erbschaft,

seinem schon vorhandenen Erbrecht — künftig ist nur der Erwerb de»

Gegenstandes dieses Rechts. Wie dem sei: der preußische Jurist ist an daS A.L.R. gebunden und muß es nehmen, wie eS liegt; es erübrigt daher hier nur noch, die Vor­ schriften des A.L.R. darzulegen. Die Entsagung wird im Allgemeinen den

Regeln von Verträgen unterworfen")

und erhält hierdurch von

vornherein eine viel zu enge Basis, denn diese Regeln paffen nicht, wenn durch die Entsagung deS

eigenen Rechts das

eines Anderen gar nicht

Die Entsagung kann zwar auch durch concludente Hand­ lungen, ohne ausdrückliche Willenserklärung bewirkt werden, aber zum

berührt wird.

Verzicht oder Erlaß wird eine ausdrückliche Erklärung verlangt").

Ob

dazu die Schriftform nöthig ist oder nicht, richtet sich nach den allgemeinen

Vorschriften von

der

Form der Verträge").

Die gerichtlich erklärte

Entsagung bedarf nicht einer Annahme dessen, der durch die Entsagung berechtigt oder befreit wird").

Im Uebrigen wird bei Erlaß und Ver­

zicht die Annahme wie bei Schenkungen erfordert").

Wird bei der Er-

*•) Unten §. 87. bei II. a. ") Unten B. IV. §. 265.

") §. 380. d. T. ••) §. 381. d. T. Stillschweigend insbesondere kann Einwendungen im Prozeß ent­ sagt werden. §. 382. 383. S. unten §. 59. '") §. 387. d. T. “) §. 392. d. T. ") §. 388. d. T.

klärung der Entsagung da- Instrument zurückgegeben, also von dem anderen Theil zurückempfangen, so gilt diese Zurücknahme al» Annahme der Entsagung"), die bloße Rückgabe de- Instrument- über eine Ver­ bindlichkeit', deren Erfüllung nicht durch Zahlung geschieht"), begründet keinen Erlaß, wenngleich diese Thatsache ein Moment abgeben kann, um den Verpflichteten, der die Erfüllung behauptet, im Prozeß zum Eide zuzulafsen"). Der unentgeltliche Erlaß oder Verzicht soll einer Schen­ kung gleich geachtet toetben:") das ist nicht- mehr al- eine Redensart, denn auf die Form bezieht sich diese Vorschrift gewiß nicht, die Entsagung auf ein noch zu erwerbende- Recht, der Verzicht im Sinne de» A.L.R., kann auch materiell nicht al- Schenkung gelten, weil keine Bereicherung au» dem Vermögen de- Verzichtenden eintritt, der Erlaß dagegen kann eine Schenkung sein, sofern durch denselben die Person von einer Ver­ bindlichkeit befreit wird, mit der er vereinbart worden ist. Die ent­ geltliche Entsagung tritt entweder — wenn da- Recht zweifelhaft ist —, unter die Regeln de- Vergleich», oder sie wird — wenn e- an dem gegenseitigen Nachgeben fehlt —, al- ein Vertrag über Handlungen auf­ gefaßt^'). Die Entsagung eine- streitigen Recht-, d. h. eine- solchen, über welche» ein Prozeß schwebt, gilt immer — auch im Fall der Unent­ geltlichkeit — al» Vergleich"). Zur Giltigkeit der Entsagung gehört ferner die Vertrag-fähigkeit") und daß da» Recht, dem entsagt werden soll, der freien Verfügung de» Entsagenden unterworfen ist. AuS diesem letzteren Grunde darf nicht einem zur giltigen Ents/ehung de» Recht­

gesetzlich vorgeschriebenen Erfordernisse entsagt werden"), denn da» Ge­ setz ist nicht der Disposition der Privaten unterworfen; au» demselben Grunde darf nicht auf Rechte verzichtet werden, die au» künftigen uner­ laubten Handlungen entstehen möchten"), denn auch da- gesetzlich Uner­ laubte darf nicht durch die Willkür der Privaten zum Erlaubten gemacht ") §. 389. d. T. ") Bergt, hierüber §. 97. fg. 1.16. Unten §. 91. gegen Ende.

“) §. 390. 391. d. T. “) §. 393. d. T. €5. Koch, Komm. Rote 19. In Betreff de» Verzichte bestimmt §. 1039.1.11., daß er nach den Regeln von Schenkungen nicht -u beurtheilen sei. In Betreff der Form f. Entsch. B. 5. S- 261. (Pl. Beschl.', unten §. 122. Rote 86. Der Pl. Beschl geht von der Ansicht au», daß da» A L.R die beson­ dere Form der Verträge, insbesondere auch die gerichtliche Form der Scheukungeir nur für die Fälle anordne, in denen noch tüt Anspruch aus dem Vertrage gel­ tend zu machen, aus Erfüllung zu klagen ist, wa» weder bei der Entsagung noch bei dem Erlaß eintritt. Ueberdie» erachtet §. 387. d. T. blo» mündliche Entsa­ gungen ohne Unterscheidung von Unentgeltlichkeit und Entgeltlichkeit für gütig.

4T) §.

394. d. T.

") §.

395. d. T.

«') §.

396. 397. d.T.

••) §.

401. 404. am Schluß, d- T-

") 5.

400. d- T.

werden. Außerdem giebt der Konkurs und außerhalb des Konkurses die BermögenSunzulänglichkeit de» Entsagenden seinen Gläubigern ein An­ fechtungsrecht"). Endlich unterliegt die Entsagung den allgemeinen Auslegungsregeln; es ist auch eine allgemeine Entsagung der au» einem Geschäft entspringenden Befugnisse zulässig, nur muß da» Geschäft ein be­ stimmte» sein"). Die Kontinuität ist, wie oben gesagt wurde, eine Eigenschaft deS entstandenen Rechts. Gleichwohl hat da» Recht den Charakter der End­ lichkeit, wie das Subjekt, dem eS gebührt, ein endliche- ist. Sein Un­ tergang kann nicht allein herbeigeführt werden durch den freien Wille» des Subjekts, wenn es sich dessen entäußert, ohne e» zu übertragen, wo­ zu auch der eine bestimmte Zeit hindurch unterlassene Gebrauch des Recht- gehört, sondern auch durch den Untergang de- Gegenstandes, auf welchen eS sich bezogen, durch den Tod des Berechtigten, wenn es seinem Wesen nach unübertragbar war, durch Entziehung wegen Mißbrauch»"), wenn e» ein in seinem Dasein von einem Hauptrecht bedingte» Reben­ recht ist, durch den Untergang deS Hauptrechts, und endlich durch Aus­ schließung (Präklusion) unter besonderen, im Gesetz bestimmten Fällen"). Die Ausschließung setzt voraus, daß da» berechtigte Subjekt unbekannt ist, und kann nur unter Beobachtung prozessualischer Formen (Ediktalien, Fristen) durch Erkenntniß herbeigeführt werden. Die Wirkung ist, daß der Berechtigte, der sich nicht gemeldet hat, sein Recht auf den Gegenstand vollständig verliert. Damit nun die Berechtigung, deren allgemeine Eigenschaften bisher dargestellt worden, wirklich werde, erfordert sie ein Subjekt, ein Objekt, und den Eintritt bestimmter thatsächlicher Momente, denen die Rechtsord­ nung die Wirkung der Recht-erzeugung beigelegt hat. Ueber diese muß sich die weitere Erörterung verbreiten. •*) §. 398. d. L. Konk. Ordn. v. 1855. §. 108. Nr. 2. §. 103. Ges. v. 9. Mai 1855. §. 5. Nr. 2. §. 7.

") §. 403. 404. erster Satz, d. T.

“) B- B. I. 21. §. 387. I. 23. §.17—21. Die« ist jetzt unpraktisch, weil e- Zwang»und Bannrechte nicht mehr giebt. Soll ein Recht wegen Mißbrauch» entzog«« werden, so kann die» nur durch Urtheil und Recht geschehen. Der Staat kann auch da« Eigenthum einer Sache entziehen zur Strafe (Konfiskation). Bergl. Koch, Pr.R. I. S. 394. ••) Koch, Pr. R. B. 1. S. 390. Fälle der Anwendung sind: unbekannte Erben, Gläubiger, Realprätendenten, Realberechtigte, Hypotheken- und Grundschuldgläubiger, Agnaten und Anwärter u. f. w. Auch können Urkunden (Hypothrken-Jnstrumente, Grundschuldbriefe, Pfandbriefe, Wechsel) im Wege de» öffentlichen Aufgebot» amortisirt und Posten int Grundbuch durch Aufgebot zur Löschung ge­ bracht werden.

Zweites Kapitel.

§. 19. Das Recht-subjekt, die Person. A.LR. 1.1. — Heydemann I. S. 130. Dornemann I. S.72. Daniel- I. S.165. Dernbnrg I. §. 40—48.

Koch I. S. 141.

I. S. 122.



Wächter H. S. 201.

Savigny B. 2.

Gruchot, Glossen in s. Beiträgen.

Unger I. S. 230.

Sinteni- B. 1. S. 90. §. 13

Roth I. §. 19-28.

Windscheid I. S. 112.

Zachariä (Anschütz) I. S. 161.

Der Mensch, weil er mit Selbstbewußtsein und Willen-fähigkeit, mit­ hin freier Selbstbestimmung begabt ist, ist Person und deßhalb der Herr und Träger der Rechtsverhältnisse, Recht-subjekt, rechtsfähig. Nicht umgekehrt, weil er rechtsfähig, ist er Person. Die Eigenschaft der Per­ sönlichkeit ist die grundlegende für die Rechtsfähigkeit, und sie kommt nach heutigem Recht ausnahmslos jedem Menschen zu. Aber die Rechtsfähig­ keit enthält ein Doppelte-: Rechte zu haben und mit Recht-wirkung zu handeln, jene- die Rechtsfähigkeit im engeren Sinn, diese- die Hand­ lungsfähigkeit. Thätig ist der Wille in beiden Beziehungen: man hat nicht da- Recht, wa- man nicht haben will, und nur die gewollte, mit Bewußtsein vorgenommene Handlung wirkt rechtlich. Daraus ergiebt sich, daß diejenigen Zustände, welche die Thätigkeit de- Willens und da- ihr zur Quelle dienende Selbstbewußtsein trüben oder schwächen, auch ebenso die Recht-- und Handlungsfähigkeit alteriren. Jedoch wird die Rechts­ fähigkeit, soweit sie nur darin besteht, Rechte zu haben, also nach ihrer passiven Seite, Niemand, auch wenn sein Selbstbewußtsein und seine Willensäußerung noch ganz unentwickelt oder aufgehoben ist1), entzogen, aber handlungsunfähig ist er dann und er bedarf einer Erzänzung des Mangel-, für welche das Recht auch vorgesorgt hat. Die Aufgabe der gegenwärtigen Erörterung kann nur sein, den Anfang und da- Ende der Persönlichkeit, so wie Zustände, welche hemmend auf den Willen zur Rechts­ herrschaft wirken, nach ihrem Begriff näher zu bestimmen; später werden die einzelnen Folgen, die die letzteren für die Rechte haben, zur Sprache zu bringen sein (§ 26). 1. Der Anfang der Persönlichkeit. Die „allgemeinen Rechte der Menschheit" (wa- darunter zu verstehen sei, sagt da- Gesetzbuch nicht) gebühren auch dem noch Ungeborrnen seit seiner Empfängniß. Letztere läßt sich nach der Erfahrung nicht auf einen bestimmten Tag festsetzen, ') Unfreiheit al» Grund der Recht-unfähigkeit ist dem Preußischen Recht unbebekannt. Die alte Erb- oder GutSunterthänigkeit ist seit 1807 aufgehoben. Skla­ ven werden von dem Augenblick an frei, wo sie preußische» Gebiet betreten, da» EigenthumSrecht ihrer Herren härt auf. Gef. v. 9. März 1857 (Gef. S. S. 160), durch welche- §. 198 -208. II. 5 A L R. aufgehoben worden.

§. 19.

DaS Rechtssubjekt, die Person.

89

e- ist daher ein -der Wahrscheinlichkeit entsprechender Zeitraum von der Geburt zurückgerechnet für sie angenommen'). Unter den allgemeinen Menschheit-rechten kann nicht-. Andere- gemeint sein, al- der Anspruch auf physische Pflege und daß Alle- vermieden werde, wa- der lebendigen Geburt hinderlich werden könnte. Die Pflicht hierzu liegt den Eltern ob') und der Staat schützt mit seiner Strasgewalt die Leibesfrucht'). Bürger­ liche Rechte, welche dem Ungebornen zukommen würden, wenn er zur Zeit der Empfängniß schon wirklich geboren gewesen wäre, bleiben ihm für den Fall der lebendigen Geburt Vorbehalten'). Recht-subjekt wird der Mensch im Moment der lebendigen Geburt, d. h. der vollständigen Trennung eine- lebendigen Kinde- von der Mutter, ohne Unterschied, ob sie natür­ lich eintritt oder künstlich bewirkt wird'). Die lebendige Geburt wird schon al- bewiesen angenommen, wenn bei der Geburt gegenwärtig ge­ wesene Zeugen die Stimme de- Kinde- deutlich vernommen habens Eine Lebensfähigkeit fordert da- Gesetz nicht für die Persönlichkeit'). Sind *) Innerhalb des 302 —210. Tage- vor der Geburt zur Bestimmung der Ehelich­ keit (II. 2. §. 2.), bis zum 302. Tage nach dem Tode des BaterS (II. 2. §. 19.), (ebenso bei geschiedener Ehe (II. 2. §. 40). Der 270. Tag vor der Geburt wird in II. 2. §.22. als der gewöhnliche Zeitpunkt betrachtet, wenn festgestellt wer­ den soll, ob ein Kind der späteren oder vorigen Ehe bei zu zeitiger Wiederverheirathung der Mutter angehört. Bei unehelichen Kindern der 285.-210. Tag (Ges. v. 24. April 1854 §. 15).

’) Der §. 11. d. t. sagt: „Wer für schon geborene Kinder zu sorgen hat, der hat gleiche Pflichten in Ansehung der noch im Mutterleibe befindlichen?' Daß hier­ unter nicht subsidiär Verpflichtete zu verstehen sind, wie z. B. nach älterem, jetzt durch daS Gesetz v. 24. April 1854 §. 20 beseitigtem Recht die Großeltern für Alimentation unehelicher Enkel, und daö Gesetz nicht auf Pflichten zu beziehen ist, die erst nach der Geburt entstehen, darüber vergl. Striethorst B. 6. S. 182. 4) Deutsche- Strafges. B. §- 218-220. •) Die Privatrechte bleiben nur Vorbehalten, d. h. nicht, daß der Ungeborene seit der Empfängniß sie schon hat. Ein Recht-subjekt ist der Ungeborene nicht; der Kura­ tor desselben kann daher nicht für ihn Rechte erwerben, Verbindlichkeiten überneh­ men: er hat nur dahin zu wirken, daß die vorbehaltenen Rechte unversehrt bizur Geburt bleiben. Jakobi, in der jurist. Wochenschrift 1842. S. 591. gegen da- Kammergericht .Pupillen-Kollegium^ und Koch, Kommentar zu §. 12 h. t. Z. B. §. 371. I. 9. §. 527. I. 12. §. 44. II. 4. Ueber die Pflichten de- Kurator­ einer Leibesfrucht II. 18. §. 962. DaS Reserviren bezieht sich wesentlich nur auf die Stande-und Erbrechte. I. 3. D. V. 4. „integra reservarent“.

«) 1. 12. pr. D. XXVIII. 2. 1. 6. pr. D. V. 2. 1. 1 §. 5. D. XXXVIII. 17. I. 3. C. VI. 29. 1. 129. de V. 8. — Oesterr. G. B. §. 22. 7) Bekannt ist, daß diese dem römischen Recht fremde Bestimmung aus dem Sachsenspiegel I. Art. 33. stammt, ebenso ist jetzt in der Praxis unbestritten, daß daS Schreien nur ein Beweismittel ist, das Leben des Kindes bei der Geburt auch auf andere Weise dargethan werden kann. Nach österr. R. (§. 23. a. b. G B.) wird vermuthet, daß das Kind lebend zur Welt gekommen; es fällt also dem­ jenigen, der daö Gegentheil behauptet, der Beweis zu. Diese Vermuthung kennt daö preuß. Recht nicht, es verlangt den Beweis der lebendigen Geburt. Daö Pro­ jekt des corp. jur. Frider. hatte noch eine entgegenstehende Bestimmung (I.Tit. 4. §. 4 ). Gruchot a. a. O. S. 122.

•) Die frühere Streitfrage über das Erforderniß der Vitalität existirt jetzt nicht mehr. S avigny II. S. 385. Lebensfähigkeit verlangt der Cod. civ., aber er vermuthet

Erste- Buch.

90

Die Grundbegriffe.

Zwillinge geboren und handelt eS sich um Rechte der Erstgeburt, so muß der Zeitpunkt der Geburt jedes einzelnen

ist dies nicht möglich,

so

genau auSgemittelt werden;

entscheidet daS LooS.

Mißgeburten, denen die

menschliche Form und Bildung abgeht, werden nicht rechtsfähig"). 2. Die Persönlichkeit endigt mit dem natürlichen Tode.

Den s. g.

bürgerlichen Tod kennt daS preußische Recht nicfyt10 * *).* * Wer * * * einmal gelebt

hat, dessen Tod muß bewiesen werden, wenn eS sich um schon erworbene Sachen und Rechte desselben handelt. Kann dieser Beweis nicht vollstänbig geführt werden, so stellt daS Gesetz Vermuthungen auf.

a.

Wenn eS sich um die Frage handelt, ob ein Abwesender, ein

Verschollener, von dessen Aufenthalt und Leben man keine Nachricht

hat, den Anfall eines Rechts

noch

erlebt

hat,

so gilt die Vermuthung,

daß er bis zum vollendeten 70. Jahr, aber nicht darüber hinaus gelebt hat").

Er ist also bis zu diesem Zeitpunkt erbfähig und tranSmittirt die

ihm angefallene Erbschaft an seine Erben.

b. Soll aber aus dem Tode des Menschen ein Recht für einen An­

deren hergeleitet werden,

und

kann

dieser den Beweis des Todes nicht

sie, wenn das Kind nach dem 180. Tage nach der Empfängniß lebend geboren ist- Zachariä I. S. 212. Cod. art. 725.906. •) Nach 1. 44. pr. D. XL 7. nimmt man an, daß wesentlich die Bildung des Kopfes entscheide. — DaS A.LR. sagt dies nicht, und es wird daher im Zweifel über­

haupt nur auf daS Gutachten Sachverständiger ankommen, ob eine Geburt menschliche Form und Bildung hat. Ebenso nach österr. R. Unger I. S. 233. Note 11. 10) Berfaff. Uri. Art. 10. Auch dem älteren Recht war er unbekannt. — Dagegen gilt der Satz des kanonischen Rechts, daß Mönche und Nonnen nach abgelegtem Klostergelübde als verstorben anzusehen, auch im preuß. Kirchenrecht. §. 1199. II. 11. A L.R. DaS Vermögen, über welches sie vorher nicht verfügt haben, fällt also an ihre Erben (Wittken bei Gruchot III. 124), die Rechte der väter­ lichen Gewalt hören aus. §. 270. II. 2. AL R. Dergl. auch St rieth. B. 40. S. 228. ") Ueber die Dogmengeschichte dieses Rechtssatzes, der zuerst von Menochi aufge­ stellt und dann von Earpzow in die deutsche Praxis eingeführt worden ist, statt des Termins von 100 Jahren, und über deffen beide Wirkungen, nämlich daß der Verschollene bis zum 70. Jahr gelebt habe, und daß er nicht darüber hinaus gelebt habe: BrunS, die Verschollenheit in Belker und Mut her, Jahrbuch des gemeinen deutschen R. 1. B. 1857 S. 90., bes. S. 123. 125. 147. fg. Die Beziehung aus den Psalm 90. ist erst später zur Rechtfertigung dieses Termins hervorgetreten, zuerst bestimmt bei Leyser (1723) in s. med. ad. pand. sp. 96. m. 5. BrunS a. a. O. S. 175. Daö sächs. Gesetzbuch §. 35. hat eine Tabelle für die muthmaßliche Lebensdauer eines Menschen ausgenommen. Für die preuß. Praxis die auSführl. Entwickelung in den Entsch. B. 17. S. 87. und das. B. 12. S. 176. Die erste der beiden Wirkungen hat neuerdings besonders Eropp (in s. u. Heise'S jur. Abh. B. 2. Nr. 4. 5.) angefochten. Dagegen BrunS a. a. O. S. 193., bei dem auch weitere Nachweisungen über die sehr schwankende gemeinrechtl. Praxis. Vergl. Seuffert, Archiv B. 1. Nr. 160. B. 7. Nr. 356 B. 5. Nr. 31. Heuser, Annalen IV. 661. bes. 674 s. DaS Obertribunal zu Stutt­ gart hat mit seinen Ansichten gewechselt. Dergl. BrunS S. 196. und dagegen Seuffert B- 15. S. 321. Hier verneint das Gericht die Lebenspräsumtion bis zum 70. Jahre und spricht dem Verschollenen die Erbfähigkeit ab. — Statt der 70 Jahre verlangt das österr. Ges. B. 80 Jahre. §. 24,

§. 19.

auf gewöhnliche Weise,

$)a6 NechtSsubjekt, die Person.

91

durch kirchliche Atteste, Zeugenaussagen, führen,

weil der angeblich Berstorbene verschollen ist, so muß ein prozeffualischeVerfahren auf Todeserklärung") eingeleitet werden. Die gerichtliche Todeserklärung Verschollener ist ein Gebilde deutschen Gewohnheitsrechts,

durch die Praxis entwickelt, und mancherlei Streitfragen sind dabei ent­ In Preußen zuerst durch das Edikt vom 23. Oktober 1763") zn bestimmterer Gestalt gelangt, hat dies Institut im A.L.R. seinen Ab­

standen.

schluß erhalten").

Hiernach

ist folgendes praktisches Recht.

Berechtigt,

einen Antrag auf Todeserklärung eines Verschollenen zu stellen, sind der

Ehegatte und die nächsten Verwandten. kann das vormundschaftliche Gericht den

Sind solche nicht vorhanden, so

Vormund des Abwesenden an­

weisen, die Todeserklärung bei dem Prozeßrichter zu betreiben").

Es ge­

schieht letzteres im Interesse deS FiSkuS, der in Ermangelung gesetzlicher Erben das Vermögen des Verschollenen als herrenlos in Anspruch zu nehmen hat.

Die fiskalische Behörde muß daher auch von dem einge­

leiteten Verfahren

in

Kenntniß gesetzt

werden.

Der Antrag darf erst

gestellt werden, wenn mindestens seit 10 Jahren keine Nachricht über daö

Leben oder den Tod deS Verschollenen eingegangen ist. Diese Frist be­ rechnet sich entweder vom Tage deS Verschwindens oder vom Tage der letzten Nachricht, und wird auf 5 Jahr verkürzt, wenn er nach vollende­

tem 65. Jahr verschollen ist") — was offenbar mit den oben erwähnten

70 Jahren des

90. Psalms zusammenhängt;

sie verlängert sich aber,

wenn er vor erreichter Großjährigkeit sich entfernt hat, um so viel Jahre, **) Sergi, den in Note 11. citirten Aufsatz von BrunS, der die ganze Lehre erschöp­ fend behandelt und Harder, zur Lehre v. d. Versch. in der Z. f. Liv. R u. Proz. N. F B. 19. S- 293. Der Antrag aus Todeserklärung hat die Natur einer LtatuSklage, mithin wirkt das Urtheil auib gegen dritte Personen. Strieth. B. 78. S. 255. ") Nov. Corp. conat. March. Thl. 3 S. 316.

") A.L.R. II. 1. §. 665-667. 692. Todeserklärung eines verschollenen Ehegatten. II. 18. §. 19—27. 821—855. über cura abaentia und die Todeserklärung. AGO. I. 37. über das Verfahren. *‘) Ueber die Bedeutung der Abwesenheitskuratel, die gemeinrechtlich auch zu vielen Zweifeln Anlaß gegeben hat, kann näher erst im Vormundschaftsrecht gehandelt werden. ES hat sich hierbei um die Frage gehandelt: ob Vormundschaft oder provisorische Besitzeinweisung des Erben, ob dann aucceaaio ex tune oder ex nunc stattfinde, wem während der Abwesenheit der Fruchtgenuß zusalle, ob dem Verschollenen noch Erbschaften zufallen, also vom Kurator erworben werden kön­ nen, und diese Fragen wurden, je nachdem man die Präsumtion des Todes oder de« Lebens de« Verschollenen zu Grunde legte, entgegengesetzt beantwortet. Sergi über alles diese« bes. Brun« a. a. O. Der Code civ. art. 112—140. ist dem altsranzösischen contumea entsprechend bei der Auffassung eine« provisorischen Erb­ schaftsbesitzes und der aucceaaio ex tune stehen geblieben. BrunS S. 127—131. Zachariä (Anschütz) I. S. 343. fg. S. 352. sg. Da« öftere. Ges.B. §. 277. 278. leitet Kuratel für den Verschollenen ein und präsumirt ihn, wie da« A.L.R. als lebend bis zur gerichtlichen Todeserklärung. Unger I. S. 237. fg.

'*) Also auch, wenn der Verschollene bei seiner Entfernung schon über 70 Jahre alt war. Gemeinrechtlich will man in diesem Fall aus die alte Präsumtion von der 100jährigen Lebensdauer zurllckgehen. Brun« S. 186 201.

Erste- Buch.

92

Die Grundbegriffe.

als zu derselben noch gefehlt haben. Laßt sich die Zahl der Letzteren nicht

feststellen, so ist ein 15 jähriger Zeitraum abzuwarten.

Kann der Tag des

Verschwinden- nicht ermittelt werden, und handelt eS sich um den Anfall

einer Erbschaft, so bietet der Todeötag deS Erblassers den Anfangspunkt. Der Verschollene wird dann öffentlich unter Innehaltung gesetzlich vor­ geschriebener Fristen vorgeladen") und wenn er sich nicht meldet, die An­

tragsteller auch den Deligenzeid geleistet haben, durch förmliches Erkennt­ niß für todt erklärt.

Als Todestag gilt der Tag, an welchem dieses Er­

kenntniß rechtskräftig geworden, d. h. der Tag der vollendeten Insinuation, die hier in diesem Fall durch einen vierzehntägigen AuShang an der Ge­

richtsstelle bewirkt wird, weil gegen ein

solches

Erkenntniß kein ordent­

liches Rechtsmittel, sondern nur Restitution mit zehntägiger Frist zugelassen

ist"). Ladung,

DaS Verfahren vereinfacht wenn

seit

sich

durch Wegfall der öffentlichen

der Entfernung oder der erreichten Großjährigkeit

40 Jahre verstrichen sind. Außerdem ist durch besondere Gesetze ein ein­

faches Verfahren für die Fälle vorgeschrieben, wo Jemand in Kriegs­ oder Geegefahr gewesen und nicht zurückgekehrt ist. DaS A.L.R.") ver­ ordnet, daß, wenn

ein

im Kriege

schwer Verwundeter innerhalb eines

IahreS nicht zurückgekehrt oder Nachricht von

ihm nicht eingegangen ist,

der Beweis des Todes durch den Nachweis dieser Umstände hinreichend geführt wird. Wer an den Kriegen von 1806 bis 1815 Theil genommen hat, gleichviel in welchem Verhältniß,

also nicht blos als f. g. Kombat­

tant, und von dem feit Beendigung deö Krieges keine Nachricht vorhanden

ist, kann ohne Weiteres für todt erklärt werden.

Der Beweis wird hier

geführt durch ein Attest der OrtSobrigkeit, oder auf andere Art, daß der

Verschollene in irgend einer Art am Kriege Theil genommen, und durch

Ableistung deö DiligenzeideS.

Auch hier wird ein Urtheil gesprochen und

der Todestag ebenso berechnet wie oben"). ”) Die Ediktalien sind zuerst durch die preuß. Verordnung v. 1763 (vergl. oben) in die deutsche Praxi- eingeführt und haben schnell weit verbreiteten Anklang gesunden. BrunS a. a. O. E. 180. *•) Förster, Einiges zur Lehre von der RechtSkrast in Gruchot'S Beiträgen B. 2. €>. 361. A. A. Koch, Eivilprozeß (1848) S- 747 Note 6 S. 749, der noch die zehntägige Restitutionsfrist verstrichen haben will. H esst er, preuß. Eivilprozeß, 1856. S. 257, hat die im Text vertretene Ansicht. Dafür auch da» Reskript vom 16. April 1839 (J.Min.Bl. S. 143). Ges. v. 5. Mai 1838 $. 3 b. Ueber die eben­ falls bestrittene Frage, ob da« Tode»erklärung»urtheil deklarative oder konstitutive Bedeutung habe, vergl. Brun» S. 198 fg. Die Praxis ist auch im Gebiet de» gemeinen Recht» jetzt mehr für die letztere Wirkung de« Urtheils. Da» sächs. G.B. tz. 37. 43. 44. läßt als Wirkung der Todeserklärung nur die Vermuthung zu, daß der Verschollene an dem Tage gestorben, an welchem die den Antrag aus Todes­ erklärung begründende (20j. u 5j.) Frist abgelaufen ist. Beweis des Lebens, oder daß der Tod zu einer andern Zeit eingctreten, widerlegt die Vermuthung. '•) A LR. I l.§. 35. ’•) Ges. v. 2. Ang. 1828, welches das Ges. v. 22. Mai 1822 aufgehoben hat. V. 16. April 1839 (I.M Bl. S. 143).

Reskr.

§. IS

Da» Recht-subjekt, die Person.

93

Diejenigen, welche an den Kriegen von 1864, 1866, 1870. 1871 Theil genommen haben, können, ohne daß eS eine- weiteren Zeitablauf­ und einer öffentlichen Ladung bedarf, durch Erkenntniß für todt erklärt werden, wenn sie in dem betreffenden Kriege vermißt worden sind und seit dem Friedensschluß von ihrem Leben eine Nachricht nicht eingegangen ist. AlS Todestag für diese Personen, je nachdem sie an dem einen oder anderen dieser Kriege Theil genommen haben, gilt der 31. Dezbr. 1864, der 31. Dezbr. 1866, der 30. Juni 1871"). Wer in Seegefahr sich befunden hat, wird als verstorben angesehen, wenn das Fahrzeug, auf welchem er gewesen, untergegangen und ein Jahr ohne Nachricht verstrichen ist. Der Untergang des Fahrzeugs wird als erwiesen angenommen, wenn eS am Bestimmungsort nicht eingetroffen oder nicht zurückgekehrt ist und seit dem Zeitpunkt, wo eS zuletzt in See gegangen oder gesehen worden, bei Fahrten in der Ostsee ein, bei Fahrten auf anderen europäischen Meeren zwei, bei Fahrten auf außereuropäischen Meeren drei Jahr ohne Nachricht verflossen sind. Der Nachweis dieser Thatsachen kann auf jede gesetzliche Weise geführt werden; die Todeser­ klärung erfolgt auch hier durch Erkenntniß und der Tag des Todes ist der der bewirkten Insinuation (am 15. Tage des AuShangS)"). Endlich steht fest, daß zwei oder mehrere Personen in einem gemeinsamen Un­ glück umgekommen sind, kann aber die Zeit des Todes jedes Einzelnen nicht ermittelt werden, so wird angenommen, daß keiner den Andern überlebt habe"), eS kann also von keinem auf den Anderen ein Recht übergehen. Ehe dieser Gegenstand verlassen wird, soll noch kurz bemerkt werden, daß, abgesehen von der Beweisführung des Todes des Verschollenen, auch in allen anderen Fällen das Leben oder der Tod eines Menschen bewiesen werden muß. Dieser Beweis kann durch Zeugenaussagen und Urkunden geführt werden. Unter letzteren sind die Atteste der Geistlichen der katho­ lischen und evangelischen Kirche und der von der Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner, die Atteste der Gerichte über Personen, die aus einer der anerkannten christlichen Kirchen auSgeschiedeu, ohne in eine an­ dere anerkannte Kirche übergetreten zu sein, und über Juden beweiskräftig. DaS dem französischen Recht eigenthümliche Institut der Civilstandsregister haben wir nicht allgemein, und so weit wir eS haben, in anderer Art ausgebildet"). **) Ges v. 24. Febr. 1868 (Ges.S. S. 193). Ges. v. 2. April 1872 (GesS. S 341). »’) Ges. v. 24. Febr. 1851. (Ges.S. S. 23 ) Dazu Entscheid. B. 55. S. 196 f. ”) A L R. §• 39. h. t. Anwendung davon: I. 12. §. 461. Entsprechend 1 18. pr. D. XXXIV. 5: iu quibua casibus si pariter deceseerint, nec appareat, quis ante spiritum emisit, non videtur alter alteri snpervurisse. n) A G.O. I. 10. §. 128 162. A LR. II 11. §. 481 fg. Militärkirchenordnuna vom 12. Februar 1832 (Ges.S. S. 69). Generattonzession V. 23, Juni 1845 (Ges S.

3. Modifikationen der Persönlichkeit während de- Leben-. a. Da- Geschlecht hat im heutigen Recht keinen Einfluß auf die Rechtsfähigkeit und im Wesentlichen auch nicht auf die Handlungsfähigkeit. Die Geschlecht-vormundschaft kennt schon da- A.L.R. nicht mehr, und wo sie provinzialrechtlich noch bestanden hat, ist sie durch besondere Gesetze später beseitigt worden. Frauen waren zwar nach A.L.R. bei Vornahme gewifler Geschäfte, besonder- bei Uebernahme von Bürgschaften und über­ haupt bei jedem subsidiären Eintritt in die Verbindlichkeit für andere Per­ sonen an die Beobachtung gewisser Vorschriften gewiesen, die den Zweck hatten, einer etwaigen Leichtfertigkeit entgegenzuwirken "). Diese Vorschrif­ ten sind aber jetzt aufgehoben; Frauen sind auch bei Abschließung intercedirender Geschäfte den Männern in ihrer Handlungsfähigkeit gleichgestellt"). Bei s. g. Zwittern bestimmen die Eltern da- Geschlecht, doch kann ein solcher, 18 Jahr alt, diese Bestimmung ändern, fall- nicht Rechte Dritter davon abhängen, wo Sachverständige zu entscheiden haben"). b. Da- Alter scheidet die Personen in Kinder bi- zum vollendeten 7., in Unmündige bi- zum vollendeten 14. und in Minderjährige bi» zum vollendeten 21. Lebensjahr. Der Mangel ihrer Rechtsfähigkeit und Hand­ lungsfähigkeit wird durch die väterliche Gewalt, oder wo diese nicht mehr vorhanden ist, oder da- eigene Interesse de- Vater- kollidirt, durch Vor­ münder und Kuratoren ergänzt"). Die volle Selbständigkeit deHandelns mit Rechtswirkungen erlangen erst die Großjährigen "). Für alle preußischen Staatsangehörigen wird dieser Zeitpunkt erreicht mit Vollen­ dung de- 21. Lebensjahres, d. h. mit dem Beginn des ersten Tage- im 22. Jahre"). Bor Vollendung des 21. Jahre» kann ein Minderjähriger für großjährig erklärt werden, doch muß die weibliche Minderjährige schon 18, der männliche schon 20 Jahr alt fein”). S. 516) Nr. 6.7. Verordn, v 30. März 1847 und Ges. v. 23. Juli 1847 §. 8—22. (Ges.S. S. 125. 263) Dazu Instruktion v. 10. Mai und 29. Juli 1847 (JMin. «l. S. 135 u. 233.) »») »L R §. 24. h. t. I. 5. §. 22. 23. 1.14. §. 220. 221. 407 II. 1. §. 188 fg. 195 fg. 341-344. II. 18. § 51.52-55. A G O 11 § 25—29. Die Geschlecht-fürsorge ist zuletzt aufgehoben für Neuvorpommern durch Gesetz v. 6. Marz 1855 (Ges-SS. 176). «) Da- Ges. v. 1. Dezbr. 1869 (Ges-S. S. 1169) hebt auf A.L R 1.14. §§.220-224. 256.308.407 - 412; 11.2. §§. 273.341. 343. 344.891. 892. und die Anh. §§.48.75. Auch die gemeinrechtlichen Beschränkungen (Sct.Vellejanum, auth. si qua mulier, 1. 23. §. 2. U. IV. 29.) sind durch diese» Gesetz aufgehoben. ”) Die- kommt aus die Bestimmungen des römischen Recht» hinau-. 1.10. D. I. 5. 1. 15. § 1. D. XXII. 6. 1. 6. 5. 2. D. XXVIII. 2. Hehdemann S. 132.

*•) Siehe unten §. 26. ”) Doch bestehen auch bei Großjährigen die Beschränkungen der väterlichen Gewalt fort.

”) Gesetz v. 9. Dezbr. 1869 (Ges.S S. 1177). ") A L R. II. 18. §. 713. II. 2. §. 216. (Im letzteren Fall, wo der Vater den Sohn au- der Gewalt entläßt mit der Wirkung der Großjähriglcit-erklärung, ist die

§. 19.

c.

Da« Rkcht«subjekt, die Person.

95

Die Religion bewirkt in privatrechtlicher Hinsicht keine Unter­

schiede mehr"). d.

Auch die bürgerliche Ehre gehört kaum noch dem Gebiete de-

Privatrechts, sondern nur dem de- öffentlichen Rechts an.

Alle Unter­

schiede, die die gemeinrechtliche Theorie in dieser Lehre noch aufstellt, sind für daS preußische

Recht ohne Intereffe.

Nur durch ein gerichtliches

Strafurtheil kann einer Person die bürgerliche Ehre auf eine bestimmte

Zeit abgesprochen werden.

Die Wirkungen, so weit sie das Privatrecht

betreffen, sind später zu erwähnen"). e. GeburtSstände begründen

keine Unterschiede im Privatrecht;

der Verlust des Adels kann auch nicht mehr als Strafe ausgesprochen

werden ").

f.

Dagegen wirken krankhafte Körper- und Seelenzustände

auf die Rechtsfähigkeit. Den Kindern gleich gelten Rasende und Wahn­ sinnige, d. h. die deS Gebrauchs ihrer Vernunft gänzlich beraubt sind,

worunter man nicht allein eine stetige und totale, sondern auch periodische

und partielle Störung der Vernunft zu verstehen hat"); den Unmündigen gleich die Blödsinnigen,

Handlungen

zu

überlegen,

welchen

mangelt.

daS

Vermögen,

Vom

die

Folgen

ihrer

medizinisch-wissenschaftlichen

Standpunkt sind diese Definitionen alS unpassend, namentlich alS nicht

erschöpfend getadelt worden.

Die Geisteskranken werden, sofern sie nicht

unter der Gewalt eine- Vaters oder Ehemannes stehen, vom Staat unter Vormundschaft gestellt, und erst von da an sind sie willenSfähig; dies setzt aber voraus, daß sie auf Grund einer gerichtlichen Untersuchung durch

Erkenntniß für wahn- oder blödsinnig erklärt werden").

Taub- und

Stummgeborne, oder welche es vor ihrem 14. Jahr geworden, sind ebenfalls willensunfähig und deßhalb zu bevormunden; die es später ge­

worden, nur dann, wenn sie nicht gelernt haben, sich durch allgemein verständliche Zeichen auszudrücken.

Blinde,

Stumme

oder

Taube

werden, wenn sie auch nicht willensunfähig sind, doch vom Gesetz unter

Zustimmung deS vormundsch. Gerichts nicht erforderlich. Entscheid. B. 18. S. 289. Die Tochter kann nicht entlasse« werden. Entsch. B. 24. S. 124 ) n) Verf.-Urk. Art 4. 12. Ueber das Verbot der Ehen zwischen Christen und Nicht christen (A.L.R. II. 1. §. 36.) s. unten §. 203 bei Nr. 10.

S3) Strafges. D. §. 32—37. Siehe unten § 26. — Neuerdings hat Hermann (Archiv f. civ. Prax. B. 45. S. 153. 315) ein besonderes Privatrecht der Person aus Führung oder Aenderung ihres Namens behauptet, welches als ein allgemei­ nes Recht der Persönlichkeit im System behandelt werden müsse. ,4) DaS deutsche Strafgesetzbuch kennt eine solche Strafe nicht. Str.G.B. v. 1851 §. 12. Nr. 2,)

15) Jurist. Wochenschr. 1841 S. 345.

(Vergl. dagegen preuß.

Striethorst B. 36. S. 284.

3e) Förster, Klage u. Einrede u. preuß. R. 1857 S. 224. A.G O. I. 38 §. 3. Koch, schles. Arch IV. S. 81.

A.L.R. II. 18. §. 12. 13.

besondere Vorsorge bei ihren rechtlichen Willenserklärungen genommen"). Wer blind und taub zugleich ist, kann nur als willensunfähig angesehen werden, obgleich das Gesetz diesen Fall nicht erwähnt"). Endlich ist die Rechts- und Handlungsfähigkeit der Verschwender aufgehoben, es wird ihnen durch gerichtliches Erkenntniß die Verwaltung ihres Vermögens entzogen "), sie werden den Minderjährigen gleich geachtet und unter Vormundschaft gestellt. Verschwender ist, wer durch unbe­ sonnene und unnütze Ausgaben oder durch muthwillige Vernachlässigung sein Vermögen beträchtlich vermindert oder sich in Schulden steckt, der also einen leichtsinnigen, ausschweifenden Gebrauch von seinen Gütern macht"). Der tiefere Grund, weßhalb der Staat solchen Menschen die Verwaltung ihres Vermögens entzieht, ist nicht allein die Rücksicht auf die Existenz ihrer nächsten Angehörigen — denn es geschieht auch, wenn solche nicht vorhanden sind — sondern und vielmehr die Unsittlichkeit, die im Ver­ schwenden liegt, das öffentliche Aergerniß, was solches Treiben erzeugt. Der Verschwender ist teS Gebrauchs seiner Vernunft nicht mächtig, tamquam furiosus, aber aus eigner Schuld, weßhalb ihm daS Edict nequitia vorwirft"). Bei Gericht kann die Klage gegen einen Verschwender von den Verwandten, der Ehefrau"), selbst von dem Vertragserben"), der ein naheliegendes Interesse an der Erhaltung deS Vermögens hat, auch von AmtSwegen, indem der Richter einen fiskalischen Bedienten damit beauftragt"), angebracht werden. Diese Klage ist übrigens nicht ver­ erblich; es haben also z. B. die Erben deS vor der rechtskräftigen Berurtheilung verstorbenen Verschwenders nicht daS Recht, da» Verfahren fortzusetzen, um einen Vertrag anzufechten, den er mit einem Dritten abgeschloffen hat"). ”) A.L R. II. 18. §. 15 ffl. A.G O. II. 3. §. 6. 7. 8.8.9t. 1.5. §. 171. T. 9. §. 540. 595. Hier werden die Taubstummen den Minderjährigen gleich gestellt. A L.R. L 5. §. 24. 25. I. 12. §. 26. A.G O. II. 3. §. 4. 5. Nach gemeinem Mety ist die Geistes­ schwache als Grund der Handlungsunfähigkeit Gegenstand der Beweiserhebung; ebedarf nicht einer vorangegangenen Erklärung durch Erkenntniß, Seuffert B. 25. Nr. 117.; eine Kuratel kann nur eingeleitet werden, daselbst Nr. 245.

•8) DaS Reskr. v. 11. April 1841 (I.M.Bl. S. 151) hat die- überzeugend dargethan. *•) Nur durch gerichtliches Erkenntniß, nicht durch freiwilligen Verzicht kann die Handlungsfähigkett aufgegeben werden. Striethorst B. 53. S. 222. Ebenso nach gern. R. s. unten § 235. Note 9 — Ueber Prodigalitätserklärung (mit interessan­ ten dogmengeschichtlichen Bemerkungen) s. Heuser, kurhess. Annalen XII. 463 f. ") A L R. §. 30. h. t

A.G.O. §. 9.1. 38.

4I) Förster, Kl. u. Eiur. S. 226. Striethorst B. 29. S. 20 (derselbe Fall, der bei Förster S. 227 erwähnt ist). Seuffert, Archiv B. 12. S. 2 Koch'Auffassung (Kommentar zu §. 30.1. 1. Note 28) ist äußerlich und einseitig.

") Entsch. B. 38. S. 398. Striethorst B. 19. S. 323.

") AL.R. I. 12. §. 626. ") A.G O. 38. §. 9. **) Gruchot, Beitrage B. 1. S. 317. S- 311. Unten §• 26. Note 6.

A. M. Sommer, im neuen Archiv, V. 14.

$. 20.

Begriff der Sache.

97

Zum Schluß noch die Bemerkung, daß der Begriff der Persönlich­ keit über da» Individuum hinaus erweitert und im Wege juristischer Ab­ straktion einer Mehrheit von Personen oder einem Vermögens-Inbegriff beigelegt werden kann (juristische Personen). Hiervon kann erst später gehandelt werden. Niemals aber geht die Abstraktton so weit, daß sie einem losen Aggregat von einzelnen Personen, wie es das Publikum darstellt, Persönlichkeit und die Eigenschaft als Rechtssubjekt beilegt").

Drittes Kapitel.

DaS

RechtSobjekt.

§. 20. Begriff der Sache. A.L.R. I. 2. §. 1—3. — Heybemann I. S. 140. Bornemann I. S. 99. Daniels I. S. 193. Koch I. S. 202. Dernburg I. §. 60 f. S. 106 f. — Grnchot, «eitr. I. S. 125. — SinteniS B. 1. tz. 40. 41. S. 409. 416 fg. Windscheid I. S- 372. Wächter II. S. 203. Unger I. S. 353. Roth II. §. 109—117. Zachariä (Anschütz) I. S. 397. Dankwardt, Nationalökonomie und Jurisprudenz, Hefti (1857). Derselbe, nationalökonomisch-civilistische Studien, 1862.

Die Objekte des Rechts, d. h. diejenigen Gegenstände, auf welche sich die Berechtigung der Person bezieht, die sie ihrem Willen unterwerfen darf, nennt das A.L.R. Sachen, wozu Alles gerechnet wird, was über­ haupt der Gegenstand eines Rechts oder einer Verbindlichkeit sein kann. Diesem weiten Begriff von Sache setzt daS Gesetzbuch einen engeren ent­ gegen, wonach nur dasjenige so genannt wird, was entweder von Natur oder durch die Uebereinkunft der Menschen eine Selbständigkeit hat, vermöge deren eS Gegenstand eines dauernden Rechts sein kann. Es ist nicht klar, was damit gemeint sei. Koch') glaubt, daß hierbei wohl an den Gegensatz von körperlichen und unkörperlichen Sachen gedacht wor­ den, und nennt die Desinition für daS praktische Bedürfniß unbrauchbar. Die Erklärung und Rechtfertigung dieser Bestimmung ist in dem systemati­ schen Grundgedanken des A.L.R. zu finden. Nicht der Gegensatz von körperlichen und unkörperlichen Sachen sollte auSgedrückt werden, sondern der Gedanke, daß nur diejenigen Gegenstände der Außenwelt Sachen im eminenten Sinn sind, welche als solche einen in ihnen selbst liegenden Zweck für die Person haben, nicht nur voriibergehende Mittel sind, um ") Rechtsprüche B. 4. S. 287. Rechtsfälle B. 3. S. 352. Striethorst v. 4. S. 214. Mehrfach ist aber das Publikum im A L R. genannt, z. B. I. 8. §. 37. 71. 74. ') A. a. O. S. 203. Förster, Preuß. Privatrecht. J. 3. Aufl.

7

Erste- Buch.

98

Die Grundbegriffe.

ein andere-, gewissermaßen hinter ihnen liegende- Objekt zu erreichen, weßhalb auch nur sie die Person al- dauernde-, unmittelbare- Objekt ihrer Berechtigung ergreifen kann.

Da- A.L.R. kennt die Obligationen

nur al- Mittel zur Erwerbung oder Erhaltung de- Eigenthum-, sie sind ihm nicht ein selbständiger Theil des Vermögen-, d. h. de- Inbegriff­ don Rechten einer Person,

wie die-

im

römischen Recht der Fall ist.

Sie sind daher auch nicht von dauerndem Interesse für die Person, denn da- Mittel wird interesselos, sobald der Zweck erreicht ist, sie stellen nur da- Werden de- Recht- in Sachen und Handlungen dar, da- Sachen­ recht aber da- Sein de- Recht- in diesen Gegenständen').

Daß da-

A.L.R. außerdem häufig da- Wort Sache al- gleichbedeutend mit Körper

gebraucht, ist zwar richtig, aber unterstützt nicht nothwendig die Auslegung, die in §. 3. d. T. die Definition von Körper finden will.

Sonach ist an­

zunehmen, daß alö Sache im engeren Sinn alle selbständigen Vermögens­

objekte zu verstehen sind, nicht die Obligationen, denen die Selbständigkeit de- Zweck- abgeht.

ES ist diese Auslegung wichtig für die Entscheidung

der im preußischen Recht aufgeworfenen Frage, ob Obligationen Gegen­ stände de- Besitzes und Eigenthums sein können, wovon noch später zu

sprechen sein wird.

Während also nach §. 1. 2. d. T.

Alles ohne Unter­

schied, auch die obligatorischen Handlungen, soweit sie Gegenstand eines

Rechts oder einer Verbindlichkeit sind, unter der „allgemeinen Benennung von Sachen" begriffen werden'), muß vielmehr gesagt werden, daß diese

Definition

eine unbestimmte

wirrende ist.

und für den Gebrauch unfruchtbare, ver­

Passender wäre eS gewesen, hier den Ausdruck Recht-objekt

oder Gegenstand de- Vermögensrecht- überhaupt zu wählen, denn damit

umfaßt').

Die eigentliche Be­

als Gegenstand

des Sachenrechts ist

wären allerdings auch die Obligationen

griffsbestimmung von Sache aber

im §. 3. gegeben.

Hierher gehören außer den Körpern auch die Rechte

wie Servituten, s. g. Gerechtigkeiten, Reallasten; beides kann im Gegen­

satz zu den Obligationen zusammen gefaßt werden unter die Kategorie der räumlichen Gegenstände, denn auch die Servituten beziehen sich auf räum­

liche Verhältnisse, sind gebunden an den Raum und wirken nur im Raum'). Deßhalb ist die Eintheilung von körperlichen und unkörperlichen Sachen

kein« durchgreifende für Recht-objekt, denn die obligatorischen Rechte, die auch unter letztere fallen sollen, sind weder da- eine noch da- andere, sie a) Ahrens, Encpklopäoie S. 603. Der Gegensatz kann auch ««gedrückt werden als Soll und Haben. ’) Sache im weitesten Sinn, gleich Rechtsobjekt, z. B. in I. 12. §. 6. 262. Entsch. B 11. S. 282 fg. 4) Auch das österr. Ges B §. 285. hat eine so unbestimmte Definition für Sache „im rechtlichen Sinne": alles, waö von der Person unterschieden ist und zum Gebrauch der Menschen dient. °) AhrenS a. a. O. S. 604. 609.

$. 21

99

Eintheilung der Sachen.

leben in der Zeit, die dem Raum angehörigen Objekte dagegen sind ent­

weder körperlich, d. h. mit einer räumlich abgegrenzten Form versehen,

oder unkörperlich, wenn sie nur nach ihrer Wirkung eine Beziehung auf den Raum haben. Wichtiger,

als diese Eintheilung in körperliche

und

unkörperliche

Sachen, ist ein anderer Gesichtspunkt, der gleichwohl bisher in dieser

Lehre fast unberücksichtigt geblieben ist.

DaS RechtSobjekt nämlich soll den

Zweck des Rechts der Person enthalten, in ihm soll sie die Befriedigung

ihrer wahren Bedürfnisie finden.

Dieser Zweck ist aber ein wirthschaft-

licher, ökonomischer — nicht ein sittlicher, intelligenter, denn solche Zwecke gehören nicht dem Gebiete des Rechts an. Die Rechtsobjekte sind Güter

für die Person, und zwar ist dies wesentlich die Sache im Sinn deö §. 3., die Obligation soll erst zum Gut verhelfen. Deßhalb wird paffen­

der das Sachenrecht ein Sachgüterrecht genannt,

welches

einen Theil

des Vermögensrechts bildet, dessen andere Bestandtheile die Obligationen

Eine Sache, die für jenen Zweck des Rechts, die dem Menschen eigne Beschränktheit und Bedingtheit durch Gewährung einer Herrschaft sind').

über die äußere Welt zu überwinden, indifferent ist, kann nicht als Rechts­

objekt angesehen werden.

Es wirkt dieser Gesichtspunkt auf die Einthei-

lnng der Sachen und es gewinnt der Werth, den sie für die Person

haben, eine rechtliche Bedeutung.

§. 21. Eintheilung der Sachen. ALR. I. 2. §. 4-108. 120.121. Die Literatur wie bei § 20., und Lenz, Recht de» Besitze», 1860, S. 119 fg.

Die Sachen im Sinn des §. 3. d. T., d. h. diejenigen, welche Gegenstände des Sachenrechts sind, können je nach ihren Eigenschaften verschiedener Einiheilung unterliegen.

Nur diejenigen Eigenschaften sind hier zu erwähnen,

welche für das Recht von Interesse sind.

DaS A.L.R. hat nämlich im

zweiten Titel eine Menge von Ausdrücken deS täglichen Lebens, die sich

auf einzelne Sachen beziehen, erklärt, d. h. vorgeschrieben, wie dieselben vom Richter verstanden

werden

sollen.

Ein solche- Register hat kein

wiffenschaftlicheS Interesse, und wie dergleichen Auslegungen füglich der Verständigkeit deS Richters überlassen bleiben können, hätten sie im Ge­

setzbuch auch nicht Aufnahme finden sollen').

Da die durch den Raum

•) AhrenS S. 604. Dankwardt a. a. O. 12 f. 1. 49. D. de V. T. Naturali ter bona ex eo dicuntur, quod beant, hoc eßt beatos faciunt; beare est prodeeae. ') Bester im österr. G.B. §. 286—303., wo nur Begriffe, nicht aber eine Nomenclatur gegeben wird. Auch der Code beschränkt sich im Vergleich mit dem A.L.R., obgleich er ausführlicher wie da- österr. G.B. ist. Art. 516 fg. DaS fächf. G.B. §. 58—78. ist auch mehr auf Begriffe reduzirt.

100

Erflr» Buch.

Die Grundbegriffe.

Form erhaltenden Sachen, d. h. die Körper, weitaus mannichfacher sind, al- die zum Raum in Beziehung stehenden Rechte, auf letztere vielmehr

vielfach erst Eigenschaften und Eintheilungen von jenen analog übertragen

sind, so muß auch mit jenen begonnen werden. 1. Die Körper. Sie werden entweder in ihrer physischen Einzel­ heit oder mehrere zusammen als Einheit gedacht für das Recht verwendet: individuelle Sachen und Inbegriff.

Zu letzterem gehört, daß mehre­

ren besonderen Sachen ein gemeinschaftlicher Name gegeben werde, der sie

als Ganzes zufammenfaßt.

Die einzelnen Stücke,

aus

denen

er sich

bildet, können wechseln, ausscheiden und hinzutreten: das Ganze wird da­

durch für das Recht und für die Rechtöverhältnisie, denen e- angehört, nicht ein anderes.

Aber wenn auch hier eine Mehrheit von Sachen un­

ter einem Namen vereinigt erscheint: der Gegenstand deS Rechts ist nicht

dieser darüber schwebende unkörperliche Name, oder der durch ihn auS-

gedrückte Begriff, sondern eS sind dies die einzelnen körperlichen Stücke. Insofern ist die Bedeutung deS Inbegriffs, der Sachgesammtheit (Uni­ versitas rerum oder facti) für das Recht keine erhebliche, der Name er­ leichtert nnd vereinfacht nur die Bezeichnung der Mehrheit von Sachen,

an denen dasselbe Recht zusteht, er erleichtert in

einzelnen

bestimmten

Beziehungen die Anwendung der Rechtssätze, aber das Recht selbst haftet

in Wahrheit an jeder einzelnen Sache und kann in Betreff jeder einzelnen Sache verletzt werden'). ’) Die Sachgesammtheit unterscheidet sich von den zusammengesetzten Sachen, bei welchen mehrere einzelne Sachen Physisch zu einem Ganzen verbunden sind, während bei jener die einzelnen Sachen für sich bleiben und nur als Ganzes ge­ dacht werden (corpora cohaereutia, distantia). tz. 18. J. de leg. II. 20. 1. 30. pr. D. XLI. 3. Die praktische Brauchbarkeit des Begriffes einer Sachgesammtheit tst namentlich für die dinglichen Rechte bestritten (Uitßcr I. S. 475 fg). Die Gesammtheit als solche ist niemals Gegenstand eines dinglichen Rechts, sie kann nicht besessen und usucapirt werden (1 30 § 2. D. XLI. 3), auch nicht Gegen­ stand des Eigenthum- sein. Zwar sagt 11. §. 3. D. VI. 1. sehr bestimmt, daß ein grex al- solcher vindicirt werden könne, licet singula capita nostra non eint, aber die 1 2. 1. 3. pr. eod. zeigen doch deutlich, daß die vindicatio gregis nur dann und so weit statthaft ist, al- der Bindikant die singula corpora im Eigen­ thum hat. Die vindicatio gregis ist also nur ein Erleichterung-mittel, die eigent­ lichen Klageobjekte sind die einzelnen Stücke, und e- können die Worte in der 1. 1. §. 3: sed enim gregem sufficiet ipsura noetrum esse, licet singula ca­ pita nostra non eint, doch unmöglich dahin vefftanden werden, daß man Eigen­ thümer eine- grex sein könnte, obschon einem nicht ein einzige- Stück davon ge­ hört. Da- wäre jedenfalls ein sehr leere- Eigenthum. Bergl. 1. 23. §. 5. D. VI. *1. Wichtig ist hierbei auch, daß, wenn der Kläger mit ver Vindikation der Heerde abgewiesen ist, seiner späteren Vindikation de- einzelnen Stück- die ex­ ceptio rei jud. entgegensteht. 1. 21. §. 1. D. XLIV. 2. Die 1. 1. §. 3 kann vielmehr für die heutige Anwendung nur so ausgelegt werden: Wer die zu einer Heerde vereinigten Thiere vindizirt, ist dessen enthoben, jedes einzelne Thier zu vindizircn und von jedem einzelnen seinen Eigenthumserwerb nachzuweisen. Es genügt, wenn er alle Thiere in einer gemeinsamen Klage vindizirt und den Er­ werb der Heerde nachweist, was um so näher liegt, als der Erwerb der einzelnen Stucke uno actu geschehen sein wird, und der Erwerb deS Nachwüchse- ohnehin

§. 21.

Einteilung der Sachen.

101

Das A.L.R. erhebt sich, der damaligen Doktrin entsprechend, noch höher und faßt auch Sachen und Rechte, einschließlich der Obligationen, zu einem Inbegriff zusammen, der hauptsächlich Wirkung äußert al» Derlaffenschaft. Sonst kommt eine solche s. g. universitas Juris, die einzelne Sachen, Sachgesammtheiten und allerlei Rechte umfassen kann, im Ge­ biete des Recht» nicht weiter vor, denn das Vermögen als ein gedachtes Ganze ist nicht Gegenstand von RechtSverhältniffen, vielmehr umgekehrt gehören letztere zu seinem Inhalt'). Aber auch als Nachlaß oder Erb­ schaft ist da» Wesen einer Universitas Juris im preußischen Recht nicht au- der Lage des bonae fidei possessor folgt. Dem Beklagten steht aber die Einrede frei, daß dieses oder jenes einzelne Stück dem Kläger nicht gehöre. Ueber Vindikation eines Familien-ArchivS f. Heuser, Annalen Ü. 58. Ebenso verhält

eS sich mit dem Nießbrauch und dem Pfandrecht an einer Universitas rerum. Die Mehrheit der neueren Schriftsteller ist gegen die Annahme dinglicher Rechte an einem Inbegriff als solchem (Wächter, Erörter. Heft 1. S. 17. Würtemb. Priv.R. II. S. 235. Öring, Pandekten 1857 Abth. 1. S. 176. Dernhurg, Pfandrecht 1800 B. 1. S. 452. Puchta, Dortes. 5 A. I. S 77.). Dafür Girtanner, in Gerber und Ihering'S Iahrb. f. Dogm. III. S. 58. bes. S. 95. Bangerow I. S. 125. steht der ersteren Ansicht näher. Windscheid I. S. 373. Note 4. ist für letztere. Die neueren Gesetzbücher stehen aus dem Standpunkt der Doktrin ihrer Zeit. Waö das A.L.R. insbesondere angeht, so sind für da- RechtSverhältniß am Inbegriff zu merken: von einem Bertrage über einen solchen kann man nur abgehen, wenn die Fehler der einzelnen Stücke so beschaffen sind, daß der ganze Inbegriff nutzlos wird, das ist quaestio facti; Schadloshaltung ist aber auch für jedes einzelne schlechte Stück zn verlangen. I. 5. §. 339—341. Die Ergreifung einzelner Stücke bewirkt den Besitz des Ganzen I. 7. ß. 53. Der Kauf eines Inbegriffs wird als Kauf in Bausch und Bogen angesehen L 11. §. 121. Der Vorbehalt eine- besseren Käufer- bei einem Inbegriff bezieht sich nur aufGanze, nicht auf die einzelnen Stücke. I. 11. §. 294. Bei Nutzungsrechten an einem Inbegriff muß der Berechtigte die abgegangenen einzelnen Stücke ergänzen. I. 21. §. 17.18. Ein Pfandrecht an einem Inbegriff besteht nur, soweit die ein­ zelnen Stücke in Besitz de- Pfandgläubiger- gelangt sind. Die Stücke, die bei dem Schuldner zurückgeblieben, find nicht verpfändet. I. 20. §. 104. 105. — Da- österr. Ges. B. §. 302. stimmt mit dem A.L.R. in der Definition de- In­ begriffs, §. 427. läßt da- Ganze symbolisch tradirm und dadurch da- Eigen­ thum daran erwerben. Unger S. 483. Note 43. Ueber da- französ. R. stehe Zachariä I. S. 399. Bei dem Begriff der Heerde und der Biehpacht (Code art. 616. 1800 fg.) tritt da- Recht an den einzelnen Stücken mehr hervor. Dasächs. G. V. §. 62 63. hat zwar den Begriff der „Gesammtsache" beibehalten, aber richtig bestimmt: „Die Bereinigung mehrerer beweglicher Sachen zu einer G.S. bewirft an fich keine Aenderung der Rechte und Verbindlichkeiten, welche in Ansehung der einzelnen Stücke stattfanden. Wenn von einer G.S. nur eine ein­ zelne Sache übrig ist, so dauert da- Recht, welche- Jemand an jener hatte, au dieser fort." Den Nachlaß (die bereditas) sieht da- A.L.R. §. 34. d. T. u. I. 9. §. 350. alInbegriff von Sachen, Rechten und Pflichten an. Die- ist die Universitas Juris im Unterschied von dem Inbegriff der Sachen, der Universitas rerum oder facti. Diese Unterscheidung tritt deutlich hervor bei dem Erbschaft-kauf I. 11. §. 445. 448. Die Möglichkeit einer Universitas Juris ist allgem. ausgesprochen in §. 33. 1.2. „Auch der Inbegriff aller Sachen und Rechte kann al- ein Ganzeangesehen werden", vergl. unten B. 4. §. 266 Davon sind Anh. 19. zu §. 646. I. 11. „ganzer Vermögen-inbegriff" und tz. 42. I. 21. „ganze- Ver­ mögen" al- Objekt de- Nießbrauch-, Anwendungen, doch nicht reine, weil hier zur universitas nicht auch die Passiva, die Pflichten gehören, wie die- bei der Erb­ schaft der Fall ist.

102

Erste- Buch.

so festgehalten,

als

im

Die Grundbegriffe.

römischen,

der Begriff

daher überhaupt ent­

behrlich^).

Abgesehen hiervon können die für da- Recht wichtigen Eigenschaften

der Sachen entweder natürliche oder juristische sein, jene gehen auS ihrem Wesen selbst hervor, diese sind ihnen erst durch das Recht beigelegt. Unter den natürlichen Eigenschaften tritt vor allen hervor die der Je nachdem eine Sache ihrer Substanz unbeschadet von einer Stelle zur andern gebracht werden kann

Beweglichkeit und Unbeweglichkeit.

oder nicht, ist sie beweglich oder unbeweglich4*).S. * * * Für * 8 diese Unterscheidung ist also von Wichtigkeit der Begriff der Substanz, wozu alle Theile und

Eigenschaften der Sache gehören,

ohne welche sie nicht daS sein kann,

waS sie sein soll, d. h. daS zusammenhängende Dasein aller wesentlichen Merkmale einer individuellen Sache. Eine Veränderung der Substanz

findet statt, sobald durch Ausscheidung oder Aenderung einzelner dieser Bestandtheile ihre Bestimmung, ihr Zweck geändert wird.

Welche Aus­

drücke des gemeinen Lebens zur Bezeichnung der verschiedenen beweglichen Sachen die Rechtssprache ausgenommen hat, kann im A.L.R. nachgelesen werdens.

Zu den unbeweglichen Sachen gehören nur die Grundstücke,

4) Ueber die universitas Juris, besonder- die Erbschaft al- solche, nach gemeinem und preuß. R. s. Göppert, zur Lehre vom Miteigenthum nach preuß. A.L.R. 1864. S. 107-132. und unten B. 4. tz. 266. Mit Recht verwirft die neuere Doktrin die Unterscheidung von Universitas Juris und facti, schon de-halb, weil auch letztere nur eine zu Recht-zwecken vorgenommene Abstraktion ist und daher ebenso die Bezeichnung Juris verdient. Hasse (Archiv f. civil. Prax. V. S. 1.) und Mühlenbruch (ebenda XVII. S. 321.), denen sich Wächter, Erörter. Heft 1. S. 1. anschloß, haben zuerst die alte Theorie angegriffen. Savigny, System I. S. 378. 384. III. S. 14. Sintern-, Liv.R. I. S. 433.—438., des. Note 6. Bangerow I. S. 123. Wächter, würt. P. R. IL S- 239. Unger S. 470. Die s. g. universitas Juris hat keine einzige juristische Eigeuthümlichkcit an sich, insbesondere kann sie weder al- solche aus Andere übertragen, tradirt, noch mit einer dinglichen Universalllage verfolgt werden. WaS den Erwerb an einem DermögenSinbegrifs angeht, so kann der nur so vollzogen werden, daß die einzelnen Sachen wirklich übergeben und die Rechte (Obligationen) in gehöriger Form abgetreten werden. Die- güt auch nach preuß. R. sowohl im Fall des 8. 646. 1. 11. als bei der Schenkung eine- ganzen Vermögen- nach §. 1087. I. 11. Koch irrt, wenn er Note 48. zu diesem §. behauptet, daß hier da- Eigen­ thum am ganzen Vermögen schon durch den Vertrag übergeht. Die §§. 474. 475. I. 11. sagen die- nur vom ErbschaftSkause, bei diesem sind aber nicht Sachen, sondern da- Erbrecht Gegenstand de- Kaufs, und da- kaun fteilich nicht körperlich übergeben werden, der Vertrag ist vielmehr der EessionSall. Göppert a. a. O. S. 116. Note 1. Daß nach preuß. R. dos und peculium nicht als universitates Juris existiren, bedarf keine- weiteren Nachweise-. Auch bei der hereditatis petitio ist nicht die Erbschaft al- universitas Juris, sondern daCrbrecht Klageobjekt.

6) Ebenso daS ästen. Ges.v. tz. 293. Superfiziarische Gebäude sind nicht Immobilien Strieth. B. 84. S. 88. ®) §• 10.-30. d. T. Sonderbarer Weise wurden nur nutzbare Thiere Moventien ge­ nannt. Da- R.O.H.G. hat angenommen, daß im Walde stehende Bäume, welche zum Abholzen verkauft sind, al- bewegliche Sachen Gegenstand eine- Handelsge­ schäfts sein können. Stegemann II. 220. Dergl. Seuffert B. 24. Nr. 209. P. 26. Nr. 6;

§. 21.

Sintheilung der Sachen.

103

die umgrenzten Stücke des Erdreichs, und diejenigen Sachen, die sich mit ihnen in organischer oder mechanischer Verbindung befinden: die letztere

aber muß von der Art sein, daß die verbundene Sache bei der Trennung vom Grund und Boden ihre Substanz nicht bewahren kann. ES wird

die Vervollkommnung technischer Mittel für dergleichen Abtrennungen auch bewirken, daß Sachen, die man früher, bei geringerer Technik, als unbe­ wegliche gelten lasten mußte, jetzt als bewegliche anzusehen sind, weil sie mit den jetzigen Hilfsmitteln „unbeschadet ihrer Substanz" vom Grund­

stück getrennt und auf eine andere Stelle gebracht werden können').

Bei

den Grundstücken sind aber noch weitere, für daö Recht nicht einflußlose Unterscheidungen anzumerken. Zunächst ist die Oberfläche (superficies)

vom Grund und Boden verschieden, jene kann Gegenstand besonderer Rechtsverhältnisse sein, dann aber theilt sie nicht das Recht des letzteren').

Sodann sind die Grundstücke entweder

ländliche oder städtische,

je

nachdem sie der Landwirthschaft in allen ihren Arten und Zweigen, oder

nicht gewidmet sind').

Dieser negative Gegensatz ist gewiß sehr unge­

nügend, eS bleibt der Begriff oder Zweck eines städtischen Grundstück­ völlig im Dunkeln.

Dennoch läßt sich bei der großen Mannichfaltigkeit

der Zwecke eine- Grundstücks für die menschlichen Bedürfnisse außer dem

Dienst für die Landwirthschaft ein gemeinsamer Name für alle übrigen

nicht finden — ist auch praktisch kein fühlbare- Bedürfniß.

Festgehalten

muß nur werden, daß auf den Ort, wo da- Grundstück sich befindet, ob innerhalb oder außerhalb einer Stadt, nichts ankommt.

Es können Grund­

stücke, die lediglich der Landwirthschaft dienen, zu einem städtischen Ver­ bände gehören, und e- liegen häufig auf dem Lande Grundstücke, die nicht die entfernteste Beziehung zur Kultur deS Grund und Boden-

(Lusthäuser, Fabriken).

haben

Deßhalb deckt auch der Gegensatz von Hau- und

Landgut nicht völlig den Gegensatz von städtischen und ländlichen Grund­ stücken. Da- ältere Recht unterschied die letzteren noch weiter in s. g. freie oder Rittergüter und Bauergüter, die je nach den verschiedenen Provinzialverfaffungen weitere Unterarten hatten").

Diese Unterschiede

’) Sergi, die Entsch. bet O.Trib. in Simons Rechtspr. 8. 4. S. 3., wo Wind­ mühlen für unbewegliche Sachen erklärt werden, weil die jetzige Technik sie nicht «18 Ganzes fortschaffen kann. Einzelne Beispiele s. Ergänzungen zu §. 6 —9. d. T. Heydemann S. 141. •) A.L.R. I. 9. §. 98. I. 22. §. 200. *) A.L.R. I. 21. §. 150. fg. 169. 170. 400. Sergi. I. 2. §. 48. 61. I. 5. §. 343. 344. I. 7. §. 195.1.11. §. 83. 88. II. 4 §. 48. 51. 60. Anwaltszeitung v. HinschiuS 1863 S. 210. Entsch. B. 45. S. 51. B. 67. S. 64. Strieth. B. 51. S. 7. Landgut, mit welchem Ackerbau und Viehzucht verbunden ist, gleichviel, ob das Grund­ stück auf städtischem Territorium oder auf dem Platten Lande liegt, oder ob die Viehzucht in einem Züchten zum Verkauf besteht oder überhaupt nur im Interesse der Landwirthschaft gepflegt wird. ") A.L.R. II. 4. §. 51. II. 7. §. 5. 92. II. 8. tz. 7. Anh. §. 163. zu II. 18. §. 56-,

ßrfirt Buch.

104

Die Grundbegriffe-

hingen zusammen mit dem AbhängigkeitS-Vrrhältniste, in welchem auch in

privatrechtlicher Beziehung die Rustikalstellen zu den Rittergütern sich be« fanden.

Im neueren Recht sind diese privatrechtlichen Unterschiede be­

seitigt, nur auf dem Gebiete de- öffentlichen Recht- bestehen solche zur Zeit noch").

Ferner theilbare und untheilbare Sachen, je nachdem entweder Natur oder Gesetz die Absonderung der Theile zulasten oder nicht. Diese

Absonderung, Theilung, kann reell, in Wirklichkeit auSgeführt werden, so

daß au- der einen Sache mehrere Stücke entstehen, doch muß jede- Stück noch die wesentliche Eigenschaft de- Ganzen zeigen"), oder sie kann nur in Gedanken vollzogen werden, indem die Sache da- einzelne Stück bleibt,

und sich gesonderte Antheile an ihr (Quoten) bilden.

Ideell, nach Quoten

theilbar ist jede Sache, auch die physisch untheilbare").

Verbrauchbare Sachen sind diejenigen, die nur unter Vernichtung ihrer Individualität genutzt werden können.

Abnutzbar oder verbrauchbar

ist zwar eigentlich jede Sache, bei den im Recht so genannten aber liegt der Zweck der Benutzung in dem Verbrauch, er ist nicht eine nur zu­

fällige Folge"). Vertretbare Sachen, die da-Landrecht nicht erwähnt"), sind die­

jenigen, bei denen da- individuelle Moment gegen da- generische zurücktritt; sie sind nur in ihrer Quantität und Qualität von Interesse für

die Berechtigung.

Es können Sachen, die an sich vertretbar wären, durch

den Willen der Menschen vorübergehend zu unvertretbaren gemacht wer­ den, z. B. eine in einem Beutel eingesiegelte Geldsumme").

Die juristischen Eigenschaften scheiden die Sachen zunächst nach ihrem Gebrauchszweck, indem sie entweder in oder außer dem Verkehr stehen.

Theil- durch Natur, theil- durch Gesetz, auch durch rechtliche Pri-

*•) Die Aufhebung der Erbunterthänigkeit, die Ablösungen der Dienste und Abgaben, die Berwandlung der Erbpacht in freit- Eigenthum haben die Unterschiede aus dem Gebiet de» Privatrecht» beseitigt. *’) Deshalb ist ein Hau» durch Abbruch nicht theilbar. Entsch. B. 53. S. 7. Ueber Theilbarkeit der Gebäude s. Zimmermann im Archiv für civil. Prax. B. 54. S- 421. Un ger I. S. 409- Wächter, Archiv f. civil. Pr. XXVII. 7. Pr.R. II S. 272. Savigntz Oblig R- 8. 1. S. 305. — l. 26. §. 2. D. de leg. I. 1. 35. §. 3. D. VI. 1.1. 13. §. 2. D. XLVI. 4. I. 5. pr. D. XLV. 2. u v. a. St.

“) Wächter, Pr. R. II. S. 219. Rote 36. Unger I. 401. — §. 2. J. II. 4. 1. 5. §. 1. 1. 7. D. VII. 5. Oesterr. Ges.B. §. 301.

,s) 68 scheint, daß man fie unter den verbrauchbare» Sachen mit verstanden hat. Der Entw. Thl. 2. Eint § 36. nennt die verbrauchbaren S. ree fangibiloe. In A.L.R I. 5 §. 275 aber ist die nach dem genue bezeichnete Lache erwähnt. Auch da» österr. Ges.B. erwähnt fie nicht. Dagegen hat da» sächs. Ges.B. §. 61. ver­ tretbare, aber nicht verbrauchbare Sachen genannt, versteht aber unter ersteren jedenfalls auch die letzteren. “) Ihering in s. und Gerber» Jahrb f. Dogm. IV. S 400. Wächter II. S. 225. Unger I. S. 404.

§. 21. Einteilung der Hachen. vatverfügung können Sachen dem Verkehr entzogen seinIT).

106 Don Natur

sind eS diejenigen, von deren Benutzung Niemand ausgeschlossen werden kann, deren Gebrauch ein ganz allgemeiner ist, und die, weil ihnen die

Fähigkeit, auSgetauscht zu werden, abgeht, dem Verkehr nicht anheimfalle» können: die Luft, das fließende Wasser, daS offene Meer").

Doch kön­

nen Theile der Luft (die s. g. Luftsäule über dem Grundstück) und de»

Wassers, soweit eS in den Grenzen eines Grundstücks fließt, Gegenstand von Sonderberechtigungen und Verkehrsbeziehungen werden. VerkehrloS durch Gesetz sind die Sachen, welche wegen ihres ebenfalls allgemeinen Gebrauchszwecks der Staat gegenüber allen Privaten in Anspruch genom­ men hat (res publicae) "*), oder die dem Gebrauch im Dienst der Reli­

gion gewidmet sind (res sacrae und sanctae)"), endlich durch Privatver­

fügung, z. B. AußercourSsetzung und Veräußerungsverbote"). Hier aber sind die Sachen, die vielmehr für den lebhaftesten Verkehr bestimmt zu sein pflegen, nur so

lange demselben entzogen, als der Berechtigte

will, die VerkehrSlosigkeit als Eigenschaft kommt ihnen also eigentlich nicht zu.

Mehr gilt dies von Familien-Fideikommissen, weil dieselben, einmal

errichtet, nur unter erschwerenden Formen und besonderen Voraussetzungen aufgehoben und dem freien Verkehr übergeben werden können"). Aber auch während deS Bestehens sind doch mannichfache Rechtsgeschäfte über

sie möglich.

Die Verkehrsentziehung durch Privatverfngung muß,

um

wirksam zu werden, der Art sein, daß sie dritten Personen kenntlich wird. Bei Grundstücken und Hypotheken bildet daS Grundbuch dazu daS Mittel").

Sodann die Frucht"), die die Sache nutzbar macht. Gegensatz zur Substanz.

Sie ist der

Nicht jede Sache ist in diesem Sinn nutzbar,

daß sie Frucht bietet; andere können nur gebraucht werden. kann auS einer dreifachen Quelle stammen:

Die Frucht

entweder entwickelt sie sich

auf natürlichem Wege, ohne menschliche» Zuthun auS der Sache (natür­

liche Frucht), oder sie wird durch menschliche Arbeit geboten (industrielle

*’) A.L.R. I. 4. §. 15.1. 8. §. 3. 5.1. 9. §. 581. 582.1.11. §. 28.1. 12. §. 386.

") §. 1. J. II. 1. 1. 2. §. 1. D. I. 8. A.L.R. II. 15. §. 44. 47. 50. ") A.L.R. II 14. §. 21—24. II. 15. §. 7. 8. 38. 73 80. 229. II. 16. §. 1. 3. Landund Heerstraßen, die schiffbaren FIllffe, an deren Ufer Jedem der Leinpfad znsteht. (Entscheid. >v. 17. B. 379 ), Meeresuser, Häsen, herrenlose Grundstücke. Wenn letztere der Staat okkupirt hat, kann er sie in den Verkehr bringen. ") AL.R. II. 11 §• 160. 170. 179.183. 191. Kirchen, gottesdienstliche Geräthschaften, Begräbnißplätze. •') I 14. §. 16. fg. I. 12. g. 534. *•) A.L.R. II. 4 § 305. Edikt v. 9. Okt 1807 ?. IX. Ges. v. 15. Febr. 1840. Die bloße Einschränkung der DiSPosttionSbesugniß des Eigenthümer- durch Privatversügnng entzieht die Sache nicht dem Verkehr. Praj. 694. (Sammt. I. S. 6 ).

") A.L.R. I. 4. §. 16.-19. “) Heimbach, die Lehre v. d. Frucht, 1843. Wächter, Erört. H. 1. S. 55. Pr.R. 11. S. 259. Unger I. S. 461. — Koch, Pr. R. I. S. 218,

106

Erste- Buch.

Die Grundbegriffe.

Frucht), oder sie wird nach den Regelungen deS menschlichen Verkehrs

auS der Benutzung eines Kapitals produzirt (Civilfrucht)").

Natur,

Arbeit und Kapital sind die drei zusammenwirkenden Faktoren für die

wirthschaftliche Produktion.

Diesen drei Arten der Frucht gemeinsam ist,

daß sie der auS einer Sache entstehende, abgesonderte Nutzen, ein Crzeugniß derselben sind.

Wie die juristische Abstraktion den Begriff der Person

und Sache überhaupt erweitert, so erweitert sie auch den der Frucht und macht ihn erst dadurch zu einem Rechtsbegriff, aus den Schranken der

Natürlichkeit ihn herauShcbend.

Daher erklärt eS sich, daß Erzeugnisse,

die im natürlichen Sinn Früchte genannt werden müssen, im rechtlichen nicht so angesehen werden, und umgekehrt. Obstbäume im Garten sind natürliche Erzeugnisse, gleichwohl sind nicht sie, sondern daS Obst die

Früchte: Bäume im Forst aber sind Früchte.

Mineralien können nur in­

soweit als Früchte des Grundstücks , angesehen werden, als sie sich in dem­ selben neu erzeugen, sonst gehören sie zur Substanz deS Bodens ").

Ein

ferneres Kriterium für den Begriff der Frucht ist der Nutzen, den sie

demjenigen gewährt, der ein Recht auf die Sache hat, auS welcher sie hervorgeht. Frucht gewährt Nutzung, Ertrag. Nutzungen heißen die Vortheile, welche die Sache ihrem Inhaber unbeschadet ihrer Substanz gewähren kann").

Unbeschadet ihrer Substanz, d. h. die Frucht muß

auS ihr, ohne sie zu vermindern oder zu beeinträchtigen, entstanden fein"). 2S) Natürliche und industrielle Früchte definirt in A.LR. I. 9. §. 220., industrielle (auSgesäete Pflanzen). I. 9. 275, Civilfrüchte (die Pacht- und Miethgelder) I. 20. §. 476. (Zinsen). L 7. §. 192.1. 11. §. 803. fg. 1.14. §. 259. 269. II. 1. §.464. II. 2. §. 307. II. 18. §. 541. Bei den einzelnen Rechtsinstituten, bei denen Früchte und Zinsen besonders in Betracht kommen, wird spezieller von ihnen und den fich an sie anknüpfenden Rechtsverhältnissen zu reden sein. Hier kommt eö nur auf Feststellung deS allgemeinen Begriffs an. H) 1. 7. §. 13. D. XXIV. 3: „qnia nee in fructu est marmer, nisi tale eit, ut lapis ibi renaecatur: qualee sunt in Gallia, sunt et in Asia“. 1. 9 §.2.3. 1. 13. §. 5. D. Vll. 1. 1. 77. de V. S. ") A.LR. d. T. §. 110. I. 7. §. 195. I. 9. §. 357. I. 11. §. 292. I. 20. §. 225. 231. I. 21. §. 23. 144. 166. Nutzen ist der weitere, Nutzung der engere Begriff, denn nutzen heißt die Sache brauchen bis zum Verbrauch, so weit darf aber dre Nutzung nicht erstreckt werden. Koch, R. d Ford. 2. A. B. 1. S. 315. DaS sächs. Ges.B. §. 72. versteht unter Nutzung Früchte und Gebrauch. ") Deshalb ist Windbruch als Theil der Substanz nicht Frucht. 1. 7. §. 12. D.XXIV. 3. 1. 12. pr. D. VII. 1. Nach A.L R, I. 21. §. 33. 34. gehören Windbrücbe nur so weit zur Frucht (Nutzung), als sie auf die ordinaire Forstnutzung anzurechnen sind, sonst muß daö aus ihnen gelöste Geld entweder in die Substanz verwendet werden, oder als Kapital angelegt, bilden nur dessen Zinsen die Nutzung (Civil­ frucht). Ferner bildet bei Bergwerken nicht die Ausbeute selbst, denn diese ist eine Verminderung der Substanz, auch nicht die an ihre Stelle tretende, die Sub­ stanzeigenschaft bewahrende Verwerthung derselben, sondern nur die Zinsen davon die Nutzung. Entsch. B. 12. S. 463. DaS österr. Ges. B. rechnet §. 511. die reine Ausbeute zum Ertrage, also zur Frucht. Bei Forsten ist nur forstwirthschastliche Benutzung zulässig, darüber hinaus wird die Substanz vermindert. AL.R. I. 21. §. 30. 32. Der im Grund und Boden gefundene Schatz ist nicht Frucht. A L.R. I. 9. §- 81. 82. 9Z

j. 21.

107

Einteilung der Sache«.

Die Frucht ist aber auch, weil sie Nutzen gewährt, ein Vortheil für den

Berechtigten, bei den s. g. industriellen Früchten kommt also die Aufwen­ dung in Abzug, die gemacht werden muß, um sie zu gewinnen, die Arbeit,

die Abnutzung der Geräthschaften, die Kosten").

Bei allen Arten von

Früchten endlich sind im Gebiete des Rechts zu unterscheiden: die stehen­ den, welche mit der Muttersache noch Zusammenhängen, die abgeson­

derten, die gezogenen oder genossenen und die versäumten, welche hätten gewonnen werden können, aber wegen Nachlässigkeit deS

Besitzers ausgeblieben sind, wozu auch die natürlich entstandenen aber

nicht eingesammelten gehören"). Endlich werden die Sachen unter einander in eine bestimmte Bezie­

hung gebracht, wonach die eine die Hauptsache, die andere die Neben­ sache ist.

Dies kann zwiefach geschehen: auf natürlichem Wege, indem

sich eine physische Verbindung beider herstellt, und auf juristischem Wege,

indem die eine Suche dem Rechtszweck der andern zu dienen bestimmt ist. Im ersteren Fall geht die Nebensache in der Hauptsache auf, sie wird zur

Substanz, ein Bestandtheil derselben; im letzteren Fall bewahrt die Neben­ sache ihr individuelle- Sein, sie gehört nur äußerlich zu ihrer Hauptsache.

Beide sind zu scheiden.

a.

An- und Zuwüchse nennt man die zu physischer Vereinigung

mit ihrer Hauptsache gebrachten Nebensachen.

WaS organisch aus der

Sache entsteht (wie die natürlichen Früchte), kann man auch Zuwachs

nennen: aber die im Boden stehende Frucht ist nicht schon vor ihrer Ver­ bindung mit dem Erdreich eine Sache gewesen, sie ist nicht zu gewachsen, d. h. von Außen herangekommen, sondern konnte nur im Boden entstehen. Zuwachs im engeren Sinn ist daher nur die Sache, die von außen her mit einer anderen verbunden worden.

Solcbe Verbindung kann natürlich

und künstlich entstehen: Vermehrungen und Verbesserungen einer Sache, die sei eS durch Natur oder Kunst von außen her bewirkt worden, heißen

An« und Zuwllchse.

So lautet die Definition des A.L.R."); es rechnet

dazu Verbreiterung eines UferS durch ein Stück Land, welches die Ge­ walt des Stromes wo anders weggerückt hat, Anspülungen, Inseln, die sich allmählig aus dem Wasser gehoben haben, zugelandete und verlassene

Flußbette, Pflanzen, die auf fremdem Grund und Boden gesäet worden, Befruchtung fremder Thiere, endlich als künstliche Vermehrung oder Ver­ besserung alle die Fälle, wo Sachen mit einander verbunden, vermengt,

vermischt sind, wozu auch daS Bauen auf fremdem Boden, das Verbauen fremder Materialien gehört.

Die an solche Thatsachen sich anknüpfen-

») 1. 46. o. XXII. 1. 36. $ .5. D.V. 3. A.L.R. 1. 7. §. 233.1. 9. §. 276. *•) A L.R- I. 7. §. 189. 193. 195. 223. 224. 229. »') A.L.R. I. 9. J. 222. Koch, Pr. R. I. 219.

Erste- Buch.

108

Die Grundbegriffe.

deu rechtlichen Beziehungen werden später ihre Darstellung finden.

Im

Allgemeinen ist hier nur zu bemerken, daß die Nebensache in die Rechts­ verhältnisse der Hauptsache eintritt (accessio cedit principali), und daß erstere auch die Eigenschaft der letzteren annimmt, d. h. daß die mit einer

unbeweglichen Sache verbundene bewegliche — so lange die Verbindung dauert — ebenfalls unbeweglich ist. —

b.

Das Zubehör oder die Pertinenz").

Das A.L.R. besinnt:

eine Sache, welche zwar für sich selbst bestehen kann, die aber mit einer anderen Sache in eine fortwährende Verbindung gesetzt worden, wird Zu­

behör genannt.

Sie ist Nebensache, weil sie der Bestimmung einer anderen

Sache dient, in dieser ihren Zweck hat.

Auf das Werthverhältniß beider

Sachen kommt es nicht an, auch die an sich werthvcllere kann die Per­ tinenz für die minder werthvolle fein").

Aus dem Begriff ergeben sich

folgende Merkmale: erstlich die Möglichkeit selbständiger Existenz, die Per­

tinenz vereinigt sich also nicht, wie der Zuwachs, mit der Hauptsache zu einem Körper, sie ist nicht ein Theil derselben, sie bleibt ein Ganzes für

sich").

Zweitens; die dauernde Verbindung mit einer anderen Sache, die

ihr Zweck ist, und drittens die Willkürlichkeit der Verbindung").

Ist die

") Funke, die Lehre von den Pertinenzien, 1827 (unverändert mit neuem Titel 1850). Wächter, Erörter. H. 1. S. 36. Pr.R. II. S. 246. Unger I. S. 435. Heyne, im Recht-lexikon VII. S. 904. Der Ausdruck: Hilf-fache, den Unger anwendet, ist sehr paffend, weil er da- eigentliche Kriterium der Pertinenz beffer bezeichnet, als das unbestimmtere Wort: Zubehör. A.L.R. I. 2. §. 42—108. Oesterr. Ges. B. 8 294 fg. Sächf. G.B. §. 65. n) 1. 34 pr. D. XVIII. 1. 1. 13. §. ult. D. XIX 1. 1. 17. §. 7. eod. Weder in dem bloß mechanisch bewirkten Zusammenhang, noch in dem bloßen Willen des Besitzers, die eine Sache al- Zubehör der anderen zu benutzen, sondern in dem Verhältnisse, in welchem der Gegenstand, der Zubehör sein soll, seiner Beschaffenheit und seinem Zwecke nach zu der Hauptsache steht, kann das charakteristische Kennzeichen gefun­ den werden. Die Sache muß, ohne Bestandtheil zu sein, zu fortdauerndem Ge­ brauch der Hauptsache bestimmt und faktisch in dieses Verhältniß auch dergestalt wirklich gebracht sein, daß durch die Verbindung derselben mit der Hauptsache die letztere als solche erst ihren Zweck erfüllt: perpetui usua causa in aedificiia esse, — quo aedes perficiantur, — quasi pars aedium vel propter aedes. Dresdener Annalen 11. 450. VII. 530. IV. 76. Zeitschr. f. RechtSpfl. und Verwal­ tung in Sachsen, N. F. B.20. S. 380. B. 21. S. 362. Seuffert XVIII. 8. ,4) Dieser Gesichtspunkt, obschon die Definition de- A.L.R. I. 2. §. 42. ihn richtig aussaßt, wird ost verkannt, namentlich bei Grundstücken. Ein von einem solchen abgetrenntes Stück, eine Parzelle, ist nicht Pertinenz. Sie ist bis zur Abtren­ nung ein wirklicher Bestandtheil de- Grundstücks, dann ein selbständiges Grund­ stück. Wie die Einrichtung des Grundbuchs hierauf einwirkt, kann hier noch nicht erörtert werden. Dergl. Kretschmann in GruchotS Beiträgen B. 4. S. 1. und Koch, schles. Arch. B. 5. S. 300 fg., wo der Unterschied zwischen Bestand­ theil und Pertinenzstück richtig festgehalten ist. Im röm. R. ist anerkannt, daß die Pertinenz propriam et separatem conditionem bewahre. 1. 7. §. 1. D. XLI. 4. ES wird daher auch nicht die mit einer unbeweglichen Sache ver­ bundene bewegliche Sache dadurch zur unbeweglichen, nicht unbedingt und in jeder Hinsicht nimmt sie am Recht ihrer Hauptsache Theil, sondern nur in gewiffen Beziehungen. ") "In Verbindung „gesetzt worden" sagt da- A.L.R. Deßhalb ist richtig §. 43. d- T. gesagt, daß eine unbewegliche Sache, die durch die Natur mit einer un-

Z. 21.

Eintheilung der Sachen.

109

Verbindung eine nothwendige, au» der Natur hervorgehende, so gehört die Sache zur Substanz, welche in dieser Hinsicht der Gegensatz der Perti­ nenz ist. Unabsiesonderte natürliche Früchte sind also nicht Pertinenz, und wenn da» A.L.R. bewegliche natürliche Zuwüchse einer Sache, so ldnge sie von derselben nicht getrennt sind, für Zubehör erklärt"), so ist die» folgewidrig. Die Verbindung bewirkt, daß die Pertinenz am Rechte der Hauptsache Theil nimmt, selbst dann, wenn sie vorübergehend von dersel­ ben getrennt worden ”). Sie geht also auch mit der Hauptsache auf den neuen Erwerber über. Daraus, daß die Verbindung eine vom Rechtssubjekt gemachte, gewollte ist, folgt, daß Haupt- und Nebensache denselben Eigenthümer haben müssen"). Die Pertinenzeigenschaft hört auf, wenn die Pertinenz dauernd, nicht bloß aus vorübergehenden Ursachen, von ihrer Hauptsache getrennt worden. Sie erlischt auch dann noch nicht, wenn die Abtrennung nur bedingungsweise, unter einer Voraussetzung erfolgt ist, bis sich die letztere entscheidet"). Hält man den Begriff und die darau» abgeleiteten Merkmale fest, so ist die Anwendung auf den einzelnen Fall selten mit Schwierigkeiten verknüpft und es war kein Bedürfniß, daß da» A.L.R. eine lange Reihe von Pertinenzien aufzählte, die doch nur Beispiele sein können, weil eine erschöpfende Aufführung nicht möglich ist"). Nach­ beweglichen in Verbindung gekommen, Substanz sei. Koch, Kommentar iu §. 44. d. T Note 33. behauptet, die Zuschlaguag unbeweglicher Sachen verlange aus­ drückliche Willenserklärung, die faktische Bereinigung genüge nicht. Hiergegen Gruchot in s. Beiträgen B. 1. S. 129.130. mit Recht; doch darf nicht übersehen werden, daß, wenn di« Pertinenz al- solche im Grundbuch de» Hauptgutc» vermerkt werden soll, eine notariell oder gerichtlich beglaubigte Erklärung allerdings erforderlich ist. Kretschmann bei Gruchot B. 4. S. 14 Note 10.

••) A.L-R. I. 2. §. 45. ") 1. 17. i 11. D. XIX 1. I. 242. §. 4. de V. 8. A.L.R. I. 2. $. 106. Sachen, die man nur vorräthig hat, um sie an die Stelle abgehender Pertinenzstücke zu setzen, End so lange noch nicht Pertinenzien. Unger S. 454 Note 50 , auf Grund der 13. 8- 25. D. XXXIII. 7. gegen Sinteni».

**) A.M. Unger S.443 Nr.3. A.L.R. 1.2. 8.60.108. Striethorst 8.59. ©.121. Da» Inventar, was der vom Eigenthümer verschiedene Besitzer eine» Grundstücks angeschafft und zur Bewirthschastung gebraucht hat, ist Eigenthum de» Besitzer«, nicht Pertinenz de» Grundstück«. Entsch. B. 66. S. 1 sg. Die Pertinenzeigenschaft verliert die Sache, wenn sie einen anderen Eigenthümer erhält; darau» folgt aber nicht, daß sie au» allen RechtSverhältniffen, die während ihrer Zugehörigkeit aus sie gelegt sind, durch die Veräußerung ausscheidet. Sie bleibt insbesondere dem Pfandrecht unterworfen. Präs. 415 (Samml. 1. S. 5) und Striethorst, Archiv B. 13. S. 96.

••) §. 105-107. d. T.

Entsch. B. 46. S. 20 fg.

*•) Dabei hat e» natürlich auch nicht ausbleiben können, baß Schiefe» und Falsche» gesetzlich geworden ist. So find z. B. die Utenfilien zur Ausübung der Jagd­ gerechtigkeit u. s- w. (d. T. 8- 67. 68.) für Pertinenzien de» Jagdrecht» erklärt, sie sind e» aber ebenso wenig, wie die zur Ausübung einer Servitut erforderlichen Anstalten deren Pertinenzien find. (Unger S. 437 Note 4.) — Andererseits trifft man in den einzelnen Bestimmungen de« A L R. über Pertinenzien auch alte deutsche Anschauungen. So in §. 48., wo al» Pertinenzien eine» Landgut«» da» ganze Inventar angesehen wird. Beseler, Pr.R- B. 2. S. 25. Nach 1.17. §. 2. V, XIX. |. rechnet da» röm. R. zum Zubehör de» Grundstück» nur Stroh und

Erste« Buch.

110

Die Grundbegriffe.

dem das Verhältniß von Haupt- und Nebensache erörtert ist, wird auch

der häufig vorkommende und namentlich bei Restitutionen wichtige Ausdruck der onanis causa klar seln. ES ist die Sache mit allem, waS ihr zu­

gehört, im weitesten Sinn, mit den Früchten, den An- und Zuwüchsen und den Pertinenzien. 2.

Reckte, die Gegenstände des Sachenrechts nach §. 3. d. T-sind.

Hierher gehören vorzüglich Handlungen des Berechtigten selbst, oder Drit­

ter.

Unter Handlungen sind auch Unterlassungen und Duldungen zu ver­

stehen.

Erheblicher noch sind die Handlungen als Ursachen für Rechte,

und in dieser Hinsicht kommen sie später zur Erörterung.

Beiden Arten

von Handlungen sind die wichtigsten Eigenschaften gemeinsam:

hier ist

nur zu bemerken, daß daS A.L.R. die Handlungen, soweit sie Gegenstände

deö RechtS sind, in affirmative, negative und UntersagungSrechte eintheilt"), wovon näher in der Lehre vom Besitz zu sprechen sein wird, und daß die Kategorien von Körpern,

wie sie bisher dargestellt

worden sind, auch auf Handlungen übertragen werden.

ES giebt also

theilbare und untheilbare, vertretbare nnd nicht vertretbare Handlungen.

Vor allem aber hat man sich mit der Frage beschäftigt, ob solche Rechte

die Eigenschaft von beweglichen und unbeweglichen Sachen haben können. An sich sind sie weder daS eine noch daS andere, sie sind nicht tragbar Dünger. Glück XVI. S. 102. Göschen §. 499. Nr. 3. Im Wochenblatt für merkw. Rechtsfälle in Sachsen, 1867, S. 121 ist auSgeführt, daß die zum Betriebe eines Gewerbes dienenden Geräthschaften an sich nicht Zubehör der hierzu benutz­ ten Grundstücke sind, z. B. auch nicht daS corpus pharmaceuticum, selbst wenn die Apothekengerechtigkeit ein Realrecht ist. Eenso ist daS Inventar eines Gasthofs nicht Zubehör. Dresdener Annalen IV. 76. Diese gemeinrechtlichen Entscheidungen stimmen aber nicht mit dem A L.R. überein, welches alle Geräthschaften und In­ ventarstücke, welche zu einer GewerbSberechtigung bestimmt sind, als Zubehör auf­ saßt. Vergl. z. B. §. 90. 94 d. T. Ein Grundstück, welches einem anderen int Grundbuch zugeschrieben ist, wird dadurch dessen Pertinenz. Entsch. B. 19.S. 168. DaS bei einer GemeinheitStheilung gewährte Abfindungsland ist durch des Gesetz Pertinenz. Entsch. B. 27. S. 194. Die Praxis hat angenommen (Entsch. B. 2. S. 267 und Präj. 650. Pl. Beschl. in den Entsch. B. 5. S. 1), daß die Dienste nnd Abgaben, also die affirmativen Rechte aus solche gegen Bauergüter, Pertinenz der berechtigten Güter seien. Aus dem Begriff nach §. 42. d. T. folgt es nicht, ebenso wenig aus §. 48. das., denn „eine darauf befindliche Sache" ist die Reallast gewiß nicht. Rechte können nicht Pertinenzien von Körpern sein, sie sind nur Eigenschaften der Sachen, der Grundstücke, ebenso die Servituten und s. g. Gerech­ tigkeiten. Unger S. 455. A. M. sind die Germanisten, z. B. Beseler, deutsch. Pr. R. II. S. 28., und eS ist allerdings zuzugeben, daß die Behandlung, die daS Institut der Reallasten historisch erfahren hat, einigermaßen die Auffassung recht­ fertigt, namentlich auch im Intereffe der Hypothekengläubiger. Nach neuerem Recht werden oder sind vielmehr die Reallasten abgelöst, und eS entsteht die Frage, ob daS dem Berechtigten gezahlte Ablösungskapital (Rentenbriefe) die Eigenschaft der Pertinenz hat. Es muß dies verneint werden. Wie anderes Kaufgeld für eine veräußerte Pertinenz oder die Brandentschädigungssumme nicht Pertinenz wird, so auch die Rentenbriefe nicht. Sie haften aber freilich denjenigen Hypotheken­ gläubigern, denen die abgelösten Rechte bereits verhaftet waren. Bergl. Entsch. B. 30. S. 266.

") A.L.R. I. 7. z. 80. 81. 86.

$. 22.

Werth der Sache, rechtliche« Interesse.

111

von einer Stelle zur anderen, die Kategorie kann also nur sehr figürlich auf sie angewendet werden. Das A.9.R. sagt: Rechte werden als beweg­ liche Sachen betrachtet, d. h. die Rechtsregeln von beweglichen Sachen bestimmen auch ihre Rechtsverhältnisse. Dies ist die Regel"). Wenn aber die Ausübung eines Rechts mit dem Besitz einer unbeweglichen Sache verbunden ist, und wegfällt, sobald dieser Besitz aufhört"), und wenn das Gesetz gewissen Rechten die Eigenschaft der unbeweglichen Sachen ausdrücklich beilegt"), so sollen sie als solche gelten.

§. 22. Werth der Sache, rechtliches Interesse. A.L.R. I. 2. §. 109—119. — Heydemann S. 147. Borneman« I. S. 116. Daniel« I. 196 197. sg. Koch II. S. 55 Recht der Färber. 2. A. I. S. 49. fg. 310 fg. — Wächter II. S- 195 fg. Unger I. S. 371. Mommsen, Beiträge zum Obligation-recht (1855) II S. 16. fg. Savignh, System B. 1. S. 376. Obl.R. B. 1. §. 40—48. Roscher, die Grundlagen der Nationalökonomie, 4. A.

1861.

Die beiden Schriften von Dankwardt (s. §. 20.), bes. Nat. Del. u. Jur.

H- 1 S. 15. fg.

ES ist, wie oben (§. 20.) schon erwähnt wurde, nur diejenige Sache im Sinn des §. 3. d. T. fähig, Rechtsobjekt zu sein, welche der Person ein rechtliches Interesse gewährt. Sehr verschieden kann dasselbe sein, meist ein vermögensrechtliches, aber auch ein sittliches u. f. w. Dieser Grundsatz ist in mehrfachen Anwendungen anerkannt'); selbst wenn das Interesse zu Anfang bestanden hat und in der Folge wegfällt, hört die Sache auf, Rechtsobjekt zu sein'). Es gehört also zum Begriff des Rechtsobjekts, daß es der Person Nutzen giebt. Der Nutzen bestimmt sich ") A.L.R. I. 2. §. 7. So auch die Hypothekenforderungen, weil sie unabhängig vom Besitz einer Sache au«geübt werden. In den neueren Staatsverträgen ist die» ausdrücklich ausgesprochen, bergt j. B. Konvention mit Oesterreich von 1844 (Ges.S S. 165). Heydemann S. 142 Note 256. S. auch Delbrück, Ueber­ nahme fremder Schulden, 1853, S. 4. *•) Also Servituten, Realrechte. Don praktischer Wichtigkeit ist die Frage besonder» insofern, als für Rechte, die die Eigenschaft der Unbeweglichkeit haben, besondere Hypothekenfolien angelegt werden können. Wie die Praxis die Frage gehandhabt hat, s. Heydemann S. 143 Note 257 und die Ergänzungen. “) Dies ist nur der Fall bei dem s.g. Bergwerkseigenthum. Berggesetz v. 24. Juni 1865 (Ges.S. S- 705) §. 50. Die Kuxe haben nach neuerem Rechte die Eigenschaft beweglicher Sachen. Daselbst §. 101. DaS sächs. G.B. §. 60. rechnet „zum Zweck der BermögenSsonderung" Rechte an unbeweglichen Sachen, mit Ausnahme der Hypothekenforderungen, ferner Rechte, die mit einer unbeweglichen Sache verbun­ den sind, zu den unbeweglichen Sachen. ') Z. B. 1. 8. pr. I. 15. pr. D. VIII. 1. 1. 38. 39. D. VIII 2. in Betreff nutzloser Servituten; den Stellen steht 1.19. D. VIII. 1. nicht entgegen, s. Löhr in seht, und Grolmann'S Magazin B. 3. S. 493. Ferner interesseloses Pfandrecht 1.23. I. 28. D. XX. 1. ') Z- B. 1. 6. pr. D. VIII. 5.

112

Erste» Buch.

Die Grundbegriffe.

nach bet Brauchbarkeit, die die Sache zum Gute macht. Je nachdem die Brauchbarkeit höher oder niedriger ist, steigt oder fällt der Werth der Sache. Der Werth ist zunächst für die Person ein f. g. Gebrauchs­ werth, wenn nur darauf gesehen wird, welche Bedürfniffe dieselbe sich durch die Sache unmittelbar befriedigen kann, und je mehr oder je größere Bedürfniffe in ihr Befriedigung finden, um so bedeutender ist dieser Ge­ brauch-werth. Die Sache hat aber noch darüber hinan» und auf ihm beruhend, einen Tausch werth, der den Grad ihrer Fähigkeit, Gegen­ stand de» Verkehr» zu sein, d. h. gegen andere Güter umgetauscht zu wer­ den, bestimmt. Hier bedarf e» nicht bloß der Anerkennung de» Berechtig­ ten, sondern auch anderer Personen, und diese richten sich nach der leich­ ten Uebertragbarkeit, dem Grade der Tauglichkeit zur Befriedigung der Lebensbedürfnisse, der Menge der vorhandenen Güter für gleichen Zweck. Der Werth ist durchaus relativ, bedingt durch zeitliche und örtliche Ver­ schiedenheiten. Sachen, die früher einen hohen Werth hatten, haben ihn jetzt verloren, weil die Anschauungen, die Bedürfniffe andere geworden; Sachen, die früher nicht beachtet worden, sind jetzt von Werth, weil man ge­ funden, daß sie Bedürfniffe befriedigen können. Ist die Menge der Sache größer, al» zur Befriedigung de» Bedarf» nöthig, so sintt der Werth, um­ gekehrt steigt er. Sachen, sofern sie Werth haben, nennt man selbst Werthe. Auch da» Recht, welche» man an der Sache hat, kann ver­ schiedenen Werth haben, je nachdem e» eine ausschließliche, unmittelbare, gänzliche oder nur theilweise Herrschaft über die Sache gewährt. Da» Eigenthum ist da» stärkste, darum werthvollste Recht, der Besitz an sich ist werkhlo», er kann seinen Werth nur au» dem Recht-grunde entnehmen, au» welchem er eingeräumt ist und indem er im Prozeß eine günstigere Lage gewährt. Der Werth eine» Pfandrecht», einer Hypothek richtet sich nach dem Grade der Sicherheit, die e» bietet; endlich ein obligatorische» Recht ist von minderem Werth al» ein dingliche» (minus est actionem quam rem habere)'). Der Tauschwerth der Sache, die al» Gegenstand de» Verkehr» Waare heißt, drückt sich im Preise au». Der Preis ist da» Quantum einer bestimmten anderen. Waare, da» für sie eingetauscht werden soll'); wie aber der Austausch von Sache gegen Sache den ent­ wickelten VerkehrSverhältniffen nicht genügt, weil nur selten und zufällig da» eingetauschte Objekt dem eignen Bedürfniß entspricht, so mußte ein allgemeines, unter allen Umständen gleich werthvolle» Tauschmittel ge­ funden werden, welche» eben wegen seine» eignen gleichbleibenden Werthe» zugleich der sicherste objektive Maßstab für den Werth jeder anderen Sache ist. Die» ist da» Geld, auch für da» Recht-bedürfniß von der vielfach•) Danlwardt, Studien S. 152. *) «»scher S> 181.

ften Anwendung **), insbesondere um die Sache, das Objekt einer Leistung, zu schätzen. Unschätzbar nennt daS A.L.R. diejenigen Sachen, deren Werth durch kein Verhältniß mit andern im Verkehr befindlichen Sachen bestimmt werden kann. Es hätte dieses Satzes nicht bedurft, denn un­ schätzbare Sachen sind überhaupt nicht Rechtsobjekte'). Der Werth der Sache, entweder durch den Preis bestimmt, oder durch Schätzung zu finden, und in Geld ausgedrückt, richtet sich nach dem Nutzen (der Brauchbarkeit und Austauschfähigkeit). Der Nutzen ist entweder ein solcher, den Jedermann in gleicher Weise von der Sache haben kann, und dieser ist die Grundlage des gemeinen Werths, oder ein solcher, den die Sache nur unter gewissen Bestimmungen oder Verhältnissen, dem Einen mehr als dem Andern, gewährt, und dieser bestimmt den außerordent­ lichen Werth. Beide sind wirkliche, objektiv meßbare Werthe. Einen gemeinen Werth hat jede Sache, er beruht wesentlich auf ihrer Tauschfähigkeit; der außerordentliche tritt unter gewissen thatsächlichen Voraus­ setzungen, die ihre Brauchbarkeit erhöhen hinzu. Bei dem Werth der besonderen Vorliebe aber, der bloß aus zufälligen Eigenschaften oder Verhältnissen einer Sache entsteht, die derselben in der Meinung ihreBesitzerS den Vorzug vor allen anderen Sachen gleicher Art beilegen, ist von einem objektiven Maßstab nicht mehr die Rede'). Hier ist eS nur die Einbildung eines Einzelnen, seine aus andern Rücksichten abgeleitete individuelle „Vorliebe", die den Werth — und zwar nur für ihn be­ stimmt, nicht die Bedeutung, die die Sache für das Vermögen der Person an sich hat, ihre allgemeine und besondere Brauchbarkeit. Mit Recht ist darauf hingewiesen, daß dieser Begriff unlogisch ist, denn jeder Werth ist •) Roscher S. 209. Die Theorie vom Geld ist hier nicht darzustellen, damit rt in einem Handbuch des Privatrecht» nicht den Anschein gewinne, al» solle de omnibue et quibusdam aliis gehandelt werden. Da» Wenige, wa» hierbei in Betracht kommt, z. B. die Frage, wie eine Geldsumme wiederzuzahlen sei, wenn inzwischen eine Veränderung der Münze. stattgefunden, rechtfertigt nicht die aurführliche Behandlung der Lehre vom Gelde an dieser Stelle. Siehe

übrigen« Koch, R. b. Forder. I. S. 49.-63. Bergl. I. 1. pr. D. de contr. ernt. XVIII. 1., wie das Geld al» allgemeine« Tauschmittel allmählich in Anwen­ dung gekommen.

•) I. 9. §. 2. D. XL. 7: „ea in obligatione consiatere, quae pecunia loi praeatarique posaunt.“ Unger S. 372. Bei Liquidirung der Gerichtskosten ist zwar von Gegenständen die Rede, die keiner Schätzung nach Gelde fähig find (§. 11. de« Ges. v. 10. Mai 1851), aber soweit die« richtig ist, z. B. bei einer Klage auf Anerkennung eine« Erziehung-recht». wegen Ehrenkrankung, Standerrechte und bergt handelt rt sich nicht um eine Sache al« Recht»objekt: wo eine solche Gegen­ stand de« Rechtsstreite« ist, z. B. bei Grnndgerechtigkeiten muß immer eine Schätzung möglich sein. Die Schätzung geschieht in der Regel durch Sachverständige. Prü­ fung-recht des Richter«, Dresdener Annalen II. 365. Aber auch die Partei selbst kann schätzen: (Würderung-eid) z. B. I. 6. §. 94. 96. 97. I. 9. §• 459.1.14. §. 30. A.G.O. I. 22. §. 9. fg. ’) Seuffert III. 161. Der außerordentliche (relative) Sachwerth beruht auf indi­ viduellen BerinögeiiSintereffen, der Assection-werth auf individuellen Neigungen und Gefühlen.

gdrster, Preuß. Prwatrecht. I. 3. Ausl.

8

Erste« Buch.

114

Die Grundbegriffe.

da- Ergebniß einer Schätzung, die Vorliebe aber ist nicht schätzbar, und deßhalb sollte er auch für da- Recht nicht verwendet werden').

Das

A.L.R. läßt ihn maßgebend sein in besonderen Fällen, wo die Gesetze eS ausdrücklich billigen, und diese besonderen Fälle zeigen, daß man in un-

gehöriger Weise dem privatrechtlichen Moment einen ihm an sich fremden strafrechtlichen Bestandtheil beigemischt hat').

Wenn nun auch die Zu-

laffung deS außerordentlichen Werths an die gleiche Voraussetzung ge­ knüpft ist, so ist dies gradezu falsch und ungerecht gegen den, der für ein verletztes Recht entschädigt werden soll; denn eS wird nach dem Grade

deS Verschuldens die Größe deS Ersatzes berechnet, während der Umfang deS Schadens, der ersetzt werden soll, unabhängig von jenem Verschulden

stets auch den außerordentlichen Werth enthält.

Man hat zu dieser An­

nahme nur kommen können, indem man daS gesammte rechtliche Interesse deS Beschädigten, welches den Gegenstand der Entschädigung auSmachen

soll, mit dem Sachwerth identifizirte, der davon ganz verschieden sein Und eS ist auch hier daS moralisch mehr oder minder tadelnSwerthe Verhalten des BeschädigerS berücksichtigt, was jedenfalls die Ver­

kann.

letzung deS Privatrechts nicht größer oder geringer macht"). DaS A.L.R. spricht ferner an einzelnen Stellen von einem höheren und mittleren Werth.

der Marktpreise, das

Beide finden ihre Erklärung in dem Schwanken

durch die Beschaffenheit der

individuellen Sache

oder durch die Nachfrage, die zu verschiedenen Zeitpunkten nach ihr statt­ gefunden, verursacht ist. Der mittlere Werth ist der Durchschnittswerth, also der gemeine, der höhere ist der mit Rücksicht auf beffere Beschaffen­

heit oder vermehrte Nachfrage gesteigerte “). Neuerding- ist auch in der preußischen Praxis eine Streitfrage zur Sprache gekommen"), die unter den gemeinrechtlichen Schriftstellern früher •) Unger S. 377. Das sächsische Ges.B. §. 78. hat nur den ordentlichen u. außer­ ordentlichen Werth und verwirft den W. der Borliebe.

•) AL R. I. 6. §. 87. al« §. 196.

Strafe de« dolna.

§. 96. 97. I. 11. §. 880. I. 20.

*•) Unger S. 376. Mommsen, Beiträge II. S. 16. fg. Koch, R. d. Ford. S. 314. 318. A.L.R. I. 6. §. 35.-37. al« Strafe für culpa lata. I. 11. si. 880.1. 12. S. 378. Eine besondere Berücksichtigung findet der außerordentliche Werth nach I. 11. ß.9. bei Zwangsenteignungen. Bergt. Rechtspr. in. S. 339. Striethorst B. 14. S. 106. B. 32. S. 245. B. 35. S. 284. Die beiden letzten Entscheidungen zeigen, daß der außerordentliche Werth auf wirklichen, thatsächlichen Voraussetzungen ruht, und wo solche fehlen, nicht angenommen werden darf.

") A.L.R. I. 6. §. 85. 92. I. 7. §. 225. In §. 94 I. 6. bedeutet der höhere Werth den außerordentlichen und den der Borliebe im Vergleich mit dem gemeinen.

**) Bei Gelegenheit der Frage, ob die FeuerverstcherungSgelder den Hypotheken­ gläubigern verhaftet seien. Entsch. B. 27. S. 1. J.M Bl. 1854 S. 65. 1855. S. 312. Schering, Archiv I. S. 74. Arnsberger Arch. B. 9. S. 274. Kos­ mann in der deutschen Gerichtszeitung, 1865. Nr. 26 Gruchot B. 8. S. 258. Madai im Arch. f. civ. Pr. B. 26. S. 201. Unten B. 2. §. 145. R O HG. V. Nr. 1. Da» O.A.G. Dresden sicht die Bersicheruug-gelder al« Pertinenz der area

erörtert, jetzt beseitigt ist"), nämlich nach der Bedeutung und Giltigkeit der Regel: pretium succedit in locum rei, die man allgemeiner dahin gefaßt hat: surrogatüm sapit naturam ejus, cni surrogatur. Auf den Preis für vereinzelte Sachen hat man sie zwar nicht angewendet, aber man hat behauptet, daß bei einer s. g. Rechtsgesammtheit (univeraitas Juris) besonders bei der Erbschaft der Preis für die aus ihr veräußerte Sache oder die mit ErbfchaftSgelde angeschaffte Sache ohne Weiteres Be­ standtheil der Erbschaft werde. Zaghafter war man in der Ausdehnung des Satzes auf das Pekulium und die Do». Die Regel ist falsch, auch in Beziehung auf die Erbschaft. Es ist nämlich in den Digesten nur ge­ sagt, daß, wenn der unberechtigte Besitzer einer Erbschaft eine Sache auS derselben veräußert, der wahre Erbe mit der Erbschaftsklage das dafür gelöste Geld verlangen kann"). Da» heißt nichts weiter, al» daß der unberechtigte Besitzer nichts von fremdem Gut gewinnen soll, daß er mit der Erbschaft auch alle» da» herausgeben muß, was er mit ihren Mitteln erlangt hat. Wäre der Preis wirklich Surrogat der Sache geworden, so könnte dem Erben nicht mehr die Vindikation derselben gestattet sein, lva» gleichwohl der Fall ist"). Selbst vom dritten Besitzer kann der Erbe die Sache vindizlren "). Und wenn mit dem Gelde der Erbschaft Sachen angeschafft werden, so hat der Erbe die Wahl, ob er die Sache nehmen, oder da» Geld fordern will; kaufte der Besitzer aus dem ErbschaftSgelde Sachen für sich, so wurden diese keineswegs Bestandtheile der Erbschaft"). Allein, wenn auch hieraus folgt, daß der Grundsatz al» allgemeiner ver­ worfen werden muß, so kann doch die Willenseinigung der Parteien oder gesetzliche Bestimmung in einzelnen Fällen belieben, daß der Preis da» Surrogat einer Sache sein, daß die Ansprüche an letztere auf jenen über­ gehen sollen"). — Nicht ander» ist die Frage nach preußischem Recht zu an. Dre-d. An. III. 407. Dagegen de- ehem- O-A G- Kassel nicht al- Surro­ gat der verbrauchten Gegenstände. Heuser, Annal. VI. 663. In neueren Hypo­ thekengesetzen sind sie den Hypothekengläubigern mit verhaftet, z. B. in Mecklen­ burg und jetzt auch nach preuß. R- Gesetz über den Eigenthum-erwerb v. 5. Mai 1872 § 30. a. E. „Bersicherung-gelder für Früchte, bewegliche- Zubehör und ab­ gebrannte »der durch Brand beschädigte Gebäude, wenn diese Gelder dem Eigen­ thümer zufallen und nicht zur Wiederherstellung der Gebäude verwendet werde» müssen oder verwendet worden sind". '•) Wächter, Erörter. H. 1. S. 5. fg. Unger I S. 472. Bangerow, 6. A. I €>• 123. Dre-dner Annalen 1.154. Wochenbl. f. merkw. Rf. 1847. S. 182. '*) 1. 22. D. V. Bergl. damit 1. 16. §. 5.1. 20. §. 6.1. 29. ibid. auch Puchta, Borles. 5. A. 1862 ®. 1. Anh. XVI. S. 495.

Ueber die 1. 22. s.

“) 1. 20. §. 12. eod.

“) 1. 13. §. eod. 1. 2. a. E. C. III. 31.

») 1. 20. pr. §. 1. 2. D. V. 3.

**) Z. B. bei letztwilligeu Dispositionen: 1. 64. de leg. III., beim Nießbrauch: 1. 68. §. 2. 1. 69. 70 §. 2. 3. D. VII. 1. In Folge von Vereinbarung: 1.25.-27. D. XXIII. 3. I. 21. D. XXIII. 4.

Erste- Buch. Die Grundbegriffe.

116 beantworten").

Einzelne Aussprüche deuten bestimmt darauf hin, daß

die Redaktoren eine solche Regel nicht anerkannt haben").

Praxis haben sie daher auch verworfen.

Theorie und

Es fragt sich nur, ob nicht doch

einzelne Anklänge an dieselbe im preußischen Recht gefunden

werden.

Man behauptet eS besonders von den in Geld oder Land gewährten Ent­

schädigungen bei Ablösungen und GemeinheitStheilungen und bei Expro­ priationen im Interesse der Real-Gläubiger").

Aber eS ist zu bemerken,

daß hierbei die Gesetzgebung von der Ansicht auSging, die abgetrennten oder a«-getauschten Realitäten hätten die Eigenschaft der Pertinenzien gehabt, und die dafür erhaltenen Werthe in Land oder Kapital würden auch Per­

tinenzien.

In Betreff deS als Entschädigung erworbenen Landstücks kann

dies zugegeben werden, aber nicht weil eS an die Stelle deS abgegebenen

tritt, sondern weil eS durch feine Zutheilung zum Grundstück ohnehin die Eigenschaft der Pertinenz erlangt und daher nach den Grundsätzen über die Ausdehnung des Pfandrechts in dasselbe eintritt.

Dies wäre der Fall,

auch wenn das dagegen abgegebene Stück dabei geblieben wäre.

Unrichtig

dagegen ist eS, Kapitalsabfindungen als Pertinenzien anzusehen, und das Obertribunal hatte diese Ansicht auch verworfen") — nur das Interesse

de- Pfandgläubigerö verlangte hier eine Sicherung, und deßwegen sind

sie den Gläubigern verhaftet erklärt worden, aber nur aus dieser Rück­ sicht, nicht in Folge einer Anerkennung jenes Grundsatzes, wie daraus

deutlich hervorgeht, daß, wenn Gläubiger nicht vorhanden sind, das Ab­ findungskapital keineswegs in das RechtSverhältniß des Grundstücks ein­

tritt, nicht mit ihm auf den dritten Besitzer übergeht, sondern freies Eigen­ thum des gegenwärtigen Besitzers wird").

*•) Bergt. Koch, Kommentar Note 26. zu I. 2. j 36. Entsch. B. 24. S. 403. B. 27. S. 1. B. 30. S. 266. B. 45 S. 173. *") Besonders A.LR. II. 1. §. 516: „der bedungene Preis oder Werth tritt auch hier nicht an die Stelle de» Veräußerten." Damit zu vergleichen 1.11. §. 27.1. 17. §. 55. und Koch 's Bemerkungen zu diesen §§. in s. Kommentar. ") S. die Nachweisungen der Gesetze in den Entsch. B. 30. S. 272. B. 45. S. 173. und Koch, Kommentar Note 26. zu I. 2. §. 36. Der §. 36. cit. hat auf die oben besprochene Regel keine Beziehung, er handelt nur von den einem Inbegriff zuwachsenden oder einverleibten Sachen. Diese treten in die RechtSverhältniffe, in denen stch der Inbegriff befindet, ohne daß sie den Preis vertreten, der etwa auf sie verwendet worden. Wie dieses Eintreten in das Rechtsverhältniß zu verstehen sei, s. oben §. 21. ") Siehe oben §. 21. Rote 39. *•) Andere Fälle, wo der Grundsatz der Surrogirung stch Geltung verschafft habe, sollen sein: I. 9. §. 339 (dies ist nur ein Vorrecht zur Befriedigung, übrigens von der Konk.Ord. v. 1855 nicht anerkannt, und das Separationsrecht der Erbschaft», gläubiger im Konkurse, §. 37—59. der Konk.Ord. v. 1855, aber auch hier ist ein Surrogiren nicht der maßgebende Gesichtspunkt.

Bietst# Kapitel.

Die rechtliche Beziehung deS Rechtssubjekts auf das Objekt. 1. Abschnitt.

§. 23. Die allgemeine Natur dieser Beziehung. A.L-R-1. 2. §. 122-141.1 10. §.1-13. 21—25.1.19. §.3-5. Gesetz über den Eigen-

thumSenverb v. 5. Mai 1872.

Heydemann I. S. 147.

Borne mann, von

Rechtsgeschäften 2. ». 1833 S. 10. System I. S. 185. Koch I. S. 220. 406. und Komment, zu den §§. Gaupp in der Zeitschrift f. deutsche» R. B. 1. S. 93.

Derselbe, die Zukunft de» deutschen R. S. 45.

Plathner in d- jurist. Wochen­

schrift 1847 S. 518. 553. Lenz, Studien und Kritiken 1847 S. 3. Löher, da» System de» pr. L.R. 1852 a. m. St. Plathner, Geist de» pr. Pr.R. 1854 1. Bd. S. 417 fg. Förster, Klage und Einrede n- pr. R. 1857 S. 17. Derselbe,

preuß. Gmndbuchrecht 1872. Dernburg, pr. Pr. R. I. S. 383 f. 393—431. Achille», Grundeigenthum und Hypothekenrecht 1872. vahlmann, da»preuß.

Grundbuchrecht 1872 2. A. — Ziebarth, -bie Realexekution und die Obligation.

1866. Unten §.156. —

Schmidt, über den Prinzip. Unterschied de» röm. und

germ. R. 1853 S. 217. 247.

Wächter, Erörter. H. 1. S. 88. 106. Pr. R. II.

S. 292. 302. Unger I. S. 511- 539. II. S. 8. S. 423. — Windscheid I. S. 88.

Zachariä (Anschütz), I.

Die Person und die Sache (im Sinn des §. 3. d. T.) sind jetzt in ihrer sich gegenüberstehenden Isolirtheit betrachtet worden. ES muß weiter zu der Untersuchung geschritten werden, in welcher Weise sich die Person zur Sache in die Beziehung setzt, daß sie Gegenstand ihres Recht- wird. Diese Beziehung ist eine zwiefache: eine unmittelbare oder eine mittelbare, d. h. entweder legt die Person ihren Willen in die Sache, ohne Berück­ sichtigung irgend eine- andern rechtlichen Willen-, oder sie kann die Sache als Objekt ihre- Recht- nur durch da- Medium einer anderen Person erreichen, Pe muß sich den Willen dieser Person besonder- verpflichten. Jene Beziehung und da- au- ihr hervorgehende Recht heißt dinglich, diese persönlich. Alles Vermögensrecht ist entweder dinglich oder per­ sönlich. Es tritt hier der oben §. 18. gemachte Unterschied von absolutem und relativem Recht hervor: das dingliche Recht ist ein absolute-'), da­ persönliche relativ, da- erstere erheischt Nichtverletzung von allen anderen Personen, daö letztere nur von der bestimmt verpflichteten Person und von dieser noch mehr, eine Leistung. Daß man in der älteren Theorie über die Begriffsbestimmung de- dinglichen Recht- gestritten hat, indem man e- einerseits mit dem absoluten Recht, zu welchem doch auch die Zustands­ rechte gehören, identifizirte, andererseits sein Wesen au- seiner Wirkung, •) Ziebarth nimmt ein relative- und absolute» dingliche» Recht an. unten §. 156.

S. darüber

der Klage, herleiten wollte, ist bekannt, jetzt aber ohne Interesse, da die Kontroverse wohl al» beseitigt gelten kann'). Die geschichtliche Entwickelung beider Rechtsbegriffe ist im römischen und deutschen Recht eine verschiedene gewesen. Im römischen Recht ist unter sehr energischer Festhaltung des Eigenthums die Zahl der dinglichen Rechte neben ihm eine beschränkte und abgeschloffene geblieben — im deutschen hat eine solche Abgeschloffenheit nicht stattgefunden, die dinglichen Rechte haben sich daher hier nach Zahl und Art (Inhalt und Gegenstand) viel reichhaltiger gebildet; dem römischen Recht ist im Laufe der Zeit ein wesentliche- Moment im Begriff der Dinglichkeit, nämlich die seinem An­ spruch auf allgemeine Anerkennung entsprechende nothwendige allseitige Erkennbarkeit verloren gegangen, während sich diese das deutsche Recht, freilich soweit nur, als die vordringende Rezeption es gestattete, bewahrt hat; endlich zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zwischen dem römischen und deutschen Recht auch darin, daß erstere- an die Dinglichkeit nur die passive Verpflichtung des NichtstörenS, da- letztere auch die Verpflichtung zu bestimmten Leistungen anknüpft. ES wird sich ergeben, daß die Lehre de- preußischen Recht» über die Dinglichkeit dem deutschen näher steht al» dem römischen. Zunächst die Begriffsbestimmung de» A.L.R. entspricht der de» ge­ meinen Recht-. Da- persönliche Recht ist die Befugniß, von einem Verpflichteten zu fordern, daß er etwa» gebe, leiste, verstatte, unterlasse. „Gewisse" Personen ohne Rücksicht auf den Besitz einer Sache stehen ein­ ander gegenüber, sie befinden sich zu einander in einem bestimmten RechtSverhältmß, vermöge deffen der Eine gegen den Anderen eine bestimmte Verpflichtung hat. Die Sache liegt, so zu sagen, hinter ihnen, sie ist nicht Inhalt und nicht Gegenstand, sondern Zweck de» Rechtsverhältnisse-, Man kann billig übersehen, daß in der Definition de- A.L.R. neben dem Leisten al- der Alle» umfassenden, allgemeinen Bezeichnung de» Inhalte» noch die besonderen Arten deffelben, da» Geben, Verstatten, Unterlassen, genannt sind. Der Inhalt de» persönlichen Recht» ist also eine Leistung der verpflichteten Person; die Leistung kann da» Geben einer bestimmten körperlichen Sache oder ein Thun, eine Handlung sein, diese al» aktive *) Sieh« bes. Wächter, Srört. H. 1. S. 88. Unger I. S. 511. Man hat auch da« Erbrecht al« dingliche- Recht charakterisiren wollen, weil die hereditatia petitio eine actio in rem sei. Wie schon dieser Schluß von der Klage auf die Natur de» Recht» ein verkehrter ist, so liegt hier auch die Verwechselung von ding­ lichem und absolutem R- unter. Ein absolute» Recht ist da» Erbrecht, aber kein dingliche», denn sein Gegenstand ist kein Ding, keine Sache, nicht die Erbschaft, sondern da» Recht an ihr, da» Recht der Nachfolge in die Persönlichkeit de» Ver­ storbenen. Die Herausgabe de» Nachlasses ist erst die Folge der gewonnenen bered, petit. Auch bleibt die Klage auf da- Erbrecht immer dieselbe, mag man den ganzen Nachlaß oder nur einzelne Stücke mit ihr erstreben. 1.10. §. 1. D. de H. P. 1.1. 6.1. v. V. 4. Förster a. a. O. S. 331

§. 23.

Die allgemeine Natur dieser Beziehung.

119

oder passive aufgefaßt. DaS rechtliche Band, jwelche» den Berechtigten und Verpflichteten verknüpft und dem Verhältniß die Eigenschaft der Er» zwinglichkeit beilegt, heißt Obligation, sie ist formale Macht über den Willen de- Verpflichteten, der Inhalt de- persönlichen Recht-'). DaS dingliche, oder da- Recht auf die Sache') ist dasjenige, deffen Gegenstand eine Sache ist, ohne Rücksicht auf die Person, bei wel­ cher sie sich befindet. Daraus ergiebt sich: eö kann gegen Jeden ausgeübt, es muß von Jedem anerkannt werden, bei dem die Sache, die der Gegenstand de- Rechts ist, sich befindet'), und der vermöge dessen in der Lage ist, das Recht verletzen zu können. Diese Anerkennung von Jedem ist die der Berechtigung entsprechende Verpflichtung: sie kann die ganz all­ gemeine aller Menschen sein, die RechtSsphäre eine- Andern zu achten, sie ist eine besondere desjenigen, bei dem sich die Sache befindet, in dessen Gewalt sie gekommen. Das dingliche Recht ist dergestalt mit der Sache „verfasert", wie sich Lenz bezeichnend au-drückt, daß sie sowohl da- mit ihr verbundene Recht als die mit ihr verbundene Pflicht auf jeden Be­ sitzer überträgt. ES besteht hier nicht ein bestimmtes Recht-verhältniß zwischen bestimmten Personen, sondern die Sache, die der unmittelbare Gegenstand drS Recht- ist, trägt den Inhalt desselben überall mit sich, und Jeder tritt in dasselbe ein, der die Sache erwirkt. Erst durch den Eintritt in diese unmittelbare Beziehung zur Sache bestimmt sich der Be­ rechtigte und der Verpflichtete'). ') 1. 3. pr. D. XLIV. 7. de 0. et A. Obligationum eubstantia non in eo consistit, ut aliquod Corpus nostrum, aut servitutem nostram faciat, sed ut alium nobis obstringat ad dandum aliquid, vel faciendum, vel praestandum. Daß der Inhalt der Obligation, des persönlichen Recht- formale Macht ist, zeigt fich besonder- deutlich darin, daß der Berechtigte nur klagen kann. Wenn aber Brinz,^Pand. I. S. 536. sagt: „Aller Reichthum de- Gläubiger­ liegt darin, daß er klagen kann, alle seine Armuth darin, daß er nur klagen kann. Die Forderung ist Klagerecht, während da- Eigenthum zunächst eine Fülle von Befugnissen und nur zur Bertheidigung derselben Klagerecht ist", so geht er zu weit. Zwar nicht die Obligation al- solche, aber die von ihr erzeugte Forderung al„sachlicher Niederschlag" ist ein Bermögenöwerth. Man kann sie cediren, mit ihr kompensiren, sie gewährt Zinsengenuß. S. Delbrück, die Uebernahme fremder Schulden, 1853 Einl. 4) Der Ausdruck „Recht auf die Sache" ist dem A.L.R. eigenthümlich. Besser ist die gemeinrechtliche Bezeichnung „Recht an der Sache", die auch in dem Ges. v. 5. Mai 1872 über den Eigenthum-erwerb (§. 12) -angenommen worden ist. *) A.L.R. I. 19. §. 7. •) Da- A L.R hat der damaligen an Unterscheidungen sich erfreuenden theoretischen Richtung entsprechend üch nicht mit den beiden Begriffen de- persönlichen und dinglichen Recht- begnügt, sondern weiter unterschieden zwischen subjektiv und objektiv dinglichen Rechten, je nachdem da- Subjekt de- dinglichen Recht- nicht eine Person, sondern ein Grundstück, oder da- Objekt de- R. nicht eine Sache, sondern die Leistung einer Person ist. Offenbar hervorgerusen durch die Berschiedenheit zwischen den römischen jura in re aliena und den deutschen Reallasten, Diensten u. s. w. entbehrt diese Eintheilung doch ganz de- praktischen und theo­ retischen Werth-, ist daher auch ohne wissenschaftliche- Interesse und um so miß­ licher, al- sie wesentlich auf der nur bildlichen Anschauung beruht, daß ein Grund­ stück Recht-subjekt sein könne.

120

Erste» Buch.

Die Grundbegriffe-

Während also da» persönliche Recht nur auSgeübt werden kann mit­ telst de» Willen» einer anderen Person, bedarf e» zur Ausübung de» dinglichen nicht de» Zuthun» einer bestimmten anderen Person, der Be­ rechtigte bedient sich seine» Recht» ohne ein solche» Mittel. Doch ist hier zu bemerken, daß dieser Satz volle Wahrheit nur für die jura in re aliena de» römischen Recht» hat, deren charakteristische» Merkmal grade dann sich zeigt, daß sie da» facere einer verpflichteten Person nicht zu­ kaffen, daß e» aber im gemeinen und preußischen Recht, au» deutscher Quelle stammend, allerdings auch dingliche Berechtigungen giebt, die da» facere einer verpflichteten Person zu ihrer Ausübung verlangen. Sie sind trotzdem in. Wahrheit dinglich, nicht persönlich, weil die Person de» Leistenden indifferent ist, sich nur dadurch bestimmt, ob sie die Sache be­ sitzt, von welcher die Leistung geschehen muß. Während ferner da» persönliche Recht nur in der Leistung besteht, und mit ihrer Erfüllung erlischt, ist da» dingliche seiner Natur nach dauernd, einer fortgesetzt wiederholten, je nach seinem Umfang selbst oft verschiede­ nen Ausübung fähig, jene» ein „Bekommen-Sollen", diese» ein „Haben"'), jene» ein werdender, diese» ein vollendeter Rechtszustand, daher auch in dieser Hinsicht jene» relativ, diese» absolut, jene» ein rein geistige» un­ sichtbare» Verhältniß, diese» eine physische Macht. Ist nun, wie au» alle dem hervorgeht, da» unterscheidende Kenn­ zeichen für beide Arten von Rechten die mittelbare oder unmittelbare Be­ herrschung de» Objekt«, der Sache, so wird e» auch klar sein, warum in den verschiedenen positiven Rechten die Abgrenzung dieser Klaffen und ihre Reichhaltigkeit eine engere oder weitere ist. Denn e» kommt darauf an, wie weit, in welchem Umfang die Unmittelbarkeit der Einwirkung angenommen wird. Einen engen Standpunkt hat, wie schon erwähnt, da» römische und durch seinen Einfluß da» heutige gemeine Recht: un­ mittelbar beherrscht die Sache nur derjenige, dem sie al» eigne gehört; nicht schon daß er sie hat und jeden Augenblick thatsächlich auf sie ein­ wirken kann, verschafft ihm die Dinglichkeit, den Anspruch auf allgemeine Geltung. Scharf ist die rechtliche und thatsächliche Seite de» Einwirken» geschieden. Im deutschen Recht findet sich solche Scheidung nicht, sein Standpunkt ist ein weiterer, vielleicht kann man sagen ein unbestimmterer. Wer immer thatsächlich, au» irgend welchem Rechtögrunde, unmitttelbar ans die Sache einzuwirken, sie zu seinen Zwecken zu gebrauchen vermag, wenn sie auch nicht seine eigne ist oder werden soll, hat ein dingliche» Recht. Jede» gerechtfertigte Innehaben — der feine Unterschied der pogaessio civilis und detentio war ja unbekannt — gewährte e», soweit e» reichte. Da» deutsche Recht hatte nicht den spezifischen Gegensatz von Brinz a. a. O. S. 362.

Sohm, die Lehre vom enbpignue. 1864. S. 11.

Eigenthum und dinglichen Rechten, eS besaß daS dingliche Recht — die Gewere — unter welche- da- Eigenthum al- eine Art desselben geordnet war. Mag immer die Gewere eine Antiquität sein, die in ihr au-ge­ drückte Anschauung hat nachgewirkt in Partikularrechten und zu diesen gehört auch da- preußische, welche- jeder Berechtigung, die die Sache der unmittelbaren Einwirkung der Person thatsächlich unterwirft, den Charakter der Dinglichkeit verleiht '). Doch nur unter der der deutschen Recht-anschauung eigenthümlichen und von da entlehnten DorauSsetzung der Erkennbarkeit. Die Erkenn­ barkeit hat eine doppelte Eigenschaft in sich, sie verlangt Besonder­ heit (Spezialität) de- Objekt- und Oeffentlichkeit der Ausübung. Es liegt unzweifelhaft im Begriff des dinglichen Recht-, daß e-, weil e- von allen Personen anerkannt sein will, viel entschiedener in die äußere Er­ scheinung treten, Allen sichtbar sein muß. Wenn da- römische Recht die Spezialität und Publizität aufgebend, diese äußere Erkennbarkeit eingebüßt hat, ein dingliche- Recht nicht allein durch bloße Willen-einigung, die sich der Erkenntniß Anderer entzieht, sondern auch an unbestimmten Gesammt­ heiten von Sachen entstehen läßt und nicht einmal den Besitz, da- äußer­ lich überallhin sichtbare Haben, al- Merkmal der Dinglichkeit verwendet, so muß gewiß behauptet werden, daß die Entwickelung de- Begriff- der­ selben in ihm gestört worden und unvollendet geblieben ist. Welche Nachtheile daraus für da- praktische Recht hervorgegangen sind, ist be­ kannt und besonder- im Gebiete de- Pfandrecht- täglich fühlbar'). Eist ein unverkennbarer und großer Vorzug de- A.L.R., daß e- diese- Merk­ mal der Dinglichkeit scharf und im Ganzen konsequent festgehalten hat. Um die- klar zu machen, muß auf den Bildung-prozeß de- dinglichen Recht- näher eingegangen werden. Mit Ausnahme der wenigen Fälle de- f. g. unmittelbaren Erwerb- erwächst da- 'dingliche Recht au- einem persönlichen, und zwar einem solchen persönlichen, dessen Inhalt da- Geben einer bestimmten Sache ist. Ein solche- persönliche- Recht, nach dem Vorbild de- kanonischen Recht- in der älteren Doktrin Recht zur Sache genannt"), ist die Vorstufe zum dinglichen Recht, der s. g. Titel, weil •) Bergl. A. HeuSler, die Gewere, Weimar 1872, des. S. 440 f. Aus wenig über­ zeugenden, zum Theil ganz haltlosen Gründen polemistrt er S. 464 f. dagegen, daß dem Miether und Pächter Klagercchte gegen Dritte gegeben werden. ') Die bekannte Klage Thibauts gegen da- römische Pfandrecht ist vollkommen be­ gründet: „Gin Privilegium hinter dem anderen, ein» wieder über da» andere, und da« ganze Sicherheitssystem so durchlöchert, daß die Gesetzgebung sich selbst am Gude ein teatimooinm paupertatia ausstellen mußte, denn so kann man doch wohl die Borschrift der Nov. 72. c. 6. nennen, daß in der Regel wegen der Gefährlichkeit de« Ausleihen» die Gelder de» Mündel« ruhig im Kasten de» Bor­ mund« liegen bleiben sollen." **) Ganz vereinzelt wird im corp. jur. canon. von einem jus ad rem gesprochen, da« Recht au- der Ernennung eine« Pfründner« ohne Vakanz der Pfründe »der

122

Erste« Luch.

