Theorie und Praxis des heutigen gemeinen preußischen Privatrechts auf der Grundlage des gemeinen deutschen Rechts: Band 1 [2. Aufl., Reprint 2021] 9783112410905, 9783112410899


214 99 68MB

German Pages 811 [818] Year 1869

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Theorie und Praxis des heutigen gemeinen preußischen Privatrechts auf der Grundlage des gemeinen deutschen Rechts: Band 1 [2. Aufl., Reprint 2021]
 9783112410905, 9783112410899

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Theorie und Praris des

heutigen gemeinen preußischen

Privatrechts auf der Grundlage des geineinen deutschen Rechts.

Bon

Franz Förster, IH

d R Geheitnen Zustizralh unfc Vvrtraqcndem iJiatb int allstljiniNlsterlUM.

I.

Ban d.

Zweite Anklage.

Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer. 1869.

Förster, Preußisches Privatrecht.

Vorwort z u x erste n Auflag e.

öiir die Bearbeitung der einzelnen deutschen Landesrechte ist eS in doppelter Hinsicht unabweisbar, das gemeine Recht nicht bloß zu einer äußerlichen Vergleichung zu benutzen, sondern als Grundlage zu nehmen: einmal für die Erkenntniß der Landesrechte selbst, um dadurch nachzu­ weisen, daß sie nur Zweige an einem nnd demselben Stamme sind, auS dem sie fort und fort ihre Nahrung ziehen; sodann für das gemeine deutsche Recht, welches in ihnen eine eigenthümliche Gestaltung, eine Art von Ab­ schluß erlangt hat, der nothwendig auf seine fernere Entwicklung zurück­ wirkt. Es ist auch in neuerer Zeit immer mehr erkannt worden, daß die Auffassung, es seien die Landesrechte isolirte Schöpfungen freier Gesetzge­ bung, die Rechtsbildung auf beiden Gebieten nicht fördert. Aber soll diese innige Verbindung des gemeinen mit den Landesrechten wirklich fruchtbrin­ gend werden, so muß sie selbst eine fortschreitende sein; es darf daS Landesrecht nicht nur aus dem Standpunkt erörtert werden, den das ge­ meine zur Zeit der Gesetzgebung darbot, cs muß vielmehr auch die spätere Entwicklung des letzteren für die des Landesrechts nutzbar gemacht wer­ den. Oder man verzichte auf die weitere Entwicklung des letzteren, stelle es außer den Fluß der Geschichte und gebe es dem Absterben Preis. Denn das ist nun einmal nicht zu leugnen, daß die gemeinrechtliche Wissenschaft und Praxis, weil sie weniger durch den Buchstaben gebunden ist, sich mannichfaltiger, freier, kühner entfalten kann, daß das Leben in ihr ein frischeres, die Erfolge reicher und unmittelbarer sind. Wäre auch auS ihr nicht positive Bereicherung für die einzelnen Rechtssätze zu gewin­ nen, schon daß man Theil nehme an diesem frischeren Geiste, muß der Wissenschaft der Landesrechte reichen Gewinn bringen. Zwar wird hierbei sich oft ergeben, daß die Landesgesetzgebnng einen von der heutigen Wissen­ schaft längst verlassenen oder überwundenen Standpunkt festgehalten, daß sie Sätze ausgenommen hat, die heute als Irrthümer erkannt sind. Selbst

solche Erkenntniß ist unstreitig ein großer Vortheil. Andererseits aber wird man auch oft zu der Einsicht gelangen, daß Bestimmungen des Lan­ desrechts einen tieferen Grund haben, während man bisher sich bei der Annahme beruhigte', daß sie Schöpfungen einer willkürlichen Reflexion seien. Hierzu hilft wesentlich die neuerdings mit Vorliebe und Erfolg unternommene dogmengeschichtliche Behandlung der einzelnen Rechtsinstitute, deren Ergebnisse darauf hingeführt haben, daß Vieles, was bisher als Mißbildung verworfen wurde, als Fortbildung erwiesen ist, die in nationalen und modernen Bedürfnissen ihre Rechtfertigung findet. Die s. g. historische Schule hat ihre Sendung erfüllt: das Material des gemeinen Rechts, dieses eigenthümlichen Gebildes aus heimischem und fremdem Stoff, ist von ihr nach seinen Ursprüngen gesichtet, gewissermaßen noch einmal durch einen kritischen Reinigungsprozeß hindurch getrieben worden. Jetzt ist man wieder dabei, es inniger zusammenzusügen. Die moderne Eivilislik hat den Gedanken klar und bestimmt erfaßt, daß sich daö deutsche Recht als Ganzes nicht verstehen läßt, wenn man es in zwei Hälften spaltet, und jede für sich abgesondert wissenschaftlich pflegt, daß vielmehr aus beiden ein organisches Ganze erarbeitet werden muß. Und grade diese neuere Richtung der Rechtswissenschaft ist für das A.L.R. von besonderer Wichtigkeit, weil was jene heute erstrebt, dieses bereits vor 70 Jahren erreichen sollte: freilich heute mit anderen Kräften und anderer Einsicht. Aber darum ist es auch nützlich, den Maßstab des Heute an die Leistung des Damals zu legen; es wird dadurch eine tiefere Erkenntniß der letzteren gewonnen, man wird sich ihrer Irrthü­ mer und Vorzüge klarer bewußt werden. Dazu kommt, daß das preußische Recht seitdem vielfach verändert worden. Das A.L.R. hat jetzt selbst schon seine Geschichte, mehr und mehr ist es so zu sagen in einen histo­ rischen Hintergrund getreten. Zwar ist es noch die bei weitem bedeu­ tendste und reichste, keineswegs aber heute die einzige Quelle des PrivatrechtS. Die Thätigkeit der neueren Gesetzgebung hat Vieles und Wichti­ ges geändert, die Entwicklung des Verkehrs die Rechtsinstitute vermehrt, die Praxis hat bestimmter gestaltet, weiter gefördert. Dadurch ist das preußische Privatrecht zu einem großen Theil modernisirt worden und man wird diesen Modernisirnngsprozeß, seinen Ursprung und seine Ziele nicht verstehen, wenn man nicht fortgesetzt die neuere Rechtsentwicklung in Deutschland beobachtet und zur Vergleichung heranzieht.

Trotz mancher tüchtiger Pflege, die dem preußischen Privatrecht zuge­ wendet worden, darf man sich doch der Einsicht nicht verschließen, daß die preußische Rechtswissenschaft sich auf dem Standpunkt der gemeinrecht­ lichen noch nicht befindet. Denn wie hoch man auch die Verdienste Koch's um dieselbe schätzen mag, wahr ist es doch, daß er im Wesentlichen auf

dem wissenschaftlichen Standpunkt der dreißiger Jahre stehen geblieben.

Selbst die neuesten Auflagen seiner Schriften bringen in dieser Hinsicht keinen Fortschritt, sie enthalten Nichts von den Bewegungen, die seitdem in der deutschen Jurisprudenz hervorgetreten, Litteratur und Praxis der­ selben sind großentheils unbeachtet geblieben, weder hat er die germanisti­ schen Elemente in unserem Gesetzbuch, noch die Gestaltung, die das

römische Recht als gemeines deutsches im Laufe der Zeit erhalten, überall richtig gewürdigt. In dem Werk, dessen Veröffentlichung hiermit begonnen wird, soll versucht werden, das heutige preußische Recht von dem Standpunkt der heutigen Wissenschaft zu erörtern. Die neuere deutsche Theorie und Praxis haben daher umfassende Berücksichtigung gesunden, auch ist die Praxis des A.L.N. in den anßerprenßischen Ländern (Baiern) nicht un­ benutzt geblieben. Daß die neueren großen Legislationen, zu denen 1863 das zwar schon pnblizirte aber noch laicht in Giltigkeit getretene sächsische Civilgesetzbuch hinzngekommen ist, zur Vergleichung herangezogen sind, be­ darf nicht besonderer Rechtfertigung. Wenn aber auch die Absicht des Verfassers dahin geht, das preußische Privatrecht vollständig darznstellen — so mußte doch eine Grenze darin gefunden werden, daß eben nur preußisches Recht den Gegenstand bilde und dies führte zum Ausschluß derjenigen Gebiete, welche jetzt nicht mehr den Charakter des preußischen Rechts haben, sondern Preußen mit Deutsch­ land gemeinsam finb: des Handels-, Wechsel-" und Seerechts. Dieselben erfreuen sich übrigens jetzt einer so lebhaften wissenschaftlichen Pflege, daß

ein Bedürfniß zur Vermehrung dieser. Leistungen dem Verfasser nicht vor­ zuliegen scheint. In der Lehre von den Schuldverhältnissen ist jedoch das deutsche Handelsgesetzbuch berücksichtigt worden.

Dankbar für die Belehrung/ die die bisherigen Arbeiten dem Ver­ fasser geboten und auf die er sich vielfach hat stützen können, übergiebt er hiermit den ersten Band dem juristischen Publikum in der doppelten Hoff­ nung, Etwas beigetragen zu haben zur Erreichung des Zieles, die preußische

Rechtswissenschaft und Praxis in nähere Beziehung zur gemeinrechtlichen zu bringen, und den preußischen Juristen, von denen ein großer Theil fern von aller Beriihrnng mit der fortschreitenden Wissenschaft in ent­ legenen Provinzialstädten sein Amt verwalten muß, eine Gabe zu bieten, die ihm diese Fortschritte zugänglich macht, die in der Ausbildung begriffe­ nen jungen Männer aber darauf hinzuführen, daß, wie Savignh in seiner Borrede zum System so wahr sagt, der Sinn, für die Wissenschaft im praktischen Geschäft selbst stets lebendig bleiben muß, daß die bloße Gewandhcit und Leichtigkeit in der Auffassung und Beurtheilung einzelner Rechtsfälle — wie schätzenswcrth diese Eigenschaft auch sein mag — doch nicht gegen Oberflächlichkeit sichert, diese vielmehr nur durch ein ernstes, gewissenhaftes, nnablässiges Studium der Wissenschaft vermieden wer­ den kann. Greifswald, Ostern 1864.

Vorwort zur zweiten Auflage.

L^ie zweite Auflage enthält eine Reihe von Berichtigungen und Zu­ sätzen; einer erheblichen Umarbeitung mußte in Folge der neueren Gesetz­ gebung der §. 68. unterworfen werden. Dagegen konnte nur in den Noten auf die jetzt im Fluß befindliche Reform auf dem Gebiete deS JmswMiärsachenrechts hiugcwicseu werden, weil zur Zeit noch nicht zu übersehen ist, wann sie zum Abschluß gelangen und welchen Erfolg sie haben wird. Der Verfasser hat die der ersten Auflage zu theil gewordenen Be­ urtheilungen sorgsam geprüft und sich der Erwägung, ob das Werk tiefer greifende Aenderungen, insbesondere in Betreff der systematischen Anord­ nung erleiden müsse, nicht entzogen, ist jedoch zu einem verneinenden Er­ gebniß gelangt. Es ist ihm Bedürfniß, sich herüber'zu rechtfertigen. Bemängelt worden ist, daß in dem s. g. allgemeinen Theil, der in dem Werk die Bezeichnung der Grundbegriffe erhalten hat, nicht Mehren ihren Platz gefunden haben, die, wie die Lehre von den Verträgen, vom Besitz, von der Anfechtung der Rechtshandlungen zahlungsunfähiger Schuld­ ner, besser hier als im s. g. besonderen Theil stehen würden. Sticht un­ absichtlich oder ans Sucht nach Eigenthümlichkeiten hat der Verfasser die Bezeichnung „Grundbegriffe" für den allgemeinen Theil gewählt. Er hat dadurch anzeigen wollen, daß nach seiner Ansicht der allgemeine Theil nicht der Ablagerungsort für solche RechtSmstitute sein dürfe, die man anderwärts nicht untcrzubriugen wisse, daß in den allgemeinen Theil überhaupt nicht die Darstellung konkreter Rechtsinstitute, sondern in der That nur die allen oder vielen derselben zu Grunde liegenden allge­ meinen Rechtsbegriffe gehören. Das kann freilich im einzelnen Fall Zweifel übrig lassen, so ist namentlich die systematische Stellung des paullianischen Anfechtungsrechts im Obligationenrecht nicht ohne Bedenken, weil durch dasselbe nicht bloß Vertragörechte, sondern auch Eigenthums­ rechte angegriffen werden. Dergleichen Zweifel, die übrigens mehr oder

weniger gegen jede systematische Anordnung erhoben werden können, er­ fahren aber wohl am einfachsten und natürlichsten ihre Lösung dadurch, daß jeder Lehre im System eine solche Stellung angewiesen wird, welche ihre hauptsächliche Eigenthümlichkeit am besten hervortreten läßt, so zu sagen a potiori genommen ist. Und von diesem Gesichtspunkt auS scheint sich auch die Stellung des panllianischen Rechtsmittels zu rechtfertigen. Mehrfach ist in den Beurtheilungen dieses Werk mit dem von Unger über das österreichische Privatrecht in Vergleich gebracht und dabei mit Recht darauf hingewieseu worden, daß eine gleiche Bedeutnug, wie sie das letztere für das gemeine Recht in Anspruch zu nehmen hat, dem vorliegen­ den nicht beigelegt werden kann. Dankbar erkennt der Verfasser die reiche Anregung und Belehrung an, die ihm Ungers Werk geboten hat. Als er aber den Plan für seine Arbeit entwarf, konnte ihm nicht entgehen, daß eine Darstellung des preußischen Rechts bei der fast erdrückenden Masse seines Details und seines übergroßen Stoffreichthums weit weniger Raum gewähre für selbständige Untersuchungen, die dem Gebiete des ge­ meinen Rechts angehörten. Er mußte sich daher in dieser Beziehung noth­ wendig Beschränkungen auferlegen, während bei einer Bearbeitung des österreichischen Rechts in Folge des viel kompendiöseren Charakters des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs die Lehren des gemeinen Rechts in einem breiteren Strom hineingeleitet werden konnten, und für ausführ­ liche Erörterungen gemeinrechtlicher Kontroversen mehr Raum geboten war. Dazu kommt, daß dem Verfasser, vielleicht in Folge seines Lebens­ berufs, nahe lag, der gemeinrechtlichen Praxis eine größere Berück­ sichtigung zu widmen, als dies bisher in den Lehr- und Handbüchern ge­ schehen ist. In der gemeinrechtlichen Praxis vollzieht sich täglich der noch keineswegs abgeschlossene Prozeß der Rezeption des fremden Rechts, sie darf nicht einseitig das Gebiet des Privatrechts in zwei getrennte Felder, ein romanistisches und germanistisches, zertheilen, wie dies leider noch aus­ schließlich und zum größten Nachtheil für die Rechtsentwickelung in Deutsch­ land in der Doktrin geschieht. Darum giebt aber auch die Praxis zur Zeit ein viel unmittelbareres und viel richtigeres Bild von dem wirklichen, geltenden Recht, als es ans den Lehr- und Handbüchern gewonnen wer­ den kann. Berlin, Weihnachten 1868.

Uebersicht des Systems.

Einleitung. Erstes Buch. Die Grundbegriffe. Erster Theil. Das Recht. Zweiter Theil. Die Berechtigung. Zweite- Buch. Die besonderen Privatrechte. Erster Theil. Die persönlichen Rechte oder die Lehre von den Schuldverhältnissen. Zweiter Theil. Die dinglichen Rechte. Dritter Theil. Das Familienrecht. Vierter Theil. Das Erbrecht. Fünfter Theil. Das Gesellschaftsrecht.

Jnhaltsverzeichmß des I. Bandes. Einleitung. §. 1. §• 2.

§. 3. §. 4. §. 5.

§. 6. §. 7. §. 8.

«Seite

Geschichtliches..................................................................................................... 1 Das allgemeine Landrecht und die allgemeine Gerichtsordnung ... 6 Redaktion deS A.L.R. 6. Quellen. 8. Publikation. 9. Redaktion der A.G.O. 9. Verhältniß beider Gesetzbücher zu einander. 10. Spätere Gesetzgebung..........................................................................................11 Erster Anhang. 11. Revisionsarbeitcn. 11. Giltigkeit des A.L.R. als gemeinen Rechts........................................................12 Verhältniß zu den Provinzialrechten. 12. Giltigkeit des A.L.R. als Rechts der Preußischen Staaten............................13 Theilweise Suspension. 14. Einführung in die neuen Provinzen. Ge­ meines und französisches Recht. 15. Beurtheilung des A.L.R........................................................................................... 15 System deö A.L.R......................................................................................................20 System dieses Werks. 22. Anhang: System der anderen Gesetzbücher. Wissenschaft des preußischen Rechts.................................................................. 23

Erstes Buch.

Die Grundbegriffe.

Erster Theil.

Das Recht.

Erstes Kapitel.

§. 9.

Das Gesetz............................................................................................................... 31 Das Gesetz als vorherrschende Quelle des preußischen Rechts. 32. Unter­ schied von Gesetz und Verordnung. 33. Prüfung der Gesetzmäßigkeit durch die Gerichte. 33. Publikation. 34. Giltigkeit des Gesetzes. 34.

§. 10.

Zeitliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze...................................... 36 Nicht Rückwirkung. 37. Besonders bei Gesetzen über das Dasein von Rechten. 38. Rechts- und Handlungsfähigkeit. 40. Verträge. 40. Form der Rechtsgeschäfte. §. 43. I, 3. A.L.R. §. 17. Einl. 41. Widerrecht­ liche Beschädigung; Eigenthum; dingliche Rechte. 43. Familienrecht. 44. Erbrecht. 45. Prozeßvorschriften. 46 Oertliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze................................. 47

§. 11.

Staatsverträge. 47.

System der Stammrechte, der Landesrechte, der

InhaltSverzeichniß des I. Bandes.

xm Seite

§. 12.

§. 13.

Gleichberechtigung. 48. Personals Real-, gemischte Statuten. 48. Grund­ satz nach Savigny. 48. Wohnsitz, Herkunft. 50. Rechts- und Hand­ lungsfähigkeit. 50. Permögensrecht. 52. Obligationen. 54. Form der Rechtsgeschäfte, locus regit actum. 54. Inhalt und Wirkung der Rechts­ geschäfte. 55. Gesetzliche Obligationen. Delikte. 57. Familienrecht. 57. Erbrecht. 59. Prozeßgesetze, Klagenverjährung. 60. Retorsionsrecht 62. Auslegung der Gesetze...........................................................................................62 Grammatische, logische Interpretation. 63. Register, Marginalien. Publ. Pat. §. IX. 64. Landtagsverhandlungen. 65. Analogie................................................................................................................. 65

Zw eites Kapitel. §. 14 Das Sonderrecht und Privilegium..................................................................... 67 * Drittes Kapitel. §. 15. Erlasse des Königs und der Behörden............................................................... 68

Bier 1 eS Kapitel. Das Gewohnheitsrecht. §. 16. Das Volksrecht............................................ Observanz. 70. §. 17.

69

DaS Iuristenrecht.................................................................................................72 Präjudikate des Obertribunals. 72.

Zweiter Theil. Die Berechtigung. Erstes Kapitel. §. 18. Begriff und allgemeine Grundsätze.....................................................................74 Rechtssätze, Rechtsverhältnisse Rechtsinstitute. 74. Berechtigung. Rechts­ erzeugende Thatsachen. Wohlerworbene Rechte, Rechtserwanungen. Selb­ ständige, abhängige Rechte. 75. Haupt- und Nebenrecht. Verbindlich­ keit. Absolutes, relatives Recht. 76. Inhalt, Gegenstand. Theilbarkeit. Berechtigung als Macht. 77. Ausübung. 78. Beschränkungen der Rechtsausübung auS sittlichen, öffentlichen Gründen. 78. Kollision. 79. Veräußerung. 81. Untergang. 82. Präklusion. 82. Zweites Kapitel. §. 19. Das Rechtssubjekt, die Person.......................................................................... 83 Begriff der Rechts- und Handlungsfähigkeit. 83. Leibesfrucht. 84. Ge­ burt. 84. Tod. Verschollenheit. 85. Todeserklärung. 86. Geschlecht 89. Alter. 89. Religion, Ehre. Geburtsstände. Krankhafte Körper- und Seelenzustände. 90. Verschwender. 91. Juristische Personen. Publikum. 92.

Drittes Kapitel. Das Rechtsobjekt. §. 20. Begriff der Sache.................................................................................................92 Auslegung des §. 3. I, 2. A.L.R. 93. §. 21. Eintheilung der Sachen......................................................................................95 Körper, individuelle Sachen, Inbegriff. 95. Facti. 95. Juris. 96. Be­ wegliche, unbewegliche S., Substanz. Grund und Boden. Oberfläche. Ländliche, städtische Grundst. 98. Theilbare, untheilbare S. Verbrauch­ bare, vertretbare S. 99. In und außer dem Verkehr. 100. Frucht. Nutzen, Nutzung. 101. Haupt - und Nebensache, An- und Zuwächse. 102. Pertinenz. 103. Rechte. 105. §. 22. Werth der Sache, rechtliches Interesse..............................................................107 Gebrauchs- und Tauschwerth. 107. Waare, Preis,,Geld. 108. Ge­ meiner, außerordentlicher und Werth der Vorliebe. 109. Höherer und mittlerer Werth. Pretium succedit in locum rei. HO.

InhaltSverzeichniß des I. Bandes.

XIV

Seite Viertes Kapitel. Die rechtliche Beziehung des RechtösubjektS auf das Objekt.

1. Abschnitt. , §. 23. Die allgemeine Natur dieser Beziehung....................................................... 112 Dingliches und persönliches R. 113. Erkennbarkeit des dingl. R. 116 Titel u. Modus. 117. Besitzergreifung. 119. Eintragung. 121. Kol« lision beider Erwerbsarten. 122. Inkonsequenzen. 123. Modus nicht erforderlich. 123. Der gute Glaube im Sachenrecht. 124. 2. Abschnitt. Ursachen der Berechtigungen. §. 24. Allgemeines....................................... Thatsachen: Handlungen und Begebenheiten. 127. Kontinuität des Rechts. 128.

1. Abtheilung.

127 Rückziehnng. 128.

Tie Handlungen und WillFNserkläruligen, Rechtsgeschäfte.

§. 25.

Der Begriff............................ ..... ■....................................... 129 Handlungen. 129. Unterlassungen Rechtliche, widerrechtliche. Rechts­ geschäft. Einseitig, zweiseitig. 130. Vertrag. Entgeltlich, unentgeltlich. 131. Unter Gebenden, von Todeswegen. Folgen der Handlungen. 131.

§. 26.

I. Tie Handlungsfähigkeit ...............................................................................132 Unfähigkeit aus natürl. Gründen. 132. Aus Gründen des Gesetzes. 135. Insbesondere die Zurechnung..............................................................................136 Begriff. 136. Vorsatz, Versehen. 137. Sorgfalt. 137. Grade des Ver­ sehens. 139. Zufall. 141. II. Die Verfügungssähigkeit..............................................................................141

A.

§. 27.

§. 28.

B. §. 2$.

§. 30.

§. 31.

Tie WillenSsähigkeit.

Der WittenSentschlujz.

I. Freiheit. Zwang.........................................................................................144 Physische, psychische Gewalt. Furcht. Drohung. 145. Nichtig oder an­ fechtbar. 146. I. Freiheit. Irrthum . ................................ 148 Wesentlicher Irrthum. 149. Unwesentlicher 150. I. Freiheit. Betrug...............................................................................................151

Exe. doli generalis. 153. §. 32. §. 33.

II. Ernst. Scherz und Schein........................................................................ 154 III. Gewißheit.....................................................................................................155

§. 34.

C. Die Willensäußerung. I. Arten .............................................................................. Ausdrückliche, stillschweigende, vermuthete Erklärung.

§.35.

§.36.

§. 37.

155

II. Inhalt. a. Unbeschränkter Wille................................................................................... 157 Wesentliche, natürliche, zufällige Bestandtheile. b. Selbflbeschränkter Wille. Bedingung....................................... 158 Keine Nebenbestimmung. Beschränkung des Daseins des Willens. 159. Bedingtheit des Rechtsverhältnisses, nicht des Rechtsgeschäfts. Definitio­ nen. 160. Ereigniß. 161. Ungewißheit. 162. Nothwendige, unmögliche, unerlaubte, affirmative, negative B. 163. Aufschieben, auflösen. 163. Wirkung während des Schwebens. 164. Entscheidung, Existenz, Deficienz. 166. Wirkung der /uneigentlichen B. 170. Bedingung nicht vermuthet. 171. Willenserklärungen, die nicht bedingt sein dürfen. 172. Zeitbestimmung.................................................................................................... 172 Unterschied von der Bedingung. 174.

Inhaltsverzeichniß des I. Bandes.

§. 38.

XV

Seite Zweckbestimmung.................................................................................................... 175

Voraussetzung. 176. §.39. c. Nebeninhalt der Willenserklärung:Beweggrund und Beschreibung . 179 §. 40. III. Form der Rechtsgeschäfte.................................................... 181 §.41. Ungiltigkeit der Rechtsgeschäfte und deren Heilung . ....................................... 184

§.42.

§. 43. §. 44.

Nichtigkeit. Anfechtbarkeit-. 185. Konvalesceuz, Konversion. 189. An­ erkennung. 189. Entsagung der Einwendungen. 192. Mitwirkung, Stellvertretung und nachträgliche Zustimmung . . . 192 Mitwirkung. 193. Stellvertretung. 194. Ratihabition. 197. Auslegung der Rechtsgeschäfte . . . ............................................ 198 Widerrechtliche Handlungen............................................................................. 199

2. Abtheilung.

Thatsacheü.

Zeitablauf.

Berechnung derzeit . . . ................................................... 200 Verjährn^. Allgemeines . . ................................................................... 204 Kein Jurist. Gattungsbegriff. 204. Naturrechtliche Verallgemeinerung deö Begnsss. 205. Systematische Stellung der Lehre. 206. Gemeinsame Grundsätze für beide Arten der Verjährung. 208. Zeitablauf. Unter­ schied von Frist. 209., von Zeitbestimmung und Gewohnheitsrecht. 211. Erlöschende Verjährung kein allgemeines^Nechtsinstitut. 211., desgl. die erwerbende V 212. Hinderniß des Anfangs der V. 214. 3. Abschnitt. Schutz der Berechtigung. §. 47. Die Rechtsverletzung.....................................,.................................................. 217 §. 48. I. Vorbeugender Schutz gegen Rechtsverletzung............................................218 Kaution. 218. Protestation, Reservation. Arrest. 219. Sequestration, Vermögensverzeichnisse, Rechnungslegmig. 220. §. 45. §. 46.

§. 49.

§. 50.

§. 51.

§. 52.

II. Wiederherstellender Schutz. A. Außergerichtlich. Selbsthilfe............................................................. .'........................................... 221

Arten der Selbsthilfe. 222. Pfäudnngörecht. 222. Zurückbehaltung. 225. B. Gerichtlich. 1. Die Klage, a. Begriff. Bestandtheile. Arten................................................................... 226 Verschiedene Auffassungen. 226. Klagegrund. 228. Antrag. 229. Eintheilung in dingliche und persönliche Kl. 229. Kl. auf Anerkennung u. Verurtheilung. Petitorische, possessorische. 231. Einfluß der Klaganstellung auf das Recht................................................. 232 Grundsatz. 232. Zeitpunkt des Eintritts. 233. Sicherung der Verur­ theilung. 233. Bestimmung des Umfangs der Verurtheilung. 235. Konkurrenz der Klagen................................. '.................................................. 238

§.53.

2. Die Einrede ....................................................................................................241 Gegensatz von Verneinung und Einrede. 241. Drei Klassen von Einreden. 243. Zerstörende, aufschiebende, gemischte Einreden. 245. Re­ plik.' Duplik. 246. Nicht von Amtswegen. 247. Prozessualische Be­ günstigung. '248.

§. 54.

3. Der Beweis.............................................................................................. 250 Begriff. 251. Haupt- liiib Gegenbeweis. 251. Interlokut und Reso­ lut. 252. Beweislast. Grundsatz. 252. Vermuthungen. Fiktionen. 253. Beweissatz. 254. 4. Daö Urtheil. a. Begriff und Umfang der Rechtskraft.......................................................256 Begriff. 256. Beginn. 257. Präjudizirende Bedeutung des Strafur-

§. 55.

XVI

InhaltSverzeichniß des I. Bandes.

Seite theils für den Civilprozeß. 258. Verurtheilen, Abweisen 259., zur Zeit, in der angebrachten Art, wegen Unzuständigkeit. 260. Prozessualische Rechtskraft. 261. Tenor und Gründe. 261. Präjudizialentscheidungen. 264. §. 56. b. Die Wirkung der Rechtskraft...................................................................266 Iudikatsklage. 267. Ausländische Erkenntnisse. 268. Wirkung gegen Dritte. 268. Gegenstand und Umfang dieser Klage. 270. Einreden. 271. Iudikatzinsen. 272. Einrede der Rechtskraft. 272. Subjektive Identität. 274. Objektive. 275. 5. Verlust des Klage- und Einrederechts. §. 57. a. Verjährung durch Nichtgebranch..................................................................277 1. Anfang, Begriff des Nichtgebranchs. 278. Actio nata. 280. Bei Kündigungen. 282. 2. Zeitraum. 285. 3. Unterbrechung. Anmel­ dung der Klage. 287. Gegenseitiges Anerkenntuiß. 290. Einseitige Mahnung. 291. 4. Wirkung. 292. 5. Geltendmachung. 294. 6. Ver­ träge. 295. 7. Verjährung der Einreden. 295. §. 58. b. Diffamation.................................................................................................... 297 §. 59. c. Sonstige Gründe.........................................................................................300 1. Tod. 300. 2. Gebrauch der Einrede. 301. 3. Entsagung der Ein­ rede. 4. Verlust der Einrede zur Strafe. 301. §. 60. 6. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand................................................. 302

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte. Erster Theil. Die persönlichen Rechte oder die Lehre von den Schuldverhältnissen. Erstes Hanptstück.

Die Grundlehren.

Erster Abschnitt. Der Begriff und die Arten............................................ 307 Heutige Geltung und Aenderung des röm. Obl.R. 307. Systematische Stellung. 309. Römische Definition, deutschrechtlicher Standpunkt. 309. Begriffsbestimmung im A L. R. 310. Savigny's und Puchta's Defi­ nition. 311. Recht zur Sache. 311. Naturalobligation. 312. Nach preußischem N. 315. Zweiter Abschnitt. Die persönliche Theilnahme. §. 62. Gläubiger und Schuldner...................................................................................318 Einseitige Schuldverhältnisse 318. Zufällig zweiseitige. 319. Mehrheit des Subjekts im Allgemeinen. 319. Standpunkt des römischen und preußischen Rechts. 320. §. 63. Gesammtgläubiger und Gesammtschuldner................................................. 321 Die verschiedenen Theorien. Hasse. Keller. Ribbentrop.. 322. Savigny. 323. Nettere Opposition. 323. Koch. Fitting. 324. Baron 325. Das heutige gemeine Recht. 326. Die Trennung von Korrealliiib Solidarobligationen im heutigen R. kein Bedürfniß. 327. Preuß. R 1. Gesammtforderung. 329. Ueber A.G.O. I, 5. §. 4. Nr. 7. 329. Anwendungen des landrechtlichen Grundsatzes. 331. Verhältniß der Mitberechtigten unter sich. 332. 2. Gesammtschuld. 333. Ueber §. 424. 1, 5. 333. Entstehungsgrüude. 334. Wirkungen. 336. Verminderung der Verpflichtung. 337.' Erschwerung oder Erweiterung. 338. Aus­ gleichungsanspruch (Regreß) 340. §. 64. Unbestimmtheit des Gläubigers....................................................................... 344 Reallasten. Iuhaberpapiere. 345. Uebersicht der Theorien über diesel­ ben 347. Erste Gruppe: Duncker, Savigny, Koch, Thöl, Renaud. 348. Zweite Gruppe: Hoffmann, Unger, Kuntze, Becker. 350. Goldschmidt. 353. I. Pap. von Privatpersonen ausgestellt. Preuß. R. 355.

§. 61.

XVII

Inhaltsverzeichnis deS I. Bandes.

Seite Dritter Abschnitt. Die Leistung. §. 65. Bestimmtheit......................................................................................... -

§. 66.

-

357

Geben, Thun. 357. Wahlobligation. 359. Möglichkeit..........................................................................................................362

Begriff: Unmöglichkeit von Anfang, spätere. 362. Handlungen und Sachen Dritter. 363. Dem Verkehr entzogene S. 363. Nicht existirende S. Unerlaubte, unmögliche Handlungen. 364. §, 67. Theilbarkeit......................................................................................................... 365 Bei Geben, Thun, alternativen Leistungen. 366. Einklagung. 367. Stückweise Erfüllung. Verwandlung untheilbarer Leistung in theilbare. 368. §. 68. Haupt und Nebenlei'stuug. Zinsen .............................................................368

§, 69.

Begriff. 369. Accessorische Natur der Z. 370. Gleichartigkeit mit der Hanptleistung. 370. Zinsfuß. 371. Beschränkungen desselben aufgehoben. 371. Vorauszahlung. 373. Anatozismus. 374. Zins von Zins. 375. Vorbedungene Z. 376. Rückstand. Verjährbarkeit. Klagbarkeit. 377. Quittung. 377. Gesetzliche Z. Verzugs-, Pro­ zeß-, UrtheilSzinsen. 378. Entschädigungszinsen. 379. Natnr des Scha­ denersatzes. 380. Nicht fällig, Verjährung, Klagbarkeit. 381. Quit­ tung und Vorbehalt. 383. Interuiurium. 384. Werth der Leistung..............................................................................................384

Vierter Abschnitt. Die Begründung. §. 70. A. Zustände ..........................................................................................................386 Römische Eintheilung der Oblig. 386. Handlungen und Begebenheiten als Quellen der Oblig. 386. Begriff der Begebenheit. Ex re venit obligatio. Reallasten als Obligationen aus dem Besitz-Zustaude. 387.

B.

Handlungen.

Erstes Kapitel. Rechtshandlungen. §. 71. I. Einseitige Rechtshandlungen . ...................................................................388 Gelübde (pollicitatio, votum). II. Zweiseitige Rechtshandlungen. Die Lehre von den Schuldverträgen. 72. A- Der Begriff und die Arten........................................................................389 Begriff. 390. Eintheilung. 392. Materieller RechtSgrund. 393. Ver­ bal- und Litteralverträge 393. Rcal-, Konsensualverträge. 394. Obli­ gatorische, liberatorische, einseitige, zweiseitige, lästige, wohlthätige V. 394. B. Der Abschluß.

§. 73.

a. Die Personen.................................................................................... . VertragSsähigkeit der Kinder, Unmündigen, Minderjährigen. 395. Der Geisteskranken und Verschwender. 398. Der HauSkinder. 398. Der Ehesrauen. 400. Vorsichtsregeln. 401.

§. 74.

Stellvertreter............................................................................................... . 402 Vater und Vormund. 402. Ehemann. 403. Ehefrau. 403. Ver­ walter einer juristischen Person, Vertreter des Fiskus, Konkursverwal­ ter. 404. Vertragsabschlüsse zum Vortheil Dritter........................................................404 Systematische Bemerkung. 404. Gegensatz des römischen und neueren Rechts. 405. Aeltere und neuere Doktrin und Praxis. 306. Preußi­ sches Recht. 409. Begriff des Vortheils. 410., des Dritten. 411. In­ teresse des Promissarö. 411. Ausbildung des Dogmas in der Praxis. 411. Plenarbeschlnß v. 25. Aug. 1846 und dessen Konsequenzen. 413. b. Inhalt und Gegenstand.............................................................................. 416

§. 75.

§. 76.

Verbotene Gegenstände. 417.

395

Inhaltsverzeichniß des I. Bandes.

XVIII

Seite

c. Die Willenöeinigung. §. 77.

1. Anbieten und Annehmen.................................................................................418 Begriff 418. Traktate, pacta dc contrahendo. 419. Berträge unter Abwesenden. 420. Verschiedene Ansichten über den Moment des Ab­ schlusses. 421. Preuß.R. 424. Widerruf. 424. Tod, eintretende Hand­ lungsunfähigkeit. 425. Vorsichtsmaßregeln des A L. R. 426. Auslo­ bung. 426. Versteigerung. 428.

§. 78.

2. Beschränkungen und Hindernisse der WillenSeiuigung............................ 429 Unerlaubte Bedingungen. 428. Wesentlicher Irrthum. 430. Zn Be­ treff des Inhalts, der Personen. 430., des Gegenstandes 431.

§. 79.

3. Die Form...............................................................................................................433

Gemeines Recht. Zwei Systeme in den Landesrechten 433. Theorie des A.L.R. 436. 1. Vollendung der Schriflform. Unterschrift. 437. Analphabeten. 438. Punktationen. 440. Briefwechsel, Telegramm, Rech, uung, Loos, Pfandschein, Vollmacht, Police. 441. 2. Nothwendigkeit der schriftlichen Form. 442. 3. Mündliche Nebenabredeu. 444. 4. Verabsänmung der Schristform. 446. Wirkung der Erfüllung, der bei­ derseitig vollständigen. 447., der theilweisen und einseitigen bei Sachen. 448., bei Handlungen. 450. Verlust der Urkunde. 450. Anhang. Verzeichnis; der Verträge, die gerichtlich oder notariell abge­ schlossen werden müssen............................................................................................ 452 4. Verstärkung.

80.

Gerichtliche Bestätigung

Vorbemerkung.

.......................................................... 453

Unterschied von Verbesserung; von Sicherung des Interesse und der Erfüllung. Gerichtliche Bestätigung Gerichtliche Genehmigung. 454. §. 81.

Draufgabe und Angeld

.............................

Auffassung des Instituts im römischen und deutschen Recht. Mittelstellung des A L.R. 456. Rückforderung. Neugeld. 457. §. 82.

455 455.

5. Auslegung..........................................................

458

Objekt der Auslegung. 458. Gegen den Versprechenden, gegen den Urheber der Erklärung. Punktation als Hilfsmittel der Auslegung. 459. Alle Gefahr und Schaden. 460.

C. Wirkung.

§. 83.

a. Erfüllung.............................................................................................................. 460

Gau; und vollständig. 461. Insbesondere bei gegenseitigen Verträgen. 461. Einrede des nicht erfüllten nnd nickt gehörig erfüllten Vertrages. 461. 462. Gegenstand der Erfüllung. 464. Zeit. 465. Nach Mög­ lichkeit und Gelegenheit. 466. Ort 467. b. Gewährleistung.

.

§. 84.

Allgemeines

§. 85.

Begriff. 468. Gewährleistung für Fehler nach röm. R. 469. Nach deutschem R. 470. Entwährung nach röm. R. 471. Nach deutschem N. 472. Verschiedenheit beider Institute. Neuere Gesetzbücher. Prin­ zip deS A.L.R. 473. Gewährleistung wegen Fehler.................................................................................474

......................................................................................................... 468

Bedingung ihres Eintritts. 474. Verschuldete Fehlerhaftigkeit. Unver­ schuldete, Vertretung der vorbedungenen und vorausgesetzten Eigenschaf­ ten. 475. Bei gewagten Geschäften. 477. Bei einem Inbegriff. Ver­ tragsklage, Minderun'gSklage. 478. Berechnung des Minderwerths. 479. Wandelklage. 480. Gegenseitiges Verhältniß beider Klagen. 483. Ver­ jährung. 484. Verzicht. 485.

§. 86.

Entwährung...............................................................................................................485 Begriff. 485. Dritter. 487.

Verpflichteter. 487. Fälle der Entwährung: Ansprüche Fehlende Rechte der Sache. 489. Inhalt des Anspruchs

Inhaltsverzeichnis; des I. Bandes.

§. 87.

§. 88.

XIX

Seite an den Veräußerer. 490. Hervortreten der Entwährung. 490. Streit­ verkündigung. 491. Umfang der Vertretungspflicht. 493. Bei gänz­ licher Entwährung. 493.; bei theilwciser. 496; bei Privatschulden. 497. Einrede, drohende Entwährung, Kantionsforderung Verjährung. 498. Wegfall deS Anspruchs. 500. Bestimmungen des D. Hand.G.B. 50L D. ZlMehlMg....................................................................................................501 Begriff, Unterschied von Lösung, Anfechtung, Umwandlung. 502. I. Auf­ hebung durch Begebenheiten, a. Veränderte Umstände. 502. Concursus causarum lucrativarum. 504. b. Zufällige Unerfüllbarkeit. 504. Tod. 506. II. Aufhebung durch den Willen eines Theils, a. Erlaß. 506. b. Mangelhafte Erfüllung von einer Seite. 507. Bei Verträgen, deren Hauptgegenstand Handlungen sind. 508. c. Nutzlosigkeit. 509. III. Aushebung durch beiderseitige Einwilligung. 509. E. Anfechtung.................................................................................................... 510 Doppelte Richtung der Anfechtung. 510. I. Anfechtung der Ncchtöbeständigkcit. 511. II. Anfechtung der Wirkungen. Actio Pauliiana. 512. Gemeines Recht. 513 Aeltereö preuß. R. 515. Jetzt praktisches R. a. Außerhalb deS Konkurses. 516. b. Im Konkurse 521.

Zweites Kapitel. Rechtlose Handlungen. §. 89. Die Beschädigung...............................................................................................523 Begriff und Abgrenzung desselben. 513. Schaden. 525. Entgangener Gewinn. 525. Unmittelbarer und mittelbarer Schaden. 526. Beschä­ digende Handlung. 526. Unterlassungen. 527. Zufälliger Schaden. 528. Der Beschädigte 528. §. 90. Die Entschädigung..............................................................................................529 Einfache EntschädigungSPfticht und Deliktsobligation. 530. Wirklich ent­ standener Schaden. 530. Die Handlung als Ursache. 531. Feststellung des entgangenen Gewinnes. 531. Beweislast. 532. Fälle der einfachen Eutschädigungöforderuug. 533. Deliktsobligation. 534. Verschulden. Grade desselben. 535. Zurechnung. Insbesondere bei juristischen Per­ sonen. 536. Schaden durch Thiere. 539. Unwillkürliche Handlungen. Beschädigcr. 539. Befehl und Auftrag. 540. Dienstherrschaft, Meister, Dermiether. 541. Entschädigung: Wiederherstellung und Schadenersatz. 542. Werthsermittelung 543. Umfang deö Schadenersatzes. 544. Weg­ fall der Entschädigung. 545.

Fünfter Abschnitt. §. 91.

§. 92.

Die Lösung.

Zahlung ................................................................................................................546 Begriff. 546. Wem kaun gezahlt werden? 546. Solut. c. adj. 547. Wer kann zahlen? 549. Zahlender Dritter. 549. Wann und wo? 551. Stundung 551. Womit? 552. Ausländisches Geld. Münzveränderung. 552. Papiergeld, Papiere auf den Inhaber. 554. Wie? Stück­ zahlungen. 555. Wirkung der Zahlung. Vorbehalt. Anrechnung auf mehrere Posten. 556. Beweis. Quittung. 558., als Beweis der Zahlung. 559 , der Befreiung. 560. Kerbholz, Rückgabe, Mortifizirung, Kassation des Schuldscheins. 562. Gerichtliche Hinterlegung....................................................................................563

Berechtigung des Schuldners zur Dcpositiou Wirkungen. 564. §. 93. §. 94.

und Gegenstand. 563.

Hingabe an Zahlungsstatt................................................................................... 565 Gegenrechnung.....................................................................................................566 Prinzip. 566. Entwicklung im röm. R. 567. Ipso jure. 568. Be­ dingungen: subjektive. Wechselseitigkeit. Fiskus. 570. Eigene Forde­ rungen. Gesammtschuldverhältnisse. 571. Erbe. 572. Session. 573. Anweisung; Bürgschaft, Verpfändung; Stellvertretung. 572. Vor­ mund; Ehemann. 575. Im Konkurse. 576. Bedingungen: objektive.

XX

Inhaltöverzeichniß des I. Bandes.

Seite Fälligkeit. 578. Gleichartigkeit, Giltigkeit, Liquidität. 579. Wirkung und Ausübung. Einrede. 580. Compensatio compensationis non datur. 582. Prozessualisches. 582. Unstatthaftigkeit. 583.

§. 95.

§. 96.

§. 97.

Anweisung.................................................. 584 Begriff. 584. Systematische Stellung. 585. Verbindung von Zahlungs­ mandat und Einkassirungömandat. 586- Form 587. Rechtsverhältniß zwischen dem Auweisenden und Angewiesenen. 587. Zwischen dem An­ weisenden und Ueberwiesenen. 588. Zwischen dem Angewiesenen und Ueberwiesenen. 589. Weitere Begebung. 590. Widerruf. 590. Vereinigung von Forderung und Schuld......................................................591 Begriff, nur bei Uuiversalsuccession. 591. Losung des Bandes, nicht der Substanz der Obligation. 593. Bei Erbschaftöerwerb mit und ohne Vorbehalt. 593. Bei der Gesammtschuld. 594. Beerbung des Bürgen, Cedenten, Schuldübernehmers. 595. Umschaffung........................................................................................................ 596 Bedeutungslosigkeit der Novation im heutigen Recht. 596. Auffassung des A.L.R. 600. Die einzelnen Regeln. 601.

Sechster Abschnitt.

A. §. 98.

§. 99.

§. 100.

§. 101.

Die Veränderung.

Veränderung in den Personen. a. Auf Seiten des Gläubigers. Erbfolge..............................................................................................................604 Erlöschen der Schuldverhältnisse durch den Tod. 604. Verhältniß der Miterben. 606. ErbschaftSkaus. 606. RechtSabtretuug.................................................................................................. 607 Successionen in Foroeruugen nach ibni. R, ältere n. neuere Doktrin. 607. Auffassung der neueren Gesetzbücher. 615. Begriff nach A.L.R. 615. I. Rechtögrund 615. a. Rechtsgeschäft. 616. b. Rechtsvor­ schrift. 618. c. Gerichtszwang. 619. 11. CessionSform. 619. BlancoCession. 620. Theilcession. 620. Annahme. 621. Quittung als Ces­ sionSform. Bei Inhaberpapieren und Wechsel. 622. III. Gegenstand. 622. Klagen aus dinglichen Rechten, aus dem Besitzstände. Bedingte, ungewisse, künftige R., alternative, aus zweiseitigst Verträgen. 623. R. auf den Zuschlag. 624. Aus dem VerwahruugSvertrage. 624. Das BesreiungSrecht des Verkäufers, rechtshängige Sachen. Anspruch aus den Pflichttheil, Anfechtung des Testaments, Widerruf der Schenkung, Beirechte, Nebenrechte. 625. Konventionalstrafe. 626. Nicht cessibel Injurienklage, Mandat, Gesellschaft, Pacht und Miethe. 629. Dienst­ miethe, Werkverdingung, Wiederkauf, Vorkauf, Retrakt, Nothdurftsrechte, N. auf den Mitbau, aus der Muthung. 630. Verbot der Ses­ sion an Gerichtsbeamte. 631. IV. Wirkung. 632. Uebergang der Nebenrechte und Vorrechte. 632. a. Rechte und Pflichten zwischen Cedenten und Cessionar. Verletzung über die Hälfte. 634. Aushän­ digung der Schuldnrkuude. 636 Haftung für nomen verum. 636., für nomen bonum. 637., bei nothwendiger und erzwungener Cession. 638. Verjährung dieser Haftpflicht. 639. Recht des jüngeren und älteren Cessiouars. 639. Rechtliche Stellung des Schuldners. 640. Denunziation. 641. Einreden. 643. Anerkennung des Cessiouars als Gläubiger. 644. Vorsicht des Schuldners bei der Zahlung. 646. b. Auf Seiten des Schuldners. Erbfolge..............................................................................................................646 Rechtswohlthat. Liquidationsversahren. 647. Welche Schulden nicht übergehen. 647. Miterben 648.. Delegation und Expromission....................................................................... 649 Jetzt Konsensualverträge und Succession. 650. welches Rechtsverhältniß wird succedirt. 651.

I. Delegation. 650. In Wirkung. Form. 652.

Inhaltsverzeichnis; des I. Bandes.

§. 102.

B.

XXI

Seite Verhältniß zwischen Deleganten und Delegaten. 653., zwischen Dele­ gatar und Deleganten, Delegatar und Delegaten. 653. IL„ Expro­ mission. 653. Begriff. Form. 654. III. Vergleichung der Delegation und Expromission. 655. Schuldübernahme...............................................................................................656 Delbrück's Theorie. 653. Praktisches Bedürfniß. 656. Vorkommen in der gemeinrechtl. Praxis. 658. Civilistische Rechtfertigung. 659. Vor­ kommen im A.L.R. 661. Erbschaftskauf. Vitalizien-Venrag. Scheukung eines ganzen Vermögens. 662. Gutßübernahme, Veräußerung einer Handlung. 663. Uebernahme der Hypotheken in Anrechnung auf das Kaufgeld. 663. Deklar. v. 31. März 1835. 665. Ueber §. 3. der Deklar. 668. Uebernahme der Schulden einer Eisenbahngesellschaft durch denStaat. Litisdenunziation. Resultat. 670. Neuere Gesetzgebungen. 671.

Veränderung in dem Gegenstand. a. In Folge beiderseitigen Willens.

§. 103.

Der Vergleich......................................................................................................... 672 Begriff. 672. Verhältniß zum Urtheil. 673. Persönliche Fähigkeit. Form. Gegenstand. Wirkung. 674. Auslegung. Anfechtung. 675. Neue Urkunden. Rechuungssehler. Verletzung über die Halste. StellVertretung. 676.

§. 104.

Vorsatz und Versehen........................................................................................677 Der Vortheil aus dein Geschäft. 677. Klassifizirung der einzelnen Obli­ gationen nach der Regel. 679. Ausnahmsweise Steigerung. 680. Aus­ nahmsweise Ermäßigung. 681. Obligationen aus dem Gesetz. Kon­ kurrenz des Verschuidens. 682. Vererblichkeit. 683.

§. 105.

Verzug....................................................................................................................683 Eine Art des Verschuldens. 684. Grade. 685. Eigenthümlichkeit des Verzugs gegenüber dem Verschulden. 686. I. Erfüllungsverzug. 687. Mahnung. 687. Dies interpcllat, 688. Entschuldigung. Wirkung. 689. Beseitigung. 692. II. Anuahmeverzng. Anbieten. 692. Wirkungen. 694. III. Beiderseitiger Verzug. 694. Tas Interesse.........................................................................................................695 Begriff. 695. Unterschied von anderen Ersatzansprüchen. 697. Sprach­ gebrauch des A L.R. 698. Aequivalent. 699. Klage aus das Interesse. 699. Umfang der Ersatzpflicht. 702. Sachwerth. 705. Berechnung. 706. Ausschluß des Anspruchs. 707. Beweislast. 708. Die Konventionalstrafe ......................................................................................... 709 Begriff. 709. Nicht bedingte Obligation. 710. Ausschluß anderer In­ teresseforderung. 714. Gegenstand. 716. Zum Besten eines Dritten. 718. Aushebung. Einreden. 718. Beweis. Wandelpön. 719.

b.

§. 106.

§. 107.

§. 108.

§. 109. §.110.

In Folge einseitigen Verhaltens.

c. In Folge von Begebenheiten. 1. Zufälliger Nachtheil und Vortheil............................................................. 720 Zufall. 720. Sprachgebrauch des A.L.R. 721. Gegensatz von Fahrlässigkeit. 722. Unmöglichkeit der Erfüllungsart. 723. Gemischter Zu­ fall. 724. Gefahr. 724. Casum sentit dominus. 725 Verschiedene Theorien. 725. Kritik der Angriffe gegen Wächter: casus a nullo praestantur. 728. Theorie des A.L.R. 730. Verschlimmerung. 732. Anwendung auf die einzelnen Obligationen. 732. Vereinbarung über das Tragen der Gefahr. 736. Commodum ejus, cujus pcriculum. 736. 2. Vermögensversall. Vorbemerkung......................................................................................................... 738 a. Die Nechtswohlthat der Kompetenz.............................................................739 Auffassung des gemeinen R. 739. Andere Kompetenz-Ansprüche. 740.

XXII

InhaltSverzeichniß des I. Bandes. Seite Kompetenz im Interesse des Schuldners. 740., im Interesse der Gläu­ biger oder des öffentlichen Wohls. 741. Kompetenz Unzurechnungs­ fähiger bei Delikten. 742. Wirkung. 742.

§. 111.

b. Die Konkurrenz mehrerer Gläubiger. I. Begriff und allgemeine Voraussetzungen des Konkurses Materielles Konkursrecht. Universeller Charakter. 745. konkurse. 746. Insusficienz, Insolvenz. 747.

.... Partikular­

744

§. 112.

II. Der Gemeinschulduer...................................................................................747 Einwirkung des Konkurses auf seine Vermögensrechte. 747. Konkurs über einen Nachlaß, über das Vermögen einer juristischen Person. 748. Unterstützung deS Gemeinschuldners. 749. III. Die Gläubiger im Konkurs.

§. 113.

a. Die eigentlichen Konkursgläubiger............................................................. 749 Begriff. 749. Rechtsverhältnis^ nach gern. R. 750., nach preuß.R. 751. Die Gläubigerschaft. 751. Ihre Befugnisse in Betreff der Rechtsge­ schäfte 753., der Prozesse. 754. Netentionseiurede. 755. RechtSgrund dieser Befugnisse. 756. Vorrechte. 757. Eintrittsrecht. 757.

§. 114. b. Die Vindikanten................................................................................................759 §. 115. c. Die Separatisten..........................................................................................760 §. 116. d. Die Massegläubiger..........................................................................................761

Siebenter Abschnitt. Der gerichtliche Schutz. §. 117. I. Die Schuldklage und ihr Beweis............................................................. 762 Arten. 763 Klagegruud und Beweislast. 764. Zeit der Klaganstellung. 765. Vorzeitige Klagen auf Sicherung, Anerkennung, Erfüllung. 766. Klagantrag. 766. Allgemeine Klagerechte. 768. Geschästserrichtungsklage. 768. §. 118. II. Die Einreden gegen die Schnldklage.......................................................769 Arten. 769. Einrede des Eigenthums gegen die Vertragsklage. 770. §. 119. Insbesondere die Einrede der Zurückhaltung.................................................771 Verschiedene Auffassungen. 772. Definition des A.L.R. 773. Bedin­ gungen. Gewahrsam. 773. Fremde und körperliche Sachen. 774. Gegenforderung. 777. Konnexität. 778. Wirkung. 779. Anfhören. 781. Natur des Rechts. 781. §. 120. Insbesondere die Einrede der Verjährung..................................................782 Verjährung der Obligation auf Entschädigung. 782.

Erklärung der abgekürzten Citate.

Die Abkürzungen im Citiren preußischer Rechtsquellen und Schriften sind die her­

kömmlichen (s. Ergänzungen B. 1. vor der Einleitung). Die Lehr- und Handbücher des gemeinen römischen und deutschen Rechts sind mit den Namen ihrer Verfasser cilirt. (Arndts 4. A. Böcking. Keller. Puchta 5.A. SinteniS 2. A. (jetzt 3. A.) Seuffert 4. A. (noch immer unvollendet). Bangerow 6. A. Windscheid. 2. A. — Beseler. (2. A. 1866.) Bluntschli 3. A. Gerber 8. A. 9. A. 1867. Savigny, ohne weiteren Beisatz, bedeutet sein System des heutigen römischen Rechts. 8 Bde. Wächter, - würtembergisches Privatrecht, B. 2.1842. Unger, - österreichisches Civilrecht, 1.2. Bd. 1856. 1859. 6. Bd. 1864. (3. unveränderte Ausl. 1868).

Zachariä (Anschütz),

-

Seussert,

Außerdem: Zeitschr. s. C. u. Pr.

-

-

Handbuch des französ. Civilr. 5. Ausl. 4 Bde. 1852. Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte Deutschlands, bis jetzt 16 Bde. seit 1847.

bedeutet Zeitschrift für Civilrecht nnd Prozeß, Gießen, seit 1827.

Arch. f. civ. Prax. Arch. f. pr. R.W.

-

Archiv für civilistische Praxis, Heidelberg, s. 1814.

-

Archiv für praktische Rechtswissenschaft, seit 1853. N. F. B. 1. 1864.

Gerber u. Ihering

-

Belker u. Muther

-

Bl. f. R. A.

-

Jahrbücher für bie Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, s. 1857. Bis jetzt 7 Bde. Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts, seit 1857 (mit dem 6. Bde. geschlossen). Blätter für Nechtsanwendung, zunächst in Baiern s. 1836. Jetzt bis Bd. 30.

Wochenbl. s. m. Rf.

-

Wochenblatt für merkwürdige Rechtsfälle, zunächst für das Königr. Sachsen, h. v. T a u ch n i tz. N. F. s. 1853.

Zeitschr. s. Rpfl. u. Verw.

-

Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung in Sach­ sen, h. v. Tauchnitz.

Dresdner Annal.

-

Annalen des königl. sächs. O.App.Ger. zu Dresden, h. v. Langenn, Sickel, Pöschmann, s. 1860.

XXIV

Erklärung der abgekürzten Citate.

Heuser, Ann.

bedeutet Annalen der Iustizpflege und Verwaltung in Kur­ hessen, h. v. Heuser, s. 1855. Würtembergisches Archiv für Recht und Rechtsver­ waltung, h. v. Kübel u. Sarwey. Auserlesene CivilrechtSsprüche der höheren Gerichts­ stellen in Würtemberg, h. v. Tasel und Hopfengärtner, s. 1841.

Würtemb. Arch. Tafel, Civ. Rspr.

Bl. s. Rpfl.

-

Old. Arch.

-

Haimerl, Vierteljschr.

-

Krit. Zeitschr.

-

Krit. Ueberschau

-

Krit. Vierteljschr.

-

Schlett er, Iahrb.

-

Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt, h. v. Hotzel. Archiv für die Praxis des gesammten, im Großherz. Oldenburg geltenden Rechts.

Oesterreichische Vierteljahrschrift s. Rechts, u. Staats­ wissenschaft, h. v. Haimerl. Kritische Zenschrist für die gcsammte Rechtswissen­ schaft, h. v. Brinckmann, Dernburg u. A. 5 Bände. Heidelb. 1853—1859. (Abgeschlossen.) Kritische Ueberschau der deutschen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, h. v. Arndts, Bluntchli, Pözl. München 1853 — 1859, 6 Bde. (Abgeschl.) Kritische Vierteljahrschrift f. Gesetzgebung u. Rechts­ wissenschaft, h. v. Pözl, München, s. 1859. Bis jetzt 6 Bände. Vom 6. Bde. mitherausgegeben von Bekker, später von Windscheid. Jahrbücher der deutschen Rechtswissenschaft und Ge­ setzgebung, h. v. Schl etter, s. 1855. Bis jetzt 12 Bände.

§. 1. Geschichtliches. v. Raum er, über die Einführung des römischen Rechts in der Churmark Br. in

v. Ledeb ur. Archiv f. d. Geschichtskunde des Preuß. St. B. 5. S. 312. LaSpeyreS, die Neception des röm. R. in der Mark Br. in der Zeilschr. r. deutsches R. 1841. D. 6. S. 1—96. Jacobson, der preußische Staat, 1854. S. 10 (Abdruck aus dem RechtslexikonX Trendelenburg, Friedrich d. G. u. sein Großkanzler Sa­ muel v. Cocceji, Beitrag zur Geschichte der ersten Iustizresorm und des Naturrechts. Berlin 1863. Heydemann, Einleitung in das System des preuß. Civilr. B. 1. S. 5. 1861. B. 1. S. 5. Rechtsquelleu Geschichte der

Bornemann 2. A. 1842. B. 1. S. 1—5. v. Daniels 1. A. 1851. Koch 3. A. 1857. B. i. S. 12. — Stobbe, Geschichte der deutschen 1860. B. 1. S. 609. B. 2. S. 446. f. Franklin, Beiträge zur Reception des röm. R. 1863. bes. S. 119 f.

Das Privatrecht war in Deutschland von jeher nicht, oder doch nur in sehr beschränkter Weise Gegenstand einer gesetzgeberischen Thätig­ keit gewesen; seine Anwendung und Ansbildung war dem Volksleben un­ mittelbar überlassen. Wurde hier und da eine Aenderung oder Nachhilfe

im Recht nothwendig, so konnten die Landesherrn dies nur unter An­ hörung der Betheiligten, unter Mitwirkung der Landstände thun. Erst als deren Thätigkeit im 17. 18. Jahrhundert bedeutungslos geworden, dagegen die Rechte der Landesherrn sich zur absoluten Staatsgewalt gesteigert hatten,

wurde von selbst die Gesetzgebung wichtiger und wirksamer, sie konnte sich nun schneller, ungehinderter entwickeln.

Die vielfachen Klagen darüber,

daß der aufgenommene fremde Rechtsstosf, schon sprachlich dem Volke un­ zugänglich, mehr und mehr Unsicherheit der Rechtskenntniß und deßhalb

vielfach Nachtheile für die Rechtsübung verursacht habe, führten zunächst

dahin, daß bis zum Ablauf des 18. Jahrhunderts in mehreren Territorien theils einzelne den materiellen Rechtszustand betreffende Gesetze erlassen, theils das ganze RechtSgebiet umfassende Legislationen vorbereitet und voll­

endet wurden'). f)

In Baiern 1750—1768 codex Maximil. von Kreittmayr, in Oesterreich Maria Theresia'S Versuche 1753—1767, die damals noch zu keinem Abschluß führten. Unger, österr. Priv.-R. B. 1. S. 5. Ueber den Rechtszustand da­ maliger Zeit s. Trendelen bürg S. 1 s. 19. 26.

Förster, Preuß. Privatrecht.

1

2

Einleitung.

In der Kurmark Brandenburg, dem Stammlande des prenßschen Staats, hatte bereits seit dem 14. Jahrhundert und bis in das 18. hinein, so wie in dem übrigen

nordöstlichen Deutschland neben den sächsischen

Rechtsbüchern, den Statuten einzelner Städte, dem Landes- und OrtS-

herkommen das römische Recht gegolten. Ebenso wenig wie in Deutschland überhaupt ist hier diese Reception durch Gesetzgebung hervorgerufen, denn Ioachim's I. Kammergerichtsordnung hat nur die bereits feststehende Giltigkeit desselben als eines gemeinen Rechts anerkannt und darum kessen Befolgung dem Gerichtshöfe vorgeschrieben2). Auch in den anderen Län­ dern,

die später Provinzen des preußischen Staats geworden, fand sich

eine gleiche Rechtsmischung vor.

Das alte gemeine Sachsenrecht hat in

Sachsen und Schlesien, in letzterem noch das Landrecht von 1356 ft wie

einige partikulare Gesetze, namentlich über eheliches Güterrecht und Erb­ folge, in Uebung gestanden; das Herzogthum Preußen hatte sein besonderes Landrecht von 1620, revidirt 1721. In diesen

sehr mannichfachen

materiellen Rechtszustand habe; die

Kurfürsten nicht wesentlich eingegriffen, mit Ausnahme der für einzelne Partieen des Erbrechts die römischen Grundsätze einführenden s. g. ctnsti-

tutio Joachimica3).

Auch wurden in einzelnen Landtags-Recessei zu­

weilen Abänderungen des bestehenden Rechts beliebt. Weit bedeutender aber und einflußreicher war die Thätigkeil der Landesherrn in dem, was für die Instizpflege und für das formelle Kecht geschah. Schon 1484 findet sich für den Adel und die zweite Jnstaiz in Berlin ein Kammergericht, welches durch Vereinigung des Hof- und Land­ gerichts entstanden zu sein scheint. Seit 1516 organisirte es Joachim mit Bewilligung der Stände aufs Neue und vollständiger4). Daß nun

das Rechtsprechen gelehrten Richtern übertragen wurde, war eine iothwendige Folge der Anwendung des fremden, nur durch die Wissenichast

mit dem Leben zu vermittelnden Rechts. In die Regierungszeit des Kurfürsten Johann Georg (1571—1598) fällt der erste Gedanke an eine umfassendere materielle Gesetzgebung: es

ist aber unsicher, -öb er aus eignem Antrieb den Entschluß gefaßt, oder

ob von den Ständen, die in der Mark ebenso wie anderwärts die iblen Folgen der Anwendung eines fremden Rechts empfanden und sich darüber 2)

„Als wir auch in unseren Landen und Fürstenthum der vielfältigen Rechts­ ordnungen und Mangel befunden, wollen und fetzen wir, daß hinsühro in mserm Kammergericht, jiirstenthum, landen und gebieten gemeine kaiserliche Reche ge­ halten und danach gesprochen werden soll." C. C. M. II, 1. S. 10. Hegen Scholtz, das Provinz. R. der Kurmark, und gegen Götze, das Proviq. R. der Alimark, f. Laspeyres a. a. O. S. 10 f. Heydemann S. 3 (f. lächfte Note). Droyfen, Geschichte der preuß. Politik. B. II. 2. S. 52 s.

•) Heydemann, Elemente der Joachimischen Constitution. Berlin 1841. *) Simon und Strampff, Zeitschr. s. wissenschastl. Bearbeitung des prelh. R.

§. 1.

Geschichtliches.

3

beklagten, der Anstoß ausgegangen ist. Es entstanden damals zwei Recen­ sionen eines Landrechts, an deren Abfassnng der berühmte Lambert Diestelmeier nicht ohne Antheil gewesen zu sein scheint. Sie enthalten außer Bestimmungen über formelles Recht Entscheidungen

einzelner in

Theorie und Praxis besonders bestrittener materieller Rechtsfragen, mit­

hin keine Darlegung des gesammten

Privatrechts.

einige folgende Versuche blieben unausgeführt.

Das Werk sowie

Die Leiden des dreißig­

jährigen Krieges hemmten die Verfolgung solcher Ziele.

Dann dachte der große Kurfürst an eine Kodifikation und resolvirte

in diesem Sinne am 1. Mai 1652 an die Stände, schlechten Rechtsznstand geklagt hatten.

welche über den

Auch dieses Unternehmen konnte

bei den anderweitigen Plänen dieses Fürsten und in einer Zeit so unver­

söhnter und unvollendeter Uebergänge nicht wohl zu Stande kommen. Ernster, obwohl zunächst auch noch ohne Erfolg, wurde diese Ange­ legenheit mit dem Beginne des 18. Jahrhunderts betrieben. Die öffent­ liche Stimme erhob sich in anonymen Vorschlägen: „es sei bei der Unge­

wißheit im Rechte, so dem verkehrten arbitrio judicis und casibus pro

amico Raum gäbe, nöthig, die controversias Juris practicas utiliores, worinnen die tribunalia und collegia juridica zu variiren pflegen, pu­ blica autoritate zu decidiren. Es sollen deshalb die Fakultäten und Schöppenstühle gefordert werden, dergleichen controversias principis decisione dignas zu sammeln, und die oberen Gerichte die Statuten, Lokal-

und Provinzialrechte, deren Abweichung und Uebereinstimmung mit dem Sachsenrecht bemerken, damit dann dasjenige, so der gesunden Vernunft, der Unterthanen Wohlfahrt und Aufnahme und der Gelegenheit jedes Orts am meisten gemäß, erwählet.und festgestellt, werden.könne,"

Man.

sieht in diesen Stimmen sowohl die Veranlassung, als auch den Stoff und das Ziel der. gewünschten Legislatjon. Die Veranlassung gab die Rechtsunsicherheit, die Masse der Kontroversen; de» Stoff das fremde und einheimische, gemeine und partikulare Recht; das Ziel war, selbst

unter Verlassen der historischen Ueberlieferung, nur b/e Zweckmäßigkeit, das Vernünftige als Maßstab der Entscheidung dienen zu lassen. Mit großer Beharrlichkeit ist bis Friedrich dem Großen, namentlich auch

von dessen hastigem und energischem Vater dies Ziel festgehalten worden. 1713 erließ der König eine allgemeine Ordnung, die Verbesserung der Justiz betreffend'), durch welche die Ausarbeitung von Konstitutionen anbefohlen wurde.

Er bestimmte:

„In den Provinzen, wo mehr als

B. 1. S. 174. Abegg, Versuch einer Geschichte der preuß. Civilprozeggesetzgebung. 1848. S. 15. f. Laöpeyres a. a. O. S. 4. Note 5. Kühns, Ge­ schichte der Gerichtsverfassung und des Prozesses in der Mark bis zum Ablaufe des 15. Jahrh. B. 1. 1865 (Ueber die Entstehung des Kammergerichts S. 229 f.) ®) Abegg a. a. O. S. 37.

Einleitung.

4

einerlei Recht und theils das römische, theils das sächsische, theils ein

jus consuetudinarium gilt, wollen Wir an richtigen Verfassungen arbei­ ten lassen, damit alle aus einem ungewissen Rechte entspringende Fehler

und Gebrechen abgeschafft werden, zu welchem Ende unsere Regierungen und andere collegia die Casus dubios colligiren, und cum rationibus dubitandi et decidendi zur Decision ßinsenden sollen, damit dem abusui

praejudiciorum gesteuert und das arbitrium judicis nicht zu weit und über die bisherigen Schranken extendiret werde; die rescripta decisiva

und auch edicta, die in das Jnstizwesen einlaufen, sollen fleißig zusam­ men gesuchet, daraus constitutiones verfaßt und im Lande publizirt wer­ den."

Auch wurden die Juristenfakultäten zu gutachtlichen Aeußernngen

das Reskript vom 26. Februar 1738 zeigt, daß man unausgesetzt an der Verbesserung der Justiz arbeitete. Es sollte ein aufgefordert und noch

besonderes Landrecht eingeführt, und das jus Romanum, insoweit es noch

applicabel, zum Fundament genommen werden.

Dennoch kam es — mit

Ausnahme einzelner Gesetze — zu keiner Publikation.

Inzwischen war

jedoch ein sehr wichtiger Schritt zur Erreichung eines vollständigen und abgeschlossenen Landesrechts dadurch geschehen, daß bereits am 16. De­ zember 1702 der deutsche Kaiser dem König das privilegium de non

appellando bis auf Höhe von 2500 Goldgulden für alle seine Reichs­ lande ertheilte. Friedrich Wilhelm I. ist auch in Folge dessen hart gegen diejenigen Unterthanen eingeschritten, die von den Landesgerichten

an die Reichsgerichte zu appelliren wagten °). Ein uneingeschränktes Pri­ vilegium ist sodann durch den Dresdner Frieden am 31. Mai 1746 „nach Ziel und Maß der goldenen Bulle" erlangt worden^). Darauf wurde mit größerem Erfolge eine Umgestaltung der Gerichtsverfassung und des Verfahrens vorgenommen, bei welcher sich Samuel v. Cocceji, (geb. zu Heidelberg 1679, Sohn des berühmten Rechtslehrers Heinrich v. Coc­ ceji, gestorben 1755) Verdienste erwarb. Er erhielt, nachdem in Folge

einer Konstitution v. 31. Dezember 1746 viele alte Prozesse in Pom­

mern binnen kurzer Zeit abgemacht worden waren 8*), 7 den Auftrag, eine allgemeine Prozeßordnung nach demselben Plane auszuarbeiten. Diese erschien am 6. Juli 1747 unter dem Titel: „Projekt eines Codicis Fridericiani Pommeranici9) und ihr folgte am 3. April 1748. das PrMt 8)

Stenzel, preuß. Gesch. hl. S. 444.

7) 8)

Moser, teutsches Staatsarchlv, 1751. Th 2. S. 71. Freilich wohl, wie der K. ®'. Präs. v. JarrigeS geäußert haben soll, nach dem (Grundsatz: Marsch! was fällt, das fällt! Güsching, Beiträge, B. 5. S. 239Es wurden im Lauf des Jahres 1747 erledigt in Stettin 1600 alte, 684 neue, in Cöslin 800 alte, 310 neue Prozesse. Haym, preuß. Jahrbücher 1860. S. 422. Tre^rd elend urg S. 31 s. Projekt genannt, weil sreigelassen war, binnen Jahresfrist Erinnerungen beizu­ bringen. Es sollte aber doch gleich giltig werden. Trendelenburg S. 23 a. E.

9)

§. 1.

Geschichtliche«.

des Cod. Fridericiani Marchici.

5

In demselben Jahre wurden die Ge­

richte in Berlin zn einem Kolleginm von vier Senaten vereinigt, ans

denen die späteren drei Senate des Kammergerichts Obertribunal hervorgegangen sind.

und das Geheime

Auch die Landesjnstizkollegien in den

Provinzen erhielten verbesserte Einrichtungen.

Aber trotz alle dem: die Ungewißheit des materiellen Rechts und die daraus entstandenen vielfachen Uebelstände waren geblieben.

Die Klagen

mehrten sich, legislative Abhilfe zeigte sich immer dringender nöthig. Schon in der Verordnung vom 31. Dezbr. 1746 sagte Friedrich der

Große: „Und weil die größte Verzögerung der Justiz aus dem ungewissen lateinischen römischen Recht herrührt, welches nicht allein ohne Ordnung

compilirt worden, sondern worin singulae leges pro et contra disputiret

oder nach eines Jeden Caprice limitirt oder extendirt werden; so befehlen Wir gedachtem Unserem Etatsminister v. Cocceji, ein teutsches allgemeines Landrecht, welches sich bloß auf die Vernunft und Landes-Verfassung gründet, zu verfertigen und zu Unserer Approbation vorzulegen, worüber Wir hiernächst aller Unserer Stände und Collegiorum, auch Universitäten

Monita einholen und die besondern Statuta einer jeden Provinz besonders

beidrncken lassen wollen, damit einmal ein gewisses Recht etabliret und

die unzähligen Edicte aufgehoben werden mögen." Das Streben war also ans Gewißheit des geltenden Rechts, allgemeine Verständlichkeit und materielle Vollständigkeit bei

größerer Vereinfachung gerichtet, und so

sehr war man selbst Willens, von dem historischen Zustande abzusehen,

daß Cocceji nach der Anordnung des Königs ein solches Universal­ system (ein jus naturae privatum) zu formiren beabsichtigte, welches auf alle Staaten,

die die natürliche Vernunft zur Regel ihrer Gesetze

nehmen, applizirt werden könne. 1749 und 1751 erschienen auch die zwei ersten Theile eines danach gearbeiteten Projekts des corporis Juris Fridericiani *°), enthaltend die persönlichen und dinglichen Rechte, welche nur in einzelnen Partieen, nämlich in Ehe- und Vormund­ schaftssachen, und nur in einzelnen Provinzen: Cleve-Mark, MindenRavensberg, Ostfriesland, Mörs, Altmark, Ostpreußen, Litthauen, Lauen­

burg, Bütow, Lingen, Tecklenburg und Schlesien, Geltung erhielten.

Der

dritte Theil, welcher das Obligationen- und.Strafrecht enthalten sollte,

ist nie erschienen und das Manuscript bis auf einen Aufsatz über Ehe­ bruch aus dem Jahre 1755* verloren gegangen,

Dies Projekt hat sich

im Ganzen weder nach Inhalt noch Form als gelungene Arbeit bewährt, denn die s. g. natürliche Vernunft, welche von dem geschichtlich Gewordenen absieht, kann kein Rechtsshstem schaffen:

Diese Ansicht beruhte auf einer

der damaligen Naturrechtslehre eigenthümlichen

Täuschung.

Immerhin

*•) Ausführliche Nachrichten über dieses Werk bei Trendelenburg S. 35 f.

Einleitung.

6

ist aber diese Arbeit von großem Interesse, weil sie für die spätere Iustizreform, die im A.L.R. ihren Abschluß erhielt, Bahn brach. DaS jus certum et universale war von jetzt der leitende Gedanke, es sollte aus principia Juris naturalis als ihre logische Folge abfließen.

DaS

Natnrrecht fand durch dieses Werk seinen Kanal inS preußische stecht, aber das Naturrecht nach Coceeji's Auffassung, nicht das spätere System von Wolff.

Als sich darauf der König bei Gelegenheit des berüchtigt gewordenen

Müller Arnold'schen Prozesses (verhandelt vor dem Patrimonialgeriht zu

Pomerzig in der Neumark,1773,

später 1779 vor dem neumärkschen

Obergericht zu Küstrin, endlich durch einen Ausspruch des Königs selbst am 1. Januar 1780 formell und materiefl ungerecht entschieden) iavon

zu überzeugen glaubte, wie gering die Erfolge seiner bisherigen Be­ mühungen gewesen, übertrug er dem Großkanzler von Carmer durch die beiden Kabinetsordres vom 6. und 14. April 1780 das große Wer der umfassendsten Revision des materiellen Rechts.

§. 2. DaS allgemeine Landrecht und die allgemeine Gerichtsordnung. Hymmen, Beiträge Sammt. II. S. 275. Sammt. III S. 179. Klein, Amaleu B. 1. S. 35. B. 4. S. 326., dagegen Schlosser, 5. Brief über den Entwirf des preuß. Gesetzbuchs, 1790. Besonders Simon, Bericht über die scientivisck Re­ daktion der preuß. Gesetzgebung, in Mathis allgem. jurist. Monatsschr. 3. 11. S. 191. Septbr. 1811. Enter, geschichtl. Einleitung in das Studium des allge­ meinen Preuß. L--R. in v. Kamptz Iahrb. B. 32. S. 17. 1828. K. A. M mzel, zwanzig Jahre preuß. Geschichte S. 383. 1849. Jacobson, der preußische Staat. 1854. S. 14. Haym, preuß. Jahrbücher 1860. S. 375 u. 417. „alte und neue Rechtszustände in Pr." Stobbe, Geschichte der deutschen RechtSquellen, B. 2. 1864. S. 446. Heydemann 1. S. 5. Bornemann 1.' S. 5. v. Danrls 1. S. 20. Kochi. S. 33.

Der entschieden ungünstige Erfolg, den die Durchführung des dem Projekt des corp. jur. Frider. zu Grunde gelegten Gedankens einet all­ gemeinen Vernunftrechts gehabt hatte, leitete auf die vorhandenen Rchtszustände zurück. Die Cocceji'sche Arbeit wurde bei Seite gelegt uw die historische Grundlage gelangte in der Kabinets-Ordre vom 14. April 1780

wieder zur Geltung.

Diese Ordre, an bey Großkanzler von Cann er

gerichtet, ist für die Kodifikation des Rechts und des Prozesses maßgebend geworden. In Betreff des ersteren bestimmte sie: „Was die Gesetze selbst betrifft, so finde Ich cs sehr unschicklich, daß solche größtentheils in einer Hprache geschrieben sind, welche Diejenigen nicht verstehen, denen sie doch

zu ihrer Richtschnur dienen sollen.

Ebenso ungereimt ist eS, wenn man

in einem Staat, der doch seihen unstreitigen Gesetzgeber hat, Gesetze dul-

§. 2. . Da« allgemeine Landrecht und die allgemeine Gerichtsordnung.

7

bet, die durch ihre Dunkelheit und Zweideutigkeit zu weitläufigen Dispu­ ten der Rechtsgelehrten Anlaß geben, oder wol gar darüber: ob derglei­

chen Gesetz oder Gewohnheit jemals existirt oder eine Rechtskraft erlangt habe? weitläuftige Prozesse veranlaßt werden müssen.

Ihr müßt also

vorzüglich dahin sehen, daß alle Gesetze für Unsere Staaten und Unter­

thanen in ihrer eigenen Sprache abgesaßt, genau bestimmt, und voll­ ständig gesammelt werden. — Da nun aber fast jede Unserer Provinzen ihre besondere Verfassung, Statuten und Gewohnheiten hat, welche sehr von einander unterschieden sind, so muß für jede derselben ein eignes Ge­

setzbuch gesammelt und darin alles eingetragen werden, wodurch sich die Rechte der einen Provinz von den andern unterscheiden. — Weiten aber dennoch dergleichen Provinzialstatnta und Gewohnheiten sich nur ans ge­

wisse Gegenstände einschränken und keine allgemeine, noch weniger aber

vollständige Rechtsregeln enthalten, das Corpus Juris vom Kahser Justi­

nian als das subsidiarische Gesetzbuch fast aller europäischen Staaten von

vielen Jahrhunderten her auch bei Uns angenommen worden ist, so kann dieses auch künftig nicht ganz außer Acht gelassen werden. Inzwischen ist bekannt, daß dieses römische Gesetzbuch größtentheils nur eine Sammlung

der Meinungen und Entscheidungen der Rcchtsgelehrten in einzelnen Fällen

enthält; sich vielfältig auf die alten und jetzt gar nicht mehr passenden römischen Verfassungen und Formalitäten bezieht; auch mit vielen Wider­

sprüchen angefilllt ist. Es muß also nur das Wesentliche, mit dem M.turgcsetz und der heutigen Verfassung Uebcreinstimnicndc aus demselben abstrahirt; das Unnütze weggelassen; Unsere eigne Landesgesetze am- ge­

hörigen Orte eingeschaltet und solchergestalt ein subsidiarisches Gesetzbuch, zu welchem der Richter beim Mangel der Provinzialgesetzc recnrriren kann, angefertigt werden." Hiernach sollte also daS C. J. Justinian's, soweit es praktisch anwendbares Recht enthielte, sowie die einheimische Gesetzgebung und das

in den einzelnen Landestheilen provinziell oder statutarisch geltende Recht zu Grunde gelegt werden. Das s. g. allgemeine Natürrecht erhielt nur die Bestimmung der Kritik über die aufzunehmenden positiven Satzungen und Institute.

Die Arbeit wurde,' wie die Kabinels-Ordre vom 6. April

1780 bestimmt hatte:

„habilen,

ehrlichen und recht zuverlässigen Leuten

aus den Kollegiis," aber nicht Professoren, „weil -diese immer zu weit­

läufig," übertragen. Die verschiedenen Arten der Ausarbeitungen sollte von Carmer unter sie vertheilen, sie sodann in ein Kollegium zusammen­ ziehen und alles mit gemeinschaftlichem Rath .reguliren.

Wie nun

die

Männer, deren sich der Großkanzler zur Erledigung des großen, umfassen­

den Auftrags bediente, die Aufgabe der Lösung entgegengeführt haben, ist durch Simons in amtlichem Auftrag gearbeiteten Bericht allgemein be­ kannt.

Die Seele des ganzen Unternehmens neben dem Großkanzler war

Einleitung.

8

Carl Gottlieb Suarez (geb. den 27. Februar 1746 zu Schweidnitz, gest, den 14. Mai 1798 *). verdient gemacht:

Grolmann u. A.

Mit ihm haben sich als Redaktoren vorzüglich

Kleins, Goßler, Pachalh, der sich bald zurückzog,

Eine eigentlich kollegialische Feststellung der Redaktion

hat nicht stattgefuuden, die Leitung behielt Carm er in seiner Hand, die Bearbeitungen der einzelnen Materien wurden-4hm von Suarez, meist

in Gegenwart von Klein, vorgetragen.

Bon Letzterem insbesondere rührt

wesentlich die Fassung der einzelnen Sätze her.

Der Stoff wurde ge­

sammelt aus dem damaligen Rechtszustande. Die Hauptgrundlage bildete das römische Recht, aus dessen Corpus Juris reichhaltige Auszüge ge­

macht wurden, für das deutsche,Recht lvurde vorzugsweise der Sactsenspikgel, das Magdeburger und lübische Recht benutzt, von den praktischen und theoretischen Schriftstellern waren Berger (oecon. jur.), Hellfeld,

Struv, Stryk, Mevius, Cocceji, Puffendorf, Wernher, Heineccius, Selchow, Estor, I. H. und G. L. Böhmer gebraucht, von Monographien u. A. Rave (de praescriptione), Koch (succ. ab intest), Westphal (de servitutibus). Die naturrechtlichen Ansichten wurden Wolf und Grotius entnommen.

Außerdem faiib- die Praxis des Ber­

liner Obertribuuals die ihr gebührende Berücksichtigung.

Zuerst bear­

beitete Pachalh das Material, dann ging die Arbeit auf Klein über,

der den ersten Vorentwurf machte; daran schlossen sich die Konferenzen des Großkanzlers mit Suarez und Klein. Der aus ihnen hervorge­ gangene erste (ungedruckt gebliebene) Entwurf ist von Suarez versaßt, und-hierin sind auch die Bearbeitungen einzelner Materien der anderen

Mitarbeiter, wie der Kircheisen'sche Entwurf des Sachenrechts, ausge­ nommen. Nachdem dieser erste Entwurf einer nochmaligen Prüfung un­

terworfen worden, erfolgte eine Umarbeitung durch Suarez, und liefe erschien in sechs Abtheilungen in den Jahren 1784—1788 als „Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuchs für die preußischen Staaten" im Druck. Die öffentliche Meinung, die Gelehrten, die Gerichte wurden aufgeforbert, ihre Beurtheilungen und Ansichten über denselben zu äußern, Prämien

für die beste Kritik wurden ausgesetzt, und nachdem in großer An;ahl Gutachten, Erinnerungen und Bemerkungen eingegangen waren, arbeitete

Suarez den Entwurf nochmals um, eine Kommission prüfte diese Um­ arbeitung und nachdem auf Grund der Ausstellungen, welche dieselbe er­

hob und der Beschlüsse, welche hierauf in den von C armer gehaltenen Konferenzen gefaßt wurden, Suarez eine Revision vorgenommen, erhielt

das Werk durch königl. Kab.-Ord. v. 31. Dezbr. 1789 die Genehmigung *) Suarez, ein biograph. Fragm. in v. Kamptz, Jahrb. 41. S. 1—76. Sinon u. v. Strampfs, Zeitschr. B. 3. S. 190. , *) Autobiographie von Klein in Lowe, Bildnisse jetzt lebender Berliner Gekehlten, 2. Sammlung, Berlin 1806.

§. 2.

DaS allgemeine Landrecht und die allgemeine Gerichtsordnung.

9

und wurde durch Patent v. 20. März 1791 als Allgemeines Gesetz­ buch für die preußischen Staaten mit der Bestimmung, daß es vom

1. Juni 1792 ab Gesetzeskraft haben sollte, pubtizirt.

Allein damit war

das Werk noch nicht gesichert. Schon am 18. April 1792 wurde plötzlich auf Veranlassung deS damaligen Iustizministers v. Dankelmann durch Äab.-

Ord. die Einführung suspendirt und eine abermalige Umarbeitung einzelner Materien angeordnet. Als Grund wurde angeführt, daß das Publikum noch nicht Zeit gehabt habe, sich mit dem Gesetzbuch bekannt zu machen. In der That aber war das Motiv, aus demselben alle das Staatsrecht

und die Regicruugsform betreffenden Gesetze, welche vielfach das Gepräge der damaligen euchklopädistischen Philosophie und eine unfruchtbare Ab­

straktion zeigten, zu entfernen, zumal die inzwischen in Frankreich einge­ tretenen Begebenheiten in dieser Hinsicht große Vorsicht nöthig zu machen schienen's.

Die Suspension

dauerte

18 Monaten geschah gar nichts.

fast zwei Jahre.

In den ersten

Durch Kabinetsbefehl vom 12. Novbr.

1793 wurde dem Großkanzler aufgetragen, alle Sätze, die das Staats­ recht und die Regierungsform beträfen, ingleichen alle neue, aus den bis­

her bestandenen Gesetzen nicht fließende und zu deren Bestimmung und Ergänzung nicht dienende Vorschriften wegzulaffen. Binnen vierzehn Tagen

sollte die. Umarbeitung des

ersten Theils fertig sein.

Suarez nahm

eine Schlnßrevision vor, welche später unter dem Titel: „amtliche Vor­

träge bei der Schlußrevision" gedruckt worden ist3 4) nnd durch Patent v. 5. Februar 1794 wurde das Allgemeine Landrecht mit Gesetzes­ kraft v. 1. Juni 1794 publizirt. Inzwischen war auch die Gesetzgebung des formellen Rechts durch Friedrich II. eifrig betrieben nnd unter seinem Nachfolger vollendet wor­

den.

Die Geschichte dieser Gesetzgebung ist wegen des dabei zur Sprache

gekommenen Prinzipienstreits, der in der Unterredung auf dem Schlosse

zu Potsdam am 4. Januar 1776 zwischen dem König, dem Großkanzler v. Fürst und Carmer erwogen und demnächst vom König in der Kab.Ord. v. 14. April 1780 zu Gunsten der von Carmer'schen Ansicht ent­ schieden wurde, besonders interessant, kann hier aber nicht näher darge­ stellt werden^). Das Resultat dieser Legislation war die Allgemeine

Gerichtsordnung, publizirt den 6. Juli 1793.

Sie ist wesentlich eine

Umarbeitung des von Carmer 1781 angefertigten ersten Buches des corp. jur. Frideric. und hat durch Aufstellung der s. g. Jnstruktions-

3)

4) 6)

Menzel, a. a. O. S. 388 s. Selbst der Titel „Gesetzbuch" wurde anstößig ge­ sunden und dasür der jetzige Titel befohlen Kab.-Ordre v. 5. Jan. 1794. v. Kamptz, Jahrb. B. 41. S. 42. v. Kamptz, Jahrb. B. 41. S. 1. Simon bei Mathis B. 11. S. 262. Abegg, Versuch einer Gesch. der preuß. Civilprozeßgesetzgeb. 1848.

10

Einleitung.

Methode den Anfang gemacht zu der isolirten Stellung, welche der preußische Civilprozeß seitdem sowohl dem gemeinrechtlich deutschen als den späteren

Prozeßlegislationen gegenüber eingenommen hat6). Das Allgemeine Landrecht besteht aus zwei Theilen, die in Titel Einzelne größere Titel sind zwar noch in Abschnitte

und §§. zerfallen.

getheilt, diese werden aber bei dem Citiren nicht berücksichtigt.

Die bei­

den neuesten Auflagen des A.L.R. sind 1855 bei A. Nauck'mit einem

Nachtrage der wichtigeren neueren Civilgesetze und einem berichtigten Re­ gister und 1863 ebenfalls mit Nachträgen erschienen, in letzterer sind die obsoleten Bestimmungen durch den Druck kenntlich gemacht').

Die neueste

Ausgabe der A.G.O. ist 1855 und zwar in vier Theilen, von denen der

vierte die neuere Gesetzgebung enthält, bei Reimer erschienen.

Es exi-

stiren drei Uebersetznngen des A.L.R., eine lateinische 1800, eine fran­

zösische 1803, eine polnische 1833; der offizielle Text ist aber nur der deutsche. Was das Verhältniß beider Gesetzbücher zu einander angeht, so muß

die an sich richtige Regel, daß das jüngere Gesetz den Vorzug habe, auch DaS A.L.R. ist zuerst 1791 publizirt,

hier im Wesentlichen entscheiden.

die A.G.O. 1793; da aber die Geltung deS A.L.R. suspendirt wurde und es dann erst vom 1. Juni 1794 in Folge der neuen Publikation vom 4. Februar 1794 Gesetzeskraft erlangte, so ist es das jüngere Gesetzbuch und muß daher als solches in Fällen deS Widerspruchs der A.G.O. vor­ gezogen werden. Dies ist auch unbedenklich in Betreff aller Bestimmungen der Gerichtsordnung, welche ans dem corpus Juris Fridericianum in die­

selbe übergegangen sind, denn diese hat das A.L.R. beseitigt.

Zweifelhaft

kann es nur in Betreff der neuen Bestimmungen der Gerichtsordnung erscheinen, weil diese gegenüber der ersten Publikation des A.L.R. die

jüngeren sind, also anzunehmen ist, daß durch sie eine Aenderung des A.L.R. wieder hat erfolgen sollen, die nicht durch den zufälligen Umstand der Suspension und später wiederholten Publikation des A.8.R. beseitigt

erscheint.

Man wird hierbei davon ausgehen müssen, daß der Gesetzgeber

doch die Kodifikation deö materiellen und formellen Rechts als ein Ganzes gewollt hat, daß sich also beide Gesetzbücher ähnlich zu einander verhalten,

wie die Haupttheile des römischen corpus Juris, d. h. man muß bei der einzelnen Bestimmung prüfen, oh sie dem materiellen oder formellen Recht angehört, und im ersteren Fall der des A'.L.R., im letzteren der der A.G.O.

den Vorzug geben.')

•) Gärtner, Kritik des Untersuchung-prinzips des preuß. Civ.-Proz. 1833. ’) I. M. Bl. 1855. S. 163 und 1863. S. 102. Ueber die älteren Ausgaben, f. Koch a. a. O. S. 51. Simon n. Strampff, Zeitfchr. B. 1. S. 214. 8) Bergt Koch S. 56.. Bornemann 1.14. Ergänzungen. 5. A. B. 3.S. 6. C.

§. 3.

11

Spätere Gesetzgebung.

§. 3. Spätere Gesetzgebung. Bornemann S. 21. v. Daniels S. 67—113. prenß. Staat. S. 10.

Koch S. 57—64.

Jacobson, der

Wie oben schon angeführt wurde, hat die Kab.-Ord. v. 14. April 1780 die Erledigung der Gesetzgebung durch eine kollegialische Berathung vor­

geschrieben.

„Dergleichen Gesetzkommission", fährt sie fort, „muß auch

künftig beibehalten werden, damit bei etwa sich ereignenden Mängeln, Un­

deutlichkeit oder Fehlern der Gesetze, solche auf eine gründliche Art ver­

bessert, supplirt oder interpretirt werden können." Das prätorische Amt des supplere et corrigere jus, die Aufgabe der Fortbildung deö Rechts wurde also zunächst ausschließlich dieser Kommission übertragen.

Ihre Thätigkeit

hat aber nicht lange gedauert, und trotz der in jeder Beziehung umfassen­

den Legislation hat die Gesetzgebung bis auf unsere Tage unausgesetzt gearbeitet. Zwar zunächst konnte sie sich darauf'beschränken, Ergänzungen zu geben, die bei der begonnenen Anwendung des A.8.R. als nothwendig sich herausstellten, oder einzelne Zweifel zu beseitigen.

Was in dieser

Beziehung durch einzelne Verordnungen geschehen war, wurde sodann nach Redaktion 1803 als erster Anhang gesammelt und publizirt. In den Ausgaben des A.L.R. seit 1803 sind diese Anhangs­ paragraphen bei den entsprechenden Stellen des Gesetzbuchs eingereihet. Zur A.G.O. erschien 1814 (durch Patent vom 4. Februar publizirt) eine

vorgcnommener

gleiche Sannnlung der bis dahin ergangenen Ergänzungen und Abände­ rungen. Spätere einzelne Gesetze brachte für die Zeit von 1803—1806 die s. g. akademische Ediktensammlung und seit 1810 die Gesetzsammlung, zu wel­

cher ein Ergänzungsband für die Jahre 1806—1810 herausgegeben wurde. Die großen politischen Ereignisse der Jahre 1806—1815, die De­ müthigung und Erhebung Preußens hatten die Anerkennung voü Grund­

sätzen bewirkt, die bei der Redaktion des A.L.R. weder überhaupt schon zur Sprache gekommen, noch auch einer Beachtung werth gesunden wor­ den.

Die Entfesselung des Grundeigenthunis, die Freigabe der Gewerbs-

thätigkeit,

die Herstellung persönlicher Freiheit, die Aufhebung der diese

beschränkenden Lasten, die Ablösbarkeit dauernder Dienste und Abgaben, die Einführnng des preußischen Rechts in neu erworbene Länder waren so tiefgreifende Reformen, daß das A.L.R. wesentlich alterirt wurde.

Da­

zu kam, daß auch das Bedürfniß des täglichen Verkehrs, welches eine Reihe neuer Rechtsverhältnisse erzeugte, für welche unser Gesetzbuch noch keine Vorsorge getroffen hatte, mancherlei wichtige Abänderungen und Er­

gänzungen nöthig machte.

So wurde wieder durch die Menge der um­

gestaltenden und ergänzenden Gesetze der Rechtszustand sehr verwickelt, die Uebersicht über denselben sehr erschwert. Schon nach nur 25jähriger Giltigkeit des A.L.R. trat das dringende Bedürfniß einer Revision her-

Einleitung.

12

vor, welche 1817 dem- Minister v. Nehme, nach ihm mehrere Jahre den

Ministern Graf v. Danielmann und v. Kamptz, zuletzt von 1843 dem Minister v. Savignh

Werk unterbrochen.

übertragen

wurde.

Das Jahr

1848 hat das

Als einziges Ergebniß dieser langjährigen Revisions­

anstrengungen sind ein 1839 und 1842 gedruckter Entwurf des bürger­ lichen Gesetzbuchs für die preußischen Staaten und die als Manuskript

gedruckten Pensa zu erwähnen, welchen man jetzt keinen andern Werth

beilegen kann, als den einer mehr oder weniger gelungenen Kritik der privatrechtlichen Gesetzgebung **). Abgesehen vom formellen Recht, welches auch sehr wesentliche Ab­ änderungen erlitten hat, sind in neuester Zeit durch Gesetze, deren Giltig­ keit für ganz Deutschland erreicht ist, die Vorschriften des A.L.R. über Handels-, Wechsel- und Seerecht beseitigt worden.

§. 4. Giltigkeit des A.L.R. als gemeinen Rechts. Boi iiema nu S. 14. v. Da niete S. 80. Koch, S. 64. Jacobson a. a. O. S. 22.

Das Gesetzbuch wurde als allgemeines Landrecht eingeführt.

Es

machte also erstlich den Anspruch der allgemeinen Giltigkeit und verdrängte

deßhalb nothwendig alle diejenigen Rechte, welchen bisher diese Geltung beigewohnt hatte. Es trat, wie im P. P. §. I. ausgesprochen ist: „an die

Stelle der bisher ausgenommen gewesenen römischen, gemeinen Sachsenund anderer fremden subsidiarischen Rechte und Gesetze." Unter den letzteren sind nicht allein das kanonische Recht und das longobardische Lehnrecht, sondern auch alle diejenigen Landesgesetze zu verstehen, welche mit gemeiner Giltigkeit erlassen worden waren, falls nicht auf sie das Ge­ setzbuch noch ausdrücklich Bezug nimmt (P. P. §. II.). Aber nur insofern diese Rechte als

gemeine bisher gegoltn hatten,

wurden sie beseitigt,

soweit einzelne ihrer Sätze in Provinzial- oder Statutarrechte überge­

gangen waren und deßhalb die Natur dieser angenommen hatten, sind sie

durch das A.L.R. nicht verdrängt').

Es liegt in der Natur allgemein

giltiger Rechtssätze, daß sie da, wo besondere Bestimmungen bestehen, nur

aushilfsweise zur Anwendung kommen: das Subsidiarische gehört zum Be­ griff und Wesen des gemeinen Rechts in Deutschland, wo die provinzielle und lokale Mannigfaltigkeit der Rechtsbildung so überaus mächtig war.

Daher sollte das A.L.R. auch nur eine solche Anwendbarkeit erhalten. Dadurch trat es in ein bestimmtes Verhältniß zu den vorhandenen Pro­ vinzialrechten.

Die Kab.-Ord, v. 14. April 1780 ordnete an, daß für

*) v. Kamptz, Jahrb. B. 60. S. 1. Aktenmäßige Darstellung der preuß. Gesetz. reviston. Ueber die Pensa Jacobson a. a. O. S. 21. *) Präjudiz des O.-Trib. 432 (Pr. B. I. S. 1). Präj. 58. das. Präj. 622. das.

§. 4.

Giltigkeit des A.L.R. als gemeinen Rechts.

13

jede Provinz ein eignes Gesetzbuch gesammelt werden sollte und für diese

Arbeit wurde in der Kab.-Ord. v. 20. März 1791 eine dreijährige Frist

bestimmt.

Neben der Redaktion des allgemeinen Gesetzbuchs sollte also

auch eine Kodifikatjon der einzelnen Provinzialrechte erfolgen, so zwar, daß das erstere auf.letztere berechnet würde. Als aber das A.L.R. vollendet war, war die Arbeit über die Provinzialrechte noch in weitem Rückstände. Es mußte daher das P. P. §. III. IV. anordnen, daß vor der Hand die

bisherigen Provinzialgesetze und Statuten ihre Giltigkeit behalten und der

Termin zur Vollendung ihrer Revision und Sammlung zum Ueberfluß noch auf zwei Jahre verlängert werden sollte. Auch diese zwei Jahre sind längst entschwunden, ohne daß von diesen Arbeiten mehr, als 1801 das ostpreußische und erst 1844 das westpreußische Provinzialgesetzbuch er­ schienen sind, obschon es an litterarischen Vorarbeiten und Anstrengungen, mancherlei Art keineswegs gefehlt hat. AuS dieser Nichtbeachtung der Provinzialrechte haben sich nun aller­

dings Uebelstände ergeben.

Schon Schlosser, der geistreiche Beurtheiler „es dünkt mich doch

der damaligen Gesetzgebung, äußerte mit Recht'):

ein wenig widersinnig, daß die Ergänzung gemacht werden soll, ehe die Bruchstücke, die zu ergänzen sind, beisammen liegen." Das zunächst und hauptsächlich auzuwendende Recht blieb hiernach immer noch ungewiß, die provinziellen Abweichungen, welche früher im gemeinen Recht eine Unter­ lage besaßen, durch die ihre Lücken ergänzt wurden, erhielten statt dieser

im A.L.R.

eine neue,

passende Ergänzung.

auf sie nicht berechnete und daher nicht überall Die gerichtliche Praxis hat aber diese Uebelstände

dadurch zu überwinden getrachtet, daß sie, statt das zerstreute, dunkle und oft sogar sehr bestrittene Provinzialrecht anzuwenden, lieber nach dem be­ reiten und sicheren A.L.R. griff3). Sowohl dadurch, als durch die spätere Gesetzgebung, welche mehrere provinzielle Eigenthümlichkeiten aufgehoben hat, und überhaupt durch die ganze Richtung der Zeit ist das Provinzial­

recht fast völlig in Vergessenheit gerathen und es wird auch nicht mehr gelingen, das Abgestorbene ins Leben zurückzurufen.

§. 5. Giltigkeit des A.L.R. als Rechts der preußischen Staaten. v. Daniels S. 117.

Koch S. 40.

Das A.L.R. ist als ein Gesetzbuch für die preußischen Staaten publizirt worden. Es machte also ferner den Anspruch, im ganzen Um­

fange derselben zu gelten. Da aber seitdem der Länderbestand der Monarchie sich vielfach und erheblich verändert hat, namentlich auch Provinzen er*) Briefe über die Gesetzgebung S. 153. a) v. Daniel« a. a. O. S. 96. Nr. 78.

Einleitung.

14

worben wurden, die bereits andere Kodifikationen besaßen, so erlitt diese

Intention in der Folge sehr bedeutende Abänderungen.

Gleich zu Anfang war in §. VII. P. P. eine Ausnahme gebilligt wor­

Die drei ersten Titel des zweiten Theils,

den.

welche das Ehe- und

Familienerbrecht enthalten, wichen so erheblich von den Grundsätzen ab,

die in

einzelnen Provinzen galten,

daß zur Schonung wohlerworbener

Rechte eine Suspension derselben für diejenigen Bestimmungen, welche das grade Gegentheil eines klaren und unstreitig recipirt gewesenen

römischen oder anderen fremden Gesetzes enthalten, und auf so lange ein­

geführt wurde, bis die Provinzialgesetzbücher redigirt sein würden. Kei­ neswegs aber sollte das A.L.R. bloß den bisher üblichen Meinungen

einiger Rechtslehrer oder einer gewissen Erklärungsart dieses oder jenes römischen oder andern fremden Gesetzes weichen,

noch

auch sollten die

Stellen außer Kraft bleiben, welche bisher schon zweifelhaft gewesene.

Rechtsfragen bestimme».

Die Suspension ist später für mehrere Gebiete

durch einzelne Berordnnngen zurückgenommen und besteht heut nur noch

in der Knrinark, der Neumark, dem Kottbusser Kreis, in den zu Pommern gehörigen Kreisen Lauenburg und Bütow und im Arnsbergischen, und zwar in letzterem Gebiete unbedingt.*) Auf welche einzelne Rechtssätze sich aber die Suspension beziehen sollte, dies festzustellen, mußte der Praxis über­ lassen bleiben, und Zweifel haben hierbei nicht gefehlt, die durch die un­ bestimmte Fassung des §. VII. hervorgerufen worden sind. Einigen An­ halt für die Auslegung desselben bot das Reskript v. 2. März 1795 *), wo­ nach präsumirt wird, daß das Landrecht die bisherigen gemeinen Rechte nicht habe ändern wollen. Es muß also, um einen Satz deö Landrechts für suspendirt zu erachten, feine Abweichung vom bisherigen gemeinen

Recht nachgewiesen werden, und eine solche Abweichung ist nur vorhanden, wenn ein Satz des bisherigen gemeinen Rechts in das Landrecht nicht übergegangen, dieses vielmehr statt dessen eine andere Vorschrift enthält,

welche, wenn sie auch nicht grade wörtlich das direkte Gegentheil aus­ spricht, doch auch nicht bloß als eine Erklärung oder nähere Bestimmung des gemeinrechtlichen Satzes aufzufassen ist.

Die Praris ist im Allgemei­

nen ziemlich weit in der Annahme gegangen, daß daS A.L.R. mit dem ge­ meinen Recht übereinstimme oder es nur klar mache, und hat hierdurch

den Umfang der suSpendirten Sätze eingeschränkt.

In den übrigen alten Provinzen, welche auch in den Jahren der Fremdherrschaft nicht von der Monarchie getrennt Ware», gilt daS ganze

A.L.R. nach Vorschrift des P. P.

*) §. 4. des Publ -Pat. v. 21. Juni 1825 (Ges.-Samml. S. 153). I. 18. V. 1. ') Stengel VIII. 343. Heydemann, Eint. 1. S. 71.

Bornemann

§. 5.

Giltigkeit des A.L.R. als Rechts der preußischen Staaten.

15

Was die wieder und neu erworbenen Länder betrifft, so scheiden zu­

nächst aus der Reihe der letzteren die Rheinlande aus, in denen die fran­ zösische Gesetzgebung beibehalten wurde, ebenso die von Nassau abgetretenen Gebiete, welche jetzt den Bezirk des Justizsenats von Ehrenbreitstein bil­ den, der Regierungsbezirk Stralsund (Nenvorpommern und Rügen), in welchem das Appellationsgericht zu Greifswald bis 1849 die letzte, seit­ dem die zweite Instanz bildet, die beiden Fürstenthnmer Hohenzollern und

die 1866 erworbenen Provinzen, in denen das gemeine Recht neben Pro­ vinzialrechten gilt.

Die Absicht, das A.L.R. in der Rheinprovinz und in

den Gebieten des gemeinen Rechts einzuführen, ist bis jetzt unerledigt ge­ blieben. Nur wenige einzelne Bestimmungen des A.L.R. sind durch be­ sondere Verordnungen hier eingeführt.

In den von Sachsen erworbenen

Gebieten, welche zu dem Bezirk des Appellationsgerichts Naumburg ge­

hören, und in den beide» Lausitzen gilt das A.L.R.

In den durch die

Fremdherrschaft verlorene» Gebieten war das A.L.R. meist aufgehoben

worden.

Nach ihrem Wiedererwerb 1815 wurde es aber wieder zur Gel­

tung gebracht, jedoch mit der bemerkenSwerthen Aenderung, daß es hier, da die Fremdherrschaft auch die Provinzialrechte vertilgt hatte, nicht Mehr den älteren Charakter der subsidiären, sondern den der allein geltenden

Rechtsnorm erhielt. Nur in Westphalen und Cleve wurde die eheliche Gütergemeinschaft hergestellt, aber auch diese Abweichung ist neuerdings

durch daS Gesetz vom 16. April 1860 im Wesentlichen wieder beseitigt'). Das A.L.R. gilt ferner in Ostfriesland, Lingen, und einem Theile

deS Eichsfelds, zur Provinz Hannover gehörig, außerhalb des preußischen Staats in den an Baiern abgetretenen ehemaligen fränkischen Fürstenthümern, während in den Theilen der letztern, die an Würtemberg gelangt sind, das A.L.R. abgeschafft worden ist').

§. 6.

Beurtheilung des A.L.R.

I. G. Schlosser, Briefe über die Gesetzgebung überhaupt u. d. Entw. des preuß. Ges.B. 1789, besonders noch Fünfter Brief, 1790, gegen Klein in s. Annalen B. 4 S. 326. Gans, Beiträge zur Revision der preuß. Gesetzgebung B. 1. S. 195 (von Bornemann) u. S. 338. Menzel, Zwanzig Jahre preuß. Geschichte 1849. S. 383. Haym, preuß. Iahrb. 1860. S..383 f. Bornemann, System

I. S. 10.

Zur Zeit, als man mit der Redaktion unseres Gesetzbuchs umging, sind namentlich von Schlosser in seinen gehaltvollen Briefen über die 2) Da« Nähere über die verschiedene Giltigkeit des A.L.R. s. bei Koch I. S. 40 s. und in den Ergänzungen. ») Wächter, würtemb. Privatr. I. 2. S. 728. 730. 795 s.

Einleitung.

16

Gesetzgebung ernste, warnende Worte gegen das Vorhaben und die Art,

wie man es ausführen wollte, gesprochen worden.

Er bekämpfte dabei

die Theorie von Filangieri, der freilich der Meinung war, daß bei der Aufklärung, die damals /chon die Welt erlangt habe, die Gesetzgebung so leicht sei, als die Verfertigung eines Hochzeitskarmens.

„Die Sim-

plifizirung des Rechts", schreibt Schlosser, „ist eine Beförderung des

Despotismus.

Es scheint den Regenten und ihren Ministern so überaus

schön, wenn sie bis in ihre Kabinette alles im ganzen Lande sehen, und die große Maschine mit einem einzigen Hebel, ohne Widerstand, beinahe

ohne Friktion lenken können! — Ein Staat, dessen Glieder alle nur nach einem Weg sehen und gehen, ist entweder ein Staat von lauter Weisen oder ein Staat von lauter Sklaven. Wo Menschen sind, wie wir, und Bürger sein sollen, da macht nicht die Simplizität der Rechte, sondern ihre Sicherheit und Unverbrüchlichkeit, und die Weisheit ihrer Verflechtung

den Staat glücklich. — Alles, was wir thun können, ist, das römische Gesetzbuch auf seine Grundsätze zurückzuführen, und deren Anwendung und Erklärung in einem antorisirten Kommentar zu zeigen; im übrigen aber

sich inehr um gerechte und verständige Richter, die mit Billigkeit urtheilen, wo die Bestimmtheit der Gesetze fehlt, umzusehen, als nach vollkommenen

Gesetzen zu seufzen, die keiner Mißdeutung, keinem Mißbrauch ausgesetzt

wären." So standen sich schon damals die Ansichten gegenüber und seitdem

ist bekanntlich bis heute oft und scharf darüber gestritten worden, ob es zweckmäßig oder nothwendig sei, das Privatrecht zu kodifiziren. Gewiß

hat ein solches Vorhaben nicht bloß große Schwierigkeiten zu überwinden, sondern es erzeugt auch neue Uebelstände. Es befestigt Irrthümer, indem es sie zur formellen Wahrheit erhebt').

Und doch beweist das immer

wieder und aller Orten hcrvortretende Drängen »ach Kodifizirungen, daß

ein Bedürfniß wirklich vorhanden, daß es sich auf die Dauer nicht zurück­ weisen läßt. So mag man auch für Preußen die Abfassung des A.L.R. nicht als ein Unheil ansehen. Zwar, was Friedrich der Große nach

seinem Ausspruch in der Kab.-Ord. v. 14. April 1780 erreichen wollte, ist entfernt nicht erreicht worden. „Wenn Ich", sagte er, „Meinen Ent-

zweck erlange, so werden freilich viele Rechtsgelehrte bei der Simplifika­ tion der Sache ihr geheimnißvolles Ansehen verlieren, um ihren ganzen

Subtilitätenkram gebracht und das ganze Corps

der Advokaten unnütz

An neuen Streitfragen, die rasch und zahlreich emporschossen, fehlt es uns nicht; die überreiche neue Gesetzgebung ans dem Gebiete des

werden."

PpivatrechtS hat die Simplifizirung des Rechtszustandes zu einem Phan-

*) Sinteni«, zur Frage von den Civilgesetzbüchern, 1,853. S. 49. Roth, im Arch. s. civilist. Praxis, B. 8. S. 303 (1860). v. Mobl, Staatsrechk, Völkerrecht, Politik, B. 2. S. 456.

§. 6.

Beurtheilung des A.L.R.

17

tasiegebilde gemacht; weder die Rechtsgelehrten noch die Advokaten sind

überflüssig geworden. Auch bleibt es zu beklagen, daß durch das Dasein des A.9.R. die weitere Rechtsentwicklung in Preußen von der des. übri­ gen Deutschlands losgerissen und in eine isolirte Stellung gebracht wurde. Wenn die neuere Zeit eifrig wieder bestrebt ist, diese Trennung zu über­ winden,

so muß sie bei jedem Schritt wahrnehmen,

mit wie schweren

Hindernissen sie dabei zu kämpfen hat. Kann man trotzdem nicht in Abrede nehmen, daß die Schöpfung un­ seres Gesetzbuchs eine großartige und achtungswerthe ist, daß sie auch er­ hebliche Verbesserungen des Rechtszustandes herbeigeführt hat, so möchte,

um für dies Urtheil wenigstens nach einer Seite hin gleich den richtigen Standpunkt anzndeuten, an einen Ausspruch Beseler'S') erinnert wer­

den: „DaS jetzt geltende gemeine Recht darf man sich nicht in zwei Fel­ der getheilt denken, von denen auf dem einen das römische, auf dem an­ dern das deutsche unbeschränkt herrscht; eine vollständige Abgrenzung ist nicht möglich

und auch nicht heilsam.

liche der einzelnen Theile

Man muß zwar das eigenthüm­

aber auch nur organische Verbindung derselben kann jetzt eine deutsche Jurisprudenz gewonnen werden." Diese organische, innerliche Verbindung deS einheimischen mit dem aufgenommenen fremden anerkennen und festhaltcn:

durch die

Rechtsstoff zu erreichen, ist die große Aufgabe, zu der die deutsche Rechts­

arbeit berufen ist. Mag es nun auch richtiger sein, daß diese Aufgabe zunächst der Wissenschaft gestellt ist, so darf man doch auch nicht über­

sehen, daß zur Zeit, wo in Preußen das Gesetzeswerk begonnen wurde, die Wissenschaft in einem wenig befriedigenden Zustand sich befand. Alle diejenigen Werke, die damals Autorität in der Praxis genossen, und von unsern Redaktoren benutzt werde» mußten, zeigen geschmacklose Form der Behandlung, geistloses Zerreißen deS Stoffs, ein Mißverstehen des Ur­ sprungs der Rechtssätze.

Die Einsicht in den

geschichtlichen

BildungS-

prozeß fehlte ganz und nur ein nicht seltner praktischer Takt in der Be­

handlung und Entscheidung einzelner Fragen half über die Hindernisse

hinweg, die sich aus dem noch unvermittelten Rebencinanderbestehen des fremden und einheimischen Rechts ergaben.

Zum klaren Bewußtsein war

der damaligen Wissenschaft die Aufgabe noch nicht gekommen, daß eS sich hier um eine Verschmelzung zu einem neuen organischen Ganzen handele, die nur erreicht werden kann einerseits durch Abstreifung des nationalen

Elements des römischen Rechts,

andrerseits durch Klärung der trüben

Mischung von öffentlichem und Privatrecht, die dem deutschen Recht eigen-

J)

Erbverträge II. 2. S. 294. Auch Kierulss, Civ. R. Vorrede S. XX. Del­ brück i» der Münchner kritischen Ueberschau B. 2. 1855. S. 128—132., SalpiuS, Novation und Delegation nach römischem R. 1864. S. 450 f. Förster, Preuß Privatrecht.

2

Einleitung.

18 thümlich ist.

Groß ist darum das Verdienst der Redaktoren des A.L.R.,

weil sie zuerst und am vollständigsten versuchten, die Gespaltenheit der rst

Deutschland geltenden

drei

großen RechtSquellen

dadurch zu beseitigen,

daß sie dieselben in ein System verarbeiteten: ein wahrhaft nationales Verdienst, welches man, selbst wenn der Versuch vielfach als mißlungen zu betrachten ist, dennoch ein bleibendes für die gestimmte deutsche Rechts­

entwicklung nennen darf, denn durch diesen Versuch wurde eine solche Verarbeitung doch zuerst zum klaren Bewußtsein gebracht. Noch aus einem andern Grunde, der hiermit wohl zusammenhängt, darf man dem A.L.R.

ein nationale- Verdienst beilegen, insofern es nämlich in denjenigen Ge­ bieten des Privatrechts, die am meisten der nationalen Sitte angehören und deren Verletzung durch das Eindringen des fremden Rechts am schwer­ sten empfunden worden, im Familien- und Erbrecht und in der Auffassung

der dinglichen Rechte,

wieder mehr zur deutschen Rechtsanschauung sich

zurückwandte, wie denn überhaupt das germanische Element im A.L.R.

wett erheblicher ist, als man gewöhnlich annimmt'). Zweifelhafter freilich sind andere Eigenschaften unseres Gesetzbuchs, welche gleichwohl die Redaktoren und ihre Zeitgenossen entschieden als verdienstliche in Anspruch nahmsn. Zunächst die gemeine Verständlichkeit. Nicht als ob einer Unverständlichkeit das Wort geredet werden sollte, die

es nur einer gelehrten Iuristenkaste möglich macht, in ihren Sinn einzu­ dringen nnd das profanuni vulgus fern chält. Das Ziel der Redaktoren war löblich, aber die Art nnd Weise, wie man es erreichen wollte, war verfehlt und hat mancherlei Nachtheile herbeigeführt. Denn man durfte nicht zu einer nngeübten, der nöthigen Schärfe entbehrenden Auffassung

der Rechtsverhältnisse heruntcrsteigen, sondern man mußte die Fähigkeiten

des Volks, das Recht zu verstehen, entwickeln, heben, ihnen etwas zumuthen. Man that das Erstere, nahm das Moment der Belehrung auf und entfernte alle s. g. juristischen Kunstqusdriicke, die dem Laien unver­ ständlich sein konnten"').

Das Recht verlor dadurch das Plastische, was

das römische so sehr auszeichnete, das Feste und Bestimmte; die indivi­ duellen Scheidungen, die Grenzen , der einzelnen Institute vermischten sich

und Koch hat nicht Unrecht, wenn er sagt, es habe sich in eine queck­ silberartige Masse aufgelöst. — Sodann die übergroße Vollständigkeit, das

Bestreben, jede mögliche Rechtsfrage durch eine gesetzliche Bestimmung zu ’)

Gaupp, die Zukunft de« deutschen Rechts. 1847. S. 42. s. preuß. Rechts. 1852.

Löher, System des

4) Schon Friedrich Wilhelm I. hatte 1714 verlangt, daß aus den damals beabsichtig, teu Konstitutionen alle römischen Benamsungen und Kunstwörter gänzlich zum Gebrauch ausgehoben, die Benennung auf Teutsch gegeben werden, zu dem Ende aber eine lateinische und teutsche Nomenclatur beigefügt werden sollte. Das konnte freilich in verständiger Weise die Uebelstände beseitigen, die neue deutsche Kunst­ wörter verursachen mußten. Trendelenbnrg a. a O. S. 53.

§. 6.

lösen.

Beurtheilung des A.L.R.

19

Nicht bloß die Grundsätze, aus denen sich wissenschaftlich die wei­

teren Folgerungen herleiten lassen, sondern diese selbst sollten gleich fertig dargeboten werden. Wer sicherte vor falschen Folgerungen, die dann ge­ setzlich fixirt waren, wer konnte mit Sicherheit die letzten leitenden Grund­

sätze herausfinden, wenn sie von der Fülle des Details gewissermaßen

überwuchert waren?

Dieser Fehler des A.L.R. ist schon oft hervorge­

hoben und besprochen, die daraus erwachsenen Nachtheile liegen zu Tage: es genüge daher hier, daran zu erinnern, was Jhering^) über eine solche Eigenschaft eines Gesetzbuchs urtheilt: „Die Kombinationskunst des

Lebens ist so unerschöpflich, daß die reichste Kasuistik eines Gesetzbuchs ihren ewig neuen Fällen gegenüber dürftig erscheinen würde.... DaS Verhältniß, in dem ein kasuistisch abgefaßtes Gesetzbuch zu einem auf seine

logische Form rcduzirten Rechte steht, ist dasselbe, worin die chinesische Schriftsprache-zu der unsern steht.

Die Chinesen haben für jeden Begriff

ein besonderes Zeichen, ein Menschenleben reicht nicht aus, sie zu er­

lernen und neue Begriffe erfordern bei ihnen erst eine Feststellung ihrer Zeichen. Wir hingegen haben ein kleines Alphabet, mittelst dessen wir jedes Wort auflösen und zusammensetzen können: leicht zu erlernen und nie uns im Stich lassend. So enthält auch ein kasuistisches Gesetzbuch eine Menge von Zeichen für bestimmte einzelne Fälle; ein auf seine logi­ schen Momente rcduzirteS Recht hingegen bietet uns das Alphabet des Rechts, mittelst dessen wir alle noch so ungewöhnliche Wortbildungen des

Lebens entziffern und darstellen können."

Wenn endlich auch häufig, mehr

früher als jetzt, als besonderes Lob geltend gemacht worden, daß das A.L.R. dem Geist der Humanität und Moralität in ausgezeichneter Weise huldige,

so ist auch dies ein zweifelhaftes, übrigens in dem Maße nicht begründetes Lob. Die Gebiete des Rechts und der Moral sind getrennt, man darf sie nicht mit einander vermischen, und wenn man sich nur daran erinnert, welche hohe Bedeutung z. B. im römischen Obligationenrecht die bona fides einnimmt, wie sie gerade ihm die unvergleichliche Elastizität verleiht, und andrerseits, wie die einzige Bestimmung des A.L.R. über die Form

der Verträge zu einem guten Theil den guten Glauben aus diesem Rechts­ gebiet hcrausdrängt, so wird man jenes Lob wohl auf ein bescheideneres Maß beschränken müssen. •) Geist deS römischen Rechts I. (.1852). G. 30.

Einleitung.

20

§. 7. System des A.L.R. Snarez, Inhalt der preuß. Landesgesetze in Siewert, Materialien H. 1. S. 1. Gans, Beiträge B. 1. S. 1 n. S. 195 (von Bornemann). Gösche!, zerstreute Blätter. B. 1. S. 525. Löher, das System des Preuß. L.R. 1852. Heydeinaiiii, Einleitung. B. 1. S. 30 (1861). v. Savigny, System. B. 1. §. 53. f. Sintenis, Bemerkungen über Nechtssysteme in der Zeitschr. f. Civilrecht n. Pro;eß. B. 19. S. 41 (1844). Unger, österreich. allg. Privatrecht. B. 1. S. 210 (1856), dagegen Ahrends, jurist. Encyklopädie (1855). S. 557.

Der Anforderung an jede Wissenschaft, systematisch zu sein, d. h.

ihren Stoff in seinem organischen Zusammenhang darzizlegen, kann sich weder die Rechtswissenschaft im Allgemeinen, noch die eines positiven Rechts entziehen.

In eigenthümlicher Weise muß diese Anforderung bei der Be­

arbeitung des A.L.R. gestellt werden, weil es selbst mit der Prätension

anftritt, ein in sich, wohlbegründetes System zu haben. Auch diese seine Eigenschaft hat sehr verschiedene Beurtheilungen erfahren. Um das landrechtliche System zu verstehen und gerecht zu beurtheilen, muß man von

dem römischen Justitutionensystem, welches bis in unser Jahrhundert die wissenschaftlichen Arbeiten beherrscht hat, ganz absehen.

Während dieses

das objektive Recht zn Grunde legt, geht das A.L.R. von dem Gedanken aus, daß daSRccht nur exiftirt als Recht der Person, als s. g. subjek­

tives. Recht, daß es nur als solches, als Begleiter der Person in allen

ihren sozialen Beziehungen, Werth hat.

Das Prinzip seines Systems ist

daher das subjektive Recht'). Den inneren Zusammenhang, den Fortgang dieses Systems bildet die Beziehung des Rechts zur Person. Daher kommt es, daß weder das Sachen-, noch Obligationen-, noch Erbrecht als für sich bestehende Rechtstheile, losgelöst von ihrer Beziehung zur Person, auf­

treten.

sammen.

Die Person in ihrem rechtlichen Vermögen hält das Ganze zu­ Nachdem im ersten Theil bis einschließlich Titel 7. die allge­

meinen Rechtsgrundsätze über das objektive Recht, über das Subjekt und die Objekte des Rechts (Sachen und Handlungen), über die allgemeinen

Eigenschaften der Berechtigungen als persönlicher oder dinglicher, und die allgemeinen Entstehnngßgründe derselben, nämlich Vertrag und widerrecht­ liche Beschädigung für die persönlichen', Besitz für die dinglichen Rechte, abgehandelt füibi) 2), wird daö Eigenthum, als das wichtigste und unbe­

dingteste Vermögensrecht der Person, in. die Mitte gestellt, und um das-.

i)

Gaupp, Zukunft des deutsch. R. S. 45.46. Ueber den Zusammenhang des Systems des A.L.R. mit dem der Schriftsteller des Naturrechts, besonders DarieS, s. Göppert in der krit. Viertelj. Schr. B. 8. S. 537. Suarez selbst bezeichnet die 7 ersten Titel als Siewert I. S. 3—22.

"allgemeine Wahrheiten" bei

§. 7. selbe in

System des A.L.R.

21

untergeordneter Weise werden alle Materien des Privatrechts

gruppirt, die als Sachen-, Obligationen-, Erbrecht sonst selbständige, koor-

dinirte Theile des Rechtsshstems bilden.

Das Erbrecht aber bot wegen

seines Zusammenhanges mit der Familie noch eine andere Seite, die hier nicht befriedigt werden konnte, daher ist es zerrissen und hierher nur die Lehre vom Erwerb der Erbschaft im Allgemeinen und vom Erwerb durch Testament insbesondere gewiesen, das Intestat- und Notherbrecht aber mit dem Familienrecht in Verbindung gebracht.

Die Obligationen werden

nur als die Titel zum Erwerb des dinglichen Rechts, als die Mittel, eS

zu sichern, betrachtet*): sie sind insofern nicht selbständige Werthe, sondern nur indirekt, weil man mittelst ihrer Sachen oder Rechte erwerben oder sich sichern kann. Nachdem in dieser Weise der Kreis aller Privatver­

mögensrechte der Person als Einzelwesens erschöpft ist, wird zu den Rechtsverhältnissen der Person in der Familie, in der Gesellschaft, Kor­ poration, in ihrer Zugehörigkeit zu gewissen Ständen,

endlich in ihrem Verhältniß zum Staat fortgeschritten. Die Darstellung aller dieser Rechts­ institute umfaßt den zweiten Theil des Gesetzbuchs, also im Gegensatz zum

ersten das Recht der erweiterte» Persönlichkeit.

Man kann nun ge­

wiß nicht, verkenne», daß diese Anordnung einen wirklich fortschreitenden logischen Prozeß zeigt, daß sie wohl durchdacht und geistreich ist, und daß

dieser Lobspruch auch nicht wesentlich durch die Fehlgriffe, die das Gesetz­ buch in einzelnen Partieeu gegen sein eignes Prinzip enthält, beeinträchtigt

werden kann, zumal doch selbst in der heutigen Wissenschaft, die des Glau­ bens lebt, daß sie es in der Systematik besonders weit gebracht, kaum ein

System gefunden wird, welches sich Uber den untergeordneten Standpunkt eines zweckmäßigen Schematisirens erhebt, und zu sehr begründeten Aus­

stellungen keinen Anlaß giebt.

Trotzdem

muß das System des A.8.R.

in seinem tiefsten Prinzip für verfehlt und für untauglich erklärt werden, einer wissenschaftlichen Darstellung des preußischen Privatrechts zu Grunde gelegt zu werden.

Indem die einzelnen Nechtsinstitnte nach der Beziehung

zur Person, nach dem Werth, den sie für diese haben, an einander ge-

reihet werden, geht der Blick und die Rücksicht auf die innere organische Verwandtschaft, die diese Institute unter einander haben, verloren. Kei­ nes derselben hat in seiner eigenartigen Natur für das A.L.R. Bedeu­ tung. Der Zweck des einzelnen, also seine Wirkung nach Außen, weiset ihm die Stellung im System an.

Dies aber ist ein sehr lockeres und

äußerliches Band, denn den Zweck, z. B. Eigenthumserwerb, kann leicht

das eine Institut mit dem andern gemeinsam haben, und ihre innerliche

Natur, ihre Konstruktion ist doch gänzlich verschieden.

Daher kommt es

auch, daß im A.L.R. so vielfach Institute dicht neben einandex stehen, die

?) Schreiben von Carmers in MaUhiS, jnrist. Monatschr. B. 11 8. 205.

Einleitung.

22

keine innere Verwandtschaft haben, wodurch wesentlich die Einsicht in ihren Organismus verdunkelt wird — daß andrerseits Zusammengehöriges weit

anseinander gerissen und dadurch alle Uebersicht verloren gegangen

ist.

So darf es wohl als gerechtfertigt erscheinen, wenn sich die nachfolgende

Darstellung des preußischen Privatrcchts von der Legalordnung emanci-

pirt, und nach wissenschaftlichen Prinzipien ein eignes System zu befolgen bestrebt ist. Ueberdies hat die Legalordnung des A.L.R. jetzt für seine wissenschaftliche Bearbeitung längst die Bedeutung nicht mehr, welche sie

früher in Anspruch nehmen mochte, weil der in diesem Gesetzbuch nieder­

gelegte Privatrechtsstoff nicht mehr der ausschließliche Inhalt unseres Pri­ vatrechts ist; was in reicher Fülle neu hinzugekommen, hat mit der Ord­ nung des A.L.R. nichts gemein, es darf in die einzelnes Fächer desselben nicht eingeklemmt werden.

Und endlich erleichtert das Verlassen der Legal­

ordnung, die immer nur der sichere Stab war, wenn die Wissenschaft die

ersten zaghaften Schritte versuchte, die zu erstrebende Verbindung mit den wissenschaftlichen Arbeiten des gemeinen Rechts, das gleichartige und gleich­ mäßige Fortschreiten auf beiden Gebieten. Es wird hier im Wesentlichen das jetzt in der gemeinrechtlichen Juris­ prudenz herrschende System, vorbehaltlich einzelner Aenderungen, welche

durch die eigenthümliche Natur des preußischen Rechts bedingt sind, bei­

behalten werden.

Dieses System, von Heise stammend nnd später von

Savigny klarer gerechtfertigt, hat durch den Angriff von Puchta') nicht

erschüttert werden können und wird auch durch die von Dankwardt neuerdings aufgestellte Ansicht'), daß die ökonomische Seite des Rechts als Basis angenommen werden müsse, kaum verdrängt werden.

Denn wie

wichtig auch die Aufschlüsse sind, welche uns die Nationalökonomie für die

Fragen bietet, warum ein Rechtsinstitnt gerade zu dieser Zeit und gerade in dieser Art ein Bedürfniß für den Verkehr geworden ist, so giebt diese Betrachtung doch kein systematisches Element.

Sie belehrt uns über

die äußeren Ursachen der Entstehung, der Modifikationen, des Absterbens eines Instituts, aber nicht darüber, wie vom logischen Standpunkt aus es

mit anderen Instituten innerlich verwandt erscheint und nur hiernach kann sich die Stelle im System bestimmen. Was die Abänderungen betrifft, so soll nach dem allgemeinen Theil

zunächst das Obligationenrccbt und dann erst das Sachenrecht folgen, das

Erbrecht dem Familienrecht angeschlossen werden.

Erstere Abweichung er­

scheint nicht allein nach der Abfassung des A.L.R. über die Stellung der

3) Rheinisches Museum B. 3. S. 127 f. 4)

Dankwardt, nationalökvuouiisch-cwilistische Studien. 1862. S. 11 f. Bergt, hierüber Dworzack in Haimerl, öfters. Bierleljahrschr. B. XI. S. 25 des Litleraturblatts.

§. 8.

Wissenschaft des preuß. Rechts.

23

Obligationen zu dem dinglichen Recht, wonach sie nur Durchgangsstadien,

Borstufen für dieses bilden, angemessen, sondern sie rechtfertigt sich auch dadurch, daß die Lehre von den Schuldverhältnissen sich aus's engste an die von den Rechtsgeschäften anschließt, die im allgemeinen Theil behandelt wird, und dadurch, daß die Obligationen Nichts voraussetzen, was dem

Sachenrecht angehört, wohl aber umgekehrt letzteres, z. B. das Pfand­ recht, die Kenntniß der Vertragslehre schon erfordert 5).

Der Anschluß

des Erbrechts an das Familienrecht folgt aus dem engen Zusammenhang des Intestaterbrechts mit der Familie. Zu diesen vier Hauptgruppen tritt als fünfte das Gesellschaftsrecht, die Lehre vom Privatrecht der Gesellschaft, der Korporation, der wirth-

schaftlichen Stände enthaltend.

§. 8. Wissenschaft des preußischen Rechts. Koch I. S. 67. 70. 75.

Jacobson, über den Zusammenhang von Theorie und Praxis

im gemeinen mib preuß. R. in seiner und Bobricks Zeirschr. f. Th. u. Pr. des pr. R. I. 1834. S. 1—76.

Göppert in der kritisch. Viertelt. Schr. B. 7. S 447 f.

Trotz des bekannten Urtheils eines französischen Juristen über das A.L.R. „il suppose une Science approfondie tant des lois anciennes

du pays que du droit romain“ ist es ihm, wie andern großen Gesetz­ büchern, ergangen: es verstrich eine längere Zeit, ehe man es einer theo­ retischen Bearbeitung werth hielt. Leider hat diese Zeit, wo sich Praxis

und Wissenschaft gegenseitig unbeachtet ließen, eine gegensätzliche Richtung

erzeugt, die der einen wie der andern schädlich geworden ist und deren Wirkungen auch heutigen Tages noch nicht als überwunden gelten können ’). Die Gründe für diese Erscheinung sind übrigens theils theils gehören sie unserm Gesetzbuch besonders an.

allgemeine,

Was jene betrifft^), so ist es naturgemäß die erste Wirkung eines

5)

Der bairische Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs, München 1861, schickt auch dem Sachenrecht die Schuldverhättnisse voraus. Die Dative S. VI. sagen: Diese Boranstellung rechtfertigt sich durch die Erwägung, daß dieser Theil des Privat» rechts fast gar keine Rechtssätze aus den übrigen Theilen des Rechlssystems zu seiner Voraussetzung hat, während seine eigenen Bestimmungen vielfach in die letzteren eingreifen."

*)

Heydemann, Einl. S. 65: „Leider ist der unbegründete gegenseitige Hochmuth der theoretischen und der praktischen Richtung von den trivialen Anfängen deö I. 1749 an bis auf den heutigen Tag noch nicht zur Genüge bekämpft worden.» Vergl. hie jchbwen.Wtzrte.S avigntz's ^im-System B. \ 1L und B rin z in Schletter's Jahrb. der deutsch. R.W. B. 1. (1855)**5. 6.

2)

Unger in Schletter'S Jahrbüchern B. 1. S. 353. deutschen Rechts. S. 82.

Gaupp,

Zukunft des

(Anhang zn §. 7. S. 22]

Vergleichende Zusammenstellung der G AI

Preußisches A.L.R. vom 5. Febr.'1794. I. Allgemeiner Theil: Bon den Gesetzen und den allgemeinen Grundsätzen deö Rechts. Bon den Personen. Von den Sachen. Von Handlungen und. Willenserklärungen. Bon den Entstehungsarten des persönlichen Rechts: von den Verträgen, von den unerlaubten Handlungen. Von der Entstehungsart des dinglichen Rechts: vom Besitz. II. Vom Vermögensrecht der Person als Einzelner: A. Vom Eigenthum: 1. Vom nnmittebaren ) Erwerb. •t mittelbaren ) (Hier die einzelnen Verträge, Testament, Erbvertrag, Erwerb durch Dritte.) 2. Von Erhaltung des Eigenthums. (Hier von Verwahrung, Verwaltung, Kaution, Bürgschaft, Pfändung, Protestation.) 3. Von Verfolgung deö Eigenthums. 4. (Don Beendigung des Eigenthums, oder:) Von den Arten, wie Rechte und Verbindlichkeiten aufhören. B B°m g-m-mschasUich-n | C. " getheilten) D. (Von Einschränkung und Belastung des Eigenthums.) Dingliche Rechte: Pfand undHypothek, Zurückbehaltung, Vorkauf u. s. w. Nutzungsrechte: Nießbrauch, Erbpacht, Leihe, Miethe und Pacht, Aussetzung zur Kultur. Servituten, Zwangs- und Bannrechle. III. Von den Rechten der erweiterten Persönlichkeit: A. Familienrecht: 1. Ehe (mit ehelichem Güterrecht). 2. Elternrecht (mit Güterrecht) und Intestatfolge. 3. Rechte und Pflichten der übrigen Mitglieder einer Familie (auch das Intestaterbrecht derselben). 4. Gemeinschaft!. Familienrechte. 5. Gesinderecht. B. Gesellschaft und Korporation. C. Stände: Bauern, Bürger, Adel, Beamte. D. Kirchenrecht. E. Recht der Unterrichtsanstalten. F. Staatsrecht. (Hier, was die privatrechtliche Seite angeht: die fiskalischen Rechte, Regalien, Vormundschaft, Armenrecht.) Förster, Preuß. Privatrecht. I. 2.Aufl.

Code Napoleon v. 30. Ventose XII. (21 ♦ März 1804.) Einleitung: Von den Gesetzen im Allgemeinen. Ei I. Buch: Von den Personen. Er (Einschließlich dem s. g. reinen Familienrecht und Vorl mundschastSrecht.) ' II. B uch: Von den Sachen und den verschiedenen Be- Zn schränkungen des Eigenthums: 1. Eintheilung der Sachen. 2. Eigenthum (besonders Zuwachsrecht). 3. Nießbrauch, Gebrauch und Wohnungsrecht. 4. Servituten und Grunddienstbarkeiten. III. Buch: Von den verschiedenen Arten, das Eigenthum zu erwerben: 1. Erbfolge. 2. Schenkungen und Testamente. 3. Verträge. (Hier auch die allgemeinen Lehren des Obligationenrechts, und vom Beweise der Verbindlich, keilen — Urkunden, Zeugen, Vermuthungen, Eid —.) 4. Verbindlichkeiten, die ohne Vertrag entstehen. (Quasikontrakte und Delikte.) 5. Eheliches Güterrecht. 6. bis 17. Die einzelnen Verträge, einschließlich (17.) Pfandvertrag. 18. Privilegien (Vorzugsrechte) und Hypotheken. 19. Verkauf wegen Schulden (Konkursrecht). 20. Verjährung.

Dr r

Gysteme der neueren Gesetzbücher. Allgem. bürgerl. Gesetzbuch für die deutschen Erbländer der österreich. Monarchie v. 1. Juni 1811. Einleitung: Bonden bürgerlichen Gesetzen überhaupt.

Erster Theil: Allgemeine Bestimmungen: 1. Von den Gesetzen.

Erster Theil: Bom Personenrecht. (Einschließlich

Bürgerl. Gesetzbuch für das Königreich Sachsen v. 2. Januar 1863.

dem s. g. reindrt Familienrecht

und

2. Von den Personen. 3. Von den Sachen.

Vormundschaftsrecht.)

Zweiter Theil: Vom Sachenrecht:

4. Von den Handlungen.. 5. Von den Rechten.

1. Von den dinglichen Rechten:

6. Von der Sicherung, Verwahrung und Verfolgung

a. Besitz.

b. Eigenthum (besonders vom Erwerb durch Zu­ eignung, Zuwachs und Uebergabe).

der Rechte. Zweiter Theil: Sachenrecht:

c. Pfandrecht.

1. Besitz.

d. Dienstbarkeiten.

2. Eigenthum: a. Erwerb an beweglichen Sachen.

e. Erbrecht: 1. Testamentarische,

(Hier auch unter VII.: Erbfolge, Vermächt­

2. InLestatsolge.

nis;, Anwartschaft, doch nur ein §., als Er­ werbsart „ohne Weiteres" bezeichnet.)

3. Notherbrecht.

b. Erwerb an unbewegt. Sachen.

4. Besitznahme der Erbschaft.

f. Gemeinschaft des Eigenthums und der ding­

(Hier auch unter

I. Eintragung in das

Grundbuch.)

lichen Rechte.

2. Von den persönlichen Sachenrechten:

c. Verlust des Eigenthums.

1. Von den Verträgen überhaupt.

d. Gerichtliche Verfolgung des Eigenthums.

2. Schenkung.

e. Miteigentum.

3. Die einzelnen Verträge (19.—29. Hauptstilck).

f. Verhältniß benachbarter Grundstücke (ent­

sprechend dem 8. Tit. Thl. 1. A.L.R.).

4. Bon den Rechten des Schadenersatzes und der Genugthuung.

Dritter Theil:

3. Pfandrecht.

Von den gemeinschaftlichen Bestim­

mungen des Personen- und Sachenrechts:

1. Befestigung der Rechte

und

Verbindlichkeiten

(d. h. Bürgschaft, Pfandvertrag).

2. Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten.

4. Reallasten. 5. Dienstbarkeiten (Grund- und persönliche Dienst­ barkeit).

Dritter Theil: Das Recht der Forderungen:

1. (1—6. Der allgemeine Theil des Obligationen-

(Novation, Vergleich, Cession, Anweisung.)

Rechts,

3. Aufhebung der Rechte und Verbindlichkeiten. (Dem 16. Titel Thl. 1. des A.L.R. entsprechend.)

4. Verjährung und Ersitzung.

7. Papiere auf den Inhaber.) 2. Bon Verträgen und vertragsähnlichen Verhält­ nissen.

3. Forderungen aus unerlaubten Handlungen.

4. Forderungen aus verschiedenen Gründen. Vierter Theil: Familien- und Vormundschaftsrecht. (Das reine und angewandte Familienrecht zusammen­ fassend.)

Fünfter Theil: Das ErbschastSrecht.

(Das Jntestaterbrecht vorangestellt.)

Einleitung.

24

umfassenden Gesetzbuchs, daß eS, weil es den rechtswissenschaftlichen Er­

werb seiner Zeit in sich ausgenommen, die weitere theoretische Behandlung desselben unnölhig erscheinen läßt: er ist durch seine Erhebung zu formeller Geltung gewissermaßen abgeschlossen, hat den Charakter der Flüssigkeit verloren.

Es kann nur darauf ankommen, die Worte des Gesetzes genau

zu prüfen, feinen Sinn verstehen zu lernen.

Zuerst also muß eine Periode

eintreten, wo das Streben nach bloßer Gesetzeskenntniß eine höhere Wissen­ schaftlichkeit noch nicht aufkommen läßt.

nicht dauern.

Nur freilich kann dieser Zustand Der unerschöpfliche Reichthum der Lebensverhältnisse, welche

ihre Regelung aus dem Gesetzbuch verlangen, führt bald zu der Noth­

wendigkeit, sich bei dem Verständniß des geschriebenen Worts nicht ge­

nügen,

in seine Grenzen

sich nicht einbannen zu lassen.

ES müssen

Folgerungen gezogen werden, die nicht schon in den Worten des Para­ graphen liegen, die man nur finden und begründen kann mit den Hilfs­

mitteln der Wissenschaft, wenn man einzudringen sucht in den Organis­

mus der einzelnen Rechtsinstitute.

Dies führt weiter zu den Fragen, wie

entstand und entwickelte sich im Laufe der Zeit der oder jener Rechtssatz, mit welchen anderen steht er in innerer Verwandtschaft oder im Gegen­ So kam man auch im Gebiete des preußischen Rechts nach und nach wieder zurück auf den großen und wichtigen Zusammenhang, den eS mit

satz.

seiner Vergangenheit, mit dem gemeinen Recht hat, und eS wurde klarer erkannt, daß es die Aufgabe der preußischen Rechtswissenschaft, wenn eine solche überhaupt gewonnen werden sollte, sein müsse, diese Verbindung

immer fester zu knüpfen, immer lebendiger zu gestalten. Sodann aber bot das A.L.R. noch besondere Hemmnisse für die Entwicklung einer sich an dasselbe anknüpfenden neuen. und selbständigen Theorie.

Es zeigte sich einer solchen Entwicklung feindlicha), feindlich dem

Zusammenhang mit dem gemeinen Recht, welches ja damals als die Quelle

alles Uebels angesehen wurde.

ES soll sich, heißt eS am Schlüsse dcS

P. P. vom 5. Februar 1794, kein Kollegium, Gericht oder Iustizbedienter unterfangen, das neue Landrecht nach den aufgehobenen Rechten und Vor­

Gleiche Ungunst verrathen §. 46. bis 48. der Einleitung zum A.L.R. und §. 20. I. 5. A.G.O. Dazu kam schriften zu erklären oder auszudeuten.

aber weiter noch die lange Zeit hindurch ganz im Geiste des P. P. fort«

3)

Im Projekt des C. j, Erid. Porr. §. 28. IX. heißt es: „und damit die privat!, insonderheit aber die professores Jeine Gelegenheit haben mögen, dieses Landrecht durch eine eigenmächtige Interpretation zu corrumpiren, so haben S. K. M. bei schwerer Strafe ve^bpten, einen Commentarium über das ganze Landrecht oder einen Theil desselben zu schreibend . . . Daher die professores bloß der Jugend das Systema bekannt machen und derselben die principia generalia deutlich vor­ tragen sollen." — Trendelenburg a. a. O. S. d5.

§. 8.

Wissenschaft des preuß. Rechts.

25

gesetzte unerträgliche Neigung zur Belehrung und Anweisung von Oben, die alles selbständige Denken dem Richter abnahm und ihn an Line träge Aneignung dieser mit der Autorität des höheren Amts ausgestatteten, oft zweifelhaften Weisheit gewöhnte.

Dies ist nun freilich jetzt wieder andxrS geworden4). Die freie und selbständige Behandlung ist wieder möglich, seit die offiziellen Belehrungen aufgehört haben.

Die Veröffentlichungen der Entscheidungen des höchsten

Gerichts erweitern den Stoff und regen zu prüfender Kritik an5). Es kann hier nicht Absicht sein, die unermeßliche Anzahl der Kompi­ lationen aller Art, nur dienlich, aber nach Lage der Gesetzgebung lei­

der auch unentbehrlich für den täglichen Handgebrauch, oder die bereits

veralteten Kommentare und Paraphrasen deS

A.L.R. zu nennen.

Ein

Werk aber, was in die Kategorie der Sammelwerke gehört, muß erwähnt werden: Ergänzungen und Erläuterungen der preußischen Rechtsbttcher durch Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. 1. A. 1838 (das s. g. „Füusmäunerbuch", weil es 5 Berfasser bearbeitet haben ; 2. A. 1843; 3. A. 1848 (nur noch von 3 der früheren Herausgeber fortgesetzt); 4. A. seit 1858 von v. Rönne allein bearbeitet; 5. A. seit 1864. Die Ergänzungen zum A.L.R. sind vollendet 1868).

Sie gewähren eine vollständige Uebersicht des gesetzlichen Materials nach der Legalordnung. Die 2. A. hat viel Auszüge aus zerstreuten Auf­

sätzen.

Diese treten seit der 4. A. zurück,

dagegen sind hier die Ent-

scheidnngSgründe des Obertribunals vollständiger mitgetheilt.

Bon Bearbeitungen des ganzen Systems sind außer den älteren jetzt nur hervorzuheben: Bornemann, systematische Darstellung des preußischen CivilrechtS. 2 A. 1842,

6 Bände.

ein Werk, was dadurch einen besonderen Werth erhalten hat, daß es zu­ erst sich auf die ungedruckten Materialien des A.L.R. stützen konnte. A. v. Daniels, Lehrbuch deS gemeinen preuß. Privatrechts, 2 Bände 1851; 2. Aust, seit 1862 Desselben System deS preuß. Privatrechts. 2 B. 1865. Evelt, ' preuß. Eivilrecht, 2. Aust. 1860.

(Ohne Berücksichtigung der Litteratur.)

4)

Daß Koch auch in der 3. A. des Priv. R. (1857) S. 73 die erste Note hat bei­ behalten können, ist unbegreiflich. Sie enthält eine ungerechte Beschuldigung der jetzigen preußischen Richter.

5)

Es bleibt freilich zu wünschen, daß das O.-Trib. in seinen Entscheidungen mehr, als bisher geschehen, die wisseuschastlichen Arbeiten über preuß R. berücksichtigte ‘ mfl) dadurch deinerseits "dazu beitrüge, ben ^Spalt ^auSzusüllen, der kei ImS" noch zwischen Theorie und Praxis klafft. Die preuß. Rechtswissenschaft bedarf dieser Aufmunterung.

26

Einleitung.

Besonders aber: C. F. Koch, Lehrbuch des preußischen gemeinen Privatrechts. 2 Bände. 1. A. 1845; 3. Aufl. 1857.

durch juristische Schärfe und Heranziehung

des

römischen Rechts aus­

gezeichnet. Koch hat durch seine zahlreichen Schriften das wesentlichste Verdienst um die bessere Wendung unserer vaterländischen Rechtswissen­

schaft und darf in Wahrheit der eigentliche Begründer derselben genannt werden. In der Richtung des Bornemannschen Werkes hat Plathner: der Geist des preußischen Rechts. 2 Bände 1854,

den Nachweis versucht, daß das A.L.R. das von den Forderungen der christlichen Sittlichkeit und des deutschen Geistes durchdrungene und dem­ gemäß in ein preußisches Nationalrecht verwandelte abstrakte römische Recht sei. Dieser immerhin recht schwer zu führende Nachweis wird aber

gewiß nicht dadurch gewonnen, daß unvermittelt die Bestimmungen des A.L.R., des corpus Juris, des österreichischen Gesetzbuchs und des Code

neben einander gestellt werdens. Als Grundrisse sind anzuführen: LaspeyreS, System des preuß. Priv. R. im Grundriß. 1843,

nach eignem System und Litteratur;

mit sehr

reichen Angaben von Quellen und

Heydemann, Einleitung in da« System de« preuß. Civilrechts, al» 2. völlig limgearbeiteie Ausgabe seines Grundristes. 1. Bd. 1861 2. Bd. 1. Abth. 1868.

nach der Legalordnung, mit ebenfalls reichen Nachweisungen.

Der in der Praxis jetzt allein herrschende Kommentar ist der von E. F. Koch, däs A.L.R. mit Kommentar in Anmerkungen. 4 Bde. Bd. 1 in 4., die

übrigen Bände in 3. A- 1862—1864.

Nachdem manche frühere Zeitschrift eingegangen, sind jetzt als solche für das preußische Recht zu nennen: Gruchot, Beiträge zur Erläuterung des preußischen Rechts, seit 1857.

DaS Unternehmen ist dadurch verdienstlich, daß eS das Material der

Bergs, die Rezension dieses Werks von Arndts in der kritischen Uiberschau. B. 2. 1855. S. 456.

§. 8.

27

Wissenschaft des preuß. Rechts.

heutigen gemeinrechtlichen Praxis und Wissenschaft unserem Recht zuführt und hierdurch zeichnen sich besonders die vom Herausgeber bearbei­ teten Glossen aus. F. und P. HinschiuS, Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen,

feit 1867. Schering, Archiv für rechtswissenschaftliche Abhandlungen, s. 1861, 2 Bde,

enthält gelungene Prüfungsarbeiten. Einzelne juristische Tagesfragen wurden besprochen in der deutschen (früher preußischen) Gerichtszeitung von Hiersemenzel, s. 1859

und in der preußischen Anwaltszeitung von F. u. P. Hiuschius, s. 1862.

Beide sind geschlossen. Endlich

sind noch

die Sammlungen

zu erwähnen, in

denen

die

Rechtssprüche der Gerichte, besonders des Obertribunals veröffent­ licht werden: Koch, schlesisches Archiv f. praktische Rechtswiss. 6 Bde, 1837 — 1848 (geschlossen). Simon und v. Strampfs, Rechtssprüche der preuß. Gerichtshöfe. 4 Bde. 1828 bis 1835 geschloffen'. Entscheidungen des königl. Obertribunals, s. 1837.

(Die offizielle Ausgabe.)

dazu: Koch, Beurtheilung der ersten zehn Bde. der Entscheidungen des k geh. O Trib. 1847 Göppert in der krit. Vierteljahrschr B. 7. S. 447-s. Ferner: Rechts­ fälle aus der Praxis des k. O. Trtb. neueren Verfahrens. 4 Bde. 1847. 1848 geschlossen. Strtethorst, Archiv für Rechtsfälle, die zur Entscheiduug des

k O. Trib. gelangt sind, feit 1851. Präjudizien des G. O. Trib. Bd. 1. 1849 (die Zeit von 1832—1848 umfassend), Bd. 2. 1856 (die Zeit von 1849— 1855).

Monographische Arbeiten werden bei den betreffenden Materien er­ wähnt werden. Während das französische Recht durch Zachariä*), das österreichische neuerdings durch Ungers eine ausgezeichnete wissenschaftliche Pflege er­ fahren haben, ist die Bearbeitung des preußischen, wie die obige Uebersicht

zeigt, bisher im Wesentlichen den Praktikern überlassen geblieben.

7)

8)

Die

K S. Zachariä von Lingenthal, Handbuch des franz Civilrechts, 5. A h. v. Anschütz. 4 Bde. 1853. Die rechtswissenschastlichen Leistungen, die fich an das österr. Gesetzbuch geknüpft haben, sind bis tn die neueste Zeit hinter der Litteratur des preuß. R. zurückge­ blieben (Unger I. S. 18). Durch das leider noch unvollendete'Werk von Unger aber ist die preußische Litteratur bedeutend überholt.. *

28

Einleitung.

akademischen Lehrer haben sich ihm nicht zugewendet, wenngleich nicht ver­

kannt werden soll, daß besonders Savigny's wiederholte Bezugnahme

auf preußisches Recht von großem Werth, und die Berücksichtigung, die es seit neuester Zeit in einigen gemeinrechtlichen Untersuchungen gefunden,

erfreulich ist.

Der Unterricht des vaterländischen Rechts auf den preußi­

schen Universitäten läßt noch viel zu wünschen übrig.

Mit Ausnahme einer haben die übrigen dafür keinen Lehrstuhl, als Nebenfach übernehmen eS mehr oder weniger ungern einzelne Lehrer, und ebenso wird es als

Nebenfach ungern und lässig gehört.

Erstes Buch.

D i e Grundbegriffe.

Erster Theil.

Das Recht. Erstes Kapitel.

§. 9.

Das Gesetz.

A.L R. Eint. §. 1—13. 80. 82—87. II. 14 §. 81. Gesetz v. 3. April 1846. Vers. Urk. Art. 62—64. 92. 106. Art. 2. der Vers, des norddeutschen Bundes (B. Ges. Bl. 1867. S. 2.). — Ganö, Beiträge z. Revision B. 1. S. 97. Koch in der jnrist. Zeitung 1833. S. 250. Heydemann I. 79. 97. 125. Bornemann I. S. 42. 70. v. Daniels I. S. 131 Kochi. S. 93. 94. 97. 106, 130. — v. Sa vigny, System I. S. 38. Seuffert, prakt. Pand. R. 1. Bd. 2. A. S. 2.4. Windscheid, Pand. (1867), Bd. 1. S. 37. (2. A.) Wächter, wllrtemb. Priv R. Bd. 2. S. 18. 64. Unger, östr. Pr. R. Bd. 1. S. 25. 28. 108 sg. — v. Rönne, freust. Staatsrecht. B. 1. S. 143. 151. 158. 163. — v. Mohl, Staatsrecht, Völ­ kerrecht, Politik. B. 2. (1862) S. 375 über Abfassung von Iustizgesetzen.

3>n dem System eines positiven Rechts muß der Begriff: Recht,

sofern er unabhängig von seiner Verwirklichung in Zeit und Raum ist,

vorausgesetzt werden.

Es kommt nur darauf an, festzustellen, wie in

diesem positiven Recht dieser Begriff aufgefaßt worden ist. Die Ein­ leitung zum A.L.R. giebt nun hierüber einen Ausschluß, der mehr in ein philosophisches Lehrbuch, als in ein Gesetzbuch paßt. „Die allgemeinen Rechte und Pflichten der Menschen gründen sich auf die natürliche Frei­ heit, sein eigenes Wohl ohne Kränkung der Rechte eines Anderen suchen und befördern zu können.

Die besonderen Rechte und Pflichten der

Mitglieder des Staats beruhen auf dem persönlichen Verhältniß, in welchem

ein Jeder gegen den Anderen und gegen den Staat selbst sich befindet." Diese für die Gesetzanwendnng in keiner Weise nutzbar zu machenden Worte sind auch vom rein wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet inhalt­ los.

Ueber die Eintheilungen des Rechts, wie wir sie aus dem römischen

Recht kennen, in gemeines und besonderes, in strenges und billiges, ent­ hält das'A.L.R. nichts. Der erstere Unterschied ist aber je nach dem Inhalt deS Rechtsinstituts auch in unserem Recht vorhanden, und im Ge­

gensatz zum Provinzialgesetz und Statut ist das A.L.R. selbst, wie schon oben ausgeführt, gemeines Recht. Der Gegensatz von strengem und billigem

Erstes Buch.

32

Die Grundbegriffe.

Recht existirt im modernen Recht überhaupt nicht mehr, da ihm die den Römern eigenthümliche Duplizität der Rechtsbildung fremd ist').

Wichtiger ist aber die Frage, wie daö Recht in die äußere Erscheinung tritt, die ihm nothwendige Geltung erlangt.

Auch hierüber läßt uns das

Gesetzbuch nicht ohne Antwort, die ihre Erklärung in der starren legisla­

torischen Tendenz findet, welche unter Einfluß der damaligen Philosophie daö Ende des vorigen Jahrhunderts beherrschte.. Das A.L.R. indentifizirt

Recht im objektiven Sinn, den Inbegriff der Rechtssätze, mit Gesetz. — „Die Rechte des Menschen entstehen, heißt es, durch seine Geburt, durch seinen Stand und durch Handlungen oder Begebenheiten, mit welchen die

Gesetze eine bestimmte Wirkung verbinden. — Rechte und Pflichten, welche

aus Handlungen und Begebenheiten entspringen, werden allein durch die Gesetze bestimmt. — Rechte, welche durch die Gesetze nicht unterstützt wer­ den, heißen unvollkommene und

Einrede."

begründen keine gerichtliche Klage und

Das subjektive Recht also, jede der Person zuständige Berech­

tigung, fort sich nur auf das Gesetz stützen. In Wahrheit aber ist daö Gesetz nur eine bestimmte Form, unter der das Recht in die Erscheinung,

in das Bewußtsein tritt. . Das preußische Recht ist nun auch vorherrschend durch Gesetze ver

wirklicht;, sie sind die reichste und wichtigste Rechtsquelle. So lange in Preußen die gesetzgebende Gewalt allein dem König zu­ stand, hatte jede Anordnung desselben der formellen Geltung nach die Be­ deutung eines Gesetzes, gleichviel unter welchem Namen sie erlassen wurde. Dem Inhalt nach gehörte aber auch^ damals schon zum Begriff des Gesetzes, daß es „die besonderen Rechte und Pflichten der Bürger bestunmt, oder die gemeinen Rechte abändert, ergänzt oder erklärt." Wie nun die Gesetze

damals entstanden, wie zuerst die Gesetzkommission, dann der 1817 errich­ tete Staatsrath, dann die Provinziallandtage und der durch die Patente

vom 3. Februar 1847 geschaffene vereinigte Landtag dabei zur Mitwir­ kung berufen waren, gewährt jetzt nur noch ein historisches Interesse.

Seit der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 wird die gesetz­

gebende Gewalt gemeinschaftlich durch den König und die beiden Häuser

des Landtags ansgeübt.

Zu jedem Gesetz ist die Uebereinstimmung des

Königs und beider Häuser erforderlich. Wegen dieses entscheidenden Theilnahmerechts des Landtags an der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt ist eS ein dem absolutistischen Staat

unbekanntes Bedürfniß geworden, den Unterschied zwischen dem Gesetz und

solchen Verordnungen fest zu bestimmen, die einseitig vom König in Aus*;

Plathner, Geist de« preuß. Priv. R. S. XXVI. setzt einen Unterschied »wischen strengem (abstraktem) und wirklichem Recht. Da streng und wirklich keine Gegensätze find, wird diese Unterscheidung al« unlogisch und unklar verworfen werden müssen.

Erstes Buch.

32

Die Grundbegriffe.

Recht existirt im modernen Recht überhaupt nicht mehr, da ihm die den Römern eigenthümliche Duplizität der Rechtsbildung fremd ist').

Wichtiger ist aber die Frage, wie das Recht in die äußere Erscheinung tritt, die ihm nothwendige Geltung erlangt.

Auch hierüber läßt uns das

Gesetzbuch nicht ohne Antwort, die ihre Erklärung in der starren legisla­

torischen Tendenz findet, welche unter Einfluß der damaligen Philosophie

daS Ende des vorigen Jahrhunderts beherrschte.. Das A.L.R. indentifizirt

Recht im objektiven Sinn, den Inbegriff der Rechtssätze, mit Gesetz. — „Die Rechte des Menschen entstehen, heißt es, durch seine Geburt, durch seinen Stand und durch Handlungen oder Begebenheiten, mit welchen die Gesetze eine bestimmte Wirkung verbinden. — Rechte und Pflichten, welche

aus Handlungen und Begebenheiten entspringen, werden allein durch die Gesetze bestimmt. — Rechte, welche durch die Gesetze nicht unterstützt wer­ den, heißen unvollkommene und

Einrede."

begründen keine gerichtliche Klage und

Das subjektive Recht also, jede der Person zuständige Berech­

tigung, soll sich nur ans das Gesetz stützen. In Wahrheit aber ist das Gesetz nur eine bestimmte Form, unter der das Recht in die Erscheinung,

in das Bewußtsein tritt. .

Das preußische Recht ist nun auch vorherrschend durch Gesetze ver

wirklicht;, sie sind die reichste und wichtigste Rechtsquelle. So lange in Preußen die gesetzgebende Gewalt allein dem König zu­ stand, hatte jede Anordnung desselben der formellen Geltung nach die Be­ deutung eines Gesetzes, gleichviel unter welchem Namen sie erlassen wurde. Dem Inhalt nach gehörte aber auch damals schon zum Begriff des Gesetzes, daß eS „die besonderen Rechte und Pflichten der Bürger bestaunt, oder die gemeinen Rechte abändert, ergänzt oder erklärt."

Wie nun die Gesetze

damals entstanden, wie zuerst die Gesetzkommission, dann der 1817 errich­ tete Staatsrath, dann die Provinziallandtage und der durch die Patente vom 3. Februar 1847 geschaffene vereinigte Landtag dabei zur Milwtr-

kung berufen waren, gewährt jetzt nur noch ein historisches Interesse. Seit der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 wird die gesetz­

gebende Gewalt gemeinschaftlich durch den König und die beiden Häuser

des Landtags ausgeübt.

Zu jedem Gesetz ist die Uebereinstimmung deö

Königs und beider Häuser erforderlich. Wegen dieses entscheidenden Theilnahmerechts des Landtags an der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt ist es ein dem absolutistischen Staat

unbekanntes Bedürfniß geworden, den Unterschied zwischen dem Gesetz und

solchen Verordnungen fest zu bestimmen, die einseitig vom König in Aus*)

Plaihner, Geist de« preuß. Priv. R. S. XXVI. setzt einen Unterschied »wischen strengem (abstraktem) und wirklichem Recht. Da streng nnd wirklich keine Gegensätze stnd, wird diese Unterscheidung als unlogisch und unklar verworfen werden müssen.

§. 9.

Das Gesetz.

33

Übung der ihm allein zustehenden Regierungsgewalt erlassen werden können. Die Verfassuligsurkunde spricht sich hierüber nicht aus, der Unterschied muß daher aus der Natur der Sache, aus dem Begriff hergeleitet werden.

Handelt es sich bloß darum, zu prüfe», ob eine bereits erlassene königliche Anordnung als Gesetz oder Verordnung formell zu bezeichnen sei, so wird die Antwort darauf sich schon auS ihrer äußeren Erscheinung finden lassen,

je nachdem sie es nämlich selbst angiebt, ob sie mit Zustimmung der bei­

den Häuser des Landtags ergangen ist, oder nicht.

Es sind aber auch

die Gebiete rechtlich zu umschreiben, innerhalb deren der Landtag mitwirken muß, oder der König und dessen Regierungsorgane allein zu handeln be­

rechtigt sind. So viel leuchtet ein, daß man unter Gesetz nür die Fest­ stellung eines allgemeinen Grundsatzes mit der Tendenz der erzwingbaren Befolgung von Allen, die dem Kreise angehören, für den er bestimmt ist,

zu verstehen hat, — und im Gegensatz hiervon unter Verordnung oder, wie es jetzt meist in der offiziellen Sprache heißt, „allerhöchster Erlaß"

die Anordnung zur Ausführung und Anwendung der allgemeinen Grund­

sätze.

Es müssen also als Gegenstände der Gesetzgebung erachtet werden:

alle Aenderungen des öffentlichen und Privatrechtsznstandes, alle Einfüh­ rungen neuer Institutionen und Rcchtsregelu, alle Gegenstände, die außer­

dem das positive Recht des Staats ausdrücklich dem Gebiet der Gesetz­ gebung überweist. Durch königliche Verordnungen aber kann Neues im

Rechtszustaud nicht begründet werden, sie haben ihre Qitplle in der Vollziehnngsgewalt, müssen sich also auf ein bereits bestehendes Gesetz stützen.

Daß die authentische Interpretation eines Gesetzes nur durch einen Akt

der Gesetzgebung bewirkt werden kann, ist ebenso unzweifelhaft wie, daß die Verordnungen, die der König ans Grund des Art. 63^-der Verf.-Urk. allein erläßt, nicht den Charakter der Verordnungen im Gegensatz zum

Gesetz, sondern de» von provisorischen Gesetzen haben. Dem preußischen Landesgesetzen gehen die Gesetze des norddeutschen Bundes vor. Sie erfordern Uebereinstimmung des Bundesrathes und des Reichstages. Die gesetzgebende Gewalt des Bundes ist in ihrem Um­

fang auf gewisse Gegenstände beschränkt durch die Bundesverfassung*).

Die Giltigkeit eines Gesetzes hat also eine doppelte Voraussetzung,

die eine liegt in seinem Inhalt, die andere in seiner Form. türlich, daß über jene leicht Zweifel entstehen können.

Es ist na­

Um nun solche

Zweifel in den Grenzen derjenigen Staatsorgane zu halten, die die nächst-

betheiligten dabei sind, d. h. zwischen dem König und dem Landtag, und um zu verhindern, daß er auch in die unteren Organe der Staatsregie­

rung dringe, diese hemme oder zersetze, hat man in Preußen bestimmt, daß die Prüfung der Rechtsgiltigkeit gehörig verkündeter königl. Verordnungen *) Bundes Berf. Art. 2. 5. F v r ft e r, Preuß. Privatrecht.

34

Erstes Buch.

Die Grundbegriffe.

nicht den Behörden, sondern nur dem Landtag zustehen soll. V. U.)

(Art. 106. Es dürfen also auch nicht die Gerichte eine solche Prüfung der

inneren Rechtsgiltigkeit vornehmen, obschon sie nach Art. 86. keiner an­ dere» Autorität, als der des Gesetzes unterworfen sein sollen.

Dadurch

ist ihnen ein wesentlicher Theil ihres Berufes entzogen ’). Der preußische Richter muß jede königl. Verordnung befolgen, wenn sie nur gehörig bekannt gemacht worden.

bedingt zu prüfen.

Die gehörige Bekanntmachung aber hat er un­

Sein juristisches Dasein erhält hiernach das Gesetz

erstlich durch die königliche Vollziehung, welcher die Gegenzeichnung eines Ministers hinzutreten muß, um giltig zu sein, zweitens durch die Veröffent­

lichung.

Diese ist im Interesse der Rechtssicherheit unter Aufhebung aller

früheren Bestimmungen4*)* 3jetzt dahin vereinfacht, daß sie nur durch die

Gesetzsammlung geschieht.

Der Tag der Gesetzeskraft bestimmt sich, falls

nicht das Gesetz darüber eine besondere Anordnung enthält, nach der Entfernung des Regierungsbezirks von Berlin; sie tritt spätestens am 14. Tage ein, nachdem das betreffende Stück der Gesetzsammlung ausgegeben wor­ den *). Diese dem französischen Recht entlehnte Bestimmung erregt die

Frage, ob, wenn das Gesetz früher als in der bestimmten Frist in einem

Regierungsbezirk bekannt geworden, es von diesem früheren Zeitpunkt wirk­ Eine Verpflichtung, sich vor dem gesetzlich bestimmten Zeit­ punkt dem Gesetz zu unterwerfen, existirt nicht, wohl aber wird bei s. g. Erlaubnißgesetzen den Parteien gestattet sein, ihren Rechtsgeschäften die Vorschriften derselben auch schon vor dem Zeitpunkt ihrer formellen Gil­ sam wird.

tigkeit zu Grunde zu legen 4).

Sobald das Gesetz oder die königliche Verordnung gehörig pnblizirt

und der Zeitpunkt seiner Giltigkeit eingetreten ist, verbindet es, ohne Un­ terschied des

Standes,

Ranges

und

Geschlechts,

jedes

Mitglied des

Gemeinrechtlich und nach den Verfassungen anderer deutscher Staaten ist es nicht zweifelhaft, das; es zum Richteiaml gehört, zu prüfen, ob eine Verordnung ver­ fassungsmäßig Gesetz ist. Mohl, Staalsrecht, Völkerrecht, Politik, B. 1(1860). S. 81 fg. widerlegt siegreich die dagegen vorgebrachten Scheingründe. Ebenso Wächter, Arch. f. civil. Praxis. B. 24. S. 238. und würt. Priv. R. II. S. 26. Gneist, soll der Richter auch über die Frage zu befinden haben, ob ein Gesetz verfassungsmäßig zu Stande gekommen, ein Gutachten. 1862. Die Praxis der sächsischen, würtembergischen, bairischen, knrhessischen Gerichte und des O. App. Ger. Lübeck bestätigt, daß die Gerichte diese Befugniß haben. Abweichend ist die Praxrs in Darmstadt. Seuffert, Archiv B. 4. S. 399. B. 5. S . 291. Linde, Arch. f, civil. Praxis B 16. S. 303. Zeitschr. f. Civ. R. u. Proz. B. 7 S. 49 und zu­ letzt überaus weitläufig Bischof in der Zeitschr. f. Civ. R. n. Proz. N. F. B. 16. S. 235.385. B. 17. S. 104. 253. 448. B. 18. S. 129. 302. 393 sind gegen diese Befugniß der Gerichte. In Betreff der Bundesgesetze gilt die beschränkende Be­ stimmung der preuß. Vers. Urk. nicht. 3) Ueber die älteren Arten der Gesetzespublikation in Preußen s. Koch a. a. O. und die Ergänzungen. Jetzt das Gesetz v. 3. April 1846, entsprechend dem Cod. Napol. Art. 1. *) Bundesgesetze gelten vom 14. Tage nach der Ausgabe des Gesetzblattes. Art. 2. der B.Df. 4)

Zach ar iä (Anschütz), sranz. Civilrecht, 5. A. 1853. B. 1. S. 61. Note 4.

§. 9.

Da» Gesetz.

35

Staats, auch den Staat selbst als Subjekt von Vermögensrechten,'d. h. als Fiskus, und den König in seinen privatrechtlichen Verhältnissen zu

den Unterthanen.

