Theorie und Praxis des heutigen gemeinen preußischen Privatrechts auf der Grundlage des gemeinen deutschen Rechts: Band 1 [Reprint 2019 ed.] 9783111472188, 9783111105307


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Table of contents :
Uebersicht des Systems
Inhalts des I. Bandes
Erklärung der abgekürzten Citate
Vorwort
Einleitung
Erstes Buch. Die Grundbegriffe
Erster Theil. Das Recht
Zweiter Theil. Die Berechtigung
Zweites Buch. Die besonderen Privatrechte
Erster Theil. Die persönlichen Rechte oder die Lehre von den Schuldverhältnissen
Erstes Hauptstück. Die Grundlehren.
Erster Abschnitt. Der Begriff und die Arten
Zweiter Abschnitt. Die persönliche Theilnahme
Dritter Abschnitt. Die Leistung
Vierter Abschnitt. Die Begründung
Fünfter Abschnitt. Die Lösung
Sechster Abschnitt. Die Veränderung
Siebenter Abschnitt. Der gerichtliche Schutz
Berichtigungen und Nachträge
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Theorie und Praxis des heutigen gemeinen preußischen Privatrechts auf der Grundlage des gemeinen deutschen Rechts: Band 1 [Reprint 2019 ed.]
 9783111472188, 9783111105307

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Theorie und Praris des

heutigen gemeinen preußische«

Privatrechts auf der Grundlage des gemeinen deutschen Rechts.

Bon

Franz Förster, Dr. d. R. ÄppellationSgerichtsrath zu Greifswald.

I. Rund.

Berlin. Druck unt> Verlag von Georg Reimer. 1865.

Uebersicht des Systems.

kirleitung.

Erste- Buch.

Die Grundbegriffe.

Erster Theil.

Zweiter Theil. Zweites Buch.

Das Recht.

Die Berechtigung.

Die besonderen Privatrechte.

Erster Theil.

Die persönlichen Rechte oder die Lehre von den

Schuldverhältnissen.

Zweiter Theil.

Die dinglichen Rechte.

Dritter Theil.

Das Familienrecht.

Vierter Theil.

Das Erbrecht.

Fünfter Theil.

Das GesellschastSrecht.

Jnhaltsverzeichniß des I. Bandes. SM

Einleitung. §. 1.

Geschichtliches...........................................................................................................

1

§. 2.

Da« allgemeine Landrecht und die allgemeine Gerichtsordnung

6

...

Redaktion des A.L.R 6. Quellen. 8. Publikation. 9. Redaktion der A.G.O. 9. Verhältniß beider Gesetzbücher zu einander. 10.

§. 3.

Spätere Gesetzgebung................................................................................................. 10

Erster Anhang. 11.

Revision-arbeiten. 11.

§. 4.

Giltigkeit de- A.L.R. als gemeinen Recht-....................................................... 12

§. 5.

Giltigkeit des A.L. R. als Rechts der Preußischen Staaten

Verhältniß zu dm Provinzialrechtm. 12. ....

Theilweise Suspension. 14. Einführung in die neuen Provinzen. meines und französisches Recht. 15.

13

Ge-

§. 6.

Beurtheilung de- A.L.R................................................................

§. 7.

System de- A.L.R........................................................................................................... 20

§. 8.

Wissenschaft des preußischen Rechts......................................................................... 23

System dieses Werks. 22.

Erstes Buch.

15

Anhang: System der anderen Gesetzbücher.

Die Grundbegriffe.

Erster Theil. Das Recht. Erste- Kapitel.

§. 9.

Da- Gesetz........................................................................................................................31 DaS Gesetz als vorherrschende Quelle de- preußischen Rechts. 32. Unter­ schied von Gesetz und Verordnung. 33. Prüfung der Gesetzmäßigkeit durch die Gerichte. 33. Publikation. 34. Giltigkeit deS Gesetzes. 34.

§. 10. Zeitliche Begrenzung der Anwmdbarkeit der Gesetze........................................... 36

Nicht Rückwirkung. 37. Besonders bei Gesetzen über da- Dasein von Rechten. 38. Rechts« und Handlungsfähigkeit. 40. Verträge. 40. Form der Rechtsgeschäfte. §. 43. 1,3. A. L. R. ß. 17. Einl. 41. Widerrecht, liche Beschädigung; Eigenthum; dingliche Rechte. 43. Familimrecht. 44. Erbrecht. 46. Prozeßvorschrifteu. 47.

§.11.

Oertliche Begrmzung der Anwendbarkeit der Gesetze......................................47 Staat-verträge. 47.

System der Stammrechte, der Landesrechte, der

Iah*V*aerzeichatß bet L Baabe*.

V Seit«

Gleichberechtigung. 48. Personal-, Real-, gemischte Statuten. 48. Grund­ satz nach Savigny. 48. Wohvsttz, Herkunft. 50. Recht-- und Hand­ lung-fähigkeit. 51. Vermögensrecht. 53 Obligationen. 54. Form der Rechtsgeschäfte, locus regit actum. 55. Inhalt uud Wirkung der Rechts­ geschäfte. 56. Delikte. 57. Familienrecht. 58. Erbrecht. 59. Prozeßgesetzt, Klageoverjährung. 60. Retorflon-recht. 62. §. 12.

Auslegung der Gesetze................................................................................................ 62

Grammatische, logische Interpretation. 63. Register, Marginalien. Publ. Pat. §. IX. 64. Landtag-verhandlungen. 65. §. 13.

Analogie............................................................................................................................. 65

Zwrite- Kapitel. §. 14.

Da- Sonderrecht und Privilegium.........................................................................67

Dritte- Kapitel.

§. 15.

Erlasse de- König- und der Behörden...................................................................68

Vierte- Kapitel.

Da- Gewohnheitsrecht.

§. 16.

Da- Volk-recht............................................................................................................ 69

§. 17.

Da- Iuristenrecht...........................................................................................................72

Observanz. 70. Präjudikate de- ObertribuualS. 72.

Zweiter Theil. Die Berechtigung. ErfieS Kapitel.

§. 18.

Begriff und allgemeine Grundsätze........................................................................ 74

Recht-sätze, Rechtsverhältnisse, Recht-institute. 74. Berechtigung. Recht-, erzeugende Thatsachen. Wohlerworbene Rechte, Recht-erwartungen. Selbständige, abhängige Rechte. 75. Haupt- und Nebenrecht. Verbindlich. keit. Absolute-, relative« Recht. 76. Inhalt, Gegenstand. Theilbarkeit. Berechtigung al- Macht. 77. Ausübung. 78. Beschränkungen der Recht-ausübung au- sittlichen, öffentlichen Gründen. 78. Kollision. 79. Veräußerung. 81. Untergang. 82. Präklusion. 83. Zweites Kapitel. § 19.

Das Recht-subjekt, die Person....................................................................................83 Begriff der Rechts- und Handlungsfähigkeit. 83. Leibesfrucht. 84. Ge­ burt. 85. Tod. Verschollenheit. 85. Todeserklärung. 86. Geschlecht. 89. Alter, Religion, Ehre. 90. Geburt-stände. Krankhafte Körper, und Seelenzustände. 91. Verschwender. 91. Juristische Personen. Publikum. 92.

Dr tteS Kapitel.

Da- Recht-objekt.

§ 20.

Begriff der Sache.......................................................................................................93

§ 21.

Einteilung der Sachen................................................................................................ 95

Auslegung de- §.3

1,2. A. L R

94.

Körper, individuelle Sachen, Inbegriff. 95. Facti. 96. Juris. 97. Be­ wegliche, unbewegliche S., Substanz. 98. Grund und Boden. Ober­ fläche. Ländliche, städtische Grundst., theilbare, untheilbare S. 99. Berbrauchbare, vertretbare S. In und außer dem Verkehr. 100. Frucht. 101. Nutzen, Nutzung. 102. Haupt- und Nebensache, An- und Zu­ wächse, Pertincnz. 103. Rechte. 106. § 22

Werth der Sache, rechtliche- Interesse................................................................ 107 Gebrauchs- und Tauschwerth. 107. Waare, Preis, Geld. 108. Gemeiner, außerordentlicher und Werth der Vorliebe. 109. Höherer und mittlerer Werth. Pretium succedit in locum rei. 110.

Jnhatt-verzeichniß ML V-«M.

VI

Seite

Die rechtliche VeziehMg de- Recht-subjekt- aus da- Objekt.

Vierte- Kapitel. 1. Abschnitt. §. 23.

Die allgemeine Natur dieser Beziehung....................................................................112 Dingliches und persönliche- R. 113. Erkennbarkeit de- dingl. R. 116. Titel u. Modus. 117. Besitzergreifung. 119. Eintragung 120. Kol» lisiou beider Erwerb-arten. 122. Inkonsequenzen. 123. Modus nicht erforderlich. 123. Der gute Glaube im Sachenrecht. 124.

2. Abschnitt.

$. 24.

Ursachen der Berechtigungen.

Allgemeine-........................................................................................................... Thatsachen: Handlungen und Begebenheiten. 127. Kontinuität de- Recht-. 128.

1. Abtheilung. §.. 25.

Rückziehung.

126

127.

Die Handlungen und Willenserklärungen, Rechtsgeschäfte.

Der Begriff..........................................................................................................

129

Handlungen, Unterlassungen. 129. Rechtliche, widerrechtliche. Rechts­ geschäft. Einseitig, zweiseitig. Vertrag. Entgeltlich, unentgeltlich. 130. Unter Lebenden, von Todeswegen. 131. Folgen der Handlungen. 131.

A.

§. 26.

Die Willensfähigkeit.

I. Die Handlungsfähigkeit......................................... Unfähigkeit aus natürl. Gründen. 132.

§. 27.

Insbesondere die Zurechnung.............................................................................. Begriff. 136. Vorsatz, Versehen. 137. sehens. 139. Zufall. 141.

§. 28. II.

I. Freiheit.

Zwang..............................................................................................

I. Freiheit.

Furcht.

I. Freiheit.

Drohung. 145.

142

144

Nichtig oder an­

Irrthum..........................................................................................

Wesentlicher Irrthum. 150. §. 31.

136

Grade de- Ver­

Der Willensentschluß.

Physische, psychische Gewalt. fechtbar. 146.

§. 30.

Sorgfalt. 137.

Die VerfügungSsähigkeit..............................................................................

B. §.29.

132

Aus Gründen des Gesetzes. 135.

148

Unwesentlicher. 151.

Betrug...............................................................................................

152

Exc. doli generalis. 154 §. 32.

II. Ernst.

Scherz und Schein.......................................................................

164

§. 33.

III. Gewißheit...........................................................................................................

166

§. 34.

I. Arten.................................................................................................................

C.

Die Willensäußerung. 166

Ausdrückliche, stillschweigende, vermuthete Erklärung. II. Inhalt.

§. 35. a. Unbeschränkter Wille.........................................................................................

168

Wesentliche, natürliche, zufällige Bestandtheile.

b. §. 36.

Selbstbeschränkter Wille.

Bedingung.................................................................................................................

159

Keine Nebenbestimmung. Beschränkung des Daseins des Willens. 160. Bedingtheit des Rechtsverhältnisse-, nicht deö Rechtsgeschäft-. 160. Defi­ nitionen. 161. Ereigniß. 162. Ungewißheit. 163. Nothwendige, un» mögliche, unerlaubte, affirmative, negative B. 164. Aufschüben, auf­ lösen. Wirkung während de- Schweben-. 165. Entscheidung, Existenz, Deficienz. 167. Wirkung der uneigentlichen B. 171. Bedingung nicht vermuthet. 172. Willenserklärungen, die nicht bedingt sein dürsen. 1 §. 37. Zeitbestimmung.....................................................................................................

Unterschied von der Bedingung. 175.

173

Anhalttvrrzrichniß be* I. 8«MbH.

§. 38.

VII Sette .176

Zweckbestimmung........................................................................................ Voraussetzung. 177.

.

§. 39.

c. Nebeninhalt der DillmSerklärung:Beweggrund und Beschreibung

§ 40.

III. Form der Rechtsgeschäfte........................................................................... 182

§ 41.

Ungiltigkeit der Rechtsgeschäfte undderen Heilung..................................... 186 Nichtigkeit. Anfechtbarkeit. 187. Kouvalescenz, Konversion. 190. erkennung. 191. Entsagung der Einwendungen. 193.

§. 42.

180

Mitwirkung, Stellvertretung und nachträgliche Zustimmung

Mitwirkung. 194.

Stellvertretung. 196.

An­

....

194

Ratihabitiou. 198.

§. 43.

Auslegung der Rechtsgeschäfte.................................................................................. 199

§ 44.

Widerrechtliche Handlungen...................................................................................... 200

2. Abtheilung. § 45. §. 46.

Thatsachen.

Zeitablauf.

Berechnung der Zeit................................................................................................... 201

Verjährung.

Allgemeines....................................................................................... 205

Kein jurist. Gattungsbegriff. 205. Naturrechtliche Verallgemeinerung deBegriffs. 206. Systematische Stellung der Lehre. 207. Gemeinsame Grundsätze für beide Arten der Verjährung. 209. Zeitablaus. Unterschied von Frist. 210., von Zeitbestimmung und Gewohnheitsrecht. 212. Erlöschende Verjährung kein allgemeine- Recht-institut. 212., deSgl. die erwerbende B. 213. Hinderniß des Anfangs der B. 215. Schutz der Berechtigung.

3. Abschnitt.

§ 47.

Die Rechtsverletzung....................................................................................................218

§. 48.

I. Vorbeugender Schutz gegen Rechtsverletzung...............................................219 Kaution. 219. Protestation, Reservation. 220. Vermögensverzeichnisse, Rechnungslegung. 221.

Wiederherstellender Schutz.

IL

Außergerichtlich.

A. §. 49.

Arrest, Sequestration,

Selbsthilfe.............................................................................................. Arten der Selbsthilfe. 223. Pfändung-recht. 223. Zurückbehaltung. 227.

B.

222

Gerichtlich.

1. Die Klage. §. 50.

a. Begriff.

Bestandtheile.

Arten -...................................................................... 227

Verschiedene Auffassungen. 228. Klagegrund. 229. Antrag. 230. Eintheiluug in dingliche und persönliche Kl. 231. Kl. aus Anerkennung u. Berurtheilung. 232. Petitorische, possessorische. 232. §. 51.

Einfluß der Klaganstelluug aus da- Recht.......................................................... 233

Grundsatz. 233. Zeitpunkt de- Eintritt-. 234. Sicherung der Berurtheilung. 235. Bestimmung de- Umfang- der Berurtheilung. 237. §. 52. Konkurrenz der Klagen..............................................................................................239 §. 53. 2. Die Einrede..........................................................................................................242 Gegensatz von Verneinung und Einrede. 243. Drei Klaffen vou Ein­ reden. 244. Zerstörende, aufschiebende, gemischte Einreden. 247. Replik. Duplik. 247. Nicht von AmtSwegen. 249. Prozeffualische Begünsti­ gung. 250.

§. 54.

3. Der Beweis.........................................................................................................251 Begriff. 252. Haupt- ur.b Gegenbeweis. 253. Interlokut und Reso­ lut. 253. Beweislast. Grundsatz. 254. Vermuthungen. Fiktionen. 255. Beweiösatz. 256. 4.

§. 55.

DaS Urtheil.

a. Begriff und Umfang der Rechtskraft................................................................257 Begriff. Beginn

258. Präjudizirende Bedeutung de- Strafurtheils für

Inhaltsverzeichniß des I. vaudes.

VIII

Stift

dm Eivilprozeß. 260. Berurtheilm, Abweffm, zur Zeil, in da äugebrachten An, wegen Unzuständigkeit. 261. ProzeffnaKsche RtchtSkrast. 262. Tmor und Gründe. 262. Präjudizialmtscheidunpeu. 266. §. 56.

b. Die Wirkung der Rechtskraft............................................................................... 267

Indikaisklage. 268. Ausländische Erkenntnisse. 268. Wirkung gegm Dritte. 269. Gegenstand und Umfang dieser Klage. 271. Einreden. 272. Iudikatzinsen. 273. Einrede der Rechtskraft. 273. Subjektive Ideutität. 274. Objektive. 276 5. §. 57.

Verlust des Klage- und Einrederechts.

a. Verjährung durch Nichtgebrauch.................................................................

278

1. Anfang, Begriff des Nichtgebrauchs. 279. Actio nata. 281. Bei Kündigungen. 283. 2. Zeitraum. 286. 3. Unterbrechung. 288. AnMeldung der Klage. 288. Gegenseitiges Anerkenntniß. 291. Einseitige Mahnung. 292. 4. Wirkung. 293. 5. Geltendmachung. 295. 6. Ver­ träge. 295. 7. Verjährung der Einreden. 296.

§. 56. b. Diffamation..............................................................................................................298 §. 59.

c. Sonstige Gründe................................................................................................

301

1. Tod. 301. 2. Gebrauch der Einrede. 302. 3. Entsagung da Ein­ rede. 4. Verlust der Einrede zur Strafe. 302. §. 60

6. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand........................................................303

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Erster Theil. Die persönlichen Rechte oder die Lehre von den Schuldverhältiriffoen. Erstes Hauptstück.

tz. 61.

Erster Abschnitt.

Die Grundlehren.

Der Begriff und die Arten..........................................

307

Heutige Geltung und Aenderung des tönt. Obl. R. 307. Systematische Stellung. 308. Römische Definition, dentschrechtlicher Standpunkt. 309. Begriffsbestimmung im A. L.R. 310. Savigny'S und Puchtas Defi­ nition. 311. Recht zur Sache. 311. Naturalobligation. 312. Nach preußischem R. 315. Zweiter Abschnitt.

§. 62.

Die persönliche Theilnahme.

Gläubiger und Schuldner....................................................................................

318

Einseitige Schuldvahältniffe 318. Ungleich zweiseitige. 319. Mehrheit des Subjekt- im Allgemeinen. 319. Standpunkt de- römischen und preußischen Rechts. 320.

§. 63.

Gesammtgläubiger und Gesammtschuldner........................

.

.

.

.

321

Die verschiedenen Theorien. Haffe. Keller. Ribbentrop. 322. Sa. vigny. 323. Neuere Opposition. 323. Koch. Fitting. 324. Baron. 325. Das heutige gemeine Recht. 326. Die Trennung vou Korrealund Solidarobligationen im heutigen R. kein vedürfuiß. 327. Preyß. R. 1. Gesammtfordaung. 328. Ueba A. G O. I, 5. §. 4. Nr. 7. 329. Anwendungen des landrechtlichen Grundsatzes. 330. Verhältniß da Mit. berechtigtm unter sich. 331. 2. Gesammtschuld. 332. Ueba §. 424. I, 5. 333. Entstehungsgründe. 334. Wirkungm. 335. Verminderung der Verpflichtung. 336. Erschwaung oder Erweiterung. 338. Ausgleichungsanspruch (Regreß). 340. §. 64.

Unbestimmtheit de- Gläubigers........................................................................

Reallasten. Jnhaberpapiere. 344. Uebersicht der Theorien über dieselden. 346. Erste Gruppe: Duncker, Saviguy, Koch, Thöl, Rmaud. 347. Zweite Gruppe: Hoffmann, Unger, Kuntze, Beckn. 349. Goldschmidt. 352. I. Pap. von Privatpersonen ausgestellt. 353. Preuß. R. 354.

343

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Seite

Dritter Abschnitt.

Die Leistung.

g. 65. Bestimmtheit............................................................................................................

Geben, Thun. 356.

§. 66.

355

Wahlobligation. 357.

Möglichkeit.................................................................................................................

360

Begriff: Unmöglichkeit von Anfang, spätere. 360. Handlungen und Sachen Dritter. 361. Dem Verkehr entzogene S. 362. Nicht existirende S. 362. Unerlaubte, unmögliche Handlungen. 363. §. 67.

Theilbarkeit.................................................................................................................

364

Bei Geben, Thun, alternativen Leistungen. 365. Einklagung. Stückweise Erfüllung. Verwandlung uutheilbarer Leistung in theilbare. 366. §. 68.

Haupt- und Nebeuleiftung.

Zinsen..................................................................

366

Begriff. 367. Accefforische Natur der Z. 368. Gleichartigkeit mit der Hauptleistung. Zinsfuß. 369. Beschräntungeu deffelbeu. 370. Au-, nahmen. 370. verbot de- Wucher-. 371. Vorauszahlung. AuatozismuS. 372. Zin- von Zins erlaubt. 373. Vor bedungene Z. 375. Rückstand. Verjährbarkeit. Klagbarkeit. 375. Quittung. 876. Gesetzliche Z. 376. Verzug--, Prozeß-, Urtheil-zinsen. 377. EntlchädigungSzinseu. 878. Natur de- Schadenersatzes. 378. Nicht fällig, Ver­ jährung, Klagbarkeit. 380. Quittung und Vorbehalt. 381. Internsurinm. 382.

§. 69.

Werth der Leistung

§. 70.

382

Die Begründung.

Vierter Abschnitt.

A. Zustände................................................................................................................. 384

Röm^che Eintheilung der Oblig 384. Handlungen und Begebenheiten al- Quellen der Oblig. 384. Begriff der Begebenheit. Ex re- venit obligatio. Reallasten als Obligationen au- dem Besitz-Zustande. 385. B.

Handlungen.

Erste- Kapitel.

Rechtshandlungen.

§. 71. I. Einseitge Rechtshandlungen.............................................................................

387

Gelübde (pollicitatio, votum). 11.

§. 72.

Zweiseitige Rechtshandlungen.

Die Lehre von den Schuldverträgen.

A. Der Begriff und die Arten............................................................................ 388 Begriff. 389. Eintheilung. 391. Materieller Recht-grund. 392. Verbalund Litteralverträge. 392. Real-, Konsensualverträge. 393. Obligatorische, liberatorische, einseitige, zweiseitige, lästige, wohlthätige V. 393.

B.

§. 73.

Der Abschluß.

a. Die Personen...................................... ‘........................................................... 394 Vertrag-fähigkeit der Kinder, Unmündigen. Minderjährigen. 394. Geisteskranken und Verschwender. 397. Der Hau-kinder. 397. Ehefrauen. 399. Vorsicht-regeln. 400.

§. 74

Der Der

Stellvertreter............................................................................................................... 401 Vater und Vormund. 401. Hau-kind, Ehemann. 402. Ehefrau, Ver­ walter einer juristischen Person, Vertreter de- Fi-ku-, Konkursver­ walter. 403.

$. 75.

Vertragsabschlüsse zum Vortheil Dritter...........................................................403

Systematische Bemerkung. 404. Gegensatz de- römischen und neueren Recht-. 405. Aeltere und neuere Doktrin und Praxis. 406. Preußische- Recht. 407. Begriff de- Vortheils. 407., de- Dritten. 408. In­ teresse de- PromissarS. 408. Ausbildung des Dogma- in der Praxi». 409. Plenarbeschluß v. 25. Aug. 1846 und dessen Konsequenzen. 412. §. 76. b. Inhalt und Gegenstand........................................................................................ 415

Verbotene Gegenstände. 416.

Nch»v»ver-eich»H tzer i.

X

Seite

o.

§. 77.

Die Willen-einigung.

1. Anbieten und Aunehmen.................................................................................... 417 Begriff. 417. Traktate, pacta de contrahendo. 418. Verträge unter Abwesenden. 419. Verschiedene Ansichten über den Moment de- Ab. schtuffeS. 420. Preuß. R. 422. Widerruf. 422. Ted. eintretende Handlungsunfähigkeit. 424. Vorsichtsmaßregeln de- AL.R. 425. ÄuSlobung. 425. Versteigerung. 427.

§. 78.

2. Beschränkungen und Hinderniffe der Willenseinigung............................... 427 Unerlaubte Bedingungen. 428. Wesentlicher Irrthum. 428. des Inhalts, der Personen. 429., des Gegenstandes. 430.

§. 79.

In Betreff

3. Die Form..................................................................................................................432 Gemeines Recht. Zwei Systeme in den Landesrechten. 433. Theorie des A.L R. 435. 1. Vollendung der Schriftform. Unterschrift. 436. Analphabeten. 437. Punktationen. 438. Briefwechsel, Telegramm, Rech­ nung. 439. LooS, Pfandschein, Vollmacht, Police. 440. 2. Nothwen­ digkeit der schriftlichen Form. 440. 3. Mündliche Nebeuabreden 442. 4. Verabsäumung der Schriftform. 444. Wirkung der Erfüllung, der beiderseitig vollständigen. 445., der theilweisen und einseitigen bei Sachen. 446., bei Handlungen. 448. Verlust der Urkunde. 449.

Anhang. Derzeichniß der Verträge, die gerichtlich oder notariell abge­ schloffen werden müssen................................................................................................450

4. §. 80.

Verstärkung.

Vorbemerkung.

Gerichtliche Bestätigung............................................................ 451

Unterschied von Verbesserung; von Sicherung deö Interesse und der Er­ füllung. Gerichtliche Bestätigung. Gerichtliche Genehuugung. 452.

'

§.81.

Draufgabe und Angeld................................................................................................ 453

Auffassung deS Instituts im römischen und deutschen Recht. 453. Mittel­ stellung des A.L R. 454. a. E. Rückforderung, Reugeld. 455.

§. 82. 5. Auslegung..................................................................................................................456

Objekt der Auslegung. 456. Gegen den Versprechenden, gegen den Ur» hebe: der Erklärung. Punktation als Hilfsmittel der Auslegung. 457. Alle Gefahr und Schaden. 458. E. Wirkung. $. 83.

a. Erfüllung..................................................................................................................458 Ganz und vollständig. 459. Insbesondere bei gegenseitigen Verträgen. 459. Einrede deS nicht erfüllten und nicht gehörig erfüllten Vertrages. 460. 461. Gegenstand der Erfüllung. 462. Zeit. 463. Nach Mög. lichkeit und Gelegenheit. 464. Ort. 465.

b. §. 84.

Gewährleistung.

'

Allgemeines........................................................................................................................466

Begriff. 466. Gewährleistung für Fehler nach röm. R. 467. Nach deutschem R. 468. Entwährung nach röm. R. 469. Nach deutschem R. 470. Verschiedenheit beider Institute. Neuere Gesetzbücher. Prinzip des A.L.R. 471. §. 85.

Gewährleistung wegen Fehler.....................................................................................472

Bedingung ihres Eintritts. 472. Verschuldete Fehlerhaftigkeit. Unver­ schuldete, Vertretung der vorbedungenen und vorausgesetzten Eigenschas. ten. 473. Bei gewagten Geschäften. 475. Bei einem Inbegriff. Ver. tragSklage, Minderungsklage. 476. Berechnung des Minderwerths. 477. Wandelklage. 478. Gegenseitiges Verhältniß beider Klagen. 481. Ver­ jährung. 482. Verzicht. 483.

§. 86.

Entwährung

.

Begriff. 484. Dritter. 485.

Verpflichteter. 485. Fälle der Entwährung: Ansprüche Fehlende Rechte der Sache. 487. Inhalt de- Anspruchs

............................................................................................................483

Ivhaürverzeichrriß der I. Boules.

XI

Seite an den Veräußerer. 488. Hervortrete» der Entwährung. 488. Streit­ verkündigung. 489. Umfang der Vertretung-pflicht. 491. Bei gänz« licher Entwährimg. 491.; bei theilweiser. 494.; bei Privatschulden. 495. Einrede, drohende Entwährung, Kaution-forderung. Verjährung. 496. Wegfall de- Anspruchs. 498. Bestimmungen de- D Hand. G. B 499.

§. 87.

D. Aufhebung ................................................................................................................499

Begriff, Unterschied von Lösung, Anfechtung, Umwandlung. 500. I Auf. Hebung durch Begebenheiten, a veränderte Umstände. 500. Concursus causarum lucrativarum. 502. b. Zufällige Unerfüllbarkeit. 502. Tod. 504. II. Aufhebung durch den Willen eines Theils, a. Erlaß. 504. b. Mangelhafte Erfüllung von einer Seite. 505. Bei Verträgen, deren Hanptgegenstand Handlungen sind. 506. c. Nutzlosigkeit. 507. m. Auf­ hebung durch beiderseitige Einwilligung. 507. §. 88. E. Anfechtung................................................................................................................508 Doppelte Richtung der Anfechtung. 508. I. Anfechtung der ReHtSbeständigkeit. 509. IL Anfechtung der Wirkungen. Actio Paulliana. 510. Gemeines Recht. 511. AeltereS preuß. R. 513. Jetzt praktische- R. a. Außerhalb des Konkurses. 514. b. Im Konkurse. 519. Zweites Kapitel.

Rechtlose Handlungen

§. 89. Die Beschädigung.......................................................................................................... 521 Begriff und Abgrenzung deffelben. 521. Schaden. 523. Entgangener Gewinn. 523. Unmittelbarer und mittelbarer Schaden. 524. Beschä» digende Handlung. 524. Unterlaffungen. 525. Zufälliger Schaden. 526. Der Beschädigte. 526.

§. 90. Die Entschädigung....................................................................................................527 Einfache Entschädigungspflicht und Deliktöobligation. 527. Wirklich entstandener Schaden. 528. Die Handlung als Ursache. 529. Feststellung de- entgangenen Gewinnes. 529. Beweislast. 530. Fälle der einfachen Entschädigung-forderung. 531. Deliktsobligation. 532. verschulden. Grade desselben. 533. Zurechnung. Insbesondere bei juristischen Per­ sonen. 534. Schaden durch Thiere. 537. Unwillkürliche Handlungen. Beschädiger. 537. Befehl und Austrag. 538. Dienstherrschaft, Meister, Bermiether. 539. Entschädigung: Wiederherstellung und Schadenersatz. 539. Werthsermittelung. 540. Umfang de- Schadenersatzes. 542. Weg­ fall der Entschädigung. 543.

Fünfter Abschnitt.

Die Lösung.

§. 91. Zahlung.......................................................................................................................

544

Begriff. 544. Wem kann gezahlt werden? 545. Solut. c. adj. 546. Wer kann zahlen? 547. Zahlender Dritter. 547. Wann und wo? 549. Stundung. 549. Womit? 550. Ausländische- Geld. Münzveränderung. 551. Papiergeld, Papiere aus den Inhaber. 552. Wie? Stück­ zahlungen. 553. Wirkung der Zahlung. Vorbehalt. Anrechnung aus mehrere Posten. 554. Beweis. 555. Quittung. 556., als Beweis der Zahlung. 557., der Befreiung. 558. Kerbholz, Rückgabe, Mortisizirung, Kassation de- Schuldscheins. 560. §. 92. Gerichtliche Hinterlegung Berechtigung de- Schuldners zur Deposition und Gegenstand. 561. hingen. 562.

561 Wir-

5. 93. Hingabe an Zahlungsstatt...................................................................................

563

§. 94. Gegenrechnung...............................................................................................

564

Prinzip. 564 Entwicklung im röm. R. 565. Ipso jure. 566. Be­ dingungen : subjektive. Wechselseitigkeit. Fiskus. 568. Eigene Forde­ rungen. Juristische Personen, Gesammtschuldverhältniffe, Erbe. 569. Eession. 570. Anweisung; Bürgschaft, Verpfändung; Stellvertretung. 572. Vormund; Ehemann; im Konkurse. 573. Bedingungen: objektive.

XII

gichalrsverreichviß bei L Oanbef. Sette Fälligkeit. 576. Gleichartigkeit, Giltigkeit, Liquidität. 577. Wirkung und Ausübung. Einrede. 578. Prozessualische«. 580. Unstatthaftigkeit. 580.

§. 95.

Anweisung...........................................................................................................

.

581

Begriff. 581. Systematische Stellung. 582. Verbindung von Zahlungs­ mandat und EinkasstrungSmandat. 583. Form. 584. Recht-verhältniß zwischen dem Anweisenden und Angewiesenen. 584. Zwischen dem An­ weisenden und Ueberwiesenen, zwischen dem Angewiesenen und Uederwieseuen. 586. Weitere Begebung. 587. Widerruf. 588.

§. 96.

Bereinigung von Forderung und Schuld.............................................................588 Begriff, nur bei Universalsuccession. 589. Lösung de« Bande-, nicht der Substanz der Obligation. 590. Bei Erbschaftserwerb mit und ohne Vorbehalt. 591. Bei der Gesammtschuld, Beerbung des Bürgen, Ledeuten, Schuldübernehmer-. 592.

§. 97.

Umschaffung....................................................................................................................... 593

Bedeutungslosigkeit der Novation im heutigen Recht. 593. de« A.L. R. 597. Die einzelnen Regeln. 599.

'

Sechster Abschnitt.

Ausfaffung

Die Veränderung.

A. Veränderung in den Personen. a.

§. 98.

Auf Seiten des Gläubigers.

Erbfolge.............................................................................................................................. 601

Erlöschen der Schuldverhältniffe durch den Tod. 602. Miterben. 602. ErbschastSkauf. 604. , §. 99.

Verhältniß der

Recht-abtretung............................................................................................................604 Successionen in Forderungen nach röm. R., ältere u. neuere Doktrin. 604. Ausfaffung der neueren Gesetzbücher. 612. Begriff nach A.L.R. 612. I. Recht-grund. 613. a. Rechtsgeschäft 614. b. Recht-vor. schrist. 615. c. Gericht-zwang. 616. II. Eession-sorm. 617. Blanco(Session. 617. Theilcession. 618. Annahme. 618. Quittung als Ees. sionSsorm. 619. Bei Inhaberpapieren und Wechsel. 620. III. Gegen, stand. Klagen auS dingliche Rechten, aus dem Besitzstände. 620. Bedingte, ungewisse, künftige 9tu alternative, au« zweiseitigen Verträgen, R. auf den Zuschlag. 621. AuS dem VerwahrungSvertrage, da- Befreiung-recht de- Verkäufer-, rechtshängige Sachen. 622. Anspruch auf den Pstichttheil, Anfechtung des Testament-, Widerruf der Schenkung, Beirechte, Nebenrechte, Konventionalstrafe. 623. Nicht cessibel Injurienklage, Mandat, Gesellschaft, Pacht und Miethe. 626. Dienstmiethe, Werk­ verdingung, Wiederkauf, vorkauf, Retrakt, Nothdurst-rechte, R. auf dm Mitbau, au- der Muthung. 627. verbot der (Session an Gericht-, beamte. 628. IV. Wirkung. 629. Uebergang der Nebenrechte und vorrechte. 629. a. Rechte und Pflichten zwischen (Eebenten und (Sesfionar. Verletzung über die Hälfte. 631. Aushändigung der Schuldurkunde. 632. Haftung für nomen verum. 633., für nomen bonum. 634., bei noth, wendiger und erzwungener Eesston, Verjährung dieser Haftpflicht. 635. Recht de- jüngeren und filteren (SessionarS. 636. Rechtliche Stellung de- Schuldners. 636. Denunziation. 637. Einreden. 639. Anerken­ nung de- (SessionarS als Gläubiger. 641. Vorsicht des Schuldner- bei der Zahlung. 642.

b. §. 100.

Auf Seiten de- Schuldners.

Erbfolge..............................................................................................................................643 Rechtswohlthat. übergehen. 644.

§. 101.

Liquidation-verfahren. Miterbm. 645.

643.

Welche Schulden

nicht

Delegation und Expromission..................................................................................... 646 Jetzt Konsensualverträge und Succession. 646. I. Delegation. 647. In welche- Recht-verhältniß wird succedirt. 647. Wirkung. 648. Form. 649. Verhältniß zwischen Deleganten und Delegatm. 649., zwischen

xiu

S>ch«ll»vrrrrtchoiß do L 8«M.

Seite Delegatar und Deleganten, Delegatar und Delegaten. 650. II. ExproMission. 650. Begriff. Form. 651. UI. Vergleichung der Delegation und Expromissiou. 652. §. 102. Schuldübernahme

653

Delbrück - Theorie. 653. Praktische- Bedürfniß. 655. Vorkommen in der gemeiurechtl. PrariS. 655. Civilistische Rechtfertigung. 656. Vor­ kommen im A.LR. 658. Erbschaft-kauf. vitalizieu-Vertrag. Schen­ kung eine- ganzen vermögens. 659. Gut-übernahme, Veräußerung einer Handlang. 660. Uebernahme der Hypotheken in Anrechnung auf daKaufgeld. 660. Deklar. v. 31. März 1835. 662. Ueber §. 3. der Deklar. 664. Uebernahme der Schulden einer Eisenbahngesellschast durch den Staat. Liti-deuunziation. Resultat. 661. Neuere Gesetzgebungen. 668. B.

Veränderung in dem Gegenstand. a. In Folge beiderseitigen Willen-.

Z. 103. Der vergleich

669

Begriff. 669. Verhältniß zum Urtheil. Persönliche Fähigkeit. Form. 670. Gegenstand. Wirkung. 671. Auslegung. Anfechtung. 672. Neue Urkunden. Rechnung-fehler. Verletzung über die Hälfte. Stellvertrelang. 673. b. In Folge einseitigen Verhalten-.

5- 104.

Vorsatz und versehen

674

Der Vortheil au- dem Geschäft. 675. Klasfifiziruug der einzelnen Obli­ gationen nach der Regel. 676. Ausnahmsweise Steigerung. 677. Aus­ nahmsweise Ermäßigung. 678. Obligationen aus dem Gesetz. Kon­ kurrenz de- verschuldens. 679. Vererblichkeit. 680.

..............................................................................

§. 105. Verzug

680

Eine Art de- verschuldens. 681. Grade. 682. Eigenthümlichkeit deVerzug- gegenüber dem verschulden. 683. I. Erfüllung-verzug. 684. Mahnung. 684. Dies interpeUat. 685. Entschuldigung. Wirkung. 686. Beseitiguna. 689. II. Annahmeverzug. 689. Anbieten. 689. Wirhingen. 690. III. Beiderseitiger Verzug. 692.

§. 106. Da- Interesse

........................................................................................

693

Begriff. 693. Unterschied von anderen Ersatzansprüchen. 694. Sprach, gebrauch de- A. L.R. 695. Aequipalent. 696. Klage auf da- Intereffe. 696. Umfang der Ersatzpflicht. 699. Sachwerth. 702. Berechnung. 702. Ausschluß de- Anspruch-. 704. BeweiSlast. 705. $. 107. Die Konventionalstrafe

.

705

Begriff. 706. Nicht bedingte Obligation. 707. Ausschluß anderer Intereffeforderung. 710. Gegenstand. 713. Zum Besten eines Dritten. 715. Aushebung. Einreden. Beweis. 715. Wandelpön. 715.

c. In Folge von Begebenheiten.

§. 108.

1. Zufälliger Nachtheil und Vortheil

716

Zufall. 717. Sprachgebrauch de- A.L.R. 717. Gegensatz von Fahr­ lässigkeit. 718. Unmöglichkeit der Erfüllung-art. 720. Gemischter Zu­ fall. 721. Gefahr. 721. Casum sentit dominus. 722. Verschiedene Theorien. 723. Kritik der Angriffe gegen Wächter: casus a nullo praestantur. 725. Theorie deS A.L.R. 727. Verschlimmerung. 728. An­ wendung aus die einzelnen Obligationen. 729. Vereinbarung über daS Tragen der Gefahr. 732. Commodum ejus, cujus periculum. 733. 2.

L. 109.

Vermögen-verfall.

Vorbemerkung

§. HO. a. Die RechtSwohlthat der Kompetenz

Auffassung deS gemeinen R. 736. Andere Kompetenz - Ansprüche. 736. Kompetenz im Intereffe de- Schuldners. 737., im Intereffe der Gläu-

735 736

InhsltSverzeichuiß de- I. Bandes.

XIV

Sette Higer oder de- öffmtlichen Wohls. 738. bei Delikten. 739. Wirkung. 739.

b.

Kompetenz Unzurechnungsfähiger

Die Konkurrenz mehrerer Gläubiger.

§. 111. I. Begriff und allgemeine Voraussetzungen des Konkurse-............................. 740

Materielle- Konkursrecht. 741. Universeller Charakter. 742. larkonkurse. 743. Jususficienz, Insolvenz. 743.

Partiku-

§. 112. n. Der Gemeinschuldner......................................................................................... 744

Einwirkung de- Konkurse- aus seine Vermögensrechte. 744. Konkurs über einen Nachlaß, über das Vermögen einer juristischen Person. 745. Unterstützung de- Gemeinschuldners. 745. DI. §. 113.

a.

Die Gläubiger im Konkurs.

Die eigentlichen Konkursgläubiger.................................................................746

Begriff. 746. Rechtöverhältniß nach gem. R. 747., nach preuß. R. 748. Die Gläubigerschaft. 748. Ihre Befugnisse in Betreff der Rechtsgeschäfte. 750., der Prozesse. 751. Retentionseinrede. 752. Recht-grund dieser Besugniffe. 753. Vorrechte. 754. EiuttittSrecht. 756.

§.

114. b. Die Vindikauteu...................................................................................................... 756

§.

115. c. Die Separatisten

5.

116. d. Die Mafsegläubiger................................................................................................ 758

Siebenter Abschnitt.

§.

.

................................................................................................757

Der gerichtliche Schutz.

117. I. Die Schuldklage und ihr Beweis.................................................................. 759

Arten. 760. Klagegrund und Beweislast. 761. Zeit der Klaganstellung. 762. Vorzeitige Klagen aus Sicherung, Anerkennung, Erfüllung. 762. Klagantrag. 763. Allgemeine Klagerechte. 764. GeschäftöerrichtungSklage. 765.

§. 118. II. Die Einreden gegen die Schuldklage........................................................... 766 Arten. 766. §. 119.

Einrede des Eigenthums gegen die BertragSNage. 667.

Insbesondere die Einrede der Zurückhaltung..................................................... 768 Verschiedene Auffassungen. 769. Definition des A.L.R. 770. Bedmgungen. Gewahrsam. 770. Fremde und körperliche Sachen. 771. Ge­ genforderung. 774. Konnexität. 775. Wirkung. 776. Aushören. 778. Natur deö Recht-. 778.

§. 120. Insbesondere die Einrede der Verjährung........................................................... 779 Verjährung der Obligation auf Entschädigung. 779.

Berichtigungen und Nachträge.........................................................................................786

Erklärung der abgekürzten Citate.

Die Abkürzungen im Citiren preußischer Rechtsquellen und Schriften sind die her­

kömmlichen (s. Ergänzungen B. 1. vor der Einleitung). Die Lehr- und Handbücher des gemeinen römischen und deutschen Recht- sind mit

den Namen ihrer Verfasser citirt. GinteniS 2. A.

(ArndtS 4. A. Böcking. Keller. Puchta 5. A.

Seuffert 4. A.

Bluntschli 3. A.

Vangerow 6. A.

Windscheid. — Beseler.

Gerber 8. A.) —

Savigny, ohne weiteren Beisatz, bedeutet sein System des heutigen römischen Recht-. 8 Bde. *

Wächter, Unger,

-

Zachariä (Anschütz),

Seuffert,

-

würtembergischeS Privatrecht, B.2. 1842.

-

österreichisches Civilrecht, 1.2. Bd. 1856. 1859. 6. Bd. 1864. Handbuch des französ. Civilr. 4 Bde. 1852.

5. Ausl.

Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte Deutschlands, bi- jetzt 16 Bde. seit 1847.

-

Außerdem: Zeitschr. f. C. u. Pr.

bedeutet Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß, Gießen, seit 1827.

Arch. s. civ. Prax.

-

Archiv für civilistische Praxis, Heidelberg, s. 1814.

Arch. f. pr. R. W.

-

Archiv für praktische Rechtswissenschaft, seit 1853. N. F. B. 1. 1864.

Gerber u. Ihering

-

Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen nud deutschen Privatrechts, s. 1857. Bis jetzt 7 Bde.

Better n. Muther

*

Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts, seit 1857 (mit dem 6. Bde. geschlossen).

Bl. s. R. A.

*

Blätter für RechtSanwendung, zunächst in Baiern s. 1836. Jetzt bis Bd. 30.

Wochenbl. f. m. Rf.

-

Wochenblatt für merkwürdige Rechtsfälle, zunächst für das Königr. Sachfen, h. v. Tanchnitz. N.F. f. 1853.

Zeitschr. f. Rpfl. u. Berw.

*

Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung in Sach­ sen, h. v. Tauchnitz.

Annalen des königl. sächf. O. App. Ger. zu Dresden, h. v. Langenn, Sickel, Pöschmann, s. 1860. Bis jetzt 8 Bände.

Dresdner Annal.

Heuser, Ann.

-

Annalen der Justizpflege und Verwaltung in Knrheffen, h. v. Heuser, s. 1855. Dis jetzt 12 Bände.

XVI

Erklärung der abgekürzten Citate.

Würtemb. Arch.

bedeutet Würtembergisches Archiv für Recht und Rechtsverwaltung, h. v. Kübel u. Sarwey, 7 Bde.

Tafel, Civ.Rspr.

-

Auserlesene Civilrechtssprüche der höheren Gerichts­ stellen in Würtemberg, h. v. Tafel und Hopfen­ gärtner, s. 1841. Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt, h. v. Hotzel. Bis jetzt 12 Bände. Archiv für die Praxis des gejammten, im Großherz. Oldenburg geltenden Rechts. Bis jetzt 9 Bände. Oesterreichische Vierteljahrschrift f. Rechts- u. Staats­ wissenschaft, h. v. Haimecl. Bis jetzt 14 Bände.

Bl. f. Rpfl.

-

Oldb. Arch.

*

Haimerl, Vierteljschr.

-

Krit. Zeitschr.

-

Kritische Zeitschrift für die gesammte Nechtswisseuwissenschaft, h. v. Brinckmann, Dernburg u. A. 5 Bände. Heidelb. 1853—1859. (Abgeschlossen.)

Krit. Ueberschau

-

Kritische Ueberschau der deutschen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, h. v. Arndts, Bluntschli, Pözl. München 1853-1859, 6 Bde. (Abgeschl.)

Krir. Vierteljschr.

-

Schletter, Jahrb.

-

Kritische Bierteljahrschrist s. Gesetzgebung u. Rechts­ wissenschaft, h. v. Pözl, München, s. 1859. Bis jetzt 6 Bände. Vom 6. Bde. mitherausgegeben von Bekker. Jahrbücher der deutschen Rechtswissenschaft und Ge­ setzgebung, h. v. Schletter, s. 1855. Bis jetzt 10 Bände.

FSrfter,

Preußisches Privatrecht.

öür die Bearbeitung der einzelnen deutschen Landesrechte ist e- in doppelter Hinsicht unabweisbar, das gemeine Recht nicht bloß zu einer äußerlichen Vergleichung zu benutzen, sondern als Grundlage zu nehmen: einmal für die Erkenntniß der Landesrechte selbst, um dadurch nachzu­ weisen, daß sie nur Zweige an ein und demselben Stamme sind, aus dem sie fort und fort ihre Nahrung ziehen; sodann für das gemeine deutsche Recht, welches in ihnen eine eigenthümliche Gestaltung, eine Art von Ab­

schluß erlangt hat, der nothwendig auf seine fernere Entwicklung zurück­ wirkt.

E» ist auch in neuerer Zeit immer mehr erkannt worden, daß die

Auffassung, e- seien die Landesrechte isolirte Schöpfungen freier Gesetzge­

bung, die Rechtsbildung auf beiden Gebieten nicht fördert.

Aber soll diese

innige Verbindung deS gemeinen mit den Landesrechten wirklich fruchtbrin­ gend werden, so muß sie selbst eine fortschreitende sein; eS darf das Landesrecht nicht nur aus dem Standpunkt erörtert werden, den das ge­

meine zur Zeit der Gesetzgebung darbot, es muß vielmehr auch die spätere

Entwicklung des letzteren für die des Landesrecht- nutzbar gemacht wer­

den.

es

Oder man verzichte auf die weitere Entwicklung des letzteren, stelle außer den Fluß

Denn das ist nun

der Geschichte und gebe es einmal nicht

zu

leugnen,

dem Absterben Preis.

daß die gemeinrechtliche

Wissenschaft und Praxis, weil sie weniger durch den Buchstaben gebunden ist, sich yiannichfaltiger, freier, kühner entfalten kann, daß das Leben in

VI

8 e t w » t L

ihr ein frischere-, die Erfolge reicher und unmittelbarer sind.

Wäre auch

au- ihr nicht posittve Bereicherung für die einzelnen Recht-sätze zu gewin­ nen, schon daß man Theil nehme an diesem frischeren Geiste,

muß der

Wiffenschast der Lande-rechte reichen Gewinn bringen. Zwar wird hierbei sich

ost ergeben, daß die Lände-gesetzgebung einen von der heutigen

Wiffen­

schast längst verlaffenen oder überwundenen Standpuntt festgehalten, daß sie Sätze ausgenommen hat, die heute al- Irrthümer erkannt sind. solche Erkenntniß ist unstreitig ein großer Bortheil.

Selbst

Andererseit- aber

wird man auch ost zu der Einsicht gelangen, daß Bestimmungen de- Lan­

de-recht- einen tieferen Grund haben, während man bisher sich

Annahme beruhigte, daß

seien.

sie Schöpfungen

bei der

einer willkürlichen Reflexion

Hierzu hilft wesentlich die neuerdings mit Vorliebe und Erfolg

unternommene dogmengeschichlliche Behandlung der einzelnen Recht-insti­ tute, deren Ergebnisse darauf hingeführt haben, daß Vieles, wa» bisher

al- Mißbildung verworfen wurde, als Fortbildung erwiesen ist, die in

nationalen und modernen Bedürfnissen ihre Rechtfertigung findet.

Die s. g. historische Schule hat ihre Sendung erfüllt: das Material de- gemeinen Rechts, dieses eigenthümlichen Gebildes aus heimischem und frembem Stoff, ist von ihr nach seinen Ursprüngen gesichtet, gewissermaßen noch einmal durch einen

worden.

kritischen Reinigungsprozeß

hindurch getrieben

Jetzt ist man wieder dabei, es inniger zusammenzufügen.

Die

moderne Civilistik hat den Gedanken klar und bestimmt erfaßt, daß sich

da- deutsche Recht als Ganzes nicht verstehen läßt, wenn man es in zwei Hälften spaltet, und jede für sich abgesondert wissenschaftlich pflegt, daß vielmehr aus beiden ein organisches Ganze erarbeitet werden muß.

Und grade diese neuere Richtung der Rechtswissenschaft ist für das

A.L.R. von besonderer Wichtigkeit,

weil waS jene heute erstrebt, dieses

bereits vor 70 Jahren erreichen sollte: freilich heute mit anderen Kräften

und anderer Einsicht.

Aber darum ist eS auch nützlich,

den Maßstab

des Heute an die Leistung des Damals zu legen; es wird dadurch eine tiefere Erkenntniß der letzteren gewonnen, mer und Vorzüge klarer bewußt werden. Recht seitdem vielfach verändert worden.

man wird sich ihrer Irrthü­

Dazu kommt, daß.das preußische

DaS A.L.R. hat jetzt selbst

schon seine Geschichte, mehr und mehr ist eS so zu sagen in einen histo­

rischen Hintergrund getreten.

Zwar ist eS noch die bei weitem bedeu­

tendste und reichste, keineswegs aber heute die einzige Quelle des Privat-

VII

Beiwort. rechts.

Die Thätigkeit der neueren Gesetzgebung hat Vieles und Wichti­

ges geändert, die Entwicklung de- Verkehrs die Rechtsinstitute vermehrt,

die Praxi-

hat bestimmter gestaltet, weiter gefördert.

Dadurch ist das

preußische Privatrecht zu einem großen Theil modernisirt worden und man wird diesen ModernisirungSprozeß, seinen Ursprung und seine Ziele nicht

wenn

verstehen,

man nicht

fortgesetzt die

neuere Rechtsentwicklung in

Deutschland beobachtet und zur Vergleichung heranzieht. Trotz mancher tüchtiger Pflege, die dem preußischen Privatrecht zuge­

wendet worden, darf man sich doch der Einsicht nicht verschließen, daß die preußische Rechtswissenschaft sich auf dem Standpunkt der gemeinrechtli­ chen noch nicht befindet.

um dieselbe schätzen mag,

Denn wie hoch man auch die Verdienste Koch'S wahr ist eS doch, daß er im Wesentlichen auf

dem wissenschaftlichen Standpunkt

der dreißiger Jahre stehen

geblieben.

Selbst die neuesten Auflagen seiner Schriften bringen in dieser Hinsicht keinen Fortschritt, sic enthalten Nichts von den Bewegungen, die seitdem in der deutschen Jurisprudenz hervorgetreten, Litteratur und Praxis der­

selben sind großentheils unbeachtet geblieben, weder hat er die germanifttfchen Elemente in unserem Gesetzbuch,

noch die Gestaltung, die da­

römische Recht als gemeines deutsches im Laufe der Zeit erhalten, überall

richtig gewürdigt. In dem Werk, besten Veröffentlichung hiermit begonnen wird, soll

versucht werden, das heuttge preußische Recht von dem Standpunkt der

heuttgen

Wissenschaft zu erörtern.

Die

neuere deutsche Theorie

und

Praxis haben daher umfaffende Berücksichtigung gefunden, auch ist die

Praxis des A.L.R. in den außerpreußischen Ländern (Baiern) nicht un­

benutzt geblieben. daS

zwar schon

Daß die neueren großen Legislattonen, zu denen 1863

publizirte

aber

noch

nicht

in

Giltigkeit

getretene

sächsische Civilgesetzbuch hinzugekommen ist, zur Vergleichung herangezogen find, bedarf nicht besonderer Rechffertigung.

Wenn aber auch die Absicht deS VerfafferS dahin geht, das preußische Privatrecht vollständig darzustellen — so mußte doch eine Grenze darin gefunden werden, daß eben nur preußisches Recht den Gegenstand bilde, und

dies

führte zum Ausschluß derjenigen Gebiete, welche

jetzt nicht

mehr den Charakter des preußischen Rechts haben, sondern Preußen mit

Deuffchland

gemeinsam sind: des Handels-,

Wechsel-

und

Seerechts.

Dieselben erfreuen sich übrigens jetzt einer so lebhaften wissenschaftlichen

vni

Vorwort.

Pflege, daß ein Bedürfniß zur Vermehrung dieser Leistungen dem Berfaffer nicht vorzuliegen scheint. In der Lehre von den Schuldverhältniffen ist jedoch das deutsche Handelsgesetzbuch berücksichtigt worden. Dankbar für die Belehrung, die die bisherigen Arbeiten dem Berfasier geboten und auf die er sich vielfach hat stützen können, übergiebt er hiermit den ersten Band dem juristischen Publikum in der doppelten Hoff nung. Etwas beigetragen zu haben zur Erreichung deS Zieles, die preußische RechtSwiffenschast und Praxis in nähere Beziehung zur gemeinrechtliche« zu bringen, und den preußischen Juristen, von denen ein großer Theil fern von aller Berührung mit der fortschreitenden Wiffenschast in entle­ genen Provinzialstädten sein Amt verwalten muß, eine Gabe zu bieten, die ihm diese Fortschritte zugänglich macht, die in der Ausbildung begriffe­ nen jungen Männer aber darauf hinzuführen, daß, wie Savignh in sei­ ner Borrede zum System so wahr sagt, der Sinn für die Wissenschaft im prakttschen Geschäft selbst stets lebendig bleiben muß, daß die bloße Gewandheit und Leichtigkeit in der Auffassung und Beurtheilung einzelner Rechtsfälle — wie schätzenSwerth diese Eigenschaft auch sein mag — doch nicht gegen Oberflächlichkeit sichert, diese vielmehr nur durch ein ernstes, gewissenhaftes, unablässiges Studium der Wiffenschast vermieden wer­ den kann. Greifswald, Ostern 1864.

Einleitung §. 1.

Geschichtliches.

v. Raumer, über die Einführung des römischen Rechts in der Churmark Br. in v- Ledebur, Archiv f. d. Geschichtskunde des preuß. St. B. 5. S.312. LaSpeyreS,

die Reception des röm. R. in der Mark Br. in der Zeitschr. f. deutsches R. 1841. B. 6. S.1—96. Trendelenburg, Friedrich d. Gr. u. sein Großkanzler Sa­

muel v. Cocceji, Beitrag zur Geschichte der ersten Iustizresorm und des Naturrechts. Berlin 1863. Heydemann, Einleitung in das System des preuß. Civilr. B. 1. S. 5. 1861.

Bornemann 2. A. 1842. B. 1. S. 1-5. v. Daniels 1. A.

1851. B. 1. S. 5. Koch 3. A. 1857. B. 1. S. 12. — Stobbe, Geschichte der deutschen Recht-quellen 1860. B. 1. S-609. Franklin, Beiträge zur Geschichte der Reception des röm. R. 1863. des. S. 119 f.

Da« Privatrecht war in Deutschland von jeher nicht, oder doch

nur in sehr beschränkter Weise Gegenstand einer gesetzgeberischen Thätig­

keit gewesen; seine Anwendung und Ausbildung war dem Volksleben un­ mittelbar überlassen.

Wurde hier und da eine Aenderung oder Nachhilfe

im Recht nothwendig, so konnten die Landesherrn dies nur unter Anhö­

rung der Betheiligten, unter Mitwirkung der Landstände thun.

Erst als

deren Thätigkeit im 17. 18. Jahrhundert bedeutungslos geworden, dagegen die Rechte der Landesherrn sich zur absoluten Staatsgewalt gesteigert hatten,

wurde von selbst die Gesetzgebung wichtiger und wirksamer, sie konnte sich nun schneller, ungehinderter entwickeln.

Die vielfachen Klagen darüber,

daß der aufgenommene fremde RechtSstoff, schon sprachlich dem Volke un­ zugänglich, mehr und mehr Unsicherheit der RechtSkcnntniß und deßhalb

vielfach Nachcheile für die Rechtsübung verursacht habe, führten zunächst

dahin, daß bis zum Ablauf des 18. Jahrhunderts in mehreren Territorien theils einzelne den materiellen RechtSzustand betreffende Gesetze erlassen,

theils daS ganze Rechtsgebiet umfassende Legislationen vorbereitet und voll­

endet wurden *).

') Zn Sachsen 1724 Codex August., in Baiern 1750 — 1768 codcx Maximil. von Kreittmayr, in Oesterreich Maria Therefia'S Versuche 1753 — 1767, die damals noch zn keinem Abschluß führten. Unger, österr. Priv. -R. B. 1. S. 5. Ueber den Recht-zustand damaliger Zeit s. Trendelenburg S. 1 s. 19.26.

Foerster, Preuß. Prtvatrecht.

1

Einleitung.

2

In der Kurmark Brandenburg, dem Stammlande des preußischen

Staats, hatte bereits seit dem 14. Jahrhundert und bis in das 18. hinein, dem übrigen nordöstlichen Deutschland neben den sächsischen Rechtsbüchern, den Statuten einzelner Städte, dem Landes- und Orts­

so wie in

herkommen das römische Recht gegolten. Ebenso wenig wie in Deutschland überhaupt ist hier diese Receptton durch Gesetzgebung hervorgerufen, denn

Joachim'S I. Kammergerichtsordnung hat nur die bereits feststehende Gilttgkeit desselben alS eines gemeinen Rechts anerkannt und darum dessen

Befolgung dem Gerichtshöfe vorgeschrieben *).

Auch in den anderen Län­

dern, die später Provinzen deS preußischen Staats geworden, fand sich eine gleiche Rechtemischung vor.

DaS alte gemeine Sachsenrecht hat in

Sachsen und Schlesien, in letzterem noch das Landrecht von 1356 so wie

einige partikulare Gesetze, namentlich über eheliches Güterrecht und Erb­ folge, in Uebung gestanden; das Herzogthum Preußen hatte sein besonderes

Landrecht von 1620, revidirt 1721. In diesen

sehr mannichfachen

materiellen Rechtszustand haben die

Kurfürsten nicht wesentlich eingegriffen, mit Ausnahme der für einzelne

Partieen des Erbrechts die römischen Grundsätze einführenden s. g. consti-

tutio Joachimica ’).

Auch wurden in einzelnen Landtags-Receffen zu­

weilen Abänderungen des bestehenden Rechts beliebt.

Weit bedeiltender aber und einflußreicher

war die

Thätigkeit der

Landesherrn in dem, was für die Jufttzpflege und für das formelle Recht

geschah.

Schon 1484 findet sich für den Adel und die zweite Instanz in

Berlin ein Kammergericht, welches durch Bereinigung des Hof- und Land­ gerichts enfftanden zu fein scheint.

Seit 1516 organisirte es Joachim

mit Bewilligung der Stände aufs diene und vollständiger4* ).* 3 Daß nun

das Rechtsprechen gelehrten Richtern übertragen wurde, war eine nothwen­ dige Folge der Anwendung des fremden, nur durch die Wissenschaft mit

dem Leben zu vermittelnden Rechts.

In die Regierungszeit des Kurfürsten Johann Georg (1571—1598) fällt der erste Gedanke an eine umfassendere materielle Gesetzgebung: es ist aber unsicher, ob er aus

eignem Antrieb den Entschluß gefaßt, oder

ob von den Ständen, die in der Mark ebenso wie anderwärts die üblen

Folgen der Anwendung eines ftemden Rechts empfanden und sich darüber

a)

„Als wir auch in unseren Landen und Fürstenthum der vielfältigen RechLSordnun gen und Mängel befunden, wollen und setzen wir, daß hinführo in unserm Cammergericht, fürstenthum, landen und gebieten gemeine kaiserliche Rechte gehalten und danach gesprochen werden soll." C. C. M. II, 1. S. 10 Gegen Scholtz, das Provinz. R. der Kurmark, und gegen Götze, das Provinz. R. der Altmark, f. Laöpeyreö a. a. O. S. 10f.

3) Heydemanu, Elemente der Joachimischen Eonstitution.

Berlin 1841.

4) Simon und Strampsf, Zeitschr. s. wissenschaftl. Bear-eitung des preuß. R.

§. 1.

Geschichtliche«.

ES entstanden damals zwei Recen­

beklagtm, der Anstoß ausgegangen ist.

sionen eines Landrechts, an

3

deren Abfassung

der berühmte Lambert

Diestklmeier nicht ohne Ancheil gewesen zu sein scheint.

Sie enthalten

Recht Entscheidungen einzelner in

außer Bestimmungen über formelles

Thcoril und Praxis besonders bestrittener materieller Rechtsfragen, mit­ hin seine Darlegung des gesammten Privatrechts. Das Werk sowie einige folgende Versuche blieben unausgeführt. Die Leiden des dreißig­

jährige» Krieges hemmten die Verfolgung solcher Ziele. Dann dachte der große Kurfürst an eine Kodifikation und resolvirte

in diesem Sinne am

1. Mai 1652 an die Stände, welche über den

schlechtm Rechtszustand geklagt hatten.

Auch dieses Unternehmen konnte

bei den anderweitigen Plänen dieses Fürsten und in einer Zeit so unver­

söhnter und unvollendeter Uebergänge nicht wohl zu Stande kommen.

Ernster,

. obwohl zunächst auch noch ohne Erfolg, wurde diese Ange-

legenhet mit dem Beginne des 18. Jahrhunderts betrieben.

Die öffent­

liche Stimme erhob sich in anonymen Vorschlägen: „es sei bei der Unge­

wißheit im Rechte, so dem verkehrten arbitrio judicis und casibus pro

amico Raum gäbe, nöthig, die controversias Juris practicas utiliores, worinn.« die tribunalia und collcgia juridica

blica lutoritatc zu decidiren.

zu variiren pflegen, pu­

Es sollen deßhalb die

Fakultäten und

Schöppenstühle gefordert werden, dergleichen controversias principis deci-

sione lignas zu sammeln, und die oberen Gerichte die Statuten, Lokal-

deren Abweichung und Uebereinstimmung mit dem

und Piovinzialrechte,

Sachserrecht bemerken,

damit dann dasjenige, so der gesunden Vernunft,

der Uiterthanen Wohlfahrt und Aufnahme und

der Gelegenheit jedes

Orts an meisten gemäß, erwählet und festgestellt werden könne."

Man

sieht ü diesen Stimmen sowohl die Veranlassung, als auch den Stoff und dos Ziel der gewünschten Legislation.

Die Veranlassung gab die

RechtSmsicherheit, die Masse der Kontroversen; den Stoff das ftemde

und eilheimische, gemeine und partikulare Recht; das Ziel war, selbst

unter Verlassen der historischen Ueberlieferung, nur die Zweckmäßigkeit, das Vernünftige als Maßstab der Entscheidung dienen zu lassen. Mit großer Beharrlichkeit ist bis Friedrich dem Großen, namentlich auch von desen hastigem und energischem Vater dies Ziel festgehalten worden.