Die Grundbegriffe.

es den gesetzlichen Grund bietet, vermöge dessen eine Handlung oder Be­ gebenheit die Kraft haben kann, ein dingliches Recht zu erzeugen. Diese Handlung oder Begebenheit kommt hinzu zu dem Recht zur Sache, mit ihm vereinigt bildet sie das Recht auf die Sache, sie ist die Erwerbungs­ art, der Modus. Gewiß ist die Lehre von Titel und Modus durchaus unrömisch und die Romanisten sind in ihrem guten Recht, solche Unter­ scheidung, namentlich ihre Berallgemeinerung zu verwerfen"). Aber ebenso gewiß ist jene Lehre nicht deßhalb schon verwerflich, weil sie unrömisch ist, und anderer SeitS nicht dadurch zu rechtfertigen, weil sie einer deutsch­ rechtlichen Anschauung entsprungen ist. Erfunden haben die Redaktoren de- A.L.R. diese Eintheilung nicht, sie haben sie auS der damaligen Doktrin überkommen"), und auch diese ist auf sie gerathen, wie dies so oft in der Entwickelung des gemeinen deutschen Rechts der Fall gewesen, in­ dem man Aussprüche der römischen Quellen auf deutsche Verhältnisse wohl oder übel anwandte und verallgemeinerte. So fand man die alt­ deutsche Auflassung, die Verlautbarung oder Eintragung in das Grund­ buch, als einen besonderen Akt, der zu dem vorausgegangenen Vertrag hinzukommen mußte, um den dinglichen Erwerb zu vollenden, man las im Corpus Juris, daß niemals die nackte Uebergabe das Eigenthum über­ trage, sondern daß ein Kauf oder irgend eine andere justa causa vor­ angegangen sein müsse, und daß die Uebergabe folge, und dagegen wie­ der, daß auch nicht durch den nackten Vertrag, sondern durch die Uebergabe das Eigenthum erlangt werde"). Zwei Akte sah man, der erste Investitur wird so genannt (c. 40. Vito 3. 4. c. 6. Vito 3.7. Clem. un. II. 6). 6« war kein Bedürfniß vorhanden, an« dieser Singularität eine besondere Ein­ theilung der persönlichen Rechte in jus in pers. spec. und jus ad rem herzuleiten. Die neueren Gesetzbücher (da« ALR, da» österr. tz. 307) haben sie ausgenommen. Da« sächsische Gesetzbuch aber kennt sie nicht. In der Schrift von Ziebarth hat da» jus ad rem al« relativ dingliche» Recht wieder größere Bedeutung erlangt. S. §. 17. bes. S-192 f. 205. Brünneck, über den Ursprung de» s.g. jus ad rem. 1869. Dernburg I. S- 381. ") Ziebarth a. a. O. S. 202. Gruchot VI. 419 s. Dernburg I. S. 383 f. Unger II. S. 8 hat noch einmal diese Lehre, die nach Sinteni» kaum noch in den Anmerkungen der Lehrbücher erwähnt werden sollte, todt zu machen gesucht. Da» in der Theorie des Titel« und Modu» enthaltene Mißverständniß de» röm. R. besteht darin, daß die causa der traditio in dem vorangegangenen Rechtsgeschäft gefunden wurde, während die causa der durch das Rechtsgeschäft wohl erläuterte, aber nicht in ihm allein enthaltene UeberlragungSwille de» Tradenten ist. För­ ster, pr. Grundbuchrecht, S. 86 f. Da» österr. G B. §. 380. 381. 424. 435. 449. 480. 481. hat die Theorie von Titel und Modu« durchgesührt. Ueber würt. R. s. Wächter II. ©. 606 Rote 2 Ueber franz. 8t Zachariä a. a- O S. 425 s. Der Code braucht den Ausdruck titre nur für die Urkunde, das schriftliche Be­ weismittel, über einen Vertrag, Testament, z. B. Art. 690. 691. 1607 und hat den Grundsatz, daß zum Erwerb auch der dinglichen Rechte die bloße Willens­ einigung genügt, daß diese, wie Zachariä S. 430 sagt, Titel und Modu» zugleich ist. Art. 711. 938. 1138. 1583. ’*) Daries, inst, jurispr. univ. §. 461 S. Hugo, in deffen civilist. Magazin, B. IV. S- 153 s. Gruchot a. a. O. ") I. 31. pr. D. XLI. I. 9. §. 4. eod. §. 40. J. II. 8. 1. 20. C. II. 3.

machte den Recht-erwerb möglich, der andere wirklich. Daß dann auch mit der gefundenen Zertheilung de- Erwerbs in diese beiden Akte gespielt worden ist, indem man sie selbst bei obligatorischen Geschäften, z. B. Cession, Darlehn, aufsuchte und fand"), ist wahr und hat schädliche Irr­ thümer, mindesten- Zweifel und Unklarheit hervorgerufen, von denen da- A.L.R. nicht frei geblieben ist. In den obligatorischen RechtSverhältnisten läßt sich Grund und Folge de- Erwerb- nur in Gedanken, nicht äußerlich trennen. Im Sachenrecht soll aber au- dem Grunde die Folge eine- äußerlich sichtbaren MachtverhältniffeS hervorgehen. E» ist daher ein gewisses Bedürfniß anzuerkennen, den Erwerb de- dinglichen Recht- nicht au- der bloß persönlichen Verpflichtung zum Geben hervor­ gehen zu lasten, sondern dieser Verpflichtung noch eine Handlung beizu­ fügen, welche da- Geben verwirklicht, die Entstehung de- dinglichen Recht­ vollendet, sein Dasein sichtbar, erkennbar macht. Der Gedanke, der die Redaktoren de» A.L.R. leitete, al» sie diese Theorie für den Erwerb de» dinglichen Recht- aufstellten, war der, durch den ModuS dem dinglichen Rechte die Erkennbarkeit zu verleihen"). Die Handlung und Begeben­ heit, die zum Titel hinzutritt, um au- dem Recht zur Sache ein Recht auf die Sache zu machen, muß eine solche sein, die eine allgemeine Er­ kennbarkeit giebt, und darum ist der ModuS nur da nöthig, wo nicht schon an sich der Erkennbarkeit genügt ist. Doch zunächst der Titel. Da- A.L.R. stellt drei dergleichen auf: Gesetz, Willenserklärung, gerichtliche- Erkenntniß"). ES ist grade hier die Schwäche der Theorie einleuchtend, denn nicht auf gleicher Stufe neben Willenserklärung und richterlichem Ausspruch steht das Gesetz, welches vielmehr auch für jene beide der allgemeine Grund ist, au- dem sie die Kraft schöpfen, Rechte erzeugend zu wirken, eS wäre also in diesen Fällen ein doppelter, ein entfernterer und näherer Titel anzunehmen, wa- gleich­ wohl nicht geschieht, indem das Gesetz nur da als Titel angesehen wird, wo nicht noch eine besondere Willenserklärung oder richterliche Entschei­ dung vorliegt, bei dem s. g. unmittelbaren Erwerbe. Sodann ist daVerhältniß von Titel und ModuS vom Gesetz dahin angegeben, daß der Titel vorangehen muß, da- Recht zur Sache muß da sein, um auf dessen Grund durch die den ModuS bezeichnende Handlung oder Begebenheit die Dinglichkeit zu erzeugen. Gewiß ist die- die Regel, und dem logischen Gedanken allein entsprechend. Doch kann das Vor deS Titel- und das Nach deS ModuS auch so nahe rücken, daß beide Akte zusammen zu fallen ") Zachariä a. a. O. S 425 Rote t. halt Titel und ModuS auch bei obligatorischeu Rechten für nöthig. Dagegen Anschütz daselbst. ") S bes. hierüber die Ausführung von Lenz a. a. O. S. 43 fg. ") A.L.R. I. 2. §. 132. I. 9. §. 2. I. 10. §. 2. I. 20. §. 2. 5. Note 7.

Dernburg I. 384.

scheinen, und, was mehr ist, der Modus tarnt dem Titel vorweggenommen sein: die- sind aber nur thatsächliche Zufälligkeiten, die den auf der Logik deS Gedanken- beruhenden Grundsatz nicht ändern"). Die Erwerb-art (der ModuS) muß, wie au- ihrem Zweck folgt, so beschaffen sein, daß sie ein unmittelbares. Allen erkennbares Einwirken auf die Sache herbeiführt. Die vornehmste und die natürlichste ist die Besitzergreifung: „wenn demjenigen, der ein persönliches Recht zu einer Sache hat, der Besitz derselben auf Grund diese- Rechts eingeräumt wird, so entsteht dadurch ein Recht auf die Sache." Der Besitz ist der einzige und ausschließliche Modus, wo er vollständig den Zweck der Er­ kennbarkeit erreichen läßt. Dies ist der Fall bei beweglichen körper­ lichen Sachen. Hier entsteht nicht bloß das dingliche Recht nur durch die Besitzergreifung, sondern es dauert auch nur so lange, alS der Besitz der Sache nicht anfgegeben wird"). In aller Scharfe ist die- bei dem Faust­ pfand angeordnet"). Nur der Verlust de- Besitzes wider Willen ver­ nichtet nicht das dingliche Recht, es bleibt dem Berechtigten das WiedererlangungSrecht, durch die dingliche Klage'"). Anders abersteht es bei unbeweglichen Sachen, bei Rechten an fremden Sachen und bei selbständigen Gerechtigkeiten. Hier kann dem Besitz nicht in gleicher Weise die Wirkung, da- dingliche Recht er­ kennbar zu machen, beigelegt werden. Zwar hat das A.L.R. noch den Standpunkt festgehalten, daß auch für die Entstehung de- Eigenthums an unbeweglichen Sachen die Besitzergreifung nothwendig sei, daß es durch Vertrag (Titel) und Uebergabe (Modus) erworben werde und die Be­ richtigung deS Besitztitels erst nach vollendetem Erwerbe erfolge, dem Eigenthümer die Legitimation für seine Verfügungen über das Grundstück dritten Personen gegenüber zu verschaffen und eS war deßhalb seit 1831 die Berichtigung deS Besitztitels nicht mehr eine Zwangspflicht"). Allein *’) Lenz a. a. O. S. 46 fg. Das für die Praxis wichtigste Beispiel, wo der ModuS dem Titel vorangeht, ist die Eintragung einer Hypothek, ehe die Valuta gezahlt ist. Die Zahlung de» DarlehnS ist der Titel, die Eintragung der Modus.

'•) A.L.R. 1.10. §. 23. I. 7. $. 74. *•) A.L.R. I. 20. §. 104. 105.

*’) §. 161. 170.1. 7. § 4.1. 15. §. 118.1. 20. A.L.R. ") A.L.R. I. 10. §. 1. 7. I. 11. §. 125. HyP.Ordn. v. 1783 II. §. 55. Ueber den Recht-zustand, der dadurch und insbesondere durch die SuSpendirung des Zwanges zur Besitztitelberichtigung hervorgerufen wurde, s. Förster, Grundbuchrecht S. 72 f. Der Plenarbeschluß deS Obertribunals v. 6. März 1854 Eiilsch. B. 287. ©tritt« horst B. 12. S. 360. J.M.Bl. 1854. S. 17; vergl. entgegenstehende ältere Praxis ©triethorst B 3 ©.223), welcher den Eigenthumserwerb an die Tradition, und nicht an die Eintragung knüpft, ist zwar in der Literatur bekämpft worden, der Lage der Gesetzgebung widersprach er aber nicht. — Ueber andere deutsche Gesetzgebungen ist zu bemerken: Die Mecklenb. rcvid. Hyp.Ordn. s. Landgüter v 18. Oktober 1848. §. 9. gestattet gegen den eingetragenen Besitzer noch die Vindikation. Weiter geht die Mecklenb. ©tadtbuch« Ordn. v. 22. Dezember 1829, welche §. 9. 10. den Uebergang des Eigenthums mir durch die Verlaffung bcwir-

§. 23.

Die allgemeine Natur dieser Beziehung.

125

die vielfachen Uebelstände, die au- der Zwiespältigkeit eine- eingetragenen

und eine- nicht eingetragenen Eigenthum- sich ergaben, die Unsicherheit, die dadurch die Angaben de- HhpothekenbuchS über den Eigenthümer er­

hielten, haben zu einer weitgreifenden Recht-reform geführt, indem für den Erwerb de- Eigenthum- an Grundstücken im Falle freiwilliger

Veräußerung nicht mehr die Uebergabe und Besitzergreifung, sondern

die Auflaffung und Eintragung die ausschließliche Erwerb-art geworden ist").

ES war um so leichter, diese Reform im Gebiete de- preußische«

Recht- durchzuführen, al- dasselbe bereit- in seinen Hypothekenbüchern da- Institut hatte, welche- nur konsequenter al- eS in dem A.L.R. ge­ schehen war, zu entwickeln und von der Tradition-theorie de- römischen

und gemeinen Recht- zu befreien war.

Die Einschreibung der

ein Grundstück betreffenden Recht-vor­

gänge, seiner Eigenthum-veränderungen und Belastungen, in ein öffent­ liche- Buch ist deutschen Ursprung-.

Zuerst in den Städten wurden

schon im 13. Jahrhundert vom Rath Bücher angelegt, in welche allerlei

Rechtsgeschäfte, die sich auf unbewegliche- Gut bezogen, vermerkt wurden. Namentlich kam eS bei Al- da-

römische Recht

Besitzveränderungen

und Verpfändungen

mit seiner formlosen

vor.

Begründung dinglicher

Rechte eindrang, verlor allerdings jene deutsche Gewohnheit ihre Gemein­

rechtlichkeit und erhielt sich nur als partikulares Institut. Aber die da­ durch erzeugte Unsicherheit im Verkehr mit Grundstücken führte im vorigen

Jahrhundert wieder auf diese Einrichtung zurück, sie wurde weiter aus­ So geschah eS in Preußen. Die früher hier üblichen einzel­

gebildet").

nen Bücher wurden in ein einziges vereinigt und die Wirkung der Ein­

tragung gesteigert.

Es lag dies

im Interesse des

Vortheilhaft ist, den Eigenthümer sowie den

Staats, dem

es

rechtlichen Zustand eines

Grundstücks jederzeit schnell und sicher kennen zu lernen, im Interesse auch der Privatpersonen, sei eS, daß sie ein Grundstück selbst, sei eS ein

einzelnes Recht an demselben mit dinglicher Wirkung erwerben wollten,

leit, und diese ErwertSart unter allen Umstanden zu Recht bestehen läßt. Ueber würtemb. R. s. Wächter, Erörter. H.1.S 217 (Ges. v. 1828. Art. 15). DaS österr. Ges.B. §. 331. 431. 441. verlangt als Modus nur die Eintragung in die öffentlichen Bücher. So auch die sächs. Hyp.Ordn. v. 1843 und jetzt daS sächs. Eiv.G.B §. 276. Denselben Grundsatz haben die Nassauer Verordn, v. 15. Mai 1851, die Gesetze der thüringischen Staaten, die Bremer Handfesten-Ordnung v. 30. Juli 1860 §. 10. 12. 13., der bairische Entwurf des Sachenrechts v. 1864 Art. 56. 149. 150. In Betreff des Hamburger R s. J.M.Bl. 1848. S. 33. Nach lübischem R. (III. 6. Art. 1. 2.) wird der Käufer eines Grundstücks erst nach erfolgter Eintragung zu Stadtbuch als voller Eigenthümer angesehen. Bergl. überhaupt Gruchot B. 8. S. 562 f. und jetzt besonders die Abhandlung von Stobbe über die Auflassung des deutschen R. in Jhering, Jahrb. B. 12. S. 137 fg.

”) Ges. v. 5. Mai 1872 $. 1. 2. Peseler, deutsch. Privatr. 2. A. S. 336 f. 341. 376 f. Stobbe a. a. O. S. 242 f.

Erste» Buch.

126

Die Grundbegriffe.

und in dieser Beziehung empfahl sich da» Institut auch al- ein wesent­ liche» Förderungsmittel für den Kredit.

Durch die Hypotheken- und Kon­

kur-ordnung vom 4. Febr. 1722 wurden solche Bücher allgemein eingeführt,

1750 verbessert.

Daran schließt sich die Hhpothekenordnung von 1783,

welche trotz mancherlei Abänderungen bi» zum 1. Oktober 1872 in Kraft

geblieben, an diesem Tage aber der neuen Grundbuchordnung vom 5. Mai 1872 gewichen

Seitdem

ist.

heißen

die

bisherigen

Hhpothekenbücher

„Grundbücher". Der Zweck, durch die Einschreibung in ein Grundbuch die ein Grund­ stück betreffenden dinglichen Rechtsverhältnisse erkennbar zu machen, setzt

eine bestimmte Einrichtung der Grundbücher, ihre Oeffentlichkeit und einen gewissen Grad von Glauben voraus").

Was die Einrichtung betrifft, so waren schon die nach der Hypo­

thekenordnung von

d. h. das Buch

1783 angelegten Hypothekenbücher s. g. Realfolien,

war nach Grundstücken

eingetheilt,

jedem

Grundstück

waren in dem Buch mehrere Blätter gegeben, die nach einer tabellarischen Eintheilung auf dem Titel die nähere Bezeichnung deS Grundstücks, in

der ersten Rubrik das Eigenthum, in der zweiten die dauernden Lasten und die Beschränkungen deS Eigenthums, in der dritten (Hypotheken) angaben.

die Schulden

Die Trennung der zweiten und dritten Rubrik

beruhte auf der begriffsmäßigen Unterscheidung von dauernden, d. h. durch Leistung nicht erschöpflichen, sondern perpetuirten, und von vorübergehen­

den, durch Leistung beendigten, kurz kündbaren Belastungen.

ausgedrückt von

Diese Unterscheidung hat

unkündbaren und

zwar

im

neueren

Recht, seit dem Ablösungsgesetz vom 2. März 1850 insofern ihre Schärfe

verloren, als neue Reallasten — obschon diese ihrem Begriff nach in die Kategorie der dauernden Lasten gehören — nicht mehr auf länger als 30 Jahre begründet werden können"), den Charakter des Dauernden, de»

onus perpetuum, also verloren haben.

de» A.L.R.,

Auch hatte die Eigenthümlichkeit

wonach die ihrer Natur nach

obligatorischen

Rechte der

Miethe und Pacht — abgesehen von der Besitzeinräumung — durch Ein­ tragung in der zweiten Rubrik die Wirkung dinglicher Rechte erlangen, in

die Scheidung der zweiten und dritten Rubrik Bresche gelegt.

Doch konnte

man diese letztere Inkonsequenz deßhalb mehr für eine scheinbare halten,

al» die Eintragung jener Rechte nicht die Belastung de» Grundstücks mit einem onus perpetuum angeben,

sondern eine Beschränkung deS Ver­

fügung-recht- des EigenthümerS dritten Personen anzeigen soll.

Im All­

gemeinen ist daher auch gegenwärtig noch der Grundsatz, auf dem jene

Unterscheidung der beiden Rubriken beruht,

für zutreffend zu erachten.

M) Förster, preuß Grundbuchrecht, S. 25 f. S. 42 f. ”) Ges. v. 2. März 1850. §. 91. 92.

23.

Dir allgemeine Natur dieser Beziehung.

Die Grundbuchordnung

127

vom 5. Mai 1872 hat an dem System der

Realfolien und an der prinzipiellen Scheidung der zweiten und dritten Abtheilung festgehalten"). Nur mit Rücksicht auf die Bedürfnisse de»

zersplitterten Grundbesitze- ist in der neuen Grundbuchordnung eine Com­ bination de- Realfoliums mit dem System de- Personalfolium- vorge­ schrieben worden"). Die Oeffentlichkeit de- Grundbuchs besteht nicht darin, daß die Verhandlungen, welche zu Einschreibungen führen, öffentlich sind, sondern

darin, daß die Einsicht der Grundbücher und der zu denselben gehörigen

Grundakten jedem gestattet ist, welcher nach dem Ermeffen de- Grund­

buchrichters ein rechtliches Intereffe dabei hat").

In Folge der Oeffent­

lichkeit gilt der Recht-satz, daß Jeder, welcher sich in Beziehung auf ein

Grundstück in Rechtsgeschäfte einlassen will, sich über die Rechtslage des­ selben aus dem Buch unterrichten muß, oder wie das A.L.R. den Satz

negativ ausdrückt: „es kann sich Niemand mit der Unwiffenheit einer in da- Hypothekenbuch eingetragenen Verfügung entschuldigen" "). Die Oeffentlichkeit ist hiernach nur eine Eigenschaft deS Buch- selbst, nicht der auS demselben gegebenen Urkunde und dies galt ausnahmslos nach

altem Recht.

Da- neue Recht hat aber eine Ausnahme zugelassen:

Grundschuldbrief hat dieselbe Oeffentlichkeit, wie da- Grundbuch;

der

man

kann sich auf die Angaben des Ersteren verlaffen, ohne da- letztere ein­

sehen zu müssen").

Die Ausnahme

kann

nicht dadurch gerechtfertigt

werden, daß der Grundschuldbrief ebenso wie der Wechsel oder da- In­ haberpapier Träger deS RechtSverhältniffeS sei, daß letzteres in ihm, wie man sich auszudrücken beliebt, verkörpert erscheine, denn Wechsel und

Inhaberpapier

enthalten

die

Verpflichtung-erklärung

deS

Schuldner­

direkt und unmittelbar, der Grundschuldbrief referirt nur den Eintrag

im Grundbuch.

Wenn derjenige, der an der Einsicht deS Grundbuch- ein rechtliches Intereffe hat, sich aus dem Grundbuch unterrichten muß, weil ein Irr­

thum über dessen Inhalt ihn nicht entschuldigt, so folgt nothwendig da­

ran-, daß er auch auf den Inhalt deö BnchS sich muß verlassen können:

da» Grundbuch muß Glauben haben").

Man muß sich darauf ver­

lassen können, daß feine Angaben nicht bloß richtig, sondern auch voll­ ständig sind.

Die- ist der Glaube deS Grundbuch- nach seiner posi­

tiven und negativen Richtung. ") ") ") ») *•) ")

Aber nur derjenige kann sich auf den

Gr.B.O. §.7-12. Gr.B.O. §. 14-16. Förster S. 26 f. Gr.B.O. §.19. Förster S- 34 f. A L.R. I. 4. §. 19. Ges. über den Eigenthum-eNverb v. 5. Mai 1872 §. 38. Förster H. 42 f. Dernburg I. S. 421.

Glauben de» Buchs verlassen, der nicht weiß, daß seine Angaben unrichtig sind: man muß selbst den redlichen Glauben an die Richtigkeit deS Grundbuchs haben. Zu dem objektiven Glauben des Buchs, seiner Glaub­ würdigkeit, muß der subjektive Glaube deS Betheiligten hinzukommen. Wer es weiß, daß die Eintragung des Eigenthümer» oder eines dinglich Berechtigten oder die Löschung eines Recht» unrichtig ist, kann weder da» Eigenthum noch ein dingliches Recht am Grundstück von dem falsch ein­ getragenen Eigenthümer oder Berechtigten oder zum Nachtheil deS falsch gelöschten Recht» erwerben"). Doch macht das Gesetz hier einen Unterschied zwischen entgeltlichem und unentgeltlichem Erwerb. Bei dem ersteren wirkt selbst die unrichtige Eintragung wie eine richtige, wenn der RechtSerwerber die Unrichtigkeit nicht gekannt hat, d. h. der objektive Glaube wird von dem subjektiven überwunden; der unentgeltliche Erwerber aber muß die Unrichtigkeit gegen sich gelten lassen, auch wenn er sie nicht gekannt hat, hier hat der subjektive Glaube keine Kraft. Der redliche Glaube schützt nur den entgeltlichen Erwerber. DaS A.L.R. ging weiter. Auch wenn der Inhalt des Grundbuchs an- sich richtig war, der Erwerber aber — ohne Unterscheidung von Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit — davon Kenntniß hatte, daß der eingetragene Eigenthümer früher ein widerstreitende» Recht zur Sache, also ein persönliches Recht zum Grundstück einem Anderen eingeräumt hatte, so mußte er diesem weichen: da» persönliche Recht zur Sache war in diesem Fall stärker als das dingliche"). Diese überspannte Forderung des redlichen Glaubens ist durch das Gesetz v. 5. Mai 1872 über den Eigenthumserwerb in Beziehung auf unbewegliche Sachen beseitigt. „Die Kenntniß de» Erwerbers eines Grundstücks von einem älteren Recht-ge­ schäft, welches für einen Anderen ein Recht auf. Auflaffung dieses Grund­ stücks begründet, steht dem Eigenthum-erwerb nicht entgegen"); und „der Erwerb de» eingetragenen dinglichen Rechts wird dadurch nicht ge­ hindert, daß der Erwerber da» ältere Recht eine» Anderen auf Eintragung eine» widerstreitenden dinglichen Recht» gekannt hat, oder daß sich Letz­ terer bereit» in der Ausübung diese» Recht» befindet""). Nicht der ältere Bertrag, auch nicht wenn die Besitzergreifung diese» Grundstück­ oder die Ausübung de- Recht» hinzugekommen ist, sondern die Eintragung im Grundbuch entscheidet über die Entstehung und Erhaltung de» Recht» am Grundstück; seine Entstehung ist nur dann gefährdet, wenn sie sich auf eine unrichtige Eintragung gründet, von einer solchen sich ableitet — und im Fall deS entgeltlichen Erwerbs der Erwerber die Unrichtigkeit ”) Ges. über den Eigenthum-erwerb v. 5. Mai 1872 §. 9. ") A.L.R. 1.10. §. 25. “) Ges. über den Eigenthum-erwerb v. 5. Mai 1872 §. 4.

«) Daselbst §. 15.

§. SS.

Dir allgemeine Natur dieser Beziehung.

129

gekannt hat, unabhängig von jeder Kenntniß aber im Fall des unentgelt­ lichen Erwerbs. Dagegen gilt der Grundsatz des A.L.R., daß der dem späteren Erwerber bekannte ältere Erwerbötitel eines Anderen den Eigen­ thumsübergang auf Ersteren hindert, daß also der ältere Titel de- A. den jüngeren de- B. und die Uebergabe an denselben, seine Kenntniß von dem Titel de» A. vorausgesetzt, überwindet, noch für da» Mobiliar­ sachenrecht. Daran schließen sich einige Fragen. Zuerst, wa» heißt Wissen? DaS Obertribunal hat ausgesprochen"), daß, wie jede» historische Wissen mehr oder minder ein bloße» Fürwahr­ halten auS Gründen der Erfahrung und de» Vertrauen» sei, man auch hier daS als Gegenstand de» WiflenS annehmen müsse, für dessen Wahrheit überzeugende Gründe dieser Art vorhanden sind. Die» ist natürlich im einzelnen Falle eine au» den thatsächlichen Umständen z« beantwortende Frage. Eine durch eigne, unmittelbare Sinneswahrnehmung oder öffentlich glaubwürdige Benachrichtigung geschöpfte Kenntniß erzeugt also nicht allein da» Wissen. Andererseits hat man aber auch nicht die beson­ dere Pflicht de» Nachforschens, z. B. die Grundakten noch durchzusehen, wenn da» Grundbuch keine Bemerkung enthält"). DaS Wissen ist hier­ nach ein s. g. historisches. Zweiten»: wann muß man wissen? Jedenfalls vor dem Moment der Vollendung des dinglichen Recht», d. h. vor der wirklich er­ folgten Eintragung oder Uebergabe. Jede später erlangte Kenntniß ist" unschädlich, denn sie kann nicht nach rückwärts den guten Glauben auf­ heben"). “) Arnsberger Archiv B 10. S. 19. ") Slriethorst III. S. 229. S. 255.

Büttner a. a. O. S. 27. 28.

Entscheid. XXIV. S. 386.

Striethorst XVIII.

’•) Striethorst IV. S. 315: »Der Hypoth-Glaubiger, welcher zwar erst nach der Zeit der Einreichung seine« Eintragung-gesuche«, aber noch vor erfolgter Eintra­ gung seiner Hypothek Kenntniß davon erlangt hat, daß der eingetragene Besitzer nicht der wahre Eigenthümer de« Grundstück« sei, kann gegen den letzteren sein Hypothekenrecht nicht geltend machen." Striethorst B XVIII. S. 84 (guter Gl. zur Zeit der Eintragung einer Protestation). Entsch. XXIV. S. 386. Striethorst B. XVIII. S. 289 eub b. Sehr zweifelhaft ist die Richtigkeit de« Grundsätze« a. bei Striethorst V. S. 373, daß bei Erwerbung M Eigenthum« eine« Grund­ stücks von dem eingetragenen Besitzer der gute Glaube de« Erwerbers zur Zeit de« Vertragsabschlüsse«, also der Begründung de« Titel«, hinreiche. S. Ziebarth S. 211. Wenn auch §. 25.1. 10. sich nur auf den Fall bezieht, wo zwei Realprätendenten ihren Titel von demselben Eigenthümer herleiten, so ist doch all« allgemeinen Gründen anzunehmen, daß der gute Glaube de« Erwerber» so lange vorhanden sein muß, bi« der Erwerb de« dinglichen Recht« durch die Uebergabe sich vollendet, denn die Dinglichkeit soll durch den Eintritt de« Wissen« von dem Recht de« Andern gehindert werden. Die Gründe de« O.Trib. sind übrigen« so kurz, daß sie eigentlich nicht« motiviren. Dagegen ist Striethorst B.75.S.153 angenommen, daß der in der Zwischenzeit von der Erwerbnng de« Titel« zum Eigenthum bi« zur Uebergabe entstehende böse Glanbe den Eigenthumserwerb hindere. Nach jetzigem Recht hat bei Grunderwerb die Auflassung die Bedeutung der UeberFörster, Preuß. Priralrecht. I. S. Ausl.

9

Dritten-: wie wird da» Wissen bewiesen? Da» Obertribunal hat richtig angenommen, daß da» BeweiSthema auf Thatsachen gestellt sein müsse, au» denen auf da» Wissen zu schließen ist; da» letztere ist keine Thatsache, nicht» äußerlich Erkennbare»"). Die Vollständigkeit de» Grundbuch» hat den Sinn, daß außerhalb der Angaben besserten dingliche Rechtsverhältnisse am Grundstück nicht entstehen oder bestehen können. Dieser Grundsatz hat jedoch Aus­ nahmen. Zunächst: da» Eigenthum am Grundstück kann ohne Eintragung, also außerhalb de» Buch- bestehen in den Fällen, wo der Erwerb sich nicht auf die freiwillige Veräußerung de» eingetragenen Eigenthümergründet, wo er sich durch Ereignisie vollzieht, die von dessen Willen un­ abhängig ftnb40): wenn da» Grundstück sich vererbt4* '), * * wenn e» gericht­ lich im Zwangsverfahren versteigert und dem Ansteigerer durch Urtheil zugeschlagen wird44), wenn durch den Abschluß einer unter dem Recht der Gütergemeinschaft stehenden Ehe das Miteigenthum auf den anderen Ehegatten übergeht4'), in den Fällen der Enteignung44), der Land­ abfindungen und GemeinheitStheilungen4'). Sodann: gewiffe dingliche Rechte entstehen und-bestehen auch ohne Eintragung, sie bedürfen ihrer nicht: da- gesetzliche Vorkaufsrecht; die Grundgerechtigkeit; Miethe und Pacht, wenn sie durch Be­ sitzeinräumung dingliche Wirkung erhalten haben; das Schürfrecht und da» Recht auf Abtretung von Grund und Boden zu bergbau­ lichen Anlagen44). Während diese Ausnahmen sich durch die Natur der Sache oder durch praktische Bedürfnisse rechtfertigen, ist eine andere Ausnahme von dem Erforderniß der Vollständigkeit des Grundbuchs eine offenbare, wissen­ schaftlich und praktisch nicht zu begründende Jnconsequenz: die nach dem 1. Oktober 1872 entstehenden Beschränkungen des Eigenthums gabt; cS darf also bi- zur Auflassung ein böser Glaube nicht entstanden sein. Büttner a. a- O. S. 27 a. E. Baron, Abh. S-132 f.

") Sntsch. v. 26. S- 28. 4") Ges. über den Eigenthum-enverb §. 5.

**) A.L.R. I. 9. §. 367. «) A.L.R. I. 11. §. 342. **) AL.R. II. 1. §. 361.

") Unten ». 2. §. 131. A.L.R. I. 10. $. 1. I. 11. §. 76. 78. **) Regul.-Edikt v. 14. Septbr. 1811 §.31. Verordn v. 20. Juni 1817 §. 169.196. Verordn, v. 30. Juni 1834 §. 61. Verordn, v. 22. Novbr. 1844 §. 6. Entscheid. B. 9. S. 320 f- (Vollziehung de- RezeffeS). Zeitschr. f. Lande-kulturgesetzgebun g II. 275 f. Präj. 1961. (Entsch. B. 15. S. 506). Striethorst B. 39. S. 222. Dernburg I. 214.

4I) Kes. über den Eigenthum-enverb v. 5. Mai 1872 §. 12.

§. 23. Die allgemeine Natur dieser Beziehung.

131

wirkn auch ohne Eintragung gegen Jeden, der sie tarnt47). Der Durch­ bruch de- Prinzip» ist um so ärger, als Eigenthumsbeschränkungen an­ der Zeit vor dem 1. Oktober 1872 nur durch Eintragung gegen Dritte wirksam sind44) und Irgend eine Erklärung dafür, warum gerade der 1. Oktober 1872 eine solche Scheidung erzeugen soll, schlechthin nicht gefun­ den werden kann. Die Vollständigkeit de» Grundbuchs endlich bezieht sich nicht auf öffentliche Abgaben und gemeine Lasten de» Grundstücks, weil in Betreff ihrer eine Veröffentlichung nicht Bedürfniß ist, erstere auch nicht privatrechtlicher Natur sind4'); sie bezieht sich nicht auf die persön­ lichen Beschränkungen der Handlungsfähigkeit de» Eigenthümer», weil diese nicht Eigenschaften de- Grundstücks sind44). Wie au- dem bisher Erörterten hervorgeht, haben die Einschreibun­ gen in da» Grundbuch eine verschiedene Bedeutung und Wirkung. Da sie insbesondere den Zweck haben, dem Kredit de» Grundstücks zu dienen, so beziehen sie sich auch auf Angaben thatsächlicher Verhältnisse, die sie als vorhanden bezeugen: die Größe, die Lage und Beschaffenheit de» Grundstücks, seine Steuerverhältniffe, sein Werth, die Versicherungs­ summe — alle» Momente, die dazu dienen, theil- die Kreditfähigkeit deGrnndstückS klar zu legen, theils es als Recht-objekt zu individualisiren. In rechtlicher Beziehung wirken die Einschreibungen entweder al» rechtbegründend oder rechtvernichtend: Erstere- für den Eigen­ thum-erwerb durch Auflassung, für das Recht zur Auflassung und Be­ lastung de» Grundstücks in den Fällen des Eigenthum-übergänge- außer­ halb freiwilliger Veräußerung, ferner bei denjenigen dinglichen Rechten, die der Eintragung zu ihrer Wirksamkeit bedürfen, bei der Miethe und Pacht, insofern diese Verhältnisse nicht schon durch Besitzeinräumung die dingliche Wirksamkeit erlangt haben, bei der Begründung der Hypothek und Grundschuld; Letztere- insofern, al» alle Eintragungen so lange rechtlich unverändert fortwirken, bi- ihre Löschung eingeschrieben worden ist. Darum kann man die Wirkung der Eintragungen auch al» eine recht« ,T) Ges. über den Eigenthum-erwerb §. 1t. *•) Gr.B.O. §. 73.

") Gr.B.O. §.11 Nr 1. Die gemeinen Lasten, die der Eintragung nicht bedürfen, find im §. 49. der Konkurs-Ordnung v. 8. Mai 1855 angegeben. Den Gegensatz bilden die dinglichen Rechte, die ans einem privatrechtlichen Titel beruhen, d. h. diejenigen, die speziell gegen ein einzelne- Grundstück erworben find, au- einem singulären Erwerb-grund entspringen, nicht in Verhältnissen ober Verbänden des öffentlichen Recht-, sei eS de« Staat»-, Kirchen- oder Gemeinderecht« ihre Quelle haben. So sind z. B. Dezem, Kalende (in Ostpreußen) gemeine Lasten und bedürfen nicht der Eintragung , die einem einzelnen Grundstück ausliegende Belastung mit enter Abgabe oder Leistung, welche durch Berttag oder Verjährung begründet worden ist, muß eingetragen werden.

•") Förster S. 50.

132

Erste- Buch.

Die Grundbegriffe.

erhaltende bezeichnen. Alle diese Wirkungen treten in dem Moment der wirklich erfolgten Einschreibung ein"). Die Einschreibungen sind entweder endgiltige oder vorläufige. Erstere begründen oder vernichten da- dingliche Recht. Letztere sollen entweder die Eintragung eine» dinglichen Recht» vorbereiten (Vormer­ kung), sie erfolgen also zu dem Zweck, die endgiltige Eintragung vor­ läufig zu sichern"); oder sie sollen im Interesse persönlicher Ansprüche gegen den im Grundbuch elugetragenen Berechtigten dessen Verfügungs­ freiheit über da» eingetragene Recht beschränken (Vermerke)"). Zu letzterer Klaffe gehören die Arreste, die Sperrvermerke in Folge der Cröffnung de» Konkurse», der Einleitung der Subhastation. Die Vermerke unterscheiden sich von den Vormerkungen, daß sie nicht wie diese die end­ giltige Eintragung eine» dinglichen Recht» vorbereiten, auch nicht die Rangordnung vorläufig sichern. Da» Grundbuch wird bei den Grundbuchämtern geführt, seine Glaub­ würdigkeit wird gewährleistet durch die Haftpflicht der Beamten und die aushilfsweise Haftpflicht de» Staate»"). Von wenigen und unerheblichen Ausnahmen abgesehen, kann da» Grundbuchamt kein Rechtsverhältniß in da» Grundbuch einschreiben oder in demselben löschen ohne Antrag der Betheiligten"). Bei der Eintragung de» Eigenthum» oder eint» dinglichen Recht», sowie bei Löschungen ist. der Antrag de» eingetragenen Eigenthümer» nothwendig: ohne sein Wissen und Willen kann Nicht» in da» Buch hinein- und Nicht» au» demselben hinauskommen. Bei Umschreibungen bereit» eingetragener Rechte ist ebenso die Einwilligung dessen erforderlich, für den da» Recht eingetragen ist. E» entscheidet also der Wille de» bereit» eingetragenen Berechtigten, gegen den die Einschreibung wirken soll; da» Grundbuchamt kann diesen Willen nie ergänzen. Wohl aber kann der Wille, wenn er widerrechtlich versagt, durch richterlichen Zwang ersetzt werden: durch rechtskräftige Berurtheilung, durch da» Ersuchen einer zuständigen Be­ hörde"). Diese Abhängigkeit der Thätigkeit de» Grundbuchrichters von den Bewilligungen und Anträgen der Betheiligten ist da» dem jetzigen Grundbuchrecht zu Grunde liegende Konsensprinzip. Nach älterem Recht genügte nicht der Konsens, wenn er auch von der durch da» Hy­ pothekenbuch al» legitimirt nachgewiesenen Handlung»- und verfügungs­ fähigen Person erklärt worden war; e» mußte vielmehr noch der s. g. »') «) '») •*) •’) M)

Förster S. 65. Förster S. 66 f. Förster S. 58. Gr.B O. §. 29. Gr.'8.O. §.30. Förster S. 4t. Grs. über den Eigenthum-erwerb, §. 3. §. 19. Nr. 2 3.

Titel, d. h. da- Rechtsgeschäft offengelegt und einer richterlichen Prüfung unterworfen werden, auf Grund deffen oder in dessen Veranlassung die Einschreibung im Hypothekenbuch bewilligt und beantragt wurde. Die» war das Legalität-prinzip"). Da» neue Recht sieht von der Vor­ legung de» Titels, zu welcher die Parteien nicht mehr verpflichtet sind, und von der Prüfung desselben ab — hat also insoweit mit dem Legali­ tät-prinzip gebrochen"). Ausrecht erhalten ist e-, insofern die Legalität der Bewilligung der Einschreibung oder Löschung, de» Konsense-, geprüft werden muß.

r. Abschnitt.

Ursachen der Berechtigungen. §. 24.

Allgemeine».

A.LR. Eint. §. 82. 99—108.— Bornentann I. S. 118. Koch, PrR. 1.6.224 $. 101.

— Savigny, System B.3.6.1. Oblig.R. B.1.S.18. Wächter, Pr.R.IL6.633. Sintern« L §. 16. Windscheid I. S. 152 f.

Die Beziehung der Person zur Sache ihrer allgemeinen Natur nach ist erörtert, und nunmehr weiter zu untersuchen, woher die Berechtigun­ gen, die konkreten Rechtsverhältnisse entstehen, umgestaltet oder aufgehoben werden, welche die sie bedingenden Ursachen sind'). Jede» besondere Recht-verhältniß, in welchem sich die Person befindet, welche» ihr ange­ hört, setzt zu seiner Entstehung, seiner Veränderung oder Beendigung eine Thatsache voraus (§. 18.), welche geeignet ist, diese Wirkung herbeizu­ führen. Diese juristische Thatsache ist zwiefach: entweder erzeugt vom Willen de» Menschen (Handlung) oder eingetreten unabhängig von diesem (Begebenheit). Die Handlungen sind die bei weitem wichtig­ sten und einflußreichsten Ursachen der Rechte, die Begebenheiten die ver­ schiedenartigsten — jene bedürfen einer ausführlichen Erörterung, von diesen sind nur wenige einer solchen zu unterwerfen, weil sie nur in ge­ ringem Maße unter juristischen Eigenthümlichkeiten stehen. Zu diesen Begebenheiten nämlich gehören alle diejenigen äußeren Thatsachen, die bestimmend auf die Leben-verhältnisse de» einzelnen Men­ schen einwirken, Geburt und Tod, natürliche Verbindungen, in denen er lebt, wie Familie, Beziehungen zur bürgerlichen Gesellschaft, wie Stand, Beruf, natürliche Ereigniffe, die da» Recht-objekt treffen, die e» erzeugen, ") Förster S. 21. 39. 61. »•) Gr.B.O. §. 46. *) In der Regel wird hier nur die Entstehung der Rechte in» Auge gefaßt; die» ist aber unrichtig, auch die Veränderung und Anshebung muß verursacht sein, und diese Ursachen sind von derselben Art.

134

Erste- Buch.

Die Grundbegriffe.

vermehren oder untergehen lassen, der einwirkende Wille anderer Men­ schen. Vor allem aber ist für da- Recht auch der Zeitablauf von hoher Bedeutung, und zwar nach beiden Richtungen, für den Erwerb und den Verlust der Rechte. Den Handlungen wie den Begebenheiten ist die Unterscheidung ge­ meinsam, daß sie entweder sofort daS Recht-verhältniß definitiv erzeugen oder aufheben oder beide- vorbereiten, so daß bi- zum Eintritt der vollen Wirkung ein schwebender Zwischenzustand entsteht, der sich erst entscheidet, wenn eine andere Thatsache eintritt, von welcher die Vollendung oder Aufhebung de- Rechtsverhältnisse- in Vorau- abhängig gemacht ist. Diese spätere Thatsache wirkt in manchen Fällen bi- auf den Zeitpunkt der früheren Thatsache zurück, so daß die inzwischen eingetretenen, auf daRecht-verhältniß bezüglichen Ereignisse entweder volle Wirkung erhalten oder al- ungeschehen betrachtet werden. Die- ist da- Prinzip der Rück­ ziehung, welche erst in neuester Zeit al- ein allgemeiner rechtlicher Gattungsbegriff erkannt und erörtert worden ist'). *) Bisher war von Rückziehung nur bei den Bedingungen und Zeitbestimmungen gehandelt worden; sie als Gattungsbegriff von allgemeiner Bedeutung nachgewiesen zu haben, ist das Verdienst der Schrift von Fitting: Ueber den Begriff der Rückziehung, 1856. (Vergl. dazu die Rezensionen von Wind scheid in der sHeidelbergerj kritischen Zeitschrift B. 4. S. 35 und von Scheurl in der kritischen Ueberschau B. 5. S. 24, und gegen Fitting- Theorie: Schöne mann in der Zeitschr. s. Livilr. u. Proz. N. F. B. 19. S. 1 fg. a. m. St.) Fitting definirt die Rückziehung als die durch den Ausfall, die Gestaltung eine- späteren Ereignissebeseitigte Ungewißheit über die eigentliche rechtliche Beschaffenheit eine- Verhältnisses. Als allgemeiner Begriff anerkannt, ist sie in 1.15. D. XXXIV. 5: „quaedam suut, in quibus res dubia est, eed ex postfacto retroducitur et apparet, quid actum sit®, und in 1. 98. §. 3. D. XLVI. 3: „sitque et hoc ex hie, quae postsactis in praeteritum, quid fuerit declarent“. S. auch 1.8 D. XII. 1. Beispiele der Rückziehung au- dem noch praktischen R. sind: bei dem peculium caetrense werden die Dispositionen des Vater- rückwärts giltig, wenn der Sohn ab intestato gestorben, 1. 9. D. XLIX. 17: „sed quum nihil de peculio decernit siliua, non nunc obvenisse patri, sed non esse ab eo profectum videtur ... retro peculium patris bonis accessisse.“ Hat der Sohn testirt, so werden jene Verfügungen als nicht geschehen betrachtet. Bei dem unbedingten Vindikationslegat wird zwar der Legatar gleich Eigenthümer, aber definitiv ent­ scheidet sich da- Eigenthum-recht erst, wenn er sich über die Annahme erklärt hat. 1. 86. §. 2.1). de leg. I. Bei dem Nießbrauch an einer Heerde ist der Nach­ wuchs, so weit er fructus ist, Eigenthum des Nießbraucher-, die- entscheidet sich aber erst, wenn festgestellt worden, was von dem Nachwuchs zur Ergänzung der Heerde gehört oder Ueberschnß ist. 1.68. 8.1.2. 1 69. D. VII. 1. Besonder­ wichtig ist der Begriff der Rückziehung bei den Bedingungen. Sonst aber muß man sich hüten,- ihre Bedeutung zu überschätzen. Eine Eigenthümlichkeit gewisser Rechtsgeschäfte ist sie nicht, sondern sie ist immer nur ein vom Willen der Inter­ essenten abhängendes Accidentale. Fitting stellt als Gegenbegriff die Dorwir­ kung hin, wenn eine Ungewißheit, ein schwebender Zustand, durch da- Ereigniß dahin entschieden wird, daß ein Recht-verhältniß nicht bisher bestanden hat, son­ dern von jetzt an bestehen wird. Mit Recht aber bezeichnet Arndt- (Pand. 4. A. 8. 71. Note 3. S 82) diesen Begriff als unbrauchbar, weil er sich, je nachdem man seinen Standpunkt nimmt, selbst wieder al- eine Art von Rückwirkung dar­ stellt. Der spätere Umstand nämlich, der die Ungewißheit entscheidet, wirkt doch auch hier nur unter Rückbcziehung aus den ersten Umstand, bei dem die Schwebe

Jedes Recht-verhältniß hat seine Geschichte, eS entsteht durch den Eintritt bestimmter Thatsachen, eS verändert sich im Lauf seine- Daseindurch bestimmte Thatsachen, eS hört auf durch solche. E- ist ein Recht»» grundsatz, daß der Eintritt solcher Thatsachen nicht vermuthet, d. h. daß er bewiesen werden muß, und daran» folgt, wie schon §. 18. angeführt, daß, wenn diejenige Thatsache bewiesen ist, au» der da» Recht entstanden, da» unveränderte Fortbestehen desselben bi» zum Eintritt einer neuen, ändernden oder auflösenden Thatsache anzunehmen ist (Kontinuität de» Recht»)'). Entstehen kann da» Recht nur für eine bestimmte Person; die Veränderung aber und der Untergang können entweder den Gegenstand unmittelbar betreffen, oder nur die Person. So bleibt da» Recht in seinem objektiven Bestand, wenn sich die Person de» Berechtigten ändert: im Fall der Uebertragung, Veräußerung, Vererbung; und andererseits kann die subjektive Beziehung de» Recht» bleiben, sein Inhalt aber wird ver­ ändert, erweitert, verengert oder selbst völlig umgewandelt, so daß ein neue» Recht-verhältniß daraus hervorgeht. Die» Alle» sind die Wirkun­ gen der Thatsachen, deren Natur nun näher untersucht werden muß.

1. Abtheilung.

Die Handlungen und Willenserklärungen, Rechtsgeschäfte. §. 25.

Der Begriff.

A.L.R. I. 3. 4. - He,bemann I. S. 150. 158.

Gruchot, Beiträge I. ®. 137.141

Bornemann, von Rechtsgeschäften, 2 Aufl. 1833 S. 35.

System I. S- 129.

v. Daniels I. S. 226. Kochi. S. 226. Dernburg I. 8- 71 ff. — v- Savigny,

System B. 3. S. 21. I. §. 17. 18. 19.

Wächter II. S. 634.

Unger II. S. 23. 40.

SinteniS

Windfcheid I S. 157.

Eine Handlung, sofern sie darauf gerichtet ist, eine rechtliche Wirkung hervorzurufen, ist al» Thätigkeit de» Subjekt» Ursache oder Quelle von Rechten, al» Leistung einer verpflichteten Person Gegenstand de» Recht». In letzterer Hinsicht ist von ihr bereit» oben (§. 21.) gesprochen, hier kommt sie in ersterer Beziehung in Betracht. Da» A.L.R. behandelt diesen Gegenstand in zwei gesonderten Titeln (3. 4.), von denen der eine überschrieben ist: „von Handlungen und den begonnen hat. Wo «nd wie nach preuß. Recht Rückziehung anzunehmen ist, kann erst bei den betreffenden einzelnen Recht»verhältmffen nachgewiesen werden. Z. B. A.L R. I. 5. §. 12. I. 4 §. 116. A.G.O. I 38. §. 30. Sieht unten §. 26. Rote 6. ') A.G.O. 1.13. $. 28. Daß diese Regel keine bloße Prozeßvorschrift, sondern ein materieller Recht-grundsatz ist, hat da» Obertribunal durch Pl.Beschl. anerkanntLutsch. B. 18. S. 126. Es bezieht sich übrigen», wie sich von selbst »ersteht, nicht auf Thatsachen und Deränderungen, die mit Raturaothwendigkeit eintrrten müssen, z. B. da» Aeltenverden das. S. 132 die Note. Striethorst B. 48. S, 352 b.

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Erste« Buch.

Die Grundbegriffe.

daraus entstehenden Rechten", der andere: „von Willenserklärungen". Ueber das Verhältniß der Handlung zur WillenSerllärung spricht e» sich dahin aus'), daß letztere eine besondere Art von Handlungen ist und beide sich dem höheren Gattungsbegriff von Willensäußerung unterordnen. Der Wille de- Menschen hat in sich das Vermögen und demzufolge nothwendig da- Bestreben, die Ursache von äußeren Wirkungen zu sein: er selbst muß aus der Innerlichkeit kennbar heraustreten, sich äußern. Die- geschieht durch Handlungen, vorzüglich durch Erklärungen, welche, sofern sie rechtliche Wirkungen hervorbringen können und sollen, für da- Recht-gebiet von der einflußreichsten und «mfaffendsten Bedeutung sind. Sie begründen, ändern, übertragen, heben Rechte auf. Die Hand­ lung muß Willenserklärung sein, um Rechte und Pflichten entstehen zu lasten; Handlungen, welche nicht WillenSerllärungen sind, und Unter­ lassungen, die auch zunächst nicht als solche aufgefaßt werden können, haben die Wirkung nur dann, wenn eS im Recht (Gesetz) besonder- be­ stimmt ist'). Soll aus der Unterlaflung eine Recht-wirkung hervorgehen, so muß sie al» Aeußerung de» Willen- aufgefaßt werden können, das Nichtthun muß gewollt sein. Die Handlungen oder WillenSerllärungen sind entweder rechtlich oder widerrechtlich (erlaubte oder unerlaubte), au» jenen entstehen Rechte und Pflichten, au- diesen nur Pflichten. Sind jene unmittelbar auf die Bewirkung eine- Rechtsverhältnisse» gerichtet, ist diese- der eigentliche Gegenstand de» Wollen-, so heißt eine solche Hand­ lung ein Rechtsgeschäft. Man streitet noch immer über diesen an sich sehr einfachen Begriff. Im A.L.R. kommt das Wort als technischer Ausdruck nicht vor, obwohl von Geschäften hie und da die Rede ist'). Mehr aber in die Definition aufzunehmen, al- hier geschehen, ist nicht nöthig; eS ergeben sich daraus als Merkmale: eine erlaubte Willenser­ klärung, und diese unmittelbar auf die Bewirkung eine» Rechtsverhält­ nisses, auf dessen Begründung, Modifizirung oder Aufhebung gerichtet, so *) «.L R. §. 30. 31. §. 1.1. 4.

*) §. 30-32.1. 3.

•) Z. B. I. 5. §. 21 (für Beruf). 1.11. §. 70.71. 1.16. §. 170.172. 176. Ueber die Begriffsbestimmung s. Buchholz, juristische Abhandl. Nr. S. S. 160. Savigny, 111. S. 5. 6. Wächter II. S. 634. 635. Unger II. S. 40. Mit Recht bemerkt letzterer gegen Savigny, daß nicht jede Willenserklärung ein Rechtsgeschäft sei, da die unerlaubten Willenserklärungen nicht unter diesen Begriff fallen können. Unnöthig aber ist eS, wenn Wind scheid I. S 157 in den Begriff noch aufneh­ men will, daß eS die Erklärung einer Privatperson sei, um das richterliche Erkenntniß au-zuschließen. Gewiß ist dieses kein Rechtsgeschäft, aber auch keine WillenSerllärung, sondern eben ein Urtheil über da-, waS zwischen streitenden Parteien Rechten- sei. Der Richter will nickt, daß gezahlt werde. WindscheidS Frage, ob die- auch bei dem Kondemnation-- oder Adjudikation-urtheile zutreffe, ist unbedingt zu bejahen. Da- fächs. Ges.V. §. 88. definirt richtig: Geht bei einer Handlung der Wille darauf, in Uebereinstimmung mit den Gesetzen ein Rechts­ verhältniß zu begründen, aufzuheben oder zu ändern, so ist die Handlung ein Rechtsgeschäft. Da- österr. Ges.B. hat keine Definition.

daß diese- und jene al- Wirkung und Ursache sich zeigen. Die Rechts­ geschäfte find entweder einseitige, wenn sie durch den Willen nur einer Person hervorgerufen werden, oder mehrseitige, wenn zu ihrem W« schluß daS Zusammentreffen der Willenserklärungen mehrerer Personen erforderlich ist. Die einseitigen Rechtsgeschäfte trifft man im Sachenrecht (z. B. Besitznehmung und Preisgeben der Sachen '), Umwandlung, Ver­ arbeitung derselben u.J. w.) und im Obligationenrecht sz. B. Geschäfts­ führung ohne Auftrag); die mehrseitigen heißen Verträge. Sie sind alle, aber auch die einzigen mehrseitigen Rechtsgeschäfte. Ferner sind die Rechtsgeschäfte entgeltliche oder unentgeltliche, je nachdem der durch sie begründeten Leistung eine Gegenleistung entspricht oder nicht"). End­ lich sind sie entweder Rechtsgeschäfte unter Lebenden oder von To­ deswegen, je nachdem man die rechtliche Wirkung des Geschäfts erst nach seinem Tode eintreten lassen will, oder es ohne Rücksicht auf seinen Todesfall errichtet. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Arten ist zwar in der Regel der, daß die letzteren widerruflich bis zum Tode, und einseitig sind: nach römischem Recht ist diese Regel auch ausnahmslos, nach heutigem gemeinen oder nach preußischem Recht ist der Erbvertrag, der unwiderruflich und mehrseitig ist, eine erhebliche Ausnahme, so daß jetzt als einziges wahre- Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden Arten von Rechtsgeschäften nur dies aufgestellt werden kann, daß bei dem einen die Giltigkeit und Wirksamkeit vom Eintritt de- Tode» abhängig gemacht ist, bei dem andern nicht'). Jede Handlung, weil sie äußere Wirkungen bedingt, ist die Ursache von Folgen. Da» A.L.R. hat sich, obschon für ein Gesetzbuch unpassend und überflüssig, darauf eingelaffen, diese Folgen zu klassifiziern, um fest­ zustellen, welche von ihnen dem handelnden Subjekt zuzurechnen, von ihm zu vertreten sind. E» theilt sie ein in unmittelbare, die au» einer Handlung an nnd für sich betrachtet, nach dem natürlichen und gewöhn­ lichen Laufe der Dinge zu entstehen pflegen, mittelbare, die nur au» 4) Daß auch Okkupation und Dereliktion al- Rechtsgeschäfte aufzufaffen sind, d. h. al- erlaubte Willenserklärungen für den Erwerb oder das Aufgeben eines Rechtf. Wachter II. S. 635 Note 2. gegen Sintenis, Eiv.R. l.A. I. §. 19. Nr. 1. u. S. 226.

*) Ueber den schlechten Ausdruck „lästig" und „wohlthätig" in §. 7. 8.1. 5. A L.R. f. unten §. 72., bei der Lehre von den Verträgen. Windfcheid S. 148 hat ihn beibehalten. *) Die- Übersieht Koch, Pr.R. I. S. 236, der nur in der Widerruflichkeit und Un­ widerruflichkeit die unterscheidenden Merkmale sieht. Bornemann will den Erb­ vertrag unter die neg. inter vivos stellen, R.Gesch. S. 38. 39, wa- seinem Be­ griff nicht entspricht. Siehe auch Striethorst B. 48. S. 159. Scharnweber, der letzte Wille und der Erbvertrag. 1861. Dazu Hartmann, in der deutschen Gericht-zeitung, 1867. Nr. 82, und wieder Scharnweber bei Gruchot v. 7. S. 489. Die Frage wird im Erbrecht einer ausführlichen Prüfung unterworfen. Unten B. IV. §. 247.

der Verbindung der Handlung mit einem anderen von derselben verschie­ denen Ereignlß oder mit einer nicht gewöhnlichen Beschaffenheit entstanden sind, und zufällige, welche mittelbar sind und nicht vorausgesehen wer­ den konnten. AuS letzterem sieht man, daß zu den mittelbaren im eigent­ lichen Sinn als Kennzeichen noch gehören soll, daß sie vorau-gesehen werden konnten. Die unmittelbaren aber müssen vorausgesehen werden. Bei der weiteren Untersuchung über die Eigenschaften der Handlun­ gen, welche Rechtswirkungen haben sollen, muß dreierlei erörtert werden: die Willensfähigkeit, der Willensentschluß und die Willens­ äußerung: jene besteht aus der Fähigkeit zum Handeln im Allgemeinen und zum Verfügen insbesondere, der Entschluß muß nach seinen Motiven, die Aeußerung nach ihrem Inhalt und ihrer Form betrachtet werden.

A. Dir Willen-fähigkeit.

§. 26. I. Die Handlungsfähigkeit. A.LR Tit- 3. 4 Einige- au- Tit. S. — Bornemann, Rechtsgeschäfte S. 50. Koch, Pr.R I S. 236. Recht der Forder. 8. 2. S. 294 fg. v. Daniel« I. S. 230. Dernburg I. §. 72 fg. — Savigny, System 8. 3. S. 21—90. Wächter II. S. 673. Unger II. S. 24. Windschcid I. S. 16.

In §. 19. ist erwähnt, daß da- Recht unter den Personen Unterschei­ dungen macht in Rücksicht ihrer Handlungsfähigkeit, und daß diese Unter­ scheidungen vom Alter, von den Geistes- und Körperzuständen entnommen sind. Wer in Folge seines Alters oder krankhafter und abnormer Zu­ stände entweder überhaupt nicht fähig ist zu wollen oder seinen Willen zu äußern nicht vermag, ist handlungsunfähig. Diesen von der Natur schon angegebenen Gründen für Versagung oder Beschränkung der Hand­ lungsfähigkeit treten einige Gründe zur Seite, die vom Gesetz aufgestellt sind, indem Personen unter solcher Beschränkung stehen, die an sich sonst willensfähig sind, als Ehefrauen, beschränkt durch ihre Ehemänner, groß­ jährige Hau-kinder, beschränkt durch die Gewalt de- Vater-, einzelne Personen, denen der Staat au- Vorsorge theil- für öffentliche Rücksichten, theil- weil sie sich in Verhältnissen befinden, die einer besonderen Gebun­ denheit de- Willens bedürftig erscheinen, wie Offiziere, Studirende, Schauspieler, Beamte, die Handlungsfähigkeit beschränkt hat. Die Vor­ sorge für diese Klasse äußert sich aber nur in möglichst engen Grenzen, und beschränkt ihre Handlungsfähigkeit nicht allgemein, sondern nur für bestimmte Rechtsgeschäfte. Einzelne- ist noch näher zu erwägen, und da­ bei zu unterscheiden zwischen der Handlungsfähigkeit zu rrlaubten oder unerlaubten Handlungen.

8. 26. I. Die HandlougsfLhigkeit.

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WaS L die erlaubten Handlungen betrifft, so ist die Regel, daß, wie an sich jede Person rechtsfähig, so auch handlungsfähig ist, also Rechts­ geschäfte eingehen, durch dieselben Rechte erwerben und sich verbindlich machen kann. Die Ausnahmen sind folgende: 1. Au- natürlichen Gründen sind ganz unfähig zu Rechtshandlungen Kinder, Rasende, Wahnsinnige'), sie können au- ihren Handlungen nicht bloß sich nicht verpflichten, sondern auch keine Rechte erlangen. Nur unfähig zu Rechtshandlungen, durch welche ihnen Pflichten anwachsen, aber fähig, Vortheile oder Befreiungen sich zu-erwerben, sind Unmündige, Minderjährige, Verschwender, Blödsinnige'). Bei ihnen allen' liegt die Handlungsunfähigkeit in ihrer theil» noch nicht erreichten, theil- wieder eingebüßten Fähigkeit zu wollen. Der Staat bevormundet sie, falls sie nicht unter väterlicher Gewalt oder der Vertretung durch ihren Ehemann stehen. Diese Vertreter (Vormünder, Väter) ergänzen ihren fehlenden Willen und handeln für sie. Die Schwierigkeit, die dem gemeinen Recht durch Beachtung der s. g. lichten Zwischenzeiten bei den Geisteskranken entsteht, ist im preußischen Recht abgeschnitten. Wenn sie noch nicht be­ vormundet sind, wird angenommen, daß sie ihren Willen bei völliger Ver­ standeskraft geäußert haben; nach eingeleiteter Vormundschaft aber werden gesunde Zwischenmomente nicht berücksichtigt'). Ist dagegen der Blöd­ sinnige noch nicht bevormundet, so soll doch die Vermuthung gelten, daß derjenige betrüglich gehandelt, welcher deffen Willensäußerung benutzt hat, um sich mit seinem Schaden zu bereichern'). Hier gehört zur Begrün­ dung der Klage oder der Einrede, durch welche die Rechtshandlung de» Blödsinnigen angefochten werden soll, der Nachweis, daß thatsächlich Blöd­ sinn zur Zeit der betreffenden Willenserklärung vorhanden gewesen, eS ist Gegenbeweis zulässig'), und wenn der Hauptbeweis geführt ist, tritt die Vermuthung der Betrüglichkeit ein. Verschwender verlieren die Fähigkeit, Verträge zu schließen, mit der Mittagsstunde desjenigen Tage-, an wel­ chem da- erste Mal die gerichtliche Bekanntmachung darüber veröffentlicht worden ist, und diese Unfähigkeit dauert bi- zur Mittagsstunde desjenigen Tage-, an welchem die Aufhebung der Vormundschaft vom Gericht ver­ fügt wird. Außerdem aber soll derjenige, der e- weiß, daß Jemand be­ reit- gerichtlich wegen Verschwendung angellagt ist, ohne Rücksicht auf die öffentliche Bekanntmachung doch auS dem mit ihm abgeschloffenen Geschäft ') A.L.R. I. 4. §. 20. 23. - §. 8. J. III. 19. I. 17. v. XXVIII. 1. 1.1. z. 3. 1.18. §. 1. D. XLI. 2. I. 1. §. 12. de 0. et A. I. 5. 1. 40. de R. J. ’) I. 4 6. 21. 26. I. 5. §. 14. — pr. J. I. 21. 1. 28. pr. D. II. 14. Der Berschwe». der steht nach röm. R. dem impubee pubertati proximus gleich. Eavigny a. a. O. S. 88. ') I. 4. §. 24. 25. *) I. 4. §. 27. Vergl. hierzu -och, Komment. Note 38. •) Gruchot I. S 147. Koch, Pr.R I. S. 236 Note 3» 3b.

Erstes Buch.

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Die Grundbegriffe.

kein Recht erlangen6).7 8 Bon * 10 Todeswegen kann der Berschwender über die Hälfte seines Nachlasse- verfügens. Die Fähigkeit der Minderjährigen ist gegenüber den Unmündigen in folgenden Beziehungen eine weitere: sie sind nicht absolut unfähig, Ver­ träge abzuschließen, die sie belasten, sie bedürfen nur der Zustimmung des Vormunds, der andere Theil ist gebunden, bis diese erfolgt ist6). Diese Zustimmung kann aber auch unter gewisien Voraussetzungen dem Pflege­ befohlenen ein für alle mal ertheilt werden Und er erlangt dadurch die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte aller Art einzugehen. Die- geschieht durch Er­ richtung einer eignen Wirthschaft, eine- Geschäfts, durch Widmung zu einem bestimmten Lebenszweck6), z. B. Gesindedienst"). Ferner sind die Minderjährigen befähigt, letztwillig über ihr Vermögen uneingeschränkt zu verfügen, nur sollen sie eS vor vollendetem 18. Jahr zu gerichtlichem Protokoll thun"), eS kann ihnen nach vollendetem 20. Jahr die selbstän­ dige Verwaltung ihres Vermögens, wenngleich mit einigen Einschrän­ kungen freigegeben werden und sie sind befähigt, eine Ehe zu schließen"). Minderjährige, die der "Vater seiner Gewalt entläßt, oder über welche die Vormundschaft aufgehoben worden, erlangen in jeder Beziehung die volle Handlungsfähigkeit. 6) I. 5. §. 14. 15. 16.17. Die gerichtliche Bekanntmachung erfolgt gleich nach dem ersten Urtheil (A.G.O. I. 38. §. 26). ES entsteht daher die Frage, ob die zwei­ seitigen Rechtsgeschäfte, welche der Verschwender in der Zwischenzeit bi- zum Ur­ theil zweiter Instanz abgeschloffen hat, hinterher giltig werden, wenn letztere- ihn nicht für einen Verschwender erklärt. Bornemann bejahet eS, ihm tritt Gruchot (I. S. 315) bei, während Koch (Kommentar zu tz. 15. I. 5. Note 17.) es verneint. Gegen letzteren und für die erste Ansicht entscheidet offenbar §. 30. I. 38. A G O. Die provisorische Vollstreckbarkeit de- ersten Urtheil- hat nur den Zweck der Sicherung, bezieht sich aber nicht aus die Frage, ob die Geschäfte, spä­ ter, wenn die Handlungsfähigkeit wieder anerkannt ist, grltig werden können.

7) ALR. 1.12 §. 27—29. Doch vergl. die weüere Kasuistik in den §§. 30—34. Nach röm. R. ist der Verschwender unfähig zu testiren. 1.18. pr. D. XXVIII. 1. Man hat aber in Deutschland, gestützt auf die nicht recipirte Novelle 39., ihnen in beschränktem Maße Teftirfähigkeit beigeleät. Glück B. 33. S. 382. DaS österr. Ges.B. -. 568. stimmt mit dem A.L.R. die Testirsähigkeit ganz.

DaS sachs. G.B. $. 2072. entzieht ihnen

8) I. 5. §. 11. 12. S. unten $. 73. Den schwebenden Zustand nennt man ein nego­ tium claudicans. Der Begriff ist aber unbrauchbar für die Wissenschaft, denn ein Vertrag exiftirt noch nicht, der Minderjährige ist noch gar nicht gebunden, und der andere Theil nicht auS einem Vertrage, sondern aus feiner einseitigen Offerte bis zur Annahme. Deshalb hat das O.Trib. auch mit Recht angenom­ men, daß das Abkommen von beiden Theilen ohne Weitere- aufgegeben werden kann, bis dem Vormund oder Vater der Antrag auf Genehmigung gemacht wor­ den ist. Entfch. B. 14. S- 117. Striethorst B. 48. S. 128 c. Tritt die Zu­ stimmung des Vormund- ein, so wirkt sie zurück (Prinzip der Rückziehung, s. un­ ten §. 24). Gruchot I. S. 312. •) I. 5. §. 19. 20.21. 10) Ges.Ordn. v. 1810 §. 8.

") 1.12. §. 16. 17.

») II. 18.

728-735. II. 1. §• 37.

Zu denjenigen Personen, welche wegen momentaner Zustände unfähig sind, einen Willen zu fassen, gehören insbesondere Trunkene, wenn ihre Trunkenheit bi» zu einem solchen Grade gestiegen ist, daß sie de» Ge­ brauch» ihrer Vernunft beraubt gewesen, wa» besonder» nachgewiesen werden muß. Da» Gleiche gilt von Personen, die durch Schreck, Furcht vor drohender Gefahr, Zorn oder sonst durch heftige Leidenschaft in einen Zustand versetzt worden sind, worin sie ihrer Vernunft nicht mächtig sind"). Eö werden hierher auch solche zu rechnen sein, die an Krank­ heiten leiden, die da» Bewußtsein in erheblichem Grade beeinträchtigen, an Fieberphantasien u. s. w. Blinde, Taube, Stumme sind soweit hand­ lungsunfähig, al» sie der verständlichen Willensäußerung entbehren"). 2. Au» Gründen de» Gesetze» sind handlungsunfähig, jedoch stet» nur in beschränkter Weise, die großjährigen HauSkinder unter väterlicher Gewalt, die Cheftauen. Bei ersteren erstreckt sich die Beschränkung auf ihr s. g. nicht freie» Vermögen, bei letzteren auf Geschäfte über ihr dem Nießbrauch de» Manne» unterworfene» Vermögen und bei beiden auch darauf, ob und in wie weit sie durch ihre Willenserklärungen den Vater oder Ehemann gegen dritte Personen verpflichten können"). Personen, denen zeitweise die bürgerliche Ehre aberkannt ist, können nicht Vormund­ schaften übernehmen, doch nicht unbedingt"). Endlich werden zwar Per­ sonen, die da» Klostergelübde gethan, an sich nicht handlungsunfähig, aber die Handlungsfähigkeit über ihr Vermögen verlieren sie gänzlich"). II. Bei widerrechtlichen Handlungen können nur die völlig willenlosen Personen (Kinder, Geisteskranke) für handlungsunfähig erachtet werden. Alle übrigen, also auch Unmündige, Verschwender, haften auS solchen ") I. 4. §. 28. 29. 30. 43. 44. Ueber Trunkenheit s. die Bemerkung von Suarez bei Dornemann I. S. 332. Hieraus hat das OTrib. (Entsch. B. 38. S. 7) den Schluß gezogen, daß 1. Trunkenheit bis zur Sinnlosigkeit die Willenserklärung nichtig macht; 2 wenn durch sie nur ein Zustand erzeugt ist, in dem der Trunkene feine Handlungen und ihre Folgen nicht mehr richtig zu beurtheilen vermag, und der dadurch erzeugte Irrthum die f. g. essentialia negotii betrifft, die ErÜärung

ungiltig, wenn nur Nebenumstände, die Wirkungen der Erklärung dann vereitelt werden, wenn derjenige, der daraus ein Recht verlangen will, die Trunkenheit herbeigeführt hat. In diesen letzteren Fällen wird die Trunkenheit dem Blödsinn gleichgestellt (I. 4. §. 91). In Entsch. B. 45. S. 52 ist auSgeführt, daß in diesen Fällen, wo die Trunkenheit nur die Fähigkeit, die Folgen der Handlung zu Über­ legen, nimmt, die 8tagige Anzeigefnst auS §. 92. 93. das. beachtet werden muß. S- Striethorst B. 14. S. 150 und B. 47. S- 45, wo behauptet ist, daß nicht gerade sinnlose Trunkenheit zur Nichtigkeit der Erklärung erforderlich sei. — Nach gemeinem R. läßt Trunkenheit, wenn, sie die Willensfreiheit aushebt, das Geschäft nicht bestehen, ohne weitere Unterscheidungen des Grades. Seuffert B. 3. S. 167. ") S. oben §. 19.

I$) Das Nähere bei den einzelnen Lehren, so auch bei der Lehre vom Darlehn über die Beschränkungen der DarlehnSsähigkeit.

le) Strafges.D. §. 34. Nr. 6. ") A.L.R. II. 11. §. 1199.1200.1209.

Gruchot III. S. 124 (v. Wittken).

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Erste« Buch.

Die Grundbegriffe.

Handlungen wie Volljährige, vorausgesetzt, daß sie im Moment der That zurechnungsfähig waren, wa» jetzt näher zu erörtern ist").

§. 27. Insbesondere die Zurechnung. A-L-R-l. 3. 8-7—25. — Heydemann I. S. 150.

Livilr. II. S. 171.

Bornemann, Rechtsgesch.

Koch, Pr.R. I. S. 272—277.

405.

R. d. Forder. II. S- 238.

Dernburg L §. 119-121. — Hasse, die Eulpa de« röm. R Mommsen, Beitrage zum DM. R- UI. S. 347 (1855).

2. A.

1838.

Wachter II. S. 779.

Unger II. S. 233.

Handlungen sind Aeußerungen de- Willens. Wie diesem die Frei­ heit nothwendig ist, so müssen auch jene freie sein. Soweit die Handlung frei ist, muß der Mensch die Folgen vertreten, die aus ihr hervorgehen, sie wird ihm zugerechnet. Unter Zurechnung versteht man hiernach den Anspruch an die Person, daß sie ihre Handlung und deren Folgen ver­ trete, sie setzt freie Thätigkeit deS Willens in der Richtung dieser Hand­ lung voran» — ihr Gegensatz ist da» unwillkürliche Handeln'). Wer zurechnungsfähig eine Handlung vornimmt, durch die da» rechtliche Jnteresie einer anderen Person widerrechtlich') verletzt wird, begeht eine Schuld und diese kann sich entweder auf ein zwischen dem Verletzer und Verletzten schon bestehende- Recht-verhältniß beziehen, welche» dadurch eine Modifikation erleidet'), oder nicht, so daß durch die Verletzung selbst erst ein Rechtsanspruch hervorgerufen wird'). Je nachdem die Bewirkung ’**) Im Strafrecht bilden das vollendete 12 und 18. Jahr eine Scheide. §. 55. In Betteff der willenlosen Personen hastet nach A.L.R. I. 6 §. 41. 42. 43 den Ersatz de- Schadens ihr Vermögen nur substdiar und beschränkt. Wer selbst vorübergehend in einen vernunstlosen Zustand versetzt hat, hasttt für Schaden. I 6. §. 40.

56. für sich den

’) ALR. I. 3. §. 7.. 14 I. 6. §. 39. Hepp, die Zurechnung aus d. Geb. des Civilrechts, 1838. DaS AL.R. I. 3. §. 14. spricht von Graden der Zurechnung, die sich nach dem Grade der Freiheit de- Handelnden richten; die- ist aber eine falsche und für die praktische Anwendbarkeit unbrauchbare Ansicht. ES giebt nicht Grade der Zurechnung und auch nicht Grade der Freiheit; waS so erscheint, sind nur subjektive ZumeffungSgründe zurechenbarer Handlungen; man verwechselt hier die Größe der Schuld mit dem Begriffe der Zurechnung. Die ZumeffungSgründe sind nur aus dem Gebiete deS SttafrechtS von Wichtigkeit. Hepp S. 110. *) Wer sein R. nach den Gesetzen auSÜbt, ist zum Ersatz eine- bei dieser Gelegen­ heit entstandenen Schaden- nicht verpflichtet. AL.R. Einl. §. 94. Zur Wider­ rechtlichkeit gehört nicht allein, daß man einen Andern in der Ausübung feinet Recht- hindert, Einl. §. 93 , sondern auch, daß man ohne Befugniß eS thut. Hat objektiv eine Rechtsverletzung nicht stattgesunden, so ist die an sich sonst unerlaubte Handlung nicht Schuld im privattechtlichen Sinn. Auch der Versuch der Rechts­ verletzung ist Schuld, z. B. 1. 36. §. 1. D. VI. 1., wenn nachtheilige Folgen dar­ aus entstanden sind. ’) Da- Recht-verhältniß kann obligatorischer und dinglicher Natur sein. So in 1. 36 §. 1. D. VI. 1. Die culpa posseeaorie, qui in rem convenitur. Hasse S. 10 fg.

4) Die Delikte, da- damnum injuria datum, die s. g. aquilische Culpa.

k 27. Insbesondere die Zurechnung.

143

der Rechtsverletzung unmittelbar vom Handelnden beabsichtigt oder nur die Folge eine» Mangel« derjenigen Aufmerksamkeit ist, die jeder in den Geschäften de» bürgerlichen Leben» mit Rücksicht auf die Interessen seiner Nebenmenschen anzuwenden verpflichtet ist **), giebt e» zwei Arten der Ver­ schuldung: Vorsatz, da» bewußte Wollen der Rechtswidrigkeit'), und Versehen, da» au» Mangel an Aufmerksamkeit herbeigeführte rechts­ widrige Handeln'). Der Vorsatz hat überhaupt nur Zurechnung-fähigkeit zur Voraussetzung. Er wird auSgeschlosien durch jeden Irrthum über die Widerrechtlichkeit der Handlung und stuft sich nicht nach Graden ab. Da» Versehen aber, da e» von dem Mangel einer Aufmerksamkeit abhängt, die größer oder geringer sein kann, hat man von jeher in der Recht»theorie in verschiedene Grade zerlegt, und dazu war vor allem nöthig, daß man in dem Begriff der Aufmerksamkeit oder Sorgfalt (diligentia) einen bestimmten Maßstab aufstellte. Dieser kann ein objektiver oder subjektiver sein: jene», wenn man au» der allgemeinen Erfahrung den Grad der Aufmerksamkeit zu Grunde legt, den man bei jedem verständigen Men­ schen vorfindet, diese», wenn man von dem Grade der Aufmerksamkeit auSgeht, den grade die Person sonst anzuwenden pflegt, deren rechts­ widrige Handlung beurtheilt werden soll (diligentia in abstracto, dilig. in concreto oder quam quis suis rebus adhibere solet). Das römische Recht, welche» auf diesem Gebiete da» gemeine deutsche Recht ausschließ­ lich beherrscht, hat die Aufmerksamkeit de» diligens paterfamilias zu Grunde gelegt, ist also jener objektiven Auffassung gefolgt und läßt nur in einzelnen Fällen die subjektive zur Geltung kommen, wenn eine Ermäßigung der BertretungSpflicht herbeigeführt werden soll, wenn also die Aufmerksamkeit der betteffenden Person in ihren eignen Angelegen­ heiten eine geringere ist, al» die eint» verständigen, ordentlichen Haus­ vater»'). Da» deutsche Recht ist in der Theorie vom Versehen noch nicht zu demjenigen Grade von Klarheit durchgebildet gewesen, alS die Aufnahme de» fremden Recht» einttat, daß ein Maßstab für die Beurtheilung der Abstufungen de» Versehen» gefunden worden wäre'). Da» preußische ') A.L.R. 1.3. §. 16.

•) Der Dorsatz ist im A.L.R. nicht definirt. ') A.L.R. I 3. §. 17. Auch beim Versehe» ist nicht etwa ein mangelhafte« Denken, sondern ein mangelhafte« Wollen der Grund der Vertretung. Unger a. a. O. S. 235. Beim Vorsatz will man da« Unrecht, beim Versehen »st e« nicht gewolll. •) Die s. g. aquilische Culpa bedarf keine« Maßstabe«, weil sie keine Grade hat. >. 44. pr. D. IX. 2. Er ist daher im röm. R. nur für die obligatorisch« Culpa ein Bedürfniß, weil die obligatio an sich schon eine besondere Verpflichtung zur Aufmerksamkeit (diligentia) erzeugt. Hasse S. 133—135. 136. Die subjektive diligentia erfordern eocietas, rerum eommunio, tutela. 1. 32. D. XVI. 3 zeigt, daß die dilig. q. q. s. r. im Verhältniß zur dilig. p. f. al« eine mindere aufgefaßt wurde.

') Förster, in der Zcitschr. f.deutsche« R. B. 9. S. 104 fg. Stobbe, zur Geschichte de« deutschen Vertrag-recht« (1855) N. III. S. 290. E« wurde nur da- Tragen

Recht schließt sich hier im wesentlichen dem römischen an. C» stellt auch an die Spitze den Satz, daß Jeder schnldig sei, in den Geschäften des bürgerlichen Leben- Aufmerksamkeit anzuwenden, und daß diese Aufmerk­ samkeit diejenige sei, die „ein ordentlicher Hau-vater in seinen eigenen Angelegenheiten gewöhnlich anwendet." Wenn diese Bestimmung im A.L.R. auch nur bei einzelnen Rechtsverhältnissen ausgesprochen ist"), so muß sie doch al- eine allgemeine angesehen werden, denn eS wird unmittelbar daran die Folgerung geknüpft, daß der Mangel dieser Aufmerksamkeit ein mäßige» Versehen ist") und die- heißt nicht- andere», al» daß der Regel nach da- Versehen schlechthin in diesem Mangel besteht. Die Auf­ merksamkeit de- ordentlichen Hau-vater- ist also gleichbedeutend mit einem „gewöhnlichen Grade" von Aufmerksamkeit, d. h. auch vom Hau-vater kann nicht verlangt werden, daß er eine besonder- geschärfte Sorgfalt besitzt, und auf eigenthümliche Beschaffenheit der Geisteskräfte dieser oder jener bestimmten Person soll keine Rücksicht genommen werden, weder um ihre Vertretung-pflicht zu steigern, noch um sie zu mäßigen"). So stellt da- A.L.R. also einen Hau-vater von gewöhnlichen Geiste-gaben hin und mißt von diesem Standpunkt au- die Grade de» Versehen». Die s. g. culpa in concreto, welche aus einer Verabsäumung der diligentia qu. qu. s. r. adh. hervorgehet, wird nur in wenigen Fällen ausnahmsweise berücksichtigt"). Hat man aber auch einen solchen Maßstab gefunden, um die sehr mannichfachen Abstufungen de» Mangel- an Aufmerksamkeit und Besonnenheit, wie sie da- tägliche Leben bietet, zu messen, und auf be­ stimmte Grade zurückzuführen, so darf doch vom praktischen Standpunkt au- Zweierlei hierbei nicht übersehen werden. Einmal, daß auch jener Maßstab, da er nur durch eine Abstraftion au- erfahrung-mäßigen Be­ obachtungen gewonnen ist, selbst keineswegs eine sichere und klare Be­ stimmtheit hat, und sodann, daß, wenn man auf die Wirkung de- Ver­ sehen- sieht, auf die Rechtsverletzung, die wieder beseitigt werden soll, diese immer dieselbe bleibt, mag da- Versehen au» einem höheren oder geringeren Grade von Sorglosigkeit hervorgegangen sein. Deßhalb führen der Gefahr in- Auge gefaßt, und noch wenig unterschieden, ob sie verschuldet oder unverschuldet war. Nur wer au« einem Rechtsgeschäft Vortheil haben sollte, dem wurde auch die Gefahr auferlegt. “) Sie steht A L R. I. 20. §. f21 (Pfandinhaber). 1.21. §. 22 (Nießbraucher). II. 18. §. 275. 472 (Vormund). Koch, R. d. F. II. S. 251.

") A.L.R. II. 18. §. 276. ”) I. 3. §. 24.

**) I. 13. §. 55 (Bevollmächtigte). I. 14. §. 11 (Verwahrer). Die» ist auch vom Verwalter anzunehmen, weil die Verwaltung au» Mandat und Depositum zusam­ mengesetzt ist, 1.14. §. 109. Ferner 1.17. §. 211 (Gesellschafter). Nach §. 555. II. 1. soll bei Bestimmung de» Grade» de» Versehen» eine« Ehemanne« in der Verwal­ tung de« eingebrachten Vermögen» auf seine persöalichen Fähigkeiten und Einsich­ ten Rücksicht genommen «erden.

§. 27.

Insbesondre die Zurechnung.

145

auch die Bedürfnisse de» praktischen Leben» niemals zu der Untersuchung der Frage, welchen Grad da» Versehen gehabt habe, dessen nachtheilige Wirkungen beseitigt werden sollen, und nur durch da» Gesetz ist der Richter gezwungen da» Versehen zu messen und hiernach den Umfang der Vertretung-pflicht zu bestimmen") Man darf sich daher auf dem Gebiete de» Privatrechts vor dem Satz nicht scheuen, daß alle Graduirung de» Versehen» unpraktisch und unnütz ist. Freilich so liegt aber die Sache im positiven Recht nicht. E» ist hinreichend bekannt, daß man in der alteren Theorie au» den Quellen de» römischen Recht» den Satz abge­ leitet hat, daß e» drei Grade de» Versehen- gebe: culpa levissima, levis, lata, und daß man die Vertretung-pflicht de» Handelnden von der Größe de» begangenen Vergehen» abhängig machte: daß diese Theorie, die ihren schwachen Stützpunkt nur in gelegentlich gebrauchten Beiwörtern zu culpa fand"), in neuerer Zeit unter Anknüpfung an die in der Zwischen­ zeit vergesiene Meinung von Doneau zuerst von Thibaut, dann mit entscheidendem Erfolge von Hasse durch eine sandere ersetzt worden ist, welche nur eine zweigliedrige Einteilung de» Versehen» zugiebt. Im gemeinen Recht herrscht diese neue Theorie jetzt ausschließlich, sie hatte schon vorher in da» österreichische Gesetzbuch Eingang gefunden") und ist natürlich auch vom neuesten Gesetzbuch, dem sächsischen"), anerkannt. ,4) Siehe bei Hasse, Borrede S. X. Titius ad Lauterbach, obs. 102: haec rea (de cnlpae gradu) magia in echolia quam in foro auditur, cum in vita civili plerumque non tarn de gradu culpae, quam ejus existentia, aeu an in Universum aliqua culpa commissa sit, quaeri soleat, und Höpfner, Kom­ ment. 1797 S. 836 Note 1 sagt: „Während meiner 36jährigen Praxi- ist mir nicht ein einziger Fall vorgekommen, wo die Parteien über den Grad der Culpa ge­ stritten hätten." Mommsen, S. 360: „Für da- Eivilrecht hat die Culpa die­ selbe Wirkung, e- mag nun ein höherer oder niedrigerer Grad vorliegen. Wenn nur überhaupt eine Culpa vorliegt, für welche der Verletzer verantwortlich ist, tritt al- Folge die Verpflichtung zur Leistung de- Interesse ein. CS kommt daher nicht sowohl auf eine Bestimmung der Grade der Culpa, als vielmehr darauf an, den Anfangspunkt zu bestimmen, von welchem die Verantwortlichkeit für die Un* aufmerfamkeit, die Nachlässigkeit beginnt" Da Mommsen die lata culpa für die auS nicht entschuldbarem Irrthum hervorgegangene Nachlässigkeit erklärt und die civilrechtliche Gleichstellung ihrer Wirkungen mit denen des dolus daraus fol­ gert, weil der nicht entschuldbare Irrthum dem Wissen gleichstehe, so kann er aller­ dings S. 358 sagen: „Wenn wir da- ganze Gebiet der Verschuldung als eine Fläche ansehen, von welcher der Doluö die eine Hälfte, die Culpa die andere Hälfte einnimmt, so erscheint die culpa lata nur als ein schmaler Grenzstreifen neben dem DoluS." Aber dieser Theorie steht, wie Wind scheid (Kritische Zeit­ schrift B. 3. S. 279) bemerkt, entgegen, daß auch bei levis culpa der Irrthum unentschuldbar sein muß, der entschuldbare überhaupt kein Derschen begründet.

1B) Stobbe a. a. O. S. 230 vermuthet, daß die dreigliedrige Eintheilung dadurch verursacht sei, daß daö deutsche R. in einzelnen Fällen Haftung für casus an­ nimmt, welche man als culpa levissima neben die lata und levis de- röm. R. gestellt habe. ,e) Unger a. a. O. S. 239. Oesterr. Ges.B. §. 1294. 2 Grade. Zacharia (Anschütz) II. S. 225.

Auch der Code civ. kennt nur

") Sächs. G.B. e. 121. 122.

Förster, Preuß. Privatrecht. I. S. Aust.

10

Und zugegeben muß auch werden, daß die Einteilung in zwei Grabe viel greifbarer, viel sicherer auf objektive Merkmale zurückzuführen ist, denn eS läßt sich auS der allgemeinen Erfahrung leichter erkennen, ob die Nachlässigkeit so arg gewesen, daß selbst ein ganz beschrankter Mensch in sie nicht hätte gerathen sollen, oder ob die Nachlässigkeit nur die ge­ wöhnliche Sorgsamkeit außer Acht gesetzt hat. Allein man verläßt doch auch hier nicht den Boden der Unbestimmtheit, des Relativen, es lassen sich nicht absolute Kennzeichen für mehr oder weniger grobe Unaufmerk­ samkeit finden. Die Steigerungen von bloßer Fahrlässigkeit bis zur Gewisienlofigkeit vollziehen sich in unmerkbaren Uebergängen, und wenn man auch noch letztere in das Gebiet des Versehens herüberzieht, so verliert man leicht die scharfe Grenzlinie zwischen Vorsatz und Versehen. Ein reiner Gegensatz ist nur zwischen Absichtlichkeit und Fahrlässigkeit.

DaS A.L.R. hat die dreigliedrige Einteilung deS Versehens ausge­ nommen. Unter den Bearbeitern des preußischen Rechts hat Borne­ mann") dieselbe für die allein sachgemäße, der Gesetzrevisor") sie we­ nigstens praktisch für unschädlich und deßhalb den Anschluß an die neuere Schule für unnöthig erklärt, Koch dagegen verwirft sie"). DaS Gesetz­ buch besinnt: ein Versehen, welches bei gewöhnlichen Fähigkeiten ohne Anstrengung der Aufmerksamkeit vermieden werden konnte, ist ein grobes, welches bei einem gewöhnlichen Grade von Aufmerksamkeit vermieden werden konnte, ein mäßiges, welches nur bei vorzüglichen Fähigkeiten oder bei einer besonderen Kenntniß der Sache oder des Geschäfts oder durch eine ungewöhnliche Anstrengung der Aufmerksamkeit vermieden wer­ den konnte, ein geringes"). Man schwimmt hier in einem Meer von Unbestimmtheiten. Das grobe Versehen erzeugt dieselbe Vertretungspflicht wie der Vorsatz"); daS mäßige Versehen muß Jeder verantworten, das geringe nur der, den das Gesetz aus besonderen Gründen dazu verpflichtet. Ob im einzelnen Fall ein Versehen von geringerem oder höherem Grade vorliegt, ist eine rein thatsächliche Frage, die der Richter auS den beglei­ tenden Umständen zu beantworten hat"). Der Gegenstand der Bertre") RcchtSgesch. S. 413 f.

**) Ergänzungen, 2. AuSg. B. 1. S. 163. *•) R. b. Ford. 8- 1. S. 246 f.

Heydemanu S. 151 f.

") A.L.R. I. 3. §. 18-22. ") ALR 1-6-8.10. I 3. §-19. Auch nach räm R- s- Mommsen S. 354 Note 10. Durchaus gleich stehen stch übrigens dolus und culpa lata nicht, wenn auch im heutigen Recht die mit ersterem verbundene Infamie sie nicht mehr scheidet. Unger S. 241 f. Nach A.L.R. Unterschied zwischen beiden in §. 87. I. 6., der aber sehr geringe Bedeutung hat. Don der Vertretung de» groben Versehen« wird man durch den Ablauf einer vertragsmäßig festgesetzten Garantiefrist nicht befreit. R O H GII. Nr. 68. »*) Präj. Nr 703. in her Präjudizien-Samml. B-1. S- 6,

tung ist der durch da- verschuldete widerrechtliche Handeln verursachte Schaden, und der Umfang de- Ersätze-, der dafür zu gewähren ist, richtet fich nach dem Grade de- Versehens. Daß die- an sich prinziplo- ist, leuchtet ein, denn die Rechtsordnung fordert, daß jeder widerrechtlich zu­ gefügte Schaden voll ersetzt werde und wäre dieser Grundsatz erst zu sei­ ner Anerkennung gelangt, so würde da- angebliche Bedürfniß nach Gra­ den der Schuld zu suchen, von selbst wegfallen. Die Handlungen, durch welche absichtlich oder au- Versehen rechts­ widrige Wirkungen herbeigeführt werden, können im Fall der Verletzung außerhalb eine- schon bestehenden Rechtsverhältnisse- Unterlassungen nicht sein. Im römischen Recht findet bei der s. g. aquilischen Culpa ausolchen keine Haftung statt"). Für da- preußische Recht ist e- zwischen Bornemann") und Koch") streitig geworden, e- muß aber mit Er­ sterem angenommen werden, daß dieser Unterschied zwischen aquiltscher und nicht aquilischer Culpa auch im A.L.R. anzutreffen ist, daß also bei ersterer nur durch positive Handlungen, nicht auch durch Unterlassungen ein Versehen begangen werden kann. Der Gegensatz der zurechnungsfähigen Handlung ist der Zufall, der unabwendbar oder wenigsten- unverschuldet eingetretene Nachtheil"). Für ihn ist eine Verantwortlichkeit nicht denkbar, weil eS an einem Ur­ heber fehlt. Wenn sich aber an eine Handlung Folgen knüpfen, die nicht wohl vorauSzusehen waren, also zufällige, und die Handlung war an sich gesetzwidrig, so müssen sie vertreten werden. Und andererseits kann man zwar die Absicht, den Vorsatz gehabt haben, schädliche Folgen durch seine Handlung herbeizusühren, sie sind aber doch nicht durch die Handlung, sondern zufällig entstanden: auch dann muß man für sie einstehen, ob­ schon e- an dem ursächlichen Zusammenhänge zwischen dem Willen und ihrer Entstehung fehlt"). “) 1. 8. pr. I. 27. §. 9. 1. 30. §. 3. D. IX. 3. ") Rechttgesch. S. 409 fg. ") R. d. Ford. I. S. 253 fg.

Nahm- unten §. 89. bei b.

*’) A-L.R. 1.6- §. 439. Hepp S. 186. Der Zufall umfaßt die unwillkürliche Handlung und die unabwendbar eintretenden Ereigniffe. ") AL.R. I. 3. 11. 12. 13. Die Frage, wer den zufällig entstandenen Schaden außerhalb oder innerhalb eine- obligatorischen Verhältnisse- zu tragen habe, kann erst bei den einzelnen Rechtsverhältnissen beantwortet werden. Daß der Satz casam sentit dominus als allgemeingiltig zu verwerfen, wird von Niemand mehr bestritten. — Siehe Seuffert I. 338. IV. 100. 114. VII. 31. 225. XIII. 28.

148

Erste« Buch.

Die Grundbegriffe.

§. 28. II. Die Berfiigllngsfähigkeit. A.L.R-1- **• §• 2 5—19. — Heydemann I. S. 159 f. Gruchot, Beitr. I. S. 141. Bornemann, RechtSgesch. S. 78. v. Daniel« I S. 233. Koch I. S. 240.— Wächter II. S. 685.

Wenn eine Willenserklärung rechtliche Wirkungen hrrvorbringen soll, so muß ferner der Erklärende über den Gegenstand nach dem Inhalt

seiner Erklärung zu verfügen berechtigt sein.

Vorzüglich durch Willens­

erklärungen werden Rechte erworben, an Andere übertragen und aufge­

hoben'), sie entnehmen ihren Inhalt aus dem ganzen Gebiete des Recht-. Bei den absoluten Personenrechten wird zunächst nichts weiter erfordert,

al- daß die Person, die ein solches RechtSverhältniß eingehen will, über sich selbst verfügen kann und daß die gesetzlichen Bedingungen vorhanden

sind, unter denen sie eS darf, z. B. bei Eingehung der Ehe. Im Gebiete der Vermögensrechte sind die Gegenstände der Willenserklärung Sachen und Handlungen.

Die Regel ist: alle Sachen und Handlungen, auf welche

ein Recht erworben oder Anderen übertragen werden kann, können Ge­

genstände der Willenserklärungen sein.

Die Sachen müssen im Verkehr

Wenn sie entweder nach ihrer natürlichen Beschaffenheit, oder durch das Gesetz dem Verkehr entzogen sind, so wäre eine WillenS-

sein (§. 21.).

erklärung über sie schlechthin ohne rechtliche Wirkung; wenn sie eS durch

eine Privatverfügung sind, so kommt eS darauf an, ob die Privatver­ fügung dem Dritten bekannt war, denn sie bindet zunächst nur den, den

der Verfügende dadurch zu verpflichten befugt war. Die durch daGrundbuch ersichtliche Verkehr-entziehung gilt, wie bereit- erwähnt (§. 23), als öffentlich bekannt gemacht, so daß solche Jedermann kennen muß.

Sonst muß die Beschränkung dem Dritten speziell bekannt geworden sein, Bedingungs­

wenn dieselbe gegen ihn auch ihre Wirkung äußern soll.

weise sind aber auch solche Sachen Gegenstände von Willenserklärungen,

wenn nämlich da- Hinderniß gehoben werden kann') und es wird im

Obltgationenrecht zu zeigen sein, wie und von

wem dies zu geschehen

Unmittelbar können auch nicht Sachen eine- Dritten zum Gegen­

hat.

stand der Willenserklärung gemacht werden, aber wenn es mit Absicht geschehen, so entstehen daraus besondere Verpflichtungen'). Endlich muß

die Sache noch vorhanden sein; war eS beiden erklärenden Theilen un­ bekannt, daß sie nicht mehr vorhanden, so ist die Erklärung wirkungs­

los'). ») ’) ») *)

Ueber noch nicht vorhandene, aber erwartete Sachen kann eine

A.L.R. I. 3. §. 31. A.L.R I. 5. §. 58. Siehe auch Präj. 694. in der Sammt. B 1. S. 6. I. 5. §. 45. 1.11. §. 39.

§. 28.

II. Di« BerfügungSfähigkeit.

rechtliche Erklärung abgegeben

werdens.

149

Endlich sind

der Disposition

der Parteien nur bestimmte Sachen unterworfen, d. h. auf deren vorher

objektiv bezeichnete, wenn auch noch nicht vorhandene Individualität der

Wille der Erklärenden sich richten kann.

Solche objektive Bezeichnung ist

es, wenn man einem Dritten die Bestimmung des Individuums überläßt, wenn die Merkmale der Gattung durch die Erklärung festgesetzt sind, wenn

zwischen gewissen Sachen die Wahl gelassen ist.

ES darf der Willkür

der Erklärenden nicht anheimgegeben sein, ihre Erklärung hinterher auf andere Sachen zu beziehen"). — Handlungen unterliegen gütigen Willens­

erklärungen, wenn sie nicht verbotene, unsittliche, unmögliche sind.

Ver­

boten ist eS, sich selbst in Sklaverei oder Privatgefangenschaft zu begeben, denn über die eigne persönliche Freiheit steht Niemandem ein Verfügungs­

recht zu; verboten sind ferner alle Handlungen, durch welche Rechtsver­ hältnisse

entstehen, die vom Gesetz nicht anerkannten oder aufgehobenen

Man kann also nicht mehr Willenserklärungen abgeben, durch welche die Gewerbefreiheit beschränkt'), unablösliche Dienste

Rechtsinstituten angehören.

und Lasten übernommen'), kulturschädliche GemetnheitSverhältnisse untheilbar gemacht'),

Zwangs- und Bannrechte")

errichtet

werden

sollen.

Willenserklärungen über unsittliche Handlungen sind solche, die die Ehr­

barkeit beleidigen, die auf Verheimlichung, Belohnung, oder Begehung strafbarer Handlungen, auf Beschränkung der Gewissensfreiheit"), auf

Verpflichtung zur Ehelosigkeit über ein gewisses Lebensalter hinaus, auf Beibehaltung des WittwenstandeS abzielen.

Die Unmöglichkeit der Hand­

lung ist entweder absolut, oder bedingt, je nachdem sie gehoben werden

kann oder nicht.

Im letzteren Fall ist die Willenserklärung nichtig, im

ersteren kann sie Wirkung erhalten, wenn die Unmöglichkeit bis zur Er-

füllungSzeit aufhört").

Welche obligatorische Verpflichtungen daraus ent-* •) •*)

‘) I. 11. §. 528. 529. •) 1.11. 8. 30 fg. Koch, Pr.R. S. 244 Nr. HI.

’) Kab.O. v. 19. Apr. 1813 (Ges.S. S. 69). Auch nicht ausschließliche Gewerbeberech­ tigungen über 10 Jahre hinaus. Gew.Ordn. v. 17. Jan. 1845 §. 11. Dagegen ist in den RechlSf. B. 3. S. 174 als zulässig angenommen, sich zu verpflichten, ein bestimmtes Grundstück nicht zu einem bestimmten Gewerbe zu benutzen. Bergt, auch Resk. v. 13. Januar 1832 bei v. Kamptz B. 39. S. 113. ') Ges. v. 2. März 1850 §. 91 (Ges.S. S. 77).

•) Edikt v. 14. Septbr. 1811. §. 2.7. Ablös.Ordn. v. 7. Juni 1821. Eint, und §. 29. Verordn, v. 20. Juni 1817 §.15. 43. ") Ges. v. 7. Septbr. 1811 §. 51. 54. •*) E» ist keine Beschränkung der Gewissensfreiheit, wenn für den Fall de» Wechsel» der Religion ein BermögenSnachtheil angedrohet worden. Die Freiheit de» WillenSeiitschluffeS bleibt hierdurch unberührt. Ebenso wenig die Zuwendung eine« Vor­ theils für Beibehaltung de« Bekenntnisse». Die Redaktoren de» A.L.R. haben aber wohl andere Ansichten hierüber gehabt. Bornemann, System B. 1. S. 112 sg. Nur darin kann die Unsittlichkeit liegen, daß Jemand zur Aenderung oder Bei­ behaltung der Religion verpflichtet werden soll. ") I. 5. §. 51. 52. 57.

Erste« Buch.

150

Die Grundbegriffe.

stehen, wenn dem einen oder andern Theil die Unmöglichkeit bekannt war, ist hier nicht zu erörtern. Handlungen, die dritte Personen leisten sollen, können zwar wie Sachen Dritter, nicht unmittelbar Gegenstand der Willenserklärung sein, aber es können aus solchen Erklärungen Verpflich­ tungen hervorgehen").

B. Der Willen-eutschluß.

§. 29. I. Freiheit. Zwang. ALR. I. 4. $. 31—51. — Heydemanu I. S. 167. Bornemann, R.Gesch. S. 111. System 1. ,S- 136. v. Daniel« I ©• 238. Koch, Pr.R I. S. 226. R d.Ford. II. S- 101. Entscheid, de« O.Trib. v. 29. Mai 1856. B. 33. S. 8—24. — Savigny, System B. 3. S. 98. Wachter II. S. 761. Unger II. S. 44. Sinteni« I. §. 22. S. 186. Schliemann, die Lehre vom Zwange, 1861 (S- 201 über preuß R). Wind scheid I. S. 189.

Die handlungsfähige und verfügungsberechtigte Person muß die Ent­ stehung des bestimmten Rechtsverhältnisses durch ihre Handlung gewollt haben. Der Wille kommt auf dem Gebiete des Rechts nur in so weit in Betracht, als er sich äußert'). Die Handlung oder Erklärung muß die Richtung des Willen» auf den beabsichtigten Zweck enthalten, die Aeußerung des Willens muß mit diesem selbst übereinstimmen, sie muß sein getreuer Ausdruck sein. Drei Erfordernisse hierfür stellt daS A.L.R. auf: „die Willenserklärung muß frei, ernstlich und gewiß oder zuver­ lässig sein"'). Zuerst: die Willenserklärung soll frei sein, d. h. ungehindert durch äußere Einwirkung, die eine Abweichung der Erklärung vom Willen Her­ vorrufen könnte. Diese Freiheit kann beeinträchtigt werden durch physische und psychische Gewalt. Erstere hebt daS Wollen überhaupt auf und es kann durch sie eine Willenserklärung gar nicht hervorgebracht werden, sie macht die Handlung nur zu einem mechanischen Akt, ist nur äußere Erscheinung, nicht durch inneres Wollen erzeugt'). DaS A.L.R. stellt dem gleich, wenn Jemand durch Entziehung der RahrungS- und Heilmittel oder durch Zufügung körperlicher Schmerzen zu einer Willens­ erklärung vermocht ist. Solche Aeußerungen entbehren jeder verbindlichen Kraft, sie find nichtig. Ungleich wichtiger für die juristische Betrachtung ist der zweite Fall, der der psychischen Gewalt. Indem diese Furcht erzeugt, ist sie geeignet, eine Aeußerung hervorzubringen, die dem freien ") i.ö.

40 fg.

l) A.L-R. I. 3. §. 2. ') I. 4. §. 4. *) Schon seit den Gloffatoren vis absoluta genannt.

Sachs. G B. §. 92.

§. 29.

I. Freiheit. Zwang.

151

Willen nicht entspricht, die aber doch insofern immer noch eine gewollte ist, al- die Wahl übrig blieb, entweder trotz der Gewalt nicht zu wollen, also die Folgen der Gewalt zu ertragen, oder ihr zu widerstehen, oder, indem man derselben nachgab, sich zu der verlangten Handlung zu ent­ schließen^). Deßhalb kann hier nicht von einem Nichtwollen, sondern nur von einer unberechtigten') Einwirkung auf den Willen die Rede sein. DaS Mittel, durch welche- die psychische Gewalt geübt wird, ist die Drohung, sie muß geeignet sein, Furcht zu erwecken. Deßhalb ist ver­ langt, daß sie eine gefährliche sei. Die- ist sie, weiln ihre Ausführung entweder an sich oder nach der Meinung des Bedroheten in der Gewalt des Drohenden liegt, und erhebliche Güter des Leben-, diese- selbst, Ge­ sundheit, Freiheit und Ehre angreift °). Bei anderen Uebeln ist eS der vernünftigen Beurtheilung de- Richter- überlassen, ob sie der Art waren, daß die durch sie veranlaßte Willenserklärung erzwungen erscheint und er soll dabei, um den Einfluß der Drohung zu bestimmen, auf die LeibeSund Gemüth-beschaffenheit de- Bedrohten Rücksicht nehmens. Er hat daher alle thatsächlichen Momente, welche die Ueberzeugung begründen können, daß der Drohende die Erklärung hat erzwingen wollen und daß der Bedrohte, um dem angedrohten Uebel zu entgehen, sich erklärt hat, seiner Prüfung zu unterwerfens. ES muß ferner die Drohung die un­ mittelbare Ursache der Erklärung geworden sein, um diese al- erzwungen erscheinen zu lassen'). Endlich, sie muß widerrechtlich ein Uebel androhen 4) 1. 51. $. D. IV. 2: qaia, quam vis si liberum esset, noluissem, tarne u coactus volui; 1. 22. D. XXIII. 2: contraxit tarnen matrimonium, . . maluisse hoc videtur. 6) 1. 116. pr. de R. J.: Nihil consensui tarn contrarium est, . . quam vis atque metus, quem comprobare contra bonos mores est. ES ist eine Forde­ rung der Sittlichkeit an da- Recht, dem Zwang entgegenzutreten. •) 1 5. D. IV. 2: Metum accipiendum Labeo dicit, non quemlibet timorem sed majoris malitatis. Als solche Gründe einer erheblicheren Furcht werden be­ zeichnet timor mortis et verberum (I. 3. §. 1. D. h. t), servitutis timor (14. eod.), vincula (1.7. §. 1), ne stuprum patiatur (1. 8. §. 2,); eS ist im Erfolg gleich, ob die Drohung gegen die Person selbst sich richtet oder gegen ihre nächsten Angehörigen (1. 8. §. 3.); salutis periculum vel corporis cruciatum (1. 13. C. II. 4. 1. 4. 7 C. II. 20). Dagegen läßt da- röm. R. (dfo abweichend vom preuß. R ), die Drohung mit infamia nicht al- erheblich gelten (L 7. pr. D. h. t), auch nicht accusationis institutae vel futurae metum (1. 10. C. II. 20). Da­ gegen A.L.R. I. 4. K. 35. Entsch. B. 17. ©. 97. Handlungen, welche möglicher Weise künftig dem Kredit oder Vermögen nachtheilig werden können, sind nicht hierher zu rechnen. DreSdn. Annal. 1.34 Zwang, der sich nicht unmittelbar gegen die Person, sondern gegen da- Vermögen richtet, erkennt da- röm. R. nicht an. Schliemann S. 19. 7) Nur muß auch hier nicht außer Acht bleiben, was 1. 6. D. h. t. sagt: metum non vani hominis, sed qui merito et in hominem constantissimum cadat, wobei freilich der Superlativ nicht zu streng zu nehmen ist. Keine leere Einbil­ dung darf berücksichtigt werden. *) Entsch. B. 33. S. 14. •) Die §§. 43. 44. d. T., welche von der Einwirkung einer drohenden „Gefahr" han­ deln, betreffen nicht den Fall der Einwirkung de- Zwange- aus den Willen, son-

Erste« Buch

152

Die Grundbegriffe.

und deßhalb kann sie, wenn sie darin besteht, daß man sich seine» Recht­ gesetzmäßig bedienen oder einen zugedachten Vortheil nicht zuwenden wolle, wenn die» auch dem Erklärenden die größten Nachtheile bringen würde, nicht al- Zwang gelten"). Gleichgiltig ist, ob der Zwang von dem­ jenigen au-geübt worden ist, in deffen Interesse die Willenserklärung er­ folgt, oder von einem Dritten"). Diese Theorie stimmt im Wesentlichen mit der de- gemeinen Rechtüberein, sie hat einige damals herrschende Streitfragen entschieden"). Aber schwer ist eS nach den Worten de- A.L.R. die Frage zu beantwor­ ten, ob die durch Drohung erzwungene Willenserklärung nichtig oder anfechtbar ist. Nach Savignh'S Vorgang herrscht jetzt im gemeinen Recht die Ansicht, daß sie nur angefochten werden kann"); neuerding» ist dagegen Schliemann aufgetreten, und indem er in den römischen Quellen in unlösbarem Widerspruch beide Meinungen vertreten findet, entscheidet er sich au» inneren Gründen für die Nichtigkeit der Erklärung, weil hier die Zustimmung de» Willens zum Inhalt der Erklärung so zweifelhaft sei, daß diese nicht al» Ausdruck de» Willens gelten könne"). Er sieht auch in den neueren Gesetzgebungen (dem A.k.R., dem österreichischen und französischen) diese Auffasiung vertreten. Was daS österreichische und französische Gesetzbuch betrifft, so ist die- richtig"). Bei den Bestimmundern beziehen sich zurück auf die §§. 28. 29. 30. Die- hat überzeugend nach­ gewiesen die Entsch. B- 33. S. 16 fg. Die drohende Gefahr kann zwar eine solche Furcht erzeugen, daß die Willensfreiheit vernichtet wird, wie dies durch Erregung des Zornes und Schreckens eintreten kann, aber es fehlt an der. Person des Zwingenden. *•) Schliemann S. 24 fg. hält dies nicht für erforderlich, nur darf dem Drohenden nicht ausnahmsweise das R zustehen, die beabsichtigte Leistung durch Drohung zu erzwingen. Daß das preuß R. die Rechtswidrigkeit verlangt, folgt aus §. 38. 39. 40. d. T. Scheu und Ehrfurcht (metus reverentialis) werden nicht als zwin­ gende Momente berücksichtigt. §. 41. d. T-

") §. 42. d. T. Dies stimmt auch mit dem gemeinen Recht: der Zwang ist in dem einen wie in dem andern Fall derselbe, es muß daher auch die Gegenwirkung dieselbe sein. ") Entsch. B. 33. S. 12.

") Nur Kritz, RechtSfalle B. 5. S. 39, trat Savigny mit großer Lebhaftigkeit ent­ gegen. Seine Kritik hat aber nirgend Anklang gefunden. Wächter II. S. 761 Note 1. nennt sie unbegreiflich, und damit stimmen alle neueren Schriftsteller überein. ") Die Stellen, die Schliemann für die Nichtigkeit anführt, betreffen Verhältnisse, die das heutige praktische Recht nicht mehr kennt, und die gegenüber den zahl­ reichen andern, selbst wenn sie nothwendig aus Nichtigkeit interpretirt werden müßten, nicht ins Gewicht fallen können, zumal die letzteren so überaus bestimmt und klar sind. Siehe ob.n Note 4. Auch innere Gründe sprechen nicht für die Nichtigkeit, daS coactus tarnen volui bleibt psychologisch wahr, die bloße Zweifel­ haftigkeit, daß Wille und Erklärung sich nicht decken, kann Nichtigkeit nicht, son­ dern recht eigentlich nur Anfechtung begründen. Der bairische Entwurf eines bürgerl. Ges.L. von 1861 nimmt wegen Zwanges nur Anfechtbarkeit des Geschäfts an. Art. 20.

,s) Unger II. S. 47 fg.

Oesterr. Ges.B. §. 55. 565. 870. 877.

Code civ. art.

$. SS

I. Freiheit. Zwang.

153

gen de» A.L.R., welche ja ebenfalls au» den damals herrschenden natur­ rechtlichen Ansichten, die die Nichtigkeit-theorie vertraten, herau-gewachsen ist, liegt e» nahe, dasselbe anzunehmen, wenn nur die Ausdrücke: vereitelt, unkräftig, ungiltig, entkräften, anfechten, welche hierbei gebraucht werden, nicht zu sehr der Bestimmtheit entbehrten. Der Zusammenhang, in dem die §§. 31. 32. 33. mit einander durch die Verbindung-wörter „ein Gleiche»" und „auch" stehen, deutet zwar darauf hin, daß nicht bloß die Physische Gewalt, bei der die Nichtigkeit al» Folge unzweifelhaft ist, sondern auch die gefährliche Drohung die Erklärung „unkräftig", d. h. nichtig machen soll, allein e» spricht dagegen, daß auch die erzwun­ gene Erklärung durch nachträgliche» Anerkenntniß im Zustand der Willens­ freiheit rückwärts giltig wird, wa» mit dem Begriff der Nichtigkeit unver­ vereinbar ist"). Da- römische Recht gewährt dem Gezwungenen eine besondere durch da» Octavianische Edikt eingeführte Klage und Einrede, die daS Eigen­ thümliche hatte, daß ihre Intention in rem gefaßt, sie also auch gegen jeden Dritten zu richten war, der aus der erzwungenen Erklärung einen Vortheil erlangt hatte. Diese Eigenthümlichkeit hat auch da- A.L.R."). ES hat aber noch eine weitere Eigenthümlichkeit, die freilich nicht da- ma­ terielle Recht, sondern nur die Beweisführung über den Zwang betrifft: wer die Willenserklärung als erzwungen anfechten (d. h. ihre „Ungiltig­ keit" gerichtlich ausführen) will, soll, sobald er irgend einen Richter hat antreten können, spätestens binnen acht Tagen nach dem erlittenen Zwange davon gerichtliche Anzeige machen"). Ist diese Anzeige unterblieben, so verliert der Gezwungene zwar nicht sein Recht, aber er darf sich zum Beweise deS Zwanges nicht mehr der Eideszuschiebung bedienen, und die Vermuthung für die Freiheit der vorliegenden Willenserklärung wird dann 1109—1117. („n’est point nulle de plein droit*). Zachariä II. S. 342. DaS sächs. G.B. §. 93. läßt daS erzwungene Rechtsgeschäft nur anfechten. “) Dem Worte anfechten in §. 45. kann freilich keine technische Bedeutung beigelegt werden. Die Nichtigkeit nimmt Koch an, R. d. Ford. II. 105 , der aber hier §. 186—188.1. 5., die er doch S. 133 für den Irrthum um bloße Anfechtbarkeit nachzuweisen, anzieht, ganz übersieht. Sein Borwurf gegen Bornemann, RGesch. S. 112, der nur Reseission zuläßt, ist daher unmotivirt. Zu bemerken ist noch, daß nach ALR. I. 12. §. 23. 24. der Einwand loder die Klage) aus dem Zwange gegen gerichtlich aufgenommene Testamente nicht zugelaffen wird, eS sei denn, daß der Richter selbst von dem Zwange gewußt hat. Dies rechtfertigt sich daraus, daß in der Testament-errichtung vor dem Richter hinreichende Garantie gegen die Einwirkung de- Zwanges gefunden werden darf.

,T) A.L.R. §. 42. d. T. Koch S. 105. Förster, Kl- u. Einr. S. 391. — 1.4 §. 33. D. XLIV. 4. 1.9. §.8. 1.14. §.5. D. IV. 2.

I8) Dem gemeinen Recht ist diese Anzeigepflicht fremd, obgleich auch schon im römischeu R. 1.23. pr.D.IV.2. apertissimae probationes violentiae verlangt werden. Leyser, spec. 517. med. 6. hält die protestatio in causis perspicuis et Claris für unnütz, aber wenn der actus dubius ist, für nützlich. — Die Frist von 8 Tagen bedeutet eine von 7 Tagen, d. h. eine Woche. Pl.-Beschl. v. 2. Juli 1855. I.M.B. S. 327. Eutsch. B. 38. S. 189.

154

Erste« Buch.

Die Grundbegriffe.

so stark, raß ein nicht vollständig geführter Beweis dagegen nicht durch

den Cid erfüllt werden darf.

Auch der Reinigungseid ist ausgeschlossen").

Dem Erben des Gezwungenen steht, wenn dieser gestorben, ehe er die Anzeige hat machen können, eine dreimonatliche Frist, von der erhaltenen Kenntniß von dem Dasein der Willenserklärung gerechnet, zu jener An­

zeige frei.

Hat er schon vor dem Ableben deS Erblassers den Zwang

gekannt, so wird

ihm diese Frist nicht gestellt werden können").

Die

Einrede deS Zwanges ist unverjährbar, die Klage verjährt in 30 Jahren, und es hindert ihren Gebrauch nicht, wenn auch der Gezwungene die Willenserklärung bereits erfüllt hat"). Man darf dem Anfechtungsrecht aus dem Zwange nicht ausdrücklich entsagen").

§. 30.

I.

Freiheit. Irrthum.

A.L.R. I. 4. §. 75—63. Heidemann I. S. 175. Gruchot, Beitr. I. S. 155. Bornemaun, R.Gesch. S. 129. System I. S. 141. v. Daniel« I. S. 239. Koch, Pr.R. I. S. 230. R. d. Ford. II. S. 130—150. Plathner, Geist de« Preuß.R. I. S.348. Dernburg I. S. 108.109. v Savigny, System v. 3. S. 98.111. 263—307. bes. 326 fg. 468 (preuß. R.). Wächter II. S.743.750. Unger II. S. 32.51.120. Sinteni« I. S. 190. Windscheid I. S. 84.

Der Wille ist ferner nicht frei auf die Hervorbringung eines Rechts­

verhältnisses gerichtet, wenn der Wollende sich irrt.

Während der Zwang

die Selbstbestimmung durch äußere Einwirkung dahin beeinträchtigt, daß

mit Bewußtsein eine andere Erklärung abgegeben wird, al» gewollt ist,

macht der Irrthum innerlich die Freiheit de» Willens selbst der Art be­

fangen, daß er eine Aeußerung, eine Handlung oder Erklärung erzeugt, die zwar an sich dem Willen entspricht,

aber der Wille ist auf andere

Wirkungen, auf andere Erfolge gerichtet. Der Wille hat sich durch falsche

Gründe zu seiner Erklärung bestimmt und dies kann entweder ohne Ein­

wirkung einer anderen Person, allein im Handelnden und durch ihn selbst,

oder durch die Täuschung einer anderen Person verursacht sein'). wird der erste Fall betrachtet, folgen.

Hier

der zweite, der de» Betrug», wird dann

Irrthum ist die unwahre Vorstellung von den Wirkungen des

Inhalts der Erklärung').

Das Falschwiffen und das Nichtwiflen stehen

*•) Striethorst B. 7. S. 141. Heybemann S. 171. ’•) Gruchot, Beitr. I. S. 151. ’**) Koch S. 115. Förster S. 391. Auch braucht nicht die Annullirmig der er­ zwungenen Erklärung voranzugehen, ehe die Herau»gabe der Sache verlangt wird. Striethorst B. 22. S. 169. ”) A.L.R. I. 5. §. 194. A.G.O. II 2. §. 52. *) Die unabsichtliche Erzeugung eine« wesentlichen Irrthum« ist nicht Täuschung »der Betrug, macht aber den Vertrag ungiltig. Striethorst B. 79. S. 215. ') So besinnt Daniel« S. 239. Savigny S. 111 sagt: „Irrthum ist der Zu-

§. 30.

I. Freiheit. Irrthum.

155

sich in ihrer Bedeutung für da- Recht gleich'). Der Irrthum ist auf dem Gebiete des Rechts in sehr vielfachen Beziehungen von großer Be­ deutung: er wird nicht bloß unschädlich gemacht unter gewissen Voraus­ setzungen, sondern er ist auch Quelle von Rechten und gewahrt Vortheile. Die Ersitzung z. B., überhaupt der gute Glaube beruht wesentlich auf Nichtwissens. Hier aber handelt eS sich um den Irrthum, der dem Er­ klärenden nachtheilig ist, und von den Bedingungen, unter denen die Nach­ theile beseitigt werden können. Da die auS Irrthum hervorgegangene Handlung oder Erklärung äußerlich erkennbar existirt, so muß auch ver­ muthet werden, daß die Handlung beabsichtigt worden: der Irrthum ist zunächst nicht geeignet, eine Unverbindlichkeit zu erzeugen, eS würde sonst die größte Unsicherheit des Verkehrs entstehen'). Es sind also gewisse Voraussetzungen erforderlich, um die irrthümliche Willensäußerung in ihren Wirkungen zu entkräften. Zunächst gilt, auS dem römischen Recht entlehnt, die bekannte Regel, daß ein Irrthum, der auS mangelhafter Kenntniß oder Unwissenheit deS objektiven Rechts hervorgeht (f. g. RechtSirrthum), keine Berücksichtigung findet, daß darauf nur ein Irrthum in Thatsachen Anspruch hat°), aber auch dieser nur dann, wenn er stand des Bewußtseins, in welchem die wahre Vorstellung des Gegenstandes von tinct unwahren verdeckt nnd verdrängt wird."

') Koch, R. d. F. II. S. 103.

Unger S. 32 Note 3. 4.

Savigny S. 111. 236.

4) Deßhalb sagt Savigny mit Recht (B. 3. S 312, daß es unmöglich sei, die Lehre vom Einfluß des Irrthums an einer einzelnen Stelle des Rechtssystems zu er­ schöpfen. ®) Savigny S. 114. 340 fg.

Bangerow, 6 A. B. 1. S. 135.

Unger S. 36.

1. 1. pr. §. 1—4. 1. 2. 9. pr. D. XXII. 6. Dangerow I. S. 139, der auch aus­ führlich S. 141 fg. die vii'lbestrittenen 1. 7. 8. I). XXII. 6. über die Bedeutung der compendia und damna bei dem Rechtsirrthum bespricht, was für Preuß. Recht ohne Interesse ist. Ausnahmsweise wird aber Rechtsirrthum entschuldigt, wenn man keine Gelegenheit gehabt hat, Rechtsbelehrung zu erlangen, oder eS sich um rechtliche Streitfragen oder um verborgene Rechtssätze, z. B. in Lokalrechten handelt, deren Kenntniß von Niemand verlangt werden kann. 1 9. tz. 3.0. XXII. 6. Savigny S. 334. 336. Unger S. 35. Rechtsirrthum ist ferner entschuldbar, wenn er bei einer rechtsungelehrten Person durch falsche Belehrung deS Richters hervor­ gerufen wird. Würtemb. Arch. VI. 148 Die kontroverse Natur eines Rechtssatzes wird nach preuß. R., welches ja von der Prätention auSgeht, alles durch klare Gesetze bestimmt zu haben, den Irrthum nicht entschuldbar machen. Savigny S. 470. DaS O Trib. hat angenommen, daß Re tsirrthum unentschuldbar ist, wenn er aus Unkenntniß eine- gehörig publizirten Gesetzes hervorgeht (tz. 12. Einl. z. ALR.), dagegen entschuldbar nach gemeinem und preuß. R., wenn er sich auf ein örtlich beschränktes Gewohnheitsrecht bezieht. Striethorst B. 53. S. 154. Gntsch. B. 51. S. 35. Verschieden vom jus ignorare ist daS jus suum ignorare, waS meist auf Thatsachen - Irrthum beruhen wird. Savigny S. 327 Note c. Die unrichtige Unterstellung von Thatsachen unter eine Rechtsregel ist nicht RechtSsondern faktischer Irrthum. Dagegen Cassel, Heuser, Annalen B. 7. S. 580. Rechtsirrthum auch nach A.L.R. unentschuldbar: $. 12. Einl. z. A.L.R. Faktischer Irrthum andererseits wird nicht entschuldigt, wenn er aus zu großer Unachtsam­ keit hervorgegangen ist. 1. 9 §. 2. eod. 1. 3. pr. eod. 1. 5 §. 1. D XLI 10. Irrthum über ein factum alienum in der Regel entschuldbar. 1.42. D. de R J. Savigny hat S. 440 fg. die Unterscheidung von echtem und unechtem Irr­ thum aufgestellt, jener wenn der Wille mit Rücksicht auf den Irrthum unvollkom-

156

Erste» Buch.

Di« Grundbegriffe.

ohne Berschulden eine- Dritten im Wollenden entstanden, ein wesent­ licher ist. Ob im einzelnen Fall der Irrthum ein wesentlicher ist, oder nicht, kann der erkennende Richter nur dann beantworten, wenn er das ganze einschlagende Sachverhältniß inS Auge faßt. Nach dem Gesetz ist wesentlicher Irrthum anzunehmen, wenn er daS Wesentliche oder den Hauptgegenstand des Geschäfts, oder die Person desjenigen, für welchen die Handlung oder Erklärung ein Recht begründen soll, betrifft. DaS Wesentliche deS Geschäfts, d. h. die Natur, den rechtlichen Charak­ ter deffelben, die Erforderniffe, die nothwendig sind, um ihm seine Indi­ vidualität zu geben'); den Hauptgegenstand6), d. h. nicht bloß die bestimmte Sache, unter der man eine andere meint, sondern auch die ausdrücklich vorausgesetzten oder gewöhnlich vorhandenen Eigenschaften an derselben: bei letzteren jedoch nur dann, wenn die handelnde Person sich nicht durch eignes Verschulden (mäßiges Versehen) in den Irrthum ver­ setzt hat. Hier tritt also als erhebliches Moment die Vermeidlichkeit des Irrthums hinzu, während sonst dieser Umstand übereinstimmend mit dem römischen Recht bei dem wesentlichen Irrthum ohne Einfluß auf die Be­ urtheilung der Verbindlichkeit der Erklärung ist. Eigenthümlich dem A.L.R. ist e- aber, daß die Vermeidlichkeit in Betracht gezogen werden soll bei der Frage, ob und wie weit der andere Theil, der aus dem Rücktrit des Irrenden Schaden erleidet, dafür zu entschädigen ist. Die Person, d. h. ihre Identität und die in ihr ausdrücklich vorausgesetzten Eigenschaften, wenn aus den Umständen erhellt, daß ohne diese irrige Voraussetzung die Erklärung so nicht erfolgt wäre'). men zum Ausdruck kommt, die regelmäßigen Folgen der vom Willen gesetzten juristischen Thatsachen also aufgehoben oder geändert werden; hier handelt e» sich um Entschuldbarkeit oder Uncntschuldbarkeit. Dieser, wenn, weil es am Willen ganz fehlt terrantis nulla voluntas), die Folgen der Erklärung nicht eintreten. Hier ist Entschuldbarkeit und Unentschuldbarkeit gleichgiltig. Die Erklärung muß immer wirkungslos sein. Beispiele von unechtem Irrthum: 1. 18. C. HI. 32. 1 54. D. VI. 1. 1. 79. de leg. II. Wenn Jemand einen Vertrag abschließt in der Hoffnung, daß der Andere ein Versprechen halten werde, und dieser wortbrüchig wird, so hat Ersterer sich bei dem Vertragsabschluß nicht in einem Irr­ thum befunden, weil die Hoffnung keine Thatsache ist. Striethorst 8.78. S. 240. *) 3 8. wenn jede der Parteien ein andere» Geschäft im Sinn hatte. Hier hatte eine Willen-einigung überhaupt nicht stattgefunden ^unechter Irrthum). Irrthum im Wesentlichen de» Geschäft» ist thatsächlicher. Striethorst 8. 8. S. 153. Siehe auch daselbst 8- 2. S. 5. 8- 9. S. 157. 8. 30. S. 344. B. 31. S. 304. Daß die Erklärung in gerichtlicher Form abgegeben, macht sie nicht wirksam. Striethorst 8. 20. S. 265. Ueber wesentlichen Irrthum s. Stegemann I. 348. •) Hierher gehört auch der Irrthum über den Stoff der Sache, über die Quantität Nach Savigny ist der error in corpore und in aubatantia unechter Irrthum. Der Irrthum über die Quantität kann wesentlich sein, wenn sic da» bestimmende bei der Erklärung gewesen. •) Koch, R. d. F. S. 140 Kann je nach Umständen echter oder unechter Irrthum sein. Die Zahlungsunfähigkeit eine- Kontrahenten ist nicht al» Eigenschaft im Sinne de» §. 81. I. 4. aufzufasscn. Striethorst 8.80. S. 304.

Irrthum in anderen Eigenschaften oder Umständen ist unwesent­ lich") und vereitelt niemals die Willenserklärung. Dahin gehört ein falscher Beweggrund — sofern nicht bei s. g. wohlthätigen Verträgen erhellt, daß er die einzige Ursache derselben gewesen"); dahin die falsche Beschreibung") oder Benennung, wenn nur sonst kein Zweifel über die Identität deS Gegenstandes oder der Person, auf welche die Erklärung sich bezieht, obwaltet; dahin der Irrthum in allen Nebensachen") oder Nebenumständen"). Bei dem überall sehr schwankenden Sprach­ gebrauch deS A.L.R. ist eS auch hier sehr schwierig, aus den Worten zu entscheiden, ob der wesentliche Irrthum in Thatsachen die Willenserklä­ rung nichtig oder anfechtbar macht. Nach gemeinem Recht ist sie nich­ tig"), weil eS der Erklärung am entsprechenden Willen fehlt; nach preußischem kann man nur ihre Anfechtbarkeit behaupten, denn nachträg­ liche- Anerkenntniß, in der Voraussetzung, daß diese- nicht mehr unter dem Einfluß deS Irrthum- erklärt wird, kann die Erklärung mit rück­ wirkender Kraft giltig machen"). Nichtig ist die Erklärung nur, wenn ein Kauf über einen nicht exlstirenden Gegenstand abgeschlossen ist"). Die Anfechtungsklage au- dem Irrthum verjährt in 30 Jahren"). An die Anfechtung der Willenserklärung knüpft sich die Frage nach dem Scha­ denersatz an, der zu leisten ist, wenn der Irrende au» mäßigem Versehen in den Irrthum gerathen, und der Andere nicht selbst den Irrthum ge­ kannt, jener ihn also für sich hat benutzen wollen. Geringe- Versehen 10) Koch S. 145.

Der echte Irrthum nach Savigny.

") §. 149.150. d. T. Der Beweggrund muß ersichtlich sein, wenn die Willen-erklärung wegen Irrthums in demselben soll angefochten werden können. Entsch. B. 33. e. 24. Oesterr. G.B. §. 572. 901. ") §. 151. d. T.

") Koch S. 146 Nr. 2.

“) Z. B. über größere ooer geringere Brauchbarkeit und Güte.

") Vangerow S. 136. Wachter S. 749. DaS sächs. Ges.B. §. 95. 96. hat Nich­ tigkeit bei wesentlichem (unechtem) Irrthum, bei unwesentlichem (echtem) Anfecht­ barkeit, wo eS die Gesetze besonders gestatten und derselbe unverschuldet ist. Der Code hat Nichtigkeit (Art. 1109). Zachariä II. S. 314. DaS österr. GB. §. 871—873. spricht sich nicht über den im Irrenden entstandenen wesentlichen Irrthum auS; nur wenn dieser die Person betrifft, der ein Versprechen gemacht, kann Ungiltigkeit entstehen. Unger S. 36 fg. “) I. 5. §. 186—188. Koch S 132. Heydemann S. 177. ES gilt hier dasselbe, wie bei der gezwungenen Erklärung; s. oben §. 29. Note 16. Da- O -Tribunal nimmt Anfechtbarkeit an. Lentralbl. 1843 S. 359. Der bairische Entwurf eines bürgerl. G.B. v. 1861 nimmt wegen wesentlichen Irrthum- heilbare Nichtigkeit an. Art. 24. 17) I. 11. §. 39. 42. Die- ist aber nicht eigentlich Nichtigkeit wegen Irrthum-, son­ dern wegen Unau-führbarkeit de- Geschäfte-, bei der der Irrthum nur nebenbei im Spiel ist.

,8) Koch, Pr.R. I. S. 233. 234.

Förster a. a. O. S. 393.

158

Erstes Buch.

legt Ersatzpflicht nicht auf. nicht zur Entschädigung").

Die Grundbegriffe.

Gegenseitiger Irrthum verpflichtet ebenfalls

§. 31. I. Freiheit. Betrug. A.LR. I. 4. §. 84—93.

Heydemann I. S. 177.

v. Daniel- I. S. 240

System I. S. 148.

II. @. 116.

Bornemann, R.Gesch. S. 119. Koch, Pr.R. I. S. 228. R. d. Ford.

Baron, Abhandlungen au- dem preuß. R- 1860. S. 76 fg.

burg I. §. 110. — v. Savigny, System B. 3. S. 115.

Unger I. S. 51.

SinteniS I. S- 188.

Dern-

Wächter, II. S. 755.

Windscheid I. S. 184.

„In keinem Falle", sagt das A.L.R., kann derjenige, welcher einen Irrthum wissentlich und vorsätzlich veranlaßt hat, daraus ein Recht er­ werben'). Es kommt also nicht darauf an, daß der Irrthum ein wesent­ licher ist, auch auS dem unwesentlichen darf der Betrüger keinen Bortheil erlangen. Nicht der Irrthum ist hier der Grund der Ungiltigkeit der Erklärung, sondern der Betrug; wie Zwang Furcht erzeugt, so erzeugt der Betrug Irrthum, und in dem einen wie in dem andern Fall ist eS die Unsittlichkeit, die die Gegenwirkung vom Recht verlangt'). Das be­ trügerische Beranlaflen des Irrthums ist entweder eine vorsätzliche Erre­ gung oder eine vorsätzliche Benutzung deffelben: Beides ist von gleicher Wirkung, denn in dem letzteren liegt offenbar ein tadelnSwerthe- Ver­ schweigen eines für die Richtung der Erklärung erheblichen Umstandes'). Die Praxis hat daher auch beide Arten des betrügerischen Verhalten­ gleichgestellt'). Aber die Willenserklärung muß wirklich durch den Betrug ") §. 79. 80. d. T.

Entsch. v. 30. S. 79.

f) Daß ein Kontrahent unterläßt, unaufgefordert über seine Vermögen-verhältnisse dem andern Kontrahenten Aufschluß zu geben, ist kein Betrug. Seuffert B. 26. Nr. 117. Unabsichtliche Erzeugung eine- Irrthum- ist nicht Betrug. Striethorst B. 79. S. 215.

’) Striethorst B. 84. S. 176. *) Savigny S. 116. 4) Striethorst B. 2. S. 93. B. 36. S. 226. Koch, R. d. F. H. S. 125. Den Unterschied zwischen dem civilrechtlichen und strafrechtlichen Betrug wissenschaftlich festzustellen, ist eine sehr schwierige und bi- in die neueste Zeit sehr vernachlässigte Aufgabe. Auch die neueren Gesetzbücher über Strafrecht haben sie nicht genügend gelöst. Dergl. besonder- den Aufsatz von Köstlin über die Grenzen de- straf­ baren und de- bloß civilrechtlich zu verfolgenden Betrüge- in der Zeitschr. f. Civ.R. u. Proz. N. F. B 14. S. 294-440. B. 15 S. 40-75. Für da- Privatrecht hat die Entscheidung dieser Frage keine Wichtigkeit, weil auch der nicht strafbare Betrug doch civilrechtliche Folgen hat. Wie nun da- bloße marktschreierische An­ preisen einer Waare, da- gewöhnliche Uebervortheilen im täAlichen Verkehr noch nicht civilrechtliche Folgen nach sich zieht, weil Jedermann weiß und wissen muß, daß er darauf nicht- zu geben hat, vielmehr auch zum civilrechtl. Betrug eine po­ sitive Täuschung erfordert ist, so kann andererseits eine kriminalrechtliche Straf­ barkeit nur gerechtfertigt erscheinen, wenn nicht bloß vorsätzlich der Irrthum deAndern unterhalten und benutzt, sondern durch bestimmte Vorspiegelungen hervor­ gerufen worden ist, und diese Thätigkeit de- Betrüger- al- eine solche sich zeigt, die nicht bloß da- spezielle Vertrauen de- andern Kontrahenten, sondern die all-

§. 31.

I. Freiheit. Betrug.

159

veranlaßt worden sein (dolus causam dans), um vom Betrogenen gegen

den Betrüger') angefochten werden zu können, und letzteren von allen Dortheilen auszuschließen. Ist der Betrüger ein Dritter, der au- der

Erklärung für sich kein Recht ableitet, oder hat der Betrug bei der sonst auS dem freien Willen entsprungenen Erklärung nur mitgewirkt (dolus iucidens),

so fällt die Anfechtbarkeit wegen Betrug- weg und eS kann

nur in Frage kommen, ob der Irrthum als solcher geeignet ist, die Wil­ lenserklärung zu entkräften, ob er ein wesentlicher ist (§. 30).

Da die Erklärung nur anfechtbar') ist, so folgt, daß der Betrogene auch bei ihr beharren, sie als giltig betrachten kann: eS hängt lediglich von seiner Er­

klärung ab, ob er abgehen will und er kann die- im Wege der Klage oder der Einrede thun'). Abgesehen hiervon entstehen für den Betrüger EntschädignngSpflichten und zwar nicht bloß gegen den Betrogenen, son­

Nothwendig aber muß gegenseitiger Betrug sich aufheben und eine Ersatzverbindlichkeit beseitigen,

dern gegen Jeden, der dabei Schaden erlitten hat.

weil die Klage auS dem Betrüge durch die gleiche Einrede entkräftet wird. In solchem Falle bleibt also da- Geschäft giltig, und eS steht die Klage

auf Erfüllung gegenseitig daraus zu'). An die Borschriften über die Wirkung deS Betrugs schließt da- A.L.R.

die Bestimmung,

daß wer

auch

ohne die Absicht zu hintergehen einen

Andern durch Trunk oder Erregung von Leidenschaften in einen Zustand

versetzt, daß er seine Handlungen und ihre Folgen nicht mehr richtig be­ urtheilen kann, auS den in diesem Zustand abgegebenen Erklärungen kein

Recht für sich herleiten darf. Wer aber auS diesem Grunde seine Erklä­ rung anfechten will, muß eS binnen einer Woche') gerichtlich anzeigen, sonst

hat er nicht wie beim Zwange nur eine schwerere Beweisführung, sondern er hat den Einwand selbst verloren. Ob im preußischen Recht die s. g. exceptio doli generalis, von der

eS heißt: omnibus negotiis bonae fidei inest, als ein besondere- Rechts­ mittel anerkannt sei, kann bezweifelt werden, weil dem A.L.R. eine be­ stimmte Einredentheorie nicht eigen ist. Ihr Eigenthümliche- besteht darin,

daß sie nicht bloß auf die absichtliche Beranlaffung eine- Irrthum-, auf

*)

*) ’) •)

•)

gemeine Rechteordnung vorsätzlich verletzt. Die» ist auch die Auffassung de» deutschen Strafrecht». Strafges.V. §. 263. Entsch. B. 26. S- 418. Und zwar nur gegen diesen; die Anfechtung geht also nicht, wie beim Zwange, in rem. Die» rechtfertigt sich deshalb, weil hier nicht die irrige Willenserklärung, sondern die subjektive Unrechtlichkeit angegriffen wird. Ueber diese prinzipielle Tren­ nung de» Irrthum» und de» Betrug» s. Unger S. 54. 55. Ueber dolus causam dans Heuser, kurheff. Annalen v. 2. S. 182. Dre-dn. Annal. VIII. 417. Auch nach gemeinem Recht. Striethorst B. 8. S. 326. I. 6. §. 357. Koch, R. d. F. S-120. 1. 36. D. IV. 3. I. 3. §. 3. D. II. 10. 1. 4. §. 13. D. XLIV. 4. 1. 34. §. 3. v. XVIII. 1. Dies ist die Bedeutung der Frist von 8 Tagen. Pl.Beschl. Entsch. v. 31. S. 189.

160

Erste- Buch.

Die Grundbegriffe.

Verfälschung der Wahrheit, sondern auf jede- arglistige und gewissenlose Ausbeuten der Rechte gegen einen Andern gestützt ist, und während sie in dieser Weise vielen besonderen Einreden zu Grunde liegt, al- ihre Eigen­ schaft erscheint, gilt sie im gemeinen Recht aushilfsweise, wo eS an solchen besonderen Einreden fehlt. Wenn sie aber auch im preußischen Recht nicht mit entschiedenen Worten hingestellt ist, so muß dennoch ihre Anwendbarkeit behauptet werden, einfach aus dem Grunde, weil bei der Un­ möglichkeit, durch das Gesetz jedes arglistige Verhalten zu treffen, sie nicht entbehrt werden kann'").

§. 32. II. Eruft. Scherz und Schein. A.LR. I. 4. §. 52-56. 1. 11. §. 70-74. Heydemann I. S. 171.172.

Gruchot IX.

334 fg. Bornemann, R.Gesch. S 117. System I. S. 140. Koch, Pr.R. I. S. 238. R. b. F. II. S. 150.

Wächter II. S. 742.

Dernburg I. §. 104 — Savigny, System B. 3. S. 257. Unger II. S. 118.