Die Gleichheit vor dem Gesetz hat die Verfassungs-

Urkunde (Art. 4.) anerkannt.

Bon da ab kann sich kein Einwohner des

Staats ^mit der Unwissenheit des Gesetzes entschuldigen, und zwar nicht

bloß insofern, als sie Nichtkenntuiß von dem Vorhandensein des Gesetzes, sondern auch, soweit sie irrthümliche Auffassung seines Inhalts ist5).6 Die

Rechtfertigung für

die Nichtberücksichtigung des Irrthums liegt

darin,

daß der letztere überhaupt der Regel nach an und für sich nichts wirkt, mag er entschuldbar gewesen sein oder nicht5). Man kann den Grund­ satz also auch so ausdrücken: Irrthum hindert nicht die Anwendung des

Gesetzes. Die Wirksamkeit des Gesetzes dauert so lange, bis eine aus­ drückliche Willenserklärung des Gesetzgebers es anfhebt. Durch Gewohn­ heit, Meinungen der.Rechtslehrer, gerichtliche Urtheile oder für einzelne Fälle erlassene Verordnungen kann ein vorhandenes Gesetz nicht beseitigt

werden.

Wohl aber hört es auch dann, selbst ohne ausdrückliche Erklä­

rung, auf, wirksam zu sein, wenn sein Gegenstand weggefallen, und eS dadurch iuhaltslleer geworden ist, wenn die Zeitperiode abgelaufen, für die es. gegeben war/ wenn ein neues Gesetz eine entgegenstehende, mit der alten nicht vereinbare Rechtsregel .einführt7).8 Bei der häufig beliebten Manier in der neueren preußischen Gesetzgebung, in solchem Fall im neuen Gesetz nur allgemein auszusprechen, daß alle dem entgegenstehenden älteren

Bestimmungen aufgehoben sein sollen, kann

es nicht selten zweifelhaft ob durch den neuen- Rechtssatz ein älterer beseitigt worden sei. Ebenso ist es der Theorie überlassen, den Umfang der Aufhebung zu be­

sein,

stimmen.

Hierbei kommt besonders in Frage, ob mit der Aufhebung einer

älteren Rechtsregel auch immer und nothwendig ihre Ausnahmen mit auf­ gehoben sind5). Die gemeine Meinung, die auch für das preußische Recht

von Wichtigkeit ist, weil es abweichende Bestimmungen nicht enthält, hat sich dahin festgestettt, daß in der Regel mit dem.Gesetz auch seine Aus5)

Koch, Kommentar, Note 20. a. E. zu §. 12. Eint, scheint a. M. zu sein. S. unten §. 30. Note 5. Die Ausnahme, die §. 13. daselbst macht, berührt nicht daS Privatrecht.

6)

Wächter, würtemb. Priv. II. S. 120.

7)

Nach gemeinem Recht kann auch durch Gewohnheit bestehendes Recht ausgehoben und geändert werden, 1. 32. §. 1. D. I. 3. Das österr. Ges. B. §. 9. läßt die Gesetze nur durch den Gesetzgeber abändern und ausdrücklich ausheben. Doch zeigt Unger I. S. 103 fg., daß auch die inneren Erlöschungsgründe, die nicht ausdrücklichen, ihre Wirkung behalten haben. Daö neue sächj. Ges. B. §. 4. hat

den sehr bedenklichen Satz anfgenvmmen: „sind die Gründe eines Gesetzes weg­ gefallen, so verliert das Gesetz seine Kraft, wenn es ausschließlich auf den wegge­ fallenen Gründen beruhte." Ueber diese alte, man kann wohl sagen, veraltete Meinung vergl. Wächter I. S. 162. Unger I. S. 102. 8)

Hierüber ausführlich WächterII. 162 und ihm folgend Unger I. 104. — Das sächs. Gesetzbuch §. 5. sagt: „Hebt ein Gesetz eine Regel auf, so werden damit auch die Folgesätze, nicht aber die Ausnahmen der Regel ausgehoben, wenn sich nicht aus dem Zusammenhang auch die Aushebung der Ausnahmen ergiebl."

Erstes Buch.

36

Die Grundbegriffe.

nahmen beseitigt sind, daß die letzteren sich nicht ohne Weiteres auf die neueingeführte Rechtsregel übertragen, vorausgesetzt, daß die Ausnahme

mit ihrer Regel einen gemeinschaftlichen Geltungs-Umfang hatte, d. h.

daß jsowoht Regel als Ausnahme reichendes besonderes Recht waren.

entweder

gemeines

oder gleich weit

Denn wenn die alte Regel gemeines

'Recht gewesen und ihre Ausnahme nur. lokale oder provinzielle Geltung

hatte, so wird durch die Aufhebung oder Aenderung jener diese nicht be­ rührt.

Daß

der Gesetzgeber

die bisherige Ausnahme der

alten Regel

auch nach Aufhebung der letzteren ausdrücklich beibehatten oder auf die

neue Regel für anwendbar erklären kann, versteht sich von selbst. Ebenso der auch im A.L.R. anerkannte Grundsatz, daß neuere allgemeine Gesetze Statuten und Pröviuzialgesetze nicht anfheben, und daß erstere den be­ sonderen überhaupt nachstehen’). Es sind aber noch zwei Fragen über die Anwendbarkeit der Gesetze von hervorragender Wichtigkeit und bedürfen

einer ausführlichen Erörterung, die nach dem zeitlichen und örtlichen Um­ fang der Giltigkeit.

§. 10. Zeitliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze. A.r.R. Eint §. 14.-19. §. VIII.—XVII. Pnbl. Pat. — Heydemann S. 84. Bornem akln 1. S. 4G. Daniels I. 'S. 155. Koch L S. 123. und sein Kom­ mentar z. A.L.R. P P. VIII. — Bornemann, Eeönerungen im Gebiete deü preuß. R. 1855. Heft 1. S. 1. — Weber, über die Rückauwendnng positiver Ge < setze. 1811. v. Savigny, System B. 8. S. 373. Scheurl, Beiträge z. Beur­ theil. des röm. R. 1852. B. 1. Nr. 6 Wächter II. S. 167. Unger I. S. 113. Windscheid, Pand. I. S. 69. Ba n gerow, 7» A. 1863. B. 1. S. 57. R. Schmidt, di? Herrschaft der Gesetze nach ihr- ', räumlichen und zeitlichen Grenzen. 1863. S. ioi f.

Da jedes Gesetzbuch in einen

schon begründeten und anerkannte»

Rechtszustand mitten hineintritt, so sind darüber Regeln erforderlich, in welches Verhältniß es sich zu demselben setzen soll.

Keine der vorhande­

nen Gesetzgebungen, auch nicht das gemeine Recht, bietet hier mehr als

die dürftigsten allgemeinen Sätze.

Der Wissenschaft und dem Gerichts­

gebrauch war daher die Entwicklung der Regeln überlassen und es haben

Das Publikationspatent des A.L.R. enthält zwar ausführliche Vorschriften: da dieselben aber nur Be­ sich dabei vielfache Streitfragen ausgebildet.

zug hatten auf das damalige Erscheinen des Gesetzbuchs, so können sie hier nur, soweit die ihnen unterliegenden Grundsätze sich vom allgemeinen Standpunkt rechtfertigen lassen, Erwähnung finden**). Dasselbe gilt von

•) §. 21. 61. Eml. z. A.L R. *) Das O.-Trid. hat angenommen, baß die Grundsätze des Publik.-Paieuts v. 5.

§. 10.

Zeitliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze.

37

den späteren Publikationspatenten) die zum Theil abweichende, der gemein­ rechtlichen Theorie näherstehende Bestimmungen haben. Der leitende Grund­

satz ist:

„Ein neues Gesetz darf

auf vergangene Fälle nicht

gezogen werden; es ist aber auf alle Fälle zu ziehen, die nach seiner Publikation entstehen"'). Das heißt: durch das ueue Ge­ setz darf kein bereits bestehendes,, wohlerworbenes Recht weder in dem ihm

znkommenden Schutz, noch in dem aus ihm hervorgehenden Genusse oder in seiner Ausübung alterirt -werden.

Kein Gesetz wirkt vor seiner Existenz.

Aber nur wohlerworbene, d. h. schon wirklich gewordene, wenn auch

noch bedingte und betagte Rechtsansprüche sind durch diese Regel geschützt, nicht allgemeine, abstrakte Befugnisse aller Menschen, die nur die Mög­

lichkeit gewähren, ein künftiges Rechtsverhältniß zu schaffens, nicht bloße

s. g. Hoffnungsrechte, Erwartungen. Auch ist der Grundsatz ausgeschlossen, wenn das Gesetz sich selbst rückwirkende Kraft beilegt, oder das neue Ge­ setz nur das ältere deklarirt, gleichviel, ob es sich selbst als Deklaration bezeichnet, oder nichts, endlich wenn das neue Gesetz ein Verbots­

gesetz ist").

Die Anwendung dieses an sich einfachen und leicht verständlichen Grundsatzes erhält aber eine Schwierigkeit dadurch, daß es Fälle giebt, die ihre Wirkung in eine länger dauernde Zukunft erstrecken, so daß die Emanation des neuen Gesetzes mitten hineinfällt, z. B. bei Verträgen mit hinausgeschobener Erfüllungszeit; daß es ferner Fälle giebt, deren recht­

licher Grund zwar schon in die Zeit des älteren Rechts trifft, deren eigentliche Entstehung und Geltendmachung sich aber erst unter dem neuen Recht äußert, z. B. bei der Verjährung^ bei der Ehe.

Febr. 1794 als allgemeine Rechtsgruudsätze anzusehen sind, welche auch aus neuere Gesetze Anwendung finden. Slrieth. B. 53. S. 122. A L R. Einl. §.14. „Neue Gesetze können auf schon vorhin vorgefallene Handlungen und Begebenheiten nicht angewendet werden." I. 7. C. I. 14. I. 65. C. X. 31. c. 13. X. 1. 2 Code N. art. 2. Oester. Ges. V. §. 5. Sachs. Ges.B. §. 2. Beide sagen besser als das A L.R.: „Gesetze wirken nicht zurück;^sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluß." 2) Entsch. B. 46. S. 209. Strieth B. 47. S. 261. Ueber den Begriff des wohlmv ort en en Rechts: Unger I. S. 119. Vang erow I. S. 61. c. a. E. und un­ ten tz. 18. Ueber Rechte, die noch in der Entstehung begriffen: SinteniS, Civ. R- 2. A. I. 12. S. 87. 3> §. 15. Einl. z. A L.R. Entsch. B. 47. S. 143. Rechtsspr. B. 3. Nr. 28. Heydemann S. 86. „selbst dann, wenn eine materielle Neuerung unter dem Namen einer Deklaration austreten sollte, z. B> Dell. v. 10. Juli 1846. Ges. S. S. 263." Koch, Kommentar zu §. 15. Eiul. Note 23. Schmidt S. 146. *) So hat das O Trib. (Entsch. B. 14. S. 456.) angenommen, daß die §6. 1271. 1272. II. 20. L.R., welche höhere als die landesüblichen Zinsen verbieten, auch auf Verträge Anwendung finden, durch welche vor Einführung des A.L.R^ höhere Zinsen giltig stipulirt worden sind. Die §§. 1271. 1272 gellen jetzt nicht mehr.

1)

Erste« Such.

38

Die Grundbegriffe.

Die neuere Doktrin hat die allgemeine Giltigkeit'des ersten Theils jenes Grundsatzes bestritten.' Sie will unterscheiden zwischen Rechtsregeln,

die den Erwerb oder Verlust von Rechten betreffen, bei denew bver Grund­ satz seine Anwendung finde, und Rechtsregeln, die das Dasein der Rechte

betreffen, also ganze Rechtsinstitute entweder anerkennen oder aufheben

oder innerlich umgestalten. Hier wird dem Grundsatz die Anwendbarkeit versagt. Bornemann °) bage&en giebt zwar als richtig zu, daß das ge­ gen die Existenz und Fortdauer eines Rechtsinstituts gerichtete Gesetz meist

auch die auf dieses Institut

bisher

begründeten Rechtsverhältnisse ver­

nichte, meint aber, dies geschehe nur, wenn aus der Erklärung des Gesetz­ gebers hervorgehe, daß er nicht bloß die Entstehung neuer RechtsverhAt-

nisse hinderu, sondern auch die bereits bestehenden aufheben wolle; ohne Weiteres folge letzteres nicht aus der Beseitigung des ihnen zu Grunde

liegenden Jllstituts.

Diese Ansicht ist die richtige, mit jener Unterschei­

dung dagegen hat es nichts auf sich.

Da der Wille der gesetzgeberischen

Thätigkeit ein völlig unbeschränkter ist, so kaun der Gesetzgeber auch darin nicht beschränkt werden, ob er das bisher giltige Institut mit der engeren oder weiteren Wirkung aufheben will. Was insbesondere die innere Um­

wandlung eines Instituts (das „So- oder Anderssein") aulaugt, so muß auch Borneman u darill beigetreten werden, daß dieselbe nur dann die älteren Rechtsverhältnisse ergreift, wenn es der Gesetzgeber will. Es wer­ den überhaupt solche Fälle in der Praxis niemals Schwierigkeiten Machen, weil Gesetze, welche das Dasein oder Wesen von Rechtsinstituten betreffen,

8)

Savigny a. a. O. Ihm folgt Koch. Vergl. auch Windscheidt a. a. O. I. S. 72. Note 6. N. Schmidt a. a. O- S. 104 fg. schließt sich im Allgemeinen an die Savigny'sche Unterscheidung an, die er jedoch als zu eng gefaßt erklärt, weil 1. der Gegensatz von Erwerb und Dasein der Rechte sich nur auf solche Rechtsverhältnisse beziehen lasse, durch welche ein Erwerb (oder Verlust) von Rech­ ten bedingt ist, und daher keinen Anhaltspunkt bei der Entscheidung über die Wirksamkeit vieler wichtigen Gesetze gebe, die nicht in diese Kategorie fallen, und well 2., wenn erworbene Rechte auch unter der Herrschaft eines neuen, ändern­ den Gesetzes fortdauern sollen, dem zweiten Satz, daß neue Gesetze, die das Dasein der Reckte betreffen, dieselben nicht unberührt lassen, das Gebiet der Anwen­ dung eigentlich entzogen ist. Schmidt stellt Daher die erweiternde Unterscheidung aus zwischen thatsächlichen Voraussetzungen 'und rechtli ben Wirkungen. Aendert daß neue Gesetz jene, so hat. diese Aenderung keine Einwirkung auf die älteren Rechte. Aendert das neue Gesetz dagegen die rechtlichen Wirkungen, so müsse weiter unterschieden werden zwischen den schon unter dem alten Gesetz eingetreie* neu, die ebenfalls vom neuen nicht getroffen werden, und den erst unter dem neuen Gesetz eintretenden. Diese Wirkungen sollen nach dem neuen Gesetz zu beurtheilen sein. ES muß aber auch hiergegen, wie oben im Text gegen Savigny, be­ hauptet werden, daß diese Folgerung nicht eine allgemein giltige, eine auö der Natur der Sache fließende ist, daß sie nicht von selbst eintritt, wenn nicht der ge­ wisse Wille des Gesetzgebers sie hinstellt: denn das entstandene, erworbene Recht wirkt fort, hat die Eigenschaft der Kontinuität durch sich selbst. Tritt ein neues änderndes Gesetz ein, so ist dies nicht ein natürliches Ende des alten Rechts, son­ dern eine unnatürliche Todesart, die besonders gewollt sein muß.

«) A. a. O. S. 7 f.

§. 10.

Zeilliche Begrenzung der Anwendbarkeil der Gesetze.

stets jene Frage direkt entscheiden.

39

Der Grundsatz also: daß ein neues

Gesetz auf vergangene Fälle nicht bezogen werden kann, bleibt in seiner Allgemeinheit gütig, auch in Betreff des'Daseins der Rechte. Eine an­ dere Frage aber ist cs, ob ei» einzelnes Rechtsverhältniß, welches einem

später aufgehobenen Institut zwar angehört, aber von den Parteien dnrch

besonderen Vertrag begründet worden ist, dadurch erhalten werden kann. Das Obertribunal hat dies in einem Plenarbeschlnß behauptet'). Fall war:

Der

in einem Erbzinsvertrag von 1795 war das Vorkaufsrecht

dem Erbzinsherrn ausdrücklich vorbehalten. Durch das Gesetz vom 2. März 1850 ist ein solches Vorkaufsrecht ohne Entschädigung aufgehoben worden.

Der Gerichtshof hat aber hier angenommen, der Berechtigte habe einen doppelten Rcchtstitel gehabt: das damalige Recht; diesen Titel hat das Gesetz von 1850 ihm entzogen — und den Vertrag; dieser ist bei Be­

stand geblieben.

Allein diese Annahme ist sehr bedenklich.

Indem das

Gesetz v. 1850 den Vorkauf des Erbzinsherrn ohne Entschädigung anfhob,

hat es dies Institut für ein schädliches aus voikswirthschaftlichen Grün­

den erklärt, und gewollt, daß von jetzt ab das Recht nicht mehr ausgeilbt werden soll. Solcher bestimmter Aufhebung gegenüber kann die ältere vertragsmäßige Festsetzung um so weniger aufrecht erhalten bleiben, als dieselbe überhaupt nichts anderes bestimmte,

als

was nach damaligem

Rechte auch ohne solche Verabredung von selbst eintrat und die Annahme,

daß die Parteien die Verabredung als zweiten Erwerbstitel liebst dem bestehenden gesetzlichen Titel angesehen haben wollen, doch in der That erst in ihre Erklärung hineingelegt werden muß und nur dann einigen Anhalt hätte, wenn erhellte, daß die Parteien die künftige Beseitigung des Instituts vorausgesehen hätten. Was nun im Einzelnen die zur Zeit der Emanation des neuen Ge­

setzes noch schwebende» und fortdauernden Rechtsverhältnisse angeht, so

hat das Publikationspatent von 1794 eine dem gemeinen Recht unbekannte Unterscheidung aufgestellt, die es selbst aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht hat durchführen können, nnd die in den späteren Pnblikationspatenten im Wesentlichen wieder aufgegeben worden ist. Nämlich es soll unterschieden werden, ob es noch in der Gewalt dessen, von dessen Rechten nnd Pflich­ ten die Rede ist, gestanden hat, dieselben mit dem neuen Gesetz in Ein­

klang zu bringen oder nicht. Im erstdn Fall soll das neue Recht selbst dann zur Anwendung kommen, wen» erv diesen Einklang herbeiznführen

unterlassen hat; im letzteren Fall dagegen das ältere.

Daraus folgt, daß

Verträge, da dieselben nicht einseitig geändert werden können, nach dem alten Recht zu beurtheilen sind; daraus müßte ferner folgen, daß Testa­ mente, weil sie einseitig geändert werden können, dem neuen Recht zu nn-

Entsch. B. 42. S. 1 (5. März 1860).

Auch bei Seufsert B. 14. S. 321.

Erstes Buch.

40

Die Grundbegriffe.

terwerfen sind. Hier hat aber das P. P. aus Zweckmäßigkeitsgründen (um Kosten und Weitläufigkeiten zu ersparen) das Gegentheil angenommen, und dadurch ist jene Unterscheidung, die auch an sich unbrauchbar ist,

selbst wieder anfgegeben °). Abgesehen hievon Entwickelt sich der allgemeine Grundsatz im Einzel­

nen dahin: 1. Die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person ist kein wohlerworbenes Recht, sie ist eine Eigenschaft, welche die Voraussetzung dazu bietet, daß man Rechte haben und erwerben kann ’), und deßhalb

ändert sich diese Eigenschaft mit dem Wechsel der Gesetzgebung, d. h. je nachdem das neue Recht int Vergleich zum alten die Fähigkeit, rechtlich zu

handeln, ertheilt, entzieht oder beschränkt, gilt dies für alle Rechtshandlun­

gen, die die Person seit diesem Zeitpunkt vornimmt.

Rur kann das nette

Gesetz diejenigen einzelnen Rechtshandlungen, welche unter der Herrschaft

des alten Gesetzes vorgenommen sind, nicht mehr giltig oder ungiltig machen je nach seinen Bestimmungen, sondern für sie ist das alte Recht auch in dieser Hinsicht allein maßgebend.

Sie bleiben ungiltig, wenn da­

mals die Handlungsfähigkeit fehlte; sie werden nicht ungiltig, wenn das

neue Recht die Fähigkeit zu ihrer Vornahme dem Handelnden versagt. "Rur

die bereits erreichte Großjährigkeit wird unter der Herrschaft

des neuen Rechts auch dann bewahrt, wenn dieses einen späteren Termin

vorschreibt. Es kann dies nicht als eine Ausnahme von obiger Regel an­ gesehen werden, es ist vielmehr eine richtige Anwendung des Grundsatzes von der Nichtrückwirkung des Gesetzes, denn die erlangte Großjährig­

keit ist mehr, als eine bloße Fähigkeit für Rechtshandlungen, sie ist eine 'eingetretene Begebenheit, deren Wirkung nicht mehr beseitigt werden kann, ein wirklich erworbener RechtsznstandUnsere Gesetze stimmen hiermit überein **).

2.

Bei

den Verträgen

kommt

das Gesetz

zur Zeit

ihrer Ab­

schließung allein und unbedingt in Betracht, sowohl für die Beurtheilung

ihrer Form als ihres Inhalts und aller daraus entstehenden rechtlichen Folgen n). Namentlich sind hiernach auch alle Fragen zu beantworten,

8)

Nach dem Publ. Pat. v. 1814 §. 6. und 1816 §. 8. soll über die Form der Testa­ mente die Zeil der Errichtung entscheiden. Die holographischen Testamente deö Code sollen noch ein Jahr lang gelten.

9)

Savigny S. 414. Unger S. 122. 130. Bornemann S. 13. S. 119. So Savigny S. 415. Borne mann S. 14. Dagegen Unger I. Publ. Pat. v. 1814 §. 14., von 1816 §. 18., von 1825 §. 21. Da« darüber keinen ausdrücklichen Ausspruch, eben so wenig die anderen setzbücher. Savigny S. 435. Bornemann S. 16. 24. Unger I. S. 137. S. 132 f. St rieth. B. 53. S. 122.

10) ")

12)

Schmidt S. 130. A.L.R. hat neuen GeSchmidt

§. 10.

Zeitliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze.

41

die sich darauf beziehen, wie und was der Verpflichtete zu erfüllen, zu gewährleisten, zu entschädigen oder zu vertreten hat. Die Grade des Ver­ sehens, die das alte Gesetz für den vorliegenden Vertrag vorgeschrieben,

bleiben maßgebend.

Zweifelhaft kann es mtr sein,

ob die Folgen des

Verzugs, wenn sie unter dem neuen Gesetz erst eintreten, -nach diesem oder dem früheren zu bestimmen sind. Das Obertribunal hat in einem speziel­ len Falle daß Erstere angenommen13), 14 offenbar von der Ansicht ausge­ hend, daß der Verzug ein widerrechtliches Verhalten ist, welches mit dem Wesen des Vertrags nicht weiter in Zusammenhang steht, und daß die Folgen desselben daher nur nach dem Recht der Zeit, wo er eintritt, be­

urtheilt werden dürfen — ein Moment, was Koch, der das Präjudiz

tadelt, übersieht. Aber die Form der Rechtsgeschäfte hat zu einer Streitfrage Veranlassung gegeben, die früher sehr lebhaft erörtert, neuerdings durch die Rechtsprechung des Obertribunals einigermaßen zur Ruhe gebracht worden ist.

Sie betrifft den Widerspruch zwischen §. 17. Einl. und §. 43.

I. 3. A.L.R. Ersterer sagt: „Frühere Handlungen, welche wegen etnes Mangels ber Förmlich­ keit nach den alten Gesetzen nngiltig sein würden, sind giltig, insofern nur

die nach dem

neuen

Gesetz erforderlichen

Förmlichkeiten

zur Zeit des

darüber entstehenden Streites dabei angetroffen werden." Letzterer: „Eine Handlung, die wegen Verabsännuung der gesetzmäßigen Form

von Anfang an nichtig war, kann in der Folge niemals giltig werden." Die letzte Vorschrift entspricht der gemeinrechtlichen Auffassung, wäh­

rend die erstere sich von ihr entfernt und auch keinen Stützpunkt in dem allgemeinen Grundsatz findet, daß Rechtsgeschäfte möglichst aufrecht zu erhalten seien.

Man hat sich nun große Mühe gegeben, diese Antinomie

zu beseitigen: man hat zwischen Form und Förmlichkeit, zwischen nichtig und ungiltig unterscheiden wollen — allein, da das A.L.R. in der Wahl

technischer Bezeichnungen sehr schwankend ist, kann auf den Gebrauch jener

Worte, als sei mit ihnen ein fester, technischer Sinn verbunden worden, kein Gewicht gelegt werden. Die vom Obertribunal zuletzt aufgestellte und jetzt in der Praxis herrschende Ansicht ist die, daß sich §. 17 nur auf einseitige Handlungen, die willkürlich abgeandert werden können, §. 43. auf Verträge beziehe").

Dem tritt entgegen, daß in beiden §§. von

Präjudiz 1773 in der Präj. Sammt. B. 1. S. 87. zu §. 67.-68. I. 16 A.L.R. Dagegen Koch, Kommentar m P.P. VIII. Note 25. S. 16. a. E. und zu §. 68. I. 16 Note 40. Die Eutscheidungsgr linde des £bertribiiiul6 sind nicht ver­ öffentlicht. 14) Vergl. über die Kontroverse außer den Ergänzungen, Koch's Kommentar und den Lehrbüchern nock Bornemann, Erörter. 1. S. 17. Rechtsfälle, B. 4. S. 186. Entsch. B. 17. S. 509. (Präj. 2097.) B.18. S.242. 59.57. S.376.s. Striet-

13)

Erste» Buch.

42

Die Grundbegriffe.

Handlungen allgemein die Rede ist, daß kein Wort derselben auf eine solche Unterscheidung deutet, und Koch hat daher sehr richtig bemerkt: „schwer­ lich haben die Redaktoren eine Ahnung von solcher Anwendung gehabt."

Auch weist die Entstehungsgeschichte des §. 17. Einl. nicht mit Sicherheit darauf hin, daß die Redaktoren an selche Unterscheidung gedacht haben,

denn wenn Suarez für den Satz, daß ein neneS Gesetz ad casus praeteritos gezogen werden könne, wenn es die Form, woran vorhin die Giltigkeit der Handlung gebunden war, simplifizirt und abkürzt, das Bei­

spiel der Testamentssolennitätcn anführt, so ist dies doch zu wenig.

So

sehr nun aber auch die Ansicht des ObertribnnalS dnrch das Wesen der

Verträge gegenüber

den einseitigen Willenserklärungen gerechtfertigt er­

scheint, so steht ihr doch immer das entgegen, daß sie in die Worte des Gesetzes erst etwas hineinlegt, daß sie den Grundsatz der juristischen Aus­

legung verletzt, wonach der Richter nicht unterscheiden darf, wenn das Gesetz nicht unterscheidet. Dazu kommt, daß, wenn auch §. 43. sich deS

Ausdrucks „niemals" bedient, damit keineswegs „ausnahmslos" gemeint sein muß, denn das A.L.R. hat auch an andern Ort?» das Wort „nie­ mals" und die Ausnahme dicht dabei"). Also eine Ausnahme von der Regel des §. 43. ist denkbar, und diese liegt in §. 17. Das Natürlichste

ist, daß sie in dem gefunden wird, was der §. 17. Besonderes enthält, und dies ist die Hinweisung auf den Wechsel der Gesetzgebung.

Hiernach

würde §. 43. die Regel für den Fall aufstellen, wo die Handlung unter

der Herrschaft eines und desselben Gesetzes zur Existenz und zur Beur­ theilung kommt, §. 17. die Ausnahme für den Fall, wo zwischen die Ent­

stehung und Beurtheilnng der Handlung ein Wechsel deS Gesetzes fällt. Das Obertribunal will zwar diese Auslegung deßhalb nicht gelten lassen "), weil durch sie die Gründe nicht berührt werden, auS welchen es gerade

bei Verträgen besonders bedenklich und irrationell erscheint, den neueren Vorschriften über die Form derselben rückwirkende Kraft beizulegen.

Dies

trifft aber jene Auslegung nicht, denn ihr Ziel und Zweck kann nicht sein,

den §. 17. Einl. als rationell nachznweisen, er ist vielmehr offenbar prin­ zipwidrig, sondern nur, sein Verhältniß zu §.43. zu ermitteln. Es ge­ hört diese Kontroverse in die Zahl derer, wo überhaupt nur eine sichere

Praxis Noth thut, wenn sie auch wissenschaftliche Bedenken gegen sich hat, und zu billigen ist es jedenfalls, daß das Obertribunal die Anwendbar­ keit des §.17 auf den Fall einschränkt, wo die Handlung alle vom spä-

horst B. 1 S. 21. — Schmidt, SI117 bemerkt richtig: Der Grund, warum man die Anwendung des §. 17. Einl. auf so künstliche Weise zu beschränken sucht, liegt wohl weniger in dem scheinbaren Widerspruch mit §. 42. u. 43., als in der zweifelhaften Richtigkeit des in ihm anerkannten Grundsatzes. 15) 16)

z. B. §. 32. 33. I. 5. §. 312. 313. II. 2. Striethorst B. 1. S. 27.

§. 10.

Zeitliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze.

43

leren Gesetz vorgeschriebene Formen an sich hat, denn dadurch wird die Anwendung dieses irrationellen Satzes möglichst beseitigt17). 3. Diechnvatrechtlichen Folgen widerrechtlicher Beschädigungen (Delikte) sind nach dem Recht zur Zeit der Handlung zu beurtheilen.

4. Im Gebiet des Eigenthums und der dinglichen Rechte ist es in neuerer Zeit am häufigsten geschehen, daß die Gesetze das Dasein

der Rechte betroffen haben.. Es. genügt auf die Ablösungen der Real­ lasten nnd Dienste, auf die Gemeinheitstheilungen, die unentgeltlichen Be­ seitigungen von Rechtsinstituten hinzuweiseü, welche aus volkswirthschaft-

lichen Gründen für. schädlich erachtet wurden.

Hier trifft zu, was oben

bemerkt wurde: die Gesetze haben sich stets darüber ausgesprochen, ob die

auf die beseitigten Institute basirten Rechtsverhältnisse noch fortdauern, oder ohne Weiteres mit beseitigt sein, oder ihre Ablösung erfolgen sollte. Einer besonderen Erwähnung bedarf noch die Verjährung, die Ersitzung

inbegriffen 18).

Richt zweifelhaft ist,

daß die vollendete Verjährung nach

dem alten Recht beurtheilt werden muß.

Für die noch laufende sott nach

dem Publ. Pat. v. 1794 „in allen Stücken" das neue zur Anwendung kommen"). Es kann hier nur zweifelhaft sein, ob die rechtliche Beur­ theilung des noch unter das alte Recht fallenden Anfangs der Verjäh­

rung auch nach dem neuen vorznnehmen, ob also, wenn das neue stren­

gere oder welliger Erfordernisse für den Beginn vorschreibt, dies zurück­ wirken sott. Die Worte „in allen Stücken", auf die jedoch ein Gewicht nicht zu legen ist, scheinen dafür zu sprechen, mehr noch, daß die begon­

nene Verjährung nicht unter den Begriff eines wohlerworbenen Rechts

fällt, daß der Verlust oder Erwerb eines Rechts, den sie bewirken soll, erst bei ihrer Vollendung eintritt, daß sie also nur eine Erwartung erzeugt, die sich dem Wechsel der. Schicksale unterwerfen muß, der während ihres

Laufes mannichfach störend eintreten kann.

Gemeinrechtlich wird daher

angenommen, daß das neue Gesetz auf den Anfang der Verjährung zu­ rückwirkt "). Dagegen aber ist nicht außer Acht zu lassen, daß'von einer „laufenden" Verjährung nicht wohl die Rede sein kann, wenn das neue Recht andere Erfordernisse für den Anfang vor schreibt, und aus die­

sem Grunde hat das Obertribunal für die Beurtheilung des Anfangs der

Verjährung dem alten Recht den Vorzug gegeben21). n) 18)

Nach dem Wort-

Enlsch. B. 18. S. 252. Koch, Kommentar, Nüt-e 25. a. E. zu §. 17. Einl. Bornemann S. 37. Savigny S. 426. Unger I. S. 146. Vangerow I. 5. 60. a. Schmidt S. 122.

Ueber diese Worte, die in den späteren Patemten fehlen, vergl. Göschel in Simon ii. Strampff Zeitschr. B 2. S. 27. 20) Unger 1. S. 147. Note 79. Windscheid 1. S. 75. Rote 1. Dagegen Schmidt S. 182., der beide Gesetzgebungen berücksichtigt sehen will. 21) Enlsch. B. 6. S. 317- B. 18. S. 137. Dafür Bornemann S. 38. Dagegen Koch, Kommentar. lfl)

Erstes Buch

44

Die Grundbegriffe.

laut des Publ. Pat. §. XVII. muß zwar dem Obertribunal beigetreten werden.

Da dieser §. aber nur eine vorübergehende Bestimmung ent­

hält, nur den damaligen Uebergang in einen neuen Rechtsznstand ordnen sollte, so kann sie auf später erschienene Gesetze nicht angewendet, es muß

vielmehr die an sich richtigere gemeinrechtliche Ansicht angenommen wer­

Berkürzt das neue Gesetz den Lauf der Verjährung, so soll die

den.

Frist erst vom Tage der Einführung dieses Gesetzes berechnet werden. Nur wenn die laufende Verjährung schon so nahe ihrem Ende war, daß die neu eingeführte Frist länger ist, soll es "bei jener kürzeren Restfrist sein Bewenden behalten").

Verlängert das neue Gesetz die Frist, so

muß, weil die laufende Verjährung noch kein Recht giebt, die neue Vor­ schrift sogleich anwendbar werden, d. h. die vorher begonnene Verjährung

erreicht erst ihr Ende, wenn sie den Zeitraum des neuen Gesetzes erfüllt Gleichwohl hat das Obertribunal hierin eine unzulässige Rückan-

hat").

wendnng gesehen und das ältere Recht angewendet"), ohne sich darüber zu äußern, in wiefern der Beginn der Verjährung ein Recht gebe, welches des Schutzes bedürfe. Es kann auch nicht gesagt werden, daß der An­ fangspunkt der Verjährung eine „vorhin vorgefallene Begebenheit" sei, auf welche nach den Worten des A.L.R. die Rückwirkung ausgeschlossen ist, denn wann die Verjährung begonnen, läßt sich erst beurtheilen, wenn

der Endpunkt eingetreten, dnrch Zurückrechnen"). 5. Ans dem Familienrecht ist zunächst die Ehp hervorzuheben **). Sowohl die persönlichen Erfordernisse zur Eingehung dieses Verhältnisses, als die güterrechtlichen Folgen sind der Wandelung der Gesetze entzogen *7). Getrennt kann aber die Ehe nur nach dem Recht werden, welches ytr Zeit der Scheidungsklage gilt/ und nur dann, wenn die Handlung, durch welche die Scheidung gerechtfertigt werden soll, vor Publikation des neuen Gesetzes fällt und damals nicht als ScheidnngSgrund gegolten hat, bleibt 22) 23) 2*) 28)

2«)

27)

Ges. v. 31. Mär; 1838 7. Damit stimmen auch die Publ. Patente überein. Savi gny S. 432. Savigny S. 431. Unger S 147. Entsch. B. 19. S. 260. Koch, Komm, zu P. P. §. XVII. Note 37. Borne, mann S. 39. Der Cod. N. art. 2231. weicht ab. Er läßt die .angefangene Verjährung unter dem alten Recht, und modifizirt nur den Satz dadurch, daß auch eine längere ältere Verjährungsfrist nicht 30 Jahr überdauern soll. Zachariä (Anschütz) I. S. 529. Das österr. Ges. B. stellt die Verjährung ganz unter das alte Recht. Unger I. S. 148. Die Ein führ. Derord. zum sächsischen Ges. B. v. 2. Jan. 1863 §. 16. hat im Fall der Verlängerung der Frist das neue Recht, im Fall der Verkürzung aber Hal es §. 17. dem Ersitzenden oder Verjährenden eine Wahl gestaltet, und wenn er die neuere, kürzere Frist wählt, wird sie erst von dem Tage gerechnet, wo das Gesetzbuch in Kraft tritt. Bornemann S. 50. Savigny S. 404. UngerS. 139. Zachariä (A n sckütz) I. S. 67. Note 2. A. M. Schmidt S. IH

§. 10.

Zeitliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze.

vas alte in Kraft").

45

Dagegen spricht, wie Bornemann richtig bemerkt,

daß in Bezug ans Scheidnngsgründe von wohlerworbenen Rechten nicht

die Rede sein kann, allein die Ausnahme rechtfertigt sich dadurch, daß

die vorher eingetretene Begebenheit (Handlung), welche damals gesetzlich

eine Scheidung nicht bewirken konnte, hinterher nicht wirksamer gemacht werden kann, und daß an eine Scheidung sich vermögensrcchtliche Strafen

knüpfen, die nur dann treffen dürfen, wenn sie zur Zeit der Begehung

schon gesetzlich angedroht sind. — In Betreff der Intcstaterbfolge der

Ehegatten

hat das

preußische Recht eigenthümliche Bestimmungen.

An

sich würde sie nicht anders zu behandeln sein, als die Intestaterbfolge der Blutsverwandten, d. h. die Regeln müßten gelten, welche zur Zeit ihres Eintritts vorhanden sind.

Rur wo das Erbrecht der Ehegatten vermöge

seiner statutarischen Natur de» Charakter des ehelichen Güterrechts theilt,

würde es nach den Regeln des letzteren zu beurtheilen sein.

Dies er­

kennt das A.L.R. auch an; im ersteren Fall aber — wenn das Erbrecht

auf dem gemeinen Recht beruht — soll der überlebende Ehegatte die Wahl haben, ob er nach dem alten oder neuen Recht erben will; wählt er letz­

teres, so kommt dies in allen Beziehungen zur Geltung.

Das Wahlrecht

steht übrigens nur der Person des Ehegatten zu und geht nicht auf dessen Erben über").

Die Entstehung der väterlichen Gewalt") bleibt dem alten, da­

gegen wird ihre Aufhebung, ihre Beschränkung oder Erweiterung auf die Person oder die Vermögensrechte der Kinder sofort dem neuen Gesetz unterworfen.

Dasselbe gilt von den Rechten des außerehelichen Kindes

gegen seinen Erzeuger").

6.

Erbrecht.

Die gesetzliche Erbfolge") richtet sich nach dem

Recht zur Zeit des Todes des Erblassers, weil sie kein wohlerworbenes Recht, sondern nur eine Hoffnung ist.

Nach A.^.R. fällt der Moment

deS Todes mit dem Erwerb der Erbschaft zusammen"). Bei der testa­ mentarische» Erbfolge") sind die beiden Zeitpunkte der Errichtung des 28) Weif. v. 14. Jan. 1799 bei Amelaiig, B. 2. S. 82. Publ. P. v. 1794 §. XIV., v. 9. Septbr. 1814 §. 9., Publ. Pal. v. 9. u. 15. Novbr. 1816 §. 11. 29) Publ. P. v. 1794 §. XIV. P. P. v. 1814 §. 9. 1816 §. 11. 12. Ges. v. 11. Juli 1845 §.8. (Ges. Samml. S. 172.) Bergl. damit § 495. II. 1. A.L.N. Göschel in Simon und Strampff, Zeitschr. B. 2. S. 297. Entsch. B. 5. S. 299. B. 38. S. 157. Das Nähere hierüber im ehel. Güterrecht. 30j Publ. Pait. v. 1814 §. 10., v. 1816 §. 13. Bornemann S. 58. Savigny S. 502. Unger S. 141. Schmidt S. 139. a. E. . 31) Das Gesetz v 24. April 1854 .Ges. Samml. S. 198.) ist für alle Fälle sofort an­ wendbar erklärt, ^welche noch nicht durch Klagebehändigung rechtshängig geworden waren. 32) Born em a nn S. 49. Savigny S. 482. Unger S. 144. Schmidt S. 145. ss) A.L.R. I. 9. §. 367. 34) Borne mann S. 45. Savigny S. 447, über preuß. R. S. 474. Unger S. 143. Schmidt, S. 141.

Erstes Buch.

46

Die Grundbegriffe.

Testaments und des Todes des Erblassers zu unterscheiden.

Wenn ein

inzwischen erschienenes neues Gesetz Aenderungen trifft, so verbleibt der

Beurtheilung des alten Rechts die Form des Testaments35).

Das Publ.

Pat. v. 1794 erkennt es an, obwohl nur aus Zweckmäßigkeitsgrilnden,

die späteren Patente ebenfalls und nur für die französischen holographi­ schen Testamente ist vorgeschrieben, daß diese noch ein Jahr gelten sollen, daun nach dem A.L.R. abgeändert werden müssen. Diese Bestimmungen

sind aber transitorische, eine bleibende für die Testamentsform findet sich im A.L.R. sonst nicht; es würde hierher der oben besprochene §. 17. Einl.

zu ziehen sein, wenn nicht bei der Eigenthümlichkeit des preußischen Rechts über Testamentsformen der Fall undenkbar wäre, daß daS A.L.R. mindere Förmlichkeiten vorschriebe, als ein früheres Gesetz 36).37 38 39

Die Handlungsfähigkeit des Testators folgt dem alten Recht. Entzog ihm dieses die Verfügung über sein Vermögen wegen eines Man­

gels des positiven Rechts, im Gegensatz zum natürlichen Mangel, so soll das Testament rechtsbeständig bleiben, wenn das neue Recht diese Ein­ schränkung beseitigt hat. Führt dieses die Unfähigkeit als Strafe einer gesetzwidrigen Handlung ein, so wirkt es zurück3^). Die Erwerbsfähig­ keit des Erben oder Vermächtnißnehmers wird nach dem Recht zur Zeit des Anfalls, d. h. des Todes oder des Eintritts der Substitution beur­ theilt 3'8). Der Inhalt des Testaments soll nach dem Publ. Pat. v. 1794 eben­

Die neueren Patente schweigen über Nur das Patent für Wcstpreußen v. 1814 sagt, daß auch

falls dem alten Recht verbleiben.

den Inhalt.

der Inhalt nach dem alten Recht geht, wenn nur nicht ein neues Prohibitivgesetz entgegensteht (über Erbfähigkeit, Pflichttheil). Als die Regel aber muß aufgestellt werden, daß der Inhalt des Testamentes nach dem Ge­ setz zur Zeit des Erbfalles zu beurtheilen ist, daß also auch auf ihn die

dann geltenden neueren Bestimmungen vom Notherbrecht anzuwenden sind.

7.

Zum Schluß dieser Lehre sei noch erwähnt, daß Prozeßvor­

schriften, weil sie wohlerworbene Rechte nicht berühren, sofort giltig werden, doch dürfen die durch das bisherige Verfahren, z. B. durch Aus­ schließungen entstandenen Rechte und Ansprüche einer Partei dadurch nicht

geändert werden ”). “) 1. 29. C. VI. 23. Nov. 66. c. 1. §. 4. 5. 36) Darauf macht Savigny aufmerksam S. 478. 37) A.L.R. I. 12. §. 11—14. Nach richtiger Theorie muß die aktive Testirfähigkeit zur Zett der Errichtung und zur Zeit des Todes vorhanden sein. Dies ist ge­ meines Recht. 38) A.L.R. I. 12. §. 43. 460. 39) Strieth B. 47 S. 133. Gegen die Anwendung neuer Prozeßgesetze auf schon anhängige Sachen: Seufsert IV. N. 248. Meist reguliren die Prozeßgesetze diesen Punkt direkt, z. B. Verordn, v. 1. Juni 1833 §. 77. Verordn, v. 21. Juli

§. 11.

47

Oertliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze.

§. 11. Oertliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze. A.L.R. Eint. §. 23—42.

Bornemann, Erörter. 1856. H. 1. S. 65.

Civ. R. I.

S. 52. Kochi. S. 133. Kommentar!. S. 47. Daniels I. S. 152. Heydemann 1. S. 97. — Wächter, im Archiv f. civil. Prax. B. 24. S. 230. 270. B. 25. S 1. 161. 361. Würtemb. Pr. R. IL S. 79. Schäffner, Entw. des internationalen Pr. R. 1841. Piltter, das prakt. europ. Fremdenr. 1845. Beieler, deutsch. Pr. R. 1847. B. 1. S. 145. 2. A. S. 105. f. Savigny, B. 8. S 8. Unger, B. 1. S. 149. Windscheid B. 1. S. 77. Bar, das intern. Pr. 11. Str. R. 1862 R. Schmidt, die Herrschaft der Gesetze nach ihren

räumlichen und zeitlichen Grenzen. 1863. S. 4.

Schwieriger

und bestrittener noch ist die Lehre von der örtlichert

Wirksamkeit der Gesetze.

Der neuere Verkehr, welcher sich durch

die

Grenzen der verschiedenen Rechtsgebiete nicht hindern läßt, schafft täglich neue Kollisionen, für welche die entscheidenden Rechtsregeln nicht erschöpfend

in den Gesetzbüchern gefunden werden. Es ist daher auch hier dem Ge­ richtsgebrauch und der Wissenschaft Vorbehalten geblieben, die Grundsätze auszubilden, die hier leiten müssen und nur das neueste Gesetzbuch Sachsens

hat vollständige Vorschriften *). Das s. g. internationale Privatrecht hat drei Phasen seiner ge­ schichtlichen Entwicklung durchgemacht *). Im Anfang des Mittelalters herrschte das System der Stammrechte: jede Person nahm das Recht ihrer Heimat, ihrer Nationalität, in das fremde Gebiet mit und behielt es dort. Dann, als durch die Wiederbelebung des römischen Rechts seit der Glossatorenzeit die alten Grundsätze erschüttert, der Begriff eines

gemeinen Rechts sich gebildet, und als die einzelnen Staaten sich mehr befestigt hatten, trat das System des Landes rechts, der grade Ge­

gensatz des ersten, hervor: jede Person verlor ihr heimatliches Recht, wenn sie in das fremde Gebiet eintrat und wurde ausschließlich dem Rechte die­ ses Gebietes unterworfen. Die neuere Zeit endlich hat^ beide Einseitig­

keiten überwunden, ihr sind die verschiedenen Landesrechte gleichbedeutend,

')

2)

1846 §. 39. KonkurS-Ordn. v. 1855. EinsührungSgesetz Art. IV. V. V. O. v. 21. Juli 1849 §. 91 fg. Wie wenig das röm. R. bietet, s Bar S. 8. Deßhalb überlassen die Roma­ nisten die Behandlung dieser Lehre auch den Germanisten. Bangero w 1. S. 63. Beseler, B. 1. §. 38. 39. Gerber, 8. A. §.32. — Bergt, noch Code art. 3. Oesterr. G.B. §. 4. 34.-37. 300. Sächs. G. B. §. 6 —19. In neuerer Zeit haben die Staaten Berträge abgeschlossen, um die hier einschlagenden Fragen wenigstens zum Theil zu erledigen. Bon Preußen sind folgende geschlossen, und in bez. Jahrgängen der Ges. Samml. publizirt: mit Sachsen-Weimar 1824 u. 1857, S. Altenburg 1832 und 1857, S.-Koburg-Gotha 1833 und 1858, Reuh-Gera 1834, Königr. Sachsen 1839 und 1859, Schwarzburg-Rudolft. 1840, 1857, 1860, Anhalt-Bernb. 1840, Braunschweig 1841 (G. S. 1842 S. 1.) und 1858, Schwarzburg-SvnderShausen 1844 und 1860, Renß - Greiz 1845, Anhalt-Dessau 1853 und 1857, Lippe 1857, Reuß-Plauen 1857, Sachsen-Meiningen 1859. Bar S. 16. 19. 24. 40. Stobbe, in Better und Mnther, Jahrb. B. 6. S. 21.

Erstes Buch.

48 sie läßt, wenn

es sich nach

Die Grundbegriffe.

allgemeinen Rechtsgrundsätzen

rechtfertigt,

auch das ausländische Recht entscheiden: das System der Gleichbe­ rechtigung der Landesrechte. Freilich nun erst wurde es unumgäng­ lich, diese allgemeinen Rechtsgrundsätze aufzusuchen und ihre Anwendung bis ins Einzelne zu. verzweigen.

Zunächst suchte sie die Doktrin durch die Eintheilung der Rechte in Personal,- Real- und gemischte Statuten zu gewinnen.

Diese

Auffassung herrschte zur Zeit, als das A.L.R. verfaßt wurde: sie liegt sei­ nen sehr dürftigen und unvollständigen Bestimmungen zu Grunde. Die Rechtsregeln, welche den persönlichen Rechtszustand betreffen,

wurden statuta personalia, die für die Rechtsverhältnisse der Immo­ bilien statuta realia, und die für Handlungen und Rechtsgeschäfte sta­

tuta mixta genannt.

Doch herrschte bei weitem keine Einigkeit der Mei­

nungen über diese Begriffe und über die Unterordnung der einzelnen Falles. Die neuere Theorie hat diese Statutenlehre als

ungenügend ver­

worfen, und, nachdem mehrfache Bersuche gemacht worden, die nicht all­ gemeinen Anklang gefunden haben, kann jetzt als die mehr und mehr herr­ schend werdende Meinung diejenige bezeichnet werden, die Savigny zu ihrem Begründer hat, wenn auch in praktischen Folgerungen noch viel­

fach Meinungsverschiedenheit übrig geblieben ist. Sie stellt an die Spitze den Grundsatz: dasjenige örtliche Recht ist auf das Rechtsver­ hältniß anzuwenden, dem dasselbe seiner Natur nach angehört^). Je nachdem es also dem einheimischen oder fremden Recht an­ gehört, kommt dieses oder jenes zur Anwendung. Dieser Grundsatz hebt Koch Komm. Note 29.

3)

Ueber diese Lehre Unger S. 153. Savigny S. 122. Vi §. 23. Eint. A.L.R. Bar' S. 24.

4,i

Savigny S. 108. — Bergt. Entscheid. B. 32. S. 333., wo die Savigny'sche Theorie anerkannt wird. Striethorst B. 20. S. 307. Saviguy's Theorie unterscheidet sich von der seines Vorgängers Wächter wesentlich darin, daß letz­ terer von der Frage auSgeht: in welchen Fällen gestattet das einheimische Recht dem einheimischen Richter die Anwendung eines fremden Rechts. Er läßt dies nur zu, soweit das einheimische Recht entweder ausdrücklich oder wenigstens nach seinem Sinn und (Seift es gestattet (B. 24. S. 236 fg.). S. dagegen nimmt einen höheren Standpunkt ein, seine Grundfrage ist allgemeiner gestellt nnd er ge» winnt dadurch einen weiteren Gesichtskreis. Er bindet nicht zunächst den ein­ heimischen Richter an das einheimische Recht und läßt das fremde nur zu, wenn das einheimische es gestattet, sondern er fragt: welches Landesrecht ist in jedem ein­ zelnen Falle anznwenden. Er nimmt auf Grnnd eines allgemeinen Gewohnheits­ rechts oder richtiger gesagt, ans Grund einer sich mehr und mehr durcharbeiten­ den allgemeinen Nechtsuberzengnng an, daß in den vorliegenden Fällen jedes Lan­ desrecht zur Anwendbarkeit gleichberechtigt sei: das Dasein dieser Rechtsnberzeugung fei unbestritten, wenn auch im Einzelnen noch vielfach Zweifel und Meinungs­ verschiedenheiten ihrer Erledigung harrten (B. 8. S. 18. 28.—30.). Der neueste Bearbeiter, Schmidt, meint, daß die Annahme eines solchen allgemeinen, über die Grenzen der einzelnen Staaten hiuausgreifenden Gewohnheitsrechts unzulässig sei, weil auch ein solches nur in Beziehung auf ein bestimmtes Territorium sich als RechtSqnelle bilden könne. Er knüpft die Giltigkeit jedes Gewohnheitsrechts an die stillschweigende Billigung der Staatsgewalt. Aber darin kann ihm für das Gebiet des Privatrechts nicht beigetreten werden; die Bildung gleichartiger

§. 11.

Oertliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze.

49

nicht die alten Statutenlehre auf, er bewahrt, wie sich dies aus der Dar­

stellung des Einzelnen ergeben wird, das Richtige, was in ihr enthalten ist, aber er verallgemeinert sie und durchbricht ihre engen Schranken.

Er

ist anwendbar, sowohl wenn es sich um verschiedene Rechte verschiedener Staaten, als um verschiedene Rechte desselben Staates handelts), und hat nur eine allgemeine Ausnahme, die einer weiteren Rechtfertigung nicht

bedarf, nämlich: der Richter darf nicht nach fremdem Recht sprechen, wenn

sein einheimisches Recht diese Anwendung versagt, sei es vermöge eines Verbots oder weil es das Rechtsinstitut, dem das streitig gewordene Rechts­

verhältniß angehört, nicht anerkennt6). Solche Ausnahmen kommen im Ge-

Privatrechtsnormen ist an die politischen Eintheilungen und Grenzen der Staaten nicht gebunden, sie hängt ab von den gleichen nationalen Bedürfnissen und An­ schauungen, und die Nechtöbildung in Deutschland insbesondere hat dieses von jeher klar erwiesen. Im Allgemeinen stellt sich Schmidt aber schließlich Savigny doch näher, als den Anderen. Er nimmt dessen Hauptgrnndsatz an, und will ihn dadurch modifiziren, daß seine Anwendung nur dann gerechtfertigt sei, wenn sie als Bedingung eines gesicherten internationalen Verkehres erscheine, und keine Störung in der eignen rechtlichen Ordnung herbeisühre, die schwerer wiege, als der Vortheil für den Verkehr (S. 10—30). Dieö sind aber schwer be­ stimmbare Bedingungen, nicht auf Rechtsgrundsätzen beruhend. — Sintenis, Civ. R. 2. A. B. 1. tz. 7 fg. steht im Wesentlichen auf dem Standpunkt von Wächter. 5)

Die herrschende Meinung stellt beide Fälle gleich. Bar S. 69. Dagegen will PUttek (civil. Arch. B. 37. S. 384 f. B.38. S. 57. f.) zwischen beiden unter­ scheiden. Er nimmt einen streng territorialen Standpunkt für die einzelnen Staaten ein, und behauptet (B. 37. S. 389.), in dem allgemeinen Rechtsgesetz, daß nur die Landesgesetze als Rechtsgesetze im Lande und Gericht zur Anwen­ dung kommen sollen und dürfen, sei ein unbedingtes Verbot, fremde Gesetze als Gesetze anzuwenden, enthalten. Darin kann ihm nicht beigetreten werden. Die Existenz einer inländischen Gesetzgebung hat freilich den Zweck, die dem Inland angehörigen Rechtsverhältnisse zu reguUreu. Aber in dieser Existenz liegt nichts von einem Verbot, ausländisches Recht aus ausländische Rechtsverhältnisse anzu­ wenden, wenn sie vor dem inländischen Richter zur Sprache kommen, und die Souverainetät des Staats, mag sie noch 1o eifersüchtig bewahrt werden, wird dadurch nicht beschädigt. —. Die weitere Frage, ob der inländische Richter das fremde Recht von Amtswegen oder nur auf Antrag der Partei anznwenden habe, wird richtiger für die erstere Alternative beantwortet, denn es ist Beruf deö Richters, das richtige Recht anzuwenden. Vergl. sächs. G. B. § 172. Freilich aber — weil ihm die Kenntniß des fremden Rechts nicht zugemuthet werden kann und ihm die Mittel, sie sich zu verschaffen, fehlen können, muß es die Partei, die sich darauf beruft, gleich anderen Thatsachen Nachweisen. A.G.O. I. 10. §.53. Strieth. B. 18. S. 233. B. 26. S- 49. Seuff. B. 13. S. 253. B. 12. S. 111. B. 8. S. 124 (Lübeck, nur auf Parteiantrag). S. 2 (Rostock, desgleichen). Dagegen B. 4. S. 168 (ebenfalls Lübeck). Dresdener Annalen I. 471. II. 360. Bar S. 102. Wenn der Richter das ausländische Recht auf einen Fall, der ihm un­ terworfen wäre, nicht oder irrig anwendet, so ist dies, wie bei falscher Anwen­ dung des einheimischen Rechts zu behandeln. Nur soll eö keine Nichtigkeit be­ gründen, wenn der Richter ein ausländisches Gesetz, ohne von den Parteien darauf hingewiesen zu sein, ignorirt. Seuff. B. 9. S. 327: Nach preuß. Recht würde auch hier die Nichtigkeitsbeschwerde zulässig sein.

«)

Das A.L.R. hat hierüber keinen ausdrücklichen Ausspruch. Dagegen sächs. Ges. B. §. 19. Z. B. Entsch. B. 40. S. 50 (lex Anast.). Strieth. B. 49. S. 40. Seuff. B. 8. S. 1. B. 11. Nr. 110 (Verbot der Session litigiöser Forderungen). Bar S. 108. 165. §.48.

Förster, Preuß. Privatrecht. I. 2. Aust.

4

60

Erste- Buch.

Die Grundbegriffe.

biete der volkswirthschaftlichen und polizeilichen Gesetzgebung, auch aus sonstigen politischen Gründen vor.

ES ist also der Ort, dem das Rechtsverhältniß angehört, in jedem

einzelnen Fall aufzusuchen und da tritt vor allem zunächst als bestimmend der Wohnsitz der Person, des Trägers und Herrn der Rechtsverhält­ nisse, hervor.

Der Wohnsitz ist das Band, welches die Person mit einem

bestimmten Rechtsgebiete verknüpft und den dauernden Mittelpunkt für ihre Lebensverhältnisse und Rechtshandlungen fixirt, ubi quis larem rerumque atque fortunarum suarum summam constituit — ubi quisque sedes et tabulas habet, suarumque

rerum constitutionem fecit7).

Auf den Wohnsitz legt daher auch unser Recht den Nachdruck; eine Ver­ änderung desselben, welche zugleich verändernd auf das Recht einwirken soll, wird erst dann angenommen, wenn mit Zuverlässigkeit die Absicht er­ hellt, einen anderen Ort zum Wohnsitz zn wählen.

Hat Jemand noch keinen bestimmten Wohnsitz, so gilt der Ort der Herkunft dafür, d. h. der Wohnsitz seines Vaters *), und ist dieser im Ausland oder unbekannt, so werden die Rechte beurtheilt entweder nach A.L.R. oder nach dem Recht es der Handlung am Hat Jemand einen doppelten Wohnsitz, so wird seine Fähigkeit zu handeln nach dem Recht des Orts beurtheilt, nach welchem die Giltigkeit des Geschäfts am meisten begünstigt ist. So wichtig und entscheidend aber auch der Wohnsitz ist, um zu be­ des jedesmaligen Aufenthaltsorts, je nachdem

günstigsten ist.

stimmen, welchem Rechtsgebiet die Person angehört; — alle Fragen wer­ den dadurch nicht erledigt. Es bleiben die häufigen Fälle übrig, wo Aus­ länder mit Inländern int Ausland oder Inland in Rechtsverhältnisse

eintreten. Deßhalb mußte ein weiterer Standpunkt eingenommen werden, und diesen gewährt jenes Prinzip, indem es an Stelle des Wohnsitzes der Person auf den Sitz des Rechtsverhältnisses Gewicht legt, welcher ebenso mit ersterem znsammenfallen, als von ihm verschieden sein kann.

Die Anwendung dieses Gruikdsatzes auf die einzelnen Fälle führt nun aber zu folgenden Ergebnissen: 1. Die Rechts- und Handlungsfähigkeit') des Preußen muß vom preußischen Richter nach dem Recht des Wohnsitzes beurtheilt werI. 7. C. X. 39.1. 17. §. 13. 1. 27. §. 1 D. 50. 1. 1. 203. D de V. 8. Borne­ mann S. 141. Zachariä (Anschütz) I. S. 332 sg. Heimaisrecht ist nicht Bedingung des Wohnsitzes. Seuifert XVII. 116. 8) Bei unehelichen .Kindern der Wohnsitz der Mutier. Ueber den Begrifi des WohnI sitze» vergl. auch A.G.O. I. 2. §. 8 fg. Gesindedienst begründet keinen Wohnsitz, nur ausnahmsweise Gerichtsstand. Korporationen haben ihren Wohnsitz am Ort I ihrer ständigen Verwaltung. Zn Betreff der Eisenbahngeseüschasten vergl. Entsch. ' B. 24. S. 21. HerkunstSort minderjähriger, unter väterl. Gewalt stehender Militairpersonen: Kab. O. v. 31. März 1839. — Bar S. 82. ») Savigny S. 134. 141. Unger S. 163. Bornemaun S. 72. Schmidt S. 30.41. ’j

§. 11.

Oertliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze.

51

den "), und zwar sowohl dann, wenn es sich um ein Geschäft handelt,

welches der nach seinem Heimatsrecht dazu nicht befähigte Inländer im Auslande geschlossen hat, wo die Befähigung

dazu ihm an sich zustehen

würde, als auch dann, wenn es sich um ein Geschäft handelt, welches der

dazu befähigte Inländer im Ausland eingegangen ist, wo ihm die Be­ fähigung an sich abgehen würde. Dies hat die preußische Praxis aus­ drücklich anerkannt"). Nicht ohne Weiteres folgt hieraus, daß der

preußische Richter auch die Rechtsfähigkeit des Ausländers nach seinem Heimatsrecht beurtheilen muß. Das A.L.R. hat diese in der gemein­ rechtlichen Theorie nicht unbestrittene Frage durch die Borschrift beseitigt,

daß Fremde in Betreff ihrer Handlungsfähigkeit nach demjenigen Gesetz beurtheilt werden sollen, nach welchem die Handlung am besten bestehen

kann"), — also je nach dem preußischen oder ihrem Heimatsrecht.

In

der Theorie des gemeinen Rechts, welches eine solche, die Schwierigkeit durchschneidende Bestimmung nicht hat, ist es zweifelhaft und die Praxis schwankt sehr darüber, ob der Fremde sein Heimatsrecht mitbringe oder dem Recht des Inlandes unterworfen werde.

In der Regel ist man ge­

neigt, die Handliungsfähigkeit des Ausländers nach dem Recht seines Wohnsitzes zu beurtheilen, aber wenn er in dem ihm fremden Lande Berpflichtungen einigegangen ist, zu denen er zwar nach dem Recht dieses Landes, nicht aber nach dem Recht seines Wohnsitzes befähigt gewesen, so läßt man nicht das letztere entscheiden, sondern die Regel locus regit

actum auch in Betreff der persönlichen Handlungsfähigkeit durchgreisen,

Dies

ist besonders sächsische Praxis und durch das neue Civilgesetzbuch

bestätigt").

Nach österreichischem Recht ist die Handlungsfähigkeit des

10;

§. 23. Einl. z. A.L.R. spricht vom Gesetze der „Gerichtsbarkeit", unter der man seinen Wohnsitz hat. Dies hängt mit der damaligen, durch die V.O. v. 2. Ian. 1849 beseitigten GerichlSversassung zusammen. A.G.O. I. 1. §. 5. 6.

")

Enrsch. B. 32. S. 401. Wenn der minderjährige Preuße im Bereich des sranzösischen Rechts die Vaterschaft zu einem unehelichen Kinde anerkennt, wozu nach französischem Recht auch Minderjährige berechtigt sind, so kann er doch anS diesem Anerkenntniß vom preußischen Richter nicht für gebunden erachtet werden. Wenn, der 24 Jahr alte Preuße in Hannover, wo die Großjährigkeit erst mit 25 Jahr­ ein tritt, eine vertragsmäßige Pflicht übernimmt, so muß ihn der preußische Rich­ ter verurtheilen Vor dem inländischen Richter steht der Inländer in Betreff seiner Handlungsfähigkeit immer unter dem inländischen Recht, gleichviel, ob das Geschäft, welches der Beurtheilung unterliegt, im In- oder Ausland errichtet worden ist. Hierbei ist aber die Voraussetzung, daß der Preuße auch in Preußen zur Zeit seinen Wohnsitz hat. (Einl. tz. 23.) Wenn er im Ausland seinen Wohnsitz hat, wird er wie ein Fremder zu betrachten sein nach §. 25. Einl. Hier­ durch unterscheidet sich das preuß. vom österr. R, welches nach 4. B.G.B. nicht aus den Wohnsitz im Inland, sondern aus das Slaatsbürgerthnm, also darauf den Nachdruck legt, ob der im Ausland wohnende Oesterreicher noch im Unterthanenverbande steht. Unger S. 164. Note 2.

12)

Einl. z. A.L.R. §. 35.

13)

Sächs. G.B. §.8. bestimmt: Die Handlungsfähigkeit eines Ausländers wird nach den Gesetzen des Inlandes (also Sachsens) beurtheilt, wenn eine Verpslich-

Erste- Buch.

52

Fremden schlechthin nach

Die Grundbegriffe.

seinem Heimatsrecht zu beurtheilen").

Auch

nach französischem Recht bleibt der Stand und die Rechtsfähigkeit des

Fremden den Gesetzen seines Landes vor französischen Gerichten unter­

worfen n).

Hervorznheben sind noch folgende Punkte: Die Verlegung des Wohnsitzes in ein fremdes Rechtsgebiet be­

wirkt auch die Veränderung der Rechts- und Handlungsfähigkeit'°), doch bleibt die einmal erreichte Großjährigkeit erhalten *’).

Besonders bevor­

zugte oder im Verhältniß zum gemeinen Landesrecht beschränkte Rechts­ fähigkeit findet im andern Rechtsgebiet keine Beachtung"). Juristische Personen des Auslandes muß auch der inländische Richter anerkennen

und die über ihre Konstituirung und innere Einrichtung bestehenden Hei­ matsgesetze bleiben maßgebendia).

2. Im Bereich des Vermögensrechts ist nach A.L.R. zu niiterscheideu, ob es sich nm rechtliche Beurtheilung eines Vermögens-In­ begriffs oder einzelner zum Vermögen gehöriger Sachen, und hier weiter beweglicher oder unbeweglicher Guter handelt.

Der Inbe­

griff unterliegt dem Recht des Wohnsitzes, wenngleich sich die einzelnen Bestandtheile in verschiedenen Rechtsgebieten befinden, denn da der Intung desselben aus einer im Inland vorgenommenen Handlung ist Frage ist. Siehe Wochenbl. für merkwürd. Rechtes. 1859 N. F. B. 7. S. 46. 1861 N F. B. 9. S. 68. Ein Bild der Praxis der übrigen deutschen Länder geben folgende Entscheidungen: für Baiern Blätter f. Nechtvauw. B. 4. S. 119. B. 9. S. 336. und der Aussatz in B. 14. S. 401. unbedingt für die Personalstatnten. Ebenso daS O.A.G. Jena bei Sell ff. B. 13. S. 255 , der frühere rhein. Rev. u. Cass. Hof Berlin bei Seusf. B. 2. S. 2. u. Wiesbaden das. B. 12. S. 321. Dagegen ist O.A.G. Celle streng territorial (Senfs. B. 13. S. 102.): „Es muß stets als Regel gelten, daß der Richter, nach den Gesetzen seines Landes zu richten hat. Die von dieser Regel lediglich dnrch besotlderes Herkommen begründete Ausnahme, zu­ folge welcher die Existenz der Minderjährigkeit eines Fremden nach den Ge­ setzen seines Wohnorts beurtheilt wird, darf aus die Entscheidung über die recht­ lichen Folgen solcher Minderjährigkeit nicht ausgedehnt werden." — In Be­ treff der Wechselsähigkeit s. A. deutsche W.O. Art. 84. 14) A.b. G.B. §. 34.

15) Code a. 3. §. 3.

Unger S. 164 f. Zachariä (Anschütz) I. 71. Note 3.

Bar S. 158.

Note 8.

16) Strieth. B. 36. S. 109., auch bei Seusf. B. 14 S. 5 Wenn Jemand sei­ nen Wohnsitz ausgegeben in der Absicht, einen andern zu wählen und er stirbt, ehe er letzteren ergriffen, z. B. auf der Reise dahin, so ist seilt Nachlaß nicht als der eines wohusiylosen Vagabunden zu betrachten, eS kommt vielmehr noch das Recht des letzten Wohnsitzes zur Anwendung. n)

Also wenn ein 22jähriger Sachse nach Preußen übersiedelt.

S. Bar S. 172.

lb) Bornemann S. 77. Bar S. 153. Z. B. wenn in dem einen Lande nur Ka­ tholiken Grundeigenthum erwerben können; wenn Juden von solchem Erwerbe ausgeschlossen sind; wenn der in seiner Heimat bürgerlich todt Erklärte in einem andern Lande, welches das Institut des bürgerlichen Todes nicht anerkennt, ein Geschäft abschließt. Dagegen können Geschäfte, die der bürgerlich todt Erklärte in seiner Heimat abgeschlossen hat, auch im Ausland nicht gelten. Bar S. 105. Note 1. 19) Anerkannt in Entscheidungen B. 20 S. 326.

ß. 11.

53

Oertliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze.

begriff nur in der Person seine Einheit findet und die einzelne zugehörige Sache dadurch ihre Individualität einbüßt, so kann auch nur das Recht der Person hier das bestimmende feilt20). Gleichfalls dem Rechte des Wohnsitzes ist das einzelne bewegliche Vermögensstück unterworfen, bei einem doppelten Wohnsitz dem Recht des Orts, wo es sich befindet, bei keinem bestimmten Wohnsitz dem Recht des Aufenthalts2'). Es gelten hier also nicht die Real- sondern die Personalstatuten. Ueber unbeweg­ liche Vermögensstücke herrschen die Gesetze des Rechtsgebietes, in welchem sie liegen (die Realstatuten), und zwar unbedingt, nicht bloß wenn diese Gesetze besondere Vorschriften über Immobilien enthalten22).23 Aber bisher sind die Sachen schon als Theile des Vermögens in Betracht gezogen, ihre Zugehörigkeit zu einem solchen ist vorausgesetzt wor­ den. Es bleibt die Frage übrig, welchen Gesetzen sind die Sachen ohne die Voraussetzung, an sich, wenn sie erst in ein Vermögen hineingezogen werden sollen, unterworfen. Da das A.^.R. hierüber schweigt, so hat die Theorie freie Hand. Die Sachen an sich sind dem Recht unterworfen, in dessen Gebiet sie sich befinden, sie können daher auch nur nach diesem Recht erworben werden, ohne Unterschied der beweglichen und unbe­ weglichen2^). Gleichem Gesetz folgen die dinglichen Rechte, zumal sie 20) Ueber den Nachlaß als Inbegriff vergl. unten §. 21. Keufseit, Arch. B. 6. N. 307. 308. B. 7. N. 332.

Note 3.

Siehe

auch

21)

A L.N. Cinl. §. 31. Die Worte „jedoch mit Rücksicht auf seinen persönlichen Stand" sind seit Aushebung des eximirten Gerichtsstandes veraltet. Richtiger wäre es auch bann, das Recht des locus rei sitae entscheiden zu lasten, wenn eS am bestimmten Wohnsitz fehlt

• 22)

Gegen das Präjudiz des O.Trib. 663. Koch, Kommentar zu §. 32. Eiul. Note 42. Die EntscheidungSgrunde des O.Trib. sind nicht bekannt.

23)

Bornemann S. 88. Unger S. 169. Savigny S. 169. Bar S. 188 fg. S. 192: „Befielt das Sachenrecht die Lehre von den Rechtsverhältnissen, welche durch die faktische Existenz einer Sache nothwendig bedingt sind, und dadurch ent­ stehen, daß irgend welche Personen durch faktische Berührung Handlungen mit einer Sache vornehmen, und kann eine faktische Berührung der Sache immer nur da eintreten, wo sich die Sache augenblicklich befindet, so ergiebt sich für unsere Frage die Konsequenz, daß die Beurtheilung der Rechte an Sachen nach den Gesetzen des Landes erfolgen muß, wo die Sache zur Zeit derjenigen Handlung sich be­ funden hat, welche den Erwerb oder Verlust eines bestimmten dinglichen Rechts bewirkt haben soll." Besondere Schwierigkeit macht die Ersitzung, wenn der Ersitzende während des Zeitlaufs die Sache mit sich in verschiedene Länder ge­ nommen hat, in denen verschiedenes Recht hierüber gilt. Nach preuß. R. ist die Frage nicht auszuwerfen wegen §. 28. Eiul. Nach gemeinem R. ist wohl die richtigere Ansicht die, daß das Reckt des Ortes entscheidet, wo die Ersitzung be­ gonnen worden. Der Ort der Vollendung ist unbestimmt je nach der Zeitdauer des Ersitzens nach dem einen oder andern Recht, das Recht der Zwischenorte aber gewiß einflußlos. A.M. Ungers. S. 177. Schmidt S. 61» Dergl. Heuser, kurhess. Annalen II. S. 752. über die Fähigkeit Eigenthum an Grundstücken zu erwerben. Striethorst B. 20. S 141. Anwendung des locus rei sitae bei Mobilien. Auch die Vindikationsklage mit ihrer omnis causa richtet sich nach dem locus rei sitae, und nur, wenn der Beklagte die bewegliche Sache an verschiedenen Orten mit sich führt, nach dem Recht seines Wohnsitzes, Bar S. 215. Note 21., denn hier fehlt eS daran, daß res aliquo loco constituta est. Sa-

Erstes Buch.

54

Die Grundbegriffe.

ja ohnehin nur bei unbeweglichen Sachen von Bedeutung sind. preußische Recht treten hier aber zwei Bedenken hervor.

Für da­

Das A.L.R.

kennt ein dingliches Recht des Miethers einer beweglichen Sache.

Im

gemeinen Recht ist diese Dinglichkeit nicht anerkannt; es wird also der gemeinrechtliche Richter dem preußischen Miether die dingliche Klage zu versagen haben, weil ihm das Rechtsinstitut an sich fremd ist"). DaS römische . Recht kennt ein durch Vertrag zu begründendes Pfandrecht an

beweglichen Sachen, das preußische Recht verlangt schlechterdings Besitz­ einräumung; es wird also der preußische Richter kein im AuSlande ent­

standenes Pfandrecht ohne Besitz anerkennen dürfen. Dasselbe gilt von der im preußischen Recht verworfenen Generalhypothek"). 3.

Auf die obligatorischen Rechtsverhältnisse") sollten nach

der alten Theorie die statuta mixta sich beziehen, d. h. die Gesetze deS Orts, wo die Handlung vorgenommen worden.

Es leuchtet ein, daß solche

Annahme nicht ausreicht, weil erst noch zu beantworten ist, wo die Hand­

lung als vorgenominen gilt: ob am Ort des Abschlusses, namentlich wenn der Vertrag zwischen Abwesenden zu Stande kommt, oder am Ort der Erfüllung. Das A.L.R. läßt hier ganz im Stich und es muß daher auf die allgemeinen Grundsätze zurückgegangen werden. Die Savignh'sche Theorie ist gerade hier von besonderer Bedeutung, weil auf dem Gebiete des Verkehrs die Kollisionen verschiedener Rechte am häufigsten eintreten und am mannichfaltigsten sich gestalten. a. Die Form des Rechtsgeschäfts steht unter der Regel locus regit actum ”). Dieser Satz rechtfertigt sich eben sowohl aus dem Territorial­ system als aus dem an die Spitze gestellten Prinzip. Er beruht auf einem sichern deutschen, man kann sagen europäischen Gewohnheitsrecht, welches

“)

vigny S. 187. will da- Recht des Klageorts entscheiden lassen. Schmidt S. 62. Wenn ein Preuße eine Sache vindizirt, die er im Gebiete des A.L.R. dem Be­ klagten vermielhet hat, und die sich zur Zeit der Klage in einem Gebiete befindet, in welchem liibischeS Recht gilt, so ist die Vindikation nach dem Grundsatz „Hand wahre Hand" (lilb. R. III. 2. c. 1. 2.) abzuweisen. Vindizirt ein im gemeinen Recht wohnender Eigenthümer seine im Bezirke deS A.L R- liegende Sache, so ist er gegen den gutgläubigen Besitzer dem Einlösungsrecht aus A.L.R. I. 15. §. 26. unterworfen. Bergt. Voigt und Heinecken, neues Arch- f. Handelsrecht. III. 263. Dies ist Savigny'S Ansicht, System 8. S. 190. Dagegen Bar S. 221.

Savigny S. 194 f. — Das Obertribunal Stuttgart beurtheilt die Entstehung des Pfandrechts lediglich nach dem Recht des locus rei sitae. Civilrechlspr. in Wllrtemb. v. Tafel und Hopfengärtner B. 5. 1863. S. 345. ,6) Bornemann S. 78. Savigny S. 200. Unger S. 179. Bar St 112. 230. Schmidt S. 63. g”) A G O. I. 5. 8- 111.-115. A.L.R. I. 10. §. 115. Löw en berg, Motive B. 1. S. 32. Bar S. 112., dec auch die Dogmengeschichte deS Satzes giebt. Unger S. 205. Code civ. a. 47. 48. Aus der Praxis: Entsch. B. 32. S- 333. B. 33. S. 1. Strieth. B. 23. S. 352. B. 24. S. 370. B. 59. S. 60. Seussert B.2. Nr. 119. B.8. Nr. 4. B. 10. Nr. 220. B. 16. Nr. 157.

25)

Oertliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze.

§. 11.

55

seinen inneren Grund darin hat, daß die gesetzlich vorgeschriebene Form, ähnlich wie Prozeßformen, der Disposition der Parteien entzogen ist, und

daS sich auch dadurch rechtfertigt, daß im Auslande oft nicht die Möglich­ keit gegeben ist, das Geschäft in die Form zu kleiden, die nach dem Recht, dem es sonst angehört, erforderlich wäre.

Der Ort also", wo das Ge­

schäft errichtet, zur Vollendung gekommen, entscheidet. das Geschäft nach seinen

formellen Bedingungen an.

wenn die Parteien gegenwärtig sind.

Diesem Ort gehört DfeS ist einfach,

Geschieht der Abschluß durch Brief­

wechsel, so müßte dasjenige Ortsrecht den Ausschlag geben, in dessen Ge­ biet nach allgemeinen Grundsätzen

also der

die Willenseinigung erreicht worden,

Ort, wo die Annahme des Anerbietens erfolgt ist18).

DaS

A.L.R. hat aber angeordnet, daß derjenige Wohnort der Parteien ent­

scheide, nach dessen Recht das Geschäft am besten bestehen kann, und wenn

unter Abwesenden

der Vertrag durch

eine schriftliche Urkunde errichtet

wird, der Ort der Datirung, bei mehrfachen Ortsdatum nach dem gün­ stigeren Recht.

Eine Ausnahme machen die Verträge über Immobilien,

die sich in der Form nach dem forum rei sitae richten müssen *’).

Nach

demselben Grundsatz, daß das günstigere Recht entscheiden soll, ist anzu­

nehmen, daß, wenn der im Ausland errichtete Vertrag dem dortigen Ge­ setz über die Form nicht, wohl aber dem preußischen entspricht, er aufrecht erhalten bleibt.

b.

Inhalt und Wirkung eines Rechtsgeschäfts sind zunächst dem

freien Belieben,

der Verfügung der Parteien

unterworfen.

Wenn der

Wille derselben klar erkennbar ist, wird derselbe maßgebend sein; eS ist

also eine Frage thatsächlicher Natur, ob daS Recht des Ortes, wo

der

Vertrag abgeschlossen, oder wo er erfüllt werden soll, oder wo der Ver­ pflichtete (der Schuldner) wohnt, entscheidet.

ermittelt

werden kann,

Nur, wo dieser Wille nicht

ist eine allgemeine Vorschrift nöthig,

über gehen die Ansichten

sehr auseinander.

und dar­

Savignh stellt den Er­

füllungsort voran, Wächter den Ort des Vertragsabschlusses, Windscheid

und Bar den Wohnsitz des Schuldners8").

Auch

die Praxis

A.L.R. 1.5. §. 80.102.148. Bar S. 128. hält in diesem Fall den Vertrag nur dann sür gütig, wenn er den am Wohnort beider Kontrahenten gellenden Gesetzen konsorm ist. Sachs. Ges B. §. 9. Ort der Vornahme, „es genügt jedoch die Beobachtung der Gesetze des Orts, an welchem das Geschäft in Wirksamkeit treten soll." ") A.L.R. I. 0. h. 115. Sensfert, Arch. B. 7. N. 2. ”)

»•)

Wächter, würtemb. Pr. R. II. S. 91. nach I. 34. de R. J. 1. 6. D. 21. 2. Savigny 'S. 246. (Für diese Ansicht spricht besonders 1. 21. D. 44. 7: contraxisse unusquisque in eo loco intelligitur, in quo ut solveret se obligavit.) Wind­ scheid, Pand. I. S. 82. DaS hier in Note 11. gegen Savignh ausgestellte Beispiel beweist jedoch nichts, denn der Ersüllungsort der Schenkung ist nicht Neapel, sondern nur sür daS hin,»getretene Mandat. Bar S. 230 sg. Schmidt S. 65. läßt die Art und Weise der Leistung nach dem Erfüllungsort, die übrigen rechtlichen Bedingungen und Wirkungen des Geschäfts nach dem

Erstes Buch.

56

schwankt").

Die Grundbegriffe.

-) Am meisten hat offenbar der Erfüllungsort für sich, denn

die Erfüllung ist das Ziel, der Zweck des ganzen Geschäfts.

Wenn auch

die Parteien mit den am Erfüllungsort geltenden Gesetzen unbekannt sein sollten, so steht dieser Umstand nicht entgegen, denn nach dem Grundsatz, daß Gesetzunkenntniß nicht entschuldigt, haben sie die Verpflichtung, sich danach zu erkundigen.

Wenn sie später den Erfüllungsort ändern, so

kann daraus zwar auch eine wesentliche Aenderung der Rechte und Pflich­ ten aus dem Vertrage folgen — aber dann muß diese als von den Par­ teien gewollt angesehen werden.

Wenn die Erfüllung an verschiedenen

Orten zu geschehen hat, so wird je für den einzelnen Theil der Erfüllung das betreffende Recht den Ausschlag geben müssen "). Gegen das Recht

am Orte deS Vertragsabschlusses spricht besonders die Erwägung,

daß

dann zwei Inländer, um den Beschränkungen inländischer Gesetze auszu­

weichen, nur im Ausland kontrahiren dürften, und wenn der Vertrag im Inland erfüllt werden soll, der hiesige Richter jenes beschränkende Gesetz, z. B. gegen zu hohe Zinsen, nicht anwenden könnte. Gegen das Recht am

Klageort beurtheilen. Schmidt in Bosch, Arch. f. Handelsrecht III. 449 nimmt den Ort des Abschlusses in Bezug aus Form, Inhalt, Auslegung und Bollziehung der Verträge als entscheidend an.

81)

32)

Preußische Praxis: Entsch. B. 18. S. 146: „Die Wirkungen eines über be­ wegliche Sachen von Inländern im Auslande geschlossenen uud dort sofort er­ füllten Vertrags sind nach den Gesetzen des Auslandes zu beurtheilen/' B 24. S. 21. „Das kontraktliche Verhältniß einer ausschließlich preuß. Eisenbahnge­ sellschaft, welche Güter zur Weiterbeförderung übernommen hat, die einer aus­ wärtigen Eisenbahn ausgegeben waren und durch eine auswärtige Eisenbahn weiter transportirt werden sollen, richtet sich nach den preuß. Gesetzen." Iu bei­ den Fällen ist der Vertrags- und Erfüllungsort identisch. B. 47. S 53: „Der Preuße, der im Ausland eine Ausländerin geschwängert hat, kann ihr auch vor dem inländischen Richter die Einrede der Bescholtenheit aus §. 9. 13. des Ges. v. 24. April 1854 nicht entgegensetzen/' Der Erfüllungsort ist im Auslande. Striethorst B. 29. S. 355. (u. Seuffert B. 14. S. 334.): „Ein Preuße, der im Ausland eine Ausländerin geschwängert, kann ihr nicht die Einrede ans §. 9. des Gesetzes v. 24. April 1854 entgegensetzen." Gegen das Wohusitzrecht des Schuldners. B. 40. S. 50: „Die Einrede der lex Anastas. kann vor preußi­ schen Gerichten nicht erhoben werden, wenn auch die Session da erfolgt ist, wo jene gilt, wenn der debitor cessus ein Preuße ist." Gegen das Recht des Dertragsorts, doch nur, weil das preuß. R. das Institut nicht anerkennt. Bergl. Seuffert B. 1. Nr. 402. Gemeinrechtl. Praxis: Seuffert B. 2. Nr. 253. B. 4. Nr. 3. 4. 92. B. 6. Nr. 129. B. 7. Nr. 136. B. 8. Nr. 3. 4. 5. B. 15. Nr. 183. Blätter f. R. Anw. in Baiern B. 8. S. 16. B. 19. S. 362. Oesterreich. R. Allg. bürgerl. G.B. 35. hat die Theorie vom günstigeren Recht, §.36. läßt den Beweis zu, daß von den Kontrahenten bei Abschluß des Vertrags auf ein anderes Recht Bedacht genommen. §. 37. erkennt den Grund­ satz locus regit actum und die Berechtigung der Parteien an, den Vertrag einem andern Recht zu unterwerfen. Sächsisches G.B. §. 11. 18. beurtheilt den Ver­ trag nach dem Erfüllungsort, läßt aber die Willkür der Parteien ein anderes Recht verabreden. Gegen B ar S. 233. Note 6. ist zu bemerken, daß der Frachtführer erst bei der Ablieferung der Waare, also am Bestimmungsorte derselben erfüllt.

§. 11.

Oertliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze.

57

Wohnsitz des Schuldners aber „kann leicht das Interesse des Gläubigers, der es nicht kennt, streiten.

Ueberdies bleibt hier unentschieden, wer der

Schuldner ist bei Verträgen, wo jeder Theil Rechte und Verbindlichkeiten

hat, z. B. beim Kauf.

Es kann doch nicht das Wohnsitzrecht jedes Kon­

trahenten auf seine Verpflichtung angewendet werden.

Nur wenn Ver­

träge durch Briefwechsel geschlossen werden, wird das Wohnsitzrecht des

Schuldners passend angewendet"). 4.

Gesetzliche Obligationen, z. B. die Unterstützungspflicht der

Geschwister, werden nach dem Recht des Bezirks beurtheilt, in welchem der Berechtigte seinen Wohnsitz hat.**) 5.

Bei Delikten gehört die Frage, ob eine Handlung für eine un­

erlaubte zu erachten und welche Folgen

sie

in Betreff des Schadener­

satzes nach sich ziehe, dem Recht des Orts, wo sie vowgenommen — jedoch mit der Ausnahme, daß, wenn eine nach inländischem Recht als Delikt

bezeichnete Handlung von einem Inländer gegen einen Inländer im Aus­ lande verübt worden^das inländische Recht entscheidet, weil der Staat seine Angehörigen auch im Auslande zu schützen hat, und der Inländer auch dort seinem heimatlichen Recht und den daraus für ihn entstehenden Verpflichtungen gegen seine Mitbürger sich nicht entziehen kann"). Ist der Schaden auf offenem Meere, welches keinem Rechtsgebiet angehört,

zugefügt, so muß er nach dem Recht desjenigen Orts vergütigt werden, an welchem zuerst die Klage angebracht werden kann ").

6.

Familienrecht").

Es entscheidet der Wohnsitz des Familien­

hauptes, des Ehemannes und Vaters.

Die Form

des Gelöbnisses und

der Eheschließung folgt jedoch der Regel locus regit actum, die innere Giltigkeit der Ehe dem persönlichen Recht des betreffenden Gatten; die Frage, ob und wie der väterliche Konsens zu ertheilen sei, wird nach dem Recht beantwortet werden müssen, nach welchem die väterliche Gewalt normirt ist.

Wenn das preußische Recht ein Ehehinderniß aufstellt, wel­

ches in dem anderen Lande, wo die Ehe vollzogen wird, ”)

nicht anerkannt

Striethorst B. 20. S. 135.

*) Eint. §. 23. Emsch. B.50. S. 8. 84) Entscheid. B. 9. S. 381. Bornemann S. 111. Wächter II. S. 389. und Savizny S. 278. nehmen daö R. des Klageorts an. Unger S. 188. Bar S. 317. Daö sächs. Ges. B. hat hierüber keine Bestimmiung. Seusfert, Archiv B. 9. Nr. 1. B. 11. Nr. 3. Beide für daö Recht des Klageorts. Dagegen Bl. f. R. Anw. in Baiern B. 12. S. 287 (ein Plenarbeschllvst des O. App. Ger. Mün­ chen). Bei trieft Beleidigungen der Ort, wo der Bries zur sicheren Bestellung aufgegeben worden. Wochenbl. f. merkw. Rechtsfälle 1855 S. 300. für das in­ ländische Recht, obgleich der Verlag im Auslande. 3S) Entscheid. B. 42. S. 14. (Auch bei Seusfert B. 14. S. 335.) Besonders Seuffert IV. Nr. 4. Vergl. jetzt das allgem. deutsche HandelSges.B. Art.736fg. Bar S. 413. , . Bornemann S. 131. Savigny S. 324. Bar S. 321. Schmidt S. 77.

58

Erstes Buch.

Die Grundbegriffe.

ist, so muß doch für den Preußen die Ehe als ungiltig angesehen wer­ den^). Das eheliche Güterrecht wird bestimmt durch den ersten ehelichen Wohnsitz: ob bleibend — wenn später der Wohnsitz verlegt wird — ist

verschieden beantwortet worden und es hat sich hierüber im gemeinen Recht noch keine sicher überwiegende Praxis gebildet. Das A.L.R. ent­ scheidet sich dafür mit einer Modifikation aus Rücksicht auf die Güterge­

meinschaft, um dritte Personen gegen Benachteiligung zu schützen^).

Ge­

schieden kann die Ehe nur werden aus Gründen, die das Recht des Klage­

orts, d. h. des Wohnsitzes des Ehemannes, anerkennt, wogegen das Recht des früheren Wohnsitzes entscheidet, wenn dieses durch die dort vorge­

fallene Handlung die Scheidung nicht rechtfertigen läßt").

der Ehefrau,

Es wird auch

die einen Scheidnngsgrund gegen ihren Mann erworben

hat, derselbe nicht dadurch entzogen werden können, daß letzterer einseitig den Wohnsitz an einen Ort verlegt, wo dieser Grund gesetzlich nicht an­

erkannt ist — vorausgesetzt, daß ihm die Frau an diesen neuen Wohnsitz nicht gefolgt ist, weil

sonst Verzicht angenommen werden müßte.

Die

Rechte der väterlichen Gewalt richten sich nach dem jedesmaligen Wohnsitzrecht, sind also der Wandlung unterworfen").

37)

88)

■ ; !

89) 40)

Gelöbniß: Entsch. B. 43. S. 49. Seufsert B. 5. N. 136. B. 6. N. 306. Ehe­ schließung und Konsens: Entsch. B. 29. S. 380 Seufsert B. 10. N- 122. B. 2. N. 5. Ehehmdernisse: A.L.R. II. 1. §. 170. Entsch. B. 29. S. 380. B. 44. S. 146. Dagegen Savigny S. 326 (nur die Gesetze des Wohnsitze« deS Mannes sollen entscheiden). Ein bairisches Ges. v. 12. Juli 1808 erklärt Chen, die ein bairischer Unterthan im Auslande schließt, für nichtig. A.L.R II. 1. §. 350. 352. Entsch. B. 13. S. 297. B. 45. S. 193. Aus der gemeinrechtlichen Praxis für die Wandelbarkeit des Güterrechts je nach dem Wohn­ sitz; Seufsert B. 7. N. 137. B. 14. N. 106. Gegen die Wandelbarkeit: da­ selbst B. 1. N. 152. B. 7. N. 138 (rheinischer Kassationshof Berlin). B. 9. 97.302. B. 10. S. 322. B. 14. S. 106. Striethorst B. 20. S. 182. B. 41. S. 99. Andere Gerichte haben geschwankt: Seuf s er t B. 14. S. 162. Nr. 1. Eine gute Uebersicht der verschiedenen Ansichten bei den Schriftstellern und Gerichten in Seufsert XVIII. 1. Das neue sächs. Ges. B. läßt das Recht nicht wechseln. Unger I. S. 194. nimmt auch für das österreichische Recht die Beständigkeit an. Savigny S. 324. für die Beständigkeit; dagegen Brehmer in d. Zeitschr. f. deutsches N. B. 18. S. 200. Bergl. auch Funk im Arch. s. civil. Pr. B. 21. 22. Schmidt S. 81. Nicht ein stillschweigender Vertrag oder Verzicht rechtfertigt die Annahme der Beständigkeit des ehel. Güterrechts, denn daraus könnte bei Veränderung des Wohnsitzes auch das Gegentheil gefolgert werden (Seufsert B. 7. N. 137.), sondern der bleibende Charakter der Ehe und daß die einseitig vom Manne ausgehende Veränderung des Wohnsitzes der Fran das wohlerworbene Recht nicht nehmen kann. Das Wahlrecht des überlebenden Ehegatten bei der Erbfolge nach preuß. R. (s. unten) ist jedenfalls ein nicht ungeschickte« ExpedienS. Siehe auch Gerber, deutsch. Priv. R. §. 229. Daß, wenn Eheleute mit getrenntem Gülerrecht an einen Ort ziehen, wo Gütergemeinschaft gilt, sie die AuSschließuug derselben öffentlich bekannt machen müssen: Entsch. des O.Trib. Berlin bei Seufsert B. 14. S. 340. Auch bei Trennung der Ehe durch Tod bleiben dem überlebenden Ehegatten seine Güterrechte nach dem ersten ehelichen Wohnsitz. Savigny S. 336. Bornemann S. 135. B ornemann S. 135. Wttrtemb. Arch. B. 6. S. 147.

§. 11.

Oertliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze.

59

Lange hat man geschwankt, welche Rechte das außereheliche Kind

gegen seinen Erzeuger anrufen kann. Die jedenfalls unrichtige Auffassung der den Anspruch erzeugenden That als eines Delikts hat dabei vielfach irregeführt.

Ein Plenarbeschluß des Obertribunals hat für das Recht

des Wohnsitzes (dauernden Aufenthalts) der Mutter zur Zeit der Schwän­ gerung entschieden 4‘). 7. Erbrecht. Während der Redaktion des A.8.R. im I. 1782 hat die Gesetzkommission festgesetzt, daß die gesetzliche Erbfolge") in Ansehung der Immobilien nach dem Ort, wo sie liegen (den Realstatu­ ten), in Ansehung der Mobilien nach dem letzten Wohnsitz des Erblassers

(den Personalstatuten) zu reguliren sei.

Das A.L.R. hat hierüber keine

ausdrückliche Bestimmung: es ist daher eine Streitfrage gewesen, ob an

der Ansicht der Gesetzkommission, die mit der damaligen Theorie übereim

kam, festzuhalteu sei.

Die Praxis hat sich jetzt aber dahin gewendet, daß

die gesetzliche Erbfolge in einen Nachlaß lediglich dem Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers unterworfen ist, wenn auch Immobilien dazu gehören, die in einem andern Rechtsgebiet liegen"). Und dies ist richtig, den» der Nachlaß als Inbegriff, als Ganzes, ist Gegenstand der Erbfolge; die Einzelheiten können nicht besonders berücksichtigt werden, wo es sich um den Inbegriff als solchen handelt, und das Vermögen, als der Per­ son zuständig, muß der Regel nach dem Rechte dieser nachgehen. In Be-

tköff der Erbfolge der Ehegatten ist noch zu bemerken, daß sie sich auch nach dem letzten ehelichen Wohnsitz richten muß, denn das Erbrecht ist

unabhängig vom ehelichen Güterrecht und folgt nicht dessen Gesetzen, falls eS nicht ein statutarisches ist, in welchem Falle es bei dem Recht des er-

Bornemann S. 136. Entsch. B. 18. S 39. Pt. Beschl. B. 20. S. 300. 8.32. S. 404. B. 37 91.1., auch bei S-usfert B. XII. N. 333. Dazu Strielhorst B. 33. S. 139. Die im Auslande dienende minderjährige Inländerin, welche bort außerehelich geschwängert worden und geboren hat und demnächst nach Preußen zurückkehrt, ist dem preifßischen Recht unterworfen, d. h. sie muß sich die Einreden aus dem Gesetz v. 24. April 1854 gefallen lassen. Entsch. B. 50. S. 310. Strieth. B. 49. S. 305. Unten 8.217. a. E. Bei S enf sert I. N. 153. IX. Nr. 247. Ort der Beiwohnung. II. N. 4. u. 118. III. N. 135. XIII. N. 196. u. XIV. S. 334. (Recht des KlageortS.) ") Bornemann S. 126. Savigny S. 295. 314. Unger S. 199. Sächs. Ges.B. §. 17. Seuffert II. N 354., wenn der Erblasser keinen Wohnsitz hatte, das Recht des Herkunftsortes. VIII. N. 332. ") §. 121. I. 2. AGO. Entsch. B. 10. S. 143. bes. S. 146. B. 10. S. 177. Dagegen Daniels 1. S. 153. Gemeiurechtl. Praxis: Seu ffert, Arch. B. 1. S. 92. B. 2. N. 354. B. 4. N. 92. B. 6. N. 307. 308. B. 7. N. 332. B. 13. N. 121. B. 14. Nr. 107. Hat der Erblasser einen doppelten Wohnsitz an ver­ schiedenen Orten, mithin auch., einen doppelten HerichtSsianp, gehrrbt^ sollst.der. Gerichtsstand der Erbschaft nach demjenigen Orte zu bestimmen, an welchem der Erblasser zur Zeit seines Ablebens wirklich gewohnt hat. Ist der Erblaffer an einem dritten Orte, z. B. auf einer Reise gestorben, so können nur thatsächliche Momente entscheiden, welcher seiner beiden Wohnsitze als Gerichtsstand der Erb­ schaft anzusehen ist.

4I)

Erstes Buch.

60

Die Grundbegriffe.

sten Wohnsitzes das Bewenden behält. Das A.L.R. hat aber auch hier das oben §. 10. Nr. 5. besprochene Wahlrecht anerkannt"). — Bei der testamentarischen Erbfolge gilt.die Form des Testaments nach dem Ort der Errichtung, wie bei Rechtsgeschäften unter Lebenden; die Testir-

fähigkeit und die Erwerbsfähigkeit wird ebenso beurtheilt, wie bei Ver­ änderungen

der inländischen

Gesetzgebung

(§. 10.),

der Inhalt

des

Testaments einschließlich dem Pflichttheilsrecht nach dem Wohnsitz des Erb­ lassers").

8.

So gewiß auch Prozeßgesetze des Auslandes vom inländischen

Richter niemals angewendet werden dürfen, weil es sich hier nicht um Parteienrecht, sondern um zwingendes öffentliches Recht handelt**), so sehr bestritten ist es, wie sich der Richter in Betreff der Klagenver-

jährung zu verhalten habe.

in dieser Lehre.

Es ist dies vielleicht der bestrittenste Punkt

Nach dem örtlichen Recht der Obligation, behaupten

Diejenigen, welche in der Verjährung ein materielles Rechtsinstitut sehen;

— nach dem örtlichen Recht des Richters, vor dem die Klage erhoben wird, meinen Diejenigen, welche sie als Prozeßinstitut auffassen. Die

Praxis des Obertribunals hat sich wiederholt für die letztere Ansicht ent­ schieden, die gemeinrechtliche Praxis scheint sich überwiegend zur entgegen­

gesetzten Meinung zu neigen. Auch läßt sich in der That nur diese recht­ fertigen"). Zunächst schon nimmt gegen die Ansicht des Obertribunals ")

45;

*) ")

'

Bornemann S. 135. A.L.R. II. 1. 495. 496. Entsch. B. 37. S. 202 Der letzte Wohnsitz bei Senfsert XV. N. 95. Bornemann S. 125. Form des Testaments Entsch. B. 35. S. 368. Gruchot, Beiträge B. 3. S. 112 Inhalt des Test, jnrist. Wochenschr. 1842. S. 421. 1842 S. 349. 436. Seuffert B. 1. Nr. 92. (2)a6 9 t., welchem der Erblasser im Allgemeinen unterworfen ist, wo der größte Theil des Nachlasses sich be­ findet!?) B. 18. Nr 204. Ueber die Giltigkeit holographischer Testamente, er­ richtet am Bord eines französ. Schiffs s. Schering, Archiv B. 2. S. 133. Abweichend in Betreff der Beweiskraft der Handelöbücher Entsch. B. 17. S. 325. B. 50. S. 365. Bornemann S. 113., der die Ansicht des O. Trib. vsrtheidigt. Savigny S 273. Koch, Beurtheil, der Entsch. S. 682. und Kommentar zu §. 33. Einl. Note44. S. 56. Schmidt S. 74. für die entgegengesetzte Ansicht. Unger über­ geht diesen Punkt. Bar S. 283. entscheidet sich für den Wohnsitz des Schuld­ ners. Das sächs. Ges. B. schweigt hierüber. Aber es läßt die Verjährung nicht von Amtswegen, sondern mir im Wege der Einrede geltend machen (§. 153 ), was mit der Annahme der prozessualischen Natur nicht stimmen würde. Entsch. des O. Trib. B. 10. S. 102. B. 11. S. 232. B. 28. S. 70. Rechtsfälle B. 4. S. 27. Striethorst B. 12. S. 135. B. 14. S. 191. B. 20. S. 8. B. 36. S. 90. Aus der gemeinrechll. Praxis für die prozessualische Natur der Einrede der Klagen­ verjährung: Seuffert IX. N. 246 (Celle, 2. Senat). XII. N. 334 (Darmstadt). XVI. 157 (Rostock). Für die materiellrechtl. Natur derselben: Seuffert II. N. 120. (rhein. Kassat. Hof zu Berlin, vergl. Striethorst B. 19. S. 60. und B. 30. S. 301.) Seuffert VIII. N. 7 (Celle, 3. Senat). XII. N. 334 (München). XIII. N. 5 (Lübeck), und Lübecker Entscheid, in Hamburger Rechtssachen B. 4. S. 49. a. E. Das App. Ger. Greifswald folgt auch dieser Ansicht, (dagegen das O. Trib. Entsch. B. 52. S. 388.). Ferner Dresden, Wochenbl. s. merkö. Rechts­ fälle in Sachsen, N. F. VI. (1858) S. 55.

§. 11.

Oertliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze.

ßl

ein, daß sich dasselbe genöthigt gesehen hat, seinen Grundsatz in wesent­ lichen Punkten einzuschränken: es soll nur das am ordentlichen persön­ lichen Gerichtsstand des Beklagten herrschende Verjährungsgesetz zur An­ wendung kommen, und wenn dieses einen längeren Lauf anordnet, nicht mehr, wenn der kürzere des ersten Wohnsitzes vor dem Wegzuge schon be­

endet, auch soll darauf Rücksicht genommen werden, ob der Kläger recht­ zeitig von der Verlegung des Wohnsitzes an einen Ort mit kürzerer Ver­

jährung Kenntniß erlangt hat.

Ganz ist also die Anwendbarkeit der Ver­

jährung des Vertragsortes nicht ausgeschlossen und es ist sogar der Fall

denkbar, daß ein Verjährungsgesetz entscheidet, welches

weder

daS des

daß also der Richter ein ihm

Vertrags- noch das des Klageorts ist,

so

fremdes Prozeßgesetz anwenden müßte!

Widerlegt wird diese Ansicht aber

hauptsächlich dadurch, daß sie das Wesen der Verjährung verkennt, indem

sie in ihr ein prozessualisches Rechtsinstitut sieht.

Nach gemeinem Recht

ist eS wohl noch streitig, ob die Verjährung nur die Klage beseitigt, und

eine Naturalobligation übrig läßt — obgleich auch hier jetzt mehr und mehr die Meinung Uebergewicht erlangt, daß nach heutigem Recht die Obligation zerstört toirb *’), und auch aus der bloßen Klagzerstörung noch nicht die Prozess ualische Natur der Verjährung folgen würde: nach preußi­ schem Recht ist es aber völlig unbestritten, daß durch Verjährung das Recht erlischt"), so zwar, daß ein verjährtes Recht nicht einmal mehr zur

Kompensation geeignet ist").

Die Einrede,

mit der ein das eingeklagte

Recht treffender Erlöschungsgrund geltend gemacht wird, ist materieller Natur, sie ist von dieser Art des Rechts nicht zu trennen; daß es durch diese Verjährung erlöschen kann, ist eine ihm eigenthümliche Eigenschaft, ihm angehörige Wirkung.

Wenn das Obertribunal sagt"):

„Bei der

Erwägung, ob die Verjährung eingetreten sei oder nicht, kommt es auf

die rechtlichen Folgen aus dem Kontrakt gar nicht weiter an, sie bleiben ganz dahin gestellt, da sie im Wege der Klage keine Wirksamkeit mehr haben," so ist dies eben erst zu beweisen. Die übrigen FolgendesVer­ trags kommen freilich nicht mehr in Frage, wenn die Verjährung einge­ treten ist.

Daß die Verjährung „die rechtliche Folge der Nachlässigkeit

des Berechtigten ist, welcher mit Verfolgung seines Anspruchs zu lange gezögert hat," ist gewiß richtig, aber nicht ebenso der daran geknüpfte

Folgesatz: „aus dem Vertrage entspringt sie nicht", denn da für verschie­ dene Verträge verschiedene Arten von Verjährung — nicht bloß in Be-

")

SinteniS, Prakt. gern. Civilr. 2.21. 8.1. S. 294. Note 57. Holzschuber, Theorie u. Casuistik 8. 3. S. 49. A.L.R. I. 16. §. 7. Wenn § 568.1. 9. nur die Vermuthung für die Aushebung der Verbindlichkeit aufstellt, so ist die« im Wesentlichen dasselbe. A.L.R. I. 16. §. 377.

50)

Enlsch. B. 10. S. 105.

47) *e)

62

Erste» Buch.

Die Grundbegriffe.

treff der Zeitdauer, sondern auch der rechtlichen Voraussetzungen ihres Beginns") ■— angeordnet sind, so ergiebt sich daraus, daß die Verjäh­

rung der Obligation anhängt, und daß diese ihre Eigenschaft nicht durch einen Wechsel des Wohnsitzes geändert werden kann. Daß die Publik.

Patente und das Gesetz v. 31. März 1838 (worauf Bornemann noch einiges Gewicht legen will) die neu eingeführte kürzere Verjährung auch

auf schon bestehende Obligationen anwenden, steht nicht entgegen,

denn wenn es dem Gesetzgeber aus irgend welchen Nützlichkeitsgründen beliebt,

die Wirkung eines Rechtsverhältnisses sofort zu ändern, so läßt sich daraus nichts Allgemeines folgern. 8. Uebrig bleibt nur noch die kurze Bemerkung, daß die Vorschrift deS A.L.R.: „fremde Unterthanen haben bei dem Betriebe erlaubter Ge­ schäfte in hiesigen Landen sich aller Rechte der Einwohner zu erfreuen, so lange sie sich des Schutzes der Gesetze nicht unwürdig machen"") für die Rechtsanwendung in ihren letzten Worten eine bedeutungslose Phrase

ist — und daß, wenn in einem auswärtigen Staate die Fremden nach­

theiliger gestellt sind, als die Einheimischen, letztere in Preußen sich ein Gleiches gefallen lassen müssen (Retorsionsrecht). Diese Wiederver­ geltung tritt nicht ein, wenn die Abweichung des ausländischen Rechts vom preußischen Alle, also auch die Angehörigen trifft"), und sie wird nicht dadurch beseitigt, daß der Ausländer seinen Anspruch an einen Preußen an Jemand abtritt, gegen welchen sie nicht stattfinden könnte").

§. 12. Auslegung der Gesetze. A.L.R. Einl. §. 46 fg. — Jacobson in S. und Bobriks Zeitschrift H. 1. S. 1. Hey bemann I. S. 122. Bornemann I. S.67. Daniels I. S. 145. Kochi. S. 101. — Thibaut, Theorie der logischen Auslegung 2. A. (1806). Kierulff, Theorie des CivilrechtS I. S. 18 (1839). v. SavignyI. S. 206. (1840). Wäch­ ter, wllrt. Pr. R. II. S. 133. (1842). Unger, osten*. Pr. R. I. S. 76 (1856). Zachariä (Anschütz), franz. Civ. N. I. S. 96 (1853). Ihering, Geist deS röm. Rechts II. S. 470 (1858).

Zur Anwendung des Gesetzes gehört das Verständniß desselben; der

Richter, indem er seine geistige Thätigkeit darauf wendet, interpretirt, er sucht den Gedanken deS Gesetzgebers in sich zu reproduziren und er bedient °>)

z. B. §. 343. 344. I. 5. §. 199 fg. I

11. §. 154. I. 14. A.L.R.

“) A.L.R. Einl. §. 41. ss) §. 42. 43. 44. 45. Eint. z. A.L.R. — Äons. Orbit, v. 1855 §. 3. — Ueber da« RelorsionSrecht wegen Arrestlegung vergl. den Aufsatz im I. M.Bl. 1862. S 319. Retorsion gegen Frankreich wegen exekutorischer Kraft ihrer Erkenntnisse: Entsch. B. 11. S. 51. Code art. 2123. 2128. «) Ebenso scichs. Ges.B. §. 20. Oesterr. Ges.B. §. 33. Bar S. 67 fg.

A 12.

63

Auslegung der Gesetze.

sich dazu des Wortes, durch welches der Gedanke zur Erscheinung gekom­

men.

Je nachdem man bei der Auslegung an diesem Wort haften bleibt

und in ihm allein den vollkommen eutsprechenden Ausdruck des Gedankens findet — oder über das Wort hinaus den

Gedanken zu erreichen sucht,

jenes nur als das nächste Mittel gebraucht, um selbstthätig den Gedanken

des Gesetzes in sich entstehen zu lassen, übt man grammatische, oder logische „Ueber daS Werthverhältniß dieser beiden Interpretationen

Auslegung ’).

Dem Wesen der geistigen Mittheilung

zu einander kann kein Zweifel sein.

entspricht allein die logische Interpretation; sie legt dem Wort keinen an­

deren Werth bei, als dasselbe einmal hat"*2).3 Das A.L.R. giebt für die Gesetzesauslegung nur wenig Vorschriften.

Auch war zunächst die wissenschaftliche Auslegung dem Richter entzogen

und der Gesetzkommission überwiesen; ihm blieb nur die mechanische An­ wendung des Wortes, sobald ein Zweifel aufstieg, trat die Thätigkeit die­ ser Kommission

ein.

Durch Kab. Ord. v. 8. März 1798

zurückgegeben,

nach allgemeinen Regeln, d. h. nach den Grundsätzen der

Wissenschaft, das Gesetz auszulegen.

dem Richter bei Hilfe

eilten,

doch auch

das

aber

wurde

und dem Richter seine Pflicht

diese Interpretatiousbehörde aufgehoben

dieser Thätigkeit

ditz

Und wenn

Selbständigkeit

seine

Reskript

vom

18.

auch noch längere Zeit

vielfache Belehrungen

Oben

von

noch ferner

bedrohten,

1840 4)

unumwunden

April

kannt, „daß die Gerichtshöfe selbständig nach

den

Gesetzen,

zu

so hat

aner­

und wo

nach den allgemeinen Auslegungsregeln entschei­

deren Sinn zweifelhaft,

den sollen." Das A.L.R. sagt nur:

„Bei Entscheidung streitiger Rechtsfälle darf

der Richter den Gesetzen keinen anderen Sinn beilegen, als welcher aus den Worten und dem Zusammenhänge derselben,

in Beziehung auf den

streitigen Gegenstand, oder ans dem nächsten unzweifelhaften Grunde des Gesetzes deutlich erhellet."

logische Interpretation

Hierdurch ist ihm sowohl die grammatische als

übertragen,

denn

der Zusammenhang

und

der

nächste unzweifelhafte Grund ist nichts anderes, als was das Gesetz un­

mittelbar will oder wollen muß, wenn man es

in den organischen Zu­

sammenhang mit dem ganzen Institut setzt, dem es angehört.

Damit hat

er aber nothwendig zugleich auch die Freiheit, den Zusammenhang aufzu;,

suchen, in welchem das A.L.R. zu dem vorangegangenen Rechtszustand, dem gemeinen deutschen Recht, steht.

9 2)

3) 4)

Hierbei ist davon auszugehen, daß

Ueber daö Behältniß dieser Leiden AnslegungSarten vergl. Les. Kiernlsf S. 21. Ihering S. 470. Ihering S. 473. N. C. C. tom X. p. 1609. Dazu das Reskript v. 21. Marz 1798, aus welchem Anh. §. 2. entstanden. Löweuberg, Motive B. 2. S. 22. u. 114. * Iust.Min.Bl. S. 147.

Erstes Buch.

64

Die Grundbegriffe.

ein Gegensatz des A.L.R. zum gemeinen Recht nicht zu vermuthen, viel­

mehr anzunehmen ist, daß es sich nicht, oder möglichst wenig von ihm ent­ fernt habe. Sonst sind die allgemeinen Regeln der Auslegung, auf welche der Richter verwiesen ist, so sehr in der Natur der Sache und den all­ gemeinen Denkgesetzen begründet, daß sie sich im Wesentlichen für das eine und andere positive Recht gleich bleiben. ner genaueren Darlegung derselben:

ES bedarf daher hier kei­

nur ist für das A.L.R. besonders

hervorzuheben, daß seine Auslegung bei dem Aufgeben fester technischer Worte oft eine eigenthümliche Schwierigkeit bietet, und man nicht zu sehr scheinbar technische Ausdrücke pressen darf; daß die Materialien zum A.L.R. zwar für seine Auslegung von höchster Wichtigkeit sind, aber auch mit

großer Borsicht gebraucht werden müssen, weil sie nur die Ansichten ein­ zelner Redaktoren oder Monenten wiedergeben und nur in seltenen Fällen

mit Sicherheit erhellt, ob eine solche Ansicht schließlich wirklich die Be­ stimmung im Gesetz erzeugt hat; daß ferner weder das Register zum A.L.R., welches nur eine Privatarbeit ist, noch die s. g. Marginalien des­

selben sichere Jnterpretationsmittel sind5), und endlich, daß bei den Uebersetzungen des A.L.R. der deutsche Text das eigentliche Gesetz bleibt, und

bei etwaiger Dunkelheit der Erklärung zu Grunde gelegt werden muß86).7

Das Publikations-Patent von 1794 § IX. hat noch die besondere Bestimmung: „Wenn aus einer älteren Handlung oder Begebenhkit Pl'S-

zesse entstehen und die damals vorhandenen, auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Gesetze dunkel oder zweifelhaft sind; also, daß bisher über

den Sinn und die Anwendbarkeit derselben verschiedene Meinungen in den Gerichtshöfen stattgefunden haben: so ist derjenigen Meinung, welche mit den Vorschriften des A.L.R. übereinstimmt, oder ihr am nächsten kommt, der Vorzug zu geben."

Hiermit stimmt das Publik.-Patent vom 9. Septbr. 1814 §. 4., nur daß ihm die Worte: „also" bis „stattgesunden

haben" fehlen'). Ueber diese Regel hat sich das Obertribunal dahin ge­ äußert, daß da, wo im gemeinen Recht eine klare gesetzliche Vorschrift

vorhanden ist, eS auf „etwaige" Kontroversen der Rechtslehrer oder eine „angeblich"

abweichende Praxis

nicht ankommen kann8).

Es soll also

zwar der erkennende Richter zunächst selbst prüfen, ob ihm das ältere

Gesetz dunkel und zweifelhaft ist, er soll nach seiner Einsicht eS anwenden und sich nicht durch vereinzelte abweichende Auslegungen irre machen lassen; wenn er aber wahrnimmt, daß über das Verständniß deS Gesetzes

sich wirklich Kontroversen in der Praxis gebildet und erhalten haben, so

6)

Ueber das Register: RechlSfälle B. 3. S. 6. Ergänz, zu 8.229. 230. I. 11. A.L.R. Ueber die Marginalien: Entsch. B. 47. S. 195. °) K.O. v. 20. Juni 1816. ((Ses.S. S. 204.) 7) Ebenso in den Patenten v. 15. Novbr. 1816 §. 5., v. 21. Juni 1825 §. 15. 8) Entscheid. B. 2. S. 60. ' Dazu Gruchot, Beiträge B. 1. S. 1.

13.

Analogie.

65

muß er derjenigen Meinung, selbst gegen seine eigene Ueberzeugung, folgen, die dem A.L.R. am nächsten steht. Seit der Aenderung

der

preußischen Staatsverfassung ist in den

Landtagsverhandlungen 9) der Gesetzauslegung ein neues Material zuge-

sührt.

Es soll nicht geleugnet werden, daß diese Verhandlungen von Be­

deutung sind. Aber man darf diese Bedeutung nicht überschätzen. Der Landtag als Einheit äußert sich nur durch seine Beschlüsse. Welche Mo­ tive die einzelnen Mitglieder bei ihren Abstimmungen geleitet, bleibt meist

unbekannt, ob die Ansichten der aufgetretenen Redner auch diejenigen der Mehrheit gewesen, ist nicht festzustellen, und nur den Regierungsmotiven

und den Kommissionsberichten >kann

größeres Gewicht beigelegt werden,

wenn die Vorlagen der Regierung oder die Anträge der Kommission an­ genommen worden sind 10).

§. 13.

Analogie.

A.L.R- Eiul. §. 49. Koch I. S. 114. und Kommentar Note 61. — Kierulsf, Theorie I. S. 25. Sawigny I. S. 46. Wächter II. S. 54. Unger I. S. 59. Wind­ scheid, Pand. 11. S. 51. 57.

Wenn auch ldas preußische Recht nicht eine ähnliche Bestimmung wie der Code civil h Rechlsgejch. S. 413 f.

,

*’) Ergänzungen, 2. AuSg. S. 1. S. 163.

10' R. d. Feld. B. 1. S. 246 f. Heidem. S. 151 f. ") A.L.R 1 3. tz. 18-22. A.L.R. 1.6. Z.10. 1.3.8-1». An» nach röm. R. j. Mommsen S. Ä4. Note 10. Durchaus gleich steheu sich übrigens dolus und culpa lata nicht, wenn auch im heutigen Recht die mit ersterem verbundene Infamie sie nicht mehr sheibet. Unger S. 241 f. Nach A.L.R. Unterschied zwischen beiden in tz. 87.16.. der aber sehr geringe Bedeutung hat. 23) Präj. Nr. 703 in der Präjudizien-Samml. B. 1. S. 6.

§. 27.

Insbesondere die Zurechnung.

141

leuchtet ein, denn die Rechtsordnung fordett, daß jeder widerrechtlich zu­ gefügte Schaden voll ersetzt werde und wäre dieser Grundsatz erst zu sei­

ner Anerkennung gelangt, so würde das angebliche Bedürfniß, nach Gra­

den der Schuld zu suchen, von selbst wegfallen. Die Handlungen, durch welche absichtlich oder aus Versehen rechts­ widrige Wirkungen herbeigeführt werden, können cm Fall der Verletzung außerhalb eines schon bestehenden Rechtsverhältnisses Unterlassungen nicht

Im römischen Recht findet bei der s. g. aquilischen Culpa aus

sein.

solchen keine Haftung statt"). Für das preußische Recht ist eS zwischen Bornemann") und Koch") streitig geworden, eS muß aber mit Er­ sterem angenommen werden, daß dieser Unterschied zwischen aqujlischer und nicht aquilischer Culpa auch im A.l'.R. anzutreffen ist, daß also bei

ersterer nur durch positive Handlungen, nicht auch durch Unterlassungen ein Versehen begangen werden kann.

Der Gegensatz der zurechnungsfähigen Handlung ist der Zufall, der

unabwendbar oder wenigstens unverschuldet eingetretene Nachtheil"). Für ihn ist eine Verantwortlichkeit nicht denkbar, weil es an einem Urheber fehlt.

Wenn sich aber an eine Handlung Folgen knüpfen, die nicht wohl

vorauszusehen waren, also zufällige, und die Handlung war an sich gesetz­ widrig, so müssen sie vertreten werden. Und andererseits kann man zwar

die Absicht, drt"). Welche obligatorische Verpflichtungen daraus ent­ stehen, wenn dem einen oder andern Theil die Unmöglichkeit bekannt war, ist hier nicht zu erörtern. Handlungen, die dritte Personen leisten sollen, können zwar wie Sachen Dritter, nicht unmittelbar Gegenstand der Willenserklärung sein, aber eS können aus solchen Erklärungen Ver­

pflichtungen hervorgehen "). •) I. 11. §.30.fg. Koch, Pr.R. S. 244. Nr. III. 7) Kab.O. v. 19. April 1813 (Ges.S. S. 69). Auch nicht ausschließliche Gewerbe­ berechtigungen über 10 Jahr hinaus. Gew.Ord. v. 17. Ian. 1845 §. 11. Da­ gegen ist in den RechtSf. B. 3. S. 174. als zulässig angenommen, sich zu ver­ pflichten, ein bestimmtes Grundstück nicht zu einem bestimmten Gewerbe zu be­ nutzen. Bergt, auch Reit, vom 13. Januar 1832 bei v. Kamptz B. 39. S. 113. 8) Ges. v. 2. März 1850 §. 91. (Ges S. S. 77 ).

9j Edict. v. 14. Septbr. 1811.tz. 2. 7. Ablös.Ordn. v. 7. Juni 1821. Eint, und §. 29 Berordn v. 20. Juni 1817 §. 15. 43. ,0) Ges. v. 7. Septbr. 1811 §. 51. 54. n) ES ist keine Beschränkung der Gewissensfreiheit, wenn für den Fall des Wechsels der Religion ein Bermögensnachtheil augedrohet worden. Die Frelbeit des WillenSenlschlusseS bleibt hierdurch unberührt. Ebensowenig die Zuwendung eines Vor­ theils für Beibehaltung des Bekenntnisse«. Die Redaktoren des A.L.R. haben aber wohl andere Ansichten hierüber gehabt. Born em., System B. 1. S. 112 fg. Nur darin kann die Unsittlichkeit liegen, daß Jemand zur Aenderung oder Bei­ behaltung der Religion verpflichtet werden soll. n) I. 5. §. 51. 52. 57. 1S) I. 5. §. 40 fg.

Erste- Buch.

144

B.

Die Grundbegriffe.

Der WillenSentschluß. .

§. 29.

I. Freiheit.

Zwang.

ALR l. 4. §. 31.—51. — Heydem. I. S. 167. Bornem., R. Gesch . VIII. 6. 1. 57. pr. D. II. 14. 1. 2. §. 6. D. XLIV. 4. I. 74. pr. D. XXXVI. 1. u. s. w. Aus dem preuß. R. s. bei Hey dem. S. 173. Aus der Praxis: Enlsch. B. 21. S. 356. B. 22. S. 204. B. 23. S. 19 (Annahme eines Schuldscheins ohne Wider» spruch). B. 29. S. 66. 4) Z. B. A.L.R. I. 5 §. 38. I. 9. §. 398. I 11. §.465. I. 14. §. 202. I. 16. §.381. I. 18. §. 202. I. 20. §. 155. Ablös.Ges. v. 2. März 1850 §. 40., dazu Eutsch. B. 29. S. 48. Entsch. B. 24. S. 124. (Ausdrücklich erklärte Entlassung einer Tochter aus der väterl. Gewalt.) B) 1. 142. D. de. R. J. qui tacet, non utique fatetur, sed tarnen verurn est, eum non negare. Die in c. 43. de R. J. in Vito, ausgesprochene Ansicht qui tacet, consentire videtur, ist nicht richtig. Savigny S. 248. Note a. Sie ist nur ein Mißverstäudu'ß jener 1. 142. Iu dem Grundsatz des § 61 d. T. drückt sich der Rechtszwang aus. Die Koutumazialpräjudizieu des preuß. Prozesses, der bekanntlich s. g. asfirmative Litiskontestation hat, beruhen hierauf. Beispiele bei H.eydemann a. a. O. S. 174 (A.L.R. I. 6 §. 59. I. 9. §. 332 421. I. 11. 8. 133. 136. I 13. §. 14. 16. 127. 247. 1. 16. §. 383. I. 21. § 625. I. 22. § 43. II. 2 §.218. II. 18. §.791). Beispiele aus der Praxis: Strietb B. 34.S. 267. ArnSb. Arch. B. 5. S. 495 (Liegenlassen eines unbestellten Lotterieloses). Seuffert VII. 97. ®) Ueber den consensus praesumtus und die ältere Ansicht, die es zuließ, aus ganz allgemeinen Momenten, z. B. der bekannten Denkart auf den Willen zu schließen, s. Unger S. 109. Note 17. Beispiele vermutheter Willenserklärung aus dem

§. 34.

Arien der Willensäußerung.

157

II. Inhalt. §. 35.

Born»emann, R.Gesch. S. 36. Unger II. S. 42.

a. Unbeschränkter Wille. Koch, Pr. R. I. S. 235.

Wächter II. S. 652.

Der Wille kann sich, was aus seiner Freiheit folgt, in Beziehung

auf dem Inhalt des Entschlusses beschränken. Unbeschränkt ist die Willenserklärung, wenn sie das Entstehen, die Veränderung oder das Auf­ heben des Rechtsverhältnisses, so wie es die Natur desselben mit sich bringt, ohne Weitrres vollendet. Der Inhalt einer solchen Willenserklärung hat,

wenn sie rechtliche Wirkung hervorbringen soll,' nothwendig immer gewisse wesentliche Bestandtheile, d. h. er muß diejenigen Merkmale anzeigen, welche den Begriff des betreffenden Rechtsverhältnisses nothwendig bedin­ gen, ohne deren Vorhandensein das Geschäft nicht gelten kann, und an denen jede Veränderung den Charakter des Rechtsgeschäfts selbst ändert ’). Dazu könnni noch s. g. natürliche Bestandtheile hinzutreten, die nicht nothwendig sind, aber so gewöhnlich als Merkmale des Verhältnisses vor­

kommen, daß iirnn vermuthet, sie seien gewollt, wenn eine Erklärung über sie nicht abgegeben ist*). Hier steht also den Erklärenden frei, Abweichun­ gen von der Regel eintreten zu lassen. Endlich besondere, aus dem Wesen und der Natur des Geschäfts nicht folgende Zusätze, z. B. Modifikationen der Erfüllung nach Zeit und Ort, welche nur angenommen werden, wenn die Parteien sie erklärt haben, und zufällige (accidentielle) Bestand­ theile genannt werden. Sie verdanken ihre Festsetzung nur der Willkür der Parteien^). prenü. R. 1.5. 8-6. 117. I. 7. §. 107. 108. I. 11. §. 1041—1045. I. 13. §. 119— 128. 1.16. §.98.102. x) Z B. 1. 72. pr. D. X.VIII 1. §. 34. J. II. 20. A.L.R. I. 11 §. 12. I. 12. §. 3. bin EsseiiItalien gehört nicht, daß die Parteien dem Geschäft den richtigen Rechtsnameu gegeben Haden, wenn nur sonst amti ihren Erklärungen alle wesent­ lichen Bestandtheile des von ihnen gewollten Geschäfts erhellen. 2) 1. 11. §. 1. D. de A. E. V. quod si nihil convenit, tune ea praestabuntur, quae naturaliter insunt hujus judicii potestati. 3daß Niemand Sache und Kaufgeld zugleich nu^en darf, ist eine Naturale des Kaufs. Daß sie abgeändert werden können: 1. 1. pr. D. XVIII. 6®) Hierher gehören die s. g. mündlichen Nebenabreden (I. 5. §. 127), die im Prenß. R. leider eine so große Rolle spielen. Streitig ist, ob ein Naturale des Geschäfts dadurch, daß es Gegenstand der ausdrücklichen Erklärung geworden, ein Accidentale wird, z. B. ob das dem früheren ErbzinSherrn zugestandene gesetzliche Borkanfsrecht die Natur eines pactum adjectum erhält, wen« es im Erbzinskoutrakt ausdrücklich erwähnt ist. Koch und die Plenarentscheidung B.42. S. 1. bejahen es; die ältere Entscheidung B. 33. S. 296 hat es verneint. Die letztere Ansicht dürste für die richtigere zu erachten sein, weil eine solche Abrede, keine andere Be­ deutung haben kann, als das, was dem Gesetz nach für daS RechtSverhältniß folgt, speziell anszudrücken: es wird nichts demselben hinzugefügt und dies gehört zum Begriff des Accidentiellen, es wird nur nichts abgeändert an den Naturalien. S. Koch, Pr. R. I. S. 235. Note2. Oben §. 10. S. 39.

Erstes Buch.

158

b.

Die Grundbegriffe.

Selbstbeschränkter Wille.

§. 36. Bedingung. A L.R. 1.4.8.99—144. I. 5. $.226-229. I. !!.§. 258 fg. I. 12. §. 61-64.43-507. Heydemann I. S. 179 fg. Gruchot I. ©. 157—164. Bornemanu. )i Gesch. S. 159 fg. System I. S. 163 fg. v. Daniels I. S. 289. Koch, 8r.R. I. S. 246 fg. R. d. F. II. S. 234sg. — v. Savlgny, System III. A. ISO—204. Wä chter II. S. 689fg. Fitting, über den Begriff der Bed. in dem Archiv, f. civilist. Praxis B. 39 (1856). S 305—350. Schönemann, über daö Desen der suspensiv bedingten Rechtsgeschäfte in der Zeitschrift f. Civ.R. u. Proz. N.Z. B. 18. S. 1 — 54 (1861). Sinlenis I. §. 20. Unger II. S. 56fg. Wiudcheid I. S. 209 fg.

Als „Nebenbestimmung" der Rechtsgeschäfte bezeichnete man herkömm­ lich gewisse Erklärungen, bic das Entstehen oder Fortbestehen eines Rechts­ verhältnisses von Umständen abhängig machen sollten.

Hierher wrrde die

Bedingung, die Befristung, die Verwendnngsart gerechnet.

Die Schrift­

steller über preußisches Recht haben sich bisher bei dieser Auffassung

rutyigt1) und werden

vielleicht darin eine, freilich sehr

ungenügende Rechtfertigung finden,

und

äußerlihe

daß das Marginale des AL.R- zu

I. 5. 226. diese Erklärungen so bezeichnet,

obgleich zu beachten ist, daß

dies sonst weder im 4. noch im 12. Titel geschieht.

Die gemeinrechtliche

Wissenschaft dagegen in neuerer Zeit tiefer in diese Lehre eindrin^end hat

in richtigerer Erkenntniß der Natur jener Festsetzungen eingesehen, hier von einer Nebenbestimmnng nicht die Rede sein sann2),

daß

dmn eine

solche ist das Zufügen einer Bestimmung von zwar untergeordneter aber

doch selbständiger Art zu einer anderen, die durch jene an sich ncht be­ rührt wird, ein äußerliches Beisetzen, so daß die letztere in ihren Wesen

unverändert bliebe, wenn erstere auch wieder gestrichen würde.

Bei der

Bedingung aber wird das Wesen der Haupterklärung und das Wesen des durch sie hervorgerufenen Geschäfts in der Art ergriffen, daß, wenn sie

nicht erklärt worden wäre,

das Geschäft ein wesentlich

anderes

Die Bedingung ist ein integrirender Theil der Hauptbestimmung

wäre. „Der

Witte hängt sich kraft der Bedingung dergestalt an das zur Bedingung gemachte Faktum, daß er seine Existenz mit der des letzteren identifizirt"*). So ist

denn allgemein jetzt diese Auffassung fallen gelassen und man ist

Meist wird das Wort Nebenbestimmung in die Definition ausgenommen, so von Bornem, Daniels, und Koch nennt sie im R. d. F. sogar „Amänge (Adjectionen")- DaS sächs. G.B. §. 108. nennt sie auch Nebenbestimmurgen, deSgl. das österr. §. 897. bei den Verträgen daS Marginale, dagegen nicht §. 696., wo die Bedingung als „Einschränkung des letzten Willens" erscheint.

2) Fitting a. a. O. S. 308. 8) H uschke in d. Zeitschr. f. Civilr. und Proz. B. 15. S. 248.

§. 36.

159

Bedingung.

auch für das preußische Recht durch jene Randbezeichnung nicht genöthigt, Pe beizubehalten und der richtigeren Erkenntniß sich zu verschließen.

Seit

Savignh werden jene Erklärungen als Selbstbeschränkungen des Wil­

anfgefaßt,

lens

d. h.

die Person

will nur

unter bestimmter Voraus­

sonst nicht, und diese Voraussetzung stellt sie sich selbst.

setzung,

Zwar

ist hiergegen eingewendet worden^), daß der Ausdruck Selbstbeschränkung

des Willens zu weit sei, um ihu als Kunstausdruck verwenden zu können, denn unbeschränkt sei eigentlich nie ein menschlicher Entschluß, da immer eine weitere

Ausdehnung des Willens denkbar ist.

Trotzdem wird da­

bei stehen zu bleiben sein, es kommt nur darauf an, was man als GL-.

genstand der Selbstbeschränkung anfieht, ob

den Umfang

des Willens,

wie es Savignh thut'), so daß derselbe ohne jene ein weiterer in sei­ ner Ausdehnung sein würde,

oder das Dasein desselben °),

ohne jene überhaupt nicht gewollt haben will. richtigere.

so daß er

Die letztere Ansicht ist die

Mit dem Umfang des Willens, d. h. einem Mehr oder Min­

der desselben, hat jene Beschränkung nichts zu thun, denn, wenn die Voraussetzung zutrifft, hat der Wille seiuen vollen Umfang, und wenn sie

ausfällt, fällt auch er ganz weg.

Dies führt dazu, daß es sich hier nur

um unbeschränktes Dasein oder vollkommenes Nichtsein handelt.

des Willens

So erscheinen denn die Willensentschlüsse, die sich an Bedin­

gungen u. s. w. ar,knüpfen, als gewollte Selbstbeschränknngen des Daseins des Willens, der dadurch in seiner Freiheit nichts einbüßt.

Es ist nicht

ganz scharf, aber doch auch nicht unrichtig, wenn man die Willenserklä­ rung als das sich Beschränkende ansieht, und hiernach die bedingte Wil­ lenserklärung als eine bestimmte Art und Form derselben, nebengeordnet der unbedingten, hinstellt74), 85 6denn da der Wille,

so lange er innerliches

Moment bleibt, auf dem Gebiet des Rechts überhaupt nicht in Betracht kommt, so ist nicht viel dagegen einzuwenden, wenn mau hier den Witten mit seiner Erklärung identifizirt.

Nur für die Entwicklung des Begriffs

ist es von Wichtigkeit, festzuhalten, daß der Wille beschränkt ist und erst in Folge dessen die Erklärung ebenso beschränkt sich darstellt.

Es ist ge­

sagt worden, nicht die Existenz des Willens, sondern die Existenz des Ge­

wollten sei von der Bedingung abhängig gemacht — der Wille sei auch schon bis zur Entscheidung der Bedingung vorhanden und gebunden, denn

woher sollte sonst mit Eintritt der Bedingung der Wille entnommen wer­

dens?

4) 5) 6) 7) 8)

Das ist richtig, aber auch kein Einwurf gegen die Ansicht, daß

Fitting a. a. O. S. 307. S. 120. Unger S. 56. 57. Note3. Fitting's Ansicht, gegen die sich Unger S. 57. erklärt. Windscheid S. 209. Note 2.

Erst«« Buch.

160

Die Grundbegriffe.

der Wille durch die Bedingung sich in seinem Dasein beschränke.

Denn

damit wird nicht behauptet, daß der Wille bis zum Eintritt der Bedin­ gung noch nicht existire, vielmehr existirt er wirklich schon, aber in gebun­ dener, beschränkter Weise und von dieser Gebundenheit wird er durch den

Eintritt der Bedingung frei, indem er dann unbeschränkt entweder will oder nicht will. Folgeweise ist auch die Existenz deS Gewollten von der

Bedingung abhängig, es hat, ehe sich diese entscheidet, noch nicht sein vom Willen geschaffenes selbständiges Dasein erlangt — aber eben nur folge­

weise.

Das Gewollte ist bas Rechtsverhältniß, nicht daS Rechtsge­

schäft, welches nur die Mittel abgiebt.

Diese verschiedenen Auffassungen

haben . natürlich auf dix Deftnitionsformel der Bedingung

eingewirkt.

Mehr oder weniger werden bestimmende Momente darin ausgenommen,

die den Begriff enger oder weiter erscheinen lassen. Savigny") und mit ihm Andere'") sagen: Bedingung heißt der Zusatz einer Willenser­ klärung, welcher das Dasein eines Rechtsverhältnisses von einem künfti­

gen ungewissen Ereigniß auf willkürliche Weise abhängig macht. Puchta: Bedingung ist die Voraussetzung eines künftigen ungewissen Umstandes,

von welchem der Wille des Handelnden die Existenz des Rechtsgeschäfts oder seines Inhalts ganz oder theilweise abhängig macht"). Fitting")

stellt dagegen auf: Bedingung ist die Abhängigmachung des Willens von der Wahrheit eines äußeren Umstandes. Konkreter sagt Unger"): Be­ dingung ist das Abhängigmachen des zu einem Rechtsgeschäft erforderlichen Willens von der Wirklichkeit eines subjektiv '*) ungewissen Umstandes. Endlich besinnt Windscheid"): Bedingung ist die bei einer Willenser­ klärung gemachte Hinzufügung des Inhalts, daß die gewollte rechtliche

Wirkung nur bei Vorhandensein emes gewissen Umstandes eintreten soll. In allen diesen Begriffsformulirungen wird die Bedingung als ein Mo­

ment deS Willens oder der Willenserklärung hiugestellt, es darf aber doch nicht übersehen werden, daß der Sprachgebrauch den Begriff der Bedin­ gung auch auf den äußeren Umstand selbst überträgt").

mit

die Legaldefinition des A.L.R. zusammengehalten:

Wird nun hier­ „Eine

Willens-

9) System B. 3. S. 121. 10) Heimbach im Rechtslexikon B. 1. S. 761. Arndts 4. A. S. 70. 71. die Lehre v. d. unmöglichen Bedingungen, 1834 S. 10.

") 12) ’*) u)

Sell,

Pandekten §. 59. A. a. O. S. 337. A. a. O. S. 56. Ob die Ungewißheit eine subjektive oder objektive ist, s. unten c. S. 163.

,s) A. a. O. S. 209. 16) Hiernach geben den Begriff n. A. Wächter S. 689. 690. Sinten iS, prakt. gem. Civilr. 2 A. B. 1. S. 163. Seusfert prakt. Pand. R. 2. A. B. 2. S. 91. Oft hat conditio in den Quellen nur die ganz allgemeine Bedeutung einer nä­ heren Bestimmung des Willens, z. B. 1. 9. pr. D. XXIII. 3. oder Vertragsbe­ stimmung überhaupt. Siehe Windscheid, v. d. Voraussetzung S. 41.—47.

§. 36.

Bedingung.

161

erklärung ist bedingt, wenn daS daraus entstehende Recht von einem Ereigniß,

welches

eintreffen

oder nicht

eintreffen soll, abhängig gemacht

worden" ,7), so wird man diese nicht unrichtig nennen und in ihr nicht finden können, daß die Bedingung nur als ein äußerliches Nebenmoment aufgefaßt ist. Indem zur Entwicklung der aus diesem Begriff sich ergebenden ein­

zelnen Merkmale vorgeschritten wird, werden zweifelhafte Fragen in an­

sehnlicher Zahl aufstoßen. a. Die Existenz eines Rechts (d. h. eines Rechtsverhältnisses) ist von einem

Ereigniß

abhängig.

Dies

Ereigniß

ist entweder lediglich ein

äußeres, dem Willen dessen, der die Bedingung setzk, und dessen, dem sie

gesetzt worden, entzogenes, also Mflälllg, wozu auch

gehört, wenn die

Erfüllung der Bedingung dem Willen eines Dritten anheimgestellt ist — oder in den Willen des bedingt Berechtigten oder bedingt Verpflichteten

gestellt, willkürlich (potestativ).

Das bloße Wollen der Pflicht Seitens

des Verpflichteten bedingt nicht, wenn es auch diesen Ausdruck erhalten (si velit)”), ebenso wenig das bloße Wollen des Berechtigten, denn dort fehlt es noch an der Uebereinstimmung des Willens, durch die das Rechts­ geschäft vollendet wird: die Entstehung desselben ist nicht von einem Um­ stand abhängig gemacht, es ist vielmehr noch gar nicht geschlossen. Und

hier ist die Verpflichtung von Anfang an unbedingt,

da der Berechtigte

zu jeder Zeit die Erfüllung verlangen kann 1S). Wohl aber kann sich der Wille des Verpflichteten von einem Umstand abhängig machen, auf dessen Eintreten er willkürlich einwirken darf, und er ist dann rechtlich ver­

sobald er diesen Umstand herbeigeführt, oder die Handlung, welche als Bedingung hingestellt worden ist, vorgenommen hat**); und ebenso wird die Verpflichtung unbedingt erzwingbar, wenn der Berechtigte pflichtet,

den Umstand herbeigefnhrt, die Handlung gethan, von der er sein Recht abhängig gemacht hat. Die potestative Bedingung ist also eine wirkliche,

nicht eine bloß scheinbare7"). b. Das Ereigniß muß ein bestimmtes sein.

Hängt es von der

unbestimmten Willkür der betheiligten Personen ab, was sie als Bedingung gelten lassen wollen, so fehlt der Erklärung die rechtliche Wir­ noch

kung, weil sie noch inhaltlos ist. *’) §. 100. d. T. *8) Der Ausdruck potestativ ist quelleinnastig. 1. un. §. 7. C. VI. 51.

1. 7. pr. D. de C. E. tus. I. 43. §. 2. D. 1. 7. pr D. de C. E.

Siehe auch

neque debet in arbitriuin rei conferri, an sit obstricde leg. I. 1. 17. 46. §. 3. 1. 108. §. 1. D. de V. 0. 1. 8. de 0 et A. A.2.R. 1. 4. §. 108. esterr. Ges.B.

§. 904. ") Enlsch. B. 18. S. 151. *) A. M. Fitting in Goldschmidt, Zeitschr. f. Handelsr. V. 126. *°) Unger S. 64. Förster, Preuß. Privatrecht. I. 2 Aust.

11

Erste« Buch.

162

Die Grundbegriffe.

c. Das Ereigniß muß ein ungewisses sein. Darin liegt in der Regel, daß sein Eintreffen oder Nichteintreffen der Zukunft angehört und dies drückt das A.L.R. in den Worten aus: eintreffen oder nicht eintreffen „soll". Hier ist zunächst festzustellen, ob die Ungewißheit eine objektive, das Ereigniß also in der That ein zukünftiges sein muß, oder ob es ge­

nügt, wenn sie es nur subjektiv, iin Bewußtsein der Personen ist, so daß auch hin schon eingetretenes Ereigniß, dessen Eintritt aber unbekannt ge­

blieben, Gegenstand der Bedingung sein kann.

Die gemeine Meinung

verlangt objektive Ungewißheit, betrachtet also die duf vergangene oder der Gegenwart .angehörige Ereignisse gestellten Bedingungen nicht als solche (cond. in praeteritum vel praesens concepta oder eollata)2l).

Das A.L.R. läßt solche Bedingungen zu, verlangt daher subjektive Unge­ wißheit — das Merkmal des Zukünftigen liegt in dem noch zu führenden Nachweise, daß 'die Begebenheit wirklich eingetreten oder unmöglich gewor­

den2'). Es stimmt hier mit der neueren, offenbar richtigeren Theorie überein, denn das conferr.e in praeteritum oder in.praesens ist das Entscheidende 23).24 Ist dies in der Art geschehen, daß daraus die Kennt­ niß des bereits erfolgten Eintritts ausgedrückt ist, dann ist freilich keine

Bedingung vorhanden, sondern das Recht ist gewollt oder nicht gewollt, weil der Umstand eingetreten oder unmöglich geworben25).26 Ferner fragt

sich, ob Umstände, die mit rechtlicher Nothwendigkeit zu dem in Rede stehenden Rechtsverhältniß gehören, als besondere Bedingungen für dasselbe ausgestellt werde» können (cond. Juris, quae tacite insunt). In der Regel chird anznnehmen sein, daß die bedingungsweise Forin eines solchen Hervorhebens das Rechtsverhältniß nicht bedingt macht; geht aber die er­ sichtliche Absicht der Parteien dahin, den Umstand, obschon er sich von

selbst versteht, als besondere Bedingung gelten zu lassen, so wird er auch als solche aufzufassen und von seiner Nichterfüllung der Wegfall deS

Rechts abhängig fein25). Sodann:

Das A.L.R. erwähnt ihrer nicht.

können Ereignisse, die nicht eintreten dürfen oder nicht

eintreten können oder Eintreten müssen, als Bedingungen gesetzt wer­ den? WaS als Gegenstand einer Willenserklärung unerlaubt ist, darf

21) So alle diejenigen, die in die Definition schon das Moment deö Künftigen auf­ nehmen; Savigny S. 125. Koch, R. d. F. II. S. 235. M) A.L.R. I. 4. §. 140 fg. Daß dies eine uneigentliche Bedingung sein soll, sagt eS nirgend. 2^) Fitting S. 311 fg. Unger S. 61. 24) Eö erscheinen hier die Erklärungen, die sich an solche Bedingungen knüpfen, als scherzhafte. Unger S. 62. NE 16. 26) Ueber die conditiones Juris Bangero w I. S. 152. Savigny S. 122. Fit­ ting S. 311 fg. Unger S. 58 fg. Koch, N. d. F. II. S. 235 fg. 1.19. §. 1. D. XXXV. 1: nisi forte hoc animo fuerat testator, ut faceret conditiönem.

§. 36.

Bedingung.

auch nicht Gegenstand einer Bedingung fein’6).

163 Der Vertrag wird so­

weit, als sich der Wille durch eine solche Bestimmung beschränkt hat, ent­

kräftet; bezieht sie sich also nur auf Nebenpnnkte des Vertrages, so fallen diese weg, der Hauptinhalt aber bleibt bestehen. . Bei einem Testament

wird die unerlaubte Bedingung als nicht beigefiigt angesehen. Dies stimmt mit dem gemeinen Recht überein27). Unmöglich") ist die Bedingung, von der es zur Zeit', wo sie von dem Erklärenden gestellt wird, bereits

gewiß

ist,

daß

sie dauernd

nicht eintreten kann.

Später

eintretende

Unmöglichkeit macht die Bedingung selbst nicht zur unmöglichen, spätere

Beseitigung der Unmöglichkeit macht sie zur möglichen. Diese wichtigen Momente übersieht das A.L.R. Ist das Recht von dem Eintritt eines solchen unmöglichen Ereignisses abhängig gemacht, so kann es nur als nicht gewollt angesehen werden, die Willenserklärung ist kraftlos (nichtig). Ist es an den Nichteintritt gebunden, so ist es unbedingt gewollt.

Zu

einer Unterscheidung2') zwischen relativer und absoluter Unmöglichkeit liegt

ein praktisches Bedürfniß nicht vor. Nothwendig") ist ein Ereigniß, welches nach dem natürlichen Laufe der Dinge eintreteu muß; es bedingt nicht, kann aber als Zeitbestimmung in Betracht kommen"), und wenn

die Willenserklärung verlangt, daß es nicht eintreffe» soll, ist sie nichtig. 6..DaS Ereigniß soll eintreffen oder nicht eintreffen. Hier­ nach unterscheidet man die affirmativen und negativen Bedingungen,

e. Von dem Ereigniß ist das aus der Willenserklärung entstehende Recht abhängig gemacht. Dies geschieht in doppelter Weise"), entweder soll das Dasein des Rechtsverhältnisses mit dem Moment anheben, wo

die Ungewißheit sich entscheidet; hier trifft die Bedingung das Ent­ stehen des Rechts,^welches sie aufschiebt (suspendirt). Oder das be­ reits entstandene Recht soll in diesem Moment wieder aufhören; hier trifft die Bedingung das Bestehen des Rechts, welches sie auflöst (resolvirt).

So lange also die Ungewißheit noch dauert, so lange die Bedingung schwebt, existirt im ersten Fall das Recht noch nicht, im letzten Fall

dagegen in voller Wirksamkeit").

Ist es nach der Deutung der Worte

”) Ueber die unerlaubten Bedingungen n. gern. R. f. Vangerow I. S. 155 sg. N. III. Unger S. 83. Ueber unerlaubte Handlungen ts. oben §. 28. S. 143. ”) 1. 9. 14. D. XXVIII. 7. A.L.R. I. 12. §. 63. 28) Sell, die Lehre v. d. unmöglichen Bedingungen, 1834. Arndt«, Beiträge S. 161. Savigny S. 156. Unger S. 61. 90. Fitting Nr. 16. S.323. ie) Wie e8 Unger S. 86., Bangcrow S. 160. thun. ,0) Unger S. 61 78. 1. 9. §. 1. D. de novat: qui sub conditione stipulatur, quae omni modo exstitura est, pure videtur stipulari. •*) Al« Zeitbestimmung 1. 79. pr. D. XXXV. 1. •2) Unger S. 64fg. ,8) Negotium purum, quod sub conditione resolvitur. 1. 2. pr. D. XVIII. 2. Aul, geschoben ist, oder ausgelöst wird nicht daS Rechtsgeschäft, sondern das durch

5

11*

Erstes Buch.

164 zweifelhaft,

Die Grundbegriffe.

ob die Bedingung aufschieben oder anflösen soll, so ist bei

noch nicht geschehener Erfüllung des Geschäfts ersteres, bei schon gesche­ hener Erfüllung letzteres zu vermuthen"). f. Diese Einteilung der Bedingungen in aufschiebende und auf­ lösende ist von ihrer Wirkung Hergenemmen, gehenden

Betrachtung zu unterwerfen ist.

welche noch einer ein­ Hierbei sind die zwei Zeit­

räume zu unterscheiden: der der schwebenden und der der entschiedenen Ungewißheit. 1. Zustand

während

des Schwebens").

In

der Zwischen­

zeit von der Feststellung der Bedingung bis zu deren Entscheidung ist zwar das von ihr abhängig gemachte Rechtsverhältniß noch nicht zu seiner Voll­

endung gelangt, die Wirkung der Willenserklärung ist gehemmt, trotzdem aber ist der Wille des bedingt Verpflichteten bereits gebunden, die Wil­

lenserklärung existirt und äußert, weun auch noch nicht ihre volle, so doch in einiger Beziehung Wirkung. Eine bedingte Obligation ist eine Obli­ gation, von der nicht einseitig zurückgetreten werden kann, das Recht auf den Rückfall des Eigenthums an einer Sache ist mehr als bloße Hoff­

nung, es ist schon ein Anspruch. Es ist also unrichtig zu sagen, bei der aufschiebenden Bedingung existire noch gar keine.Obligation und die auf­ lösende Bedingung wirke während des Schwebens gar nicht"). Die Wir­

kungen der aufschiebenden Bedingung tu der Zeit bis zu ihrer Ent­ scheidung sind vielmehr im Einzelnen folgende: Nicht das Recht selbst in seiner formalen, durch das Rechtsgeschäft begründeten Existenz, sondern nur seine Ausübung, also seine materielle Wirksamkeit ist .bis zur Ent­ scheidung über die Bedingung verschoben. Bis dahin darf weder der Verpflichtete noch der Berechtigte in irgend einer Art etwas vornehmen, wodurch die für sie günstige, für den Andern nachtheilige Entscheidung herbeigeführt werden könnte: der künftig Berechtigte darf also weder hin­ dern, daß das Ereigniß eintrete, wenn sein Recht vom Nichteintritt ab­ hängt, noch dasselbe befördern, wenn letzteres vom Eintrttt abhängt — bei

dieses gesetzte Rechtsverhältniß. Das Rechtsgeschäft nach seiner formalen Natur ist, auch wenn es seine materiellen Wirkungen noch nicht eintreten läßt, von An­ fang an perfekt. Richtig bezeichnend sagt Schöne mann a. a. O. S. 42: „der Unterschied beider ist der einer negativen und positiven Wirkung; die Resolutiv­ bedingung vernichtet das Bestehende, die Suspensivbed. setzt zugleich etwas Neues fest." Wenn Unger S. 65. Note 30. meint, hinansgeschoben sei die Entschei­ dung über daö Rechtsgeschäft, dessen Existenz sei in suspenso, so verrückt diese Auffassung den Standpunkt: das Rechtsgeschäft ist wirklich abgeschlossen, gar nicht mehr in suspenso, aber das Rechtsverhältniß, die Berechtigung nnd Berpflichtung, die durch dasselbe hervorgebracht werden soll, ist noch unentschieden. M) A.L.R. I. 11. §. 263. 8S) Wächter S. 696.712. satz von Schönemann.

Windscheid S 217.

°°) Koch, R. d. F. II. S. 252. 258.

Bes. gehört hierher der Auf­

§. 36.

Verlust des Rechts selbst37).

Bedingung

165

Nur dies ist gestattet, daß man durch er­

laubte Mittel auf den Entschluß des Dritten, wenn auf diesen die Be­ dingung lautet, einwirke33), und bei der potestativen geht es aus ihrem

Begriff hervor, daß der Verpflichtete oder Berechtigte, je nachdem jenem oder diesem die Erfüllung obliegt, diese willkürlich herbeiführen oder un­ terlassen kann33).

Sonach sind also alle Verfügungen hinfällig, die in

der Zwischenzeit getroffen, geeignet sind, das Recht in minderem Umfang, als es die Willenserklärung wollte, künftig übergehen zu lassen, und es

entsteht eine Entschädigungsforderung, wenn der Berechtigte mit Rücksicht

auf das künftig eintretende Ereigniß bereits im Voraus geleistet oder ge­ geben hat"). Die durch bedingte Willenserklärungen begründeten künf­ tigen Berechtigungen werden in derselben Art insbesondere auch auf die Erben übertragen, falls nach dem Tode des bedingt Berechtigten, der aber den Anfall der Erbschaft erlebt haben muß, die Erfüllung der Bedingung

noch möglich, sie nicht durch den Tod selbst vereitelt ist.

Ebenso treten

an die Stelle des bedingt Belasteten seine Erben und sie müssen seine

Verpflichtung erfüllen, wenn das Ereigniß eintrifft 4I). Endlich kann für bedingte Rechte Pfand, Bürgschaft bestellt, Kaution gefordert werden,

weil sie schon ein „rechtsbegründeter" Anspruch, ein durch Willeuserklärung „gesicherter" künftiger Anfall sind"). Gefahr und Vortheil der Sache bleibt während der Schwebe bei dem, der sie bisher getragen oder ihn bezogen hat. Wenn der zukünftig Berechtigte schon etwas erhalten

”) Daraus folgt: verhindert bei affirmativen Bed. der Verpflichtete den Eintritt derselben, so wird Existent angenommen; befördert er bei negativen den Eintritt, io wird auch Existenz angenommen; befördert bei affirmativen Bedingungen der Berechtigte den Eintritt, so wird ihre Deficienz, und ebenso wenn er bei ne­ gativen ihren Eintritt verhindert, angenommen. 1. 85. §. 7. D XLIV. 1. 1. 50. D. XVIII. 1. Heuser, kurhess. Annalen B. 2. S. 121. Dresdner Annalen B. 2. S. 148 Das vorsätzliche Hindern nach §. 105.1. 4. ist nur ein Vornehmen, wel. ches an sich den hindernden Erfolg hat, ohne daß die Hinderung des Eintritts der Bedingung grade beabsichtigt zu sein braucht. Entsch. B. 50. S. 23. Strieth. B. 51. S. 72 vergl. B. 27. S. 255. M) I. 4. §. 107. ”) §. 109. d. T.

") §. 110. b. £. VI. 43.

Wächter II. S. 700. Nr. 5. 1. 105. D. XXXV. 1. I. 3. §. 3. C.

“) Windscheid S. 219. Note 6. 1. 2. .§. 5. D. XXXIX. 5. Widersprechend hier­ mit 1. 9. §. 1. D II. 3 Da aber die Eheschließung die nothwendige Voraus­ setzung der dos ist, so liegt gar keine Bedingung vor (tacite inest\ Sonst ist der Grundsatz vom Uebergang auf die Erben vielfach anerkannt; für die Erben de« PromisfarS: §. 4. J. III. 15. §. 25. J III. 19., für die Erben de« Promittenten §. 25. cit. 1. 36. §. 1. D VII. 1. 1. 8. pr. D. XVIII. 6. 1. 57. D. XLV. 1. Bangervw. I. S. 163 fg. Das preuß. Recht weicht nicht ab. 41) A.L.R. 1.14. §. 5.249.1. 20. §. 14. — 1.16. pr. D. V. 3. 1. 7. D. XXXV. 1. 1.14. §. 2. D. XLU. 4.

Erstes Buch-

166

Die Grundbegriffe.

hat, muß er als Bewahrer oder Verwalter einer fremden Sache ange­ sehen werden"). Von Wirkungen der auflösenden Bedingung während bje6 Schwe­

bens kann keine Rede sein, es sei denn, daß man wegen Rücklieferung der Sache bei Eintritt der Bedingung eine Besorgniß hat, die zur Sicher­ stellung drängt. Die Befugniß, Kaution zu fordern, muß aber gleich bei der Einräumung des Rechts verlangt werden, sonst findet sie nur bei er­ heblicher Besorgniß**), daß die Rückgewähr durch Schuld des Berechtigten

vereitelt oder beeinträchtigt werden würde, statt und wenn es sich um -unschätzbare Rechte oder Vortheile handelt, tritt die Verbindlichkeit zur Uebernahme einer sicher zu stellenden und vom Richter nach den Umstän­

den zu bemessenden Konventionalstrafe an Stelle der Kaution. Sonst ist der unter auflösender Bedingung Berechtigte frei in seinem Recht, er ist wirklicher Eigenthümer der Sache, er kann sie belasten und veräußern — nur immer mit der ihr anhaftenden Resolutivbedingung, er genießt die Früchte und Nutzungen uneingeschränkt.

2. Zeitpunkt der Entscheidung - der Ungewißheit.

Die Un­

gewißheit kaun sich nach zwei Seiten entscheiden: entweder wird die Be­

dingung erfüllt, sie kommt zur Existenz, oder-sie wird nicht erfüllt, es tritt Deficienz ein. Ersteres geschieht bei affirmativen Bedingungen in dem Augenblick, wo das Ereigniß wirklich, bei negativen, wo es unmög­ lich geworden, oder die gesetzte Zeit ohne Eintritt der Thatsache abgelau­ fen ist. Letzteres umgekehrt ist vorhanden bei affirmativen, wenn es un­ möglich, bei.negativen, wenn es wirklich geworden"). Die Erfüllung")

der Bedingung muß ganz so erfolgen, wie sie vom Erklärenden verlangt worden; besteht sie also in einer Leistung, so muß sie vollständig geschehen, bloße Bereitwilligkeit zur Vornahme der Handlung genügt nicht"), auch

in der Regel nicht die Ersetzung der Leistung durch eine ähnliche47), ja die Erfüllung muß selbst dann geschehen, wenn der Inhalt der Bedin43) l. 8 pr. 10. D. XVIII. 6. In ersterer Stelle ist zugleich gesagt, daß Verschlechte­ rung der Sache den Käufer treffe, d. h. derselbe muß die Sache so nehmen, wie sie sich bei Eintritt der Bedingung befindet. Fruchtgenuß 1.8. pr. D. XVIII. 6. 1. 4. pr. D. XVIII. 2., des Erben gegenüber dem bedingten Legatar: 1. 11. D. XXXIII. 5. 1. 15. §. 6 1. 24. t). 1/1.' 88. 8. 3. D. XXXV. 2. 1. 18. pr. 1. 33. 57. pr. v. XXXVI. 1. — AL R. I. 11. §. 259. *) Arnöb. jur ist Monatsschr. I. 407. ") A-L R. I. 4. §. 102. 115. I. 115. pr. §. 1. D. XLV. 1. §. 4. J. III. 15. 1. 73. D. XXXV. I. ") Koch, R. d. F. S. 243. Unger S. 66. Windscheid S. 227. 46) Windscheid S. 228. Note 5. Der Ausspruch in c 66. de R. J. in Vito: cum non stat per eum, ad quem pertinet, quominus conditio impleatur, haberi debet ac si impleta fuisset, ist nicht ein allgemeiner Grundsatz. Ueber die Er­ füllung einer potestativen Bedingung, wenn sie unmöglich geworden, s. Heuser, Aunal. II. 92. I 47) Davon nur zwei Ausnahmen bei letztwilligen Verordnungen: ist in einer solchen

§. 36.

gung offenbar unnütz ist.

167

Bedingung.

I.'doch wenn der Erklärende, ohne sich über

den bei Aufstellung einer solchen Bedingung gehabten Zweck zu äußern, verstorben, kann der bedingt Berechtigte auf deren Beseitigung bei dem

Richter antragen, der sie .dann nach rechtlicher Erörterung mit allen dabei

Betheiligten und bei befundener offenbarer Unnützlichkeit aufhebt.

Es ist

unbegreiflich, wie man hat meinen können, daß ein solcher Antrag außer im Wege der Klage auch durch Einrede geltend zu machen sei. Letzteres ist gradehin unmöglich, denn da es eine Klage auf Erfüllung der Bedin­ gung nicht giebt und geben kann, so ist auch die Gelegenheit nicht vor­

handen, eine solche Einrede auf Beseitigung der unnützen Bedingung zu erheben").

Die Erfüllung muß ferner zwar von demjenigen, dem sie

auferlegt ist, persönlich geschehen, doch treten die Erben an seine Stelle, wenn das Recht selbst vererblich ist, welches von hängt").

der

Bedingung ab­

Daß die Bedingung auch zur gehörigen Zeit erfüllt werden

muß und daß, wenn diese ohne Erfüllung verstrichen ist, Deficienz vor­ liegt, versteht sich von selbst. Wenn mehrere Bedingungen verbunden auf­

erlegt sind, so müssen sie sämmtlich erfüllt werden, wenn getrennt, so hat der Belastete die Wahl, welche er erfüllen will. Betrifft der Gegenstand

die Zuwendung eines Bortheils an einen Dritten und schlägt dieser aus, so wird die Willenserklärung unwirksam, worin eine Abweichung vom.ge­ meinen Recht hervortritt"). Wenn die bisherige Ungewißheit sich entscheidet, so wirkt dies bei den verschiedenen Arten der Bedingungen verschieden. Bei den aufschie­ benden, wenn sie zur Existenz kommen, tritt das Recht in volle Krafts),

wenn sie deficient werden, fällt es weg, oder kommt vielmehr nicht zu seiner Entstehung. Ob im ersteren Fall die erfüllte Bedingung rückwir­ kende Kraft hat, ist eine viel besprochene und noch keineswegs zum Austrag eine Bedingung Mehreren auferlegt, so genügt die Erfüllung Eines. I. 12. §. 498. 1. 13. pr. D. XL. 4. 1. 112. pr. D. XXXV. 1. und ist die Bedingung schon bei Lebzeit des Testators eiugetrofsen, so hat es dabei sein Bewenden, nur wenn die Handlung wiederholt werden kann, muß dies geschehen^ I. 12. §. 501. 502. 48) Die richtige Ansicht bei Koch a. a. O. B. 244. Der Ges.Revisor (s. Ergänz, zu §. 134. d. T.) dagegen hält unter Umständen auch eine Einrede für brauchbar. Daß es eine Klage auf Erfüllung der Bedingung nicht giebt, s. 1, 41. pr. D. XVIII 1. ") A.L.R. §. 161.162. d. T. 50) Im gemeinen R. gilt die Bedingung überhaupt für erfüllt, wenn die Erfüllung \ von der Mitwirkung eines Dritten abhängt und diese versagt wird, eS ist nicht ! grade erforderlich, daß es sich um einen Vortheil dieses Dritten dabei handle. < 1. 5. § 5. D. XXXVI. 2. 1. 24 78. pr. D. XXXV. 1. 1. 23. 1. 11. D. XXVIII. 7, Savigny S. 138. Windscheid S. 228. Note 6., wo auch mehrere Beispiele aus den Quellen angeführt sind. 81) ES rst jetzt actio nata auf Erfüllung, der Besitz, Gefahr, Genuß geht über, der Uebergang des Eigenthums, die Delation der Erbschaft vollzieht sich. 1. 7. §. 14. D. XLII. 4. 1 38. §. 1. D. XLI. 2. 1. 8. pr. D. XVIII. 6. 1. 4. pr. D. XVIII. 2. 1. 11. D. XXXV. 5. 1. 2. 10. tz. 1. D. XXXV. 1.

Erstes Buch.

168 gebrachte Streitfrage.

Die Grundbegriff«:

Für das gemeine Recht") wird von den Meisten

zur Zeit noch die Rückziehung behauptet, obschon über die Rechtfertigung derselben die Ansichten sehr auseinander gehen; nur vereinzelte Stimmen haben in neuerer Zeit sie bestritten. Wenn man von dem positiven Recht .zunächst absieht und nur deu Begriff an sich ins Ange faßt, so wird

schwerlich die eine oder die andere Ansicht für die ausschließend richtige erklärt werden können. Die Vertheidiger der Rückziehung sagen, bei der aufschiebenden Bedingung laute die Formel „ich will gewollt haben, wenn." Wer seinen Willen nntev solcher Bedingung erklärt, meint Unger, der

erklärt nicht, er werde den zu dem betreffenden Rechtsgeschäft erforder­ lichen Willen dann setzen, wenn dieses oder jenes Ereigniß eintreten sollte, sondern er setzt schon jetzt seinen Willen, und macht dessen Dasein nur

noch von einem Umstand abhängig.

Das Rechtsgeschäft ist schon jetzt

abgeschlossen, cs muß daher, wenn sich die Bedingung erfüllt, nicht von der Erfüllung dieser, sondern von dem Augenblick seines Abschlusses gel­

ten. Dem gegeistiber wird von denen, die eine Rückziehung leugnen, ge­ sagt, die Formel laute: „ich will das Geschäft (richtiger das Rechtsver­ hältniß, was aus dem Geschäft hervorgehen soll) erst für den Fall, wenn sich ein gewisser Umstand entscheidet," und es müsse angenommen werden, daß die Bedingung in dem Sinne des sie Setzenden zugleich eine Be­ fristung enthalte. Beide Theile berufen sich auf den vermuthlichen Willen des Erklärenden untz, in der That kann auch nur dieser entscheiden.

Die

Rückwirkung ist nicht eine Frage des Prinzips sondern der Interpretation, sie kann gctvollt oder ausgeschlossen sein. Wenn der Wille aber einen sichern Anhalt zur Erklärung nicht bietet, so wird immer eher gegen als für die Rückziehung zu vermuthen sein. Wie soll es verstanden werden, wenn Unger zwar den Willen schon gesetzt, also znm Dasein gekommen sein läßt und doch zugleich sein Dasein vom Umstand abhängig macht?

Soll der Umstand den Willen erzeugen, der gleichwohl schon erzeugt ist? Das Rechtsgeschäft ist von Anfang an abgeschlossen, perfekt — aber das von ihm geschaffene Rechtsverhältniß ist noch nicht von Wirkung und auö

dem Ersteren zu schließe», daß die Rechtswirkung bei Eintritt der Be­

dingung zurückbezogen werden müsse, dazu liegt ein logischer Grund nicht vor.

Nimmt man dazu, daß die Rückziehung grade darin, worin sie sich

52: Windscheid, die Wirkung der erfüllten Bedingung, 1852 und Pand. S. 223. Schönemann, in der Zeitschrift für Civ.R. n. Proz. N.F. B. 19. S. 1. sind gegen. Fitting, über den Begriff der Rückziehung, S. 34 fg. Unger S. 70. 72. für die Rückziehung. Koch, R. d. F. a. a. O. S. 254 fg. Das sranzos. R. hat (Code a. 1179) rückwirkende Kraft angenommen. .Das österr. G.B. §.1083. ist so unbestimmt, wie das A.L.R. Das sächs. G.B. §. 112. hat der aufschiebenden Bedingung die Rückwirkung beigelegt, wenn nicht über die Absicht der Parteien ein Anderes erhellt. Der bairische Entwurf eineö bttrgerl. G-B. v. 1861 nimmt ebenfalls die Rückziehung an, aber nur hinsichtlich des Rechtserwerbs, nicht hin­ sichtlich der Fälligkeit. Art. 39.

§. 36

' 169

Bedingung.

am meisten praktisch fühlbar machen müßte, in der Herausgabe der wäh­

rend der Schwebe genossenen Früchte nicht zngelassen ist, so gestaltet sie sich zu einem nur formalen Gedanken ohne reellen Werth.

Gegen sie

endlich spricht auch der Umstand, daß dann die Verpflichtung des bedingt

Belasteten eine größere wäre, was gewiß nicht vermuthet werden darf.

Ueberdieß ist es sehr zweifelhaft, ob in den einzelnen Fällen, wo man bisher in den römischen Rechtsquellen die Vorschrift der rückwirkenden Kraft gesehen, dieselbe wirklich anzunehmen sei. Die neueren Forschungen im Einzelnen haben den Glauben daran sehr erschüttert und das muß mindestens zugegeben werden, daß im ganzen Corpus Juris keine Stelle

sich findet, in der die Regel als allgemein gütig bestimmt und klar aus­ gesprochen wird; wo sie indirekt in der Anwendung auf bestimmte Rechts­ verhältnisse vorkommt, bleibt für eine andere Auslegung je nach der speziellen Sachlage überall Raum").

Was das preußische Recht angeht,

so fehlt es hierüber an einer klaren Entscheidung.

Es ist nur gesagt, daß der unter einer aufschiebenden Bedingung Berechtigte die Wirklichkeit des

Ereignisses abwarten muß, „ehe er das Recht ausüben kann"").

ist der Deutung nach beiden Seiten fähig.

Dies

Entweder war die Meinung,

daß das Recht gleich erworben, und nur die Ausübung hinausgeschoben, oder daß, weil die Ausübung hinansgeschoben, auch das Recht noch nicht erworben. Im Titel von Verträgen ist gleichfalls nichts darüber ent­ schiede», aber aus der Anwendung der suspensiven Bedingung auf Kauf

und Uebergabe"), Erbeinsetzung und Vermächtnisse") geht hervor, daß eine rückwirkende Kraft nicht zngelasseu ist. Die Aeußerung von Suarez"): „Die Doct. haben noch de» Satz, daß conditio suspensiv» existens retrotrahirt werde, diesen halte ich weder für richtig noch nöthig", be­

stätigt diesen Standpunkt für das A.L.R. im Allgemeinen.

Bei der auf­

lösenden Bedingung hört das Recht mit dem Moment auf, wo die Be-

53) Siehe des. Note t. S. 224. bei Wind Ich id. Für die Ritckziehung 1. 8. D. XII. 1. Sav ign y V. 515. Note ä. Unbedingt ist die Rückziehung Überhaupt von Nie­ mand hingestellt. Man unterscheidet zwischen Existenz und Ausübung deSRechlS: auf letztere bezieht man die Rückwirkung »ich«; ferner ist jetzt Emverständniß, daß sie bei bedingten Vermächtnissen nid>t ftalifindet, auch nicht in Betreff der Beurtheilung der Giltigkeit des RechtSgelchästs an sich. Selbst Fitting, dessen Hauptwerk über den Gegenstand noch auSsteht, hat neuerdings mehrere Zweifel an jener behaupteten Regel geäußert, sowohl bei bedingter Tradition, al8 bei be­ dingter Obligation. WaS bleibt noch übrig? Den richtigen Grundsatz spricht sehr klar aus I. 26. D. XLV. 3 : ex praesenti vires accipit stipulatio, quamvis petitio ex ea suspensa ost, d. h. wenn auch das Rechtsgeschäft vom Zeitpunkt seines Abschlusses existirt, so ist doch die petitio, seine praktische Wir­ kung, hinansgeschoben. 84) §. 162. d. T. 55) I. 11. §. 258. 259. 56) I. 12. §. 478. 480. 482. 87) Bei Bornemann, Syst. a. a. O. S. 167.