1713 irließ der König eine allgemeine Ordnung, die Verbesserung der Justiz betreffend 5),

anbefohen wurde.

durch welche die Ausarbeitung von Konstitutionen

Er bestimmte:

„In den Provinzen,

einerlei Recht und theils das römische,

wo mehr als

theils das sächsische, theils ein

B.l. S. 174. Abegg, Verbuch einer Geschichte der preuß. Civilprozeßgesetzgebmg. 1848. @. 15. f. LaSpeyre« a. a. O. .45., wo be­ hauptet ist, daß nicht grad« sinnlose Trunkenheit zur Nichtigkeit der Erklärung erforderlich sei. — Nach gemeinem R. läßt Trunkenheit, wenn sie die Willen», sreiheit aushebt, das Geschäft nicht bestehen, ohne weitere Unterscheidungen deS Grades. Seuffert B.3. S.167. '«)

S. oben §19.

1

Das Nähere bei den einzelnen Lehren; so auch bei der Lehre vom Darlehn über die Beschränkungen der DarlehnSfähigkeit.

3.91.

••)

Strafges. B. §.11.

")

Gruchot I. S.434 (Erkenntnisse des Kreisgerichts Duisburg und des App. Ger. Hamm). Strieth. B 48. S. 128. Goltdammer, Kommentar z. Strafges. Buch v. 1. S. 165.

”)

Strafges. B. §.12. (Die Nr. 1.-4. u. 6. betreffen nicht das Privatrccht.)

")

A L.R. II

11. §. 1199. 1200.1209.

Gruchot III. S.124 (v. Wittkrn).

Erste- v«ch.

136

Die Grundbegriffe.

II. Bei widerrechtkchen Handlungen können nur die völlig willenlo­ sen Personen (Kinder, Geisteskranke) für handlungsunfähig erachtet wer­ den. Alle übrigen, also auch Unmündige, Verschwender, hasten aus sol­ chen Handlungen wie Volljährige, vorausgesetzt, daß sie im Moment der That zurechnungsfähig waren, was jetzt näher zu erörtern ist").

§. 27. Insbesondere die Zurechnung. rr.R. I. 3. §. 7.-25. — Hey bemann I. S. 150. Eivilr. II. S 171.

Vornem., RechtSgesch. S. 405.

Koch, Pr. R. I. S. 272 -277.

— Hasse, die Lulpa de- röm. R. 2. A. 1838. R. III. S.347 (1855).

Wächter II. S. 779.

R. b. Ford. II. S. 238.

Mommsen,

Verträge z. Obl.

Unger II. S.233.

Handlungen sind Aeußerungen des Willens. Wie diesem die Frei­ heit nothwendig ist, so müssen auch jene freie sein. Soweit die Handlung stei ist, muß der Mensch die Folgen vertreten, die aus ihr hervorgehen, sie wird ihm zugerechnet. Unter Zurechnung versteht man hiernach den Anspruch an die Person, daß sie ihre Handlung und deren Folgen ver­ trete, sie setzt freie Thätigkeit des Willens in der Richtung dieser Hand­ lung voraus — ihr Gegensatz ist das unwillkürliche Handeln'). Wer zurechnungsfähig eine Handlung vornimmt, durch die das rechtliche In­ teresse einer anderen Person widerrechtlich') verletzt wird, begeht eine Schuld und diese kann sich entweder auf ein zwischen dem Verletzer und Verletzten schon bestehendes Rechtsverhältniß beziehen, welches dadurch eine

Im Strafrecht bildet das vollendete 16. Jahr eine Scheide. Zn Vetreff der wil­ lenlosen Personen hastet nach A LR. I. 6. §. 41.42. 43. für den Ersatz de- Scha­ dens ihr Vermögen nur subsidiär und beschränkt. Wer sich selbst vorübergehend in einen vernunftlosen Zustand versetzt hat, hastet für den Schaden. I 6. §. 40. •)

A L R- I 3 §.7.14. I. 6. §.39. Hepp, die Zurechnung aus d. Geb. des EivilrechtS, 1838. Das A.L.R I. 3. §.14. spricht von Graden der Zurech­ nung, die sich nach dem Grade der Freiheit des Handelnden richten, die- ist aber eine falsche und für die praktische Anwendbarkeit unbrauchbare Ansicht. ES giebt nicht Grade der Zurechnung und auch nicht Grade der Freiheit, was so erscheint, sind nur subjektive ZumeffungSgründe zurechenbarer Handlungen; man verwechselt hier die Größe der Schuld mit dem Begriffe der Zurechnung. Die ZumeffnngSgründe sind nur aus dem Gebiete des Strafrechts von Wichtigkeit. Hepp S. 110.

3

Wer sein R. nach den Gesetzen auSübt, ist zum Ersatz eines bei dieser Gelegen­ heit eutstarrdenen Schadens nicht verpflichtet. A L R. Eint. 94 Zur Wider­ rechtlichkeit gehört nicht allein, daß man einen Andern in der Ausübung seines RdchtS hindert, Einl. §. 93., sondern auch, daß man ohne Befugniß es thut. Hat objektiv eine Rechtsverletzung nicht stattgesunden, so ist die an sich sonst unerlaubte Handlung nicht Schuld im privatrcchtlichen Sinn. Auch der Versuch der Rechts­ verletzung ist Schuld, z B. 1 36. §. 1. I). VI. 1., wenn nachtheilige Folgen daraus entstanden sind.

5- 27.

137

In«besondere bfe Zurechnung

Modifikation erleidet*), oder nicht, so daß durch die Verletzung selbst erst

ein Rechtsanspruch hervorgerufen wird*). Rechtsverletzung

Je nachdem die Bewirkung der

unmittelbar vom Handelnden beabsichtigt

oder nur die

Folge eine- Mangels derjenigen Aufmerksamkeit ist, die jeder in den Ge­ schäften des bürgerlichen Lebens mit Rücksicht auf die Interessen

Nebenmenschen anzuwenden verpflichtet

ist1),

seiner

giebt eS zwei Arten der

Verschuldung: Vorsatz, da- bewußte Wollen der Rechtswidrigkeit'), und Versehen,

das au- Mangel an Aufmerksamkeit herbeigeführte rechtswi­

drige Handeln1).

Der Vorsatz hat überhaupt nur Zurechnung-fähigkeit

zur Voraussetzung.

Er wird ausgeschloffen durch jeden Irrthum über die

Widerrechtlichkeit der Handlung und stuft sich nicht nach Graden ab.

Da»

Versehen aber, da e- von dem Mangel einer Aufmerksamkeit abhängt, die größer oder geringer sein kann, hat man von jeher in der Recht-theorie

in verschiedene Grade zerlegt, und dazu war vor allem nöthig, daß man in dem Begriff der Aufmerksamkeit oder Sorgfalt (diligentia) einen be­ stimmten Maßstab aufftellte.

sein: jene»,

wenn man au-

Dieser kann ein objektiver

der allgemeinen Erfahrung

oder subjektiver den Grad

der

Aufmerksamkeit zu Grunde legt, den man bei jedem verständigen Menschen

vorfindet, diese-, wenn man von dem Grade der Aufmerksamkeit au-geht, den grade die Person sonst anzuwenden pflegt, deren rechtswidrige Hand­

lung beurtheilt werden soll (diligentia in abstracto,

oder quam

welches

herrscht,

quis

suia

rebus adhibere

solet).

dilig. in concreto

Das römische Recht,

auf diesem Gebiete da- gemeine deutsche Recht ausschließlich be­ hat die Aufmerksamkeit deS diligens paterfamilias zu Grunde

gelegt, ist also jener

ersten objektiven Auffaffung gefolgt und läßt nur in

einzelnen Fälle» die subjektive zur Geltung kommen, wenn eine Ermäßigung

der Vertretung-pflicht herbeigeführt werden soll,

wenn also die Aufmerk­

samkeit der betreffenden Person in ihren eignen Angelegenheiten eine ge­

ringere ist, als die eine- verständigen, ordentlichen Hau-vater- *).

•)

DaS

Das Recht-verhältniß kann obligatorischer und dinglich« Natur fein. So m I 36. 1. D. VI. 1. Die culpa poBsesaoris, qui in rem convenitur. Hass e

e. io fg. Die Delikte, bafl damnum injuria datum, die s g. aquilische Culpa.

a.8.«. I. 3. §16. *>

Der Vorsatz ist im A L «, nicht besinnet.

’)

A 8 R. I. 3. §.17. Auch beim Versehen ist nicht etwa ein mangelhaftes Den­ ken, sondern ein mangelhafte« Wollen der Grund der Vertretung. Unger a. a. D. S. 235. Beim Vorsatz will man da« Unrecht, beim Versehen ist e« nicht nicht gewollt.

•)

Die s. g. aquilische Culpa bedarf keine« Maßstabe«, weil sie keine Grade hat. 1. 44. pr. D. IX. 2 Cr ist daher im röm R. nur für die obligatorische Culpa ein Bedürsuiß, weil die obligatio »an sich schon eine besondere Verpflichtung zur ansmerksamkeit (diligentia) erzeugt. Hasse S 133.—135.136. Die subjektive

Auch nicht im Str. G B. voll 1851.

Erste« Buch.

138

Die Hrmldbegnffe.

deutsche Recht ist in der Theorie vom Versehen noch nicht zu demjenigen

Grade von Klarheit durchgebildet gewesen, als die Aufnahme de» fremden Recht« eintrat,

daß ein Maßstab für die Beurtheilung der Abstufungen

de» Versehen» gefunden worden wäre').

Da» preußische Recht schließt

sich hier im wesentlichen dem römischen an. den Satz, daß Jeder schuldig sei,

ES stellt auch an die Spitze

in den Geschäften

de»

bürgerlichen

Leben» Aufmerksamkeit anzuwenden, und daß diese Aufmerksamkeit diejenige

sei, die „ein ordentlicher Hausvater in seinen eignen Angelegenheiten ge­ wöhnlich anwendet."

Wenn diese Bestimmung im A.L.R. auch nur bei

einzelnen RechtSverhältnisien

ausgesprochen ist10), so muß sie doch als

eine allgemeine angesehen werden, denn eS wird unmittelbar daran die

Folgerung geknüpft, Versehen ist")

daß der Mangel

dieser Aufmerksamkeit ein mäßige»

und die« heißt nicht» andere»,

al»

da» Versehen schlechthin in diesem Mangel besteht.

daß

der Regel nach

Die Aufmerksamkeit

de» ordentlichen Hausvater» ist also gleichbedeutend mit einem „gewöhn­ lichen Grade" von Aufmerksamkeit, d. h. auch vom HauSvater kann nicht verlangt werden,

daß er eine besonders

geschärfte Sorgfalt besitzt, und

auf eigenthümliche Beschaffenheit der Geisteskräfte dieser oder jener be­

soll keine Rücksicht genommen werden, weder um ihre BertretungSpflicht zu steigern, noch um sie zu mäßigen "). So stellt das stimmten Person

A.L.R. also einen HauSvater von gewöhnlichen Geistesgaben hin und mißt von diesem Standpunkt au» die Grade de» Versehens.

Die s. g. culpa

in concreto, welche aus einer Verabsäumung der diligentia qu. qu. s.

r. adh. hervorgeht, sichtigt").

wird nur in wenigen Fällen ausnahmsweise berück­

Hat man aber auch einen solchen Maßstab gefunden, um die

sehr mannichfachen Abstufungen des Mangels an Aufmerksamkeit und Be-

diligentia erfordern societas, rerum communio, tutela. 1. 32. D. XVI. 3. zeigt, daß die dilig. q. q. s r. im Verhältniß znr dilig. p. f. als eine mindere aufgefaßt wurde.

9)

,0)

Förfter, in der Zeitschr. s. deutsches R. B. 9. S. 101 fg. Stobbe, zqr schichte des deutschen VertragSrechtS (1855) N. 111. S. 290 Es wurde nur Tragen der Gefahr ins Auge gefaßt, und noch wenig unterschieden, ob sie schuldet oder unverschuldet war. Nur wer aus einem Rechtsgeschäft Vortheil ben wollte, dem wurde auch die Gefahr attserlegt.

Gedas ver­ ha­

Sie steht A.L.R. I. 20. §.121 (Pfandinhaber). I. 21. §. 22 (Nießbraucher). II. 18. §. 275.472 (Vormund). Koch, R. d. F. II. S. 251.

") A.L.R. II. 18. §. 276. ")

,3)

I. 3. §. 24.

I. 13. §.55 (Bevollmächtigte). I. 14. §.11 (Verwahrer). Dies ist auch vom Verwalter anzunehmen, weil die Verwaltung aus Mandat und Depositum zusam­ mengesetzt ist, I. 14. §.109. Ferner 1.17. § 211 (Gesellschafter). Nach §. 555. II. 1. soll bei Bestimmung des Grades des Versehens eines Ehemannes in der Verwaltung des eingebrachten Vermögens aus seine persönlichen Fähigkeiten und Einsichten Rücksicht genommen werden.

g«Sbes-vdete die Anrechnung.

t 27.

ISS

sonnenheil, wie sie da- tägliche Leben bietet, zu Messen, und auf bestimmte Grade zurückzuführen, so darf doch vom praktischen Standpunkt au- Zweierlei Einmal, daß auch jener Maßstab, da er

hierbei nicht übersehen werden.

nur durch eine Abstraktion au- erfahrung-mäßigen Beobachtungen gewon­

nen ist,

selbst keineswegs eine sichere und klare Bestimmtheit hat, und

sodann, daß,

wenn man aitf die Wirkung de- Versehen-

Rechtsverletzung, die

wieder beseitigt werden soll,

sieht,

auf die

diese immer dieselbe

bleibt, mag da- Versehen au- einem höheren oder geringeren Grade von

Sorglosigkeit hervorgegangen sein.

Deßhalb führen auch die Bedürfnisse

de- praktischen Leben- niemals zu der Untersuchung der Frage, welchen

Grad da- Versehen gehabt habe,

werden sollen, und nur durch

dessen nachtheilige Wirkungen beseitigt

da- Gesetz ist der Richter gezwungen da-

Versehen zu messen und hiernach den Umfang der Vertretung-pflicht zu

bestimmen ").

Man darf

sich

daher

auf dem Gebiete

de- PrivatrechtS

vor dem Satz nicht scheuen, daß alle Graduirung de- Versehen- unprak­

tisch und unnütz ist. nicht.

Freilich so liegt aber die Sache im positiven Recht

C- ist hinreichend bekannt,

daß man in der älteren Theorie au-

den Quellen de- römischen Recht- den Satz abgeleitet hat, Grade de- Versehen- gebe: die Vertretung-pflicht

de-

daß e- drei

culpa levissima, levis, lata, und daß man

Handelnden

von der Größe

des

begangenen

Vergehens abhängig machte: daß diese Theorie, die ihren schwachen Stütz­

punkt nur in gelegentlich

gebrauchten Beiwörtern

zu culpa fand"),

in

14)

Siehe bei Hasse, Borrede S. X. Titius ad Lauterbach, ob». 102: haec res (de culpae grado) magis in scholis quam in foro auditnr, cum in vita civili plerumque non tarn de gradu culpae, quam ejus existentia, seu an in Uni­ versum aliqua culpa commissa sit, quaeri soleat, und Höpsner, Komment. 1797 S. 836. Notel, sagt: „Während meiner 36jährigen Praxi« ist mir nicht ein einziger Fall vorgekommen, wo die Parteien über den Grad der Culpa ge. stritten hätten." Mommsen, S.360: „Für da- Civilrecht hat die Culpa die. selbe Wirkung, es mag nun ein höherer oder niedrigerer Grad vorliegen. Wenn nur überhaupt eine Culpa vorliegt, für welche der Verletzer verantwortlich ist, tritt als Folge die Verpflichtung zur Leistung des Interesse ein. Cs kommt daher nicht sowohl auf eine Bestimmung der Grade der Culpa, als vielmehr darauf an, den Anfangspunkt zu bestimmen, von welchem die Verantwortlichkeit für die Un­ aufmerksamkeit, die Nachlässigkeit beginnt." Da Mommsen die lata culpa für die aus nicht entschuldbarem Irrthum hervorgegangene Nachlässigkeit erklärt und die civilrechtliche Gleichstellung ihrer Wirkungen mit denen de- dolus daraus fol­ gert, weil der nicht entschuldbare Irrthum dem Wiffen gleichstehe, so kann er allerdingS S. 358. sagen: „Wenn wir das ganze Gebiet der Verschuldung als eine Fläche ansehen, von welcher der DoluS die eine Hälfte, die Culpa die andere Hälfte einnimmt, so erscheint die culpa lata nur als ein schmaler Grenzstreifen neben dem DoluS." Aber dieser Theorie steht, wie Windscheid (Kritische Zeit­ schrift B. 3. S. 279.) bemerkt, entgegen, daß auch bei levis culpa der Irrthum unentschuldbar sein muß, der entschuldbare überhaupt kein Versehen begründet.

1 s)

Stobbe a. a. O. S.230. vermuthet, daß die dreigliedrige Eintheilnng dadurch verursacht sei, daß das deutsche R. in einzelnen Fällen Haftung für casus an­ nimmt, welche man als culpa levissima neben die lata und levis des röm. R. gestellt habe.

140

Crflte Buch.

Die ®tmA6tgriffe.

neuerer Zeit unter Anknüpfung an die in der Zwischenzeit vergessene Mei. nuug von Doueau zuerst von Thibaut, dann mit entscheidendem Er­ folge von Hasse durch eine andere ersetzt worden ist, welche nur eine zweigliedrige Eintheilung des Versehen- zugiebt. Im gemeinen Recht herrscht diese neue Theorie jetzt ausschließlich, sie hatte schon vorher in da- österreichische Gesetzbuch Eingang gesunden “) und ist natürlich auch vom neuesten Gesetzbuch, dem sächsischen"), anerkannt. Und zugegeben muß auch werden, daß die Eintheilung. in zwei Grade viel greifbarer, viel sicherer auf objektive Merkmale zurückzuführen ist!, denn eS läßt sich an­ der allgemeinen Erfahrung leichter erkennen, ob die Nachlässigkeit so arg gewesen, daß selbst ein ganz beschräntter Mensch in sie nicht hätte gerathen sollen, oder ob die Nachlässigkeit nur die gewöhnliche Sorgsamkeit außer Acht gesetzt hat. Allein man verläßt doch auch hier nicht den Boden der Unbestimmtheit, de- Relativen, es lasten sich nicht absolute Kennzeichen für mehr oder weniger grobe Unaufmerksamkeit finden. Die Steigerungen von bloßer Fahrlässigkeit bi- zur Gewistenlosigkeit vollziehen sich in un­ merkbaren Uebergängen, und toeitit man auch noch letztere in da- Gebiet de- Versehens herüberzieht, so verliert man leicht die scharfe Grenzlinie zwischen Vorsatz und Versehen. (Sin reiner Gegensatz ist nur zwischen Absichtlichkeit und Fahrlässigkeit. Da- A.L.R. hat die dreigliedrige Eintheilung deö Versehen- ausge­ nommen. Unter den Bearbeitern des preußischen Rechts hat Borne­ mann") dieselbe für die allein sachgemäße, der Gesehrevisor") sie we­ nigstens praktisch für unschädlich und deßhalb den Anschluß an die neuere Schule für »»nöthig erklärt, Koch dagegen verwirft sie"). Da- Gesetz­ buch definirt: ein Versehen, welche- bei gewöhnlichen Fähigkeiten ohne Anstrengung der Aufmerksamkeit vermieden werden konnte, ist ein grobe-, welche- bei einem gewöhnlichen Grade von Aufmerksamkeit vermieden wer­ den konnte, ein mäßige-, welche- nur bei vorzüglichen Fähigkeiten oder bei einer besonderen Kenntniß der Sache oder de- Geschäfts oder durch eine ungewöhnliche Anstrengung der Aufmerksamkeit vermieden werden konnte, ein geringe-"). Man schwimmt hier in einem Meer von Un­ bestimmtheiten. Da» grobe Versehen erzeugt dieselbe BerttetungSpfiicht Unger a. a. O. S. 239. Oesterr. Ges. B. §.1294 nur 2 Grade. ZachariL (.Anschütz' II. S. 225. ,7, Sächs. G.B. §.121. 122. " RechtSgesch. S. 413 s. 19, Ergänzungen, 2. AuSg. B. 1. S. 163. ’ ®; R. d. Ford. 93.1. S. 246 f. Hey dem. S. 151 s. 16

”, A.L R. I. 3 §. 18.-22.

Auch der Code civ. kennt

5- 21. 9erttfcnbttt die Zmochnnvg^

l11.

7) Äa5. O. v. 19. April 1813 (Grs. S. S. 69). Auch nicht ausschließliche Gewerbeberechtigungen über 10 Jahr hinaus. Gew. Ord. v. 17. Jau. 1845 §. 11. Dagegen ist in den RechiSs. B 3. S. 174. als zulässig angenommen, sich zu verpflichten, ein bestimmte« Grundstück nicht zu einem bestimmten Gewerbe zn benutzen. Bergl. auch Reskr. vom 13. Januar 1832 bei v. Kamptz B 39. S. 113. ») Ges. v. 2. März 1850 §. 91. (Ges. S. S. 77). ') «biet. v. 14. Scptbr. 1811 §. 2.7. Ablös. Ordn. v. 7. Juni 1821. §. 29. verordn, v. 20. Juni 1817 §. 15.43.

") Ges. v. 7. Septbr. 1811 §.51.54.

Einl. und

Erst«« Buch.

144

Dir l-rundbegriffe.

heil"), auf Verpflichtung zur Ehelosigkeit über ein

gewisse» Leben-alter

hinaus, auf Beibehaltung de- Wittwenstande- abzielen.

hoben werden kann oder nicht.

.Im letzteren Fall ist die Willen-erklärung wenn die Unmöglichkeit

nichtig, im ersteren kann sie Wirkung erhalten, bi- zur Erfüllung-zeit aufhört").

darau- entstehen,

.Die Unmöglich­

oder bedingt, je nachdem sie ge­

keit der Handlung ist entweder absolut,

Welche obligatorische Verpflichtungen

wenn dem einen oder andern Theil die Unmöglichkeit

bekannt war, ist hier nicht zu erörtern.

Handlungen, die dritte Personen

leisten sollen, können zwar wie Sachen Dritter, nicht unmittelbar Gegen­ staud der Willenserklärung sein, aber eS können au- solchen Erklärungen Verpflichtungen hervorgehev ").

B.

D«r Willearentschluß.

I. Freiheit. Zwang.

§. 29. «l.r.St. I. 4.

§. 31.-51.

Ford. II. S. 101.

-

Htydrm. I. S. 167.

v. Daniel» I. S. 238.

System L S. 136.

Seinem., R.Sesch. 6.111.

Koch,

Pr.R

I. S. 226.

R. d.

Entscheid, der £>. Trib. v. 29. Mai 1856 8.33. S. 8.-24.

— Savigny, System 8.3. S.98.

Sinteni» I. §.22.

6.186.

(6.201. über preuß. «.).

Wächter II

Schliemann,

die

S.761. Unger II. S.44. Lehre

vom Zwange,

1861

Windscheid I. 6.174.

Die handlungsfähige und verfügungsberechtigte Person muß die Ent­

stehung

de- bestimmten Rechtsverhältnisse- durch ihre Handlung gewollt

haben.

Der Wille kommt auf dem Gebiete

in Betracht,

als er sich äußert').

die Richtung des Willen-

auf den

Aeußerung des Willen- muß sein getreuer Ausdruck sein.

des Rechts nur in so weit

Die Handlung oder Erklärung muß beabsichtigten Zweck enthalten,

die

mit diesem selbst übereinstimmen, sie muß Drei Erfordernisse hierfür stelle da- A.L.R.

auf: „die Willenserklärung muß frei, ernstlich und gewiß oder zuver­ lässig sein'").

1 ■)

E- iß feine Beschränkung der Gewissensfreiheit, wenn für den Fall deS Wechsels der Religion ein Bermößen-nachlheil angedrohet worden. Die Freiheit deS WillenSentschluffe- bleibt hierdurch unberührt. Ebensowenig die Zuwendung eines Bortheils für Beibehaltung des Bekenntnisse-. Die Redaktoren de- A. L. R. haben aber wohl andere Ansichten hierüber gehabt. Born em., System v. 1. 6.112 fg. Nur darin kann die Unsittlichkeit liegen, daß Jemand zur Aenderung oder Beibehaltung der Religion verpflichtet werden soll.

")

I. 5. § 51.52. 57.

")

I. 5. §.40fg.

')

A.L.R. 1. 3. z. 2

')

1. 4. |.4.

J. 29.

145

I. Freiheit. Zwang.

Zuerst: die Willenserklärung soll frei sein, d. h. imgehindert durch äußere Einwirkung, die eine Abweichung der Erklärung vom Willen Her­

vorrufen könnte. Diese Freiheit kann beeinträchtigt werden durch physi­ sche und psychische Gewalt. Erstere hebt da- Wollen überhaupt auf und eS kann durch sie eine WillenSerllärung gar nicht hervorgebracht wer­

sie macht die Handlung nur zu einem mechanischen Akt, ist nur äußere Erscheinung, nicht durch inneres Wollen erzeugt'). Das A.L.R.

den,

stellt dem gleich,

wenn Jemand

durch Entziehung der Nahrung-- und

Hellmittel oder durch Zufügung körperlicher Schmerzen zu einer WillenSerklärung vermocht ist.

Solche Aeußerungen entbehren jeder verbindlichen

Kraft, sie sind nichtig.

Ungleich wichtiger für die juristische Betrachtung Indem diese Furcht

ist der zweite Fall, der der psychischen Gewalt. erzeugt, ist sie geeignet,

eine Aeußerung hervorzubringen, die dem freien

Willen nicht entspricht, die aber doch infoferh immer noch eine gewollte ist, alS die Wahl übrig blieb, entweder trotz der Gewalt nicht zu wollen, also die Folgen

der Gewalt zu ertragen,

oder ihr zu widerstehen, oder,

indem man derselben nachgab, sich zu der verlangten Handlung zu ent­

schließen *). Deßhalb kann hier nicht von einem Nichtwollen, sondern nur von einer unberechtigten ’) Einwirkung auf den Willen die Rede sein. DaS Mittel,

durch

welches die psychische Gewalt

geübt wird,

Drohung, sie muß geeignet sein, Furcht zu-erwecken.

langt,

daß sie eine gefährliche sei.

ist die

Deßhalb ist ver­

Dies ist sie, wenn ihre Ausführung

entweder an sich oder nach der Meinung des Bedroheten in der Gewalt des Drohenden liegt, und erhebliche Güter des Lebens, dieses selbst, Ge­

sundheit, Freiheit und Ehre angreift •).

Bei anderen Uebeln ist eS der

vernünftigen Beurtheilung des Richters überlassen, ob sie der Art waren.

’) Schon feit den Glossatoren vis absolut» genannt.

Sächs. G. B. §. 92.

*) 1. 21. §. D. IV. 2: quia, quam vis si liberum esset, noluissem, tarnen coactus volui; 1. 22. D. XXIII. 2: contraxit tarnen matrimonium, . . maluisse hoc videtur.

’) 1. 116. pr. de R. J.: Nihil consensui tarn contrarium est, . . quam vis atque metus, quem comprobare contra bonos mores est. Es ist eine Forderung der Sittlichkeit an da» Recht, dem Zwang entgegenzutreten. •) 1. 6. D. IV. 2: Metum accipiendum Labeo dicit, non quemlibet timorem sed majoris malitatis. Al» solche Gründe einer erheblicheren Furcht werde» bezeichnet timor mortis et verberum (1.3. §. 1. D. h. t), servitutis timor (1. 4. eod.), vincula (1. 7. $. 1), ne stuprum patiatur (I. 8. §.2); e» ist im Erfolg gleich, ob die Drohung gegen die Person selbst sich richtet, oder gegen ihre nächsten An» gehörigen (1. 8. §. 3); salutis periculum vel corporis cruciatum (1. 13. C. II. 4. 1. 4. 7. C. II. 20). Dagegen läßt da» töm. R. (also abweichend vom preuß. R.), die Drohung mit infamia nicht al» erheblich gelten (I. 7. pr. D. h. t.), auch nicht accusationis institutae vel futurae metum (1. 10. C. II. 20). Dagegen 8.8.9t. I. 4. §. 35. Entsch. B. 17. S. 97. Zwang, der sich nicht un­ mittelbar gegen die Person, sondern gegen da» vermögen richtet, erkennt da» röm. R- nicht an- Schliemann S. 19. Fo erster, Preuß. Prioatrechl 10

LrsteS Buch.

146

Die Grundbegriffe.

daß die durch sie veranlaßte Willenserklärung erzwungen erscheint und er soll dabei, um den Einfluß der Drohung zu bestimmen, auf die LeibeS-

und Gemüthsbeschaffenheit des Bedrohten Rücksicht nehmen').

daher alle thatsächlichen Momente,

Er hat

welche die Ueberzeugung begründen

können, daß der Drohende die Erklärung hat erzwingen wollen und daß

der Bedrohte,

um dem angedrohten Uebel zu entgehen, sich erklärt hat,

seiner Prüfung zu unterwerfen').

Es muß ferner die Drohung die un­

mittelbare Ursache der Erllärung geworden sein, um diese als erzwungen

erscheinen zu lassen *).

Endlich, sie muß widerrechtlich ein Uebel androhen

und deßhalb kann sie, wenn sie darin besteht, daß man sich seine» Rechts gesetzmäßig bedienen oder einen zugedachten Vortheil nicht zuwenden wolle, wenn dies auch dem Erklärenden die größten Nachtheile nicht als Zwang gelten").

bringen würde,

Gleichgiltig ist, ob der Zwang von demjeni­

gen auSgeübt worden ist, in dessen Interesse die Willenserklärung erfolgt, oder von einem Dritten1'). Diese Theorie stimmt im Wesentlichen mit der des gemeinen Rechts

einige damals herrschende Streitfragen entschieden").

überein, sie hat

Aber schwer ist eS nach den Worten des A.L.R. die Frage zu beantwor­ ten,

ob die durch Drohung

erzwungene Willenserklärung nichtig oder

anfechtbar ist. Nach Savignh'S Vorgang herrscht jetzt im gemeine» Recht die Ansicht, daß sie nur angefochten werden kann"); neuerding«

’)

Nur muß auch

hier nicht außer Acht bleiben, waS I. ti. D. h. t. sagt: metum

non vani hominis, sed qui merito et in hominem constantissimum cadat, wobei freilich der Superlativ nicht zu streng zu nehmen ist. Keine leere Einbil­ dung darf berücksichtigt werden.

') •)

Sntsch. B. 33. S. 14.

Die §§. 43.44. d. T., welche von der Einwirkung einer drohenden „Gefahr" han­ deln, betreffen nicht den Fall der Einwirkung des Zwanges auf den Willen, sondern beziehen sich zurück auf die §§. 28.29. 30. Dies hat überzeugend nachgewiefeu die Entjch. B. 33. S. 16 fg. Die drohende Gefahr kann zwar eine solche Furcht erzeugen, daß die Willensfreiheit vernichtet wird, wie dies durch Erregung des Zornes und Schreckens eintreten kann, aber es fehlt an der Person des Zwin­ genden.

1 •)

1 ’)

Sch liemann S. 24 fg. hält dies nicht für erforderlich, nur darf dem Drohenden nicht ausnahmsweise das R zustehen, die beabsichtigte Leistung durch Drohung zu erzwingen. Daß das preuß. R. die Rechtswidrigkeit verlangt, folgt aus §. 38. 39. 40. d. T. Scheu und Ehrfurcht (metus reverentialis) werden nicht als zwin­ gende Momente berücksichtigt. §. 41. d. T.

§. 42. d. T.

Dies stimmt auch mit dem gemeinen Recht: der Zwang ist in dem

einen wie in dem andern Fall derselbe, es muß daher auch die Gegenwirkung die­ selbe sein.

")

Eutsch. B. 33. S. 12.

Is)

Nur K ritz,

RechtSfäüe B. 5. S. 39.

trat

Savigny mit

großer

Lebhaftigkeit

eutgegm. Seine Kritik bat aber nirgend Anklang gesunden. Wächter II. S. 761. Note 1. nennt sie unbegreiflich, und damit stimmen alle neueren Schrift­ steller überein.

8 29.

I. Freiheit. Zwang.

ist dagegm Schliemann aufgetreten,

147

und indem er in den römischen

Quellen in unlösbarem Widerspruch beide Meinungen vertreten findet,

entscheidet er sich aus inneren Gründen für die Mchtigkeit der Erklärung, weil hier

die Zustimmung

des Willen»

zum Inhalt

der Erklärung so

zweifelhaft sei, daß diese nicht al» Ausdruck des Willen- gelten können "). Er sieht auch in den neueren Gesetzgebungen (dem A.L.R., reichischen und ftanzösischen) diese Auffassung vertreten.

dem öster­

WaS da» öster­

reichische und ftanzösische Gesetzbuch betrifft, so ist dies richtig").

Bei

den Bestimmungen des A.L.R., welche ja ebenfalls au» den damals herr­

schenden naturrechtlichen Ansichten,

die die NichtigkeftStheorie vertraten,

liegt eS nahe,

dasselbe anzunehmen, wenn um die

herausgewachsen ist,

AuSdriicke: vereitelt, unkrästig, nngiltig, entkräften, anfechten, welche hier­ bei gebraucht werden,

nicht zu sehr der Bestimmtheit entbehrten.

Der

Zusammenhang, in dem die §§. 31. 32. 33. mit einander dmch die Ver­ bindungswörter „ein Gleiches"

und

„auch" stehen,

deutet zwar darauf

hin, daß nicht bloß die physische Gewalt, bei der die Mchtigkeit al» Folge unzweifelhaft

ist,

sondern auch

die gefährliche Drohung

„unkrästig" d. h. nichtig machen soll,

die Erklärung

allein eS spricht dagegen, daß auch

die erzwungene Erllärung durch nachträgliches Anerkenntniß

im Zustand

der WillenSfteiheit rückwärts giltig wird, was mit dem Begriff der Mch­

tigkeit unvereinbar ist"). Das römische Recht gewährt dem Gezwungenen eine besondere dmch

daS Octavianische Edikt eingeführte Klage und Einrede,

thümliche hatte,

die da- Eigen­

daß ihre Intentton in rem gefaßt, sie also auch gegen

,4)

Die Stellen, die Schliemann für die Nichtigkeit anführt, betreffen Verhältnisse, die das heutige praktische Recht nicht mehr kennte und die gegenüber den zahl­ reichen andern, selbst wenn sie nothwendig aus Nichtigkeit interpretier werden müß­ ten, nicht inö Gewicht fallen können, zumal die letzteren so überaus bestimmt und klar sind. Siehe oben Note 4. Auch innere Gründe sprechen nicht für die Nich­ tigkeit, das coactus tarnen volui bleibt psychologisch wahr, die bloße Zweifelhaf­ tigkeit, daß Wille und Erklärung sich nicht decken, kann Nichtigkeit nicht, sondern recht eigentlich nur Anfechtung begründen. Der bairische Entwurf eine- bürgerl. Ges. V. von 1861 nimmt wegen Zwange- nur Anfechtbarkeit de- Geschäft- an. Art. 20.

")

Unger ll. S.47 fg. Oesterr. Ges.B. §.55. 565. 870.877. Code ehr. art. 1109—1117. („n’est point nulle de plein droit.“) Zachariä II. S. 342. Da- sächs. G. B. §.93. läßt da- erzwungene Rechtsgeschäft nur anfechten.

16)

Dem Worte anfechten in §.45. kann freilich keine technische Bedeutung beigelegt werden. Die Nichtigkeit nimmt Koch an, R. d. F. II. 105., der aber hier §.186.-188. I. 5., die er doch S. 133. für die Irrthum, um die bloße An­ fechtbarkeit nachzuweisen, anzieht, ganz übersieht. Sein Borwurf gegen Borne­ mann, R. Gesch. S. 112., der nur Rescission zuläßt, ist daher unmotivirt. Zu bemerken ist noch, daß nach A.L.R. I. 12. §.23.24. der Einwand (oder die Klage) au- dem Zwange gegen gerichtlich ausgenommene Testamente nicht zugelafseu wird, eS sei denn, daß der Richter selbst von dem Zwange gewußt hat. Die- recht­ fertigt sich daraus, daß in der Testament-errichtung vor dem Richter hinreichende Garantie gegen die Einwirkung des Zwanges gefunden werden darf.

Erster Buch.

Die Grundbegriffe.

jeden Dritten zu richten war, der aus der erzwungenen Erklärung einen Bortheil erlangt hatte.

Diese Eigenthümlichkeit hat auch das A.L.R.").

Es hat aber nech eine weitere Eigenthümlichkeit, die freilich nicht das ma­

terielle Recht, sondern nur die Beweisführung über den Zwang betrifft:

wer die Willenserklärung als erzwungen anfechten (d. h. ihre „Ungiltig-

keit" gerichtlich ausführen) will,

soll, sobald er irgend einen Richter hat

antreten können, spätestens binnen acht Tagen nach dem erlittenen Zwange davon gerichtliche Anzeige machen '*). Ist diese Anzeige unterblieben, so

verliert der Gezwungene zwar nicht sein Recht, aber er darf sich zum Beweise des Zwanges nicht mehr der EidcSzuschiebung bedienen, und die

Vermuthung für die Freiheit der vorliegenden Willenserklärung wird dann so stark, daß ein nicht vollständig geführter Beweis dagegen nicht durch

dm Eid erfüllt werden darf.

Auch der Reinigungöeid ist ausgeschlossen ")-

Dem Erben des Gezwungenen steht,

wenn dieser gestorben, ehe er lie

Anzeige hat machen können, eine dreimonatliche Frist, von der erhaltenen Kenntniß von dem Dasein der WillenSerNärung gerechnet, zu jener An­

zeige frei. Hat er schon vor dem Ableben des Erblassers den Zwang gekannt, so wird ihm diese Frist nicht gestellt werden können'"). Die Einrede deS Zwanges ist unverjährbar, die Klage verjährt in 30 Jahren,

und es hindert ihren Gebrauch nicht, WillenSerNärung bereits erfüllt hat").

wenn auch

der Gezwungene die

Man darf dem Anfechtungsrecht

au- dem Zwange nicht ausdrücklich entsagen").

§. 30.

1. Freiheit. Irrthum.

A.L.R. I. 4. §. 75.-83. Heydem. I. S. 175. Gruchot, Beitr. I. S.155. Bor. nemann, R. Gesch. S. 129. System I. S. 141. v. Daniel- I. S.239. Koch, Pr. R. I. S. 230. R. d. Ford. II. S. 130.—150. Plathner, Geist des preuß. R. I. S. 348. v Savigny, System B. 3. S. 98.111.263.—307. bes. 326 fg. 468. (preuß. R ). Wächter II. S. 743. 750. Unger II. S.32.51.120 SinteniS 1. S. 190. Windscheid I. S. 169. l7) A.L R. §. 42. d. T. Koch S. 105. Förster, Kl. u. Einr. S.391. - I. 4. §.33. D. XL1V. 4. 1. 9. §. 8. 1. 14. §. 5. D. IV. 2.

") Dem gemeinen Recht ist diese Anzeigepflicht fremd, obgleich auch schon im römi­ schen R- 1. 23. pr. D. IV. 2. apertissimae probationcs violentiae verlangt wer­ den. Leyser, spec. 517. med. 6. hält die protestatio in causis perspicuis et Claris für unnütz, aber wenn der actus dubius ist, für nützlich. — Die Frist von 8 Tagen bedeutet eine von 7 Tagen, d. h. eine Woche. Pl. Beschl. v. 2. Zuli 1855. I. M. Bl. S. 327. Enlsch. B. 38. S. 189. ’•) Striethorst B. 7 S.141. Heydemann S. 171. ’•) Gruchot, Beitr. I. S. 151. **) Koch S. 115. Förster S.391. Auch braucht nicht die Annullirung der er­ zwungenen Erklärung voranzugehen, ehe die Herausgabe der Sache verlangt wird. Strieth. 8.22. S. 169.

") A.L.R. I. 5. §.194.

A.G.O. II. 2. §.52.

5.30.

L Freiheit. Irrthum.

149

Der Wille ist ferner nicht frei auf die Hervorbringung eine« RechtSverhältniffeS gerichtet, wenn der Wollende sich irrt.

die Selbstbestimmung durch

Während der Zwang

äußere Einwirkung dahin beeinträchtigt, daß als gewollt ist,

mit Bewußtsein eine andere Erklärung abgegeben wird,

macht der Irrthum innerlich die Freiheit des Willens selbst der Art be­ oder Erklärung erzeugt,

sangen, daß er eine Aeußerung, eine Handlung

die zwar an sich dem Willen entspricht,

aber

Wirkungen, auf andere Erfolge gerichtet.

Der Wille hat sich durch falsche

der Wille ist auf andere

Gründe zu feiner Erklärung bestimmt und dies kann entweder ohne Ein­

wirkung einer anderen Person, allein im Handelnden und durch ihn selbst, oder durch die Täuschung einer anderen Person verursacht fein. wird der erste Fall betrachtet, folgen.

Hier

der zweite, der des Betrugs, wird dann

Irrthum ist die unwahre Vorstellung von den Wirkungen des

Inhalts der Erklärung').

Das Falfchwiffen und das Nichtwisien stehen

sich in ihrer Bedeutung für das Recht gleich'). dem Gebiete des Rechts in sehr

Der Irrthum ist auf

vielfachen Beziehungen von großer Be­

deutung: er wird nicht bloß unschädlich gemacht unter gewisien Voraus­ setzungen, sondern er ist auch Quelle von Rechten und gewährt Vortheile. Die Ersitzung z. B., überhaupt der gute Glaube beruht wesentlich auf Nichtwissen ’).

Hier aber handelt eS sich um den Irrthum, der dem Er­

klärenden nachtheilig ist, und von den Bedingungen, unter denen die Nach­ theile beseitigt werden können.

Da die aus Irrthum hervorgegangene

Handlung oder Erklärung äußerlich erkennbar existirt, so muß auch ver­ muthet werden, daß die Handlung beabsichtigt worden: der Irrthum ist

zunächst nicht geeignet, eine Unverbindlichkeit zu erzeugen, eS würde sonst die größte Unsicherheit des Verkehrs entstehen').

Es sind also gewisse

Voraussetzungen erforderlich, um die irrthümliche Willensäußerung in ihren

Wirkungen zu entkräften.

Zunächst gilt, aus dem römischen Recht ent­

lehnt, die bekannte Regel, daß ein Irrthum, der aus mangelhafter Kenntniß oder Unwissenheit des objektiven Rechts hervorgeht (f. g. Rechtsirrthum), keine Betücksichtigung findet, -daß

darauf nur ein Irrthum in That-

■) So befmttt D ant eie S. 239. Savigny S. 111. sagt: „Irrthum ist der Zustand des Bewußtsein«, in welchem die wahre Vorstellung de« Gegenstände« von einer unwahren verdeckt und verdrängt wird." ’) Koch, R. d. F II. S. 103.

Unger S 32. Note 3.4.

Savigny S. 111

826. •)

Deßhalb sagt Savigny mit Recht (B 3. S. 312 ), daß es unmöglich sei, die Lehre vom Einfluß de« Irrthum« an einer einzelnen Stelle de« Rechtssystem« zu erschöpfen.

«) Savigny S. 114. 340sg.

Vangerow 6. A. B. 1. S. 135.

Unger S.36.

Erste» Buch.

150

Die Grundbegriffe.

fachen Anspruch hat'), aber auch dieser nur dann, wenn er ohne Ver­

schulden eine» Dritten im Wollenden entstanden,

ein

wesentlicher ist.

Ob im einzelnen Fall der Irrthum ein wesentlicher ist, oder nicht, kann der erkennende Richter nur dann beantworten, wenn er da» ganze ein­ schlagende Sachverhaltniß in» Luge faßt.

Nach dem Gesetz ist wesentlicher

Irrthum anzunehmen, wenn er da» Wesentliche oder den Hauptgegenstand

de» Geschäft», oder die Person desjenigen, für welchen die Handlung oder Erklärung ein Recht begründen soll,

betrifft.

Das Wesentliche de»

Geschäft», d. h. die Natur, den rechtlichen Charakter desselben, die Erforderniffe, die nothwendig sind, um ihm seine Individualität zu gebens;

den Hauptgegenstand'), d. h. nicht bloß die bestimmte Sache, unter der man eine andere meint, sondern auch die ausdrücklich vorausgesetzten oder

gewöhnlich

vorhandenen

Eigenschaften

an derselben:

bei

letzteren

jedoch nur dann, wenn die handelnde Person sich nicht durch eigne» Ber-

’)

1. 1. pr. 8.1. -4. 1. 2. 9. pr. D. XXIL 6. Vangerow I. S. 139., der auch ausführlich S. 141 fg. die vielbestritteneu 1. 7. 8. D. XXII. 6. über die Bedeu­ tung der compendia und damna bei dem RechtSirnhnm bespricht, was für preuß. Recht ohne Zntereffe ist. Ausnahmsweise wird aber Rechtsirrthnm entschuldigt, wenn man keine Gelegenheit gehabt hat, RechtSbelehruug zu erlangen, oder es sich um rechtliche Streitfragen oder um verborgene Rechtssätze z. B. in Lokalrechten handelt, deren Kenntniß von Niemand verlangt werden kann. 1. 9. §. 3. D. XXII. 6. Savigny S. 334. 336. Unger S. 35. Die kontroverse Natnr eines Rechtssatzes wird nach prenß. R., welches ja von der Prätension ausgeht, alles durch klare Gesetze bestimmt zu haben, den Irrthum nicht entschuldbar machen. Savigny S. 470. Verschieden vom jus ignorare ist das jus suum ignorare, was meist auf Thatsachen-Jrrthum beruhen wird. Savigny S. 327. Notee. Die unrichtige Unterstellung von Thatsachen unter eine Rechtsregel ist nicht Rechtssondern faktischer Irrthum. Dagegen Gaffel, Heuser, Annalen B. 7. S. 580. Rechtsirrthum auch nach A.L. R. unentschuldbar: §. 12. Einl. z. L.R. Faktischer Irrthum andererseits wird nicht entschuldigt, wenn er ans zu großer Unachtsam­ keit hervorgegangen ist. 1. 9. §. 2. eod. 1. 3. pr. eud. 1. 5. §. 1. D. XLI. 10. Irrthum über ein factum alienum in der Regel entschuldbar. 1. 42. D. de R. J. Savigny hat S.440fg. die Unterscheidung von echtem und unech­ tem Irrthum ausgestellt, jener wenn der Wille mit Rücksicht aus den Irrthum unvollkommen zum Ausdruck kommt, die regelmäßigen Folgen der vom Wtlleu gefetzten juristischen Thatsachen also ausgehoben oder geändert werden; hier Handelt eS sich um Entschuldbarkeit oder Uuentschuldbarkeit. Dieser, wenn, weil es am Willen ganz fehlt (errantis nulla voluntas), die Folgen der Erklärung nicht eintreten. Hier ist Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit gleichgiltig. Die Erklärung muß immer wirkungslos sein. Beispiele von unechtem Irrthum: 1. 18. C. III. 32. 1. 54. D. VI. 1 1. 79 do leg. II.

*)

3wenn jede der Parteien ein anderes Geschäft im Sinn hatte. Hur hatte eine Willenseinigung überhaupt nicht stattgesunden (unechter Irrthum). Irrthum im Wesentlichen des Geschäfts ist thatsächlicher. Striethorst B.8. S. 153. Siehe auch das. 93.2. S. 5. 93. 9. S. 157. B.30. S. 344. 93.31. S. 30t. Daß die Erklärung in gerichtlicher Form abgegeben, macht sie nicht wirksam. Striet­ horst 93. 20. S. 265.

7)

Hierher gehört auch der Irrthum über den Stoff der Sache, über die Quantität. Nach Savigny ist der error in corpore und in substantia unechter Irrthum. Der Irrthum über die Quantität kann wesentlich sein, wenn sie das Bestimmende bei der Erllärung gewesen.

§. 30. L Freiheit. Irrthum. schulden

(mäßiges Versehen)

also als erhebliches

151

in den Irrthum versetzt hat.

Moment

die Vermeidlichkeit

Hier tritt

deS Irrthums hinzu,

wahrend sonst dieser Umstand übereinstimmend mit dem römischen Recht

bei

dem wesentlichen Irrthum

Verbindlichkeit der Erklärung ist.

daß die Vermeidlichkeit

ohne Einfluß auf die Beurtheilung der Eigenthümlich dem A.L.R. ist eS aber,

in Betracht gezogen werden soll

bei der Frage,

ob und wie weit der andere Theil, der aus dem Rücktritt des Irrenden Schaden erleidet,

dafür zu entschädigen

Die Person,

ist.

d. h. ihre

Identität und die in ihr ausdrücklich vorausgesetzten Eigenschaften, wenn auS den Umständen erhellt,

daß ohne diese irrige Voraussetzung die Er­

klärung so nicht erfolgt wäre'). Irrthum in anderen Eigenschaften

lich') und vereitelt niemals die

oder Umständen ist unwesent­

WillenSerNärung.

Dahin gehört ein

falscher Beweggrund — sofern nicht bei s. g. wohlthätigen Verträ-

gen erhellt, falsche

daß er die einzige Ursache derselben gewesen");

Beschreibung") oder

Benennung,

wenn

nur

dahin die sonst kein

Zweifel über die Identität deS Gegenstandes oder der Person, auf welche

die Erklärung sich bezieht, obwaltet;, dahin der Irrthum in allen Neben­ sachen") oder Neben um ständen ").

Bei dem überallsehr schwanken­

den Sprachgebrauch deS A.L.R. ist eS auch hier sehr schwierig, auS den Worten zu entscheiden,

ob

der wesenttiche Irrthum in Thatsachen die

WillenSerNärung nichtig oder anfechtbar macht.

Nach gemeinem Recht ist

sie nichttg "), weil eS der ErNärung am entsprechenden Willen fehlt; nach

preußischem kann man

nur ihre Anfechtbarkeit behaupten, denn nachttäg-

licheS Anerkenntniß, in der Voraussetzung,

dem Einfluß des Irrthums erNärt wird,

•)

Koch, R. d. F. S. 140. sein.

•)

Koch S. 145.

daß dieses nicht mehr unter kann die ErNärung mit rück-

Kann je nach Umständen echter oder unechter Irrthum

Der echte Irrthum nach Savigny

'•) §. 149. 150. d. T. Daß bei wohlthätigen Verträgen der Irrthum im Beweggründ berücksichtigt wird, ist eine Abweichung vom röm. R. Der Beweggrund muß ersichtlich jein, wenn die Willenserklärung wegen Irrthums in demselben soll angefochten werden können. Entsch. B. 33. S. 24. Oesterr. G. B. §. 572.901. '')

8.151. d. T.

")

Koch, S. 146. Nr. 2.

’•) Z- V. über größere oder geringere Brauchbarkeit und Güte.

14)

Bang erow S. 136. Wächter S 749. Das sächs. GB. §. 95. 96. hat Nich­ tigkeit bei wesentlichem (unechtem) Irrthum, bei unwesentlichem (echtem) Ansechtbarkeit, wo es die Gesetze besonders gestatten und derselbe unverschuldet ist. Der Code hat Nichtigkeit iJrt. 1109). Zachariä II. S. 314. Das öfterr. G.V. §.871—873. spricht sich nicht über den im Irrenden entstandenen wesentlichen Irrthum auS; nur wenn dieser die Person betrifft, der ein Versprechen gemacht, kann Ungiltigkeit entstehen. Unger S. 36 fg.

152

(Erste* Buch.

wirkender Kraft giltig machen “).

Dir Grundbegriffe.

Nichtig ist die Erklärung nur, wenn ein

Kauf über einen nicht existirenden Gegenstand abgeschlossen ist").

Die

in 30 Jahren"). An die Anfechtung der Willenserklärung knüpft sich die Frage nach dem Schaden­ Anfechtungsklage aus dem Irrthum verjährt

ersatz an, der zu leisten ist, wenn der Irrende aus mäßigem Versehen in

den Irrthum gerathen, und der Andere nicht selbst den Irrthum gekannt, jener ihn also für sich hat benutzen wollen. satzpflicht nicht auf.

Geringes Versehen legt Lr-

Gegenseitiger Irrthum verpflichtet ebenfalls nicht zur

Entschädigung ").

§. 31. 1. Freiheit. Betrug. L.L.R. I. 4. §. 84.-93.

Heydem. I S. 177.

v. Daniels I S. 240.

System I. S. 148.

Bornemann, R. Gefch. S. 119.

Koch, Pr. K. I. S.228.

R. d.

Ford. II. S. 116. — v. Savigny, System 8. 3. S. 115. Wächter 11. S. 755. Unger II. S. 51. Sintenis I. S. 188. Windfcheid I. S. 169.

„In keinem Falle,"

sagt das A.L.R.

kann derjenige, welcher einen

Irrthum wissentlich und vorsätzlich veranlaßt hat, daraus ein Recht er­ werben.

Es kommt also nicht darauf an, daß der Irrthum ein wesent­

licher ist, auch aus dem unwesentlichen darf der Betrüger keinen Bortheil

erlangen.

Nicht der Irrthum ist hier der Grund der Ungiltigkeit der

Erklärung, sondern der Betrug; wie Zwang Furcht erzeugt, so erzeugt

der Betrug Irrthum,

und in dem einen wie in dem andern Fall ist eS

die Unsittlichkeit, die die Gegenwirkung vom Recht verlangt').

Das be­

trügerische Veranlassen des Irrthums ist entweder eine vorsätzliche Erre­

gung oder eine vorsätzliche Benutzung desselben: Beides ist von gleicher Wirkung,

denn in dem letzteren liegt offenbar ein tadelnSwertheS Ver­

schweigen eines für die Richtung der Erllärung erheblichen Umstandes. Die Praxis hat daher auch beide Arten des betrügerischen Verhaltens

••) I. 5. §.186.-188. Koch S. 132. Heydkmann s. 177. Es gilt hier dasselbe, wie bei der gezwungenen Erklärung; s. oben §.29. Note 16. Das O. Tribunal nimmt Anfechtbarkeit au. Eentraldl. 1843 S. 359. Der bairische Entwurf eines bürgerl. G. 8. v. 1861 nimmt wegen wesentlichen Irrthums heilbare Nichtigkeit an. Art. 24. i«) i. 11. §.39.42. Die- ist aber nicht eigentlich Nichtigkeit wegen Irrthum«, son­ dern wegen Unausführbarkeit de« Geschäfte«, bei der der Irrthum nur nebenbei im Spiel ist. ii) Koch, Pr. R. I. S. 233. 234. • •) §.79.80. d. T.

Förster a. a. £>- S. 393.

Entsch. 8.30. S. 79.

') Savigny S. 116.

8.31. I Freiheit. Betrug.

153

Aber die WillenSerllärimg muß wirtlich durch de« Betrug

gleichgestellt').

veranlaßt worden sein (dolus causam dans), um vom Betrogenen gegen

den Betrüger')

angefochten werden zu können,

und letzteren

von allen

Ist der Betrüger ein Dritter, der a«S der

Bortheilen auszuschließen.

Erllärung für sich kein Recht ableitet, oder hat der Betrug bei der sonst aus dem freien Willen entsprungenen Erklärung

meidens),

nur mitgewirkt (dolus

so fällt die Anfechtbarkeit wegen Betrugs

weg und e- kann

nur in Frage kommen, ob der Irrthum als solcher geeignet ist, die WillenSerklärung zu entkräften,

ob er ein wesentlicher ist (§.3O).

Erllärung nur anfechtbar') ist,

Da die

so folgt, daß der Bettogene auch bei ihr

beharren, sie als giltig bettachten kann: es hängt lediglich von seiner Er-

llärung ab,

ob er abgehen will und er kann dieö im Wege der Klage

oder der Einrede thun').

Abgesehen hiervon entstehen für den Betrüger

Entschädigung-pflichten und zwar nicht bloß gegen den Bettogenen, dern gegen

Jeden,

der dabei Schaden erlitten hat.

muß gegenseitiger Betrug sich aufheben und

seittgen,

weil die Klage aus

kästet wird.

son­

Nothwendig aber

eine Ersatzverbindlichkeit be-

dem Bettuge durch die gleiche Einrede ent-

In solchem Falle bleibt also da- Geschäft gilttg, und eS

steht die Klage auf Erfüllung gegenseitig daraus zu').

’) Striethorft 8.2. S. 93. 8.36. S. 226. «och, R. d. g. II. ©.125. Dm Unterschied zwischen dcm civilrechtlicheu und strafrechtlichen Betrug wissenschasllich sestzustellen, ist eine sehr schwielige und bi» in neueste Zeit sehr vernachlässigte

Ausgabe. Auch die neueren Gesetzbücher über Strasrecht haben sie nicht gmügend gelbst. Dergl. besonder« den Aussatz von Köstlin über die Grenze» de« strasbareu und bloß civilrechtlich zu versolgendm Betrüge« in der Zeitschr. s. Tiv. R. u. Proz. R.F. 8.14 S. 294.—440. 8.15. ©. 40.—75. Für da« Priratrecht hat die Entscheidung dieser Frage teilst Wichtigteil, weil auch der nicht strafbare Betrug doch civilrechlliche Folgen hak. Wie nun da« bloße marktschreierische Anpreisen einer Waare, da« gewöhnlich« Uebervortheilm im täglichen Verkehr noch nicht civilrechlliche Folgm nach sich zieht, weil Jedermann weiß und wissen muß, daß er daraus nicht« zu gebm hat, vielmehr auch zum civilrecktl. Betrug eine postlive Täuschung ersordert ist, |e kann anderer Seil« «in« kriminalrechtliche Strasbar. teil nur gerechtfertigt erscheinen, wenn nicht bloß vorsätzlich der Irrthum de« Andern unterhalten und benutzt, sondern durch bestimmte Borspiegelungen hervorgerusrn worden ist, und diese Thätigteit de« Betrüger» al» eine solche sich zeigt, die nicht bloß da» spezielle Lertrauen de» andern Kontrahenten, sondern die allgemeine Rechtsordnung vorsätzlich verletzt. Die» ist auch die Aufsaffnng de» preuß. Recht«. Slrasges.B. z.241. Entsch. 8. 26. S. 418.

•)

Und zwar nur gegen diesen, die Anfechtung geht also nicht, wie beim Zwange, in rem. Die« rechtfertigt sich deßhalb, weil hier nicht die irrige Willenserklärung, sondern die subjettive Unrechtlichkeir angegriffen wird. Ueber diese prinzipielle Trmnung de» Irrthum« und de« Betrug» s. Unger S.54.55. Ueber dolus causam dans Heuser, tnrhess. Antillen 8.3. S. 182.

*) Auch nach gemeinem Recht. ')

Striethorst 8.8. S. 326.

•) 1. 11. g.357.

Koch, R. d. F. S. 120

I. 36. D. IV. 3.

10. L 4. 8.13. D. XLIV. 4. 1. 34. ß. 3. D. XVIII. 1.

1. 3. 8.3. v. II.

154

Erstes Buch. An

die Borschristen

A.L.R. die Bestimmung,

über

Die Gruudbegrifs«. die Wirkung

deS Betrug« schließt daS

daß wer auch ohne die Absicht )

Bei den aufschieben­

daS Recht in volle Kraft"),

cum non 8tat per eum, ad quem pertinet, quominus conditio impleatur, ha­ ben debet ac si impleta fuisset, ist nicht ein allgemeiner Grundsatz. Davon nur zwei Ausnahmen bei letztwilligen Verordnungen: ist in einer solchen eine Bedingung Mehreren auferlegt, so genügt die Erfüllung Eines. I. 12 § 498. 1. 13. pr. D. XL. 4 1. 112. pr. D. XXXV. 1. und ist die Bedingung schon bei Lebzelt dcS Testators eingetrofsen, so hat eS dabei sein Bewenden, nur wenn die Handlung wiederholt werden kann, muß dies geschehen. I. 12. §. 501. 502. Die richtige Ansicht bei Koch a. a. O. S. 244. Der Ges. Revisor ({. Ergänz, zu §. 134. d. T-) dagegen hält unter Umständen auch eine Einrede für brauchbar. Daß eS eine Klage auf Erfüllung der Bedingung nicht giebt, s. 1. 41. pr. D. XVIII. 1. A.L R. §.161.162. d. T. Im gemeinen R. gilt die Bedingung überhaupt für erfüllt, wenn die Erfüllung von der Mitwirkung eines Dritten adhängt und diese versagt wird, eS ist nicht grade erforderlich, daß eS sich um einen Vortheil dieses Dritten dabei handle. 1. 5 §. 5. D. XXXVI. 2. 1. 24. 78. pr. D. XXXV. 1. 1. 23. 1. 11. D. XXVIII. 7. Savigny S. 138. Wiudscheid S. 210. Note6., wo auch meh. rere Beispiele aus den Quellen angeführt sind. TS ist jetzt actio nata auf Erfüllung, der Besitz, Gefahr, Genuß geht über, der

$. 56. Bedingung.

169

wenn sie deficient werden, fällt es weg oder kommt vielmehr nicht zu sei­ ner Entstehung.

Ob im ersteren Fall die erfüllte Bedingung rückwirkende

Kraft hat, ist eine viel besprochene und noch keineswegs zum AuStrag ge­ brachte Streitfrage. Für das gemeine Recht") wird von den Meisten zur Zeit noch die Rückziehung behauptet, obschon über die Rechtfertigung

derselben die Ansichten sehr auseinander gehen; nur vereinzelte Stimmen haben in neuerer Zeit sie bestritten. Wenn man von dem posittven Recht

zunächst absieht und

nur den Begriff an sich inS Auge faßt, so wird

schwerlich die eine oder die andere Ansicht für die ausschließend richttge

erftärt werden können.

Die Vertheidiger der Rückziehung sagen, bei der

aufschiebenden Bedingung laute die Formel „ich will gewollt haben, wenn."

Wer seinen Willen unter solcher Bedingung erklärt, meint Unger, der

erklärt nicht, er werde den zu dem betreffenden Rechtsgeschäft erforderli­ chen Willen dann setzen, wenn dieses oder jenes Ereigniß ««treten sollte, sondern er setzt schon jetzt seinen Willen, und macht deffen Dasein nur noch von

einem Umstand

abhängig.

abgeschloffen, eS muß daher,

Das Rechtsgeschäft ist

schon jetzt

wenn sich die Bedingung erfüllt, nicht von

der Erfiillung d ieser, sondern von dem Augenblick seines AbschluffeS gel­

ten.

Dem gegenüber wird von denen, die eine Rückziehung leugnen, ge­

sagt, die Formel laute: „ich will daS Geschäft

(richtiger das RechtSver-

hältniß, was aus dem Geschäft hervorgehen soll) erst für den Fall, wenn

sich ein gewiffer Umstand entscheide," und es müsse angenommen werden, daß die Bedingung in dem Sinn des sie Setzenden zugleich eine Be­

fristung enthalte.

Beide Theile berufen sich auf den vermuthlichen Wil­

len des ErNärenden

und in der That kann auch nur dieser enffcheiden.

Die Rückwirkung ist nicht eine Frage des Prinzips sondern der Interpre­ tation, sie kann gewollt

oder ausgeschlossen sein.

einen sichern Anhalt zur Erftärung nicht bietet,

gen als für die Rückziehung zu vermuthen sein.

Wenn der Wille aber so wird immer eher ge­

Wie soll es verstan­

den werden, wenn Unger zwar den Willen schon gesetzt, also zum Dasein gekommen sein läßt und doch zugleich sein Dasein vom Umstand abhängig

Uebergang bte Eigenthum-, die Delation der Erbschaft vollzieht sich. 1. 7. §.14. D. XLI1. 4. 1. 38. §. 1. v. XLI. 2. I. 8. pr. D. XVIII 6. I. 4. pr. D. XVIII 2. 1. 11. v. XXXV. 5. 1. 2. 10. §. 1. 0. XXXV. 1.

?1)

Windscheid, die Wirkung der erfüllten Bedingung, 1852 und Pand. S. 205. Schönemann, in der Zeitschrift für EivR. u. Proz. 91. g. B. 19. S. 1. sind gegen, Fitting, über den Begriff der Rückziehung, S. 34 sg. Unger S. 70. 72 für die Rückziehung. Koch, R. d. F. a. a. O. S. 254 sg. Da- sranzöj. R. hat (Code a. 1179) rückwirkende Kraft angenommen. Da- östcrr. G. B. §. 1083. ist so unbestimmt, wie da» A LR. Da- sächs. G. B. §. 112. hat der aufschiebenden Bedingung die Rückwirkung beigelegt, wenn nicht über die Absicht der Parteien ein Andere- erhellt. Der bairische Entwurf eine« bürgerl. @. B. v. 1861 nimmt ebenfalls die Rückziehung an, aber nur hinsichtlich de- Recht-erwerb», nicht hinsichtlich der Fälligkeit. Art. 39.

170

Die önmSbtgrifft.

Erste» Buch.

macht? Soll der Umstand den Willen erzeugen, der gleichwohl schon er­

zeugt ist? Da- Rechtsgeschäft ist von Anfang an. abgeschlossen, perfekt — aber da- von ihm geschaffene Recht-verhältniß ist noch nicht von Wirkung

und au- dem Ersteren zu schließen, daß die Recht-wirkung bei Eintritt der Bedingung zurückbezogen werden muffe, dazu liegt ein logischer Grund

nicht vor.