Die Willenserklärung muß ernstlich sein, denn sie soll der dem Willen wirklich entsprechende Ausdruck sein. Der Ernst ist ausgeschlossen durch Scherz und Schein. In beiden Fällen stimmt die Erklärung mit dem Willen absichtlich nicht überein, beim Scherz, indem die Erklä­ rung selbst schon das Merkmal des NichtwollenS, sei eS durch ihre Form oder ihren Inhalt oder sonst durch begleitende Umstande offen an den Tag legt, bei dem Schein, indem man etwas Anderes will und die- Ge­ wollte durch die Erklärung verdeckt. Bei zweiseitigen Geschäften kann der Schein, die- Verhüllen de- anders Gewollten, auf beiden Seiten oder nur auf einer stattfinden. Da- Gesetz vermuthet sowohl gegen den Scherz als gegen den Schein, insbesondere, wenn sich Jemand in Angelegenhei­ ten seines Berufs oder Gewerbe- oder in der gehörigen Form geäußert 19) Hänel, über da- Wesen nnb ben heutigen Gebrauch ber act. unb exc. doli im Archiv f. civilist. Pr. B. 12. S. 408. Koch, R b. F. Db. 3. S. 1206 Heim­ bach, im Recht-lexikon B. 3. S. 709. Großkopff, zur Lehre vom Retentions­ recht, 1858, §. 1. S. 11-15. Lübeck bei Seuffert B. 16. Nr 162. — Förster, Klage unb Einrebe S. 360. Heybemann S. 264. Die Anwenbungen ber doli exceptio im Wechselprozeß sinb zahlreich, babei ist vom Obertribunal auch wieberholt anerkannt, baß sie eine allgemeine civilrechtliche Natur habe. Z. B. Striethorst B. 16 S. 158. Jlist.M.Bl. 1857 S. 147 Nr. 124. Borcharbt, Wechselr. S. 153.154. Siehe noch Striethorst B. 7. S. 314. B. 11- S. 314. B. 23. S. 193. B. 28. S. 160. In Entscheib. B. 45. S. 51. 52. sagt baS Ottrtribunal, eS laste sich über bie Wirksamkeit ber exceptio doli generalis in un­ serem Rechtssystem allerbingS streiten. Anerkannt bei Striethorst B. 61. S. 325. Dergl R O.H G-1 Nr. 11.17. Es ist nicht exc. doli zulässig, wenn eine Partei bie Erfüllung eines münblichen Vertrages verweigert, ber schriftlich hätte abgeschlos­ sen werben sollen. Daselbst I. Nr. 21. ES hat aber bie exc. doli statt, wenn ein Machtgeber baS Geschäft seines Bevollmächtigten mündlich ratihabirt, unb bann boch ben Mangel einer schriftlichen Vollmacht vorschützt. Striethorst B. 82. S. 41.

hat'). Wer sich unter Berufung auf Scherz oder Schein von einer aus seiner Erklärung hervorgehenden Verpflichtung befreien will, muß beide» nachweisen und die» kann nur geschehen durch äußerlich erkennbare, be­ stimmte Thatsachen. ES soll der Schein oder Scherz au» den „Umstän­ den" klar erhellen. In Betreff der Beweismittel ist eine Beschränkung oder Erschwerung nicht gerechtfertigt; es kann vielmehr auch dieser Be­ weis durch einen nothwendigen Eid ergänzt werden'). Was die Schein­ erklärung insbesondere betrifft, so sind die Bestimmungen über ihre Wir­ kung im A.L.R. statt im 4. Titel bei der Lehre vom Kauf (im 11. T.) abgehandelt. Von hier ist zu entnehmen, daß da» simulirte Geschäft nicht gilt, die Annahme eine» anderen an seiner Statt aber von dem Dasein der Erfordernisse deffelben abhängt. Die Giltigkeit oder Ungiltigkeit de» verdeckten Geschäfts ist hiernach unabhängig von dem vernichtenden Einfluß der Simulation'). Das simulirte Geschäft kann durch Klage und Einrede angefochten werden; daß e» in gerichtlicher Form abgeschloffen worden, hindert die Anfechtung nicht, denn nicht der Inhalt der Urkunde wird angegriffen, die Richtigkeit derselben vielmehr ganz außer Zweifel gelaffen, sondern nur die durch sie nicht konstatirte, aus ihr nicht sichtbare Ernst­ lichkeit des Willens und die Uebereinstimmung der Erklärung mit diesem'). Gegen denjenigen Mitkontrahenten, der an der Simulation nicht Theil genommen hat, läßt sich die Anfechtung nicht richten')^ und wer unge­ bührlich gescherzt oder zum Nachtheil de- Anderen simulirt hat, wird für den Schaden verantwortlich. Da- A.L.R. weicht in dieser Lehre vom ge­ meinen Recht nicht ab, stimmt auch mit den neueren Gesetzbüchern'). *) Aber die Vermuthung schließt nicht die Einrede der Simulation au«. horst B. 85. S. 69 sg.

S tri et-

’) Gruchot 1. S. 151. Koch, Komment, zu 8- 55. d. T. Note 65. Die von diesem im R- d. F. S. 154 geäußerte Ansicht, daß zwei Zeugen nicht vollen Beweis machen können, dürste nicht gerechtfertigt sein. Ein Beispiel de« Erhellen« au« den Um­ ständen Entsch. B. 89. S. 395 und Striethorst 8. 5. S. 18. *) Striethorst B. 47. S. 296. Die Frage, ob die Einrede der Simulation gegen ein rechtskräftige« Erkenntniß gebraucht werden kann, ist bejaht in Entsch. B. 52. S. 1. vergl. §. 7. Nr. 2. §. 8. de» Ges. v. 9. Mai 1855.

4) A.G.O. I 10. §. 126.

Koch, R. d. F. S. 153.

') Würtemb. Arch. VI. 159. *) Oesterr. b. G.B 6.916. Sächs. § 61. Cod. art. 911. spricht von Simulation durch untergeschobene Personen. Ueber die Anfechtung der zum Nachtheil der Gläubiger stmulirt abgeschlossenen Verträge wird im Obl R- zu handeln sein. Siehe Ges. v. 9. Mai 1855 und Konk.Ordn. v. 8. Mai 1855 § 99—112. Besonder» zu be­ merken ist, daß hier die positive Beweistheorie beseitigt und der Richter auf seine aus dem Inbegriff der Verhandlungen geschöpfte Ueberzeugung verwiesen ist. Striethorst B. 26. S. 267.

162

örfttf Buch.

Die Grundbegriffe.

§. 33. m. Gewißheit. A L R. I. 4. §. 67.

Gewiß ist der Wille, wenn die Absicht deS Erklärenden, ein Recht erwerben, übertragen oder aufheben zu wollen, durch Worte oder andere

deutliche Zeichen auSgedrückt worden ist.

Die Gewißheit besteht also in

der Deutlichkeit, und diese darin, daß von der Erllärung auf den Ent­ schluß deS Willen- ein sicherer Rückschluß möglich ist. Die Willenserklä­

rung kann aber eine verschiedene sein, sie kann durch Worte, durch Zeichen ja auch durch Stillschweigen bewirkt und unter Umständen selbst vermuthet

werden.

Von diesen Arten im nächsten §.

C. Willensäußerung.

tz. 34. I. Arten. A.L.R-1. 4. tz 57—64. Gruchot I. S. 152. Heydemann I. S-172 fg. Bornemann RGesch. S. 144. System I. S. 159. Koch I. S. 234. r- Savigny, System B. 3. S. 242. Wächter II. S- 734 Unger II. S- 103. SinteniS I. §. 18. Windscheid I. S. 165.

Da der Wille als zunächst rein innerliches Moment auf dem Rechts»

gebiet nicht berücksichtigt werden kann, muß derselbe, wie hervorgehoben,

durch eine Aeußerung hervortreten.

schehen.

Dies kann auf mannigfache Art ge­

Die natürlichste und häufigste ist die, daß er durch die entspre­

chenden Worte auSgedrückt wird.

Aber auch deutliche Zeichen und Geberden

können genügen'), um unmittelbar und ausdrücklich den Willen erkenn­

bar zu machen.

Wenn durch Zeichen

die Willenserklärung geschieht, so

müssen diese eine allgemeine Verständlichkeit gleich

den Worten besitzen.

Bei Stummen beruht die Handlungsfähigkeit darauf, daß sie sich solcher Zeichen zu bedienen wissen'). Der ausdrücklichen Erklärung steht entgegen

die stillschweigende, von welcher eine besondere Art die vermuthete

Erklärung ist.

DaS Stillschweigen muß,

von Handlungen begleitet sein, lassen').

um als Erklärung zu wirken,

welche mittelbar auf die Absicht schließen

ES gilt dann regelmäßig gleich einer ausdrücklichen Erklärung,

') StriethorstB. 30. S.248. 1. 38. D. XLIXV. 7. 1.17. D. XLVI. 2. 1.51.§.10. D. XLIV. 7. 1. 6 0. XII. 1. 1. 58. pr. D. XXVIII. 5. 1 9. §. 8. eod. Oest.GB§. 863. In der Unterschrift einer Urkunde liegt eine ausdrückliche Willens­ erklärung im Sinne des §. 60. I. 4 A L R- (O A G. München, in den Bl. für RechtSanwcndung B- 31. S. 156). ’) A.L.R. I. 5. §. 24. I. 12. ß. 26. II. 18. §. 16. A.G.O. II. 3. §. 7. •) Die Handlung kann auch im Sprechen von Worten bestehen, welche nicht direkt den Willen ausdrücken, aber indirekt auf ihn schließen lassen. Unger S. 104 Note7. Facta concludentia. Beispiele: 1.15. 8.1. D. XXXIII. 2. 1.18. pr. D. VIII. 6. 1. 57. pr. D. II. 14. 1. 2. §. 6. D. XLIV. 4. l- 74 pr. D. XXX VI. 1. u s. w.

§. 35.

Unbeschränkter Wille.

163

fall- nicht die Gesetze eine solche bestimmt erfordern'). Da- nicht von Handlungen begleitete Stillschweigen kann eigentlich al- Willenserklärung nicht angesehen werden. Wenn gleichwohl da- A.L.R. die- zuläßt, wenn der Schweigende sich erklären konnte und vermöge der Gesetze dazu ver­ bunden war, so tritt hier eine Vermuthung ein, die die fehlende Aeuße­ rung de- Willens ergänzen soll'). In jenem Fall ist der Entschluß sichtbar geworden, in diesem wird sein Vorhandensein dahin gestellt. Eine solche Vermuthung kann überhaupt nur eintreten, wenn e- das Gesetz bestimmt anordnet, sie verlangt immer noch thatsächliche Momente, die ihr zum Anhalt dienen müssen, und eS muß der Gegenbeweis, daß nicht oder anders gewollt sei, zugelassen werden').

II. Inhalt. §. 35.

Bornemann R.Gesch. S. 36.

a. Unbeschränkter Wille.

Koch, Pr. R. I. S. 235.

Wachter II. S- 652.

Unger II. S. 42.

Der Wille kann sich, was aus feiner Freiheit folgt, in Beziehung auf den Inhalt deö Entschlusses beschränken. Unbeschränkt ist die Willenserklärung, wenn sie da- Entstehen, die Veränderung oder daAufheben des Rechtsverhältnisses, so wie es die Natur desselben mit sich bringt, ohnb Weiteres vollendet. Der Inhalt einer solchen Willenser­ klärung hat, wenn sie rechtliche Wirkung hervorbringen soll, nothwendig Au» dem preuß. R. s. bei Heydemann S-173. Au» der Praxi»: Entsch. B. 21. S- 356. B- 22. S. 204. B. 23. S. 19 (Annahme eine» Schuldschein» ohne Wider­ spruch). B.29. S.66. Seuffert B.25.Nr.62.123.155.156.262.264.265.275. Striethorst B. 82. S. 245.

4) Z. B. A.L.R. I. 5. §. 38. I. 9. 6. 398. I. 11.8 465. 1.14 ß. 202. I. 16. $. 381. 1.18. §. 202. I. 20. §. 155. Ablös.Ges. v 2 März 1850 §. 40., dazu Entsch. B. 29. S. 48. Entsch. B. 24. S. 124. (Ausdrücklich erklärte Entlassung einer Tochter au» der väterl. Gewalt.) •) 1. 142. D. de R. J. qui tacet, non utique satetnr, sed tarnen verum est, eum non negare. Die in c. 43. de R. J. in Vito ausgesprochene Ansicht, qui tacet, conaentire videtur, ist nicht richtig. Savigny S. 248 Note a. eie ist nur ein Mißverständniß jener 1.142. In dem Grundsatz de» § 61. d. Tdrückt sich der Rechtszwang au». Die Kontumazialpräjudizien de» Preuß. Prozesse», der bekanntlich s.g. affirmative LitiSkontestation hat, beruhen hierauf. Beispiele bei Heydemann a.a. O. S 174 (A.L.R. I. 6. 6. 59. 1.9. §.332.421. 1.11 §.133. 136. I. 13. §. 14- 16. 127. 247. I. 16 §. 383 I. 21. §. 625. I. 22 §. 43. II. 2. §. 218. II. 18. §. 791). Beispiele au» der Praxi»: Striethorst B. 34. S. 267. ArnSb. Arch. B. 5. S. 495 (Licgenlaffen eine» unbestellten Lotterieloose»). Senf fert VII. 97. *) Ueber den consensus praesumtus und die ältere Ansicht, die e» zuließ, au« ganz allgemeinen Momenten, z. B. der bekannten Denkart auf den Willen zu schließen, s. Unger S. 109 Rote 17. Beispiele vermutheter Willen»erklärnng au» dem preuß. R. 1.5. § 6 117. 1.7. $.107.108. 1.11. §.1041-1045. 1.13. §119-128. I. 16. §. 98. 102.

Erste» Buch.

164

Die Grundbegriffe.

immer gewisse wesentliche Bestandtheile, d. h. er muß diejenigen Merk­ male anzeigen, welche den Begriff des betreffenden Recht-verhältnissenothwendig bedingen, ohne deren Vorhandensein da- Geschäft nicht gelten kann, und an denen jede Veränderung den Charakter des Rechtsgeschäft­ selbst ändert'). Dazu können noch s. g. natürliche Bestandtheile hin­ zutreten, die nicht nothwendig sind, aber so gewöhnlich al- Merkmale deVerhältniffeS vorkommen, daß man vermuthet, sie seien gewollt, wenn eine Erklärung über sie nicht abgegeben ist'). Hier steht also den Er­ klärenden frei, Abweichungen von der Regel eintreten zu kaffen. Endlich besondere, au- dem Wesen und der Natur de- Geschäft- nicht folgende Zusätze, z. Ä. Modifikationen der Erfüllung nach Zeit und Ort, welche nur angenommen werden, wenn die Parteien sie erklärt haben, und zu­ fällige (accidentielle) Bestandtheile genannt werden. Sie verdanken ihr« Festsetzung nur der Willkür der Parteien').

b.

Selbstbeschräukter Wille.

§. 36.

Bedingung.

A.L.R. I. 4. §. 99-144. I. 5. §. 226-229. 1.11. §. 258 fg. 1.12. §.61-64. 478-507.

Heydemaun I. S. 179 fg.

Gruchot I. S. 157—164.

Bornemann, RGesch.

S. 159 fg. System I. S. 163 fg. v. Daniels I. S. 289. Koch, Pr.R. I. S.246 fg. R. d. F. II. S. 234 fg.

S. 120—204.

Dernburg I. § 86—92. — v Savigny, System III.

Wächter II. S. 689 fg.

Fitting, über den Begriff der Bed.

in dem Archiv f. civilist. Praxis B. 39 (1856). S. 305—350.

Schönemann,

über das Wesen der suspenstv bedingten Rechtsgeschäfte in der Zeitschrift f. Civ.R.

u. Pr. N.F.B. 19. S. 1-54 (1861).

Wind scheid I. S. 209 fg. Erlangen 1871.

SinteniS I. §. 20.

Unger II. S- 56 fg.

Wendt, die Lehre von dem bedingten Rechtsgeschäft,

v. Scheurl, z. L. von den Nebenbedingungen bei Rechtsgeschäften,

1871.

Al- „Nebenbestimmung" der Rechtsgeschäfte bezeichnete man herkömm­ lich gewisse Erklärungen, die da- Entstehen oder Fortbestehen eine- Rechts­ verhältnisse- von Umständen abhängig machen sollten. Hierher wurde die 1) Z. B. 1. 72. pr. D. XVIII. 1. §. 34. J. II. 20. A.L.R. I. 11. §. 12. I. 12. §. 3. Zu den Effentialien gehört nicht, daß die Parteien dem Geschäft den richtigen RechtSnamen gegeben haben, wenn nur sonst au- ihren Erklärungen alle wesent­ lichen Bestandtheile de- von ihnen gewollten Geschäfts erhellen.

’) 1.11. § 1. D. de A. E. V. (juod si nihil convenit, tune ea praestabuntur, quae naturaliter insunt hujus judicii potestati. Z. B- daß Niemand Sache und Kausgeld zugleich nutzen darf, ist ein Naturale de- Kaufs. Daß fie abgeändert werden können: 1. 1 pr. D. XVIII. 6. ’) Hierher gehören die s.g. mündlichen Nebenabreden (I. 5. §. 127), die im preuß. Rleider eine so große Rolle spielen. Streitig ist, ob ein Naturale de- Geschäftdadurch, daß es Gegenstand der ausdrücklichen Erklärung geworden, ein Accidentale wird, z. B. ob das dem früheren ErbzinSherrn zugeftandene gesetzliche Vor­ kaufsrecht die Natur eines pactum adjectum erhält, wenn es im ErbzinSkontrakt ausdrücklich erwähnt ist- Koch und die Plenarentscheidung 93.42. S. 1 bejahen es;

Bedingung, die Befristung, die Verwendung-art gerechnet. Die Schrift­ steller über preußisches Recht haben sich bisher bei dieser Auffasiung be­ ruhigt') und werden vielleicht darin eine, freilich sehr äußerliche und ungenügende Rechtfertigung finden, daß da- Marginale des A.L.R. zu I. 5. 226. diese Erklärungen so bezeichnet, obgleich zu beachten ist, daß die- sonst weder im 4. noch im 12. Titel geschieht. Die gemeinrechtliche Wissenschaft dagegen in neuerer Zeit tiefer in diese Lehre eindringend hat in richtigerer Erkenntniß der Natur jener Festsetzungen eingesehen, daß hier von einer Nebenbestimmung nicht die Rede sein kann'), denn eine solche ist da- Zufügen einer Bestimmung von zwar untergeordneter aber doch selbständiger Art zu einer anderen, die durch jene an sich nicht be­ rührt wird, ein äußerliche- Beisetzen, so daß die letztere in ihrem Wesen unverändert bliebe, wenn erstere auch wieder gestrichen würde. Bei der Bedingung aber wird da- Wesen der Haupterklärung und da- Wesen de» durch sie hervorgerufenen Geschäft- in der Art ergriffen, daß, wenn sie nicht erklärt worden wäre, da- Geschäft ein wesentlich andere- wäre. Die Bedingung ist ein integrirender Theil der Hauptbestimmung. „Der Wille hängt sich kraft der Bedingung dergestalt an da- zur Bedingung gemachte Faktum, daß er seine Existenz mit der de» letzteren identifizirt"). So ist denn allgemein jetzt diese Auffassung fallen gelassen und man ist auch für da» preußische Recht durch jene Randbezeichnung nicht genöthigt, sie beizubehalten und der richtigeren Erkenntniß sich zu verschließen. Seit Savignh werden jene Erklärungen al- Selbstbeschränkungen de- Wil­ len- aafgefaßt, d. h. die Person will nur unter bestimmter Voraussetzung, sonst nicht, und diese Voraussetzung stellt sie sich selbst. Zwar ist hier­ gegen eingewendet worden'), daß der Au-druck Selbstbeschränkung de» Willen- zu weit sei, um ihn al- Kunstausdruck verwenden zu können, denn unbeschränkt sei eigentlich nie ein menschlicher Entschluß, da immer eine weitere Au-dehnung de» Willen- denkbar ist. Trotzdem wird da­ bei stehen zu bleiben sein, e» kommt nur darauf an, wa- man al- Gedie ältere Entscheidung B- 33. S. 296 hat e» verneint. Die letztere Ansicht dürfte für die richtigere zu erachten sein, weil eine solche Abrede keine andere Bedeutung haben kann, als da», «a» dem Gesetz nach für da» RcchtSvechältniß folgt, speziell auSzudrücken: e» wird nicht» demselben hinzugefügt, und die» gehört zum Be­ griff de» Accidentiellen, e» wird nur nicht» abgeändert an den Naturalien, e. Koch, Pr.R. I. S. 235 Note 2. Oben §. 10. S. 39. *) Meist wird de» Wort Nebenbestimmung in die Definition ausgenommen, so von vornemann, Daniel», und Koch nennt sie im R. d. F. sogar „Anhänge (Adjektionen)". Da» sächs. G-v- §. 108. nennt sie auch Nebenbestimmungen, deSgl. da» österr. §. 897. bei den Verträgen da» Marginale, dagegen nicht §• 696 , wo die Bedingung al» „Einschränkung de» letzten Willen»" erscheint.

s) Fitting a. a- O. S. 308. *) Huschle in der Zeitschr. f. Eivilr. und Proz. 8.15. S. 248. 4) Fitting a. a. O. S. 307.

Erste» Buch.

166

Die Grundbegriffe.

genstand der Selbstbeschränkung ansieht, ob den Umfang de» Millen»,

tote e» Savignh thut'), so daß derselbe ohne jene ein weiterer in seiner

Ausdehnung sein würde, oder da» Dasein desselben'), so daß er ohne

jene überhaupt nicht gewollt haben will.

Die letztere Ansicht ist die rich­

tigere. Mit dem Umfang des Willen», d. h. einem Mehr oder Minder desselben, hat jene Beschränkung nicht» zu thun, denn, wenn die Vor­ aussetzung zutrifft, hat der Wille seinen vollen Umfang, und wenn sie

ausfällt, fällt auch er ganz weg.

Dies führt dazu, daß e- sich hier nur

um unbeschränktes Dasein oder vollkommenes Nichtsein de» Willen­

handelt.

So erscheinen denn die Willen-entschlüsse, die sich an Bedin­

gungen u. s. w. anknüpfen, al» gewollte Selbftbeschräukungen de» Daseins

de» Willen», der dadurch in seiner Freiheit nichts einbüßt.

ES ist nicht

ganz scharf, aber doch auch nicht unrichtig, wenn man die Willenserklä­ rung als das sich Beschränkende ausieht, und hiernach die bedingte Wil­ lenserklärung als eine bestimmte Art und Form derselben, nebengeordnet der unbedingten, hinstelll'), denn da der Wille, so lange er innerliche»

Moment bleibt, auf dem Gebiet des Rechts überhaupt nicht in Betracht kommt, so ist nicht viel dagegen einzuwenden, wenn man hier den Willen

mit seiner Erklärung idenlifizirt.

Nur für die Entwickelung deö Begriff­

ist e» von Wichtigkeit, festzuhalten, daß der Wille beschränkt ist und erst in Folge dessen die Erklärung ebenso beschränkt sich darstellt.

E» ist ge­

sagt worden, nicht die Existenz des Willens, sondern die Existenz de- Ge­ wollten sei von der Bedingung abhängig gemacht — der Wille sei auch schon bis zur Entscheidung der Bedingung vorhanden und gebunden, denn

woher sollte sonst mit Eintritt der Bedingung der Wille entnommen wer­

den')?

DaS ist richtig, aber auch kein Einwurf gegen die Ansicht, daß

der Wille durch die Bedingung sich in seinem Dasein beschränke.

Denn

damit wird nicht behauptet, daß der Wille bis zum Eintritt der Bedin­

gung noch nicht existire, vielmehr existirt er wirklich schon, aber in gebun­

dener, beschränkter Weise und von dieser Gebundenheit wird er durch den Eintritt der Bedingung frei, indem er dann unbeschränkt entweder will

oder nicht will.

Folgeweise ist auch die Existenz des Gewollten von der

Bedingung abhängig, eS hat, ehe sich diese entscheidet, noch nicht sein vom Willen geschaffenes selbständige- Dasein erlangt — aber eben nur folge­ weise.

DaS Gewollte ist das Rechtsverhältniß, nicht daS Rechtsge­

schäft, welches nur die Mittel abgiebt.

Diese verschiedenen Auffassungen

haben natürlich auf die Definition-formel

der Bedingung

eingewirkt.

Mehr oder weniger werden bestimmende Momente darin ausgenommen, •) •) ’) ')

S. 120. Unger S. 56. 57 Note 3. Fitting'- Ansicht, gegen die sich Unger S. 57 erklärt. Windscheid S. 209 Note 2.

§. 36.

Bedingung.

167

die den Begriff enger oder weiter erscheinen lassen.

Savignh') und

mit ihm Andere") sagen: Bedingung heißt der Zusatz einer Willenser­ klärung, welcher das Dasein eine- Rechtsverhältnisses von einem künfti­

gen ungewissen Ereigniß auf willkürliche Weise abhängig macht.

Puchta:

Bedingung ist die Voraussetzung eines künftigen ungewissen Umstandes,

von welchem der Wille des Handelnden die Existenz des Rechtsgeschäfts

oder seines Inhalts ganz oder theilweise abhängig macht").

Fitting")

stellt dagegen auf: Bedingung ist die Abhängigmachung de» Willens von

der Wahrheit eines äußeren Umstandes.

Konkreter sagt Unger"):

Be­

dingung ist das Abhängigmachen des zu einem Rechtsgeschäft erforderlichen Willens von der Wirklichkeit eines subjektiv") ungewissen Umstandes. Endlich definirt Windscheid"): Bedingung ist die bei einer Willenser­ klärung gemachte Hinzufügung des Inhalts, daß die gewollte rechtliche Wirkung nur bei Vorhandensein eines gewissen Umstandes eintreten soll. In allen diesen BegriffSformulirungen wird die Bedingung als ein Mo­

ment des Willens oder der Willenserklärung hingestellt, es darf aber doch nicht übersehen werden, daß der Sprachgebrauch den Begriff der Bedin­

gung auch auf den äußeren Umstand selbst überträgt").

Wird nun hier­

des A.L.R. zusammengehalten:

„Eine Willens­

mit die Legaldefinition

erklärung ist bedingt, wenn das daraus entstehende Recht von einem Er­ eigniß, welches eintreffen oder nicht eintreffen soll, abhängig gemacht worden""), so wird man diese nicht unrichtig nennen und in ihr nicht finden können, daß die Bedingung nur als ein äußerliches Nebenmoment aufgefaßt ist. Indem zur Entwickelung der aus diesem Begriff sich ergebenden ein­

zelnen Merkmale vorgeschritten wird, werden zweifelhafte Fragen in an­

sehnlicher Zahl aufstoßen. a. Die Existenz eines Rechts (d. h. eine» Rechtsverhältnisse») ist von einem

Ereigniß abhängig.

Die» Ereigniß

ist entweder

lediglich ein

äußeres, dem Willen dessen, der die Bedingung setzt, und dessen, dem sie •) System B. 3. S. 121.

10) Heimbach im Rechtslexikon B. 1. S. 761. Arndts 4. A S. 70. 71. die Lehre von den unmöglichen Bedingungen, 1834, S. 10.

Sell,

") Pandekten §. 59

11) A. a. O. S. 337.

l,J

A. a. O. S. 56. ") Ob die Ungewißheit eine subjektive oder objektive ist, s. unten c. S. 168.

") A. a. O. S. 209. ") Hiernach geben den Begriff u. A. Wächter S. 689. 690. SinteniS, prakl. gem. Eivilr. 2. A. B. 1. S. 163. Seuffert, prakt. Pand.R. 2. A. B. 2. S- 91. Oft hat conditio in den Quellen nur die ganz allgemeine Bedeutung einer nähe­ ren Bestimmung des Willens, z. B. 1 9. pr. D. XX11I. 3. oder Vertragsbestimmung überhaupt. Siehe Windscheid, v. d. Voraussetzung S. 41—47.

") 8-100. d.

T.

168

Erste« Buch.

Die Grundbegriffe.

gesetzt worden, entzogene-, also zufällig, wozu auch gehört, wenn die Erfüllung der Bedingung dem Willen eine- Dritten anheimgestellt ist — oder in den Willen de- bedingt Berechtigten oder bedingt Verpflichteten gestellt, willkürlich (potestativ). Da- bloße Wollen der Pflicht Seiten» de- Verpflichteten bedingt nicht, wenn eS auch diesen Ausdruck erhalten (ei velit)"), ebenso wenig das bloße Wollen de- Berechtigten, denn dort fehlt eS noch an der Uebereinstimmung de- Willen-, durch die da- Rechts­ geschäft vollendet wird: die Entstehung desselben ist nicht von einem Um­ stand abhängig gemacht, e- ist vielmehr noch gar nicht geschloffen. Und hier ist die Verpflichtung von Anfang an unbedingt, da der Berechtigte z« jeder Zeit die Erfüllung verlangen kann"). Wohl aber kann sich der Wille de- Verpflichteten von einem Umstand abhängig machen, auf deffen Eintreten er willkürlich einwirken darf, und er ist dann rechtlich ver­ pflichtet, sobald er diesen Umstand herbeigeführt, oder die Handlung, welche al- Bedingung hingestellt worden ist, vorgenommen hat"); und ebenso wird die Verpflichtung unbedingt erzwingbar, wenn der Berechtigte den Umstand herbeigeführt, die Handlung gethan, von der er sein Recht abhängig gemacht hat. Die potestative Bedingung ist also eine wirkliche, nicht eine bloß scheinbare"). b. Da- Ereigniß muß ein bestimmte- sein. Hängt e- von der noch unbestimmten Willkür der betheiligten Personen ab, wa» sie alBedingung gelten lasten wollen, so fehlt der Erklärung die rechtliche Wir­ kung, weil sie noch inhaltlos ist. c. Da- Ereigniß muß ein ungewisses sein. Darin liegt in der Regel, daß sein Eintreffen oder Nichteintreffen der Zukunft angehört und die- drückt da- A.L.R. in den Worten an-: eintreffen oder nicht eintreffen „soll". Hier ist zunächst festzustellen, ob die Ungewißheit eine objektive, da» Ereigniß also in der That ein zukünftige» sein muß, oder ob eS ge­ nügt, wenn sie e» nur subjektiv, im Bewußtsein der Personen ist, so daß auch ein schon eingetretene» Ereigniß, dessen Eintritt aber unbekannt ge­ blieben, Gegenstand der Bedingung sein kann. Die gemeine Meinung verfangt objektive Ungewißheit, betrachtet also die auf vergangene oder der Gegenwart angehörige Ereigniffe gestellten Bedingungen nicht al» solche (cond. in praeteritum vel praesens concepta oder collata)"). **) Der Ausdruck potestativ ist quellenmäßig, I. un. §. 7. C. VI. 51. Siehe auch 1. 7 pr. I) de C. E. neque debet in arbitrium rei conferri, an eit obstrictoe. I 43. §. 2. D. de leg. I. 1. 17. 46. g. 3. 1. 108. §. 1. D. de V. O. 1.7. pr. D. de 0. E. L 8. de O et A. A.L R. I. 4. §. 108. Oesterr. Ges.B. §. SOI.

“) Entsch. B. 18. S. 151. *°) A. M. Fitting in Goldschmidt, Zeitschr. f. Handel«!. V. 126. **) Unger S. 64.

") So alle diejenigen, die in die Definition schon da« Moment de« Künftigen auf­ nehmen; Savigny S. 125. Koch, R. d. F. II. S. 235.

$. 96.

Bedingung.

169

Da- A.L.R. läßt solche Bedingungen zu, verlangt daher subjektive Unge­ wißheit — da- Merkmal de- Zukünftigen liegt in dem noch zu führenden Nachweise, daß die Begebenheit wirklich eingetreten oder unmöglich gewor­ den"). ES stimmt hier mit der neueren, offenbar richtigeren Theorie überein, denn da- conferre in praeteritum oder in praesens ist da» Entscheidende"). Ist die- in der Art geschehen, daß daran- die Kennt­ niß de» bereit» erfolgten Eintritt- au-gedrückt ist, dann ist freilich keine Bedingung vorhanden, sondern da» Recht ist gewollt oder nicht gewollt, weil der Umstand eingetreten oder unmöglich geworden"). Ferner fragt sich, ob Umstände, die mit rechtlicher Nothwendigkeit zu dem in Rede stehenden Recht-verhältniß gehören, al- besondere Bedingungen für daffelbe aufgestellt werden können (cond. Juris, quae tacite insunt). In der Regel wird anzunehmen sein, daß die bedingungsweise Form eine- solchen HervorhebenS da» Recht-verhältniß nicht bedingt macht; geht aber die er­ sichtliche Absicht der Parteien dahin, den Umstand, obschon er sich von selbst versteht, al- besondere Bedingung gelten zu fassen, so wird er auch al- solche aufzufaffen und von seiner Nichterfüllung der Wegfall deRecht- abhängig sein"). Da- A.L.R. erwähnt ihrer nicht. Sodann: können Ereigniffe, die nicht eintreten dürfen oder nicht eintreten können oder eintreten müssen, al- Bedingungen gesetzt wer­ den? WaS als Gegenstand einer Willenserklärung unerlaubt ist, darf auch nicht Gegenstand einer Bedingung sein"). Der Vertrag wird so­ weit, al- sich der Wille durch eine solche Bestimmung beschränkt hat, ent­ kräftet; bezieht sie sich also nur auf Nebenpunkte de- Vertrage-, so fallen diese weg, der Hauptinhalt aber bleibt bestehen. Bei einem Testament wird die unerlaubte Bedingung al- nicht beigefügt angesehen. Dies stimmt mit dem gemeinen Recht überein"). Unmöglich") ist die Bedingung, von der e- zur Zeit, wo sie von dem Erklärenden gestellt wird, bereit­ gewiß ist, daß sie dauernd nicht eintreten kann. Später eintretende Unmöglichkeit macht die Bedingung selbst nicht zur unmöglichen, spätere ") A.L.R. I. 4. $. 140 fg. Daß die- eine uneigentliche Bedingung sein soll, sagt es nirgend. **) Fitting S. 311 fg. Unger S. 61. ") 68 erscheinen hier die Erklärungen, die sich an solche Bedingungen knüpfen, alscherzhafte. Unger S- 62 Note 16. “) Ueber die conditionea Juris Bangerow I. S. 152. Savigny S. 122. Fit­ ting S. 311 fg. Unger S. 58 fg. «och, R. d. F II. 6. 235 fg. Eisele im Archiv f. civil. Pr. B. 54. S. 109. 1.19. §. 1. D. XXXV. 1: nisi forte hoc animo fnerat teatator, ut faceret conditionem. ") Ueber die unerlaubten Bedingungen n. gem. R. s Bangerow I. S. 155fg. N. III. Unger S. 83. Ueber unerlaubte Handlungen s. oben §. 28. S-149. ") I. 9. 14. D. XXVIII. 7. A.L.R. I. 12. §. 63. ”) Sell, die Lehre v. d. unmöglichen Bedingungen, 1834. Arndts, Beiträge S-161. Savigny @. 156. Unger S. 61. 90. Fitting Nr. 16. S. 323.

Erstes Buch.

170

Die Grundbegriffe.

Beseitigung der Unmöglichkeit macht sie zur möglichen. Momente

übersieht das A.L.R.

Diese wichtigen

Ist das Recht von dem Eintritt eines

solchen unmöglichen Ereignisses abhängig gemacht, so kann eS nur als nicht gewollt angesehen werden, die Willenserklärung ist kraftlos (nichtig).

Ist eS an den Nichteintritt gebunden, so ist es unbedingt gewollt.

Zu

einer Unterscheidung") zwischen relativer und absoluter Unmöglichkeit liegt ein praktisches Bedürfniß nicht vor.

Nothwendig") ist ein Ereigniß,

welches nach dem natürlichen Laufe der Dinge eintreten muß; es bedingt kann aber als Zeitbestimmung in Betracht kommen"), und wenn

nicht,

die Willenserklärung verlangt, daß eS nicht eintreffen soll, ist sie nichtig.

d.

Das Ereigniß soll eintreffen oder nicht eintreffen.

Hier­

nach unterscheidet man die affirmativen und negativen Bedingungen.

e. Von dem Ereigniß ist das aus der Willenserklärung entstehende Recht abhängig gemacht.

Dies geschieht in doppelter Weise"), entweder

soll daS Dasein des Rechtsverhältnisses mit dem Moment anheben, wo

die Ungewißheit sich

entscheidet;

hier trifft die Bedingung daS

Ent­

stehen deS Rechts, welches sie aufschiebt (suSpendirt). Oder daS be­ reits entstandene Recht soll in diesem Moment wieder aufhören; hier trifft die Bedingung daS Bestehen deS Rechts, welche- sie auflöst (resol-

virt).

So lange also die Ungewißheit noch dauert, so lange die Bedin­

gung schwebt, existirt im erste» Fall daS Recht noch nicht, im letzten

Fall dagegen in voller Wirksamkeit").

Ist eS nach

der Deutung der

Worte zweifelhaft, ob die Bedingung aufschieben oder auflösen soll, so ist bei noch nicht geschehener Erfüllung deS Geschäfts ersteres, bei schon ge­

schehener Erfüllung letzteres zu vermuthen"). f. Diese Eintheilung der Bedingungen in aufschiebende und

lösende ist von ihrer Wirkung

hergenommen, welche noch

gehenden Betrachtung zu unterwerfen ist.

auf­

einer ein­

Hierbei sind die zwei Zeit-

••) Wie eS Unger S. 80, Vangerow S. 160 thun. **) Unger S. 61. 78. I. 9. §. 1. I). de novat: qui sub conditione stipulatur, quae omni modo Cxstitura est, pure videtur stipulari.

*’) Al« Zeitbestimmung 1.79. pr. D. XXXV. 1

**) Unger S. 64 fg. ’*) Negotium purum, quod sub conditione resolvitur. 1. 2. pr. D. XVIII. 2. Aufgeschoben ist, oder aufgelöst wird nicht da« Rechtsgeschäft, sondern da« durch diese« gesetzt« RechtSverhätlniß. DaS Rechtsgeschäft nach seiner formalen Natur ist, auch wenn eS seine materiellen Wirkungen noch nicht eintrcten läßt, von An­ fang an perfekt. Richtig bezeichnend sagt Schönemann a. a. O. S- 42: „der Unterschied beider ist der einer negativen und positiven Wirkung; die Resolutiv­ bedingung vernichtet da» Bestehende, die SuSpensivbed. setzt zugleich etwa- Neue­ fest." Wenn Unger S. 65 Note 30. meint, hinau-geschoben sei die Entscheidung über daS Rechtsgeschäft, deffen Existenz sei in suspenso, so verrückt diese Ausfaffung den Standpunkt: daS Rechtsgeschäft ist wirklich abgeschloffen, gar nicht mehr in suspenso, aber daS RechtSverhältniß, die 4-erechtigung und Verpsiichtung, die durch dasselbe hervorgebracht werden soll, ist noch unentschieden. *') A.d'.R. 1.11 §. 263.

Bedingung.

§. 36.

171

räume zu unterscheiden: der der schwebenden und der der entschiedenen Ungewißheit.

1. Zustand während deS Schwebens").

In der Zwischen­

zeit von der Feststellung der Bedingung bis zu deren Entscheidung ist zwar das von ihr abhängig gemachte RechtSvcrhältniß noch nicht zu seiner Voll­

endung gelangt, die Wirkung der Willenserklärung ist gehemmt, trotzdem

aber ist der Wille deS bedingt Verpflichteten bereits gebunden, die Wil­ lenserklärung existirt und äußert, wenn auch noch nicht ihre volle, so doch

in einiger Beziehung Wirkung.

Eine bedingte Obligation ist- eine Obli­

gation, von der nicht einseitig zuriickgetreten werden kaun, das Recht auf den Ruckfall des Eigenthums an einer Sache ist mehr als bloße Hoff­ nung, es ist schon ein Anspruch.

ES ist also unrichtig zu sagen, bei der

aufschiebenden Bedingung existire noch gar keine Obligation und die auf­ lösende Bedingung wirke während deS Schwebens gar nicht"). Die Wirkungen

der aufschiebenden

Bedingung in der Zeit bis zu ihrer

Entscheidung sind vielmehr im Einzelnen folgende: Nicht das Recht selbst in seiner formalen, durch daS Rechtsgeschäft begründeten Existenz sondern

nur seine Ausübung, also seine materielle Wirksamkeit ist bis zur Ent­

scheidung über die Bedingung verschoben.

.Bis

dahin darf weder der

Verpflichtete noch der Berechtigte in irgend einer Art etwas vornehmen,

wodurch die für sie günstige, für den Andern nachtheilige Entscheidung herbeigeführt werten könnte: der künftig Berechtigte darf also weder hin­

dern, daß das Ereigniß eintrete, wenn sein Recht vom Nichteintritt ab­

hängt, noch dasselbe befördern, wenn letzteres vom Eintritt abhängt — bei Verlust de« Recht« selbst").

Nur die« ist gestattet, daß man durch

erlaubt; Mittel aus den Entschluß de« Dritten, wenn auf diesen die Be­

dingung lautet, einwirke"), und bei der potestativen geht e« au« ihrem

Begriff hervor, daß der Verpflichtete oder Berechtigte, je nachdem jenem oder diesem die Erfüllung obliegt, diese willkürlich herbeiführen oder nnterlaffen kann").

Sonach sind also alle Verfügungen hinfällig, die in

••) Wächter S. 696. 712. von Schönemann.

Windscheid S. 217.

Bcs. gehört hierher der Aufsatz

") Koch, R. d. F. II. S. 252. 258.

••) Daraus folgt: verhindert bei affirmativen Bed. der Verpflichtete den Eintritt derselben, so wird Existenz angenommen; befördert er bei negativen den Eintritt, so wird auch Existenz angenommen; befördert bei affirmativen Bedingungen der Berechtigte den Eintritt, so wird ihre Defizienz, und ebenso wenn er bei nega­ tiven ihren Eintritt verhindert, angenommen.- I. 85. §. 7. D. XLIV. 1. 1. 50. D. XVIII. 1. Heuser, kurhess Annalen B. 2. S- 121. Dresdner Annalen B. 2. S- 148. Das vorsätzliche Hindern nach §. 105.1. 4. ist nur ein Vornehmen, wel­ ches an sich den hindernden Erfolg hat, ohne daß die Hinderung de» Eintritts der Bedingung grade beabsichtigt zu fein braucht. Entfch. B-50. S. 23. L triethorst B. 51. S- 72 vergl. B. 27. S. 255. (Widerspruch. S. Koch, Erbrecht S. 252.)

••) I. 4. §. 107. ") §. 109. d. T.

172

Erste« Buch.

Die Grundbegriffe.

der Zwischenzeit getroffen, geeignet sind, das Recht in minderem Umfang, als es die Willenserklärung wollte, künftig übergehen zu lassen, und es entsteht eine Entschädigungsforderung, wenn der Berechtigte mit Rücksicht auf das künftig eintretende Ereigniß bereits im Voraus geleistet oder ge­ geben hat4* '). * * Die durch bedingte Willenserklärungen begründeten künf­ tigen Berechtigungen werden in derselben Art insbesondere auch auf die Erben übertragen, falls nach dem Tode des bedingt Berechtigten, der aber den Anfall der Erbschaft erlebt haben muß, die Erfüllung der Bedingung noch möglich, sie nicht durch den Tod selbst vereitelt ist. Ebenso treten an die Stelle de- bedingt Belasteten seine Erben und sie müssen seine Verpflichtung erfüllen, wenn daS Ereigniß eintrifft4*). Endlich kann für bedingte Rechte Pfand, Bürgschaft bestellt, Kaution gefordert werden, weil sie schon ein „rechtsbegründeter" Anspruch, ein durch WilleuSerkläruug „gesicherter" künftiger Anfall sind4'). Gefahr und Vortheil der Sache bleibt während der Schwebe bei dem, der sie bisher getragen oder ihn bezogen hat. Wenn der zukünftig Berechtigte schon etwas erhalten hat, muß er als Bewahrer oder Verwalter einer fremden Sache ange­ sehen werden44). Don Wirkungen der auflösenden Bedingung während de- Schwe­ bens kann keine Rede sein, es sei denn, daß man wegen Rücklieferung der Sache bei Eintritt der Bedingung eine Desorgniß hat, die zur Sicher­ stellung drängt. Die Befugniß, Kaution zu fordern, muß aber gleich bei der Einräumung des Rechts verlangt werden, sonst findet sie nur bei er­ heblicher Besorgniß4'), daß die Rückgewähr durch Schuld des Berechtigten vereitelt oder beeinträchtigt werden würde, statt und wenn eS sich um unschätzbare Rechte oder Vortheile handelt, tritt die Verbindlichkeit zur Uebernahme einer sicher zu stellenden und vom Richter nach den Umstän­ den zu bemessenden Konventionalstrafe an Stelle der Kaution. Sonst ist “) ?. HO. d. T. Wächter II. S. 700. Nr. 5. 1. 105. D. XXXV. 1. 1. 3. §. 3. C. VI. 43. ") Windscheid S. 219 Note 6. 1. 2. §. 5. v. XXXIX. 5. Widersprechend hier­ mit 1. 9. §. 1. D. II. 3. Da aber die Eheschließung die nothwendige Voraussetzung der dos ist, so liegt gar keine Bedingung vor (tacite inest). Sonst ist der Grundsatz vom Uebergang aus die Erben vielfach anerkannt; für die Erben de» Promissar»: § 4. J. 111. 15 §. 25. J. III. 19., für die Erben des Promittenten: $. 25. eit. I. 36. §. 1. D. VII. 1. 1. 8. pr. D. XV11I. 6 1. 57. D. XLV. 1. Bangerow I. S. 163 fg. Da» preuß. Recht weicht nicht ab. *») A.L.R. I. 14 §. 5. 249. 1.20. §. 14. — 1. 16. pr. D.V. 3. 1. 7. v. XXXV. 1. 1.14. §. 2. D. XL1I. 4. 4‘) 1. 8. pr. 10. v XVIII. 6. In ersterer Stelle ist zugleich gesagt, daß Verschlechte­ rung der Sache den Käufer treffe, d. h. derselbe muß die Sache so nehmen, wie sie sich bei Eintritt der Bedingung befindet. Fruchtgenuß 1. 8. pr. D. XVIII. 6. 1.4. pr. D. XVIII. 2., des Erben gegenüber dem bedingten Legatar: 1. II. D. XXX11I. 5. 1. 15. g. 6. 1. 24. §. 1. 1. 88. §. 3. v. XXXV. 2. 1. 18. pr. 1. 33. 57. pr. v. XXXVI. 1. — A.L.R. I. 11. §. 259. 4l) ArnSb. Jurist Monatsschr. I 407.

§. 36.

Bedingung.

173

der unter auflösender Bedingung Berechtigte frei in seinem Recht, er ist wirklicher Eigenthümer der Sache, er kann sie belasten und veräußern —

nur immer mit der ihr anhaftenden Resolutivbedingung, er genießt die

Früchte und Nutzungen uneingeschränkt.

2. Zeitpunkt der Entscheidung der Ungewißheit.

Die Un­

gewißheit kann sich nach zwei Seiten entscheiden: entweder wird die Be­ dingung erfüllt, sie kommt zur Existenz, oder sie wird nicht erfüllt, etritt Deficienz ein.

Ersteres geschieht bei affirmativen Bedingungen in

dem Augenblick, wo das Ereigniß wirklich, bei negativen, wo es unmög­ lich geworden, oder die gesetzte Zeit ohne Eintritt der Thatsache abgelau­ fen ist.

Letzteres umgekehrt ist vorhanden bei affirmativen, wenn e- un­

möglich, bei negativen, wenn eS wirklich geworden").

Die Erfüllung")

der Bedingung muß ganz so erfolgen, wie sie vom Erklärenden verlangt

worden; besteht sie also in einer Leistung, so muß sie vollständig geschehen, bloße Bereitwilligkeit zur Vornahme der Handlung genügt nicht"), auch

in der Regel nicht die Ersetzung der Leistung durch eine ähnliche"), ja die Erfüllung muß selbst dann geschehen, wenn der Inhalt der Bedin­

gung offenbar unnütz ist.

Jedoch wenn der Erklärende, ohne sich über

den bei Aufstellung einer solchen Bedingung gehabten Zweck zu äußern, verstorben, kann der bedingt Berechtigte auf deren Beseitigung bei dem

Richter antragen, der sie dann nach rechtlicher Erörterung mit allen dabei Betheiligten und bei befundener offenbarer Unnützlichkeit aufhebt.

E» ist

unbegreiflich, wie man hat meinen können, daß ein solcher Antrag außer

im Wege der Klage auch durch Einrede geltend zu machen sei.

Letztere­

ist gradehin unmöglich, denn da eS eine Klage auf Erfüllung der Bedin­

gung nicht giebt und geben kann, so ist auch die Gelegenheit nicht vor­ handen, eine solche Einrede auf Beseitigung der unnützen Bedingung zu erheben").

Die Erfüllung muß ferner zwar von demjenigen, dem sie

auferlegt ist, persönlich geschehen, doch treten die Erben an seine Stelle, «) A.L.R. I. 4. §. 102. 115. I. 115. pr. §. 1. D. XLV. 1. §. 4. J. III. 15. XXXV. 1. 47) Koch, R. d. F. S. 243. Unger S. 66. Windscheid S. 227.

1. 73. D.

48) Windscheid S. 228 Note 5. Der Ausspruch in c. 66. de R. J. in Vito: cum non Btat per eum, ad quem pertinet, quominus conditio impleatur, haberi debet ac si impleta fuiseet, ist nicht ein allgemeiner Grundsatz. Ueber die Er­ füllung einer Potestativen Bedingung, wenn sie unmöglich geworden, s. Heuser, Annal. II. 92. ") Davon nur zwei Ausnahmen bei letztwilligen Verordnungen: ist in einer solchen eine Bedingung Mehreren auferlegt, so genügt die Erfüllung Eines. I 12. §. 498. 1.13. pr. D. XL. 4. 1. 112. pr. D. XXXV. 1., und ist die Bedingung schon bei Lebzeit des Testator- eingetroffen, so hat es dabei sein Bewenden, nur wenn die Handlung wiederholt werden kann, muß dies geschehen. I. 12 tz. 501. 502. °) Die richtige Ansicht bei Koch a. a. O. S. 244. Der Ges.Revisor (s. Ergänz, zu §. 134. d. T.) dagegen hält unter Umständen auch eine Einrede für brauchbar. Daß es eine Klage auf Erfüllung der Bedingung nicht giebt, s. 1. 41. pr. D.

wenn das Recht selbst vererblich ist, welche- von der Bedingung ab­ hängt^'). Daß die Bedingung auch zur gehörigen Zeit erfüllt werden muß und daß, wenn diese ohne Erfüllung verstrichen ist, Deficienz vor­ liegt, versteht sich von selbst. Wenn mehrere Bedingungen verbunden auferlegt sind, so müssen sie sämmtlich erfüllt werden, wenn getrennt, so hat der Belastete die Wahl, welche er erfüllen will. Betrifft der Gegen­ stand die Zuwendung eines Vortheils an einen Dritten und schlägt dieser auS, so wird die Willenserklärung unwirksam, worin eine Abweichung vom gemeinen Recht hervortritt"). Wenn die bisherige Ungewißheit sich entscheidet, so wirkt die- bei den verschiedenen Arten der Bedingungen verschieden. Bei den aufschie­ benden, wenn sie zur Existenz kommen, tritt das Recht in volle Kraft"), wenn sie deficient werden, fällt eS weg, oder kommt vielmehr nicht zu seiner Entstehung. Ob im ersteren Fall die erfüllte Bedingung rückwir­ kende Kraft hat, ist eine viel besprochene und noch keineswegs zum AuS« trag gebrachte Streitfrage. Für da- gemeine Recht") wird von den Meisten zur Zeit noch die Rückziehung behauptet, obschon über die Recht­ fertigung derselben die Ansichten sehr auseinander gehen; nur vereinzelte Stimmen haben in neuerer Zeit sie bestritten. Wenn man von dem positiven Recht zunächst absieht und nur den Begriff an sich in» Auge faßt, so wird schwerlich die eine oder die andere Ansicht für die auSschließend richtige erklärt werden können. Die Vertheidiger der Rück­ ziehung sagen, bei der aufschiebenden Bedingung laute die Formel „ich will gewollt haben, wenn." Wer seinen Willen unter solcher Bedingung erklärt, meint Unger, der erklärt nicht, er werde den zu dem betreffen­ den Rechtsgeschäft erforderlichen Willen dann setzen, wenn diese» oder ") A.L.R. §. 161.162. d. T. ”) Im gemeinen R. gilt die Bedingung überhaupt für erfüllt, wenn die Erfüllung von der Mitwirkung eine« Dritten abhängt und diese versagt wird; e« ist nicht grade erforderlich, daß e» sich um einen Vortheil diese« Dritten dabei handle. 1. 5. §. 5. D. XXXVI. 2. 1.28. 74. pr. D. XXXV. 1. 1. 23. 1.11. D. XXVIII. 7., Savigny S. 138. Windscheid S. 228 Note 6, wo auch mehrere Beispiele au« den Quellen angeführt sind. ••) Es ist jetzt actio nata auf Erfüllung, der Besitz, Gefahr, Genuß geht über, der Ueberqang de« Eigenthum«, die Delation der Erbschaft vollzieht sich. i. 7. §. 14. D. XLII 4. 1. 38. §. 1. D. XLI. 2. 1. 8. pr. D. XVIII. 6. 1.4. pr. v. XVIII. 2. 1. 11. D. XXXV. 5. 1. 2. 10. §. 1. D. XXXV. 1.

M) Windscheid, die Wirkung der erfüllten Bedingung, 1852, und Pand. S. 223, Schönemann, in der Zeitschrift für EivR. u. Proz N- F. v. 19. S. 1 sind gegen, Fitting, über den Begriff der Rückziehung, S. 34 sg., Unger ©.70. 72. für die Rückziehung Koch, R. d. F. a. a. O. S. 254 fg. Da« französ. R. hat (Code a. 1179) rückwirkende Kraft angenommen. Da« österr. G.B. §. 1083. ist so unbestimmt wie da» A.L-R- Da« sächs G.B. 8-112. hat der ausschiebenden Bedingung die Rückwirkung beigelegt, wenn nicht Über die Absicht der Parteien ein Andere« erhellt. Der bairische Entwurf eine« bürgert. G B. v. 1861 nimmt ebenfalls die Rückziehung an. aber nur hinsichtlich de« Recht-erwerb«, nicht hin­ sichtlich der Fälligkeit- Art. 39.

§. 36.

175

Bedingung

jene- Creigniß eintreten sollte, sondern er setzt schon jetzt seinen Willen, und macht dessen Dasein nur noch von einem Umstand abhängig.

DaS

RechtSgeschSst ist schon jetzt abgeschlossen, eS muß daher, wenn sich die

Bedingung erfüllt,

nicht von der Erfüllung

Augenblick seines Abschlusses gelten.

dieser, sondern von dem

von denen,

Dem gegenüber wird

die eine Rückziehung leugnen, gesagt, die Formel laute: „ich will daS Geschäft (richtiger das Rechtsverhältniß, waS aus dem Geschäft hervor­ gehen soll) erst für den Fall, wenn sich ein gewisser Umstand entscheidet," die Bedingung in dem Sinne eine Befristung enthalte. Beide Theile be­

und eS müsse angenommen werden, daß deS

rufen

sie Setzenden

zugleich

sich auf den vermuthlichen Willen deS Erklärenden

That kann auch nur dieser entscheiden.

und in der

Die Rückwirkung ist

nicht eine

Frage deS Prinzips sondern der Interpretation, sie kann gewollt oder ausgeschlossen sein. Wenn der Wille aber einen sichern Anhalt zur Er­

klärung nicht bietet, so wird immer eher gegen als für die Rückziehung

zu vermuthen sein. Wie soll eö verstanden werden, wenn Unger zwar den Willen schon gesetzt, also zum Dasein gekommen sein läßt und doch zugleich sein Dasein vom Umstand abhängig macht?

Soll der Umstand

den Willen erzeugen, der gleichwohl schon erzeugt ist? DaS Rechtsgeschäft ist von Anfang an abgeschlossen, perfekt — aber daS von ihm geschaffene

Rechtsverhältniß ist noch

nicht von Wirkung und auS dem Ersteren zu

schließen, daß die RechtSwirknug bei Eintrittt der Bedingung znrückbezogen

werden müsse,

dazu

liegt ein

logischer Grund nicht vor.

Nimmt man

dazu, daß die Rückziehung grade darin, worin sie sich am meisten prak­ tisch fühlbar machen müßte, in der Herausgabe der während der Schwebe

genossenen Früchte nicht zugelassen ist, so gestaltet sie sich zu einem nur formalen Gedanken ohne reellen Werth. Gegen sie endlich spricht auch der Umstand,

daß dann die Verpflichtung deS

bedingt Belasteten eine

größere wäre, waS gewiß nicht vermuthet werden darf.

Ueberdieß ist eS

sehr zweifelhaft, ob in den einzelnen Fällen, wo man bisher in den römischen Rechtsquellen die Vorschrift der rückwirkenden Kraft gesehen, dieselbe wirklich anzunehmen sei.

Die neueren Forschungen im Einzelnen

haben den Glauben daran sehr erschüttert und daS muß mindestens zu­ gegeben werden, daß im ganzen corpus Juris keine Stelle sich findet, in

der die Regel als allgemein giltig bestimmt und klar ausgesprochen wird; wo sie indirekt in der Anwendung auf bestimmte Rechtsverhältnisse vor­ kommt, bleibt für eine andere Auslegung je nach der speziellen Sachlage überall Raum").

WaS daS preußische Recht angeht, so fehlt eS hierüber

") Siehe bes. Note 1- S. 224 bei Windscheid. gilt die Rückziehung 1.8. D XII. 1. Savigny V. 515. Note ck. Unbedingt ist die Rückziehung überhaupt von Nie­ mand hingestellt. Man unterscheidet zwischen Existenz und Ausübung des Rechts: aus letztere bezieht man die Rückwirkung nicht; ferner ist jetzt Einverständniß, daß

an einer klaren Entscheidung. ES ist nur gesagt, daß der unter einer aufschiebenden Bedingung Berechtigte die Wirklichkeit deS Ereignisses ab­ warten muß, „ehe er das Recht auSüben kann""). Dies ist der Deutung nach beiden Seiten fähig. Entweder war die Meinung, daß das Recht gleich erworben, und nur die Ausübung hinausgeschoben, oder daß, weil die Ausübung hinausgeschoben, auch das Recht noch nicht er­ worben. Im Titel von Verträgen ist gleichfalls nichts darüber entschie­ den, aber aus der Anwendung der suspensiven Bedingung auf Kauf und Uebergabe"), Erbeinsetzung und Vermächtnisse") geht hervor, daß eine rückwirkende Kraft nicht zugelassen ist. Die Aeußerung von Suarez"): „Die Doct. haben noch den Satz, daß conditio suapensiva existens retrotrahirt werde, diesen halte ich weder für richtig noch nöthig", be­ stätigt diesen Standpunkt für das A.L.R. im Allgemeinen. Bei der auf­ lösenden Bedingung hört das Recht mit dem Moment auf, wo die Be­ dingung erfüllt ist, und zwar, wie das A.L.R. nicht zweifelhaft läßt"), ohne rückwirkende Kraft, wenn nicht eine solche besonders gewollt ist. Dann äußert sich ihre Bedeutung dahin, daß der bisher Berechtigte die gezogenen Nutzungen zurückgeben muß. In zwei Fällen ist die Annahme einer solchen Absicht immer unzulässig: wenn die Bedingung dahin geht, daß der Begünstigte seinen Wittwenstand nicht ändere und wenn die Er­ füllung der Bedingung in der Willkür desien steht, der im Fall der Auf­ lösung den Vortheil hat"). Fällt die resolvirende Bedingung aus, so bleibt daS bereits begründete Recht unverändert bestehen. ES bedarf nur noch weniger Bemerkungen über die Wirkung der­ jenigen Bedingungen, die man uneigentliche zu nennen gewohnt ist, weil ihnen daS Moment der Ungewißheit und Zukunft zu fehlen scheint"). Hier sie bei bedingten Vermächtnissen nicht stattfindet, auch nicht in Betreff der Be­ urtheilung der Giltigkeit de- Rechtsgeschäfts an sich. Selbst Fitting, dessen Hauptwerk über den Gegenstand noch au-steht, hat neuerding« mehrere Zweifel an jener behaupteten Regel geäußert, sowohl bei bedingter Tradition, als bei be­ dingter Obligation. Wa« bleibt noch übrig? Den richtigen Grundsatz spricht sehr klar auS 1.26.D.XLV.3: ex praesenti vires accipit stipulatio, quamvis petitio ex ea snspensa est, d. h. wenn auch da« Rechtsgeschäft vom Zeitpunkt seine« Abschluffe« existirt, so ist doch die pelitio, seine praktische Wir­ kung, hinausgeschoben. “) §.162. d. T. ”) I. 11. §. 258. 259. “) I. 12 §. 478. 480. 482.

*’) Bei Bornemann, Syst. a- a- O. S. 167. •°) §. 115.116. b. T- Im gemeinen Recht wird die resolntio ex tune angenom­ men. Unger S. 76 fg. Dangerow I. S. 167. Dagegen Riesser in der Zeitschrift f. Eiv.R. u. Pr. B. 2 S 1. 270. Der bairische Entwurf eine« bürger­ lichem G.B. von 1861 nimmt die resolntio ex tune an, wenn e« nicht die Par­ teien anders gewollt haben. Art. 44. Ebenso da« sächs. GB §• 112. •') §. 120. 118. d. T. ") Koch, R. d. F. G. 262.

kann die Wirkung nur darin bestehen, daß entweder da- Geschäft als un­ bedingt abgeschlossen angesehen oder durch die Bedingung unwirksam ge­ macht wird. Erstere- ist der Fall, wenn vergangene Begebenheiten auf­ schiebend, nothwendige affirmativ, unmögliche und unerlaubte negativ gestellt sind. Letztere-, wenn vergangene Begebenheiten auflösend, noth­ wendige negativ, unmögliche und unerlaubte affirmativ gestellt sind. Unverständliche (s. g. perplexe) Bedingungen entkräften die Erklärung"). Bei den auf eine vergangene Begebenheit bezogenen Bedingungen gilt, weil die Entscheidung derselben mit Abgabe der Willenserklärung zufammenfällt, letzteres al- von Anfang unbedingt, was nicht, wie e- nach den Worten des A.L.R. den Schein hat, al- Rückziehung angesehen werden kann"). Derjenige, der den Erklärenden zu einem Irrthum über die Wirklichkeit oder Beschaffenheit de- Ereignisse- verleitet hat, darf au- der Erklärung keinen Vortheil ziehen; wenn also die vergangene Begebenheit nach dem Willen de- Erklärenden im Fall ihre- Eintritt- resolviren soll, so ist die- dann auch bewirkt, wenn der Begünstigte bereit- gewußt, daß die Begebenheit nicht eingetreten und er dennoch den Andern zur Auf­ stellung dieser Bedingung verleitet hat. Oder: wenn eine vergangene Be­ gebenheit bi» zu ihrem Eintritt suSpendiren soll, wird sie für deficient, mithin da- suSpendirte Recht für wegfallend erachtet, wenn der Begün­ stigte bereit- gewußt hat, daß die Begebenheit geschehen und den Erklä­ renden dennoch verleitet hat"). Einige Eigenthümlichkeiten der Bedingungen, je nachdem sie Geschäf­ ten unter Lebenden oder von TodeSwegen beigefügt sind, werden später noch zu besprechen sein. Hier nur noch zwei Bemerkungen. g. Bei der Lehre von den Verträgen ist die Regel ausgesprochen: „daß ein Vertrag unter besonderen Bedingungen geschloffen worden, wird nicht vermuthet""). Dieser an sich sehr triviale Satz findet seine größere Bedeutung darin, daß er für da- preußische Recht eine Streitfrage ent­ scheiden soll, die auch zu denen gehört, welche nicht zur Ruhe kommen können, nämlich die Frage nach der Beweislast bei dem s. g. qualifizirten Geständniß"). Nach preußischem Recht muß derjenige, der die Bedingt­ heit der Willenserklärung behauptet, dieselbe beweisen. “) Koch a. a O S. 274. A.L R. I. 4. §. 132. 1.12 §. 64. (»et letztwilligen »ersügungen werden sie wie die s.g. unmöglichen al» nicht beigesetzt angesehen.) “) §. 142. d. T.

") §. 144. d. T.

••) I. 5. §. 229.

•’) Wetzell, Liv Proz. S. 108, nennt e» indirekte- Leugnen. Siehe Unger II. 468. Gruchot B. 1. S. 497. B. 3. S. 386- Archiv f praktische RW. B. 9. S. 154. Zeitschr. f ER.u. Proz. NF. ö 19. S. 243 281.310. Pöschmann, über die Natur de» s g. qualifizirten Gest. 1863 (au» den Dresdner Annalen B. 5. abgedruckt). Die gemeinrechtliche Praxi- schwankt, namentlich in »eziehung auf die Suspensiv»

Förster, Preuß. Privatrecht, l, 3. Ausl.

12

Erste« Buch.

178

Die Grundbegriffe.

h. Endlich giebt es Willenserklärungen oder Rechtsgeschäfte, denen niemals Bedingungen beigefügt werden dürfen. Zwar sehr abweichend vom römischen Recht läßt das preußische aufschiebend bedingte Erbein­ setzungen zu, aber der Pflichttheil muß unbedingt hinterlaffen werden und die Antretung einer Erbschaft oder ihre Entsagung muß bedingungslos geschehen.

§. 37. Zeitbestimmung. A.LR. I. 4. §. 163—169. 1. 5. §. 230—246.

Gruchot I. 167.

Bornemann, System I. 175. R.Gesch. 184.

I. 254.

Heydemann I. 192.

v Daniels I. 293.

R. d. F. II. 275. — v. Savigny III. S. 204-226.

Unger II. 88.

Sintenis I. §. 21.

Koch, Pr.R.

Wächter II. 727.

Windscheid I. 241.

Man kann durch eine Willenserklärung (durch ein Rechtsgeschäft) ein Rechtsverhältniß mit der Beschränkung begründen, daß es entweder von einem gewissen Zeitpunkt ab, oder nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt seine Wirkung äußern soll. ES ist auch dies eine Selbstbeschränkung deS bedingung. So z B. Seufsert B. 1. S. 408. B. 2. S. 416. B. 8. S. 426. B. 18. Nr. 57. Zeitschr. f. Rechtspflege u. Verwaltung in Sachsen, v. Tauchnitz, N. F. V. 2. S. 80. Wochenbl. f. merkw. R.Fälle, v. Tauchnitz, 1849, S. 22 364 sg. 1857, S 312 462. Dresdner Annalen IV. 165. DaS RO H G. hat für die Beweislast des Klagers entschieden. I. S 74. 220. II S- 94. III. S. 167. 248 (hier besonders ausführlich begründet). IV. S. 128. Mag man die Bedingungs­ behauptung als Einrede oder Verneinung anffaffen, worüber unten -. 52, so wird die VeweiSlast doch immer in gleicher Weife zu regeln fein Denn dem Kläger ist in solchem Fall zwar kein volle- Zugeständniß vom Beklagten zu Theil ge­ worden; aber Beklagter hat doch auch nicht ganz geleugnet, und seine Erklärung — so weit sie zugestehender Natur ist — kann uicht ignorirt werden. ES widerspricht dem natürlichen Recht-gefühl geradezu, wenn man den Beklagten, der sich zwar mit dem Kläger in ein Geschäft eingelassen hat, aber nur bedingungsweise die- gethan haben will, für berechtigt erachten wollte, die GeschästSabschließung überhaupt zu leugnen, und deßhalb geschieht die- auch in Wirllichkeit nie. Prak­ tisch stellt sich die Sache vielmehr so: der Kläger muß da- Geschäft, wie er eS behauptet, beweisen — er wird aber deS Beweises insoweit überhoben, als diedurch da- Geständniß des Beklagten angeht, und dieser hat den Beweis über die Bedingung zu führen, den die Einen als Gegenbeweis, die Anderen als Einrede­ hauptbeweis (indirekten Gegenbeweis) bezeichnen, je nachdem sie eine solche Ver­ theidigung des Beklagten als Verneinung oder als Einrede ansehen. So ganz Unrecht hat die Glosse zu 1. 6. C. VIII. 36. nicht: duo videtur dixiese reus, sc. se promisisse et sub conditione promisisse. DaS Erstere befreit den Kläger vom Beweise, da- Zweite verlangt den Beweis vom Bellagten. Hat die­ ser die Bedingtheit der Verabredung erwiesen, so ist eS weiter Sache des Klägers, da- dadurch seiner Klage entgegengestellte Hinderniß zu beseitigen, indem er als Replik den Eintritt der Bedingung behauptet und nachweist. Bei der Reso­ lutivbedingung ist die Frage einfacher, weil hier die Willenserklärung von Anfang an unbedingt wirkt und diese Wirkung erst aufhört, wenn da- Ereigniß, die Be­ dingung eintritt. Dies hat eine mehr hervortretende thatsächliche Selbständigkeit, weil hier schon zugleich der Eintritt behauptet fein muß, und den hat der zu be­ weisen, der sich darauf beruft. Dresdner Annalen 1.124. DaS sächs. G B. §. 175. legt demjenigen, der die Bedingung behauptet, den Beweis auf, der bairische Ent­ wurf von 1861 Art. 69. dem Gegner. Vergl. Seufsert v. 26. Nr. 7.

j. 37. Zntbestimmung.

179

Willens, und zwar seine- Dasein-, nicht seine- Umfang-'). Im ersten Fall hat der Wille sein Dasein vom Eintritt, im letzten bi- zum Eintritt de- Zeitmoments, da- Dasein de- Willen- ist nach seiner Dauer be­ schränkt. Eben darum ist aber hier die Beschränkung nur eine äußere, im Gegensatz zur Bedingung, wo der Wille innerlich beschränk ist, und insofern kann die Befristung al- Nebenbestimmung aufgefaßt werden. Wichtig ist zunächst, wie die Zeit bestimmt wird. CS kann geschehen durch Angabe eine- Kalendertage-') oder durch Beziehung auf ein an einem be­ stimmten Tage eintretendes Ereigniß (z. B. Tode-tag de- A.) — in bei­ den Fällen spricht man von einem dies vertu», im letzteren Fall wohl auch von einem die» incertus quando, weil in beiden der Tag mit Noth­ wendigkeit eintritt, wenn auch int letzteren noch nicht gewußt wird, wann er eintreten wird. ES kann aber die Zeit auch gestellt werden auf ein ganz ungewisses Ereigniß, von dem nicht feststeht, ob es überhaupt jemaleintreten wird — dies incertus an et quando. Hier erscheint wegen der Ungewißheit des Ereignisse» die Zeitbestimmung als Bedingung, d. h. sie ist mit einer Bedingung verbunden. Wer dem Eintritt der Bedingung rückwirkende Kraft beilegt, muß sagen, daß der die» incertus an et quando nicht der Bedingung gleichbedeutend sei, sondern nur eine solche ne­ benher enthalte, daß hier Zeitbestimmung und Bedingung neben einander wirken und daß dies die Ausschließung der Zurückziehung erkläre'). Wer dem nicht Beitritt, kann ohne Weiteres den die» incertus als Bedingung ansehen'). Dies geschieht auch im A.8.R., welches eine eigentliche Be­ fristung nur da annimmt, wo der Zeitpunkt gewiß eintritt. Bon solchem Zeitpunkt kann sowohl der Anfang de» RechtSverhältnisieS, al» feine Dauer abhängig gemacht werden (ex die, ad dient oder nach dem neueren Aus­ druck terminus a quo und ad quem). Ist ein Anfangstermin gesetzt, so beginnt erst bei seinem Eintritt die Wirkung de- Rechtsgeschäft», d. h. da» Recht-verhältniß; da- A.8.R. drückt die» so auS: die Ausübung de» Recht» nimmt von da ihren Anfang. Das Recht selbst ist schon vor') Unger S 88 Note 2, der übriaenS bei seiner Darstellung dieser Lehre die Be­ griffe Rechtsgeschäft und Recht-verhältniß nicht genügend auseinander hält. *) Entweder wird gradezu da- Datum angegeben, oder indirekt dasselbe durch einen anderen Zeitpunkt bestimmt: eum, qui caleodis Jauuariis stipdlatur, ei adjiciat primie vel proximis, nullam habere dubitationem. Sed et ei dicat secundis vel tertiie, vel quibus aliis, aeque dirimit quaeetionem. 81 autem non addat quibus Jauuariis, facti quaestionem inducere, quid forte eenserit ... si autem non appareat, dicendum est, primae calendas Janua­ rius spectandas. 1. 41. pr. D. XLV. 1. •) Des. Fitting im Archiv f. civil. Praxis N. F. B. 39. S. 331—333. Ihm schließt sich Unger an, S. 92. 4) Als Bedingung wird der dies incertus an et quando von den meisten Schrift­ stellern angesehen, es ist die- die communis opinio. Mit Rücksicht auf die ver­ neinte Zurückziehung Windscheid S. 245 Note 5. Ebenso da- österr. G B. §. 704« Sachs. §. 114.

Erste» Buch.

180

Die Grundbegriffe.

her durch die Willenserklärung vollständig erworben und vererblich'); es

darf der Verpflichtete bis zum Zeitpunkt nichts vornehmen, was dann die Ausübung deS Rechts in irgend einer Weise beeinträchtigen oder vereiteln würde').

Ist ein Endtermin gesetzt, so will man, daß die Wirkung deS

Rechtsgeschäfts, das

Rechtsverhältniß

an diesem Tage wieder aufhöre').

Hier darf der Berechtigte in der Zwischenzeit nichts vornehmen, was nachtheilige Folgen für den,

an

der Gegenstand des Rechts zurück­

welchen

fällt, über die Zeit hinaus äußern würde.

In beiden Fällen, sagt zuletzt

das A.8.R., also beim Anfangs- und Endtermin behält derjenige, der die

Sache nach Ablauf der Zeit herausgeben muß, Nutzungen').

Hierdurch

die

inzwischen gezogenen

ist die Rückziehung, die nach preußischem Recht

auch bei den Bedingungen (§. 36.)

nicht anzunehmen ist, ausgeschlossen

und eS folgt dies aus dem Begriff und Zweck der Zeitbestimmung von Trotzdem scheint diese Regel nicht ausnahmslos richtig, denn es

selbst.

(siebt Rechtsverhältnisse, die einen Endtermin enthalten und bei denen die Rückgabe mit den inzwischen erwachsenen Nutzungen geschehen muß, z. B. Seihvertrag, Pfandvertrag, BerwahrungSvertrag').

Fällen

hat

doch

Allein in allen diesen

der Inhaber der Sache nicht daS Recht gehabt,

die

Nutzungen für sich zu ziehen, während die obige Regel nur an die Fälle denkt und denken konnte, wo der Inhaber die Nutzungen für sich zu ver­ wenden berechtigt ist.

tig").

So

aufgefaßt,

Auch die Zeitbestimmung

ist

die Regel als allgemeine rich­

kann als unmögliche beigefügt sein,

wenn eS schon bei ihrer Feststellung gewiß ist, daß sie nie eintreten kann.

Soll von einem solchen unmöglichen Termin daS Rechtsverhältniß begin­

nen, so beginnt eS niemals, das Rechtsgeschäft, wecheS es erzeugen wollte,

ist ungiltig; soll das RechtSverhaltniß an einem solchen unmöglichen Ter­ min endigen, so endigt eS nicht,

eS behält die ihm an sich inwohnende

Kontinuität, das Rechtsgeschäft ist also giitig und die Zeitbestimmung als

nicht beigefügt zu betrachten"). Es giebt Rechtsverhältnisse, die nothwen­ dig auf Zeit, d. h. auf einen Endtermin beschränkt sind, z. B. Leihe"),

eS giebt auch solche,

die eine solche Bestimmung nicht vertragen, z. B.

») Siehe die bei Gruchot a. a. O. citirten Stellen des röm. R. •) Das O.Trib. nimmt an, daß der Verpflichtete eine auf Lchmälerung oder Ver­ eitelung gerichtete Absicht gehabt haben muß. Berg!. §. 105. I. 4. Striethorst XXVII. 255. 7) DaS Recht hört ipso jure auf, es bedarf keiner besonderen aufhebenden WillenSäußeruiig. In Striethorst IV. S. 180 hat das OT. angenommen, daß auf die Nichtausübung des dem Käufer vorbehaltenen Rechts der Auswahl innerhalb der gesetzten Frist §. 169.1. 4 nicht Anwendung finde.

*) A.L.R. I. 4. §. 169. ') A.L R. I. 14. §. 41. I. 20. tz. 159 sg. I. 22. §. 238. 10) K o ch'S Angriff auf §. 169. I 4. ist daher inhaltlos. R. d. F. S. 277. n) DaS A L.R

hat hierüber keine Bestimmung.

A L.R. I. 22. §. 230. 231.

Unger S. 97.

§. 37. Zeitbestimmung.

Ehe.

181

Nach römischem Recht ist sie auch bei der Erbeinsetzung unzulässig,

nach preußischem Recht aber gestattet").

Der Unterschied zwischen Be­

dingung und Zeitbestimmung kann wenigsten- nach preußischem Recht nicht

in der Rückziehung gefunden werden, da diese, wie §. 36. erörtert, weder bei der aufschiebenden noch auflösenden Bedingung eintritt; auch nicht da­ rin, daß durch die Bedingung da- Rechtsgeschäft ungewiß gemacht wird,

bei der Befristung aber nicht"), denn erstere macht nicht das Rechtsge­ schäft, sondern nur seine Wirkung, daS Rechtsverhältniß, ungewiß. Wohl

aber liegt eben in der Ungewißheit der Unterschied, die bei dem dies certus überhaupt nicht, bei dem dies incertus quando nur relativ vor­

handen ist, und darin, daß die Bedingung auf die Ungewißheit eines Er­

eignisses gestellt ist, während bei der Befristung der Wille sich nicht von einem solchen, sondern nur von dem Eintritt eines Zeitmoments ab­ hängig macht. Wenn, was bei dem dies incertus quando häufig ge­

schieht, der Eintritt des Zeitpunktes

mit dem Eintritt eines Ereignisse­

verbünden erscheint, so ist eS eine Frage der Auslegung, ob der Erklä­

rende seinen Willen vom Ereigniß, oder vom Zeitpunkt abhängig gemacht

hat, jenes würde eine Bedingung sein, dieses eine nur durch Beifügung de» Ereignisses nähere Bestimmung der Zeit"). Endlich aber ist bei der Zeit niemals von einer Erfüllung die Rede, während bei einer Art der

Bedingungen (der potestativen) Erfüllung nothwendig ist Das potestative

Moment kann übrigens auch

bei der Zeit vorkommen, wenn dem Ver­

pflichteten überlassen ist, sie zu bestimmen").

Hier ist der Anfangstermin

der Erfüllung in die Willkür des Verpflichteten gestellt, nicht die Verpflich­ tung selbst.

pflichtung

Bestimmt der Verpflichtete die Zeit nicht, so ist die Ver­

mit seinem Tode verfallen.

Ist der Endtermin von seinem

Belieben abhängig, so kann man eigentlich nicht mehr von einer Verpflich­ tung sprechen, weil sie jeden Augenblick Unterlasten werden kann, jedenfalls

aber endigt sie mit dem Tode, d. h. ist nicht vererblich"). ") l. 12. §. 486. 1 54. D. XXIX. 2. I. 77. de K J. ") Wie Koch, R d F. S. 276 oben behauptet. Der Satz dies non suspendit bezieht sich auf da« Rechtsgeschäft, was gleich definitiv abgeschlossen, wirklich ge­ wollt ist, nicht aus seine Wirkung, da« Erzeugniß, da« Recht«verhältniß Daß auch bei der Bedingung da« Rechtsgeschäft von Anfang gütig ist, s. oben 8- 36. S. 169. Schönemann a. a O. Auch Unger verwechselt hier Recht-geschäft und R Berh. S- 88 Tie Existenz de« Geschäft» ist weder bei der conditio noch bei dem dies noch in Frage. >') Bergl. Seuffert B. 24. Nr. 226. Striethorst B. 85. S. 112 1«) A-L.R. I 5. §. 236 240 Bergl. Unger 6.98. 1.41.$.3-D. de leg III. Oesterr. G-V. §. 904. Da« Nähere hierüber in der Lehre v. d. Erf. der Verträge. ") 1. 4. D. XIX. 2.

Erste» Buch.

182

Die Grundbegriffe.

§. 38. Zweckbestimmung. «.LR. I. 4. §. 152-162. I. 5. §. 226. I. 12. § 61. 50«—513. 1.16. §. 200. I. S. 165.

S. 172.

Heydemann I. S. 189.

v. Daniel« I. S. 299.

Dernburg I. §. 93. Unger II. S. 160.

setzung, 1850.

Bornemann, R.Gesch. 180.

Koch, Pr.R I. S. 255

v. Savigny III. S. 226. 233. Sinteni« I. §. 21. S. 181.

Pand. I. S. 246.

Sruchot

System I.

R. d. F. II. S- 277.

v.Wächter II. S. 727.

Windscheid, v. d. Voraus­

Erxleben, condictio sine causa, 1853, II.

§. 14. S. 251.

Eine dritte Art der Willensbeschränkung besteht darin, daß der Er­ klärende dem Empfänger die Verpflichtung auferlegt, das Empfangene ganz

oder theilweise zu einem bestimmten Zweck zu verwenden.

Der Wille ist

hier nicht allein insofern beschränkt, als die Zuwendung, falls der Zweck

nicht erfüllt wird, nicht gewollt ist, sondern auch insofern, als wenn der Zweck erfüllt wird, die Zuwendung insoweit sich verringert. Daher, wäh­ rend bei Bedingung und Befristung die Beschränkung sich auf daS^Dasein

deS Willens bezieht, trifft sie hier fein Dasein und seinen Umfang, eS ist

Einschränkung und Beschränkung, der Wille will entweder überhaupt nicht,

oder weniger, als er ohne die Auflage gewollt hätte').

Im technisch ju­

ristischen Sinn kann nur diese Form der Willenserklärung als Auflage, oder, wie das A.L.R. sagt, als Endzweck (modus) aufgefaßt werden. Er setzt eine BermögenSzuwendung voraus, auf welche die Leistung ge­ legt, von welcher sie zu erfüllen ist. Weder das Geben auf Gegenleistung

bei zweiseitigen Geschäften, noch das Geben f ü r einen Zweck gehört hier­ her, denn in beiden Fällen gehört die Perpflichtung, die der Empfänger

übernimmt, zum Charakter des Geschäfts selbst, sie ist sein wesentlicher Hauptinhalt, während beim Modus die Zuwendung allein den Hauptin­

halt bildet, und die Auflage nur eine eigenthümliche Nebenbestimmung ist. Der ModuS kann daher

deren Natur nicht schon

nur

bei einseitigen Geschäften vorkommen, auS

eine Gegenleistung hervorgeht,

und eS ergiebt

sich auch hieraus, daß, wenn in neuerer Zeit behauptet worden ist, an die ') Unger ©. 101 Note 4. A. schenkt dem B. 100 und legt ihm aus, mit der Hälfte M Gelde« dem C. einen Grabstein zu setzen. Ursprünglich ist hier der Wille umsaffender, er will 100 schenken, und sofort schränkt er sich ein, indem er 50 dem Empfänger wieder entzieht Windscheid, Pand. S. 246 Note 1. polemisirt hiergegen, weil die Einschränkung nur den ökonomischen Inhalt der Erklä­ rung, nicht den Willen selbst treffe, also keine» juristischen »esicht«punkt enthalte. Allein e« ist doch der Wille, der die ökonomische Beschränktheit setzt, und insofern wird mit gutem Grunde gesagt, daß er sich selbst beschränkt. Die Beschränkung drückt sich aber hier nicht wie bei der Bedingung durch wenn (si), sondern durch damit (utj au«: vergl. 1.8. §. 7. D. XXV11I. 7. 1. 71. § 1. 1. 80. D. XXXV. 1: nec euim parem dicemus eum, cui ita datum sit: si monumentum fecerit, et eum, cui datum est: ut monumentum faciat. 1.44.D.XL. 4. 1.2. $.7. D. XXXIX. 5. 1 1. 2. 5. C. VIII 55. Der Ausdruck modus hat übrigen« in den Quellen auch sehr verschiedene und unbestimmte Bedeutungen, s. Böcking, Pand. I. S. 401. Dirksen, manuale e. v. Heumann, Lexik, s. v.

Stelle de- Modus müsse der Begriff der Voraussetzung treten, diese Auffaffung eine viel zu unbestimmte und allgemeine ist, bei der der tech­ nische Begriff deS ModuS verloren geht zu Gunsten eines Gattungs­ begriffs, der sich wegen seiner Allgemeinheit als Recht-begriff nicht ver­ werthen läßt'). Nach römischem Recht kommt der ModuS nur vor bei freigebigen Zuwendungen, d. h. bei der eigentlichen Schenkung und bei VermSchtniffen; ob auch bei Erbeinsetzungen, ist bestritten'). Unrichtig ist eS aber, einen ModuS nur da anzunehmen, wo die Auflage den Vortheil deS Empfän­ ger- der Zuwendung erzielt, da auch der Vortheil eines Dritten oder irgend ein Interesse deS Geber- der Zweck sein kann. Rach gemeinem Recht ist sogar im ersten Fall in der Regel überhaupt nicht eine Ver­ pflichtung, sondern nur eine Empfehlung, ein Rath anzunehmen. DaA.L.R. definirt den Endzweck nicht, sondern giebt nur eine Beschreibung, auS welcher hervorgeht, daß e- diejenige Auflage an den Empfänger, die deffen eigenen Vortheil zur Absicht hat, im Gegensatz zur Bedingung alModuS auffaßt. Die- ist aber zu eng, nur eine Art desselben (der s. g. modus Simplex). Darüber aber ist kein Zweifel, daß eine bestimmte Verwendung auch bei der Erbeinsetzung anferlegt werden kann'). Die Eigenthümlichkeiten, die der ModuS al- besondere- Recht-institut hat, sind folgende: der Berechtigte, dem die Verwendung zur Pflicht ge­ macht ist, tritt sofort in die Ausübung und den Genuß deS Recht-, der Modus suSpendirt nicht. Die Erfüllung deS Zwecks ist eine Verpflich­ tung deS Empfängers der Zuwendung, erfüllt er nicht, so verliert er daRecht. ES tritt in diesem Fall eine Auflösung des Rechtsverhältnisseein und zwar, obschon nach A.L.R. die resolvirende Bedingung nicht zu­ rückwirkt, außer wenn die- besonder- beabsichtigt worden, und im Allge­ meinen auf die Grundsätze von dieser Art Bedingungen beim Endzweck *) S. die Schrift von Wind scheid und dagegen die zutreffende Bemerkung von Böcking, Pand. V. 1. S. 388 Note a: „W s eigene Darstellung zeigt, wie ver­ schieden in Begriff und Wirkungen die mannigfaltigen Willen-bestimmungen seien, die wir als Voraussetzung bezeichnen und wofür weder unsere Recht-quellen noch die lateinische Sprache überhaupt einen entsprechenden Ausdruck hat." Auch sonst ist W.S Ansicht zurückgewiesen: Erxleben a. a. O. Vorrede S. VI. Bangerow übergeht sie ganz. Arndt- §. 75. dagegen. In der That ist die Lorau-setznng etwa« so Allgemeines, daß man e- nur als logische Kategorie auffaffen kann. Daß mit Ausdrücken wie: „bk Voraussetzung ist eine unenNvickelte Bedingung" für die Klarlegung de» Begriff» nicht- gewonnen ist, dürste nicht zweifelhaft sein. Zugegeben muß aber werden, daß Voraussetzungen oft von thatsächlicher Wichtig­ keit für Rechtsgeschäfte find. Ueber die mannigfachen Anwendungen, die hierbei denkbar find, siehe Wind scheid S. 1 fg. Ueber Voraussetzung und Bedingung s. auch Seufsert B. 16. S. 175. •) Savigny S. 227, und mit ihm die meisten Neueren, läßt den Modu» auch bei Erbeinsetzungen zu; Böcking a. a. O. §. 115. S. 403 beschränkt ihn auf Legate. Ebenso Rudorfs Note 1. zu Puchta, Verles. B. 1. § 63. ') A.L.R. I. 12 § 508.

Ebenso nach Sperr. R.

Unger S. 101 Note 7,

Erste- Buch.

184

Die Grundbegriffe.

verwiesen ist, hier doch immer mit rückwirkender Kraft, weil eS au» der

da die Zuwendung nur in Beziehung auf

Natur der Sache folgt, daß,

den Zweck geschehen,

wenn dieser vereitelt ist, auch jene nicht bei dem

Empfänger bleiben kann.

ES muß vielmehr die empfangene Zuwendung

zurückgegeben werden und zwar mit den gezogenen Nutzungen, und wenn ein Zurückgeben

nicht möglich ist,

so

tritt Vergütung an die Stelle').

Dadurch daß der ModuS eine Verpflichtung auferlegt, unterscheidet er sich wesentlich von der Bedingung, bei welcher, sofern eS sich um ein Erfüllen handelt, dieses der Willkür des Belasteten überlassen bleibt, sonst aber der

Eintritt von zufälligen Umständen abhängt.

Die Erfüllung des ModuS muß der Erklärung gemäß und innerhalb

der etwa gesetzten Zeit geschehen; doch kann durch etwa» AehnlicheS erfüllt werden, und die Erben besten, der den ModuS auferlegt hat, dürfen eine

solche Erfüllung Jahr

nicht anfechten, wenn sich ihr Erblaster wiffentlich ein

lang dabei

beruhigt hat.

Ist der ModuS in einer letztwilligen

Verordnung auferlegt, so soll die Erfüllung durch AehnlicheS immer zu­

lässig sein, wenn ohne Schuld des Bedachten die Erfüllung in der vor­ geschriebenen Art unmöglich geworden ist').

Die Verwendung muß dann

zu einer solchen Bestimmung geschehen, welche der Absicht des Erblassers

am nächsten kommt.

Ist auch dies nicht möglich, so behält der Erbe oder

Legatar die Zuwendung, eS wäre denn, daß auS der Verordnung oder den Umständen klar erhellte, daß ihm der Testator den Vortheil nicht zuge­

wendet haben würde, wenn er die Nichterfüllung des Zwecks voranSgefehen

hätte.

In diesem Fall muß also die Zuwendung zurückgegeben oder ver-

gütigt werden.

WaS die Unmöglichkeit der Erfüllung eines in einem Ge­

schäft unter Lebenden

auferlegten ModuS betrifft, so sagt das A.L.R.:

„Kann der Begünstigte die Erfüllung nicht leisten, so ist die Erklärung unverbindlich"').

Koch will dieses Gesetz auf den Fall beziehen, wo das

Geschäft noch in den Grenzen der Erklärung, d. h. unerfüllt ist, ob auch

die geleistete Zahlung ungiltig sei, hänge davon ab, ob der Geber sich den Zweck alS möglich gedacht, also geirrt habe').

aber unrichtig.

Diese Auslegung erscheint

DaS A.L.R. stellt in §. 158. d. T. den Fall des Nicht-

könnens und des NichtwollenS

einander

gleich, wie also im letzteren, so

muß auch im ersteren die gemachte Zuwendung rückgängig werden, ohne Unterschied, ob der Geber die Unmöglichkeit der Auflage gekannt hat oder

nicht.

DaS Zurückgeben ist aber, wenn etwas außerhalb eines Vertrage-

in Rücksicht auf einen vom Empfänger zu erfüllenden Endzweck gegeben •) Koch, R- d. ff. S. 285 fg. horst B 27. S. 139 fg. •) a.8 8t. I. 12. §. 511-513. *) §.158.1.4. •) «. d. Ford. II. S. 283.

§. 155. 116. d. T.

§• 200.1. 16. A.8.R.

Stritt-

oder geleistet, und dieser Endzweck durch Zufall unmöglich geworden, auf daS beschränkt, wa» der Empfänger in seinen Nutzen verwendet hat, und wenn die Erreichung de» Zweck» durch Zuthun de» Geber» vereitelt wor-den, auf da», wa» sich beim Empfänger noch al» Bereicherung befindet'). Wie etwa» zur Erfüllung eine» Zweck» gegeben werden kann außerhalb eine» Vertrage», ist freilich unklar, da auch die ob causam datio, welche offenbar diese Bestimmungen im Auge haben, au» einem vertrag-ähn­ lichen Verhältniß erwächst und ebenso ist e» durchaus ungerechtfertigt, die Zurückgabe in diesem Fall ander» zu normiren, al» im Fall eine» Vertrages. Kann") der Zweck auch von den Erben erfüllt werden, so sind sie dazu berechtigt und verpflichtet, wenn sie die Zuwendung behalten wollen. Es fragt sich, ob die Erfüllung des Zwecks, da sie eine Verpflich­ tung ist, durch Klage erzwungen werden darf"). Nach gemeinem Recht wird dies jetzt vorherrschend bejaht"). Nach preußischem ist eS zu ver­ neinen. Nur die Rückforderung des Zugewendeten oder die Klage auf Entschädigung ist statthaft, und daS Fundament einer solchen Klage ist schon die bloße Weigerung der Erfüllung"). Der Staat aber hat ein Klagerecht auf Erfüllung des Zwecks, wenn dieser auf Beförderung des gemeinen Besten gerichtet und in einer letztwilligen Verfügung anferlegt war"). Die Regel des gemeinen Recht», daß im Zweifel die Willenserklärung für den Modus und gegen die Bedingung auszulegen fei, ist zwar im A.L.R. nicht ausdrücklich ausgesprochen, aber auch für diese» anzunehmen, da der Grundsatz sich in einzelnen Anwendungen zeigt"). Nur rechtfer­ tigt er sich nicht daraus, daß der Modu» die geringere Beschränkung sei, sondern dadurch, daß er da» mehrere Recht gewährt, sofern diese» sofort in Kraft tritt"). ') I. 16. §. 200 fg. *•) Dies ist nicht der Fall, wenn der Zweck an die Person des Berechtigten gebun­ den ist. Striethorst B. 22. S. 66. ") Koch, F. d. F. II. S. 287. •*) Auch Kautionsleistung für die künftige Erfüllung kann verlangt werden, l. 40. §. 5. 1. 71. pr. §. 1. 2. 1. 80. D. XXXV. 1. 1. 19. dc leg. III. *•) Entsch. B. 37. S. 22 fg Striethorst B. 27. S. 139 f. “) I. 12. § 514. ") « L R. I. 4. §. 152. I. 12. §. 488. *•) Dagegen ohne Grund Arndt», Pand. §-74. Anm 4.

Erste» Buch.

186 §. 39.

Die Grundbegriffe.

e. Ntbeuiohalt der WillenSerNäruug: Btweg-ruud und Beschreibung.

A.L.R. 1.4. §.145-151. — Heydemann 1.187.

Pr.R. I. 258. 259

R d. Forder. II. 290. 293.

6. Daniel» I. 299. 301

Dernburg I. §. 105.

Koch,

Savigny

III. S. 112. 304.

Wenn bei einer Willenserklärung eine schon eingetretene oder künf­

tige Begebenheit oder Thatsache bloß

als vorausgesetzt angegeben

wird,

so daß sie als Ursache für die Erklärung erscheint, so kann eine solche

Anführung als Beweggrund

zwar zur Erklärung einer zweifelhaften

Absicht dienen, aber ist sonst die letztere klar, so hat sie, auch wenn sie

sich als unrichtig zeigt, keinen Einfluß auf die Giltigkeit des Geschäfts. Nur wer vorsätzlich den irrthümlichen Beweggrund hervorgerufen, soll daraus keinen Vortheil ziehen, keine Rechte ableiten, und wohlthätige Ge­ schäfte werden unkräftig, wenn erhellet, daß der ausdrücklich angeführte

irrige Beweggrund die einzige Ursache der Willenserklärung gewesen ist.

Diese Vorschriften stimmen mit dem gemeinen Recht überein'): auch hier ist Regel, daß die falsa causa nicht von Einfluß ist, daß aber die doli exceptio unter Umständen, namentlich dann erwächst, wenn feststeht, daß

sonst die Erklärung nicht erfolgt wäre.

Doch ist zu bemerken, daß dies

nur bei Legaten ex falsa causa vorgeschrieben ist, und für Geschäfte un­

ter Lebenden

im römischen Recht bestimmte Regeln sich nicht finden').

Ob eine Anführung in einer Erklärung als Beweggrund oder ander-,

z. B. als Bedingung, aufzufaffen sei, ist Sache der Auslegung im einzel­ nen Fall'), allgemeine Voraussetzung aber für die Berücksichtigung eine­

irrigen Beweggrundes ist es, daß er vor oder bei der Abgabe der Erklä­

rung angeführt oder ausgesprochen

sein muß, „denn so gewiß nur ein

ausgesprochener Wille bindet, so ist auch die einmal abgegebene Erklärung nur insofern anfechtbar, alS schon zur Zeit ihrer Abgabe da- Element,

woran die Anfechtung geknüpft werden soll, äußerlich erkennbar geworden ist. ES kann zwar in einzelnen Fällen die Ersichtlichkeit auch dadurch

hergestellt werden, daß nach der ganzen Sachlage da- von dem Erklären­ den später geltend gemachte irrige Motiv mit Evidenz als der allein denk­ bare Beweggrund hervortritt, dadurch wird aber jene Regel nicht anSge') Falsa causa non nocet.

Unger II. S. 52.

1. 72. §. 6. D. XXXV. 1.

Koch, R. d. F. II. S. 292 *) Beispiel aus der Praxis: Entsch. B. 18. S. 264. 274: „Die Erklärung der Be­ friedigung wegen des HauptanspruchS ist in Beziehung auf die Entsagung des Pfandrechts nur als ein Beweggrund anzusehen." Wie die Bedingung durch wenn, der Modus durch damit, so wird der Beweggrund durch weil auSgedrückt. Ueber den Unterschied von Modus und Beweggrund Heuser, Anual. HI. 228.

$. 40.

Form bet Recht-geschäfte.

187

schlossen"**). Daß bei einem schriftlichen Vertragt gerade auch der Be­ weggrund in der Urkunde auSgedrückt ist, ist nicht erforderlich, eS genügt, wenn er nur überhaupt ausgesprochen worden. Wenn übrigen- Koch an- den Worten „klar erhellen" den Schluß zieht, daß ein ErgänzungSeid nicht zulässig sei, so geht die- wohl zu weit. Bereits durch Zahlung, Uebergabe oder sonstige Leistungen vollzogene Geschäfte können nicht mehr wegen irrigen Beweggründe» angefochten werden, wenn nicht überhaupt die Bedingungen der Kondiktionen vorliegen*). Falsche Beschreibung in einem Rechtsgeschäft ist ebenfalls — wie nach gemeinem Recht — un­ schädlich, vorausgesetzt, daß die Identität der Person oder Sache sonst nicht zweifelhaft ist'). Wäre die- der Fall, so müßte gezeigt werden, daß, wenn der Irrthum nicht dazwischen getreten, die Erklärung nicht so er­ folgt wäre, oder daß vorsätzliche Erregung deS Irrthums stattgefunden hätte. Nicht der Name oder die Bezeichnung der Sache, sondern diese selbst ist der Gegenstand der Willenserklärung und diese daher nur dann ungiltig, wenn Uber die Sache in Folge der falschen Beschreibung eine Differenz obwaltet').

§. 40. III. Form der Rechtsgeschäfte. A.LR. r. 3. §. 40—44. I. 4. §. 94. 95. Heybemaun I. S 155. 178. Bornemana, R.Gesch. S. 157. Koch, Pr R. I. 245. R. b. F. II. 6. 154-221. Arndt» in Ulrich'» Arch. B. 1. S. 132. Meyer, die Schrift in ihrer bedeut, f. pr. R- 1855. Bornemann, Erörter. H. 1. unb die Recht-entwickl. in Deutsch! und bereit Zu­ kunft, 1856, S. 5. Dernburg I. §. 97. Savigny III. 237. Wächter II. 767. Unger II. 113. Windscheid I. 165. Bölderndorf, die Form der R.Gesch., 1857. Jhering, Geist de» räm. R. II. §.45—47.

Jede Aeußerung des Willens ist gütig und wirksam, wenn sie von einer willensfähigen Person ausgeht, sich auf einen Gegenstand bezieht, über welchen diese zu diSponiren befugt, an sich frei, ernstlich, gewiß ist und die Gesetze nicht eine bestimmte Form vorgeschrieben oder die Par­ teien eine solche verabredet haben. In der Regel ist die Beobachtung einer äußeren Form bei Errichtung eine- Rechtsgeschäfts nicht erforderlich, eS bedarf dazu einer besonderen Vorschrift oder einer besonderen Verab­ redung. Diesen Grundsatz theilt zwar das preußische Recht mit dem ge­ meinen, aber e» wird später bei den einzelnen Rechtsgeschäften zu zeigen «) Entsch. SB. 33. S- 27. Striethorst B. 22. S. 107. •) Striethorst «. 21. S. 128. •) 1. 9. 8.1. D. XVIII. 1 1. 4. C. VI. 23. Unger II. S. 128. Savigny III. S. 306, vergl. auch Donell, ad 1. 32 de V. O. ’) Beispiele au» bet Praxis: Striethorst B. 20. S. bl. B. 32. S. 271. Entsch. B. 31. S. 414.

fein, wie im preußischen Recht durch die große Bedeutung, die die Form­ vorschriften in ihm haben, die Anwendung jenes Grundsatzes in bedenk­ lichster Weise eingeschränkt ist. Hier sind nur die allgemeinen Gesichts­ punkte zu erörtern. Wenn das Gesetz eine Form für eine Handlung oder Willenserklä­ rung vorschreibt, so muß sie beobachtet werden, und ans ihrer Berabsäumung erfolgt dann die Nichtigkeit der Erklärung oder Handlung, wenn da» Gesetz ausdrücklich die Giltigkeit deS Geschäfts davon abhängig ge­ macht hat. Doch ist auch hier die Form niemals der Grund (causa) des Rechts und der Verbindlichkeit, dieser bleibt das Geschäft selbst und wird nur durch die Form mit Giltigkeit bekleidet'). Sonst soll die Form nur zur mehreren Gewißheit und Beglaubigung, also nur als Beweismittel, dienen'). Im ersten Fall kann eine solche nichtige Aeußerung des Willens niemals später giltig werden'), und wenn sie in der vorgeschriebenen Form wiederholt wird, gilt sie erst von diesem Zeitpunkt. Hiervon macht nur der §. 10. besprochene §. 17. der Einl. j. A.8.R. eine ganz vereinzelte Ausnahme. Haben die Parteien eine besondere Form verabredet, so hängt davon die Giltigkeit des Geschäfts ab4*).****Ist 7 im Gesetz die Form nur unter Androhung einer Strafe für ihre Verabsäumung geboten, so bleibt trotzdem das Geschäft bei Bestand"). Daß die Form nach dem Gesetze deS Orts zu beurtheilen ist, wo das Geschäft errichtet worden und nach dem Gesetz zur Zeit, in welcher eS errichtet worden, ist ebenfalls schon erwähnt (§. 10. 11.)*). Auch diese Grundsätze stimmen mit denen deS gemeinen Rechts, insbesondere gilt auch hier, daß die gewillkürte Form die RechtSgiltigkeit des Geschäfts bedingt'). Während aber das gemeine Recht noch den BerfprechungSeid in gewissen Fällen als formelle Bekräf­ tigung des Geschäfts zuläßt*), ist dieser dem preußischen Recht unbekannt, welche» nur eine Formgattung, nämlich die Schriftlichkeit aufgenom') Koch, R. d. F. II. S. 155. Dadurch, daß die Form niemals causa oblig. ist und doch die Nichtbeobachtung derselben das Geschäft nichtig oder ungiltig macht, ist ihre Bedeutung im Rechtssystem eine unklare geworden. S. Koch daselbst S. 218 fg. Anders im alten röm. R, die Stipulation, Acceptilation waren caueae, im neuen Recht ist es der Wechsel. ') Entsch. B. 1. S. 22. B. 9. S. 88. B. 10. S. 276. B. 16. S. 107. B. 17. S. 67. B. 18. S. 250. B. 21. S. 192. B. 28. S. 102. Striethorst B. 34. S. 325. •) 1. 29. de R. J. quod initio vitiosum est, non potest tractu temporis convalescere. 4) I. 5. §. 116. Simon und v. Strampff, Rechtspr. I. S. 129. •) I. 5. §. 110. Verwendung von Ctempelpapier. •) Einl. z. A.L.R. tz. 16. 23. 1.5.?. 111. Striethorst B. 29. S. 95. 7) pr. J. III. 23. 1. 17. C. IV. 21. *) Wenn ein Unmündiger das mit Zustimmung seines Vormundes abgeschloffene Ge­ schäft beschwört, so giebt er daS Recht aus Wiedereinsetzung in den vor. St. auf, 1. 1. C. 11. 28., und wenn eine Partei einen für sie anfechtbaren Vertrag beschwört, verzichtet sie auf die Anfechtung. Wächter II. 772.

§. 40.

189

II. Form der Rechtsgeschäfte.

men hat, diese aber unter verschiedenen Arten.

Man unterscheidet Pri­

vaturkunden und öffentliche.

Erstere sind schriftliche Erklärungen

ohne Beglaubigung einer Behörde.

Sie beweisen daher, wenn ihre Echt­

heit bestritten ist, nicht ohne Weitere-, sondern bedürfen der Anerkennung (Rekognition) dessen, gegen den ihr Inhalt beweisen soll, oder seiner eid­

lichen Ableugnung (Diffession)"). Die öffentlichen Urkunden sind entweder gerichtliche

oder

außergerichtliche.

Erstere'"),

wenn

über

da-

Rechtsgeschäft der Richter eine schriftliche Urkunde (Protokoll) ausgenom­ men hat. Eine solche kann entweder von jedem Richter erster Instanz, dem die Ausübung der freiwilligen Gerichtsbarkeit beigelegt ist"), oder

nur von demjenigen Richter, der in der

Sache zuständig ist (;. B. vor

dem Gericht der belegenen Sache) ausgestellt werden,

nur Beglaubigung

sie kann entweder

einer schon errichteten Privaturkunde sein, oder den selbst enthalten. Solche gerichtliche Urkunden be­

Inhalt des Geschäft-

dürfen nicht der Rekognition, sie sind nur anfechtbar wegen Mangels der

dafür vorgeschriebenen

Form

(;. B. wenn das Gericht nicht gehörig be­

setzt, der Richter nicht kompetent gewesen, Partei genehmigt und

unterschrieben

das

worden)

Protokoll nicht von der

und wegen Nichtüberein­

stimmung der niedergeschriebenen Erklärung mit dem Willen der Parteien (wegen Schein und Irrthum)").

Außergerichtliche öffentliche

Urkunden

sind alle, welche von andern Behörden entweder Uber Erklärungen der

Parteien oder über eigne Amtshandlungen ausgestellt sind.

Klasse von Urkunden

sind

besonder- die

Unter dieser

notariellen hervorzuheben.

Notare sind Beamte de- Staat-, denen die Ausübung der s. g. freiwilli­ gen Gerichtsbarkeit in Konkurrenz mit den Gerichten übertragen ist"), so

daß die Parteien mit Ausnahme weniger Fälle, in denen die gerichtliche Form allein zulässig ist, die Wahl haben, ob sie daö Geschäft notariell

oder gerichtlich errichten wollen.

Die notariellen Urkunden haben gleiche

Kraft mit den gerichtlichen, können daher auch nur wie diese angefochten

werden, sie unterscheiden

sich von ihnen nur durch äußerliche Förmlich­

keiten, indem sie die Zuziehung von Zeugen und besondere Bescheinigun­ gen oder amtliche Versicherungen verlangen, daß der Notar bei Aufnahme derselben gewisse gesetzliche Vorschriften, die theil- seine Person, theil- die

der Zeugen betreffen, beobachtet habe.

Durch diese Zusätze, die ein un-

nöthigeS Häufen von Förmlichkeiten bewirken, erhalten die notariellen Ur-

•) A.G.O. I. 10. §. 123—168. ••) A.G.O. I. 10. §. 133. **) Seit der Gerichtsorganisation ourch da» Gesetz v. 2. Januar 1849 haben die Ge­ richte 2. Instanz keine freiwillige Gerichtsbarkeit. Sie ist den zweiten Abtheilungen der Kreisgerichte beigelegt. ”) A.G O. I. 10. §. 126. ") Striethorst B. 59. S. 280.

künden Schwerfälligkeit"). Andere außergerichtliche Urkunden sind wegen Unrichtigkeit des Inhalts anfechtbar, und wenn sie auf Grund von Zeu­ genaussagen Bescheinigungen geben, so hängt ihre Glaubwürdigkeit von den Zeugen ab"). Alle schriftlichen Urkunden müssen die Unterschriften der Aussteller haben, ohne diese haben sie keine Bedeutung"): die Privaturkunden die der Personen, deren Erklärung sie enthalten, die öffentlichen außerdem die verfassungsmäßige Unterschrift der Behörde, bei gerichtlichen also die deGerichtSdirektorS oder AbtheilungSdirigenten, bei notariellen die des NotarS mit Beifügung feines Amtssiegels, bei Urkunden der Verwaltungsbehörden die des Vorstehers der Behörde und des Justitiars derselben "), bei Ur­ kunden der Stadtbehörden die des Magistratsvorstehers"). Für Militärpersonen im Felde und für die zur Kriegsmarine gehö­ rigen Personen, wenn ihr Schiff in Dienst gestellt ist, gelten besondere Vorschriften über die Form ihrer Rechtsgeschäfte, welche erst bei den ein­ zelnen Geschäften näher besprochen werden können. An die Stelle der Gerichte oder Notare treten dann für sie die Auditeure oder kommandirte Kriegsgerichte"). Der Inhalt der schriftlichen Urkunde unterliegt den gewöhnlichen AuSlegnngSregeln; ist in ihr etwas unleserlich, so kann der Inhalt dieser Stelle durch jedes zulässige Beweismittel bewiesen werden'"). Ebenso wird daS Dasein einer abhanden gekommenen Urkunde und der Inhalt einer solchen durch die gesetzlichen Beweise ermittelt. Ist aber eine Ur­ kunde vorsätzlich von demjenigen beseitigt, gegen den sie beweisen soll, so wird, in Uebereinstimmung mit der herrschenden gemeinrechtlichen Ansicht, die Angabe des Andern von dem Inhalt so lange für richtig angenom­ men, bis das Gegentheil klar erwiesen ist"), ohne daß eS der Beeidigung des Inhalts bedarf, die eine andere, widersprechende Stelle zuläßt"). “) Met Crb. v. 1t. Juni 1845 (G.S. S. 487), sie ist der rhein.preußischen v. 25. April 1822 nachgebildet. — Ueber Solennität«- und veweiszeugen s. IHering in Jahrb. f. Dogm. II. S. 293. Unger II. S. 132 Note 13. Die Zuziehung von Zeugen ist bei notariellen Beglaubigungen von Urkunden, die dem Grundbnchamt vor­ gelegt werden, nicht erforderlich. Gr.B.O. §. 33. ") «.® ö. I. 10. §. 127. — Nach dem Edikt vom 27. Juni 1811 §. 9. babm die LicitationSverhandlnngen, welche von Regierung-beamten über Veräußerung von Domänen und Forsten ausgenommen werden, die Kraft gerichtlicher Urkunden. Siehe Präj. des O-Tr. v. I. 1832 in der Samml. B. 1. S. 319. '•) DaS Wort „vollzogen" in §. 42 I. 3. §. 118. I 5. *’) K.O. v. 31. Dezbr. 1825 >G.S. 1826 S- 5. N. VIII.). Eiche Präj. de» O Trib. 512. 1544 (Samml. v. 1. S. 359). ") Städteordn. v. 30. Mai 1853 §. 56. Nr. 8 .G.S. S. 281). '•) Gef v. 8. Juni 1860 (G.S. S. 240). Aelteres R. die K O. v. 2. Septbr. 1815. »•) 1. 5. 8 130. 263. . »') I. 5. §. 170. «) A.G.O.I-10.8.120. Koch, R.d.F. ll.S.183fg. Heydemann S.223 giebt der A G.O. den Vorzug. S. Entfch. B. 40. S. 296. Gef-Revif. Pens. XIV. S. 99.

§.41. Ungiltigkeit der Rechtsgeschäfte und deren Heilung. Koch, über den Unterschied v. Nichtig!, u. Ungilt. d. R.gesch. in d. jurist. Zeitung 1838 S. 87V. Pr.R. I. S. 295. Bornemann, R.gesch. S. 188. Dcrnburg I. $.77—79. Savigny, System IV. S. 536. 549. Wächter II. S. 655. Unger II. S. 140.

Sinteni» I. §■ 24. der R.gesch. 1847.

Windscheid, jur Lehre des Code Nap. über die Ungiltigkeit Pand. 1. S. 194. 200.

Zachariä (Anschütz) I. S- 83.

ES würde an sich kein besonderer Fehler eine- Gesetzbuchs sein, wenn eS Definitionen nicht aufslellte, dann aber müssen wenigsten» die Begriffe selbst und ihre Folgen in den einzelnen Anwendungen scharf fest­ gehalten werden und das zweckmäßigste Mittel dazu ist eine bestimmte Terminologie. Daß diese dem A.L.R. fehlt, ist bereits mehrfach hervor­ gehoben — aber fast in keiner Lehre zeigt sich dies so nachtheilig und so auffällig als bei der von der Ungiltigkeit der Rechtsgeschäfte. Allgemeine Regeln über diese giebt weder Tit. 3. noch Tit. 4.; welche Wirkungen die Mangelhaftigkeit eine» RechtSgeschäfS äußert, wird bei den einzelnen In­ stituten zwar angegeben, aber dabei werden so verschiedene Ausdrücke von so unbestimmter Vieldeutigkeit gebraucht, daß man fast nie mit Sicherheit auS dem Wort des Gesetze» schließen kann, welche Art oder welcher Grad von Ungiltigkeit anzunehmen ist. Selbst die scheinbar schärfere termino­ logische Scheidung von nichtig und ungiltig bei dem Abschnitt von der Ehe') ist nicht hinreichend ausgebildet. Es ist daher auch ungemein schwer, eine allgemeine Theorie des preußischen Rechts hierüber einleitend vorzutragen, da bei jedem einzelnen Rechtsinstitut untersucht werden muß, ob unter gewissen Voraussetzungen Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit, al» die beiden begrifflich verschiedenen Arten der Ungiltigkeit, anzunehmen sei. Um daher über diesen Gegenstand im Allgemeinen einige Klarheit zu ge­ winnen, ist eS besonder» nützlich, auf die Theorie deS gemeinen Recht» zurückzugehen, welche» sowohl durch die Bestimmtheit der quellenmäßigen Ausdrücke, al» durch die Ausbildung, die diese Begriffe durch die Wiffenschaft erfahren haben, eine sichere Leitung bietet. Grade weil das A.L.R. keine Theorie aufstellt, sondern sich in allerlei Unbestimmtheiten verliert, stößt eS auch die richtige Theorie nicht zurück, und eS liegt der Wissen­ schaft ob, eine solche mit Hilfe de» gemeinen Recht», welches der Natur der Sache entspricht, für da» preußische zu gewinnen. Die Recht-beständigkeit einer Willenserklärung hängt von der Rich­ tigkeit der juristischen Thatsachen ab, die ihr zu Grunde liegen, ihre Vor­ aussetzung bilden. Sind diese Thatsachen unrichtig, so ist da» auf sie gestützte Rechtsgeschäft und folgeweise da» dadurch gesetzte Recht-verhältniß ungiltig, e» vermag die Wirkungen nicht zu äußern, die e» nach seinem Begriff und Wesen haben sollte. Diese Ungiltigkeit kann aber entweder •) A.L.R. II. 1. $. 933. 934. 936. 949. 952. 960. 973 fg.

Erste- Buch.

192 die unmittelbare,

wie man

Die Grundbegriffe.

sagt ipso jure eintretende Folge sein, oder

wegen besonderer, außerhalb deS Geschäfts liegender Umstände, die daher

einer besonderen Geltendmachung bedürfen, eintreten. Hiernach unterschei­ det die Theorie die Nichtigkeit (Nullität) und Anfechtbarkeit (Re-

scissibilität) deS Geschäfts. Diese sind also die zwei Arten des Gattungs­ Sowohl die Nichtigkeit als die Anfechtbarkeit kann

begriffs Ungiltigkeit.

von Anfang an der Wirksamkeit deS Geschäfts entgegengestehen, oder erst

später eintreten; es ist unrichtig, wenn Bornemann') Nichtigkeit nur da annimmt, wo der Mangel von Anfang an vorhanden ist, und Anfecht­ barkeit, wo er erst in der Folge hervortritt, aber wahr ist, daß die später eintretenden Gründe der Ungiltigkeit bei der Anfechtbarkeit mannigfaltiger

Wenn die Ungiltigkeit durch spätere That­

sind und häufiger vorkommen.

sachen hervorgerufen wird, ist ihr Vorhandensein bis dahin noch ungewiß, schwebend.

Diese Thatsachen können entweder durch zufällige Ereignisse

oder durch menschliche Willkür herbeigeführt werden').

Bon

Anfang

äußere» Schein

nichtig

ist das Rechtsgeschäft, welches nur den

solchen

hat, in Wirklichkeit aber juristisch nicht

eines

exlstiren kann und darum auch nicht existirt, sei eS, weil eS ihm an einem

wesentlichen Begriff-moment, also an den nothwendigen Eigenschaften deS

Subjekt-

und

Objekts,

an

dem Dasein (nicht an einer bloßen Eigen­

schaft) deS Willens, an der als unerläßlich vorgeschriebenen Form fehlt,

oder weil das Gesetz eS verbietet, und feine Errichtung gradez» für nich­ tig erklärt').

Hier

bedarf eS also nicht noch

deS HinzutretenS einer

besonderen Thatsache, die die Nichtigkeit verursacht, sie ist dem Geschäft

immanent.

Später nichtig aber kann ein Geschäft nur dadurch werden, daß ein Umstand sich ereignet, der entweder durch sich selbst oder vermöge po­

sitiver Rechtsvorschrift die Wirkung äußert, das ursprünglich giltig errich­ tete Geschäft mit rückwirkender Kraft zu beseitigen.

Rur darf hiermit

nicht verwechselt werden, wenn später Umstände vorliegen, unter denen früher das Geschäft

nicht hätte geschlossen werden können

Solche sind einflußlos').

oder dürfen.

Der vernichtende Umstand muß vielmehr das

Moment der direkten Gegenwirkung

gegen das Geschäft

in sich tragen,

so daß eS nicht fortbestehen kann'). Da daS nichtige Rechtsgeschäft über’) R.gesch. @. 188. Bergt. Savigny S- 542. Wächter S. 657. 668. Ungei S. 141. 159. Nachfolgende Nichtigkeit, wenn ein Posthumus da- Testament rumpirt, mutuus diaaenaus bei den Konsensualverträgen. Anfechtbarkeit von Anfang an bei Zwang, Betrug. a) Savigny S. 538 fg. 4) Savigny @.550. Windscheid, Abh. S. 4. 7. •) 1. 85. §. 1. de R. J. 1. 140. §. 2. D. de V. 0. 1. 31. pr. D. XXXIX. 5. Ungei S. 143. Sächs. G.B. §. 104. 105. ') Richtig normirt Unger a. a. O. die Regel dahin: Der Umstand muß nicht d«

f. 41. Ungiltigkeit ter Rechtsgeschäfte und tertn Heilung.

193

Haupt kein rechtliche- Dasein hat, juristisch al» nicht vorhanden angesehen wird, so bedarf e» auch keine» besonderen Rechtsmittel», um e» zu besei­ tigen oder wirkung»lo» zu machen. Die neuere Theorie ist einig darüber, daß e» eine besondere Nichtigkeitsklage nicht geben kann. Es ist nicht» umzustoßen oder aufzuheben, weil dafür kein Gegenstand da ist. Wenn dagegen au- einem nichtigen Geschäft Rechte in Anspruch genommen werden, so muß einer solchen Klage oder Einrede eine au» dem Nichtig­ keit-grunde entlehnte Einrede oder Replik entgegengestellt werden, wa» jedoch nur da vorkommen kann, wo der Nichtigkeit-grund nicht offen er­ kennbar ist. Darum ist auch ein richterliches Erkenntniß, welche- die Nichtigkeit eine« Geschäft» oder RechtSverhältniffe» auespricht, nur von deklarativer Natur'). Schon von älteren Juristen ist ein Unterschied von absoluter und relativer Nichtigkeit aufgestellt worden und er wird auch in neuerer Zeit noch vielfach festgehalten, obschon er andererseits auch sehr entschieden verworfen wird"). Die Theorie gewinnt selten durch Aufstellung möglichst vieler Eintheilungen und Unterscheidungen, zumal wenn sich an solche praktische Folgen nicht knüpfen, und die» trifft auch hier zu. Man findet den Unterschied darin, daß die absolute Nichtigkeit von jedem bei dem Ge­ schäft Jnteressirten, die relative nur von einer bestimmten Person geltend gemacht werden kann; dort ist der Eintritt der Wirkungslosigkeit unmit­ telbar, hier durch den Willen oder da» Ermessen der Partei bedingt, mittelbar. Eine relative Nichtigkeit kann e» offenbar ihrem Begriff nach nicht geben, jede Nichtigkeit ist unbedingt. Diese Eintheilnng ist daher auch nur auf die Frage zu beziehen, ob und wann e» noch einer beson­ deren Thäsigkeit bedarf, um die Nichtigkeit nicht etwa herbeizuführen, son­ dern klar zu legen. Da man aber darüber einig ist, daß, wenn bet der s. g. relativen Nichtigkeit die betreffende Person sich auf dieselbe berufen hat, da» Geschäft auch in Betreff aller übrigen Jntereffenten al» nicht existirend zu betrachten ist, so ist schwer zu begreifen, welche» praktische Erfordernisse der Errichtung, sondern de« Dasein- und Fortbestehen« de« Recht-geschäft« und Rechtsverhältnisse« treffen. Dagegen Windscheid S. 198 Rote 11. ohne Grund. ’) Unger S. 149. Die« gilt auch im preuß. R. bei der Klage auf Nichtigkeits­ erklärung einer Ehe nach der BO. v. 28. Juni 1844. *) Für die Unterscheidung: Savigny, Wächter, Unger, Windscheid, Arndt» im Recht-lex. B. 8. S 113 Gegen dieselbe besonder» Brandt«, Zeitschrift s. Livilr. u. Proz. v. 7. S- 121 — 205, und nach ihm Puchta, Einteni«, Dangeroto, BScking. Windscheid S. 197 (Note 8) versteht unter relativer Nich­ tigkeit die unentschiedene, d. h. die nicht von vorn herein vorliegt, sondern erst entsteht in Folge de« Eintreten« »der Nichteintreten» eine» künftigen ungewiffen Umstande« oder in Folge der Willen-erklärung einer betheilmten Person. Für die Rechtspflege ist e« sehr bedenklich, wenn alten Namen neue Begriffe untergeschoben werden. Uebrigeu» sind die Fälle, an die hier W- denken kann, zur großen Mehr­ zahl Anfechtbarkeiten. S. auch daselbst S. 198 Note 9. Förster, Preuß. Prlvalrecht. I. ».Aust.

13

194

Erste« Buch.

Die Grundbegriffe.

Bedürfniß zu solcher Scheidung geführt hat. Dazu kommt, daß es logisch unmöglich erscheint, ein Rechtsgeschäft zugleich als für den Einen vor» Handen und für Andere nicht vorhanden anzusehen. Die Quellen unter­ stützen die Eintheilung nicht und für das preußische Recht nöthigt nichts, sie beizubehalten'). Die Nichtigkeit kann das ganze Geschäft oder nur einen Theil desselben ergreifen, dann bleibt eS übrigens rechtSbeftändig, nur darf dieser Theil nicht so wesentlich für die Existenz deS Rechts sein, daß mit seinem Wegfall diese» selbst hinfällt. Ist daS Hauptgeschäft nichtig, so müssen die auf dasselbe gegründeten Nebengeschäfte (Bürgschaft, Pfand) Wegfällen"). Wenn aber die Nichtigkeit sich in der Ueberfchreitung eine» quantitativen Maßes äußert, so bleibt das Geschäft innerhalb der zulässigen Quantität giltig"). Im Gegensatz zur Nichtigkeit besteht die Anfechtbarkeit darin, daß ein an sich giltigeS, also zu wirklicher Existenz gelangtes Rechtsgeschäft in Folge besonderer Umstände unwirksam gemacht wird. Es setzt dieimmer eine positive Thätigkeit besten voraus, der diese Ungiltigkeit herbei­ führen will, sei eS eine einfache Erklärung, oder den Gebrauch eines Rechtsmittels (Klage, Einrede) und wenn solche Thätigkeit nicht geübt wird, bleibt da» Geschäft giltig. Wird in Folge der Anfechtung da» Geschäft aufgehoben, so hat die Aufhebung nicht immer und nicht noth­ wendig") rückwirkende Kraft, dazwischen getretene Rechte dritter Personen können nicht beseitigt werden"). Aber mit dem aufgehobenen Hauptrecht fallen besten Nebenrechte"), falls diese nicht gegen die Anfechtung de» ersteren eigens sichern sollten"), und jeder Theil muß dem anderen das­ jenige zurückgeben oder vergütigen, wa» er in Folge des Geschäfts empfan­ gen hat"). ES tritt nun die Frage hervor, ob Nichtigkeit und Anfechtbarkeit nicht geheilt, ihre Wirkungen beseitigt werden können. Wa» die Nichtigkeit angeht, so muß die Frage verneint werden"), denn da sie in der Nichtexistenz deö Rechtsgeschäft» besteht, und von dem •) Unger will sie für da« ästen. R- beibehalten. S. 150 fg. Als relative Nullität wird z. B. da» negotium clandicans angesehen, wenn ein Pupill sine tutoris anet, einen zweiseitigen Vertrag eingegangen ist (1. 13. §. 29. D. XIX. 1.), doch s. 8. 26. Note 8. S. 134. '•) 1.129.8.1. 1.178. deß. J. “) 1. 20. 29. D. XXII. 1. 1. 34. pr. 1. 35. §. 3. in f. C. VIII. 54. Auch die cap. 37. de R. J. in Vito aufgestellte Regel utile per inutile non vitiatur ((. 1. 1. f. 5. D. XLV. 1). Sächs. G.B. §. 103. **) Zu weit geht Wächter S. 653. 656 fg., wenn er die Rückwirkung bei der An­ fechtbarkeit ausschließt. S. Wiudfcheld S. 196 Note 7. ") 1. 43. §. 8. D. XXL 1. 1. 4. pr. D. XX. 6. “) 1. 7. §. 1. 1.19. D. XLIV. 1. 1. 32. D. XI,VI. 1. 1. 11. C. VIII. 36. ") 1. 13. pr. D. IV. 4. ") 1. 6. D. XVIII. 5. 1. 10. C. IV. 44. 1. 23. §. 1. 7. 1. 60. v. XXLI. 1. ") 1. 29. 201. de R. J.

§. 41.

Ungiltigkeit der Recht-geschäfte und deren Heilung.

195

Willen der Person unabhängig ist, d. h. ipso jure wirkt, kann sie durch keine Handlung der Partei beseitigt werden, weder durch Verzicht oder Anerkennung, noch durch späteres Wegfallen des Nichtigkeit-grundes, noch durch Verjährung. Möglich freilich ist es, daß ein nichtiges Geschäft von den Parteien erfüllt wird, die» aber ist ein faktischer Zustand, der eine rechtliche Bedeutung überall nicht hat, ein Geben und Empfangen ohne RechtSgrund, daher auch die Klagerechte zur Wiedererlangung de» Ge­ gebenen, Vindikation, Kondiktion zustehen. Wird das frühere nichtige Ge­ schäft nochmals errichtet oder nachträglich anerkannt, so wird nicht jenes hinterher und rückwärts giltig, sondern ein neues Geschäft errichtet"). Bon dieser im Begriff der Nichtigkeit liegenden Regel, daß sie eine spätere Erkräftigung deS Geschäft» mit rückwirkender Kraft nicht zuläßt, giebt e» einige positive Ausnahmen, in denen da» ursprünglich nichtige Geschäft so rechtskräftig wird, als wäre es dies von Anfang an gewesen, Konvalescenz. Auch das preußische Recht kennt dergleichen Ausnahmen"). Nicht als die Beseitigung oder Heilung einer Nichtigkeit, sondern als ein Ausfluß der Rechtsregel, daß Rechtsgeschäfte möglichst aufrecht zu erhal­ ten seien, ist die s. g. Konversion aufzufassen"), die darin besteht, daß, wenn ein beabsichtigtes Geschäft nichtig ist, aber die wesentlichen Erfor­ dernisse eines anderen nicht beabsichtigten Geschäfts zeigt, das letztere auf­ recht erhalten werden kann"). Dies fetzt voraus, daß die Parteien e» wollen, und ob solcher Wille, wenn eine bestimmte Erklärung nicht vor­ liegt, anzunehmen, unterliegt der au» den Umständen herzuleitenden Aus­ legung de» einzelnen Falles. Eine solche Absicht der Parteien, da- nicht gewollte aber giltige Geschäft statt deS gewollten aber nichtigen unter sich bestehen zu lasten, wird in der Regel dann anzunehmen sein, wenn beide Geschäfte demselben Zweck dienen"). Zu heilen dagegen ist die Anfechtbarkeit, denn 'da die Anfechtung von ") Z. V. A.L.R. I. 3. §. 44. I. 5. 8 37. 38. Die Rückziehung kann au-drücklich der. abredet werden; aber auch die» hat nicht den Sinn, daß da» früher nichtige Ge­ schäft giltig wird. II. 1. §. 946. 947. ") @int. §. 17. I. 5. §. 155 188., dazu Koch, schles. Arch. B. 4. S. 523. IL 1. §. 975. Beispiele au» dem röm. R. 1. 42. D. XLI. 3. I. 4. §. 32. v. XLIV. 4. 1. 3. D. XXIX. 1. I. 5. pr. D. XVIII. 5.

*•) Römer, z. Lehre v. d. Konversion der R.Gesch. im Archiv s. civil. Prax. B. 36. Nr. 4. Unger II. S. 157. ’*) Beispiele: ein ungiltige» Testament kann al» Kodizill aufrecht erhalten werden. 1.1. D. XXIX. 7. 1. 29. §. 1. D. XXVIII. 1. A L.R. 1.11. §. 41. mit I. 5. §. 35. und 1. 57. §. 2. XVIII. 1. A.L.R. I. 16. §. 113 114. «) Z. 1. 3. D. XXIX. 1. Unger S. 158. Windscheid S. 184 Rote 14. Ander» in 1.1. §. 2. D. XLV. 1: Si qnis ita interroget: dabis? responderit: quidni? is utique in ea causa est, ut obligetor; contra si sine verbis annuisset. Non tantnm autem civiliter, sed nec naturaliter obligatur, qui ita annuit. Ueber diese Stelle Unger, die rechtliche Natur der Jnhaberpapiere, S. 92. 93.

der Reaktion der betheiligten Person abhängt, so steht es ihr anch frei, durch nachträgliche Genehmigung") oder Anerkennung, durch Verzicht auf die Einwendungen oder dadurch, daß sie innerhalb der VerjährungSzeit nicht anficht, das Geschäft als giltig bestehen zu lassen. WaS insbeson­ dere die Anerkennung betrifft, so sieht das A.L.R. in ihr zwar ein Bestärkung-mittel für Verträge"), dies ist sie aber ihrem Wesen nach eigentlich nicht, sondern, wie sich v. Daniels nicht unpaffend ausdrückt, ein VerbefferungSmittel, durch welches ein ungiltigeS Geschäft giltig und wirksam gemacht werden soll. Nach dem A.L.R. hat eS einen dreifachen Zweck: eS soll den formellen Mangel des Geschäfts heben, den Mangel de- freien und ernsten Willens heilen, und den Mangel persönlicher Un­ fähigkeit beseitigen"). Im ersten und dritten Fall erscheint eö alS Hei­ lung einer Nichtigkeit und nur im zweiten als Heilung der Anfechtbarkeit; eS fragt sich daher, ob das preußische Recht die Möglichkeit der Heilung einer Nichtigkeit annimmt, oder ob eS gleich wie daS gemeine Recht nur ein neue- Geschäft an Stelle des nichtigen setzen läßt. Wenn daS Anerkenntniß die Unverbindlichkeit wegen persönlicher Unfähigkeit heben soll, so muß e- als neuer, rechtSgiltiger Vertrag angesehen werden können, der nur dann eine rückwirkende Kraft äußert, wenn es ausdrücklich verabredet worden"). Hier stimmt da- preußische mit dem gemeinen Recht überein. Zweifelhaft ist eS aber, ob ein Gleiches für den Fall, wo der Formman­ gel beseitigt werden soll, gilt. Zwar auch hier Ist gesagt, daS spätere schriftliche Anerkenntniß des mündlich errichteten Geschäft- wirke nur so­ weit, alS aus ihm die Verabredungen erhellen, d. h. eS muß nicht nur alle wesentlichen Bestandtheile, sondern auch alle Nebenbestimmungen deS Geschäfts enthalten, gleich einem neuen Vertrage"). Aber ob eS so M) Dir Genehmigung kann ausdrücklich oder durch konkludente Handlungen erfolgen, ,. «. 1. 24. 26. §. 3. D. XII. 6.

u) 1.5. §. 185—192. — Gruchot I. S. 483. Heydcmann I. S. 226. Borne­ mann, R.Gefch. ©. 301. Koch, Pr.R. II. S. 179. 520. R. d. F. II. 172. III. 1092. v. Daniels I. S. 286. R. Koch bei «ehrend B. 3. S. 284. — Savigny III. S. 556. Wächter II. S. 740. I. u. III Unger II S. 167. Vöcking, Pand. I S. 411 o. p. Bähr, die Anerkennung als Derpfiichtungsgrund, 1855 2. A. 1867. Ueber diese» Werk s. u. a. Heuser, Annalen II. 629. Herold, Grs. u. Folg, de« oblig. Anerk. im Archiv f. prakt. R.W. B. 6. S- 413. (auch auf preuß. R. eingehend). BrunS, über da« Konstitutum in der Zeitschr. f. Recht-geschichte von Rudorfs u A. B. 1. S. 110 fg. Gegen Bähr'» Ansicht, daß der Anerkennung-vertrag ein moderner Formallontrakt sei, erklärt sich v-S alpiu-, Novation und Delegation de» röm. R 1864. S. 500 f. Er sieht in ihm ein materielle« Rechtsgeschäft, eine vertragsmäßige Reproduktion de« Inhalt- der älteren Schuld. „Die Parteien conseniiren über daffelbe Objekt noch einmal." Diesen Anerkennung-vertrag identifizirt v. S., wenn er an die Stelle der alten Obligation treten soll, mit der heutigen Novation. Ueber die Anerkennung vergl. ferner Unger in Jhering'S Jahrb. B. 8. S. 179. «) A.L.R. I. 5 §. 185. 186. 192. mit §. 37. 38. ") Dergl. auch §. 18. 19.1. 20. A.L.R ”) S. hierzu Striethorst B. 47. S. 191.

wirkt, daß dadurch rückwärts da» nichtige Geschäft giftig wird, hängt da­ von ab, ob man §. 188. I 5. nur auf §. 186. oder auch auf §. 185. bezieht. Sowohl die engt grammatische Verbindung, in die §. 188. durch da- Wort „alsdann" mit den nächst vorhergehenden §§. gebracht ist, als die Regel des §. 43. I. 3. und der allgemein wahre Satz, daß das nicht Existirende nicht rückwärts daseiend gemacht werden kann, nöthigen, §. 188. nur auf §. 186., nicht auf §. 185. zu beziehen, d. h. das schriftliche An» erkenntniß ist ein neue» Rechtsgeschäft, das nichtige mündliche wird nicht giftig, den Parteien aber bleibt überlassen, die auS dem Anerkenntniß hervorgehenden Wirkungen auf eine ftühere Zeit, also auch auf den Mo­ ment, wo daS nichtige Geschäft eingegangen worden, zurückzubeziehen"). So kann auch hier Uebereinstimmung mit dem gemeinen Recht gewonnen werden, und dem A.L.R. ist nicht Mangel an Logik vorzuwerfen. Wo daS Anerkenntniß nur die Anfechtbarkeit beseitigen soll, im zweiten Fall, wirkt eö zurück auf die Zeit des errichteten Geschäfts, und kann hier auch durch Handlungen stillschweigend abgegeben werden. TaS Anerkenntniß ist ein selbständiger einseitiger BerpflichtungSakt, bestimmt, ein klagloses Geschäft klagbar zu machen"). ES muß daher selbst frei von Mängeln sein, insbesondere von denjenigen, die eS beseitigen soll, eS muß Kenntniß des Erklärenden vom vollständigen Inhalt des Geschäfts zeigen, und mit der Absicht der Verpflichtung erklärt sein. Hierdurch unterscheidet eS sich vom Zugeständniß"), welches ohne Verpflichtung-absicht nur einräumt, daß eine Thatsache geschehen ist. Erstreckt sich daS Anerkenntniß nicht über den ganzen Inhalt deS älteren Geschäfts, so sind die nicht anerkann» ”) Da« O Trib. .

ß. 46.

sich freilich schon

Verjährung. Allgemeine«.

211

in den Lehren der ©(cffatoren1) und — wenn auch

vielleicht unbewußt — mitgewirkt hat die Auffassung im deutschen Recht,

in welchem da» Sich Verschweigen, Sich Versäumen die Voraussetzung de- Verjährung-erwerb-

auf der

andern Seite war').

Während man

dabei blieb, daß Verlust und Erwerb bei der Verjährung zusammenhinge,

war e- von selbst gegeben, daß man die erwerbende und erlöschende Ver­

jährung al- zwei Arten eine- Gattungsbegriff-

ansah

und

dadurch

zur

Aufstellung allgemeiner Grundsätze gelangen mußte, die für beide Arten

gemeinsam sein sollten. Auffaffung,

denn

Aber grade hierin zeigt sich da- Verkehrte dieser

diese Grundsätze mußten nun wesentlich die Aufgabe

lösen, den völlig unbeschränkten allgemeinen Gattungsbegriff, der für alle Rechte ausnahmslos anwendbar zu sein schien, in

seiner Anwendbarkeit

wieder einzuschränken, da nicht zu verkennen war, daß eine ganze Reihe wichtigster Rechte durch Verjährung weder erworben noch verloren wer­

den konnten und ans solche auch dem Zeitablauf niemals ein Einfluß ge­

stattet worden war. So schuf man den wunderlichen Begriff der ree oder richtiger actus merae facultatis, die von der erlöschenden Verjäh­

rung ausgeschlossen sein sollten').

Gewiß hat auch die Verallgemeinerung

deS Begriffs der erwerbenden Verjährung dazu

verwerfliche Lehre von dem Besitz

beigetragen,

die

völlig

und Eigenthum an Obligationen zu

erzeugen. Unter dem Einfluß dieser abstrakten Theorie sind die neueren Gesetz­ bücher, da- A.L.R., das österreichische und der Code civil entstanden, sie alle fassen die Verjährung als

einen

allgemeinen Gattungsbegriff und

theilen ihn in die beiden Arten der Extinktiv- und Acquisitiv-Verjährung, oder, wie das A.L.R. sich ausdrückt, brauch

und

durch Besitz').

Aus

den

in die Verjährung durch Nichtge­ veröffentlichten Materialien

des

letzteren geht recht deutlich hervor, wie die Redastoren wohl das Unzu*) Indem man das Wort praescriptio als Bezeichnung bet Gattung gebrauchte, die die usucapio mit umfaßte S. Savigny S. 315. ') GauPP, Zukunft des deutschen Recht», 1847, S. 52. Daß dem deutschen Recht die Ersitzung als besonderes Recht-institut unbekannt war, s. Delbrück, die ding­ liche Klage de» deutschen R., 1857, S. 30 fg. Gerber, Pr.R. II. 5. 101. Die gegen GauPP gerichtete Bemerkung Unger« S. 256 Note 20 geht zu weit. Die enge Verbindung de» verschweigen« mit dem Ersitzen ist gewiß deutschrecht­ lichen Ursprung», wenngleich diese Auffaffung durch die naturrechtliche Schule durchgegangen, hier ihre -bstrafte Allgemeinheit erhalten hat und durch ihre Ber­ mittelung, in die Gesetzbücher gelangt ist. Rave, au» dem die landrechtlichen Re­ daktoren hauptsüchlich geschöpft haben, definirt §. 1: «Praescriptio, die Verjäh­ rung, die Verschweigung an seinem Rechte, est ademtio commodi cujusdam ex amisso ab altere jure per nonusum ejus iutra tempus quoddam. Id enim omni praescriptionum generi commune est, nt 1. ex omisso intra tempus quoddam neu Juris fiat ejus amissio, et 2. aliquod. inde cotnmodum alter adipiscatur.

4) Heydemann S. 113 s. ’) Gruchot VII. 404 f. Heydemann II. 80 f. 87.- Striethorst ©. 38. S. 34.

14*

Erst«« Buch.

212

Die Grundbegriffe.

kömmliche dieser Verbindung nicht verwandter Institute gefühlt, gleichwohl aber nicht vermocht haben, sich auS den Schlingen der damaligen Theorie herauszuwinden.

Das neueste Gesetzbuch für Sachsen dagegen, von 1863,

hat es, dem jetzigen wissenschaftlichen Standpunft entsprechend, aufgegeben, eine allgemeine DerjährungStheorie hinzustellen, eS hat das Nichtverwandte

wieder getrennt. Die systematische Schwierigkeit, die durch jene ältere, naturrechtliche Theorie hervorgerufen wurde, besteht wesentlich darin, daß die Verjäh­ rung nun eigentlich in den allgemeinen Theil gehört, und doch bei der

näheren dogmatischen Darstellung ihrer beiden Arten viele- vorausgesetzt werden muß, waS erst bei den einzelnen Rechtsinstituten erörtert werden kann, und daß, wenn sie ihren Platz nicht im allgemeinen Theil erhält,

zweifelhaft wird, ob die Acquisitiv- oder Extinktiv-Berjährnng ihre Stelle im System bedingen soll. Das A.L.R. hat die gesammte Verjährungs­ lehre aus dem allgemeinen Theil, als welcher die ersten sieben Titel an­

zusehen sind (§. 7.), fortgelassen, und sie im neunten Titel unter die un­ mittelbaren Erwerbsarten des Eigenthums

gestellt, also

die Verjährung

durch Besitz daS systematisch entscheidende Moment sein lassen, so daß die Verjährung durch Nichtgebrauch, obgleich vorangeschickt, doch gewiflermaßen

nur mit fortgeschleppt wird').

DaS

französische

und

österreichische Ge­

setzbuch haben mit ihr daS Privatrecht geschloffen und dadurch den Cha­ rakter der Allgemeinheit der Lehre kenntlicher hervortreten lassen.

In den

wiffenschaftlichen Arbeiten des preußischen Rechts herrscht Verschiedenheit. Bornemann folgt der Legalstellung deS Gesetzbuchs, Koch handelt von

der Verjährung vollständig im allgemeinen Theil, v. Daniels verweiset

sie an den Schluß des Ganzen.