170

. Erstes Buch.

Die Grundbegriffe.

dingung erfüllt ist, und zwar, wie das A.L.R. nicht zweifelhaft läßt"), ohne rückwirkende Kraft, wenn nicht eine solche besonders gewollt ist. Dann äußert sich ihre Bedeutung dahin, daß der bisher Berechtigte die

gezogenen Nutzungen zurückgeben muß.

In zwei Fällen ist die Annahme

einer solchen Absicht immer unzulässig: wenn die Bedingung dahin geht, daß der Begünstigte seinen Wittwenstand nicht ändere und wenn die Er­

füllung der Bedingung in der Willkür dessen steht, der im Fall der Auflösung den Vortheil hat ").

Fällt die resolvirende Bedingung aus, so bleibt das

bereits begründete Recht unverändert bestehen.

Es bedarf nur noch weniger Bemerkungen über die Wirkung derjeni­

gen Bedingungen, die man uneigentliche zu nennen gewohnt ist, weil ihnen

das Moment der Ungewißheit und Zukunft zu fehlen scheint").

Hier

kann die Wirkung nur darin bestehen, daß entweder das Geschäft als un­

bedingt abgeschlossen angesehen oder durch die Bedingung unwirksam ge­ macht wird.

Ersteres ist der Fall, wenn vergangene Begebenheiten auf­

schiebend, nothwendige affirmativ, unmögliche und unerlaubte negativ gestellt sind. Letzteres, wenn vergangene Begebenheiten auflösend, noth­ wendige negativ, unmögliche und unerlaubte affirmativ gestellt sind. Un­ verständliche (s. g. perplexe) Bedingungen entkräften die Erklärung6l 58).59 60 Bei den

auf eine vergangene Begebenheit

bezogenen Bedingungen gilt,

weil die Entscheidung derselben mit Abgabe der Willenserklärung zusam­

menfällt, letzteres als von Anfang unbedingt, was nicht, wie es nach den Worten des A.L.R. den Schein hat, als Rückziehung angesehen werden Derjenige, der den Erklärenden zu einem Irrthum über die Wirklichkeit oder Beschaffenheit des Ereignisses verleitet hat, darf aus der

kann").

Erklärung keinen Vortheil ziehen; wenn also die vergangene Begebenheit nach dem Willen des Erklärenden im Fall ihres Eintritts resolviren soll,

so ist dies dann auch bewirkt, wenn der Begünstigte bereits gewußt, daß die Begebenheit nicht eingetreten und er dennoch den Andern zur Auf­ stellung dieser Bedingung verleitet hat. Oder: wenn eine vergangene Be­

gebenheit bis zu ihrem Eintritt suspendiren soll,

mithin

das

suspendirte Recht für

wird sie für deficient,

wegfallend erachtet,

wenn der Be-

58) §. 115. 116. d. T. Im gemeinen Recht wird die resolutio ex tune angenom­ men. Unger S 76 sg. Bangerow I. S. 167. Dagegen Riesser in der Zeitschrift f. Civ.R. u. Proz. B. 2. S. 1.270. Der bairische Entwurf eines bürgerlichen G.B. von 1661 nimmt die resolutio ex tune an, wenn eö nicht die Parteien anders gewollt haben. Art. 44. Ebenso das sächs. G.B. §. 112. 59) §. 120. 118. d. T. 60) Koch, R. d. F. S. 262. 61) Koch a. a. O. S. 274. A.L.R. I. 4. §. 132. I. 12. §. 64. (Bei letziwilligen Ver­ fügungen werden sie wie die s. g. unmöglichen als nicht beigesetzt angesehen.) ") §. 142. d. T.

§. 36.

Bedingung.

171

günstigte bereits gewußt hat, daß die Begebenheit geschehen und den Er­

klärenden dennoch verleitet ljat63).

Einige Eigenthümlichkeiten der Bedingungen, je nachdem sie Geschäf­

ten unter Lebenden

oder von Todeswegen beigefügt sind, werden später

noch zu besprechen sein.

Hier nur noch zwei Bemerkungen.

g. Bei der Lehre von den Verträgen ist die Regel ausgesprochen:

„daß ein Vertrag unter besonderen Bedingungen geschlossen worden, wird nicht vermuthet" °4*).I. S.* Dieser * an sich sehr triviale Satz findet seine größere Bedeutung darin, daß er für das preußische Recht eine Streitfrage ent­

scheiden soll, die auch zu denen gehört, welche nicht znr Ruhe kommen können, nämlich die Frage nach der Beweislast bei dem s. a. qualifizirten

Geständniß ").

Nach preußischem Recht muß derjenige, der die Bedingt­

heit der Willenserklärung behauptet, dieselbe beweisen.

6S) §. 144. d. T. I. 5

§. 229.

Wetzell, Eiv.Proz. ©. 108. nennt es indirektes Leugnen. Siehe Unger II. 468. Gruchot B. 1 S. 497. B. 3 S 386. Archiv f. vrati. R.W. B. 9. S. 154 Zeuschr. f. C.R u. Pro; NF. B. 19. S. 243. 281 310. Poschmann, über die Natur des s. g qualifizirten Gest 1863 ^ans den Dresdner Annalen B. 5. abgedrndt). Die gemeinrechtliche Praxis schwankt, namentlich in Beziehung amf die Suspeiisivbediuguitg. S. z B. S e u ffert B. 1. S 408 SB. 2. S. 416. B. 8. S. 426. B. 18 Nr. 57. Zeiischr. f Rechtspflege n. Verwalt, in Sachsen, v. Tauchnitz, N.F. B 2. S. 80. Wochenbl. f. merkw. N.Fälle v. Tauchnih, 1849 S. 22. 364fg 1857. S.312. 462. Dresdner Annalen IV. 165. Mag man die Bedingungsbehauptting als Einrede oder Verneinung aufiassen, worüber unten §. 52., so wird die Beweislast doch immer in gleicher Weise zu regeln sein. Denn dem Kläger ist in solchem Fall zwar kein volles Zugeständniß vom Beklagten zu Theil geworden; aber Beklagter bat doch auch nicht ganz geleugnet, und seine Erklärung — soweit sie zugestebeuder Natur ist — kann nicht ignorirt werden. Es widerspricht dem natürlichen Nechtsgefühl gradezn, wenn man den Beklagten, der sich zwar mit dem Kläger in ein Geschäft einge­ lassen hat, aber nur bedingungsweise die« gethan haben will, für berechtigt er­ achten wollte, die Geschäftsabschließuug überhaupt zu leugnen, und deßhalb ge­ schieht dies auch in Wirklichkeit nie. Praktisch stellt sich die Sache vielmehr so: der Kläger muß das Geschäft, wie er es behauptet, beweisen — er wird aber des Beweises insoweit über hoben, als dies durch das Gesländniß des Beklagten angeht, und dieser hat den Beweis über die Bedingung zu führen, den die Einen als Gegenbeweis, die Anderen als EiuredebauptbeweiS (indirekten Gegenbeweis) bezeichnen, je nachdem sie eine solche Vertheidigung des Beklagten als Verneinung ober als Einrede anfeben. So ganz Unrecht bat die Glosse zu 1 6. C. VIII. 36. nicht: duo videtur dixisse reus, sc. sc promisisse et sub conditione promisisse. Das Erstere befreit den Kläger vom Beweise, das Zweite verlangt Beweis vom Beklagten. Hat dieser die Bedingtheit der Verabredung bewiesen, so ist es wei­ ter Sache deö Klägers, das dadurch seiner Klage entgegengestellte Hinderniß zu beseitigen, indem er als Replik den Eintritt der Bedingung behauptet und nach­ weist. Bei der Resolutivbedingung ist die Frage einfacher, weil hier die Willens­ erklärung von Anfang an unbedingt wirkt und diese Wirkung erst anshört, wenn das Ereigniß, die Bedingung eintritt. Dies hat eine mehr hervortretende that­ sächliche Selbständigkeit, weil hier schon zugleich der Eintritt behauptet sein muß und den hat der zu beweisen, der sich darauf beruft. Dresdener Annalen I. 124. Das sächs G B. §. 175. legt demjenigen, der die Bedingung behauptet, den Be­ weis auf, der bairische Entwurf von 1861 Art. 69. dem Gegner.

172

Erstes Buch. h.

Die Grundbegriffe.

Endlich giebt es Willenserklärungen

oder Rechtsgeschäfte, denen

niemals Bedingungen beigefiigt werden dürfen.

vom römischen Recht läßt das

Zwar sehr abweichend

preußische aufschiebend bedingte Erbein­

setzungen zu, aber der Pflichttheil muß unbedingt hinterlassen werden und

die Antretung einer Erbschaft oder ihre Entsagung muß bedingungslos

geschehen.

§. 37. Zeitbestimmung. A.L.N. I. 4. §. 163 — 169. I. 5. §. 230 — 246. Gruchot I. 167. Heydemann I. 192. B orne m ann, System I. 175. R. Gesch. 184. v- Daniels I. 293. Koch, Pr.R. I. 254. R. b F. II. 275. - v. Savigny III. S. 204 — 226. Wächter II. 727. Unger II 88. Sintenis I. §. 21. Windscheid I. 241. Man kann durch eine Willenserklärung (durch ein Rechtsgeschäft) ein Rechtsverhältniß mit der Beschränkung begründen, .daß es entweder von

einem gewissen Zeitpunkt ab, oder nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt Es ist auch dies eine Selbstbeschränkung des Willens, und zwar seines Daseins, nicht seines Umfangs'). Im ersten Fall hat der Wille sein Dasein vom Eintritt, im letzten bis zum Eintritt

seine Wirkung äußern soll.

des Zeitmoments,

das Dasein des Willens ist nach seiner Dauer be­

schränkt. Eben darum ist aber hier die Beschränkung nur eine äußere, im Gegensatz zur Bedingung, wo der Wille innerlich beschränkt ist, und

insofern kann die Befristung als Nebenbestimmung aufgefaßt werden. Wichtig ist zunächst, wie die Zeit bestimmt wird. Es kann geschehen durch

Angabe eines Kalendertages ’) oder durch Beziehung auf ein an einem be­ stimmten Tage eintretendes Ereiguiß (z. B. Todestag des A.) — in bei­ den Fällen spricht man von einem dies certus, im letzteren Fall wohl auch von einem dies incertus quando, weil in beiden der Tag mit Noth­ wendigkeit eintritt, wenn auch im letzteren noch nicht gewußt wird, wann

er eintreten wird.

Es kann aber die Zeit auch gestellt werden auf ein

ganz ungewisses Ereiguiß, von dem nicht feststeht, ob es überhaupt jemals eintreten wird — dies incertus an et quando. Hier erscheint wegen der Ungewißheit des Ereignisses die Zeitbestimmung als Bedingung, d. h.

sie ist mit einer Bedingung verbunden.

Wer dem Eintritt der Bedingung

1) Unger S. 88. Note 2, der übrigens bei seiner Darstellung dieser Lehre die Be­ griffe Rechtsgeschäft und Rechtsverhältniß nicht genügend auseinander hält. 2) Entweder wird gradezu daS Datum angegeben, oder indirekt dasselbe durch einen anderen Zeitpunkt bestimmt: eum, qui calendis Januariis stipulatur, si adjiciat primis vel proximis, nullam habere dubitationem. Sed et si dicat secundis vel tertiis vel quibus aliis, aequo dirimit quaestionem. Si autem non addat quibus Januariis, facti quaestionem inducere, quid forte senserit . . . si autem non appareat, dicendum est, primas calendas Januarias spectandas. 1. 41. pr. D. XLV. 1.

§. 37.

Zeitbestimmung.

173

rückwirkende Kraft beilegt, muß sagen, daß der dies incertus an et quando

nicht der Bedingung gleichbedeutend sei, sondern nur eine solche ne­ benher enthalte, daß hier Zeitbestimmung und Bedingung neben einander wirken und.daß dies die Ausschließung der Zurückziehung erkläre^). Wer dem nicht beitritt, kann ohne Weiteres den dies incertus als Bedingung

ansehen*).

Dies geschieht auch im A.L.R., welches eine eigentliche Be­

fristung nur da annimmt, wo der Zeitpunkt gewiß emtritt.

Von solchem

Zeitpunkt kann sowohl der Anfang des Rechtsverhältnisses, als seine Dauer abhängig gemacht werden (ex die, ad diem oder nach dem neueren Aus­

druck terminus a quo und ad quem).

Ist ein Anfangstermin gesetzt,

so beginnt erst bei seinem Eintritt die Wirkung des Rechtsgeschäfts, d. h.

das Rechtsverhältniß;

das A.L.R. drückt dies so aus:

des Rechts nimmt von da ihren Anfang.

die Ausübung

Das Recht selbst ist schon vor­

her durch die Willenserklärung vollständig erworben und vererblich^); es

darf der Verpflichtete bis zum Zeitpunkt nichts vornehmen, was dann die Ausübung des Rechts in irgend einer Weise beeinträchtigen oder vereiteln

würde b).

Ist ein Endtermin gesetzt, so will man, daß die Wirkung des

Rechtsgeschäfts, das Rechtsverhältniß an diesem Tage wieder aufhöre7*).* 4 * 6 Hier darf der Berechtigte in der Zwischenzeit nichts vornehmen, was nach­ theilige Folgen für den, an welchen der Gegenstand des Rechts zurück­

fällt, über die Zeit hinaus äußern würde. In beiden Fällen, sagt zuletzt das A.8.R., also beim Anfangs- und Endtermin behält derjenige, der die Sache nach Ablauf der Zeit herausgeben muß, die inzwischen gezogenen Nutzungen8). Hierdurch ist die Rückziehung, die nach preußischem Recht auch bei den Bedingungen (§. 3G.) nicht anzunehmen ist, ausgeschlossen und es folgt dies aus dem Begriff und Zweck der Zeitbestimmung von selbst.

Trotzdem scheint diese Regel nicht ausnahmslos richtig, denn es

giebt Rechtsverhältnisse, die einen Endtermin enthalten und bei denen die

Rückgabe mit den inzwischen erwachsenen Nutzungen geschehen muß, z. B.

*) Bes. Fitting in Mchid st civil. Praxis N.F. B. 39. S. 331 —333. Ihm schließt sich Unger an, S. 92. 4) Als Bedingung wird der dies incertus an et quando von den meisten Schrift­ stellern angesehen, es ist dies die communis opinio. Mit Rücksicht auf die ver­ neinte Zurückziehung Windscheid S. 245. Note 5. Ebenso das öftere. G.B. §. 704. Sachs. §. 114. 6) Siehe die bei Gruchot a a. O- citirten Stellen des röm. R. 6) Das OTrib. nimmt an, daß der Verpflichtete eine aus Schmälerung oder Ver­ eitelung gerichtete Absicht gehabt haben muß. Vergl. 8- 105. I. 4. Striethorst XXVII. 255.

7) Das Recht hört ipso jure aus, es bedarf keiner besonderen aufhebenden Willens. Lußerunq. In Striethorst IV. S. 180 hat das O.T. angenommen, daß aus die Nichtansübung des dem Käufer vorbehaltenen Rechts der Auswahl innerhalb der gefetzten Frist §. 169 I. 4. nicht Anwendung finde. 8) A.L.R. I. 4. §. 169.

Erstes Buch.

174

Die Grundbegriffe.

Leihvertrag, Pfandvertrag, VerwahrnngSvertrag ’). Fällen hat doch der Inhaber der Sache nicht

Allein in allen diesen

das Recht gehabt, die

Nutzungen für sich zu ziehen, während die obige Regel nur an die Fälle

denkt und denken konnte, wo der Inhaber die Nutzungen für sich zu ver­ wenden berechtigt ist. So aufgefaßt, ist die Regel als allgemeine rich­ tig'").

Auch die Zeitbestiinmnng kann als

unmögliche beigefügt sein,

wenn es schon bei ihrer Feststellung gewiß ist, daß sie nie eintreten kann.

Soll von einem solchen unmöglichen Termin das Rechtsverhältniß begin­

nen, so beginnt es nienials, das Rechtsgeschäft, welches es erzeugen wollte, ist nngiltig; soll das Rechtsverhältniß an einem solchen unmöglichen Ter­

min endigen,

so endigt es nicht, es behält die ihm an sich inwohnende

Kontinuität, das Rechtsgeschäft ist also giltig und die Zeitbestimmung als nicht beigefügt zu betrachten"). Es giebt Rechtsverhältnisse, die noth­

wendig auf Zeit, d. h. auf einen Endtermin beschränkt sind, z. B. Leihe"),

es giebt auch solche, die eine solche Bestimmung nicht vertragen, z. B.

Ehe.

Nach römischem Recht ist sie auch bei der Erbeinsetzung unzulässig,

nach preußischem Recht aber gestattet").

Der Unterschied zwischen Be­

dingung und Zeitbestimmung kann wenigstens nach preußischem Recht nicht in der Rückziehung gefunden werden, da diese, wie §. 36 erörtert, weder bei der aufschiebenden noch auflösenden Bedingung eintritt; auch nicht da­ rin, daß durch die Bedingung das Rechtsgeschäft ungewiß gemacht wird, bei der Befristung aber nicht"), denn erstere macht nicht das Rechtsge­ schäft, sondern nur seine Wirkung, das Rechtsverhältniß, ungewiß.

Wohl

aber liegt eben in der Ungewißheit der Unterschied, die bei dem dies certus überhaupt nicht, bei dem dies incertus quando nur relativ vor­ handen ist, und darin, daß die Bedingung auf die Ungewißheit eines Er­ eignisses gestellt ist, während bei der Befristung der Wille sich nicht

von einem solchen, sondern nur von dem Eintritt eines Zeitmoments ab­ hängig macht. Wenn, was bei dem dies incertus quando häufig ge­

schieht, der Eintritt des Zeitpunktes mit dem Eintritt eines Ereignisses verbunden erscheint, so ist es eine Frage der Auslegung, ob der Erklä­ rende seinen Willen vom Ereigniß, oder vom Zeitpunkt abhängig gemacht •) A.L.R. I. 14. § 41. I. 20. §. 159 fg. I 22. §. 238. 10) Koch's Angriff auf §. 169.1. 4. ist daher inhaltlos.

**) Das A L R. hat hierüber keine Bestimmung.

R. d. F. S. 277.

Unger S. 97.

•2) A.L R. I. 22. §. 230. 231. *’) AL.R. I. 12. §. 486. 1. 54. D. XXIX. 2. 1. 77. de R. J. M) Wie Koch, R. d. F. S. 276. oben behauptet. Der Satz dies non suspendit bezieht sich auf da« Rechtsgeschäft, was gleich definitiv abgeschloffen, wirklich ge­ wollt ist, nicht auf seine Wirkung, das Eizengmß, da« Rechtsverhälmiß. Daß auch bei der Bedingung daS Rechtsgeschäft von Anfang giliig ist, s. oben §. 36. S. 169. Schöne Nia nn a. a. O- Auch Unger verwechselt hier Rechtsgeschäft und R.Verh. S. 88. Die Existen; des Geschäfts ist weder bei der conditio noch bei dem dies noch in Frage.

§. 38.

175

Zweckbestimmung.

hat, jene« würde eine Bedingung sein, dieses eine nur durch Beifügung

deS Ereignisses nähere Bestimmung der Zeit.

Endlich aber ist bei der

Zeit niemals von einer Erfüllung die Rede, während bei einer Art der

Bedingungen (der potestativen) Erfüllung nothwendig ist.

Das potesta-

tive Moment kann übrigens auch bei der Zeit vorkommen, wenn dem Ver­

pflichteten überlassen ist, sie zu bestiinmen lä). Hier ist der Anfangster­ min der Erfüllung in die Willkür des Verpflichteten gestellt, nicht die Verpflichtung selbst.

Bestimmt der Verpflichtete die Zeit nicht, so ist die

Verpflichtung mit seinem Todestage verfallen.

Ist der Endtermin von

seinem Belieben abhängig, so kann man eigentlich nicht mehr von einer

Verpflichtung sprechen, weil sie jeden Augenblick unterlassen werden kann, jedenfalls aber endigt sie mit dem Tode, d. h. ist nicht vererblich1S).

§. 38.

Zweckbestimmung.

AL R. 1.4. ?. 152 -162. I. 5. §. 226. I. 12. §. 61. 508—513. 1.16. §. 200. Gruchot I. S. 165. Heydemann I. S. 189. Bornemann, R. Gesch. 180. System I. S. 172. v. Daniels I. S. 299. Koch, Pr.R. I. S. 255. R. d. F. II. S.277. v. Savigny IIL S. 226.233. v. Wächter II. S. 727. Unger II. S. 160. Sintenis I. § 21. S. 181. Windscheid, v. d. Voraussetzung, 1850. Pand. I. S. 246. Ergeben, condictio sine causa, 1853 II. §. 14. S. 251.

Eine dritte Art der Willensbeschränkung besteht darin, daß der Er­ klärende dem Empfänger die Verpflichtung auferlegt, das Empfangene ganz oder teilweise zu einem bestimmten Zweck zu verwenden. Der Wille ist

hier nicht allein insofern beschränkt, als die Zuwendung, falls der Zweck nicht erfüllt wird, nicht gewollt ist, sondern auch insofern, als wenn der Zweck erfüllt wird, die Zuwendung insoweit sich verringert. Daher, wäh­ rend bei Bedingung und Befristung die Beschränkung sich auf das Dasein des Willens bezieht, trifft sie hier sein Dasein und seinen Umfang, es ist

Einschränkung und Beschränkung, der Wille will entweder überhaupt nicht, oder weniger, als er ohne die Auflage gewollt hätte *).

Im technisch ju-

») A.L.R. I. 5. § 236-240. Bergt. Unger S. 98.1.41.8. 3. D. de leg. III. Dcfterr. G.B. §. 904. Das Nähere hierüber in der Lehre v. d. Erf. der Verträge. “) 1. 4. D. XIX. 2.

‘) Unger S. 101. Note 4. A. schenkt dem B. 100 und legt ihm aus,' mit der Hälfte des Geldes dem 0. einen Grabstein zu setzen. Ursprünglich ist hier der Wille umfassender, er will 100 schenken, linb sofort schränkt er sich ein, indem er 50 dem Empfänger wieder entsieht. Windscheid, Pand. S. 246 Note 1. polemisirt hiergegen, weil die Einschränkung nur den ökonomischen Inhalt der Erklä­ rung, nicht den Willen selbst treffe, also keinen juristischen Gesichtspunkt enthalte. Allein es ist doch der Wille, der die ökonomische Beschränktheit setzt, und insofern

176

Erstes Buch.

Die Grundbegriffe.

ristischen Sinn kann nur diese Form der Willenserklärung als Auflage,

oder, wie das A.8.R. sagt, als Endzweck (modus) aufgefaßt werden. Er setzt eine Vermögenszuwendung voraus, auf welche die Leistung ge­ legt, von welcher sie zu erfüllen ist.

Weder das Geben auf Gegenlei­

stung bei zweiseitigen Geschäften, noch das Geben für einen Zweck gehört

hierher, denn in beiden Fällen gehört die Verpflichtung, die der Empfän­ ger übernimmt, zum Charakter des Geschäfts selbst, sie ist sein wesent­

licher Hauptinhalt, während beim Modus die Zuwendung allein den Haupt­ inhalt bildet, und die Auflage nur eine eigenthümliche Nebenbestimmuug ist.

Der Modus kaun daher nur bei einseitigen Geschäften Vorkommen,

auS deren Natur nicht schon eine Gegenleistung hervorgeht, und es ergiebt sich auch hieraus, daß, wenn in neuerer Zeit behauptet worden ist, an die

Stelle des Modus müsse der Begriff der Voraussetzung treten, diese Auffassung eine viel zu unbestimmte und allgemeine ist, bei der der tech­ nische Begriff des Modus verloren geht zu Gunsten eines Gattungsbe­

griffs, der sich wegen seiner Allgemeinheit als Rechtsbegriff nicht ver­

werthen läßt'). Nach römischem Recht kommt der Modus nur vor bei freigebigen Zu­

wendungen, d. h. bei der eigentlichen Schenkung und bei Vermächtnissen; ob auch bei Erbeinsetzungen, ist bestritten'). Unrichtig ist es aber, einen Modus nur da anzunehmen, wo die Auflage den Vortheil des Empfän­ gers der Zuwendung erzielt, da auch der Vortheil eines Dritten oder wird mit gutem Grunde gesagt, daß er sich selbst beschränkt. Die Beschränkung drückt sich hier aber nicht wie bei der B dingnng bin* wenn (si), sondern durch damit (ut) au«: vergl. I 8. §. 7. D XXVIII 7.1.71. §. 1. 1. 80. D. XXXV. 1: nec enim parem dicemus eum, cui ita datum sit; si monumentum fecerit, et eum, cui datum est: ut monumentum faciat. 1. 44. D. XL. 4. I 2. §. 7. D. XXXIX. 5. 1. 1. 2. 5 C. VIII. 55. Der Ausdruck modus hat übrigens in den Quellen auch sehr verschiedene und unbestimmte Bedeutungen, s. Böcking, Pand. 1. Z. 401. Dirksen, manuale s v. HeumanN, Lexik, s. v. 2) S. die Schrift von Windscheid und dagegen die zutreffende Bemerkung von Böcking, Pand. B. 1. S. 388. Note a: „W.'s eigene Darstellung zeigt, wie ver­ schieden in Begriff und Wirkungen die mannichfalu^en Willeusbestimmungen seien, die wir als Voraussetzung bezeichnen und wofür weder unsere Nechtsqnellen noch die lateinische Sprache überhaupt einen entsprechenden Ausdruck hat." Auch sonst ist W.'S Ansicht zurückgewiesen: Erxleben a. a. O. Vorrede S. VI. Vangerow übergeht sie ganz-, Arndts 75. dagegen. In der That ist Voraussetzung etwas so Allgemeines, daß man es mir als logische Kategorie auffassen kann. Daß mit Ausdrücken wie: „die Voraussetzung ist eine unentwickelte Bedingung" für die Klarlegung des Begriffs nichts gewonnen ist, dürste nicht zweifelhaft sein. Zugegeben muß aber werden, daß Voraussetzungen oft von thatsächlicher Wichtig­ keit für Rechtsgeschäfte sind. Ueber die mannichfachen Anwendungen, die hierbei denkbar sind, siehe Windscheid S. I sg. Ueber Voraussetzung und Bedingung s. auch S euffert B. .16. S. 175. s) Savigny S. 227. und mit ihm die meisten Neueren, läßt den Modus auch bei Erbeinsetzungen zu; Böcking a. a. O. tz. 115. S. 403 beschränkt ihn aus Legate. Ebenso Rudorfs Notel, zu Puchta, Vorles. B. I. §. 63.

§. 38.

Zweckbestimmung.

irgend ein Interesse des Gebers der Zweck sein kann.

177 Nach gemeinem

Recht ist sogar im ersten Fall in der Regel überhaupt nicht eine Verpflicht­ lung, sondern nur eine Empfehlung, ein Rath anzunehmen. Das A.^.R. definirt den Endzweck nicht, sondern giebt nur eine Beschreibung, aus wel­

cher hervorgeht, daß es diejenige Auflage an den Empfänger, die dessen

eigenen Vortheil zur Absicht hat, im Gegensatz zur Bedingung als Modus auffaßt.

Simplex).

Dies ist aber zu eng, nur eine Art desselben (der s. g. modus

Darüber aber ist kein Zweifel, daß eine bestimmte Verwen­

dung auch bei der Erbeinsetzung auferlegt werden tönn4).

Die Eigenthümlichkeiten, die der Modus als besonderes Rechtsinsti­ tut hat, sind folgende:

der Berechtigte, dem die Verwendung zur Pflicht

gemacht ist, tritt sofort in die Ausübung und den Genuß des Rechts, der Modus suspendirt nicht. Die Erfüllung des Zwecks ist eine Verpflich­ tung des Empfängers der Zuwendung, erfüllt er nicht, so verliert er das

Es tritt in diesem Fall eine Auflösung des Rechtsverhältnisses ein und zwar, obschon nach A.P.R. die resolvirende Bedingung nicht zu­ Recht.

rückwirkt, außer wenn dies besonders beabsichtigt worden, und im Allge­ meinen auf die Grundsätze von dieser Art Bedingungen beim Endzweck

verwiesen ist, hier doch immer mit rückwirkender Kraft, weil es aus der

Natur der Sache folgt, daß, da die Zuwendung nur in Beziehung auf den Zweck geschehen, wenn dieser vereitelt ist, auch jene nicht bei dem Empfänger bleiben kann. Es muß vielmehr die empfangene Zuwendung

zurückgegeben werden und zwar mit den gezogenen Nutzungen, und wenn ein Zurückgeben nicht möglich ist, so tritt Vergütung an die Stelle 5). Dadurch daß der Modus eine Verpflichtung auferlegt, unterscheidet er sich

wesentlich von der Bedingung, bei welcher, sofern es sich um ein Erfüllen handelt, dieses der Willkür des Belasteten überlassen bleibt, sonst aber der Eintritt von zufälligen Umständen abhängt. Die Erfüllung des Modus muß der Erklärung gemäß und innerhalb

der etwa gesetzten Zeit geschehen; doch kann durch etwas Aehnliches erfüllt werden, und die Erben dessen, der den Modus auferlegt hat, dürfen eine solche Erfüllung nicht anfechten, wenn sich ihr Erblasser wissentlich ein Jahr lang dabei beruhigt hat.

Ist der Modus in einer letztwilligen Ver­

ordnung auferlegt, so soll die Erfüllung durch Aehnliches immer zulässig sein,

wenn ohne Schuld des Bedachten die Erfüllung in der vorgeschriebenen Die Verwendung muß dann zu einer

Art unmöglich geworden istG).

solchen Bestimmung geschehen, welche der Absicht des Erblassers am näch4) A.L.R. 1.12. §. 508. Ebenso nach österr. R. Unger S.101. Note?. 5) Koch, N d. F. S. 285fg. §.155. 116. d. T. §. 200.1.16. A.L.R. Strieth. B.27. S. 13Ufg. •) A.L.R. 1.12. §.511-513. Förster, Preuß. Privatrecht. I. 2. Aust.

12

Erstes Buch.

178 sten kommt.

Die Grundbegriffe.

Ist auch dies nicht möglich, so behält der Erbe oder Legatar

die Zuwendung, es wäre denn, daß aus der Verordnung oder den Um­ ständen klar erhellte, daß ihm der Testator den Vortheil nicht zugewendet haben würde, wenn er die Nichterfüllung des Zwecks vorausgesehen hätte.

In diesem Fall muß also die Zuwendung znrückgegeben oder vergütigt ^werden. Was die Unmöglichkeit der Erfüllung eines in einem Geschäft unter Lebenden anferlegten Modus betrifft, so sagt das A.L.R.:

„Kann

der Begünstigte die Erfüllung nicht leisten, so ist die Erklärung unver­

bindlich"^).

Koch will dieses Gesetz auf den Fall beziehen, wo das Ge­

schäft noch in den Grenzen der Erklärung, d. h. unerfüllt ist, ob auch die geleistete Zahlung ungiltig sei, hänge davon ab, ob der Geber sich den Zweck als möglich gedacht, also geirrt habe97).10 8 Diese Auslegung erscheint

aber unrichtig.

Das A.L.R. stellt in §. 158. d. T. den Fall des Nicht­

könnens und des Nichtwollens einander gleich, wie also im letzteren, so

muß auch im ersteren die gemachte Zuwendung rückgängig werden, ohne Unterschied, ob der Geber die Unmöglichkeit der Auflage gekannt hat oder nicht. Das Zurückgeben ist aber, wenn etwas außerhalb eines Vertrages in Rücksicht auf einen vom Empfänger zu erfüllenden Endzweck gegeben oder geleistet, und dieser Endzweck durch Zufall unmöglich geworden, auf das beschränkt, was der Empfänger in seinen Nutzen verwendet hat, und wenn die Erreichung des Zwecks durch Zuthun des Gebers vereitelt wor­

den, auf das, was sich beim Empfänger noch als Bereicherung befindet9). Wie etwas zur Erfüllung eines Zwecks gegeben werden kann außerhalb eines Vertrages, ist freilich unklar, da auch die ob causam datio, welche offenbar diese Bestimmungen

lichen Verhältniß erwächst

im Auge haben, aus

und ebenso

ist eS

einem vertragsähn­

durchaus ungerechtfertigt,

die Zurückgabe in diesem Fall anders zn normiren, als im Fall eines Vertrages.

Kann'9) der Zweck auch von den Erben erfüllt werden, so

sind sie dazu berechtigt und verpflichtet, wenn sie die Zuwendung behalten

wollen. Es fragt sich, ob die Erfüllung des Zwecks, da sie eine Verpflich­ tung ist, durch Klage erzwungen werden bars11).12 Nach gemeinem Recht wird dies jetzt vorherrschend bejaht'9). Nach preußischem ist es zu ver-

7) §. 158. I. 4. 8j N. d. Ford. II. S. 283.

•) I. 16. §. 200 fg. 10; DieS ist nicht der Fall, wenn der Zweck an die Person des Berechtigten gebun­ den ist. Striethorst B. 22. S. 66. “) Koch, R. d. F. II. S.287. 12j Auch Kautionsleistung für die fünftiqe Erfüllung kann verlangt werden. 1. 40. §. 5. 1. 71. pr. tz. 1. 2. 1. 80. D. XXXV. 1. 1. 19. de leg. III.

§. 38. «einen.

Zweckbestimmung.

179

Nur die Rückforderung des Zugewandten oder die Klage auf

Entschädigung ist statthaft, und das Fundament einer solchen Klage ist

schon die bloße Weigerung der Erfüllung").

Der Staat aber hat ein

Klagerecht auf Erfüllung des Zwecks, wenn dieser auf Beförderung des

gemeinen Besten gerichtet und

in einer

letztwilligen Verfügung aufer­

legt war"). Die Regel des gemeinen Rechts, daß im Zweifel die Willenserklärung

Ur den Modus und gegen die Bedingung auszulege» sei, ist zwar im A.8.R. nicht ausdrücklich ausgesprochen, aber auch für dieses auzunehmen, da der Grundsatz sich in einzelnen Anwendungen zeigt").

Nur recht­

fertigt er sich nicht daraus, daß der Modus die geringere Beschränkung

sei, sondern dadurch, daß er das mehrere Recht gewährt, sofern dies so­

fort in Kraft tritt").

§. 39.

c. Nebeninhalt der Willenserklärung: Beweggrund und Beschreibung.

A.r.R. I. 4. §145.-151.— Heydemann 1.187. v. Daniels I. 289. 301. Koch, Pr. R. I. 258. 259. R. d. gerbet. II. 290. 293. Savigny III. S. 112. 304. Wenn bei einer Willenserklärung eine schon eingetretene oder künf­ tige Begebenheit oder Thatsache bloß als vorausgesetzt angegeben wird, so daß sie als Ursache für vbie Erklärung erscheint, so kann eine solche

Anführung als Beweggrund zwar

zur Erklärung einer zweifelhaften Absicht dienen, aber ist sonst die letztere klar, so hat sie, auch wenn sie sich als unrichtig zeigt, keinen Einfluß auf die Giltigkeit des Geschäfts. Nur wer vorsätzlich den irrthümlicheu Beweggrund hervorgerufen, soll daraus keinen Vortheil ziehen, keine Rechte ableiten, und wohlthätige Ge­ schäfte werden unkräflig, wenn erhellet, daß der ausdrücklich angeführte irrige Beweggrund die einzige Ursache der Willenserklärung gewesen ist.

Diese Vorschriften stimmen mit dem gemeinen Recht überein'): auch hier ist Regel, daß die falsa causa nicht von Einfluß ist, daß aber die doli

exceptio unter Umständen, namentlich dann erwächst, wenn feststeht, daß sonst die Erklärung nicht erfolgt wäre. Doch ist zu bemerken, daß dies nur bei Legaten ex falsa causa vorgeschrieben ist, und für Geschäfte nn-

w) ») ») '•) *)

Entscheid. B. 37. S. 22sg. Strieth. B. 27. S. 139.f. I. 12. §. 514. A L.R. I. 4. §. 152. I. 12. § 488. Dagegen ohne Grund Arndts, Pand. §.74. Anm. 4. Falsa causa non nocet. Unger II. S. 52. 1. 72. §. G. D. XXXV. 1. 12**

Erste- Buch.

180

Die Grundbegriffe.

ter Lebenden im römischen Recht bestimmte Regeln sich nicht finden').

Ob eine Anführung in einer Erklärung als Beweggrund oder anders, z. B. als Bedingung, auszufassen sei, ist Sache der Auslegung im einzel­

nen Fall'), allgemeine Voraussetzung aber für die Berücksichtigung eines

irrigen Beweggrundes ist es, daß er vor oder bei der Abgabe der Erklä­ rung angeführt oder ausgesprochen sein muß, „denn so gewiß nur ein ausgesprochener Wille bindet, so ist auch die einmal abgegebene Erklärung nur insofern anfechtbar, als schon zur Zeit ihrer Abgabe das Element, woran die Anfechtung geknüpft werden soll, äußerlich erkennbar geworden

ist.

Es kann zwar in

einzelnen Fällen die Ersichtlichkeit auch dadurch

hergestellt werde», daß nach der ganzen Sachlage das von dem Erklären­

den später geltend gemachte irrige Motiv mit Evidenz als der allein denk­ bare Beweggrund hcrvortritt, dadurch wird aber jene Regel nicht ausge­ schlossen" 4*).* 6 * * Daß bei einem schriftlichen Vertrage grade auch der Be­

weggrund in der Urkunde ausgedrückt ist, ist nicht erforderlich, es genügt, wenn er nur überhaupt ausgesprochen worden. Wenn übrigens Koch aus den Worten „klar erhellen" den Schluß zieht, daß ein Erzänzungseid nicht zulässig sei, so geht dies wohl zu weit.

Bereits durch Zahlung,

Uebergabe oder sonstige Leistungen vollzogene Geschäfte können nicht mehr wegen irrige» Beweggrundes angefochten werden, wenn nicht überhaupt

die Bedingungen der Koudiktionen vorliegen').

Falsche Beschreibung in einem Rechtsgeschäft ist ebenfalls — wie nach gemeinem Recht — un­

schädlich, vorausgesetzt, daß die Identität der Person oder Sache sonst nicht zweifelhaft ist'). Wäre dies der Fall, so müßte gezeigt werden, daß, wenn der Irrthum nicht dazwischen getreten, die Erklärung nicht so er­ folgt wäre, oder daß vorsätzliche Erregung des Irrthums stattgefunden hätte. Nicht der Name oder die Bezeichnung der Sache, sondern diese

selbst ist der Gegenstand der Willenserklärung und diese daher nur dann ungiltig, wenn über die Sache in Folge der falschen Beschreibung eine Differenz obwaltet ’).

I

2) Koch, R. b. F. II S. 292. ’) Beispiel aus der Praxis: Entsch. B. 18. S. 264. 274: „Die Erklärung der Be­ friedigung wegen des Hanplanspruchs ist in Beziehung auf die Entsagung' des .Pfandrechts nur als ein Beweggrund anzusehen." Wie die Bedingung durch' wenn, der Modus durch damit, jo wird der Beweggrliud durch well ausgedrüctl. Ueber den Unterschied voll Modus und Beweggrund Heuser, Annal. III. 228. 4) Entsch. B. 33 S. 27. Striethorst B. 22. S. 107. 6; Slriet horst B. 21 S. 128. 6) 1. 9 §. 1 D. XVIII. 1. L 4. C. VI 23. Unger II. S. 128. Savigny III. S. 306. vergl. auch Donell, ad 1. 32 de 1. V. 0. 1) Beispiele aus der Praxis: Strielhorst B. 20. S. 51. B. 32. S. 271. Entsch. B. 31. S. 414.

§. 49. Form der RechttgeschLfie.

181

§. 40. III. Form der Rechtsgeschäfte. A.L.R. I. 3. tz. 40.-44. I. 4. §. 94. 95. Heydemaun I. S. 155. 178. Borne, mann, R-Gesch. S. 157. Koch, Pr.R. I. 245. R. d. F. II. S. 154.—221. Arndtö in Ulrich's Arch. B. 1. S. 132. Meyer, die Schrift in ihrer Bedeut, f. pr. R. 1855. Boruemann, (Stört H. 1. u. die RechtSentwickl. in Deutsch!, und deren Zukunft, 1856 S. 5. Savigny III. 237. Wächtern. 767. Unger II. 113. Windscheid I. 165. Völderndorsf, die Form der R.Gesch. 1857. Ihering, Geist des röm. R. II. §. 45.-47.

Jede Aeußerung des Willens ist giltig und wirksam, wenn sie von einer willensfähigen Person ausgeht, sich auf einen Gegenstand bezieht, über welchen diese zu dispontren befugt, an sich frei, ernstlich, gewiß ist

und die Gesetze nicht eine bestimmte Form, vorgeschrieben oder die Par­ teien eine solche verabredet haben. In der Regel-ist die Beobachtung einer äußeren Form bei Errichtung eines Rechtsgeschäfts nicht erforderlich, es bedarf dazu einer besonderen Vorschrift oder einer besonderen Verab­ redung.

Diesen Grundsatz theilt zwar das preußische Recht mit dem ge­

meinen, aber es wird später bei den einzelnen Rechtsgeschäften zu zeigen

sein, wie im preußischen Recht durch die große Bedeutung, die die Form­

vorschriften in ihm haben, die Anwendung jenes Grundsatzes in bedenk­ lichster Weise eingeschränkt ist.

Hier sind nur die allgemeinen Gesichts­

punkte zu erörtern. Wenn das Gesetz eine Form für eine Handlung oder Willenserklä­ rung vorschreibt, so muß sie beobachtet werden, und aus ihrer Verabsäumung folgt dann die Nichtigkeit der Erklärung oder Handlung, wenn das Gesetz ausdrücklich die Giltigkeit des Geschäfts davon abhängig ge­

macht hat.

Doch ist auch hier die Form niemals der Grnnd (causa) des

Rechts und der Verbindlichkeit, dieser bleibt das Geschäft selbst, und wird nur durch die Form mit Giltigkeit bekleidet'). Sonst soll die Form nur zur mehreren Gewißheit und Beglaubigung, also nur als Beweismittel, dienen'). Im ersten Fall kann eine solche nichtige Aeußerung des Willens niemals später giltig werden'), und

wenn sie in der vorgeschriebenen

Form wiederholt wird, gilt sie erst von diesem Zeitpunkt. Hiervon macht nur der §. 10. besprochene §. 17. der Eint. z. A.L.R. eine ganz vereinzelte x) Koch, R. d. F. II S. 155. Dadurch, daß die Form niemals causa oblig. ist und doch die Richibeobachtuug derselben das Geschäft nichtig oder nngittig macht, ist ihre Bedeutung im Rechtssystem eine unklare geworden. S. Koch daselbst S. 218 fg. Anders im alten röm. R., die Stipulation, Acceplilation waren causae, im neuen Recht ist es der Wechsel. 2) Entsch. B. 1. S. 22. B. 9 S. 88. B 10. S. 276. B. 16. S. 107. B 17. S. 67. B. 18. S. 250. B. 21. S. 192 B. 28 S 102. Strietborst B. 34. S. 325.

8) 1. 92 de R. J. quod initio vitiosum est, non potest tractu temporis convalescere.

Erste« Buch.

182 Ausnahme.

Die Grundbegriffe.

Hatzen die Parteien eine besondere Form verabredet, so hängt

davon die Giltigkeit des Geschäfts ob4).

Ist im Gesetz die Form nur

unter Androhung einer Strafe für ihre Beratzsäumung geboten, so bleibt trotzdem das Geschäft bei Bestand Daß die Form nach dem Gesetze

des OrtS zu beurtheilen ist, wo das Geschäft errichtet worden und nach dem Gesetz zur Zeit, in welcher es errichtet worden, ist ebenfalls schon erwähnt (8.10.11.)°).

Auch diese Grundsätze stimmen mit denen des

gemeinen Rechts, insbesondere gilt auch hier, daß die gewillkürte Form die Rechtsgiltigkeit des Geschäfts bedingt').

Während aber das gemeine

Recht noch den Versprechungseid in gewissen Fällen als formelle Bekräf­ tigung des Geschäfts zuläßt°), ist dieser dem preußischen Recht unbekannt,

welches nur eine Formgattung, nämlich die Schriftlichkeit ausgenom­ men hat, diese aber unter verschiedenen Arten. Man unterscheidet Pri­ vaturkunden und öffentliche.

ohne Beglaubigung einer Behörde.

Erstere sind schriftliche Erklärungen Sie beweisen daher, wenn ihre Echt­

heit bestritten ist, nicht ohne Weiteres, sondern bedürfen der Anerkennung

(Rekognition) dessen, gegen den ihr Inhalt beweisen soll, oder seiner eid­ lichen Ableugnung)'), Die öffentlichen Urkunden sind entweder gericht­ liche oder außergerichtliche. Erstere"), wenn über das Rechtsge­ schäft der Richter eine schriftliche Urkunde (Protokoll) ausgenommen hat. Eine solche kann entweder von jedem Richter erster Instanz, dem die Ausübung der freiwilligen Gerichtsbarkeit beigelegt ist"), oder nur von demjenigen Richter, der in der Sache zuständig ist (z. B. vor dem Ge­ richt der belegenen Sache), ausgestellt werden, sie kann entweder nur Beglaubigung einer schon errichteten Privaturkunde fyin, oder den In­ halt des Geschäfts selbst enthalten. Solche gerichtliche Urkunden bedürfen nicht der Rekognition, sie sind nur anfechtbar wegen Mangels der dafür vorgeschriebenen Form (z. B. wenn das Gericht nicht gehörig besetzt, der

Richter nicht kompetent gewesen, das Protokoll nicht von der Partei ge-

*) I. 5. ß 1l6.

5) ») ’) e)

Simon u. v. Strampsf, Rspr. I. S. 129.

I. 5. §. 110. Verwendung von Stempelpapier. Einl. ,. A.L R K. 16.23. 1. b. K. 111. Striethorst B. 29. S. 95. pr. J. 111. 23. 1. 17. C. IV. 21. Wenn ein Unmündiger da« mit Zustimmung seine« Vormunde« abgeschloffene Geschäft beidnvöit, so giebt er da« Recht ans Wiedereinsetzung in den vor St. aus 1. 1C. II. 28. und wenn eine Partei einen für sie anfechtbaren Vertrag be­ schwört. verzichtet sie ans die Anfechtung. Wächter II. 772. ») A.G.O I. 10. § 123.—168. *») A.G.O. I. 10. §. 133. “) Seit der Gerichlsorganisation durch das Ges. v. 2. Januar 1849 haben die Ge­ richte 2. Instanz keine freiwillige Gerichtsbarkeit. Sie ist den zweiten Abtheilun­ gen der Äreisgerichle beigelegt.

§. 40.

III. Form der Rechtsgeschäfte.

183

nehmigt und unterschrieben worden) und wegen Nichtübereinstimmung der

niederzeschriebenen Erklärung mit dem Willen der Parteien (wegen Schein und Irrthum)").

von

andern

Außergerichtliche öffentliche Urkunden sind alle, welche

Behörden

entweder über

Erklärungen der

Parteien

oder

über eigne Amtshandlungen ausgestellt sind. Unter dieser Klasse von Ur­ kunden sind besonders die notariellen hervorzuheben. Notare sind Be­ amte des Staats, denen die Ausübung der s. g. freiwilligen Gerichts­ barkeit in Konkurrenz mit

den Gerichten übertragen ist**), so daß die

Parteien mit Ausnahme weniger Fälle, in denen die gerichtliche Form allein zulässig ist, die Wahl haben, ob sie das Geschäft notariell oder gerichtlich errichten wollen.

Die notariellen Urkunden haben gleiche Kraft

mit den gerichtlichen, können daher auch nur wie diese angefochten wer­ den, sie unterscheiden sich von ihnen nur durch äußerliche Förmlichkeiten, indem sie die Zuziehung von Zeugen und besondere Bescheinigungen oder amtliche Versicherungen verlangen, daß der Notar bei Aufnahme derselben gewisse gesetzliche Vorschriften, die theils seine Person, theils die

der Zeugen betreffen, beobachtet habe.

Durch diese Zusätze, die ein un-

nöthiges Hänfen von Förmlichkeiten bewirken, erhalten die notariellen Ur­

kunden Schwerfälligkeit"). Andere außergerichtliche Urkunden sind wegen Unrichtigkeit des Inhalts anfechtbar, und wenn sie auf Grund von Zeu­ genaussagen Bescheinigungen geben, so hängt ihre Glaubwürdigkeit von den Zeugen ab14’). Alle schriftlichen Urkunden müssen die Unterschriften der Aussteller haben, ohne diese haben sie keine 93ebeiituiig"): die Privaturkunden die der Personen, deren Erklärung sie enthalten, die öffentlichen die ver­ fassungsmäßige Unterschrift der Behörde, bei gerichtlichen also die des Ge­ richtsdirektors oder Abtheilungsdirigenten, bei notariellen die des Notars

mit Beifügung seines Amtssiegels, bei Urkunden der Verwaltungsbehörden die des Vorstehers der Behörde und des Justiziars derselben"), bei Ur­ kunden der Stadtbehörden die des Magistratsvorstehers"). 12) A.G.O. I. 10. §. 126. *) Strieth. B. 59. S. 280. ' 1S) Nol.Ord. v. 11. Juli 1845 (G.S. S. 487), sie ist der rhein-preußischen v. 25. April 1822 nachgebildet. — Ueber SotennüätS - und Beweiszeugen f. IHering in Jahrb f. Dogm. II. S. 293. Unger II. S. 132. Note 13 ") A.G O. I 10. §. 127. — Nach dein Edikt v 27. Juni 1811 § 9 haben die Licuationsverbandlungen, welche von Regierungsbeamten über Beräußeruug von Domänen "nd Forsten ausgenommen werben, die Kraft gerichtlicher Urkunden. Siehe Präj. des O.Tr. v. I. 1832 in der Sammt. B. 1. S. 319. 15) Das Wort „vollzogen" in §. 42. I. 3. §. 118. I. 5. 16) K.O. v. 31. Dezbr. 1825 gegen die Cession und ebenso die Einrede, daß bannt nicht beabsichtigt oder erreicht sei, das Eigenthum der cedirten Forderung auf den Cessionar wirklich zu übertragen, in­ sofern eS dabei gewöhnlich an einem Interesse auf Seiten des Schuldners gebricht, für diesen al« eine unstatthafte exe. de jure tertii, die er gegen die Klage des CessionarS zu erheben nicht befugt ist. Anders gestaltet sich jedoch, die Sache, wenn bei diesen Einwendungen ein eignes Interesse des Schuldners obwaltet (Entsch. B. 17. Seite 164). Vergl. dazu SeuffertV. 16., hier ist dem cessus gegen den Cessionar die Einrede deS mit dem Cedenten abgeschlossenen pactum de non cedendo versagt, weil dem cessus gegen den Cessionar nur solche Einwenduugen zustehen, die sich auf die Hauptforderung, nicht auf die Cession be­ ziehen. Striethorst B. 9. S. 1. ES ist nicht exc. de jure tertii, wenn zwei Cessiouarien, die von demselben Cedenten ihre Forderungen erworben haben, über die Simulation der einen der beiden Cessionen streiten. Striethorst B. 19. S. 95. Wenn die Ehefrau gegen den Dritten die aus dem Recht ihres Mannes entlehnte Einrede mangelnder Spezialvollmacht opponirt, so ist dies eine unstatthaste exc. de j. tert.

17) A L R. I. 11. §. 382. Ueber die Einreden des cessus gegen den Cessionar gegen das Hauptgeschäft Näheres in der Lehre v. d. Cession. ,8) 1. 7. §. 1. 1. 19. D. XLIV. 1. §. 310.1. 14. A.L.R.

19) Albrecht a. a. O. S. 124.170. Bayer, Vorträge Über den gern, ordentl. Civilproz. 8. A. S. 622. — Nach Entsch. B. 26. S. 243 fg. hat ein App.Ger. die Einrede, daß der Vertrag wegen veränderter Umstände aufzuheben sei, von AmtSwegen der Entscheidung zu Grunde gelegt! Für gemeines R. (Bezirk von Greifs­ wald) f. Striethorst B. 17. S. 317. Siehe unten §.57.

248

Erstes Buch.

Die Grundbegriffe.

den, wenn er exceptiones Juris, die während der Instruktion nicht ge­ rügt werden, zu bemerken glaubt, eine nähere Vernehmung der Parteien

darüber veranlassen foö20), hat das Obertribunal den Beschluß gefaßt: „Rechtseinwendungen im weiteren Sinn, welche den Klagegrund selbst be­

treffen, und mithin den Mangel deS Klagercchts an und für sich behaup­ ten, ist der Richter befugt, zur Vertheidigung des Beklagten bei der Ent­

scheidung des Prozesses von Amtswegen sofort geltend zu machen.

Eigent­

liche Rechtseinwenduugcn dagegen, welche" den Anspruch des Klägers durch

ein entgegenstehendcs selbständiges Recht deS Beklagten anfheben sollen, darf der Richter nur berücksichtigen, wenn er vorher die Vernehmung der Parteien über dieselben veranlaßt hat"Z'). Gegen diesen Satz ist folgen­

des zu erinnern: die Unterscheidung von RechtseinwendunWt im weiteren und eigentlichen Sinn ist unrichtig, jene gehören nicht zn den Einreden; es ist das Bestreiten der vom Kläger aufgestellten Rechtsansichten eine Art der Verneinung, und hier tritt allerdings die freie amtliche Prüfung des Richters, unabhängig davon, ob und wie sich der Beklagte nach dieser Richtung vertheidigt hat, ein. Sollte aber daS Obertribunal unter den Rechtseinwendungeu im weiteren Sinn, wie es dem Wortlaut nach scheint, auch die oben bezeichnete erste Klasse gemeint haben, die sich ans

die allgemeinen Voraussetzungen der Rechte beziehen, so ist es gewiß un­

richtig, dem Richter die Pflicht oder das Recht znzutheilen, dergleichen An­ griffe gegen die Klage dem Beklagten zu unterbreiten, für ihn geltend zu machen. Richtig ist nun zwar ferner, daß die eigentlichen RcchtSeinwendungen (also die dritte Klasse") nicht von Amtswegen berücksichtigt werden dürfen, aber fraglich ist eS, ob der Richter auch noch nach dem hentigen

Prozeß die Vernehmung der Parteien hierüber veranlassen muß, oder ob

er nicht lediglich das Vorbringen abzuwarten hat.

Dem Begriff der Ver­

theidigung und dem heutigen Prozeß entspricht nur düs letztere, und die Praxis verfährt auch überwiegend danach. Weil die Einrede Vertheidigung und zwar nur Vertheidigung ist,

wcßhalb sie auch immer nur die Abweisung deS Klägers erzielen kann, ist ihr Gebrauch gegenüber dem in der Klage liegenden Angriff be­

Dies drückt sich zunächst darin aus, daß die Häufung der Einreden gegen die Klage, selbst wenn sie sich unter einander widersprechen,

günstigt.

ungehindert ist, während in der Klage sich widersprechende Fundamente

nicht neben einander gestellt werden dürfen zz); sodann darin, daß dieselbe

“) A.G.O. I. 9. §. 11. Ueber diesen §. s. unten §. 57. ll) Entsch. SB. 7. S. 308. 22) Nemo pluribus exceptionibus uti prohibetur,. quamvis diversae sint. 1. 5. 8. D. XLIV. 1. 1. 43. pr. D. L. 17. Bayer S. 623. Die Regel wird von Heim­ bach, Rechtslex. III. S. 699. eingeschränkt: „auf civilrechtliche Einreden, die sich auf Thatsachen stützen, welche daö Klagerecht ipso jure ausheben, ist diese Regel

§. 53.

249

Die Einrede.

Einrede gegen verschiedene Klagen gleichzeitig opponirt werden kann ”). Nur

unzulässig ist es, das Recht gleichzeitig als Einrede und als Angriff (Klage) zu gebrauchen, dies hindert der Grundsatz der Litispendenz und die Regel, daß man nicht zweimal dasselbe erlangen darf. Selbst der successive Ge­ brauch der Einrede und Klage ist nur dann noch zulässig, wenn im ersten Rechtsstreit die Einrede nicht bewiesen, oder ihr Gegenstand über den Ge­

genstand der Klage hinanSging, also ein Mehr übrig geblieben war, für welches noch besondere BesriediguUg verlangt werden darf").

aber zeigt sich die Begünstigung

Endlich

des Gebrauchs der Einreden in dem

Grundsatz, daß, wer eine Einrede ausstellt, nicht als ein solcher angesehen werden darf, der den Klagegrund an sich eingeräumt habe: qui excipit,

non fatetur25 * *).26 * *27 *Der * 28 * 23Sinn 24 des Satzes ist bestritten, und bedarf jeden­ falls einer Einschränkung. Er besagt nur: durch die Einrede des Be­ klagten ist der Klagegrund selbst noch nicht zugestandcn.

Er sagt nicht:

Kläger darf die thatsächlichen Anführungen des Beklagten, aus die er seine

Einrede stützt, nicht für sich benutzen").

Vielmehr, wenn Beklagter aus

denselben Thatsachen, auf welche der Kläger seinen Anspruch stützt, eine

Einrede hergeleitet, so sind diese Thatsachen zugestanden"). Wenn der Beklagte die Klagethatsachen bestreitet, und eventuell eine Einrede beifügt, so darf ans dieser kein Geständniß der Klage hergeleitet werden. Hier hat die Regel iihre eigentliche Anwendung"). Wenn der Beklagte sich über die Klagethatsachen nicht auSläßt, seine Einrede auf andere That­ sachen basirt, so sind erstere nach gemeinem Prozeß nicht als zugestanden

zu erachten, und hier hat jene Regel ihre weitere Anwendung, der Kläger muß zunächst die Richtigkeit seiner Thatsachen beweisen, und erst, wenn

23) 24)

25) .

26)

27)

28)

deßhalb »ichl anwendbar, weil hier leicht ein Widerspruch zwischen den einzelnen VertheibigungSgründen eintreten kann." — Alternative ober successive Häufung sich schlechthin widersprechender Klagegrilude ist unzulässig; v B. kann eine Klage auf Nichtigkeit eines Testaments mcht daraus gestützt werden, daß der Testator eine untergeschobene Person sei, und zugleich event, daß er bei Errichtung des Testaments nicht bei Verstaube gewesen. Blätter f. RechtSanweub. in Baiern 1857 S. 398. Striethorst B. 9. S. 131. Seufsert B. 7. S. 354. Martin, Vorlesungen über gern. b. Civ.Proz. B. 1. S. 470. Koch, Civilproz. tz. 131. N. 5. und N. 10. Ueber die 1. 8. D. XVI. 2., welche eine scheinbare Aus­ nahme für die Einrede der Kompensation macht, s. Förster S-155. 1. 9 D. XL1V. 1. I. 43. pr. D. de R. J. 1. 9. C VIII. 36. c 6. X. II. 25. c. 63. Vito. V. 13. c. 2. Vito. II. 3. - Prenß. N. §. 60. I 10. §. 52. I. 23. Nr. 1. Ab. 2. A.G.O. Strieth. B. 51. S. 27.a. Weber, Beiträge z. L. v. b. gerichtl. Klagen und Einreden St^ 2. ) A.G.O. I. 32. §. 1.

Erste- Buch.

298

Die Grundbegriffe.

auch von germanistischen Anschauungen beeinflußt worden ist').

Es ge-

rieth sehr bald in große Unbestimmtheit und Allgemeinheit, und es ist da­ her hauptsächlich die Aufgabe der neueren Praxis und Theorie geworden,

cS wieder ans richtige Grenzen zurückzuführen.

Die Grundlage der Diffa­

mationsklage ist das „Berühmen," welches ein dem Kläger nachtheiliges

feilt muß 2 3), sei es, daß es seinen ökonomischen Kredit oder seine ökono­ mische Ehre zu beeinträchtigen geeignet ist. ES ist streitig, ob man^deß-

halb die Berühmung als Delikt, die Diffamationsklage also als actio ex delicto auffassen soll. Der neueste Schriftsteller 4) behauptet es, während andererseits in dieser Klage nur ein Kontumazialantrag, ein Antrag auf Ladung dessen, der sich deS Anspruchs berühmt, um ihn gerichtlich auszuführen,

gefnnden

wird5).

Die Verschiedenheit

dieser Ansichten

hat wichtige praktische Folgen: soll die Diffamationsklage als eine Pönal­ klage aufgefaßt werden, so ist sie weder aktiv noch passiv vererblich und jedenfalls unstatthaft, wenn das Berühmen unter Umständen geschieht, die das Moment des Sträflichen, des Unrechts, der absichtlichen Benachtheillgung ausschließen, z. B. wenn es bei Gelegenheit gerichtlicher Ver­

handlungen geschieht.

Auch hängt damit weiter zusammen, ob die Diffa­

mationsklage nur als ein subsidiäres Rechtsmittel zu erachten, was. sie nicht sein kann, wenn sie aus einem Delikt entspringt. An sich liegt im Berühmen, auch in einem dem Anderen nachtheiligen Berühmen nichts Dcliktartiges, dies könnte nur unter besonderen Umständen sich beimischen, und im preußischen Recht wird diese Natur der Klage nicht

angenommen werden dürfen, hier tritt sie vielmehr so allgemein auf, wie sie die damalige reichsgerichtliche Praxis gestaltet hatte6). Auch die heu­ tige Praxis neigt noch überwiegend dahin, die Klage nicht als Delikts­ klage aufzufassen 7),8 obschon in allen einzelnen Fragen sich großes Schwan­ ken verräth ’).

2) Muther S. 57 fg. Metzelt S. 67. 73. Note 56. Usualinterpretation der I. 5. C. VII. 14., die etwas ganz Anderes besagt. Koch 394. Seufsert B. 2. S. 443. Mnther S. 96 sg. 4) Muther S. 123. nach dem Vorgang von Mevius, decis. VIII. 234. N. 2. s) Metzelt S. 67 sg. 6) Hefster S. 258. Note 1. Entsch. B. 45. S. 464. ’) Arch. s. pralt. R.W. B. 9. S. 284. 8) Vererblichkeit s. Seufsert B. 6. S. 120. Dresden bejahet, s. Rechtspfl. u. Verwalt, in Sachsen N.F. B. 19. S. 452. Annalen II. 380. München ver­ neint , bei Seufsert B. 2. S. 299. Subsidiarität angenommen von Lübeck, Stuttgart, Kiel, Kassel, verneint in der sächsische» Praxis, welche elektive Konkur­ renz annimmt. Seufsert B. 3. S. 443. B. 5. S. 89. B. 6. S. 119. B. 9. S. 157. Wochenbl. s. merkwürdig« RechtSsälle in Sachsen 1857 S. 359. Heu­ ser, Annalen s. Kurheffen B. 1. S. 465. B. 5. S. 234. Die Praxis des Ä-G. Greifswald sieht die Diffam. «Klage als subsidiäres Rechtsmittel an. A. M.

§. 58.

b. Diffamation.

299

DaS Berühmen muß sich auf einen bestimmten Rechtsanspruck be­

ziehen °), es ist ein weiteres Verbreiten nicht erforderlich, wenn es nur zur Kenntniß des Diffamationsklägers gelangt ist'°). Es muß sich auf

Ansprüche beziehen, die ihrer Natur nach klagbar sind, und es wird dem Diffamanten, wenn er einen Anspruch behauptet hat, der im Rechtsweg

nicht verfolgbar ist, eine Einrede gegen die Diffamationsklage gestattet

werden müssen. Dagegen ist zur Begründung der Klage nicht erforderlich,

daß der Diffamat schon jetzt sein besseres Recht, sein Eigenthum an dem Objekt der Diffamation nachweise “). Ebenso aber hat der Diffamaut nicht hier einredeweise sein Recht auszuführen, er soll dies erst in besonderer Klage thun"). Bedingtheit oder Betagtheit des Anspruchs, dessen sich der Diffamant berühmt hat, hindert die Anstellung der Klage nicht, ist aber von Wichtigkeit für die dem Diffamanten zu stellende Frist "). Aus dem Begriff der Subsidiarität, die für daS preußische Recht behauptet werden muß, weil es diese Klage nicht als Deliktsklage auffaßt, folgt, daß die

Klage nicht statthaft ist, wenn dem Diffamaten eine andere zusteht;

dies tritt besonders bei der Negatorienklage hervor 14). Sie ist ferner gegen den Besitzer der Sache nustatthaftlä), weil dieser nicht in der Lage ist,

Muther S. 149. Gerichtliches Berühmen läßt als Klagegrund zu: Darmstadt Arch. f. prart. R.W. B. 9. S. 285. ®) Seuffert V. 12. S. 146. B. 18. Nr. 73. Ein Berühmen liegt nicht in der Eintragung einer Arreflprotestation auf ein Grundstück. Gruchot II. S. 461. Dagegen im Anstellen einer Klage, die wieder fallen gelassen worden, ohne betft Anspruch zu entsagen. Entsch. B. 23. S. 20. Die schon eingetrctene materielle Rechtskränkung ist nicht Requisit deS VeiühmenS. Entsch. B. 45. S. 464. Der Beschluß einer Verwaltungsbehörde, durch welche die Höhe des Defekts gegen einen Beainten festgesetzt wird, ist kein Berühmen. Stri ethorst B. 26. S. 256. ES ist nicht Berühmen, wenn ein Dritter gegen den Schuldner behauptet, er sei vom Gläubiger mit Einziehung der Schuld beauftragt. Der Gläubiger kann nicht provozireit, weil der Dritte keinen Rechtsanspruch an ihn behauptet. Heu­ ser kurh-ss. Annalen B. 1. S. 311. 10) Striethorst B. 33. S. 287. Heuser, kurhess. Annalen B. 5. S. 234. ") Entsch. B. 27. S. 87. Die A G.O. verlangt nur die „Angabe der Mittel," nm die Diffamation zu bescheinigen. Muther S. 162 fg. Eine Uebersicht der fak­ tischen Verhältnisse muß sich aus dem Vortrage ergeben. Wochenbl. f. merkw. R. N.F. VII. 263. 12) Dor dem I R A. ließ man solche Einrede als exceptio veritatis zu. Die neuere Praxis, mit Ausnahme der sächsischen, die bei der älteren Praxis stehen geblieben, ist dagegen. Wochenbl. für merkw. RechtSfälle 1857 S. 353. Mevius dec. III. 212. Bayer summarische Prozesse S. 135. Siehe Koch, schles. Arch, B. 6. S. 295. 13) SeuffertB.6.S.119. A. M. Muther S. 142. S. Koch S. 737. Note 10. Das A.G. Greifswald versagt in solchem Falle die Diffamationsklage, die Praxis des Obertribunals läßt sie jedoch zu (v. d. Lanken w. v. Harder 1854 und Weger w. Jahn 1852). ") Seufsert B. 9. S. 157. ») Striethorst B. 15. S. 328. B. 47. S. 349., auch bei RechtSbesttz.

Erstes Buch.

300

Die Grundbegriffe.

klagen zu müssen, da er bereits hat, was er beansprucht, sich dessen also

nicht bloß riihmt.

Nur wenn der Kläger besitzt oder der Besitzstand zwei­

felhaft oder streitig ist, kann die Diffamationsklage gebraucht werden Betrifft also das Verühmen ein dingliches Recht auf ein fremdes Grund­

stück, so muß sich der Diffamat im Besitz desselben befinden und diesen bei Anstellung der Klage bescheinigen "). Das darauf ergehende Urtheil entzieht dem Diffamanten, wenn er nicht innerhalb der Frist seinen An­ spruch gerichtlich durchführt *’), nicht bloß die Klage, sondern das Recht

selbst mit allen etwaigen Beirechten ”).

Die Diffamationsklage unter­

bricht nicht die Verjährung der Hauptklage, ist aber selbst der ordentlichen Verjährung von 30 Jahren unterworfen i0).

Die gemeinrechtliche Praxis hat ebenso durch Usualinterpretation 21) eine Klagaufforderung zur Erhaltung der dem Provokanten zustehendcn Einrede ausgebildet; auch diese ist in das preußische Recht übergegangen,

aber wenig praktisch, weil in dem Hanptfall ihrer Anwendung, daß der Bürge klagen rfann, um sich die Einrede der Reihenfolge (exceptio ordinis)

zu erhalten,

anderweitig für das Interesse deS Bürgen gesorgt ist22).

Ist die Einrede, die man zu verlieren fürchtet, von der Art, daß ihr In­ halt auch durch Klage geltend gemacht werden kann, so fehlt das Bedürf­ niß zur Klagaufforderung an den Gegner. . Das Urtheil schließt den An­

spruch des Provokaten so weit ans, als ihn die Einrede ihrem Umfang

nach beseitigen würde.

§. 59. 1.

c. Sonstige Gründe.

Durch den Tod des Berechtigten oder Verpflichteten geht das

Recht oder die Klage für den einen und gegen den anderen in der Regel nicht verloren. Die Regel: actiones heredibus competunt et in here-

des dantur ist im preußischen, wie im römischen Recht anerkannt. Nur die der Person deS Erblassers anhaftenden Rechte und Pflichten, welche von ihm selbst auSgeübt und erfüllt werden müssen, erlöschen mit seinem ") Wochenbl. f. merkw. Rechtssälle 1857 S. 360. *’) Franke im Arch. s. civil. Praxis B. 18. S. 224. Seusfert B. 12. S. 286. (Dagegen die Heidelberger Juristenfakultät, das.) I8_) Heuser, kurhess. Annalen B. 1. S. 636 *’) Muther S. 171 sg. 186 fg. Aber nicht die Verfolgung de« Anspruchs aus einem anderen Klazegrunde. Dresdner Annalen II. 146. Wer sich mehrerer Ansprüche berühmt hat, darf nicht bloß den einen klageweise verfolgen. Bl. s. R.Anw. B. 28. S. 46. Ewiges Stillschweigen B. 18. S. 74.

'«) Muther S. 160. “) Der 1. 28. D. XLVI. 1. M) Förster S. 217. A.L.R. 1.14. §. 316 fg.

§. 59.

c. Sonstige Gründe.

301

Tode, können also auch nicht von seinen Erben oder gegen seine Erben eingeklagt werden, so weit nicht in Geld zu schätzende Schadensansprüche

erwachsen sind, die der unbedingte Erbe vollständig, der Erbe mit Vor­

behalt mit den Kräften des Nachlasses zu tragen hat'). Auch in Betreff der Einreden bildet die Vererblichkeit die Regel, ausgenommen sind die­ jenigen, welche ihrer Natur nach so sehr der Person des Beklagten an­ gehören, daß ihr Uebergang auf eine andere Person nicht denkbar ist'), z. B. die jetzt sehr eingeschränkte3* )2 Einrede der Kompetenz, die Einrede deö Erlasses, der Fristbewilligung, wenn sie nur der Person des Schuld­

ners ertheilt ist. 2.

Die exceptio doli ist vererblich4).*

Die Einrede geht unter durch ihren Gebrauch, wenn sie die

Abweisung der Klage erzielt hat. Dagegen kann sie sowohl derselben Klage in der höheren Instanz als auch einer neuen Klage mit Erfolg entgegengesetzt werden,

wenn durch sie der Zweck der Abweisung nicht

erreicht worden ist.*). 3. Die Einrede geht unter durch Entsagung3).

Zur Giltigkeit

einer Entsagung gehört, daß sie nicht in unbestimmten allgemeinen Aus­

drücken sondern in der Art erklärt wird, daß daraus die Kenntniß des

Entsagenden vou dem, worauf er verzichtet, erhellet. Der allgemeine Ausdruck an sich entscheidet nicht, sondern es kommt darauf an, ob er einen genügenden Anhalt zur Annahme bietet, daß der Entsagende ge­ wußt habe, worauf er entsage. Einreden, die das Rechtsgeschäft von Anfang ungiltig machen, die auf ein absolut gebietendes Gesetz sich stützen, dürfen, nicht aufgegeben werden 6).7 8 Die giftige Entsagung ist unwider­

ruflich, und kann auch stillschweigend geschehen, indem man die Einrede

gegen den Klaganspruch nicht braucht') und dieselbe entweder die Ein­ auf den Prozeß betrifft, oder aus dem zur Klage gebrachten Sach- und Rechtsverhältniß entspringt3). Soweit ihr Inhalt däs Fun­ lassung

dament eines selbständigen Anspruchs bildet, geht die Einrede durch den ') A.G.O.1.1. §. 38. A.L R. I. 9. §. 360.-362. I. 17. §. 127. Eint. §. 102.103. Löwenberg in der jurist. Zeitung 1832 S. 394. 419. 443. 492. 510. 565. 2) Sa vigny B. 5. S 117. 204. Heimbach im Rechtölex. B. 3. S. 700. 3) Durch die Konknröordnung v. 1855 §. 434 fg. Koch Priv.R. I. S. 363. *) Bei Häuser VI. 374 ist angenommen, daß die Einrede noch später geltend ge­ macht werden kann, wenn sie der Richter im Erkenntniß mit Stillschweigen über­ gangen hat, falls nicht aus dem ausdrücklich Erkannten die Verwerfung der Ein­ rede rechtlich von selbst folge. B) A.L.R. I. 5. §. 193.-199. I. 16. §. 382.-386. 401. Gruchot I. S. 490. ®) A.G.O. II. 2. §. 52. Oben §. 29. ist für Zwang nur Anfechtbarkeit behauptet, diese ist aber auch Ungiltigkeit. §. 41. 7) A.L.R. I.16.Z.383. 8) Entsch. B. 22. S. 332.

Erstes Buch.

302

Die Grundbegriffe.

Nichtgebrauch nur als VerthcidigungSmittel in diesem Prozeß unter, kann

aber als Klage auch später noch geltend gemacht werden ’). 4. Endlich zur Strafe kann man die Einrede verlieren. DaS römische Recht entzieht die exceptio divisionis dem Bürgen, der die Bürgschaft leugnet ,0), dem Haussohn die exceptio SCti Macedoniani,

wenn er sich fälschlich für einen pater familias ausgcgeben "), die Ein­ rede der Zahlung dem, der den Empfang des DarlehnS leugnet '*), die exceptio beneficii competentiae dem,

der den

Geschäftsvertrag be­

streitet *3), die exceptio noxae dationis dem, der das Eigenthum am schädlichen Thier in Abrede nimmt u), endlich dem, der leugnet, daß er die Sache im eigenen Namen besitze, die Einrede gegen das Recht des Klägers 195). 10 16 * *Einiges ** davon ist in das preußische Recht übergegangen.

Wer seine Unterschrift fälschlich leugnet, verliert alle Einwendungen, die ihm sonst gegen die Schuldforderung zugestanden hätten "). Wer den

Empfang des Darlehns vorsätzlich leugnet und dessen überführt wird, soll mit der Einrede der Zahlung nicht gehört werden ").

§.60.

6. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

A.L.R. I. 9. §. 52. 55. §. 531. —534. 537.-540. 594. 633. I. 14. §. 172.-177. Suarez, Schlugrev. S. 192. Gruchot B. 7. S. 441. Heydemann II. 180. sg. Bornemanu I. S. 210. II. S. 61 sg. Koch, Pr.N. II. S. 243. v. Daniel« IV. S. 206. 211.222. Alls der sehr reichen gemeinrechtlichen Litteratur: Savi'gnh B. 7. §. 315—343. Wächter II. S. 834. Unger II. S. 692. Wind­ scheid I. S. 296 fg. Sinteniö I. §. 36. Die Hauptmonographie ist Burchardi, die Lehre v. d. W. in den v. St- 1831.

Die Rechtswohlthat der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welche bewirken soll, daß ein unverschuldet erlittener Rechtsnachtheil durch Anordnung des Richters wieder beseitigt werde, hat ihre im Gebiet des

9) Entsch. B. 22. S. 332. B. 47. S. 352. Striethorst B. 42. S. 80. Seuffert B. 10. S. 127. 10) 1. 10. §. l.D.XLVL 1. ") 1. 1. C. IV. 28. 12) Nov. 18. c. 8. ls) 1.67. §.3. D. XVII. 1. u) 1. 21. §. 2. D. IX. 4. 1.1. §. 15. D. IX. 1. 15) 1. 2. C. III. 19. 16) A.L.R. 1.11. § 743. ") A.G.O. I. 23. §. 52.

Dagegen

§. 60.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

303

gemeinen Rechts große Wichtigkeit im preußischen fast ganz verloren. Nur ein kleiner Rest des Instituts ist hier übrig geblieben.

a. Wenn der Richter unter Verabsäumung der ihm obliegenden Pflicht, nach dem Eigenthümer einer gefundenen Sache zu forschen, den Zuschlag dem Finder oder der Ortsarmenkasse ertheilt, so muß er den

Verlierer wieder in den vorigen Stand setzen.

b.

Gegen den Ablauf der Verjährung werden restitnirt und zwar

innerhalb vier Jahren nach gehobenem Hinderniß, welche Frist auch den Erben und selbst den minderjährigen Erben des Berechtigten nicht ver­ längert wird:

wer von seinem Recht nicht hat unterrichtet sein können,

wer in Gebrauch und Verfolgung seines Rechts gehindert gewesen *), wem das rechtliche Gehör" versagt worden; insbesondere Minderjährige,

Wahn- und Blödsinnige, Taubstumme, der Fiskus, die Kirchen und die

mit

diesen

gleichberechtigten

Korporationen.

Ueberall

ist

erforderlich,

daß die Verjährung noch während obwaltenden Hindernisses sich voll­ endet hat ’). Die Rechtswohlthat kann im Wege der Klage oder Ein­

rede, aber sie muß auch nachgesucht werden '), sie bezieht sich nicht auf die kürzeren Verjährungsfristen (Ges. v. 31. März 1838) 4 * ). 2 3 Dem Minderjährigen steht die Restitution auch dann zu, wenn es sich nm einen

Anspruch desselben an seinen eigenen

Vater handelt,

während

sonst die unter väterlicher Gewalt stehenden Minderjährigen davon aus­ geschlossen sind 5). Als ein solcher, der gehindert gewesen ist, sein Recht zu gebrauchen oder zu verfolgen, ist auch der Eigenthümer einer in Nieß­ brauch weggegebenen Sache zu erachten °), aber derjenige wird nicht restituirt, der von dem Besitz und Anspruch des Verjährenden unterrichtet und im Laufe der Verjährung im Stande gewesen, das ihm entgegen­

stehende Hinderniß zu beseitigen ’).

Weder der Fiskus noch die anderen

ihm gleichstehenden Korporationen können gegen solche Handlungen ihrer

Vertreter, Bevollmächtigten, Verwalter, welche diese vermöge ihres Am­ tes oder Auftrags und innerhalb der Grenzen derselben vorgenommen

*) Nicht dessen Singularnachfolger, wenn ihn nicht anch das Hinderniß getroffen. App.Ger. Hamm bei Gruchot B. 7. S. 442. 2) Entsch. B. 19. S. 134. 3) Entsch. B. 22. S. 9. Striethorst B. 13. S. 182. Gruchot SB. 7. S. 441. *) Entsch. B. 23. S. 104. SB. 14. S. 209. SB. 50. S. 100. Strieth. B. 4. S. 115. Heydemann S. 186. sg. §. 11. de« Ges. v. 18. Juni 1840 (Gesetzs. S. 142). Deutsches Hand.G.B. Art. 149. •) Entsch. SB. 28. S. 75. Präj. 307. Sammt. I. S. 37. °) Entsch. B. 15. S. 113. ’) Entsch. SB. 8. S. 258.

304

Erstes Buch.

Die Grundbegriffe.

haben, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fordern. Nur in Prozessen kommt ihnen die Wohlthat zu, wenn sie durch Fristversäumniß einen Nachtheil erlitten haben. Davon ist die Rechtsmittelfrist ausge­ schlossen ’). 8) Siehe hierüber Entsch. B. 18. S. 464.

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Erster Theil.

Die persönlichen Rechte oder die Lehre von den Schuld­ verhältnissen. ALR. I. 2. §. 122.-124.1. 5. 6.11.13. 14.16. Bornemann B. 2. S. 167. B. 3. S. 1. v. Daniels B. 2. S. 295. B. 3. S. 159. B. 4. S. 3. Koch, Privatrecht

B. 2. S. 1. Besonders: Koch, das Recht der Forderungen nach gemeinem und nach preußischem Recht, 3 Bände. 1. A 1836—1843. 2 A. (nach der hier citirt wird) 1858. 59. — Bucker, daS Recht der Forderungen 1. B. 2. A. 1830 (1. A. 1815). Unterh olzner, quellenmäßige Zusammenstellung der Lehre deö römi­ schen RechtS von den Schuldverhältnissen. 2 Bände. 1840. v. Savigny, daS Obligationenrecht als Theil des heutigen römischen Rechts. 2 Bände. 1851. 1853. — Bangerow B. 3. Arndts S. 315. Sintenis B.2. Seuffert B. 2 (von der 4. A. bis jetzt erst die 1. Abtheil., enth. die allgemeinen Lehren). Keller, S. 428. — Windscheid, (2. A.) Band 2. — Zachariä (Anschütz), sranzös, Civ.R. B. 2. S. 212.

Erstes Hauptstück.

SD t e Grundlehren. Erster Abschnitt.

§. 61.

Der Begriff nnb die Arten.

Brinr, kritische Blätter civilistischen Inhalt«. Heft 3. 1853. S. 3. Delbrück, die Uebernahme fremder Schulden nach gemeinem und preußischem Recht. 1853. Ein* leitung. Derselbe in der Zeitschrift für deutsches Recht B. 15. S. 134. Kuntze, die Obligation und die Singularsuccession des römischen und heutigen Rechts. 1856. S. 1—18. Unger, österr. Privatr. B. 1. S. 539—553. Koller in der österr. Bierteljahrschr. B. 15. S. 121. Ziebarth, Realexekution und Obligation, 1866. S. 22. f.

Das Gebiet der persönlichen Rechte, der Obligationen, zeigt hente am wenigsten ein noch unvermitteltes Nebeneinander römischer und Wenn man deßhalb behauptet, daß das römische

deutscher Elemente.

20*

308

Zweites Buch.

Die besonderen Piivatrechte.

Recht hier zur ausschließlichen Herrschaft gelangt ist, so erklärt sich dies dadurch, daß dieses Rechtsgebiet fehler innersten Natur nach den Charakter

der Allgemeinheit hat, am wenigsten von nationalen und lokalen Eigen­ thümlichkeiten bedingt ist.

Der weit ansgebrcitete römische Verkehr hatte

diese Allgemeinheit am vollständigsten entwickelt und diese Entwicklung bot bei der Reception einen so außerordentlichen Reichthum des feinsten Details,

daß das einheiinische, damals noch durch keinen Weltverkehr ausgebildete Recht dem Nichts entgegensetzen konnte, was geeignet gewesen wäre. Wi­ derstand zu leisten oder zunächst auch nur erhebliche Modifikationen zu bewirken')? Aber man darf diese Herrschaft des römischen Obligationen­

rechts nicht so auffasscn, als sei es unverändert geblieben.

Nicht bloß,

was.ihm noch NationalrömischeS anhaftcte, ist abgestoßen, nicht bloß ist

es durch neue, für den heutigen Verkehr unentbehrliche und höchst ein­ flußreiche Institute vermehrt — es hat sich auch die Grundanschanung des Wesens der Obligation im heutigen Recht erheblich verändert. Die nach­ folgenden Erörterungen werden dies vielfach nachzuweisen haben'). Man muß Kuntze Recht geben, wenn er sagt, daß kaum in irgend

einem Theile deS Privatrechts sich das Bedürfniß, einen fertigen und durch­ sichtigen Grundbegriff als Ausgangspunkt zu haben, so geltend macht, als im Obligationenrecht, weil nirgends so sehr, wie hier, die volle Strenge der juristischen Konsequenz die Herrschaft behauptet. DaS persönliche Recht bildet die Klasse der relativen Privatrechte (§. 18.). Sein Begriff und sein Gegensatz znm dinglichen Recht im All­ meinen ist §. 23. angedeutet.

Hier bedarf es der näheren Ausführung. Nach zwei Seiten muß und kann nur die Person für ihre Endlichkeit und Bedingtheit Ergänzung suchen, um ihre äußeren Lebenszwecke zu er­ reichen, nach der Seite der willenlosen Gegenstände (der Sachen) und nach der Seile der anderen neben ihr wollenden Menschen.

Indem sie

diese zwiefache Ergänzung erreicht und dadurch ihr Selbst erweitert, er­ langt sie eine Macht, die ihr in ihrer natürlichen Einzelheit nicht zukommt, sie hat Vermögen.

Soweit die Ergänzung in den Sachen zu suchen ist,

werden diese unmittelbar und vollständig von der Person ergriffen, von ihrem Willen durchdrungen. So weit die Ergänzung in dem Willen an­ derer Menschen zu suchen ist, muß die Person denselben ihren Zwecken

unterwerfen; sie bindet ihn und beansprucht von ihm eine Thätigkeit, deren

Erfolg die erstrebte Ergänzung darstellt. Aber die Unterwerfung des fremden Willens ist keine Unterwerfung der ganzen Persönlichkeit; diese

*) Gerber, deutsch. Pr.R. 8. A. S. 381 sg. Charakteristisch für die geringe Ent­ wicklung des deutschen Oblig.R. im Mittelalter ist Richlsteig Landrecht c. 6. Unter dem Wort schuld wurde sehr Verschiedenes zusammengefaßt. l) Del brück in der kritischen Ueber sch au'III. S. 125fg. Bluntschli, deutsches Privatrecht, 3. A., besorgt von Dahn, 1864. §. 109.110. S- 318fg.

§ 61.

Der Begriff und die Arten ihrer Obligationen.

309

bewahrt vielmehr ihre Freiheit nicht allein in allen von dieser Thätigkeit

abliegenden Richtungen, sondern auch darin, daß sie sich für diesen be­

stimmten Zweck unterwerfen will.

Durch daS Recht auf die Sache und

durch das Recht auf den Willen anderer Personen bestimmt und erschöpft sich die äußere Rechtssphäre des Individuums:

durch jenes erlangt rS

eine unmittelbare, durch dieses eine mittelbare Ergänzung seines Ver­ mögens. Diese Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit bestimmt daS systematische

Verhältniß beider Theile des Vermögensrechts. Sie sind nicht koordinirt, sie verhalten sich vielmehr wie das Mittel zum Zweck, und dieser Ge­ sichtspunkt hat im A.L.R., welches den, Obligationen eine selbständige ab­

neben stimmten Ausdruck "erhalten. geschlossene Stellung

dem Sachenrecht nicht einräumt, einen be­ Nur die große Mannichfaltigkeit der einzelnen

persönlichen Rechte, der Reichthum und die Wichtigkeit der hierauf sich be­

ziehenden Rcchtsregeln gebietet, daß ihnen die Bedeutung eines besonderen

Theils im System eingeräumt werde. Weil nun aber die persönlichen Rechte nur Mittel sind, so erhalten sie nothwendig einen vorübergehenden, wechselnden Charakter. Der Wille kann nicht bleibend dem Willen unterworfen sein.

Diese Rechtsverhält­ nisse bilden recht eigentlich den Verkehr, „die fortgesetzte Verbindung der Menschen durch wechselseitige Leistungen"'), und stellen den Prozeß des

Werdens, des Veränderns der Vermögenslage dar,

im Gegensatz zum

Sachenrecht, welches das stetig gewordene, das bleibende Vermögen aus­ drückt. Dieser Gegensatz des Werdens und Seins, der Bewegung und Abgeschlossenheit motivirt zugleich, daß die Darstellung des Obligationen­

rechts der des Sachenrechts vorangeschickt wird. Das römische Recht hat den Begriff der Obligation bis zu seiner höchsten und feinsten Abstraktion emporgehoben: obligatio est Juris vinculum . . ., obligationum substantia non in eo consistit, ut aliquod Corpus nostrum aut servitutem nostram faciat, sed ut alium nobis obstringat ad dandum

aliquid vel faciendum, vel praestandum6).

Sie ist ein Band, das zwei an sich selbständige Willen verknüpft, indem

der eine dem andern mit rechtlicher Nothwendigkeit

unterworfen wird.

zu einer Handlung

Das Wort umfaßt beide Seiten des Verhältnisses:

nicht bloß der unterworfene Wille ist obligirt, beide sind aneinander ge­ bunden,, jeder ist unterwerfend und unterworfen zugleich.

Es ist bekannt, daß die deutsche Sprache kein-Wort bietet, welches ebenso wie obligatio dieses gegenseitige Gebundensein ansdrückt.

Dieses ist keine zufällige Er­

scheinung, vielmehr das Zeichen eines anderen Standpunktes5). Die deutsche

8) Roscher, Nationalökonomie, 4. A. 1861. S. 2. Pr. J. III, 13. I. 3. pr. D. XLIV, 7. ’) Siehe hierüber besonders Delbrück in der Eiul. z. Uebernahme fr. Schulden.

Zweites Buch.

310

Di« besonderen Privatrechte.

Rechtsanschanung läßt den Begriff der Obligation als eines rein idealen Bandes, eines Verhältnisses von Willen zu Willen auf sich beruhen, sie erhebt sich nicht bis zu dieser abstrakten Höhe; dagegen sind ihr von ent­ scheidender Bedeutung die in die Erscheinung tretenden realen Wirkungen dieses Verhältnisses, wonach der eine Wille unterwirft, der andere unter-

.worfen wird, jener berechtigt, dieser verpflichtet ist.

Die Forderung

nnd die Schuld, zusammen die Obligation darstellend, aus ihr sich er­

zeugend, werden in ihrem objektiven Dasein ersaßt,

Während im römi­

schen Recht die subjektive Seite überwog, entwickelten sich daraus eigen­

thümliche Schwierigkeiten in allen den Fällen, wo diese subjektive Seite eine Aenderung erleiden sollte. Die Obligation war so unlösbar an die Person gebunden, daß sie nicht ein freies Verkehrsobjekt werden konnte. Man mußte Umwege betreten, um dies zu erreichen. Indem das deutsche Recht die objektive Seite betonte, vermied es solche Schwierigkeiten, For­ derung und Schuld kamen in den Verkehr wie Sachen. Die moderne RechtSauffassnng hat beide Standpunkte erfaßt und in Verbindung gesetzt.

Sie verkennt nicht das subjektive Element, welches bestimmend für den

Begriff und die Entstehung ist, aber sw verkennt auch nicht die objektive Seite, welche bedentungsvoll für Ken praktischen Gebrauch der entstandenen Obligation ist.

Erst dadurch ist eS gelungen, die Obligationen zu den

leichtesten und dehnbarsten Verkehrsmitteln zu machen. Das A.L.R. — in welchem sich deutsche Ideen nicht bloß durch die

Aufnahme nationaler Rechtsinstitute, sondern oft auch in der systematischen Stellung nnd der Gestaltung einzelner Rechte kundgeben — entbehrt eben­ falls eines der obligatio entsprechenden GesammtworteS. Es spricht von „persönlichen Rechten und Verbindlichkeiten", und zeigt hierdurch, daß e« sich mehr der deutschrcchtlichen Anschauung hingegcben hat. Gleichwohl kann die wissenschaftliche Betrachtung für den Begriff auch den bezeichnen­ den Ausdruck nicht entbehren, und wenn man das fremde Wort Obligation vermeiden will, erscheint als am meisten geeignet das neuerdings gebrauchte Wort Schuldverhältniß, weil eS am wenigsten einseitig die Berech­ tigung oder Berpflichtnng betont. Bis in die neuere Zeit ist man im Wesentlichen einverstanden ge­

wesen über die Definitionsformel.

Schuldverhältnisse sind privatrechtliche

Verhältnisse, sagt Unterholzner, in Folge deren Jemand verpflichtet ist, einem Andern etwas zu leisten, was dem Vermögen desselben zu Gute kommen soll. Damit stimmen die Gesetzbücher überein6). Wenn das A.L.R.

•) Code Nap. desinirt nicht die Obligation, sondern nur den Vertrag. Das österr. G.B. §. 859. bezeichnet die Obligationen al» „persönliche Sachenrechte, vermöge welcher eine Person einer andern zu einer Leistung verbunden ist." Der Ausdruck persönliches Sachenrecht entspricht dem jus ad rem, der Begriff der Obligation wird dadurch nicht erschöpft. DaS siichs. G.B. §. 662. sagt: „Forderungen sind

§. 61.

Der Begriff und die Arten der Obligation.

311

sagt: das persönliche Recht enthält die Befugniß, von dem Verpflichteten

zu fordern, daß er etwas geben, leisten, verstatten, oder'unterlassen soll, so ist dies zwar weniger prägnant, aber doch dem Sinne nach dasselbe. Neuerdings ist der Definition von Savignh und Puchta eine etwas andere Wendung gegeben worden, die Widerspruch erfahren hat. Ersterer bezeichnet die Obligation als die Herrschaft über einzelne Handlungen einer fremden Person, die als aus ihrer Freiheit ausscheidend und unserem Willen unterworfen gedacht werden müssen.

Letzterer nennt Obligation

das Rechtsverhältniß, vermöge dessen eine Person ein Recht an einer

Beide scheinen die Person des Handelnden zn vergessen und indem sie den Blick ans die Handlung richten, dieser ein Handlung einer anderen hat.

von der Person losgelöstes, objektives Dasein geben zu wollen.

Die „aus der Freiheit ausgeschiedene Handlung" kann doch kanm anders gedacht werden. Es wird hier verwechselt der Inhalt und der Gegenstand des Rechts.

Die Definition soll den Inhalt angeben: dieser ist bei der Obli­

gation die Beherrschung oder Unterwerfung deS Willens einer Person, der Gegenstand ist die Leistung. Die Handlung kann nicht beherrscht, auf sie kann eine Macht nicht auSgeübt werden, nur auf den Willen, der sie hervorbringen soll'). Richtiger sagt daher Unger, die Obligation sei das Recht auf eine Handlung°) (ut aliquid fiat) und damit stimmt auch

daS A.L.R. „die Befugniß, zu fordern, daß er thue." Das A.L.R. stellt aber neben diese allgemeine Definition noch eine engere: insofern dergleichen persönliches Recht das Geben oder die Ge­ währung einer bestimmten Sache zum Gegenstand hat, wird es ein Recht zur Sache genannt. Dies ist M jus ad rem des kanonischen Rechtö, wo eö die Berechtigung eines Pfründners auf eine noch nicht erledigte

aber ihm schon zugewiesene Pfründe bedeutet').

Auch hier trifft man

wieder aus eine unnöthige Verallgemeinerung eines in bestimmter Anwen­

dung gebrauchten Begriffs *°). Wichtiger aber ist die Frage, nach welchen sonstigen EintheilungS-

gründen sich die Obligation in Arten verzweigt.

DaS neue Recht er­

kennt als solche EintheilungSgründe nur Entstehung und Wirkung an; waS

Rechtverhältnisse, vermöge deren eine Person, der Gläubiger, aus eine einen Ver. ' mögenSwerth in sich schließende Leistung, Handlung oder Unterlassung, einer anderen Person, des Schuldners, berechtigt ist." Recht schwerfällig. Der bairische Entwurf v. 1861 Art. 1. „Ein Schuldverhältniß (Forderung, Verbindlichkeit) ist das Rechtsverhältniß zwischen zwei Personen, vermöge dessen die eine (der Gläubiger) von der anderen (dem Schuldner) eine bestimmte Leistung zu fordern berechtigt ist," 7) Brinz, kritische Blätter H. 3. S. 3f. Dagegen zwar Kuntze a. a. O. S. 4f. und gegen ihn wieder sein Rec. Better in der kritischen Zeitschr. B. 3. S. 450. 8) Unger a. a. O. S. 543. Windscheid, Actio. S. 156.

•) S. oben S. 117. Note 8. C. 40. in Vito III, 4; c. 8 in Vito III, 7. 10) Schon Cocceji ist dagegen aufgetreten. S. H ugo, civilist. Magazin B. 4. S. 34.40.

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

312

im römischen Recht sonst von Wichtigkeit war, die Eintheilung nach den verschiedenen Rechtsquellcn, tritt hent zurück. Nach der Wirkung theilen sich die Obligationen in solche mit voller

Wirksamkeit und solche mit beschränkter Wirksamkeit; nach der Entstehung

sind sie entweder als durch Rechtszustände oder durch Rechtsgeschäfte oder durch Rechtswidrigkeiteu hervorgerufen zu unterscheiden. Von letzterer Eintheilung wird später ausführlich gehandelt werden, sie ist die bei weitem wichtigste.

Hier aber ist gleich der Unterscheidung der Obligation von voller und beschränkter Wirksamkeit genauer zu gedenken. Für das preußische Recht hat diese Erörterung nicht den gleichen Werth, wie für daS gemeine Recht"). Die eigentliche Wirkung des Schuldverhältnisses ist die Klage, durch

die der verpflichtete Wille zur Leistung gezwungen werden kann ").

So

sehr gehört die Klage zur Obligation, daß beide identisch genannt werden Kann die letztere z. B. durch Aufrechnung, fällige Wirkungen, die von dagegen ist der Obligation müssen.

auch auf andere Art geltend gemacht werden, Abtretung u. s. w., so sind dies doch nur zu­

äußeren Voraussetzungen abhängen. Die Klage nothwendig und erschöpft immer ihren Inhalt,

selbst wenn sie sich nur ans einen Theil des Gegenstandes richtet. Nun finden sich aber in den römischen Rechtsqucllen obligatorische Verhältnisse erwähnt, denen diese nothwendige Eigenschaft des KlagerechtS nicht bei­ wohnt: theils versagt sie ihnen das positive Recht, theils hemmt es sie durch Einrede. Und doch sind solche Verhältnisse nicht ohne jede Wirkung,

und weil sie noch eine solche besitzen, können fit' aus der Reihe der Obli­ gationen nicht gestrichen werden. Die quellenmäßige Bezeichnung ist dafür naturales obligationes, tantum naturales obligationes. Man

hat sich von jeher vielfach mit der Frage beschäftigt: aus welcher RechtS-

*') Ueber obligatio naturalis: Weber, systemat. Entwicht. der Lehre v. d. natürlichen Verbindlichkeiten. 5. A. 1825. Büchel, civilr. Erörter. B. 1. N. 1. B. 2. N. 1. 1832. 1836. Wächter, Erörter. H. 3. N. 14. Unterholzner I. S. 11—16. Savigny I. S. 22—231 (über hentigeS und preust. Recht S. 123). Scheurl in der (Heidelberger) kritischen Zeitschr. B 1. S. 505 und in JheriugS Jahrb. B. 7. S. 318. Erxleben, die condictiones sine causa. I. S. 118. B rinz, kritische Blätter, H. 3. S. 12. v. Keller, die naturalis oblig. pupilli und Bekker, über die Naturalobligationen, in dessen und Muthers Jahrbuch SB. 4. S. 372. 386. S chwan ert, die Naturalobligation des römischen R. 1861. Dazu die Rczens. v. Scheurl in der krit. BJSchr. B. 6. S. 489 Sintenis II. S.6. Note 9. Windscheid II. §. 287. S. 103. — Für preuß. R. A.L.R. §.85 86. Einl. §. 155.156. I, 5. §. 578. I, 11. §. 676. I, 11. §. 243. 411.1, 14. §. 178. 179. 184.1,16. §. 97. 98.1, 20. §. 138. II, 2. §. 23. II, 3. Schröter, civilist. Versuche, S. 161. Göschel, zerstreute Blätter I. 446f. Heydem. I. S. 127. Koch Pr.R. II. S. 4. R. d. F. I. S. 15. Daniel« II. S. 295. 296. — Oesterr. Ges.B. §. 1432. Code a. 1235. Zachariä II. S. 213. --) Brinz Pand. I. S. 536fg. Schwanert S. 1. In 1. 9. §.3. D. XII, 2.1. 2. §. 8. D. XVIII, 4. 1, 5. §. 1. D. XIX, 5. ist obligatio und actio synonym ge­ braucht.

§. 61.

Der Begriff imb die Sitten der Obligation.

313

quelle die Naturalobligation entspringe und dies zngleich als AusgangSpnnkt für die Feststellung ihres Begriffs, der Fälle ihres Vorkommens und ihrer Wirkungen gemacht"). Der Name naturalis obligatio erschien als die Bezeichnung einer allgemeinen Klasse von Obligationen, als einer beson­

deren Art neben der civilis, und zugleich schien er auf einen Zusammen­ hang mit dem jus naturale oder jus gentium als Gegensatz zum posi­ tiven Civilrecht hinzudeuten.

So hat man von den Zeiten des AccursinS

bis auf Savignh herab die Quelle für die Naturalobligation in einem Gebiete aufgesucht, welches neben dem jus civile liegen sollte, und nur

die wechselnde Auffassung von der Beschaffenheit dieses Gebiets unterschied die einzelnen Theorien. Zuerst sollte cs die naturalis ratio sein, die sich

besonders im jus gentium geltend mache, und der natürlichen Billigkeit entspreche.

Die eine Klasse von Obligationen sollte in dieser Quelle ihren

Ursprung haben, eine andere in dem davon verschieden gedachten Civilrecht,

eine dritte ans beiden Quellen stammen. civiles, mixtae.

So unterschied man naturales,

Aber die ersteren waren wieder entweder mit der Eigen­

schaft zur Klage versehen, wenn sie diese Anerkennung im positiven Recht

gefunden, oder es war ihnen die Klage entzogen und zwar dies wieder in doppelter Weise. Das positive Recht mißbilligte entweder die Obligation ganz und aahm ihr jede Wirksamkeit, nicht bloß die Klage, oder eS ver­ sagte ihr nur diese, ließ ihr aber die übrigen Wirknngen, namentlich die Zurückbehaltung des Gezahlten. Diese letztere Klasse ist nun die eigent­ liche Naturalobligation, die in der Mitte schwebt zwischen der vollgiltigen und der ungiltigen (obligatio nulla). Die Bestimmung, was eigentlich

der naturalis ratio oder dem jus naturale entspreche, welche Verbindlich­

keiten dieses neben denen des Civilrechts erzeugen könne, war ebenso schwankend, wie der Begriff der naturalis ratio an sich ist. Man gerieth so weit, daß man auch die vom Rechtsgebict ganz abliegenden Gewissens­

pflichten dazu rechnete, Moral und Recht vermischte").

Dann kam die

Schule des philosophischen Naturrechts, welche vom Ende des vorigen

bis in dieses Jahrhundert die Theorie beherrscht hat. Weber ist ihr vornehmster Repräsentant. In seinem Werk über die natürlichen Ver­

bindlichkeiten geht er zwar auch davon ans, daß die Quelle außerhalb des positiven Rechtsgebiets liege, und er findet sie im Naturrecht, aber er be­ kämpft doch darin die ältere Theorie mit Glück, daß er ihren Satz: die natürliche Verbindlichkeit sei an sich klaglos, falls ihr nicht das Civilrecht die Klage ausdrücklich verstattet habe, verwirft und den umgekehrten Satz

aufstellt, die natürliche Verbindlichkeit sei an sich vollkommen wirksam,

") Schwanert S. 7fg. §. 2-5. M) Schwanert S, 10.11. Note 11. Diese Vermischung hat nicht erst dar Na« turrecht verschuldet, sic findet sich schon bei den älteren Praktikern.

Die besonderen Privatrechte.

314

Zweites Buch.

falls nicht das

Civilrecht ihre Wirksamkeit ausdrücklich

einschränke'8).

Aber die alte naturalis ratio und das neuere Naturrecht waren in glei­ cher Weise ungreifbare, schwankende Begriffe. Was für Verbindlichkeiten konnten nicht daraus hergeleitet werden, wo war die Grenze, bei welcher man aufhören mußte, Verbindlichkeiten anzunehmen? Darum war es auch vergeblich, wenn Weber die Gewissenspflichten von den natürlichen

Zwangspflichten schied und jene vom Rechtsgebiet ausgeschlossen wissen toottte16), denn die Grenze zwischen Moral und Recht war noch nicht ge­

funden.

Auch die dann folgende Theorie, so sehr sie immer gegen das

Naturrecht ankämpfte, verblieb in dem Fehler, die Quelle außerhalb des positiven Rechts zu suchen, sie minderte ihn dadurch, daß sie das jus gentium auch als ein positives Rechtsgebiet ausah, aber bestimmter wurde

dadurch der Begriff des jus gentium nicht. Darum ist in der neuesten Zeit aufgegeben werden, die 'Naturalobligation aus einer besonderen Quelle

herzuleiten; höchstens kann eine solche Untersuchung ein historisches In* teresse gewähren, die dogmatische Erörterung des Instituts gewinnt da­ durch nichts l7). In Wahrheit ist die Naturalobligation an sich ebenso eine wirkliche positiv rechtliche Obligation, wie die civile, sie ist keine beson­

dere, anders woher kommende Art von Obligationen; dasi ihr die Klage versagt ist, hat in jedem einzelnen Fall besondere Gründe, die auf kein allgemeines Prinzip zurnckgeführt werden dürfen; daß ihr nicht die an­

deren Wirkungen entzogen sind, hat meist seinen Grund in einer Billig­ keit, deren Rechtfertigung auch nur im eiuzelnen Fall liegtl8). Die Na­ turalobligation ist — wie eS Brin z in einer scharfen Formel ausdrückt —

klaglos aber zahlbar "), d. h. sie kann freiwillig erfüllt werden und man kann ihre Erfüllung indirekt sichern. Daraus folgt, daß, wenn sie erfüllt worden, dieß nicht mehr widerrufen werden darf. Als Wir15) ") 17) 18)

Weber S. 109 fg. §. 43. Weber S. 176. 392 f. Scheurl a. a. O. S.502. Brinz, Schwanert. Briuz, krit. Bl. H. 3. S. 45. Daß der obligatio naturalis nicht eine allge­ meine Theorie, die in alle» einzelnen Fällen ihre volle Anwendung finde, zu Grunde liege, daß vielmehr die Wirkungen oder Eigenschaften derselben in ein­ zelnen Fällen verschiedene sein können, hat besonders Keller in Bekker's und Muth er'S Iahrb. B. 4. S. 372, bes. S. 380 s. klar dargethan und nur, wenn man den Begriff einer oblig. natur, als einen abgeschlossenen, gewissermaßen als eine Schablone, fallen läßt, kann man die viel bestrittene oblig. nat. pupilli rich­ tig verstehen. Sie ist in Beziehung ans den Pupillen völlig wirkungslos, weder durch Klage noch durch Einrede kann sie gegen ihn geltend gemacht werden; so­ weit hat sie eine geringere Wirksamkeit als andere Naturalobligationen. Aber Dritte können ihre Erfüllung sichern, der Pupill selbst kann sie nach erreichter Großjährigkeit gutheißen, auch kann sie durch nachträgliche tutoris auctoritas wirksam werden. ' So weit ist sie also doch einer Wirlung fähig, und deßhalb kann sie auch als naturalis oblig. aufgesaßt werden.

19) A. a. O. S. 48. Note.

Aber dies ist nur die Regel, nicht ohne Ausnahme, s. vorige

§. 61.

Der Begriff und die Arten der Obligation.

315

kungen der Naturalobligation erscheinen also im gemeinen Recht die Er­ füllung durch Zahlung, so daß das Gezahlte nicht znrUckgefordert werden kgnn (solutum non repetere)20), durch Aufrechnung mit anderen For­

derungen"),

durch Novation22),

und

die Sicherung

ihrer Erfüllung

durch accessorische Obligationen (Bürgschaft, Anerkenntniß, Pfand)22). Daß eS dergleichen nicht voll aber doch noch etwas wirksame Schnldverhältnisse giebt, hat einen zwiefachen Grund. In allen Fällen

ist eilte wirkliche Obligation abgeschlossen, bekleidet mit ihren wesent­

lichen Eigenschaften; theils aber hastet ihr von ihrer Entstehung eitr

innerer Mangel an, der stark genug wirkt, nm sie nicht erzwingbar zu machen, aber doch nicht stark genug, um das Substantielle der Obliga­

tion als nicht daseiend auffassen zu lassen (fehlende persönliche Fähigkeit, fehlende Form); theils sind hinterher Ereignisse eingetreten, welche im Stande sind, die gerichtliche Erzwingbarkeit zn beseitigen, ohne doch eine wirkliche Tilgung herbeigeführt zu haben (Verjährung, rechtskräftige Ab­

weisung)2').

In allen diesen Fällen führte aber die Rücksicht auf Billig­

keit dazu, die freiwillige Erfüllung der Obligation als zulässig erscheinen

zu lassen. Von diesen Fällen sind nun im neuesten Recht einige beseitigt, an­ dere bestritten und im Verschwinden begriffen. Beseitigt die Naturalobli­ gation aus dem iiudum pactum, weil allgemein jetzt der formlose Ver­ trag klagbar ist; beseitigt die Naturalobligation der Sklaven. Bestritten

sind in ihrer heutigen Anwendbarkeit die von der Klagverjährung und der rechtskräftigen Freisprechung übrig gelassene Naturalobligation, und die des Pupillen, der ohne Beitritt des Vormundes sich verpflichtet hat.

Im preußischen Recht finden sich einzelne Andeutungen von dem, was im gemeinen Recht als Naturalobligation vorkommt, nnd zwar der damaligen Theorie entsprechend, die Moral und Recht nicht schied. Ein vollkommenes Recht" ist daö,

ist22).

was durch Klage

und Einrede geschützt

Es giebt also auch unvollkommene Rechte, denen nur diese Wir­

kung entzogen ist.

ES findet sich der Ausdruck:

„bloße moralische Ver-

20) S. die Stellen bei Savigny S. 47- Note f. g. ->) 1. 6. v. XVI, 2. M) I. 1. tz. 1. ü XLVI, 2. §. 3. J. III, 29. 1S) Bürgschaft: (. Savigny S. 49. Note m. Anerkenntniß (constitutum): 1.1. §.7. D. XIII, 5. Pfand: I. 5. pr. D. XX, 1. I. 13. pr. D. XII, 6. I. 11. §. 3. D. XIII, 7. “) Hierher gehört insbesondere auch der Fall, wenn der Gläubiger Erbe seines Schuldners geworden und gezwungen war anzulreten, gleich daraus aber die ganze Erb­ schaft an einen Dritten herausgeben mußte: er wäre sonst durch den gezwungenen Antritt nnr um seine Forderung gekommen“) A L.R. eint. §. 86.

Zweite» Buch.

316

Die besonderen Privatrechte.

bindlichkeit" 2‘), „unvollkommene Pflicht""), „natürliche Pflicht""). Eine

richtige Praxis wird hierunter nicht die s. g. Liebes- oder Gewissenspflich­ ten begreifen, sondern als Voraussetzung annehmen, daß die unvollkommene

Obligation doch immer an sich einen rechtlichen Charakter haben, daß Aber von den übrig geblie­ benen römisch rechtlichen Fällen erkennt das A.L.R. keinen an. Die Ob­ sie ein „unvollkommenes Recht" sein muß.

ligation des Haussohnes, des Ulimündigcn ist nichtig, die Klagverjährung, das Recht

die unrichtige rechtskräftige Abweisung eines Klägers lassen

gänzlich erlöschen. Nichts von einer Naturalobligation ist in diesen Fällen übrig. Dagegen läßt sich der mündlich abgeschlossene Vertrag, welcher

schriftlicher Form bedurft hätte, zwar nicht allgemein, aber doch in zwei

Fällen unter den.Gesichtspunkt einer Naturalobligation bringen,

insofern

ihn die Erfüllung sichert, wenn sein Gegenstand eine bewegliche Sache ge­ wesen, oder wenn er von dem Verpflichteten selbst nur wegen der feh­

lenden Form mit Erfolg angefochten worden *’), denn grade hier, wie bei der Naturalobligation, bewirkt die Rücksicht auf die natürliche Billigkeit die Nachgiebigkeit gegen die realen Verhältnisse, und hier, wie bei der Natu­ ralobligation, äußert sich die Wirkung in der Zurückbehaltung der Zah­ lung, also in dem Ausschluß des Rückforderungsrechts. Ueherdieß macht das A.L.R. von dieser Wirkung noch andere, zum Theil vom römischen

Recht abweichende Anwendungen.

Zunächst mit diesem übereinstimmend

bei der anö Irrthum geleisteten Zahlung, wenn wenigstens eine morali­

sche Verbindlichkeit dafür nachgewicsen werden kann. Sodann bei der ge­ zahlten Spielschuld, wo das römische Recht die Zahlllng widerrufen läßt, bei der erfüllten unkräftigen Fraucnbürgschaft, während das Vellejauische Senatuskonsult anch hier die soluti retentio nicht gelten läßt. Dagegen sind die anderen Wirkungen der Naturalobligation, durch welche indirekt ihre Erfüllung herbeigeführt oder gesichert werden kann, vom A.L.R. nicht

beibehalten.

Gegenrechnung ist ausgeschlossen").

Wie man 8.377.1,16.

zum Beweis hat hcranziehen können, daß eine verjährte und unverjährte Forderung sich kompensiren, die erstere also als Naturalobligation wirke, ist unbegreiflich.

Zur Zeit des Eintritts der Kompensation, die von selbst

wirkt, darf keine der beiden Forderungen verjährt sein. Novation darf zwar nicht deßhalb angefochten werden, weil die alte Forderung nicht

rechtsbeständig gewesen"): aber nach neuerem Recht ist Novation etwas “) §. 178. II16. §. 178.1, 16. *») § 23. II, 3. *») I, 5. §. 146.147. I, 16. §. 184. . Savigny. Obl.R. I. S. 129.130. ’•) 1,16. §.342. „was er mit Recht zu fordern hat." ») I, 16. §. 467. 468.

§. 61,

Der Begriff und die Arten der Obligation.

317

wesentlich anderes, sie ist ein neu begründender Konsensualvertrag, der der Obligation eine neue und selbständige materielle causa giebt und eS folgt daher ans dieser, nicht aus einer Nachwirkung der aufgehobenen

Obligation der Ausschluß

der Anfechtung").

Bürgschaft für ungiltige

Forderungen ist nicht zugelassen und wenn die Ungiltigkeit der Haupt­

schuld ans der persönlichen Eigenschaft des Schuldners hervorgeht, so ver­ eine naturalis obligatio, der Bürge haftet

stärkt nicht die Bürgschaft

vielmehr als Selbstschuldner"). Pfand für einen ungiltigen Anspruch ist ohne Wirkung"). Endlich Anerkenntnis; einer ungiltigen Schuld wird als wirksam angesehen, wenn es selbst als neuer Vertrag gelten kann"). Es muß also Heydemann darin beigetrcten werden, daß ge­

nur

nau genommen die Ausschließung der Rückforderung geleisteter Zahlung (die soluti retentio) die einzige Wirkung der moralischen Verbindlichkeit

oder der Naturalobligation nach preußischem Recht ist, und wenn Christiansen") gewiß Unrecht hat, für das gemeine Recht die Be­

hauptung aufzustellen, die Naturalobligation werde immer nur als bereits erfüllt in Betracht gezogen: für das preußische Recht kann dies in der That behauptet werden. Die Entwicklung der naturalis obligatio ist übrigens keine fort-, sondern eine rückschreitende; auch die anderen neueren Gesetzgebungen")

haben sie nur in verkümmerter Gestalt ausgenommen und je mehr im positiven Recht die Verwirklichung der Einheit von Recht und Billigkeit

zunimmt, desto weniger wird Veranlassung sein, eine derartige Ausglei­ chung beider festzuhalten. Vom rechtsgeschichtlichen Standpunkt aus mag man die Schöpfung der Naturalobligation durch die römische Jurispru­ denz als ein neues Zeugniß ihres praktischen Geschicks und Scharfsinns ’*) Vgl. unten §. 97. ”) 1, 14. - 251. 254. 34) I, 20. §. 12. 97. 3i) I, 5. §. 185. 180- Oben S. 191. 30) Zur Lehre tt. b. natur, oblig. 1844. bei Schwan ert S. 62f. Sinkenis II. S. 6. Note 9. ”) Ueber beu Code art. 1235. s. Savigny S. 127. Zaehariä a. a. O. II. S. 213. Note 1. Das österr. Ges. B. § 1432. lägt ,,Zahlungen einer verjährten Schuld, oder einer solchen, die nur au« Mangel der Förmlichkeit ungiltig ist, oder zu deren Eintreibung das Gesetz nut das Klagerecht versagt, ebenso wenig znrücksordern, als wenn Jemand eine Zahlung leistet, von der er weiß, daß er ste nicht schuldig ist." Sicherung der Eisitllnng einer natur, oblig. durch Bürgschaft ist §. 1351. versagt, ebenso durch Pfandrecht §. 449., durch Kompensation §. 1439. Daffelbe scheint bei der Novation angenommen werden zu müssen. Verjährung läßt nach §. 1449. keine Naturalobligation zurück, obschon die Bezahlung der verjährten Schuld »ach 8.1432. nicht koiidizirt werden dars. — Nach dem sächs. Ges.B. §. 1519. ist die Rückforderung der Leistung wegen Nichtschuld nur auf den Irrthum gestellt, die Einrede der Naturalobligation ist nicht zugelasseu. Nur Zahlung einer verjähr­ ten Forderung bleibt bei Krast (§. 1522.), obschon auch hier Verjährung das Erlöschen der Forderung bewirkt G§. 1016.), eine Naturalobligation also nicht übrig bleibt.

318

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

bewundern ") — ein nothwendiger Bestandtheil im System des heutigen

Rechts ist sie nicht mehr").

Zweiter Abschnitt.

Die

persönliche

§. 62. SinteniS II. S. 17. R. d. F. II. S. 1.

Theilnahme.

Gläubiger und Schuldner.

Vangerow III. S. 65.

Unlerholzner I. S. 173.

Koch

Aus dem Begriff des Schuldverhältnisses folgt zunächst, daß es ein

Rechtsverhältniß zwischen „gewissen" Personen

ist').

Hierdurch unter­

scheidet es sich vom dinglichen Recht, bei welchem die berechtigte Person Dieses Ver­ hältniß zwischen gewissen Personen ist das der Berechtigung und Verpflich­ tung. Der Berechtigte, der sich den Willen des Andern zu seinem Vor­

allen übrigen, also keiner bestimmten Person gegenübersteht.

theil unterwirft, heißt Gläubiger, der Verpflichtete Schuldner. Wenn das A.L.R. sagt: „wozu gewisse Personen befugt oder verpflichtet sind,"

so- ist dies ungenau ausgedrückt, denn dies Oder kann hier nicht trennen, insofern Beides, Befugniß und Verpflichtung zusammengehören. Im neue­ ren Recht, in welchem jede Person auch rechtsfähig ist, kann jede Gläu­ biger oder Schuldner sein.

Doch mnß auch Handlungsfähigkeit vorhanden

sein, um selbständig in solche Rechtsverhältnisse eintreten zu können. Bei welchen Personen die Handlungsfähigkeit aus allgemeinen theils natürlichen

theils gesetzlichen Gründen beschränkt ist, ist §. 26. erörtert. ES treten hierzu noch einige Beschränkungen, die gewisse Personen für gewisse Ge­ schäfte treffen: diese werden in der Lehre von den Verträgen zur Sprache kommen. Der einfachste Fall ist, daß sich Gläubiger und Schuldner in der Art

gegenüberstehen, daß jener nur berechtigt, dieser nur verpflichtet ist — einseitige Schuldverhältnisse, z. B. Ersatzanspruch aus widerrechtlicher Beschädigung (Delikt), Schenkung. Aber das Verhältniß kann sich mannichfach kompliziren.

Zunächst können sich Berechtigung und Verpflichtung

kreuzen: jede Person ist Gläubiger und Schuldner zugleich — es ist zu leisten auf Gegenleistung — zweiseitige oder gegenseitige Schuldver-

’•) Kuntze in Schlelter'S Jahrb. B. 5. S. 1. ”) Windscheid, die Actio, Abwehr gegen Muther. 1857. S. 22. *) A.L.R. I, 2. §. 122. Entsch. B. 4. S. 197. Koch, Beurth. S. 246.

318

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

bewundern ") — ein nothwendiger Bestandtheil im System des heutigen

Rechts ist sie nicht mehr").

Zweiter Abschnitt.

Die

persönliche

§. 62. SinteniS II. S. 17. R. d. F. II. S. 1.

Theilnahme.

Gläubiger und Schuldner.

Vangerow III. S. 65.

Unlerholzner I. S. 173.

Koch

Aus dem Begriff des Schuldverhältnisses folgt zunächst, daß es ein

Rechtsverhältniß zwischen „gewissen" Personen

ist').

Hierdurch unter­

scheidet es sich vom dinglichen Recht, bei welchem die berechtigte Person Dieses Ver­ hältniß zwischen gewissen Personen ist das der Berechtigung und Verpflich­ tung. Der Berechtigte, der sich den Willen des Andern zu seinem Vor­

allen übrigen, also keiner bestimmten Person gegenübersteht.

theil unterwirft, heißt Gläubiger, der Verpflichtete Schuldner. Wenn das A.L.R. sagt: „wozu gewisse Personen befugt oder verpflichtet sind,"

so- ist dies ungenau ausgedrückt, denn dies Oder kann hier nicht trennen, insofern Beides, Befugniß und Verpflichtung zusammengehören. Im neue­ ren Recht, in welchem jede Person auch rechtsfähig ist, kann jede Gläu­ biger oder Schuldner sein.

Doch mnß auch Handlungsfähigkeit vorhanden

sein, um selbständig in solche Rechtsverhältnisse eintreten zu können. Bei welchen Personen die Handlungsfähigkeit aus allgemeinen theils natürlichen

theils gesetzlichen Gründen beschränkt ist, ist §. 26. erörtert. ES treten hierzu noch einige Beschränkungen, die gewisse Personen für gewisse Ge­ schäfte treffen: diese werden in der Lehre von den Verträgen zur Sprache kommen. Der einfachste Fall ist, daß sich Gläubiger und Schuldner in der Art

gegenüberstehen, daß jener nur berechtigt, dieser nur verpflichtet ist — einseitige Schuldverhältnisse, z. B. Ersatzanspruch aus widerrechtlicher Beschädigung (Delikt), Schenkung. Aber das Verhältniß kann sich mannichfach kompliziren.

Zunächst können sich Berechtigung und Verpflichtung

kreuzen: jede Person ist Gläubiger und Schuldner zugleich — es ist zu leisten auf Gegenleistung — zweiseitige oder gegenseitige Schuldver-

’•) Kuntze in Schlelter'S Jahrb. B. 5. S. 1. ”) Windscheid, die Actio, Abwehr gegen Muther. 1857. S. 22. *) A.L.R. I, 2. §. 122. Entsch. B. 4. S. 197. Koch, Beurth. S. 246.

§. 62. hältnisse, z. B. Kauf.

Gläubiger und Schuldner.

319

Von diesen wird noch als eine besondere Art die­

jenige Klasse von Schuldverhältnissen unterschieden, bei denen die Gegen­ leistung nicht im Wesen des Geschäfts begründet ist, sondern nur aus äußeren Gründen oder zufällig hinzntritt — zufällig zweiseitige, z. B. Vollmachtsauftrag, Leihe, Hinterlegung.

In allen diesen Fällen stehen sich

nur zwei Personen gegenüber.^ Sodann kann auf Mer "Seite oder auf beiden Seiten eine Mehrheit

von Personen am Schuldverhältniß betheiligt sein, und dies wieder auf

sehr verschiedene Art.

Die Einseitigkeit und Zweiseitigkeit der Obligation

wird dadurch nicht geändert, daß mehrere Personen zusammen die Gläu­

biger, mehrere zusammen die Schuldner sind, denn die Berechtigung und Verpflichtung liegt entweder je auf der einen Seite oder auf beiden. Aber es kommt hier in Frage, ob die Einheit des Schuldverhältnisses bewahrt bleibt, oder ob sich dasselbe theilt, ob die mehreren Gläubiger jeder die

ganze Leistung oder nur einen Antheil daran zu fordern haben, ob die mehreren Schuldner jeder das Ganze oder nur einen Theil leisten müssen. Es entstehen folgende Möglichkeiten: das Schuldverhältniß theilt sich in mehrere Berechtigungen oder mehrere Verpflichtungen, jeder Gläubiger hat nur einen Antheil an der Berechtigung, als eigne Forderung, jeder Schuld­

ner nur einen Theil der Leistung zu erfüllen; oder das Schuldverhältniß trennt sich in mehrere selbständige Forderungen

und Verpflichtungen,

von denen jede neben der anderen das Ganze umfaßt; oder endlich das

Schuldverhältniß verbleibt ungetrennt oder nngetheilt in seiner Einheit, es bezieht sich nur auf mehrere Gläubiger oder mehrere Schuldner, so daß zwar jeder das Ganze zu fordern oder zu leiste» hat, aber das Ganze nur einmal geleistet werden darf, mithin die Leistung deö einen Schuld­ ners als Tilgung des ganzen Schuldverhältnisses wirkt, die Befriedigung

des einen Gläubigers die Forderung der anderen Gläubiger ausschließt. Auch hier wieder lassen sich Verschiedenheiten denken, weil die Beziehung

deö Schuldverhältnisses auf die einzelnen Teilnehmer eine verschiedene sein kann. Diese Beziehung ist 1. eine ungleiche: zwar soll dieselbe Leistung jeder Gläubiger zu fordern berechtigt, jeder Schuldner zu gewäh­

ren verpflichtet sein, aber die Forderung oder Verpflichtung entspringt bei Jedem ans einem selbständigen, abgesonderten Rechtsgrunde: z. B. wenn

Mehrere ein Haus bewohnen, aus dem etwas herabgeworfen worden, so erhält der dadurch Beschädigte eine Forderung gegen jeden, indem jeder selbständig als Beschadiger angesehen wird — aber wenn der eine gezahlt hat, werden die anderen befreit'); wenn Mehrere, jeder besonders, den B. beauftragt haben, dem C. Kredit zu geben, so haftet jeder der Mandatoren aus seinem eignen Auftrag, aber jeder von ihnen wird befreit s) 1.1. §. 10. 1. 23. D. XIX, 3.

Zweites Buch.

320

Die besonderen Privatrechte.

durch die Deckung, die der eine von ihnen dem B. gegeben hat ’). Ferner

ist eS eine ungleiche Beziehung derselben Verpflichtung auf Mehrere, wenn der Eine zunächst und hauptsächlich, der Andere erst hinterher und aus­ und Bärge.

hilfsweise zur Leistung verpflichtet ist — Hauptschuldner

2. Die Beziehung desselben SchuldverhältnisseS

auf Mehrere

ist eine

gleiche, wenn jeder Gläubiger dasselbe auS demselben Nechtsgrunde zu fordern, jeder Schuldner ans demselben Rechtsgrunde dasselbe zu leisten hat. Diese Gleichheit der persönlichen Beziehung wird dadurch nicht auf­

gehoben, daß der eine Schuldner nur bedingt oder mit einer Orts- oder Zeitbestimmung verpflichtet ist4). Hier ist ein Gesammtschvidverhältniß in seiner Vollendung vorhanden. Wenn eine Mehrheit von Personen in einem Schuldverhältniß betheiligt ist, so ist nach römischem Recht Regel, daß das Schuldverhältniß sich theilt, die Bewahrung seiner Einheit muß besonders begründet sein.

Der Satz nomina ipso jure divisa — im Erbrecht von besonderer Wich­ tigkeit — ist ein allgemeiner ^).

gesetzte Grundsatz gutgeheißen.

Im preußischen Recht ist der entgegen­ Wenn die mehreren Theilnehmer vertrags­

mäßig zusammengetreten sind, so soll die Gesammtschuld vermuthet, die

Theilung muß also ausdrücklich festgesetzt werden °). Wie ans dem Schlnß-

revisionsvortrag von Suarez zu ersehen, ist diese Abweichung von der Theorie des gemeinen Rechts eine absichtliche, weil man annahm, daß die Theilbärkeit der Obligation wider die Natur der Sache sei, und dem In­ teresse des Gläubigers widerspreche, der grade in der ungetheilten Be­ ziehung der Forderung auf mehrere Schuldner seine Sicherheit finde'). Da hier, wie häufig bei der Bearbeitung des A.L.R., die s. g. Natur der

Sache den Ausschlag gegeben hat, unter dieser Natur der Sache sich aber oft weniger ein Raisonnement der Redaktoren als ein Fortwirken dentschrechtlicher Anschauungen zeigt, so fragt sich, ob etwa das ältere deutsche

Recht dieser Richtung gefolgt ist. Ihm sind Gesammtschuldverhältnisse nicht unbekannt gewesen, das Versprechen zu gesannyter Hand hatte nicht geringe Bedeutung. Aber die neueren germanistischen Forschungen haben ergeben, daß auch im deutschen Recht die Theilung der Schuld unter die

mehreren Verpflichteten als die Regel, die Verpflichtung jedes Einzelnen aufs Ganze als die durch besondere Verabredung zu begründende Aus­

nahme angesehen worden ist").^Suarez ist daher hier nur seiner eigenen

=) «) «) «) ’) 8)

1. 52. §. 3. D. XLVI, 1. I. 7. I. 9. §. 2. D. XLV, 2. 1. 11. §. 1. 3. D. XLV, 2. A.L R. 1,5. §. 424.450. Bergt. 1,6. §. 30. 1,17. §. 127.151. Jahrb. B. 41. S. 6. Stobbe, deutsches VerlragSrecht, S. 142 f. 146 a. E. 174 f.

§. 63.

Gesamintgläubiger und Gesammtschuldner.

321

Reflexion gefolgt, und die Art, wie er seine Ansicht begründet, zeigt nicht allein, daß er vom bisherigen Recht hat abweichen wollen, sondern auch, daß er es mißverstanden hat.

Denn mag auch zugegeben werden, daß die

Einheit der Verpflichtung im Interesse des Gläubigers liege, weil er nun nicht genöthigt ist, jedem Schuldner antheilweise nachzugehen, so folgt doch daraus in keiner Weise, daß diese Einheit vermuthet werden muß, sondern nur, daß es dem Gläubiger freizulassen ist, sich eine solche Einheit der

Haftung auszubedingen.

Indessen tritt auf Seiten der Verpflichtung das

Unhaltbare dieser Vermuthung nicht hervor, denn es ist ja den Schuld­ nern unbenommen, sich dagegen durch Verabredung der Theilung zu schützen.

Völlig verkehrt aber ist eS, wenn man die Untheilbarkeit der Berechtigung

anfstellt, denn diese erzeugt unerträgliche praktische Schwierigkeiten, und

deßhalb drängt auch das Bedürfniß des Verkehrs, so gut eS gehen will, davon loszukommen').

Die rechtliche Natur des Gesammtschuldverhält-

nisses nach seinen beiden Arten als Gesammtberechtigung und Gesammt-

verpflichtung muß noch näher erörtert werden.

§. 63. Gesammtgliiubiger' und Gesammtschuldner. AL.R. I, 5. § 424—453. I, 6. §. 29—32. Suarez, Schlußrevis. bei v. Kamptz Jahrb. B. 41. S. 6. Gruchot III. S. 288s. Heydem. I. S 280f. Bornem.il. §. 170-172. v. Daniels II. S. 314. Koch, Pr. R. S. 121— 127, R. d. Ford. II. S. 5—49. Veraltet und unbedeutend ist Rubo: Einiges über Correaloblig. in Kampy Jahrb. B. 20. S. 3. Neuere: v. Krawall über das Wesen der Korr. Obl. bei Gruchot B.3. S. 10f. Wienstein, die paisive Corr.Obl. bei Gruchot B. 6. S. 475. — Keller, LitiSkvntestation und Urtheil S. 411—454. Ribben­ trop, jut Lehre v. d. Corr. Obl. 1831. Üntsrholzner, Schuldverh. 184071. S. 173 f. v. Savigny, Obl. R. B. 1. 1851. S. 136—295 (über preuß. R. S. 289). Dazu: Bcinz, kritische Blätter. H. 4. 1853. Girtanner, die Bürgschast, 1850. 1851. S.74—79. 397—402. 568. Rückert in der Zeitjchr. s. C.R. u. Pr. N. F. B. 12. S. 1. 1854. Kuntze, die Obltg. u. Sing. Succ. 1856. S. 115f. Helmolt, die Korr.Obl. 1857. Fitting, die Natur der Korr.Obl. 1859. Win dscheid in der kritischen Ueberschau B. 6. 1859. S. 209. Fritz in der Zeitschr. f. Civ.R. u. Proz. N. F. B. 17". S. 145. B. 18. S. 355. B. 19. S. 55. Samhaber, z. Lehre v. d. Korrealobl. 1861 (Uber preuß. R. S. 201). Baron, die GesammtrechMerhältnisse im tönt R. 1864. S. 205—391. Siebenhaar, Correalobligationen nach römischem, gemeinem, sächsitchem Recht. 1867. 68. — Längerem 6. A. III. S. 67f. SinteniS, 2. A. II. S. 122. Windscheid n. §.293. S. 125f. — Für deutsches R. Slobbe zur Gesch. des deutschen Ver­ tragsrechts. 1855. S. 145 f. — Zachariä (Anschütz) II. S. 215.

Die rechtliche Konstruktion des GesammtschuldverhältnisseS hatte zur Zeit der Redaktion des A.L.R. noch wenig die Aufmerksamkeit der Civilisten angeregt.

Man faßte ohne Unterscheidung die Fälle, in denen dieselbe

*) Siehe Gruchot B. 3. S. 298. 343f. Förster, Preuß. Privatrecht. I. 2. Aust.

322

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Forderung oder dieselbe Schuld Mehrerer aus einer Obligation stammte,

mit denen zusammen, wo verschiedene Obligationen dieselbe Leistung er­ ES ist daher erklärlich, daß auch das A.L.R. eine solche Unter­ scheidung nicht macht'). Die Unterscheidung des Begriffs beginnt mit Hasse'). Nach ihm steht der Einheit der Berechtigung eine Mehrheit zeugten.

von Verpflichtungen, der Einheit der Verpflichtung eine Mehrheit von Be­

rechtigungen gegenüber: eS ist eine Abweichung von der Regel, daß ge­ wöhnlich einem Recht nur eine Verbindlichkeit und umgekehrt entsprechen könne.

Nach dieser Vorstellung soll so zu sagen aus der Einheit die Mehr­

heit der persönlichen Beziehungen wie ein Bündel Strahlen auslaufen.

Aber damit ist für die Erkenntniß wenig gewonnen, eS ist nur die äußere Erscheinung erfaßt, weder die Denkbarkeit einer solchen Verbindung von

Einheit und Mehrheit nachgewiesen noch auch eine Unterscheidung der viel­ fachen Gestaltungen solcher Verhältnisse erlangt.

Keller stellte zuerst die

Formel auf, die bis heut maßgebend geblieben: der objektive Bestand der Obligation sei zu unterscheiden von ihrer subjektiven Beziehung. Von diesem Standpunkt lehrte sodann Ribbentrop, daß die Fälle, wo

die Substanz der Obligation, d. h. ihr RechtSgrund und ihr Inhalt, als einheitlich gedacht werde, und zu dieser einen Obligation mehrere Sub­ jekte berechtigt oder verpflichtet seien, von den Fällen unterschieden werden müßten, in denen zwar auch mehrere Personen zu derselben Leistung be­

rechtigt oder verpflichtet, diese Leistung aber aus verschiedenen Rechtsgrün­ den entspringe. Dort ist Einheit der Obligation mit Mehrheit der per­ persönlichen Beziehung, hier sind so viele selbständige Obligationen, als be­

rechtigte oder verpflichtete Personen.

So wurde der Unterschied festgestellt

von Korrealität und einfacher,Solidarität.

Diese-r Unterschied fin­

det seine Bestätigung nicht nur in sehr bestimmten umb unzweideutigen

Aussprüchen der Quellen'), sondern auch darin, daß eS einerseits Tilgungs­ arten giebt, welche, ohne wirkliche Befriedigung des Gläubigers herbeizu­ führen und obschon sie nur zwischen dem Gläubiger und einem Schuld­ ner oder zwischen dem Schuldner und einem Gläubiger eingetreten sind,

dennoch die ganze Obligation vernichten, die übrigen Schuldner also be­ freien, den übrigen Gläubigern die Forderung nehmen; andererseits aber auch Akte, deren Zweck die Erhaltung der Obligation ist, gegen Einen aus-

•) Dies geht aus Snarez Schlnßrevision hervor. Jahrb. B. 41. S. 5. 2) Beiträge zur Revision der bisherigen Theorie v. d. Gütergemeinschaft. 1808. S. 47. 48. Note 1. Ueber ihn s. Ribbentrop S. 17fg.

•) 1. 3. §. 1. D. XLV. 2. „quum una sit obligatio • 1. 16. pr. D. XLVI, 4. „ejusdem. obligationis participibus.** 1.116. do V. O. duo rei ejusdem obligationis. 1. 14. D. XLVI, 8. ejusdem obligationis socius. 1. 34. §. 1. D. XLV1, 3. obli­ gatio communis. 1. 1. §. 8. D. XL1V, 7. 1. 9. pr. D. II, 14. u. a. m. SamHaber S. 83.

§. 63.

Gesammtgläubiger und Gesammtschuldner.

geübt, gegen Alle wirken.

323

Jenes tritt ein Bei Acceptilation, Novation,

dieses bei der Unterbrechung der Klagverjährung'). Daß daneben Tilgungsarten, die nicht den objektiven Be­ stand, sondern nur die subjektive Beziehung treffen (persona exstinguitur),

Litiskontestation, Urtheil^);

wie Konfusion, capitis deminutio, Nachlaßvertrag mit einem Schuldner °),

nicht die Obligation vernichten, sondern sie in Betreff der von diesem Ereigniß nicht berührten Theilnehmer fortbestehen lassen, zeigte sich nicht als Widerspruch, sondern vielmehr als Unterstützung dieser Theorie, die

seitdem

als die herrschende Meinung bestanden und

Savignh ihren Abschluß erhalten hat.

Opposition erwacht, indem es als logisch

besonders

durch

Dagegen ist aber neuerdings undenkbar bezeichnet wurde,

daß eine einheitliche Obligation eine mehrfache subjektive Beziehung er­ leide. Der Mehrheit der Subjekte müsse nothwendig eine Mehrheit der Obligationen entsprechen 7).

Diese Theorie will also die Unterscheidung

von Korrealität und Solidarität wieder beseitigen und letztere allein zum Merkmal des GesammtschuldverhältnisseS erheben. Es ist dies keine Rückkehr zur früheren Lehre, denn wenn auch diese zwischen beiden Ar­ ten nicht untersschied, so verkannte sie die bloße Solidarität und schob sie unter die Kornealität’). Den Quellenzeugnissen und den sonstigen Be­ weisen für die herrschende Meinung gegenüber hilft sich die neuere An­

sicht durch sehr gezwungene Erklärungen, denen nicht einmal „der Werth

eines Nothbehelfs"') zugestanden werden kanm

Wo von una, eadem

plurium obligatio u. s. w. die Rede ist, soll nicht das Schuldverhältniß selbst, sondern sein Gegenstand, id quod in Obligation« est10), oder

die die Obligation begründende Thatsache, der Verpflichtungsakt"), zu

verstehen sein. Daß einzelne Tilgungsarten objektiv wirken, obschon der Gläubiger nicht befriedigt worden und obschon die Thatsache sich nur zwischen dem Gläubiger und einem Schnldner oder dem Schuldner und *) Acceptilation- I. 2. D. XLV, 2. 1. 13. h. 12. D XLVI, 4. 1. 16. pr. eod. Novation: 1. 31. §. 1. D. XLVI, 2. 1. 27. pr. D. II> 14. 1. 8. §. 11. 1. 20. D. XVI, 1. Litiskontestation: 1. 2.16. D. XLV, 2. 1. 5. D. XLVI, 1. 1. 31. §. 1. D. XLVI, 2. 1. 116. D. de V. O. Ueber die Wirkung des Urtheils ans Korrealverhältnisse enthält da« corpus Juris keine Entscheidung, weil schon die vorangehende LtliSko». testation die Tilgung der Obligation herbeisührte. S. Savigny I. S. 189. Ribbentrop S. 262. •) 1. 5. C. VIII, 40. Die Stellen, die Koch, R. d. F. S. 34. Note 19. citirt, passen nicht. Aus der gemeinrechtlichen Praxi» Heuser, Annal. IX. S. 735. •) Konfusion: 1. 71. D. XLVI, 1. Capitis deminutio: 1. 19. D. XLV, 2. Nachlaß, vertrag: 1. 27. pr. D. II, 14. 1. 1. C. II, 4. *) Helmolt, Rückert, Kuntze. Sinteni» II. S. 122. Note 10. tritt im Wesent­ liche» dem Ersteren bei. e) Winbscheid Rec. S. 210. •) Winbscheid a. a. O. S.212. -°) Kuntze S. 161. 162. Rückert S.5f. **) Kuntze S. 163. 164.

Zweites Buch.

324 einem

Die Betonteren Privatrechte.

wird

Gläubiger ereignet hat,

Schuldner '*)

oder

als

entweder als Begünstigung der

aus formalen Nützlichkeitsrücksichtcn

beliebtls)

aufgefaßt. Gewiß sehr farblose Erklärungen! Nicht erheblicher erscheint der Einwurf, daß die herrschende Theorie gegen die Logik verstoße. Gesammt-Rechtsverhältnisse kennt auch das Gebiet des Sachenrechts.

Das Miteigenthum, die untheilbare Grundgerechtigkeit, bei der Mehrere be­ rechtigt oder belastet sind, sind einheitliche Rechtsverhältnisse und haben

eine Beziehung zu mehreren Personen "). Es widerspricht durchaus nicht der Logik, daß ein und dasselbe Recht um mehrerer Subjekte Willen, für mehrere Subjekte vorhanden sei,

oder gegen mehrere wirke.

In dem

Wesen der Obligation liegt nichts, was eine solche mehrfache Beziehung

ausschließen müßte"). Sind die Angriffe gegen die herrschende Lehre, soweit sie sich negativ verhalten, verfehlt, so fragt sich doch noch weiter, ob nicht andere positive Konstruktionen vor ihr den Vorzug verdienen. Schon Koch") hat auf­

gestellt, die Korrealobligation sei ihrem Wesen nach nichts anderes, als

eine subjektiv-alternative Obligation, so daß von den mehreren Gläubigern oder Schuldnern entweder der eine oder der Andere die Zahlung ganz oder theilweise annehmen kann oder leisten muß. Derselbe Gedanke tritt bet Girtanner l7) und besonders bei Fitting hervor.

Letzterer *8) führt aus, indem er die Annahme der una obligatio bei der Korrealität als unnatürlich und dem Begriff der Obligation widersprechend

erachtet, daß die Korrealobligation mit der alternativen eng zu verbinden sei: bei beiden zunächst eine Ungewißheit, bei der alternativen darüber, welche von mehreren Leistungen die geschuldete sei; bet der Korrealobli­ gation darüber, welche von mehreren Personen der eigentliche Gläubiger oder Schuldner sei; bei beiden sodann eine Entscheidung der Ungewißheit durch Wahl. Es bestehe also zwar nur eine Obligation, aber nicht mit

gleichzeitiger Beziehung auf mehrere Subjekte, sondern sie schwebe in dieser Hinsicht noch in einer Unbestimmtheit und erlange ihre Vollendung erst

durch die Wahl.

Von nun an ist sie eine Obligation zwischen einzelnen

bestimmten Subjekten geworden.

Von der Solidarobligation unterscheidet

sie sich dadurch, daß bei letzterer von Anfang an mehrere Obligationen

neben einander bestehen,

deren Inhalt eine und dieselbe, nur einmal

") Rückert S. 31. *•) Kuntz« S. 227. “) Das Werk Baron'S weist die GesammtrechtSverhältnisse in allen Theilen deS PrivatrechlS nach. ») Windscheid S. 220. ") R. d. F. II. S. 6. ") Girtanner, Bürgschaft S. 75. 397. 1T) Fitting a. a O. S. 138f.

§. 63,

Gesammtgläubiger und Gesammtschuldner.

325

geschuldete Leistung ist. Für das heutige Recht sei übrigens durch Justinian") jede praktische Verschiedenheit zwischen der solidarischen und Korrealschuld

Abgesehen davon, daß Fitting, da er bei der Korrealität die Einheit der Obligation bewahrt, mit der herrschenden Lehre im Grundgedanken übereinstimmt, beseitigt, und nur noch die Korrealberechtigung dauere fort.

wird doch die Deduktion, durch welche er derselben den richtigen AuSdrnck

geben will *"), von ihr nicht als richtig anerkannt werden können. Eine Ungewißheit über die Person des Gläubigers oder Schuldners ist von Anfang an nicht vorhanden.

Jeder ist neben dem anderen Gläubiger

oder Schuldner aufs Ganze; durch die von dem Einen erfüllte oder an­ genommene Leistung entscheidet sich nicht die Person deS Schuldners oder

Gläubigers, sondern nur der sehr untergeordnete Umstand, wem von den mehreren Gläubigern der Vortheil, wem von den mehreren Schuldnern

der Nachtheil zufällt.

Durch die Wahl werden ja auch

die anderen

sie haften fort bis zur Befriedigung. Darum kann der gemeinschaftliche Begründungsakt nicht die Bedeutung einer nur vorbereitenden Maßregel haben, und die Wahl erst die Voll­ endung dcö Rechtsverhältnisses herbeiführen. Ueberdieß findet die Wahl Schuldner keineswegs

entlassen,

nicht immer nothwendig statt, sie fällt weg, wenn einer der mehreren

Schuldner freiwillig leistet. Endlich hat Baron"), um der Spaltung von objektivem Bestand und subjektiver Beziehung zu entgehen, das Wesen der Korrealität so aufgefaßt: „Soll eine einzige Obligation entstehen, so müssen die mehreren Gläubiger oder Schuldner in eine Einheit zusammengefaßt werden; diese durch den Willen der Gläubiger und

Schuldner geschaffene Einheit wird Gläubiger und Schuldner."

Die

Einheit liegt also nicht in der Obligation, sondern im Subjekt, die Meh­ reren sind Ein Subjekt. Konsequent müßte man von diesem Satz —

abgesehen wie sonst diese Subjektseinheit zu charakterisiren sei — zu der Auffassung des preußischen Rechts gelangen, wonach der Einzelne der mehreren Gläubiger seine selbständige freie Bewegung ganz verliert. Dies

sucht Baron durch die Behauptung zu vermeiden, daß diese durch die Subjektseinheit erzeugte Obligationseinheit wieder soviel Sonderobligationen erzeuge, als sich Subjekte zu jener vereinigt haben: jeder ist ganz aber selbständig für sich berechtigt und verpflichtet, nur daß er neben sich den

Genossen als ebenso berechtigt oder verpflichtet anerkennt.

ES ist hier

*•) 1. 28. C. VIII, 41. Diese Verordnung bebt den Unterschied zwischen passiver Korrealobtigalion und solidarischer deßhalb aus, weil die litis contestatio, welche eigentlich objektiv die una obligatio zerstören müßte, die correi nicht mehr be­ freien soll. “) Fitting S. 150. 2l) Baron, die GesammtrechtSverhSltniffe, bes. S. 230s. Ueber Siebenhaar s. Windscheid II. S. 127. in der Note 1.

Zweites Buch.

326

Die besonderen Privatrechte.

einheitliches Zusammenfassen und Auflösen dieser Einheit so zu sagen auf­ einandergerückt, die Einheit des Subjekts existirt und existirt doch nicht"). Nach diesen Darlegungen wird man doch wohl noch bei der Ribben-

trop-Savignh'schen Theorie, die auch Bangerow und Samhaber

entschieden vertreten, stehen bleiben müssen, und nach ihr ist Folgendes als gemeines Recht anzusehen:

Bon der Regel, daß Obligationen, sobald

sie eine Beziehung auf

mehrere Gläubiger oder Schuldner erhalten, sich von selbst in gleich viele Antheil Ssorderungen oder Schulden spalten, macht die Korreal- und Solidarobligation eine Ausnahme. Beide sind verschiedene Arten des Gesammtschuldverhältnisses. Beide kommen darin überein, daß jeder Gläubiger dieselbe Leistung ganz zu fordern, jeder Schuldner sie ganz zu leisten hat,

daß der Rechtsgrund für diese Leistung gleichartig ist, und daß die ein­ malige Erfüllung des Geschuldeten das Rechtsverhältniß für die übrigen Theilnehmer löst. Sie trennen sich von einander dadurch, daß bei der Korrealität derselbe Rcchtsgrnnd nur eine Obligation erzeugt, die die mehreren Theilnehmer gleichmäßig ergreift, dagegen bei der Solidarität derselbe Rechtsgrnnd soviel selbständige Obligationen erzeugt, als verpflich­

tete Personen vorhanden sind, daß Korrealität sowohl auf Seiten der Gläubiger als Schuldner, Solidarität dagegen immer nur auf Seiten der Schuldner stattfinden kann ”). Korrealität kann nur begründet werden durch einen besonderen Willensakt, Solidarität auch durch Ereignisse, die vom Willen der Betheiligten unabhängig eintreten. So entsteht die Korrealobligation durch Vertrag, Testament. Bestritten ist, ob sie auch durch

richterliche Verurtheilung begründet werden kann 24).

Entscheidende Quel­

lenzeugnisse sind für die Bejahung nicht beizubringen und da das Urtheil überhaupt nicht die Kraft hat, Rechtsverhältnisse zu erzeugen, wird die Frage richtiger verneint. Ebenso wenig schafft die untheilbare Obligation, d. h. diejenige, deren Naturalerfüllung quotenweis untheilbar ist25), Kor­ realität, obschon solidarische Haftung vorhanden ist22). Entstehungsgründe ' für die Solidarobligation aber sind Erbfall, rechtswidrige Beschädigung, überhaupt alle Thatsachen, die eine Gemeinschaft zufällig erzeugen (com. munio incidens), eine allgemeine Rechtsvorschrift und die Natur des Gegenstandes. M) Diese Ansicht erinnert an Hasse'« moralische Person der Eheleute, die in Gütergemeinschaft leben. ») Rudorss zu Puchta, Borles. 5. A. II. S. 36. Note 1. M) Bejaht von Savigny S. Ib8. auf Grund der 1. 1. 2. C. VII, 55. 1. 43. D. XLI1, 1. Dagegen Brin z a. a. O. S. 10. 11. nur Solidarität, nicht Korrealität gehe au« den Quellen hervor. Ubbelohde, die Lehre von den untheilbaren Obligationen. 1862. S. 259. 15) Savigny, S.365s. behauptet e«. Dagegen Brinz S. 11 f. UbbelohdeS. 258. §. 36.

§. 63.

GesammtglLubiger und Gesammtschuldner.

327

Wie die Entstehungsgründe so sind auch die Wirkungen und weiteren

Schicksale der Korreal- und Solidarobligationen verschieden. Zwar darin stimmen sie überein, daß der Gegenstand nur einmal zu leisten ist und

daß mit einmaliger wirklicher Befriedigung des Gläubigers die Obligation aufgehoben ist — aber es giebt, wie schon erwähnt ”), andere Tilgungs­ arten , die bei der Korrealobligation für Alle vernichtend sind, während ihnen solche Wirkung auf die Solidarobligation nicht beigelegt ist. Novation, Vergleich, Acceptilation, LitiSkontestation (nach älterem Recht), rechtskräf­ tige Entscheidung heben bei der Korrealität daS ganze Rechtsverhältniß, die una obligatio, auf, es verlieren die übrigen Gläubiger ihre Forde­ rung, die übrigen Schuldner werden frei. Bei Solidarität wirken diese

Akte nur zwischen den davon betroffenen Personen, der Gläubiger behält gegen die übrigen Schuldner seine Forderung.

Während ferner bei der

Korrealschuld das Versehen des einzelnen Schuldners Alle trifft und sie dafür einzustehen haben, weil durch ein solches das geschuldete Objekt selbst verändert (modifizirt) wird"), tritt bei der Solidarobligation diese gemein­

same Haftung Aller für das Verschulden des Einen nicht ein, weil jeder dasselbe Objekt selbständig schuldet. Dagegen stimmen sie wiederum darin überein, daß der Verzug nur persönlich aufgefaßt wird, die Lage der An­ deren also unberührt läßt"). Uebersicht man im Ganzen diese Verschiedenheit und Uebereinstimmung

beider Arten des Gesammtschuldverhältnisses, so entsteht unwillkürlich die Frage, ob das praktische Bedürfniß erfordert, sie in ihrer Besonderheit noch ferner auseinander zu halten. Der Zweck des Rechtsinstituts bei der Gesammtschuld ist, daß dem Gläubiger die Befriedigung möglichst gesichert und vereinfacht werde. Darum kann er von jedem Schuldner einen Theil oder das Ganze fordern, er kann sich den leistungsfähigen aussuchen, von seiner Wahl wieder abgehen und seine Verfolgung so lange fortsetzen, bis er vollständig befriedigt worden ist. Dieser Zweck wird durch die Solidar­ obligation ebenso, ja besser erreicht, als bei Korrealität. Denn hier stehen

ihm die Tilgungsarten, die den objektiven Bestand der Obligation aufhe­ ben, leicht entgegen, während er sie bei Solidarität nicht zu fürchten hat30). ”) Siche oben Note 4. ”) 1. 18. D. XLV, 2. Ribbentrop S. 28. Zweifelhaft ist, ob die culpa, die gegen Alle wirkt, in einem facere bestehen muß.Savignp S. 160. dafür, Momm­ sen, Beiträge zum O.R. B. 3. S. 281. Note 17 dagegen. Samhaber S. 102. Better in s. u. Mulber 's Jahrb. B. 3. S. 123. will in der 1.18. das factis in sociis verwandeln. Vom philologischen Standpunkt wird gegen diese Konjektur nichts einzuwenden sein, aber eine zwingende Nothwendigkeit liegt zu derselben nicht vor, weil sich die verschiedene Wirkung der culpa und mora wohl rechtfer­ tigen läßt. S. oben Text bei Note 93. “) 1. 32. §. 4. D. XXII, 1. 1.173. §. 2. de R. J. Ribbentrop S. 34. Samha­ ber S. 102. ’•) Brinz S. 8.

328

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

Erklärlich ist es daher, daß in der neueren Rechtsentwicklung die Hinnei­

gung sich zeigt, den Unterschied zwischen Korreal- und Solidarschuld fallen zu lassen und' sich mit den Wirkungen der Solidarität zu begnügen"). 81) Windscheid, Rec. S. 232f. will zwar die Frage verneinen, weil die Nichttbeilung einer Obligation trotz der Mehtheit der in sie eiutrctenben Subjekte der heutigen Rechtsanschauung nicht fremder ist, als sie der römischen war, und die Möglichkeit derselben von den Bedürfnissen des heutigen Verkehrs nicht weniger dringend ge­ fordert wird. Das Erste ist gewiß zuzugeben, was aber das Bedürfniß des Ver­ kehrs betrifft, so besteht dies nur darin, daß es dem Gläubiger möglich ist, von dem ein n oder anderen der mehieren Schuldner, oder von allen die ganze Leistung oder' Theile derselben einzufordern. Ob dies aus einer Einheit der Obligation, oder, wie bei der Solidarität, ans der Existenz mehrerer Obligationen folgt, ist für deu Gläubiger ohne Interesse. Das sächsische Gesetzbuch §. 1019—1038. hat im Wesentlichen den Unterschied von Korrealität und Solidarität ausgegeben, selbst Unterbrechung der Klagverjährung wirkt nicht gegen Alle, sondern nur gegen den, dem gegenüber sie eingetreten ist (§. 1035.). Novation aber hebt das ganze Gesammtschuldverhältniß auf (§..1028.), was wieder auf Korrealität deutet. Noch entschiedener hat der neueste bairische Entwurf v. 1861 den Unterschied von Kor­ realität und Solidarität fallen lassen, Art. 220 ff. Motive S. 116., und demzufolge die Wirkungen der AufbebungSgründe nach dem Gesichtspunkt der Solidarität gleichgestellt; nur die Klagverjährung gegen einen Schuldner soll wegen der „Ein. heil der Obligation" gegen alle Schuldner wirken. Art. 238. Motive S. 119. Kompensation und Novation wirken als Zahlung. Art. 231 Das deutsche Han­ delsgesetzbuch präsumirt solidarische Verbindlichkeit und entzieht einer entgegen­ stehenden Verabredung gegen Dritte die Wirkung. Art. 112. 269. 280. 281. und bei Delikten Art. 173. 178. 204. 241.245.257. Samhaber 181. Korreal­ schuldner sind der Acceptant und sein Avalist, ferner der Trassant, Indossant und ihre Avalisten. Samhaber S. 183f. Der deutsche Entwurf eines Gesetzeüber Schuldverhältnisse definirt (Art. 15) das Gesammtschuldverh. als ein solches vermöge dessen der Gegenstand nur einmal gefordert werden kann, jeder der meh­ reren Gläubiger aber das Ganze zu fordern, jeder der mehreren Schuldner das Ganze zu leisten bat. Es entsteht durch Vertrag oder Gesetz (widerrechtliche Be­ schädigung, Art. 232.). Einem Gesammtgläubiger können nur solche Einreden entgegengesetzt werden, die insbesondere gegen ihn oder gegen alle Gesammtgläu­ biger zusammen begründet sind, und der Gesammtschuldner darf nur solche Ein­ reden erheben, die ihm insbesondere oder allen Gesammtschuldnern znsammen zu­ stehen (Art. 16). Rechtskräftige Entscheidung gegenüber einem Gesammtgläubiger • oder Schuldner wirkt nicht für oder gegen die anderen (Art. 17. 414 ). Die Culpa des einen GesammtschuldnerS befreit die anderen wie durch Zufall, die Interesseforderung wird also nicht gemeinsam. Art. 286. 2i87. Mora tritt nur persönlich ein. Art. 302. Compensati on ist nur gegen den Gesammtgläubiger zulässig, dem gegenüber die aufgerechnete Forderung zusteht und nur mit einer solchen Forderung, die dem aufrechnenden Gesammtschuldner zusteht, Art. 393., sie befreit aber die übrigen. Art. 397. Nachlaßvertrag dagegen kommt den anderen Schuldnern nicht zu statten, Art. 406. Tie Unterbrechung der Verjährung endlich wirkt nur gegen den einzelnen Schuldner. Art. 431. — Auch aus dielen Be­ stimmungen ergiebt sich, daß die neuere Rechtsentwicklung eine begriffsmäßige Scheidung von Korrealität und Solidarität überwunden hat. Die älteren Gesetz­ bücher, das österreichische und der Code, stehen auf dem damaligen Standpunkt, der von der Korrealität die bloße Solidarität nicht unterschied und erstere vorherr­ schen ließ. Vom öftere. G.B. meint Savigny (I, 294.), eö sei rein römisch. Stobbe dagegen (a. a. O. S. 174), es sei so deutsch, daß seine Bestimmungen in einem alten RechtSbuch stehen könnten. Das kommt wohl aber nur daher, daß feine Bestimmungen sehr dürftig sind, was freilich den Vortheil gewährt, daß die Theorie sich ungehindert ans dem rechten Wege entwickeln kann. Wie das röm. R. vermuthet es nicht die Korrealität, sondern die Getheiltheit (§. 888.), jene muß ausdrücklich begründet werden. Die aktive Korrealobligation ist richtig dahin normirt, daß der Schuldner daS Ganze demjenigen entrichten muß, der

§.63.

Gesammtgläubiger und Gesammtschuldner.

Damit verliert aber auch die Kontroverse über die

329

Dentbarkeit einer

Obligation mit mehrfacher subjektiver Beziehung ihr praktisches Interesse, und behält nur noch ein theoretisches für das richtige Verständniß der ^

römischen Rechtsquellen. Das preußische Recht, zu dessen Darstellung jetzt übergegangen wird, kennt 1. eine Gesammtforderung ") im Sinne des gemeinen Rechts

überhaupt nicht. Was daö A.L.R. darüber enthält, ist wesentlich verschie­ Das Hauptmerkmal derselben,

den.

daß jeder Gläubiger entweder das

Ganze oder seinen Antheil vom Schuldner fordern darf, ist verlassen, und statt dessen sind die mehreren Gläubiger nicht bloß unter sich, sondern auch gegenüber dem Schuldner als eine Gemeinschaft, als Gesellschaft auf­ gefaßt.

„Hat sich Jemand in einem Vertrage ") mehreren Personen zu

einer und derselben Sache oder Leistung verpflichtet, so können die Mit­ berechtigten das gemeinschaftliche Recht in der Regel nur gemeinschaft­

lich ausüben" **).

Und ebenso, wenn das gemeinschaftliche Recht nicht durch

Vertrag, sondern durch ein vom Willen unabhängiges Ereigniß entstanden, soll, wie beim Erbfall vorgeschrieben ist, die zur Erbschaft gehörige Aktiv­

forderung von den Erben, solange sie sich nicht auseinandergesetzt haben,

ihn zuerst darum angeht (§.892.). Samhaber 218. Den Bestimmungen des Code liegen wesentlich die Ansichten Pothier's zu Grunde, der schon die Idee der objektiven Einheit der Solidarschuld neben einer Mehrheit der subjektiven Be­ ziehung gelehrt hat. Art. 1197. 1200. fassen das Rechtsverhältniß im Smne der echten römischen Korrealschuld auf. Auch der Code vermuthet nicht die Ungetheiltheit. Die Auffassung der Obligationseinheit tritt schärfer hervor. Verzug des Einen wirkt wie Verschulden gegen Alle. Art. 1205. Die französische Juris­ prudenz hat noch eine solidaritd imparfaite ausstellen wollen, die zwar der s. g. bloßen Solidarität entsprechen soll, sie aber nicht deckt und im Code keinen An­ halt findet. Zachariä (Anschütz) II. S. 215 f. Samhaber 225. 237. 82) A.L.R. I, 5. §. 450—453. Gruchot III, 343. Heydem. I, 289. Bornem. II. 381. Daniels II, 314. Koch R. d. F. II, 19. Pr.R. II, 123. v. Kräwell, bei Gruchot III, 10. X 231 f. Savigny I, 289. Samhaber 212. Der Entwurf zum allg. Ges.B. unterschied noch zwischen Theilbarkeit und Untheilbarkeit des Objekts, bei ersterer sollte Jeder seinen Aulheil fordern können, bei letzte­ rer sollten die Berechtigten „zusammen" fordern; war ein und dieselbe Handlung zu leisten, so sollte auch nur Einer der Gläubiger sie fordern dürfen. Heydemann S. 290. Note 515.

93) Der Vertrag muß rechtsgiltig errichtet sein. Strieth. B. 26. S. 194 b. Ueber die Frage, ob auch aus einem Vertrage, bei welchem die gesetzlich vorgeschriebene Form nicht beobachtet worden ist, eine aktive und passive Korrealobligation ent­ stehen kann, s. Reichert bei Schering B. 2. S. 1 f.

*) Der §. 450.1. 5. entspricht der Meinung von Suarez: es sollte vermieden werden, daß der Schuldner zu Partialzahlungen wider seinen Willen verpflichtet werde. Er bezieht sich auf alle Arten obligatorischer Leistungen, wie sich insbe­ sondere daraus ergiebt, daß der §. 315. II. 2. des Entwurfs, der noch die Auf­ fassung des römischen Rechts enthielt, nicht in das A.L.R. ausgenommen worden ist. S. G öppert, Beiträge zur Lehre vom Miteigentbum, S. 21., der aber wohl zu weit geht, wenn er aus der Aeußerung von Suarez entnimmt, daß dieser sich ein wirkliches Miteigenthum an der Forderung konstruirt habe.

330

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

nur gemeinschaftlich eingezogen werden können ").

Dies ist ein scharfer

Gegensatz gegen das römische Recht, der zugleich das Institut für den

Verkehr völlig unbrauchbar macht.

ES ist daher erklärlich, daß die Praxi«

bemüht, ist, von dieser Regel abzukommen und sie kann dafür in einer mit dem älteren Recht übereinstimmenden Vorschrift der A.G.0.35) einen An­

halt finden, wonach zwar der Einzelne nicht ohne Vollmacht der Uebrigen das Ganze, wohl aber seinen Antheil einklagen darf. Aber die Ausleger

sind darüber verschiedener Meinung, wie weit mit Hilfe dieser Vorschrift die Bestimmung gemeinschaftlicher Einziehung beseitigt werden könne. Bornemann will dem Mitgläubiger die abgesonderte Einforderung seines

Antheils nur dann gestatten, wenn die Forderung Mehrerer nicht durch Vertrag entstanden. Er hält also tz. 450. d. T. aufrecht. Koch beseitigt ihn, indem er in allen Fällen die getheilte Einforderung znläßt, wo die Leistung an sich theilbar ist. Bei untheilbaren bleibt es bei der gemein­ schaftlichen Einziehung. Kräwell stellt sich in die Mitte, er entzieht der

Anwendbarkeit des §. 450. die Forderungen auf Zahlung einer Geldsumme: hier soll jeder Gläubiger seinen Antheil einklagen dürfen. Bei Ansprüchen auf „ein und dieselbe Sache" aber, als welche eine Geldsumme, weil sie kein zusammenhängendes Ganze sei, niemals betrachtet werden kann, soll tz. 450 allein entscheiden. Gegen Bornemann spricht, daß zu einer sol­ chen Unterscheidung die Worte der A.G.O. keinen Anhalt gewähren, gegen Kräwell, daß er ganz übersieht, daß §. 450. nicht bloß bei Verträgen über ein und dieselbe Sache, sondern auch bei Verträgen über Leistungen

die Gemeinschaftlichkeit anordnet, die Zahlung einer Geldsumme aber doch jedenfalls eine Leistung ist ••).

Darf also die Praxis sich bei theilbaren

Sachleistungen nicht auf die A.G.O. berufen, so darf sie es auch nicht

bei Geldleistungen.

Deßhalb erscheint Koch's Ansicht, mag sie immerhin

die kühnere sein, allein als gerechtfertigt: jeder ist berechtigt, seinen An­ theil einzuziehen, nur die Einziehung deS Ganzen muß in Gemeinschaft,

oder von dem Einen mit Vollmacht der Anderen erfolgen");

und da

»») 1,17. 8.151. M) A.G O. I, 5. §. 4. N 7. (vergl. damit 1,10. §. 86., wonach daS Geständnis; eines Milberechtigtcn im Prozeß ihm auf feinen Antheil entgegensteht, den Anspruch also theilt). AuS dem corp. jur. Frider. I, 3. §. 4. N. 7. in die A.GO. über­ gegangen. ’») Samhaber S. 217. Was Kräwell in dem zweiten Aufsatz (Gruchot X, S. 235) dagegen ansührt, erscheint nicht überzeugend. Man kann schon bei der Un­ sicherheit der Terminologie im A.L.R. kein besonderes Gewicht aus die Nebenein­ anderstellung von Sache und Handlung in §. 450. I. 5. legen, da Tautologien im A L.R. nicht selten sind. Der Unterschied aber, den Kräwell zwischen einer Sache und einer Summe von Sachen macht, ist gewiß nicht haltbar, und wird nicht unterstützt durch §. 615.1. 11, denn diese abweichende Bestimmung findet ihre Erllärung in dem Umstand, daß die Leibrente mit dem Tode des Berechtig­ ten erlöschen soll. 37) Was die Praxis betrifft, so sagt da» Reskr. v. 20. Septbr. 1833 (Jahrb. B. 42.

§. 63.

GesammtgläuLiger mid Gesammtschuldner.

331

§. 450. die gemeinschaftliche Ausübung des Rechts nur als die Regel vor­ schreibt, so versteht sich, daß die Parteien auch eine wirkliche Korrealforderung im Sinne des gemeinen Rechts mit der Bcfugniß des einzelnen

Gläubigers, das Ganze einzuklagen, besonders verabreden können. Von dem Prinzip der Gemeinschaftlichkeit macht das A.L.R. mehrfach Anwendung.

Sind mehrere Verkäufer oder mehrere Erben zum Wieder­

verkauf gleich berechtigt, so kann derselbe nur mit einstimmiger Bewilligung

Aller ausgeübt werden").

Der Bevollmächtigte, welcher von Mehreren

zugleich einen Auftrag erhalten, ist ihnen auch nur gemeinschaftlich Rede und Antwort schuldig").

Ist eine Sache von Mehreren gemeinschaftlich

bei einem Dritten niedergelegt, so hat dieser, selbst wenn die Sache theilbar wäre, sie nur an Alle zuräckzugeben, und sich mit dem Einzelnen nicht einzulassen40). Die von mehreren Schuldnern gemeinschaftlich verpfändete Sache darf Einem derselben ohne Bewilligung der übrigen nicht verab­ folgt werden, selbst wenn dieser die ganze Schuld bezahlt hätte41). Damit

steht aber wieder in Widerspruch, daß wenn eine Sache mehreren PersoS. 86.), ein m ehreren Personen hinterlassenes theilbares Legat kann, sofern der Anlheil jedes MitlegatarS feststeht, von jedem Legatar auf Höhe seines AmheilS eingezogen werden. Hier lag aber der Fall so, daß der Erblasser bereits die Quo­ ten festgesetzt hatte, dadurch erschien das Legat schon ipso jure getheilt DaS O.Trih. hat in dem Präj. 1870 (v. I. 1840), Emsch. B. 14. S. 463. mit Hin­ weisung ans A.G.O. I, 5. §. 4. N. 7. den Satz aufgestellt: Bei gemeinschaftlich geschlossenen Verträgen kann das gemeinschaslliche Recht in der Regel auch nur gemeinschaftlich von allen Theilnehmern im Wege der Klage verfolgt werden, und ist daher, so lange diese Gemeinschaft besteht, insofern der Vertrag selbst nicht etwa eine exceptionelle Bestimmung darüber enthält, der einzelne Theilnehmer zur Verfolgung des gemeinschaftlichen Rechts für sich nicht berechtigt. Eine wich­ tige Abweichung von dieser Regel enthält aber der Pl.Beschl. v. 1. Dezbr. 1851 (Entsch. B. 22. S. 136. St rieth. B 4. S. 138). „In dem Fall, in welchem Mehreren das ihnen gemeinschaftliche Recht znsteht, von einem Dritten Rechnungs­ legung zu forderen, gehört es zu den Individual» echten des einzelnen Milberechtig­ ten, von dem Verpflichteten die Rechnungslegung an die Gesammtheit zu fordern." Vorbereitet war der Besch, durch die Emsch B. 19. S. 213 Diese Entscheidungen stützen sich aber nicht auf §. 4. N 7 I, 5 A.G.O., sondern führen mit Rücksicht auf A.L.R. I, 17 tz. 24. den Grundsatz aus, daß dem Milberechtigten Alles gestattet sein müsse, wodurch die Rechte der Theilnehmer nicht verletzt und der Verpflichtete nicht in eine schlechtere Lage versetzt wird. Eine Entscheidung, welche gradezu auf Grund des §. 4. N. 7.1, 5. A.G.O. den § 450.1, 5. A.L.R. für beseitigt erklärt hätte, X noch nicht bekannt geworden. Die Praxis zögert noch, der „kühnen Ansicht" Koch'S zu folgen (welche Baron, GesammtrechtSverhälinisfe S. 231. ein schlechtes Mittel um eines guten Zweckes halber nennt), und doch ist sie, wenn der Bestimmung der A.G O. überhaupt Gewicht beigelegt wird, woran man im Grunde nicht ge­ hindert ist, allein konsequent und geeignet, an Stelle des Unvernünftigen etwas Vernünftiges zu setzen. Allenfalls Strieth. B.5. S. 28., wo §. 450. für unanwendbar erklärt wird auf die Klage eines von mehreren Bevollmächtigten gegen den Macht­ geber wegen seiner Auslagen. Hier deducirt aber das O Trib., daß nicht Einheit des Objekts der Obligation vorliege, d. h. in Betreff der Auslagen kein gemein­ schaftliches Recht. Am weitesten geht die bei Gru cho t III, 348. mitgelheilte Ent­ scheidung, auch in ihrer Auslegung des Pl.Beschl., und Strieth. B. 25. S. 151. Siehe hierüber Koch, R. d. F. S. 27 Note 20 a. Die Praxis hat sich bis jetzt hauptsächlich, um das Verhältniß der Miteiben zu bestimmen, mit dieser Frage beschäftigt, und es wird deßhalb im Erbrecht darauf näher einzngehen sein.