Nimmt man dazu, daß die Rückziehung grade darin, worin sie

sich am meisten praktisch fühlbar machen müßte, in der Herausgabe der

während

der Schwebe genossenen Früchte nicht zngelassen ist, so gestaltet

sie sich zu einem nur formalen Gedanken ohne reellen Werth.

Gegen sie

endlich spricht auch der Umstand, daß dann die Verpflichtung de- bedingt

Belasteten eine größere wäre,

wa- gewiß nicht vermuthet werden darf.

Ueberdieß ist e- sehr zweifelhaft, ob in den einzelnen Fällen, wo man

bisher in den römischen Recht-quellen

die Vorschrift der rückwirkenden

Kraft gesehen, dieselbe wirklich anzunehmen sei.

im Einzelnen haben den Glauben daran

mindestens zugegeben werden,

Die neueren Forschungen

sehr erschüttert und da- muß

daß im ganzen Corpus Juris keine Stelle

sich findet, in der die Regel al- allgemein gütig bestimmt und klar aus­

gesprochen wird; wo sie indirett in der Anwendung auf bestimmte Rechts­ verhältnisse vorkommt, bleibt für eine andere Auslegung je nach der spe­ ziellen Sachlage überall Raum").

WaS das preußische Recht angeht, so Es ist nur gesagt, daß

fehlt eS hierüber an einer Haren Entscheidung.

der unter einer aufschiebenden Bedingung Berechtigte die WirNichkeit de-

Ereignisses abwarten muß, „ehe er da- Recht au-üb en kann" "). ist der Deutung nach beiden Seiten fähig.

Die-

Entweder war die Meinung,

daß da- Recht gleich erworben, und nur die Ausübung hinanSgefchoben, oder daß, weil die Ausübung hinausgeschoben, auch daö Recht noch nicht erworben.

Im Titel von Verträgen ist gleichfalls nichts darüber ent­

schieden, aber aus der Anwendung der suspensiven Bedingung auf Kauf und Uebergabe"), Erbeinsetzung und Vermächtnisse") geht hervor, daß

'•) Siehe 6es. Rote 1. S. 205. bei Windscheid. Unbedingt ist dir Rllckziehung überhaupt von Niemand hingeftellt. Man unterscheidet zwischen Existenz und Aus­ übung de« Rechts: ans letztere bezieht man die Rückwirkung nicht; ferner ist jetzt Einverständniß, daß sie bei beringten Vermächtnissen nicht st altfindet, auch nicht in Betreff der Beurtheilung der Giltigkeit de« Rechtsgeschäfts an sich. Gelbst Fit­ ting, dessen Hauptwerk über den Gegenstand noch aussteht, hat neuerdings meh­ rere Zweisel an jener behaupteten Regel geäußert, sowohl bei bedingter Tradition, al« bei bedingter Obligation. Was bleibt noch übrig? Dm richtigen Grundsatz ipricht sehr klar auS 1. 26. D. XLV. 3: ex praesenti vires accipit stipulatio, quamvis petitio ex ea suspensa est, d. h. wenn auch da- RechtSgeschäjt vom Zeitpunkt seines Abschluffe- existirt, so ist doch die petitio, seine prak­ tische Wirkung, hinauSgeschodm. ") 8.162. d. T. ") I. 11. §.258.259. ") I 12. §. 478.480.482.

$. 36.

Bedingung.

171

eine rückwirkende Arast nicht zugelaffen ist. Die Aeußerung von Suarez"): „Die Doot haken noch den Satz, daß conditio suspensiv»

existens

retrotrahirt werde, diesen halte ich weder für richtig noch nöthig," bestä­ tigt diesen Standpunkt für das A.L.R. im Allgemeinen. — Bei der auf­

lösenden Bedingung hört das Recht mit dem Moment auf, wo die Be dingung erfüllt ist, und zwar, wie das A.L.R. nicht zweifelhaft läßt"), ohne rückwirkende Kraft,

wenn nicht eine solche besonders gewollt ist.

Dann äußert sich ihre Bedeutung dahin, daß der bisher Berechtigte die

gezogenen Nutzungen zurückgeben muß. einer solchen Absicht immer unzulässig:

In zwei Fällen ist die Annahme wenn die Bedingung dahin geht,

daß der Begünstigte seinen Wittwenstand nicht ändere und wenn die Er­ füllung der Bedingung in

der WMür dessen steht, der im Fall der

Auflösung den Bortheil hat").

Fällt die resolvirende Bedingung aus,

so bleibt das bereits-begründete Recht unverändert bestehen.

Es

bedarf

noch

nur

weniger

Bemerkungen

über

die

Wir­

kung derjenigen Bedingungen, die man uneigentliche zu nennen gewohnt

ist,

weil ihnen das Moment

scheint").

der Ungewißheit und Zukunft

zu fehlen

Hier kann die Wirkung nur darin bestehen, daß entweder daS

Geschäft als unbedingt abgeschlossen

unwirksam gemacht wird.

angesehen oder durch die Bedingung

Ersteres ist der Fall, wenn vergangene Bege­

benheiten aufschiebend, nothwendige affirmativ, unmögliche und unerlaubte

negativ gestellt sind.

Letzteres, wenn vergangene Begebenheiten auflösend,

nothwendige negativ,

unmögliche

und unerlaubte affirmativ gestellt sind.

Unverständliche (s. g. perplexe) Bedingungen entkräften die Erklärung"). Bei den auf eine vergangene Begebenheit bezogenen Bedingungen gilt, weil

die Entscheidung derselben mit Abgabe der Willenserklärung zusammen­

fällt, letzteres als

voll Anfang unbedingt, was nicht, wie es nach den

Worten des A.L.R. den Schein hat,

kann").

Derjenige,

als Rückziehung angesehen werden

der den Erklärenden zu einem Irrthum über die

•’) Bei Bornemann, Syst. a. a. O- S. 167. ,e) §. 115.116. b. T. Im gemeinen Recht wird die reeolutio ex tune angenom­ men. Unger S 76sg. Bangeroto I. S. 167. Dagegen Riesser in der Zeitschrisl f. Sie. R. u. Proz. B. 2. S. 1. 270. Der bairiiche @ntwurf eines bür. gerlichen G. B. von 1861 nimmt die reeolutio ex nunc an, wenn tt nicht die Parteien anders gewollt haben. Art. 44. Ebenso da« sLchs. G. B. § 112.

>*j §. 120.118 d. T.

«och, R. d. F. S. 262. •') «och a. a. O. S.274. A.L.R. I. 4. §. 132. I. 12. §.64. (Bei letztwilligen Verfügungen werden sie wie die s. g. unmöglichen al« nicht beigesetzt angesehen.) ") §.142. d. T.

172

(Erstes Buch.

Die Grundbegriffe.

Wirtlichkeit oder Beschaffenheit des Ereignisses verleitet hat, darf aus der Erklärung keinen Vortheil ziehen;

wenn also die vergangene Begebenheit

nach dem Willen des Erklärenden im Fall ihres Eintritts resolviren soll,

so ist dies dann auch bewirkt, wenn der Begünstigte bereit« gewußt, daß

die Begebenheit nicht eingetreten und er dennoch den Andern zur Aufftellung dieser Bedingung verleitet hat.

Oder: wenn eine vergangene Begeben­

heit bis zu ihrem Eintritt suSpendiren soll, wird sie für deficient, mithin

daS suSpendirte Recht für wegfallend erachtet, wenn der Begünstigte be­ reit- gewußt hat, daß die Begebenheit geschehen und den Erklärenden den­ noch verleitet hat"). Einige Eigenthümlichkeiten der Bedingungen, je nachdem sie Geschäf­ ten unter Lebenden oder von Todes wegen beigefiigt sind,

noch zu besprechen sein.

werden später

Hier nur noch zwei Bemerkungen.

g. Bei der Lehre von den Verträgen ist die Regel ausgesprochen:

„daß ein Vertrag unter besonderen Bedingungen geschlossen worden, wird

nicht vermuthet").

Bedeuttlng darin,

Dieser an sich sehr triviale Satz findet seine größere daß er für das preußische Recht eine Streitfrage ent­

scheiden soll, die auch zu denen gehört,

welche nicht zur Ruhe kommen

können, nämlich die Frage nach der Beweislast bei dem s. g. qualifizirten Geständniß").

Nach preußischem Recht muß derjenige, der die Bedingt­

heit der Willenserklärung behauptet, dieselbe beweisen.

••) §. 144. d. T.

I. 5. §.229. • •) Wetzell, Liv.Proz. S. 108. nennt es indirektes Leugnen. Siehe Unger II. 468. Gruchot B. 1. S. 497. B.3. S. 386. Archiv s. prakt. 8t. SB. B. 9. ©.154. Zeitschr. f. E. 8t. u. Pro,. N. F. B. 19. S. 243. 281. 310. Pösch. mann, übet die Natur des f. g. qualifizirten Gest. 1863 (aus bett Dresdner Annalen B. 5. abgedruckt). Die gemeinrechtliche Praxi« schwankt, namentlich in Beziehung aus die ©»«pensivdedingung. S. z. B- Seussert B. 1. ©. 408. B. 2. S. 416. B 8. S. 426. Zeitschr. f. Rechtspflege u. Verwalt, in Sachsen, v. Tauchnitz, N. F. B. 2. S.80. Wochenbl. f. merkw. R. Fälle v. Tauch, nitz, 1849 S. 22.364 sg. 1857 S. 312.462. Mag man die BedingungSdehaupkung al« Einrede «der Verneinung aufsassen, worüber unten §. 52., so wird die Beweislast doch immer in gleicher Weise zu regeln sein. Denn dem Kläger ist in solchem Fall zwar kein volle« Zugeständniß vom Beklagten zu Theil gewor. den; aber Beklagter hat doch auch nicht ganz geleugnet, und seine Erklärung — soweit fie zngestehender Natur ist — kann nicht ignorirt werben. E« widerspricht dem natürlichen Rechtsgesühl gradezu, wenn man den Beklagten, der sich zwar mit dem Kläger in ein Geschäst eingelassen hat, aber nur bedingungsweise die« gethan haben will, für berechtigt erachten wollte, die GeschästSabschließung überhaupt zu leugnen, und deßhalb geschieht die« auch in Wirklichkeit nie. Praktisch stellt sich die Sache vielmehr so: der Kläger muß da« Geschäft, wie er e« behauptet, bettet» seit — er wird aber de« Beweise« insoweit ilberhoben, al« dies durch da« Geständ« niß de« Beklagten augeht, und dieser hat den Beweis über die Bedingung zu füh­ ren, den die Einen al» Gegenbeweis, die Anderen al» Einredehauptbeweis (indirek­ ten Gegenbeweis) bezeichnen, je nachdem sie eine solche Vertheidigung des Beklagten al« Verneinung oder al« Einrede ansehen. So ganz Unrecht hat die Gloffe zu 1. 6. C. VIII. 36. nicht: duo videtur dixisse reus, sc. se promisisje et sub

§. 37.

Zeitbrstnmnmig.

h. Endlich giebt eS Willenserklärungen niemals Bedingungen

vom römischen

173 oder Rechtsgeschäfte, denen

beigefügt werden dürfen.

Recht läßt

Zwar sehr abweichend

das preußische aufschiebend bedingte Erbein-

setzungen zu, aber der Pflichttheil muß unbedingt hinterlaffen werden und die Antretung einer Erbschaft oder ihrer Entsagung muß bedingungslos

geschehen.

§. 37. « 8.9t. I. 4. §.163.-169. I. 192.

Zeitbestimmung.

I. 5. §. 230.-246.

Bornrmann, System 1. 175.

Gruchot l. 167.

R.Gesch. 184.

Htydomau»

». Daniels I 293.

Koch. Pr. R. 1. 254. R d. F. II. 275. - v. savigny III. S. 204.—226. Wächter II 727. Unger II 88. Sinteni» I. 8.21. Windscheid I. 221.

Man kann durch eine Willenserklärung (durch ein Rechtsgeschäft) ein Rechtsverhältniß mit der Beschränkung begründen, daß es entweder von

einem gewiflen Zeitpunkt ab, oder nur bis zu einem gewissen-Zeitpunkt

seine Wirkung äußern soll.

ES ist auch dies eine Selbstbeschränkung des

Willens, und zwar seines Daseins, nicht seines Umfangs').

Im ersten

Fall hat der Wille sein Dasein vom Einttitt, im letzten bis zum Eintritt deS Zeitmoments,

schränkt.

Eben

das Dasein des Willens ist nach seiner Dauer be­

darum ist aber hier die Beschränkung nur eine äußere,

im Gegensatz zur Bedingung, wo der Wille innerlich beschränkt ist, und insofern

kann

die

Befristung als

Nebenbestimmung aufgefaßt werden.

Wichtig ist zunächst, wie die Zeit bestimmt wird.

ES kann geschehen durch

Angabe eines Kalen dertageS*) oder durch Beziehung auf ein an einem beconditione promisisse. Das Erstere befreit den Kläger vom Beweise, das Zweite verlangt Beweis vom Beklagten. Hat dieser die Bedingtheit der Verabredung be­ wiesen, so ist eS weiter Sache deS Klagers, das dadurch feiner Klage entgegengestellte Hinderniß zu beseitigen, indem er als Replik den Eintritt der Bedingung behauptet und nachweist. Bei der Resolutivbedingung ist die Frage einfacher, weil hier die Willenserklärung von Anfang an unbedingt wirkt und diese Wirkung erst aushört, wenn daS Ereianiß, die Bedingung eintritt. Dies hat eine mehr her­ vortretende thatsächliche Selbständigkeit, weil hier schon zugleich der Eintritt behauptet sein muß und den hat der zu beweisen, der sich darauf beruft. DaS sächs. GB. §. 175- legt demjenigen, der die Bedingung behauptet, den Beweis auf, der bairische Entwurf von 1861 Art. 69. dem Gegner.

*) Unger S. 88. Note 2., der übrigens bei seiner Darstellung dieser Lehre d.e Begriffe Rechtsgeschäft und RechtSverhältniß nicht genügend auseinander hält.

2)

Entweder wird gradezu das Datum angegeben, oder indirekt dasselbe durch einen andern Zeitpunkt bestimmt: eum, qui calendis Januariis stipulatur, si adjiciat primis vel proximis, null am habere dubitationem. Sed et si dicat secundis vel tertiis vel quibus aliis, aeque dirimit quaestionem. Si autem non addat quibus Januariis, facti quaestionem inducere, quid forte senserit . . . si autem non appareat, dicendum eßt, primas calendas Januarias spectandas. 1. 41. pr. D. XLV. 1.

174

Erste« Buch.

Die Grundbegriffe.

stimmten Tage eintretendcS Creigniß (z. B. Todestag des A.) — in bei­

den Fällen

spricht man von einem dies certus, im letzteren Fall wohl

auch von einem dies incertus quando, weil in beiden der Tag mit Noth­

wendigkeit eintritt, wenn auch im letzteren noch nicht gewußt wird, wann er eintreten wird.

Es kann aber die Zeit auch gestellt werden auf ein

ganz ungewisses Creigniß, von dem nicht feststeht, ob eS überhaupt jemals eintreten wird — dies incertus an et quando.

Hier erscheint wegen

der Ungewißheit des Ereignisses die Zeitbestimmung als Bedingung, d. h.

Wer dem Eintritt der Bedingung

sie ist mit einer Bedingung verbunden.

rückwirkende Kraft beilegt, muß sage», daß der dies incertus an et quando

nicht der Bedingung gleichbedeutend sei, sondern nur eine solche ne­ benher enthalte, daß hier Zeitbestimmung und Bedingung neben einander

wirken und daß dies die Ausschließung der Rückziehung erkläre'). Wer dem nicht beitritt, kalin ohne Weiteres den dies incertus als Bedingung

ansehen ').

Dies geschieht auch im A.L.R., welches eine eigentliche Be­

fristung nur da annimmt, wo der Zeitpunkt gewiß eintritt.

Von solchem

Zeitpunkt kann sowohl der Anfang des Rechtsverhältnisses, als seine Dauer abhängig gemacht werden (ex die, ad diem oder nach dem neueren Aus­ druck terminus a quo und ad quem).

Ist ein Anfangstermin gesetzt,

so beginnt erst bei seinem Eintritt die Wirkung des Rechtsgeschäfts, d. h.

das Rechtsverhältniß; das A.L. R. drückt dies so aus:

de« Rechts nimmt von da ihren Anfang.

die Ausübung

Das Recht selbst ist schon vor­

her durch die Willenserklärung vollständig erworben und vererblich s); es darf der Verpflichtete bis zum Zeitpunkt nichts vornehmen, was dann die Ausübung des Rechts in irgend einer Weise beeinträchtigen oder vereiteln

würde 6).

Ist ein Endtermin gesetzt,

RechtSgeschäfts,

so will man, daß die Wirkung de-

das Rechtsverhältniß an diesem Tage wieder aufhöre').

Hier darf der Berechtigte in der Zwischenzeit nichts vornehmen, waS nach­ theilige Folgen für den, an

welche» der Gegenstand des Recht» zurück-

*)

Bef. Fitting in Archiv f. civil. Prax. St. F. 8. 39. g. 331.—333. Ihm schlickt sich Unger an, S. 92.

*)

Al« Bedingung wird der dies incertus an et quando von den meisten Schrift­ stellern angesehen, cs ist die« die communis opinio. Mit Rücksicht aus die ver­ meinte Rüchichung Windscheid S. 22b. Rote 5. Ebenso da« österr. G. v. §.704. Sächs. 5-114.

')

Siehe die bei Gruchot «. a. O. citirten Siesten de« röm. R.

•)

Da« O. Trib. nimmt an, daß der Verpflichtete eine ans Schmälerung oder Verei. telung gerichtete Absicht gehabt haben muß. Vergl. §.105. I. 4. Strielhorst XXVII. 255.

’)

Da« Recht hört ipso jure aus, e« bedarf keiner besonderen aushebenden Willen«. Lußerung. In Strielhorst IV. S. 180. hat da» O.T. angenommen, daß auf die Richtausübung de« dem Käufer vorbehallenen Recht« der Auswahl innerhalb der gesetzten Frist §. 169. I. 4. nicht Anwendung finde.

$. 37.

Zätbestümmmg.

fällt, über die Zeit hinaus äußern würde.

176

In beiden Fällen, sagt zuletzt

daS A.L.R., also beim Anfangs-- und Endtermin behält derjenige, der die

Sache nach Ablauf der Zeit herausgeben ümß, die inzwischen gezogenen Nutzungen").

Hierdurch ist die Rückziehung, die nach preußischem Recht

auch bei den Bedingungen

(8.36.)

nicht anzunehmen ist, ausgeschlossen

und eS folgt dies aus dem Begriff

und Zweck der Zeitbestimmung von

Trotzdem scheint diese Regel nicht ausnahmslos richtig, denn e-

selbst.

giebt RechtSverhältniffe, die einen Endtermin enthalten und bei denen die Rückgabe mit den inzwischen erwachsenen Nutzungen geschehen muß, z. B. Leihvertrag, Pfandvertrag, BerwahrungSvertrag"). Allein in allen diesen Fällen hat doch der Inhaber der Sache nicht daS Recht gehabt, die

Nutzungen für sich zu ziehen,

während die obige Regel nur an die Fälle

denkt und denken konnte, wo der Inhaber die Nutzungen für sich zu ver­

So aufgefaßt, ist die Regel als allgemeine rich­ die Zeitbestimmung kann als unmögliche beigefügt sein,

wenden berechtigt war. tig'").

Auch

wenn eS schon bei ihrer Feststellung gewiß ist, daß sie nie eintreten kann.

Soll von einem solchen unmöglichen Termin das RechtSverhältniß begin­

nen, so beginnt eS niemals, das Rechtsgeschäft, welches es erzeugen wollte,

ist ungiltig; soll das Rechtsverhältniß an einem solchen unmöglichen Ter­ min endigen, so endigt eS nicht, es Kontinuität, das Rechtsgeschäft

behält die ihm an sich inwohnende

ist also gütig und die Zeitbestimmung

als nicht beigefügt zu betrachten").

ES giebt Rechtsverhältnisse, die noth­

wendig auf Zeit, d. h. auf einen Endtermin beschränkt sind, z. B. Leihe"),

es giebt auch solche, Ehe.

die eine solche Bestimmung nicht vertrage», z. B.

Nach röniischem Recht ist sie auch bei der Erbeinsetzung unzulässig,

nach preußischem Recht aber gestattet").

Der Unterschied zwischen Be­

dingung und Zeitbestimmung kann wenigstens nach preußischem Recht nicht

in der Rückziehung gefunden werden, da diese, wie §. 36. erörtert, weder bei der aufschiebenden noch auflösenden Bedingung eintritt; auch nicht da­

rin, daß

durch die Bedingung daS Rechtsgeschäft ungewiß gemacht wird,

bei der Befristung aber nicht"),

denn erstere macht nicht das Rechtsge­

schäft, sondern nur seine Wirkung, daS RechtSverhältniß, ungewiß.

Wohl

aber liegt eben in der Ungewißheit der Unterschied, die bei dem dies

•) A.L.R. I 4. §.169. •) A.L.R. I. 14. §.41.

L 20. §. 159. fg.

I. 22. §.238.

’•) Koch'« Angriff aus §.169. I. 4. ist daher inhaltlos. 1 •) Da« A.L.R. hat hierüber keine Bestimmung.

R. d. F. S. 277.

Unger S. 97.

") A.L. R. I. 22. §.230.231. ") A.L.R. I 12. §.4Y6.

1. 54. v. XXIX. 2.

**) Wie Koch, R. d. F. S. 276. oben behauptet.

L 77. de B. J.

Der Satz dies non «upendit

176

Erste» Buch.

Die Grundbegriffe.

bei dem dies incertus quando nur relativ vor­

certufl überhaupt nicht,

handen ist, und darin, daß die Bedingung auf die Ungewißheit eines Er­

eignisses gestellt ist,

während bei der Befristung der Wille sich nicht

von einem solchen, sondern nur von dem Eintritt eines Zeitmoments ab­

hängig macht.

was bei dem dies incertus quando häufig ge­

Wenn,

schieht, der Eintritt des ZeitpuntteS

verbunden erscheint,

mit dem Eintritt eines Ereignisses

so ist es eine Frage der Auslegung, ob der ErNL-

rende seinen Willen vom Ereigniß,

also vom Zeitpuntt abhängig gemacht

hat, jenes würde eine Bedingung sein,

dieses eine nur durch Beifügung

des Ereignisses nähere Bestimmung der Zeit.

Endlich

aber ist bei der

Zeit niemals von einer Erfüllung die Rede, während bei einer Art der Bedingungen (der potestativen) Erfüllung nothwendig ist.

DaS potesta-

ttve Moment kann übrigens auch bei der Zeit vorkommen, wenn dem Ver­

pflichteten überlasten ist,

sie zu bestimmen").

Hier ist der Anfangster­

min der Erfüllung in die Willkür des Verpflichteten gestellt, nicht die Verpflichtung selbst.

Bestimmt der Verpflichtete die Zeit nicht, so ist die

Verpflichttmg mit seinem Todestage verfallen.

seinem Belieben abhängig,

Ist der Endtermin von

so kann man eigentlich nicht mehr von einer

Verpflichtung sprechen, weil sie jeden Augenblick Unterlasten werden kann, jedenfalls aber endigt sie mit dem Tode, d. h. ist nicht vererblich").

§. 38. Zweckbestimmung ».2.«. 1. 4. §.152.-162. 1. 5. §. 226. I. 12. §.61.508.-513. 1.16. §.200. Gruchot I. S. 165. Heydemann i. S. 189. Borne mann, R. Gesch. 180.

System I. S. 172. v. Daniels I. S. 299. st och, Pr. R. 1. S. 255. R. v. F. II. S. 277. v. Savi gny Hl. S. 226. 233. v. Wächter II. S. 727. Unger II. S. 160. Sintenis 1. §.21. S. 181. Windscheid, v. d. Voraussetzung, 1850.

Pand. 1. S. 226.

Erxleben, condictio sine causa, 1853 II. §. 14.

S. 251.

Eine dritte Art der Willensbeschränkung besteht darin, daß der Er­

klärende dem Empfänger die Verpflichtung auferlegt, das Empfangene ganz bezieht sich aus das Rechtsgeschäft, was gleich definitiv abgeschlosien, wirklich ge­ wollt ist, nicht aus seine Wirkung, daS Erzeugniß, das RechtSverhältniß. DaF auch bei der Bedingung daS Rechtsgeschäft von Anfang giltig ist, s. oben §.36. S. 169. Schönemann a. a. O. Auch Unger verwechselt hier Rechtsgeschäft und R. Verh. S. 88. Die Existenz des Geschäfts ist weder bei der conditio noch bei dem dies noch in Frage. ,4)

A L.R. I. 5. §. 236.-23. Vergl. Unger S. 98. 1. 41. §.3. D. de leg. III. Oesterr. G. B. §. 904. Das Nähere hierüber in der Lehre v. d. Erf. d. Ver­ träge.

'«) 1. 4. D. XIX. 2.

Z. 38.

Zweckbestimmung.

177

oder theilweise zu einem bestimmten Zweck zu verwenden.

Der Wille ist

hier nicht allein insofern beschränkt, als die Zuwendung, falls der Zweck nicht erfüllt wird, nicht gewollt ist, sondern auch insofern, als wenn der Zweck erfüllt wird, die Zuwendung insoweit sich verringert.

Daher, wäh'

rend bei Bedingung und Befristung die Beschränkung sich auf das Dasein

deS Willens bezieht, trifft sie hier fein Dasein und seinen Umfang, eS ist Einschränkung und Beschränkung, der Wille will entweder überhaupt nicht, oder weniger, als er ohne die Auflage gewollt hätte'). ristischen Sinn kann

Im technisch ju­

nur diese Form der Willenserklärung als Auflage,

oder, wie das A.L.R. sagt, als Endzweck (modus) aufgefaßt werden. Er setzt eine Vermögenszuwendung voraus, auf welche die Leistung ge­ sie zu erfüllen ist. Weder das Geben auf Gegenlei­

legt, von welcher

stung bei zweiseitigen Geschäften, noch das Geben für einen Zweck gehört

hierher, denn in beiden Fällen gehört die Verpflichtung, die der Empfän­

ger übernimmt, zum Charatter des Geschäfts selbst, sie ist sein wesentli­ cher Haupttnhalt, während beim Modus die Zuwendung allein den Haupt­

inhalt bildet, und die Auflage nur eine eigenthümliche Nebenbestimmung Der Modus kann daher nur bei einseitigen Geschäften vorkommen,

ist.

auS deren Natur nicht schon eine Gegenleistung hervorgeht, und eS ergiebt sich auch hieraus, daß, wenn in neuerer Zeit behauptet worden ist, an die

Stelle des Modus müsse der Begriff der Voraussetzung tveten, diese Auffassung eine viel zu unbestimmte und allgemeine ist, bei der der tech­ nische Begriff deS Modus verloren geht zu ©misten eines Gattungsbe­

griffs , der sich wegen seiner Allgemeinheit als RechtSbegriff nicht ver­

werthen läßt').

*) Unger S. 101. Note4. A. schenkt dem B. 100 und legt ihm auf, mit der Hälfte de« Gelde« dem C. einen Grabstein zu fetzen. Ursprünglich ist hier der Wille itmfaffenber, er will 100 schenken, und sofort schränkt er sich ein, indem et 50 dem Empfänger wieder entzieht. Windfcheid, Pand. S. 226. Note 1. polemistet hiergegen, weil die Einschränkung nur den ökonomischen Inhalt der EeNäruug, nicht den Willen selbst treffe, also keinen juristischen Gesichtspunkt enthalte. Allein e« ist doch der Wille, der die ökonomische Beschränkung seht, und insofern wird mit gutem Grunde gesagt, daß er sich selbst beschränkt. Die Beschränkung drückt sich hier aber nicht wie bei der Bedingung durch wen» (ei), sondern durch damit (ut) au«: vergl. 1. 8. § 7. D. XXVIII. 7. 1. 71. § 1. 1. 80. D. XXXV. 1: nee enim parem dicemue eum, cai ita datum eit: ei monumentum fecerit, et eum, cui datum est: ut monumentum faciat. 1. 44 D. XL. 4. 1. 2. §. 7. D. XXXIX 5. I 1 2. 5. C. VIII. 55. Der Ausdruck modue hat übrigens in den Quellen auch sehr verschiedene und unbestimmte Bedeutun­ gen, s. Böckiug, Pand. 1. S. 401. Dirkeen, manu al e e. v. Heumann, Lexik, e. v. •; S. die Schrift von Windfcheid und dagegen die zutreffende Bemerkung von Böckiug, Pand. B. 1. S.388. Note«: „W.'S eigne Darstellung zeigt, wie ver­ schieden in Begriff und Wirkungen die manuichsaltigen Willensbestimmungen feien, die wir als Voraussetzung bezeichnen und wofür weder unsere Rechtsquellen noch die lateinische Sprache überhaupt einen entsprechenden Ausdruck hat." Auch sonst ist W.'S Ansicht zurückgewiefen: Trxleben a. a. O- Vorrede S. VI. Bange» gocrster, Preuß. Peivatrecht. 12

Erste» Guch. Die Onmbbtgriffe.

178

Nach römischem Recht kommt der ModuS nur vor bei freigebigen ZuWendungen, d. h. bei der eigentlichen Schenkung und bei Vermächtnissen;

ob auch bei Erbeinsetzungen, ist bestritten'). Modu» nur da anzunehmen,

Unrichtig ist e» aber, einen

wo die Auflage den Vortheil des Empfän­

gers der Zuwendung erzielt, da auch der Vortheil eine» Dritten oder

irgend ein Interesse

de» Gebers der Zweck sein kann.

Nach gemeinem

Recht ist sogar im ersten Fall in der Regel überhaupt nicht eine Verpflich­

tung, sondern nur eine Empfehlung, ein Rath anzunehmen.

Da» A.L.R.

definirt den Endzweck nicht, sondern giebt nur eine Beschreibung, aus wel­

cher hervorgeht,

daß es diejenige Auflage an den Empfänger, die dessen

eignen Vortheil zur Absicht hat, int Gegensatz zur Bedingung al- Modus

Dies ist aber zu eng, nur eine Art desselben (der f. g. modus

auffaßt.

Simplex).

Darüber aber ist kein Zweifel, daß eine bestimmte Verwen­

dung auch bei der Erbeinsetzung auferlegt werden kann').

Die Eigenthümlichkeiten, die der Modu» als besonderes Recht-insti­

tut hat, sind folgende: der Berechtigte, dem die Verwendung zur Pflicht gemacht ist, tritt sofort in die Ausübung und den Genuß des Rechts, der

Modu- fuSpendirt nicht.

Die Erfüllung des Zwecks ist eine Verpflich.

tung de» Empfänger- der Zuwendung, erfüllt er nicht, so verliert er da»

Recht.

ES tritt in

diesem Fall eine Auflösung deS Rechtsverhältnisse-

ein und zwar, obschon nach A.L. R. die resolvirende Bedingung nicht zu­

rückwirkt,

außer wenn dies besonders beabsichtigt worden, und im Allge­

meinen auf die Grundsätze von dieser Art Bedingungen beim Endzweck

verwiesen ist,

hier doch immer mit rückwirkender Kraft, weil eS aus der

Natur der Sache folgt, daß,

da die Zuwendung nur in Beziehung auf

den Zweck geschehen, wenn dieser Empfänger bleiben kann.

vereitelt ist, auch jene nicht bei dem

ES muß vielmehr die empfangene Zuwendung

zurückgegeben werden und zwar mit den gezogenen Nutzungen, und wenn

ein Zurückgeben nicht möglich ist, so tritt Bergütigung an die Stelle'). Dadurch daß der Modus eine Verpflichtung auferlegt, unterscheidet er sich

roto übergeht sie ganz, ärnbte §. 76. dagegen. In der That ist Voraussetzung etwa- so Allgemeine», baß man es nur als logisch« Kategorie aufsaffen kann. Daß mit Au-brücken tote: „bie Voraussetzung ist eine unenitoickelte Bedingung" für bie Klarlegung be» Begriff» nicht» getoonnen ist, bürste nicht ztoeifelhast fein. Zugegeben muß aber werden, daß Voraussetzungen ost von thatsächlicher Wichtig, leit für Rechtsgeschäfte sind. Ueber die mannichfachm Anwendungen, die hierbei denkbar sind, siehe Windscheid S. I sg.

•)

Savigntz ) A. G.O. X. 10. §. 133.-168.

">) A.G.O. I. 10. §.123.

*') Seil der Gerichtsorganisation durch das Ges. v. 2. Januar 1849 haben die Ge­ richte 2. Instanz keine freiwillige Gerichtsbarkeit. Sie ist den zweiten Abtheilun­ gen der Äreisgerichte beigelegt.

--) A.G.O. I. 10. §.126.

1 $)

Not. Ord. v. 11. Juli 1845 (@.©[email protected]), sie ist der rheiu-preußischen v. 25. April 1822 nachgebitdet. — Ueber Soleuuitäts- und Beweiszeugen s. IHering in Zahrd. f. Dogm. II. S.293. Unger II. S. 132. Note 13.

6.40.

m. getm kr Skch«gchh«fte.

186

von Zeugenaussagen Bescheinigungm geben, so hängt ihre Glaubwürdig­ keit von den Zeugen ab "). Alle schriftlichen Urkunden

müssen die Unterschriften der Aussteller

haben, ohne diese haben sie keine Bedeutung"): die Privaturkunden die der Personen, deren Erftärung sie enthalten, die öffentlichen

fassungSmäßige Unterschrift der Behörde, bei gerichtlichen

die ver-

also die des

Gerichtsdirektors oder AbtheilungSdirigenten, bei notariellen die des NotarS

mit Beifügung seines Amtssiegels, bei Urkunden der Verwaltungsbehör­ den die des Vorstehers der Behörde und des Justiziars derselben"), bei Urkunden der Stadtbehörden die des Magistratsvorstehers ").

Für Militärpersonen im Felde, und für die zur Kriegsmarine gehö­ rigen Personen, wenn ihr Schiff in Dienst gestellt ist,

gelten besondere

Vorschriften über die Form ihrer Rechtsgeschäfte, welche erst bei den ein­ zelnen Geschäften näher besprochen

Gerichte oder Notare treten

An die Stelle der

werden können.

dann für sie die Auditeure oder komman-

dirte Kriegsgerichte").

Der Inhalt einer schriftlichen Urkunde unterliegt- den gewöhnlichen AnSlegnngSregeln; ist in ihr etwas unleserlich, so kann der Inhalt dieser

Stelle durch

jedes zulässige Beweismittel bewiesen

werden").

wird das Dasein einer abhanden gekommenen Urkunde einer solchen

durch die gesetzlichen Beweise ermittelt.

kunde vorsätzlich von demjenigen beseitigt,

Ebenso

und der Inhalt

Ist aber eine Ur­

gegen den sie beweisen soll, so

wird, in Uebereinstimmung mit der herrschenden gemeinrechtlichen Ansicht, die Angabe des Andern von dem Inhalt so lange für richtig angenommen,

bis daS Gegentheil klar erwiesen ist'"), ohne daß eS der Beeidigung des Inhalts bedarf, die eine andere, widersprechende Stelle zuläßt").

14

AG.O. I 10. §. 127. — Nach dem Edikt v. 27 Inni 1811 §.9. haben die LicitationSverhandlungen, welche von Regierungsbeamten über Veräußerung von Domänen und Forsten ausgenommen werden, die Kraft gerichtlicher Urkunden. Siehe Präj. des O. Tr. v. I. 1832 in der Sammt. B-1. S. 319.

15'

Das Wort „vollzogen" in §.42. I. 3.

18

K. O. v. 31. Dezbr. 1825 (G. S. 1826 S. 5 N. VHP. O. Tr. 512.1544 (Samml. B. 1. S. 359).

§.118. I. 5. Siehe

Präj.

bet

,7) Städreordn. v. 30. Mai 1853 §.56. Nr.8 (G.S. S.281).

>•) Ges. v. 8. Juni 1860 (G.S. S. 240). 1815.

'»)

I. 5. §. 130. 263.

••)

I. 5. §. 170.

-') A.G.O. I. 10. §.120.

AeltereS R. die K. O. vvm 2. SeptLr.

Siehe Koch, R. d. F. II. S. 183 fg.

§. 41.

Ungiftigkeit der Rechtsgeschäfte nnb bereu Heilung.

Koch, über den Unterschied v. Richtige, und Ungilt. d. Rgesch. in d. jurist Zeitung 1838 @.870. Pr.R. I. @.295. Lornemaun, Rgesch. S. 188. Saviguy, System IV. @. 536.549. Wächter N. ©.655. Unger II. @. 140. Sinttnie I. §.24. Windscheid, zur Lehre de» CodeNap. über die Uugiltigk. der Rgesch. 1847. Pand. I. S. 178.185. Zachariä («nschütz) I. 6.83.

E- würde an sich kein besonderer Fehler eine- Gesetzbuchs sein, wenn es Definitionen nicht aufftellte, dann aber müsien wenigsten- die Begriffe selbst und ihre Folgen in den einzelnen Anwendungen scharf fest­ gehalten werden und da- zweckmäßigste Mittel dazu ist eine bestimmte Ter­ minologie. Daß diese dem A.L.R. fehlt, ist bereit» mehrfach hervorgeho­ ben — aber fast in keiner Lehre zeigt sich die» so nachtheilig und so auf­ fällig als bei der von de? Ungilttgkeit der Rechtsgeschäfte. Allgemeine Regeln über diese giebt weder Tit. 3. noch Tit. 4.; welche Wirkungen die Mangelhaftigkeit eine» Rechtsgeschäfts äußert, wird bei den einzelnen In­ stituten zwar angegeben, aber dabei werden so verschiedene Au-drücke von so unbestimmter Vieldeutigkeit gebraucht, daß man fast nie mit Sicherheit au» dem Wort de» Gesetzes schließen kann, welche Art oder welcher Grad von Ungilttgkeit anzunehmen ist. Selbst die scheinbar schärfere termino­ logische Scheidung von nichttg und ungiftig bei dem Abschnitt von der Ehe') ist nicht hinreichend ausgebildet. Es ist daher auch ungemein schwer, eine allgemeine Theorie de» preußischen Rechts hierüber einleitend vorzutragen, da bei jedem einzelnen RechtSinstttut untersucht werden muß, ob unter gewissen Voraussetzungen Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit, als die beiden begrifflich verschiedenen Arten der Ungilttgkeit, anzunehmen sei. Um daher über diesen Gegenstand im Allgemeinen einige Klarheit zu ge­ winnen, ist e» besonders nützlich, auf die Theorie de- gemeinen Rechts zurückzugehen, welche- sowohl durch die Bestimmtheit der quellenmäßigen Ausdrücke als durch die Ausbildung, die diese Begriffe durch die Wissenschast erfahren haben, eine sichere Leitung bietet. Grade weil da- A.L.R. keine Theorie aufftellt, sondern sich in allerlei Unbesttmmtheiten verliert, stößt eS auch die richttge Theorie nicht zurück, und e- liegt der Wissen­ schaft ob, eine solche mit Hilfe de- gemeinen Recht-, welche- der Natur der Sache entspricht, für da- preußische zu gewinnen. Die Recht-beständigkeit einer Willenserklärung hängt von der Richttgkeit der juristtschen Thatsachen ab, die ihr zu Grunde liegen, ihre Vor-

•) S.L.R. 11. 1. §. 933.934. 936.949.952. 960. 973 fg.

Ungiftigtrit der NechtSgeschilfte tmb bereu Heünng.

§. 41. auSsetzung bilden.

187

Sind diese Thatsachen Mrichttg, so ist da» aas ste

gestützte Rechtsgeschäft

Md folgeweise da» dadurch gesetzte Rechtsverhält­

vermag die Wirkungen

niß angiltig,



seinem Begriff

und Wesen haben sollte.

nicht zu äußern, die e» nach

Diese Ungiltigkeit kann aber

entweder die unmittelbare, wie man sagt ipso jure eintretende Folge sein, außerhalb de» Geschäft» liegender Umstände, die

oder wegen besonderer,

daher einer besonderen Geltendmachung bedürfen, eintreten.

Diese sind also die zwei Arten de» Gat­

(Rescissibilität) de» Geschäft». tungsbegriff» Ungiltigkeit.

Hiernach un­

und Anfechtbarkeit

terscheidet die Theorie die Nichtigkeit (Nullität)

Sowohl die Nichtigkeit al» die Anfechtbarkeit

an der Wirksamkeit de» Geschäft» entgegenstehcn, oder

kann von Anfang

erst später eintreten; e» ist unrichtig,

wenn Bornemann') Nichtigkeit

nur da annimmt, wo der Mangel von Anfang an da ist, Md Anfechtbar­ keit, wo er erst in der Folge hervortritt, aber wahr ist, daß die später' einttetenden

Gründe der Ungiltigkeit bei der Anfechtbarkeit mannichfalti-

ger sind und häufiger vorkommen.

Wenn die Ungilttgkeit durch spätere

Thatsachen hervorgerufen wird, ist ihr Vorhandensein bi» dahin noch un­

Diese Thatsachen können entweder durch zufällige Er-

gewiß, schwebend.

eigniffe oder durch menschliche Willkür herbeigeführt werden ’).

Bon Anfang nichtig ist da» Rechtsgeschäft, welche» nur den äußeren Schein eine» solchen hat, in Wirklichkeit aber juristisch nicht existiern kann

und darum auch nicht existirt,

Begriffsmoment,

sei e», weil e» ihm an einem wesentlichen

also an den

nothwendigen Eigenschaften de» Subjekt»

und Objett», an dem Dasein (nicht an einer bloßen Eigenschaft) de» Wil­ len», an der al» unerläßlich vorgeschriebenen Form

Gesetz e» verbietet, Hier bedarf e»

und seine Errichtung gradezu

fehlt, oder weil da» für nichtig erklärt').

also nicht noch de» Hinzutreten» einer besonderen That­

sache, die die Nichttgkeit verursacht, sie ist dem Geschäft immanent. Später nichtig aber kann ein Geschäft nur dadmch werden, daß ein Umstand sich ereignet, der entweder durch sich selbst oder vermöge positi-

ver Rechtsvorschrift die Wirkung äußert, da» ursprünglich gilttg errichtete Geschäft mit rückwirkender Kraft

verwechselt werden,

zu beseitigen.

Nur darf hiermit nicht

wenn später Umstände vorliegen, unter denen früher

da» Geschäft nicht hätte geschlossen werden können oder dürfen.

Solche

•)

Rgesch. S. 188. Bergl. Savigny S. 542. Wächter S. 657. 668. Unger S. 141.159. Nachfolgende Nichtigkeit, wenn rin Posthumu« da- Testament nun« pirt, mutuuB dieeensus bei den ikonfenfualverträgen. Anfechtbarkeit von Anfang an bei Zwang, Betrug.

a)

Savigny S. 538fg.

*) Savigny S. 550.

Windscheid Abh. S.4.7.

Erste« Buch. Die •nmMtgrifft.

188 sind einflußlos **).

Der vernichtende Umstand muß vielmehr da- Moment

der direkten Gegenwirkung gegen das Geschäft in sich tragen, rechtliches Dasein hat,

so daß eS

Da das nichtige Rechtsgeschäft überhaupt kein

nicht fortbestehen kann').

juristisch als nicht vorhanden angesehen wird, so

bedarf eS auch keines besonderen Rechtsmittels, um es zu beseitigen oder

wirkungslos zu machen.

Die neuere Theorie

ist einig darüber, laß e-

Es ist nichts umzu­

eine besondere Nichtigkeitsklage nicht geben kann.

stoßen oder aufzuheben, weil dafür kein Gegenstand da ist.

Wenn dage­

gen aus einem nichtigen Geschäft Rechte in Anspruch genommen werden, so muß einer solchen Klage oder Einrede eine aus dem Nichtigkeitsgrunde entlehnte Einrede oder Replik entgegengestellt werden, was jedoch nur da

vorkommen kann, wo

der NichtigkeitSgrnnd

nicht

offen

erkennbar ist.

Darum ist auch ein richterliches Erkenntniß, welches die Nichtigkeit eines Geschäfts

oder

RechtSverhältniffeS

ausspricht,

nur

deklarativer

von

Natm *). Schon von älteren Juristen ist ein Unterschied von absoluter und relativer Nichtigkeit aufgestellt worden und er wird auch

in neuerer

Zeit noch vielfach festgehalten, obschon er andrerseits auch sehr entschie­

den verworfen wird').

Die Theorie

gewinnt selten

durch Aufstellung

möglichst vieler Eintheilungen und Unterscheidungen, zumal wenn sich an solche praktische Folgen nicht knüpfen, und dies trifft auch hier zu.

Man

findet den Unterschied darin, daß die absolute Nichtigkeit von jedem bei dem Geschäft Interessirten, die relative nur von einer bestimmten Person

geltend gemacht werden kann; dort ist der Eintritt der Wirkungslosigkeit

unmittelbar, hier durch den Willen oder das Ermessen der Partei bedingt, mittelbar.

Eine relative Nichtigkeit kann eS offenbar ihrem Begriff nach

nicht geben, jede Nichtigkeit

ist unbedingt.

Diese Lintheilung ist daher

1. 85. §. 1. de R. J. 1. 140. p.2. D. de V. O. Unger S. 143. SSchs. G.B. §. 104.105.

*)

1 31. pr.

D. XXXIX. 5.

Richtig normt« Un ger a a. O. die Regel dahin: Der Umstand muß nicht die Ersorderniffe der Errichtung, sondern de« Dasein« und Fortbestehen« de« RechtSgeschäst« und Recht-verhältnisse« treffen. Dagegen Windschcid S. 283. Note 11. ohne Grund.

’) Unger S. 149. Die- gilt auch im preutz. R bei der Klage aus Nichtigkeit», erklärnng einer Ehe nach der 8.0- v. 28. Juni 1844.

•) Für die Unterscheidung: Savignh, Wächter, Unger, Windscheid, Arndt» im Recht«lex. 8. 8. S. 113. Gegen dieselbe besonder« Brandt«, Zeitschr. s. Livilr. u. Proz.-8.7. S.121.—205. und nach ihm Puchta, Sinteni«, Bangerow, Bücking. Windscheid S. 181. (Note8.) versteht unter relativer Nichtigkeit die unentschiedene, d. h. die nicht von vornherein vorliegt, sondern erst entsteht in Folge de« Eintreten« oder Nichteintreten« eine« künftigen unge­ wissen Umstande« »der in Folge der Willenserklärung einer betheiligten Person. Für die Recht-pflege ist e« sehr bedenklich, wenn alten Namen neue Begriffe un»rgeschoben werden, klebrigen« sind die Fälle, an die hier W. denken kann, zur großcn Mehrzahl Anfechtbarkeiten. Siche auch das. S. 182. Note 9.

f.41.

Ungfltigftit da NechiSgeschSste und da« Heillwg.

188

auch nur auf die Frage zu beziehen, ob und wann eS noch einer beson­ deren Thätigkeit bedarf, um die Nichtigkeit nicht etwa herbeizuführen, son­ dern klar zu legen. Da man aber darüber einig ist, daß, wenn bei der s. g. relativen Nichtigkeit die betreffende Person sich auf dieselbe berufen hat, daS Geschäft auch in Betreff aller übrigen Interessenten als nicht existirend zu betrachten ist, so ist schwer ;u. begreifen, welche- praktische Bedürfniß zu solcher Scheidung geführt hat. Dazu kommt, daß eS logisch unmöglich erscheint, ein Rechtsgeschäft zugleich al« für den Einen vorhan­ den und für Andere nicht vorhanden anzusehen. Die Quellen unterstützen die Eintheilung nicht und für daS preußische Recht nöthigt nicht-,, sie bei­ zubehalten'). Die Nichtigkeit kann daS ganze Geschäft oder nur einen Theil desselben ergreifen, dann bleibt eS Übrigen- recht-beständig, nur darf dieser Theil nicht so wesentlich filr die Existenz des Recht- sein, daß mit seinem Wegfall diese- selbst hinfällt. Ist da- Hauptgeschäft nichtig, so müssen die auf dasselbe gegründeten Nebengeschäste (Bürgschaft, Pfand) wegfallen "). Wenn aber die Nichtigkeit sich in der Ueberschreitnng eine­ quantitativen Maße-, z. B. in der Verabredung eine- verbotenen Zins­ satzes, äußert, so bleibt da- Geschäft innerhalb der zulässigen Quantität giltig "). Im Gegensatz zur Nichtigkeit besteht die Anfechtbarkeit darin, daß ein an sich giltigeS, also zu wirklicher Existenz gelangte- Rechtsgeschäft in Folge besonderer Umstände unwirksam gemacht wird. ES setzt die- immer eine positive Thätigkeit dessen voraus, der diese Ungiltigkeit herbeiführen will, sei eS eine einfache Erklärung, oder den Gebrauch eine- Rechtsmit­ tel- (Klage, Einrede) und wenn solche Thätigkeit nicht geübt wird, bleibt da- Geschäft giltig. Wird in Folge der Anfechtung da- Geschäft aufge­ hoben, so hat die Aufhebung nicht immer und nicht nothwendig") rück­ wirkende Kraft, dazwischen getretene Rechte dritter Personen können nicht beseitigt werden"). Aber mit dem aufgehobenen Hauptrecht fallen dessen Nebenrechte"), fall- diese nicht gegen die Anfechtung de- ersteren eigen»

•) Unger will sie für daö österr. R. beibehalien. C». 150fg. — Als relative Nul­ lität wird z. B. daS negotium claudicans angesehen, wenn ein Popill sine tu*••) toris auct. einen zweiseitigen Vertrag eingegangen ist (1. 13. §.29. D. XIX. 1.), doch s. § 26 Note 8. S. 134. ••) 1. 129. §. 1.

1. 178. de R. J.

>«) L 20. 29. D. XXII. 1. 1. 34 pr. 1. 35. § 3. in f. C VIII. 54. «nch die cap. 37. de R. J. in Vito, aufgestellte Regel utile per inutile non ritiatur (f. 1. 1. tz.5. D XLV. 1). Sächs. G. B. §.103.

ia) Zu weit geht Wächter S. 653. 656fg., wenn er die Rückwirkung bei der An­ fechtbarkeit ganz auSschließt. S. Windscheid S. 180. Note?. **) l. 43. §. 8. D. XXL 1. >«) 1. 7. 8.1.

1. 4. pr. D. XX. 6.

1. 19. D. XLIV. 1

1. 32. D XLVI 1.

I. 11. C. VIII. 36.

190

Erst« Bach. Die •nmbbtgriffe.

sichern sollten “), und jeder Theil muß dem andern dasjenige zurückgeben oder vergütigen, wa- er in Folge des Geschäft- empfangen hat"). ES tritt nun die Frage hervor, ob Nichtigkeit und Anfechtbarkeit nicht geheilt, ihre Wirkungen beseitigt werden können. WaS die Nichtigkeit angeht, so muß die Frage verneint werden "), denn da sie in der Nichtexistenz des Rechtsgeschäft- besteht, und von dem Willen der Person unabhängig ist, d. h. ipso jure wirkt, kann sie durch keine Handlung der Partei beseitigt werden, weder durch Verzicht oder Anerkennung, noch durch spätere- Wegfallen des Nichtigkeit-grunde-, noch durch Verjährung. Möglich fteilich ist es, daß ein nichtige- Geschäft von den Patteien erfüllt wird, dies aber ist ein faktischer Zustand, der eine rechtliche Bedeutung überall nicht hat, ein Geben und Empfangen ohne Recht-grund, daher auch die Klagerechte zur Wiedererlangung de- Gege­ benen, Bindikation, Kondiftion, zustehen. Wird da- frühere nichtige Ge­ schäft nochmals errichtet, oder nachttäglich anerkannt, so wird nicht jenehiuterher und rückwärts giltig, sondern ein neue- Geschäft errichtet"). Bon dieser im Begriff der Nichtigkeit liegenden Regel, daß sie eine spä­ tere Erttästigung de- Geschäft- mit rückwirkender Kraft nicht zuläßt, giebt eS einige positive Ausnahmen, in denen da- ursprünglich nichtige Geschäft so rechtSkäftig wird, al- wäre es dies von Anfang an gewesen, Kon va­ le scenz. Auch da- preußische Recht kennt dergleichen Ausnahmen"). Nicht al- die Beseitigung oder Heilung einer Nichtigkeit, sondern als ein Ausfluß der Rechtsregel, daß Rechtsgeschäfte möglichst auftecht zu erhal­ ten seien, ist die s. g. Konversion aufzufassen"), die darin besteht, daß, wenn ein beabsichtigte- Geschäft nichtig ist, aber die wesentlichen Erforderniffe eine- anderen, nicht beabsichtigten Geschäfts zeigt, da- letztere auf­ recht erhalten werden kann"). Die- setzt voraus, daß die Parteien es wollen, und ob solcher Wille, wenn eine bestimmte Erklärung nicht vor­ liegt, anzunehmen, unterliegt der au- den Umständen herzuleitenden AuS1 ’) L 13. pr. D. IV. 4.

••) 1. 6. D. XVIII. 5.

I. 10. C. IV. 44.

I. 23. §.1.7.

1. 60. D. XXL 1.

") 1. 29.201. de K. J. '») Z. 8. A.L.R. I. 3. § 44. I. 5. §. 37.38. Die Rllck,iehuug tarnt ausdrücklich verabredet werden, aber auch die« hat nicht den Sinn, daß da« frühere nichtige Seschäfl giltig wird. II. I. §. 946.947. *•) (Eint. §.17. 1. 5. §.155.188., dazu stoch, schles. Arch. 8.4. S. 522. II. 1. §.975. Beispiele au« dem röm. R. 1. 42. D. XLI. 3. 1.4. §.32. D.XLIV. 4. 1. 3. D. XXIX. 1. 1. 5. pr. D. XVIII. 5.

••) Römer z. Lehre v. d. stonversiou der R. Gsch. im Archiv, f. civil. Prax. 8.36. Rr.4. Unger II. S. 157. •*) Beispiele: ein nngiltige« Testament kann al» stodizill aufrecht erhalt« werd«, l. 1. D. XXIX. 7. 1. 29. §. 1. D. XXVIII. 1. A.L R. I. 11. § 41. mit L 5. §.35. u. 1. 57. § 2. D. XVIII. 1. A.L.R I 16. §. 113.114.

6- 41.

UngiltigkeÜ der «echwgeschäste m** denn Heilung.

191

legung de» einzelnen Falle-. Eine solche Absicht der Parteien, da- nicht gewollte aber giltige Geschäft statt de- gewollten aber nichtigen unter sich bestehen zu lasten, wird in der Regel dann anzunehmen sein, wenn beide Geschäfte demselben Zweck dienen"). Zu heilen dagegen ist die Anfechtbarkeit, denn da die Anfechtung von der Reaktion der betheiligten Person abhängt, so steht e- ihr auch frei, durch nachträgliche Genehmigung") oder Anerkennung, durch Verzicht auf die Einwendungen oder dadurch, daß sie innerhalb der Verjährung»;«! nicht anficht, da- Geschäft al- giltig bestehen zu lasten. Wa- insbeson­ dere die Anerkennung betrifft, so sieht da- A.L.R. in ihr zwar ein Bestärkung-mittel für Verträge"), die- ist sie aber ihrem Wesen nach eigenttich nicht, sondern, wie sich v. Daniel- nicht unpaffend auSdrvckt, ein BerbcsterungSmittel, durch welche» ein ungiltige» Geschäft giltig und wirksam gemacht werden soll. Nach dem A.L.R. hat e- einen dreifache« Zweck: eS soll den formellen Mangel de- Geschäft» heben, den Mangel de- freien und ernsten Willen- heilen, und den Mangel persönlicher Un­ fähigkeit beseitigen"). Im ersten und dritten Fall erscheint eS al» Hei­ lung einer Nichtigkeit und nur im zweiten als Heilung der Anfechtbarkeit; es frogt sich daher, ob da» preußische Recht die Möglichkeit der Heilung einer Nichtigkeit annimmt, oder ob eS gleich wie da- gemeine Recht nur ein neue- Geschäft an Stelle de- nichtigen setzen läßt. Wenn da» Anerkenntniß die Unverbindlichkeit wegen persönlicher Unfähigkeit heben soll, so muß eS als neuer rechtSgiltiger Vertrag angesehen werden können, der nur dann eine rückwirkende Kraft äußert, wenn es ausdrücklich verabre­ det worden. Hier stimmt da» preußische mit dem gemeinen Recht überein. Zweifelhaft ist eS aber, ob ein Gleiche- für den Fall, wo der Formman­ gel beseitigt werden soll, gilt. Zwar auch hier ist gesagt, da» spätere schriftliche Anerkenntniß de» mündlich errichteten Geschäft» wirke nur so") Z. B- 1. 3. D. XXIX. 1. Unger S. 158. Windscheid S. 184. Rote 14. Andere in I. 1. 5.8. D. XLV. 1; 81 quie ita interroget: 6»bis? responderit: quidni? ie utique in ea causa est, ut obligetur; contra si sine verbis annn* laset. Non tantum autem civiliter, sed nec naturaliter obligetur, qui ita annnit. Ueber diese Stelle Unger, die rechtl- Natur d. Juhaberpapiere S. 92.93. • •) Die Genehmigung kaun ausdrücklich, oder durch konkludente Handlungen erfolgen, ,. B. 1. 34. 26. §. 3. v. XII. 6. *begriffe.

weit, al» au» ihm die Verabredungen erhellen, d. h. e» muß nicht nur

alle wesenllichen Bestandtheile, sondern auch alle Nebenbesümmungen de» Geschäft» enthalten,

gleich

einem

neuen Vertrage").

Aber ob e» so

wirft, daß dadurch rückwärts da» nichtige Geschäft giftig wird, hängt da­

von ab, bezieht.

ob man §. 188. I. 5. nur auf §. 186. oder auch auf §. 185. Sowohl die enge grammatische Verbindung, in die §. 188. durch

da» Wort „alsdann" mit den nächst vorhergehenden §§. gebracht ist, al» die Regel des §. 43. L 3. und der allgemein wahre Satz, daß da» nicht Existirende nicht rückwärts daseiend gemacht werden kann, nöthigen, §. 188. nur auf §. 186., nicht auf §. 185. zu beziehen, d. h. da» schriftliche Anerkenntniß ist ein neue» Rechtsgeschäft, das nichtige mündliche wird nicht

giftig, den Parteien bleibt aber überlassen,

die au» dem Anerkenntniß

hervorgehenden Wirkungen auf eine frühere Zeit, also auch auf den Mo­

ment,

wo da» nichtige Geschäft eingegangen worden,

zurückzuziehen").

So kann auch hier Uebereinstimmung mit dem gemeinen Recht gewonnen werden, und dem A.L.R. ist nicht Mangel an Logik vorzuwerfen. da» Anerkenntniß

Wo

nur die Anfechtbarkeit beseitigen soll, im zweiten Fall,

wirkt e» zurück auf die Zeit de» verrichteten Geschäft», auch durch Handlungen stillschweigend abgegeben werden.

und kann hier Da» Anerkennt-

niß ist ein selbständiger einseitiger Verpflichtungsakt, bestimmt, ein klag­

lose» Geschäft klagbar zu machen").

E» muß daher selbst frei von Män­

geln sein, insbesondere von denjenigen, die e» beseitigen soll, e« muß

Kenntniß des Erklärenden vom vollständigen Inhalt de» Geschäft» zeigen, und mit der Absicht der Verpflichtung erklärt sein.

Hierdurch unterschei­

det e» sich vom Zugeständniß"), welche» ohne Verpflichtungsabsicht nur

’•)

S. hierzu Striethorst B. 47. S. 191.

87)

Da« O. Trib. (Srbles. Archiv B. 4. S. 522), Bornemann, Syst. B. 2. S. 296. Koch (Komment. Note 78. zu §. 185. I. 5), Herold a. a. O. S. 428. sind entgegengesetzter Ansicht, sie beziehen §.188. auch auf §. 185. Richtiger Gruchot, der die Frage, ob Nückziehung des Anerkenntnisses anzunehmen sei, für eine Thatsrage erklärt (Beitr. I. S. 489). Heydemann S.227. Note391. dagegen meint, daß hier die Rückwirkung gleichsam ans der Natur der Sache von selbst zu folgen scheine. Dies ist aber Perkennung des Begriffs der Nichtlgkett. Nach §. 116. I. 5. sind mündliche Vertrage, die nach dem Gesetz oder der Abrede der Parteien schriftlich errichtet werden mußten, ungiltig, was hier nur den Sinn von nichtig haben kann. Wird die oben ausgeführte Ansicht angenommen, so verliert auch die Frage an Bedeutung, ob §. 185. sich nur aus Verträge oder überhaupt aus Rechtsgeschäfte beziehen läßt. Heydemann a. a. O. Note 390. u. Striethorst B.8. S.274fg.

••)

Es ist also Klagegrund: Entsch. B. 1. S. 367. B.4. S. 217.222. B. 10. Seite 361 sg B. 13. S. 188. SB. 18. S. 254. B. 20. S. 93 fg. Striethorst B. 13. S. 172. B. 21. S. 27. B. 23. S. 63. B. 26. S. 315. Gruchot S. 488. Nr. 2.

’•) A.G.O. I. 10. §. 82.-88. ES genügt also nicht, wenn nur die Thatsache, daß ein Bertrag mündlich abgeschloflen worden, eingeräumt wird. Gntsch. B. 10. S. 361.

$. 41.

Uo-lltigkit der Rechtsgeschäfte mid deren Heilmg.

einräumt, daß eine Thatsache geschehen ist

193

Erstreckt sich da» Anerkennt-

niß nicht über den ganzen Inhalt de» älteren Geschäft», so find die nicht anerkannten Bestimmungen des letzteren weggefallen").

In der neueren

Theorie de» gemeinen Rechts ist die Ansicht aufgestellt worden"), die

Anerkennung sei al» ein einseitiger, formell bindender WillenSakt, al» sub­ jektive causa ein Surrogat der objektiven des

anerkannten Rechtsge­

schäfts"), d. h. sie fei selbst RechtSgrund der Verpflichtung, ihre Gütig­

keit hänge nicht ab von der ursprünglichen causa, falls sie in der Absicht, sich zu verpflichten und zu leisten, erklärt, mit einem ZahlungSversprecheu

verbunden ist").

In das preußische Recht kann diese Auffassung nicht

übertragen werden, da die Anerkennung hier nicht als Entstehung-grund

von Rechten gilt, sondern ihre Verbindlichkeit selbst auS der ursprüng­

lichen causa debendi ableitet, dieselbe in sich aufnehmen muß").

Wird

daS Anerkenntniß zur ErkrSftigung eines zweiseitigen Geschäfts abgegeben,

so bedarf eS,

obgleich es nur einseitig bindet, doch der Annahme de»

andern Theils").

Die Entsagung von Einwendungen") heilt die Anfechtungs­

gründe.

Einwendungen, durch welche Nichtigkeitsgründe geltend gemacht Wirksam ist die Entsagung nm

werden sollen, darf nicht entsagt werden.

dann,

wenn sie nicht in allgemeinen und unbestimmten Ausdrücken er­

folgt, nicht gegen ein Verbotsgesetz verstößt") und dem Entsagenden selbst, nicht einem Dritten die Einwendung zusteht").

Die Erklärung muß aus­

drücklich auf die bestimmte Einwendung gerichtet sein ") und bewirkt dann,

daß dieser AnfechtungSgrund nicht mehr vorgeschützt werden darf.

So)

Koch, Beurtheil. S. 70.

3I)

In der oben angef. Schrift von Bähr. BrunS a. a. O.

")

Bähr S. 75.

")

Bähr §.43.44.

34)

Entsch. B. 11. S.345. Striethorst B. 8. S. 196. Eine Ausnahme für da» pr. R. macht §. 49. des Ablöj. Ges. v. 2. März 1850, der je^t wohl nicht mehr praktisch ist.

3a)

Bähr S. 167.

Gegen ihn Herold a. a. O. uud

'«)

A.L.R. I. 5. §. 193.-198.

”)

A. G.O. II. 2. §. 32. 52.

*•)

Gleichviel, ob sie einer Privatperson zustehen, oder in einem öffentlichen Jntere e begründet sind, z. B. Anh. §. 163. zu §. 108. I. 24. AG O

")

1. 4. §. 4. D. II. 11.

Leerster, Preuß. Privatrecht.

13

Crfke Buch. Di« Snmdirgrifft.

194 §. 42.

Milwirkavg, Stellvrttrrtuog und uachtriigliche Zustimmung.

v. Daniele l. S. 275.-283.

II. 213.

Koch. Pr. R. I. 265.

R. d F. II. 555.

Unterholzner, quellenmäßige Zusammenstellung der Lehre des römischen R. v.

d. Schnldverhälwiffen, 1840 B. 1. S. 186 fg.

Gavigny, System III. 90.

Wächter 11. S. 675. 684. 739. Bucht», die Lehre v. d. Stell»

Obl. R. II. 21.