Für die Darstellung deS österreichischen

Recht« hat sich Unger, der neueren Theorie folgend, dafür entschieden,

die einzelnen DerjährungSinstitute zu trennen, der Lehre von

den Klagen, die Ersitzung

die Klageverjährung bei

unter den Erwerbsarten des

EigenthnmS, den Nichtgebrauch bei den dinglichen Rechten abzuhandeln. Wenn nun auch bei dieser Behandlung die Gefahr entsteht, daß die Theorie deS Gesetzbuchs

selbst

einigermaßen verdunkelt wird, seine ihm

eigenthümliche Auffaffung nicht recht hervortreten kann,

und wenn auch

Wiederholungen und Verweisungen nicht ganz zu vermeiden sind, so mögen diese Nachtheile doch gering angeschlagen werden im Vergleich mit dem Vortheil, daß dadurch ein der heutigen Wissenschaft entsprechender Stand­

punkt gewonnen wird.

Dieser Aufgabe, in kritischer Weise die AuSschei-

düng deS unnatürlich Verbundenen vorzunehmen, darf sich die Wiffenschaft um so weniger entziehen, alS dadurch allein eine wirkliche Fortbildung

der Theorie des positiven Rechts angebahnt werden kann'). •) Heydemann S- 83. ") Hcydemann S. 90.

Freilich ist

aber mit dem Ausscheiden an sich noch nicht alle Schwierigkeit überwun­ den: eS bleibt die Frage, wohin die Extinktivverjährung, soweit sie nicht Nichtgebrauch eines dinglichen Rechts ist, gebracht werden soll. Dies hängt davon ab, ob sie nur als Klageverjährung aufzufasien ist, oder ob sie, was nach preußischem Recht unzweifelhaft, im Gebiet des gemeinen Rechts mehr und mehr herrschende Meinung wird, ein Erlöschen deS Recht- selbst wirkt. Hier gehört sie nicht zur Theorie der Klagen, son­ dern zur Darstellung der Rechte, die durch Verjährung erlöschen. Linde') will deßhalb diese Verjährung Rechtsverjährung nennen und Wächter') faßt sie als Schuldverjährung auf. ES kann zugegeben werden, daß sich gegen beide Bezeichnungen Manches einwenden läßt") — in der Sqche aber ist eS richtig — und zumal nach preußischem Recht — daß Klage­ verjährung im römischen Sinn al» besonderes Institut nicht mehr existirt. Nach Ausscheidung deS in dem Begriff der Extinktivverjährung enthalte­ nen bloßen Nichtgebrauchs dinglicher Rechte, charakterisirt sie sich vielmehr durchaus alö ein Erlöschen persönlicher Verpflichtungen, wie eS auch Suarez richtig herauögefühlt hat, wenn er sie einen modus tollendi obligationes nennt. Dies ist sie selbst dann, wenn der erloschene An­ spruch auf ein dingliche» Recht sich gegründet hat, denn auch in diesem Fall ist der durch die Verletzung deS dinglichen Rechts hervorgerufene Anspruch ein obligatorischer. Hiernach könnte jetzt die Lehre von der Extinktivverjährung nicht nnpaffend in daS Obligationenrecht verwiesen werden. Gleichwohl erscheint eS zweckmäßiger, dem Vorgang Unger'S, der bei Darstellung des österreichischen Rechts sich in gleicher Lage be­ fand, zu folgen, und die Verjährung durch Nichtgebrauch bei der Dar­ stellung des Klagerechts zu erörtern, denn wenn auch die Obligation selbst durch sie vernichtet wird, so trifft ihre Wirkung zunächst doch immer erst die Klage, gegen die sie einredeweise vorgeschützt wird, eS muß also der Begriff des Klagerechts schon vorher festgestellt sein, und die wichtige Frage, von welchem Zeitpunkt sie beginnt, hängt allein von der Entste­ hung de» Klagerechts ab. Freilich bleibt das Bedenken, daß auch hier ') Zeitfchr. f. Civilr. u. Pro,. B. 2. S. 153.

’) A. a O. S. 806. *') Wächter will --Recht-verjährung" deßhalb nicht für passend halten, weil nicht immer da« ganze Recht de« Berechtigten verloren geht. Allein da« ganze Recht dieser Klage geht doch immer verloren, der durch diese Klage zu verfolgende An­ spruch, freilich kann dieser nur ein theilweiser im Verhältniß zu dem Recht fein, aus da« er sich gründet: der BiudikationSanspruch, den die Bindikation verfolgen soll, geht durch Verjährung ganz unter, wenn auch da» Eigenthum an sich nicht erlischt. Windscheid, Actio, ©. 38, wendet gegen ..Schuldverjährung" ein, daß auch actione« in rem verjähren und durch den Ausdruck nicht getroffen werden. Mein, wie gesagt, auch der Anspruch bei der actio in rem ist ein Schuldverhält­ niß, die Obligation ans Herausgabe, Schadenersatz Da« sächs. Ges B- trennt von der Klageverjährung ttz. 150 sg.) die Schuldverjährung (§. 1016 sg.), die letztere steht im R. der Forderungen.

214

Erste- Buch.

Die Grundbegriffe.

schon die Grundsätze von non usus erörtert werden müssen, dessen gänz­ liche Ausscheidung nicht ohne vielfache Wiederholung möglich sein würde. Allein die- erscheint bei dem geringen Umfang der diesem Institut an­ gehörigen Rechtsregeln als der kleinere Uebelstand. Jedenfalls aber muß insoweit der abweichenden Auffassung des A.L.R. Rechnung getragen werden, daß schon hier diejenigen Grundsätze besprochen werden, welche daS Gesetzbuch als gemeinsame für Extinktiv- und Acquisitiv-Verjährung angesehen hat"). „Wenn durch den Ablauf einer bestimmten Zeit wegen unterlassener AnSübung gewisser Rechte eine Veränderung an diesen Rechten vermöge der Gesetze entsteht, so ist eine Verjährung vorhanden." So lautet der Gattungsbegriff, und der Begriff der beiden Arten: „soll durch Verjäh­ rung nur ein Recht verloren und der Verpflichtete bloß von der dar­ aus fließenden Verbindlichkeit freiwerden, so ist in der Regel der Nicht­ gebrauch deS Rechts dazu hinreichend. Soll aber ein neues Recht durch Verjährung erworben werden, so ist außer dem Nichtgebrauch des ent­ gegenstehenden Rechts auch der Besitz und die Ausübung dieses neuen Rechts von Seiten des Erwerbenden dazu nothwendig"). Hieran knüpfen sich folgende Erörterungen. Zunächst: die Verjährung tritt nur vermöge des Gesetzes ein, d. h. sie ist durchaus ein Institut deS positiven Rechts, sie hat daher eine positive Natur, welche keine auSdehnende Anwendung auf Fälle zuläßt, wo das Gesetz sie nicht ausdrücklich bewilligt"). Sodann: sie verändert gewisse Rechte, d. h. nicht alle Rechte, die im Gebiet deS Privatrechts anerkannt sind; eS giebt Ausnahmen und die Ansicht, daß jedes Privatrecht einer Aenderung durch Verjährung unter­ worfen sei, ist zurückzuweisen"). ES fragt sich, welche Rechte entziehen ") Heydemann S. 91 f. ") Oesterr. GB. §. 1451.1452: Die Verjährung ist der Verlust eine- Rechte-, wel­ che- während der vom Gesetz bestimmten Zeit nicht au-geübt worden ist. Wird da- verjährte Recht vermöge des gesetzlichen Besitzes zugleich auf jemand Anderen übertragen, so heißt es ein ersessene- Recht und die Erwerbung-art Ersitzung. Code civil art. 2219: La preacription eat un moyen d’acquärir ou de ae liberer par un certain lapa de tempa et aoua les conditiona d^terminees par la loi. Rave 5: Magie ad differentiam praeacriptionia ex differentia commodi, cujus ex parte praeacribentis fit ademtio, re epi eiend um videtur. Quodai eniin hoc commodum est sola liberatio ab obligatione juri praeacripto reapondente, praeacriptio dicitur extinctiva. Li vero praeter liberationem ab obligatione alteri debita est apeciale quoddam jus, cujus praescribendo efficitur ademtio, praeacriptio dicitur acquisitiva Heydemann S. 108 f. ") Heydemann S. 85 f. ") Koch, Pr R. I. 286: „Die Begrenzung dieser Begriffe hat nur eine hypothetische Bedeutung und ist darum unschädlich; in der Anwendung kommt e- bloß auf die positiven Bestimmungen und Fälle an, so daß die Verjährung keineswegs auf alle und jede Rechte, auch wo ihrer nicht positiv gedacht ist, stattfindet.- Striethorst D. 38. S. 34 Entsch. B. 40. S. 9. Savigny IV. S. 312.

sich der Verjährung, theil- jeder, theils wenigsten- einer ihrer beiden Arten. Ueberhaupt entzogen sind solchem Einfluß der Zeit alle Rechte, die den Famtlienzustand betreffen. Ehe, väterliche Gewalt, die Stellung de- Hau-kinde-, Vormundschaft, Intestaterbrecht können durch Zeitablauf weder verloren gehen noch erworben werden"). Ebenso wenig die Rechts­ eigenschaften der Person, ihre Handlung-- und Rechtsfähigkeit. Diese Ausnahmen, welche schon große und wichtige Gebiete de- Privatrechts umfassen, rechtfertigen sich aus der Natur der Sache; dazu tritt vermöge positiver Vorschrift, daß kein Recht der Verjährung — und zwar nach ihren beiden Richtungen — unterworfen ist, welches sich aus unbewegliche Sachen bezieht und in da- Grundbuch eingetragen ist. Diese Eintragung sichert da- au- ihm hervorgehende dingliche Recht gegen jede Art der Verjährung"). Folgt nun schon hieran-, wie wenig die Verjährung eine Allgemeingiltigkeit in Anspruch nehmen kann, so wird ihre größere Ein­ schränkung noch deutlicher sich zeigen bei der Untersuchung der Anwend­ barkeit ihrer einzelnen Arten. Drittens: der Ablauf einer bestimmten Zeit bewirkt eine Ver­ änderung an den Rechten. Es muß also vom Gesetz eine bestimmte Zeitdauer, ein Zeitraum vorgeschrieben sein, und die Wirkung seine- Ab­ lauf- begründet eine Veränderung an schon in Wirksamkeit bestehenden Rechten. Hieran knüpft sich der Unterschied der Verjährung von den Fristen"). Schon oben wurde erwähnt, daß bei der ersteren ein Zeit­ raum nach seinem ganzen Verlauf, bei der letzteren die Zeit nur alZeitpunkt in Betracht kommt. Koch") und Andere sind der Meinung, daß der Theorie des Landrechts ein wesentlicher Unterschied zwischen Ver­ jährung und Frist fehle und e- daher aufgegeben werden müsse, einen solchen zu suchen. Zwar darin kann der Unterschied nicht gefunden wer«

*•) Da- öftere. G.B. §. 1458. schreibt die- au-drücklich vor. *•) Ander- im östtrr. G.B. §. 1479. Die hypothekarische Forderung von Zinsen ver­ jährt dagegen nach preuß. R. 8 2. Nr. 5. Ges v. 31. März 1838. §. 511. I. 9. bezieht sich nur auf „Rechte aus unbewegliche Sachen", d h. dingliche Rechte auf fremde- Eigenthum, nicht aus da- Eigenthum am Grundstück selbst, wa- auch gegen den Eingetragenen durch Ersitzung erworben werden konnte, weil hier nicht die Eintragung, sondern die Ueberqabe modus acquirendi war. Entsch. B 27. S.287 (Pl.Beschl). B- 34. S. 132. Ltriethorst B 5. S. 222. 259. Dieser Recht-zustand ist geändert durch da- Gesetz über den Eigenth.im-erwerb v. 5. Mai 1872 8- 6., welcher die Ersitzung de- Eigenthum- an einem Grundstück gegen den eingetragenen Eigenthümer au-schließt.

”) Hehdemann S 92 fg. Duddeu» im Recht-lexikon IV 362. Unger II 275 fg, der treffend unterscheidet zwischen der Nichtauoübung de- Recht- im subjektiven Sinn bei der Verjährung und der Nichtau-Übung im objektiven Sinn bei den Fristen. Siehe auch Demel iu-, Untersuchungen au- dem röm. Eivilr. 1856, 1. S. 3. Unterholzner I. §. 1 faßt den Unterschied nicht scharf. S- Savignv IV. 309. Note m. »•) Kommentar zu §. 500.1. 9. Note 1. Absatz 2.

Erst«» Buch.

216

Dir Grundbegriffe.

den, daß bei der Verjährung durch Nichtgebrauch nach §. 568. 569. L 9. nur eine Vermuthung für da»

Erloschensein deS Recht» eintreten soll,

die durch den Nachweis de» schlechten Glauben» de» Befreiten beseitigt wird"), denn diese §§., die, wie unten gezeigt werden wird, in die Theorie

de» A.L.R. nicht passen, sind kein allgemeine» Merkmal der Verjährung. Wohl aber liegt der wesentliche und bestimmte Unterschied von Verjährung

und Frist darin, daß bei ersterer da» ihr unterworfene Recht an sich an

eine Zeitdauer nicht, bei letzterer dagegen die Ausübung de» Recht» ledig­

lich an die bestimmte Zeit gebunden, daß e» gar nicht gegeben ist, außer innerhalb der Zeit bi» zu dem gesetzlichen Endpunkt.

Dort also ist da»

Recht an sich zeitlich unbeschränkt, e» wird nur in Folge der NichtauS-

übung verändert, hier ist dem Recht schon an sich, durch da» Gesetz eine zeitliche Schranke gesetzt; dort bewirkt der Nichtgebrauch die Veränderung,

und die Zeit hat nur die Bedeutung, denselben zu bestimmen, hier umge­ kehrt bewirkt der Eintritt de» Zeitpunkt» die Veränderung, und die Nicht-

auSübung tritt nur charakterisirend hinzu; dort ist ein schon erworbene» Recht der Veränderung auögesetzt, hier soll da» Recht nur bi» zum Zeit­ punkt entstehen oder überhaupt nicht entstehen; dort also geht ein beste­

hende» Recht unter oder wird einer anderen Person erworben, hier findet durch die Zeit kein Untergang und kein Erwerb de» Recht» statt, sondern die Ausübung ist überhaupt nur zulässig bi» zu einer gewisien Zeit, da» Recht kommt

gar nicht zur Entstehung, wenn e» nicht innerhalb dieser

Frist auSgeübt worden").

Wird dieser Unterschied im Begriff festgehal­

ten, so werden sich in den einzelnen Fällen, so schwankend auch immer

die Ausdrücke der Gesetze sein mögen, die Zweifel beseitigen lassen.

So­

wohl da» Privatrecht, al» da» Prozeßrecht stellen vielfach Fristen auf"),

die de» ersteren

wirken immer vernichtend oder ausschließend,

sie sind

peremtorisch, präkludirend, die des letzteren sind theil» die», theil» nur mit anderen Nachtheilen verbunden (monitorische oder dilatorische Fristen). Bei

der Verjährung endlich wirkt die Zeit durch sich selbst die RechtSverän-

**) Wie dies in dm Erkenntniffen de» O.Trib geschehen ist: Entsch. B. 14. S. 225 und B. 40. S. 13. *•) In der prcuß Praxi« ist der Unterschied von Verjährung und Frist besonder» in Bezug aus §. 158.1. 14. A.L.R. zur Sprache gekommen, und er ist in richtiger Weise seslgeslellt durch den PI.Beschl. v. 6 Dezbr. 1858. Entscheid B. 40. S. 1. J.M.Bl. 1859 S. 27. Ferner B 4. S 346. «. 6. S. 393. « 14. S 225. V. 9. S. 45 B 17. S 126 364 u. a. Striethorst B. 48. S. 321. Bergt, auch Goldschmidt, Zeüschr. f. HandelSr. XV. 320. R.O.HG. V. Nr 42. VI. Nr. 9. S. 33 (über Garantiefristen, insbesondere S. 35 über die Frage, ob die Garantie­ frist die Verjährung aus §. 343. t. 5. au»schtießt).

“) Die einzelnen Fristen, die im A.L R. vorkommen, aufzuzählen, hat kein Jntereffe. Siehe Er. änzungen 2. Ausl, zu § 500.1. 9. Die 4. Ausl hat da» Berzeichniß der Fristen weggelassen. Koch, PrR. I. 290. v. Daniel« IV. 202. Borne­ mann II. 50. Heydemann S. 93 f. (mit sehr zahlreichm Nachweisungen au» der Praxi»).

derung, sie erhält diese Wirkung nicht anderweitig, darum ist die durch dm Willen der Parteien, vertragsmäßig oder letztwillig, festgesetzte Zeit­ bestimmung (dies, §. 37.) keine Verjährung. Fast nicht der Bemerkung bedarf eS, daß der Erwerb oder da- Erlöschen einer bestimmten Berech­ tigung durch Zeitablauf keine Verwandtschaft mit der Bildung oder dem Verschwinden eine- allgemeinen Recht-satze- durch Zeitablauf (Gewohn­ heitsrecht) hat. Die erlöschende Verjährung besteht in der durch den Nichtgebrauch eine» Recht» herbeigeführten Befreiung eine» Verpflichteten von der diesem Recht entsprechenden Verbindlichkeit. Der Nichtgebrauch an sich ist hin­ reichend"). Auch au- dieser Bestimmung folgt, daß die aufhebende Ver­ jährung kein allgemeine- Recht-institut ist, sie setzt eine konkrete, entgegen­ stehende Verpflichtung vorau»; wo diese fehlt, ist die NichtauSübung des Recht» einflußlos. Durch Verjährung untergehen können, wie da» A.L.R. selbst au-drücklich sagt, nur die persönlichen Rechte an einen Andern (Obligationen), die einzelnen dinglichen Rechte auf da- Eigenthum eine» Andern (die negativen und Untersagung-rechte, Dienstbarkeiten)"), beide Fälle umfaffen die römische Klagverjährung und den non usus, und end­ lich die au- dem deutschen Recht entlehnten f. g. radizirten Rechte, über deren dingliche oder obligatorische Natur man sich streitet, d. h. die Rechte auf jährliche Leistungen oder Abgaben von einem bestimmten Grundstück, die Reallasten und Realrechte oder in der Sprache de» A.L.R. die affir­ mativen Rechte, eine Klage, die in Folge der neueren Gesetzgebungen über Ablösungen wesentlich vermindert worden ist"). Ausgeschlossen sind von der Verjährung durch Nichtgebrauch außer denjenigen Rechten, die, wie oben erwähnt, überhaupt keine Beziehung zur Verjährung haben: daEigenthum, welche», so lange sich die Sache im Besitz de- Eigenthümer» befindet, absolut unverjShrbar ist"), und die s. g. Rechte der natürlichen und allgemeinen bürgerlichen Freiheit, z. B. mit seiner Sache zu thun oder zu lasten, wa- man will, soweit dadurch nicht ein Verbot-gesetz ver­ letzt wird"). Die letzteren Rechte (die res merae facultatis) haben kein juristisches Interesse, ihre Begriff-feststellung ist nur nöthig geworden ") Heydemann S. 108 f. ") g. 508. b. **) g. 509. d. T. Heydemann S. 119 f. Daß affirmative Rechte (§. 80. I. 7.) durch Nichtgebrauch erlöschen, ist anerkannt im PrLj. 882 (Sammt. I. B. 35), daß fie durch Ersitzung erworben werden können, durch Pl.Beschl. v. 5. Februar 1849 (Entsch B. 17. S. 10. I M Bl. 1849 S. 208). Heydemann S. 124 f. 68 hanbeite sich hier um Verabreichung von Scharfgetraide. Ob hieran» folgt, daß oblig. Rechte besessen werden können, bangt davon ab, ob man $. 80.1. 7. auch auf Obligationen bezieht. Ueber da» Unrichtige dieser Ansicht s. unten die Lehre vom Besitz an Rechten.

") §• 504. d T. Oder so lange der Eigenthümer al» solcher eingetragen ist. Ges. über den Eig.Erw. v. 5. Mai 1872 §. 6. ") $. 505. d. r.

218

Erste- koch.

Die Grundbegriffe.

durch die allgemeine Abstraktheit, die man der Extinktivverjährung gegeben hat"). Was aber das Eigenthum betrifft, so ist der Satz so, wie ihn §. 504. d. T. auSdrückt, nicht dahin zu verstehen, daß das Eigenthums­ recht immer verjährt, wenn der Besitz verloren gegangen, sondern der Verlust des Besitzes ist nur dann und von dem Moment Anfangspunkt der Extinktivverjährung, wenn und wann ein Anderer den Besitz ergriffen hat, und auch hier wieder nur dann, wenn diese Besitzergreifung unter den Bedingungen der Ersitzung, also insbesondere gutgläubig geschehen ist. Dem schlechtgläubigen Besitzer gegenüber, der unfähig ist, zu ersitzen, geht daS EigenthumSrecht durch Verjährung nicht verloren, wohl aber kann gegen ihn die Vindikation verjähren, d. h. er darf nicht mehr angehalten werden, die Sachen herauSzugeben, die Nutzungen zu erstatten u. s. w. DieS aber, die Klagverjähruug, ist nicht gleichbedeutend mit dem Unter­ gang des EigenthumSrcchtS"), denn fällt später die Sache zufällig wieder in den Besitz des EigenthümerS zurück, so hat der schlechtgläubige Zwi­ schenbesitzer keine Bindikation. Die Ansicht von Suarez, daß, wer seine Uhr über 30 Jahr verloren hat, sein Eigenthum daran verliere, auch wenn sie Niemand in Besitz genommen, ist falsch und in §. 504. auch nicht ausgedrückt. Wenn er sie wiederfindet, ist er nach wie vor Eigen­ thümer derselben"). Die Extinktivverjährung erleidet also auch nach preußischem Recht nur auf einzeln bestimmte Klaffen Anwendung: auf persönliche Ansprüche und auf dingliche Rechte an fremdem Eigenthum. Die erwerbende Verjährung verlangt mehr alS jene, nämlich außer dem Nichtgebrauch von der einen Seite noch Besitz von der andern"). Daß diese Verbindung beider Erfordernisse ein durch die naturrechtliche Schule vermitteltes deutschrechtliches Element ist, wurde oben erwähnt"). ES können also nur Rechte, die Gegenstand deS Besitzes sind, erseffen werden, unzweifelhaft daS Eigenthum, die einzelnen dinglichen und die "j Unterholzner I. §. 25. Gruchot B. 7. S. 420 fg.

Hehdemann S. 113 f.

M) Das Eigenthum und da- dingliche 9t. ist nicht bloß Klage, wie die Obligation, f. eben § 23 Note 3. S- 119. 1. 8. §. 1 C. VII. 39. Savigny V. 368. Im preuß. 9t. ist übrigen« bestritten, ob die Bindikation gegen den schlechtgläubigen Besitzer verjähre. Davon näher in der Lehre von der Vindikation. Da« EXIrib. behauptet die Verjährbarkeit der Eigenthumsilage. Striethorst B. 24. S. 71. Entsch B. 12. S- 177 ist die Verjährung des MiteigenthumS eine» Verschollenen am Nachlaß gegenüber den Besitzern desselben zugelaffen, aber damals war den letzteren nicht mala fides nachgewiesen. Wenn dagegen die Entsch. bei Striet­ horst B. 4. S. 230 unter Beziehung aus jene Entsch. ganz allgemein da» Eigen­ thum durch Verjährung untergehen läßt, wenn der Besitz verloren gegangen, so geht sie zu weit und verkennt den Sinn de» §. 504. A M. Gruchot B-7. S. 417 nnd die dort Eitirten. Hehdemann S. 112. ") Rave §. 18: Solam absentiatn rei ex poseeseione veri domini nihil efficere ad praeecriptionem, nisi alter rem possideat.

••) Hehdemann S. 109 c. f.

") Note 3.

deutschen, auf Grundstücke gelegten Rechte. Da- Pfandrecht dagegen ist der Verjährung entzogen, denn die Hypothek kann nnr durch Eintragung entstehen, nicht durch Besitz, und da» Faustpfandrecht verlangt zwar zu seiner Existenz unbedingt den Besitz an der Pfandsache, ist aber ebenso wenig Gegenstand der Ersitzung, al- Pacht-, Mieth-recht und Leihe, die soweit sie auf Besitz beruhen, dinglichen Charakter haben, weil Niemand sich den Grund seine- Besitzrechts ändern darf, und sie dem Eigenthümer gegenüber nur persönliche Berechtigungen bleiben. Die- fuhrt weiter zu der Behauptung, daß auf da- ganze Gebiet de» Obligationenrechts die Acquisitivverjährung keine Anwendung erleidet. ES ist die» früher selbst für da» gemeine Recht nicht unbestritten gewesen: jetzt wird eS hier nicht mehr geleugnet"), aber für da- preußische Recht wird wohl noch die Be­ hauptung festgehalten, "daß Obligationen Gegenstände de- Besitze- und Eigenthums sein, mithin auch ersessen werden können, und wenn auch die Anhänger dieser Meinung von vornherein zugeben müssen, daß hiervon wenigsten» alle diejenigen Obligationen au-zuschließen sind, deren Wesen in einer einmaligen, die Tilgung enthaltenden Erfüllung besteht, so sollen doch alle diejenigen welche die Eigenschaft eine- längeren Bestände-, einer wiederholten Erfüllung haben, hierher zu rechnen sein"). ES kann noch nicht erschöpfend erörtert werden, daß diese Theorie auch für da- preußi­ sche Recht durchaus verwerflich ist; auf eine Stelle aber ist schon hier einzugehen, weil sie scheinbar grade die Ersitzung einer Obligation auSspricht"). Eine DarlehnSforderung soll durch fortgesetzte Entrichtung von Zinsen während 30 Jahren erworben werden, und zwar, wie e- aus­ drücklich heißt: „vermöge Verjährung". Und doch liegt hier eine Ver­ jährung nicht vor"). Daß diese Bestimmung au- der vielfach mißver­ standenen 1. 6. D. XXII. 1. hergeholt ist, ist bekannt"), aber wie in dieser nicht von Ersitzung einer Kapital-forderung, sondern nur von der Verpflichtung die Rede ist, von einer unstreitigen Kapital-forderung fer­ nerhin Zinsen zu zahlen, weil sie längere Zeit gezahlt worden sind, so ist ") Stück XXL e. 50. Unterholzner II §. 252. 253. ••) Eie werden als affirmative Rechte im Sinn de« §. 80.1. 7. aufgesaßt. »') ß. 837. 840. I. 11. ’») A. M. Savigny IV. 313. Koch, Pr.R I. 287. Komment. Note 1. zu §. 500. I. 9. Note 60. zu g. 839.1.11. Für das gemeine Recht hat den Verjährungs­ erwerb einer Forderung da« O Trib. verworfen. Entsch. B. 2. S. 201. ••) 1. 6. D. XXII. 1.: Cum de in rem verso cum heredi patrie vel domini ageretur et uaurarum quaestio moveretur, Imperator ideo solveudaa usurae judicavit, quod eaa ipee dominus vel pater longo tempore praestitisset. $. 1.: Imperator quoque Severus filiae Flavii Athenagorae, cujus bona fuerant publicata, de fisco ideo numerari decies centena dotis nomine jussit, quod ea patrem praestitisse dotis usuras allegasset. Dagegen aber 1. 7. C- IV. 32: Creditor instrumentis suis probare debet, quae intendit et usuras se stipulatum, si potest. Nec enim si aliquando ex consensu praestitae sunt, obligationem constituunt. Glück XXL S. 50 fg.

eine Ersitzung auch nach dem A.L.R. nicht anzunehmen, denn nicht der Zeitablauf von 30 Jahren ist der Erwerbsgrund, wie e- bet der Ersitzung der Fall sein müßte, sondern die mehrjährige Zinszahlung soll nur durch eine Vermuthung den Beweis der Thatsache ersetzen, daß „ursprünglich" ein DarlehnSkapital „gegeben" worden. Bei der Ersitzung erwirbt man da- Recht mit dem letzten Moment deS Zeitablaufs, hier aber soll der Erwerb der DarlehnSforderung als schon im ersten Moment begründet vermuthet werden. Mögen nun auch die Redaktoren hier wirklich an VerjährungSerwerb gedacht haben, so sind sie nur einer Unklarheit ver­ fallen, diese aber ist unwillkürlich durch die Worte deS Gesetzes selbst unschädlich geworden, denn letztere besagen, daß daS „ursprüngliche Geben" daS Schuldverhältniß erzeuge, also nicht die Verjährung, diese soll nur den Beweis der Hingabe ersetzen — sie ist Beweismittel"). Vollends unberechtigt aber ist eS, diese schlecht redigirte Bestimmung auf alle Obligationen von längerer Dauer und wiederholter Ausübung zu übertragen.

Auch bei denjenigen Rechten, bei denen an sich eine aufhebende Ver­ jährung oder Ersitzung zugelasien ist, können Umstände eintreten, die ihren Beginn hindern. Da» A.L.R. hat den Grundsatz aufgestellt, daß nur da» Anfängen de» Zeitlaufs durch solche Umstände gehindert, dagegen der Fortgang desselben nicht mehr dadurch aufgehalten oder unterbrochen wird"). 1. Die Verjährung beginnt nicht gegen denjenigen, der von sei­ nem Recht nicht unterrichtet sein kann"). Kenntniß de» eigenen Recht­ besitzt man, wenn man die thatsächlichen Unterlagen desselben erfahren hat, die Handlung oder Begebenheit, auf welche e» sich gründet und e» spricht die Vermuthung dagegen, daß man über seine eigne Berechtigung in Unwissenheit ist. Wer also einer Ersitzung oder Verjährung, die gegen ihn geltend gemacht wird, deßhalb widerspricht, muß die Thatsachen, audenen seine Unkenntniß folgen soll, beweisen"). Wenn die Verjährung ”) Förster, Klage und Einrede S. 24. 416fg.

") I. 9. §. 512. 516. 524. 526. 528. 528. 530. mann S 144 fg.

Sruchot B. 7. S. 431 fg.

He,de-

") Hehdemann S-147 Entsch. B 12. S. 176. ES ist nicht gefordert, daß e« dem Berechtigten unmöglich gewesen sei, Kenntniß von seinem Recht zu erlangen. Striethorst B 3. S. 371. Ander« nach röm. Recht, wo die Unkenntniß den Ansang der Verjährung nicht hindert, l. 3. C. VII. 39.1 12. C. VII. 33. Savigny UI. 407. Untcrhvlzuer I. 285. II. 302. Auch da« österr. R. berück­ sichtigt solche Unkenntniß nicht. Unger II. 423. Note 16.

") Da« O Trib. hat (Entsch. B. 15. S. 118.) angenommen, ein solcher Umstand, auf den man fich zum Beweise der Unkenntniß berufen könne, sei auch der, daß da- Grundstück sich im Nießbrauch eine« Andern befinde. Dagegen begründet bloße Abwesenheit nicht den Bew.i« der Unkenntniß. Entsch. B. 12. S 188. Wegen der Bewei-last s. Entsch. B. 42. S. 64. Striethorst B. 37. S. 182. Da« App.Eer. Hamm hat au«gesührt, daß fich §. 513. nicht auf den Fall beziehe, wo au- fremden Handlungen da« Recht erwächst. Gruchot B. 7. S. 431.

§ 46.

Verjährung.

Allgemeine-.

221

bereit- begonnen, so wird ihr Ablauf selbst dadurch nicht gehemmt, daß in der Zwischenzeit da- Recht auf eine andere Person übergeht, die enicht fennt41). 2. Verjährung beginnt nicht gegen denjenigen, der sein Recht zu gebrauchen oder zu verfolgen gehindert ist42),* gleichviel, ob daHinderniß au- dem Recht selbst folgt, weil eS nur noch bedingt zusteht oder betagt ist, oder ob eS durch äußere Umstände veranlaßt ist48). Solche äußere Umstände sind insbesondere, wenn man im Dienst de- Staat- sich im Ausland, oder, wenn eS sich um Rechte an einem Grundstück handelt, in einer andern Provinz de- Königreichs dauernd aufhalten muß, und auch nicht zeitweise in die Heimat oder Provinz zurückgekehrt ist44);* *wenn 47 Militärpersonen, zu denen jetzt auch die Marinepersonen gerechnet werden müssen48), im Kriege sind, d. h. von der Zeit, wo sie de- Kriege- wegen ihr Standquartier verlassen, bi- dahin, wo sie entweder entlassen oder nach geendigtem Kriege in ihre Garnison zurückgekehrt sind48); wenn Krieg oder Landplagen einen Stillstand der Rechtspflege veranlassen4'); wenn man da- Grundstück verpachtet hat, dasselbe sich also im unvoll­ ständigen Besitz einer andern Person befindet, und e- ist hierbei ohne Einfluß, ob der Verpächter, gegen den die Verjährung anfangen soll, 4I) Koch, Komment. Note 18. zu §. 515.1. 9. Die- kann nur auf die Extinktivverjährung bezogen werden, denn die Acquifitivverjährung wird durch eine Ver­ änderung in der Person de- Ersitzenden unterbrochen. Recht-fälle V. 6. S. 52. S. auch Gruchot B. I. S. 83. 85. ") Heydemann S. 151. Agere non valenti non currit praeecriptio. Aber die- ist nur die eine Seite de- Grundsätze-: wer verhindert ist, den Richter anzurufen. Auch in anderer Weise kann die Recht-verfolgung gehindert sein, z. v. wenn die ununterbrochen nachgesuchte Exekution stet- fruchtlos gewesen, bleibt da» Exckution-recht erhalten. Entsch. B. 45. S. 84. Ferner Striethorst V. 10. S. 74. V. 16. S 110.

") In der Praxis de- gemeinen Recht- werden nur juristische, nicht faktische Hinder­ nisse anerkanut. Seufsert XII. 162. ") Heydemann S. 156 fg. Nach röm. R 1. 32. D. IV. 6. genügt die Entfernung vom Wohnort. Wohnsitz in einem anderen Amtsbezirk, als wo da- Grundstück liegt, gilt nicht al- Abwesenheit.' Heuser, Annalen VII. 529. Da- OTrib. (Entsch. B. 45. S. 87 Strieth V. 42. S. 136) hat angenommen, daß da- Zu­ rückkehren sich nicht bloß auf den Fall bezieht, wo der Abwesende in der Provinz, in der da- Grundstück liegt, inzwischen seinen Wohnsitz behalten und diesen nur zeitweilig habe verlassen müssen, sondern daß e- allgemein aufzufaffen sei; ferner daß jede Rückkehr, auch die kürzeste, genüge, um die Verjährung anfangen -»lassen, und daß e- nicht darauf ankomme, ob der Zurückkehrende von der Sachlage habe Kenntniß erhalten können: also z. B. eine bloße Durchreise mit Nachtquartier. Dagegen wird der Gegenbeweis, daß e- unmöglich gewesen, Kenntniß zu erlangen, nachgelassen. Striethorst B. 42. S. 136. Daß sich übrigen- $. 519. auf beide Arten der Verjährung beziehe, s. Entsch. B. 27. S. 318. Da- österr. R. weicht nicht vom gemeinen ab. Unger II. 423. Note 14 a.

4i) Da- Gesetz v. 8. Juni 1860 **) Koch, Eivilpro;. tz. 133. 2. a bb. Auch das App.Ger. Glogau hat anerkannt, baß die Verjährung eine „auf Thatsachen beruhende ' Einrede sei. Eutsch. V. 35. S. 27.

256

Erste« Buch. Dir Grundbegriffe.

sei. §. 36. g. wurde die Regel deS A.k.R. erwähnt: daß ein Vertrag unter einer besonderen Bedingung geschlossen, wird nicht vermuthet. Die- bewirkt, daß der Beklagte, der sich wegen der Bedingtheit für noch nicht verpflichtet hält, dieselbe beweisen mnß. Dieses Moment würde allein aber noch nicht die Frage entscheiden, ob die Behauptung der Be­ dingtheit als Einrede aufzufaflen sei, denn dafür ist eS zu äußerlich. Nach dem §. 36. entwickelten Begriff der Bedingung ist diese diejenige Selbstbeschränkung deö Willen-, durch welche die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts, d. h. das aus ihm hervorgehende Rechtsverhältniß von gewiffen thatsächlichen Umständen abhängig gemacht wird. DaS Rechts­ geschäft ist abgeschloffen, seine Wirkung nur bedingt. Wird dies festge­ halten, so folgt, daß die Bedingung eine Einrede darbietet. Der Kläger klagt ans dem Rechtsgeschäft, und dieses ist nicht bestritten. Der Be­ klagte bestreitet nur, daß eS jetzt schon Wirksamkeit äußern könne, und zwar auf Grund einer besonderen Verabredung über diese, auS welcher ihm das Recht erwachsen ist, nicht schon jetzt leisten zu dürfen. Ist hier­ nach das Anführen der aufschiebenden Bedingung keine Verneinung, weil das Fundament der Klage, daS Rechtsgeschäft, nicht verneint werden kann, sondern eine Einrede, so tritt dieser Charakter noch bestimmter bei der auflösenden Bedingung hervor, denn sie hat, weil-mit ihrem Eintritt da- Recht deS Kläger- erlischt, eine unzweifelhaft selbständige Natur. Nicht mehr die bedingte Verabredung über die Dauer deS Recht-, sondern diese in Verbindung mit den eingetretenen Thatsachen, an die die Dauer geknüpft war, bilden ihren Inhalt. Streng genommen müßte hiernach die auflösende Bedingung eine exceptio facti bieten, also der zweiten Klaffe zugezählt werden. Da aber auS der Verabredung der Bedingung dem Beklagten ein Recht erwachsen, ist e- wohl richtiger, sie in der dritten Klaffe unterzubringen"). In welche Klaffe übrigen- jede einzelne Einrede gehört, die daRecht gestattet, hängt von der Bestimmung deS letzteren ab und kann erst bei den einzelnen Rechten erörtert werden. E» leuchtet aber ein, daß sich die- in dem einen positiven Recht ander» gestalten kann, al- in dem andern, daß eine Vertheidigung, die hier Einrede ist, dort nur al- Ver­ neinung gilt. DaS letztere hängt namentlich davon ab, ob die Behauptung, au» welcher die Einrede ihren Inhalt nimmt, znr Begründung der Klage erfordert ist, oder nicht. Im ersteren Fall ist die Vertheidigung de» Beklagten mir Verneinung, denn er leugnet die Existenz einer Thatsache, die für die Entstehung deS Recht- deS Kläger» nothwendig ist. Ein Bei­ spiel bietet im preußischen Recht die s. g. Einrede deS nicht erfüllten Vertrag».

••) Ueber die vielbesprochene Streitfrage nach der Beweislast auS bedingten Geschäften s. oben §. 36. Note 65,

Die Einreden lassen sich aber auch nach ihrer Wirkung eintheilen. Entweder wird durch sie da» Recht des Klägers für immer ausgeschlossen, oder nur zeitweise seine Geltendmachung gehemmt. Hiernach unterscheidet man die zerstörenden (exceptiones perpetuae, peremtoriae) und die aufschiebenden oder verzögernden Einreden (exceptiones tem­ porales, dilatoriae) “). Von den drei oben aufgestellten Klassen ent­ halten die erste und zweite nur zerstörende, die dritte zerstörende und aufschiebende. Daß die zerstörende Wirkung sich auf den ganzen Klagan­ spruch erstrecke, ist nicht nöthig: sie kann ihn auch theilweise angrcifen, wenn nur der Theil dadurch für immer zerstört wird. Da» preußische Recht kennt beide Arten"). Man hat — auch hier wieder aus dem falschen Bestreben, in das eine von der Praxis sich trennende Theorie so oft und leicht geräth, mög­ lichst viel einzutheilen und möglichst inS Kleine zu distinguiren — noch eine dritte Gattung, die der gemischten Einreden, hinzugefügt, welche zwar zunächst nur aufschiebend wirken, aber in der Folge und unter ge­ wissen Umständen zerstörend werden können, z. B. die Einrede der Be­ dingung, welche zunächst die Klage aufschiebt, wenn aber die Bedingung fehlschlägt, sie zerstört. Diese Unterscheidung ist völlig entbehrlich, denn zur Zeit ihres Gebrauchs ist die Wirkung der Einrede eine aufschiebende, und nur darauf kann e» ankommen"). Ihrem Grunde nach können die Einreden entweder aus dem mate­ riellen Recht, oder aus dem Prozeßrecht entspringen. Auch die letzteren — die hier nicht weiter zu erörtern sind — können zerstörend oder auf­ schiebend wirken, letztere- ist aber häufiger der Fall. Wie die Einrede der Klage, so kann der ersteren vom Kläger eine Replik, dieser vom Beklagten eine Duplik entgegengesetzt werden. Replik und Duplik theilen mit der Einrede den Begriff, die Eintheilung, die Wirkung. Sie sind wie diese eine Vertheidigung, eine Abwehr, nicht wie die Klage ein Angriff. Die Einrede als Recht des Beklagten (dritte Klaffe) verhält sich zu diesem, wie die Klage zum Recht des Kläger». Auch sie ist eine ihm innewohnende Eigenschaft, eine Befugniß, die nicht erzeugt wird durch den in der angestellten Klage liegenden Angriff gegen die Rechtssphäre de» Beklagten. Auch sie ist entweder auS einem absoluten oder relativen Recht hergeleitet, also nach dem SchulauSdruck dinglich oder persönlich. *») Schon bei Gaj. IV. §. 120. §. 8. J. IV. 13.

1. 3. D. XLIV. 1.

”) Eine Definition der dilatorischen Einrede enthalt die A.G.O. nicht, die peremtorische ist nach §. 9.1 9 diejenige, wodurch der Anspruch des Klager- ganz »der zum Theil aufgehoben wird. ") Schmidt, die gemischten Einrede», 1839 S. 76 fg.

Hörster, Prruß. Privatrtcht. i, 3. Kuf(,

258

Erste- Buch.

Die Grundbegriffe.

Auch sie muß ihrem Grunde entsprechend geltend gemacht werden, und dieser darf im Laufe de- Rechtsstreit- nicht verändert werden, sonst hört sie auf, diese Einrede zu sein. Zum Fundament der Einrede gehört ins­ besondere, daß sie dem Beklagten selbst gegen diesen Klager zustehe, daß er zu ihr, wie der Kläger zur Klage legitimirt sei. Die- wird durch den Satz au-gedrückt: exceptio de jure tertii non datur15). ES kann im einzelnen Fall oft zweifelhaft sein"). Unzweifelhaft aber ist, daß der Rechtsnachfolger dessen, dem die Einrede ursprünglich zustand, sich ihrer ebenso, wie dieser bedienen kann, denn die Einrede ist übertragbar, wie die Klage, vorausgesetzt, daß daS Recht nicht an die Person gebunden ist17). Unzweifelhaft ist auch, daß, wenn der Beklagte dem Kläger nur au-hilfSweise (subsidiär) verpflichtet ist, er auS der Hauptverpflichtung Einreden entnehmen kann, da seine Verbindlichkeit bedingt ist durch die des Hauptschuldners"). Was das Geltendmachen der Einrede vor Gericht betrifft, so tritt zunächst der Grundsatz hervor, daß die Partei, der Beklagte, die Einrede vorbringen muß, daß sie der Richter nicht von AmtSwegen berücksich­ tigen darf"). Es folgt dies aus dem Amt des Richters, der nur den ") Herold bei Gruchot v. 3. S. 361.

,e) Beispiele aus der Praxis: Entsch. B. 35. S. 474: der nachstehende Hypotheken­ gläubiger darf im Kaufgelderbelebungsverfahren dem vorstehenden, der seine Bor­ ausbefriedigung verlangt, nicht dre Einrede der mangelnden Legitimation oder der Zahlung entgegenstellen. Striethorst v. 24. S. 204: der Nachfolger im Besitz eine- Grundstücks ist aus eignem Recht befugt, die Giltigkeit der auf den Antrag eine- Gläubiger- seines Borbesitzers im Wege der Exekution eingetragenen Hypo­ thek anzufechten. Entsch. B. 28. S 249: daraus, daß der Gläubiger den Exequendus zu dem wider den überwiesenen Schuldner angestrengten Prozesse nicht hat vorladen taffen, kann der Letztere einen Einwand nicht entnehmen. Entsch. B. 37. S. 91: der Regel nach erscheint die Einrede der Simulation gegen die Eession und ebenso die Einrede, daß damit nicht beabsichtigt oder erreicht sei, das Eigenthum der cedirten Forderung auf den Lessionar wirklich zu übertragen, in­ sofern eS dabei gewöhnlich an einem Intereffe auf Seiten de- Schuldners gebricht, für diesen al- eine unstatthafte exc. de jure tertii, die er gegen die Klage des Lessionar- zu erheben nicht befugt ist. Ander- gestaltet sich jedoch die Sache, wenn bei diesen Einwendungen ein eigene- Jnterffe de- Schuldner- obwaltet (Entsch B. 17 S. 164). Bergt, dazu Seuffert V. 16.; hier ist dem cessus gegen den Eessionar die Einrede de- mit dem Eedenten abgeschlossenen pactum de non cedendo versagt, weil dem cessus gegen den Eessionar nur solche Ein­ wendungen zustehen, die sich auf die Hauptforderung, nicht auf die Eesston beziehen. Striethorst v. 9. S. 1. ES ist nicht exc. de jure tertii, wenn zwei Eessionarien, die von demselben Eedenten ihre Forderungen erworben haben, über die Simulation der einen der beiden Eessionen streiten. Striethorst B. 19. S. 95. Wenn die Ehefrau gegen den Dritten die au- dem Recht ihre-Manne- entlehnte Einrede mangelnder Spezialvollmacht opponirt, so ist die- eine unstatthafte exc. de j. tert. ,T) A L R I. 11. §. 382. Ueber die Einreden de- Cessna gegen den Eessionar gegen da- Hauptgeschäft Nähere- in der Lehre v. d. Eession.

") 1. 7. §. 1.

1. 19. D. XLIV. 1.

§. 310. I. 14. A L.R.

") Albrecht a. a. O. S. 124.170 Bayer, Dorträge über den gem. ordentl. Eivilproz. 8. A. S. 622. — Nach Entsch. B. 46. S. 243 fg. hat ein App.Ger. die Ein­ rede, daß der Vertrag wegen veränderter Umstände aufzuheben sei, von Amt--

§. 53. Die Einrede.

259

erbetenen Rechtsschutz ju gewähren hat. Bei der Einrede der Verjährung ist vielfach da- Gegentheil behauptet, aber, wie später gezeigt werden wird, mit Unrecht. Auch da- preußische Recht erkennt im Allgemeinen den Grundsatz al- richtig an, obschon er durch da- eigenthümliche Prinzip der A.G.O. etwa- verdunkelt ist und daher wohl auch in der Praxi- zuweilen verkannt wird. Im Anschluß an die Vorschrift der A.G.O., wonach der Richter, dem die Akten zur Abfassung de- Erkenntnisse- vorgelegt wer­ den, wenn er exceptiones Juris, die während der Instruktion nicht ge­ rügt werden, zu bemerken glaubt, eine nähere Vernehmung der Parteien darüber veranlassen soll"), hat das Obertribunal den Beschluß gefaßt: „Recht-einwendungen im weiteren Sinn, welche den Klagegrund selbst be­ treffen, und mithin den Mangel de- Klagerechts an uud für sich behaup­ ten, ist der Richter befugt, zur Vertheidigung de» Beklagten bei der Ent­ scheidung de» ProzeffeS von Amtöwegen sofort geltend zu machen. Eigent­ liche Rechtseinwendungen dagegen, welche den Anspruch des Kläger» durch ein entgegenstehendeS selbständige- Recht de- Beklagten aufheben sollen, darf der Richter nur berücksichtigen, wenn er vorher die Vernehmung der Parteien über dieselben veranlaßt hat""). Gegen diesen Sah ist folgen­ de- zu erinnern: die Unterscheidung von Recht-einwendungen im weiteren und eigentlichen Sinn ist unrichtig, jene gehören nicht zu den Einreden; e- ist da- Bestreiten der vom Kläger ausgestellten Recht-ansichten eine Art der Verneinung, und hier tritt allerdings die freie amtliche Prüfung de- Richter», unabhängig davon, ob und wie sich der Beklagte nach dieser Richtung vertheidigt hat, ein. Sollte aber da» Obertribunal unter den Recht-einwendungen im weiteren Sinn, wie es dem Wortlaut nach scheint, auch die oben bezeichnete erste Klasse gemeint haben, die sich auf die allgemeinen Voraussetzungen der Rechte beziehen, so ist eS gewiß un­ richtig, dem Richter die Pflicht oder da- Recht zuzutheilen, dergleichen An­ griffe gegen die Klage dem Beklagten zu unterbreiten, für ihn geltend zu machen. Richtig ist nun zwar ferner, daß die eigentliche» Recht-einwen­ dungen (also die dritte Klasse) nicht von Amtöwegen berücksichtigt werden dürfen, aber fraglich ist e», ob der Richter auch noch nach dem heutigen Prozeß die Vernehmung der Parteien hierüber veranlassen muß, oder ob er nicht lediglich da- Vorbringen abzuwarten hat. Dem Begriff der Ver­ theidigung und dem heutigen Prozeß entspricht nur da- letztere, und die Praxis verfährt auch überwiegend danach. Weil die Einrede Vertheidigung und zwar nur Vertheidigung ist, weßhalb sie auch immer nur die Abweisung de» Kläger- erzielen kann, wegen der Entscheidung zu Grunde gelegt l Für gemeines R. (Bezirk von Greifs­ wald) f. Striethorst B. 17. S. 317. Siehe unten $. 57. *•) A.G.O. I. 9. §. 11. Ueber diesen §. s. unten §• 57. ") Entsch. B. 7. S. 308.

17*

ist ihr Gebrauch gegenüber dem in der Klage liegenden Angriff be­ günstigt. Die» drückt sich zunächst darin au», daß die Häufung der Einreden gegen die Klage, selbst wenn sie sich unter einander widersprechen, ungehindert ist, während in der Klage sich widersprechende Fundamente nicht neben einander gestellt werden dürfen"); sodann darin, daß dieselbe Einrede gegen verschiedene Klagen gleichzeitig opponirt werden kann"). Nur unzulässig ist e», da» Recht gleichzeitig al» Einrede und al» Angriff (Klage) zu gebrauchen, die» hindert der Grundsatz der Litispendenz und die Regel, daß man nicht zweimal daffelbe erlangen darf. Selbst der successive Gebrauch der Einrede und Klage ist nur dann noch zulässig, wenn im ersten Rechtsstreit die Einrede nicht bewiesen, oder ihr Gegen­ stand über den Gegenstand der Klage hinauSging, also ein Mehr übrig geblieben war, für welche» noch besondere Befriedigung verlangt werden darf"). Endlich aber zeigt sich die Begünstigung de» Gebrauch» der Ein­ reden in dem Grundsatz, daß, wer eine Einrede aufstellt, nicht al» ein solcher angesehen werden darf, der den Klagegrund an sich eingeräuint habe: qui excipit, non fatetur"). Der Sinn de» Satze» ist bestritten, und bedarf jedenfalls einer Einschränkung. Er besagt nur: durch die Einrede de» Beklagten ist der Klagegrund selbst noch nicht zugestanden. Er sagt nicht: Kläger darf die thatsächlichen Anführungen de» Beklagten, auf die er seine Einrede stützt, nicht für sich benutzen*'). Vielmehr, wenn Beklagter au» denselben Thatsachen, auf welche der Kläger seinen An­ spruch stützt, eine Einrede hergeleitet, so sind diese Thatsachen zugestan-den"). Wenn der Beklagte die Klagethatsachen bestreitet, und eventuell **) Nemo plnribus exceptionibus uti prohibetur, quamvis diversae eint. 1.5.8. D. XLIV. 1. 1.43. pr D. L. 17 Bayer S- 623. Die Regel wird von Heim­ bach, RechtSlex. 111. S. 699 eingeschränkt: „auf civilrechtliche Einreden, die sich auf Thatsachen stützen, welche das Klagerecht ipso jure ausheben, ist diese Regel deßhalb nicht anwendbar, weil hier leicht ein Widerspruch zwischen den einzelnen VertheidigungSgründen eintreten kann". — Alternative oder successive Häufung sich schlechthin widersprechender Klagegründe ist unzulässig; z. B. kann eine Klage auf Nichtigkeit eines Testaments nicht darauf gestützt werden, daß der Testator eine untergeschobene Person sei, und zugleich event, daß er bei Errichtung des Testaments nicht bei Verstände gewesen. Blätter f. RechtSanwend. in Baiern 1857 S. 398. ") Striethorst B. 9. S. 131.

Seuffert v.7. S. 354.

") Martin, Vorlesungen über gem. d. Eiv Proz. B. 1. S. 470. Koch, Eivilproz. § 131. N. 5. und N 10. Ueber die 1. 8 D. XVI. 2, welche eine scheinbare Aus­ nahme für die Einrede der Kompensation macht, s. Förster S. 155.

") L 9. D. XLIV. 1 1. 43. pr. I). de R J. 1. 9. C. VIII. 36. c 6. X. II 25 c. 63. Vito. V. 13. c. 2. Vito. II. 3. — Preuß R- §. 60. I. 10. §. 52 I. 23. Nr. 1. Ab. 2. A G O. Striethorst B. 51. S. 27. a.

*•) Weber, Beiträge z. L. v. d. gerichtlichen Klagen und Einreden St 2. S. 1 ll sg, dessen Verbindlichkeit z. Beweisführung §.16-18. Martin, Vorlesungen B. 1. S. 494 sg.

1T) Wochenblatt für merkw. Rechtsfälle in Sachsen, N- F. III. (1855) S- 455. Seuf­ fert B. 8. S. 132 B. 13. S- 410.

$. 54. Der Beweis.

261

eine Einrede beifügt, so darf auS dieser kein GcstSndniß der Klage her­ geleitet werden. Hier hat die Regel ihre eigentliche Anwendung"). Wenn der Beklagte sich über die Klageihatsachen nicht auSläßt, seine Einrede auf andere Thatsachen basirt, so sind erstere nach gemeinem Prozeß nicht alzugestanden zu erachten, und hier hat jene Regel ihre weitere Anwendung, der Kläger muß zunächst die Richtigkeit seiner Thatsachen beweisen, und erst, wenn die- gelungen, kommt eS auf die Einrede an. Nach preußi­ schem Prozeß aber, der die affirmative LitiSkontestation auS dem Richt­ erklären ableitet, gelten die Klagethatsachen in diesem Fall al- zugestanden. ES kann übrigens, wenn die Thatsachen, die der Beklagte zur Begründung seiner Einrede angeführt hat, zugleich bie Wahrheit deS Klagefundament­ darthun"), oder wenn au» der ganzen Sachdarstellung hervorgeht, daß der Widerspruch gegen die Klage mehr in dem Inhalt der Einrede alin dem Bestreiten deS faktischen Klageinhalts besteht"), jener Satz keine Anwendung finden. Bei solcher Beschränkung muß er überhaupt al- ent­ behrlich angesehen werden").

tz. 54. ADO. (Jini. §. 16. 17. 1605.

Der Beweis.

Tevenar, Theorie des Beweise- im preuß Liv.Proz.

2. A.

Leue, Theorie des Beweise» im preuß. Liv.Proz. B. 1. 1835 (t>on Sub­

jekt und Objekt de» Beweise»). gehört nicht hierher.

Meyer, in der jurist. Wochenschrift 1841 S. 10

Koch, Civ.Proz. §. 93. 99. 201. Pr.R. I. S. 354.

preuß. Liv.Proz. 1656. §. 117-120.

Hessler,

Dernbnrg I. §. 126. — Au» der reichen

gemeinrechtlichen Literatur bes. Weber, über die Verbindlichkeit der Beweirsührung,

3.A., mit Zusätzen von Hessler, 1845.

Bethmann-Hollweg, Versuche S.319.

Fitting, über den Vvon Haupt- und Gegenbeweis, 1853. Gerber, Bei­ träge zur Lehre vom Klagegrunde und der Bewei»last, 1858. Endemann, die Beweirlehre de» Eivilprozefse», 1860.

Maxen, über i ewei-last, Einreden, Ex-

ceptionen, 1861. — Wächter II. S. 433.

Unger II. S. 551. 577.

Vorträge über den gem. ordentl. Liv Proz. 8 A. 1856

Bayer,

S. 681. 725. 741. 759 fg.

Wetzell, System de» ordentl. Pr.R. 1861 S. 110.

Zwei Fragen auS der Lehre vom Beweise, die sonst dem Prozeßrecht angehört, müssen wegen ihrer materiell-rechtlichen Natur hier zur Sprache kcmmen, die nach der Beweislast und nach dem Beweiösatz. Sobald der Richter sich im Besitz des thaisächlichen Material- deRcchtSstreit» befindet, ist ct damit noch nicht in der Lage, seinen Aus­ spruch über da- Recht zu thun. Die Erklärungen der Parteien, soweit ") Entscheid. B. 15. S. 447. ”) Römer, Samml. der Entscheid, de» OAG. Lübeck B. 1. S. 553.

’•) Schletter, Jahrbücher B. 1. S. 345 Nr 65. Blätter sür Rechtsauwend. in Baie>n 1854. Ergänz H. Nr 8.

") Ebenso Unger S. 500 Note 38.

sie von einander abweichen, hindern ihn daran, weil jede Partei gleichen Glauben verdient, mithin keine Behauptung die Gewißheit hat, welche für das Urtheil die nöthige Grundlage ist. Jetzt beginnt die Operation des Richters, das thatsächliche Material zu sichten, das Zugestandene von dem Bestrittenen, auS letzterem das Erhebliche vom Unerheblichen zu son­ dern. Das Bestrittene und Erhebliche muß ihm zur Gewißheit gebracht, e- muß ihm bewiesen werden — judici fit probatio1). Die Quellen enthalten eine eigentliche Definition des Beweises nicht, warum sollten fie auch einen Begriff des gemeinen Lebens, allen verständlich, noch mit einer Schuldefinition bekleiden? In seiner Anwendung auf den Civilprozeß ist Beweis der Inbegriff der Gründe für die juristische Gewißheit einer that­ sächlichen Behauptung. „Juristische" Gewißheit muß gesagt werden, um dadurch anzuzeigen, daß sie unterschieden sei von der natürlichen. Dies hängt damit zusammen, daß der Richter mit der Vollständigkeit seines thatsächlichen Wissens an die Angaben der Parteien gebunden ist, daß er nur ans diesen Grund Recht sprechen kann. DaS positive Recht schreibt deßhalb vor'), in welchen Fällen dergleichen juristische oder formelle Ge­ wißheit vorhanden sein soll, in welchen Fällen der Richter sie als vor­ handen annehmen muß, selbst wenn er persönlich von der Wahrheit nicht überzeugt wäre'). Man theilt den Beweis in Haupt- iutb Gegenbeweis. Ersterer ist zunächst derjenige, der sich auf die Klagethatsachcn bezieht. Der Be­ griff deS letzteren ist verschieden festgestellt worden. Eigentlich kann man darunter nnr denjenigen verstehen, besten Zweck eS ist, den Hauptbeweis zu entkräften oder ganz zu widerlegen. ES ist der eigentliche oder direkte Gegenbeweis. Sein Thema läßt sich nicht im Voraus bestimmen, es hängt davon ab, was zum Hauptbeweise ausgesetzt ist, und eS liegt in ter Natur der Sache, daß eS gegen solchen Gegenbeweis nicht nochmals ') 1. 12. D. XXII. 3. I. 1. C. IV 7. ’) A.G O. 1.13. z. s fg. *) Seit Möser, Patriot. Phantasien IV. @.113 heißt die juristische Gewißheit for­ melle, im Gegensatz zur materiellen Wahrheit. Die materielle BeweiStheorie steht der UebcrzeugungSlheorie gegenüber, die jetzt für den Lriminalprozeß gilt. Die Angriffe gegen die Widernatürlichkeit der ersteren, namentlich gegen die Ueber« spannlheit, die sie im deutschen gemeinen Eivilprozeß erlangt hat, haben nie ganz gefehlt, sind aber seit Einsührung de« mündlichen Versahren» lebhafter und be­ rechtigter geworden. S. des. Endemann im Archiv s. civilistische Praxi« B. 41. R. 4. 11. B. 42. N. 11. B. 43. N. 1. Die Praxi« bietet oft die Bewahrheitung de« Satze« naturam e.xpellas furca, tarnen uaque recurret. E« wird wohl auch die Zeit kommen, wo man sich ebenso sehr darüber wundern wird, daß die for­ male Bewei«theorie mit ihrem ganzen, halben, Viertel- und Achtelbewei» im Eivil­ prozeß hat gelten können, al« e« heute schon unbegreiflich erscheint, daß im Eriminalprozeß jemals eine andere al» die Ueberzeugung-theorie gegolten hat. Letztere hat übrigen« im preuß. Eivilprozeß schon einige Anwendung: Ehescheidung«prozeß 39. B.O. v. 28. Juni 1844. Klage au» unehelicher Schwächung § 16. Ges. v. 24. April 1854. Actio I’auliana § 17. Ges. v. 9. Mai 1855 §. 111 Konkur-ordn. V. 8. Mai 1855.

54. l)er Beweis.

263

einen Gegenbeweis geben kann, denn dessen Inhalt müßte der des Hauptbeweise- sein — reprobatio reprobationis non datur. Man hat aber den Begriff de- Gegenbeweise- erweitert und darunter jede Beweisführung de- Beklagten verstanden, also auch den seiner Einreden: indirekter Gegenbeweis. Dieser ist aber seinem inneren Wesen nach ein wahrer Hauptbeweis4), durch welchen die Wahrheit der selbständigen thatsächlichen Behauptung de- Beklagten, nicht die Unwahrheit de- Vorbringen- deGegners vargethan werden soll. Sonach wird jetzt allgemein der Haupt­ beweis dahin bestimmt, daß e- der Beweis für die Wahrheit der that­ sächlichen Grundlagen eine- selbständigen prozessualischen Angriff- und Gegenangriff- ist. Der Beweis ist ferner entweder ein natürlicher oder künstlicher. Die Art und Weise, wie der Beweisführer die Thatsachen darzuthun sucht, kann eine zwiefache sein: entweder werden Beweismittel beigedracht, welche unmittelbar da- Beweisthema selbst treffen, oder es werden That­ sachen in Gewißheit gesetzt, auS welchen auf die Wahrheit de- BeweiSfaheS ein Schluß gezogen werden kann, der künstliche Beweis ist gewisser­ maßen ein Vorbeweis, als solcher aber ein natürlicher4). Nach preußischem Recht spricht der Richter sein Verlangen nach Be­ weis durch ein s. g. Resolut, eine prozeßleitende Verfügung auS, nach ge­ meinem Recht durch ein s. g. Interlokut, da- die Natur eine- Urtheilhat"). Dieser Au-spruch muß festsetzen, von welcher Partei und worüber der Beweis zu führen sei. 4) Seit Bethmann-Hollweg'S Ausführung wird die- nicht mehr verkannt. ') Zeitfchr. f RechtSpfl. u. Verwalt, in Sachsen, N. F. B. 19. S. 464.

•) Die Verschiedenheit zwischen Resolut und Interlokut ist nicht bloß eine formelle, sondern hat wichtige materielle Fragen im Gefolge. Der Au-spruch de- Richter-, welcher den Beweis anordnet, ist in der That ein Urtheil, eine erkennende Thätig­ keit, denn er ist da- Resultat der Prüfung über die Rechtsfrage, über die Erheb­ lichkeit des Borgebrachten, er bedingt daher die schließliche Entscheidung. Er ist decisiv und prozeßleitend. Je nachdem aus die eine oder die andere Seite seines Wesens der Nachdruck gelegt wird, wird man die Beweisverfügung al- Urtheil oder als Dekret auffassen müssen. Die nächste erhebliche Konsequenz ist, daß gegen das Urtheil auch Rechtsmittel gestattet sein müssen, und daß es rechtskräftig wird, wenn solche nicht gebraucht werden. Weil durch die in die Mitte der Instanz eingeworfenen Rechtsmittel der Prozeß ungebührlich verlängert wird, hat man viel­ fach in neueren Gesetzgebungen den Standpunkt des Urtheils verlassen. Die preuß. AG O ist vorangegangen, und die preußische Praxis weiß die- als beson­ deren Vorzug zu rühmen. Der Vorzug hat auch seine großen Nachtheile gebracht. Zwar der Prozeß verliert an Starrheit und Langsamkeit, er behalt bis zum Ab­ schluß eine gewisse Elastizität. Aber mit der Wichtigkeit eine- Urtheil- schwand auch nur zu sehr die klare und scharfe Einsicht in die materielle Seite de- Beweis­ recht-, namentlich die Beweispflicht, und der Prozeß büßte feine naturgemäßen Scheidungen ein. Einen Mittelweg hat die hannöversche Prozeßordnung v 1850 eingeschlagen. Sie hat da- Interlokut al- Urtheil beibehalten, nnd bindet den Richter, der e- gesprochen, daran, aber sie läßt ein Rechtsmittel nicht dazwischen treten, sondern gestattet, da- Rechtsmittel gegen das Interlokut nach Beendigung der Instanz zum AuStrag zu bringen. — UebrigenS war auch dem römischen Recht und noch dem kammergerichtlichen Prozeß da- Interlokut al- Urtheil unbekannt;

1. Die BeweiSIast. Dem römischen Recht sind in Bezug auf diese viel bestrittene Lehre nur zwei allgemeine Grundsätze bekannt: einmal seniper necessitas incumbit illi, qui agit’) oder petitori probationis onus incumbit"), d. h. der Kläger hat die Klage zu beweisen und, wenn eS nicht geschieht oder gelingt, wird er abgewiesen'). ES liegt aber darin zugleich der weitere Grundsatz: der Beklagte hat die Einrede zu beweisen, denn reus excipiendo fit actor10). Sodann ei incumbit probatio, qui dicit, non qui negat"). Also demjenigen, welcher behauptet, liegt der Beweis ob, nicht demjenigen, welcher verneint, bestreitet. In der Doktrin haben sich, je nachdem der eine oder der andere dieser beiden Grundsätze besonder- hervorgehoben wurde, zwei Theorien über die Beweislast gebil­ det; aber es ist Weber'S Verdienst, nachgewiesen zu haben, daß jene Regeln nichts Verschiedenes, keine Gegensätze sind, sondern daß sie sich gegenseitig ergänzen. Is qui dicit, qui affirmat ist immer der Kläger in Betreff seiner Klage, mag seine Behauptung auch eine negative Fassung haben, ebenso immer der Beklagte in Betreff der Einrede; is qui negat ist immer der nur bestreitende Gegner. Der richtige allgemeine Grund­ satz von der BeweiSlast ist also der: jede Partei hat ihre eigene, affir­ mativ oder negativ auSgedrückte thatsächliche Behauptung, die vom Gegner bestritten worden und auf die sie einen selbständigen Angriff oder Gegen­ angriff stützt, zu beweisen. DaS eigenthümliche Prinzip der A.G-O. hat diesen Grundsatz ver­ dunkelt, nicht aufgehoben. „Vornehmlich" derjenige Theil soll beweisen, der sich auf eine geleugnete, erhebliche Thatsache gründet. Doch soll der Richter nicht daran gebunden sein"): dies bezieht sich aber nur auf die Beweismittel, die die beweispflichtige Partei angegeben, nicht auf die BewciSpflicht selbst. Eine wissenschaftliche Praxis wird an dem eben ent­ wickelten Grundsatz sesthalten müssen"). e» ist wesentlich deutschen Ursprung», besonder» au-gebildet in der sächsischen Praxi», wie Planck, da» Bewei»urtheil, 1848, überzeugend nachgewiesen hat.

') $. 4. J II. 20. •) 1 20 C. IV. 19. ») 1. 4. C. II. 1. 1. 2. C. IV. 19. 1 28. C. III. 32. §. 28.1. 13. A.OG.

") 1. I. D. XLIV. 4. 1. 19. D. XXII. 3. ••) 1. 2. D. XXII. 3. 1. 23. C. IV. 19. *’) A G O. Einl §. 16. 17. Die Frage, wer die BeweiSlast hat, ist eine Frage deS materiellen Recht», nicht de» Prozesse». Bergl. hierüber Striethorst B. 38.

S. 153. B. 64. S. 311.

Dagegen B. 61. S. 313. 315. B. 69. S. 18.

*’) Ein Ausspruch des Richters über die BeweiSlast erfolgt im preuß Prozeß nicht. 30. der B O. vom 1. Juni 1833 schreibt nur vor, daß da» Resolut die zu beweisenden Thatsachen und die Beweismittel festsetzen soll. Hiervon unterscheidet sich erheblich und zu seinem Bortheil der Prozeß nach der BO. v. 21. Juli 1849 für die gemeinrechtlichen Bezirk« Preußen». §. 29: „über welche Thatsachen und von welcher Partei der Beweis und Gegenbeweis geführt werden soll". Damit im Zusammenhang steht, daß im altpreußischen Prozeß schon die Klage und Be-

§. 54.

Der Beweis.

265

Da- positive Recht hat diesen Grundsatz in vielen Fallen dadurch modifizirt, daß eS der Partei die Beweislast abnimmt, indem eS Ver­ muthungen für die Richtigkeit'ihrer thatsächlichen Behauptungen gewährt, die- hat die Folge, daß der Gegner durch Beweisführung, die in einzel­ nen Fällen ganz besonders erschwert ist, die Vermuthung beseitigen muß. DaS preußische Recht ist besonders reich an solchen Vermuthungen, die als Regelungen der Beweislast erscheinen"). Auch die Vermuthung stützt sich auf thatsächliche Voraussetzungen, die, wenn sie bestritten, bewiesen werden müssen. Häufig sind sie nicht- weiter als die gesetzliche Anerken­ nung natürlicher Wahrscheinlichkeit. Im Begriff verschieden von ihnen, obgleich im A.L.R. mit gleichem Wort bezeichnet, sind die Fiktionen, wo da- Recht ohne Rücksicht auf die Richtigkeit oder Unrichtigkeit gewisser Thatsachen da- Vorhandensein eine- rechtlichen Zustande- al- gewiß an­ nimmt, so daß Gegenbeweis nicht statthaft ist. Dergleichen Fiktionen sind wenige aufgestellt"). 2. Der Beweissatz. Dieser soll ausdrücken, welchen Thatumstaud der Richter sich beweisen lassen muß, um da- Urtheil sprechen zu können. Er enthält da- Thema, die Aufgabe der Beweisführung. Im Allgemeinen ist zu sagen: eS müssen bewiesen werden die thatsächlichen Behauptungen der Parteien, sofern sie die Entscheidung de- Rechtsstreite- bedingen, für sie wesentlich sind, und sofern sie noch nicht juristische Gewißheit erlangt haben, also: Thatsachen, erhebliche, juristisch ungewisse (streitige). Hier­ antwortung mit der Angabe aller möglichen denkbaren Beweismittel angefüllt sein muß ") Siehe Register zum A.L.R- v. Vermuthungen. Koch, LivPr. §. 273. Heffter a. a. O. S. 144. Lene S. 155 fg. Unger 11. S 517fg. A.G.O. I. 13. §.27.28. R. Koch bei Gruchot XIII. 321. Ein Beispiel bietet §. 229. I. 5., welchen das RO.H.G. 1. Wr. 20. für eine Konsequenz deS §. 28. I. 13. A G.O. erachtet. I5) Wächter 11. S. 450 Note 32 ist gegen die Gleichstellung der sg. praesumliones Juris et de jure, d. h. derjenigen Vermuthungen, die durch Gegenbeweis nicht entkräftet werden dürfen, mit den Fiktionen, welche darin bestehen, daß zn gewissen Zwecken ein Verhältniß als wirklich angenommen wird, von welchem man weiß, daß eS in der That in dieser Weise nicht existirt, z. B bei dem Lotus possessor. Ihm tritt Unger II. S. 584 Note 19. bei, indem er die Fiktion mit D emeliuS (die Rechtsfiktion, 1858 S. 92 dahin definirt, sie fei eine RechtSregel besonderen Ausdrucks, die Präsumtion dagegen eine Rechtsregel besonde­ ren Inhalts. Diese Definition ist unklar: Ausdruck undInhalt sind keine Gegensätze, der Ausdruck muß einen Inhalt haben. Es scheint aber bei Wäch­ ter der Begriff der Fiktion willkürlich beschränkt. Nicht, daß man grade weiß, daß die Thatsachen der Annahme widersprechen, sondern daß man eine RechtSannahme aufstellt, ohne Rücksicht darauf, ob ihr die Thatsachen entsprechen oder widersprechen, ist ihr Wesen, während die Präsumtion sich an Thatsachen anknüpft, die ihre Annahme schon wahrscheinlich machen, also diese berücksichtigt und ihre Bedeutung verstärkt Bei fortschreitender Rechtsentwickelung müssen die Fiktionen immer mehr abgeworfen werden (s. DemeliuS S. 75 fg ) Wenn man die gesetz­ lichen Bestimmungen streng prüft, wird man deren auch nur sehr wenige finden. Eine eingehende Untersuchung kann hier nicht gegeben werden. Sie wäre sehr wünschenSwerth. Siehe Koch, Liv Proz. §. 273. Jhering, Geist des röm. Rechts, III. 1. S. 284 f. (1865).

nach läßt sich bestimmen, wa» nicht zum Beweise auSznsetzen ist: da-Zngestandene, daS Notorische, da- vom Gesetz Vermuthete, da- Unerhebliche. Auch Recht-sätze sind nicht Gegenstand de- Beweise-. Die Aufsuchung de- richtigen Recht-satze- ist Amtspflicht de- Richter-, er ist hierbei un­ abhängig von den Ausführungen der Parteien, er ist nicht bloß berechtigt, sondern verpflichtet, an Stelle der unrichtigen, von der Partei vorgetra­ genen Recht-sätze die von ihm erkannten richtigen seiner Entscheidung ohne Weitere- zu Grunde zu legen. Die Regel erleidet eine Modifikation: lo­ kale- Gewohnheitsrecht, statutarische- und ausländische- Recht darf Gegen­ stand de- Beweise- werden. Doch kann und darf der Richter sich auch von Amt-wegen diese Kenntniß verschaffen"). WaS nun im einzelnen Fall da- Erhebliche sei, ergiebt sich au- den gesetzlichen Erfordernissen desjenigen Rechtsverhältnisses, welches Gegen­ stand der Klage oder Einrede ist, und kann im Allgemeinen nicht weiter bestimmt werden, al- oben (§. 50. S. 230.) bereits geschehen: wesentlich ist, waS zur Entstehung des Rechts gehört. Der Richter muß den Beweissatz scharf, erschöpfend hinstellen; er darf ihn nicht überladen. ES wird vermöge der den Prozeß beherrschen­ den Eventualmaxime der Satz über den Beweis der Klage und der Ein­ rede zugleich ausgesprochen, wenn auch der letztere erst erheblich wird, nachdem der erste geführt ist. Den Beweis der Klage fordert der Rich­ ter, den Beweis der Einrede stellt er dem Beklagten frei, ebenso den direkten Gegenbeweis, über welchen ein Satz nicht formulirt werden kann").

4.

Da- Urtheil.

ALR. I. 10. $. 2. I. 16. §. 7. A.G.O. Einl. §. 65 66. . V. §. 6. IX §. 6. X. $. 60. XIII. §. 38. 4ä. XVI. §. 1 6. XXIV. §. 2. 3. 5 B. v. 1. Juni 1833 §. 1. Nr. 3. — Koch, Pr.R. 1. S. 365 fg.

Förster, Kl. u. Einr. 1857. S. 175 - 206

selbe bei Gruchot B-2. S. 343.

Bauer bei Gruchot B. 4. S. 187.

chot in f. ’Ytilrägen B. 6. S- 315. B. 7. S. 175.

B. 15 S. 337. 641.

und Urtheil, 1827. 1847 S. 76. 168.

Der­

Gru-

Bachmann das. B. 14. S 204.

Dernburg I §. 133-138. — Keller, über Liti«k°ntest. Bnchka, Einfluß des Prozesses 55. 1. 1846 S. 290. B. 2.

Wächter, Erört. H. 3. 1846 S. 43-

PrivR. II. S. 545 fg.

Kierulff I. S. 42. 249. 303. Savigny VI. 257—409. Heimbach im Rechts­ lexik. B. 11. S- 762 Bayer, Vorträge S. 431. Wetzell, Tivilprozeß S. 398. Windscheid, die Actio S. 72. Pand. I. 338. Unger II. S. 601. Sintenis 1. §. 34. Endemann, da« Prinzip der RechtSkrast, 1860. Derselbe, Beweis

•*j Seusfert B. 13. S. 253. A.G.O. I. 10. $. 53—55. Sachs. Wochenblatt für merkw. RechtSsäll«. 91. F. B- 6. S. 147 fg. Oben S- 49 Note 5. n) Da der preuß Prozeß einen Ausspruch über die Beweislast nicht kennt, so tritt hier da« Fordern und Freistellen äußerlich erkennbar nicht hervor.

lehre des LivilprozeffeS, 1860, S. 98 fg.

f. civil. Pr. B. 33. S. 315.

Einzelne Aufsatze von Linde im Arch.

Pfeiffer im Archiv f. civil. Pr. B. 37. S 9*3-. 244.

Schäffer, in der Zeitfchr. f. Tivilr. u. Proz. N. F. B. 12. S. 247.

Arch. f. praktische R W. B. 5. S. 50

Proz. N F. B. 11. S. 55. B. 12. S. 217. S. 1.

Dunker im

Zimmermann in der Zeitschr. f. Eiv.R. u. Schäffer im Arch. f. civil.Pr. 8.37.

Blätter f. RechtSanwendung in Baiern B. 20. S. 113. 129. u. A. m.

§. 55.

a. Begriff und Umfang der Rechtskraft.

Klage, Antwort, Beweis sind erörtert. Sie sind die Grundlagen des Urtheils. In der naturgemäßen Weife wird nach heutigem Recht, dem die exceptio rei in Judicium deductae mit ihrer konfumirenden Wirkung nicht mehr bekannt ist, die Klage erst durch das Urtheil ver­ braucht (konfumirt). Eine bereit» anhängig gewordene Klage, die nicht bis zum Erkenntniß durchgefilhrt wird, kann wiederholt angestellt werde»: es liegt in der Willkür des Kläger», ob er die Durchführung feines Rechts, bevor sie vollendet, wieder aufgeben, ob er den eingeschlagenen Weg ver­ lassen und einen neuen wählen will'). Ist aber das Urtheil ergangen, so kann die Klage nie wieder aufs Neue erhoben werden, mag der Be­ klagte dem Antrag entsprechend verurtheilt oder der Kläger abgewiesen worden fein. Das Urtheil schützt daher sowohl den Kläger als den Be­ klagten gegen jede fernere Anfechtung wegen desselben Gegenstandes aus demselben RechtSgrunde. Das Urtheil ist sonach der entscheidende, unabänderliche Ausspruch de» Gerichts über das Recht de» Klägers. Er setzt voran-, daß beide Theile gehört worden, daß sie über ihren Rechtsstreit vor dem Richter verhandelt haben — oder daß ihnen wenigstens die Aufforderung in ge­ setzlicher Weise zu einer solchen Verhandlung geboten ist, wobei e- dann nicht weiter darauf ankommt, ob sie benutzt worden'). Abgesehen von den prozessualischen Formen liegt hierin der wesentliche Unterschied de» Urtheilvon allen übrigen richterlichen Verfügungen, die während de» gerichtlichen Verfahren- erfolgen, daffelbe leiten und nicht unabänderlich sind'). Im Wesen deS Urtheil- al» eines unabänderlichen Ausspruchs liegt ■) Sntsch. B 20. S. 511: Wenn bet Kläger die Klage zurücknimmt, ohne sich seiner Forderung zu begeben, so kann der Beklagte die Entscheidung über letztere nicht durch den einfachen Antrag aus Fortsetzung der Lache erlangen, sondern nur, in­ dem er entweder selbst die Unrichtigkeit und Ungiltigkeit der klägerischen Forderung klagend durchsührt, oder auf dem Wege de« verfahren« in Difsamation«sachen. A.G.O. I. 20. §. 20 21. 1. 32. #. 2. Zum Plenarbeschluß erhoben Entsch. B. 23. S. 30. Da» O.A.G. Dresden läßt zu, daß der Kläger vor Eintritt der Recht«, kraft de« Erkenntniffe«, welche« feine Klage abweist, dieselbe zurücknimmt und dar­ auf ganz dieselbe Klage einreicht. Wochenblatt f merkw. Recht-fälle 1858, N. F. VI. S. 297.

') 1. 7. C. VII. 45. 1. 5. C. VII. 57.

Bayer, Dortrage S. 401.

*) Bei Gruchot II. S. 348. Brackenhöst, Erörterungen zu Linde S. 479. Arch. f. prall. R W. B. 5. S. 424.

Erste- Buch.

268 die Rechtskraft.

Die Grundbegriffe.

Man kann dahingestellt sein lasten, ob daS Institut

der Rechtskraft feine Begründung in der Nothwendigkeit findet, daß die

Ruhe und Ordnung in der bürgerlichen Gesellschaft erhalten bleibe, wie

die A.G.O. sagt.

Seine wahre Begründung liegt vielmehr in der eigenen

Natur dcS Urtheils, durch welches über einen Rechtsstreit entschieden, und

zwar schließlich entschieden werden feil4*).S. I. * *Formell hat daö Urtheil die Rechtskraft erlangt, wenn entweder ein Rechtsmittel von der unterliegen­

den Partei dagegen nicht eingelegt, fei es, daß sie die Frist versäumt oder

daß sie ausdrücklich erklärt hat, sie wolle sich bei dem Erkenntniß beruhi­ gen'), oder wenn die zulässigen Rechtsmittel erschöpft sind').

WaS den Beginn der Rechtskraft betrifft, so kann bei unangefochte­ nen Erkenntnissen 1. oder 2. Instanz an drei verschiedene Zeitpunkte

gedacht werden, an den der Publikation, den der Zustellung der Urtheils­ urkunde (Ausfertigung), den des Ablaufs der RechtSmittelfrist; bei Er­

kenntnissen 3. Instanz wenigstens an die beiden ersten. halten darüber keine, bestimmte Regel').

Die Gesetze ent­

Die Praxis hat in einem Fall

angenommen, daß die Rechtskraft am Tage der Zustellung deS unange­ fochtenen Urtheils aufange. Doch ist in den Gründen dieser Entscheidung ausgesprochen, „wenn nicht gar schon mit dessen Verkündigung"'). Und

grade dieser Zeitpunkt muß auch der entscheidende sein.

Die Verkündi­

gung wirkt immer gleichzeitig gegen beide Parteien, die Insinuation kann

zufällig an jede derselben zu sehr verschiedenen Zeiten erfolgen, eS würde 4) 1.1. D. de R. J. Die Rechtskraft fetzt daher ein da- Rechtsverhältniß zwischen de» Parteien, seine rechtliche und thatiächliche Grundlage beurtheilende- Erkenntniß voraus. Striethorst B. ll.S 337.. ') Lnlsch. B. 32. S. 12. Pl Befchl. I M.Bl. 1856. S. 94. Striethorst B. II. S. 369 iö. 21.©. 6. AGO. I. 16 §. 1. Fälle, in denen das gem. R. still­ schweigenden Berzicht auf da- Rechtsmittel aunimmt: 1.5. C. VH. 2. e. 20. X. 1. 29. c. 54. X. II. 28. Nach pr. R muß der Berzicht ein ausdrücklicher fein, und ist unwiderruflich. Entfch B. 3t. S. 184. Tie Zurücknahme eine- bereit­ eingelegten und gerechtfertigten Rechtsmittels ist ebenfalls unwiderruflich. Striet­ horst « 48. S. 233. •) A.G.O 1.16.5 1. 1 25 D.V.1. 1.3 pr. D.XXV.3. 1.12. 5.3.D. XXX VIII. 2. I. 3. §. 3. D XX VII. 9. 1. 65. §. 2. D. XXXVI. 1. 1.14. § I D. XL 1. 1.1. 5. Ci. VII 54. c. 13. 15. X. II. 27. Fetköter bei Grnchot B. 16. S 464.

’) Die Ausdrücke: ..der Tag, wo da- Erkenntniß rechtskräftig wird", oder „der Tag de- ergangenen Erkenntnisses" oder „der Tag der beschrittenen Rechtskraft" tut' scheiten wegen ihrer Unbestimmtheit nicht«. ALR. 1. 11. §. 821. 1. 16. K. 66. II. 1. 8. 731. 771. H. 2. L 40. 11. 18. 8 835. A.G.O. I. 24. §. 3. Die Prozeß­ novelle für die gemeinrcchtl. Bezirke v. 21. Juli 1849 §. 61. bestimmt, daß bei Derwerfung der Nichtigkeitsbeschwerde der Tag der Insinuation des angefochtetenen Erkenntnisse« al« der Tag der Rechtskraft anzusehen. Gesetz v. 20. März 1854 §. 12. Ads 2. (Ges.S. S. 115 . In der B O. v 14. Dezember 1833 fehlt eine solche Bestimmung (f. 8. 18). *) Entsch. B. 22. S 367. Unrichtig ist e-, wenn da« O Trib. (Striethorst B 48. S. 234 b ) in dem Fall, wo ein bereits gerechtfertigtes Rechtsmittel von der Par­ tei jutüdgeiwmnitn wird, den Beginn der Rechtskraft n cht ans den Tag der Publikation zurückdatirt, sondern ihn aus den Tag der Präsentation der EntsagnngSerklärung verlegt.

§ 55

a. Begriff und Umfang der Rechtskraft

269

dann also ein Zeitraum inzwischen eintreten, in welchem da- .Urtheil zwar gegen die eine, aber noch nicht gegen die andere Partei rechts­ kräftig geworden, und dieser Umstand kann namentlich bei Entscheidungen über Zustand-- und dingliche Rechte praktische Schwierigkeiten Hervor­ rufen'). Daß der Tag der vollendeten Publikation al- der Beginn der Rechtskraft angenommen werde, dafür spricht insbesondere auch, daß daUrtheil von diesem Moment für den Richter, der e- gesprochen, unab­ änderlich tourt)10). Bon diesem Tage der Publikation ist die Unabänderlichkeit de- Ur­ theil- absolut nach allen Seiten: den Parteien gegenüber, deren Streit dadurch entschieden worden, dem Richter gegenüber, der e- gesprochen, so wie jedem anderen Richter gegenüber, der in die Lage gebracht werden soll, nochmals über denselben Rechtsstreit zu sprechen"). Zwischen den •) Dies zeigt grade der Fall, der die Entsch V 22. S. 367 hervorgerufen hat. *•) 1. 55. 62 I). XLU. 1. Koch, Landr. Note 72. zu §. 731. II. 1 und Note 18. zu §. 40. II. 2. hat die Rechtskraft auf den Tag der Publikation gesetzt. Wird die Publikation durch 14tagigen AnShang bewirkt, so ist sie am 15ten Tage vollendet und an diesem Tage beginnt die Rechtskraft. A. M. hier Koch/Liv Proz 1848 S. 747 Note 6. S. 749. Die Rechtskraft darf übrigens mit der Vollstreckbar» feit nicht verwechselt werden, die nur eine Folge derselben ist und allerdings bei Urtheilen 1. und 2. Instanz immer bis zum Ablauf der Frist für das ordentliche Rechtsmittel ruht. Als unangefochten int schließlichen Erfolge ist aber auch daUrtheil anzusehen, welches in der späteren Instanz bestätigt worden. Der Beginn der Rechtskraft muß hier zurückgezogen werden, auf die Publikation des bestätig­ ten ErkenntniffeS. Bergl. überhaupt über diese Frage Gruchot II. S 359 Nr 7. VI. S. 373. und die Note S.471. Bachmann bei Gruchot B 14. S 205—235 gelangt zu dem Resultat, daß nach A L R. und A G O. da- Urtheil entweder mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist oder mit der Publikation des letzten Urtheils oder mit dem Moment des Verzichtes auf die Rechtsmittel abläuft, dagegen bei verworfener Nichtigkeitsbeschwerde die Insinuation des Urtheil- den Zeitpunkt be­ stimmt. n) 1. 14. 55. 56. 62 D. XLII 1 Hierher gehört auch die schwer zu lösende wichtige Frage, ob da- Kriminalurtheil eine präjudizirende, bindende Kraft für die an­ der That erzeugte Entschädigungsklage und das sie entscheidende Eiviturtheil haben soll. Präzis ist die Frage nur so zu stellen: bietet die rechtskräftig gewordene thatsächliche Feststellung de- Kriminalrichters (bei Geschworenensachen also da- Verdikt) den Klage gründ für den Eivilanspruch auf Entschädigung und erzeugt da- rechtskräftig freisprechende Kriminalurtheil die Einrede der Rechtskraft gegen den Eivilanspruch? Die preußische Praxi« bat sich durch den Pl.Beschl. v. 15. Dezbr. 1846, Entsch. B. 34. S. 19, dahin befestigt: „daß die Entscheidung deS Strafrichter- für den Eivilrichter, welcher über den Entschädigungsanspruch zu entscheiden hat, in Beurtheilung der Beweisfrage hinsichtlich der zur Begründung de- Anspruchs dienenden Thatsachen, insoweit nicht maßgebend ist, als nicht beson­ dere gesetzliche Bestimmungen daS Gegentheil rechtfertigen". Das O.Trib. hat seitdem weiter angenommen: Zur Begründung der Nullitätsklage wegen bestoche­ ner Zeugen genügt das ergangene Straferkenntniß, und eS bedarf nicht der noch­ maligen Feststellung des Verbrechens des falschen Zeugnisses im Eivilverfabren. Striethorst B. 33. S- 166. Ferner: wenn eine Partei im Wege der Unter­ suchung eines in einem Eivitprozesse begangenen Meineides rechtskräftig für über­ führt erachtet worden ist, so ist diese Feststellung auch in dem von dem anderen Theil demnächst auf Grund jene- Meineides erhobenen EntschädigungSprozeß für den Eivilrichter maßgebend und es findet kein Gegenbeweis statt. Entsch. B. 35. S- 194. Als ein Fall, wo besondere gesetzliche Bestimmungen die Ausnahme von

270

Erste« Buch

Die Grundbegriffe.

Partei«» begründet eS formelle» Recht, d. h. was e- ausgesprochen, gilt selbst dann, wenn dadurch da- wirkliche Recht der einen oder andern Partei verletzt worden. Da» verurtheilende Erkenntniß stellt fest, daß der Kläger da» von ihm beanspruchte Recht hat, ohne Rücksicht darauf, ob es der Wahrheit entspricht; da- abweisende Erkenntniß stellt fest, daß der Beklagte dem Kläger nicht verpflichtet ist, wenngleich er eS in der That gewesen wäre"). E» kommt hierbei nicht darauf an, ob der Irrthum de- Richter- seinen Ursprung in unrichtiger Feststellung der Thatsachen oder in einer unrichtigen Auslegung der Gesetze hat"). Diese» formelle Recht kann nur dadurch zerstört werden, daß ein neuere» Gesetz da- be­ treffende Recht-institut aufhebt, und nicht etwa da- Urtheil schon vorher seine Erfüllung gefunden hat, oder in dem neuen Gesetz die bereit- be. gründeten Rechte aufrecht erhalten werden"). Indeß ist nicht jede» Urtheil schlechthin entweder verurtheilend oder abweisend. E» sind dem Pl.Beschl. rechtfertigen. A G O. I. 16. §. 24 Entsch. B. 41. S. 57 fg. B. 47. S. 341. In Entsch. B. 42. S. 42 wird ein im Strafverfahren von einem Min­ derjährigen- abgelegte- Geständniß al- maßgebend für den Eivilrichter angesehen. Da- vom Nachdruck freisprechende Erkenntniß präjudizirt der Entschadigung-tlage, Entsch. B. 13 S. 134, bagcätn nicht da- wegen Nachdruck- verurtheilende, das. B. 26. S. 85. Die Praxr- ist in dieser Frage noch keine-weg- durchgebildet. Bergl. Gruchot II. S. 354 fg. Nr. 6., wo auch S. 356 fg. die gemeinrechtliche Praxis mitgetheilt ist. Ferner VIII. 233, wo eine treffende Ausführung deKreisgerichts zu Dortmund über die präjudizirende Kraft de- Strafurtheils und sonst Urtheile Für und Wider. Auzusetzen ist: gegen die präjudizirende Kraft: da- OTrib. Stuttgart, Seuffert XII. S. 272. Für diese Kraft: Kaffel, Seuffert XII. S. 418, Jena, das. XVII. 161. Dresden, Wochenblatt für merkwürdige Rechtsfälle 1862 S. 73. Dazu Sintenis in den Dresdner An­ nalen B. 4. S. 433 fg. Schwarze in der Zeitschrift für Rechtspflege und Ver­ waltung in Sachsen V. 10. S. 218. B 14. S 210. Uebrigen- ist für da- König­ reich Sachsen die Frage gesetzlich in richtiger Weise entschieden durch Art. 449. der Strafproz.Ordnung. WaS Zachariä im Strafprozeß II. 99 f. au-sührt, ist schwach. Dergl. noch Langenbeck, die Beweisführung in bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten 1858 S. 166 fg. Endemann, die Beweislehre 1860 S. 114 fg. steht eine tiöfung der Frage nur darin, daß auch die Beweistheorie de- Eivilprozeffe- ihren jetzigen formalen Charakter verliere. Gewiß würde die- die Lösung

erleichtern, aber sie ist nicht dadurch bedingt. Nur da- Resultat de- Strafrichters an sich, nicht die Art und Weise, nicht der Wea, auf dem eS gefunden, kann das Entscheidende sein. Der gebundene Richter darf nicht mehr prüfen, wie der bin­ dende zu seiner Feststellung gelangt ist. ") A.L.R. 1.10. §. 2. I. 16. § 7. Striethorst v. 26. S. 26. ES ist zu beachten, daß da- Erkenntniß al- Titel aufgefaßt, nicht noch de- Modus bedarf. Es ist beides zugleich. S. oben tz. 23. Note 14. Der Ausdruck ist ungenau, denn daUrtheil begründet kein Recht, eS novirt nicht. Davon unten $. 56. Note 2. Daß auch nach gem. R. gegen da- ungerecht abweisende Urtheil keine naturalis obligatio übrig bleibt, hat überzeugend nachgewiesen Wächter, Erörter. H. 3. S. 135, Windscheid, Pand. I. S. 318 Note 7. ") 1. 27. 32. D. XLII. 1.

") Siehe oben §. 10 Entsch. B. 32. S. 219. Seuffert B. 9. S. 322. Ein Bei­ spiel §. 49. 10. de- Ablös.Ges. vom 2. März 1850. Spätere- Anerkenntniß der rechtskräftig abgesprochenen Schuld beseitigt da- Urtheil. Striethorst B. 14* S.-1.

$. 55. a. Begriff und Umfang der Rechtskraft.

271

die» nur die Hauptarten"), sie modifiziren sich in einzelnen Fällen. Die Klage wird nicht unbedingt, sondern zur Zeit") oder in der an­ gebrachten Art") abgewiesen; jene-, wenn da- Recht dem Kläger noch nicht jetzt, diese«, wenn eö ihm zwar zusteht, aber nicht in der eingeschla­ genen Art geltend gemacht werden darf. Auch solche Urtheile werden zwar rechtskräftig, aber sie entscheiden nicht schließlich über da« streitige Recht-verhältniß, dasselbe kann nochmal«, nachdem die Klage rechtzeitig geworden, oder in der andern Art vor Gericht verfolgt werden. Rur muß die neue Klage frei sein von dem Mangel, der die Abweisung der ersten verursacht hat"). Zuweilen lehnt da« Urtheil die Entscheidung ab, indem sich da« Gericht entweder einem anderen zuständigen Gericht gegenüber, oder, weil der Rechtsweg über den streitigen Gegenstand überhaupt versagt ist, für unzuständig erklärt. Auch solche Erkenntnisse werden zwar rechts­ kräftig, aber sie entscheiden nicht über die Richtigkeit und Unrichtigkeit des zwischen den Parteien streitigen RechtSverhältniffeS; auf dieses kann sich daher die Rechtskraft nicht erstrecken und deßhalb sagt daS Obertri­ bunal mit Recht, daß eS sehr bedenklich erscheine, einem solchen Urtheil die Kraft eine» Judikat» im eigentlichen Sinne beizulegen, welche» jus facit inter partes. ES haben diese Urtheile mehr einen staatsrechtliche» Charakter"). Indem die Rechtskraft die Eigenschaft der Unabänderlichkeit de» ••) Als dritte Art, die gemischten Urtheile daneben zn pellen, b. h. diejenigen, die theils verurtbeilen, theils abweisen, ist völlig überflüssig. Bon der Regel, daß Kläger niemals verurtheilt werden, sondern höchstens nur den Nachtheil der Ab­ weisung erfahren kann, machen auch die Urtheile in den s. g. judicia duplicia, den TheilungSklagen, nur eine scheinbare Ausnahme. Förster, Klage und Einrede S. 113 fg. Sie lösen sich in Klage und Gegenklage auf. Bei den Klagen, die­ nn» auf Anerkennung eine» Recht-zustande» gerichtet find (praejudicia\ enthält die im Urtheil ausgesprochene Anerkennung die Berurtheilung de» Beklagten, die nicht bloß dann vorhandcn ist, wenn er etwa» leisten soll. ") Seusfert XV. S. 426.

IT) Bei Gruchot II. S. 349. I. S 44. Dazu noch Weitere« au» der Praxi»: Entsch. v. 38. S. 373 Stricthorst 8. 29. S. 45. 70 162. 8. 38. S. 188. 212. 8 75. S. 250. Unbegreiflich ist die Ansicht, die die Abweisung angebrachtermaßen nur dann für gerechtfertigt erachtet, wenn Kläger au» einem falschen Funda­ ment geklagt hat, um ihm die Klage au» dem richtigen Fundament zu erhalten, wie die» in der Plenarentscheidung bei Striethorst 8. 2. S. 303 (8.57. @.295) ausgesprochen ist In einem solchen Falle muß die unrichtige Klage definitiv ab­ gewiesen werden, der Anstellung der richtigen wird dadurch gewiß nicht präjudizirt. Dergl. auch Zeitschrift f. Rechtspflege und Brrw. in Sachsen v. Tauchnitz N F. v. 6. S. 203. 8. 19. S. 409. R.O.H.G. V. Nr. 35. Stegemann I. S. 178.

*') O A ®. Dresden in der Zeitfchr» f. Rechtspflege und Verwaltung 8.12. S. 352. Entsch. 8. 52. S. 50 f. Striethorst 8. 11. S. 339. 8. 60 S. 305. *•) Entsch. 8. 27. S. 66. Wenn der zweite Richter da» erste Erkenntniß ändert, und die Sache in die zweite Instanz zurückweiset, so wird da« Appellation-urtheil dem ersten Richter gegenüber nicht rechtskräftig, b. h. er behält die freie Beurtheilung, ob er sich mit der Sache nochmal» befaffen will. Striethorst 8. 51@. 30-.

Erkenntnisses ist, hat sie eine so einfache Natur, daß man verschiedene Arten von ihr eigentlich nicht aufstellen kann. Für da- materielle Recht ist sie auch nur eine. Während de- schwebenden Rechtsstreit» aber tritt sie unter Umständen nicht gegen beide, sondern nur gegen eine Partei ein, und diese Rechtskraft kann als eine prozessualische bezeichnet werden, sie folgt daran», daß die Rechtsmittel gegen da» Urtheil nicht eine gemeinschaftliche Wohlthat für die Parteien sind: die Einlegung der Appellation hindert den Eintritt der Rechtskraft nur zu Gunsten de» Ap­ pellanten"). E» bleibt die wichtige Frage übrig: wie weit die Rechtskraft eine Eigenschaft de» Urtheils fei? Der Inhalt des Urtheils zerlegt sich in zwei Theile, den Tenor und die Gründe. Beide werden nach heutigem Gebrauch äußerlich erkennbar auseinandergehalten"). Der Tenor, die Urtheil-formel, enthält den f. g. dispositiven Ausspruch de- Richters Über da» streitige Recht-verhältniß, „das letzte praktische Resultat", er wird unzweifelhaft rechtskräftig. Aber diese Formel besagt in der Weise, wie man sie abzufassen pflegt"), sehr wenig, nicht» über den Recht-grund der Klage, nicht» über die Einreden. Warum der Richter grade diese» Resultat aufgestellt hat, auf welche» spezielle Recht-verhältniß e» sich be­ zieht, ist in ihr nicht erkennbar gemacht. ES kann die» nur au- den bei­ gefügten Gründen ersehen werden, die mit dem Tenor ein untrennbare» Ganze bilden. Man ist daher von jeher darüber einig gewesen, daß die Gründe für die Erkenntniß der Entscheidung von größter Wichtigkeit sind"). Nur über die Stärke dieser Wichtigkeit streitet man, indem man ihnen entweder nur eine deklarative, erläuternde Bedeutung für den Tenor beilegt, oder sie zugleich mit dem Tenor in Rechtskraft übergehen läßt. Doch letztere- nicht unbedingt, nicht der ganze die Gründe enthal­ tende Aufsatz, sondern nur ein Theil derselben soll diese Eigenschaft er» ’■') E. bei Gruchol II. S- 351. Nr. 5., wo auch eine praktische Folge näher besprvcheu ist. S. hierzu noch Striethorst B. 29. S. 106. Satz b. Seusfert L. 3. S. 249. Die aus Antrag de» einen Theil» erfolgte Vernichtung de» Lorurtheil» hebt die gegen den andern Theil eingetretene Rechtskraft desselben nicht aus. Striethorst B. 18. S. 128. 131. Da« O.Trib. in Stuttgart hat angenommen, e» sei eine reformatio in pejus, wenn der Oberrichter den im 1. Erkenntniß auferlegten Eid für unerheblich halt. Würtemb- Archiv B. 4. S. 445. Ueber die s. g. reformatio in pejns, deren Anwendung in der Praxi« leicht zu weit aus­ gedehnt wird, s. Wetzell, Eivilprozeß S. 588. 591. 594. 603.

”) Gemeinrechtlich ist die Beifügung der Gründe für die Partei nicht vorgeschrieben, sie sollen nur dem höheren Richter versiegelt mitgetheilt werden. J R.A. §. 60. Zufolge einer allgemeinen und sestgewordenen Gewohnheit werden sie aber auch den Parteien mitgetheilt. In Preußen ist e« geboten. Brinkmann, die rich­ terlichen Urtheil-gründe, 1826.

**) I. 59 pr. D. XLII. 1. In aententiis sufficiet, ei expreaserit judex aummam in aententia, aolvique jusaerit vel praeatari, vel quo alio verbo hoc aignificaverit. ") Buchka B. 2. S. 207.

Kierulsf S- 260.

langen können. Die Anhänger dieser Ansicht müssen daher die Bestand­ theile der Gründe genau trennen. Unter Borgang von Savignh ist die Formel aufgestellt worden: die in den Gründen enthaltenen Elemente de- Urtheil- erwachsen in Rechtskraft, Elemente aber sind diejenigen Bestandtheile der Gründe, welche Entscheidungen enthalten. Alle-, Wa­ der Richter entscheidet, wird rechtskräftig. Die Formel ist im Allgemei­ nen richtig, bedarf aber einer einschränkenden Bestimmung: nicht alles, wa- der Richter entschieden hat, sondern alles was er entschieden hat, weil er es entscheiden mußte, um den Tenor als Schlußentscheidung hinstellen zu können, ist der Rechtskraft fähig und erlangt sie, gleichviel ob diese Entscheidungen nur in den Gründen, oder auch im Tenor ent­ halten sind. Will man die Rechtskraft dieser Entscheidungen, soweit sie in den Gründen sich befinden, eine materielle, die im Tenor auSgedrückte eine formelle nennen, so wird dadurch doch zugegeben, daß auch ein ge­ wisser Inhalt der Gründe rechtskräftig werden kann. Jene Einschrän­ kung der richterlichen Thätigkeit im Entscheiden muß aber deßhalb her­ vorgehoben werden, weil der Richter einerseits nicht berechtigt ist, über die Grenzen des StreitverhältnisieS, wie eS die Parteien vor ihn ge­ bracht, hinauszugreifen, er also, wenn er die- durch seine Entscheidung thäte, seine Amtspflicht überschritte, andererseits er aber auch inner­ halb des Vorbringens der Parteien nur so viel entscheiden darf, alnothwendig für den Tenor ist. Wenn der Kläger die Fundamente für seinen Anspruch, der Beklagte seine Einreden gehaust hätte, so dür­ fen doch nicht die übrigen Klaggründe oder Einreden zur Entscheidung gebracht werden, wenn schon durch den einen oder die eine der Tenor hinreichend bedingt ist: nicht RechtSabhandlungen soll der Richter liefern, sondern praktische Sprüche, die alle- Ueberflüssige von sich abweisen"). Der Streit über die Rechtskraft der Entscheidungsgründe bezieht sich also nur auf denjenigen Inhalt derselben, welcher Entscheidungen hin­ stellt. Hiernach sind unbestritten von der Rechtskraft ausgeschlossen: die historischen und deduktivischen Bestandtheile, thatsächliche Mitthei­ lungen über da- SachverhLltniß, Auslegung und Erörterung der Anwend­ barkeit der Gesetze; ausgeschlossen sind ferner alle thatsächlichen Feststellungen, denn die richterliche Entscheidung soll und kann nur Rechtsansprüche feststellen oder für nicht vorhanden erklären"). Daß Thatsachen wirklich oder nicht eingetreten, da- läßt sich nicht entscheiden, nur nach Schlußfolgerung annehmen oder verneinen. Hierher gehören auch die Prüfungen der Glaubwürdigkeit und Kraft der Beweismittel, die zu diesen thatsächlichen Feststellungen hinführen; hierher endlich die Ein") Ein Beispiel von überflüssigen Entscheidungen s. Entsch. 8.41. S. 401. **) Dresdner Annalen I. 134. Sörster, Prniß. Pelvatrecht. I. 3. Hup.

18

reden der ersten und zweiten Klasse (§. 53.), weil sie nicht Rechttan­ sprüche enthalten, sondern nur durch Thatsachen die Klage beseitigen. ES bleiben also nur übrig für die Rechtskraft das Klagerecht selbst und die vorgeschützten Einreden der dritten Klasse. Daß das erstere in Rechts­ kraft erwachst, ist wieder unbestritten. Der Streit concentrirt sich daher schließlich auf diese Einreden. Hier muß unterschieden werden. Ist über die Einrede ;um Vortheil deS Beklagten entschieden und Kläger in Folge dessen abgewiesen worden, so muß die Entscheidung über die Einrede gegen den Kläger und für den Beklagten rechtskräftig werden. Ist über die Einrede zum Nachtheil deS Beklagten entschieden und dieser verurtheilt worden, so wird die Entscheidung über die Einrede gegen den Beklagten und für den Kläger rechtskräftig. In beiden Fällen bedingt die Ent­ scheidung daS Schlußresultat, den Tenor unmittelbar. Ist dagegen die Einrede zwar verworfen, aber aus anderen Gründen Kläger abgewiesen*'), oder hat daS Gericht über die Einrede nichts entschieden, weil eS sie für unerheblich erachtete, oder sie übergangen, so kann von einer Rechtskraft nicht weiter die Rede feilt, weil hier der Tenor nicht durch die Einrede bedingt worden ist. Dasselbe ist zu behaupten, wenn von mehreren Klagefundamenten oder mehreren Einreden daS eine oder die eine die Entscheidung im Tenor herbeigeführt, und der Richter doch noch über die andern eine Entscheidung ausgesprochen hat. Die Ansicht, daß den den Tenor bedingenden Entscheidungen in den Gründen, und nur diesen Rechtskraft beizulegen, hat in neuerer Zeit in der gemeinrecht­ lichen Praxis immer mehr Boden gewonnen und man wird nicht irre gehen, wenn man behauptet, daß jetzt schon die Mehrheit der höchsten Gerichte ihr anhängt *’). Die Praxis des preußischen Obertribunals “) Deßhalb, aber nicht au« den der Eutscheid. B. 11. S. 118. beigesügten Grün­ den, kann die verworfene Einrede vom Beklagten in zweiter Instanz wieder gel tend gemacht werden, wenn auch nur der Kläger appellirt hat nnd nur er apPelliren konnte. Ebenso Entsch. B. 4. S. 207. Striethorst B 21. S. 52. Man kann auf jede Einrede in der höheren Instanz zurückkommen, die vom Bor» derrichter nicht berücksichtigt worden: 1. 8. §. 2. D. III. 5. I. 7 §. 1. D. XVI. 2. 1. 1. §. 4. D. XXVII. 4. Senffert «. 1. S. 406. «. 5. S. 307. Ferner 8. 3. S. 141. Bergt über da« im Text Gesagte Förster bei Grnchot II. S. 365. bi« 369. Die Entscheidung über die Kompensation-einrede wird im Fall ihrer -Verwerfung (bei vernrtheilendem Tenor) nur rechtskräftig, wenn die Berwersung die Existenz der Gegenforderung, nicht bloß die formellen Bedingungen ihre« Geltendmachen«, also Liquidität, Gleichartigkeit, getrosten hat. 1. 7. §. 1. D. XVI. 2. Ist die Kompensationseinrede übergangen worden, so kann sie nachträglich noch durch Klage geltend gemacht werden. Dresdner Annalen I. 20. Entsch. B. 67. S. 253.

”) Mehr oder weniger nahe der Theorie Savigny'» stehen die Entscheidungen der O-A G. Dresden (Seussert II 316. III. 329. VIII. 140 Zeitschr. f RechtSpfl. u. Verwalt in Sachsen B. 5 E. 385. N. F B. 12. S. 132. Dresdner Annalen I. 237 459. Wochenbl. f. merkw. Recht-s. N F. XIV. 1866. Nr. 6. 7. des. S. 52.; München (Blätter s. RechtSanwend. in Baiern B. 22. S. 340. Seussert I. 406); Stuttgart (Württ. Arch. B- 3. S. 418. v. 4. S. 245. Seussert V.

§. 55.

a. Begriff und Umfang der Rechtskraft

275

weicht davon scharf ab; eS erblickt in den Entscheidung-gründen, ohne weitere Unterscheidung der Verschiedenheit ihre- Inhalt-, nur ein AuSlegung-mittel, eine Erklärung de- allein rechtskräftig werdenden Tenor-"). In der Literatur ist neuesten- besonder- Unger ausführlich auf diese Streitfrage eingegangen: doch obschon er der Savigny'schen Theorie nicht beistimmen will, legt er auch dem s. g. decisiven oder deklarativen Theil der Entscheidung materielle, dem allein im Tenor au-gedrückten di-positiven oder imperativen Theil der Entscheidung formelle Recht-kraft bei; der deklarative Theil ist aber auch und zwar hauptsächlich in den mit dem Urtheil hinau-gegebenen Entscheidung-gründen enthalten und „diese Rechtskraft der Gründe leugnen wollen, heißt die materielle Rechts­ kraft de- Urtheil- überhaupt ganz und gar verneinen oder doch ihren Umfang nicht nach inneren Gründen bestimmen, sondern von dem zufällig quantitativen Verhältniß abhängig machen, in welchem sich von Fall zu Fall der volle Inhalt der materiellen Entscheidung über den tenor sententiae und die rationes decidendi verteilt""). Wenn die Savignh'sche Theorie, die allerdings in ihrem ersten Auftreten noch einiger­ maßen der nöthigen Beschränkung entbehrte, in der oben angegebenen Weise näher bestimmt wird, so dürfte die Ansicht Unger'- ihr näher stehen, al- der Praxi- de- Obertribunals"), sie unterscheidet sich im Wesentlichen dadurch von der v. Savignh'S, daß sie schärfer und tiefer eindringend die Verschiedenheit de- Inhalt- der Gründe trennt. E- ist 303. B. 15. Nr. 80); Lübeck (bei Römer, Sammt, v. Entsch. in Franks. Rechtes. B. 1. S. 102. B. 2. S. 452); Jena (bei Busch, Stimmen au- der Praxi-, 1862 S. 246). Dagegen: Celle bei Hagemann, prakt. Erörter. B. 9. Nr. 60. Reiche- Material auch au- der gemeinrechtl. Praxi- bei Gruchot zusammengetragen B. 7 S. 175fg. Selbst da- O.Trib. zu Berlin schließt sich für da- gemeine Recht dieser Auffassung an, Strieth. v. 52. S. 159., und e- fällt auch für da- preußische Recht zuweilen in dieselbe hinein, -. B. Entsch. B. 22. S. 25. vergl. Striethorst B. 11. S. 337. ”) Besonder- Entsch. v. 17. S 462. Weitere- au- der preuß. Praxi- bei Gruchot. Beispiele vom Zurückgehen auf die Gründe: Striethorst B. 17. S. 284. B. 22. S. 153. 173. B 33. S. 61. Ist der Tenor deutlich, so bedarf e- behuf- dessen Auslegung de- Zurückgehen- auf die Gründe nicht: Strjethorst B. 18. S. 58. Es geht übrigens bei dieser Kontroverse, wie oft: man mißversteht den Gegner und polemistrt gegen da- Mißverständniß. Deutlich zeigt sich die- in der sehr verfehlten Entsch. bei Striethorst B. 31. S. 140. Die- ist nicht Savignh'S Ansicht, daß alle „Rechts- und Thatfragen, welche einem früheren Judikate auch nur zu Grunde gelegen haben, in jedem späteren Prozesse derselben Personen, selbst wenn er einen anderen Gegenstand betreffe, so wie früher entschieden »er­ ben müßten," und daß bloß der Tenor der entscheidende Theil sei, ist erst noch zu beweisen; die Gegner behaupten, daß auch in den Gründen Entscheidungen enthalten sein können. Da- ist bis jetzt noch niemals widerlegt.

’•) Unger II. G. 639 fg. 64».

••) Gruchot scheint VII. S. 182. Unger'S Ausführung mit der des Obertribunals von gleichen Gesichtspunkten ausgehend aufzufaffen. Die im Text voraetragenen Gesichtspunkte hat der Berf. schon früher (Kl. u. Cinr. S. 189fg. und bei Gru­ chot II. S 365 fg) ausführlich zu begründen versucht.

Erste« Buch.

276

Die Grundbegriffe-

aber nech ein Bedenken hervorzuheben, welcbeS die Entscheidung der s. g.

Präjudizialpunkte betrifft, d. h. die Vorentscheidung der das Klage­ recht bedingenden Rechte oder Rechtsverhältnisse, also z. B. über das

Recht, an» welchem die Legitimation deS Kläger» ;u seiner Klage folgt, über da» Erbrecht dessen, der eine einzelne Erbschaftssache vindizirt, über

die Giltigkeit eines Rechtsgeschäfts, wenn

nur

ein einzelner aus

ihm

erwachsener Anspruch, z. B. Zinsen von einer Kapitalsforderung geltend gemacht wird.

Werden

solche Präjndizialpunkte abgesondert

entschieden,

wie eS nach preußischem Recht auf erhobene Präjudizialeinrede, die frei­ lich ihre Bedeutung durch die jetzt den Prozeß beherrschende Eventual­

maxime eingebüßt hat, und daher anS der Praxis fast verschwunden ist,

geschehen kann"),

so wird nicht zu bezweifeln sein, daß eine solche Ent­

scheidung rechtskräftig wird, sie ist hier durch den Tenor selbst auSgedrückt. Wenn aber der Präjudizialpunkt nicht abgesondert, sondern zugleich mit der dadurch bedingten Rechtsfrage,

über die allein der Tenor sich ver­

hält, mithin in den Gründen entschieden wird, so ist zwar auch von der

Mehrzahl der Schriftsteller und in der Praxi» angenommen,

rechtskräftig

Incidententscheidungen

daß

diese

werden — man kann diese Ansicht

noch alS die gemeine Meinung bezeichnen ”) — neuerding» aber die» be­

sonder» von

Unger entschieden bestritten worden"),

weil dem Richter

der Präjudizialpunkt nicht unmittelbar, sondern nur in Beziehung auf den

grade jetzt dadurch bedingten Anspruch vorgelegt ist, er daher auch nur

mit

dieser

Beschränkung zur Beurtheilung und Entscheidung herange­

zogen werden dürfe.

Dieser Ansicht muß auch beigetreten

werden:

eS

stehen ihr nicht nur entscheidende Aussprüche der Quellen, sondern ins­ besondere die Natur der Sache zur Seite.

Sollte die Entscheidung über

den Präjudizialpunkt denselben im vollen Maße ergreifen, so daß sie auch

wirkte gegen jeden anderen, später an ihn geknüpften Anspruch, so müßte der Richter mehr entscheiden, als vor ihn gebracht, als nothwendig ist,

um das im Tenor ausgedrückte Schlußresultat zu erreichen").

Für das

preußische Recht tritt noch ein äußerer Grund hinzu, der in der Gerichts­ verfassung und den durch sie bestimmten Kompetenzverhältnissen der ein-

81) Ueber die exceptio praejudicialie actionis s. Planck, Mehrheit der RechtSstreitigkeiten S- 482. Römer, Sammt, von Entscheid, des O.A G. Lübeck B. 2. S. 527. — A G.O. I. 5. §. 29. I. 13. §. 43.

31) Unger II. S. 628. Note 21. ") Unger II. S- 625 fg.

,4) Auch Förster, Kl. u. Einr. S. 196. Hiernach muß daselbst S. 202 fg. be­ richtigt werden. Entsch. B. 17 S. 472. 1. 23. D. XLIV. 2: Si in judicio actum eit ueuraeque eolae petitae eint, non eet verendum, ne noceat rei judicatae exceptio circa eortis petitionem. Bangerow'S (Pand. I. S 320) und Savigny's (B. 6. S. 452. Note r) Erklärung dieser Stelle ist unhaltbar.

277

b. Die Wirkung der Recht-kraft.

§. 56.

zelnen Gerichte, je nachdem der Prozeßgegenstand bis oder über 50 Thlr.

beträgt, zu finden ist").

§. 56. b. Die Wirkung der Rechtskraft. ES ist vom praktischen Standpunkt eine ziemlich müßige Frage, ob die eigenthümliche Wirkung der Rechtskraft in einer Novation des ab-

Rechts

geurtheilten

müssen

bestehe,

denn

auch

die

diejenigen,

sie annehmen,

diese Novation eine ungewöhnliche sei, indem die

daß

zugeben,

Beirechte, Pfand, Bürgschaft erhalten bleiben, auch von ihr nur bei per­ sönlichen Rechten

und bei

verurtheilenden Erkenntnissen die Rede sein

Die Ansicht ist übrigens jetzt auch in der Theorie als gänzlich beseitigt zu erachten'). Die Wirkung der Rechtskraft besteht vielmehr

kann.

darin, daß sie die abgeurtheilte Klage verbraucht (konfumirt), sowohl im Fall der Verurtheilung al»

und

der Abweisung,

Fall daS Recht mit einer neuen Klage,

im

daß

sie

im ersteren

mit einer

letzteren

neuen

Einrede bekleidet, die beide aus dem Grundsatz beruhen, daß dasjenige Recht,

durch Urtheil festgestellt oder aberkannt worden, einer

welches

Aberkennung

nochmaligen

Feststellung

oder

nicht mehr

unterworfen

werden darf.

durch

Daher

ein

anderes

diese Einrede nicht mehr auf daö alte Rechtsverhältniß

auf daS rechtskräftige Urtheil. das Recht selbst,

könnte. zu

insbesondere

seinen

Abweisung

erzeugt sie

Gunsten

des Kläger-

angriff gegen diesen dar.

dem Beklagten ersterer,

später mißlingen

Weiter aber greift die Wirkung der Rechtskraft nicht,

Beklagten auch

basirt, sondern

ES bedarf nicht mehr de» Beweises für

wenn er auch früher gelungen,

der,

wenn

kein Klagerecht,

worden,

d.

für . den

wenn

daS Urtheil

die

rechtskräftige

h.

ihm kein Fundament

für einen Klage­

Ist also in dem Urtheil ausgesprochen, daß

und nicht dem Kläger daS Eigenthum

zustehe, so muß

die Sache inzwischen in den Besitz des letzteren gelangt

ist, die Bindikation eine Grundlage

gesprochen bietet

Urtheil

diese Klage und

wird

oder

gebrauchen

und

ob ihm dabei daS frühere Urtheil

eine Unterstützung für seinen

Anspruch

abgeben

**) Rationeller wäre es wohl überhaupt, wenn wegen eine- eingeklagten Zinsbe­ trages von 5 Thlr. von einer rückständig gebliebenen Kausgeldforderung die Gil­ tigkeit des Kaufvertrages durch die Einrede angegriffen wird, daß die Kompetenz des ^agatellrichterS aufhörte. S. Millermaler, der gern. Proz. 4. Beitrag S. 90. eab c. Das O.Trib. Stuttgart hat in solchem Falle Appellabilität an­ genommen, weil Gegenstand de- Rechtsstreit- der ganze Vertrag geworden. Garwey, Monat-schr. f. die Justizpsl. in Würtemb. B. 19. S. 233. Würtemb. Arch. B. 3. S. 417. So bestimmt auch § 4. der Prozeßordnung v. 8. Novbr. 1850 für Hannover. *) Daß das Urtheil nicht novire, auch nicht nach preuß. Recht trotz des §. 2. I. 10. nnd §. 7.1. 16. A.L R. ist weiter auSgesührt bei Förster, Kl. u Einr. S. 176fg. Siehe jetzt auch Unger 11. S. 687fg.

Erste» Buch.

278

Die Grundbegriffe.

kann, hängt von der Beschaffenheit de» einzelnen Falle» ab.

der frühere Kläger

al»

Sollte z. B.

jetziger Beklagter sein Eigenthum au» demselben

Recht-grunde, wie im Vorprozeß, einredeweise behaupten, so würde der

jetzige Kläger, der frühere Beklagte, die Replik der Rechtskraft entgegen­ setzen können, die Klage selbst aber müßte ans den Entstehungögrund sei­

ne» Eigenthum» basirt sein.

Ebenso

wenig kann der

verurtheilte

Be­

klagte für berechtigt erachtet werden, au» dem Erkenntniß den Kläger zu zwingen, von seinem ihm zugesprochenen Recht Gebrauch zu machen.

Der

Kläger würde gegen einen solchen Anspruch die Einrede haben: rem secundum se esse judicatam, denn wenn ihm da» Urtheil sein Recht zu­ gesprochen hat, so legt e» ihm doch nicht die Pflicht auf, diese» Recht zu

gebrauchen'). Einer näheren Erörterung bedürfen daher nur die Klage au» dem Urtheil und die Einrede der Rechtskraft. 1. Die Klage au» dem Urtheil, die Judikat»klage, ist ein neue» Rechtsmittel, welche» dem Kläger, der eine Berurtheilung erreicht hat, an

Stelle der konsumirten Klage gegeben ist, zu dem Zweck, um seinen ur­

sprünglichen Anspruch mit dem Ansehen, welche» einem rechtskräftigen Urtheil zukomint (auctoritas rerum judicatarum), gegen den früheren Beklagten

geltend zu

machen;

denn

da» Urtheil spricht nicht bloß dem

Kläger da» Recht zu, sondern e» verpflichtet auch den Beklagten, da» Zu­

gesprochene zu leisten').

Die IudikatSklage findet au» jedem kondemnatorischen Urtheil gegen den Beklagten

statt,

wenn e» die Rechtskraft beschritten.

Nur bei aus­

ländischen Erkenntnissen kann die» zweifelhaft sein, weil die formellen Be­ dingungen und die Wirkungen rechtskräftiger Entscheidungen nach den ver­

schiedenen Rechten verschieden sind.

Nach den Grundsätzen des internatio­

nalen Privatrechts (§. 11.) muß behauptet werden,

daß

die Rechtskraft

de» Urtheils nach dem Recht de» Landes zu prüfen, in welchem e» ge­

sprochen und daß e», wenn hiernach die Bedingungen für die Iudikats-

*) Siche bei Gruchot II. ©. 361.—365. Das. S. 122 (Urtheil de» A G. Hamm) und III. S. 129. Entsch. B. 41. S. 407. Unger 11. S. 639. Note 37. 38. A. M. scheint Savigny zu sein (®. 6. &■ 346), obschon er den praktischen Bar­ theil, der dem Beklagte» au» der rechtskräftigen Abweisung der Eigenthum-klage für seine gegen den abgewiesenen Kläger anzustellende Klage erwachst, nicht näher präzisirt. Wächter, Erörter. H. 3. S. 136. behauptet mit Unrecht auf Grund der 1. 24. D. XLIV. 2 , daß der Beklagte auf Grund de» freisprechenden Urtheil» di« Herausgabe der Sache gegen den Kläger einklagen könne. Daß da» Urtheil nicht rechterzeugende Kraft hat, folgt deutlich au» 1. 8. §. 4. D. VIII. 5. Siehe Keller, Litiskontest. S. 73. Pfeiffer im Arch. f. civil. Prax. B. 37. S. 253. E euffert B. 8. S. 44. B. 9. S. 437. und über §. 2. I. 10. A.L.R. Koch, Kommentar Note 1. und oben §. 55. Note 12. *) Wachter, Erört. H. 3. S. 49. Buchka, Einfluß B 2. S. 215. Koch, Be­ urtheilung S. 191. Klingberg im 33. Jahresbericht der fchlef. Gesellfch. für Vaterland. Kultur, Breslau 1856 S. 257 fg.

§. 56.

b. Die Wirkung der Rechtskraft.

279

Nage nach inländischem Recht vorhanden sind, auch nicht der Grundsatz der Retorsion entgegensteht, diese Klage nicht versagt werden darf.

Durch

Staat-Verträge ist übrigen- diese Frage vielfach regulirt, und den auslän­

dischen Erkenntnissen Vollstreckbarkeit beigelegt worden").

In prozessua­

lischer Hinsicht ist zu bemerken, daß nach preußischem Recht die Judikats­

klage drei Formen hat: im ersten Jahre nach beschrittener Rechtskraft ist sie einfache- Gesuch auf Vollstreckung (imploratio officii judicis), nach

Ablauf dieser Zeit und während der nächsten vier Jahre ist sie al- Man­ dat-klage anzubringen, später wird sie wieder nach den Grundsätzen deordentlichen Prozesse- verhandelt") und ist nach Ablauf von 30 Jahren

verjährt.

Diese Verjährung beginnt ein Jahr nach eingetretener Rechts­

kraft und hat auch auf diejenigen Recht-verhältniffe Anwendung, die einer

kürzeren

Verjährungsfrist

unterworfen

sind’).

Die Eigenthümlichkeiten

der JudikatSklage sind folgende:

a.

Sie kann nur von demjenigen, und nur gegen denjenigen ange-

stetlt werden, zwischen denen da- rechtskräftige Erkenntniß ergangen ist Gegen Dritte, die am Recht-gange nicht Theil genommen, wirkt da- Ur­ theil nicht'). Dieser Grundsatz bedarf jedoch näherer Bestimmung, denn

eS giebt Fälle, wo e- auch gegen solche Dritte wirkt"). Zunächst tritt der Universal- und Singularsuccessor der ursprünglichen Partei in den Krei­ der Wirkung deS Urtheil- ein, der letztere insbesondere, wenn er die Streitsache nachAnstellung der Klage erworben hat"). Hieraus folgt, daß ein

Urtheil, welches gegen den Autor ergangen, gegen den Succeffor nicht wirkt,

wenn die Succession vor der Behändigung der Klage gegen den Autor ein­ getreten ist. E- knüpfte sich hieran nach älterem Recht eine lebhaft besprochene *) Savign» B. 8. S. 260. Richtsprüche ®. 1. S. 23. Entsch. B. 3. S. 277. (hier hat das O.Trib. die JudikatSklage aus ausländischen Erkenntnissen versagt). Siehe hierzu Koch, Beurth. S. 189. und Komment B. 1. 3. Ausl. S. 59. und S. 64. Note 56. Nr. 2. zu t >. 33. 43. Einl. z. A L R. Retorsion gegen franzö­ sisch« Urtheilt Entsch. B. 11. S. 151. In neuerer Zeit hat dagegen da» O.Trib. die Ansicht, daß aus fremden Urtheilen die JudikatSklage zu versagen sei, für „erheblich bedenklich" erklärt und dieselbe aus rheinpreußischen Erkenntnissen zngelassen. Striethorst B. 24. S. 263. Tie actio judicati aus einem fremd­ ländischen Erkenntnisse mit selbständiger Prüfung deS inländischen Richter« über die Eigenschaft dieses Urtheils gestaltet da» O.A.G Kassel, Heuser, Annalen B 3. S. 636. ») A.G.O. I. 24. §. 1 3. B O. v- 1. Juni 1833 §. 1. Nr. 3. Sie behält aber die Natur der JudikatSklage. Striethorst B. 51. S. 114.

•) $. 560. I. 9. A.L.R. §. 10. deS Ges. v. 31. März 1838. Siehe unten §. 57. ’) A G-O. I. 24. §. 5. Heuser, Annalen IX. 166. Binding im Arch. f. civil. Praxi« B. 47. S- 259. •) Freudenthal, im Arch. f. civil. Prax. B. 42. S. 84 (unergiebig, zur I. 63. D. de R. J.) und Archiv s. prakt. RechtSwisi. B. 8. S. 163 ») 1. 11. §. 9. I. 28. v. XL1V. 2. 1. 2. C. VIII. 36. §. 7. 9. I. 24. A.G.O. Striethorst B. 17. S. 343. B- 53. S. 200fg. sder § 9. I 24. A GO. bezieht sich nicht aus bloß« Schuldsordcrungen), Entsch. B. 30. S. 204. B. 47. S- 360, Heuser, turhess. Annalen B. 1. S. 467. a. E.

Erste» Buch

280 Streitfrage, die durch

den

Die Grundbegriff«.

dem Hypothekenbuch beigelegten öffentlichen

Glauben hervorgerufen ist, ob ein wider den eingetragenen Eigenthümer

eines Grundstücks erlangtes Urtheil auch gegen den dritten Besitzer wirkt, sei eS, daß dieser vor oder nach Behändigung der Klage an ersteren daS Grundstück erworben hat. DaS Obertribunal hat angenommen: Wenn der Erwerber eines Grundstücks, der,cs vom eingetragenen Besitzer ge­

kauft, zur Zeit des Erwerbs gewußt hat, daß sein Veräußerer kein Eigen­

thum an dem Grundstück besitze, so wirkt die Derurtheilung auf Heraus­ gabe deö Grundstücks, welches von einem Dritten gegen den Veräußerer

erstritten, auch

War

er dagegen

gegen

de» Erwerber,

wegen

feiner Schlechtgläubigkeit.

ohne Kenntniß von dem Rechtsmangel in der Person

seines Veräußerers, so schützt ihn der Glaube des Hypothekenbuchs durch­

greifend, auch wenn zur Zeit feines Erwerbs der Prozeß über daS Grund­

stück schon schwebte, dieses also schon eine Streitsache war").

Die JudikatSllage ist gegen den Bürgen begründet, wenn dieser bei der Klage gegen den Hauplschuldner zugezogen

worden"),

und

er sich

ausdrücklich für dasjenige verbürgt hat, wozu der Hauptschuldner rechts­

kräftig

verurtheilt werden

möchte").

Das Urtheil gegen den Vasallen

wirkt gegen den Lehnsherrn, das gegen den Fikeikommißbesitzer gegen die das gegen den Nießbraucher auch In allen diesen Fällen muß aber der dritte

zum Fideikommiß berechtigte Familie,

gegen den Eigenthümer").

Interessent zu dem Prozeß zugezogen worden sein. genügt eine öffentliche Aufforderung

an

In anderen Fällen

die dritten Interessenten

zur

Streitsache, nm das Urtheil gegen sie wirksam zu machen, so bei den Ab­ lösungen und GemeinheitStheilungen"). Ist die Zuziehung oder öffent­ liche Bekanntmachung unterblieben, so hat daS Urtheil gegen die Dritten

keine Wirkung"). Endlich treten Ausnahmen von der obigen Regel bei den Urtheilen über Zustands- und Erbrechte ein.

Sie äußern ihren bindenden Einfluß

über die Parteien hinaus auch gegen andere Personen; die Parteien repräsentiren hier gewissermaßen nicht nur ihr eigenes, sondern das objektive

Interesse an der Streitfrage, an dem Dasein, dem So- oder Anderssein

’") Enlsch. 8. 35. S. 40. 6. 7. 8. 10. 11 I. 10. A i'.R. §. 92. II. Hyp.Lrd. Ergänzungen zu §. 5. 7. 9. I. 24. A.G.O. Dieselben Grundsätze gelten auch nach neuem Recht. Gesetz über den Eigenthumselwerb v. 5. Mai 1872. z. 9. •') Sonst nicht, Seufsert B. 4. S. 363. n) §. 311.1. 14. A.L R. Wenn sich die Klage gegen den Bürgen aus §. 313. I. 14. stützt, ist sie nicht die JudikatSklage.

") §. 258. I. 18 §. 117. 119. II. 4. §.82. 83. I. 21. A L.R. §. 10. 11. Gemeinh. Theil. O. v. 7. Juni 1821. §. 40. der Ablös. O. v. 7. Juni 1821. “) §. 11 1. 19. A L.R Damit nicht in Widerspruch §. 30. I. 1. A.G.O., der nur Pie Prozeßlegitimation betrifft. Bergl. §.31. 32. b. das.

8

deS Recht-").

56.

b. Die Wirkung der Rechtskraft.

281

Zwar sagt daS A.L.R. nur, daß das vom Vater erklärte

Anerkenntniß des Kindes desien Ehelichkeit

auch

gegen die Verwandten,

mit Ausnahme der LehnS- und Fideikommißanwärter, feststelle").

ES ist

aber nicht zu zweifeln, daß dasselbe eintritt, wenn die Ehelichkeit deS Kin­

des

durch Urtheil

rechtskräftig festgestellt worden").

Auf dem Gebiete

deS Erbrechts wirkt daS Urtheil, welches gegen den Erben erstritten ist,

gegen und für den Legatar und die Nachlaßgläubiger, auch wenn sie am Prozeß nicht theilgenommen haben").

ausdrücklich als Voraussetzung

ES ist im preußischen Recht nicht

solcher Wirkung ausgesprochen,

daß der

Erbe mit seinem Prozeßgegner nicht zum Nachtheil der Gläubiger kollu-

dirt haben darf.

Da ihm aber auferlegt ist, daß er den Nachlaß „ver­

theidige", so ist hier offenbar Uebereinstimmung mit dem gemeinen Recht Der Legatar kann übrigen» sein Interesse dadurch vertreten, daß er sich bei dem Prozeß meldet und selbst Rechtsmittel einlegt, ohne vorhanden.

Beitritt der Erben").

b. Mit der IudikatSklage kann nur dasjenige verlangt werden, waS durch da» Urtheil dem Kläger zugesprochen worden. sich die Obligation au» dem Urtheil, die dem

zur Seite getreten ist.

urtheilt,

so

Ist also der Beklagte zu

hat zwar Kläger

im

Nur hierauf richtet

ursprünglichen Anspruch einer Handlung ver-

ersten Jahr die Wahl

zwischen

der

Leistung selbst oder der Forderung deS Interesse, wenn er aber da» Jahr

hat verstreichen lassen, so steht ihm dieses Wahlrecht nicht mehr zu, und er kann aus dem Urtheil nur die Leistung selbst beanspruchen"). Fer­ ner: der Possessorienkläger kann sein Interesse wegen Nichtvollstreckbarkeit

deS Urtheils in Betreff des ihm entzogenen Besitzes nur in denselben Grenzen, in welchen er aus- dem Urtheil Exekution nachzusuchen befugt “) Saviguy 8. 6. S. 471. Arch. s. prall. R.Wiss. B. 8. S. 165. Nvte 1. Entsch. B. 46. S. 213. Strielhorst B. 48. S. 260. 8. 78. S. 255. Unten §. 219.

") A.LR. II. 2. § 16. 17. 18. ’•) 1. 1. §.16. 1. 2. 3. pr. D. XXV. 3. In der Kriminalentscheid, de« O. Trib. JM8l. 1856 S. 96 ist angenommen, daß die rechtskräftige Feststellung der Ehelichkeit de« Kinde« auch den Kriminalrichter, oder die im Kriminalprozeß austretenden anderen Parteien (Staatsanwalt) binde; und Entsch. 8. 37. S. 341. 8.46. S. 213., daß wenn einer Geschwächten die Rechte einer unschnldigen Ehefrau und ihrem Kinde der Etatu« der Ehelichkeit zuerkannt worden, da« Ur­ theil gegen Dritte wirke. Auch Strielhorst B. 48. S. 260. ") I. 12. §.298. A.L R. Entsch. B. 37. S. 341. Unter Erbe ist auch der Fiduziarerbe zu verstehen. Striethorst 8.9 S. 99. Präj. 578 (Samml. B. 1. S. 75). Unter den „Ansprüchen" in §■ 298 sind aber nur die der Nachlaßgläu­ biger und Legatarien zu verstehen, nicht die anderer Erbprätendenten; gegen letztere ist nicht der Nachlaß, sondern da« Erbrecht selbst zu vertheidige«. Strielhorst 8.12 S. 61. Bergl noch §. 301. 334. 345. 352 sg. I. 12. A.L.R. ••) §. 299. I. 12. A.L.R. I. 3. pr. D. XX. 1. I. 50. §. 1. de leg. 1.1. 14. D. XLIX. 1. I. 12. pr. §. 2. C. III. 31. «') Entsch. B. 9. S. 439. §. 9. der Epek.Ordn. v. 4. März 1834 «. M , doch ohne Grund, Koch, Beurth. S. 661,

war, mithin weder den Werth der Sache selbst noch die entbehrten Nutzungen liquidiren"). Wenn der Beklagte verurtheilt ist, den Kläger von Hhpothekenschulden, die auf dem gekauften Grundstück hasten, zu be­ freien, so kann letzterer nicht genöthigt werden, statt ans der Ausführung de» Urtheil- zu bestehen, sich mit dem Ersatz de» Minderwerths de» Grundstücks oder mit Aufhebung de» Vertrage» zu begnügen. Er kann daher auch nicht selbst darauf seine Wahl richten, statt der ihm zugespro­ chenen Liberation"). c. Gegen die JudikatSklage können nicht mehr Einreden erhoben wer­ den, welche dem ursprünglichen Recht-verhältniß hätten entgegengesetzt werden müssen, denn eben gegen solche Angriffe soll da» Urtheil sichern. 6» sind daher in der Exekution-instanz nur Einreden zugelaflen, welche die spätere Tilgung oder Aufhebung de» zugesprochenen Recht» ausführen sollen: Zahlung, Kompensation, Vergleich, Erlaß"). Zweifelhaft ist e», ob diese Einschränkung der Vertheidigung auf bestimmte Einreden gegen die JudikatSklage auch dann stattfindet, wenn sie nach 5 Jahren im ordentlichen Prozeß verhandelt werden muß; oder ob hier der Beklagte wieder Einreden aller Art vorschützen darf. Liquidität der Einrede ist gewiß nicht erforderlich, auch ist der Beklagte nicht beschränkt auf die Ein­ reden der Zahlung, Kompensation, de» Vergleich- und Erlaffe», wenn die Thatsachen, auf welche sie gegründet werben, sich erst nach geschloffener Instruktion de» Vorprozesse» ereignet haben. Rur solche Einreden sind durch da» Judikat schlechthin und für immer ausgeschlossen, die der Be­ klagte im Vorprozeß entweder geltend zu machen versäumt hat, oder die er gebraucht, die aber im Judikat verworfen worden sind. Al» versäumt sind solche Einreden anzusehen, die au» dem Sachverhältniß in der Klage entspringen oder so mit ihm zusammcnhängen, daß sie nur al» Verthei­ digung gegen diese Klage gebraucht werden können, nicht selbständige Be­ rechtigungen dem Beklagten darbieten"). Da» Obertribunal läßt hier­ nach mit Recht die Kompensationseinrede gegen die IudikatSllage zu, wenn gleich die Gegenforderung vor Beginn de» Prozesse» erwachsen, in diesem aber vom Beklagten nicht geltend gemacht worden war. Denn er war nicht verpflichtet, die» zu thun. Aber zu weit geht der Gerichtshof, wenn er behauptet, der au» dem Urtheil Beklagte sei in Betreff seiner Einreden gar keiner Einschränkung unterworfen"). Dann könnte der ") Striethorst B. 19 S. 178. ") Entsch. v. 23. S. 145.

»•) A.GO. Einl. §.66. A.L.R. I. 16. §. 383. 384. §. 35. 36. I. 24 «.G.O. § 6. der Ex Ordn. v. 4. März 1834. Strieth. B. 51. S. 197. In der Exe­ kution-instanz und im Mandat-prozeß müssen die Einreden liquid sein. Koch, Beurth. S. 381. ") Striethorst B. 5. S. 59. ’*) Striethorst B.2V. S.272

Dagegen richtig beschränkend das.B.51. S. 114

Luch

alte Prozeß mit seinem vollen Inhalt zum zweitenmal verhandelt und entschieden werden, und das rechtskräftige Urtheil wäre bedeutungslos. Gegen die Klage aus dem Urtheil endlich ist gewiß auch die Einrede der Nullität desselben unzulässig, weil die Nullität nur im Wege der Klage im geordneten Instanzenzuge zum AuStrag gebracht werden kann, und so lange sie nicht rechtskräftig ausgesprochen worden, das Urtheil durch sein bloßes Dasein wirkt"). d. In einigen Fällen kennt das preußische Recht s. g. Iudikatzinsen, die die Natur der Verzugszinsen haben: wenn Jemand zur Zahlung eine» ZinsenrückstandeS verurtheilt worden, so soll er diesen Rückstand vom Tage der Rechtskraft verzinsen; die an die Stelle der Früchte tretende Geld­ summe muß der unredliche Besitzer von dem Tage, wo diese rechtskräftig festgesetzt worden, und wer au- einer unerlaubten Handlung zur Entschä­ digung verpflichtet ist, muß die Summe von dem Tage de» Urtheil», welche» ihren Betrag zuerst festgesetzt hat, verzinsen"). Endlich wenn eine Geldschenkung versprochen und darauf geklagt worden, beginnen die Zinsen auch erst vom Judikat"). 2. Die Einrede der Rechtskraft (exceptio rei judicatae) soll verhindern, daß über denselben Rechtsanspruch, der bereit» durch ein Ur­ theil verworfen worden, nochmal» gerichtlich entschieden werde, gleichviel, ob jene- zu Gunsten de» Kläger- oder teS Beklagten gesprochen worden, ob r» verurtheilt oder abgewiesen hat"). Sie steht daher nicht bloß dem Beklagten zu gegen den abgewiesenen Kläger, sondern auch dem Kläger gegen den verurtheilten Beklagten. So einfach und natürlich dieser Grund­ satz erscheint, so ist seine Anwendung doch oft nicht ohne Schwierigkeit und Zweifel, denn sie beruht auf einer Vergleichung de» früher abgeurnach Ablauf der 5 Jahre behalt die Judikatsklage diesen Charakter, der erkennende Richter hat nicht mehr zu prüfen, ob da» rechtskräftige Urtheil zu Recht »der Un­ recht ergangen.