88) I, 11. §. 320.

M) I, 13. 8. 210.

40) I, 14. §. 63. 65.

") I, 20. §. 181.

332

Zweite» Buch.

Die besonderen Privatrechte.

nen geschenkt worden ist, und eine von ihnen ausfällt, ihr Antheil in das Vermögen des Schenkenden zurückfallen sott41), daß ferner, wenn Mehrere gemeinschaftlich eine Leibrente gekauft haben, bei fehlender Verabredung

angenommen werden soll, daß jeder nur einen Kopfantheil zu fordern habe, mithin mit dem Abgänge Eines sein Anzheil zu Gunsten des Verkäufers erlischt44 42),* daß^em Mitberechtigten gestattet ist, mit dem gemeinschaft­ lichen Schuldner auf seinen Antheil eine Novation vorzunehmen, ja daß er aufs Ganze noviren kann, wenn der Schuldner befugt ist, an ihn das

Ganze zu zahlen44). Wie nun aus dem Grundsatz der gemeinschaftlichen Ausübung eines Gesammtrechts folgt, daß kein Mitberechtigter durch seine einseitigen Hand­

lungen oder Entsagungen das Recht der übrigen schmälern, sich also in keiner Weise einseitig mit dem Schuldner auf Verhandlungen über das gemeinsame Recht einlassen darf, die den Mitberechtigten schädlich werden

könnten45),46so 47 ergiebt sich weiter daraus, daß das Verhältniß der Mitbe­ rechtigten unter sich nach den Grundsätzen des gemeinschaftlichen Eigen­

thums beurtheilt werden muß44), und dieser Satz ist auch anzuwenden, wenn dem Schuldner gegenüber ein wirkliches Korrealrecht festgesetzt wor­ den ist. Der einzelne Gläubiger, der dann das Ganze beigetrieben, hat eö nicht für sich, sondern für die Gemeinschaft empfangen und muß es zur Theilung bringen. Zweifelhaft ist die Auslegung deS §. 542.: „Hat bei einer theilbaren

Sache oder Summe der Verpflichtete einem der Berechtigten seinen An­ theil entrichtet, so tritt er in Beziehung auf die übrigen Berechtigten an

dessen Stelle." Darin liegt, daß die Zahlung des Schuldners an einen Berechtigten auf seinen Antheil nicht^mwirksam ist, daß dieser Berechtigte als befriedigt aus der Gemeinschaft auötritt und daß bei der Ausgleichung der Mitberechtigten unter sich statt des Befriedigten der Schuldner den von ihm gezahlten Antheil liquidirt und in Rechnung stellt. Cessionar des Befriedigten ist der Schuldner nichtdenn soweit Zahlung erfolgt ist, ist die Schuld getilgt, eö kann also von der Abtretung einer Forderung

nicht mehr die Rede sein. 42) I, 11. §. 1085. ") I, 11. §. 615. 616. 44) I, 16. §. 459. 460. Grnchot S. 345. Note 1. 45) I, 5. §. 451. Daß §. 451. mit doch anfangs, deutet darauf hin, daß die Vorschrift de« §. 450. wieder etwa« gemildert werden soll; keiner der einzelnen Theilnehmer foll hindern, daß alle gemeinschaftlich ihr Recht verfolgen: da« Interesse de« Einzel­ nen soll nicht da« Interesse Aller stören. Daran« folgt nicht bloß, daß der Einzelne nicht da« Ganze für sich einfordern oder dem Schuldner erlassen darf, sondern auch, daß die Individualrecht« der Uebrigen gesichert fein müssen gegen den Wider­ spruch eine« Einzelnen und um so mehr ist die Praxi» gerechtfertigt, die die« auf Grund der §§. 2.4.1. 17. zu erstreben sucht. Koch, R. d. F. U. S- 21. Heyde« mann S 291. Mit Unrecht ändert Savigny S. 289. da« doch in daher. §. 451. ist keine Folge, sondern eine Einschränkung de« §. 450. 46) I, 5. §. 453., vergl mit I, 17. §. 171.173. 47j Wie Rubo S. 16. behauptet. Dagegen Born em. 1, 383 f. Koch, R. d.F. II, 25

§. 63.

Gesammtgläubiger und Gesammtschuldner.

333

2. Die Gesammtschuld"), daS „Haften des Einen für Alle und

Aller für Einen/' mag es durch Vertrag, Testament, widerrechtliche Be­ schädigung oder Gesetz entstehen, wird im A.L.R., der damaligen Auf­ fassung

entsprechend, unter den Gesichtspunkt der Korrealität gebracht,

ohne daß man sich klar darüber war, ob Einheit der Obligation zn Grunde liege.

Daß die

aus einem

gemeinschaftlichen

Vertrag

vermuthet wird,

Verpflichtung Mehrerer als Korrealschuld

hervorgehende

daß also die

getheilte Verpflichtung besonders verabredet sein muß, ist schon erwähnt

(§. 62. bei Note 6.).

Hier kann der Zweifel entstehen, ob, wenn der ge­

meinschaftliche Vertrag schriftlich errichtet ist, und daneben mündlich die Parteien verabredet haben, daß die Schuldner nicht Einer für Alle haften

sollen, diese Abrede die aus der Schrift hervorgehende Vermuthung für die Korrealität beseitige.

Gruchot bejaht es, weil eine solche Abrede

keine mündliche Nebenabrede im Sinne des §. 128.1, 5. sei und nach der

Auffassung der Praxis von dem Wesen solcher Nebenabreden (Nebenbe­

stimmungen §. 129.1, 5.) muß ihm beigetreten werden "). Ist die Vermuthung aus §. 424. durch die Parteien ausdrücklich aus­

geschlossen, so entscheidet die Verabredung über die Größe der Antheile; läßt sie diese zweifelhaft, so entscheidet der Zweck der Theilnahme deS Ein­ zelnen, wie er sich aus der Natur des Geschäfts oder seinem persönlichen Stande oder Gewerbe ergiebt55), und^wenn auch dies nicht zu ermitteln, werden gleich_Moß»e Antheile angenommen.

Die Vermuthving aus 8-424. bezieht sich auf die gleichzeitige gemeinschaftliche Verpflichtung in demselben Vertrage, ist also nicht auf den

Fall auSzudehnen, wo hinterher ein Dritter einem Vertrage beitritt.

Soll

dieser aufs Ganze haften, so muß eS besonders verabredet sein51), wenn

eine solche Wirkung nicht schon aus dem gesetzlichen Charakter deS Ge­ schäfts mit Nothwendigkeit folgt. bestellung.

Hierher gehören Bürgschaft und Pfand­

Der Bürge ist verpflichtet wie

der Hauptschuldner5'), und

wenn ihm auch 'die Einrede der VorauSklage zusteht, so ist diese auf den

Umfang seiner Verpflichtung einflußlos.

Da daS A.L.R. die Einrede der

Theilung nicht kennt, so werden auch mehrere Mitbürgen dem Gläubiger gegenüber als Gesammtschuldner aufgefaßt, nicht bloß,

wenn sie sich in

einem Vertrage gemeinschaftlich verpflichtet haben, ohne antheilSweise Ber*6) I, 5. §. 424—449. Gruchot III, 288. Heydem. 1,2S3. Born em. II, 378. Koch Pr.R. II, 125. R. d. g.II, 28. Wienstein bei Gruchot VI,475. S-vignyI, 290. Samhaber204. „Gemeinschaftlich" hatimA.L.R. nicht immer die Bedeutung von solidarisch, z. B. nicht in I, 17. §. 127., wo es soviel beißt wie „zusammen." **) Gruchot III. S 300. Gegen ihn Wienstein a. «. O. S. 489., der den Be­ griff der Nebenabrede zu allgemein saßt. S. unten §. 79. Note 73. M) 3- B. wenn Mitglieder einer Dorfgemeinde zu Baudiensten (Hand- und Spann­ diensten) verpflichtet sind. Bornem. S. 381. Note 2. »«) Gruchot S. 304. ”) 1,14. §.257. Doch eine Einschränkung in §.259. Darüber daS Nähere bei der Darstellung der Bürgschaft.

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

334

Haftung festzusetzen — als Folge aus tz. 424. I, 5. — sondern auch wenn

sie sich ein Jeder besonders verbürgt haben 53).* * * Bei * * der Pfandbestellung tritt die Möglichkeit einer Gesammtverpflichtung hervor, wenn ein Grund­

stück für eine Forderung zur Hypothek verschrieben und es sich nicht in dem Besitz deS Schuldners, sondern eines Dritten befindet, und wenn mehrere Grundstücke für dieselbe Forderung ungetheilt verpfändet sind.

Dort sind persönlicher Schuldner und Pfandschuldner, hier die mehreren

Pfandschuldner und der persönliche ein Jeder aufs Ganze dem Gläubiger verhaftet: will").

dieser hat die Wahl, von wem er die Befriedigung suchen Zwangsenteignnngen, wenn Mehrere dabei dieselbe Sache er­

werben, begründen ebenfalls für diese eine Gesammtschuld des Kaufpreises, denn es sind solche Geschäfte wahre Veräußerungsverträge, bei denen nur ein Dritter (die Behörde) die Höhe des Preises festzusetzen hat"). Aus jedem Vertrage kann eine gemeinschaftliche Verpflichtung her­ vorgehen.

Die s. g. Realverträge, deren Verbindlichkeit aus dem Em­

pfänge der Sache entspringt, machen keine Ausnahme.

In Betreff des

Verwahrungsvertrages sagt es das Gesetz gradezu"), in Betreff deS Dar-

lehnS hat sich die Praxis mit gutem Grunde dafür entschieden").

Ein

gemeinschaftlicher Empfang ist sehr wohl denkbar, und daraus muß eine

Gesammtverpflichtung zur Rückzahlung nach §. 424. d. T. hervorgehen, wo

eine Unterscheidung nach der Natur der Verträge nicht gemacht ist. Wenn in einem Testament mehreren Erben ein Legat auferlegt ist, so haften sie dafür zwar gemeinschaftlich, aber nicht Einer für Alle.

Eine

solche Verpflichtung muß der Testator ausdrücklich cmovbnen59). 53) I, 14. §. 374. 378. Hier Ändert sich nur die Regreßverbindlichkeit. M) I, 20. §. 467. 468. 49. KonkurSordn. §. 56. Nr. 1. Die Praxis nimmt dies auch au, insbesondere bei Unterbrechung der Klagverjäbrung. Siehe Koch, Komment. Note 37. zu §. 439.1,5. Schlei. Arch. B. 5. S. 462. Entich. B. 3. S. 88. Nr. II. S. 101. B. 8. S. 13. Hiernach unterbricht die Versolgung deS persönlichen Schuld­ ners die Verjährung gegen den Pfandschuldner. Dagegen soll umgekehrt die Versolgung de« Pfandschuldners nicht die Verjährung gegen den persönlichen Schuldner unterbrechen. Entich B. 9. S. 266. Daß diese Entscheidung aus einer falschen Aufsagung der Gesammtschuld beruht, die nach preußischem Recht nicht bloß bei gleichem BerpflichtunzSgrunde, sondern auch daun vorhanden ist, wenn dieselbe Forderung aus verichiedenen VerpflichtungSgrüuden geschuldet wird, darüber s. Koch a. a. O. Ueber Korrealhypothek s. Enlsch. B. 24. S. 100. Strieth. B. 34. S. 168. B. 41. S. 26.

Koch R. d. F. II. S.9. Gruchot S. 305. -«) A.L.R. I, 14. §. 59. ») Enlsch. B. 32. S. 349. Strieth. B. 29. S. 262. Koch R. d. F. II. S. 10. Note 3b. bestreitet die Denkbarkeil dieser Ansicht. Bergl. gegen ibn Wienstein a. a. O. S 483 s. und Sambaber S. 205. Wenn übrigens von Mehreren ein gemeinschaftlicher Schuldschein ausgestellt ist, so begründet dieie Schrift für sich allein die Geiammtschnlb, wenn auch nur Einer die DarlehnSvaluta erhalten hat. Enlsch. B. 21. S. 421. Strieth. B. 19. S. 246. M) 1,12. §. 289 verbunden mit I, 17. §. 127. 131. Auch hier gegen das römische Recht, 1. 9 pr. D. XLV, 2. 1. 8. §. 1. de leg. I. 1. 25. pr. de leg. III., welches die Verpflichtung der Erben alS getheilte aufsaßt. Wienpein S. 491.

§. 63.

Gesammtgläubiger und Gesammtschuldner.

335

Gesammtverpflichtung aus widerrechtlicher Beschädigung (De­ likt) wird bei Vorsatz und grobem Versehen angenommen; bei mäßigem und geringem Versehen trägt jeder Theilnehmer nur die Folgen seiner eignen Handlungen, wenn diese ausgemittelt werden können"). Die Un­ terscheidung, eine Abweichung vom gemeinen Recht, ist praktisch wenig er­

heblich, weil in der Regel der Antheil des Einzelnen am Schaden nicht ermittelt werden kann, und er nur im Wege der Einrede vom Beklagten

zu erweisen ist*60).* 62Wie * * beim Vertrage wird auch hier die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Handlungen erfordert — dagegen ist ihre Gleichartigkeit nicht vorausgesetzt6').

Untheilbarkeit des Gegenstandes bewirkt Korrealität nicht, denn nicht der einzelne Schuldner ist aufs Ganze verpflichtet, sondern alle zu­ sammen60). Auch ein richterliches Urtheil erzeugt nicht die Ver­ muthung der Korrealität, es verbleibt vielmehr bei dem ursprünglichen Rechtsverhältniß6S). Sollte das Erkenntniß zu Unrecht die mehreren Be­

klagten zu solidarischer Haftung verurtheilt haben, so entsteht Korrealität. Gemeinschaftlicher Empfang einer Nichtschuld ruft keine korreale

Verpflichtung zur Erstattung hervor, weil §. 424., der nur von Verträgen spricht, hier keine Anwendung findet66). Dagegen wird durch das Gesetz eine Gesammtschuld erzeugt bei Miterben, wenn sie sich vor Erfüllung der auf den Nachlaß haftenden Verbindlichkeiten denselben getheilt haben66), bei Mitgliedern der Beamtenkollegien wie im Fall widerrechtlicher Be­ schädigung66), endlich bei mehreren Vormündern, die die Verwaltung ge­ meinschaftlich geführt haben6'). °°) I, 6 §. 29. 30. 31. Grilchot S. 485. 60) Gruchot HI. S. 486. Strieth. B. 48. S. 297. A.L.R. II, 10. §. 130.131. ") Gruchot III. ©..488. Seufsert Arch. B. 1. Nr. 66. 62) Koch R. d. F. II, 15. A.G.O. I, 5. §. 4. N. 8. Satz 3. **) A.G.O. I, 24. 8 13.. Die Verpflichtung mehrerer Litiskousorten zur Kostener­ stattung ist nach Aushebung de« §. 29. I, 23. A.G.O. durch das Ges. v. 10. Mai 1851 §. 10. N. 5. nach den Grundsätzen des Matersellen Rechts zu beurtheilen, d. h. da das Urtheil kein Vertrag ist, mithin die Vermuthung aus §. 424. I, 5. nicht Platz greift, kann nicht solidarische Derhastung, es muß vielmehr getheilte Schuld angenommen werden, Solidarität dagegen dann, wenn das ursprüngliche Rechtsverhältniß diesen Charakter. hatte. *4) Das O.Trib. hat Solidarverbindlichkeit zur Rückerstattung angenommen (Strieth. B. 25. S. 99. B. 29. S. 262.). §. 193.1, 16., aus den es die Entscheidung stützt, beweist nicht die Solidarität, sondern nur, daß die einzelnen Empfänger der Nichtschuld „wie aus einem Darlehn" hasten sollen, und das Präjudiz 2271. (Entsch. B. 21. S. 421. Strieth. B. 19. S. 246.) paßt nicht hierher. Da« O.Trib. sieht den gemeinschaftlichen Empfang als ein gemeinschaftliches Geschäft an, eS ist aber kein Vertrag. Gegen die Ansicht des O.Trib. f. Koch S. 13. Gruchot S. 305. Samhaber S. 206. Wienstein S. 488.

•5) A L.R. I 17. §. 131.137. Vor der Theilung hasten die Erben nicht ein Jeder solidarisch, sondern nur gemeinschaftlich, d. h. zusammen. Entsch. B. 4. S. 302. (Pl.Beschl.) ••) A.L.R. II, 10. §. 128. I, 6. §. 29.30.31. •’) A.L.R. II. 18. §. 288.

Zweites Buch.

336

Die besonderen Privatrechte.

Folgende Wirkungen hat die Gesammtschuld. Der Gläubiger ist berechtigt, jeben. einzelnen, oder einige oder alle

Schuldner auf die ganze Leistung oder beliebige Theile derselben in An­ spruch zu nehmen; er wählt unter ihnen, kann von der Wahl abspringen und dieses Wahlrecht erlischt erst durch wirkliche Befriedigung"). Seine Klage gegen den einen Schuldner unterbricht die Verjährung gegen die übrigen "). Die konsuinirende Wirkung der Litiskoutestation ist dem preußi­ schen Recht unbekannt. Es kann der belangte Schuldner die Einrede der

Rechtskraft aus der Person des früher verurtheilten MitschuldnerS nicht entgegenstellen, den Gläubiger auch nicht antheilweise an die Mitschuldner

verweisen.

Die durch Novelle 99. ins römische Recht für Korrealschuld­

ner eingeführte Einrede der Theilung ist in das preußische Recht nicht

ausgenommen und damit sind auch alle Streitfragen beseitigt, die dieses dunkle Gesetz erregt hat. Dagegen kann der belangte Schuldner die Mit­ verpflichteten zum Prozeß znziehen, und sich ihrer Vertheidigung bedienen,

wenn dies den Berechtigten in Verfolgung seines Anspruchs nicht auf» hält'"). Dem Gläubiger gegenüber ist auch die persönliche Unfähigkeit eines MitschuldnerS von keiner anderen Wirkung, als daß er diesen Mit­

schuldner aufgeben muß.

Die anderen bleiben aufs Ganze verhaftet und

haben folgeweise auch den Anspruch auf die Gegenleistung"). Dies ist neuerdings bestritten"). Wenn aber angeführt wird, der Anspruch des

Ausscheidenden auf die Gegenleistung könne den Uebrigen nicht zuwachs^n, Von einem Anwachsungs­

so ist dieses Bedenken gewiß nicht durchgreifend.

recht ist keine Rede. Jeder der übrigen Schuldner muß das Ganze lei­ sten, und da dieses nur zu leisten ist auf Gegenleistung, so muß diese an den zahlenden oder leistenden Schuldner fallen, und für den Gläubiger ist

•8) Er darf aber nicht gleichzeitig gegen Mehrere der Gesammtschuldner auf das Ganze klagen. Seussert XII. 12. ”) 1,5. §.440. Nach der deutschen Wechselordnung Art. 80."wird die Verjährung nur in Beziehung aus den Schuldner unterbrochen, gegen den die Klage gerichtet ist. Die gleiche Bestimmung hat das sächs. G.B. §. 1035. S. auch oben Note 54. über die Frage, ob die Klage gegen den Hyoothekenschuldner die Verjährung gegen den persönlichen Schuldner unterbricht. Die der Klage als einer Handlung des Gläubigers beigelegte Wirkung der Unterbrechung tritt aber nicht ein, wenn ein Schuldner die Schuld anerkennt. Dies hindert §. 439. d.T. Koch, Kommentar Note 37. zu §.439. Zinsenzahlung, aufgesaßt als Zinsenannahme, unterbricht. Schles. Arch. B. 5. S. 462. Jurist. Wochenschr. 1846 Sp. 33. ”) I, 5. §. 430—434. Dies besagt aber nur, daß die Litisdenunziation rechtzeitig im Hauptprozeß erfolgen muß. DaS regelmäßige Fortfchreilen der einzelnen Stadien darf nicht verrückt werden, die rechtzeitig vorgebrachte Vertheidigung des Litisdenunziaten wird aber verhandelt, selbst wenn sie weit aussehende Beweisführung verlangt. Koch R. d. F. II. S. 43. ’*) 1,5. §.446. Daß der Unfähige ausscheidet, berührt den Gläubiger überhaupt nicht, sondern ist nur wichtig für den Regreßpunkt. Koch R. d. F. II. S. 46. Entsch. B. 41. S. 45. n) Kräwell a. a.O. S. 25s. Wiensteina.a.O. S.497sg.

§. 63.

337

Gesammtglänbiger und Gesammtschuldner.

es ohne Interesse, ob sich in seine Gegenleistung mehrere oder wenigere theilen.

DaS A.L.R. unterscheidet zwischen ein- und zweiseitigen Ver­

trägen nicht. Die Handlungen

des einen oder anderen Schuldners können den

In bei­ der Beziehung entsteht die Frage, wie dergleichen auf das Verhältniß der

Gegenstand der Gesammtschuld erweitern oder vermindern. übrigen Schuldner einwirkt").

Zwei Grundsätze giebt das A.L.R.

„Was

in Ansehung der schuldigen Sache oder Handlung von dem einen Ver­ pflichteten gethan, gereicht allen übrigen zum Vortheil" — „die Hand­ lung Eines Verpflichteten kann die Rechte der übrigen nicht schmälern" "). ES wird also jede Bermindernng, die der Eine herbeigeführt hat, den

Uebrigen angerechnet, dagegen sollen diese nicht darunter leiden, wenn

der Eine durch seine Handlung die Schuld erschwert, ihren Umfang ver­ größert hat. Vermindert wird die Verpflichtung Aller durch jedes Ereigniß,

was entweder die sie verbindende Obligation aufheben, oder den Gläubiger befriedigen kann oder die Erfüllung Allen erleichtern soll.

Also vor allem

durch Leistung des Geschuldeten, ganz oder soweit sie erfolgt: Zahlung,

Angabe an Zahlungsstatt75 * *), erfolgte Abrechnung 7°), s. g. Novation, welche an Stelle der bisherigen Verbindlichkeit eine andere setzt77), 78 79 gerichtliche Niederlegung in den gesetzlich zulässigen Fällen7"), Fristverlängerung für

die Erfüllung deS Vertrages, auch wenn sie auf das Ansuchen nur eines Verpflichteten ertheilt7"), theilweiser Erfgß, wenn er vom Gläubiger auch

nur einem Schuldner bewilligt worden ist60).

Dagegen wird die Gesammtschuld in ihrem objektiven Bestände nicht vermindert (aufgehoben oder getilgt) durch Ereignisse oder Handlungen, die zwischen dem Gläubiger und einem Schuldner vorkommen und nur auf die Person des letzteren Beziehung haben, also auch nur diese Be”) Wienstein ®.500ff.

«) A.L.R. I, 5. §. 435. 438. ’5) I, 16. §. 235. 76) I, 16. §. 300. 304. Der Gläubiger kann gegen jeden Gesammtschuldner die Schuld in Abrechnung bringen, zu der er dem einen verpflichtet ist. Der einzelne Ge­ sammtschuldner kann seine Forderung au den Gläubiger, nicht solche der übrigen Verpflichteten, zur Abrechnung stellen. S. unten §.94. bei Note 18. u. 19. 77) I, 16. §.458. Nicht diejenige Umschaffung, die nur die Person der Schuldner wechselt. I, 16. §. 461. (Assignation. Expromission, Delegation), denn hier bleibt der objektive Bestand der Obligation unberührt, sie vermindert sich nicht und wird nicht ausgehoben. Wien st ein S. 503. der in Betreff der Delegation a. M. Allein auch hier tritt nur der zustimmende Assignat in die Stelle der Assignanten, d. h. er tritt, indem der letztere ausscheidet, in die Korrealschnld ein. Die Ver­ bindlichkeit ist nicht getilgt. 78) I, 16. §. 213.

79) I, 5. §. 441. ®°) Gegen Rubo (Jahrb. 53.20. S. 14.)

Förster, Preuß. Prlvatrecht. I. 2. Aust.

Koch R. d. F. II. S. 31.

22

Zweites Buch.

338 ziehung lösen.

Die besonderen Privatrechte.

Der Gläubiger kann den einen seiner Gesammtschuldner

entlassen, einen andern an dessen Stelle in das Rechtsverhältniß -anneh­

men, er kann dem einen Schuldner die Erfüllung seiner Pflicht erleichtern durch Vergleich, durch Fristbestimmung oder sonst wie, er kann mit seiner

Klage gegen einen Schuldner rechtskräftig abgewiesen sein: ans alle dem ' folgt nicht, daß die rechtliche Lage der Mitschuldner irgend geändert werde,

sie bleibt dieselbe, sie wird nicht vermindert, weil keine Erfüllung einge­ treten, sie wird ihnen nicht erschwert, weil Jeder das Ganze schuldet8'). Selbst wenn in der rechtskräftigen Abweisung ausgesprochen-sein sollte,

daß ein Gesammtschuldverhältniß überhaupt nicht vorliege — was für die Abweisung ohnehin keine objektives Element sein könnte — oder wenn im

Prozeß ganze oder theilweise Befriedigung der Gesammtschuld festgestellt

worden, können die übrigen Schuldner aus dem Urtheil die Einrede der Rechtskraft nicht entnehmen 8‘).

Es kann ferner das Recht des Gläubi­

gers gegen den einen Schuldner durch Verjährung erloschen sein und doch

gegen die anderen noch fortdanern. Ebenso bleibt die Gesammtschuld unverändert, wenn einem Schuldner das Recht des Gläubigers zufällt (Konfusion)83 81).*

Erschwert oder erweitert darf durch die Handlungen des einen Schuldners die Lage der übrigen nicht werden. Es steht jenem frei, dem Gläubiger neue Rechte in Beziehung auf die Gesammtschuld einzuräumen,

die entweder das Objekt erweitern oder die Befriedigung sichern — aber von solchen Befugnissen kann der Gläubiger nur gegen diesen Schuldner, nicht gegen die übrigen Gebrauch machen.

So allgemein nun §. 438.

d. T. lautet, so muß doch ein Fall ausgenommen werden, wo in der That die Handlung des einen Schuldners den Anderen nachtheilig wird. Das Versehen des Einen müssen die anderen mittragen; soweit sich durch dieses der Gegenstand der Leistung nmwandelt oder erweitert, haften Alle

dafür.

Rach römischem Recht ist es unzweifelhaft, im preußischen Recht

nicht ebenso. §. 438. d. T. ist ebenso unbestimmt wie die vielbesprochene 1. 18. D. XLV, 2: ex duobus reis ejusdem Stichi promittendi factis alterius factum alteri quoque nocet, d. h. wie man aus diesen Wor­

ten schließt, daß das Verschulden des Einen von den Andern vertreten

werden muß, kann aus §. 438. das Gegentheil gefolgert werden. In Wahrheit können, aber müssen diese Stellen nicht auf diese Frage bezogen, ihre Beantwortung muß tiefer aus dem Wesen der Sache entnommen

werden.

Was Koch eigentlich meint, ist schwer zu sagen; er widerspricht

81) I, 5. §. 437.442. ") Wienstein S. 508. Gruchot S. 326f. M) 1,16. §. 492. In Betreff des Regresses ist aber die Konfusion von vermindern­ der Wirkung aus die Mitjchuldner. Siehe unten §. 96. bei Note 15.

§. 63.

Gesammtgläubiger und Gesammtschuldner

sich nicht einmal, sondern zweimal.

339

An der einen Stelle") heißt es:

rechtsverletzende Handlungen des Einen, wodurch die Obligation des Gläu­

bigers von selbst modifizirt wird, müssen Alle in solidum vertreten; an der andern "): Erweiterungen der Forderung des Gläubigers durch Hand­ lungen eines Einzelnen treffen den Handelnden allein; an der dritten"): für die Arglist und das Versehen des Einen haften die Andern nicht, aus­

genommen subsidarisch so weit, als sie daran hätten hindern können. Gruchot") will die Gesammtschuldner nur auf den einfachen Werth der verletzten Sache verantwortlich machen, der Zuwachs der Leistung, der

auS dem Verschulden des Einen entsteht, soll von diesem allein getragen werden. Wien st ein") endlich vertheidigt mit guten Gründen die An­ sicht, daß Alle solidarisch für das Verschulden des Einen haften:

Zu­

nächst ist die Einschränkung, daß nur dann die Mitschuldner haften, wenn sie das Verschulden hätten verhindern können, eine ganz willkürliche An­

nahme.

Sodann ist

die Beschränkung der Haftung auf den einfachen

Werth ebenfalls ohne gesetzlichen Anhalt, beruht aber auch auf einer Täu­ schung, da statt der Sache ihren Werth zu leisten an sich schon eine Er­

schwerung für idie Mitschuldner sein kann. Das Wesen und der Zweck der Gesammtschuld spricht recht eigentlich dafür, daß dem Gläubiger in aller Weise seine Befriedigung gesichert sei, er hat sie von Allen oder

Einem zu fordern, und wenn die Leistung in Folge eines vertretbaren Ver­ gehens nicht geschehen kann, hat er ebenso das an ihre Stelle tretende Interesse von Allen oder Einem zu fordern. Ihm ist eS ganz gleichgiltig, wer die Verwandlung der Leistung in den Interesse-Anspruch verschuldet hat, dieser Umstand kann nur wichtig sein, wenn sich die Gesammtschuld­ ner unter einander ausgleichen.

Dazu kommt, daß eS im A.L.R. nicht

an bestimmten Anwendungen des richtigen Grundsatzes fehlt.

Der Be­ vollmächtigte, durch dessen Schuld bei dem Geschäft ein Schaden entstan­ den, muß seinen Mitbevollmächtigten, „soweit diese dem Machtgeber dafür haften müssen," gerecht werden"). Von mehreren-Bormündern muß Je­ der dem Pflegebefohlenen für das Versehen des Andern einstehen, und

nur bei der Ausgleichung unter einander kann sich der in Anspruch Ge­

nommene an den Urheber halten"). Bei den Vertretungen, denen Be­ amtenkollegien unterworfen sind, kann eö eintreten, daß auch diejenigen

«*) R. d. F. II. S. 34. bergt. III. S. 461 f. 8S) Pr.R. II. S. 126. bei Note 33. Im Kommentar zu §■ 438. I, 5. (Note 36.) wird die Frage nicht berührt. ««) Pr.R. II. S. 389. bei Note 16. ") S. 333 ff.

”) A. a. O. S. 512sg. •») I, 13. §. 205. •°) II, 18. §.288.289.

Ebenso S a m h a b e r a. a. O.

340

Zweites Buch. Die besonderen Privqtrechte.

einstehen müssen, die am Versehen unschuldig sind, eS vielleicht gar nicht haben hindern können"). Sollte es wohl bedenklich sein, daß ein Erbe, der nach der Theilung auf Grund des §. 131.1, 17. auf das Ganze in

Anspruch genommen worden, das volle Interesse dem Gläubiger leisten muß, wenn auch nicht er, sondern sein Miterbe es verschuldet hat?

Wer

dem Gläubiger gegenüber die Haftung der Gesammtschuldner bedingen oder

einschränken will, vermischt das Verhältniß derselben zu Ersterem mit dem §. 438. d. T. bietet für diese Frage

Verhältniß der Schuldner unter sich.

keine Antwort und er wird mit Recht nur auf diejenigen Erweiterungs­

handlungen bezogen, die ein Schuldner mit dem Gläubiger vornimmt"). Ganz anders verhält es sich mit den Folgen des Verzugs, die nach römischem Recht nur persönlich wirken"). Und dies muß auch für das preußische Recht in Anwendung des §. 438. d. T. behauptet werden. Der Verzug verwandelt nicht die Leistung in das Interesse, er läßt erstere

unberührt und fügt ihr nur etwas bei, der Anspruch wird vergrößert, nicht verwandelt. Auf solche Vergrößerung erstreckt sich die Gesammtschuld nicht, sie darf daher den Mitschuldnern nicht auferlegt werden, und dies um so weniger, weil der Gläubiger den Nachtheil, den ihm der Ver­

zug des Einen bringt, vermöge söines Wahlrechts unter allen Schuldnern abwenden kann. Es bleibt übrig die Untersuchung eines wichtigen Punktes, der an sich nicht in innerem Zusammenhang mit der Gesammtschuld steht, gleich­ wohl von der gemeinrechtlichen Praxis seit lange her und vvm A.L.R. und anderen Gesetzbüchern mit ihr verbunden ist: die Fr^ge, ob der oder

die Schuldner, die den Gläubiger befriedigt, einen Ausgleichungs­

anspruch (Regreß) an die übrigen haben").

«') II, 10. §. 127.136.137. II, 18. §. 305. Strieth. B. 47. S. 292. Da« Nähere unten in §. 154. •2) Der Code, a. 1205. verpflichtet die Milschuldner, den Werth der Sache zu be­ zahlen, nicht aber ans weitere Schadloshaltung. DaS österr. Ges.B. und daS sächs. enthalten hierüber keine Bestimmung. Der bairische Entwurf von 1861 Art. 229. sagt: „Der Sammlschuldner kaun durch seine Handlungen die Verbind­ lichkeit der übrigen Sammlschuldner nicht erschweren." Da der Entwurf ans dem Standpunkt eiusacher Solidarität steht, wird wohl die nur persönliche Wirkung des Versehens angenommen werden müssen, obgleich die Motive, S. 117., darüber zweiselhast lassen. Die streng« Auffassung der Solidarität, die daS Handelsgesetz­ buch hat, bringt mit sich, datz alle für das Versehen Eines einzustehen haben. 112.269. 280.281. u. a. a. St. ”) 1. 34. §. 4. D. XXII, 1. 1. 173. §. 2. de R. J. Samhaber S. 114- Koch R. d. F. II. 33. Wienstein S. 519. ") A.L.R. 1,5. §. 443—449. Savigny I. S. 226 s. Bangerow III. S. 77 s. (wo die weiteren Nachweisungen aus Praxis und Litteratur). S t obbe, zur Ge­ schichte des deutschen Vertragsrechts, S. 171. Samhaber S. 192.211. Koch R. d.F. II. S. 36f. Grnchot S. 339. Wienstein S. 520.

§. 63,

Gesammtgläubiger und Gesammtschuldner.

341

So unzweifelhaft es im Begriff der Gesammtschuld nicht liegt,

daß

die Schuldner unter sich ein Ansgleichungsrecht genießen, ein solches viel­ mehr nur aus besonderen Gründen gerechtfertigt erscheinen kann, und so

gewiß die Quellenzeugnisse des römischen Rechts ’5) diesen Anspruch zu­ rückweisen — ebenso fest steht es, daß die deutsche Praxis es den Schuld­ nern von jeher eingeräumt hat und zwar nicht bloß in Folge einer un­

bestimmten und unbestimmbaren Billigkeit, sondern weil eS, wie die neue­ ren

germanistischen Untersuchungen ergeben haben"),

Recht war.

altes deutsches

Die Reception ist nun einmal nicht bloßes Annehmen, son­

dern ein kampf- und veränderungsreicher Prozeß und die Romanisten müssen sich darein ergeben, daß daö römische Recht auf deutschem Boden vielfache

Es ist darum aber auch

Verwandlungen erlitten hat.

ein Beweis des

feinen und sicheren praktischen Takts Savignh'S, daß er dieses Institut im Widerspruch der anderen Romanisten nicht fallen gelassen, daß er ihm

eine vollberechtigte Stelle im Rechtssystem errungen hat, wenn auch seiner Ausführung, daß eS schon aus den römischen Quellen zu begründen sei,

nicht beigestimmt werden kann. Das A.L.R. hat zuerst gesetzlich die Praxis geregelt") und damit

viele Streitfragen abgeschnitten, nicht hat lösen können.

die die Rechtsanwendung

erzeugt und

Es giebt jedem Gesammtschuldner, der den Gläu­

biger befriedigt hat, den Regreß an seine Genossen, dessen Zweck es

ist, im Wege der Berechnung zu ermitteln, wie groß der Antheil jedes Schuldners au der Gesammtschuld ist, und in welchem Verhältniß die

Befriedigung zu dem Antheil des befriedigenden Schuldners steht.

Hier­

aus ergiebt sich zuerst, daß nur derjenige Schuldner von den anderen eine Ausgleichung erhalten kann,

der

mehr

als seinen Antheil gezahlt hat,

zweitens, daß-er nicht in Folge einer Klagenabtretung an die Stelle des

Gläubigers tritt, um dessen Recht aufs Ganze gegen die übrigen Gesammt­ schuldner geltend zu machen"). Seinen Antheil muß er immer selbst tragen und die Erstattung des Mehrgeleisteten verlangt er kraft des ihm

95) Entscheidend ist 1. 62. pr. XXXV, 2. „si quidem socii sint, in ea re dividi Inter eos debere Obligationen! . . quod si societas inter eos nulla fuisset, in pendenti esse ... ex cujus bonis detrahi.“ Außerdem 1. 71. pr. D. XLVI, 1. Samhaber S. 194. Vergl. den deutschen Gesetzentw. über Schuldverh. Art. 18. 96) Stobbe a. a. O. Sachsenspiegel III, 85. §. 1. Homeyer'S Note dazn und Kü hnö in der preuß. Gerichtszeitung II. S. 87. 97) Gefolgt sind ihm Oesterr. G.B. §.896. Code a. 1214. 1215. Das fächs. G B. hat dagegen §. 1036. die romanistische Theorie ausgenommen, und läßt einen Re­ greß nur bei besonderer Verabredung eintreten (Gemeinschaft oder Auftrag). Der bairische Entwurf v. 1861 Art. 239. giebt den Regreß. 98) Wie dies Bornemann II. S. 662. behauptet. Die Praxis verwirft diese Auf­ fassung. Simon u. v. Strampsf Rechtssprüche B.3 S. 90. Enlsch. B. 11. S. 303. Nr. II. B. 12. S. 169. Strieth. B. 6. S. 342f. B. 34. S. 168. 174. 178. Selbst im Wechselrecht würde dem einen von mehreren Ausstellern, der

342

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechle.

vom Gesetz gegebenen Rechts. Es kann fraglich fein, ob das AuSgleichungsrecht nur in den Fällen verliehen ist, wo daS A.8.R. eine Gesammtfchnld annimmt, also bei gemeinschaftlicher

und

gleichzeitiger

vertrags­

mäßiger Verpflichtung und in den Fällen gesetzlicher Entstehung, mithin da mcht, wo die Parteien in getrennten oder nngleichzeitigen Verabredun­

gen die Gesammtschuld festsetzen. Die richtige in der Praxis gebilligte Ansicht giebt den Regreß allgemein"), "also auch in den letzten Fällen, denn §. 424. erschöpft nicht daS Vorkommen der Gesammtschuld, sondern sagt nur, daß in einem bestimmten Fall eine solche angenommen, vermu­

thet werden soll, und §. 443. schränkt die Anwendbarkeit deS Regresses nicht auf diesen Fall ein. Dieser Ansicht scheint zu widersprechen, daß mehreren Bürgen, die sich besonders verpflichtet haben, eine Ausgleichung

unter einander nicht zusteheAllein wenn auch in diesem Fall die Mitbürgen Gesammtschuldner deS Gläubigers sind, so darf doch nicht daß diese Gesammtschuld etwas Abweichendes hat. Der Bürge ist nämlich nicht in dem Sinne mit dem Hauptschuldner übersehen werden,

solidarisch verbunden,

demselben Ereigniß,

daß

er mit ihm auS derselben Obligation oder

dem Darlehn, Delikt u. s. w. haftet, sondern er

übernimmt die Verpflichtung des letzteren durch

die Bürgschaft,

d. h.

durch eine besondere Obligation von selbständiger Natur und selbstän­ digen Wirkungen, und dasselbe gilt von jedem einzelnen Mitbürgen,

der sich besonders verbürgt hat, gegenüber den anderen: es handelt sich hier, also nicht um verschiedene Verpflichtung-akte zu einer und der­

selben Obligation, sondern um getrennte VerpflichtungSgiründe, deren jeder unabhängig seinen eigenen Regeln folgt.

Darum schreibt hier das eine Gemeinschaft zwischen mehreren Bürgen nicht anzunehmen ist, eine solche als Grundlage des Regresses Gesetz vor, daß, weil an sich

besonders begründet sein muß, wie dies in Anwendung beS. §. 424. 1,5.

durch Verbürgung Mehrerer in einer Urkunde geschehen, kann.

Bedenklich

aber ist eS, hieräuS den allgemeinen Satz zu entnehmen, daß die Aus­ gleichung nur bei gleichzeitig — in einem Akte — übernommener Ge­ sammtschuld stattfinde, und ausgeschlossen sei bei getrennt erfolgter Ver­

pflichtung.

Der Regreßanspruch setzt. zwar Gemeinschaft der

Schuld,

den Gläubiger gegen Indossament befriedigt hat, die exceptio doli entgegenstehen, wenn er auf Grund des Indossaments die übrigen Aussteller auf die ganze Summe belangen wollte. Seuffert B. 10. Nr. 205. (auch bei Gruchot B.3. S. 342.) 89) Koch, Komment. Note 39. zu §. 445. d. T. 10°) A.L.R I, 14. §.379. Im gemeinen Recht ist das Regreßrecht deö Bürgen gegen den Mitbürgen bestritten. Bergl. Savigny Obl.R. B. 1. S. 273 fg. Gir1anner, die Bürgschaft nach gern. Civ.R. S. 538. Dagegen scheinen zu sprechen: 1. 39. D. XLVI, 1.1 11. C. VIII, 40. §. 4. J. III, 20., dafür 1. 17.36. D.XLVI,!. Dagegen das O.A.G. Dresden (Annalen B. 6. S. 134).

§. 63.

GesammtglSubiger und Gesammtschuldner.

343

des VerpflichtungSgrundeS, nicht aber Gleichzeitigkeit des Verpflichtungs­ aktes voraus"').

Die Verpfändung mehrerer Grundstücke für dieselbe Forderung er­ zeugt ein Gesammtschuldverhältniß, und

demgemäß einen Anspruch auf

Ausgleichung nicht nur für den Grundbesitzer, der die Forderung bezahlt hat, gegen die Besitzer der mitverpfändeten Grundstücke, sondern auch für

die hinter der befriedigten Post auf dem einen Grundstück eingetragenen Gläubiger, welche in Folge der Befriedigung derselben ausgefallen sind,

an den Kaufgeldern der übrigen Grundstücke, so weit diese dort auf die

befriedigte Post fallen würden.

Gleichzeitigkeit der Verpfändung der meh­

reren Grundstücke ist nicht erforderlich '”).

Das A.L.R. stellt folgende AnsleichnngSgrundsätze auf:

Zunächst entscheidet der Inhalt des unter

den Mitschuldnern be­

stehenden Vertrages; fehlt ein solcher, so entscheiden die aus dem über­

nommenen Geschäft oder aus dem daraus gezogenen Vortheil sich erge­ benden besonderen Verhältnisse""),

gleich sind.

zuletzt die Regel, daß die Antheile

Ist ein Mitschuldner unfähig oder unvermögend, so muß

sein ausfallender Antheil Allen, den Regreßsucher eingeschlossen, zur Last gelegt werden.

Aufrechnung der Regreßfordernng mit einer anderen Schuld

ist ihm gegenüber nur demjenigen Mitschuldner gestattet, dem die Gegen­ forderung gegen ihn zusteht, und für das, was er in Folge der Ausglei­ chung von dem einzelnen Mitschnldner zu fordern hat, haften ihm die an­ deren nicht solidarisch.

Zur Sicherung deö RegreßansprnchS

hat jeder

Gesammtschuldner das Recht, von dem zweifelhaft gewordenen Genossen Sicherstellung zu verlangen.

Hat der vom Gläubiger in Anspruch ge­

nommene Schuldner seine Genossen zum Prozeß zugezogen, so dürfen ihm diese bei der späteren Ausgleichung keine Einreden entgegensetzen, die sie

ihm zur Vertheidigung gegen den Gläubiger an die Hand zu geben unter­ lassen haben.

Umgekehrt aber werden ihm die Einreden nachtheilig, die

die Mitschnldner gegen den Gläubiger hätten erheben können, wenn sie zum Prozeß zugezogen worden wären'"). I01) A. M. ist Koch, R. d. F. II. S. 39., der gleichwohl im Kommentar Note 39. zu §. 445. d. T. unter Bezugnahme aus Entsch. B. 11. S. 306. B. 12. S. 171. die abweichende Praxis bezeugt, und Wienstein S. 522. Für die oben ver­ tretene Ansicht ist Samhaber S. 212. M2) Enisch. B. 12. S. 16«. Strieth. B. 6. S. 342. Ueber die Berechnung der ■ Antheile der einzelnen Grundstücke an der Schuld im Konkurse s. Konk.Ordn. 8.56. Strieth. B. 34. S. 168. •°3) Es kann zweifelhaft sein, ob der Ehemann, der eine mit seiner Frau gemein­ schaftlich eingegangene Schuld bezahlt, einen Regreß gegen seine Frau hat. Mit Rücksicht daraus, daß bei solcher Schuld die Vermuthung dafür spricht, daß sie zum Vortheil der Ehe. zur Bestreitung der ehelichen Lasten eingegangen, und für diese die Sorge dem Mann obliegt, wird sein Regreßanspruch zu verneinen sein. Heuser, Ann. VI. S. 86. >-) Koch, R. d. F. II. S. 43. A.L.R. 1, 5. §. 431. A.G.0.1,17. §. 19.10.

Die besonderen Privatrechte.

Zweites Buch.

344

Zu bemerken ist noch, daß zwar der gegenseitige

Regreßanspruch

auch bei widerrechtlicher Beschädigung anerkannt ist, bei vorsätzlicher Be­

schädigung aber die Ausgleichungssumme, die

der zu zahlende Mitver-

pflichtetr zu erhalten hätte, der Ortsarmenkasse zufallen soll'"''); daß,

wenn bei Auflauf und Tumult ein Schaden geschehen, die Urheber und Theilnehmer desselben keinen Regreß unter einander haben, die Zuschauer aber, die dem Beschädigten auch solidarisch haften, unter einander gleiche Theile', von den Urhebers und Theilnchmern das Ganze als Ausglei­

chung verlangen dürfen '"').

Insofern der Inhalt der Obligation durch

das Verschulden eines Schuldners erweitert worden, muß dieser die Er­ weiterung für sich allein tragen und dafür den Uebrigen bei der Aus­ gleichung aufkommen; so bei mehreren Bevollmächtigten""), bei Vor­

mündern '"") und Beamten'"").

§. 64. Unbestimmtheit des Gläubigers. A.r.R. l, 11. §. 401. 653. I, 15. §. 47. 1,16. §. 28. S. 157.).

B. O. v. 16. Juni 1819 (Ges.

Kab.O. v. 3. Mai 1828 (Ges. S. 61.).

Ges. v. 17. Juni 1833 (Ges.

S. 75.). Ges. v. 4. Mai 1843 (Ges. S. S. 177.). Ges. v. 4. Mai 1843 (Ges. S. 179.). Ges. v. 9. Novbr. 1843 (Ges. S. 341.). — Koch Pr.R. II, 438. R. d. F. III, 791 f. — Dnncker über Papiere auf den Inhaber in der Zeitschr. f. deutsches R. B. 5. S. 30. 1841. Savigny, Obl.R. II. S. 88. 92. 1853. Thöl, Handelsrecht I. §. 51—56. Renaud, Beitrag z. Theorie der Oblig. auf d. Inhaber in der Zeitschr. s. deutsches R. B. 14. S. 315. 1853. Gengler, deutsches Priv.R. S. 170. 1854. Gerber, deutsches Priv.R. 8. A. §. 161. S. 405. Bluntschli, deutsches Pr.R. 3. A. S. 503 sg. Beseler, deutsches Priv.R. B. 3. S. 319 f. 1855. 2. A. S. 313 s. Jolly im Archiv f. deutsches Wechselrecht. B.4 S. 383f. Eigenbrodt bei Gerber und Ihering B. 2. S. 181. 1856. Unger, die recht!. Natur der Inhaberpapiere. 1857. Kuntze, die Lehre v. d. Inhaber­ papieren. 1857. Derselbe in d. 3. A. v. Holzschuher, Theorie und Kasuistik B. 2. S. 185 fg. 1864. Renaud in der kritischen Ueberschau, B. 5. S. 397.1857. Hoffmann im Archiv s., deutsch. Wechselrecht, B. 5. S. 256. 1857. Bekker in

s. li. Muther'S Iahrb. des gern, deutschen Rechts, B. 1. S. 266. 361. 1857. Jolly in Goldschmidt's Zeitschr. s. d. gesammte Hbndelsr. B. 1. S. 177. 333. 1858. Renaud das. S. 461. Düring das. B. 2. S. 545.1859. Kuntze das. S. 570.

Goldschmidt in s. Zeitschr. B. 3. S. 274 f. 1860.

Wenn gesagt wird,

das Schuldverhältniß sei ein Rechtsverhältniß

zwischen „gewissen" Personen'), so ist damit ausgedrückt, daß sich Gläu105) I, 6. §. 33—35. Siehe hierüber Gru chot B. 3. S. 497f. 106) Ges. v. 17. Aug. 1835 (G.S. S. 170). §. 11.

107) I, 13. §. 205. "°) II, 18. §. 288. 289. 109) II, 10. §. 136. 137.

i) I, 2.

122,

§. 64.

345

Unbestimmtheit des Gläubiger«.

biger und Schuldner als - individuell bestimmte Personen gegenüberstehen Der Gläubiger muß wissen, von wem, der Schuldner, an wen zu leisten ist2). Dem römischen Recht ist auch hierüber nie ein Zweifel müssen.

aufgestoßen. Wesentlich darauf beruht der scharfe Unterschied von persön­ lichem und dinglichem Recht. Im deutschen Recht giebt es aber Institute,

deren Charakter mehr in der Mitte zwischen diesen beiden Begriffen schwebt.

Nicht ein bestimmter Gläubiger hat bei ihnen von einem bestimmten Schuld­ ner etwas zu fordern, sondern die Person des Berechtigten oder die des

Verpflichteten bestimmt sich durch den Besitz einer gewissen Sache, eineö Jeder Besitzer desselben hat zu leisten oder zu empfangen. Doch fehlt bei diesen Rechtsverhältnissen (den Reallasten) das Moment der Bestimmtheit der Personen nicht, da cs sich durch eine sofort erkenn­

Grundstücks.

Tritt diese ein, so ist die volle Be­ Viel schwieriger aber ist es, dieses wesentliche

bare, dauernde Beziehung feststellt.

stimmtheit vorhanden.

Merkmal einer Obligation bei einem anderen Rechtsinstitut nachzuweisen,

dessen erste Spuren sich schon Jahrhunderte vor der Reception im ger­ manischen Europa verfolgen lassen, dessen weitere Entwicklung dann unter dem Druck des recipirten Rechts längere Zeit gehemmt worden ist, im modernen Verkehr aber sich vollendet und für diesen eine ungemein große Wichtigkeit und eine große Verbreitung erlangt hat ■— dem Institut der Inhciberpstpiere (lettres au porteur)3). Im Allgemeinen versteht

man darunter solche Schuldverschreibungen eines bestimmten Schuldners, in denen sich dieser verpflichtet, den Inhaber des Papiers — dessen Per­

son ihm zunächst nvch gänzlich ungewiß ist — als Gläubiger anzunehmen und ihm die verschriebene Summe zu zahlen. Das A.L.R. erwähnt an wenigen Stellen solcher Papiere,-ohne ihren Begriff anzugeben. Es be­

trachtet sie als möglichen Gegenstand eines Darlehns, als Zahlungsmittel, erklärt ihre Vindikation wie beim baaren Gelde für unzulässig. Aber in

allen diesen Stellen ist nur vorübergehend von ihnen die Rede. Auch die neueren Gesetze haben sich wohl mit einzelnen Eigenthümlichkeiten beschäf­ tigt, ohne aber sonst ihr Wesen im Einzelnen zu bestimmen.

Das Ge­

setzesmaterial ist überhaupt für die civilistische Konstruktion dieseö RechtSinstitutS sowohl in Preußen als anderwärts noch wenig ergiebig.

Die

2) Entsch. B. 4. S. 197. *) Geschichtliche Nötigen giebt besonder« reich Kunhe a. a. O. S. 33—93., ferner ® under a. a. O. S. 32. Gengier S. 170. Eigenbr odt bei Gerber und Jhering B. 2. S. 181. und Knntze bei Goldschmidt B. 2. ®. 570. Stobbe das. B. 11. S. 397. In Deutschland lassen sich die Ixureii bis in tag 14. Jahr­ hundert zurück verfolgen, reine Jnh.Pav. (an jeden Inhaber zahlbar) kommen aller wohk'rrst"seit dem 17. Jahrh, vor, namentlich am Ende desselben in Knrsachien, wo die Verlegenheiten, in denen die Staatsfinanzen sich befanden, dazu führten. Duncker theilt Urkunden mit au« 1306.1307. 1334. 1360, nach denen „wer die Handfeste inne hat, dem man die Gült antworten soll." E« sind Ur­ kunden Mr Rentenkäufe.

346

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Wissenschaft hat sie, geleitet von den Erscheinungen im Verkehr, selbstän­ dig in die Hand nehmen müssen, und eS. ist dabei eingetreten, waS in solchem Fall immer einzutreten pflegt, daß „beinahe jeder Schriftsteller

die Ansicht seiner Vorgänger widerlegt, seine eigne Behauptung aufstellt, um von seinem Nachfolger die gleiche Behandlung zu erfahren"4).5 *Einen festen dogmatischen Kern, der der weiteren wissenschaftlichen Entwicklung

oder organischen Uniwandlnng fähig wäre, giebt eS noch nicht, nur ver­ schiedene neben einander stehende Theorien.

Nicht gleich von Anfang erschienen die Inhaberpapiere so völlig frei

von jeder persönlichen Bestimmtheit des Gläubigers wie im heutigen Ver­ kehr.', Sie waren ausgestellt auf einen genannten Gläubiger und hatten

nebenbei die Inhaberklausel, oft noch mit dem qualifizirenden Zusatz:' an

den getreuen Inhaber °). Man ist nicht einig darüber, ob diese Neben­ klausel eine wirkliche Inhaberklausel sei, denn die älteren Juristen faßten sie auf bald als Ermächtigung des genannten Gläubigers, daS Papier und

damit die Forderung selbst an Andere zu übertragen, bald als Beifügung eines Zahlungsempfängers anstatt des Gläubigers (Mandatars oder eines solutionis causa adjectus), und es war daher auch bestritten, ob der

Schuldner an jeden Inhaber oder Vorzeiger des Papiers zu zahlen oder ob er noch dessen Legitimation zu prüfen habe°). Solche Papiere sind

heut wohl seltener im Gebrauch, meist sind sie schlechthin auf den Inhaber gestellt; es hat daraus der Schuldner die Verpflichtung, jedem Inhaber

zu zahlen, und weder das Recht noch die Pflicht, seine Legitimation zu prüfen. Daraus ergeben sich als weitere Eigenthümlichkeiten, daß sie ohne die besondere Form eines Rechtsakts aus Hand in Hand gehen und weil ihnen jedes Merkmal einer persönlichen Zugehörigkeit fehlt, daß sie nicht

vindizirt werden können. Mit Unrecht hat man zuweilen unter die In­ haberpapiere auch eine Menge von Urkunden gerechnet, die im täglichen Verkehr vorkommen, und Bescheinigungen darstellen, daß eine Leistung ge­ schehen, für welche die Gegenleistung noch zu erwarten ist, Abonnements­ karten aller Art, Fahrbillets u. bergt.7). Diese Schriftstücke haben die

Natur von Quittungen nnd Legitimationen; eS ist nur eine äußere Aehn-

lichkeit mit den Jnhaberpapieren, daß sie namenlos ausgestellt sind — nicht um eine leichte Verkehrscirculation möglich zu machen, sondern aus 4) Utiger a. a. O. S. 1. 5) Sund er S. 40 f. b) D und er das. Eigenbrodt a. a. O. Ku ntze bei Goldschmidt B. 2. S. 570 f. Bei diesen Schriftstellern finden sich auch die weiteren Nachweisungen aus den Schristen älterer Juristen. 7) Die« hat namentlich Unger gethan, S. 6. 89. 95. 106. Gegen ihn Setter in s. und Muther'S Jahrb. B. 1. S. 271. 307 s. Renaud in der trit. Ueberschan B. 5. S. 406. Kuntz« betrachtet solche Schriftstüde als uneigentliche Inh.Pa­ piere, qualifizirle Legitimationspapiere.

§. 64.

Unbestimmtheit des Gläubigers.

anderen Gründen der Bequemlichkeit’).

347

Die eigentlichen Inhaberpapiere,

welche ein Zahlungsversprechen an einen zur Zeit noch unbekannten Be­ rechtigten enthalten, dessen Person sich lediglich dadurch bestimmt, daß er Inhaber des Papiers ist, hat man in sehr abweichender Weise juristisch zu konstruiren versucht. Die wesentlichste Schwierigkeit bereitet hierbei

der Umstand, daß sie ihrer Natur nach mit dem Grnnddogma des ObltgationenrechtS von der individuellen Bestimmtheit der durch die Obligation verbundenen Personen direkt in Widerstreit zu stehen scheinen, und die

größte Mühe mußte daher darauf verwendet werden, diesen Widerstreit zu beseitigen oder zu rechtfertigen.

Daß das römische Recht keine ausreichende

Erklärung für rin Rechtsinstitut geben kann, welches ihm völlig fremd

gewesen, ist nicht auffallend — aber wenn man dem modernen RechtSleben weder die Befähigung noch die Berechtigung absprechen darf, neue Rechtsbildungen zu erzeugen, so ist es mehr als bedenklich, diese nicht aus

ihrer Eigenartigkeit, sondern nach Analogien zu erklären, die dem römi­ schen Recht entlehnt sind. Indem hier eine kurze Uebersicht der verschiedenen bisher aufgestellten Theorien gegeben werden soll, können zwei als allgemein jetzt verworfen von vornherein bei Seite bleiben, nämlich die eine, welche das Inhaber­ papier als Papiergeld (konventionelles Papiergeld)'), die andere, welche eS als Handelswaare") auffaßt.

Doch muß bemerkt werden, daß das

A.L.R. an einer Stelle") diese Papiere als Zahlungsmittel ansieht; bei der nur gelegentlichen Erwähnung derselben kann daraus aber nicht ge­ schlossen werden, daß ihr Begriff damit erschöpfend gegeben sein soll"). Im Uebrigen scheiden sich die Theorien haupksächlich in zwei Gruppen. 8) Siehe die Note 6. citirten Bekker, Renaud und Knntze bei Holzschuher a. a. OII. S. 188. 189. Die Inhaberklausel ist nicht zu Gunsten des Inhabers, sondern zu Gunsten des Ausstellers beigefttgt, welchem die Mühe der LegitimationSprüfung erspart werden soll; folglich ist der Präsentant als solcher nicht Gläubiger. Hier­ her gehören auch die Verstcherungöpolizen (s. Heuser, Annalen, B. 12. S. 330, bes. 336; Goldschmidt, Zeitschr. B. 3. S. 191.), Sparkassenbücher, die auf den Namen eines bestimmten Berechtigten ausgestellt sind (Reglern. v. 12. Dezbr. 1838. §. 14 22. Ges.Samml. 1835. S. 5. Gruchot II. 426 VI. 403. Entsch. B. 47. S. 424), Seehandlungs-Obligationen (Mathis, jur. MonatSfchr. B. 3. S. 129). LebenSverflcherungspolizen auf den Inhaber: Goldschmidt, Zeitschr. s. Han­ delsrecht, B. 3. S. 191. — Dresdner Annalen B. 5. L>. 51. 9) Ansicht Suchay'S im Archiv f. civil. Praxis B. 10. S. 152. Gegen ihn spricht nicht bloß, daß die I.P. keinen Zwangscours haben, sondern auch, daß ihnen die Eigenschaft, ein allgemeiner Werthmesser für andere Gegenstände zu sein, abgeht. Thöl a. a. O. §. 54b.

10) Ansicht Miihlenbruch'S, Session, 3. A. S. 460. Handelswaare; Gegenstand des Börsenverkehrs ist zwar das J.P., aber dieser Umstand ist für die Erkenntniß seiner rechtlichen Natur ohne Einfluß. Thöl a. a. O. §. 54b. ") I, 16. §. 28. Siehe unten §. 91. bei Note 3. ") Koch, Pr.R. B. 2. S. 438. Note 6. Uebrigens ist in Entsch. B. 17. S. 156. diese Ansicht nicht ausgesprochen, vielmehr wird hier der Inhalt des Rechts aus dem Inh.Papier als Forderung einer Summe Geldes bezeichnet.

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

348

Die eine sieht im Papier nichts weiter, als das Dokument über eine Schuld (Schuldschein), die andere identifizirt Schuld und Papier.

Die

erstere schließt sich enger an die Grundsätze des gemeinen Rechts an, die andere entfernt sich von ihnen, konstruirt eine eigenthümliche RechtSbil-

dung und verwendet die Sätze des gemeinen Rechts nur als Analogien. Die erste Gruppe wird vertreten von Duncker, Savignh, Koch, Thöl, Renaud. Sie Alle nehmen ein materielles Schuldverhältniß an,

welches durch das Papier nur bekundet wird, und müssen deßhalb die Frage beantworten, wie ein solches materielles Schuldverhältniß zwischen einem bestimmten Schuldner und einem unbestimmten Gläubiger rechtlich denkbar sei.

Savignh, indem er ans dem Standpunkt des römischen

Rechts stehen bleibt, verneint dies in Betreff derjenigen Inhaberpapiere,

die sich auf Privatgeschäfte beziehen, und hält sie für unziulässig, er be­ trachtet die im Handel gebräuchlichen Institute des Wechsels! und der Seeversicherungspolize als Singularitäten, die Staatsobligatio'nen als nicht unter dem privatrechtlichen Schutz des Richters stehend, Pfandbriefe und

Aktien aber, soweit diese letzteren nicht Antheile am Eigenthum einer in­ dustriellen Anstalt (Stammaktien), sondern Schuldbriefe (Prioritätsaktien), sind, nur weil durch Gesetze zugelassen, für rechtsgiltige Schuldverschrei­ bungen über Gelddarlehne, bei denen der Gläubiger zwar der Eigen­ thümer des Papieres sei, aber weil mit dem thatsächlichen Besitz stets die Vermuthung des Eigenthums verbunden"), der Besitzer (Inhaber)

dem Schuldner gegenüber die Rechte des Eigenthümers auSübe», und der

Schuldner den Besitzer als Eigenthümer annehmen könne.

Die Ueber-

tragung geschieht wie bei dem Eigenthum durch bloße Uebergabe, weil die Berechtigung (das Forderungsrecht) mit dem Eigenthum am Papier über­ geht.

Dieser Ansicht schließt sich am engsten Renaud") an, indem auch

er nicht den Inhaber, oder den gutgläubigen Inhaber an sich, sondern den Eigenthümer des Papiers als Gläubiger, und den Inhaber nur als zum Zahlungsempfang legitimirt ansieht. Der Eigenthümer soll der bestimmte Gläubiger, mithin der Grundsatz gerettet sein, daß auch hier die

Obligation

nur

zwischen

bestimmten

Personen

bestehe.

Allein

dein

Schuldner gegenüber giebt das Eigenthum am Papier keine Bestimmt­ heit des Gläubigers, denn diese müßte voraussetzen, daß der Schuldner

von dem Eigenthum der bestimmten Person Kenntniß erlangt habe. Die von Savignh an den thatsächlichen Besitz geknüpfte Vermuthung für das Eigenthum des Inhabers an Papier und Forderung ist keineswegs

an sich begründet und wie die Succession in daS Eigenthum am Papier die Succession in die Forderung mit sich ziehen kann, bleibt unerklärt.

*«) S. 117.135. “) Zeitschr. f. deutsche« R. SB. 14. S. 326 s. 337 f. Krit. UeLerscha« B. 5. S. 307.

§. 64.

349

Unbestimmtheit de- Gläubigers.

Thöl"), der ebenfalls im Papier nur eine Beweisnrkunde über die For-

,derung und die Nachweisung der Legitimation sieht, will weder den Eigen­ thümer noch jeden Besitzer als Gläubiger gelten lassen. Ihm ist die Ver­

bindung der Gläubigerschaft mit dem Eigenthum rechtlich nicht nothwendig,

denn nicht die Forderung ist um des Papiers willen, sondern dieses für jene vorhanden: der wahre Gläubiger ist derjenige, welcher zuletzt in

gutem Glauben das Papier mit dem Gläubigerwillen erworben bat.

Wodurch aber wird hier für den Schuldner die bestimmte Kenntniß des

ihm gegenüber Berechtigten erworben? Unerklärt bleibt, wie der unred­ liche Veräußerer eines solchen Papiers das Recht, d. h. das Eigenthum am Papier und damit die Forderung, dem wenn auch gutgläubigen Er­

werber übertragen kann, warum vom Schuldner bis

auf Gegenbeweis,

der zwar zulässig aber schwer zu führen, der Inhaber als Gläubiger oder als Mandatar des Gläubigers angesehen werden soll. Und endlich, warum

geht mit der bloße» Aushändigung der Beweisurkunde die Forderung selbst über? Koch") bezeichnet den Darlehnsgeber, d. h. den ersten Nehmer als den bestimmten Gläubiger. Er hält es für unerheblich,

daß dieser im Papier nicht genannt werde, weil der Schuldschein für das Darlehn nichts Wesentliches sei. Die Eigenthümlichkeit der formlosen Uebertragung erklärt er aus einer besonderen Verabredung zwischen dem

Schuldner und ersten Nehmer.

Aber es ist hiergegen einzuwenden, daß

der Schuldner meist auch den ersten Nehmer nicht kennen lernt, daß der Schuldschein bei diesen Geschäften keineswegs unerheblich ist und etwa auch fehlen könnte, wie beim Darlehn, und daß die Verabredung in Be­

treff der formlosen Uebertragung niemals stattfindet, eine solche Verabre­

dung aber zu fingiren, eine willlürliche Annahme ist.

Auch Jolly")

bezeichnet den ersten Nehmer als den eigentlichen Gläubiger, der zugleich

als Vertreter des eigentlich berechtigten Empfängers zu denken'sei.

Doch

den ersten Nehmer als Vertreter aller folgenden Inhaber zu denken, ist ebenfalls ganz willkürlich. So sind von den Schriftstellern der ersten Gruppe wohl alle Mög­

lichkeiten erschöpft, um die Person des rechten Gläubigers zu finden, und

alle diese Möglichkeiten haben sich als ungenügend erwiesen; wesentlich

deßhalb, weil sie die Begründung der Gläubigerschaft mit dem Erwerb des Papieres zusammenfallen lassen, während, wie spater zu zeigen, nicht dieser, sondern die Präsentation des Papiers bei dem Schuldner das entscheidende Moment ist.

") §. 54b. 54 c.

,e) Priv.R. a. a. O. ”) Archiv f. deutsches Wechsel»'. B. 4. S. 385 f.

350

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Die andere Gruppe der Schriftsteller erblickt im Papier selbst die Obligation, verwirft also die Annahme, daß es nur Beurkundung eines

materiellen Schuldverhältnisses sei. zufassen, darüber weichen sie ab.

Wie aber die Papierobligation auf­ Zuerst hat Hoffmann") behauptet,

das Papier stelle ein durch sich selbst bestehendes Geldversprechen dar, welches von seinen materiellen Unterlagen entbunden, an das Papier ge­

knüpft und durch dasselbe beurkundet sei. Dieses Papier sei mehr als bloßes Papier, eö sei auch Schuldschein (formales Geldversprechen oder Einlösungsversprechen), aber noch weit mehr, nämlich Zahlungsmittel im

Verkehr, vermöge welcher Eigenschaft jeder Besitzer des Papiers (als red­ licher vermuthet bis zum Erweis des Gegentheils) als ursprünglicher, selb­ ständiger Gläubiger gelte. Es ist aber wenig oder nichts gewonnen, wenn

man das Papier als Formalkontrakt anffaßt, denn das kann wohl eine

generische, aber nicht eine spezifische Bezeichnung sein, und die ganze Dar­ stellung ist mehr Beschreibung als Erklärung. Unger behandelt die Jnhaberpapiere als die Litteralkontrakte des modernen Rechts"). Es ist die Schrift nicht bloß Beweis einer Obligation, sondern selbst der Ent-

stehungsgrnnd derselben.

Der Aussteller ist zur Zahlung verpflichtet, weil

er sie in dieser Schrift versprochen hat. Gleichgiltig ist eS, was zur Ausstellung der Schrift Veranlassung gegeben, einmal ausgestellt ist sie losgelöst von diesem Veranlassungsgrunde. Hat der Aussteller Geld als Darlehn aufnehmen wollen, so ist doch vom Moment der Ausstellung des

Papiers die Darlehnsobligation verschwunden und eine einseitige Schrift­ obligation entstanden, die zwischen dem Aussteller und dem ersten Nehmer,

also zwischen bestimmten Personen geschlossen wird; sie koiistituiren ein abstraktes Nomen"). Diese Auffassung bringt die Inhaberpapiere in Verwandtschaft mit dem Wechsel, aber es wird hierbei außer Acht gelassen,

daß der Wechsel ein im positiven Recht anerkannter, stets von den Par­ teien wirklich gewollter, selbständiger Obligationsgrund ist, der in der Ur­ kunde ausdrücklich ersichtlich gemacht ist, bei den Inhaberpapieren aber

keineswegs die Absicht der Parteien, eine von allem son stigen RechtSgrnnd

losgelöste Obligation zu erzeugen, aus den Worten der Urkunde „an den

Inhaber" zu entnehmen ist und daß eine solche Auffassung im positiven

Recht keinen Anhalt findet, ja die Praxis derselben in vielen Fällen der Anwendung widerspricht, in denen das zu Grunde liegende materielle Schuldverhältniß entscheidend bleibt für die künftige Zahlung tl) Die Be•

18) Archiv s. deutsches Wechsele. B. 5. S. 258 f. ") S. 66 fg. 85 f. 20) S. 94.: „Die Ausstellung eines Ordre- oder Jnhaberpapiers ist nichts anderes, als die Uebertragung eines abstrakten ForderungSrechtS als die sua vi ac potestate wirkende Konstitnirung eine« Nomen."

äI) R Koch bei Gruchot X. 500. Bei LebenSverstchernngS - Policen kann der Ver­ sicherer dem Inhaber, wenn er das Kapital erheben will, moch die Einrede ent«

§. 64.

Unbestimmtheit des Gläubigers.

351

gebbarkeit des Papiers faßt Unger als Delegation in sehr künstlicher

Weise auf: eS soll der Aussteller im Papier außer dem abstrakten ZahlungS-

versprechen noch ferner die Vollmacht an den Nehmer ausgedrückt haben,

mit jedem Dritten in seinem Namen die Novation vorznnehmen, und diese Vollmacht pflanze sich ans jeden ferneren Nehmer fort”). Hiernach muß also der äußerlich so einfache Akt der weiteren Veräußerung durch Ueber-

gabe den Abschluß einer Delegation im Namen des Ausstellers enthalten. Aber die Vollmacht ist eben nur eine Vermuthung, für die in dem that­

sächlichen Hergang der ersten Ausgabe des Papiers nichts spricht, und wie in dem formlosen Hingeben eine Delegation zu erkennen sein soll, ist nicht

erklärlich. Knntze trennt die obligatorische und sachliche Seite des Rechts­

verhältnisses.

Das Papier ist Sache

und Len rechtlichen Beziehungen

einer solchen zugänglich und unterworfen (Besitz, Eigenthum), aber das Recht, welches durch das Papier auögedrückt, von ihm getragen wird, ist

eine Obligation.

Diese Zweiheit von Obligation und Sache wird dadurch

gehoben, daß „das Papier zum Symbol oder Organ, d. h. zum unmittel­ baren Ausdruck und Vehikel der Obligation gestempelt, diese als die ideelle Substanz dem Papier inkorporirt, dessen einverleibte oder eingeborne Seele ist."").

So ist also zunächst das Papier nicht Grund, sondern Mittel

für die Entstehung der Obligation, der Grund ist der Verpflichtungswille des AuSsteAers; daS Papier ist ferner das Mittel, die Obligation in Um­

lauf zu sehen, mit dem juristischen Besitz des Papiers ist diese erworben, die Uebergabe hat für die Obligation den Rechtseffekt der Novation; daS

Papier ist endlich das Mittel, die Obligation zu tilgen, sobald eS entweder in den juristischen Besitz deS Ausstellers zurückgelangt, oder kassirt, oder mit einem Quittungsvermerk versehen ist “). Die Obligation selbst ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, welches den Charakter einer General- oder Neutralobligation hat, d. h. zu welcher eine causa debendi specialis nicht erforderlich ist"). Anznerkennen ist nun zunächst bei dieser Theorie,

daß die obligatorische und sachliche Seite des Rechtsverhältnisses unter«

gegenstellen, daß z. B. bei dem Abschluß der Versicherung die Gesundheil deS Neh­ mers falsch angegeben worden, eine exceptio doli. Renaud in der trit. Ueber» schon B. 5. S. 409. Wie oben Nole 8 gezeigt, gehören aber Policen nicht zur Kategorie der Inhaberpapierc. Dasselbe gilt aber auch von diesen. Art. 362. des deulschen Gesetzentiv über Sckulbverh. sagt: der Schuldner kann der Forde­ rung ans der ans den Inhaber lautenden Urkunde Einwendnngen entgegensetzen, welche gegen die Giltigkeit der Urkunde gerichtet sind, oder aus der letzteren Her­ vorgehen, oder welche ihm gegen den jeweiligen Inhaber zustehen, nicht aber Einwendungen, welche er gegen Bormänner des Inhabers gehabt haben würde. ") S. 111 ff. bej. S. 115. M) A. a. O. S. 266-274. N) Hiernach hat da» Papier nach K. drei Funktionen: eine Genital-, eine Vital-, eine Finalsunktion.

«) S. 362 ff. 374.

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

352 schieden wird.

Daß namentlich eine sachliche Seite beachtet werden muß,

ergiebt sich aus der Streitfrage über die Bindikabilität, aus dem höheren oder geringeren Kaufwerth (Cours), den solche Papiere an der Börse

haben, und der sich danach richtet, ob der Kredit des Unternehmens für welches sich der Schuldner durch Ausstellung des Papiers die Mittel ver­ schafft hat, steigt oder fällt. Allein der Begriff einer Generalobligation ist nur erfunden, dem positiven Recht unbekannt und der Klarheit ent­

behrend.

Auch hier muß ein bestimmter Wille des Schuldners angenom­

men werden, der in den Worten der Urkunde nicht ausgedrückt ist. Der bloße abstrakte Verpflichtungswille ohne BerpflichtungSgrnnd kann eine

Obligation nicht erzeugen. Die Loslösung der Papierobligation von ihrem materiellen Grunde steht mit dem Umstande in Widerspruch, daß bei vielen und häufigen Arten der Inhaberpapiere dem Inhaber vom Aus­ steller Einreden ans diesem materiellen Gründe entgegengesetzt werden dürfen “), und daß die Umwandlung der materiellen Obligation in einen

formellen

einseitigen Verpflichtungsakt

lediglich

durch

den

Willen des

Schuldners herbeigeführt werden soll, während dabei doch gewiß das In­ teresse des Gläubigers in der ursprünglichen Obligation sehr stark mit im Spiel ist, immer fehlt.

seine Einwilligung also nothwendig erscheint,

gleichwohl

Allen diesen Theorien der zweiten Gruppe ist mit denen

der ersteren zwar dies gemeinsam, daß auch sie das Dogma, eine Obli­ gation könne nur zwischen bestimmten Personen zu Stande kommen, zu bewahren bestrebt sind: der bestimmte Gläubiger ist ihnen der erste

Nehmer und jeder folgende Nehmer auf Grund eines UebertragungSAber indem sie abweichend von den Ersteren in dem Papier die

aktes.

Obligation selbst, nicht nur eine Beweisurknnde für eine Obligation er­

blicken , gerathen sie in künstliche und bildliche Vorstellungen, die der Klarheit entbehren. Daß das Papier „Träger" der Obligation sei, daß sich diese in ihm „verkörpere," sind Ausdrucksweisen, die ebenso wenig erklärten, als wenn man für diese Schuldverhältnisse einen Namen erfin­

det, wie General- oder Neutral- oder Skripturobligation, oder abstraktes Nomen.

So ist es auch nur eine bildliche und daher für juristische Kon­

struktion nicht verwendbare Ansicht, die Bekker vorgetragen, daß das Papier selbst das Subjekt des Forderungsrechts, der Gläubiger sei,

daß der Inhaber dieses Subjekt nur vertrete, nicht selbst aber der Gläu­ biger sei. Da bietet die Präsidialservitut eine Analogie, denn auch hier ist eine Sache (das herrschende Grundstück) das vom Besitzer vertretene Rechtssubjekt.

Und indem ferner iu diesen Theorien der erste Nehmer

als bestimmter Gläubiger, die Obligation selbst durch das erste Nehmen

als eine definitiv vollendete aufgefaßt wird, muß natürlich der Ueber-

83) Siehe oben Note 21.

§. 64.

353

Unbestimmtheit des Gläubigers.

tragungsakt, der bei den Schriftstellern der ersten Gruppe,

sofern sie

nicht den ersten Nehmer, sondern den Eigenthümer, oder gutgläubigen

Besitzer oder Inhaber als den Gläubiger hinstellen, als ein rein sachen­

rechtlicher erscheint, einen obligatorischen Charakter annehmen und nun

entsteht die Schwierigkeit, eine Form für denselben zu finden.

Novation,

Delegation, Vollmacht, stillschweigende Uebereinkunft zwischen dem Schuld­ ner und ersten Nehmer über die Formlosigkeit der Uebertragung sind be­

hauptet worden — aber diese Meinungen scheitern alle daran, daß sie von Voraussetzungen ausgehen, die thatsächlich niemals vorhanden sind. Endlich

spricht gegen die Identifizirnng der Forderung mit dem Papier, daß in

Folge derselben mit vem Untergang oder Verlust des Papiers auch jene untergehen müßte, was gleichwohl nicht dör Fall ist, wie aus der Amor­ tisation solcher Papiere, aus dem Aufgebot und daraus sich ergiebt, daß wenn dem Schuldner der Verlust angezeigt, wird, er dem nächsten Prä­ sentanten nicht zahlen darf. Man wird also diese bildlichen Vorstellungen verlassen müssen: das

Papier ist Papier, weder Schnld noch Gläubiger, es beweist die Schuld und soll für den Empfang der Schuld lcgitimiren.

Kein Loslösen von

dem ursprünglichen Rechtsgrund derselben — aber auch keine definitiv voll­ endete Obligation bis zu dem Zeitpunkt, wo der Schuldner seinen bestimm­ ten Gläubiger gefunden hat. Dies führt auf die leider bisher nur ange­ deutete Ansicht von Goldschmidt^). Angeknüpft ist sie an eine beiläu­ fige Bemerkung Fitting's'°), welche die aktive Korrealobligation als für die Theorie der Inhaberpapiere verwendbar erklärte, indem auch hier dem Schuldner gegenüber zunächst ungewiß bleibe, wer zu fordern hat, und die

Ungewißheit sich hier zwar nicht durch Wahl, aber durch den Besitz des Papiers entscheide. Hiergegen wird von Goldschmidt bemerkt, bei der Korrealobligation stehen mehrere bestimmte Gläubiger neben einander, bei dem Inhaberpapier eine Reihe unbestimmter, möglicher Gläubiger nach einander dem Schuldner gegenüber. Durch den Besitzerwerb entscheidet sich nur, wer Gläubiger sein kann, erst durch die Präsentation, die Klage

oder Einlösung, wer wirklich Gläubiger ist, Bis dahin ist zwar ein durch

die Ausstellung des Papiers bekundeter einseitiger Verpflichtungswille vor­ handen, das obligatorische Band ist -von der einen Seite festgchalten, aber noch ist ungewiß, wer eö von der andere» Seite ergreifen und dadurch

die Obligation zum Abschluß bringen wird: die Gläubigerschaft schwebt noch.

Von dem Moment an, wo der Inhaber des Papiers sich bei dem

Schuldner meldet, ist er dessen bestimmter Gläubiger geworden: Gläubi”) In seiner Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht, B. 3. S. 274 f. ie) Fitting, die Natur der Korrealobligation S. 235. Note 257. Jörster, Preuß. Prwatrecht. I. 2. Ausl.

23

Zweites Buch.

354

ist der Präsentant").

Die besonderen Privatrechte.

Darum ist aber auch nicht nöthig, die bis

dahin eingetretenen weiteren Begebungen als obligatorische Akte (Novation,

Delegation) aufzufassen.

Es war ja nur ein Papier zu tradiren, nicht

eine Obligation zu übertragen.

Die

formlose Uebergabe hat nur eine

thatsächliche Bedeutung, nämlich daß der bisherigen Zahl möglicher Gläu­ biger ein anderer möglicher Gläubiger sich angereihet, jede» derselben hat der Aussteller gewollt, denn dies drückt die Inhaberklausel direkt aus, jeder derselben kann durch Geltendmachen der Forderung Wirklicher und

zwar ursprünglicher Gläubiger werden,

dem

daher weder Einreden

aus der Person des Vormannes entgegengesetzt werden dürfen, noch in

Folge zwischenliegender Novationen die sichernden Nebenrechte genommen worden sind.

Die Einreden aus dem ursprünglichen Rechtsverhältniß aber,

welches zur Ausstellung deS Inhaberpapiers geführt hat, können jedem

Gläubiger entgegengesetzt werden, weil er als der ursprüngliche gilt. periodische Beziehung

von Zinsen und Dividenden

Die

ist Ausübung einer

Theilobligation, welche für den Nest, für die schließliche Einziehung deS Kapitals die übrigen möglichen Gläubiger nicht ausschließt. Auch diese Zinsenobligation, welche, so lange noch der Gläubiger nur ein möglicher ist, selbst wie die Hauptobligation nur eine mögliche ist, wird durch die

Präsentation deS Scheins eine wirkliche, der präsentirende Besitzer dieses Scheins der wirkliche Gläubiger dieser Theilobligation "). Diese Theorie

vermeidet die künstliche und unklare Annahme, daß das Papier die Obli­ gation selbst sei, es bleibt, was eS nur sein kann, der Schuldschein, die

Urkunde über das materielle Rcchtsvcrhältniß.

Der einseitige Verpflich­

tungsakt, der in der Ausstellung liegt, ist nur die Einkleiidung, die beson­ dere Form, die die aus dem materiellen Rechtöverhältviiß entspringende

nicht eine an dessen Stelle tretende neue Obligation, welche sich sofort von der alten loölöst. Es ist gegen diese Theorie

Schuld erhält,

eingewendet worden, daß hiernach die vielen Millionen umlaufenden In­

haberpapiere eigentlich ohne juristische Existenz seien. In der That ist aber dieser Einwand leicht zu widerlegen. Das Papier ist ein Eigenthu.nSobjekt, dessen Werth darin besteht, daß der Inhaber es

in Geld

umsetzen kann, nicht aber darin, daß der Inhaber das Bewußtsein hat, ") Iheriwg in s. u. Gerber'S Iahrb. B. 1. S. 49. Note 20. hat darauf hinge­ wiesen, daß bis zur Präsentation nur eine Erwerbsmöglichkeit vorliege. Damit ist die obige Ausführung einigermaßen verwandt. , 30) Wie die ZinScouponS rechtlich aufzufaffeu , f. Bekker a. a. O. S. 413 —415. Der Coupon ist ein selbständiges Inhaberpapier, der Aussteller ist Schuldner, der Präsentant Gläubiger, die Couponforderung ist eine bedingte insofern, als das­ jenige Inhaberpapier, zu welchem der Coupon gehört, nicht schon vor der Fällig­ keit des Coupons seine Giltigkeit verloren haben darf. Das AuSgeben des Cou­ pons ist datio in solutum, die Zinsschuld ist im Voraus so weit getilgt, als die Coupons reichen, das Einlösen derselben ist nicht Zinszahlung, sondern Zahlung einer selbständigen Forderung.

64.

Unbestimmtheit des Gläubigers.

Gläubiger einer bestimmten Forderung zu sein.

355

Die juristische Existenz

des Papieres bis zur Einwechselung ist keine andere, als die eines jeden

Eigenthums- oder Besitzobjekts.

Eine Widerlegung der Ansicht, daß die

Vollendnng deS obligatorischen Verhältnisses erst durch die Präsentation eintrete, ist noch nicht erbracht; bis dahin hat diest Ansicht jedenfalls daS für sich, daß sie nicht zu allerlei dunklen Bildern und Vergleichen ihre Zuflucht nehmen, muß. Nur mit ihr läßt sich der Uebertragungsakt na­ türlich und einfach begreifen. Der deutsche Entwurf des Gesetzes über

Schuldverhältnisse nennt in Art. 359 den Inhaber vermöge seiner In-

habung den Gläubiger der in der Urkunde bezeichneten Forderung und läßt in Art. 363. durch die Veräußerung und Uebergabe das Eigen­

thum an der Urkunde erwerben.

Hat aber die Veräußerung, was ge­

wiß richtig ist, nur die sachenrechtliche Natur deS Eigenthumserwerbs an einer Sache (der Urkunde), so bleibt völlig unerklärt und unerklärlich,

wie die Gläubigerschaft aus dem Eigenthum oder Inhabung entspringen

kann.

Die Streitfrage des gemeinen Rechts, ob auch Privatpersonen Jn-

haberpapiere ausstellen können, oder ob Staatsgenehmigung dazu nöthig sei"), ist in Preußen durch Gesetzesausspruch entschieden"). Papiere, in welchen die Zahlung einer bestimmten Geldsumme an jeden Inhaber ver­ sprochen wird, dürfen von Niemand ausgestellt und in Umlauf gesetzt wer­ den, der dazu nicht die Genehmigung des Königs erhalten hat. Diese Genehmigung wird durch ein landesherrliches Privilegium ertheilt, welches

die rechtlichen Wirkungen desselben bestimmen und seinem ganzen Inhalt nach durch die Gesetzsammlung

bekannt gemacht werden muß. Solche gegen den Aussteller ein Klage­ Jeder Inhaber ist zu demselben legitimirt, der Aussteller kann

privilegirte Inhaberpapiere begründen

recht").

3') Vom allgemeinen Standpunkt aus steht der Bejahung der Frage, ob Privat. Personen Jnhaberpapiere auSstelleu und in Umlauf setzen können, nichts entgegen, e» kann nur durch spezielle Gesetze verboten werden. Die gemeinrechtliche Tdeorie und Praxis neigt sich daher auch zu der Ansicht, daß Staatsgenehmigung nicht erforderlich ist. S. die Entscheidung des O.A.G. Celle bei Düring in Gold­ schmidt'« Zeitschrift B. 2. S. 5/6. Senssert B. 7. S. 262s. B. 10. Nr. 91. B. 13. Nr. 55. B. 15. S. 506. Witrtemb.Arch. B.5. S. 107sg. Gerber S. 411. Beseler B. 3. S. 322. Thöl, Handelsrecht 3. A. §. 54 a. Note 4. Unger, Jnhaberpapier §. 25. u. A. Dagegen Savigny II. S. 122. Kuntze §. 121. Da das allgem. deutsche Handelsgesetzbuch für die Aktien Staatsgenehmigung vorschreibt (Art. 208 ), so folgt daraus, daß jetzt für die Emission von Aktien auch in den Ländern deS gemeinen Rechts, die das H.G.B. publizirt haben, float« liche Genehmigung nöthig ist. Jnhaberpopiere, die zu einer Geldsumme verpflich­ ten, bedürfen derselben nach dem sächs. G.B. §. 1040. 31) Ges. v. 17. Juni 1833 (Ges. S. 75.), für den ganzen Umsang der Monarchie erlaflen. 31) Dieser Rechtszustand ist durch das Handelsgesetzbuch v. 1861 nicht geändert. Aktiengesellschaften bedürfen der landesherrlichen Genehmigung. Eins. Ges. Art. 12. §■ 1. Und wenn auch nach Art. 10. des Eins.Ges. die Kommanditgesellschaft auf.

23*

356

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

ihm zwar Einreden ans dem RechtSgrunde der Emission, nicht aber Ein­ reden gegen seinen Erwerb von einem Vorbesitzer entgegenstellen.

Auch

im preußischen Recht ist ausgesprochen, daß eS zur Uebertragung des Eigen­ thums nicht der Cession bedarf"), und der Uebertragende hastet nicht für

die Bonität, wohl aller dem Erwerber für die Verität (Echtheit).

Mit

dem Verlust des Papiers ist nicht der Verlust der Forderung verbunden,

vielmehr findet dann im Wege deS Aufgebots ein Amortisationsverfahren statt35), welches sich von prozessualischer Seite als Kontumazialverfahren,

von materiellrechtlicher Seite als Restitution gegen den Verlust einer Er­ werbsmöglichkeit35) charakterisirt.

Aber die Forderung hat, wenn das

Papier mortificirt und nicht an dessen Stelle ein neues Jnhaberpapier anSgefertigt worden, nicht mehr die Eigenthümlichkeiten der Jnhaberobligation, sie ist fest in der Person des dermaligen Gläubigers33), und kann

daher nur durch Cession veräußert werden. Der Gläubiger kann ferner dem Papier die Inhabereigenschaft entziehen, indem er es außer Cours setzt, dann erlangt eS diese Eigenschaft erst wieder, wenn es vorschrifts­ mäßig in CourS gesetzt worden35). Der Schuldner darf das außer Cours

gesetzte Papier nur an denjenigen auszahlen, auf den der Vermerk lautet. Es ist oben schon angedeutet, daß das Inhaberpapier auch eine

sachenrechtliche Bedeutung hat.

ES ist, weil eS die Möglichkeit eines Er­

werbs trägt, ein werthvoller Gegenstand deö Besitzes und Eigenthums. Für das Sachenrecht sind die Papiere als Quantitäten33) zu betrachten.

Die hieran sich knüpfende sehr bestrittene, im A.L.R. aber entschiedene Frage, ob der Eigenthümer die Vindikation hat, kann erst im Sachenrecht erörtert werden. Aktien einer solchen Genehmigung nicht bedarf, so sind doch deren Aktien nicht Jnhaberpapiere, sondern lauten aus Namen. Art. 173. H.G.B. '«) 1,11. §. 401. •5) V.O. v. 16 Juni 1819 (Ges. S. 157.), die Amortisation der verlorenen oder ver­ nichteten StaalSpaPiere betr. — A.G.O. 1, 51. §. 120. Ueber das Amortisationsversahren s. Schümm im Arch. s. civil. Prax. B. 13. Beilagehest und Voigt in s. u. Heinecken'S neuem Arch. s. HandelSr. B. 1. S. 4. 3‘) Jhering a. a. O. ”) Renaud in der Zeitschr. f. deutsch. R. B. 14. S. 362. ”) A.L.R. I, 15. §. 47 sg. Ges. vom 16. Juni 1835 (Ges. S. 133.), zwei Ges. vom 4. Mai 1843 (Ges. S. 177.179.). »») Savigny S. 118.

§. 65.

Bestimmtheit.

357

Dritter Abschnitt.

D i e

L e i st u n g.

§. 65. Bestimmtheit. A.L.R. I, 5. §. 71—73. 273-276. I, 11. §. 30. 33—38. 47. 52. I, 12. §. 388—391. II, 7. §. 424. 426. - Koch Pr.R. II. S. 7-11. R. d. F. I. S. 29ff. II. 5.356v. Daniels II, 299s. — Unterbotener T. 5.200.216. Savigny I. S. 386. §. 38—48. Bangerow 6. A III. S. 18f. §.569. Arndt«, Pand. 4. A. S.316. §. 202. 203. Sinteni«, prakt. Civ.R. 2. A. §.83. S. 26. Keller, Pand.

S. 478. §. 245.

Windscheid II. §.255. S. 13.

Der Gegenstand des Schuldverhältnisses besteht darin, daß der Ver­ pflichtete etwas leisten muß, im Allgemeinen also ist er ein Thun, oder

wie das A.L.R. sich ausdrückt: ein Geben, Leisten, Verstatten, Unter­ lassen *). Die Leistung ist auf das Vermögensrecht gerichtet, das Ver­ mögen des Gläubigers soll vermehrt werden durch den Schuldner, der da­ durch sein Vermögen vermindert, sei eS auch nur, indem er seine Arbeit

nicht für sich, sondern für den Gläubiger verwendet. Jene vier neben einander gestellte Begriffe lassen sich auf einen zwei­

fachen Gegenstand der Schuldverhältnisse zurückfiihren.

Derselbe ist ent­

weder ein Geben oder ein Thun. Die römischen Rechtsquellen sagen: dare facere praestare oportere. Das praestare jedoch ist nicht ein

Drittes neben dare und facere, sondern auch dieses, nämlich die Leistung, die Handlung des Schuldners im Allgemeinen2). Das facere begreift zu­ gleich das non facere3). Rach A.L.R. ist hiernach zu sagen: die Leistung des Verpflichteten ist: 1. entweder ein Geben, 2. oder ein Thun, und zwar dieses: a. entweder ein positives Thun, das facere, Leisten, b. oder ein negatives, das non facere, nämlich:

a. entweder ein Verstatten, '

ß. oder ein Unterlassen.

*) A.L.R. I, 2. §. 123. *) S.Husckke in der Zeitschr. f. geschichtl R.Wiss. B. 13. S. 249. Nuterholzner I. S. 200 f. Sa vignyI. S. 299 f. Jedes dare nnb facere. ist auch ein praestare, weil es eine bestimmte Richtung des Willens des Schuldners, eine Ueberwindung thatsächlicher Hindernisse vorauösetzt. Daß praestare ist das Leisten im Allge­ meinen, das dare und facere die besondere Leistung in Beziehung auf den Gegen­ stand. Darum wurde auch die intentio der Klagen aus Obligationen, wenn sie in jus conceptae waren, immer auf dare, oder dare facere oportere, nicht auf praestare oportere gerichtet, weil daS non praestare die allgemeine Voraussetzung jeder obligatorischen Klage war. 1. 3. pr D. XLIV, 7. 1. 2. pr. 1. 76 §. 1. D. XLV,1. Nur bei den alten Deliktsklagen kam ein dare facere nicht vor, sondern nur praestare. S. hierüber Savigny System B. 5. Beil. 14. Nr.25 — 29. Die allgemeine Anwendung des Ausdrucks praestare (. bei Unterholzner a. a.O. •) 1.121. de R. J.

358

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Das Geben geht auf Gewährung einer Sache.

Es soll eine körper­

liche oder eine unkörperliche Sache (z. B. Nießbrauch) in das Vermögen

deS Gläubigers gebracht werden'). Das Uebergeben (die Tradition) ist das Mittel dazu, ein handeln, nicht das Geben selbst'). Das Thun be­ greift, wie gesagt, zugleich

das Nichtthun.

Letzteres ist

entweder ein

Verstatten (Dulden §. 8.1. 5.), indem der Verpflichtete der Thätig­ keit des Berechtigten Raum giebt, sie nicht hindert, soweit sie in seine Rechtssphäre hineinreicht, oder ein Untertassen, indem der Verpflichtete zum Vortheil des Gläubigers eine Handlung, zu der er sonst berechtigt

wäre, nicht vornimmt.

Das Thun unterscheidet sich vom Geben dadurch,

daß es eine rein subjektive, individuelle Natur hat und daher schwer sei­ nem Werth nach zu bestimmen ist'). Die meisten Schuldverhältnisse gehen auf ein Geben und Thun zugleich — aber eine Grundregel ist, daß beim

Geben die Sache, beim Thun die positive oder negative Handlung genau Eine unbestimmte Zusage bindet nicht, es würde ihr die Möglichkeit abgehen, die Erfüllung zu erzwingen').

bestimmt sein muß.

Es sind aber Fälle in der Milte zwischen der individuellen Bestimmt­

heit') und der gänzlichen Unbestimmtheit denkbar: die Sache ist entweder nur nach ihrer Gattung') bezeichnet oder nur nach Maß und Gewicht (Quantitäten)l0), oder durch eine Beziehung, oder es soll von mehreren Sachen oder Handlungen die eine oder die andere geleistet werden. In allen diesen Fällen ist zwar nicht von vornherein die einzelne Sache oder Handlung, die schließlich geleistet wird, bestimmt, aber es ist doch eine Be­ stimmungsart dafür gegeben, entweder die Gattung — dann soll die Sache von mittlerer Art und Güte sein “) — oder die Menge, wobei die ein­

zelnen Sachen, aus denen sich diese nach Maß oder Gewicht bildet, für das Schuldverhältniß an sich indifferent sind — oder eine bestimmte künftige Begebenheit"), oder eine Vergleichung mit einer anderen That-

«) I, 16. §. 11. §. 14. J. IV, 6. 1. 75. §. 10. D. XLV, 1. 1. 2. §. 1. L. XII, 1. -) 1. 72. pr. D. XLV, 1. I. 218. de V. 8. *) Daher im §. 7. J. 111,16. gerathen wird, für die Nichterfüllung eine poena zu stipuliren, ne quantitas stipulationis in incerto sit ac necesse sit actori pro­ bare, quid ejus intersit. 7) 1. 6. D. XII, 1.: Certum est, cujus-Species vel quantitas, quae in obligatione versatur, aut nomine suo, aut ea demonstratione, quae nominis vice fungitur, qualis, quantaque sit ostenditur. 1. 94. 95. 115. pr. D. XLV, 1. Seuffer t, Arch. B. 10. S. 340. B. 15. S. 352. A.L.R. I, 5. §. 71. 1,11. §. 30. Entsch. 93.31. S. 401. WUrtemb. Arch. B. 6. S. 161. 8) I, 5. §. 273. 9) 1,5. §.275. Savigny S.399. 10) Savigny S. 400. ") 1,5. §.275, Ueber diesen §. s. Strieth. B. 1. S. 166. Anwendungen dieseGrundsatzes: I, 21. §. 123. 608. II, 11. §.920. Sächs. G.B. §. 696. n) A.L.R. I, 11. §.31. Koch, R. d. F. B.2. S. 356.

§. 65. Bestimmtheit.

359

fache"), oder ein genau abgegränzter Umkreis von Sachen, aus welchen

die eine auszuwählen ist.

Die Wahlobligation (alternative)") be­

steht hiernach darin, daß nur einer von zwei Gegenständen, welcher ist

zunächst unbestimmt, zu leisten ist15 13).*14 17Es 18 fragt sich hier, wer die Wahl habe, der Gläubiger oder der Schuldner, und welche Folgen es nach sich zieht, wenn die Wahl nicht stattsinden kann, weil der eine der beiden Ge­

genstände wegzefallen ist. Die erste Frage kann nach allgemeinen Grund­ sätzen nur zu Gunsten des Schuldners beantwortet werden, denn er hat

zu erfüllen, und er erfüllt, wenn er Eines von Beiden giebt.

Dies er­

kennt auch das preußische Recht in Uebereinstimmung mit dem römischen

an"), wobei freilich den Parteien unbenommen ist, das Wahlrecht dem

Gläubiger zu überfragen").

Die Wahl steht dem Schuldner frei bis

zum Moment der wirklichen Erfüllung"), oder bis zu dem Moment, wo er dem Gläubiger eine bindende Erklärung über seine Auswahl gegeben hat.

Bis dahin kann er seine Entschließungen ändern, von da ab ist das

Schuldverhältniß ein einfaches

Sache.

geworden

und haftet an

der gewählten

Ist dem Gläubiger die Wahl zugeftanden, so hat er sie frei bis

, zur Klage"), ober bis er dem Schuldner darüber eine bindende Erklärung

13J A.L.R. I, 11 § 52. Ko ch a. a. O. Die Bestimmtheit fehlt dem Vertrage, wenn die zu leistenden Arbeiten nur generisch angegeben und über die Preise eine be­ sondere Verabredung vorbehallen worden ist. Strieth. B. 68. S. 14. 14) Koch. R. d. F. S. 32. Savigny S. 389. B ang erow B. 3. S. 18. (§.569.). 15) Die mehren Sachen sind in obligationc, nur die eine oder die andere in solutione. Nicht Wahlobligation ist eö, wenn der Gläubiger mir Eine Leistung fordern, der Schuldner sich aber von dieser Leistung durch eine andere befreien kann. ") I, 5. §. 274. 1. 25 pr. 1. 34. §. (3. D. XVII1,1. 1.10. §. 6 D. XXIII, 3. 1. 93.106. 138. §. l.D.XLV, 1. Ebenso §.388. I, 12. der Erbe. Oesterr. G.B. §.906. Sächs. G.B. §. 697. Deutscher Entwurf Art. 6. 17) Bangerow a. a. O. Anm. 1. Keller «)

1,11. 8- 528fs. 1.34. 8-2. D.XVIII, 1. 1,5. 8.68.69. 1. 26.27. pr.35. §.l. D. XLV, 1. 1,5. 8.51. —8.5. J. 111,15. '-) 1,5 8.52. 1,5. 8-55. Koch, R. d. F. B. 2. S.338. findet hierin einen Widerspruch mit I, 4. §. 131., wo, wenn ein Recht von dem Eintreffen einer unmöglichen Be­ dingung abhängig gemacht ist, die ganze Willenserklärung dadurch als entkräftet bezeichnet wird. Der Widerspruch ist nicht vorhanden, s. Gruchot I. S. 326.

8.67. Theilbarkeit. Meinung (als Vermuthung)17).

365

Giltig bleibt das Geschäft, wenn entweder

daS Hinderniß noch bis zur Erfüllung beseitigt werden kann oder auf­

hört, und wenn der leistende die Wahl hat zwischen einer unmöglichen

und möglichen Handlung"). Das Versprechen ist dann nur scheinbar alternativ, in Wahrheit ein einfaches. Erschwerung der Leistung, z. BZahlungsunfähigkeit des Schuldners, ist niemals Unmöglichkeit"). f. welches

Aus alle dem ergiebt sich: möglich ist jedes Geben oder Thun,

der Gegenstand einer rechtsgiltigen Willenserklärung sein kann

und sein darf").

8.67. Unterbotjtter I. S. 213.

Theilbarkeit.

Savigny, Obl.R. I. S-303—331.

Puchta, Lehrb. u.

Verles. §. 222. Bangerow 6. A. III. S. 7. ArndtS 4. A S. 319. Sintenis II. ©. 40. Keller S. 481. Winds cheid II. §. 253. S. 9. Ubbelehde, die Lehre von den untheilbarcu Obligationen. 1862.

Es ist §. 18. **) der Begriff der Theilbbrkeit der Rechte dahin ange­ geben worden, daß unter Bewahrung der ihm angehörigen Befugnisse in

ihrer Einheit dieselben quantitativ zerlegt werden, daß also jeder Theil des Rechts noch das Recht selbst aber von kleinerem Umfange ist. Der Fall tritt hauptsächlich ein, wenn das einer Person zustehende Recht oder die einer Person obliegende Verpflichtung auf mehrere Personen übergeht, nanientlich wenn mehrere Erben eintreten.

Dieser Begriff auf die Schuldverhältnisse angewendet ergiebt, daß

dasjenige Schuldverhältniß theilbar ist, welches sich in Theile zerlegen läßt, von denen jeder die Eigenschaft des Ganzen behält, jeder aber kleiner ist, als das Ganze8). Die Theilung ist eine quantitative, nicht eine qua*’) Gemäß §. 1045. I, 11. ,s) I, 5. §. 56. 57. Oben S. 360. Note 32. *’) 1. 2. §. 2. 1.137. §.4.5. D. XLV, 1. Die facultas dandi ist verschieden vom impedimentum naturale. Slrieth. B. 27. S.372. M) I, 5. §. 39. *) Bei Note 5. 3) Ubbelohde besinnt: theilbare Obligationen sind die, welche stch quotenweis thei­ len lassen 18), wenn sowohl ForderungSrecht als Verpflichtung sich in meh­ rere von dem Inhalt der ganzen Obligation nur quantUativ verschiedene Theile zerlegen läßt (S. 19), u. S. 259.: als untheilbar erscheinen nur diejenigen Ob­ ligationen, deren in obligatione befindliche Naturalerfiillung quotenweis un­ theilbar ist. Savigny S. 320 : die Theile einer Obligation kommen mit den Theilen des Eigenthums darin liberein, daß auch sie durch Quoten oder Zahlenverhältnifie begränzt oder bezeichnet werden. Sie unterscheiden sich aber von den Theilen des Eigenthums darin, daß diese auf dem Verhältniß einer fortdauern­ den Gemeinschaft beruhen, anstatt daß die Theile der Obligation von einander völlig getrennte und unabhängige Rechtsverhältnisse bilden, die nur dadurch als

366

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

litative. Cs muß eine theilweise Tilgung der Obligation möglich fein'). Daraus aber folgt, daß ^ie Theilung von der Theilbarkeit der Leistung abhängt. Läßt diese eine quantitative Theilung nicht zu, so ist auch das Schuldverhältniß selbst untheilbar, und es können solche Leistungen nicht theilweis zum Gegenstand eines Schuldverhältnisses gemacht werden^). ES ist daher nur zu untersuchen, welche Leistungen theilbar sind. DaS preußische Recht enthält hierüber keine Regeln. Die Art, wie das Rechtsverhältniß der Miterben aufgefaßt wird'), beweiset, daß das Moment der Gemeinschaftlichkeit der Berechtigung und der Verpflichtung an die Stelle der Theilbarkeit der Leistung gesetzt worden ist. Gleichwohl ist auch für daS preußische Recht die Feststellung des Begriffs von Wich­ tigkeit, denn die Erben-Gemeinschaft kann durch Theilung des Nachlasses aufgehoben werden und dann fragt sich, welche dem Nachlaß zugehörige Rechte getheilt werden können. Die Regel ist: jedes auf eine quantitativ theilbare Leistung gerichtete Schuldverhältniß ist theilbar. Ob die Theilung nur ideell oder reell ins Werk gesetzt werden kann, ist hierbei gleichgiltig. 1. Sonach sind Schuldverhältnisse theilbar, wenn die Leistung ein Ge­ ben ist und daS Recht oder die Sache ideell oder reell getheilt werden kann. Die Verpflichtung, Eigenthum zu verschaffen, ist theilbar'), denn das Eigenthum ist ideell theilbar, ebenso die Verpflichtung, Besitz zu verschaf­ fen^); das Geben eines Körpers kann theilweis erfolgen, wenn er einer solchen Zerlegung in einzelne Theile zugänglich ist, daß diese noch die Natur selbständiger Rechtsobjekte behalten und deren Summe die ganze Leistung darzustellen vermag. Theilbar insbesondere ist jede Leistung von s. g. Quantitäten'), vertretbaren Sachen, also Geld, Getraide u. s. w. Untheilbar dagegen ist daS Geben eines Dienstbarkeitsrcchts ’), weil dieses selbst nicht getheilt werden kann, untheilbar das Geben eines Gebrauchs­ rechts, wenn dieses auf den persönlichen Bedarf deS Berechtigten beschränkt ist (usus) *°), **) dagegen wiederum theilbar das Verschaffen deSNießbrauchs"), weil der Fruchtbezug theilbar ist. Theile ausgefaßt werden, daß die Summe ihrer Leistungen derjenigen Leistung gleichsteht, welche als Gegenstand der ganzen Obligation gedacht wird. ») 1. 2. §. 2. D. XLV, 1. *) 1. 72. pr. D. XLV, 1.: darum enim divisio corrumpit stipulationem. Sie kön­ nen auch nicht theilweise erlassen oder anerkannt werden. Seufsert XV, 112. °) A.L.R. I, 17. §. 127. 151. 6) Ideelle Theilbarkeit de« Eigenthums: A.L.R. 1,17. §. 1—3. ’) Ideelle Theilbarkeit des Besitzes; A.L.R. I, 7. §. 24 (Sachbesitz), §. 88 (Rechtsbesitz). «) 1. 2. §. 1. D. XLV, 1. ») 1. 17. v. VIII, 1. 1. 72. pr. D. XLV, 1. *’) 1. 19. D. VII, 8.: uti pro parte non possumus. **) 1. 5. D. VII, 1. u. 1.19. D. VII, 8.: frui pro parte possumus.

§. 67.

Theilbarkeit.

367

2. Ist daS Schuldverhältniß auf ein Thun gerichtet, so muß als Regel die Unteilbarkeit behauptet werden ”), weil sich Handlungen nicht zerlegen lassen.

Doch muß zugegeben werden, daß die Theilbarkeit einer

nach Maß oder Zeit bestimmbaren Handarbeit denkbar ist, daß daher eine

solche jeder von mehreren Verpflichteten leisten kann *3).

3.

Untheilbar ist die §. 65. besprochene alternative Obligation u) in

dem Sinn, daß nicht ein Theil der einen und ein Theil der anderen Sache geleistet werden darf, denn es soll eine oder die andere Sache

geleistet werden. Nach der Wahl ist ein solches Schuldverhältniß ein ein­

faches geworden und dann hängt die Frage, ob eö theilbar sei, davon ab,

ob die gewählte Leistung theilbar ist. 4. ES ist im gemeinen Recht bei den untheilbaren Obligationen be­ stritten, ob nicht, wenn anch die Einklagung aufs Ganze gerichtet sein muß, die Derurtheilung doch nach Antheilen auszusprechen seiIS 12).16 * * Im preußischen Recht ist insoweit die Streitfrage nicht aufzuwerfen, als dieses ohne Unterschied von theilbaren und untheilbaren Leistungen bei der Ge-

sammtforderung die Einklagung nur gemeinschaftlich gestattet, mithin auch die Derurtheilung nur aufs Ganze erfolgen kaum Aber auch, wenn der Einzelne aus einer Gemeinschaft zur Klage berechtigt ist, wie dies die Praxis bei Miterben annimmt*), kann der Antrag nur auf Leistung des Ganzen an die Gemeinschaft gerichtet werden, mithin die Derurtheilung

nur aufs Ganze gehen.

Ist dagegen die Gemeinschaft aufgehoben, haben

sich die Miterben auseinandergesetzt und dies dem Gläubiger oder Schuld­ ner deS Nachlasses gehörig bekannt gemacht, und kann in Folge dessen der Gläubiger den einzelnen Miterben nur auf seinen Antheil belangen "), so entsteht allerdings auch für das preußische Recht die Frage, wie in solchem Falle bei untheilbaren Leistungen die Derurtheilung erfolgen soll?

Da hier nicht, wie im römischen Recht, gesetzliche Aussprüche entgegen­ stehen und Zweifel erregen, so können nur die inneren Gründe entschei­ den und diese führen dahin, daß untheilbare Leistungen, wie sie nur aufS

12) 1. 72. pr. D. XLVIj 1. Das fundum tradere hat Zweifel erregt. Aber daS tradere ist kein dare, sondern ein facere, und als solches gewiß untheilbar. A. M. Savigny ©. 395 f. Siehe Rudorfs zu .Puchta's Borles. 5. A. II. S. 11. Note 2. Ubbelohde S. 37. — Unteilbarkeit des facere, namentlich eines opus: 1.85. H. 2. D. XLV, 1., eines Standbildes 1. 11. §. 24. D. de leg. III, einer Reise: I. 4. §. 1. D. XLV, 1. Non facere: 1. 2. §. 5. 1. 85. §. 3. D. eod. 18) Rudorfs a. a. O. 1. 1. §. 9. D. XXXV, 2. ") 1. 2. §. 1. D. XLV, 1. 15) Siehe über diese Streitfragen, die hier nicht weiter erörtert werden können, bes. Vangerow a. a. O. ♦) Bergl. Entscheid. B. 18. S. 242. B. 19. S. 213. B. 24. S. 86. 16) A.L.R. I, 17. §. 137.

Zweites Buch.

368

Die besonderen Privatrechte.

Ganze gegen den Einzelnen eingeklagt werden können, nur eine Verurtheilung aufs Ganze erleiden"). 5.

Stückweise Erfüllung eines Schuldverhältnisses ist nicht Thei­

lung des letzteren. Abschlagszahlungen, oder der Zeit nach allmälig zu leistende Arbeiten haben auf die Frage nach der Theilbarkeit des Rechts keine Beziehung"). 6. Endlich ist zu bemerken, daß jede untheilbare Leistung dadurch in eine theilbare verwandelt werden kann, daß man sie auf ihren Geldwerth

zurückführt").

Denn jede Forderung muß nach Geld schätzbar sein.

§. 68. Haupt- und Nebenleistung. Zinsen. A.L.R. I, 11. §. 803—852.

Neuere Gesetzgebung:

Verordnung v. 12. Mai 1866

(Ges.Samml. S. 225.), Bekanntmachung v. 2 Januar 1867 (Ges.Saminl. S. 30.), Bundesgesetz vom 14. November 1867 (Bundesgesetzblatt S. 159).

Born em.

III. 5.169. v. Daniels I, 197. II, 309. III, 313. Koch, Pr.R. II. S. 19. R. d. F. I. S. 92. Lenz, Studien und Kritiken-, 1847. S. 271. HinschiuS, in s Zeitschr. für Gesetzgebung nud Rechtspflege in Preußen, B. 2. S. 14 ff. S. 336. — Unterholzner I. S. 309. Savigny, System B. 6. S. 121. S. 121. Mommsen, Beiträge z Obl.R. B.3. 1855. S. 235. SinteuiS, Eiv.R.II. S. 91 f. Arndt« §. 207—210. Bangerow I. 8- 76—79. III §.587. Unger, Fragmente aus einem System des österr. Obl.R. 1864. S. 9 (auch im 1. H- der österr. Bierteljahrschr. von Haimerl, B. 14). Zachariä (Anschütz) II. S. 492.

Der Unterschied zwischen Haupt- und Nebenleistung bestimmt sich da­

durch, daß letztere nicht selbständig und unabhängig, sondern nur in Be­ ziehung auf eine andere Leistung der Gegenstand eines Schuldverhältnisses sein kann. Die Nebenleistung ist eine Erweiterung der Hauptleistnng, ent­ weder von Anfang an von den Parteien gewollt, oder in der Folge durch

Ereignisse, die auf das Schnldverhältniß cingewirkt haben, verursacht. bei weitem wichtigste Nebenleistung ist die der Zinsen').

Die

Die an sie sich

anknüpfenden Rechtssätze sind im preußischen Recht in mehreren Punkten streitig gewesen und die Praxis hat grade auf diesem Gebiet einen erheb") Der in Anspruch genommene einzelne Schuldner, der das untheilbare Ganze leisten muß, hat sich dann nur an seine Mitschuldner zu halten. §. 147. I, 17., s. auch 1. 2. §. 2. D. XLV, 1. “) Ubbelohde S. 18. *’) 1. 54. §. 1. 1. 72. pr. D. XLV, 1. 1. 9. §. 2. D. XL, 7. *) Das A.L.R. handelt die Lehre von den Zinsen beim Darlehn ab, weil bei diesem RichtSg e schäst am häufigsten und am reinsten ihre Natur sich zeigt. Es entspringt daraus, daß man sich bei der Hingabe einer Geldsumme deren Verzinsung be­ dingt, eine Vermuthung sür da« Darlchn. Strieth. I. S. 305. B. 19. S. 19. Zinsverbindlichkeit kommt aber auch bei anderen Geschäften vor und ihre Erör­ terung gehört daher in den allgemeinen Theil des ObligationenrechtS.

§. 68.

Haupt« und Nebenleistung.

369

Zinsen.

lichen Einfluß ausüben können, um Zweifel zu berichtigen und die Lehre klar zu stellen, was ihr auch im Wesentlichen gelungen ist. Zinsen sind die gleichartige und qnotenweise Gegenleistung für den einer Person überlassenen und darum vom Eigenthümer entbehrten Ge­

brauch einer Quantität (einer Menge s. g. fungibler Sachen)'). Sie sind der Ausdruck des Gebrauchswerths dieser Quantität, ihre Nutzung, und können daher als juristische Früchte aufgefaßt werden').

Doch darf der

wesentliche Unterschied zwischen den natürlichen und juristischen Früchten

nicht unbeachtet bleiben, daß erstere, da sie von selbst aus der Hauptsache hervorgehen'), auch von selbst Gegenstand desjenigen Schuldverhältnisses sind, welchem ihre Hauptsache unterworfen ist, Zinsen aber nur dann ge­

fordert werden können, wenn die Verpflichtung sie zu zahlen auf einem besonderen Rechtsgrunde beruht'). Nicht der Zins ist die Frucht des Kapitals, sondern die Zinsforderung die der Kapitalsforderung').

Wenn auch an sich von jeder Quantität eine gleichartige Gegenleistung als Entgelt für den Gebrauch denkbar und zulässig ist, so kommt eine solche

im Verkehr wesentlich doch nur bei den Geldsummen vor; diese Anwen­ dung ist so sehr die wichtigste, daß sie bei den folgenden Erörterungen allein zu berücksichtigen ist. ES ist insbesondere eine zinsartige Gegen­ leistung für den Gebrauch einer anderen Quantität, z. B. für Getraide,

Wein, Spiritus, nur denkbar, wenn sie von vornherein von den Par­ teien verabredet (bedungen) worden ist, nicht aber, wie bei Geldsummen auch in Folge von Ereignissen, die auf den Gegenstand des Schuldver­ hältnisses einwirken, z. B. von Verzug, und der Grund für diese Erschei­

nung liegt darin, daß der gemeine Verkehr zwar eine feste, allgemein giltige Norm für den Gebranchswerth eines Kapitals, nicht aber für den Gebrauchswerth anderer Quantitäten darbietet, eine solche daher immer

erst besonders gefunden, d. h. verabredet werden muß'). biete des Rechts kommen daher

Auf dem Ge­

die Zinsen vornehmlich als Kapitals­

nutzung in Betracht. 2) S. Unterholzner I. S. 309. Sav igny VI. S. 124. Sachs. Ges.B. §.673. Die Rente (reditus) ist die UebergangSstufe vom älteren Zins (census) zu un­ seren Zinsen (usurae). Arnold, zur Geschichte des Eigenthums in den deutschen Städten. 1861. S. 88 f. 3) Entsch. B. 1. S. 240. 4) A.L.R. 1,9. §. 220.

6) §• 824. 827. d. T.

Dagegen Strieth. B. 36. S. 235. Siehe vorige Note.

Bertr g oder Gesetz. 1.121. de V. 8.

°) Savigny S. 125. 1. 34. D. XXII, 1. I. 121. de V. 8. 7) Savigny S. 137. Mommsen S. 236. gegen v. Madai, die Lehre v. d. Moral, 1837. S. 334., der bei allen fungiblen Sachen Verzugszinsen zuläßt. Die Quellen des röm. R sprechen von solchen Zinsen nur in Beziehung auf Geldschulden J. 21. §. 3. D. XIX, 1. erwähnt der Verzugszinsen nicht), die gemeinrechtl. Praxis ver­ wirft s. g. Fruchtzinsen beim Verzüge (Kassel bei Heuser, Annalen B. 3. S. 58. Förster, Preuß. Privatrecht. I. 2.Aust.

24

Zweite- Blich. Die besondere» Privatrechte.

370

AuS ihrem Begriff folgt: a. Sie haben eine accefforifche Natur, d. h. sie sind als Nebenleistung

an die Existenz einer Hauptleistuug gebunden, und können da nicht vor­

kommen, wo es an einer solchen fehlt'). Die Hauptleistnng ist das Ka­ pital (sors, caput, Hauptstock). Zwar kennt das deutsche Recht auch andere wiederkehrende Geldleistungen, die wohl auch als Zinsen bezeichnet

werden (Zinsen der früheren Gutsunterthanen, Renten, Gülten, Ewiggeld), diese Leistungen aber haben nicht die hier beschriebene Natur der Zinsen,

denn sie stellen keinen Gebranchswerth, sondern einen Sach- oder Eigen-

thumSwerth dar, sie beziehen sich nicht auf eine Hauptleistung und sind darum selbständige Objekte der Berechtigung'). Der Zusammenhang von Kapital und Zinsen ist so sehr vorausgesetzt, daß, wenn letztere 10 Jahre lang bezahlt worden, das Bestehen der Hauptschuld vermuthet wird, und

wenn sie 30 Jahre lang gezahlt worden, das Kapital selbst (d. h. die Ka­ pitalsforderung) gleichsam als durch Verjährung erworben gelten soll '").

Daß diese eigenthümliche Bestimmung der damals herrschenden gemein­ rechtlichen Praxis entnommen ist, welche sich irrthümlich auf einige Stellen

des römischen Rechts stützte, und daß daraus der Satz nicht abgeleitet werden darf, daß Forderungen durch Verjährung entstehen können, ist §. 46. auSgeführt"). Sie enthält nur eine Beweisregel. Die Zinszahlung

muß jedoch, um diese Vermuthung zu erzeugen,, als solche in jedem Jahr­ gang besonders geleistet worden sein und der Betrag des Kapitals wird,

wenn er nicht auf andere Weise zu ermitteln ist, nach dem landüblichen

Zinsfuß berechnet. Aus diesem Zusammenhang von Kapitals- und ZinSforderung folgt aber an sich nicht, daß die letztere, sobald sie entstanden, sobald die Zinszahlung fällig geworden, nicht selbständig eingeklagt werden darf.

Ist der Zins fällig geworden, so hat die auf ihn gerichtete Forde­

rung eine selbständige Natur angenommen, die selbständig geltend gemacht werden kann. b. Es gehört zum Begriff der Zinsen, daß sie gleichartig ini( der Hauptleistung sind, also Geld von Geld, Getraide von Getraide.

Sie

und bei Seuffert 93.10. S. 186.), und auch nach A.L.N. sind Verzugszinsen nur bei verspäteter Geldzahlung denkbar. §. 827. d. T. 1,-16. §. 64. 65. Strielh. B. 24. S. 307. S. auch I, 7. §. 231. „die an Stelle der Früchte tretende Geld­ summe."

8) 1. 26. §. 3. D. XII, 6.: Si quia falso se sortem debere credens usuras solvent, potest condicere. 9) Unger Anm. 1. a. a. O. 10) §. 837—840. d. T. Die neuere gemeinrechtliche Praxis will der durch 10 oder 30 Jahre fortgesetzten Zinszahlung keine derartige Bedeutung beilegen. S. Darm­ stadt und Kassel bei Seuffert II. S. 339. In der Zinszahlung liegt eine An­ erkennung der Existenz der Hauptschuld. Seuffert X, 251.

") Oben S. 213.

Unger, Anm. 4. a. a. O.

§. 68.

müssen

Haupt und Nebeuleistiing.

Zinsen.

371

daher auch in der Münzsorte des Kapitals gezahlt werden ").

Wenn das A.L.R. sagt: Zinsen heißt alles, was der Schuldner dem Gläubiger für den Gebrauch des Kapitals leisten muß *3), so wird der

Begriff figürlich erweitert. Es fällt hiernach unter ihn jeder Gewinn oder Vortheil, den sich der Gläubiger als Entgelt für den entbehrten Kapitals­ gebrauch ausbedungen hat, also Lieferung anderer Sachen und Naturalien, selbst Arbeiten des Schuldners ").

Diese Ausdehnung des Begriffs ist

hervorgerufen durch den Umstand, daß man eine über den gewöhnlichen Gebrauchswerth hinausgehende Entgeltung der Kapitalsnutzung verhüten

wollte, denn man wurde dadurch genöthigt, den Geldwerth von solchen

anderen Vortheilen einzurechnen, damit der gemeine Gebrauchswerth nicht

überschritten werde l5 * *).**17 * *Und 18 * * * * es * * können auch dergleichen Vortheile nur dann die Stelle der Zinsen vertreten,

wenn sie ausdrücklich bedungen

worden sind ").

c.

Die Zinsen entstehen in einem bestimmten Maß in bestimmten

Zeiträumen").

Dies Maß ist der Zinsfuß oder Zinssatz; er ist eine

Quote, ein Bruchtheil des Kapitals. Die Größe dieses Maßes bestimmt sich nach dem Werth der Kapitalsnutzung und der Verkehr trachtet stets darnach, diesen Werth auszugleichen *9).

Daraus ergiebt sich der Begriff

lä) §. 835. d. T. Ueber die Wirkung einer Münzveräuderung s. Enlsch. B. 32. S. 308. Strieth. B. 4. S. 115. Unten §.91. bei Note bl fg. *’) §. 803. b. T. “) §. 810. 811. 812. b. T. Bergt, hierüber HinschiuS a. a. O. S. 20.f. Auch das römische Recht kennt andere Vortheile in vicem usurarum. 1. 11. §. 1. D. XX, 1. 1. 14. 17. C. IV, 32. Wenn dergleichen andere Vortheile als Zinsen in Betracht kommen, so kann der Schuldner ihren Mehrbetrag nicht als Zahlung auf das Kapital abrechuen, er kann nur ihre Erstattung entweder durch Klage, oder wenn die besonderen Bedingungen dazu vorliegen, durch Kompensation er­ reichen. Die §§. 139—144.1, 20. finden hier keine Anwendung. Strieth. B. 11. S. 39. Dadurch zeigt sich, daß sie nur vice usurarum gelten können. 15) Die Unterscheidung von Zinsen im engeren Sinne und anderweitigen, ihre Stelle vertretenden Vortheilen oder Vergütignngen ist durch §. 1. des Bundesgesetzes v. 14. November 1867 beseitigt. Auch diese anderweitigen Vergütigungen unterliegen der freien Vereinbarung. S. unten bei c. 1G) §- 810. d. T. „vorbedingt." Ueber die Berechnung solcher Vortheile §. 813. 814. d. T. Der RentenkaNf ist dasjenige Institut, an welchem sich zunächst die Entstehung eines bestimmten Zinsfußes entwickeln läßt. Arnold a. a. O. S. 225 f. 17) Die Römer rechneten monatsweise Eins vom Hundert, also 12 aufs Jahr (centesimae usurae); geringere Zinsen wurden als Bruchtheile der centesimae bezeich­ net, also usurae semisses — 4 centesimae 6 Proz., höhere Zinsen wurden als Vervielfältigung der centesimae auSgedriickl, also binae centesimae = 2. 12 Pro­ zent = 24. Seit justinianischem Recht sind aber die dimidiae centesimae usurae, also 6 Proz., die maximae oder legitimae geworden. Handelsleuten waren 8 Proz. gestattet (usurae besses, d. h. I vom Hundert monatlich), dagegen den illustres personae nur 4 Proz. 1. 26. §. 1. C. IV, 32. 18) Roscher, die Grundlagen der Nationalökonomie, 4. A. S. 356.

Zweite- Buch. Die besonderen Privatrechte.

372

deS landüblichen Zinsfußes, des innerhalb desselben volkswirthschaft-

lichen

Gebietes

festgestellten

Werthes der Kapitalsnntzungen.

gemeinen

Dieser landübliche Zinsfuß, der ein Erzengniß des freien Verkehrs ist, und jr nach dem Verhältniß von Angebot und Nachfrage steigt oder fällt,

war durch positive Gesetze, durch welche man in falscher und unwirksamer

Vorsorge für die Moralität des Verkehrs dem Wucher, d. h. einer über­ triebenen, den Schuldner drückenden Kapitalsnutzung vorbeugen wollte,

auf eine Quote beschränkt gewesen, die nicht überschritten werden durfte. Im Anschluß an die älteren Reichsgesetze ") war nach A.L.R.,0) der

landübliche Zinsfuß auf 5 vom Hundert des Kapitals aufs Jahr fest­

gesetzt.

Der Verkehr und der Wille der Parteien hatte daher nur noch

die Freiheit eine geringere Verzinsung festzustellen.. Die Ueberschreitung dieses Maßes war strafbarer Wucher

Dieser Rechtszustand ist durch die

neuere Gesetzgebung wesentlich geändert.

12. Mai 1866 die Beschränkungen

Zuerst hat die Verordnung v.

des vertragsmäßigen Zinssatzes bei

Darlehen, zu deren Sicherheit nicht unbewegliches Eigenthum verpfändet

worden, und bei Konventionalstrafen aufgehoben, bei der Festsetzung eines höheren Satzes als sechs vom Hundert dem Schuldner jederzeit die Kün­

digung freigestellt, wenn auch ein späterer Zahlungstermin verabredet wor­ den, und in dem Fall des Verzugs auch den höheren Zinssatz maßgebend für die Verzugszinsen erklärt. Diese Verordnung hat die verfassungs­ mäßige Zustimmung des Landtags erhalten (Bekanntmachung v. 2. Januar

1867) und ist durch die Verordnung v. 18. März 1867 auf die neuer­ worbenen Landestheile ausgedehnt worden. Endlich aber sind durch das Bundesgesetz v. 14. November 1867 auch die letzten Beschränkungen ge­ fallen, und nunmehr ist die Höhe des Zinssatzes bei allen Forderungen allein der freien Vereinbarung unterworfen.

Die entgegenstehenden privatrecht­ lichen und strafrechtlichen Bestimmungen sind aufgehoben. Sind mehr

als sechs vom Hundert Zinsen versprochen,

so hat der Schuldner ein

sechsmonatliches KündigungSrecht, welches er aber erst nach Ablauf eines

halben Jahres nach Eingehung des Vertrages geltend machen darf.

Ver-

") Zuletzt im I.R.A. v. 1654 §. 174. Unterbol-ner S. 317. Note r. Die gemeinrechtliche Praxis an diese eigentlich nur für Schulden aus dem ZOjahr. Kriege gegebene Vorschrift anknüpfend, hat allgemein 5 Prozent als deutschen landüblichen Zinsfuß angenommen. Heuser, Annalen B. 3. S. 56. Die Ausstellung gesetz­ licher Zinötaxen ist an die Stelle der mittelalterlichen Zinöverbote getreten.

20) §. 804. 830. 841. d. T. DaS österr. G-B. hat bei Vertragszinsen auf Unterpfand 5, ohne Unterpfand 6, bei gesetzlichen Zinsen 4 Proz. vorgeschrieben. §. 994. 995. Daö sächs. G.B. bei Vertragszinsen 6 uhb bei nicht hypothekarischen Forderungen LiS 50 Thlr. auf halbjährige Zahlungsfrist (§. 4. Publ.Verordn.), bei Verzugs­ zinsen 5 Proz. angeordnet. §.742. Diese Bestimmungen sind durch daö Bun­ desgesetz beseitigt. Nach französ. R. jetzt 5 Proz. Ges. v. 3Sept. 1807. Zachariä II. S. 495. In Preußen ist der gesetzliche Zinsfuß schon zweimal vorüber­ gehend ausgehoben gewesen, 1807 und 1857.

§. 68.

Haupt- und Nebenleistung.

Zinsen.

373

tragSmäßig kann diese Kündigungsbefugniß nicht beseitigt, wohl aber durch

die Landesgesetzgebung geändert werden und sie bezieht sich nicht auf Schuld­ verschreibungen auf den Inhaber und auf Schulden aus dessen Handelsgeschäften.

eines Kaufmanns

Es sind ferner die für gewerbliche Pfand­

leihanstalten geltenden Bestimmungen aufrecht erhalten. Hiernach gilt für letztere Folgendes: Oeffentliche Pfandleiher nehmen ans das Jahr 6 Pro­ cent, auf kürzere Zeit 1 Pfennig vom Thaler bis zu sechs Monat, in den

folgenden sechs Monaten ’/2 Pfennig auf die Woche “); öffentliche städtische

Pfandleihämter nehmen 8 bis 12% Prozent").

d.

Das Verbot des Wuchers hat es nothwendig gemacht, daß noch

in anderer Weise den Umgehungen desselben entgegengetreten werden mußte, I und es entsteht nun die Frage, ob und in wie weit dergleichen Bestim­ mungen durch die neuere Gesetzgebung aufgehoben sind. Diese Frage, die

sich bei mehreren Rechtsinstituten wiederholt, wird erst bei der Erörterung der letzteren ihre Beantwortung erhalten. Hierher gehört nur das All­ gemeine. Von den Beschränkungen, die das gemeine Recht aufstellt, hat das A.L.R. zunächst die eine, daß Zinsrückstände, die zusammengerechnet die Höhe des Kapitals übersteigen, nicht gefordert werden dürfen"),

zurückgewiesen *4).

Sie

ist auch

vom Handelsgesetzbuch

verworfen “).

Dagegen stimmt das preußische mit dem gemeinen Recht darin, daß die Vorauszahlung (Anticipation) der Zinsen beschränkt Ist. Nach Pan­ dektenrecht ") war die Vorauszahlung gestattet, sofern die Zinsen nicht den erlaubten höchsten Zinssatz überstiegen. Die Berechnnng ist im ge­ meinen Recht streitig ") und muß zu einem falschen Resultat führen, wenn der bedungene Zinssatz der höchste erlaubte ist, weil dann derjenige Vor­

heil außer Betracht bleibt, den der Empfänger bei früherer Zinszahlung dadurch erlangt, daß er diese Zinsen sofort anderweitig nutzen, d. h. als

21) Reglement

v. 13. März 1787 §. 90-96.

N. C. C. t. VIII. p. 781.

22) Kab.O. v. 28. Juni 1826 N. 7. Ges.S. S. 82. 23) 1. 26. §. 1. D. XII, 6. 1. 27. §. 1. C. IV, 32. und die nicht glossirten Stellen 1. 29. 30. C. IV, 32. Nov. 121. c. 1. 2. Nov. 138., die daher in denGerichten de« gemeinen Rechts nicht als giltig angesehen werden. Unterholzner I. S. 319. Auf Verzugszinsen Hal das Verbot des alterum tantum keine Anwendung. Heu­ ser, Annalen B. 3. S. 57. S. auch Seussert II, 269. DaS österr. G.B. ß. 1335. läßt Zinsen, die zusammen den Betrag des Hauptstuhls Übersteigen, nicht zu, wenn der Gläubiger sie ohne Einmahnung so hoch hat auflausen lassen. DaS sächs. G.B. §. 682. hat.nicht die Beschränkung ans daS alterum tantum. DeSgl. D. H.G.B. Art. 293. 24) §. 852. d. T. Ueber die Einwirkung der nenesten Gesetzgebung auf daS gemein­ rechtliche Verbot des alterum tantum f. Hinsehens S 24 f. 23) Deutsches Hand. G.B. 293. Ebenso Art. 262 des dentschen Gesetzenlw. über Schuldvers. 2°) 1. 57. pr. D. II, 14. 1. 2. §. 6. D. XLIV, 4. I. 122. pr. D. XLV, 1. 2T) Vangerow B. 1. §. 77. Anm. 2. SinteniS II. S. 105. Note 55. Der Abzug vom Kapital b«i dessen Hingabe ist in 1. 26. §. 1. C. IV, 32. verboten.

374

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

\ Kapital anderweitig auf Zinsen ausleihen kann").

Das A.L.R. bestimmt

dagegen richtiger"), daß Zinsen nur auf ein Jahr, wenn der Satz ge­ ringer als der höchste erlaubte ist, und der Vortheil des Gläubigers nicht mehr beträgt, als der Unterschied zwischen den angerechneten geringeren und den erlaubten höheren Zinsen, im Voraus gezahlt werden dürfen. Sonst muß die Vorauszahlung vom Kapital abgerechnet, und

es darf

fernerhin nur die insoweit geringer gewordene Kapitalsnmme verzinset und künftig zurückgefordert werden 30 28).* HinschiuS3') vertritt nun die Ansicht,

daß diese Vorschriften des A.L.R. Uber

die Vorauszahlung der Zinsen

zwar ihre innere Begründung durch daS Verbot des Wuchers verloren haben, gleichwohl aber als fortgeltend zu betrachten seien. Allein abgesehen

davon, daß ein Gläubiger wohl kaum noch einen höheren Zinssatz sich dadurch zu verschaffen versuchen wird, daß er bei der Hingabe des Kapi­ tals einen Abzug macht, weil ihm hierzu jetzt alles Interesse fehlt, so spricht

auch gegen Hin sch in S der Umstand, daß der Begriff eines „höchsten erlaubten Zinssatzes" nicht mehr existirt, mithin auch nicht mehr die Mög­ lichkeit gegeben ist, die vom A.L.R. vorgeschriebene Berechnung vorzuneh­ men. Richtiger ist es daher, was übrigens HinschiuS selbst für das gemeine Recht behauptet, daß diese Vorschriften des A.L.R. durch die neuere Gesetzgebung beseitigt sind. Der Anatocismus,

d. h. die Verzinsung fälliger Zinsen,

wobei

letztere zum Schuldkapital werden, sei es, daß man sie als neues Kapital betrachtet, oder zum alten Kapital zuschlägt, ist zwar auch nach preußischem wie nach römischem Recht grundsätzlich verboten, aber dort nicht so un­ bedingt wie hier"). Von dem Grundsatz: Zinsen von Zinsen dürfen nicht

gefordert werden, giebt eS nämlich drei Ausnahmen.

1. Ueber zweijährige

28) Wer am 1. Januar 1865 5 Proz. von 1000 Thlr. zahlen soll und die Zahlung am 1. Januar 1864 anticipirt, zahlt eigentlich 50 Thlr. und 2 Thlr. 15 Sgr, welche die möglichen Zinsen der 50 Thlr. sind, die sich der Gläubiger für das Jahr bi« 1. Jan. 1865 verschaffen kann. ") §. 817. d. T. Also nur, wenn ;• B. 4 Proz. von 1000 Thlr. mit 40 Thlr. zu entrichten sind. Denn diesen 40 Thlrn. treten nur 2 Thlr. al« mögliche Zinsen hinzu, der Gesammtbetrag erreicht daher noch nicht 50 Thlr. Da« österr. G.B§. 797. läßt nur eine Vorauszahlung im Betrage der halbjährlichen Zinsen zu. Da« sächs. G-B. §. 683. verbietet die Vorauszahlung durch Abzug vom Kapital, und läßt sie während der Dauer des SchuldverhältniffeS nur insofern zn, als da­ durch die ZinSverbole nicht umgangen werden. ”) §. 816. d. T. Bon 1000 Thlr. sind die Zinsen mit 5 Proz. — 50 Thlr. in Boraus abgezogen, also nur 950 Thlr. gegeben. Es ist fortan nur letztere Summe zu 5 Proz. mit 47 Thlr. 15 Sgr. zu verzinsen. •«) A. a. O. S. 38. äl) 1. 20. C. II, 12. 1. 26. §. 1. D. XII, 6. I. 27. D. XLII, 1. 1. 29. D. XXII, 1. 1. 28. C. IV, 32. 1. 3. C. VII. 54. Unterholzner S. 318. Gezahlte Zinsen können aber al« verzinsliches Darlehn neu ausgeliehen werden. Durch Novation Zinsen die Eigenschaft zu nehmen, scheint wegen l.~28. C. IV, 32. unzulässig, ist aber streitig. Nach Senffert II. N. 150. ist die Praxis dagegen.

§. 68. Haupt- und Nennleistung. Zinsen.

375

oder noch ältere Zinsrückstände dürfen neue Schuldscheine gegeben und Zinsen davon verschrieben werden ").

Es ist bei den Gerichten zweifelhaft

geworden, was ein „zweijähriger oder noch älterer" Zinsrückstand sei: ent­ weder ein Rückstand im Betrage von zweijährigen Zinsen, oder ein Rück­ stand im Alter von zwei Jahren 34). Als die richtigere Ansicht erscheint die, daß hier nur von einem wenigstens zwei Jahre alten Rückstand die

Rede ist, ohne Rücksicht auf dessen Betrag.

Dies folgt aus einer unge­

zwungenen Auffassung der Worte, namentlich wenn man das Wort „ältere"

betont, und widerspricht dem nicht, was die Materialien ergeben33). Die.

über einen solchen Rückstand anszustellende neue Schuldverschreibung bedarf der gerichtlichen Form33). Auatocismus ist 2. gestattet, wenn Jemand zur Bezahlung eines Zinsrückstandes verurtheilt worden und vor Ablauf

der im Urtheil bestimmten Frist die Zahlung nicht leistet.

Es kann der

Gläubiger auch von diesem Rückstände Zögerungszinsen seit dem Tage, wo

das Erkenntniß rechtskräftig geworden ist, fordern 37).

3. Wenn ein Kauf­

mann mit einem anderen Kaufmann in laufender Rechnung (Kontokurrent) steht, so ist derjenige, welchem beim Rechnungsabschlüsse ein Ueberschuß gebührt, von dem ganzen Betrage desselben, wenngleich darunter Zinsen

begriffen sind, seit dem Tage des Abschlusses Zinsen zu fordern berech­ tigt33). Alle diese Bestimmungen über den AnatocismuS sind durch die neuere Gesetzgebung unberührt geblieben33).

88) §.818.819. d. T. Ebenso öftere. G.B. §. 998. Sachs. G.B. §. 680. 84) Koch, Kommentar Note 40. zu §.819. R. d. F. S. 179. sieht in der Vorschrift §. 819. beide Alternativen als zugelassen. Der von ihm geltend gemachte Grund, daß die ursprüngliche Fassung des §. „doch können auch über Zinsenrückstäude, insofern solche schon über zwei Jahr alt sind, neue Schuldscheine gegeben und Interessen darin verschrieben werden," bei der Schlußredaktion geändert wor­ den, spricht nicht für diese Auslegung, weil das Motiv der Aenderung nicht war, beide Alternativen zuzulassen. Monirt war, daß die Bestimmung zum Druck deS Schuldners führen könnte u. Suarez wollte, um dies zu verhindern, die gericht­ liche Form solcher Verschreibungen und so kam §. 820. hinzu, aber die Aenderung des §. 819. ist dadurch nicht motivirt und scheint nur eine stilistische gewesen zu sein. 85) v. z. Mühlen in Simon u. Str ampfs'ö Zeitschr. B. 1. S. 1—6. A. M. war früher das Justizministerium in den Reskripten v. 2. Nov. 1811 u. 27. Aug. 1814 (s. Ergänzungen). 36) §. 820. d. L. 87) §.821. d. T. Dem Erkenntniß stehen die im Mandats- und Bagatellprozeß er­ lassenen, vollstreckbar gewordenen Mandate gleich. DaS Präj. 1. vom Jahre 1832 (Sammt. I. S. 67.) ist veraltet. Koch, Konlment. Note 41. zu §. 821. 88) Deutsches Hand.G.B. 291. Aeltereö preuß. R. II. 8. §.697. Pöschmann in den DreSd. Annal. I, 289 Heuser, Annalen VII, 120. Bl. f. RechtSanw. B. 8. S. 413. Savigny, System B. 1. S. 179. Senf seit II. Nr. 149. VII, 290. Quartalsschlüsse sind ungewöhnlich und wucherlich. Seuffert VIII. 21. 22. Dagegen sind halbjährliche Abschlüsse zugelassen, das. XVI, 202. Das deutsche Hand.G.B. Art. 291. schreibt jährliche Abschlüsse vor, die Parteien können es aber anders bestimmen.

39) Bundesgesetz v. 14. Novbr. 1867. §. 4. Der deutsche Entwurf deS Gesetzes über

Zweites Buch.

376

Die besonderen Privatrechte.

Bei der nachfolgenden Erörterung des Unterschiedes den vorbedunge­

nen und gesetzlichen Zinsen wird gezeigt werden, daß der Begriff des Zins­ rückstandes, d. h. derjenigen Zinssmnme, die von einem bestimmten An­ fangs- bis zu einem bestimmten Endpunkt ausgelaufen ist, sich nur auf

vorbedungene Zinsen anwenden läßt, weil nur bei diesen ein solcher End­ punkt (der Fälligkeitstag) gegeben ist.

Daraus folgt, daß die weitere

Verzinsung eines Zinsrückstandes nur bei vorbedungenen Zinsen denkbar ist (unten bei f.). Es beziehen sich also die eben erwähnten Ausnahmen

1. und 2. vom Verbot des Anatocismus nur auf solche Zinsen, nicht auf Bei der Ausnahme 3. verhält es sich anders. Im Saldo

gesetzliche40 * *).

der Kauflente können auch gesetzliche (Verzugs-) Zinsen enthalten sein, bei

denen der Tag der Abrechnung den Endtermin bildet, der die Rückstands­ summe abschließt. Sind Zinseszinsen unerlaubt gezahlt worden,

so

können dieselben

binnen 6 Jahren nach abgetragener Schuld durch besondere Klage znrückgcfordert (kondizlrt) 4I)42oder * vom Kapital abgerechnet werden.

entweder

Im letzteren Fall muß das zu viel Gezahlte jedesmal sogleich44) in Ab­

zug kommen.

Die Ansicht, daß die ganze Summe der überhobenen Zinsen

erst am Ende zu addiren und ans einmal abzuziehen sei, ist nach dem Grundsatz, daß im Zweifel die Verbindlichkeit zu Gunsten deS Schuldners ausgelegt werden muß, als die demselben nachtheiligere zu verwerfen “).

e.

Die Zinsverbindlichkeit kann eine zwiefache Begründung haben,

entweder ist sie im Rechtsgeschäft zwischen den Parteien verabredet oder das Gesetz legt sie dem Schuldner auf. Der hieran sich anknüpfende

Unterschied zwischen vorbedungenen und gesetzlichen Zinsen ist sehr erheblich für ihre Natur selbst. f. Die vorbednngeucn Zinsen sind das Entgelt für den ge­ währten Gebrauch eines Kapitals44).

Ihre Quelle ist der Vertrag zwi-

Schuldverhältnifse Art. 40, hält das Verbot des AnatociSmuS jedoch mit der oben unter Nr. 1. erwähnten Modifikation ausrecht.

40) In überzeugender Weise ausgesührt v. Obertrib. Entsch. B. 5. ®. 345. Der RechtSsatz steht jetzt in der Praxis fest. Die gesetzlichen Zinsen sind Entschädigung (unten bei g.). Würden sie wieder verzinset, so erhielte der Gläubiger doppelte Entschädigung, auf die er kein Recht hat. Strieth. B. 15.S. 119. Lenz ©. 287 Die Gesetzrevisoren haben sich aber nicht überzeugen lassen. S. Ergänzungen. 41) §. 1272. II, 20. durch das Strafgesetzbuch von 1851 nicht ausgehoben, Einsühr. Ges. Art. XI. und in Beziehung auf den Anatocismus auch durch das Bundes« gesetz vom 14. Novbr. 1867 nicht beseitigt. Die RllcksorderungSklage ist nicht die condictio indebiti, sondern die condictio ob injustam causam. Unger, Anin. 19. Ein dreijähriges Kondiktionsrecht im deutschen Gesetzentw. über Schuldverh. Art. 263. 42) Die Abrechnung ist Kompensation, mithin tritt sie nach §. 301. 1,16. sogleich ein. Koch, R. d. F. S. 185. Note 16. Entsch. B. 3. S. 127. Ebenso Art. 263. des deutschen Entwurfs. ") Koch, N. d. F. S. 185. 44) §.803-826. d. T.

§. 68.

Haupt- und Nebcnleistung.

Zinsen.

377

In Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, daß bei terminlichen Leistungen, bei denen

schen den Parteien, das Versprechen des Schuldners45).

entweder, die Zahl der aufeinander folgenden Termine unbestimmt ist, oder der Betrag der sämmtlichen von vornherein bestimmten Termine 50 Thaler übetsteigt, der Vertrag schriftlich errichtet werden muß"), können Zinsen nur unter schriftlicher Form versprochen werden 47).

Bei den vorbedun­

genen Zinsen tritt ein, daß sie am bestimmten Tage fällig werden. Von

diesem Zeitpunkt sind sie rückständig, eine abgeschlossene Summe. Haben

die Parteien die Fälligkeitstermine nicht verabredet, so sollen solche Zinsen

bei Ablauf jedes Jahres, und wenn der Kapitalsgebrauch auf kürzere Zeit

gewährt worden, mit dem Kapital zugleich entrichtet werden4* "). * * An diese Eigenschaft des Fälligwerdens knüpfen sich die beiden Wirkungen,

daß

1. von da die Zinsrückstandsforderung zu verjähren beginnt — nach neuerem Recht ist die Verjährungsfrist eine vierjährige4") — und 2. daß von da an der Rückstand

durch besondere Klage

gefordert werden

Die Einklagung der bedungenen fällig gewordenen Zinsen kann stattfinden, während das Kapital noch geschuldet bleibt, oder zugleich mit

darf").

diesem oder nachdem cs schon gezahlt worden.

Sind Zinsen und Kapital

zugleich eingeklagt, und hat das Gericht nur über das letztere erkannt,

jene aber im Urtheil übergangen, so ist die Zinsforderung als rechtskräftig abgesprochen anzusehen und eine selbständige Nachforderung unstatthaft").

Werden die Zinsen eingeklagt, nachdem das Kapital schon gezahlt worden, so setzt dies voraus, daß eine vorbehaltlose Quittung noch nicht er­

theilt ist5').

Eine solche Quittung über das Kapital bewirkt, daß die

Zinsen für bezahlt oder erlassen zu „erachten."

Dies ist eine Fiktion, die

keinen Gegenbeweis zuläßt, die es unmöglich macht, die noch nicht bezahlten

Zinsen besonders nachzufordern.

Wohl aber kann die Fiktion selbst um­

gestoßen werden, indem das Vorhandensein derjenigen Thatsache bewiesen wird, an deren Fehlen das Gesetz die Folgerung knüpft, nämlich der Thatsache

des Vorbehalts, der auch in mündlicher Form wirksam ist. Hat der Gläu­ biger als Kläger denselben dargethan, so fällt die Fiktion weg und der

Schnldner als Beklagter hat die Zahlung oder den Erlaß der Zinsen zu ") Die durch Testament anferlegten Zinsen gehören auch hierher. ") I, 5. §. 136. «’) §. 729. 824. d. T. «) §. 822. 823. d. T. ") Ges. v. 31. März 1838 §. 2. N 5. Dadurch ist §.849. d. T. gegenstandslos geworden. Koch, Komm. Note 68. 69. zu diesem §. Enlsch. B. 4. S. 280. Rechl«krästig zuerkaunte Konvenlionalzinsen verjähren in 30 I. Strieth. B. 45. S. 326. DaS gemeine Recht kennt keine besondere ZinSverjährungSzeii. 1. 26. pr. C. IV, 32. Sie verjähren mit dem Kapital oder jede fällige Post in der ordentlichen Verjährungszeit. Seuffert XIV, 110. 50) §. 847. d. T. 1. 1. C. III, 1. Nach sächs. G.B. §. 674. können Zinsen, di- auf Vertrag, letztem Willen oder rechtskräftiger Entscheidung beruhen, durch besondere Klag­ geltend gemacht werden. Ist die Hauptklage verjährt, so ist es auch die Zinsklaae. =*) §. 846. d. T. ”) §. 843. 847. d. T. Enlsch. B. 59. S. 467. Strieth. B. 69. S. 29.

Zweites Buch.

378 erweisen").

Die besonderen Privatrechte.

Bezieht sich dagegen die vorbehaltlose Quittung

einen jüngeren Zinstermin, so

nur auf

erwächst daraus die Vermuthung,

daß auch die älteren Zinstermine berichtigt sind "). Gegenbeweis ist hier zulässig, dieser richtet sich auf die Nichtzahlung oder den Nichterlaß der

älteren Termine und muß vom Gläubiger (Kläger) geführt werden. Verschieden von den vorbedungenen Zinsen ist

g. die Natur der s. g. gesetzlichen Zinsen.

Nicht für einen frei­

willig gewährten, sondern für einen widerrechtlich vorenthaltenen Ge­

brauch eines Kapitals müssen sie als Entgelt gezahlt werden. Sie stellen den Schaden dar, den derjenige erleidet, dem die Kapitalsnutzung gebührt

hätte, dem sie aber von dem Schuldner entzogen worden ist, und dessen

Höhe das Gesetz nach dem landüblichen Zinsfuß abmißt, weil der Regel nach so hoch em Kapital jederzeit benutzt werden kann").

Der häufigste

Fall, wo Zinsen als Schadenersatz gezahlt werden müssen, ist der der verzögerten Rückzahlung eines Kapitals: Verzugszinsen gewährt das Gesetz von dem Tage, wo geleistet werden sollte und nicht geleistet wor­ den ist56 53).54 *Bon den Verzugszinsen werden im gemeinen Recht noch un­

terschieden die Prozeß- und die Urtheilszinsen, über welche mancher

Streit herrscht.

»Nach

preußischem Recht

ist zu solcher Unterscheidung

kein Grund57), weil selbst, wenn vor der Klaganstellung ein Verzug auf 53) Koch, Komm. Note 64. zu §. 843. Beurtheilung S. 273. Lenz S. 301. DaS Obertribunal hat in Entsch. B. 4. S. 336. nur eine durch Gegenberveis zu entkräftcnbe Vermuthung angenommen wegen der Verbindung, in der §. 843. zu 8. 842. steht, wo allerdings nur eine Vermuthung aus derZinsquittung gestattet ist. Bei der Verschiedenheit der Ausdrucksweise in beiden §§. ist aber dieser Grund unerheblich.. Neuerdings hat das O.Trib. durch Pl.Beschl. (B. 29. S. 13. J.M Bl. 1855 S. 38.) zwar in §. 843. auch noch an der Vermuthung festgehalten, aber doch auSgeführt, daß der Gegenbeweis gegen die Vermuthung nicht auf die Nichtzahlung oder den Nichterlaß der Zinsen, sondern auf den Vorbehalt bei der Quittung zu richten ist. Damit ist zugegeben, daß der Beweis stch auf das Vorhandensein der Thatsache bezieht, an deren Fehlen das Gesetz eiste bestimmte Folgerung knüpft. Dies ist aber nicht Gegenbeweis gegen eine Vermuthung, sondern Beseitigung einer Fiktion. Ueber den Unterschied von Vermuthung und. Fiktion s. oben §. 54. S. 255. 54) §. 842. d. T. Vergl. I, 16. §. 133., wo dieselbe Vermuthung für terminliche Leistungen aller Art aufgestellt ist. 58) Lenz S. 277 f. Entsch. B. 4. S 280. B. 5. S. 348. B. 12. S. 17., die sich ausführlich über die Natur der Verzugzinsen verbreiten. Ueber die Auffassung im tönt. R. f. Mommsen III. S. 235. Savigny S. 135. Daß gesetzliche Zinsen, insbesondere Verzugszinsen nur bei Geldschulden vorkommen können s. oben bei Note 7. Sachs. Ges.B. §. 742. Bei allen bonae fidei contractus ge­ währte daS röm. R. usuras ex mora 1.32. §. 2 D. XXII, 1. 1. 24. D. XVI, 3. Eine Zusammenstellung der Quellenbelege für die einzelnen Verträge bei Unterholzner S. 324. 325. Note a. Von ihnen gilt: non sunt in obligatione, sed officio judicis praestantur. 1. 49. §. 1. D. XIX, 1. 1. 54. pr. D. XIX, 2.

••) §. 827. d. T. I, 16. §. 67. 57) Koch, R. d. F. I. S. 100ff. Ueber die Prozeßzinsen vgl. bes. Savigny S.138f. Nach der gemeinrechtlichen Praxis haben diese Zinsen die Natur der omnis causa, auf die Grundsätze der mora kommt es nicht an. Lübeck, Celle, Stuttgart bei Seuffert B. 2. S. 190. B. 5. S. 342. B. 8. S. 171. B. 14. S.453.

)

§. 68.

Haupt- und Nebenleistung.

Zinsen.

379

Seite des Schuldners nicht vorhanden war, die Behändigung der Klage

den Schuldner immer in Verzug setzt (tz. 51. S. 237.), mithin die von diesem Tage beginnenden Prozeßzinsoii durchaus die Natur der Verzugs­

zinsen haben, und weil die preußischen Erkenntnisse in der Regel keine besondere Fristen für die' Erfüllung festsetzen, an deren Nichtbeachtung

eine von den Verzugszinsen abweichende höhere Zinsverpflichtung sich an­ knüpfte'"').

Allenfalls kann man in

einigen Fällen von Urtheilszinsen

sprechen, weil hier das Gesetz ihren Beginn auf den Tag der Rechtskraft festsetzt, nämlich: wenn man zur Zahlung eines Rückstandes bedungener Zinsen *’)/ zur Geldentschädigung aus einer unerlaubten Handlung60 * *),61 * *zur *

Vergütigung der im unredlichen Besitz genossenen Früchte"), zur Zahlung einer als Geschenk versprochenen Summe ”) verurtheilt worden ist. Hier­

her gehört auch das einzige Privilegium, was im neueren Recht dem FiSkuS in Betreff der Verzugszinsen noch geblieben ist, daß er in Kriegs­

zeiten dergleichen erst vom Tage der Rechtskraft zu zahlen hat").

Aber

auch in allen diesen Fällen ist der Zinsfuß der landübliche, nicht wie nach

gemeinem Recht ein ausnahmsweis höherer. Außer den Verzugszinsen hat das Gesetz noch in anderen Fällen eine Zinspflicht angeordnet, in denen ein Verzug des Schuldners zwar nicht

vorhanden, er aber doch ein fremdes Kapital ohne Rechtsgrund genutzt oder wenigstens dem Berechtigten die Nutzung daran entzogen hat"): 1. Beim Kauf muß derjenige Kontrahent, der zugleich Sache und Kaufgeld wider den Willen des Anderen genutzt hat, das letztere landüblich verzin­ sen"). Das Nähere hierüber in der kehre vom Kauf"), 2. Wenn der

Bevollmächtigte für seinen Machtgeber Kapitalvorschuß geleistet hat,

so

?8) Koch a. a. O. S. 102. 1. 2. 3. C. VII, 54. 1. 26. §. 1. C. IV, 32. Die Judikatzinsen betragen hiernach 12 Pro;, jährlich (die alten centesimae usurae) vom ursprünglichen Kapital, nicht auch von den im Urtheil zugesprochenen Zinsen. Die deutsche Praxis erkennt übrigens diesen höheren Zinssatz nicht an.

69J §. 821. d. T., 60) f, 16. §. 66.

Stjrieth. B. 24. S. 307.

61) I, 7. §. 231. ••) I, 11. §. 1079. •s) Ges. v. 7. März 1845 I. 2. ^Jn FriedenSzeiten steht Fiskus in Ansehung der Verbindlichkeit, ZögerungSzinsen zu zahlen, den Privatpersonen gleich.

•*) Es sind dies Fälle des s. g. objektiven Verzugs, der mora ex re. Lenz S. 277. Das O.Trib. (Errieth. 3. S. 72.) sagt zwar, der Grundsatz, daß Jeder, der. einem Anderen die Benutzung einer Summe auf widerrechtliche Weise vereitelt' hat, zur Verzinsung derselben verpflichtet sei, sei in dieser Allgemeinheit nicht als richtig anzuerkennen, weil er nirgends in den Gesetzbüchern in dieser Allgemein­ heit ausgesprochen sei; daraus würde aber eine solche Folgerung nicht zu ziehen sein, da Gesetzbücher nicht die Pflicht haben, Prinzipien auszusprecheu, sondern e nur anzuwenden. Die einzelnen Anwendungen zeigen aber, daß auch im A.L-R. dieser Satz leitendes Prinjtp ist. Z. B. auch Strieth. B. 36. S. 251. 65) 1,11. §. 109-111.

66) §. 125. A. 2. und B. 1.

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

380

muß ihm dieser vom Tage der Verwendung landüblich verzinset werden").

Eine Anwendung hiervon ist 3. daß ein Gesellschafter, der Vorschuß ge­ leistet, Zinsen zu fordern hat").

4. Der Verwalter muß die Kassenbe­

stände verzinsen, die er müßig liegen gelassen").

5. Der befreite Vor­

mund, der zur Rechnungslegung verurtheilt worden und dem nicht genügen

kann, muß von dem verwalteten Vermögen 6 Prozent entrichten70). 6. Der Verwahrer, der das ihm anvertraute Kapital ohne Erlaubniß genutzt hat7')/

7. wer wissentlich eine Nichtschnld sich Hatzahlen lassen77), 8. der unred­ liche und unrechtfertige Besitzer eines Kapitals, müssen den höchsten gesetz­

lichen oder landüblichen Zins entrichten77), 9. der ungetreue Vormund, der für sich daS Kapital des Mündels benutzt hat, muß 8 Prozent zahlen7').

Ueberall sind die gesetzlichen Zinsen Schadenersatz und auö dieser ihrer rechtlichen Natur ergiebt sich Folgendes: 1. gesetzliche Zinsen können

neben vorbedungenen nicht gefordert werden, weil letztere den Gebrauchs­ werth des Kapitals bereits entgelten, dem Gläubiger also ein Schaden

nicht erwächst77).

Wird dagegen das Kapital nicht zur rechten Zeit zu­

rückgezahlt, und betragen die bedungenen Zinsen weniger als landüblich,

so können vom Eintritt des Verzugs noch so viel Prozent Verzugszinsen gefordert werden, als zum gesetzlichen Zinsfuß fehlen77). Betragen da­ gegen die bedungenen Zinsen mehr als die gesetzlich bestimmten Zögerungs­ fl I, 13. §. 72.

Auch bei dem mandatum qualificatum. S trieth. B. 44. S. 345.

°°) 1,17. §. 225. «») 1,14. §.

40.

’°)II, 18. §. 878. ") I, 14. §. 87. ,2) I, 16. §. 194. ”) I, 7. §. 232. Der gesetzliche Zins ist in einigen Provinzen höher als 5 Proz., z. B. in Schlesien 6 Proz. Entsch. B. 54. S. 64.

") II, 18. §. 486. ’•) §. 827. d. T. ”) §. 831. d. L. Nach der bisherigen Auffassung der Praxis hat nur der Mehr, zins die Natur de» gesetzlichen, er tritt zum BertragszinS hinzu. Entsch. B. 12. S. 17. (Pl.Beschl.). Strieth. B. 11. S. 76. Es verwandelt sich also der Bertragszins durch den hinzutretenden Verzug des Schuldners nicht in Verzng«zin«, und zwar, wie das O.Trib. anssührt, weil die auf einem Vertrag beru­ henden Rechte den aus dem Gesetz herzuleitenden Besugmsseli Vorgehen, dieselben ausschließen, und Verzögerung-zinsen nur da zulässig sind, wo nicht anderweitig durch bedungenen Zins oder jionventionalstrase daS Entgelt für den Kapitals­ gebrauch festgesetzt ist. Dies zugegeben, so ist die Folgerung richtig, daß die Verjährung vorbednngener Zinsen, wenn das Zinsversprechen nicht auf einen Endtermin beschränkt ist, Strieth. B. 48. S. 56) durch hinzutretenden Verzug des Schuldners nicht aufgehalten wird (Strieth. B. 4. S- 90., B. 11. S. 76.). Dagegen Lenz @.295., der davon ausgeht, daß vom Moment des Verzugs der Gläubiger die Wahl habe auf die vorbedungeneu und die Zögerungszinfen. Dagegen ferner das Appell.Ger. Münster bei Strieth. a. a. £>.), weil dann derjenige, welcher sich keine Zinsen vorbedungen, die den gesetzlichen Zinsen an­ hängenden Vorzüge hinsichtlich der Verjährung genießen, mithin besser gestellt sein würde als derjenige, welcher Vertragszinsen zu fordern hat. Dies würde an sich nicht unbillig fein, beruht aber auch auf Täuschung, da der DertragszinS ja

§. 68.

Haupt- und Nebenleistung.

Zinsen.

381

zrnsen, so bleibt für letztere jener höhere Satz maßgebend77 * *).78 * *2.* *-Gesetz * * * ­* * * * * liche Zinsen können auch nicht beansprucht werden, wenn eine Konventional­ strafe bereits festgesetzt ist, weil diese vertragsmäßig das Interesse deckt 7Ö). 3. Gesetzliche Zinsen sind das vom Gesetz aufgestellte Durchschnittsmaß für die Größe des Schadenersatzes, sie schließen die Forderung eines hö­ heren nicht bedungenen Interesse aus. Nur wenn der hinreichende Zah­ lungsmittel besitzende Schuldner vorsätzlich oder aus grobem Versehen die Zahlung verzögert, ist der Ersatz des wirklich erwachsenen Schadens zu verlangen 79). 4. Gesetzliche Zinsen haben zwar einen bestimmten Anfangs­ punkt, ihr Lauf beginnt vom festgesetzten Zahlungstage des Kapitals, oder nach Ablauf der in der Kündigung enthaltenen Frist, oder vom Tage der Rechtskraft des Erkenntnisses u. s. nx80),81aber 82 sie haben keinen bestimmten Endpunkt. Sie laufen so lange, als die Vorenthaltung der Kapitals­ nutzung dauert, sie hören auf in dem Moment, wo die Kapitalsnutzung auf den Berechtigten zurückkehrt: sie werden nicht fällig, sie sind nicht zahlbar an einem bestimmten Tage, sie werden daher auch nicht rück­ ständig8^. Daraus aber ergiebt sich: a. sie sind einer selbständigen Verjährung nicht unterworfen", sie verjähren nur mit dem Kapital zu­ gleich8^); b. sie sind nicht selbständig klagbar, sondern nur mit der rechtzeitig eingeklagt werden konnte. DaS von Lenz behauptete Wahlrecht ist aber in §. 831. nicht anerkannt, und aus dem jetzt antiquirten §. 832. folgt nur, daß Kaufleute und Juden statt bis 5 Prozent auf höhere Zögerungszinsen gehen können. Für die Ansicht des O.Trib., daß nur der Mehrzins Verzugszinö ist, läßt stch anführeu, daß dem Gläubiger nur soweit ein Schaden entstanden, mit* hin auch nur soweit ersetzt werden darf, als der gemeine Gebrauchswerth des Ka­ pitals durch die geringeren Vertragszinsen nicht entgolten ist. Sie ist übrigens anderseitig als unrichtig angefochten (s. HinschinS a. a. O. S. 27), weil mit dem Eintritt des Verzugs das Vertragöverhaltniß sich nicht fortsetze. Dem §. 3. des Bundesgesetzes vom 14. November 1867 liegt die Auffassung zu Grunde, daß von dem Eintritt des Verzugs alle Zinsen die Natur der Zögernngszinsen haben, und dem gegenüber kann allerdings die Ansicht des Obertribunals nicht mehr für den Fall aufrecht erhalten werden, wo die bedungenen Zinsen geringer sind, als dte gesetzlichen aus dem Verzüge.

77) Bundesgesetz v. 14. Novbr. 1867. §. 3. 78) §. 827. d. T. Aber die Konventionalstrafe muß im Fall ihrer verzögerten Zah­ lung verzinset werden. Str ieth. B. 28. S. 24. Unten §.107. Note 35.

79) §. 833.834. d. T. Die Bestimmung ist wegen der Schwierigkeit, die ZahlungSmittel des Schuldners als hinreichend zu erweisen, unpraktisch. DaS sächs. G.B. §.742. läßt Ermittelung und Ersatz eines höheren Schadens zu. Seuffert B. 12. S. 18.

80) Ueber den Anfang des Laufs der Verzugszinsen und seine Unterbrechung wird in der Lehre vom Verzüge näher zu handeln sein (§. 105). 81) Entsch. B. 4. S. 280. B. 5. S. 348. Lenz S. 278. 279.: „Sie sind das durch den Verzug des Debitor von Moment zu Moment anschwellende und stets in un­ unterbrochenem Flusse, ohne einzelne Ablösungen in Fälligkeitsterminen wachsende Kapital, daS sie anzuschwellen nur aufhören, wenn das Kapital selber stirbt." 82) Entsch. B. 4. S. 280. (Pl.Beschl.) „Verzugszinsen sind der zehnjährigen Verjäh­ rung nicht unterworfen « §. 849. d. T. Die Gegner wollen jeden Tag hes fort­ dauernden Verzugs als möglichen Verfalltag der Zögerungszinsen betrachten und auf sie die Verjährung anwenden, weil diese an die Stelle des gemeinrecht-

382

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

Hauptschuld83 * *).** 85 *Weder * ** ** * also können sie auf eine beliebige Quote eingeklagt

werden, bevor die Kapitalsklage erhoben"), noch darf man sie nachfor­ dern, wenn wegen der Hauptschuld schon geklagt und erkannt worden ist. Es ist einflußlos, ob die Zinsen in der Hauptklage mitgefordert oder in

ihr unerwähnt geblieben, oder ob ihre Forderung dabei Vorbehalten wor­ den: entscheidend ist nur, daß im Erkenntniß über die Hauptschuld die Zinsen nicht mit zugesprochen sind, denn da der Richter von Amtswegen

auch wenn sie nicht gefordert worden, über sie erkennen soll, so muß ihr

Uebergehen im Urtheil als etn Aberkennen aufgefaßt werden88).

Ebenso

lichen Verbots deS alterum tantum getreten sei und anch der zu Verzugszinsen Berechtigte dieselben nicht bis über das Kapital anschwellen lassen darf. Ent­ scheidend ist, daß, weil es für diese Zinsen keinen bestimmten Verfalltag giebt, ein Anfang der Verjährung nicht fixirt werden kann, und daß der Schadenersatz, wenn er nach Zinsen berechnet wird, nicht füglich anderen Normen unterworfen werden darf, als eine auf andere Art berechnete Entschädigung. In der Praxis ist die Nichligkeit des Pl.Beschl. allgemein anerkannt. S. Strieth. B. 32. S. 175. B. 45. S. 320. 83) Nach gemeinem Recht ist es unzweifelhaft. 1. 19. §. 1. D. XIX, 1. Wenn Pauli, sent. rec. III. 8. 4. allgemein sagt: ex mora usurae peti possunt, so hat er da­ mit ein selbständiges Klagerecht nicht gemeint. Unterhol zn er I. S. 320. Note 6, Seuffert B. 7. S. 14. B. 8. S. 172. Für das preuß. R. folgt es besonders arg. a contr. aus §. 847. d. T. und aus §. 848. Ebenso sächs. G.B. §. 675. In dem Fall bei Strieth. B. 21. S. 95. waren die gesetzlichen Zinsen in VerIragSzinsen umgewandelt. Verzugszinsen für eine frühere Terminalzahlung kön­ nen mit der Klage auf eine spätere Terminalzahlung nachgesordert werden. Er­ kannt vom O.Trib. in der GreisSw. S. v. d. Lancken w. Erhardt. 1865. M) Hierüber hatte sich die preuß. Praxis bisher noch nicht ausgesprochen. S. Entsch. B. 11. S. 18. Note 1. Kassel bei Heuser B. 3. S. 60. - Neuerdings (Entsch. B. 58. S. 100) ist aber vom O.Trib. angenommen worden, daß Verzugszinsen vor der Kapitalsklage selbständig eingeklagt werden können. Daß diese Entschei­ dung mit der Theorie, welche daö O.Trib. sonst über die Unselbständigkeit der Forderung solcher Zinsen aus den Bestimmungen des A.L R. entwickelt hat, nicht in Einklang steht, ist augenfällig. Zwischen der Nach- und Vorklage kann ein grundsätzlicher Unterschied nicht gefunden werden, das O.Trib. weist auch einen solchen gar nicht nach. Wenn Hinsehens, Zeitschr. B. 2. S. 189, die Entschei­ dung trotzdem für richtig hält, weil sie mit der heutigen Natur der Verzugszin­ sen übereinstimme, so würde dies allenfalls de lege ferenda zu beachten sein, dem mit dem gemeinen R. übereinstimmenden und an dasselbe anknüpsenden A.LR. gegenüber kann aber auf einen solchen Grund kein Gewicht gelegt werden. Vergl. die nächste Note, und nun wieder die Ausführung Entsch. B. 59. S. 469 s. Strieth. B. 69. S. 202. Hier liegt ein offenbarer Widerspruch vor, der wohl eines Plenarbeschlusses bedarf. Der deutsche Gesetzentw. von Schuldverh. Art 317 hält daran fest, daß die Verzugszinsen nur in Verbindung mit der Kapitalsklage gefordert werden können.