Puchta, Pandekten und Bor«

Vertretung bei Eingehung von Verträgen,

1852.

lesnngen §. 52. 53. 273.-279.

Handelsrecht

Thöl,

3. A. I. §.25. Anm. 2.

Dernburg in der kritischen Zeitschr. s. d. ges. R.W. B. 1. S. 1. in der kritischen Ueberschau

v. Scheurl

Br inz, kritische Blätter H. 2. 1852.

B. 1. S. 315.

Ruhstrat über Saviguy'S Lehre v. d. Stellvertretung 1854.

Iheriug, Mit­

wirkung für fremde Rechtsgeschäfte in s. n. Gerber'- Jahrbüchern B. 1. S. 273.

v. Scheurl daselbst B. 2. S. 1. 129. 162.

Jhering daselbst

Sinterns I. §. 17. S. 145.

B. 2. S. 70.

Unger II.

Windscheid I. 155. 186.

Die Regel ist, daß die aus einer Handlung (einem Rechtsgeschäft)

entstehenden Wirkungen, das Recht und die Verpflichtung, sich unmittel­

bar auf die handelnden Personen selbst beziehen.

schehen,

daß noch

gleichwohl von

andere Personen bei

Es kann aber auch ge­

diesen Handlungen thätig und

diesen Wirkungen ausgeschlossen sind, oder daß die Wir­

kung überhaupt nicht der handelnden Person, sondern einer anderen zu­

fällt, die durch diese vertreten worden ist.

Es können bei einem Rechts­

geschäft Personen thätig sein entweder neben oder statt derjenige», auf

welche sich dessen Folgen beziehen.

Dies sind die Fälle der Mitwir­

kung und der Stellvertretung.

1. Die Mitwirkung bei der Handlung eines Anderen ist zunächst ein in allen LebenSverhältnissen vorkommender allgemeiner Begriff, der alS

solcher für das Rechtsgebiet kein Interesse hat.

muß sich' die Mitwirkung selbst als

Um dieö zu erlangen,

eine juristische Handlung darstellen,

d. h. alS eine solche, die das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts bedingt. ES ist keine juristische Handlung, wenn ein Bote schriftlich oder mündlich

die Bestellungen

zwischen den Personen, die das Rechtsgeschäft errichten,

hin und her trägt, wenn ein Telegraphcnbeamter die Depesche befördert,

ein Diener den Gegenstand

deS Geschäfts herbeiholt oder herrichtet, und

eS ist daher müßig, sich darüber zu streiten, ob solche Mitwirkung eine faktische oder natürliche genannt werden sollDie mitwirkende Person

1)

Jhering a. a. O. I. 275. unterscheidet zwischen den juristischen uud faktischen Elementen einer Handlung und hiernach sakrische und juristische Mitwirkung; jene sind Dienstleistungen rein physischer, sakrischer Art. Solche Dienstleistungen liegen aber außerhalb des Recht-gebiets. Insofern ist Unger'« Widerspruch (II. S. 130. Note 3 j begründet. Wenn dieser aber der juristischen eine natürliche Mitwirkung entgegensetzt, und diese auf die rein tbanächliche Hervorbringung eine« bloßen Zeichens de« Willens des eigentlich Handelnden beschränkt, jo hat er damit doch auch noch nicht für die Mitwirkung „juristisches Interesse" gewonnen. Es ist, seitdem Savigny den Begriff des Stellvertreters durch den Gegensatz des Bolen klar machen wollte, so zu sagen Sitte geworden, die Thätigkeit de« bloßen Botenlau.

K. 42.

Mitwirkung, Stellvertretung und nachträgliche Zustimmung,

ist hier nur Gehilfe in äußeren Dingen,

195

sie bethätigt nicht ihren eignen Dagegen erhält die

Willen für da- Zustandekommen des Geschäfts').

Mitwirkung einen juristischen Charafter, und wird zu einem Rechtsbegriff, wenn sie zum giftigen Abschluß des Geschäfts in formeller oder materieller Beziehung

nothwendig ist.

In ihrem Begriff liegt es, daß diejenigen

Personen, die das Geschäft angeht,

selbst handeln, der anderen Person

aber dabei bedürfen, damit daS Geschäft zu Stande komme'). hier Haupt-

und Nebenhandlung nebeneinander,

durch die letztere ergänzt wird.

ES stehen

von denen die erstere

So bedürfen in formeller Hinsicht manche

Geschäfte der Zuziehung von Zeugen, sei eS, daß daS Gesetz diese Mit­ wirkung zur Giltigkeit des Geschäfts erfordert (SolennitätSzeugen), oder daß sie zugezogen werden müssen oder fteiwillig zugezogen werden, um den Beweis des Geschäfts zu sichern (Beweiszeugen)'); andere Geschäfte be­ dürfen in formeller Hinsicht der Mitwirkung des Gericht- oder No­

tars, die hier instrumentirend thätig sind'). In materieller Hinsicht aber ist zur Giltigkeit des Geschäfts zuweilen der Beitritt, die Zustim­ mung oder Genehmigung einer anderen Person oder Behörde noth­ wendig, so des Vaters'), Ehemann-’), Vormund-"), des Gericht-'), der vorgesetzten Aufsichtsbehörde'"), de- Landesherrn"). feite, des Forttragen« und Ueberbringen» einer fremde» Willen-äußerung m ju­ ristischen Werten zu erörtern, und diese Thätigkeit hat doch nicht im entferntesten eine juristische Eigenschaft. ’i

Darum ist auch Willensfähigkeit des Gehilfen nicht erforderlich, er ist nut In­ strument. Daß der Spezifikant bei der Verarbeitung des Stoffs sich eines Ge­ sellen bedient, daß der Eigenthümer feine Sache durch den Bedienten wegwerfen läßt, bringt den Gesellen oder Bedienten in keine juristische Beziehung zur Spe­ zifikation oder Dereliktion.

3) Iheriug a. a. O- S.291 fg.

Unger S. 131.

Wächter ®.684.

♦)

Der Unterschied von SolennilätS- und BeweiSzeugen ist von Iheriug S. 293 nicht richtig bestimmt. Ob ihre Zuziehung zum Geschäft nothwendig oder frei­ willig ist, ist gleichgiltig. Die Parteien können ebenso nur zur Erhöhung der fei­ erlichen Form, die sie ihrem Geschäft geben wollen, Zeugen herbeirufen, al» andererfeit» das Gesetz zur bloßen Beweisficherung ihre Zuziehung in einzelnen Fällen vorfchrcibt. U n g e r S. 132 Note 13. Beispiele au» dem preuß. R. Solenniläl-zeugen sind die bei der Aufnahme von NotariatSinstrumenleu zuzuziehendeu. Not. Ord. v. 11. Juli 1845. Solche Zeugen müssen bestimmte persönliche Eigenschäften haben. Beweiszengen sind die Unterschrift-beistände bei Analphabeten. 1. 12. §. 115. 116. 1. 16. §.93.

>)

Z. B. §. 566. I. 9. §. 66. I 12. §. 216. II. 2. §. 29. II. 4. ®ef. v. 20. März 1837 über Gütergemeinschafts-Verträge. Gef. v. 11. Juli 1845 über die Form einiger Rechtsgeschäfte- Diese Beispiele kömiten noch sehr vermehrt werden.

«)

11. 1. §. 45. 46.

')

II. 2. §. 320.

II. 2. §. 124.

I. 5. §. 11.

•)

1. 20. §. 227. II. 1. §. 858II. 2. § 667. Frauenbürgschaften I. 14. §. 221.

'«)

Siädte-Ordn. v. 30. Mai 1853 §. 50.

")

II. 1. §. 836.

II. 2. §. 601.

Mitwirkung

des Gericht»

bei

Erst« Bach. Die Ötmibbtgrifft.

196

Viel wichtiger auf dem Gebiet des Privatrechts ist

2. die Stellvertretung").

Zwar auch

sie ist ein allgemeiner

Begriff, der erst eine besondere juristische Eigenschaft erhalten muß, um

ein Recht-begriff zu werden.

Charakteristisch ist ihm, daß eine Person

für eine andere eine juristische Handlung vornimmt in der Absicht, daß ihre Wirkung der letzteren zufalle. Es ist also der Wille de- Handelnden zur Erzeugung der rechtlichen Folgen nothwendig,

die Richtung, den Inhalt haben, ren gelte,

pnd dieser Wille muß

daß die Handlung als die eines Ande­

d. h. daß dieser daraus berechtigt

oder verpflichtet werde").

Romanisten, die davon ausgehen, daß die aus den Quellen entwickelten Ansichten der Römer die Rechtsbegriffe an sich feststellen und eS verken­

nen, daß sie aus chnen nur die römischen Anschauungen und Vorstellun­ gen von den Begriffen entnehmen sollen,

behaupten bis in neueste Zeit,

daß, weil die Römer eine Stellvertretung durch freie Personen nicht aner­

kannt haben, eine solche auch überhaupt begrifflich unzulässig sei ").

Dem

gegenüber ist jetzt die Ansicht der überwiegenden Mehrheit der Civilisten''') die, daß im heutigen Recht die Stellvertretung, der Rechtserwerb und die Rechtsverbindlichkeit durch freie Personen

unbeschränkt und unmittelbar

stattfindet. ES kann auf sich beruhen, ob diese Umwandlung des alten römischen Grundsatzes sich schon im römischen Recht allmählig vollzogen hat — wie Savignh behauptet — oder ob sie in die Zeit der moder­ nen Rechtsbildung seit den Glossatoren fällt — wie Buchka nachweist; in den neueren Gesetzgebungen ist sie auf Grund des unstreitig festgestell­

ten deutschen Gewohnheitsrechts") anerkannt. dingt:

„Sachen und Rechte können

Das A.L.R. sagt unbe­

durch Handlungen eines

Dritten

erworben werden").

Sie ist

la)

Unger S. 133. faßt die Stellvertretung als juristische Mitwirkung auf. aber nicht ein Mit- sondern ein Al le in handeln.

'*)

Brinz a. a. O. S. 4. definirt scharf und richtig: Stellvertretung ist Vollsüh» rung fremder Geschäfte nicht nur der Wirkung, sondern auch dem Willen nach. Scheurl in der krit. Zeitschr. B. 1. S. 320: Vornahme einer juristischen Hand­ lung, welche an sich einem Andern zukommt, mit der Absicht, die derselben eigen­ thümlichen rechtlichen Wirkungen für den Andern so hervorzubringen, als ob dieser selbst Urheber der Handlung wäre.

,4)

Diese altrömische Ansicht vertreten besonders Puchta, Thöl, Bangerow III. S. 313 sg. (6. A.)

1 *)

Savigny, Brinz, Buchka, Dernburg, Scheurl, Arndts §. 76., Sinteniö II. §. 102. Note 15. 54. (2 A.), Keller §. 61., Windscheid §. 73., Unger.

,e)

Die- ist hinlänglich bezeugt durch Buchka's dogmengeschichtliche Ausführung, bef. ß. 17. Siehe dazu die Rezensionen von Dernburg und v. Scheurl a. a. O.

,7)

I 13. §. 1. Oestr. Ges. B. §.1017. 1018. Code a. 1998. §.1.2. ZachariL II. S. 522. Sächs. P. B. §. 788. Bairischer Entwurf v. 1861 Hauptstttck 1. §. 31.—33. nehmen alle direkte Stellvertretung an.

§. 42. Mitwirkung, Stellvertretung und uachKLgliche Zustimmung.

Die Stellvertretung tritt in zwiefacher Weise auf.

197

Entweder wird

von dem Bertteter ausdrücklich erklärt, daß er das Geschäft für einen Anderen vornehme, daß dieser, nicht er, daraus berechtigt oder verpflichtet

sein soll — dann wird dem Dritten gegenüber der Betretene unmittel­ bar berechtigt oder

verpflichtet, die Klagen aus dem Geschäft stehen ihm

und gegen ihn zu").

Oder der Bertteter giebt eine solche Erklärung

nicht, hat aber gleichwohl die Absicht, das Geschäft für den Anderen ein­

zugehen — dann wird der Vertretene dem Dritten gegenüber nicht ver­ pflichtet oder berechtigt, vielmehr ist dies der Bertteter Und nur durch

eine zweite Rechtshandlung kann die vom Bertteter erworbene Berech­ tigung wohl auf den Vertretenen übertragen werden,

aber gegen den Dritten

bleibt bei dem Vertreter"1).

die Berpflichtung Hier erscheint der

Vertreter als Zwischenperson (interposita persona), die Stellvertretung

bleibt still, ist dem Dritten nicht kund gegeben, für ihn eine nicht vorhan­

dene Thatsache'").

ES leuchtet ein, daß eigentlich Stellverttetung nur im

ersten Fall vorliegt, weil im zweiten nicht das Rechtsgeschäft selbst, wie es äußerlich erkennbar hervortritt, vom Vertreter an Stelle eines Andern sondern für sich abgeschlossen wird; erst durch ein neues, besonderes Ge­ schäft werden die Wirkungen des ersteren auf den Vertretenen übertragen. Stellverttetung ist keineswegs bei allen Rechtsgeschäften möglich: wonach

dem Wesen des Rechts die Person selbst handeln muß, dieser Handlung zugehören, ist sie ausgeschlossen.

zum Theil im Erbrecht"), bei Delitten").

der die Folgen

So im Familienrecht"),

Ihre eigentliche Anwendung

hat sie auf dem Gebiet des BermögenSverkehrS, und hier ist ihr Zweck, entweder die fehlende Handlungsfähigkeit zu ergänzen") oder allerlei mög­ liche thatsächliche Hindernisse in der Person dessen, der das Geschäft für

sich errichten will, zu beseitigen.

*•)

I. 13. §. 85.153. 6e muß ausdrücklich bet Vertreter mit dem Dritten alleno nomine verhandelt haben.

19)

Suo nomine, dann gilt die Handlung dem Drittm gegenüber als die eigene des Vertreters. Buchka S. 207 fg. 230sg. A.L.R. 1. 13. §. 1.90.154.

30)

Die von Sigel bei Ihering I. S. 350. vorgeschlagene Bezeichnung „stiller Stellvertreter^ im Gegensatz zum offenen ist keineswegs ganz unpassend, wie Unger S 135 Note 23. meint, f. Arndts, Pand. §.76. Aum. 1- Ihering nennt ihn Ersatzmann, Scheurl im Anschluß an den quellenmäßigen Ausdruck interposita persona, Zwischenperson.

Sl)

Eheschließung II. 1. §.167. vatpersonen ganz versagt.

Tranung durch Prokuration ist im preuß. R. Pri-

")

Testamentserrichtung I. 12. §. 9 sg.

")

I. 6. § 50 sg 61. Der Vertreter ist immer physischer, tellektueller Urheber des Delikts sein.

341

I. 5. §.10. II. 18. §.250. Das vormundschaftliche Gericht ist nicht Stellver­ treter des Mündels, sondern nur Attssichtsbehörde des Vormundes.

der Vertretene kann in*

Crfct Buch. Dir Dnmd-rgriff«.

186

ES darf in den Begriff der Stellvertretung nicht da- Moment aus­

genommen werden, daß der Vertreter zur Vornahme der Handlung befugt

(legitimirt) sein muß,

denn dies ist nur die nickt ausnahmslose Regel.

Wo eine besondere Befugniß vorliegt,

bildet diese den RechtSgrund der

Vertretung und für die daraus dem Vertreter gegen den Vertretenen er­

wachsenden Ansprüche.

Solche RechtSgründe sind entweder ein Gewalt­

verhältniß zwischen dem Vertreter und Vertretenen"), oder ein vom

Willen. deS Vertreters ausgehender Auftrag (Vollmacht)").

gehört auch die Vertretung einer Korporation

Ausnahmsweise

und unter

Hierher

durch ihre Beamten"'».

bestimmten Voraussetzungen wirkt die Stell­

vertretung ohne eine solche besondere Begründung, durch die Thatsache, daß ein fremdes Geschäft besorgt worden ist"). Ueber alle diese Fälle kann näher erst im besonderen Theil deS Systems gehandelt werden.

Der

letzte Fall führt aber noch zur Betrachtung eines allgemeinen Rechtsbe­ griffs, nämlich 3. der nachträglichen Zustimmung (ratihabitio).

Sie ist die

einseitige Erklärung, daß man ein Rechtsgeschäft, welches Andere errichtet

haben, und bei welchem man selbst bethciligt ist, genehmige.

Im weite­

ren, aber uneigentlichen Sinn kann man auch die nachträgliche Genehmi­

gung des eignen Geschäfts, um die Verpflichtung zu verstärken oder unan­ fechtbar zu machen, so nennen, dann fällt sie aber mit dem §. 41. erör­

terten Anerkenntniß zusammen.

die Ratihabitton,

Ihre häufigste Anwendung hat hiernach

wenn entweder dritte Personen ein Rechtsgeschäft ab­

geschloffen haben, aus welchen für den Erklärenden berechtigende oder ver­

pflichtende Wirkungen hervorgehen

sollen und

hier ist die nachträgliche

Zustimmung entweder ein Beitritt zu diesem Geschäft, welches gleichwohl das Geschäft der Anderen bleibt, oder eine Genehmigung, wenn die dritte

Person stellvertretend ohne Auftrag gehandelt hat. Z» beiden Fällen wirkt die Erklärung rückwärts"), sie muß alle Erfordernisse einer gilti-

a5)

Hier weicht das preuß. Recht, dem der römische Begriff der potestas unbekannt ist, wesentlich vom gemeinen Recht ab. In diesem ist Grundsatz, daß Hausväter unmittelbar durch die Handlungen der Hauskinder berechtigt und verpflichtet wer­ den. ES ist dies eigentlich keine Stellvertretung, denn die Folge tritt auch ein, wenn das tfinb für sich, nicht Namens des Vaters handelt. Nach preuß. R. erwerben'die Binder für sich, und vertreten den Vater nur, wenn sie ihm in Wirthschaft und Gewerbe helfen. Soll der Vater durch das Kind ohne besonde ren Auftrag oder Genehmigung verbindlich gemacht werden, so taun dies nur auf Grund nützlicher Verwendung eintreten. A.L.R. II. 2. §.121. 123. 124. 126. 129. 130. Ehefrauen vertreten den Mann in der Haushaltung, bei nützlicher Verwendung, Krankheit und Abwesenheit. II. 1. §.202. 326. 328.

’•)

l. 13. §. 4. 5 fg.

a7)

11. 6. §.114.147. 154.—158.

»•) I. 13. §. 228 fg.

ae) 1. 7. D IV. 28: omnis ratihabitio retro trab itur et confirmat ea,

quae ab

gen Willenserklärung haben, auf genauer, vollständiger Kenntniß des zu genehmigenden Geschäfts beruhen, welche» durch die Ratihabition mit allen feinen Wirkungen das eigne de» Ratihabirenden wird. Die Erklärung kann auch durch schlüssige Handlungen"), also süllschweigend erfolgen. Ein von Anfang nichügeS Rechtsgeschäft kann nicht raühabirt werden. War von denen, die dasselbe errichteten, für die nachträgliche Zustimmung eine Frist gefetzt, so muß diese inne gehalten werden.

§. 43. Auslegung der Rechtsgeschäfte. A.L.R. I. 4. §. 65.-74. I. 5. § 252.—269. Heydewann I. 174. Bornemann, R. Gsch. S. 144. Loch, Pr-R. I. 262. v. Daniel« 1. 285. Wächter II. 774. Unger II 104. Note 5. Böcking I. 414.

DaS römische Recht sagt sehr bezeichnend: in ambiguo sermone non utrumque dicimus, sed id dumtaxat, quod volumus. Itaque qui aliud dieit, quam vult, neque id dicit, quod vox significat, quia non vult, neque id quod vult, quia id non loquitur *). Die Ausle­ gung muß sich also darauf richten, daß die Erklärung dem Willen de» Erllärenden gemäß fei, sie muß den Willen erforschen und zwar bei ein­ seitigen Geschäften allein den des Erklärenden, bei zweiseiügen den über­ einstimmenden beider Theile. WaS im letzteren Fall der eine Theil sich noch besonders gedacht oder besonders beabsichttgt hat, und nicht In­ halt des Geschäfts geworden ist, ist anch nicht Gegenstand der Auslegung. Ist zwischen Erklärung und Wille ein Widerspruch, so ist jene wie dieser bedeutilngsloS (3. B. bei Irrthum, Schein, Scherz). Bei Handlungen kommt es wesentlich auf ihre Schlüssigkeit an, es muß von ihnen der Rückschluß auf den Willen gemacht werden können. Bei mündlichen oder schriftlichen ErNärungen müssen die Worte und Zeichen gedeutet werden. Diese sind nach ihrer gewöhnlichen Bedeutung zur Zeit al» und an dem Orte'), wo die Erllärnng abgegeben wurde, und mit Rücksicht auf den initio subsecuta sunt. 1. 25. C. V. 16: ratihabitiones negotiorum gestorum ad illa reduci tempora oportet, in quibus contracta sunt. Der Grundsatz gilt auch sür da- preuß. R., z. G. I. 5. §.11 sg. 40 sg. §. 46 sg. §. 75. I. 11. §. 23. 1. 13. §. 51. 142. 234. 239. 1. 14. §. 115. l. 20. §. 72. II. 18. tz. 550 sg. 30) 1. 5. D. XLVI. 8: non tantnm verbis ratum baberi posse, sed etiam actu. A L R. I 13. §.51. 241.242. ' - 1. 3. D. XXXIV. 5.

1) Wächter, Arch. s. civil. Prax. B. 19. S. 114 sg. 1. 34. de R. J. id sequamur, quod in regione frequentatur. Striethorp B.29. S.265.

Crftet Buch.

200

Dir Grundbegriffe.

Sprachgebrauch bei Erklärenden, falls dieser ein abweichender ist, zu neh­ men').

Giebt Jemand im Namen eines Anderen eine Erklärung ab, so

kommt e- auf den Sprachgebrauch des Ersteren

und nur dann auf den

de- Letzteren an, wenn dieser bestimmte Worte vorgeschrieben hat.

Kunst-

au-drücke und besondere Redensarten sind nach ihrem Gebrauch zu interpretiren.

Bleibt trotzdem der Sinn der Worte zweifelhaft, so muß man

die Absicht des Erklärenden zu erforschen suchen, welche bei anderen Ge­ legenheiten vielleicht deutlicher geäußert ist, wenn nicht etwa erhellt, daß er

eine frühere Erklärung durch eine spätere ändern wollte. Kommt man so muß man dahin interpre-

auch auf diesem Wege zu keinem Ergebniß,

tiren, daß die Willenserklärung nicht wirkungslos fei').

Endlich,

ist sie

zwar nach den Worten klar, aber nach ihrem Inhalt unbestimmt, so ist

auf die von den Gesetzen ausgestellten Bestimmungen zu achten, B. daß man im Zweifel für daS Geringere, weniger Lästige'), oder gegen den interpretirt, dessen Sache eS gewesen wäre, sich deutlicher und bestimmter zu äußern.

Nur bei einseitigen, freigebigen Erklärungen soll zum Vor­

theil des Urhebers ausgelegt werden6).

Ganz unverständliche Aeußerungen

sind bedeutungslos').

Widerrechtliche Handlungen.

§. 44.

A.L.R. I. 6. Bornemann, Syst. I. 121. Koch, Pr. R. I. 270. — Wächter II. 776. Unger II. 228. Söcking I. 353. Windjcheid I. 235. Die Handlungen, ans denen Rechtswirkungen §. 25. eingetheilt in rechtliche

erlaubte.

hervorgehen,

wurden

und widerrechtliche oder erlaubte und un-

Die ersteren, die Rechtsgeschäfte, sind bisher erörtert, es bedarf

jetzt noch einiger allgemeiner Bemerkungen über die letzteren. Als widerrechtlich wird auf dem Gebiet des PrivatrcchtS jede Hand­

lung angesehen, welche ohne RechtSgrund verletzend Rechtssphäre einer anderen Person eingreift.

letzung trifft entweder ein

oder störend in die

Diese Störung, oder Ver­

zwischen dem Handelnden

und

dein Andern

schon bestehendes Rechtsverhältniß, welches nicht bloß obligatorischer Natur

•) Gewöhnliche Bedeutung: Striethorst B. 1. S. 165. B 28 S. 71. B. 32. S. 438. 1. 50. D. de leg. I. 1. 15. C. VI. 42.

Lnisch.

«) 1. 12. 21. 0. XXXIV. 5. 1. 81. tz.3. D. de leg. I. 1. 34. §. 1. de leg. II. 1. 65. §. 1. I. 80. de V. 0. 1. 10. pr. D. V. 2. 1. 4. pr. D. XXVIII 7. 1. 219. de V. 8. Striethorsi B. 23. S. 159. B. 31. S. 301.

-) 1. 9.

1. 34. D. de R. J.

•) 1. 85.

1 12. de R. 1.

7) 1. 73. §. 3. de R. J.

1. 99. pr. de V. 0.

c. 26. X II. 27.

1. 10. pr.

1. 27. D. XXXIV. 5

1. 2 D. XXXIV. 8.

$.44. VidenechSiche Haudkmga.

201

fein, sondern auch auS anderen Gründen entstanden sein kann, oder nicht.

In beiden Fallen erwachsen dem widerrechtlich Handelnden Pflichten, die in dem ersteren da- verletzte Rechtsverhältniß modifiziren, indem sie ent­

weder die noch möglich gebliebene Erfüllungspflicht erweitern (z. B. Ver­ zugszinsen'» oder, wenn diese unmöglich ober interesselos geworden, sie in eine Pflicht auf Ersatz des Intcreffe, auf Schadloshaltung, umwandeln,

im letzteren Fall eine

neue Obligation auf Schadenersatz erzeugen.

Die

Voraussetzungen der unerlaubten Handlungen find folgende: a. die Hand­

lung muß wirklich ein Recht verletzen,

weder eine bloß versuchte Ver­

letzung noch die Nichterfüllung einer nur sittlichen Pflicht gehören hierher; b. die Handlung muß dem Handelnden zuzurechnen, aus seinem freien Willen hervorgegangen (§. 2?.); c. sie muß widerrechtlich, d. h. ohne

RechtSbefugniß zu ihrer Vornahme, geschehen sein und d. sie muß in ur­ sächlichem Zusammenhang mit der Beeinträchtigung stehen.

können privatrechtlich

Unterlassungen

nur als unerlaubte Handlungen betrachtet werden,

wenn durch sie ein zwischen

den Parteien bestehendes Rechtsverhältniß

beeinträchtigt wird oder wenn ein solches zwar nicht vorliegt, die Unter­ lassung aber unter mehreren möglichen Arten des Gebrauchs des eignen Rechts die dem Andern nachtheiligste ist.

2. Abtheilung. Thatsachen.

§. 45.

Zeitablauf.

Berechnung der Zeit.

A.L.R. I. 3. §. 45.-49. Hkydemann 1. 166. Gruchot I. 139. Koch. Pr. R. 1. 398.-404. — Wächter II. 803. Savigny IV. S. 297 sg. §. 177.—480. Bbcking I 433.-448. Unger II. 247. 286. 291. Sinteni« I $. 26. Windscheid I. 238.239. Außer den Handlungen haben auch mannichfache erzeugenden, erhaltenden

Thatsachen einen

oder vernichtenden Einfluß auf die Berechtigun-

gen, und unter diesen hebt sich besonders die Zeit hervor, die noch einer näheren Erörterung bedarf (§. 24.). Nicht sowohl, weil alles menschliche Thun und alle Begebenheiten an

die Zeit gebunden sind, sondern weil auch die Zeit selbst an sich, unab­ hängig von den in ihr eintretenden Begebenheiten, auf das Recht wirkt, kommt sie hier zur Sprache.

Das A.L.R. knüpft die wenigen Bestim-

mungen, die es über die Zeit und ihre Berechnung giebt,

an die Vor­

schriften über Handlungen, und dies nicht ohne Grund, sofern grade diese

besonders das zeitliche Moment in sich tragen.

Aber dies ist nicht die

Die Gnmdtegrifie.

®t|tee Buch.

SOS

einzige Rücksicht, welche zu beachten bleibt.

Wie der Wille de- RechtS-

subjekts Rechtsverhältnisse an bestimmte Termine binden kann, so daß sie

entweder bis dahin, oder von da ab wirken, ist §. 38. gezeigt.

Außerdem

sind manche Rechte an eine gewisse Frist geknüpft, so daß ihre Ausübung nur bis zum Eintritt derselben gestattet ist, und nach unbenutzt verstriche­ ner Frist sie nicht mehr auSgeübt werden dürfen.

Hier kommt die Zeit

nur als ein einzelner Zeitpunkt in Betracht, nicht nach ihrem Verlauf

bis dahin; vorzüglich aber äußert die Zeit auch als Zeitdauer, als fort­

laufend, rechtliche Wirkungen, z. B. bei fortgesetztem Besitz, andauerndem Dian faßt diese Einwirkungen unter der

Nichtgebrauch einer Befugniß.

Bezeichnung Verjährung zusammen: ob mit Recht, wird unten besprochen

werden. Für alle diese Verwendungen der Zeit auf dem Rechtsgebiet ist es von Wichtigkeit zu wissen, wie sie berechnet wird. Die Zeit wird in ein­

zelne Theile zerlegt,

Jahre.

welche Zeittäume bilden.

Tage,

Wochen, Monate,

Diese können in doppelter Art berechnet werden: entweder kalen­

dermäßig, so daß der Anfang-

nnd Endpunkt mit dem

des Kalenders

übereinstimmt (civile Berechnung), oder indem der Anfang auf einen will­

kürlichen Zeitpunkt gesetzt wird, sich durch eine Willenserklärung oder That­ sache besttmmt, und dann hiernach auch der Endpunkt sich richtet (a mo-

mento ad momentum).

Die Zeitdauer ist in beiden Fällen die gleiche,

d. h. ein Tag hat 24 Stunden, die Woche 7 Tage. Bei den Monaten wird ihre verschiedene Länge regelmäßig nicht beachtet: nur bei einer auf

Monate eingeschränkten Verjährung soll ein solcher immer zu 30 Tagen

genommen werden').

Auch

die

verschiedene Länge deS Gemein- und

Schaltjahrs findet im Recht keine besondere Beachtung.

(dies intercalaris, bissextum ante Cal. Mart.),

der

Den Schalttag

zwischen

den 23.

und 24. Febr. je im 4. Jahr eingeschoben wird, betrachteten die Römer mit dem vorangehenden 23. als einen Tag'), so daß ein am 29. Febr. begonnener Zeitkauf am 28. Febr. des Gemeinjahrs, nnd ein am 28. des

Gemeinjahrs begonnener am 29. des Schaltjahrs endigt.

Und dies ist

auch insofern die heuttge RechtSanffassung, als regelmäßig er nicht beson-

*)

A. L. R. I. 9. §. 550. Au« dieser für einen bestimmten Fall ausgestellten Regel kann man nicht schließen, daß der Monat immer aus 30 Tage zu berechnen sei, rote die« von gemeinrechtlichen Schriftstellern vielfach behauptet wird. Savigny

S. 337. und viele Andere vertreten diese Ansicht, die besonder« von Dachosen in der Zeitschr s. Dvilr. u. Proz. B. 18. S. 350. Wächter II. S 824. Note6. Unger S. 588. Note 11. bekämpft wird, der sich jedoch S. 290. Note 15. durch Koch, Pr. R. I. S. 400. Nr. 3. Hai verleiten lassen, §.550. I. 9. A.L.R. zu verallgemeinern. E« hindert nichts, nach preuß 9L Monatsfristen, wie e« für das praktische Bedürfniß offenbar da« zweckmäßigste ist, nach dem Datum de« Tage« zu rechnen, so daß §. 550. nur Ausnahme ist. ')

1. 98. D. de V. S.

1. 3. §. 3. D. IV. 4.

45. Berechmmg bet Zeit.

203

derS gerechnet wird'), wenngleich er im täglichen Leben als besonderer Tag gilt.

Nur bei Fristen von Tagen,

wird er als ein besonderer Tag

mitgezählt. Die im römischen Recht vorkommende unterbrochene Berech­ nung des Zeitkaufs, bei welcher nur das s. g. tempus utile berücksichtigt

wird, ist im heutigen Recht unpraktisch; hat der Zeitlauf einmal begon­ nen, so geht er ununterbrochen bis an seinen gesetzten Endpunkt. WaS aber die'oben erwähnte Rechnung von Moment zu Moment betrifft, so tritt hier

die Schwierigkeit hervor,

daß der Moment des Anfang- auf

Sttinde oder Minute selten mit Sicherheit zu ermitteln ist.

Deßhalb ist

auf dem Rechtsgebiet Regel, daß der von Mitternacht bis Mitternacht')

dauernde Tag als kleinster, nicht mehr weiter thrilbarer Zeittheil ange­ sehen werden soll').

Beträgt jedoch der Zeitlauf weniger als einen Tag,

oder grade 24 Stunden, so muß allerdings die Stundenzahl entscheiden *).

Der Anfang oder das Ende eines Zeitraums fällt also regelmäßig auf einen Tag als Einheit gedacht, d. h. sein 24stündiger Verlauf ist nur ein

Zeittheil, so daß alles,

was an demselben Tage wenn auch in verschiede­

nen Stunden geschehen ist,

als gleichzeitig

eingetreten angesehen

wird.

Der AnfangStag ist derjenige, in dessen Dauer die bestimmende Thatsache

hineinfällt, und er ist, wenn nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt worden, auch der erste der laufenden Frist, er wird in dieselbe eingerech­

net^).

Bei dem Endtag aber fragt es sich,

Moment entscheidend erreicht,

ob dessen erster oder letzter

Im ersten Moment ist die Frist erst

sein soll.

im letzten dagegen vollendet: er müßte also eigentlich ebenfalls

eingerechnet werden.

In.Uebereinstimmung aber mit dem römischen Recht')

hat auch das preußische den Grundsatz: soll ein Recht an einem bestimm­ ten Tage erworben werden, so entscheidet der Anfangspunkt desselben, soll

eine Verpflichtung erfüllt werden,

so entscheidet sein Endpunkt').

Die

*) AL R. I 9. §. 548.549. Wenn auch hieraus nicht grabe geschlossen werben bars, daß da« A.L.R. den 23. und 24. Febr. wie die Römer als einen Tag an­ sieht, so führt seine Nichtbeachtung bei der Berechnung doch ans dasselbe Resultat. Unger • Trib. geschehe» ist: Entsch. 8.14. S. 225. u. B. 40. S. 13.

••)

In der preuß. Praxi« ist der Unterschied von LerjLhrung u. Frist besonder« in Bezug ans §. 158. I. 14. A. L. R. zur Sprache gekommen und er ist in richtiger Weise sestgeftellt durch den Pl. Beschl. v. 6. Dezbr 1858. Entsch. B. 40. S. 1. I. M. Bl. 1859 S. 27. Striethorst B.48. S.321.

15)

Die einzelnm Fristen, die im A.L.R. Vorkommen, auszuzählen, hat kein Intereffe. Siehe Ergänzungen 2. Aust, zu §.500. I. 9. Die 4. Aust, hat da« Lerzeichniß der Fristen weggelassen. Koch Pr.R. I. 290. v. Daniel« IV. 202. Bor­ nemann II. 50.

212

Erst«» Buch.

Die Grundbegriffe.

sie sind peremtorisch, präkludirend, die des letzteren sind theils die«, theils nur mit 'anderen Fristen).

Nachtheilen

verbunden

(monitorische oder dilatorische

Bei der Verjährung endlich wirkt die Zeit durch sich selbst die

Rechtsveränderung,

sie erhält diese Wirkung nicht anderweitig, darum ist

die durch den Willen der Parteien, vertragsmäßig oder lctztwillig, festge­

setzte Zeitbestimmung (dies, §. 38.) keine Verjährung.

Fast nicht der Be­

merkung bedarf es, daß der Erwerb oder das Erlöschen einer bestimmten

Berechtigung durch Zeitablauf keine Verwandtschaft mit der Bildung oder dem Verschwinden eines allgemeinen Rechtssatzes durch Zeitablauf (Ge­

wohnheitsrecht) hat. Die erlöschende Verjährung besteht

in der durch den Nichtgcbrauch

eines Rechts herbeigefiihrten Befreiung eines Verpflichteten von der tiefem

Recht entsprechenden Verbindlichkeit. reichend.

Der Nichtgebrauch an sich ist hin­

Auch auS dieser Bestimmung folgt, daß die aufhebende Verjäh­

rung kein allgemeines Rechtsinstitut ist, sie setzt eine konkrete, entgegen­ stehende Verpflichtung voraus; wo diese fehlt,

Rechts einflußlos.

ist die Nichtausübung des

Durch Verjährung untergehen können, wie daSA.L.R.

selbst ausdrücklich sagt, nur die persönlichen Rechte an einen Andern (Obligationen), die einzelnen dinglichen Rechte auf das Eigenthuin eines Andern (die negativen und Untersuchungsrechte, Dienstbarkeiten)'"), beide

Fälle umfassen die römische Klagverjährung und den non usiis, und end­ lich die aus dem deutschen Recht entlehnte» s. g. radizirten Rechte, über

deren dingliche oder obligatorische Natnr man sich streitet, d. h. die Rechte auf jährliche Leistungen

oder Abgaben von einem bestimmten Grundstück,

die Reallasten und Realrechte oder in der Sprache des A.L.R. die affir­ mativen Rechte, eine Klasse, die in Folge der neueren Gesetzgebung über

Ablösungen wesentlich vermindert worden ist").

AnSgeschlossen sind von

der Verjährung durch Nichtgebrauch außer denjenigen Rechten, die, wie oben erwähnt, überhaupt keine Beziehung zur Verjährung haben: das Ei­ genthum, welches, so lange sich die Sache im Besitz deö EigenthümerS befindet, absolut unverjährbar ist"), und die s. g. Rechte der natürlichen

und allgemeinen bürgerlichen Freiheit, z. B. mit seiner Sache zu thun oder zu lasten, waS man will, soweit dadurch nicht ein Verbotsgesetz ver-

■•)

§.508. d. T.

1 ’)

§• 509. d T. Daß affirmativ« Richte (§. 80. I. 7.) durch Nichtgebrauch erloschen, ist anerkannt im Präj. 882 (Sammt. I. S. 35), daß sie durch Ersitzung erworden werden können, durch Pt. Beschl. v. 5. Febr. 1849 (Entsch. B. 17. S. 10. Z. M. Bl. 1849 S. 208). Es handelte sich hier um Verabreichung von Schärf, getraide. Ob hieraus folgt, daß oblig. Rechte besessen werden können, hängt da­ von ab, ob man §.80. I. 7. auch ans Obligationen bezicht. Ueber da« Unrichtige dieser Ansicht s. unten die Lehre vom Besitz an Rechten.

")

§.504. d. T.

Verjährung.

§. 46.

letzt wird ").

Mgemrtne«.

213

Die letzteren Rechte (die res merae facultatis) haben kein ihre Begriff-feststellung ist nur

juristisches Interesse,

nöthig

geworden

durch die allgemeine Abstraktheit, die man der Extinktivverjähnmg gegeben

hat").

so ist der Satz so, wie ihn

WaS aber da- Eigenthum betrifft,

§. 504. d. T. auSdriickt,

wenn der Besitz verloren gegangen,

recht immer verjährt,

Verlust des Besitzes

nicht dahin zn verstehen, daß das EigenthumS-

sondern der

ist nur dann und von dem Moment Anfangspunkt

der Extinktivverjährung, wenn und wann ein Anderer den Besitz ergriffen hat, und auch hier wieder nur dann, wenn diese Besitzergreifung unter

den Bedingungen der Ersitzung, ist.

also insbesondere

gutgläubig geschehen

Dem schlechtgläubigen Besitzer gegenüber, der unfähig ist, zu ersitzen,

geht daS EigenthnmSrecht durch Verjährung nicht verloren, wohl aber kann

gegen ihn die Vindikation verjähren, d. h. er darf nicht mehr angehalten werden,

die Sache herauSzugeben,

Dies aber, die Klagverjährung,

die Nutzungen zu erstatten u. f. w.

ist nicht gleichbedeutend mit dem Unter­

gang deS EigenthumSrechtS"), denn fällt später die Sache zufällig wieder

in den Besitz des EigenthümerS zurück,

schcnbesitzer keine Vindikation.

so hat der schlechtgläubige Zwi-

Die Ansicht von Suarez, daß, wer seine

Uhr über 30 Jahr verloren hat,

sein Eigenthum daran verliere, auch

wenn sie Niemand in Besitz genommen,

nicht ausgedrückt.

ist falsch und in §. 504. auch

Wenn er sie wiederfindet,

ist er nach wie vor Eigen­

thümer derselben"). Die Extinkttvverjährung erleidet also

auch nach preußischem Recht

nur auf einzelne bestimmte Klaffen Anwendung: auf persönliche Ansprüche und apf dingliche Rechte an fremdem Eigenthum.

Die erwerbende Verjährung verlangt mehr alS jene, nämlich außer dem Nichtgebrauch Daß

••)

von

diese Verbindung

der einen

Seite

noch Besitz

beider Erforderniffe ein

von

bet andern.

durch die naturrechtliche

§ 605. b.

*•) Unterholzner I

§.25.

Gruchot 8.7. S- 420sg.

2') Da» Eigenthum und da» dingliche R- ist nicht bloß Klage, wie die Obligation, f. oben §. 23. N. 3. S. 114. I. 8. §. 1. C. VII. 39. Savigny V. 368. Zm preuß. R- ist übrigen» bestritten, ob die Vindikation gegen den schlechtgläubigen Besitzer verjähre. Davon näher in brr Lehr« von der Vindikation. Da» O. Trib. be­ hauptet die Verjährbarkeit der Eigenthum»klage. Striethorst 8 24. S. 71. Entsch. B 12. S. 177. ist di« Verjährung de« Miteigenthnm» eine» Verschollenen am Nachlaß gegenüber den Besitzern desselben zugelasien, aber damal» war dm letzterm nicht mala fides nachgewiesen. Wenn dagegen die Enlsch. bei 6 tritt« horst B. 4. thum durch geht sie zu S. 417. und

S. 230. unter Beziehung auf jene Enlsch. ganz allgemein da« Eigen« Verjährung untergehen läßt, wenn der Besitz verloren gegangm, so weil und »ertarnt den Sinn de» § 504. A. M. Gruchot B. 7. die dort Eitirten.

11: Rave §. 18: Solam absentiam rei ex possessione veri domini nibil efficere ad praescriptionem, niai alter rem possideat

®rftee Buch.

214

Di« •tnetotgtiffe.

Schule vermitteltes deutschrechtliches Element ist, wurde oben erwähnt").

Es können also nur Rechte,

die Gegenstand des Besitzes sind, ersessen

werden, unzweifelhaft das Eigenchum, die einzelnen dinglichen und die deutschen, auf Grundstücke gelegten Rechte. DaS Pfandrecht dagegen ist der Verjährung entzogen, denn die Hypothek kann nur durch Eintragung entstehen, nicht durch Besitz, und das Faustpfandrecht verlangt zwar zu seiner Existenz unbedingt den Besitz an der Pfandsache, ist aber ebenso wenig Gegenstand der Ersitzung, als Pacht-, MiethSrecht und Leihe, die soweit

sie auf Besitz beruhen, dinglichen Charakter haben, weil Niemand sich den und sie dem Eigenthümer gegen­

Grund seines BefitzrechtS ändern darf,

über nm persönliche Berechtigungen

bleiben.

Dies führt weiter zu der

.Behauptung, daß auf das ganze Gebiet des Obligationenrechts die Acqui-

sitivverjährung keine Anwendung erleidet.

Es ist dies früher selbst für

das gemeine Recht nicht unbestritten gewesen: jetzt wird eS hier nicht mehr geleugnet''), aber für das preußische Recht wird wohl noch die Be­

hauptung festgehalten,

daß Obligationen Gegenstände des Besitzes und

Eigenthums sein, mithin auch ersessen werden können, und wenn auch die Anhänger dieser Meinung von vornherein 'zugeben müssen,

daß hiervon

wenigstens alle diejenigen Obligationen auszuschließen sind,

deren Wesen

in einer einmaligen, die Tilgung enthaltenden Erfüllung besteht, so sollen

doch alle diejenigen, welche die Eigenschaft eines längeren Bestandes, einer wiederholten Erfüllung haben, hierher zu rechnen sein").

Es kann noch

nicht erschöpfend erörtert werden, daß diese Theorie auch für das preußische

Recht dmchauS verwerflich ist;

auf

eine

spricht").

aber

Stelle

einzugehen, weil sie scheinbar grade die Ersitzung

ist

schon

hier

einer Obligation auS-

Eine DarlehnSforderung soll durch fortgesetzte Entrichtung von

Zinsen während 30 Jahren erworben werden, und zwar, wie eS aus­ drücklich heißt: „vermöge Verjährung." Und doch liegt hier eine Ver­ jährung nicht vor").

Daß diese Bestimmung aus der vielfach mißver­

standenen 1. 6. D. XXII. 1. hergeholt ist,

ist bekannt"),

aber wie in

") Not« 3. »»)

Wilda S.288fg.

,s)

Also namentlich, wenn eine Person an fremden Grundstücken, z. B. durch Reiten oder Fahren über bebaute- Land, Schaden angerichtet hat. Sächs. G. v. §. 490.

14)

Wilda S. 269.287.

i»)

Ebenso sächs. G.B. §.491.

i«)

Wilda S.280.

»’)

Wilda S.264.

")

Wilda S.294.

-oerster,

Feldpoliz. Ordn. §.5.

Preuß. Privatrecht.

Sächs.G.B. § 488.

Erste« Buch.

226

Die Grundbegriff«.

Pfandgeld"), dessen Höhe durch provinzielle Bestimmungen normirt wird")'. E- ist hierbei glejchgiltig, daß der Schaden von Mehreren gemeinschaftlich

verübt, das Pfandstück aber nur Einem genommen ist. der Schaden,

die Kosten

Berstrigerung de- Stücks, schätzung.

Pfandgeld.

Berichtigt werden

und da- Pfandgeld durch den Erlös aus der

welche zulässig ist drei Tage nach der Ab­

Im letzteren Fall heftet das Pfand nur für Kosten

und

Der Gepfändete hat das Recht, auf gerichtliche Verhandlung

anzutragen und dabei insbesondere die Einrede auszuführen, daß der Pfän­ der durch eigne Nachlässigkeit Schuld am Schaden trägt"). Die Pfändung wegen Schadens begründet den Gerichtsstand vor dem Gericht des Orts,

wo sie erfolgt ist, die Pfändung zur Abwendung einer Beeinträchtigung aber nur dann, wenn der Störer ein Ausländer ist"). Die Pfandkehrung, d. h. die eigenmächtige Wiederwegnahnte des Pfandes, und Wider­

setzlichkeit bei der Pfändung durch Thätlichkeiten oder Worte ist verbo­ ten"), und wird durch Verdoppelung oder Vervierfachung des Pfandgel­ des — abgesehen von anderweitig verwirkter Strafe geahndet: ebenso aber auch

jede Ausschreitung des Pfändenden bei Ausübung

Geldbuße oder schwererer Strafe belegt.

des Rechts mit

Unrechtmäßig befundene Pfän-

19) Wild a S. 313. 303. Das Pfandgcld ist nach deutschem Reckt eine Buße für da- beeinträchtigte Recht dcS Beschädigten. Nach A.L.R. soll cs aber auch statt de- Schadensersatzes gelten, wenn der Beschädigte sich damit begnügen will, nnd wenn wegen Störung gepfändet worden, verbleibt es dem Pfänder. Hierüber Wilds S. 304. Sächf. G. B. §. 493. giebt dem Pfänder die Wahl Mischen dem Pfandfchilling und der Forderung des Ersatzes. Nach Sntfck. B. 24. S. 356. haftet das Pfand nicht, wenn es das Eigenthum eines bei der Beschädigung unbe­ teiligten Dritten ist.

’•) Sntsch. B. 6. S. 82., wonach aus den provinzialrechtlichen Bestimmungen über Pfändung nur noch die Höhe deS PfandgeldcS gütig ist. Im Uebrigen sind sie durch das A.L.R. aufgehoben. Das Recht, Pfandgeld zu fordern, wird dadurch nicht beseitigt, daß durch das Uebertretcn des 2>iehs u. s. w. Schaden nicht entstanden ist. Entfch. B. 31. S. 402. Nach der Feldpol. Ordn. §. 12.13. ist da- Psendgeid immer nur einmal zu erlegen, wenn auch mehrere Personen in ihremMccht verletzt worden sind, und eS gebührt dem, der wirklich pfändet. Die Mitbetheiligten kön­ nen nur Ersatz ihres besonderen Schadens fordern. Auch Wälle dürfen vom Vieh nicht betreten werden, selbst wenn sie nicht Dämme sind, und eö ist gleichgiltig, ob da« Bieh zum Zweck .der Weide übergetreten ist, oder nicht. Entfch. B. 37. S. 108. Uebrigen« knüpft die Feldpol. Ordn, die Zahlung des Pfandgeldes nicht an die wirkliche Pfändung; sie kann auch ohne solche gefordert werden. §. 8. ") Wilds S. 272.

") Nach §. 449. d. T. muß der Gepfändete, wenn ihm während der gerichtl. Derhandlnng das Pfand zurückgegeben wird, für alles, was der Beschädigte zu ver­ langen hat, Kaution stellen; und nach §.456. muß der Beschädiger, wenn er Aus­ länder ist, Kaution stellen, daß er vor dem Gerichte des OrtS sich einlassen und was erkannt werden wird, gehörig befolgen wolle. Die« find im preuß. R. die einzigen Anwendungen der gemeinrechtlichen Cautio judieatum solvi und de judicio sisti. ") Wilds G. 285. a. E. 291 fg.

§.50.

Klage: Begriff, Bestandtheils, Arten.

227

düng verpflichtet zu vollständiger Genugthuung (Ersatz des Schadens und entgangenen Gewinns).

Von einigen Schriftstellern, z. B. Koch, wird auch das Zurückbe­

haltungsrecht als Art der Selbsthilfe aufgefaßt und im Zusammenhang mit derselben erörtert.

Allein dies ist unrichtig.

Die bloße Nichterfüllung

einer Verbindlichkeit, die Verweigerung der Erfüllung, die im Zurückhal­ ten liegt, ist noch nicht Selbsthilfe, dazu gehört eine wirkliche Thätigkeit

K

1.

Gerichtlich.

Die Klage.

Koch, Pr. R. I- S. 350.

A-L.R. Eitil. ß. 86.

Förster, Klage und

Einrede

Koch, Anleitung zur preuß. Prozeßpraxis, B. 1.

preuß. Recht, 1857.

nach

die gericht­

lichen Klagen und Einreden, 1860 (nur Formnlarbuch

fiir Prozeßsckriften). —

J. H. Böhmer, doctrina de actionibus, zuletzt 1787.

I. L. Schmidt, prakt.

Lehrb. von gerichtl. Klagen und Einreden, mit Zusätzen von A. D. Weber, neu

herausgegeben mit Anmerkungen von Martin, 2. (8.) Ansg. 1823.

W. H.

Puchta, Uber die gerichtlichen Klagen, bes. in Streitigkeiten der Landeigenthümer, 2. A. 1840.

Hasse, im rhein. Museum B. 6. S. 1. S.154.

rie I. S. 154. Erörter. H. 2.

Saviguy B.5. §. 205.—224.

Wächter

Kieru lff, Theo-

II.

S. 411.-572.

Demel ins, Untersuchungen aus dem römischen Civilr. B. 1.1856

Nr. 2. S. 116.—146.

Windscheid, die Actio des rem. Civilrechtö vom Stand­

punkt des heutigen R. 1856. Muther, zur Lehre v.d. rom. Actio, 1857. Wind­

scheid, die Actio, Abwehr gegen Th. Mut her, 1857 (Rez. in der krit. Ueberschan B. 5. S. 1., in der Heidelberger krit. Zeitschrift B. 5. S. 461). Pand. I. S. 89.

Unger II. S. 349.

©inteilt8 I. §.29.

Derselbe,

Rechtslexikon v.

actio B. 1. S. 37. v. Heimbach u. v. Klage B. 6. S. 152. v. Richter (vom

Standpunkt des Civilprozesses, ebenso:) Goldschmidt, Abhandl.

S.l. über die

Geschichte des Klaglibells. — Zachariä (Anschütz) IV. 435.

§. 50. A. Begriff, Bestandtheile, Arten. Der Staat, der den Rechtsschutz zu gewähren hat, bietet in der In­

stitution der Gerichte dessen Sicherung und Verwirklichung.

Jedes Recht

enthält nothwendig die Besugniß, diesen Schutz anzurufen, für sich in An­ spruch zu nehmen.

Nur unter dieser Voraussetzung ist es ein „vollkom­

menes Recht" i), diese ihm wesentliche Besugniß ist die Klage: sie ist eine

24) ')

Wächter II. 404.405.

Das Recht ist „prinzipiell ein klagbares Recht" (Unger). Ein klagloses Recht ist eine Abweichung, eine Ausnahme. Das österr. Ges. Z. 19. giebt Jedem, der in seinem Recht gekränkt ist, die Klage. Das preuß. R. kennt nicht klaglose Rechte, die doch noch Rechte sein sollen. Die oblig. naturalis existirt nicht. Die mora­ lische Verbindlichkeit in §. 178. I. 16. entspricht ihr nicht. Hehdemavu I. S. 127. Die Klagbarkeit vollendet erst das Recht.

228

Erstes Buch.

Die Grundbegriffe.

au- dem Recht selbst hervorgehende, ihm innewohnende Berechtigung, eine seiner Eigenschaften. Da- Wesen und der Begriff der Klage ist erst in neuerer Zeit Gegenstand genauerer wissenschaftlicher Erörterungen gewor­ den **), insbesondere die Frage, in welchem Verhältniß sie zum Recht selbst stehe. Zwei Richtungen haben sich hier geltend gemacht. Die eine sieht die Klage nur al- eine Zugabe, ein „Annexum", also al- etwas neu und äußerlich Hinzukommendes an, welches aus der besonderen Thatsache der Störung deS Rechts entspringt und nun gewissermaßen krystallinisch an die Substanz deffelben anschießt'). Dem gegenüber wird die Klage alS Klagerecht, als das Recht selbst in seiner Bethätigung gegen den wider­ sprechenden Willen Anderer aufgefaßt *). Die letztere Ansicht ist jetzt wohl herrschend, sie entspricht auch allein dem Wesen der Sache, dem Begriff deS Rechts als einer Macht deS PrivatwillenS, die es nur dann und nur dadurch ist, daß es sich auch gegen Widerspruch durch eigne innewohnende Kraft durchzusetzen vermag. Wenn neuerdings — im Anschluß an diese Auffaffung — behauptet worden ist5), das heutige Recht kenne nicht mehr Klagen sondern Ansprüche, wenn man von Klagen spreche, so meine man da- Recht selbst, so ist zuzugeben, daß in dem modernen Recht, und ins­ besondere im preußischen Recht, neben dem System der Rechte nicht noch

*) „Wir verdanken eS namentlich den Ausführungen Savigny's und Kierulff's, daß nunmehr das System des Privatrechts das Aclionenrecht als wichtigen, auf festgelegter Grundlage ruhenden, in klarer Ordnung gegliederten Theil in sich schließt." DemeliuS S. 129. 130. *) Puchta und ihm folgend Arndts.

4) Kierulff, Böcking, Unger. Sehr treffend sagt G. Lenz, das Recht des Besitzes, 1860 S. 40.41: „Das Klagrecht ist ebenso wenig ein selbständige-Recht, als ein Annexum oder eine Zugabe deffelben; das subjektive Recht verwandelt sich nicht durch die Verletzung in ein Klagrecht, die Actio ist auch kein neue- Recht, was durch die Läsion erzeugt würde; sie ist endlich auch nicht das Recht selber, sofern es fich zu seiner Bethätigung bewegen müßte, nm fertig und reif zu werdm. Alle diese Wendungen unserer Civilisten treffm nicht das Richtige, und wur­ zeln theils in der unangemeffcnen Uebcrtragung orgauischer Anschauungen auf daGebiet deö Rechts, wie sie durch die historische Schule so beliebt geworden, theils in dem dessenungeachtet nicht überwundenen Standpunkt de- vielgeschmäheten NaturrechtS. Die Actio ist allerdings das subjektive Recht selber: aber nur insofern, als eS gegen eine fremde und accidenteüe Einwirkung im elastischm Gegendruck reagirt. DaS Klagerecht ist die rechtliche Möglichkeit, vermöge deren die berech­ tigte Person die bestellten Organe des Rechtsschutzes anrufen kann, wenn sie zu­ fällig durch Läsion von einem Dritten dazu provozirt wird. Es ist die Macht des subjektiven Rechts, den Verletzer durch Organe der Gesammtheit zur Anerkennung seiner selbst zwingm zu können." Abegg in der jurist. Wochenschr. 1839 S. 374. ’) Ansicht von Wiudscheid a. a. O. Der Angriff Muther'S gegen ihn ist ver­ fehlt, denn seine Definition der Klage ist gewiß falsch: „das Recht des Berletztm gegen den Staat auf Gewährung der Staatshilfe." Hiernach muß man wohl also gegen den Staat, nicht gegen den Verletzer klagen; man könnte ja dem Staat überlaffeu, sich den Verletzer zu suchen, nicht dieser, sondern der Staat müßte dm Anspruch befriedigen.

$.60. -läge: Begriff, Bestandtheile, Wrttn.

229 daß

parallel ein System der Klagen existirt, aber daran- folgt doch nicht,

da- Wort Klage

und gegen das Wort Anspruch umzu­

ganz anfzngeben

Die Klage ist da- Recht al-Anspruch; da- Mittel, welche-

tauschen sei.

da- einzelne Recht in sich trägt, Recht-ordnung

um sich unter den von der allgemeinen

Bedingungen

gegebenen

gegen

Widerstand

geltend

jn

machen •). Neben diese materielle Bedeutung tritt durch leicht erklärliche Uebertragung eine formelle,

wonach

Anrufung de- Gericht- ist,

sie

die in der geordneten Form erfolgte

die aber hier nicht weiter interessirt.

Es folgt: die Klage individualisirt sich nach dem Recht, was sie ver­ folgen soll.

Indem

sie sich au-

ihm herausbildet, aus ihm hervortritt,

um es geltend zu machen, muß sie selbst seinen Charakter, seinen Grund

enthalten, der Rechtsgrund ist der Klagegrund').

Er konstrmrt sich

aus der Verbindung derjenigen Thatsachen oder Handlungen, welche we­ sentlich eingetreten sein müssen, um das konkrete RechtSverhältniß zur Ent­

stehung zu bringen').

Nicht die vereinzelten Thatsachen an sich, sondern

diese in ihrer dem Rechtssatz entsprechenden Verbindung, nicht der RechtS-

satz für sich ohne jene Thatsachen sind jedes eine besondere Art de- Kla-

gegrundeS.

Die von der Schule erfundene Theilung in näheren und ent­

fernteren Klagegrund ist eine Theilung, durch die man das geistige Band verliert und todte Glieder erhält:

sie muß aufgegeben werden').

Das

preußische Recht hat sie nicht ausgesprochen, sie ist nur durch die Theorie

auch hier hineingetragen worden.

denen Rechtsverhältnisse,

So mannichfach nun, wie die verschie­

so mannichfach

sind auch die einzelnen Klagen

nach ihrem Grunde, und nur durch die Darstellung der einzelnen Rechte läßt si y erschöpfend zeigen,

welche

thatsächliche Momente dazu gehören,

um aus ihnen das Dasein de- Klag rechts zu schließen.

Im Allgemeinen

6) pr. J. IV. 6: Actio nihil aliud est, quam jus persequendi quod sibi debetur. Streitig ist, ob diese Stelle sich nur auf die actt. in personam oder auch aus die actt. in rem beziehe. Letztere- ist zu behaupten, nicht allein weil perse­ quendi an persecutio erinnert, und dieses Wort alle Klagen umfaßt, sondern hauptsächlich, weil auch die actio in reiri, wenn sie thätig ist, einen persönlichen Anspruch (ein debere) gegen einen bestimmten Beklagten verfolgt. S. D e m e liuS S. 126. Wiudscheid, Actio S.6. Dann stimmt damit auch der Ausspruch Ulpian's 1. 178. §.3. de V. 8 ,,hoc verbum debuit omnem omnino actionem comprehendere intelligitur. 7) Brackenhös *, in der Zeitschr. f. Liv. R. u. Proz. XL 175. Sinteui-, Er. läuterungen über verschiedene Lehren de- Eivilprozesse- H. 2. u. 3. S. 211. Wäch. ter II. S.433. H. Gerber, Beiträge z. L. v. Klagegrunde u. d. Bewei-last, 1858. Unger II. 447. Böle, im Arnsberger Archiv B. 1. S. 174.—216.

*) Dazu gehört auch die Legitimation zur Sache, Förster S 43fg., nicht aber das Anführen der allgemeinen Boraussetzungen eines jeden Rechtsverhältniffe-, -. B. Disposition-fähigkeit, Willensfreiheit u. f. w. -) Wächter II. 436. Note 7.

Erstti Buch.

230

Dir Grundbegriffe.

aber gilt die Regel, daß die erheblichen Thatsachen den Klagegrund bilden,

und daß erheblich diejenigen sind, welche die Entstehung des Recht» ver­ ursachen.

Denn da» entstandene Recht dauert von selbst fort*°).

Diese

Regel ist in Betreff der au« dinglichen Rechten entspringenden Klagen neuerdings angezweifelt worden.

Puchta") erachtet

den Entstehungs­

grund bei diesen nicht für den wesentlichen Inhalt der Klage, eS soll die

Behanptimg de» Dasein- des dinglichen Rechts genügen. wird durch prozeffualische Gründe widerlegt").

Diese Ansicht

So sehr ist der Klage-

gründ wesentlich für die Klage, daß mit der Aenderung des ersteren auch

sie eine andere wird.

Darum ist die Aenderung des Grundes unstatt­ die Klage in Thätigkeit getreten ist. Eine

haft, sobald daS Recht durch

solche Aenderung ist vorhanden, wenn der innere Zusammenhang und die

Vollständigkeit

der Thatsachen dergestalt aufgehoben wird,

daß statt des

ursprünglich zur Erkennbarkeit gebrachten Rechtsverhältnisses ein davon verschiedenes hervortritt, „wenn neue Thatsachen angeführt und ein neues Recht daraus abgeleitet wird" ").

Die Wesenheit des Rechtsverhältnisses

muß dieselbe bleiben.

Der Zweck der Klage ist eS, einen durch die Rechtsstörung hervorge­ rufenen Anspruch vor Gericht auSzustihren und dnrchznsetzen.

Der Um­

fang und Inhalt desselben ist bedingt durch die RcchtSstörung, nicht noth­

wendig erschöpft er den vollen Inhalt des Rechts, wenn dieser auch sein logischer Vordersatz ist — ihm entspricht der Antrag, der zweite wesent­ liche Bestandtheil der Klage,

der bestimmt") formnlirte Ausdruck dessen,

lo) Bethmann-Hollweg, Versuche über Civilprozeß S. 346. I. 1. 12. C. IV. IS. I. 23. v XXII. 3. Nov. 90. c. 6. A.G-O. Eint. §. 3. „entspringen" und I; 13. §. 28. ") Rhein. Mus. B. 2. S. 251. B. 3. S. 467, liebet §.1.2. 1. 11. D. XLiV. 2. u. 1. 44. §. 2. eod. s. Savigny B 6. S. 514.

“) Dagegen spricht §.34.37.41. J.R.A., sür preuß. R. §.29. der Jnstr. v. 24. Juli 1833 u §. 7. der BO. v. 21. Zuli 1846. Soll t# dem Kläger frei stehen, erst in der BeweiSinftanj den Erwerbgrnnd des Eigenthum- anzngeben, so muß alsdann auch eine richterliche Kognitiv» über die Angabe nach allen Richtungen hin eintreten, und man wird selbst die Möglichkeit einer Zulassung srüherhin noch nicht vorgebrachter Einreden, Repliken n. s. w. zugeben müsse». Das ist mit der Ordnung des heutigen Prozeffes unverträglich. Eine Beimischung des Beweisversahren» mit dem ersten Verfahren würde die Folge sein. Die gemeinrechtl. Praxiist daher gegen Puchta'« Ansicht, ©euffett I. 400. VI. 371. Entsch. deO.A. G. Rostock, v. Buchka u. B uddee B. 2. 4. A. M Koch, Eivilprozeß ß. 126. Dagegen Förster S. 29. 30. S. auch Wächter S. 445. 1 *) Erkenntniß des O. L. G. BreSlan v. 10. Aug. 1837. Eentralbkatt 1840 S. 824 Man hat früher behauptet, daß im preuß. Prozeß feit der A.G.O. die Rücksicht aus den Klagegrund ganz bei Seite geschoben worden fei, daß eS nur daraus ankomme, einen Anspruch zu erheben, das Fundament tesselben könne jederzeit geän­ dert werden. Daß diese Ansicht falsch, f. Böle a. a. O. S. 195. Förster S. 26 sg. S. 33.-35.