") AGO. 1. 16. Die Nullitätsklage besteht noch neben der durch B O. vom 14 Decbr. 1833 eingeführten Nichtigkeitsbeschwerde, in Betreff der Nr. 1. 3. 4. 5 5. 2. I. 16. Nur als Klage, nicht als Einrede, ist sie bei dem Gericht anzubrin­ gen, vor welchem der Dorprozeß geschwebt hat. §. 2. fg. I. 16. Auch für da­ gemeine Recht nimmt die» da» OA.G. Kassel an (Heuser, Annalen 8. 8. (1858) S. 125), obgleich die Prozessualisten an der Zulässigkeit einer Nnllitätleinrede nicht zweifeln. ") I. 11. §. 821. I. 7. §. 231. I. 16. §. 66 horst B. 7. S. 244.

’•) I. 11

8 8.91. Entsch. B. 25. S. 129.

Striet-

§. 1079. 91.8 «.

••) E» muß ein wirkliche- Urtheil ergangen sein; die Einrede ist nicht begründet, wenn im Borprozeß die Parteien erklärt haben, die Sache solle auf sich beruhen und jeder Theil seine Kosten tragen. Heuser, Annalen, I. 679. Wenn aber ein Urtheil ergangen, so kann die Einrede der r. j. nicht durch die Replik be­ seitigt werden, daß der frühere Rechtsstreit nur zum Scheine geführt worden. Das. I. 453. Ein in einem früheren Prozeß verworfene» Klagefundament kann in einem späteren Prozeß auch nicht mehr al« Einrede geltend gemacht werden. Strieth. B. 81. S. 6.

284

Erste- Buch.

Die Grundbegriffe.

theilten und des jetzt auf» Neue erhobenen Anspruchs, der mit jenem trotz scheinbarer Verschiedenheit doch gleich, oder trotz scheinbarer Gleichheit doch verschieden sein kann. Tie Einrede der RechtSkrajt gehört der dritten Klasse an (§. 53.), sie ist nur Vertheidigung und wirkt zerstörend auf die neue Klage. Für den vorliegenden Zweck kann bei der sehr interessanten Ent­ wickelungsgeschichte diese« RechtSinstitutS nicht verweilt werden. ES ge­ nüge die Bemerkung, daß ihre Wurzel in der alten, mit der Klagekon­ sumtion zusammenhängenden im neueren römischen Recht verschwundenen exceptio rei in Judicium deductae zu suchen ist und daß sie ursprüng­ lich, wie Keller nachgewiesen") und neuerdings erfolglos bestritten worden"), in doppelter Funktion wirkte, einer negativen, indem die That­ sache allein, daß bereit» über denselben Anspruch rechtskräftig erkannt worden, jede neue Klage ausschloß, einer positiven, indem der Inhalt de- rechtskräftigen Urtheils in jedem späteren Rechtsstreit derselben Par­ teien über dieselbe Rechtsfrage vom Richter als wahr angenommen wer­ den mußte. Im heutigen Recht interessirt nur die letztere, und weil diese ihren Stoff aus dem Inhalt des Urtheils nimmt, so leuchtet ein, daß grade für sie die Bedeutung der Urtheilsgründe von besonderer Wichtig­ keit ist (§. 55). Nur in einem Fall wird auch für das heutige Recht die negative Funktion der Einrede zu behaupten sein, wenn der Richter Uber nicht geforderte oder geforderte Zinsen nicht erkannt hat. Hier erzeugt nicht der Inhalt, sondern da» Dasein des Urtheils die Ein­ rede"). DaS preußische Recht erkennt zwar die Einrede an, aber eS giebt keine weiteren Vorschriften über sie, daher ist eS unabweisbar, die Ant­ wort auf die wichtigsten Fragen aus den römischen Rechtsquellen zu ent­ nehmen und eS ist hierbei nicht zu befürchten, daß fremdartige Anschauun­ gen hinübergetragen werden, weil diese» Institut von so allgemeiner Natur ist, daß eö sich nicht in dem einen positiven Recht anders als in dem andern intividualifiren kann. Die Anwendung der Einrede fetzt eine vollständige Identität debereitS entschiedenen und des neu erhobenen Rechtsstreits voraus, die eine doppelte: eine objektive des Gegenstandes und eine subjektive der Parteien ist. Die Identität wird erkannt aus der Vergleichung des In­ halts des Urtheils, d. h. seines Tenors und der Elemente in den Grün­ den, die der Rechtskraft fähig sind, mit dem Inhalt der neuen Klage. **) Keller, LitiSkontest. u. Urtheil G. 221—233. Savigny 'S. 6. S. 267. 31) Bestritten von Bekker, die Prozess. Konsumt- S. 13. 119fg., welcher die Positive Funktion nicht anerkennen will. Ihm ist 'Srinz, Pand. I. S. 144 fg. beige­ trete». Dagegen Windscheid, Actio S. 105. Wetzell, Liv.Proz. S. 418fg. " A.r.St. 1. 11. §. 846. 848. Siehe Unger 11. S. 684.

§. 56.

b. Die Wirkung bet Rechtskraft.

285

Exceptionem rei judicatae obstare, quoties eadem quaestio inter eaedem personas revocatur“). 1. Die subjektive Identität (eaedem personae): zwischen den­ selben Parteien muß der neue Rechtsstreit schweben, gleichviel, ob jetzt die Parteirollen umgekehrt sind. Der Grundsatz rechtfertigt sich, wie bei der IudikatSklage, daraus, daß daS Urtheil nur zwischen den Parteien Recht macht. Die Personenidentität ist daher hier wie dort näher zu bestim­ men, d. h. sie ist auch vorhanden in Betreff der Personen, die an da» Urtheil gebunden sind, obschon sie am RechtSgang nicht Theil genommen haben"). Nur zwei Punkte bedürfen hier noch der Hervorhebung. Wenn ein Miteigenthiimer oder Miterbe ohne Beitritt seiner RechtStheilnehmer und ohne ihre Dollmacht für die Gemeinschaft, nicht für sei­ nen Antheil, da» ganze der Gemeinschaft zustehende Aktivum eingeklagt und rechtskräftige Verurtheiluug des Beklagten erlangt hat, so erwerben die übrigen Genossen de» Klägers die Einrede gegen nochmaliges Bestrei­ ten. Muß man nun die Zuständigkeit der Einrede annehmen, wenn der Beklagte verurtheilt worden, so wird auch ihm umgekehrt die Einrede ge­ gen die Miteigenthümer oder Miterben zu gestatten sein, wenn einer von ihnen geklagt und dieser abgewiesen worden, weit die Schuld nicht existirt. Nur wenn die Abweisung wegen fehlender Legitimation de» Kläger» er­ folgt ist, darf den übrigen die neue Klage nicht versagt sein. Da» Ober­ tribunal hat nun angenommen"), daß daS von einem beklagten Miteigen­ thümer erwirkte günstige Urtheil, durch welche- die Grundlosigkeit der Klage dargethan ist, auch für die übrigen Miteigenthümer, die an dem Prozeß keinen Theil genommen haben, Rechtskraft erlange: wa» soll hin­ dern, daß auch da» Umgekehrte gelte? Das Gemeindeverhältniß ferner ist verschiedenartig"). ES giebt Rechtsverhältnisse, die sich auf die Gemeinde als solche, al» juristische Per­ son beziehen. Hier hat der Einzelne keine Rechte, die Rechtskraft wirkt nur für und wider die Gemeinde al» solche"). Oder da» Recht-ver­ hältniß hat Bezug auf die einzelnen Gemeindeglieder als solche, indem da» M) I. 3. 7. $. 4 D. XLIV. 2. ") I. 2. C. VII. 56. 1 2. C. VIII. 36. 1. 22. D. XLIV. 2 1. 29 §. 1. eod. I. 11.§. 10. eod. 1. 3. §. 1. D. XX. 1. 1. 63. D. XL». 1. ”) Striethorst B. 27. S. 283. in Folge analoger Anwendung der §. 258. I. 18. $. 82sg. I. 21. und §. 17fg. II. 4 A L R. Wenn ein einzelner Miterbe einen vom Erblasser geschlossenen Bertrag anficht und die Rückgabe de» Vertragsgegenstände« znr Rachlaßmaffe verlangt, so bietet da« Urtheil Rechtskraft für die Miterben (Entschl. V. 18. S. 242). — Daraus folgt, daß sie auch gegen die Miterben ein­ treten muß. Ebenso in dem Fall Entsch. B. 22. S. 136. Wirkung der Rechts­ kraft nicht gegen Litiskonsorten, Striethorst B. 22. S. 257, gegen Mitbesitzer, Entsch. B. 39. S. 313. ") S- Seusfert v. 2. S. 329. »•) 1. 6. §. 1. v. I. 8. 1. 10. S- 4. D. II. 4. 1. 7. pr. §. 1. D. III. 4. 1. 1. $. 15. D. XXXVI. 1. I. 1. §. 7. v. XLVIII. 18.

286

Erste« Buch.

Die Grundbegriffe-

Recht entweder von der juristischen Person der Gemeinde abgeleitet er­ scheint, gegen sie den einzelnen Mitgliedern zusteht, wie z. B. die Nutzun­ gen an den Gemeindegrundslücken, oder nur auf dem Gemeindeverbande beruht, z. B. da» den Gemeindegliedern auf einer benachbarten Flur zustehende Triftrecht. Dort") wirkt die Recht-kraft wider die Einzelnen, wenn die Gemeinde Partei gewesen und wider die Gemeinde, wenn Ein­ zelne den Prozeß geführt haben; hier wird daffelbe zu behaupten sein, d. h. da- von der Gemeinde erlangte Urtheil wirkt für und wider die Einzelnen, und da- von den Einzelnen erlangte Urtheil für und wider die Gemeinde. Dagegen wird eine Abweisung der Gemeinde dem ein­ zelnen Mitglied« nicht entgegenstehen, wenn diese- da- Recht nicht al» ein ihm al- Gemeindeglied zustehendeS, sondern al» sein eigne» geltend macht"). 2. Die objektive Identität (eadem quaestio). Man versteht darunter: idem corpus, eadem quantitas, idem jus, eadem causa petendi41). Diese Erfordernisse sind nicht alternative, sondern kumu­ lative: sie müssen verbunden dasein, wenn die Einrede der Recht-kraft begründet sein soll4'). Eö darf nicht derselbe Gegenstand au» demselben Recht-grund nochmal- verlangt werden: quae nisi omnia concurrunt, alia res est. a. Nicht derselbe Gegenstand4'). Verschiedene Gegenstände er­ zeugen verschiedene Ansprüche, wenn auch da» Recht seinem Inhalt nach daffelbe ist, denn da- Recht ist nur in Beziehung auf einen bestimmten Gegenstand konkret, eine Berechtigung, ein Anspruch der Person. Klagen also, denen die Identität de- Objekt» (idem corpus, eadem quantitas) fehlt, sind verschieden, und die neuere kann nicht durch die au- dem Ur­ theil über die ältere entnommene Einrede beseitigt werden. Aber die eadem quantitas macht Schwierigkeit. Ist im Urtheil über ein Ganzeentschieden, so ist auch über den Theil mit entschieden und auf den letzteren kann nicht neu geklagt werden, wenn der Richter in der Lage war, im ersten Urtheil vom Ganzen auf den Theil zurückzugehen, statt de» geforderten Mehr da- Mindere zuzusprechen. Eine eigentliche Ver­ schiedenheit de» Gegenstandes liegt hier nicht vor, denn der Theil ist ja im Ganzen enthalten, und die- gilt in gleicher Weise, da- Mehr oder Minder liege in der Größe de» körperlichen Objekt- oder in der Menge oder dem größeren oder geringeren Umfang eine- Recht-44). Umgekehrt «•) *•) «•) ") ") “)

l. 6. pr. D. XVIII. 1. 1. 1. 2. §. 2. D. XLIII. 8. 1 63. D. XLII. 1. Striethorst B. 15. S. 14. I. 12. 13. 14. D. XLIV. 2. Entsch. B. 67. S. 314. Seufsert XVIII. 55. 1.7. pr. D. XLIV. 2. A.GO. 8. 310. 311». 1.10. Striethorst v. S. S. 73.

§. 56.

b. Die Wirkung der Rechtskraft.

287

ist der Theil, da- Mindere, aberkannt, so kann da» Ganze nur dann noch gefordert werden, wenn es nicht bedingt ist durch den Theil, auch ohne ihn noch als ein Ganzes besteht"), denn sonst würde mit dem Ganzen der bereit» aberkannte Theil wieder erstrebt werden. Ist da» Ganze nur die Voraussetzung, der Präjudizialpunkt für den verlangten Theil, wie die Reallast für die einzelne Leistung, so entsteht au- der Aberkennung der letzteren nicht die Einrede der Rechtskraft gegen die Klage auf da- Ganze, da- Recht selbst (§. 55. Note 30. 31)"). b. Nicht dieselbe Rechtsfrage. Sie bestimmt sich nach dem Be­ griff deS Rechts, welches an dem Gegenstände behauptet wird. Man kann aus verschiedenem Grunde ein Recht an demselben Gegenstände zu erstreiten versuchen. Im ersten Prozeß wurde daö Eigenthum behauptet, im zweiten ein Nutzungsrecht, im ersten ein dingliches, im zweiten ein persönliche» Recht. So sind die Besitzklage und Recht-klage verschieden. Hier Überall ist die Einrede ausgeschlossen, eS muß derselbe Klagegrund (idem jus, eadem causa petendi) vorliegen, wenn sie wirken soll"). Auf den gleichen Namen der ersten und zweiten Klage kommt e» nicht an"). c. Die Frage, ob die Verschiedenheit de» Erwerbs- oder Ent­ stehung» gründe» die Einrede der Rechtskraft ausschließt, führt ge­ wöhnlich auf eine Unterscheidung der dinglichen und persönlichen Klagen. Bei den letzteren bedarf eS freilich keiner weiteren Ausführung, daß eine solche Verschiedenheit schlechthin die Einrede unmöglich macht, denn der Entstehungsgrund ist die Obligation selbst, ihr Wesen hängt mit jenem so zusammen, daß jeder andere Entstehung-grund eine andere Obligation «) 1. 26. pr. D. eod.

Bergt. Striethorst B. 80. S. 322.

“) Entsch. B. 17. S. 472. 4T) Die Identität der Rechtsfrage und des Gegenstände» ist auch dann vorhanden, wenn der Schuldner, nachdem er im Borprozeffe mit der gegen de» Gläubiger angestellten, auf die Behauptung der Zahlung der Forderung gegründeten Klagt auf Quittung-leistung abgewiesen worden ist, und dann dem vftäubiger in der auf Zahlung der Forderung gerichteten Klage die Einrede der geleisteten Zahlung entgegenstellt. Uebereinstimmung de» Klageantrag« ist nicht erforderlich. Striet­ horst B. 18. S. 44. — Die Einrede der rechtskräftigen Entscheidung ist nicht begründet, wenn der Eigenthümer nach rechtskräftiger Abweisung der Klage aus Rückgewähr de» Grundstück» auf Grund eine» mündlichen Pachtvertrag» hiernächst die Rückgewähr deffelben wegen formeller Mängel der UeberlaffungSurkunde sordert. E» ändert hierin nicht», wenngleich in beiden Klagen der Antrag auf Anerken­ nung de» Eigenthum» gerichtet und der Kläger mit diesem Antrag im Dorprozeß abgewiesen worden. Striethorst B. 2l. S. 67. Die in einem Grenzregulirung»prozeß rechtskräftig sestgestellte Grenzlinie entscheidet über da» Eigenthum der Par­ teien am Grund und Boden, und erzeugt gegen die spätere Bindikation die exc. rei jud. Entsch. B. 46. S. 316. Eadem quaeatio auch Entsch B. 47. S. 347. — Gleichheit de» Klagegrundc»: Striethorst 8. 31. ©. 30. Verschiedenheit de» obligatorischen Grunde»: Striethorst B. 32. S. 301. Weitere» Material au« preußischer und gemeinrechtlicher Praxi» bei Gruchot'B. 6. S. 315 fa. — Bei Gruchot VIII. 254. über Verwechselung von Bewei-grund und Klagegrund; nur letzterer ist für die Einrede der r. j. erheblich.

«•) I. 7. §. 4. D. XLIV. 2. §. 20.1. 5. A.G.O.

Erst«» Buch

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Die Grundbegriffe.

erzeugt^. Bei den dinglichen Klagen behauptet man aber"), daß, da daRecht an sich dasselbe bleibe, wenn auch au» verschiedenen Gründen ent­ standen, e» auf den Erwerb-grund nicht ankomme, die auf einen andern gestützte neue Klage daher der Einrede unterliege, wenn dasselbe dingliche Recht auf denselben Gegenstand verlangt wird. Für da» preußische Recht ist diese Ansicht zu verwerfen, jede dingliche Kjage muß auf einen bestimm­ ten Entstehung-grund basirt sein, seine Angabe gehört wesentlich zum Klagefundament, und mißlingt der Nachweis diese- Grunde», so hindert nicht», au- einem andern Entstehung-grunde dasselbe Recht aus denselben Gegenstand mit einer neuen Klage zu verfolgen. Da- Resultat ist: „die Einrede der Rechtskraft erfordert in Betreff de» Gegenstandes, daß derselbe nicht bloß äußerlich, der Bezeichnung, dem Umfange, dem Betrage nach, sondern auch innerlich, d. h. seinem Wesen und Entstehung-grunde nach mit dem Gegenstand der Erörterung und Entscheidung de» BorprozeffeS ein und derselbe sei""). Die Einrede der Rechtskraft kann beseitigt werden durch spätereentgegengesetzte» Verhalten der Partei, au- welchem zu schließen ist, daß sie den Schutz, den ihr die Einrede gewährt, nicht beansprucht, vielmehr trotz de» Urtheils da- abgesprochene Recht anerkennt").

5.

Verlust de- Klage- und Einrederechts. §. 57.

a. Berjiihruug durch Nichtgebrauch.

ALR1. 9. $. 535—578. 629-640. 655—659. Ges. v. 31. März 1838 (Ges.S. S. 249). «. v. 15. April 1842 (G.S. S. 114). Ges. v. 18. Juni 1844 (G.S. S- 140\ Gruchot B. 7. S. 444 fg. 560 sg. Kcpßner bei Gruchot XIII. 179. Heydemann, Einleit. II. S. Bornemann, System I. S. 63—89.112—123. Koch, PrR. l. S. 287—295. 302-311. 313. v. Daniel« IV. ®. 205. 215-222. Dernburg I. §. 167 fg. Löwenberg, Motive der preuß. Gesetzgeb. 1843. I. 77. — Rave, principia univeraae doctrinae de praeacriptione, ed. Eichmannna. Halae 1790. Unterholzner (f. §. 46). Kiernlff, Theorie des gemeinen Eivilrecht«, 1839. I. 189. Savign, V. S. 280-413. v. Wächter II. 806. Heim­ bach im Rechttlex. XII. 288. Unger II. 401. Sinteni« I. §. 31. Zachariä (Anschütz) IV. S. 502. Windscheid I. S- 573.

Die Verjährung durch Nichtgebrauch ist der Verlust de- Recht» durch unterlassene Verfolgung desselben während eine- gesetzlich bestimmten Zeit­ raum». ES wurde §. 46. erwähnt, daß im A.L.R. die Klageverjährung «’) Entsch. B. 41. 6. 399. *•) 1.14. §. 2. D. XLIV. 2. 1. 11. §. 5. eod. S. eben §. 50. Note 11. S. 659. ") Striethorst B. 19. S- 277. ") Entsch. B. 45. S. 426. Striethorst B. 14. S- 21.

Unger II.

und der non usus der Servituten unter diesem Begriff znsammengefaßt find, daß die erstere im heutigen Recht eine stärkere Wirkung hat, al» im römischen, indem sie nicht bloß da» Recht der Klagbarkeit entkleidet, seine übrigen Bestandtheile aber unberührt läßt, sondern e» völlig vernichtet, und daß der non usus der römischen Servituten eine Au-dehnung auf Rechte erhalten hat, die deutschen Ursprung» sind. Auf die geschichtliche Entwickelung de» Institut» der Klagverjährung im römischen Recht kann hier nicht näher eingegangen werden, zumal sie für da» Verständniß de» preußischen Recht» keine praktischen Ergebniffe liefert1). Freilich auch hier erscheint diese Verjährung, obschon sie da» Recht selbst vernichtet, zunächst al» Vernichtung der Verfolgbarkeit, einer Eigenschaft, die sich in der Klage äußert, aber weil diese Eigenschaft da» ganze Recht ergreift, e» erst zur Vollkommenheit bringt'), weil seine wesentliche Kraft in dem Schutz besteht, den ihm da» Gesetz verleiht, muß e» selbst mit Verlust dieser Eigenschaft untergehen. Da» Recht ist Macht, Können — ist e» machtlos geworden, so besteht e» nicht mehr. Und weil e» Macht ist, muß e» thätig geübt werden, „da» träge Recht vernichtet sich selbst"'). Für die dogmatische Darstellung erscheinen al» wesentlich folgende Mo­ mente: die Bestimmung de» Anfang», de» Zeitraum», die Möglichkeit einer Unterbrechung der begonnenen Verjährung, ihre Wirkung und Geltend­ machung, die Befugniß der Parteien, über diese» ausschließlich dem posi­ tiven Recht angehörige und auch mit Rücksicht auf die allgemeine Rechts­ sicherheit eingeführte Institut vom Gesetz abweichende Bestimmungen zu treffen; zum Schluß soll die Streitfrage nach der Verjährbarkeit der Ein­ reden erörtert werden. 1. Anfang. Wie schon erwähnt, kennt diese Art der Verjährung keine andere Voraussetzung, al» den Nichtgebrauch de» Recht». Dieser ist aber nur vorhanden, wenn man sein Recht auch nicht theilweise au»') Savignh V. 273. Puchta, Sur|u» der Institutionen II. §. 208. Demeliu», Untersuchungen au» dem römischen Livilrecht I. 1856. S. 1—HO. Nach letzterem hat im römischen Reckt vor K. Theodosius eine Klagverjährung nicht bestanden. »Die prätorischen actiones temporales und wa» sonst im klassischen Recht von zeitlich begrenzten Klagrechten sich findet, sind nicht» al» von vorn herein nur auf bestimmte Zeit gegebene Rechte. Der Gedanke, daß ein Klagrecht zu Grunde geht wegen dauernder Unlhätigkeit de» Berechtigten, ohne welche e» in Infinitum sott» währen würde, ist im älteren Recht in keiner Spur sichtbar. Er ist erst in» Recht gekommen mit der Ausstellung der praescriptio trig ann. und ihrer Ausdehnung zu einer allgemeinen Klagverjährung. Er erscheint zuerst al» Beijährung der Eigenthum»klage, welche ihrerseits wieder mit der Ersitzungsidee in engem genetischem Zusammenhänge steht. Da« Institut der römischen Klagverjährung ist au» der Ersitzunglidee allmählich hervorgewachsen". S- 5. 6. Doch war für da» Dogma der Klagverjährung al» selbständigen Recht»institut» dieser enge Anschluß nicht maßgebend. S. 100.

’) A.L.R. Einl. §. 86. •) Kierulfs, Theorie S. 189.

Förster, Preuß Privatrecht. I. 3. Ausl.

290

Erst«« Buch.

Die Grundbegriffe.

übt**). Theilweise Ausübung ist im Sinn der quantitativen Theilung zn verstehen"). Entspringen aus demselben RcchtSgrunde mehrere qualitativ verschiedene Befugnisse, die selbständig neben einander stehen und die entweder zusammen oder alternativ auSgeübt werden dürfen, so ersetzt der Gebrauch der einen nicht den der anderen, die nicht gebrauchte erlischt. Ist dagegen eine mehrfache Art der Ausübung derselben Befugniß denkbar und zulässig (z. B. das Zehntrecht ist entweder in Geld oder Getraide, und dieses entweder vom Felde oder auSgedroschen zu verlangen), so wird durch die eine Art der Ausübung auch die andere erhalten. Gebrauchen ferner ist nicht bloß daS Einfordern, sondern auch daS An­ nehmen des freiwillig Geleisteten'). Zum Gebrauchen endlich wird aber auch gefordert, daß man brauchen kann, dies in rechtlicher und thatsächlicher Hinsicht. Es giebt nämlich Personen, die, weil ihnen der für die RechtSauSübung nöthige Wille fehlt, das Recht nicht auSüben können, für die deshalb ans dem Nichtgebrauch die Folge de», RechtSverlusteS nicht eintreten darf. Daher fängt diese Verjährung gegen bevormundete') Unmündige, Minderjährige, Wahnund Blödsinnige, Taubstumme, gegen Abwesende, wenn für sie ein Güter­ pfleger (Kurator) bestellt worden und sie dadurch in die Klaffe der Pflege­ befohlenen getreten sind, nicht an. Aber die angefangene Verjährung setzt sich fort, wenn inzwischen daS davon betroffene Recht auf eine solche 4) ALR. $. 570. 571. d. T. Simon, Materialien S- 532. pr. Pr.R. B. 2. S. 305. 306. Gruchot S. 599.

Plathner, Geist de-

5) Z. B. A L.R. §. 573. Doch „ist dieser Satz mit Vorsicht anzuwenden, denn er hat keine unbedingte und allgemeine Anwendung, namentlich kann er nicht an­ gewendet werden auf den Fall, wenn ein gleichartiger quantitativer Theil eines Rechts nicht auSgeübt wird, z. B. wenn Jemand einen jährlichen Zins von 20 Thlr. zu fordern hat und durch recht-verjährte Zeit 10 Thlr. ohne Widerspruch an nimmt." Koch, Komm Note 8. zu §. 570 (S. 599). Bornemann II. S. 65. „Hauptsächlich kommen diese Sätze bei Grundgerechtigkeiten wegen ihrer Untheil barfeit zur Anwendung." Die ganze Servitut wird wegen ihrer Unteilbarkeit erhalten, wenn man sie nur theilwei- oder aus ein Geringeres ausübt, z. B. die Fahrgerechtigkeit, wenn man auch nur geht oder reitet. §. 570. d. T. gehört aber zu den allgemeinen abstrakten Sätzen, deren da- A.L.R. manche bietet, die bei praktischer Anwendung an allen Enden Zweifel und Schwierigkeiten erzeugen und so wenig in ein Gesetzbuch paffen. S. S tri et horst B.5. S. 175. B. 13. S. 186 a E. Cntsch. B. 29 S. 59. Bergl. bes. Bornemann II. S. 65—70 und 74 über die §§. 570-572. d. T.

•) Leisten und Annehmen ist auch als gegenseitiges Anerkenntniß aufzufaffen, Entsch. B. 28. S. 81, und wirkt Unterbrechung der begonnenen Verjährung. Siehe unten. 7) Gegen die unter väterlicher Gewalt stehenden Minderjährigen kann zu Gunsten Dntter die Verjährung ansangen, nicht aber zu Gunsten des Vater- selbst. Erste­ res erklärt sich daraus, daß das nicht freie Vermögen de- Kindes der Verwaltung und dem Nießbrauch des Vater- unterworfen ist, der mit ihm gewissermaßen eine Personcneinbeit bildet; letztere- daraus, daß Kinder, wenn ihre Rechte mit denen de- Vaters kollidiren, insoweit nicht unter dessen Gewalt stehen, sondern als Pflege­ befohlene, die einen Kurator erhalten müssen, anzusehen sind. Präj 307 (Samml. I. S. 37). Striethorst V. 209. XIII. 182. Entsch. B. 28. S. 75. Simon, Materialien S- 522 584.

§. 57.

a. Verjährung durch Richtgebrauch.

291

bevormundete') Person übergeht. Regelrecht sollte auch gegen Verschwen­ der, sobald ihnen der Kurator bestellt worden, die Verjährung nicht an­ fangen können: ihnen aber versagt da- Gesetz diesen Vortheil, waS nur daraus erklärt werden kann, daß die Verschwendung als vin unsittliche» Verhalten keine Gunst erfahren soll'). Thatsächlich muß man in der Lage sein, da» Recht auSüben zu können, d. h. es muß eine Gelegenheit der Ausübung geboten worden sein. Bon der ersten versäumten Gelegen­ heit beginnt der Lauf der Verjährung. Manche Rechte können nur bei gewiffen Gelegenheiten, hin und wieder"), andere von einem bestimmten Tage an fortgesetzt gebraucht werden. Bei solchen Rechten, wenn sie darin bestehen, daß man die Erfüllung einer Derbindlichkeit zu fordern hat, die also nicht bloß ein fortgesetzte- Dulden erheischen, wie bei der Servitut, beginnt die Verjährung an dem Tage, an welchem die Erfüllung der Verbindlichkeit zuerst gefordert werden konnte. So unzweifelhaft die» bei den meisten derartigen Rechten ist, so haben doch einzelne von jeher viel abweichende Meinungen erzeugt. Der Tag, wo zuerst gefordert werden kann, ist der, an welchem die Klage entsteht, wo actio nata ist"). Actioni nondum natae non praescribitur"). Regelmäßig ist die Klage entstanden mit der Entstehung de» Recht», welche» ihr zu Grunde liegt. Die» folgt daraus, daß, wie §. 50. ausgeführt wurde, die Klage keine Zugabe, kein äußerlich beigefügtes Moment de» Recht» ist, sondern von Anfang in ihm liegt, eine immanente Eigenschaft desselben ist. Da» Recht, nicht die Rechtsverletzung erzeugt da» Klagerecht. Man hat vielfach die ') Oder „mit einem Bormund hatten versehen werden sollen". Entsch B. 15 S. 119. Koch, Komment. Note 41. zu §. 536. d. T. ') Suarez (Materialien S. 523) bemerkte: „Aus Verschwender paßt die ratio legis nicht, weil diese von ihren Rechten gar wohl haben informirt sein können " ••) Dies sind die s.g. Jura discontinua. Auch bei solchen Rechten genügt zur 8er« jiihrung der einfache Nichtgebrauch; es ist nicht aancapio libertatis, eine den Besitz anfhebende Thatsache, erforderlich; denn der Verlust de» Besitze« geht nicht der Verjährung Vorau», soudern folgt ihr nach. Erkenntniß de» O.A.G. München v. 8. Juli 1862 nach ALR (Blätter f. Recht-anw. in Baiern B- 27. S. 337). Die preußische Praxis stimmt damit überein.

**) Thon in der Zeitschr. f. Eiv.R u- Proz. B. 8. S. 1. Langer»« im Archiv f. civil. Praxi« B. 23. S. 292 Demelius, Untersuchunqen I S. 111. Sinte« ni» I. S. 281. Unger II. 375. 407. — Für prenß. R. Lenz, Studien und Kritiken, 1847 S. 233 Koch, Note 56. zu §. 545. d T- Was die systematische Stellung de» Dogma« von der Nativität der Klage betrifft, so muß Unger (a. a. O- S. 376 Note 1) zwar Recht gegeben werden, daß sie nicht bloß zur Lehre von der Klagverjährung gehört, sondern eine allgemeinere Bedeutung hat. Allein zweckmäßig erscheint e» doch, sie hier abzuhandeln, weil sie nur mit Rück­ sicht auf die Frage, von wo die Verjährung beginne, eine besondere Wichtigkeü erlangt und bestritten worden ist. E« liegt hier doch ihre praktische Bedeutung, und e« kann au» dieser Anordnung keine Schwierigkeit entstehen, wenn man sich nur davor hütet, au» dem Beginn der Verjährung auf die Nativität zurück­ zuschließen ") I. 1. § 1. C. VII. 40. 1. 3. C VII. 39. SSchs. S.v. r 158—160.

1. 30. C. V. 12.

Oesterr. S B. §. 1478.

letztere al» den Ausgangspunkt der Verjährung angesehen und um den daraus hervorgehenden Unrichtigkeiten im Einzelnen, denen man sich nicht verschließen konnte, zu entgehen, den Begriff der Verletzung in verschie­ dener Weise bestimmt. Besonder- vertreten ist diese Theorie von Sie« rulff, Savignh, Demeliu». Ersterer läßt da-ursprünglich abstrakte Klagerecht durch die Verletzung zu einem konkreten werden, und rechnet von hier die Verjährung. AIS Verletzung sieht er die Weigerung der Erfüllung an. Der Zweite läßt durch die Verletzung eine neue Obligation entstehen. Ihm ist die Verletzung nur die getäuschte Erwartung de- Be­ rechtigten. Beide trennen also die Momente der Entstehung des Recht» und der durch die Verletzung entstandenen Klage. Der Dritte will den Gegnern näher treten, indem er sich gegen die Zeittrennung erklärt, und annimmt, daß eine Verletzung schon dann immer vorhanden sei, wenn ein gegenwärtiges, wirksame» Forderung-recht zur Entstehung gelangt und nicht sofort erfüllt werde. Allein damit ist die Theorie von der Verletzung, die besonder-von Thon, Bangerow, Len; uud Unger verneint wird, so gut wie aufgegeben. Fällt Entstehung de- Recht- und seine Verletzung in einen Moment zusammen und ist die Verletzung verflüchtigt bi» zum bloßen Nichterfülltsein, so bedarf man der letzteren nicht mehr al» eine» Erforderniffe» für den Beginn der Verjährung. In der That, die actio ist nata in dem Augenblick, wo ihr Recht»grund al» ein wirksamer existent geworden. Die Wirksamkeit de» Recht» kann durch Bedingung oder Zeit­ bestimmung hinausgeschoben sein, dann wird e» erst ein verfolgbare» mit Erfüllung der Bedingung oder Eintritt de» Zeitpunkt»"). Bon da beginnt seine Klagbarkeit und die Verjährung. Wo ein solche- Hinderniß nicht vorliegt, ist da» Recht gleich klagbar und die Verjährung beginnt sofort. Die» ist auch nach A.L.R. zu behaupten. Wenn Demeliu- wegen der Worte „wo die Erfüllung der Verbindlichkeit zuerst gefordert werden konnte" meint"), daß nach A.L.R. jede Erörterung der Frage nach der Nativität der Klage abgeschnitten sei, weil in jenen Worten die Anerkennung de» verwerflichen Grundsätze» zu liegen scheine, daß e» vom Willen de» Be­ rechtigten abhängig sei, die Klage zur Entstehung zu bringen (toties praeacribitur actioni nondum natae, quoties nativitaa est in potestate creditoria)"), so kann ihm nicht beigetreten werden. Die Worte de» '•) 17. §. 4. C.VII. 39. 1. 9. pr. D. XII. 1. 1. 186. D. de R. J. Unger S. 382 Rote 12. Die« ist auch nicht ander«, wenn die Bedingung auf Seiten de» Be­ rechtigten pvtestativ ist. Thon ®. 11. Code civil a. 2257. Den bedingten Klagerechten sind aber die Ansprüche au« zweiseitigen noch unerfüllten Verträgen nicht gltichzustrllen. Unterholzner B. 2. S. 303. Savigny V. 5. S. 290. Gruchot B. 7. S- 454. '«) A. a. O. S. 176. 177.

**) Gegen diese Regel.bes. Thon a a. C. S 2 sg. gemeine Ueberzeugung.

Ihre Unrichtigkeit ist jetzt all­

Gesetzes nöthigen nicht, daS Wollen-Köunen subjektiv zu verstehen, eS kann auch objektiv verstanden werden, und dann heißt eS: es kann gefordert werden vom Moment der Entstehung des Rechts. Die richtige Theorie ist hiernach nicht ausgeschlossen"), und ist ohne Unterschied für die aus Obligationen und aus dinglichen Rechten erwachsenen Klagen feslzuhalten, da auch bei letzteren nicht die Verletzung, sondern der ans der Verletzung deS dinglichen Rechts hervorgehende persönliche Anspruch die Klage zugleich mit sich selbst erzeugt. Zweifel hat die Anwendung der Regel, daß die Verjährung beginnt mit Entstehung deS Anspruchs, nur in den Fällen erregt, wo eS im Zweck des Rechtsverhältnisses zu liegen scheint, daß eS eine längere Dauer haben soll, wo die Auflösung deS RechtSverhältniffeS auf eine Kündigungsfrist gestellt ist, und wo eS durch wiederholte einzelne Leistungen länger erhalten bleibt DaS Darlehn insbesondere ist der Typus dieser Klasse von Rechten. Gegen die Annahme, daß die Verjäh­ rung beginne mit der Hingabe der Summe, scheint der Zweck des Ge­ schäfts zu sprechen, daß der Empfänger die Summe doch wenigstens einige Zeit genießen, keinenfalls verpflichtet sein soll, sie im Augenblick deS Empfanges wieder zu geben. Allein auch hier muß eS bei der.Regel bleiben. DaS Darlehn wird entweder unzinsbar, oder zinsbar gegeben. Bei dem letzteren ist nicht zweifelhaft, daß ter Nichtgebrauch, die Verjäh­ rung erst beginnt, wenn die Zinszahlungen aushören, daß jede Zinszahlung da- Recht und die Klage erhält"). Bei dem ersteren aber ist taö Recht, die Wiedererstattung der Summe zu fordern, in dem Moment begründet, wo sie hingegeben worden, e» muß also auch von da die Verjährung be­ ginnen"). Die Kündigung, die daS A.L.R. für das Darlehn unbedingt vorschreibt"), hindert den Beginn der Verjährung nicht, denn auch sie hat nicht den Sinn, die Entstehung der Forderung auf Erstattung der Summe hinauSzuschieben, sondern nur die Bedeutung einer Frist, die dem Schuld­ ner gewährt werden scll, um sich die Zahlungsmittel zu verschaffen, oder '•) Ebenso nach öftere. R. §.1478.

Unger S. 407.

*’) Richtiger ist t» jedoch, zu sagen, daß auch hier die Berjährnng mit der Hingabe anfängt, aber durch jede Zinszahlung unterbrochen wird. 1 8. §. 4. C. VII. 39 Demeliu« S 170 fg. Der Gläubiger hat zu beweisen, daß di« Zinsen gezahlt worden. Striethorst B. 37. S. 175; a M. Savigny 8- 5. 309. Gruchot 'S. 599 fg. 603 a. E.

■•) I. 94. §. 1. D. XLVI. 3. Bangerow im Archiv a. a. O. S. 310. Pand. l. S. 253 N 2. Lenz S. 240. Demeliu« S. 164, der insbesondere gut darauf hinweist, daß der juristische Inhalt de» DarlehnSgeschäst« in nicht« weiter al« in der Hingabe einer Quantität fungibler Sachen gegen die Verpflichtung, dieselbe Quantität derselben Sachen zurückzugeben bestehe, daß aber dahin nicht da« längere oder kürzere Berbleiben der Sachen in der Hand de« Schuldner« gehöre, an ein solche« daher auch nicht die Nativität der Klage geknüpft werden könne. Kür preuß. R. s. Köchling im Arn«b. Arch. 8.10. S. 339. Schics. Arch. D 6.S. 113. Koch, R. d. F. 8. 2. S. 759 fg. *’) A.L.R. l. 11. §.761. 762.

dem Gläubiger, um inzwischen anderweitig nach einer nutzbaren Anlegung de- Kapital- zu suchen. ES ist daher anzunehmen, daß die Verjährung der DarlehnSklage sofort mit der Hingabe beginnt, sich aber ihr Zeitlauf um die Kündigungsfrist verlängert. DaS Obertribunal hat die Praxis dahin festgestellt"), daß die Verjährung nicht von dem Tage der wirklich erfolgten Kündigung (die ganz im Belieben der Parteien liegt), sondern von dem Tage beginnt, wo, nachdem zuerst gekündigt werden konnte, die Kündigungsfrist abgelaufen ist. Gekündigt konnte werden im Moment der Hingabe, und wenn für die Kündigung eine besondere Zeitbestimmung ge­ troffen war, von dem Moment de- Eintritt- dieser Zeit, die Verjährung beginnt daher sofort, vollendet sich nach Ablauf der ordentlichen Verjäh­ rung-zeit und dann kommt dem Verpflichteten die Kündigungsfrist nur noch zum Zweck der Zahlungsleistung zu gut. Der Beschluß de- Ober­ tribunal- setzt die Kündigungsfrist vor den Beginn der Verjährung, wäh­ rend sie an das Ende derselben gestellt werden muß"). Aber richtig ist, daß die Kündigungsfrist nicht aufgefaßt wird als eine die Ausübung des Klagerecht» hemmende Zeitbestimmung, sondern als eine lediglich für den Eintritt des ZahlungStage» bei unbeschränkter Ausübung de» Recht- maß­ gebende Vorschrift und daß der Beschluß die Nativität der Klage mit der Entstehung deS Recht- zusammenfallen läßt. Daß der Grundsatz anwend­ bar ist, eS mag von den Parteien eine bestimmte Kündigungsfrist verab­ redet sein, oder, bei dem Fehlen einer solchen Verabredung, die gesetzliche Frist eintreten, ist in der Praxis nicht zweifelhaft"). Mit der Hingabe der Sache, nicht erst mit der Verletzung ferner beginnt die Verjährung der Klage aus dem VerwahrungSvertrage, auS der Bittleihe (Prekarium)"); bei der Klage aus der Leihe (Kommodat) dagegen' nicht mit der Hingabe der Sache, sondern, weil dies Geschäft nach preußischem Recht immer mit einer Zeitbestimmung (dies) abgeschlossen werden muß"), mit Ein,n) Erlisch. B. 3. S-170. B 7. S. 203. Bergt, jetzt noch Pl.Beschl.Enlsch. B. 59. S. 1. (Anwendung auf die der Verjähr, nach dem Ges. v. 31 März 1838 unterworfenen Forderungen, sofern sie aus Kündigung lauten Da« O.Trib. ist hier der Ansicht von Unterholzner B. 2. S. 319 der 1. A. gefolgt. Rave §. 135 und der Kircheisen'sche Entwurf gingen von anderer Ansicht au«. Sie lassen erst von der al« ree merae facultatis aufgefaßten wirklichen Kündigung die Verjährung an­ fangen. Ueber den Pl.Beschluß s. Lenz S. 259 sg, der in der gestellten Kündi­ gung einen „Potestativ dies" findet und deßhalb erst von der wirklichen Kündi­ gung, wie bei der Potestativbedingung rechnen will. Verfehlt ist sächs G B. §. 167., welche» die Klage erst von der Willenserklärung verjähren läßt, d h. also von der erfolgten Kündigung *') Borangestellt wird sie au« einem falschen Grund; c« könne nämlich nicht vor Ab­ lauf der Kündigungsfrist geklagt werden. Dieser widerlegt sich au» §. 16.1.28. A-G-O. Koch, Beurtheil. S. 163. 495.

**) Präj. 681 (Sammt I. 38). ") 1.1. §• 22. D. XVI. 3. “) A.L-R. I. 21. §. 230.

Lenz S. 241 fg.. gegen Savignh V. S. 298. Ebenso nach österr. R. §. 971.

tritt der letzteren. Ueberhaupt ist jede Klage de- Eigenthümer- gegen den unvollständigen Besitzer (Miether, Pächter), sofern durch sie der Anspruch auf Zurückgabe der Sache verfolgt werden soll, von dem Tage actio nata, also verjährbar, wo diese Zurückgabe verlangt werden darf, d. h. an wel­ chem entweder da- von vornherein an eine bestimmte Endzeit (dies) ge­ stellte Recht aufhört, oder, wie bei dem Darlehn, vom Tage der Uebergabe mit Hinzurechnung der gesetzlichen oder bedungenen Kündigungsfrist"). Die dem unvollständigen Besitzer au- diesem Recht-verhältniß zustehende Einrede hat im letzteren Fall nicht die Kraft, die Nativität der Klage und somit die Verjährung aufzuhalten"). Die Klage au- dem Wiederkauf unterliegt nach dem gemeinen Recht der Regel, daß die Verjährung vom Moment de- Geschäftsabschlüsse- beginnt, da- A.L.R. aber bestimmt, daß da- Recht durch Verjährung nicht erlischt, wenn e- der Verkäufer sich und seinen Erben ausdrücklich Vorbehalten und auch sonst au- der Fassung de- Vertrags deutlich hervorgeht, daß die Ausübung diese- Rechts zu allen Zeiten stattfinden solle"). Die Verjährung der Pfandrückforderung be­ ginnt mit dem Moment der Befriedigung de- Gläubigers nach gemeinem und preußischem Recht"). Di» Klage auf terminweise Leistungen endlich beginnt ihre Verjährung von dem Fälligkeitstage jeder einzelnen Leistung und die Klage auf das diesen einzelnen Leistungen zu Grunde liegende Recht von der letzten Leistung. Hier mischt sich, insofern diese- Recht ein dingliches ist, wie die Reallast, die Klagverjährung mit dem non usus. Eine von den herkömmlichen Grundsätzen über den Beginn der Ver­ jährung sehr abweichende Bestimmung hat da- Gesetz über kürzere Ver­ jährungsfristen vom 31. März 1838"). Mit dem letzten Dezember des­ jenigen Jahres, in welchem entweder die Forderung entstanden oder der Zahlung-tag gesetzt war, soll die Verjährung beginnen. Der erste Januar deS folgenden Jahres ist jedoch nicht gewissermaßen al- generell vorge­ schriebene Betaguug der Forderungen auS solchen Geschäften auszusassen, vielmehr ist die Einklagung vom Tage der Entstehung der Forderungen zulässig, der Moment der Nativität und deö VcrjährungSanfangS fällt aber “) Denn gleich bei der Uebergabe an den Pächter konnte , ihm gekündigt werden. Gruchot B 7. S. 460. Unger B 2. S. 413 Note 8a.

") Wie die- Unger S 412 Note 7a. gegen Savigny behauptet.

”) A.L.R. I. 11. §. 317. Unterholzner und Schirmer II. 317. Dagegen, das pactum de retrovendeudo al» Potestativbedingung zu fasse» mib deßhalb die Verjährung erst ansangen zu lasten, wenn der Berechtigte erklärt, sein R. geltend machen zu wollen, wie Savigny S. 304, Demeliu» S. 194 annehmen, siehe Unger 381 Rote 11. Sachs. G B. §. 1162. ") A L R. I. 20. §. 195. 1. 9. 3 I. 11. §. 2. D. XIII. 7. I. 40. D. XLVI. 3. Savigny S. 300 fg. Dernburg, da« Pfandrecht, 1860, B. 1. S. 159 fg. Oesterr. G B. § 1483: „Anch da» Recht des Schuldners, fein Pfand einzulösen, bleibt unverjährt." ") 5. N. 5.

auseinander. Es hat sich daran der Zweifel geknüpft, ob, wenn diese kurze Verjährung unterbrochen wird, die neue Verjährung auch erst wieder mit dem nächsten letzten Dezember beginnen soll. Die- hat aber die Praxis verneint. Die neue Verjährung beginnt, den allgemeinen Grund­ sätzen entsprechend, bei der Unterbrechung"). Bei kürzeren Verjährungen kommt in den Gesetzen auch vor, daß ihr Anfang auf die erlangte Kenntniß von der Thatsache gestellt ist. Davon kann aber erst bei Darstellung der einzelnen Geschäfte da- Nöthige ge­ sagt werden. 2. Der Zeitraum. Aus dem gemeinen Recht ist beibehalten, daß die ordentliche Verjährung durch Nichtgebrauch sich in dreißig Jahren vollendet"). Nach der §. 45. angegebenen Art der Zeitrechnung muß der letzte Tag des 30. Jahres voll verlaufen sein, ehe die Wirkung der Ver­ jährung eintritt"). Die Berechnung geschieht kalendermäßig vom Tage deS Anfangs, diesen eingerechnet. Schalttage werden nicht berücksichtigt. In Betreff deS Nichtgebrauchs solcher Rechte, welche nur bei gewissen Gelegenheiten au-geübt werden können, wozu also besonder- der non naus der Servituten gehört, ist vorgeschrieben, daß von der ersten versäumten Gelegenheit noch zwei andere innerhalb der 30 Jahre unbenutzt geblieben sein müssen, ohne daß erfordert wird, daß die erste und dritte grade 30 Jahre auseinanderliegen. ES darf nur seit der dritten versäumten nicht noch innerhalb deS Zeitraum- eine andere eingetreten und benutzt worden sein"). Daß da- Recht, welche» erlöschen soll, im Lauf der Zeit durch Universal- oder Singularsuccession auf andere Personen übergegangen ist, hat keinen Einfluß auf die Vollendung der Verjährung"). Der ordent­ lichen Verjährung steht eine außerordentliche von theil- längerer, theilkürzerer Dauer gegenüber. Gegen den FiSkuS, Kirchen und solche Kor­ porationen, welchen vermöge ihrer Privilegien gleiche Rechte beigelegt sind, soll eine Verjährung von 44 Jahren wirken. Die Frist ist offenbar zu­ sammengesetzt au- der gemeinrechtlichen") von 40 und den 4 Jahren der ") Entsch. B. 28. S. 261. u. Pl.Beschl. in Sntsch. B. 47. S. 1. *') 1. 3. C. VII. 39. Ebenso die neueren ti esetzgebungen: öftere, tz. 1479. 1486, Code civ. art. 2262. und sächs. §. 150.

") Code art. 2260. 2261.

Sächs. G B. §. 169. u. 89.

”) Gntsch. B. 20. G. 113. Dagegen ist, wenn die dritte Gelegenheit erst nach Ver­ lauf von 30 Jahren eingetreten, und versäumt worden, die Verjährung dann voll­ endet. Koch, Komment. Note 55 a. E. zu §. 544. d. T. ") Unger S. 415. Note 15. S. 416. Nöte 16 ") Nov. III. Nov. 131. c. 6. 1. ult. C. XL 61. Unter Kirche wird hier die kirch­ liche Korporation, die örtliche Religion-gesellschaft, verstanden. E- ist nicht rich­ tig, wenn Koch, Komm. Note 69. a. E. zu §. 629. d. T. meint, Kirchen wären nach Ä.L.R. nicht Recht-subjekte. Er verwechselt Kirche mit Kirchengebäude. Geistliche Stifter, Domkapitel haben nicht da- Privilegium der 44. Jahre. Entsch. B. 2. S. 68.

§. 57.

a. Berjahmng durch Richtgebrauch.

297

Restitutionssrift"). Daß unter die in solcher Weise bevorzugten Personen die Stadt- und Dorfgemeinden, wenn ihnen nicht daS Privilegium beson­ der» beigelegt ist, nicht gehören, ist nach gemeinem und preußischem Recht unzweifelhaft"). Au» dem Umstand, daß die königlichen HauSfideikommißgüter zu den Staatsdomänen gehören, folgt und ist von der Praxis des Obertribunals angenommen, daß sie in Betteff der Verjährung dem FiSkuS gleichstehen"). Ein kürzerer BerjährungSzeitraum z. B. von Monaten, die dann je zu 30 Tagen berechnet werden, ist mannigfach in den Ge­ setzen vorgeschrieben, und wird davon im besonderen Theil bei den betref­ fenden Rechtsinstituten zu handeln sein. Bon allgemeiner Bedeutung aber ist die durch daS Gesetz vom 31. März J838 eingeführte kürzere Verjäh­ rung von zwei und vier Jahren für eine Reihe persönlicher Ansprüche, welche zumeist dem täglichen Geschäftsverkehr angehören"). Dingliche RechtSverhältniffe sind dem Gesetz nicht unterworfen"), auch nicht solche Ansprüche, die in Beziehung auf daS Gewerbe des Schuldners entstanden sind"). Ob dieser Fall vorlieg», ist der Beurtheilung des Richters Uberlaffen. Daß gegen Minderjährige und ihnen gleichgestellte Personen die Verjährung durch Nichtgebrauch nicht anfangen soll, fällt hier fort"), ebenso, wie später zu zeigen, die denselben nachgelaffene Restitution"). Daß der Anfang bei dieser Verjährung eigenthünilich berechnet wird, ist bereits erwähnt. Ist sie unterbrochen worden, so beginnt vom Moment der Unterbrechung eine neue Verjährung von gleicher Dauer") und nur, ••) Simon, Materialien S. 554

Suarez hatte sich dagegen «Härt.

") Im gemeinen Recht war die Praxi» früher schwankend, jetzt steht fest, daß gegen Städte die 30jährige Frist maßgebend ist. Bangerow, Pand. I. 259. Da« O.Trib. hat noch angenommen, die Frage sei nach gern. R. kontrovers. (Lutsch. 8 13. S 16L, wo für da» preuß R d« obige Satz festgesteüt ist. Ferner Entsch. B 18. S. 182. Wegen Dorfgemeinden s. Recht«sälle B. 4. S. 217. (Segen die Ansicht de« O Trib. Fitting bei Gruchct X. 330. ") Entsch. B. 45. S. 112.

Löwe n berg, Motive B. 1 S. 77. Auch in anderen deutschen Länd«n find für derartige Ansprüche kürzer« Zeittäume eingesührt. Sachs. G.8 §. 1017. 1018. (Abtauf von drei Jahren, deren Anfang ebenso berechnet wird, wie nach Preuß. R.). Mecklenb. Ges. v. 12. Mai 1855 iGes.Samml. v. Raabe, V. 5. S. 397). Di« einzelnen Geschäfte hier aufzuzählen, hat kein wissenschaslliche« In­ teresse. Tie Ausstellung eine« Schuldschein« schließt die kurze Verjährung an sich nicht au«, dieselbe wird von dem vereinbarten Fälligkeitstage berechnet. PI Bcschl. Entsch. B. 59. S. 1. Wohl aber, wenn der Schuldschein eine neue causa debendi enthält, die an sich der kurzen Verjährung nicht untnworsen ist. Entsch. 8. 67. S. 118. Die von Handwerkern geleisteten Arbeiten unterliegen auch dann der kurzen Verjährung, wenn sie in ihrer Gesammtheit ein Werk produziren; da­ gegen ist ein Entreprise-Verttag zur H«stellung eine« Werk« dieser v«jährung nicht untnworsen. Entsch. 8.67. S. 142fg. Strieth. 8. 84. S. 275.

*•) Striethorst 8. 5. S. 33.

«') Entsch

8. 14. S. 209.

Strieth. 8. 51. S- 28. c. 8. 82. S- 322.

“) Entsch. 8. 23. S- 104. ") Entsch. 8. 50. S. 100.

") Entsch. 8. 28. S. 261. 8. 47. S. 1.

Strieth. 8. 50. S. 8.

Die Unterbrech.

298

Erste- Buch.

Die Grundbegriffe.

wehn die Unterbrechung zu einer recht-kräftigen Berurtheilung") geführt hat, soll die neu beginnende die ordentliche sein. DaS Gesetz ist einge­ führt unter Aufhebung aller entgegenstehenden provinziellen Bestimmun­ gen") und im Anschluß daran eine Verordnung über die Verjährung öffentlicher, Staat-- und Gemeindelasten ergangen"), welche sich sowohl auf die Einforderung al- auf die Rückforderung solcher Abgaben bezieht. 3. Unterbrechung. Die Verjährung wird unterbrochen durch An­ meldung der Klage"). Der Recht-satz muß dahin fcrmulirt werden: sobald der Berechtigte die au- dem richtigen Rechtsgrunde") hergeleitete Klage gegen einen bestimmten Beklagten") bei dem gehörigen Richter zum Zweck der Recht-verfolgung") angemeldet hat, hört die Verjährung auf zu laufen und kann sich nicht mehr vollenden. Von dem Tage, wo eder Klüger unterläßt, die Recht-verfolgung gehörig fortzusetzen, fängt eine neue Verjährung an. Die Anmeldung der Klage ist nach älterem preußi­ schen Prozeßrecht ein von der Anbringung derselben verschiedener Akt"), und wenn jene auch im neueren Gericht-gebrauch fast verschwunden ist, so sind doch die betreffenden Vorschriften noch nicht aufgehoben und eS kann die Unterbrechung der Verjährung nur dann an die Anbringung ung kann auch noch auf den 31. Dezbr. Les 2. oder 4 Jahres fallen. B. 14. S. 213.

Entfch.

") Gleichviel, ob die Berurtheilung vor oder nach dem 31. Dezbr 1838, dem Tage, an welchem das Gesetz v. 31. März in Kraft trat, ergangen ist. Entfch. B. 15. S. 489. Ein im Prozeß geschlossener gerichtlicher Vergleich hat aber nicht diese Wirkung der rechtskräftigen Berurtheilung. Entsch. B 18. S. 170. Bergt. auch Entsch. B. 25. e. 392. «. 38. S. 85. B. 43 S. 80. B. 44. S. 65. Die Fest­ stellung einer Wechselforderung im Konkurse des Acceptanten durch Anerkenntniß des BerwalterS ist gleich einer rechtskräftigen Berurtheilung im Sinne des tz. 10. des Ges. v. 31. März 1838. R.OG.E. HI. Nr 25. ") Ges. v. 15. April 1842 (Ges.S. S. 114). *') Ges. v. 18. Juni 1840 Ges.S. S. 140 . Dadurch ist §. 655. I. 9, der stch übrigens nicht aus Gemeindeabgaben bezog (Entsch. B. 13. S. 42.) modistzirt. tz. 12. d. Ges. Siehe auch Entsch. B. 21. S. 30. 46) Nach gemeinem Recht bekanntlich die Insinuation der Klage. Dies hat die Wechselocdn Art. 80. beibehalten. Heuser, kurhessische Annalen B. 1. S. 673. -Gruchot B. 7. S. 469. Materialien S. 482. 527.

°) Striethorst B 11. S. 285. Entsch. B. 27. S. 318. Daher kann auch die Verjährung der persönlichen Forderung nicht durch Anstellung der dinglichen Psaudklage nnterbrochen werden, wenn da- verpfändete Grundstück sich im Dritt­ besitze befindet. Entsch. B. 9. S. 266. Seussert I. 10

6") Entsch. B 18. S 160. Striethorst B. 22. S. 296. D. 3. S. 370. Gruchot S. 474.

Dagegen

Striethorst

°') Reskr. v. 22. Januar 1841. J.M.Bl. S. 65 Entsch. D. 35 S. 31. DaS O Trib. nimmt an, daß die Anmeldung der Forderung bei dem Nachlaßrichter, auch wenn dieser nicht zugleich der Prozeßrichter ist, die Verjährung unterbreche, weil die Klaganmeldung, welcher daS A 2.R. die Unterbrechungs-Wirkung beilegt, nur ein präparatorischcr Akt sei und daher die Anmeldung der Forderung bei dem Nachlaßrichter ihr gleichgestellt werden könne, jedenfalls ein Zeichen der Dili­

genz in der Rechtsverfolgung sei.

") A.G.O. I. 4.

Strieth. B 85. S. 103.

§. 57.

». Verjährung durch Nichtgebrauch.

299

der Klage, die entweder durch Einreichung der Klazschrist oder durch mündliche Erklärung zu Protokoll geschieht, angeknüpft werden, wenn ihr nicht eine besondere Anmeldung vorausgegangen ist. Jedenfalls aber muß auch die bloße Anmeldung die Klage nach ihrem Fundament genau individualisiren"). Daß dies in der Praxi» hat bezweifelt werden können, ist kaum zu verstehen. Ebenso muß die Person de« Beklagten namentlich bezeichnet werden"). Die Klage soll bei dem gehörigen, d. h. dem zu­ ständigen Richter angebracht werden, doch ist der unzuständige, der sie erhalten, verpflichtet, sie entweder dem Kläger sofort zurückzusenden oder sie an den zuständigen abzugeben"). Unterläßt er beides, so soll die Verjährung alS unterbrochen gelten, weil der dadurch im Kläger erregte Irrthum über die Kompetenz ihm nicht anzurechnen ist"). Die Anmel­ dung unterbricht nach preußischem Recht unbedingt"), die Wirkung hängt nicht von der Fortsetzung der Verfolgung ab, so daß, wenn diese unter­ bleibt, nur eine neue Verjährung beginnt, die durchbrochene sich nicht fortsetzt. Je nach dem Schicksal, welches die Klage bei Gericht hat, kann die Pflicht des Kläger« zur Fortsetzung der Rechtsverfolgung verschieden sein. Wird ihm die Einleitung derselben versagt, so muß er sich bei der nächsten Instanz binnen 30 Tagen beschweren. Unterläßt er e«, so be­ ginnt die neue Verjährung am 31. Tage nach Zustellung de« AbweisungS") Strirthorst B. 11. S 285. B. 21. S. 232. Entsch. B. 27. S. 318. Ein Erkenntniß des O.Trib. bei Gruchot S. 564. a. E. Die erfolglos angestellte Befitzklage unterbricht die Verjährung der EigeuthumSklage. Gruchot S. 561. “) Wenn eine juristische Person, die einen Gesammtnamen hat, z. B. eine Firma, verpflichtet ist, so genügt natürlich die Angabe dieser Bezeichnung.

") Entsch. V. 42. S. 66fg. Wenn sie dem Kläger wegen Unzuständigkeit zurückge­ geben worden, so muß er sie binnen Jahresfrist bei dem zuständigen Richter einreichen. Dann gilt schon jene Einreichung als Unterbrechung, sonst nicht. Siehe auch Entsch. v. 52. S. 55fg. Anders nach gem. R. Seufsert B. 11. Nr. 1. Arch. für civil Pr. V. 42. S. 101. Gruchot S. 568. DaS Antreten des SchiedSmanneS unterbricht die Verjährung der Injurienklage. Strirthorst v. 27. S. 298.

") R.O.H.G. III. Nr. 86.

87) §• 554. d. T. Nach österr. R. §. 1497. steht es anders; hier ist die Verjährung nur dann unterbrochen, wenn die Klage angebracht und gehörig fortgesetzt wird. Unger S. 429. Das sächs. Ges.v. p. 163 knüpft die Unterbrechung nur an die Anbringung der Klage. DieS entspricht der älteren sächsischen Praxis. S. Holzschuher, Theorie und Easuistik B. 3. S 48. — Die dann neu beginuende Verjährung vollendet sich in einer der ursprünglichen gleich kommenden Zeit Entsch. B 30. S. 57 (die Spezialvorschrist §. 908. 11. 8. ist antiquirt; dagegen §. 2356. II. 8. noch mit Au-nahme der Seeversicherungen in Kraft, wonach, wenn die Verjährung aus einem Versicherungsverträge unterbrochen ist, der An­ spruch 30 Jahre dauern soll-. Striethorft V. 32. S. 175. — Die Klagan­ meldung unterbricht auch durch sich selbst, es ist nicht nöthig, daß Kläger erst diese Folge besonders für sich in Anspruch nehme. Entsch. V. 35. S. 25- N. 2. Daß das gemeine Recht die Unterbrechung erst an die Insinuation knüpft, ist bekannt. Wenn dem Kläger nach erfolgter Anmeldung der Klage vom Gericht zur Einreichung der Klage eine Frist gesetzt ist, so läuft die neue Klagverjährung erst von dem Ablauf dieser Frist. Entsch. B. 61. S. 30.

300

Grfte» Buch.

Die Grundbegriff«.

bescheidS"). Wird sie eingekitet, so wird nach preußischem Prozeß, nach welchem der Betrieb der Sache von Amt-wegen geschieht, die Sorge dem Kläger eigentlich abgenommen"). Doch kann er durch sein Ausbleiben im Termin zur mündlichen Verhandlung vor erfolgter Beweisaufnahme") allerdings ein Liegenlassen der Klage herbeiführen, so daß von diesem Tag eine neue Verjährung beginnt. Ebenso, wenn er Anträge stellt, die Sache ruhen zu lassen, ohne dem Anspruch zu entsagen. Will der Beklagte dieLiegenlassen nicht zugestehen und verlangt er die Fortsetzung des Verfah­ rens, so kommt dies dem Kläger zu gut, eine neue Verjährung beginnt nicht"). Wird endlich dem Kläger durch ein rechtskräftiges Urtheil da» Recht zugesprochen, so beginnt, wenn er die Vollstreckung nicht binnen Jahresfrist betreibt, oder den nächsten Fälligkeitstag der ihm zuerkannten Zahlung verstreichen läßt"), ebenfalls eine neue Verjährung und zwar stets die von 30 oder 44 Jahren"), wogegen ihm die rrchtskrästige Ab­ weisung das Recht entzieht. Die Abweisung in der angebrachten Art, die die Praxi» anwendet, welche immer eine Klage aus dem richtigen Fundament vorauSsetzt, und nur wegen mangelhafter Begründung dessel­ ben erfolgt"), entzieht da- Recht nicht und läßt mithin eine neue Ver­ jährung anfangen"). Da endlich da- A.L.R. die Unterbrechung aus­ drücklich nur an die Anmeldung der Klage, also die aktive Verfolgung de- Rechts knüpft, so darf eine gleiche Wirkung der Einrede, die nur den Zweck der Vertheidigung hat, nicht beigelegt werden. Ihr Vorschützen an sich unterbricht nicht, eS kann aber, wenn der Gegner da- Einrede­ recht anerkennt, eine Unterbrechung wegen de- Anerkenntnisse- anzuneh­ men sein"). Die s. g. Perpetuatio» der Klage, d. h. die im gemeinen Recht geltende Vorschrift, daß, wenn die Klage nicht weiter verfolgt wird, die neu beginnende Verjährung sich erst in 40 Jahren vollende, ist in da» preußische Recht nicht übergegangen"). Die neue Verjährung hat ’•) Wenn die Einleitung nur zum Zweck einer Verbesserung beanstandet wirb, so soll nach gern. R die Unterbrechung zurückwüten, wenn die verbefferte Klage ein­ geht. Richtiger aber erscheint, daß die Unterbrechung erst durch den letzteren Akt herbeigessthrt Wird. Unterholzner I. 6. 446. **) Daher läuft, so lange die Sache durch Schuld de- Richter» liegen bleibt, keine Verjährung. ••) Ges. v. 1. Juni 1833 §. 23. 24. “) Unger S. 430 Note 34 **) « 8.8t. §. 558. 559. d. T. ••) Ges v 31. März 1838 §. 10. Siehr zu dessen Verständniß noch Entsch. B. 38. S. 85. Gruchot S. 576 •*) Förster in Gruchot» Beiträgen B. 2. S. 349. Gruchot B 7. S. 572. ••) Die Bemerkung von Koch, Komm. Note 91. zu §. 557. d. T. trifft nicht zu. Sachs. G.B. §. 174. Seufsert B. 9. S. 250. ••) Savigny B 5. S 321 Wockenbl. f. mtrhc. Recht-fälle 1854. N. F II. @. 269. Doch s. Slriethorst B. 51. S. 31 fg. Entsch. B. 49. S. 118. •’) 1. 9. C. VII. 39. In der gemeinrechtl. Praxi» wird diese Perpetnation beschränkt

§. 57.

a. Verjährung durch Nichtgebrauch.

301

die der unterbrochenen gleiche Frist, d. h. dieselbe Verjährung beginnt „von Neuem""). Die Praxis hat von dem Grundsatz, daß die Klaganmeldung unter­ bricht, zwei weitere Anwendungen gemacht: einmal soll die Eintragung einer Protestation in das Hhpothekenbuch die Verjährung durch Nicht­ gebrauch unterbrechen können"), und sodann soll durch die LitiSdenunziation die Verjährung der Regreßklage für unterbrochen zu erachten sein"). In beiden Fällen nimmt das Obertribunal an, daß unter Klag­ anmeldung überhaupt nur der Gegensatz zur außergerichtlichen Mahnung liege, sie aber nicht daS ausschließliche Mittel zur Unterbrechung sei. Hiernach würde „jede beim Richter bewirkt; Manifestation der Absicht, den Anspruch geltend zu machen", genügen. Gegen beide Ausdehnungen der Regel spricht, daß die Verjährung als ein rein positive» Institut Analogien ausschließt, und daß eS bei beiden am „gehörigen" Richter fehlt, bei der ersteren nach der jetzigen GerichtSverfaffung immer, da die zweiten Abtheilungen nicht Prozeßkompetenz haben, bei der letzteren we­ nigsten» dann, wenn der Denunziat einer anderen Gerichtsbarkeit unter­ worfen ist. Die Verjährung wird ferner unterbrochen durch gegenseitige» Anerkenntniß. Es ist an keine Form gebunden, kann ausdrücklich oder stillschweigend durch Handlungen erklärt werden, muß aber daS Moment der Gegenseitigkeit haben, d. h. von der einen Seite die Anerkennung einer fortdauernden Verpflichtung, von der anderen die Annahme dersel­ ben^'). Al» Handlungen, in denen e» sich auSdrückt, können Abschlags­ zahlungen, Zinszahlungen, Bestellung einer Sicherheit, aber nicht Aus­ fertigung eine» neuen Schuldschein» gelten"). Unmittelbar liegt e» vor auf den Fall, daß der angefangene Prozeß liegen bleibt; ist res judicata ein­ getreten, dann beginnt die 30jährige Verjährung Seuffert VI. 10.

••) Entsch. B. 30. S. 37.

Simon und Strampff, Materialien S. 528.

••) Entsch. v. 37. S. 79. Don Gruchot v. 7. S. 473 gebilligt. S. auch ©tritt« borfl 8.38. © 31. Da jetzt Arreste (Bersügungsbeschränkungen) und Vormerkungen im Grundbuch nur eingetragen werden können, wenn derjenige, gegen den sie wirken sollen, einwilligt, oder der Prozeßrichler an da- Grnndbuchamt ein Ersuchen richtet, so wird im letzteren Fall schon die Klage die Unterbrechung bewirkt haben,

im ersteren Fall aber auch jetzt noch die Eintragung der unterbrechende Akt sein, und zwar auf Grund der Bewilligung, in der ein gegenseitige» Anerkenntniß liegt ’•) Entsch. 8. 25. S. 325 lPl.Beschl). Dagegen Koch, Komment. Rote 81. zu st. 551. d. T- — Die Thatsache der Litiedenunziation und de» vom Denunzianten in Folge dessen geleisteten Beistände», unterbricht aber die Verjährung der Klag« nicht, die dem Gegner im ersten Prozeß gegen den Denunziaten zusieht. Entsch. B. 29. S. 348. ") Seuffert 8. 26. Nr. 289.

Siebe Entsch 8.17. S. 120. 8. 21. S. 38. 192. 8. 28. S. 81. Striethorst 8. 34 S- 325. 8. 35. S. 199. Unger S. 425. Auch da» Präjudiz 1646 (Sainml. 1. S 39), wonach eine gegen einen Dritten abgegebene anerkennende Erklärung gleichfall« unterbrechen soll, mnß die Gegenseitigkeit vorau-setzen, sonst

in der Errichtung eine» Anerkennung-verträge- (constitutum)”), welcher, wie §. 41. gezeigt, nach preußischem Recht keinen neuen Derpflichtung»grund bietet, sondern den früheren in sich aufnimmt. Allein in einem Fall ist die Anerkennung ein selbständiger Vertrag und schafft einen neuen Verpflichtung-grund: wenn sie erklärt wird nach bereit- vollendeter Verjährung"). Denn die frühere Berechtigung ist erloschen, sie kann nicht wieder aufleben — aber die Folgen de» Recht-verluste- werden durch die neue Verpflichtung beseitigt. In diesem Fall muß die An« erkennung immer ausdrücklich sein und ist an die Vertrag-formen ge­ bunden^'). Eine einseitige Mahnung ist auf den Lauf der Verjährung ohne Einfluß"). Da- A.L.R. sagt die» zwar nur von der außergerichtlichen und deßhalb scheint die Praxi- der gerichtlichen die Wirkung der Unter­ brechung beilegen zu wollen"), aber mit Unrecht, fall- sie nicht alKlaganmeldung auftritt, denn die Mahnung ist wegen ihrer Einseitigkeit kein genügender Akt der Recht-verfolgung und dieser Mangel wird durch die gerichtliche Form nicht beseitigt. Die Unterbrechung kann nur zwischen denjenigen Personen wirken, zwischen denen die Unterbrechung-Handlung vorgekommen ist, also nicht, wenn die Schuld gegen einen Dritten, Unbeteiligten, anerkannt wor­ den"), nicht gegen den Gemeinschuldner durch da- (im neueren Recht be­ seitigte) LokationSurtheil"), wohl aber in Folge der Session, wenn der Schuldner gegen den Cessionar die Schuld anerkannt hat, und im Fall einer Recht-gemeinschaft zu Gunsten der anderen Mitberechtigten, wenn einem gegenüber eine Unterbrechung-Handlung eingetreten ist"), weil zwischen ihnen da- Recht untheilbar ist. Umgekehrt soll die Unterbrechung gegen einen Mitverpflichteten diesem nicht zu gut kommen, wenn er nicht eine besondere Befreiung erworben hat"), wa- eine Anwendung findet, wäre es unhaltbar. Seine Begründung ist unbekannt. Au- der gemeinrechtlichen Praxis S euffert B. 10. N. 223. Bl. f. R Anw. B. 12. S. 367.

M) Bähr, die Anerkennung als Verpflichtung-grund S. 176. Savigny B. 5. S. 314. 1. 18. §. 1. D. XIII. 5. 1. 7. §. 5. C. VII. 39 n) §. 564. d. T. Oesterr. §. 1502. Code civ. a. 2220 fg. Bähr S. 177. Die Theo­ rie, die in neuester Zeit in diesem Schriftsteller einen Vertreter gefunden, ist hier­ nach in den älteren Gesetzbüchern nicht ohne Anhalt. Die Polemik Koch's in Note 100. geht zu weit, wenn er behauptet, ein Anerkenntniß könne überhaupt gar keine Entstehung-- oder Begründung-art für ein Schuldverhältniß sein. w) Striethorst B. 13. S. 364. B. 35. S. 199. B. 37. S. 328. Simon und Strampsf, Materialien S. 466.

") Seuffert B. 9. N 249. ") Entsch. B. 25. S. 325 fg.

GesB. f. Sachsen §. 173.

Koch, Komment. Note 81. Abs. 2

7e) Siehe oben Note 70. über da- Präjudiz 1646.

’•) Entsch. B. 14. S. 218. ••) §. 575. d. T. 8I) §. 576. d. T-

B. 45. S. 199.

zu § 551. d. T.

Unger S 434.

S. hierüber ausführlicher unten §. 112.

Grnchot S. 666. Hierher gehört der vom O.Trib. verschieden beantwortete Fall, ob

57.

§

a.

Verjährung durch Nichtgebrauch.

303

wenn ein Recht gegen eine ganze Gemeinde au-geübt ist, gegen einzelne Mitverpflichtete aber nicht gebraucht worden"). In diesem Fall liegt nämlich nicht gänzlicher Nichtgebrauch vor. 4. Wirkung. Wiederholt und entschieden hat da- A.L.R. eS aus­ gesprochen, daß die Wirkung der vollendeten Verjährung in dem gänzlichen Verlust, dem Erlöschen de- Recht- liegen sott88). Die Theorie von der übrig bleibenden Naturalobligation ist unbekannt88). Doch darf der Un­ terschied zwischen obligatorischen und dinglichen Rechten nicht übersehen werden. Daß bei ersteren mit dem Verlust der Klage da- Recht selbst erlischt, folgt au- dessen Natur, da eS nichts weiter al- die Klagbarkeit bietet, und eine Verletzung immer da- ganze Recht ergreift. Die ding­ lichen Rechte haben aber einen viel reicheren Inhalt, die Verletzung trifft denselben meist nur theilwelse, sie erzeugt einen begrenzten Anspruch, der obli atorische Natur hat. Verjährt die au- diesem Anspruch hervorgehende Klage, so ist zwar auch dieser selbst (die Obligation) gänzlich erloschen, der übrige Inhalt de- Recht- kann aber fortbestehen88). Durch den die Klage gegen den persönlichen Schuldner durch die Klage gegen den dritten Be­ sitzer des zur Hypothek bestellten Grundstücks unterbrochen werde. In der Entsch. B. 8. S. 13 (Pl B.) ist die Frage nach gemeinem Recht bejahet, aber aus allgemei­ nen Gründen, die auch auf das preuß. R. Paffen; in der ein Jahr späteren Entsch. B. 9. S 266 271 ist sie für da- preuß. R. verneint, aus grade entgegengesetzten, aber auch allgemeinen Gründen. Der letzten Entscheidung kann nicht beigetreten werden, weil persönlicher und hypothekarischer Schuldner in einem Gesammtschuldverhältniß stehen. Jetzt wirkt auf diese Rechtsfrage §. 41. des Gesetzes über den EigenthumSerwerb v. 5. Mai 1872 ein. Siehe unten §. 63. und Koch, Kom­ ment. Note 37. zu §. 439. I. 5. Schles. Arch. B. 5. S. 462. 3« den Entsch. B. 3. S. 88. 99 ist auch angenommen, daß, wenn der persönliche Schuldner rechtzeitig verfolgt worden, der hypothekarische Schuldner die Einrede der Verjährung nicht entgegensetzen kann, aber nicht deshalb, weil in der Klagerhebung gegen den per­ sönlichen Schuldner eine Unterbrechung der Verjährung gegen den hypothekarischen zu finden wäre, sondern weil nach §. 48. 495. I. 20. Ä LR. dem Gläubiger wäh­ rend der Verfolgung des persönlichen Schuldners seine Rechte gegen den Besitzer des Pfandes ausdrücklich Vorbehalten sind. Indessen ist auch hier die Unterbrechung der Verjährung anzunehmen.

8a) §. 576-578. d. T.

M) $. 501. 564. I. 9. 6. 7. I. 16. fallen fort.

Auch die Nebenrechte des erloschenen Hauptrechts

8I) Die Theorie von der übrigbleibenden obligatio naturalis wird für das gemeine Recht noch besonders vertreten in den Schriften von Savigny S. 366. Unter» ho lzn er, Derj. §. 258. 11. S. 293. Echuldverhältniffe I. §. 247. Puchta, Pand. §. 92. Vorles. I. S. 192 fg. Franke, civilist. Abhandl. S. 73 u. A. Geben dieselben haben sich erklärt Löhr tm Archiv f civil. Praxis B. 10. S. 70. Heimbach in der Zeitschrift f. Eivilrecht u. Proz. B 1. S 436, und im Rechts­ lexikon a. a. O. S. 655 fg. besonders Büchel, civilrechtliche Erörterungen 1847 Nr. 1. Kierulff, Theorie I. 210. Sintenis, prakt. Civilr. I. 302. Wäch­ ter II. S. 818. Va ngerow I. S. 261. Windscheid, Actio S. 37. Pand. 1.289» u. A. Die neueren Gesetzgebungen verwerfen ohne Ausnahme die oblig. natur. Oesterr. GB. §. 1479. 933. 1449. 1479 1483. 1487. 1491. Unger S. 437. Code civil a. 1234 2219. Zachariä (Anschütz IV. S. 515. Sächs. GB. §. 170. S unten 61.

“) Unger S. 442.

Windscheid, Pand. I. S 289.

Nichtgebrauch (non usus) der dinglichen Rechte werden diese aber völlig vernichtet, er trifft sie unmittelbar. Ohne seinerseits das Recht verletzt zu haben und dadurch in eine klagbare Obligation eingetreten zu sein, wird der Belastete frei"). Wenn gleichwohl, hiermit im Widerspruch, an einer anderen, viel besprochenen Stelle") gesagt wird: die vollendete Verjährung bewirke nur die rechtliche Vermuthung, daß die ehemals ent­ standene Verbindlichkeit in der Zwischenzeit auf die eine oder andere Art gehoben worden, und diese Vermuthung sei widerlegbar durch den voll­ ständigen Nachweis, daß der Andere unredlicher Weise und gegen bessere» Wisien von seiner noch fortdauernden Verbindlichkeit sich der Erfühung derselben entziehen wolle, so ist daraus der Praxi» die schwere Aufgabe erwachsen, diese Bestimmung möglichst unschädlich zu machen. Sie beruht auf einer damals, namentlich bei denjenigen Schriftstellern, dix von den Redattoren des A.L.R. benutzt worden sind, herrschenden falschen Theorie"), welche auS zwei mißverstandenen Stellen de» kanonischen Recht»"), die ungebührlich verallgemeinert wurden, da» Erforderniß de» guten Glau­ ben» für die Extinktivverjährung entnahm. ES ist au» den veröffent­ lichten Materialien bekannt, daß die Bestimmung so zu sagen unversehen-, nachträglich in da» Gesetzbuch hineingeschoben ist"). Bei dem Stand der heutigen Theorie ist eS nicht nöthig, da» Unhaltbare dieser Ansicht noch weiter nachzuweisen"). Im gemeinen Recht, wo sie auch eine Zeitlang gewirkt hat, wird sie jetzt allgemein verworfen"). Die preußische Praxiaber hat sich dahin befestigt, daß e» zunächst auf den guten Glauben de» Verpflichteten nicht ankommt, daß auch da» Recht selbst durch die Ver­ jährung erlischt, daß aber demjenigen, gegen welchen die Verjährung ein­ getreten sein soll, der vollständige, d. h. nicht durch nothwendige Eide zu ergänzende Gegenbeweis der Schlechtgläubigkeit de» Gegner» offen bleibt N) AL.R. I. 22. §. 50. Daß die Eintragung der Servitut in da» Grundbuch die­ selbe erhält, folgt au» den allgemeinen Wirkungen der Eintragung. ,T) §. 568. 569.1. 9. Simon, Materialien S. 423. 508. 532. 580. Koch, Kom­ ment. Note 6. 7- Löwenberg, Motive B. 1. S. 81 fg. Gruchot S. 586. ••) Besonder» Rave, de praeacr. $ 126—152. §. 165. ed. III. bes. S. 225 fg. Savigny V. 326—352, bes. S. 342 fg **) C. 3. 5. 20. X. II. 26 Ueber die geschichtliche Entstehung dieser Sätze s. Hil­ denbrand in dem Archiv f. civil. Praxi» B 36 S. 27. Da» decretum Gratiani kannte auch nicht die bona fides al» Erforderniß der Verjährung (c. 16. C. 16. qu. 3). Dagegen scheint eine untergeschobene Stelle seine Jmpostur) in dem Appendix concilii Lateranensis pars 38 e. 5. 7. Autorität erlangt und in die Dekretälensammlung Gregor'» IX. übergegangen und dann von Jnnocenz bestätigt zu sein.

-) Siehr Rote 87. ••) Bes. Möllenthiel, über die Natur de» guten Glauben« bei der Berj. 1820. Savigny a. a. O. •*) Seuffert VI. 3. VII. 4 XI. 6. 266. Entsch. B. 7. S. 258. Oesterr. Ges.v. Code civil und sächs. Ges.B. kennen nicht die bona fides. Unger S. 406. Zachariä IV. @. 505.

und dieser Beweis sich auf Handlungen de- letzteren beziehen muß, audenen feine Schlechtgläubigkeit folgt"). Ganz unanwendbar ist die Be­ stimmung auf die Verjährung der dinglichen Rechte durch Nichtgebrauch, weil hier eine andere Tilgung-art nicht denkbar ist, sich mithin auch nicht vermuthen läßt. 5. Geltendmachung. Die Verjährung muß gegen die Klage durch eine Einrede geltend gemacht werden. Es ist ein alter Streit, ob der Richter von Amtswegen sie zu berücksichtigen hat, oder das Vorbringen der Partei abwarten muß"). Nur die letztere Ansicht ist die richtige. ES widerspricht der Aufgabe des Gerichts, die Vertheidigung für den Be­ klagten zu übernehmen, und wenn es auch unzweifelhaft ist, daß e» jede Klage verwerfen muß, welcher Rechtsgründe entgegenstehen, selbst wenn sich der Gegner nicht auf dieselben berufen, so trifft dies doch bei der Verjährung nicht zu, denn sie stellt nicht bloß rechtliche Momente ent­ gegen, sondern beruht auf Thatsachen, die dein Gericht unbekannt sind, die eS nicht vermuthen kann und darf. Zwar der Zeitablauf zwischen der Entstehung der Forderung und der Klage wird meist aus dem Vor­ trag des Klägers selbst erhellen: ob aber dem Beginn der Verjährung Hinderniffe entgegenstanden, ob nicht Momente eingetreten sind, die die begonnene Verjährung unterbrochen haben, sind nicht „klar erhellende" Umstände"). Auf die Vorschrift der A.G.O., daß „der Richter, wenn er nach geschloffener Instruktion bei Beschließung des ErkenntniffeS, exceptiones Juris, wohin auch die Verjährung zu rechnen sei, zu bemerken glaubt, und bisher nicht gerügt worden, noch eine nähere Vernehmung der Parteien von Amtswegen veranlaffen soll""), kann die entgegenge­ setzte Ansicht nicht mehr gestützt werden, da diese Bestimmung mit dem heutigen Prozeßverfahren unvereinbar ist"). UebrigenS schwankt sowohl die gemeinrechtliche, als die preußische Praxis"). ••) Entsch. B. 10 S. 107 (Keine EideSdelation, außer aus eine bestimmte Tilgungs­ art gerichtet). 568. ist so weit gefaßt und der Gegenbeweis in §. 569 so schwer gestellt, daß sie beide sich fast von selbst neutralisiren, so daß der Sache nach die Verjährung in der Regel dennoch grade wieder so zur Geltung kommt, wie eö dem sonst überall im Landrecht durchgeführten eigentlichen Charakter der­ selben, namentlich auch als eines selbständigen Grundes der Rechtsaufhebung ent­ spricht." Striethorst V. 17. S 166. Anwendbar auch aus die kurzen Verjäh­ rungsfristen nach dem Ges. v. 31. März 1838 erklärt die 568. 569. d. T. daUrtheil bei Striethorst B. 47. S. 187. In diesem Falle handelte es sich aber um Unterbrechung der Verjährung durch Anerkenntniß und ^itte um Stundung! M) Heydemann II. 213 fg. ") Förster, Klage und Einrede S. 148. 156 sg. Koch, Eivilprozeß 8-131. Note 4. Pr.R. I. S. 362 Sommer im ArnSb. Arch V. 11. S 509. 661 fg. H) A.G O. I. 9. §.11. a.E. ") §. 5 N. 1. der V. v. 14. Dezbr. 1833. Art. 3. N. 1 der Deklar. v. 6. April 1839. Entsch. B. 33. S. 459. v. 35. S 27. Hess ter, preuß. Eivilprozeß 1856 S 134 Note 1. Nicht widersprechend Entsch. B. 41. S. 39. B 51. S. 112. Heydemann e. 222 f. ••) Celle und Darmstadt für die Ansicht, daß die Verjährungseinrede nicht von ÄnltS -z'kster, Preuß. Privalrecht. I, 3. thifl.

20

306

Erste« Buch

Dir Grundbegriff«.

6. Verträge"). An und für sich könnte e- bezweifelt werden, ob es statthaft fei, daß die Parteien die gesetzlichen Vorschriften über die Verjährung durch ihre Willkür «bändern, denn die Verjährung ist nicht sowohl ein zum Besten der Parteien eingeführtes Institut, als vielmehr dem öffentlichen Wohl, der allgemeinen Rechtssicherheit dienend'"). Da» A.L.R. gestattet eS aber'"'). Es können längere oder kürzere Fristen für dieselbe verabredet, es kann dem Rechte aus der Verjährung, also der Einrede entsagt werden. Solche Verträge bedürfen der gerichtlichen Form und müffen sich auf ein bestimmtes Geschäft oder einen bestimmten Gegen­ stand beziehen, sonst sind sie nichtig. 7. Sehr bestritten ist es, ob Einreden'") verjähren. Nach dem §. 53. gegebenen Begriff muß die Frage auf die Einreden der dritten Klaffe, die Recht-einreden, beschränkt werden, und zwar noch mehr auf diejenigen derselben, deren Inhalt auch alS Klage geltend gemacht werden kann, denn man ist einig darüber, daß, weil Thatsachen nicht verjähren können, sondern nur Rechte, die auS Thatsachen hergeleiteten Einreden unverjähbar sein müssen, und ebenso, daß Rechte, die nur einredeweise geltend gemacht werden können (exceptio doli, exc. rei judicatae), auch nicht verjähren können, weil ihre Geltendmachung nicht von dem dazu Be­ rechtigten, sondern von der Zufälligkeit der Klaganstellung gegen ihn ab­ hängt. So umgrenzt stehen sich zwei Meinungen gegenüber: die eine leugnet schlechthin die Verjährbarkeit der Einreden, auf den Grundsatz deS römischen Recht- sich stützend: quae ad agendum sunt temporalia, ad excipiendum sunt perpetua; die andere behauptet die gleichzeitige Ver­ wegen zu erörtern. Seuffert B. 8. S. «) ") *•) *•)

mit

allen

etwaigen

nicht bloß die Klage,

Beirechten").

sondern daS Recht

Die DiffamationSklage unter­

weil der Dritte keinen Rechtsanspruch an ihn behauptet. Henser, kurhessische Annalen B. I. S. 31 l. StrieIhorst B. 33. S. 287. Heuser, kurhess. Annalen B. 5. S. 234. Cntsch. B 27. S. 87. Die A.G.O. verlangt nur die „Angabe der Mittel", um die Diffamation zu bescheinigen. Muther S. 162 f. Eine Uebersicht der fakti­ schen Verhältnisse muß sich au« dem Bortrage ergeben. Wochenbl. s. merkw. R. N F. VII. 263. Vor dem IRA ließ mau solche Einrede al« exceptio veritatia zu. Die neuere Praxi», mit Ausnahme der sächsischen, die bei der älteren Praxi» stehen geblieben, ist dagegen. Wochenbl. f. merkw. RechtSfäll« 1857 S. 353. Mevina, dec. III. 212. B aher, summarische Prozesse S. 135. Sieh« K och, schles. Arch. B. 6. S- 295. Seufsert B. 6. S- 119. A. M. Muther S. 142. S. Koch S. 737 Note 10. Da« A G. Greisrwald versagt in solchem Falle die Diffamationbklage, die Praxi» de« Obertribunal« läßt sie jedoch zu (v. d. Lanken w. v. Harder 1854 und Weger w. Jahn 1852). Seufsert «. 9. S. 157. Striethorst B. 15. S. 328. L- 47. S. 349, auch bei Recht-besitz. Wochenbl- f. merkw. RechtSsälle 1857 S. 360. Franke im Archiv s. civilist. Praxi« B. 18. S. 224. Seufsert B. 12. S. 286. (Dagegen die Heidelberger Juristevfakultät, das.) Heuser, kurhess. Annalen B. 1. 6. 636. Muther S. 171 sg. 186 fg. Aber nicht die Verfolgung de« Anspruch» au« einem andern Klagegrundr. Dresdner Annalen II. 146. Wer sich mehrerer Ansprüche

bricht nicht die Verjährung der Hauptklage, ist aber selbst der ordentlichen Verjährung von 30 Jahren unterworfen"). Die gemeinrechtliche Praxi- hat ebenso durch Usualinterpretation") eine Klagaufforderung zur Erhaltung der dem Provokanten zustehenden Einrede au-gebildet; auch diese ist in da- preußische Recht übergegangen, aber wenig praktisch, weil in dem Hauptfall ihrer Anwendung, daß der Bürge klagen kann, um sich die Einrede der Reihenfolge (exceptio ordinis) zu erhalten, anderweitig für da- Interesse de- Bürgen gesorgt ist"). Ist die Einrede, die man zu verlieren fürchtet, von der Art, daß ihr In­ halt auch durch Klage geltend gemacht werden kann, so fehlt da- Bedürf­ niß zur Klagaufforderung an den Gegner. Da- Urtheil schließt den An­ spruch de- Provokaten so weit au-, al- ihn die Einrede ihrem Umfang nach beseitigen würde.

§. 59. c. Sonstige Gründe. 1. Durch den Tod de- Berechtigten oder Verpflichteten geht das Recht oder die Klage für den einen und gegen den anderen in der Regel nicht verloren. Die Regel: actiones heredibus competunt et in heredes dantur ist im preußischen, wie im römischen Recht anerkannt. Nur die der Person de- Erblasser- anhaftenden Rechte und Pflichten, welche von ihm selbst au-geübt und erfüllt werden müssen, erlöschen mit seinem Tode, können also auch nicht von seinen Erben oder gegen seine Erben eingeklagt werden, so weit nicht in Geld zu schätzende Schaden-ansprüche erwachsen sind, die der unbedingte Erbe vollständig, der Erbe mit Vor­ behalt mit den Kräften de- Nachlasse- zu tragen hat'). Auch in Betreff der Einreden bildet die Vererblichkeit die Regel, ausgenommen find die­ jenigen, welche ihrer Natur nach so sehr der Person de- Beklagten an­ gehören, daß ihr Uebergang auf eine andere Person nicht denkbar ist'), z. B. die jetzt sehr eingeschränkte') Einrede der Kompetenz, die Einrede de- Erlaffe-, der Fristbewilligung, wenn sie nur der Person de- Schuld­ ner- ertheilt ist. Die exceptio doli ist vererblich'). berühmt hat, darf nicht bloß den einen klageweise verfolgen. Bl. f. R.Anw- L. 28. S- 46. Ewige» Stillschweigen B. 18. S. 74.

”) Muther S-160.

") Der I. 28. D. XLVI. 1. ") Förster S. 217. A.L.R. 1.14. §. 316 sg. ') «.S O. I. 1. §. 38. A.L.R. I. 9. §. 360-362. 1.17. § 127. Sinl. -. 102. 103. Löwenberg in der jurist. Zeitung 1832 S. 394. 419. 443. 492. 510. 565

’) Savigny S. 5. S. 117. 204.

Heimbach im Rechwlex. B. 3. S- 700.

•) Durch die Konkursordnung v. 1855 $. 434 fg. *) Koch, Pr.R I. S. 363.

2. Die Einrede geht unter durch ihren Gebrauch, wenn sie die Abweisung der Klage erzielt hat. Dagegen kann sie sowohl derselben Klage in der höheren Instanz als auch einer neuen Klage mit Erfolg entgegengesetzt werden, wenn durch sie der Zweck der Abweisung nicht erreicht worden ist4). 3. Die Einrede geht unter durch Entsagung4). Zur Giltigkeit einer solchen Entsagung gehört, daß sie nicht in unbestimmten allgemeinen Ausdrücken sondern in der Art erklärt wird, daß daraus die Kenntniß des Entsagenden von dem, worauf er verzichtet, erhellet. Der allgemeine Ausdruck an sich entscheidet nicht, sondern eS kommt darauf an, ob er einen genügenden Anhalt zur Annahme bietet, daß der Entsagende ge­ wußt habe, worauf er entsage. Einreden, die das Rechtsgeschäft von Anfang ungiltig machen, die auf ein absolut gebietende- Gesetz sich stützen, dürfen nicht aufgegeben werden'). Die giltige Entsagung ist unwider­ ruflich, und kann auch stillschweigend geschehen, intern man die Einrede gegen den Klaganspruch nicht braucht') und dieselbe entweder die Ein­ lassung auf den Prozeß betrifft, oder aus dem zur Klage gebrachten Sach- und Rechtsverhältniß entspringt'). Soweit ihr Inhalt das Fun­ dament eines selbständigen Anspruchs bildet, geht die Einrede durch den Nichtgebrauch nur als VertheidigungSmittel in diesem Prozeß unter, kann aber al» Klage auch später noch geltend gemacht werden"). 4. Endlich zur Strafe kann man die Einrede verlieren. Da­ römische Recht entzieht die exceptio divisionia dem Bürgen, der die Bürgschaft leugnet"), den, Haussohn die exceptio SCti Macedoniani, wenn er sich fälschlich für einen pater familiaa ausgegeben "), die Ein­ rede der Zahlung dem, der den Empfang de» DarlehnS leugnet"), die exceptio beneficii competentiae dem, der dSn Geschäft-vertrag be­ streitet"), die exceptio noxae dationia dem, der da» Eigenthum am •) Bei Heuser VI. 374. ist angenommen, daß die Einrede noch später geltend ge­ macht werden kann, wenn ste der Richter im Erkenntniß mit Stillschwergen über­ gangen hat, fall- nicht au» dem au»drücklich Erkannten die Verwerfung der Ein­ rede rechüich von selbst folge.

*) A L.R l. 5. §. 193-199. I. 16. §. 382-386. 401. S. 83 fg.

Gruchot I. S. 490.

Oben

’) AG.O. II. 2. §. 52. Oben §. 29. ist für Zwang nur Anfechtbarkeit behauptet, dies« ist aber auch Ungiltigkeit ß. 41.

') «L.R. 1.16. §. 383. ’) Entsch. B. 22. S. 332.

") Entsch. B. 22. S. 332. B. 47. S 352. Seuffert ». 10. ©. 127.

*•) 1.10. §. 1. v. XLVt. 1. ") 1. 1. C. IV. 28. '•) Nov. 18. c. 8. '*)*•) 1. 67. §. 3 D. XVII. 1.

Striethorst v. 42. S. 80.

Dagegen

8- 60. WiHereinsetzung in den »origen Stand-

313

schädlichen Thier in Abrede nimmt"), endlich dem, der leugnet, daß er die Sache im eigenen Namen besitze, die Einrede gegen da- Recht deKlägerS"). Einige- davon ist in da- preußische Recht übergegangen. Wer seine Unterschrift fälschlich leugnet, verliert alle Einwendungen, die ihm sonst gegen die Schuldforderung zugestanden hätten"). Wer den Empfang de- Darlehn- vorsätzlich leugnet und dessen überführt wird, soll mit der Einrede der Zahlung nicht gehört werden").

§. 60.

6. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

R.L.R. 1.9. z. 52. 55. §. 531—534. 537- 540. 594. 633. 1.14 §. 172-177. Suarej, Schlußrev. S. 192 Gruchot B. 7. S. 441. He-demann II. 180 fg. Borne­ mann I. S. 210. II. S. 61 fg. Loch, PrR. II. S. 243. v. Daniel» IV. S- 206.211. 222. Dernbnrg I. § 140.141. An» der sehr reichen gemeinrecht­ lichen Literatur: Savigny B. 7. S-315—343. Wächter II. S 834. Unger II. S- 692. Windscheid I. S. 296 fg. ® in len ie I. §. 36. Die Hauptmono­ graphie ist Burchardi, die Lehre v. d. W. in den v. St. 1831.

Die Rechtswohlthat der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welche bewirken soll, daß ein unverschuldet erlittener Recht-nachtheil durch Anordnung de- Richter- wieder beseitigt werde, hat ihre im Gebiet degemeinen Recht- große Wichtigkeit im preußischen fast ganz verloren. Nur ein kleiner Rest de- Institut- ist hier übrig geblieben. a. Wenn der Richter unter Berabsäumung der ihm obliegenden Pflicht, nach dem Eigenthümer einer gefundenen Sache zu forschen, den Zuschlag dem Finder oder der Ort-armenkasse ertheilt, so muß er den Verlierer wider in den vorigen Stand setzen. b. Gegen den Ablauf der Verjährung werden restituirt und zwar innerhalb vier Jahren nach gehobenem Hinderniß, welche Frist auch den Erben und selbst den minderjährigen Erben de- Berechtigten nicht ver­ längert wird: wer von seinem Recht nicht hat unterrichtet sein können, wer in Gebrauch und Verfolgung seine- Recht- gehindert gewesen'), wem da- rechtliche Gehör versagt worden; insbesondere Minderjährige, Wahn- und Blödsinnige, Taubstumme, der FiSkuS, die Kirchen und die mit diesen gleichberechtigten Korporationen. Ueberall ist erforderlich, daß die Verjährung noch während obwaltenden Hindernisses sich voll“) ") •’) '•)

1. 21 r. 2. v. IX. 4. 1. 1. 8. 15. D. IX. 1. 1. 2. C. III. 19. A.L.R. 1.11. 8. 743. A.S.O. I. 23. §. 52.

') Nicht besten Singularnachfolger, wenn ihn nicht auch da- Hinderniß getrosten. App Ger. Hamm bei Gruchot B 7. S. 442. Entsch. B 62. S. 59 fg.

Erstes Buch.

314 endet hat').

Die Grundbegriffe.

Die RechtSwohlthat kann

im Wege der Klage oder Ein­

rede, aber sie muß auch nachgesucht werden'), sie bezieht sich nicht auf die

kürzeren

Verjährungsfristen

(Ges.

Minderjährigen steht die Restitution

v.

31. Mär; 1838) *).

auch dann

zu,

wenn eS

Dem

sich um

einen Anspruch deffelben an seinen eigenen Vater handelt, während sonst

die

unter väterlicher

schlossen sind').

Gewalt

stehenden Minderjährigen

davon

ausge­

AlS ein solcher, der gehindert gewesen ist, sein Recht

zu gebrauchen oder zu verfolgen, ist auch der Eigenthümer einer in Nieß­ brauch weggegebenen Sache zu erachten"), aber derjenige wird nicht restituirt, der von

dem Besitz und Anspruch des Verjährenden unterrichtet

und im Laufe der Verjährung im Stande

stehende Hinderniß zu beseitigen').

gewesen,

das

ihm entgegen­

Weder der FiSkuS noch die anderen

ihm gleichstehenden Korporationen können gegen solche Handlungen ihrer Vertreter, Bevollmächtigten, Verwalter, welche diese vermöge ihres Am­

tes oder Auftrags und innerhalb der Grenzen derselben vorgenommen haben, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fordern.

Nur in Prozessen kommt ihnen die Wohlthat zu, wenn sie durch Fristversäumniß

einen Nachtheil erlitten haben.

Davon ist die Rechtsmittelfrist

ausge­

schlossen'). •) Elitsch. B. 19. S. 134. ’) Entsch. B. 22. S. 9. Striethorst B. 13. S. 182.

Gruchot B. 7. S. 441.

4) Entsch v. 23. S. 104. B. 14. S. 209. SB. 50. 100. Striethorst B.4.S-115. Heydemann S. 186 fg. §. 11. des Gesetzes v. 18. Juni 1840 (Gesetzs. S. 142). Deutsches Hand.G.B. Art. 149. 6) Entsch. B. 22. S. 442. B. 28. S. 75. Präj. 307. Sammt. I. S- 37. Der Fall wo dem minderjährigen Hauötinde wegen collidirenden väterlichen Interesse ein Kurator zur Führung eines Prozesses bestellt worden ist, ist behandelt in Entsch. B. 61. S. 394. Das O Trib. läßt hier Restitution zu aus Grund der §§. 12. 13. I. 16. A.G O. §. 29 ff. II. 18. A.L R. •) Entsch. B. 15. S. 113. 7) Entsch. B. 8. S. 258. •) Siehe hierüber Entsch. B. 18. S. 464.

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

Erster Theil Die persönlichen Rechte oder die Lehre von den Schuld­ verhältnissen. AL.R. I. 2. §. 122-124. I. 5. 6.11.13.14.16. Bornemann B. 2. S. 167. B- 3. S. 1. v. Daniels B. 1. S. 295. B. 3. S. 159. B. 4. S. 3. Koch, Privatrecht B. 2. S. 1.

Besonders: Koch, das Reckt der Forderungen nach gemeinem und

nach preußischem Recht, 3 Bde. 1. A. 1836-1843. 2. A. (nach der hier citirt wird) 1858. 59 — Bucher, das Recht der Forderungen 1. B. 2. A. 1830 (1. A' 1815). Unterholzner, quellenmäßige Zusammenstellung der Lehre des römi­ schen Rechts von den Schuldverhältnissen. 2 Bände. 1840. v. Savigny, das Obligationenrecht als Theil des heutigen römischen Rechts. 2 Bände. 1851.1853.

— Bangerow B. 3. Arndts S. 315. Sinterns B. 2. Seuffert B. 2. (von der 4. A. bis jetzt erst die 1. Abth., enth. die allgemeinen Lehrend Keller, S. 428. — Windscheid (2. A.) Band 2. — Zachariä (Anschütz), französ. Civ.R. B. 2.'S. 212.

Erstes Hauptstück. Die

Grundlehren. Erster Abschnitt.

§• 61.

Der Begriff und die Arten.

Brinz, kritische Blätter civilistischen Inhalts. Heft 3. 1853. S. 3. Delbrück, die Uebernahme fremder Schulden nach gemeinem nnd preußischem Recht. 1853. Ein­ leitung. Derselbe in der Zeitschrift für deutsches Recht B. 15. S. 134. K» ritze, die Obligation und die Siugularsuccession des römischen und heutigen Rechts'

1856. S. 1—18. Unger, österr. Privatr. B. 1. S. 539—553. Koller in der Sperr. Bierteljahrschr. B. 15. S. 121. Ziebarth, Realexekution und Obligation 1866. S. 22 f.

Das Gebiet der persönlichen Rechte, der Obligationen, zeigt heute am wenigsten ein noch unvermitteltes Nebeneinander römischer und deutscher Elemente. Wenn man deßhalb behauptet, daß das römische

Recht hier zur ausschließlichen Herrschaft gelangt ist, so erklärt sich die» dadurch, daß diese» Recht-gebiet seiner innersten Natur nach den Charakter der Allgemeinheit hat, am wenigsten von nationalen und lokalen Eigen­ thümlichkeiten bedingt ist. Der weit auSgebreitete römische Verkehr hatte diese Allgemeinheit am vollständigsten entwickelt und diese Entwickelung bot bei der Reception einen so außerordentlichen Reichthum de» feinsten De­ tail», daß da» einheimische, damals noch durch keinen Weltverkehr aus­ gebildete Recht dem Nicht» entgegensetzen konnte, wa» geeignet gewesen wäre. Widerstand zu leisten oder zunächst auch nur erhebliche Modifikationen zu bewirken'). Aber man darf diese Herrschaft de» römischen Obligationen­ recht» nicht so auffasien, al» sei e» unverändert geblieben. Nicht bloß, wa» ihm noch Nationalrömische» anhaftete, ist abgestoßen, nicht bloß ist e» durch neue, für den heutigen Verkehr unentbehrliche und höchst ein­ flußreiche Institute vermehrt — e» hat sich auch die Grundanschauung de» Wesen- der Obligation im heutigen Recht erheblich verändert. Die nachfolgenden Erörterungen werden die» vielfach nachzuweisen haben'). Man muß Kuntze Recht geben, wenn er sagt, daß kaum in irgend einem Theile de» Privatrecht» sich da» Bedürfniß, einen fertigen und durchsichtigen Grundbegriff al» Ausgangspunkt zu haben, so geltend macht, als im Obligationenrecht, weil nirgend» so sehr, wie hier, die volle Strenge der juristischen Konsequenz die Herrschaft behauptet. DaS persönliche Recht bildet die Klaffe der relativen Privatrechte (§. 18). Sein Begriff und sein Gegensatz zum dinglichen Recht im Allgemeinen ist §. 23. angedeutet. Hier bedarf eS der näheren Aus­ führung. Nach zwei Seiten muß und kann nur die Person für ihre Endlichkeit und Bedingtheit Ergänzung suchen, um ihre äußeren Lebenszwecke zu er­ reichen, nach der Seite der willenlosen Gegenstände (der Sachen) und nach der Seite der anderen neben ihr wollenden Menschen. Indem sie diese zwiefache Ergänzung erreicht und dadurch ihr Selbst erweitert, er­ langt sie eine Macht, die ihr in ihrer natürlichen Einzelheit nicht zukommt, sie hat Vermögen. Soweit die Ergänzung in den Sachen zu suchen ist, werden diese unmittelbar und vollständig von der Person ergriffen, von ihrem Willen durchdrungen. So weit die Ergänzung in dem Willen an­ derer Menschen zu suchen ist, muß die Person denselben ihren Zwecken unterwerfen; sie bindet ihn und beansprucht von ihm eine Thätigkeit, deren Erfolg die erstrebte Ergänzung darstellt. Aber die Unterwerfung ') Gerber, deutsch. PrR. 8. A. S. 381 |g. Eharakteristisch für die geringe Ent­ wickelung de« deutschen Oblig.R. im Mittelalter ist Richtsteig Landrecht c. 6. Unter dem Wort schuld wurde sehr Verschiedene« zusammengcfaßt.

*) Delbrück in der kritischen Ueberschan III. S. 125 fg. Bluntschli, deutsche» Privatrecht, 3. A., besorgt von Dahn, 1864. §. 109. 110. S. 318 fg.

§. 61. Der Begriff nnb die Arten der Obligationen.

319

deS fremden Willens ist keine Unterwerfung der ganjen Persönlichkeit; diese

bewahrt vielmehr ihre Freiheit nicht allein

in allen von dieser Thätigkeit

abliegenden Richtungen, sondern auch darin, daß sie sich füt diesen be­

stimmten Zweck unterwerfen will.

Durch daS Recht auf die Sache und

durch daS Recht auf den Willen anderer Personen bestimmt und erschöpft sich die äußere Rechtssphäre deS Individuum-: durch jenes erlangt eS eine unmittelbare, durch dieses eine mittelbare Ergänzung seine- $trmö­

Diese Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit bestimmt daö systematische

gen».

Verhältniß beider Theile deS Vermögensrechts.

sie verhalten

Sie sind nicht koordinirt,

sich vielmehr wie da- Mittel zum Zweck, und dieser Ge­

sichtspunkt hat im A.L.R., welche- den Obligationen eine selbständige ab­

geschlossene Stellung neben dem Sachenrecht

nicht einräumt,

einen be­

stimmten Ausdruck erhalten. Aber die große Mannichfaltigkeit der einzel­ nen persönlichen Rechte, der Reichthum und die Wichtigkeit der hierauf sich beziehenden Rechtsregeln gebietet, daß ihnen die Bedeutung eine- be­

sonderen Theils

im

System

durch das Gesetz vom 5.

eingeräumt werde.

Dazu kommt jetzt, daß

1872 über

EigenthumSerwerb die

Mai

den

dingliche Seite diese- Recht-vorgänge- scharf von der obligatorischen Seite getrennt worden ist, daß der EigenthumSerwerb in den Fällen der frei­

willigen Veräußerung nur durch die Eintragung im Grundbuch nach vor­ angegangener Auflassung

bewirkt

wird, ohne daß eS nothwendig ist, den

Titel, daS obligatorische Moment, aufzudecken.

Weil nun aber die persönlichen Rechte nur Mittel sind, so erhalten

sie nothwendig einen vorübergehenden, wechselnden Charakter.

kann nicht bleibend dem Willen unterworfen sein.

Der Wille

Diese RechtSverhält»

niffe bilden recht eigentlich den Verkehr, „die fortgesetzte Verbindung der und stellen den Prozeß de»

Menschen durch wechselseitige Leistungen"'),

Werden-, des Verändern-

der

Vermögenslage

dar, im

Gegensatz zum

Sachenrecht, welches da- stetig gewordene, da- bleibende Vermögen auS» drückt.

Dieser Gegensatz deS Werden- und Seins, der Bewegung und

Abgeschlossenheit motivirt zugleich, daß die Darstellung deS Obligationen­

recht» der des Sachenrechts vorangeschickt wird. DaS römische Recht hat den Begriff der Obligation bis zu feiner

höchsten und feinsten Abstraktion emporgehoben: obligatio est Juris vinculuin . . . , obligationum substantia non in eo consistit, ut aliquod Corpus nostrum aut servitutem obstringat ad

dandum

aliquid

nostram

faciat, sed ut alium nobis

vel faciendum, vel praestandum**).

Sie ist ein Band, da- zwei an sich selbständige Willen verknüpft, indem

der eine dem ander»

mit rechtlicher Nothwendigkeit zu einer Handlung

•) Roscher, Nationalökonomie, 4. A 1861. S. 2. *) Fr. J. III. 13. 1. 3. pr. D. XLIV. 7.

320

Zweite« Buch. Die besonderen Privatrechte.

unterworfen wird. DaS Wort umfaßt beide Seiten de» Berhältniffe»: nicht bloß der unterworfene Wille ist obligirt, beide sind aneinander gebunden, jeder ist unterwerfend und unterworfen zugleich. E- ist bekannt, daß die deutsche Sprache kein Wort bietet, welche» ebenso wie obligatio diese» gegenseitige Gebundensein «»»drückt. Diese» ist keine zufällige Er­ scheinung, vielmehr da» Zeichen eine» anderen Standpunkte»'). Die deutsche Recht»anschauung läßt den Begriff der Obligation al» eine» rein idealen Bande», eine» Berhältniffe» von Willen zu Willen auf sich beruhen, sie erhebt sich nicht bi» zu dieser abstrakten Höhe; dagegen sind ihr von ent­ scheidender Bedeutung die in die Erscheinung tretenden realen Wirkungen diese» Berhältniffe», wonach der eine Wille unterwirft, der andere unter­ worfen wird, jener berechtigt, dieser verpflichtet ist. Die Forderung und die Schuld, zusammen die Obligation darstellend, au» ihr sich er­ zeugend, werden in ihrem objektiven Dasein erfaßt. Während im römi­ schen Recht die subjektive Seite überwog, entwickelten sich daran» eigen­ thümliche Schwierigkeiten in allen den Fällen, wo diese subjektive Seite eine Aenderung erleiden sollte. Die Obligation war so unlösbar an die Person gebunden, daß sie nicht ein freie» Derkehr»objekt werden konnte. Man mußte Umwege betreten, um die» zu erreichen. Indem da» deutsche Recht die objektive Seite betonte, vermied e» solche Schwierigkeiten, For­ derung und Schuld kamen in den Verkehr wie Sachen. Die moderne Recht-auffaffung hat beide Standpunkte erfaßt und in Verbindung gesetzt. Sie verkennt nicht da- subjektive Element, welche» bestimmend für den Begriff und die Entstehung ist, aber sie verkennt auch nicht die objektive Seite, welche bedeutungsvoll für den praktischen Gebrauch der entstandenen Obligation ist. Erst dadurch ist e» gelungen, die Obligationen zu den leichtesten und dehnbarsten Verkehrsmitteln zu machen. Da» A.L.R. — in welchem sich deutsche Ideen nicht bloß durch die Aufnahme nationaler Recht-institute, sondern oft auch in der systematischen Stellung und der Gestaltung einzelner Rechte kundgeben — entbehrt eben­ fall» eine- der obligatio entsprechenden Gesammtworte». E» spricht von „persönlichen Rechten und Verbindlichkeiten", und zeigt hierdurch, daß e» sich mehr der deutschrechtlichen Anschauung hingegeben hat. Gleichwohl kann die wiffenschastliche Betrachtung für den Begriff auch den bezeich­ nenden Au-druck picht entbehren, und wenn man da» fremde Wort Ob­ ligation vermeiden will, erscheint al» am meisten geeignet da» neuerdings gebrauchte Wort Schuldverhältniß, weil e» am wenigsten einseitig die Berechtigung oder Verpflichtung betont. Bi» in die neuere Zeit ist man im Wesentlichen einverstanden ge­ wesen über die Definition-formel. Schuldverhältniffe sind privatrechtliche •) Siehr hierüber besonder« Delbrück in der Einl.,. Uebernahme fr. Schulden.

Verhältnisse, sagt Unterholzner, in Folge deren Jemand verpflichtet ist, einem Andern etwa» zu leisten, wa» dem Vermögen deflelben zu Gute kommen soll. Damit stimmen die Gesetzbücher überein'). Wenn da» A.L.R. sagt: da» persönliche Recht enthält die Befugniß, von dem Verpflichteten zu fordern, daß er etwa» geben, leisten, verstatten oder unterlassen soll, so ist die» zwar weniger prägnant, aber doch dem Sinne nach dasselbe. Neuerding» ist der Definition von Savignh und Puchta eine etwa» andere Wendung gegeben worden, die Widerspruch erfahren hat. Ersterer bezeichnet die Obligation al» die Herrschaft über einzelne Handlungen einer fremden Person, die al» au» ihrer Freiheit ausscheidend und unserem Willen unterworfen gedacht werden müssen. Letzterer nennt Obligation da» Recht-verhältniß, vermöge dessen eine Person ein Recht an einer Handlung einer anderen hat. Beide scheinen die Person de» Handelnden zu vergessen und indem sie den Blick auf die Handlung richten, dieser ein von der Person losgelöste», objektives Dasein geben zu wollen. Die „an­ der Freiheit au-geschiedene Handlung" kann doch kaum ander» gedacht werden. T» wird hier verwechselt der Inhalt und der Gegenstand de» Recht». Die Definition soll den Inhalt angeben: dieser ist bei der Obli­ gation die Beherrschung oder Unterwerfung de» Willen» einer Person, der Gegenstand ist die Leistung. Die Handlung kaun nicht beherrscht, auf sie kann eine Macht nicht auSgeübt werden, nur auf den Willen, der sie hervorbringen soll'). Richtiger sagt daher Unger, die Obligation sei ein Recht auf eine Handlung') (ut aliquid fiat) und damit stimmt auch da» A.L.R. „die Befugniß, zu fordern, daß er thue". Da» A.L.R. stellt aber neben diese allgemeine Definition noch eine engere: insofern dergleichen persönliche» Recht da» Geben oder die Ge­ währung einer bestimmten Sache zum Gegenstand hat, wird e» ein Recht zur Sache genannt. Die» ist da» jus ad rem de» kanonischen Recht», wo e» die Berechtigung eine» Pfründner» auf eine noch nicht erledigte *) Code Nap. befinirt nicht die Obligation, sondern nur den Vertrag. Da- österr G.B. §. 859. bezeichnet die Obligationen al- „persSnliche Sachenrechte, vermöge welcher eine Person einer andern zu einer Leistung verbunden ist". Der Ausdruck persönliche- Sachenrecht entspricht dem jus ad rem, der Begriff der Obligation wird dadurch nicht erschöpft. Da« sächf. GB. $. 662. sagt: „Forderungen sind

Rechtsverhältnisse, vermöge deren eine Person, der Gläubiger, aus eine einen Ser« mögenSwerth in sich schließende Leistung, Handlung oder Unterlaffung, einer ande­ ren Person, de« Schuldner«, berechtigt ist." Recht schwerfällig. Der bairische Entwurf von 1861 Art. 1. „Gin Schuldverhältniß (Forderung, Verbindlichkeit) ist da« Recht-verhältniß zwischen zwei Personen, vermöge befielt die eine (der Gläubiger) von der anderen (dem Schuldner) eine bestimmte Leistung zu fordern berechtigt ist." ’) Brinz, kritische Blätter H. 3. S. 3 s. Dagegen zwar Suntze a. a. O. S. 4 s. und gegen ihn wieder sein Rec. B ekker in der kritischen Zeitschr. B. 3. S. 450. ») Unger a. a. O. S- 543.

Windscheid, Actio S. 156.

Bet ft er, Preuß. Priralrecht. I, 3. Ausl,

21

322

Zweite« Buch.

Die besondere» Privatrechte.

aber ihm schon zugewiesene Pfründe bedeutet'). Auch hier trifft man wieder auf eine unnöthige Verallgemeinerung eines in bestimmter Anwen­ dung gebrauchten Begriffs"). Wichtiger aber ist die Frage, nach welchen sonstigen EintheilungSgründen sich die Obligation in Arten verzweigt. DaS neue Recht er­ kennt al» solche EintheilungSgründe nur Entstehung und Wirkung an; was im römischen Recht sonst von Wichtigkeit war, die Eintheilnng nach den verschiedenen RechtSquellen, tritt heute zurück. Rach der Wirkung theilen sich die Obligationen in solche mit voller Wirksamkeit und solche mit beschränkter Wirksamkeit; nach der Entstehung sind sie entweder als durch Rechtszustände oder durch Rechtsgeschäfte oder durch Rechtswidrigkeiten hervorgerufen zu unterscheiden. Von letzterer Eintheilung wird später ausführlich gehandelt werden, sie ist die bei weitem wichtigste. Hier aber ist gleich der Unterscheidung der Obligation von voller und beschränkter Wirksamkeit genauer zu gedenken. Für da» preußische Recht hat diese Erörterung nicht den gleiche» Werth, wie für das gemeine Recht"). Die eigentliche Wirkung des SchuldverhältniffeS ist die Klage, durch die der verpflichtete Wille zur Leistung gezwungen werden kann"). So sehr gehört die Klage zur Obligation, daß beide identisch genannt werden müssen. Kann die letztere anch auf andere Art geltend gemacht werden, z. B. durch Aufrechnung, Abtretung u. s. w., so sind die» doch nur zu­ fällige Wirkungen, die von äußeren Voraussetzungen abhängen. Die Klage dagegen ist der Obligation nothwendig und erschöpft immer ihren Inhalt, selbst wenn sie sich nur auf einen Theil deS Gegenstandes richtet. Run •) &. oben S. 121 §. 23 Note 10. c. 40. in Vito III, 4; c. 8. in Vito III, 7. *•) Schon Eocceji ist dagegen ausgetreten. S Hugo, civilist. Magazin B. 4. S- 34.40 ") Ueber obligatio naturalis: Weber, svstemat. Entwickl. der Lehre v. d. natürliche» Verbindlichkeiten. 5. A. 1825. Büchel, civilr. Erörter. B. l.N. 1. B. 2. N- I. 1832. 1836. Wächter, Erörter. H 3. N. 14. Unterholzner I. S. 11 —16. Savigny I. S 22-231 über heutige« und preust. Recht S 123). Scheurl in der (Heidelberger) kritischen Zeitschrift B. 1. S. 505 und in Jhering« Jahrb. B. 7. S-318. Erxleben, die condictioes sine causa. I. S. 118. Brinz, kritische Blätter, H. 3 S- 12. v Keller, die naturalis oblig. pupilli und Bekker, Über die Naturalobligationen in dessen und Mn-ther'« Jahrbuch B. 4. S. 372. 386 Schwanert, die Naturalobligation de« römischen R. 1861. Dazu die Rezens. von Scheurl in der krit. BJSchr. B- 6. S. 489. Sinteni« II. S. 6 Note 6. Windscheid II. S. 287. S. 103. — Für preuß. R. A-L.R §. 85. 86. eint. §. 155. 156. 1,5. §.578. I, II. §.676. 1,11. §. 243 411. I, 14. §. 178. 179. 184.1, 16. §. 97. 98. I, 20. §. 138. II, 2. §. 23. II, 3. Schröter, civilist. Ver­ suche, S- 161. Gösches, zerstreute Blätter I. 446 s. Heydemann I. S. 127. Koch, Pr.R. II. S. 4 R. d. F. I. S. 15. Daniel« II. S. 295. 296. — Testen-. Ges.B. §. 1432. Code a. 1235. Zachariä II. S- 213.. ") vrinz, Pand. I. S. 536 fg. Schwanert S. 1. In l. 9. §. 3. v. XII. 2. 1. 2. S. 8. D. XVIII. 4. 1. 5. §. 1. D. XIX. 5. ist obligatio und actio synonym ge­ braucht.

§. 61. Dir Bkgriff und di« Arten d«r Obligation

323

finden sich aber in den römischen Recht-quellen obligatorische BerhSltnifse erwähnt, denen diese nothwendige Eigenschaft de- Klagerechts nicht bei­ wohnt: theils versagt sie ihnen daS positive Recht, theil- hemmt es sie durch Einrede. Und doch sind solche Verhältnisse nicht ohne jede Wirkung, und weil sie noch eine solche besitzen, können sie auS der Reihe der Obli­ gationen nicht gestrichen werden. Die quellenmäßige Bezeichnung ist dafür naturales obligationes, tantum naturales obligationes. Man hat sich von jeher vielfach mit der Frage beschäftigt: auS welcher Rechts­ quelle die Naturalobligation entspringe und dies jugleich als Ausgangs­ punkt für die Feststellung ihres Begriffs, der Fälle ihre» Vorkommens und ihrer Wirkungen gemacht"). Der Name naturalis obligatio erschien als die Bezeichnung einer allgemeinen Klaffe von Obligationen, als einer be­ sonderen Art neben der civilis, und zugleich schien er auf einen Zusam­ menhang mit dem jus naturale oder jus gentium als Gegensatz zum posi­ tiven Civilrecht hinzudeuten. So hat man von den Zeiten deS AccursiuS bis auf Savignh herab die Quelle für die Naturalobligation in einem Gebiete aufgesucht, welche» neben dem jus civile liegen sollte, und nur die wechselnde Auffaffung von der Beschaffenheit diese» Gebiets unterschied die einzelnen Theorien. Zuerst sollte e» die naturalis ratio sein, die sich besonders im jus gentium geltend mache, und der natürlichen Billigkeit entspreche. Die eine Klasse von Obligationen sollte in dieser Quelle ihren Ursprung haben, eine andere in dem davon verschieden gedachten Civilrecht, eine dritte au- beiden Quellen stammen. So unterschied man naturales, civiles, mixtae. Aber die ersteren waren wieder entweder mit der Eigen­ schaft zur Klage versehen, wenn sie diese Anerkennung im positiven Recht gefunden, oder e» war ihnen die Klage entzogen und zwar die» wieder in doppelter Weise. Da- positive Recht mißbilligte entweder die Obligation ganz und nahm ihr jede Wirksamkeit, nicht bloß die Klage, oder eS ver­ sagte ihr nur diese, ließ ihr aber die übrigen Wirkungen, namentlich die Zurückbehaltung de» Gezahlten. Diese letztere Klaffe ist nun die eigent­ liche Naturalobligation, die in der Mitte schwebt zwischen der vollgiltigen und der ungiltigen (obligatio nulla). Die Bestimmung, wa- eigentlich der naturalis ratio oder dem jus naturale entspreche, welche Verbind­ lichkeiten diese- neben denen de- CivilrechtS erzeugen könne, war ebenso schwankend, wie der Begriff der naturalis ratio an sich ist. Man gerieth so weit, daß man auch die vom Recht-gebiet ganz abliegenden GewiffenSpflichten dazu rechnete, Moral und Recht vermischte"). Dann kam die Schule deS philosophischen NaturrechtS, welche vom Ende de» vorigen bi» in diese- Jahrhundert die Theorie beherrscht hat. Weber ist ihr '*) Schwanket S. 7 fg. §. 2—5. ") Schwanket S. IO. 11 Note 11. Diese Vermischung hat nicht erst da- Natur­ recht verschuldet, ste findet stch schon bei den älteren Praktikern.

21*

vornehmster Repräsentant. In seinem Werk über die natürlichen Ver­ bindlichkeiten geht er zwar auch davon au-, daß die Quelle außerhalb de» positiven Recht-gebiet» liege, und er findet sie im Naturrecht, aber er be­ kämpft doch darin die ältere Theorie mit Erfolg, daß er ihren Satz: die natürliche Verbindlichkeit sei an sich klaglo», fall- ihr nicht da» Civilrecht die Klage ausdrücklich verstattet habe, verwirft und den umgekehrten Satz aufstellt, die natürliche Verbindlichkeit sei an sich vollkommen wirksam, fall» nicht da» Civilrecht ihre Wirksamkeit ausdrücklich einschrSuke"). Aber die alte naturalis ratio und die de» neueren Naturrecht» waren in glei­ cher Welse ungreifbare, schwankende Begriffe. WaS für Verbindlichkeiten konnten nicht darau» hergeleitet werden, wo war die Grenze, bei welcher man aufhören mußte, Verbindlichkeiten anzunehmen? Darum war e» auch vergeblich, wenn Weber die GewiffenSpflichten von den natürlichen Zwang-pflichten schied und jene vom Recht-gebiet au-geschloffen wissen wollte"), denn die Grenze zwischen Moral und Recht war noch nicht ge­ funden. Auch die dann folgende Theorie, so sehr sie immer gegen da» Naturrecht ankämpfte, verblieb in dem Fehler, die Quelle außerhalb de» positiven Recht» zu suchen, sie minderte ihn dadurch, daß sie da» jus gentium auch al- ein positive» Recht-gebiet ansah, aber bestimmter wurde dadurch der Begriff de» jus gentium nicht. Darum ist in der neuesten Zeit aufgegeben worden, die Naturalobligation au» einer besonderen Quelle herzuleiten; höchsten- kann eine solche Untersuchung ein historische» Intereffe gewähren, die dogmatische Erörterung de» Institut» gewinnt dadurch nicht»"). In Wahrheit ist die Naturalobligation an sich ebenso eine wirkliche positiv rechtliche Obligation, wie die civile, sie ist keine beson­ dere, ander» woher kommende Art von Obligationen; daß ihr die Klage versagt ist,, hat in jedem einzelnen Fall besondere Gründe, die auf kein allgemeine» Prinzip zurückgeführt werden dürfen; daß ihr nicht die an­ deren Wirkungen entzogen sind, hat meist seinen Grund in einer Billig­ keit, deren Rechtfertigung auch nur im einzelnen Fall liegt"). Die Na») Weber S. 109 fg. §.43. '•) Weber S. 176. 392 f.

”) Scheurl a. a. L. S 502.

Brinz, Schwanert.

'•) Stin}, krit. Bl. H. 3. S- 45. Daß der obligatio naturalis nicht eine allgemeine Theorie, die in allen einzelnen Fällen ihre volle Anwendung finde, zu Grunde liege, daß vielmehr die Wirkungen oder Eigenschaften derselben in einzelnen Fällen verschiedene sein können, hat besonder- Keller in Bek ker- und MntherZahrb. B. 4. S. 372, des. S- 380 f. klar dargethan, und nut wenn man den Be­ griff einer oblig. natur, al- einen abgeschlossenen, gewissermaßen al- eint Scha­ blone, fallen lagt, kann man die viel bestrittene oblig. natur, pupilli richtig ver­ stehen. Sie ist in Beziehung aus den Pupillen völlig wirkung-lo-, weder durch Klage noch durch Einrede kann sie gegen ihn geltend gemacht werden; so weil hat sie eine geringere Wirksamkeit al- andere Naturalobligationen. Aber Dritte kön­ nen ihre Erfüllung sichern, der Pupill selbst kann sie nach erreichter Großjährig­ keit gutheißen, auch kann sie durch nachträgliche tutoris auctoritas wirksam werden.

turalobligation ist — wie eS Brinz in einer scharfen Formel auSdrückt — klaglo» aber zahlbar"), d. h. sie kann freiwillig erfüllt werden und man kann ihre ErMung indirekt sichern. Daran» folgt, daß, wenn sie erfüllt worden, die» nicht mehr widerrufen werden darf. Al» Wirkungen der Naturalobligation erscheinen also im gemeinen Recht die Erfüllung durch Zahlung, so daß da» Gezahlte nicht zurückgefordert werden kann (solutum non repetere)"), durch Aufrechnung mit anderen Forderun­ gen"), durch Novation"), und die Sicherung ihrer Erfüllung durch accefforische Obligationen (Bürgschaft, Anerkenntniß, Pfand)"). Daß e» dergleichen nicht voll aber doch noch etwa» wirksame SchuldVerhältnisse giebt, hat einen zwiefachen Grund. In allen Fällen ist eine wirkliche Obligation abgeschlossen, bekleidet mit ihren wesentlichen Eigenschaften; theil» aber hastet ihr von ihrer Entstehung ein innerer Mangel an, der stark genug wirkt, um sie nicht erzwingbar zu machen, aber doch nicht stark genug, um da» Substantielle der Obligation al» nicht daseiend auffaffen zu lassen (fehlende persönliche Fähigkeit, fehlende Form); theil» sind hinterher Ereignisse eingetreten, welche im Stande sind, die gerichtliche Erzwingbarkeit zu beseitigen, ohne doch eine wirkliche Tilgung herbeigeführt zu haben (Verjährung, rechtskräftige Abweisung)"). In allen diesen Fällen führte aber die Rücksicht auf Billig­ keit dazu, die freiwillige Erfüllung der Obligation als zulässig erscheinen zu lassen. Bon diesen Fällen sind nun im neuesten Recht einige beseitigt, an­ dere bestritten und im Verschwinden begriffen. Beseitigt die Naturalobli­ gation au- dem nudum pactum, weil allgemein jetzt der formlose Ver­ trag klagbar ist; beseitigt die Naturalobligation der Sklaven. Bestritten sind in ihrer heutigen Anwendbarkeit die von der silagverjährung und der rechtskräftigen Freisprechung übrig gelassene Naturalobligation, und die de- Pupillen, der ohne Beitritt de» Vormunde» sich verpflichtet hat. Im preußischen Recht finden sich einzelne Andeutungen von dem, So weit ist sie also doch einer Wirkung fähig, und deßhalb kann sie auch al» natnralia oblig. aufgefaßt werden. ") A. a. O. S. 48. Rote.

Aber die- ist nur die Regel, nicht ohne Au-nahme,

s. vorige

’•) S- die Stellen bei Savignh S. 47 Rote k. g

") I. 6. D. XVI. 2. ") 1. 1. r 1. D. XLVI. 2. }. 3 J. III. 29. ’*) Bürgschaft: f. Savignh S- 49 Rote m. Anerkenntniß (constitutum): 1. 1. 5 7. D. XIII. s. Pfand: 1. 5. pr. v XX. 1. 1. 13. pr. v. XII. 6. 1. 11. §. 3. D. XIII. 7. ") Hierher gehört insbesondere auch der Fall, wenn der Gläubiger Erbe seine» Schuld­ ner» geworden und gezwungen war anzutreten, gleich daraus aber die ganze Erb­ schaft an einen Dritten herau»geben mußte: er wäre sonst durch den gezwungenen Antritt nur um seine Forderung gekommen.

waS im gemeinen Recht als Naturalobligation verkommt, und zwar der damaligen Theorie entsprechend, die Moral und Recht nicht schied. Ein vollkommene- Recht" ist da», waS durch Klage und Einrede geschützt ist“). ES giebt also auch unvollkommene Rechte, denen nur diese Wir­ kung entzogen ist. ES findet sich der Ausdruck: „bloße moralische Ver­ bindlichkeit" "), „unvollkommene Pflicht" "), „natürliche Pflicht" “). Eine richtige Praxis wird hierunter nicht die s. g. Liebes- oder Gewissen-pflich­ ten begreifen, sondern al» Voraussetzung annehmen, daß die unvollkom­ mene Obligation doch immer an sich einen rechtlichen Charakter haben, daß sie ein „unvollkommenes Recht" sein muß. Aber von den übrig ge­ bliebenen römisch rechtlichen Fällen erkennt daS A.L.R. keinen an. Die Obligation de» HauSsohneS, de» Unmündigen ist nichtig, die KlagverjSHrung, die unrichtige rechtskräftige Abweisung eine- Kläger- lassen da» Recht gänzlich erlöschen. Nicht» von einer Naturalobligation ist in diesen Fällen übrig. Dagegen läßt sich der mündlich abgeschlossene Vertrag, welcher schriftlicher Form bedurft hätte, zwar nicht allgemein, aber doch in zwei Fällen unter den Gesichtspunkt einer Naturalobligation bringen, insofern ihn die Erfüllung sichert, wenn sein Gegenstand eine bewegliche Sache gewesen, oder wenn er von dem Verpflichteten selbst nur wegen der fehlenden Form mit Erfolg angefochten worden“), denn grade hier, wie bei der Naturalobligation, bewirkt die Rücksicht auf die natürliche Billigkeit eine Nachgiebigkeit gegen die realen Verhältnisse, und hier, wie bei der Naturalobligation, äußert sich die Wirkung in der Zurückbehaltung der Zahlung, also in dem Ausschluß des Rückforderung-rechts. UeberdieS macht da- A.L.R. von dieser Wirkung noch andere, zum Theil vom rö­ mischen Recht abweichende Anwendungen. Zunächst mit diesem überein­ stimmend bei der au» Irrthum geleisteten Zahlung, wenn wenigsten- eine moralische Verbindlichkeit dafür nachgewiesen werden kann. Sodann bei der gezahlten Spielschuld, wo da- römische Recht die Zahlung widerrufen läßt, bei der erfüllten nnkrästigen Franenbürgschaft, während da- Vellejanische Senatu-konsult auch hier die soluti retentio nicht gelten läßt. Dagegen sind die anderen Wirkungen der Naturalobligation, durch welche indirekt ihre Erfüllung herbeigeführt oder gesichert werden kann, vom A.L.R. nicht beibehalten. Gegenrechnung ist ausgeschlossen'"). Wie man §. 377. I. 16. zum Beweis hat heranziehen können, daß eine verjährte und unverjährte Forderung sich kompenstren, die erstere also alS Natural”) ’•) ") *") ’*) **)

a.8.«. Eint. 8. 86. § 178. I. 16. Striethorst B. 77. S. 366. §. 179. 1.16. 8- 23. II. 3. I. 5. ü. 146. 147. I. 16. §. 184. S avigny, Obl.R. I. S. 129. 130. I. 16 8- 342., „was er mit Recht zu fordern hat".

obligatio« wirke, ist unbegreiflich. Zur Zeit de- Eintritt» der Kompen­ sation, die von selbst wirkt, darf keine der beiden Forderungen verjährt sein. Novation darf zwar nicht deßhalb angefochten werden, weil die alte Forderung nicht recht-beständig gewesen"): aber nach neuerem Recht ist Novation etwa- wesentlich andere-, sie ist ein neu begründender Konsen­ sualvertrag, der der Obligation eine neue und selbständige materielle causa giebt und es folgt daher au- dieser, nicht au- einer Nachwirkung der aufgehobenen Obligation der Ausschluß der Anfechtung"). Bürgschaft für ungiltige Forderungen ist nicht zugelaflen und wenn die Ungiltigkeit der Hauptschuld au- der persönlichen Eigenschaft de» Schuldner- hervorgeht, so verstärkt nicht die Bürgschaft eine naturalis obligatio, der Bürge haftet vielmehr al- Selbstschuldner"). Pfand für einen ungiltigen An­ spruch ist ohne Wirkung"). Endlich Anerkenntniß einer ungiltigen Schuld wird nur als wirksam angesehen, wenn eS selbst als neuer Vertrag gelten kann"). ES muß also Hehdemann darin beigetreten werden, daß ge­ nau genommen die Ausschließung der Rückforderung geleisteter Zahlung (die soluti retentio) die einzige Wirkung der moralischen Verbindlichkeit oder der Naturalobligation nach preußischem Recht ist, und wenn Christiansen") gewiß Unrecht hat, für das gemeine Recht die Be­ hauptung aufznstellen, die Naturalobligation werde immer nur als bereit­ erfüllt in Betracht gezogen: für da- preußische Recht kann die- in der That behauptet werden. Die Entwickelung der naturalis obligatio ist übrigen- keine fort-, sondern eine rückschreitende; auch die anderen neueren Gesetzgebungen") haben sie nur in verkümmerter Gestalt ausgenommen und je mehr Im ") I. 16. §. 467. 468.

Sergi, unten §. 97.

**) 1.14. $.251.254.

*•) 1. 20. §. 12. 97. ") l. 5. §. 185. 180.

Oben S. 196.

’•) Zur Lehre v. d. natur, oblig. 1844. bei Schwanert S. 62 f. S. 6 Note 9.

Sintcni» II.

”) Ueber den Code art. 1235. s. Savigny S. 127. Zachariä a. a. O. II. S. 213 Note 1. Da« österr. Grs.B. §. 1432 läßt „Zahlungen einer verjährten Schuld, oder einer solchen, die nur au- Mangel der Förmlichkeit ungiltig ist, oder zu deren Eintreibung da» Gesetz nur da» Klagerecht versagt, ebenso wenig zurücksordern, al« wenn Jemand ein« Zahlung leistet, von der er weiß, daß er fie nicht schuldig ist." Sicherung der Erfüllung einer natur, oblig. durch Bürgschaft ist §. 1351. versagt, ebenso durch Pfandrecht §. 449, durch Kompensation ?-1439. Dasselbe scheint bei der Novation angenommen werden zu müssen. Verjährung läßt nach §. 1449. keine Naturalobligation zurück, obschon die Bezahlung der verjährten Schuld nach §• 1432. nicht kondizirt werden darf. — Nach dem sächs. Ges.B. §. 1519. ist die Rückforderung der Leistung wegen Nichtschuld nur aus den Irrthum gestellt, die Einrede der Naturalobligation ist nicht zugelassen. Nur Zahlung einer verjährten Forderung bleibt bei Kraft (ss. 1522.), obgleich auch hier Berjährung da» Erlöschen der Forderung bewirkt (§. 1016 ), eine Naturalobligation also nicht übrig bleibt.

328

Zweite« Buch.

Die btfonbtrtn Privatrechte.

positiven Recht die Verwirklichung der Einheit von Recht ünd Billigkeit zunimmt, desto weniger wird Veranlassung sein, eine derartige Ausglei­ chung beider festzuhalten. Vom recht-geschichtlichen Standpunkt au» mag man die Schöpfung der Naturalobligation durch die römische Jurispru­ denz al- ein neues Zeugniß ihre- praktischen Geschicks und Scharfsinn­ bewundern") — ein nothwendiger Bestandtheil im System de- heutigen Recht- ist sie nicht mehr").

Zweiter Abschnitt.

Die persönliche Theilnahme.

§. 62.

Gläubiger und Schuldner.

Sinteni« II. S. 17. Dangerow Hl. S. KS. UnterholznerUl. S. 173. R. d. F. II. S. 1.