85) Die Praxis hat angenommen: 1. „Verzugszinsen, welche bei der Einklagung deS Hauptstuhls nicht zugleich mit eingeklagt worden sind, und auf welche der Rich­ ter auch nach § 58.1. 23. A.G.O. nicht von Amtswegen erkannt hat, können in einem späteren Prozeß nicht mehr nachgesordert werden. Pl.Beschl. Entsch. 53.11. S. 1. Lenz S. 308. — 2. Verzugszinsen, welche bei Einklagung des Haupt­ stuhls der Forderung nicht zugleich mit eingeklagt worden sind, können auch dann nicht nachgesordert werden, wenn sie in der Klage ausdrücklich vorbehalten sind. Auch der Ausspruch deS erkennenden Richters, daß eö bei diesem Vorbe­ halt zu belassen sei, vermag nicht, demselben eine Wirkung beizulegen. Entsch. B. 26. S. 270. Nach röm. R. konnte die Nachklage auf die Zinsen im Erkennt­ niß Vorbehalten werden, arg. 1. 3. C. VII, 51. Unterholzner S. 320, Noteo. —

§. 68.

Haupt- und Nebenleistung.

Zinsen.

383

wenig können sie nachgefordert werden, wenn über daS Kapital vorbe­

haltlos quittirt worden"). Eine solche Quittung ist nur dann der Nachforderung der Zinsen unschädlich, wenn letztere bereits gerichtlich zuerkannt worden sind ”).

Ist bei der ohne vorangegangene Klage ertheilten

Quittung über das Kapital der Anspruch auf Verzugszinsen dagegen Vor­ behalten, so können sie nachträglich eingeklagt werden"). Diesen im gemeinen Recht bestrittenen Satz hat die preußische Praxis aufgestellt, weil

im A.8.R. nur der Einklagung des Hauptstuhls und nur der vorbehaltlosen Mit

Quittung eine-den Zinsanspruch vernichtende Wirkung beigelegt ist.

Recht bemerkt Koch"), daß hier nicht von einer besonderen Zinsenklage die Rede sei, die man im gemeinen Recht deßwegen versagen will, weil

solche Zinsen nur officio judicis praestantur, sondern daß die Klage wegen der Zinsen die Hauptklage selbst sei, die auch auf die Zinsen gehe, und deß­

halb nach erfolgter Befriedigung des Kapitals Vorbehalten werden kann. Durch den Zahlungstag des Kapitals ist überdies der Endtermin gegeben, der den Anspruch auf Verzugszinsen zu einer bestimmten Summe abschließt.

86)

87)

88)

89)

3. Sind die Zinsen mit dem Hauptstuhl zugleich eingeklagt, vom Richter aber tm Erkenntniß übergangen, so folgt ihr Verlust direkt aus §.848. d. T. — 4. Eine Ausnahme hiervon bilden die Zögerungszinsen, welche vom Tage deS Erkenntnisses zu laufen beginnen (§. 845. d. T.): sie können so lange nachgesördert und eingeklagt werden, als noch nicht Liber das erstrittene Kapital selbst ohne Vorbehalt quittirt worden ist, Entsch. B. 11. S. 1. (Pl.Beschl.), weil für sie ein neuer Verzug, mithin ein neuer RechtSgrund eintritt. Strieth. B. 15. S. 119. Ueber die Pflichten des Richters, von Amtswegen über die gesetzlichen Zin­ sen zu erkennen, Strieth. B. 20. S. 147. DaS O.A.G. Jena will nicht ge­ forderte Verzugszinsen nicht ex off. zusprechen lassen, weil der Satz usurae offi­ cio judicis praestantur nur bedeute, daß der Richter auf Zinsen erkennen dürfe, wenn auch der Magistratns ihn in der Formel nicht dazu ermächtigt habe. Seuffert B. 12. S. 127. Dagegen läßt Kassel auch nicht geforderte Zinsen von AmtSwegen zusprechen, nur nicht niedriger geforderte darüber hinaus. Heuser, Annalen B. 3. S. 50. Nicht zuerkannie Zinsen gelten auch in der gemeinrechtl. Praxis für abgesprochen, und dürfen nicht mehr nachträglich gefordert werden. Ebendas. S. 51. §. 844. 845. d. T. Entsch. B. 9. S. 225.: „Verzugszinsen, die nicht auf einem Urtheil beruhen, können nicht nachgefordert werden, sobald über das Kapital ohne Vorbehalt quittirt worden, mag über die Zahlung deö Kapitals ein Erkenntniß ergangen sein oder nicht." Kontokurrents haben nicht die rechtliche Eigenschaft der Quittungen. Strieth. B. 36. S. 298.. §. 844. spricht nur von „zuerkannteu" Verzugszinsen. Offenbar ist der Grund, daß sie die Natur einer Indikatforderung haben, denn sonst würde die Bestim­ mung mit §. 847. über den Verlust der Nachforderung der Dertragözinsen durch vorbehaltlose Quittung über das Kapital nicht zu vereinbaren sein. Koch, Komm. Note 65. zu §. 844. Entsch. B. 47. S. 103. Strieth. B. 45. S. 131. Hauptstuhl und Verzugs­ zinsen sind ein Ganzes; die Quittung über das Kapital ist daher hier Quittung über theilweise Befriedigung. Aus demselben Grunde hält das O.A.G. Olden­ burg einen solchen Vorbehalt bei Empfang der Hauptschuld für wirksam. S.euss ert B. 6. S. 458. Dagegen erklären ihn für unwirksam die O.A.G. zu Jena (Senssert B. 12. S. 332.) und Kassel (Heuser B. 3. S. 60.). In Entsch. B. 54. S-109 f. ist anögesührt, daß auch ein nur mündlicher Vorbehalt neben der schriftlichen Quittung über das Kapital für die spätere selbständige Einklagung der Verzugszinsen genügt, wenn ein dolus des Schuldners konkürrirt. Koch, Komment. Note 65. zu §.844. d. T. a. E.

Zweites Buch.

384

Die besonderen Privatrechte.

b. Wie die gesetzlichen Zinsen als Ersatz für den dem Berechtigten

zu lange vorenthaltenen Gebrauch deS Kapitals gezahlt werden müssen, so wird umgekehrt dem Schuldner, der früher als nöthig das Kapital und

somit die Möglichkeit seiner Nutzung dem Gläubiger zurückgiebt, eineVergütigung durch das s. g. Jnterusurium oder den Diskonto gewähr^").

Der Gläubiger hat nur den Anspruch, am Fälligkeitstag Zahlung zu er­

halten.

Wird sie vorher geleistet, so erwirbt er dazu den Vortheil, daS

Kapital vom Zahlungstage bis zum Fälligkeitstage anderweitig nutzen zu

können, und andererseits entgeht grade dieser Vortheil dem Schuldner, der

früher gezahlt hat. werden.

Dieser Nachtheil deS Schuldners soll ihm vergütigt

Von einem Jnterusurium kann sonach nur die Rede sein bei

einer verfrüht zurückgezahlten unverzinslichen Schuld, denn nur in diesem Fall erleidet der Schuldner Schaden. Das Institut ist wenig praktisch und wird im preußischen Recht nur in zwei Anwendungen er­

wähnt: 1. wenn ein Unfähiger eine an sich verbindliche aber unverzins­ liche Schuld zu früh bezahlt, so muß der Gläubiger wegen der Zinsen

für die Zwischenzeit Vergütigung gewähren"); 2. im Konkurse und bei

Subhastationen werden noch nicht fällige Forderungen als fällige behan­ delt; sind sie unverzinslich, so sind sie zu demjenigen Betrage in Ansatz

zu bringen, welcher mit Hinzurechnung, der gesetzlichen Zinsen von diesem

Betrage für die Zeit zwischen dem Zahlungötäge und dem späteren Ver­ falltage dem ganzen Betrage der Forderung gleichkommt •’). Das A.L.R. selbst stellt eine Berechnungsart nicht auf; die in der Konkursordnung

vorgeschriebene ist die Hoffmann'sche Methode"). Dieselbe Berechnung

wird auch anzuwenden sein, wenn es sich darum handelt, eine noch nicht fällige unverzinsliche Forderung in einem Nachlaß-Inventarium anzusetzen

und zu diesem Zweck abzuschätzen:

§. 69. A.L.R. I, 5. §. 70. S. 209. Nr. VI.

Werth der Leistung.

Gruchot I. S.329.

Koch, R. d. F. B. 2. S. 526. Pr.R. II.

Unterholzner I. S. 212.

SinteniS II. S. 21.

Schon aus dem Umstand, daß die Schuldverhältnisse dem Gebiet des Vermögensrechts angehören, daß durch sie das Vermögen des Einen er­

weitert, das des Anderen vermindert werden soll, ergiebt sich, daß die «•) Koch, R. d. F. S. 188. Pr.R. II S. 36. Keller, Pandekten §. 248. S. 486.

Unterholzner I. S. 268 f. und

»') I, 16. §. 171. 12) Konk.Ordn. §. 249. 396. bergt, damit §. 96. Nr. 3. in Betreff der Kompensation im Konkurse. ”) Die Formel ist x + 155 x = 500.

Keller a. a. O.

Der deutsche Gesetzentw.

über Schultverhältn. Art. 273. erkennt den Anspruch auf ein Jnterusurium nicht an.

Werth der Leistung.

§. 69.

385

Leistung ein Interesse, einen Werth nicht bloß an sich, sondern für die Betheiligten haben muß.

Und so giebt auch das römische Recht die all­

gemeine Regel: es könne nur das Gegenstand der Obligation sein, was nach Geld zu schätzen ist *).

Nutzlose Schuldverhältnisse sind ungiltig und

dem daraus abgeleiteten Anspruch wird diese Werthlosigkeit mit Erfolg

entgegenzusetzen feilt. Nur diesen Gedanken und nichts anderes will die Bestimmung des A.L.R. ausdrücken: „Verträge, deren Erfüllung Nieman­

dem einen Vortheil oder Nutzen gewähren kann, müssen auf den Antrag desjenigen, welcher dadurch belastet ist, von dem Richter aufgehoben wer­ den." Der Antrag des Belasteten kann nur als Klage oder Einrede, der Ausspruch des Richters über die Aufhebung der Verpflichtung nur als Erkenntniß gedacht werden, so daß also mit dem Gegner vollständig

darüber verhandelt worden ist.

Soll aber aus diesem Grund die auS

dem Schuldverhältniß entspringende Verpflichtung beseitigt werden, so darf

sie Niemandem, also nicht bloß nicht den Parteien, sondern auch nicht irgend einem Dritten Vortheil oder Nutzen gewähren *). Ob sich behaupten läßt, daß auch daS Nutzloseste zum Gegenstand einer Rechtsverpflichtuug ge­

macht werden darf, wenn es nur nicht unerlaubt ist'), dürfte sehr zwei­ felhaft sein. Im allgemeinen Rechtsbewußtsein liegt eine solche Ansicht nicht und der Rechtsschutz würde kaum derartigen Verabredungen in ernst­ hafter Weise zu Theil werden können. *) 1. 9. §. 2. D. XL, 7.: ea cnim in obligatione consistere, quae pecuniä lui praestarique possunt. ES löst sich daher jede Obligation, die nicht mehr in bedungener Weise erfüllt werden kann, in eine Geldobligation durch Schätzung der Leistung auf. Strieth. B. 45. S. 232. B. 68. S. 157 f. — Daß zur Wirk­ samkeit des Schnldverhältnisseö das eigene Interesse daran gehört, zeigt sich in mehreren Anwendungen. Besonders 1. 38. §. 17. D. XLV, 1.: inventae sunt enim hujusmodi obligationes, ut unusquisque sibi acquirat: ut alii detur, nihil interest mea. 1. 8. §. 6. D. XVII, I.: si nihil interest, cessat mandati actio. Briuz, Pand. S. 362.: „wenn man bedenkt, wie theuer im Verkehr oft bloße Möglichkeiten, Hoffnungen- Wahrscheinlichkeiten bezahlt werden und hinzu­ nimmt, daß die Forderung ein Klagerecht ist, so begreift eS sich wohl, daß und warum sie Vermögen sei." 2) Denn die Vortheile eines Dritten können nach §. 74. I„ 5. Gegenstand eines Ver­ trages sein und nach röm. R. wenigstens dann, went^ dqr Kontrahent selbst daran Interesse hat, daß der Vortheil dem Dritten zufalle r §. 20. J. III, 19: sed et si quis stipuletur alii, quum ejus interesset, placuit stipulationem valere. Auch durch poenae stipulatio konnte der Vortheil des Dritten zum eignen Interesse deS Kontrahenten werden. §. 19. J. ibid. 1. 38. §. 17. D. XLV, 1. Koch, R. d. F. II. S. 527.

Gegen ihn Gruchot a. a. O.

Förster, Preuß. Privatrecht. I. 2. Aust.

25

Zweite- Buch.

386

Die besonderen Privatrechte.

Vierter Abschnitt.

Die

Begründung.

§. 70. A. Zustände. A.LR. Eint. 8.82. Koch, R. d. F. B. 2. S. 49. — Unterholzner I. S. 17-20. Savigny, Obl.R. B. 2. S. 1. 330. Puchta, Pand. §. 249. 262. Arndt« 4. A. §. 229. 244. Siuteui« II. §. 95.100. a. E. S. 232. 322. Keller, Pand. 2. 242. S. 473. Gerber, Deutsche« Priv.R. 8. A. §. 167. S. 419.

Die Römer sagen: omnis obligatio vel ex contractu vel ex de»

licto vel ex variis causarum figuris nascitur *), d. h. das Schuldver­

hältniß entsteht entweder aus einer von zwei oder mehreren Personen mit der Absicht vorgenommenen Handlung, unter sich ein bestimmtes Rechts­ geschäft zu errichten, oder auö der unerlaubten Handlung einer Person,

durch die die Rechtssphäre einer anderen verletzt worden.

Diesen beiden

Hauptarten wurden Schuldverhältnisse angereihet, welche mit der einen

und anderen Verwandtschaft zeigten, von denen es hieß' quasi ex con­ tractu, quasi ex delicto nascuntur '). Trotzdem blieb bei dieser Eintheilung noch eine Reihe von Schuldverhältnissen übrig, die in keine dieser Rubriken untergebracht werden konnten: sie wurden gesammelt unter der Kategorie: ex variis causarum figuris nascuntur. ES scheint kaum einer Ausführung zu bedürfen, daß eine solche Eintheilung eigentlich keine Eintheilung ist, wenn man für sie mehr als bloß äußere Uebersicht, wenn

man ein logisches Prinzip verlangt.

Die neuere Rechtswissenschaft kann

sich überhaupt durch die Anordnungen des Stoffs, durch die systematischen

Bemerkungen, die die römischen Rechtsquellen hier und da enthalten, nicht binden lassen, sie ist zu freier Systematik berechtigt und verpflichtet, und wenig begründet ist der Vorwurf, daß es einen Mangel an gründlicher Einsicht in das römische Recht verrathe, wenn man von dessen Einthei­

lung abweiche'). DaS A.L.R. sagt, daß die Rechte des Menschen — abgesehen von

Geburt und Stand — durch Handlungen und Begebenheiten ent­ stehen, mit welchen die Gesetze eine bestimmte Wirkung verbunden haben4*).2 *

') I. 1. pr. D. XLVI, 7. §. 2. J. III, 13. 2) Unterholzner S. 18. bemerkt, daß die Römer nicht sowohl die Thatsache, auS welcher die oblig. quasi ex contractu oder quasi ex delicto hervorgeht, mit einem contractus oder delictum verglichen haben, als vielmehr die obli­ gatio selbst mit einer obligatio ex contractu oder ex delicto. Verwirrt nennt derselbe Schriftsteller die Eintheilnng des ModestinuS in 1. 52. pr. D. XLIV, 7. 8) Wie Ko ch, R. d. F. II. S. 50. 51. behauptet, gegen Weber, v. d. natürl. Ver­ bindlichkeit §. 28., der die Eintheilung mit Recht eine Absurdität nennt. 4) A.L.R. Einl. §. 82. Siehe oben §. 24. Weber a. a. O. §. 32.33. S. 81. (5. A.) nnd Koch a. a. O. S. 51. 52.

§. 70. A. Zustände.

387

Schuldverhältnisse können also begründet werden durch Handlungen und Begebenheiten. Von ersteren wird später ausführlich gehandelt werden: hier nur Einiges über die Begebenheiten als Entstehungsgründe für Schuld­ verhältnisse. Begebenheiten sind Thatsachen, die ohne Willen der Person ein­

treten und auf ihre Verhältnisse einwirken.

Sie erzeugen Zustände, die,

soweit das Gesetz bestimmte Wirkungen ihnen beilegt, Quelle von Rechts­ verhältnissen werdens).

Diese Unabhängigkeit vom Willen der Person,

insbesondere, worauf es hier allein ankommt, vom Willen desjenigen, der durch sie in ein Verpflichtungsverhältniß gesetzt wird, dieser zufällige Cha­

rakter wird passend in der römischen Rechtssprache ansgedrückt: ex re venit obligatio5 6).* * *Aus 10 ihr folgt die allen solchen Verpflichtungen ge­ meinsame Regel, daß sie von der persönlichen Fähigkeit oder Unfähigkeit deö Schuldners nicht abhängen ’). Mehrere dieser Zustands-Schuldverhält­

nisse können im Obligationenrecht ihre Darstellung nicht finden, weil ihr Verständniß abhängig ist von der rechtlichen Natur der Zustände, und da­ her nur bei'ihnen klar gemacht werden kann: so die ErbeSgemeinschaft im Erbrecht, die aus dem Verwandtschaftsverhältniß entspringenden Ver­ pflichtungen im Familienrecht, so andere bei der Lehre vom Besitz und Eigenthum; wenige bleiben für das Obligationenrecht übrig'). Zweifelhaft ist eS, ob zu diesen auS Zuständen entstehenden Schuldverhältnissen die

s. g. Reallasten gerechnet werden dürfen. Gerber') faßt sie als ZustandS-

obligationen auf, insofern die Bestimmung des verpflichteten Subjekts durch die Thatsache deS Besitzes eines bestimmten Grundstücks gegeben werden soll. Andere wollen den Reallasten den Charakter eines dinglichen Rechts

beilegen und sie daher der Darstellung des Sachenrechts vorbehalten. Da­ zwischen treten Meinungen, wonach in diesem Rechtsinstitut sich ein ob­

ligatorischer und dinglicher Charakter mische").

In diesem Werke wird

ausgeführt, daß in der Reallast ein dingliches Recht die Quelle obligato­ rischer Verpflichtungen ist, und letztere sich als Zustandsobligationen cha-

rakterisiren "). 5) Siehe oben §. 24. S. 127. •) 1. 46. D. XLIV, 7. Verschieden davon ist bet s. g. Realvertrag in I. 4. D. eod. Hieran haben Neuere die Eintheilung in unmittelbare (re) und mittelbare (con­ tractu, delicto) Begründung gekniipstz Unter!?. S. 19. ’) 1. 46. D. XLIV, 7. e) S. die obligationes ex lege bei Koch, R. d. F. III. §. 195—217. ’) Deutsch. Pr.R. 8. A. §. 167. 168.169. Derselbe in s. u. Jhering's Iahrb. B. 2. S. 35. 10) ES genüge hier, wo die Statut der Reallasten noch nicht eingehend erörtert werden kann, in Betreff der verschiedenen Theorien auf Note 2. S. 424. bei Gerber zn verweisen. ") Unten §. 188.

Zweites Buch.

388

Die besondere« Privatrechte.

B. Handlungen. Erstes Kapitel.

Rechtshandlungen. §. 71.

I. Einseitige Rechtshandlungen.

A.L.R. I, 3.4. I, 5. §.5. G. Koch, R. d.F. II. S. 51 f. 528f. S. 307. — Sinteni« II. S.276.

Gruchot, Seilt. I.

Daß Handlungen, insbesondere Willenserklärungen, die nächste und

wichtigste Begründungsart der Rechtsgeschäfte sind'), welche Eigenschaften sie besitzen müssen, um in dieser Weise zu wirken, welche Arten derselben dabei in Betracht kommen, ist §. 25—44. ausführlich erörtert worden.

Die Schuldverhältnisse werden bei weitem in den meisten Fällen durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden, einseitige und zweiseitige, hervorgerufen.

Aber auch Rechtsgeschäfte von Todeswegen können sie in mannichfacher Art erzeugen.

Die einseitigen. Handlungen sind entweder erlaubte

oder unerlaubte, passender und umfassender ausgedrückt: entweder recht­ liche oder rechtlose. Ueber die einseitigen rechtlichen Handlungen als Quelle von Schuldverhältnissen ist im Allgemeinen nichts weiter anzu­

geben, als was von Handlungen überhaupt gilt.

Bemerkt muß aber wer­

den, daß sie von den f. g. einseitigen Verträgen, die immer ein« Zwei­ seitigkeit des Wollens voraussetzen, und nur Einseitigkeit der Verpflichtung

und Berechtigung erzeugen, zu unterscheiden sind. Einige von den einseitig entstehenden Verpflichtungen können im Obligationenrecht noch nicht erörtert

werden, z. B. die des Vormundes, die des Erben aus der ErhschaftSHierher gehören nnr die auftragslose Besorgung der Ge­ schäfte Dritter, die grundlos herbeigeführte Bereicherung und die an die

annahme.

Zahlung einer Nichtschuld sich anknüpfenden Rückforderungsrechte.

Die im

römischen Recht sonst noch anerkannten, aus einseitigen, nicht vertrags­ mäßigen Rechtsgeschäften entspringenden Verpflichtungen, die pollicitatio

und das votum, sind in das preußische Recht nicht ausgenommen; die

Regel, daß einseitige Zusagen keine Rechtsverbindlichkeit erzeugen, gilt hier

durchgreifend. Die pollicitatio in ihrer engeren Bedeutung alS das zu Gunsten einer Stadtgemeinde gegebene Versprechen') erwähnt dasA.L.R.

*) A.L.R. I, 3. §. 30.31. r; Unterhol,«er II. S.495. Arndts § 241. ®.387. Sintenis I. §.96. Keller, Pand. S. 455s. Koch, R. d. F. II. S.528. §. 142. Von der pöllicitatio im weiteren Sinn galt auch im röm. R. ex nuda pollicitatione null» actio nascitur. Unter p. wird aber verstanden offerentis solius promi ssum. Pauli. 8. R. V, 12. 9. 1. 3. D. L. 12. Der Satz, daß zum Besten der Stadt­ gemeinden einseitige Versprechungen binden sollen, muß nach heutigem gemeinen

Schuldvrrträge.

§. 72.

A. Der Begriff und die Arte».

389

Überhaupt nicht besonders, und in Betreff der Gelübde sagt e67*), **4 daß 5* solche als bloß einseitige Versprechungen nach bürgerlichen Gesetzen keine

Verbindlichkeit haben.

Wenn es hinzufügt: hat der Erblasser ein Gelübde

zu erfüllen angefangen, so wird vermuthet, daß er den Erben zu dessen Vollendung habe verpflichten wollen^), so folgt daraus nicht eine ver­

pflichtende Kraft des Gelübdes als solchen, sondern nur die Vermuthung,

daß der Erblasser dem Erben die Verpflichtung zur Ausführung auferlegt habe').

Daraus folgt aber weiter, daß eine solche Auflage nur da an­

genommen werden kann, wo der Erbe durch Testament ernannt worden

ist, nicht im Fall der gesetzlichen Erbfolge, daß ihre Rechtsbeständigkeit daher von der RechtSbestöndigkeit des Testaments abhängt, daß der be­

lastete Erbe, wenn der Nachlaß zur Erfüllung des Gelübde- nicht a«Sreicht, nur soweit als verpflichtet anzusehen ist, als die ihm anfallende

Zuwendung reicht, daß er berechtigt erscheint, den Bermächtnißnehmern verhältnißmäßige Abzüge zu machens, und daß sein PflichttheilSrecht un­ verkürzt bleiben muß7).

II.

Zweiseitige Rechtshandlungen.

Die Lehre von den Schuldverträgen.

§. 72.

A. Der Begriff und die Arten.

A.L.R. I. 5. §.1—8. Heydem. I. S. 194. Gruchot I. S. 306. Born em. von Rechtsgeschäften, 2. A. S. 217. Civ.R. 2. A. II S. 220. Koch, Pr.R. 3A. II. S. 171. R. d. Ford. 2.A. S. 53, v. Daniels 1. A. I, 271. Plathner, Geist des preuß. Priv.R. B. 1. S.64f. Paul, die Lehre von Verträgen, insbes. n. preuß. R. 1854. — Unterholzner I. S. 21. 25f. Savigny, System B. 3. S. 307 f. 314 f. Oblig. R. B. 2. S. 7. Unger, österr. Priv.R. II. S. 169. Sintenis 2. A. I. §. 19. II. S. 234. Arndts 4. A. §. 231. S. 371. Keller, Pand. §. 62. S. 122. §. 220. S. 430. Windfcheid II. §. 305.ff. S. 155.ff. Stobbe, zur Geschichte des deutsch. BertragSrechtS. 1855.

Recht auch zu Gunsten des Staates gelten. Die verbindliche Kraft derselben setzt voraus eine justa causa, z. B. Beseitigung eines Nothstandes, einer Zerstörung, 1. 19. D. XXXIX, 5. 1. 1. §. 1. I. 4.6. §. 2. D. L, 12 , oder coeptum opius I. 1. §. 3. D. eod. Die vota waren Gelübde zu religiösen Zwecken. 1.2. §. 2. D. eod.

8) I, 5. §. 5. DaS Wort Gelübde umfaßt hier die pollicitatio und daö votum. Suarez erachtete dafür, daß solche Versprechungen unserer Denkweise nicht mehr gemäß seien. 4) I, 5. §. 6. 5) Koch, R. d. F. u. Gruchot a. a. O. •) Nach I, 12. §. 334. 335. Daß die Bestimmung deS §. 6. I, 5 für den Erben sehr bedenklich werden kann, s. Koch, Komm. Note6. zu diesem §. DaS römische R. schützte den Erben besser, indem dieser nur % der Erbschaft znr Vollendung deS Werks zu verwenden verpflichtet war. 1. 9.14. D. L, 12. 7) A.L.R. II, 2. §. 398.

Zweites Buch.

390

Die besonderen Privatrechte.

Im Wesentlichen herrscht über die Begriffsbestimmung deS Vertrages Einverständniß: die übereinstimmende Willenserklärung mehrerer Personen,

unter sich ein bestimmtes Rechtsverhältniß zu errichten. Er ist das zwei­ seitige Rechtsgeschäft (§. 25. S. 130.), und stellt, weil er eine Willens­ einigung erfordert, am unmittelbarsten das zum Wesen der Obligation gehörige beiderseitige Gebundensein

dar,

wie er auch am bestimmtesten

ansdrückt, daß der Grund zu allen Schuldverhältnissen in der durch die menschliche Beschränktheit und Bedingtheit hervorgerufenen Nothwendigkeit liegt, eine Ergänzung oder Erweiterung der Machtsphäre der Person zu

erstreben. Gewiß kann nicht bestritten werden — und die heutige Rechts­ wissenschaft verkennt eS auch nicht *) — daß derartige Willenseinigungen bei den verschiedensten Rechtsverhältnissen, nicht bloß auf dem Gebiete des

Obligationenrechts, ja selbst über das Gebiet des Privatrechts hinaus in der mannichfachsten Anwendung vorkommen, daß hiernach der Vertrag den Charakter einer allgemeinen Rechtsform hat, und im Rechtsshstem die Fest­

stellung seines Begriffes nicht nothwendig bei der Darstellung der EntstehungSarten der Schnldverhältnisse, sondern im s. g. allgemeinen Theil

zu erörtern ist.

Dem Obligationenrecht gehört nur eine besondere Art

des Vertrages, der Schnldvertrag, an. Doch darf nicht übersehen werden, daß grade an dieser besonderen Art der Begriff des Vertrages sich am reinsten und vollständigsten entwickeln läßt, weil nur hier der Wille ent­ scheidend den Inhalt bestimmt, ihn selbständig schafft und gestaltet.

Wo sonst der Vertrag auf dem Gebiet deS PrivatrechtS vorkonnmt, sind die sich einigenden Personen von vornherein gebunden an den objektiv gegebe­ nen Inhalt deS Rechtsverhältnisses, sofern dieser nichtt bloß, ja nicht ein­

mal vorwiegend einen rechtlichen, sondern vielmehr such einen sittlichen Charakter hat. So kann zwar die Eingehung einer Ehe unter den Ge­ sichtspunkt eines Vertrages gebracht werden, aber die Ehe selbst, der In­

halt des einzugehenden Rechtsverhältnisses, unterliegt nicht der freien Ver­

fügung, er ist gegeben, man hat sich ihm zu unterwerfen: der Vertrag verliert hier seine Bedeutung in dem Moment, wo er abgeschlossen, er ist

nur daS Mittel zur Begründung, nicht die fortdauernde Ursache des Rechts­ verhältnisses.

Dies gilt in gleicher Weise z. B. von der KindeSannahme.

Der Schuldvertrag in seiner Beziehung auf das Vermögen dagegen ist selbst die Substanz, der Inhalt deS Rechtsverhältnisses, der freie Wille der Parteien beherrscht und gestaltet vollkommen diesen Inhalt, er bestimmt,

wie und wie weit er sich binden will.

Wenn daher Stahl') unterscheidet

zwischen Vertragsakten und Vertragsverhältnissen, indem dort der Vertrag

*) Savigny, System B. 3. S.309f. B.2. S. 53. -) Rechtsphilosophie 3. A. B. 2. §. 54.

Unger B. 2. S. 169.

Koch, R. d. F.

Schuldverträge.

§. 72.

A. Der Begriff und die Arten.

391

nur als formelle BegründnngShandlung, hier als fortdauerndes Bestim­

mungsmoment für das durch ihn allein gesetzte Rechtsverhältniß erscheint, und wenn Ahrens') diese Unterscheidung in der wesentlich verschiedenen Stellung des Willens zu dem Inhalt und Gegenstand des Vertrages be­ gründet findet, so kann ihnen nur beigetreten werden.

Zugleich ergiebt

sich aber daraus, daß die Erörterung über die allgemeine Natur des Ver­

trages am passendsten doch im Obligationenrecht vorzunehmen ist'), denn der obligatorische Vertrag ist hauptsächlich der vermögensrechtliche Vertrag,

die Vereinbarung über ein solches rechtliches Interesse, welches dem Willen der Personen absolut unterworfen ist.

DaS A.8.R. hat übrigens die über das Obligationenrecht hinaus­ greifende Bedeutung des Vertrages nicht verkannt, der 5. Titel „von den

Verträgen" steht ine allgemeinen Theil des Systems und die Definition lautet: wechselseitige Einwilligung zur Erwerbung oder Veräußerung eines

Freilich sind die beigesetzten Kategorien: Erwerbung und Veräußerung wieder zu eng, sofern dadurch diejenigen Rechts wird Vertrag genannt.

Verträge, die nur Befreiungen enthalten, nicht mit umfaßt werden'). Die bindende Kraft des Vertrages, vermöge deren er ein Rechtsver­ hältniß begründet, liegt in der Willenseinigung, dem wesentlichsten Moment in seinem Begriffe Sie setzt voraus, daß sich wenigstens zwei bestimmte') Personen gegen überstehen, deren freier Wille sich einigen soll, daß ihre

Willensrichtung sich auf den ganzen Inhalt des Geschäfts bezieht, daß die

erzielte Uebereinstimmung diesen ganzen Inhalt umfaßt und eine ent­ sprechende Willenserklärung zur Folge hat. Erst letztere vollendet die Willenseinigung, macht sie erkennbar und bindend').

Im tiefsten Grunde

* s) Rechtsphilosophie S. 534. Encyklopädie S. 706. 4) So geben auch Savigny und Unger im allgemeinen Theil nur die Begriffs­ bestimmung, deren weitere Entwicklung verweisen sie in das Oblig.Recht. 5) Oest err. G.B. tefinirt den Vertrag nicht, sondern beschreibt nur §.861., wie er zu Stande kommt, wenn die Erklärung des Einen, dass er Jemand sein Recht übertragen, d. h. daß er ihm etwas gestatten, geben, daß er für ihn etwas thun oder seinetwegen etwas unterlagen wolle, von dem Andern giltig angenommen wird. Der hierin sich aussprechende übereinstimmende Wille erzeugt den Vertrag. Code a. 1101: Ein Vertrag ist die Uebereinkunst, durch welch« eine oder mehrere Personen gegen eine oder mehrere andere sich verpflichten, etwas zu geben, zu thun oder nicht zu thun. Die Mangelhastigkeit dieser Definition liegt darin, daß sie nicht die Willenseinigung des Berechtigten und Verpflichteten ausdrückt und nichts davon enlhält, daß die Verpflichtung sich auf ein RechtSverhältniß beziehen muß. DaS sächs. G.B. §.782. sagt: Durch Vertrag entstehen Forderungen, wenn der Übereinstimmende und gegenseitig erklärte Wille Mehrerer ans Begründung einer Forderung gerichtet ist. Hier sind die Verträge aus Befreiung von einer Fordernng nicht umfaßt, und es bleibt unentschieden, ob die Forderung zwischen den beiderseitigen Interessenten errichtet werden soll. Der bairische Entwurf von 1861 sagt II. Art. 5: Der Schnldvertrag ist der auf Begründung eines Schuldverhällniffes gerichtete Vertrag, setzt also den Begriff de» Vertrags voraus. Unter allen dielen Definitionen ist die des A.L.R. nicht die schlechteste. «) Entscheid. B. 4. ®. 197. Koch, Beurth. S. 246. 7) Entsch. B. 19. S. 363.

Zweites Buch.

392

Die besonderen Privatrechte.

aber liegt die bindende Kraft des geeinigten und demgemäß erklärten Willens in der Sittlichkeit, welche das treue Festhalten an dem Versprochenen er­ fordert.

Darum ist auf dem Gebiete der Vertrage die Treue, die Ge­

wissenhaftigkeit (bona fides) von so weitgreifender Bedeutung °). Hiernach bestimmt sich nun von selbst der Begriff des Schuldvertrages.

Er ist diejenige übereinstimmende Willenserklärung zweier oder mehrerer

Personen, durch welche zwischen ihnen ein bestimmtes Schuldverhältniß begründet oder gelöst werden soll.

Was oben von dem Willensentschluß,

der persönlichen Fähigkeit zu einem solchen, von den Gegenständen, über

welche der Wille verfügen darf, von den allgemeinen Eigenschaften einer

Willenserklärung nach Inhalt und Form gesagt worden ist, findet Alles

hier Anwendung (§. 26—43.).

Einiges Besondere muß indessen später

noch hervorgehoben werden. Das römische Recht hat mehrfache Eintheilungen der Verträge über­ liefert, je nach der geschichtlichen Entwicklung, die daS Institut erfahren, nach den verschiedenen besonderen Merkmalen,^die dem allgemeinen Be­

griff hinzutreten, je nach den Wirkungen, die den Verträgen in verschiede­ nem Grade beigelegt sind. Diese Unterscheidungen sind sämmtlich veraltet. Ob der Vertrag auS dem jus civile oder jus gentium stammt, ob er stricti juris oder bonae

fidei ist, je nachdem die ihm zugehörige Klage zu. der einen oder anderen Klasse gehört, ist gleichgiltig.

Contractus und pactum stehen sich gleich.

Benannte und unbenannte Realverträge mit dem wunderbaren Reurecht sind nicht mehr unterschieden. Hier hat das römische Recht weichen müssen der deutschen RechtSgewohnheit, daß jeder Vertrag klagbar sei und -zur Erfüllung verpflichte'). Man würde aber sehr irren, wenn man diesen Rechtssatz dahin verstehen wollte, daß das einfache, abstrakte Versprechen ohne Beziehung ans einen bestimmten Rechtsgrund verpflichtend gewesen

sei").

Es deuten vielmehr zahlreiche Zeugnisse auS den älteren Quellen

des deutschen Rechts darauf hin, daß auf den Verpflichtungsgrund (die

causa debendi) großes Gewicht gelegt worden; der Kläger mußte sagen, •) Unterbotener B. 1. S. 52.: „Da heut zu Tage alle Schuldverträge durch die, bloße Einigung bindende Kraft erhalten, so hat die Ansicht, welche nunmehr alle Schuldverträge ohne Unterschied als solche betrachtet, die in «ollem Maße die Rücksicht aus Treu und «Alanden verlangen, sehr viel sür sich. Auch ist sie durch den Gerichtsgedrauch entschiede» unterstützt." Siehe auch Stobbe, zur Eeschichte deS deutschen BertragSrecht» S. 3f. Seussert I. Nr. 41. Dessen Pand. II. S. 108. •) Sachsen Sp. I, 7. Sve icht borget oder lovet, die sal’t gelten, unde svat he dut, dat sal he etede halden. Schwabensp. (Laßberg) c. 11a. Stobbe, zur Geschichte des deutschen BertragSrechtS S. 4f. Gerber, Deutsches PrivR. 8.A. §. 159. S 401. Schmidt in der Rezension von Liebe's Stipulation in den kritischen Jahrb. ti. Richter u. Schneider, Jahrg. V. B. 9. S. 891 f.

*•) Bergt. hierzu des. die AuSsührnng von Schmidt a. a. O. S. 888s. bei G r u ch o t, X. S. 484. f.

R. Koch

Der Schuldvertrag.

§. 72.

A. Der Begriff und die Arten.

393

von welker sake he (der Beklagte) yt eme sculdig syll),12oder wie die

Glosse zum Sachsenspiegel sich ausdrückt: „darumb muß der kleger dem beklagten sagen, worumb und wovon er ihm solch geld schuldig seh""). Zwar konnten die Klagen aus gerichtlich geschlossenen Verpflichtungen ohne

Angabe deS Verpflichtungsgrundes angestellt werden, das erklärt sich aber

daraus,, daß das, was vor Gericht geschehen, als offenkundig nicht geleug­

net werden durfte und wo bei außergerichtlichen Versprechungen es an einer bestimmten causa fehlte, da konnte der Beklagte ohne Weiteres durch den Eid dat he der unsculdich sy sich von der Klage befreien13).* 15Bei der Reception ist nun der Rechtssatz, daß man sich nur aus einem be­ stimmten materiellen Grunde verpflichten könne, daß zur Giltigkeit eine-

Vertrages ein solcher (eine causa naturalis) gehöre, unangefochten ge­ blieben, da ja auch das römische Recht in seinen Real- und Konsensualver­

trägen darauf Werth legte.

Nur die Nothwendigkeit eines formellen Rechts­

grundes, wie er sich in den Verbal- und Litteralkontrakten darstellte, war

dem deutschen Volk itnjitgän9ticfyH).

Die römische Stipulation, welche

jedem Vertrage durch eine bloße Horm die civilis causa geben konnte, die daher selbst inhaltsleer nur das Gewand für Verpflichtungen war, unter welchem der materielle Rechtsgrund versteckt lag und erst mit einer doli

exceptio hervorgeholt werden konnte, fand kein Verständniß und keine

Aufnahme. — Die römische Einrichtung der Hausbücher ferner, der Codices accepti et expensi, war unbekannt und damit fielen auch die schon im späteren römischen Recht ungebräuchlich gewordenen Litteralkon-

trakte weg.

Die schnfliche Form, die das heutige Recht — das preußische

in besonders eingreifender Ausdehnung — ausgebildet hat, hat für die Giltigkeit und Klagbarkeit der Verträge eine völlig andere Bedeutung").

n) 12) 13) ")

Richtsteig Landrechts c. 6. u. 41. Glosse zu Sachs. Sp. III. 41. §. 4. Richtsteig Landr. c. 8. Schmidt a. a. O. S. 892. Koch, R. d. Ford. II S. 64. 65. leugnet, daß die Ursache dieser Veränderung deS römischen Recht« durch die Reception im deutschen Gewohnheitsrecht gelegen, pnd doch sagt er selbst, daß „durch inneres Bedürfniß von selbst die mit dem älteren deutschen Gewohnheitsrecht harmonirende Regel sich gebildet habe, daß die nuda pactio die allgemeine Vertragsform fei." Das ist ein Widerspruch. Aller, dings ist die Veränderung nur durch das deutsche Gewohnheitsrecht Herbeigeführt. S. auch Delbrück in Eberty'S Zeitfchr. f. volkSthüml. R. B. II. 128f. des. S. 142. 15) Der chirographarische Vertrag, für dessen Bedeutung hie 1. 17. C. de fide instrum. IV, 21. maßgebend geworden, darf mit dem alten litteris contrahere nicht ver­ wechselt werden. Bei letzterem lag in der Eintragung in's Hausbuch, und nur in ihr, der Vertragsabschluß selbst, daS chirographum aber soll nur Beweisurkunde sein. Daraus ergiebt sich, daß auch die Beweiskraft der HändeMHcher rm heutigen Recht eine andere Bedeutung hat. Als Litteralkontrakt nach römischem Begriff kann man allerdings den Wechsel ansehen/ wo auch in der Schrift als solcher die BerpflichtnngSkrast liegt,dagegen nicht daS Inhaberpapier, welches nur Beweisurkunde ist. Oben §. 64. Ueber schriftliche Vertragsform unten §. 79.

394

Zweite» Buch. Die besonderen Privatrechte.

ES muß aber für daS heutige Recht auch ferner behauptet werden, deß selbst die Unterscheidung nach der materiellen causa zwischen dem re urd consensu contrahere bedeutungslos geworden, daß die s. g. Realverträ;e ihre bindende Kraft nicht durch das Geben, sondern durch die Willens­

einigung, auf deren Grund daS Hingeben geschieht, erhalten, d. h. daß ale heutigen Verträge f. g. Konsensualverträge sind").

Wenn die heutige Vertragslehre gegliedert. werden soll, so kann dir Eintheilungsgrund nur aus ihrem verschiedenen inneren Wesen entnominm werden. Man stellt die Unterschiede ans a. von solchen Verträgen, Ke Schuldverhältnisse erzeugen und solchen, die von Schuldverpflichtungen bt-

freien — obligatorische, — liberatorische; b. je nachdem nur dcr eine Theil belastet, der andere berechtigt wird, oder beide Theile gegen einander durch den Vertrag Rechte erwerben und Verpflichtungen überneh­

men — einseitige und gegenseitige17). Hiermit fällt o. die Eintheilung in lästige und wohlthätige Verträge, die das A.L.R. allein er­ wähnt"), einigermaßen, nicht ganz zusammen, insofern ein gegenseitiger Vertrag immer ein lästiger ist, wo „beide Theile gegenseitige Verbindlich­ keiten übernehmen", nicht aber jeder einseitige ein wohlthätiger ist, wo „nur ein Theil etwas zu Gunsten des Anderen zu geben u. s. w. verpflichtet

16) Re contrahitur obligatio hatte bei den Römern einen anderen Sinn, als das oben §. 70. Note 6. erwähnte ex re venit obligatio. Daß der römische Begriff der benannten und unbenannten Realkontrakte, wo die Hingabe contrahendi causa geschieht, im heutigen Recht unanwendbar geworden, daß vielmehr jetzt die Hin­ gabe solvendi causa geschieht, darf als die communis opinio bezeichnet werden. S. z. B. Keller, Pand. S. 438. u. ebenso die übrigen Pandektenlehrdücher. Unger in Ihering, Jahrh. B. 8. S. 1 f. Unten §. 137. bei Note 11 fg. Hiergegen ist Brinz (kritische Blätter H. 1. S. 19 -34.) ausgetreten. Er will die Kategorie der Realkontrakte beibehalten, zwar nickt in dem Sinn, daß die Klag­ barkeit durch res begründet ist, aber so, daß der Realkontrakt eine Mischung aus einem dare — welches selbst ein Vertrag ist — und einem obligatorischen Ver­ trage sei, bei welcher Mischung der letztere dem realen, wie ein Modus, unter* oder beigeordnet erscheint. Dagegen wieder Demelind in Gerber's u. Ihering'S Jahrbüchern B. 3. S. 399, welcher festhält, daß jede Hingabe nur solvendi causa geschieht, und daß man von Realkoutrakten heut nur etwa da reden kann, wo die Hingabe zur Rückgabe verpflichtet, und diese Verpflichtung den Inhalt deö DertragSwillenö erschöpft. DieS sind aber nicht die römischen Realkontrakte, wo, weil das pactum klaglos war, die res die Klagbarkeit erzeugte. Jetzt hat daS pactum die Klagbarkeit, die Hingabe ist Vorleistung. Dies gilt auch im preuß. R. vom pactum de mutuo dando. Daß hier daS dare die schriftliche Form ersetzen kann, t entscheidet nicht dafür, daß es der Begrttndnngöakt des Vertrages ist. Siehe auch Dankwardt, Nationalökonomie und Jurisprudenz, Hest3. S.63. und Haimerl, österr. Vierteljahrschr. 1860. B. 5. S. 25f. Nach A.L.R. §.873. I, 11. könnte es scheinen, als ob eine geleistete Handlung einen Realkontrakt erzeuge. Aber die Handlung soll „übernommen" sein und darin liegt der Konsensualvertrag, das Gesetz supplirt nur die fehlende Bestimmung der Parteien über die Vergütigung. Die^Leistung einer nicht bestellten Handlung erzeugt keine Verpflichtung zur Ge­ genleistung, wohl aber die Annahme einer solchen.

17) Das Wort gegenseitig bezeichnet den Gegensatz schärfer, als daS Wort zweiseitig, weil es das Beziehliche zugleich ausdrückt. ")§.7. 8.d.T.

Der Schuldvertrag.

Wird" '**).

§. 73.

a. Die Personen.

395

Die Einteilung ist an sich werthloS, das A.L.R. hat praktische

Folgerungen nicht daran geknüpft und sie möchte auch deßhalb anfzugeben sein, weil die Worte lästig und wohlthätig nicht juristische Begriffe auS-

drücken.

B. Der Abschluß. §. 73.

a. Die Personen.

A.L.R. I, 5. §.S-38. Heydem.I-S.1S5. Gruchot I. S. 309. Koch.Pr.R.II. S. 189. R. d.F. II. S. 291-336. — Unterholzner I. S. 139f.

Wer fähig ist, rechtSgiltige Willenserklärungen abzugeben, kann sich durch Verträge verpflichten. ES ist also auf die Erörterungen in §. 26. hier zu verweisen und nur noch Einiges hervorzuheben. Rechtsfähig ist zwar im heutigen Recht jede Person, aber nicht'jede ist handlungsfähig. Wer in dieser Hinsicht beschränkt ist, kann durch Verträge nur verpflichtet

werden, wenn diese durch seinen gesetzlichen Vertreter (Vormund) geschlossen Unter Vertragsfähigkeit ist also die Fähigkeit zu verstehen, durch

werden.

eignen Entschluß nicht bloß aus einem Vertrage Rechte zu erwerben, son­ dern auch Verpflichtungen zu übernehmen. Kinder sind absolut vertrags­ unfähig'). Zur Uebernahme von Verpflichtungen sind auch Unmündige und Minderjährige unfähig, sie können jedoch aus Verträgen Rechte erwerben').

Wollen sie Lasten übernehmen, so hängt die Giltigkeit des

ganzen Vertrags von der vormundschaftlichen Genehmigung ab.

erfolgt, ist der andere Theil an die Verabredung gebunden ’).

Bis diese Dieses Ge­

bundensein hat aber nicht die Bedeutung, daß der Unfähige schon ein Recht aus dem Vertrage erworben hat, sondern nur den Sinn, daß der andere

Theil vor der zustimmenden versagenden Erklärung deS Vormundes nicht zurücktreten darf; es existirt ein einseitiges Versprechen oder Anerbieten, der Vertrag aber ist noch nicht abgeschlossen, und daraus ergiebt sich die

Entbehrlichkeit deS von Neueren aufgestellten Begriffs des f. g. negotium claudicans4). Nur das Recht steht dem anderen Theil zu, dem Vor­ munde eine Frist für feine Erklärung zu setzen, und, weil durch die Ver­

abredung mit dem Unfähigen noch nichts zu Stande gekommen, mit Zu*•) Koch, Komment, zu §. 7. 8. Note 7.8. u. Grucht I. S. 308. *) A.L.R. I, 4. §. 20. 1. 70. D. XLV, 1. 1. 1. §. 13. D. XLIV, 7. Doch kennt da» röm. R. insofern eine Milderung dieser absoluten Unsähigkeit, al» die Kinder doch tutore auctore erwerben können. 1.1. §. 13. D. XLIV, 7. *) A.L.R. I, 4. §. 21. 1,5.14. 1. 189. de R. J. 1. 10. D. XXII, 6.1.43. D. XLV, 7. 1. 141. §. 2. D. XLV, 1. Daß sie sine tutore auctore durch Verträge erwer­ ben können, ist propter utilitatem receptum. 1. 6. D. XLVI, 6. *) §. 12. d. T. Auch nach röm. R. 1. 13. §. 29. D. XIX, 1. pr. J. 1,21. *) S. Gruchot S. 312. u. oben §. 26. S. 134. Note 8. Entsch. B.sl4. S. 180 «. E. s. B. 49. S. 39.227. RechtSjälle B. 1. S. 129. Ges. Revisor Pens. 14. S- 50. Böle im ArnSb. Arch. B. 8. S. 1.

396

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

stimmung desselben die Vereinbarung vor der Erklärung deS Vormundes wieder aufzuheben5*).* * *Erfolgt die Genehmigung, so wirkt sie auf den Zeit­ punkt der Verabredung zurück.

ES ist bei dem Umfang deS Einflusses, den man oft geneigt ist in ganz ungebührlicher Weise dem vormundschaft­ lichen Gericht beizulegen, in der Praxis zweifelhaft geworden, ob jene Genehmigung, die den Vertrag des Mündels gütig macht, vom Vormund allein ertheilt werden kann, oder ob wenigstens in den Fällen, wo im

Gesetz eine Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts vorgeschrieben

ist, auch diese hinzutreten muß, die alleinige Erklärung des Vormundes also hier nicht die Kraft habe, die Giltigkeit des Vertrages zu bewirken. Zunächst nun ist unbedenklich, daß wenn das Gesetz an die nicht einge­

holte Genehmigung deS Gerichts ausdrücklich die Ungiltigkeit deS Vertrages geknüpft hat, es hierbei sein Bewenden hat°). Für alle anderen Fälle

aber hat das Obertribunal durch Plenarbeschlnß vom 22. Juni 18467) entschieden: der Umstand allein, daß die vorgeschriebene Genehmigung deS Gerichts nicht eingeholt ist, reicht nicht hin, um den vom Vormund für

den Mündel abgeschlossenen Vertrag ungiltig zu machen. Diese Entschei­ dung entspricht dem wahren Wesen der Vormundschaft. Nicht das Ge­ richt, sondern der „bestellte" Vormund ist der Vertreter deS Mündels, daS Gericht hat nur Aufsicht zu führen. An Stelle des Vaters besorgt der Vormund die Angelegenheiten deS Mündels, nicht als ein lediglich

ausführendes, unselbständiges Organ des Gerichts, so daß etwa letzteres als der eigentliche Vertreter deS Pflegebefohlenen aufzufassen wäre. Der Vormund selbst also ist, wenn er für den Mündel Verträge abschließt, der eigentliche Kontrahent.

Und diese Auffassung erscheint nicht allein aus

allgemeinen Gesichtspunkten gerechtfertigt, sondern ist auch durch daS Gesetz selbst hinreichend unterstützt8). Da nun die Genehmigung des Vormundes

den Vertrag des Mündels erst zum Abschluß bringt, so ergiebt sich, daß sie in der Form ertheilt werden muß, die für den Vertrag selbst vorge­ schrieben ist'). Hat der Pflegebefohlene mehrere Vormünder, so ist der­ jenige zur Genehmigung berechtigt, welchem der Geschäftszweig, zu welchem der Vertrag gehört, entweder ein für alle Mal oder durch besondere An­

ordnung deS Gerichts zugetheilt worden").

Fehlt eS an einer solchen

Theilung der Geschäfte unter den Vormündern, so müssen sie sämmtlich s) I, 5. §. 12. 13. Entscheid. B. 14. S. 177. (Vater und Vormund stehen fich hier, bei gleich.) •) z. B. A.L.R. 11,18. §. 521. 549. 550f. 526. 469. Suarez hat genau unter­ schieden, wo die Genehmigung des Gericht« zur Giltigkeit des GejchäsIS gehört, und wo ihre Nichteinholuug den Vormund nur verantwortlich macht. S. Ent. scheid. B. 13. S. 17. ’) Enlsch. B. 13. S. 3. 8) AL R. I. 5. §. 10. „bestellte", §. 13. „seine G." II, 18. §. 249. 250. ’) Gruchot S. 309. ") Grnchot S. 310. Nr. 3. S. 311. Nr.4.

Der Schuldvertrag.

§. 73.

a. Die Personen.

397

die Genehmigung geben, weil sie nach der Auffassung des preußischen Rechts

„eine moralische Person" darstellen"). . Diese Gleichstellung der Minderjährigen mit den Unmündigen in der Unfähigkeit sich durch Verträge zu verpflichten, ist aus dem gemeinen Recht in das preußische übergegangen, entspricht aber nicht dem römischen Recht.

Denn hier wurden Minderjährige durch ihre Verträge verpflichtet, auch wenn sie die Zustimmung des Vormundes nicht erhalten hatten"), nur durch Gewährung einer außerordentlichen Rechtshilfe (in integrum resti­

tutio) schützte sie der Prätor gegen Nachtheile"), und obschon im justinia­ nischen Recht für gewisse Fälle die Zuordnung eines Kurators für den

Minderjährigen vorgeschrieben ist, so wurde seine Vertragsfähigkeit an sich doch dadurch nicht beeinträchtigt “).

Die ältere deutsche Rechtsanschauung

kannte jedoch eine solche Unterscheidung von Unmündigen und Minder­

jährigen nicht, und die Reichspolizeiordnungen von 1548 und 1577. brach­ ten diese Anschauung zum gesetzlichen Abschluß, offenbar um der romani-

sirenden Ansicht entgegenzutreten, daß der Minderjährige eines Vormundes nicht bedürfe"). Hiernach steht in Deutschland jeder bis zu erreichter Volljährigkeit unter Vormundschaft, der Minderjährige ist in seiner Ver­

tragsfähigkeit ebenso beschränkt als der Unmündige"). Damit hängt aber zusammen, daß es eines außerordentlichen Schutzmittels, der Wiederein­ setzung in den vorigen Stand, für Ersteren nicht mehr bedarf, und das preußische Recht kennt dieselbe in Betreff der aus Verträgen entspringen­

de» Verpflichtungen auch nicht"). Dabei ist aber nicht ausgeschlossen, daß unter besonderen Umständen die Handlungsfähigkeit der Minderjährigen sich erweitert. Dies tritt ein, wenn ihnen nach vollendetem 20. Lebens­ jahre vom Vormund die Verwaltung ihres Vermögens übertragen "), oder ") A.L.N. Il, 18. 8. 115. *2) 1. 101. D. XLV, 1. 1. 43. D. XL1V, 7. Rudorfs, da» Richt der Vormundschaft B. 2. S. 283 f. 1. 2. C. II, 25. “) 1. 3. C. II, 22. Rudorfs a. ä. O. Unterholzner S. 163. Note f. *5) Kraut, Vormiiiidschast nach deutschen RechtSgrundsätzen, SB. 2. S. 100—110. Unterholzner S. 164. R. P.O. 1548. e. 31. §. 3. R. P O. 1577. c. 32. §. 3. “) Glück SB. 4. S. 83 f. Seusfert II, 270. III, 311. XIII, 241 (Wiesbaden). Rudorsf a. a. O. II. S. 291. will nur zugeben, daß nach heutigem R. alle Minderjährige» Kuratoren haben müssen, daraus folge aber nicht, daß sie in ihrer Handlungsfähigkeit den Unmündigen gleich zu stellen. Die» fei nur Mißverständmß de« rom. R. Aber wie ost erkläre» Romanisteu etwas für Mißversländniß de» röm. R., wa» wohlbegründete deutsche RcchtSanschauung ist. Kraut a. a. O. In der gemeinrechtlichen Praxis wird angenommen, daß ein Minder­ jähriger sui Juris sich nicht ohne Rnrator verpflichten kann, aber der unter väter­ licher Gewalt stehende Minderjährige unbeschränkt vertragssähig ist. Mit dem A.L.R. stimmt öftetr. G.Bi §. 243. 244.

,T) Nur gegen Verjährung und Ersitzung kennt das A.L.R. 1,9. §. 537. 594. tilt restit. in integr. min., s. oben §. 60. S. 303. und gegen Prozeßnachtheile A.G.O. § 13. I, 16. *’) A.L.R. II, 18. §. 733. 734.

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

398

gestattet worden, eine eigne Wirthschaft zu halten, ein bestimmtes Gewerbe oder Geschäft zu betreiben, sich selbständig ihren Lebensunterhalt zu er­ werben").

So kann sich das minderjährige Gesinde selbständig weiter

vermiethen, ohne für den einzelnen Fall der Genehmigung des Vormun­ des zu bedürfen").

Minderjährige, die vor erreichter Volljährigkeit für

großjährig erklärt worden find, haben die volle Bertragsfähigkeit. Rasende und Wahnsinnige stehen den Kindern"), bevormundete

Blödsinnige"), bevormundete Blinde, Taube, Stumme"), und

gerichtlich erklärte Verschwender") den Unmündigen gleich, eS dürfen bei diesen also nicht die einzelnen Erweiterungen der Vertragsfähigkeit ein­ treten, die bei Minderjährigen möglich sind. Wer blind und taub ist, ist absolut vertragsunfähig"). Trunkenheit bis zur Sinntosigkeit, lei­

denschaftliche Erregtheit durch Schreck, Furcht, Zorn oder dergleichen,

wenn sie einen Zustand der Vernunftlosigkeit herbeigeführt hat, stehen dem Wahnsinn gleich, machen also absolut vertragsunfähig").

Die Einwirkungen, die ein rechtliches Gewaltverhältniß über Per­ sonen auf deren Vertragsfähigkeit äußert, sind im preußischen Recht, wel­ che- diesen Gewaltverhältnissen eine völlig andere Grundlage gegeben hat,

abweichend von denen des römischen Rechts. Die väterliche Gewalt ist, wie im Familienrecht ausführlicher darzustellen sein wird, unter den Gesichtspunkt der Vormundschaft gebracht. Daraus ergiebt sich, daß das HauSkind — anders wie im älteren römi­

schen Recht — an sich rechtsfähig, aber nicht handlungsfähig ist und daß eS bis zur erreichten Volljährigkeit in derselben Lage sich befindet, wie

Bevormundete. ES kann also zwar ans Verträgen selbständig für sich erwerben, sobald eS über die Kindheitsjahre hinaus ist, aber sich nicht

Seine Genehmigung hat

ohne Einwilligung des Vaters verpflichten").

hier dieselbe Eigenschaft wie die oben besprochene des Vormundes, nur daß der Vater keiner gerichtlichen Bestätigung bedarf. Aber auch der Dritte ist gebunden, bis der Vater sich erklärt, er kann diesem eine Frist

setzen und mit Bewilligung des HauSkindeS

die Verabredung aufheben,

*») I, 5. §. 20. 21. II, 18. §. 729 f. 20) Gesindeordn. v. 1810 §. 8. ’*) I, 4. §. 23. «) I, 4. §. 26. *•) 1,5. §.24.25. Stehen sie nicht unter Vormundschaft, so hängt ihre Vertrags­ fähigkeit davon ab, ob sie ihren Willen deutlich und zuverlässig äußern können. M) I, 5. §. 14. S. oben §. 19. S. 91. §. 26. S. 133. »■) S- oben §. 19. S. 91.

-») S. oben §. 26. S. 134. Note 13.

”) A.L.R. II, 2. §. 124.125.159. Was dagegen die HanSkinder in der Wirthschaft oder dem Gewerbe der Eltern (also auch der Mutter) erwerben, erwerben sie diesen als ihre Stellvertreter. §. 121.123. das. s- den nächsten §. 74.

Der Schukdvertrag.

§. 73.

a. Die Personen.

399

wenn dem Vater noch kein Antrag zur Genehmigung gemacht worden").

Die großjährigen Kinder sind dagegen unbeschränkt vertragsfähig in Betreff ihres freien Vermögens"), in Betreff ihres nicht freien Vermögens wegen

des dem Vater daran zustehenden Nießbrauchs und seiner fortdauernden vormundschaftlichen Verwaltung an seine Einwilligung zur Belastung ebenso gebunden, wie minderjährige").

Hauskindern

gemachten Schulden

Die ohne solche Einwilligung von den sind ungiltig, und werden auch nicht

hinterher, nach Aufhebung der Gewalt, giltig"), außer durch ein gericht­ lich oder notariell erklärtes verpflichtendes Anerkenntniß "). Vergleicht man hiermit die Bestimmungen des römischen Rechts, die auch im'gemeinen Recht im Wesentlichen fortgelten, so sind erhebliche Ver­

schiedenheiten zu bemerken. Nach älterem römischem Necht waren Hauökinder vermögenslos, rechts­ unfähig, sie konnten daher für sich nichts erwerben, ihr Erwerb gehörte

dem Vater").

Erst als das Recht des Sonderguts (peculium) auskam,

erlangten die Haussöhne Erwerbsfähigkeit, und diese erweiterte sich im justinianischen Rechte dahin, daß dem Vater an dem Vermögen des Kindes nur noch ein mit Verwaltung verbundener Nießbrauch verblieb, der Er­ werb also dem Kinde zufiel"). Dagegen waren die Kinder von jeher fähig, aus Verträgen sich zu verpflichten "), selbst wenn sie kein Sonder­

gut hatten, und hier trat -erst das Macedonianische Senatuskonsult be­

schränkend ein, welches dem Haussohn gegen Darlehnsklagen eine Einrede gab"). Diese Einrede setzt aber voraus, daß an sich der Haussohn hand­ lungsfähig ist, eine Annahme, die der Gesichtspunkt der Bevormundung auö-

schließt, weil anS diesem die Handlungsunfähigkeit folgt, es daher einer sol­ chen besonderen Einrede gegen die Klage nicht bedarf. In der römischen Be­ deutung kennt daS A.L.R. folgerecht diese Einrede nicht, obwohl Suarez ”) Enlsch. B. 14. S. 177. Der minderjährige Hausjvhn genießt auch die Restitution gegen Pro;eßnachtheile aus §. 13f. I, IG. A.G.O., weil diese Restitution nur an da« minderjährige Alter geknüpft ist, Simon n. Strampss, Rechtssprüche, B. 3. S. 389 f., dagegen nicht die Restitution gegen Verjährung aus A.L.R. 1,9. 8-537. 594., weil diese an die Vormundschaft geknüpft ist. Strieth. B. 5. S. 204. B. 13. S. 182. Präj. Nr. 307. («Sammt I. S. 37.) Enlsch. B. 28. S. 75. Siehe oben §. 60. S. 304. *’) II, 2. §. 163. 165. 3‘) II, 2. §. 201. 202. Strieth. B. 47. S. 112. ’*) II, 2. §. 131.132. Stri eth. B. 51. S. 261. ") II, 2. §. 136.137. "> 1. 45. §. 4. D. XLV, 1. Keller, Pand. §.232. S. 459. 3‘) Arndt«, Pand. §. 429. S. 668. Unterholzner I. S. 142. S. auch Enlsch. B. 49. S. 224 f. 3S) 1. 57. D. V, 1.: tarn ex contractibus quam ex delictis in filium familias cotnpetit actio. 1. 44. 45. D. XV, 1. und v. a. St. Unterholzner I S. 146. S-usfert VIII, H8. 3e) 1.1. pr. D. XIV, 6.

400

Zweite- Buch. Die besonderen Privatrechte.

der Meinung war, daß er sie beibehalten, ihre Anwendbarkeit sogar auf

alle belastenden Verträge ausgedehnt habe37), und diese seine Meinung,

daß die Ungiltigkeit solcher Schulden vom Haussohn oder Vater einrede­ weise geltend zu machen sei, sich darin zeigt, daß die vor oder nach be­ endigter Gewalt erfolgte Zahlung nicht zurückgefordert werden

darf ”),

was zur Ungiltigkeit nicht paßt, gleichsam als habe der HauSsohn sich doch naturaliter verpflichtet. Eine Beschränkung der Bertragsfähigkeit der Ehefrauen ist dem

römischen Recht unbekannt, unvereinbar mit dem System des DotalrechtS.

Anders nach preußischem Recht, welches das von der Frau eingebrachte

Vermögen dem Nießbrauch und der Verwaltung des Mannes unterwirft, und diese Verwaltung ebenfalls als eine vormundschaftliche auffaßt *’). Wie hier deutschrechtliche Ideen eingewirkt haben, - kann erst später gezeigt wer­

den. Die Ehefrau erwirbt weder durch Verträge für sich, noch kann sie sich verpflichten, eS sei denn, daß sie ohne Widerspruch des Mannes ein besonderes Gewerbe treibe"). Das A.L.R. bezeichnet die Schulden der Ehefrau als nichtig, also nicht bloß als unverbindlich für den nicht ge­ nehmigenden Mann, sie erlangen nach aufgelöster Ehe keine Giltigkeit. Die Einwilligung des Mannes macht aber ihn zum Selbstschuldner, wenn er sich nicht ausdrücklich dagegen verwahrt hat").

Eine besondere Form für diese Einwilligung ist nicht vorgeschrieben, deßhalb nimmt die Praxis

an, daß Schriftlichkeit nicht unbedingt nothwendig sei, wenn auch die Schuld der Frau 50 Thaler übersteigt"). Dagegen ist hier ebenso, wie bei Ver­

trägen mit Unmündigen, der andere Theil an sein Versprechen gebunden, seine Erklärung abgegeben hat. Es kann also dem

bis der Ehemann

Manne dazu eine Frist gesetzt werden, und der andere Theil mit Bewilli­ gung der Ehefrau zurücktreten, wenn der Ehemann um seine Einwilligung noch nicht angegangen ist"). In Ansehung des vorbehaltenen Vermögens, welches der Verwaltung und dem Nießbrauch des Mannes nicht unterv. Kamptz, Jahrb. B. 41. S. 135.

»») II, 2. §. 138. ”) En,sch. B. 43. S. 33. «) II, 1. §. 320. 211. 335. 620.

Koch, R. d. F. II, S 317.

Koch, R. d. F. II, S. 319. 325 f.

*') II, 1. §. 329. 330. 333. 41) Nach längerem Schwanken durch Pl.Beschl. festgestellt. Entsch. B. 14. S. 33. Bergt. Strieih. B. 60. S. 145. In Betreff des Dartehns ist dem Pl.B. unbedingt beizutreten, weil hier ohnehin da« Hingeben der Summe die Schrift ersetzt. In Betrest anderer verpflichtender Verträge möchte aber der Gesichtspunkt, daß eine besondere Form für die Einwilligung de« Ehemann« hier nicht vorgeschrieben, und daß deßhalb die Schristsorm nicht nothwendig sei, bedenklich sein, und zwar deßhalb, weil da« A LR. die Ehefrau wirklich al« hanblungSnnfähig auflaßt (Koch, R.d.F. II, S. 328.), ihr Vertrag daher erst-tutd) die Einwilligung de« Manne« zum Abschluß und Dasein gelangt. Die Sache liegt hier ebenso, wie bei der einwilli' genden Erklärung de« Vormunde« (oben Note 9 ). ") §. 12.13. d. T.

Enljch. B. 43. S. 33.

Der Schnldvertrag. . §. 73.

401

a. Die Personen.

werfen ist, hat. die Frau freie Disposition und unbeschränkte Vertrags­

fähigkeit, der Einwilligung des Mannes bedarf cs nicht").

So viel von den vertragsunfähigen Personen. Im Interesse der Sicherheit und Redlichkeit des Verkehrs hat aber das A.L.R. auch Vor­

sorge getroffen, daß solche Unfähigkeit nicht arglistig benutzt werde, zu täu­ schen und betrügerisch Vortheile zu erlangen.

Eine Naturalobligation mit

ihrer freiwilligen Erfüllbarkeit erkennt in allen diesen Fällen das preußische Recht zischt an, der Vertrag ist nichtig, das Gezahlte kann sogar, mit Aus­

nahme der Schulden der Haussöhne, zurückgefordert werden — nm so mehr ist Grund, gegen Betrügerei Bestimmung zu treffen. Zwar ist jeder Kon­

trahent schuldig, sich nach den Eigenschaften des Anderen, welche aus seine

Vertragsfähigkeit Einfluß haben können, gehörig zu erkundigen und die bloße Uukenntniß von der Unfähigkeit desselben darf ihm nicht zu statten

kommen").

Wenn er sich aber gehörig erkundigt hat und dennoch von

dem Unfähigen zum Abschluß verleitet worden, so giebt ihm das Gesetz gegen den letzteren eine Klage auf Entschädigung (actio doli)").

Der

Vertrag bleibt in diesem Fall gütig, die Verleitung (dolus) ist der selb­ ständige Klagegrund für die Entschädigungsforderung. Die Verleitung kann nun nicht in einem bloßen Verschweigen des UnfähigkeitsgrundeS

mehr, es müssen unwahre Thatsachen vorgebracht sein, die den anderen Theil in den Irrthum ver­ setzt haben"). Im Allgemeinen kommt eS auch nicht darauf an, ob der

gefunden werden'"), ihr Begriff erfordert

Irrthum vermeidlich war, weil die Arglist immer stärker wirkt. Wer aber mit einer Person unter 18 Jahren einen Vertrag schließt, und wer sich bei der (selbst eidlichen) Versicherung des Unfähigen, daß er fähig sei, beruhigt"), kann die Klage nicht anstellen, denn dort fehlt es an

derjenigen Sorgfalt, die Jedermann bei

seinen Geschäften anzuwenden

hat, und hier an der gehörigen Erkundigung, die das Gesetz verlangt.

Daß ein nach gehobener Unfähigkeit erfolgtes Anerkenntniß den ungiltigen Vertrag nicht gütig macht, sondern als neuer Vertrag anzusehen,

ist bereits §. 41. erörtert50). II, 1 §. 221. 222. 318. §• 31. 32. d. L. 1. 19. pr. D. de R. J. 8- 33. b. T. I. 2. 3. C. II, 43. So auch in der gemeinrechtlichen Praxis. Seussert B. 2. S. 341. Präj. 683. (Sammt. I. S. 7.). „Die Anwendung dieses §. bedingt, daß neben der Thatsache der KontraktsLließnng dem nnsähigen Schuldner solche, wenn anch nicht eben belrügliche Handlungen nachgewiesen werden können, welche den Ent­ schluß des Anderen, sich mit ihm in ein Geschäst einzulassen, bestimmt haben." Eine Anwendung Entsch. B. 12. S. 167 (vorgespiegelle Schreibtunde). Daß der Verteiler nach §.36. d. T. auch als Betrüger bestraft werden soll, hängt davon ab, ob seine Handlungen die Merkmale deS Betruges nach dem Str.G.B. zeigen. 4’) §.34.35. d. T. Gruchot S. 319. macht mit Recht daraus ansmerlsam , daß §• 34. nicht Anwendung finden kann, wenn der Vertrag zwischen Abwesenden zu Stande gekommen. °°) §. 37. 38. d. T. Oben S. 191.

") 4S) ") ") 48)

Förster, Preust. Privatrecht. 1. 2. Aust.

26

402

Zweites Buch.

§. 74.

Die besonderen Privatrechte.

Stellvertreter.

S. Quellen und Litteratur oben §. 42. S. 196. Gruchot XII. 597f.

Koch, R. d. F. II. S. 565 f. 575.

Es ist §. 42. gezeigt, daß abweichend vom römischen Recht das heu­

tige gemeine und das preußische Recht freie und unmittelbare Stellver­ tretung zuläßt *). Der Vertretene wird durch den vom Vertreter abge­ schlossenen Vertrag berechtigt und verpflichtet,

als wenn er selbst den

Vertrag abgeschlossen hätte. Wie solche Vertretung durch freie Uebereinkunft (Vollmachtsauftrag) begründet wird, und wie sich ein solches RechtSverhältniß zwischen Vertreter und Vertretenen gestaltet, wird später erörtert werden. Die Vertretung kann aber auch eine aus gewissen rechtlichen

Zuständen hervorgehende nothwendige sein, und diese Fälle sind hier zu

erwähnen. 1. Vertragsunfähige Personen werden durch diejenigen, unter deren Gewalt sie sich befinden (Vater) oder die ihnen gesetzlich alS Vertreter

zugeordnet sind (Vormund), berechtigt und verpflichtet'). Daß der Vor­ mund, und nicht das vormundschaftliche Gericht den Pflegebefohlenen ver­ tritt, ist schon erwähnt*3).4 * *Die 7 Einwilligung des Gerichts hat in einigen Fällen die Wirkung, daß sie den Vormund von seiner Verantwortung ent­ lasten soll, in anderen aber, das die Giltigkeit des Vertrags selbst davon abhängt3). Besonders beschränkt ist diese Vertretung bei Veräußerungen der Grundstücke des Mündels; dieser muß, wenn er 18 Jahr vollendet

hat, darüber gehört werden und kann mit Erfolg widersprechen ’). Weniger beschränkt ist der Vater als Vertreter des minderjährigen Kindes, doch soll erHe Einwilligung des vormundschaftlichen Gerichts einholen, wenn er mit BermögenSstücken, an denen ihm der Nießbrauch zusteht, Substanz­ veränderungen vornehmen will"). In Ansehung deS freien Vermögens

vertritt der Vater das großjährige Kind überhaupt nicht. 2. Hauskinder vertreten die Eltern (also auch die Mutter) in deren Wirthschaft und Gewerbe, insofern sie hierbei für diese erwerben').

Verpflichtet wird der Vater durch das Hauskind nur insofern, als Jemand überhaupt durch die Handlung eines Dritten, sei eS in Folge eines Auf­ trags, ertheilter Genehmigung oder durch nützliche Verwendung, verpflichtet *) Oben S. 196. Bergt. Deutsch. H.G.B. Art. 42. 52.114. Anders bei dem Kom­ missionshandel Art. 368. 4) A.L.R. I, 5. §. 10. II, 2. 8.159. 202. II, 18. §. 231. 233. 240. 250.251. 252. ») Entsch. B. 13. S. 3. Oben §. 73. Note7. Strieth. B. 53. S. 11. *) Oben §. 73. Note 6. 7. Entsch. B. 13. S. 17. ») II, 18. §. 244. 560. 561. •) II, 2. §. 170. Entsch. B. 22. S. 371. 7) II, 2. §. 121.123.

§. 74.

Stellvertreter.

403

werden kann ’). Letztere wird angenommen, wenn Jemand dem außerhalb

des väterlichen Hauses lebenden Kinde die nothwendigsten und dringendsten Bedürfnisse- des Lebens gewahrt hat'). Zur Begründung eines solchen Anspruchs gegen den Vater genügt aber nicht, daß das Gegebene an sich

geeignet gewesen, ein solches Bedürfniß zu befriedigen, es muß auch nach­

gewiesen werden, daß das Kind wegen anderweitiger Beschaffung desselben in Verlegenheit sich befunden, das Bedürfniß muß nicht bloß objektiv, son­

dern auch subjektiv vorhanden gewesen sein, denn nur in diesem Fall kann eine nützliche Verwendung angenommen werden **°). 3. Der Ehemann vertritt die Frau in Betreff des eingebrachten Vermögens, welches er vormundschaftlich verwaltet"). Wenn es sich um

Grundstücke, Gerechtigkeiten und Kapitalien handelt, muß sie beistimmen ").

Bei Gütergemeinschaft gelten die vom Manne getroffenen einseitigen Ver­

fügungen in Ansehung des ganzen gemeinschaftlichen Vermögens mit Aus­ nahme bei Verpfändung und Veräußerung von Grundstücken und Gerech­ tigkeiten, bei Aufkündigung und Einziehung von Kapitalien, die auf den

Namen der Frau oder beider Ehegatten geschrieben sind ").

Hier muß

die Frau einwilligen, und zwar, wie für den ersteren Fall die Praxis fest­ gestellt bat, in schriftlicher (nicht gerichtlicher) Form"), während für den letzteren Fall keine besondere Form erforderlich ist").

4- Die Ehefrau vertritt den Mann in Betreff seines eigenen Ver­ mögens in der Regel nicht, außer daß sie für ihn erwirbt, und ihn ver») ir, 2. §. 126. •) IT, 2 §. 129.

Entsch. B. 18. S. 285. Unten §. 137. Note 114. “) Entsch. B. 43. S. 33. *2) II, 1. §. 232.233. Bei Grundstücken unb Gerechtigkeiten schriftliche Form, s. unten Note 14. u. Entsch. B. 19. S. 427. oben. In Betreff der Kapitalien ist die Bewilligung der Frau an keine Form gebnnden. Präj. 1095. (Samml. I. S. 139). ,3) II, 1. §. 377—380. ") Pl-Beschl. Entsch. B. 14. S. 44. Maßgebend ist hier besonders §. 15. I, 10., wel­ cher schriftliche Form verlangt für alle WillenSertlärnn gen, durch welche über das Eigenthum eines Grundstücks etwas verfügt wird, und eine solche Willenserklärung ist die Einwilligung der Frau gewiß. Die Meinungen hierüber hatten vorher sehr geschwankt. ES war selbst stillschweigende Einwilligung für ge­ nügend erachtet, andererseits sogar gerichtliche Form erfordert worden. S. Entsch. B. 14. S. 45. Die gerichtliche Form hat die Entsch. B. 29. S. 145. für nicht nöthig erklärt. Wenn nach Entsch. B. 14. S. 33. die Einwilligung des Mannes in die Schulden der Frau über 50 Thlr. nicht schriftlich zu sein braucht, so liegt hierin kein Widerspruch (Koch, Komment. Note 28 zu §. 378. II, 1.), denn hier handelt es sich nicht um Grundstücke. UebrigenS bindet §. 378. den Mann au die Einwilligung der Frau nur bei Veräußerungen und Verpfändungen der Grundstücke und das O-Trib. hat angenommen (B. 47. S. 231.), daß hier unter Veräußerung eine Belastung des Grundstücks nicht auch zu verstehen sei. Die engere Bedeutung von Veräußerung wird hier theils aus dem sonst überflüssigen Beisatz: verpfänden, theils aus dem Gegensatz deS §. 232. II, 1. gefolgert. Damit freilich im Wider­ spruch stehen die Gründe in der Entsch. B. 19. S. 426. 15) Präj. 1095. (Sammt. I. S. 139.)

404

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

kindlich macht durch.Schulden für gewöhnliche Bedürfnisse zur Haushal­

tung, oder wenn das Erworbene in seinen Nutzen verwendet worden, wenn er während seiner Abwesenheit der Frau einen Theil seines Gewerbes überlassen, wenn er sich entfernt hat, ohne für den Haushalt Sorge zu

tragen und sein Aufenthalt unbekannt ist, wenn er so erkrankt ist, daß er seine eigenen Angelegenheiten nicht besorgen kann ").

5.

Der Verwalter einer juristischen Person berechtigt und

verpflichtet dieselbe, soweit er

vermöge des Umfangs seines Amts dazu

ermächtigt oder in Folge seines Geschäfts in ihren Nutzen etwas verwendet worden ist *7). 6. Der Vertreter des Fiskus, d. h.

diejenige Staatsbehörde,

welche die betreffende Kasse verwaltet, kann sie nur mit Genehmigung der nächsten Aufsichtsbehörde verpflichten *8). 7. Der Konkursverwalter vertritt die Masse (d. h. den Schuld­ ner) und die Gläubigerschaft, in einzelnen Fällen bedarf er der Genehmi­ gung oder Ermächtigung des gerichts ").

Konkurskommissarius

oder des Konkurs­

§. 75. Vertragsabschlüsse zum Vortheil Dritter. A.L.R. I, 5. §. 74—77. Heydem. I, S. 202. Gruchot I, S.333. Bornen,. II, S. 231. Koch, Pr.R. II, S. 211 s. R. d. F. II, S. 550 s. Unterholzneri, S. 402. Savigny, System B. 4. S. 125. 281. 285. Oblig. R. B. 2. S. 74. Bangerow, 6. A. B. 3. S. 308 f. Beseler, Lehre von den Erbverträgen Th. 2. S. 71. Pr.R. B. 2. S. 290. Pfeiffer in d. Zeischr. f. deutsches Recht, B. 9. S. 474.1845. S t c i ppelm a n n, Entscheidurgen des O.A-G. Kassel, B. 5 S. 1. 1848 (s. auch Seussert, Arch. B. 3. Nr. 31.). Buchka, die Lehre v. d. Stell­ vertretung bei Eingehung v. Verträgen. 1852. S. 158 ff. Busch, Doktrin und Praxis über die Gültigkeit von Verträgen zu Gunsten Dritter. 1860. Dähr in Gerber und Ihering, Jahrbücher, B. 6. S. 131. 1862. Windscheid, Pand. II. §. 316. S. 189.

Als zulässigen „Gegenstand" eines Vertrags stellt das A.L.R. den

Vortheil eines Dritten hin.

Dies ist eine systematisch falsche Anord­

nung, denn der Gegenstand des Vertrages ist auch in diesem Falle die

Leistung selbst, nicht die Begünstigung oder der Vortheil, den sie einem Dritten bietet. DaS Eigenthümliche, was solche Verträge zeigen, liegt nicht in der Natur der Leistung, dem Geben oder Thun, sondern darin, *«) II, 1. §. 202.320.321.324.325-328. «) I, 5. §. 26-28. II, 6. §. 154-158. 1S) I, 5. §. 29. 30. Die Genehmigung der nächsten Aufsichtsbehörde berührt nicht bloß die Prozeßsähigkeit (wie unrichtig von Förster, Klage und Einrede, S. 367. Note 19a. angenommen, sondern die Giltigkeit deS Vertrags selbst. *•) Konk.Ordn. v. 1855 §. 215. (§. 131 f.) §. 222. 223.

§. 75.

Vertragsabschlüsse zum Vortheil Dritter.

405

daß der Vertrag eine Wirkung für eine Person äußern soll, die ihn nicht abgeschlossen, auch nicht in ihrem Namen hat abschließen lassen.

Sie

müssen daher in der Lehre von den in Vertragsverhältnisse eintretenden Personen besprochen werden. Es ist schon darauf hingewiesen *), daß das neuere Recht den Grundsatz

des alten römischen Rechts,

wonach der Vertrag nur zwischen den Kon­

trahenten Rechte und Pflichten äußern kann, in wesentlichen Beziehungen verlassen hat.

Hier handelt es sich darum, ob auch außer dem Fall der

Stellvertretung durch den Vertrag, den zwei Personen unter sich errichtet haben, Rechtswirknngen für einen Dritten erzeugt werden können. Un­ zweifelhaft ist, daß durch ein solches Geschäft einem dabei nicht betheiligten

Dritten Verpflichtungen in keiner Weise auferlegt werden dürfen.

„Dies

versteht sich," wie Savigny*) sagt, „so sehr von selbst, daß dagegen gar

kein Zweifel vorkommen kann;

deßhalb

wird der Satz nicht einmal er­

wähnt." Anders steht es mit der Frage nach dem Rechtserwerb des Dritten aus den Verträgen Anderer. War einmal bei der Stellvertretung

der Grundsatz des römischen Rechts verlassen, so lag kein wesentliches Hin­ derniß vor, ihn such in diesem Falle zu durchbrechen, zumal selbst daS römische Recht einzelne Ausnahmen zugelassen, in denen dem Dritten eine

abgeleitete Klage gegeben wurde ’). Es fragt sich nur, ob diese Ausnahmen *) Oben §. 42. S. 196. u. 74

a. A. S 401.

4) Oblig.R. B. 2. S. 743) Der Grundsatz älteri stipulari nemo pntest (1. 38. §. 17. D. XLV, 1. vergl. 1. 11. D. XLIV, 7. 1.73. §. 4. de R. J. n. v. a. St.) war im röm. R. so streng fest­ gehalten, daß selbst der Promissar keine Klage aus einem solchen Verträge erwarb. Aus einem Versprechen an den Promissar und an einen Dritten erhält ersterer nach Pandektenrecht nur die Hälfte (§. 4. J. III, 20. 1. 110. pr. D. XLV, 1.), bei einem Versprechen au den Promissar oder an einen Dritten wurde letzterer nur als Zahlungsempfänger angesehen (sol. c. adj). Soll die an einen Dritten bedungene Leistung für den Promissar klagbar werden, so must entweder diese Leistung ein eigenes Interesse des Promissars enthalten (§. 20. J. III, 20. 1 38. §.20—23. D. XLV, 1. 1. 3. C. VIII, 39.), oder eine poenae stipulatio hinzutreten. (§. 19 J. ibid. 1. 38. §. 17. D. ibid.). Die Ausnahmen des röm. R., bei denen der Dritte selbst ein Klagerecht erwirbt, sind: a. Wenn Jemand eine Sache verschenkt mit der Auslage, sie später einem Anderen wieder herauszugeben, so hat letzkerer eine actio utilis. 1. 3 C. VIII, 55. Diese Stelle ist es hauptsächlich, die die Neueren ausdehnend zur Rechtfertigung der neueren Praxis verwenden wollen, b. Wer eine fremde Sache bei Jemand verleiht oder in Verwahrung giebt, kann die Rückgabe an den Eigenthümer bedingen, letzterer hat eine util. a. 1. 8. C. III, 42. c. Der Ascendent, der eine DoS bestellt, kann deren Restitution an seine Tochter oder deren Kinder bedingen, letztere erwerben dadurch eine util. act. 1. 45. D. XXIV, 3. 1. 7. C. V, 14. d. Wenn Jemand im Namen eines Drittelt ein Darlehn giebt und sich dafür ein Pfandrecht bestellen läßt, so hat der Dritte die condictio mutui und die Hypothekar. Klage. 1. 2. §. 4. 1. 9. §. 8. D. XII, 1. 1. 2. C. IV, 27. e. Wenn Jemand für einen Anderen eine Nichtschuld bezahlt, so kann dieser kondiziren. 1. 6. 47. 57. pr. D. XII, 6. Doch ist nicht zu übersehen, daß von den hier er­ wähnten Fällen nur b. u. c. den Vortheil eines Dritten bezwecken. In beit* anderen soll der Dritte nur erhalten, waS ihm ohnehin gebührt und ihm billiger Weise nicht entzogen werden darf. Die bei Bangerow III. S. 309 f. unter a. b. d. ausgeführten Fälle stehen unter einem anderen Gesichtspunkt.

Zweites Buch.

406

Die besonderen Privatrechte.

abgeschloffen sind, und andere gegen den sonst geltend gebliebenen Grund­ satz nicht mehr statthaft erscheinen, oder ob diese Ausnahmen den Anfang einer Rechtsentwicklung an den Tag bringen, deren Ziel die Beseitigung des Grundsatzes selbst ist, und welche im modernen Recht sich fortgesetzt

hat*). Wer den Standpunkt des römischen Recht- festhalten will, beruft

sich auf die Natur des Schuldverhältnisses, als eines rein persönlichen Bandes- zwischen Gläubiger und Schuldner, die schon logisch eine unmittel­ bare Einwirkung auf Dritte unmöglich macht, und erblickt darin, daß das

römische Recht diesen Gesichtspunkt scharf hingestellt hat, die allein richtige Erkenntniß.

Wer sich dagegen erklärt, geht von einer anderen Anschauung

Wenn auch zugegeben wird, daß eS als . ein persönliches Rechts- und Pflichtverhältniß begründet wird, so wird doch

> über das Schuldverhältniß aus.

; die Folgerung nicht eingeräumt, daß seine Wirkungen auf die kontrahiren! den Personen beschränkt bleiben müssen — da vielmehr eS von ihrem ' Willen abhänge, ob die Wirkung auch auf andere Personen sich erstrecken

ii soll.

Die Anhänger der letzteren Ansicht können sich darauf berufen, daß

die Anwendung der reinen römischen RechtSbestimmungen für den Ge­

schäftsverkehr lästige Hemmungen erzeugt °); sie können darauf Hinweisen,

daß selbst im römischen Recht, um die auch dort fühlbar gewordenen Uebel­ stände zu beseitigen, in einigen Fällen wenigstens Umwege betreten worden sind, um den Grundsatz zwar zu erhalten, aber doch zu umgehen. Und

in der That kann nicht geleugnet werden, daß ein Verkehrsbedürfniß den Satz: daß Niemand durch andere Personen Schnldansprüche erwerben kann, wenigstens in solcher Allgemeinheit aufzugeben zwingt. Der Kampf gegen diesen Satz geht durch das ganze Mittelalter bis in die neueste Zeit, und wenn

er auch außer dem Falle wirklicher Stellvertretung noch nicht als siegreich abgeschlossen angesehen werden darf, so scheint es dock, daß sich im heutigen gemeinen Recht der Grundsatz, namentlich in der Praxis, durchgearbeitet

hat, daß aus Verträgen zu Gunsten Dritter auch außer dem Falle der

Stellvertretung für diese ein unmittelbarer Schuldanspruch, ein Klagerecht entspringt'). Sehr verschieden hat man versucht, diese neue Rechtsbildung zu motiviren, vom Standpunkt positivrechtlicher oder naturrechtlicher Kon­ struktion, und in sehr verschiedener Weise hat man sich dabei bald mehr Was die älteren Praktiker

bald weniger vom römischen Recht entfernt.

4) Die Romanisten behaupten, daß jene AuSnabme» eine abgeschloffene Zahl und ihre Vermehrung unzulässig sei — eine Begründung dieser Annahme wird nir­ gends getroffen. Windscheid S. 193 f. erkennt die Berechtigung der neuere» ^Recht-entwicklung an. 5) Buchka S. 158. Zahlreichst Bertragsgeschäste, die den Römern völlig unbekannt waren, und diecher heutige Verkehr bedarf, würden uvter Festhaltung de« römischeu Grundsatzes unmöglich sein; man denke an die Emkäuse in WsUwenkassen, in Lebensversicherung-kassen n. s. w., deren eigentlichster Zweck darin besteht, drit­ ten Personen Vortheile zuzuwenden.

•) Dresdener Annal. V, 375.

§. 75.

Vertragsabschlüsse zum Vortheil Dritter.

407

und NaturrechtSlehrer hierüber gesagt haben, muß hier übergangen werden, um für die neuere Doktrin und Praxis Raum zu gewinnen'). Am Aus­

gang des vorigen Jahrhunderts wurde noch daran festgehalten, daß zwar zum Vortheil eines Dritten ein Vertrag giftig abgeschlossen werden könne,

daß aber der Dritte ein Recht daraus erst dann erlange, wenn er dem Vertrage beigetreten,

den

ihm

gebotenen

Vortheil angenommen habe.

Streitig war, ob die Giltigkeit des Vertrages zwischen den Kontrahenten davon abhängig sei, daß derjenige, der sich den Vortheil für den Dritten

habe versprechen lassen, ein eigenes Interesse daran haben müsse, ob der Beitritt des Dritten bedingt sei durch den Willen der Kontrahenten, und

wie die Beitrittshandlnng des Dritten sich zu äußern habe.

DaS Ober­

tribunal hat in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts den Satz aufgestellt °): der Dritte erlangt aus dergleichen ihm zum Besten geschehe­ nen Stipulation nicht eher das geringste Recht, bevor er nicht seinerseits die Stipulation gleichfalls acceptirt hat. So lange seine Acceptation nicht

hinzugekommen, können die beiden Stipulanten machen, was sie wollen, also auch die Stipulation wieder aufheben. Aus dieser Anschauung sind die Vorschriften deS A.L.R. erwachsen, welche zugleich die damaligen Kontroversen beseitigen sollten. In der neueren Doktrin hat zuerst Beseler') die Frage untersucht und daS Ergebniß aufgestellt: der Vertrag

zu Gunsten eines Dritten ist giftig, auch wenn er nicht den Kontrahenten, sondern nur dem Dritten ein rechtliches Interesse gewährt; derjenige, welcher sich den Vortheil des Dritten hat versprechen lassen, kann auf Erfüllung klagen; der Dritte selbst erlangt ein selbständiges Recht, er muß

sich aber die fremde Willensbestimmung aneignen, eine Beitrittserklärung abgeben: bis dahin können Gläubiger und Schuldner den Vertrag wieder

aufheben, nur der einseitige Rücktritt ist nicht gestattet und deßhalb dem Dritten das Recht unwiderruflich erworben, sobald eine übereinstimmende 7) Bucht« S. 159ff theilt ausführlich die dogmengeschichtliche Entwicklung der Re» aktion gegen daS Prinzip: alteri neminem stipulari posse mit. So wurde z. B. da« sächs Lehnrecht c. 36., wo bestimmt ist, daß, wenn Jemand sein Gut einem Herrn unter der Bedingung zu Lehn auflägt, daß er es einem Drillen verleihe, der Herr cs nicht selbst behalten darf, sondern eS dem Dritten verleihen muß, ferner der Satz des Lehnrechts, daß, wenn ein Lehnsherr ein Lehn als feudum antiquum verleiht, auch die Agnaten der letzteren aus seiner Investitur ein Suc» cessionSrecht erhalteu, herangezogen. Andere wiesen auf die Analogie der Staats« und Friedensverträge, welche vielfach de jure tertii Verabredungen enthielten, die Jedermann für gilng erachte. Die NaturrechtSlehrer griffen zurück auf die bin­ dende Kraft jedes acceplirten Versprechens, auf da» sittliche Interesse, was jeder daran haben müsse, Anderen Wohlthaten zu erweisen u. s. w. Vergl. als Zeugen der Praxi« in Deutschland, welche die Verträge zu Gunsten Dritter für giltjg erklärt: Mevius p. IV. dec. 112. Schiller, exerc. ad pand. VIII, 39. Leyser spec. 519. med. 4. HöPfner, Kommentar, 1. A. S. 809 Struben, rechts. Bedenken III, 71. Cramer, Wetzlarisch« Nebenstunden XIV, S.9. Pufendorf, observ. II, 38. §. 20.

8) Erkenntniß v. 1. März 1768 bei Hymmcn, Beiträge IV, 105. *) Erbverträge n. Privatrecht a. a. O. II. S. 202 f.

408

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Aufhebung des Vertrags durch den Tod des einen Kontrahenten unmög­ lich geworden.

Savigny3") verwirft „vom Standpunkt der richtigen

Theorie" die Lehre, daß ein Dritter aus einem von Anderen geschlossenen Vertrage auch ohne seinen Auftrag ein Klagerecht erwerbe, und erklärt die

angebliche Praxis für unbegründet.

Aber wenn er den Grund dafür darin

findet"), daß die Obligation überhaupt als Beschränkung der natürlichen

Freiheit nur soweit einen Rechtsschutz erhalte, als das Bedürfniß des Ver­ kehrs einen solchen nothwendig erfordert, so bleibt doch grade unbeant­

wortet, ob nicht das Verkehrsbedürfniß, wie vielfach behauptet wird, auch für solche Verabredungen einen Rechtsschutz verlangt, denn das „wie weit"

ist relativ, die Begrenzung kann enger oder weiter sein, je nach dem Be­ dürfniß, und sie wird weiter sein müssen, wenn sich der Verkehr weiter entwickelt hat.

Ueberdieß entzieht sich Savigny der eigentlichen Beant­

wortung dadurch, daß er die Fälle, in denen die seiner Meinung nach un­ begründete Praxis eine Giltigkeit des Vertrages zu Gunsten Dritter an­

nimmt, so auffaßt, als sei „fast immer" hier eine Stellvertretung gedacht “). Also doch nicht immer.

Im Allgemeinen wollen die Romanisten auch heut

den Satz nicht anerkennen und bei der Regel des römischen Rechts stehen

bleiben3 *). Dagegen hält die Praxis fest an der jüngeren Entwicklung und geht zum Theil noch weiter als Beseler, der, sofern erden Beitritt des Dritten verlangt/ eigentlich den Hauptpunkt wieder preiSgiebt, weil

der beigetretene Dritte eben damit aufhört, ein Dritter zu sein upb Mit­ kontrahent wird. Auf Grund dieser Praxis hat Busch das Dogma dahin angegeben H): durch deutsche Rechtsgewohnheit ist der Satz des römischen Rechts alteri neminem stipulari posse aufgehoben, und jetzt jeder Ver­ trag zu Gunsten eines Dritten für die Kontrahenten bindend, wenn der Promissar auch kein eigenes Interesse an der Erfüllung hat;

der Dritte

erwirbt durch den Abschluß des Vertrages der Anderen ein Klagerecht gegen den Schuldner, ohne daß dies von dem Anerbieten oder von der

'») Obl.R. II, 83. 84. “) S. 76. S. 82. Siehe Busch a. a. O S. 9. 12) So Savigny, Puchta, Vangerow, obgleich letzterer doch ein dagegen sprechendes, durchaus entschiedenes deutsches Gewohnheitsrecht als vorhanden an­ erkennt (S. 313. a. E ). ") A- a. O. S. 46.47. Als Belege dafür sind im Anhang der Schrift 44 Erkennt­ nisse mitgetheilt, bei denen fast alle deutsche Gerichte 3. Instanz vertreten sind. Besonders wichtig ist hier die Praxis der O.A.Gerichte Dresden und Kassel. Da­ für auch die Praxis des A.G. Greifswald, f. Provinzialrecht f. Neuvorpommern u. Rügen B. 4. S. 204. — Zaun im Arch. f. praktische R.W. N. F. I, S, 42f. §. 4. führt aus, daß die Obligation mit Uebergehung des eigentlich kontrahirenden Stellvertreters alsbald in der Person des Dritten begründet werde und daß dieser zufolge thatsächlich erklärter Cejsion (die in dem Vertragsabschluß der Kon­ trahenten anögedrückt sei) eine actio utilis erwerbe. Seusfert III, 31.

§. 75.

Vertragsabschlüsse zum Vortheil Dritter.

409

Einwilligung der Kontrahenten oder von einer ausdrücklichen besonderen

Beitrittshandlnng seinerseits abhängt, die Annahme kann vielmehr auch

stillschweigend, durch entsprechende Handlungen, z. B. Anstellung der Klage, geschehen; diese Klage ist von der Haupiklage des Promissars aus dem Vertrage abgeleitet (a. utilis) und stets nur gegen den Promittenten ge­ Das neuere Recht hat hiernach das römische insoweit verlassen oder weiter gebildet, daß jetzt grundsätzlich und allgemein, nicht bloß in

richtet.

einzelnen Ausnahmefällen, die Verträge zu Gunsten Dritter anerkannt sind,

daß der Promissar, auch wenn er kein eignes Interesse dabei hat, dennoch auf Erfüllung klagen kann, daß der Dritte, so lange nicht der Promissar

die Zuwendung widerrufen, ebenfalls gegen den Promiltenten auf Erfüllung

klagen kann, und daß dieses Recht des Dritten unwiderruflich wird, so­

bald der Promissar gestorbeu. Einer besonderen Beitrittshandlung des Dritten bedarf es nicht, sein Recht ist zwar begründet durch den Abschluß

des Vertrages, aber, so lange ein Widerruf der Hauptkontrahenten noch möglich ist, ist es ein abhängiges, bedingtes. — Damit ist aber auch das praktische Bedürfniß im Wesentlichen befriedigt: noch weiter zu gehen, und das Recht des Dritten vom Vertragsabschluß an als so definitiv aufzu­

fassen, daß die Hauptkontrahenten nicht mehr zurücktreten, insbesondere, daß der Promissar die Zuwendung nicht mehr widerrufen dürfe, dazu liegt kein Grund vot Was nun das preußische Riecht angeht, so theilt es insoweit die neuere

Rechtsanschauung, als es Vortheile eines Dritten grundsätzlich „Gegen­ stand" eines Vertrages sein läßt — aber im Uebrigen entfernt es sich

nicht so weit vom römischen Recht, wie die neuere deutsche Praxis").

1S) Ganz ohne Schwanken ist übrigens die gemeinrechtliche Praxis noch keineswegs; die römischen Ideen wirken noch ost stark ein. Besonders bezieht sich das Schwan­ ken auf die Fragen: ob der Promissar ein eignes Interesse haben müsse, ob der Beitritt deö Dritten von der Genehmigung der Konrahenten adhängen solle. Senfs. III, 31. 32. VIII, 30. X, 152. XI, 133. XII, 142. XIV, 131. Jedes In­ teresse des Promissars zu leugnen, wie Busch thut, geht zu weit, es ist nur nicht nöthig, daß eS ein vermögensrechtliches sei (Bähr a. a. O. S. 139 f.). Der Promittent muß dein Promissar selbst die Leistung an den Dritten ver­ sprechen, ersterer wird dadurch der Schuldner deS letzteren, nicht des Dritten; die Klage, die der Promiss.ir anstellt, ist die directa, die des Dritten die utilis, auS der Person des PromlssarS. Wenn Bähr den klagenden Dritten als procurator in rem suam, die Klage alS a. mandata ansehen will, so ist dies eine ganz unpassende Anwendung einer spezifisch römischen Anschauung auf moderne Verhältnisse (S. 146f.); er verfällt hier der Mühlenbruchschen Theorie von der actio utilis des Cessionars, welche er selbst in seinem Aufsatz zur EesstonSlehre (Iahrb. B. 1.) bekämpft hat.

") §. 74 s. I, 5. Die Entwicklung, die das Dogma in den anderen Gesetzgebungen, bis zu den neuesten herab, erhalten, entspricht auch nicht der gemeinrechtlichen Praxis, wie sie oben angegeben Der Code beschränkt die Wirkung solcher Ver­ träge ans die Kontrahenten, Dritten können weder Verpflichtungen noch Berech­ tigungen entstehen. Aber der eine Kontrahent kann den Vortheil deS Dritten zur Bedingung des Versprechens machen, welches man sich selbst thun läßt, oder

410

Zweite» Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Der Dritte erlangt nämlich auS einem solchen Vertrage, an dessen Schließung er weder unmittelbar, noch mittelbar (durch Stellvertretung) Theil genommen, erst dann ein Recht, wenn er demselben-ausdrücklich,

und zwar mit Bewilligung der Hauptparteien, beigetreten ist. Bis dieser Beitritt erfolgt, kann der Vertrag nach dem Einverständniß der Haupt­ parteien geändert oder aufgehoben werden").

Ist aber dem Dritten der

Antrag zum Beitritt geschehen, so müssen die Hauptparteien seine Erklä­

rung über die Annahme abwarten. Die Entstehungsgeschichte dieser §§. ist nicht ganz klar"). Sie schließen sich zwar an die damalige Praxis des Obertribunals an, es muß sich aber zugleich die Ansicht geltend ge­

macht haben, daß der Beitritt des Dritten an die Bewilligung der Haupt­ parteien zu knüpfen sei. Bon wem diese Ansicht aufgestellt, ist nicht zu ersehen, denn der erste Entwurf enthält davon noch nichts, und das Mo­

nitum von Suarez war nicht darauf gerichtet. Unter einem Vertrage zum Vortheil eines Dritten (in favorem tertii)*) kann nur ein solcher verstanden werden, der den Dritten in keiner Weise verpflichtet, sondern nur berechtigt, ihm eine reine Liberalität, eine Vermehrung

seines Vermögens

ohne

Gegenleistung

zuwendet").

ES

gehören nicht hierher die zahlreichen Fälle, wo der Schuldner dem Gläu­ biger verspricht, des letzteren Schuld an einen Dritten zu übernehmen

und zu berichtigen, der Dritte also nur das empfangen soll, was ihm schon rechtlich zukommt"). Ein Dritter ferner ist nur derjenige, der

zur Bedingung einer Schenkung, die man dem Versprechenden macht (Art. 1165. 1121. Zachariä-Anschütz, B. 2. S. 354.). Das öyeri, G.P. hat §. 881. nur den dürftigen Satz, daß Niemand für einen Andern ein versprechen machen oder aunehmen kann. Das sächsische (§. 853—855.) giebt dem Dritten, zu dessen Gunsten sich Jemand etwas hat versprechen lassen, neben dem letzteren eine Klage aus Erfüllung. Das Recht des Dritten wird selbständig und unabhängig von dem Millen dessen, der sich die Leistung hat versprechen lassen, von der Zeit, wo er dem Vertrage beigetreten oder die Leistung angenommen hat. Bis dahin kann der Hauptgläubiger den Hauptschuldner wieder befreien. Der bairische Entwurf (Alt. 33. 34.) greift wieder zurück in das römische Recht. Der Dritte darf erst beitieten nach vorheriger Aufforderung der beiden Kontrahenten, und der Promissar hat gegen den Promittenteu nur ein Klagerecht, wenn er ein eignes Interesse an der Erfüllung hat. Das Deutsche Hand. G.B. hat keine allge\ meine Bestimmung über solche Verträge. In einem ganz speziellen Falle (Art 405.) giebt eS dem Dritten eine Klage in eignem Namen gegen den Promittenten, sei eS daß er mit der Klage ein eignes oder fremdes Interesse geltend mache. 17) §. 391. I, 5. 18) Bornem. II, S. 232. Note 2. Hehdem. S. 203. Note 332. Pens. 14. S. 59. Beseler, Pr.R. II. S. 294. Note 14

Ges.Revisor,

*) Ueber den Unterschied eines solchen von Mandat oder Assignation s. Dresdner Annalen VIII. 413. ") Busch S. 6. 20) Dagegen will Bähr (S. 170s.) gerade die Schuldübernahme als die häufigste Auwendung deö Grundsatzes, daß nach neuerem Recht zu Gunsten Dritter paciscirt werden könne, ansehen. Dies ist aber entschieden unrichtig. Bei solchen

§. 75.

Vertragsabschlüsse zum Vortheil Dritter.

411

bei dem Vertrage unbeteiligt, also nicht durch'den Gläubiger (Promissar) vertreten ist").

Glänbiger nnd Schuldner müssen vielmehr den Vertrag

als ihren eignen abschließen.

Das preußische Recht verlangt nicht — nnd

hierin stimmt eS mit der neueren Praxis — ein besonderes Interesse deS Gläubigers an dem Vertrage oder an der Leistung an den Dritten. Gleich­

wohl wird anznnehmen sein, daß das Versprechen, dem Dritten zu leisten, dem Glänbiger selbst in klagbarer Weise gemacht, daß für diese- Ver­ sprechen ein RechtSgrund (eine causa) vorliegen muß. Denn sonst wäre

zwischen Gläubiger nnd Schuldner überhaupt kein Vertrag zu Stande ge­ kommen, nnd könnte auch nicht zu Gunsten eines Dritten wirken. Aber strenger als die jetzige deutsche Praxis ist es darin, daß eö dem Dritten

durch den Vertragsabschluß noch gar kein Recht giebt, sondern dies an

seine beitrctende Erklärung anknüpft, und diese auch nur mit Bewilligung der Hanptparteien gestattet. Letztere sind daher dem Dritten gegenüber so lange nicht an den Vertrag gebunden, bis sie ihn zum Beitritt aufge­ fordert haben. Diese Aufforderung gilt als Vertragsanerbieten. Dadurch wird aber, wie Beseler") richtig hervorhebt, der Vertrag nicht bloß für

den Dritten,

sondern auch für Denjenigen,

der sich den Vortheil deS

Dritten hat versprechen lassen, leicht illusorisch gemacht, weil der einseitige Widerspruch deS Versprechenden die Wirkung desselben verhindert. Und dann hebt auch das Erforderniß des ausdrücklichen Beitritts, durch den

der Dritte das Recht erst erwirbt, die Natur dieses Vertrages wieder auf, indem der Dritte aufhört ein solcher zu sein, der Vertrag zu feinen Gun­

So ist man nicht wesentlich weiter gekommen, als nach römischem Recht, nnd die Hemmung

sten erst giftig wird, wenn er Mitkontrahent geworden.

deS Verkehrs macht sich um so störender gelten, als die Sätze deS A.L.R.

in gewohnter Weise abstrakt hingestellt sind, so daß kaum eine Ausnahme zulässig erscheint, wie sehr auch das tägliche Leben dazu drängt.

Wichtig

ist eS daher, zu sehen, wie die preußische Praxis diese Bestimmungen bis­ her gehandhabt hat.

1. Zunächst hat sie daran fest gehalten, daß dieselben sich nur auf

Verträge zum Vortheil Dritter beziehen.

Die Uebernahme der Schuld

deS einen Kontrahenten an den Dritten zählt sie nicht hierher"), eben so

Verträgen denkt der Promissar so wenig an da« Interesse de« Dritten (seine« Gläubiger»), daß er vielmehr nur sein eigene« Jntcreste, von der Schuld frei ju werden, im Auge hat, und ob dem Gläubiger de« Promissar« darau« ein Vor­ theil erwächst, daß er noch den Stipulator al« Schuldner erwirbt, ist etwa« ganz Zujälliges; wenn der Stipulator zahlungsunfähig ist, fällt der Vortheil gewiß weg. Deßhalb hat mit Recht Delbrück (Schuldübcrnahme S.98.) die Zusam­ menstellung der Schuldübernahme mit Verträgen zu Gunsten Dritter abgewiesen. «) Busch S. 26f. Pr.R. II. S. 295. ”) Entsch. B. 26. S. 8. Simon nnd v. Strampss RechlSsprüche I, S. 118.

Zweites Buch.

412

Die besonderen Privatrechte.

wenig die Uebernahme der Reallasten von Seiten des Käufers").

In

beiden Fällen erlangt der Dritte keine neue Berechtigung, sondern es wird

Dagegen ist es ein Vertrag zu Gunsten des Dritten, wenn die Kontrahenten verabreden, daß ein bisher zinsloses

ihm nur seine bisherige erhalten.

Kapital, welches dem Dritten gehört, ihm fortan verzinset werden soll"),

oder wenn die Hauptparteien verabreden, daß der Schuldner die Schuld seines Gläubigers an den Dritten übernehmen, aber nicht zu des Letzte­ re» Nachtheil mit einer ihm gegen diesen zustehenden Forderung kompensiren solle86). 2. Die Praxis bestimmt den Begriff des Dritten dahin, daß nicht ein Fall der Stellvertretnng vorliegen darf. So ist z. B. der Verpächter, soweit er durch den Pächter vertreten ist, kein Dritter88).

3. Der Nachweis eines besonderen Interesse auf Seite desjenigen Kon­ trahenten, der sich den Vortheil des Dritten hat versprechen lassen, ist nicht erforderlich, er hat auch ohne dieses eine Klage auf Erfüllung des

Vertrages86).

Der Versprechende (der Schuldner) ist unbedingt gebun­

den, der Gläubiger kann die ihm daraus erwachsende Klage cediren86). Widersprechend hiermit ist eine andere Entscheidung des Obertribunals66),

welche die Klage des Gläubigers, der sich vom Schuldner die Verzinsung eines einem Dritten gehörigen Kapitals hatte versprechen lassen, auf Zah­ lung der Zinsen" und Anerkennung dieser Verpflichtung abgewiesen hat, weil der Gläubiger diese Zinsen nicht für sich fordern könne.

Dieser An­

sicht steht entgegen, daß der Schuldner dem Gläubiger gegenüber sich zur Verzinsung verpflichtet hatte, und daß dieser Vertrag ein Klagrecht auf Erfüllung erzeugen muß. 4. Beide Kontrahenten sind durch den Vertrag gebunden, einseitig kann keiner zurücktreten, aufgehoben oder abgcändert darf er nur werden im beiderseitigen Einverständniß6').

Es ist hierbei

ohne Einfluß, ob beide Kontrahenten oder nur der eine den Vortheil des

Dritten beabsichtigt.

Es stehen daher solche Verträge unter dem allge­

meinen Grundsatz, daß nach dem Abschluß ein einseitiges Aufheben oder Aendern überhaupt nicht statthaft ist, und nur in Beziehung auf den Dritten ist hier des besonderen Rechts zum Rücktritt Erwähnung gesche­ hen68). 5. Der Beitritt des Begünstigten ist bedingt durch die Bewilli­ gung der Hauptparteien, indessen genügt es, daß nur diejenige Hauptpar-

**) **) ,6) ”) -«) »•) ’») ll) S1)

Eutsch. B. 16. S. 196. bes. S. 202. a. E. Strieth. B. 4. S. 252. Priij. 1406 c. (Sammt. I, S. 60.) Enisch. B. 27. S. 316. a. E. Enlsch. B. 12. S. 150. B. 14. S. 76. Enisch. B. 14. S. 76. Strieth.^B. 4. S. 253. I, 5. §. 391. Entsch. B. 26. S. 12. Strieth. B. 30. S. 122. Entsch. B. 39. S. 36.

§. 75.

Vertragsabschlüsse zum Vortheil Dritter.

413

tei den Beitritt bewilligt, welche allein den Bortheil des Dritten sich hat

versprechen lassen"). 6. Die Aufforderung der Hauptparteien an den Dritten, dem Vertrage beizutreten, bedarf nicht der schriftlichen Form34). 7. Wie vor dem A.L.R., so hat auch nachher die Praxis darüber ge­ schwankt, ob der Beitritt des Dritten zu dem Vertrage eine ansdrückliche

Erklärung verlangt, oder auch durch schlüssige Handlungen, z. B. Annahme der Zahlung erfolgen könne. Ein Erkenntniß vom Jahre 1816") nahm

letzteres an.

Seitdem hat aber die Praxis sich dahin entschieden’*), daß

der Beitritt ausdrücklich, und zwar, wo es erforderlich ist, in Schriftform erklärt werden muß, daß weder Klagerhebung noch Zahlungsannahme ge­ nügt.

Dagegen ist ein von allen Interessenten unterschriebener Auszug

aus dem zum Vortheil eines Dritten abgeschlossenen Vertrage als aus­

reichender Beweis dafür angenommen worden, daß der Dritte dem Ver­ trage mit Bewilligung der Hauptparteien beigetreten sei, obschon der Aus­ zug keine beitretende Erklärung des Dritten, sondern nur die Stipulation

der Hauptparteien zu seinen Gunsten enthielt’’). 8. Daß der Dritte, so­ bald er dnrch seinen Beitritt das Recht erworben, es auf seine Erben

überträgt, kann nicht zweifelhaft sein, auch kann er eS, wenn es an sich cessibel ist, gewiß veräußern. 9. Welche Klage der Dritte gegen den Schuldner erwirbt, ist, wenn sein Recht an einen von den Hauptparteien

zu bewilligenden Beitritt geknüpft ist, keine praktisch wichtige Frage. Diese Beitrittserklärung ist eine vertragsmäßige, erzeugt also selbst eine Klage. Ihr kann der Schuldner alle Einreden entgegensetzen, die er der Klage des Hauptgläubigers hatte entgegensetzen könne». 10. So allgemein und

ausnahmslos nun auch die Bestimmungen des A.L.R

über solche Ver­

träge sind, so hat die preußische Praxis doch in einem Falle dem andrän­ genden Bedürfnisse des Lebens nachgeben und eine Ausnahme für ein Ge­

schäft gestatten müssen, welches den Römern fremd, wesentlich deutschen Ursprungs ist.

Dnrch Plenarbeschluß vom 25. August 1846 (Präjudiz

1770.) ist ausgesprochen: „wenn ein Vater in dem mit einem seiner Kin­

der abgeschlossenen Gutsüberlassungsvertrage seinen anderen Kindern Ab­

findungen ausgesetzt hat, so kann der Gutsannehmer dem die Abfindung einklagenden Kinde nicht entgegensetzen, daß es dem Vertrage nicht beige­ treten fei" ").

Hier soll also das Klagerecht des begünstigten Kindes durch

Elitsch. B. 10. S. 341. b-s. S. 349. u. §. 391. 1, 5. A.L.R. Entsch. B. 26. S. 9. 12. Rechtspr. B. 1. S. 118. Entsch. B. 10. S. 354. (s. §. 153.1,5. AL.R.) Rechtspr. B. 3. S. 166. Recht«, fälle B. 1. S. 167. ’’) Strieth. B. 7. S. 132. M) Entsch. B. 14. S. 68 s. J.M.Bl. 1846 S. 208. Präj. 1770. S-uffert lll. S. 90.

") “) “) ")

414

Zweite» Buch.

Die besonderen Privatrechte.

den Vertragsabschluß zwischen dem Vater und dem GutSübernehmer im* mittelbar begründet sein, ohne daß es seiner mit Bewilligung der Haupt­

parteien abzugebenden Beitrittserklärung bedarf.

Die ältere Praxis hatte

dergleichen Klagen abgewiesen, aber die dadurch nicht zu überwindende

Ueberzeugung, namentlich des Landvolks, von der unmittelbaren Giltigkeit solcher Verträge für den Dritten hatte zu Härten und offenbaren Unge­ rechtigkeiten geführt ”).

ES wär dadurch eine nochmalige Prüfung veran­

laßt, diese aber von vornherein dadurch auf einen bestimmten Weg ge­

wiesen, daß an einem anderen Ort daS A.L.R. bestimmt"):

Verträge,

wodurch Eltern ihr Vermögen schon bei Lebzeiten ihren Kindern abtreten, sind blos als Verträge unter Lebendeä anzusehen, denn diese Vorschrift

machte die Erklärung unmöglich, daß durch solche Geschäfte eigentlich nur eine s. g. anticipirte Erbfolge geordnet werde, und auf die Anwendbarkeit

deS §. 75. d. T. war man dadurch um so mehr hingewiesen. Allein das weil die Eltern, also auch die Mutter, sowie der Großvater, und wie eine spätere Ent­ Obertribunal schließt dieselbe wesentlich deshalb auS,

scheidung ausführt"), selbst die Großmutter, bei diesen Verträgen ihre Kinder vertreten. Durch sie nehmen die Kinder mittelbar an der Vertragsschließung Theil. Auf diesem Wege tritt in Betreff solcher Rechts­

geschäfte die preußische Praxis der gemeinrechtlichen nahe, aber es muß be­

merkt werden, daß, wenn diese Verträge unter den Gesichtspunkt der Stell­ vertretung gebracht werden, es sich nicht um eine Ausnahme von §. 74 fg. handelt, sondern um einen Fall, der überhaupt nicht hierher gehört"). In Betreff deS Vaters ist vermöge seines GewaltverhältnisseS die An­

nahme der Stellvertretung auch gewiß zulässig4'). Koch'S Widerspruch ES handelt sich nicht darum , daß der Vater bei dem Vertrag „zwei einander gegenüberstehende" Personen vorstellen

hiergegen ist unbegründet.

soll, er und das begünstigte Kind stehen sich einander nicht gegenüber: beide stehen auf derselben Seite, dem GutSübernehmer gegenüber, der Vater schließt für sich und für sein abwesendes Kind, als dessen Ver­

treter, nicht zwischen sich und diesem den Vertrag ab.

Der Plenarbe­

schluß deS ObertribunalS findet folgerecht seine Anwendung auch in den

Fällen, wo daS vertretene Kind bereits großjährig und aus der väterlichen Gewalt getreten, nicht bloß bei Geldabfindungen, sondern auch bei Abtre­ tungen vom Gut selbst"), nicht bloß wenn der GutSübernehmer ein Kind, ") ArnSb. Arch. B. 3. S. 1 s. ") I, 12. §. 656. ") Strieth. B. 30. S. 150. 41) A. M. Heydem- S. 205.

Koch, Komment. Note 69. zu §. 75. d. T.

Sehr zweifelhaft ist dagegen die Annahme einer Stellvertretung durch die Mutter oder Großmutter. Da« sind nur Konzessionen an da« Bedürfniß. ") Strieth. B. 10. S. 9.

§. 75.

Vertragsabschlüsse zum Vortheil Dritter.

415

sondern auch wenn es der andere Ehegatte ist"), und man wird hinzu­ setzen müssen, worüber sich die Praxis bisher noch nicht ausgesprochen hat:

auch dann, wenn das Gut an einen Fremden veräußert wird, denn auch

hier vertritt der Veräußerer sein Kind, dem er eine Abfindung bedingt. Und weil in der Stellvertretung der entscheidende Grund gefunden wird, so muß auch die Ehefrau, zu deren Gunsten der Mann bei der Gutsver-

äußerung eine Abfindung bedungen hat, ein Klagerccht erwerben, ohne daß eS ihres Beitritts bedarf"). Endlich wird die weitere Konsequenz deS Satzes nicht abzulehnen fein, daß er nicht auf Verträge über Grundstücke

(Gutsüberlassungen) zu beschränken, sondern auf alle Verträge anzuwen­

den sei, in denen Eltern oder Großeltern, oder ein Ehemann zu Gunsten der Kinder, Enkel oder Ehefrau eine Zuwendung bedingen, denn überall liegt der gleiche Grund einer Stellvertretung vor, obschon das Obertri­ bunal ihn als eine Konzession an die den deutschen Rechtsgewohnheiten angehörenden Gutsüberlassungsverträge anzusehen geneigt ist. Dann aber hätte seine Rechtfertigung eine andere sein müssen. Wenn nun aber nach der Ansicht des Obertribunals das Klagerecht des begünstigten Kindes nicht

von seinem ausdrücklichen Beitritt, auch nicht davon abhängt, ob eS durch den Tod des Vaters ein unwiderrufliches geworden, also noch zu dessen Lebzeiten gebraucht werden kann, so entsteht von selbst die Frage, ob der Vater (Ehemann u. s. w.) die Zuwendung widerrufen, ob er in diesem Punkt mit dem Gutsübernehmer den Vertrag ändern kann.

Buschs')

bestreitet den einseitigen Widerruf für die gemeinrechtliche Praxis, „denn

Niemand wird vernünftigerweise in einem Athemzuge einem Dritten ein Recht ausbedingen und dieses wieder anfheben wollen, giebt aber zu, daß

beide Hauptkontrahenten den Vertrag, ehe der Dritte ihn angenommen hat, wieder aufheben können.

Dies

ist von seinem Standpunkt eine

Folgewidrigkeit, denn wer die Vollendung deS Rechtserwerbs des Dritten

in den Moment deS Vertragsabschlusses verlegt, kann eine spätere Auf­ hebung dieses Rechts ohne dessen Willen nicht mehr zugeben.

Dieselbe Erwägung hat auch in der preußischen Praxis einigen Gerichten zweiter

Instanz Veranlassung gegeben, aus jenem Plenarbeschluß deS ObertribunalS die Folgerung zu ziehen,, daß ein späterer Vertrag nicht mehr das

aus dem ersten erworbene Recht dem begünstigten Kinde entziehen könne"). Dieser Folgerung ist jedoch das Obertribunal entgegengetreten und hat auch für diese Fälle den Satz aufgestellt, daß vor dem Beitritt deS abge-

fnndenen Kindes zu dem Vertrage derselbe von den Hauptparteien will-

“) ") a) °«) §. 170. d. T. Diese Vorschrift entspricht der 1. 20. C. IV, 79. *01) I, 10. §. 120. A.G.O. Diese Vorschrift entspricht der gemeinrechtlichen Praxis, Koch, R. d. F. II. S. 183. ,M) Koch, R. d. F. II. S. 184. giebt dem A.L.R. den Vorzug, Heydem. S. 223, der A.G.O. S. Entsch. B. 40. S. 296. Ges.Revis. Pens. XIV. S. 99. *M) Meyer S. 58. a. E. lM) §. 111-115 d. T. 105) Entsch. B. 33. S. 1. Nach gemeinem Recht werden die gerichtlichen Protokolle von den Parteien und vom Richter nicht unterschrieben, sondern nur vom Aktua­ rius beglaubigt. Wenn daher im Bezirk des A.G. Greisswald ein BerkaufSvertrag über ein Grundstück gerichtlich ausgenommen wird, welche» im Geltungs­ bereich de» A.L.R. und der Hypochekenordnung liegt, so muß bet. Hypotheken­ richter denselben al» gerichtlich giltigen Vertrag annehmen und nach ihm den Besttztitel berichtigen.

452

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

Anhang zn §. 7S. ES ist §. 40. bereits erwähnt, daß die schriftliche Form eine dreifache ist, die Pri­ vatschrift, die notarielle und gerichtliche und tote diese drei Formen sich zu einander verhalten. Wo die Gesetze die schriftliche Form schlechthin erfordern, genügt die erstere. ES giebt aber viele Fälle, für welche entweder die gerichtliche ausschließlich oder mit

dieser konkurrirend die notarielle vorgeschrieben ist. Letztere ist mithin stets nur eine konkurrirende, denn auch, wo die Privatvorschrift genügt, steht eS in der Willkür der

Parteien, die notarielle zu wählen; ebenso konkurrirt die gerichtliche mit der Privat­ schrift. ES fragt sich nun, 1. in welchen Fällen darf nur die gerichtliche, 2. in welchen Fällen muß die gerichtliche oder notarielle zur Anwendung kommen. Zu 1. Gerichtlich müssen errichtet werden: Die Verträge der Taub­ stummen und Blinden, §. 171. I, 5.; A G.O. II, 3. §. 4—8.; die Aufhebung gericht­ lich geschlossener Verträge, §. 389. I, 5; Erklärungen über Antretung und Entsagung einer Erbschaft, §. 392. I, 9 ; doch steht es hier zu, die Erklärung in einer von einem Notar beglaubigten Vorstellung dem Gericht zu übergeben, §. 398. 399.415 1,9.; Verträge über die Verjährung, §. 565. 566. I, 9.; Verträge über ältere als zweijährige Zinsrückstände §. 820. I, 11.; Schenkungen, §. 1063.1, 11.; Testamente, Erbverträge, Erbverzichte, Vollmachten zur Zurückforderung gerichtlich deponirter Testamente, §. 66. 621.654. 571. I, 12. Ges. v. 11. Juli 1845 Nr. 2. (Ges.S. S. 495.); Bürgschaften der Frauen, §. 221. I, 14. §. 341—343. II, 1.: die an die Schuldner gerichtete Erklä­

rung der Erben nach der Theilung, nm zu verhindern, daß der das Schuldinstrument besitzende Miterbe die Forderung ganz für sich einziehe, §. 153.1,17.; Theilung des ge­ meinschaftlichen Eigenthums, wenn sie exekutorische Krast haben soll, §. 111.1,17.; all­ gemeine Erwerbsgesellschaft, §. 178. I, 17.; LehnSverträge, §. 84. I, 18. (jetzt unpraktisch); Nutzungs-Pfandvertrag (Antichresis) und zwar mit gerichtlicher Bestätigung, §. 227. 1,20.; Verträge der Ehefrau, durch die sie zum Vortheil deS Mannes sich ver­ bindlich macht, §. 198. II, 1.; Bestellung eines ErbschatzeS, sofern er durch Grundstücke oder ausstehende Kapitalien gesichert werden soll, §. 282. II, 1.; Verträge über Güter­ gemeinschaft, §. 356—358. II, 1. Ges. v. 20. März 1837; Begebung der gesetzlichen Abfindung seitens des unschuldigen Ehegatten, §. 824. II, 1.; Erbverträge zwischen Ehe­ leuten, wenn die Frau etwas ausgeben soll, 8-441. II, 1.; Bestätigung deS EhevertrageS zur linken Hand, §. 858. II, 1.; Entlassung aus der väterlichen Gewalt, §. 216. 11,2.; Legitimation eines Brautkindes, §. 597. II, 2.; Verträge, wodurch ein volljäh­ riges Kind von dem Nachlaß der Eltern ausgeschlossen oder im Pflichttheil verkürzt werden soll, §. 484. II, 2.; Adoption (mit gerichtlicher Bestätigung), §. 667. II, 2.; Ein-

kindschaftöverträge, §.721. II, 2.; Errichtung von Familienstistungen und beständigen Fideikommissen, §. 29. II, 4.,; Verträge über Zertheilung und Abtrennung von Grund­ stücken, Ges. v. 3. Jan. 1845 §. 2. Ges. v. 24. Mai 1853 §. 2. 3. 5. Nr. 1 , und zwar vor dem Richter, der daS Hypothekenbuch des Grundstücks führt. Dem gericht­ lichen Abschluß steht hier aber die gerichtliche Verlautbarung des außergerichtlich errich­ teten Vertrages gleich. Strieth. B. 47. S. 101. Das Gesetz vom 11. Juli 1845 (S. 495.) hat Altentheil-Auszugsverträge, Verträge über künftige Alimente, Erbschafts­ käufe, Verkäufe künftiger Sachen, die Einwilligung in Versicherungen auf daö Leben

eines Dritten von der gerichtlichen Form, der sie nach A.L.R. unterworfen waren, be­ Diese Verträge stehen daher jetzt unter §. 131. I, 5. A.L.R. Zu 2. Gerichtlich oder notariell müssen abgeschlossen oder beglaubigt wer­ den: Verträge der Analphabeten und Sprachunkuudigen, §. 172 f. 1,5. s. oben Text freit.

§. 80.

Vorbemerkung.

Gerichtliche Bestätigung.

453

des §.; Schuldinstrumente, aus denen der Mandatsprozeß zulässig sein soll, V.O. v. 1. Juni 1833; alle Verträge, welche zur Eintragung in das Hypothekenbuch vorgelegt

werden, Hyp.Ordn. II, 6.; alle Erklärungen, die ohne Nekognition vor Gericht Beweis­ kraft haben sollen, §. 127 f. I, 10. A.G.O.; Vollmachten znr Erhebung von Geldern und Sachen bei Gericht, Ges. v. 11. Juli 1845 (S. 495.) §. 2b.); Verpachtung von Landgütern, sobald der jährliche Zins 200 Thlr. übersteigt und die Pachtzeit auf län­ ger als ein Jahr festgesetzt ist, §. 403-406 I, 21.; Ehegelöbnisse, §. 82f. II, 1 ; Ehe­ verträge vor vollzogener Ehe, §. 82 f. 440.441. II, 1.; Spezialvollmachten für gerichtliehe Verhandlungen §. 115. I, 13.; Wechselproteste, W.O. Art. 87. — Gesetz v.

23. April 1821 (Ges.Samml. S. 43). Aus dem deutschen Handelsgesehbuch (Ges.S. 1861 S. 480f.) sind von der Regel der Klagbarkeit formloser Verträge (Art. 317) nur folgende Ausnahmen zu be­ merken: Kommanditgesellschaften auf Aktien gerichtlich oder notariell, jedoch ohne Staate­ genehmigung (174. 198.206. Art. 10. des Einsühr.Ges.); Aktiengesellschaften gerichtlich oder notariell, mit Staatsgenehmigung (208).

4.

Verstärkung.

§. 80. Vorbemerkung. Gerichtliche Bestätigung. Eine besondere Art von Nebenabreden bei Vertragsabschlüssen ist die­

jenige, die den Zweck hat, die dem Vertrage an sich schon beiwohnende verbindende Kraft zu verstärken, ihn gegen künftige Anfechtung zu sichern. Das A.L.R. zählt hierher das Anerkenntnis, die Entsagung der Einreden, die gerichtliche Bestätigung und die Draufgabe'), während eS die Ver­

stärkung durch Eid, welche im gemeinen Recht zulässig ist, verwirft'). Wenn aber nur ein an sich schon giltiger Vertrag verstärkt werden kann,

so gehören das Anerkenntniß und die Entsagung der Einreden nicht eigent­ lich hierher, denn sie haben vielmehr den Zweck, einen an sich unverbind­ lich abgeschlossenen Vertrag verbindlich zu machen, sie sind VerbesserungSnnd Heilnngsmitlel, nicht Verstärkungen').

DaS Anerkenntniß ist ein

selbständiger neuer Vertrag, der anerkannte Vertrag, der wegen eineö

inneren oder eines Formmangels ungiftig war, wird nicht giftig, und die Entsagung der Einreden soll Hindernisse wegräumen, die dem gerichtlichen

*) §. 185-225. d. T. ') §. 199. Die privatrechtliche Bedeutungslosigkeit eines solchen Eides ist dadurch nicht geändert, daß die Strafbestimmung in II, 20. §. 1425 f. in daS Straf­ gesetzbuch v. 1851 nicht übergegangeu ist S. Koch, Komment, zu §. 199. I, 5. Nach röm. R. schloß der Eid die Restitution wegen Minderjährigkeit aus, 1.1. C. II, 28. Nach neuerem gemeinem Recht, welches sich unter dem Einfluß deS kanonischen Rechts gebildet hat, hat er eine allgemeinere'Wirkung, Verträge zu verstärken. Auth. Fried. I. sacramenta puberum zu 1. 1. C. 11, 28. c. 1.6. 8. 18. 20. 23. X II, 24. c. 58 de R. J. in Vito. S. Bangerow I, §. 170. AuS der Praxis: Seufsert B. 2. Nr. 261. 8) Daniels I. S. 286. (1. A.). Oben S. 191.

454-

Zweite» Buch. Die besonderen Privatrechte.

Geltendmachen des Vertrages entgegenzustellen sind. Ueber Beide hat da­ her schon an einem anderen Orte gehandelt werden müssens. Ebensowenig sind hierher zu rechnen die Konventionalstrafe unb die s. g. accessorischen Verträge (Pfand und Bürgschaft), denn diese Verab­

redungen sollen nicht das Dasein, den Abschluß des Vertrages verstär­

ken, sondern die aus ihm hervorgehenden Forderungen sicher stellen, jene die Forderung deS Interesse bei nicht geleisteter Erfüllung, diese die Erfüllung selbst. ES bleiben daher hier übrig die gerichtliche Bestätigung

und

die

Draufgabe. Die gerichtliche Bestätigung«) soll dem Vertrage einen höheren Grad von Festigkeit geben,

so daß seine Anfechtbarkeit zwar nicht ganz

ausgeschlossen, aber doch erschwert ist.

Die Parteien bekennen sich vor

dem Richter zu dem Inhalt des zwischen ihnen vereinbarten Vertrages; diese Anerkenntniß muß vollständig sein; die Vollständigkeit der Erklärun­

gen und die Berechtigung und Befähigung der Parteien zur Abgabe dieser Erklärungen hat der Richter zu prüfen und demnächst dafür zu sorgen, daß die Erklärung in die Form einer gerichtlichen Urkunde gebracht werde. Weiter geht seine Thätigkeit dabei nicht: ob der Vertrag dennoch an in­

neren Mängeln leidet, ob der eine Theil sich im Irrthum befunden, oder betrogen wird, kann von ihm nicht untersucht werden, weil er an die Er­ klärung der Partei gebunden ist, nur diese entgegennimmt. Eine solche Bestätigung ist also nicht eine Genehmigung deS Vertrages durch das Ge­ richt, sondern nur eine Verlautbarung, welche an sich nicht geeignet , sein kann, dem Vertrag eine Verstärkung zu geben. Die Nothwendigkeit

der Verlautbarung bei Verträgen über unbewegliche Sachen ist übrigens durch ein neueres Gesetz aufgehoben worden**). Dagegen kennt das preußische Recht noch einige wenige Fälle, wo der zuständige Richter den Vertrag genehmigen muß«), wo also dessen recht­ liches Dasein von dieser Genehmigung, dem Resultat einer vorgängigen *) Oben §. 41 und 59. S. 191.193. 302. 6) §. 200—204. d. T. Heydem. I. S. 228. Gruchot I. S. 493. Koch, R. d. F. II. S. 363. Gerber, deutsche» Pr.R. S. 412. (8. A.) *) Gesetz v. 23. April 1821. (Ges.Samml. S. 43). *) Bei der Antichrefl» (1,20. §.227) vom Richter der Sache, seit Aufhebung der Zinsbeschränkungen unpraktisch; Familienstiftungen und Familienfideikommisse vom per­ sönlichen Richter de» Stifter» und dem Appellationsrichter de» Bezirks (II, 4. §. 29.), Ges. v. 15. Febr. 1840 (Ges.S. S. 20) §. 2. 14. Ges. v. 5. März 1855 (Ges.S. S. 175.) §. 1.; bei dem Vertrag über Eheschließung zur linken Hand (II, 1. §. 858); bei MajorennetätSerklärung durch den Vater II, 2. §. 216); bei Adop­ tionen (II, 2 §. 667.) durch den persönlichen Richter, nicht mehr durch daS Ober­ gericht (V.O- v. 2. Jan. 1849 (Ges.S. 1. §. 22. 25.).; in einigen Fällen Genehmi­ gung der höheren Verwaltungsbehörden (1,11. § 651. dazu Kab.Ordre v. 29. Septbr. 1833, Ges.S. S. 121.; HandelSges. B. Art. 298., der an die Stelle de» Gesetzes v- 9. Novbr. 1843 getreten ist); Bestätigung durch den König (II, 4. §. 56.,11, 1. §. 836. Ges. v. 13. Mai 1833, Ges.S. S. 49).

§. 81.

Untersuchung

Draufgabe und Angeld.

455

(causae cognitio) abhängt, aber hierbei handelt eö sich

nicht um eine bloße Verstärkung.

Durch die Bestätigung wird dem Ver­

trage die gerichtliche Beurkundung gegeben, und ihre Bedeutung liegt darin,

daß Einreden gegen die Giltigkeit und den Inhalt deö Vertrages seine Erfüllung nur dann aufhalte» sollen, wenn sie sofort klar (liquid) gemacht werden können, weil durch sie die Vermuthung begründetest, daß der Ver­

trag gesetzmäßig abgeschlossen worden.

Es werden an sich also weder die

Einreden gegen die Willenseinigung selbst, noch die gegen ihre formelle Aeußerung ausgeschlossen, ihr Geltendmachen ist nur erschwert. Auch exi-

stirt kein Widerspruch mit einer Bestimmung der A.G.O., welche die Ein­ reden gegen die Richtigkeit

des Inhalts der Urkunde, nicht deS Ver­

Durch die gerichtliche Bestätigung können Rechte

trages ausschließt').

Dritter niemals verletzt werden.

§. 81. AL N. 1,5. §. 205—225.

Draufgabe und Angeld.

Heydem. I. S. 229.

Gruchot I. S. 495.

Sortiern.

Syst. II. S. 301. Koch, Pr.R. II. S. 191. R. d. F. II. S. 367. - Unter» bolzner II S. 869. Savigny, Obl.R. II. S. 267. SinteniS II. S. 307. Windscheid II. §. 325. S. 217. Gerber, deutsche» Pr.R. S. 417. (8. A.). Slobbe, Gesch. de» deutschen BertragSrecht», S. 50. Aeltere Schrift: Dreyer,

de differentiis Juris Romani et Germanien in arrhis emtionum, 1747.

Zum Zeichen des geschloffenen Vertrages dient die Draufgabe (arrha), d. h. ihr Hingeben ist nicht der Abschluß, sondern es soll den letzteren beweisen.

Die Draufgabe selbst ist nicht ein Beweisstück'), aber das Draufgeben ein Beweismittel dafür, daß die WillenSeinigung unter

den Parteien sich vollendet hat. So hat das römische und das deutsche Recht, welchem letzteren .das Rechtsinstitut unter verschiedenen Formen und Nanien bekannt war, den Begriff aufgefaßt').

Sie ist immer nur das

Zeichen, mag sie sonst als eine theilweise Vorleistung oder als eine Zu­ gabe zur vertragsmäßigen L'eistung von den Parteien gewollt sein. Fm

7) AGO. 1,10. §. 126.

Daju Koch, R. d. F. II. S. 364. und Oben S. 184.

‘) Wie Koch sich auSdrttckt. Man denke nur an eine Summe Geld, die als arrha hingegeben und sofort mit dem Gelde des Empfängers vermischt worden ist. Die arrha pacto imperfecto data ist dem preuß. R. unbekannt. Siehe über diese übrigens bestrittene Anwendung: Sintenis S. 309. Note2., Savigny S.269f. 2) Pr. J. III, 23: argumentum emtionis et venditionis contractae 1. 35. pr. D. XVIII, 1: ut evidentius probari possit, convenisse de pretio. Unterholzner will die arrha nicht bloß als Zeichen (argumentum), sondern auch als eine „Art Pfand," eine „Art Sicherstellung der Erfüllung" auffassen. Dies ist aber nicht zuzugeben. Belege aus älterem deutschen Recht bei Stobbe.

456

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

ersteren Falle nennt sie das A.L.R. Angeld, eine Gabe ans Abrechnung. Diese Eigenschaft der Draufgabe wird vermuthet, und namentlich dann,

wenn sie von gleicher Art mit der Vertragsleistung ist.

Die Parteien

müssen also besonders festsetzen, wenn die Draufgabe eine Zugabe zur Vertragsleistung sein soll. Die Draufgabe in diesem engeren Sinne ist daS Mehrere, das Angeld das Mindere, und in dieser Unterscheidung drückt

sich zugleich eine Verschiedenheit des römischen und deutschen Rechts aus. Ersteres sah in seiner arrha nichts weiter als das Zeichen für den Ver­ tragsabschluß; sie ist keine den Empfänger neben der Vertragsleistung be­

reichernde Zugabe, sie geht nicht in dessen Eigenthum über, sondern wenn ihr Zweck erreicht, also der Vertrag vollzogen, oder selbst wenn ihr Zweck verfehlt ist, d. h. der Vertrag ohne Verschulden der Parteien wieder rück­ gängig gemacht worden, wird sie zurückgegeben.

Im ersteren Falle kann

sie statt dessen auf die Hauptleistung angerechnet werden.

Die Zurück­

forderung ist gesichert durch die Vertragsklage und die condictio sine

causa, zwischen denen die Wahl freisteht'). — Nach deutschem Recht ist das Draufgeld, der Leikauf, Weinkauf, Gottespfennig u. s. w., eine zur

Hauptleistung hinzutretende Nebenleistung'), nicht grade bestimmt, den an­ deren Theil zu bereichern, was beim Weinkauf und Gottespfennig von selbst

wegfiel'), aber sie konnte doch auch diese Folge haben, und die noch heut, auch im A.L.R. anerkannte Draufgabe bei der Gesindemiethe hat sie immer'); beim GötteSpfennig ist dies erst eine spätere Entartung. Von einer Zurückforderung oder einer Anrechnung auf die Hauptleistnng ist hier nicht die Rede, daS Draufgeld wurde Eigenthum des Empfängers.

DaS A.L.R. hat eine Mittelstellung.

Sein Angeld ist die römische arrha,

sein Draufgeld im engeren Sinne ist deutschrechtlich, aber indem es vor­

schreibt, daß in „allen" Fällen das Eigenthum der Draufgabe sogleich auf den Empfänger übergeht, germanisirt es die römische arrha, das Angeld. Uebereinstimmend mit beiden Rechten ist eS, daß das Hingeben den Ver*) 1.11. §. 6. D. XIX, 1. I. 5. §. 15. D. XIV, 3. 1. 2. C. IV, 45. Ueber die Anwend, barkeit der cond. sine c., obschon der Geber Eigenthümer der arrha geblieben ist, wenn sie eine Sache, und nicht eine Quantität war, s. Unterholzner S. 870. Notec. Savigny S. 268 A. S. Oesterr. Ges.B. §. 908. und sächs. Ges.B, §. 893 f., wekche im Wesentlichen den Standpunkt des röm. R. festgehalten haben. *) Stobbe S. 55. In den Volksrechten erscheint sie zwar auch als Theil des Kauf­ preises, im R. des M. A. aber ist sie Zugabe. Schm eller, Wörterb. II. S. 521.

5) Mevius, Comment, ad j. Lubec. III, 6. 6. n. 11: olim ex pietate circa con­ tractu» conveniri soleret, ut aliquid a contrahentibus in res sacras, pios usus vel pauperes erogaretur, . . sed desinente pietate tractum est ad avaritiae lucra. •) Geflude»Ordn. v. 1810 §. 23. Hier hat die Arrha nicht bloß die Bedeutung den Vertragsabschluß zu beweisen, sondern sie ist die Form des Abschlusses selbst, Anders nach der GesindeOrd. f. Neuvorpommern v. 11. April 1845 §. 23. Siehe

§.81. Draufgabe und Angeld.

457

tragsabschluß unwiderruflich macht7).8 9Kein Theil darf jetzt vom Vertrage zurücktreten, sich von seiner Verbindlichkeit loSsagen.

Dem römischen Recht

entspricht dagegen wieder im Ganzen, daß ein Rücksorderungsrecht gegeben

ist, wenn der Vertrag zurückgeht °), und zwar hat das A.L.R. dasselbe mit folgenden Unterscheidungen weiter ausgebildet'): a. der Vertrag geht zurück durch Schuld des Empfängers; der Geber hat hier zu wählen, ob

er die Draufgabe in Natur oder ihren Werth zur Zeit der Uebergabe

verlangen will. Daneben verbleibt ihm seine sonstige EntschädigungSforderung.

b. Der Vertrag geht durch Schuld des Gebers zurück; hier ver­

liert er die Draufgabel0),* 12 kann sie aber, wenn er sonst noch entschädigen muß, darauf einrechnen,

c. Der Vertrag wird von beiden Theilen auf­

gehoben, oder ohne Schuld des einen oder anderen Theils rückgängig"),

oder er kann wegen eines Mangels an den rechtlichen Erfordernissen (z. B. wegen wesentlichen Irrthums) nicht bestehen; hier wird die Draufgabe, so wie sie alsdann ist, zurückgegeben. In allen Fällen erfolgt die Restitution, wenn die Draufgabe in Quantitäten oder verbrauchbaren Sachen bestan­ den hatte, in gleicher Quantität und Qualität; wenn sie aber als Einzel­ sache (species) nicht mehr in Natur zurückgegeben werden kann, ist ihr Werth zur Zeit des Empfanges zu ersetzen.

Wiederum ans deutschrecht­

licher Anschauung, wonach die Draufgabe die Natur einer Vertragsleistung hat, ist die Bestimmung zu erklären, daß, wenn der Vertrag wegen Mangel der Schriftform nicht bestehen kann, die Draufgabe als begonnene Er­ füllung angesehen werden soll").

Nur auf ausdrücklicher Verabredung der Parteien kann es beruhen, wenn der Draufgabe die Bestimmung eines Reugeldes gegeben, d. h. der einseitige Rücktritt vom Vertrage gestattet wird gegen Verlust der hin­ gegebenen oder Ersatz oder Rückgabe der empfangenen Draufgabe.

Hier

ist die Bereicherung, die dem beharrlichen Theil zufällt, seine Entschädigung. Unstatthaft ist der Rücktritt mit Aufopferung der Draufgabe, wenn mit

der Erfüllung des Vertrages bereits begonnen worden, selbst wenn die Parteien sie als Reugeld verabredet haben "). ’) 1.17. C. IV, 21.

pr. J. III, 23.

Stobb e S. 53.

8) pr. J. III, 23.: emtor perdit, quod dedit, — venditor duplum restituere cogitur. Vergl. 1. 1. 5. C. V, 1. bei Verlobungen. 9) §. 217-22:5. d. L. Vergl. österr. Ges.B. §. 908., sächs. §. 895. 10) Nicht auch das Angeld. Gegen Strieth. B. 43. S. 172. s. Entsch. B. 58S. 33. f. n) 1. 11. §• 6. D. XIX. 1. L 3. C. V, 1. Das Obertribunal faßt die Rückforderung der Draufgabe, wenn der Vertrag von beiden Theilen wieder aufgehoben wird, mit Recht als condictio sine causa auf. Entsch. B. 16. S. 173 f. 12) §. 223. d. T. Es treten dann die Regeln in §. 156 f. d. T. über die Wirkung der Erfüllung bei schriftlosen Verträgen in Anwendung. Siehe oben §. 79. Nr. 4. 18) Nach röm. R. kann die Arrha nicht Reugeld sein u. Savigny S. 268. bemerkt mit Recht, daß diese Auffassung nicht eine Stärkung, sondern eine Schwächung

Zweite- Buch. Die besonderen Privatrechte.

458

§. 82. A-L.R. I; 5. §. 130. 252—269.

5. Auslegung.

Heydem. I. S. 235.

Grnchot I. S. 522.

Koch,

R. d. F. II. @. 221. Plathner, der Geist de- pr. Pr.R. I. S. 236. Unter» Holzner I. S. 85. Savigny, Obl-R- II. S. 192. Sintern« II. S. 301.

Die Pflicht des Richters zur Auslegung ist bereits wiederholt zur Sprache gekommen. gen').

Er hat das Gesetz auszulegen und Willenserklärun­

Auch ist erwähnt, in welchem Verhältniß die s. g. grammatische

und logische Interpretation zu einander stehen.

Hier ist nur noch Einiges

über die Auslegung der Verträge hervorzuheben. Nicht bloß zweifelhafte und dunkle Erklärungen bedürfen der Aus­

legung, d. h. der geistigen Reproduktion ihres Gedankens, aber diese doch hauptsächlich, und es ist daher sehr erklärlich, daß, wenn ein Gesetzbuch überhaupt Auslegungsregeln geben will, es dieselben auf den Fall der

Zweifelhaftigkeit beschränkt, im Uebrigen aber diese Thätigkeit dem logischen Denken

des Richters überläßt.

Die Regeln

des A.8.R.,

die

sich

im

Wesentlichen an diejenigen anschließen, die das corpus Juris enthält, sind

nicht vollständig, aber es steht nichts entgegen, die letzteren anch für das

preußische Recht zu benutzen.

Das Objekt der Auslegung bei Verträgen

ist der übereinstimmende Wille der Parteien;

sie wird nöthig, wenn

die Parteien selbst über die Einigung streitig geworden;

den Inhalt deS

zwischen

so weit sie über

ihnen abgeschlossenen Vertrages

sind, geht ihre Erklärung desselben jeder anderen vor').

einverstanden

Das römische

Recht hat zwei Grundsätze ausgesprochen, von denen der eine sich aus

formelle,

der andere auf Konsensualverträge bezieht:

eS soll gegen den

Stipulator'), gegen den Verkäufer oder Vermiether4) interpretirt werden.

DaS heißt gegen den, der als der Urheber5) des Vertragsabschlusses an­

der Vertrag» enthält. Ins gemeine Recht ist aber diele Aufsassnng an» dem beut» schen Recht übergegangen. Stob b e S. 55. Das Ssterr. (§. 909 f.) und das sächs. Ges.B. (8.896.) gestatten e« auch den Parteien, durch Verabredung der Arrha die Bestimmung de» Reugeldes zu geben. Nach dem deutlchen H.G.B. Art. 285. ist die Arrha nur dann Reugeld, wenn eS vereinbart oder ortSgebräüch» lich ist. Sonst muß sie zurückgegeben oder angerechnet rocrbett. Ueber die Kon­ ventionalstrafe al« Reugeld f. §. 107. bei Note 63.

*) §. 12.43. S. 62. u. 198. «) Seuffert VI, 324. XVII, 126 XVIII. 30 (Auslegung nach der bisher belhä'tig» ten Erfüllung des Vertrages). 1. 219. de V. S. Deutsche« H.G.B. Art. 278. 279. •) 1. 27. D. XXXIV, 5. 1. 99 D. XLV, 1.: quia stipulatori liberum fuit, verba late concipere. 1. 38. §. 18. D. eod. *) 1. 39.1). II, 14. 1. 21. 33. D. XVIII, 1. 1. 172 pr. D. de R. J. Vergl. hiermit A.L.R. I, 21. §. 405.

•) 1. 96. D. de R. J.: in ambiguis orationibus maxime sententia spectanda est ejus, qui eas protulisset. 1. 21. D. XVIII, 1.: quia potuit apertius dicere. 1.39. D. II, 14.: in quorum potestate fuit, legem apertius divers.

§. 82.

5. Auslegung.

459

zusehen ist, gegen den, von welchem das Angebot ausgeht, der also haupt­ sächlich in der Lage ist, dem Vertrag seinen bestimmten Inhalt zn geben —

denn die Annahme ist an Inhalt und Umfang des Gebots geb'unden '). Die Zweifelhaftigkeit, die hierbei stehen geblieben, fällt dem zur Last, der

sie hätte vermeiden können.

indem eS sagt:

Den Grundsatz erkennt auch das A.L.R. an,

gegen den ist auszulegen, der sich zweideutiger Ausdrücke

bedient, der Vortheile begehrt, die für den errichteten Vertrag ungewöhn­ lich find'); es ist zu Gunsten des Verpflichteten (d. i. des Annehmenden), namentlich immer bei s. g. wohlthätigen (d. h. freigebigen, nicht bei allen einseitigen) Verträgen, auSzulegen; es ist mehr auf das zu sehen, was der Verpflichtete versprochen, als was der Berechtigte angenommen (d. h. gefor­ dert) hat. Die Entstehung des Vertrages vom ersten Anbieten bis zur Voll­

endung des Abschlusses geht aber oft nur allmälig vor sich, es werden be­ stimmte Stadien in diesem Vorgang zu unterscheiden sein und hier ist nöthig festzustellen, wodurch, in welchem Stadium die Willensetnignng sich vollendet hat, welche Erklärung als die den Bertragsinhalt bestimmende anfzufassen ist. Namentlich tritt dies ein bei Vertragsabschlüssen durch Briefwechsel"). Entscheidend für die Auslegung soll hier diejenige Erklä­ rung sein, durch die der Vertrag zuerst seine Vollendung erhalten, und ist dies nicht auszumitteln, so wird für das mindere Gebot dessen interpretirt, bei dessen Verbindlichkeit der Zweifel obwaltet. Die dem förm­

lichen Vertrag vorausgehende Punktation ist ein wichtiges Hilfsmittel der Interpretation. Es muß hierbei davon ausgegangen werden, daß der erstere die letztere nicht, oder möglichst wenig abgeändert hat, und so sind die undeutlichen Stellen des ersteren nach dem deutlichen Inhalt der letz­ teren zu erklären'). Zeigt aber das spätere Instrument deutliche Aende­ rungen oder Weglassungen, so kann nur dieses über den Vertragsinhalt entscheiden'").

Was sonst im Kontrakt unleserlich oder undeutlich aus­

gedrückt ist, muß nach den gewöhnlichen Regeln der Auslegung ermittelt

•) §. 83. I, 5. A.L.R. ’) Ein Beispiel Eni sch. B. 41. S. 34. 8) Wächter, im Archiv f. civil. Prax., B. 19. S. 114. Bei Vertragsabschlüssen unter Abwesenden ist für die Interpretation des Vertrages diejenige Erklärung zu Grunde zu legen, die der Proponent gegeben. ») 1. 134. §. 1. D. XLV, 1. A.L.R. I, 5. §. 263. >«) §. 264. 265. d. T. und §. 72.1, 4. Nach dem Grundsatz des A.L.R. 1,5. §. 127. ist anzunehmen, daß der formelle schriftliche Vertrag nicht durch die vorangegan­ gene Punklation ergänzt werden darf, »nd daß auch nicht gestattet ist, durch Ge­ genbeweis darzuihun, daß das Weggelassene doch noch gelten solle. Koch sieht dies als praesumtio Juris et de jure an. Nach gemeinem Recht, wo die Ur­ kunde nur ein Beweismittel ist, ist ein solcher Gegenbeweis zulässig. Seufsert Arch. B. 9. Nr. 223. B. 10. Nr. 242. Vorzug des jünger« vor dem ältern In­ strument: Strieth. B. 6. S. 231. B. 16. S. 174. Ueber Weglassungen im förm­ lichen Kontrakt Strieth. B. 34. S. 287.

Zweites Buch.

460 werden").

Die besonderen Privatrechte.

Zahl, Maß, Gewicht bestimmt sich nach dem Ort der Ueber-

gabe (der Erfüllung)");

Geldsummen werden nach der Münzsorte des

Zahlungsortes") berechnet und soll davon abgewichen werden, so muß eS

im schriftlichen Vertrag bestimmt sein, weil es sonst als mündliche Neben­ abrede keine Berücksichtigung finden kann “).

Im Zweifel ist aber immer End­

anzunehmen, daß der Vertrag auf Silbercourant geschlossen worden.

lich noch zwei Regeln: erhellt nicht klar, daß der eine Theil freigebig habe sein wollen, so sollen Leistung und Gegenleistung als verhältnißmäßig an­ genommen werden "), und wenn ein Kontrahent „alle" Gefahr und Scha­

den zu tragen versprochen, so sollen ihm auch die ungewöhnlichen Zufälle zur Last fallen, d. h. es soll nichts darauf ankommen, ob sie mehr oder

weniger selten sind").

C. Wirkung. 8.83.

».Erfüllung.

A.L.R. I, 5. §. 270—276. 230—251. Heydem. I. S. 230. 232. 236. Gruchot I. S. 512. 520. 527. Bornem. II. S. 303. v. Daniel« II. S. 299 — 306. Koch, Pr.R. II. S. 69. 72. 195. R. d. F. II. S. 386. 387. — Unterho lzner I. S. 221—229. Vangerow III. S. 303. Sintenisll. S. 148. Seusfertll. S. 108 f. Windscheid II. §. 342. f. S. 263. Keller, noch etwa« über die Exceptiones non impleti und non rite impleti contractus, in Bekker 'S und Muther'S Jahrb. B. 4. S. 337.

Es gehört zum Begriff des persönlichen Rechts, insbesondere also auch des Vertrages, nur

als

vorübergehendes Mittel zu

gelten,

was'

bedeutungslos wird und gleichsam wie eine losgelöste Schale abfällt, wenn

der Zweck erreicht worden.

aufhören:

Das Vertragsverhältniß muß nothwendig

cs findet sein Ende entweder durch Erfüllung — sein Zweck

ist erreicht, oder durch Aufhebung — sein Zweck ist nicht erreicht.

Die naturgemäße Wirkung des Vertrages ist, daß er den Anspruch

aus Erfüllung (solutio im w. S.) erzeugt. Erfüllen-Heißt dasjenige dem Gläubiger leisten, was der Gegenstand des Vertrages ist. Die Lei­ stung individualisirt sich nach der Natur oder "dem Inhalt des Vertrages. **) ’2) *3) ") 15) ")

§• 130. d. T. Strieth. B. 31. S. 301. I. 71. D. XVIII, 1. .1. 34. D. de R. J. 1. 3. D. XLII, 5. S. Savigny, Obl.R. I. S. 447. Enlsch. B. 4. S. 65. §. 259. d. T. §• 260. d. T. Eine Anwendung in §. 9.10.1, 21. Die älteren Ausgaben des A.L.R. bis 1817 hatten: ungewöhnlichste. Der Sinn ist kein anderer. So hat es auch die ältere Praxi» aufgesaßk. Mathis, jurist. MonatSichr., B. 10. S. 501. Koch, R. d. F. I. S. 214. will mit Rücksicht aus §. 594.1, 21. noch die Dreitheilung in gewöhnliche, ungewöhnliche (d. h. „alle") und ungewöhnlichste Zufälle sesthalten. S. dagegen Heydem. S. 236., der mit Recht 8.594. nur als einzelne Ausnahme ansieht, u. Gruchot S. 523.

§. 83.

a. Erfüllung.

461

Die Erfüllung muß daher genau und vollständig dem Inhalt und Gegen­

stand desselben entsprechen ')i An sich unwesentlich ist es, wenn nicht be­ sondere Festsetzungen oder die Natur der Leistung etwas Anderes bedingen, wer erfüllt, ob der Schuldner oder an seiner Statt ein Anderer,

ein

Stellvertreter') — wesentlich ist nur, daß der Gläubiger dasjenige erhalte, was er nach Inhalt des Vertrages zu fordern ein Recht hat, daß er es

ganz und vollständig erhalte.

Ganz und vollständig: es darf ihm weder

etwas Anderes anstatt des geschuldeten Gegenstandes'), noch auch dieser

stückweise4*)* geleistet * werden.

Andererseits muß der Gläubiger das nehmen,

was ihm geschuldet wird, er darf nicht mehr seinen Entschluß ändern und ein Anderes fordern.

Aber er kann stückweise Erfüllung verlangen'),

wobei dem Schuldner nur freidleibt, statt des Stücks oder Theiles das

Ganze zu leisten'). Bei einseitigen Verträgen giebt es nur eine Leistung; bei gegen­

seitigen

begegnen sich Leistung und

Gegenleistung.

Hier entsteht die

Frage, ob die Leistung von der einen Seite Bedingung für die Leistung

von der anderen Seite ist.

Es ist zweierlei denkbar: entweder beide Lei­

stungen kreuzen sich, Zug um Zug, gleichzeitig müssen sie erfolgen — dies bildet die Regel; oder die eine Leistung hat die Natur einer Vorleistung. Im letzteren Fall ist eö unzweifelhaft, daß die Nachleistung erst verlangt

werden darf, wenn die Vorleistung geschehen, z. B. bei Miethe und Pacht. Im-ersteren Fall dagegen, z. B. beim Kauf, ist kein Theil verpflichtet,

eher zu leisten, als bis der andere leistet, kein Theil ist verpflichtet, dem

andern auch nur auf kurze Zeit zu kreditiren. Deßhalb ist bestimmt: „Wer die Erfüllung eines Vertrages (b. h. eines gegenseitigen) fordert,

muß nachweisen, daß er demselben von seiner Seite ein Genüge geleistet habe, oder warum er dazu erst in der Folge verbunden sei" 7).

Der

Ausdruck dieses Gesetzes ist insofern mangelhaft, als im ersten Fall der Nachweis, daß schon erfüllt worden, vom Kläger nur dann zu verlan­

gen, wenn er zur Vorleistung verpflichtet war, bei der Erfüllung Zug

') 1? 2. §. 1. D. XII, 1. 270. A.L.R. d. T. Misch. B. 12. S. 153. Strieth. B. 27. S. 374. B. 30. S. 129. Bergt. 1. I I. §. 25. v. de leg. II. ’) Unterholzner S. 22t. 1. 31. pr. D. XLVI, 3. ') 1. 2. §. I. in f. D. XII, 1. 1. 11. §. 24. cte leg. III. 1. 16. C. VIII, 43. §. 11. I, 16. A L R. Eine Beschränkung: Strieih. III, 325. S. auch XII, 33. das. — Geuffert V, 263. 4) 1. 41. §. 1. D. XXII, 1. 1. 13. §. 8. D. XIX, I. 1. 6. C. VIII, 43. §. 57. I, 16. A L.R. ■ 5)* Dies folgt auS 1. 21. de R. J. non licere.

Non debet, cui plus licet, quod minus est,

*) Sintenis il. S. 54. Anm. 41. Verordn, v. 8. Febr. 1811 (Ges.S. S. 150.) ■ Strieth. IV. S. 233. ’) §. 271. 232. d. T. §. 22. 23. I, 16.

462

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

um Zug muß aber das Erbieten genügen, bei Empfang der Leistung gegen­

zuleisten.

Der Sinn ist jedoch unzweifelhaft: der Kläger muß entweder

behaupten und demnächst beweisen, daß seine schuldige Gegenleistung bereit­ geschehen, oder er muß sich zur Leistung Zug um Zug erbieten, oder end­

lich er hat zu behaupten und nachzuweisen, daß dem Beklagten die Vor­ leistung obliegt. ES kann ferner nach der Fassung des §. 271. nicht zweifelhaft sein und wird von der Praxis jetzt auch übereinstimmend an­

genommen, daß diese Behauptungen und dieses Erbieten in der Klage selbst stattfinden °) und daß nach den eigenthümlichen Grundsätzen des preußischen Prozesses, soweit die Behauptungen eines Nachweises bedürfen,

die Beweismittel schon in der Klageschrift angegeben sein müssen').

Es

kann endlich nicht bezweifelt werden, daß, wo ein Erbieten zur Erfüllung Zug um Zug nothwendig ist, das Fehlen dieses Erfordernisses die Ab­

weisung der Klage, sei es zur Zeit oder in der angebrachten Art, noch nicht rechtfertigt, der Richter vielmehr, weil in dem Antrag auf Verurtheilung des Beklagten ohne jenes Erbieten nur ein Zuvielfordern liegt,

ermächtigt und verpflichtet ist, die Verurtheilung herabzusetzen auf daSo ausgelegt befreit

Mindere, auf die gegenseitige Leistung Zug um Zug.

der tz. 271. das preußische Recht von einer sehr lästigen Streitfrage des

gemeinen Rechts, die trotz einer fast unübersehbaren Litteratur noch zu keinem Abschluß gekommen, nämlich von der, ob der Widerspruch deS Be­

klagten, der Kläger habe erst noch zu leisten, eine Einrede oder ein An­ griff auf die Schlüssigkeit der Klage selbst, also Klagverneinung sei '"). Nach preußischem Recht ist er Verneinung, nicht Einrede u), und man

wird auch nach gemeinem Recht dies annehmen müssen, weil die Ansicht, der 8) Heydem. S. 37. Auch in der gemeinrechtl. Praxis: Sens f ert VIII.299. Nur erbieten, nicht vorleisten: dal- XV, 14. ’) A.G O. I, 5. §. 17. Nr. 2. *•) Wegen der gemeinrechtl. Litteratur sei verwiesen auf Banger»» III. S. 304. II. ©eine Hoffnung, daß die Einrede-Theorie von Heerw art (Arch. f. civ. Pr. VII. S. 335) die herrschende Meinung werden werde, scheint nicht in Erfüllung gehen zrr wollen, da Keller (a. a. O.) mit besten Gründen sie wieder bekämpft hat, darum so überzeugend, weil er znrückgreift aus die Natur der Gegenleistungen, die nicht zwei Leistungen neben einander sind. Entscheidend verwirft die Ansicht, daß «ine Einrede vorliege, 1.13. §. 8. D. XIX, 1.: offerri pretium ab emtore debet, quum ex emto agitur, et ideo et si pretii partem offerat, nondum eat ex emto actio. Ueber andere Stellen, die theils unterstützen, theils zu wi­ dersprechen scheinen, f. Keller a. a. O. Neuerdings sind gegen ihn und für di« Eiuredeiheorie wieder ausgetreten: W. A. Puchta und Better in des letzteren n. Muther's Jahrb. B. 5. S. 94.116. Beiden ist es aber doch nicht gelungen, die Sonderlichkeit, daß bei der exc. n. i. c. der Kläger, also nicht der Excipient, die Beweislast habe, genügend zu erklären. Das O AG. Kastel führt aus, die f. g. Einrede des nicht erfüllten Vertrages fei zwar nicht Verneinung des Klage­ grundes, aber Verneinung der Verletzung des Klägers. Heuser, Ann. VII. 595. Vergl. noch Seuffert, Pand. II. S. 109. Note2. 3., der reiche Nachweisungen über die gemeinrechtl. Praxis giebt. ") Förster, Klage und Einrede, S. 380. Heydemann S. 237.

8- 83.

a. Erfüllung.

463

Widerspruch des Beklagten sei eine wirkliche Einrede (exceptio non impleti contractus) sich nut darauf stützen kann, daß selbst bei gleichzeitiger Er­

füllungspflicht Leistung und Gegenleistung neben- oder nacheinander selb­

ständig verlangt werden können, was offenbar dem Wesen solcher Verträge widerspricht.

Denn kein Theil ist hier berechtigt, vom anderen die Lei­

stung zu verlangen, ohne nicht zugleich selbst zu leisten, die eine Verpflich­ Es knüpft sich hieran noch die weitere Frage, ob eS eine von der Einrede des nicht erfüllten Vertrages verschie­ dene Einrede deS nicht gehörig erfüllten Vertrages (exceptio non rite tung hängt von der anderen ab.

adimpleti contractus) giebtlz).

Die Existenz der letzteren ist nicht damit

verneint, daß dir Existenz der ersteren verneint wird — sie kann ein

selbständiges Dasein zu besonderen Zwecken haben. Zwar wird sie oft denselben Zweck verfolgen, den man mit der s. g. exceptio, non impl. c. erreichen will, nämlich den Anspruch des Klägers auf Vorleistung zu be­ seitigen, und in diesem Fall ist sie ebensowenig eine Einrede; hier steht sich die Nichterfüllung mit der nicht vollständigen Erfüllung ganz gleich. Man kann aber mit ihr auch selbständige Zwecke verfolgen, z. B. die Ver­ weigerung eines entsprechenden Theils der eignen Leistung bis zur voll­

ständigen oder verbesserten Erfüllung, die man vom Kläger verlangt, oder bis zur Leistung der Gewähr, wenn diese nicht genügend erfolgt ist: iv diesen Fällen ist sie eine Einrede, eine Anwendung der exceptio doli13). Sie setzt dann voraus, daß der andere Theil im Wesentlichen schon erfüllt hat. ES kann sich auch die Einrede als die Geltendmachung einer Gegen­ forderung (exceptio compensationis) charakterisiren, wenn z. B. wegen

der mangelhaften Erfüllung oder der fehlenden Gewährleistung eine Esttschädigung beansprucht wird, und sie kann der Grund zu einer Wieder­ klage auf Aufhebung des Vertrages werden. Entscheidend ist die Beweis­ last: sie fällt dem Kläger zu, wenn der Beklagte keinen selbständigen An­ spruch durchsetzen will, und hier ist die Einrede deS nicht gehörig erfüllten

Vertrages nur Verneinung; sie fällt dem Beklagten zu, wenn er auf Grund der mangelhaften Erfüllung einen

selbständigen Anspruch erhebt,

*2) Auch hierüber viel Streit. Vangerow S. 306. IV. Dazu noch die Anden, tungen von Keller S. 369. Dagegen Puchta und Better (s. oben Note 10.), welche eine von der exc. n. i. c. verschiedene exc. n. rite i. c. bestreiten. Das O A.G. Dresden (Zeitschr. f. Rpfl. und Verw. N.F. XVI. S. 150. Ann. I. 217.) betrachtet die exc. n. rite i. c. als peremtorische Einrede, das O.Trib. Stuttgart (Würt. Arch. B. 6. S. 164.) als dilatorische. “) Heuser, Ann. II, 696. DaS Wesen der exc. non rite besteht in einer fehler­ haften Leistung. Unklar ist die Entscheidung bei Seufsert VI, 169.. wo die exc. non rite verworfen wird, wenn die Leistung angenommen und der Empsänger auf die Gegenleistung belangt wird. Letzterer wird darauf verwiesen, jm Wege der Einrede (?) Aushebung des Vertrage« oder Minderung des Preises oder Entschädigung zu verlangen. Die Aushebung des Vertrages oder Entschädigung kann durch eine Einrede nicht erreicht werden, dies setzt einen selbständigen Angriff voraus, und die Preisminderung wird grade durch die exc. non rite erstrebt.

464

Zweite- Buch. Die besonderen Privatrechte.

und hier ist sie eine wirkliche Einrede. In der preußischen Praxis ist auch die Möglichkeit einer solchen besonderen Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages anerkannt").

Bei der Erfüllung der Verträge sind noch drei Momente inS Auge zu fassen: der Gegenstand, die Zeit und der Ort der Erfüllung.

a. Der Gegenstand "). Statt der „durchaus bestimmten" Sache (Individuum, species) darf keine andere aufgedrungen werden. Dies ist nicht nothwendig eine Einzelsache, auch eine Mehrheit, nur muß sie in irgend einer Weise durchaus bestimmt, also nicht bloß als Quantität ver­ sprochen sein, z. B. der Wein in bestimmten Schläuchen oder Gebinden,

das Grundstück mit dem gesammten Inventarium").