*>) Striethorst B.29. S. 162. u. B. 19. S. 147.

$. 50. Klagen: Vrgchs, Btstandtheil«, Itten.

231

ttxrt dvm BsklägM verlangt wird, was das Gericht ihm auferlegen soll. Der Antrag kam geändert werden, sofern die Aenderung Einschränkung ist, den« eS geht au- der Freiheit des Privatrechts hervor, wie weit man die Besetzung beseitigt sehen will. Eine Erweiterung aber ist im Laufe der gerichtlichen Verhandlung über die Klage nicht zulässig “). Wenn auch die Klagen nach ihrer Quelle, den einzelnen Rechten sich

individualifiren, so hat man doch von jeher auch gestrebt, sie nach allge­ meinen Kategorien einzutheilcn.

Bekannt ist,

welche festgefügte und

reiche Eintheilung das römische Recht überliefert hat, entnommen ans dem

inneren Wesen oder der äußeren Form, aus geschichtlichen oder rationellen

Gründen.

Das meiste davon ist dem hentigen Recht unbekannt.

DaS

preußische Recht, welches allgemeine Vorschriften über das Klagerecht über­

haupt nicht enthält, giebt auch nichts über die Eintheilung der Klagen. Die Untersuchung der verschiedenen Arten ist daher durch positive Vor­

schriften nicht gebunden. Man kann zunächst von der Verschiedenheit der einzelnen Klagen je nach der Verschiedenheit der einzelnen Rechte aufstei­ gen zu den größeren Rechtsgruppen.

Hiernach unterscheiden

sie sich in

Klagen auS dem Obligationen-, Sachen-, Familien-, Erbrecht.

Oder noch

weiter hinauf: alle Rechte sind entweder absolute oder relative (§. 18.), also auch alle Klagerechte entweder absolute oder relative.

So aber bezeichnet

die Rechtssprache diese summa omnium actionum divisio nicht, sondern

substituirt ihr,

wie dies schon die Römer thaten, die

Bezeichnung

von

Die letzteren entsprechen genau

dinglichen und persönlichen Klagen.

den ans relativen Rechten entspringenden,

die ersteren aber nicht ebenso

genau den aus absoluten Rechten, sofern man nicht das Wort dinglich in

einer weiteren Bedeutung nimmt, als in der Verbindung: dingliches Recht. Denn nicht bloß die Klagen aus dinglichen Rechten gehören unter diese

Kategorie, sondern auch die Personenzustandsklagen. die Benennung:

So wird zwar auch

dingliche Klage aufgefaßt, und das Mißverständniß, sie

identisch dem dinglichen Recht zu nehmen, ist jetzt beseitigt.

aber ist der Ausdruck kein glücklicher,

und darum

schärfer bezeichnende Namen aufzustellen").

wohl

Immerhin

gerechtfertigt,

Wenn zwar für den prakti-

* -) Entfch. B. 38. S. 383. 1 •) Die vom Vs. früher vorgeschlagene Eintheilung in Rechtszustand»- und RechttgefchSstStlagen muß aufgegeben werden. Zwar die erste Bezeichnung ist erschöpfend und scheint besser für die Klaffe der s. g. dinglichen Klagen, denn sie umfaßt auch die anS anderen absoluten Rechten entspringenden. Da» absolute Recht ist immer ein in sich vollendeter, abgeschloffener Recht-zustand, der nnr verletz« werden kann durch einen aktiven Eingriff. Aber die Bezeichnung RechtSgeschästSUagen er­ schöpft nicht die Klagen au» relativem Recht. Sie ist nicht paffend für die au» dem Gesetz entspringenden Obligationen und nicht für die Delikt-klagen. Letztere aber unter die RechtSzustandSklagen zu bringen ist ein Irrthum, der daraus be­ ruht, daß nicht da» Delikt, welche» allerdings ein Eingriff in «inen Nechtözustand ist, sondern der au« dem Delikt erwachsene persönliche Anspruch, die Obligation

Die Srqndbegriste.

SrfUe Buch.

232

scheu Gebrauch die Klag« vornehmlich in ihrer Geltendmachung interessirt,

und in dieser auch die au- dem absoluten Recht eine persönliche Richtung genommen haben, relativ geworden sein muß, so dars daran- doch nicht geschloffen werden, daß eS für die Praxi- indifferent sei, die Klagen auf

eine zweigliedrige Haupteintheilung zurückzuführen.

Denn nicht allein ist

der Ursprung bei jeder dieser beiden Arten ein verschiedener, sondern auch

ihr schließliches Schicksal

hiernach

ein verschiedene-.

Die Klagen au-

einem absoluten Recht streben ihrer Natur nach zunächst dahin, daß dieseabsolute Recht seine Anerkennung finde, und erst folgeweise, daß der aus der versagten Anerkennung oder au-

seiner Verletzung erwachsene per­

sönliche Anspruch befriedigt werde. DaS auf sie ergehende Urtheil ist da­ her ein Urtheil auf Anerkennung und erst in zweiter Reihe geht eS auf Berurtheilung des Beklagten, ja die letztere kann sogar bei den s. g.

Präjudizialklagen ganz fehlen, weil eS bei ihnen nur darauf ankommt,

die Existenz des vom Kläger behaupteten Zustandes festzustellen.

Ande­

rerseits sind die aus relativen Rechten entspringenden Klagen zunächst auf Berurtheilung gerichtet, bei ihnen tritt das Bedürfniß, das Rechtsver­

hältniß dem Beklagten gegenüber zur besonderen Anerkennung zu bringen,

zurück: eS kommt nur darauf an, daß er das leiste oder erfitlle, wozu er besonders verpflichtet ist"). Abgesehen von den

auS den prozessualischen

Verschiedenheiten der

Klagen herzuleitenden Eintheilungen, die hier nicht ihre Erörterung finden

können, interessirt noch besonders die Eintheilung in petitorische und possessorische oder Recht-- und Besitzklagen "), je nachdem der Anspruch

aus dem Recht selbst oder aus

dem Besitzstände hergeleitet wird,

d. h.

je nachdem der Verletzte die Störung seines Rechts in seinem Grunde oder nur in seiner äußeren, fakttschen Bethättgung auffaßt und verfolgt.

Der

Unterschied hat materielle und formelle Bedeutung: erstere zeigt sich darin, daß beide Arten von Klagen anders begründet werden müssen. kommt eS auf die Thatsachen

Dort

für die Entstehung des Recht-, hier nur

darauf an, ob der Kläger sich wirklich, thatsächlich im unbestrittenen Besitz

die Älaflt erzeugt, diese also rein obligatorisch ist (Unger I. Arndt« §. 97. Anm. 2). Wenn e» sich um bester« Namen für »Heilung der Klagen handelt, so können etwa gebraucht werden: 1. Recht-zustand« klagen (die au» absoluten Rechten) a. persönlich« (praejudicia), b. dingliche; 2. Schuldklagen (altdeutsch „Klage um Schuld," Sachiensp. au« relativen Rechten) a. au« Verträgen (Geschäft-klagen), b. au- dem Gesetz,

545. Role23. die höchste Ein-

I. 70. §.2., die c. au« Delikten.

")

Unger S.3«7fg.

**)

Nach Wächter 11. 425. Die Klage au« befferem Besitz (a. publiciana) und die Klag« au« älterem Besitz (die dingliche Klage de« deutschen Recht« nach Del­ brück) sind Recht-klagen. Dariiber unten in der Lehre von der Bindikation.

Windscheid I. 91.

5- 51.

Einfluß her JMagonfldhtng ans da« Recht.

233

befunden bat, gleichviel ob dieser Besitz sich al» Ausfluß eine- oder wel­

che» Recht» darstellte").

§. 51. Einfluß der Klaganstellung ans das Recht. Förster S. 111 fg. — «eher, über Litiskontepaliou und Urtheil nach Ilaff. röm. R.

1827.

Sinteni«,

ErlSnterungen über verschiedene Lehren de» Eivilprozeffe«,

1839 H. 1. N IV. S. 91.

S. 518.

Wäch ter,

Erörterungen H 3.

Savigny B. 6. $. 256.- 279. S. 1 fg.

1846. , Pr. R II.

Buchka, die Lehre v. Einfluß

de» Prozeffe» auf da» materielle Recht-verhältniß, 1846 1847. 2.Thle. Unger II. S.518.

Windscheid I. S.301.

Die Klaganstellnng

Sinteni« I. §.33.

erzeugt den Prozeß, ein eigne» Rechtsgeschäft,

welche» die Parteien mit einander verhandeln und mancherlei materielle Einwirkung auf da» Recht-verhältniß äußert.

Daß die» überhaupt geschieht,

liegt nicht sowohl im Wesen und Begriff de» Rechtsstreit», al» vielmehr

in dem mit seiner Dauer verbundenen Zeitablauf, insofern der Zweck, der durch ihn erreicht werden soll, der Ausspruch de» Richter» über da»

Recht de» Kläger», sich durch die Verhandlungen der Parteien verzögert, und in der Zwischenzeit mit dem Objekt de» Recht» selbst Veränderungen eintreten können, welche entweder durch willkürliche Handlungen de» Be­

nagten oder durch

Ereignisse hervorgerufen werden.

Hier entsteht die

Frage, welchen von beiden Theilen diese Veränderungen treffen sollen.

Wenn Kläger durch da» Urtheil mit seinem Anspruch abgewiesen wird, so fällt da» Interesse der Frage weg, denn dann bleibt der Beklagte in

der Lage, in der er sich vor Anstellung der Klage befunden: er hat nicht» zurückzugeben, nicht» zu leisten, er bleibt der Herr de» Streitobjekt», ihn

treffen dessen Verminderungen, ihm fallest seine Erweiterungen zu.

Wenn

aber Kläger eine Berurtheilung de» Beklagten erzielt, und dieser dadurch

1 ’)

Die nähere Darstellung der einzelnen petitorischen und possessorischen Älagtn kann erst im btfenbttn Theil erfolgen. Hier nur noch eine kurz« Bemerkung über da« Verhältniß der possessorischen zur petitorischen bei demselben Gegenstand. Durch Anstellung der Rechttklage wird die Befitzklage beseitigt, weil da» Recht den Be­ sitzstand in sich enthält, au« dem zuerkannten Recht die Herstellung M, Besitze« von selbst folgt (petitorium absorbet possessorium, auch dann, wenn im erste­ ren iepgestellt wird, daß dem Kläger da« Recht abgesprochen worden, wo er auch nicht im Besitz geschützt werden kann: Striethorst B . 29 S.290. Srnffert B. 5. S. 70. B. 6. S. 118). Die Besitzklage hat also nur Kraft und Bedeutung vor der Rechtsklage, wenngleich sie nicht die Natur einer präparatorischen hat (Savigny, Besitz 5.A. S 419). Eine Verbindung beider ist zwar an sich nicht unzulässig (Striethorst B. 7. 6.200 fg.), aber überflüssig. Das kanonischeR. hat sie ausdrücklich für zulässig erklärt, c. 2 X. II 12. Nur läßt sich freilich

da» interd. retinendae possessionis nicht mit der Vindikation verbinden, c. 5 X. ibid. Ueber da« Unzweckmäßige einer solchen Verbindung s. Seuffert B. 3. S. 245. B. 5. S. 70. B.6. SH8- D elb rück, dingliche Klage btfl deutsch. R. S. 333 fg.

284

(ftftee Buch. Die Grundbegriff«.

z» einem Zurückgeben oder Leisten genöthigt wird, so muß, wenn nicht

dem Kläger durch die

verspätete Wiederherstellung

seine- Recht- unver­

schuldet ein Nachtheil erwachsen soll, der Zeitpunkt als maßgebend ange­ nommen werden, wo er das Verlangte erhalten haben würde, wenn nicht

der Beklagte dadurch, daß er sein Recht ohne Grund bestritten, die Zöge­

rung veranlaßt hätte.

Dies ist ausgesprochen in dem Satz, ut id actori

praestetur, quod habiturus esset, si ei litis contestatae tempore res restituta esset*).

Nun ist aber von jeher darüber viel Streit gewesen,

von welchem

Zeitpunkt diese Wirkungen eintreten, ob vom Moment, wo die Klage an­ gestellt, oder wo sie dem Beklagten zur Einlassung mitgetheilt oder

wo sie beantwortet worden, sich also durch die beiderseittgen Erklärun­ gen der Parteien festgestellt hat, daß und wie weit das Recht zwischen ihnen streittg sei. Im älteren römischen Recht wurden die materiellen Wirkungen an den letzteren Zeitpunkt, den der LitiSkontestation, dem Ab­

schluß des Verfahrens in jure, geknüpft, sie novirte das streitige Recht in eine neue Obligatton *). gen bereits abgestorben

gen Recht

Im justinianischen Recht waren diese Wirkun­ und nur noch einige Reste übrig').

Im heutt-

ist sie als ein bestimmter formeller Parteiatt verschwunden*),

und übt materiell auf das RechtSvcrhältniß keine Wirkung mehr aus, na­ mentlich zerstört sie weder noch ändert sie den ursprünglichen Anspruch').

Die materielle Einwirkung des Prozesses ist vielmehr zurückverlegt, theils

auf den Zeitpunkt der Klagebchändigung, der Ladung, theils noch wei­ ter zurück, auf dsn der Klaganstellung.

Wenigstens nach preußischem

') 1. 31. pr. D. XII. 1. 1. 40. pr. D. V. 3. I. 17. §. 1. 1. 20. D. VI. 1. 1. 35. 75. de V. S. Doch baß die Regel eingeschränkter sei als ihr Wortlaut, s. Arndtö S. 159. §. 113. Anm. 4. 6. ’) Die LitiSkontestation konsumirte mit novirte. Gaj. III. 180.181. IV. 106.107. CS begann eine neue Obligation des Inhalts: reuin condemnari oportere. Nur dies konnte der Kläger, und zwar nur in dem begonnenen Prozeß verfolgen. Sonst stand ihm die exceptio rei in Judicium deductac entgegen, welche auf dem Grundsätze beruhte: ne bis de eadem re sit actio. Keller, Lit. Eont. u. Unh. (1827) S. 82,0. Savigny VI. §.256.-258. S. 1.-36. Wächter, Erörter. H. 3. S. 2fg. Pr.R. II. S.521. Belker, die prozessualische Konjumtion im klaff, röm. R. (1853). Vetter a. a. O. S. 11 fg. Windscheid, Actio S. 65.—67. Wetzell, CivilProzeß S. 81. Bnchka II. S. 1. 4) Wenn auch im heutigen Prozeß das formelle litem contestari weggesallen ist, welches mit der Trennung des Verfahrens in jure und in judicio zujammenhing, so ist doch die LitiSkontestation insofern von Einfluß geblieben, als in jedem Pro­ zeß ein Zeitpunkt fixirt werden muß, wo sestfteht: was ist streitig, worüber ist zu entscheiden. Dieser Zeitpunkt kann kein anderer sein, als wo aus die Klage der Beklagte die Antwort gegeben. s) CS kann also nack heutigem Recht die Klage fallen gelassen und von neuem angestellt werden. Der ursprüngliche Grund derselben bleibt derselbe.

$.51.

Einfinb k* ÄUgoafleleng auf da« Recht.

Nicht ist die» »»zweifelhaft *). Sprache

kommenden Fragen

235

Savignh hat sehr richtig alle hierbei znr auf die beiden Gesichtspunkte zurückgeführt,

daß der Einflnß der Daner des Rechtsstreits auf das Recht sich cheils in Sicherung der Berurtheilung,

der

ihres Umfangs äußert.

theils

in

der

Bestimmung

Beides muß im Einzelnen gezeigt werden.

Das zur Zeit der Klagan­

1. Sicherung der Berurtheilung.

stellung in der Person des Klägers vorhandene Recht wird auch zur Zeit des Urcheils als

noch ihm zustehend angenommen,

der Dauer des Prozesses nicht mehr eiubüßen. terbricht

Verjährung

die Verjährung uud Ersitzung.

genügt

die

Anmeldung7),

zur

er kann es während

Die Klaganmeldung un­

Zur Unterbrechung Unterbrechung

der

der Er-

,Ersitzung muß zwar noch die Bekanntmachung an den Besitzer hinzutreten, aber nicht diese, sondern die Anmeldung der Klage ist der unterbrechende

Akt'). wird

DaS Weitere hierüber in der Lehre von der Verjährung.

ferner eine Sicherung

der Berurcheilung

Zwar

darin gefunden, daß die

Klage auf die Erben beider Seiten übergeht; dies ist aber

nicht als ein

Einfluß der Ktaganstellung aufzufassen, denn die Klagen find vererblich, weil und soweit es die Rechte sind,

aus denen sie hervorgehen').

Die

Vererblichkeit der Rechte und Klagen ist zwar aktiv und passiv die Regel, wo aber da» Recht unvererblich ist, wird die Klage durch ihr« Anstellung nicht

vererblich.

Schenkung

Nur zwei Ausnahmen:-

widerrufen

werden soll,

die Klage fortsetzen, die von

a. wenn wegen Undanks

können

eine

die Erben des Schenkenden

ihrem Erblasser bereits anhängig gemacht,

und sie können sie sogar anstellen, wenn der Wille ihres Erblassers, den •) Im gemeinen R. ist noch Streit. Saviguy (mit ihm Arndt«, auch Sie­ rn l f f und unter den Prozessualisten Wetzell) legt durchweg die materiellen Wir­ kungen der Insinuation bei. Andere (besonder« Wächter, Buchka, Wind­ scheid) lassen einige dieser Wirkungen au« der Insinuation, andere au« der Liti«. kontestalion hervorgehen. Da« Sperr. R. Hal mit dem preuß. den gleichen Stand­ punkt. Unger ©.531 fg. Der Zeitpunkt her Anstellung der Klage ist im ge­ meinen Recht ganz bedeumngSlo«. A. M. Sinteni« a. a. O. S. 145sg.

’)

'

A- L- R. I. 9. §. 603.604. Im gemeinen Recht wird gestritten, ob die Ersitzung d«rch die Klagmiltheilung unterbrochen werde, oder ob sie sich zwar trotz derselben vollende, der Besitzer aber zur Restitution verpflichtet werde. Wächter, Er örter. H. 3. S. 99. Savigny S. 55. Da« Erstere ist offenbar da« Natürliche, da« Letztere ein Umweg. Da« österr. G. B. §. 1497. stimmt mit dem A.L. R. Dagegen ist §. 274 des sächs. G. B.: daß die Ersitzung erst durch die Benachrichtigitng de« Besitzer« unterbrochen werde, eine verfehlte Bestimmung.

•)

Ueber hie Vererblichkeit der Rechte und somit der Klagen s. A G.O. I. 1. ß. 38. A.L.R. Einl. §.102.103. I. 9. §.360.-363. 1. 17. §. 127.151. Löwenberg, in der jurist. Zeitung 1832 S. 394. 419. 443.492. 510. 565. Der Scha­ densersatz au« Delikten wird unbeschränkt gegen die Erben de« Beklagten verfolgt. Klagen, die in der fersen bei Beklagten Besitz voraussetzen, sind nicht vererblich: weil sich der Besitz nicht vererbt, sondern ergriffen werden muß. Entsch. B. 18. S.3. v.42. 6.43. A. M Daniel« I. §.190. und Strohn bei Striethorst B 18. S. 349. — Daß Vererblichkeit der Klage nicht eine Wirkung de« Prozesse« ist, s. Wächter II. S.476. Role 1. 2.

!

! !

; i s

A.L.R. I. 9. §. 551.

•)

Erste« Buch.

236

Die Grundbegriffe.

Undank zv rüsten, bereits ausgesprochen, die Ausführung des Entschlusses

seinen Tod vereitelt worden. Hier wird allerdings die Klage durch ihre erfolgte oder gewollte Anstellung aktiv vererblich'"), b.

aber nur durch

Die Erben des beleidigten Ehegatten sind befugt, die Scheidungsklage des

letzteren zu verfolgen,

wenn er nach fruchtlosem Sühneversuch gestorben,

doch nm zum Zweck der BermögenSsonderung ").

Zur Zeit des beginnenden Rechtsstreits (der Klaganstellung) muß da-

Recht dem Kläger zustehen,

wenn es ihm während der Dauer besteiben

erhalten bleiben und die Verurtheilung des Beklagten darauf gesichert sein soll.

Daraus folgt: wenn der Kläger das Recht erst im Laufe des Pro-

zeffeS erwirbt, die Verurtheilung des Beklagten nicht eintreten kann, denn

da» Fundament der Klage war unbegründet,

und das inzwischen hervor­

getretene ist ein neues, welches die bereits angestellte Klage nicht mehr

zu stützen vermag.

Die Verurtheilung ist aber auch

nur dann möglich,

wenn zm Zeit de» Spruchs da- Recht dem Beklagten noch gebührt.

Er

darf nicht inzwischen befriedigt, das Objekt des Rechts darf nicht unter­ gegangen, er darf eS nicht veräußert haben").

Sachlage entsprechen.

Das Urtheil muß der

Wenn der Untergang des Rechts durch eine That­

sache bewirkt worden, die der Beklagte zu vertreten hat,

so verwandelt

sich die ursprünglich beantragte Verurtheilung in eine auf da» verletzte Intereffe, auf Entschädigung ").

Endlich ist eine Abweichung des preußischen »Rechts von dem gemei­

nen zu erwähnen. e» die Veräußerung bietet").

**)

"'

")

Letzteres sichert die Verurtheilung noch dadmch, daß

des Streitgegenstandes während des Prozesse» ver­

Obschon nun in der A.G.O. dem entsprechend gesagt ist, daß

8.8.9t. 1. 11. z. 1158 1159. Di« Pflichttheilsklage ist nach preuß. R. nicht ver< erblich. Dir Bestimmung be« röm. 9t., daß sie vererblich sei, wenn jam coepta controTereia Tel praeparata sei, ist nicht ausgenommen. 1. 6. §. 2. D. V. 2. 8. 8.9t. II. 1. §.827.828. 1. 23. 35. D. V. 1. I. 11. §.4.5. D. XL1V. 2. 1. 7. §. 7. D. X. 4. »och, schles. 8rch. «. 5. S. 93. Seuffert B. I. S. 123. Savignh 8. 61 64. Wächter, Erört. H. 3. S. 121.—126. Dieser nimmt bei dinglichen »lagen au, daß, wen» »lager zur Zeit der »laganftellung zwar noch nicht Eigenthümer -«vesea, ti aber im 8ause de« Prozesse« geworden, er noch eine Berurtheilung er. wirken könne, wen» nur der »lagegrund nicht geändert wird und die Erwerbung nicht nach dem Bewei-versahren eingetreten ist. Siehe dagegen Förster S. 118 Rote 27.

**)

Wächter a. a. O. 8.124. z. B. qui dolo desiit possidere.

■*)

I. 4. C. VIII. 37. Not. CXI1. c. 1. vangerow I. S.287. Die gemein, rechtliche Praxi« neigt sich dahin, nur diejenige Veräußerung einer ree Htigiosa für Verbote» zu erachten, die dem Gegner nachtheilig werden kann. Holzschn« her, Theorie und Easnistik B. 3. S. 253. Senfs ert B. 3. S. 29. Ree litigioea ist nur der unmittelbare Gegenstand de« Rechtsstreit«. Entsch. B. 9. S. 426. Äiunaten de« 0.8. G. Dresden B. 2. S. 52. Mit dem Veräußerung-verbot hängt der Grundsatz zusammen: Ute pendente nihil innovandnm esse (s. Eigen br o t

§,51. Einfluß txr Äfagaaflelnng aas bat Recht.

237

der Besitzer mit der Sache") keine Veränderung vornehmen darf, wodurch

dem Gegner Nachtheil erwachsen könnte^ daß er sie insbesondere nicht ver­ äußern darf"), so ist doch dieser Grundsatz im A.L.R. nicht anerkannt").

Dasselbe gestattet vielmehr die Veräußerung der Streitsache — nur frei­ lich wird dadurch die Verurtheilung nicht gehindert, die gegen den Erwer­

ber zu richten ist"). 2. Bestimmung des Umfangs der Verurtheilung. genstand des Rechtsstreit»

auSzugeben,

kann sich während der Dauer desselben erwei­

Al» RechtSgrund für die Verpflichtung de» Be­

tern oder vermindern. klagten, für

Der Ge­

die Verminderungen einzustehen und die Erweiterungen her-

wird Verzug

und Unredlichkeit erachtet,

Folgen der Ladung sein sollen.

welche beide

Nach der richttgen Ansicht ist für da»

gemeine Recht der Grundsatz nicht haltbar, weder Verzug noch Unredlich­

keit knüpfen sich an die Klagmittheilung, wenn nicht anderweittg die Mo­ mente für beide gegeben sind").

um die Pflicht

Auch bedarf man de» Grundsatzes nicht,

des Beklagten zur Herausgabe der Vermehrung und zum

Ersatz der Verminderung zu rechtferttgen.

Im preußischen Recht ist e»

dagegen dirett ausgesprochen, daß die Ladung beide Folgen hat. klagte kommt in Verzug und

Besitzers *’).

Der Be­

erhält die Verpflichtungen de» unredlichen

„Wenn kein früherer Zeitpunkt der Unredlichkeit des Besitze»

auSgemittelt werden kann,

so wird

der Tag

der dem Besitzer durch die

Gerichte geschehenen Behändigung der Klage dafür angenommen," d. h. die Unredlichkeit wird fingirt, und darum muß man sie von der wirflichen

unterscheiden, wo der Beklagte es weiß,

Kläger gehöre").

daß

der Streitgegenstand dem

Die Erweiterungen deS Objekt» durch Früchte, Zinsen,

Zuwachs, die während der Dauer des RechtSstteitS entstanden sind, muß wegen seine» fingirten Verzug» und seiner fin-

der verurtheilte Beklagte

im Arch. s. prakt. R. SB. B. VII. S. 85). Auch hier wird angenommen, die Veränderung muß eine dem Gegner nachiheilige sein. Seussert V. 79. X. 417. Verpachtung oder ordnungsmäßiger Holzschlag sind z. v. nicht nachiheilige Verän­ derungen. Seussert B.3. S. 224. 225. 1 *)

Dies heißt auch Recht.

Striethorst D.30. S. 15.

'«) A.G.O. I. 7. §.48. c. •’) A.L.R. I. 11. §.383. Revisor in den Ergänz, zu §.48. I. 7. A.G.O. Auch im österr. R. gilt nicht die Unveräußerlichkeit der Streitsache. Unger S. 54V. ") A G.O. I. 24. §. 9.

S. Entsch. B. 35. S- 40 sz-

*’) Vuchka 8. 2. S. 160 fg. Savignh B. 6. S. 81 fg. Wächter S. 106. Unger S 541. Die entgegengesetzte (ältere) Ansicht stützt sich auf 1. 25. $. 7. D. V. 3. und 1. 20. §. 11. eod.

»•) A.G.O. I. 7. §.48. ")

§.222. 1. 7. A.L-R.

Ebenso Oesterr. G.v. §.338.

§.11. I. 7. §.229. das. Oesterr. G. B. §.338. Nach töm. R. 1. 10. C. VII. 32. kann von dem redlichen Besitzer von Zeit der Ladung nur gesagt werden: „super jure possessionis dubitet et vscillet.“

Erste» Buch

S38

girten Schlechtgläubigkeit

dem Kläger herauSgcben.

besondere die vorhandenen, er ersetzen.

verzehrten muß

Die Trinidbegriffe-

wenn

auch

Dazu gehören ins­

schon gewonnenen Früchte; die

Die versäumten dagegen,

d. h. diejenigen,

welche der rechtmäßige Eigenthümer — also der Kläger — wirthschaftlich hätte genießen können,

hat nur der wirklich unredliche Besitzer zu erstat­

ten").

eine gemeinrechtliche Konttoverse beseitigt:

Hierdurch ist

darauf ankomme, können").

ob eS

daß Kläger oder Beklagter die Frucht hätte gewinnen

Die Geldentschädigung für die verbrauchten (selbst verzehrten

oder veräußerten) Früchte wird nach dem mittleren Marktpreise zur Zeit

deS Verbrauchs oder nach dem gewonnenen BeräußerungSpreise berechnet und muß vom Tage ihrer rechtskräftigen Festsetzung landüblich verzinset werden"). In gleicher Weise wird der Werth für die versäumten Früchte

zu ermitteln sein, obgleich darüber im A.L.R. nichts gesagt ist.

Bon dem

Werth sind die Gewinnungs- und Erhaltungskosten abznziehen “). Wenn der Gegenstand der Klage eine Geldquantität ist, so ist diese landüblich vom Tage der Behändigung zu verzinsen, und selbst dann, wenn die be­ dungenen Zinsen niedriger sind.

Zwar soll der wirklich unredliche Be­

klagte insofern strenger behandelt werden, als er den höchsten gesetzmäßig

erlaubten Zinssatz zu leisten hat"), dies ist aber eine inhaltlose Vorschrift, weil der landübliche und der höchste gesetzmäßig erlaubte in der Regel zu­

sammenfällt.

Verzugszinsen vom Tage der Behändigung kommen dem

Kläger zu, auch wenn er nicht darum gebeten hat, sie sind ihm aber ab­

erkannt, wenn der Richter im Erkenntniß sie übergangen hat").

Ein

abweichender Anfangstermin ist in zwei Fällen gesetzt: wenn auS

einer

unerlaubten

Handlung eine Entschädigung zu zahlen ist, so

lauft» die

Zinftn von dieser Summe erst von dem Tage desjenigen Urtheils, wel­ ches zuerst den Schaden dem Geldbeträge nach festgesetzt hat"), und wen« ein Zinsrückstand zu entrichten ist, so laufen die BerzugSzinsen von diesem

ai)

§.223.-229. 1. 7. Der wirklich unredliche Besitzer hastet für die ornnis causa nicht von der Ladung, sondern von dem wirklichen Beginn seiner Unredlichkeit, der auSzumitteln ist.

*•) Savigny S. 113. Wächter, Erört. H. 3. S. 133. Nach dem österr. GB. §. 335. kommt es nur dem wirtlich unredlichen Besitzer gegenüber darauf an, ob der Kläger die versäumten Früchte hätte geniesten können, dem durch die Ladung unredlich gewordenen Besitzer gegenüber entscheidet aber, ob er selbst die Früchte hätte ziehen können. Unger I. 88. Note 50. (doch nur durch eine der ratio legis entnommene einschränkende Auslegung des §. 338. Oester. G. B.) u. II. 543. ")

§.231. I. 7. A.L.R.

*s)

§. 233.-237. I. 7.

-«)

§.232. I. 7.

27)

«.O G- i. 23. §.58.

A.L.R. I. 11. §.845.

’•)

«.L R. I. 16. §.66.

Entsch. B. 24. S. 129.

$. 51. Staflnfi der Klagmcheüimg auf bat Recht.

239

Vom Tage ixt rechtskräftig gewordenen Entscheidung “). — Die vom Be­ klagten

vorgenommenen Verbesserungen kann derselbe

im Falle der

fio-irien Unredlichkeit und Verzögerung wegnehmen, wenn sie Kläger nicht

billig entschädigen will");

im Fall der eigentlichen Unredlichkeit müssen

sie prei-gegebeu werden. — Zufällige Verringerungen werden beifingirter Schlechtgläubigkeit nicht Vertreten, bei wirtlicher Schlechtgläubigkeit

müssen sie vergütigt werden, wenn nicht auS^umitteln ist, daß der Zufall

die Sache auch im Besitz de» Kläger» würde getroffen haben.

Rur der-

jeuige Beklagte, der durch eine strafbare Handlung in den Besitz gelaugt ist, haftet unbedingt für den Zufall").

Für verschuldete Verringerungen

hastet der fingirt Unredliche bei mäßigem, der wirkliche bei geringem Ver­

Sind au» allgemeinen Gründen die Preise gestiegen oder ge­

sehen").

sunken ,

so kommt die Steigerung dem Kläger zu gut, die Verminderung

fällt dem Beklagten zur Last.

Die Differenz wird berechnet au» der Ver­

gleichung de» Werch» der Sache zur Zeit de» Urtheils mit dem Werth zur Zeit, wo die Zögerung begonnen hat. Daß die Praxis annimmt, nicht bloß der wirllich, sondern auch der fingirt unredliche Besitzer müsse vom Tage der Klagebehändigung über die

Benutzung der von ihm zu restituirenden Sache dem Kläger Rechnung

legen, um seine Erstattungspflicht an Früchten zu sichern, ist schon ange­ Dem Kläger wird dadurch die Beweislast über

führt (8-48. N. 17)").

den Umfang seiner Erstattungsforderung abgenommen.

§. 52. Konkurrenz der Klagen. »och, Pr.R. I. 357. Förster 6.207. - Saviguy B.5. ©.204.-265. WSch. ter II. S. 455. Sintenis I. §. 30. S. 272. Windscheid, Actio S. 31. Unger II. S. 386. Die Litteratur ist ziemlich zahlreich, die ältere aber nicht mehr brauchbar.

Wenn

derselben

Person mehrere

klagbare Ansprüche arff dasselbe

Objekt zustehen, so konkurriren diese mit einander.

Diese Konkurrenz ist

nicht Kollision'), denn die verschiedenen Recht-gründe, aus denen die meh-

") A.L.R. I. 11. §.821. »•) A.LR. I. 7. §. 211. 238. 239. ") «.L R. I. 7. §.240.-242. >*) A.L.R. I. 7. §.240.

") Pl. Beschl. v. 4. Mai 1863.

J.M. «l. S. 143.

*) ms Kollision will fit Windscheid (Actio S. 33.) und Bücking 1. S.512. Rote 59. auffaffen. Mit Recht dagegen Unger S. 393. Rote 22.

Erste« Buch.

240

Die Grundbegriffe.

wirken neben einander, nicht gegen einander,

reren Klagen hervorgehen,

«nd erst wenn durch Verfolgung der einen Klage das Objekt erreicht wor­

den, werden die andern Klagen wirkungslos.

Die Lehre von der Kon­

kurrenz der Klagen ist neuerdings durch Savignh und Wächter gesäu­ bert worden von einer Menge ungehöriger Einmischungen, sie hat dadurch

eine große Einfachheit erhalten.

Wesentlich für ihren Begriff ist, daß aus

verschiedenen Rechtsgründen dasselbe Objekt von derselben Person erstrebt Ob diese Klagen gegen eine

werden kann').

verschiedene Personen zu

richten sind,

oder mehrere oder gegen

ist gleichgiltig.

Die Konkurrenz

betrachtet man als einen Grund des Untergangs der Klagen und bestimmt hiernach ihre Stelle im System.

Sowohl Wächter') als Brinz') hal­

ten diese Auffaffung für unrichtig.

Es ist ein Zeichen von Reichthum,

meint letzterer, wenn man mehrere Klagen zur Wahl hat.

Und allerdings

kann die systematische Stellung einer Lehre nicht nach der Wirkung, son­ dern muß nach dem Begriff bestimmt werden.

Zum Begriff der Kon­

kurrenz gehört aber nicht, daß die eine Klage die andere vernichte; daß die nicht gewählte untergeht,

wenn mit der gewählten die Befriedigung

erreicht worden, ist nicht die Folge der Konkurrenz, sondern die Folge der Befriedigung.

der

An sich macht die Anstellung der einen die Anstellung

andern juristisch

nicht

unzulässig.

Mehr

Mittel für

denselben

Zweck anwenden zu können, ist ein Vorzug, der Berechtigte befindet sich in einer günstigeren Lage, und dies muß hier der leitende Gesichts­ punkt sein.

Das preußische Recht hat keinen Ausspruch über die Konkurrenz der

Klagen, die allgemeinen Grundsätze müssen daher dem gemeinen Recht ent­ nommen werden.

ES bedarf nicht mehr der Erörterung der vielen tech­

nischen Bezeichnungen, die die ältere Schule für die verschiedenen Fälle der

Konkurrenz ausgestellt hat, die sämmtlich nicht hierher gehören.

Will man

für den einzigen Fall wahrer Konkurrenz den alten barbarischen Namen

'•)

Wie Koch, Pr. R. I. S. 35S. auf den Gedanken hak kommen können, den Fall, wo di« eine der beiden Klagen verjährt ist, noch al« Konkurrenz an-usehe», ist ebenso unbegreiflich, als daß er e» für nöthig erachtet hat, davor zu warnen, daß die Abweisung einer unrichtigen Klage in der angebrachten Art von der elektivea Konkurrenz verschied»« sei! Dort konturriri doch gewiß keine Klage mehr nud daß es Jemand eingefallen sein sollte, eine Konkurrenz zwischen einer richtigen und un­ richtigen Klag« anzunehmen, ist kaum zu glauben. Uedrigen« kann eine uarich. tige Klage niemals in der angebrachten Art, sondern muß immer gänzlich abge­ wiesen werden. Wenn jene« geschieht, so ist t« ein juristischer Schnitzer. Dai Prä­ judiz 1731 (Tntsch. B. 12. S. 17.) hat auf Klagenkvnknrrenz gar keine Beziehung.

•)

Wächter S.457. Note 2. a. ist die Wirkung der Einrede eine auffchiebende,

und nur darauf kann eS ankommen "). Ihrem Grunde nach riellen Recht,

oder aus

können die Einreden entweder au« dem mate­

dem Prozeßrecht entspringen.

— die hier nicht weiter zu

Auch die letzteren

erörtern sind — können zerstörend oder auf­

schiebend wirken, letztere- ist aber häufiger der Fall. Wie die Einrede der Klage, so kann der ersteren vom Kläger eine

Replik, dieser vom Beklagten eine Duplik entgegengesetzt werden.

Replik

")

Schon bei Gaj. IV. §. 120.

1 s)

Eine Definition der dilatorischen Einrede enthält die A.G.O. nicht, die peremto^ rische ist nach §. 6. I. 9. diejenige, wodurch der Anspruch des Kläger- ganz oder znm Theil aufgehoben wird.

,4)

Schmidt, die gemischten Einreden, 1839 S.76fg.

1. 8. J. IV. 13.

1. 3. D. XLIV. 1.

248

Erste» Buch.

Die Grundbegriffe.

rmd Duplik theilen mit der Einrede den Begriff, die Eintheilung, die Wirkung. Sie find wie diese eine Vertheidigung, eine Abwehr, nicht wie die Klage ein Angriff. Die Einrede al» Recht de» Beklagten (dritte Klaffe) verhält sich zu diesem, wie die Klage zum Recht des Klägers. Auch sie ist eine ihm in­ newohnende Eigenschaft, eine Befugniß, die nicht erzeugt wird durch den in der angestellten Klage liegenden Angriff gegen die Rechtssphäre deS Beklagten. Auch sie ist entweder ans einem absoluten oder relativen Recht hergeleitet, also nach dem SchulanSdruck dinglich oder persönlich. Auch sie muß ihrem Grunde entsprechend geltend gemacht werden, und dieser darf im Laufe deS Rechtsstreits nicht verändert werden, sonst hört sie auf, diese Einrede zu sein. Zum Fundament der Einrede gehört ins­ besondere, daß sie dem Beklagten selbst gegen diesen Kläger zustehe, daß er zu ihr, wie der Kläger zur Klage legitimirt sei. Dies wird durch den Satz ausgedrückt: exceptio de jure tertii non daturl5). ES kann im einzelnen Fall ost zweifelhaft sein"). Unzweifelhaft aber ist, daß der Rechtsnachfolger dessen, dem die Einrede ursprünglich zustand, sich ihrer ebenso, wie dieser bedienen kann, denn die Einrede ist übertragbar, wie die Klage, vorausgesetzt, daß das Recht nicht an die Person gebunden ist17). Unzweifelhaft ist auch, daß, wenn der Beklagte dem Kläger nur aushilfsweise (subsidiär) verpflichtet ist, er aus der Hauptverpflichtung ”)

Herold bei Gruchot B.3. S. 361.

,6)

Beispiele au» der Praxi»: Entsch. B. 35. S. 474: der nachstehende Hypotheken, gläubiger darf im Kaufgelderbelegungsverfahren dem vorstehenden, der seine Bor. auSbesiiedigung verlangt, nicht die Einrede der mangelnden Legitimation oder der Zahlung entgegenstellen. Striethorst B. 24. S. 204: der Nachfolger im Befitz eines Grundstücks ist ans eignem Recht befugt, die Giltigkeit der auf den Antrag eine» Gläubigers seines Borbesitzers im Wege der Exekution eingetragenen Hypothek anzufechten. Entsch. B. 28. S. 249: daraus, daß der Gläubiger den Exequendus zu dem wider den überwiesenen Schuldner angestrengten Prozesse nicht hat vorladen laffen, kann der Letztere einen Einwand nicht entnehmen. Entsch. B. 37. S. 91: der Regel nach erscheint die Einrede der Simulation gegen die Cession und ebenso die Einrede, daß damit uicht beabsichtigt oder erreicht sei, das Eigenthum der cedirten Forderung aus den Eessionar wirklich zu übertragen, inso­ fern e- dabei gewöhnlich an einem Interesse auf Seiten des Schuldners gebricht, für diesen als eine unstatthafte exc. de jure tertii, die er gegen die Klage des Eesstonars zu erheben nicht befugt ist. Anders gestaltet sich jedoch die Sache, wenn bei diesen Einwendungen ein eignes Interesse des Schuldners obwaltet (Entsch. B. 17. S. 164). Bergt, dazu Seuffert V. 16., hier ist dem cessus gegen den Eessionar die Einrede de- mit dem Cedentkn abgeschlossenen pactum de non ce­ dendo versagt, weil dem cessus gegen den Eessionar nur solche Einwendungen -ustehen, die sich auf die Hauptforderung, nicht aus die Cession beziehen. Striet­ horst B. 9. S. 1. Es ist nicht exc. de jure tertii, wenn zwei Eessionarien, die von demselben Eedenten ihre Forderungen erworben haben, über die Simulation der einen der beiden Cessionen streiten. Stri rtho rst B. 19. S. 95. Wenn die Ehefrau gegen den Dritten die au- dem Recht ihreö Mannes entlehnte Einrede mangelnder Spezialvollmacht opponirt, jo ist dies eine unstatthafte exc. de j. tert.

,7)

A.L.R. I. 11. §.382. Ueber die Einreden des cessus gegen dert Eessionar gegen das Hauptgeschäft Näheres in der Lehre v. d. Cession.

$. 53. Einreden entnehmen kann,

Die ffinrebt.

249

da seine Verbindlichkeit bedingt ist darch die

deS Hauptschuldners "). WaS das Geltendmachen der Einrede vor Gericht betrifft, so tritt

zunächst der Grundsatz hervor, daß die Partei, der Beklagte, die Einrede

vorbringen muß, daß sie der Richter nicht von AmtSwegen.berücksich­ Es folgt dies aus dem Amt de- Richters, der nur den

tigen darf").

erbetenen Rechtsschutz zu gewähren hat.

Bei der Einrede der Verjährung

ist vielfach daS Gegentheil behauptet, aber, wie später gezeigt werden wird, mit Unrecht.

Auch

daS preußische Recht erkennt im Allgemeinen

den

Grundsatz als richtig an, obschon er durch daS eigenthümliche Prinzip der

A.G.O. etwas verdunkelt ist und daher wohl auch in der Praxis zuwei­ len verkannt wird.

Im Anschluß an die Vorschrift der A.G.O., wonach

der Richter, dem die Akten zur Abfassung des Erkenntnisses vorgelegt wer­

den, wenn er exceptiones Juris,

die während der Instruktion nicht ge-

riigt werden, zu bemerken glaubt, eine nähere Vernehmung der Parteien

darüber veranlassen soll"),

hat daS Obertribunal den Beschluß gefaßt:

„Rechtseinwendungen im weiteren Sinn, welche den Klagegrund selbst be­ treffen, und mithin den Mangel des Klagerechts an und für sich behaup­ ten, ist der Richter befugt, zur Vertheidigung des Beklagten bei der Ent­

scheidung des Prozesses von Amtswegen sofort geltend zu machen.

Eigent­

liche Rechtseinwendungen dagegen, welche den Anspruch des Klägers durch ein entgegenstehendes selbständiges Recht des Beklagten aufheben

sollen,

darf der Richter nur berücksichtigen, wenn er vorher die Vernehmung der Parteien über dieselben veranlaßt hat""). Gegen diesen Satz ist folgen­ des zu erinnern: die Unterscheidung von Rechtseinwendungen im weiteren und eigentlichen Sinn ist unrichtig, jene gehören nicht zu den Einreden;

es ist daS Bestreiten

der vom Kläger

aufgestellten Rechtsansichten

eine

Art der Verneinung, und hier tritt allerdings die freie amtliche Prüfung

des Richters, unabhängig davon, ob und wie sich der Beklagte nach dieser Richtung vertheidigt hat, ein.

Sollte aber das Obertribunal unter den

Rechtseinwendungen im weiteren Sinn, wie es dem Wortlaut nach scheint, auch die oben bezeichnete erste Klasse gemeint haben, die sich auf die all­ gemeinen Voraussetzungen der Rechte beziehen,

so ist eS gewiß unrichtig,

dem Richter die Pflicht oder daS Recht zuzutheilen, dergleichen Angriffe

l. IS. D. XLIV. 1.

§.310. I. 14. A.L.R.

")

1. 7. §. 1.

1 •)

Albr.echt a. a. O. S. 124.170. Bayer, Vorträge über den atm. ordentl. Civilproz. 8. A. S. 622. — Nach Entsch. B. 26. S. 243 sg. hat em App. Ger. die Einrede, daß der Vertrag wegen veränderter Umstände anfzuheben sei, von AmtSwegen der Entscheidung zu Grunde gelegt! Für gemeines R. (Bezirk von Greifswald s. Striethorst B. 17. S.317. Siehe unten §.57.

30)

A.G.O. 1. 9. §. 11.

-')

Entsch. B.7. S. 308.

Ueber diesen §. s. unten §.57.

Erste» Bich.

250

Die Gnuwtegriffe.

gegen die Klage dem Beklagten zu unterbreiten, für ihn geltend zu machen. Richtig ist nun zwar ferner, daß die eigentlichen Recht-einwendungen (also die dritte Klaffe) nicht von Amt-wegen berücksichtigt werden dürfen, aber

fraglich ist eS, ob der Richter auch noch nach dem heutigen Prozeß die

Bernehmung der Parteien hierüber veranlassen muß, lediglich da- Vorbringen abzuwarten hat.

oder ob er nicht

Dem Begriff der Vertheidi­

gung und dem heutigen Prozeß entspricht nur da- letztere, und die Praxis

verfährt auch überwiegend danach. Weil die Einrede Vertheidigung und zwar

nur Vertheidigung ist,

weßhalb sie auch immer nur die Abweisung de- Klägers erzielen kann, ist ihr Gebrauch gegenüber dem in der Klage liegenden Angriff begünstigt. Die- drückt sich zunächst darin aus, daß die Häufung der Einreden gegen

die Klage,

selbst wenn sie sich unter einander widersprechen, ungehindert

ist, während in der Klage sich widersprechende Fundamente nicht neben

einander gestellt werden dürfen");

sodann darin, daß dieselbe Einrede

gegen verschiedene Klagen gleichzeitig opponirt werden kann").

Nur un­

zulässig ist eS, da« Recht gleichzeitig als Einrede und als Angriff (Klage) zu gebrauchen, dies hindert der Grundsatz der Litispendenz und die Regel, daß man nicht zweimal dasselbe erlangen darf.

Selbst der successive Ge­

brauch der Einrede und Klage ist nur dann noch zulässig, wenn im ersten

Rechtsstreit die Einrede nicht bewiesen, oder ihr Gegenstand über den Ge­ genstand der Klage hinanSging, also ein Mehr übrig geblieben war, für welche- noch besondere Befriedigung verlangt werden darf").

aber zeigt sich die Begünstigung des Gebrauchs der

Einreden

Endlich in dem

Grundsatz, daß, wer eine Einrede aufftellt, nicht als ein solcher angesehen

werden darf, der den Klagegrund an sich eingeräümt habe: qui excipit, non fatetur“).

Der Sinn deS Satzes ist bestritten, und bedarf jeden-

*’) Nemo pluribus exceptionibus uti prohibetur, quamvis diversae eint. 1. 5. 8 D. XLIV. 1. 1. 43. pr. D. L. 17. Bayer S. 623. Die Regel wird von Heimbach, Recht-lex. III. S.699. eingeschränkt: „auf civilrechtliche Einreden, die sich auf Thatsachen stützen, welche da- Klagerecht ipso jure ausheben, ist diese Regel deßhalb nicht anwendbar, weil hier leicht ein Widerspruch zwischen den ein-einen Bertheidigung-gründen eintreten kanu." — Alternative oder successive Häu­ fung sich schlechthin widersprechender Klagegründe ist unzulässig; z. B. kann eine Klage auf Nichtigkeit eine- Testament- nicht darauf gestützt werden, daß der Te­ stator eine untergeschobene Person sei, und zugleich event, daß er bei Errichtung des Testament- nicht bei Verstände gewesen. Blätter f. Recht-anwend. in Baiern 1857 S. 398.

") Striethorst B. 9. S. 131. *4)

Senssert B. 7. S. 354.

Martin, Vorlesungen über gem. d. Civ. Proz. B. 1. S. 470. Koch, Civilproz. §. 131. N. 5. und Note 10. Ueber die 1. 8. D. XVI. 2, welche eine scheinbare Ausnahme für die Einrede der Kompensation macht, s. Förster S. 155

") 1. 9. D. XLIV. 1. 1. 43. pr. D. dc R J. 1. 9. C. VIII. 36. c 6. X II. 25. c. 63. Vito. V. 13. c. 2. Vito. II. 3 — Preuß. R. §. 60. I. 10. §. 52. I. 23. Nr. 1. Ab. 2. A.G.O.

5.53.

fall» einer Einschränkung.

llagten ist

Die Einrede.

Er besagt nur:

261 durch die Einrede des Be-

der Klagegrund selbst noch nicht zngestanden.

Er sagt nicht-

Kläger darf die thatsächlichen Anführungen des Bellagten, auf die er seine Einrede stützt, nicht für sich benutzen").

Vielmehr, wenn Beklagter aus

denselben Thatsachen, auf welche der Kläger seinen Anspruch stützt, Einrede herleitet, so sind diese Thatsachen zngestanden"). klagte

die Klagethatsachen bestreitet,

so darf auS dieser

und eventuell

eine Einrede beifiigt,

kein Gestäudniß der Klage hergeleitet werden.

hat die Regel ihre eigentliche Anwendung"). über die Klagethatsachen nicht auSläßt,

eine

Wenn der Be­

Wenn

der Beklagte

Hier sich

seine Einrede auf andere That­

sachen basirt, so find erstere nach gemeinem Prozeß nicht als zngestanden

ju erachten,

und hier hat jene Regel ihre weitere Anwendung, der Klä­

ger muß zunächst die Richtigkeit

seiner Thatsachen beweisen,

und erst,

kommt e- auf die Einrede an.

Nach preußischem

Prozeß aber, der die affirmative AtiSkontestation au»

dem Nichterklären

wenn dies gelungen,

ableitet, gelten die Klagethatsachen in diesem Fall al» zngestanden.



kann übrigens, wenn die Thatsachen, die der Bellagte zur Begründung seiner Einrede angeführt hat, zugleich die Wahrheit des Klagefundament» darthun"),

oder wenn aus der ganzen Sachdarstellung hervorgeht, daß

der Widerspruch gegen die Klage mehr in dem Inhalt der Einrede al»

in dem Bestreiten des faktischen Klageinhalts besteht"), jener Satz keine

Anwendung finden.

Bei solcher Beschränkung muß er überhaupt als ent­

behrlich angesehen werden ").

§. 54. A.G.O. Cinl. §. 16.17.

1805.

3.

Der Beweis.

Tevcnar, Theorie de« Beweises im preuß. Liv. Proz. 2 L.

Leu e, Theorie bt» Beweise« im preuß. Liv. Proz. B. 1. 1835 (von Sub­

jekt und Objelt de« Beweisesi. Meyer, in der jurift. Wochenschrift 1841 S. 10. gehört nicht hieher. -och, Liv. Pro). §.193. 199. 201. Pr. R. 1. S.354.

") Weber, Beiträge z. L- v. b. gerichtl. Klagen imb Einreden St. 2. G-lll fg. besten Verbindlichkeit z. Bewei«führuiig §. 16.—18. Marlin, Vorlesungen 9.1. S. 494 fg. ”) Wochenblatt für merkw. Recht«sälle in Sachsen R.F. III. (1855) S. 455. Sens, fett B.8. S. 132. B. 13. @.410.

") Entscheid. B. 15. S. 447. *•) Römer, Samml. btt Entscheid, bei O.A.S. Lübeck 8.1. S 553.

")

Schletler, Jahrbücher B. 1. S. 345. Nr.65. Baiern 1854. Ergänz. H. Nr. 8.

«•) Ebenso Unger S.509. Note38.

Blätter f. Rechtsanwenb. in

Erst«« Buch.

252

Die Grundbegriffe.

Hesster, preuß. (Eie. Proz. 1856 §. 117.—126. — Au« der reichen gcmeinrechlli-

chen Litteratur des. Weber, über die Verbindlichkeit der Beweisführung 3.A. mit Zusätzen von Hessler 1845.

Bethman».Hollweg,

versuche S.319.

ting, über den Begriff von Haupt- und Gegenbeweis, 1853. z. Lehre vom Elagegrnnde und der Bewei«last, 1858. lehre de« Eivilprozeffe«, 1860.

gern,

Endemann, die Beweis­

Maxen, überBewei«l»st, Einreden, Exceptionell,

1861. — Wächter II. S. 433.

über den

Fit­

Gerber, Beiträge

Unger II. S. 551.577.

Bayer,

ordentl. Eiv. Pro;. 8. A. 1856 1.681. 725. 741.759 sg

Vorträge

Wet-

zell, System de« ord. Eiv. Pr. 1861 S. HO.

Zwei Fragen aus der Lehre vom Beweise, die sonst dem Prozeßrecht

angehört, müssen wegen ihrer materiell-rechtlichen Natur hier zur Sprache Kmmen, die nach der Beweislast und nach dem Beweissatz.

Sobald der Richter sich im Besitz des thatsächlichen Materials des Rechtsstreits befindet, ist er damit noch nicht in der Lage, seinen Aus­ spruch über das Recht zu thun.

Die Erklärungen der Parteien, soweit

fie von einander abweichen, hindern ihn daran, weil jede Partei gleichen

Glauben verdient, mithin keine Behauptung die Gewißheit hat, welche für das Erkenntniß die nöchige Grundlage ist. Jetzt beginnt die Operation

des Richter-, da- thatsächliche Material zn sichten, das Zugestandene von dem Bestrittenen, aus letzterem das Erhebliche vom Unerheblichen zu son­ dern.

Da- Bestrittene und Erhebliche muß ihm zur Gewißheit gebracht,

es muß ihm bewiesen werden — judici

fit probatio').

Die Quellen

enthalten eine eigentliche Definitton des Beweises nicht, warum sollten sie auch einen Begriff des gemeinen Leben-, allen verständlich, noch mit einer

Schuldefinitton bekleiden? In seiner Anwendung auf den Civilprozeß ist Beweis der Inbegriff der Gründe für die juristtsche Gewißheit einer that­ „Juristtsche" Gewißheit muß gesagt werden, um

sächlichen Behauptung.

dadurch anzuzeigen,

hängt damit

daß sie unterschieden sei von der natürlichen.

zusammen,

Die-

daß der Richter mit der Vollständigkeit seines

thatsächlichen Wissen- an die Angaben der Parteien gebunden ist, daß er nur auf diesen Grund Recht sprechen kann.

DaS posittve Recht schreibt

deßhalb vor'), in welchen Fällen dergleichen juristtsche oder formelle Ge­ wißheit vorhanden sein soll,

in welchen Fällen der Richter sie als vor­

handen annehmen muß, selbst wenn er persönlich von der Wahrheit nicht

überzeugt wäre').

*) I. 12. D. XXII. 3.

I. 1. C. IV. 7.

») A-G.O. I. 13. §. 9 fg.

*)

Seit Möser, Patriot. Phantasien IV. S. 113. heißt die juristisch« Gewißheitsormelle, im Gegensatz zur materiellen Wahrheit. Die formelle Beweistheorie stehl der UeberzeugungStheone gegenüber, die jetzt für den Criminalprozeß gilt. Die Angriffe gegen die Widernatürlichkeit der ersteren, namentlich gegen die Ueberspanntheit, die sie im deutiche» gemeinen Civilprozeß erlangt Hal, haben nie ganz gefchlt, sind aber seit Einführung de« müudlichm Verfahren« lebhafter und berech-

$. 54.

Der Beweis.

253

Man theilt den Beweis in Haupt- und Gegenbeweis.

ist zunächst derjenige, der sich auf die Klagethatsachen bezieht. griff des letzteren ist verschieden festgestellt worden.

Ersterer

Der Be­

Eigentlich kann man

darunter nur denjenigen verstehen, dessen Zweck eS ist, den Hauptbeweis

zu entkräften oder ganz zu widerlegen.

Gegenbeweis.

Es ist der eigentliche oder direkte

Sein Thema läßt sich nicht im Voraus bestimmen,

es

hängt davon ab, was zum Hauptbeweise ausgesetzt ist, und eS liegt in der

Natur der Sache, daß es gegen solchen Gegenbeweis nicht nochmals einen Gegenbeweis geben kann, denn dessen Inhalt müßte der deS Hauptbewei-

seS sein — reprobatio reprobationis non datur.

Man hat aber den

Begriff des Gegenbeweises erweitert und darunter jede Beweisführung deS Beklagten verstanden, also auch den seiner Einreden: indirekter Gegen­ beweis.

Dieser ist aber seinem inneren Wesen nach ein wahrer Haupt-

beweis '), durch welchen die Wahrheit der selbständigen thatsächlichen Be­ hauptung de» Beklagten, nicht die Unwahrheit des Vorbringen- des Geg­ ners dargethan werden soll.

weis dahin bestimmt,

Sonach wird jetzt allgemein der Hauptbe­

daß es der Beweis für die Wahrheit der thatsäch­

lichen Grundlagen eines selbständigen prozeffualischen Angriffs und Gegen­ angriff- ist. Der Beweis ist ferner entweder ein natürlicher oder künstlicher. Die Art und Weise,

wie der Beweisführer

die Thatsachen

darzuthun

sucht, kann eine zwiefache sein: entweder werden Beweismittel beigebracht, welche unm ittelbar daS Beweisthema selbst treffen, oder eS werden That­ sachen in Gewißheit gesetzt,

aus welchen auf die Wahrheit deS BeweiS-

satzeS ein Schluß gezogen werden kann, der künstliche Beweis ist gewiffermaßen ein Vorbeweis, als solcher aber ein natürlicher').

Nach preußischem Recht spricht der Richter sein Verlangen nach Be­ weis durch ein s. g. Resolut, eine prozeßleitende Verfügung aus, nach ge­ meinem Recht durch ein s. g. Interlokut, daS die Natur eines Urtheils hat').

tiflter geworden. S. bei. Endkinann im Archiv, f. civilistische Praxis B. 41. N. 4. 11. B. 42. N. 11. B. 43. 92.1. Die Praxis bietet »st die Bewahrheitung de» Satze» naturam expellas furca, tarnen usque recurret. E- wird wvhl auch die Zeir kommen, wo man sich ebenso sehr darüber wundern wird, daß die formale Beweistheorie mit ihrem ganzen, halben, Viertel- und Achtelbewei« im Livilprozeß hat gelten können, als e» heut schon unbegreiflich erscheint, daß im Eriminalprozeß jemals eine andere al» die Ueberzeugung-theorie gegolten hat. Letztere hat übrigen» im preuß. Livilprozeß schon einige Anwendung: Ehescheidung-prozeß § 39. V.O- v. 28. Juni 1844. Klage au« unehelicher Schwächung $. 16. Ges. v. 24. April 1854. Actio Pauliana §. 17. Ges. v. 9. Mai 1855. §. 111. Son» kurSordn. v. 8. Mai 1855. *) Seit Bethmann-Hollweg 'S Ausführung wird die- nicht mehr verkannt. 5) Zein chr. s. RechtSpfl. u. Verwalt, in Sachsen, N. F. B. 19. S. 464.

•) Die Verschiedenheit zwischen Resolut und Interlokut ist nicht bloß eine formelle, sou»

Erste« Buch.

254

Dir Grundbegriff«.

Dieser Ausspruch muß festsetzen, von welcher Partei und worüber der Beweist zu führen sei. 1. Die Beweislast. Dem römischen Recht sind in Bezug auf diese viel bestrittene Lehre nur zwei allgemeine Grundsätze bekannt: einmal semper necessitaa incumbit illi, qui agit’) oder petitori probationis onus incumbit*), d. h. der Kläger hat die Klage zu beweisen und wenn est nicht geschieht oder gelingt, wird er abgewiesen'). ES liegt aber darin zugleich der weitere Grundsatz: der Beklagte hat die Einrede zu beweisen, denn reus excipiendo fit actorl0). Sodann ei incumbit probatio, qui dicit, non qui negat“). Also demjenigen, welcher behauptet, liegt der Beweist ob, nicht demjenigen, welcher verneint, bestreitet. In der Doktrin haben sich, je nachdem der eine oder der andere dieser beiden Grundsätze besonder- hervorgehoben wurde, zwei Theorien über die Beweislast gebil­ det; aber est ist Weber'- Verdienst, nachgewiesen zu haben, daß jene Regeln nicht- verschiedene-, keine Gegensätze sind, sondern daß sie sich ge­ genseitig ergänzen. Is qui dicit, qui affirmat ist immer der Kläger in Betreff seiner Klage, mag seine Behauptung auch eine negative Fassung haben, ebenso immer der Beklagte in Betreff der Einrede; is qui negat dern hat wichtige materielle Fragen im Gefolge. Der AuSspruch de- Richter-, welcher den Beweis anordnet, ist in der That ein Urtheil, eine erkennende Thätig» keit, denn er ist da- Resultat der Prüfung über die Rechtsfrage, über die Erheb» lichkeit de- vorgebrachten, er bedingt daher die schließliche Entscheidung. (8r ist becifiv und prozeßleitend. Ze nachdem ans die eine oder die andere Seite seineWesenS der Nachdruck gelegt wird, wird man die Beweisführung al- Urtheil oder al- Dekret auffaffen müssen. Die nächste erhebliche Konsequenz ist, daß gegen daUrtheil auch Recht-mittel gestattet sein müssen, und daß e- rechtskräftig wird, wenn solche nicht gebraucht werden. Weil durch die in die Mitte der Instanz ringe» worseneu Recht-mittel der Prozeß ungebürlich verlängert wird, hat mau vielfach in neunen Gesetzgebungen den Standpunkt de- Urtheils verlassen. Die preuß. A.GO. ist voravgegangeu, und die preußische Praxi-weiß die- al- besondern Vor­ zug zu rühmen. Der Vorzug hat auch seine großen Nachtheile gebracht. Zwar der Prozeß verliert an Starrheit und Langsamkeit, er behält bi- zum Abschluß eine gewisse Elastizität. Aber mit der Wichtigkeit eine- Urtheil- schwand auch nur zu sehr die klare und scharfe Einsicht in die materielle Seite de- Bewei-recht-, namentlich die Vewei-pflicht, und der Prozeß büßte seine naturgemäßen Scheidun­ gen ein. Einen Mittelweg hat die hannöversche Prozeßordnung v. 1850 einge­ schlagen. Sie hat da- Interlokut al- Urtheil beibehalten und bindet den Richter, der eö gesprochen, daran, aber sie läßt die Rechtsmittel nicht dazwischen treten, sondern gestattet, da- Rechtsmittel einstweilen anzumelden, und e- nach Beendigung der Instanz zum AuSttag zu bringen. — UebrigenS war auch dem römischen Recht und noch dem kammergerichtlichen Prozeß das Interlokut als Urtheil unbekannt; es ist wesentlich deutschen Ursprungs, besonders ausgebildet in der sächsischen Praxi-, wie Planck, da- Beweisurtheil, 1848 überzeugend nachgewiesen hat.

7) § 4. J. II. 20.

•) 1. 20. C. IV. 19.

•) ••)

1. 4. C. II. 1.

1.

2. C. IV. 19.

1. 28. C. III. 32.

1. 1. D. XLIV. 4.

I, 19. D. XXII. 3.

1. 2. D. XXII. 3

1. 23. C. IV. 19.

§. 28. I 13. A. G.O.

t 54.

Der Beweis.