Koch,

Au- dem Begriff de» Schuldverhältniffes folgt zunächst, daß es ein Recht-verhältniß zwischen „gewissen" Personen ist'). Hierdurch unter­ scheidet eS sich vom dinglichen Recht, bei welchem die berechtigte Person allen übrigen, also keiner bestimmten Person gegenübersteht. Diese- Ver­ hältniß zwischen gewissen Personen ist da- der Berechtigung und Verpflich­ tung. Der Berechtigte, der sich den Willen de- Andern zu seinem Vor­ theil unterwirft, heißt Gläubiger, der Verpflichtete Schuldner. Wenn da- A.L.R. sagt: „wozu gewisse Personen befugt oder verpflichtet sind", so ist die» ungenau au-gedrückt, denn die- Oder kann hier nicht trennen, insofern Beide-, Befugniß und Verpflichtung zusammengehören. Im neueren Recht, in welchem jede Person auch rechtsfähig ist, kann jede Gläubiger oder Schuldner sein. Doch muß auch Handlungsfähigkeit vor­ handen sein, um selbständig in solche Rechtsverhältnisse eintreten zu können. Bei welchen Personen die Handlungsfähigkeit au- allgemeinen theil» na­ türlichen theil- gesetzlichen Gründen beschränkt ist, ist §. 26. erörtert. ES treten hierzu noch einige Beschränkungen, die gewisse Personen für gewisse Geschäfte treffen: diese werden in der Lehre von den Verträgen zur Sprache kommen. Der einfachste Fall ist, daß sich Gläubiger und Schuldner in der Art gegenüberstehen, daß jener nur berechtigt, dieser nur verpflichtet ist — ’•) Kuntz« in Cchletter'- Jahrb. B. 5. S. 1. ••) Windschtid, bi« Actio, Abwehr gegen Muther. 1857. S. 22 ') A.L.R I. 2. §. 122. Ents . B. 4 S. 197. Koch, Beiirth. S. 246.

einseitige Schuldverhältniffe, z. B. Ersatzanspruch an» widerrechtlicher Beschädigung (Delikt), Schenkung. Aber da» Verhältniß kann sich man­ nigfach kompliziren. Zunächst können sich Berechtigung und Verpflichtung kreuzen: jede Person ist Gläubiger und Schuldner zugleich — es ist zu leisten auf Gegenleistung — zweiseitige oder gegenseitige Schuldverhältnisse, z. B. Kauf. Bon diesen wird noch al» eine besondere Art diejenige Klaffe von Schuldverhältniffen unterschieden, bei denen die Ge­ genleistung nicht im Wesen de» Geschäft» begründet ist, sondern nur au» Lußeren Gründen oder zufällig hinzutritt — zufällig zweiseitige, z. B. Vollmachtsauftrag, Leihe, Hinterlegung. In allen diesen Fällen stehen sich nur zwei Personen gegenüber. Sodann kann auf jeder Seite oder auf beiden Seiten eine Mehrheit von Personen am Schuldverhältniß betheiligt sein, und die» wieder auf sehr verschiedene Art. Die Einseitigkeit und Zweiseitigkeit der Obligation wird dadurch nicht geändert, daß mehrere Personen zusammen die Gläu­ biger, mehrere zusammen die Schuldner sind, denn die Berechtigung und Verpflichtung liegt entweder je auf der einen Seite oder auf beiden. Aber e» kommt hier in Frage, ob die Einheit de» Schuldverhältnisse» bewahrt bleibt, oder ob sich daffelbe theilt, ob die mehreren Gläubiger jeder die ganze Leistung oder nur einen Antheil daran zu fordern haben, ob die mehreren Schuldner jeder da» Ganze oder nur einen Theil leisten müssen. E» entstehen folgende Möglichkeiten: da» Schuldverhältniß theilt sich in mehrere Berechtigungen oder mehrere Verpflichtungen, jeder Gläubiger hat nur einen Antheil an der Berechtigung, al» eigne Forderung, jeder Schuld­ ner nur einen Theil der Leistung zu erfüllen; oder da» Schuldverhältniß trennt sich in mehrere selbständige Forderungen und Verpflichtungen, von denen jede neben der andern da» Ganze umfaßt; oder endlich da» Schuldverhältniß verbleibt ungetrennt oder «ngetheilt in seiner Einheit, e» bezieht sich nur auf mehrere Gläubiger oder mehrere Schuldner, so daß zwar jeder da» Ganze zu fordern oder zu leisten hat, aber da» Ganze nur einmal geleistet werden darf, mithin die Leistung de» einen Schuld­ ner» al» Tilgung de» ganzen Schuldverhältniffe» wirkt, die Befriedigung de» einen Gläubiger» die Forderung der anderen Gläubiger ausschließt. Auch hier wieder lassen sich Verschiedenheiten denken, weil die Beziehung de» Schuldverhältniffe» auf die einzelnen Theilnehmer eine verschiedene sein kann. Diese Beziehung ist 1. eine ungleiche: zwar soll dieselbe Leistung jeder Gläubiger zu fordern berechtigt, jeder Schuldner zu gewäh­ ren verpflichtet sein, aber die Forderung oder Verpflichtung entspringt bei Jedem au» einem selbständigen, abgesonderten Recht-grunde: z. B. wenn Mehrere ein Han» bewohnen, au» dem etwa» herabgeworfen worden, so erhält der dadurch Beschädigte eine Forderung gegen jeden, indem jeder selbständig al» Beschädign angesehen wird — aber wenn der eine gezahlt

330

Zweite- Vuch

Die besonderen Privatrechte.

hat, werden die anderen befreit'); wenn Mehrere, jeder besonder-, den B. beauftragt haben, dem C. Kredit zu geben, so haftet jeder der Man­ dataren an» seinem eignen Auftrag, aber jeder von ihnen wird befreit durch die Deckung, die der eine von ihnen dem B. gegeben hat'). Ferner ist e- eine ungleiche Beziehung derselben Verpflichtung auf Mehrere, wenn der Eine zunächst und hauptsächlich, der Andere erst hinterher und aus­ hilfsweise zur Leistung verpflichtet ist — Hauptschuldner und Bürge. 2. Die Beziehung desselben Schuldverhältnisses auf Mehrere ist eine gleiche, wenn jeder Gläubiger dasselbe au- demselben Recht-grunde zu fordern, jeder Schuldner au» demselben RechtSgrunde dasselbe zu leisten hat. Diese Gleichheit der persönlichen Beziehung wird dadurch nicht auf­ gehoben, daß der eine Schuldner nur bedingt oder mit einer Ort»- oder Zeitbestimmung verpflichtet ist4). Hier ist ein GesammischuldVer­ hältniß in seiner Vollendung vorhanden. Wenn eine Mehrheit von Personen in einem Schuldverhältniß betheiligt ist, so ist nach römischem Recht Regel, daß da» Schuldverhältniß sich theilt, die Bewahrung seiner Einheit muß besonder» begründet sein. Der Satz nomina ipso jure divisa — im Erbrecht von besonderer Wich­ tigkeit — ist ein allgemeiner'). Im preußischen Recht ist der entgegen­ gesetzte Grundsatz gutgeheißen. Wenn die mehreren Theilnehmer vertrags­ mäßig zusammengetreten sind, so soll die Gesammtschuld vermuthet, die Theilung muß also ausdrücklich festgesetzt werden"). Wie aus dem SchlußrevisionSvortrag von Suare; zu ersehen, ist diese Abweichung von der Theorie des gemeinen Recht» eine absichtliche, weil man annahm, daß die Theilbarkeit der Obligation wider die Natur der Sache sei, und dem In­ teresse des Gläubigers widerspreche, der grade in der ungeteilten Be­ ziehung der Forderung auf mehrere Schuldner seine Sicherheit finde'). Da hier, wie häufig bei der Bearbeitung des A.L.R., die s. g. Natur der Sache den Ausschlag gegeben hat, unter dieser Natur der Sache sich aber oft weniger ein Raisonnement der Redaktoren al» ein Fortwirken deutsch, rechtlicher Anschauungen zeigt, so fragt sich, ob etwa das ältere deutsche Recht dieser Richtung gefolgt ist. Ihm sind Gesammtschuldverhältnisse nicht unbekannt gewesen, da» Versprechen zu gesammter Hand hatte nicht geringe Bedeutung. Aber die neueren germanistischen Forschungen haben ergeben, daß auch im deutschen Recht die Theilung der Schuld unter die mehreren Verpflichteten als die Regel, die Verpflichtung jedes Einzelnen ’) *) ‘) s) •) ’)

1.1 §. io. 1. 23. D. XIX. 3. l. 52. § 3. D. XLVI. 1. 1. 7. I. 9. §. 2. D. XLV. 2. 1. 11. 8 1. 3. D. XLV. 2. A.L R. I. 5. ?. 424. 450. Bergl. I. 6 §. 30. I. 17. §. 127. 151. Jahrb. «. 41. .

350

Zweite« Buch. Dir besonderen Privatrrchtr. Ihm ist eS ganz gleichgiltig,

Interesse von Allen oder Einem zu fordern.

wer die Verwandelung der Leistung in den Interesse-Anspruch verschuldet hat, dieser Umstand kann nur wichtig sein, wenn sich die Gesammtschuld-

ner unter einander auSgleichen. Dazu kommt, daß eS im A.L.R. nicht an bestimmten Anwendungen deS richtigen Grundsatzes fehlt. Der Be­ vollmächtigte, durch dessen Schuld bei dem Geschäft ein Schaden entstan­

den, muß seinen Mitbevollmächtigten, „soweit diese dem Machtgebcr dafür haften müssen", gerecht werden"). Von mehreren Vormündern muß Jeder dem Pflegebefohlenen für das Versehen des Andern einstehen, und nur bei der Ausgleichung unter einander kann sich der in Anspruch Ge­ nommene an den Urheber halten").

amtenkollegien unterworfen sind, kann

Bei den

Vertretungen, denen Be­

eS eintreten, daß auch diejenigen

einstehen muffen, die am Versehen unschuldig sind, eS vielleicht gar nicht

Sollte eS wohl bedenklich sein, daß ein Erbe,

haben hindern können").

der nach der Theilung auf Grund des §. 131. I, 17. auf das Ganze in Anspruch genommen worden, das volle Interesse dem Gläubiger leisten

muß, wenn auch nicht er, sondern sein Miterbe e» verschuldet hat? Wer

dem Gläubiger

gegenüber

oder einschränken

will,

die Haftung der Gesammtschuldner bedingen

vermischt daS

Verhältniß derselben zu Ersterem

mit dem Verhältniß der Schuldner unter sich.

§. 438. d. T. bietet für

diese Frage keine Antwort und er wird mit Recht nur auf diejenigen Er­ weiterungshandlungen bezogen, die ein Schuldner mit dem Gläubiger vor­ nimmt").

Ganz anders verhält es

sich mit den Folgen des Verzugs, die nach

römischem Recht nur persönlich wirken").

Und dies mnß auch für das

preußische Recht in Anwendung deS §. 438. d. T. behauptet werden. Verzug verwandelt nicht die Leistung in

Der

das Interesse, er läßt erstere

unberührt und fügt ihr nur etwa« bei, der Anspruch wird vergrößert, Auf selche Vergrößerung erstreckt sich die Gesammt-

nicht verwandelt.

1.13. §. 205. •*) II. 18 §. 288. 289. ") II. 10. §. 127. 136. 137. II. 18. §. 305. Strielh 4». 47. S. 292. Da« Nähere unten in §. 154. Der Code a. 1205 verpflichtet die Mitschulduer, den Werth der Sache zu be­ zahlen, nicht aber auf weitere Schadloshaltung. Da« österr. @ef.8. und da« sächs. enthalten hierüber keine Bestimmung Der bairische Entwurf von 1861 Art 229. sagt: „Der Cammtschuldner kann durch seine Handlungen die Verbindlichkeit der übrigen Sammtschuldner nicht erschweren". Da der Entwurf auf dem Standpunkt einfacher Solidarität steht, wird wohl nur die persönliche Wirkung de« Bestehen« angenommen werden müssen, obgleich die Motive, S. 117, darüber zweifelhaft lassen. Die strenge Auffassung der Solidarität, die da« Handelsgesetz­ buch hat, bringt mit sich, daß alle sür da« Bestehen Eine« eiuzustehen haben. 8. 112. 269. 280. 281. u. a. a. St. •«) 1. 34 §. 4. D. XXII, 1. 1. 173. §. 2. de R. J. Samhaber S. 1>4. Koch, R. d. F. II. 33. Wiensteiu S. 519

schuld nicht, sie darf daher den Mitschuldnern nicht auferlegt werden, und die» um so weniger, weil der Gläubiger den Nachtheil, den ihm der Ver­ zug de» Einen bringt, vermöge seine- Wahlrecht» unter allen Schuldnern abwenden kann. E» bleibt übrig die Untersuchung eine» wichtigen Punkte», der an sich nicht in innerem Zusammenhang mit der Gesammtschuld steht, gleich­ wohl von der gemeinrechtlichen Praxi» seit lange her und vom A.k.R. und anderen Gesetzbüchern mit ihr verbunden ist: die Frage, ob der oder die Schuldner, die den Gläubiger befriedigt, einen Au-gleichuugSanfpruch (Regreß) an die übrigen haben"). So unzweifelhaft e» im Begriff der Gesammtschuld nicht liegt, daß die Schuldner unter sich ein AuSgleichungSrecht genießen, ein solche» viel­ mehr nur au» besonderen Grünten gerechtfertigt erscheinen kann, und so gewiß die Quellenzeugnisse de» römischen Recht»") diesen Anspruch zu­ rückweisen — ebenso fest steht e», daß die deutsche Praxi» e» den Schuld­ nern von jeher eingeränmt hat und zwar nicht bloß in Folge einer un­ bestimmten und unbestimmbaren Billigkeit, sondern weil e», wie die neueren germanistischen Untersuchungen ergeben haben"), alte» deutsche» Recht war. Die Reception ist nun einmal nicht bloße» Annehmen, sondern ein kampf- und veränderung-reicher Prozeß und die Romanisten müssen sich darein ergeben, daß da» römische Recht auf deutschem Beden vielfache Verwandlungen erlitten hat. E» ist darum aber auch ein Beweis de» feinen und sicheren praktischen Takt« Savignh'S, daß er diese» Institut int Widerspruch der anderen Romanisten nicht fallen gelassen, daß er ihm eine vollberechtigte Stelle int RechtSshstem errungen hat, wenn auch seiner Ausführung, daß eö schon au» den römischen Quellen zu begründen sei, nicht beigestimmt werden kann. Da» A.k.R. hat zuerst gesetzlich die Praxi» geregelt") und damit viele Streitfragen abgeschnitten, die die Recht-anwendung erzeugt und ”) ALR I 5. §. 443-449. Savigny I. S. 226 f. Bangerem III S. 77 f. (wo die weiteren Nachweisungen au» Praxi» und Literatur', stobbe, zur Ge­ schichte de» deutschen BcrtragSrecht», S. >71. Sanihaber S 192. 211. Koch 9t. d. F. II. S 36 s. Gruchot S. 339. Wienstein S. 520.

Entscheidend ist I. 62. pr. D XXXV. 2: „ei quidem eocii eint, in ea re dividi inter eos debere Obligationen! . . quod ei eocietas inter eoe nnlla fuieeet, in pendeuti eeee ... es cujus bonie detrahi“. Außerdem 1. 71. pr. D. XL VI. 1. Samhaber S. 194. Sergi, den deutschen Gesetzentwurf über Schuldverh. Art. 18. Gemeinrechtliche Praxi»: Seuffert I. Nr 331. VII. 9?r. 158. XVII. Nr. 39. XX. Nr 132. XXII Nr. 237. XXIV. 110. ") Stobbe a. a O. Sachsenspiegel III. 85. $. 1. Kühn« in der preuß. Gericht-zeitung II. S. 87.

Homeyer« Note dazu und

••) Gefolgt sind ihm Oesterr. G.B. §. 896. Code a. 1214. 1215 Da« sächs. G B. hat dagegen §. 1036. die romanistisch« Tbeorie ausgenommen und läßt einen Regreß nur bei besonderer Berabredung eintreten (Gemeinschaft oder Auftrag). Der bairische Entwurf v. 1861 Art. 239. giebt den Regreß.

nicht hat lösen können. ES giebt jedem Gesammtschuldner, der den Gläu­ biger befriedigt hat, den Regreß an seine Genoffen, dessen Zweck eist, im Wege der Berechnung zu ermitteln, wie groß der Antheil jede» Schuldners an der Gesammtschuld ist, und in welchem Verhältniß die Befriedigung zu dem Antheil de» befriedigenden Schuldner» steht. Hier­ aus ergiebt sich zuerst, daß nur derjenige Schuldner von den anderen eine Ausgleichung erhalten kann, der mehr al» feinen Antheil gezahlt hat, zweitens, daß er nicht in Folge einer Klagenabtretung an die Stelle de» Gläubigers tritt, um dessen Recht aufs Ganze gegen die übrigen Gefammtschuldner geltend zu machen"). Seinen Antheil muß er immer selbst tragen und die Erstattung de» Mehrgeleisteten verlangt er kraft de» ihm vom Gesetz gegebenen Rechts. ES kann fraglich sein, ob das AuSgleichungSrecht mir in den Fällen verliehen ist, wo da- A.L.R. eine Gesammt­ schuld annimmt, also bei gemeinschaftlicher und gleichzeitiger vertrags­ mäßiger Verpflichtung und in den Fällen gesetzlicher Entstehnng, mithin da nicht, wo die Parteien in getrennten oder nngleichzeitigen Verabredun­ gen die Gesammtschuld festsetzen. Die richtige, in der Praxis gebilligte Ansicht giebt den Regreß allgemein'"), also auch in den letzten Fällen, denn §. 424. erschöpft nicht daS Vorkommen der Gesammtschuld, sondern sagt nur, daß in einem bestimmten Fall eine solche angenommen, vermu­ thet werden soll, und §. 443. schränkt die Anwendbarkeit des Regresse» nicht auf diesen Fall ein. Dieser Ansicht scheint zu widersprechen, daß mehreren Bürgen, die sich besonder» verpflichtet haben, eine Ausgleichung unter einander nicht zustehe""). Allein wenn auch in diesem Fall die Mitbürgen Gesammtschuldner de» Gläubigers sind, so darf doch nicht übersehen werden, daß diese Gesammtschuld etwas Abweichende» hat. Der Bürge ist nämlich nicht in dem Sinne mit dem Hauptschuldner solidarisch verbunden, daß er mit ihm au» derselben Obligation oder demselben Ereigniß, dem Darlehn, Delikt u. s. w. haftet, sondern er übernimmt die Verpflichtung des letzteren durch die Bürgschaft, d. h. durch ••) Wie die« Bornemanu II. S. 662. behauptet. Die Praxi« verwirft diese Auf­ fassung. Simon und v. Stramp ff Richtsprüche B. 3. S. 90. Entsch. 8.11. S. 303. Rr. II. B. 12. S. 169. Strieth. 8. 6. S. 342 f. B. 34. S. 168. 174. 178. Selbst im Wechselrecht würde dem einen von mehreren Ausstellern, der den Gläubiger gegen Indossament befriedigt hat, die exceptio doli entgegenstehen, wenn er auf Grund M Indossament» die übrigen Aussteller auf die ganze Summe belangen wollte. Seuffert B 10. Nr 205. (auch bei Gruchot 8. 3. E. 342 ) Die Frage, ob mehrere Wechselaursteller gegen einander regreßpflichtig sind, entscheidet sich nicht nach Wechselrecht, sondern nach den Bestimmungen de« A.LR. Seuffert «. 25. Nr. ll.ROHG. 1.29. IO") Koch, Komment. Note 39 zu §. 445. d. T.

*"') A L R. I 14. S. 379. Im gemeinen Recht ist da« Regreßrecht de« Bürgen gegen den Mitbürgen bestritten. Dergl. Savigny Obl.R. B. 1. S. 273 fg. Girtanner, die Bürgschaft nach gem.Dv.R. S. 538. Dagegen scheinen zu sprechen: I. 39. 0. XLVI. 1. 1. 11. C. VIII. 40. §. 4. J. III. 20., dafür 1. 17. 36. D. XLVI. 1. Dagegen da« OA.G. Dresden (Annalen B- 6. S. 134.)

eine besondere Obligation von selbständiger Natur und selbständigen Wir­ kungen, und dasselbe gilt von jedem einzelnen Mitbürgen, der sich beson­ der- verbürgt hat, gegenüber den anderen: eS handelt sich hier also nicht um verschiedene Verpflichtung-akte zu einer und derselben Obligation, sondern um getrennte Verpflichtung-gründe, deren jeder unabhängig seinen eigenen Regeln folgt. Darum schreibt hier da- Gesetz vor, daß, weil an sich eine Gemeinschaft zwischen mehreren Bürgen nicht anzuneh­ men ist, eine solche al- Grundlage de- RegrefleS besonder- begründet sein muß, wie die- in Anwendung de» §. 424. I, 5. durch Verbürgung Meh­ rerer in einer Urkunde geschehen kann. Bedenklich aber ist eS, hierauden allgemeinen Satz zu entnehmen, daß die Ausgleichung nur bei gleich­ zeitig — in einem Akte — übernommener Gesammtschuld stattfinde, und auSgeschloflen sei bei getrennt erfolgter Verpflichtung. Der Regreßanspruch setzt zwar Gemeinschaft der Schuld, de- Verpflichtung-grunde», nicht aber Gleichzeitigkeit de- Verpflichtung-aktes voraus'"). Die Verpfändung mehrerer Grundstücke für dieselbe Forderung er­ zeugt ein Gesammtschuldverhältniß, und demgemäß einen Anspruch auf Au-gleichnng für den Grundbesitzer, der die Forderung bezahlt hat, gegen die Besitzer der mitverpfändeten Grundstücke. Die Konkursordnung von 1865 gab auch den hinter der bezahlten Post auf dem einen Grundstück eingetragenen Gläubigern, welche in Folge jener Zahlung ausgefallen waren, einen Anspruch auf die Kaufgelder der übrigen Grundstücke, so weit diese dort auf die bezahlte Post fallen würden, durch da» Gesetz vom 12. März 1869 ist aber dieses Recht wieder beseitigt""). Gleichzeitigkeit der Verpfändung der mehreren Grundstücke ist nicht erfor­ derlich'"). Da- A.L.R. stellt folgende Au-gleichungSgrundsätze auf: Zunächst entscheidet der Inhalt de- unter den Mitschuldnern be­ stehenden Vertrage»; fehlt ein solcher, so entscheiden die au» dem über­ nommenen Geschäft oder au» dem daraus gezogenen Vortheil sich ergeben­ den besonderen Verhältnisse'"), zuletzt die Regel, daß die Antheile gleich '•*) L. M. ist Koch, R. d. F II S. 39., der gleichwohl im Kommentar Rote 39. zu §. 445. d. T. unter Bezugnahme ans Cntsch. B. I I. S. 306. B 12. S. 171. die abweichende Praxis bezeugt, und Wienftein S. 522. Für die oben vertretene Ansicht ist Samhaber S. 212. Ueber die Regreßpflicht mehrerer Aussteller eine« Wechsel« unter einander, wenn der Eine al« Hauptschuldner, die Anderen nur al« Bürgen haften wollen, s. R O.H.G. II. 80. '”) Ges. v. 12. Marz 1869 Art. I enthalten.

'") Entscheid. B. 12. €>. 168. S. 168.

§ 56.

Uebergangsbestimmungen sind im Art. V.

Striethorst B. 6 S. 342.

Striethorft B. 34.

*•») Es kann zweifelhaft sein, ob der Ehemann, der eine mit seiner Frau gemein-

garster, Preuß, Prtrairecht. I, 3. ilufl,

23

sind. Ist ein Mitschuldner unfähig oder unvermögend, so muß sein au6» fallender Antheil Allen, den Regreßsucher eingeschloffen, zur Last gelegt werden. Aufrechnung der Regreßforderung mit einer anderen Schuld ist ihm gegenüber nur demjenigen Mitschuldner gestattet, dem die Gegenfor­ derung gegen ihn zusteht, und für da», was er in Folge der Ausgleichung von dem einzelnen Mitschuldner zu fordern hat, haften ihm die anderen nicht solidarisch. Zur Sicherung de» Regreßanspruch» hat jeder Gesammtschuldner da« Recht, von dem zweifelhaft gewordenen Genoffen Sicher­ stellung zu verlangen. Hat der vom Gläubiger in Anspruch genommene Schuldner seine Genoffen zum Prozeß zugezogen, so dürfen ihm diese bet der späteren Ausgleichung keine Einreden entgegensetzen, die sie ihm zur Vertheidigung gegen den Gläubiger an die Hand zu geben unterlaffen haben. Umgekehrt aber werden ihm die Einreden nachtheilig, die die Mit­ schuldner gegen den Gläubiger hätten erheben können, wenn sie zum Pro­ zeß zugezogen worden wären"'). Zu bemerken ist noch, daß zwar der gegenseitige Regreßanspruch auch bei widerrechtlicher Beschädigung anerkannt ist, bei vorsätzlicher Beschädi­ gung aber die AuSgleichung-summe, die der zu zahlende Mitverpflichtete zu erhalten hätte, der OrtSarmenkaffe zufallen soll"'); daß, wenn bei Auflauf und Tumult ein Schaden geschehen, die Urheber und Theilnehmer deffelben keinen Regreß unter einander haben, die Zuschauer aber, die dem Beschädigten auch solidarisch haften, unter einander gleiche Theile, von den Urhebern und Theilnehmern da» Ganze al» Ausgleichung ver­ langen dürfen'"). Insofern der Inhalt der Obligation durch da» Ver­ schulden eine» Schuldners erweitert worden, muß dieser die Erweiterung für sich allein tragen und dafür den Uebrigen bei der Ausgleichung auf­ kommen; so bei mehreren Bevollmächtigten"'), bei Vormündern'") und Beamten'"). schastlich eingegangene Schuld bezahlt, einen Regreß gegen seine Frau hat. Mit Rückficht darauf, daß bei solcher Schuld die Vermuthung dafür spricht, daß sie zum Vortheil der Ehe, zur Bestreitung der ehelichen Lasten eingegangen, und für diese die Sorge dem Mann obliegt, wird sein Regreßanspruch zu verneinen sein. Heuser, Ann. VI. S. 86. *••) Koch, R- d. F. II. S. 43. AL.R. I. 5. §. 431. A.G.0.1.17. §. 19.10.

I. 6. §. 33-35.

Siehe hierüber Truchot v. 3. S. 497 f.

Ges. v. 15. Ang. 1835 (®.@. S. 170 ) §. 11.

'«) 1.13. $. 205.

“•) II. 18. §. 288. 289.

"') II. 10. §. 136. 137.

$. 64.

Unbestimmtheit de- Gläubigers.

355

§. 64. Unbestimmtheit des Gläubigers. 31.8.«. 1.11. §■ 401. 653. I. 15. 5. 47. I. 16. § 28. B. O. v. 16 Juni 1819 (Ges. S. 157.). Kab.O. v. 3. Mai 1828 (Ses S. 61). Ges. v. 17. Juni 1833 (Ses.S. 75.). Ses. v. 4 Mai 1843 (Ses.S. S. 177.). Ges. v. 4. Mai 1843 (Ges. S. 179.). Ges. v. 9. Novbr. 1843 (Ges. S. 341). — Koch Pr-R. II. 438. R. d. F. III. 791 f. — Duncker über Papiere auf den Inhaber in der Zeitschr. f. deutsche« R. B. 5.

S- 30.1841. Savigny, DM «. II. S. 88. 92. 1853. Thöl. Handelsrecht I. z. 51—56 Renaud, Beitrag z Theorie der Oblig. auf d. Inhaber in der Zeitschrift f. deutsche« R. B. 14. S- 315. 1853. Ggngler, deutsches Priv.R. S.

170. 1854.

Gerber, deutsche« Priv.R. 8. A. §. 161. S. 405

Bluutschli,

deutsche« Priv.R. 3. A. S. 503 fg. veseler, deutsche« Priv.R. B. 3. S. 319 f. 1855. 2. A. S- 313 f. Jolly im Archiv f. deutsche« Wechselrecht. B. 4- S. 383 f. Eigenbrodt bei Gerber und Jhering B. 2. S. 181. 1856. Unger, die rechtl.

Natur der Jnhaberpapiere. 1857. Kuntze, die Lehre von den Jnhaberpapieren. 1857. Derselbe in der 3. A. v- Holzschuher, Theorie und Kasuistik B. 2. S.

185 fg. 1864. Renaud in der kritischen Ueberschau, B. 5. S- 397.1857. Hoff­ mann im Archiv f. deutsch. Wechselrecht, v. 5. S. 256. 1857. Belker in s. und Muther'« Jahrb. de» gern, deutschen Recht«, v. 1. S- 266. 361. 1857. Jolly in Goldschmidt'« Zeitschr. f. d. gesammte HandelSr. B. 1. S. 177. 333.1858. Renaud

das. S. 461.

Düring das. v. 2. S. 545. 1859

Kuntze das. S- 570.

Gold­

schmidt in s. Zeitschr. v. 3. S. 274 f. 1860.

Wenn gesagt wird, da- Schuldverhältniß sei ein Recht-verhältniß zwischen „gewissen" Personen'), so ist damit au-gedrückt, daß sich Gläu­ biger und Schuldner al- individuell bestimmte Personen gegenüberstehen müssen. Der Gläubiger muß wissen, von wem, der Schuldner, an wen zu leisten ist'). Dem römischen Recht ist auch hierüber nie ein Zweifel aufgestoßen. Wesentlich darauf beruht der scharfe Unterschied von persön­ lichem und dinglichem Recht. Im deutschen Recht giebt e- aber Institute, deren Charakter mehr in der Mitte zwischen diesen beiden Begriffen schwebt. Nicht ein bestimmter Gläubiger hat bei ihnen von einem bestimmten Schuld­ ner etwa» zu fordern, sondern die Person de- Berechtigten oder die deDerpflichteten bestimmt sich durch den Besitz einer gewissen Sache, eine» Grundstücks. Jeder Besitzer desselben hat zu leisten oder zu empfangen. Doch fehlt bei diesen Rechtsverhältnissen (den Reallasten) da- Moment der Bestimmtheit der Personen nicht, da e» sich durch eine sofort erkenn­ bare, dauernde Beziehung feststellt. Tritt diese ein, so ist die volle Be­ stimmtheit vorhanden. Biel schwieriger aber ist e-, diese- wesentliche Merkmal einer Obligation bei einem anderen Recht-institut nachzuweisen, dessen erste Spuren sich schon Jahrhunderte vor der Reception im ger­ manischen Europa verfolgen lassen, dessen weitere Entwickelung dann unter dem Druck de- recipirten Recht- längere Zeit gehemmt worden ist, im ') i. 2. §. 122. ») Entsch. B. 4. S. 197.

modernen Verkehr aber sich vollendet und für diesen eine ungemein groß« Wichtigkeit und eine große Verbreitung erlangt hat — dem Institut der Inhaberpapiere (lettres au porteur)’). Im Allgemeinen versteht man darunter solche Schuldverschreibungen eines bestimmten Schuldner-, in denen sich dieser verpflichtet, den Inhaber de- Papier- — besten Per­ son ihm zunächst noch gänzlich ungewiß ist — al- Gläubiger anzunehmen und ihm die verschriebene Summe zu zahlen. Da- A.k.R. erwähnt an wenigen Stellen solcher Papiere, ohne ihren Begriff anzugeben. E- be­ trachtet sie al- möglichen Gegenstand eine- Darlehn-, als Zahlungsmittel, erklärt ihre Bindikation wie beim baaren Gelde für unzulässig, und be­ trachtet sie al- Bermächtniß einer Sache im Gegensatz zum Vermächtniß einer Forderung'). Aber in allen diesen Stellen ist nur vorübergehend von ihnen die Rede. Auch die neueren Gesetze haben sich wohl mit ein­ zelnen Eigenthümlichkeiten beschäftigt, ohne aber sonst ihr Wesen im Ein­ zelnen zu bestimmen. Da- Gesetze-material ist überhaupt für die civi­ listische Konstruktion dieses Recht-instituts sowohl in Preußen al- ander­ wärts noch wenig ergiebig. Die Wiffenschaft hat sie, geleitet von den Erscheinungen im Verkehr, selbständig in die Hand nehmen müssen, und eS ist dabei eingetreten, was in solchem Fall immer einzutreten pflegt, daß „beinahe jeder Schriftsteller die Ansicht seiner Vorgänger widerlegt, seine eigne Behauptung aufstellt, um von seinem Nachfolger die gleiche Behandlung zu erfahren"5). Einen festen dogmatischen Kern, der der weiteren wiffenschaftlichen Entwickelung oder organischen Umwandelung fähig wäre, giebt eS noch nicht, nur verschiedene neben einander stehende Theorien. Nicht gleich von Anfang erschienen die Inhaberpapiere so völlig frei von jeder persönlichen Bestimmtheit de- Gläubigers wie im heutigen Ver­ kehr. Sie waren ausgestellt auf einen genannten Gläubiger und hatten nebenbei die Inhaberklausel, oft noch mit dem qualifizirenden Zusatz: an den getreuen Inhaber'). Man ist nicht einig darüber, ob diese Neben­ klausel eine wirkliche Inhaberklausel sei, denn die älteren Juristen faßten •) geschichtliche Notizen giebt besonders reich Knntze a. a. O. S. 33—93., ferner Duncker a a. O. S. 33. Gengler S. 170. Ligenbrodt bei Gerber und Jhering B 2. S 181. und Kuntze bei Goldschmidt 8- 2. S. 570. Stobbe das. 8.11®. 397. In Deutschland lassen sich die Spuren bis in da» 14. Jahr­ hundert zurück verfolgen, reine Inh. Pap. (an jeden Inhaber zahlbar), kommen aber wohl erst seit dem 17. Jahrh vor, namentlich am Ende desselben in Kur­ sachsen, wo die Verlegenheiten, in denen die StaatSstnanzen sich befanden, dazu führten. Duncker theilt Urkunden mit au» 1306.1307. 1334.1360, nach denen „wer die Handfeste inne hat, dem man die Gült antworten soll." E» sind Ur­ kunden über Rentenkaufe. *) A.L.R. 1.12. §. 415, vergl. mit §. 414. *) Unger a. a. O. S. 1. *) Duncker S. 40 f.

sie auf bald al- Ermächtigung des genannten Gläubigers, das Papier und damit die Forderung selbst an Andere zu übertragen, bald als Beifügung eines Zahlungsempfängers anstatt deö Gläubigers (Mandatars oder eines solutionis causa adjectus), und es war daher auch bestritten, ob der Schuldner an jeden Inhaber oder Dorzeiger des Papiers zu zahlen oder ob er noch dessen Legitimation zu prüfen habe'). Solche Papiere sind heut wohl seltener im Gebrauch, meist sind sie schlechthin auf den Inhaber gestellt; eS hat daraus der Schuldner die Verpflichtung, jedem Inhaber zu zahlen, und weder das Recht noch die Pflicht, seine Legitimation zu prüfen. Daraus ergeben sich als weitere Eigenthümlichkeiten, daß sie ohne die besondere Form eines Rechtsakts aus Hand in Hand gehen und weil ihnen jedes Merkmal einer persönlichen Zugehörigkeit fehlt, daß sie nicht vindizirt werden können. Mit Unrecht hat man zuweilen unter die Inhaberpapiere auch eine Menge von Urkunden gerechnet, die im täglichen Verkehr vorkommen, und Bescheinigungen darstellen, daß eine Leistung ge­ schehen, für welche die Gegenleistung noch zu erwarten ist, Abonnements­ karten aller Art, FahrbilletS u. dergl.'). Diese Schriftstücke haben die Natur von Quittungen und Legitimationen; es ist nur eine äußere Aehnlichkeit mit den Inhaberpapieren, daß sie namenlos ausgestellt sind — nicht um eine leichte BerkehrScirculation möglich zu machen, sondern auS anderen Gründen der Bequemlichkeit'). Die eigentlichen Jnhaberpapiere, welche ein ZahlnngSversprechen an einen zur Zeit noch unbekannten Be­ rechtigten enthalten, dessen Person sich lediglich dadurch bestimmt, daß er Inhaber deS Papiers ist, hat man in sehr abweichender Weise juristisch zu konstruiren versucht. Die wesentlichste Schwierigkeit bereitet hierbei der Umstand, daß sie ihrer Natur nach mit dem Grunddogma deS Obli­ gationenrechts von der individuellen Bestimmtheit der durch die Obligation 7) Duncker das. Eigenbrodt a. a. O. Kuntze bei Goldschmidt B. 2 S. 570 f. Bei diesen Schriftstellern finden sich auch die weiteren Nachweisungen au« den Schriften älterer Juristen. 8) Die« hat namentlich Unger gethan, S. 6. 89. 95. 106. Gegen ihn Better in s. und Muther'S Jahrb B. 1. S. 271. 307 f. Renaud in der krit. Ueberschau B. 5. S. 406. Kuntze betrachtet solche Schriftstücke al« uneigentliche Jnh.-Papiere, qualifizirte Legitimationspapiere.

•) Siehe die Note 6. citirten Better, Renaud und Kuntze bei Holzschuher a. a. O. 11. S. 188. 189. Die Inhaberklausel ist nicht zu Gunsten de« Inhaber«, sondern zu Gunsten de« Aussteller« beigefügt, welchem die Mühe der Legitimationsprllsung erspart werden soll; folglich ist der Präsentant al« solcher nicht Gläubiger. Hier­ her gehören auch die Dersicherungspolizen (f. Heuser, Annalen, B. 12. S. 330, bes. 336.; Goldschmidt, Zeitschr. lb. 3. S. 191., LParkaffentücher, die auf den Namen eine« bestimmten Berechtigten au«gestellt sind (Reglement vom 12. Dezbr. 1838. §. 14. 22. Ges.S-mnil. 1835. S. 5 Gruchot II. 426. VI. 403. Entsch. B. 47. S. 424. Stricthorst B. 65. S. 77.), SeehandlungS-Obligationen (Ma­ th!«, jur Monat«schr. B. 3. S. 129). Leben«versicherung«polizen ans den Inhaber: Goldschmidt, Zeitschrift f. Handelsrecht, B. 3. S. 191. — Dresdner Annalen B. 5. S. 51.

verbundenen Personen direkt in Widerstreit zu stehen scheinen, und die größte Mühe mußte daher darauf verwendet werden, diesen Widerstreit zu beseitigen oder zu rechtfertigen. Daß das römische Recht keine a«Sreichende Erklärung für ein Recht-institut geben kann, welches ihm völlig fremd gewesen, ist nicht auffallend — aber wenn man dem modernen RechtSleben weder die Befähigung noch die Berechtigung absprechen darf, neue Recht-bildungen zu erzeugen, so ist e» mehr als bedenklich, diese nicht au- ihrer Eigenartigkeit, sondern nach Analogien zu erklären, die dem römischen Recht entlehnt sind. Indem hier eine kurze Uebersicht der verschiedenen bisher aufgestellten Theorien gegeben werden soll, können zwei al- allgemein jetzt verworfen von vornherein bei Seite bleiben, nämlich die eine, welche da- Inhaber­ papier als Papiergeld (konventionelle- Papiergeld)"), die andere, welche e- als Handel-waare") auffaßt. Doch muß bemerkt werden, daß da» A.L.R. an einer Stelle") diese Papiere al- Zahlungsmittel ansieht; bei der nur gelegentlichen Erwähnung derselben kann daraus aber nicht ge­ schloffen werden, daß ihr Begriff damit erschöpfend gegeben sein soll"). Im Uebrigen scheiden sich die Theorien hauptsächlich in zwei Gruppen. Die eine sieht im Papier nicht- weiter, al- da- Dokument über eine Schuld (Schuldschein), die andere identifizirt Schuld und Papier. Die erstere schließt sich enger an die Grundsätze de- gemeinen Recht- an, die andere entfernt sich von ihnen, konsttuirt eine eigenthümliche Recht-bil­ dung und verwendet die Sätze de- gemeinen Recht- nur al- Analogien. Die erste Gruppe wird vertreten von Duncker, Savigny, Koch, Thöl, Renaud. Sie Alle nehmen ein materielle» Schuldverhältniß an, welche- durch da- Papier nur bekundet wird, und müssen deßhalb die Frage beantworten, wie ein solche» materielle» Schuldverhältniß zwischen einem bestimmten Schuldner und einem unbestimmten Gläubiger rechtlich denkbar sei. Savignh, indem er auf dem Standpunkt de» römischen Rechts stehen bleibt, verneint die- in Betreff derjenigen Inhaberpapiere, die sich auf Privatgeschäfte beziehen, und hält sie für unzulässig, er be­ trachtet die im Handel gebräuchlichen Institute de- Wechsel» und der SeeversicherungSpolize al- Singularitäten, die Staat-obligationen al» nicht *•_) Ansicht Suchay's im Archiv f civil. Praxi« B. 10. S. 152. Gegen ihn spricht nicht bloß, daß die J.P. keinen Zwa«g»cour» haben, sondern auch, daß ihnen die Eigenschaft, ein allgemeiner Werthmeffer für andere Gegenstände zu sein, abgeht. Thöl a. a. O. §. 54b.

Ansicht Mühlenbruch'«, Leisten, 3. A. 6. 460. Handelswaare, Gegenstand M Börsenverkehrs ist zwar da« J.P., aber dieser Umstand ist für die Erkenntniß sei­ ner rechUichcn Natur ohne Einfluß. Thöl a. a. O. §. 54b. **) I. 16. §. 28.

Siehe unten §■ 91. bei Note 3.

*’) Koch, Pr R. B. 2. S. 438. Note 6. Uebrigen« ist in Entsch. B. 17. S. 156. diese Ansicht nicht ausgesprochen, vielmehr wird hier der Inhalt de« Recht« au» dem JnhPapier al« Forderung einer Summe Gelde» bezeichnet.

§. 64.

Unieftinnntheit des Gläubigers.

359

unter dem privatrechtlichen Schutz de» Richter» stehend, Pfandbriefe und Aktien aber, soweit diese letzteren nicht Antheile am Eigenthum einer in­ dustriellen Anstalt (Stammaktien), sondern Schuldbriefe (Prioritätsaktien) find, nur weil durch Gesetze zugelafien, für rechtSgiltige Schuldverschrei­ bungen über Gelddarlehne, bei denen der Gläubiger zwar der Eigen­ thümer de» Papiere» sei, aber weil mit dem thatsächlichen Besitz stet» die Vermuthung de» Eigenthum» verbunden"), der Besitzer (Inhaber) dem Schuldner gegenüber die Rechte de» Eigenthümer» auSüben, und der Schuldner den Besitzer al» Eigenthümer annehmen könne. Die Uebertragung geschieht- wie bei dem Eigenthum durch bloße Uebergabe, weil die Berechtigung (da» Forderung-recht) mit dem Eigenthum am Papier über­ geht. Dieser Ansicht schließt sich am engsten Renaud") an, indem auch er nicht den Inhaber, oder den gutgläubigen Inhaber an sich, sondern den Eigenthümer de» Papier» al» Gläubiger, und den Inhaber nur ol» zum Zahlungsempfang legitimirt ansieht. Der Eigenthümer soll der bestimmte Gläubiger, mithin der Grundsatz gerettet sein, daß auch hier die Obligation nur zwischen bestimmten Personen bestehe. Allein dem Schuldner gegenüber giebt da» Eigenthum am Papier keine Bestimmt­ heit de» Gläubiger», denn diese müßte vorau-setzen, daß der Schuldner von dem Eigenthum der bestimmten Person Kenntniß erlangt habe. Die von Savigny an den thatsächlichen Besitz geknüpfte Vermuthung für da» Eigenthum de» Inhaber» an Papier und Forderung ist keineswegs an sich begründet und wie die Succession in da» Eigenthum am Papier die Succession in die Forderung mit sich ziehen kann, bleibt unerklärt. Thöl"), der ebenfalls im Papier nur eine Beweisurkunde über die For­ derung und die Nachweisung der Legitimation sieht, will weder den Eigen­ thümer noch jeden Besitzer al» Gläubiger gelten lasten. Ihm ist die Ver­ bindung der Gläubigerschast mit dem Eigenthum rechtlich nicht nothwendig, denn nicht die Forderung ist um de» Papier» willen, sondern diese» für jene vorhanden: der wahre Gläubiger ist derjenige, welcher zuletzt in gutem Glauben da» Papier mit dem Gläubigerwillen erworben hat. Wodurch aber wird hier für den Schuldner die bestimmte Kenntniß de» ihm gegenüber Berechtigten erworben? Unerklärt bleibt, wie der unredliche Veräußerer eine» solchen Papier- da» Recht, d. h. da» Eigen­ thum am Papier und damit die Forderung, dem wenn auch gutgläubigen Erwerber übertragen kann, warum vom Schuldner bi» auf Gegenbeweis, der zwar zulässig aber schwer zu führen, der Inhaber al» Gläubiger oder al» Mandatar de» Gläubiger» angesehen werden soll. Und endlich, warum geht mit der bloßen Aushändigung der Beweisurkonde die Forderung '«) S. 117. 135. ") Zeitschr. s. deutsche» R. v. 14. S. 326 s. 337 f. Krit. Ueberschau B. 5. S. 307. ") 5. 54 d. 54 c.

360

Zweite« Buch

Die besonderen Privatrechte.

selbst über? Koch") bezeichnet den DarlehnSgeber, b. h. den ersten Nehmer al» den bestimmten Gläubiger. Er hält eS für unerheblich, daß dieser im Papier nicht genannt werde, weil der Schuldschein für daS Darlehn nichts Wesentliches sei. Die Eigenthümlichkeit der formlosen Uebertragung erklärt er auS einer besonderen Verabredung zwischen dem Schuldner und ersten Nehmer. Aber eS ist hiergegen einzuwenden, daß der Schuldner meist auch den ersten Nehmer nicht kennen lernt, daß der Schuldschein bei diesen Geschäften keineswegs unerheblich ist und etwa auch fehlen könnte, wie beim Darlehn, und daß die Verabredung in Be­ treff der formlosen Uebertragung niemals stattfindet, eine solche Verab­ redung aber zu fingiren, eine willkürliche Annahme ist. Auch Iollh") bezeichnet den ersten Nehmer als den eigentlichen Gläubiger, der zugleich al- Vertreter des eigentlich berechtigten Empfängers zu denken sei. Doch den ersten Nehuier alS Vertreter aller folgenden Inhaber zu denken, ist ebenfalls ganz willkürlich. So sind von den Schriftstellern der ersten Gruppe wohl alle Möglichkeiten erschöpft, um die Person des rechten Gläubigers zu finden, und alle diese Möglichkeiten haben sich als ungenügend erwiesen; wesentlich deßhalb, weil sie die Begründung der Gläubigerschaft mit dem Erwerb deS Papieres zusammenfallen lasten, während, wie später zu zeigen, nicht dieser, sondern die Präsentation deS Papiers bei dem Schuldner da­ entscheidende Moment ist. Die andere Gruppe der Schriftsteller erblickt im Papier selbst die Obligation, verwirft also die Annahme, daß e- nur Beurkundung eine­ materiellen Schuldverhältnisses sei. Wie aber die Papierobligation auf­ zufasten, darüber weichen sie ab. Zuerst hat Hoffmann") behauptet, da- Papier stelle ein durch sich selbst bestehende» Geldvcrsprechen dar, welche- von seinen materiellen Unterlagen entbunden, an da- Papier ge­ knüpft und durch dastelbe beurkundet sei. Diese- Papier sei mehr albloße- Papier, eS sei auch Schuldschein (formale- Geldversprechen oder Einlösungsversprechen), aber noch weit mehr, nämlich Zahlungsmittel im Verkehr, vermöge welcher Eigenschaft jeder Besitzer deS Papiers (als red­ licher vermuthet bis zum Erweis deS Gegentheils) al- ursprünglicher, selb­ ständiger Gläubiger gelte. ES ist aber wenig oder nichts gewonnen, wenn man das Papier als Formalkontrakt auffaßt, denn das kann wohl eine generische, aber nicht eine spezifische Bezeichnung sein, und die ganze Dar­ stellung ist mehr Beschreibung alS Erklärung. Unger behandelt die Jnhaberpapiere als die Literalkontrakte des modernen Recht-"). Es ") ••) *’) ,0)

Priv R. a. a. O. Archiv f deutsche« Wechselr. B 4. K. 385 f. Archiv s. deutsche» Wechselr. 5. S. 258 f. S. 66 fg. 85 f.

ist die Schrift nicht bloß Beweis einer Obligation, sondern selbst der EntstehungSgrund derselben. Der Aussteller ist zur Zahlung verpflichtet, weil er sie in dieser Schrift versprochen hat. Gleichgiltig ist e», wa» zur Ausstellung der Schrift Veranlaffung gegeben, einmal ausgestellt ist sie losgelöst von diesem Veranlassung-grunde. Hat der Aussteller Geld als Darlehn aufnehmen wollen, so ist doch vom Moment der Ausstellung de» Papiers die DarlehnSobligation verschwunden und eine einseitige Schrift­ obligation entstanden, die zwischen dem Aussteller und dem ersten Nehmer, also zwischen bestimmten Personen geschloffen wird; sie konstituiren ein abstraktes Nomen"). Diese Auffassung bringt die Inhaberpapiere in Verwandtschaft mit dem Wechsel, aber eS wird hierbei außer Acht gelaffen, daß der Wechsel ein im positiven Recht anerkannter, stets von den Par­ teien wirklich gewollter, selbstSndiger Obligation-grund ist, der in der Ur­ kunde ausdrücklich ersichtlich gemacht ist, bei den Jnhaberpapieren aber keineswegs die Absicht der Parteien, eine von allem sonstigen Recht-grund losgelöste Obligation zu erzeugen, au» den Worten der Urkunde „an den Inhaber" zu entnehmen ist und daß eine solche Auffassung im positiven Recht keinen Anhalt findet, ja die Praxi- derselben in vielen Fällen der Anwendung widerspricht, in denen das zu Grunde liegende materielle Schuldverhältniß entscheidend bleibt für die künftige Zahlung"). Die Be­ gebbarkeit deS Papiers faßt Unger al- Delegation in sehr künstlicher Weise auf: eS soll der Aussteller im Papier außer dem abstrakten Zah­ lung-versprechen noch ferner die Vollmacht an den Nehmer ausgedrückt haben, mit jedem Dritten in seinem Namen die Novation vorzunehmen, und diese Vollmacht pflanze sich auf jeden ferneren Nehmer fort"). Hier­ nach muß also der äußerlich so einfache Akt der weiteren Veräußerung durch Uebergabe den Abschluß einer Delegation im Namen deS Aussteller­ enthalten. Aber die Vollmacht ist eben nur eine Vermuthung, für die in dem thatsächlichen Hergang der ersten Ausgabe des Papier» nicht» spricht, und wie in dem formlosen Hingeben eine Delegation zu erkennen sein •*) S. 94.: „Die Ausstellung eine- Ordre- oder Inhaberpapiers ist nicht» andere«, al» die Uebertragung eine» abstrakten Forderung-recht» al» die sua vi ac poteatate wirkende Konstituirung eine- Nomen". **) R Koch bei Gruchot X. 500. Bei Leben»verstcherung»-P»licen kann der Ver­ sicherer dem Inhaber, wenn er da» Kapital erheben wjll, noch die Einrede entgegenstellen, daß z. B. bei dem Abschluß der Versicherung di« Gesundheit de» Nehmer» falsch angegeben worden, eine exceptio doli. Renaud in der krit. Ueberschau B. 5. S. 409. Wie oben Note 8. gezeigt, gehören zwar Policen nicht zur Kategorie der Inhaberpapiere; daffelbe gilt aber auch von diesen. Art. 362. de» deutschen Gesetzen!« über Schuldverh. sagt: der Schuldner kann der Forderung

au» der auf den Inhaber lautenden Urkunde Einwendungen entgegensetzen, welche gegen di« Giltigkeit der Urkunde gerichtet sind, oder au» der letzteren hervorgehen, »der welche ihm gegen den jeweiligen Inhaber znstehen, nicht aber Einwendungen, welche er gegen Vormänner de» Inhaber» gehabt haben würde. «) L. 111 ff. des. S. 115.

Zweite» Buch. Die besonderen Privatrechte.

362 soll,

nicht erllärlich.

ist

Kuntze trennt die obligatorische und sachliche

Seite de- Rechtsverhältnisses.

Da» Papier ist Sache und den rechtlichen

Beziehungen einer solchen zugänglich und unterworfen (Besitz, Eigenthum),

aber das Recht, welches durch das Papier ausgedrückt, von ihm getragen

wird,

ist

eine

Obligation.

Diese Zweiheit von Obligation und Sache

wird dadurch gehoben, daß „das Papier zum Symbol oder Organ, d. h.

zum unmittelbaren Ausdruck und Vehikel der Obligation gestempelt, diese al» die ideelle Substanz dem Papier inkorporirt, dessen einverleibte oder eingeborne Seele ist.“4). So ist also zunächst das Papier nicht Grund, sondern Mittel für die Entstehung der Obligation,

der Grund ist der

Verpflichtungswille de» Aussteller»; da» Papier, ist ferner da» Mittel, die

Obligation in Umlauf zu setzen, mit dem juristischen Besitz des Papier­ ist diese erworben, die Uebergabe hat für die Obligation den Rechtseffekt

der Novation; das Papier ist endlich da» Mittel, die Obligation zu tilgen, sobald es entweder in den juristischen Besitz des Ausstellers zurückgelangt,

oder kafsirt, oder mit einem Quittungsvermerk versehen ist"). ligation

selbst ist

ein einseitige-

Rechtsgeschäft,

Die Ob­

welche- den Charakter

einer General- oder Neutralobligation hat, d. h. zu welcher eine causa debendi specialis nicht erforderlich ist"). Anzuerkennen ist nun zunächst bei dieser Theorie, daß die obligatorische und sachliche Seite de» Rechtsverhältnisses

unterschieden

wird.

Daß

namentlich eine

sachliche

muß, ergiebt sich aus der Streitfrage über die Vindikabilität, aus dem höheren oder geringeren Kaufwerth (CourS), den Seite beachtet

werden

solche Papiere an der Börse haben, und der sich danach richtet, ob der

Kredit de» Unternehmens, für welche» sich der Schuldner durch Ausstellung

des Papiers die Mittel verschafft hat, steigt oder fällt. Allein der Be­ griff einer Generalobligation ist nur erfunden, dem positiven Recht unbe­ kannt und der Klarheit entbehrend.

Auch hier muß ein bestimmter Wille den Worten der Urkunde

de» Schuldners angenommen werden, der in

nicht au-gedrückt ist.

Der bloße abstrakte Verpflichtung-wille ohne Ver-

pflichtungSgrund kann eine Obligation nicht erzeugen. Die Loslösung der Papierobligation von ihrem materiellen Grunde steht mit dem Umstände in Widerspruch, daß bei vielen und häufigen Arten der Inhaberpapiere

dem Inhaber vom Aussteller Einreden

aus diesem materiellen Grunde

entgegengesetzt werden dürfen"), und daß die Umwandelung der materiellen Obligation in einen formellen einseitigen Verpflichtung-akt lediglich durch den Willen de» Schuldners

herbeigeführt werden

soll,

während dabei

“) A. a. O. S. 266—274. “) Hiernach hat da- Papier nach K. drei Funktionen: eine Genital-, eine Bital-, eine Finalfunktion. ") S. 362 ff. 374. ") Siehe oben Note 21.

6- 64.

363

Unbestimmtheit de- Gläubiger«.

doch gewiß da» Interesse de» Gläubiger» in der ursprünglichen Obligation sehr stark mit im Spiel ist, seine Einwilligung also nothwendig erscheint,

gleichwohl immer fehlt.

Allen diesen Theorien

der zweiten Groppe ist

mit denen der ersteren zwar die» gemeinsam, daß auch sie da» Dogma,

eine Obligation könne

nur zwischen

kommen, zu bewahren bestrebt sind:

bestimmten Personen zu Stande

der bestimmte Gläubiger ist ihnen

der erste Nehmer und jeder folgende Nehmer auf Grund eine» Ueber»

IragungSakte».

Aber

indem sie abweichend

von

den Ersteren

in

dem

Papier die Obligation selbst, nicht nur eine Bewei«mrkunde für eine Ob­ ligation erblicken, gerathen sie in künstliche und bildliche Vorstellungen, die der Klarheit entbehren.

Daß da» Papier „Träger" der Obligation

sei, daß sich diese in ihm „verkörpere," sind Ausdrucksweisen, die ebenso

wenig erklären, al» wenn man für diese Schuldverhältnisse einen Namen erfindet, wie General- oder Neutral- oder Skripturobligation, oder ab­ straktes Nomen.

So ist e» auch nur eine bildliche und daher für juri-

stische Konstruktion nicht verwendbare Ansicht, die Belker vorgetragen,

daß das Papier selbst das Subjekt de» Forderungsrechts, der Gläu­ biger sei, daß der Inhaber dieses Subjekt nur vertrete, nicht selbst aber der Gläubiger sei.

Da bietet die Prädialservitut eine Analogie, denn

auch hier ist eine Sache (das herrschende Grundstück) das vom Besitzer vertretene Rechtssubjekt.

Und indem ferner in diesen Theorien der erste

Nehmer alS bestimmter Gläubiger, die Obligation selbst durch das erste

Nehmen als eine definitiv vollendete aufgefaßt wird, muß natürlich der

UebertragungSakt, der bei den Schriftstellern der ersten Gruppe, sofern sie nicht den ersten Nehmer, sondern den Eigenthümer, oder gutgläubigen

Besitzer oder Inhaber als den Gläubiger hinstellen, als ein rein sachen­ rechtlicher erscheint,

einen obligatorischen Charakter annehmen und nun

entsteht die Schwierigkeit, eine Form für denselben zu finden.

Novation,

Delegation, Vollmacht, stillschweigende Uebereinkunst zwischen dem Schuld­ ner und ersten Nehmer über die Formlosigkeit der Uebertragung sind be­

hauptet worden — aber diese Meinungen scheitern alle daran, daß sie von Voraussetzungen auSgehen, die thatsächlich niemals vorhanden sind.

Endlich

spricht gegen die Identifizirung der Forderung mit dem Papier, daß in Folge derselben mit dem Untergang oder Verlust de» Papier» auch jene

untergehen müßte, wa» gleichwohl nicht der Fall ist, wie au» der Amor­ tisation solcher Papiere, au» dem Aufgebot und daran» sich ergiebt, daß

wenn dem Schuldner der Verlust angezeigt wird, er dem nächsten Prä­

sentanten nicht zahlen darf. Man wird also»diese bildlichen Vorstellungen verlassen müssen: das

Papier ist Papier, weder Schuld noch Gläubiger, e» beweist die Schuld und soll für den Empfang der Schuld legitimire». Kein LoSlösen von dem ursprünglichen RechtSgrund derselben — aber auch keine definitiv voll-

endete Obligation bis zu dem Zeitpunkt, wo der Schuldner seinen bestimm­ ten Gläubiger gefunden hat. Dies führt auf die leider bisher nur ange­ deutete Ansicht von Goldschmidt"). Angeknüpft ist sie an eine beiläu­ fige Bemerkung Fitting's"), welche die aktive Korrealobligation als für die Theorie der Jnhaberpapiere verwendbar erklärte, indem auch hier dem Schuldner gegenüber zunächst ungewiß bleibe, wer zu fordern hat, und die Ungewißheit sich hier zwar nicht durch Wahl, aber durch den Besitz des Papiers entscheide. Hiergegen wird von Goldschmidt bemerkt, bei der Korrealobligation stehen mehrere bestimmte Gläubiger neben einan­ der, bei dem Jnhaberpapier eine Reihe unbestimmter, möglicher Gläubiger nach einander dem Schuldner gegenüber. Durch den Besitzerwerb ent­ scheidet sich nur, wer Gläubiger sein kann, erst durch die Präsentation, die Klage oder Einlösung, wer wirklich Gläubiger ist. Bis dahin ist zwar rin durch die Ausstellung des Papiers bekundeter einseitiger VerpflichtungSwille vorhanden, das obligatorische Band ist von der einen Seite festgehalten, aber noch ist ungewiß, wer eS von der anderen Seite ergreifen und dadurch die Obligation zum Abschluß bringen wird: die Gläubigerschaft schwebt noch. Von dem Moment an, wo der In­ haber drS Papiers sich bei dem Schuldner meldet, ist er deffen bestimmter Gläubiger geworden: Gläubiger ist der Präsentant"). Darum ist aber auch nicht nöthig, die bis dahin eingetretenen weiteren Begebungen al- obligatorische Akte (Novation, Delegation) aufzufasien. Es war ja nur ein Papier zu tradiren, nicht eine Obligation zu übertragen. Die formlose Uebergabe hat nur eine thatsächliche Bedeutung, nämlich daß der bisherigen Zahl möglicher Gläubiger ein anderer möglicher Gläubiger sich angereihet, jeden derselben hat der Aussteller gewollt, denn die» drückt die Inhaberklausel direkt auö, jeder derselben kann durch Geltendmachen der Forderung wirklicher und zwar ursprünglicher Gläubiger werden, dem daher weder Einreden au» der Person de- Vormannes entgegenge­ setzt werden dürfen, noch in Folge zwischenliegender Novationen die sichernden Nebenrechte genommen worden sind. Die Einreden aus dem ursprünglichen RechtSverhältniß aber, welche- zur Ausstellung des In­ haberpapiers geführt hat, können jedem Gläubiger entgegengesetzt werden, weil er als der ursprüngliche gilt. Dir periodische Beziehung von Zinsen und Dividenden ist Ausübung einer Theilobligation, welche für den Rest, für die schließliche Einziehung de» Kapital» die übrigen möglichen Gläu*•) In seiner Zeitschrift für da« gesammte Handelsrecht, 6. 3. S. 274 f.

*•) Fitting, die Natur der Korrealobligation S. 235. Note 257. ••) Jhering in s. u. Gerber'« Jahrb. v. 1. S. 49. Note 20. hat daraus hinge­ wiesen, daß bi« zur Präsentation nur eine Erwerb «möglich leit vorliege. Damit ist die obige AuSsührung einigermaßen verwandt. Bergl. Ltriethorst B. 62. S. 219. B. 65. S. 77.

biger nicht au-schließt. Auch diese Zinsenobligation, welche, so lange noch der Gläubiger nur ein möglicher ist, selbst wie die Hauptobligation nur eine mögliche ist, wird durch die Präsentation deS Schein» eine wirkliche, der präsentirende Besitzer diese» Schein» der wirkliche Gläubiger dieser Theilokligation"). Diese Theorie vermeidet die künstliche und unklare Annahme, daß da» Papier die Obligation selbst sei, e» bleibt, wa» e» nur sein kann, der Schuldschein, die Urkunde über da» materielle Recht»« Verhältniß. Der einseitige Verpflichtung-akt, der in der Ausstellung liegt, ist nur die Einkleidung, die besondere Form, die die au» dem materiellen Recht-verhältniß entspringende Schuld erhält, nicht eine an deffen Stelle tretende neue Obligation, welche sich sofort von der alten loslöst. — E» ist gegen diese Theorie eingewendet worden, daß hiernach die vielen Millionen umlaufenden Inhaberpapiere eigentlich ohne juristische Existenz seien. In der That ist aber dieser Einwand leicht zu widerlegen. Da» Papier ist ein Eigenthum-objekt, deffen Werth darin besteht, daß der In­ haber e» in Geld umsetzen kann, nicht aber darin, daß der Inhaber da» Bewußtsein hat, Gläubiger einer bestimmten Forderung zu sein. Die juristische Existenz de» Papiere» bi» zur Einwechselung ist keine andere, al» die eine» jeden Eigenthum»- oder Besitzobjekts. Eine Widerlegung der Ansicht, daß die Vollendung de» obligatorischen Verhältniffe» erst durch die Präsentation eintrete, ist noch nicht erbracht; bi» dahin hat diese Ansicht jedenfalls da» für sich, daß sie nicht zu allerlei dunklen Bildern und Vergleichen ihre Zuflucht nehmen muß. Rur mit ihr läßt sich der UebertragnngSakt natürlich und einfach begreifen. Der deutsche Entwurf de» Gesetze» über Schuldverhältniffe nennt in Art. 359 den In­ haber vermöge seiner Inhabung den Gläubiger der in der Ur­ kunde bezeichneten Forderung und läßt in Art. 363 durch die Ver­ äußerung uud Uebergabe da» Eigenthum an der Urkunde erwerben. Hat aber die Veräußerung, wa» gewiß richtig ist, nur die sachenrechtliche Natur de» Eigenthum-erwerb- an einer Sache (der Urkunde), so bleibt völlig unerklärt und unerklärlich, wie die Gläubigerschaft au» dem Eigen­ thum oder der Inhabung entspringen kann. Die Streitfrage de» gemeinen Recht», ob auch Privatpersonen In« Haberpapiere ausstellen können, oder ob Staat-genehmigung dazu nöthig •*) Wit die Zinscoupons rechtlich aufzusassen, s. Better a. a. O. S. 413—415. Der Loupon ist ein selbständiges Jnhaberpapier, der Aussteller ist Schuldner, der Präsentant Gläubiger, die Louponforderung ist eine bedingte insofern al« das­ jenige Jnhaberpapier, zu welchem der Loupon gehört, nicht schon vor der Fällig­ keit des Coupons seine Giltigkeit verloren haben darf. Da« AuSgeben de« Lou­ pon« ist dalio in solutnm, die Zinsschuld ist im Borau« so weit getilgt, al« die Loupon« reichen, da« Einlösen derselben ist nicht Zinszahlung, sondern Zahlung

einer selbständigen Forderung.

366

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

fei”), ist in Preußen durch Gesetzesausspruch entschieden”).

Papiere, in

welchen die Zahlung einer bestimmten Geldsumme an jeden Inhaber ver­ sprochen wird, dürfen von Niemand ausgestellt und in Umlauf gesetzt werden, der dazu nicht die Genehmigung des Königs erhalten hat. Diese Genehmigung wird durch ein landesherrliches Privilegium ertheilt, welches

die rechtlichen Wirkungen desselben bestimmen und durch die Gesetzsamm­

lung bekannt gemacht werden muß”). Solche privilegirte Jnhaberpapiere begründen gegen den Aussteller ein Klagerecht”). Jeder Inhaber ist zu demselben legitimirt, ter Aussteller kann ihm zwar Einreden aus dem

Rechtsgrunde der Emission, nicht aber Einreden von einem Borbesttzer entgegenstellen.

Auch

gegen seinen Erwerb

im preußischen Recht ist

ausgesprochen, daß es zur Uebertragung des Eigenthums nicht der Cession bedarf”), und der Uebertragende haftet nicht für die Bonität, wohl aber dem Erwerber für die Verität (Echtheit).

Mit dem Verlust des Papiers

ist nicht der Verlust der Forderung verbunden, vielmehr findet dann im Wege des Aufgebots ein Amortisationsverfahren statt”), welches sich von prozessualischer Seite als Kontumazialverfahren, von materiellrechtlicher Seite als Restitution gegen den Verlust einer Erwerbsmöglichkeit”)

charakterisirt.

Aber die Forderung hat, wenn das Papier mortificirt und

nicht an dessen Stelle ein neues Jnhaberpapier auszefertigt worden, nicht 32) Vom allgemeinen Standpunkt aus steht der Bejahung der Frage, ob Privatper­ sonen Jnhaberpapiere ansstellen und in Umlauf setzen können, nichts entgegen, es kann nur durch spezielle Gesetze verboten werden. Die gemeinrechtliche Theorie und Praxis neigt sich daher auch zu der Ansicht, daß Staatsgenehmigung nicht erforderlich ist. S. die Entscheidung des O.A.G. Celle bei Düring in Goldschmidt's Zeitschrift B. 2. S. 546. Seuffert B. 7. S. 262 f. B. 10. Nr. 91. B. 13. Nr. 55. B. 15. S. 506. Würtemb. Arch. B. 5. S. 107 fg. Gerber S. 411. Beseler B. 3. S. 322. Thöl, Handelsrecht 3. A. $. 54a. Note 4. Unger, Jnhaberpapier §. 25. it. A. Dagegen Savigny II. S. 122. Kuntze §. 121. Da das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch für die Aktien StaatSgenehmignng vorschreibt (Art. 208), so folgt daraus, daß jetzt für die Emission von Aktien auch in den Ländern des gemeinen Rechts, die das H.G.B. publizirt haben, staatliche Genehmigung nöthig ist. Jnhaberpapiere, die zu einer Geldsumme verpflichten, bedürfen derselben nach dem sächs. GB. §. 1040.

33) Ges. v. 17. Juni 1833 (Ges. S. 75.), für den ganzen Umfang der Monarchie er» lassen.

3‘) Vergl. über die Art der Bekanntmachung jetzt das Gesetz vom 10. April 1872 (Ges.S. S. 357). 35) Dieser Rechtszustand ist durch das Handelsgesetzbuch von 1861 nicht geändert. Aktiengesellschaften bedürfen der landesherrlichen Genehmigung. Einf.Ges. Art. 12. §. 1. Und wenn auch nach Art. 10. des Einf.Ges. die Kommanditgesellschaft auf Aktien einer solchen Genehmigung nicht bedarf, so sind doch deren Aktien nicht Jnhaberpapiere, sondern lauten auf Namen. Art. 173. H.G.B.

’6) 1.11. §. 401.

’’) B.O. v. 16. Juni 1819 (Ges.S. S. 157.), die Amortisation der verlorenen oder vernichteten Staatspapiere betr. — A.G.O. I. 51. §. 120. Ueber das Amortisa­ tionsverfahren s. Schnmm im Arch. f. civil. Prax. B. 13. Beilagehest u. Voigt in s. u. Heinecken'S neuem Arch. f. Handelsr. B. 1. S. 4.

3S) Jhering a. a. £>.

§. 65.

Bestimmtheit.

367

mehr die Eigenthümlichkeiten der Inhaberobligation, sie ist fest in der Person de- dermaligen Gläubiger-"), und kann daher nur durch Cession veräußert werden. Der Gläubiger kann ferner dem Papier die Inhaber­ eigenschaft entziehen, indem er eS außer Cour- setzt, dann erlangt e- diese Eigenschaft erst wieder, wenn eS vorschriftsmäßig in Conr» gesetzt wor­ den"). Der Schuldner darf da- außer Cour- gesetzte Papier nur an denjenigen auSzahlen, auf den der Vermerk lautet. ES ist oben schon angedeutet, daß da- Inhaberpapier auch eine sachenrechtliche Bedeutung hat. ES ist, weil eS die Möglichkeit eine» Er­ werb- trägt, ein werthvoller Gegenstand de- Besitze» und Eigenthum». Für da- Sachenrecht sind die Papiere al- Quantitäten") zu betrachten. Die hieran sich knüpfende sehr bestrittene, im A.L.R. aber entschiedene Frage, ob der Eigenthümer die Vindikation hat, kann erst im Sachenrecht erörtert werden. Zum Schluß sei noch die Bemerkung beigefügt, daß Grundschuldbriefe zwar in blanco cedirt werden können, daß sie dadurch aber nicht die Natur der Inhaberpapiere erhalten, weil sie auf einen bestimmten Namen eingetragen sein müssen").

Dritter Abschnitt.

Die §. 65.

L e i st u n g. Bestimmtheit.

A L.« I. 5. § 71—73. 273—276. I. 11. S 30. 33—38. 47. 52. I. 12. §. 388—391. II. 7. §. 424. 426. — Koch Pr.R II. S- 7-11. R. b. F. I. S. 29ff. II. T. 356. v- Daniel« II 299 s. — Unterholzner I. S. 200. 216. Savigny I. S. 386. §. 38- 48. Bangerow 6. A. III. S. 18 f. §. 569. Arndt«, Pand. 4 L. S- 316. 5. 202. 203. Sinteni«, prakt. LivR. 2. A. $. 83. S. 26 Keller, PandS. 478. §. 245. Dindscheid II. §. 255. S. 13.

Der Gegenstand de- Schuldverhältnisses besteht darin, daß der Ver­ pflichtete etwa- leisten muß, im Allgemeinen also ist er ein Thun, oder wie da- A.L.R. sich au-drückt: ein Geben, Leisten, Verstatten, Unter« •’) Renaud in der Zeitschr. f. deutsch. R. B. 14. S. 362. ") A.L.R. I. 15 §. 47 fa. Ges. vom 16. Juni 1835 (Ges. S. 133.), zwei Ges. vom 4. Mai 1843 (Ges. S. 177. 179.). ") Savigny S. 118. Strieth. v. 79. S. 179. ") Ges. v. 5. Mai 1872 über den Eigenthum-erwerb §. 55. 23.27.

368

Zweite» Buch.

Die besonderen Privatrechte.

lassen'). Die Leistung ist auf da- Vermögensrecht gerichtet, da- Ver­ mögen de- Gläubigers fett vermehrt werden durch den Schuldner, der da­ durch sein Vermögen vermindert, sei e- auch nur, indem er seine Arbeit nicht für sich, sondern für den Gläubiger verwendet. Jene vier neben einander gestellte Begriffe lasten sich auf einen zwei­ fachen Gegenstand der Schuldverhältnisse zurückführen. Derselbe ist ent­ weder ein Geben oder ein Thun. Die römischen Recht-quellen sagen: dare facere praestare operiere. DaS praestare jedoch ist nicht ein Dritte- neben dare und facere, sondern auch diese-, nämlich die Leistung, die Handlung de- Schuldner» im Allgemeinen'). Da- facere begreift zu­ gleich da» non facere’). Nach A.L.R. ist hiernach zu sagen: die Leistung de» Verpflichteten ist: 1. entweder ein Geben, 2. oder ein Thun, und zwar diese-: a. entweder ein positive- Thun, da- facere, Leisten, b. oder ein negative-, da- non facere, nämlich: a. entweder ein Verstatten, ß. oder ein Unterlassen. DaS Geben geht auf Gewährung einer Sache. ES soll eine körper­ liche oder eine unkörperliche Sache (j. B. Nießbrauch) in da- Vermögen de- Gläubigers gebracht werden4). DaS Uebergeben (die Tradition) ist da- Mittel dazu, ein Handeln, nicht da- Geben selbst’). DaS Thun be­ greift, wie gesagt, zugleich da- Nichtthun. Letztere- ist entweder ein Verstatten (Dulden §. 8. I. 5.), indem der Verpflichtete der Thätig­ keit de» Berechtigten Raum giebt, sie nicht hindert, soweit sie in seine Recht-sphäre hineinreicht, oder ein Unterlassen, indem der Verpflichtete zum Vortheil de» Gläubiger- eine Handlung, zu der er sonst berechtigt wäre, nicht vornimmt. Da» Thun unterscheidet sich vom Geben dadurch, ') A.L.R. i. 2. § 123. *) S. Huschte in der Zcitschr. f. geschichtl. R.Wifs. B. 13. S. 249. Unterholzn ei I. S 200 f. Savigny I S. 299 f. Jede» dare und facere ist auch ein praeatare, weil es eine bestimmte Richtung de» Willen» de« Schuldner», eine Ueber­ windung thatsächlicher Hindernisse vorau-setzt. Da» praestare ist da» Leisten im Allgemeinen, da» dare und facere die besondere Leistung in Beziehung auf den Vegenpand Darum wurde auch die intentio der Klagen an» Obligattonen, wenn sie in jus conceptae waren, immer auf dare, oder dare facere oportere, nicht aus praestare oportere gerichtet, weil das non praestare die allgemeine Borau-sttzuna jeder obligatorischen Klage war. 1. 3. pr. D. XLIV. 7. 1. 2. pr. I. 76. §. 1. D. XLV. 1. Nur bei den alten Delikt-klagen kam ein dare facere nicht vor, sondern nur praestare. S- hierüber Savigny System B. 5. Beil. l4. Nr. 25 - 29. Die allgemeine Anwendung de» Au»drnck« praestare s. bei Unterholzner a. a. O. 's I. 121. de R. J. ‘) I. 16. § 11. g. 14. J. IV. 6. 1. 75. §. 10. D. XLV. 1. I. 2. §. 1. D. XII. 1. ') 1. 72. pr. v. XLV. 1. 1. 218. de V. S.

daß et eine rein subjektive, individuelle Natur hat und daher schwer sei­ nem Werth nach zu bestimmen ist'). Die meisten Schuldverhaltniffe gehen auf ein Geben und Thun zugleich — aber eine Grundregel ist, daß beim Geben die Sache, beim Thun die positive oder negative Handlung genau bestimmt sein muß. Eine unbestimmte Zusage bindet nicht, e6 würde ihr die Möglichkeit abgehen, die Erfüllung zu erzwingen'). Es sind aber Fälle in der Mitte zwischen der individuellen Bestimmt­ heit') und der gänzlichen Unbestimmtheit denkbar: die Sache ist entweder nur nach ihrer Gattung') bezeichnet oder nur nach Maß und Gewicht (Quantitäten)"), oder durch eine Beziehung, oder es soll von mehreren Sachen oder Handlungen die eine oder die andere geleistet werden. In allen diesen Fällen ist zwar nicht von vornherein die einzelne Sache oder Handlung, die schließlich geleistet wird, bestimmt, aber eS ist doch eine Bestimmungsart dafür gegeben, entweder die Gattung — dann soll die Sache von mittlerer Art und Güte sein") — oder die Menge, wobei die einzelnen Sachen, aus denen sich diese nach Maß oder Gewicht bildet, für daS Schuldverhältniß an sich indifferent sind — oder eine bestimmte künftige Begebenheit"), oder eine Vergleichung mit einer anderen That­ sache"), oder ein genau abgegränzter Umkreis von Sachen, aus welchen die eine auszuwählen ist. Die Wahlobligation (alternative)") be­ steht hiernach darin, daß nur einer von zwei Gegenständen, welcher ist zunächst unbestimmt, zu leisten ist"). Es fragt sich hier, wer die Wahl habe, der Gläubiger oder der Schuldner, und welche Folgen eS nach sich •) Daher im §. 7. J. III. 16 gerathen wird, für die Nichterfüllung eine poena zu stipuliren, ne quantitae etipulaüonie in incerto eit ac neceese eit actori probare, quid ejue iutereit. 7) 1.6 D. XII. 1.: Certum eet, cujue epeciee vel quantitae, qaae in obligatione vereatur, ant nomine euo, aut ea demouetratione, quae nominia vice fungitur, qualis, quantaque eit oetenditur. I. 94. 95. 115. pr. D. XLV. 1. Seuffert, Arch B. 10. S 340. B. 15. S. 352 ALR I. 5- «L 71. I. 11. §. 30. Entfch. B 31. S. 401. Strieth. V. 82. S. 184. Wüttemb. Arch. B. 6. S. 161 *) I. 5 §. 273. •) I 5. §. 275. Savigny S- 399. ,e) Savigny S- 400. n) I. 5. $. 275. Ueber diesen tz. s. Striethorst B. 1. S 166 Anwendungen dieseGrundsatze-: 1. 21. §. 123 608. U. 11 tz. 920. Sachs.G.0. 6- 696. ") ALR 1. 11. ß. 31. Koch, R. d. F B 2. S. 356 tr) A L R. I 11. §. 52 Koch a a. O. Die Bestimmtheit seblt dem Vertrage, wenn die zu leistenden Arbeiten nur generisch angegeben und über die Preise eine be­ sondere Verabredung vorbehalten worden ist. Errieth. B 68. S. 14. ") Koch, R d. F. S 32. S avigny S. 389. Dangerow B. 3. S. 18. 569.) ") Die mehren Sachen sind in obligatione, nur die eine oder die andere in soluiione. Nicht Wahlobligation ist eS, wenn der Gläubiger nur Eine Leistung fordern, der Schuldner sich aber von dieser Leistung durch eine andere befreien kann. y-rstsr, Preuß. Privatrecht. L 3. Aust.

24

Zweiter Buch- Die besonderen Privatrechte.

370

zieht, wenn die Wahl nicht stattfinden kann, weil der eine der beiden Ge­

genstände weggefallen ist. Die erste Frage kann nach allgemeinen Grund­ sätzen nur zu Gunsten des Schuldners beantwortet werden, denn er hat zu erfüllen, und er erfüllt, wenn er Eines ton Beiden giebt.

Dies er­

kennt auch daS preußische Recht in Uebereinstimmung mit dem römischen an"), wobei freilich den Parteien unbenommen ist, daö Wahlrecht dem Gläubiger zu übertragen").

Die Wahl steht dem Schuldner

frei bis

zum Moment der wirklichen Erfüllung"), oder bis zu dem Moment, wo er dem Gläubiger eine bindende Erklärung über feine Auswahl gegeben

hat.

Bis dahin kann er feine Entschließungen ändern, von da ab ist das

Schuldverhältniß ein einfaches geworden

Sache.

und haftet an der gewählten

Ist dem Gläubiger die Wahl zugestanden, so hat er sie frei bis

zur Klage"), oder bis er dem Schuldner darüber eine bindende Erklärung gegeben hat.

Er darf nicht mehr die. Wahl ändern, wenn er auf die eine

Alternative geklagt, und der Schuldner sich darauf eingelassen, diese Er­ füllungsort angenommen hat. Hierdurch ist die Erklärung des Klägers eine rechtsverbindliche geworden"). Das A.L.R. hat von dem Grundsatz, daß dem Schuldner die Wahl zusteht,

zwei Ausnahmen, von denen die

eine, bei welcher der Herrschaft den Gutsunterthanen gegenüber, wenn sie alternativ zu Leistungen verpflichtet sind, die Wahl gebührt"), im neueren ") I. 5. §• 274. 1. 25. pr 1. 34. § 6. v. XVIII 1. 1.10. §. 6. D XXIII. 3. I. 93. 106. 138. §. 1. D. XLV. 1. Ebenso §. 388.1.12. der Erbe. Oesterr. G.v. §. 906. SSchs G.B. §. 697. Deutscher Entwurf Art. 6.

*’) Dangerow a. a. O. Anm. 1.

Kelter S. 480a., 1.

Sachs. GB. § 698.

,e) 1. 106. D. XLV. 1 : Tamdiu autem voluntas promissoris in pendenti est, quamdiu id, quod promissum est, solvetur. I. 138. 6. 1. eod. Wenn also gegen ihn hat geklagt werden müssen, bis zur Exekutionsinstanz und der Gläu­ biger muß alternativ klagen. Eine Eigenthümlichkeit des preuß R., die aus dessen Vorschriften über die Form der Verträge herrührt, ist es, daß nach §. 156. 157. I. 5. deijeniAe, der die Erfüllung eines mündlichen Vertrages angenommen hat, aber seinerseits nickt die Gegenleistung ersüllen will, verpflichtet ist, entweder daS Erhaltene zurückzugeben oder zn vergütigen. Er hat zu wählen, und eS ist die Frage, wenn der Geber auf Rückgabe klagt, ob er seinen Antrag alternativ stellen muß. DaS Lbertribunal bat dies verneint: die Ausübung des Wahlrechts soll der Ein­ rede überlassen bleiben. Echles Arch. B. 6. S. 268 Näheres hierüber unten §. 79 S. Koch, R. d. Ford. S- 36 f. Nicht alternativ klagen ist plus petitio auch n. gern. R. Seuff. B 1. N. 124. V. 2. N. 328.

") Entsch. B 34. S. 33. Koch, R. d. F. S. 42, regt die Frage an, welche Folge eS haben müsse, wenn Kläger die Klage, durch die er gewählt hat, zurücknimmt. Kann er in der neuen Klage anders wählen? Koch erklärt die erste Wahl für verbindlich und es muß ihm beigetretcn werden, sonst wäre Beklagter der Will­ kür des Gegners völlig preisgegeben; die Wahl ist verbindlich geworden durch die Erhebung der Klage und die Einlassung auf dieselbe, Thatsachen, die nicht mehr ungeschehen gemacht werden können. Wenn aber Kläger vor der Einlassung die Klage zurücknimmt, so wird ihm nicht versagt werden dürfen, in der neuen Klage anders zu wählen. ’•) Entsch. B. 34. S 33. n) II. 7. §. 424. Dahin gehört auch das Recht des ErbzinSherrn, sich die zu zinsen­ den Naturalien auszusuchen, 1.18. §. 751., da bei Lieferung von Ouantitären die

$. 68.

Bestimmtheit.

371

Recht nach vollendeter Durchführung der Dienstablösungen aufgehört hat, praktische- Interesse zu haben, die andere aber eine durch Nicht- gerecht­ fertigte Folgewidrigkeit ist. E- soll, wenn au- einem Kaufverträge nicht zu ersehen ist, welcher der beiden Theile zu wählen habe, der Käufer, also, da er die Sache zu empfangen hat, der Gläubiger wählen"). Die Frage, welche Folgen auf die Wahlobligation eS äußert, wenn die Wahl unmöglich geworden, entscheidet zugleich über die Natur deWahlrechts. Wird dasselbe al- eine Bedingung aufgefaßt, so daß also das Wählen da- zukünftige Ereigniß ist, von dessen Eintritt oder Nichteintritt da- Schuldverhältniß selbst abhängig sein soll, so folgt daraus, daß daSchuldverhältniß nicht Existenz erlangt, wenn nicht gewählt werden kann. L- kann aber auch da- Wahlrecht nicht die Natur der Bedingung haben, e» soll nur den Gegenstand der Leistung bestimmen, nicht ob überhaupt, sondern wa- geleistet werden soll. Dann wird durch da- Wegfallen der Wahl da- Schuldverhältniß selbst in seinem Bestände nicht alterirt: kann nicht mehr Eine» von Beiden geleistet werden, so ist doch noch Eine- zu leisten möglich — da- Schuldverhältniß wird ein einfache». Den letzteren Standpunkt hat da» gemeine"), den ersteren Standpunkt da- preußische Recht"). Die Wahl geht nach allgemeinen Grundsätzen auch auf die Erben und auf den Cessionar über"). Abweichend vom neueren römischen Recht — und ebenfalls folge­ widrig soll nach A.L.R. in dem Fall, wo der wahlberechtigte Schuldner Bestimmung der einzelnen Stücke der Wahl des Schuldners überlasten sein muß, der dabei nur durch §. 275.1.11. beschränkt ist.

") L 11. §. 38. Dagegen 1. 25. pr. 1. 34. §. 6. D. XVIII. 1. Nach der preußischen Praxi- (Recht-fälle B. 4. S. 197.) hat der Käufer de- Auszug-, der ihn sich vor­ behält, da- Wahlrecht.

“) 1. 34. §. 6. D. XVIII. 1. 1. 138. 76 pr. D. XLV. 1. Siehe hierüber bes. Savigny, Obl.R. I. S. 397. Mommsen, Beiträge I. S. 308 f. und Bangerow S. 22 fg. Anm. 2., der erschöpfend die verschiedenen Folgen erörtert, die für daSchuldverhältniß sich herausstellen, je nachdem die Wahl vereitelt worden durch Zufall oder Schuld de- Gläubigers oder Schuldners und je nachdem da- Wahl­ recht dem Gläubiger oder Schuldner zustand. Nach 1. 47. §. 3. de leg. I., 1. 95. 1. D. XLVI. 3. kann der Schuldner noch wählen zwischen der noch möglichen Leistung und der aestimatio des untergegangenen Gegenstandes.

’4* )1 S.*I.* 11. tz. 33—35. Ohne Rücksicht daraus, ob die Wahl durch Zufall oder durch das Zuthun des Gegners vereitelt ist, kann der Wahlberechtigte zurücktreten. Hat der andere Theil vorsätzlich oder au- grobem Versehen die Vereitelung verursacht, so muß er dem Wahlberechtigten noch da- Interesse leisten, wenn nicht der letztere bei der noch übrig gebliebenen Sache sich genügen will. Ist aber durch den zur Wahl berechtigten Käufer selbst die eine der Sachen vernichtet oder abhanden ge­ kommen, so muß er bei dem Vertrage stehen bleiben, d. h. die übrig gebliebene Sache annehmen, wenn sie für ihn auch den geringeren Werth hat. Da- österr. G B. theilt den Standpunkt de- AL R. s. §. 907.

2S) 1. 76. pr. D. XLV. 1. 1. 141. pr. eod. I. 75. §. 3. de leg. I. In Beziehung auf den Cessionar ist e- nach gem. R. streitig. Bang erow S. 21. Koch, R. d. F. S. 35.

au» Irrthum dem Gläubiger alle Sachen geleistet hat, bei der Zurück­ forderung de» zu viel Geleisteten nicht der Schuldner, sondern der Gläu­ biger die Mahl haben"). Es war dies schon im älteren römischen Recht bestritten, Papinian entschied sich für das Wahlrecht des Schuldners und diese Ansicht drang im Kaiserrecht durch"). Sie ist auch die allein rich­ tige, denn dem Gläubiger kann aus dem Irrthum des Schuldners kein Recht erwachsen, der Irrthum wird im Rechtsgebiet unter gewissen Vor­ aussetzungen zwar unschädlich gemacht für den Irrenden, ist aber niemals eine Quelle, ein Entstehungsgrund von Rechten. Nach der Wahl ist daS Schuldverhältniß ein einfaches geworden, ge­ richtet auf einen individuell bestimmten Gegenstands Bei wiederkehrenden Leistungen kann die Wahl bei jeder einzelnen Leistung erfolgen"). Der Verzug deS Wahlberechtigten entzieht ihm nicht da» Wahlrecht"), doch ist der Schuldner, wenn dem Gläubiger die Wahl zusteht, jedenfalls berech­ tigt, die Wahl vom Richter vornehmen zu lasten und die gewählte Sache zu deponiren, um sich von der Schuld zu befreien"). Die Wahl der Leistung kann auch in die Bestimmung einer dritten Person gestellt werden. Der Vertrag erlangt dann seine Giltigkeit, wenn der Dritte den Ausspruch, zu dem er aber nicht gezwungen werden darf, gethan hat"). Eine uneigentliche Wahlobligation ist es, wenn zwischen einer unmöglichen und möglichen Leistung gewählt werden soll. Der Verpflichtete muß das Mögliche leisten").

§. 66.

Möglichkeit.

A.LR I. 5. ?. 39-69. I. 11. §. 39-45.

Heydemann I. S. 199 ff.

Gruchot I.

320 ff. Koch. R. d. F. II. s. 336. 348. — Unterholzner I. S. 204 s. Savigny, Obl.R. I. S. 381. II. S 284. Sinteni« II. S. 22. Momm­ sen, Beiträge zum Obl.R. 1853. B. 1. Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem

Einfluß auf oblig. Derh. Dazu Wind scheid in der Heidelberger) krit. Zeitschr. B. 2. S. 106, und Brinz in der krit. Ueberfchau B. 5 S. 278. Windscheid,

Pand. II. §• 264. S. 48.

Da der Gegenstand de« SchuldverhältnisseS eine Leistung, ein Thun de» Schuldners ist, so ergiebt sich daraus eigentlich von selbst, daß das ") 1.16 §. 192. ”) 1.10. C. IV. 6. Wenn aber von mehreren Gefammtfchuldnern gleichzeitig jeder da« Ganze gezahlt hat, so muß dem Gläubiger, da er von Anfang da« Wahl­ recht unter den Schuldnern balle, auch die Wahl darüber zustehen, welchem Schuldner er die Leistung zurück eben will. Die« gilt nach gern. u. preuß. Recht. Bangerow S. 19 ”) I. 21. $ 6. D XIX. I. A.L.R II. 7. §. 425. 426. Seuffert B. 1. N 189.

") Striethorst ®. 4. S. 180.

'«) Koch, R. d. F I. S. 39. ") I. 5 § 72. 73. Koch, R. d. F. II. S. 357.

") 1.5. §. 56. Unten S. 375 Note 18.

s. 66.

Möglichkeit.

373

Leisten ein mögliches sein muß. Doch bedarf der Begriff deS Möglichen und Unmöglichen auf dem Rechtsgebiete näherer BestimmKng, der Satz impossibilium nulla est obligatio1) ist zu allgemein. Zunächst ist zu unterscheiden zwischen der von Anfang an vorhande­ nen und der erst später eingetretenen Unmöglichkeit; jene alterirt die Ent­ stehung deS SchuldverhältnisseS, diese die Erfüllung. Daraus ergiebt sich, daß die letztere hier überhaupt nicht zu erörtern ist, eS fragt sich bei ihr nur, ob sie aus Zufall, Versehen oder Vorsatz bewirkt ist'). Die von Anfang vorhandene Unmöglichkeit hindert die Entstehung de» Schuldverhältnisses, es ist nichtig'). Der natürlichen Unmöglichkeit steht das rechtlich Unzulässige gleich'). Aber auch hier noch ist weiter zu un­ terscheiden zwischen einer Unmöglichkeit, die den Gegenstand selbst trifft, und einer solchen, die in der Person deS Schuldner» ihren Grund hat; während objektiv die Leistung eine mögliche wäre, ist sie diesem Schuldner unmöglich. Nur im ersteren Fall ist das Geschäft nichtig, im letzteren verwandelt sich die Obligation zuweilen in einen Ersatzanspruch. Ferner, ob die Unmöglichkeit eine dauernde oder vorübergehende ist: bei ersterer ist da» Geschäft ebenfalls nichtig, bei letzterer kann e», wenn die Unmög­ lichkeit wegfäll», gillig werden. Hiernach sind folgende einzelne Fälle zu unterscheiden. a. Geschäfte, die darauf gerichtet sind, daß ein Dritter, der nicht in der Obligation steht, eine Handlung leiste') oder daß die Sache eines Dritten gegeben werde'), sind bedingt') ungiltig. Schlägt die Bemühung fehl, daß der Dritte die Handlung vornehme, oder die Sache eines Dritten zu verschaffen, so ist die Leistung unmöglich und da- Geschäft hat keine rechtliche Wirkung. Doch ist hier zu bemerken, ') 1.185. de R. J. Dazu noch 1.31. eod. 1.35. pr. v. XLV 1. §. 2.11. J. III. 19. «) A.L.R. I 5. §. 360 f Mommsen S 1. ') Mommsen S. 1. 2. Die Nichterfüllung kann dann nicht auf den Willen de» Schuldners zurückgeführt werden. Siehe bie Stellen in Note 1 und A.LN. 1.5. §.51. *) A.L.R. I 5. §. 68. l.,35. §. 1. D. XLV. 1. I. 7. §. 16 D. II. 14. •) I 5 g. 40—45. 1. 83 D. XLV. 1: nam de se quemqne promittere oportet, und 1. 38. pr. eod.: nemo alieouin factum promitteudo obligabitur. Mau ist aber obligirt ei effeeturuni ae epoapouderit, S- 3. J. Ul. 20, und eS kann eine poeua [ür da» Fehlschlagen versprochen werden. 1. 2t. eod. 1. 38. § 2. D. XLV. 1. A L.R. I. 5. §. 40. ist eine süu«legung«regel, s. Gruchot I. E. 322. Klag« auf da» Interesse: Seufsert XV. 215. •, I. 5. 6. 46—50. Ueber da» „ausdrücklich" in §. 46 s. Heydemann I. S. 199 Note 326. Gruchot I. S. 323 Die Kontrahenten muffen e» wissen, daß die Sache eine fremde Striethorst B. 35. S. 226. Unterholzner S. 211 hält die Leistung einer rea aliena nicht für ungiltig, weil wenigsten» Ersatz zu ge­ währen sei; allein die» hängt davon ab, ob culpa oder dolus vorhanden ist. 1. 51. D. XLV. 1. *) Da» Geschält kann hinterher giltig werden: 1. 20. pr. 1. 41. D. XIII. 7. Tatsch, v. 16. S. 452. A L.R. I. 20. §. 16. 17. 76.

Zweit«» Buch.

374

Die besonderen Privatrecht«.

daß solche Schuldverhältnisse nicht unmittelbar als auf die Handlung oder

Sache des Dritten, sondern als darauf gerichtet erachtet werden, daß der

Schuldner sich bemühe, jene zu veranlaffen

oder diese herbeizuschaffen.

Die Aufwendung von Bemühungen ist seine Leistung, und diese ist nicht

unmöglich, sondern nur der Erfolg kann unmöglich werden.

Darum ist

da- Schuldverhältniß nur insoweit ohne Wirkung, als der Erfolg uner­

reichbar geworden.

Hat dagegen der Schuldner seine Verpflichtung, sich

zu bemühen, versäumt, oder durch sein eignes, grobes oder mäßiges Ver­ schulden die Unmöglichkeit herbeigeführt"),

ansprüche dem Gläubiger.

so

erwachsen Entschädigungs­

In jedem Fall aber muß eine etwa geschehene

Gegenleistung zurückgegeben oder vergütigt werden, auch kann der Schuld­ ner seine Pflicht zu Bemühungen dadurch steigern, daß er für den Erfolg einzustehen übernimmt:

leisten.

dann muß er ebenfalls vollständige Genugthuung

Die Uebernahme deS Erfolgs bedarf nicht einer ausdrücklichen

Erklärung, eS genügt, wenn diese Absicht auS dem Geschäft erhellt.

Die

Unwirksamkeit deS Schuldverhältnisses ist also nicht so zu verstehen, daß daffelbe ganz folgenlos wegfällt — es äußert Folgen, wenn ein Verschul­

den dazwischen getreten oder solche besonder- übernommen werden. b. Bedingt unmöglich ist ferner die Leistung einer Sache, die durch daS Gesetz dem Verkehr entzogen ist'): bedingt deßhalb, weil, wenn die» Hinderniß wcgfällt, die Leistung verlangt werden kann.

Ist eine Zeit

verliert nach ihrem fruchtlosen Ablauf da- Geschäft seine Wirkung — sonst muß, damit daö Schuldverhältniß sein Ende finde,

dafür bestimmt,

so

der Richter nach Bewandtniß der Umstände einen Termin feftsetzen.

Da

die Berkehrlosigkeit der Sache ein Hinderniß ist, welche- unter Umständen gehoben werden kann, so entsteht die Frage:

zu sorgen?

wer hat für diese Hebung

Das A.L.R. entscheidet: zunächst derjenige der Interessenten,

der da- Hinderniß gekannt")

und trotzdem die Obligation abgeschlossen

hat, sodann, wenn e- beiden bekannt war, derjenige, in dessen Person eS liegt,

endlich bei „wohlthätigen", d. i. einseitig Gewinn bringenden Ge­

schäften derjenige, dem der Vortheil zufallen soll, bei „lästigen", d. i. den

*) §. 44. J. 5. Bornemann, Sy st. 2. A. 8. 2. S. 230 Note 1., unterscheidet mit Recht und auf Grund der Materialien, daß ein grobe» Versehen bei einseitig ver­ pflichtenden ((. g wohlthätigen), ein mäßige» bei zweiseitig belastenden (lästigen) Verträgen zu vertreten ist. Koch. R. d. F. B. 2. S. 351 ohne Grund dagegen. Wenn die DerlragSersüllung ohne die freiwillige Mitwirkung eine» Dritten un­ möglich ist, so ist die Klage aus id quod interest zu richten, z. B. wenn Jemand dieselbe Sache an mehrere hintereinander verkauft, und sie dem einen Käufer über­ zieht. Seuffert B. 15. S. 363. und Blätter f. Recht-anwendung, 1863. B. 28. S. 358 (Praxi- von Dresden und München).

•) I. 5. §. 58—67. ••) Auch im röm. R wird da» scire und ignorare unterschieden. §. 5. J. III. 24. I. 4. D. XVIII. 1. §. 62. §. 1. 1. 70. eod. l. 39. §. 3. D. XXL 2. Gruchot J. ®. 328.

auf Leistung und Gegenleistung gestellten jeder Theil in gleichem Maß. Kann da» Hinderniß nur von einem Dritten gehoben werden, so tritt der Fall a. ein. c. Unbedingt unmöglich ist da- Geben einer Sache, die nicht exiftirt“), entweder nicht mehr existirt, oder überhaupt nicht existiren kann. DaS Geschäft ist nichtig, nur ein Entschädigungsanspruch erwächst gegen den, der sich zum Geben verpflichtet nnd diesen Umstand gewußt hat. Der Grund dieses Anspruchs ist nicht sowohl die Nichtigkeit des Geschäfts, al» vielmehr die Arglist (dolus) de» Wissenden. Man kann aber über fünf* tige Sachen ein giltige» Geschäft abschließen, wenn ihre Entstehung im Reiche der Möglichkeit überhaupt liegt, oder in Folge besonderer Umstände zu erwarten ist — nnd dann hängt die Giltigkeit de» Geschäft» nicht von der wirklichen Entstehung ab (HoffnnngSkauf)"). d. Unbedingt nichtig sind Schuldverhältnifle, deren Gegenstand un* erlaubte Handlungen") sind. Nur wenn von dem Verbot-gesetz Dispensation erlangt werden kann, ist der Fall zu behandeln, wie wenn eine Sache dem Verkehr entzogen ist. e. Nichtig endlich sind Geschäfte über natürlich unmögliche Hand* lungen"), solche die nicht innerhalb de» Bereich- menschlicher Thätigkeit liegen können. Dagegen ist eine Handlung für bedingt unmöglich") an* zusehen, wenn sie nur der Verpflichtete nicht leisten kann. In diesem Fall ist da- Geschäft nichtig, wenn da- Hinderniß beiden Theilen bekannt oder unbekannt war. War e- demjenigen bekannt, der die Leistung dieser Hand* lung versprochen, so muß er (wegen seiner Arglist) entschädigen; war e» dem andern Theil bekannt, der sich die Handlung versprechen ließ, so ist da» Geschäft unverbindlich und wa- er dafür gegeben, wird al» geschenkt angesehen"). ES erscheint die- al- eine gesetzliche Auslegung der Willen»* Meinung (al» Vermuthung)"). Giltig bleibt da» Geschäft, wenn entweder da» Hinderniß noch bi» zur Erfüllung beseitigt werden kann oder auf* hört, und wenn der Leistende die Wahl hat zwischen einer unmöglichen und möglichen Handlung"). DaS Versprechen ist dann nur scheinbar ") I. 11. §. 39. 40. - $. 1. J. III. 19. 1. 69. 97. pr. 1. 103. D. XLV. 1. 1.1. r 9. v. XLIV. 7. ") I. 11. §. 528 ff. **) I. 5. §. 68. 69.

1. 34. §. 2. D. XVIII. 1. 1. 26. 27. pr. 35. $. 1. v. XLV. 1.

*«)

weil der beigetretene Dritte eben damit aufhört, ein

Erbverträge und Privatrecht a. a. O. II @. 202 f. Obl.R. II. 83 84. ©. 76. E. 82. Siehe a. a. O. S. S. So Savigny,Puchta,Bangerow, obgleich letzterer doch ein dagegen sprechen­ des, durchaus entschiedenes deutsches Gewohnheitsrecht als vorhanden anerkennt (S. 313 a. S.).

420

Zweite» Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Dritter zu fein und Mitkontrahent wird.

Auf Grund dieser Praxi- hat

Busch daS Dogma dahin angegeben"): durch deutsche Rechtsgewohnheit ist der Satz deS römischen Recht- alten neminem stipulari posse auf­ gehoben, und jetzt jeder Vertrag zu Gunsten eine- Dritten für die Kon­

trahenten bindend, wenn der Promisiar auch kein eigenes Interesse an

der Erfüllung hat; der Dritte erwirbt durch den Abschluß deS Vertrages der Anderen ein Klagereckt gegen den Schuldner, ohne daß dies von dem Anerbieten oder von der Einwilligung der Kontrahenten oder von einer

ausdrücklichen besonderen BeitrittShandlung seinerseits abhängt, die An­

nahme kann vielmehr auch stillschweigend, durch entsprechende Handlungen, z. B. Anstellung der Klage, geschehen; diese Klage ist von der Hauptklage

deS PromissarS

aus dem

Vertrage

gegen den Promittenten gerichtet.

abgeleitet (a. utilis) und stets nur

DaS neuere Recht hat hiernach daS

römische insoweit verlassen oder weiter gebildet, daß jetzt grundsätzlich und allgemein, nicht bloß in einzelnen AnSnahmcsällen, die Verträge zu Gunsten Dritter anerkannt sind, daß der Promifsar, auch wenn er kein eignes In­ teresse dabei hat, dennoch auf Erfüllung - klagen kann, daß der Dritte, so lange nicht der Promisiar die Zuwendung widerrufen, ebenfalls gegen den

Promittenten auf Erfüllung klagen kann, und daß dieses Recht dcS Dritten

unwiderruflich wird, sobald der Promisiar gestorben.

Einer besonderen

BeitrittShandlung deS Dritten bedarf es nicht, sein Recht ist zwar be­ gründet durch den Abschluß deS Vertrages, aber, so lange ein Widerruf der Hanptkontrahenten noch möglich ist, ist eS ein abhängiges, bedingtes. —

Damit ist aber auch daS praktische Bedürfniß im Wesentlichen befriedigt: noch weiter zu gehen, und daS Recht des Dritten vom Vertragsabschluß

an als so definitiv aufzufaffen, daß die Hauptkontrahenten nicht mehr zninsbesondere, daß der Promisiar die Zuwendung nicht mehr widerrufen dürfe, dazu liegt kein Grund vor").

rücktreten,

•*) A. a. O. S. 46. 47. Al» Belege dafür sind im Anhang der Schrift 44 Erkrnntniffe milgetheilt, bei denen fast alle deutsche Gerichte 3 Instanz vertreten sind. Besonder» wichtig ist hier die Praxi» der O A.Gerichte Dresden und Kassel. Da­ für auch die Praxi« de» A.G. Greifswald, s. Provinzialrecht für Neuvorpommern und Rügen B 4. S. 204. — Zaun im Arch. f. praktische R W. N. F. I. S. 42 f. s. 4. führt au«, daß die Obligation mit Uebergehung de» eigentlichen kontrahirenden Stellvertreter« alsbald in der Person de» Dritten begründet werde und daß dieser zufolge tha'sächlich erklärter Session (die in dem Bertrag»abschluß der Kon­ trahenten ausgedrückt sei) eine actio utilis erwerb«. Seuffert III. 31. ••) Ganz ohne Schwanken ist übrigen« die gemeinrechtliche Praxi« noch keineswegs; die römischen Ideen wirken noch oft stark ein. Besonder« bezieht sich da« Schwan­ ken auf die Fragen: ob der Promiffar ein eigene« Interesse haben müsse, ob der Beitritt de» Dritten von der Genehmigung der Kontrahenten abhängen solle. Seuffert III. 31. 32. VIII. 30 X. 152. XI. 133. XII. 142. XIV. 131. Jede« Interesse de« Promiffar« zu leugnen, wie Busch thut, geht zu weit, e« ist nur nicht nöthig, daß c« ein vermögenSrechtliche« sei (Bähr a- a. O. S. 139 f.). Der Promittent muß dem Promiffar selbst die Leistung an den Dritten versprechen, ersterer wird dadurch der Schuldner de« letzteren, nicht de« Dritten; die Klage,

421

Vertragsabschlüsse zum Vortheil Dritter.

§. 75.

WaS nun daS preußische Recht augeht, so theilt eS insoweit die neuere

Rechtsanschauung, als eS Vortheile eines Dritten grundsätzlich „Gegenstand" eines Vertrages sein läßt — aber im Uebrigen

nicht so weit vom römischen Recht, Der

Dritte

erlangt

nämlich

aus

wie die einem

entfernt

eS

sich

neuere deutsche Praxis'*).

an

solchen Vertrage,

desien

Schließung er weder unmittelbar, noch mittelbar (durch Stellvertretung) Theil genommen, erst dann ein Recht,

wenn

er

demselben

ausdrücklich,

und zwar mit Bewilligung der Hauptparteien, beigetreten ist.

Beitritt erfolgt,

kann

Bis dieser

der Vertrag nach dem Einverständniß der Haupt­

parteien geändert oder aufgehoben werden ,7).

Ist aber dem Dritten der

Antrag zum Beitritt geschehen, so müssen die Hauptparteien seine Erklä­

rung über die Annahme abwarten. ist

nicht ganz

klar'").

Die Entstehungsgeschichte dieser §§.

Sie schließen sich zwar an die damalige Praxi-

deS Obertribunals an, es muß sich aber zugleich die Ansicht geltend ge­ macht haben, daß der Beitritt deS Dritten an die Bewilligung der Haupt­ parteien zu knüpfen sei. Von wem diese Ansicht ausgestellt, ist nicht zu

ersehen, denn der erste Entwurf enthält davon noch nichte, und daS Mo­ nitum von Suarez war nicht darauf gerichtet.

die der Promisiar anstellt, ist die directa, die deS Dritten die utilis, aus der Person des PromiffarS. Wenn Bähr den klagenden Dritten als procurator in rem euam, die Klage als a. mandata ansehen will, so ist dies eine ganz unpaffende Anwendung einer spezifisch römischen Anschauung auf moderne Verhält­ nisse (S 146 f.); er verfällt hier der Mühlenbruch'schen Theorie von der actio utilis deö LessionarS, welche er selbst in feinciji Aussatz zur CessionSlehre ^Iahrb. B. 1.) bekämpft hat. ,6j §. 74 f. I. 5. Die Entwickelung, die das Dogma in den anderen Gesetzgebungen, bis zu den neuesten herab erhalten, entspricht auch nicht der gemeinrechtlichen Praxis, wie sie oben angegeben. Der Code beschränkt die Wirkung solcher Ver­ träge auf die Kontrahenten; Dritten können weder Verpflichtungen noch Berech­ tigungen entstehen. Aber der eine Kontrahent kann den Dortheil deS Dritten zur Bedingung des Versprechens machen, welches man sich selbst thun läßt, oder zur Bedingung einer Schenkung, die man dem Versprechenden macht (Art. 1165. 1121. Zachariä -Anschütz B. 2 S. 354). DaS österr. G'^. hat § 881. nur den dürftigen Satz, daß Niemand für einen Andern ein Versprechen machen oder annehmen kann. DaS sächsische (§. 853 — 855.) giebt dem Dritten, zu desien Gunsten sich Jemand etwas hat versprechen lassen, neben dem letzteren eine Klage auf Erfüllung. Das Recht des Dritten wird selbständig und unabhängig von dem Willen desien, der sich die Leistung hat versprechen lassen, von der Zeit, wo er dem Vertrage beigetreten oder die Leistung angenommen hat. Bis dahin kann der Hauptgläubiger den Hauptschuldner wieder befreien. Der bairische Entwurf (Art. 33. 34.) greift wieder zurück in daS römische Recht. Der Dritte darf erst beitreten nach vorheriger Aufforderung der beiden Kontrahenten, und der Promisiar hat gegen den Promittenten nur ein Klagerecht, wenn er ein eigeneS Interesie an der Erfüllung hat. DaS Deutsche Hand.G.B. hat keine allgemeine Bestimmung über solche Verträge. Zn einem ganz speziellen Falle (Art. 405.) giebt eS dem Tritten eine Klage in eignem Namen gegen den Promittenten, sei eS, daß er mit der Klage ein eignes oder fremdes Interesse geltend mache.

’7) §. 391. 1. 5. >•) Bornemann II. S. 232 Note 2. Hey dem an n S. 203 Note 332. Pens. 14. S. 59. Beseler, Pr R. 11. S. 294 Note 14..

Ges.Revisor,

422

Zweit«- Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Unter einem Vertrage zum Vortheil eines Dritten (in favorem tertii)“1) kann nur ein solcher verstanden werden, der den Dritten in keiner

Weise verpflichtet, sondern nur berechtigt, ihm eine reine Liberalität, eine Vermehrung seines Vermögens ohne Gegenleistung zuwendet"). ES gehören nicht hierher die zahlreichen Fälle, wo der Schuldner dem Gläu­ biger verspricht, des letzteren Schuld an einen Dritten zu übernehmen

und zu berichtigen, der Dritte also nur das empfangen soll, was ihm schon rechtlich zukommt"). Ein Dritter ferner ist nur derjenige, der bei dem Vertrage unbetheiligt, also nicht durch den Gläubiger (Promissar) vertreten ist"). Gläubiger und Schuldner müssen vielmehr den Vertrag als ihren eignen abschließen.

Das preußische Recht verlangt nicht — und

hierin stimmt eS mit der neueren Praxis — ein besonderes Interesse deS

Gläubigers an dem Vertrage oder an der Leistung an den Dritten.

Gleich­

wohl wird anzunehmen fein, daß das Versprechen, dem Dritten zu leisten,

dem Gläubiger selbst in klagbarer Weise gemacht,

daß für dieses Ver­

sprechen ein RechtSgrund (eine causa) vorliegen muß.

Denn sonst wäre

zwischen Gläubiger und Schuldner überhaupt kein Vertrag zu Stande ge­ kommen, und könnte auch nicht zu Gunsten eines Dritten wirken.

Aber

strenger als die jetzige deutsche Praxis ist es darin, daß eS dem Dritten

durch den Vertragsabschluß noch gar kein Recht giebt, sondern

dies an

seine beitretende Erklärung anknüpft, und diese auch nur mit Bewilligung

der Hauptparteien gestattet.

Letztere sind daher

dem Dritten gegenüber

so lange nicht an den Vertrag gebunden, biö sie ihn zum Beitritt aufge­ fordert haben. Diese Aufforderung gilt als Vertragsanerbieten. Dadurch wird aber, wie Beseler") richtig hervorhebt, der Vertrag nicht bloß für

den Dritten, sondern auch für Denjenigen, der

sich

den Vortheil deS

Dritten hat versprechen lassen, leicht illusorisch gemacht, weil der einseitige

Widerspruch deS Versprechenden die Wirkung desselben verhindert.

Und

dann hebt auch daS Erforderniß des ausdrücklichen Beitritts, durch den

der Dritte das Recht erst erwirbt, die Natur dieses Vertrages wieder auf, ••) Ueber den Unterschied eine- solchen von Mandat oder Asstgnation s. Dresdner Annalen VIII. 413. u) Busch S. 6.

’•) Dagegen will Bähr (S. 170 f.) gerade die Schuldübernahme al» die häufigste Anwendung deS Grundsätze», daß nach neuerem Recht zu Gunsten Dritter paci»cirt werden könne, ansehen. Die» ist aber entschieden unrichtig. Bei solchen Ver­ trägen denkt der Promiffar so wenig an da- Interesse de» Dritten (seine» Gläu­ biger»), daß er vielmehr nur sein eigene» Interesse, von der Schuld frei zu wer­ den, im Auge hat, und ob dem Gläubiger de» Promiffar» daraus ein Vortheil erwächst, daß er noch de» Stipulator al» Schuldner erwirbt, ist etwa» ganz Zu­ fällige»; wenn der Stipulator zahlungsunfähig ist, fällt der Vortheil gewiß weg. Deshalb hat mit Recht Delbrück (Schuldübernahme S. 98) die Zusammenstel­ lung der Schuldübernahme mit Verträgen zu Gunsten Dritter abgewiesen. ") Busch S. 26 f. ") Pr.R. II. S. 295.

6. 75.

Vertragsabschlüsse zum Bortheil Dritter.

423

indem der Dritte aufhört ein solcher zu sein, der Bertrag zu seinen Gun­ sten erst gütig wird, wenn er Mitkontrahent geworden. So ist man nicht wesentlich weiter gekommen, als nach römischem Recht, und die Hemmung des Verkehrs macht sich um so störender geltend, als die Sätze des A.8.R. in gewohnter Weife abstrakt hingestellt sind, so daß kaum eine Ausnahme zulässig erscheint, wie sehr auch das tägliche Leben dazu drängt. Wichtig ist es daher, zu sehen, wie die preußische Praxis diese Bestimmungen bis­ her gehandhabt hat. 1. Zunächst hat sie daran fest gehalten, daß dieselben sich nur auf Verträge zum Vortheil Dritter beziehen. Die Uebernahme der Schuld de» einen Kontrahenten an den Dritten zählt sie nicht hierher"), eben so wenig die Uebernahme der Reallasten von Seiten de» Käufers"). In beiden Fällen erlangt der Dritte keine neue Berechtigung, sondern e» wird ihm nur seine bisherige erhalten. Dagegen ist e» ein Vertrag zu Gunsten deS Dritten, wenn die Kontrahenten verabreden, daß ein bisher zinslose» Kapital, welches dem Dritten gehört, ihm fortan verzinset werden soll"), oder wenn die Hauptparteien verabreden, daß der Schuldner die Schuld seines Gläubigers an den Dritten übernehmen, aber nicht zu des Letzte­ ren Nachtheil mit einer ihm gegen diesen zustehenden Forderung kompensiren solle"). 2. Die Praxis bestimmt den Begriff deS Dritten dahin, daß nicht ein Fall der Stellvertretung vorliegen darf. So ist z. B. der Verpächter, soweit er durch den Pächter vertreten ist, kein Dritter"). 3. Der Nachweis eine» besonderen Interesse auf Seite desjenigen Kon­ trahenten, der sich den Vortheil de» Dritten hat versprechen taffen, ist nicht erforderlich, er hat auch ohne dieses eine Klage auf Erfüllung de» Vertrages"). Der Versprechende (ver Schuldner) ist unbedingt gebun­ den, der Gläubiger kann die ihm daraus erwachsende Klage cediren"). Widersprechend hiermit ist eine andere Entscheivung des Obertribunals"), welche die Klage des Gläubigers, der sich vom Schuldner die Verzinsung eine» einem Dritten gehörigen Kapitals hatte versprechen laffen, auf Zah­ lung der Zinsen und Anerkennung dieser Verpflichtung abgewiesen hat, weil der Gläubiger diese Zinsen nicht für sich fordern könne. Dieser An­ sicht steht entgegen, daß der Schuldner dem Gläubiger gegenüber sich zur Verzinsung verpflichtet hatte, und daß dieser Vertrag ein Klagrecht auf Entsch. B. 26. S. 8. Simon und v. Strampff, Richtsprüche I. S. 118. Entsch. B. 16. S. 196., des. S. 202 a. E. Striethorst ®. 4. S. 252. Präj. 1406 c. (Sammt. I. S. 60.) Entsch. B. 27. S. 316 a. E. Entsch. B. 12. S. 150. B. 14. S. 76. Entsch B. 14. S. 76. ") Striethorst v. 4. S. 253.

’*) «) ’•) ") «) ")

424

Awritr- Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Erfüllung erzeugen muß. 4. Beide Kontrahenten sind durch den Vertrag gebunden, einseitig kann keiner zurücktreten, aufgehoben oder abgeLudert darf er nur werden im beiderseitigen Einverständnis"). 68 ist hierbei ohne Einfluß, ob beide Kontrahenten oder nur der eine den Vortheil des Dritten beabsichtigt. Es stehen daher solche Verträge unter dem allge­ meinen Grundsatz, daß nach dem Abschluß ein einseitige» Aufheben oder Aendern überhaupt nicht statthaft' ist, und nur in Beziehung auf den Dritten ist hier de» besonderen Recht- zum Rücktritt Erwähnung ge­ schehen"). 5. Der Beitritt des Begünstigten ist bedingt durch die Be­ willigung der Hauptparteien, indessen genügt e», daß nur diejenige Haupt­ partei den Beitritt bewilligt, welche allein den Vortheil des Dritten sich hat versprechen lassen") 6. Die Aufforderung der Hauptparteien an den Dritten, dem Vertrage beizutreten, bedarf nicht der schriftlichen Form"), 7. Wie vor dem A.L.R., so hat auch nachher die Praxis darüber ge­ schwankt, ob der Beitritt des Dritten zu dem Vertrage eine ausdrückliche Erklärung verlangt, oder auch durch schlüssige Handlungen, z. B. Annahme der Zahlung erfolgen könne. Ein Erkenntniß vom Jahre 1816") nahm letzteres an. Seitdem hat aber die Praxis sich dahin entschieden"), daß der Beitritt ausdrücklich, und zwar, wo eS erforderlich ist, in Schriftform erklärt werden muß, daß weder Klagerhebung noch Zahlungsannahme ge­ nügt. Dagegen ist ein von allen Interessenten unterschriebener AuSzug auS dem zum Vortheil eines Dritten abgeschloffenen Vertrage al- aus­ reichender Beweis dafür angenommen worden, daß der Dritte dem Ver­ trage mit Bewilligung der Hauptparteien beigetreten sei, obschon der Aus­ zug keine beitretende Erklärung des Dritten, sondern nur die Stipulation der Hauptparteien zu seinen Gunsten enthielt"). 8. Daß der Dritte, so­ bald er durch seinen Beitritt daS Recht erworben, eS auf feine Erben überträgt, kann nicht zweifelhaft sein, auch kann er eS, wenn eS an sich cessibel ist, gewiß veräußern. 9. Welche Klage der Dritte gegen den Schuldner erwirbt, ist, wenn sein Recht an einen von den Hauptparteien zu bewilligenden Beitritt geknüpft ist, keine praktisch wichtige Frage. Diese Beitrittserklärung ist eine vertragsmäßige, erzeugt also selbst eine Klage. Ihr kann der Schuldner alle Einreden entgegensetzen, die er der Klage de- Hauptgläubigers hatte entgegensetzen können. 10. So allgemein und I. 5. 391. Entsch. B. 26. S. 12. Striethorst B. 30. S. 122. Entsch. B 39. S. 36. Entsch. B. 10. S. 341, bei. S. 349 u. §. 391. I. 5. AL R. Entsch. B. 26. S. 9.12. Rechtspr. B. 1. S. 118. Entsch. B. 10. S. 354 (s. §. 153. I. 5. A.LR). Rechtspr. B. 3. S. 166. sälle B- 1 S-167. w) Striethorst B. 7. S-132. ") ") **) ") ") ")

Rechtt-

au-nahmSlo» nun auch die Bestimmungen des A.L.R. über solche Ver­ träge sind, so hat die preußische Praxis doch in einem Falle dem andrän­ genden Bedürfnisse des Leben- nachgeben und eine Ausnahme für ein Ge­ schäft gestatten müssen, welche- den Römern fremd, wesentlich deutschen Ursprung- ist. Durch Plenarbeschluß vom 25. August 1846 (Präjudiz 1770.) ist ausgesprochen: „wenn ein Bater in dem mit einem seiner Kinder abgeschlossenen GutSüberlassungSvertrage seinen anderen Kindern Abfindungen auSgesetzt hat, so kann der GutSaunehmer dem die Abfindung «»klagenden Kinde nicht entgegensetzen, daß eS dem Vertrage nicht beige­ treten sei""). Hier soll also da- Klagerecht de- begünstigten Kinde- durch bett Vertragsabschluß zwischen dem Bater und dem GutSüberuehmer un­ mittelbar begründet sein, ohne daß e» seiner mit Bewilligung der Haupt­ parteien abzugebendeu Beitrittserklärung bedarf. Die ältere Praxis hatte dergleichen Klagen abgewiesen, aber die dadurch nicht zu überwindende Ueberzeugung, namentlich des Landvolks, von der unmittelbaren Giltigkeit solcher Verträge für den Dritten hatte zu Härten und offenbaren Unge­ rechtigkeiten geführt"). ES war dadurch eine nochmalige Prüfung veran­ laßt, diese aber von vornherein dadurch auf einen bestimmten Weg ge­ wiesen, daß an einem anderen Ort das A.L.R. bestimmt"): Verträge, wodurch Eltern ihr Vermögen schon bei Lebzeiten ihren Kindern abtreten, sind blos als Verträge unter Lebenden anzusehen, denn diese Vorschrift machte die Erklärung unmöglich, daß durch solche Geschäfte eigentlich nur eine s. g. anticipirte Erbfolge geordnet werde, und auf die Anwendbarkeit de- §. 75. d. T. war mau dadurch um so mehr hingewieseu. Allein daObertrlbunal schließt dieselbe wesentlich deßhalb au-, weil die Eltern, also auch die Mutter, sowie der Großvater, und wie eine spätere Ent­ scheidung ausführt"), selbst die Großmutter, bei diesen Verträgen ihre Kinder vertreten. Durch sie nehmen die Kinder mittelbar an der Vertragöschließung Theil. Auf diesem Wege tritt in Betreff solcher Rechts­ geschäfte die preußische Praxis der gemeinrechtlichen nahe, aber e» muß be­ merkt werden, daß, wenn diese Verträge unter den Gesichtspunkt der Stell­ vertretung gebracht werden, es sich nicht um eine Ausnahme von §. 74 fg. handelt, sondern um einen Fall, der überhaupt nicht hierher gehört"). In Betreff de- Vater- ist vermöge seines Gewaltverhältnisses die An­ nahme der Stellvertretung auch gewiß zulässig"). Koch's Widerspruch ••) Entsch. B. 14. 8.33. S.30. Striethorst B.21 S.71. Die Ablehnung eine- schriftlichen Anerbieten- bedarf nicht der schriftlichen Form. Entsch. das. '») §. 94. ff. d. T.

D. H.G.B. Art. 318.

M) Dem steht gleich die mündlich« Bestellung durch einen Boten. Jhering, Jahrb. B. 2. S. 70 f. Wenn Koch, Komment. Note 82. zu §. 99. d. T. sagt, der Bote sei nicht Stellvertreter beider Theile, sondern Beauftragter de- Absender­ und schließt al- solcher den Vertrag mit dem Andern ab, so ist die» eine schiefe Aussaffung. Daß er nicht Stellvertreter beider Theile sein kann, versteht fich von selbst; man mag den Boten den Beauftragten de« Absender« nennen, aber er ist auch nicht deffen Stellvertreter und schließt nicht den Vertrag ab. Nimmt er die mündliche Antwort zurück, so ist er Beauftragter beider Theile. Er ist, wie der Bries, nur ein Mittel, Surrogat der mündlichen Erklärung unter Gegen­ wärtigen, nicht selbständig handelnd.

in Berücksichtigung kommen. Auch hier zwar hat der Abwesende, der daAnerbieten erhält, kein Recht auf besondere Bedenkzeit, auch er muß sofort antworten — aber diese- Sofort bedarf einer näheren gesetzlichen Präzi­ sion. Bei Personen an demselben Ort darf der Zwischenzeitraum 24 Stunden nicht übersteigen"); bei Personen an verschiedenen Orten muß mit nächster ordentlicher") Gelegenheit geantwortet werden, mit nächster Post oder durch den zurückkehrenden Boten. Daß Koch hier noch eine vierundzwanzigstündige Bedenkzeit einschieben will, ist ungerecht­ fertigt in der Sache und nicht unterstützt durch da- Gesetz"). Weil aber ferner bei dem Vertragsabschluß zwischen Abwesenden auch der Entschluß zur Annahme der Zeit nach immer von dem Moment ver­ schieden ist, wo dieser Entschluß zur Kenntniß de- Anbietenden zurückgetangt, so ist zur Beantwortung der Frage, wann eigentlich der Vertrag abgeschloffen ist, noch eine weitere Bestimmung nöthig: entweder nämlich in dem früheren Moment, wo der Empfänger de- Anerbieten- sich ent­ schließt, e- anzunehmen und diesem Entschluß die äußere Erkennbarkeit zu geben beginnt, indem er die Antwort niederschreibt, den Brief schließt und zur Post befördert — oder in dem späteren Moment, wo dieser Brief in die Hände de- Anbietenden gelangt"). Don Entscheidung dieser Frage hängt die weitere, praktisch wichtige Frage ab, bi- wann ein Anerbieten widerrufen werden darf. Für beide Zeitpunkte sind Vertheidiger aufge­ treten und noch dürste der Streit nicht al- entschieden anzusehen sein. Wer in jenen früheren Zeitpunkt deu Vertragsabschluß verlegt"), verkennt zwar zunächst nicht den Grundsatz, daß der Entschluß zum An­ nehmen schon au» der Innerlichkeit zu einer äußeren Erkennbarkeit über­ gegangen sein muß; deßhalb muß bereit- dasjenige geschehen sein, wa» nöthig ist, um den Entschluß dem Anbietenden kund zu thun. Weil aber die Willen-einigung von dem Moment an vorhanden sei, wo der Empfän­ ger de- Versprechen- sich zum Ja entschließt, und diese» Ja zu einem *•) D- h. btt Annahme muß innerhalb des nächsten Tage» erklärt werden, keine Rech­ nung von Moment zu Moment, der Tag ist auf dem Recht»gebiet der kleinste Zeittheil. Oben §. 45. S. 208. Entsch. ®. 12. S. 395. §. 47.1. 2. A S «.

■**) Telegramm ist nicht eine ordentliche Gelegenheit; aus solche Antwort hat der An­ bietende keinen Anspruch. Schering, Archiv B. 3. •) 1. 9. D. XVIII. 1.: quia in corpore dissensimus, emtio nulla est. 1. 83. §. 1. I. 137. §. 1. D. XLV. 1. I. 10. (J. VIII. 54. und al» gemeiner Grundsatz s- 23. J. III. 20.: Si de alia re stipulator senserit, de alia promissor, perinde nulla contrahitur obligatio. ’») 1. 9. §. 1. D. XVIII. 1. 1. 80. v. V 1. 1. 32. D. XLV. 1. - 1. 34. pr. D. XVIII. 1. **) I. 4. §. 77. Error in substantia. ”) 1. 21. §. 2. D. XIX. 1. Die von der Florenzer Handschrift abweichende Lesart emtionem non esse ist nicht zu billigen S. hierüber bes. Bangerow S. 284 f. Auffallend ist, daß Unterholzner S. 58. 59. Note i. da» non verwirft und Note q. aufnimmt. Bergl. ferner 1.10. D. eod. ((Selb von geringerer Feinheit). ”) 1. 9. §• 2. D. XVIII. 1.: nullam esse venditionem puto, quoties in materia erratur.

Zweite- Buch.

444

Die besonderen Privatrechte.

vorausgesetzte Eigenschaften geirrt hat, und eS ist nicht klar, ob darunter auch solche zu verstehen, die nur die Güte treffen. Klarer wird dies auch nicht durch den Beisatz: „durch Irrthum in „anderen" Eigenschaften oder Umständen wird die Willenserklärung niemals vereitelt" ’4). 5. Man irrt sich über Maß und Menge (error in quantitate). Im Allgemeinen ist hier der Irrthum immer unwesentlich. ES kann dem Benachtheiligten zwar Abhilfe geschafft werden, indem ihm ein Anspruch aus Nachforde­ rung, Entschädigung, oder, wenn Verletzung über die Hälfte vorliegt, ein Recht, den Vertrag aufzurufen, gegeben wird; dafür aber ist der Irr­ thum nicht der @runbtb).

§. 79. AL.R I. 5. §. 109—184.

S. 207—226.

3. Die Form.

Eben §. 40. Ergänzungen I. S. 94 ff.

Gruchot I. S. 347—364.

Heydemann I.

Bornemann II. S- 248—295.

v. Daniels I. S. 243. Koch, PrR. II. S. 177-189. R. d. F II. S. 154-221. Plathner, Geist des pr. R. I. S. 161 f. Arndts, Bemerkungen über das Er­ forderniß schriftlicher Abfassung der Verträge, im Arnsberger Archiv B. 1. (1834)

S. 132—173. Bornemann, Erörterungen im Gebiete des preußischen R. 1855. H. 1. S. 144—234. Meyer, die Schrift in ihrer Bedeutung nach preuß. R. 1855.

Franz bei Gruchot XIII. 75. — Savigny, System III. S. 237 f. Obl R. II.

S. 197. Beseler, Lehre von den Erbverträgen II. S. 39 f. und Deutsches Priv RI. S. 240.

Gerber, Deutsches Pr.R. 8. A. S. 403.

Bluntschli, D. Pr.R.

3. A. S. 326 f. SinteniS, Civ.R. II. S. 249 f. Keller, Pandekten, 1861, S. 434. §.222. Windscheid II §.312 S- 176. Heimbach, über den Grund und die rechtliche Bedeutung der Formlosigkeit der Verträge, in der Zeitschrift für Civ.R. u. Proz. N F. B. 13. S. 9> f. Stobbe, zur Geschichte des deutschen Ver-

tragSrechtS, 1855, S. 1 f.

v. 2'ölderndorff, die Form der Rechtsgeschäfte nach

allgemeinen Grundsätzen und den positiven Rechten, röm. R- II. 2. 1858. S. 496 f.

1857.

Jhering, Geist des

Die Parteien müssen ihre Willenseinigung in einer bestimmten Form aussprechen, wenn diese daS Gesetz torfcbreibt1). In daS gemeine deutsche Recht sind die römischen DertragSsormen, namentlich die Stipu­ lation, nicht übergegangen. Alle Verträge sind bei der Rcceptien klagbare nuda pacta geworden, oder richtiger gesagt, sie sind so formleS geblieben, 14) §. 83. d. T. Koch setzt im Kommentar Note 88a. dazu: Dadurch ist der wichtige römische Rechtssatz, daß kein Irrthum außer dem wesemlichen die Giltigkeit der Erklärung aufhebt, anerkannt. Aber damit ist nicht entschieden, ob auch ein error io boüiiuie, wenigstens unter gewissen Umständen, ein wesentlicher sein kann. Nach röm. R. ist dies schlechthin zu verneinen. Nach A L R. wird anzunehmen sein, daß der Irrthum über die a!S gewöhnlich vorauszusetzende Güte ebenso wie der error iu substaulia ein wesentlicher ist. ”) Irrthum in der Quantität ist, obschon man diese als Eigenschaft der Sache nicht ausfassen kann, unter den „anderen Eigenschasten und Umständen" in § 83. d. T. zu verstehen. Ueber röm. R. s- Vangerow S. 2v7. Seuffert X. 147. ') §. 109. d T.

z 79.

445

3. Die Form

tote sie e8 nach der Auffassung des deutschen Recht«, die sich im Sachsen­

spiegel bestimmt auSdrückt'), bereit- gewesen.

Nicht al« ob dem älteren

teutschen Recht Formen für Rechtsgeschäfte gefehlt hätten: im Gegentheil, der Reichthum an allerlei symbolischen Formen war sehr groß, die gericht­

liche Errichtung der Berträge von weitem Gebrauch — allein der Grund­ satz bestand nicht, daß an Erfüllung einer Form die Giltigkeit deS Ver­

tragsabschlusses geknüpft wäre; nur, um den Beweis zu sichern, erschien sie nützlich'). Wie nun dem römischen Recht die mannichfaltigen deutschen Formen unbekannt waren, so ging dem deutschen Volk daS Verständniß

für die römische Stipulation ab, bei welcher die äußere Formhandlung den RechtSgrund für den Vertrag darbot. So wurde die Formlosigkeit für Verträge herrschend, da- römische Recht stieß die deutschen Formen fort, die sich nur durch lokale Gewohnheiten erhalten konnten, daS deutsche

nahm die Stipulation nicht an. blieb den Parteien überlassen.

Wie man sich den Beweis sichern wollte,

Allein auf die Schrift, die auch im alten

deutschen Recht schon vielfach in Uebung gewesen'), leitete doch das Be­ dürfniß zurück: sie ist die einfachste und natürlichste Form, wenn der Aus­

druck deS Willen- in die Zukunft hinein eine sichere Dauerbarkeit haben und er auch Demjenigen gegenüber erkennbar bleiben soll, der die Rede nicht gehört hat.

Die Notariatsordnung von 1512 hat diese Bedeutung

der Schrift aberkannt.

Damit »die Handlung und Willen der Menschen

nicht in Vergessenheit gesetzet, durch Mittel der Schrift in ewiger Ge­ dächtniß behalten und durch glaubhafte offene Urkund befestiget werden",

hat sie Uber Errichtung der notariellen Urtunten Bestimmungen getroffen,

die noch heute gemeinrechtlich gelten. Aber diese Bestimmungen sind in­ sofern nur fakultative, al- e- den Parteien überlassen bleibt, die Schrift­ form zu wählen und sich dadurch

Nothwendigkeit,

Verträge

ihre Vortheile zu verschaffen.

schriftlich

zu

errichten,

nm

sie

giltig

Eine und

klagbar zu machen, kennt auch die Not. Ordn, und daS heutige gemeine Recht nicht.

Eingreifender dagegen, zum Theil bis zum Uebermaß, sind einzelne Landesrechte verfahren, und je nachdem sie daS Verhältniß der Form zum

Wesen deS Vertrages aufgefaßt haben, lassen sich bei ihnen zwei Systeme unterscheiden.

Entweder nämlich ist die Form nur Beweismittel für die

Willenseinigung, eine äußere Zuthat, die aus Gründen nicht deS Recht­

sondern der Zweckmäßigkeit angerathen ist, oder sie wird al« wesentlicher Bestandtheil der Willenseinigung selbst, als dasjenige Moment angesehen,

welche« dieser erst die Vollendung giebt.

Dort besteht der Vertrag auch

*) S.Sp. I. 7. Stobbc S. 4. 5. •) Den sichersten Beweis gewahrte die gerichtliche Abschließung. 4) Btstler, Pr-k. 1. G. -4?.

Etohbe a. a. O.

446

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechtc.

ohne die Form, die Parteien müssen nur die Folgen der Unsicherheit auf sich nehmen; hier besteht der Vertrag nicht ohne die Form, seine Giltig­

keit und Klagbarkeit ist von ihr bedingt.

Keine- der neueren Gesetzbücher

hat jedoch da- eine oder andere System ausschließlich angenommen; eS haben die de- ersteren wohl auch für einzelne Verträge die Form als nothwendig erfordert und die deö letzteren den Grundsatz, daß die Form Beweismittel fei, nicht durchweg zurückgewiesen.

Nur ob da- eine oder

andere System in ihm da« vorherrschende ist, bestimmt bei dieser Frage

die Stellung de- Gesetzbuchs. Welches aber von den beiden Systemen den Vorzug verdient, kann kaum zweifelhaft sein; die Erfahrungen insbesondere der preußischen Praxis beweisen unwiderleglich, daß eS der falsche Weg ist, die Form zur Hauptsache zu machen.

Zwar gewiß bedarf der Wille,

um anderen Personen erkennbar zu werden, des Ausdrucks (der Erklärung)

und dieser Ausdruck bedarf immer einer Form. ist eine formelle Aeußerung des Willens.

Auch die mündliche Rede

Aber wo eine bestimmte

Form, in der der Wille sich äußern muß, um auf dem Recht-gebiet an­

erkannt zn werden, gefordert wird, ist ihre Bedeutung überschätzt, der Wille, statt daß er die Form bestimmt, ihr dienstbar gemacht. Nicht mehr die gegenseitig zum Bewußtsein gebrachte Willen-einigung an sich, obschon doch nur sie die Substanz de- Vertrage- ist, schafft ihn, sondern die Be­

obachtung der Form').

So wird der im Vertragsrecht überaus wichtige

gute Glaube aus ihm herausgedrängt, der an das Aeußerliche hängenden

Chikane ein breiter Weg geöffnet. stände.

Und dazu treten noch andere Uebel­

Die Erhebung der Form zum Wesen, weit entfernt, dem Ver­

kehr größere Sicherheit zu geben, erzeugt eine zahllose Menge von Streit­

fragen — da- beweist die Praxi- der preußischen Gerichte; um solchen Streitfragen möglichst — aber immer erfolglos — vorzubeugen, wird da«

Gesetzbuch in eine unerträgliche Kasuistik gerathen — da- zeigt das A.L.R. Von den älteren Gesetzbüchern steht dem gemeinen Recht am nächsten da- österreichische.

Abgesehen von einigen Geschäften, bei denen die

Form Bedingung der Klagbarkeit ist"), bleibt die Wahl der Schrift den Parteien frei.

Die Verbindlichkeit und die Berechtigung erwächst au- der

Willen-einigung, die Verschiedenheit ihre- formellen KundwerdenS ändert

hieran nichts'). 5) Das Urtheil über die Unrichtigkeit des zweiten Systems steht jetzt wohl allgemein fest. S. z. B. Koch, R. d. F. 1L S. 218 f. Meyer S. 6 f. 54 f. Borneinann, Erört. S. 231. Dagegen tritt v. Bölderndorff in feiner angeführten Schrift da­ für auf, daß die Form keine äußerliche Zuthat, sondern die Vollendung der Wil­ lensbestimmung selbst, mithin ihrem Begriff nach wesentlich für den Vertrags­ abschluß ist. •) So bei dem Schenkungsvertrag, wenn nicht übergeben worden §. 943., Schenkung auf de» Todesfall §. 956., Gesellschaft-verträge §. 1178, Erbvertrage unter Ehe­ gatten §. 1249., Verträge über Grundeigenthum §. 434. ’) §. 883-; Ein Vertrag kann mündlich oder schriftilch, vor Gericht oder außerhalb

Z. 79.

3. Die Form.

447

Auch das französische Recht steht grundsätzlich auf diesem Stand­ punkt'), aber eS hat ihn auf eigenthümliche und bedenkliche Weise dadurch modifizirt, daß eS Verträge, deren Gegenstand die Summe von 150 Franks übersteigt, nicht durch Zeugen beweisen läßt'). Indirekt wird hier die Schrift wieder die nothwendige Form wenigstens für die Beweisbarkeit des Vertrages. Die neuen Gesetzbücher, das sächsische'") und das deutsche Han­ delsgesetzbuch "), bewahren die Theorie des gemeinen Rechts von der Klagbarkeit formloser Verträge. Dem A.L.R. allein ist vorbehalten geblieben, das zweite System, welche- die Form zum Wesen erhebt, in möglichster Schärfe durchzuführen und die an sich so einfache Lehre von der Bedeutung der Form im Rechtsverkehr dadurch zu einer äußerst verwickelten, vielfach bestrittenen zu machen. Daraus ergiebt sich die Nothwendigkeit, länger bei derselben zu verweilen, so wenig auch wissenschaftliche Erkenntniß dadurch gewinnt. Zwar ist im A.L.R. ausgesprochen, daß aus der Versäumung der Form nur dann die Nichtigkeit der Handlung folgen solle, wenn daS Gesetz dies ausdrücklich vorschreibt, und wo dies nicht, die Form nur zur größe­ ren Gewißheit und Beglaubigung dient; aber es sind die Fälle, wo die Gesetze ausdrücklich die Klagbarkeit der Verträge an die Schrift knüpfen, so zahlreich und von so allgemeinen Kategorien, daß bei ihnen in der That daS umgekehrte Prinzip gilt"). desselben, mit oder ohne Zeugen errichtet werden. Diese Verschiedenheit der Form macht außer den im Gesetz bestimmten Fällen in Ansehung der Verbindlichkeit keinen Unterschied. 8) Zachariä (Anschütz) II. S. 341.

') Art. 1315 f. der Code.

Meyer S. 20 f.

S. hierüber Zach. IV. S. 472.

'•) §. 821 f. In der Regel keine besondere Form. Ist durch Gesetz oder Verabredung eine besondere Form für den Abschluß de- Vertrag- bestimmt, so wird der Ver­ trag erst mit der Vollendung der Form bindend.

'•) H.G B. Art. 317. Ueber die Frage, in wie weit Art. 317. de- H.G B. die Vor­ schriften de« 91.8.9t. beseitigt, s. Makower, Kommentar zum H.G.B. Anm. I. c. zu Art. 317. Lesse in Busch, Arch. s. H.R. B. 4 S. 138. Letzterer führt richtig au-, daß, wenn die Parteien für ein Handel-geschäst die schriftliche Form verab­ redet haben, die §§. 117.127—129. 385—390.1. 5. AL.R. nicht zur Anwendung kommen, vielmehr auf die Grundsätze de» gemeinen Recht» zurückgegriffen und die Absicht der Parteien durch freie Interpretation (Art. 278. H.G.B.) ermittelt werden muß. Jene Vorschriften hängen mit dem System de- A.L.R. zusammen, sie stehen und fallen mit ihm. Art 317. beseitigt aber diese- System für Han­ delsgeschäfte gänzlich. Da» Krei-gericht zu Stettin hat die Giltigkeit mündlicher Nebenabreden bei schriftlich abgeschlossenem Handel-geschäst nach Art. 317. an» genommen. Busch, Arch. B. 4. S. 137. Vergl. auch Diepenbrock-G rüter ei Gruchot XII. 77. Die Formfreiheit de- H.G.B. gilt übrigen- auch für solche Rechtsgeschäfte, welche nur auf Seiten eine« Kontrahenten Handelsgeschäfte sind. Stege mann I. S. 207. Auch für Versicherungsverträge, so weit solche Handels­ geschäfte sind. R.O.H.V. V. Nr. 2. — Die neueren Entwürfe (der bairische Art. 7., der deutsche Art. 73.) sehen von besonderen Vertrag-formen ab.

") Rkykr H. 30 gegen Koch, R. d. F. U. S. 159. §. 109. d,

wovon §. 110.