Sind Quantitä­

ten (genug) Gegenstand der Leistung, so müssen sie von mittlerer Art und Güte gegeben werden "). Ist von mehreren bestimmten Sachen oder Quantitäten die eine oder die andere zu leisten, so hat der Schuldner die

Wahl. Daß die getroffene Wahl nicht mehr geändert werden darf, folgt daraus, daß sie das die Leistung bestimmende Moment ist. Sobald ge­ wählt, ist die Sache „durchaus bestimmt", es darf nun keine andere ge­ leistet werden "). Wie sich die Verpflichtung zur Leistung in den Fällen

gestaltet, wo absolute oder relative Unmöglichkeit oder Untheilbarkeit vor­ liegt, ist §. 66. 67. besprochen "). Auch Handlungen müssen genau nach dem Inhalt des Vertrages erfolgen, und es ist dem preußischen Recht eigenthümlich, daß ihre Vornahme direkt erzwungen werden kann "). Frei") Die preuß. Praxis beschränkt den §. 271. auf die Fälle, w» der Vertrag über­ haupt noch ju erfüllen. Wo dies im Wesentlichen schon geschehen, und es sich nur noch um Einzelheiten handelt, wird die exceptio non rite adimpleti contractus gegeben, tue nicht die Abweisung deS Anspruchs auf ganze Gegenersüllung, sondern nur soweit die Bemängelung reicht, also theilweise Abweisung erreichen läßt. Präj. 857. 1174. (Sammt. I. S. 14.). Entsch. B. 6. S. 229. B. 11. S. 190. Beispiele der Anwendung der s. g. Einrede deö nicht erfüllten und der Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages können aus der Praxis in großer Anzahl beigebracht werden. S. Heydem. S. 238. Strieth. I, 6.7.75. III, 65b. 86. VI. 140. 259. X, 39. XI, 347 b. 350. XII, 125. XX, 71a. 73. XXI, 200a. XXVII, 23b. 30. XXXIII, 37. RechtSfälle I, 154. 162. 214. Entsch. B. 17. S. 184.187. u. s. w. Unrichtig, die ex. non rite a. c. nach preuß. R. ganz zu verwerfen, wie bei Förster S. 380. Bei Seussert V, 147 ist sie bezeichnet als ein Entschädigungsanspruch in Form einer Einrede. ») 273-276. d. T. §. 11. 1,16. Zur Vergleichung: I, 11. §. 900.928.1, 13. §. 37. 1,14. §. 24. 121. 16) 1. 2. C. IV, 48. SeehandlungSprämienscheine sind durch die Nummer individuell bestimmt. Strieth. B. 19. S.57. 17) Ueber den Begriff der Quantitäten s. oben $.21. S. 100. §.65. S. 358. 19) Ueber alternative Oblig. oben §. 65. S. 359. ") S. 362. 366. ao) Exek.Ges. v. 4. März 1834. Dem gemeinen Recht ist dieses Zwangsverfahren fremd. Die Verurtheilung muß auf die aestimatio gerichtet werden. §. 7. J. III, 15. Nur wenn die Handlung auch durch einen Dritten verrichtet werden kann, läßt man sie durch diesen vornehmen und treibt die Kosten vom Ver­ pflichteten bei. Bayer, Vorträge über den gem. ord. Civ.Proz-, 8. A. S. 1117. Wetzell, Syst. des Civ.Proz., l.A. S 492.

a. Erfüllung.

§. 83.

465

lich ist dieö oft nur ein versuchter Zwang, und schließlich doch die Ent­ schädigung wegen verweigerter oder schlecht geleisteter Handlung in An­

spruch zu nehmen. b. Die Zeit der Erfüllung ").

Ls muß rechtzeitig erfüllt werden").

Zunächst steht es in der Willkür der Parteien, für die Erfüllung eine be­ stimmte Zeit festzusetzen, entweder einen Zeitraum, innerhalb welches, oder einen Tag, an welchem geleistet werden muß. Im ersten Fall hat der Schuldner das Recht, an jedem Tage des Zeitraums zu leisten, der Gläu­ biger kann erst am letzten Tage fordern").

Im zweiten Fall hat das

preußische Recht die Regel des römischen, daß der Tag zu Gunsten des Schuldners festgesetzt sei"), nicht angenommen, vielmehr beide Theile an

den Termin gebunden; nicht bloß der Gläubiger darf nicht eher fordern, sondern auch der Schuldner nicht eher leisten *6). Eine verfrühte Leistung

befreit ihn nur, wenn sie der Gläubiger ohne Vorbehalt angenommen, sonst bleibt er verhaftet für den Zufall, der die Sache treffen kann, und

wenn eine Handlung Gegenstand des Vertrages gewesen, muß sie zu rech­ Kann es nicht geschehen, so erwächst ein Entschädigungsanspruch, auf welchen jedoch die Vortheile abgerechnet wer­ den, die die frühere Leistung dem Berechtigten etwa schon gebracht hat. Haben die Parteien in unbestimmten Ausdrücken die Zeit vereinbart”), ter Zeit wiederholt werden.

und zeigen diese die Absicht auf nahe Erfüllung, so kann sie jederzeit ge­ fordert werden ’7). Ist „nach Möglichkeit oder nach Gelegenheit" die Lei­

stung versprochen, so unterscheidet das A.8.R. in sehr unnöthiger Weise,

wo schon vor diesem Versprechen eine Vertragspflicht vorhanden war, z. B. wenn es bei einer Fristbewilligung oder einer Mahnung gegeben, und wo dieses Versprechen in dem Vertrage selbst enthalten ist, mit der 1B) Ueber alternative Oblig. oben §. 65. S. 357. ") S. 360. 364. so) Exek.Ges. v. 4. März 1834. Dem gemeinen Recht ist dieses Zwangsverfahren fremd. Die Berurtheilnng muß auf die aestimatio gerichtet werden. §. 7. J. III, 15Nur wenn die Handlung auch durch einen Dritten verrichtet werden kann, läßt man sie durch diesen vornehmen und treibt die Kosten vom Verpflichteten beiBayer, Vorträge über den gern. ord. Civ.Proz., 8. A. S. 1117. Wetzell, Syft. des Civ.Proz., 1. A. S. 492. “) §. 230—246. d. T. 41) §. 15. I, 16. «) §. 2. J. III, 15. §. 26. J. III, 19.

M) 1. 38. §. 16. D. XLV, 1.: certa die promissum vel statim dari potest: totum enim medium tempus ad solvendum liberum promissori relinquitur. 1. 41. §. 1. eod.: diei adjectionem pro reo esse, non pro stipulatote. 1.137. §. 2. eod. Ebenso bei Auflagen an den Erben: 1. 17. de R. J. ,s) §. 241 f. d. T Vergl. I, 11. §. 758. 935. 1, 16. §. 16. Ausnahme 1,12. §.330. Vergl. D.H.G B. Art. 334. ") §. 235 f. d. T. Beispiele auS dem röm. R. 1. 41. pr. 1. 42. D. XLV, 1. 1. 17. §. 3. V. XL, 4. 1. 217. §. 1 de V. 8.

") Auch bei freigebigen Verträgeu.

Strieth. IV. S. 174.

Förster, Preuß. Privat»echt. I. 2. Aust.

466

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

Begründung der Schuld zusammenfällt.

Dort soll der Richter die Zeit

der Erfüllung bestimmen — wie sich von selbst versteht, durch Erkenntniß nach verhandelter Sache"); hier hängt die Bestimmung vom Verpflichte­

ten ab").

In allen Fällen, wo'der Willkür deö Schuldners die Zeit der

Erfüllung anheimgegeben worden, muß der Gläubiger bis zu'dcssen Tod warten und sich an dessen Erben halten 30). Dies führt natürlich nist zur Erfüllung, wenn sie der Erbe leisten kann; anderen Falles verliert der Vertrag durch den Tod des Schuldners seine Kraft.

Ist endlich von den

Parteien über die Zeit nichts festgesetzt, so entscheidet nach römischem Recht

daß sogleich zu leisten 3I). Das A.L.R. sagt: „so tritt die richterliche Bestimmung ein" ”). Müßte man dies dahin ver­

die sehr natürliche Regel,

stehen, daß der Richter in allen Fällen die Erfüllungszeit festzusetzen habe, so wäre im Gesetz Unsinn ausgesprochen. Näher angesehen liegt dies aber

nicht in den Worten.

Die richterliche Bestimmung (durch UrtheilSsprnch)

soll eintreten, wenn die Parteien über die Zeit in Streit gerathen sind. Und das versteht sich von selbst. Für sein Urtheil bleibt jene in der Natur der Sache begründete römische Regel, daß sogleich zu erfüllen, vor Allem maßgebend und nur wo die besonderen Umstände es rechtfertigen, kann er den Termin angemessen hinausschieben (modicum tempus)33). Bei bloß wohlthätigen (freigebigen) Verträgen, zu denen die belohnende

Schenkung nicht zu rechnen ist34), bestimmt der Verpflichtete die Zeit, nur darf die Erfüllung dadurch nicht vereitelt werden. In keinem Falle ist

die Erfüllung zu einer ungelegenen Zeit zu fordern oder anzubieten; m>-

r«) Strieth. III. S. 270. Rechtssälle IV. S. 305. n) Rechtssälle III. S. 177. Strieth. B. 48. S. 315. Dem gerneinen Recht ist natürlich eine solche Kasuistik völlig fremd. ,,Quum commodissiinum erit“ heißt soviel quum prim um sine turpitudine et infamia dari possit. 1. 79. §. D. XXIII, 3. Und: ad id quod actum est, Interpretationen) redigendam esse. 1. 125 de V. 8. DaS ist das allein Vernünftige. Das gemeine Recht gewährt bei Ausdrücken, die die Erfüllung nach Möglichkeit seflsetzen, eine zweijährige Frist. Seuffert B. 9. Nr. 15. Vergl. B. 8. Nr. 240. 80) Seine Verbindlichkeit geht dann nur dahin, daß er fortan nichts thut, was die künftige Erfüllung unmöglich machen kann. tz. 239. d. T. Die Crfüllungszeit muß aber lediglich vom Willen des Schuldners, ihre Bestimmung darf nicht von dem Eintritt eines Ereignisses abhängen, selbst wenn dieses der Schuldner will­ kürlich herbeiführen könnte. S. Gruchot S. 518. Nr. 3. Einseitig darf der Schuldner nicht durch letztwillige Verfügung die Erfüllung noch über seinen Tod hinausschieben. Eutsch. B. 56. S. 24. Strieth. B. 62. S. 65. Das Warten bis zum Tode auch schon nach röm. R. 1. 11. §. 6. de leg. III. 1. 4. D. XIX,2. Seuffert B. 3. Nr. 151. Sl) I. 14. D. de R. J.: In omnibus obligationibus, in quibus dies non ponitur, praesenti die debetur. 1. 41. §. 1, D. XLV, 1. Deutsches H. G.B. Art. 326.

82) §. 230. d. T. G ru cho t S. 512. 3S) § 231. 234. d. T. Z. B. wenn der Schuldner an den Zahlungsort Hinreisen muß, 1. 41. §. 1. D. XLV, 1., wenn ein Bau auSzusühren, 1.14. 73. 98. §. 1. eod., wenn sich die Erfüllung auf eine künftige Sache bezieht, 1. 73. eod.

84) Strieth. IV, 174.

§. 83.

a. Erfüllung.

467

gelegen wird aber die Zeit zu nennen sein, wo man derartige Geschäfte

nicht abzumachen pflegt").

Endlich kann die Zeit auch als Bedingung

von den Parteien gewollt sein — dann ist der Berechtigte nach vergeb­ lichem Ablauf nicht mehr verpflichtet, die Erfüllung anzunehmen und ge­

genzuleisten, der Vertrag ist aufgelöst. c. Der Ort der Erfüllung").

Der richtige Ort bestimmt sich ent­

weder durch die Natur der Leistung, wenn sie nur an einem bestimmten Ort geschehett kann, z. B. die Uebergabe eines Grundstücks, die Herstellung eines Werks an einer bestimmten Stelle, oder, wo dies nicht der Fall, nach Umständen, die der Richter, wenn die Parteien den Streit darüber

vor ihn bringen, zu würdigen hat 37 3 *)J * * 40 Sonst 41 entscheidet bei lästigen Ver­ trägen, wenn die Leistung ein Geben33) ist, die Wohnung33) des Gläu­

bigers, wenn die Leistung ein Thun ist, die Wohnung des Schuldners zur Zeit des Vertragsabschlusses; bei freigebigen Verträgen immer der

Ort, wo der Verpflichtete sich aufhält33).

Unter mehreren Orten hat der

Schuldner die Wahl3'). An einem anderen Orte, als welcher im Ver­ trage bestimmt worden, kann der Gläubiger die Zahlung nicht verlangen, es sei denn, daß er dem Schuldner den Schaden ersetzt, den dieser da­ durch erleidet*). Nichterfüllung oder mangelhafte Erfüllung wirken verändernd

auf das Schuldverlhältniß, die Leistung

verwandelt oder erweitert sich.

Davon wird später zu sprechen sein33). 3S) Seussert I, Nr. 204. Die aus den Umständen zu ermessende Billigkeit muß entscheiden. Deutsch. H.G.B. Art. 332. 86) 247—251 d. T. §.27.1,16. Bethmann-Hollweg, Versuche, S. 17. Savigny, System, B. 8. §. 370. 371. Oblig.R. I. S. 509 f. Mommsen, Bei­ träge z. Obl.R. B. 3. S. 213 f. Reatz, die Lehre vom Erfüllungsort, 4862. 87) Locus non inopportunus 1. 39. D. XLVI, 3^ Ausdrückliche Festsetzung der Par­ teien: qui certo loco dare promittit, nullo alio loco solvere invito stipulatori potest. 1. 9. D. I, 13. Preuß. Praxis: Entsch. B. 41. S. 30. Strieth. B. 16. S. 344c. 352. B. 33. S. 311. Deutsches H.G.B. Art. 324. 325. 88) Auch Zahlungen: Strieth. B. 15. S. 108. 89j Strieth. B. 15. S. 200. Unten §.91. Note 43. Iust.Min.Bl. 1840. S. 254. A.L.R. I. 16. §. 52. 40) Reatz führt die Sätze auS: bei Verträgen, die dem Gläubiger Vortheil gewähren, ist der Erfüllungsort beim Schuldner; bei Verträgen zum Vortheil des Schuld' nerS ist er beim Gläubiger; waS die Verträge zu beiderseitigem Vortheil betrifft, so hat beim Kauf der Käufer die Waare abzuholen und'den Preis zu bringen (vergl. Jhering in s. Iahrb. B. 4. S. 421 f.). Der Miether muß ebenfalls abholen und zurückbringen, und dem Vermiether auch den Miethzins bringet. Endlich bei Obligationen, bei welchen kein Theil einen Vortheil hat, z. B. bei dem Schadenersatz-Anspruch aus Delikten, muß die Erfüllung dem Gläubiger ge­ bracht werden, dagegen muß der Gläubiger sich die Erfüllung holen, wenn die Obligation in einem Zurückgeben besteht. 41) 1/2. §. 2. 3. D. I, 13. (bis zur Klage; aber nach neuerem Recht, insbesondere nach preußischem bis zur Exekution). *) Seussert II. 157. Der Schuldner kann dem Gläubiger, wenn über den Zah­ lungsort nichts festgesetzt, überall, wo opportunus locus ist, zahlen. Seussert X. 24. ") Unten §. 106.

468

Zweites Buch.

b.

Die besonderen Privatrechte.

Gewährleistung.

A L R. I, 5. §. 317 — 348. (die allgemeinen Grundsätze). I, 11. §. 135 — 214. (Kauf). §.344. (nothwend. Verkauf). §. 367 — 372. (Tausch). §. 420-441. (Session). §. 484—486. (Erbschaftskauf). §. 875. (Verträge auf Handlungen gegen Sachen und Rechte). §. 1083. 1084. (Schenkung). I, 12 §. 301. (Vermächtuiß). I, 16. §. 242. (Angabe an Zahlungsstatt). I, 17. §. 97—100. 126. (Theilung des gemein­ schaftlichen Eigenthums). I, 20. §.23. (Pfandvertrag). I, 21. §. 84. (Nießbrauch). §. 272.273. 417—432. (Pacht). A.G.O. I, 17. (Litisdenunziation). — H eydem. I. S. 249. Grnchot II. S. 299. 463. IX. S. 403 sg. X. S. 105 sg. Bornem. II. S. 331. v. Daniels II. S. 311. Koch, Pr.R. II. S. 196. R. d. F. II. S. 401. ArndtS, jur. Wochenschrift, 1838 S. 321. 524. 745. 761. Roloff, jurist. Wochenschr. 1848. S. 409. Plathner, Geist des pr. R. I. S. 200. 1 UnterHolzner II. S. 260. 263 f. und I. S. 288 f. v. Vangerow II. S. 322.

331. Arndts S. 488. 493. SinteniS II. S. 606. 622. Seuffert, prakt. Pand.R. 4. A. 1863 II. S. 82. 91. Wiudscheid II. § 391—395. S. 423 fg. Heyse und Cropp, Abhandl. B. 1. 1827 S. 163.: Die Gewährleistung für Mängel der gekauften Sache nach germ. Rechten. Müller, die Lehre des röm. R. v. d. Eviktion, 1851, I. Th. Liebe im Rechtslexikon IV. S. 811. Bekker, zur Lehre v. d. Eviktionsleistung, in s. und Muther's Iahrb. B. VI. S. 229. (1863). — Ueber Litisdenunziation: Koch, R. d. F. II. S. 427. Dessen CivilProzeß S. 78. 79. Böle im ArnSb. Arch. B. 7. S. 99. Förster, Klage und Einrede S. 70. Hesster, Preuß. Civilprozeß, 1857. S. 305. — Heimbach int RechtSlex. B. 6. S. 729. Dernbnrg, Etwas über die Streitverkündigung in der Zeitschr. s. Civ.R. u. Pr. N. F. II. S. 1. 1846. Fuchs, zur Lehre v. der Litisdenunziation im Arch. f. prakt. N. W. B. 2. S. 337. (1854). B. 1. S. 1. (1855). — Zachariä (Anschütz) II. S. 252.380.

§. 84.

Allgemeines.

Die Erfüllung, wie sie §. 83. darstellt,

ist nur das Geben oder

Thun an sich, als äußerliche Thatsache'). Sie genügt nicht, um die dem Schuldner obliegende Leistung vollständig zu erschöpfen. Es kann die Be­

friedigung des Gläubigers immer noch eine nur scheinbare sein;

um sie

zur wirklichen zu machen, gehört noch ein mehr innerliches Moment:

i

der Schuldner muß dafür einstehen, daß der Gläubiger die ihm gegebene Sache nach dem Inhalt deS Vertrages, der den Zweck der VermögenS-

!

erweiterung ausdrückt, gebrauchen und behalten kann. Dies ist die Pflicht

zur Gewährleistung. Im weiteren Sinn kann sie zwar auch als zur Erfüllung gehörig aufgefaßt werden, und so geschieht es im A.L.R/), nur

darf dabei nicht übersehen werden, daß ihr die äußerlich erkennbare Er­ füllung, das Hingeben (tradere), bereits vorangegangen sein muß, ehe sie

*) 1. 107. D. XLVI, 3.: naturaliter resolvitur obligatio, veluti solutione. 2) §. 317. d. T.

Gewährleistung.

§. 84.

Allgemeines.

469

in Anspruch genommen werden kann, daß sie in diesem engeren Sinne

einen bereits erfüllten Vertrag voraussetzt').

DaS römische Recht kennt zwei verschiedene Institute, die Gewähr­ leistung für Fehler der Sache nach dem Edikt der Aedilen, und die Gewährleistung für Entwährung (Eviktion), beide Institute in

den Quellen hauptsächlich in Beziehung auf den Kauf entwickelt, aber auch schon im römischen Recht, mehr noch im heutigen gemeinen von allgemei­ nerer Anwendung. I. Die Gewährleistung für Fehler konnte zwar schon mit der Vertragsklage gefordert werden,

aber mit der Einschränkung, daß auf Seiten des Gebers ein Verschulden (dolus oder culpa) vorliege» mußte,

daß er die besiere Eigenschaft besonders versprochen4*),5 * *oder, den Mangel

kennend, ihn verschwiegen hatte'). Diese Beschränkung der Vertragsklage beseitigte das Edikt der Aedilen, welches auch gegen den venditor ignorans Rechtsmittel gab').

Die Erweiterung war aber nicht durchgreifend.

DaS Edikt betraf nur Kauf und Tausch7) von Vieh und Sklaven nnd bezog sich nur auf Körperfehler im Allgemeinen und auf einige Seelen­ fehler bei Thieren (und Sklaven), während das Civilrecht die Vertrags­

klage wegen aller Fehler und bei allen Verträgen auf Treu und Glauben gab. So sonderte sich eine Klasse s. g. Ediktsfehler aus. DaS Rechts­ mittel des Edikts war ein doppeltes: ein Anspruch auf Herabsetzung der

Gegenleistung mit der Minderungsklage (actio quanto minoris s. aestimatoria) und ein Anspruch auf Aufhebung deS Vertrages mit der Wandelklage (a. redhibitoria), zwischen

denen

der Käufer wählen

konnte'), während die Kontraktsklage immer nur auf Ersatz des Interesse

ging ’).

Jene beiden Klagen waren in kürzerer Zeit verjährbar, die erste

in einem Jahr, die zweite in sechs Monaten *°). Die Kontraktsklage ver­ Daß das gesonderte

blieb der gewöhnlichen Verjährung von 30 Jahren.

Nebeneinander der Vertragsklage und der ädilischen Klagen sich nicht er­

halten konnte, lag in der Natur der Sache;

die erstere wurde von den

letzteren beeinflußt und wieder die letzteren wurden nach dem Vorbild der

ersteren aus ihrer engen Umgrenzung herausgerissen:

es erhielt der An-

') Sich- hierüber Grucho t II, 289 s. Entsch. B. 11. S. 190. Schles. Arch. III. 633. bei Nr. II. *) 1. 6. §. 4. 1.13. §. 3. D. XIX, 1. 1. 45. D. XVIII, 1. 1. 15. D. XVIII, 6. 5) 1. 37. D. IV, 3. 1. 1. §. 1. D. XIX, 1. °) 1. 1. §. 2. D. XXI, 1. 7) 1. 63. 1. 19. §. 5. D. XIX, 1. 1. 2. D. XIX, 4. ') 1. 1. §• 1. D. XXI, 1. Wandelklage beim Sklavenhandel. 1. 38. pr. §. 5. eod. Wandel. Und Minderungsklage beim Viehhandel. Beide Klagerechte auch auf andere Käufe angewendet, i. 8. auf Grundstücke: 1. 49. eod, 1. 4. C. IV, 58. t 1. 1. pr 1. 63. D. eod. ') Bangerow S. 325. III. Keller in Sell, Jahrb. B. 3. S. 86 f.

*°) 1. 38. pr. D. XIX, 1. 1. 2. C. IV, 58.

470

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

sprach auf Gewähr für Fehler einen allgemeineren, abstrakteren Charakter, die Minderungs- und Wandelklage wurde nicht blos bei den s. g. Edikts-

fehlern, sondern bei allen Fehlern gegeben, die nicht gerade ganz unbedeu­ tend, wenigstens ihrem Grunde nach schon zur Zeit des Vertragsabschlusses

vorhanden und nicht sichtbar waren "), und auf die Bertragsklage wurden die kürzeren Verjährungsfristen übertragen, wenn sie sich gegen den venditor ignorans richtete, was auch zngelassen wurde"). Bei absichtlicher

Täuschung deS Käufers blieb die 30jährige Verjährung bestehen.

So ist

im heutigen Recht das ädilische Edikt „ nichts anderes als eine spezielle Normirung der actio emti" ”). Auch dem früheren deutschen Recht") war bereits eine Gewähr für Fehler bekannt und das Institut besonders in den mittelalterlichen Stadt­ rechten ausgebildet.

So weit es von den römischen Grundsätzen, die nach

der Recrption die herrschenden wurden, abwich, hat es sich noch im kauf­ männischen Verkehr erhalten.

Die Bestimmungen des deutschen Rechts

sind enger und strenger als die des römischen. Ein Recht auf Preismin­

derung war ihm unbekannt, dagegen gestattete eS Wandelung, doch nur so lange, bis der Empfänger die Waare besehen und in seine Were ge­

bracht, und nur wenn der Fehler dem Verkäufer bekannt gewesen und

von ihm verschwiegen worden ").

Daher hörte die Verpflichtung des letz­

teren, für Fehler einzustehen, auf, sobald die Waare die Waage passirt war.

Das Besehen mußte ohne Zeitverlust nach dem Empfange erfol­

gen, wenn eS nicht schon wie beim Platzhandel vor demselben stattge-

") I. 13. D. XIX, 1, 1. 6. §. 4. eod.

1. 49. D. XXI, 1.

*2) VtOigerow S. 325. II, 330. VIII.

Seiussert VII, 160.

Unterholzner II. S. 274. Note 6b.

") Keller, Pand. S. 630.

") Heise und Cropp a. a. O. Bluntschli, Deutsches Pr. R. 3. A.-S. 334. Hosfmann im Arch. f. prakt. RechtSwiss. IV. 185 sg. ■•) Z. B. Hamburger Statut v. 1252. So welkerhande goet ein man kost und besuth, dat scal he ghelden. Ware aber koren (Korn) oste holt an enetne schepe (Schisse), unde boven (oben) beter were denne neden (unten), und nicht geseget wurde, so wat ein man des goedes an sine were bringet, dat scal he ghelden und dat andere nicht und de it valschelike in deme schepe hevet, scal it betören mit 3 mark sülvers. Coft ein man quic (Vieh) und besuth he id, he scal id golden, LUbische« Recht nach dem Codex von Brotes I. Art. 101. II. Art. 316. III. Art. 267. und nach dem revidirten R. III. tit. 6. Art. 11.: „Betkaufset einer dem andern Laken oder Gewand, welche« der Käufer in seine Gewer empfangen, wird dann in dem Laken ein oder mehr Riß befunden, so kann sich der Berkauser, daß er eS nicht gewust, mit seinem Eide entlegen, und barff den Schaden nicht gelten, e« were dan ein ander« unter ihnen bedinget und abgeredet." Art. 15.: „Kaufst jemand, e« sey wa« e« vor Gnt wolle wann er dasselbe zuvorn zur Gniige besehen, do e« kan besehen werden, solche« muß er bezahlen. Können aber die Gebrechen mit menschlichen Sinnen nicht begriffen, und gleichwol hernachmal« die Wahren untüchtig befunden werden, soll man die Bezahlung davor zu thun nicht schuldig seyn, unangesehen, daß der Kaufser da« Gut in sein Gewer gebracht, were aber der Berkaufser in dolo, so wird er darumb billichen gestrafft.«

Gewährleistung.

funden hatte").

§. 84.

471

Allgemeine».

Ein längeres Haften des Verkäufers für heimliche Män­

gel konnte aber ausbedungen werden. Besonders ausgebildet erscheint die Gewährleistungspflicht in Beziehung auf den Viehhandel "), und hier haben

sich die deutschrechtlichen Anschauungen am meisten noch in Partikular­

rechten erhalten.

Wegen bestimmter Krankheiten"), die nach dem Empfang

auSbrachen, war eine Wandelung des Kaufs gestattet und diese an sehr kurze Fristen gebunden. Indem das römische Recht nur Erheblichkeit des

Fehlers erforderte, sich also nicht auf einzelne Krankheiten beschränkte, war

eS dem Recht des Käufers günstiger.

DaS A.L.R. ist hier, wie bei der Lehre vom Kauf zu zeigen fein wird, dem deutschen Recht gefolgt").

II.

Die Gewährleistung für

habere Heere des Empfängers ").

Entwährung bezieht

sich

auf das

Es ist ein zweifelloser Grundsatz, daß

Niemand mehr Recht an einer Sache auf einen Anderen übertragen kann,

als er selbst daran hat.

Wer es thut, überträgt soweit nur ein Schein­

recht; der, dem es wirklich gebührt, darf dadurch nicht beeinträchtigt wer­

den, und muß, wenn er es geltend macht, durchdringen, er evinzirt die Sache ganz oder theilweis.

Die vertragsmäßige Hingabe der Sache hat

also dem Gläubiger das Recht nicht verschafft/ was er daran erwerben wollte und nach Inhalt des Vertrages zu erwerben berechtigt war: der Erfüllung fehlt auch hier noch die innere Vollendung. Gegen den Nach­ theil aus Rechtsansprüchen Dritter an das Vertragsobjekt sicherten die Römer durch eine duplae stipulatio; es wurde besonders versprochen, daß im Fall der Eviktion der doppelte Betrag der Gegenleistung restituirt wer­

den sollte, und zwar bei nur theilweiser Entwährung im Verhältniß zum Ganzen"). Diese Verabredung auf'S Doppelte ist im heutigen Recht zwar unpraktisch"), aber eS folgt auch ohne besonderes Versprechen schon auS

der Natur der Verträge auf Geben, daß der Schuldner den Schaden er­ setzen muß, der daraus entsteht, daß der Empfänger die Sache nicht be­ halten kann "). Wenn nun auch beim Kauf, weil er den Zweck hat, das

vollste Recht an der Sache, das Eigenthum, zu übertragen, die Pflicht,

") Seufsert II, 23. (Erk. v. Lübeck). Besondere Fristen waren nicht vorgeschrieben. ”) Besonder» bei Pferden, Rindvieh, Schweinen und Schafen. Lüb. rev. R. III, 6. Art 15.17. Paobetage von 24 Stunden bi» 3 Tage. *8) Nach lüb. R. (III, 6 17.), wenn das Pferd anbrünstig (astmaticus), stettisch (retrogradus) oder schnöbisch (Iunaticus) ist. *’) A.L.R. I, 11. §. 199 ff. Unten §. 125 Not- 29 ff. '“) 1.11. §. 8. D. XIX, 1. 1. 13. §. 3. D. XII, 2. ’**) 1.87. §. 1. D. XXI, 2. E» konnte auch mehr oder weniger versprochen werden. I. 56. pr. D. eod.. Diese Verabredung war ein pactum adjectum. Bei theilweiser Eviktion verhällnißmäßige Zahlung vom duplum: 1. 56. §. 2. eod. ”) Unterholzner I. S. 291.

,3) 1. 6. C. VIII, 45.: Non dubitatur, et si specialiter venditor evictionem non promiserit, re evicta ex emto competere actionem.

Zweite» Buch.

472

Die besonderen Privatrrchte.

für Entwährung einznstehen, vorzüglich ihre Eigenthümlichkeiten zeigt und deßhalb in den römischen Quellen die vielen feinen Fragen, die hierbei heraustreten, vornehmlich in Beziehung auf den Kauf besprochen sind, so hat sie doch einen viel allgemeineren Charakter, sie ist überall anzünehmen, wo nach dem Inhalt deö Vertrages der Empfänger einen Anspruch auf das Behaltenkönnen hat. So also gewiß beim Tausch"), so wenn ver­

gleichsweise"), oder an Zahlungsstatt") eine Sache hingegeben, bei Thei­ lungen"), z. B. der Erbschaftstheilung"), bei der Mitgift (dos)29 * *), 30 * *der ** ** * * 3

Verpfändung"), auch bei Miethe und Pacht"), obgleich deren eigentlicher Inhalt das uti frui licere und erst daraus das habere licere abgeleitet

ist, dieses also zurückzutreten scheint"). Das deutsche Recht hat Vorschriften über Entwährung nicht ausge­

bildet, der Aufnahme der römischen Grundsätze stand daher ein Hinderniß nicht entgegen. . Die Regel „Hand muß Hand wahren" ließ Eviktions­ ansprüche Dritter in vielen Fällen nicht zu. Der Dritte konnte nicht vindiziren, sondern war nur nach einigen Stadtrechten zur Einlösung befugt"). M) '-) «•) ”) M) »•) 30) ")

82)

3S)

1.1. §. 1. D. XIX, 4. 1. 34. C. 11,4. »eiter S. 238. 1. 46. pr. D. XLVI, 3. 1. 4. C. VIII, 45. Better S. 240. 1. 10. § 2. D. X, 3. 1.1. 7. C. III, 38. 1. 66. §. 3. D. XXI, 2. 1. 22. §. 1. D. XXI, 2. I. 75. D. XXIII, 3. 1.1. C. V, 12 (hierüber Bangervw §. 217. Anm. 2. Arndt« §. 403. Anm. 1. Better S. 262. 1. 9. pr. 1. 16. 8. 1. I. 32. D. XIII, 7. 1. 9. v. XIX, 2. Better S. 243. A. M. Müller S. 123 s. Unten §. 136. Note 51. Sehr bestritten ist, ob Eviktionsleistung bei Schenkungen stattfindet. Der Streit bezieht sich nicht auf den Fall, wo die Schenkung sofort durch Hingeben vollzogen wird. Hier ist nicht zn haften, denn eS fehlt an einer Verpflichtung zum Leisten. Aber wo das Hingeben die Folge eines verpflichtenden SchenknngSversprechenS ist, wird jetzt von den Meisten unterschieden zwischen dem Geben einer species und eines genus. Dort nicht, aber hier soll für Eviktion einzustehen sein. Es kann auch an sich nicht geleugnet werden, daß es ein Anderes ist, ob dieses Pferd oder ein Pferd versprochen wird — aber eS ist doch darin Bekker beizustimmen (^>. 250.), daß die Unterscheidung nicht zu scharf genommen werden darf, daß nur die Umstände deS konkreten Falles darüber entscheiden können, wie der Geber schenken wollte; eine Eviktionspflicht kann hiernach auch bei bet species eintreteu und beim genus ausgeschlossen sein. Bergl. Über die Streitfrage Dangerow S. 336. Anm. 2. Das preuß. R. hat die Eviktionspflicht bei der Schenkung ab­ gewiesen. I, 11. §. 1083. Das Vermacht n iß wird nach gem. R. wie die Schenkung zu beurtheilen sein, ben-l darin kann kein Unterschied gefunden werden, daß der Schenker die eigene, der Erbe eine fremde Freigebigkeit erfüllt, wie Un * terholzner II. S. 524. meint. Nur werden vielleicht beim Vermächtniß die konkreten Umstände noch häufiger darauf führen, daß der Erbe für Eviktion eiystehen muß. Nach A.L.R. I, 12. §. 301. ist die Eviktionsleistung des Erben aus­ geschlossen. S. B ekker S. 253. Hamburger Statut v. 1603. II, 2. 7. Lübischeö rev. R. III, 2. Art. 1.2. Nach Frankfurter Rechl muß der Verkäufer Jahr und Tag Wahrschaft leisten gegen Ansprüche auf daS Eigenthum. Seuffert VII, 161.

Gewährleistung,

UI.

ß. 84.

Allgemeines.

473

Aus diesem Ueberblick erhellt deutlich, wie die Gewährleistung

für Fehler dxx Sache und die für Rechtsansprüche Dritter an der Sache zwei verschiedene Rechtsinstitute sind, verschieden nach Inhalt, Zweck und Art bes Geltendmachens.

Nur in höchster Abstraktion zeigen sie einigen

Zusammenhang darin, daß sie beide zur Erfüllung im weiteren Sinn, zu ihrer innerlichen Vollendung gehören. Dies ist auch der Punkt, auö welchem sich erklärt, wie beide Institute in neueren Gesetzgebungen haben verschmolM werden können. Das A.L.R. nnd das österreichische") Ge­ setzbuch haben eine allgemeine Lehre von der Gewährleistung aufgestellt, die Gewähr für Fehler

und bei Entwährungen nach gleichen allgemeinen Das französische") und sächsische. Gesetzbuch36 * *)** ** 39 **

Grundsätzen behandelt.

haben dagegen beide Institnte nach ihrer inneren Verschiedenheit ausein­ ander gehalten. Ebenso das deutsche Handelsgesetzbuch"). Das Prinzip des A.L.R. ist: „Die Leistung der Gewähr gehört zur Erfüllung des Vertrages; bei allen lästigen Verträgen muß ein Theil dem andern dafür

haften, daß sich derselbe der gegebenen Sache nach der Natur und dem Inhalt des Vertrages bedienen könne; nur besondere Gesetze oder aus­ drückliche Verabredungen können diese Pflicht abändern oder ausschließen33).

In wie fern die Gewährleistung als Erfüllung aufzufassen, ist oben er­ wähnt. Sie findet statt bei allen lästigen (gegenseitigen) Verträgen auf Geben. Ausgeschlossen sind dadurch die einseitig freigebigen33) nnd die gegenseitig auf Handlungen gestellten"). Bei Verträgen, die ein fort­ dauerndes Leisten nnd Gegenleisten erzeugen, wie Pacht und Miethe, ist für Gewähr zu haften ").

Die Verbindlichkeit bezieht sich auf eine ge-

**) O-sterr. G B. §. 922—933. •5) Code art. 1625. Zach ariä II. S. 380. ES werden hier die beiden Institute trotz der zusammenfassenden Definition schärfer getrennt, namentlich in Beziehung auf die Klage. Eviktion erzeugt Anspruch auf Ersatz, die Fehlerhaftigkeit An­ spruch auf Minderung oder Wandelung. Der Code schließt sich daher enger an daS röm. R. an. Art. 1626—40. Eviktion; Art. 1641—49, Fehler. 36, Sachs. G.B. §. 899—929. Gewähr der Fehler; §. 930-946. Verbindlichkeit w. Entwährung. Dann folgen §. 947—952. noch einige für beide Institute gemein­ same Bestimmungen. . 87) D. H.G.A Art. 306-308. v. d. Eviktion, Art. 335. 347—350. v. d. Gewähr wegen Fehler. Die Bestimmungen sind im Wesentlichen deutschrechtlich. Der bair. Entwurf v. 1861 behandelt die Entwährung (Art. 298 f.) und die Gewähr wegen Fehler (Art. 317 f.) getrennt beim Kauf ab. 88) §. 317. 318. d. T. 39) Schenkung und Bermächtniß. I, 11. §. 1083. I, 12. §. 301. ") §. 875. I, 11. ") Es muß während der ganzen Dauer des Verhältnisses der Verleiher (d. h. Vermiether, Verpachter) dafür haften, daß sich der Empfänger nach Inhalt und Na­ tur des Vertrages der Sache bedienen kann. Rechtspr. B. 4. S. 22 f. Präj. 26. (Samml. I. S. 16). Dies Präjudiz bleibt stehen, obschon Erbpacht gesetzlich aus­ gehoben. H eyd em. S. 250. (Dergl. Entsch. B. 4. S. 295.) Erk. des ApP.G. Hamm in den Ergänz, zu §. 319. Unten §. 136. Note 51.

Zweite- Buch. Die besonderen Privatrechte.

474

gebens Sache, sie fetzt also voraus, daß der Vertrag äußerlich schon erfiillt ist42), und daraus folgt, daß der Empfänger, welcher sich der Gegen­ leistung weigert,

weil er noch Gewähr zu fordern hat,

nicht der aus

§. 271. d. T. herzuleitenden Klagverneinung, sondern einer mit der Be­ weislast verbundenen Einrede sich bedienen muß, die als Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages bezeichnet werden darf (§. 83.)").

Die Unklarheit, die durch das Zusammenfassen der beiden verschiede­ nen Institute in die Theorie des A.L.R. gekommen ist, kann nur über­ wunden werden, wenn man sie bei der wissenschaftlichen Erörterung wie­ der trennt, und dies wird in den folgenden §§. geschehen").

§. 85.

Gewährleistung wegen Fehler.

Der Empfänger soll sich der Sache nach der Natur und nach dem Inhalt des Vertrages bedienen können. Der Natur des Vertrages ent­ spricht die Sache, wenn sie diejenigen Eigenschaften besitzt, welche, wenn

der Vertragszweck mit ihr erreichbar sein soll, an ihr als gewöhnliche vorauSzusetzen sind. Dem besonderen Inhalt des Vertrages entspricht sie, wenn siö die ausdrücklich bedungenen Eigenschaften hat').

Beide Arten

von Eigenschaften muß der Geber vertreten, denn nach der Absicht der Parteien sollen sich Leistung und Gegenleistung in ihren Werthen ent­ sprechen, und wenn sich herausstellt, daß die eine Leistung an Brauchbar­ keit, mithin an Werth geringer ist, so muß eine Ansgleichnng stattfinden*2).*

Diese Vertretungspflicht ist nicht vorhanden, wenn die Sache durch ein Versehen des Empfängers2) oder nach der Uebergabe durch Zufall oder unabwendbare Gewalt mangelhaft geworden4). Ist dies nicht der Fall, so wird unterschieden, ob den Geber ein Verschulden trifft, oder nicht.

'

“) Koch, schles. Arch. Bi 3. S. 633. Strieth. B. 1. S. 5. Pr«j. 978. (Samml. I. S. 14.). Erlisch. B. 11. S. 190. ") Ausführlich hierüber Gruchot II. S. 300 s. ") Nach dem Vorgänge der Gesetzrevisoren Pens. XIV. S. 123f. und Heydemann'S S. 250 f. ') Heydem. S. 251. A. a. 2) Dankwardt, Nationalökonomie und Jurisprudenz. H. 4. S. 30f. Die Gewähr­ leistungspflicht hat wesentlich die Sicherung des ökonomischen Vertragszwecks zum Gegenstand. „Fehlerhast" ist die Sache, die die hei dem Vertrage ausdrücklich -oder stillschweigend vorausgesetzten Eigenschaften nicht hat. 8.197. I, 11. ’) Auch nur geringes Versehen. §. 321. d. T. Ebenso I, 11. §. 432. Hieran ändert die Konkurrenz eines Verschuldens des Gebers nichts. Selbst sein dolus kann hierbei nicht in Betracht kommen. Seusfert B. 2. N-92. a. E. A. M. Thöl, Handelsr. §. 82. a. E. u. Bornen». B. 2. S. 351. 4) §. 322. d. T. Anwendungen in I, 21. §. 299 s. 383 s. 478. Durch die Uebergabe geht die Gesahr aus den Empfänger über. 1. 54. D. XXI, 1.

§. 85.

I.

Gewährleistung wegen Fehler.

475

Sein Verschulden (das Wissen und Verschweigen, aber selbst

auch geringes Versehen) erzeugt nach den

allgemeineu Grundsätzen die

Verpflichtung zur Schadloshaltung, die mit der Vertragsklage geltend ge­

macht wird. Es muß je nach dem Grade dieses Verschuldens das In­ teresse geleistet werdens. Der-Vertrag bleibt im Uebrigen bestehen. II. Ist der Geber ohne Verschuldens, so wird er bei vorb'e-

du n genen Eigenschaften zunächst verpflichtet, sie nachträglich zu gewähren,

seine Vertragserfüllung zu verbessern7) — eine hierher nicht passende,' vom römischen Recht abweichende, aber auch von der preußischen Praxis wohl

Erst wenn das nicht geschehen kann, soll der Empfänger, aber auch nur er°), die Wahl haben zwischen der Min­

Mbeachtet Lelassene Vorschrift.

derung und Wandelung, und dieses Recht bleibt ihm selbst, wenn er die

fehlerhafte Sache ohne Rüge angenommen hat'), nur darf er nicht schon zur Zeit des Versprechens gewußt haben, daß die Eigenschaft fehlte").

Vorausgesetzte Eigenschaften werden vertreten, wenn sie verbor­ gene") sind und dann nach denselben Grundsätzen. Der Irrthum ist die Grundlage des Anspruchs"); der Empfänger muß sich über das Vor­ ri

320. 285-291. d. T. 1.15. D. XVIII, 6. Gruchot II. S. 309. Mit der Kontraktöklage kann selbst Aushebung deS Beitrages erzielt werden. 1. 11. §. 3. D. XIX, 1.

6) Die Gewähr muß geleistet werden, selbst wenn der Geber den Fehler gar nicht gekannt hat, vom venditor ignorans. 1 1. §. 2. D. XXI, 1. 1. 14. §. 3. D. XIX, 1. Seuffert B. 1. Nr. 38. B. 2. Nr. 23. B. 7. Nr. 160. Koch, R. d. F. II. S. 474. 7) tz. 325. d. T. Natürlich nur, wenn es noch möglich ist. Gruchot II. S. 311. DaS O.Trib. beschränkt §. 325. auf den Fall, wo Etwas an der Erfüllung noch Fehlendes nachznleisten ist. Strieth. B. 37. S. 187. Aehnlich österr. G. B. §. 932. Nach gemeinem Recht ist Nachleistung nur so lange zulässig, bis es wegen Nichtleistung zum Prozeß kommt. Der Empfänger ist aber nicht verpflichtet, zu­ nächst auf Verbesserung zu klagen. Seuffert XV, 116. •) §. 326. 328. d T. Plen.B. Entsck. B. 22. S. 145. Strieth. B. 4. S. 328. (Eine ältere Entscheidung, B. 9. S. 167. bes. S. 178. hatte auch dem Verkäufer ein solches Wahlrecht gestattet). Ebenso gemeinrechtlich Heuser, Annalen B. 2. S. 678. Unterholz« er II. S. 227. Note o. 1. 48. §. 1. D. XXI, 1. 9) Strieth. B. 4. S. 15. B. 10. S. 75. 10) 1. 43. §. 1. D. XVIII, 1. 1. 48. §. 4. D. XXI, 1. 1. 1. §. 1. 1. 13. §. 1. D. XIX, 1. 1. 9. C. IV, 49. 11) §• 331. d. T. 1. 1. §. 2. 6. 1. 14. §. 10. 1. 48. §. 3. D. XXI, 1. Ob ein Fehler als ein verborgener anzusehen, ist im einzelnen Fall quaestio facti. Strieth. B. 23. S. 319. Verborgene Fehler sind auch solche, die nur ein Kunstverständiger entdecken kann, Strieth. B. 44. S. 297., aber dann nicht, wenn der Empfänger selbst ein solcher ist. Seuffert B. 7. Nr. 295. Gruchot II. S. 472 f. Ver­ borgen können ferner auch an sich erkennbare Fehler sein, wenn die Waare in ihrer Verpackung Gegenstand der Veräußerung und Weiterveräußerung ist, mithin nicht besehen werden kann. Strieth. B. 4. S. 15. Seuffert II, 22. V, 119. VII, 295. X, 148. XIV, 130. Das deutsche Hand.G B. Art. 347. verlangt nur eine nach dem ordnungsmäßigen Geschäftsgang thunliche Untersuchung. Ist der Feh­ ler ein verborgener schon seiner Natur nach, so braucht der Empfänger nicht noch zu beweisen, daß er ihn nicht bemerkt hat. Seuffert X, 29. «) §.329. d. T. §.81. 1,4. Strieth. B. 8. S. 14.

476

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

handensein der Eigenschaft geirrt haben, und zwar zur Zeit des Vertrags-

Abschlusses"). Der Irrthum ist nicht entschuldbar, wenn der Fehler in die Augen fällt, und dennoch bei der Annahme ungerügt bleibt14 * *).* * *Das ******** gemeine Pecht erfordert Erheblichkeit des

15)16 , und man darf

nicht anstehen, dies auch für das preußische Recht anzunehmen, weil dar­

auf der Nachdruck liegt, daß sich der Empfänger der Sache vertragsmäßig „bedienen" könne"); der Gebrauch, der Vertragszweck muß wirklich alterirt sein. Der Fehler muß zur Zeit der Uebergabe, wenn auch nur sei­ nem Grunde nach, vorhanden fein17).18 Waltet darüber ein Zweifel ob, so soll angenommen werden, daß er erst später entstanden"), eine Ver­ muthung, die durch Gegenbeweis entkräftet werden kann und eine Aus­ nahme bei dem Viehhandel hat"). Der Fehler ferner muß eine Eigen­

schaft treffen, die Sache muß qualitativ verschlechtert erscheinen"). Damit ist geringere Quantität, das Fehlen an Zahl und Maß von der Ge­ währleistung und den ihr eigenen Klagen ausgeschlossen "), denn an sich

18) Oldenburger Archiv. B. 7. S. 196. A.L.R. I, 11. §. 194. ") §. 330. d. T. §. 82.1, 4. 1. 15. §. 1. D. XVIII, 1. „Augen für Geld" altdeutsches Sprichwort. Strieth. B. 4. S. 15. D. 23. S. 319. Jede formlose Rüge reicht Jnn. .Koch II. S. 472. Gruchot 11. S. 474. Wenn ein Druter die Waare übernommen, und den sichtbaren Fehler nicht bemerkt hat (Entsch. B. 14. S. 186.) so entzieht dies dem Empfänger den Anspruch aus Gewähr nicht. Den eignen Ir.thum muß der Käufer von Iuhaberpapieren tragen, wenn sie ihre Courvsähigkeit (die eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft ist, Entsch. B. 16. S. 114.) durch öffentliches Aufgebot verloren haben. Entsch. B. 41. S. 35. Strieth. B. 33. S. 64. Der dolus des Gebers schließt §. 330. auS, wie nach gemeinem R. Gruchot II. S. 477. ,5) 1. 1. §- 8. 1. 4. §. 6. 1. 10. §. 2. 1. 11. D. XXI, 1. 1. 54. D. XVIII, 1. UnterHolzner II. S. 269. Note g. Strieth. B. 49. S. 138. Ueber mögliche Be­ seitigung des Fehlers: 1. 16. D. XXI, 1. Seussert B 5. N. 119. 269. B. 15. S. 116. Nach preuß. R muß erst die Verbesserung verlangt werden, §.325. 326. d. 27. und wenn durch den Laus der Natur der Fehler beseitigt wird, fällt die Vertretung weg. Strieth. B. 8. S. 14. 16) §. 318. d. T. Vergl. §. 340: »'gänzlich gehinderter Gebrauch." 17) Strieth. B. 24. S. 368. A LR. I, 5. §. 322. I, 11. ß. 192 f. 18) §. 332. d. T. 1. 54. D. XXI, 1. 1. 3. C. IV, 58. 1 4. D. XXII, 3.

") I, 11. §. 199 s. Vergl. auch §. 436. 1,11. (Session). 20) Beispiele; schlechtes Material, Entsch. B. 1. 120. Ein schiefer Bau, jurist. Wochenschr. 1839 S. 462. Nicht krystallisirender Syrup, Centralbl. 1839 S. 829. Wanzen in der Wohnung. Seussert B. 15. N. 115. 21) Darüber ist in der preuß. Praxis mehr Streit gewesen, als nöthig, veranlaßt durch den Gegensatz in §. 343. 344. zwischen „natürlichen, die Sache selbst betreffenden Fehlern" und Mängeln, die nur ,.äußere Eigenschaften" betreffen. S. die Er­ gänzungen zu diesen §§. Born em. B. 2. S. 340. B. 1. S. 143. Note 3. Koch, R. d. F. II. S. 451 f. UebrigenS ist nicht zu verkennen, daß die Redaktoren des A.L.R. darüber unklar gewesen, ob Quantität Gegenstand der Gewährleistung sei. Sie stellen sie in §. 207—214. I, 11. unter diese Rubrik. Aber in den Vorder­ grund tritt die Nachlieferung und wenn die geringere Sache einmal angenommen, so kann nicht mehr gewandelt, sondern nur Ersatz deö Fehlenden verlangt werden. Das paßt nicht zu den Rechtsmitteln wegen Gewährleistung. Nicht wegen quan­ titativer Mängel: SLuffert XIV. 129.

§. 85. Gewährleistung wegen Fehler.

477

ist die Quantität nicht eine die Sache selbst, ihre Substanz oder ihre

Theile betreffende, ihr anhaftende Eigenschaft, sondern eine nähere Be­ stimmung für die Leistung. Hier hat der Empfänger aus dem Vertrage

den Ansprnch auf Nachlieferung oder Entschädigung.

Dagegen wird das

Gewicht als Eigenschaft anzusehen fei«, die gewährt werden muß, wenn davon die Güie der Waare abhängt, z. B. leichter oder schwerer Waizen. Auch der Umfang, die Größe kann zuweilen Eigenschaft sein, z. B. Bau­

hölzer von bestimmter Länge; dies wird aber immer von thatsächlichen Voraussetzungen abhängen").

Es kann endlich nicht bezweifelt werden,

daß, wenn statt der bedungenen eine andere Sache gegeben und angenommen worden, der Empfänger sich also in» Irrthum über den Haupt­ gegenstand des Vertrages befunden hat"), nicht, eine Eigenschaft fehlt, mithin die Regeln von der Gewährleistung nicht anzuwenden sind"). Vorausgesetzte Eigenschaften sind solche, die die Sache ihrer Natur nach haben muß. Dabei wird die Sache von, mittlerer Art und Güte

gedacht'").

Besonders bedungen werden entweder die sonst gewöhn­

lich vorhandenen in gesteigertem Grade, oder zu diesen besonders hinzu­ tretende, den Werth erhöhende Eigenschaften, Vorzüge"), und es ist hier­

bei zu beachten, daß das Ausbedingen mehr ist, als das Anpreisen, letz­ teres noch nicht zur Gewährung verpflichtet"). Hiernach ist die Vertretung der vorausgesetzten und bedungenen Eigen­ schaften bei allen lästigen Verträgen bestimmt. Nur bei den s. g. gewag­

ten Geschäften tritt eine Modifikation ein, indem hier zwar die bedun­ genen, nicht aber die vorausgesetzten zu gewähren sind "); und einer näheren Erörterung bedarf noch die Frage, wie die Gewähr wegen Fehler zu leisten

S1) So ist Strieth. B. 33. S. 37. angenommen, baß da« Nichtübergeben einer ver­ sprochenen einzelnen Parzelle eines (SnteS unter den Begriff der Gewährleistung falle, weil die Parzelle nicht ein selbständiges Objekt des Vertrages gewesen, und nach dem Präj. 1174 b. (Entsch. B. 8. S. 229. des. S. 236 s.) ist angenommen, daß zu den in §. 222. 1,11. bezeichneten Gewährsmängeln nicht bloß diejenigen gehören, die sich an bereits übergebenen Gegenständen vorfinden, sonder» auch diejenigen, die sich in dem Nichliibergeben versprochener Gegenstände äußern, so­ fern diese zn dem versprochenen Maß, Gewicht oder Zqhl gehören. Sergi, noch Entsch. 8.55. S.24. Strieth. B. 61. S.81. *») A.L.R. I, 4. §. 75. M) Bornern. II. S. 348. z i5) Bergt. A.L R. 1,5. §. 275. I, 11. §. 193. 1. 18. §. 1. D. XXI, 1.: mediocrem coquum. D. H.G.B. Art. 335. M) Strieth. 8.4. S. 16.18. Aber nicht im höchsten Maße: 1.18. pr. 1.19. § 4. P. XXI, 1. 1. 15. D. XVIII, 6. ") 1.43. pr. D. XVIII, 1. 1. 19. pr. §. 1. D. XXI, 1. I. 37. D. IV, 3. Besonders wenn sofort sichtbar ist, daß der angepriesene Vorzug nicht existirt. Senfs eri II, 23. Dresdner Annalen I. S. 560 Das Ausbedingen ist ein dictum et promissum. Senffert XVI. 105. XVII. 129. ' =») §. 346. 347. d. T.

478

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

ist, wenn nicht eine einzelne bestimmte Sache (species), sondern ein s. g. Inbegriff (universitas rerum s. facti) Gegenstand des Vertrages ist.

Da der Inbegriff mehrerer Sachen nur ein Gedachtes ist, so kann nicht ohne Weiteres die schlechte Beschaffenheit des einzelnen Stücks die

Gewährleistungspflicht erzeugen; es muß vielmehr darauf ankommen, ob der Fehler des oder der einzelnen Stücke für den Gebrauch des Ganzen von Erheblichkeit ist. Sonst kann nur für das schlechte einzelne Stück Entschädigung verlangt werden"). Sind mehrere Sachen zusammen,

aber nicht als Inbegriff, Gegenstand des Vertrages geworden, so muß

die Eigenschaft jeder einzelnen besonders gewährt werden").

III. Dreifach sind nach preußischem, wie nach römischem Recht die Mittel, die der Empfänger einer nicht vertragsmäßig geeigenschafteten Sache ergreifen kann, um zu seinem Recht zu gelangen. Zuerst die Vertrags­ klage selbst, entweder auf das Interesse bei einem Verschulden des Ge­ bers, oder auf Nachbesserung, und die ihr entlehnte Einrede (exceptio doli oder non rite impl. contr. §. 83.). Letztere ist unverjährbar und

wird durch Verweigerung der entsprechenden Gegenleistung

wirksam").

Sodann die beiden besonderen Gewährleistungsklagen ans Minderung und Wandelung. Zwischen den beiden letzteren hat der Empfänger die Wahl"), nicht aber zwischen ihnen und der auf Nachbesserung gerichteten

Vertragsklage. Diese soll vorangehen, und erst wenn der Beklagte ihr nicht genügen „kann", tritt das Wahlrecht ein").

IV. Mit der Minderungsklage fordert.der Kläger so viel Vergütignng, als die Sache „wegen der fehlenden Eigenschaft weniger werth ist" "). Sie kann auch bei völliger Werthlosigkeit angestellt werden ") und M) §. 339. 340. 311. d. T. Gruchot II. S. 481 f. Ueber die universitas facti s. oben S 96. Note 2. Beispiele an» dem röm. R : 1. 34. §, 1. 1 36. 38. §. 14. 1. 39. 40. pr. 1. 64. pr. §. 1. D. XXI, 1. Heuser, Annalen, B. 6. S. 50f. 80) §.342. d. T. Ein Gesamnuprei» für mehrere Sache» beweist noch nicht, daß sie als Inbegriff VertragSodjekt waren. RechtSsälle IV. S. 122. Strieth. B. 29. S. 68. 88. I. 38. §. 14. D. XXI, 1., wo. der Gegensatz besonder» scharf herVortritt. sl) §. 320.325. d. T. Burchardt (trit. Vierteljahrschr. B. 1. S. 614. s.) irrt, wenn er die Klage au» §. 325. auch al» Gewährleistungsklage aufsaßt, weil sie sich „rückhaltweise'- in »ine Klage au» dem Edikt auflöse. Die 'Unverjährbarkeit der Einrede au» §. 271. d. T. Präj. 266. Sammt. I. S. 18. und der Einrede ans Dorenthaltuug der Gegenleistung au» §. 325: Erk. de» O-Tr. v. 8. Jan. 1835. I. W. Schr. 1837 S. 45. §. 326. 328. d. T. 1 25. §. 1. D. XLIV, 2. Der Unterschied von Haupt- unfc Nebensehleru, an den man die Wahl der Redhibilion oder Minderung hat knüp. feit wollen, ist ungerechtfertigt. Unterholzner II. S. 272s. Note q.'

33j Siehe oben Note 8. I 34) §. 328. d. T. Sie ist auch noch zulässig, wenn Kläger bereit» anderweitig über die Waare disponirt hat. Seusfert III, 27.28. Der Aufwand, welcher nöthig ist, um Heu Fehler zu beseitigen, kann nicht mit der Minderung»-, sondern nur mit der Kontraktsklage verlangt werden. Seusfert X, 32.

’3) Strieth. B. 37. S. 129.

§. 85.

Gewährleistung wegen Fehler.

479

dann ist ihr Effekt freilich derselbe wie bei der Wandelklage; es muß der ganze Kaufpreis erstattet und die Sache zurückgegeben werden 3C). Wie aber wird der Minderwerth, die Vergütigung berechnet36 37).

Es lassen sich

zwei Berechnungsarten denken, von denen man die eine als die absolute,

die andere als die relative Preisminderung bezeichnen kann und die erstere in der Praxis die herrschende zu sein scheint33).39 Das A.L.R. bestimmt nur: Die Vergütung

solle

gleich

sein dem

Minderwerth der Sache wegen der fehlenden Eigenschaft, und dieser Min­

derwerth solle gefunden werden durch vereidigte Sachverständige33). Das römische Recht stellt die Regel hin: Der Geber solle dasjenige ersetzen quanti minoris emisset emtor, si sciisset, vitiosam rem esse40).4 *

Beide Vorschriften scheinen verschieden, das A.L.R. weiset auf den Sach­ werth, das römische Recht auf den Kaufpreis, der höher oder niedriger

Aber beide sind auch ganz unvollständig, da sie für die Berechnungsart nichts ergeben4'). Es soll ein Minderwerth gefunden als jener sein kann.

werden, d. h. eine Unterschiedssumme zwischen zwei Summen. Die eine von letzteren steht fest, es ist der Werth der fehler haft eit Sache43).

Ob aber dieser abgezogen werden soll vom Kaufpreis oder von dem Werth der Sache, als fehlerlos gedacht, ist bestritten. Wird der Werth der feh­ lerhaften Sache loom Kaufpreis abgezogen, so stellt die Differenz die ab­ solute Preisminderung dar. Wird aber der Werth der fehlerhaften und

fehlerlosen Sache gegeneinander gestellt, so erhält man nur ein relatives Ergebniß, weil dabei noch das Verhältniß des Kaufpreises zum Werth der fehlerlosen Sache in Berücksichtigung gezogen werden muß.

Es ergiebt sich

36) 1. 43. §. 6. D. XXI, 1. I. 11. §. 3. D. XIX, 1. 1. 25. §. 1. D. XLIV, 2. 31) Gruchot II. S. 330f. Unterholzner II. S. 277. V, 1. Hoffmann im Arch. f. prakt. R.W. B. 4. S. 181. Bähr das. B. 7. S. 67. Heuser, kurhess. Annalen B. 4. S. 80. (v. Zaun), B. 0. S. 73. (v. KrauSHaar). Brinz, Pandekten S. 493. Aus der gemeinrechtl. Praxis: Seusfert B. 10. Nr. 32. u. Heuser B. 10. S. 39. 38) Senssert B. 17. Nr. 128. Von den in vor. Note genannten Schriftstellern ver' treten die relative Berechnung Zaun, Hoffmann, Bahr (letzterer besonders mit Rücksicht auf den Tausch); die absolute Unterholzner, Kraushaar u. Brinz. Bon den preußischen Juristen billigt Gruchot die relative; ob auch Koch, ist nach seiner Note 49. zu I, 11. §. 206. unsicher, im R. d. F. II. S. 479. hat er sich auch nicht näher ans diese Frage eingelassen. 39) A.L.R. I, 11. §. 206. Strieth. B. 29. S. 68. ‘

") 1. 61. D. XXI, 1. 1. 13. pr. §. 1. D XIX, 1. 4l) Die Aussprüche im corp. jur. enthalten nur das Problem, nicht die Lösung, kei­ nen Maßstab. Brinz S. 494. Dasselbe gilt v. §. 328. d. T. 4I) Bei Feststellung des Werths der fehlerhaften Sache müssen aber auch die Vortheile in Anschlag kommen, die sie trotzdem noch gewährt. App.G. Hamm bei G r uch ot II. S. 330. Und andererseits ist die Bedeutung des Fehlers nach dem Inhalt des Vertrages zu bemessen. Es kommt also nicht darauf an, ob die Sache nach zu anderen Zwecken, als welche im Vertrage ausgedrückt sind, brauchbar ist. Insofern ist die Berechnung des Fehlers eine relative. Strieth. B.53. S.250f. Entsch. B. 51. S. 115.

480

Zweite» Buch.

Die besonderen Privatrechte.

hier eine Gleichung, deren erstes Glied das Verhältniß des Kaufpreises zum Werth der fehlerlosen Sache, und das zweite das Verhältniß des Werths der fehlerhaften Sache zur Minderung x bildet.

Also eine Sache,

die fehlerlos 80 Thlr. werth, ist für 90 gekauft; fehlerhaft ist sie nur 50 werth: 80:90 = 50 : x; x = 56 '/4, während nach der absoluten Rech­

nung 30 von 90 abgezogen werden, der geminderte Kaufpreis also 60 be­ trägt.^. Für keine dieser Berechnungsarten sprechen bestimmte und klare Gesetze, aber die Natur der Sache,

der Zweck der Gewährleistung ent­

scheidet' für den Abzug des Werths des Fehlers vom Kaufpreis, für die absolute Berechnnngsart. Leistung und Gegenleistung, wie sie von den Parteien zum Vertragsinhalt gemacht sind, sollen ausgeglichen werden — weiter nichts; es soll dem Empfänger nicht zugemuthet werden, mehr zu leisten, als er an Gegenleistung empfängt. Verglichen darf also nur wer­

den die Sache, wie sie geleistet worden, d. h. die fehlerhafte, mit dem Preis, der gegeben. Die Differenz ist die Ausgleichungssumme. Außer­ dem noch, wie es nach der anderen Ansicht geschehen soll, das Verhältniß des bedungenen Preises zum Sachwerth zu ermitteln, führt zu dem Be­ denken, daß dem Sachwerth ein Einfluß gegeben wird, von dem man nicht wissen kann, ob und wie er im Bewußtsein der Parteien gelegen, daß man ihn, da er im Vertragswillen keinen Ausdruck gefunden, gewisser­

maßen erst hinter ihm hervorsuchen muß und daß man in das unbestimm­ bare des zu theuer oder zu billig Kaufens geräth. Der Käufer kauft nicht

den Werth der Sache, sondern die Sache. Außerhalb des Vertrages liegt der zufällige Erfolg, ob ein gutes oder schlechtes Geschäft gemacht worden 43). Nur in einem Fall ist die relative Berechnungsart gerecht­ fertigt: wenn selbst die fehlerhafte Sache noch einen höheren Werth hat, als der Preis. Hier muß die Kürzung dem Verhältniß entsprechen, in welchem der Kaufpreis zum Werth der fehlerlosen Sache steht44).

V. Mit der Wandelklage geht Kläger vom Vertrage ab. Indem er sich erbietet4S), die Sache ebenso zurückzugeben, wie er sie empfangen "),

I i

Das sächs- Gcs.B. §. 919. bestimmt: . . „so hat der Veräußerer so viel von der Gegenleistung zu erlasse», oder so viel zu ersetzen, als die Sache ihrer Fehler­ haftigkeit wegen zur Zeit des Vertragsabschlusses weniger werth war, als die Ge­ genleistung beträgt, oder zu derselben Zeit werth gewesen." DaS ist auch die ab­ solute Preisminderung. Bergl. Seussert B. 17. Nr. 128. ") Also der Werth der fehlerlosen Sache — 100, gelaust für 75, fehlerhast — 80. Die Gleichung lautet: 100:75 — 80: x. DaS A L.R. enthält-keine Bestimmung hierüber, aber eS muß §. 171. 1, 11., der im nächsten §. Note 72. ausführlicher zu erörtern, hier analog angewendet werden. Unterholzner II S. 278. Nr. 3. u. Brinz S. 494. wollen in solchem Fall Preisminderung ganz ausschließen, weil die Sache immer noch preiswürdig geblieben. .Aber doch nicht so preiswürdig, als der Käufer sie erwerben wollte. 4S) Gruchot II. S. 322. Vergl. 1,11. §. 165. Nach röm. Recht genügt auch Bestellung einer Sicherheit. 1. 25. §. 9.10. I. 26. D. XXI, 1. Ueber Beweislast. Seussert II. Nr. 26. ") In dem Zustand, in welchem sie sich bei dem Vertragsabschluß, oder uumittelbar

?. 85.

Gewährleistung wegen Fehler.

481

verlangt er gleichzeitig Erstattung seiner Gegenleistung.

Der Zweck ist,

einen Zustand herbeizuführeu, als wäre der Vertrag überhaupt nie ge­ schlossen worden, kein Theil soll Schaden, aber auch keiner Vortheil haben. So faßt das römische Recht die Sachlage auf47 * *).48 49 Die 50 fehlerhafte Sache

wird zurückgegeben mit allen Früchten und Zuwächsen, versäumte Früchte

(fr. percipiendi) werden erstattet"); der Preis wird mit Zinsen zurückgezahlt, und die nicht freiwilligen Verwendungen auf die Sache ersetzt4'); eine Vergütigung für entgangenen Gewinn ist ausgeschlossen").

wegen Mangelhaftigkeit

eines Inbegriffs

Wird

vom Vertrag abgegangeu, so

muß der ganze Inbegriff, wird dagegen gewandelt, weil einzelne von mehreren zusammen gegebenen Sachen fehlerhaft sind, so ist nur die ein­ zelne Sache zurückzugeben 5I).52 53 Die Voraussetzung ist, daß die Sache noch zurückgegeben werden kann.

Ist dies in Folge eines Verschuldens des

Empfängers nicht mehr möglich, hat er sie in eine andere umgewandelt,

verbraucht, verzehrt, so verliert er die Wandelklage"). Weiterverkauf der Sache steht aber der Wandelung nicht entgegen, falls nur die Rückgabe an den Beklagten noch möglich bleibt").

Es bewahrt das gemeine Recht

auch darin einen freieren Standpunkt, daß nicht jede Veränderung oder Verschlechterung in dem Zustand der Sache die Redhibition ausschließt "). Dies würde in solchen häufigen Fällen unbillig sein, wo man den Fehler, z. B. dis Mangelhaftigkeit des Materials, erst bei der Bearbeitung be­

merken kann, oder wo die Sache zufällige oder natürliche Aenderungen getroffen haben. Nur wenn überhaupt nicht mehr, oder in völlig verän­

dertem und unbrauchbarem Zustande zurückgegeben werden könnte und dieser Zustand vom Kläger herbeigeführt worden, ist sein Antrag auf vorher befuiiben, wobei vermuthet wird, daß sie sich von da bis zur Uebergabe nicht verändert habe. §. 194—196. I, 11.

47) 1. 23. §. 1. D. XXI, 1.: ut uterque resoluta emtione nihil amplius consequatur, quam haberet, si venditio facta non esset. §. 7.: Julianus ait, Judicium redhibitoriae actionis utrumque, id est venditorem et emtorem quodammodo in integrum restituere debere. 1. 27. eod. in f.: indemnis enim emtor debet discedere. Mommsen, Beiträge B. 2. S. 34. 48J 1. 23. §. 1. 9. eod.: jubent aediles restitui et quod venditioni accessit, 1. 31. §.1—4. 1.43. §.5. D. eod. Mommsen a. a. O. bes. S. 35. 36. 49) 1. 27. 29. §. 1—3. 1. 30. §. 1. 1. 45. eod. 1. 1. C. IV, 58. Mommsen S. 35. 50j Mommsen S. 34. Seusfert 53. 4. N. 25. 53.7. N. 25. 51) §. 341.342. b. £. 1.34. pr. §. 1. 1.59.64. §. 1. D. XXI, 1. Unterholzner II. S. 276. Nr. 5. Strieth. 53. 29. S. 88. Seusfert 53. 4. N. 24. (falls nicht etwa ein besonderer Zusammenhang zwischen den fehlerhaften Sachen und den übrigen existirt, welcher die Trennung nicht zuläßt). B. 5. N. 119. 52) 1. 23. pr. 1. 25. §. 1. 2. 3. 5. 1. 31. §. 9. 11. 14 15. D. XXI, 1. Auch der Scha.den, den die familia, der procurator der Sache zugefügt, fällt dem Empfänger zur Last. Unterholzner II. S. 275. 53) Seusfert 53 3. N. 27. 28.- B. 5. N. 269. D. 7- N. 296. 53. 10. N. 149. 53. 16. N. 106. B4) Seusfert 55. 2. N. 24. 170. Die Verschlechterung muß nur vergütigt werden. Förster, Preuß. Privatrecht. I. 2. Aust.

31

482

Zweite» Buch.

Wandelung unzulässig.

Die besondere» Privatrechte.

Bei unwesentlichen Verschlechterungen wird zur

Rückgabe noch entsprechend entschädigt.

Recht zur Redhibition nicht “).

Zufälliger Untergang ändert daS

Ob im einzelnen Falle anzunehmen, daß

der Empfänger der Sache trotz ihres Fehlers die Erfüllung genehmigt,

muß sich aus den Umständen ergeben, und eS ist nur hervorzuheben, daß erfolgte Gegenleistung, Zahlung des Preises, den Schluß auf solche Ge­ nehmigung nicht ohne Weiteres gestattet"). — Das A.L.R. weicht in

einzelnen Punkten von diesen Grundsätzen ab.

Die unbedingte Vorschrift,

daß nur die Minderungsklage statt hat, wenn der Kläger die Sache in dem

Stande, in welchem er sie empfangen, nicht mehr zurückgeben tmui57),

deutet an, daß jede Veränderung, auch die zufällige die Redhibition auSschließen soll “). Gleichwohl kann eine billigere Praxis daran anknüpfen, daß nach §. 337. für „Verschlimmerungen" bei der Rückgabe Entschädigung zugelegt werden soll und dadurch die Grundsätze des gemeinen Rechts auch für daS preußische bewahren ").

Zufälliger Untergang aber, wenn er nicht

etwa eine Folge des Fehlers selbst ist oder sein Grund vor der Uebergabe

liegt, fällt dem Empfänger zur Last60). Eine entschiedenere Abweichung vom der Redhibent wegen der genossenen

römischen Recht liegt darin, daß

Früchte, wegen der Verbesserungen und Verschlimmerungen, auch „sonst angesehen werden soll"). Dadurch ist

überall" als redlicher Besitzer

der Zweck der Redhibition, die Wiederherstellung deS früheren Zustandes, verdunkelt, der zurückgebende Kläger behält Vortheile 62j, die ihm nur auS dem Vertrage, den er doch selbst aufhebt, erwachsen konnten, und diese

Unbilligkeit wird nicht durch den beschränkenden Zusatz beseitigt:

„doch

darf auch ein solcher Unternehmer sich mit dem Schaden des Anderen nicht bereichern" ”), denn soweit derselbe wegen seiner unbestimmten All­ gemeinheit überhaupt brauchbar ist, kann er nur bedeuten, daß die schon

gezogenen aber noch vorhandenen Früchte mit herauszugeben sind. Kosten, die der Empfänger der Sache auf ihre Unterhaltung verwendet hat, z. B

“) 1. 38. §. 3. 1.47. §. 1. I. 48. pr. D. XXI, 1. Auch Entwährung macht Redhi. bition nicht unmöglich. 1. 44. §. 2. D. eod. ") Seufsert B. 3. N. 25. B. 10. N. 148. ") §. 327.328. d. T. 6e) Vorausgesetzt, daß die Ursache der Veränderung nach Uebergabe eingetrelen ist. Strieth. B. 1. S. 46. *•) §. 337. d. T. Bornem. B. 2. S. 351. 352. Koch, R. d. F. II. S. 488. und Komment, zu §.327. Z. B. theilweiser Verbrauch einer Quantität. Strieth. B. 12. S. 192. •°) Der Zufall ist unschädlich, wenn er erst nach erklärtem Rücktritt eingetreten ist. Entsch. B. 41. S. 40. Strieth. B. 34. S. 129. B. 1. S- 46.

") §. 337. d. T.

Gruchot II. S. 479.

•’) Bergl. I, 7. §. 189 f. ") §. 338. d. T.

Vergl. Gruchot VIII. 520.

§. 85.

Gewährleistung wegen Fehler.

483

für Fütterung, sollen ohne ängstliche Berechnung gegen die Vortheile auf­

gehoben werden, die der Gebrauch der Sache noch gewährt hat"). VI.

Das gegenseitige Verhältniß der Minderungs- und Wandelklage

ist kein eventuelles.

Vom Empfänger hängt es ab, ob er die eine oder

andere wählen will65).

Nur wo er nicht mehr zurückgeben kann, oder so­

bald er einmal erklärt hat, er wolle nicht zurückgeben °°), ist er auf die

Minderungsklage beschränkt.

Die Frage, in welchem Zeitpunkt er noch

zur Rückgabe im Stande sein muß, um wandeln zu dürfen, ist nach all­ gemeinen Grundsätzen dahin zu beantworten: zu der Zeit, wo er wählte d. h. dem anderen Theil seinen Entschluß zum Rücktritt anzeigt"), so daß

wenn die Rückgabe wegen des Verlaufs des Prozesses oder anderer un­ verschuldeter Umstände sich verzögert und die Sache hinterher durch Zufall untergeht,

die Wandelklage nicht mehr

abgewiesen werden kann.

Die

Minderungsklage kann wegen verschiedener Fehler wiederholt angestellt68), ja es kann, nachdem sie schon zur Minderung der Gegenleistung geführt,

wegen eines anderen Fehlers noch die Wandelklage und auch diese selbst,

wenn man mit ihr wegen eines Fehlers nicht durchgedrungen, wegen eines anderen Fehlers wiederum gewählt werdenen auch der ent­

gangene Gewinn zu ersetzen, noch mit Gruchot, daß immer nur der Kauf­ preis erstattet werde.

Ungenau sind vielmehr nur die Worte „nach Ver­

hältniß", insofern diese auf die Grade des Verschuldens deuten.

§. 155. in Zusammenhang mit §. 154. erklärt,

Wird

so ergiebt sich: der Bor­

mann hat nichts zu ersetzen, wenn der Entwährer hat einlösen müssen

»’) §. 155. I, 11.

”) Koch, R. b. Ford. II. S. 436 f. (im Widerspruch mit I. S. 303.). Komment. Role 4. zu §. 155. I, 11. Bei dem Lausch hat der dolos« Veräußerer, wenn die Sache evinzirt wird, für Schaden und entgangenen Gewinn eiuzustehe». §. 369. I, 11. Der „betrügerische" Cedent soll zwar das „volle Interesse" leisten, dieses wird aber beschränkt aus die gezahlte Valuta und die Zinsen davon, so daß der Gewinn, den der Cessionar durch Zahlung einer geringeren Valuta machen wollte, ausgeschlossen ist (§. 424. 425. I, 11.). Hierin kann also Koch keine Stütze für seine Auslegung des §. 155. I, 11. finden, und noch weniger in § 469. 1,11, der gar nicht von Entwährung, sondern von den Folgen des Verzugs spricht. »•) I, 5. §. 287. 288. I, 6. §. 6. 7.12. ••) §. 156. I, 11.

•*) Gruchot, Beiträge B. 2. S. 191 f. §. 5.

§. 86.

Entwährung.

495

(das hängt von der Redlichkeit des Erwerbers ab), und wenn ihn selbst" kein Verschulden trifft (§. 154.);

er hat dagegen deu wirklichen Schaden

(damnum emergens) zu ersetzen, wenn ihn Vorsatz oder ein Verschulden trifft, gleichviel von welchem Grade, auch-wenn der Entwährer hat ein­

lösen müssen. Zu diesem Schaden gehören jedenfalls die Kaufkosten und die Kosten des Entwährungsprozesses"). Der redliche Erwerber erhält also, wenn sein Vormann vorsätzlich oder aus Versehen eine fremde Sache

veräußert hat, von dem Entwährer das gezahlte Kaufgeld und die auf die Sache verwendeten Kosten, d. h. die nützlichen und nothwendigen Ver­

wendungen zur Verbesserung und Erhaltung der Sache"), und von dem Vor mann außerdem die Kauf- und Prozeßkosten und den' Ersatz des wirklichen Schadens, nicht aber einen Ersatz für entgangenen Gewinn.

Der Ersatz des wirklichen Schadens kann aber nur darin bestehen, daß der Werth der Sache zur^Zeit der Entwährung, wenn dieser den Kaufpreis

übersteigt, gezahlt werde, daß also auch die Erweiterungen der Sache, die schon vorhandenen, aber noch nicht abgesonderten Früchte und Nutzungen

in Anschlag kommen, die der Entwährer nicht zu entgelten hat. Ist der Werth der Sache zur Zeit der Entwährung geringer als der Erwerbspreis, den der Entwährer zahlt, so fällt von selbst die Ersatzpflicht des Vormanns für den wirklichen Schaden (außer für die Kosten) weg, weil dann ein solcher nicht vorhanden ist. Da der redliche Erwerber die während seiner Besitzzeit genossenen Früchte und fällig gewordenen Nutzungen behält"), so hat er weder Ersatz für die entrichteten Lasten und Abgaben, noch die Zinsen vom Kanfgelde zu beanspruchen 65). Von dem Zeitpunkt aber, wo er mit der Sache die Nutzungen an den Entwährer verliert, hat der °2) 8 155. 156. I, 11. Daß in §. 155. I, 11. gesagt ist: den bei dem Kans- 1 geschäst erlittenen Schaden, bedeutet nicht einen Gegensatz zu dem durch die Entwährung erlittenen Schaden, sondern soll — obschon ungenau — nur den in Folge des Kaufs erlittenen Schaden bezeichnen. Gruchot a. a. O. S. 193. legt auf jene Worte einen zu großen Nachdruck. Gewiß muß der Deräußerer auch die Verwendungen ans die Sache erstatten, die der Evinzent nicht einlöst. Arndts in der jur. Wochenschr. 1838. S. 326. interpretirt den §. 155. I, 11. dahin, daß der Verkäufer dem Käufer daS Gezahlte, so weit er es nicht von dem Evinzenten erhält, zurückzugeben, überdies aber nach dem Grade seines bei der Schließung des Vertrages begangenen Versehens den durch die Eingehung des Vertrages erlittenen Schaden zu ersetzen habe. Zu dem letzteren rechnet er auch denjenigen entgangenen Gewinn, der anderweitig erzielt worden wäre, wenn daS Geschäft nicht abgeschlossen worden wäre. Das ist aber bedenklich wegen deö Wortes „wirklich" in §. 155. Daselbst J. 524. stellt Arndts die Vermuthung auf, die in §. 155. enthaltene Beschränkung erkläre sich^rchl daraus, daß der Käufer im Preise mit Geld hingegeben und daß nach §.834.1,11. bei Geldleistungen, selbst bei dolus und culpa lata nur der wirkliche Schaden ersetzt werden soll. DaS wäre aber eben eine ganz schiefe Auffassung der Redaktoren. Möglich ist es, daß sie ihr verfallen sind, da sie bei der ganzen Lehre vom Schadenersatz ohne Prinzip herumgetappt sind. Richtig normirt ist dagegen die Eviktionöleistung beim Tausch. I, 11. §. 369.

°) Oben Note 54. S. 491. ") I, 7. §. 189. «) I, 7. §. 218. §. 157. I, 11.

496

Zweite» Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Vormann die Zinsen des Kanfgeldes zu erstatten:

dies heißt vom Zeit­

punkt der Behändigung der Entwährungsklage, weil diese die Redlichkeit

in Unredlichkeit verwandelt"),

b. Der unvorsichtige Erwerber, wel­

chem vom Entwährer nichts erstattet wird, hat an den gutgläubigen Ver­ äußerer nur den Anspruch

auf Hcrauszahlung des Preises, bei einer

Verschuldung des Veräußerers auf Ersatz deS wirklichen Schadens und

bei Unredlichkeit desselben auch auf die Zinsen des Preises von der Be­ händigung der Entwährnngsklage an"). c. Der unredliche Erwerber

hat keinen Anspruch an den Vormann, aber das A.L.R. sorgt dafür- daß

dadurch der ihm gegenüberstehende unredliche Veräußerer nicht gewinne: er soll das, was er aus dem Vertrage als Preis und sonst erhalten, dem FiskuS zahlen ").

2.

Die Sache ist theilweiS entwährt.

Hierher gehören nicht bloß

die Entwährungen reeller oder ideeller Theile an der Sache selbst, sondern auch die Fälle, wo entweder eine Last auf der Sache haftet, die vertreten werden muß, oder wo sich ergiebt, daß ihr eine rechtliche Vefugniß, eine

Rechtseigenschaft, nicht angehört, die auf den Erwerber nach Inhalt deS Vertrages übergehen sollte"). Die theilweise Entwährung wird nach den Grundsätzen bei fehlenden bedungenen oder vorausgesetzten Eigenschaften behandelt. Der Erwerber hat ein Wahlrecht zwischen der Entschädigungs- und der Wandelklage?"). Wird vom Vertrage znrückgelreten,

so entscheiden über das gegenseitige Zurückleisten die §. 85. entwickelten Grundsätze.

Es ist erst Verbesserung oder Erfüllung zu verlangen, ehe

gewandelt werden darf, und wenn gewandelt wird, muß von der zu er­ stattenden Gegenleistung das abgerechnet werden, was der Entwährer ver-

gütigt hat; Zinsen und Nutzungen werden kompensirt ").> Wird aber beim

Vertrage stehen geblieben und vom Entwährten Entschädigung verlangt,

6G) §. 157.1, 11. §. 122.1, 7. Ges.Revisoren, Pens. XIV. S. 44. ArndtS iu der jurist. Wochenschr., 1838 S. 764. Seusfert V, 268. ®7) §. 161 — 163. I, 11. Da Koch unter dem wirklichen Schaden in §. 155. auch den entgangenen Gewinn versteht, so muß er in S. 163. eine dazu nicht passende Bestimmung finden, weil der unredliche Autor außer dem wirklichen Schaden nur noch die Zinsen erstatten soll, letztere aber den entgangenen Gewinn nicht decken, der in grobem Versehen befindliche Veräußerer mithin unter Umständen mehr leisten müßte, als der unredliche. Die Inkongruenz schwindet, wenn man §. 155. nicht auch auf den entgangenen Gewinn bezieht. S. 494. 68) §. 159. 160.1,11. Vergl. Seuffert VII, 297.

69) §. 164. das. 70) §. 188. I, 11. DaS römische Recht giebt bei Eviktionen nicht die actio redhibitoria. DaS säcbs. G.B. giebt die'Wandelklage zur Wahl §. 942. Es muß aber ein wirklicher Anspruch wegen Entwährung vorliegeu. Dies ist nicht der Fall, wenn der Veräußerer die Befreiung des Grundstücks von einer darauf ruhenden Schuld oder Last ausdrücklich versprochen hat. Dies ist eine besondere kontraklliche Verbindlichkeit, die erfüllt werden muß. Entsch. B. 22. S. 145.

71) §. 164-167. I, 11.

§. 86.

Entwährung.

497

so ist dies nicht die Minderungsklage (a. quanti minoris), sondern die

Vertragsklage.

Es entsteht aber auch hier, wie bei jener, die Frage nach

der Berechnungsart der Entschädigungssumme.

In Betracht kommt hier­

bei, daß außer entsprechender Erstattung des Erwerbspreises und baarer Kosten vom unredlichen und fahrlässigen Veräußerer auch sonstiges Inter­

esse verzütigt werden soll, und daß der gutgläubige Veräußerer nur Preis

und Kosten erstattet.

Zu unterscheiden ist also, wie soll der Preis des

entwährten Theils, wie sollen die Kosten, wie soll das sonstige Interesse

berechnet werden.

Der Werth des reellen Theils, der hervorgetretenen

oder des nicht vorhandenen Rechts wird hier, wie bei fehlenden Eigenschaften, an und für sich (absolut) entweder nach dem Anschlag der

Last

Parteien oder durch sachverständige Abschätzung berechnet und vom Preis des Ganzen abgezogen. Maßgebend für die Werthberechnung ist die Zeit des Vertragsabschlusses. Ist aber der Kaufpreis niedriger als der Werth

deS Ganzen, so muß nach demselben Verhältniß die Entschädigung für den entwährten Theil herabgesetzt werden"). Bei ideellen Theilen dagegen fehlk eS an der Bestimmbarkeit ihrer Güte, ihr Preis kann daher nur nach

ihrem Größenverhältniß zum Ganzen gefunden werden").

Wenn erweis­

bar ist, daß die Kosten nur auf den entwährten Theil verwendet worden, so sind sie nach ihrem vollen Betrage zu ersetzen. Dies ist immer der Fall bei den Kosten des Entwährungsprozesses. Sind sie für daS Ganze aufgewendet, so fallen sie auf den Theil nach dem Verhältniß desselben

zum Ganzem Bei der Berechnung des sonstigen Interesse kommen auch die in der Zwischenzeit den Theil betroffenen Verbesserungen oder Verminderungen in Berücksichtigung. Es ist die Zeit der Entwährung maßgebend. 3. Die Sache ist mit Privatschulden belastet.

Hier läßt sich der

n) Pro bonitate: 1. 1. D. XXI, 2. 1. 64. §. 3. ibid. A.L.N. §. 170. 171. I, 11. S. hierüber Slrieth. 4). 15. S. 101. B, 49. L>. 6. Der §. 170. ist die Regel, der §. 171. die Ausnahme für den Fall, wo unter dem Werth gekauft worden. Also nach §. 171: Werth des Gante» — 4500. Preis 3000. Werth des evin- zirten Stückes 100, so stellt sich die Rechnung dahm: 4500:3000 — 100: x.; und nach §. 170.: Preis 4500. Anschlag oder Werth des Ganzen — 3000. Werth deS evinzirteu Stücks = 100, es wird der Betrag von 100 vom Preise abgezogen, nicht aber eine Berhällnißberechttung aufgemacht, wonach etwa nach dem Berhält» niß des höheren Preises für das Ganze eine höhere Entschädigung für das ent« währte Stück gezahlt werden müßte, also nicht 3000 : 4500 = 100: x. Somit ist die Regel (§. 170.) die absolute Berechnung, die Ausnahme (§. 171.) die re­ lative. Bgl. Koch, Komm. Rote 15. zu §. 171. Die absolute Berechnung ist ferner anerkannt bei der Eviktion eines Stücks aus einem Inbegriff (§. 173. 174. K T.) und bet der Kapitalisirung der Last (§. 189.190. d. T ). Slrieth. B. 16. S. 27. B. 50. S. 31. Der 20fache Betrag des jährlichen MindercrtrageS ist die Entschädigungssumme. Bergl. oben §. 85. Note 38 — 44. S. 477 f. Das fächs. G.B. §. 941. stellt die Summe, welche dem Verhältniß des Werths des entwähr­ ten Gegenstandes zum Werth des Ganzen zur Zeit der Eutwähruug entspricht, als die Entschädigung hin. Bergl. auch Seusfert V, 122. Heuser, Annalen B. 10. S. 46 f. ,ä) Pro quantitate evictac partis: 1.1. eit. Förster, Preuß. Prwatrecht. 1. 2.Allst.

498

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

Umfang der Bertretungspflicht erst feststellen, sobald die Privatschuld gel­ tend gemacht und vom Erwerber der Sache hat geleistet werden müssen. Der Betrag seiner Leistung und seines sonstigen Interesse ist zu berechnen.

VII. Außer der Vertragsklage ans Ersatz und der Wandelklage hat der Entwährte auch noch zu seinem Schutz gegen den Anspruch seines Veräußerers auf Gegenleistung die Einrede des nicht gehörig erfüllten

Vertrages oder der drohenden Entwährung.

Nach gemeinem Recht wird

sie geltend gemacht durch Verweigerung der ganzen Gegenleistung oder eines verhältnißmäßigen

Theils

derselben7J).

Das A. L. R.

bestimmt:

„Kommen Gewährsmängel oder Ansprüche eines Dritten an die Sache

vor erfolgter Bezahlung des KanfgeldeS zum Vorschein, so kann der Käu­ fer einen verhältnißmäßigen Theil desselben zurückhalten und gericht­

lich niederlegen"7* '). * * * Die * * jetzt durch Plenarbeschluß festgestellte Praxis legt diese Worte dahin aus, daß der zurückgehaltene Theil des Preises

gerichtlich niedergelegt werden muß7°). Das Zurückbehaltungsrecht ist also dahin beschränkt, daß es nur in der Form gerichtlicher Niederlegung aus­

geübt werde» darf. Diese Form ist jedoch nicht erforderlich, wenn die Zurückhaltung vertragsmäßig besonders eingeräumt ist77), und die Ver­

hältnißmäßigkeit der zurückgehaltenen Gegenleistung braucht

nicht genau

dem Verhältniß deS Theils zum Ganzen zu entsprechen, der Entwährte daher eine solche Uebereinstimmung nicht nachzuweisen 7S). Endlich hat der Entwährte noch das Sicherungsmittcl einer Kantionsforderung, nach deren Bestellung er seine Gegenleistung nicht vorenthalten darf").

VIII. Die Klage auf Leistung der Gewähr wegen Entwährung, und zwar sowohl die auf Ersatz als auf Wandelung-gerichtete, verjährt in kürzerer Frist, als sonst die Vertragsklage°°). „Wegen solcher Mängel, welche nicht die Sache selbst, sonder» nur äußere Eigenschaften, Befugnisse

M) Die Gegenleistung verweigert der Eiwerber, wenn bereits evinzirt ist, 1.13. §.9. D. XIX, 1. und wegen drohender Eviktion. Die Quellen sagen quaestione mota. 1. 18. §. 1. D. XVIII, 6. Daß man bloß argwöhnt, es werde evinzirt werden, genügt nicht. I. 10 §. 1. D. XVIII, 5. Die gemeinrechtliche Praxis verlangt aber nicht Beginn des Rechtsstreits, sondern ermißt im einzelnen Fall nach den thatsächlichen Berhältnissen, ob drohende Eviktion anzunehmen. Seusfert B. I. Nr. 49. 50. B. 13. Nr. 15. 88. 137. Arch. s. prakt. R.W. N. F. B. 1. S. 459. Bekker S. 323 f. Gerichtliche Dcposition ist gemeinrechtlich nicht erfordert. Strieth. XIII, 88. Auch nicht sächs. G-B. §. 943.

§.222. I, 11. 7«) Enlsch. SB. 28. S. 1. Strieth. B. 14. S. 112. B. 27. S. 23. B. 31. S. 59. B. 33. S. 27. B. 35. S. 206. B. 38. S. 288. B. 40. S. 45.

”) Entsch. SB. 29. S. 355. ”) Strieth. B. 15. S. 98. ”) §. 223.1,11. Bei erweislich begründeter Besorgniß der Entwährung: Seussert XIII, 15. ‘ 80; Gemeinrechtl. keine kürzere Verj; nach österr. G.V. §. 933. drei Jahr bei un­ beweglichen, 6 Monat bei beweglichen Sachen; nach sächsischem §. 946. drei Jahr.

§. 86.

499

Entwährung.

oder Lasten derselben betreffen, muß der Uebernehmer seine Rechte bei

Landgütern innerhalb eines Jahres, bei städtischen Grundstücken innerhalb sechs und bei beweglichen Sachen innerhalb dreier Monate nach der von

dem Mangel erlangten Kenntniß geltend machen" *81).* * Daß unter äußeren Eigenschaften, Befugnissen, Lasten nur die s. g. juristischen im Gegensatz zu den physischen Eigenschaften zu verstehen sind, ist jetzt allgemein ange­

nommen ").

Die Anwendbarkeit des §. 344.

ist

bedingt durch einen

Mangel solcher juristischen Eigenschaften. Die Verjährung ist also aus­ geschlossen, wo nicht von einer Mangelhaftigkeit der Sache die Rede ist. Die Entwährung bewirkt nicht immer Mangelhaftigkeit der Sache.

Gewiß

niemals, wenn die ganze Sache entwährt worden88), oder wenn nur

Privatschulden vorhanden sind, für die die Sache dinglich verhaftet (verpfändet) ist 84). Daher tritt in beiden Fällen die kurze Verjährung

nicht ein.

Nicht immer, wenn die Sache theilweis entwährt wird,

nämlich nur dann, wenn die Entziehung des Theiles nachtheilig aufs Ganze, seine Beschaffenheit, Brauchbarkeit, Güte wirkt. Daher ist die

kurze

Verjährung hier nur unter dieser Voraussetzung anwendbar85).86

Immer aber, wenn auf der Sache eine Last liegt oder ihr eine ver­ sprochene Befugn iß nicht zusteht, denn beides wirkt unmittelbar auf ihre höhere oder geringere Brauchbarkeit.

Verjährung unterworfen *).

Daher ist hier die Klage der kurzen

Haben die Parteien im Vertrage die Ver­

tretung der Entwährung so verabredet, wie sie schon aus dem Gesetz folgt, so bleibt die kurze Verjährung anwendbar88).

Sie beginnt mit der „er­

langten Kenntniß des Mangels", also nicht mit dem Tage der Ueber­ nahme. ES ist aus den Thatsachen zu ermessen, ob und wann die Kennt­ niß des Mangels (nicht des bloßen Anspruchs) erlangt worden. Daß dazu die rechtskräftige Verurtheilung oder Abweisung des Erwerbers im Ent­ währungsprozeß nothwendig sei, läßt sich nicht behaupten. Die Kenntniß mnß nur mit einem gewissen Grade von Zuverlässigkeit bekleidet sein 87).

"■) §. 344. 1,5. 81) Heydem. I. S. 259. Ergänz, zu ß. 344. Nr. 4. Strieth. B. 43. S. 205. ”) Emsch. B. 15. S. 3. Damit stimmt auch die Praxis des O.A.G. München. Blätter f. RechtSanw. B. 23. S- 289. 8‘) Rechtfälle B. 3. S. 59. u. übereinstimmend die hannoversche Praxis nach A.L R. Magazin für hannov. R. v. Klemke B. 4. S. 99. (Aufsatz von Bojunga). Vertragsmässig übernommene Pflicht, das Grundstück von einer Hypothek zn befreien, gehört nicht znr Gewährleistung, verjährt also auch nicht nach §. 344.1, 5. RechtSs. I. S. 194. Strieth. B. 7. S-298. ArnSb. Arch. XIV. S. 212. Gruchot II. S. 479. 86) Entsch. B. 15 S. 3. *) Die Rückstände der Reallasten sind der kurzen Verjährung nicht unterworfen. Entsch. B. 55. S. 19. 8«) Strieth. B. 31. S. 86.

•7) Entsch. B. 41. S. 39. a. E.

Koch, R. d. F. B. 2. S. 453.

Zweites Buch.

500

Die besonderen Privatrechte.

Daß die Einrede nicht der Verjährung unterworfen, ist §. 85. a. E. erwähnt ”). IX.

Der Anspruch wegen Entwährung fällt fort, wenn ver­

tragsmäßig demselben ohne Arglist entsagt worden ""); wenn die Sache dem

Erwerber durch höhere Gewalt entzogen ist""); wenn der Erwerber den Verlust verschuldet hat"'); wenn die Sache vor der Entwährung durch Zufall untergegangen""); wenn beide Theile ausdrücklich ’*) über eine fremde Sache den Vertrag geschlossen"); wenn der Erwerber gewußt, daß seinem

Veräußerer oder der Sache das veräußerte Recht nicht Zustand""). WaS den Einfluß eines Erbfalles auf die Entwährung und die aus ihr hervor­ gehende Gewährleistungspflicht betrifft, so sind sechs Möglichkeiten denkbar. 1. Das A.L.R. erwähnt nur den Fall, daß der Entwährer (Eigenthümer) den Veräußerer beerbt""). Wird er dessen Erbe ohne Vorbehalt, so kann

er nicht mehr aus eigenem Recht evinziren, und damit fällt auch die Ver­ pflichtung weg, dem Erwerber Ersatz zu leisten.

Wird er dessen Erbe mit

Vorbehalt, so kann er noch aus eigenem Recht entwähren, muß aber auch die Pflicht seines Erblassers erfüllen, d. h. dem Entwährten gerecht wer­ den, so weit sein Erbtheil reicht. 2. Wenn umgekehrt der Veräußerer den Eigenthümer beerbt, so erwirbt er von seinem Erblasser das EutwährungSrecht, bleibt aber dem Entwährten als Veräußerer verhaftet auf den

Ersatz.

ES muß daher auch zulässig erscheinen, daß der Veräußerer, ob­

schon ihm im Entwährungsprozeß der Streit verkündigt ist und er dem Erwerber Beistand geleistet, nachdem er den Eigenthümer beerbt, den Bei­

stand wieder aufgiebt und den Prozeß seines früheren Gegners nunmehr gegen seinen früheren Parteigenossen fortsetzt.

Dieser Wechsel der Partei­

rollen erscheint zwar bedenklich, weil der Veräußerer mit seinen früheren Erklärungen, die gegen den Entwährer gerichtet waren, in Widerspruch

treten muß.

Wird aber erwogen, daß er dem Erwerber nicht in dessen,

«») §. 345. I, 5.

Oben §. 85. Note 80.

”) §. 137.138.1,11. Arglistig ist der Veräußerer, wenn er daS Recht deS Dritten selbst begründet, oder es gewußt und Vers i wiegen hat. Koch, R. d. F. II. S. 457. 1. 11. §. 14. 15. 18. D. XIX, 1. Ueber das pactum de non praestanda evictione war viel Streit. Glück B. 20. S. 295. Bangerow III. S. 345. ,0) Hierher gehören auch die Versügungen der SlaatSgewalt, Expropriationen, gesetz­ liche Aushebung von RcchtSinstituten. Koch S. 459. a. E. Simon, Rechlspr. B. 4. S. 34. . •*) Z. B. nachweisbare Nachlässigkeit in Vertheidigung gegen den Evinzenten und unterlassene LitiSdenunziation. Koch S.460. §. 146. 147. I, 11. ”) A.L.R. Einleit. §. 108. Koch S. 461. Enlsch. B. 11. S. 245. 1. 21. D. XXI, 2.

”) Präs. 526. Samml. I. S. 51.

w) §. 139. 1,11. »•) §. 159. 1,11. 1.27. C. VIII, 45. •«) §. 140-142. 1,11.

Seusfert B. 7. N. 297.

Koch S. 462f.

§. 87.

D. Aufhebung.

501

sondern im eigenen Interesse zur Seite getreten, daß er schon an sich be­

rechtigt ist, jeden Augenblick diesen Beistand wieder aufzugeben, wenn sein Interesse abweicht, so schwindet die scheinbare Auffälligkeit.

Ein Gleiches

ist anzunehmen, wenn der beigeladene Vormann aus Singulartitel Rechts­ nachfolger des Evinzenten wird.

Nur freilich versteht sich von selbst, daß

die Rechte des Streitverkündigers nicht beeinträchtigt werden dürfen, und daß er ungehindert ist, die Vertheidigungsmittel, die ihm von seinem bis­

herigen Beistände bereits dargeboten sind, ferner auch gegen ihn zu be­

nutzen ”).

3. Der Veräußerer beerbt den Erwerber.

Das EviktionSrecht

des Eigenthiimers bleibt unberührt, der Eviktionsregreß ist wcggefallen.

4. Der Eigenthümer beerbt den Erwerber: DaS EviktionSrecht ist weg­

gefallen, der EviktionSregreß an den Veräußerer unberührt.

5. Der Er­

werber beerbt den Veräußerer: Das EviktionSrecht des Eigenthiimers ist

geblieben, der Regreß weggefallen. Hat aber der Erbe nur mit Vorbe­ halt angenommen, so kann er sein Regreßrecht als Nachlaßschuld geltend

machen. 6. Der Erwerber beerbt den Eigenthümer: Das Eviktionsrecht ist beseitigt, der Regreß an den Veräußerer ist geblieben.

X.

Zum Schluß sei erwähnt, daß daS deutsche Handelsgesetz­

buch den redlichen Erwerber von beweglichen Sachen, die ein Kaufmann

in seinem Handelsbetriebe veräußert, verpfändet oder übergiebt, gegen alle Entwährung sichert, wenn auch der veräußernde Kaufmann nicht Eigen­ thümer war. Früher begründetes Eigenthum, früher begründetes Pfand­ recht oder anderes dingliches Recht erlischt").

§. 87. a.8.8?. I, 5. §. 349-423.

D. Aufhebung.

Heydem. I. S.263f.

Gruchot III. S. 128f.

nemann II. S. 359. Daniels II. S. 345. Koch, Pr.R. II. S.207. II. S. 495. Plathner, Geist. I. S. 299. 311. 327.

Bor-

R.d.F.

Unter der Randaufschrift: „Aufhebung der Verträge" erwähnt daS A.L.R. sieben Fälle: Betrug, Unmöglichkeit der Erfüllung, veränderte Umstände, wechselseitige Einwilligung, Mangel der Erfüllung von der einen Seite, Erlaß und Vergleich, Tod einer Partei.

Es ist in diesen Bestim­

mungen mancherlei durcheinander gemengt, was nicht zusammengehört, es ist die Aufhebung des Vertrages vermischt worden mit der Verwandlung 37) So hat das O.A.G. Kassel einen Rechtsfall entschieden. S. 43 f.

Heuser, Annalen B.5.

”) Art. 306. Auf gestohlene und verlorene Sachen hat dieser Artikel keine Anwen­ dung. Bei Beräusternng von Papieren aus den Inhaber ist die Entwährung aus­ geschlossen, auch wenn die BerLußerung nicht vom Kaufmann in seinem Handels­ betriebe geschehen und das Papier gestohlen oder verloren gewesen. Art. 307.

Zweit«» Buch.

502

Die besonderen Privatrechte.

deS Vertragsgegenstandes in eine Entschädigungsforderung, und man stößt

hier auch zum Theil auf so wunderliche Mißgriffe, auf eine so lebenslose Kasuistik, daß es Hauptziel der nachfolgenden Erörterung sein muß, daS nur hierher Gehörige sorgsam herauszuschälen und klar zu machen, wie

einzelne Bestimmungen für Praxis und Theorie als todt zu betrachten. Aufhebung ist Wiederbeseitigung eines giltigen Vertrages mit Aufgeben seines Zwecks.

Sie unterscheidet sich einerseits von der seinem

Begriff natürlichen und nothwendigen Beendigung oder Lösung deS VertragSverhältnisses, andererseits von der Anfechtung, welche einen ungiltig entstandenen Vertrag angreift, und von der Umwandlung des

Vertrages in einen neuen, durch welche der Geschäftszweck erhalten werden soll.

Betrug ist also kein Aufhebungs-, sondern ein Anfechtungsgrund

Vergleich, weil dieser das bisherige Vertragsverhältniß nur einschränkend ändert, hebt ihn ebenfalls nicht auf; mangelhafte oder ganz ausbleibende

Erfüllung, soweit sie eine verschuldete ist und die Forderung auf das In­ teresse erzeugt, bringt vielmehr recht eigentlich die zwingende Kraft des Vertrages an den Tag. ES bleiben als Aufhebnngsgründe nur übrig: veränderte Umstünde, zufällige Unerfüllbarkeit, wechselseitige Einwilligung,

Erlaß, Tod eines Theils. zurückführen:

Diese Gründe lassen sich auf drei Kategorien

der Vertrag wird aufgehoben

entweder durch Begeben­

heiten (veränderte Umstände, zufällige Unerfüllbarkeit, Tod), oder durch den Willen eines Theils (Erlaß, nach der besonderen Anffassung deS

A.L.R. unter gewissen Voraussetzungen auch bei ausbleibender Erfüllung und wegen Nutzlosigkeit), oder durch den Willen beiderTheile (wech­ selseitige Einwilligung).

Vertragsaufhebung durch Begebenheiten. a. Veränderte Umstände'). Man kann es kaum verstehen, wie

I.

die Bestimmung deS römischen Rechts, daß die an eine zum Zahlungs­ empfang bestimmte Person (solutionis causa adjectus), welche inzwischen eine Rechtsminderung (capitis deminutio) erlitten, geleistete Zahlung un­ wirksam sein soll 3), eine so unsinnige Regel in der Praxis des 17. und 18. Jahrhunderts hat erzeugen können, wie die, daß jedem Vertrage die

stille Voraussetzung anhänge: rebus sic stantibus, d. h. daß veränderte

*) Die» ist auch der Ausdruck in §. 92.1,4. 1,5. §. 377—384. Heydem. I. E. 268. Gruchot III. S. 139. Plathner I. S. 387 f. Bornem. II. S 361. Daniels II. S. 351. Koch. Pr.R. II. S. 208. R.d. F. II. S. 505. 630. — Weber, system. Enlwickl. der Lehre v. der notttrl. Verbindlichkeit, §.90. UnterHolzner I S. 564. Sell, über die röm. recht!. Bush, der Obl. durch conc. duar. caus. lucrat. 1839. Mommsen, Beiträge I. S. 255s., III. S. 413 s. Dazu Wiudscheid in der (Heidelb.) kriti­ schen Zeitschr. II. S. 130. ArndtS S. 458. SinteniS II. S. 500. Kel­ ler, S. 518. Seuffert, Pand. 4.A. II. S. 157. §. 296. •) 1. 38. pr. D. XLVI, 3.

§. 87.

Umstände eine

A.L.R.

Aufhebung

503

D. Aufhebung.

des

Vertrages herbeiführen sollens.

hat den Satz in seiner Allgemeinheit °) verworfen.

Das

Veränderte

Umstände berechtigen „in der Regel" nicht, die Erfüllnng zu verweigern.

Nur die Ausnahme ist zugelassen: erklärten

wenn die Erreichung des ausdrücklich

oder aus der Natur des Geschäfts sich ergebenden Endzwecks

beider Theile durch die zufällige Veränderung der Sachlage unmöglich gemacht worden.

Es wird vorausgesetzt, daß die Aenderung der Umstände

unvorhergesehen eingetreten, daß bei ihrem Eintritt noch überhaupt nicht erfüllt ist, aber auch noch nicht hätte erfüllt sein sollen«), und dann steht

mit dem Willen beider Theile die Sache so, als wäre zwischen ihnen kein Vertrag geschlossen worden. Verträgen, so bleibt es dabei;

Ist schon ganz erfüllt, auch bei einseitigen ist mit der Erfüllung erst angefangen, so

muß zurückgeleistet werden; ist die Erfüllung scheinbar verzögert, so tritt

der Anspruch aus Entschädigung ein, selbst wenn die Umstände sich geän­ dert haben 74).5 6Nun kann aber die Veränderung der Umstände auch nicht

zufällig eingetreten, sondern durch die freie Handlung einer Partei verur­ sacht sein, oder sie kann nur dem einen Theil die Erreichung des Ver­ tragszwecks vereiteln. In diesen Fällen läßt das A.L.R. zwar auch den

Vertrag aufheben, jedoch gegen Entschädigung, aber gerade darin zeigt sich, daß hier der Vertrag nicht aufgehoben, sondern daß vielmehr sein Inhalt

und Gegenstand in die Leistung des Interesse geändert wird«). Die For­ derung auf Entschädigung kann sich nur auf den Vertrag gründen,

der

also wirksam bleibt. 4) Z. B. L ey ser, sp. 40. m. 4.: Omne pactum, omnis promissio rebus sic stan­ tibus intelligenda est, sive ut Seneca rem clariu’s explicat, omnia esse debent eadem, quae fuerunt, cum promitterem, ut promittentis fidem teneas. Er stützt aber diesen Satz nicht auf die 1. 38. (vorige Note), sondern auf die Stellen, wo zufällige Unerfüllbarkeit von der Leistung entbindet. Das als Beispiel bei­ gesetzte Nesponsum von Helmstadt Paßt nicht, da eS nur die Billigung eines Ver­ gleiches empfiehlt. Bei Götz, Entsch. d. jurid. Fakultät zu Altdorf, 1808 S. 89. ist die Klausel eine oft mißverstandene, übel angewandte genannt. Weber a. a. O. 5. A. S. 345. hat den Satz so eingeschränkt, wie er im A L.N. erscheint. „ES wird erfordert, daß die Veränderung einen Umstand betreffe, welchen entweder die Natur des Vertrages oder ausdrückliche Verabredung der Parteien dergestalt we­ sentlich erfordert, daß ohne ihn der Vertrag wegsällt." S. 346. Suarez, Anstcht bei Bornem. II. S. 361. 5) DaS österr. G.B. §. 936. läßt veränderte Umstände nur auf die Verabredung, künftig einen Vertrag zu schließen, einwirken. Dem sranzös. u. sächs. G.B. ist der Satz überhaupt unbekannt. 6) Entsch. B. 26. S. 239. B. 49. S. 55. 7) Heydem. S. 269. hat die Stellen des A.L.R. angeführt, in denen die Verände­ rung der Umstände sich geltend macht.- I, 11. §. 178. 635. 656 f. 758 — 760. 982. 984-986. 1005 f. 1140 f. I, 12. §. 538. I, 14. §. 47 f. 248. I, 16. §. 33. I, 17. §. 80. I, 21. § 235 f. *366 f. 376 f. 553. (dazu Suarez, Schl. Revis. S. 71.). II, 1. §. 107 f. 489. II, 2. §. 454. 485. II, 5. §. 143. 146. (dazu Gesindeord. v. 1810 §. 144. 147. 149.). II, 18. §. 416. II, 19. §. 41, Kouk. Ordn. v. 1855 §. 15 f. 99 f.

Zweites Buch. Die besondere» Privatrechte.

504

Als eine Veränderung der Umstände, welche den Vertrag aufhebt, wird insbesondere auch angesehen, wenn der Gläubiger, der eine bestimmte

Sache unentgeltlich zu verlangen hat, dieselbe anderweitig unentgeltlich er­ worben hat (concursus causarum lucrativarum)9). Das A.L.R. stellt den Satz allgemein nicht auf, wendet ihn aber bei Vermächtnissen an, wenn der Legatar die Sache schon unentgeltlich erworben hat'"). Die Regel ist

nicht anwendbar bei Gattungssachen (Quantitäten), oder wenn der Gläu­ biger nur den Werth, nicht die Sache selbst empfangen"). Diese muß unwiderruflich und wirklich in sein Eigenthum übergegangen sein "). b.

Zufällige Unerfüllbarkeit").

Das A.L.R. sagt:

„entsteht

die Unmöglichkeit, den Vertrag zn erfüllen, durch einen Zufall, oder durch unabwendbare Gewalt und Uebermacht, so wird der Vertrag für aufge­

hoben angesehen." Es bedarf nicht eines Aufhebungsaktes der Parteien. tz.66.") ist erwähnt, daß die Unmöglichkeit bei Schuldverhältnissen in zweifacher Hinsicht in Betracht kommt: entweder ist die Leistung schon nach

ihrer Natur von Anfang an unmöglich; dann kann sie überhaupt nicht Gegenstand einer Obligation werden, und dies ist der beschränktere Sinn der Regel impossibilium nulla est obligatio. Oder die Erfüllung der Leistung ist hinterher unmöglich geworden, und hier gilt nach gemeinem

Recht der Grundsatz, daß der Schuldner frei ist von der Verpflichtung zum Leisten, sofern dieses ohne sein Verschulden unmöglich geworden. Jede verschuldete Unmöglichkeit erzeugt aus dem Vertrage die Forderung aus das Interesse. Das A.L.R. dagegen befreit bei unverschuldeter Unmög­ lichkeit nicht sowohl den Schuldner von der Leistung, sondern es hebt den «) §. 6. J. II, 20. 1. 17. 19. D. XLIV, 7. I. 83. §. 6. D. XLV, I. 1. 34. §. 3. 1. 108. §. 1. 4—6. de leg. I. Sell, über die römisch-rechtliche Aushebung der Obligationen durch eene. duar. caus. lucr. Mommsen, Beiir. zum Oblig.R. • I. @. 255 f. Hat der Empfänger die Sache entgeltlich erworben, so bleibt die Obligation aus da« bestehen, quod abest creditori; das muß der Schuldner noch leisten. ,0) I, 12. §. 323. 380. UebrigenS bezieht sich die Mehrheit der Stellen des corp. jur. auch aus Vermächtnisse. . •**) §. 6 J. II, 20. Bei Konkurrenz eines bedingten und unbedingten ErwerbsgrnndeS hebt der letztere, wenn er znm wirklichen Erwerb geführt hat, den ersteren aus, 1 98. pr. de V. O. Ersitzung ist auch ein unentgeltlicher Erwerbsgrund. 1. 82. §. 1. de leg. I. Will der Schuldner dem Gläubiger den Nießbrauch an der Sache schenken und der andere erwirbt anderweitig da« Eigenthum an der­ selben, so ist die Schenkung des Nießbrauchs ausgehoben, weil in dem größeren Recht das geringere enthalten ist, so daß es hier nicht darauf ankvmmt, ob das Eigenthum unentgeltlich erworben. 1. 108. §. 6. de leg. I. i») I, 5. §. 360-376. Heydem. l. S. 265. Gruchvt III. S. 131. Plathner l. S 299. Bornem. II. S. 359. Dani eis II. S. 349. Koch, Pr.R. II. S. 208. u. 40. R. d. F. II. S. 502. I. S. 198. bes. S. 202 f. Unterholzner I. S. 511 f. ArndlS S. 454. Sintenis II. S. 464 Keller S. 532. Seussert II. S. 136. ") Oben S. 360.

§. 87.

Vertrag auf.

D. Aushebung.

505

Die erhebliche Verschiedenheit beider Standpunkte zeigt sich

in den praktischen Folgen. Nach gemeinem Recht behält der Schuldner das Recht auf die Gegenleistung, der Vertrag ist also nicht aufgehoben.

Der Nachtheil, den der Zufall verursacht, trifft die andere Partei, sie hat

die Gefahr (periculum) zu tragenls).

So bei allen Verträgen, die Eigen-

thumöerwerb bezwecken, besonders beim Kauf"). Anders dagegen bei den

Verträgen auf Gebrauch und Nutzung, bei der Miethe").

Hier ist die Gegenleistung so sehr durch die Vorleistung bedingt, daß jene nur so weit

verlangt werden darf, als diese erfüllt ist.

Der Grund liegt nicht, wie

Koch annimmt, in der theilbaren Aufeinanderfolge der Gegenleistung, wäh­

rend dort beiderseitig einmalige Leistung die Obligation erschöpft, sondern in dem Verhältniß von Vor- und Nachleistnng "). DaS A.L.R. hat

die Regel des römischen Rechts von der Miethe verallgemeinert und auf alle Verträge ausgedehnt. Die Pflicht zur Gegenleistung fällt weg, wenn

die Leistung hinterher zufällig unmöglich geworden. Die Gefahr wird also beiden Theilen gleichmäßig auferlegt").

Die Unmöglichkeit muß objektiv

sein, d. h. die Leistung als solche oder die im Vertrage bestimmte Art

derselben treffen"), ist aber nicht bloß absolut, sondern relativ zu ver­

stehen, d. h. nach dem Gegenstände des Vertrages und der demselben zu Grunde liegenden Absicht der Parteien zu bemessen"). Soll eine Gat­ tungssache geleistet werden, so kann eine objektive Unmöglichkeit nicht ein­

treten (genus non perit)* 2).

Bei der Wahlobligation ist nach preußischem

Recht Unmöglichkeit der Leistung vorhanden, wenn die eine von den Sachen, aus denen zu wählen war, untergegangen ist"). Fällt die Unmöglichkeit später wieder weg, so erwacht der aufgehobene Vertrag nicht wie*5) ") ") ")

Mommsen, Beiträge I. S. 232 f. 1. 5. §. 2. D. XVIII, 5. I. 15. D. XXIII,3. Mommsen S. 330 f. 1. 9. §. 4. 6. 1. 19. §. 6. 1. 30. §. 1. D XIX, 2. Mommsen S. 342s. Koch, R. d. F. I. S. 208. Unten § 108. bei Note 46. und 35.

*9) Ueber das Tragen der Gefahr in Vertragsverhältnissen wird §. 108. unter einem allgemeinen Gesichtspunkt ausführlicher gehandelt werden. M) §. 364. 373. I, 5. Der „bloße" Zufall im Gegensatz zu dem Zufall, der sich in der Person eines Kontrahenten ereignet hat, §. 369. 370. 5I) Entsch. B. 40. S. 30. Eine relative Unmöglichkeit, die dem Zufall gleich geachtet wird, ist es auch, wenn die Erfüllung durch Schuld eines Dritten unmöglich wird. Entsch. B. 17. S. 96 s. Str iet h. B. 27. S. 162. Dem widerspricht nicht I. 137. §. 5. D. XLV, 1., wo von subjektiver Unmöglichkeit die Rede ist. Ueber relative und absolute Unmöglichkeit s. Mommsen S. 4. 5.

«) 1. 42. D. XXIII, 3. I. 1. §.2-4. D. XLIV, 7. In der 1. 37. D. XLV, I. sind die certi nummi in arca nicht Gattungssache, sondern Species. ”) Anders nach röm. R. S. oben §. 65. S. 358. §. 33. I, 11. Es tritt also auch nicht der Werth an die Stelle der untergegangencn Sache. Auch nach ;riim. R. tritt übrigens der Werth nicht an die Stelle der Sache, außer bei Legaten. 1. 47. §.3. D. de leg I. Das arg. a. contr., was Mommsen (S. 311.) aus der 1.95. §. 1. D. XLVI, 3. entnehmen will, ist nicht durchschlagend. S. Vangerow . III. S. 28. Anm- II.

Zweites Buch.

506

Die besonderen Privatrechte.

der"). Was vor Eintritt der Unmöglichkeit bereits geleistet worden, muß znrückgeleistet werden, um den Zustand vor dem Vertragsabschluß wieder her­

zustellen. Dabei darf keiner mit dem Schaden des Anderen gewinnen-' Mit dieser Beschränkung soll der Zurückgebende als redlicher Besitzer an­

gesehen werden, d. h. er steht bei Verschlechterungen für grobes Versehen ein. Was nicht mehr znrückgegeben werden kann, auch die gezogene Nutzung, muß vergütigt werden"). Für dieses Zurückleisten ist das Haben ohne Rechtsgrund (condictio sine causa) maßgebend. Unmöglichkeit durch Verschulden herbeigeführt, oder in der Person

des Verpflichteten zufällig eingetreten, wirkt dagegen verändernd auf das Schuldverhältniß und wird an einem anderen Orte erörtert werden *6).

c.

Der Tod hebt den Vertrag auf, wenn dessen Gegenstand eine

Handlung war, bei welcher es auf besondere Fähigkeiten und Verhältnisse des verstorbenen Verpflichteten ankam87). Die Erben müssen zurückgcben, was" der Verstorbene erhalten, können aber für das, was ihr Erblasser bereits geleistet hat, einen entsprechenden Theil der Gegenleistung — nach dem Maße des Vortheils, den der Gläubiger erlangt hat — bean­

Der Tod wirkt unter diesen Voraussetzungen als ein Zufall, der die Erfüllung hinterher unmöglich hat, und insofern hat Gruchot Recht, wenn er die besonderen Bestimmungen des A.L.R. hierüber über­

spruchen").

flüssig nennt"). II. Vertragsaufhebung durch den Willen eines Theils. a. Erlaß (pactum de non petendo)50) ist die ausdrückliche Ent­ sagung auf ein bereits erworbenes Recht"), er kommt daher nicht bloß als Aufhebungsart für Vertragsrechte in Betrachts sondern hat eine all­ Es kann die Leistung ganz oder theilweis erlassen wer­

gemeinere Natur.

den.

Nur im ersteren Fall ist der Vertrag aufgehoben"), im letzteren ist

") I. 98. §. 8. D. XLVI, 3. A. M. scheint für das Preuß. R. Koch zu sein. R. d. F. II, 505. «) §. 365—368 d. x. Bergl. I, 11. §. 902. 960. 964. 967. I, 16. §. 14.102. I, 18. §. 760 s. I, 21. §. 211. 299 f. 381. s«) §. 360—363. 369—372. 374—376. d. T. Unten §. 106. u. 108. 27) §.416. d. T. Koch, R. d. F. II. S. 523. Der Satz hat besonders Anwendung bei der Werlverdingung und dem Dienstleistungsvertrage. 1. un. §. 8. C. VI, 51. Anwendungen im A.LR. I, 13. §. 186. I, 17. §. 281. 290. I, 21. §. 366 f. II, 1. §.124—127.830.1088s. 11,8. §.661 f. Gesindeord. v. 1810 §. 99 f. Schrift­ liche Aufhebung des schriftlichen Vertrages über Handlungen uach §. 388. 1. 5. ist nicht erforderlich. Strieth. B. 69. S. 160. 28) §. 417-422. d. T2») Beiträge B. 3. S. 180. 30) Koch, R. d. F. II. S. 741. — Unterholzner 1,478. Sintenis II. S. 479. Arndts S. 438. Vangerow III. S. 394. Seussert, Pand. II. S. 149. Dölderndorff, zur Lehre vom Erlaß. 1850. Scheurl, Beiträge B. 2. S. 14. Arndts in der kritisch. Ueberschan B. 2. S. 154. 31) §. 379. 381.1,16. Ueber die Frage, ob schristliche Form auch bei Beträgen unter" 50 Thlr. nöthig ist (§. 134. I, 5.) s. oben §. 79. bei Note 62. S. 441. Kvch, R.' d. F. II. S. 741. 82) Im heutigen R. bleibt keine natur, oblig. zurück.

§. 87.

er eingeschränkt.

507

D. Aushebung.

Der Erlaß ist ein einseitiger (wohlthätiger) Vertrag und

bedarf daher der Annahme des Schuldners, dem er angeboten toitb ”).

Daß ein in gerichtlicher Form erklärter Erlaß keiner Annahme bedürfen soll34), ist eine falsche Bestimmung des Gesetzes; es scheint, daß die Re­

daktoren, verführt durch

den allgemeinen Begriff der Rechtsentsagung,

der sich auch auf nicht obligatorische Rechte bezieht, hier, was letztere er­

fordern, übersehen haben, denn die gerichtliche Form der Erklärung kann

an den materiellen Erfordernissen ihrer Giltigkeit nichts ändern 35).

Wie

der einem Schuldner ertheilte Erlaß bei vorhandenem Gesammtschuldver-

hältniß wirkt, ist §. 63. erwähnt 3°); wie er auf Dritte, nebenbei Ver­

pflichtete, z. B. Bürgen wirkt, wird bei der Erörterung der Bürgschaft zu erwähnen sein "). b. Mangelhafte Erfüllung von einer Seite33).

Eine wun­

derbare und durchaus verwerfliche Erfindung der Redaktoren des A.L.R-

ist eS, daß derjenige Kontrahent, der sich weigert, seinerseits zu erfüllen,

weil der andere Theil nicht erfüllt, ein Wahlrecht auf Schadenersatz oder

auf Rücktritt vom Vertrage haben soll, sobald im Wege des gerichtlichen Verfahrens seine Weigerung für begründet erachtet worden. Noch wun­ derbarer ist es, daß dieses Wahlrecht die Kraft haben soll, die Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens in den folgenden Instanzen zu unterbrechen,

d. h. dem Verurtheilten oder Abgewiesenen die weitere Verfolgung des Rechtsweges gradezu abzuschneiden ”). Die Wissenschaft hat keine Erklä­ rung für solche Gedanken und der Praxis sind sie fremd geblieben, weil

daS Bedürfniß des LebenS auf ein solches Wahlrecht nicht hinführt40). Bei Verträgen ans ein Geben kann das Ausbleiben der Leistung oder die Mangelhaftigkeit der Erfüllung niemals ein Gründ sein, den Vertrag auf­ zuheben43), vielmehr muß dieser grade hier seine zwingende Kraft zeigen. Anders allerdings bei Verträgen auf ein Thun, weil Handlungen nicht direkt erzwungen werden können, auch nicht so genau wie Sachen durch ”) 1,16. §.380., wo der Erlaß als „Beitrag" ausgesaßt ist. 3 27) Dies zeigt sich auch darin, daß es selbst nach römischem Recht atü-sich gleichgiltig ist, wer erfüllt, wenn nur erfüllt wird. I. AI. pr. D. XLVI, 3. Uiiter/Holzner I. S. 221. Oben §. 83. a. A. ' ’S

614

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Seite, sondern in einer bestimmten subjektiven Beziehung ist, daß eben nur an diese bestimmte Person geleistet werden kann.

Aber daß solche Obli­

gationen — nicht in Folge der allgemeinen Natur persönlicher Rechtsver­ hältnisse, sondern in Folge besonderer Momente — unübertragbar sind, wird von Niemand bezweifelt"). Ferner wird gesagt, der Gegenstand der Obligation müsse bei dem Wechsel der Person untergehen").

dies ist nicht zuzugeben.

Auch Der Gegenstand ist die Leistung, eine Handlung.

Sie erlangt ihre individuelle Bestimmtheit erst in dem Zeitpunkt, wo sie vorgenommen wird, bis dahin hat sie nur eine generische Bestimmtheit und genus non perit. Aber sie ist auch dieselbe, sie mag an den A. oder

den B. zu leisten sein, denn der Handelnde (der Schuldner) ist derselbe, wie er an den A. geleistet haben würde, so leistet er an den B. Einmal

erzeugt vom Willen der Parteien hat die Obligation ein objektives Dasein,

eine konkrete Individualität, die sie fähig erscheinen läßt, von den Personen, die ihre Urheber sind, losgelöst zu werden, ohne ihren rechtlichen Charak­ ter zu verändern oder ihr Objekt zu verlieren.

Die Gegner der SuccessionStheorie

weisen

endlich noch

aus zwei

Konsequenzen hin, die sich ans ihr ergeben müssen und deren Widersinnig­

keit einleuchte. Einmal könne bei wirklicher Singularsuccession der Schuld­

ner, der guten Glaubens an den alten Gläubiger gezahlt habe, dadurch nicht befreit werden, er unterliege der Gefahr, doppelt zahlen zu müssen: sodann lasse sich nicht erklären, wie der Schuldner gegen den Cessionar die Einreden behalten könne, die ihm gegen den Cedenten zugestanden 30). Beide Einwürfe sind ebenfalls ohne Gewicht. Nach der Successionstheorie hört allerdings der Sebent im Augenblick der geschehenen Session auf Gläubiger zu sein, er darf nicht mehr klagen und nicht mehr Zahlung

annehmen; zahlt ihm der Schuldner, noch unbekannt mit der Session, so

wird er frei, aber nicht weil er an den rechten Gläubiger gezahlt, sondern

weil ihn sein guter Glaube schützt"). Nur in diesem Moment liegt seine Befreiung; sie tritt nicht ein, wenn eS ihm an dem guten Glauben fehlt. Und die Einreden verliert der Schuldner trotz des vollständigen Ueber«

gangS des Forderungsrechts in das Vermögen des Sessionars deßhalb nicht, “) Wegen des Inhalts der Obligation erklärt sie Scheurl (Beiträge S. 15. u. krit. Ueberschau I. S. 331.) für unveräußerlich, weil er zum Inhalt nicht bloß eine persönliche Beziehung an sich, sondern die bestimmte persönliche Beziehung zwischen diesem Gläubiger und diesem Schuldner rechnet. Gegen ihn Windscheid, Aktiv S. 151. ”) Dies ist Kuntze's Grund. Er saßt die Succession nicht aus als Uebcrtragung des Rechts, sondern als Uebertragung des Objekts, und da dar letztere bei der Obligation eine Handlung sei, die keine real« Selbständigkeit habe, wie die Sache, sondern nur am Individuum haste, so müsse auch ihre Ablösung vom Individuum ihr Untergang sein (§. 16. 20.). Er saßt seine Ansicht S. 76. in den Satz zu­ sammen: „um der Unübertragbarkeit des Objekts willen ist eine Singularsuccession in Obligationen unoenkbar." Gegen ihn Windscheid, Mio S.154 ff. •«) Kuntz« §. 10. S. 31. 33. '») Bähr S. 9. S. 414f.

§. 99.

RechtSabtretung.

615

weil dieser es vom Cedenten nur in der Art und in dem Umfange er­ wirbt, als es letzterem zustand, mit all seiner Stärke und Schwäche").

Indem die neueren Gesetzbücher, das A.L.R. vorangehend, die Theorie der Singularsuccession in Forderungen angenommen haben, sind sie mit­ hin weder abgewichen vom Wesen der Obligation, noch haben sie sich eines Mißverständnisses des römischen Rechts schuldig gemacht.

Es zeigt

sich hier vielmehr, daß Bestimmungen der Landesrechte, die man bereit war zu tadeln "), doch zuweilen ihren tieferen Grund haben, daß sie der

Abschluß einer neueren, berechtigten Rechtsbildung sind. Nach dem Ausgeführten muß der Begriff der Cession für das heu­

tige praktische Recht dahin gegeben werden: sie ist die Uebertragung einer

Forderung ihrer Substanz nach ans einen neuen Gläubiger. Diese Ab­ tretung ist Siugularsnccession. Das „Eigenthum des Rechts" wird abge­ treten.

Nur freilich ist vom Standpunkt juristischer Betrachtung davor zu

warnen, den Ausdruck Eigenthum in seiner Anwendung auf Obligationen

ebenso aufzufassen, als bei Sachen und dinglichen Rechten. Eigenthum ist hier nur eine dem gemeinen Leben entlehnte Ausdrucksweise, um zu be­

zeichnen, daß die abgetretene Forderung die eigne des neuen Gläubigers geworden. Insbesondere ist die unberechtigte Folgerung abzuweisen, Obli­ gationen als Gegenstände des Besitzes sich zu denken").

Denselben Begriff hat das A.L.R., „die Handlung, durch welche das Eigenthum eines Rechts dem Anderen wirklich übertragen wird" *5).

Diese

Definition führt zunächst zu der Frage nach dem I. Rechtsgrund der Cession"). Sie selbst ist nur die übertra­

gende, einseitige Handlung, ähnlich wie bei dem Eigenthum die Uebergabe. Sie ist nach der Auffassung des A.L.R. dem Modus bei dem Erwerb

dinglicher Rechte vergleichbar, setzt also einen Rechtsgrund (Titel, causa) voraus"). Dieser Grund ist entweder ein Rechtsgeschäft des Inhalts,

daß der Eine verpflichtet wird, dem Anderen das Forderungsrecht zu über­ tragen"); oder eine allgemeine Rechtsvorschrift, die den Uebergang *-) Delbrück, Uebernahme S. 108. Windscheid, Actio S. 181 f. BährS.408. 1. 54. 1. 175. §. 1. D. de R. J. ”) Koch S. 31. Notee. sagt: „Die Redaktoren thun, als wäre es nie und nirgend anders gewesen I" Sehr natürlich, denn die Redaktoren haben nicht ahnen können, daß durch Mühlenbruch eine andere Theorie, als sie bisher in dem gemeinen Recht angenommen worden, ausgestellt werden würde; die neuere Theorie ist auch erst durch die Ausfindung des GajuS möglich geworden, aus welchem die Prozeßsormel für den Prokurator bekannt wurde. Außerdem wäre eS wohl aber über. Haupt nicht Sache der Redaktoren eines Gesetzbuchs gewesen, andere Theorien, die sie nicht ausnehmen wollten, noch besonders zu berücksichtigen. •*) Bähr S. 401. Dresdener Annalen III, 466. ”) §. 376. 377. Die Cession ist kein Vertrag über Handlungen, der Akt der Cession ist nicht Gegenstand, sondern nur Folge eine« Vertrage«, daher §.408. I, 5 f. nicht daraus anwendbar. Strieth. B. 45. S. 291. »•) Ko», Uebergang §. 22. S. 117. ") §. 376. 377. Koch, Uebergang S. 32 f. Komment. Note 1. zu §. 376. d. T. '•) ß. 376. d. T.

Zweites Buch.

616

Die besonderen Privatrechte.

eines Rechts auf einen Andern nothwendig (ipso jure) herbeiführt, ohne

daß eS einer übertragenden Handlung bedarf30).

Hiernach wird die frei­

willige und die nothwendige Session unterschieden. Jene verliert ihren Charakter nicht, wenn sie auch eine erzwingbare Verpflichtung geworden40).

Dazwischen schiebt sich als dritte Art die erzwungene Session ein, die

im Wege der Exekution ein Forderungsrecht

dem Gläubiger

zu seiner

Befriedigung überträgt41).

Sie steht in ihren Wirkungen der freiwilli­

gen nahe. a. Rechtsgeschäft.

„Die Abtretung der Rechte setzt einen Ver­

trag voraus, wodurch Jemand sich verpflichtet, einem Andern das

Eigenthum feines Rechts gegen eine bestimmte Vergeltung zu über­ lassen" 4t).

Diese Vorschrift kann zunächst zu der Annahme verleiten, als

erfordere die freiwillige Rcchtsabtretung jedesmal einen besonderen Ver­ trag (ein pactum de cedendo). »•) §. 442. d. T.

So aber wird sie nicht von der Praxis

Gruchot XL 946f.

4#) Von den Neueren Seusfert, Pand. II. S. 163. Note 7.), insbesondere auch von Koch (Uebergang S. 117f. 146f.), wird unter die Fälle der nothwendigen Cession auch die erzwingbare gerechnet, d. h. diejenige, zu welcher der Cedknt in Folge eines Rechtsgeschäfts verpflichtet ist. Mit Unrecht, denn dadurch wird der Unlerschied zwischen freiwilliger und nothwendiger Cession verwischt. Ist in Folge eines Rechtsgeschäft« eine Verpflichtung zur Cession eingetreten, so ist diese nur die Erfüllung des Rechtsgeschäfts, und das letztere jedenfalls ein Akt der Frei­ willigkeit. Selbst wenn der Erbe die vermachte Forderung dem Legatar cediren muß. ist das Bermächtniß als freiwilliges Rechtsgeschäft der Grund der Cession. S. oben Note 19. Das sächs. Ges.B. §. 953. theilt richtig ein in Sessionen, die auf einem Rechtsgeschäft beruhen, gleichviel, ob der Gläubiger dasselbe frei­ willig oder in Folge gesetzlicher Verpflichtung übernommen, in solche, die nach Gesetz ohne Weiteres, und durch Ausspruch des Richters geschehen. Das röm. Recht gab in den Fällen der Erzwingbarkeit eine actio utilis (Seusfert III, 259.), nach preuß. R. muß besonders cedirt werden. Hierher gehört noch folgender Fall: Der Bürge, welcher sich besonders verpflichtet hat, erlangt durch die Zahlung den Anspruch an den Gläubiger auf Cession seiner Rechte gegen den Mitbürgen. I, 14. §. 379 1. 39. D. XVI, 1. Der zahlende Korrealschuldner hat zwar einen Regreß an seine Mitverpflichteten, aber nicht in Folge einer ausdrück­ lichen oder ipso jure eiutretenden Cejsion, eben so wenig erwirbt der Schuldner, der einen von mehreren Berechtigten befriedigt hat, den Anspruch gegen die an­ deren aus §. 452. I, 5. auf Grund einer ipso jure Cession, und er bedarf auch nicht der ausdrücklichen Cession des Befriedigten. S. oben §.63. S. 332 u. 341. Nach röm. R. ferner mußte der Mandatar und Geschäftsbesorger die erworbenen Klagen dem Mandanten abtreten. 1. 8. §. ult. 1. 10. §. 1.1. 27. §. 5. D. XVII, 1. Auch dies fällt nach preuß. R. weg. Der Mandant erwirbt nach dem Prinzip der freien Stellvertretung die Klagen unmittelbar. Oben § 42. S. 196.

4t) Dem A.L.R. unbekannt; eingeführt durch neueres Recht, Ges. v. 4. Juli 1822. Verschieden von der Cession, zu der man sich freiwillig verpflichtet hat. Siehe vor. Note. 42) Ueber die Entstehung des §. 376. d. T. s. Koch, Uebergang S. 32s Komment., Note 2. und Ergänzungen. Auch die Redaktoren haben den „vorausgesetzten Vertrag" nur als die causa praecedens sich gedacht, welche mit dem CessionSakt selbst zusammenfalleu kann. Die Fassung der §§. 376. 377. ist nur beliebt wor­ den, um „akkurat zu sprechen und Chikanen gegen die Definition zu vermeiden," statt, wie eS im Entwurf hieß: „die Abtretung der Rechte ist ein Vertrag, wo­ durch Jemand,sich verpflichtet, einem Andern das Eigenthum seines Rechts gegen eine bestimmte Vergeltung zu überlassen.

§. 99.

verstanden").

RechSabtretnng.

617

Der vorausgesetzte Vertrag kann mit der Abtretungshand­

lung zusammenfallen.

Es folgt dies daraus, daß die Erklärung des Ce-

denten: Iber Andere solle fortan befugt sein, daS Recht als das feinige auSzuiiben, und die Annahme dieser Erklärung für sich allein daS Eigen­ thum am Recht übertragen 44).

Also kein besonders vorhergehender, formell

rechtsbeständiger Vertrag über die Cession ist nöthig, wohl aber ein Rechts­

grund, der ein vertragsmäßiger sein kann: entweder entgeltlich oder un­ entgeltlich, einseitig oder zweiseitig.

DaS A.L.R. nimmt mit Unrecht die

Entgeltlichkeit in die Begriffsbestimmung auf, denn wenn auch die unent­ geltliche Uebertragung als Schenkung angesehen werden soll44), so ist sie

nichts destoweniger eine Cession, die nur insofern eine Besonderheit hat, als sie dem Widerruf wie die Schenkung ausgesetzt ist4e). Der entgelt­

liche Titel kann nun sehr verschieden sein: Kauf des Forderungsrechts, wenn die Gegenleistung baares Geld ist, Tausch, wenn das Forderungs­

recht übertragen wird gegen eine Sache oder ein Recht47), Hingabe an

Zahlungsstatt, wenn durch die Abtretung der Forderung eine andere Schuld berichtigt werden soll44); die Cession kann erfolgen, um gemeinschaftliches Vermögen (eine Erbschaft) zu theilen 49), nm ein Vermächtniß zu realisiren 4* °). **

In allen diesen Fällen ist sie die Aussührungshandlung, die Erfüllung eines Rechtsgeschäfts, dessen Giltigkeit nach seinen besonderen

Grundsätzen zu beurtheilen ist, so daß, wenn dieses ungiltig, auch die darauf gestützte Cession hinsällt 5‘). Ungeeignet ist die Cession, um die Verpfändung einer Forderung auszuführen; dies widerstrebt ihrem Be") Simon, Rechtspr. B. 1. S. 159. Cntsch. B. 9. S. 213. B. 21. S. 351. Strieth. B. 2. S. 228. ") §. 393. b. T. «) §. 378. b. T. “) Koch, Komment. Not« 3. zu §. 376. b. T., sieht bie Besonderheit in der Form; aber bie schcnkungsweise CesstonShandlung bedarf nicht ber gerichtl. Form. Entsch. B. 51. S. 121. «) §. 381. b. T. 4e) Übereignung an ZahlnngSflatt, wie sie das Ges. v. 4. Juli 1822 als ExekntionSart einsührt, kann auch freiwillig durch Vertrag geschehen. Grnchot I. S. 82. A.L.R. I, 16. §. 262. 263. Thöl, Handelsrecht §. 120. a. E. Eine solche Ueber, eignung gilt im Zweifel nicht als Zahlung, sondern als Versuch, die Zahlung durch den debitor cessus zu bewirken. Daher hat das O.Trib. (Strieth. B. 5. S. 25.) mit Recht angenommen, daß, wenn ein Käufer zur Berichtigung des Kansgeldes dem Verkäufer eine Forderung an einen Dritten überweiset, und daraus der Kaufvertrag für ungiltig erklärt wird, der Käufer nicht den Baarbetrag der überwiesenen Forderung, sondern nur die Rückcefston derselben verlangen kann. «) A.L.R. 1,17. §. 60. 63. 98.154. ”) ES folgt ans §. 311.1, 12., obschon nach §. 288. die legirte Forderung schon vom Todestage des ErblafferS die eigene des Legatars geworden ist. Koch, Uebergang S. 154f. •*) Mühlen bruch S. 453f. Schmidt I. S. 33. Der vitiöse Titel giebt aber nicht dem Schuldner eine Einrede gegen den Eesflonar, sondern dem Cedenten eine Klage «der Einrede gegen diesen, oder diesem gegen den Cedenten.

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

618

griff, weil sie die Forderung zur eignen des Erwerbers machen soll, wäh­

rend Verpfändung die Forderung noch Bestandtheil deS Vermögens deS

Verpfänders bleiben läßt ”). b.

Rechtsvorschrift.

Die Session vollzieht sich ohne den Willen

des Cedenten, also ohne daß eine besondere Handlung von ihm erfordert wird, allein auf Grund des Gesetzes (ipso jure) in einzelnen bestimmten

Fällen, wenn zwischen dem Gläubiger und Cessionar ein Rechtsverhältniß eintritt, welches diese Eigenschaft in sich trägt.

Dieses Rechtsverhältniß

muß einen Anspruch an einen Dritten (den debitor cessus) enthalten, der

auf den Cessionar übergeht.

DaS A.L.R. hat allgemein den Satz ausge­

sprochen : „Ueberhaupt tritt in der Regel der Zahlende gegen den Schuld­ ner auch ohne ausdrückliche Cession in die Rechte des bezahlten Gläubi­ gers" 53).

Ueber diesen Satz, in solcher Allgemeinheit dem gemeinen Recht

unbekannt33), ist oben gehandelt worden33).

Die Befriedigung des Gläu­

bigers durch eine dritte Person überträgt von selbst das Forderungsrecht des Ersteren an seinen Schuldner auf den Zahler: dies setzt voraus, daß Letzterer durch die Zahlung nicht die Befreiung des Schuldners beab­

sichtigte. . Daß das A.L.R. aber die Forderung nur dann von selbst über­ gehen läßt, wenn sie nicht mit besonderen Vorrechten und Sicherheiten bekleidet ist, und für letztere eine ausdrückliche Cession verlangt3e), ist folgewidrig. Weitere Fälle der gesetzlichen Cession sind:^der Erbschafts­

käufer erwirbt von selbst alle Forderungsrechte der Erbschaft 3,);%et Bürge tritt in das Recht des befriedigten Gläubigers 33);vder Allodialerbe an die

Stelle und in die Rechte des von dem Erblasser alS Lehnsbesitzer bezahl­ ten Gläubigers gegen den LehnSnachfolger in einigen besonderen Fällen33); ^der Eigenthümer der Pfandsache, welcher den GläMger baar bezahlt hat,

in alle Rechte desselben gegen den Verpfänder *) jzcer Nießbraucher, wel­

cher für den Eigenthümer Kapitalszahlungen geleistet hat, gegen ihn an

Stelle seines Gläubigers 60).

Der Bürge und der Nießbraucher erwerben

zugleich ohne ausdrückliche Cession die Vor- und Sicherheitsdechte; §. 47. M) Koch, liebergang S. 133. 170. betrachtet die Cession einer Forderung znm Zweck ihrer Verpfändung als bedingte Abtretung, die Bedingung sei, daß der Schuldner nicht erfülle. Seufsert, Pand. II. S. 162. Note 5. 5,J I, 16. §. 46. M) 1. 49. v. III, 5. S. oben §. 91. Note 32. S. 548. Das sächs. Ges.B. §. 955. auch in solchem Falle vom zahlenden Dritten die Cession sich nur ausbedingen, von selbst tritt sie nicht ein. 6S) Oben ß. 91. S. 547 s. -«) 1.16. §. 47. Koch, Uebergang S. 148 s. ”) 1,11. §. 454. ••) 1,14. §. 438. ") I, 18. §. 597. (§. 593-596.) *) §. 83. I. 20. »«) I, 21. §. 79.

§. 99.

RechtSabtretnng.

619

48. 1,16. findet auf sie keine Anwendung, weil hier diese Unterscheidung nicht gemacht ist, und bei dem Nießbraucher noch Hinzutritt, daß er für

Berichtigung aufgekündigter Kapitalien sorgen muß"). c. Gerichtszwang. Die A.G.O. gestattete einem Gläubiger, im Wege der Exekution nehmen ").

ForderungSrechte

des Schuldner-

in Beschlag zu

Diese Bestimmung war unzureichend, sie ermächtigte nicht

zur Einziehung und ist von der neueren Gesetzgebung geändert").

Um

den Gläubiger in die Lage zu bringen, ohne Hinderniß Forderungen seine-

Schuldners einznziehen und gegen dessen Schuldner zu diesem Zweck zu klagen, wird ihm auf seinen Antrag durch gerichtliche Verfügung die For­ derung übereignet.

Die Verfügung ist die CessiouShandlung, welche vom Richter an Stelle des Schuldners vorgenommen wird; der Gläubiger wird

dadurch berechtigt, die Schuld einzuziehen, zu klagen, und, wenn sie hypo­ thekarisch versichert ist, seine Uebereignung in das Hypothekenbuch ein­ tragen zu lassen.

Ist die Schuld größer, als die Forderung des Exe-

kutionSsucherS, so erfolgt die Uebereignung nur auf den entsprechenden

Theil mit dem Vorzugsrecht vor dem Ueberrest. Die übereignete Forde­ rung ist für den Gläubiger Zahlungsmittel, es tritt eine Hingabe an Zah­

lungsstatt ein und er ist befriedigt, soweit er auf die Forderung Zahlung erhält, nicht aber in Höhe des Nennwerths "). II. Die Cessionsform. Da die Cession die UebertragungShandlung ist, so gehört zur freiwilligen nichts wxiter, als daß der Cedent er­ kläre: der Andere solle befugt sein, die abgetretene Forderung als die

keinige ausznüben, und daß der Cessionar diese Erklärung annehme").

Eine Erwähnung des Rechtsgrundes, weßhalb cedirt wird, ist nicht erfor­ dert, darum auch nicht die Erklärung über die empfangene etwaige Gegen­ leistung (Valuta) "). Nützlich zwar ist eS, bei der Cession dergleichen zu “) I, 21. §.75. Koch, Uebergang S. 152. u. Kommentar Note 52. zn §.79. I, 21. gegen Bornemann IV, 275. und die Gesetzrevisoren, Pens. XIII. XIV,55.

•’) A.G.O. I, 24. §. 101-105.

Ges. v. 4. Juli 1822 §. 6—9.

Ges. v. 20. März 1854. §. 16. s.

’**) Dies folgt daraus, daß der Gläubiger der abgetretenen Forderung dem Cessionar für die Sicherheit, d. h. für den Ausfall hasten muß. §. 427. d. T. Entsch. B. 17. S. 167. S. «hen Note 48. *s) §, 393. d. T. Das bloße Anerkenntniß de« Cedenten, daß dem Cessionar da» Recht zustehe, ersetzt nicht die Erklärung, die §. 393. vom Cedenten erfordert. Strieth. B. 4. S. 158. Diese Erklärung hat die Natnr eine« Anerbieten« gegen den Cessionar, muß also diesem selbst gegenüber vom Cedenten erfolgt lein. Strieth. B. 19. S. 47. Nach dem Code a. 1689 besteht die CessivnSsorm in der Uebergabe der Schuldnrkunde (titre). Da« bloße Umschreiben de« Namen« de« Gläu­ biger« genügt nicht. Seusfert XIV, 92. •*) Entsch. B. 16. S. 253. B. 12. S. 204. Schles. Arch. B. 6. S. 479. Strieth. B. 6. S. 175. Koch, Uebergang S. 138. Der Schuldner darf die Art, ob,uyd wie Valuta berichtigt worden, nicht z»r Erörterung ziehen; er braucht daher auch nicht«, darüber zu erfahren. Arnsb. Arch. B. 10. S. 574. Der Cessionar be­ darf der Cessio» nur zur Legitimation für die Klage au« der abgetretenen Forderung;

620

Zweite» Buch. Die besonderen Privatrechte.

erwähnen, aber zur CessionSform gehört es nicht67).

Nach der allgemei­

nen Regel muß die Cessionserklärung bei einer Forderung über 50 Thlr. schriftlich abgegeben werden 6S).

Außerdem aber soll die Cession immer

schriftlich erfolgen, wenn über die Forderung selbst eine briefliche Urkunde

vorhanden ist, wie z. B. bei Hypothekenforderungen ”). Eine s. g. BlancoCession, d. h. eine solche, welche auf dem Schuldschein die Unterschrift

des Cedenten in der Weise enthält, daß über dieselbe die Cession münd­ licher Verabredung gemäß geschrieben werden kann, hat die ältere Praxis

für ungiltig erklärt, die neuere zngelassen ’*).

Dem Wortlaut des Gesetzes

entspricht die ältere Praxis, denn in Wahrheit ist eine solche Cession eine-, mündliche7'). Eine Theilcession ist eS, wenn entweder die Forderung nur theilweis77), oder von mehreren in einem Instrumente zusammenge-

faßten Forderungen nicht alle abgetreten werden 73).

Hier soll eine be­

glaubigte Abschrift des Hauptinstruments gefertigt, und auf letzterem, wel­ ches in den Händen des Gläubigers zurückbleibt, die Abzweigung vermerkt werden 74). Dies führt zu der Frage, ob die Aushändigung der Schuld­

urkunde an den Cessionar zur Cessionsform gehört. Nach den §§. 395—397.

d. T. scheint eS so; sie enthalten jedoch nur Vorsichtsregeln für den ab­

getretenen Schuldner und aus §. 407. 413; und §. 393. folgt, daß die

er braucht den CessionSgrund nicht anzugeben. A. M. v. d Pfordten in den Bl. f. RAnw. in Baiern B.3. S. 65. Dagegen Seuffert B. 5. Nr. 150. B. 10. Nr. 36. B. XIII, 90. Sächs. Ges.B. §. 974. Wie eS Koch auffaßt, R. d. Ford. S. 281 sg.

§. 105.

Verzug.

683

eines Theils, sondern die Folge des Verhaltens Beider.

Die Praxis

wendet däher mit Recht die im 6. Titel des A.L.R7 gegebenen Bestim­ mungen Uber Kompensation des Verschuldens auch auf Verträge an "). , Die aus Verschulden, erzeugte Verbindlichkeit ist vererblich, ohne daß sich in der Person des Erben der Grad des Verschuldens ändert 46).

§. 105.

Verzug.

A.L.R. I, 16. §. 16-26. 66-71. Vornemann II. S. 321. Koch, R. d. F. I. S. 344—377. Priv.R. II. S. 61 fg. v. Daniels II. S. 308. Madai, die Lehre v. der Mora, 1837. Wolff, zur Lehre v. der Mora, 1841. Mommsen, Beiträge, B. 3. S. 1. 1855. Windscheid in der Heidelb. kritischen Zeitschrift, B. 3. 1856. S. 253 fg. H. Gerber, Beiträge z. Lehre v. Klagegrunde und der Beweislast, 1858. S. 66. Unterholzner I. S. 107 fg. ArndtS S. 406. Bangerow III. S. 202. Sintenis II. S. 177 fg. Seuffert II. S. 39fg. Keller S. 495. — Unger, Fragmente aus einem System des österr. Obl.R. 1864 S. 17 (auch in Haimerl's Biertelj. Schr. B. 14. H. 1.).

In besonderer Weise äußert sich das Verschulden in obligatorischen Verhältnissen ferner darin, daß die Erfüllung nicht zur rechten Zeit er­ folgt. ES gehört, wie schon mehrfach erwähnt worden, zum Wesen der Obligation als einer Willensbeherrschung, daß sie wieder gelöst werden muß, weil der Wille einer freien Person nicht dauernd einem anderen Willen unterworfen sein darf ')• Deßhalb kann auch die Lösung der Obli­ gation nicht dem Zufall Preis gegeben sein; die Erfüllung, welche sie her­ beiführt, muß zu einer bestimmten Zeit erfolgen.

Diese Zeit ist entweder

durch Zweck und Natur des Schuldverhältnisses, oder durch die Willkür der Parteien bestimmt. Wenn die Erfüllung nicht in dieser Zeit geleistet wird, so treten Folgen ein, die auf die Obligation einwirken.

Der Be­

rechtigte, der nicht zu rechter Zeit erhält, ist dadurch beuachtheiligt. Es entsteht die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Verpflichtete diesen Nachtheil tragen, ausgleichen muß.

Aber auch der Verpflichtete ist

berechtigt, zur bestimmten Zeit frei zu werden, und auch er kann Nachtheil

erleiden, wenn er nicht befreit wird. Der Gläubiger muß zur rechten Es entsteht die weitere Frage, ob und un­

Zeit die Erfüllung annehmen.

ter welchen Voraussetzungen der Gläubiger einen solchen Nachtheil auf sich

zu nehmen hat. So giebt es eine Verzögerung der Erfüllung (mora solvendi) und eine Verzögerung der Annahme (mora accipiendi). ") A.L.R. I, 6. §. 19. 20. 21. Entsch. B. 38. S. 43 f. Strieth. B. 29. S. 54. Oben S. 543. DemeliuS über Kompensation der Culpa in Gerber und Jhering, J-Hrb. B. 5. 1861, S. 52. “) I, 6. §. 28. Z. B. II, 10. §. 128.145. Eine Ausnahme II, 18. § 293. mit der Modifikation in §. 294. 304. *) Oben §. 61. S. 309. §. 83. a. A. S. 458. §. 91. a. A. S. 544.

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

684

Um den Begriff des Verzugs festzustellen,

genügt nicht die bloße

Thatsache, daß das obligatorische Band nicht zu rechter Zeit vom Schuld­ ner oder Gläubiger gelöst

worden. DaS kann mannichfache Ursachen haben, die nicht unter diesen Begriff fallen. Es muß vielmehr der Ver­

zug ein verschuldeter sein.

Zwar hat man dies Erforderniß bestritten3),

aber es kaun als gemeine Meinung diejenige bezeichnet werden, die den Verzug als eilte Unterart des obligatorischen Verschuldens, als ein Ver­ schulden nach einer bestimmten Richtung ansieht, und im A.L.R. ist diese

Auffassung unzweifelhaft angenommen 3).

Sie ist auch allein begründet;

denn sonst könnte von Entschuldigung in einzelnen bestimmten Fällen nicht

die Rede sein, eS wäre das Erforderniß einer Interpellation unverständ­ lich, da doch sie grade festzustellen bestimmt ist, daß der Zögernde nicht leisten will, abgesehen von einzelnen Ausdrücken und Wendungen in bett

Quellen, die unabweisbar darauf hindeuten, daß die Zögerung eine Ver­

tretungspflicht erzeugt, wenn sie gewollt ist und hätte vermieden werden sönnen4). Und grade der Ausspruch, den die Gegner für sich anführen: quum sit magis facti quam Juris5), deutet darauf hin, daß nicht auch die sub­ Vornehmlich vom Ver­ schulden gilt, daß es niagis facti quam Juris ist, und daß es einer Fest­ stellung des Richters nach seinem Ermessen bedarf °). Vollends aber ent­

bloß objektive Merkmale zur Sprache kommen, sondern jektive Beziehung

deS Zögernden zur Zögerung.

scheidet nichts gegen jene Ansicht, daß der Verzug im römischen Recht 2) Verschulden als Voraussetzung des Verzugs leugnen: Schümann, Schadenersatz, B. 2. S. 10 fg. Glück B. 8. S. 426. Puchta, Pand. §. 269. SinleniSII. Anm. 50. S. 195., letzterer in Anschluß an Bensey's Rezension von Wolff in der allg. Litt. Zeit, 1842. S. 179 f. 345 f-, des. S. 358. — Dagegen behaupten culpa als.Voraussetzung der mora: Madai §. 2., Wolff §. 20., der sich jedoch mit den Stellen, in denen von Folgen nicht rechtzeitiger Erfüllung die Rede ist, ohne daß eine culpa angenommen werden kann, durch Ausstellung einer s. g. objektiven Mora, im Gegensatz zur subjektiven, abfindet. Ferner Vangerow III. S. 204. Anm. 1. Mommsen, Beitr. 53. 1. S- 264sg. 53. 3. S. 56. Wind­ scheid a. a. O. S. 260. Keller a. a. O. Koch, R. d.F. I. S. 348. Unger a. a. O. S. 21. Note 7. Unterholzner I. S. 108. unterscheidet verschuldete und unverschuldete Mora, präsumirt für Verschuldung. Dagegen aber spricht, daß dann doch auch die Folgen verschiedene sein müßten, und daS ist von ihm nicht nachgewiesen. Vergl. S. 117 fg. Unbestimmt lassen die Frage Arndts Anm. 7. zu ß.252., und Seussert Note 13. zu §. 245. Ans der Praxis: Seuffert III. S. 43. Nr. 134. >) I, 11. §. 97. 98. 102. 1077. I, 13. §. 180. I, 16. §.26: „entschuldigt." I, 14. §.72: „Verbindlichkeit eines unredlichen Besitzers." Sirieth. B. 25. S. 72. B. 61. S. 329. Endemann, Handelsrecht, S. 552. f. Im öflerr. Ges. B. §. 1333.1334. tritt der Gesichtspunkt nicht hervor. Ebenso läßt ihn das sächs. Ges. 53. §.733. unentschieden. Dagegen sieht der bairische Entwurf Art. 124. Verschulden als Voraussetzung des Verzugs an. Daraus aber, daß der Verzug ein verschuldeter sein muß, folgt nicht, daß der Kläger die Verschuldung nachzu­ weisen hat. S. unten Note 22. und Maxen v. d. Beweislast, 1861. S. 194. 4) Per te etetit, per te factum est: 1. 15. pr. 1. 23. §. 1. D. XXXVIII, 1. 1. 1, §. 13. D. L, 13. Besonders aber 1. 5. D. XII, 1. 1. 91. §. 3. D. XLV, 1. 6) 1. 32. D. XXII, 1.

») Seuffert XIII, 12.

§. 105.

685

Verzug.

eine abgesonderte Behandlung erfahren hat: das rechtfertigt sich genügend, wie die weitere Darstellung zeigen wird, aus den besonderen Regeln, die seine Eigenthümlichkeit erfordert, und eS wird ja nicht behauptet, daß er daS, sondern nur, daß er ein Verschulden ist. Auch aus der 1. 3. C.

II, 41. in Verbindung mit 1. 17. §. 4. D. XXII, 1. kann eilt entschiede­ ner Gegengrund nicht entlehnt werden 7). Letztere zeigt deutlich, daß zwi­ schen dem tardius pecuniam inferre und der mora ein Unterschied ist,

daß das bloße Nichtrechtzeitig, das Zuspät an sich noch nicht eine Ver­

zögerung enthält, zu dieser vielmehr noch ein anderes Moment hinzutreten muß, welches nur ein subjektives sein kann, die 1. 3. aber bestimmt etwas.

AusnahmSweises und Besonderes zu Gunsten der Minderjährigen. Sie bezieht sich auf Geldschulden an solche, und soll Zinsen gewähren, gleich

als ob Mora vorläge, wenn sie auch nicht vorliegt8).

Ist hiernach der Verzug eine Art des civilrechtlichen Verschuldens,

.so muß er definirt werden als die willkürliche und rechtswidrige Unterlassung der rechtzeitigen Lösung einer Obligation8). Nun wird nöthig, das Verhältniß zu bestimmen, in welchem sich diese Unterart zu ihrer Gattung befindet. Das Verschulden ist ein zwei- oder Daß der Verzug selbst keine Abstufung erleiden kann, folgt ohne Weiteres auS seinem Be­ griff: er hat keine Grade, er kann also nicht in dem einen Fall der lata, dreigradiges, welchem Grade gehört der Verzug an?

in einem ander» der levis culpa entsprechen.

Nun wird bei der letzteren

ein aus bloßer Unachtsamkeit hervorgegangener Irrthum vorausgesetzt, bei

der ersteren ein leichtfertiges Uebersehen dessen, was man wissen könnte, worüber man sich nicht irren sollte — und bei dem Verzug muß der Säumige sogar noch vorher auf seine Verbindlichkeit hingewiesen werden, er muß also wissen, daß er verpflichtet sei. Wenn er dennoch der Ver­ pflichtung nicht nachkommt, so kann nur angenommen werden, daß er eS vorsätzlich oder wenigstens aus grobem Versehen unterläßt. Der Verzug kann nur grobes Versehen oder Vorsatz sein '"). Gleichwohl hat auch 7) Daraus stützt sich hauptsächlich SintcniS. ») Mommsen B. 3. S. 122. 123. Vergl. 1. 5. C. IV, 49.

Seussert VII, 13.

’) Mommsen's Definition B. 3. S. 24. berücksichtigt nur die mora solvendi, weil er (S. 134. 135.) bei dem Annahme-Verzug (mora accipiendi) nicht das Moment der Verschuldung, sondern nur das der Willkürlichkeit sordert. Er defiuirt daher die mora solvendi als willkürliche und zugleich rechtswidrige, die m. acc. nur als willkürliche Verzögerung. Darin kann ihm nicht beigetreten werden. Der Gläubiger ist zwar gewiß nicht verpflichtet, sein Recht überhaupt auSzuüben, aber jedenfalls verpflichtet, den Schuldner zu rechter Zeit sreizugeben und wenn er es unterläßt, verletzt er das Recht des Schuldners. Madai §. 26. Wolss §.31. verlangen auch bei der mora acc. Verschuldung. *•) Mommsen B. 1. S. 266. B. 3. S.23fg. Damit scheint allerdings, worauf Windscheid a. a. O. S. 261. ausmerksam macht, die AnSsührung Mommsen'S S. 67. 68., wonach die Entscheidung der Frage, ob eine verschuldete oder unver­ schuldete Unmöglichkeit der Leistung anzunehmen, davon abhänge, welcher Grad

686

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

hier das A.L.R. die Einfachheit des richtigen Grundsatzes verlassen, durch die falsche Theorie irre geführt, daß der Umfang der Vertretung sich nach der Schwere des Verschuldens richten müsse.

ES unterscheidet auch

bei dem Verzug, je nachdem er aus grobem oder mäßigem Versehen her­ vorgeht "). Wenn trotzdem, daß Verzug Verschulden ist, derselbe als ein selbstän­ diges Rechtsinstitut neben letzterem erscheint, so liegt dafür der Grund in

einigen Besonderheiten, die ihn vom Verschulden unterscheiden").

DaS

Verschulden im engeren Sinn richtet sich auf die Leistung als solche, diese erleidet in Folge von jenem eine Veränderung in ihrem Wesen; eS

muß ein Surrogat eintreten.

Der Verzug läßt die Leistung als solche

unberührt, er bezieht sich nur auf die Zeit der Erfüllung und eS tritt nicht als nothwendige Folge eine Veränderung der ersteren, sondern nur

eine Erweiterung derselben ein. Außer und neben der ursprünglich fest­ gestellten Leistung, wenn diese noch möglich geblieben, muß ein Mehreres geleistet werden, welches den Zweck hat, allein die Folgen des Verzugs zu heilen. Und weil der Verzug sich auf die Erfüllungszeit bezieht, und diese nicht bei allen Obligationen von vornherein merkbar bestimmt ist, oft viel­

mehr erst durch den Willen des Berechtigten bestimmt werden kann, so bedarf eS, um den Verzug als Verschuldung aufzufassen, noch einer be­

sonderen Thatsache, die dem Verpflichteten daS Bewußtsein der Rechts­

widrigkeit geben soll, der Mahnung oder des Anbietens. Auch ist Nicht bei allen Obligationen ein Verzug denkbar "). Gewiß nicht bei denen, deren Leistung nur eine Unterlassung ist, denn der Verzug ist selbst nichts anderes als ein Unterlassen, und dann kann eS nicht rechtswidrig sein.

Auch nicht bei denen,

die nur in einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt

werden können, weder vorher noch nachher. In diesen Fällen ist die Versäumung des Zeitpunkts nicht Verzögerung der Erfüllung, welche vor­

aussetzt, daß noch nachträglich erfüllt werden kann, sondern gradezu Nicht­ erfüllung "). Endlich wird angenommen, daß Obligationen auf Entschä-

»') «) *8) u)

der Culpa in dem zur Frage stehenden obligatorischen Verhältniß zu prästiren sei, in Widerspruch zu stehen. Dieser Ausführung kann aber nicht beigetreten wer­ den. Ist Verzug eingetreten, so äußert er, wenn er überhaupt verschuldet ist, seine selbständige Wirkung, und ist nach seinem Eintritt, während seiner Dauer die Leistung unmöglich geworden, so tritt an die Stelle der Leistung daS Interesse, ohne Rückficht aus den Grad der Verschuldung. Z. B. 1,11. §. 97. I, 16. §. 17. Mommsen B. 3. S. 21. Mommsen B. 3. S. 32. Mommsen 8.3. S. 28. 137.138. Er führt als Beispiel an, wenn ein Fuhr­ mann sich verpflichtet hat, zur bestimmten Stunde einen Reisenden zu einem be­ stimmten Bahnzuge abzuholen, und ausbleibt. Hier kann von einer späteren Er­ füllung nicht mehr die Rede sein. S. Deutsch. H.G.B. Art. 357.

§. 105.

Bnzug.

687

digung den Verzug ausschließen15), weil ein Interesse deS Interesses nicht verlangt werden darf. Nach A.L.R. soll zwar der Entschädigungsbetrag vom Tage desjenigen Urtheils, welches ihn festgestellt hat, verzinset wer­ den "), diese Verpflichtung kann aber nicht als Folge eines Verzugs auf­

gefaßt werden. I. ErfiillungSverzug (mora solvendi). Bei zweiseitigen Obli­ gationen kann jedem der Kontrahenten Erfüllungsverzug zur Last fallen. Er setzt außer der Verschuldung voraus, daß die Forderung fällig ge­ worden 17), mithin bei gegenseitigen Verträgen, daß die Gegenleistung ent­

weder bereits geschehen oder Zug um Zug geschehen soll I8), und daß der Schuldner vom Gläubiger zur Erfüllung aufgefordert worden "), Diese Aufforderung oder Mahnung (interpellatio) hat die Bedeutung, den

Schuldner darüber zu vergewissern, daß er verpflichtet sei, jetzt zu lei­ sten, und daß der Gläubiger bereit sei, jetzt anzunehmen, daß mithin durch

das Ausbleiben der Erfüllung das Recht des Gläubigers verletzt werde. Mora fieri intelligitur non ex re seil ex persona20). Die Mah­ nung giebt die justa causa, propter quam intelligere debes, te dare oportere “).

Um diese Wirkung hervorzurufen, muß die Mahnung nach eingetretener Fälligkeit vom Gläubiger selbst oder seinem berechtigten Ver­ treter *) an den Schuldner selbst oder dessen berechtigten Vertreter, unter genauer Angabe des Umfangs der erwarteten Leistung und auch sonst in

einer Weise erfolgt sein, daß die Verpflichtung nicht erschwert wird: also

zu einer Zeit und an einem Ort, wo geleistet werden kann oder nach Inhalt der Obligation geleistet werden muß ”). ES muß endlich der

'-) Mommsen B. 2. S. 189. B. 3. S. 32. '«) I, 16. §. 66. ") I. 88. de B. J. I. 40. D. XII, 1. 1. 49. §. 3. de V. O. I. 54. D. II, 14. Mommsen B. 3. S. 25. Die Forderung muß natürlich auch an sich klagbar sein. Die Klagbarkeit zeigt sich auch darin, daß der Forderung keine Einrede ent­ gegengestellt werden kann. Non in mora est, a quo pecunia propter exceptionem peti non potest. 1. 40. cit. 1. 21. D. XXII, 1. Es kann in Betreff eines Theils der Forderung mora eintreten; z. B. 1. 78. pr. de leg. II. Bei theilbarer Erfüllung ergreift der Verzug mit einzelnen Leistungen den ganzen Vertrag. Strieth. B. 57. S. 136. ,8) I, 16. §. 22. 23. Vergl. I, 5. §. 232. 271. 1. 18. §. 1. D. XVIII, 6. 1. 40. D. XII, 1. 1. 24. C. VIII, 24. 19) I, 16. §. 20. 1. 32. pr. D. XXII, 1. Mommsen B. 3. S. 35 fg. 20) 1. 32. pr. D. XXII, 1. 21) 1. 5. D. XII, 1. Ob sich die justa causa auf die Obligation, oder aus die In­ terpellation bezieht, geht zwar auö dieser Stelle nicht ausdrücklich hervor. Koch, R. d. F. I. S. 346. bezieht die Worte nur auf die Interpellation. Mommsen a. a. O. S. 36. Note 2. läßt es zweifelhaft. Jedenfalls können sie nach dem Zu­ sammenhang der Stelle auch aus die Interpellation bezogen werden. *) Dresdner Annal. IV. 462. 22) 1. 32. pr. §. 1. D. XXII, 1. 1. 20. §. 11. D. V, 3. 1. 24. 49. §. 2. de V. O. Mommsen S. 36. 41. Die Interpellation muß zwar nicht gerade am Er-

688

Zweit«» Buch. Die besondere» Privatrechte.