265

ist immer der nur bestreitende Gegner. Der richtige allgemeine Grund­ satz von der Bewei-last ist also der: jede Partei hat ihre eigne, affirmativ oder negativ ausgedrückte thatsächliche Behauptung, die vom Gegner be­ stritten worden und auf die sie einen.selbständigen Angriff oder Gegenan­ griff stützt, zu beweisen. Da- eigenthümliche Prinzip der A. G.O. hat diesen Grnndsatz ver­ dunkelt, nicht aufgehoben. „Vornehmlich" derjenige TheU soll beweisen, der sich auf eine geleugnete, erhebliche Thatsache gründet. Doch soll der Richter nicht daran gebunden sein "): dies bezieht sich aber nur auf die Beweismittel, die die beweispfiichtige Partei angegeben, nicht auf die Beweispflicht selbst. Eine wissenschaftliche Praxi» wird an dem oben ent­ wickelten Grundsatz festhalten müssen"). DaS positive Recht hat diesen Grundsatz in vielen Fällen dadurch modifizirt, daß eS der Partei die Beweislast abnimmt, indem eS Ver­ muthungen für die Richttgkeit chrer thatsächlichen Behauptungen gewährt, die» hat die Folge, daß der Gegner durch Beweisführung, die in einzel­ nen Fällen ganz besonder» erschwert ist, die Vermuthung beseitigen muß. DaS preußische Recht ist besonders reich an solchen Vermuthungen, die als Regelungen der Beweislast erscheinen "). Auch die Vermuthung stützt sich auf thatsächüche Voraussetzungen, die, wenn sie bestritten, bewiesen werden müssen. Häufig sind sie nichts weiter als die gesetzliche Anerken­ nung natürlicher Wahrscheinlichkeit. Im Begriff verschieden von chnen, obgleich im A.L.R. mit gleichem Wort bezeichnet, sind die Fiktionen, wo daS Recht ohne Rücksicht ans die Richtigkeit oder Unrichtigkeit gewiffer Thatsachen das Vorhandensein eine» rechtlichen Zustandes als gewiß an­ nimmt, so daß Gegenbeweis nicht statthaft ist. Dergleichen Fittionen find wenige aufgestellt"). ")

«.G.O. eini g. 16.17.

'•) ®n Ausspruch des Richters über dir Beweislast erfolgt im preuß. Prozeß nicht. §.30. der v.O. vom 1. Juni 1833 schreibt nur vor, daß da» Resolut die zu deweisenden Thatsachen und die Beweismittel sestsetzen soll. Hiervon unterscheidet sich erheblich und zu seinem Vortheil der Prozeß nach der V.O. v. 21. Juli 1849 für die gemeinrechtlichen Bezirke Preußens. 8-29: „über welche Thatsachen und von welcher Partei der Beweis und Gegenbeweis geführt werden soll." Damit im Zusammenhang steht, daß im allpreuß. Prozeß schon die Klage und Beant­ wortung mit der Angabe aller möglichen denkbaren Beweismittel augesüllt sein muß. •*)

Siehe Register z. A.L.R. v. Vermuthungen. Koch, Liv.Pr. g.273. Hefster a. a. O- S. 144. Leue S.IbSfg. Unger II. @.517 fa. A.G.O I. 13. §. 27.28.

**) Wächter II. S. 450- Note 32. ist gegen die Gleichstellung der s. g. praesumtiones Juris et de jure, d. h. derjenigen Vermuthungen, die durch Gegenbeweis nicht entkräftet werden dürfen, mit den Fiktionen, welche darin bestehen, daß zu gewiffen Zwecken «in Verhältniß al» wirklich angenommen wird, von welchem man weiß, daß es in der That in dieser Weis« nicht existirt, z. B. bei dem Lotus

Erste« Buch.

256

Dir Grundbegriffe.

2. Der Beweissatz. Dieser soll ausdrücken, welchen Thatumstand der Richter sich beweisen lassen mu& um daS Urtheil sprechen zu können. Er enthält daS Thema, die Aufgabe der Beweisführung.

Im Allgemeinen

ist zu sagen: eS müssen bewiesen werden die thatsächlichen Behauptungen der Parteien, sofern

sie die Entscheidung des Rechtsstreits bedingen, für

sie wesentlich sind, und sofern sie noch nicht juristische Gewißheit erlangt haben, also: Thatsachen, erhebliche,

juristisch ungewisse (streitige).

Hier­

nach läßt sich bestimmen, was nicht zum Beweise auSzusetzen ist: daS Zu­

gestandene, das Notorische, das vom Gesetz Vermuthete, das Unerhebliche. Auch

RcchtSfätze sind nicht Gegenstand des Beweises.

Die Aufsuchung

des richtigen RechtSsatzeS ist Amtspflicht des Richters, er ist hierbei un­ abhängig von den Ausführungen der Parteien, er ist nicht bloß berechtigt,

sondern verpflichtet,

an Stelle der unrichtigen, von der Partei vorgetra­

genen Rechtssätze die von ihm erkannten richtigen seiner Entscheidung ohne

Die Regel erleidet eine Modifikation: loka­

Weiteres zu Grund zu legen.

les Gewohnheitsrecht, statutarisches und ausländisches Recht darf Gegen­

stand des Beweises werden.

Doch kann und darf der Richter sich auch

von Amtswegen diese Kenntniß verschaffen "). WaS nun im einzelnen Fall das Erhebliche fei, ergiebt sich aus den gesetzlichen Erforderniffen desjenigen Rechtsverhältnisses, stand der Klage oder Einrede ist,

welches Gegen­

und kann im Allgemeinen nicht weiter

bestimmt werden, als oben (§. 50. Seite 230.) bereits geschehen: wesentlich ist, was zur Entstehung des Rechts gehört. Der Richter muß den Beweissatz scharf,

darf ihn nicht überladen.

erschöpfend hinstellen, er

ES wird vermöge der den Prozeß beherrschen­

den Eventualmaxime der Satz über den Beweis der Klage und der Ein­ rede zugleich ausgesprochen, wenn auch der letztere erst erheblich wird, nachdem der erstere geführt ist.

Den Beweis der Klage fordert der Rich-

poweseor. Ihm tritt Unger II. S.584. Note 19. bei, indem er die Fiktion mit Demelius (die Rechtsfikiion, 1858 S. 92.) dahin definirt: sie sei eine Rechtsregel besonderen An-drucks, die Präsumtion dagegen eine Rechtsregel besonde­ ren Inhalts. Diese Definilionsformel ist unklar: Ausdruck und Inhalt sind keine Gegensätze, der Ausdruck muß einen Inhalt haben. Es scheint aber bei Wächter der Begriff der Fiktion willkürlich beschränkt. Nickt, daß man grade weiß, daß die Thatsachen der Annabme widersprechen, sondern daß man eine Rechtsannahme ansstellt, ohne Rücksicht darauf, ob ihr die Thatsachen entsprechen oder widersprechen, ist ihr Wesen, während die Präsumtion sich an Thatsachen an­ knüpft, die ihre Annahme schon wahrscheinlich machen, also diese berücksichtigt und ihre Bedeutung verstärkt. Bei fortschreitender RechtSentwicklnng müssen die Fik­ tionen immer mehr abgeworfen werden (s. Demelius S. 75fg.). Wenn man die gesetzlichen Bestimmungen streng prüft, wird man deren auch nur sehr wenige finden. Eine eingehende Untersuchung kann hier nicht gegeben werden. Sie wäre sehr wünschen-werth. Siehe Koch, Eiv. Proz. §. 273.

") Seuffert B. 13. S. 253. A.G.O. I 10. §. 53.-55. Sächs. Wocheubl. für merkw. RechtSs. N. F. B.6. S. 147 fg. Oben S. 49 Note 5.

§ 55.

257

**. Begriff nnb Umfang der Rechtskraft.

ter, den Beweis der Einrede stellt er dem Beklagten frei, direkten

Gegenbeweis,

über

welchen ein

ebenso den

Satz nicht formnlirt

werden

kann,7).

4.

Das Urtheil.

IS.«. I. 10. §.2. I. 16. §. 7. A.S.O. Linl. §. es. 66. V. §. 6. IX. 8 6. X. § 60. XIII. 8.38.43. XVI. §.1.6. XXIV. §.2.3.5. 8. v. 1. Juni 1833 §. 1. Nr.3. - «och, Pr.R. I. S. 365fg. Förster, »I. u. Sinr. 1867 S-175.—206. Derselbe bei Gruchot 8.2. S.343. Bauer bei Gruchot 8.4. S. 187. Gruchot in f. BeittSgeu 8.6. S.315. 8.7. ©. 175. — »oller, über LinlkoMtft. u. Urtheil, 1827. Bnchka, Einfluß des Prozesses 8.1. 1846 S. 290. B. 2. 1847 S. 76.168. Wächter, Srörter. H. 3. 1846 S. 43. Priv. R. II. S.545sg. »iernlss I. S. 42. 249.303. Savign, VI. 257.-409. Heimbach im RechiSlex. 8.11. S.762. Bayer, Borträge S 431. Welzell, Livilprozcß S.398. Windscheid, die Actio S.72. Pand. I. 812. Unger II. S. 601. Sinteni» I. 8- 34. Snbtntann, da« Prinzip der Rechtskraft 1860. Derselbe, Beweislehre de« Livilprozesse« 1860 S. 98sg. Einzelne Bussatte von Linde im Arch. s. civ. Pr. 8.33. S.315. Pfeiffer im Arch. für civil. Pr. 8.37. S. 93.244. Schäffer, in d. Zeitschr. s. Liv.R. u. Pr. R.F. 8.12. S. 247. Dunker im Arch. für praktische R.W. 8.5. S. 50. Zim­ mermann in d. Z. s. Liv. R. n. Pr. N. F. 8. 11. 6.55. 8.12. 6.217. Schäffer im Arch. f. civil. Pr. 8.37. S. 1. Blätter s. Recht-anwendung in 8aiern 8.20. S. 113.129. u. A. m.

§. 55. a. Begriff unb Umfang der Rechtskraft. Klage, Antwort, Beweis sind erörtert. des Urtheils.

Sie sind die Grundlagen

In der naturgemäßen Weise wird nach

dem die exceptio

rei in Judicium deductae

Wirkung nicht mehr bekannt ist, braucht (konsumirt).

mit ihrer

heutigem Recht, konsumirenden

die Klage erst durch da- Urtheil ver­

Eine bereit- anhängig gewordene Klage, die nicht

bis zum Erkenntniß durchgeführt wird, kann wiederholt angestellt werden: e- liegt in der Willkür des Kläger-, ob er die Durchführung feine- Recht-, bevor sie vollendet, wieder aufgeben, ob er den emgeschlagenen Weg verlasien und einen neuen wählen will').

Ist aber das Urtheil ergangen,

•’) Da der prcuß. Prozeß einen Ausspruch über die 8eweirlast nicht kennt, so tritt hier da« Fordern und Freistellen äußeriich erkennbar nicht hervor.

*) Eutsch. 8.20. S. 511: Wenn der Kläger die »läge zurückuimmt, ohne sich sei»er Forderung zu begeben, so kann der Verklagte die Entscheidung über letztere nicht durch den einfachen Antrag ans Fortsetzung der Sache erlangen, sondern nur, indem er entweder selbst die Unrichtigkeit und Ungiltigkeit der Nägerischen Forde« rung klagend durchführt, «der aus dem Wege de- Bersahreu» in DissamationSsacheu. A SO. I. 20. §.20.21. I. 32. §.2. Zum Plenarbeschluß erhoben 5 »erster, Preuß. Privalrecht. 17

Liste» Buch. Di« ©rnnbbtgriffe.

268

so kaun die Klage nie wieder anst Neue erhoben werden, mag der Be­ klagte dem Antrag entsprechend verurtheilt, oder der Kläger abgewiesen worden sein. DaS Urtheil schützt daher sowohl den Kläger als den Beklagten gegen jede fernere Anfechtung wegen desselben Gegenstandes aus demselben RechtSgrunde. DaS Urcheil ist sonach der entscheidende, unabänderliche Ausspruch deS Gerichts über das Recht des Klägers. ES setzt voraus, daß beide Theile gehört worden, daß sie über ihren Rechtsstreit vor dem Richter verhandelt haben — oder daß ihnen wenigstens die Aufforderung in ge­ setzlicher Weise zu einer solchen Verhandlung geboten ist, wobei es dann nicht weiter darauf ankommt, ob sie benutzt worden **). Abgesehen von den prozessualischen Formen liegt hierin der wesentliche Unterschied des Urtheils von allen übrigen richterlichen Verfügungen, die während deS gerichtlichen Verfahrens erfolgen, daffelbe leiten und nicht unabänderlich sind'). Im Wesen des Urtheils als eines unabänderlichen Ausspruchs liegt die Rechtskraft. Man kann dahingestellt fein lassen, ob daS Institut der Rechtskraft seine Begründung in der Nothwendigkeit findet, daß die Ruhe und Ordnung in der bürgerlichen Gesellschaft erhalten bleibe, wie die A.G.O. sagt. Seine wahre Begründung liegt vielmehr in der eignen Natur deS Urtheils, durch welches über einen Rechtsstreit entschieden, und zwar schließlich entschieden werden soll'). Formell hat daS Urtheil die Rechtskraft erlangt, wenn entweder ein Rechtsmittel von der unterliegen­ den Partei dagegen nicht eingelegt, sei eS, daß sie die Frist versäumt oder daß sie ausdrücklich erklärt hat, sie wolle sich bei dem Erkenntniß beruhi­ gen'), oder wenn die zulässigen Rechtsmittel erschöpft sind'). WaS den Beginn der Rechtskraft betrifft, so kann bei unangefochte-

Emsch. 8.23. S. 20. DaS O. A. G. Dresden läßt zu, daß der Kläger vvr Ein­ tritt der Rechtslrast de« Erkenntnisse«, welche« seine «läge abweist, dieselbe zurücknimmt und darauf ganz dieselbe Klage einreicht. Wocheubl. f. rnerlw. Rechtes. 1858 R. F. VI. S. 297.

*) 1. 7. C. VII. 45.

1. 5. C. VII. 57.

Bayer, Vorträge S.401.

*) Bei Gruchot II. S. 348. Brackenhöst, Erörterungen zu Linde S. 479. Arch. f. prall. 9t. SB. B.5. S. 424.

«) L 1. D. de B. J. •) Entsch. B.32. S. 12. Pl. Beschl. I. M. Bl. 184«. S.94. StrietharstB.il. S. 3ti9. 8.21. S. 6. A.G.O. I. 16. §■ 1. Fälle, in denen da« gern. 8t. still­ schweigenden Verzicht auf da« Rechtsmittel annimmt: 1. 5. C. VII. 2. o. 20. X. I. 29. c. 54. X. II. 28. Nach pr. 9t. muß der Verzicht ein ausdrücklicher sein, und ist unwiderruflich. Entsch. 8. 31. S. 184. Die Zurücknahme eine« 6t« reit« eingelegten und gerechtfertigten Rechtsmittel« ist ebeusall« unwiderruflich. Striethorst B.48. S.233.

s) «. G O. I. 16. §. 1. 1. 25. D. V. I 1. 3. pr. D. XXV. 3. ! 12. §.3. D. XXXVIII. 2. I. 3. 8.3. v. XXVII. 9. I. 65. §. 2. D. XXXVI. 1. I. 14. §. 1. D XL. 1. 1. 1. 5. C. VII. 54. c. 13. 15. X. II. 27.

$.55.

**. Begriff und Umfeufl der Rechtskraft.

259

neu Erkenntnissen 1. oder 2. Instanz an drei verschiedene Zeitpunkte ge­ dacht werden, an den der Publikation, den

urkunde (Ausfertigung), den des Ablaufs

der Zustellung der Urtheils­

der Rechtsmittelfrist;

kenntnissen 3. Instanz wenigstens an die beiden ersten. halten darüber keine bestimmte Regel'). angenonunev,

bei Er­

Die Gesetze ent­

Die Praxis hat in einem Fall

daß die Rechtskraft am Tage der Zustellung des unange­

fochtenen Urtheils

anfange.

dung ausgesprochen,

Doch

ist in den Gründen dieser Entschei­

„wenn nicht gar schon mit dessen Verkündigung" *).

Und grade dieser Zeitpuntt muß

auch der entscheidende sein.

Die Ver­

kündigung wirkt immer gleichzeittg gegen beide Parteien, die Insinuation kann zufällig an jede derselben zu sehr verschiedenen Zeiten erfolgen,

würde dann also ein Zeitraum inzwischen eintreten,

es

in welchem das Ur­

theil zwar gegen die eine, aber noch nicht gegen die andere Partei rechts­ kräftig geworden, und dieser Umstand kann namentlich bei Entscheidungen über Zustands-und dingliche Rechte praftische Schwierigkeiten Hervorrufen

Daß der Tag der vollendeten Publikation alS der Beginn der Rechtskraft angenommen werde, dafür spricht insbesondere auch, daß das Urtheil von

diesem Moment für den Richter, der es gesprochen, unabänderlich wird'").

Von diesem Tage der Publikation ist die Unabänderlichkeit des Ur­ theils absolut nach allen Seiten:

den Parteien gegenüber,

deren Streit

dadurch entschieden worden, dem Richter gegenüber, der es gesprochen, so

’) Die Ausdrücke: »der Tag, wo da» Erkenntniß rechtskräftig wird," «der „derTag des ergangenen Erkenntnisse«" oder „der Tag der beschrittenen Rechtskraft" ent. scheiden wegen ihrer Unbestimmtheit nicht«. A L R. I. 11. §. 821. I. 16. §. 66. II. 1. $.731. 771. II. 2. 5 40. II. 18. §.835. «. S.O. 1 24. ß. 3. Die Prozeßnovelle für die gemeinrechtl. Bezirke v. 21. Juli 1849 §.61. bestimmt, daß bei Berwersung der Nichtigkeitsbeschwerde der Tag der Insinuation de» angesochtenen Erkenntnisse» al« der Tag der Recht«krast anzusehen. In der B.Ov. 14. Dezbr. 1833 fehlt eine solche Bestimmung (f. $.18). •)

Entsch. B. 22. S. 367. Unrichtig ist e«, wenn da-O. Trib. (Striethorst B. 48. S. 234. b.) in dem Fall, wo ein bereit« gerechtfertigte« Rechtsmittel von der Partei zurückgenommen wird, den Beginn der Rechtskraft nicht aus den Tag der Publikation zurückdatirt, sondern ihn aus de« Tag der Präsentation der (Ent« sagung-erNärung verlegt.

•), Dte« zeigt grade der Fall, der die Entsch. B. 22. S. 367. hervorgerufen hat.

'») 1. 55. 62. D. XLII. 1. Koch, Landr. Rote 72. zu §.731. II. 1. und Role 18. zu $.40. II. 2 hat die Rechtskraft aus den Tag der Publikation gesetzt. Wird die Publikation durch 14tägigen Aushang bewirkt, so ist sie am 15. Tage vollendet nnd an diesem Tage beginnt die Rechtskraft. A. M. hier Roch, Eiv.« Proz. 1848 S. 747. No le 6. S. 749. Die Rechtskraft darf übrigen« mit der Vollstreckbarkeit nicht verwechselt werden, die nur eine Folge derselben ist nnd allerding« bei Urtheilen 1. und 2. Instanz immer bi« zum Ablauf der Frist für da« ordentliche Rechtsmittel ruht. Al« unangefochten im schließlichen Erfolge ist aber auch da« Urtheil anzusehen, welche« in der späteren Instanz bestätigt worden. Der Beginn der Rechtskraft muß hier zurückgezogen werden aus die Publikation de« bestätigten Erkenntnisse«. Lergl. überhaupt über diese Frage Eruchot II. S. 359 Nr. 7. VI. S. 373, u. die Note S. 471.

260

Erste- Buch.

Die Grundbegriffe.

wie jedem andern Richter gegenüber, der in die Lage gebracht werden soll, nochmals über denselben Rechtsstreit zu sprechen"). Zwischen den Par­ teien begründet e- formelles Recht, d. h. was es ausgesprochen, gilt selbst dann, wenn dadurch das wirkliche Recht der einen oder andern Partei verletzt worden. Das verurtheilende Erkenntniß stellt fest, daß der Kläger da- von ihm beanspruchte Recht hat — ohne Rücksicht darauf, ob es der Wahrheit entspricht; das abweisende Erkenntniß stellt fest, daß der Beklagte dem Kläger nicht verpflichtet ist, wenngleich er eS in der That gewesen wäre"). CS kommt hierbei nicht darauf an, ob der Irr") 1. 14. 55. 56. 62. D. XLII. 1. Hierher gehört auch die schwer zu lösende wich­ tige Frage, ob daS Kriminalurtheil eine präjudizirende, bindende Kraft für die aus der That erzeugte Entschädigung-klage und das sie entscheidende Livilunheil haben soll. PrLziS ist die Frage nur so zu stellen: bietet die rechtskräftig gewor­ dene thatsächliche Feststellung des Kriminalrichters (bei Geschworenen fachen also das Berdikt) den Klage gründ für den Eivilanspruch aus Entschädigung und erzeugt das rechtskräftig freifprechende Krirninalurtheil die Einrede der Rechtskraft gegen den Eivilanspruch? Die preußische Praxi- hat sich durch den Pl.Beschl. v. 15. Dezbr., 1856 Entsch. B. 34. S. 19. dahin befestigt: „daß die Entscheidung deS Strafrichter- für den Eivilrichter, welcher über den Entschädigungsanspruch zu ent­ scheiden hat, in Beurtheilung der BeweiSsrage hinsichtlich der zur Begründung deS Anspruch- dienenden Thatsachen, insoweit nicht maßgebend ist, al- nicht besondere gesetzliche Bestimmungen daS Gegentheil rechtfertigen." Das O. Trib. hat seitdem weiter angenommen: Zur Begründung der Nullitätsklage wegen bestochener Zeu­ gen genügt da- ergangene Straferkenntniß, und eS bedarf nicht der nochmaligen Feststellung de- Berbrechens des falschen Zeugnisse- im Eivilversahren. Striethorst B. 33. S. 166. Ferner: wenn eine Partei im Wege der Untersuchung eine« in einem Eivilprozefse begangenen Meineide- recht-krästig für überführt erachtet worden ist, so ist diese Feststellung auch in dem von dem andern Theil dem­ nächst auf Grund jene- Meineide- erhobenen Entschädigung-prozeß für den Eivil­ richter maßgebend und e- findet kein Gegenbeweis statt. Entsch. B. 35. S. 194. Al- ein FÄ, wo besondere gesetzliche Bestimmungen die Ausnahme von dem Pl. Beschl. rechtfertigen, A.G.O. I. 16. §.24. Entsch. B. 41. S. 57 fg. B.47. S. 341. In Entsch. B. 42. S. 42. wird ein im Strafverfahren von einem Min­ derjährigen abgelegte- Geständniß als maßgebend für den Eivilrichter angesehen. Die Praxis ist in dieser Frage noch keineswegs durchgebildet. Bergl. Gruchot II. S. 354 fg. Nr. 6., wo auch S. 356 fg. die gemeinrechtliche Praxi« mitgetheilt ist. Zlizufetzen ist: gegen die präjudizirende Kraft: da- O. Trib. Stuttgart, Seuf. fert XII. S. 272. Für diese Kraft: Kassel, Senssert XII. S. 418., Dresden, Wochenbl. f. merkwürd. Recht-fälle 1862 S. 73. Dazu Sintenis in den Dresdner Annalen B.4. S.433 fg. Schwarze in der Zeitschr. s. Recht«, pflege und verwalt, in Sachsen B. 10. S. 218. B. 14. S. 210. UebrigenS ist für da- Königreich Sachsen die Frage gesetzlich in richtiger Weise entschieden durch Art. 449. der Strasproz. Ordn. Endemann, die Bewei-lehre 1860 S. 114 fg. fleht eine Lösung der Frage nur darin, daß auch die Bewei-theorie des LivilprozesieS ihren jetzigen formalen Charakter verliere. Gewiß würde die- die Lösung erleichtern, aber sie ist nicht dadurch bedingt. Nur das Resultat de- Strafrich­ ter- an sich, nicht die Art und Weise, nicht der Weg, aus dem e- gesunden, kann da- Entscheidende sein. Der gebundene Richter darf nicht mehr prüfen, wie der bindende zu seiner Feststellung gelangt ist. ") A.L.R. I. 10. §.2. I. 16. §.7. Striethorst B. 26. S. 26. E- ist zu beachten, daß da- Erkenntniß als Titel ausgesaßt, nicht noch de- Modu- bedarf. E- ist beide- zugleich. S.obentz.23. Note 14. Der Ausdruck ist ungenau, denn da- Urtheil begründet kein Recht, es novirt nicht. Davon unten §.26. Note 2. Daß auch nach gern. Recht gegen daS ungerecht abweisende Urtheil keine na-

1.65. *• Begriff nnb Umfang der Rechtskraft. thun, de- Richter»

261

seinen Ursprung in unrichtiger Feststellung der That­

sachen oder in einer

unrichtigen Auslegung der Gesetze hat").

DieseS

sormelle Recht kann nur dadurch wieder zerstört werden, daß ein neuere-

Gesetz das betreffende Rechtsinstitut aufhebt, und nicht etwa das Urtheil schon vorher seine Erfüllung gefunden hat, oder in dem neuen Gesetz die bereit- begründeten Rechte aufrecht erhalten werden").

jede-

Urtheil schlechthin

entweder

verurtheilend

Indeß ist nicht

oder

abweisend.

ES sind die» nnr die Hauptarten "), sie modifiziren sich in einzelnen Fäl­

len.

Die Klage wird nicht unbedingt, sondern zur Zeit") oder in der

angebrachten Art") abgewiesen; jenes, wenn das Recht dem Kläger noch nicht jetzt, diese-, wenn es ihm zwar zusteht, aber nicht in der ein­

geschlagenen Art geltend gemacht werden darf.

Auch solche Urtheile wer­

den zwar rechtskräftig, aber sie entscheiden nicht schließlich über da- strei­

tige RechtSverhältniß,

zeitig geworden,

dasielbe kann nochmals, nachdem die Klage recht­

oder in der anderen Art vor Gericht verfolgt werden.

Rur muß die neue Klage frei sein von dem Mangel,

der die Abweisung

der ersten verursacht hat").

Zuweilen lehnt da- Urtheil die Entscheidung ab, indem sich da- Ge­ richt entweder einem andern zuständigen Gericht gegenüber, oder, weil der

Rechtsweg über den streitigen Gegenstand überhaupt versagt ist, zuständig erklärt.

für un­

Auch solche Erkenntniffe werden zwar rechtskräftig, aber

sie entscheiden nicht über die Richtigkeit und Unrichtigkeit deS zwischen den

turatie obligatio übrig bleibt, Hal überzeugend nachgewiesen Wächter, Erörter. H.3. 6.135., Windscheid, Pand. I S.318. Note7.

'•) 1. 27. 32. D. XLII. 1. '«)

Siehe oben § 10. Entsch. B. 32. S.219. Seusfert B. 9. S. 322. Ein Bei. spiel §. 49.10. des Ablös. Oes v. 2. März 1850. Spätere- Anerkenntniß der rechtskräftig abgesprochenen Schuld beseitigt da- Urtheil. Striethorft B. 14. S. 21.

'*)

Als dritte Art die gemischten Urtheile daneben zu pellen, d. h. diejenigen, die theils verurtheilen, theils abweisen, ist völlig überflüssig. Bon der Regel, daß Kläger niemals verurtheilt werden, sondern höchsten- nur den Nachtheil der Ab» Weisung erfahren kann, machen auch die Urtheile in den s. g. judicia duplioia, den Theilung-klagen, nur eine scheinbare An-nahme., Förster, Kl. u. Einrede G. 13 fg Sie lösen sich in Klage nnd Gegenklage aus. Seiden Klagen, die nur auf Anerkennung eine- Recht-zustande- gerichtet sind (praejudicia', enthält die im Urtheil ausgesprochene Anerkennung die Verurteilung de- Beklagten, die nicht bloß dann vorhanden ist, wenn er etwa- leisten soll

")

Seuffert XV. S. 426.

17)

Bei Gruchot II. S. 3-9. I. S. 44. Dazu noch Weitere- au- der Praxi-: Entsch. B. 38. S. 373. Str Lei horst B.29. S. 45. 70. 162. B. 38, S. 188. 212 Unbegreiflich ist die Ansicht, die die Abweisung angebrachtermaßen auch dann für gerechtfertigt erachtet, wenn Kläger au-einem falschen Fundament geklagt hat, um ihm die Klage aus dem richtigen Fundament zu erhalten. Zeitschr. s. Rechtspflege und Berw. in Sachsen v. Tauchnitz N. tz. B. 6 S. 203. v 19. S. 409.

ie) OA G. Dresden in der Zeitschr. f. Rechtspflege u. Verwalt. B. 12. S. 352.

262

Erste« Buch.

Dir Grundbegriffe.

Parteien streitigen Rechtsverhältnisse-; auf diese- kann sich daher die Rechtskraft nicht erstrecken und deßhalb sagt da- Obertribunal mit Recht, daß e- sehr bedenklich erscheine, einem solchen Urtheil die Kraft eineIudikatS im eigentlichen Sinne beizulegen, welche- jus sacit inter partes. ES haben diese Urtheile mehr einen staatsrechtlichen Charakter"). Indem die Rechtskraft die Eigenschaft der Unabänderlichkeit de- Er­ kenntnisse- ist, hat sie eine so einfache Natur, daß man verschiedene Arten von ihr eigentlich nicht aufftellen kann. Für da- materielle Recht ist sie auch nur eine. Während de- schwebenden Rechtsstreit- aber tritt sie un­ ter Umständen nicht gegen beide, sondern nur gegen eine Partei ein, und diese Rechtskraft kann als eine prozessualische bezeichnet werden, sie folgt daraus, daß die Rechtsmittel gegen das Urtheil nicht eine gemein­ schaftliche Wohlthat für die Parteien sind; die Einlegung der Appellation hindert den Eintritt der Rechtskraft nur zu Gunsten des Appellanten"). ES bleibt die wichttge Frage übrig: wie weit die Rechtskraft eine Eigenschaft des Urtheils sei? Der Inhalt des Urtheils zerlegt sich in zwei Theile, den Tenor und die Gründe. Beide werden nach heutigem Ge­ brauch äußerlich erkennbar auseinandergehalten"). Der Tenor, die Ur­ theilsformel, enthält den f. g. dispositiven Ausspruch des Richters über das streitige Rechtsverhältniß, „das letzte praktische Resultat," er wird unzweifelhaft rechtskräftig. Aber diese Formel besagt in der Weise, wie man sie abznfassen pflegt"), sehr wenig, nicht- über den RechtSgrund der Klage, nicht- über die Einreden. Waruin der Richter grade dieses Re­ sultat aufgestellt hat, auf welche- spezielle Rechtsverhältniß e- sich bezieht, ist in ihr nicht erkennbar gemacht. Es kann dies nur aus den beigefüg­ ten Gründen ersehen werden, die mit dem Tenor ein untrennbares Ganze bilden. Man ist daher von jeher darüber einig gewesen, daß die Gründe '•)

Sntsch. B. 27. 6.66.

") S. bei Gruchot II. S. 351. Nr 5., wo auch eine praktische Folge näher be­ sprochen ist. S. hierzu noch Striethorst B. 29. S. 106. Satz b. Seufsert 56.3. S. 249. Die aus Antrag des einen Theils erfolgte Vernichtung des Vor. Urtheils hebt die gegen den andern Theil eingetretene Rechtskraft desselben nicht aus. Striethorst B. 18. S. 128. 131. Das O. Trib. 'in Stuttgart hat angenommen, e- fei eine reformatio in pejus, wenn der Oberrichter den im 1. Er­ kenntniß anferlegten Eid für unerheblich halt. Würtemb. Archiv B. 4. S. 445. Ueber die s. g. reformatio in pejus, deren Anwendung in der Praxis leicht zu weit ausgedehnt wird, s. Wetzell, Eivilprozeß S 588. 591. 594. 603.

31)

Gemeinrechtlich ist die Beifügung der Gründe für die Partei nicht vorgeschrieben, sie sollen nur dem höheren Richter versiegelt mitgetheilt werden. I. R. A. §.60. Zufolge einer allgemeinen und festgewordenen Gewohnheit werden sie aber auch den Parteien mitgetheilt. In Preußen ist es geboten. Brinkmann, die uch. terl. Urtheilsgründe, 1826.

") 1. 59. pr. D. XLI1. 1. In sentcntiis sufficiet, si expresserit judex summ am in sententia, solvique jusscrit vel praestari, vel quo al io verbo hoc significaverit.

6.65.

a. Begriff mb Umfang bet Rechtskraft.

263

für die Erkenntniß der Entscheidung von größter Wichtigkeit sind").

Nur

über die Stärke dieser Wichtigkeit streitet man, indem man ihnen entwe­

der nur eine deklarative, oder

sie

erläuternde Bedeutung für den Tenor beilegt,

zugleich mit dem Tenor in Rechtskraft übergehen läßt.

letzteres nicht unbedingt,

Doch

nicht der ganze die Gründe enthaltende Aufsatz,

sondern nur ein Theil derselben

soll diese Eigenschaft erlangen können.

Die Anhänger dieser Ansicht müssen daher die Bestandtheile der Gründe genau trennen.

Unter Vorgang von Savignh ist die Formel anfgestellt

worden: die in den Gründen enthaltenen Elemente des Urtheils erwach­ sen in Rechtskraft, Elemente aber sind diejenigen Bestandtheile der Gründe,

welche Entscheidungen enthalten.

rechtskräftig.

Die Formel

Alles, was der Richter entscheidet, wird

ist im Allgemeinen richtig, bedarf aber einer

einschränkenden Bestimmung: nicht alles, was der Richter entschieden hat, sondern alle» wa» er entschieden hat, weil er e» entscheiden mußte, um

den Tenor al» Schlußentscheidung hinstellen zu können, ist der Rechtskraft fähig und erlangt sie, gleichviel ob diese Entscheidungen nur in den Grün­

den, oder auch im Tenor enthalten sind. Entscheidungen,

Will man die Rechtskraft dieser

soweit sie in den Gründen sich befinden, eine materielle,

die im Tenor ausgedrückte eine formelle nennen, so wird dadurch doch zu­

gegeben,

kann.

daß auch ein gewiffer Inhalt der Gründe rechtskräftig werden

Jene Einschränkung der richterlichen Thätigkeit im Entscheiden muß

aber deßhalb hervorgehoben werden,

weil der Richter einerseits nicht be­

rechtigt ist, über die Grenzen des StreitverhSltnifieS, wie eS die Parteien vor ihn gebracht, hinauszugreifen, er also, wenn er dies durch seine Ent­

scheidung thäte,

seine Amtspflicht überschritte, andererseits er aber auch

innerhalb de» Vorbringens der Parteien nur so viel entscheiden darf, al-

nothwendig fiir den Tenor ist.

Wenn der Kläger die Fundamente für

seinen Anspruch, der Beklagte seine Einreden gehäuft hätte, so dürfen doch nicht die übrigen Klaggründe

oder Einreden

zur Entscheidung

gebracht

werden, wenn schon durch den einen oder die eine der Tenor hinreichend bedingt ist: nicht RechtSabhandlnugen soll der Richter

über die Rechtskraft der Entscheidungsgründe denjenigen Inhalt derselben,

sondern

liefern,

praftische Sprüche, die alles Ueberflüssige von sich abweisen ").

bezieht sich

Der Streit

also nur auf

welcher Entscheidungen hinstellt.

Hiernach

sind unbestritten von der Rechtskraft ausgeschlossen: die historischen und deduktivischen Bestandtheile, thatsächliche Mittheilungen über da» Sachverhältniß,

Auslegung und Erörterung der Anwendbarkeit

ausgeschlossen find ferner alle thatsächlichen

der Gesetze;

Feststellungen,

denn

die

richterliche Entscheidung soll und kann nur Rechtsansprüche feststellen oder

”) 8u4t« 8.2. e. 207. Kierulfs @.260. **) Em Beispiel von überflüssigen Entscheidungen s. Enifch. 8.41. S.401.

Erst«» Buch.

264

für nicht vorhanden erklären.

Die Grundbegriffe.

Daß Thatsachen wirklich oder nicht einge­

treten, da» läßt sich nicht entscheiden,

men oder verneinen.

nur nach Schlußfolgerung annehHierher gehören auch die Prüfungen der Glaub­

würdigkeit und Kraft der Beweismittel,

die zu diesen thatsächlichen Fest­

stellungen hinführen; hierher endlich die Einreden der ersten und zweiten Klasie (§. 53.), weil sie nicht Rechtsansprüche enthalten, sondern nur durch Thatsachen

die Klage beseitigen.

Es bleiben also

nur übrig für die

Rechtskraft das Klagerecht selbst und die vorgeschützten Einreden der drit­ ten Klasie.

Das das erstere in Rechtskraft erwächst, ist wieder unbestrit­

Der Streit concentrirt

ten.

Hier muß unterschieden werden.

sich daher schließlich ans diese Einreden.

Ist über die Einrede zum Bortheil des

Beklagten entschieden und Kläger in Folge deffen abgewiesen worden, so muß die Entscheidung über die Einrede gegen den Kläger und für den Beklagten rechtskräftig werden. Ist über die Einrede zum Nachtheil deS Beklagten entschieden und dieser verurtheilt worden, so wird die Entschei­ dung über die Einrede gegen den Beklagten und für den Kläger rechts­

kräftig.

In beiden Fällen bedingt die Entscheidung das Schlußresultat,

den Tenor, unmittelbar.

Ist dagegen die Einrede zwar verworfen, aber

aus anderen Gründen Kläger abgewiesen"), oder hat das Gericht über die Einrede nichts entschieden, weil eS sie für unerheblich erachtete, oder sie übergangen, so kann von einer Rechtskraft nicht weiter die Rede sein,

weil hier der Tenor nicht durch die Einrede bedingt worden ist. ist zu behaupten, wenn von mehreren Klagefundamenten

Dasselbe

oder mehreren

Einreden da» eine oder die eine die Entscheidung im Tenor herbeigeführt,

und der Richter doch chen hat.

noch über die andern eine Entscheidung au-gespro­

Die Ansicht, daß den den Tenor bedingenden Entschei­

dungen in den Gründen,

und nur diesen Rechtskraft beizulegen, hat in

neuerer Zeit in der gemeinrechtlichen Praxis immer mehr Boden gewon­ nen und man wird nicht irre gehen, wenn man behauptet, daß jetzt schon

die Mehrheit der höchsten Gerichte ihr anhängt").

Die Praxi- deS preu»

*•)

Deßhalb, aber nicht au- den der Entscheid. B. 11. S. 118. beigesügten Grün­ den, kann die verwarfen« Einrede vom Beklagten in zweiter Instanz wieder gel­ lend gemacht werden, wenn auch nur der Kläger appellirt hat und nur er appelliren konnte. Ebenso Eutsch 8 4. S 207. Striethorst B.21. S. 52. Man kann auf jede Einrede in der höheren Instanz zurückkommen, die vom Borderrich. ter nicht berücksichtigt worden: I. 8. 8 2. D. in. 5 I. 7. §. 1. v. XVI. 2. 1. 1. 5.4. 0. XXVII. 4. Senssert 8.1. S.406, v. 5. S.3O7. Ferner B.3. S. 141. Bergl. über da» im Text Gesagte Förster bei Gruchot II. S.365. bi« 369. Die Entscheidung über die Kompensation-einrede wird im Fall ihrer Berwersung (bei vernrthrilendem Tenor) nur recht-kräftig, wenn die Berwersnng di« Existenz der Gegensorderung, nicht bloß die formellen Bedingungen ihre» Gel« tendmachen», also Liquidität, Gleichartigkeit, getroffen hat. 1 7. §. 1. D. XVI. 2.

»»)

Mehr oder weniger nahe der Theorie Savigny'S stehen die Entscheidungen der O.A.G. Dre-den (Seusscrl II. 316 III. 329. VIII 140. Zeilstbr. f.Rechwpfi. u Verwalt, in Sachsen 8.5. @.385. N F 8.12. 0.132); München (BlLt«

156.

a. Begriff inb Umfang der Rechtskraft.

265

ßischen Obertribunal- weicht davon scharf ab; es erblickt in den Entschei­

dung-gründen, ohne weitere Unterscheidung der Verschiedenheit ihre- In­ halt-, nur ein AuSlegung-mittel, eine Erklärung de- allein werdenden Tenor-'*).

ausführlich auf

rechtskräftig

In der Litteratur ist neuesten» besonder- Unger doch obschon er der Sa-

diese (Streitfrage eingegangen:

vignh'schen Theorie nicht beistimmen will, legt auch er dem s. g. decisiven oder deklarativen Theil der Entscheidung materielle,

dem allein

im

Tenor anSgedrückten dispositiven odep imperativen Theil der Entscheidung

formelle Rechtskraft bei;

der

deklarative Theil

ist aber auch und zwar

hauptsächlich in den mit dem Urtheil hinauSgegebenen Entscheidung-grün­ den enthalten und „diese Recht-kraft der Gründe leugnen wollen, heißt

die materielle Rechtskraft de- Urtheil- überhaupt ganz und gar verneinen oder doch ihren Umfang nicht nach inneren Gründen befttmmen, sondern von dem zufällig quantttativen Verhältniß abhängig machen,

in welchem

sich von Fall zu Fall der volle Inhalt der materiellen Entscheidung über

den tenor sententiae und

die rationee decidendi »ertheilt"").

Wenn

die Savignh'sche Theorie, die allerdings in ihrem ersten Auftreten noch in etwa- der nöthigen Beschränkung entbehrte, in der oben angegebenen Weise näher bestimmt wird,

so

dürste die Ansicht Unger'S ihr näher

stehen, als der Praxis des Obertribunals"), sie unterscheidet sich im We­ sentlichen dadurch

von

der v. Savignh'S,

daß sie schärfer und tiefer

eindringend die Verschiedenheit de- Inhalts der Gründe trennt. ES ist aber noch ein Bedenken hervorzuheben, welche- kie Entscheidung der s. g.

ter f. RechtSanwend. in Baiern B.22 6.840 Seufsert I. 406); Stuttgart (Würt. «ich. 8.3. S. 418. Sensfert V. 303); Lübeck (btt Römer, Sammt. ». Sntsch. in Franks. Rechtss. 8.1. S. 102. 8 2. S 452); Jena (bei Busch, Stimmen ans der Praxis, 1862 S.246). Dagegen: Telle bei Hagemann, prakt Störtrt. 8. i>. Nr 60. Reiches Material auch ans der grmeinrechll. Praxi» hat Gruchot ziisammengetragen 8 7. S 175fg. 1 ’)

Besonders Sntsch. 8.17. S. 462. Weiteres au» der prenß. Praxi« bei Gruchot. Beispiele vom Zurückgehen auf die Gründe: StriethorpB. 17. S. 284. 8.22. S. 153.173 8.33. S. 61. Ist der lener deutlich, so bedarf es behufs deffen Auslegung de« Zurückgeheus auf die Gründ« nicht: Striethorst 8.18. S.58. S« geht übrigens bei dieser Kontroverse, wie ost: man mißversteht den Gegner und polemistrt gegen da« Mißverständnis Deutlich zeigt sich die« in der sehr verfehlten Sntsch. bei Striethorst 8.31. S. 140. Die- ist nicht Savigny's Ansicht, daß alle „Recht«, und Thalfragen, welche einem früheren Judikat» auch mir zu Grunde gelegen haben, in jedem spätere» Prozesse derselben Personen, selbst wenn er einen andern Gegenstand betreff«, so wie früher entschieden »erben müß­ ten," und daß bloß der Tenor der entscheidende Theil sei, ist erst noch zu bewei­ sen; die Gegner behaupten, daß auch in den Gründen Sntscheidungen enthalten sein können. Da« ist bi» jetzt noch niemals widerlegt.

") Unger II. ©. 639 fg. 648. ’*)

Gruchot scheint VII. S. 182. Unger s Ausführung milder des ObeNribnnal» von gleichen Gesichtspunkten ausgehend aufzufaffen. Die im Text vorgetragenm Gesichtspunkte hat der Berf. «chon früher (Kl. u. Sinr. S. 189 fg. und bei Gruchot II. S. 365 fg ) ausführlich zu begründen versucht.

•rflte Buch. Dir Ämtotgriffe

PrSjndizialpunkte betrifft, d. h. die Vorentscheidung der da» Klage­ recht bedingenden Rechte oder Rechtsverhältnisse, also z. B. über da» Recht, an» welchem die Legitimation de» Kläger» zn feiner Klage folgt, über da» Erbrecht dessen, der eine einzelne Erbschaft-fache vindizirt, über die Gil­ tigkeit eine» Rechtsgeschäft», wenn nur ein einzelner au» ihm erwachsener Anspruch, z. B. Zinsen von einer Kapital-forderung, geltend gemacht wird. Werden solche Präjudizialpunfte abgesondert entschieden, wie eS nach preu­ ßischem Recht aus erhobene Präjudizialeiurede, die fteilich ihre Bedeutung durch die jetzt den Prozeß beherrschende Eventualmaxime eingebüßt hat, und daher au» der Praxi» fast verschwunden ist, geschehen kann"), so wird nicht zn bezweifeln sein, daß eine solche Entscheidung rechtskräftig wird, sie ist hier durch den Tenor selbst auSgedrückt. Wenn aber der Präjudizialpunft nicht abgesondert, sondern zugleich mit der dadtirch be­ dingten RechtSftage, über die allein der Tenor sich verhält, mithin in den Gründen entschieden wird, so ist zwar auch von der Mehrzahl der Schrift­ steller und in der Praxis angenommen, daß diese Incidententscheidnngen rechtskräftig werden — man kann diese Ansicht noch als die gemeine Mei­ nung bezeichnen") — neuerdings ober dies besonder« von Unger ent­ schieden bestritten worden"), weil dem Richter der Präjudizialpunft nicht unmittelbar, sondern nur in Beziehung auf den grade jetzt dadurch be­ dingten Anspruch vorgelegt ist, er daher auch nur mit dieser Beschrän­ kung zur Beurtheilung und Entscheidung herangezogen werden dürfe. Dieser Ansicht muß auch beigetreten werden: es stehen ihr nicht nur ent­ scheidende Aussprüche der Quellen, sondern insbesondere die Nattlr der Sache zur Seite. Sollte die Entscheidung über den Präjudizialpunft den­ selben in vollem Maße ergreifen, so daß sie auch wirfte gegen jeden anderen, später an ihn geknüpften Anspruch, so müßte der Richter mehr entscheiden, al- vor ihn gebracht, als nothwendig ist, um das im Tenor ausgedrückte Schlußresultat zu erreichen"). Für das preußische Recht tritt noch ein äußerer Grund hinzu, der in der Gerichtsverfassung und den durch sie be­ stimmten Kompetenzverhältnissen der einzelnen Gerichte, je nachdem der Prozeßgegenstand bis oder über 50 Thlr. beträgt, zu finden ist"). 3•) Ueber die exceptio praejudicialis actionis f. Planck, Mehrheit der Rechts­ streitigkeiten S. 482. "Römer, Sammt, von Entscheid, des O. A.G. Lübeck B.2. 6. 527. - A.G.O. I. 5. st. 29. I 13. §. 43. 3I) Unger II S. 628. Note21.

•’) Unger II. S. 625 fg. as) Auch Förster. Kl. u Einr. S. 196. Hiernach muh daselbst S. 202 fg. berich. tigt werden. Entsch. B. 17. S. 472. 1. 23. D. XLIV. 2: 8i in judicio actum Bit usuraeque solae petitae eint, non est verendum, ne noceat rei judicatae exceptio circa sortis petitionem. Bangerow'S (Paud I. S 320» und Sa. vigny's (B. 6. S. 452. Roter) Erklärung dieser Stelle ist unhaltbar. 3«) Rationeller wäre es wohl überhaupt, wenn wegen eines eingeklagten Zinsbeträge-

§. 56. b. Dle Wirkung der Rechtskraft. ES ist vom praktischen Standpunkt eine ziemlich müßige Frage, ob die eigenthüniliche Wirkung der Rechtskraft in einer Novation de- abgeurtheilten Rechts bestehe, denn auch diejenigen, die sie annehmen, müssen zugeben, daß diese Novation eine ungewöhnliche sei, indem die Beirechte, Pfand, Bürgschaft erhalten bleiben, auch von ihr nur bei persönlichen Rechten und bei verurtheitenden Erkenntnissen die Rede sein kann. Die Ansicht ist übrigens jetzt auch in der Theorie als gänzlich beseitigt zu erachten'). Die Wirkung der Rechtskraft besteht vielmehr darin, daß sie die abgeurtheilte Klage verbraucht (konsumirt), sowohl im Fall der Berurtheilung alS der Abweisung, und daß sie im ersteren Fall das Recht mit einer neuen Klage, im letzteren mit einer neuen Einrede bekleidet, die beide ans dem Grundsatz beruhen, daß dasjenige Recht, welche- durch Ur­ theil festgestellt oder aberkannt worden, einer nochmaligen Feststellung oder Aberkennung durch ein andere- Urtheil nicht mehr unterworfen werden darf. Daher wird diese Klage und diese Einrede nicht mehr auf da- alte RechtSverhältniß basirt, sondern auf das rechtskräftige Urtheil. Es bedarf nicht mehr des Beweises für das Recht selbst, der, wenn er auch friiher gelun­ gen, später mißlingen könnte. Weiter aber greift die Wirkung der Rechts­ kraft nicht, für den Bellagten insbesondere erzeugt sie kein Klagerecht, wenn das Urtheil auch zu seinen Gunsten gesprochen worden, d. h. die rechtskräftige Abweisung des Kläger- bietet ihm kein Fundament für einen Klageangriff gegen diesen dar. Ist also in dem Urtheil ausgesprochen, daß dem Bellagten und nicht dem Kläger da- Eigenthum zustehe, so muß ersterer, wenn die Sache inzwischen in den Besitz deS letzteren gelangt ist, die Vindikation gebrauchen und ob ihm dabei da- frühere Urtheil eine Grundlage oder eine Unterstützung für seinen Anspruch abgeben kann, hängt von der Beschaffenheit deS einzelnen Falle- ab. Sollte z. B. der frühere Kläger als jetziger Beklagter sein Eigenthum au- demselben RechtS-

ton 5 Thlr. von einer rückständig gebliebenen Äaufgttbforbening bie Giltigkeit bet Kaufvertrages durch die Ginrebe eil gegriffen wirb, daß bie Kompetent de« Bagatellrichtert aufhörte. S. Mittermaier, der gern. Proz. 4. Beitrag S. 9V. aub c. Da« O- Trib. Stuttgart hat in solchem Falle AppellabilitLt angenommen, weil Ge­ genstand des Rechtsstreits der ganze Vertrag geworden. Sarwey, Monatsschr. s. die Justizpfl. in Würtemb. B-19. S. 233. Würtemb. Arch B. 3. S. 417. So bestimmt auch §. 4. der Prozeßordnung v. 8. Novbr. 1850 für Hannover. ■)

Daß das Urtheil nicht novire, auch nicht nach prenß. Recht trotz des tz. 2. I. 10. und §.7. I. 16. A.L-R. ist weiter ausgeführt bei Förster, Kl. u. Einr. Seite 176 fg. Siehe jetzt auch Unger II. S- 687 fg.

268

®r|M Blich. Dir GnmbBtgriffe.

grünte, wie im Borprozeß, einreteweise behaupten, so würde ter jetzige Kläger, der frühere Beklagte, die Replik der Rechtskraft entgegensetzen können, die Klage selbst aber müßte auf den Entstehung-grund seine- Ei­ genthum- basirt sein. Ebenso wenig kann der verurtheilte BeNagte für berechtigt erachtet werden, au- dem Erkenntniß den Klager zu zwingen, von seinem ihm zugesprochenen Recht Gebrauch zu machen. Der Kläger würde gegen einen solchen Anspruch die Einrede haben: rem secundum se esse judicatam, denn wenn ihm das Urtheil sein Recht zugesprochen hat, so legt e- ihm doch nicht die Pflicht auf, diese- Recht zu gebrauchen ’). Einer näheren Erörterung bedürfen daher nur die Klage au- dem Urtheil und die Einrede der Rechtskraft. 1. Die Klage au- dem Urtheil, die Judikats klage, ist ein neueRechtsmittel, welche- dem Kläger, der eine Bernrtheilung erreicht hat, an Stelle der konsumirten Klage gegeben ist, zu dem Zweck, um seinen ur­ sprünglichen Anspruch mit dem Ansehen, welche- einem recht-kräftigen Urtheil zukommt (auctoritas rerum judicatarum), gegen den früheren Beklagten geltend zu machen; denn da- Urtheil spricht nicht bloß dem Kläger da- Recht zu, sondern e- verpflichtet auch den Beklagten, da- Zu­ gesprochene zu leisten'). Die JudikatSklage findet au- jedem kondemnatorischen Urtheil gegen den Beklagten statt, wenn e- die Rechtskraft beschritten. Nur bei aus­ ländischen Erkenntniffen kann die- zweifelhaft sein, weil die formellen Be­ dingungen und die Wirkungen recht-kräfttger Entscheidungen nach den ver­ schiedenen Rechten verschieden sind. Nach den Grundsätzen de« internatio­ nalen Privatrechts (8.11.) muß behauptet werden, daß die Rechtskraft de- Urtheils nach dem Recht des Landes zu prüfen ist, in welchem es ge­ sprochen und daß eS, wenn hiernach die Bedingungen für die IudikatSklage nach inländischem Recht vorhanden sind, auch nicht der Grundsatz der Retorsion entgegensteht, diese Klage nicht versagt werden darf. Durch Staat-verträge ist übrigen- diese Frage vielfach regnlirt, und den auSlän•)

Siehe bei Grnchot II. @. 361.—365. Das. S. 122 (Urtheil de- A. G. Hamm) nnd III. S. 129. Entsch. B. 41. S. 467. Unger II. S. 639. Note 37 38. A. M. scheint Savigny -n sein (B. 6. S.346), obschon er den praktischen Lor* theil, der dem Beklagten au- der rechtskräftigen Abweisung der Eigenthumsklage für feine gegen den abaewiesenen Kläger anzustellende Klage erwächst, nicht näher präzillrt. Wächter, Erörter. H.3. S. 136. behauptet mit Unrecht ans Grund der 1. 24. D. XLIV. 2., daß der BeNagte aus Grund des sreisprechenden Urtheils die Herausgabe der Sacke gegen den Kläger einklagen könne. Daß das Urtheil nicht rechterzeugende Kraft hat, folgt deutlich ans 1. 8. §. 4. D. VIII. 5. Siehe Keller, Liti-kontest. S. 73. Pfeiffer im Arch f. civil. Prax. B. 37. S. 253 Seuffert B.8. S. 44. B. 9. S. 437. und über §.2. I. 10. A L. R. Koch, Kommentar Note 1. nnd oben §.55. Note 12.

3?

Wächter, Erört. H. 3 S. 49. Buckka, Einfluß B. 2. S.215. Koch, Beur. theilung S. 191. Klingberg im 33. Jahresbericht der schief. Gesellsch. für vaterländ. Kultur, Breslau 1856 S. 257 fg.

b. Dir Wirkung btt Rechtskraft.

§. 56.

269 In prozessua­

bischen Erkenntniffen Vollstreckbarkeit beigelegt toorbtn4).

lischer Hinsicht ist zn bemerken, daß nach preußischem Recht die IudikatSNage drei Formen hat: im ersten Jahre nach beschrittener Rechtskraft ist

sie einfaches Gesuch

auf Vollstreckung (imploratio

officii judida),

nach

Ablauf dieser Zeit und während der nächsten vier Jahr ist sie al- MandatSNage anzubringen,

später wird sie wieder nach den Grundsätzen deS

ordentlichen ProzeffeS verhandelt4), und ist nach Ablauf von 30 Jahren verjährt.

Diese Verjährung beginnt ein Jahr nach eingetretener Rechts­

kraft und hat auch auf diejenigen RechtSverhältniffe Anwendung, die einer kürzeren Verjährungsfrist unterworfen sind **).

Die Eigenthümlichkeiten der

IudikatSklage sind folgende:

a. Sie kann nur von demjenigen, stellt werden,

und nur gegen denjenigen ange­

zwischen denen das rechtskräftige Erkenntniß ergangen ist.

Gegen Dritte, die am Recht-gange nicht Theil genommen, wirkt das Ur-

cheil nichts.

Dieser Grundsatz bedarf jedoch näherer Bestimmung, denn

eS giebt Fälle, wo es auch gegen solche dritte wirkt').

Zunächst tritt der

Universal- und Singularsucccssor der ursprünglichen Partei in den Krei­ der Wirkung des Urtheils ein,

Streitsache nach Anstellung

wenn er die

der letztere insbesondere,

der Klage erworben hat').

Hieraus folgt,

daß ein Urth.il, welches gegen den Autor ergangen, gegen den Sncceffor nicht wirkt,

wenn die Succession vor der Behändigung der Klage gegen ES knüpft sich hieran eine lebhaft besprochene

den Autor eingetreten ist. Streitftage,

die durch

den

Glauben hervorgerufen ist,

dem Hhpothekenbuch

beigelegten

öffentlichen

ob ein wider den eingetragenen Eigenthümer

eine- Grundstücks erlangtes Urtheil auch gegen den dritten Besitzer wirkt,

*)

Savigny B. 8. S. 260. Recht-sprüche B. 1- S. 23. EntsL. B. 3. L. 277. (hier hat da- O- Trib. die IudikatSklage aus ausländischen Erkenntnissen versagt). Siehe hierzu Koch, Beurtheil. S. 189. und Komment. V. 1. 3. Ausl. S. 59. und S. 64. Note 56. Nr. 2. zu §§.33. 43. Eint. z. L L R. Retorsion gegen sranzöfische Urtheile Entsch. B. 11. S. 151. In neuerer Zeit hat dagegen das O. Trib. die Ansicht, daß aus fremden Urtheilen die IudikatSklage zu versagen sei, für „erheblich bedenklich" erklärt und dieselbe ans rheiupreußischen Erkenntniffen zugelaffen. Striethorst B. 24. S. 263 Die actio judicati auS einem fremdläubuchen Erkenntnisse mit selbständiger Prüfung des inländischen Richter- über die Eigenschaft diese- Urtheil- gestattet da- O A. G. Kassel, Heuser, Annalen V. 3. S. 636.

») A.G.O. I. 24. §.1.3. •)

§. 560. I. 9. A.L.R.

B.O. v. 1. Juni 1833 §. 1. Nr. 3.

§. 10. de- Ges. v. 31. März 1838.

Siehe unten §. 57.

») A.G. O. I. 24. §.5.

•)

Fr eudenthal, im Arch. s. civil. Prax. 8.42. S. 84 (unergiebig, D. de R. J.) und Archiv f. prakt. RechtSwiff. B. 8. S. 163.

•)

1. 11. §. 9. 1. 28. D. XLIV. 2. 1. 2. C. VIII. 36. §.7.9. I. 24. A.G.O. Striethorst B. 17. S.343. Entsch. B 30. S. 204. B.47. S. 360. Heuser, kurheff. Annalen B. 1. S. 467 a. E.

zur 1

63.

CrfM Buch

270

Li« ®rnebbegriffe.

sei c8, daß dieser vor oder nach Behändigung der Klage an ersteren daGrundstück erworben hat.

Das Obertribunal hat angenommen:

Wenn

der e» vom eingetragenen Besitzer ge­

der Erwerber eine- Grundstück»,

kauft, zur Zeit de» Erwerb» gewußt hat, daß sein Veräußerer kein Eigen­

thum an dem Grundstück besitze, so wirkt die Verurtheilnng auf Heraus­

gabe de» Grundstücks, welche» von einem Dritten gegen den Veräußerer

erstritten,

wegen

auch gegen den Erwerber,

War er dagegen ohne Kenntniß

von dem

Schlechtgläubigkeit.

seiner

der Person

Recht-mangel in

seine» Veräußerer-, so schützt ihn der Glaube de» Hypothekenbuchs durch­

greifend, auch wenn zur Zeit seines Erwerbs der Prozeß über da- Grund­ stück schon schwebte, diese- also schon eine Streitsache war'").

Die IudikatSklage ist gegen den Bürgen begründet,

der Klage gegen den Hauptschuldner zugezogen

wenn dieser bei

worden"),

und er sich

wozu der Hauptschuldner rechts­

ausdrücklich für dasjenige verbürgt hat,

kräftig verurtheilt werden möchte").

Da- Urtheil

gegen

den Vasallen

wirkt gegen den Lehnsherrn, das gegen den Fideikommißbesitzcr gegen die

zum Fideikommiß berechtigte Familie, gegen den Eigenthümer").

da- gegen den Nießbraucher aiU>

In allen diesen Fällen muß aber der dritte

Interesient zu dem Prozeß zugezogen worden sein. genügt eine

öffentliche Aufforderung

au

die dritten

In anderen Fällen Intereflenten

zur

Streitsache, um das Urtheil gegen sie wirksam zu machen, so bei den Ab­ lösungen und Gemeinheit-theilungen ").

Ist die Zuziehung oder öffent-

liche Bekanntmachung unterblieben, so hat daS Urtheil gegen die Dritten

keine Wirkung ").

Endlich treten Ausnahmen

von der obigen Regel bei den Urtheilen

.über Zustand-- und Erbrechte ein.

Sie äußern ihren bindenden Einfluß

über die Parteien hinaus auch gegen andere Personen; die Parteien re-

präsentiren hier gewisiermaßen nicht nur ihr eigne-, sondern das objektive Intereffe an der Streitfrage, an dem Dasein, dem So- oder Anderssein

des Recht- ").

Zwar sagt das A.L.R. nur, daß da- vom Vater erklärte

*•) Snljch. B. 36. S. 40. §. 7.8. 10. 11. I. 10. A.L.R. Ergänzungen zu §. 5. 7. 9. I. 24. A.G.O.

§ 92 II. Hyp. Ordn.

") Sonst nicht, Seusfert B.4. S. 363.

■’) § 311. I. 14. A. L.R. Wenn sich die Klage gegen den Bürgen aus §. 313. I. 14. stützt, ist sie nicht die Judikatoklage.

»•)

258. 1. 18.

§. 117.-119. II. 4.

§. 82. 83. I 21. A.L.R.

I4) §. 10.11, Gemeiuh. Th O. v. 7. Juni 1821. 1821.

§.40. der Ablös.O. v. 7. Juni

M) $. 11. I. 19. A.L. R. Damit nicht in Widerspruch §.30. I. 1. A.G.O., der nur die Prozeßlegitimatiou betrifft. Lergl. §. 31. 32. b. das.

'«) Savigny B.6. S. 471.

Arch. f. prakt. R-Miss. B. 8. S. 165. Notel.

1.66.

271

b. DK Wirkung bet Rechtskraft.

Anerkeuutniß de» Kinde- dessen Ehelichkeit muh gegen die Verwandten, mit Ausnahme der Lehns- und Fideüommißauwärler, seststeüe").

Es ist

aber nicht z« zweifeln, daß dasselbe eintritt, wenn die Ehelichkeit de- Kin­

de» durch Urcheil

rechtskräftig festgestellt worden'").

de» Erbrecht» wirst das Urtheil,

Auf dem Gebiete

welche» gegen den Erben erstritten ist,

gegen und für den Legatar und die Nachlaßgläubiger, auch wenn sie am

Prozeß nicht theilgenommen haben").

E» ist im preußischen Recht nicht

ausdrücklich als Voraussetzung, solcher Wirkung ausgesprochen,

daß der

Erbe mit seinem Prozeßgegner nicht zum Nachtheil der Gläubiger kolludirt haben darf.

Da chm aber auferlegt ist,

daß

er den Nachlaß „ver­

theidige", so ist hier offenbar Uebereinstimmung mit dem gemeinen Recht vorhanden. daß er

Der Legatar kann übrigens sein Intereffe dadurch vertreten,

sich bei dem Prozeß meldet uud selbst RechtSmtttel einlegt, ohne

Beitritt der Erben""). b. Mit der Iudikatöklage kann nur dasjenige verlangt werden, was

durch da« Urtheil dem Kläger zugesprochen worden.

Nur hierauf richtet

sich die Obligatton aus dem Urtheil, die dem ursprünglichen Anspruch zur Seite getreten ist.

Ist also der Bestagte zu einer Handlung verurcheilt,

so hat zwar Kläger im ersten Jahr die Wahl zwischen der Leistung selbst oder der Forderung des Interesse, wenn er aber das Jahr hat verstrei­

chen lassen, so steht ihm dieses Wahlrecht nicht mehr zu, und er kann aus dem Urtheil nur die Leistung selbst beanspruchenFerner: der Possessorienstäger kann sein Interesse wegen Nichtvollstreckbarkeit des Urcheil- in

Betreff de- ihm entzogenen Besitzes nur in denselben Grenzen, in welchen

er auS dem Urtheil Exekution nachzusuchen befugt war, mithin weder den Werth

")

der

Sache

selbst noch

die

entbehrten Nutzungen

liquidiren").

A.L.R. II. 2. §. 16.17.18.