Die Redaktoren deS A.L.R. haben nicht neues Recht geschaffen, sie fanden das Feld bereits sehr vorbereitet. Das Stempeledikt vom 13. Mai 1766") hatte wohl hauptsächlich im fiskalischen Interesse, wenngleich vorgeblich zur mehreren „Sicherheit der Kontrahenten und zur Verhütung der Prozesse" grade für solche Verträge, welche am häufigsten im täglichen Verkehr Vorkommen, Kauf, Pacht, Miethe, die schriftliche Form geboten, wenn sie 50 Thlr. überstiegen. Es knüpfte an die Derabsäumung der Form die Nichtigkeit deS Vertrages, versagte also Klage und Einrede. Noch schroffer war daS Edikt vom 8. Februar 1770"), welches den Grundsatz auf alle Verträge über 50 Thlr. auSdehnte und sogar die Rückforderung des Geleisteten theils ganz ausschloß, theils sehr bedingt zuließ. Die exorbitante Verletzung des Rechtsgefühls, die darin lag, ver­ langte sehr bald Abhilfe. Da» Reskript vom 10. März 1781") schritt vorläufig modifizirend ein, indem e» der ganz oder theilweis erfolgten Vertragserfüllung wieder die Wirkung beilegte, entweder Rückgabe und Erstattung oder Gegenleistung zu fordern, und das Reskript vom 12. Mai 1788") beseitigte die Beschränkung der kurzen Verjährung von sechMonat für die Rückforderung. Dieser RechlSzustand ist im Wesentlichen im A.L.R. beibehalten, neuerdings aber durch das Gesetz über den EigenthumSerwerb vom 5. Mai 1872 §. 10. sehr wesentlich insofern geändert, alS die mangelnde Form des VeräußerungSgeschäftS über ein Grundstück durch die Auflassung geheilt wird"). ES sind nun hier die Fragen zu erörtern: worin besteht die schrift­ liche Form, in welchen Fällen ist sie nothwendig oder entbehrlich, welche Bedeutung haben mündliche Nebenabreden und welche Wirkung hat die Derabsäumung dieser Form? I. Die schriftliche Form vollendet sich durch die Unterschrift unter demjenigen Schriftstück, welches den Inhalt des Vertrag- darlegt"). „Beobachtung einer Förmlichkeit unter Androhung einer Strafe" eine Ausnahme ist. Ferner §. 155 d- T Die Praxis zweifelt auch nicht daran, daß da, wo da« A. L R eine Form für den Bertrag gebietet, sie zu seinem Wesen gehört Entsch. B. 1. S 22. o. 4 S. 122. B. 30. e. 254 263. B. 36. ©.111 Auch kann deß. halb die Nachholung ter Form den mündlichen Bertrag nicht giltig machen, und e« kann au« diesem nicht aus jene geklagt werben. St riet hör st B. 17. ©. 112 f. Ein spatere« schriftliches Aiierkeniuniß ist ein neuer Vertrag. 8- 1»5. d. T- Oben 8. 41. S- 196. Wenn im §. 10. 1. 14 die Schrift als Beweismittel erscheint, so ist dies nur falscher Schein. Heydemann I. S. 207 Note 339.

•*) N. C. C. IV. p. 404. “) N. C C. IV p. 6669. ") N. C. C. VIII. p. 3299. •*) Klein, Annalen B. 2. S- 290. II. S 164 Note 4.

Ueber das Datum de« Reskripts s. Koch, R. d. F.

IT) Förster, Grundbuchrecht S. 186.

**) 8. 116 d T- Nicht unterschriebene Aufsätze sind bedeutungslos 8.118. Ebenso Besiegelung 8 119. Entsch e. 19. © 69. B. 29. S. 293. H 116. 117. d. T. sind nicht anwendbar auf Briefwechsel. Striethorst B. 82. S>. 282.

§. 79.

3. Di- Form.

449

Bei gegenseitigen Verträgen müssen Gläubiger und Schuldner, wenn auch

in getrennten Urkunden"), bei einseitigen der Schuldner selbst unter­ schreiben'"). Die Unterschrift muß in Gegenwart beider Theile erfolgen, oder wenn in Abwesenheit des einen, diesem z. B. durch Uebersendung

bekannt werden").

Die Kontrahenten müssen ihren eigenen Namen, und

dürfen nicht etwa einen beliebigen fremden niederschreiben, weil sonst die Ernstlichkeit de- Willens bezweifelt werden könnte"). Sie können eine andere Person mit der Unterschrift beauftragen.

Der Auftrag muß aber

schriftlich ertheilt sein, ein mündlicher oder eine nachträgliche Genehmigung

genügt nicht").

Die Unterschrift des bloßen Taufnamens reicht hin").

Derjenige Kontrahent, welcher die Urkunde unterschrieben und dem An­ dern zugestellt hat, darf den Mangel der schriftlichen Form diesem nicht

entgegensetzen, wenn derselbe nicht unterschrieben hat"), und der Letztere, welcher die einseitig unterschriebene Urkunde angenommen und auf Grund derselben geklagt hat, darf den Mangel der Form nicht für sich benntzen,

wenn der Beklagte aus dieser Urkunde Gegenansprüche erhebt").

Beide

von der Praxis angenommene Sätze ergänzen sich gegenseitig, der eine

wäre ohne den andern falsch. Die schriftliche Form setzt ferner Schrei­ bens- und Lesenskunde voraus, das Gesetz muß daher besondere Vorsorge für die s. g. Analphabeten treffen").

Solche sind nicht

nnr Die­

jenigen, welche überhaupt nicht lesen und schreiben oder nur ihren Namen

schreiben aber nicht lesen können, sondern auch Die, welche momentan, durch Zufall, z. B. ein körperliches Leiden, am Schreiben verhindert sind"), oder in der Sprache nicht lesen und schreiben können, in welcher

*•) PlBeschl. Entscheid. B. 5. S. 39. Striethorst III. S 194. Born-mann, Erörter. S. 180. ") Entsch B. 17. S. 457. «. 18. ®. 207. B. 23 S. 18. Bornemann S. 181. Ueber die Bedeutung und den Sinn de« Diffession-eide« (§. 138. 1.10. AGO) f. Ergänz. I. S. 97. Sp. II. f. Entsch. B. 12. S. 477. 480. -') Entsch. B. 9. S. 213. B. 19. S. 69. Präj 2077 (Sammt. I. S. 9). Borne­ mann S. 180 f. ") Jurist. Wochenschr. 1846 S. 206 f. Koch, Komment, zu §. 116. h. t. Unleser­ liche Handschrift: Arn«b. Arch. B. 3. S. 557. »*) Pl.Beschl. Entsch. B. 29 S. 293. Striethorst B. 15. S. 258. B. 34. S. 322. Der mit der Unterschrift Beaustragte ist nicht Stellvertreter für den Vertrags­ abschluß. Der Stellvertreter unterzeichnet seinen eignen Namen. Pl.Beschl. Entsch. B. 19. S. 29. *‘) Juristische Wochenschrift 1837 S. 870. ’•) Präj. 292 (Sammt. I. S. 9). Striethorst B. 14. S. 6. Nr. b. *•) Präj 1046 (Sammt. I S. 11). Entsch. B. 12. S. 163. Die doli exceptio steht entgegen. ”) §. 172-184 d. T. Heydemann S. 224. »') §. 172. d. T. Anh. §. 72. zu 8 19. 1.10 A.G O. Striethorst B. 17. S. 365. B. 28. S. 209. Förster, Preuß. Privatrecht. L 3. Aufl,

29

450

Zweite» Buch

Dagegen ist Derjenige, der zwar nur seinen

der Vertrag abgefaßt ist"). Namen

schreiben,

aber

Die besonderen Privatrechte.

Geschriebene-

lesen

kann,

nicht Analphabet'").

Wenn Analphabeten ein Privatschriftstück unterzeichnen, so werden sie da­ durch nicht verbindlich.

den Vertrag nicht

Hat der andere Theil unterschrieben, so darf er

für sich

al- unverbindlich erachten,

er hat nur da-

Recht, vom Analphabeten zu fordern, daß er ihn nachträglich in die ge­ setzliche Form

bringe,

der Analphabet aber ist berechtigt zurücktreten").

Die gesetzliche Form für die Verträge der Analphabeten ist die gerichtliche

oder notarielle").

Der Schreiben-unkundige unterkreuzt die Urkunde und

der Richter oder Notar bescheinigt, daß und weßhalb die Zeichen statt der Unterschrift beigesetzt worden.

so muß statt

Kann der Kontrahent kein Zeichen machen,

seiner ein von ihm gewählter Beistand unterschreiben und

In Betreff

die- von dem instrumentirenden Beamten attestirt werden").

dieser Unterschrift-beistände hat die Praxi- folgende Sätze angenommen.

Bei gerichtlichen Verträgen: unterläßt der Analphabet, sich den Bei­ stand, „einen glanbhaften Mann" mitzubringen, so muß ihm der Richter einen solchen

führer

von

oder zwei

Amt-wegen

zuordnen").

Gericht-schöppen

Der zugezogene

Protokoll­

können al- Unterschrift-zeugen

fun-

giren"); dagegen reicht e- nicht au-, die gerichtliche Form zu erfüllen, wenn ein Richter

den Vertrag

UnterschriftSzeuge thätig ist").

nicht aufnimmt,

sondern

dabei nur al-

Unwesentlich für die Giltigkeit der Ur­

kunde ist eS, wenn in ihr die Angabe fehlt, daß und wie der Zeuge der

Unterkreuzung und Genehmigung der niedergeschriebenen Verhandlung bei-

*•) Pl.Beschl. Entscheid. B. 2. S. 161. Nr. I. B. 31. S. 1. B. 34 S. 57. Wer die Schrift nicht schreiben noch lese» kann, steht in Beziehung auf §. 172. 174. I. 5. denjenigen Personen gleich, welche der Sprache de» Instrument« überhaupt un­ kundig find. R.O.H.G. 111. Nr. 63. Stegemann 111. S. 377. Dergl. Striethorst «. 80. S. 342. •°) Entsch. B 16. S. 108. Striethorst B- 12. S. 5. Einflußlos ist größere oder geringere Fertigkeit im Lesen und Schreiben. Striethorst B. 9 S. 261. Beweis­ last bei behaupteter Unkunde f. Gruchot I. S. 364. Rechtfälle B 4 S. 77. •‘) Entsch. V. 4. S. 221. B. 12 S. 163. Präj 495 .Samml. 1.12). Striethorst B 34 S. 161. **) §■ 172. d T. Auch vor Verwaltungsbehörden können sie nicht giftig Vertrage abschließen. R d. J.Min. im Eentralbl. 1837 S. 759 Annahme Präj. 3. (Sammt. I. S. 319.) u. § 108 des Ablös.G- v. 2. März 1850. Ueber die Art und Weise der gerichtlichen Errichtung de» Vertrage« s Entsch. B 11. S. 186. Keine bloße Rekognition der Unterzeichnung. I. Wochenschr. 1840 S. 124 tkei Landleuten tritt an die Stelle der gerichtlichen Errichtung die vor dem Dorf­ gericht mit einem vereideten GerichtSschreiber. 6.173. p. T- Koch, Komm, dazu. Sie dürfen aber nicht sprachunkundig sein. Entsch. B. 28. S. 53. Strieth. «. 13. S. 136. *•) §. 177. 178. I. 5. A-L.R. Anh. §. 5. — 19. I. 10. A G O. Anh. §. 68. 69.

*«) Pl.Beschl Entsch. B. 14. S. 1. »•) Anh. ?. 70. zu §. 19. I. 10. A.G O. S. 104. 105. »•) Entsch. B. 16. S. 1. Nr. I,

Kab O. v. 20. Juni 1816. Entsch. B 16.

§. 79.

gewohnt hat").

3. Die Form.

451

Sind beide Theile des Schreibens unkundig, so soll zwar

wegen des entstehenden Interesse jedem ein Beistand zur Seite fein**), bie Nichtbefolgung diese» Gebot» wird aber von der Praxis nicht so auf­ gefaßt, al» mache sie den Vertrag unverbindlich").

Der Beistand hat

nur seinen eigenen Namen nicderzuschreibrn, etwa» MehrereS wird von ihm nicht verlangt"). — Bei notariellen Urkunden soll der Notar

oder einer der Zeugen bemerken, wer da» Handzeichen gemacht hat, und diese Boxschrift gehört zu den wesentlichen Förmlichkeiten, deren Ver­ letzung Nichtigkeit zur Folge hat"), dagegen ist nicht erforderlich, daß auder Urkunde erhelle, von wem (ob vom Notar oder den Zeugen) dieser

Vermerk beigefügt ist"). —

Ist der Kontrahent der Sprache unkundig,

in der da» Instrument abgefaßt

wird, und kann sich auch der Richter

oder Notar mit ihm in seiner Sprache nicht verständigen, so soll ein ver­ eidigter Dolmetscher zugezogen werden"). Mit dem Hauptinstrument ist

eine Uebersetzung anznfertigen, und von dem Kontrahenten zu unterschrei­

ben.

Stimmt die Uebersetznng mit dem Hauptinstrument nicht überein,

so gilt diejenige günstiger ist").

von beiden Urkunden, deren Inhalt dem Unkundigen Auf die Uebersetzung kann verzichtet' werden, aber eS muß

in der Sprache des Unkundigen im Protokoll vermerkt werden, dgß die» geschehen, weil der Verzicht

selbst eine

Aeußerung

des Erklärenden ist,

von welcher feststehen muß, daß er sie verstanden und mit dem Bewußt­

sein, macht

sie entspreche

daher

seinem Willen, vollzogen habe.

den Vertrag auö

inneren

Gründen

Diese Unterlassung unverbindlich, wenn

auch sonst das Unterbleiben der Uebersetzung oder die Nichtzuziehung de»

Dolmetschers

an

sich den Vertrag in formeller Hinsicht

nicht ungiltig

machen soll").

Der unterschriebenen BertragSurkunde stehen formell gleich: a. Die s. g. Punktationen"), wenn sie von beiden Theilen unterschrieben sind

Eiltsch. v. 17. S. 66. Anh. §. 71. zu §. 19. I. 10. A.G.O. Entsch. B. 16. S. 1. Nr. II. u. S. 106 f. Pl B-schl. Entsch. B. 30. S. 393. §.13. 43. Not Ordn, v 11. Juli 1845. Entsch. SB. 24. S. 239. Pl.Beschl. §. 180. d. T- Schriftliche Vertrage eine» der Sprache, worin die Schrift abge­ faßt worden, Unkundigen können auch nicht al» mündlich geschloffene bestehen. Strieth. B. 69. S. 351. ") §. 183. d. T. ") §. 184. d. T. Entsch. B. 34. S. 54. 59. S. auch Kab Ordre v. 5. Mai 1839 (nicht publizirt). Ergänz 1. S. 121. u. I M Bl 1839 S- 178. 1840 S. 153. §. 120-126. d- T. Rechtsprüche B. 2. S. 95. 102f. Heydem. S. 209. Die Punktationen haben nach pr. R- nicht die Bedeutung der pacta de contrahendo, sie find schriftlich errichtete Verträge mit dem Vorbehalt, eine qualifizirte Form de» Vertrag» nachzuholen. Ein solcher Vorbehalt begründet aber nicht die Ber-

") •') ") ") ") ") ")

29*

452

Zweite« Buch.

Die besonderen Privatrechte.

und auS ihnen die gegenseitige Einwilligung in alle wesentlichen") Be­ standtheile de- Geschäft- erhellt. Ist die förmliche Ausfertigung (d. i. die gerichtliche Form) eines solchen in der Punktation enthaltenen Vertrages behufs seines weiteren Gebrauchs erforderlich, so kann der Richter die Unterschrift desjenigen Kontrahenten, der sie dann verweigert, durch Er­ kenntniß ergänzen"). Materiell unvollständige Punktationen sind unver­ bindliche Traktaten. Der Punktation stehen gleich die von Gerichten oder Notarien aufgenommenen Protokolle über einen zu errichtenden Vertrag"), b. Der Briefwechsel zwischen Abwesenden"), wenn sie sich auch an demselben Ort aufhalten"), und wenn die Bedingungen und die wechsel­ seitige Einwilligung daraus zu entnehmen sind. Er kann wie die Punk­ tation die Grundlage für die Ausfertigung eines förmlichen Instruments sein, die letztere also auch durch Klage erzwungen werden, c. Tele­ gramme, wenn die aufgegebenen Depeschen von den Kontrahenten selbst unterschrieben sind, und ihr Inhalt die zu dem betreffenden Vertrage nöthige Willenseinigung klar macht"). d. Die vom Schuldner angenom­ mene und unterschriebene Rechnung des Gläubigers über gelieferte Waaren"), e. Das vom Lotterie-Unternehmer unterschriebene LooS,

47)

48)

")

")

muthung aus §.117. d. T., weil hier nicht die Verabredung der Parteien auf schriftliche Form überhaupt, sondern auf eine bestimmte schriftliche Form ge­ richtet ist. Gruchot I. S. 351. Punktationen können übrigens nur dann als schriftliche Verträge angesehen werden, wenn einfache Schriftform genügt hatte. Entsch. 6. 4 S. 123l Die Klage auf Erfüllung aus §. 121. d. T. kann mit der Klage auf Errichtung des förmlichen Instruments kumulirt werden. Koch, Komm, zu diesem §. Vorbehalte in der Punktation hindern ihre Klagbarkeit. Gruchot I. S. 352. Wesentlich ist alles, was die gesetzliche Definition des Vertrages ausspricht. Ein Beispiel: Rechtspr. B. 2. S. 102. (hier fehlte es an der Bestimmtheit der Sache). Förster, Klage und Einrede S 377. Elttsch. B. 24. S. 343. B. 33. S. 1. Srieth. B. 1. S. 75. B. 6. S 259. Präj. 2069 (Samml. 1. S. 15 ). Auch dann kann auf förmliche Errichtung des Vertrags geklagt werden, wenn sie an sich gesetzlich nicht nothwendig wäre. Gruchot I S. 351. Gegen diese Klage stehen die Einreden aus der Ungiltigkeit des Vertrages, nicht aber die der mangel­ haften Erfüllung zu. I Wochenfchr. 1835. S. 408. 1837 S. 216. Präj. 2069 (Samml. I. S. 15.). §. 125. 126. d. T. Rechtspr. B. 2. S. 102. Entsch. B 6. S. 300. Präj. 2096. u. 1180 e. (Samml. I. S. 15. u 271 ). Jetzt §. 40. Notar.Ordn. v. 21. Juli 1845 Jurist Wochenfchr. 1837 S. 215 §. 142. 143. d. T. Rechtspr. B. 1. S. 29. Strieth. B. 9 S. 119.

ei) Bornern. Erört S. 181. M) Entsch. B. 45 S. 57. Strieth. B 42 S. 50. Siehe über die Bedeutung der Telegraphie für den Rechtsverkehr: Reysch er in der Zeitschr. f. deutsch. R B. 19. S. 271. Fuchs im Arch. f civil. Pr. B. 43 S. 94. Busch das. B. 45. S. 1. Mittermaier das. B. 46 S 3. Bachmann in Schering'S Arch. II. 434. Namentlich kommt hier in Betracht die Haftung der Telegraphen-Anstalten für unrichtig expedirte Depeschen. 51 §. 152. d. T. RechtSfälle B. 3. S. 227. Die gemeinrechtliche Praxis geht wei­ ter, ihr genügt die widerspruchslose Annahme der Rechnung. Mevius decis. 111. 65. Dies war die Praxis bei dem Tribunal zu Wismar und ist in Folge dessen noch jetzt die Praxis des A G. Greifswald.

79.

3. Die Form.

453

wenn der Spieler den Einsatz gezahlt tyat*4*).* * Da- bloße Liegenlassen dezugeschickten Loose- genügt nicht"), f. Der Pfandschein de- Gläubi­

ger-, der ein Pfand erhalten, wenn ihn der Schuldner angenommen und au- ihm die wesentlichen Bedingungen de- mündlichen „Hauptvertrages",

also dessen,

der durch da-

Pfand gesichert werden soll,

hervorgehen").

Dieser mündliche Hauptvertrag wird durch den Pfandschein ein schriftlicher,

und Koch int57), wenn er in dem Schein die schriftliche Form deS Pfand» vertrage- sieht, der einer solchen nicht bedarf, g. Die einseitig ausgestellte und vom anderen Theil angenommene Vollmacht55), h. Die einseitig vom Versicherer unterzeichnete Polize55). 2.

Nothwendigkeit der schriftlichen Form.

Die schriftliche

Form ist, wie §. 40. auSführt, entweder eilte einfache oder eine qualifi-

zirte (gerichtliche oder notarielle). Die erstere bildet die Regel und bedingt die Klagbarkeit de- Vertrage- entweder in Folge eine- gesetzlichen Gebot-, oder in Folge der Uebereinkunft der Parteien,

a.

Da- Gesetz gebietet

die Schriftform bei allen Verträgen, deren Gegenstand 50 Thlr. Silber­ geld übersteigt55).

Die- ist die allgemeinste Kategorie und dieser Grund­

satz erfährt noch folgende besondere Anwendungen: auf einseitige Willens­ erklärungen, d. h. nach Auffassung der Praxi- einseitige Verträge, über jene Summe hinaus, wenn sich ihre Folgen in die (unbestimmte) Zukunft erstrecken sollen und eine unmittelbare Verpflichtung für den Erklärenden

auS ihnen hervorgeht5'); auf terminliche Leistungen, wenn ihre Zahl zu**) ?. 554. I. 11. Erlaß vom 21 Juni 1841 (Ges.S. S- 131). S. 184. ”) Arnsberger Arch. B- 5. S. 495.

Bornern- Erört.

••) §. 95 96. I. 20. tT) R d. F. II. S. 170. Borne in. Erört. S. 184. »•) 8. 11. I. 13.

»’) §. 2098. II. 8. •*) 8 131. d T- Berechnung bei Gold §. 132. Heydem. I- S. 211f. Note 349. Eine solche Bestimmung verurtheilt Jhering, Geist M röm. R II. 2 S 509f. al» prinziplo«. ..Regel und Ausnahmen zeigen ein prinziplose» schwanken zwischen Form und Formlosigkeit, erregen da« Gefühl de» Schwindel» und der Seekrank­ heit. Solche Bestimmungen sind Fallstricke und Fußangeln, die dem Verkehr ge­ legt werden und in da» Volk nicht eindringen können." — Bei Verträgen über Handlungen müssen diese nach ihrem Werthe geschätzt werden, fall» nicht der Ver­ trag selbst eine Summ« dagegen setzt, bei der e» verbleibt. Bei Tauschvenrägen entscheidet für die Schrift, wenn auch nur einer der eingetauschten Gegenstände den Werih von 50 Thlrn. übersteigt Gruchot I. S. 359 360. ••) §. 133. d. T. Pl.Beschl. Enlsch. B 14. S. 35. Bornern. Erört. S. 161 f. Beispiele, worauf der §. 133 nicht zu beziehen: Entsch. B. 18. S. 207. IV. B. 29. S. 1 B. 25. S. 3d8. Besondere Anwendung hat er bei Antretung oder Entsagung einer Erbschaft, § 392. I. 9. Strieth B. 8. S-274; ferner I. 14. §.214; I. 20. 8.65. Nicht zu beziehen aus Widerruf einer Schenkung, Meyer S. 39., nicht aus den Austritt au» einer Gesellschaft, Meyer S. 42. Dggegen im Fall de« 8. 653. 1. 9. Meyer S. 37 und bei Einräumung de» Vorkausrecht» an Mo­ bilien §. 572. I 20. Meyer S. 44. Nicht bei MiethSaufkündigung, Meyer, S- 46 und überhaupt noch über §. 133. d. T. S. 52. das. Ergänzung I. S-105.

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

484

für Entwährung einzustehen, vorzüglich ihre Eigenthümlichkeiten zeigt und

deßhalb in den römischen Quellen

die vielen feinen Fragen, die hierbei

heraustreten, vornehmlich in Beziehung ans den Kauf besprochen sind, so hat sie doch einen viel allgemeineren Charakter, sie ist überall anzunehmen,

wo nach dem Inhalt des Vertrages der Empfänger einen Anspruch auf das Behaltenkönnen hat. So also gewiß beim Tausch"), so wenn ver­

gleichsweise"), oder an Zahlnngsstatt") eine Sache hingegeben, bei Thei­ lungen"'), z. B. der Erbschaftstheilung"), bei der Mitgift (dos)89), der Verpfändung'"), auch bei Miethe und Pacht"), obgleich deren eigentlicher

Inhalt daö uti frui licere und erst daraus das habere licere abgeleitet ist, dieses also zurückzutreten scheint"). Das deutsche Recht hat Vorschriften über Entwährung nicht ausge­ bildet, der Aufnahme der römischen Grundsätze stand daher ein Hinderniß

nicht entgegen.

ansprüche

Die Regel „Hand muß Hand wahren" ließ Eviktions­

Dritter in vielen Fällen nicht zu.

vindiziren, sondern

Der Dritte konnte nicht

war nur nach einigen Stadtrechten zur Einlösung

befugt").

M) 1.1. §. 1. D. XIX. 4. “) 1. 34. C. II. 4. Better S. 238. *•) 1. 46. pr. D. XLVI. 3.

1. 4. C. VIII. 45.

Better S. 240.

”) 1.10. §. 2. D. X. 3. 1. 1. 7. 0. III. 38.

2’) 1. 66. §. 3. D. XXL 2. ") 1- 22. §. 1. D. XXL 2. 1. 75. D. XXIII. 3. 1. 1. 0. V. 12. (hierüber Bangerow §. 217. Anm. 2. ArndtS §. 403. Anm. 1. Better S. 262.) *•) 1. 9. pr. 1.16. §. 1. 1. 32. D. XIII. 7. ") 1.9. D. XIX. 2. Better S. 243. A. M. Müller S. 123 f. Unten §. 136. Note 51. S2) Sehr bestritten ist, ob Eviktionsleistung bei Schenkungen stattfindet. Der Streit bezieht sich nicht auf den Fall, wo die Schenkung sofort durch Hingeben vollzogen wird- Hier ist nicht zu haften, denn es fehlt an einer Verpfiichtung zum Leisten. Aber wo das Hingeben die Folge eines verpflichtenden Schenkungsversprecheus ist, wird jetzt von den Meisten unterschieden zwischen dem Geben einer species und eines genus. Dort nicht, aber hier soll für Eviktion einzustehen sein. Es kann auch an sich nicht geleugnet werden, daß es ein Anderes ist, ob dieses Pferd oder rin Pferd versprochen wird — aber es ist doch darin Bekker beizustimmen (S. 250', daß die Unterscheidung nicht zu scharf genommen werden darf, daß nur die Umstände des konkreten Falles darüber entscheiden können, wie der Geber schenken wollte; eine Eviktionspflicht kann hiernach auch bei der species eintreten und beim genus ausgeschlossen sein. Bergl. über die Streitfrage Bangerow S. 336 Anm. 2. Das preuß. R. hat die Eviktionspflicht bei der Schenkung ab­ gewiesen. 1.11-8.1083. Das Vermächtniß wird nach gem. R. wie die Schen­ kung ^zu beurtheilen sein, denn darin kann kein Unterschied gefunden werden, daß der Schenker die eigene, der Erbe eine fremde Freigebigkeit erfüllt, wie Unter» Holzner II. S. 524 meint. Nur werden vielleicht beim Vermächtniß die kon­ kreten Umstände noch häufiger darauf führen, daß der Erbe für Eviktion einsteben muß. Nach A-L.R. I. 12. §. 301. ist die Eviktionsleistung des Erben ausgeschlossen. S. Bekker S. 253. **) Hamburger Statut von 1603. II. 2.7. Lübisches rev. R. III. 2. Art 1. 2. Nach Frankfurter Recht muß der Berkänfer Jahr und Tag Währschaft leisten gegen Ansprüche auf das Eigenthum. Seuffert VII 161.

§. 79.

3. Die Form.

455

von Verträgen von der Schriftform wieder befreit, selbst wenn sie ein Objekt von mehr als 50 Thlr. betreffen. Auch diese lassen sich nicht aus Gruppen zurückführen"), b. Die Verabredung der Parteien, den Vertrag schriftlich zu schließen, begründet die Vermuthung, daß nicht bloß der Beweis, sondern die verbindliche Kraft des Vertrages selbst von der schriftlichen Abfassung abhängen soll69). 3. ES ist die norhweudige Konsequenz jeder bestimmten Formvor­ schrift bei Verträgen, daß der Inhalt der WillenSeinigung ausschließ­ lich aus der Schrift entnommen werden mufe70). Der Vertrag hat eben nur in der Schrift sein Dasein — Alles, was sonst noch zwischen den Parteien besprochen worden unb in der Schrift nicht Ausdruck gefunden hat, ist wirkungslos. Darum sagt das A.L.R., und mußte eS von seinem Standpunkt aus sagen: auf Vorgeschichte mündliche Nebenabreden •*) DaS Register dieser Verträge ist: Anerkenntniß der Unterbrechung der Verjährung I. S. §. 592. Präj. 2294. Entsch. B. 21. S. 192 Sammt. B. 2 S. 15; Miet­ verträge mit gemeinem Gesinde (nicht HauSoffizianten und Erzieher) s. 137. d. TGes Ord. v. 8, Novbr. 1810 § 22 f.; Verwahrung §. 144. d. T. 6. 10 I. 14 ; receptum §. 145. d. T. tz. 444f. 1735. 2453 2456 s. 11. 8; zinsloses Darlehn I. II. § 727.; das pactum de mutuo dando aber unterliegt dem tz. 131. 1. 5.; Schenkung beweglicher Sachen, wenn sie sofort übergeben, I 11. s. 1065.; Faust­ pfand §. 94. 1. 20 ; Leihe 1. 21. § 229, doch ist bei unterlassener Schriftform der Lommodatar nur Prekarist, Meyer S. 45.; Verträge über bewegliche körperliche Sachen, die im Ausland geschloffen, wo mündliche Verträge gütig sind, §. 148 d. T. dem Satz in § 113. d. T- entsprechend: „wonach der Vertrag am besten bestehen kann." Ueber den Beisatz „körperliche' s. Bor nein. Erört. S. 169. u. S 82. Entsch. V. 32. S. 333. Stillschweigende oder mündliche Verlängerung von DertragSverhältniffen ist zulässig bei Pacht und Miethe e. 154. d. T. $. 325f. 1. 21. bei esindemiethe, Ges.Ord. v. 1810 § 114, bei Anstellungen von HauSoffizianten §. 186 — 194. Pl. L eschl Entsch B. 15. S 61. Die Nr 4. u. 5. bei Bornem. Erört. S. 170. 178. gehören nicht hierher, vielmehr zur Lehre von den Folgen der verabsäumten Form. Siehe überhaupt Bornem. S. 168 ff. *•) 8- 117. d. T. Vergl. St rieth. B. 83. S. 306 Dieser §. ist nicht analogisch anzuwenden ^Entsch. B 67. S. 64); er entscheidet die Streitfrage, die sich an die 1. 17. C. de fide instr. IV. 21. in der gemeinrechtlicben Praxis geknüpft hat. Nach preuß. R. ist der Gegenbeweis zulässig, daß die Form nur des Beweises halber verabredet worden. Bornemann'S Ansicht tR-Gesch. S. 245.) ist un­ haltbar: es ist nicht der Beweis einer Nebenabrede. ES kann übrigens nicht mit Grund bezweifelt werden, daß die 1. 17. cit. die Schriftform zu einer wirklichen SolennitätSform gemacht hat. von deren Beobachtung die Vollendung des Ver­ trages selbst abhängt. Keller, Pand. S. 436. Ruhstrat im Oldenb. Arch. B. 1. S. 194. Seuffert 1. Nr. 198. XVI. 102. B. 25. Nr. 225 Strieth. B. 44. S- 301. Ueber die Bedeutung mündlicher Nebenabreden neben einem schriftlichen Immobiliarvertrag s. Seuffert B. 25. Nr. 14. 263. DaS österr. Ges B. tz. 884. bestimmt: haben sich die Parteien ausdrücklich zu einem schriftlichen Vertrage verabredet, so wird er vor der Unterschrift der Parteien nicht für ge­ schlossen angesehen. Der Code sieht in solcher Verabredung nur die Absicht, den Beweis zu sichern. Zachariä II. S. 341. Note 8. DaS sächs. Ges B. §. 823 nimmt an, daß auch hier die Form nur Beweismittel sein soll, ausge­ nommen, wenn die Verabredung der Parteien ausdrücklich den Vertragsabschluß davon abhängig macht. Es hat also den gerade entgegenstehenden Standpunkt, als das A.L.R. Der bairische Entwurf enthält hierüber nichts (f. Art. 17, T°) Strieth. B. 82. S. 60.

456

Zweite- Buch.

Die besoudcren Privatrechte.

wird, ohne Unterschied des Gegenstandes, keine Rücksicht genommen71). Dieser Satz ist in der Praxis häufig mißverstanden und falsch angewendet worden und in der That giebt der Begriff der Nebenabrede auch vielfach zu Zweifeln Anlaß. Wenn Kontrahenten ihre Willenöeinigung in der Schrift niedergetegt haben, so entsteht daraus die Vermuthung, daß di« Schrift die Einigung richtig und vollständig wiedergiebt7'). Wird die Richtigkeit des Niedergeschriebenen bezweifelt, wird also behauptet, eS sei in der Urkunde etwas Anderes enthalten als verabredet worden, so ist diese andere Verabredung keine Nebenabrede, sie soll nicht neben das Nie­ dergeschriebene treten, sondern statt seiner gelten. Auf eine solche Einrede gegen den schriftlichen Vertrag muß daher immer Rücksicht genommen wer­ den, ihr steht §. 128. d. T. nicht entgegen7'). Wird die Vollständig, keit deS Niedergeschriebenen bestritten, so ist zu unterscheiden, ob der ge­ rügte Mangel ein wesentliches Moment deS Vertrages betrifft, oder nicht. Im ersteren Fall muß sich aus dem Text der Urkunde selbst ergeben, wo der Fehler liegt und ob deßhalb der Vertrag unverbindlich ist. Im letzteren Fall aber kann dies nicht aus dem Text der Urkunde ersehen werden: sie enthält vollständig die für den Vertrag wesentlichen Verabredungen, eS werden aber außerdem Nebenverabredungen behauptet. Hier hat §. 128. d. T. seine Anwendung. Es ist der Ton auf das Nebenher zu legen: Verabredungen, die das Wesentliche bestehen lassen und demselben nur noch etwas beifügen sollen. Die Nebenabrede muß im Verhältniß zur ’•) §. 127—130 d. T. Koch, R- d. F. II. S. 180. Gruchot I. S. 352. Bor­ nemann, Erört. S. 191. Wienstein in Gruchot'S t'eitr. B. 7. S. 348. Derselbe das. 8. 16. S 413. Auch wenn sie unter 50Thlr. sind: Born cm. Ehst. II. S. 262. Note 1. Der tz. 130 d. T. ist nicht aus Effcntialien des Ver­ trages zu beziehen, wenn diese in der Urkunde nicht auSgcbrückt worden sind. Strieth. B. 75. S. 86. ’*) Mehr sagt nicht 5. 127. d. T. Dies gilt auch nach gemeinem Recht, e» muß also besonder» nachgewicsen werden, daß die mündliche Abrede neben dem schriftlichen «ertrage giltig sein soll. Seufsert III. 30. 154. VI. 19. 248. XV. 13. XV1I1. 221. ”) Pl.Beschl. Entsch. 8. 10. S. 259. Praj. 1533. (Sammt I. S. 10.). Rechtes. 8.1. S. 257. 8. 4. S- 359. Strieth. 8. 6. S. 311 (auch bei einseitigen Ver­ trägen . Strieth. 8 29. S. 26. 283. Entsch. 8 40. S. 18. 8. 46. S. 27. ein „al» Aequivalent" vorbehaltener Wiederkauf. Wäre dieser nicht Aequivalent, so müßte wohl die Verabredung al» ungiltigc» pactum adjectum angesehen werden. 8. 49. S. 33. „Der Vertrag ander» verabredet al» niedergeschriebcn," das. S. 42. „der Preis anders verabredet." Strieth 8. 32. S. 265., die nicht niedergeschriebene Abrede: der Vertrag soll rückgängig werden, wenn in 8 Tagen sich ein Fehler zeigt, ist keine ungillige Nebenabrede, sie betrifft die WillcnSeinigung in der Hauptsache. Dagegen ist nach Strieth B- 34. S. 20. die Abrede, der Uebernehmer de» Grundstücks soll sich dessen Werth auf sein künftige» Erbthcil anrechnen lasten, eine Nebenabrede im Sinne de« §. 128. d- T- Eine Un­ richtigkeit de« Niedcrgeschriebenen liegt auch dann vor, wenn ein Essential« de» Geschäft« ganz oder zum Theil nur mündlich verabredet worden. Entsch. B. 29. S. 43. Ob wider Willen unrichtig niedergeschriebcn oder nicht, ist ohne Ein­ fluß. Strieth. B. 53. S. 129. Vergl. auch Gruchot II. 236. VIII. 353. R O.H G. IV. Nr. 31.

§. 79.

3. Die Form.

457

rechtlichen Natur des Geschäfts selbst eine untergeordnete Bedeutung haben. Das zeitliche Nebenher muß auch ein Nebensächliches fein. So sind es Nebenabreden, wenn über die Art, den Ort, die Zeit der Erfüllung oder über andere dabei vorkommende Maßgaben etwas Be­ sonderes verabredet und nicht niedergeschrieben worden. Sie soll der Richter nicht berücksichtigen, sondern das in dieser Hinsicht in dem Ver­ trage Fehlende nach dem Gesetz ergänzen"). Hierher gehören auch die s. g. pacta adjecta, z. B. die Bestellung einer Servitut neben dem schriftlich errichteten Verkauf des Grundstücks"). Es ist dagegen keine Nebenabrede, wenn hinterher die Parteien etwas Anderes verabreden, z. B. wenn, sie mündlich Übereinkommen, daß der schriftliche Vertrag wie­ der aufgehoben oder in dem einen und anderen Punkt abgeändert werden soll. Die Praxis des Obertribunals hat bei den hier entstandenen Zwei­ felsfragen im Ganzen den richtigen Weg festgehalten und vorgezeichnet, namentlich einer ungehörigen Ausdehnung des Begriffs der Nebenabrede entgegenwirkt"). 74) §. 129. 259. d- T. Wenn Gruchot L. S. 357. diese Bestimmung geradezu wider­ sinnig findet, so geht er zu weit. Daß die gemeinrechtliche Praxis ^z. B. Seusf. 3. Nr. 30.) solche mündliche Abreden neben dem schriftlichen Vertrage zuläßt, hat darin seinen Grund, daß der letztere nur als Beweismittel aufgefaßt wird. Diesen Standpunkt hat aber das A.LR. nicht, und es muß deßhalb eine aus­ schließliche Wirkung der Schriftform beilegen. 76) Strieth. B. 32. S. 43.

7#) Die Beispiele aus der Praxis können sehr reichlich vorgeführt werden. S. z. B. noch Emsch. B. 11. S 244. Strieth B. 9. S. 284. B. 10. S. 157. B. 19. S. 116. B. 23. S. 3. B. 24. S- 304. B. 26. S. 265. B. 31. S. 304. B 34. S. 285. B. 47. S- 50. In Betreff der Nebenabreden bestimmt daS sächs. Ges-D. § 826.: beruht die Nothwendigkeit der Schriftform auf dem Gesetz, so sind münd­ liche Verabredungen, die mit der Urkunde nicht übereinstimmen, oder einen er­ weiternden oder beschränkenden Zusatz enthalten, nichtig. Ist der Vertrag durch Uebereinkunft der Parteien schristllch errichtet, so gelten solche Nebenabreden, „wenn eine Vereinigung getroffen, daß sie neben der Urkunde gelten sollen " Bei der gesetzlich gebotenen Schriftform soll also auch die Einrede, daß etwas Anderes niedergeschrieben worden, ausgeschloffen sein. Wienstein a. a. O. sucht die An­ sicht wieder zu vertheidigen, die der Pl.Beschl. (B. 10. S. 259.) beseitigt hat. Indem er aber die Schriftsorm des preuß- R. der röm. Stipulation gleichstellt, und den Vertrag nur in der Schrift sieht, verkennt er die Bedeutung jener und dieser. Die Stipulation war die causa civilis, also allerdings der Vertrag; die Schristform des pr. R. ist aber nicht RechtSgrund der Forderung, sondern nur deffen Beurkundung, seine formelle Vollendung — wie könnte sonst den In­ halt eines Vertrages durch andere Beweismittel zu ermitteln gestattet sein, wenn die Urkunde verloren gegangen? W. definirt die mündliche Nebenabrede als jede, welche einem an sich vollständigen — d. h. das Einverständniß über alle wesent­ lichen Theile des Geschäfts enthaltenden — schriftlichen Vertrage mündlich hinzu­ gefügt ist. Den §. 129 benutzt er nicht zur Definition, sondern sieht in ihm nur ein Beispiel. Allerdings ist §. 129 nur eine beispielsweise Erläuterung deS §. 128., aber doch eine solche, welche klar macht, daß der Gesetzgeber unter den Nebenabreden nur an „Nebenbestimmungen", wie z B. u. s. w., gedacht hat. WaS heißt aber ein „an sich" vollständiger schriftlicher Vertrag? ES kommt doch nicht auf eine abstrakte Vollständigkeit, sondern darauf an, daß der Vertrag gemäß der WiÜenSeinigung der Parteien, also in concreto, vollständig und — waS W. nicht trennt — richtig niedergeschrieben worden W. verwirft von seinem Stand-

Zweite- Buch.

458 4.

Die besonderen Privatrcchte

Die BerabsSumung der gebotenen schriftlichen Form hat die

Folge, daß ein Vertrag überhaupt nicht besteht, der mündlichen WillenSeinigung ist da» Klagerecht versagt"). rechtigt,

die Bedeutung

ist aber deßhalb nicht be­

Man

und Wichtigkeit der Schriftform im A.L.R. der

der römischen Stipulation gleichzustellen, denn der wesentliche Unterschied zwischen beiden besteht darin, daß die letztere selbst die causa civilis deS Vertrags war, jene aber immer noch einen materiellen Vertragsgrund voraussetzt"). Naher liegt die Frage, ob solche mündliche Willenseinigung nicht mit der römischen obligatio naturalis verglichen werden kann"). ES ist aber §. 61. gezeigt, daß auch diese Vergleichung der Auffassung deS

A.L.R. insofern nicht entspricht, alS

nach

dieser der formlose Vertrag

überhaupt ungiltig ist, die Erfüllung zurückgefordert werden kann, mithin

da» wesentlichste Merkmal, die Zurückhaltung deS

freiwillig Geleisteten,

fehlt. Nur bei gänzlicher gegenseitiger Erfüllung von Verträgen über be­ wegliche Sachen, und im Fall deS §. 184. I. 16. kann jene Analogie herangezogen werden^).

So einfach

nun

aber

auch der Satz von der Klaglosigkeit solcher

mündlichen Verträge erscheint, so wird er doch sehr bedenklich und drängt zu allerlei weiteren kasuistischen Vorschriften, wenn der Vertrag von den

Parteien erfüllt worden, denn diese Thatsache der Erfüllung hat ihre

sittliche und rechtliche Bedeutung, die nicht übersehen werden darf, weil sie gerade

den durch

den Formalismus verdrängten guten Glauben wieder

zur Geltung bringt und auf das Essentielle der Willenseinigung hinfiihrt.

Man wird versucht,

den mündlichen Vertrag,

so weit er erfüllt ist, den

römischen Innominatverträgen gleich zu stellen, doch darf nicht der Unter­ schied übersetzen werten, daß bei letzteren daS Hingeben contrahendi causa,

bei ersteren solvendi causa geschieht, und daß mit solchen Analogien doch im Grunde wenig gewonnen wird. AnS den Besliinmungen deS A.L.R. ergeben sich folgende Regeln. a.

So lange der mündliche Vertrag noch von keiner Seite er­

füllt ist, kann jeder Theil beliebig zurücktrelen — cS ist zwischen ihnen Punkt die Einrede, daß der Vertrag ander» niedergeschrieben al» verabredet worden, will aber dadurch die Berücksichtigung mündlicher Abreden al» Beweismittel für sonstige gesetzliche Anfechtungsgründe nicht au> schließen. Aber, abgesehen da­ von, daß dann solche Abreden doch wieder eine Berücksichtigung finden, und daß sie nicht Beweismittel, sondern nur BeweiSvbjekle sein können, so ist damit von W- tugegeben, daß die Schrift nicht unter allen Umständen ausschließlich der Bertrag, daß jene und dieser etwa» verschiedene» ist. ”) §. 155. d. T. Koch, R. d. F. 11. S. 186f. Heydem. I. S. 215f. Gruchot I. €. 362. Bornem. Erört. S. 203s. Strieth. B 77. S. 35. S- jedoch tz 1k de» Gesetze» über den EigenlhumSerwerb vom 5. Mai 1872. Oben S. 454 Note 67.

”) Gegen Heydem. S. 211.

’•) Savigny, OblR. I. S- 52.

M) Oben 8. 61. bei Note 29. S. 316.

Savigny, OblR. I. S. 129.130.

§. 79.

3. Die Form.

459

Nicht- zu Stande gekommen. Darum auch kein Anspruch auf Entschädi­ gung und Interesse, wenn der eine Theil im Vertrauen auf die Beharr­ lichkeit des andern sich Unkosten gemacht hat^). b. Wenn der mündliche Vertrag von beiden Seiten vollständig erfüllt worden, so unterscheidet das A.L.R. zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen. Bei jenen8*), wozu auch Rechte gehören8'), ist der Mangel der schriftlichen Form einflußlos, kein Theil darf zurücktreten unb- Rückgabe des Geleisteten oder Entschädigung fordern. Das Gesetz drückt den Begriff vollständiger Erfüllung durch das Wort „abgemachtes Geschäft" auS: es dürfen nicht noch Nachforderungen aus diesem Geschäft zu erheben fein84 * *). * *Bei * * *Verträgen * 83 über unbewegliche Sachen macht da­ gegen selbst die vollständige Erfüllung von beiden Seiten das Geschäft nicht giltig; eS kann von jedem Theile aufgerufen und die Wiederherstellung des früheren Zustandes verlangt werden8'). c. Theilweise Erfüllung, worunter auch die nur einseitige Erfüllung bei gegenseitigen Verträgen zu verstehen ist, schließt zwar den Rücktritt vom Vertrage an sich nicht auS, aber das A.L.R. hält den billi«*) §. 168. d. T. Koch S. 186f Präj. 693 u 1645. (Sammt. I. S. 12), ArnSb. Arch. B. 13. S. 437. Strieth. B. 10. ©. 75! 77. Entsch. B. 4. S. 126. Blätter für Rechtsanwendung in Baiern, B. 31. S. 314. Auch auf s. g. wohl­ thätige Verträge anwendbar. Entsch. B. 66. S. 1. ") §. 146 147. d. T. Bornem. S. 170s. DaS „sogleich" in K. 146 besagt nur: vor der Klagerhebung. Koch, Komm. Note 25 zum tz. Paul a. a. O. S. 6l. Die §?. 146. 147 d. T. beziehen sich nicht aus Verträge über Handlungen. Strieth. B. 56. S. 225.

83) 1. 2. §. 7—9. Präj. 1710. (Sammt. S. 71.) Dergl. über gegenseitige Ansprüche: Entsch. B. 15. S. 83. Strieth. B. 2 S. 45. B. 26. S. 44. Auch fortdauernde Leistungen. Das. B. 83. S. 24. 84) Anfechtung.

535

Ist der beklagte Erwerber gutgläubig gewesen, so muß ihm der Kläger seine Gegenleistung vollständig erstatten"). War er schlechtgläubig, so kann er sich nur an seinen Veräußerer (den Schuldner) halten").' Hat er freigebig ohne Simulation erworben, so giebt er die Bereicherung zurück, oder was er noch besitzt"). Der schlechtgläubige Erwerber muß die Sache auch dann zurückgewähren, wenn er sie nicht mehr besitzt, oder da- Interesse leisten"). Der gutgläubige muß die Umstände be­ weisen, aus denen sein guter Glaube folgt"). In allen Fällen aber wird das Recht des Erwerbers, der zurückgewähren mußte, gegen den Schuldner erhalten; es erwacht wieder, wenn die angefochtene Veräuße­ rung eine Schuldtilgung war"). 9. Eine besondere Eigenthümlichkeit des Anfechtungsrechts ist, daß der erkennende Richter von den positiven Beweisregeln bei Feststellung der Zulässigkeit der Anfechtung befreit ist. Nur der zugeschobene Eid hat seine Bedeutung behalten"). Mit Recht hat das Obertribunal diese Bestimmung al» eine materielle auf­ gefaßt, welche nicht das Verfahren der Beweisaufnahme, sondern die innere Bedeutung und Kraft der Beweismittel, und die Grundsätze der BeweiSlast betrifft"). b. Da» Anfechtungsrecht int Konkurse"). Während da» römische Recht der missio in bona die Wirkung beilegte, daß alle Gläubiger des­ selben ein gleiches und gemeinschaftliches Recht auf Befriedigung erhielten — die par conditio creditorum —, und die gemeinrechtliche Praxis durch die Konkurseröffnung dem Gemeinschuldner die Verfügung über sein gegen den gerichtet werden, der sich im Besitz befindet. Gegen Strieth. B. 42. ••) §. 108. K O.

Zweites Buch.

538

Die besonderen Privatrechte.

worden, wenn dem anderen Theil diese Absicht bekannt gewesen; 2. bei Forderungen auS Entscheidungen und Mandaten, wenn dabei Umstande

zu Grunde liegen, auS denen eine gleiche Absicht erhellt; 3. bei Forde­ rungen auS freigebigen Derfügungen, welche der Pfandbesteller zum Vor­ theil seine» Ehegatten nach geschlossener Ehe begründet hat; 4. bei For­

derungen der Ehefrau deS Pfandbestellers oder der Rechtsnachfolger der Ehefrau auf Befriedigung wegen des in die Verwaltung des Mannes ge­

kommenen Vermögens der Ehefrau, sofern ein Fall der gesetzlichen Ver­

pflichtung zur Sicherstellung der Ehefrau oder zur Herausgabe des Ver­ mögens derselben nicht vorgelegen hat; 5. bei Forderungen aus Empfangs­

bekenntnissen, Anerkenntnissen, Zugeständnissen, welche der Pfandbesteller seinem Ehegatten gegenüber vor oder nach geschlossener Ehe ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben hat, sofern nicht die Richtigkeit derselben

anderweitig nachgewiesen wird'"').

In Betreff der Nr. 4. ist streitig ge­

worden, wer unter dem Rechtsnachfolger der Ehefrau zu verstehen sei, ob

ein solcher nicht bloß derjenige sei, dem die Ehefrau ihre Jllatenhhpothek cedirt hat, sondern auch derjenige, dem die Frau ihre noch nicht durch

Hypothek gesicherte Illatenforderung abgetreten und dem später der Ehe­ mann für diese Forderung Hypothek bestellt hat.

DaS praktische Interesse

der Frage liegt darin, ob der Cessionar in beiden Fällen nach §. 109. der

Konkursordnung nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn er von der Simulation oder der fraudulösen Absicht des Ehemanns Kennt­

niß gehabt hat, mit anderen Worten: ob in beiden Fällen der Cessionar

ein „Dritter" im Sinn des §. 109. ist.

Daß er in dem ersten Fall,

wo er die Hypothek von der Fran erworben hat, dem Ehemann gegenüber

der Dritte ist, kann nicht bezweifelt werden, hier also muß zu seinen Gunsten §. 109. Anwendung finden.

In dem zweiten Fall aber hat

ihm der Ehemann unmittelbar die Hypothek bestellt, er ist in Betreff der

Hypothek nicht der Rechtsnachfolger der Frau, die für ihre Illaten eine

Hypothek noch gar nicht gehabt hat, er ist also gewiß dem Manne gegen­ über kein Dritter, mithin kommt ihm auch die Beschränkung des §. 109.

nicht zu Gute'"'). Der Rechtszustand nach der SubhastationSordnung vom 15. März

1869 ist durch das Gesetz über den Eigenthumserwerb vom 5. Mai 1872 insofern

alterirt, als bei Grundschulden

ein

nacheingetragöncr

Gläubiger nur dann das Anfechtungsrecht hat, wenn er im Wege der Zwangsvollstreckung feine Eintragung erlangt hat; cS ist daher denjenigen

nacheingetragenen Grundschuld- und Hypothekengläubigern versagt,

im Wege freiwilliger Bestellung ihre Eintragung erlangt haben'"').

*”) §ubh Ordn v. 15. März 1861 §.71. Bergt. Konl.Ordn. § 393. '") Entsch. B. 63. S. 17 fg. (Pl.Bescht.) Siricthorst B. 80. S. 67. *•') Ges. v. 5. Mai 1872 §.40. Förster, Griindl'uchrecht S 211.

welche

§. 89.

539

Die Beschädigung.

Zweites Kapitel.

Rechtlose Handlungen. A L R- I. 6. §. 1 — 97. Heydemann I S. 294. Gruchot 111. S. 466. IV. S. 115. Bornemann 11. S. 170. Koch, Pr.R II. S. 219. R.d.F. I S196. II. S. 531. v. Daniels IV. S. 1. Plathner II. 1. Förster, Klage und Einrede S. 347. — v. Wening-Jngenheim, die Lehre vom Schadenersatz nach röm. R. 1841. Hepp, die Zurechnung auf d. Geb. des EivilrechtS. 1838. Mommsen, Bei­ träge zum OblR. 2. Abth.: Zur Lehre vom Interesse. 1855. Unterholzuer I. S 91. 253 f. Savigny, OblR. II. S. 293. Wächter, würtemb. Pr.R. II. S. 776. Unger, österr. Pr.R. II. S. 228. Arndts §. 206. S. 324. § 243. S. 389. Sin tenis II. §. 100. S. 314. Seuffert, prakt. PandR. 4. A. 1. B. S. 78. Keller §. 240. S- 471. Windscheid II. §. 326. S. 218. Zachariä (Anschütz) II. S. 572 f. Unger, Fragmente zum österr. OblR. 1864. S. 3.

§. 89. Die Beschädigung. Wenn in herkömmlicher Weise diesem Kapitel die Ueberschrift: Schuld­ verhältnisse aus unerlaubten Handlungen (obligationes ex delicto)

gegeben worden wäre, so würde sie zu eng sein.

Hierher gehört die mehr

umfassende Gruppe aller selbständigen Schuldverhältnisse, welche darauf

abzielen, den Rechtszustand einer Person unversehrt zu erhalten und wo er ohne RechtSgrund verletzt worden, ihn wieder herzustellen, gleichviel

zunächst, ob die verletzende Handlung eine verbotene (unerlaubte) gewesen

oder nicht.

Zwar ist der 6. Titel dcS A.L.R. überschrieben: von

Pflichten und Rechten,

die auS

unerlaubten Handlungen

den

entstehen.

Gleichwohl beschränkt sich sein Inhalt nicht hierauf; er umfaßt alle Ent­ schädigungsansprüche, die nicht innerhalb eine- Vertrag-verhältnisses ent­

springen').

Die Delikt-obligationen sind nur eine Art dieser Gattung.

ES bedarf aber die Umgrenzung dieser Gruppe von Schuldansprüche» noch einer genaueren Bestimmung.

Ihr Prinzip liegt in der Vorschrift: au«

dem Recht de- Einen folgt die Pflicht des Andern zur Leistung oder Dul­ dung dessen, waS die Ausübung des Rechts erfordert; wer den Andern

in dieser Ausübung hindert, beleidigt ihn und wird ihm für allen daranerwachsenen Schaden und Nachtheil verantwortlich').

Die Rechtssphäre

jeder Person muß von allen anderen Personen geachtet, sie muß unbehin­

dert gelassen werden; wer dagegen handelt, ohne hierzu berechtigt zu sein.

1) §. 17. d. T. Heydemann S. 294. 2) Oben S. 77. Einl. z. A.L.R. §. 92. 93. §. 8. I. 6. pr. J. IV. 4. generaliter in­ juria dicitur oinne, quod non jure fit. 1. 1. pr. 1). XLVII. 10 : injuria ex eo dicta est, quod non jure fiat; omne enini, quod non jure fit, injuria fieri dicitur: hoc generaliter. 1 5 .1. D. IX. 2.

Zweit«» Buch. Die besonderen Privatrechte.

540

muß den Zustand vor der Störung wieder Herstellen oder den Schaden ersetzen.

Dieser Grundsatz umfaßt nun zwar auch diejenigen Verletzungen,

welche von dem ans einem besonderen Geschäft Verpflichteten znge-

fügt werden.

Allein der aus dem Vertragsbruch erwachsene Nachtheil,

der später seine ausführliche Erörterung finden wird'), trifft nicht den

bisherigen, in sich schon abgeschloffenen Rechtszustand deS Verletzten, son­ dern die Erweiterung, die durch den Vertrag beabsichtigt worden.

Der

hieran- entstehende Anspruch auf Entschädigung zeigt daher eine wesentlich andere Natur; er hat im Vertrage selbst seine Quelle, er ist ein abge­

leiteter nnd richtet sich in Art und Umfang nach dem besonderen Inhalt dieses Vertrages. Und ebenso muffen die hier zusammenzusassenden An­ sprüche unterschieden werden von anderen, die zwar auch darauf abzielen,

die Beeinträchtigung einer Rechtssphäre zu beseitigen, bei denen aber der Umfang dieser Rechtssphäre selbst noch streitig ist.

Wenn der Eigenthümer

vindizirt, so will er zwar auch nur das wieder erlangen, was ihm gehört: ob aber diese Sache zu seinem Rechtsgebiet, ob sie nicht vielmehr Dem­

jenigen gehört, von dem er sie verlangt, ist noch zweifelhaft, die Klage

richtet sich hauptsächlich auf diesen Punkt, auf daS Recht an der Sache. Bei

den

Schuldverhältniffen

aus

Beschädigungen

ist

aber

ein

solcher

Zweifel ganz und gar nicht vorhanden: eS steht hier nicht zunächst zur

Entscheidung, ob die Sache, an welcher die angeblich beschädigende Hand­ lung verübt worden, wirklich die deS Klägers ist, diese Frage ist vielmehr

nur für die Berichtigung des Legitimationspunktes erheblich, sondern ob

die Sache einen Schaden erlitten und ob dieser Schaden von dem Be­

klagten zu heilen sei. So abgegrenzt einerseits gegen die Klagen auf das Intcreffe aus Verträgen, andererseits gegen die Klagen auf Anerkennung und folgeweise

auf Wiederherstellung eine- dinglichen Recht-, läßt sich der Begriff der

hierher gehörigen Ansprüche dahin fassen: Schuldverhältniffe, die aus be­ schädigenden Handlungen als solchen entspringen.

Die nächsten

Voraussetzungen für die Entstehung eines solchen Schuldverhältnisses sind:

ein Schaden und eine ihn bewirkende Handlung. a.

Schaden definirt das A.L.R.: „jede Verschlimmerung des Zu­

standes eines Menschen in Ansehung seine« Körpers, seiner Freiheit oder

Ehre oder seines Vermögens"').

Da jedoch die Verletzungen der Persön­

lichkeit auf dem Gebiet deS Privatrechts nur in ihrer Rückwirkung auf das Vermögen in Betracht kommen, so kaun der Begriff des Schadens

’) Unten §. 106. 4) Damnum von demere und deminuere. 1. 3. D. XXXIX. 2. Damnum ab ademtione et quasi deminutione patrimonii dictum. Schaden an Leib, Ehre, Vermögen: 1 1. C. V. 47. 1. 50. D. XXXVI. 1.

§. 89.

541

Die Beschädigung.

einfacher dahin bestimmt werden: jede Verschlimmerung de- Vermögen-').

Die Beschädigung ist entweder völlige Vernichtung oder Verschlechterung, auch die bloße Entziehung einer Sache au- der Recht-sphäre, der sie zu­ gehört, wo dann nicht diese einzelne Sache, sondern der gesammte Ver-

mögen-znstand da- beschädigte Objekt ist.

Auch wenn die Sache zwar an

sich nicht an Werth verringert worden, wohl aber z. B. durch eine schwer

oder gar nicht mehr trennbare Vermischung oder Verbindung mit anderen Sachen für den Eigenthümer an Gebrauch-werth verloren hat, liegt Scha­

den vor.

Neben diese Verminderung de- Vermögen-, die einen schon

in ihm enthaltenen Bestandtheil trifft, tritt al- zweite Art de- Schadendie gehinderte Vermehrung de- Vermögen-, der entgangene Ge­ winn: „Vortheile, die man erlangt haben würde, wenn eine gewisse Hand­

lung oder Unterlassung nicht vorgefallen wäre"').

Ein Gewinn ist ent«

gangen und die- al- Schaden anfzufassen, wenn ihn zu erlangen nicht

bloß allgemein möglich gewesen, sondern welcher sicher eingetroffen wäre, wenn nicht die störende Handlung dazwischen getreten wäre'). Während nun da- römische und gemeine Recht bei dieser natürlichen Eintheilung in wirklichen Schaden (damnum emergens) und entgangenen

Gewinn (herum cessans) sich begnügen'), hat da- A.L.R. den ersteren 5) Damnum pecuniarium: 1. 5 §. 5. in f. D. IX. 3. 1. 3. D. XXXIX. 2. (Note 4). Der Schaden ist die Differenz zwischen dem BermögenSbetrage einer Person, wie derselbe in einem gegebenen Zeitpunkt ist, und dem Betrage, welchen dieses Ver­ mögen ohne die Dazwischenkunft eine- bestimmten beschädigenden Ereignisse- in dem zur Frage stehenden Zeitpunkte haben würde. Mommsen S 1. Der Aus­ druck id quod internst, Interesse, bezieht sich hauptsächlich auf den Schadens­ betrag, der innerhalb von Vertrag-verhältnissen erwachsen ist. §. 286. I 5. Der Ausdruck vollständige Genugthuung (§. 7. I. 6) bezieht sich auf den Umfang des Ersatzes. In Entsch. B 28 S. 274 s. interpretirt das O Trib. den Ausdruck „allen Schaden" in §. 25. des Eisenb Ges. v. 3. Nov. 1838 auf Grund des §. 7. I. 6. „gesammten Schaden" nur als den wirklichen Schaden mit AnSschließung des entgangenen Gewinnes. Gruchot VII. S. 45. S. auch Unger a- a. O. S. 2. 3. Unten Note §. 106. bei Note 15—21 über den Sprachgebrauch des A.L.R. •) §. 5. 6. d. T- 1. 13. pr. D. XLVI. 8.: quantum mihi abeat, quantumque lucrari potui. Damnum und lucrum ist häufig in den Quellen nebeneinander­ gestellt, und zwar immer so, daß der fehlgeschlagene Gewinn zum damnum ge­ rechnet wird; z. B. I. 33 pr. D. IX. 2 : in lege Aquilia damnum conaequimur: et amiaisae dicemur, quod aut conaequi potuimua aut erogare cogimur 1. 11. pr. D. XXXVI. 1. 1 13. pr. D. XLVI. 8. 1. 2. §. 11. D. XLIII. 8. 1. 2. 8 .8. D. XIII. 4. Der Ausdruck lucrum cessans und damnum emergens im Reichsabschied von Speyer. 1600 §. 139.

7) Die Frage, welcher entgangene Gewinn als Schaden aufzufaffen, kann im einzel­ nen Fall sehr zweifelhaft sein- Bergl die eingehende Untersuchung von Momm­ sen §. 17. S. 173 Näheres hierüber im folgenden §. UebrigenS ist der in §.13. I 6. erwähnte entgangene Gewinn, der aus dem gewöhnlichen Gebrauch hätte ge­ zogen werden können, keine besondere Abstufung. 8) l. 30. D. IX. 2 : nam et qui occasionem praestat, damnum feciase videtur. I. 22. 8- 1. D. IX. 2 1 21. §• 3. D. XIX. 1.: eomnis utilitas in aeatimationem venit. In der gemeinrechtlichen Doktrin ist die Eintheilung des damnum circa rem ipsam und extra rem entstanden, doch ist auch.diese in der neueren

noch in einen unmittelbaren nnd mittelbaren nnterschieden, je nach­ dem er durch die Handlung oder Unterlassung allein („unmittelbar und zunächst") oder durch diese in Verbindung mit einem von ihr verschiedenen Ereigniß und Umstand bewirkt worden'). Diese Unterscheidung ist an sich nicht unrichtig, und würde sehr unschädlich sein, wenn nicht da- A.L.R. davon eine ganz verwerfliche Anwendung gemacht hätte. ES zeigt sich hier, wie sonst noch vielfach, daß der 6. Titel eine besonder- verunglückte Schöpfung der Gesetzgebung ist, indem er an einer todten Abstraktion und einer unerträglichen Kasuistik leidet; Eintheilungen und Unterscheidungen, die dem Leben fremd sind, haben zu Folgerungen geführt, die weder nach den Gesetzen der Logik zu rechtfertigen sind, noch den Anforderungen der Gerechtigkeit entsprechen: die Einfachheit de- römischen Recht- hat gekün­ stelten Verwickelungen weichen müssen10 * *). * UebrigenS *** geht diese Scheidung de- wirklichen Schaden- in unmittelbaren und mittelbaren, deren schäd­ liche praktische Wirkung erst bei Beantwortung der Frage nach dem Um­ fang de- Ersätze- gezeigt werden kann, parallel mit der Eintheilung der Folgen einer Handlung in unmittelbare und mittelbare"), b. Die beschädigende Handlung. Soll au-dem Umstand, daß ein Vermögen beschädigt worden, ein besondere- Schuldverhältniß auf Ent­ schädigung entspringen, so muß der Schaden verursacht sein durch eine Handlung. E- folgt au- der Natur dieser Obligationen und steht nach gemeinem Recht unzweifelhaft fest, daß die schädliche Handlung nie eine bloße Unterlassung sein kann"), daß sie als ein positives Einwirken oder Eingreifen in die fretnbe Rechtssphäre sich äußern mußte — denn eine besondere Pflicht zum Thun, wie sie der Vertrag begründet, oder ein bestimmtes gesetzliches Gebot'für besondere Fälle ausnahmsweise begründen kann, liegt nicht vor, e- kann also eine solche durch Nichtthun nicht ver­ letzt werden. Wo eine besondere Pflicht zu einer Handlung (eine Zwangs­ pflicht) besteht, da wird durch Unterlassen derselben da- besondere RechtSverhältniß verletzt und dieses, nicht die Unterlasiung als solche, giebt den Theorie verworfen. Mommsen S- 265 f. Arndts S. 326 f. Anm. 3. 4. Da« A.L.R- erwähnt diese Eintheilung nicht. Auch den anderen neuen Gesetz­ büchern ist eine weitere Eintheilung des damnum emergens unbekannt. Oefterr. §. 1294. 1295. Sachs. §. 124.125. Ueber franz. Recht f. Zachariä (Anschütz) II. 576. ’) §. 2. 3. d. T. Rechtspr. B. 4. S. 447. IO) Siehe die Urtheile von Heydemanu S. 294 f. Gruchot S. 466. Koch, Komm. Note 1. zu §. 1. d.T. ") A.L.R. I. 3. 8. 4. 5.

") SinteniS II. S- 318 Note 8. unter II. S. 320. Hasse, die Culpa. 2. A. S. 13 f. Ter ganze Titel de lege Aquilia zeigt, daß die Bestimmungen de» Gesetzes sich nur auf Positive Handlungen beziehen: ein damnum injuria d atum. Mehr al» bloße Unterlasiung ist es auch, wenn man eine Beschädigung nicht ver­ hindert hat, die man hätte verhindern können und sollen. Seussert B. 16. S. 363. v. 3. S. 68.

§. 89.

Die Beschädigung.

543

Recht-grund auf Entschädigung"). Diese Regel, so fest begründet sie auch ist, wird doch für das preußische Recht in Zweifel gezogen.

Koch be­

hauptet, daß auch Unterlasiungen im Allgemeinen geeignet sind, Obliga.

tionen auf Schadenersatz zu erzeugen, und er sieht hierin eine wichtige Abweichung des preußischen Recht- vom gemeinen").

weichung ist nicht vorhanden.

Allein diese Ab­

Kein §. int 6. Titel spricht dafür, denn ob­

wohl an einzelnen Stellen") neben den Handlungen die Unterlassungen er­ wähnt sind, so soll damit doch nur gesagt sein, daß auch letztere die Ursache

zu einem Schaden sein können — was natürlich Niemand leugnet — nicht

aber, daß ein auö Unterlassungen erwachsener Schaden eine selbständige Obligation erzeugt, und die- ist um so weniger au- jenen Stellen zu schließen, als der 6. Titel keineswegs frei geblieben ist von Andeutungen,

die sich auf die Ersatzpflicht aus Verträgen beziehen").

So erwähnen

jene §§. neben der Handlung auch die Unterlassung, weil sie ganz allge­ meine Begriffsbestimmungen geben, die auf Beschädigungen innerhalb und außerhalb eines Vertrages sich beziehen.

Für die letzteren stellt dann aber

§. 9. gradezu den richtigen Grundsatz hin, daß die Unterlaffung nur, wenn sie die Verletzung einer „Zwang-pflicht", d. h. eines schon bestehenden

besonderen Rechtsverhältnisses oder eines besonderen gebietenden Gesetze­ ist, alS eine zum Schadenersatz verpflichtende Handlung aufgefaßt werden darf. So hat auch Koch außer dem negativen Satz, der Tit. 6. „erkenne es nirgends an", daß nur durch positives handeln eine zu vertretende

Culpa begangen werden könne, nicht- weiter für seine Ansicht beigebracht, als einige fingirte Beispiele.

Jener negative Satz beweist aber schlechthin

nichts, da vielmehr nachzuweisen gewesen wäre, wo da- A.L.R. eine so wichtige Abweichung von der

hat.

naturgemäßen Regel grade

ausgesprochen

Und die von Koch getroffene Entscheidung de- ersten Beispiel- ist

gewiß falsch.

Kein gemeinrechtlicher Richter würde so urtheilen, warunt

soll eS ein preußischer? WaS den Beschädigten abgehalten hat, sein Pferd zu holen, ist ein rein zufällige- Hinderniß, die zugefallene Thür: der

Mann in der Stube hat ihn nicht gehindert, also auch nicht beschädigt. Bei den übrigen Beispielen aber liegt eine

p,,rch da- Gesetz gebotene

Zwang-pflicht zum Handeln vor, dessen Unterbleiben wie bei Verträgen

zu beurtheilen ist.

") Beispiele sind: §. 6. J. IV. 3. 1. 8. pr. D. IX 2. I. 30. 3. D. eod. Bergl. A.L.R. I. 3. §. 33. 34. Etriethorst B 41 S. 334. Würtemb. Archiv v. 6. S. 224.

") R. d. F. I. S. 253 f. §. 2. 3. 4. 5. d. T. '«) Wa« Koch selbst nicht verkennt. S. Komment. Note 1. zn § 1 d. T. Heydemann S 294 a E. 295. Plathner II. S 1.8.9. Z B. Entsch. B. 38. S. 40. S triethorst B 29. S. 54.

544

Zweite« Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Wie daS bloße Unterlassen einer Handlung, die einen Schaden hätte verhindern können, zu deren Vornahme aber keine besondere Verpflichtung bestand, eine Obligation auf Schadenersatz nicht erzeugt, ebenso wenig geht eine solche aus zufälligem Schaden hervor: dessen Entstehen ans der Handlung oder Unterlassung gar nicht vorausgesehen werden konnte"). Wenn man dies durch das Sprichwort auSdriickt: casurn sentit dominus, so kann dies nur bedeuten, daß Niemand als Urheber zum Ersatz eines solchen Schadens verpflichtet ist19). Es ist aber c. auch festzustellen, wer als der Beschädigte anzusehen, d. h. wessen Rechtssphäre eigentlich verletzt ist"). Da das Vermögen aus verschiedenartigen Rechten zusammengesetzt ist, und je in verschiedenen recht­ lichen Beziehungen eine Sache gleichzeitig in die Rechtssphäre verschiedener Personen gehören kann, so leuchtet daS praktische Interesse dieser Frage ein. Unzweifelhaft freilich ist die Beantwortung bei Beschädigungen, die die Person oder ein Vermögensstück treffen, welches Objekt des uneinge­ schränkten und unbelasteten Eigenthum- ist. Hier hat der persönlich Ver­ letzte, der Eigenthümer den Nachtheil erlitten. Wer dagegen zur Sache nur ein persönliche« Recht hat, ist an sich nicht durch ihre Beschä­ digung getroffen"), er kann mir insofern als Beschädigter gelten, al« er für den Schaden dem Eigenthümer aufkommen muß"). Was den Be­ sitzer angeht, so macht sich hier die Abweichung des preußischen vom ge­ meinen Recht geltend, insofern ersteres einzelnen Rechtsverhältnissen, die nach letzterem nur persönlicher Natur sind, den dinglichen Charakter de« unvollständigen Besitze» ieigelegt hat. Der vollständige Besitzer ist nach gemeinem und preußischem Recht von der Beschädigung unmittelbar ge­ troffen"); ebenso der Nießbraucher"), der Pfandbesitzer"); nach preußischem ") § 4. d T. Siehe hierzu «och, Komm. Note 4. 1. 6. C. IV. 24 1. 64. D. de R. J. und A.L.R. I. 3. §. 6. ") Oben S 147. und unten §. 108. bei Note 25. Richtiger Casus a nulle praeetantur. 1. 23. in f de R. J. Bergt, den Recht-fall bei Gruchot II. S. 81. ") vesonder« Gruchot IV. S. 151-158. *•) Hasse, Culpa S. 244. Lex Aquilia domino damna ealva esse voluit. Dieser Grundsatz wurde auch aus jede« selbständige jus in re aliena angewendet, aber nicht auf persönliche Rechte. Den Käufer traf erst da« periculum, und er war daher erst zur Entschädigung-klage legitimirt, sobald ihm übergeben worden, I. 12. I) Will, 6 ; er mußte sich deßhalb diese Klage vom Verkäufer cediren lassen. 1. 13 §. 12. D. XIX. 1. Bergl. 1.14. §. 10. D. XLVII. 2.: nequo enim is, cujuscunque intererit, rem non perire, habet furti actionem, sed qui ob eam rem tenetur, quod ea res culpa ejus perierit. *') 1.14. §. 12. 16. D. XLVII. 2. 1. 87. eod. Dagegen wegen Entziehung der perzipirten Früchte hat der colonus ohne Weiteres die Klage, quia ejus esse coepissent. I. 26. §. 1. 1. 82. §. 1. D. eod. ") A.L.R. I. 7. §. 176. §. 15. J. IV. 1. Plate bei Gruchot X. 360. ’•) 1. 17. §. 3. D VII. 1. 1. 11. §. 10. D. IX. 2. A L.R. I. 21. §. 2. 23. ") §. 14. J. IV. 1. 1.12. §. 2. D. XIII. 1. 1.30. §. 1. D. IX. 2. A.L-R- l. 20. ß.117. I. 7. § 169. 146 f.

Recht aber auch der Miether, Pächter, Leiher"). Ob auch der Inhaber also der Depositar, Mandatar, der Handwerker, dem ein Stoff zur Bear­ beitung anvertraut worden, der Gastwirth und Schiffer, ist nach gemeinem Recht davon abhängig gemacht, ob er dem Eigenthümer gegenüber die Ge­ fahr zu vertreten hat"). Die- setzt aber voraus, daß der Schaden grade in diesen Kreis der Vertretungspflicht trifft. Der gleiche Grundsatz ist auch nach preußischem Recht anzunehmen; man wird aber nach diesem noch weiter gehen müssen und überhaupt den Inhaber als Beschädigten anzu­ sehen haben — auch abgesehen von seiner Vertretung-pflicht gegen den, in dessen Namen er innehat, denn selbst der Prekarist hat die possefforischen Rechtsmittel nnd „fein Recht ist schwächer al- das eine- Jeden, der eine Befugniß zum Besitze nachweisen kann", stärker also denen gegenüber, die keine Befugniß haben"). §. 90.

Die Entschädigung.

Die beschädigende Handlung als solche erzeugt ein selbständige- Schuld­ verhältniß, bessert Inhalt darin besteht, daß der Beschädiger entschädigen muß. Diese Obligation verzweigt sich in zw« Arten, je nachdem die Handlung nur nach ihrer objektiven Schädlichkeit, oder zugleich auch nach ihrer subjektiven Recht-widrigkeit in Betracht kommt. Man darf — e» fehlt an einem technischen Ausdruck — jene erste Art die einfache Ent­ schädigungspflicht nennen; die zweite Art umfaßt die Fälle der „Pflichten und Rechte au- unerlaubten Handlungen", die obligationes ex de­ licto. Beide Arten sind in den Voraussetzungen ihrer Geltendmachnng einigermaßen verschieden. Gemeinsam ist ihnen: daß ein Schaden wirklich entstanden und daß dieser Schaden durch eine Handlung (nicht Unterlaffung) verursacht sein muß. Abweichend sind sie darin, daß bei einfacher Entschädigung-for­ derung ein Verschulden und die Zurechnung-fähigkeit de- Beschädiger») Die« folgt au«

2.1. 21. Verb, mit ?. 6.1.7. A L R. Gruchot V. 220. VII.391.

2. 16. §. 235- 250. — Bornemann III. S. 357. Koch, Pr.R- II. S. 233. R. d. F. II. S. 678.

— Römer, die Leistung an Zahlungsstatt. 1866. — Unterholzner l. S. 363.

Keller S. 509.

v. Daniels II. S. 233

Rubo bei Kamptz B. 22. S. 3 (Ueber preuß.Recht S. 179 f.)

Sintenis IL S. 149 a. E.

Arndts S. 357

Heimbach im RechtSlex. 1IL S. 244.

Durch die Uebergabe einer Sache, die Abtretung einer Forderung oder die Leistung einer Handlung') kann der Schuldner sich von seiner

Schuld befreien, wie durch Zahlung, wenn und soweit sie der Gläubiger ,4) §. 228. 229. d- T.

,5) 1. 19. C. IV. 32.

'•i §. 232. d. T. Io) Striethorst B. 13. S. 191. ”) Unterholzner S- 472. Seusfert S. 133 Note 4- ArndtS S. 428 Note 2. Keller S.517 Note 2. Die Worte uisi forte eas receperit in 1.19. C. IV. 32. beweisen nicht, daß der Schuldner zur Zurücknahme berechtigt sei, sondern machen ihn nur dem Gläubiger verantwortlich, wenn er e- dennoch gethan. Die bezahlte Schuld mit. ihren erloschenen SrcherheitSrechteu kann nicht wieder aufleben. Gewiß kann wider seinen Willen der durch die Deposition befreite Bürge nicht durch die einseitige Zurücknahme wieder verpflichtet werden. Bergt. 1.62.11.11 14. ,a) Koch, R. d. F. II. S. 673 f.

Komment, zu §. 233. d. T.

") §. 230. d. T. Eine solche Deposition kann natürlich jederzeit rückgängig gemacht werden, v. Daniels II. S. 329.

') Rechtsfälle B. 4. S. 130. Die Abtretung einer Forderung muß durch Cession geschehen. Gruchot B. 1. S. 78. Dagegen Römer a a. O. S- lbO wegen tz. 238. 244. 247.

§. 94.

Gegenrechnung.

583

zu seiner Befriedigung anstatt der Zahlung annehmen will').

Weil sich

die Hingabe an Zahlung-statt immer al- ein erfüllter Vertrag darstellt, ist sie nicht an die Vertrag-formen gebunden'). Die Parteien müssen sich

nicht allein über die Hingabe und Annahme, sondern auch über den Werth der

Sache (de- Recht-, der Handlung) ausdrücklich

einigen,

denn der

Werth bezahlt eigentlich die Schuld, oder vielmehr er wird mit der For­ derung, die getilgt werden soll, kompensirt.

Der Gläubiger ist befugt, die

Angabe an Zahlung-statt wieder aufzurufen und Baarzahlung zu verlan­ gen, wenn

die

entwährt wird.

Sache innerhalb Jahresfrist ihm ganz oder zum Theil Er giebt, indem er den Entwährungsprozeß seinem frü­

heren Schuldner überläßt,

ihm die Sache al- redlicher Besitzer zurück,

fall- er sie nicht bi- zu seiner anderweitigen Befriedigung oder bi- zur rechtskräftigen Entscheidung de- Prozesse- al- Pfand zurückbehalten will. Seine ursprüngliche Forderung und ihre Beirechte leben wieder auf'), die

Bürgschaft jedoch nur, wenn dem Bürgen gleichzeitig mit dem Schuldner der Widerruf bekannt gemacht worden. Wird nach einem Jahre evinzirt, so bleibt eö bei der durch die Hingabe an Zahlungsstatt bewirkten Schuld­ tilgung, der Gläubiger hat aber gegen seinen Schuldner wegen Gewähr­

leistung die Ansprüche eines Käufers').

§. 94.

Gegenrrchnuug.

A.x.R. I. 16. §. 3 Koch S- 243. Zu der alten Forderung kann aber noch eine ErstattungSsorderung wegen der Schäden und Kosten hinzutreten, die ihm bei der fehlgeschlagenen Einziehung der Post erwachsen sind. Diese fordert er dann vom Anweisenden mit der actio mand. contraria (nicht directa, wie Koch S 257.). ") §. 277 279. d T. Zu §. 277. s. Strieth. ®. 14. S. 109

606

Zweite» ch'uch.

Die besonderen Privatrechte.

dem Zeitpunkt, wo ihm die Anweisung an seinem Wohnort vorgezeigt werden konnte. Diese Vorzeigung muß aber unverzüglich betrieben wer­ den. Jede Nachsicht oder weitere Fristbewilligung, die der Angewiesene ertheilt oder jede weitere Verhandlung, in die er sich mit dem Ueberwlesenen einläßt, steht auf seine Gefahr"). Er ist nicht verpflichtet, aber berechtigt, gegen den nicht zahlenden Ueberwiesenen zu klagen"). Klagt er, so gilt er als Bevollmächtigter deS Anweisenden, muß aber, um sich bei dem Betrieb des Prozesses von der Vertretung eines geringen Ver­ sehens frei zu machen, den Anweisenden davon ohne Verzug benachrichti­ gen; er ist während des Verlaufs des gerichtlichen Verfahrens jederzeit berechtigt zurückzutreteu, und hat den Anweisenden als seinen Machtgeber davon in Kenntniß zu setzen, um ihm Gelegenheit zu gebe«, Vorkehr für die Fortsetzung deS Prozesses zu treffen"). Will er nicht klagen, so hat er die Verweigerung der Zahlung dem Anwelsenden sofort — binnen 24 Stunden — anzuzeigen. Dasselbe gilt, wenn der Ueberwiesene auch schon die Annahme der Anweisung verweigert hat"). 2. Zwischen de m Anweisenden und Ueber«iesenen (Ässignat)"). Ersterer soll dem Letzteren die Anweisung bekannt machen, widri­ genfalls ihm dieser nicht zum Schadenersatz verpflichtet wird, wenn er die Anweisung nicht annehmen will"). Eine vorbehaltlose Annahme heilt je­ doch die unterhliebene Bekanntmachung"), und der Anweisende selbst kann in keinem Fall deßhalb die vom Ueberwiesenen dem Angewiesenen geleistete Zahlung ansechten"). Bestand zwischen dem Anweisenden und Ueber­ wiesenen ein Schuldverhältniß, so wirkt die Annahme der Anweisung als erneuertes Schuldbekenntniß"), und die Schuld wird durch die Zahlung an den Angewiesenen, wie durch Zahlung an den ersteren vollständig ge­ tilgt"). Bestand noch keine Obligation, so wird der Anweisende, wenn ”) §. 289. b. T. Koch S. 244. Der Angewiesene verliert durch eine Säunittiß nicht seine Forderung an den Anweisenden, aber er muß den Nachtheil tragen, der daraus entsteht. Ges.Revis. Pens. XIV. S> 129. Koch, Uebergang S. 245. Striethorst B. 14 S. 109. Seuffert XIII. 220. R.O H.N. 111. Nr. 28. Stegemann XX. B. 3. S. 319. “) §. 283. d. T. Hat der Angewiesene die Einziehung aufgegeben und die Befriedi­ gung wieder vom Auweisenden sseinem Schuldner) direkt verlangt, so darf er daun nicht wieder auf den Ueberwiesenen zurückgehen, außer im Fall einer neuen Anweisung. Simon u. Strampff, Rechtspr. B. 1. 6. 45. Koch, Uebergang S. 255. ") §. 281. 285. 286. 287. 288. d. T”) §• 280. 284. d. T.

Koch S. 248.

Zu §. 260. s. Striethorst B. 40. S. 146.

”) Koch S. 268. ») §. 268. 269. d. T. ") §. 270.

”) §.271. *') §. 292. ”) §. 252.

Koch S. 273.

Es ist dabei gleichgiltig, ob in der Anweisung die de-

5- 95.

Anwrisuag.

607

der Ueberwiesene auf Grund des Auftrag- an den Angewiesenen gezahlt hat, Schuldner de- Ueberwiesenen"). Umgekehrt kann aber der Letztere sich auch dem Anweisenden verantwortlich machen, wenn er ohne dessen Bekanntmachung an den Angewiesenen zahlt"). Die Bekanntmachung verpflichtet den Ueberwiesenen zur Annahme, wenn dadurch seine Lage nicht verschlechtert, die ihm obliegende Schuldabtragung an den Auweisen­ den weder im Gegenstand noch nach Zeit und Ort erschwert wird. Er hat also unter dieser Voraussetzung, wenn er schon Schuldner de- An­ weisenden ist, kein Widerspruchsrecht"). War der Ueberwiesene bisher noch nicht Schuldner de- Anweisenden, so ist er zu einer Annahme der Anweisung überhaupt nicht verpflichtet. 3. Zwischen dem Angewiesenen (Assignatar) und Ueber­ wiesenen (Assignat)"). Bor der Annahme der Anweisung besteht zwischen beiden kein NechtSverhältniß"). Durch die vorbehaltlose Annahme verpflichtet sich der Ueberwiesene, an den Angewiesenen zu zahlen"), und diese Verpflichtung wird selbst dadurch nicht beseitigt, daß ihm vor der Annahme ein Widerruf zugekommen war".) AuS der Annahme kann stimmte Schuld, welche durch sie getilgt werden soll, bezeichnet worden ist oder nicht. Koch, schles. Arch. B 4. S. 120. Seuffert II. Nr. 42.

”) § 298. 299. Die Annahme und Zahlung einer Anweisung begründet keine Ver­ muthung dafür, daß der Ueberwiesene die Summe dem Anweisenden schuldig ge­ wesen, oder daß er von diesem Deckung gehabt, vielmehr muß die- vom Anwei­ senden al- Einrede bewiesen werden, wenn ihn der Ueberwiesene au- der honorirten Anweisung in Anspruch nimmt. Striethorst B. I. S. 385. ") §. 273. d. T.

") §. 256. d. T. ") Koch S. 263. S7) Der Angewiesene kann also auch nicht in eigenem Namen gegen den Ueberwiesenen klagen. Striethorst B. 29. S. 46

Die Annahme ist ein selbständiger DerpflichtungSgrund. Entsch. B. 46. s. 109. Seuffert, Archiv XIII. 141. Heuser, Annalen IV. 438. UebrigenS ist dieser RechtSsatz nicht unbestritten. Thöl 3 A.) S. 468 Note 2b. leugnet die Giltiakeit deffelben, da die Annahme nur ein Summenversprechen ohne causa debendi sei, für daö gemeine Recht und läßt sie nur für da- Handelsrecht zu. Dagegen Brun- in der Zeitschrift f. Recht-geschichte B. 1. S. 114, der die Annahme alein constitutum ansieht, wobei keine weitere causa debendi erforderlich sei. Nur wenn irrthümlich eine Schuld al- vorhanden angenommen, würde da- Accept unverbindlich sein. Salpiu- S. 481 steht im Anweisung-accept die ihrer til­ genden Wirkung entkleidete DelegatiouSstipulation der Römer, d. h eine Stipu­ lation, die au- den materiellen Unterlagen de- Geschäfts nicht mehr anfechtbar, aber nicht mehr wie bei den Römern der Zahlung gleich ist. Der anuehmende Ueberwiesene muß vertrag-fähig sein, Entsch. B. 46. S. HO, und daß durch An­ nahme einer Anweisung Seiten- einer Frau die Beschränkungen der weiblichen Jnterzesfionen leicht umgangen werden können, s. das. @.111. Der Assignat kann nach der Annahme dem klagenden Assignatar seine Legitimation nicht mehr be­ streiten. Entsch. B. 20. S. 181. Der Assignat, der die Anweisung angenommen, obschon er dem Anweisendeu nicht schuldig war, muß zahlen, auch wenn letzterer bis zum Zahlung-tage in Konkurs geräth. Entscheid. ’. 454 f.

**) v. Daniel« II. S. 337. **) $. 295. d. T Koch S. 276 f. Hat der Ueberwiesene mehrere Anweisungen angenommen, so bleiben au« der Annahme den anderen Angewiesenen ihre Rechte gegen ihn Vorbehalten. 8- 296. d. T. ") Koch S. 249. ") Simon, Rechtspr. B. 1. S- 45. ") § 275. 276. d. T. Rach S. 267. Gemeinrechtlich 583. Eine gerichtlich im quendu» nicht widerruseu

dagegen Koch, Komm. Note 33. zu §.402. '“) k 104. I. 20. a.8.».

IM) Ueber die verschiedenen Meinungen s. Koch, Urberg. S. 17>sg. Mühlenbruch S. 574 fg. Bangerow III. 6. 129. Windfcheid, Actio S. 186. '") Bangerow III. S. 129 »nm.2. Bergl. I. 2. 1 6. pr. v. XVIII. 4; 1.8. C. IV. 39. Jedoch mit den Modifikationen, daß prozessualische Vorrechte ganz au«geschloffen, und daß Vorrechte, die nicht mit der Forderung zusamnieohiiagen, dann übergehe», wenn ste mit der letzteren schon in Verbindung gekommen sind. Dies hat besoudere Anwendung aus privilegirte Zin-forderungen. So weit sie schon erworben, gehen sie über; für die Folgezeit aber nicht. “’) §. 403. 404. d. T. ES ist kein Vorrecht der Forderung, wenn der Ledent seinem Lesfionar sich zu unbedingter Gewährleistung verpflichtet hat, die- Versprechen geht also nicht ohne Weitere- aus den zweiten Lessionar über, muß vielmehr ihm be­ sonder- cedirt werden. Ohne solche besondere Session hat der zweite Lessionar an seinen Ledenten nur die Ansprüche au» dem Gesetz, aber keinen an den ursprüng­ lichen Gläubiger. Durch solche besonder« Session wird letzterer debitor ceeene. Gruchot, Beiträge B. 1. S. 21. B 2 S- 419. B. 11 S- 491.

der Forderung selbst ein Vorzugsrecht beigelegt ist""'). Allein auch die neue Fassung hat keinen anderen Sinn. Solche nicht übergehende persön­ liche Vorrechte find die Sportelfreiheit des Fi-ku», sein Exekution-recht, die ihm und gleichberechtigten Korporationen zugestandene längere Verjäh­ rung, da- einzelnen juristischen Personen gebührende Einziehung-recht für laufende Leistungen, die doppelte Appellation-frist Unmündiger und juristi­ scher Personen'"). Dagegen gehört nicht hierher, wenn wegen der Person de» ersten Erwerber» die Forderung selbst eine besondere Eigenschaft ge­ wonnen ; die Illatenforderung einer Ehefrau bleibt eine solche auch nach der Cesston und behält ihr Vorrecht'"). Die Prozeßart, in der eine Forderung einzuklagen ist, geht au- ihrer Beschaffenheit hervor, ist also auch vom neuen Gläubiger anzuwenden "*). — Die Übertragung eine- bedingten Recht» ist an diese Bedingung gebunden; e» kann aber auch ein unbedingte» Recht bedingt übereignet werden. In beiden Fällen äußert die Cesston ihre volle Wirkung erst bei der Entscheidung über den Eintritt oder Wegfall der Bedingung'").

Im Einzelnen ist noch Folgende» hervorzuheben.

». Rechte und Pflichten zwischen Cedenten und Cessionar'"). Durch die Cesston erwirbt zunächst der Sebent da- Recht auf die dafür bedungene Gegenleistung, also auf Zahlung der Valuta, Uebereignung de- Recht-, Uebergabe der Sache, je nachdem Kauf oder Tausch der Recht-grund der Cesston gewesen. Ist diese geleistet, so muß die Valuta gezahlt werden, auch wenn sie nur mündlich bedungen worden'"). Der Kauf einer Forderung ist al- Kauf einer beweglichen Sache anzu­ sehen, der Sebent kann also die Abtretung aufrufen, wenn die Zahlung de» Preise-, der Valuta, au-bleibt'"). Die Höhe derselben hängt allein "') Koch, Uebergang S- 176. "*) Koch, Komment. Rote 37. zu §. 404. t>. T- Uebergang S. 179.180. Auch da» Retention-recht ist nicht al» Borrecht der Forderung aufzufaffen. R.O H.G. V. Rr. 66.

**') Koch, Komm. Rote 36 zu §. 404. d. T-

"*) Der Mandat-prozeß für eine erbitte Gebührensorderung eine» Rechl-auwalt». Koch, Rote 37. zu §. 404. d. T'") §. 418. d. T. Koch, Uebergang S-167. Eine eventuelle, „zur Sicherheit" vor­ genommene Cesston ist eine bedingte, nicht bloß eine Verpfändung der Forderung Dresdner Annalen II. S- 928. III. S- 295. *•*) Schliemann, die Haftung de» Cedenten. 2. A. 1850.

*••) Bestimmte Vergeltung in $. 376. d. T. Striethorst B. 32. S. 103. Der (Sebent kann aber auch Rückcession verlangen. Es kommen dann die $§. 156fg. I. 5. zur Anwendung. Wird die Zahlung der Valuta verzögert, und will der Sebent nicht zurücktreten (f. folgende Rote), so muß der Eesflonar vom Tage der Cesston die Valuta verzinsen nach dem Grundsatz §. 109.1 11. An» gemeinrechtl. Prari»: Heuser, ftirhesi. Annalen V. 5. S. 403. Geuffert X1L 148. “•) Rach 5. 230. 231.1.11. Entsch. B. 17. S. 158.

von dem Uebereinkommen der Parteien ab1**7); * * die S- *gemeinrechtlichen Be­ schränkungen de- anastasischen Gesttze»'") kennt da» preußische Recht nicht, fie sind auch im Gebiet de» gemeinen Recht» in mehreren Ländern1") durch neuere Gesetze beseitigt und damit ist eine nicht unbeträchtliche Zahl sehr unnSthiger Streitfragen verschwunden. Ob wegen Verletzung über die Hälfte die Abtretung rückgängig gemacht werden darf, ist im gemei­ nen 17°) und preußischen Recht bestritten. Koch171) gestattet da» Rechts­ mittel, weil §. 381. d. T. unterschiedslos die auf Gegenleistung erfolgten Eessionen den Regeln des Kaufs und de» Tausche» unterwirft. Dieses Argu­ ment kann aber nicht allein entscheiden, e» muß vielmehr bei jeder einzelnen Regel ihre Anwendbarkeit auf die Cession geprüft werden. Nach preußi­ schem Recht würde der Käufer der Forderung, der Cessionar, die Ver­ letzung geltend zu machen haben 17‘). Dadurch stellt sich die Sache ander» al» im gemeinen Recht, wo der Cedent die Klage oder Einrede hätte. Denn der Cessionar kann überhaupt nicht in die Lage kommen, über die Hälfte verletzt zu werden, weil ihm vom Cedenten, wie unten zu erörtern, nicht bloß die Richtigkeit, sondern auch die Sicherheit der abgetretenen Forderung gewährleistet werden muß177); er hat also, wenn er au» dem einen oder anderen Grunde einen Ausfall erleidet, der eine Verletzung über die Hälfte im Vergleich mit seiner Gegenleistung darstellt, immer einen ausreichenden Anspruch an den Cedenten: er bedarf nicht bloß der Anfechtung wegen Verletzung nicht, sie würde sogar jenem Anspruch wider­ sprechen, und daß der Cessionar die Wahl haben sollte 'zwischen jener und diesem, ist im Gesetz nicht angedeutet. Daher muß gegen Koch mit Gruchot die Anfechtung wegen enormer Verletzung für unanwendbar auf Eessionen erachtet werden17*). '•’) $. 390. d. T. Der Schuldner kann daher au« dem ganzen Betrage der Valuta keine Einrede gegen den Eessionar herlriten. Arn-b- Archiv B. 10. S- 574.

'«) 1. 32. C. IV. 35. ***) In Baiern Ges. v. 22. Febr. 1855: Braunschweig, Ges. v. 21. Dezbr. 1849; Sachsen, Ges B. v. 1861, kennt die Beschränkung nicht. In Preußen für die gemeinrechtlichen Bezirke Ges. v. 1. Febr. 1864 (Ges.S. S. 33). Deutsch. H G.B. Art. 299. Dagegen Mühlenbruch S. 622, weil der Ledrnt etwa» Gewisse« in der Forde­ rung abtritt, sich mithin nicht irren kann. Dafür Puchta S. 652, weil au« der Bersagung folgen würde, daß, wer ein Grundstück verkauft, die actio venditi auf Rescisfion habe, der aber, dem die actio emti abgetreten, deren Gegenstand dasselbe Grundstück sei, darauf nicht Anspruch machen könne. Sinteni« II S- 809 Note 58. tritt Puchta bei.

*’*) Koch, Uebergang S. 202.

»’») §. 59.1.11. *’») 8- 430.

”*) Gruchot 1. S. 59. XL S- 527. Göppert, dies, de remedio ob laesionem jnr. comm. Boras«. Vratiel. 1863 p. 31. 32. tritt der Ansicht von Gruchot im Allgemeinen zwar bei, behauptet aber für zwei Fälle die Zulässigkeit de« Nicht«, mittel« au« der Läsion, nämlich wen» der Schuldner nicht Geld, sondern eine

SS

Recht-abtretung

655

Sodann hat der Cedent die Verpflichtung, da-besonder- gegebene CesfionSversprechen (pactum de cedendo) durch Vollziehung der Abtre­ tung zu erfüllen'78), sowie den Cessionar in den Stand zu setzen, daß er die ihm abgetretene Forderung al- seine eigene geltend machen kann. Er muß ihm also die Schuldurkunde einhändigen und alle-, wa- nöthig ist, um den Cessionar dem Schuldner gegenüber zu legitimiren 17*). Er muß dritten- dem Cessionar die Richtigkeit und Recht-giltigleit der Forderung (nomen verum) gewährleisten'77), d. h. daß sie ihm wirklich mit ihren Nebenrechten und Vorzügen, so wie sie abgetreten wor­ den, zusteht und gesetzlich klagbar ist, daß ihr nicht Einreden wirksam ent­ gegengesetzt werden können. Hat er eine Forderung im Bewußtsein ihrer Unrichtigkeit abgetreten, so ist von ihm da- volle Interesse zu vergütiflcn178): er muß die erhaltene Gegenleistung (al- wirklichen Schaden) und Sache zu leisten verpflichtet ist, und wenn Jemand ein Papier von marktgängigem Börsenpreis für das Doppelte desselben ankaust. Letztere- ist aber ein Sachkauf, nicht ein Forderung-kauf, und geschieht ohne (Session, und im ersteren Fall ist nicht die Sache und deren Werth, sondern die Forderung auf die Sache Gegen­ stand der (Session; der Werth der Sache und der der Forderung sind verschiedene Dinge. "*) 5. 376. d. T. In Simon, Rechtspr. II. S. 67 ist der Fall behandelt, wo -wi­ schen dem pactum de cedendo und dessen Erfüllung der Konkurs über da- Ver­ mögen de- Eedenten eröffnet worden, und ist entschieden, daß die Gläubiger nicht verpflichtet sind, da- pactum de cedendo zu erfüllen. Die Konkurs-Ordn, von 1855 15. Abs. 3. schreibt vor: besteht die rückständige Gegenleistung deGemeiuschuldnerS nicht in einer Geldleistung, so kann der Mitkontrahent die Erfüllung nicht fordern, sondern eS findet nur ein Anspruch auf Entschädigung statt. — Da- pactum de cedendo ist kein Vertrag, dessen Hauptgegenstand Hand­ lungen find, die (Session ist nicht Gegenstand, sondern Folge de- pactum, Aus­ führung desselben ES muß also auf Erfüllung geklagt werden, man kann nicht (nach S. 408 f I. 5.) zurücktreten. Entsch. B. 48. S. 60. I7e) §. 395. d. T. Entsch. B. 14. S. 237. B. 54. S. 83. Koch, Veurth. S. 123.230. Uebergang S. 139. 201 f. Sächs. Ges.B. §. 970. Zu diesem Zweck kann der Lesfiouar gegen den Eedenten auch auf Anerkennung der Eesfion klagen. Seusfert B. 13. S. 30 Rote 1. Dergl. noch Striethorst v. 62. S. 262. B. 85. S. 36.

'") §. 420. d. T. Koch, Uebergang S. 202. 207f. Gruchot XI. 893f. Schlie­ mann, die Haftung de-Eedenten 2. A. 1850. Müller, die Lehre des röm. R. v. d. Eviktion. 1851. S. 311 fg. AruSb. Mon.Schr. I. 420. Einigermaßen kann diese Gewährleistung mit der Eviktionsleistung verglichen werden, nur ist nicht zu übersetzen, daß Forderungen nicht evinzirt werden können. Paffender ist e-, die Gewähr für die Richtigkeit und RechtSgiltigkeit aufzufaffen als Gewähr für RechtSeigenschaften Daß sie nur stattfindet bel entgeltlichen Eesstonen, folgt au- dem landrechtlichen Begriff §. 376. d. T. Auch so wird nach gemeinem Recht: I. 18. §. 3 D. XXXIX. 5. 1. 75. §. 1. 2. D. de leg. I. Der (Sebent hastet nur seinem Eesfionar, nicht späteren Erwerbern. Seusfert B. 24. Nr. 199. Aber für DoluS wird auch bei geschenkten Forderungen gehastet. 1. 18. $. 3. cit. Die Verpflichtung de- Eedenten zur Gewährleistung ist nicht sowohl die Wirkung der Eesfion, alvielmehr de- Rechtsgeschäft-, welche- durch die Eesfion erfüllt worden. S. hier­ über des. Gruchot a. a. O. So soffen die Lehre auch die neueren Gesetzgebungen auf. Sächs. Ges.B. tz. 971. Dresdner Entwurf de- Ges. über Schuldverh. Art. 330. Der vom Eigenthümer befriedigte Hypotheken- oder Gruudschuldgläubiger ist nur zur Abtretung an den Eigenthümer ohne Gewähr verpflichtet. Ges. über den EigenthumSenverb v. 5. Mai 1872 63.

"*) §. 422. 424. d. T.

Heuser, kurheffische Annalen B. 7. S. 16.

(Gewähr für die

Zweites Buch.

656

Die besonderen Privatrechte.

Zinsen und Vortheile ersetzen, die der Cessionar mit der hingegebenen Gegenleistung erweislich anderweitig hätte erzielen können (al- entgangenen Gewinn)'"). Ausgeschlossen ist aber immer ein Ersatzanspruch für den­ jenigen Gewinn, den der Erwerber durch die Zahlung einer Valuta unter dem Nennwerth der Forderung erstreben wollte'"). $[t eine unrichtige Forderung auS Versehen oder Irrthum abgetreten, so werden vom Cedenten die Schäden und Kosten bis auf Höhe der empfangenen Valuta er­ stattet"^. Der Cessionar hat, um sich diese GewährleistungSansprüche zu sichern, die Pflicht, den Cedenten zum Beitritt im Prozeß aufzurufen'"). Die Verbindlichkeit zur Gewährleistung kann ausdrücklich erlassen werden, sie füllt weg, wenn die Forderung ausdrücklich als zweifelhaft abgetreten worden ist'"). Nur darf in beiden Fällen nicht ein betrügerisches Ver­ halten de- abtretenden Gläubigers unterlaufen'"). Abweichend vom gemeinen Recht'") hat nach A.L.R. viertens der Gläubiger auch für die Sicherheit der Forderung (nomen bonum) einzustehen'"), d. h. daß sie zur Zeit der Abtretung nicht ganz oder theilweis Sicherheit-rechte der Forderung.) Die Gewähr für die Richtigkeit besteht aber nicht darin, daß der Eedent dem Cessionar die Verpflichtung de- Schuldner- (de- debitor esssns) erfülle. Striethorst B. 42. S. 83.

"') Striethorst, Archiv V. 6. S. 116.

,H) §. 425. d. T- Auch selbst dann kann nicht Ersatz über die gegebene Valuta hinanverlangt werden, wenn die Gewährleistung besonder- bedungen worden. E- kann aber ein Mehrere-stipulirt werden Präj. 1701 «Sammt.IS 61). Striethorst B. 29. S. 214. Der 8 425. ist ein Prohibitivgesetz. Entscheid. B. 41. S. 103. Striethorst B. 34 S 202. Siehe über diese Beschränkung der Interesse-For­ derung Gruchot II. S 188 f. XI. 910 s. Rolosf in der preuß. Ger.Zeit. 1850 Nr. 49. Unten §. 106. Note 50. ,ei) §. 423. d. T. Zinsen von der Valuta, außer im Fall de- dolus, nur noch bei lata culpa. Koch, Uebergang S. 210. ,M) - 426.

Siehe oben §. 86. über Liti-denunziation.

—) §. 421. d. T. 1. 8. §. 1. D. XVIII. 1. 1. 10-12. D. XVIII. 4. Ausdrücklich muß die Gewährleistung erlassen, oder abgelehnt sein, sonst findet sie selbst dann statt, wenn die abgetretene Forderung gesetzlich ungiltig ist. Präj. 1808 «Sammt. 1. S- 61). Wenn aber auch die Gewährleistung erlassen, so bleibt der Eedent doch aus Ersatz verhaftet, wenn der Schuldner Forderungen an den Eedenten gegen den Lesfionar compensando geltend gemacht hat. Eutsch. B. 12. S. 238. 1M) - 421. d. T. IM) 1. 4. D. XVIII. 4. Die Parteien können aber eine Haltung für die Sicherheit be­ dingen, und e- muß für Güte eingestanden werden, wenn der dolus die Jnexigibilität veranlaßt hat. Seufsert IV. 27. Hat der Eedent sich für die Güte verpflichtet, so kaun auch der Nachmann de- Eesfionar- dies geltend machen. Seufsert IV. 26. XXV. 104. XXVI. 124. tz.427-441. d.T. Gruchot XI. 9l9s. Suarez (Gesetzrev. Pens. XIV. S. 88) motivirte die Abweichung vom gemeinen Recht durch natura negotii, intentione praesumta contrahentium und ex analogia Juris; in der Schlußrevision knüpfte er den Satz an die Bestimmung de- röm. R. an, daß der Eedent verhaftet sei, quando sciverit, debitorem non esse solvendo. Die Gewähr für die Sicher­ heit kann verschieden aufgefaßt werden, entweder als Gewährleistung für fehlende natürliche Eigenschaften oder al- Interzesflon für den Ausfall. Da sie aber daA L R. al- eine Naturale der Eefsion hinstellt, so ist der erstere Gesichtspunkt der

SS. Recht-abtretmtg.

657

uneinziehbar sei. Spatere nachtheilige Veränderungen in dieser Hinsicht treffen den Erwerber, ohne Unterschied, ob sie zufällig eingetreten, oder von ihm verschuldet fmb187 * *).* * *Bei * * *Hypotheken ** '"), oder wenn Valuta unter dem Nennwerth entrichtet worden"8), oder die Forderung alzweifelhast abgetreten ist190), fällt die Vertretung für die Sicherheit weg, kann aber auch in diesen Fällen ausdrücklich bedungen und natürlich überhaupt erlaffen werden"'). Um sich die Garantie für die Güte der Forderung zu erhallen, darf der Cessionar in Kündigung und Beitrei­ bung derselben nicht säumig sein, dem Schuldner nicht freiwillig Nachsicht geben'"). Der Cedent vertritt den Ausfall bis zur Höhe der empfangenen Valuta, daneben den Schaden und die Kosten, die dem Cessionar entstanrichtigere; sie ist keine accefforische oder subsidiäre Verpflichtung, wie sie Koch, Uebergang S. 212, und einzelne Entscheidungen de- OTrib. ansehen. Der Au-druck: Regreß in §. 434. 435. beweist nicht- für die Bürgschaft. Darum hastet der Ledent auch nicht für den ganzen Ausfall, sondern bi- zur Höhe der Valuta. S. Gruchot I. €>. 97. Da- österr. GB. §. 1397. läßt nebea der Richtigkeit für die Einbrinalichkeit hasten, bi- znr Höhe der Valuta. Der bairische Entwurf läßt nur bei dolus de- Eedenten für die Zahlung-fähigkeit de- Schuldner- haften, und wenn e- ausdrücklich bedungen. Art. 154. Nach dem Code art. 1694. wird für Zahlungsfähigkeit nur gehastet, wenn sich der Eedent dazu verpflichtet hat, und bi- zur Höhe der Valuta.

187) §. 431 —433. d. T. Der §. 432. bezieht sich auch auf die Gewährleistung für die Richtigkeit der Forderungen. Wenn der Eesfionar durch fein Verschulden den Prozeß gegen den Schuldner verloren hat, so verliert er seine Gewährleistung-klage gegen den Eedenten. Entsch. B. 61. S. 46. »") §. 427. d. T. Striethorst B. 53. S. 46f. Dresdner Inn. B. 2. S 17. österr. G.B. §. 1398. Dasselbe gilt jetzt auch von den Grundschulden. •••) §. 429. d. T.

Bezieht sich nur auf den Kapitalbettag.

Ebenso

Gruchot XI. 926.

»*>) §. 430. d. T.

§ 427. 429. 430. d. Tr Wenn für eine Hypothek die Gewähr für Sicherheit ver­ sprochen, so ist sie zu leisten, sobald die Unzulänglichkeit der Hypothek festfteht; der Eesfionar hat nicht erst den persönlichen Schuldner au-zuklaaen. Entscheid B. 17. S. 173. Striethorst B 1. S. 183. B. 21. S. 26. Diese Entscheiduua beruht aus der Austastung, daß die Gewähr für Sicherheit eigentlich Bürgschaft sei, wafie zwar sein kann, aber nicht nothwendig ist. Ueber diese Austastung siehe noch Simon, Rechtspr. IV. S. 63. Gruchot XI. 924f. Oben Note 172. '") §. 434—436 438. d. T. Gruchot XI. 933 f. 938 f. Wenn der Schuldner bizum Verfalltage in Konkurs gerathen, so soll angenommen werden, daß die For­ derung schon zur Zeit der Abtretung unsicher gewesen Der Ausbruch des Kon­ kurse- ist übrigen- nur ein Beispiel; der Vermögen-verfall kann auch au-anderen Thatsachen (vergeblichen Exekutionen) gefolgert werden, und Gegenbewei- ist zulässig. Präj.639 (Samml. I. S.62». Striethorst B 18. S. 39. B 78 S. 10. V. 80. S. 165. R.O H.G. VI. Nr 52. Koch, Uebergang S. 217. ..Sofort" in §. 434. läßt ein modicum tempus zu. Koch S. 217. Entsch. B. 10 S. 372. I 21. §. 1. D. XIII. 5. „Freiwillige Nachsicht" ist der Gegensatz zu der vom Richter er­ zwungenen. Koch S 218. Vergl noch Entsch. B 1 S. 315, wonach §. 434 f. auch Anwendung finden, wenn die Haftung für Sicherheit ausdrücklich versprochen ist. Koch S. 212. Oesterr Ges B. tz. 1399. Bei Seusfert XIII. 20. ist die Einrede de- Eedenten, der Cessionar sei säumig gewesen in der Einziehung, ver­ worfen, da der Eesfionar nicht verpflichtet sei, jit einer anderen Zeit, al- »wo er Luft habe", gegen den Schuldner zu klagen. Vergl. noch Entsch. B. 61. S. 46. Oben Note 173. Förster, Preuß. Prtvalrecht. I. 3. Ausl.

42

658

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

den finb IH). — Bei n othwendigen Sessionen (I. b.) wird weder die Richtigkeit noch Sicherheit gewährleistet'"). Das folgt aus ihrem Begriff, da sie von selbst eintreten. Bei erzwungener Session (I. c.), durch welche der Gläubiger mit seiner Forderung dem Cessionar zahlt und der Richter die Uebereignung nur vermittelt, gelten dieselben Grundsätze, wie bei der auf Rechtsgeschäft gegründeten Abtretung; eS muß nach beiden Richtungen die Gewähr geleistet werden199). Da sich der Anspruch deS EesfionarS an seinen Cedenten, ihm für Richtigkeit und Sicherheit zu haften, nach der Auffassung deS A.L.R. als Gewährleistungsforderung charakterisirt, und zwar nach ihren beiden Beziehungen, für Rechtsmängel und Mängel an vorausgesetzten natürlichen Eigenschaften, so folgt, daß sie über­ haupt nur eintritt bei entgeltlichen Sessionen,96) und daß die Klage der kurzen Verjährung nach §. 343. 344. I, 5. unterworfen ist197). Da der CessionSakt selbst199) das Eigenthum der Forderung über­ trägt, so verliert mit diesem Moment der Cedent jedes weitere DiSpositionSrecht über dieselbe, er darf vom Schuldner keine Zahlung mehr annehmen, sich mit ihm in keine Unterhandlungen über sie einlassen, sie ,M) §. 437. 440 d. T. DaS O.Trib. läßt (iS zum Nominalwerth haften, vom Stand­ punkt der Bürgschaft aus. Dergl. Ges.Nev. Pens. XIV. S. 89. Dagegen Koch S. 222 f. und Striethorst B. 18. S. 195.

,a4) t 444. d. T. Die Cession im Wege der Exekution steht nicht unter dieser Aus­ nahme. Striethorst V. 85. S- 181. ,M) Entsch. B. 17. S. 167. Dadurch ist die entgegenstehende Ansicht des Min.Reskr. v. 24. Febr. 1831 beseitigt. Arndtö in der IW. 1845 S. 426 will in diesem Fall nur für die Richtigkeit, nicht für die Sicherheit hasten lasten, weil letztere eine vertragsmäßige Verpflichtung des Cedenten voraussetze, die bei solchen Cesfionen uicht anzunehmen sei. Allein die Gewähr für Sicherheit geht ebenso, wie die für die Richtigkeit aus dem Gesetz hervor, sie ist ein Naturale der Session, stehe oben Note 186, und nicht mehr und nicht weniger vertragsmäßig als die Gewähr für kic Verität. 1M) Nach 8. 318. I. 5. §. 378. 381. d. T- AppGer. Hamm in der jur. Mon.Schr. I. S. 420. ,rr) Gruchot XI. 943 f. tritt bei. A. M. ist Koch, Uebergang S. 223, welcher die Klage aus Gewähr für Sicherheit al- eine Klage au- einer Bürgschaft in 30 Jah­ ren verjähren lasten will. Es ist aber wohl anzunehmen, daß die Redaktoren die Gewähr für Sicherheit neben der für die Verität als wirkliche Gewährleistung ausgefaßt haben, wobei übrigen- nicht verkannt werden soll, daß sie al- vürgfchast von den Parteien intendirt werden kann. Da- O.Trib. interpretirt die Uebernahme der Bürgschaft de- Cedenten für die Sicherheit nur al- Ausdruck der schuldigen Gewährleistung. Entsch. V. 62. S. 71. Auch bei Seufsert XIII. 21. nicht alBürgschaft, sondern al- Eviktion-Hast aufgefaßt. S. auch Koch, Komm. Rote 59. zu tz. 427. d. T. Note 74. zu §. 441. DaS O.Trib. verneint die kürzere Verjäh­ rung der Gewährleistung-klage deS LessionarS. Entsch. B. 64. S. 10. Striethorst B. 80. S. 138. Der Ersatzanspruch auf Grund eine- Betruges unterliegt natür­ lich nur der 30jährigen Verjährung. Im Pr.R. H. S. 154. beantwortet Koch die Frage etwas ander-, indem er die kurze Verjährung anwendet, wenn der Aus­ fall wegen Zahlungsunfähigkeit deö Schuldners entstanden, und mir dann die Haftung für die Sicherheit in 30 Jahren verjähren lägt, wenn der Cedent den ganzen Nominalwerth ersetzen muß. Dann ist allerdings eine accestorische Verab­ redung mit dem Charakter der Bürgschaft vorhanden. **•) „Von nnn an" in §. 393. d. T.

nicht mehr an Andere cediren. Dem Cesfionar gegenüber sind alle solche Handlungen ein Vertragsbruch und verpflichten den Cedenten zur LeistundeS Interesse Der jüngere Cessionar kann kein Recht mehr erwerben, weil der Cedent kein übertragbare- Recht mehr in Händen hatte"'). Wenn es bei Theilcessivnen an einem Abkommen darüber fehlt, ob der cedirte Theil eine vorzugsweise Befriedigung vor dem bei dem Cedenten zurückgebliebenen Ueberrest genießen soll, so versteht sich ein solche- Vor­ zugsrecht nicht von selbst, auch nicht, wenn sich der Cedent nut einen Zinsenanspruch behalten hat; die Zahlung deS Schuldner» wird vielmehr so aus die ganze Forderung verrechnet, wie er eS will und zu seinen Gunsten gilt die Zinsenschuld zunächst für abgetragen. Kapitalzahlungen werden dem Cedenten und Cessionar zu gleichen Rechten geleistet"'), b. Di e rechtliche Stellung des Schuldners gegenüber dem Cedenten und Cessionar"'). Der Schuldner erhält durch die Cesston, die ohne seine Zuziehung erfolgteinen neuen Gläubiger. Durch den Akt der Session scheidet die Forderung au- dem Vermögen de» bis­ herigen Gläubiger» definittv au», und wird sofort ein definitiver Bestand­ theil de» Vermögen» de- neuen Gläubigers Daraus muß folgen, daß da» Verpflichtung-band zwischen dem Schuldner und Cedenten sich in dem­ selben Moment löst, in demselben Moment zwischen ihm und dem Cessionar geknüpft ist. Der alte Gläubiger hat nicht» mehr, der neue Alle», wa- die Forderung bietet, vom Schuldner zu fordern. Aber dieser weiß von dem ganzen Vorgang zunächst nicht»: e- ist also möglich daß er an den gewesenen Gläubiger noch leistet, daß dieser die Zahlung arglistig an­ nimmt. Die- bringt den Schuldner in die Gefahr, daß er nicht befreit wird, daß er noch einmal leisten muß, und doch verlangt sein Nichtwissen, *’*)

393. 402.417. d. T. Der Eedent muß insbesondere dem Eesstonar da» heraus« geben, was er vom Schuldner erhalten. Schles. Archiv 8. 6. S. 333. l. 55- D. III. 3. 1. 23. $. 1. D. XVIII. 4. Gruchot XL 615 f. «ei Heuser, kurhess. Annalen 8.1. 6. 886, ist der Interesse-Anspruch dem Cessionar versagt, weil «der Eedent nicht eine fremde, sondern seine eigene Forderung eingezogen habe". Das ist eine Folge der Theorie von Mühlenbruch.

’••) Unrichtig ist et, wenn die Entsch. B. 4. S. 71 demjenigen (jüngeren) Eessionar, der im anten Glauben im Vesttz der Schuldurkunde ist, den Vorzug giebt, denn die Aushändigung der Urkunde gehört nicht zur Cession-form. S. oben Note 80. Für das Recht de- älteren LcssionarS Geuffert VIII. 248. *•') Koch, Uebergang S. 182 fg. Seuffert, Archiv 8.11. Nr. 227. Dagegen muß der Cedent, der sich einen Theil der Forderung zurückbehalten, dem Cessionar zu­ rückstehen, „weil es gegen deu guten Glauben sei, daß der Zahlende seinem Gläu­ biger daS wieder entziehe, was er ihm an Zahlung-statt gegeben": Senfsert IX. 280.

*•*) S. 402-419. d. T.

Gruchot XI. 585. 612.

••*) z. 409. d. T. 1. 3 C. IV. 39. 1. 2. 0. VIII. 54

*M) Deutscher Gesetzen««, über Schuldverh. Art. 337. Abs. 2. „Mit der Veräußerung der Fordrrung hört der Veräußerer aus, Gläubiger zu sein, und der Erwerber tritt al« neuer Gläubiger in die Forderung ein."

sein guter Glaube, Schutz. Ferner konnte er sich gegen den alten Gläu­ biger, wenn dieser die Forderung einziehen wollte, durch Einreden wirk­ sam vertheidigen. C» scheint zweifelhaft, ob diese Vertheidigung-mittel, welche au» Thatsachen oder Berechtigungen zu entnehmen find, zu denen der neue Gläubiger in keiner Beziehung steht, auch gegen diesen gebraucht werden können, ob sie nicht verloren gehen müssen. In beider Hinsicht schützt den Schuldner der Grundsatz, daß durch diese Cession seine Ver­ pflichtung in keiner Weise erschwert werden, daß er durch dieselbe aber auch nicht gewinnen darf'"). Dieser Akt soll auf seine rechtliche Stellung ohne Einfluß sein. Er kann also guten Glauben» noch an den früheren Gläubiger zahlen"") und sich dadurch befreien; er kann gegen den neuen Gläubiger die Vertheidigung-mittel gebrauchen, die ihm gegen den ersten Zuständen'"). Dieser Recht-satz hat seine Begründung darin, daß Niewand ohne sein Wissen einer anderen Person verpflichtet werden kann, und daß jede» Recht nur ebenso auf einen Anderen übergeht, al» e» dem Veräußerer Zustand, daß e» durch die Veräußerung nicht bester und nicht schlechter wird'"'). — So entsteht also zunächst für den Cessionar da» Bedürfniß, daß der Schuldner von seinem Recht-erwerb eine solche Kennt­ niß erlange, welche einer ferneren Leistung an den gewesenen Gläubiger den guten Glauben entzieht, welche ihn an den neuen Gläubiger bindet. Diese» Bedürfniß befriedigt die Denunziation, durch welche der Schuld­ ner die geschehene Abtretung erfährt'"'). Nach gcmenem Recht ist e» nicht unbestritten, ob diese Bekanntmachung nur vom Cedenten oder auch von dem Cessionar mit Erfolg geschehen kann. Die letztere ist aber die rich. tigere Annahme""). Da» A.L.R. läßt die Benachrichtigung von dem eim) §. 408. d. T. Gruchot XI. 592 s. Hieraus folgt aber nicht, daß der vom Cesfionar verklagte Schuldner befugt sei, die Beiladung de- Cedenten behuf- Eides­ delation an denselben zu verlangen. Der Cedent muß al- Zeuge gehört werden; asfistirt er in Folge der Streitverkündigung, so ist er Streitgenoffe, nicht Gegner de- Schuldner-. Bergt. A.G.O. 1. 10. §. 138. 139.279. 1.17. §. 8. 28. 29. 1.19. §. 8. RO.H.G. 11. Nr.83.

m) tz. 413. d. T.

GruchotXI. 614.

•'■*) §. 407. d. T.

Gruchot XI. 596.

Striethorst

B. 57. S. 40.

1. 54. 143. 160. §. 2. 1. 175. §. 1. I. 177 pr. de R.J. §.101. Einleit. Z. A.L.R. Der Grundsatz, daß dem Schuldner die Einreden erhalten bleiben, ist nicht bloß, wie Koch, Uebergang 6. 190, annimmt, nach der Theorie von der Unübertrag­ barkeit der Forderung zu rechtfertigen, und nicht ein nnmotivirt eingeschvbener Recht-satz.

•••) §. 413-416. 418. d. T. Koch, Uebergang S. 163 f. Gruchot B. 6. S. 151 s. Müsset in der Zeitschrift f. Civ.R. u. Proz. N. F. B. 12. S. 339 behauptet vom Mühlenbruch scheu Standpunkt, daß erst die Denunziation die Cession vollende.

**•) Nach der Theorie Mühlenbruch- muß dem Cessionar die Benachrichtigung ob­ liegen, weil eS sein Interesse ist, sich zum Schuldner in ein bestimmte- Rechts­ verhältniß zu setzen und dadurch die volle Disposition über die Forderung zu er­ werben. Wenn aber der CesfionSakt selbst die Forderung an den Cessionar über­ trägt, hat die Denunziation nicht die Bedeutung der Vollendung de- Geschäfts, sondern nur der Sicherung desselben gegen den Schuldner, und da ist e- gleich-

k. SS. Rechl-abtretnng.

661

nett oder anderen au-gehen, nur mit dem Unterschiede, daß die de- Ce« deuten an sich selbst schon den Schuldner an den Cessionar bindet, die de- letzteren aber noch von dem Nachweis seiner Berechtigung begleitet sein muß'"). Die- geschieht hauptsächlich durch Vorzeigung de- Schuld« und Session-instrument-'"). Zur Benachrichtigung kann man sich auch de- Gericht- bedienen'"), ihre Erweisbarkeit wird dadurch sicherer, aber an ihren Erfordernissen nicht- sonst geändert, d. h. wenn der Cessionar da- Gericht hierzu anruft, so wird er nicht von jenem Nachweis seiner Legitimation frei. Durch die Denunziation muß der Schuldner auch mit den Maßgaben, unter welchen cedixt Worten, z. B. mit der Bedingung bekannt gemacht werden'"). Bi- zur „gehörigen" Bekanntmachung ist der gutgläubige Schuldner gesichert, wenn er an den alten Gläubiger zahlt, oder mit ihm sonst über die Forderung verhandelt'") — nicht weil dieser noch Gläubiger geblieben und der Cessionar ein fremde- Recht au-übt, also nicht weil solche Verhandlungen an sich giltig sind, sondern nur, wie da» A.L.R. sich bezeichnend au«drückt: „zu Gunsten de» Schuld­ ners." Die Schlechtgläubigkeit wird ihm daher auch noch vor der Denun­ ziation nachtheilig'"). Wenn im gemeinen Recht nach der Regel causa lucrativa pro dolo est der vom alten Gläubiger nach der Session be­ willigte schenkung-weise Erlaß für den Schuldner immer ungiftig fein viel, von wen, et die Session erfährt. Daß der Session« denunziren müsse» be­ haupten unter Anderen: Mühlenbruch §. 8. Puchta a a. O. S. 654 a. E. Windscheid, Actio S. 193 f. Bangerow III. €>. 112. 113. Sinteni« II. ®. 811. Müsset a. a. O. Änotr im Archiv s. civil. Praxi« B. 42. ®. 312 f. B. 46. S. 74. Seufsert, Archiv B. 6. Nr. 25. Daß Session« oder Sebent denunziren können: Glück B. 16. S. 424 fg. Unterholzner I. S. 609. Bähr S. 422 fg. Heuser, kurhess. Annalen B. 9. S. 375. Seufsert v 3 Nr. 156. B. 15. Nr. 120., dessen Pand. S. 174 Note 2 , weil es nur daraus ankommt, die ignorantia debitoris zu beseitigen. I. 17. D. II. 15.

"') §• 414. 415. t. T. Die Legitimation muß innerhalb 3 Tage bescheinigt sein, sonst ist die Denunziation de« Session«« unwirksam, wenn der Sebent die Session bestreitet. §. 416 d. T. Code civ. 1691. läßt vom Sebenten oder Session« be­ nachrichtigen. Da« osten. Ges.V. §. 1395. 96. läßt e« dahingestellt, von wem. Sachs. Ges B. S. 999 wie da« A.L R. Ueber die Pflicht de« dennnzirenden Ses­ sion««, sich zu legitimiren, Bähr a. a. O. S. 15. 17.18. Striethorst B. 34. S. 266. *") $• 415.395. d. T. Nach gemeinem Recht genügt, wenn die Denunziation nur so geschieht, daß der Schuldner überzeugt wird. Seufsert XI. 32. Aber der Schuldner ist berechtigt, die Vorlegung de« Session-instrument« zu verlangen. XI. 136.

'") §• 414. d. T. '") §. 418. d. T.

'") z. 413 d. T. Striethorst ». 25. 6.28. B. 52. S. 70. B.77.S.287. Senf, sert «. 26. Nr. 25. “*) §. 417. d. T. Die Schlechtgläubigkeit ist aber nicht bloße« Wiffeu von der Session, sondern zugleich die Absicht, „seinen Vortheil mit dem Schaden de« Sessionar« zn befördern", also Kollusion mit dem Sebenten. Koch S. 166.

662

Zweite« Buch.

Die besonderen Privatrechte.

soll'"), so wird man nach preußischem Recht nur annehmen können, daß er dem schlechtgläubigen Schuldner nicht nützt. Nach alle dem hat die Denunziation nicht die Bedeutung, daß sie den Cession-akt vollendet, son­ dern, daß sie den Schuldner und Cessionar in unmittelbare rechtliche Be­ ziehung zu einander bringt, da- Recht-verhältniß zwischen Beiden sicher stellt'"). Wie oben gezeigt, kann ein späterer Cessionar vom Cedenten kein Recht mehr erwerben, weil e- der ältere Cessionar schon erworben. Hier fragt sich, ob, wenn der jüngere Cessionar den Schuldner zuerst benachrichtkgt, dadurch ein Borzug-recht vor dem älteren begründet werden kann. Die- ist zwar zu verneinen"'), aber der Schuldner ist jedenfalls befreit, wenn er unter solchen Umständen an den jüngeren gutgläubig gezahlt hat'"). Ebenso muß der Schuldner für berechtigt und verpflichtet er. achtet werden, dem zuerst denunzirenden jüngeren Cessionar die Leistung vorzuenthalten, wenn er noch die ältere Session rechtzeitig erfährt und selbst da- Anerkenntniß, wa- er jenem gegenüber etwa bereit- ausge­ sprochen, anzufechten'"). Die andere Folge de» Grundsätze-, daß die Lage de- Schuldnerdurch die Session nicht verschlimmert werden darf, ist die, daß ihm gegen den Cessionar alle Einreden erhalten bleiben, die er dem Cedenten hätte entgegenstellen können'"). Da- A.L.R macht hier keine Au-nahme je nach der Natur der Einreden, ob sie gegen die Forderung selbst oder nur '") Rach I. 4. §. 29. 31. D. XLIV. 4 S. 419.

I. 6. §. 11. D. XLII. 8.

Bähr a. a. O.

"*) Die Denunziation ist kein Aneignung-, sondern ein Sicherung-mittel für den Ces. flonar. Wind scheid, Aetio S 141 sg. 187 sg., faßt die Denunziation auf al» »Besitzergreifung" der Aetio. Dem sieht entgegen, daß mit solchen figürlichen, quaoi-Erklärungen nicht- gewonnen wird. An einer Forderung oder Klage kann Besitz nicht ergriffen werden. Gegen ihn Bähr a. a. O. S- 425 fg. • "’) Seuffert XIIL 246. XXIV. 234. A. M. Knorr im Archiv s. civilist. Praxiv. 42. S. 312. Me) A M. Koch, Uebergang S. 161 f, weil er davon ausgeht, daß der Sebent noch Gläubiger geblieben, daher auch noch später cediren konnte. S. für die Ansicht im Text, ©euf fett, Pand. II. @. 174 Note 2. Schaffer im Arch. f. prakt. RW. B. 1. H 3. S- 149. B. 3. S. 403. Bähr S- 435 fg. Dagegen Müsset, Wind­ scheid, Actio S. 190. Wie im Text das sächs. Ges.B §. 973. ***) Ebenso, wie er dem Cedenten e.xcept. doli entgegenstellen kann, wenn er nach der Session von ihm die Forderung noch einziehen will, mag die Denunziation schon stattgefunden haben, »der nicht. 1. 16. pr. D. II. 14. 1. 25. 55. D. III. 3. 1.18. pr. D. XIII. 7. (S. oben Note 23 )

'") 5- 407. d. T- Ausgenommen sind aber die Einreden gegen Hhpothekensorderungen, welche gegen den Cessionar nur dann erhalten bleiben, wenn sie im Grundbuche vermerk oder ihm vorher bekannt geworden sind. §. 38. des Ges. über den Eigenthnm-enverb v. 5. Mai 1872. Förster, Grundbuchrecht S- 191. Verliert hier­ durch der debitor ceseue eine Einrede, so kann er gegen den Cedenten da» Jntereffe geltend machen. Seuffert B. 24. Nr. 200. Die« bezieht sich nur ans die Einreden gegen da- dingliche Recht au- der Hypothek. Kock, Uebergang S. 192. f.

§. öS.

Recht-abtretung.

663

gegen die Person des Gläubigers zustehen und hat damit eine Streitfrage beseitigt, die im gemeinen Recht seit den Nachglossatoren erörtert wor­ den'"). Insbesondere ist die Einrede der Arglist (exceptio doli), deNachlasseS (exceptio pacti)'"), wie gegen den Cedenten so auch gegen den Cessionar zu gebrauchen. Ueber die Kompensationseinrede ist bereits oben gehandelt'"). Die Einreden müssen dem Schuldner selbst zustehen, er kann also nicht durch die Behauptung sich vertheidigen, daß die Cesston nur zum Schein erfolgt sei, denn diese Einrede wäre aus der Person deCedenten entlehnt, und für ihn ohne Interesse'"). Sie müssen ihm zu­ stehen gegen den Cedenten (den ursprünglichen Gläubiger) oder gegen den klagenden Cessionar'"). Auf Einreden gegen Zwischeninhaber hat sich Letzterer nicht einzulasseu, weil diese nichts vom Schuldner gefordert ha­ ben'"); der spätere Cessionar muß sich aber deßhalb die Zahlung ent11S) Franke im civil. Arch. B. XVI. S. 417. Windscheid, Actio S. 181 fg. Die Glosse nahm noch an, daß der Schuldner alle Einreden gegen den Cedenten dem Cessionar opponiren könne (zu 1. 4. §. 28. D. XLIV. 4. v. except). Die Poftgloffatoreu stellten den Unterschied auf zwischen exc. rei cohaerentes und qaae ine re personam cedentia concernunt. Zu letzteren rechneten sie aber nur die exc. banni et excommunicationia. Dies wurde später mißverständlich verall­ gemeinert. Franke S. 430. 424. Mühleubruch S. 599. 594. Daugerow III. S. 126.128. Auch die Einrede der Kompetenz bleibt erhalten. Dangerow S. 129. Preuß. Recht: KonkOrdn. v. 1855. §. 434 fg. Koch, R. d. F. I. S. 428 fg.

"') Oben §. 94. S. 590. ”•) Präj. 1654 (Samml. I. S. 59). Seusfert XII. 337. Entscheid. B. 37. S. 87. Striethorst B. 2. S 183. Dagegen läßt sich freilich anführen, daß die Ein­ rede des stmulirten CessionSgeschäst- eigentlich nicht eine Einrede au- dem Rocht des Dritten (des CedenteiN, sondern ein Bestreiten der Aktivlegitimation des CesflouarS ist. tz. 398. 1 11. spricht von wirklich geleisteter Cesston. Die PraxiS beschränkt die Unzulässigkeit einer solchen Einrede auf den Fall, wo eine der Form nach giltige Cesston vorliegt und der Schuldner nicht ein Anfecktung-recht (die a. Pauliana) hat. Darin ist ihr beizutreteu, denn der Schuldner kann nicht über den Willen der Kontrahenten verfügen, er hat abzuwarten, ob sie da- an sich ungiltig abgeschlossene CessionSgeschäst dennoch aufrecht erhalten wollen. Gegen die nochmalige Klage de- Cedenten würde ihn gewiß die exc. doli schützen, und er selbst begeht keinen dolus, wenn er dem Cessionar zahlt, obgleich er die Simulation kannte, weil er keine Verpflichtung hat, da- Interesse de- Cedenten zu wahren. So die Motivirung bei Seusfert a. a. O. Der Schuldner kann auch nicht dem gutgläubigen Cessionar entgegensetzen, daß er mit dem Gläubiger verabredet habe, daß Cession nicht stattfinden solle, wohl aber al- except. doli dem schlechtgläubigen Cessionar nach A.L.R- I. 4. §. 17. Dre-dn. Ann. D. 4. S. 466. Der bairische Entwurf Art. 156. giebt dem Schuldner auch die Einreden, welche au- der Be­ schaffenheit de-Abtretung-geschäft- entspringen". Seusfert II. 164. Der Schuld­ ner hat die Einrede, daß der Cedent di-position-unsähig gewesen. V. 11 (pactam de non cedendoX XIII. 18.

”7) Denn dieser macht gegen den Schuldner sein eigne- Recht geltend, muß sich da­ her auch gefallen lassen, daß ihm der Schuldner nur leiste, wenn er auch ihm zu leisten schuldig. Die 1. 4 §. 18. D. XLIV. 4. hiebt g€gCn ben procurator in rem suam dem Schuldner au- dessen Person die doli exc. Unzulässig ist e-, dem Cessionar eine Einrede entgegenzustellen, die au- einem Recht-verhältniß ent­ nommen ist, welche- dem Schuldner ganz fremd ist. Seusfert VI. 176. Die exc. doli gen. gegen den Cessionar, das. XI. 31.

gegensetzen lassen, die ein früherer Cesfionar bereit» erhoben hat"'). Prozessualische Einreden stehen dem Schuldner nur zu, wenn sie gegen seinen Prozeßgeguer an sich begründet sind oder gegen den Cedenten schon prozessualisch begründet waren; ist z. B. der Cesfionar ein Ausländer, so ist ihm die Einrede der Kaution zu opponiren, wenn auch der Sebent ein Inländer war, und hat ein Inländer von einem Ausländer die Forde« rang erworben, so sann jenem die gegen diesen zulässig gewesene Kauti­ on-einrede nur entgegengesetzt werden, wenn die Session im Laufe des Prozeffe- erfolgt, und dadurch die Kautionsforderung schon entstanden ist"0). Ob der Schuldner gegen den Session a r eine gegen den Cedenten begründete Wiederklage erheben kann, ist zweifelhaft. Die gemeinrechtliche Praxi- ist geneigt, sie ihm zu versage n“1), da« preußische Recht läßt sie ausdrücklich zu, nur darf der Cessionar nicht auf den Ueberschuß über die abgetretene Forderung verurtheilt werden'"). Dadurch ist aber die Wie­ derklage auf die Wirkung der KompensationSeinred e reduzirt. Dem Gebrauch seiner Einreden gegen den Cesfionar kann natürlich bei Schuldner entsagen. Solche Entsagung liegt darin, daß der Schuld« ner in rechtsverbindlicher Art den Cessionar al- seinen Gläubiger für die ihm abgetretene Forderung anerkennt'"). Der Schuldner muß den Cessionar al« seinen Gläubiger anerkennen, er muß ihm gegenüber eine verpflichtende Erklärung abgeben; e- genügt nicht, daß er ihn nur al« Cessionar anerkennt und mit ihm über die Schuld verhandelt'"), denn ein solche- Anerkennen ist nur ein thatsächliche- Zugeständniß, nicht ver­ pflichtend'"). Da- Anerkenntniß muß die Forderung nach Qualität und '") Entsch. B. 46. S. 86.

**•) Koch, Komment. Note 8a. zu §. 384. d. T. —) Z.«. Lübeck bei Seuff. «. 12. S. 190. Ihre Zulässigkeit scheint aber au« I. 33. 8« 3. 1. 34. D. III. 3. hervorzugehen, den» der Cessionar hat im Prozeß gegen den Schuldmr ganz allgemein die Pflicht und da« Recht de- defendere für den Cedenten. *n) A.G.O. I. 19. 8. 7. Koch, Uebergang S. 199. Priv.R B. 2. S. 151. Note 23. Da- O.Trib. Entsch. B. 22. S. 25. hat angenommen, daß der Schuldner int Pro. -eß gegen den Cessionar seine Forderung .auf Gegenleistung nicht bloß excipiendo, sondern auch reconveniendo und selbst durch neue Klage geltend machen kann, wenn er im Borprozeß zur Leistung an den Cessionar verurtheilt und zugleich in den Urtheil-gründen festgestellt worden, daß die Leistung nur auf Gegenleistung zu erfolgen habe. S. auch Striethorst B. 13. S. 91.

1Mj 8 412. d. T. Gruchot B. 3. S. 30 fg. Z. B. wird dadurch die Einrede der nicht erhaltenen Valuta beseitigt. Striethorst B. 46. S. 224. Auch verpflichtet sich der Schuldner durch Anerkennung de- Cessionar-, an dessen Wohnort zu zahle«. Entsch. v. 65. S. 64. Oben 8- 91. Note 44. S. 568. *M) Oder ihm vorbehaltlos zahlt; er kann dennoch gegen ihn kondiziren. Stegemann II. S. 363. Seuffert B. 25. Nr. 209.

Entsch. B. 11. S. 251. Striethorst V. 10. S. 185. Der anerkannte Gläubiger soll -der wirklich eigene Gläubiger des Schuldners werden, und deßhalb giebt dieser die Einreden gegen den früheren Gläubiger auf. Das Anerkenntniß muß dem Cessionar gegenüber erklärt sein: Präj. 1406 (Samml. I. @. 60).

§. SS. Recht-abtretung.

665

Quantität, dem Recht-grunde und Gegenstand nach, genau bezeichnen. ES muß in recht-giltiger Weise d. h. schriftlich erklärt werden: die- kann auch einseitig vom Schuldner geschehen, und e- genügt, wenn der Cessionar stillschweigend annimmt'"). So erscheint diese- Anerkenntniß al- ein selbständiger Verpflichtung-akt de- Schuldner-, welcher zwar den Rechts­ grund der abgetretenen Forderung weder ändert noch aufhebt, wohl aber durch Beseitigung der gegen sie möglichen Angriffe verstärkt, indem e- auSdrückt, daß die Forderung nicht allein giltig entstanden ist, sondern auch bi- zum Moment dieser Erklärung giltig fortbesteht. Darum wirkt eal- Entsagung, ist aber nicht al- Novation aufzufassen, deren Existenz im heutigen Recht ohnehin sehr zweifelhaft ist. Kein neue-Recht ist geschaf­ fen, sondern da- alte gesichert'"). Wegen Irrthum- kann da- Aner^ kenntniß angefochten werden, und die- ist insbesondere der Fall, wenn die Voraussetzung de- Schuldner-, daß der Cessionar die Forderung wirklich al- eigene erworben, sich als falsch erweiset, z. B. weil die Session nur zum Schein vorgenommen'"), oder der Cedent die Forderung bereit­ früher rechtSgiltig an eine andere Person abgetreten hat'"). Durch ein giltigeS Anerkenntniß giebt der Schuldner freiwillig alle Einreden auf, die ihm gegen den Erdenten zugestanden; aber er verliert nicht diejenigen Einreden, die er gegen den Cessionar hat'"). ”•) Entsch. B. 16. e. 31 (Pl Beschl.) Parallel dem §. 412. d. T. find §§. 259. 266. I. 16. Die dem §.412. beigefügten Allegate find eigentlich unpassend; sie sollen nicht sagen, daß e- eine- Anerkenntniß vertrage- bedarf, sondern nur, daß der Schuldner ..in recht-giltiger Weise" anerkennen müsse. Ein Beispiel nicht hin­ reichender Anerkennung: Gruchot B. 7. S 532.