Schuldner davon überzeugt werden, daß der Gläubiger jetzt annehmen will und kann, daß also auch insofern der Erfüllung kein Hinderniß mehr ent­ gegensteht"). Wie die gemeine Meinung und die ältere preußische Praxis"), so hat auch das A.L.R. keine besondere Form für die Mahnung vorge­

schrieben"). Sie kann ausnahmsweise wegfallen, wo die Zeit der Er­ füllung ^burch eine Willenserklärung oder durch einen richterlichen Aus­ spruch oder durch besondere Gesetze bestimmt ist"). Damit hat das A.L.R.

den damals behaupteten, durch Gewohnheitsrecht in Deutschland gesicher­ ten")', wenn auch nicht aus dem römischen Recht nachweisbaren Satz dies intei'pellat pro homine ausgenommen (mora ex re)te). Er rechtfer­ tigt sich durch die Erwägung, daß durch die in Voraus festgesetzte Erfüllungs­

zeit der Wille des Gläubigers, der sonst erst durch besondere Mahnung kund werden muß, bereits dahin ausgesprochen ist, daß er grade zu dieser Zeit die Leistung fordere. Wenn dagegen das A.L.R. vorschreibt, daß auch der Eintritt der Bedingung den Schuldner, sobald er davon Kennt­

niß erhalten, ohne Mahnung in Verzug setzen soll"), so ist dabei die Be­ deutung einer Bedingung verkannt, denn diese soll nicht sowohl die Zeit

der Erfüllung, als vielmehr die Wirklichkeit des Rechtsverhältnisses selbst

,

") 2*)

. 25)

86) 27)

28)

süllungSort selbst erfolgen, aber sie darf nicht eine Erfüllung an einem anderen Orte, als vertragsmäßig verlangen. Mommsen ©. 42 f. Nach A-L-N. I, 16. §. 21. muß. der Verpflichtete Kenntniß von der Mahnung erlangen. Der klagende Gläubiger muß außer den Thatsachen, die seine Forderung erzeugt haben, auch die Thatsache der Interpellation beweisen, wenn er das Zeitinteresse (utilitas temporis) fordert. Maxen, über Beweiülast u. s. w. 1861. S. 190fg. Gerber a. a. O. S. 67. 1. 32. pr. §. 1. D. XXII, 1. Mommsen S. 36s. Hy mm en, Beiträge B. 8. S. 177. Madai §. 7. Mommsen S. 38. 39. Wird gerichtlich interpellirt, so ist die Interpellation erst vollendet, wenn der Schuld­ ner die Klage erhalten. I, 16. §.21. 71. Mommsen S. 39. Note 6. Ein­ malige Mahnung genügt. Madai §. 9. Mommsen S. 38. Note 5. Koch S. 347. - I, 16. §. 20. 21. Koch S. 347. Die Klaganstellung ist Mahnung, selbst wenn das Fundament der Klage verfehlt ist. Strieth. B. 50. S. 309. Uebersendung der Rechnung ist nicht Mahnung. D. H.G.B. Art. 288. I, 16. §. 20. Keine Mahnung bei Kaufleuten untereinander. D. H.G.B. Art. 289. Ueber den Satz s. Vangerow S. 206. Anm. 2, der die Kontroverse ausführ­ lich bespricht und die Litteratur angiebt. Mommsen III. S. 80fg. Neuerdings hat Wind scheid a. a. O. S. 256. das Gewohnheitsrecht wieder bestritten. Die Praxis bezeugt es aber überall. Man beruft sich insbesondere auch aus die dem Reichsdep. Absch. v. 1600 zu Grunde gelegten Verhandlungen über die dubia cameralia v. 1595 (abgedr. als Anhang zum Concept der Kamm.Ger.Ord. Wetzlar 1717). Vergl. hierüber Mommsen S. 99. und ArndtS Pand. S. 409. Anm. 6. Seuffert I. Nr. 332. VI, 163. n. S. 320. X, 144. 1. 5. D. XII, 1, 1. 47. D. XIX, 1. 1. 33. 114. de V. O. Ueber die dem richte» lichen Ermessen anheimgegebene Auslegung, ob die Zeitbestimmung in einem Ver­ trage nur das Fälligwerden oder auch die ErfüllungSzeit fixiren sollte, s. SeufPand. II. S. 41. Note 8. Strieth. B. 61. S. 57.

$. 105.

689

Verzug.

bestimmen — wenn sie nicht, was allerdings geschehen kann, grade der ErfüllungSzeit beigefügt worden, und dadurch die Natur der Zeitbestim­

mung erhalten hat").

Im gemeinen Recht ist jener Satz nicht aner­

kannt, es bedarf vielmehr nach Eintritt der Bedingung noch der Inter­

pellation 31). — Ob trotz der Mahnung und der darauf ansgebliebenen Erfüllung der Schuldner unter Umständen entschuldigt, d. h. als nicht

in Verzug gerathen erachtet werden darf, ist zwar im A.L.R. nicht direkt ausgesprochen: gleichwohl folgt es daraus, daß der Verzug ein Verschulden

erfordert, eS also dem Schuldner freistehen muß, das Fehlen dieses Er­ fordernisses als Einrede anzuführen. Auch fehlt es nicht an Anwen­ dungen. Wie Unmöglichkeit die gänzliche Nichterfüllung, so kann sie auch die verspätete Erfüllung entschuldigen ’*).

Was den Verkäufer wegen ver­

zögerter Uebergabe entschuldigt, soll auch dem Käufer bei verzögerter Ueber­

nahme zu statten kommen33). Hat der Gläubiger den Schuldner an der Erfüllung gehindert, so kann dieser nicht in Verzug kommen33). Auch darf wohl die Bestimmung, daß gegen den, der im Staatsdienst abwesend ist, keine Verjährung beginnt33), analog auf den Fall angewendet werden,

daß ein solcher auch nicht in Verzug geräth. Doch wird dies nicht als allgemeine Regel aufzustellen, sondern im einzelnen Fall zu erwägen sein, ob die Abwesenheit wirklich gehindert hat an rechtzeitiger Erfüllung. Ueberhaupt ist die Frage, ob ein Entschuldigungögrund vorliege, rein thatsächlich, vom Richter ihre Beantwortung nach der Lage des einzelnen Falles zu

bemessen33).

Bloßes Unvermögen zur Erfüllung, wie es nicht als Un­

möglichkeit aufzufassen, kann auch nicht als Entschuldigung für Verzug

gelten3'). — Die Wirkung des Verzugs ist die, daß der Schuldner „die

Folgen dem Berechtigten vertreten muß" ’’).

Er hat das Interesse zu

ersetzen und zwar dasjenige, was durch die nicht rechtzeitige Erfüllung Oben S. 176., wo eö Zeile 8. von oben oder statt also heißen muß. Vangerow S. 212. Nr. 4. I, 16. 8 ,26. I, 11. §.216. Dieser §. ist übrigens eine inhaltlose Phrase. Koch, Komment. Note 57. “) I, 5. §. 362. M) I, 9. §. 518. Unterstützt wird dieser Satz direkt durch 1. 17. §. 3. u. 1. 23. D. XXII, 1., letztere Stelle verlangt aber eine subito erfolgte Abwesenheit, ut defensionem sui mandare non possit.

80) 81) 82) 88)

8e) Puchta, Vorles. §. 269. Mommsen S. 56—71. Seuffert, Pand. S. 43. Note 13. 1. 32. pr. D. XXII, 1. „apud judicem examinabitur, cum sit magis facti quam Juris. 3T) Siehe eben §. 66. Note 19. S. 363. Savigny, Oblig.R. I. 384. Momm­ sen S. 61. 1. 137. §. 4. D. de V. O. Ob eine wirklich unverschuldete, zufällig eingetretene Zahlungsunfähigkeit die Folgen der mora nach dem Ermessen des Richters ausschließen kann? Madai S. 77. und Arndts S. 410. Anm. 7. z. E. bestreiten, Seuffert Pand. S. 43. Note 13. will dann die Entschuldigung znlassen. 88) I, 16. §. 16. Mommsen §. 19-29. S. 178fg. Koch, R. d. F. I. S. 358fg.

Förster, Preuß. Privatrecht. I. 2. Aust.

44

690

Zweites Buch. Die besouderen Privatrechte.

verletzt worden, und je nach der Natur des Geschäfts oder nach dem Grade der Verschuldung entweder das volle Interesse oder nur den wirk­ lichen Schaden,

während nach

gemeinem Recht einfacher und richtiger

immer das volle Interesse zu prästiren ist39 * *).*

Bei der Uebergabe einer

Sache vergütigt der Säumige, wie ein unredlicher Besitzer auch die ge­

nossenen Früchte, und vertritt für Verschlimmerungen geringes Versehen40). Bei der verzögerten Zahlung einer Geldsumme treten dieser die Verzugs­ zinsen bei, welche das Interesse darstellen nnd schon an einem anderen

Orte besprochen sind 41).* * Außerdem steigert aber auch der Verzug den Grad des Versehens, welches der Schuldner nach der Natur der Obli­ gation zu vertreten hat49), und legt ihm die Gefahr der Obligation auf49),

d. h. er wird durch den Zufall nicht von der Leistung, und wenn diese

durch ihn unmöglich geworden, nicht von dem Interesse dafür frei (perVon dieser Gefahr kann er sich durch die Einrede

petuatur obligatio).

befreien, daß der Zufall das Objekt der Leistung auch nach rechtzeitiger

Erfüllung bei dem Gläubiger betroffen haben würde44),45und * * * diese Einrede kann wiederum der Gläubiger durch die Replik beseitigen, daß eö ihm

möglich gewesen wäre, die Sache noch vor dem Eintritt des Zufalls zu veräußern oder sonst zu verwerthen49). Diese Möglichkeit der Veräuße") I, 16. §. 17. T, 11. §. 97. 1. 3. pr. 1. 32. §. 2. I. 38. §. 1. D. XXII, 1. Der durch den Verzug verletzte Kontrahent kann gleich auf das Interesse klagen, er ist nicht genöthigt, Erfüllung zu verlangen und nebenbei daS Interesse zu fordern. Entsch. B. 43. S. 56. ©cuf fett II, 154. XV, 10. 40) I, 16. tz. 18. I, 7. §. 223 fg. Bei Gegenständen, die in ihrem Werth wechseln, z. B. Staatspapieren, wird wohl behauptet, daß vom Säumigen der höchste Werth prästirt werden muß, den die Sache während der Dauer des Verzugs erreicht hat, weil in diesem Moment dieselbe hätte veräußert werden können. Allein 1. 8. §. 1. D. XIII, 1. bezieht sich nnr auf res furtiva. Vergl. 1. 21. §. 3. D. XIX, 1. Seuffert 11,152. Die Leistungszeit muß über den Werth entscheiden. Daselbst 153. IV, 103. XII, 135. 41) I, 16. §. 19. §. 64—71. Oben §. 68. S. 377 s. Neben den Verzugszinsen kein sonstiges Interesse. Seuffert XII, 14. ") Dies folgt ans §. 16.1, 16. Der Säumige hat die Folgen schlechthin zu vertre­ ten, auch wenn sie durch einen Grad des Versehens hervorgerufen, der sonst bei dieser Obligation nicht zu vertreten wäre, und wo der Zufall getragen werden muß, da fällt die Rücksicht auf die Grade des Verschuldens weg. Anwendungen: I, 11. §. 115. I, 12. §. 309. 310. I, 14. §. 72. I, 21. §. 172. 332. 333. 4S) Mommsen §. 20. S. 183. 1. 108. §. 11. de leg. I. 1. 23. D. XIII, 5. 1. 24. §. 2. in f. D. XXII, 1. perpetuam facit stipulationem. 1. 5. pr. D. XII, 1. Nach A.L R. I, 16. §. 16., in einzelnen Anwendungen: I, 3. § 13. I, 6. §. 16. I, 7. §. 241. I, 11. §. 95. 96. 97. 936. I, 14. §. 72. 141. I, 21. §. 251. 44) 1. 40. pr. D. V, 3. (denn durch die Litiskontestation wird der Beklagte in mora versetzt). Vergl. 1. 14. §. 1. D. XVI, 3. 1. 15. §. 3. D. VI, 1. Dangerow III. S. 221. Anm. 3. Madai S. 284 fg. Unterholzner I. S. 121 fg. 45) Man kann auch sagen, es gehöre schon zur Begründung der Einrede, daß der Gläubiger die Sache nicht verkauft haben würde, und das müßte der Beklagte beweisen. Dies zu beweisen ist aber unmöglich, nicht wegen der Negative, sondern weil innere Willensmomente des Gläubigers bewiesen werden müßten, die sich dem entziehen. A. M. Bangerow S. 223. oben. Vergl. Savigny System B. 6. S. 188.189.

§. 105.

691

Verzug.

rung hat der Gläubiger zu beweisen, nicht aber — waS gradezu unmöglich wäre — daß er wirklich veräußert haben würde, wenn er die Sache er­ halten hätte46). Auch nach preußischem Recht ist jene Einrede des Schuld­ ners statthaft") und nur ausgeschlossen bei den Obligationen aus beschä­

digenden Handlungen (oblig. ex delicto)").

Bei den Wahlobligationen

verliert der säumige Schuldner nicht durch den Verzug allein, wie nach römischem Recht4'), die Wahl, sondern erst, wenn er eS zur Exekution kommen läßt").

Bei generischen Leistungen hat der Gläubiger die Wahl,

ob er entweder noch die Sachen in Natur oder ihren Werth zur Zeit, wo geliefert werden sollte, fordern will 5I). Und noch eine Abweichung vom

römischen Recht ist zu bemerken.

Dieses

gestattet bei zweiseitigen Ge­

schäften dem Gläubiger, in Folge des Verzugs deS Schuldners, vom Ver­ trage zurückzutreten "). Denn das Interesse, was ihm der Schuldner zu

vertreten hat, kann auch in dem Rücktritt bestehen. DaS preußische Recht kennt so allgemein diesen Satz nicht, vielmehr hat auch bei dem Verzüge

aus einem zweiseitigen Vertrage der Gläubiger nur das Recht, auf nach­ trägliche Erfüllung und Schadenersatz zu dringen"). Doch einzelne An­

wendungen der römischen Regel finden sich. Verzug des Käufers in der Uebernahme einer beweglichen Sache unter 50 Thlr. und in der Zahlung des Preises, die er Zug um Zug versprochen hat, giebt dem Verkäufer das Recht des Rücktritts, im letzteren Fall nur vor der Uebergabe").

“) Mommsen S 187. a. E. 196.197. «) Koch I. S. 222. Bergt. A.L.R. I, 7. §. 241. I, 20. § 181. I, 21. §. 251. 4e) I, 7. §. 242. Koch S. 222. Nach Snarez (Simon, Materialien S. 329. 332.) sollte durch §. 242. der Delinquent unbedingt für den Zufall haften, weil man dem Gläubiger nicht zumuthen könne, sich mit ihm über die Beschaffenheit des Zufalls zu streiten. Da« ist nun freilich kein sehr stickhaltjger Grund, und nach gemeinem Recht ist der Satz keineswegs unbestritten. Puchta § 268. Note c. behauptet ihn, dagegen f. Vangerow S. 223. Mommsen S. 197. ") 1. 2. §. 2. 3. D. XIII, 4. 1. 3. pr. D. XXII, 1. ••) §. 9. der Exek.-Ordn. v. 4. März 1834. spricht dies von Obligationen aus, deren Leistung eine Handlung ist. •*) 1,11. §. 859. Dadurch wird bei einer Preissinkung verhindert, daß der Gläubi­ ger einen niedrigeren Werth erhält. Nach röm. R. muß der Schuldner den höch­ sten Preis zwischen dem Beginn der Zögerung und der Leistung zahlen, quoniam aaltem hodie dandum est, quod jam olim dar! oportuit. 1. 3. §. 3. 1. 21. §. 3. D. XIX, 1. Mommsen S. 205. 207. »*) 1. 24. §. 4. D. XIX, 2. 1. 135. §. 2. de V. O. 1. 6. C. IV, 54. Seufsert Pand. S. 44. Note 4. und Archiv B. 9. Nr. 139. B. 11. Nr. 141. 230. 232. z. B. bei dem Verkauf von Waaren zum Konsum oder Weiterverkauf, deren Preise sinken und steigen, so daß es also wesentlich ist, daß die Erfüllung zur be­ stimmten Zeit erfolge. --) I, 5. §. 393. 394. I, 11. §. 231. Koch S. 361 s. — §. 393. I, 5. erleidet atine Ausnahme, wenn au» dem Inhalt des Vertrage» hervorgeht, daß die Parteien grade aus die Erfüllung zur bestimmten Zeit Gewicht gelegt haben. Strieth. B. 34. S. 49., auch bei Seuffert XIV, 123. M) 1,11. §. 229. 230.

Zweites Buch.

692

Die besonderen Privatrechte.

Ebenso bei dem Kauf nach Maß und Gewicht"); bei dem nothwendigen

Verkauf, wenn im Kanfgelder-Belegungstermin, oder sonst den Bedingun­

gen gemäß der Preis nicht berichtigt wird"); bei dem Verzug deö Werk­

meisters in Ablieferung des Werks");

bei

nicht rechtzeitiger Lieferung

deS Manuskripts an den Verleger"). — Deseitigt werden die Wirkun­

gen deS Verzugs deö Schuldners durch vollständige Erfüllung").

Ist

die Obligation dadurch gelöst, so können die auf den Verzug gegründeten Ansprüche, selbst wenn sie nicht zugleich befriedigt worden, nicht selbstän­ dig fortbestehen, denn eS fehlt für sie das Klagerecht60). Sie gehen über­ haupt auch durch jede andere Aufhebung des SchnldverhältnisseS unter"). Bewilligt der Gläubiger aufs Neue Frist, so können von nun an zwar

keine Verzugsfolgen eintreten, die bereits eingetretenen werden aber nicht

beseitigt").

II. Annahmeverzug (mora accipiendi).

Er fällt bei gegenseiti­

gen Obligationen immer nur demjenigen znr Last, der in Beziehung auf die angebotene Leistung Gläubiger ist. Auch hier wird Fälligkeit der For­ derung vorausgesetzt, weil der Gläubiger nach preußischem Recht.nicht ver­

pflichtet ist, vor der Zeit anzunehmen"), und — entsprechend der Mah­

nung bei dem Verzug des Schuldners — das Anbieten sofortiger und vollständiger Erfüllung vom Schuldner an den Gläubiger "). Ob daS

Anbieten als Verbaloblation genügt,

oder ob Realoblation

nöthig ist,

entscheidet sich nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses und es kann weder gesagt werden, daß erstere immer genüge, noch daß letztere immer nöthig sei"). Muß z. B. der Schuldner die Leistung dem Gläubiger in die Wohnung bringen, so ist Realoblation nöthig, muß der Gläubiger “) §. 207. I, 11. **) Subh.Ordnung v. 4. März 1834 §. 20. Grundstück wieder zu verkaufen. ") 1,11. §. 938. °") X, 11. §. 1001.

") Koch S. 373.

Die Gläubiger haben das Recht, das

Mommsen S. 330.

•°) Wächter, würtemb. Pr.R. II. S. 243. 91. 18. Koch S. 373. Mommsen S. 331. ") Mommsen S. 331 fg. 1. 17. D. XIII, 1. 1. 8. pr. 1. 14 D. XLVI, 2. •*) 1. 29. §. 1. D. de V. O. 1 54. D. II, 14. A.L.R. I, 16. §. 70. Die Frist, bewilligung oder die Genehmigung des Gläubigers, daß der Schuldner jetzt nicht erfülle, ist an keine Form gebunden. St rieth. B. 17. S. 66. **) S. oben §. 83. Note 25. S. 463. ") Es muß also nicht allein die Kapitalzahlung, sondern auch die Zahlung der Zin­ sen deS Interesses und der etwa entstandenen Verzugszinsen angeboten werden. Mommsen §. 15. 16. S. 139. 150 1. 7. D. XXII, 1. 1. 22. D. XXIV, 3. 1. 73. §. 2. de V. O. 1. 30. 39. 72. pr. D. XLVI, 3. 1. 3. §. 4. D. XIX, 1. Daß der Schuldner bloß bereit ist zur Erfüllung, ist noch nicht Dilation. a) Mommsen S. 141 fg. Unger a. a. O. S. 25. Anm. 12. So wird z. B. Realoblation unter Abwesenden nicht nöthig erscheinen. Seusfert XV, 11. DeSgl. bei sehr umfangreichen Lieferungen. SinteniS II. S. 215. in der Note.

§. 105.

693

Verzug.

sie sich beim Schuldner holen, so genügt Verbaloblation.

Wesentlich ist

immer nur, daß kein Hinderniß für sofortige wirkliche Erfüllung noch be­

stehe, daß dem Gläubiger in keiner Weise die Annahme erschwert und daß

ihm dies bekannt werde °°).

Verweigert er dann auf gehöriges Anbieten

ohne Rechtsgrund (sine justa causa)67 * *)68die Annahme, so ist er im Ver­

zug, und daraus folgt, daß die Gefahr der Obligation auf ihn übergeht °°), daß ihn die nachtheiligen Veränderungen am Objekt derselben treffen, daß die BertretungSpflicht des Schuldners erleichtert wird69)70und 71 72 daß * ihm vom

Gläubiger das etwaige Interesse auS der Nichtabnahme ersetzt werden muß, ohne daß eS darauf ankommt, ob der Verzug des Gläubigers sich

als grobes oder geringes Versehen darstellt7").

So

ist es im A.L.R.

richtig normirt bei Verschlimmerungen der verkauften Sache7'), bei der

Wcrkverdingung77).

Unbegreiflich aber sind andere Vorschriften, die es

bei dem Kauf giebt7').

Wenn die Sache gänzlich untergeht, soll der in

der Annahme säumige Käufer den Verkäufer entschädigen, und zwar bei Verzug aus grobem und mäßigem Versehen muß der Käufer entweder das Interesse oder den wirklichen Schaden vergütigen und das Kaufgeld zahlen, bei Verzug aus geringem Versehen hat er nur das Kaufgeld zu entrichten. ee) Also auch opportune tempore et loco, XLVI, 3.

d.

h. wo zu erfüllen ist.

1. 39. D.

67) L 72. pr. D. XLVI, 3. Verweigerung der Annahme aus unerheblichem oder zwei­ felhaftem Grunde. A.L.R. I, 16. §. 218. 68) 1. 72. cit. 1. 73 §. 2. 1. 105. de V. 0. und in Betr. -bet Obligationen auf Handlungen: pro facto accipitur. 1. 39. de R. J. Mommsen B. 3. S. 286. Note 2. will ohne Grund diese Stelle auf Bedingungen beziehen. ••) 1. 5. 17. D. XVIII, 6. 1. 9. D. XXIV, 3. 1. 72. pr. D. XLVI, 3. ner haftet nur noch für dolus und culpa lata.

Der Schuld­

70) 1. 78. §. 1. D. XIX, 1. Also z. B. Ersatz der FutterungSkosten. Nach 1. 1. §. 3. D. XVIII^G. ist der Verkäufer bei Annahme-Verzug des Käufers befugt, die Sache für Rechnung des Letzteren zu verkaufen oder selbst preiszugeben — beides aber mit möglichst geringem Schaden für den Käufer und nicht ohne diesen vorher davon in Kenntniß zu setzen. Mommsen S. 313. Seuffert XIV, 122. Deutsch. Hand.G.B. Art. 343. giebt dem Verkäufer bei dem Verzug des Käufers in der Annahme das Recht, die Waare auf Gefahr und Kosten des Letzteren bei einem Dritten oder tu einem öffentlichen Lagerhause niederzulegen, oder — jedoch nach vorangegangener Androhung — zu verkaufen und er hat, wenn dies geschehen, den Käufer sofort davon zu benachrichtigen. Bei Verzug mit der Zahlung des Preises hat nach Art. 354. der Verkäufer die Wahl, ob er Erfüllung und Jntereffe, oder nachdem er die Waare für Rechnung deö Käufers verkauft, nur Interesse forderu, oder vom Vertrage abgehen will. Verzögert der Verkäufer die Uebergabe, so hat der Käufer die Wahl zwischen der Forderung der Erfüllung und des Interesses, des Interesses allein, oder dem Rücktritt (Art. 355). Wird aber vom Verkäufer oder Käufer der Rücktritt gewählt, so muß er dies dem anderen Theil anzeigen, und ihm ein modicum tempus zur Nachholung des Versäumten gestatten. Art. 356. S. Doigtel in Busch, Archiv f. HandelSr. B. 3. S. 323. Ist der Kommittent gegen den Kommissionär im Verzüge, so macht sich dieser auS dem Kommissions­ gute bezahlt. Art. 375. 71) I, 11. §. 98.

72) 1,11. §. 939. 940. 78) I, 11. §. 102. 103.

Koch, R. d. F. I. S. 221.

694

*

Zweite- Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Dies stimmt mit dem landrechtlichen Grundsatz überein, daß der Umfang der Entschädigung sich nach der Schwere des Unrechts richtet").

Be­

wirkt bei Wahlobligativnen die Zögerung des Gläubigers, daß dem Schuld­

ner die Wahl unmöglich wird, ss ist dieser von der Leistung frei und be­ hält seinen Anspruch auf Gegenleistung76). Bei generischen Obligationen ist ein Gleiches zu behaupten, sobald die Gattung bereits gewählt und da­ durch zur Spezies geworden "). Sonst bleibt es bei dem Grundsatz genug non perit — aber in anderer Hinsicht ist das Interesse des Schuldners betheiligt, wenn der Werth der Gattung zur Zeit deS Anbietenö ein niedrigerer war, als zur Zeit, wo der Gläubiger verspätet an­ nehmen will, der Schuldner also jetzt im Objekt einen höheren Werth

hingeben würde. Zweckmäßig verordnet daö A.L.R.77), daß in solchem Fall der Schuldner die Wahl hat zwischen Leistung der Sache oder Ge­ währung des Werthes, den sie zu der Zeit gehabt hat, an welcher eigent­ lich hätte abgenommen werden sollen. Bon der Obligation befreit wird der Schuldner durch den Verzug des Gläubigers nicht78). Will er sich befreien, so hat er dem säumigen Gläubiger gegenüber das Recht gericht­ licher Niederlegung 79). Aber nicht erst diese ■— welche Schuldbefreiung bewirkt — sondern die Weigerung der Annahme erzeugt die Folgen des

Verzugs gegen den Gläubiger ”).

Hat Letzterer EntschnldigungSgründe

für die versäumte Annahme, deren Würdigung dem Richter zufällt, so treffen ihn ebenso wenig, wie den entschuldigten Schuldner, die Nachtheile des Verzugs 81). III. Beiderseitiger Verzug. Dieser kann nie gleichzeitig sein8')

") Vergl. Koch, R. d. F. I. S. 364 fg. Unten §. 125. Note 48. ’•) 1. 105. v de V. O. I. 72. §. 4. D. XLVI, 3. Das ist anch nach preußischem Recht anzmiehmen. ’•) 1. 72. pr. D. XLVI, 3. ”) 1,11. §. 860. Nach röm. Recht (1. 3. §. 4. v. XIX, 1.) hat der Gläubiger nur Anspruch aus den niedrigsten Werth. Hier wie bei dem Verzug des Schuldners ist, wenn Preisveräuderuugen eintreten, der in 1. 37. D. XVII, 1. ausgesprochene Grundsatz maßgebend: neutri eorum frustratio suaprodesse debet. Mommsen S. 295. ") Mommsen S. 284fg. ”) 1,11. §. 99. 1,16. §. 229. 234. Koch S. 370f. Mommsen S. 306f. 1. 7. D. XXII, 1. 1. 6.19. C. IV, 32. 1. 9. C. VIII, 43. ••) S. hierüber Koch a. a. O. gegen Bornemann II. S. 328. Die Deposttion befreit nach h. 228. 1,16. zwar auch von der Gefahr, weil sie den Schuldner überhaupt von der Verbindlichkeit befreit, aber damit ist nicht gesagt, daß der be­ reits srüher begonnene Verzug des Gläubiger« nicht eine gleiche Wirkung (Be­ freiung de« Schuldner« von der Gefahr) äußere. 81) Dies hängt damit zusammen, daß das Nichtaunehmen des Gläubigers ein will­ kürliche», verschuldete» fein muß. Wo die« fehlt, kann die Nichtannahme nicht al« Verzug aufgefaßt werden; z. B. schwere Erkrankung de« Gläubigers. 81) Mommsen S. 340s. Man kapn weder sagen, daß sich die gleichzeitige Mora de« Gläubigers und Schuldners kowpensire, noch, daß bei Gleichzeitigkeit nur die

§. 106. Da- Interesse.

695

sondern sich nur folgen, nnd da gilt die Regel, daß der spätere Verzug vom Moment seines Eintritts die ferneren Nachtheile des früheren be­

seitigt"), die aus dem letzteren bereits entstandenen Nachtheile aber nicht durch jenen geheilt werden ").

Kann der Zeitpunkt, wo beide Verzöge­

rungen zusammentreffen, nicht ausgemittelt werden, so wird auf die spä­

tere Zögerung allein Rücksicht genommen ").

Bei einseitigen Schuldver­

hältnissen können nur ErfüllungS- und Annahmeverzug einander begegnen, bei gegenseitigen kann sich jeder Theil des ErfüllungS- und Annahmever­ zugs gegen den andern schuldig machen. In Betreff der letzteren unter­ scheidet daS A.8.R. zwischen Gegenleistung Zug um Zug, und Vor- und

Im ersteren Fall muß der eine Theil geleistet haben, wenn er dem andern Verzug vorwerfen will"), im zweiten Fall muß derjenige, Nachleistung.

dem die Nachleistung obliegt, wenn er die ausgebliebene Vorleistung als

verzögerte beschuldigen will, bereit und im Stande sein, seine Obliegen­

heit zu erfüllen ").

§. 106.

Das Interesse.

A.L.R. 1,5. §. 285—291. Heydemann I. S.242sg. Gruchol I. S. 535. a. E. II. S. 185. über die Beschränkungen, welchen nach preußischem R. in VertrvgSverhältnifsen der Anspruch auf das Interesse unterworfen ist. ArndtS in der jnrist. Wochenschr. 1838. S. 309—316. Pfeiffer in s. vermischten Aussätzen über Gegenstände des deutschen und röm. Priv. R. 1803. S. 227 f. Bornern ann II. S. 314sg. v. Daniels I. S. 225. II. S. 307. Koch, Pr.R. II. S. 53 f. R. d. Ford. I. S. 304 fg. — Schömann, Lehre v. Schadenersatz. 1806. 2 Thle. Hänel, Versuch einer Darstellung der L. v. Schadenersatz. 1823. v. WeningIngenheim,die Lehre v. Schadenersatz n. röm. R. 1841. Besonders: Mommsen,

83)

“) 85) M) 8T)

Mora des Ersteren in Betracht komme. Es entsteht überhaupt keine Mora. Weder die 1.17. D. XVIII, 6. noch die 1. 51. pr. D. XIX, 1. beweisen das Gegentheil. Posterior mora nocet. I, 16. §. 24. 25. Beide §§. beziehen sich, wie das Ober­ tribunal (Entfch. B. 24. S. 411. Strieth. B. 9. S. 326.) mit Recht annimmt, auf einseitige und gegenseitige Schuldverhältnisse. Wenn Koch, Komm. Note 18. zu §. 24. diese Ansicht für eine mißverständliche Auffassung hält, so kann dafür ein Grund nicht gefunden werden. Unrichtig ist es, wenn v. n. z. Mühlen in Simon und Stramp ff, Zeitschr. B. 2. S. 126. die §§. 24. 25. nur auf ein­ seitige Schuldverhältnisse bezieht. 1,16. §. 24. I, 16. §. 25. I, 16. §. 22. 1,16. § 24. Koch, Komm. Note 18. zu §.24. bezeichuet das Verhältniß der §§. 22. 23 zu den §§. 24. 25. als dieses: die §§. 22. 23. sprechen von den Vor­ aussetzungen der Mora, die §§.24.25. von den Wirkungen der beiderseitigen Mora. Das ist insofern richtig, als hier Voraussetzung und Wirkung einander gegenübergestellt werden; aber insofern ungenau, als die §§.22.23. nicht die Voraussetzungen der Mora im Allgemeinen, sondern nur bei gegenseitigen Obli­ gationen ausdrücken.

Zweites Buch.

696

Die besonderen Privatrechte.

Beiträge zum Obl-R. B. 2. zur Lehre v. d. Interesse. 1855. Darüber Wind­ scheid in der Heidelb. krit. Zeitschr. B. 2. S. 525. Maxen, über Beweislast,

Einreden und Exceptionell. 1861. S. 161 fg. IHering in s. u. Gerber'S Iahrb. B. 4. 1861. S. 1. (Culpa in contrahendo oder Schadenersatz bei nichtigen und nicht zur Perfektion gelangten Verträgen.) — Cohnfeldt, die Lehre vom In­ teresse nach röm. R. 1865. — Unterholzner I. S. 253sg. Arndts S. 324Dangerow III. S. 39fg. Sintenis II. S. 67sg. Seussert I. S. 78fg. II. S. 21 sg. v. Keller S. 498. — Windscheid Pand. II. §. 257. 258. S. 26 f. — Unger, Fragmente aus einem System des österr. Obl R. 1864. S. 3. Zachariä (Anschütz) II S. 245fg.

Verschulden und Verzug sind die Gründe, aus denen Ersatzansprüche

bei bestehenden Schuldverhältnissen erwachsen.

Uebrig bleibt die Erörte­

rung der Frage, wie diese Gründe verändernd auf den Gegenstand der Obligation, die geschuldete Leistung, einwirken. Diese Untersuchung ist wesentlich vorbereitet durch das, was §. 98. 99. über die aus Beschädi­

gungen neu entstehenden Obligationen auögeführt worden.

Dort haben

der Begriff des Schadens, seine Eintheilung in- wirklichen Schaden und entgangenen Gewinn '), und die Art, wie Beides zu berechnens, festgestellt werden müssen.

I.

Der allgemeine Begriff des Schadens, der nachtheiligen Ver­

mögensänderung, erhält bei schon begründeten Obligationen eine größere

Bestimmtheit in dem Begriff des Interesses.

DaS A.L.R. definirt:

„aller Nachtheil, welcher für Jemand daraus entstanden ist,. daß der An­

dere seinen Pflichten gegen ihn nicht nachgekonimen, wird unter dem In­ teresse begriffen"4*).* 3 Daß auch dieses nur auf VermögenSnachtheile sich bezieht, folgt aus dem Begriff und Zweck deS Obligationenrechts 5). Es

umfaßt allen Nachtheil, also den wirklichen Schaden, d. h. die Ent­ ziehung eines Werthes, der sich bereits in dem Vermögen befunden, und

') S. 523 f. *) S. 539 f. 3) Ueber die Terminologie MommsenS- 40 f. id quod interest mit der Beziehung auf daS beschädigende Ereigniß, also moram non factam esse, rem non evinci. Gleichbedeutend ist quanti interest. 1. 13. pr. D. XLVI, 8. 1. 60. D. XVII, 2. 1. 114. D. XLV, 1. Ferner gleichbedeutend ist utilitas, omnis utilitas, insofern das Interesse die Beschädigung des Vermögens wieder beseitigen, auSgleichev soll. 1. 2. §. 8. D. XIII, 4. 1. 9. §. 8. D. X, 4. 1. 22. pr. D. IX, 2. 1. 21. §. 3. D. XIX, 1. 1. 4. §. 7. D. XXXIX, 2. Der Ausdruck damnum praestare umfaßt daS d. emergens und lucrum cessans. 1. 2. §. 11. D. XLIII, 8. Das bar­ barische Wort „Interesse^' zuerst in der epitome a Rom. civitate. Böcking, Pand. I. S. 344. Note 21. Den Gegensatz bildet quanti res est, den Sachwerth bezeichnend. 1. 179. D. de V. 8. 1. 193. ibid. Vergl. 1. 50. pr. D. XLVII, 2. 1.1. §. 4. D. II. 3. Doch wird dieser Ausdruck in einzelnen Stellen auch für Interesse gebraucht. Mommsen S. 47fg. *) A.L.R. I, 5. §. 286. Cohnfeldt S. 266. 5) Damnum pecuniarium. 1. 3. D. XXXIX, 2. 1. 5. §. 5. D. IX. 3. 1, 1. §. 15. D. XXXVIII, 5. 1, 9. §. 2. D. XL, 7.

§. 106.

697

Das Interesse.

den entgangenen Gewinn, d. h. die durch die Nichterfüllung herbeige­ führte °) Entziehung eines Werthes, der hätte erreicht werden können, es

ist sonach die Differenz zwischen dem Vermögensstande, wie er sein müßte

ohne den Eintritt eines störenden Ereignisses, und wie er in Folge diese-

Ereignisses minder geworden 7). So ist das Interesse zwar ein Schaden, aber ein besonders gearteter. Nach der Auffassung des A.L.R. bezieht es sich nur auf Verletzungen bestimmter obligatorischer Verpflichtungen; dies

folgt nicht sowohl aus den in dieser Hinsicht doch noch etwas unbestimm­ ten Worten der Definition 8), als aus der Stellung der auf dasselbe be­

züglichen Vorschriften in dem Titel von Verträgen. Auf diejenigen Be­ schädigungen, die eine Obligation erst erzeugen, wird der Ausdruck nicht

bezogen ’).

Es strebt immer nach vollständigem Ersatz alles Nutzens, den

der Berechtigte von dem Vertrage gehabt haben würde, wenn der Ver­ pflichtete seiner Schuldigkeit völlig nachgekommen wäre.

Es ist daher kein

Jutereffe-Anspruch, wenn wegen Ungiltigkeit des Vertrages oder wegen von Anfang an vorhandener Unmöglichkeit zurückgeleiftet, oder weil auch die Rückleistung nicht mehr ausführbar, nach dem Sachwerth vergütigt

werden muß ’*). *•) Es ist kein Intereffe-Anspruch, wenn mit den s. g. um­

gewandten Klagen (actt. contrariae) die Erstattung von Auslagen gefor­ dert wird, die man selbst für einen Andern verwendet hat "). ES ist ferner kein Interesse-Anspruch, wenn durch Anstellung der Wandelklage wegen Fehler der Sache der Zustand vor dem Vertrage wieder herge­ stellt "), oder wenn eine rechtlos in das Vermögen eines Andern über­

gegangene Bereicherung zurückverlangt wird").

ES fällt endlich auch der

«) §. 287. I, 5.

r) Mommsen S. 3. llfg. Dankwardt, nationalökou. civil. Studien S. 98. Cohnseldt S. 57. besinnt: „Interesse ist aller von einer Thatsache sür eine bestimmte Person abhängige Vortheil", oder „Alles, was Jemand von dem Eintritt oder Nichteiutritt eines gewissen Ereignisses haben würde." Er polcmisirt dagegen, da« Interesse als Schaden oder Nachtheil auszufassen, wie es in der neueren Litteratur und den neueren Gesetzgebungen geschehen ist. Da aber die Forderung aus da« Interesse immer erst hervortritt, wenn der erwartete Vor­ theil ausgeblieben, also in einen Nachtheil umgeschlagen ist, so kann praktisch dieser anderen Wendung der Definition kein erhebliche» Gewicht beigelegt werden.

8) Insofern die Pflicht gegen den Andern in §. 286. dem Wort nach auch auf die in §. 92. Einl. erwähnte bezogen werden könnte. •) §. 285. 287. I, 5. verglichen mit §. 7. I. 6.

") Z. B. §. 156. §. 51. 364. 365. 1, 5.

*•) Mommsen S. 36 sg. So ist e» auch kein Interesse-Anspruch, wenn der gegen den Hauptschuldner das einklagt, was er dem Gläubiger hat müssen. ") Mommsen S. 33.f. Oben S.478f. 1. 60. 1. 23. §.7. D. XXI, 1.: redhibitione omnia in integrum restituuntur perinde ac si neque emtio venditio intercessit. A.L.R. 1, 5. §. 327.

Bürge zahlen

facta neque

w) Mommsen S. 22: „Während die Größe des Interesse fich nach dem Einfluß richtet, den ein beschädigendes Ereigniß auf da« Vermögen de» Gläubigers gehabt

698

Zweite- Buch. Die besondere» Privatrechte.

Begriff des Interesse nicht mit dem der Gegenleistung zusammen, d. h. das Interesse ist nicht immer damit gedeckt, daß der Gläubiger seine Gegen­

leistung zurückhält oder zurückfordert"). Wegen der Vollständigkeit deS Schadenersatzes, der durch das In­ teresse ausgedrückt wird, spricht das A.8.R. auch zuweilen von „ganzem"

oder „vollem" Interesse "), ohne dainit einen höheren Grad bezeichnen zu wollen "). Gleichbedeutend, aber auch auf die außerkontraktlichen Beschä­ digungen angewendet, sind: vollständige Genugthunng, vollständige Schad­

loshaltung, volle Entschädigung, Ersatz alles Schadens ").

Das Wort

Vergütigung ist ganz unbestimmt, bald für den bloßen Sachwerth "), bald

für weiteren Ersatz gebraucht").

Ueberhaupt leitet auch hier keine sichere

Terminologie in das Verständniß des Einzelnen, es muß aus dem Zu­ sammenhang jeder Stelle besonders ermittelt werden, in welchem Umfang der Ersatz eines Schadens gefordert werden kann.

Selbst das Wort In­

teresse ist nicht überall streng in dem Sinn seiner Definition festgehalten'"). Besonders zweifelhaft ist auch der Ausdruck „entstandener" oder „erwachse­

ner" Schaden, sofern ermittelt werden soll, ob darunter auch der einge­ büßte Gewinn begriffen ist"). Man wird bei dieser Lehre lebhaft an die Richtigkeit des Urtheils von Koch erinnert, daß der landrechtliche Stoff sich oft wie eine quecksilberartige Masse darstelle. An die Stelle des ursprünglichen Gegenstandes der Obligation tritt

") 15) 16) 17)

18) 10)

20)

11)

hat, richtet sich der Betrag der Bereicherung nach dem Einfluß, den e'iu günstiges Ereigniß auf das Vermögen des Derpfliä teten gehabt hat. 1. 65. §. 7. D. XII, 6. 1. 56. D. V. 3." Mommsen S. 23 f., doch dazu Windscheid S. 528 fg. Z. B. §. 285. 291. I, 5. §. 544. I, 11. Heydemann I. S. 242. Note 416. Und doch auch §.360. 1,5: Interesse „nach Verhältniß der eintretenden Verschuldung." Z. B. I, 5. §. 45. 53. 359. 381, 409. I, 6. §. 7. I, 11. §. 541. Aller Schaden: I, 9. §. 457. I, 14. §. 29. I, 14. §. 253. In §. 340. I, 5. bedeutet Schadloshal­ tung den Sachwerth. Cohnfeldt S. 266. Z. B. §. 48. 156. 328. 365. I, 5. In §. 165. 420. 421.1, 5., entspricht die Vergütigung der Gegenleistung. S. oben §, 79. S. 448. §. 292. 1, 5. „Interesse vergüten." Z. B. §. 301. 1,5. wo es auck den Fall, in dem der wirkliche Schade allein zu ersetzen, begreift. Unten §.107. Note 45. §.351. 1,5., wo eö nicht das Ver­ trags-Interesse, sondern die Entschädigung wegen Betrugs ausdrückt, §. 360. 1,5., wo es seinem Inhalt nach verschieden sein soll, je nach dem Grade der Verschul­ dung. §. 296. I, 5., wo es auch den Ersatz des nur wirklichen Schadens mitbe­ greift. In §. 35. I, 11. hat Interesse nur die Bedeutung des wirklichen Scha­ dens, wegen der Zurückbeziehung auf §. 33, nicht §. 34. In §. 204. I, 16. be­ deutet eS allgemein das volle Interesse und nur den wirklichen Schaden. In §. 132. I, 6. ist daS Wort auf Schaden außerhalb der Verträge angewendet. Z. B. §. 655. I, 11. §. 171. 1,13. Ueber beide §§. unten bei Note 65. u. 66. Ferner §. 1084. I, 11., worüber unten Note 57. und in der Lehre von der Schenkung. Die Terminologie im österr. G.B. ist von der des A L.R. zu ihrem Nachtheil beeinflußt. Unger Fragm. S.5. Note3.

§. 106. Da« Interesse.

699

das Interesse, wenn deren Erfüllung nicht mehr möglich, oder sie nach­

träglich anzunehmen der Gläubiger nicht mehr verpflichtet ist. Hier ist eS

das in Geld") ausgedrückte Aequivalent nicht allein für den ganzen ur­ sprünglichen Gegenstand, oder für einen Theil desselben, für die Haupt­ oder Nebenleistungen, sondern auch für allen sonstigen Schaden, der dem Gläubiger aus der Nichterfüllung erwachsen ist"). ES kann aber auch neben die noch möglich gebliebene, oder noch nachträglich zngelassene ur­

sprüngliche Leistung treten:

hier ist eS nicht eine Veränderung derselben,

sondern eine Erweiterung, und stellt die Entschädigung des Nachtheils aus der nicht rechtzeitigen oder nicht vollständigen Erfüllung dar. Selbst in diesen Fällen ist das Interesse nicht ein Accessorium, sondern eS bleibt

eine Ausgleichung, das Aequivalent für einen Werth, der dem Berechtigten entzogen, eS tritt an dessen Stelle").

So die Verzugszinsen, die Ent­

schädigung für eine zu spät oder nicht am rechten Ort, oder sonst unter Verhältnissen geleistete Erfüllung, die dem Gläubiger nachtheilig geworden. II. Die Differenz, die das Intereffe darstellt, erheischt Ausgleichung

und erzeugt einen Anspruch an den Leistungspflichtigen, dessen Rechtsgrund

zwar die verletzte Obligation selbst ist"), der aber selbständig verfolgt werden kann, ohne daß eS nothwendig wäre, gleichzeitig auf Erfüllung zu

klagen, wenn diese auch noch möglich geblieben"). Die Vertragsklage auf daS Interesse") hat folgende besondere objektive und subjektive VorausM) Das Interesse ist insofern qualitativ verschieden von der ursprünglichen Vertragsleisiung und der zur Imerefseforderung Berechtigte hat die volle Befugnih, statt der Vertragsleistung deren Geldäquivalent in Anspruch zu nehmen. Strieth. D. 3. • S. 325. B. 45. S. 232. B. 68. S. 157. Das Interesse ist ein anderer Gegen­ stand, aber nicht ein anderer Inhalt der Obligation, daö Herrschaftsverhältniß bleibt dasselbe. Während der ursprüngliche Gegenstand des Schuldverhältnisses in solutione, ist das Interesse als möglicher nachfolgender Gegenstand in obligatione. Maxen a. a. O. S. 168 s. 2d) Mommsen S. 70fg. 24) Mommsen S. 8. Note 7.

25) Die durch die Nichterfüllung herbeigesührte Verletzung des Interesse des Gläubi­ gers erzeugt keine neue Obligation, die alte besteht fort, weil sie noch nicht erfüllt ist: perpetuatur, producitur. 1. 91. D. XLV, 1. Vergl. Paulli 8. K. V. 7. §. 4.: perinde agi ex stipulatu potest. ac si ea res exstaret. 1. 31. §. 11. D. XXI, 1. Seusfert XVIII. 50.

26) Entsch. B. 43. S. 56. A.L.R. I, 5. §. 394. giebt dem Gläubiger den doppelten Anspruch sowohl auf Erfüllung als auf das Interesse, ohne den letzteren durch den ersteren zu bedingen. So hat auch ein gemeinrechtlicher Gerichtshof unter Bezugnahme auf 1. 39. 161. de R. J. 1. 81. §. 1. D. XXXV, 1. 1. 85. §. 7. de V. O. 1. 19. §. 9.10. 1. 38. D. XIX, 2. entschieden, daß, wenn bei zweiseitigen Verträgen der eine Theil dem anderen die Erfüllung dolo vel culpa unmöglich macht, die Erfüllung als geleistet gilt, und die Gegenleistung eingeklagt werden kann; aus das Interesse zu klagen sei nicht nöthig. Seusfert I. Nr. 333.

2T) Dem älteren deutschen Recht war eine Klage aus der Obligation aus das Inter­ esse noch ganz unbekannt, nur bei der Miethe eines Hauses, bei dem Arbeitsver­ trag und der Frachtverdingung zeigen sich in einzelnen Stadtrechten die Keime eines solchen Anspruchs. Stobbe z. Gesch. des deutschen Vertragsrechts. 1855.

700

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

setzungen: a. Objektiv wird vorausgesetzt, erstens, daß eine giltige Obligation nicht gehörig erfüllt worden *e).

Was unter gehöriger Erfül­

lung zu verstehen, ist §. 83. gezeigt ”). Ungiltigkeit der Obligation kann an sich nur die Pflicht erzeugen zur Restitution, zur Herausgabe der Be­ reicherung'").

Treten hierzu weitere Ersatzansprüche, so haben diese ihren

Grund in besonderen, selbständigen Thatsachen, z. B. betrügerischem Ver­

leiten"), und eS muß dabei beachtet werden, daß, wenn eine solche Klage sich auf den entgangenen Gewinn richtet, dieser nicht in dem bestehen kann,

waS bei Erfüllung der Obligation hätte erreicht werden können, weil aus

einem nngiltigen Vertrage ein Recht auf Erfüllung nicht herzuleiten ist,

sondern in dem, was erreicht worden wäre, wenn man sich auf die Obli­ gation nicht eingelassen hätte"). — ES muß zweitens die Nichterfül­

lung der Grund zur Entstehung des Schadens geworden sein, und nur Hier ist an das zu

'soweit sie dies geworden, reicht der Anspruch").

28) §. 55. 168. I, 5. Mommsen S. 8. Gar nicht oder nicht gehörig erfüllt, ist gleich. 1.3. §. 1. D. XIII, 6.: propria enim dicitur res non reddita, quae deterior redditur. 29) Oben S. 459. so) Entsch. B. 3. S. 330 f. In Betreff der wegen Formlosigkeit nngiltigen Verträge s. oben §. 79. S. 445 fg. S1) Z. B. I, 5. §. 33. 36. 349—351. II, 2. §. 135. Der Betrug an sich erzeugt eine selbständige Obligation, deßhalb muß der Betrogene den Betrug beweisen, 1.18. §. 1. D. XXII, 3, während der auf das Vertragsinteresse klagende Gläubiger den dolus oder die culpa des nicht erfüllenden Schuldners nicht zu beweisen hat. S. unten Nr. VII. dieses §. Ueber die culpa in contrahendo s. Richelm ann der Einfluß des Irrthums auf Verträge. 1837. S. 129f. und Iher ing a. a. O. 1. 8. 9. D. XVIII, 4 Ihering führt aus, daß nach röm. R. aus der culpa in contrahendo, bei Abschluß ungiltiger Verträge, der Schadenersatz mit der KonIraktSklage verfolgt werde (S. 44 fg. über A.L.R.), und stellt S. 52. als Prinzip auf: „Das Gebot der kontraktlichen diligentia gilt wie für gewordene, so auch für werdende Kontraktsverhältnisse. Die culpa in contrahendo ist nichts, als die kontraktliche culpa in einer besonderen Richtung." — Vergl. österr. G.B. §. 866. 284. — Culpa in contrahendo ist auch, wenn man den Irrthum des Anderen kennt und benutzt, §. 79. I, 4. und wenn der Offerent nicht rechtzeitig den Rück­ tritt dem Acceptanten anzeigt, I, 5. §. 105. 82) ArndtS in der juristischen Wochenschr. 1838. S. 313. DaS Interesse besteht also hier in dem, waS der Beschädigte behalten oder gewonnen haben würde, wenn der ungiltige Vertrag nicht geschlossen worden wäre. Die durch die gehoffte Er­ füllung erwarteten Vortheile kommen nicht in Betracht. Außerdem kann in die­ sen Fällen der Beschädiger auch die Gegenleistung nicht mehr in Anspruch nehmen, während unter der Voraussetzung eines giltigen Vertrages der Beschädiger, indem er das Interesse leistet, den Anspruch aus die Gegenleistung behält. Ihering a. a. O. S. 16. unterscheidet positives und negatives Vertragsinteresse, daS letztere hat die Ungiltigkeit des Vertrages ;nr Grundlage. Ueber negatives Dertragsinteresse s. Seusfert XXI. 29. (dasjenige, waS der Kläger gehabt haben würde, wenn ihm die Aussicht auf daS Zustandekommen des Vertrages gar> nicht eröffnet worden wäre). 38\ Mommsen S. 137 s. 1. 24. D. de R. J.: quatenus ejus intersit, in facto non in jure consistit. ES muß also genau sestgestellt werden, wie weit die Nichter­ füllung reicht, wie weit sie schädlich geworden, nicht aber, wie weit, sondern nur ob die Nichterfüllung durch eine culpa bedingt ist.

§. 106. erinnern,

Da- Interesse.

701

waS §. 90. ausgeführt"), der Schaden muß wirklich die

Folge der Nichterfüllung geworden sein; nothwendige Ursache gewesen,

daß sie die alleinige oder die

wird nicht erfordert.

Selbst wenn der

Schaden auch ohne diese Ursache möglicherweise hätte eintreten können,

kommt eö doch nur darauf an, daß er in diesem Fall durch die Nicht­ erfüllung hervorgerufen worden. Wäre aber der Schaden auch ohne diese

gewiß und nothwendig eingetreten, so ist aus ihr ein Ersatzanspruch nicht herzuleiten 35), und um so weniger in dem Fall, wo die Nichterfüllung den

Nachtheil hätte bewirken können, und ihn auch bewirkt haben würde, wenn

nicht eine andere, von ihr unabhängige Thatsache dazwischen getreten wäre, die die wirkliche Ursache des Schadens geworden33). — Es muß drittens ein Schaden durch die Nichterfüllung wirklich schon entstanden, er muß ein gegenwärtiger sein"). Die bloße Befürchtung eines künftig her­

vortretenden Nachtheils, so begründet sie sein mag, erzeugt keinen Ersatz­ anspruch. Aber es ist andererseits nicht nöthig, daß der Schaden schon vollständig eingetreten und abgeschlossen sei; der Ersatzanspruch erstreckt sich vielmehr auch auf die künftige Wiederkehr, auf die fortlaufende Dauer

des Nachtheils, sofern diese aus der Nichterfüllung folgen33),

b. Sub­

jektiv wird vorausgesetzt, daß die beschädigende Thatsache der Nichterfül­ lung von dem Leistungspflichtigen zu vertreten ist, daß er sie verschuldet hat33).

Er muß entweder vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit die Erfüllung

ganz oder theilweise unmöglich gemacht haben, oder die noch mögliche nicht

leisten wollen.

Nicht die Nichterfüllung als solche, sondern das verschul­

dete Nichterfüllenkönnen oder Nichterfüllenwollen verpflichtet zum Ersatz ") und eS macht keinen Unterschied, ob das Verhalten, waS der Verpflichtete zu vertreten hat, ein

positives Thun

oder ein Unterlassen

ist.

DaS

Nichterfüllen als ein negatives ist sogar viel häufiger ein Unterlassen. Dadurch unterscheidet sich der Interesse-Anspruch aus einer bestehenden ,4) S. 529. Mommsen S. 141. >°) Mommsen S. 146 f. 148. Wi ndsch eid S. 542. Lohnseldt S. 136s. ") Mommsen S. 152. Windscheid S. 542. Unger, Fragm. S. 7. Note 7. Bergt. 1. 27. §. 1. 1. 79. D. VI, 1. 1. 45. v. XLIV, 7. 1.11. §. 3. v. IX, 2. 1.10. §. 1. D. XIV, 2. •’) Mommsen S. 118. Windscheid S. 537. *•) Mommsen S. 119. 120. Bei Heuser, Ann. I. S. 768. ist in einem Erkennt­ niß von Kassel ein „aus die Zukunft berechnetes Interesse", nämlich die Besorgniß, daß zukünftige Bortheile, die man durch Erbgang zu erwarten hat, beeinträchtigt werden, als genügend für die Klage erachtet worden. Das geht zu weit. ”) §. 285. 288. I, 5. Strieth. B. 44. S. 156. Mommsen S. 70 s. geht von der Ansicht auS„ daß im Zweisel da« Jnteresie, und nur ausnahmsweise der Sach­ werth zu leisten sei. Dagegen mit Recht Windscheid S. 530., der an der Re­ gel festhält, daß nur die verschuldete Nichterfüllung zur Leistung des Interesse, die unverschuldete aber nur unter gewissen Umständen zur Leistung deS Sachwerths verpflichte. 40) Windscheid S. 541. Bei dauernden kontraktlichen Verpflichtungen muß auch dauernd erfüllt werden, z. B. Enkfch. B. 47. S. 67. Strieth. B. 49. S. 4.

Zweites Buch. Die besondere« Privatrechte.

702

Obligation wesentlich von dem, der eine Obligation erzeugt").

Da die

Unmöglichkeit der Leistung nur, wenn sie verschuldet ist, vertreten wird,

so folgt, daß die von Anfang an vorhanden gewesene absolute Un­

möglichkeit, welche ein Schuldverhältniß nicht entstehen läßt, überhaupt nicht hierher gehört"), daß die von Anfang an vorhanden gewesene be­ dingte Unmöglichkeit nur soweit vertreten werden kann, als der Ver­ pflichtete für die übernommene Bemühung zur Beseitigung der Hindernisse

einzustehen hat"), und daß nur die hinterher eingetretene Unmöglich­

keit — weil sie nicht die Entstehung, sondern die Erfüllung der Obliga­

tion trifft — das eigentliche Gebiet für die Begründung der InteresseAnsprüche ist"). III.

Wäre das A.L.R. bei dem einfachen und allgemein durchgrei­

fenden Satz des römischen Rechts stehen geblieben, daß eine verschuldete Nichterfüllung immer zum Ersatz des Interesse (des wirklichen Schadens und entgangenen Gewinnes) verpflichte“), so wäre eine weitere Unter­ suchung über den Umfang der Ersatzpflicht überflüssig.

Aber das A.L.R. hat, wie schon erwähnt46), im Anschluß an das damalige Naturrecht")

den Umfang des Rechts des Gläubigers auf Entschädigung abhängig ge­ macht von dem Grade des Verschuldens. Dieser falsche, dem Zweck des Rechtsinstituts widersprechende, das moralisirende Moment einer Bestra­ fung einmischende und gegen den Gläubiger offenbar ungerechte Grundsatz

hat eine große Kasuistik nöthig gemacht und doch nicht überall konsequent durchgeführt werden können. Darum ist auch das Streben vergeblich, die einzelnen Sätze überall wissenschaftlich zu rechtfertigen. Neben der falschen Regel stehen unerklärbare Ausnahmen.

Diese falsche Regel lautet: bei

Vorsatz und grobem Versehen ersetzt der Schuldner das Interesse (wirklichen Schaden und entgangenen Gewinn), bei mäßigem und ge­ ringem Versehen (wo letzteres überhaupt zn vertreten) den wirklichen Oben S. 524 f. Mommsen S. 64. I, 5. §. 43-45. 49. 53. 62. 69. §. 277. 286. 287. 360. I, 5. I. 21. 22. §. 1. 1. 23. D. IX, 2. 1. 1. pr. D. XIX, 1. I. 13. in f. D. XIX, 2. 1. 8. D. XXI, 2. 1. 2. 8. D. XIII, 4. 1. 13. pr. D. XLVI, 8. 1. 24. D. de R. J. 1. 4. 10.12. C. IV, 49. 1. nn. C. VII, 47. Speierscher Depnt. Abfch. v. 1600 §. 139. (S-mml. der Reichsabschiede, Main; 1660 §. 152.). Ueber die scheinbar widersprechenden, aber nur die Forderung für entgangenen Gewinn vom Möglichen aus« Sichere znrücksührenden 1.19. D, XVIII, 6. I. 21. §. 3. D. XIX, 1. s. Bangerow S. 45 s. «) S. 109.141. 533. 539. a. E. f. ' ") Ueber die damalige, durch daS Naturrecht beeinflußte Praxis f. Glück B. 4. S. 447. Wehrn in seinem 1795 erschienenen Buche doctrina juris explicatrix principiorum et causarutn damni etc. fleht die 1. 7. C. V. als eine singuläre Ausnahme an und behauptet dann ohne weitere Begründung: neque culpa levis neque culpa levissima ad hierum interccptum praestandum porrigitur. Bergl. auch Cohnfeldt S. 17 f. S. 271 f.

4l) ") «) “) ")

§. 106.

Da- Interesse.

703

Schaden (und zwar unmittelbaren und mittelbaren)").

Neben dieser

Regel erscheinen die Ausnahmen nach doppelter Richtung:

es wird für

weniger als das Interesse eingestanden, obschon Vorsatz oder grobes Ver­ sehen vorliegt — nnd eS wird das Interesse ganz gewährt, obschon nur

ein geringeres Versehen verübt worden. — Erstens:

es wird nur der

wirkliche Schaden entgolten vom Vormann bei der Entwährung, auch

wenn er vorsätzlich oder aus grobem Versehen eine fremde Sache ver­ äußert hat"), vom Cedenten") nnd dem Erbschaftsverkäufer"), auch wenn sie arglistig verfahren sind.

Der Ersatz darf hier nicht die Höhe der Valuta oder des Kaufpreises übersteigen. Was dem Cessionar

oder Käufer als Gewinn entgangen, bleibt ihm unersetzt. Diese Abweichung erklärt sich bei der Cesfion — der Erbschaftskauf ist nach der Auffassung

des A.L.R. Cesfion des Erbrechts ") ■— wohl daraus, daß die Redaktoren, indem sie das Anastasianische Gesetz aufgaben, andererseits nicht gleich zu

weit gehen wollten. Sie übertrugen daher die Beschränkung desselben von dem Verhältniß zwischen Schuldner und Cessionar auf das zwischen letzte­

rem und dem Cedenten ").

Bei Verträgen über Handlungen

darf

wegen nicht gehöriger Erfüllung der Gläubiger zurücktreten, und wenn er den Rücktritt wählt, hat ihm der Verpflichtete auch bei Vorsatz nnd grobem Versehen nur den wirklichen Schaden zu ersetzen "),'während wenn sich seine

Behauptung der nicht vertragsmäßigen Erfüllung als unbegründet erweiset, er dem Verpflichteten wegen des Rücktritts das volle Interesse leisten soll"). Offenbar hat hier die Ungunst, die einen Rücktritt vom Vertrage begleitet, zu der Abweichung von der Regel geführt. Wenn der DarlehnSsch uldner ") §. 285. 288. I, 5. §. 10. 12. I, 6. Oben §. 90. S. 533. SRommfen S. 71. Gruchot B. 1. S. 537. B. 2. S. 187. Da» Lsterrcich. Ges.B. §. 1323. 1324. 912. ist demselben Fehler verfallen. Unger, System II. §. 102. Nole 1. 23. Fragmente S. 6. Note 6. Die neueren Gesetzgebungen sind zu der cinsachen und richtige» Theorie de- römischen Recht« znrückgekehrt. Deutsch. H.G.B. Art. 283 Sächs. G.B. §. 124. bäte. Entw. Art. 116. Nach Code Nap. ist ebenfalls der größere oder geringere Grad des Verschuldens ohne Einfluß aus den Umfang der Ersatzpflicht. Art. 1136. 1149. 1150. 1151. 1382. Zachariä (Anschütz) II. S 248 sg. ") §• 155. I, 11. Siehe über diesen §. oben S. 492 f.

§. 424. 425. 1,11. S. oben S. 633. §. 489. 490. 1,11. §. 447. I, 11. Koch, R. d. F. I. S. 308. sagt: es hat das für sich, daß der Betrug eigentlich nicht die Ursache des dem Cessionar entgangenen Gewinnes ist." Warum nicht, und warum die Ursache des wirklichen Schadens? der Betrug ist doch wohl für Beides die Ursache. Sodann stimme, meint Koch, dies auch mit der Regel, daß bei Eviktionen nicht das volle Interesse, sondern nur die Auslage mit Zinsen soll gefordert werden können. Er widerspricht hier seiner eigenen Auslegung des §• 155. I, 11. im R. d. F. II. S. 436 f. nnd im Komment. Note 4. zu dem §. Siehe Gruchot B. 2. S. 191 f. und oben §. 86. S. 492 f. 5‘) §. 410. I, 5.

60) 51) “) 61)

66) §. 409. 1,5.

704

Zweite- Buch.

Die besonderen Privatrechte.

vorsätzlich oder aus grobem Versehen die Rückzahlung verzögert, so darf der Gläubiger nicht etwa neben den Verzugszinsen, sondern statt derselben

nur Erstattung deS „erwachsenen wirklichen Schadens" verlangen56).

Der

Dritte, der sich mit einem vermutheten Bevollmächtigten eingelassen, kann

von diesem, wenn das Geschäft vom Geschäftsherrn gemißbilligt wird und deßhalb zuriickgeht, immer nur den wirklichen Schaden beanspruchen "). —

Zweitens: das volle Interesse wird ersetzt, auch wenn ein geringeres Versehen vorliegt.

Hierher gehört, daß Kunst- und Sachverständige

und wer gewarnt worden ist, daß von seiner Leistung besondere und un­

gewöhnliche Vortheile für den Gläubiger abhängen, ohne Rücksicht auf den

Grad des Verschuldens für allen Nachtheil einstehen 58), ebenso derjenige,

in dessen Person sich die Veränderung der Umstände, die den Vertrags­

zweck dem einen Theile vereitelt hat, ereignet, oder der sie herbeigeführt

hat ").

Ganz singulär ist endlich, daß bei der Mühlenpacht auch das nur

mäßige Versehen des Verpächters zum Ersatz deS dem Müller verlorenen

Dagegen darf man eS

Gewinnes neben der Remission verpflichtet").

nicht als eine Ausnahme von der Regel, sondern muß eS als eine An­

wendung derselben auffassen, wenn das volle Interesse von Demjenigen vertreten werden soll, der bei bedingter Unmöglichkeit der Erfüllung für den Erfolg seiner Bemühungen zur Beseitigung der Unmöglichkeit einzu­

stehen versprochen "), wer die bedingte Unmöglichkeit der Leistung gekannt und sich gleichwohl dazu verpflichtet "), wer eine Handlung vornimmt, die

zu unterlassen er ausdrücklich versprochen hat”).

Denn in allen diesen

Fällen ist leitend der Gesichtspunkt eines groben Versehens, welches dort

in der freiwilligen Uebernahme wodurch

der bedingt unmöglichen Leistung liegt,

sich seine Vertretungspflicht steigert,

in dem letzten Fall aber

immer vorliegen muß, wenn man thut, waS man unterlassen soll. steht hiermit nicht im Widerspruch, sondern

Es

ist nur im Ausdruck ver-

6«) §. 834. 1,11. Sergi, dagegen den Speierschen Deput. Abschl. v. 1600. Oben Note 45. w) §. 128. 1,13. — Zu den Ausnahmen, wo trotz des dolus nur wirklicher Schaden zu vertreten, ist auch §. 1084. 1,11. zu rechnen. Darüber in der Lehre von der Schenkung. ”) §. 289. 290. I, 5. Der Banquier als Sachverständiger für den Verkehr mit Geldvapieren. Strieth. B. 19. S.55. B.23. S.64. Die ungewöhnlichen Vor. theile, die der Gewarnte vertreten muß, sind solche, die sonst nicht vertreten wer­ den (§. 6. 1,6.). Sie müssen dem Verpflichteten namhaft gemacht sein. Su arez bei Bornemann II. S. 316. Note6. *•) §.381.383. 1,5. «») §. 551. 1,21.

6l) §. 45. I, 5. Bergl. Leyser med. 10. spec. 521. 406. VIII, 33.

Mevius decis. III, 206. VI,

“) §.53.67. 1,5. Hierüber s. Arndts in der jur. Wochenschr. 1838. S. 526 fg. und Jhering a. a. O. S.47. Oesterr. G.B. §. 878. «') §. 291. I, 5.

§. 106. Das Interesse.

705

fehlt, wenn an einer andern Stelle gesagt wird, daß der zu Unterlassun­

gen Verpflichtete

„nach dem Grade seiner Verschuldung" entschädigen

soll: der Grad kann eben kein anderer als Vorsatz oder grobes Ver­ sehen sein 64). Zweifelhaft ist es dagegen, ob andere Bestimmungen unter die Regel

oder unter die Ausnahmen fallen. Wer ein Darlehnsversprechen nicht erfüllt, soll den „entstandenen" Schaden vergütigen 65); wenn der Bevoll­ mächtigte dem Dritten den erfolgten Widerruf des Auftrags verschweigt,'soll er den „erwachsenen" Schaden ersetzen •*).

Kann man unter diesen

Ausdrücken den entzogenen Gewinn mitbegreifen, so stehen sie unter der

Regel: wird derselbe als ausgeschlossen erachtet, so gehören beide Stellen zu der Ausnahme, wo trotz Vorsatz und grobem Versehen doch nur für den wirklichen Schaden eingestanden wird.

Die Interpretation hat hier

freies Spiel, da aber die Worte „entstandener" und „erwachsener" Scha­

den sich doch auch auf den entzogenen Gewinn deuten lassen, so ist offen­ bar vorzuziehen, hier die Regel und nicht die Ausnahme anzuwenden. IV.

Der Sachwerth (rei aestimatio) allein wird vergütigt ins­

besondere, wenn es sich um Restitutionen handelt, und diese nicht mehr

ausführbar sind. So bei formlosen Verträgen, die die Parteien nicht er­ füllt sehen wollen"), so, wenn Handlungen oder Sachen eines Dritten

versprochen und der Erfolg der Bemühungen vergeblich geblieben cs), bei absolut unmöglichen Leistungen, wenn die Unmöglichkeit entweder von An­ fang an vorhanden gewesen 69) oder hinterher zufällig eingetreten 70), bei •*) §.890. 1,11. Dies war auch die Auflassung von Suarez. Bornem. II. S. 317. Koch, R. d. F. I. S. 309. Cohnseldt S. 268f. weint §. 890 I. 11. sei ans die Nichterfüllung einer selbständig auf eine Unterlassung gerichteten Obli­ gation zu beziehen, §. 291. 1.5. (vergl. bei Note 63) auf eine innerhalb eines Kontraktsverhältnisses durch die Begehung der zu unterlassenden Handlung herbeigeführte Beschädigung. — Im Dresdner Entwurf Art. 283 ist bestimmt: wenn die Verbindlichkeit aus die Unterlassung einer Handlung gerichtet ist und der Schuldner dennoch di« Handlung vornimmt, so kann der Gläubiger Wiederher­ stellung de» früheren Zustandes, Ersatz de« ihm zugesügten Schaden» und An­ drohung einer Geldstrafe für den Fall künftiger Zuwiderhandlung verlangen. In Art. 217. ist gesagt, daß Jedermann verpflichtet sei, alle Handlungen zu unter­ lassen, durch welche er einem Andern widerrechtlich einen Schaden zirsügt. Mit Recht wendet Cohnseldt S. 268 dagegen ein, daß dadurch eine Pflicht ohne allen juristischen Charakter statuirt sei; erst die wirklich eiugetretene Rechtsver­ letzung kann eine Klage begründen. Gesetzrevis. Pens. XIV. S. 163. Weitere Anwendungen der Regel, daß das volle Interesse nur bei dolus und culpa lata ,u vertreten: I, 11. §. 34. 40. 44. 49. 97. 302. 369. 541. 544. 664. 1006. 1007. 1,12. §. 313. (Hier kann wohl auch culpa levis bei der Veräußerung die Pflicht zum Ersatz de» vollen Interesse erzeugen). I, 12. §. 607. I, 13. §.89. 1,14. §. 329. •’) §. 655. 1,11. Nach rdm. R- (1. 68. de V. O.) wird geleistet, quod mea interest. ••) §. 17.1. 1,13. *T) §. 156.166.167. 1,5. Oben S. 448 fg. •’) § 41. 42. I, 5. •’) Hier handelt e« sich um Rückgabe der möglich gewesene» Vorleistung oder deren Bergütigung nach ihrem Werth. §. 51. I, 5.

") §. 365. I, 5.

Sörster, Preuß. Privatrecht. I. 2. Ausl.

Zweite- Buch.

706

Die besonderen Privatrechte.

bedingt unmöglichen Leistungen, wenn zur Zeit des Vertragsabschlusses/ bti Unmöglichkeit beiden Theilen bekannt oder unbekannt

war").

Hier

überall muß die Gegenleistung zurückgegeben oder nach ihrem Sachwerth vergütigt werden. V.

Die Berechnung des Interesse findet im preußischen Recht

nicht die Beschränkung

des

neueren

römischen auf das Doppelte des

^Schadens"). Etwas AehnlicheS enthalten aber die Vorschriften, daß, wenn der Beschädigte bei^Vorsatz oder) grobem Versehen zur eidlichen Selbstschätzung7S) zugelassen wird, er nicht über den doppelten Betrag des

von Sachverständigen ausgesprochenen mittleren Werths hinausgehen b«f")

— und daß bei dem Hoffnungskauf der entgangene Gewinn nicht höher Im Allgemeinen kann hier auf die Ausführungen in §. 90. f. verwiesen werden 7‘). Die als das Doppelte des Kaufpreises zu schätzen ist75).

Berechnung normirt sich im Wesentlichen bei Vertragsverletzungen nach denselben Grundsätzen. Zu bemerken ist nur noch, daß zur Ermittelung

des Interesse der Gewinn oder Nutzen abgezogen werden muß, den die

Nichterfüllung neben dem Schaden gebracht hat77), daß auch die etwaigen Kosten, die der Beschädigte auf die Sache hätte verwenden müssen, wenn er sie empfangen, und die er sich nunmehr erspart hat, nicht außer Be­ achtung bleiben dürfen 7e). Regelmäßig wird der gemeine Werth der Be­

rechnung zu Grunde gelegt, nur ausnahmsweise der außerordentliche oder der Werth der Vorliebe ”).

Auch diese Regel ist dem gemeinen Recht

M) §. 62. I, 5. ”) 1. un. C. VII, 47. S. über dieses „wunderliche" Gesetz (Unger, Fragm. S.8. NoIe7.a.E.). Mommsen §.21. Vangerow § 571. Anm.4. Eohnseldt @.39.f. Windscheid, Pand. II. S. 31. Note 9. Beispiele au« der gemein­ rechtlichen Praxis bei Heuser B. 9. S. 146. Seusfert B. II. Nr. 140.224. B. 14. Nr. 215. B. 15. Nr. 9. ”) Die Lehre vom juramentum in litem gehört in eine Darstellung de- Prozeß­ rechts. S. Koch, R.d.F. I. S.326. Schröter in der Z. s. 6. R. u. Pr. B 7. S. 356. Savigny, System B. 5. ß. 221sg. ") §.95. I, 6. Hierüber Koch S.320. «) §.545. 1,11. Ein anderer Anklang an die 1. an. C. VII. 47. in § 301. 1,5. ’*) S. 539 f. Fructus pericipiendi als entgangener Gewinn sind selbstLndig zu schätzen, nicht unter Grundlegung der percepti. Strieth. B. 5. S. 254. Ge­ winn vom Gewinn wird nicht berechnet. I. 2. §. 5. D. L, 8.: ne commodoram commoda incrementum faciant. Auch wird nicht ein Jnteresie vom sättig ge­ wordenen und verzögerten Jnteresie bewilligt. Mommsen,BeiträgeB.2. S.189. 8. 3. S. 32. Ueber Sicherheit des möglichen Gewinns S eussert 8.11. Nr. 130. B. 15. Nr. 8. 7T) Mommsen S. 191. Vergl. §. 243.244. I, 5. 1.11. D. ni, 5.: pensarehierum cum damno debet. Der Gewinn muß durch das beschädigende Ereigniß verur­ sacht sein. Er ist bei der Berechnung nicht zu beachten, wenn er aus anderen Gründen zugesatten, z.B. Strieth. B.38. S. 135. n) Mommsen S. 192. ”) Außerordentlicher und Werth der Vorliebe bei geleistete« Handlungen 1,11. §.880. und außerordentlicher Werth bei Expropriationen 1,11. §.9. Die Regel, daß der gemeine Werth entscheiden solle 1,2. §. 117. Koch I. S.317.

§. 106. Da» Interesse.

707

widersprechend, und insofern ungerecht gegen den Beschädigten, als wenig­ stens der außerordentliche Werth immer noch ein wirklicher objektiver

Werth ist, auf den der Beschädigte einen unzweifelhaften Anspruch hat, da ja nicht ein Schaden in abstracto, sondern sein Schaden ersetzt wer­

den soll'").

Wo bloß der Sachwerth zu prästiren ist, gilt dasselbe; nur

der Erbe soll dem Legatar den außerordentlichen Werth entrichten, wenn

der Erblasser die Sache eines Dritten vermacht hat und dem Erben nicht

gelungen ist, sie zu erwerben "). Maßgebend ferner für die Schätzung ist der Werth an dem Orte, an welchem hätte erfüllt werden sollen"), und der Werth zu der Zeit, wo der Schaden entstanden, also wo er­ Dies weicht ab vom römischen Recht, nach wel­

füllt werden sollte").

chem die Zeit des Urtheils

entscheidet").

Nur bei Beschädigungen aus

grobem und mäßigem Versehen soll derjenige Zeitpunkt zwischen der Be­

schädigung und Klagebehändigung zu Grunde gelegt werden, an welchem

die Sache den höchsten Werth erreicht hat").

VI. Ausgeschlossen wird der Anspruch auf das Interesse oder Ersatz deS wirklichen Schadens dadurch, daß der Beschädigte selbst bei Anwendung gehöriger Sorgfalt den Schaden hätte abweyden können, ein 80) Nach römischem Recht umfaßt der gemeine Werth auch den s. g. außerordent­ lichen des A.L.R. Bergt, oben S. 109. Der Dresdner Entwurf eines Ges. über Schuldverh. Art. 281. 282. (vergl. Art. 233.). knüpft an die verschuldete Nicht­ erfüllung — ohne Grade deö Verschulden- zu unterscheiden — die Verpflichtung, lyn mittelbar und unmittelbar verursachten Vermögensverlust und entgangenen Gewinn zu ersetzen. Vergl. Cohnseld t S. 275. f. 81) §. 378. I, 12. 8a) Mommsen S. 210. Cohnfeldt S. 159-s. 273. Koch I, S. 324. 1. 22. D. Xlt, 1. 1. 4. in f. D. XIII, 3. Dem A L R. fehlt hierüber die Bestimmung. Dresdener Entwurf Art. 282. 8S) §. 859. I, 11. „Zur Zeit der schuldigen Ablieferung." Dresdner Entwurf Art. 282. Bergl. Koch I. S. 321. Arnsberger Archiv B. 14. S. 577. Präj. 2082. (Samml. I. S. 16.) Entsch. B. 17. S. 176. der marktgängige Preis am LieserungStage, wenn es sich um Lieferung fungibler Sachen zu einem bestimmten Preise an einem bestimmten Tage handelt und diese Sachen auch einen markt­ gängigen Preis haben. Soll ein späterer höherer Marktpreis zu Grunde gelegt werden, so muß dies durch besondere, nachzuweisende Umstände motivirt werden. Strieth. B. 19. S. 135. Hier war der Tag der Einreichung deS Exekutions­ gesuchs für das Geldäquivalent der ErfüllungStag. Strieth. B. 27. S. 105. oben. Der Werth innerhalb des zur Erfüllung bestimmten Zeitraums. Strueth. B. 27. S. 143: bei nicht erfülltem modus ist der Zeitpunkt für Berechnung der Entschädigung ex tune zu nehmen. S. oben S. 177. Strieth. B. 28. S. 103: Werth zur Zeit, wo die Verbindlichkeit erfüllt werden sollte, nicht zur Zeit deExekutionSantrageS. Strieth. B. 28. S. 359. Wo das Interesse in der Differenz zwischen dem Tageskurse und dem bedungenen Preise besteht, ist der nächste Tag nach demjenigen, an welchem hätte geliefert werden sollen, maß­ gebend, weil dieser erst die Gelegenheit zum Verkauf bieten konnte. M) Mommsen S. 199. Doch dagegen WindscheidS. 549s.: quia non ex post* facto, sed ex praesenti statu, damnum factum sit nee ne, aestimari oportet. J. 7. §. 4. D. XLIII, 24. Hiernach also der Zeitpunkt der Entstehung des Schadens. Nach 1. 22. D. XII, 1., wenn nicht ein bestimmter Erfüllungstag festgesetzt war, nach der Zeit cum petitum sit. 8°) §. 85. I, 6.

708

Zweites Buch.

Die besondere« Privatrechte.

Versehen von seiner Seite also konkurrirt 8‘), oder dadurch, daß er selbst dem Andern die Erfüllung unmöglich gemacht hat88).

In diesem Fall

kann sogar der Gläubiger zu einer Entschädigung selbst für entgangenen Gewinn gegen den Schuldner verpflichtet werden 88). Fällt die eingetretene Unmöglichkeit der Erfüllung beiden Theilen in gleicher Weise zur Last, so gewährt jeder dem andern nur den unmittelbaren Schaden88).

VH Was die Beweisführung betrifft, so muß nach A.L.R. der Kläger, wenn er nicht bloß Ersatz des wirklichen Schadens, sondern auch des entgangenen Gewinnes fordert, Thatsachen darthun, aus denen sich der Vorsatz oder das grobe Versehen des BefchädigerS ergiebt, während

nach gemeinem Recht, welches in allen Fällen des Verschuldens das volle Jntereffe gewährt, Thatsachen zur Feststellung des Grades des Versehens

nicht erfordert werden.

Dem Beklagten bleibt überlassen, die Zufälligkeit

der Beschädigung, d. h. zu beweisen, daß diese eingetreten ist, obschon er denjenigen Grad von Sorgfalt angewendet, der ihm durch die Obligation auferlegt war 90). WaS endlich den dem Kläger obliegenden Beweis des

Betrages des Interesse betrifft, so muß insbesondere die Sicherheit des entgangenen Gewinnes dargethan werden ”), d. h. daß die Gelegenheit zum Gewinn sich dargeboten, daß sie ohne die beschädigende Thatsache hätte benutzt werden können, und daß der Gewinn trotz dieser Thatsache nicht hätte erreicht werden könne« ”). Der Beklagte ist nicht befugt, einer

solchen Beweisführung entgegenzusetzen, daß Kläger den Schaden durch eine positive Thätigkeit hätte vermeiden können88). ’•) Mommsen S. 159. DemeliuS in Gerber und Ihering, Jahrb. B. 5. S.62f. A.L.R. 1.6. §.19.20.21. Entsch. B. 38. S. 43. Strieih. B. 29. S. 54. Oben §.104. bei Note 4b. — Ausnahme, wenn der Beschädign in dolo ist. 1. 45. §. 1. D. XIX, 1. ") §. 361. I, 5. ’•) Entsch. B. 47. S. 68. Strieth. B. 45. S. 139. *) §. 362. I, 5. Die« ist der einzige Fall, wo bei Vertragsverletzung die Unter' scheidung des wirklichen Schadens in unmittelbaren und mittelbaren hervorlritt. ••) Strieth. B. 40. S. 123. B- 44. S. 156. Culpam abesse hat .der zur dili­ gentia Verpflichtete darzuthun. 1. 25. §. 7. D. XIX, 2. 1. 5. C. IV, 24. An­ der« hat es die ältere Praxis ausgefaßt. Glück B. 4. S. 396 fg. Allein die Klage auf da« Interesse ist die Klage aus der ursprünglichen Obligation; der Kläger hat daher nichts weiter zu beweisen, als die dm obligatorischen Anspruch erzeugenden Thatsachen. Maxen, über Beweislast u.s.w. 1861. S. 170f. 179. 187.188. Bei der Klage auf da» Zeitinterefle, bei mora des Schuldners, muß der Gläubiger auch die Interpellation beweisen. S. oben §. 105. Note 22. S eufferl B. 1. Nr. 168. B. 4. Nr. 99. Bd. 5. Nr. 306. B. 18. Nr. 58. Der. tragSmäßig kann die Beweislast geändert werden. Daselbst B. 2. Nr. 180. B. 4. Nr. 18. B. 7. Nr. 310. B. 11. Nr. 86. Seufsert Pand. B. 1. §. 99. S. 123. Note3. Heuser IX.450 (Kläger hat die culpa zu beweisen.) »■) Seusfert B 11. Nr. 130. B. 15. Nr. 8. ”) Seusfert B. 13. Nr. 11. Mommsen S. 157 f. 174.185. 285fg. Die« ist der Sinn der 1. 21. §. 3. D. XIX, 1. Das bloße si potuit negotiari et luorum facere reicht nicht aus, namentlich dann nicht, wenn fungible Sachen Gegenstand des nicht erfüllten Vertrage« waren. Heuser, Annal. XII. S. 160 f. *•) S. Note 91.

§. 107.

709

Die Konventionalstrafe.

§. 107. Die Konventionalstrafe. A.L.R. I, 5. §. 292 - 316. I, 9. §. 366. 1,11. §. 825. 826. 834. II, 1. $. 113. — Heydeman» I. S 244. Gruchot II. S. 133. Bornemann II. S. 354. v. Daniels I. S. 288. II. S. 316. Koch, Pr. R. II. S. 193. R. d. F. II.

®. 375. — Glück B. 4. Abth. 2. S. 529.

Unterhol,ner I. S. 247.

Liebe,

Stipulation S. 303. §. 24. Wolff v. d. Mora S. 36. v. Savigny Obl.R. II. S. 272. H. Gerber, Beitrüge zur Lehre vom Klagegrunde und der Beweis­

last. 1858. S. 81—98. Maxen, über Beweislast, Einreden und Exceptionen. 1861. S. 221. — Bangerow III. S. 358. Arndts S. 336. Sinteni» II. S. 109.

Seuffert II. S. 125.

Keller S. 445. - ZachariL (Anschütz)

II. S. 254.

Die Ausgleichung des Nachtheils, der einem Gläubiger dadurch ent­ steht, daß der Schuldner gegen ihn seine Verbindlichkeit nicht erfüllt, kann auch in Voraus durch eine Vereinbarung Beider dem Betrage und der Art nach festgestellt werden. „Das Interesse", sagt das A.L.R. *), „wel­ ches ein Kontrahent dem andern bei nicht gehörig geleisteter Erfüllung des

Vertrages zu vergütigen hat, kann durch Verabredung einer Strafe in Voraus bestimmt werden." Das Rechtsinstitut der Konventional­ strafe, deö Strafvertrags, gehört hiernach zur Lehre vom Interesse, jeden­ falls nach der Auffassung des preußischen Rechts, denn nicht allein jene

angeführte Stelle, mehr noch die Bestimmung, daß da, wo eine solche Strafe festgesetzt worden, die Forderung eines höheren Interesse nicht stattfinden soll’), weisen darauf hin, daß die Strafe das Interesse ver­

tritt, daß die Ausgleichung eines durch Nichterfüllung einer obligatorischen

Pflicht dem Berechtigten zugesügten VermögenSnachtheilS wie bei diesem ihr Zweck ist ’).

Stelle finden.

Darum kann diese Lehre im System

nur hier ihre

Freilich soll nicht geleugnet werden, daß sie auch als

VerstärkungSmittel für die Erfüllung des Vertrages wirken kann, meist

so wirken wird 4*).* * Aber diese Wirkung ist nur indirekt, so zu sagen in zweiter Reihe stehend, sie folgt daraus, daß der Schuldner in Voraus

weiß, was er leisten muß, wenn er nicht erfüllt, und daß ihn dies zur Erfüllung antreibt5). ») §. 292. d. T. ») §. 293. •) E» kann zwar Koch, R. d. F. II. S. 376. Note 1. darin beigetreten werden, daß §• 292 keine eigentliche Definition giebt, sondern nur den Zweck de» Recht-institut» bezeichnet — aber er bezeichnet doch den einzigen Zweck: S. unten Note 15. 4) 1. 1. C. II, 46.: ut meta poenae a placitis non recedatur. ■•) Bgl Strieth. B.65. S.93. Im heutigen BertragSrecht kann auf die Satzwendung in der Verabredung das Gewicht nicht gelegt werden, was bei der römischen Stipula­ tion entscheidend war. Liebe, Stipulation S.309f. E» kommt jetzt nur aus die Ab­ ficht an, die die Parteien geleitet hat. Die von Paulus in der 1. 44. §. 5. D. XLLV, 7. gegebeneFormel: si fundum non dederis, centum dato spondes? kann doch auch nicht

710

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

In der gemeinrechtlichen Doktrin und Praxis herrscht die Auffassung, daß die Vertragsstrafe Interesse sei, nicht vor.

Man hat ihren Begriff

allgemeiner gefaßt und jene Anwendung als eine besondere Art ihm unter­ geordnet. Meist wird sie als Verstärkung angesehen und hiernach in den Lehrbüchern systematisch placirt °). Am allgemeinsten ist die Begriffsbe­ stimmung Savignh's'): „ein bedingtes Versprechen, Etwas zu geben,

wenn dabei die Absicht zn Grunde liegt, auf das Gegentheil der auögedrückten Bedingung hinzuwirken." Die Bedingung kann bestehen in einem Thun oder Unterlassen des versprechenden Theils.

DaS wäre so zu den­

ken: das ungewisse Ereigniß, was das durch den Strafvertrag begründete Rechtsverhältniß bedingt,

soll die Erfüllung irgend

eines ThunS oder

Unterlassens sein; wird nicht erfüllt, so ist die Bedingung eingetreten und

die Strafe fällig; wird erfüllt, so ist die Bedingung deficient und der

Strafvertrag resolvirt.

Die Selbstbeschränkung des Willens, die im Be­

griff der Bedingung liegt ’), zeigt sich darin, daß man die Strafe nicht

Die Bedingung ist potestativ, insofern man erfüllen kann oder die Unmöglichkeit der Erfüllung verschuldet hat. zahlen will, wenn man erfüllt.

Allein diese Ansicht Savigny's ist viel zu allgemein, sie bezeichnet nicht das Charakteristische des Strafvertrags, denn sie läßt völlig unbestimmt, worin die Bedingung bestehen kann. bedingende Ereigniß nie ein anderes

Bei dem Strafvertrag kann aber das

sein, als die Nichterfüllung einer

rechtlich übernommenen Verbindlichkeit, und darum gehört dies Moment

in die Definition selbst

6) 7) «) 9)

Abgesehen davon lassen sich aber auch nicht

anders verstanden werden, als daß die Absicht der Parteien auf das dare fundum als die Hauptleistung geht, und daß durch centum nur das non dare fundum, das Interesse aus der Nichterfüllung, entgolten werden soll. A. M. Gruchot II. S. 134. a. E., der in solcher Berabredung einen Strafvertrag von selbständiger Natur sieht, bei welchem die Strafe in obligatione, daS fundum dare, in exsolutione, nur daS Mittel sei, die Strafe abzuwenden. S. Maxen S. 222 fg. Die J. 38 §. 17. D. XLV, 1. spricht von dem Fall, wo eine poena stipulirt ist, um das einem Dritten Versprochene aufrecht zu erhalten. Hier wird nach römischer Auffassung allerdings nicht ein Interesse durch die poena repräsentirt, weil ut alii detur nihil interest mea. Das ist aber nicht mehr heutige Anschauung. Der Dresdner Entw. des Ges. über Schuldverh. Art. 121 bestimmt.- Wird von einem Vertragsschließenden eine Leistung als Strafe für den Fall versprochen, daß er den Vertrag nicht erfüllen werde, u. s. w. Aus Art. 123 geht aber hervor, daß der Strafvertrag als ein selbständiger Vertrag aufgefaßt ist, da neben der Strafe noch das Interesse, soweit eö jene Übersteigt, gefordert werden kann. So in allen Kompendien des gemeinen Rechts und in Koch's Pr. R. und R. d. F. Obl.N. II. S. 272 fg. Oben §. 36. S. 158 f. Bezeichnender ist die Definition von Sintenis (II. S. 109. III.): ein durch Uebereinkunft in Zusammenhang mit einer anderenLeistung festgesetzter Nachtheil für den Fall, daß jene gar nicht oder nicht vertragsmäßig oder gehörig erfüllt würde.

§. 107.

Die Konventionalstrafe.

711

alle Eigenthümlichkeiten des Strafvertrags aus der Natur eines bedingten Rechtsgeschäfts erklären.

Zunächst entscheidet Ulpian selbst, daß, wenn für

die Nichterfüllung des an sich Unmöglichen eine Strafe versprochen wird,

dieses Versprechen ungiftig sei — und doch müßte hier das Strafver­ sprechen als unbedingt gewollt gellen 10).*

Sodann aber kann das Nicht-

erfüllen als Bedingung im technischen Sinn

überhaupt nicht aufgefaßt

werden; es fehlt das potestative Element, denn der Schuldner ist ver­

pflichtet zur Leistung durch den Hauptvertrag, er kann dazu gezwungen werden, das Nichterfüllen steht nicht in seinem Belieben ").

Man müßte

also annehmen, daß es hier eine Klage auf Nichterfüllung der Bedingung gebe, während das Recht eine Klage auf ihre Erfüllung nicht kennt12). Nach preußi­

schem Recht aber spricht ferner noch gegen den Gesichtspunkt der Bedingung, daß eine nur theilweise Erfüllung nicht die auf gänzliche Nichterfüllung gestellte Strafe fällig macht, während sonst die theilweise Erfüllung der Bedingung der gänzlichen Nichterfüllung gleichsteht13). Im Ganzen ist daher mit der Be­

zeichnung des Strafvertrags als eines bedingtenVersprechensfürseinBerständniß nichts gewonnen "). Als richtiger Gesichtspunkt erscheint vielmehr folgen­

der.

Die Erfüllung des Hauptvertrages ist Befreiung von der im Straf-

10) 1. 69. D. XLV, 1.

Vangerow III. S. 360.

Oben S. 164.

“) §. 311. d. T. 12) Oben S. 167. ") §. 296. d. T. Oben S. 166 f.

") Als bedingtes Versprechen nach dem Vorgang Savigny's, jedoch mit der Ein­ schränkung, daß dieser Gesichtspunkt nicht ausschließlich anzuwenden, stellen die Kon­ vent. Str. hin Vangerow, Arndts. Auch Koch und Gruchot nehmen dies an. Man vermißt aber überall ein genaueres Eingehen in die Konsequenzen die­ ser Ansicht. Unterholzner I. S. 247 f. spricht sich hierüber nicht aus. Seuffert will die Bedingtheit nur annehmen, wenn die Strafe einem unwirksamen Vertrage beigefügt ist (Pand. II. S. 126. Note 3 ). SinteniS (S. 110.) sagt: Die Nichterfüllung ist für den Verfall der Strafe Bedingung, aber von eigen­ thümlicher Art, indem eine solche Konvention unbedingt nicht sein kann und die Bedingung nothwendig in eine Handlung deS Schuldners gesetzt werden muß. Keller (S. 445.) sieht die Verabredung nur in dem Fall als bedingt an, wo der Schuldner gegen Erlegung der Strafe die Erfüllung deö Vertrages soll un­ terlassen können, also wo sie Reugeld ist. Am rücksichtslosesten hat den Charakter der Bedingung Wolff a. a. O. S. 36 fg. durchzuführen gesucht, aber gerade die Konsequenzen, die sich ihm ergeben, zeigen die Unrichtigkeit dieser Auffassung, und legen dem Institut der Konv.Str. Eigenheiten bei, die es im positiven Recht nicht hat. So soll die Strafe verfallen sein, wenn die Nichterfüllung (die Bedingung) eingetreten ist, ohne Rücksicht aus dolus oder culpa deS Verpflichteten (S. 37.); es hat dieser nur eine exceptio doli, wenn der Gläubiger die Bedingung selbst herbeigeführt (S. 38.), und die Strafe ist auch dann verfallen, wenn die Leistung der Hauptobligation zufällig unmöglich geworden, weil die Unmöglichkeit nur die Hauptobligation afficirt und untergehen läßt, die Strafobligation aber noch mög­ lich geblieben sei. Wolff betrachtet also letztere als eine selbständige bedingte Obligation (S. 50 ), woraus er folgert, daß auf die Natur des Prinzipalen Ver­ trages, auf seine Giltigkeit oder Wirksamkeit nichts ankomme. Dieser kann ungiltig sein und der Strafvertrag bleibt doch ‘giftig. Gegen diese Auffassung:

712

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

vertrage übernommenen Leistung, indem sie ihm den Gegenstand entzieht, nicht aber die Entscheidung eines ungewissen Ereignisses, durch welche der Strafvertrag selbst wieder resolvirt, durch welche ihm die Existenz genom­ men würde; und andererseits die Erfüllung des Strafvertrags ist — soweit dies in der Absicht der Kontrahenten gelegen — Erfüllung deHauptvertrages durch ein Aequivalent: es ist also immer nur eine unbe­ dingte Leistung, die auf zwei Arten erfüllt werden kann, jedoch so, daß die

eine Erfüllung der anderen substituirt, nicht — wie bei alternativen Obli­

gationen — zur Seite gestellt, daß die Strafe die sekundäre Erfüllungsart derselben Obligation ist. Es soll also nicht die Wahl frei sein zwischen zwei Erfüllungsarten, sondern die im Hauptvertrag bedungene Leistung

wird allein gefordert, und nur, wenn diese vertragswidrig ausbleibt, soll

die andere Erfüllungsart für den dadurch verursachten Nachtheil eintreten. Ein Aequivalent ist aber die Vertragsstrafe immer,

selbst wenn sie zur

Verstärkung des Hauptvertrages, zur Sicherung der Erfüllung bestimmt

worden; denn auch in solchen Fällen soll sie das Interesse ersetzen, was dem Gläubiger durch eine nicht gehörige oder verzögerte Leistung

erwachsen "). Ohne irgend einen Nachtheil, der dem Gläubiger aus dem vertragswidrigen Verhalten des Schuldners erwachsen, ist die Vertrags­ strafe nicht denkbar").

Deßhalb ist es aber ferner auch nicht richtig, die

Forderung auf eine solche Strafe als ein Accessorium der Hauptforderung auszufassen,7). Zwar accessorisch zum Hauptvertrage ist der StrafverLiebe in den kritischen Jahrbüchern von Richter und Schneider B. 13. S. 12 f. Neuerdings haben auch Gerber und Maxen a. a. O. sich dagegen erklärt, daß der Strafvertrag als ein bedingtes Versprechen in der technischen Bedeutung an­ gesehen werden dürfe. Gerber muß insbesondere darin beigetreten werden, daß bei der potestativeu Bedingung, und nur von einer solchen kann doch hier die Rede sein, das Thun oder Unterlassen in keiner nothwendigen Beziehung zu der in der Sphäre deö bedingten Rechtsverhältnisses liegenden Verbindlichkeit steht, und daß die Sacbe einen wesentlich verschiedenen Charakter dann annimmt, wenn das künftige ungewisse Ereigniß in demselben Rechtsverhältnisse die Bedeutung der Rechtsverletzung hat. Wäre der Strafvertrag ein bedingtes Geschäft, so müßte der Kläger den Eintritt der Bedingung, d. h. die Nichterfüllung nachweisen, und dem widersprechen die Grundsätze von der Beweislast direkt, da vielmehr der Be­ klagte die Erfüllung beweisen muß. Ueber den Unterschied von Konvent. Str. und Resolutivbedingung vergl. Strieth. B. 45. S. 13. B. 57. S 277. Arnsb. Arch. B. 13. S. 176. 1B) Kein einziger §. des A.L.R. stellt als Hauptzweck des Strafvertrags hin, daß durch ihn eine Verstärkung oder Sicherung des Hauptvertrags erzielt werden soll. Ueberall liegt die Anschauung zu Grunde, daß er das mögliche Interesse bestim­ men soll. Indirekt wird dadurch freilich auch jener Zweck erreicht. Und selbst wenn die Kontrahenten sich des Ausdrucks bedienen, daß die Strafe zurVerstärkung oder Sicherung des Vertrages verabredet worden, so kann doch auch hier nur eine durch Feststellung des Interesse bewirkte Sicherung gemeint sein.

16) Fehlt eS an einem Intereffe gänzlich, so kann auch die bedungene Strafe nicht eingeklagt werden. Entsch. B. 39. S. 23. 17) Dies wird von den meisten Schriftstellern und in der Praxis allgemein behauptet. Es wird hierbei verwechselt der Vertrag und die durch ihn begründete Leistung. Vergl. Strieth. B. 67. S. 220. .

713

§. 107. Konventionalstrase.

trag"), — statt in der StipulationSform wird er im heutigen Recht als

pactum adjectum abgeschlossen —

aber die Strafforderung ist ebenso

wenig ein Accessorium wie die Interesseforderung.

Sie tritt an die Stelle

einer ausgefallenen Leistung, als Ersatz eines Nachtheils.

Darin kann für

den Schuldner eine Erschwerung oder Vergrößerung der Hauptleistung liegen — der Gläubiger aber gewinnt nicht ein Mehreres, als was er

haben soll, wenn der Hauptvertrag vollständig erfüllt wird ").

Es kann

daher der Behauptung Mommsen's, die Konventionalstrafe sei von dem Interesse dadurch unterschieden, daß bei ihr nicht, wie bei diesem, die Rücksicht ans die Vermögenslage des Gläubigers das Entscheidende sei ”),

für das heutige Recht, und insbesondere für das preußische, nicht beige­ treten werden, wenngleich zugegeben werden muß, daß im älteren römischen

Recht die Strafforderung als actio ex stipulatu in ihrer Selbständigkeit von jener Rücksicht frei war"). Es darf daher auch nicht gesagt werden, daß eS bei der Konventionalstrafe an einem Interesse deS Gläubigers an der Erfüllung ganz fehlen kann"), denn auch, wo die Strafe bedungen ist zum Besten Dritter, darf das Erfüllungs-Interesse des Gläubigers nicht fehlen").

Nach A.L.R. ist also die Konventionalstrafe selbst, wo dnrch sie auf

Befestigung des Vertrages und Sicherung der Erfüllung hingewirkt werden soll, immer ein Aequivalent für einen Nachtheil, der dem aus einem Ver­

trage Berechtigten durch Nichterfüllung oder nicht gehörige oder nicht recht­ zeitige Erfüllung erwachsen ist, — immer ein Interesse"). Sie zeigt ihre

Besonderheit nur darin, daß bei ihr der Betrag deö Interesse in Vor­ aus und zwar durch eine Vereinbarung") der Kontrahenten selbst *8) Entlch. B. 19. S. 90. „Die Verabredung einer Konv.Str. ohne einen Hauplvertrag hat keinen Gegenstand und ist rechtlich nicht denkbar." Gruchot II. S. 136. hält diese Ansicht in ihrer Allgemeinhett nicht für richtig, die Konv.Str. soll auch selbständig zur Sicherung einer gesetzlichen Pflicht ftipulirt werden können. Aber §. 303. d. T., auf den er sich beruft, beweist ei nicht, denn er schließt nicht aus, daß der „ besondere Nachtheil “ in der Verletzung eines Hauptvertrages bestehe, und das Beispiel, was Gruchot ansührt, ist ebenso wenig beweisend. Hier soll die Konv.Str. gewiß das Interesse decken, wa« dem Gläubiger aus der Nichter­ füllung de« Vertrages über das Forsthuderecht erwächst. Nach dem Dresdner Entw. Art. 127. hängt die Giltigkeit des SlrafvertragS von der Giltigkeit des HauptvertrageS ab. «•) Oben §. 107. bei Note 7.22.23.

,0) Beiträge B. 2. S. 21. Dagegen die 1. 11. D. XLVI, 5.; In ejusmodi stipulätionibus, quae quanti ea res est, promissionem habent, commodius est, certam snmmam comprehendere, quoniam plerumque difficilis probatio est, quanti cujusque intersit, et ad exiguam summam reducitur. 2‘) Liebe a. a. O. S. 303fg. 307. 308. «) Glück B. 4. Abth. 2. S. 530.

«•) Oben §. 75. S. 409. Note 15.

“) Auch so nach österr. G.B. §. 1336. *») Die durch einen Gesellschaftsbeschluß angeordnete Strafe für die Nichterfüllung der Gesellschaftspflichten ist demjenigen Mitglied« gegenüber, welches «n dem Beschluß

714

Zweites Buch.

festgestellt ist.

Die besonderen Privatrechle.

Sie ist vor ihrer Verwirkung durchaus abhängig von einer

giltigen vertragsmäßigen Verpflichtung, ein an ein Hauptrecht geknüpftes

Nebenrecht — sie erlangt aber den Charakter einer selbständigen Forde­ rung, sobald sie fällig geworden, und ist von da, nicht aber vorher, trenn­ bar von ihrem Hauptrecht").

Die Konventionalstrafe, weil sie das Interesse vertragsmäßig decken soll, schließt jede weitergehende, höhere Jnteresseforderung aus, wo auch

eine solche gesetzlich gestattet wäre2?).

Hierin liegt Zweierlei:

es

darf

neben der Konventionalstrafe nicht noch das Interesse29 * *), 26 *und 28 eS darf

auch nicht statt der ersteren das letztere gefordert werden.

Es kommt

nicht darauf an, ob durch den Gegenstand der Strafe der Nachtheil wirk­ lich gedeckt wird, denn der Gläubiger hat einen höheren Ersatz freiwillig nicht beansprucht; — sie kann andererseits

den Betrag des Nachtheils

übersteigen, denn der Schuldner hat den höheren Ersatz freiwillig ver­ sprochen 29). Die Grenze, welche das A.L.R. gezogen, wonach die Strafe nicht das Doppelte des Interesse übersteigen durfte30), ist durch die neuere nicht Theil genommen, keine Vertragsstrafe. der in den Ergänz, zu §. 292.

Erk. des App-Ger. Marienwer­

26) Oben §. 99. bei Note 106—111. Wäre die Vertragsstrafe ein selbständiges, nm bedingtes Recht, so wäre sie auch cessibel, da Bedingtheit Cesfion nicht ausschließt. n) §. 293. d. T. Dieser dem römischen Recht widersprechende Satz (1. 28. 47. D. XIX, 1. 1. 42. D. XVII, 2. Deutsches H.G.B. Art. 284. Abs. 3. Art. 398. Da­ gegen sächs. G.B. §. 1431. und Dresdner Entw. Art. 123.) ist doch als Konsequenz der freien Vereinbarung nicht ganz so ungerechtfertigt, als Gruchot II. @.137; 138. annimmt, wenn auch zugegeben werden muß, daß in dem Fall, wo der Be­ trag der Strafe unter dem wirklichen Interesse bleibt, der Gläubiger verlieren, der Schuldner gewinnen kann und die Konventionalstrafe sich in ein Reugeld ver­ wandelt. Aber andererseits kann doch auch der Schuldner mehr leisten müssen, als wenn er nur das Interesse zu leisten hätte. Beispiele aus der preuß. Praxis: keine Verzugszinsen neben der Konv.Str.: Strieth. IV. S. 303. 306. Durch die vertragsmäßige Strafe wird jede gesetzliche Interesseleistung absorbirt: Strieth. XX. S. 132. Bedenklich ist die Aeußerung am Schluß dieser Ent­ scheidung, daß die Konv.Str. den „wirklichen Schaden" vertrete; sie vertritt das Interesse, also auch den entgangenen Gewinn. Bei dem Darlehn kann eine Konv. Str. neben den Zinsen bedungen werden bis zusammen 6 und 8 Proc. (§.826. I, 11.). Daß ist aber keine Ausnahme von dem Satz, daß sie nicht neben dem - Interesse zulässig sei, denn die bedungenen Zinsen sind nicht Interesse. Nach §. 834. I, 11. soll der dolose Darlehnsschuldner verpflichtet sein, statt der ZögeruugSzinsen oder der Konv Str. den wirklichen Schaden zu ersetzen. Das ist eine Ausnahme von §. 293. I, 5., aber nicht von dem auch hierin enthaltenen Satze: daß Konv.Str. neben Interesse nicht statthaft sei. In §. 113. II, 1. tritt die Konv.Str. neben den Ersatz des wirklichen Schadens, aber nicht neben das Interesse. 28) Aber nur in Betreff derjenigen Vertragsverletzung, für welche die Konventional­ strafe bedungen ist; für andere Verletzungen bleibt daneben die Jnteresseforderung bestehen. Strieth. B. 46. S. 330.

29) §. 300. d. T. so) §. 301. d. T. Die 1. unic. C. VII, 47. hat zwar keine Beziehung auf die Konv. Str., scheint aber doch den Redaktoren vorgeschwebt zu haben. Es war damalige Doktrin. Gruchot II, 143. 144. Laut erbach, dissert. acad. Vol. III. disp. 113. cap. 29. S. 424. (1728.) Dem gemeinen Recht ist eine Beschränkung der

§. 107.

715

Die Konventionalstrafe.

Gesetzgebung -beseitigt"); ihre Höhe unterliegt nunmehr der freien Ver­ einbarung^). Der Grundsatz, daß ein Interesse vom Interesse nicht

gewährt wirb33 * *),* *führt * 31 32 dazu, daß für die Nichterfüllung des Strafvertra­ ges nicht weiter eine Strafe oder eine Verzinsung derselben bedungen werden bars34).3 Zögerungszinsen von ber fällig geworbenen Strafe läßt

bie Praxis zu33).

Die bei bem Darlehn für bie Höhe ber Strafe bestan-

bene Beschränkung 36) ist nicht mehr giltig. Die Konventionalstrafe kann als Ausgleichung

für allen Nachtheil

aus ber gänzlichen ober theilweisen Nichterfüllung ober für einen bestimm­

ten Nachtheil, z. B. für Verzögerung vereinbart werben 37).

Hat sie eine

solche beschränktere Bestimmung, so bezieht sie sich nicht auf anberweitigen Nachtheil, bieser muß nach ben allgemeinen gesetzlichen Vorschriften ersetzt werben33). War sie bagegen auf gänzliche Nichterfüllung versprochen, so soll auch bie theilweise Nichterfüllung burch sie nicht ausgeglichen werben33). Daraus ergiebt sich für bas preußische Recht ber Rechtssatz: bie Konven-

Höhe der Konv.Str. unbekannt, nur zum Zinswucher soll ste uicht benutzt wer­ den. Seuffert B. 3. Nr. 155. Strieth. B. 41. S. 123. 1. 11. §• 2. D IV, 8. 1. 56. pr. D. XXI, 2. Ebenso das deutsche H.G.B. Art. 220. 284. Der Cod. Nap., das österr. Ges.B. §. 1336., das sächs. §. 1430. kennen nicht die Be­ schränkung auf das Duplum. 31) Bundesgesetz v. 14. November 1867 (B.Ges.Bl. S. 159) §. 1. 32) Vergl. oben §. 68. und HinschiuS in s. Zeitschr. f. Rechtspfl. u. s. w. II. S. 34.

83) Oben §. 105. bei Note 15. Mommsen Beitr. B. 2. S. 189. B. 3. S. 32. Vergl. die 1. 2. §. 5. D. L. 8: ne commodorum commoda et usurae usurarum incrementum faciant. 84) §. 304. d. T. HinschiuS a. a. O. S. 35. erachtet den §. 304. für aufgehoben durch das Bundesgesetz, weil für jede Forderung eine Konventionalstrafe stipulirt werden darf, folglich auch für den Fall der Nichtentrichtung einer solchen. Die Richtigkeit dieser Ansicht wird indessen dadurch zweifelhaft, daß §. 1. des Bundesgesetzes von kreditirten Forderungen, nicht allgemein von Forderungen jeder Art spricht, und die verabredete Konventionalstrafe nicht füglich eine kreditirte Forderung genannt werden kann, da sie überhaupt nicht geltend zu machen ist, wenn die Hauptleistung erfüllt wird. Daß dagegen für die Nichtleistung der fällig gewordenen und nunmehr kreditirten Konventionalstrafe eine anderweitige Strafe vereinbart werden kann, ist nicht zweifelhaft. 3S) Nach der Mittheilung der Gesetzrevisoren bestätigen die Materialien dies ausdrück­ lich (s. Ergänz. 5 o. zu § 304.). Koch, Komment, zu §. 304. Note 50. „weil vom Fälligkeitstage der Strafe ein neues Interesse erwächst." Strieth. B. 27. S. 24. c. Die Verzugszinsen von der Vertragsstrafe beginnen spätestens mit der Klagebehändigung, falls nicht der Vertrag einen Zahlungstag festgesetzt hat. §. 71. 67. I, 16. Koch, R. d. F. II. S. 380. 86) I, 11. §. 825. HinschiuS a. a. O. S. 34. ") §. 294. 295. d. T. 8°) §. 294. d. T. 89) §. 296. d. T. Diese dem röm. Recht widersprechende Vorschrift (I. 25. §. 13. D. X, 2. 1. 5. §.4. 1. 85. §. 6. D. XLV, 1. 1. 47. D. XIX, 1. Seuffert II. Nr. 277.) entspricht der damals herrschenden Ansicht. Vergl. Westphal, die Lehre des gem. Rechts vom Kauf, 1789. §. 664. Glück IV, 2. S. 541. Nach Code art. 1231. kann der Richter bei theilweifer Nichterfüllung die bedungene Strafe ermäßigen. Ebenso österr. G.B. §. 1336.

716

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

tionalstrafe deckt nur dasjenige Interesse, für welches sie ausdrücklich be­ stimmt worden, das ErfüllungS-"), daS*EntwährungS-, das Orts- oder das Zeitinteresse, sie darf nicht auf eine andere Art deS Interesse über­

tragen werden").

Als Jnteresseforderung setzt die Vertragsstrafe ferner

voraus, daß auf Erfüllung des HauptvertrageS geklagt werden kann, daß letzterer rechtsgiltig ist"). Aber wieder abweichend vom Interesse, welches

in seiner technischen Bedeutung im A.L.R. nur bei Vorsatz oder grobem Ver­ sehen gefordert werden darf"), wird bei der Vertragsstrafe nicht nach dem Grade des Verschuldens gefragt, wenn ein Anderes nicht von den Par­

teien ausdrücklich verabredet worden"),

Unverschuldete Nichterfüllung"),

oder vom Gläubiger verschuldete"), befreit den Schuldner von der Strafe.

Als Gegenstand der Strafe kann jede Leistung bedungen werden, die vertragsmäßig sein darf"), und welche nicht die Freiheit oder Ehre des Verpflichteten verletzt").

Die Strafe ist verfallen, sobald diejenige Erfüllung ausbleibt, deren Ausgleichung sie sein soll. Wenn das A.L.R. sagt: „die Strafe ist ver-

") Ueber den Unterschied von „Nichterfüllen" als einer Unterlassung und von „Zu­ widerhandeln" gegen den Vertrag als einer positiven Thätigkeit s. Seussert B. 6. Nr. 171. Ist für das letztere die Strafe bedungen, so tritt sie nicht ein im Fall des ersteren. 4t) Es können daher auch für die verschiedenen Arten des Interesse verschiedene Konv. Str. bedungen werden. Strieth. B. 46. S. 330. ") §. 310. d. T. Gruchot II, 149 f. Entsch. B. 11. S. 197. (Beschränkung der Gewerbesreiheit.) B. 34. S. 61. (Es genügt, die Konv.Str. zu bedingen für die Erfüllung eines vorbereitenden Geschäfts, durch welche der Hauptvertrag erst klag­ bar werden kann). Strieth. B. 11. S. 283. Der Anh. §. 6. bei ß. 292. d. T. ist zwar in seiner Anwendung aus die s. g. adligen Güter durch §. 1. des Ed. vom 9. Okt. 1807 antiquirt, der in ihm enthaltene allgemeine Rechissatz aber, daß daö Interesse an der Aufrechthaltung eines Vertrages, der für den Verpflich­ teten unwirksam ist, nicht durch Konv.Str. gesichert werden darf, bleibt giltig. Koch, Komm. Note 43. Vergl. Seuffert B. 12. Nr. 261. Nach gemeinem Recht kann eine Konv.Str. auch bei unwirksamen Verträgen bedungen werden, nur nicht bei unmöglichen, 1. 69. D. XLV, 1. und bei unerlaubten. 1. 26. 35.123. 134. D. eod. 1. 2. C. VIII, 39. AuS der Praxis: Bl. für RechtSanw. B. 25. S. 65. 272. Seuffert B. 3. Nr. 35. 36. 39. B. 13. Nr. 217. Seuffert Pand. II, 126. Heuser, Annalen B. 6. S. 551. §. 285. 288. I, 5. ") Dies folgt daraus, daß §. 292. I, 5. nur allgemein „der nicht gehörig geleisteten Erfüllung" gedenkt. ") 1. 23. D. XLIV, 7. Savigny, Obl.R. II. S. 279.B. Bangerow III. S.366. V. Seuffert, Arch. B. 3. Nr. 37. 39. Wenn es sich aber nach §. 301. d. T. um die Ermäßigung der Konv.Str. auf das Doppelte des Intereffe handelt, kann das letztere nur mit Rücksicht auf den Grad des Verschuldens ermittelt werden.

46) Strieth. B. 7. S. 171. Heuser, Annal. B. 10. S. 320. 4T) §. 298. 1.126. §. 3. C. XLV, 1. Auch der Verlust der Vertragsrechte des Schuld­ ners kann als Konv.Str. festgesetzt werden. Alternative Festsetzung einer Konvent. Str. ArnSb. Arch. B. 13. S. 178. 48) §. 297. d. T. ReichSpoliz.Ordn. v. 1577. Tit. 35. §. 7. Zulässig ist die Konvent. Str. für den Fall, daß ein Ehegatte Veranlassung zu einer gesetzlichen Scheidung giebt. Seuffert B. 12. Nr. 274.

§. 107. Die Konventionalstrafe.

717

fallen, sobald der Verpflichtete sich einer Zögerung schuldig gemacht hat" "), so soll damit nicht ausgedrückt sein, daß die Konventionalstrafe immer nur

daö Verzugsinteresse auSgleiche, daß also der Schuldner in Verzug ge­ kommen und gemahnt sein muß.

Dies wäre, wo die Erfüllung ein Ver­

statten oder Unterlassen ist, unanwendbar.

ES ist nur ungeschickt,

weil

zu eng, durch jene Worte der Gedanke ausgedrUckt: sobald der Verpflichtete

nicht geleistet hat, wie er nach dem Vertrage leisten soll'"). Die verwirkte

Strafe kann durch spätere Erfüllung nicht mehr abgewendet werden ’5*).* * * Der Gläubiger hat nun die Wahl, ob er auf der Erfüllung bestehen, oder die Strafe fordern, oder diese neben jener verlangen will"), der Schuld­ ner aber hat nicht das Recht, sich durch Erlegung der Strafe von der

Erfüllung zu befreien 5”).

Wählt der Gläubiger die Erfüllung und nimmt

er sie vorbehaltlos an, so geht die Strafforderung in Folge vermutheten Verzichts ") unter “). Sie kann daher in einem solches Fall nur auf­ recht erhalten werden, wenn der Vorbehalt, nachdem die Strafe fällig geworden, vor oder bei Annahme der späteren Erfüllung ausdrücklich er­

klärt und dadurch die Vermuthung des Verzichts beseitigt worden").

") §. 305. d. T. Seuffert II. Nr. 278. VI. Nr. 172. Um so mehr ist die Strafe verwirkt, wenn der Schuldner das Gegentheil von dem thut, wozu er sich ver­ pflichtet hat. O. Trib. Berlin bei Seuffert XV. Nr. 15. Dresdener Entw. Art. 125. 80) Gruchot II. S. 146. 1. 72. §. 2. 1. 115. §. 1. 2. D. XLV, 1. Ein modicum tempus soll aber beachtet werden. Seuffert B. 3. Nr. 37. B. 6. Nr. 171.172. B. 15. Nr. 15. Sintenis II. S. 113. Ist eine ErfüllungSzeit nicht festgesetzt, so soll der Schuldner zur Erfüllung erst aufgesorderr werden und es muß aus der Handlungsweise desielben mit Sicherheit hervorgehen, daß er nicht erfüllen tzill: Heuser, Annalen I. S. 297. 304. Sonst keine Mahnung. Seuffert B. 9. Nr. 32. 81) §. 306. d. T. I. 23. pr. D. IV, 8. 1. 23. D. XLIV, 7. Mommsen Beitr. III. S. 325. Note 9. M) Die Strase kann jedoch neben der Erfüllung nur dann und nur soweit gefordert werden, als sie nicht das Surrogat deö ganzen Vertragsinteresse ist, sondern nur ein spezielles Interesse vertritt. Gruchot II. S. 139. Seuffert III. Nr. 38. 1. 115. §. 2 D. XLV, 1. Dresdner Entw. Art. 121. giebt im Zweifel die Wahl, die Erfüllung des Vertrages oder die Strase zu verlangen. Nur wenn die Strafe für den Fall der nicht rechtzeitigen oder am richtigen Ort erfüllten Verbindlichkeit bedungen ist, kann neben der Erfüllung die Strase verlangt wer­ den. Art. 122. M) §. 311. d. T. Deutsches H.G.B. Art. 284. Abs. 2. Oesterr. G.B. §. 1336. a. E Seuffert B. 10. Nr. 246. Bvar. Empfing der Depositar Lohn, so ersetzte er die zufällig untergegangene Sache. Der Unterschied zwischen dem alten deutschen Recht und dem durch die Receplion herrschend gewordenen römischen Recht besteht hiernach hauptsächlich darin, daß nach letzterem für Zufall überhaupt nicht ge­ hastet wird, und es sich also nur fragt, wer ibn zu tragen hat, nach deutschem Recht aber unter gewissen Voraussetzungen der Zufall vertreten, d- h. Ersatz geleistet werden muß. Die Unterschiede, die da« römische Recht bei den Graden der culpa macht (alleiniger oder beiderseitiger Vortheil), bezieht da« deutsche Recht aus die Frage: wer hastet für Zufall. Albrecht, Gewere S. 134fg. För­ ster, Zeuschr. s. deutsch. R. B. 9. S. 107 fg. Stobbe 209 fg. Ueber die Vermuthung, daß das Haften für Gefahr nach deutschem Recht die Veranlassung gegeben habe, den Begriff der culpa levissima auszubilden, s. Stobbe S. 230. Oben S. 139. Note 15. Bar, das Veweisurtheil des german. Prozesses 1866. S- 112—130. erklärt die Grundsätze de« deutschen Rechts über das Tragen der Gefahr aus Beweispräsumtionen. Vergl. noch Meibom, deutsches Pfandrecht. 1867. S. 367 f. Suarez, amtliche Vorträge bei der Schlußrevifion. v Kamptz Jahrb. B. 41. 5. 17 fg. „Casum sentit dominus ist eine der ersten Regeln des röm. Rechts." Glück IV. S. 380. nennt das Tragen der Gefahr bei dem Kauf eine ganz spe­ zielle Disposition der römischen Gesetze, dem Naturrecht widersprechend. Suare, a. a. O. A.L.R. I, 11. §. 100.120. Wächter a. a. O. S. 117fg. Koch I. S. 210 f. Mommsen, Beitr. I, 6. 247 fg.

726

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

der es znsteht, untergeht").

Die Gefahr aus der Obligation, d. h.

der Verlust der obligatorischen Berechtigung, ist etwas ganz anderes, er folgt nicht aus dem Untergang der Sache"). Die Quellen") widerspre­

chen dem nicht bloß bei einseitigen Obligationen, wo die Gefahr nicht

den Schuldner, sondern den Gläubiger trifft, also den, der erst das Eigenthum erhalten soll") — sondern auch bei zweiseitigen Obligationen und bei solchen auf Restitution:

nicht der Verkäufer"), der noch das

Eigenthum hat; nicht derjenige, welcher in Folge einer Ntchtschuld Eigen­ thümer geworden "), trägt die Gefahr, wenn er die bei ihm untergegangene Sache nicht übergeben oder restituiren kann. Und wenn bei anderen Obli­

gationen, die sich auf das Zurückgeben einer Sache beziehen"), allerdings der Eigenthümer die Gefahr trägt, indem er es erleiden muß, daß ihm die Sache nicht zurückgegeben werden kann, so folgt dies nicht daraus, weil er Eigenthümer, sondern weil der Schuldner, der zurückgeben soll, das zufällige Nichtkönnen nicht zn vertreten hat"). Wenn ferner bei der

Sachmiethe der Untergang der Sache dem Bermiether, also dem Eigen­ thümer, seine obligatorische Berechtigung auf den Zins und demnächstige Rückgabe der Sache entzieht"), so erklärt sich dies, was den ersteren be­

trifft, daraus, daß der Bermiether vor leisten muß und es in dem Begriff 2‘) Ein solches Recht hört aber auch auf, wenn der Gegenstand nicht zufällig unter­ gegangen. 1T) Wächter S. 118. „Daraus, daß der Zufall mir ein Recht an der Sache nimmt, folgt noch nicht, daß er mir auch meine Rechte ans der Obligation entziehen muß." “) Darlehn: §. 2. J. III, 14. 1. 4. pr. 1. 11. pr. 1. 9. §. 9. D. XII, 1. I. 1. §. 4. D. XLIV, 7. Mandat: 1. 8. § 10. D. XVII, 1. Negotiorum gestio: 1. 22. C. II, 19. Fuchs a. a. O- S. 385ff. »«) §. 3. J. III, 23. I. 12. 14. pr. §. 1. D. XVIII, 6. **) 1.65. §. 7. D. XII, 6. Der Empfänger muß die Sache herausgeben, wenn er sie noch hat, darf sich aber freilich mit dem Schaden des Anderen nicht bereichern, und muß daher für die Bereicherung hasten. Wächter a. a. O. S. 123f.

“) Kommodat: I. 18. pr. D. XIII, 6. 1. 1. §. 4. I). XLIV, 7. Depositum: 1. 20. v. XVI, 3 Prekarium: 1. 8. §. 5. 6. D. XLIII, 26. Psandvertrag: 1.30. D. XIII, 7. ") Wächter S. 119. 121. Kochi. S.209f. '«) 1. 9. §. 1. 4. 1. 15. §. 1—3. 1. 19. §. 6. I. 27. pr. 1. 33. D. XIX, 2. 8$) Fuchs S. 400 f. erklärt den Umstand, daß der Bermiether, welcher nicht leisten kann, den Anspruch aus den Miethzin» verliert, daraus, daß der Bermiether das uti frui licere präftiren, d. h. dafür garantiren muß, daß dem Miether der wirkliche volle Gebrauch und Genuß der Sache zu Theil werde, und daß in dieser Garantie die Uebernahme der Gefahr, welche die Gebrauch-überlastung unmöglich macht, liege. Koch, R. d. F. S. 208. findet den Grund daslir in den fortgesetz­ ten oder wiederholten Leistungen derselben Handlung durch eine gewisse Zeit, oder in der sich auf einen Zeitraum auSdehnenden Reihe theil barer Leistungen. Wäch­ ter S. 203. ist zwar insofern der Vorgänger von Fuchs, als auch er in der Garantie des Bermiether« den Grund findet, aber er fügt bei: „erst nachdem man den Gebrauch der Sache genossen, zahlt man, und man zahlt nur in dem Maße, in welchem der Genuß geleistet wurde." In diesen Worten deutet er aus den richtigen Grund, auf das Verhältniß von Vor- und Nachleistung hin. Die Ansicht von der Garantie im Sinn einer „Uebernahme" der Gefahr ist nur eine

§. 108. 1. Zufälliger Nachtheil und Bortheil.

727

von Vorleistung und Nachleistung liegt, daß die letztere durch die erstere bedingt ist, mithin wegfällt, wenn und soweit die erstere nicht erfolgt") — was aber die Rückgabe der Sache betrifft, daraus wieder, daß das

schuldlose Nichtkönnen nicht vertreten wird"). An Stelle des beseitigten Satzes hat Wächter zwei Regeln, sich er­ gänzend, als Prinzip behauptet: Casus a nullo praestantur unb impos-

sibilium nulla est obligatio ”). Es ist an sich richtig, was dagegen ein­ gewendet worden "), daß die Sätze nur sagen, wer den Zufall nicht

vertritt, und daß aus der Nichtvertretbarkeit unverschuldet unmöglicher Erfüllung nicht folge, daß man trotzdem die Gegenleistung noch zu erwar­ ten habe, daß die unmöglich gewordene Leistung als geleistet betrachtet werde.

Ueberdteß bezieht sich der zweite Satz nicht auf die nachfolgende,

sondern auf die ursprüngliche, die Entstehung der Obligation verhindernde

Unmöglichkeit, und kann sich nur auf diese beziehen, weil ja sonst die später verschuldete Unmöglichkeit den Schuldner auch befreien müßte *’).

Derjenige trage die Gefahr, dessen Obligation eine perpetua sei40), d. h. der seinerseits noch leisten kann, weil seine Leistungspflicht durch den Zufall nicht un­ Nicht gefördert wurde die Entscheidung durch Madai:

möglich gemacht; — denn hiergegen ist einzuwenden, daß bei gegenseitigen Obligationen nicht zwei selbständige Obligationen, sondern nur zwei Lei­

stungen derselben Obligation gegenüberstehen, daß aber die s. g. Perpe­ tuatio» die Obligation als solche trifft, nicht die einzelne Leistung. Madai verkennt den Begriff der Perpetuation, oder schiebt ihr eine andere Be­ deutung unter, indem er sie vom Schuldverhältniß auf die eine Leistung überträgt, und läßt es ganz unerklärt, warum, wenn die eine Leistung unmöglich geworden, die Pflicht zur Gegenleistung fortdauere4'). Koch4')

’«) ") 88)

39) 40) 41) 41)

Hypothese, die Ansicht Koch'S aber erklärt nichts, denn warum soll nicht auch bei theilbaren, sich fortgesetzt wiederholenden Leistungen angenommen werden kön­ nen, daß die zufällig unmöglich gewordene Leistung als geleistet anzusehen, der Anspruch aus die Gegenleistung also bestehen bleibe? — Ueber Gegenleistungen und Vor- und Nachleistung s. oben §.83. S. 461 f. 1. 9. §. 3. D. XIX, 2. Wächter S. 116fg. Vergl. 1. 23. 185. de R. J. Mühlenbruch, Lehrb. d. Pand. §.365. Note 5. Dangerow S. 230. Tin­ ten iS S. 472. in der Note 44. S. auch Hepp, Zurechn. S. 31 f. Mommsen, Beitr. I. S. 228. Lehre v. d. Mora S. 279 f. Vergl. Fuchö S. 107 fg. Die Ansicht Madai'S ist in Wahrheit eine petitio principii: derjenige Kontra­ hent ist fortdauernd zu seiner Leistung verpflichtet, dessen Verpflichtung fortdauert. SinteuiS a. a. O. Koch, R. d. F. I. S. 203.: „Die kasuelle Unmöglichkeit gilt für vollendete Er­ füllung. Creditoris est rei periculum. Casus a nullo praestatur.“ Daß aber der von Koch ausgestellte Satz an sich nicht identisch ist mit den beiden ihm bei­ gesetzten Regeln des römischen Rechts, leuchtet ein, er ist nicht einmal eine un­ mittelbare Folgerung aus ihnen.

728

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

und Fuchs"), letzterer ohne seinen Vorgänger zu berücksichtigen, greifen

zu einer Fiktion: die schuldlos unmöglich gewordene Leistung gelte als ge­ leistet; der Schuldner, der zufällig nicht geben kann, hat gegeben.

Fiktio­ nen sind aber immer ein sehr bedenkliches Auskunftsmittel, man sollte nie

zu ihnen greifen, wo eS gilt, Prinzipien aufzusuchen, wozu sie schlechthin

untauglich find — sie können nur als Ergänzungen hingenommen werden, wo das positive Recht sie direkt ausspricht.

Das ist hier nicht der Fall,

und die Frage: warum wird fingirt, warum muß grade dies fingirt wer­ den? bleibt unbeantwortet"). — ES scheint, daß man bei dem Angriff gegen Wächter'S Theorie, die

gleichwohl den meisten Anklang gefunden, darin zu weit geht, wenn man

daS Negative seines Ausgangspunkts zu sehr betont.

Der Satz Casus a

nullo praestantur ist allerdings zunächst ein negativer, aber indem er daS

praestare, das Vertreten, das Haften für die weggefallene Leistung veryeknt, beantwortet er doch zugleich die Frage: wer die Gefahr zu tragen,

zu leiden hat, positiv.

Nothwendig nämlich folgt aus jener Verneinung

die Affirmative: Derjenige trägt die Gefahr, dem die unmöglich gewordene

Leistung gebührt hätte; weil für deren Vermögenswerth ein Surrogat nicht eintritt, fällt ihm der Vermögensverlust von selbst zu.

zweifelhaft bei den einseitigen Obligationen.

DaS ist nun un­

Bei den gegenseitigen muß

aber dieselbe Regel gelten, auch hier trägt Derjenige die Gefahr, der die Aber eS tritt bei

ihm geschuldete Leistung zufällig nicht erhalten kann.

diesen Obligationen eine zweite Frage hinzu: worin-besteht dasTragen der Gefahr, wie weit reicht eS? Man hat diese als die eigent­ liche Kernfrage angesehen, ihre Beantwortung sollte allein prinzipiell ent­ scheiden können, wer die Gefahr zu tragen habe"). Wohl mit Unrecht, ") A. a. O. S. 111 fg- „Die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, gilt als erfüllt, die Handlung also alS vorgenommen, wenn dieselbe ohne Schuld deS Verpflichteten unmöglich geworden. Wesentliche Voraussetzung dieser Fiktion ist die Schuldlosigkeit des Verpflichteten an der Unmöglichkeit seiner Leistung." Vaugerow S. 230. a. E. u. f. 4‘) Während die frühere Doctrin das Tragen der Gefahr beim Kans als Ausnahme auffaßte (Cocceji jus controv. XVIII, 6. qu. 2. Glück IV. S. 380. Wachter Arch. 15. S. 98.) sieht Kochi. S. 208., weil seine Fiktion nicht ausreicht, in der Art, wie daS röm. R. den Miethvertrag in Betreff der Gefahr behandelt, eine wirkliche Ausnahme von der Regel. Wederda« eine noch da« andere ist der Fall. Fuchs dagegen, S. 400f. sucht au« dem Wesen der Verpflichtung deS Vermielher« nachzuweilen, daß die Ausnahme nur eine scheinbare sei. Siehe oben Note 35. Goose a. a. O. stellt die Ansicht aus: „Die Gefahr trägt, dessen Ver­ mögen betroffen ist," und nimmt an, daß bei dem Kauf die Sache durch die Perfektion de« Vertrage» in da« Vermögen de« Käufers übergeht. Hier liegt aber Verwechslung der Sache mit dem obligatorischen Anspruch aus Uebergabe zu Grunde; nur letzterer ist durch den Abschluß de« Vertrag« in da» Vermögen de« Käufer« übergegangen. ■ ") Wächter (S. 102fg.) behauptet, daß mit den Ausdrücken: res meo periculo est, res mihi perit, nicht der Umstand, daß der Eigenthümer sein Eigenthum, auch nicht bei zweiseitigen Obligationen der Umstand, daß der Gläubiger seinen An­ spruch verliere, gemeint sei, sondern, daß eS aus die Frage allein ankomme, ob

§. 108.

Zufälliger Nachtheil und Vortheil.

729

denn welchen Umfang der BermLgenSverlust hat, ist überall von keiner

prinzipiellen Bedeutung, das richtet sich nach der Natur der

einzelnen

Obligation, namentlich danach, in welchem Verhältnis die beiderseitigen Leistungen zu einander stehen, ob sie Gegenleistungen^ oder Vor- und Nachleistung sind.

Gegenleistungen sind sie, wo es im Begriff des Ver­

trages liegt, daß sie gleichzeitig sich kreuzen, Vor- und Nachleistung, wo

die eine erst geschehen sein muß, ehe die Pflicht zur zweiten eintritt, wo die letztere bedingt ist durch die erstere °). Bei der Gegenleistung folgt auS dem Unmöglichwerden der einen nicht, daß die andere wegfallen muß"), der Gläubiger seine Gegenleistung geben oder dem Gegner lassen muß. „Kann er nichts fordern, und muß er doch seine Gegenleistung geben oder dem Gegner­ lassen, dann sagen die Gesetze: er trage das Perikulum." Zugestanden, daß dies der Sprachgebrauch der römischen Rechtsqnellen ist, so wird doch nicht bezweifelt werden können, daß dem Begriffe nach auch in den Fällen, wo der Gläubiger nur das nicht erhält, was er erhalten sollte, ihn der Zufall und die aus ihm her­ vorgehende Gefahr, d. h. der Vermögensnachtheil trifft, daß mithin jener Sprach­ gebrauch ein nicht erschöpfender und darum auch nicht entscheidender ist. 4S) Bei Kans: Gegenleistung; bei Miethe: Vor- und Nachleistung. Daß, wenn bei einem Mietbvertrag die Vorauszahlung des Miethzinses bedungen ist, dies eine willlürliche Abweichung von der Natur des Vertrages ist, und die Vorauszahlung deS Zinses dadurch nicht den Charakter der Vorleistung erhält, sondern trotzdem Nachleistung bleibt, bedarf, nicht besonderer Ausführung. Wenn der BegriffsUnterschied zwischen Gegenleistungen und Bor. und Nachleistung festgehalten Wird, so schwindet daS Auffällige, daß bei dem Kauf die Gegenleistung noch ge­ währt werden muß, bei der Miethe dieselbe wegfällt. Zhering (Iahrb. 53. 3. S. 467 fg.) will diese scheinbare Eigenthümlichkeit deS Kaufs dadurch erklären, daß die Forderung des Verkäufers auf Zahlung des Preises die Natur einer Er­ satzforderung habe. Das kann nicht zugegeben werden. Wollte der Verkäufer bei dem Kauf nichts weiter, als die Entschädigung für die veräußerte Sache, so würde nicht viel verkauft werden. Der Verkäufer will auch gewinnen; ihm hat die Gegenleistung (der Preis) einen höheren Werth als die Sache, wie für den Käufer die Sache wiederum einen höheren Werth hat, als der Preis. Auf dieser Anschauung beruht Handel und Wandel. Eine andere Frage ist es, ob der Ver­ käufer einer fremden Sache den Preis fordern kann, da der Untergang der Sache nicht sein Vermögen getroffen hat. Ein solches Beispiel hat IHering zu seiner Behauptung veranlaßt. Richtiger scheint aber doch, daß er den Preis zu fordern hat, dadurch aber sein Verhältniß zum Elgenthümer der Sache und dessen etwaige Forderungen unberührt bleibt. 47) Puchta §.302.: „So wenig im Fall sofortiger Vollziehung eine Partei das Empfangene einbüßen würde, weil das von ihr Gegebene bei dem Empfänger zu Grunde geht, ebensowenig kann der Aufschub der Vollziehung diese Wirkung ha­ ben." Bei der Gegenleistung muß Zug um-Zug geleistet werden; wenn die Par­ teien die gegenseitigen Leistungen der Zeit nach alrseinanderrücten, so fylgt daraus nicht, daß der juristische Charakter der beiden Leistungen, ihr juristisches-Verhält­

niß zu einander dadurch geändert werde. Koch I. S. 204. Ihering, Jahrb. 53. 3. S. 463. Den Unterschied von Gegenleistung und Bor- und Nachleistung beachtet Plathner a. a. O. nicht. Er sagt S. 199: „Entweder faßt man jede Verpflichtung als eine unabhängig von der Gegenverpflichtung bestehende auf, oder man geh'! davon aus, Verpflichtung und Gegenverpflichtung stehen in einer Wech- / selbeziehung zu einander. Erstere Ansicht (die römische) führt zu der Consequenz: nur die unmöglich gewordene Verpflichtung wird aufgehoben, die Gegenverpflichtung bleibt bestehen; letztere Ansicht (bie*ber neueren Gesetzgebungen, inSbes. deS A.L.R.) zu der Consequenz: auch die Gegenverpflichtung wird aufgehoben." Der Dresdner Entw. Art. 287. schließt sich den neueren Gesetzgebungen an: der An­ spruch auf die Gegenleistung fällt weg und daS bereits Empfangene muß zurück­ gegeben werden.

Zweites Buch.

730

Die besonderen Privatrechte.

bei Vor- und Nachleistung aber muß die letztere wegfallen, wenn die erstere

unmöglich geworden.

Der Vermögensverlnst bei Obligationen auf Gegen­

leistung im engeren Sinn besteht also darin, daß man nichts erhält und doch noch leisten muß, bei Obligationen auf Vor- und Nachleistung, daß

man nichts erhält, .weil man nicht geleistet hat.

Dort ist der Nachtheil

negativ und positiv, hier nnr negativ, dort größer, hier geringer. Im Erfolg wirkt also der Zufall des Untergangs bei den einseitigen und den auf Vor- und Nachleistung gestellten Obligationen aufhebend, bei den

Obligationen auf Gegenleistungen ändernd"), der Zufall der Verschlech­ terung aber in allen Fällen nur ändernd. Nach diesen Regeln ist die Theorie des römischen Rechts konsequent

normirt.

Immer erleidet derjenige den Verlust des durch die Obligation

bezweckten Vermögenswerths, der in Beziehung auf die weggefallene

Leistung Gläubiger ist"), und dieser Verlust besteht entweder nur in dem Ausfall der erwarteten Leistung oder außerdem noch in dem Hingeben des Vertragswerths dieser Leistung, und das eine wie das andere ist be­

dingt von dem juristischen Verhältniß der beiderseitigen Leistungen. Das A.L.R. weicht hiervon ab: der Grund ist schon erwähnt.

Die

Redaktoren verallgemeinerten den nur auf Eigenthum und dingliche Rechte beziehbaren Satz: casum sentit dominus, identifizirten ihn mit dem dem

Obligationenrecht angehörigen Satz casus a nullo praestantur, und kamen dazu, nicht von dem, der die Leistung zu fordern hatte, sondern in allen

Fällen von dem, der zur Zeit des Zufalls Eigenthümer derjenigen Sache war, die geleistet werden sollte, den Nachtheil tragen zu lassen*).

So

mußte also auch dem Verkäufer, wenn vor der Uebergabe die Sache unter48) Arndt« S. 454 f. geht zu weit, wenn er allgemein als Folge kasueller Unmöglichkeit die Aufhebung des Vertrages hinstellt. 4e) Creditoris est rei pericnlum, oder species perlt ei, cui debetur, »der debitor speciei liberatur interitu rei sind die gleichbedeutenden Sätze, die alle sich in dem Prinzip vereinigen: casus a nullo praestantur, seine Folgerungen sind. Oestr. G.B. §. 1311. sagt richtig: Der bloße Zufall trifft denjenigen, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet. Sehr trivial ist §. 126. des fächs. G.B. „Den Zufall trägt derjenige, der davon betroffen wird." In §. 866 f. tritt es dem Satz: creditoris est rei periculum bei. Bei den s. g. Innominatkontrakten (Fuchs a. a. O. S. 394. Mommsen Beitr. I. S. 387. Seuffert, Pand. II. S. 117.) trägt derjenige Kontrahent die Gefahr, welcher hingegebe» hat und die Gegenleistung erwartet, also nach dem Grundsatz creditoris est rei periculum. Der Zufall kann hier immer nur die Gegenleistung, d. h. die Leistung des Empfän­ gers treffen, trifft er die erste Leistung, so entsteht überhaupt kein Kontrakt. ES fragt sich aber, ob bei do ut des oder do ut facias der Geber seine Leistung znrUckverlangen kann. Dies ist wegen des jus poenitendi bestritten. Bejaht von Koch I. S. 206., Glück IV, 384. Thibaut, System §. 478.; verneint mit guten Gründen von Wächter Arch. B. 15. S. 214 f. Mommsen, Beitr. I. S. 391. Fuchs a. a. O. S. 394. (1. 5. §. 1. D. XIX, 5.). Vangerow IN. S. 233. *) Gruchot tu Goldschmidt's Zeitschr. s. HandelSr. III. 488. behauptet für die Auf­ fassung des A.L.R. «inen deutschrechtlichen Ursprung, wa» jedoch wohl schwer nachweisbar sein wird.

§. 108.

1. Zufälliger Nachtheil und Vortheil.

731

gegangen war, die Gefahr anferlegt werden60), und da hier der Verlust nur

in der Einbuße der Gegenleistung bestehen konnte"), entzog das Gesetz dem Verkäufer den Anspruch ans den Preis. Einheit der ganzen Lehre damit erreicht:

Es war eine äußerliche

galt der Vertrag bei einseitigen

und bei Obligationen ans Vor- und Nachleistung schon nach römischem

Recht als aufgehoben, so galt er nach preußischem Recht nun, auch bei

Obligationen auf Gegenleistung als aufgehoben; allgemein konnte die Regel anfgestellt werden: erfüllen,

„entsteht die Unmöglichkeit, den Vertrag zu

durch einen Zufall,

gehoben angesehen" ").

so wird der Vertrag für auf­

Der Satz:

Niemand vertritt den Zufall,

bedeutet also bei allen zweiseitigen Obligationen:

Gefahr, der Verlust ist zwischen ihnen getheilt ”).

beide Theile tragen die

Die nächste nothwen­

dige Folge hiervon ist, daß, wenn die möglich gebliebene eine Leistung bereits

erfolgt war, zurückgeleistet werden muß, und zwar so, daß kein Theil aus dem Schaden des anderen gewinnt, sonst nach den Grundsätzen von der Zurückleistung des redlichen Besitzers ").

Von dieser Regel giebt eS keine

Ausnahme ’*), denn der s. g. casus mixtus wird, wie oben erwähnt, nicht ••) i, 11. §. 95.100.

61) Denn daß der Verkäufer, der bis zur Uebergabe allerdings noch Eigenthümer ist, sein Eigenthum verliert, waS er nächstens freiwillig dem Käufer übertragen haben würde, kann doch als Verlust eines Vermögenswerths, als Tragen der Gefahr, nicht ausgefaßt werden. M) I, 5. §. 364. 365. I, 11. §. 100. Suarez, Schlußrev. v. Kamptz, Iahrb. B. 41. S. 17. Koch I. S. 215f. Hepp, Zurechnung S. 197 fg. Das österr. G.B. §. 1048. 1064. hebt in Folge deS Zufalls den Tausch- und Kaufvertrag auf — als allgemeines Prinzip spricht es die Aushebung nicht aus. Da es aber nach §. 1112. auch den Bestandvertrag, zu welchem der Mietvertrag gehört, durch den Zufall auflösen läßt, so steht eS im Wesentlichen auf dem gleichen Standpunkt mit dem AL.R. Der bairische Entw. Art. 119. befreit den Schuldner von der unmöglich gewordenen Leistung und läßt auch die Gegenleistung wegfallen, schließt sich also dem ALR. an, während das sächs. G.B. bei der Theorie des gemeinen Rechts stehen geblieben ist und die Gegenleistung bestehen läßt. §.868.

53) Denn jeder Theil büßt das ein, was er aus dem Vertrage für sein Vermögen gewinnen wollte. ") 1. 365—367.1, 5. Die beiden Sätze: kein Theil darf sich mit dem Schaden des Andern bereichern, und der Zurückgebende wird als redlicher Besitzer angesehen, paralysiren stch, denn der redliche Besitzer hat nach §. 189. 190. I, 7. die genosse­ nen Früchte nicht zu erstatten, hier aber muß er sie erstatten. Koch, R. d. F. I. S. 219. Vergl. I, 16. §. 302. Das in den eignen Nutzen Verwendete muß der Empfänger zurückgeben oder vergütigen.

") Koch S. 206. 220. 223. bezeichnet mit Unrecht als Ausnahmen den Fall der ' Mora und den Fall des casus dolo vel culpae subord. — Dagegen muß der Kauf in Bausch und Bogen, der Kauf eines Inbegriffs und der nothwendige Ver­ kauf als Ausnahme aufgefaßt werden (§. 117. 120. 121. 342. I, 11.), denn wäh­ rend sonst beim Kauf der Akt der Uebergabe den Moment fixirt, in welchem die Gefahr auf den Käufer übergeht, soll bei jenen Arten des Kaufs der Moment des Vertragsabschlusses diese Wirkung haben, während das Eigenthum erst durch die Tradition auf den Käufer übergeht. Uebrigens soll auch hier der Vertrag aufgehoben sein, wenn die Sache durch Zufall dergestalt vernichtet wird, daß gar keine Uebergabe stattfinden kann. Gruchot in Goldschmidt's Z. f. HandelSr. III* S. 515 fg. DaS Nähere bei dem Kauf. — Die Polemik Koch's I.

Zweites Buch.

732

Die besonderen Privatrechte.

als Zufall, sondern als Verschuldung aufgefaßt, und unter denselben Ge­ sichtspunkt tritt der während des Verzugs einwirkende Zufall, weil der

Verzug das Merkmal der Verschuldung in sich enthält.

Aufgehoben wird aber hiernach der Vertrag nur, wenn seine Erfül­ lung gänzlich unmöglich geworden (casus interitus). Es bleibt die Frage, wer die zufällige Verschlechterung (casus deteriorationis) zu tragen hat

und wie sie auf den Fortbestand der Obligation einwirkt. Sie motivirt nicht die Aufhebung, weil doch immer noch geleistet werden kann. Bei den einseitigen Verträgen trägt die Verschlechterung, ebenso wie den Unter­ gang, der Empfänger (Gläubiger), weil der Schuldner sie nicht zu ver­

treten hat. Der Empfänger kann bet den Obligationen auf Zurückgeben der Eigenthümer sein — aber dieser Gesichtspunkt ist hier nicht der ent­ scheidende. Bei zweiseitigen Obligationen gilt: die Gefahr trägt der Schuld­ ner, weil er bis zur Uebergabe der Eigenthümer der Sache gewesen; er muß sich also gefallen lassen, wenn der Gläubiger die verschlechterte Sache nicht annehmen, dafür den Preis nicht zahlen will — dieser hat das Recht

des Rücktritts 56).

Eine Pflicht, für die Verschlechterung Ersatz zu leisten,

liegt aber nicht in dem Tragen oder Erleiden der Gefahr ä7). Nach dem bisher Ausgeführten kann die Theorie des A.L.R. in Kürze

so zusammengefaßt werden: A. Der „bloße" Zufall (casus fortuitus, improvisus) ist zu er­

leiden: 1.

Bei einseitigen

Obligationen

vom Gläubiger,

weil der

Schuldner nichts zu vertreten hat. Hier stimmt das preußische mit dem gemeinen Recht in dem Grundsatz casus a nullo praestantur und deß­ halb creditoris est rei periculum überein.

Die Gefahr des Untergangs und die der Verschlechterung werden gleich behandelt.. So bei der Schen­ kung^), der unentgeltlichen Leihe"), bei Obligationen auf Rückgabe einer Sache wegen Nichtschuld"). S. 225 f. gegen die von Bornemann, RechtSgesch. S. 392. geäußerte Ansicht über da« Verhältniß der §§. 133. 770. 771. I, 11. zu einander, ist antiquirt. S. Born em. System 2. A. B. 1. S 253. Nr. 3. Letzterer irrt nur darin, daß er §. 770. 771. I, 11. al« etwas Abweichendes ansieht, da e« sich erklärt aus dem Satz genug non perlt. ”) Koch, S. 220 224. I, 11. §. 95. 96.178. 179.

6T) Entfch. B. 11. S. 244., Nr. 2. S. 247.: „So wenig der Käufer, wenn er die Gefahr trägt, zu einem sonstigen Schadenersatz verpflichtet ist, ebensowenig kann dem Verkäufer mehr als der Verlust des Preises, also etwa ein Ersatz des Scha­ dens aufgelegt werden, obwohl es dem Käufer vielleicht voriheilhafter wäre, die unbeschädigte Sache um den bedungenen Preis zu haben. Dadurch unterscheidet sich dieses einfache, Periknlum von der Uebernahme einer Gefahr im Sinne einer Assekuranz und von.der Verpflichtung zum Schadenersatz au« dolus oder culpa."

58) Besonders ausgesprochen ist es in Betreff der Schenkung zwar nicht (1,11. §. 1076 bi« 1078.), es folgt aber aus der Natur der Sache. =•) I, 21. §. 252.

•«) i, 16. §. 202.

Nach §. 156. I, 5. hat bei formell ungiltigen Verträgen der Äon»

Z. 108.

2.

1. Zufälliger Nachtheil und Bortheil.

733

Bei zweiseitigen Obligationen auf Geben einer bestimmten

Sache trägt der Eigenthümer der Sache die Gefahr des Untergangs und der Verschlechterung, nach dem dem gemeinen Recht fremden und an

sich unrichtigen Satz: casum sentit dominus.

Im Fall des Untergangs

ist der Vertrag aufgehoben, im Fall der Verschlechterung kann der andere Theil zurücktreten. Der Nachtheil besteht darin, daß die Gegenleistung

und Nachleistung 6I), und wo die Obligation zu einem Zurückgeben w) ver­

pflichtet, die Zurückgabe der Sache wegfällt. 3. Bei gegenseitigen Obligationen auf Thun (Verträge über Hand­ lungen) gilt derselbe Grundsatz,

daß der Vertrag aufgehoben ist, wenn

seine Erfüllung unmöglich geworden 63).

Allein die Natur der Hand­

lungen, welche einmal geleistet, nicht wie hingegebene Sachen zurückgeleistet werden können, macht es nöthig, daß in solchen Fällen-eine Vergütigun^

nach dem gemeinen Werth oder Lohn gewährt werden muß, je nachdem die unmöglich gewordene Leistung in dem Hingeben einer Sache oder in

Handlungen hätte bestehen sollen64).

An die Stelle des gemeinen Werths

oder Lohnes tritt vertragsmäßige Vergütignng, wenn die Handlungen nur

theilweise geleistet worden"),

wodurch

in

praktischer Weise die Die Ge­

schwierige Ausmittelung des Theilwerthes vermieden wird 66).

fahr trägt also derjenige Kontrahent, dem seine Sachleistung oder Hand­ lung unmöglich geworden — in Anwendung des Grundsatzes casum sentit

trahent, welcher die Erfüllung des andern angenommen, die Verpflichtung, ent­ weder auch zu erfüllen, oder das Empfangene zurückzugeben oder zu vergütigen. Wie, wenn das Empfangene aus Zufall nicht zurückgegeben werden kann? Das Appell.Ger. Hamm (Gruchot VIII. S. 357.) hat angenommen, daß dann er­ füllt werden muß, daß der Beklagte, da die Wahl nicht mehr stattfinden kann, auf die andere Verbindlichkeit der Alternative beschränkt ist. Das ist nach römi­ schem Recht richtig; nach Preußischem könnte eS zweifelhaft sein, weil hier die alternative Obligation durch die kasuelle Unmöglichkeit der einen Leistung aufge­ hoben wird. Allein §. 33. I, 11. bezieht sich nur auf alternative Verträge und §.156. 1,5. ist eine gesetzliche alternative Verbindlichkeit. Wegen des im preuß. R^cht durchgreifenden Grundsatzes casum sentit dominus durste aber das Appell.Ger. die Frage, wer als Eigenthümer des krepirten PferdeS anzusehen, nicht außer Betracht lassen, und das Obertribunal ist daher auch auf diesen Punkt zurückgekommen (S. 359.). Es erachtet den mündlich abgeschlossenen Tauschver­ trag als einen zur Uebertragung des Eigenthums geeigneten Titel; hiernach war der Beklagte durch die Uebergabe Eigenthümer geworden, und er hat also die Gefahr zu tragen, d. h er muß gegenleisten oder vergütigen; von einer Aus­ hebung der Verbindlichkeit durch Zufall könne hier aber nicht die Rede sein, weil §.364. 1,5. sich nur auf die unmöglich gewordene Erfüllung geschlossener Verträge beziehe.

") Büm Kauf: §. 100. I, 11. und beimacht und Miethe: §. 299-308.1, 21., die sich nach preuß. R. gleich stehen.

®2) Z. B. I, 16. §. 202. I, 21. §. 252. »*) 1,11. §. 879.

«*) 1,11. §. 882.

Koch I. S. 235. hält dies mit Unrecht für eine Inkonsequenz.

•6) 1,11. §. 886.

") Koch I. S. 235. bei bb.

734

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

dominus —, und sie besteht darin, daß er die Gegenleistung nicht empfängt, oder wenn er sie bereits ganz oder zum Theil empfangen, vergütigen muß. Analog der Gefahr der Verschlechterung ist bei Handlungen der Fall, wenn

der Rest derselben unmöglich geworden.

Auch hier gelten sie nicht für

geleistet, für die weggefallenen Resthandlungen erhält der Verpflichtete keine Gegenleistung, aber für daS bereits Geleistete entsprechende Bergütigung je nach sachverständiger Abschätzung oder nach der Feststellung im Vertrage"). — Koch") sieht in der Bestimmung, daß der zufällige Un­ tergang eines Baues vor der Uebergabe den Bauherrn treffen soll "), eine Ausnahme.

Eine solche wäre sie, wenn die Uebergabe hier die Bedeutung

der Eigenthumsübertragung hätte, denn dann müßte nach dem Grundsatz deS A.L.R. der Zufall vom Baumeister getragen werden.

Diese Bedeu­

tung hat die Uebergabe hier aber nicht, der Bauherr ist auch vorher schon der Eigenthümer des allmälig entstehenden Baues, wie er Eigenthümer

des Grund und BodenS ist. B. Der in der Person des einen Theils hervorgetretene Zufall, sei eS des Gläubigers oder Schuldners, hebt den Vertrag nicht auf, der an­ dere Theil hat das Recht, eine andere ErfüllungSart zu wählen und den

Anspruch auf Entschädigung des Nachtheils, der ihm hierdurch entsteht70 * *).** ** 73 * C. Der mit Verschulden verbundene Zufall (casus mixtus) wird vertreten und zwar wie nach gemeinem Recht von demjenigen Kontra­ henten, durch dessen Verschulden der Zufall schädlich geworden7'). Der Vertrag wird nicht aufgehoben.

Solche Fälle sind insbesondere: wer eine

gesetzlich gemißbilligte Handlung verübt, vertritt auch die zufälligen Folgen derselben7'); wer wider ein Verbotsgesetz handelt"), oder durch ein ge­

setzwidriges Verhalten den Handelnden in die Umstände versetzt hat, wo­ durch er zu der Handlung veranlaßt worden, vergütigt den auS seiner

oder deS Andern Handlung hervorgehenden zufälligen Schaden 74);

wer

seine Vertragspflicht zu erfüllen zögert, übernimmt die Gefahr, die sonst nach Inhalt deS Vertrages auf ihm'nicht liegt, und muß, wenn die Er­ füllung unmöglich geworden,

Schaden ersetzen ").

das Interesse leisten oder den. wirklichen

Umgekehrt wird durch den Verzug deS andern Theils

•’) 1,11. §. 885. 908. 917. 920. ••) R. d. F. I. S. 237. 1,11. §. 967. l, 5. §. 369-372. Z. B. I, 11. §. 339. 1,13. §. 249. 1,14. §. 14. I, 20. §. 131. I, 21. §. 251. I, 3. §. 13. Unter den Begriff einer unerlaubten oder gemißbilligt«« Handlung f. Entsch. B. 13. S. 508 ff. (außereheliche Schwächung ist leine unerlaubte Hand­ lung im Sinne des 6. Titel«). 73) I, 6. §. 16.

") ’•) ’*) ”)

«) I, 6. §. 16. ”) Oben §. 105. bei Note 43. S. 690. und bei Note 68 f. S. 693.

§. 108.

1.

Zufälliger Nachtheil und Vortheil.

735

derjenige Kontrahent von der Gefahr entlastet, dem sie sonst nach der

Natur des Vertrages obgelegen hätte, er kann die Gegenleistung und bei einseitigen Verträgen Vergütigung fordern 76). D. Bei bedingten Obligationen ist in folgender Art zu unterschei­ den:

suspensiv-bedingte einseitige Obligationen stehen wie die unbe­

dingten zur Gefahr des Gläubigers; sie werden durch den Zufall aufge­

hoben 77); 78 suspensiv-bedingte zweiseitige Obligationen durch den Zufall aufgehoben.

werden

ebenfalls

Die Gefahr trägt Derjenige, der während

des Schwebens der Bedingung noch Eigenthümer gewesen, sein Anspruch auf Gegenleistung fällt weg79); bei Verschlechterung wird dem andern Theil der Rücktritt nicht vorzuenthalten sein, will er aber annehmen, so

hat er keinen Anspruch auf Ersatz oder Minderung seiner Gegenleistung. Resolutiv-bedingte Obligationen sind auch der Regel casum sentit dominus unterworfen, d. h. Derjenige, an den die untergegangene Sache

zurückfallen soll, hat, wenn er Eigenthümer geblieben, keinen Anspruch auf

Ersatz, er muß die verschlechterte annehmen, wie sie ist. War dagegen der Empfänger bis zur Rückgabe Eigenthümer geworden, wie z. B. bei dem Kauf auf Wiederkauf, so wird der Rückgabe-Vertrag durch den Zu­ fall aufgehoben und es fällt, wenn bei der Rückgabe eine Gegenleistung zu

gewähren ist, diese bei dem Untergang der Sache weg, bei der Verschlech­ terung dagegen muß sie gewährt werden 79). 76) I, 11. §. 103. 1077-1081.

77) Nach §.364. I, 5. Koch 1. S. 205. Der Zufall muß die Leistung, nicht das bedingende ungewisse Ereigniß getrosten haben. 78) Ebenfalls nach §. 364. I, 5. Nach 1. 8. pr. D. XVIII, 6. trägt die Gefahr der Obligation bis zur Entscheidung über die Bedingung der Promittent (Verkäufer), weil erst von diesem Moment emtio perfecta und damit die Gefahr aus den Käufer übergeht. 7e) DaS A.L.R. giebt über das Tragen der Gefahr bei resolutiv-bedingten Verträgen keine Vorschriften. Die §§. über bedingte Käufe, über vorbehaltenes Eigenthum, und über den Vorbehalt eines befferen Käufers im 11. Titel schweigen darüber. Nur soll der Zurückgebende als redlicher Besitzer angesehen werden (I, 11. §.290). Aber aus den §§. 188 sg. I, 7. ist auch nur zu folgern, daß der redliche Besitzer (§. 219.) bei Verschlimmerungen (casus deteriorationis) nicht haftet. Wie eS steht, wenn die Sache gänzlich untergegangen, ist zwar beim Besitzer dem Eigen­ thümer gegenüber nicht zweifelhaft, der letztere trägt nach dem landrechtlichen Grundsatz den casus. Aber bei dem resolutiv-bedingten Kauf wird der Käufer Eigenthümer, folglich muß er den Zufall tragen, d. h. wenn er nicht zurück­ leisten kann, den Werth der Sache ersetzen. Allein es ist auch hier anzunehmen, daß der Vertrag als aufgehoben anzusehen bei gänzlichem Untergang. Für den Wiederkauf bestimmt eS ausdrücklich §. 301. I, 11. Bei dem Kauf auf Probe oder Besicht wird in der gemeinrechtlichen Doktrin angenommen, daß der Käufer, der also die Sache zurückgeben soll, die Gefahr des Unterganges trage, er muß daher auch die etwaige Gegenleistung geben. Goldschmidt, Zeitschr. f. Han­ delsrecht I. S. 120. Fitting daselbst II. S. 270. und aus der Praxis das O A.G. Dresden in der Zeitschrift für RechtSpfl. und Verwalt, in Sachsen, neue F. B. 20. S 158. Nach A.L.R. I, 11. §. 333. 338. trägt der Verkäufer den Zu­ fall. Ob der Kauf auf Probe als bedingter anznfehen, ist sehr zweifelhaft. Näheres beim Kauf.

736

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

E. Daß bei alternativen Obligationen mit dem Wegfall der einen

Leistung der Vertrag nach preußischem Recht aufgehoben, ist bereits er­ wähnt 80).81 * * * 8 Dies sind die gesetzlichen Grundsätze

vom Tragen

der Gefahr.

Den Parteien steht frei, in ihren Verträgen abweichend von jenen sich

darüber zu vereinbaren8'), wer von ihnen, in welchem Umfang und für welche Art des Nachtheils er die Gefahr übernehmen soll.

Daß der

Ausdruck „alle Gefahr und Schaden" sowohl von gewöhnlichem als un­ gewöhnlichem Nachtheil zu verstehen und daß davon nur bei dem Pacht­

vertrag eine Ausnahme gilt, bei welchem Kriegsschaden nicht unter jenem

Ausdruck begriffen sein soll, ist bereits erwähnt8 2). So ist die Uebernahme der Gefahr die Folge eines Schuldverhält­ nisses; sie kann aber auch der Gegenstand einer selbständigen Obligation

sein. Dann bedeutet Gefahr so viel als Risiko, und die Uebernahme verpflichtet zur Vergiitigung desjenigen Nachtheils, der aus einem bestimm­ ten zufälligen Ereigniß künftig entstehen kann: Versicherungsvertrag88).

II. Wie Nachtheile, so kann der Zufall auch Vortheile bringen88). Von „Nutzungen" spricht das A.L.R.88), und es gilt die Regel, daß dem­

jenigen die zufälligen Vortheile gehören, der die zufälligen Nachtheile zu tragen hat88). Commodum ejus esse (lebet, cujus periculum est”). Die bisher nicht bestrittene Allgemeingiltigkeit jener Regel ist neuerlich auf ihre richtigen Grenzen zuruckgefuhrt worden88). Sie ist auf obligatorische 80) Oben §. 65. S. 360. Note 24. und §. 87. bei Note 23. S. 505. Nach röm. R. muß die möglich gebliebene Handlung geleistet werden. I. 2. §. 3. D. XIII, 4. 1. 34. §. 6. D. XVIII, 1. 1. 16. pr. D. XLV, 1. 81) I, 5. §. 261. I, 11. §. 95. „oder sonst ein Andere« ausdrücklich verabredet wor­ den." Klare Bestimmtheit der Verabredung, im Zweifel "Auslegung nach dem Recht, ©euffett B. 4. Nr. 111. 81) Oben Note 5. und §. 82. a. E. S. 460. 8S) II, 8. §. 1934: Bei einer Versicherung oder Assekuranz übernimmt der Versicherer gegen Erhaltung einer gewissen Abgabe oder Prämie die Vergütung deS auS einer bestimmten Gefahr die bestimmte Sache treffenden Schadens. S. oben Note 57. M) Mommsen, Erörter. 1. über die Regel: commodum ejus esse debet, cujus periculum est. (1859) und Jhering, Abhandlungen, Nr. 1. In wie weit muß der, welcher eine Sache zu leisten Hai, den mit ihr gemachten Gewinn heraus­ geben? (1844). Koch, R. d. F. I. S. 237. 85) I, 9. §. 100. I, 11. §. 105. , 86)* I, 9. §. 99. 100. I, 11. §. 105. 474. mit 483. Strieth. B. 67. S. 273. Der schlechtgläubige Besitzer aber muß, obschon er die Gefahr trägt, die zufällig er­ langten Vortheile doch herausgeben. 1,7. §. 223.241.248.—Sächs. G.B. §. 869. Auch umgekehrt, wer den Vortheil hat, muß den Nachtheil tragen. Seuff ert B. 6. Nr. 13. «’) §. 3. J. III, 23. 1.10. v. de B. J. 1. 22. §. 3. C. VI, 2. geben diese Regel als allgemeine. In anderen Stellen wird sie für Entscheidung einzelner Fälle be­ nutzt ; ,. B. 1. 13. §. 1. D XIII, 6. 1. 10. §. 8. D. XVIII, 1. 1. 67. §. 1. D. XVII, 2. 1. 7. pr. D. XVIII, 6. 1. 12. C. IV, 49. S. Mommsen S. 1. Note 3. *) Durch Momrnsen'S Erörter.

737

§. 108. 1. Zufälliger Nachtheil und Bortheil.

Ansprüche beschränkt") und es ist zu unterscheiden zwischen einem zufälli­

gen Vortheil, welcher zu dem geschuldeten Gegenstand als Vermehrung Hinzutritt (accessorisches Kommodum)"), und demjenigen, der an die Stelle desselben tritt, indem der Zufall, der die Leistung unmöglich ge­ macht, also nachtheilig gewirkt, zugleich einen Vortheil gebracht hat (stell­

vertretendes Kommodum)"). Jener accessorische Vortheil kann so be­ schaffen sein, daß er in dem Hauptgegenstand ganz aufgeht, mit ihm völlig

eins wird, z. B. Alluvien, oder kein selbständiges Dasein hat, wie die Befreiung von einer Last, die bisher auf dem Obligationsgegenstande ge­ legen hat, die Steigerung des Preises der versprochenen Waare. In diesen Fällen kann der, der die Gefahr tragt, gewiß keinen Anspruch auf diese

Vortheile machen, sie müssen mit dem Gegenstand, zu dem sie hinzugetre­ ten, dessen Theil oder Eigenschaft sie geworden, ohne Vergrößerung der Gegenleistung übergeben werden"). Wo aber der Vortheil eine selbstän­

dige, von dem Gegenstand der Obligation trennbare Natur hat, z. B. ^der vor der Uebergabe in dem verkauften Grundstück aufgefundene Schatz, die Zinsen und Früchte"), so wird er zwar häufig demjenigen verbleiben oder gewährt werden, der den nachtheiligen Zufall zu tragen hat, aber nicht

aus dem Grunde, weil er die Gefahr hat, sondern weil er noch der Eigen­ thümer der Sache war, als die Vermehrung hinzugetreten und letztere

nicht als Obligationsgegenstand ausgenommen ist"). ES erwirbt nach preußischem Recht der Verkäufer den Schatz, nicht weil er die Gefahr 88) Mommsen S. 3 s. Der bon. fid. possessor gewinnt die Früchte und trägt nicht die Gefahr; der mal fid. poss. muß die Früchte herauSgeben und trägt die Gefahr (Note 86.), •°) Mommsen S. 2. 5sg. •*) Momsen S. 2. 76 sg. M) In der 1. 12. C. IV, 29. heißt es: sicut periculum vini mutati, quod certum fuerat comparatum, ad emtorem, ita commodum aucti pretii pertinet. Man darf aber doch nicht annehmen, daß die Preissteigerung dem Käufer zufällt, weil er die Gefahr trägt, denn tut solcher Vortheil kommt jedem Gläubiger zu, ohne Rücksicht aus die Gefahr, und bei fnngibelen Sachen (Quantitäten) ist ja über­ haupt keine Gefahr zu tragen. Betrifft die Preissteigerung eine Spezies, so kann sich der Schuldner deßhalb gewiß nicht per Pflicht entziehe», die Sache für den bedungenen niedrigeren Preis zu leisten. Mommsen S. 7. Daß auch das Recht des Gläubigers auf gesetzliche Zinsen nicht davon abhängt, daß er die Gefahr des Kapitals trägt, f. das. S. 10 sg. Ueber die Alluvien s. §. 3. J. III, 23. 1. 7. D. XVIII, 6. 1.10. §. 1. I). XXIII, 3. 1.16. D. de leg. III. Mommsen S. 17. Ueber den Fall der juristischen Accession (Wegsall eine- beschränkenden Rechts): Mommsen S. 19sg. ") 1. 13. §. 11. D. XIX, 1. I. 59. §. 1. D. VII, 1. Sächs. G.B. §. 869. giebt natürliche und juristische Früchte dem, der den Zufalls trägt. “) Mommsen S. 26sg. Der Anspruch des Käufers aus da- selbständige accesso» rische Kommodum (z. B. insula in flumine nata, der Erwerb durch adjudicatio, 1. 13. §. 17. D. XIX, 1.) erklärt sich nach röm. R. nicht daraus, weil er vom Ver­ tragabschluß die Gefahr trägt, sondern weil er von da so angesehen wirb, alwäre er schon Eigenthümer geworden, aus Billigkeit. Nach preuß. Recht fällt dieser Gesichtspunkt weg. Die nicht milverkauste Accession bleibt dem Verkäufer. Förster, Preuß. Privatrecht. I. 2. Aust.

47

738

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

trägt, sondern weil er bis zur Uebergabe noch Eigenthümer ist95).

Da­

demjenigen, und zwar nicht nur, wo

gegen gebührt unzweifelhaft das stellvertretende Kommodum

bei dem die Gefahr der Obligation liegt"),

letzteres dem Gesetz entspricht, sondern auch, wo die Gefahr vertragsmäßig übernommen worden").

Der Grund ist, daß der Vortheil als Ersatz des

Nachtheils gilt; wer den Nachtheil trägt, hat deßhalb diesen Vortheil99). Hierher gehören insbesondere die Klagerechte gegen dritte Beschädiger 99).