*•) 1. 1. §. 16. 1. 2. 3. pr. D. XXV. 3. In der Krirninalentjcheid. d«s O.Trib. I. SÄ. Bl. 1866 S. 96. ist angenommen, daß die Ikchl-kräslige Feststellung der Ehelichkeit des Kindes auch den Kriminalrichter, ober die im Kriminalprozeß auftretenden anderen Parteien ^Staatsanwalt) binde; und Sntsch. 8.46. S. 213., daß ttemf einer Geschwächten die Rechte einer unschuldigen Ehesran und ihrem Kinde der Statu» der Ehelichkeit zuerkannt ist, da» Urtheil gegen Drille wirke. Ruch Striethorst B. 48. S. 260. ") I. 12. 8.298. « L R. En,sch. 8.37. S. 341. Unter Erbe ist auch der Fid». ziarerbe zu »erstehen. Striethorst 8.9. S. 99. Präj. 578 (Samml. 8.1. S. 75). Unter den „Ansprüchen" in §. 298. find aber nur die der Rachlaßgläu. biger u. Legatarim zu verstehen, nicht die anderer Erbpräteudenten; gegen letztere ist nicht der Nachlaß, sondern da» Erbrecht selbst zu vertheidigen. Striethorst 8.12. S. 61. Bergt, noch §. 301. 334.346.352 sg. I. 12. « L R. ") 8 299. 1. 12. A L.R. L 3. pr. v. XX. 1. D. XLIX. 1. 1. 12. pr. 8- 2. C. HL 31.

1. 60. §. 1. de leg. I.

")

Sntsch. 8. 9. S. 439. 8. 9. der Exek. Ordn. v. 4. Mär, 1834. ohne Grund, Koch, Beurth. S. 661.

")

Striethorst 8.19. €5.178.

1. 14.

«. M., doch

272

Erste« Buch.

Die @nntbbegriffe.

Wenn der Beklagte verurtheilt ist, den Kläger von Hhpothekenschulden, die auf dem geteuften Grundstück hasten, zu befreien, so kann letzterer nicht genöchigt werden, statt aus der Ausführung des Urtheils zu bestehen, sich mit dem Ersatz de- Minderwerth» des Grundstücks oder mit Auf­ hebung de» VerttageS zu begnügen. Er kann daher auch nicht selbst darauf seine Wahl richten, statt der ihm zugesprochenen Liberation**), c. Gegen die JudikatSklage können nicht mehr Einreden erhoben wer­ den, welche dem ursprünglichen RechtSverhältniß hätten entgegengesetzt wer­ den müssen, denn eben gegen solche Angriffe soll das Urtheil sichern. E» find dah« in der Exekutionsinstanz nur Einreden zugelaffen, welche die spätere Tilgung oder Aufhebung des zugesprochenen Recht» ausführen sollen: Zahlung, Kompensation, Vergleich, Erlaß**). Zweifelhaft ist e», ob diese Einschränkung der Vertheidigung auf bestimmte Einreden gegen die JudikatSklage auch dann stattfindet, wenn sie nach 5 Jahren im ordentlichen Prozeß verhandelt werden muß; oder ob hier der Beklagte wieder Einreden aller Art vorschützen darf. Liquidität der Einrede ist gewiß nicht erforderlich, auch ist der Beklagte nicht beschränk auf die Ein­ reden der Zahlung, Kompensation, des Vergleichs und ErlaffeS, wenn die Thatsachen, auf welche sie gegründet werden, sich erst nach geschloffener Instruktion deS Borprozeffeö ereignet haben. Nur solche Einreden sind durch das Judikat schlechthin und für immer ausgeschlossen, die der Be­ klagte im Vorprozeß entweder geltend zu machen versäumt hat, oder die er gebraucht, die aber im Judikat verworfen worden sind. Als versäumt sind solche Einreden anzusehen, die aus dem Sachverhältniß in der Klage entspringen oder so mit ihm Zusammenhängen, daß sie mir alS Vertheidigung gegen diese Klage gebraucht werden können, nicht selbständige Berechtigun­ gen dem Beklagten darbieten"). DaS Obertribunal läßt hiernach mit Recht die Kompensationseinrede gegen die JudikatSklage zu, wenn gleich 'ne Gegenforderung vor Beginn des Prozesses erwachsen, in diesem ober vom Beklagten nicht geltend gemacht worden war. Denn er war nicht verpflichtet, die» zu thun. Aber zu weit geht der Gerichtshof, wenn er be­ hauptet, der au» dem Urtheil Beklagte fei in Betreff seiner Einreden gar keiner Einschränkung unterworfen*"). Dann könnte der alte Prozeß mit seinem vollen Inhalt zum zweitenmal verhandelt und entschieden werden, und da» rechtskräftige Urtheil wäre bedeutungslos. Gegen die Klage au»

*») Smsch. «. 22. S. 145. •*) ».©.D. Sinl. §. 66. A.L.R. l. 16. §.383.384. §.35.36. I. 24. «.©.£). §. 6. der Ex. Ordn. v. 4. März 1834. In der ExekntionSinstanz und im MandatSprozeß müssen die Einreden liquid sein. Koch, Beurth. S- 381. a$) Strierh orst B. 5. S. 59. ") Striethorst V. 20. S. 272.

§. 56. b. Lit Wirkung btt Rtchwktast.

273

dem Urtheil endlich ist gewiß auch die Einrede der Nullität desselben unzu­ lässig, weil die Nullität nur im Wege der Klage im geordneten Jnstanzenzuge zum AuStrag gebracht werden kann, und so lange sie nicht rechts­ kräftig ausgesprochen worden, da- Urtheil durch sein bloßes Dasein wirkt"). d. In einigen Fällen kennt das preußische Recht s. g. Judikatzinsen, die die Natur der Verzugszinsen haben: wenn Jemand zur Zahlung eines Zinsenrückstandes verurtheilt worden, so soll er diesen Rückstand vom Tage der Rechtskraft verzinsen; die an die Stelle der Früchte tretende Geld­ summe muß der unredliche Besitzer von dem Tage, wo diese rechtskräftig festgesetzt worden, und wer aus einer unerlaubten Handlung zur Entschä­ digung verpflichtet ist, muß die Summe von dem Tage des Urtheils, wel­ ches ihren Betrag zuerst feftgesetzt hat, verzinsen"). Endlich wenn eine Geldschenkung versprochen imb darauf geklagt worden, beginnen die Zinsen auch erst vom Judikat"). 2. Die Einrede der Rechtskraft (exceptio rei judicatae) soll verhindern, daß über denselben Rechtsanspruch, der bereits durch ein Ur­ theil verworfen worden, nochmals gerichtlich entschieden werde, gleichviel, ob jenes zu Gunsten des Klägers oder des Beklagten gesprochen worden, ob es verurtheilt oder abgewiesen hat. Sie steht daher nicht bloß dem Beklagten zu gegen den abgewiesenen Kläger, sondern auch dem Kläger gegen den verurtheilten Beklagten. So einfach und natürlich dieser Grund­ satz erscheint, so ist seine Anwendung doch oft nicht ohne Schwierigkeit und Zweifel, denn sie beruht auf einer Vergleichung des ftüher abgeurtheilten und des jetzt aufs Neue erhobenen Anspruchs, der mit jenem trotz scheinbarer Verschiedenheit doch gleich, oder trotz scheinbarer Gleichheit doch verschieden sein kann. Die Einrede der Rechtskraft gehört der dritten Klasse an (8.53.), sie ist nur Vertheidigung und wirkt zerstörend auf die neue Klage. Für den vorliegenden Zweck kann bei der sehr interessanten Entwick­ lungsgeschichte dieses RechtSinstittttS nicht verweilt werden. ES genüge die Bemerkung, daß ihre Wurzel in der alten, mit der Klagekonsumtion zusammenhängenden, im neueren römischen Recht verschwundenen excep,T)

A G. O. L 16. Die Nullitätsklage besteht noch neben der durch B. O. vom 14. Decbr. 1853 eingeführten Nichtigkeitsbeschwerde, in Betreff der Nr. 1. 3. 4. 5. §. 2. I. 16. Nur al« Klage, nicht al« Einrede, ist sie bei dem Gericht anzubringen, vor welchem der Borprozeß geschwebt hat §. 2. sg. I. 16. Auch für da« gemeint Recht nimmt die« da« O.A.S. Raffel an (Heuser, Annalen 8 8. (1858) S. 125), obgleich die Prozessualisten an der Zulässigkeit einer Nullität«, eiurtdt nicht zweifeln.

")

I. 11. §.821. l. 7. §.231. Stritthorst B. 7. S. 244.

")

I. 11. §.1079. A.L.R. erster,

Preuß. Privatrecht.

I. 16.

§.66. S.L.R.

Sn,sch. 8.25. S. 129.

Erst« Buch. Die •rwMtgrifie.

274

tio rei in judichun deductae ;u suchen ist und daß sie ursprünglich, wie

Keller nachgewiesen") und neuerdings erfolglos bestritten worden"), in einer negativen, indem die Thatsache

doppelter Funktion wirkte, daß bereits über

neue Klage ausschloß,

gen -Urtheils

allein,

denselben Anspruch rechtskräftig erkannt worden,

in jedem

jede

einer positiven, indem der Inhalt des rechtskräfti­ späteren Rechtsstreit derselben Parteien über die­

selbe RechtSftage vom Richter als wahr angenommen werden muß.

Im

heutigen Recht interesfirt nur die letztere, und weil diese ihren Stoff aus

dem Inhatt de» UrcheilS nimmt, so leuchtet ein, daß grade für sie die Bedeutung der Urtheilsgründe von besonderer Wichügkeit ist (§. 55).

Nur

in einem Fall wird auch für da» heutige Recht die negattve Funktion der

wenn der Richter über nicht geforderte oder

Einrede zu behaupten sein,

geforderte Zinsen nicht erkannt hat.

Hier erzeugt nicht der Inhalt, son­

dern da» Dasein des Urtheils die Einrede"). Das preußische Recht erkennt zwar die Einrede an,

keine weiteren Borschrfften über sie,

aber e- giebt

daher ist eS unabweisbar, die Ant­

wort auf die wichtigsten Fragen aus den römischen Recht-quellen zu ent­

nehmen und eS ist hierbei nicht zu befürchten, daß ftemdartige Anschauun­ gen hinübergetragen werden, weil dieses Institut von so allgemeiner Natur

ist, daß eS sich nicht in dem einen positiven Recht ander- als in dem an­ dern individualisiren kann.

Die Anwendung der Einrede setzt eine vollständige Identität des bereits enffchiedenen und des neu erhobenen Rechtsstreits voraus, die eine doppelte:

eine objektive

Parteien ist.

des Gegenstandes und eine subjektive der

Die Identttät wird erkannt aus der Vergleichung des In­

halt- des Urtheils, d. h. seines Tenors und der Elemente in den Grün­ den, die der Rechtskraft fähig sind, mit dem Inhalt der neuen Klage.

Exceptionem rei judicatae obstare, quotiens eadem quaestio inter easdem personas revocatur”). 1. Die subjektive Identität (eaedem personae): zwischen den­

selben Parteien muß der neue Rechtsstreit schweben, gleichviel, ob jetzt die Parteirollen umgekehrt sind.

Der Grundsatz rechffertigt sich, wie bei der

IudikatSklage, daraus, daß da» Urtheil nur zwischen den Parteien Recht macht.

men,

Die Personenidentttät ist daher hier wie dort näher zu bestim­ d. h. sie ist auch vorhanden in Betreff der Personen, die an da»

") Keller, Litirkontest. u. Urtheil S. 221.—233.

Savigny B.6. S. 267.

•’) Bestritte» von Better, die Prozess. Konsum!. S. 13.119 sg., welcher die positive Funktion nicht anerkennen will. Ihm ist Brinz, Pand. I. S. 144 fg. deigetreten. Dagegen Windscheid, Actio 8.105. Wetzell, Dv Proz. ©. 418fg. »«) A.L.R. I. 11. §.846.848.

") 1. 3. 7. §. 4. D. XLIV. 2.

Siehe Unger II. S.684.

|. 66. d- Die Wirkung bet Rechttkraft

275

Urthell gebunden find, obschon sie am Recht-gang nicht Theil genommen haben").

Nur zwei Punkte bedürfen hier noch der Hervorhebung.

Wenn ein Miteigenthümer oder Miterbe ohne Beitritt seiner RechtStheilnehmer und ohne

ihre Vollmacht für die Gemeinschaft, nicht für sei­

nen Antheil» daS ganze der Gemeinschaft zustehende Attivum eingeklagt und rechtskräftige Berurtheiluug des Besagten erlangt hat, so erwerben

die übrigen Genosse« de- Kläger- die Einrede gegen nochmalige- Bestrei­

te«.

Muß man nun die Zuständigkeit der Einrede annehmen, wenn der

Beklagte verurtheilt worden, so wird auch ihm umgekehrt die Einrede ge­

gen die Miteigenthümer oder Miterben zu gestatten sein, wenn einer von ihnen geklagt und dieser abgewiesen worden, weil die Schuld nicht existirt. Rur wenn die Abweisung wegen

fehlender Legitimation

de- Kläger- er­

folgt ist, darf den übrigen die neue Klage nicht versagt sein.

Da- Ober-

Tribunal hat nun angenommen"), daß da- von einem beklagten Mitei­ genthümer erwirtte günstige Urtheil, durch welche- die Grundlosigkeit der Klage dargethan ist,

auch für die übrigen Mtteigenthümer, die an dem

Prozeß keinen Theil genommen haben,

Rechtskraft erlange: was soll hin­

dern, daß auch da- Umgekehrte gelte? Da- Gemeindeverhältniß ferner

ist verfchiedenarttg").

Es

giebt

RechtSverhältniffe, die sich auf die Gemeinde als solche, als juristische Per­ son beziehen.

Hier hat der Einzelne keine Rechte, die Rechtskraft wirft

nur für und wider die Gemeinde als solche").

Oder da- Recht-ver­

hältniß hat Bezug auf die einzelnen Gemeindeglieder als solche, indem daRecht entweder von der juristischen Person der Gemeinde abgeleitet erscheint,

gegen sie den einzelnen Mitgliedern zusteht,

den Gemeindegrundstücken,

z. B. da- den Gemeindegliedern auf einer

Triftrecht.

wie z. B. die Nutzungen an

oder nur auf dem Gemeindeverbande beruht, benachbarten Flur zustehende

Dort") wirft die Rechtskraft wider die Einzelnen, wenn die

Gemeinde Partei gewesen und wider die Gemeinde,

wenn Einzelne den

")

1. 2. C. VII. 56. L 2. C. VIII. 36. 1. 22. D. XLIV. 2. I. 29. $. 1. eod. 1. 11. §. 10. eod. 1. 3. §. 1. D. XX. 1. I. 63. D. XLIL 1.

35)

Striethorst V. 27. S. 283. in Folge analoger Anwendung der §. 258. I. 18. ?. 82 fg. I. 21. und §.17 so. 11. 4. A.L.R. Wenn ein einzelner Miterbe einen vom Erblasser geschloffenen Vertrag anficht und die Rückgabe de- Vertragsgegen­ standes zur Rachlaßmaffe verlangt, so bietet da- Urtheil Rechtskraft für die Mit­ erben (Entsch. B. 18. S.242). — Darau- folgt, daß fie auch gegen die Miterbeu eintreten muß. Ebenso in dem Fall Entsch. B. 22. S. 136. Wirkung der Rechtskraft nicht gegm Litiskonsorten, Striethorst B.22. S.257., gegen Mil­ befitzer, Entsch. B. 39. S. 313.

")

S. Seuffert B. 2. S.329.

•’) 1. 6. §.l. D. I. 8. 1. 10. §. 4. D. II. 4. 1. 7. pr. §. 1. D. III. 4. §.15. D. XXXVI. 1. 1. 1. §.7. D. XLVIII. 18. ••)

1. 6. pr. D. XVIII. 1.

1. 2. z.2. D. XLIIL 8.

1. 63. D. XLIL 1.

1. 1.

ftfM Buch. Die Vnmdbegriffe.

276

Prozeß geführt haben; hier wird daffelbe zu behaupten fein, von der Gemeinde erlangte Urtheil wirkt für und wider

d. h. da­

die Einzelnen,

und da- von den Einzelnen erlangte Urtheil für und wider die Gemeinde.

Dagegen

wird eine Abweisung der Gemeinde dem

nicht entgegenstehen,

einzelnen Mitglied«

wenn diese- da- Recht nicht als ein ihm al- Ge­

meindeglied zustehendes, sondern als sein eignes geltend macht").

2. Die objektive Identität (eadem quaestio).

Man versteht

darunter: idem corpus, eadem quantitas, idem jus, eadem causa petendi40).

Diese Erforderniffe sind nicht alternative, sondern kumulative:

sie müssen verbunden dafein, wenn die Einrede der Rechtskraft begründet

fein soll.

ES darf nicht derselbe Gegenstand aus demselben RechtSgrund

nochmals verlangt werden: quae nisi omnia concurrunt, alia res est a. Nicht derselbe Gegenstand.

Verschiedene Gegenstände erzeugen

verschiedene Ansprüche, wenn auch das Recht feinem Inhalt nach dasselbe ist, denn das Recht

ist nur in Beziehung auf einen bestimmten Gegen­

stand konkret, eine Berechtigung, ein Anspruch der Person.

Klagen also,

denen die Identität des Objekts (idem corpus, eadem quantitas) fehlt, sind verschieden,

und die neuere kann nicht durch die aus dem Urtheil Aber die eadem

über die ältere entnommene Einrede beseitigt werden.

quantitas macht Schwierigkeit.

Ist im Urtheil über ein Ganze- ent­

schieden, so ist auch über den Theil mit entschieden und auf den letzte­

ren kann nicht neu geklagt werden, wenn der Richter in der Lage war,

im ersten Urtheil vom Ganzen auf den Theil zurückzugehen, statt de- ge­ forderten Mehr das Mindere zuzufprechen.

Eine eigentliche Verschieden­

heit des Gegenstände- liegt hier nicht vor, denn der Theil ist ja im Gan­

zen enthalten,

und die- gilt in gleicher Weife,

das Mehr oder Minder

liege in der Größe des körperlichen Objekts oder in der Menge oder dem größeren oder geringeren Umfang eines Rechts4').

Umgekehrt ist der

Theil, das Mindere, aberkannt, so kann das Ganze nur dann noch gefor­

dert werden, wenn eS nicht bedingt ist ^urch den Theil, auch ohne ihn noch als ein Ganzes besteht4'), denn sonst würde mit dem Ganzen der

bereits aberkannte Theil wieder erstrebt werden.

Ist das Ganze nur die

Voraussetzung, der Präjudizialpunkt für den verlangten Theil, wie die

Reallast für die einzelne Leistung, so entsteht aus der Aberkennung der letzteren nicht die Einrede der Rechtskraft gegen die Klage auf das Ganze, da» Recht selbst (§. 55. Note 30. 31)").

")

gewesen, ist nicht auffallend — aber wenn man dem modernen RechtSleben weder die Befähigung noch die Berechtigung absprechen darf, neue Recht-bildungen zu erzeugen, so ist es mehr als bedenklich, diese nicht aus

ihrer Eigenartigkeit, sondern nach Analogien zu erklären, die dem römi­ schen Recht entlehnt sind. Indem hier eine kurze Uebersicht der verschiedenen bisher aufgestellten

Theorien gegeben werden soll, können zwei als allgemein jetzt verworfen

von vornherein bei Seite bleiben, nämlich die eine, welche das Inhaber­ papier als Papiergeld (konventtonelleS Papiergeld)'), die andere, welche

’) Dies hat namentlich Unger gethan, ©. 6. 89. 95.106. Gegen ihn Better in s. und Muther'S Jahrb. B. 1. S. 271.307 s. Renaud in der krit. Ueberschau B.5. S.406. Kuntz« belrachlet solche Schriftstücke «18 uneigentliche Inh. Papiere, qualifizirte Legitimationspapiere. ’) Siehe die Note 6. eiterten Better, Renaud und Kuntze bei Holzschuher a. a. O. II. S. 188.189. Die Inhaberklausel ist nicht zu Gunsten des Inhabers, sondern zu Gunsten de« Ausstellers beigefügt, welchem die Mühe der Legitimationsprüsung erspart werden soll; folglich ist der Präsentant als solcher nicht Gläubiger. Hierher gehören auch die Versicherungspolizen, Sparkaffenbücher, die auf den Namen eines bestimmten Berechtigten ausgestellt sind, die jedoch die betreffende Kaffe an den Bor­ zeiger ohne weitere Prüfung seiner Legilimarion zahlen darf. Dresdener Annalen 8.5. S. 51. ’) Ansicht Suchah'S im Archiv s. civil. Praxis B. 10. S. 152. Gegen ihn spricht nicht bloß, daß die J.P. keinen Zwangscour- haben, sondern auch, daß ihnen die Eigenschaft, ein allgemeiner Werthmeffer für andere Gegenstände zu sein, abgeht. Thöl a. a. O. §. 54b.

$. 64.

Unbestimmtheit be« Gläubiger«.

347

eS als Handelswaare") auffaßt. Doch muß bemerkt werden, daß das A.8.R. an einer Stelle") diese Papiere als Zahlungsmittel anficht; bei der nur gelegentlichen Erwähnung derselben kann daraus aber nicht ge­

schloffen werden, daß ihr Begriff damit erschöpfend gegeben sein soll"). Im Uebrigen scheiden sich die Theorien hauptsächlich in zwei Gruppen.

Die eine sieht im Papier nicht- weiter, al- das Dokument über eine Schuld (Schuldschein), die andere identifizirt Schuld und Papier.

Die

erstere schließt sich enger an die Grundsätze des gemeinen Rechts an, die

andere entfernt sich von ihnen, konstruirt eine eigenthümliche Recht-bildung

und verwendet die Sätze de- gemeinen Recht- nur al- Analogien. Die erste Gruppe wird vertreten von Duncker, Savigny, Koch,

Thöl, Renaud. Sie Alle nehmen ein materielle- Schuldverhältniß an, welche- durch das Papier nur beurkundet wird, und müssen deßhalb die Frage beantworten, wie ein solche- materielle- Schuldverhältniß zwischen

einem bestimmten Schuldner und einem unbestimmten Gläubiger rechtlich

denkbar sei.

Savigny,

Recht- stehen bleibt,

indem er auf dem Standpunkt de- römischen

verneint die- in Betreff derjenigen Inhaberpapiere,

die sich auf Privatgeschäfte beziehen, und hält sie für unzulässig, er be­

trachtet die im Handel gebräuchlichen Institute de- Wechsels und der See-

versicherung-polize als Singularitäten, die Staat-obligationen al- nicht

unter dem privatrechtlichen Schutz de- Richter- stehend, Pfandbriefe und Aktten aber, soweit diese letzteren nicht Antheile am Eigenthum einer in­ dustriellen Anstalt (Stammaktien), sondern Schuldbriefe (Prioritätsaktien) sind, nur weil durch Gesetze zugelassen, für rechtsgiltige Schuldverschrei­ bungen über Gelddarlehne, bei denen der Gläubiger zwar der Eigen­

thümer de- Papiere- sei, aber weil mit dem thatsächlichen Besitz stetdie Vermuthung de- Eigenthum- verbunden"), der Besitzer (Inhaber) dem Schuldner gegenüber die Rechte de- Eigenthümer- au-üben, und der

Schuldner den Besitzer al- Eigenthümer annehmen könne.

Die Ueber-

ttagung geschieht wie bei dem Eigenthum durch bloße Uebergabe, weil die Berechtigung (da- Forderung-recht) mit dem Eigenthum am Papier über­ geht.

Dieser Ansicht schließt sich am engsten Renaud") an, indem auch

er nicht den Inhaber, oder den gutgläubigen Inhaber an sich, sondern den Eigenthümer de- Papier- al- Gläubiger, und den Inhaber nur '") Ansicht Mühlenbruch'«, Session, 3. A. S. 460. Handel-waare, Gegenstand de« Börsenverkehr« ist -war da« I. P., aber dieser Umstand ist für die Erkenntniß ihrer rechtlichen Natur ohne Einfluß. Thöl a. a O. 8.54b.

1') 1,16. §. 28.

Siehe unten §. 91. bei Note 3.

*’) Koch, Pr. R. B. 2. ©. 438. Note 6. Uebrigen« ist in Entsch. B. 17. S. 156. diese Ansicht nicht ausgesprochen, vielmehr wird hier der Inhalt de« Recht« au« dem Inh. Papier al« Forderung einer Summe Gelde« bezeichnet.

") S. 117.135.

'*) Zeitschr. f. deutsche« R. B. 14. S. 326 s. 337 f.

Krit. Ueberschau B. 5. S. 307.

Zweites Buch.

348

Die besonderen Privatrechte.

als zum Zahlungsempfang legitimirt ansieht.

Der Eigenthümer soll der

bestimmte Gläubiger, mithin der Grundsatz gerettet sein, daß auch hier die

Obligation nur zwischen bestimmten Personen bestehe.

Allein dem Schuld­

ner gegenüber giebt das Eigenthum am Papier keine Bestimmtheit des Gläubigers, denn diese müßte voraussetzen, daß der Schuldner von dem

Eigenthum der bestimmten Person Kenntniß erlangt habe.

Die von Sa-

vignh an den thatsächlichen Besitz geknüpfte Vermuthung für das Eigen­ thum des Inhabers an Papier und Forderung ist keineswegs an sich be­

gründet und wie die Succession in das Eigenthum am Papier die Suc­ cession in die Forderung mit sich ziehen kann, bleibt unerklärt.

Thöl"),

der ebenfalls im Papier nur eine Beweisurkunde über die Forderung und die Nachweisung der Legitimation sieht, will weder den Eigenthümer noch jeden Besitzer als Gläubiger gelten lassen.

Ihm ist die Verbindung der

Gläubigerschaft mit dem Eigenthum rechtlich nicht nothwendig, denn nicht die Forderung ist um des Papiers willen, sondern dieses für jene vorhan­

den: der wahre Gläubiger ist derjenige, welcher zuletzt in gutem Glau­ ben das Papier mit dem Gläubigerwillen erworben hat.

Wodurch

aber wird hier für den Schuldner die bestimmte Kenntniß des ihm gegen­

über Berechtigten erworben? Unerklärt bleibt, wie der unredliche Veräuße­

rer eines solchen Papiers das Recht, d. h. das Eigenthum am Papier und damit die Forderung, dem wenn auch gutgläubigen Erwerber übertragen kann, warum vom Schuldner bis auf Gegenbeweis, der zwar zulässig aber schwer zu führen, der Inhaber als Gläubiger oder als Mandatar des

Gläubigers angesehen werden soll.

Und endlich, warum geht mit der bloßen

Aushändigung der Beweisurkunde die Forderung selbst über?

Koch")

bezeichnet den Darlehnsgeber, d. h. den ersten Nehmer als den bestimm­

ten Gläubiger.

Er hält es für unerheblich, daß dieser im Papier nicht

genannt werde, weil der Schuldschein für das Darlehn nichts Wesentliches

sei.

Die Eigenthümlichkeit der formlosen Uebertragung

erklärt er aus

einer besonderen Verabredung zwischen dem Schuldner und ersten Nehmer.

Aber es ist hiergegen

einzuwenden,

daß der Schuldner meist auch den

ersten Nehmer nicht kennen lernt, daß der Schuldschein bei diesen Geschäf­ ten keineswegs unerheblich ist und etwa auch fehlen könnte, wie beim Dar­

lehn, und daß die Verabredung in Betreff der formlosen Uebertragung niemals stattfindet, eine willlürliche Annahme ist. Auch Jolly") bezeich­

net den ersten Nehmer als den eigentlichen Gläubiger,

der zugleich als

Vertreter des eigentlich berechtigten Empfängers zu denken sei.

") §.54b. 54 c. ,6) Priv. R. a. a. £>. *7) Archiv f. deutsches Wechsele. B.4. S. 385 f.

Doch bett

Unbestimmtheit de» ÄlSobiger«.

64.

349

ersten Nehmer als Vertreter aller folgenden Inhaber jv denken, ist eben­ falls ganz willkürlich.

So sind von den Schriftstellern der ersten Gruppe wohl alle Mög­ lichkeiten erschöpft, um die Person des rechten Gläubigers zu finden, und alle diese Möglichkeiten haben fich als ungenügend erwiesen; wesentlich deß­

halb, weil sie die Begründung der Gläubigerschaft mit dem Erwerb des Papieres zusammenfallen lassen, während, wie später zu zeigen, nicht dieser,

sondern die Präsentation des Papiers bei dem Schuldner da- entschei­ dende Moment ist.

Die andere Gruppe der Schriftsteller erblickt im Papier selbst die Obligation, verwirft also die Annahme, daß eö nur Beurkundung eine­

materiellen Schuldverhältnisses sei. fassen, darüber weichen sie ab.

Wie aber die Papierobligation aufzu­

Zuerst hat Hoffmann") behauptet, da-

Papier stelle ein durch sich selbst bestehendes Geldversprechen dar, welchevon seinen materiellen Unterlagen entbunden, an das Papier geknüpft und Diese- Papier sei mehr als bloße» Papier,

durch dasselbe beurkundet sei.

es sei auch Schuldschein

(formales Geldversprechen oder Einlösungsver­

sprechen), aber noch weit mehr, nämlich Zahlungsmittel im Verkehr, ver­

möge welcher Eigenschaft jeder Besitzer des Papiers (als redlicher vermuthet bi» zum Erweis des Gegentheils) als ursprünglicher, selbständiger Gläu­ biger gelte.

Eö ist aber wenig oder nichts gewonnen, wenn man das

Papier als Formalkontrakt auffaßt, denn das kann wohl eine generische, aber nicht eine spezifische Bezeichnung sein, und die ganze Darstellung ist mehr Beschreibung als Erklärung.

Unger behandelt die Inhaberpapiere

als die Litteralkontrakte des modernen Rechts").

Es ist die Schrift

nicht bloß Beweis einer Obligation, sondern selbst der Entstehungsgrund

derselben.

Der Aussteller ist zur Zahlung verpflichtet,

dieser Schrift versprochen hat.

weil er sie in

Gleichgiltig ist eö, was zur Ausstellung

der Schrift Veranlassung gegeben, einmal ausgestellt ist sie losgelöst von diesem Veranlassung-grunde.

Hat der Aussteller Geld al» Darlehn auf­

nehmen wollen, so ist doch vom Moment der Ausstellung de» Papier- die

Darlehn-obligation verschwunden und eine einseitige Schriftobligation ent­ standen, die zwischen dem Aussteller und dem ersten Nehmer, also zwischen bestimmten Personen geschlossen wird; sie konstitniren ein abstrakte- No­

men").

Diese Auffassung bringt die Inhaberpapiere in Verwandtschaft

mit dem Wechsel, aber e» wird hierbei außer Acht gelassen, daß der Wechsel

ein im positiven Recht anerkannter, stet- von den Parteien wirllich gewollter. “) Archiv f. deutsche- Wechsel». B. 5. S. 258 f. ") S. 66 fg. 85 f.

*°) S. 94.: „Die Ausstellung eine« Ordre« oder Jnhaberpapier» ist nicht- andere-, al» die Uebertragnng eine- abstrakten Forderung-rechte», al- die sua vi ac potestate wirkende Konstilnirnng eine» Nomen."

Zweites Buch.

350

Die besonderen Privatrechte.

selbständiger Obligation-grund ist, der in der Urkunde ausdrücklich er­

sichtlich gemacht ist, bei den Inhaberpapieren aber keineswegs die Absicht

der Parteien, eine von allem sonstigen RechtSgrund losgelöste Obligation zu erzeugen, auS den Worten der Urkunde „an den Inhaber" zu ent­

nehmen ist und daß eine solche Auffassung im positiven Recht keinen An­ halt findet, ja die Praxis derselben in vielen Fällen der Anwendung wider­ spricht, in denen daS zu Grunde liegende materielle Schuldverhältniß ent­

scheidend bleibt für die künftige Zahlung").

Die Begebbarkeit des Papiers

faßt Unger als Delegation in sehr künstlicher Weise auf:

eS soll der

Aussteller im Papier außer dem abstrakten Zahlungsversprechen noch fer­ ner die Vollmacht an den Nehmer ausgedrückt haben, mit jedem Dritten in seinem Namen die Novatton vorzunehmen, und diese Vollmacht pflanze sich auf jeden ferneren Nehmer fort").

Hiernach muß also der äußerlich

so einfache Akt der weiteren Veräußerung durch Uebergabe den Abschluß einer Delegation im Namen des Ausstellers enthalten.

Aber die Voll­

macht ist eben nur eine Vermuthung, für die in dem thatsächlichen Her­ gang der ersten Ausgabe des Papiers nichts spricht, und wie in dem form­

losen Hingeben eine Delegation zu erkennen sein soll, ist nicht erklärlich. Kuntze trennt die obligatorische und sachliche Seite des RechtSverhält-

niffeS.

DaS Papier ist Sache und den rechtlichen Beziehungen einer sol­

chen zugänglich und unterworfen (Besitz, Eigenthum), aber das Recht, welches durch das Papier ausgedrückt,

Obligation.

von ihm getragen wird,

ist eine

Diese Zweiheit von Obligation und Sache wird dadurch ge­

hoben, daß „das Papier zum Symbol oder Organ, d. h. zum unmittel­ baren Ausdruck und Vehikel der Obligation gestempelt, diese als die ideelle

Substanz dem Papier inkorporirt, dessen einverleibte oder eingeborne Seele

ist."").

So ist also zunächst das Papier nicht Grund, sondern Mittel

für die Entstehung der Obligation, der Grund ist der BerpflichtungSwille

des Ausstellers; das Papier ist ferner das Mittel, die Obligation in Um­ lauf zu setzen, mit dem juristischen Besitz des Papiers ist diese erworben,

die Uebergabe hat für die Obligation den Rechtseffekt der Novation; das

Papier ist endlich das Mittel, die Obligation zu tilgen, sobald es entweder in den juristischen Besitz des Ausstellers zurückgelangt, oder kassirt, oder mit einem Quittungsvermerk versehen ist"). Die Obligation selbst ist ein

•') So kann bei Lebensversicherung--Polizen der Versicherer dem Inhaber, wenn er das Kapital erheben will, noch die Einrede entgegenstellen, daß z. B. bei dem Abschluß der Versicherung die Gesundheit de« Nehmers falsch angegeben worden, eine exceptio doli. Renaud in der krit. Ueberschau ®. 5. @.409. **) S. 111 ff. des. S. 115. ”) A. a. O. S. 266-274. **) Hiernach hat das Papier nach K. drei Funktionen: eine Genital-, eine Vital-, eine Finalsunktion.

5.64.

Unbestimmtheit M Gläubiger«.

351

einseitige» Rechtsgeschäft, welche- dem Charakter einer General- oder Nentralobligation hat, d. h. zu welcher eine causa debendi specialis nicht erforderlich ist").

Anzuerkennen ist nun zunächst bei dieser Theorie,

daß die obligatorische und sachliche Seite des Rechtsverhältnisse- unter­ schieden wird.

Daß namentlich eine sachliche Seite beachtet werden muß,

ergiebt sich aus der Streitftage über die Vindikabilität, au- dem höheren oder geringeren Kaufwerth (CourS), den solche Papiere an der Börse

haben, und der sich danach richtet, ob der Kredit des Unternehmen-, für welches sich der Schuldner durch Ausstellung deS Papiers die Mittel ver­ schafft hat, steigt oder fällt.

Allein der Begriff einer Generalobligatton

ist nur erfunden, dem positiven Recht unbekannt und der Klarheit ent­ behrend.

Auch hier muß ein bestimmter Wille deS Schuldners angenom­

men werden, der in den Worten der Urkunde nicht ausgedrückt ist.

Der

bloße abstrakte Verpflichtungswille ohne Verpflichtungsgrund kann eine

Obligatton nicht erzeugen.

Die Loslösung der Papierobligation von ihrem

materiellen Grunde steht mit dem Umstande in Widerspruch, daß bei vie­

len und häufigen Arten der Inhaberpapiere dem Inhaber vom Aussteller Einreden aus diesem materielleil Grunde entgegengesetzt werden dürfen"),

und daß die Umwandlung der materiellen Obligation in einen formellen einfei«

ttgen Verpflichtungsakt lediglich durch den Willen deS Schuldners herbeigeführt werden soll, während dabei doch gewiß das Intereffe des Gläubigers in der ursprünglichen Obligation sehr stark mit im Spiel ist, seine Einwilligung

also nothwendig erscheint, gleichwohl immer fehlt.

Allen diesen Theorien

der zweiten Gruppe ist mit denen der ersteren zwar dies gemeinsam, daß

auch sie das Dogma, eine Obligation könne nur zwischen bestimmten

Personen zu Stande kommen, zu bewahren bestrebt sind: der besttmmte Gläubiger ist ihnen der erste Nehmer und jeder folgende Nehmer auf Grund eines UebertragungSakteS.

Aber indem sie abweichend von den

Ersteren in dem Papier die Obligation selbst, nicht nur eine Beweisurkunde

für eine Obligation erblicken, gerathen sie in künstliche und bildliche Vor­

stellungen, die der Klarheit entbehren.

Daß das Papier „Träger" der

Obligation sei, daß sich diese in ihm „verkörpere," sind Ausdrucksweisen,

die ebenso wenig erklären, als wenn man für diese Schuldverhältniffe einen Namen erfindet, wie General- oder Natural- oder Skripturobligation, oder

abstraktes Nomen.

So ist es auch nur eine bildliche und daher für ju­

ristische Konstruktion nicht verwendbare Ansicht, die Bekker vorgetragen,

daß das Papier selbst das Subjekt des Forderungsrechts, der Gläu­ biger sei, daß der Inhaber dieses Subjekt nur vertrete, nicht selbst aber

der Gläubiger sei.

Da bietet die Prädialservitut eine Analogie, denn auch

") S. 362 ff. 374. **) Siehe oben Note 21.

352

Zweite« Buch.

Die besonderen Privatrechte.

hier ist eine Sache (da- herrschende Grundstück) das vom Besitzer ver­

tretene RechtSsubjest.

Und indem ferner in diesen Theorien der erste

Nehmer als bestimmter Gläubiger, die Obligation selbst durch daS erste Nehmen als eine definitiv vollendete aufgefaßt wird, muß natürlich der

UebertragungSakt, der bei den Schriftstellern der ersten Gruppe, sofern sie

nicht den ersten Nehmer, sondern den Eigenthümer, oder gutgläubigen Be­

sitzer oder Inhaber als den Gläubiger hinstellen, als ein rein sachenrecht­ licher erscheint, einen obligatorischen Charakter annehmen und nun entsteht die Schwierigkeit, eine Form für denselben zu finden.

Novation, Dele­

gation, Vollmacht, stillschweigende Uebereinkunft zwischen dem Schuldner und ersten Nehmer über die Formlosigkeit der Uebertragung sind behauptet

worden — aber diese Meinungen scheitern alle daran, daß sie von Vor­ aussetzungen auSgehen, die thatsächlich niemals vorhanden sind. spricht gegen die Identisizirung der Forderung mit dem Papier,

Endlich

daß in

Folge derselben mit dem Untergang oder Verlust des Papiers auch jene untergehen müßte, was gleichwohl nicht der Fall ist, wie aus der Amorti­

sation solcher Papiere, ans dem Aufgebot und daraus sich ergiebt,

daß,

wenn dem Schuldner der Verlust angezeigt wird, er dem nächsten Prä­

sentanten nicht zahlen darf. Man wird also diese bildlichen Vorstellungen verlassen müssen:

das

Papier ist Papier, weder Schuld noch Gläubiger, eS beweist die Schuld

und soll für den Empfang der Schuld legitimiren.

Kein Loölösen von

dem ursprünglichen RechtSgrund derselben — aber auch keine definitiv voll­ endete Obligation bis zu dem Zeitpunkt, wo der Schuldner seinen bestimm­ ten Gläubiger gefunden hat.

Dies führt auf die leider bisher nur ange­

deutete Ansicht von Goldschmidt").

Angeknüpft ist sie an eine beiläu­

fige Bemerkung Fitting'S"), welche die aktive Korrealobligation als für die Theorie der Inhaberpapiere verwendbar erllärte, indem auch hier dem Schuldner gegenüber zunächst ungewiß bleibe, wer zu fordern hat, und die Ungewißheit sich hier zwar nicht durch Wahl, Papiers entscheide.

aber durch.den Besitz des

Hiergegen wird von Goldschmidt bemerkt, bei der

Korrealobligation stehen mehrere bestimmte Gläubiger neben einander, bei

dem Inhaberpapier eine Reihe unbestimmter, möglicher Gläubiger nach einander dem Schuldner gegenüber.

Durch den Besitzerwerb entscheidet

sich nur, wer Gläubiger sein kann, erst durch die Präsentation, die Klage oder Einlösung, wer wirklich Gläubiger i st.

Bis dahin ist zwar ein durch

die Ausstellung des Papiers bekundeter einseitiger Verpflichtungswille vor­

handen, das obligatorische Band ist von der einen Seite festgehalten, aber noch ist ungewiß, wer es von der anderen Seite ergreifen und dadurch

”) In seiner Zeitschrift für das gejammte Handelsrecht, B. 3. S. 274 f. **) Fitting, die Natur der Korrealobligation, S. 23b. Note2b7.

§. 64.

Unbiftimmthrit bt> Gläubiger«.

353

die Obligation zum Abschluß bringen wird: die Gläubigerschaft schwebt noch. Von dem Moment an, wo der Inhaber de- Papier- sich bei dem Schuldner meldet, ist er dessen bestimmter Gläubiger geworden: Gläubi­ ger ist der Präsentant"). Darum ist aber auch nicht nöthig, die bidahin eingetretenen weiteren Begebungen al- obligatorische Akte (Novation, Delegation) aufzufaffen. E- war ja nur ein Papier zu tradiren, nicht eine Obligation zu übertragen. Die formlose Uebcrgabe hat nur eine thatsächliche Bedeutung, nämlich daß der bisherigen Zahl möglicher Gläu­ biger ein anderer möglicher Gläubiger sich angereihet, jeden derselben hat der Aussteller gewollt, denn die- drückt die Inhaberklausel direkt au», jeder derselben kann durch Geltendmachen der Forderung wirklicher und zwar ursprünglicher Gläubiger werden, dem daher weder Einreden an­ der Person de- Vormanne- entgegengesetzt werden dürfen, noch in Folge zwischenliegender Novationen die sichernden Nebenrechte genommen worden sind. Die Einreden au- dem ursprünglichen Recht-verhältniß aber, wel­ che- zur Ausstellung de- Inhaberpapiers geführt hat, können jedem Gläu­ biger entgegengesetzt werden, weil er al- der ursprüngliche gilt. Die perio­ dische Beziehung von Zinsen und Dividenden ist Ausübung einer Theil­ obligation, welche für den Rest, für die schließliche Einziehung de- KapitalS die übrigen möglichen Gläubiger nicht ausschließt. Auch diese Zinsenobli­ gation, welche, so lange noch der Gläubiger nur ein möglicher ist, selbst wie die Hauptobligation nur eine mögliche ist, wird durch die Präsentation deSchein- eine wirkliche, der präsentirende Besitzer dieses Scheins der wirk­ liche Gläubiger dieser Theilobligation "). Diese Theorie vermeidet die künstliche und unklare Annahme, daß da-. Papier die Obligation selbst sei, e- bleibt, was es nur sein kann, der Schuldschein, die Urkunde über da­ materielle Recht-verhältniß. Der einseitige Verpflichtung-akt, der in der Ausstellung liegt, ist nur die Einkleidung, die besondere Form, die die audem materiellen Rechtsverhältniß entspringende Schuld erhält, nicht eine an dessen Stelle tretende neue Obligation, welche sich sofort von der alten loSlöft. Die Streitfrage des gemeinen Recht-, ob auch Privatpersonen In­ haberpapiere ausstellen können, oder ob Staat-genehmigung dazu nöthig 79) Jhering in s. u. Gerber'- Jahrb. B. 1. S. 49. Note 20. hat darauf hingewiefeu, daß bi- zur Präsentation nur eine Erwerb-möglichkeit vorliege. Damit ist die obige Ausführung einigermaßen verwandt. 30) Wie die Zin-coupon- rechtlich aufzufaffen, f. Bekker a. a. O. S. 413—415. Der Coupon ist ein selbständige- Jnhaberpapier, der Aussteller ist Schuldner, der Prä» jentant Gläubiger, die Couponforderung ist ein^ bedingte insofern, als dasjenige Jnhaberpapier, zu welchem der Coupon gehört, nicht schon vor der Fälligkeit deCouponS feine Giltigkeit verloren haben darf. Da- AuSgeben de- Coupon- ist datio in solutum, die ZinSfchuld ist im Voraus so weit getilgt, al- die Coupon­ reichen, das Einlösen derfelbm ist nicht Zinszahlung, sondern Zahlung einer selb­ ständigen Forderung.

8»erster, Preuß. Privatrecht.

23

354

Zweite« Buch.

Die besonderen Privatrechte.

sei"), ist in Preuße« durch GesctzeSauSspruch entschieden"). Papiere, in welchen die Zahlung einer bestimmten Geldsumme an jeden Inhaber ver­ sprochen wird, dürfen von Niemand ausgestellt und in Umlauf gesetzt wer­ den, der dazu nicht die Genehmigung deS Königs erhalten hat. Diese Genehmigung wird durch ein landesherrliche- Privilegium ertheilt, welchedie rechtlichen Wirkungen desselben bestimmen und seinem ganzen Inhalt nach durch die Gesetzsammlung bekannt gemacht werden muß. Solche privilegirte Inhaberpapixre begründen gegen den Aussteller ein Klagerecht "). Jeder Inhaber ist zu demselben legitimirt, der Aussteller kann ihm zwar Eiureden auS dem RechtSgrunde der Emission, nicht aber Einreden gegen seinen Erwerb von einem Borbesitzer entgegenstellen. Auch im preußische« Recht ist ausgesprochen, daß eS zur Uebertragung des Eigenthum» nicht der Session bedarf"), und der Uebertragende hastet nicht für die Bonität, wohl aber dem Erwerber für die Verität (Echtheit). Mit dem Verlust de» Papiers ist nicht der Verlust der Forderung verbunden, vielmehr fin­ det dann im Wege des Aufgebots ein Amortisationsverfahren statt"), wel­ che» sich von prozessualischer Seite als Kontttmazialverfahren, von materiell­ rechtlicher Seite al» Restitution gegen den Verlust einer Erwerbsmöglich­ keit") charakterisirt. Aber die Forderung hat, wenn da- Papier mortificirt worden, nicht mehr die Eigenthümlichkeiten der Inhaberobligation, sie ist fest in der Person des damaligen Gläubigers"), und kann daher nur **) Born allgemeinen Standpunkt au« steht der Bejahung der Frage, ob Privatpersonen Jnhaberpapiere ausstellen und in Umlauf setzen können, nichts entgegen, e« kann nur durch spezielle Gesetze verboten werden. Di« gemeinrechtliche Theorie und Praxi« neigt sich daher auch zu der Ansicht, daß Staat-genehmigung nickt erforderlich ist. S. die Entscheidung de« O.A.G. Celle bei Düring in Goldschmidt'« Zeitschrift 8. 2. S. 546. Seusfert B. 7. S. 262 f. «. 10. Nr. 91. B. 13. Nr.55. 8. 15. S. 506. Wllrtemb. Arch. 8. 5. S. 107 sg. Gerber S. 411. 8eseler 8. 3. S. 322. Thöl, HandtlSrecht 3. A. §.54». Note 4. Unger, Znhaberpap. §.25. u. A. Dagegen Savigny II. S. 122. Kuntze §.121. Da da« allgem. deutsche Handelsgesetzbuch sür die Aktien Staat«genehmigung vorschrcibt (Art. 208.), so folgt daran«, daß jetzt sür die Emission von Aktien auch in den Ländern de« gemeinen Recht«, die da« H. G.B. publizirt haben, staatliche Genehmigung nöthig ist. ZnHaberpapiere, die zu einer Geldsumme verpflichten, bedürfen derselben nach dem sächs. G. 8. §. 1040.

’*) Ges. v. 17. Juni 1833 (Ges. S. 75.), für den ganzen Umfang der Monarchie erlassen.

*•) Dieser Recht-zustand ist durch da« Handelsgesetzbuch v. 1861 nicht geändert. Aktiengesellschasten bedürfen der landesherrlichen Genehmigung. Eins. Ges. Art. 12. §. 1. Und wenn auch nach Art. 10. des Eins. Ges. die Kommanditgesellschaft aus Aktien einer solchen Genehmigung nicht bedarf, so sind doch deren Aktien nicht InhaberPapiere, sondern lauten aus Namen. Art. 173. H.G.B. ’♦) 1,11. §.401. **) B. O- v. 16. Juni 1819 (Ges. S- 157.), die Amortisation der verlorenen oder ver­ nichteten Staatspapiere betr. — A.G.O. I, 51. §. 120 ff. Ueber da« Amortisation»« versahren s. Schümm im Arch. s. civil. Prax. 8.13. Beilagehest und Boigt in f. n. Heinecken« neuem Arch. s. Haudelsr. B. 1. S. 4.

") Jhering a. a. O.

") Renaud in der Zeitschr. f. deutsch. R. 8.14. S.362.

8.65.

Bestimmtheit.

355

Der Gläubiger kaun ferner dem Papier

durch Session veräußert werden.

die Inhabereigenschaft entziehen, indem er es außer CourS setzt, dann er­ langt eS diese Eigenschaft erst wieder, wenn eS vorschriftsmäßig in Cour­ gesetzt worden").

Der Schuldner darf da- außer Cour» gesetzte Papier

nur an denjenigen auSzahlen, auf den der Vermerk lautet. ES ist oben schon angedeutet, daß da- Inhaberpapier auch eine fachen­

rechtliche Bedeutung hat.

Es ist, weil es die Möglichkeit eine» Erwerbs

trägt, ein werthvoller Gegenstand des Besitze- und Eigenthum».

Sachenrecht sind die Papiere al- Quantitäten ") zu betrachten.

Für das

Die hieran

sich knüpftnde sehr bestrittene, im A.L.R. aber entschiedene Frage, ob der

Eigenthümer die Vindikation hat, kann erst im Sachenrecht erörtert werden.

Dritter Abschnitt. Die

8 e i st u n g.

§. 65.

Bestimmtheit.

A.L.R. I, 5. §. 71-73. 273-276. I,11. $. 30. 33-88. 47. 52. 1,12. 8. 388—891. II, 7. § 424.426. — »och Pr.R. II. S. 7-11. R. d. F. I. 6.29 ff. II. 6.856. ». Daniel» II, 299 f. — Untrrhotznrr I. ®. 200.216. Savignh I. 6.886. §. 88—48. vangerow 6. 2L III S. 18 f. §. 569. Arndt», Pand. 4. 8. 9. 316. §.202.203. Sintrvi», prakt. Dv.R. 2. A. §. 83. S. 26. Keller, Pand. S. 478. §. 245. Der Gegenstand de» Schuldverhältnisse» besteht darin, daß der Ver­

pflichtete etwa- leisten muß, im Allgemeinen also ist er ein Thun, oder wie das A.L.R. sich ausdrückt:

lasten').

ein Geben, Leisten, Verstatten, Unter­

Die Leistung ist auf das Vermögensrecht gerichtet, das Vermö­

gen des Gläubigers soll vermehrt werden durch den Schuldner, der da­

durch sein Vermögen vermindert, sei es auch nur, indem er seine Arbeit

nicht für sich, sondern für den Gläubiger verwendet.

Jene vier neben einander gestellte Begriffe lasten sich auf einen zwei­ fachen Gegenstand der Schuldverhältniste zurückführen. Derselbe ist entweder ein Geben oder ein Thun.

facere praestare oportere.

Die römischen Recht-quellen sagen: dare Da- praestare jedoch ist nicht ein Dritte-

") A.L.R. 1,15. 8- 47 fg. «es. vom 16. Juni 1835 (Ges. S. 133.), zwei «es. vom 4. Mai 1843 (Ges. S. 177.179.). ’*) Savigny 6. 118. •) A.r.R.1,2. §.123.

Zweite« Buch.

356

Die besonderen Privatrechte.

neben dare und facere, sondern auch dieses, nämlich die Leistung, die

Handlung de» Schuldners im Allgemeinen'). Das facere begreift zu­ gleich da- non facere**). Nach A.L.R. ist hiernach zu sagen: die Leistung

de» Verpflichteten ist: 1. entweder ein Geben, 2. oder ein Thun, und zwar diese»: a. entweder ein positives Thun, da» facere, Leisten,

b. oder ein negative», daS non facere, nämlich: a. entweder ein Verstatten,

ß. oder ein Unterlassen.

DaS Geben geht auf Gewährung einer Sache. ES soll eine körper­

liche oder eine unkörperliche Sache (;. B. Nießbrauch) in da» Vermögen

de» Gläubiger» gebracht werden*).

Das Uebergeben (die Tradition) ist

da» Mittel dazu, ein Handeln, nicht daS Geben selbst*). greift, wie gesagt- zugleich daS Nichtthun.

DaS Thun be­

Letzteres ist entweder ein Ver­

statten (Dulden tz.8. 1,5.), indem der Verpflichtete der Thätigkeit des

Berechtigten Raum giebt, sie nicht hindert, soweit sie in seine Recht-sphäre hineinreicht, oder ein Unterlassen, indem der Verpflichtete zum Vortheil

de» Gläubigers eine Handlung, zu der er sonst berechtigt wäre, nicht vor­ nimmt.

DaS Thun unterscheidet sich vom Geben dadurch, daß eS eine •

rein subjektive, individuelle Natur hat und daher schwer seinem Werth nach zu bestimmen ist*).

Die meisten Schuldverhältnisse gehen auf ein

Geben und Thun zugleich — aber eine Grundregel ist, daß beim Geben die Sache, beim Thun die positive oder negative Handlung genau be­

stimmt sein muß.

Eine unbestimmte Zusage bindet nicht, e- würde ihr

die Möglichkeit abgehen, die Erfüllung zu erzwingen').

*) S. Huschte m der Zeitschr. f. geschichtl. R.Miss. B. 13. S. 249. Unterholz• uer I S. 200 s. Savigny I. S. 299 f. Jede« dare und facere ist auch ein praestare, weil e« eine bestimmte Richtung de« Willen« de« Schuldner«, eine Ueber­ windung thatsächlicher Hindernisse vorauSsetzt. Da» praestare ist da« Leisten im Allgenieiuen, da« dare und facere die besondere Leistung in Beziehung auf den Ge> genstand. Darum wurde auch die intentio der Klagen au« Obligationen, wenn sie in jus conceptae waren, immer ans dare, oder dare facere operiere, nicht auf praestare operiere gerichtet, weil da« non praestare die allgemeine Voraussetzung jeder obligatorischen Klage war. 1. 3. pr. D. XLIV.7.1.2 pr. I. 76. §. 1. D. XLV, 1. Nur bei den altm Delikt-klagen kam ein dare facere nicht vor, sondern nur prae­ stare. S. hierüber Savigny System B. 5. Beil. 14 Nr 25—29. Die allgemeine Anwendung de« Ausdruck« praestare s. bei Unterholzner a. a. O. ') 1.121. de R. J. •) l, 16. §. 11. §. 14. J. IV, 6. 1. 75. §. 10. D. XLV, 1. 1. 2. §. 1. L. XII, 1. ’) 1. 72. pr. D. XLV, 1. I 218. de V. 8. *) Daher im §. 7. J. III, 16. gerathen wird, für die Nichterfüllung eine poena ju stipuliren, ne quantitas stipulationis in incerto sit ac neceaae sit actori probare, quid ejus intersit. 7) I. 6. D. XII, 1.: Certum est, cujus apecies vel quantitas, quae in obligatione versatur, aut nomine suo, aut ea demonstratione, quae nominis vice fungitur,

$• 65.

Qtfhunit^dt.

357

E- find aber Fälle in der Mitte zwischen der individuellen Bestimmtheif) und der gänzlichen Unbestimmtheit denkbar: die Sache ist entweder

nur nach ihrer Gattung') bezeichnet oder nur nach Maß und Gewicht

(Quantitäten)"), oder durch eine Beziehung, oder es soll von mehreren Sachen oder Handlungen die eine oder die andere geleistet werden.

In

allen diesen Fällen ist zwar nicht von vornherein die einzelne Sache oder Handlung, die schließlich geleistet wird, bestimmt, aber es ist doch eine Bc-

stimmungSart dafür gegeben, entweder die Gattung — dann soll die Sache von mittlerer Art und Güte sein") — oder die Menge, wobei die einzel­ nen Sachen, aus denen sich diese nach Maß oder Gewicht bildet, für das

Schuldverhältniß an sich indifferent sind — oder eine bestimmte künftige Begebenheit"), oder eine Vergleichung mit einer anderen Thatsache"),

oder ein genau abgegränzter Umkreis von Sachen, aus welchen die eine auSzuwählen ist.

Die Wahlobligation (alternative)") besteht hier­

nach darin, daß nur einer von zwei Gegenständen, welcher ist zunächst un­

bestimmt, zu leisten ist").

ES fragt sich hier, wer die Wahl habe, der

Gläubiger oder der Schuldner, und welche Folgen eS nach sich zieht, wenn

die Wahl nicht stattfinden kann, weil der eine der beiden Gegenstände weg­ gefallen ist.

Die erste Frage kann nach allgemeinen Grundsätzen nur zu

Gunsten deS Schuldners beantwortet werden, denn er hat zu erfüllen, und er

erfüllt,

wenn er Eine- von Beiden giebt.

Dies erkennt auch das

preußische Recht in Uebereinstimmung mit dem römischen an"), wobei

fteilich den Parteien unbenommen ist, da- Wahlrecht dem Gläubiger zu

übertragen ").

Die Wahl steht dem Schuldner frei bis zum Moment der

wirllichen Erfüllung"), oder bis zu dem Moment, wo er dem Gläubiger

') ®) ,0) ") ") ") ") ") ")

,7) ")

qualis, quantaque sit oatenditur. 1. 94. 95. 115. pr. D. XLV, 1. Seuffert, Arch. B. 10. S. 340. B. 15. S. 352. A.L.R. 1, 5. §. 71. 1,11. §. 30. Entsch. B. 31. S. 401. Würtemb. Arch. v. 6. S. 161. I, 5. §. 273. I, 5. §. 275. Savignp S. 399. Savignp S. 400. I, 5. §. 275. Ueber diesen §. s. Strieth. B. 1. S. 166. Anwendungen dieseGrundsatze-: I, 21. §. 123. 608. II, 11. §. 920. SLchs. G. B. §. 696. « L.R. 1,11. §. 31. Koch, R. d. F. B. 2. S 356. A L.R. I, 11. 8.52. Socha, a. O. Koch, R. d. F. S. 32. Savignp S. 389. Bangerow B. 3. S. 18 (§ 569.). Die mehreren Sachen find in obligatione, nur die eine oder die andere in aolutione. I, 5. §. 274. 1. 25. pr. 1. 34. §. 6. D. XVIII, 1. 1. 10. §. 6. D. XXIII, 3. 1. 93. 106. 138. §. 1. D. XLV, 1. Ebenso §. 388. I, 12. der Erde. Oesterr. G. B. §. 906. Sachs. G. B. §. 697. vangerow a. a. O. Anm. 1. Keller S. 480a., 1. Sächs. G. B §. 698. L 106. D. XLV, 1.: Tamdiu autem voluntaa promiaaoria in pendenti eat, quamdiu id, quod promiaaum eat, aolvetur. 1. 138. §. 1. eod. Wenn also gegen ihn hat geklagt werden müssen, bis zur Exekutionsinstanz und der Gläubiger muß alter» nativ Nagen. Eine Eigenthümlichkeit M preuß. R., die au- dessen Borschristm

368

Zweite« Buch.

Die besonderen Privattechte.

eine bindende Erklärung über seine Auswahl gegeben hat. Bi» dahin kann er seine Entschließungen ändern, von da ab ist da» Schuldverhältniß ein einfache» geworden und hastet an der gewählten Sache. Ist dem Gläu­ biger die Wahl zugestanden, so hat er sie stet bi» zur Klageoder bi» er dem Schuldner darüber eine bindende Erklärung gegeben hat. Er darf nicht mehr die Wahl ändern, wenn er auf die eine Alternative geklagt, und der Schuldner sich darauf eingelassen, diese Erfüllungsart angenom­ men hat. Hierdurch ist die Erklärung des Klägers eine rechtsverbindliche geworden'"). Das A.L.R. hat von dem Grundsatz, daß dem Schuldner die Wahl zusteht, zwei Ausnahmen, von denen die eine, bei welcher der Herrschaft den Gutsunterthanen gegenüber, wenn sie alternativ zu Lei­ stungen verpflichtet sind, die Wahl gebührt"), im neueren Recht nach vollendeter Durchführung der Dienstablösungen aufgehört hat, praktisches Interesse zu haben, die andere aber eine durch Nichts gerechtfertigte Folge­ widrigkeit ist. ES soll, wenn aus einem Kaufverträge nicht zu ersehen ist, welcher der beiden Theile zu wählen habe, der Käufer, also, da er die Sache zu empfangen hat, der Gläubiger wählen"). Die Frage, welche Folgen auf die Wahlobligation es äußert, wenn die Wahl unmöglich geworden, entscheidet zugleich über die Natur des Wahlrechts. Wird daffelbe als eine Bedingung aufgefaßt, so daß also das Wählen das zukünftige Ereigniß ist, von dessen Eintritt oder Nichteintritt

über die Form der Verträge herrührt, ist eS, daß nach §. 156.157. I, 5. derjenige, der die Erfüllung eine- mündlichen Vertrage- angenommen hat, aber (einerseits nicht die Gegenleistung erfüllen will, verpflichtet ist, entweder da- Erhaltene zurückzugeben oder zu vergütigen. Er hat zu wählen, und eS ist die Frage, wenn der Geber auf Rückgabe klagt, ob er seinen Antrag alternativ stellen muß. Da- Obertribunal hat die- verneint: die Ausübung de- Wahlrecht- soll der Einrede überlasten bleiben. Schles. Arch. B. 6. S. 268. Nähere- hierüber unten §. 79. S. Koch, R. d. Ford. S. 36 f. Nicht alternativ klagen ist plus petitio auch n. gem. R. Seuff. B. 1. N. 124. B. 2. N. 328.

") Entsch. B. 34. S. 33. -och, R. d. F. S. 42., regt die Frage an, welche Folge e- haben müsse, wenn Kläger die Klage, durch die er gewählt hat, zurücknimmt. Kann er in der neuen Klage ander- wählen? Koch erklärt die erste Wahl für verbindlich und e- muß ihm beigetreten werden, sonst wäre Beklagter der Willkür deGegner- völlig preisgegeben; die Wahl ist verbindlich geworden durch die Erhebung der Klage, und die Einlassung aus dieselbe, Thatsachen, die nicht mehr unge­ schehen gemacht werden können. Wenn aber Kläger vor der Einlastung die Klage zurücknimmt, so wird ihm nicht versagt werden dürfen, in der neuen Klage anderzu wählen. ,0) Cntsch. B. 34. S. 33. ") II, 7. §. 424. Dahin gehört auch da- Recht de- Erbzin-herrn, sich die zu zinsen­ den Naturalien au-zusuchen, I, 18. §. 751., da bei Lieferung von Quantitäten die Bestimmung der einzelnen Stücke der Wahl de- Schuldner- überlasten sein muß, der dabei nur durch §. 275. I, 11. beschränkt ist.

") 1,11. §. 38. Dagegen 1. 25. pr. L 34. §. 6. D. XVIII, 1. Nach der preußischen Praxis (Recht-sälle B. 4. S. 197.) hat auch der Käufer de- Au-zug-, der ihn sich vorbehält, da- Wahlrecht.

$. 65. Sefltrmtfcit.

359

das Schuldverhältniß selbst abhängig sein soll, so folgt daraus, daß das

Schuldverhältniß nicht Existenz erlangt, wenn nicht gewählt werden kann.

ES kann aber auch das Wahlrecht nicht die Natur der Bedingung haben, eS soll nur den Gegenstand der Leistung bestimmen, nicht ob überhaupt,

sondern was geleistet werden soll.

Dann wird durch das Wegfallen der

Wahl das Schuldverhältniß selbst in seinem Bestände nicht alterirt: kann nicht mehr Eine- von Beiden geleistet werden, so ist doch «och Eine- zu

leisten möglich — daS Schuldverhältniß wird ein einfaches.

Den letztere«

Standpunkt hat das gemeine"), den ersteren Standpunkt das preußische Recht").

Die Wahl geht nach allgemeinen Grundsätzen auch auf die Erben imb auf den Cessionar über"). Abweichend vom neueren römischen Recht — und ebenfalls folge­

widrig soll nach A.L.R. in dem Fall, wo der wahlberechtigte Schuldner au- Irrthum dem Gläubiger alle Sachen geleistet hat, bei der Zurück­ forderung de- zu viel Geleisteten nicht der Schuldner, sondern der Gläu­

biger die Wahl haben").

Es war dies schon im älteren römischen Recht

bestritten, Papinian entschied sich für das Wahlrecht des Schuldners und diese Ansicht drang im Kaiserrecht durch").