8”) Al- Novation faßt namentlich Gruchot a. a. O. und Koch, Komm. N. 42. zu z. 412. da- Anerkenntniß auf. S über Novation im heutigen Recht oben §. 97. Gruchot sagt S. 38: e- handele sich hier nicht um die Aufhebung eine-Recht­ vermittelst der Entsagung, sondern um die Feststellung der Verbinvlichkeit. Dem kann aber nicht beigetreten werden; die Verbindlichkeit wird nur dadurch festgestellt, daß der Schuldner seine Einreden, also ein Recht aufgiebt. Da- Auerkenntniß al- einseitiger Formalakt ist dem prenß. R. unbekannt. Oben §. 41. S. 196 f. In Entsch. B 48. S. 63 ist daher auch mit Recht der Anerkennung eineHypothekengläubiger-, wenn der Schuldner trotzdem innerhalb 38 Tage eine Pro­ testation hat eintragen lassen, die Wirkung entzogen. Die Entsagung der Einreden hat hier eben nicht stattgefunden. Dom Standpunkt der Novation wäre die Entscheidung falsch, denn die Protestation könnte nur die ursprüngliche Forderung, nicht die novirte treffen. A. M. in dem Aufsatz bei Gruchot B. 8. S. 365 f. Nach jetzigem Recht muß gesagt werden, daß, wenn der Eigenthümer eine Ver­ fügung-beschränkung oder emen Widerspruch bei der Post im Grundbuch hat ver­ merken lassen, die dadurch gesicherte Einrede ihm gegen den Lesfiouar trotz An­ erkennung desselben nicht verloren geht. Nur die Löschung de- Vermerk- kann da­ bewirken. — Der § 412. bezieht sich nur auf den Fall der noch ungetilgten For­ derung. R.O.HG. II. Nr. 92. Bei Seusfert IV. 106. ist die Anerkennung al- Delegation aufgefaßt. Entsch. B. 17. S. 164. und ein Erkenntniß in der I W. 1846, S. 340.

"') Entsch. V. 46. S. 86.

S. oben Note 229.

Die- ergiebt sich an- §. 412. Alle Einreden gegen den Eedenten gehen ver» leren. Z. B. Recht-fafi P. 2. S. 9h Striethorst B. 3. S. 208. Aber nicht

Ein« fernere Folge aus dem Grundsatz, daß die Vage des Schuldner­ nicht verschlechtert werden darf, ist, daß sich der Cessionar gegen ihn der jenigen Borrechte nicht bedienen darf, die ihm als eine persönliche Ei­ genschaft zustehen. Geht die Forderung auf privllegirte Persönlichkeiten (FiSkuS, Kirche», Stiftungen) über, so ist der Schuldner ihren Dorrechten nicht unterworfen"'). Endlich legt eS da- Gesetz dem Schuldner noch besonder- in die Hand, sich gegen die Gefahr zu schützen, daß er bei mehrfachen Cessionen an einen späteren Cessionar zahle und von dem älteren abermals in An­ spruch genommen werde, indem e» ihm da- Recht giebt, vom Cessionar in allen Fällen eine schriftliche Abtretungsurkunde zu verlangen, und ihm zur Pflicht macht, nur an denjenigen Cessionar zu zahlen, der ihm daSchuldinstrument oder den Mortifikationsschein au-händigen kann. Ver­ säumt er diese Sorgsamkeit, so verliert er die Einrede der Zahlung gegen den dritten redlichen Inhaber der Forderung"'), wa» namentlich bei Hypotheken« und Grundschulden Anwendung findet"'). Dem Cedenten ge­ genüber gilt aber auch eine solche Zahlung, wenn überhaupt die Wirklich­ keit der Session nachweisbar ist"').

b.

Ans Seiten de» Schuldner-. §. 100.

Erbfolge.

S. oben §. 98.

Wie die Rechte, so gehen auch die Verpflichtungen au- Schuldverhältniffen auf den Erben über'), und zwar in der Regel in der umfassen den Weise, daß er die Schulden berichtigen muß, auch wenn die Kräfte der Erbschaft dazu nicht hinreichen, sein eigne- Vermögen also zu Hilfe genommen werden muß'). Von dieser Verpflichtung, die, wie im Erbrecht der Anspruch M Cessna auf Gegenleistung. Koch, Komm- Note 44. Abs. 4. zu 8- 412. d. T.

“•) 8 405. 406. d. T. Koch, Ueberaang S- 186. Da« OA.G. Kassel (Seuffert Vin. 237. hat angenommen, daß eine einer Armenanstalt «bitte Forderung der diesen Anstalten gewährten längeren Verjährung unterworfen werde, „weil da« Privilegium mit der Forderung in keiner Verbindung stehe, sondern nur die Art und Form der Geltendmachung betreffe". Dergl. auch Seuffert X. 250. Eutsch. B. 46. S. 90 f.

«•) §. 395-397. d. T.

S. oben Note 80.

*. 198.

Ä och, R d. Ford. ®. 3. S. 1108-11024 Priv R. v. 2. S. 524. Mrdem bei

Grnchot XIV. 658. — Risch, die Lehre vom vergleiche nach gem. Eivilrechte,

1855.

Bähr, die Anerkennung al« Lerpflichtung«grund, 1855. S. 117. Unter-

Holzner B. 1. S. 658.

teni« v. 2. S. 483.

Bangerow B. 2. S. 528.

Arndt« S 445. Gin-

«eller S. 546.

Veränderungen können ein Schuldverhältniß außer in Betreff der Personen nur noch im Gegenstand, nicht im Inhalt treffen. Eine Aende« ") §. 1402 f.

") §.1405. 432. 854. ”) Art. 159.-163. **) Erste Lesung- abgedr. ohne Motiv« im Würtemb. Arch. B. 7. S- 115 sg. Art. 385.

") Art. 213-215.

rung bei Inhalts wäre Aufhebung der bisherigen Obligation und Errich­ tung einer neuen. Die Aenderung de» Gegenstände», der Leistung, be­ wahrt ebenso, wie die Aenderung in Betreff der Personen den Rechts­ charakter de» Schuldverhältniffe». Die Leistung wird verändert entweder mit beiderseitigem Willen, oder in Folge deS Verhalten» de» Leistungs­ pflichtigen, oder in Folge von Begebenheiten. Die beiderseitig gewollte Aenderung geschieht durch Vergleich der Parteien Uber die Leistung. Uebereinstimmend mit dem Begriff, der au» den römischen Recht-quellen zu entnehmen ist'), definirt ihn da» A.L.R. im Wesentlichen richtig: er ist ein Vertrag, durch welchen die Parteien die bisher unter ihnen streitig oder zweifelhaft gewesenen Rechte dergestalt bestimmen, daß wechselseitig etwa» gegeben oder nachgelassen wird'). Er soll nicht die Obligation ausheben und durch eine neue ersetzen, sondern sie bestimmt machen, setzt also vorau», daß sie in einer Beziehung unbe­ stimmt oder unsicher ist. Diese Unsicherheit trifft die Leistung: eS ist un­ ter den Parteien streitig oder zweifelhaft, was und wie zu leisten ist. Streitig bedeutet nicht bloß'), daß schon vor Gericht über da- Recht gestritten wird, sondern, daß die Parteien über Umfang und Art der Lei­ stung nicht übereinstimmen, daß jede ein Andere- will. Zweifelhaft bedeutet nicht bloß, daß die Parteien nicht wissen, wie und wa- zu leisten, sondern auch, wenn sie nicht übersehen können, ob eS überhaupt und in welchem Umfang nach dem Inhalt der Obligation zu einer Leistung kom­ men wird. Dahin gehört die Ungewißheit über den Ausfall einer Be­ dingung, über die Länge der Zeitdauer bei terminlichen Leistungen'). Der Zweck de« Vergleichs ist, die Unsicherheit zu beseitigen, und dieser soll er­ reicht werden durch wechselseitige« Geben und Nachlassen. Der Vergleich ist also ein oneroser Vertrag, unterschieden vom Erlaß und vom Anerkenntniß, die beide einseitig eintreten. Wenn die Definition aufgestellt wird'): der Vergleich ist ein Urtheil in Gestalt entgeltlichen Vertrag-, so ist dagegen zu bemerken, daß zwar der Vergleich wie da- Urtheil eine Recht-unsicherheit beseitigen soll, und daß er wir diese- da- bestehende *) 1. 1. D. II. 15.: qm transigit, quasi de re dubia et lite incerta neque finita transigit 1. 38. C. II. 4 transactio nullo dato vel retento seu promisso minime procedit *) tz 405. d. T Der Begriff deS Vergleichs wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Parteien außer dem gegenseitigen (-eben und Nachlassen noch besondere neue Verpflichtungen verabreden. R.O.H.G. I. Nr. 66. •) Timor litis in 1. 2 C. II. 4. 1. 65. §. 1. D. XII. 6. Vergl. Strieth. B. 49. S. 114. 4) Z. B. Alimente, 1. 8. D. II. 15. Unsicherheit de- Debenten: Strieth. B. 49 S.326. •) So definirt Risch, S 32. Allerdings sagt die 1. 20. C. II 4.: auctoritas actionum non minor quam rerum judicatarum, daS ist aber nur ein Vergleichs, weiser Ausdruck für die Wirkung. Sintenis II. S. 488. Note 45.

Recht-verhältniß nicht nodirt, sondern befestigt, daß aber sonst zwischen ihm und dem Urtheil so wesentliche Verschiedenheiten bestehen, daß es sehr bedenklich erscheint, in der Definition-formel selbst beide Begriffe neben einander zu stellen. ES widerspricht dem schon die Vertrag-natur, die schlechthin da- Wesen de« Urtheil- ausschließt. Auch ist beiden nicht immer der Gegenstand gemeinsam: zwar dann wohl, wenn e- sich darum handelt, Bestrittene- unstreitig zu machen, nicht aber, wenn UngewiffeS gewiß werden soll. Der Vergleich greift weiter al« da« Urtheil. Und endlich paßt da- dem Vergleich wesentliche wechselseitige Geben und Nachlaffea nicht zum Urtheil, welche- vielmehr der einen Partei Recht zu geben hat gegen die andere. Die Fähigkeit, Vergleiche abzuschließen, ist diejenige für lästige Verträge'); — die Form steht unter der allgemeinen Regel: über 50 Thaler schriftlich, bei Grundstücken gerichtlich oder notariell'). Die Form de- Vergleichs hängt nicht ab von der Form de- SchuldverhältniffeS, über welche» verglichen wird, und sofortige Erfüllung von beiden Seiten heilt den Mangel der Schriftlichkeit'). — Weil der Vergleich ein Vertrag ist, so folgt, daß nur daS sein Gegenstand sein kann, wa» der freien Dis­ position der Parteien unterworfen ist. Deßhalb ist e» unzulässig, daß sich Eheleute über getrenntes Leben vergleichen, daß durch Vergleich die gesetz­ lich gebotene Gewerbefreiheit beschränkt werde. Da ferner nur über strei­ tige und ungewiffe Rechte verglichen werden kann, so folgt, daß ein durch rechtskräftiges Urtheil bestimmtes Recht durch Vergleich nicht weiter be­ stimmt werden kann und darf; über die Ausführung heffen, was daUrtheil festgestellt, über „die Art der Erfüllung" deffelben ist ein Ver­ gleich wieder möglich'). Unzulässig ist der Vergleich zur Verheimlichung einer strafbaren Handlung, die von AmtSwegen gerügt werden muß"); Verheimlichen ist nicht bloßes Schweigen, sondern eine positive Thätigkeit *) §. 406. d. T’) 407. b T. Auch die Verträge über künftige Alimente unterliegen keiner beson­ deren Formvorschrift mehr. Ges. v 11. Juli 1845 (Äes.S S 495.) Nach 1. 7. §. 2. 1. 8. D. II. 15. bedarf tt bei vergleichen über künftige Alimente der ge­ richtlichen Prüfung und Bestätigung. Da» ist noch gemeine» Recht. *) Äod), ffomni. Note 4 zu ?. 407. letzte« Al. Entfch. B. 15. S. 83. Strieth. B. 2. S. 45. B. 49. S. 114. •) $. 409. d. T. Im gemeinen Recht war hierüber Streit. Thibaut im civilift. Arch. B. 8. Nr. 12. B. 9. Nr. 22. •) ») ") ") »•) ")

S- 198. Ueber Akkord vergl. die Entscheidung«» der St O H G- III. Rr. 46 IV. Nr. 5. Stegemann B 4. G. 132. 301. $. 426. d. T. §. 427. 428. d. T». 436. 437. d. T. z 419 430. d. T. $. 418. 429. d. T. Sntsch. B. 36. 6. 88. Strieth. ».25. S. 126. $. 417. 433. d. T. 1. 3. j 1. I. 9. 1. 12. in f. D. II. 15. 1 65. j. 1. I). XII. 6. 1. 3. 19. 42. C. 11. 4. BLHr, AnerkennungS. 118. Senfs. III.323 XII. 142. Strieth. V.2. S. 1. §. 420. 421. d. T. Strieth. v. 15. S.335 und PrLj. 1999. (Samml. ». 1. S. 245.). z. 421. 432. d. T. Senffert XIII. 878- 439 d. T-

Zum Schluß noch ein Wort über Stellvertretung beim Vergleich. Eine allgemeine Vollmacht berechtigt nicht zum Vergleichsabschluß, e» ist ein besonderer Auftrag nöthig"). Der Vormund darf ohne Genehmi­ gung des Gerichts nicht für sein Mündel Vergleiche abschließen"); über Kirchengüter und Rechte bedarf ein Vergleich der Genehmigung der geist­ lichen Oberen"). Ob und wie weit sonst Vertreter juristischer Personen sich für diese vergleichen dürfen, hängt von ihren besonderen Ermächti­ gungen ab").

b. In Folge einseitigen Verhalten«.

§. 104. Vorsatz und Versehet,.

a.e.9t. I. 5. §. 277—284. Gruchot I. S. 531.

6.

Oben §. 27. §. 89. 90. Heydemann I. ®. 241 o. »och, R- d. K. I. S. 238 f. Priv.R. II. G. 46 s. v. Da-

niel« II. 6. 306. — Hasse, die Lulpa de» röm. R. 2.A. 1838. Mommsen, Veite., Obl-R. III. S. 347. 1855. Stobbe, j Gesch. d. deutschen Dertrag«recht«, 1855. 3. Lbth. S. 209. — Gerber, Beiträge zur Lehre vom Klagegrund« and der vewei«last, 1858. S. 66 f. 71 f. 75 f.

Arndt« S. 402.

Unterholzner I S. 270, des. S. 278. II.

Sinteni« II. S. 331.

Keller S. 493.

Bon dem Begriff de» civilrechtlichen Verschulden», seiner Eintheilung und Abstufung ist §. 27. gehandelt'), ebenso ist §. 89. 90. erörtert, wie ein Verschulden eine Obligation erzeugt. Uebrig bleibt die Frage, wie da» Verschulden auf eine bestehende Obligation verändernd einwirkt. Die Voraussetzung also ist, daß bereits ein Schuldverhältniß mit seinen bestimmten Rechten und Pflichten besteht, und daß entweder au» Vorsatz oder Versehen die auS ihm hervorgehende Verpflichtung nicht oder nicht so vollständig erfüllt wird, als nöthig ist, um de» Vermögenszweck zu er­ reichen. An Stelle de» nicht Erreichbaren muß ein Andere» treten, ein Snrrogot der ursprünglich gewollten Leistung. Die Untersuchung theilt sich daher in zwei Fragen: welche» Verschulden wirkt verändernd auf die Obligation, und worin bestehl die Veränderung. Die erste beschäftigt sich ") 8LR. I. 13. §. 102.108. Auch nach gemeinem Recht ans Grund de« c. 4. in Vito I. 19. A. M. Puchta, Pand. $. 53. Note n. Risch S. 55 fg. Glück B. 5. S. 42 fg. ") 8L.R. II. 18. $. 521.

Risch S. 59.

l. 46. §. 7. D. XXVI. 7.

**) 8LR. II. 11. g. 662. ") Risch ®. 61. *) Das deutsche Hand.Ges.B. stuft nicht nach Graden ab, sondern verlangt die Sorg­ falt eine- ordentlichen Kaufmanns, also Vertretung der culpa in abstracto. Art. 282. u. a. a St. Bei dem Speditionshandel verlangt es vom Spediteur den Beweis, daß er diese Sorgfalt angewendet. Art. 380, Ebenso vom Fracht­ führer, Art. 395. 399.

6. 104. Vorsatz und vrrfehro.

699

mit Borsatz, versehen, Verzug, die zweite mit dem Interesse und- der Bertrag-strafe. Da da» Verschulden in verschiedenen Abstufungen im Privatrecht in Betracht kommt, so muß ein Prinzip gefunden werden, nach welchem bei den einzelnen Obligationen für den einen oder anderen Grad zu haften ist, und da nach gemeinem Recht außer dem Vorsatz und dem groben Ver­ sehen, die hierbei zusammenfallen, nur noch ein Grad de» letzteren, die levis culpa, nach preußischem Recht aber zwei Grade desselben, da» mäßige und geringe unterschieden werden, so leuchtet ein, daß in letzterem da» auszustellende Prinzip eine abweichende Anwendung finden muß. Zunächst stimmen darin beide Rechte Überein, daß der nicht nach Graden abgestuste Vorsatz (dolus) immer vertreten werden muß'), daß Vorsatz und grobe» Versehen (lata culpa) sich gleichstehen'), und weder bei jenem noch bei diesem e» zulässig ist, durch Verabredung in Vorau» die Haftung dafür au-zuschließen'), denn lein Schuldverhältniß darf der Gewissenlosigkeit und Leichtfertigkeit von vornherein preiSgegeben werden. 6» ist auch da» grobe Versehen immer al» culpa in abstracto aufjnfossen und kann nicht bestimmt werden nach der Individualität de» Schuldigen (nach der dilig. q. q. s.)‘). Dagegen steht e» den Parteien frei, die Grade de» mäßigen und geringen Versehen», zu welchem sie sich gegenseitig verpflichten wollen, willkürlich zu bestimmen, d. h. sie können in Fällen, wo gesetzlich nur für mäßige» Versehen einzustehen, auch Haftung für geringe» belieben, und umgekehrt, wo letztere geboten ist, sie auf Haftung für mäßige» Versehen vermindern'). Erst wenn e» an solchen Verabredungen fehlt, tritt da» Gesetz ein, und giebt die Regel, für welche» Versehen einzustehen. Maß. gebend ist hierbei natürlich zunächst die Obligation nach ihrem Wesen. Während einzelne derselben vermöge ihrer Individualität eine besonder» gesteigerte Aufmerksamkeit verlangen, bei anderen aber nur einen geringen Grad zu beanspruchen billig ist, wird immer am natürlichsten al» allge« *) 1. 61. §. 3 D. XLVII. 2. 1. 4. §. 9. D. XIX. I. l 152. de H. J.: contractibue bonae fidei doli praestatio inest •) §. 19. I. 3 §. 277. I. 5. A L R. L 5. §. 15 D. XXXVI. 4. 1. 32. D XVI. 3. 1. 226. D. de V. 8. u a. v. a St. Hasse §. 43 S. 148f. Mommsen S. 354. Wenn also für dolus und culpa zu haften ift, so ist unter letzterer immer die levis c. zu verstehen, weil die lata schon im aolus enthalten ist. 4) 1. 23. de R J.: non valere, si convenerit, ne dolus praestetur, hoc enim bonae fidei judicio contrarinm. Hasse S** 60. S. 187. A L R. H. §. 241 I. 20. Hoch, R. d. F. I. S. 285 f. Gruchot I. S. 534. Nachträglich kann aber den Ansprüchen au- dolus und culpa lata entsagt werden. 1. 27. §. 4. 1. 7. § 15. D. II. 14. Wenn da- A-L R. in §. 283 d. T. die Grade de- Versehen» unter die freie Di-position der Parteien stellt, so kann wegen der unbedingten Vorschrift de- §. 277. hier nur da- mäßige und geringe Versehen gemeint sein.

*) Hasse S 170. •) § 283. d. T. (Siehe oben Note 4 )

L 1. ß. 6. D. XVI. 3. 1. 23. de R. J,

700

Zweite» Buch

Die besonderen Privatrechte.

meine» Prinzip sich darbieten, auf den Vortheil zu sehen, den derjenige, der sich de» Versehen» schuldig macht, au» dem Geschäft zu erwarten hat. Wer keinen Vortheil erwartet, muß minder haften, al» der, für den der Vertrag Nutzen verheißt. So sehen denn auch da» römische und preußische Recht auf diesen Vortheil'), und selbst da» ältere deutsche Recht hat ihn seiner Abmessung der Haftung zu Grunde gelegt, nur mit der sehr erheb­ lichen Abweichung vom römischen, daß letztere» hiernach die Grade de» Lersehen» mißt, erstere» aber hiernach bestimmt, ob der Zufall zu tragen, oder nicht, da ihm Grade de» Verschulden» noch unbekannt waren, ihm also nur daran gelegen war, die Scheidelinie zwischen Schuld und Zufall zu finden'). Während nun aber da» römische und preußische Recht darin übereinstimmen, daß, wer keinen Vortheil hat, nur Vorsatz und grobe» Versehen vertritt, müssen sie weiterhin abweichen, weil im preußischen noch ein Grad mehr zu normiren ist. Wer Vortheil hat, haftet nach römischem Recht für levis culpa, gleichviel, ob er allein oder mit ihm der Geschäft»genösse Vortheil erzielt'). Nach preußischem Recht vertritt, wer allein Vortheil hat, geringe» Versehen, wo ihn aber jede Partei erstrebt, wird mäßige» prüstirt"). Dieser allgemeine Grundsatz kann Ausnahmen erlei­ den, welche au» besonderen, der Individualität der Obligation entnom­ menen Gründen sich rechtfertigen: e» wird die Vertrag-pflicht hiernach im Verhältniß zur allgemeinen Regel gesteigert oder ermäßigt. Gesteigert von der Haftung für müßige» bi» zu der für geringe», oder von der für gro­ be» bi» zu der für mäßige» Versehen, ermäßigt insofern, al» nur die Auf­ merksamkeit in eignen Angelegenheiten (diligentia, quam quis suis) al» Maßstab angelegt wird. Hiernach lasten sich nun die einzelnen Obligationen in folgender Art klafsifiziren: 1. Kein Vortheil — nur Vertretung de» groben Versehen- von dem, der unentgeltlich fremde Sachen ausbewahrt, ohne sich dazu erboten zu haben"), vom Verleiher"), von dem, der sich durch ein Schenkungs­ versprechen zur Uebergake verpflichtet hat"). 2. Gegenseitiger Vortheil — Vertretung de» mäßigen Ver­ sehen». Hieher gehören die meisten der zweiseitigen oder s. g. lästigen ’) 1. 108. tz. 12. de leget. I. 1. 5. 8 2. 1. 18. pr. D. XIII. 6. u. v. a. St. vergl. Mommsen B. 3. S. 392. Note 2. A.L.R. « 278-280. d. T. SLchs. Des.«. 5. 728. •) Albrecht, Sewere S. 134 fg. Förster in der Zeitschr. f. deutsche« Recht B. 9. ®. 104 f. Stobbe a a. O. S. 290 fg. •) 1. 5. 6 2. D. XIII. 6. 1. 17. §. 2. D. XIX. 5. 1. 108. §. 12. de leg. I 1. 23. de B. J. '•) 5. 279 278. b. T. >>) I. 14. §. 12. 1. 1. 8. 6. 7. 16. 20—22. 25. 1. 32. D. XVI. 3. 1. 23. de K. J. *’) I. 21 § 257. 1. 17. §. 3. 1. 18. S- 3. D. XIII. 6. **) Er wird nach I. 11 §. 1078. wegen Berschlechteruugen als redlicher Besitzer an­ gesehen. Dieser steht nach I. 7. §. 219. nur für grobe» Versehen ein.

§. 104.

Vorsatz und versehen.

701

Verträge. Saus"), Miethe und Pacht"), belohnte- Mandat"), Pfand­ vertrag'^), Trödelvertrag"), die gewagten Geschäfte"), Verwahrung gegen Entgelt"), Nießbrauch"), Verträge über Handlungen"), Vollmacht-auf­ trag gegen Entgelt"), die Verpflichtung de- Benefizialerben gegen die Erb­ schaft-gläubiger"), entgeltliche Leihe"). 3. Einseitiger Vortheil — Vertretung de- geringen Versehen»: der Kommodatar"). Die- sind die regelrechten Anwendungen de- au- dem gesuchten Vor­ theil entnommenen Prinzips. Für die Ausnahmen nach beiden Seiten müssen besondere Gründe vorhanden sein. 4. Au-nahmSweise Steigerung der Vertretung-pflicht. Sie wird begründet: a. Durch freiwillige- Aufdrängen zu der vertrag-mäßigen Sorgfalt"). So bei der Verwaltung einer fremden Erbschaft"), bei der auftraglosen Geschäftsführung"), bei der auftraglosen Besorgung Vormund“) I. 11. K. 104. 1 5 K. 360 277 fg. Nach röm. R natürlich omnis culpa. L, 23. de R. J. ") 1. 28. §. 278. Nach röm. R omnis culpa. 1. 23. de R. J. ") I. 13. §. 56. Da- römische Recht behandelt da- Mandat ander-. Davon unten Note 35. 1T) 1. 20 §. 142. 170. 184. Omnis culpa 1. 23. de R. J. ie) I. 11. §. 516. Nach 1. 17. §. 1. D. XIX 5. entscheidet der Umstand, wer von beiden Theilen zu dem Vertrag-abschluß Veranlassung gegeben. Dieser trägt dapericulum, wclche- sich in der aestimatio au-drückt (1.1. g. 1. D. XIX. 3 uud eine besondere Vertretung der culpa findet nicht statt. Hat dagegen kein Theil Veranlassung gegeben (si neuter nostrum rogavit, sed duntaxat consensimui), so hastet der Empfänger für omnis culpa. If) I. 11. g. 542. 543. Nach 1. 3. 0. IV. 33. bezieht sich da- periculum immer auf wirtliche Unglück-falle (marinae tempestatis discrimen etc.\ nicht dolus uud culpa de- andern Theil-. Dafür muß dieser also einftehen. Kategorie der gewagten Geschäfte al- eine- Gattungsbegriff- -kennt übrigenrömische Recht nicht.

nur auf Die da­

’•) I. 14. ! 17. n) I. 21. g. 15. 16 105. 132. 1. 65. pr. D. VII. 1 : debet enim omne, quod diligens pater familias in sua domo facit, et ipse facere. Also levis culpa in abstracto.

") I. 11. §. 879. I. 5. tz. 360. 277 fg. derseitige Vortheil. 1.11. §. 870.

Zum Wesen solcher Vertrage gehött der bei­

") I 13. g. 56. •. Ob eine wirklich unverschuldete, zufällig eiugetreteue Zahlung-unfähigkeit die Folgen der mora »ach dem Ermessen de- Richter- autschließen kann? Madai S. 77. und Arndt- S 410 Anm 7. - E. bestreiten, Seuffert, Pand. S. 43. Note 13 will dann die Entschuldigung zulasten. ”) l 16. g. 16.

Mommsen §. 19-29. S. 178 sg

Koch, R. d. F. I. S. 358 fg.

*•) 1. 16. 5- 17 1.11. § 97. 1. 3. pr. 1. 32. §. 2. 1. 38. g. 1. D. XXIL 1. Der durch den Verzug verletzte Kontrahent kann gleich auf da» Jntereffe Nagen, er ist nicht genöthigt, Erfüllung zu verlangen und nebenbei da« Interesse zu fordern. Entsch. 8. 43 S. 56. Seuffert II. 154. XV. 10. 4I) F 16. § 18. I. 7. g. 223 sg. Bei Gegenständen, die in ihrem Werth wechseln, z. 8. Staat-papiere«, wird wohl behauptet, daß vom Säumigen der höchste Werth prästirt werden muß, den di« Sach« während der Dauer de» Verzug» erreicht hat, weil in diesem Moment dieselbe hätte veräußert werden können. Allein l. 8. §. 1. 1). XIII. 1. bezieht sich nur aus ree surtiva. Vergleiche I. 29. g. 3. D. XIX. 1. Seuffert II. 152 Die Leistung-zeit muß Über den Werth entscheiden. Daselbst 153. IV. 103. XII. 135.

**) 1.16. §. 19. §.64—71. Oben §. 68. S. 389. sonstige- Jntereffe. Seuffert XII. 14

Neben den Verzugszinsen kein

**) Die» folgt au« § 16.1.16 Der Säumige hat die Folgen schlechthin zu vertre­ ten, auch wenn fie durch einen Grad de» Versehen- hervorgerusen, der sonst bei dieser Obligation nicht zu vertreten wäre, und wo der Zufall getragen werden muß, da säht die Rücksicht aus die Grade de« Verschulden» weg. Anwendungen:

I 11. §. 115 ") Mommsen §. 2 in f. D. Rach A L.R. I. 7. §. 241.

I. 12. §. 309. 310. I. 14. §. 72. I. 21 §. 172. 332. 333. §. 20. S. 183. 1. 108. §. 11. de leg. I. 1. 23. D. XIII. 5. 1. 24. XXIL 1. perpetuam facit atipulationem. 1. 5. pr. D. XU. 1. 1.16. §. 16., in einzelnen Anwendungen: I. 3. 8 13. I. 6. §. 16. I. 11. §. 95. 96. 97. 936 I. 14 §. 72. 141. 1. 21. §. 251.

712

Zweite» Buch.

Die besonderen Privakk.'ble

durch ihn unmöglich geworden, nicht von dem Interesse dafür frei (perpetnatur obligatio). Bon dieser Gefahr kann er sich durch die Einrede befreien, daß der Zufall da- Objekt der Leistung auch nach rechtzeitiger Erfüllung bei dem Gläubiger betroffen haben würbe44), und diese Einrede kann wiederum der Gläubiger durch die Replik beseitigen, daß e- ihm möglich gewesen wäre, die Sache noch vor dem Eintritt de» Zufall» zu veräußern oder sonst zu verwerthen4'). Diese Möglichkeit der Beräußerung hat der Gläubiger zu beweisen, nicht aber — was gradezu unmöglich wäre — daß er wirklich veräußert haben würde, wenn er die Sache er­ halten hätte4r). Auch nach preußischem Recht ist jene Eiurede de» Schuld­ ners statthaft4') und nur ausgeschlossen bei den Obligationen aus beschäm digenden Handlungen (oblig. ex delicto)48). Bei den Wahlobligationen verliert der säumige Schuldner nicht durch den Verzug allein, wie nach römischem Recht"), die Wahl, sondern erst, wenn er eS zur Exekution kommen läßt"). Bei generischen Leistungen hat der Gläubiger die Wahl, ob er entweder noch die Sachen in Natur oder ihren Werth zur Zeit, wo geliefert werden sollte, fordern will"). Und noch eine Abweichung vom römischen Recht ist zu bemerken. Dieses gestattet bei zweiseitigen Ge­ schäften dem Gläubiger, in Folge de- Verzugs de- Schuldners, vom Ver­ trage zurückzutreten "). Denn das Interesse, wa- ihm der Schuldner zu ") 1. 40. pr. D. V. 3. (denn durch die Litiskontestation wird der Besagte in uiora versetzt). Bergt. 1. 14. §. 1. D. XVI. 3. I. 15. §. 3. D. VI. 1. Bangerow HI. S. 221 Anm- 3. Madai S. 284 sg. Unterholzner I. S. 121 fg") Man kann auch sagen, es gehöre schon zur Begründung der Einrede, daß der Gläubiger die Sache nicht verkauft haben würde, und da» müßte der Beklagte be weisen. Die» zu beweisen ist aber unmöglich, nicht wegen der Negative, sondern weil innere Willen-moment« de» Gläubiger» bewiesen werden müßten, die sich dem entziehen. A M. Bangerow S. 223 oben. Bergt. Savigny, System B. 6. S. 188. 189.

") Mommsen S. 187 a. E. 196. 197.

") Koch I. S. 222,

«ergl. « L R. I. 7. §. 241.

I. 20. §. 131.

I. 21. §. 251.

") I 7. §. 242. Koch S 222. Nach Suarez (Simon, Materialien S. 329. 332.) sollte durch-§. 242. der Delinquent unbedingt sür deu Zufall haften, weil man dem Gläubiger nicht zumuthen könne, fich mit ihm über die Beschaffenheit de« Zufall« zu streiten. Da« ist nun freilich kein sehr stichhaltiger Grund, und

nach gemeinem Recht ist der Satz keineswegs unbestritten. Puchta §. 268. Not« c. behauptet ihn, dagegen f. Bangerow S. 223. Mommsen S. 197. ••) 1. 2. 8 2. 3. D. XIII. 4.

l. 3. pr. D. XXII. 1.

") j 9. der Exek.-Ordn- v. 4. März 1834. spricht die« von Obligationen au«, deren Leistung ein« Handlung ist. 6’) I. 11 §. 859. Dadurch wird bei einer PreiSsinkung verhindert, daß der Gläubi­ ger einen niedrigeren Werth erhält. Rach röm. R- muß der Schuldner den höch­ sten Preis zwischen dem Beginn der Zögerung und der Leistung zahlen, quooiirm Baltem hodie dandnm est, quod jam olim dari oportuit. 1. 3. §. 3. 1. 21. §. 3. D. XIX. 1. Mommsen ®. 205. 207.

") I. 24. §. 4. D. XIX. 2. 1. 135. §. 2 de V. O. I. 6. C. IV. 54. Seuffert Pand. S. 44. Note 4. und Archiv B. 9. Nr. 139. 8.11. Nr. 141. 230. 232. z. B- bei dem Berkaus von Waaren zum Konsum oder Weiterverkauf, bereit

vertreten hat, kann auch in dem Rücktritt bestehen. Da- preußische Recht kennt so allgemein diesen Satz nicht, vielmehr hat auch bei dem Verzüge au» einem zweiseitigen Vertrage der Gläubiger nur da- Recht, auf nach­ trägliche Erfüllung und Schadenersatz zu dringen"'). Doch einzelne An­ wendungen der römischen Regel finden sich. Verzug de- Käufers in der Uebernahme einer beweglichen Sache unter 50 Thlr. und in der Zahlung de» Preise», die er Zug um Zug versprochen hat, giebt dem Verkäufer da- Recht de- Rücktritt-, im letzteren Fall nur vor der Uebergabe"). Ebenso bei dem Kauf nach Maß und Gewicht"'); bei dem nothwendigen Verkauf, wenn im Kaufgelder-Belegung-termin, oder sonst den Bedingun­ gen gemäß der Preis nicht berichtigt wird"); bei dem Verzug des Werk­ meister» in Ablieferung de» Werk»"); bei nicht rechtzeitiger Lieferung de» Manuskripts an den Verleger"). — Beseitigt werden die Wirkun­ gen des Verzugs des Schuldners durch vollständige Erfüllung"). Ist die Obligation dadurch gelöst, so können die auf den Verzug gegründeten Ansprüche, selbst wenn sie nicht zugleich befriedigt worden, nicht selbstän­ dig fortbestehen, denn es fehlt für sie das Klagerecht"). Sie gehen über­ haupt auch durch jede andere Aufhebung des Schuldverhältnisses unter"). Bewilligt der Gläubiger aufs Neue Frist, so können von nun an zwar keine VerzugSfolgen eintreten, die bereits eingetretenen werden aber nicht beseitigt"). II. Annahmeverzug (mora accipiendi). Er fällt bei gegenseiti­ gen Obligationen immer nur demjenigen zur Last, der in Beziehung auf die angebotene Leistung Gläubiger ist. Auch hier wird Fälligkeit der For­ derung vorausgesetzt, weil der Gläubiger nach preußischem Recht nicht verPreise sinken und steigen, so daß e» also wesentlich ist, daß die Erfüllung zur bestimmten Zeit erfolge. M) 1. 5. §. 393.394. I. II. §. 231. «och S. 361 f. - 393. 1. 5. erleidet eine Au»nahme, wenn au» dem Inhalt de» Vertrage» hervorgeht, daß die Parteien grabt auf die Erfüllung zur bestimmten Zeit Gewicht gelegt haben. Strieth. «. 34. S. 49., auch bei Seuffert XIV. 123. •5) I 11. §. 129. 230. Ueber Rücktritt von einem zweiseitigen Vertrage bei Erfül­ lung-verzug Seuffert B. 24. Nr. 228 ") §. 207. I. II.

") Subh.Ordnung v. 15. März 1869 §. 59. Grundstück wieder zu verkaufen.

Die Gläubiger haben da» Recht, da«

") I. 11. § 938.

") I. 11. i. 1001. ") Koch S. 373. Mommsen S. 330. Nicht wie bei der Konventionalstrafe (§. 307. I. 5 ) durch stillschweigenden Verzicht. Gntsch. B. 67. S. 206.

") Wächter, würlemb. Pr. R. II. S. 243. N. 18. S. 331.

Koch

«-) Mommsen S. 331 sg. 1. 17. D. XIII. 1. 1. 8. pr.

l

S. 373.

Mommseu

14. o. XLVI. 2.

") 1. 29. 8 1. D. de V. O. 1. 54. D. II. 14. A.L R > 16. Mommsen S. 36 fg. So ist e« auch teilt Interesse-Anspruch, wenn der Bürge gegen den Hauptschuldner da« einklagt, was er dem Gläubiger hat zahlen müssen. ") Mommsen S. 33 f. Oben S. 493f. I. 60. I. 23. §. 7. D. XXL 1 : facta redbibitione omnia in integrum restituuntur perinde ac si neque emtio neque venditio interceasit. A.L.R. l 5. §. 327. *’) Mommsen S 22: „Während die Größe de« Intereffe sich nach dem Einfluß richtet, den ein beschädigende« Ereigniß auf da« Dermögen de« Gläubiger« gehabt hat, richtet sich der Betrag der Bereicherung nach dem Einfluß, den ein günstige« Ereigniß auf da« Vermögen de« Verpflichteten gehabt hat. 1. 65. §. 7. D. XII. 6. I. 56. D. V. 3." '•) Mommsen S. 23 s., doch dazu Windscheid ') Z. B. I. 5. §. 45. 53. 359. 381. 409. I 6. §. 7. I. II. S 541. Aller Schaden: 1 9. ». 457. 1.14. §. 29. 1.14. 8 253. In $. 340. I. 5. bedeutet Schadloshal­ tung den sachwerth Eohnfeldt S. 266. *•) Z B. r 48. 156. 328. 365. I. 5 *•) In 8 165. 420. 421. I. 5. entspricht die Bergütigung der Gegenleistung. S. oben § 79. S. 460. 8 292. I. 5. „Interesse vergüten«. ’*) 3 ®- S- 301. I. 5 , wo e« auch den Fall, in dem der wirkliche schade allein zu ersetzen, begreift. Unten $. 107. Note 45. §. 351.1. 5., wo e« nicht da« Vertrag«Interesse, sondern die Ensschädigung wegen Betrug« aiwdrückt, §. 360.1 5, wo e» seinem Inhalt nach verschieden sein soll, je nach dem Grade der Verschuldung.

720

Zweite» Buch. Die besondertu Hrivatrahte

Besonder- zweifelhaft ist auch der Ausdruck «entstandener" oder „erwachse­ ner" Schaden, sofern ermittelt werden soll, ob darunter auch der ringe» büßte Gewinn begriffen ist"). Man wird bei dieser Lehre lebhaft an die Richtigkeit de- Urtheils von Koch erinnert, daß der landrechtliche Swff sich oft wie eine quecksilberartige Masse darstelle. An die Stelle de- ursprünglichen Gegenstände- der Obligation tritt da- Interesse, wenn deren Erfüllung nicht mehr möglich, oder sie nach­ träglich anzunehmen der Gläubiger nicht mehr verpflichtet ist. Hier ist eda- in Geld") an-gedrückte Aequivalent nicht allein für den ganzen ur­ sprünglichen Gegenstand, oder für einen Theil desselben, für die Haupt­ oder Nebenleistungen, sondern auch für allen sonstigen Schaden, der dem Gläubiger au- der Nichterfüllung erwachsen ist"). E- kann aber auch neben die noch möglich gebliebene, oder noch nachträglich zugelassene ur­ sprüngliche Leistung treten: hier ist e- nicht eine Veränderung derselben, sondern eine Erweiterung, und stellt die Entschädigung de- Nachtheil­ aus der nicht rechtzeitigen oder nicht vollständigen Erfüllung dar. Selbst in diesen Fällen ist da- Interesse nicht ein Accessorium, sondern e- bleibt eine Ausgleichung, da- Aequivalent für einen Werth, der dem Berechtig­ ten entzogen, e- tritt an dessen Stelle"). So die Verzugszinsen, die Entschädigung für eine zu spät oder nicht am rechten Ort, oder sonst unter Verhältnissen geleistete Erfüllung, die dem Gläubiger nachtheilig ge­ worden. II. Die Differenz, die da- Interesse darstellt, erheischt Ausgleichung und erzeugt einen Anspruch an den Leistung-pflichtigen, dessen RechtSgrund zwar die verletzte Obligation selbst ist"), der aber selbständig verfolgt §. 296. I. 5., wo eS auch den Ersatz deS nur wirklichen Schadens mitbegreift. In §.35. 1.11. hat Interesse nur die Bedeutung deS wirklichen Schaden-, wegen der Zurückbeziehung auf §. 33., nicht §. 34. In §. 204. l. 16. bedeutet es all gemein das volle Interesse und nur den wirklichen Schaden. In §. 132. I. 6. ist das Wort auf Schaden außerhalb der Verträge angewendet.

«') Z B. §. 655. I. 11 §. 171. I. 13. Ueber beide §§. unten bei Note 66. und 67. Ferner §. 1084 I. 11., worüber unten Note 58. und in der Lehre von der Schenkung. Die Terminologie im österr. G.B. ist von der des A.L.R zu ihrem Nachtheil beeinflußt Unger, Fragm. S. 5. Note 3.

”) Da- Interesse ist insofern qualitativ verschieden von der ursprünglichen Vertrags­ leistung, und der zur Intereffeforderung Berechtigte hat die volle Befugniß, statt der Vertrag-leistung deren Geldäquivalent in Anspruch zu nehmen. Striethorst B. 3 S. 325. B. 45. S. 232. B. 68. S. 157. Da- Interesse ist ein anderer Gegenstand, aber nicht ein anderer Inhalt der Obligation, da- HerrschaftSverhältniß bleibt dasselbe. Während der ursprüngliche Gegenstand deS Schuld­ verhältnisse- in Bolutione, ist da- Interesse als möglicher nachfolgender Gegen­ stand in obligatione. Maxen a. a. O. S. 168 f. ") Mommsen S. 70 fg.

") Mommsen S.8 Note 7.

$l) Die durch die Nichterfüllung herbeigeführte Verletzung de- Interesse de- Gläubiger­ erzeugt keine neue Obligation, die alte besteht fort, weil sie noch nicht erfüllt ist: perpetuatur, prodncitur. 1. 91 D. XLV. 1 Vergl. Paulli 8. R. V. 7 §. 4.:

§. 106.

721

Dai Interesse.

werden kann, ohne daß e- nothwendig wäre, gleichzeitig auf Erfüllung zu klagen, wenn diese auch noch möglich geblieben"). Die BertragSklage auf da» Interesse") hat folgende besondere objektive und subjektive Voraus­ setzungen: a. Objektiv wird vorausgesetzt, erstens, daß eine giltige Obligation nicht gehörig erfüllt worden"). Was unter gehöriger Erfül­ lung zu verstehen, ist §. 83. gezeigt"). Ungiltigkeit der Obligation kann an sich nur die Pflicht erzeugen zur Restitution, zur Herausgabe der Be­ reicherung"). Treten hierzu weitere Ersatzansprüche, so haben diese ihren Grund in besonderen, selbständigen Thatsachen, z. B. betrügerischem Ver­ leiten"), und eS muß dabei beachtet werden, daß, wenn eine solche Klage sich auf den entgangenen Gewinn richtet, dieser nicht in dem bestehen kann, waS bei Erfüllung der Obligation hätte erreicht werden können, weil au» einem ungiltigen Vertrage ein Recht aus Erfüllung nicht herzuleiten ist, sondern in dem, wa» erreicht worden wäre, wenn man sich auf die Obliperinde agi ex stipulatu potest, ac s! ea res exstaret. 1. 31. §.11. D. XXL 1. Seuffert XVIII. 50.

*•) Eutscheid. B. 43. S. 56. A.L.R. I. 5. §. 394. giebt dem Gläubiger den doppelten Anspruch sowohl auf Erfüllung al- auf da- Interesse, ohne den letzteren durch den ersteren zu bedingen. So hat auch ein gemeinrechtlicher Gerichtshof unter Bezugnahme auf 1. 39.161. deR.J. 1.81. §. 1. D. XXXV. 1. 1.85. §. LdeV.O. 1.19. §. 9.10. 1.38. D. XIX. 2. entschieden, daß, wenn bei zweiseitigen Verträgen der eine Theil dem anderen die Erfüllung dolo vel culpa unmöglich macht, die Erfüllung al- geleistet gilt und die Gegenleistung eingeklagt werden kann; auf daJutereffe zu Nagen sei nicht nöthig. Seuffert I. Nr 333. ") Dem älteren deutschen Recht war eine esse noch ganz unbekannt, nur bei der trag und der Frachtverdingung zeigen eine- solchen Anspruch-. Stobbe, z. S. 34 f.

Klage au- der Obligatton auf da- Inter­ Miethe eine- Hause-, bei dem Arbeit-ver­ stch in einzelnen Stadtrechten die Keime Gesch. de- deutschen Vertrag-recht-. 1855.

*•) §. 55. 168.1. 5. Mommsen S. 8. Gar nicht oder nicht gehörig erfüllt, ist gleich. 1. 3. §. 1. D. XIII. 6.: propria enim dicitur res non reddita, quae deterior redditur.

") Oben S. 472 f. ••) Entsch. B. 3. S. 330 f. s. oben $. 79. S. 458 f.

In Betreff der wegen Formlosigkeit ungiltigen Verträge

sl) Z. B. I. 5. §. 33. 36. 349—351. II. 2. §. 135. Der Betrug an sich erzeugt eine selbständige Obligatton, deshalb muß der Betrogene den Betrug, beweisen, 1. 18. §. 1. D. XXII. 3., während der auf da- Vertrag-interesse klagende Gläubiger den dolus oder die culpa de- nicht erfüllenden Schuldner- nicht zu beweisen hat. S. unten Nr. VII. diese- §. Ueber die culpa in contrahendo s. Richelmann, der Einfluß de- Irrthum- auf Verträge. 1837. S. 129 f. und IHering a. a. O. 1. 8. 9. D. XVIII 4. Ihering führt au-, daß nach röm. R. au- der culpa in contrahendo, bei Abschluß ungilttger Verträge, der Schadenersatz mit der Äon» trakt-klaae verfolgt werde (S. 44 fg. über A L R), und stellt S. 52 al- Prinzip auf: „Da- Gebot der kontraktlichen diligentia gilt wie für gewordene, so auch für werdende Kontrakt-verhältnisse. Die culpa in contrahendo ist nicht-, aldie kontraktliche culpa in einer besonderen Richtung." — Dergl. österr. Ges.B. 8. 866. 284. — Culpa in contrahendo ist auch, wenn man den Irrthum deAnderen kennt und benutzt, §. 79. I. 4., und wenn der Offerent nicht rechtzeitig den Rücktritt dem Acceptanten anzeigt, I. 5. §. 105.

Förster, Preuß. Prtvatrecht. I. 3. Aufl.

46

722

Die besonderen Privatrechie.

Zweite- Buch.

gation nicht eingelassen hätte"). — ES muß zweitens die Nichterfül­ lung der Grund zur Entstehung deS Schadens geworden fein, und nur soweit sie die- geworden, reicht der Anspruch"). Hier ist an da» zu erinnern, was §. 90. auSgeführt"), der Schaden muß wirklich die Folge der Nichterfüllung geworden sein; daß sie die alleinige oder die nothwendige Ursache gewesen, wird nicht erfordert. Selbst wenn der Schaden auch ohne diese Ursache möglicherweise hätte eintreten können, kommt eS doch nur darauf an, daß er in diesem Fall durch die Nicht­ erfüllung hervorgerufen worden. Wäre aber der Schaden auch ohne diese gewiß und nothwendig eingetreten, so ist au» ihr ein Ersatzanspruch nicht herzuleiten “), und um so weniger in dem Fall, wo die Nichterfüllung den Nachtheil hätte bewirken können, und ihn auch bewirkt haben würde, wenn nicht eine andere, von ihr unabhängige Thatsache dazwischen getreten wäre, die die wirkliche Ursache de» Schaden» geworden"). — E» muß dritten» ein Schaden durch die Nichterfüllung wirklich schon entstanden, er muß ein gegenwärtiger sein"). Die bloße Befürchtung eine- künftig her­ vortretenden Nachtheils, so begründet sie sein mag, erzeugt keinen Ersatz­ anspruch. Aber e» ist andererseits nicht nöthig, daß der Schaden schon vollständig eingetreten und abgeschlossen sei; der Ersatzanspruch erstreckt sich vielmehr auch auf die künftige Wiederkehr, auf die fortlaufende Dauer de» Nachtheil», sofern diese au- der Nichterfüllung folgen"), b. Sub­ jektiv wird vorausgesetzt, daß die beschädigende Thatsache der Nichterfül**) Arndts in der juristischen Wochenschr. 1838. S- 313. Da» Interesse besteht also hier in dem, wa» der Beschädigte behalten »der gewonnen haben würd«, wenn der ungiltige Vertrag nicht geschlossen worden wäre. Die durch die gehoffte Er­ füllung erwarteten Vortheile kommen nicht in Betracht- Außerdem kann in diesen Fällen der Beschädiger auch die Gegenleistung nicht mehr in Anspruch nehmen, während unter der Vorau»setzung eine» gütigen Vertrage» der Beschädiger, indem er da» Interesse leistet, den Anspruch auf die Gegenleistmw behält. Jhering a. a. O. S. 16 unterscheidet positive« und negative« Vertrag-interesse, da» letztere hat die Uugiltigkeit de« Vertrage« zur Grundlage. Ueber negative« Dertrag»iatereffe s. Geufsert XXL 29. : dasjenige, wa» der Kläger gehabt haben würde, wenn ihm die Aussicht aus da» Zustandekommen de« Vertrage« gar nicht eröffnet worden wäre).

••) Mommsen S. 137 f. 1. 24 D. de R. J.: qaatepue ejus interait, in facto non io jure coneistit. E» muß also genau festgestellt werden, wir weit die Nicht­ erfüllung reicht, wie weit sie schädlich gewvrden, nicht aber, wie weit, sondern nur ob die Nichterfüllung durch eine culpa bedingt ist

“) e. 547.

Mommsen S- 141.

*) Mommsen S. 146 f. 148.

Windscheid S. 542.

Eohnfeldt S. 136 f.

M) Mommsen S- 152. Windscheid S- 542. Unger, Fragn«. S. 7. Rote 7. «ergl. 1. 27. §1. i. 79. D. VI. I. 1. 45. D. XLIV. 7. I. II. §. 3 D. IX. 2. 1. 10. 5- 1. D. XIV. 2.

•’) Mommsen S. 118.

Windscheid S- 537.

••) Mommsen S- 119.120. Bei Heuser, Ann. I. S. 768 ist in einem Erkennt­ niß von Kaffel ein „auf die Zukunft berechnete» Jntereffe" nämlich die Lesorgniß, daß zukünftige Vortheile, die man durch Erbgang zu erwarten hat, beeinträchtigt werden, al» genügend für die Klage erachtet worden. Da» geht zu weit.

lung von dem Leistung-pflichtigen zu vertreten ist, daß er sie verschuldet hat"). Er muß entweder vorsätzlich oder au» Fahrlässigkeit die Erfüllung ganz oder theilweise unmöglich gemacht haben, oder die noch mögliche nicht leisten wollen. Richt die Nichterfüllung al- solche, sondern da- verschul­ dete Nichterfüllenkönnen oder Richterfüllenwollen verpflichtet zum Ersatz") und e» macht keinen Unterschied, ob da- Verhalten, wa- der Verpflichtete zu vertreten hat, ein positive» Thun oder ein Unterlassen ist. Da» Nichterfüllen al» ein negative» ist sogar viel häufiger ein Unterlassen. Dadurch unterscheidet sich der Interesse-Anspruch au» einer bestehenden Obligation wesentlich von dem, der eine Obligation erzeugt*'). Da die Unmöglichkeit der Leistung nur, wenn sie verschuldet ist, vertreten wird, so folgt, daß die von Anfang an vorhanden gewesene absolute Un­ möglichkeit, welche ein Schuldverhältniß nicht entstehen läßt, überhaupt nicht hierher gehört*'), daß die von Anfang an vorhanden gewesene be­ dingte Unmöglichkeit nur soweit vertreten werden kann, al» der Ver­ pflichtete für die übernommene Bemühung zur Beseitigung der Hindernisse einzustehen hat*'), und daß nur die hinterher eingetretene Unmöglich­ keit — weil sie nicht die Entstehung, sondern die Erfüllung der Obliga­ tio« trifft — da» eigentliche Gebiet für die Begründung der InteresseAnsprüche ist"). in. Wäre da» A.L.R. bei dem einfachen und allgemein dmchgreifenden Satz de» römischen Recht» stehen geblieben, daß eine verschuldete Nichterfüllung immer zum Ersatz de» Interesse (de» wirklichen Schadeu» uud entgaugenen Grwinnne») verpflichte"), so wäre eine weitere Unter­ suchung über den Umfang der Ersatzpflicht überflüssig. Aber da»A.L.R. hat, wie schon erwähnt"), im Anschluß an da» damalige Naturrecht*') '•) $. 285. 288.1. 5. Striethorft B. 44. S. 156. Mommsen S. 70 f. geht von der Anficht au», daß im Zweifel da« Interesse, und nur au«nahm»weise der Sach­ werth zu leisten sei. Dagegen mit Recht Windscheid S. 530, der an der Regel festhält, daß nur die verschuldete Nichterfüllung zur Leistung de» Interesse, die unverschuldete aber nur unter gewissen Umständen zur Leistung de» Sachwerth» verpflichte. ”) Windscheid S. 541. Bei dauernden kontraktlichen Derpflichtuugeu muß auch dauernd erfüllt werden, z. B. Entsch. B. 47. S. 67. Striethorft B. 49. S. 4. ■") Oben S. 542 f. 41) Mommsen ®. 64.

") I. 5. tz. 43-45. 49. 53. 62. 69.

4‘) §. 277. 286. 287. 360. I. 5. 4») I. 21. 22. §. 1. >. 23. v. IX. 2. I. 1. pr. D. XIX. 1. I. 13. io k. D. XIX. 2. 1. 8- D. XXI. 2. 1. 2. $. 8. D. XIII. 4. 1.13. pr. D. XI,VI. 8. 1. 24. v. de R.J. 1. 4.10. 12. C. IV. 49. I. nu. C. VIL 47. Speierschrr Deput -Absch. von 1600 $. 139. (Sammt, der Reich-abschied«, Mainz 1660. §. 152). Ueber die scheinbar widersprechenden, aber nur die storderung für entgangenen Gewinn vom Möglichen auf» Sichere zurückführenden 1.19. D. XVIII. 6. 1.21. §. 3. D. XIX. 1. s. Dangerow S. 45 f.

4‘) S. 113. 146 f. 551. 558.

den Umfang de» Rechts deS Gläubigers auf Entschädigung abhängig ge­ macht von dem Grade des Verschulden-. Dieser falsche, dem Zweck de» Recht-instituts widersprechende, da» moralisirende Moment einer Bestra­ fung einmischende und gegen den Gläubiger offenbar ungerechte Grundsatz hat eine große Kasuistik nöthig gemacht und doch nicht überall konsequent durchgeführt werden können. Darum ist auch da- Streben vergeblich, die einzelnen Sätze überall wiffenschaftlich zu rechtfertigen. Neben der falschen Regel stehen unerklärbare Ausnahmen. Die falsche Regel lautet: bei Vorsatz und grobem Versehen ersetzt der Schuldner da» Interesse (wirklichen Schaden und entgangenen Gewinn)4S), bei mäßigem und ge­ ringem Versehen (wo letztere» überhaupt zu vertreten) den wirklichen Schaden (und zwar unmittelbaren und mittelbaren)4'). Neben dieser Regel erscheinen die Ausnahmen nach doppelter Richtung: e» wird für weniger als da» Jntereffe eingestanden, obschon Vorsatz oder grobe» Ver­ sehen vorliegt — und e» wird da» Jntereffe ganz gewährt, obschon nur ein geringeres Versehen verübt worden. — Ersten»: e» wird nur der wirkliche Schaden entgolten vom Bormann bei der Entwährung, auch wenn er vorsätzlich oder au» grobem Versehen eine fremde Sache ver­ äußert hat"), vom Cedenten") und dem Erbschaft-verkäufer"), auch wenn sie arglistig verfahren sind. Der Ersatz darf hier nicht die Höhe der Valuta oder de» Kaufpreise» übersteigen. Wa» dem Cesstonar oder Käufer al» Gewinn entgangen, bleibt ihm unersetzt. Diese Abweichung erklärt sich bei der Cession — der Erbschaftskauf ist nach der Auffaffung de» A.L.R. Cession de» Erbrecht»") — wohl daran», daß die Redaktoren, ,T) Ueber die damalige, durch da- Naturrecht beeinflußte Praxi- s. Glück B. 4. S. 447. Wehrn in seinem 1795 erschienenen Buche doctrioa jaris explicatrix priucipiorum et cauaarum damni etc. sieht die 1. 7. C. V. 51. al- eine singuläre Au-uahme an und behauptet dann ohne weitere Begründung: neqoe culpa levis neqne culpa leviasima ad lucrum interceptum praeatandum porrigitnr. Vergl. auch Lohnfeldt S. 17 f. S. 271 f. **) Schaden-ersatzansprüche au- grobem Versehen verjähren nicht in sechs Monaten, sondern sind der dreißigjährigen Verjährung unterworfen, h. 285 f. I. 5. § 947 f. 954.1.11. R.O.H.G. H. Nr. 68. *•) $■ 285. 288.1. 5. §. 10. 12.1. 6. Oben §. 90. S. 558. Erstattung der Kosten fällt nicht unter 6- 285 I. 5. Stegemann B 2. S. 94. Mommsen S. 71. Gruchot B. I S. 537. B. 2. S. 187. Da» österreich. Ges.v. ». 1323. 1324 912. ist demselben Fehler verfallen, Unger, System II. h. 102. Note 1. 23 Fragmente S. 6 Note 6. Die neueren Gesetzgebungen sind zu der einfachen und richtigen Theorie de« römischen Recht« zurückgekehrt. Deutsche- H.G B. Art. 283. Sachs. G B. §. 124. bair. Lntw. Art. 116. Nach Code Nap. ist ebenfalls der größere oder geringere Grad de- Verschulden» ohne Einfluß auf den Umfang der Ersatzpflicht. Art. 1136. 1149. 1150 1151. 1382. Zachariä (Anschütz) II. S. 248 fg. **) h 155.1 11. Siehe über diesen §. oben S. 506 s. “) §. 424. 425. I. 11. S. oben S. 653 f. •*) $. 489. 490. I. 11. “) h. 447 . 1. 11

indem sie da« Anastasianische Gesetz aufgabeu, andererseits nicht gleich zu weit gehen wollten. Sie übertrugen daher die Beschränkung desselben von dem Verhältniß zwischen Schuldner und Cessionar auf da« zwischen letzte­ rerem und dem Sebcnten***). Bei Verträgen über Handlungen darf wegen nicht gehöriger Erfüllung der Gläubiger zurücktreten, und wenn er den Rücktritt wählt, hat ihm der Verpflichtete auch bei Vorsatz und grobem Versehen nur den wirklichen Schaden zu ersetzen"), während wenn sich seine Behauptung der nicht vertragsmäßigen Erfüllung al« unbegründet erweiset, er dem Verpflichteten wegen de« Rücktritt« da« volle Interesie leisten soll"). Offenbar hat hier die Ungunst, die einen Rücktritt vom Vertrage begleitet, zu der Abweichung von der Regel geführt. Wenn der Darlehn-schuldner vorsätzlich oder au« grobem Versehen die Rückzahlung verzögert, so darf der Gläubiger nicht etwa neben den Verzugszinsen, sondern statt derselben nur Erstattung de» „erwachsenen wirklichen Schaden«" verlangen "). Der Dritte, der sich mit einem vermutheten Bevollmächtigten eingelaffen, kann von diesem, wenn da« Geschäft vom Geschäft-Herrn gemißbilligt wird und deßhalb zurückgeht, immer nur den wirklichen Schaden beanspruchen "). — Zweiten«: da« volle Intereffe wird ersetzt, auch wenn ein geringere« Versehen vorliegt. Hierher gehört, daß Kunst- und Sachverständig? und wer gewarnt worden ist, daß von seiner Leistung besondere und un­ gewöhnliche Vortheile für den Gläubiger abhängen, ohne Rücksicht auf den Grad de- Verschulden« für allen Nachtheil einstehen"), ebenso derjenige, in deffen Person sich die Veränderung der Umstände, die den Vertrags­ zweck dem einen Theile vereitelt hat, ereignet, oder der sie herbeigeführt hat"). Ganz singulär ist endlich, daß bei der Mühlenpacht auch da« nur M) Koch, R. d. F. I. S. 308. sagt: cs hat da» für sich, daß der Betrug eigentlich nicht die Ursache de« dem Eesfionar entgangenen Sewiuue» ist." Warum nicht, und warum die Ursache de« wirklichen Schaden«? der Betrug ist doch wohl für Beide« die Ursache Sodann stimme, meint Koch, die« auch mit der Regel, daß bei Eviktiouen nicht da« voll« Juteresse, sondern nur die Au«lage mit Zinse» soll gefordert werden können. Er widerspricht hier seiner eigeaeu Auslegung de« §. 155. 1.11. im R d. F. II. S. 436 f. und im Komment. Rote 4. zu dem Siehe Gruchot B. 2. &■ 191 f. und oben $. 86 S. 506. »•) §. 410. I 5. ") §. 409.1. 5. ") g. 834.1. 11. Not« 45.

Dergl. dagegen den Speierschen Deput. Absch.

v. 1600.

Oben

M) $. 128.1. 13. — Zu den Ausnahmen, wo trotz de« dolus nur wirklicher Schaden zu vertreten, ist auch §. 1084.1.11 zu rechnen. Darüber in der Lehr« von der Schenkung ••) §. 289. 290.1. 5. Der Banquier al« Sachverständiger für den Verkehr mit Seldpapieren. Strieth. B- 19. S. 55 B. 23. S. 64. Die ungewöhnlichen Bortheile die der Gewarnte vertreten muß, find solche, die sonst nicht vertreten werden (§. 6.1.6.) Sie müssen dem verpflichteten namhaft gemacht sein- Suarez bei Bornemann II. S. 316. Note 6. ••) §. 381. 383.1. 5.

726

Zweite- Buch.

Die besonderen Privatrechte.

mäßige Versehen des Verpächters zum Ersatz des dem Mllller verlorenen Gewinnes neben der Remission verpflichtet"). Dagegen darf man e» nicht al- eine Ausnahme von der Regel, sondern muß e» als eine An­ wendung derselben auffasien, wenn das volle Interesse von Demjenigen vertreten werden soll, der bei bedingter Unmöglichkeit der Erfüllung für den Erfolg seiner Bemühungen zur Beseitigung der Unmöglichkeit einzu­ stehen versprochen"), wer die bedingte Unmöglichkeit der Leistung gekannt und sich gleichwohl dazu verpflichtet"), wer eine Handlung vornimmt, die zu unterlassen er ausdrücklich versprochen hat “). Denn in allen diesen Fällen ist leitend der Gesichtspunkt eines groben Versehens, welche- dort in der freiwilligen Uebernahme der bedingt unmöglichen Leistung liegt, wodurch sich die Vertretungspflicht steigert, in dem letzten Fall aber immer vorliegen muß, wenn man thut, was man unterlassen soll. Es steht hiermit nicht im Widerspruch, sondern ist nur im Au-druck verfehlt, wenn an einer andern Stelle gesagt wird, daß der zu Unterlassun­ gen Verpflichtete „nach dem Grade seiner Verschuldung" entschädigen, soll: der Grad kann eben kein anderer al» Vorsatz oder grobe- Ver­ sehen sein"). Zweifelhaft ist e» dagegen, ob andere Bestimmungen unter die Regel oder unter die Ausnahmen fallen. Wer ein DarlehnSversprechen nicht erfüllt, soll den „entstandenen" Schaden vergütigen"); wenn der Bevoll") §. 551. I. 21. ••) §. 45. I. 5 Bergl. Leyser med. 10. spec. 521. Mevius decis. III. 206. VI. 406. VIII. 33. ♦’) §. 53 67. I. 5. Hierüber s. Arndt« in der jur. Wochenschr. 1838. S 526fg. und Jhering a. a. O. S. 47. Oesterr. G B. §. 878. «) 5. 291. I. 5.

•*) §. 890.1. 11. Die« war auch die Auffassung von Suarez. Bornem. II. 6. 317. Koch , R d. F. I. S. 309. Cohnfel bi S- 268f. meint §. 890 I. 11 sei auf die Nichterfüllung einer selbständig auf eine Unterlassung gerichteten Obligation zu beziehen, §. 291. I. 5. (vergl. bei Rote 63) auf eine innerhalb eine« Kontraktverhältniffe« durch die Begehung der zu unterlaffendeu Handlung herbeigefühtte Beschädigung. — Im Dre«dner Entwurf Art. 283 ist bestimmt : wenn die Verbindlichkeit auf die Unterlaffung einer Handlung gerichtet ist und der Schuldner dennoch die Handlung vornimmt, so kann der Gläubiger Wiederher­ stellung de« früheren Zustande«, Ersatz de« ihm zugesügten Schaden« und An­ drohung einer GÄdstrafe für den Fall künftiger Zuwiderhandlung verlangen. In Art. 217. ist gesagt, daß Jedermann verpflichtet sei, alle Handlungen zu unter« lassen, durch welche er einem Andern widerrechtlich einen Schaden zufügt. Mit Recht wendet Lohnfeldt ®. 268. dagegen ein, daß dadurch eine Pflicht ohne allen juristischen Charakter statuirt sei; erst die wirklich cingetreteo« Rechtsverletzung kann eine Klage begründen Gesetzrevis Pens. XIV. S-163. Weitere Anwen­ dungen der Regel, daß da« volle Interesse nut bei dolus und culpa lata zu ver­ treten : I. 11. S- 34. 40. 44. 49. 97. 302. 369. 541. 544. 664. 1006. 1007. I. 12. §. 313. (Hier kann wohl auch culpa levis bei der Veräußerung die Pflicht zum Ersatz de« vollen Interesse erzeugen). I. 12. §. 607.1. 13 §. 89. I. 14. 5. 329. **) §. 655. 1.11. Rach röm. R. (1. 68. de V. 0.) wird geleistet, quod mea In­ terest.

§. 106.

DaS Interesse.

727

»nächtigte dem Dritten den erfolgten Widerruf des Auftrag» verschweigt, soll er den „erwachsenen" Schaden ersetzen"). Kann man unter diesen Ausdrücken ven entzogenen Gewinn mitbegreifen, so stehen sie unter der Regel: wird derselbe al» ausgeschlossen erachtet, so gehören beide Stellen zu der Ausnahme, wo trotz Vorsatz und grobem Versehen doch nur für den wirklichen Schaden eingestanden wird. Die Interpretation hat hier freie» Spiel, da aber die Worte „entstandener" und „erwachsener" Scha­ den sich doch auch auf den entzogenen Gewinn deuten lassen, so ist offen­ bar vorzuziehen, hier die Regel und nicht die Ausnahme anzuwenden. IV. Der Sachwerth (rei aeetimatio) allein wird vergütigt ins­ besondere, wenn e- sich um Restitutionen handelt, und diese nicht mehr ausführbar sind. So bei formlosen Verträgen, die die Parteien nicht erfüllt sehen wollen"), so, wenn Handlungen oder Sachen eines Dritten versprochen und der Erfolg der Bemühungen vergeblich geblieben"), bei absolut unmöglichen Leistungen, wenn die Unmöglichkeit entweder von An­ fang an vorhanden gewesen'") oder hinterher zufällig eingetreten"), bei bedingt unmöglichen Leistungen, wenn zur Zeit de» Vertragsabschlüsse» die Unmöglichkeit beiden Theilen bekannt oder unbekannt war"). Hier überall muß die Gegenleistung zurückgegeben oder nach ihrem Sachwerth vergütigt werden. V. Die Berechnung de» Interesse findet im preußischen Recht nicht die Beschränkung de» neueren römischen auf da» Doppelte de» Schadens"). Etwa- Aehnliche» enthalten aber die Vorschriften, daß, wenn der Beschädigte bei Vorsatz oder grobem Versehen zur eidlichen Selbstschätzung") zugelassen wird, er nicht über den doppelten Betrag de» von Sachverständigen ausgesprochenen mittleren Werth» hinausgehen darf") — und daß bei dem Hoffnung-kauf der entgangene Gewinn nicht höher al» da- Doppelte de» Kaufpreises zu schätzen ist"). Im Allgemeinen •’) ••) ") ’•) n) ") ”)

74)

») u)

S. 17t. I 13. §. 156.166 167. I. 5. Obe» S> 448. $. 41.42. I. 5. Hier handelt t» sich um Rückgabe ber möglich gewesene» Vorleistung »der deren Bergütiguug nach ihrem Werth. §. 51.1. 5. tz. 365.1. 5. §. 52. I. 5. 1. un. C. VH. 47. S. über diese- „wunderliche" Gesetz (Unger, Fragm. S. 8. Note 7. a. E). Mommsen §. 21. Bangerow §. 571. Anm. 4. Lvhnfeldt S. 39. f., Windscheid, Pand. IL S 31, Note 9. Beispiele au- der gemein­ rechtlichen Praxis bei Heuser v. 9 S 145. Seusfert B. 11. Nr. 140. 224. B. 14. Nr. 215. v. 15. Nr 9. Die Lehre vom juramentum in liiern gehört in eine Darstellung de- Prozeß­ recht-. S. -och, R. d. F. I. S. 326. Schröter in der Z s. E R u. Pr. B. 7. S. 356. Savigny, System B. 5. §. 221fg. §. 95. I. 6. Hierüber Koch S. 320. §. 545.1. 11. Ein anderer Anklang an die 1. un. C. VII. 47. in §. 301. I. 5.

Znxitk« Buch-

728

Die besonderen Privatrechte.

kann hier auf die Ausführungen in §. 90. f. verwiesen werden").

Die

Berechnung normirt sich im Wesentlichen bei Vertragsverletzungen nach

denselben Grundsätzen.

Zu bemerken ist nur noch, daß zur Ermittelung

de» Interesse der Gewinn oder Nutzen abgezogen

werden

muß,

den die

Nichterfüllung neben dem Schaden gebracht hat"), daß auch die etwaigen Kosten, die der Beschädigte auf die Sache hätte verwenden müssen, wenn

er sie empfangen, und die er sich nunmehr erspart hat, nicht außer Be­

achtung bleiben dürfen").

Regelmäßig wird der gemeine Werth der Be­

rechnung zu Grunde gelegt, nur ausnahmsweise der außerordentliche oder

der Werth der Vorliebe").

Auch

diese Regel ist dem gemeinen Recht

widersprechend, und insofern ungerecht gegen den Beschädigten, als wenig­ sten» der außerordentliche Werth

immer noch ein wirklicher objektiver

Werth ist, auf den der Beschädigte einen unzweifelhaften Anspruch hat,

da ja nicht ein Schaden in abstracto, sondern sein Schaden erseht wer­ den soll").

Wo bloß der Sachwerth zu prästiren ist, gilt dasselbe;

nur

der Erbe soll dem Legatar den außerordentlichen Werth entrichten, wenn

der Erblasser die Sache eines Dritten vermacht hat und dem Erben nicht

gelungen

ist,

sie zu erwerben").

Maßgebend ferner für die Schätzung

ist der Werth an dem Orte, an welchem hätte erfüllt werden sollen"),

und der Werth zu der Zeit, wo der Schaden entstanden, also wo er­

füllt werden sollte").

Dies weicht ab vom römischen Recht, nach wel-

77) S. 557 f. Fructue percipiendi als entgangener Gewinn sind selbständig zu schätzen, nicht unter Grundlegung der percepti. Strieth. B, 5. S. 254. Gewinn vom Gewinn wird nicht berechnet. 1. 2. §. 5 D. L. 8 : ne commodorum commoda lDcrementum faciant. Auch wird nicht ein Interesse vom fällig gewordenen und verzögerten Interesse bewilligt. Mommsen, Beiträge B. 2. S. 189. B. 3. S. 32. Ueber Sicherheit des möglichen Gewinns Seuffert B. 11. Nr. 130, B. 15. Nr. 8. 78) Mommsen S. 191. Dergl. §. 243. 244. I 5. 1. 11. D. HI. 5 : pensare lucrum cum damno debet. Der Gewinn muß durch daö beschädigende Ereig. niß verursacht sein. Er ist bei der Berechnung nicht zu beachten, wenn er auanderen Gründen zugefallen, z. B- Strieth. B. 38. S. 135. 7I) Mommsen S. 192. ••) Außerordentlicher und Werth der Vorliebe bei geleisteten Handlungen I. 11. §. 880. und außerordentlicher Werth bei Expropriationen I. 11. §. 9. Die Regel, daß der gemeine Werth entscheiden soll: I. 2. §. 117. Koch I. S, 317. 8I) Nach römischem Recht umfaßt der gemeine Werth auch den s. g. außerordentlichen des A.L.R. Vergl. oben S. 113. Der Dresdner Entwurf eines Ges. über Echuldverh. Art. 281. 282 (vergl. Art. 233.) knüpft an die verschuldete Nichter­ füllung — ohne Grade des Verschuldens zu unterscheiden — die Verpflichtung, den mittelbar und unmittelbar verursachten BermögenSverlust uyd entgangenen Gewinn zu ersetzen. Vergl. Cohnfeldt S. 275 f, ?’) §. 378 I. 42. ") Mommsen S. 210. Cohnfeldt S. 159f. 273. Koch I. S. 324. 1.22. 1). XII. 1. 1. 4. in f. D. XIII. 3. Dem ALR. fehlt hierüber die Bestimmung. Dresdener Entwurf Art. 282. 84) §.859.1.11. „Zur Zeit der schuldigen Ablieferung " Dresdner Entwurf Art. 282. Vergl. Koch I. S. 321. Arnsberger Archiv B. 14. S. 577. Präj. 2082.

8

106.

Da» Interesse.

729

chem die Zeit de- Urtheil- entscheidet"). Nur bei Beschädigungen augrobem und mäßigem Versehen soll derjenige Zeitpunkt zwischen der Be­ schädigung und KlagebehSndigung zu Grunde gelegt werden, an welchem die Sache den höchsten Werth erreicht hat"). VI. Au-geschlossen wird der Anspruch auf da- Interesse oder Ersatz de- wirklichen Schaden- dadurch, daß der Beschädigte selbst bei Anwendung gehöriger Sorgfalt den Schaden hätte abwenden können, ein Versehen von seiner Seite also lontunirt87), oder dadurch, daß er selbst dem Andern die Erfüllung unmöglich gemacht hat"). In diesem Fall kann sogar der Gläubiger zu einer Entschädigung selbst für entgangenen Gewinn gegen den Schuldner verpflichtet werden"). Fällt die eingetretene Unmöglichkeit der Erfüllung beiden Theilen in gleicher Weise zur Last, so gewährt jeder dem andern nur den unmittelbaren Schaden"). VIL Was die Beweisführung betrifft, so muß nach A.8.R. der Kläger, wenn er nicht bloß Ersatz des wirklichen Schaden-, sondern auch de- entgangenen Gewinne- fordert, Thatsachen darthun, au» denen sich der Vorsatz oder da» grobe Versehen de» Beschädiger» ergiebt, während nach gemeinem Recht, welche- in allen Fällen de» Verschulden» da« volle Interesse gewährt, Thatsachen zur Feststellung de« Grade« de« Versehen« nicht erfordert werden. Dem Beklagten bleibt überlassen, die Zufälligkeit (Sammt. I. S. 16.) Entsch. B. 17. S. 176. der marktgängige Preis am Liefe­ rung-tage, wenn c» sich um Lieferung fungibler Sachen zu einem bestimmten Preise an einem bestimmten Tage handelt und diese Sachen auch einen markt« gängigen Prri« haben. Soll rin späterer häherer Marktpreis zu Grund« gelegt werden, so muß die» durch besondere, nachzoweisende Umstände motivirt werden. Strieth. B. 19. S. 135. Hier war der Tag der Eiureichung de» Exekution«gesuch» stir da» Geldäquivalent der ErslUlungSiag. Strieth. B. 27. S. 105. oben. Der Werth innerhalb M zur Erfüllung bestimmten Zeitraum». Strieth. 8. 27, S. 143: bei nicht erfülltem modue ist der Zeitpunkt für Berechnung der Entschädigung ex tune zn nehmen. S. oben S. 183,. Strieth. 8.28. S. 103: Werth zur Zeit, wo die Berbindlichkeit erfüllt werden sollte, nicht zur Zeit de« Exekution-autrage». Strieth. 8. 28. S. 359. Wo da« Interesse in der Dif­ ferenz -wischen dem Tageskurse und dem bedungenen Preise besteht, ist der nächste Tag nach demjenigen, an welchem hätte geliefert werden sollen, maßgebend, weil dieser erst die Gelegenhett zum Berkans bitten konnt«.

“) Mommsen S. 199 Doch dagegen Windscheid S. 549,.: qui» non eet poetfacto, ged ex praesenti statu, daronum factum eit nee ne, aeetimari oportet. 1. 7, tz 4. D. XLIII. 24 Hiernach also der Zeitpunkt der Entste­ hung de« Schaden«. Nach 1. 22. D XII. 1 wenn nicht em bestimmter Ersül« lung-tag festgesetzt war, nach der Zttt cum petitum eit. •‘) §. 85.1.6.

•*) Mommsen S. 159. Demeliu» in Gerber und Iheriug, Jahrb. 8. 5. S. 62s. A.L R. I. 6. §. 19. 20. 21. Entsch. 8- 38. S. 43. Strieth. 8. 29. S. 54. Oben §. 104. bei Note 45. — Ausnahme, wenn der 8eschädigcr in dolo ist. 1. 45. z. 1. D. XIX 1. •’) 5.361.1. 5.

”) Entsch. 8. 47 S. 68.

Strieth. 8. 45. S. 139.

••) §. 362. 1.5. Die« ist der ttnzige Fall, wo bei Vertragsverletzung die Unter­ scheidung de« wirklichen Schaden» in unmittelbaren und mittelbaren hervortritt.

730

Zweit« Buch.

Dir besonderen Privatrechte.

der Beschädigung, d. h. zu beweisen, daß diese eingetreten ist, obschon er denjenigen Grad von Sorgfalt angewendet, der ihm durch die Obligation auferlegt war"). Wa- endlich den dem Kläger obliegenden Beweis des Betrage» de» Interesse betrifft, so muß insbesondere die Sicherheit des entgangenen Gewinnes dargethan werden"), d. h. daß die Gelegenheit zum Gewinn sich dargeboten, daß sie ohne die beschädigende Thatsache hätte benutzt werden können, und daß der Gewinn trotz dieser Thatsache nicht hätte erreicht werden können "). Der Beklagte ist nicht befugt, einer solchen Beweisführung entgegenzusetzen, daß der Kläger den Schaden durch eine positive Thätigkeit hätte vermeiden können").

§. 107. Die Konventionalstrafe. « LR. 1.5 §. 292—316. J, 9. Heydemann I. Ei. 244.

§. 366. I. 11. §. 825. 826. 834. II. I. §. 113

Grnchot II. S. 133.

-

vornemann II. S. 354.

v. Daniel« 1.8.288.11. S. 316. «och, Pr. R. II. S. 193. R. d ff. II. S. 37^. — Glück B. 4 Abth. 2. S. 529. Unterholz« er I. S. 247. Liebe, Stipulation S. 303. §. 24

II. S. 272.

Wolff, v. d. Mora S. 36.

v. Savigny. Obl.R

H. Gerber, Beiträge zur Lehre vom Klagegrnnde und der Beweis­

last. 1858. S. 81—98. Maxen, über 8ewei»last, Einreden nnd Exception«. 1861. S. 221. — Langerow III. S. 358. Arndt« S. 336. Sinteni« II. S. 109.

Senffert II. S. 125.

Keller S. 445. - ZachariS (Anschütz) II.

S. 254.

Die Ausgleichung de- Nachtheils, der einem Gläubiger dadurch ent­ steht, daß der Schuldner gegen ihn feine Verbindlichkeit nicht erfüllt, kann auch in Vorau» durch eine Vereinbarung Beider dem Betrage und der Art nach festgeftellt werden. „Das Interesse", sagt das A.k.R.'), „wel") Strieth. B. 37. S- 55. B. 40. S. 123. B. 44 S- 156. Culpam abeaae Hai der zur diligentia Verpflichtete darzuthuu. 1. 25. §. 7. D. XIX. 2.1. 5. C. IV. 24. Ander« hat e« die altere Praxi» aufgefaßt. Glück B-4. S- 396fg. Allein die Klage auf da« Interesse ist die Klage au« der ursprünglichen Obligation; der Kläger hat daher nicht« weiter zu beweisen, al» die de» obligawrischen Anspnich erzeugenden Thatsachen. Maxen, über B«wei«last u. s. w. 1861. S. 170s. 179. 187. 188. Bei der Klag« aus da« Zeitintereffe, bei mora de» Echuldoer«, muß der Gläubiger auch di« Interpellation beweisen. S- oben §. 105. Rot« 23. Senffert 8.I.Rr. 168. 8. 4. Nr. 99. 8. 5. Nr. 306. 8. 18. Nr. 58. Vertrag«, mäßig kann die Beweislast geändert werden. Daselbst 8- 2. Nr. 180. v. 4 Nr. 18. 8. 7. Nr. 310.8. 11. Nr. 86. Seufsert Pand. 8.1. $. 99 S. 123. Note 3. He user IX. 450 (Kläger hat die culpa zu beweisen.) ") Senffert 8.11. Nr. 130. 8.15. Nr. 8. '») Senffert V. 13. Nr. 11. Mommsen S. 157f. 174- 185. 285sg. Die« ist der Sinn der I. 21. $. 3. D. XIX. 1. Das bloße ei potoit uegotiari et hierum facere reicht nicht au«, namentlich dann nicht, wenn fungible Sachen Gegenstand de« nicht erfüllten Vertrage» waren. Heuser, Annal. XII. S-160s. ") S. Note 91.

') §. 292. d. T.

§. 107.

Die Konventionalstrafe-

731

che- ein Kontrahent dem andern bei nicht gehörig geleisteter Erfüllung deBertrage- zu vergütigen hat, kann durch Berabredlwg einer Strafe in Boran- bestimmt werden." 2)a- Recht-institut der Konventional­ strafe, de- Strafvertrag-, gehört hiernach zur Lehre vom Interesse, jeden­ falls nach der Auffassung de- preußischen Recht-, denn nicht allein jene angeführte Stelle, mehr noch die Bestimmung, daß da, wo eine solche Strafe festgesetzt worden, die Forderung eine- höheren Interesse nicht stattfinden soll'), weisen darauf hin, daß die Strafe da- Interesse ver­ tritt, daß die Ausgleichung eine- durch Nichterfüllung einer obligatorischen Pflicht dem Berechtigten zugefügteu Vermögen-nachtheil- wie bei diesem ihr Zweck ist'). Darum kann diese Lehre im System nur hier ihre Stelle finden. Freilich soll nicht geleugnet werden, daß sie auch alDerstärkung-mittel für die Erfüllung de- Vertrage- wirken kann, meist so wirken wird'). Aber diese Wirkung ist nur indirett, so zu sagen in zweiter Reihe stehend, fie folgt darau-, daß der Schuldner in Vorauweiß, wa- er leisten muß, wenn er nicht erfüllt, und daß ihn die- zur Erfüllung antreibt').

In der gemeinrechttichen Doktrin und Praxi- herrscht die Auffassung, daß die Berttag-strafe Interesse sei, nicht vor. Man hat ihren Begriff allgemeiner gefaßt und jene Anwendung al- eine besondere Art ihm unter­ geordnet. Meist wird fie al- Verstärkung angesehen und hiernach in den ’) 6- 293. ’) E- kam» zwar Koch, R. d.F. H. S. 376.Note 1. darin beigetreteu werden, daß 8- 292 feine eigentliche Definition giebt, sondern nur den Zweck de- Recht-iuptut- bezeichnet — aber er bezeichnet doch den einzigen Zweck: S. unten Note 15. 4) 1. 1. C. II. 46.: ui meta poenae a placitis non recedatur.

•) Bgl. Strieth. B. 65. S.93. Im heutigen Bertrag-recht kann auf die Satz­ wendung in der Verabredung da- Gewicht nicht gelegt werden, wa- bei der röunfchen Stipulation entscheidend war. Liebe, Stipulation S 3O9f. E- kommt jetzt nur auf die Abficht an, die die Parteien geleitet hat. Die von Paula- in der I. 44. 5.D. XLIV. 7. gegebene Formel: bi fundum non dederis, centum dare epondea? kann doch auch nicht ander- verstanden werden, al- daß die Ab­ ficht der Parteien auf da- dare ftindum al- die Hauptleistung geht, und daß durch centum nur da- non dare fundum, da- Interesse au- der Nichterfüllung entgolten werden soll. A. M- Gruchol II. S. 134. a E., der in solcher Ver­ abredung einen Strafvertrag von selbständiger Natur steht, bei welchem die Strafe in obligatione, da- fundum dare, in exaolutione, nur da- Mittel sei die Strafe abzuwenden. S. Maxen S. 222fg. Die L 38. §. 17. D. XLV. 1. spricht von dem Fall, wo eine poena stipulirt ist, um da- einem Dritten Ver­ sprochene aufrecht zu erhalten. Hier wird nach römischer Auffassung allerdings nicht ein Interesse durch die poena repräsentirt, weil ut alii detur nihil intereet mea. Da- ist aber nicht mehr heutige Anschauung. Der Dre-dner Gntw. de- Ges. über Schuldverh. Art. 121 bestimmt: Wird von einem Vertrag-schließenden eine Leistung al- Strafe für den Fall versprochen, daß er den Vertrag nicht erfüllen werde, u. s. w. Au- Art. 123. geht aber hervor, daß der Strafvertrag al- ein selbständiger Vertrag aufgefaßt ist, da neben der Strafe noch daJntereffe, soweit e- jene übersteigt, gefordert werden kann.

732

Zweite« Noch. Die besonderen Privatrechte.

Lehrbüchern systematisch placirt'). Am allgemeinsten ist die Begriffsbe­ stimmung Saignh'S'): „ein bedingte- Versprechen, Etwa- zu geben, wenn dabei die Absicht ;u Grunde liegt, auf da» Gegencheil der au-ge­ drückten Bedingung hinzuwirken." Die Bedingung kann bestehen in einem Thun oder Unterlassen de- versprechenden Theil-. Da» wäre so zu den­ ken: da- ungewisse Ereigniß, wa- da» durch den Strafvertrag begründete Recht-verhältniß bedingt, soll die Erfüllung irgend eine» Thun- oder Unterlassen- sein; wird nicht erfüllt, so ist die Bedingung eingetreten und die Strafe fällig; wird erfüllt, so ist die Bedingung deficient und der Strafvertrag resolvirt. Die Selbstbeschränknng de» Willen-, die im Be­ griff der Bedingung liegt'), zeigt sich darin, daß man die Strafe nicht zahlen will, wenn man erfüllt. Die Bedingung ist potestativ, insofern man erfüllen kann oder die Unmöglichkeit der Erfüllung verschuldet hat. Allein diese Ansicht Savignh'S ist viel zu allgemein, sie bezeichnet nicht da- Charakteristische de» Strafvertrags, denn sie läßt völlig unbestimmt, worin die Bedingung bestehen kann. Bei dem Strafvertrag kann aber da­ bedingende Ereigniß nie ein andere» sein, al- die Nichterfüllung einer rechtlich übernoutmenen Verbindlichkeit, und darum gehört die» Moment in die Definition selbst'). Abgesehen davon lassen sich aber auch nicht alle Eigenthümlichkeiten de- Strafvertrags aus der Natur eine» bedingten Rechtsgeschäft» erklären. Zunächst entscheidet Ulpian selbst, daß, wenn für die Nichterfüllung de- an sich Unmöglichen eine Strafe versprochen wird, diese» Versprechen ungiltig sei — und doch müßte hier da» Strafver­ sprechen al- unbedingt gewollt gelten"). Sodann aber kann da» Richt­ erfüllen al» Bedingung im technischen Sinn überhaupt nicht aufgefaßt werden; e- fehlt da- potestative Element, denn der Schuldner ist ver­ pflichtet zur Leistung durch den Hauptvertrag, er kann dazu gezwungen werden, da» Nichterfüllen steht nicht in seinem Belieben"). Man müßte also annehmen, daß e» hier eine Klage auf Nichterfüllung der Bedingung gebe, während da» Recht eine Klage aus ihre Erfüllung nicht kennt"). Nach preußi­ schem Recht aber spricht ferner noch gegen den Gesichtspunkt der Bedingung, daß eine nur theilweise Erfüllung nicht die auf gänzliche Nichterfüllung gestellte*) •*) *) So in allen Kompendien btf gemeinen Recht« und in Koch'« Pr. R. und « d- F. ’) 061.8t. II. S- 272fg. •) Oben 8. 36. S. 165f. •) Bezeichnender ist die Definition von Sinte ni« (II. S. 109. III.): ein durch Uebereinknnst in Zusammenhang mit einer andere» Leistnng festgesetzter Nachtheil für den Fall, daß jene gar nicht oder nicht vertragsmäßig oder gehörig erMt würde. '•) 1. 69. D. XLV. 1. Bangerow III. S- 360. •*) §. 311. d. T. ") Oben S 173.

k

107.

Die Konventionalstrafe.

733

Strafe fällig macht, während sonst die theilweise Erfüllung der Bedingung der gänzlichen Nichterfüllung gleichsteht"). Im Ganzen ist daher mit der Be­ zeichnung des Strafvertrag- al-eine- bedingten Versprechen-für fein Verständ­ niß nicht- gewonnen “). Al- richtiger Gesicht-punkt erscheint vielmehr folgen­ der. Die Erfüllung de- Hauptvertrage- ist Befreiung von der im Strafvertrage übernommenen Leistung, indem sie ihm den Gegenstand entzieht, nicht aber die Entscheidung eine- ungewiffen Ereignisse-, durch welche der Strafvertrag selbst wieder resolvirt, durch welche ihm die Existenz genom­ men würde; und andererseits die Erfüllung de- Strafvertrags ist — soweit die- in der Absicht der Kontrahenten gelegen — Erfüllung deHauptvertrage- durch ein Aequivalent: e- ist also immer nur eine unbe­ dingte Leistung, die auf zwei Arten erfüllt werden kann, jedoch so, daß die ") -. 2S6. d. T.

Oben S. 173.

,4) Al- bedingte- Versprechen nach dem Vorgang Savigny'S, jedoch mit der (Sin* schränkung daß dieser Gesichtspunkt nicht ausschließlich anzuwenden, stellen die Kon* ventionalstrafe hin Vangerow, Arndt-. Auch Koch und Gruchot nehmen die- an. Man vermißt aber überall ein genauere- Eingehen in die Konsequenzen dieser Ansicht. Unter Holzner I. S. 247 f. spricht stch hierüber nicht au-. Senffert will die Vedingtheit nur annehmen, wenn die Strafe einem unwirk­

samen Vertrage beigefügt ist lPand. II. S. 126 Note 3). Sinteni- S. 110 sagt: Die Nichterfüllung ist für den Verfall der Strafe Bedingung, aber von eigen­ thümlicher Art, indem eine solche Konvention unbedingt nicht sein kann und die Bedingung nothwendig in eine Handlung de- Schuldner- gesetzt werden muß. Keller (S. 445) siebt die Verabredung nur in dem Fall al- bedingt an, wo der Schuldner gegen Erlegung der Strafe die Erfüllung de- Vertrage- soll unterlassen können, also wo sie Reugeld ist. Am rücksichtslosesten hat den Charakter der Be­ dingung Wolff a. a. O. S. 36 sg. durchzuführen gesucht; aber gerade die Kon­ sequenzen, die sich ihm ergeben, zeigen die Unrichtigkeit dieser Auffassung und legen dem Institut der Kouv.Str. Eigenheiten bei, die e- im positiven Recht nicht hat. So soll die Strafe verfallen sein, wenn die Nichterfüllung (die Bedingung) ein­

getreten ist, ohne Rücksicht auf dolus oder culpa de- Verpflichteten (@.37); e- hat dieser nur eine exceptio doli, wenn der Gläubiger die Bedingung selbst herbeigeführt (S. 38), und die Strafe ist auch dann verfallen, wenn die Leistung der Hauptobligation zufällig unmöglich geworden, weil die Unmöglichkeit nur die Hauptobliaation afficirt und untergehen läßt, die Gtrafobligation aber noch mög­ lich geblieben sei. Wolff betrachtet also letztere als eine selbständige bedingte Obligation (S. 50), woran- er folgert, daß auf die Natur de- Prinzipalen Ver­ trage-, auf seine Giltigkeit oder Wirksamkeit nicht- ankomme. Dieser kann ungiltig sein, und der Strasvertraz bleibt doch giltig. Gegen diese Auffassung: Liebe in den kritischen Jahrbüchern von Richter und Schneider B. 13. S. 12 f. Neuer­ dings haben auch Gerber und Maxen a. a. O. sich dagegen erllärt, daß der Strafvertrag als ein bedingte- Versprechen in der technischen Bedeutung angesehen werden dürfe. Gerber ymß insbesondere darin beigetreten werden, daß bei der potestativen Bedingung, und nur von einer solchen kann doch hier die Rede sein, da- Thun oder Unterlassen in keiner nothwendigen Beziehung zu der in der Sphäre de- bedingten Rechtsverhältnisse- liegenden Verbindlichkeit steht, und daß die Sache einen wesentlich verschiedenen Charakter dann annimmt, wenn da- künf­ tige ungewisse Ereigniß in demselben Rechtsverhältnisse die Bedeutung einer Rechts­ verletzung bat. Wäre der Strafvertrag ein bedingte- Geschäft, so müßte der Klä­ ger den Eintritt der Bedingung, d. h. die Nichterfüllung nachweisen, und dem widersprechen die Grundsätze von der Bewei-last direkt, da vielmehr der Beklagte die Erfüllung beweisen muß. Ueber den Unteilchied von Konventionalstrafe und

Resoluttvbedingung vergl. Striethorst B. 45. S. 13. B. 57. S. 277. Arn-berqer Archiv B. 13. S. 176.

Zweite« Buch.

734

Dir besoudereu Privalrrchte.

eine Erfüllung der anderen substituirt, nicht — wie bei alternativen Obli­ gationen — zur Seite gestellt, daß die Strafe die sekundäre Erfüllung-art E- soll also nicht die Wahl frei sein zwischen

derselben Obligation ist. zwei

Erfüllung-arten,

sondern

die

im Hauptvertrag bedungene Leistung

wird allein gefordert, und nur, wenn diese vertragswidrig ««-bleibt, soll die andere Erfüllung-art für den dadurch verursachten Nachtheil eintreten. Ein Aequivalent

ist aber

die Vertrag-strafe

immer, selbst wenn sie zur

Verstärkung de- Hauptvertrages, zur Sicherung der Erfüllung bestimmt

worden; denn auch in solchen Fällen soll sie da- Interesie ersetzen, dem

Gläubiger

erwachsen").

durch eine

was

nicht gehörige oder verzögerte Leistung

Ohne irgend einen Nachtheil, der dem Gläubiger au- dem

vertragswidrigen Verhalten de- Schuldner- erwachsen, ist die Vertrags­ strafe nicht denkbar ").

Deßhalb ist e- aber ferner auch nicht richtig, die

Forderung auf eine solche Strafe al- ein Accessorium der Hauptforderung aufzufaflen ").

Zwar

acceflorisch

ist

zum Hauptvertrage

der Strafver­

trag "), — statt in der Stipulatiou-form wird et im heutigen Recht als

pactum a. 137. 138. annimmt, wenn auch zugegeben werden muß, daß in dem Fall, wo der Be­ trag der Strafe unter dem wirklichen Intereffe bleibt, der GlÄlbiger verlieren,

der Schuldner gewinnen kann und die Konventionalstrafe fich in ein Reugeld ver­ wandelt. Aber andererseits kann doch auch der Schuldner mehr leisten müssen, al- wenn er nur da- Interesse zu leisten hätte. Beispiele au- der prenß. Praxis:

Zweite» Buch-

736

Die besonderen Privatrechte.

neben der Konventionalstrafe nicht noch das Interesse"), und eS darf auch nicht statt der ersteren da- letztere gefordert werden. Es kommt nicht darauf an, ob durch den Gegenstand der Strafe der Nachtheil wirk­ lich gedeckt wird, denn der Gläubiger hat einen höheren Ersatz freiwillig nicht beansprucht; — sie kann andererseits den Betrag des Nachtheils übersteigen, denn der Schuldner hat den höheren Ersatz freiwillig ver­ sprochen"). Die Grenze, welche das A.L.R. gezogen, wonach die Strafe nicht das Doppelte des Interesse übersteigen durfte"), ist durch die neuere Gesetzgebung nicht ganz beseitigt"); ihre Höhe unterliegt nunmehr nur bei Darlehen und anderen creditirten Forderungen der freien Vereinba­ rung"). Der Grundsatz, daß ein Interesse vom Interesse nicht gewährt wird"), fiihrt dazu, daß für die Nichterfüllung des Strafvertrage» nicht weiter eine Strafe oder eine Verzinsung derselben bedungen werden darf"). keine Verzug-zinsen neben der Konveut.Str. Striethorst IV. S. 303. 306. Durch die vertragsmäßige Strafe wird jede gesetzliche Jntereffeleistung absorbirt: Strieth. XX. S. 132. Bedenklich ist die Aeußerung am Schluß dieser Ent­ scheidung, daß die Konv.Str. den „wirklichen Schaden" vertrete; fie vertritt daJutereffe, also auch den entgangenen Gewinn. Bei dem Darlehn kann eiue KonvStr. neben den Zinsen beduugeu werden bis zusammen 6 und 8 Proc. (§. 826. I. 11.) Da- ist aber keine Ausnahme von dem Satz, daß fie nicht neben dem Jutereffe zulässig sei, denn die bedungenen Zinsen find nicht Jntereffe. Nach $. 834. I. 11. soll der dolose DarlehnSschuldner verpflichtet sein, statt der Zöge« rungSzinsen oder der Konv.Str. den wirklichen Schaden zu ersetzen. Da- ist tute Ausnahme von §. 293, I. 5. aber nicht von dem auch hierin enthaltenen Satze: daß Konv.Str. neben Jntereffe nicht statthaft sei. In §. 113. II. 1. tritt die Konv.Str. neben den Ersatz de- wirklichen Schaden-, aber nicht neben da- Intcreffe.

*•) Aber nur in Betteff derjenigen Vertragsverletzung, für welche die Konventional­ strafe bedungen ist; für andere Verletzungen bleibt daneben die Jntereffeforderung bestehen. Strieth. B. 46. S. 330.

") §. 300. d. T. ■n) tz 301 d. T. Die 1. unic. C VII. 47. hat zwar keine Beziehung auf die Konv. Str, scheint aber doch den Redaktoren vorgeschwebt zu haben. E- war damalige Doktrin. Gruchot II. 143. 144 Lauterbach, dissert. acad. Vol. III. disp. 113. cap. 29. S. 424. (1728.) Dem gemeinen Recht ist eine Beschränkung der Höhe der Konventionalstrafe unbekannt, nur -um Zinswucher soll sie nicht benntzt werden. Seuffert B. 3. Nr. 155. Striethorst B. 41. S. 123. 1. 11. §. 2 I). IV. 8. 1. 56. pr. D. XXL 2. Ebenso da- deutsche H.G.B. Art. 220. 284 Der Code Nap., da- Sperr. Ges B. §. 1336, da- sächs. §. 1430. kennen nicht die Beschränkung auf ein Duplum. Ueber die Hrage, ob §. 301.1. 5. auch auf Ver­ zugszinsen anzuwenden sei, s. R OHG. V. Nr. 95.

") Bundesgesetz vom 14 November 1867 (G.Ges.Bl. S. 159) §. 1. e. 60.

Entsch. B. 63.

”) Vergl. oben §. 68. S.383. und Hinschiu- in s.Zeitschr. f.RechtSpst.u.s.w. II. S.34

M) Oben §. 105. bei Note 42. Mommsen, Beiträge B. 2. S. 189. V. 3. S. 32. Dergl. die 1. 2 §. 5. D. L. 8.: ne comnzodorum commoda et usurae uaurarnm incrementum faciant.

’*) §. 304. d. T. Hinschiu- a. a. O. S. 35. erachtet den §. 304. für aufgehoben durch da- Bundesgesetz, weil für jede Forderung eine Konventionalstrafe stipulirt werden darf, folglich auch für den Fall der Nlchtentrichtuug einer solchen. Die Richtigkeit dieser Ansicht wird indessen dadurch zweifelhaft, daß §. 1. de- Bunde--

-

107.

737

Die Konventionalstrafe.

AögerungSzinsen von der fällig gewordenen Strafe läßt die Praxi- zu"). Die bei dem Darlehn für die Höhe der Strafe bestandene Beschränkung ist nicht mehr giltig"). Die Konventionalstrafe kann al- Ausgleichung für allen Nachtheil au- der gänzlichen oder thellweisen Nichterfüllnng oder für einen bestimm­ ten Nachtheil, z. B. für Verzögerung vereinbart werden")♦ Hat sie eine solche beschränktere Bestimmung, so bezieht sie sich nicht auf anderweitigen Nachtheil, dieser muß nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften ersetzt werden"). War sie dagegen auf gänzliche Nichterfüllung versprochen, so soll auch die theilweise Nichterfüllung durch sie nicht au-geglichen werden"). Daraus ergiebt sich für da- preußische Recht der Recht-satz: die Konven­ tionalstrafe deckt nur dasjenige Interesse, für welche- sie ausdrücklich be­ stimmt worden, da- Erfüllung--"), da- Entwährung-», da-Ort-- oder da- Zeitinteresse, sie darf nicht auf eine andere Art de- Interesse über­ tragen werden"). Al- Interesseforderung setzt die Vertragsstrafe ferner voran-, daß auf Erfüllung de- Hauptvertrages geklagt werden kann, daß letzterer rechtSgiltig ist "). Aber wieder abweichend vom Interesse, welchegesetzes von kreditirten Forderungen, nicht allgemein von Forderungen jeder Art spricht, und die verabredete Konventionalstrafe nicht füglich eine kreditirte For­ derung genannt werden kann, da sie überhaupt nicht geltend zu machen ist, wenn die Hauptleistung erfüllt wird. Daß dagegen für die Nichtleistung der fällig ge­ wordenen und nunmehr kreditirten Konventionalstrafe eine anderweitige Strafe vereinbart werden kann, ist nicht zweifelhaft. Bergl. Entsch. B. 67. S. 321.

“) Nach der Mittheilung der Gesetzrevisoren bestätigen die Materialien die- ausdrück­ lich (s. Ergänz. 5 c. zu §. 304). Koch, Kommentar zu §. 304. Note 50., „weil vom Fälligkeitstage der Strafe ein neue- Jntereffe erwächst. Striethorst V. 27. S. 24 c. Aber nicht neben der Strafe ZögerungSzinsen für die Forderung. Striethorst B. 82. S. 44. Die Verzugszinsen von der Berttag-strafe beginnen spätesten- mit der Klagebehändigung, fall- nicht der Vertrag einen Zahlung-tag festgesetzt hat. §. 71. 67.1. 16. Koch, R. d. F. II. S. 380. M) 1.11. §. 825.

HinschiuS a. a. O. S. 34.

”) §• 294. 295. d. T. Bedungene sofortige Fälligkeit bei nicht pünktlicher Zinszahlung ist nicht al- Konventtonalstrafe aufzusaffen. Entsch. v. 67. S. 206.

,8) §. 294. d. T. ••) §. 296. d. T. Diese dem röm. R- widersprechende Vorschrift (1.25. §. 13. D. X. 2. 1.5. §.4. 1.85,5. 6. D.XLV.l. 1. 47. D. XIX. 1. Seuffert II. Nr. 277.) entspricht der damals herrschenden Ansicht. Bergl. Westphal, die Lehre degemeinen Recht- vom Kauf, 1789. §. 664. Glück IV. 2 S. 541. Rach Code art. 1231. kann der Richter bei theilweiser Nichterfüllung die bedungene Strafe ermäßigen. Ebenso österr. G.B. §.1336.

40) Ueber den Unterschied von „Nichtersüllen" al- einer Unterlassung und von ,,Zuwtderhandeln" gegen den Berttag al- einer positiven Thättgkeit s. Seuffert B. 6. Nr. 171. Ist für da- letztere die Strafe bedungen, so tritt sie nicht ein im Fall do- ersteren. 4Xj ES können daher auch für die verschiedenen Arten de- Jntereffe verschiedene Kon­ ventionalstrafen bedungen werden. Striethorst D. 46. S. 330. ") §. 310. d. T. Gruchot II. 149 f. Entsch. B. 11. S. 197 (Beschränkung der Gewerbefreiheit). B. 34. S. 61. B. 62. S. 16. (E- genügt, die Konv.Str. zu be­ dingen für die Erfüllung eine- vorbereitenden Geschäft-, durch welche der Hauptverttag erst klagbar werden kann. Striethorst B. 11. S. 283. Der Anh. §6-

Fdrster, Preup. Prlvatrkcht. I. 3. Aufl.

47

738

Zweite» Buch. Die besonderen Privatrechte.

in seiner technischen Bedeutung im A.L.R. nur bei Vorsatz oder grobem Ver­ sehen gefordert werden darf"), wird bei der Vertragsstrafe nicht nach dem Grade deö Verschulden- gefragt, wenn ein Andere- nicht von den Par­ teien ausdrücklich verabredet worden"). Unverschuldete Nichterfüllung"), oder vom Gläubiger verschuldete"), befreit den Schuldner von der Strafe. Al- Gegenstand der Strafe kann jede Leistung bedungen werden, die vertrag-mäßig sein darf"), und welche nicht die Freiheit oder Ehre deVerpflichteten verletzt"). Die Strafe ist verfallen, sobald diejenige Erfüllung au-bleibt, deren Ausgleichung sie fein sott. Wenn da- A.L.R. sagt: „die Strafe ist ver­ fallen, sobald der Verpflichtete sich einer Zögerung schuldig gemacht hat"") so soll damit nicht au-gedrückt sein, daß die Konventionalstrafe immer nur da- Derzug-interefle au-gleiche, daß also der Schuldner in Verzug ge­ kommen und gemahnt sein muß. Die- wäre, wo die Erfüllung ein Ver­ statten oder Unterlassen ist, unanwendbar. E- ist nur ungeschickt, weil zu eng, durch jene Worte der Gedankt au-gedrückt: sobald der Verpflichtete nicht geleistet hat, wie er nach dem Vertrage leisten soll"). Die verwirkte

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bei §. 292. d. T. ist zwar in seiner Anwendung aus die s. g. adligen Güter durch 5. I. de» Ed. v. 9. Ott. 1807 antiquirt, der in ihm enthaltene allgemeine Rechts­ satz aber, daß da» Interesse an der Aufrechthaltung eine» Vertrage», der für den Berpflichteten unwirksam ist, nicht durch Äon» Str. gesichert werden darf, bleibt gütig. Koch, Komm. Note 43. Bergl. Seuffert B. 12. Nr. 281. Nach gemei­ nem Recht kann eine Kon».Str. auch bei unwirksamen Bertragen bedungen wer­ den, nur nicht bei unmöglichen, I. 69. D. XL V. 1., und bei unerlaubten, I. 26. 35. 123.134. D. eod. 1. 2. C. VIII. 39. Au» der Praxi»: Blätter f. Recht-auw. B. 25. S. 65.272. Seuffert B. 3. Nr. 35.36. 39. B. 13. Nr. 217. Seuffert, Pand. II. 126. Heuser, Annalen B. 6. S. 551. h 285. 288.1. 5. Die» folgt daran», daß $.292. I. 5. nur allgemein „der nicht gehörig geleisteten Erfüllung" gedenkt. 1. 23. D. XL1V. 7. Savignh, 061». II. S. 279 B. Baugerow III. S. 366. V. Seuffert, Archiv B. 3 Nr. 37. 39. Wenn «6 sich aber nach 8. 301. d. T- um die Ermäßigung der Konventionalstrafe auf da» Doppelte de« Jntereffe handelt, kann da» letztere nur mit Rücksicht aus den Grad de» Berscht,lden» ermittelt werden. Striethorst B. 7. S. 171. Heuser, Annalen B. 10. S. 320. §• 298. 1. 126. i 3. C. XLV. 1. Auch der Verlust der Vertrag-rechte de« Schuldner« kann al» Konv Str. festgesetzt werden. Alternative Festsetzung einer Konv-Str. Axn»b. Arch. B. 13. S. 178. 8. 297. d. T. Reichrpoli, Ordn. v. 1577. Tit. 35. 8 7. Zulässig ist die Konv.Str. für den Fall, daß ein Ehegatte Veranlassung zu einer gesetzlichen Scheidung giebt. Seuffert B. 12. Nr 274. 8.305- d. T. Seuffert II. Nr. 278. VI. Nr. 172. Um so mehr ist die Strafe verwirkt, wenn der Schuldner da» Gegentheil von dem thut, wozu er sich ver­ pflichtet hat. O.Trib. Berlin bei Seuffert XV. Nr. 15. Dresdener Entw. Art. 125. Gruchot II. S. 146. 1 72 8-2. 1. 115. §. 1. 2. D. XLV. 1. @in modicum tempus soll aber beachtet werden. Seuffert, B. 3. Nr. 37. B. 6. Nr. 171 172. B. 15. Nx. 15 Ginteni» II. S. 113. Ist eine Erfüllung-zeit nicht festgesetzt, so soll der Schuldner zur Erfüllung erst anfgesordert werden und es muß aus

§

107.

Djc Konvrationalstrask.

739

Strafe kann durch spätere Erfüllung nicht mehr abgewendet werden"). Der Gläubiger hat nun die Wahl, ob er auf der Erfüllung bestehen, oder die Strafe fordern, oder diese neben jener verlangen will"), der Schuld­ ner aber hat Vicht das Recht, sich durch Erlegung der Strafe von der Erfüllung zu befreien"). Wählt der Gläubiger die Erfüllung und nimmt er sie vorbehaltlos an, so geht die Strafforderung in Folge vermutheten Verzichts") unter"). Sie kann daher in einem solchen Fall nur auf­ recht erhalten werden, wenn der Vorbehalt, nachdem die Strafe fällig geworden, vor oder bei Annahme der späteren Erfüllung ausdrücklich er­ klärt und dadurch die Vermuthung des Verzicht- beseitigt worden"),

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der Handlung-weise desselben mit Sicherheit hervoraehen, daß er nicht erfüllen will; Heuser, Annalen l. S.297. 304. Sonst keine Mahnung. Seuffert B. 9. Nr. 32. §. 306. d. T. 1. 23. pr. D. IV. 8. 1.23. D. XL1V. 7. Mommsen Beitr. III. S. 325. Note 9. Die Strafe kann jedoch neben der Erfüllung nur dann und nur soweit gefordert werden, als sie nicht das Surrogot de- ganzen VertragSintereffe ist, sondern nur ein spezielles Interesse vertritt. Gruchot II. S. 139. Seuffert III. Nr. 38. 1. 115. §. 2. D. XLV. 1. Dresdner Entw. Art. 121. giebt im Zweifel die Wahl, die Erfüllung des Vertrages oder die Strafe zu verlangen. Stur wenn die Strafe für den Fall der nicht rechtzeitigen oder am richtigen Ort erfüllten Verbindlichkeit bedungen ist, kann neben der Erfüllung die Strafe verlangt wer­ den. Art. 122. §. 311. d. T. Deutsches H.GB. Art. 284. Abs. 2. Oesterr. G B. §. 1336 a. E. Seuffert B. 10. Nr. 246. 1. 10. D. XIII. 4 : creditor r emisisse poenam videtur Stri eth. B. 30 S. 258f. Seuffert, Pand II S 127. bei Note 10 Arch. B. 3. Nr. 38. Die Vermuthung darf nicht aus die Folgen de- Verzugs ausgedehnt werden, sie ist auf die Konventtonalstrafe beschrankt. Sntsch Br 67. S. 206. §. 307 d T Strieth. B. 59. S. 238. v. 67. S. 220 R. Koch, in der preuß. Anw Zeit. 1865. Sp. 806 Dresdner Entwurf Art 122. RO.G.H. II. Nr. 66. VI. Nr. 28. Auch wenn der Bevollmächttgte des Gläubiger- die spätere Erfüllung ohne Vorbehalt angenommen hat, fällt der Anspruch auf die Konven­ tionalstrafe weg. Entsch. B. 62. S 10. Recht-fälle D. 3. S. 204 • 552—551. 555. d. T. Bergl. dazu in einer speziellen Anwendung Auh. § 302. Zu §. 60. I. 44. A.G.O. Faselius §. 8. Frank in Siebenhaar, Archiv für Wcchselrecht B 13. S. 231. Schenk S. 109f. will die Ret. nicht ans den Werth der Forderung beschränken. 41) Quasi pignus — loco vel nomine pignoris — veluti naturalis pignoris vinculum. Bergl. 1. 15. 1. D. XLVI1. 2. 1. 15. D. XLIX. 15. 1. 5. D. XXXIII. 4. ii. a. St. Lenz S. 379. Note 10. Ueber den Unterschied von Pfand- und Retentionsrecht s. Wolfs a. a. O. S. 258fg. Das D. Hand.G.B. Art. 313—316 stellt das RetR. dem Pfandrecht gleich und — was seiner Natur widerspricht, — gewährt für dasselbe sogar eine Klage. S. überhaupt hierüber den Aufsatz von Wolff, und Laband in Goldschmidt's Zeitsch. B. 9. S. 482f. der Spediteur hat nach Art. 382. ein Pfandrecht an dem Gute. Frank in Siebenhaar, Archiv für Wechsel- und Handelsrecht. B. 14. S. 225sg. (1864). Nach. Art. 30. des preußischen Einsührungsgesetzes z. dentsch.Handels.Ges Buch ha­ ben die Gläubiger das Recht, das Ret. R. anzufechten. 42) §• 558. d. T. 1. 30. 1). XIII. 7. 1. 5. §. 22. D. XXXVI. 4. 43) Borne mann I. S. 277. bei Nöte. 2. Nach Art. 315. des D.H.G.B. befriedigt sich der Netinent durch Verkauf der zurückbehaltenen Sache. Ob nach preuß. R dem Vermiether an den eingebrachten Sachen des Miethers nur eilt Retentions­ recht, (A.G.O. 1.44. §. 56f.), oder ein wirkliches Pfandrecht (A.L R. I. 21. §. 395) znstehe, wird passender in der Lehre von der Miethe und Pacht erörtert. Der Praxis haben die gesetzlichen Bestimmungen manche Schwierigkeiten gemacht. S. Lenz, Studien und Kritiken, 1847. S. 115. fg. 44J §• 557. d. T. Das Ret. R. ist untheilbar. 1. 65. D. XXL 2. 1. 19. D. XX. 1. Ueber die Bedeutung der Worte: ,,ist die Forderung klar" in §. 557. d. T. siehe Strieth. B. 49. S. 25. Donec pecunia solvatur. 1. 26. §. 4. D. XII. 6. 1. 5 pr. D. XXV. 1. 45) §• 558. d. T. als „Anwendung" der exc. doli gener. Die Ret.Einrede kaun auch

§. 119.

Die Einrede der Zurückhaltung.

805

Klage auf Einräumung des Zurückbehaltungsrechts giebt es nicht ") — aber ist der Inhaber durch Gewalt oder List des Besitzes entsetzt, so hat er die Besitzklage gegen den Entsetzenden auf Wiedereinräumung des Besitzes"),

e.

Das Retentionsrecht hört auf, wenn die Gewahrsam aufgegeben

wird, uud es kann nicht erhalten werden durch Protestationen, die man bei der Zurückgabe der Sache erhebt").

Fordert daS Gericht die Sache

ab, so bleibt daS Zurückbehaltungsrecht von Rechtswegen Vorbehalten, so lange sich die Sache oder ihr Werth in gerichtlicher Verwahrung befindet");

soll aber die Sache vorn Gericht einein Anderen übergeben werden,

so

kaun der Inhaber es sich nur durch eine innerhalb acht Tage gerichtlich

auzubringeude Protestation erhalten ").

Ob die Bestellung einer Kaution

das Retentionsrecht aufhebt, ist im gemeinen Recht streitig — wenigstens

will man das behaupten, wenn die Forderung noch illiquid ist").

Im

Allgemeinen muß wohl die Frage verneint werden, weil der Retentions­ gegner durch bloße Sicherheitsstellnrig noch nicht Befriedigung bietet, und nur der freie Wille des Retinenten sich mit dem Minderen der Kaution zufrieden erklären kann.

Das A.L.R. hat die damalige Ansicht beibehal­

ten, daß bei bestrittener Gegenforderung Kaution die Zurückhaltung auf­ hebt"). Wie endlich der Konkurs auf das Retentionsrecht einwirkt, ist früher erörtert"). Nachdem die einzeluen Merkmale des Zurückbehaltungsrechts und die Voraussetzungen seiner Ausübung dargcstellt sind, wird sich die Natur

dieses „eigengeartete»" Rechts angeben lassen.

Ist eö ein Recht — und

das muß es sein, sonst könnte es keine Einrede erzeugen —, so kaun es

nur

entweder ein

persönliches oder ein dingliches sein.

Letzteres ist es

in der Exekutiousiustauz gebraucht werden. Stri eth. B. 53. S. 148. — L. 5 pr. D. XXV. 1. 1. 26. §. 4. D. XII. 6. I. 29. D. XXL 1. 1. 2. pr. D. XIV. 2. ") Strieth. B. 20 S. 334. Das Acteiitionsrecht ist sür sich selbst kein Eutstehuugsgruud von Rechten gegen einen bestimmten Verpflichteten; der Anspruch, wcßhalb mau sich der Retention bedient, muß vielmehr mit der ihm eigenen Klage gel­ tend gemacht werden. Das dentsche HaudGes.L. giebt dem Retiuculeu eine Klage. Art. 315. s. oben Note 40. 4li) §. 561. d. T. Auch wenn der Entsetzende der Schuldner selbst ist: vergl. I. 20. § 120. Motive in den Ergänznugen") §. 559. 560. d. T. ") §. 562. d. T. ") §. 563. 564. d T. 50) Glück B. 15. S. 124. Von den Netteren s. Voet. Vol. III. XVI. 2. §. 21. Leyser med sp. 175. m. 3. 4. Pufendorf, observ. II, 130. Die Neueren verneinen. Schenk S. 337fg. §. 90. Holzschuher 3. A. I. S. 133. Aus der Praxis : Seufsert B. 16. Nr. 94. B. 17. Nr. 2. 51) §• 556. d. T. Die Kautiousleistuug in § 555. hat eine besondere Voraus­ setzung. »») §. 566. d. T. Oben §". 113. S. 779. Koch, Recht der Forder. I. S. 666 f. Eröffnung des erbschastlichen Liquidatiousprozeffes hebt das Retent.R. nicht ans. Rechtspr. B. 1. S. 204. Seufsert B. 23. Nr. 8.

806

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechtc.

gewiß nicht — das A.8.N. widerlegt dies direkt53), obschon es hier mit­ ten unter die dinglichen Rechte gestellt ist.

sönliches (relatives) Recht sein.

Es kann also nur ein per­

Indem es eine Forderung sichern soll nicht

durch die Sache, sondern durch die Zurückhaltung der Sache, ist es ein Gegenrecht gegen den Anspruch auf Herausgabe der Sache. Indem es nur sichern soll, ist es ein unselbständiges, abhängiges Recht.

Es geht

daher mit der Forderung, die es sichern soll, auf den Universal- und Singularsnccessor über, aber nur, wenn diese zugleich die Gewahrsam der Sache erhalten.

§. 120. Die Einrede der Verjährung. Oben §. 46. und 57. - A.LR. I. 6. §. 54. 55. Deklar. v. 31. März 1838. S narez, amtliche Vorträge in v. Kamptz, Jahrb. B. 41. S. 7. Löwenberg, Motive der preußischen Gesetzgcb. 1. Th. 1843. S. 139. Heydemann, Ei ul. I. S. 305f. Gruchot IV. 127. Koch, 9L d. F. II. 543. Unterholzner I. 521.

Nachdem ausführlich in den §§. 46. 47. von der Verjährung durch Nichtgebrauch gehandelt worden, ist hier nur noch ein Punkt einer näheren

Erörterung zu unterwerfen. Das preußische Recht ist durch eine im 6. Titel des A.L.R. enthal­

tene Bestimmung über die Verjährung sehr beschwert worden mit Zwei­ feln, die eine Deklaration hat beseitigen sollen, welche jedoch selbst wieder Veranlassung zu einer reichen Kasuistik geworden ist. Das gemeine Recht kennt eine besondere Verjährung für Schuldan­ sprüche außerhalb eines Vertrages, namentlich für die Ansprüche aus dem

aquilischen Gesetz nicht').

So sollte auch ursprünglich bei der Redaktion

des preußischen Rechts festgesetzt werden. Aber man kam davon ab, weil kein erheblicher Grund denkbar sei, wenn der, welcher den Schaden und dessen Urheber wisse, dreißig Jahre verstreichen lasse, ohne seine Entschä­ digung allenfalls durch richterliche Hilfe zu suchen, und weil man dem

Vorbeugen wollte, durch zu langen Zeitverlust das Faktum und die Aestimatiou des Schadens verdunkeln zu lassen?). wägung sich auch

ans Analogien

Daß man bei dieser Er­

aus dem römischen Recht berufen zu

können glaubte, war ein Irrthum, denn mit den prätorischen Annalklagen hat es eine andere Bewandniß3). st) ') *) s)

Von diesem Standpunkt einer angeb-

S. die Note 8. zu §. 546. d. T- bei Koch. Unterholzner a. a. O. S. 522fg. Snarez, Schlußrevision S. 7. Vornemann II. S. 210. Note 1. Die Annalklagen beziehen sich nur auf Strafe oder Buße, die Klagen quae rei persecutioneni habent, d. h. auf Entschädigung abzielen, sind der Beschränkung ans eilt Jahr nicht unterworfen. 1.35. pr. D. XLIV.7.: In honorariis actiouibus sic esse detiniendum Cassius ait, ut quae rei persecutionem habeant, hae etiam post annum darentur, ceterae intra annum. 1. 21. §. 5.

lichen Nützlichkeit, welcher dahin führte, daß dem Beschädigten, indem ihm die Verfolgung seine- Anspruch- erleichtert werden sollte, die Zeitdauer für eine solche Versolgung abgekürzt wurde'), beschloß man, die Verjäh­ rung-zeit für Entschädigungsansprüche außerhalb eine- Vertrag-verhält­ nisse- auf dpei Jahr vom Zeitpunkt der Kenntniß zu bestimmen. Dem­ zufolge lauten die §§. 54. 55. I, 6. A.L.R.: „Wer einen außerhalb dem Falle de- Kontrakt- erlittenen Schaden innerhalb dreier Jahre, nachdem da- Dasein und der Urheber desselben zu seiner Wissenschaft gelangt sind, gerichtlich einzuklagen vernachlässigt, der hat sein Recht verloren. Sind seit dem Zeitpunkt der Schadenszufügung dreißig Jahre verflossen, so kommt e- auf den Zeitpunkt der erlangten Wiflenschaft nicht weiter an"'). Bei Auslegung diese- Gesetze- treten zwei Fragen in den Vordergrund: auf welche Beschädigungsfälle bezieht es sich überhaupt — und wie ist der Anfang des Verjährungslaufs näher zu bestimmen. Da- Gesetz unterwirft den Anspruch aus einem außerhalb dem Falle eine» Kontrakts erlittenen Schaden dieser Verjährung. Ausgefchlosien sind dadurch zunächst unzweifelhaft die Schadensersatzansprüche au- Vertrag-verhältnisien'), also die Klagen auf da» Interesse. Aber auch von diesen abgesehen, kann ein Schaden zugefügt werden durch eine an sich erlaubte, nicht vertragsmäßige, und durch eine unerlaubte Hand­ lung. Der unbestimmte Charakter des 6. Titels, der, obschon er nur die Rechte und Pflichten, die aus „unerlaubten" Handlungen entstehen, be­ stimmen sollte, doch eine Reihe von Aussprüchen enthält, die sich auch auf Beschädigungen beziehen, welche die Folge erlaubter Handlungen sind'), führte nothwendig zu dem Zweifel, ob der kurzen Verjährung auch solche, oder nur diejenigen Schadenersatzklagen unterworfen seien, die au- Delik­ ten herrühren. E» scheint, daß gleich von Anfang die Gerichtshöfe hier­ über verschiedener Meinung waren. Die Differenz trat aber praktisch bedenklich hervor, al- zwei westphälische Oberlande-gerichte über die BeD. XXV, 2.: Haec actio licet ex delicto uascitur, tarnen rei persecutionem continet: et ideo non anno finitur. 1. 22. §. 6. D. XL. 12. Haec actio post annutn non datur, cnm sit honoraria ... et poenalis. 1. 3. 5- 4. D. IV. 9. 1.1. §. 8. D. XL1II. 4. 1. 1, §. 3. D. XXV. 6. 1. 9. §. 8.0. XLH. 5. Unterhol,ner S. 523. «och, R. d. F. II. 6. 544. •) Oesterr. GesB- §. 1489, läßt jeden Schaden in drei Jahren verjähren von der Zeit, wo er dem Beschädigten bekannt geworden, wenn er nicht durch ei» Ber­ brechen entstanden- Das sächs. GesB. hat eine kürzere Berjähning nicht anfgenommen. *) Hierher gehören auch die Entschädigungsansprüche aus erfüllten, formell ungiltigen Verträge». ArnSb. Arch. B. 13. S. 447. ferner ans AuSeiiiandersetzu ngS-Rezesfen, welche vertragsmäßige Recht« und Pflichten erzeugen. Ergänzungen zu 8 54 bei 3. h. Ein rechtSkrästigeS Erkenntniß schließt 8- 54 ans. Strickh. B. 49. S. 298. ') Oben S. 539. 545.

Zweite- Blich-

808

schädigungen, die durch den

Die besonderen Privatrcchte.

Bergbau dem Eigenthümer deS Grundstücks

zugcfügt werden, verschieden erkannten.

DaS O.L.Gericht Hamm gab dem

§. 54. die weitere, da- O.L.Gericht Münster die beschränktere Anwendung.

Jene- kennte sich mit gutem Grunde darauf berufen, daß die negative Bezeichnung „außerhalb eine- Kontrakt-" keine weitere Unterscheidung der

Fälle von

Beschädigungen zulasse,

während diese- da- Bedenken fand,

daß, wenn §. 54. auf alle Schäden außerhalb eine- Kontrakt- angewendet würde, darunter auch die Schäden fallen müßten, die eine Sache durch

den

erleide, ■ oder

Nießbrauch

die

dem

auftrazlosen

Geschäftsbesorger

entstehen'). Damals trat das Justizministerium der weiteren Auslegung bei und verstand in §. 54. unter Entschädigungsanspruch einen jeden, wel­ cher auf das Dasein

einer Thatsache

setzes,

Rechtöverhältuiß

wodurch

das

werde, sich gründe ’).

sowie eine- positiven Ge­

zu

dem

Beschädigten

bestimmt

Da aber da- Schwanken der Praxis dadurch nicht

beseitigt wurde, erschien die Deklaration v. 31. März 1838, welche den Grundsatz feststellte, daß §. 54. auf unerlaubte Handlungen nicht zu be­ schränken sei.

„Die

Vorschrift diese- §., heißt eS, ist auf alle außer

dem Fall eine- Kontrakt- entstandene Beschädigungen, sie mögen durch erlaubte oder unerlaubte Handlung verursacht sein, zu

eine

beziehen"10).

Auch diese „Deklaration" konnte nicht alle Zweifel heben, mehr

weil sie

nur eine Umschreibung deS §. 54. darbot, nicht ein klare- und

sicheres Prinzip hinstellte. So ist eS denn seitdem der Praxis überlassen geblieben, da» Prinzip zu suchen. Diese Thätigkeit war um so unabweis­ barer,

als die sehr kurze Verjährung zu einer sehr bedenklichen RechtS-

entziehuug führen mußte, wenn man ihre Anwendung auSdchnte.

Daher

kommt eS, und ist eS gerechtfertigt, daß die Gerichte bei der Auslegung

deS 8- 54. und seiner Deklaration wesentlich einer einschränkenden Ten­ denz folgen. Eö ist oben §. 89. 90.*1') erörtert, daß die Kategorie der eigentlichen

DcliktSobligation den Begriff der EutschädigungSobligation nicht erschöpft,

daß neben derselben noch eine Obligation Beachtung erheischt, welche im Mangel eine»

bestimmten technischen Ausdruck» «16 die einfache Ent­

schädigungspflicht bezeichnet worden ist.

DaS entscheidende Merkmal

der EutschädigungSobligation im weiteren Sinn (die Obligation au» dem

Delikt inbegriffen) liegt darin, daß da» Schuldverhältniß ein selbständige» •) Löwenberg a. a. O. ’) Reskr. v. 19. Januar S. 5. ••) Durch Verordn, v. 15. I. 6. entgegcnflehcndcn worden.

S. 140jg. 1821 bei Löwenberg S. 141. und Jahrb. B

17.

April 1842 sind alle der Deklaration und den §§. 54. 55. provinziellen oder statutarischen Bestimmungen aufgehoben

§. 120.

809

Die Einrede der Verjährung.

ist, daß sich die Verpflichtung zur Entschädigung nicht aus einem anderen bestimmten Nechtsverhältniß ableitet. Es ist der schädliche positive Ein­ griff in eine fremde, abgeschlossene Rechtssphäre für sich allein, der die Obligation erzeugt. Alle diese Ersatzansprüche fallen unter die kurze Ver­ jährung, und damit sind alle Ersatzansprüche von dieser Verjährung aus­ geschlossen, die sich auf ein zwischen den Parteien bereits bestehendes, kon­ kretes Nechtsverhältniß beziehen, dem Folge zu leisten, das zu erfüllen der Verpflichtete sich weigert, mag auch dieses Rechtsverhältniß selbst nicht gerade ein „Kontrakt" sein. So ist der Ersatzanspruch aus der Verletzung einer durch Testament auferlegten $er6inbticfyteit12),13gegen * * * 17 den Vormund") der Anspruch ans austragloser Geschäftsführung"), aus einem Nießbrauch"), aus der Vorenthaltung eines Servitutrechts") nicht in drei Jahren ver­ jährbar, und es lag der Auffassung des O.L.Gerichts Münster, welches grade auf solche Schuldverhältnisse hinwies, um daraus die Einschränkung des §. 54. auf Deliktsobligatkonen zu motiviren, offenbar eine Verkennung des weiteren Begriffs der selbständigen Entschädigungsobligation zu Grunde. Den richtigen Gesichtspunkt hat das Obertribunal in klärender Weise durch den Plenarbeschluß vom 6. Septbr. 1852 ausgesprochen"): „Die Ber12) Z. B. I. 12. §. 313. I. 22. §.27.

13) II. 18. §. 275 ff. Ein älteres Erkenntniß des O.Trib. vom I.1837 (Juristische Wochenschr. 1839. S. 1) hat die Verjährung des §. 54. auf die Regreßansprüche ehemaliger Pflegebefohlener an ihre gewesenen Vormünder angewendet. Koch, Komment- Note 29. zu §. 54. bestreitet die Richtigkeit dieser Entscheidung (ebenso Kähne in der jurist. Wochenschr. 1839. S. 6 f:)r während Heydemann I. S. 313 Note 571. sie vertheidigen will. Da aber zwischen dem Vormund und Pflege­ befohlenen ein bestimmtes Rechtsverhältniß besteht, und durch den vom Vormund dem Pflegling zugefügten Schaden dieses Nechtsverhältniß verletzt wird, so kann nur dem Widerspruch Koch's beigetreten werden. Die Kategorie der QuasiKontrakte ist eine unbestimmte, unklare; wird die Entschädigungsobligation so auf­ gefaßt, wie oben im Text geschehen, so scheint es, daß eine feste, sichere Trennung der Fälle gewonnen ist, die unter das Gesetz gehören und nicht gehören. Jene Entscheidung des O.Trib. läßt sich überdies mit dem neueren Plenarbeschluß vom 6. Sept.'1852 J. öden Text und unten Note 17.) nicht in Einklang bringen.

") Auch die negotior. gestio erzeugt ein bestimmtes Rechtsverhältniß zwischen dem gestor und dominus negotii *, aus welchem der Entschädigungsanspruch des Ersteren gegen den Letzteren sich ableitet. Es ist dabei an sich gleichgiltig, ob man dies Rechtsverhältniß als Quasi-Kontrakt oder als obl. ex lege auffassen will. Aber auch aus anderem Grunde gehört der Anspruch des gestor nicht unter §. 54. Der dominus nämlich ist nicht der Beschädiger, nicht seine^beschädigende Handlung erzeugt den Anspruch. Der gestor geräth durch seine eign-e Handlung in Nachtheil, und er hat den Ersatzanspruch, weil er den Nachtheil er­ leidet im Interesse des dominus. Der Gesichtspunkt, daß der dominus durch den gestor bereichert ist, entscheidet nicht, denn auch wenn es an der Bereicherung fehlt, das Geschäft vereitelt worden, besteht der Anspruch auf Entschädigung. §.235.236.1.13. Gruchot B. 4. S. 127. Nr. 2.

1$) I. 21. ß. 27. 99. 1C) I. 22. § 31 Vergl. hierüber überhaupt die Gründe zum Pl.Beschl. v. 6. Septbv. 1852 (Entsch. B. 23. S. 241). 17) J.M.Bl 1852 S. 354. Entscheid. B. 23. S. 241. Präj.Samml. B. 2. S. 7.

Förster, Preuß. Privatrecht. I. 3. Aufl.

Striethorst B. 6. S. 276.

52

jahrung deS §. 54. findet bei Verletzung bestehender, nicht ans einen Vertrag sich gründeuderRechtSverhaltnisse inscwcit keine Anwendung, als die Klage nur die Natnr eines Anspruchs auf Erfüllung oder Er­ satz deS Werths wegen verweigerter Erfüllung hat"'"). — Die Fälle, die zu den Zweifeln und zu der Deklaraticn besonder« Veranlas­ sung gegeben hatten, die Ansprüche wegen Beschädigungen, die bei Gele­ genheit öffentlicher Anlagen und bei dem Bergbau oder durch öffentliche Beamte bei ihrer Amtsführung zugesügt worden, sind der kurzen Verjäh­ rung ausdrücklich unterwvrfen. Tie Deklaration hat außerdem noch Bestiuiinungcn getroffen, durch welche sie die kurze Verjährung ausschließt. Von diesen ist die eine eine Ausnahme von ihrem Grundsatz: „wenn der Beschädiger sich mit dem Schaden deS Andern einen Vortheil verschafft hat, so tritt die ordentliche Verjährung ein, so weit der Anspruch deS Be­ schädigten die Höhe jenes Vortheils nicht übersteigt." Die Bereicherung, die dem Beschädiger zugefallen, schließt den §. 54. au«, wenn er auch sonst auf den Beschädigungsfall anwendbar wäre'"). Diese Ausnahme trägt ihre Rechtfertigung in sich selbst, zeigt aber doch zugleich, daß die Vorschrift deö §. 54. an sich unbillig ist. Die anderen Bestimmungen dagegen sind keine Ausnahmen, sondern nähere Erläuterungen deS Grund­ satzes: die Vergütigung für das zu öffentlichen Anlagen und zum Berg­ bau abzutretende EigenthnmS- oder Nntznngörecht ist der ordentlichen Ver­ jährung uiNerworfen. Keine Ausnahme ist dies, weil hier die Pflicht zur Vergütigung aus dem AbtrelungSgeschaft entspringt, welches, obschon eS erzwungen wird, doch den Eharakter eines Veräußerung-vertrages nicht einbüßt. Die Praxis bezieht mit Recht diese Bestimmung auch aus nur theilweise Schmälerung oder Einschränkung eines Eigenthums- oder RießbrauchSrechtS""). Ebenso erklärt sich die weitere Bestimmung der Dekla­ ration, daß der Anspruch deS Staates oder desjenigen, in dessen Dienst ein Beamter steht, auf Ersatz deS Schadens, den ihm der Beamte in seiner Amtsführung zugefügt ha», in dreißig Jahren verjährt, daraus, daß hier ein bestehendes RechtSverhältniß (das Dienstverhältniß) verletzt worden ist"). — Die Praxis schließt mit Recht ferner alle Ansprüche von der kurzen Verjährung aus, welche aus außerkontraktlichen Beschädigungen '•) Dadurch ist zugleich ausgesprochen, daß §. 54. nur da Anwendung sindc» lau», wo dem Beschädigten nur eine EiitschädigmigSklage, nicht auch noch eine andere Klage gegeben ist. Deßhalb ist er ausgeschlossen bei den Kondiklioneu, bei Be­ schädigungen, die a»S Handlungen entstanden, welche durch Exekution erzwungen worden. Entsch. B. 15. S. 97. B. 27. S. 231. ”) Deßhalb ist der Dieb auch nach drei Jahren noch der Klage uuterworseu. Entsch. B. 32. S. 34. Striethorst B. 35 S. 324. ES ist auch einflußlos, ob der Be­ schädiger de» Bortheil noch hat. ") RechtSsälle B. 4 S> 401. S. 74.

5I. Deklaration Nr. 2.

Grnchot B. 1. S. 284.

B. 4. S. 127. Nr. 1.

B. 6.

Z. 111.

Die Einrede der Verjährung-

811

entsprungen, dem Betrage nach vertragsmäßig festgestcllt worden sind, oder für deren Einklagung vertragsmäßig gewisse Voraussetzungen bedungen sind, oder wenn der Beschädiger schon rechtskräftig zur Entschädigung verurtheilt worden, und der Betrag derselben nachträglich ststgestellt werden soll"). DaS Gesetz knüpft den Beginn der Verjährung an Zweierlei: an die Kenntniß vom Dasein des Schadens und an die Kenntniß vom Ur­ heber de- Schadens. Der Schaden ist nicht immer gleich vollstän­ dig zu übersehen, sein erster Eintritt erschöpft nicht immer seinen ganzen Umfang, fortlaufend kann er sich erneuern. DaS Obertribunal hat durch Plenarbeschluß den Grundsatz ausgesprochen"): „die dreijährige Verjäh­ rung trifft auch in den Fällen daS ganze Recht, wo der an» einer Handlung entstehende, dem Beschädigten bekannt gewordene Schaden so beschaffen ist, daß er, obwohl im wechselnden Umfang, sich anch In der Zukunft erneuert." Entscheidend ist also für den Anfang der Verjährung nur die Kenntniß von dem Eintritt (dem „Dasein"), nicht von dem Um­ fang und der Dauer de» Schade«». Ferner kann zweifelhaft sein, ob diejenige Person, welche der Beschädigte für den Urheber dcS Schadens hält, welche Ihm als solche bekannt geworden, eS auch wirklich ist, es kann diese Feststellung noch abhSngcn von einem Prozeß zwischen den Parteien, in welchem sie über die Rechtmäßigkeit der beschädigenden Handlung streiten, oder von einem UntersuchungSverfahren, welches über die T hä terschaft zu entscheiden hat. Soll hier die Verjährung beginnen von dem Moment, wo diese Feststellungen wider den Beschädiger erfolgt sind? die Praxis hat die- verneint "): eS ist nur verlangt, daß die Person des Urhebers zur „Wissenschaft" d. h. zur sichern Kenntniß des Beschädigten gelangt ist, und diese Wissenschaft wird dadurch allein nicht ausgeschlos­ sen, daß sich die Parteien über die Rechtmäßigkeit der Handlung streiten oder ein Untersuchungsverfahren noch schwebt, letzteres um so weniger, als selbst ein sreisprechendeS Erkenntniß doch nur die Strafbarkeit, nicht die Ersatzverbindlichkeit beseitigt"). Der Beginn der Verjährung wird gehindert durch die Minder­ jährigkeit deS Beschädigten"); ihr Vaiif wird nn terbrochen durch jede Handlung, welche sich alS gerichtliches Einklagen des Entschädigungsan22) Ansprüche aus Afsekurauzverträgen (Lutsch. B. 22 S. 283. Striethorst B 3 S. 328. Gruchot B. 4 S. 128. Nr. 3. — Striethorst B. 49. S. 298. 2*) IustMiu.Bl. 1846 S. 131. Entsch. B. 13. £. 19. -Gruchot B. 4 S. 130 Nr. 7. Heydemann 1. S 308 Note 567. Bergt. Striethorst B. 61. S. 316. ") Pl.Deschl. Iust.Miu.Bl. 1850. S. 189. (Lutsch. H. 19 S. 3. Dazu Striethorst 25. S- 236. Gruchot H. 4. S 129 Nr. 6. 25) S- Förster bei Gruchot B. 2. S- 355 sg. 2e) Gruchot B. 7. S 540. Im Gegensatz zum Gesetz v. 31. März 1838, wo die Minderjährigkeit nicht berücksichtigt wird. Oben S. 297 Note 42.

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Zweites Buch.

sprnchS charäkterisirt.

Die besonderen Privatrechte.

Hier kann nur zweifelhaft sein, ob die Anzeige bei

dem Staatsanwalt zum Zweck der Verfolgung des Beschädigers als Unter» brechungshandlnng aufzefaßt werden darf. Gruchot") nimmt es an, doch, wie es scheint, ans nicht haltbaren Gründen, denn die Vorschrift der Kriminalordnnng°°) über die Berücksichtigung des CivilpnnkteS Lei der Untersuchung ist, da dem heutigen Untersuchungsverfahren der s. g. Adhä­

sionsprozeß fehlt, eine inhaltlose Phrase geworden,

und die Anzeige Lei

dem Staatsanwalt kann nicht anfgefaßt werden als gerichtliches Einklagen

des Schadens, welches das Gesetz ausdrücklich verlangt, so daß hier selbst nicht die Klageanmeldung wie sonst die Verjährung unterbricht, und wel­

ches jedenfalls den Antritt des gehörigen Richters verlangt^), der doch in dem Staatsanwalt nicht gefunden werden darf.

Endlich unter­

scheidet sich die Verjährung der Entschädignngsklage von der ordentlichen

Verjährung dadurch, daß bei ihr der schlechte Glaube des Beschädigers

einflußlos ist80), wodurch die sonderbare Anomalie entsteht, redlichkeit des boshaftesten Beschädigers der Vertragsschuldner sich

eines solchen Schutzes

Das sind die Folgen so abnormer Gesetze.

,T) “) ”) «)

Gruchot B. 4. S. 128 Nr. 4. §. 6. 68. 69. Krim-Ordn. I. 9. §.551. B.LR. Koch, R. d. F. II. S. 545.

daß die Un­

sehr bald geschützt ist, während

nie zu erfreuen hat.