2. Vermögensverfall. §. 109.

Vorbemerkung.

Die Erschwerung der Erfüllung ändert die Verpflichtung deS Schuld­ ners nicht und hebt die Obligation nicht auf.

Gleichwohl ist die Thatsache

der Ueberschuldung, d. h. der Zustand der Unzulänglichkeit des Vermögens, um die auf ihm lastenden Verbindlichkeiten zu erfüllen, nicht zu übersehen und das Recht greift ordnend ein theils aus Gründen der Billigkeit für

den Schuldner, theils im Interesse der Gläubiger, theils aus Rücksichten auf das öffentliche Wohl.

Zunächst zwar muß es genügend erscheinen,

wenn dem Schuldner, der nicht zahlen kann, eine Frist gewährt wird, um sich die Mittel zu schaffen: dies wird durch das Rechtsinstitut der StunM) I, 9. §. 99. sagt dies ausdrücklich: So lange das verkaufte Grundstück noch nicht übergeben ist, hat der Verkäufer das Recht des EigenthümerS auf einen in der Zwischenzeit entdeckten Schatz. Und wenn §. 100. fortfährt: Ist jedoch die Ge­ fahr der Sache auf den Käufer bereits übergegangen, so gebührt ihm auch der Nutzen von einem solchen Schatze, — so ist damit nicht gesagt, daß ihm der Schatz zufällt, weil er die Gefahr hat, sondern er erwirbt den Schatz und trägt die Gefahr, weil er in diesen Fällen schon Eigenthümer des Grundstücks gewor­ den. Eine Ausnahme bei dem Kauf in Bausch und Bogen. Siehe oben Note 55. In der Zeit der Redaktion des A.L.N. war die Frage, wem der Schatz zufalle, bestritten. Glück B. 17. S. 190. Ihering a. a. O. S. 8. will ihn zwischen Verkäufer und Käufer theilen, aber die ans §. 39. J. II, 1. und 1. un. C. X, 15. hergeholte Analogie paßt nicht. Auch nach gemeinem Recht gehört der Schatz dem Eigenthümer, d. h. dem Verkäufer bis zur Uebergabe, und zwar auch die Hälfte, die er jure domini erwirbt (die andere Hälfte bleibt ihm ohnehin jure inventoris). Iherrng meint, die erstere Hälfte müsse er dem Käufer herausgeben, „denn sie verdankt er lediglich seinem Eigenthume, er würde sie auch fordern dürfen, wenn nicht er, sondern ein Dritter den Schatz gefunden hätte." Dies nennt Mommsen S. 56. S. 5. den schlagendsten Nachweis, aber das ist er nicht. Daraus, daß der Verkäufer die eine Hälfte vom drttten Finder fordern kann, folgt doch nicht, daß er sie dem Käufer herausgeben muß. Der Schatz ist nicht in obligatione, nicht mit zu übergeben, wenn er vorher gehoben worden.

••) Mommsen S. 76 s.

97) Es würde jedenfalls eines ausdrücklichen Verzichts auf das commodum bedürfen, der nicht schon in der Uebernahme der Gefahr liegt. 98) Mommsen S. 77. Voraussetzung ist, daß dieselbe Thatsache zusällig Nachtheil und Vortheil gebracht hat. •9) 1. 13. D. XVIII, 6. 1.13. §. 12. D. XIX, 1. sert, Pand. II. S. 116. Note 12.

Mommsen S. 84sg.

Seus-

§. 109.

2.

Vermögensverfall.

739

Vorbemerkung.

düng (Moratorium) erreicht, von welchem schon an einem andern Orte gehandelt worden **).

Eingreifender aber in das Recht des Gläubigers

sind andere Institute, die nicht bloß den Zweck haben, seine Befriedigung aufzuschieben, sondern welche ihm seine Forderung kürzen, entweder im

Interesse deS Schuldners selbst — die Rechtswohlthat der Kompe­ tenz —, oder im Interesse mehrerer gleichzeitig andringender Gläubiger — durch Eröffnung des Konkurses. Diese beiden Fälle sind noch zu erör­

tern.

Ein drittes Rechtsinstitut — die Güterabtretung (cessio bo­

norum) — welches das gemeine Recht noch kennt, ist im neueren preußi­

schen aufgehoben'), aber seine Wirkung, daß der Schuldner gesichert werde gegen weitere Verfolgung seiner Person, ist im Konkurs erhalten').

§. HO.

a. Die Rechtswohlthat der Kompetenz.

Konkursordnung v. 1855 §. 434-439.

Koch, R. d. F. I. S. 428. Pr.R. II. S. 81.

Wentzel und Klose, Konk. Ordn. 1855. S. 509.

Koch, die pr. Konk.Ordn.

mit Kommentar, 1855, zu §. 434fg. Goltdanimcr, Komment, z. Konk.Ordn. 1858. S. 539. — Schümann, Handb. des Tiv. R. 1806. Th. 2. @ 61 — 74. Franke im Arch. filr civ. Prax. B. 23. S. 14. Sinterns in der Zeitschr. für Liv.R. li. Proz. B. 15. S. 13. Heimbach im Rechtslexikon B. 1. S. 877. Unterholjner I. S. 380. Ban gerow I. S. 328. Arndts S. 359. Sinteni» H. S. 160.

Seuffert II. S. 51.

In condemnatione personarum, quae in id, quod facere possunt,

damnantur, non totum quod habent, extorquendum est, sed et ipsorum ratio habenda est, ne egeant *). Hiernach besteht das Wesen der Rechtswohlthat der Kompetenz darin, daß dem Schuldner von seinem Ver­ mögen noch Etwas übrig bleibt, um ihn vor Mangel zu schützen und die

Folge davon ist, daß der Gläubiger sich eine Kürzung seiner Forderung

insoweit gefallen lassen muß’).

Das neuere preußische Recht

hat das

Institut in diesem Sinne beibehalten: dem Schuldner soll der nothdürftige

*) Oben §. 91. S. 551. *) Emsiihrungsgesetz z. Konk.Ordn. v. 8. Mai 1855. Art. II. XVII. •) Konk-Ordn. §. 9. 280. *) 1. 173. D. de R. J. 1. 19. §. 1. D. XLII, 1.

*) Ursprünglich hatte das Benefizium den Sinn, daß der Schuldner nur auf Höhe seines Vermögens verurtheilt werden durste, und der Gläubiger den übersteigenden Rest seiner Forderung einbüßle. Später wurde eS dahin erweitert, daß dem Schuldner auch noch ein Unterhalt gelassen werden mußte. Bangerow I. S. 326 f. Koch, R. d. F. I. S. 429. Andere Schulden kommen bei Berechnung deS Unterhalts nicht in Betracht, außer bei dem Schenker. 1. 63. §. 3. D. XVII, 2. 1.12. D. XXXIX, 5. u. a. St. Unterholzner I. S. 387.

Zweite» Buch. Die besonderen Privatrechte.

740

Unterhalt für sich, seine Ehefrau und seine unversorgten Kinder belassen werden *). Im Anschluß an das Projekt deS Codex Frideric. March. IV, 9.

§. 201 fg. und an das Corpus Juris Frideric. II, 25. §. 0 fg. hat die A.G.O. I, 49. diese Rechtswohlthat aus dem gemeinen Recht ausgenom­

men; die neuere Konkursordnung von 1855 hat den Titel 49. der Ge­ richtsordnung beseitigt, um die Vorschriften derselben zu vereinfachen 4*).* *6 Neben diesen neuen Bestimmungen sind jedoch noch einige Fälle der Kom­ sofern sie darauf be­

petenz, die daS A.L.R. erwähnt, stehen geblieben:

ruhen, daß ein verarmter Schuldner gegenüber seinem Gläubiger

begünstigt werde, gehören sie hierher; sofern sie nicht aus dieser Rücksicht die Kompetenz gewähren, beruhen sie auf eigenthümlichen Verhältnissen °).

Die Kompetenz ist eine vom positiven Recht bewilligte Rechtswohl­ that; eine analoge Anwendung über die bestimmten Fälle hinaus ist daher

ausgeschlossen4). Sie wird gewährt im Interesse des Schuldners; eS können aber auch Gründe des öffentlichen Wohles und das Interesse der Gläubiger selbst konkurriren. Je nachdem dieses oder jenes der leitende Gesichtspunkt ist, treten Verschiedenheiten in Betreff der Voraussetzungen und Wirkungen hervor. 1.

Wenn die Wohlthat dem Schuldner in seinem eigenen Interesse

zu Theil wird, so kann er sie nur bestimmten Gläubigern gegenüber in Anspruch nehmen, nämlich solchen Personen, die ihn im Fall der Ver­

armung zu alimentiren verpflichtet wären7): gegen Verwandte in auf- und

8) Konk.O. §. 434. Die» ist die allgemeine Begrisisbestimmung der Kompetenz, die nicht bloß dem §. 434., sondern auch dem §. 435. zu Grunde liegt. Golt» dämmer S. 543. Nr. 3.

4) Einsühr.Ges. zur Konk.Ordn. Art. II. dämmer S. 541.

Wentzel und Klose S. 509.

Golt»

6) Nicht hierher gehören au» diesem Grunde: dgs. Recht dr» Schenkenden auf 6 Pro» zent vom Geschenk gegen den Beschenkten, §. 1123—1128.1, 11., der Anspruch des Verschollenen, welcher nach rechtokrästiger Todeserklärung zurückkehrt, gegen den Bitzer seines Vermögens auf noihvürstigen Unterhalt, §. 852. II, 18., des verarmlen Patrons an den Kirwenschatz genügend Bohner Kirchen, §. 595 f II, 11. SiT allen diesen Fällen soll nicht em verarmier Schuldner dem Gläubiger gegen­ über begünstigt, sonderu gewissen Personen eine selbständige Forderung aus Ali­ mente beigelegt werden. Aus besouderen Verhältnissen beruht auch die l'ehnkompetenz nach §. 350 ff. I, 14. §. 438. Konk.Ordn. S. hierüber Koch, R. d. F. I. S. 448 f.

") §• 54. Einl. z. A.L.R. ’) Motive bei Golldammer S. 542. Deßhalb sind in der neuen Konk.Ordn. die­ jenigen Personen weggelassen, die nach älterem Recht eine Kompetenz beanspruchen konnten: Schwiegerkinder und Schwiegereltern. Handlungsgeuossen, A G.O. 1,49. § 16. N. 2. (.1. 21. 22. D. XLII, 1. 1. 15. §. 2. 1. 17. pr. D. XXV, 3. u. N. 5. (1. 63. D. XVII, 2. § 38. J. IV, 6.). Da« gemeine Recht giebt den Geschwistern keine Kompetenz, obschon die 1. 63. D. XVII, 2. dasür geltend gemacht worden. Unterh. S. 385. Note h. Vangerow I. S. 333.

§.110.

a. Die Rechtswohllhat der Kompetenz.

741

absteigender Linie, voll- und halbbürtige Geschwister, den Ehegatten „wäh­

rend der Ehe" ’).

Voraussetzung ist, daß ein solcher Gläubiger nicht selbst

den nöthigen Unterhalt entbehrt, und daß der Schuldner nicht auf andere Art sich den Unterhalt zu erwerben vermag').

Diesem Kompetenzan­

spruch kann der Schuldner in Voraus entsagen **°) und der Gläubiger

darf den Ausfall nicht vom Bürgen fordern “).

Stehen dem Schuldner

mehrere Gläubiger gegenüber, die sich zu ihm in einem der angegebenen

persönlichen Verhältnisse befinden, so muß der zunächst zur Alimentation gesetzlich verpflichtete Gläubiger die Kompetenz bewilligen, den in späterer Reihe dazu Verpflichteten bleibt ihre Forderung auf den Ueberrest des

Vermögens unverkürzt “).

Die bewilligte Kompetenz darf von anderen

Gläubigern, die zum Schuldner nicht in einem solchen persönlichen Ver­

hältniß stehen, nicht angegriffen werden ").

2. Wenn nicht die Rücksicht auf die Lage des Schuldners bei Zu­

wendung der Kompetenz allein entscheidet, vielmehr das Interesse der Gläubiger oder die Rücksicht für das öffentliche Wohl mitwirkt, so müssen sich alle Gläubiger dieselbe gefallen lassen, auch wenn ihnen selbst der Unterhalt fehlt"), der Bürge vertritt aber den Ausfall"). Hierher ge­

hören: a. Wenn der Schuldner fortlaufende Einkünfte") aus Stiftungen

oder durch die Fürsorge und Freigebigkeit ") Dritter bezieht und er sich

’) ß. 435. Konk Ordn. Die Beschränkung der Kompelenz der Ehegatten auf die Zeit während der Ehe Halle die A.G.O. nicht. In der gemeinrechtlichen PrariS wird die Kompelenz auch nach getrennter Ehe bewilligt. Blätter f R Anw. B. 2. S. 389. B. 12. S. 401. 1. 20. D. XLII, 1. tz. 37.'J. IV, 6. 1. 12. 13. 21. 32. D. XXIV, 3. 1. 8. C. V, 18. Unter». I. S. 382. Note 1. *) §. 435. Konk.Ordn. 10) Goltdammer S. 542. bei Nr. 3. Koch, R. d. F. I. S. 434 f. will auch hier die Entsagung nicht zulassen, weil es gegen die gute Sitte sei, daß man durch Verwandschaft verbundenen Personen den Unterhalt entziehe. Aber von einem Entziehen ist wohl nicht die Rede und die allgemeinen Rechtsgrundsätze wider­ sprechen nicht einer freiwilligen Entsagung. Die A.G.O. I, 49. §. 17. c. ließ nur ausdrückliche Entsagung zu; dieser §. ist aufgehoben. “) §. 281. I, 14. u) Nach der Reihenfolge in §. 14. 15. II, 3. Goltdammer S. 544. oben. 18) Goltdammer S. 544. Nr. 7. motivirt dies dadurch, daß die bewilligte Kom­ petenz den Charakter freigebig bewilligter Einkünfte habe und daher unter §. 434. Konk.O. falle. Koch, R. d. F. I. S 443. weist eS aus der gemeinrechtlichen Praxis nach. Dafür spricht auch A.G.B. §. 21. I, 29. ") Die s. g. absolute Kompetenz. §. 434. Konk O. enthält diese Beschränkung nicht, wie §. 435. Mit Unrecht nimmt Koch, R. d. Ford. I. S. 445. IX, c. die Be­ schränkung als allgemein an. 16) §. 282. I, 14. 16) Fortlaufende Einkünfte sind nicht bloß Renten, sondern auch Zinsen eines Kapi­ tals, das der Substanz nach nicht zur Disposition des Gläubigers oder Schuld­ ners steht. Strieth B. 33. S. 18. a. 17) Freigebigkeit durch Testament auch gegen Pflichttheilsberechtigte. Strieth. B. 39.

Zweites Buch.

742

Die besonderen Privatrechte.

sonst seinen ausreichenden Unterhalt n$t erwerben kann ").

DaS Inter­

esse der Gläubiger selbst ist der bestimmende Grund, wie die A.G.O. sich auSdrückt:

„da ihr eigenes Interesse erfordert, daß der Schuldner am

Leben bleibe und sie also auch für seinen nothdürftigen Unterhalt sorgen müssen" "). Die Einkünfte müssen an die Lebenszeit deS Schnldners ge­ bunden sein, und ihm unveräußerlich zustehen; ausgeschlossen sind aus­ drücklich solche, die er durch einen lästigen Vertrag erworben20 * *).* * Er * * kann

in diesem Fall der Kompetenz entsagen21).

Mehreren Gläubigern gegen­

über wird die Kompetenz vorweg abgezogen; in den Ueberschuß konkurriren sie nach ihren gesetzlichen Vorrechten 22). b. Wenn der Schuldner im Militair-, im mittelbaren oder unmittelbaren Civildienst des Staates oder

im Dienst der Kirche Besoldungen, Wartegelder, Pensionen oder sonstige

Diensteinkünfte bezieht, und kein anderweitiges Vermögen zur Befriedigung des Gläubigers besitzt, so hat er gegen alle Gläubiger den Anspruch auf Kompetenz, und zwar, weil die Begünstigung im öffentlichen Interesse ge­ währt wird, ohne die Befugniß zur Entsagung und ohne daß der Bürge In Betreff der Civil- und Militairbeamten ist

dadurch befreit wird,3).

der Betrag der Kompetenz gesetzlich fixirt — sonst ist er in diesen Fällen, wie in allen anderen, vom Richter nach billigem Ermessen zu bestimmen *4). Zum Nachtheil dieser Kompetenz kann nicht kompensirt werden23).* *

3. Den Anspruch auf den nothdürftigen Unterhalt oder auf standesund Kinder, die fremdes

mäßige Erziehung haben Wahn-, Blödsinnige

Vermögen beschädigt haben, gegen den Beschädiger, der insoweit seine Ent­ schädigungsforderung aufgeben muß 26). Die Wirkung der Kompetenz ist, daß die Forderung des Gläubigers

durch sie beschränkt, ihre Geltendmachung suspendirt wird — sie besteht S. 19. b. Dagegen ist eS nicht Freigebigkeit, wenn der Dritte nicht aus dem eig­ nen Vermögen hingiebt. Strielh. B. 42. S. 121. *’) § 434. Konk.Ordn. Das s. g benef. comp. ex jure tertii, dessen Zulässigkeit im gemeinen Recht bestritten wird. Vangerow I. S. 334. a. E. De lege fe­ renda ist seine Nothwendigkeit nicht zuzugeben. ") A.G.O. I, 49. §.27. Vergl. die Motive bei Goltdammer S. 541.

20) Nach der A.G.O. waren die durch lästigen Vertrag erworbenen Einkünfte nicht ausgeschlossen, (I, 49. §. 27 f.). Die Beschränkung erschien nothwendig, um den Schuldner zu verhindern, durch willkürliche Verwandlung seines Vermögens in Renten die Gläubiger zu benachtheiligen. Goltdammer S. 542. oben bei Nr. 2. 5I) Goltdammer S. 542. oben bei Nr. 3.

”) Goltdammer S. 543. unten bei Nr. 6. ,s) A.G.O. 1,24. §. 108., die Anh. §§. 160. 161. 162. 163. und die Ergänzungen zu diesen §§. M) Anh. §. 165. Koch, R. d. F. I. S. 451 ff. «) Entsch. B. 9. S. 435. Koch, Beurth. S. 660 s. Das O.Trib. hat die Rücksicht aus das benef. in seiner Begründung nicht hervorgehoben. M) I, 6. §. 43. ©. hierüber oben §. 90. bei Note 27. S. 333.

§. 110.

a. Die NechtSwohlthat der Kompetenz.

743

nicht, wie Koch annimmt, als Naturalobligation fort”). — In der Per­

son des Schuldners ist die Kompetenz nicht vererblich und nicht veräußer­ lich 38) — sein Anspruch darauf muß aber auch vom Erben oder Cessionar

des Gläubigers anerkannt werden, wenngleich dieser Rechtsnachfolger in dem Fall 1. nicht zu den dort genannten Personen gehört"). — Im ge­

meinen Recht begründet die Kompetenz eine Einrede gegen die Klage oder Vollstrecknng des Urtheils 30 * *), 31 * * 32 im * * ** **preußischen * * * 28 * Recht wird sie auch durch selbständigen Antrag des Schuldners geltend gemacht"). — Die Kompe­ tenz hört auf, wenn die Vermögenslage des Schuldners sich bessert82),

wenn er in den Stand kommt, sich anderweitig Erwerb zu verschaffen88),

wenn der Gläubiger in Vermögensverfall geräth nnd zn den Personen gehört, die der Schuldner zn alimentiren gesetzlich verpflichtet wäre88), endlich wenn der Schuldner stirbt35). — Ausgeschlossen ist die Rechts­ wohlthat für den arglistigen Schuldner 36)', bei Forderungen aus uner­

laubten Handlungen 37)38und auf laufende Alimente38). ”) Koch, R. d. F I. S. 431 : „Man muß annebmen, baß eine Naturalobligation übrig bleibt, welche mit der Verbesserung der Bermögensumstände des Schuldners wieder in eine Civilobligation übergebt;'* und S- 439.: „Das beneücium suSpendirt die Civilobligation/' Beides widerspricht sich, letzteres ist das Richtige. Die Naturalobligation besteht darin, daß sie keine Klage aber eine Einrede giebt, nicht darin, daß sie nach gehobenem Hinderniß wieder in die alte Civilobligation „über­ gebt". Auch nach gemeinem Recht kann diese Auffassung nicht gebilligt werden, denn ans den Rest hat der Gläubiger noch seine actio Savigu y, Obl. R. I. S. 105. Schwanert, Naturalobl. S 438. N.52. Ulmmt Naturalobligation an,weil auf den Rest die Obligation klaglos geworden, da die actio auf das Ganze durch die LitiSkontestation konsumirt ist. Dieser Grund ist für daS heutige Recht unrichtig. 28) Koch, R. d. F. I. S. 432 1. 12. 13. D. XXIV, 3. 1. 24. §. 1. 1. 25. D. XLII.l. 26) 1. 27. D. XXIV, 3. Bergl. A.G.O. I, 49. §. 17. Die Kouk Ordn. sagt eS nicht ausdrücklich, aber eS versteht sich Don, selbst, ,,da der Ursprung deS Schuldver­ hältnisses entscheidend ist." Goltd ammer S. 543. Nr. 4. 30) 1. 17. §. 1. D. XXIV, 3. 1. 7. Pr. D XLIV, 1. Seusfert Arch. I. Nr. 395. II. Nr. 248. XII. Nr. 111. Das Gezahlte kann deßhalb auch nicht zurückgefordert werden. 31) §• 436. Konk.Ordn. DaS Gericht entscheidet im schleunigen Prozeß nach billigem Ermessen. 32) 8 437. Konk. O. Zweifelhaft, ob sich dieser Satz auch auf die absolute Kompe­ tenz bezieht. Nach §. 28. I, 49. G O. scheint es nach älterem Recht bejaht wer­ den zu müssen. Dagegen Koch, R. d. F. I. S. 346. 83) §. 434 435. K.O. Wegen der absoluten Kompetenz s. vorige Note. S4) 8. 435. K.O. 35) Weil sie nicht vererblich ist. A.G.O. I, 49. §. 23. 36) 1. 4. § 2. D. XIV, 5. 1 22. §. 1. D. XLII, 1. Nach älterem preuß. R. A.G.O. I, 49. §. 17. 23. verh. mit §. 4. I, 48. konnte nnr der Schuldner auf die Wohl­ that Anspruch machen, der derselben würdig. Nach I, 49. §. 31. wurde aber die Unwürdigkeit bei der Kompetenz im Interesse Dritter ober des Staats nicht be­ rücksichtigt. Der heutige Rechtszustand ist trotz der Aufhebung der cessio bonorum (§ 4. I, 48.) derselbe geblieben. Koch, R. d F. I. S. 433. 37) 1. 4. §. 2. D. XIV, 5. 1. 52. D. XLII, 1. 1. 21. §. 6. D. XXV, 2. Nach preußi­ schem Recht auch bei der absoluten Kompetenz: Anhang §. 169. zu §. 108. I. 24. A G.O. 38) Anh. §. 168. zu §. 108. I, 24. A.G O., allo auch in den Fällen absoluter Kom­ petenz. Bergl noch Kab Ordre v. 8. März 1835. Ergänzungen. — Wegen laufender öffentlicher Abgaben s. Anh. §. 170.

Zweites Buch.

744

b.

Die besonderen Privatrechte.

Die Konkurrenz mehrerer Gläubiger.

Konk.Ordn. v. 8. Mai 1855. — Koch, R. d. F. B. 1. S. 475—690. Wentzel und Klose, die pr. Konk.Ordn. 1855. Koch, die preuß. Konk.Ordn., herausgegeben mit Komment. ;1855. R. Simon, Grundsätze des neuen pr. Konk.R. 1856.

2. A. 1859. Hessler, preuß. Civilprozeß. 1856. S. 383 fg. Goltdamme r, Komment, u. vollst. Materialien zur Konk Ordn. 2. A. 1858. (1. A. 1855 anonym). Makower, Studien z. Konk.Ordn. 1861. — Dabelow, aussiihrl. Entw. d. Lehre v. d. Gläubiger 2. A. 1801. Schweppe, System des Konk. 1. A. 1812. 3. A. 1829. Puchta, über den Konk.Proz. 1827. Mittermaier, der gem. deutsche bürgerliche Proz. 3. Beitr. 2. A. 1832. S. 214fg. Bayer, Theorie des Konk.Proz. 1836. 2. Abdr. 1842. 4. A. 1850. Günther, Art.Konkurs im Rechts­ lexikon B. 2. S. 776. 1844. (Auch besonders abgedruckt. 2. A. 1852). Fuchs, das Konk. Verfahren. 1863. Un ter holzn er I. S. 389. Vangerow HI. S.242. Arndts S. 362. Sintenis II. S. 222. Seuffert II. S. 56. Keller S. 511.

§. 111.

I. Begriff und allgemeine Voraussetzungen des Konkurses.

Auf den Unterschied von Kollision schon hingewiesen worden ’).

und Konkurrenz der Rechte ist

Während bei ersterer mehrere Berechtigungen

auf dasselbe Objekt gerichtet gegeneinander wirken und deßhalb eine der

andern weichen muß, bestehen bei der Konkurrenz mehrere Berechtigungen nebeneinander. Wenn aber im letzteren Fall diese mehreren Berechti­ gungen verschiedener Personen gegen denselben Schuldner ihre Befriedi­

gung aus dessen Vermögen nicht vollständig erlangen können, so geht die

Konkurrenz in eine Kollision über, weil die Ausübung des einen Rechts durch die des andern gehindert oder eingeschränkt wird.

Hier entsteht die

Frage: wie soll daS unzureichende Vermögen unter die mehreren Gläubi­

ger vertheilt werden?

Wo die eine Forderung ein Vorrecht vor der an­

deren hat, sind Regeln nothwendig über die Reihenfolge der Befriedigung. Wo die Forderungen gleichberechtigte sind, tritt das Bedürfniß nach einer verhältnißmäßigen Befriedigung hervor. Die Grundsätze hierüber, die sehr umfangreich in der deutschen Praxis entwickelt') und in den neueren Lan-

*) Oben S. 79 fg. s) Bis in das 16. und 17. Jahrh, kannte man in Deutschland einen eigentlichen KvnkurSprozcß noch nicht. DaS Vermögen eines insolventen und flüchtigen Schuldners wurde gerichilich in Beschlag genommen, nach einer bestimmten Zeit gericht­ lich versteigert und der Erlös unter die Gläubiger, die sich gemeldet hatten, ver­ theilt. Dann mischte sich dieses Arrestverfahren mit den in der italienischen Praxis, namentlich in den Statuten oberitalischer Städte entwickelten, zum Theil an daS römische Recht angeknüpsten Grundsätzen, und aus dieser Mischung ist daS heutige gemeinrechtliche Konkursrecht erwachsen. Aus dem röm. R. wurden insbesondere die cessio bonorum, die Vorrechte übernommen, aus dem italienischen Verfahren die öffentliche Ladung der Gläubiger mit der Präklusion, die nachtheiligen Wir-

§. 111.

I. Begriff und allgemeine Voraussetzungen deS Konkurses.

745

deSgesetzgebungen ’) näher festgestellt worden, bilden das Konkursrecht, wel­ ches der Betrachtung eine doppelte Seite darbietet: das materielle Kon­

kursrecht umfaßt die Regeln von den Einwirkungen der Unzulänglichkeit eines verschuldeten Vermögens auf die Forderungen, namentlich also be­ antwortet es die Fragen: wann ist das Vermögen unzulänglich, welche

Rechte erwerben die mehreren Gläubiger auf dieses Vermögen, wie weit,

in welcher Ordnung können sie aus ihm ihre Befriedigung erlangen, in welches rechtliche Verhältniß kommen dadurch die Gläubiger zu einander, zum gemeinsamen Schuldner, zu dritten Personen.

Das formelle Kon­

kursrecht dagegen bestimmt den Gang des Verfahrens nach seiner pro­

zessualischen Seite, giebt die Mittel und Wege an, wie der Bestand deS Vermögens aktiv und passiv festzustellen, wie dasselbe zu verwalten, unter

die Gläubiger zu vertheilen.

Hierher gehört die Lehre vom materiellen

Konkursrecht, welches nicht zu verwechseln ist mit dem s. g. materiellen

oder imminenten Konkurse"), worunter der der Eröffnung deS formellen

Konkurses vorausgehende verstanden wird.

thatsächliche

Zustand

des VermögenSverfalleS

Die neuere Doktrin hat mit Recht die Eintheilung und

den Gegensatz vom materiellen und formellen Konkurs, sofern er ver­ schiedene Arten desselben bezeichnen soll und verschiedene Wirkungen daran geknüpft werden, als unlogisch und juristisch bedeutungslos zurückgewiesen5*).* 7* * Eigenthümlich dem deutschen Konkursrecht ist der universelle Cha­ rakter '), d. h. der Konkurs ergreift das ganze Vermögen des Schuldners, jeder Gläubiger desselben ist verpflichtet, sich in denselben einznlassen und nur im Konkursverfahren seine Befriedigung zu erwarten. Daraus folgt:

a. das gesammte Vermögen des Schuldners wird als eine Masse be­ trachtet.

Die preußische Konkursordnung sagt ’):

der Konkurs erstreckt

sich auf das ganze, der Exekution unterworfene Vermögen, welches der

•)

*)

5)

•)

hingen gegen den Gemeinschuldner, die Form und Grundsätze von der Berwaltung der Masse. Deulschrechllich blieb der universelle Charakter des Konkurses. Bgl. Fuchs a. a. O. ®. 22fg. Goltdammer §. 1.2. S. 1—4. Ueber das ältere preuß. KonknrSr. Goltdammer S.4s. Die erste umfassende Gesetzgebung war die allgem. Hypolh. und Konkurs-Ordnung v. 4. Febr 1722. (Mylius II. 1. S. 646. II, 2. S. 103.', dann Corpus jur. Frideric. I, 2. Tit. 26. 1,4. Tit. 12. Daran« 1,50. A G.O., an bereit Stelle die neue Konk.Ord. v. 8. Mai 1855, getreten. Die Grundlage süc das preußische materielle KonkurSrecht ist wesentlich noch das gemeinrechtliche; die französische Gesetzgebung (.Code de Commerce v. 1807 art. 437 fg. und Ges. v. 28. Diät 1838) Hal dagegen viel­ fach das Vorbild für das formelle Konkursrecht gegeben. S. auch Koch, R.d.F. I. S. 485. Ueber andere Landesgesetzgebungen: Goltdammer S. 39 f. Wie dies von Koch a. a. O. S. 478. geschieht („der materielle Konkurs oder das f. g. Konkursrecht gehört hierher"). Zuerst ausgestellt von, Schaumburg, princ. prax. jurid. jud. II. c. 8. §. 1. Gründlich angegriffen und widerlegt von Gönner, Handb. des deutschen gern. Pro;. IV, 82. §. 16f. Seitdem ausgegeben. Bayer §.20. Fuchs S. 1. K.O. §. l.

7) Bayer §. 21.

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

746

Gemeinschuldner zur Zeit der Eröffnung des Konkurses besitzt oder wäh­ rend der Dauer des Konkurses erlangt. Damit ist eine gemeinrechtliche Streitfrage entschieden °), und die Bestimmung des älteren preußischen

Rechts ’),

welches vom Konkurs das während seiner Dauer erworbene

Vermögen nicht ergreifen ließ, erweitert.

So gehört jetzt z. B. die wäh­

rend des Konkurses dem Gemeinschuldner angefallene Erbschaft zur Masse.

Ausgeschlossen aber sind diejenigen Vermögenstheile, welche der Exekution nicht unterworfen werden dürfen *e*•) ), und der Vermögenserwerb, den der Schuldner

nach Beendigung des Konkurses

erlangt").

b.

Sämmt­

liche Gläubiger müssen im Konkurse ihre Ansprüche geltend machen. Außer und neben dem Konkurse ist es ihnen nicht mehr gestattet. Deß­ halb hören mit der Eröffnung desselben alle einzelneu Prozesse ") gegen den Schuldner, alle besonderen Zwangsvollstreckungen gegen ihn auf"). Neben der Regel des Universalkonkurses steht aber die Ausnahme

eines Partikular- oder Spezialkonkurses, der sich nur auf einen Theil des Vermögend beschränkt, und nur gewissen Gläubigern aus diesem

Theil Befriedigung verschaffen soll ").

Als Ausnahme ist er nur zulässig

in den vom Gesetz ausdrücklich bestiinmten Fällen, und diese sind: der ab­ gesonderte Konkurs über eine Erbschaft, die dem Schuldner vor Eröffnung des Konkurses angefallen, für die Gläubiger und Legatare derselben"); über die Grundstücke, Berg- und Hütteneigenthum, Seeschiffe und andere

zur Frachtschifffahrt bestimmte Schiffsgefäße, über verpfändete bewegliche Sachen für die Realgläubiger an diesen Gegenständen "); über das Ver­ mögen einer Handelsgesellschaft für deren Gläubiger");' über das inlän­ dische Vermögen eines ausländischen Schuldners für alle Gläubiger des­ selben ").

Die allgemeinsten Voraussetzungen für die Eröffnung des Konkurses

') Bayer §. 26. Fuchs S. 75, welche Beide sich dasltr erklären, daß der spätere Erwerb zur Konkursmasse zu ziehen. Aus der gemeinrechtlichen Praxis: Stuf« fett 8.6. Nr. 112. 118. B. 9. Nr. 238. B 10. Nr. 322 Heuser, Annalen B. 5. S. 593. Koch's Note 2. zu §. 1. der Konk.O. (Kommentar) und N. 17. S. 657. im R. d. F. sind versehlt. •) [email protected]. I, 50. § 33. 34. Wentzel u. Klose S. 69 s. Goltdammer S. 66f. *•) Wentzel u. Klose S. 71s. Goltdammer S. 67s., wo die einzelnen gesetz­ lichen Bestimmungen ausgesührt sind, welche einzelne VermögenSstülle von der Exekution ausgenommen haben. ") Ueber diese Ausschließung s. Goltdammer S. 69. a) K.O. §. 8.

*•) K.O. §. 9. “) K.O. §. 1. 16) Ä.D. §. 37.

“) K. O. §.31-34. ") K.O. §. 35. 286f. *) K.O. §. 292f. §.3.

§. 112.

II. Der Gemeinschuldner.

747

sind: Unzulänglichkeit des Vermögens und Andringen mehrerer Gläubiger auf dasselbe.

WaS erstere betrifft, so ist darunter zwar in der Regel der

Zustand zu verstehen, wo der Schuldner nicht ausreichende Mittel besitzt, um alle seine Gläubiger vollständig zu befriedigen (Insufficienz); nach

dem neuen Konkursrecht aber wird bei Handelsleuten, Schiffsrhedern und

Fabrikbesitzern auch schon der Zustand, wo sie nur verhindert sind zu zahlen und deßhalb ihre Zahlungen einstellen (Insolvenz), als Grund

zur Eröffnung des Konkurses angesehen ”).

Insolvenz aber ist nicht noth­

wendig ein Beweis vorhandener Insufficienz, indem sie schon eintreten kann, wenn der Schuldner nur zur Zeit zu erfüllen verhindert ist,0). Was die Mehrheit der Gläubiger betrifft, so ist hervorzuheben, daß

eine solche dann nicht anzunehmen, wenn ein Gläubiger die Forderungen der übrigen erworben, weil hier nur noch mehrere Forderungen, nicht aber mehrere Gläubiger konkurriren, und daß Gläubiger einer gemeinschaftlichen Forderung (aktive Korrealobligation) zwar nach gemeinem, nicht "aber nach

preußischem Recht als eine Mehrheit anzusehen sind, denn nach jenem kann jeder der Gesammtgläubiger die Forderung theilweiS einziehen, und diese zersplittert sich dann in mehrere, nach preußischem Recht aber müssen die

Korrealgläubiger die ganze Forderung gemeinschaftlich einklagen ”).

§. 112. ÄontDibn

II.

Der Gemeinschuldner.

§. 4—7. 199. 276. 280. — Koch, R. d. F. I. 687.

Für den Gemeinschuldner hat der Ausbruch des Konkurses persönliche und vermögensrechtliche Folgen. Die ersteren gehören dem Prozeß und öffentlichen Recht an ’), hier sind nur die letzteren zu erwähnen. „Mit

dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung verliert

der Gemeinschuldner von

Rechtswegen die Befugniß, sein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen"'); d. h. eS bleibt zwar sein Vermögen, er bleibt Eigenthümer, er trägt die Gefahr'), ohne neuen Er­

werbsakt nach Beendigung des Konkurses fällt das Vermögen, soweit eS noch vorhanden, an ihn zurück');

aber er verliert durch den Konkurs

«•) K.O. §. 113.322.

">) Wentzel u. Klose S. 36. 37. 21) Schweppe, 3. A. S. 49 Der römische Grundsatz nomina ipso jure divisa. Dagegen der des preußischen Rechts 1,5. §.450. S. oben §. 62. a. E. S. 320. und §. 63. S. 328. S. Register der Konk.Ordn. v. Gemeinschuldner. 8) K.O. §. 4. Strieth. B. 60. S. 292. 8) Bergl. Seufsert, Arch. B. 6. Nr. 304. 4) K.O. §. 199. „er erhält das VerwaltungS- und BerfügnngSrecht über sein Ver­ mögen zurück." §. 276. „wieder zur freien Verfügung überlassen." Wer annimmt,

748

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

Verwaltung und Verfügung und folgeweise den Besitz des Vermögens').

Alle Verfügungen und Rechtshandlungen, die nach der Eröffnung des Konkurses oder an dem Tage derselben vorgenommen, sind in Beziehung

auf die Gläubiger nichtig.

Er darf nicht mehr veräußern, zahlen, Ver­

pflichtungen übernehmen, nicht entsagen, nicht Zahlung empfangen, nicht mehr Prozesse über das Vermögen führen, wodurch der Vermögensbestand vermindert oder belastet würde6*).* * *Aber 5 er kann nach wie vor erwerben, nur daß der Erwerb während des Konkurses an die Masse fällt7).8

Der

spätere Erwerb bleibt ihm 6).

Auch über den Nachlaß eines Verstorbenen kann Konkurs eröffnet werden 9).10 *Der Erbe verliert hier die Verwaltung und Disposition'").

Der Gemeinschuldner kann eine juristische Person sein,

diese eine privatrechtliche Vermögensgesellschaft ist.

wenn

Juristische Personen

des öffentlichen Rechts sind dem Konkurs nicht unterworfen. Mit der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer juristischen Person hört diese selbst auf zu existiren — der Fall liegt dann wie bei dem Kon­ kurs über einen Nachlaß ohne Erben ").

Der Gemeinschuldner hat einen Anspruch auf Unterstützung zum Un­

terhalt für sich und seine Familie, die ihm auS seinem Vermögen gereicht werden muß, soweit er es nach der Konkurseröffnung erworben, die ihm aber auch auS dem älteren Vermögen ergänzt werden kann l2). Diese Unterstützung kann ihm nach Anhörung der Gläubiger während der Dauer

daß der Gemeinschuldner durch den Konkurs das Eigenthum an seinem Vermögen verliere, kann natürlich diesen Rückfall nicht erklären und eS ist eine ganz willkür­ liche Aushilfe, wenn Günther (Rechtslex. II, 814.) sagt, der Rückerwerb voll­ ziehe sich ipso jure, ohne daß diejenigen Förmlichkeiten (?) beobachtet werden, welche sonst bei Uebertragnng der Forderungsrechte oder des Eigenthums an Sachen nothwendig sind. 5) Nach gemein. R. verliert er die Detention, bleibt aber juristischer Besitzer. Fuchs S. 49. •) K. O. §. 5—8. Der Gemeinschuldner bleibt aber in Betreff seines nicht zur Kon­ kursmasse gehörigen Vermögens dispositionssähig. Strieth. B. 52. S. 5. Er kann nach Eröffnung des Konkurses einen Mietvertrag abschließen und daraus klagen und verklagt werden. Daselbst B. 41. S. 360. B. 47. S. 162.

7) K.O. §. 1. 162. 8) K O. §. 280. In Beziehung auf diesen Erwerb ist der Gemeinschuldner auch diSpositionsfähig. Strieth. B. 52. S. 5. An diesen späteren Erwerb können sich die nicht vollständig befriedigten Konkursgläubiger und die neuen Gläubiger „im gewöhnlichen Verfahren" halten. Ueber diesen nicht glücklich gewählten Aus­ druck stehe Koch., R. d. F. I. S. 688 f. („nicht befugt" Zeile 9. v. unten im Text S. 688. ist offenbar ein Druckfehler; es soll „befugt" heißen.) 9) K.O. §. 114. Nr. 2. §. 319f. Der Tod des Gemeinschuldners beseitigt auch nicht die Wirkungen der Konkurseröffnung. §. 13. 10) K.O. §. 14. ") Koch, R. d. F. I, 687. K.O. §. 281 f. 286f. Dazu Art. 32. des Einf.Ges.Z. HandelSges.B. Gesetz über Aktiengesellschaften v. 9. Novbr. 1843. §. 28. Nr. 5.

") K.O. §. 162.

§. 113.

a. Die eigentlichen Konkursgläubiger.

749

des Konkurses ein Jahr lang, aber nicht über den Konkurs hinaus fortge­ reicht werden"). — Die in §. 110. erörterte Rechtswohlthat der Kompe­

tenz wird dem Gemeinschuldner in den zulässigen Fällen und gegenüber

den dazu verpflichteten Gläubigern nicht entzogen u).

III. Z.113.

Die Gläubiger im Konkurse.

a. Die eigentlichen Konkursgläubiger.

Konk. Ordn. §. 2. 3. 4. Al. 2. §. 11. 15-21. 72—112. 549 s. 628. s. 624 f. 648. 650 f. 683 f.

Koch, R. d. F. I. S. 530 s.

Die Konkursmasse hat die Bestimmung, zur Befriedigung aller zur Zeit der Konkurseröffnung vorhandener Gläubiger des Gemeinschuldners

zu dienen *), aber nur die persönlichen Gläubiger desselben, d. h. die­ jenigen, die aus einem Schuldverhältniß einen vermögensrechtlichen An­

spruch an den Gemeinschuldner haben, sind verpflichtet, sich auf den Kon­ kurs einzulassen, sie sind die eigentlichen Konkursgläubigers, ohne

Unterscheidung von Ausländern und Inländern, soweit nicht das Retor­

sionsrecht eine Abweichung gebietet3*).2 4*67 Der Anspruch des Gläubigers muß aus einem vermögensrechtlichen, obligatorischen Grunde entspringens, auf eine Geldforderung zurück­ führbar3), er kann aber er

ein bedingter3) und betagter (noch nicht fällig)^),

muß an sich klagbar sein 8).

Gleichviel ist es, ob die Forde-

") K.O. 8. 224. 14) K.O. §. 434 sg.

‘) Konk.O. §. 1. 2) K-O. §. 2. Abs. 3. ES sind also auch diejenigen nicht Konkursgläubiger, welche von dem Gemeinschuldner eine an seine Person gebundene Leistung zu fordern haben. FuchS S. 33. Nr. 3. — Der in §. 8. der K. O. gebrauchte Ausdruck: Ansprüche, welche sich auf das zur Konkursmasse gehörende Vermögen beziehen, bedeutet: aus denjenigen Bestandtheilen des Vermögens befriedigt werden müssen, die die Konkursmasse bilden (§. 1.), ausgenommen sind die exekuiionSfrewn Gegen­ stände. Man kann Koch (R. d. F. I. S. 530 f.) zugeben, daß jener Ausdruck nicht ganz glücklich ist, aber sein Sinn ist unzweifelhaft und keinesfalls erscheint seine hier und an anderen Orlen gegen den um die preußische Justiz hochver­ dienten Berichterstatter der II. Kammer geübte animose Polemik, die überhaupt nicht in dieser Form in ein wissenschafilicheS Werk gehört, gerechtfertigt.

8) K.O. §. 3. Oben S. 62. 4) K O. §. 8. Koch a. a. O. S. 530. . 8) Denn die Konkursmasse gewährt nur Geldbesriedigung. auch §. 15. Abs. 3.

K.O. §. 239fg.

Vergl.

6) K.O. 8 231. 250. Die Bedingung darf nur nicht potestativ in der Person des Gemeinschuldners sein. Filchs S. 43. Notel. 7) K.O. §. 249. Ueber die Berechnung des Interusuriums hierbei s. die Kommentare zu diesem §. und oben §. 68. S. 382.

8) Der Anspruch muß als solcher zur Zeit der Konkurseröffnung vorhanden sein. K.O. §. 2. Abs. 1. Koch a. a. O. S. 532. Im gemeinen Recht sind Ansprüche aus Naturalobligationen ausgeschlossen.

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte,

750

rung gegen den Gemeinschuldner als Hauptschuldner oder als Bürgen ge­ richtet ist9).

Ob und in welches Rechtsverhältniß die Gläubiger unter sich, zum Gemeinschnldner, zu dritten Personen treten, ist vielfach streitig, und eS sind fast alle denkbaren Meinungen aufgestellt.

Universal- und Singular­

succession, Eigenthumserwerb, Stellvertretung, Pfandrecht sind als die

Rechtsgritnde vorgetragen worden, aus denen sich die Stellung der Gläu­ biger erklären lasse10).

Keine von allen diesen Meinungen ist ausreichend

haltbar — am meisten scheint dem ganzen Verhältniß die Annahme eines allgemeinen Pfandrechts zu entsprechen imb ans diesem Standpunkt befand sich das ältere preußische Konkursrecht nach der A.G.O. ")

Bei der Be­

rathung der neuen Konkursordnung hat man die „Einzwängung in eine bestimmte Rechtsform" abgewiesen, weil sie nur ein theoretischer Nothbe­ helf ohne praktischen Nutzen sei, und sich damit begnügt, den Konkurs als allgemeines Arrest- oder Exekutionsverfahren aufzufassen").

Allein wissen­

schaftliche Betrachtung kann hierbei doch nicht stehen bleiben, sie kann deS theoretischen Nothbehelfs nicht entrathen. Die Frage: auS welchem Rechts­ grunde erklären sich die Erscheinungen im Konkurse, daß die Gläubiger

als eine Gesammtheit

besondere Rechte

und

Pflichten in Betreff deS

Vermögens ihres Schuldners anszuüben haben, bedarf der Beantwortung, und diese giebt das Gesetz noch nicht in den Worten: „das BerwaltungS-

und Verfügnngsrecht wird durch die Gesammtheit der Konkursgläubiger (Gläubigerschaft) an Stelle des Gemeinschuldners auSgeübt" ”). Dies sind nur die äußeren Erscheinungen: die Gläubiger bilden eine Gesammtheit,

und diese Gesammtheit übt an Stelle des Schuldners daö VerwaltungSund Verfügungsrecht über sein Vermögen auS. Die Versuche, für das Recht der Gesammtheit der Gläubiger

eine Begründung zu finden, sind wesentlich deßhalb bisher vergeblich ge­ wesen, weil man davon ausging, daß ein Gläubigerkorps sich bilde und daß dieses als Gemeinschaft ein besonderes Recht auf das Vermögen be­

sitze. Aber dieser Ausgangspunkt ist für das gemeine deutsche Recht falsch. Nicht die Gläubiger, weder die einzelnen, noch die Gesammtheit,

«) Fuch« S.43. Bayer §.52. ,0) Universalsuccession nehmen an: Hommel Rhaps. quaest. obs. 193. Leyser, Medit. 173. 4.; 220., 6., Singularsuccession: GenSler, Archiv sür civil. Prax. II, 348, nnd zwar als eine Mischung von Gession, datio in solutum und mandatum in rem suam, Eigenthumserwerb: Günther im RechtSlex. II. S. 806fg. Stellvertretung: Schweppe §. 59., und zwar Repräsentation zum eignen Vortheil, in rem suam, Psandrecht: G. L. Böhmer, electa jur. civil, tom. I. exerc. XI. §. 4., von den Neueren Hesster, System des Civ.Proz. §.538.1. Bayer 8.29. “) A G.O. I, 50. §. 33. 12j Wentzel und Klose, Komment. S. 73. ») K.O. §. 4. Abs. 2.

§. 113.

a. Die eigentlichen Konkursgläubiger.

751

die sich ja überhaupt erst allmälig während des Konkurses bilden kann, also grade im entscheidenden Anfang noch nicht vorhanden ist, entziehen dem Schuldner die Disposition und übernehmen sie aus irgend einem eignen

Rechte, sondern das Gericht entzieht dem Schuldner Verwaltung und

Verfügung, das Gericht übernimmt beides, ernennt die ihm dazu nöthigen Organe (Kurator, Kontradiktor), läßt bei sich die Ansprüche der Gläubiger begründen und vertheilt die Masse.

Die einzelnen Gläubiger haben auf

die Masse kein anderes Recht, als aus ihr verhältnißmäßig befriedigt zu werden, und nur, weil sie ein großes thatsächliches Interesse daran haben,

daß von Seiten des Gerichts alles geschehe, was nöthig ist, um die Maste möglichst ausreichend zu machen und die Befriedigung aus ihr gesetzlich

zu ermöglichen, werden sie bei einzelnen wichtigeren Momenten des Ver­ fahrens vom Gericht gehört. Aber immer hat dieses die Entscheidung. Weil das Gericht das Vermögen besitzt, verwaltet, vertheilt, weil der Kura­ tor und Kontradiktor seine Organe, nicht die der Gläubiger sind, so fällt

aller Grund weg, letztere als eine den Schuldner aktiv repräsentirende

Gemeinschaft aufzufasten. Sie bleiben einzeln mit ihrem einzelnen Recht, und nur insofern kann man von einer Gemeinschaft unter ihnen — nicht nach außen — sprechen, als das Recht jedes einzelnen Gläubigers mit Rücksicht auf das Recht des andern Beschränkungen erleidet, denen er sich unterwerfen muß: es ist eine Gemeinschaft des Schicksals, nicht eine Ge­ meinschaft des Rechts "). Anders scheint eö nach preußischem Recht zu stehen.

Die A.G.O.

gab, wie schon erwähnt, den Gläubigern zusammen ein allgemeines Pfandrecht auf den Inbegriff des Vermögens"). Aus diesem Recht der Gesammtheit folgte, daß sie durch das Gericht das Vermögen ver­

waltete, daß der Kurator und der Kontradiktor die Gläubigerschaft aktiv Die neue Konkursordnung erwähnt nicht daS

und passiv vertraten ").

Pfandrecht, aber sie faßt auch die Gläubiger zu einer Gesammtheit, der Gläubigerschaft, zusammen, überträgt dieser Gesammtheit die Aus­ übung des Berwaltungs- und Verfügungsrechts an Stelle des Schuld­ ners, und macht den Verwalter zu ihrem Organ.

Die erste Frage ist, wie ist diese Gesammtheit juristisch aufzufassen; daran knüpft sich die zweite nach ihren Befugnissen.

Erst dann wird sich

die dritte nach dem Rechtsgrund dieser Befugnisse beantworten lassen.

1. Die Gläubigerschaft wird gebildet von allen eigentlichen Konkurs­ gläubigern; ihre Zahl wird durch Präklusion nicht mehr, wie nach älterem Recht abgeschlossen, vielmehr ist der Zutritt neuer Mitglieder während der ") Siehe hierüber Les. Fuchs S.45. und Schütze in der Zeitschr. s. Liv.R. u. Proz. N. F. B. 19. S. 332. «) A.G.O. I, 50. §. 33.

*•) A.G.O. I, 50. §. 66. 67. Les. §. 78.

752

Zweite« Buch. Die besonderen Privatrechte.

Dauer deS Konkurses mit der natürlichen Beschränkung gestattet, daß der später hinzutretende Gläubiger

gelten lassen muß 17).

das bisher Verhandelte und Geschehene

Ihr Organ ist der Verwalter und der auS zwei

oder drei Personen bestehende Verwaltungsrath *8). Aber die Einwirkung der Gläubigerschaft auf die Bestellung dieser Organe ist eine sehr geringe.

Den einstweiligen Verwalter ernennt das Gericht bei der Eröffnung des Konkurses in Vertretung der Gläubigerschaft, die sich erst noch bilden soll"), bei der Bestellung des definitiven Verwalters und deS VerwaltungS-

raths hat die Gläubkgerschaft nur ein Vorschlagsrecht, das Gericht er­ nennt '"). Durch den Verwalter und den ihm zur Seite stehenden Rath

wird unter Aufsicht des Gerichts alles Weitere besorgt ").

Die Glänbi-

gerschaft als solche tritt im Uebrigen handelnd oder Beschlüsse fassend

nicht auf — zu thätigem Leben kommt sie nur noch einmal, wenn eS sich darum handelt, den Konkurs durch Akkord zu beendigen. Hier beschließt sie mit rechtsverbindlicher Kraft auch gegen widersprechende oder abwesende Gläubiger durch eine Mehrheit, welche nach dem Betrage der einzelnen

Forderungen ermittelt wird “).

Der Verwalter und der Berwaltungsrath wird im Gesetz aber nicht bloß als Vertreter der Glänbigerschaft, sondern auch als Vertreter der Masse78) bezeichnet. In letzterer Eigenschaft vertritt er daS Interesse der Masse, d. h. ihres Eigenthüiners, des Schuldners "), gegen die ein­

zelnen Gläubiger, und hieraus folgt, daß die Gläubigerschaft den Schuld­

ner nur in Betreff seines Aktivvermögens, der Verwalter aber ihn in Be­ treff seines Passivvermögens vertritt. Im Wesentlichen revnzirt sich also die Existenz der Gläubigerschaft

als einer Gesammtheit auf das Vorschlagsrecht für die Personen der Ver­

waltung, nnd dies allein nimmt der Frage, unter welcher Kategorie von

Gesammtheiten sie einzureihen, fast alle Bedeutung. Es ist der richtige gemeinrechtliche Staiidpunkt, wonach die Gläubiger keine Gemeinschaft bil­ den, fast nur zum Schein, mehr mit Worten als in der That aufgegeben. Eine juristische Person ist nach dem Dargelegten die Gläubigerschaft gewiß nicht, auch keine Gesellschaft"). Koch'8) bezeichnet sie als Ge”) K.O. §. 254. 18) §. 131. 215. 217. K.O. 8128. 4*°)* *K.O. §. 213. 41) K.O. §. 220sg. “) K.O. §. 181. vorbehaltlich der Bestätigung durch Erkenntniß. §. 190.f. 4°) K.O. ß. 131. 215. **) Makowcr, Snidien S. 99. 4ä) Hierzu sehlt insbesondere die vertragsmäßige Konstitnirung, die Gemeinschaftlichkeit des Zwecks, da jeder Gläubiger doch sein besonderes Interesse verfolgt. Auch unter den GesichtSpunki der communio kann das Verhältniß nicht gebracht werden, bcnu einerseits wird nicht die Regel potiorem esse causam prohibentis (1. 28. D.X,3.) angewendet, andererseits ist sie nicht zufällig entstanden (c. incidens), da die Theilnahme von dem freiwilligen Beitritt des einzelnen Gläubigers abhängt. 4») Koch, R. d. F. I. S. 656. 683.

§. 113.

a. Die eigentlichen Konkursgläubiger.

753

noffenfchaft eigenthümlicher Art, in welcher eigentlich die universitas juris, nämlich der Vermögensinbegriff der Konkursmasse sich verkörpere.

Golt-

bammer ,7) sieht in ihr eine universitas, bei welcher der Einzelne den

Beschlüssen der Mehrheit unterworfen sei.

Aber weder ist eine Genossen­

schaft, wie sie Koch annimmt, ein bestimmter Begriff, noch ist eS richtig, daß der Einzelne unter den Beschlüssen der Mehrheit steht (mit alleiniger Ausnahme beim Akkorde).

Die Gläubigerschaft ist, wie Makower richtig

sagt, „nichts weiter, als eine Mehrheit von Personen, welche ein bestimm­

tes Recht auf einen bestimmten Komplex von Sachen ausübt" ”), nichts weiter als ein anderer Ausdruck für Konkursgläubiger, und es muß durch­

aus abgewiesen werden, sie als eine Personeneinheit irgend welcher Art aufzufassen. 2. Diese s. g. Gläubigerschaft (oder vielmehr die Konkursgläubiger)

schließt den Gemeinschuldner, soweit eS der Zweck des Konkursverfahrens nothwendig macht, ganz aus von der Verwaltung und Verfügung über

sein Vermögen, dergestalt, daß von dem Moment an, wo jene Stellver­ tretung begonnen, d. h. von der Eröffnung des Konkurses, jede Rechts­ handlung desselben gegenüber den Gläubigern und in Beziehung auf die

Konkursmasse nichtig ist ”).

Dieses VerwaltungS- und Verfügungsrecht

äußert sich insbesondere in Betreff der schon schwebenden Rechtsverhält­

nisse, welche abgewlckelt werden müssen, also der Geschäfte und Prozesse in folgender Art. a. Die vom Gemeinschuldner vorher schon

erfüllten

Rechtsge­

schäfte gehen auf die s. g. Gläubigerschaft über, sie hat die Gegenleistung zu fordern 30 * *).** * Aber da sie nur nach der aktiven Seite die Stelle des Schuldners vertritt, so ist sie aus dessen Geschäften zur Gegenleistung Berechtigt dagegen, nicht verpflichtet ist sie, beiderseitig noch unerfüllte Geschäfte zu übernehmen33). Nicht berechtigt

weder berechtigt, noch verpflichtet3').

oder verpflichtet ist sie, Kauf- und Lieferungsgeschäfte über fungible Sachen, welche einen marktgängigen Preis haben, oder über geldwerthe Papiere zir er­ füllen oder ihre Erfüllung zu verlangen ”).

Das Rechtsverhältniß des Ge-

meinschnldnerS als Miethers oder Pächters wird von ihr mit der Befugniß

fortgesetzt, eS noch vor Ablauf der festgesetzten Miethsperiode, jedoch unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfrist, aufzulösen. Bei Pachtungen können die Gläubigerschaft und der Verpächter nach Ablauf des WirthschaftSjahreS *’) ”) ") -«) •*) 31) 33_)

Goltdammer, Kommentar S. 77. Makower, Studien S. 96. K. O. §. 5. K. O. §. 15. Abs. 1. K. O. §. 15. Abs. 2. K. O. §. 16. K. O. §. 17. Es findet nur ein Anspruch aus Entschädigung statt. Ueber die Berechnung derselben vgl. da« Gesetz vom 12. März 1869. §. 17. (Ges.S. S. 453.). Joho w, die pr. K.O. in ihrer heutigen Gestalt. S. 41.

Förster, Preiiß. Privatr-cht. I. r. Aast.

Zweite» Buch.

754

Die besonderen Privatrechte.

und mit gleicher Beachtung der gesetzlichen Kündigung zurücktreten. Bei dem Rechtsverhältniß des Gemeinschuldners als Vermiethers oder Ver­

pächters tritt die Gläubigerschaft lediglich an die Stelle desselben, aber bei

freiwilliger Veräußerung der Sache bricht Kauf Miethe, wie bei nothwen­ digem Verkauf'4).

Inwiefern andere Rechtsgeschäfte, die der Gemein­

schuldner schon vorher abgeschlossen, und deren Wirkungen fortdauern, der Gläubigerschaft gegenüber bestehen bleiben, soll von den allgemeinen Grund­

sätzen über die Erfüllung der Verträge abhängen.

Dabei tritt aber be­

schränkend die Rücksicht auf den Zweck des Konkurses hervor, nämlich, daß der Versilberung und Vertheilung der Masse kein dauerndes Hinder­ niß sich entgegenstelles5).

Wo durch den Konkurs ein Rechtsgeschäft aufgehoben wird, geschieht dies unter dem Gesichtspunkt, daß der Konkurs ein verändernder Umstand ist").

Der andere Kontrahent wird mit seinen Entschädigungsansprüchen

Konkursgläubiger ").

b. Prozesse, in denen der Gemeinschuldner Kläger ist, übernimmt die Gläubigerschaft in der Lage, in der sie sich befinden;

sie kann sie

fallen lassen, sie hat die Rechtsmittel einzulegen und wird hier durch den Verwalter vertreten"). Prozesse, in denen der Gemeinschuldner Be­

klagter ist,

und die auf einen obligatorischen Anspruch sich gründen,

hören durch den Konkurs auf, selbst wenn sie sich schon in der ExekntionSinstanz befinden. Die Kläger müssen im Konkurs liquidiren "). Aber Prozesse über dingliche Ansprüche auf die Masse und auf Absonderungen

aus derselben führt die Gläubigerschaft als Beklagte, in Vertretung des Gemeinschuldners40), und wird auch hierbei durch den Verwalter vertreten. Sie vertheidigt in solchen Prozessen den Bestand des Aktivvermögens.

Ebenso vertheidigt sie dieses, wenn sie im Wege der Klage oder Einrede Endlich aber kann sie ver­

Rechtshandlungen des Schuldners anficht4').

möge ihres Verwaltungs- und Verfügungsrechts neue Verbindlichkeiten für

die Masse eingehen, Rechte für dieselbe erwerben. In den aus solchen Rechtsgeschäften entspringenden Streitigkeiten ist sie Klägerin oder Beklagte, den Schuldner vertretend, durch den Verwalter vertreten 4a). — Wo sie **) K.O. §. 18. Auch nach gemeinem Recht löst der Kontur» die Pachtverträge nicht aus. Bayer §.31. Fuchs S.6ls. ”) K.O. §. 19. •’) S. oben §. 87. I. a. S. 500. ") K.O. §. 21. ••) K.O. §. 8. Abs. 2. 3. Koch S. 659. 1866. S. 235. ") K.O. §. 8. Abs. 1. §. 9. ««) Koch S. 675. “) S. oben §. 88. a. E. S. 519.

") Gegen die s. g. Massegläubiger.

R. Koch in der deutschen Gericht-zeitung.

Koch S. 675.

§. 113.

a. Die eigentlichen KonlnrSglLnbiger.

als Beklagte auftritt, stehen ihr die Einreden des Schuldners zu;

755

wo

sie Klägerin ist, muß sie sich die Einreden entgegensetzen lassen, die gegen

den Schuldner zu gebrauchen sind43).

Ueber die Einrede der Kompen­

sation ist schon gehandelt 44).

Ob die Einrede der Retention durch den Konkurs beseitigt werde, ist streitig43). Die Gläubigerschaft kann sich der­ selben bedienen44).

Aber das A.L.R. schreibt vor: Ist Konkurs über das

Vermögen des Schuldners entstanden, so hört das Zurückbehaltungsrecht

auf, und der, welchem selbiges beigewohnt hat, erlangt dadurch vor ande­ ren Gläubigern keinen Vorzug*4’*),* d. h. er muß die Sache an die Masse zurückgeben und seine Forderung liquidiren.

Dadurch ist die Einrede der

Retention an die Masse nach preußischem Recht für unzulässig erklärt.

Nicht zu verwechseln damit aber ist die Befugniß eines Gläubigers, die Sache, die er auf Grund eines Vertrages leisten soll, so lange nicht zu leisten, bis er die vertragsmäßige Gegenleistung empfängt (§. 271.1, 5.) ").

Diese Befugniß behält er auch gegenüber den Gläubigern im Konkurse. Deßhalb also muß angenommen werden, daß gegen eine Vindikation der Konkursgläubiger der gutgläubige Dritte die Sache nicht zurückhalten darf,

4S) Die Einreden können als exceptiones de jure tertii natürlich nicht anfgefaßt werden. Die Gläubiger üben die Rechte des KridarS aus, aber diese auch nur so, wie sie ihm zustanden. “) S. oben §. 94. S. 573 f.

") DaS ist im gemeinen Recht von jeher sehr bestritten gewesen. Die richtigere An­ sicht ist gewiß, daß da« Ret. R. bei Kraft bleiben muß. Ausführlich hierüber Koch S. 666fg. (unten Note 48.). Daß das Retentionsrecht im Konkurse auf­ hört, nehmen an Schenk, zur Lehre v. Netent.R. S. 353. Lenz im RechtSlex. B. 9. S. 400. Bayer §. 28. Dagegen lassen eö sortbestehen: Schweppe §.60., Großkopff z. Lehre v. Ret. Recht, S. 94fg. Frank in Srebenhaar, Arch. für Wechselt. B. 13. S. 232. (1864), und FuchS S. 42-, der nut Recht besonders auch darauf hinweist, „daß sonst diejenigen, deren Anspruch lediglich durch die RetentionSbefugniß und nicht daneben noch durch ein selbständiges Klagerecht gesichert ist, des Anspruchs verlustig gehen würden, man müßte denn der Ansicht -sein, daß die Universalität deS Konkursverfahrens nicht bloß bestehende Rechte zu beseitigen, sondern sogar ein nicht bestehendes Klagerecht zu schaffen vermöge."

4«) K.O. §. 29. 4T) A.L.R. I, 20. §. 366. Entlehnt aus der älteren Praxis des Obertrib. S. Hymm en Beitr. VII. S. 76. Bergl. Art. 30. des Einführ. Ges. zum Handelsgesetz­ buch. 1861.

48) Diese Verwechslung begeht Koch (R. d. F. 1. S. 668 f.) und dadurch wird seine ganze Darstellung der Lehre vom Ret. R. verworren. Es wird in §. 119. (bei Note 18) gezeigt werden, daß das in §. 566. I, 20. A L R. destnirte Zurück­ behaltungsrecht nicht auf dem Grundsatz des tz. 261. 1,5. baiirt, und daß das Nichtleisten, weil die Gegenleistung erwartet wird, ganz verschieden von der Zurückbehaltung einer wieder geforderten Sache ist. Koch sucht in s. R. d. F. I. S. 672 f. die Fälle bei a. b. c. e., wo eö sich um die Ausübung eine- wirk­ lichen Zurückbehaltungsrechts handelt, ((. unten bei Note 49. 50. 51.) der Ein­ wirkung des §. 566. I, 20. ohne Weiteres zn entziehen. Dann wäre er freilich inhaltslos, und es wäre nicht zu begreifen, warum er im A.L.R. noch stände. Aber es ist doch einleuchtend, daß der §. 566. eine ausnahmsweise Ausschließung begründeter Retentionsrechte anordnet, wie dies in der damaligen Praxis angegenommen wurde.

Zweite» Buch. Die besonderen Privatrechte.

756

bis ihm sein Erwerbspreis erstattet toorben49);

es muß der Pächter die

Sache zur Masse zurückgeben, auch wenn er wegen seiner Ansprüche auf Entschädigung und für Verbesserungen noch nicht befriedigt worden 50); der Bevollmächtigte, welcher für den Gemeinschnldner eine Sache in Hän­

den hat, muß sie nach ausgebrochenem Konkurse herausgeben, und kann nur Erstattung seines Aufwandes im Konkurs liquidiren 51). Dagegen liefert der Werkmeister das' Werk nur ■ ab bei Zahlung des Lohnes für seine Arbeit und Erstattung seiner Auslagen 51).

3.

Aus welchem Rechtsgrunde erklären sich diese Befugnisse?

Koch will als Rechtsgrund für die Vertretung des Schuldners durch

die Gläubigerschaft das s. g. prätorische Pfandrecht, wie eö die A.G.O.

angenommen, beibehalten, so daß also das neuere Recht am Prinzip nichts geändert habe"). Dagegen ist einzuwenden, was überhaupt gegen diese Theorie spricht, daß aus dem Pfandrecht keine Stellvertretung hervorgeht,

daß das Pfandrecht auch solchen Gläubigern zustehen müßte, deren An­ sprüche an den Schuldner noch nicht rechtskräftig geworden, erst im Kon­ kurse nachgewiesen werden sollen, daß mithin hier die Exekution der Verurtheilung vorangehen müßte, daß die Gläubigerschaft als solche keine Ansprüche an den Schuldner hat, mithin auch jenes Pfandrecht gegen ihn

nicht erwerben kann, und daß dem preußischen Recht ein allgemeines

Pfandrecht grundsätzlich fremd ist. Es ist nichts anderes übrig, als die Annahme, daß das Gesetz den Vermögensverfall des Schuldners als einen ausreichenden Arrestgrnnd für seine Gläubiger hinstellt, daß mit­ hin im Interesse der Gläubiger das Gericht das Vermögen in Beschlag nimmt, in ihrem und des Schuldners Interesse eS verwaltet und vertheilt. Das Dogma von der Stellvertretung des Schuldners durch die Glänbiger**) §. 26. I, 15. A L R. gicbt dem gutgläubiger Besitzer die Einrede der Retention gegen den wiedcrsordernden Eigenthümer ) K.O. §. 40. 41. «) K.O. §. 42. Nr. 2. 5) K O. §. 42. Nr. 3.

») K O. 8 42. Nr. 1. 7) K.O. §. 43.

•) ES muß dem anderen Kontrahenten die Gegenleistung in so weit erstattet werden, als die Masse durch das Empfangen reicher geworden. Diese Erstallnng ist nut Ersatz, die Gegenleistung giebt das Maß der Berechnung an, aber der nichtige Vertrag ist nicht Klagegrund. K O. §. 42. Abs. 1. *) K.O. §. 43. Abs. 2. §. 107. 109.

*•) K.O. §. 16. Abs. 3.

Zweites Buch.

762

Die besonderen Privatrechte.

In erster Reihe gehen diese Ansprüche auf Zurückgabe, und wenn diese

nicht mehr ausführbar, auf Vergütung, die entweder in der Geldsumme besteht,

nach

um welche

den

die Konkursmasse reicher geworden “),

gesetzlichen

allgemeinen

Vorschriften

berechnet

oder

wird.

sonst Der

Rechtsgrnnd dieser Ansprüche ist das Haben ohne Recht, nicht der nich­

tige oder nicht übernommene Vertrag, und nur diese Bedeutung, nicht die voin Vertragsinteresse, hat die Entschädigung in §. 16. der KonkürS-

ordnung "). Endlich gehört hierher die dem Gemeinschuldner zum Unterhalt be­

willigte Unterstützung "). Die Ansprüche der Masseglänbiger werden

kurs geltend gemacht und befriedigt").

unabhängig vom Kon­

Treffen mehrere solcher An­

sprüche zusammen, so gehen nur die Kommunkosten vor, die übrigen sind gleichberechtigt und werden, wie die der Konkursgläubiger, verhältnißmäßig befriedigt "), falls nicht die Befriedigung in der Herausgabe

einer bestimmten Sache besteht, bei welcher eine Konkurrenz überhaupt nicht eintritt.

Siebenter Abschnitt.

Der gerichtliche Schutz.

§. 117. I. Die Schuldklage und ihr Beweis. Oben §. 50. S. 226. §. 54. S. 250. Förster, Kl. u. Einr. S. 363 sg. — Unter. Holzner I. S. 331—357. Seufsert Pand. II. S. 178—182. H. Gerber, Beiträge zur Lehre vom Klagegrunde und der Beweislast. 1858. Dazu Windscheid in der krit. VierleljahrSschr. B. 1. S. 130. Maxen über Beweislast, Einreden und Exceptionen. 1861. S. 1. 47. 62

Unter Anknüpfung an das, was §. 50. 54. von dem Begriff der Klage und des Beweises im Allgemeinen ausgeführt worden, bedarf es hier nur noch weniger besonderer Bemerkungen über die Schuldklage, ihre Be­

gründung und Beweisung. *•) K.O. §. 44. ,ä) Koch S. 545. ist a. M Er nimmt an, daß ünter Entschädigung das Vertrags­ interesse zu verstehen und polemistrt deßhalb gegen das Gesetz. ") Koch S. 540. Die Unterstützung gehört eigentlich zu den Kommunkosten, theilt > aber nicht ihr Vorrecht, weil sie ein« Freigebigkeit ist, und die Kommunkosten das Vorrecht nur haben, weil sie eine fiskalische Forderung sind.

“) K.O. §. 45. “) Koch S. 547 f.

Kuhr in Gruchot's Beiträgen B. 8. S. 511.

Zweites Buch.

762

Die besonderen Privatrechte.

In erster Reihe gehen diese Ansprüche auf Zurückgabe, und wenn diese

nicht mehr ausführbar, auf Vergütung, die entweder in der Geldsumme besteht,

nach

um welche

den

die Konkursmasse reicher geworden “),

gesetzlichen

allgemeinen

Vorschriften

berechnet

oder

wird.

sonst Der

Rechtsgrnnd dieser Ansprüche ist das Haben ohne Recht, nicht der nich­

tige oder nicht übernommene Vertrag, und nur diese Bedeutung, nicht die voin Vertragsinteresse, hat die Entschädigung in §. 16. der KonkürS-

ordnung "). Endlich gehört hierher die dem Gemeinschuldner zum Unterhalt be­

willigte Unterstützung "). Die Ansprüche der Masseglänbiger werden

kurs geltend gemacht und befriedigt").

unabhängig vom Kon­

Treffen mehrere solcher An­

sprüche zusammen, so gehen nur die Kommunkosten vor, die übrigen sind gleichberechtigt und werden, wie die der Konkursgläubiger, verhältnißmäßig befriedigt "), falls nicht die Befriedigung in der Herausgabe

einer bestimmten Sache besteht, bei welcher eine Konkurrenz überhaupt nicht eintritt.

Siebenter Abschnitt.

Der gerichtliche Schutz.

§. 117. I. Die Schuldklage und ihr Beweis. Oben §. 50. S. 226. §. 54. S. 250. Förster, Kl. u. Einr. S. 363 sg. — Unter. Holzner I. S. 331—357. Seufsert Pand. II. S. 178—182. H. Gerber, Beiträge zur Lehre vom Klagegrunde und der Beweislast. 1858. Dazu Windscheid in der krit. VierleljahrSschr. B. 1. S. 130. Maxen über Beweislast, Einreden und Exceptionen. 1861. S. 1. 47. 62

Unter Anknüpfung an das, was §. 50. 54. von dem Begriff der Klage und des Beweises im Allgemeinen ausgeführt worden, bedarf es hier nur noch weniger besonderer Bemerkungen über die Schuldklage, ihre Be­

gründung und Beweisung. *•) K.O. §. 44. ,ä) Koch S. 545. ist a. M Er nimmt an, daß ünter Entschädigung das Vertrags­ interesse zu verstehen und polemistrt deßhalb gegen das Gesetz. ") Koch S. 540. Die Unterstützung gehört eigentlich zu den Kommunkosten, theilt > aber nicht ihr Vorrecht, weil sie ein« Freigebigkeit ist, und die Kommunkosten das Vorrecht nur haben, weil sie eine fiskalische Forderung sind.

“) K.O. §. 45. “) Koch S. 547 f.

Kuhr in Gruchot's Beiträgen B. 8. S. 511.

§. 117.

I. Die Schuldklage und ihr Beweis.

763

Die Schuldklage (in personam actio) ist im römischen Recht in ver­ schiedenen Formen ausgebildet, die für das heutige, namentlich für dapreußische, ihre praktische Bedeutung verloren haben.

So der formelle

Unterschied von condictio und actio im engeren Sinn, von denen die erstere allgemein ans das dare faeere oportere gerichtet war '), letztere in genauer Beziehung zu einem bestimmten Rechtsgeschäft stand (a. emti,

locati, u. s. w.) ’), der Gegensatz von bonae fidei und stricti Juris actiones’), der mit der Fassung der Formel des Prätors zusammenhängende Begriff der actio praescriptis verbis 4 * )2 3und die s. g. actio adjectitiae

qualitatis 5). Scheinbar wichtiger dagegen für das heutige Recht ist der Unterschied zwischen der Hauptklage (a. directa) und der von ihr ab­ geleiteten oder der angewandten Klage (a. utilis)6): 7 8 jene die ur­

sprünglich für ein gewisses Rechtsgeschäft gegebene, diese eine Uebertragung oder Ausdehnung ihrer Anwendbarkeit auf verwandte Fälle'). So ist die Klage des Ce^sionars gegen den Schuldner eine Anwendung der Klage

des Cedenten, die des Dritten, zu dessen Gunsten ein Vertrag abgeschlossen, die Anwendung der Klage deS eigentliche» Gläubigers, die des Gläubigergegen den Schuldübernehmer eine Ausdehnung seiner Klage gegen den ur­ sprünglichen Schuldner. Eine praktische Verschiedenheit beider Klagen ist

aber im heutigen Recht nicht mehr vorhanden. Wohl aber existirt noch der Gegensatz der direkten und nmgewandten Klage (a. contraria): er

bezieht sich auf die gegenseitigen Verpflichtungen auö den s. g. zufällig oder ungleich zweiseitigen Verträgen (S. 319.)°). So ist die Klage deS Man­

datars gegen den Mandanten die Umwendung der Hauptklage des Letzteren gegen den Ersteren aus dem Mandat. Bei den wesentlich gegenseitigen Geschäften aber, bei denen ihrem Begriff nach Berechtigung und Der-

*) Unterholzner I. S. 346. S avign y B. 5. S. 503 f. 2) Unterholzner I. S. 339. Im materiellen Sinn aber hat auch das heutige Recht noch Kondiktionen, d. h. Klagen auf Rückforderung der ohne RechtSgrund erfolgten Leistungen. 3) Savigny B. 5. S. 461 fg.

4) Praescripta verba sind eine Einleitung zur formula, welche die besonderen that­ sächlichen Verhältnisse des vorliegenden Falles angiebt. 1. 2. D. XIX, 5. Unter­ holzner I. S. 341. 5) Eö ist diejenige Klage, durch die aus dem Geschäft mit dem Stellvertreter der Vertretene in Anspruch genommen wird. Beispiele: a. institoria, exercitoria, quod jussu, de peculio, tributoria, de in rem verso. Unterh. I. S. 346. •) Die durchaus zutreffende Verdeutschung „angewandt" und „umgewandt" rührt von Unterh. her I. S. 339. 345. 7) Ueber die a. utilis s. Windscheid, Actio S. 129. 8) Der Gegenstand der a. contr. ist regelmäßig eine Schadloshaltung für Auslagen, Verwendungen, für übernommene rechtliche Verpflichtungen gegen Dritte, also Ansprüche, die nicht nothwendig aus dem Rechtsgeschäft folgen, sondern nur zu­ fällig hervorgetreten sind. Unterh. I. S. 345. Seuffert, Panb. II. S. 180. Jakobi in Gerber und Jhering, Jahrb. B. 4. S. 294.

Zweites Buch.

764

Die besonderen Privatrechte.

pflichtung sich kreuzen und einander bedingen, ist die Klage jeden Theils gegen den anderen eine selbständige Hauptklage (a. emti — venditi; a. locati — conducti)9).

Der Klagegrund ist bei der Schuldklage der Inbegriff derjenigen Thatsachen, denen das positive Recht die Wirkung beilegt, diejenige obli­ gatorische Verpflichtung zu erzeugen,

welche den Gegenstand der Klage

bildet. Der Kläger muß diese sein Recht erzeugenden Thatsachen be­ haupten — was diesem Recht hindernd oder aufhebend entgegensteht, bleibt dem Beklagten überlassen anzuführen.

Soweit der Kläger die sein kon­

kretes Recht erzeugenden Thatsachen zu behaupten hat, grade so weit reicht seine Beweispflicht. Es ist eine unrichtige Ansicht, ihm auch znzumnthen, die Thatsache der Rechtsverletzung, also der Nichterfüllung der Obligation, zu beweisen,0). Aus der Existenz der Obligation folgt die Verpflichtung zur Erfüllung, jene allein erzeugt die Klage auf diese. Diese Nichterfüllung hat nur die Bedeutung, daß jetzt geklagt werden darf. Es ist Sache des Beklagten zu beweisen, daß er erfüllt habe, oder weßhalb er zu erfüllen

nicht schuldig sei.

Dieser jetzt wohl allgemein anerkannte Grundsatz be­

darf aber noch einer besonderen Erwägung in zwei Fällen.

Bei beding­

ten Verpflichtungen gehört zum Klagegrunde offenbar auch die Thatsache,

daß die Bedingung eingetreten, sie gehört zu den das Rechtsverhältniß er­ zeugenden Thatsachen. Daher hat der Kläger den Eintritt der Bedingung zu behaupten und zu beweisen. Verschieden davon ist aber der Fall, wo aus der Nichterfüllung der ursprünglichen Leistung sich die Verpflichtung zu einer sekundären, einer Ersatzleistung ergiebt: die letztere ist nicht eine durch die Nichterfüllung bedingte Leistung, weil die Nichterfüllung ein be­ dingendes Ereigniß nicht sein kann.

Denn die Bedingung muß eine That­

sache sein, die außerhalb des Rechtsverhältnisses steht, zu welcher dieses

durch den Willen der Parteien in Abhängigkeit gesetzt worden.

Daraus

ergiebt sich, daß der Kläger auch dann, wenn er die Ersatzleistung (In­ teresse, Konventionalstrafe) einklagt, nicht nachzuweisen hat, daß der Be­

klagte grade nach der Richtung nicht erfüllt hat, für welche der Ersatz ge­ fordert wird — eS bleibt vielmehr auch hier dem Beklagten überlassen,

darzuthun, daß er erfüllt habe oder nicht verpflichtet sei ").

Nicht der

Kläger hat das Verschulden, den Verzug des Beklagten zu beweisen, son­ dern dieser, daß er nichts verschuldet, nicht verzögert, daß er erfüllt habe

oder durch Zufall daran gehindert worden").

Im preußischen Recht be-

*) Jeder der gegenseitigen Ansprüche entspringt selbständig und nothwendig aus dem Geschäst. Unterh. I. S. 346. V. 10)’ Gerber a. a. O. S. 10. Windscheid a. a. O. S. 131. Maxen a. a. O. S. 1 s. S. 1s. S. 50sg. S auch Unger, österr. Priv. II. ©. 454 f. n) Dies erörtern hauptsächlich die angesührten Schriften von Gerber u. Maxen.

“) S. oben §. 106. a. E. VII. Note 90. S. 707. §. 107. Note 62. S. 716.

§. 117.

I. Die Schuldklage und ihr Beweis.

465

darf aber ein abweichendes Moment der Berücksichtigung "). Der Umfang der

Ersatzleistung ist ein verschiedener je nach dem Grade des obligationswidrigen

Verhaltens des Schuldners.

Das volle Interesse oder vollständige Ge­

nugthuung kann nur verlangt werden bei Vorsatz oder grobem Versehen —

also nicht das Verschulden an sich

ist die Voraussetzung des Ersatzes.

Daraus folgt, daß nach preußischem Recht der Kläger, wenn er vollstän­ dige Genugthuung einklagt, den entsprechenden Grad des Verschuldens nachweisen muß, weil eS sonst an einer Thatsache fehlen würde, die den

Ersatz in dem beanspruchten Umfang erzeugt.

Bei der Klage auf Kon­

ventionalstrafe fällt diese Rücksicht weg, wenn sie allgemein auf die Nicht­ erfüllung oder eine Art derselben gestellt ist — dagegen muß auch hier jener Beweis geführt werden, wenn die Strafe nur für einen bestimmten Grad des Verschuldens verabredet ist. Bei Obligationen auf Kündigung, eine dem römischen Recht fremde, erst im neueren Recht ausgebildete Art,

den die Klage erzeugenden, also vom Kläger zu beweisenden UebrigenS kann die Klage als Kündigung gelten und die Verurtheilung muß dann nach Maßgabe der Kündigungs­

gehört zu

Thatsachen auch die Kündigung.

frist erfolgen.

Daß den Kläger die Kosten treffen, wenn zur Zeit des

Urtheils diese Frist noch nicht verlaufen, ist der aus der Verfrühung der

Klage entstehende Nachtheil ").

DieS führt darauf, daß die Schuldklage überhaupt nicht eher ange­

stellt werden darf, als bis der Beklagte verpflichtet ist, aus der Obligation zu leisten, bis die Schuld fällig ist. Der Regel nach ist sie sofort fällig, sobald die sämmtlichen Thatsachen eingetreten sind, die die Obligation er­ zeugen, außer wenn diese ausdrücklich bedingt, oder betagt, ausdrücklich

oder gesetzlich auf Kündigung gestellt ist.

Daher ist eine Klage auf bloße Unter

Anerkennung einer obligatorischen Verpflichtung nicht zu gewähren.

Umständen wird dennoch die Anstellung einer Vorklage gestattet: am zweifel­ losesten, wenn durch sie beabsichtigt werden soll, gegenüber der Unsicherheit

des Schuldners die künftige Erfüllung zu sichern ").

Dagegen ist in der

Praxis zweifelhaft, ob aus besonderen Gründen eine Vorklage auf An­ erkennung oder auf Erfüllung zugelassen werden darf. Es scheint,

daß nach römischem Recht eine in factum actio aus bedingten Verträgen vor Eintritt der Bedingung mit Erfolg angestellt werden konnte").

In

*•) Wie schon angedeutet ist §. 106. a. a. E. VII. S. 705. M) Im gemeinen Recht ist streilig, ob eine solche verfrühele Klage nicht abgewiesen weiden must. Senf seit B. 17. Nr. 156. Das preußische Recht gestaltet Kün­ digungsklagen. 31.@ O. I, 28. §. 16. ") Arrcslklagi. Kautionsklage. Förster«, a. O. S. 374. a. E? 375. Seufsert B. 9. Nr. 22. *•) 1. 19. pr. 1. D. XIII, 5. Huschte in der Zeitschr. f. Civ. R. u. Proz. B. 20. S. 170.

766

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

der gemeinrechtlichen Praxis hat man eine Klage, durch welche vor der Fälligkeit die Verurtheilung des Beklagten zur Anerkennung seiner Schuld

oder zur Erfüllung am Verfalltage erstrebt wurde, in dem Fall bald zu­ gelassen, bald zurückgewiesen, wenn die bestimmte Erklärung des Beklagten

bereits vorlag, daß er sich nicht für verpflichtet erachte, daß er nicht er­ füllen werde,7). Bei Abwägung der Gründe für und wider kann es aber

nicht zweifelhaft sein, solche Klagen zurückzuweisen, weil für sie ein wirk­

liches Bedürfniß nicht vorliegt und sie immer, nur als Ausnahme von der Regel betrachtet werden können. Aus der preußischen Praxis ist ein Aus­ spruch darüber noch nicht bekannt geworden*), denn wenn in einer Ent­

scheidung.der Gläubiger für berechtigt erklärt wird, behufs Amortisation der verloren gegangenen Schuldurkunde von dem Realschuldner die Aner­ kennung zu verlangen, daß die Forderung bestehe, so handelte es sich hier um die Ausübung eines wirklichen gegenwärtigen Klagerechts 17 18).

Der Klageantrag

entnimmt seinen Inhalt aus der Obligation,

seinen Umfang aus der Verletzung.

Er muß gerichtet sein auf ein be-

17) Die Klage aus Anerkennung der Obligation hat zugelassen: Dresden, Zeitschrtst f. Rechtspfl. und Berw. N. F. B. 19. S- 455. „ wenn die Forderung schon im Voraus bestritten,“ das B. 20 S. 20., unter der Voraussetzung, daß da« Recht, dessen Anerkennung verlangt wird, nicht schon ringeklagt werden kann; ebenso eine Klage auf Anerkennung eines EviktionSanspruchs noch vor wirklich eingetre­ tener Eviktion, Seuffert B. 2. Nr. 27. Die Klage auf Erfüllung zur noch nicht eingetretenen Verfallzeit, weil Beklagter sich bereits für nicht verpflichtet er­ klärt hat, ist zugelassen vom O.H. G. Manheim, Seuffert B. 8. Nr. 91. — Dagegen hat Stuttgart solche Klagen als vorzeitig abgewiesen, Sarwey, Monateschr. für die Zustizpflege in Würtemb. B. 16. S. 175. u. 191 f. und wieder im Grundsatz anerkannt das. S. 185. u. 201. Vgl. Seuffert B. 3. Nr. 304— 306. u. B. 13. Nr. 19. Daö O.A.G. Kassel hat eine EntschädignngSklage anS einem Vertrage, der ein dauerndes Verhältniß begründet (Pacht), vor Beendigung des Verhältnisses für unzulässig erklärt, Heuser, Annal. B. 4. S. 416. Am allerwenigsten darf vorzeitig auf Erfüllung geklagt werden, wenn eS noch zweifel­ haft ist, ob das RechtSverbällniß überhaupt eintreten werde (z. B. bei eventueller Ersatzforderung), Seuffert B. 4. Nr. 19. Ferner Klage aus Auerkennung der Verpflichtung bei jährlich wiederkehrender Leistung, nachdem der Schuldner sich geweigert, ferner zu leisten, zugelasien vom O.A.G. Jena, Seuffert B. 14. Nr. 5. 145. Nicht statthaft die Klage der CesstonarS gegen den Cedenten aus Anerkennung der (Session, nachdem der Schuldner schon an letzteren gezahlt hat. Das. B. 13. Nr. 19. Unter den Schriftstellern haben sich bedingungsweise für solche Anerkennungsklagen ausgesprochen: Unterholzner I. S. 352. (die von ihm ausgesührte Stelle Gaj. IV, 44. spricht nicht dafür, und sonst lassen sich Quellenzengnisse für diese Meinung überhaupt nicht anführen), Wächter, würtemb. Pr.R. B. 2. S. 413. Pfeiffer im civil. Arch. B. 37. S. 258f. Bähr, die Anerkennung S 279 fg. Windscheid, Aktiv S. 18. Note 14. Seuffert, Pand. 1. S. 29. Note 5. ArndtS §. 97. Note 3. Unger, österr. Pr.R. II. S. 374. Rote 20. (3. A.). Dagegen Sintenis B. 1. S. 237. Note 1. *) Präj. 504. Damml. I. S. 206.): Eine Klage auf vorläufige Feststellung der Vertretungspflicht eines Beamten wegen eines von demselben im Amte begangenen Versehens, bevor die übrigen Mittel zur Befriedigung des Beschädigten angewendet worden sind, und der Betrag des Schadens feststeht, findet nicht statt. 18) Strieth. B. 17. S. 100.

§. 117.

I. Die Schuldklage und ihr Beweis.

stimmtrS dare oder facere oportere").

767

Unzulässig ist es, unbestimmt

den Vertrag zu halten oder zu ES darf nie mehr, wohl aber kann weniger eingeklagt wer­

zu beantragen, daß Beklagter schuldig,

erfülle« 20).

den, als wozu der Schuldner aus der Obligation verpflichtet ist.

Im

letzteren Fall hat der Schuldner das Recht, statt des Theiles das Ganze

zu leisten"), und der Gläubiger ist nicht gehindert, später den Rest ein­ zuklagen"). Bei alternativen Leistungen schließt die in der Klage getroffene Wahl die spätere Forderung der nicht gewählten Leistung aus "). Steht die Wahl dem Schuldner zu, so muß ihm dieselbe im Klageantrage frei­ gelassen werden. Geschieht dies nicht, so liegt darin eine Ueberspannung des Antrags (causa plus petere), die zwar nicht gänzliche Abweisung,

aber die Beschränkung auf das richtige Maß durch daö Urtheil zur Folge hat. Zuviel fordern kann man, abgesehen hiervon und von der schon erwähnten Vorzeitigkeit (tempore plus petere), auch insofern, als man

die Klage auf einen höheren Betrag richtet (re plus petere), oder die

Leistung an einem anderen Ort fordert, als wo obligationsmäßig zu leisten

ist (loco plus petere). Auch in diesen Fällen knüpft daS heutige Recht daran nicht die Folge des gänzlichen Verlustes des Klagerechts, sondern verpflichtet den Richter, auf das geringere Maß zu erkennen, oder nur vorläufig, oder die Mehrforderung abzuweisen **). Eine Erhöhung der Klage auf daS Doppelte der ursprünglich geschul­ deten Leistung ") oder eine verunehrende Wirkung der Klage *') ist dem heutigen Privatrecht unbekannt; ebenso eine Klage auf Privatstrafe"). Die Schuldklagen können nach der Quelle, aus der die ihr zu Grunde liegende Obligation entspringt, eingetheilt werden in Klagen auS RechtSzu-

standSobligationen, Rechtsgeschäften, Rechtswidrigkeiten.

Immer wird ein

bestimmtes (positives oder negatives) Leisten verlangt, nicht, wie bei den

eigentlichen RechtSzustandS- oder dinglichen Klagen, ein bloßes Nichtstören, “) 8 1. J. IV, 6. Auch alle Accessivnen, Früchte, Zinsen (omnis causa), soweit die­ selben nach dem besonderen Inhalt der Obligation gefordert werden können, Ver­ zugszinsen vom Tage der Klagedehändigung, Erstattung der Kosten. Förster KI. u. Einr. S. 38 fg. **) Seussert B. 3. Nr. 382. Es ist aber nicht unzulässig, den Antrag aus dem Inhalt der Klage zu ergänzen. Strietb. B. 19. S. 147. Vergl. auch B. 29. S. 162. B. 61. ®. 184. ’*) Gesetz v. 8. Febr. 1811. ”j Unterholzuer I. S. 351. bei III. ”) Entsch. B. 34. S. 33.

“) Seussert B. 1. S. 130. B- 3. S. 450. B. 18 Nr. 53. Bornemann, Erör­ terungen H. 1. S. 214. Entsch. B. 21. S. 329 (Pl.Beschl.). Strieth. B. 2. S. 202. Oben §. 79. Note 93. S. 448. Die in Cod. III. 10. angedrohten Nach­ theile sind im heutigen Recht unpraktisch. “) Unterholzuer I. S. 357. *•) Unterholzuer I. S. 361. bei IV. ”) Savignh, Obl.R. II. S. 313 f. Oben §. 90. Note 17. S. 533.

Zweite« Buch. Die besonderen Privatrechte.

768

ein Unbeirrtlassen “).

Sie lassen sich aber anch noch sonst auf allgemeine

Kategorien zurückführen").

Die allgemeinste Klage ist die Erfüllungs­

klage, der sich die Entschädigungsklage oder Ersatzklage anschließt.

Bei den Klagen aus Rechtsgeschäften (Verträgen) können noch hinzutreten

die Gewährleistungs-, die Entwährungs-, die AufhebungS-’°)

und Anfechtungsklage.

Ueber die Gründe dieser Klagerechte ist im

Obigen schon ausführlich gehandelt. Aber über die GeschäftSerrichtnngSklage ist noch Einiges beizufügen ’*). Eine solche setzt voraus, daß entweder bei dem Vorhandensein gewisser thatsächlicher Momente daS Gesetz zur Errichtung eines Geschäfts nöthigt, wie bei der Bestellung einer nothwendigen Grundgerechtigkeit, bei Zwangsveräußerungen, bei Versiche­ rungen gegen Feuerschaden und Viehseuchen — oder daß die Parteien über

die Errichtung eines bestimmten Rechtsgeschäfts unter sich bereits einig geworden. Hierher gehört besonders der Fall, wo das Geschäft in eine bestimmte Form gekleidet werden soll. ES ist gestattet, auf Grund der Willenseinigung auf Vollziehung der Form zu klagen. Aber nothweMge Voraussetzung ist, daß die Willenseinigung schoü zu einem gegenseitigen

Ausdruck, zu einem Versprechen und dessen Annahme gediehen. ist ’*).

So

kann aus einem Briefwechsel, welcher in allen wesentlichen Punkten des Geschäfts die Uebereinstimmung der Parteien enthält, oder aus einer Pri­

vatschrift auf Vollziehung der gerichtlichen oder notariellen Form geklagt werden, wenn diese, um dem Geschäft die volle Wirkung zu verschaffen, z. B. die Eintragung im Grundbuch herbeizuführen, vorgeschrieben ist").

Wenn daS A.L.R. sagt: „Ist eine förmliche Ausfertigung deS Vertrages nothwendig, so kann diese nach dem Inhalt der Punktation von dem Rich­ ter verfügt werden" "), so ist damit nicht gemeint, daß der Richter dies

ohne Weiteres, ohne die Parteien gehört zu haben, thun darf, sondern es muß darauf geklagt und vom Gericht darüber erkannt werden 35 * *).* * 32 Ueber 33 *

das Verhältniß dieser Errichtungsklage zu der Erfüllungsklage bestehen abweichende Meinungen: einerseits will man auS dem noch nicht formell *•) Oben S. 76.

”) »") ") 32)

Förster, Kl. it. Einr. S. 376fg. Sensfert B. 3. Nr. 307. Förster a. a. O. S. 376. Koch, R. d. F. B. 3. S. 228. ES muß ein gütiger Konsensualvertrag zu Stande gekommen feiu; die Klage aus Errichtung eines sörmlichen Instruments ist dann schon ErsÜllungSklage.

33) §. 17. I, 10. 31) §. 122. I, 5. Die hier erwähnte Beilautbaruug und Bestätigung ist durch da« Gesetz v. 23. April 1821 beseitigt. 3S) Einer solchen Klage können alle Einreden, welche die Rechtsbepändigkeit de« Ver­ trages anzugreisen vermögen, nicht aber der Mangel der Ersüllung entgegenge­ setzt werden. Ptäj. 2069 (Sammt. I. S. 15.). Jurist. Wochenschr. 1835 S. 408. 1837 S. 216fg Die für de» einen Theil (von Anfang an) vorhandene Unmög­ lichkeit der Erfüllung greift den Vertrag al« nichtig an. Strieth. B.6. ©.259.

§. 118.

769

II. Die Einreden gegen die Schuldklage.

vollendeten Geschäft nur jene allein, andererseits beide vereinigt zulassen. An sich ist eS nicht bedenklich, die Häufung beider Klagen zu gestatten,

nur mit der Einschränkung, daß die Erfüllungsklage dann nicht vor der Errichtungsklage angestellt werden kann, wenn die förmliche Errichtung

die vereinbarte oder gesetzliche Boraussetzung für die Erfüllung ist.

Aus

einem einfachen schriftlichen Kaufverträge über ein Grundstück kann zwar

sofort die Erfüllungsklage auf Uebergabe gebraucht werden, nicht aber die Klage deS Käufers auf Verschaffung der Besitztitelberichtigung oder die des Verkäufers auf Eintragung des Kaufgelder-Riickstandes, weil zu jener die einfache schriftliche Form genügt, zu dieser die Vollendung der Form

nothwendig ist36).

Haben die Parteien mündlich verabredet, den Ver­

trag schriftlich zu errichten, so kann darauf geklagt werden, wenn jene Verabredung die schriftliche Form an sich nicht verlangt, im anderen Fall ist aber die mündliche Verabredung unverbindlich und klaglos ”).

DaS Schenkungsversprechen und das Darlehnsversprechen erzeugen zwar Klagen auf Uebergabe der versprochenen Sache und Auszahlung der

Summe, da aber das heutige Recht die s. g. Realverträge als Konsensual­ verträge auffaßt38), das Geben also nicht mehr der Errichtungs-, sondern der Erfüllungsakt ist, so können jene Klagen nicht zu der Errichtungs­

klage gerechnet werden.

§. 118. II. Die Einreden gegen die SchuldNage. Oben ß. 53. S. 242.

Förster, Klage und Einrede ©. 397 f.

Die Schriften von

H. Gerber und Maxen (S. die Litteratur zu §. 117.).

Daß der Begriff der Einrede im neueren Recht ein erweiterter und der Beklagte in Betreff derselben als Kläger zu betrachten, d. h.

den allgemeinen Grundsätzen der Beweislast wie dieser unterworfen ist,

wurde früher erörtert: es bedarf daher auch hier nur noch weniger Be­ merkungen. Die Einreden sind entweder einzelnen Rechtsgeschäften eigenthümlich, und können daher erst bei Erörterung dieser zur Sprache gebracht wer­ den, oder sie haben eine allgemeinere Natur, vermöge welcher sie geeignet

sind, allen oder vielen Schuldklagen entgegengesetzt zu werden.

Dabei ist

weiter zu unterscheiden, ob sie stets nur als Einreden zu gebrauchen oder ob sie auch selbständige Klagerechte sind. Bon letzteren haben die bisherigen «) §. 121.122. I, 5. $. 16.17. 1,10. Reskr. de» Justizministers v. 11. Mai 1836 in den Ergänzungen zu st. 121. 1,5. und Koch, Komment. Note4. zu diesem §. und oben §. 79. Note 44. S. 439. •*) Oben §. 79. Note 46. S. 439. ") Oben z. 72. Note 19. S. 393.

Sörster, Preuß. Prtoatrecht. I. 2. Aufl.

Zweites Buch. Die besondere» Privatrechte.

770

Untersuchungen schon mehrere vorgeführt, theils solche, die die Entstehung

der Obligation verhindern, theils solche, die die

wieder vernichten.

entstandene Obligation

Dahin gehören die Einreden, durch welche man die

Aufhebung eines Schuldverhältnisses erstrebt, oder ein solches in seiner

Rechtsgiltigkeit oder in seinen Wirkungen anficht, oder eine Aenderung der Leistungspflicht behauptet.

Nur eine Einrede entsteht ans der Zahlung

oder Erfüllung, aus der Gegenrechnung, Entsagung, aus der Stundung,

während die s. g. Neuerung oder Umschaffung (Novation) zwar gegen die Klage aus der älteren Obligation nur eine Einrede, zugleich aber auch

aus der neueren Obligation eine Klage erzeugt, und ebenso der Vergleich den Grund zu einer Klage und einer Einrede giebt. Bestritten ist, ob gegen Vertragsklagen die Einrede des Eigen­

thums statthaft sei *).

Die verneinende Meinung stützt sich darauf, daß'

derjenige, der auf Grund eines Vertrages eine Sache inne hat, sich diesen Grund des Besitzes nicht ändern darf, daß er zunächst verpflichtet ist, die

aus dem Vertrage hervorgehenden Obliegenheiten zu erfüllen.

So soll

also der Pächter, der Depositar dem Verpächter oder Deponenten auf die Klage wegen Herausgabe der Sache nicht entgegnen dürfen, daß diese ihm

selbst oder einem Dritten eigenthümlich gehöre.

Das letztere ist allerdings

nicht zweifelhaft, hier entscheidet schon der Grundsatz, daß aus dem Recht

eines Dritten eine Einrede nicht entnommen werden darf. ebenso ist Ersteres richtig.

Aber nicht

Zwar kann man sich auf eine Stelle berufen,

welche gradezu ausspricht: wer einen Acker pachtweise besessen hat, muß

erst den Besitz zurückgeben, ehe er über das Eigenthum streitet ‘).

Aber

müßte dieser Satz dahin ansgelcgt werden, daß der Pächter, welcher Eigen­

thümer zu sein behauptet,

gegen

den

zurückfordernden Verpächter sein

Eigenthum nicht geltend machen dürfe, bevor er die Sache zurückgegeben, so würde er gewiß eine merkwürdige Abweichung von der allgemeinen Regel sein:

cui daraus actionem, eidera et exceptionem competere multo

magis quis dixerit3), von der sehr bestimmt ausgesprochenen Regel, daß man seine eigne Sache nicht pachten, kaufen, als Depositum oder Pfand annehmen kann 4), daß, wenn der Pächter die Sache hinterher durch Ver-

*) Weber, Beitr. z. d. Lehre v. gerichtl. Klagen und Einreden. 2. A. 1802. S.85f. Glück B. 17. S. 497. Besonders Thon in der Zeitschr. s. Civ.R. u. Proz. B. 1. S. 470fg. Ferner Unterholzner II. S. 340. Noteb. Recht-lexikon VII. S. 784. SinteniS II. S. 651. N. 27. S. 662. N. 103. — Ueber die umgekehrte, ins Sachenrecht gehörige Frage, ob gegen die dingliche Klage eine Einrede aus dem Vertrage zustehe, f. Ziebarth, Realexek. u. Obligat. 1866. §. 6—9-, der es nach röm. R. verneint, weil das Vertragsrecht nicht durch Real­ exekution geltend gemacht werden konnte, sondern nur durch Exekution aus die Handlung oder aus die Geldentschädigung, während daS dingliche Recht durch Realexekution sich durchsetzte.

2) 1. 25. C. IV, 65. ») 1. 1. §. 4. D. XLIII, 18. 4) 1. 45. v. de R. J. 1. 20. 23. C. IV, 65.

§, 118.

771

II. Die Einreden gegen die Schuldklage.

mächtniß oder Geschenk erwirbt, er dem Verpächter wegen des Zinses nicht

mehr verhaftet ist, ja gegen ihn klagen kann, ihn aus der Pachtverbind­

lichkeit zu befreien ’). Die Einrede des Eigenthums charakterisirt sich als eine die Vertragspflichten aufhebende, vernichtende, und der Satz, daß sich Niemand den Grund des Besitzes ändern kann, trifft hier überhaupt nicht

zu, weil in diesem Fall der bisherige Pächter nicht einseitig und eigen­ mächtig aus anderem Grunde fortan besitzen will, vielmehr der Grund des Besitzes durch einen besonderen Erwerbsakt geändert worden ist6).

Dies führt dazu, jene widersprechende Vorschrift anders zu erklären: sie kann nicht allgemein dahin verstanden werden, daß der Eigenthümer die Sache zuerst an den Verpächter zurückgeben muß und dann vindiziren mag.

Sie bezieht sich vielmehr nur auf das Verhältniß des possessorischen und petitorischen Rechtsstreites: gegen die Besitzklage des Verpächters (das

Interdikt auf Restitution) soll nicht eine petitorische Einrede gestellt wer­ den 7). Nach preußischem Recht ist es für unzweifelhaft zu halten, daß die Einrede des Eigenthums gegen die Vertragsklage zulässig ist.*) Zwei Einreden von allgemeinerer Natur, die nur als solche zu ge­ brauchen sind, bedürfen einer ausführlicheren Erörterung: die der Zurück­

haltung und der Verjährung.

§. 119.

Die Einrede der Zurückhaltung.

A.L.R. I, 20. §. 536—567. Born-mann I. S. 274. v. Daniels IV. S. 184Koch, Pr.R. I. S. 383. R. d. Ford. I. S. 666. — Hälschner, das Ret.R. in Kamptz, Iahrb. B. 20. S. 177. Ziebarth, Realexekution u. Oblig. 1866. S. 310. — G. L. Böhmer, de jure retent. ejusque effectu. 1774. Faselius, Versuch einer system. Darstellung der Lehre v. R. R. 2. A. 1793. Glück B. 15. S 114f. Schenk, die Lehre v. R. R. nach gem. R. 1837. Luden, das Ret.R., eine civil. Abh. 1839. Cramer, Bemerk, über das R. R-, im Arch. f. civil. Praxis B. 37. S. 305. 415 (1854). Lenz, Art. R. R- im Rechtslexikon B. 9. S. 377. 1855. Zaun, Beitr. z. L. v. R. N. im Arch. f. prakt. R.W. B. 4. S. 369. 1857. Großkopfs z. L. v. R. R- 1858. Windscheid in der krit. 6) 1. 9. §. 6. 1. 10. D. XIX, 2. 6) Es ist auch überhaupt zweifelhaft, ob dieser Satz nicht bloß auf die Usucapion Bezug hat. Thon a. a. O. S. 473. (I. 1. D. XLIV, 1.). Daß er hier nicht Anwendung findet, folgt aus 1. 23. C. IV, 65. T) Thon a. a. O. S. 476f. beschränkt die 1. 25. C. IV, 65. auf den Fall, wo der Pächter nach Abschluß des Vertrags das Eigenthum von einem Dritten er­ worben und vom Verpächter auf Restitution belangt wird. Sintenis II. S. 651. Note 27. findet darin ausgedrttckt, daß, wenn der Pächter die Sache dem Verpächter zurückgiebt, dadurch seiner Eigenthumsktage nicht präjudizirt werden soll. Auf den Gegensatz von Possessorium und Petitorium führen da« Gesetz zurück: Puchta, Paud. §.366. und der Verf. des Aufsatzes im Rechtslexikon. B. 7. S. 785. Auf den Gegensatz von Liquidität und Illiquidität geht Glück zurück (B. 17. S. 497.). *) Vergl. iusbes. §. 79. I. 14. A.L.R. Koch, R. d. F. III. 441.

49*

772

Zweites Buch. VierteljahrSschr. B. 1. S. 127.

S. 251. 1864.

Die besonderen Privatrechte. Wolff in Busch, Arch. für Handelsrecht B. 3.

Frank, das R. R. des Spediteurs, in Siebenhaar, Arch. für

deutsches Wechsel- undHandelsrecht B. 13. S. 226. Arch. B. 51. S. 110. S. 19. §. 3.

— Unterholzner I. S. 374.

Jetzt 7. A. 1865. S. 38.

teniS H. S. 166.

1864.

Harder im civil.

Savigny Besitz. 6. A.

Arndts S. 143. 144. Anm. 3.

Seuffert I. S.131.

Sin-

Keller S. 184.

Man hat sich noch nicht darüber geeinigt,

welche Bedeutung die

Zurückhaltung (retentio) ’) im Rechtestem habe. Eine umfangreiche Litteratur hat sich mit dieser Frage beschäftigt. Seit Savigny wird sie jetzt zwar allgemein als eine „Anwendung" der Einrede der Arglist (exe. doli) aufgefaßt. Dies entscheidet aber nur, wie sie prozessualisch geltend gemacht werden kann').

Die Schwierigkeit, sie als ein Rechtsinstitut mit

bestimmten Voraussetzungen seiner Anwendbarkeit zu konstruiren3*),2 hat den

neuesten Schriftsteller 4) dahin gebracht, sie zu einem Nichtrecht zu ver­ flüchtigen. Sie soll nichts weiter sein als der thatsächliche Schutz dessen, der eine Sache herauszugeben verpflichtet ist, in welcher ein ihm gehöriger Vermögenswerth steckt. Alle Bedingungen, die bisher das positive Recht für ihre Ausübung festgehallen, alle anderen Fälle, in denen sie gestattet

worden, werden von ihm verworfen: weder sei nöthig, daß der Zurück­ haltende sich dadurch eine Forderung sichere, daß zwischen einer solchen 1) Retinere bedeutet Zurückhalten und Behalten. Detentatio in den Quellen für Zurückhaltung. Ueber den Sprachgebrauch s. Schenk S. 34. Note 3. 4. Lenz S. 378. Note 3. SinteniS II. S. 166. Note 75. 2) Windscheid a. a. O. S. 127. Großkopff S. 11 f. s) Sehr verschiedene Definitionen find aufgestellt worden. Höpfner §. 283: „Man versteht darunter das Recht, eine Sache, die dem Andern gehört, oder die ich ihm zu geben schuldig bin, und die ich besitze, so lange in meinem Besitz zu behalten, bis mir der Andere leistet, was er mir schuldig ist." FaseliuS S. 20: die Besugniß, im Besitz einer Sache so lange zu bleiben, bis eine Schuld, deren ent­ weder derjenige, der diese Sache von mir fordert, oder ein Dritter sich gegen mich zu entledigen hat, getilgt worden ist. So wurde das R. R. aufgefaßt zur Zeit der Redaktiou des A.L.R. Schenk definirt es (S. 36.) als „das Recht, die rechtmäßig in Besitz bekommene, einem Andern gehörige Sache so lange an sich zu behalten, bis eine Forderung des Besitzers der Sache, welche entweder gleich ursprünglich mit der Sache in Verbindung gestanden hat, oder nach gesetzlicher Vorschrift oder in Folge Vertrags mit ihr in Verbindung gebracht worden, be­ friedigt wurde." Lenz: „das Recht des Inhabers, eine Sache, die er an sich herauszugeben schuldig wäre, bis zur Befriedigung eigner Ansprüche, dem die Herausgabe derselben Fordernden vorzuenthalten." — Die Schriftsteller über preuß. Recht halten sich zwar an die landrechtliche Definition, weichen aber ebenfalls in der Auffassnng der Natur des Rechts sehr von einander ab. HLlschner S. 178f. erklärt es für ein Recht des Besitzes, Bornemann bestreitet feine dingliche Eigenschaft (S. 276 f.), Koch erklärt es für eine Art der Selbsthilfe in Form der Vertheidigung, auf dem Grundsatz beruhend, daß bei wechselseitigen Verbindlichkeiten kein Theil von dem andern Erfüllung fordern kann, ohne selbst zur Leistung bereit zu sein. (Auch schon Glück B. 15. S. 122. faßt das R. R. als eine Art Selbsthilfe auf.) Dagegen sagt Lenz S. 382: diese Begründung ist durchaus nicht haltbar, da der Retinent sich weder in den Besitz einer Sache setzt, noch sich Rechte auf sie anmaßt, namentlich nicht sich aus ihr befriedigen will. Dergl. Wächter, würtemb. Priv.R. II. S. 404. 405. Obeu S. 227. 4) Großkopff in der citirten Schrift.

§. 119.

Die Einrede der Zurückhaltung.

773

Forderung und der zurückgehaltenen Sache eine Beziehung bestehe, noch

auch fefbft, daß der Zurückhaltende die Sache in rechtlicher Weise in seine Gewahrsam bekommen.

Diese Theorie, der jedenfalls auch nach gemeinem Recht das entgegensteht, daß sie unerklärt läßt, wie ein thatsächliches Ver­ halten, ohne daß es ein Recht ist, als Recht anerkannt, und durch eine Einrede geschützt sein kann 5), ist für das preußische Recht jedenfalls un­ verwendbar. Das A.L.R. definirt: das Zurückbehaltungsrecht besteht in der Befug-

niß des Inhabers einer fremden Sache, selbige so lange in seiner Gewahrsam zu behalten, bis er wegen seiner Gegenforderung be­

friedigt worden6).*

Daraus ergießt sich im Allgemeinen: daS Zurückbe­

haltungsrecht ist eine Vertheidigungsbefugniß und die Ausübung deS Rechts

ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. a. Zurückhalten kann der Inhaber; Besitz im technischen Sinn ist nicht erfordert^). Aber „der Besitz" soll redlicher Weise erworben fein8).9 DaS bedeutet nach der Auffassung der Redaktoren: die Zurückhaltung kann derjenige ausüben, dessen redlich erworbener Besitz wieder aufgehört, und

der von diesem Augenblick, weil er die besessene Sache zurückgeben soll, Inhaber geworden8). Diese Auffassung ist jedoch zu enge, weil auch dann retinirt werden darf, wenn gleich von Anfang nur eine Gewahrsam ent­ standen, z. B. bei der Verwahrung10). Man ist daher befugt, den Rechts5) Darauf hat Sinterns gegen Großkopsf aufmerksam gemacht. II. S. 168. Note 75. Spalte 1. a. E. 6) §. 536. d. T. T) Es genügt, daß man Dritte, namentlich den zurückfordernden Schuldner von jeder Einwirkung auf die Sache anöschließen kann. Schenk S. 76. Lenz S. 384. Koch Notes, des Komment, zu §. 536 d. T. Ueber das Retentionsrecht des Inhabers gegen den Besitzer f. Strieth. B. 42. S. 222. 8) §. 537. d. T. 9) Koch, Komm. Note 2. Also z. B. das Ret.R. des Pächters nach Beendigung des Pachtverhältnisses, I, 21. §. 396. — In der gemeinrechtlichen Theorie spricht Man auch von einem s. g. qualifizieren Ret.R. Glück B. 15. S. 120. be­ zeichnet damit dasjenige, was „mit einem anderen dinglichen Recht verbunden ist." Daö dingliche Recht könne ein Pfandrecht sein, wie bei dem Vermiether, ein EigenthumSrecht, wie bei dem Verkäufer an der Sache bei noch nicht gezahltem Preise, ein Erbrecht, wie bei dem Erben wegen der Quart. Schenk S. 166. definirt daö qualifiz. Ret.R. ebenso wie Glück, und bringt darunter noch als besonderen Fall das R. des Pfandgläubigers, nach Befriedigung seiner Pfandforderung wegen anderer Forderungen zu retiniren, aus der vielbesprochenen 1. un. C. VIII, 27. Sintenis Civ.R. I. S. 622. nennt letzteren Fall allein qualifizirt. Koch, R. d. F. erste A. I. S. 628. ebenso, aber in der 2. A. I. S. 667. definirt er es wie Glück. Der ganze Begriff ist zu verwerfen, denn wenn es darin bestehen soll, daß es mit einem dinglichen Recht verbunden ist, so wird die Ausübung des letzteren zu einem selbständigen Recht gemacht. Koch, R. d. F. 2. A. I. S. 667. Schenk a. a. O. Was aber das sich fortsetzende Ret.R. deS PfandgläubigerS betrifit (aus der 1. un.), so ist es wenigstens im preuß. R. gradezu beseitigt. 1,20. §.171. — Das österr. Ges.B. §.471. verwirft das Ret.R. überhaupt; das fächf. §. 767. definirt es ähnlich, wie das A.L R. 10) A.L.R. 1,14. §. 77.

774

Zweite- Buch. Die besondere» Privatrechte.

satz dahin zu formuliren: Zurückhalten darf derjenige, der eine Sache, die er zurückgeben soll, redlicher Weise in der Gewahrsam hat*). *•) Urktedlicher Besitz schließt das Zurückbehaltungsrecht aus"). Der Besitz, dem die Ge­

wahrsam fehlt, ist zur Ausübung des Rechts ungeeignet"). b. Nur Sachen, und zwar fremde, können zurückgehalten werden.

An diesen Satz knüpft sich die Streitfrage, ob nur körperliche Sachen retinirt werden können, aber auch Rechte, Handlungen oder Leistungen, zu

denen man dinglich oder persönlich verpflichtet ist, Servituten, Schuldver­ hältnisse "). ES läßt sich nicht verkennen, daß die Praxis mit dem Aus­

druck Zurückhalten oft nachlässig umgeht, ihn mehr in der Bedeutung, die er im gewöhnlichen Leben hat, anwendet, und darüber seinen juristisch technischen Sinn übersieht, daß sie das Nichtleisten einer Handlung, das Nichtzahlen einer Schuld, das Nichtübergeben einer Sache, zu deren Ueber-

gabe man persönlich verpflichtet ist, wenn dieses Unterlassen geschieht, um

sich die Erfüllung einer Gegenforderung zu sichern, als Ausübung des Zu­

rückbehaltungsrechts auffaßt — natürlich nur in figürlicher Uebertragung. Gleichwohl läßt sich diese Ansicht wissenschaftlich in keiner Weise rechtfertigen. Unkörperliche Rechtsobjekte, persönliche Leistungen können ihrer Man kann sich enthalten,- zu leisten, aber die Leistung kann nicht zurückgehalten werden, denn sie existirt vor ihrer Vornahme überhaupt noch nicht, eö fehlt am Objekt, an der res retinenda "). Das Leisten kann nur gefordert, nicht wiedergefordert werden, und grade das Wiederfordern, das Zurückfordern ist die charakte­ ristische Voraussetzung für das Zurückhalten IS). Auch soll in dem Zu-

Natur nach nicht zurückgehalten werden.

*) Der Retinent muß auch rechtmäßig in den Besitz der Sache gelangt sein. Stri eth. B. 57. S. 272. (nach gemeinem R.). n) §. 538. d. T. Sächs. G.B. §. 769. Auch nach gemeinem R., denn die Unred­ lichkeit des Relinenten kann nicht durch eine exe. doli geschützt werden. Lenz S. 385. Bestritten von Großkopss S. 86. ") Glück B. 15. S. 119. Lenz S. 384. *•) Sergi, die Ergänzungen z. §. 536 d. T. Koch, Komment. Note 7. zu §. 542. Bornemann a. a. O. S. 274s. geht auf die Frage gar nicht ein. Die Reten­ tion an unkörperlichen RechtSodjekten bestreiten Hälschner a. a. O., die Gesetz­ revisoren, die jedoch anSsühren, daß in §. 542. d. T. ein solche» an Forderungen enthalten sei, Rönne in der A. von Klein'» System B. 1. S. 560. Für ge­ meine» Recht spricht gegen die Retention unkörperlicher Sachen 1. 36. D. XXXVI, 1. Glück B. 15 S. 119. Lenz S. 386. Sinteni», Pfandrecht S. 22. — Faselin» §. 2. S chenk §.22.27. (vgl. §. 33.) und Puchta Vorles. I. §. 94. lasten Retention in den Fällen der quasi possessio zu. Daß auch Schuldver­ pflichtungen retinirt werden könnten, wird bei gemeinrechtlichen Schriftsteller» nicht behauptet. Bei Seussert B. 6. Nr. 290. wird ein engeres und weitere» Ret. R. unterschieden, erstere» nur bei körperlichen Sachen, letztere» von so allge­ meiner Anwendung, al» die exc. doli gen. (Hier handelt e» sich um Erbjinsen, als» einen Gegenstand der quasi possessio.) Kastel bei Heuser, Annalen IV. 305. läßt Retention an einer Schuld zu. Vergl. noch daselbst VI. 178. “) Hälschner S. 187 s. *•) Die» ergiebt sich au» den Ausdrücken: den Besitz wieder zu räumen, §. 537., in die Hände de» Besitzer» gekommen, §. 539., Rückgabe ß. 540., die Sache

§. 119.

Die Einrede der Zurückhaltung.

775

rückhalten dem Retinenten ein Werth gegeben sein, der ihm für seine Gegenforderung eine Sicherheit gewährt, der in seinem Vermögen sich be­

findet, ohne ihm eigentlich anzugehören, das bloße Nichtleisten ist aber für

ihn kein solcher Werth "). Selbst wo die Uebergabe einer Sache verwei­ gert wird, kann von Zurückhalten nicht gesprochen werden, weil diese Ver­ weigerung nicht eine Vertheidigung gegen die Restitution einer fremden Sache ist; vor der Uebergabe ist die Sache noch die eigene des angeblichen Retinenten.

Eine solche Weigerung ist nur ein Nichterfüllen einer per­

sönlichen Verbindlichkeit mit der eignen Sache ”)• sich das Retentionsrecht auch nicht

Deßhalb endlich läßt

mit dem Grundsatz in Verbindung

bringen, daß bei gegenseitigen Verträgen die Erfüllung bis zur Gegen­

erfüllung unterbleiben darf (s. g. exceptio non impleti contractus).

Auch

hier handelt es sich nicht nm ein Zurückgeben einer wiedergeforderten

Sache.

Beide Sätze haben allerdings das mit miteinander gemein, daß

auch die Verweigerung der Vertragserfüllung bis zur Gegenerfüllung als eine „Anwendung" der exceptio doli generalis aufgefaßt werden kann,

bei der Allgemeinheit der Natur der letzteren aber ist damit eine Charakterisirung des Individuellen nicht gewonnen *8). Aber es fragt sich, ob nicht einzelne Stellen des A.L.R. dieser Auffassung entgegenstehen und dennoch eine ’ Retention

an

Schuldverpflichtungen

oder

anderen

unkörperlichen

Recht.sobjekten zulassen. Zwar die Definition des Retentionsrechts wider­

spricht, wenigstens was persönliche Verpflichtungen betrifft, dem gradezu

— aber bei anderen Stellen scheint es in der That, daß sie die hier

verworfene Ansicht billigen.

Zunächst heißt es:

„unter vorstehenden Er­

fordernissen (§. 539. 540. 541.) kann auch der Inhaber einer Ka­

pitalssumme wegen einer an den Eigenthümer derselben ihm zustehen­ den Gegenforderung, selbst alsdann, wenn ihm sonst das Kompensations­

recht

nicht

zustehen

würde,

das

Zurückbehaltungsrecht

ausüben"").

Eine wiedergeforderte Kapitalssumme kann also zurückgehalten werden. Koch identifizirt den Begriff Kapitalssumme mit dem Begriff Kapitals­ schuld und folgert daraus, daß das A.L.R. die Retention von Schuldver­ pflichtungen zuläßt. Das kann ihm aber ohne Weiteres nicht zugegeben wiederfordernder Schuldner, §.545. b. T. Daß nur a» da« Znrückbehalten einer körperlichen Sache in §. 83. I, 13. zu denken, ist wohl nicht zu bezweifeln. Ein wirkliche« RelentionSrecht hat auch der gutgläubige Besitzer gegen den Bindikanten au« §. 26. I, 15. *•) Hälfchner a. a. O. *’) Lenz S. 387. Sinteni«, Civ.R. II. S. 169. Note 76.

*•) Ueber §. 271. I, 5. f. oben S. 460. Es kann daher Koch, der da« Ret.R. auf den in §. 271. ausgedrückten Grundsatz stellt, nicht beigestimmt werden. S. noch Schenk S. 112 f. §. 33. — Bei Striet h. B. 45. S. 305. ist richtig entschieden, daß die Vorschriften über das Ret. R. nur da zur Geltung kommen, wo ein spe­ zieller Vertrag, der zur Zurückhaltung berechtigt, nicht vorhanden ist. *•) §. 542. d. T.

Zweite« Buch. Die besonderen Privatrechte,

776

werden, denn offenbar haben sich die Redaktoren hier unter Kapital eine

Sache, und zwar eine körperliche Sache gedacht, die greifbar« Sumpie von Geldstücken oder von Geldpapieren, und wenn diese Auffassung auc^ gewiß nicht ohne Unklarheit und durchaus nicht zu billigen ist, so hat sie doch daran eine gewisse Stütze, daß man im gewöhnlichen Leben unter

Kapital nicht die Forderung oder die Schuld, sondern die konkrete, durch nutzbare Anlegung festgemachte, gewissermaßen individualisirte Summe Geldes versteht.

Man beachte insbesondere die Worte:

Inhaber einer

Kapitalssumme. Kann man wohl sagen, daß der Schuldner der Inhaber der Schuld sei? Aber man kann sagen, daß er der Inhaber einer Summe sei.

Will man aber auch in dieser Stelle eine figürliche Anwendung der

Retention auf eine Kapitalsschuld erblicken, so kann doch in keinem Fall aus ihr der allgemeine Satz gezogen werden, daß jede Schuld, jede obli­ gatorische Verpflichtung zurückgehalten werden kann, mindestens muß die

Verpflichtung in einem Zurückgeben bestehen, der Gegner muß wieder­ fordern.

Es heißt ferner:

der Pächter hat ein Zurückbehaltungsrecht an

der gepachteten Sache, aber „der Miether kann ein solches Zurückbehal­

tungsrecht nicht auf die Sache selbst, sondern nur auf den Zins des letzten Termins ausüben" zo). Aber auch dieser Ausspruch beweist nicht

die Möglichkeit und Zulässigkeit einer Retention an der ZinSschuld, denn eS leuchtet wohl ein, daß der §. nur ungenau gefaßt ist.

Der Sinn ist

offenbar: der Miether darf nicht die gemiethete Sache zurückhalten, aber

er darf statt dessen die Zahlung des Zinses verweigern, und dies heißt nichts weiter, als er darf die Gegenleistung vorenthalten. Gewiß ist diese Auslegung keine gezwungene, und dann mnß man si^ annehmen, weil die entgegengesetzte, die nur das Wort preßt, zu einer Widernatürlichkeit, zu einer Unklarheit hinführt, die selbst dann die Wissenschaft zu berichtigen

berufen ist, wenn der Wortlaut des Gesetzes ihr scheinbar verfallen ist. Und so wird es auch keinem Zweifel unterliegen, daß das Zurückhalten

in §. 222. I, 11. nicht den technischen Sinn deS Retentionsrechts hat, sondern — wie so oft im A.L.R. — ein ungenauer, dem täglichen Leben entlehnter Sprachgebrauch ist, zumal hier nicht einmal der Kaufpreis wirk­

lich zurückgehalten wird, sondern gerichtlich niedergelegt, d. h. in einer be­ sonderen Weise gezahlt werden muß. — Ebenso wenig aber, wie per­ sönliche Schuldverpflichtungen, können andere unkörperliche Rechtsobjekte,

dingliche Rechte auf eine fremde Sache, Servituten zurückgehalten werden.

Der Revisor des A.L.R. bemerkt"), bei affirmativen und UntersagungSrechten (quae in faciendo und quae in non faciendo conaistunt) lasse sich eine Zurückhaltung deS Rechts überhaupt nicht denken;

i0) Ä.L R. 1,11. §. 396. 397. ") Ergänzungen jit §. 542. d. T.

bei negativen

§. 119.

Die Einrede der Zurückhaltung.

777

Rechten (quae in patiendo consistunt) verhalte es sich aber anders, weil die Ausübung dieser Rechte mit dem Besitz einer Sache verbunden sei.

Auch in der gemeinrechtlichen Theorie ist das Retentionsrecht auf solche Servituten vertheidigt worden wegen der certa et continua possessio, die bei ihnen an der fremden Sache oder an den Vorrichtungen statt­ findet ").

DaS beruht aber auf einer Täuschung.

WaS zurückbehalten

werden kann, ist auch hier nicht das unkörperliche Recht, sondern die kör­

perliche Sache, die für dessen Ausübung die Voraussetzung ist. Der Begriff der fremden Sache als RetentionSobjekt läßt noch die Frage entstehen, ob die Sache die eigene des Retentionsgegners sein muß,

oder ob sie auch die eines Dritten sein kann. Unter der Voraussetzung, daß die Forderung, die sich der Retinent sichern will, sich auf diese Sache bezieht, kann es nicht darauf ankommen, ob sie dem RetentionSgegner oder einem Dritten gehört: wesentlich ist mit, daß Ersterer ein Recht hat, sie vom Retinenten zurückzufordern. Dies ist der Sinn der Worte, daß die Sache eine res alteri (dem Retentionsgegner) debita sein muffe”), und

dem widerspricht nicht der Grundsatz des A.L.R.:

gegen einen Dritten

kann in der Regel das Zurückbehaltungsrecht nicht ausgeübt werden, wenn dieser Dritte bxfugt ist, die Räumung des Besitzes zu verlangen"), denn hier ist die Wiedergabe der Sache dem Dritten, nicht dem Retentions­ gegner geschuldet. c. So lange wird die fremde Sache zurückgehalten, bis der Retinent wegen seiner Gegenforderung befriedigt ist. Es versteht sich von selbst,

daß der Ausdruck Gegenforderung nicht einen Zusammenhang der Reten­ tion mit der Kompensation andeuten soll.

Beide sind gänzlich verschieden.

Nur wer die Retention auch bei Schuldverpflichtungen zulassen will, ver­ liert die Scheidung beider Rechtsinstitute. Bei der Kompensation wird

Forderung mit Forderung bezahlt, die Retention soll nur sichern. Erstere setzt Gleichartigkeit beider Forderungen voraus, letztere nicht, ja meist wird bei ihr Ungleichartigkeit stattfinden — von der einen Seite

eine Forderung auf Geld (genus), von der andern ein Anspruch auf Zu­ rückgabe einer Sache (species) ”). — Der Zurückhaltende muß eine For­ derung haben, und diese Forderung muß „in Ansehung der Sache selbst oder

aus dem Geschäft, vermöge dessen dieselbe in die Hände des Besitzes gekom1Z) S. oben Note 13. (FaseliuS, Schenk, Puchta), dazu noch Holjschuher, 3. A. von Kuntz« I. S. 125. “) S. Holzschuher a. a. O. S. 125. a. E. f. “) §. 546. d. T. Vergl. unten Note 32. 25) Trotz der augenscheinlichen Verschiedenheit hat man doch früher beide Rechtsinsti­ tute in Vergleichung gesetzt. Glück B. 15. S. 114fg. polemisirt dagegen. Schenk §. 6 —10. Ist mit der Kompensation ein Retentionsrecht verbunden, so ist es, wie Schenk §. 10. au-sührt, nicht eine retentio jure retentionia, sondern eine retentio jure compensationis. S. auch über die Verschiedenheiten beider Dern« bürg, die Komp, nach röm. R. S. 93. 422.

778

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

men, entstanden sein" “), d. h. die Forderung muß sich auf diese Sache be­

ziehen. Dies ist das Erforderniß der Konnexität, welches zu so viel Streit

Veranlassung gegeben.

Die Streitigkeiten beziehen sich hauptsächlich darauf,

daß man die im positiven Recht vorkommenden Fälle des Zusammenhangs auf bestimmte Kategorien hat zurückführen wollen, bei denen von der einen

Seite behauptet wird, daß sie nicht erschöpfend, von der anderen, daß sie mit nicht hierher gehörigen Fällen überladen seien").

Das A.L.R. stellt

keine Kategorien auf, und das mag um so mehr anerkannt werden, als es sonst der Neigung zu kasuistischer Vollständigkeit sehr oft verfallen ist. In der That muß die Aufstellung von Kategorien ganz aufgegeben werden) sie ist durchaus unnöthig:

eS genügt für die Erkenntniß des einzelnen

Falles die allgemeine Regel, daß durch die Retention eine Forderung ge­ sichert werden soll, die in Beziehung auf die zurückzugebende Sache- ent-'

standen ist").

Die Forderung soll eine Gegenforderung gegen die Resti-

tutionSfordernng sein, sie muß also dem Retineuten gegen den Retentions­ gegner zustehen, dieser muß ein „wiederfordernder Schuldner"") sein. Deßhalb darf gegen einen Dritten nicht zurückbehalten werden, wenn dieser die Räumung des Besitzes verlangen kann, d. h. wenn nicht er für die

zu sichernde Forderung aufzukommen hat. Hiervon eine Ausnahme: wenn die Forderung entstanden ist auS einer zum Nutzen der Sache geschehenen Verwendung, so kann die Sache Jedem vorenthalten werden, der mit ihr den Vortheil aus der Verwendung empfangen würde"). Aber diese Aus­

nahme ist eine scheinbare. Die Verwendung erzeugt einen Anspruch auf Ersatz, und nur wo ein solcher begründet ist, kann Retention stattfinden"): der Ersatzpflichtige ist Jeder, der die Sache zurückfordert, und mit ihr die Bereicherung erhalten würde, das Zurückgeben der Sache und das Ersatz­

leisten sind Leistungen Zug um Zug auf Grund nützlicher Verwendung

oder auftragloser Geschäftsführung. Der zurückfordernde Dritte ist kein Dritter, sondern der rechte Schuldner für diese Ersatzforderung ’’). Die 2‘) § 539. 543. d. T. ”) Vergl. hierüber besonders Großkopss, der freilich die Konnexität ganz leugnet, und S int en iS II. S. 167. Note 75. Spalte 2. 18) Beispiele von Konnexität: Strieth. B. 9. S. 281. B. 10. S. 190. B. 43. S. 357. ”) §. 545. d. T. Seuffert B. 6. Nr. 290. Die Retentionseinrede kann einer Klage aus bloße Vorlegung einer Urkunde nicht entgegengesetzt werden, weil keine Zurück­ forderung erfolgt. Seuffert B. 11. Nr 150. •«) §. 546. 947. d. T. Vergl. ArnSb. jurist. Monatschr. I. S. 538. 31) Nur der redliche Besitzer (Inhaber) hat Anspruch aus Ersatz, der befriedigt wer­ den muß bei Herausgabe der Sache. Der malae fidei possesaor hat den An­ spruch nicht, er hat nur das jus tollendi, soweit der frühere Zustand wieder her­ gestellt werden kann. A L.R. I, 7. §. 204 f. 212 f. 238. Nothwendig« Verwen­ dungen müsse» zwar auch dem unredlichen Besitzer erstattet werden, 1, 7. §.236,, aber er darf deßhalb nicht retiniren. §. 538. I, 20. Ebenso nach gemeinem Recht: 1. 5. C. III, 32. 1. 38. D. V, 3. 1. 25. D. XX, 1. SchenkS.90f. Len, S. 386. Note 30. **) Koch, Komm. Note 8a. (2. A.) macht zu §.547. d. T. die Bemerkung: „dies ist

§. 119.

Die Einrede der Zurückhaltung.

779

Verwendung muß noch wirklich vorhanden sein, also wirklich als Werth

auf den Zurückfordernden übergehen, und nur so weit sie übergehen würde — auf die Höhe des entsprechenden Werthes — darf zurückgehalten wer­ den 33). Die Forderung ferner muß zur Zeit, wo die Sache zurückgegeben

werden soll, fällig3*) und liquid sein („bescheinigt", wie es zur An­

legung eines Arrestes erforderlich wäre)35). Bedingte und betagte Forde­

rungen rechtfertigen daher ein Zurückbehalten nicht 3°), das unbedingte und unbetagte Rückforderungsrecht ist stärker. Die Nothwendigkeit der Liqui­ dität ist im gemeinen Recht streitig und man neigt sich dahin, sie als pro­

zessualisches Erforderniß aufzufassen, d. h. die Liquidität nur da zu ver­ langen, wo die Prozeßart sie nöthig macht, also nicht im ordentlichen

Prozeß 37)_-

d. Die Wirkung des Zurückbehaltungsrechts besteht darin, daß die Befriedigung einer Forderung gesichert wird, nicht dadurch, daß man aus nicht mehr Wirkung des Zurückbehaltungsrechts, es ist die eigenthümliche Wirkung eines dinglichen Rechts." Der Anspruch auf Ersatz der Verwendungen ist aber nicht ein dingliches Recht, sondern obligatorisch. Auch giebt die Konk.Ord. §. 33. Nr. 10 „diesem dinglichen Rechte" nicht den „Namen" deS Pfandrechts, sondern giebt dem Reünenten wegen Verwendungen nur die „gleichen Rechte" mit den Faustpfandgläubigern, d h. auf abgesonderte Befriedigung aus der Sache. DieS ist freilich nicht Wirkung des Retent. R , da dies nicht auf Befriedigung auS der Sache geht; eS erklärt sich aber diese positive Vorschrift ans den Zwecken des Konkurses. — Ueber den Begriff des Dritten ist Meinungsverschiedenheit. Koch (Note 8. zu §. 546.) sagt: Ein Dritter ist hier Jeder, welcher nicht an Stelle desjenigen, gegen den daS Retentionsrecht ausgeübt werden kann, in eben das­ selbe obligatorische Verhältniß eintritt. Koch scheint hiernach unter dem Dritten nicht den Singularsuccessor zu verstehen, d. h. denjenigen, der die Forderung deS Retentionsgegners auf Zurückgabe der Sache erworben hat. Daß gegen den ©in* gularsuccessor daS Ret. R. ausgeübt werden kann, ist gewiß (Präj. 2222. Entsch. B. 19. S. 488.). Aber dieser ist auch kein eigentlich Dritter; der Begriff des­ selben geht weiter, man wird auch denjenigen darunter verstehen müssen, der un­ abhängig vom Retentionsgegner und ohne in dessen Anspruch eingetreten zu sein, eine Forderung auf Herausgabe der Sache hat. Also, wie Hälschner a. a. O. S. 233. annimmt, auch den, der eine solche schon früher gehabt, ehe die Sache in die Hände des Retinenten gekommen, oder den, welcher die Herausgabe for­ dern kann, nachdem das R. des RetentionSgegnerS auf die Sache resolvirt ist. Die Auskunft aus den Materialien, die Koch Note 8. zu §. 546. giebt, ist nicht recht klar. DaS Beispiel, was er anführt, paßt nicht. Dem Käufer gegenüber, dem noch nicht übergeben, der also nur einen obligatorischen Anspruch an den Verkäufer auf Uebergabe hat, und der nicht bloß „wahrscheinlich" nicht, sondern gewiß noch nicht Eigenthümer geworden, kann der Werkmeister die Herausgabe der Maschine bis zur Befriedigung seiner Lohnforderung verweigern. DieS fällt aber unter §. 271. I, 5. und ist nicht Ausübung des R. im eigentlichen Sinn. S. oben Note 18. In §. 547. d. T. ist offenbar nur an die versio in rem ge­ dacht, die ohne ein bestehendes Vertragsverhältniß erfolgt ist, und durch sich selbst ein quasi Bertragsverhältniß erzeugt.

“) §. 548-550. d. T. “) §. 540. d. T. S5) §. 541. d. T. ArnSb. jurist. Monatfch. I. 538. Ueber daS ganz irrige Reskr. v. 15. Septbr. 1804 s. Koch, Komm. Note 5. zu §. 541. DanielS a. a. O. hält daS Reskr. für giftig und richtig.

M) Lenz S. 388.

1. 213. pr. de V. 8.

") Glück B. 15. S. 124.

1. 35. D. V, 1.

Lenz S. 389.

I. 36. D. XII, 1.

Großkopff S. 90.

780

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

der Sache die Befriedigung erhalten will, sondern dadurch, daß man in der Sache einen der Forderung entsprechenden Werth so lange zurückhält, bis man anderweitig befriedigt worden *38).39 40 Man darf daher nur soviel

zurückhalten, als nöthig ist, um die Befriedigung zu sichern; übersteigt der Werth der Sache den Betrag der Forderung und ist jene untheilbar, mit­ hin ein verhältnißmäßiges Zurückhalten unausführbar, so soll sie zur ge­ richtlichen Verwahrung gebracht, oder gegen annehmbare Sicherheitsleistung zurückgegeben werden38).

Weil die Zurückbehaltung Sicherungsmittel für

eine Forderung ist, so tritt eine Aehnlichkeit mit dem Pfandrecht hervor,

die auch schon in den römischen Rechtsquellen Ausdruck gefunden"), und offenbare Veranlassung gewesen ist, sie im A.L.R. dem Pfandrecht syste­ matisch anzuschließen. Dem Zurückbehaltenden sind daher auch wegen Ver­ wahrung, Verwaltung, Gebrauch der Sache die Pflichten eines Pfandin­

habers auferlegt41).42 Er vertritt ein Verschulden wie dieser.

wesentliche Unterschied zwischen beiden Instituten liegt darin,

Aber der

daß der

Pfandgläubiger berechtigt ist, sich durch das Pfand zu befriedigen, der Retinent seine Befriedigung anderweitig erwarten muß43). Das Retentions­ recht bleibt so lange in Kraft, bis der Zurückhaltende befriedigt worden ist; theilweise Befriedigung hebt es nicht auf43).- ES wird so lange ge­ schützt durch eine Einrede gegen die Restitutionsklage44). Eine selbständige S8) Befriedigt wird der Retinent auch, wenn der Schuldner deponirt. Strieth. B. 21. S. 230. 39j §. 552—554.555. d. T. Vergl. dazu in einer speziellen Anwendung Anh. §. 302. zu §.60. I, 44. A.G.O. FaseliuS §.8. Frank in Siebenhaar, Archiv für Wechselrechr B. 13. S. 231. Schenk S. 109 f. will die Ret. nicht auf den Werth der Forderung beschränken. 40) Quasi pignus — loco vel nomine pignoris — veluti naturalis pignoris vinculum. Vergl. 1. 15. §. 1 D. XLVII, 2. 1.15. D. XLIX, 15. 1. 5. D. XXXIII, 4. u. a. St. Lenz S. 379. Note 10. Ueber den Unterschied von Pfand- und Retentionsrecht s. Wolff a. a. O. S. 258 fg. DaS D. Hand.G.B. Art. 313— 316 stellt das Ret. R. dem Pfandrecht gleich und — waS seiner Natur wider­ spricht, — gewährt für dasselbe sogar eine Klage. S. überhaupt hierüber den Aussatz von Wolff, und Laband in Goldschmidt'S Zeitsch. B. 9. S. 482s. Der Spediteur hat nach Art. 382. ein Pfandrecht an dem Gute. Frank in Siebenhaar, Archiv für Wechsel, und Handelsrecht. B. 13. S. 225 sg. (1864). Nach Art. 30. des preußischen EinsührungsgesetzeS z. deutsch. HandelSges.Buch ha­ ben die Gläubiger daS Recht, das Ret. R. anzufechten. 41) §. 558. d. T. 1. 30. D. XIII, 7. 1. 5. §. 22. D XXXVI, 4. 42) Bornemann I. S. 277. bei Note 2. Nach Art. 315. des D. H.G.B. befriedigt sich der Retinent durch Verkauf der zurückbehaltenen Sache. Ob nach preuß. R. dem Bermiether an den eingebrachten Sachen des Miethers nur ein Retentions­ recht (A.G O. I, 44. §. 56 f.), oder ein wirkliches Pfandrecht (A.L.R. I, 21. §. 395.) zustehe, wird passender in der Lehre von der Miethe und Pacht erörtert. Der Praxis haben die gesetzlichen Bestimmungen manche Schwierigkeiten gemacht. S. Lenz, Studien und Kritiken, 1847. S. 115 sg. ") §. 557. d. T. DaS Ret. R. ist untheilbar. 1. 65. D. XXI, 2. 1. 19. D. XX, 1. Ueber die Bedeutung der Worte: „ist die Forderung klar" in §. 557. b. T. siehe Strieth. B. 49. S. 25. Donec pecunia solvatur. 1. 26. §.4. D. XII, 6. 1. 5 pr. D. XXV, 1. 44) §. 558. d. T. als „Anwendung" der exc. doli gener. Die Ret. Einrede kann auch

§. 119.

Die Einrede der Zurückhaltung.

781

Klage auf Einräumung des Zurückbehaltungsrechts giebt eS nicht") — aber

ist der Inhaber durch Gewalt oder List des Besitzes entsetzt, so hat er die Besitzklage gegen den Entsetzenden auf Wiedereinräumung deS Besitzes"),

e. Das Retentionsrecht hört auf, wenn die Gewahrsam aufgegeben wird, und eS kann nicht erhalten werden durch Protestationen, die man

bei der Zurückgabe der Sache erhebt").

Fordert das Gericht die Sache

ab, so bleibt das Zurückbehaltungsrecht von Rechtswegen Vorbehalten, so lange sich die Sache oder ihr Werth in gerichtlicher Verwahrung befindet");

soll aber die Sache vom Gericht einem Anderen übergeben werden, so

kann der Inhaber eö sich nur durch eine innerhalb acht Tagen gerichtlich

anzubringende Protestation erhalten"). Ob die Bestellung einer Kaution daS Retentionsrecht aufhebt, ist im gemeinen Recht streitig — wenigstens will man das behaupten, wenn die Forderung noch illiquid ist"). Im Allgemeinen muß wohl die Frage verneint werden, weil der RetentionSgegner durch bloße Sicherheitsstellung noch nicht Befriedigung bietet, und nur der freie Wille des Retinenten sich mit dem Minderen der Kaution

zufrieden erklären kann. DaS A.L.R. hat die damalige Ansicht beibehal­ ten, daß bei bestrittener Gegenforderung Kaution die Zurückhaltung auf­ hebt"). Wie endlich der Konkurs auf das Retentionsrecht einwirkt, ist

früher erörtert"). Nachdem die einzelnen Merkmale des Zurückbehaltungsrechts und die Voraussetzungen seiner Ausübung dargestellt sind, wird sich die Natur dieses „eigengearteten" Rechts angeben lassen.

Ist eS ein Recht — und

das muß eS sein, sonst könnte eS keine Einrede erzeugen —, so kann eS nur entweder ein persönliches oder ein dingliches sein.

41)

46)

47) 48)

Letzteres ist es

in der Exekutionsinstanz gebraucht werden. Strieth. B. 53. S. 148. — L. 5. pr. D. XXV, 1. 1. 26. §. 4. D. XII, 6. 1. 29. D. XXI, 1. 1. 2. pr. D. XIV, 2. Strieth. B. 20. S. 334. Das Retentionsrecht ist für fich selbst kein Entste­ hungsgrund von Rechten gegen einen bestimmten Verpflichteten; der Anspruch, weßhalb man stch der Retention bedient, muß vielmehr mit der ihm eigenen Klage geltend gemacht werden. DaS deutsche Hand.Ges.B. giebt dem Retinenten eine Klage. Art. 315. s. oben Note 40. §• 561. d. T. Auch wenn der Entsetzende der Schuldner selbst ist. Vergl. I, 20. §. 120. Motive in den Ergänzungen. §. 559. 560. d. T. §. 562. d. T.

49) §. 563. 564. d. T. 50) Glück B. 15. S. 124. Bon den Aelteren s. Voet. Vol. in. XVI, 2. §.21. Leyser med. sp. 175. m. 3. 4. Pufendorf, osserv. 11,130. Die Neueren verneinen. Schenk S. 337fg. §. 90. Holzschuher 3. A. I. S. 133. AuS der Praxis: Seusfert B. 16. Nr. 94. B. 17. Nr. 2. 51) §. 556. d. T. Die Kautionsleistung in §. 555. hat eine besondere Voraussetzung. M) §• 566. di T. Oben §. 113. bei Note 47. 48. Koch, Rechte der Forder. I. S. 666 f. Eröffnung des erbschaftlichen LiquidationSprozeffeS hebt das Retent.R. nicht auf. Rechtspr. B. 1. S. 204.

Zweite- Buch.

782

Die besondere» Privatrechte.

gewiß nicht — das A.L.R. widerlegt dies direkt"), obschon eS hier mit« ES kann also nur ein per­ Indem eS eine Forderung sichern soll nicht

tdn unter die dinglichen Rechte gestellt ist.

sönliches (relatives) Recht sein.

durch die Sache, sondern durch die Zurückhaltung der Sache, ist es ein Gegenrecht gegen den Anspruch auf Herausgabe der Sache.

Indem es

nur sichern soll, ist es ein unselbständiges, abhängiges Recht. ES geht daher mit der Forderung, die es sichern soll, auf den Universal- und Singularsuccessor über, aber nur, wenn diese zugleich die Gewahrsam der

Sache erhalten.

§. 120.

Die Einrede der Verjährung.

Oben §. 46 und 57. — A.L R. I, 6. §. 54. 55. Deklar. v. 31. Mär; 1838. Suarez, amtliche Vorträge in v. Kamptz, Jahrh. SB. 41. @. 7. Löwenberg, Motive der preußischen Gesetzgeb. 1. Th. 1843. S. 139. Heydemann Einl. I. S 305f. Gruchot IV, 127. Koch, R. d. F. II, 543. Unterholzner I, 521.

Nachdem ausführlich in den §§. 46. 57. von der Verjährung durch

Nichtgebrauch gehandelt worden, ist hier nur noch ein Punkt einer näheren Erörterung zu unterwerfen. Das preußische Recht ist durch eine im 6. Titel des A.L.R. enthal­

tene Bestimmung über die Verjährung sehr beschwert worden mit Zwei­ feln, die eine Deklaration hat beseitigen sollen, welche jedoch selbst wieder

Veranlassung zu einer reichen Kasuistik geworden ist. Das gemeine Recht kennt eine besondere Verjährung für Schuldan­ sprüche außerhalb eines Vertrages, namentlich für die Ansprüche aus dem aquilischen Gesetz nicht'). So sollte auch ursprünglich bei der Redaktion des preußischen Rechts festgesetzt werden. Aber man kam davon ab, weil kein erheblicher Grund denkbar sei, wenn der, welcher den Schaden und

dessen Urheber wisse, dreißig Jahre verstreichen lasse, ohne seine Entschä­ digung allenfalls durch richterliche Hilfe zu suchen, und weil man dem vorbeugen wollte, durch zu langen Zeitverlust das Faktum und die Aestimation des Schadens verdunkeln zu lassen **). Daß man bei dieser Er­ wägung sich auch auf Analogien aus dem römischen Recht berufen zu können glaubte, war ein Irrthum, denn mit den prätorischen Annalklagen hat eö eine andere Bewandniß 3). Von diesem Standpunkt einer angeb**) *) *) *)

S. die Note 8. zu §. 546. d. T. bei Koch. Unterholzner a. a. O. S. 522fg. Suarez, Schlußrevision S. 7. Bornemann II. S.210. Notel. Die Annalklagen beziehen sich nur aus Strafe oder Buße» die Klagen, quae rei persecutionem habent, d. h. auf Entschädigung abzielen, sind der Beschränkung aus ein Jahr nicht unterworfen. 1. 35. pr. D. XLIV, 7.: In honorariis actionibus gic egge deflniendum Cassius alt, ut quae rei persecutionem habeant,

§. 120.

Die Einrede der Verjährung.

783

lichen Nützlichkeit, welcher dahin führte, daß dem Beschädigten, indem ihm

die Verfolgung seines Anspruchs erleichtert werden sollte, die Zeitdauer für eine solche Verfolgung abgekürzt wurdet, beschloß man, die VerjährungSzeit für Entschädigungsansprüche außerhalb

eines Vertragsverhält­

nisses auf drei Jahr vom Zeitpunkt der Kenntniß zu bestimmen.

zufolge lauten die §§. 54.55. I, 6. A.L.R.:

Dem­ „Wer einen außerhalb dem

Falle deS Kontrakts erlittenen Schaden innerhalb dreier Jahre, nachdem das Dasein und der Urheber desselben zu seiner Wissenschaft gelangt sind, Sind

gerichtlich einzuklagen vernachlässigt, der hat sein Recht verloren.

seit dem Zeitpunkt der Schadenszufügung dreißig Jahre verflossen, so kommt es auf den Zeitpunkt der erlangten Wissenschaft nicht weiter an"5*).6 * *7* Bei Auslegung dieses Gesetzes treten zwei Fragen in den Vordergrund:

auf welche Beschädigungsfälle bezieht es sich überhaupt — und wie ist der Anfang des Verjährungslaufs näher zu bestimmen. DaS Gesetz unterwirft den Anspruch auS einem außerhalb dem Falle eines Kontrakts erlittenen Schaden jdieser Verjährung. Aus­ geschlossen sind dadurch zunächst unzweifelhaft die Schadensersatzansprüche ans Vertragsverhältnissen *), also die Klagen auf das Interesse. Aber

auch von diesen abgesehen, kann ein Schaden zugefügt werden durch eine

an sich erlaubte, nicht vertragsmäßige, und durch eine unerlaubte Hand­ lung.

Der unbestimmte Charakter des 6. Titels, der, obschon er nur die

Rechte und Pflichten, die aus „unerlaubten" Handlungen entstehen, be­

stimmen sollte, doch eine Reihe von Aussprüchen enthält, die sich auch auf Beschädigungen beziehen, welche die Folge erlaubter Handlungen sind'),

führte nothwendig zu dem Zweifel, ob der kurzen Verjährung auch solche, oder nur diejenigen Schadenersatzklagen unterworfen seien, die auS Delik­ ten herrühren. Es scheint, daß gleich von Anfang die Gerichtshöfe hier­ über verschiedener Meinung waren. Die Differenz trat aber praktisch bedenklich hervor, als zwei westphälische Oberlandesgerichte über die Be-

«) 5)

6)

7)

hae etiam post annum darentur, ceterae intra annum. 1. 21. §. 5. D. XXV, 2.: Haec actio licet ex delicto nascitur, tarnen rei persecutionem continent: et ideo non anno finitur. 1. 22. §. 6. D. XL. 12. Haec actio post annum non datur, cum sit honoraria ... et poenalis. 1. 3. §. 4. D. IV, 9. 1. 1. §. 8. D. XLIII, 4. 1.1. §. 3. D. XXV, 6. 1.9. §.8. D. XLII. 5. UnterHolzner S. 523. Koch, R. d. F. II. S. 544. Oesterr. Ges. B. §. 1489. läßt jeden Schaden in 3 Jahren verjähren von der Zeit, wo er dem Beschädign bekannt geworden, wenn er nicht durch ein Ver­ brechen entstanden. DaS sächs. Ges. B. hat eine kürzere Verjährung nicht ausge­ nommen. Hierher gehören auch die Entschädigungsansprüche auS erfüllten, formell ungiltigen Verträgen. ArnSb.Arch. B. 13. S. 447., ferner aus AuSeinandersetzungöRezessen, welche vertragsmäßige Rechte und Pflichten erzeugen. Ergänzungen zu §.54. bei 3. h. Ein rechtskräftiges Erkenntniß schließt §.54. aus. Strieth. B. 49. S. 298. Oben S. 51 f. 625. 527 f.

784

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

schädignngen, die durch den Bergbau dem Eigenthümer des Grundstücks zugefügt werden, verschieden erkannten. Das O.L.Gericht Hamm gab dem §. 54. die weitere, das O.L.Gericht Münster die beschränktere Anwendung.

Jenes konnte sich mit gutem Grunde darauf berufen,

daß die negative

Bezeichnung „außerhalb eines Kontrakts" keine weitere Unterscheidung der

Fälle von Beschädigungen

zulasse, während dieses das Bedenken fand,

daß, wenn §. 54. auf alle Schäden außerhalb eines Kontrakts angewendet

würde, darunter auch die Schäden fallen müßten, die eine Sache durch

den Nießbrauch erleide, oder die dem auftraglosen Geschäftsbesorger entstehen 8). Damals trat das Justizministerium der weiteren Auslegung

bei und verstand in §. 54. unter Entschädigungsanspruch einen jeden, wel­ cher auf das Dasein einer Thatsache sowie eines positiven Ge­

setzes, wodurch das Rechtsverhältniß zu dem Beschädigten bestimmt werde, sich gründe8). Da aber das Schwanken der Praxis dadurch nicht beseitigt wurde, erschien die Deklaration v. 31. März 1838, welche den Grundsatz feststellte, daß §. 54. auf unerlaubte Handlungen nicht zu be­ schränken sei. „Die. Vorschrift dieses §., heißt es, ist auf alle außer

dem Fall eines Kontrakts entstandene Beschädigungen, sie mögen durch eine erlaubte oder unerlaubte Handlung verursacht sein, zu beziehen" **°).

Auch diese „Deklaration" konnte nicht alle Zweifel heben, weil sie

und So ist es denn seitdem der Praxis überlassen

mehr nur eine Umschreibung des §. 54. darbot, nicht ein klares

sicheres Prinzip hinstellte.

geblieben, das Prinzip zu suchen.

Diese Thätigkeit war um so unabweis­

barer, als die sehr kurze Verjährung zu einer sehr bedenklichen RechtSentziehung führen mußte, wenn man ihre Anwendung auSdehnte.

Daher

kommt es, und ist es gerechtfertigt, daß die Gerichte bei der Auslegung deS §. 54. und seiner Deklaration wesentlich einer einschränkenden Ten­ denz folgen. ES ist oben §. 89. 90. u) erörtert, daß die Kategorie der eigentlichen

Deliktsobligation den Begriff der Entschädigungsobligation nicht erschöpft, daß neben derselben noch eine Obligation Beachtung erheischt, welche im

Mangel eines bestimmten technischen Ausdrucks als die einfache Ent­ schädigungspflicht bezeichnet worden ist. DaS entscheidende Merkmal der Entschädigungsobligation im weiteren Sinn (die Obligation auS dem Delikt inbegriffen) liegt darin, daß das Schuldverhältniß ein selbständiges 8) Löwenberg a. a. O. S. 140fg. •) Reskr. v. 19. Januar 1821 bei Löwenberg S. 141. und Jahrh B. 17. S. 5. ,0) Durch Verordn, v. 15. April 1842 sind alle der Deklaration und den §§. 54.55. I, 6. entgegenstehenden provinziellen oder statutarischen Bestimmungen ausgehoben worden. u) S. 521 f. und S. 527.

§. 120.

Die Einrede der Verjährung.

785

ist, daß sich die Verpflichtung zur Entschädigung nicht aus einem anderen bestimmten Rechtsverhältniß ablcitet. Es ist der schädliche positive Eingriff in eine fremde, abgeschlossene Rechtssphäre für sich allein, der die Obli­

gation erzeugt.

Alle diese Ersatzansprüche fallen unter die kurze Verjäh­

rung, und damit sind alle Ersatzansprüche von dieser Verjährung ausge­

schlossen, die sich auf ein zwischen den Parteien bereits bestehendes, kon­ kretes Nechtsverhältuiß beziehen, dem Folge zu leisten, das zu erfüllen der Verpflichtete sich weigert, niag auch dieses Rechtsverhältniß selbst nicht grade

ein „Kontrakt" sein. So ist der Ersatzanspruch aus der Verletzung einer, durch Testament auferlegten Verbindlichkeit"), gegen den Vormund "), der

Anspruch aus auftragloser Geschäftsführung"), auö einem Nießbrauch"), aus der Vorenthaltung eines Servitutrcchts ") nicht in drei Jahren ver­

jährbar, und cs lag der Auffassung des O.L.Gerichts Münster, welches grade auf solche Schuldverhältnisse hinwies, nm daraus die Einschränkung des §. 54. auf Deliktsobligationen zu motiviren, offenbar eine Verkennung des weiteren Begriffs der selbständigen Entschädigungsobligation zu Grunde.

Den richtigen Gesichtspunkt hat das Obertribunal in klärender Weise durch den Plenapbeschluß vom 6. Septbr. 1852 ausgesprochen "): „Die Ver12) Z. B. I, 12. §. 313. I, 22. §. 27. *») II, 18. §. 275 ff. Ei» ältere« Erkenntniß de« O. Trib. v. I. 1837 (Juristische Wochenschr. 1839. S. 1.) hat die Verjährung des §.54. auf die Regreßansprüche ehemaliger Pflegebefohlener an ihre gewesenen Vormünder angewendet. Koch, Komment. Note 29. zu §. 54. bestreitet die Nichtigkeit dieser Entscheidung (ebenso Kähne in der jurist. Wochenschr. 1839 S.6s), während Heydemannl. S. 313. Note 571. sie vertheidigen will. Da aber zwischen dem Vormund und Pflegebe­ fohlenen ein bestimmtes Rechtsverhältniß besteht, und durch den vom Vormund dem Pflegling zugefttgten Schaden dieses Rechtsverhältniß verletzt wird, so kann nur dem Widerspruch Koch's beigetreten werden. Die Kategorie der QuasiKontrakte ist eine unbestimmte, unklare; wird die Entschädigungsobligation so aus­ gefaßt, wie oben im Text geschehen, so scheint es, daß eine feste, sichere Trennung der Fälle gewonnen ist, die unter das Gesetz gehören und nicht gehören. Jene ' Entscheidung des O. Trib. läßt sich überdies mit dem neueren Plenarbeschluß v. 6. Sept. 1852 (s. o. Text und unten Note 17.) nicht in Einklang bringen.

") Auch die negotior. gestio erzeugt ein bestimmtes Rechtsverhältniß zwischen dem gestor und dominus negotii, aus welchem der Entschädigungsanspruch des Ersteren gegen den Letzteren sich ableitet. Es ist dabei an sich gleichgiltig, ob man dies Rechtsverhältniß als Quasi-Kontrakt oder als obl. ex lege auffassen will. Aber auch aus anderem Grunde gehört der Anspruch des gestor nicht unter §. 54. Der dominus nämlich ist nicht der Beschädiger, nicht seine beschä­ digende Handlung erzeugt den Anspruch. Der gestor geräth durch seine eigne Handlung in Nachtheil und er hat den Ersatzanspruch, weil er den Nachtheil er­ leidet im Interesse des dominus. Der Gesichtspunkt, daß der dominus durch den gestor bereichert, entscheidet nicht, denn auch, wenn eS an der Bereicherung fehlt, das Geschäft vereitelt worden, besteht der Anspruch auf Entschädigung. §.235. 236. I, 13. Gruchot B. 4. S. 127. Nr. 2. ,5) I, 21. §. 27. 99. 16) I, 22. §. 31. Bergl. hierüber überhaupt die Gründe zum Pl.Beschl. v. 6. Sept. 1852. (Entsch. B. 23. S. 241.). ") I.M.Bl. 1852 S. 354. Entsch. B. 23. S. 241. Strieth. B. 6. S. 276. Präj. Sammt. B. 2. S. 7. Förster, Preuß. Privatrecht. I. 2. Aust.

50

Zweites Buch.

786

Die besonderen Privatrechte.

jährung des §. 54. findet bei Verletzung bestehender, nicht auf einen

Vertrag sich gründender Rechtsverhältnisse insoweit keine Anwendung, als die Klage nur die Natur eines Anspruchs auf Erfüllung oder Er­

satz deS Werths wegen verweigerter Erfüllung hat" "). — Die

Fälle, die zu den Zweifeln und zu der Deklaration besonders Veranlassung gegeben hatten, die Ansprüche wegen Beschädigungen, die bei Gelegenheit

öffentlicher Anlagen und bei dem Bergbau oder durch öffentliche Beamte

bei ihrer Amtsführung zugefügt worden, sind der kurzen Verjährung aus­ drücklich unterworfen.

Die Deklaration hat außerdem noch Bestimmungen

getroffen, durch welche sie die kurze Verjährung ausschließt.

Von diesen

ist die eine eine Ausnahme von ihrem Grundsatz: „wenn der Beschädiger sich mit dem Schaden des Andern einen Vortheil verschafft hat, so tritt

die

ordentliche Verjährung ein, so weit der Anspruch deS Beschädigten

die Höhe jenes Vortheils nicht übersteigt."

Die Bereicherung, die dem

Beschädiger zugefallen, schließt den §. 54. aus, wenn er auch sonst auf

den BeschädigungSfall anwendbar wäre "). Rechtfertigung in

des §. 54. an sich unbillig ist. keine Ausnahmen,

Diese Ausnahme trägt ihre

sich selbst, zeigt aber doch zugleich, daß die Vorschrift

Die anderen Bestimmungen dagegen sind

sondern nähere Erläuterungen deS Grundsatzes:

die

Vergütigung für das zu öffentlichen Anlagen und zum Bergbau abzutre­

tende Eigenthums- oder Nutzungsrecht ist unterworfen.

der ordentlichen Verjährung

Keine Ausnahme ist dies, weil hier die Pflicht zur Bergü-

tigung auS dem Abtretungsgeschäft entspringt, welches, obschon eS erzwun­

gen wird, doch den Charakter eines Veräußerungsvertrages nicht einbüßt. Die Praxis bezieht mit Recht diese Bestimmung auch auf nur theilweise

Schmälerung oder Einschränkung

rechts *°).

eines Eigenthums- oder Nießbrauchs­

Ebenso erklärt sich die weitere Bestimmung der Deklaration,

daß der Anspruch deS Staates oder desjenigen, in dessen Dienst ein Be­

amter steht,

auf Ersatz deS Schadens,

den ihm der Beamte in seiner

Amtsführung zugefügt hat, in dreißig Jahren verjährt, daraus, daß hier ein bestehendes Rechtsverhältniß (das Dienstverhältniß) verletzt worden ist"). — Die Praxis schließt mit Recht ferner alle Ansprüche von der kurzen

Verjährung auS, welche aus außerkontraktlichen Beschädigungen entsprun-

") Dadurch ist zugleich ausgesprochen, daß §. 54. nur da Anwendung finden kann, wo dem Beschädigten nur eine Entschädigungsklage, nicht auch noch eine andere Klage gegeben ist. Deßhalb ist er ausgeschlossen bei den Kondiktionen, bei Be­ schädigungen, die aus Handlungen entstanden, welche durch Exekution erzwungen worden, Entsch. B. 15. S. 97. B. 27. S. 231. “) Deßhalb ist der Dieb anch nach 3 Jahren noch der Klage unterwerfen. Entsch. B. 32. S. 34. Strieth. B. 35. S. 324. Es ist auch einflußlos, ob der Beschäbiger den Bortheil noch hat. -«) Rechtsfälle B. 4. S. 401. Gruchot B. 1. S. 284. B. 4. S. 127. Nr. 1. B. 6. S. 74. **) Deklaration Nr. 2.

§. 120.

Die Einrede der Verjährung.

787

gen, dem Bettage nach verttagSmäßig festgestellt worden sind, oder für deren Einklagung vertragsmäßig gewisse Voraussetzungen bedungen sind, oder wenn der Beschädiger schon

rechtskräftig zur Entschädigung ver-

urtheilt worden, und der Betrag derselben nachträglich festgestellt wer­

den soll **). DaS Gesetz knüpft den Beginn der Verjährung an Zweierlei: an die

Kenntniß vom Dasein des Schadens und an die Kenntniß vom Ur­ heber des Schadens. Der Schaden ist nicht immer gleich vollständig

zu übersehen, sein erster Einttitt erschöpft nicht immer seinen ganzen Um­ fang, fortlaufend kann er sich erneuern. Das Obertribunal hat durch Plenarbeschluß den Grundsatz ausgesprochen M): „die dreijährige Verjäh­

rung trifft auch in den Fällen das ganze Recht,

wo der aus einer

Handlung entstehende, dem Beschädigten bekannt gewordene Schaden so

beschaffen ist, daß er, obwohl im wechselnden Umfang, sich auch in der Zukunft erneuert." Entscheidend ist also für den Anfang der Verjährung nur die Kenntniß von dem Eintritt (dem „Dasein"), nicht von dem Um­ fang und der Dauer des Schadens. Ferner kann zweifelhaft sein, ob diejenige Person, welche der Beschädigte für den Urheber des Schadens

hält, welche ihm als solche bekannt geworden, es auch wirklich ist, es kann

diese Feststellung noch abhängen von einem Prozeß zwischen den Parteien, in welchem sie über die Rechtmäßigkeit der beschädigenden Handlung

streiten, oder von einem Untersuchungsverfahren, welches über die Thä­ terschaft zu entscheiden hat. Soll hier die Verjährung beginnen von dem Moment, wo diese Feststellungen wider den Beschädiger erfolgt sind? Die Praxis hat dies verneint"): es ist nur verlangt, daß die Person des Urhebers zur „Wissenschaft" d. h. zur sichern Kenntniß des Beschädigten gelangt ist, und diese Wissenschaft wird dadurch allein nicht ausgeschlos­

sen, daß sich die Parteien über die Rechtmäßigkeit der Handlung streiten, oder ein Untersuchungsverfahren noch schwebt, letzteres um so weniger, als selbst ein freisprechendes Erkenntniß doch nur die Sttafbarkeit, nicht die

Ersatzverbindlichkeit beseitigt,s). Der Beginn der Verjährung wird gehindert durch die Minder­ jährigkeit des Beschädigten");

ihr Lauf wird unterbrochen durch jede

Handlung, welche sich als gerichtliches Einklagen des EntfchädigungSan“) Ansprüche aus Assekuranzverträgen. Entsch. B. 22. S. 283. Strieth. B. 3. S. 328. Gruchot B. 4. S. 128. Nr. 3. — Strieth. B. 49. S. 298. *») ZnstMin.Bl. 1846. S. 131. Entsch. B. 13. S. 19. Gruchot B. 4. S. 130. Nr. 7. Heydemanu I. S. 308. Note 567. Vergl. Strieth. B. 61. S. 316. “) Pl.Beschl. Just.Min.Bl. 1850. S. 189. Entsch. B. 19. S. 3. Dazu Strieth. B. 25. S. 236. Gruchot B. 4. S. 129. Nr. 6. ”) S. Förster bei Gruchot B. 2. S. 355 sg. “) Gruchot B. 7. S. 540. Im Gegensatz zum Ges. v. 31. März 1838, wo die Minderjährigkeit nicht berücksichtigt wird. Oden S. 287. Note 42.

788

Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte.

spruchs charakterisirt.

Hier kann nur zweifelhaft sein, ob die Anzeige bei

dem Staatsanwalt zum Zweck der Verfolgung des Beschädigers als Unter­

brechungshandlung aufgefaßt werden darf.

Gruchot22) nimmt es an,

doch, wie es scheint, aus nicht haltbaren Gründen, denn die Vorschrift der Kriminalordnung26) über die Berücksichtigung des Civilpunktes bei der Untersuchung ist, da dem heutigen Untersuchungsverfahren der s. g. Adhä­

sionsprozeß fehlt, eine inhaltlose Phrase geworden, und die Anzeige bei dem Staatsanwalt kann nicht aufgefaßt werden als gerichtliches Einklagen des Schadens, welches das Gesetz ausdrücklich verlangt, so daß hier selbst nicht die Klageanmeldung wie sonst die Verjährung unterbricht, und wel­ ches jedenfalls den Antritt des gehörigen Richters verlangt22), der doch in dem Staatsanwalt nicht gefunden werden darf.

Endlich unter­

scheidet sich die Verjährung der Entschädigungsklage von der ordentlichen

Verjährung dadurch, daß bei ihr der schlechte Glaube des BeschädigerS

einflußlos ist2"), wodurch die sonderbare Anomalie entsteht, daß die Un­ redlichkeit des boshaftesten Beschädigers sehr bald geschützt ist, während

der Vertragsschuldner sich eines solchen Schutzes Das sind die Folgen so abnormer Gesetze.

”) 2e) ”) r»)

Gruchot B. 4. S. 128. Nr. 4. §. 6. 68. 69. Krim. Ordn. I, 9. §. 551. A.L.R. Koch, R.d.F. II. S. 545.

nie zu erfreuen hat.