Sie ist auch die allein rich­

tige, denn dem Gläubiger kann aus dem Irrthum des Schuldners kein Recht erwachsen, der Irrthum wird im Recht-gebiet unter gewisien Bor-

") 1. 34. §. 6. v. XVIII, 1. 1. 138. 76. pr. D. XLV, 1. Siche hierüber des. Savigny, Ob. R. I. S. 397. Mommsen, Beiträge I. S. 308 f. und Bangerow S. 22 sg. Anm. 2., der erschöpfend die verschiedenen Folgen erörtert, die für da« Schuldverhältniß sich herau-stellen, je nachdem die Wahl vereitelt worden durch Zu­ fall oder Schuld de» Gläubiger» «der Schuldner» und je nachdem da» Wahlrecht dem Gläubiger oder Schnlvner zustand. Rach 1. 47. §. 3. de leg. l., 1. 95. §. 1. D. XLVI, 3. kann der Schuldner noch wählen zwischen der noch möglichdn Leistung und der aestimatio des untergegangenen Gegenstände».

’*) 1,11. $.33—35. Ohne Rücksicht daraus, ob di« Wahl durch Zufall «der durch da» Zuthim de» Gegner« vereitelt ist, kann der Wahlberechtigte zurücktreten. Hat der andere Theil vorsLtzlich oder an» grobem Versehen die Vereitelung verursacht, so muß er dem Wahlberechtigten noch da» Interesse leisten, wenn nicht der letztere bei der noch übrig gebliebenen Sache sich genügen will. Ist aber durch bett zur Wahl berechtigten Käufer selbst die eine der Sachen vernichtet »der abhanden ge­ kommen, so muß er bei dem Vertrage stehen bleibm, d. h. die übrig geblieben« Sache annehmen, wenn sie für ihn auch den geringerm Werth hat. Da« österr. ®. B. theilt den Standpunkt de« A. L R- s. §. 907.

’•) 1. 76. pr. D. XLV, 1. 1. 141. pr. eod. 1. 75. §. 3. de leg. I. In Beziehung auf den Cessionar ist e» nach gem. R. streitig. Bangerow S. 21. Koch, R. d. F. S. 35. ’•) 1,16. §. 192. ") 1. 10. C. IV, 6. Wenn aber von mehreren Gesammlschnldnern gleichzeitig jeder da» Ganze gezahlt hat, so muß dem Gläubiger, da er von Anfang da« Wahlrecht unter dm Schuldnern hatte, auch die Wahl darüber zupehen, welchem Schuldner er die Leistung zurückgcben will. Die» gilt nach gem. u. preuß. Recht. Bange­ ri« S. 19.

360

Zweites Buch.

Die besonderen Privatrechtc.

aussetzungen zwar unschädlich gemacht für den Irrenden, ist aber niemals

eine Quelle, ein Entstehungsgrund von Rechten.

Nach der Wahl ist das Schuldverhältniß ein einfaches geworden, ge­ richtet auf einen individuell bestimmten Gegenstand. Bei wiederkehrenden

Leistungen kann die Wahl bei jeder einzelnen Leistung erfolgen28).

Der

Verzug des Wahlberechtigten entzieht ihm nicht das Wahlrecht"), doch ist der Schuldner, wenn dem Gläubiger die Wahl zusteht, jedenfalls berech­

tigt, die Wahl vom Richter vornehmen zu lassen und die gewählte Sache

zu deponiren, um sich von der Schuld zu befreien"). Die Wahl der 'Leistung kann auch in die Bestimmung einer dritten Person gestellt werden. Der Vertrag erlangt dann seine Giltigkeit, wenn der Dritte den Ausspruch, zu dem er aber nicht gezwungen werden darf, gethan hat").

Eine uneigentliche Wahlobligation ist es, wenn zwischen einer unmöglichen

und möglichen Leistung gewählt werden soll.

Der Verpflichtete muß das

Mögliche leisten'2).

§. 66.

Möglichkeit.

A.L.R. I, 5. §. 39—69. i, 11. §. 39—45. Heydem. I. S. 199 ff. Gruchot l, 320ff. Koch, 9t. d. F. II. S. 336. 348. - - Unterholzner I. S. 204 s. Savigny, Dbl.R. I. S.381. II. S.284. Sinterns II. S.22. Mommsen, Beiträge z. Obl. 9t. 1853. B. 1. Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluß auf oblig. Verh. Dazu Windscheid in der (Heidelbergers kril. Zeitschr. B. 2. S. 106. und Brinz in der krit. Ueberschau B.5. S. 278.

Da der Gegenstand des Schuldverhältnisses eine Leistung, ein Thun

des Schuldners ist, so ergiebt sich daraus eigentlich von selbst, daß das Leisten ein mögliches sein muß. Doch bedarf der Begriff des Möglichen und Unmöglichen auf dem Rechtsgebiete näherer Bestimmung, der Satz impossibilium nulla est obligatio ’ ) ist zu allgemein.

Zunächst ist zu unterscheiden zwischen der von Anfang an vorhande­ nen und der erst später eingetretenen Unmöglichkeit; jene alterirt die Ent­

stehung des Schuldverhältnisses, diese die Erfüllung.

Daraus ergiebt sich,

daß die letztere hier überhaupt uicht zu erörtern ist, es fragt sich bei ihr nur, ob sie aus Zufall, Versehen oder Vorsatz bewirkt ist2).

,s) 1. 21. §. 6. D. XIX, 1. A.L.R. II, 7. 8.425.426. Senssert B. 1. N. 189. ”) Strieth. B-4. S. 180. 3") Koch, R. d. F. I. S. 39. 3') 1,5. §.72.73. Koch, R. d. F. II. S. 357. ”) I, 5. §. 56. Unten S. 363. Note 18. ') 1. 185. de K. J. Dazu noch 1. 31. eod. 1. 35. pr. D. XLV, 1. §. 2. 11. ,1. III, 19, ")A.L.R. I, 5 §.360f. Mommsen S. 1.

8. 66.

ASjlichkeit.

361

Die von Anfang vorhandene Unmiglichkeit hindert die Entstehung de» Schuldverhältniffe», e- ist nichtig').

da» rechtlich Unzulässige gleicht).

Der natürlichen Unmöglichkeit steht

Aber auch hier noch ist weiter zu unter­

scheiden zwischen einer Unmöglichkeit, die den Gegenstand selbst trifft, und einer solchen, die in der Person de» Schuldner» ihren Grund hat; wäh­ rend objektiv die Leistung eine mögliche wäre,

ist sie diesem Schuldner

Nur im ersteren Fall ist da» Geschäft nichtig,

im

letzteren

verwandelt sich die Obligation zuweilen in einen Ersatzanspruch.

Ferner,

unmöglich.

ob die Unmöglichkeit eine dauernde oder vorübergehende ist:

bei ersterer

ist da» Geschäft ebenfalls nichtig, bei letzterer kann e», wenn die Unmög­ lichkeit wegfällt, giltig werden. Hiernach sind folgende einzelne Fälle ju entscheiden. a.

Geschäfte, die darauf gerichtet sind, daß ein Dritter, der nicht

in der Obligation steht, eine Handlung leiste') oder daß die Sache

eine» Dritten gegeben werde'), find bedingt') ungiltig.

Schlägt die

Bemühung fehl, daß der Dritte die Handlung vornehme, oder die Sache eine» Dritten zu verschaffen, so ist die Leistung unmöglich und da» Ge­ schäft hat keine rechtliche Wirkung.

Doch- ist hier zu bemerken, daß solche

Schuldverhältniffe nicht unmittelbar al» auf die Handlung oder Sache de»

Dritten, sondern al» darauf gerichtet erachtet werden, daß der Schuldner sich bemühe, jene zu veranlassen oder diese herbeizuschaffen.

Die Aufwen­

dung von Bemühungen ist seine Leistung, und diese ist nicht unmöglich,

sondern nur der Erfolg kann unmöglich werden.

Darum ist da» Schuld­

verhältniß nur insoweit ohne Wirkung, al» der Erfolg unerreichbar ge­ worden.

Hat dagegen der Schuldner seine Verpflichtung, sich zu bemühen,

versäumt, oder durch sein eignes, grobes oder mäßiges Verschulden die

Unmöglichkeit herbeigeführt'),

so erwachsen Entschädigungsansprüche dem

') Mommsen S. 1. 2. Die Nichterfüllung kann dann nicht aus den Willen b**e Schuldner» zurückgesührt werden. Siebe die Stellen in Rote 1. u. L-L.R. I, 6. §. 51. *) «.L.R. I, 5. §. 68. 1. 35. §. 1. D. XLV, 1. 1. 7. §. 16. v. II, 14. 5) 1,5. §. 40—45. 1. 83. D. XLV, 1.: nam de se quemque promittere oportet, und 1. 38. pr. eod.: nemo alienum factum promittendo obligakitur. Man ist aber obligirt si effecturum ee spoponderit, §. 3. J. III, 20., und ks kann eine poena für da» Fehlichlagen versprochen werden. 1. 21. eod. 1.38. §. 2. D. XLV, 1. A.L.R. 1,5. 8.40. ist eine An«legung«regel, s. Gruchot I. S. 322. Klage aus da» In­ teresse: Seufsert XV, 215. *) 1,5. §. 46—50. Ueber da» „ausdrücklich" in §. 46. f. Heydemann I. S. 199. Rote 326. Gruchot I. S. 323. Die Kontrahenten müssen e» wissen, daß die Sache eine fremde. Strieth. B.35. S.226. Unterholzner S. 211. hält die Leistung einer res aliena nicht für ungiltig, weil wenigsten» Ersatz zu gewähren sei; allein die» hängt davon ab, ob culpa oder dolus vorhanden ist. 1.51. D. XLV, 1. ') Da» Geschäft kann hinterher giltig »erben: 1. 20. pr. 1. 41. D. XIII, 7. Entsch. ». 16. S. 452. A.L.R. I, 20. §. 16.17.76. •) §.44. 1,5. Semem-, Syst. 2.9. 8.2. S.230. Note 1., unterscheidet mit Recht

Gläubiger. In jedem Fall aber muß eine etwa geschehene Gegenleistung zurückgegeben oder vergütigt werden, auch kann der Schuldner seine Pflicht zu Bemühungen dadurch steigern, daß er für den Erfolg einzustehen über­ nimmt: dann muß er ebenfalls vollständige Genugthuung leisten. Die Uebernahme des Erfolgs bedarf nicht einer ausdrücklichen Erklärung, e» genvgt, wenn diese Absicht aus dem Geschäft erhellt. Die Unwirksamkeit deS SchuldverhältnifseS ist also nicht so zu verstehen, daß dasselbe ganz folgenlos wegfällt — es äußert Folgen, wenn ein Verschulden dazwischen getreten oder solche besonders übernommen worden. b. Bedingt unmöglich ist ferner die Leistung einer Sache, die durch daS Gesetz dem Verkehr entzogen ist'): bedingt deßhalb, weil, wenn dies Hinderniß wegfällt, die Leistung verlangt werden kann. Ist eine Zeit dafür bestimmt, so verliert nach ihrem ftuchtlosen Ablauf daS Geschäft seine Wirkung — sonst muß, damit daS Schuldverhältniß sein Ende finde, der Richter nach Bewandtniß der Umstände einen Termin festsetzen. Da die Berkehrlosigkeit der Sache ein Hinderniß ist, welches unter Umständen gehoben werden kann, so entsteht die Frage: wer hat für diese Hebung zu sorgen? DaS A.L.R. entscheidet: zunächst derjenige der Intereffenten, der daS Hinderniß gekannt") und trotzdem die Obligation abgeschlossen hat, sodann, wenn eS beiden bekannt war, derjenige, in dessen Person eS liegt, endlich bei „wohlthätigen", d. i. einseitig Gewinn bringenden Ge­ schäften derjenige, dem der Vortheil zufallen soll, bei „lästigen", d. i. den auf Leistung und Gegenleistung gestellten jeder Theil in gleichem Maß. Kann das Hinderniß nur von einem Dritten gehoben werden, so tritt der Fall a. ein. c. Unbedingt unmöglich ist daS Geben einer Sache, die nicht existirt"), entweder nicht mehr existirt, oder überhaupt nicht existiren kann. DaS Geschäft ist nichtig, nur ein Entschädigungsanspruch erwächst gegen den, der diesen Umstand gewußt hat. Der Grund dieses Anspruch» ist nicht sowohl die Nichttgkeit deS Geschäfts, als vielmehr die Arglist (dolus)

und auf Grund btr Materialien, daß ein grobe« versehen bei einseitig verpflichten­ den (f. g. wohlthätigen), ein mäßige« bei zweiseitig belastenden (lästigen) Verträgen zu vertreten ist. Koch, R. d. F. 8.2. @.351. ohne Grund dagegen. Wem die Berttagßerfüllung ohne die freiwillige Mitwirkung eine« Dritten unmöglich ist, so ist die Klagt auf id quod interest zu richten, z. B. wenn Jemand dieselbe Sache an mehrere hintereinander verlaust, und sie dem einen Käufer Übergiebt. Senssert 8.15. S. 363. nnd Blätter s. Rechläanwmdnng, 1863. B 28. S. 358 (Praxi« von Dresden und Mstnchm). •) 1,5. §.58-67. **) Auch im röm. R. wird da« scire und ignorare unterschieden. §. 5. J. III, 24. I. 4. D. XVIII, 1. §. 62. §. 1. I. 70. eod. 1. 39. §. 3. D. XXI, 2. Gruchot I. S. 328. ") 1,11. §. 39. 40. — §. 1. J. III, 19. 1. 69. 97. pr. 1.103. D. XLV, 1. 1.1. §. 9. D. XLIV, 7.

t 66. MögNchKit.

363

des Wissenden. Man kann aber über künftige Sachen ein giltigeS Geschäft abschließen, wenn ihre Entstehnng entweder im Reiche der Möglichkeit überhaupt liegt, oder in Folge besonderer Umstände zu erwarten ist — und dann hängt die Giltigkeit deS Geschäfts nicht von der wirklichen Ent­ stehung ab (Hoffnung-kauf) **). d. Unbedingt nichtig sind Schuldverhältnisse, deren Gegenstand un­ erlaubte Handlungen") sind. Nur wenn von dem BerbotSgesetz Dispensation erlangt werden kann, ist der Fall zu behandeln, wie wenn eine Sache dem Verkehr entzogen ist. e. Nichtig endlich sind Geschäfte über natürlich unmögliche Hand­ lungen"), solche die nicht innerhalb deS Bereichs menschlicher Thätigkeit liegen können. Dagegen ist eine Handlung für bedingt unmöglich") an­ zusehen, wenn sie nur der Verpflichtete nicht leisten kann. In diesem Fall ist da- Geschäft nichtig, wenn da- Hinderniß beiden Theilen bekannt oder unbekannt war. War es demjenigen bekannt, der die Leistung dieser Hand­ lung versprochen, so muß er (wegen seiner Arglist) entschädigen; war eS dem andern Theil bekannt, der sich die Handlung versprechen ließ, so ist da- Geschäft unverbindlich und was er dafür gegeben, wird al- gefchentt angesehen "). Es erscheint dies als eine gesetzliche Auslegung der Willens­ meinung (als Vermuthung)"). Giltig bleibt das Geschäft, wenn entweder da» Hinderniß noch bis zur Erfüllung beseitigt werden kann oder aufhört, und wenn der Leistende die Wahl hat zwischen einer unmöglichen und möglichen Handlung ”). Da» Versprechen ist dann nur scheinbar alterna­ tiv, in Wahrheit ein einfache». Erschwerung der Leistung, z. B. Zahlungs­ unfähigkeit de» Schuldners, ist niemals Unmöglichkeit"). f. Aus alle dem ergiebt sich: möglich ist jedes Geben oder Thun, welche» der Gegenstand einer rechtSgiltigen WillenSerflärung sein kann und sein darf").

") 1,11. §. 528 ff.

1. 34. §. 2. D. XVIII, 1.

'*) I, 5. 5- 68. SS. I. 26. 27. pr. 35. §. 1. D. XLV, 1.

'*) I, 5. §. 51. — §. 5. J. III, 15.

") I, 5. 9 52. ") I, 5. $.55. Loch, R. d. F. v. 2 S. 338. findet hierin einen Widerspruch mit I, 4. §. 131., wo, wenn ein Recht von dem Eintreffen einer unmöglichen Bedingung abhängig gemacht ist, die ganze Willen-erklärung dadurch al- entkräftet bezeichnet wird. Der Widerspruch ist nicht vorhanden, s. Gruchot I. S. 326. ") Gemäß §. 1045. 1,11. ") I, 5. §. 56.57.

Oben S. 360. Note 32.

”) 1. 2. §. 2. 1. 137. §. 4. 5. D. XLV, 1. Die facultas dandi ist verschieden vom impedimentum naturale. Strieth. B.27. S.372.

30) I, 5. §. 39.

Zweite« Buch.

364

§. 67. Unterholzner I. 6 213.

Borles. §.222. II. 0. 40.

gationen.

Die besonderen Privatrechte.

Theilbarleil.

Savigny, Obl.R

I

V-ngerow 6.3. III. S. 7.

Letter S. 481.

S.303—381.

Puchta, Lehrb. u.

Arndt« 4.A. S.319.

Si-teni«

Ubbelohde, die Lehr« von den uniheilbaren Obli.

1862.

ES ist §. 18.') der Begriff der Theilbarkeit der Rechte dahin ange­ geben worden, daß unter Bewahrung der ihm angehörigen Befugniffe in

ihrer Einheit dieselben quantitativ zerlegt werden, daß also jeder Theil

des Rechts noch das Recht selbst aber von kleinerem Umfange ist.

Der

Fall tritt hauptsächlich ein, wenn daS einer Person zustehende Recht oder

die einer Person obliegende Verpflichtung auf mehrere Personen übergeht, namentlich wenn mehrere Erben eintreten. Dieser Begriff auf die Schuldverhältnisse angewendet ergiebt, daß

dasjenige Schuldverhältniß theilbar ist,

welches sich in Theile zerlegen

läßt, von denen jeder die Eigenschaft des Ganzen behält, jeder aber kleiner ist, als das Ganze').

Die Theilung ist eine quantitattve, nicht eine qua­

litative. ES muß eine theilweise Tilgung der Obligation möglich sein'). Daraus aber folgt, daß die Theilung von der Theilbarkeit der Leistung abhängt.

Läßt diese eine quantttative Theilung nicht zu, so ist auch das

Schuldverhältniß selbst untheilbar, und es können solche Leistungen nicht theilweiS zum Gegenstand eines SchuldverhältniffeS gemacht werden *).

ES

ist daher nur zu untersuchen, welche Leistungen theilbar sind. DaS preußische Recht enthält hierüber keine Regeln. Die Art, wie das RechtSverhältniß der Miterben aufgefaßt wird'), beweiset, daß das Moment der Gemeinschaftlichkeit der Berechtigung und der Verpflichtung

') Bei Rote 5. S. 77.

’) Ubbelohde definirt: theilbare Obligationen sind die, welche sich quotenwei» theilen lassen (S. 18.), wenn sowohl Forderung-recht al» Verpflichtung sich in mehrer« von dem Inhalt der ganzen Obligation nur quantitativ verschiedene Theile zerlegen läßt (S 19)i, ii. S. 259.: al« untheilbar erscheinen nur diejenigen Obligationen, deren in Obligation« befindliche Raturalersüllung quotenwei» untheilbar ist. Savigny S. 320.: die Theile einer Obligation kommen mit den Theilen de» Eigenthum« darin überein, daß auch sie durch Quoten oder Zahlenverhältnisse begränzt oder bezeichnet werden. Sie nnterscheiden sich aber von den Theilen M Eigenthum« darin, daß diese ans dem Verhältniß einer fortdauernden Gemeinschaft beruhen, an­ statt daß die Theile der Obligation von einander völlig getrennte und unabhängige Recht-verhältnisse bilden, di« mit dadurch al» Theile ausgesaßt werden, daß die Summe ihrer Leistungen derjenigen Leistung gleichstehl, welche al« Gegenstand der ganzen Obligation gedacht wird. ') 1. 2

§ 2. D. XLV, 1.

*) I. 72. pr. D. XLV, 1.: herum enim divisio corrumpit stipulationem. Sie kön­ nen auch nicht theilweise erlassen oder anerkannt werden. Seusfert XV, 112.

') A. 8. R. 1,17. §. 127.151.

J. 67.

Theilbarkeit.

365

an die Stelle der Theilbarkeit der Leistung gesetzt worden ist. Gleichwohl ist auch für da» preußische Recht die Feststellung de» Begriff» von Wich­ tigkeit, denn die Erben-Gemeinschaft kann durch Theilung de» Nachlasse» aufgehoben werden und dann fragt sich, welche dem Nachlaß zugehörige Rechte getheilt werden können. Die Regel ist: jede» aus eine quantitativ theilbare Leistung gerichtete» Schuldverhältniß ist theilbar. Ob die Theilung nur ideell oder reell in» Werk gesetzt werden kann, ist hierbei gleichgiltig. 1. Sonach sind Schuldverhältniffe theilbar, wenn die Leistung ein Ge­ ben ist und da» Recht oder die Sache ideell oder reell getheilt werden kann. Da» Verschaffen de» Eigenthum» ist theilbar "), denn da» Eigenthum ist ideell theilbar, ebenso da» Verschaffen de» Besitze»*); **) da» Geben eine» Körper» kann theilwei» erfolgen, wenn er einer solchen Zerlegung in einzelne Theile zugänglich ist, daß diese noch die Natur selbständiger Recht-objekte behalten und deren Summe die ganze Leistung darzustellen vermag. Theilbar ins­ besondere ist jede Leistung von s. g. Quantitäten"), vertretbaren Sachen, also Geld, -Getraide u. s. w. Untheilbar dagegen ist da» Geben eine» Dienstbar­ keit-recht»'), weil diese» selbst nicht getheilt werden kann, untheilbar da» Geben eine» Gebrauchsrecht», wenn diese» auf den persönlichen Bedarf de» Berechtigten beschränkt ist (usus)lu), dagegen wiederum theilbar da» Ver­ schaffen de» Nießbrauchs"), weil der Frnchtbezug theilbar ist. 2. Ist da» Schuldverhältniß auf ein Thun gerichtet, so muß al» Regel die Untheilbarkeit behauptet werden"), weil sich Handlungen nicht zerlegen lassen. Doch muß zugegeben werden, daß die Theilbarkeit einer nach Maß oder Zeit bestimmbaren Handarbeit denkbar ist, daß daher eine solche jeder von mehreren Verpflichteten theilwei» leisten kann "). 3. Untheilhar ist die §. 65. besprochene alternative Obligation '*) in dem Sinn, daß nicht ein Theil der einen und ein Theil der anderen Sache geleistet werden darf, denn e» soll eine oder die andere Sache geleistet werden. Nach der Wahl ist. ein solche» Schuldverhältniß ein einIdeelle Theilbarkeit des Eigenthums: A.L.R. I,17. §. 1—3. Ideelle Theilbarkeit des Besitzes: A.L.R. I, 7. §. 24 (Sachbesitz), §. 88 (Rechtsbesitz). I. 2. §. 1. D. XLV, 1. 1. 17. D. VIII, 1. 1. 72. pr. D. XLV, 1. 1. 19. D. VII, 8.: uti pro parte non possumus. I. 5. D. VII, 1. u. 1. 19. D. VII, 8.: frui pro parte poeeumus. L 72. pr. D. XLV, 1. Das fandntn tradere hat Zweifel erregt. Aber das tradere ist kein dare, sondern ein facere, und als solche« gewiß untheilbar. A M. Savigny S. 395 f. Siehe Rudorfs zu Puchta'S vorles. 5. A. II. S. 11. Rote 2. llbbelohde S. 37. — Untheilbarkeit de» facere, ngmentlich eines opue: I. 85. §. 2. D. XLV, 1., «ine» Standbilde« 1.11. §. 24. D. de leg. III, einer Reise: 1. 4. §. 1. D. XLV, 1. Non facere: 1. 2. § 5 1.85. §. 3. v. eod. ") Rudorfs a.a.O. 1.1. ß. 9. D. XXXV,2. •♦) 1.2. §. 1. D. XLV, 1. •) ,) •) *) '") **) **)

366

Zweit« Buch.

Dir btfenbtrte Privatrrchte.

fache» geworden und dann hängt die Frage, ob eS cheilbar fei, davon ab, ob die gewählte Leistung theilbar ist. 4. Ts ist im gemeinen Recht bei den untheilbaren Obligationen bestrit­ ten, ob nicht, wenn auch die Einklagung auf» Ganze gerichtet fein muß, die Verurteilung doch nach Antheilen auSzufprechen fei“). Im preußischen Recht ist insoweit die Streitfrage nicht aufzuwerfen, al» diese» ohne Unter­ schied von theilbaren und untheilbaren Leistungen die Einklagung immer nur gemeinschaftlich gestattet, mithin auch die Verurtheilung nur gemeinschaftlich, d. h. auf» Ganze erfolgen kann. Ist dagegen die Gemeinschaft aufgehoben, haben sich die Miterben au»einandergesetzt und die» dem Gläubiger oder Schuldner de» Nachlasie» gehörig bekannt gemacht, und kann in Folge dessen der Gläubiger den einzelnen Miterben nur auf feinen Antheil be­ langen“), so entsteht allerdings auch für da» preußische Recht die Frage, wie in solchem Falle bei untheilbaren Leistungen die Verurtheilung erfol­ gen soll? Da hier nicht, wie im römischen Recht, gesetzliche Aussprüche entgegenstehen und Zweifel erregen, so können nur die inneren Gründe entscheiden und diese führen dahin, daß nntheilbare Leistungen, wie sie nur auf» Ganze gegen den Einzelnen eingeklagt werden können, nur eine Ver­ urtheilung auf» Ganze erleiden *’). 5. Stückweise Erfüllung eine» Schuldverhältnisie» ist nicht Theilung de» letzteren. Abschlagszahlungen, oder der Zeit nach allmälig zu leistende Arbeiten haben auf die Frage nach der Theilbarkeit de» Recht» keine Be­ ziehung"). 6. Endlich ist zu bemerken, daß jede untheilbare Leistung dadurch in eine theilbare verwandelt werden kann, daß man sie auf ihren Geldwerth zurückführt"). Denn jede Forderung muß nach Geld schätzbar fein.

§. 68. Haupt- und Nebeoleistllug. Ziuseu. A.L.R. 1,11. §. 803 -852. »ornem. III. S. 169. v. Daniel« I, 197. II, 309. III, 313. Koch, Pr. R. II. S. 19. R. d. F. I. S. 92. Leu,, Studien u. «ritifen, 1847. S. 271. — Unterbotener I. S. 309. Savigny, System B. 6. S. 121. Mommsen, Beiträge z. Obl. R. B. 3. 1855. S. 235. SinteniS, Civ.R. II. S. 91 f. Arndts §.207-210. Bangerow 1. §.76—79. III. §.687.

") Siehe über diese Streitfragen, die hier nicht weiter erörtert werden können, des. Bangerow a. a. O-

’•) A.L.R. 1,17. §. 137. ,7) Der in Anspruch genommene einzelne Schuldner, der das untheilbare Ganze leisten muß, hat sich dann nur an seine Mitschuldner zu halten. §. 147. I, 17., s. auch 1. 2. §. 2. D. XLV, 1. ") Ubbelohde S. 18. ”) 1.54. §. 1. 1. 72. pr. D. XLV, 1. 1.9. §. 2. D. XL, 7.

H. 68. Hupt- tob Rebenleiftnng. 3M«-

367

Unger, Fragmente «rt einem System te« »fterr. Obl. R. 1864. S. 9 (anch in 1. H. der östrrr. Bierteljahrschr. von Haimerl, B. 14.). ZachariL (Anschütz) IL S. 492.

Der Unterschied zwischen Haupt- und Nebenleistung bestimmt sich da­ durch, daß letztere nicht selbständig und unabhängig, sondern nur in Be­ ziehung auf eine andere Leistung der Gegenstand eines SchuldverhältniffeS sein kann. Die Nebenleistung ist eine Erweiterung der Hauptleistung, ent­ weder von Anfang an von den Parteien gewollt, oder in der Folge durch Ereigniffe, die auf das Schuldverhältniß eingewirkt haben, verursacht. Die bei weitem wichtigste NebenleisMng ist die der Zinsen'). Die an sie sich anknüpfenden Rechtssätze sind im preußischen Recht in mehreren Punkten streitig gewesen und die Praxis hat grade auf diesem Gebiet einen erheb­ lichen Einfluß auSüben können, um Zweifel zu berichtigen und die Lehre Kar zu stellen, was ihr auch im Wesentlichen gelungen ist. Zinsen sind die gleichartige und quotenweise Gegenleistung für den einer Person Uberlaffenen und darum vom Eigenthümer entbehrten Ge­ brauch einer Quantität (einer Menge s. g. fungibler Sachen) '). Sie sind der Ausdruck des Gebrauchswerths dieser Quantität, ihre Nutzung, und können daher als juristische Früchte aufgefaßt werden'). Doch darf der wesentliche Unterschied zwischen den natürlichen und juristischen Früchten nicht unbeachtet bleiben, daß erstere, da sie von selbst aus der Hauptsache hervorgehen'), auch von selbst Gegenstand desjenigen SchuldverhältniffeS sind, welchem ihre Hauptsache unterworfen ist, Zinsen aber nur dann ge­ fordert werden können, wenn die Verpflichtung sie zu zahlen auf einem besonderen RechtSgrunde beruht'). Nicht der Zins ist die Frucht des Kapitals, sondern die Zinsforderung die der Kapitalsforderung'). Wenn auch an sich von jeder Quantität eine gleichartige Gegenleistung als Entgelt für den Gebrauch denkbar und zulässig ist, so kommt eine solche im Verkehr wesentlich doch nur bei Geldsummen vor; diese Anwendung ist. so sehr die wichtigste, daß sie bei den folgenden Erörterungen allein z« berücksichtigen ist. ES ist insbesondere eine zinsartige Gegenleistung für den Gebrauch einer anderen Quantität, z. B. für Getraide, Wein, Spiritus, ’) Das A. L R. handelt die Lehre von den Zinsen beim Darlehn ab, weil bei diesem Rechtsgeschäft am häufigsten und am reinsten ihre Natur sich zeigt. GS entspringt daraus, daß man sich bei der Hingabe einer Geldsumme deren Verzinsung bedingt, eine Vermuthung für das Darlehn. Gtrieth. I. S. 305. B. 19. S. 19. Die ZinSverbindlichkeit kommt aber auch bei anderen Geschästcn vor und ihre Erörterung gehört daher in den allgemeinen Theil des ObligatjonenrechtS. ’) S. Unterholzner I. S.309.

*) Gntsch. B. 1. S. 240. 4) A-L.R. I, 9. g. 220.

Savigny VI. S. 124.

Dagegen Strieth. B.36. S. 235. Siehe vorige Note.

') §. 824.827. d. T.

Vertrag oder Gesetz.

•) Savigny S. 125.

1. 34. D. XXII, 1.

1.121. de V. 8. 1. 121. de V. 8.

Sächs. Ges.B. §. 673.

Zweite« Buch.

368

Die besonderen Privatrechte.

nur denkbar, wenn sie von vornherein von den Parteien verabredet enteiflimg.

Zinsen.

377

deffen Höhe das Gesetz nach dem landüblichen Zinsfuß abmißt, weil der

Regel nach

so hoch ein Kapital jederzeit benutzt werden kann").

Der

häufigste Fall, wo Zinsen als Schadenersatz gezahlt werden müssen, ist

der der verzögerten Rückzahlung eines Kapital«: Verzugszinsen gewährt das Gesetz von dem Tage, wo geleistet werden sollte und nicht geleistet

worden ist").

Von den Verzugszinsen werden im gemeinen Recht noch

unterschieden die Prozeß- und die Urtheilszinsen, über.welche man­ cher Streit herrscht. Nach preußischem Recht ist zu solcher Unterscheidung

kein Grund"), weil selbst, wenn vor der Klaganstellung ein Verzug auf

Seite des Schuldners nicht vorhanden war, die Behändigung der Klage

den Schuldner immer in Verzug setzt (§. 51. S. 237.), mithin die von diesem Tage beginnenden Prozeßzinsen durchaus die Natur der Verzugs­ zinsen haben, und weil die preußischen Erkenntnisse in der Regel keine

besondere Fristen für die Erfüllung festsetzen, an deren Nichtbeachtung eine

von

den

Verzugszinsen

abweichende

höhere Zinsverpflichtung sich au-

knüpste"). Allenfalls kann man in einigen Fällen von Urtheilszinsen sprechen, weil hier daS Gesetz ihren Beginn auf den Tag der Rechtskraft festsetzt, nämlich: wenn man zur Zahlung eines Rückstandes bedungener Zinsen"), zur Geldentschädigung auS einer unerlaubten Handlung"), zur Vergütigung der im unredlichen Besitz genossenen Früchte"), zur Zahlung

einer alS Geschenk versprochenen Summe") verurtheilt worden ist. her gehört auch daS einzige Privilegium,

Hier­

was im neueren Recht dem

FiSkuS in Betreff der Verzugszinsen noch geblieben ist, daß er in Kriegs-

ti:') Lenz S. 277 f. Entsch. B. 4 S. 280. B. 5. S. 348 B. 12. S. 17., die sich aus­ führlich über die Natur der Verzugzinsen verbreiten. Ueber die Anffaffung im röm. R s. Mommsen III. S. 235 Savigny S. 135. Daß gesetzliche Zinsen, inSbcfcnbere Verzugszinsen nur bei Geldschulden vorkommen können s. oben bei Note 7. Sachs. G B. §. 742. Bei allen bonae fidci contractus gewährte daS röm. R. usuras ex mora 1. 32. tz. 2. D. XXII, 1. 1. 24. D. XVI, 3. Eine Zusammen­ stellung der Qnellenbelege für die einzelnen Verträge bei Unter holzn er S. 324. 325. Note a. Von ihnen gilt: non sunt in obligatione, sed officio judicis praestantur. I. 49. §. 1. D. XIX, 1. I. 54. pr. D. XIX, 2.

M) §. 827. d. T. I, 16. §. 67.

*’) Kock, R. d. F. I. S. 100 ff. Ueber die Prozeßzinsen vgl. bes. Savigny S. 138 f. Nach der gemeinrechtlichen Praxis haben diese Zinsen die Natur der omnis causa, auf die Grundsätze der mora kommt es nicht an. Lüdeü, Celle, Stuttgart bei Seussert B. 2. S. 190. B. 5. S. 342. B 8. S. 171. B. 14. S.453. Koch a. a. O. S. 102. 1. 2. 3. C. VII, 54. 1 26. §. 1. C. IV, 32. Die Iudikatzinsen betragen hiernach 12 Proz jährlich (die alten centcsimae usurae) vom ursprünglichen Kapital, nicht auch von den im Urtheil zugesprochenen Zinsen. Die deutsche Praxis erkennt übrigens diesen höheren Zinssatz nicht an.

") §. 821 d. T. I, 16. §.66. ’) I, 7. §. 231. "4) I, 11. §. 1079.

Strieth. B. 24. S- 307.

Zweite« Buch.

378

Die besonder« Privatrechte.

jetten dergleichen erst vom Tage der Rechtskraft zu zahlen hat").

Aber

auch in allen diesen Fällen ist der Zinsfuß der landübliche, nicht wie nach gemeinem Recht ein auSnahmSweiS höherer.

Außer den Verzugszinsen hat daS Gesetz noch in anderen Fällen eine Zinspflicht angeordnet, in denen ein Verzug deS Schuldner- zwar nicht vorhanden, er aber doch ein ftemdeS Kapital ohne Recht-grund genutzt

oder wenigsten- dem Berechtigten die Nutzung daran entzogen hat"):

1. Beim Kauf muß derjenige Kontrahent, der zugleich Sache und Kaufgeld

wider den Willen de- Anderen genutzt hat, da- letztere landüblich verzin» feit,7). DaS Nähere hierüber in der Lehre vom Kauf. 2. Wenn der

Bevollmächtigte für seinen Machtgeber Kapitalvorschuß geleistet hat, so

muß ihm dieser vom Tage der Verwendung landüblich verzinset werden ’*). Eine Anwendung hiervon ist 3.: daß ein Gesellschafter, der Vorschuß ge­ leistet, Zinsen zu fordern hat"). 4. Der Verwalter muß die Kaffen­ bestände verzinsen, die er müßig liegen gelassen'"). 5. Der befreite Vor­

mund, der zur Rechnungslegung verurtheilt worden und dem nicht genügen kann, muß von dem verwalteten Vermögen 6 Prozent entrichten"). 6. Der

Verwahrer, der da- ihm anvertraute Kapital ohne Erlaubniß genutzt hat"), 7. wer wissentlich eine Nichtschuld sich hat zahlen lassen"), 8. der unred­

liche und unrechtfertige Besitzer eine- Kapital-, müssen den höchsten gesetz­

lichen oder landüblichen Zins entrichten "), 9. der ungetreue Vormund, der für sich da» Kapital de- Mündel- benutzt hat, muß 8 Prozent zahlen").

Ueberall sind die gesetzlichen Zinsen Schadenersatz und au- dieser ihrer rechtlichen Natur ergiebt sich Folgende»: 1. gesetzliche Zinsen können neben vorbedungenen nicht gefordert werden, weil letztere den GebrauchS-

’•) Ges. v. 7. März 1845 §. 2. In Frieden-zeit« stehl Fi«ku» in Ansehung der Verbindlichkeit, ZSgerungSzinsm zu zahlen, den Privatpersonen gleich. ") ES find die» Fälle de» s.g. objektiven Verzug-, der mora ex re. Lenz S. 277. Da« O.Trib. (Strieth. 3. S. 72.) sagt zwar, der Grundsatz, daß Jeder, der einem Anderen die Benutzung einer Summe aus widerrechtliche Weise vereitelt hat, zur Verstnsung derselben verpflichttt sei, sei in dieser Allgemeinheit nicht al« richtig an. zuerkennen, weil er nirgend« in den Gesetzbüchern in dieser AllgemeinheU au-gesprachen fei; darau« würde e« aber nicht folgen, da Gesetzbücher nicht die Pflicht haben, Prinzipien au»zusprechm, sondern nur anzuwenden. Die einzeln« Anwen­ dungen zeigen aber, daß auch im A.L. R. dieser Satz leitende« Prinzip ist. Z. B. auch Strieth. B. 36. S. 251.

") I, 11. §. 109—111. ") I, 13. § 72.

Auch bei dem man datum qualificatum.

") l, 17. §. 225. eo) I, 14. §. 240.

") II, 18. §. 878. ”) I, 14. §. 87. “) I, 16. §. 194.

") I, 7. §. 232. ") II, 18. §. 486.

Strieth. B. 44 S. 345.

$. 68.

Haupt- und NeLenleistung.

Zinsen.

379

werth des Kapitals bereits entgelten, dem Gläubiger also ein Schaden nicht erwächst"). Wird dagegen das Kapital nicht zur rechten Zeit zu­ rückgezahlt, und betragen die bedungenen Zinsen weniger al- landüblich, so können vom Eintritt des Verzugs noch so viel Prozent Verzugszinsen gefordert werden, als zum gesetzlichen Zinsfuß fehlen"). 2. Gesetzliche Zinsen können auch nicht beansprucht werden, wenn eine Konvenüonälstrafe bereits festgesetzt ist, weil diese vertragsmäßig das Interesse deckt"). 3. Gesetzliche Zinsen sind daS vom Gesetz aufgestellte Durchschnitt-maß für die Größe deS Schadenersatzes, sie schließen die Forderung eine- höhe­ ren nicht bedungenen Interesses aus. Nur wenn der hinreichende Zah­ lungsmittel besitzende Schuldner vorsätzlich oder aus grobem Versehen die Zahlung verzögert, ist der Ersatz deS wirklich erwachsenen Schaden- zu verlangend'). 4. Gesetzliche Zinsen haben zwar einen bestimmten Anfangs­ punkt, ihr Lauf beginnt vom festgesetzten ZahlungStage des Kapitals, oddr nach Ablauf der in der Kündigung enthaltenen Frist, oder vom Tage der Rechtskraft des Erkenntnisse- u. s. w.'°), aber sie haben keinen bestimmten

**) §. 827. d. T. 87) §. 831. d. T. Nach der Auffassung der Praxis hat nur der Mehrzins die Natur des gesetzlichen, er tritt zum Vertragszins hinzu. Entsch. B. 12. S. 17. (Pl. Beschl.) Strieth. B. 11. S. 76. Es verwandelt sich also der Vertragszins durch den hinzutretendeu Verzug des Schuldners ntcht in Verzugszins, und zwar, wie das OTrib. ausführt, weil die auf einem Vertrag beruhenden Rechte den aus dem Gesetz herzuleitenden Besugniffen vorgehen, dieselben auSschließen, und Zögerungszinsen nur da zulässig sind, wo nicht anderweitig durch bedungenen Zins oder Konventionalstrafe das Entgelt für den Kapitalsgebrauch festgesetzt ist. Dies zugegeben, so ist die Folgerung richtig, daß die Verjährung vorbedungener Zinsen (wenn daS ZinSverfprechen nicht auf einen Endtermin beschränkt ist, Strieth. B. 48. S. 56.) durch hinzutretenden Verzug des Schuldners nicht aufgehalten wird (Strieth. B. 4. S. 90., B. 11. S. 76 ). Dagegen Lenz S. 295., der davon ausgeht, daß vom Mo­ ment des Verzugs der Gläubiger die Wahl habe auf die vorbedungenen und die Zögerungszinsen. Dagegen ferner das Appell. Ger. Münster (bei Strieth. a. a. O.), weil dann derjenige, welcher sich keine Zinsen vorbedungen, die den gesetzlichen Zim'eu auhängenden Vorzüge hinsichtlich der Verjährung genießen, mithin besser ge­ stellt sein würde, als derjenige, welcher VertragSzinsen zu fordern hat. Die- würde an sich nicht unbillig sein, beruht aber auch auf Täuschung, da der VertragSzinS ja rechtzeitig eingeklagt werden konnte. Das von Lenz behauptete Wahlrecht ist aber in §. 831. nicht anerkannt, und aus dem jetzt autiquirten §. 832. folgt nur, daß Kaufleute und Juden statt bis 5 Prozent auf höhere ZögernngSzinsen gehen kön­ nen. Die Ansicht deS O.Trib., daß nur der Mehrzins Verzugszins ist, rechtfertigt sich besonders dadurch, daß dem Gläubiger nur soweit ein Schaden entstanden, mit­ hin auch nur soweit ersetzt werden darf, als der gemeine Gebrauchswerth deS Ka­ pitals durch die geringeren VertragSzinsen nicht entgolten ist. *8) §. 827. d. T. Aber die Konventionalstrafe muß im Fall ihrer verzögerten Zahlung verzinset werden. Strieth. B. 28. S. 24. Unten §.107. Note 35. ,9) §.833.834. d. T. Die Bestimmung ist wegen der Schwierigkeit, die Zahlungs­ mittel de- Schuldners als hinreichend zu erweisen, unpraktisch. Da- sächs. G.B. §. 742. läßt Ermittelung und Ersatz eine- höheren Schaden- zu. Seufsert B. 12. S. 18. ) A.L.R. I, 4. §. 20. 1. 70. D. XLV, 1. 1. 1. §. 13. D. XL1V, 7. Doch kennt da» röm. R. insofern eine Milderung dieser absoluten Unfähigkeit, al» die Kinder doch tutore auctore ertverben können. 1. 1. 8 13. D. XLIV, 7. ’) A.L R. I, 4. §. 21. I, 5. §. 14. I. 189. de R. J. I. 10. D. XXII, 6. I. 43. v. XLIV, 7. 1.141. §. 2. D. XLV, 1. Da» sie eine tutore auctore durch Verträge erwerben können, ist propter utilitatem receptum. 1. 6. D. XLVI, 6. ’) §. 12. d. T. Auch nach röm. R. 1.13. §. 29. D. XIX, 1. pr. J. I, 21.

«) S. Gruchot S. 312. u. oben §. 26. S. 134. Note 8.

Entsch. B. 14. S. 180 a.

§. 73.

a. Die Personell.

395

da- Recht steht dem anderen Theil zu, dem Vormunde eine Frist für

seine Erklärung zu setzen, und, weil durch die Verabredung mit dem Un­

fähigen noch nichts zu Stande gekommen, mit Zustimmung desselben die Vereinbarung vor der Erklärung deS Vormundes wieder auftuheben ’). Erfolgt die Genehmigung, so wirkt sie auf den Zeitpunkt der Verabredung

zurück.

ES ist bei dem Umfang de- Einflusses, den man ost geneigt ist

in ganz ungebührlicher Weise dem vormundschaftlichen Gericht beizulegen, in der Praxis zweifelhaft geworden, ob jene Genehmigung, die den Ver­ trag deS Mündels giltig macht, vom Vormund allein ertheilt werden kann, oder ob wenigstens in den Fällen, wo im Gesetz eine Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts vorgeschrieben ist, auch diese hinzutreten muß,

die alleinige Erklärung deS Vormundes also hier nicht die Kraft habe, die Giltigkeit deS Vertage- zu bewirken.

Zunächst nun ist unbedenklich, daß

wenn das Gesetz an die nicht eingeholte Genehmigung deS Gerichts aus­ drücklich die Ungiltigkeit deS Vertrages geknüpft hat, eS hierbei sein Be­

wenden hat*). Für alle anderen Fälle aber hat da- Obertribunal durch Plenarbeschluß vom 22. Juni 1846') entschieden: der Umstand allein, daß,

die vorgeschriebene Genehmigung deS Gericht- nicht eingeholt ist, reicht nicht hin, um den vom Vormund für den Mündel abgeschlossenen Vertrag un-

giltig zu machen. Vormundschaft.

Diese Entscheidung entspricht dem wahren Wesen der

Nicht da- Gericht, sondern der „bestellte" Vormund ist

der Vertreter deS Mündels, da- Gericht hat nur Aufsicht zu führen.

An

Stelle des Vaters besorgt der Vormund die Angelegenheiten des Mündels,

nicht als ein lediglich ausführendes, unselbständige- Organ des Gericht-,

so daß etwa letztere- als der eigentliche Vertreter des Pflegebefohlenen aufzufaffen wäre. Der Vormund selbst also ist, wenn er für den Mün­ del Verträge abschließt, der eigentliche Kontrahent.

Und diese Auffassung

erscheint nicht allein au- allgemeinen GesichtSpunften gerechtfertigt, sondern ist auch durch daS Gesetz selbst hinreichend unterstützt'). Da nun die

Genehmigung deS Vormundes den Vertrag des Mündels erst zum Abschluß bringt, so ergiebt sich, daß sie in der Form ertheilt werden muß, die für

den Vertrag selbst vorgeschrieben ist').

Hat der Pflegebefohlene mehrere

S. s. v. 49. S. 39.227. RechttfSllk B. 1. S. 129. Grs. Revisor Pens. 14. S. 50. V öle im ArnSb. Arch. B. 8. S. 1. •') I, 5. §. 12. 13. Entscheid. B. 14. S. 177. (Vater und Vormund stehen sich hier, bei gleich.) 6) z. B A.L.R II, 18. §. 521. 549. 550 f. 526.469. Suarez hat genau unterschie­ den, wo die Genehmigung des Gerichts zur Giltigkeit des Geschäfts gehört, und wo ihre Nichteinholung den Vormund nur verantwortlich macht. S. Entscheid. B. 13. S. 17. -) Entsch. D. 13. S. 3. ') A.L.R. I, 5. §. 10. „bestellte", §. 13. „seine G." II, 18. §. 249.250. 9) Gruchot S. 309.

Zweiter Buch

396

Die besonderen Privatrechte.

Bormünder, so ist derjenige zur Genehmigung berechtigt, welchem der Ge­ schäftszweig, zu welchem der Vertrag gehört, entweder ein für alle Mal

oder durch besondere Anordnung dcS Gerichts zugetheilt wordenIe).

Fehlt

es an einer solchen Theilung der Geschäfte unter den Vormündern, so müssen sie sämmtlich die Genehmigung geben, weil sie nach der Auffassung

deS preußischen Rechts „eine moralische Person" darstellen"). Diese Gleichstellung der Minderjährigen mit den Unmündigen in der Unfähigkeit sich durch Verträge zu verpflichten, ist aus dem gemeinen Recht in das preußische übergegangen, entspricht aber nicht dem römischen Recht.

Denn hier wurden Minderjährige durch ihre Verträge verpflichtet, auch wenn sie die Zustimmung deS Vormundes nicht erhalten hatten"), nur

durch Gewährung einer außerordentlichen Rechtshilfe (in integrum resti­

tutio) schützte sie der Prätor gegen Nachtheile"), und obschon im justinia­

nischen Recht für gewisse Fälle die Zuordnung eines Kurators für den

Minderjährigen vorgeschrieben ist, so wurde seine Vertragsfähigkeit an sich doch dadurch nicht beeinträchtigt").

Die ältere deutsche Rechtsanschauung

kannte jedoch eine solche Unterscheidung von llnmündigen und Minder­

jährigen nicht, und die Reichspolizeiordnungen von 1548 und 1577 brach­ ten diese Anschauung zum gesetzlichen Abschluß, offenbar um der romani-

sirenden Ansicht entgegenzutreten, daß der Minderjährige eines Vormundes nicht bedürfe"). Hiernach steht in Deutschland jeder bis zu erreichter

Volljährigkeit unter Vormundschaft, der Minderjährige ist in seiner BertragSfähigkeit ebenso beschränkt als der Unmündige").

Damit hängt aber

zusammen, daß eS eines außerordentlichen Schutzmittels, der Wiederein­

setzung in den vorigen Stand, für Ersteren nicht mehr bedarf, und da­ preußische Recht kennt dieselbe in Betreff der aus Verträgen entspringen­

den Verpflichtungen auch nicht").

Dabei ist aber nicht ausgeschlossen, daß

'") Gruchot S. 310. Nr. 3. S. 311. Nr. 4. ") A.L.R. II, 18. §. 115.

**) 1. 101. D. XLV, 1. 1.43. D. XLIV, 7. schast B. 2. S. 283 f. ") 1. 2. C. II, 25. “) 1 3. C. 11, 22.

Rudorfs a a. O.

Rndorsf, da« Recht dcr Vormund-

Unterholzuer S. 163. Not« s.

") Kraut, Bormundtschaft nach deutschen Recht«grundsätzen, B. 2. ©. 100—110. Unterholzuer S. 164. R. P. O. 1548. c. 31 §.3. R. P. O. 1577. c. 32. $. 3. ") Glück B. 4. S. 83 s. Seusserl II, 270. 111, 311. XIII, 241 (Wiesbaden). Rudorfs a. a. O. II. S. 291. will nur zugebeu, daß nach heutigem R. alle Min­ derjährigen Kuratoren haben müssen, darau« folge aber nicht, daß sie in ihrer Haudlungssähigkeit den Unmündigen gleich zu stellen. Die« sei nur Mißverständniß de» rSm. R. Aber wie oft erklären Romanisten etwa» für Mißverständniß de« röm. R., wa« wohlbegrüudete deutsche RechtSanschruung ist. Kraut a. a. O. Mil dem A. L- R. stimmt öfien. G. B. §. 243. 244. ") Nur gegen Verjährung und Ersitzung kennt da« A. L.R. 1, 9. §.537.594. eine restit. in integr. minor., s. oben §. 60. S. 303. und gegen Prozeßnachtheile A.G.O. §. 13. 1,16.

| 78.

a. Die Pers»»«,.

397

unter besonderen Umständen die Handlungsfähigkeit der Minderjährigen sich erweitert.

Dies tritt ein, wenn ihnen nach vollendetem 20. Lebens­

jahre vom Vormund die Verwaltung ihres Vermögens übertragen "), oder gestattet worden, eine eigne Wirthschaft zu halten, ein bestimmte- Gewerbe

oder Geschäft zu betreiben, sich selbständig ihren Lebensunterhalt zu er­

werben").

So kann sich das minderjährige Gesinde selbständig weiter

vermischen, ohne für den einzelnen Fall der Genehmigung de- VormundeMinderjährige, die vor erreichter Volljährigkeit für groß­

zu bedürfen").

jährig erklärt worden sind, haben die vdlle Vertrag-fähigkeit. Rasende und Wahnsinnige stehen den Kindern"), bevormundete Blödsinnige"), bevormundete Blinde, Taube, Stumme"), und

gerichtlich erklärte Verschwender") den Unmündigen gleich, e- dürfen bei diesen also nicht die einzelnen Erweiterungen der Vertragsfähigkeit ein­ treten, die bei Minderjährigen möglich sind. Wer blind und taub ist, ist absolut vertrag-unfähig").

Trunkenheit bi- zur Sinnlosigkeit, lei­

denschaftliche Erregtheit durch Schreck, Furcht, Zorn oder dergleichen, wenn sie einen Zustand der Bernunftlosigkeit herbeigeführt hat, stehen dem Wahnsinn gleich, machen also absolut vertrag-unfähig").

Die Einwirkungen, die ein rechtliche-Gewaltverhältniß über Per­ sonen auf deren Vertrag-fähigkeit äußert, find im preußischen Recht, wel­

che- diesen Gewaltverhältnissen eine völlig andere Grundlage gegeben hat, abweichend von denen de- römischen Recht-.

Die väterliche Gewalt ist, wie im Familienrecht au-führlicher darzustellen sein wird, unter den Gesichtspunkt der Vormundschaft gebracht. Daran- ergiebt sich, daß das Hauskind — anders wie im älteren römi­ schen Recht — an sich rechtsfähig, aber nicht handlungsfähig ist und daß eS bis zur erreichten Volljährigkeit in derselben Lage sich befindet, wie

Es kann also zwar auS Verträgen selbständig für sich

Bevormundete.

erwerben, sobald eS über die Kindheitsjahre hinaus ist, aber sich nicht ohne Einwilligung des Vaters verpflichten"). Seine Genehmigung hat

") A.L.R. II, 18. §. 733. 734.

") I, 5. §. 20. 21.

II, 18. §. 729 f.

’°) Sefmdeordn. v. 1810 §. 8. ") 1, 4. §. 23. ") I, 4. §. 26.

") 1,6. §. 24.25. Stehen sie nicht unter Vormundschaft, so hängt ihre Vertrag»« sähigkeit davon ab, ob sie ihr» Willen deutlich uud zuverlässig äußern könn».

•*) I, 5. 8 14.

S. obm §. 19. S. 91. §. 26. S. 133.

”) S. oben §• 19. S. 91.

") S. oben §. 26. S. 134. Rote 13.

”) A. L.R. II, 2. §. 124.125.159. Was dagegen die Hauskinder in der Wirthschaft «der dem Gewerbe der Eltern (also auch der Mutter) erwerb», erwerb» fie dies» al» ihre Stellvertreter. §. 121.123. das. s. den nächst» § 74.

398

Zweite- Such.

Die besonderen Privatrechte.

hier dieselbe Eigenschaft wie die oben besprochene des Bormunde-,

daß der Vater keiner

gerichtlichen Bestätigung bedarf.

Aber auch

nur der

Dritte ist gebunden, bis der Vater sich erklärt, er kann diesem eine Frist

setzen imb mit Bewilligung des HauSkindeS die Verabredung aufheben, wenn dem Vater noch kein Anttag zur Genehmigung gemacht worden").

Die großjährigen Kinder sind dagegen unbeschräntt vertragSfähig in Betreff ihres freien Vermögens *’), in Betreff ihres nicht freien Vermögens wegen

des dem Vater daran zustehenden Nießbrauchs und seiner fortdauernden vormundschaftlichen Verwaltung an seine Einwilligung zur Belastung ebenso

gebunden, wie minderjährige").

Die ohne solche Einwilligung von den

HauSkindern gemachten Schulden sind ungiltig, und werden auch nicht hinterher, nach Aufhebung der Gewalt, giltig"), außer durch ein gericht­ lich oder notariell erklärtes verpflichtendes Anerkenntniß "). Vergleicht man hiermit die Bestimmungen des römischen Rechts, die auch im gemeinen Recht im Wesentlichen fortgelten, so sind erhebliche Ver­ schiedenheiten zu bemerken.

Nach älterem römischem Recht waren HauSkinder vermögenslos, rechtS-

unfähig, sie konnten daher für sich nichts erwerben, ihr Erwerb gehörte dem Vater"). Erst als das Recht deS SondergutS (peculium) aufkam, erlangten die HauSsöhne Erwerbsfähigkeit, und diese erweiterte sich im

justinianischen Rechte dahin, daß dem Vater- an dem Vermögen deS Kindes nur noch ein mit Verwaltung verbundener Nießbrauch verblieb, der Er­

werb also dem Kinde zufiel").

Dagegen waren die Kinder von jeher

fähig, auS Verträgen sich zu verpflichten"), selbst wenn sie kein Sonder­

gut hatten, und hier trat erst das Macedonianische SenatuSkonsult beschrän­ kend ein, welches dem HauSsohn gegen DarlehnSklagen eine Einrede gab").

Diese Einrede setzt aber voraus, daß an sich der Haussohn handlungsfähig **) Lutsch. B 14. S. 177. Der minderjährige HauSsohn genießt auch die Restitutivn gegen Prozeßnachtheile au- $. 13 f. 1,16. A.G.O., weil diese Restitution nur an da« minderjährige Alter geknüpft ist, Simon u. Strampss, Recht-sprüche, B. 3. S. 389 f., dagegen nicht die Restitution gegen Verjährung an» A.L.R I, 9. §. 537. 594., weil diese an die Vormundschaft geknüpft ist. Strieth. B. 5. S. 204. B. 13. S. 182. Präj. Nr. 307. (Sammt I. S. 37.) Entjch. B. 28. S. 75. Sieht oben §. 60. S. 304. ") II. 2. §. 163.165. ">) II, 2. §. 201.202. Strieth. B. 47. S. 112. ") II, 2. §. 131.132. ") II. 2. §. 136.137. ") 1. 45. §. 4. D. XLV, 1. Keller, Pand. §. 232. S. 459. **) Arndt-, Pand. §.429. S. 668. Unterholzner l. S. 142. S. auch Entsch. «. 49. S. 224 f. ”) 1. 57. D. V, 1.: tarn ex contractibus quam ex delictis in filium familiaa competit actio. 1. 44. 45. D. XV, 1. und v. a. St. Unterholzner I. S. 146. Seussert VIII, 118. ") I. 1. pr. D. XIV, 6.

§ 73.

b.

399

Die Personen.

ist, eine Annahme, die der Gesichtspunkt der Bevormundung ausschließt,

weil au» diesem die Handlungsunfähigkeit folgt, es daher einer solchen besonderen Einrede gegen die Klage nicht bedarf.

In der römischen Be­

deutung kennt daS A.L.R. folgerecht diese Einrede nicht, obwohl Suarez

der Meinung war, daß er sie beibehalten, ihre Anwendbarkeit sogar auf alle belastenden Verträge ausgedehnt habe"),

und diese seine Meinung,

daß die Ungiltigkeit solcher Schulden vom HauSsohn oder Vater einrede­

weise geltend zu machen sei, sich darin zeigt, daß die vor oder nach be­ endigter Gewalt erfolgte Zahlung nicht zurückgefordert

werden darf"),

was zur Ungiltigkeit nicht paßt, gleichsam als habe der HauSsohn sich doch

naturaliter verpflichtet. Eine Beschränkung der Vertragsfähigkeit

der Ehefrauen ist dem

römischen Recht unbekannt, unvereinbar mit dem System des DotalrechtS.

Anders nach preußischem Recht, welches das von der Frau eingebrachte

Vermögen dem Meßbrauch und der Verwaltung des Mannes unterwirft, und diese Verwaltung ebenfalls als eine vormundschaftliche auffaßt").

Wie

hier deuffchrechtliche Ideen eingewirkt haben, kann erst später gezeigt wer­ den.

Die Ehefta« erwirbt weder durch Verträge für sich, noch kann sie

sich verpflichten, eS sei denn, daß sie ohne Widerspruch de- Mannes ein besonderes Gewerbe treibe").

Das A.L.R. bezeichnet die Schulden der

Eheftau al- nichtig, also nicht bloß al» unverbindlich für den nicht ge­

nehmigenden Mann,

sie erlangen nach aufgelöster Ehe keine Giltigkeit.

Die Einwilligung des Manne» macht aber ihn zum Selbstschuldner, wenn er sich nicht ausdrücklich dagegen verwahrt hat").

Eine besondere Form

für diese Einwilligung ist nicht vorgeschrieben, deßhalb nimmt die Praxis

an, daß Schriftlichkeit nicht unbedingt nothwendig sei, wenn auch die Schuld der Frau 50 Thaler übersteigt").

Dagegen ist hier ebenso, wie bei Ver­

trägen mit Unmündigen, der andere Theil an sein Versprechen gebunden, bi» der Ehemann

seine Erklärung

") v. Kamp tz, Jahrb. B. 41. S. 135.

abgegeben

hat.



kann also dem

Koch, R. d. F. II, S. 317.

") II, 2. §. 138.

”) Eulsch. B. 43. S. 33. *°) II, 1. §. 320. 211. 335. 620.

«sch, R. dr F. II, S. 319. 325 f.

") II, 1. 8- 329. 330. 333.

") Rach längerem Schwanken durch Pl. Beschl. festgestellt. Entsch. B. 14. S. 33. Zn Betreff de- Darlehn« ist dem Pl.B. unbedingt beizutreteu, weil hier ohnehin da» Hingebm der Summe die Schrift ersetzt. Ju Betreff anderer verpflichtender 8er» träge möchte aber der Gesichtspunkt, daß eine besondere Form für die Einwilligung de» Ehemann» hier nicht vorgefchriebeu, und daß deßhalb die Schristform nicht nothwendig fei, bedenklich fein, und zwar deßhalb, weil da» 8.£.91. die Eheftau wirklich al» handlungsunfähig auffaßt («och, 9t. d. F. II, S. 328.), ihr Ber­ trag daher erst durch die Einwilligung de» Manue» zum Abschluß und Dasein ge­ langt. Die Sache liegt hier ebenso, wie bei der einwilligmden Erklärung de» Bormunde« (oben Rote 9.).

Die besonderen Privatrechte.

Breitet Buch.

400

Manne dazu eine Frist gesetzt werden, und der andere Theil mit Bewilli­

gung der Ehefrau zurücktreten, wenn der Ehemann nm seine Einwilligung noch nicht angegangen ist").

In Ansehung des vorbehaltenen Vermögens,

, welches der Verwaltung und dem Nießbrauch des Mannes nicht unter­ worfen ist, hat die Frau freie Disposition und unbeschränkte Bertrags­

fähigkeit, der Einwilligung deS Mannes bedarf es nicht").

So viel von den vertragsunfähigen Personen.

Im Interesse der

Sicherheit und Redlichkeit des Verkehrs hat aber das A.L.R. auch Vor­

sorge getroffen, daß solche Unfähigkeit nicht arglistig benutzt werde, zu täu­ schen und betrügerisch Vortheile zu erlangen.

Eine Naturalobligation mit

ihrer freiwilligen Erfüllbarkeit erkennt in alle» diesen Fällen das preußische Recht nicht an, der Vertrag ist nichtig, das Gezahlte kann sogar, mit Aus­

nahme der Schulden der Haussöhne, zurückgefordert werden — um so mehr

ist Grund, gegen Betrügerei Bestimmung zu treffen. Zwar ist jeder Kon­ trahent schuldig, sich nach den Eigenschaften des Andern, welche auf seine DertragSfähigkeit Einfluß haben können, gehörig zu erkundigen und die bloße Unkenntniß von der Unfähigkeit desselben darf ihm nicht zu statten kommen"). Wenn er sich aber gehörig erkundigt hat und dennoch von

dem Unfähigen zum Abschluß verleitet worden, so giebt ihm das Gesetz gegen den letzteren eine Klage auf Entschädigung (actio doli)").

Der

Vertrag bleibt in diesem Fall ungiftig, die Verleitung (dolus) ist der Klagegrund. Die Verleitung kann nun nicht in einem bloßen Verschweigen de- UnfähigkeitSgrundeS gefunden werden"), ihr Begriff erfordert mehr,

eS müssen unwahre Thatsachen vorgebracht sein, die den andern Theil in den Irrthum versetzt haben").

Im Allgemeinen kommt eS auch nicht

darauf an, ob der Irrthum vermeidlich war, weil die Arglist immer stärker

wirkt.

Wer aber mit einer Person unter 18 Jahren einen Vertrag schließt,

und wer sich bei der (selbst eidlichen) Versicherung deS Unfähigen, daß er

fähig sei, beruhigt"), kann die Klage nicht anstelle», denn dort fehlt eS

") 5-12.13. d. T.

Lutsch. B. 43. S. 33.

") II, 1. §. 221.222. 318. ") S- 31. 32. d. T.

1. 19. pr. D. de R J.

") §.33. d.T. 1.2.3. C. II, 43. *’) So auch in der gemeinrechtl- Praxi«.

Seussert B. 2. S. 341.

**) PrLj. 683. (Sammt I. €>. 7.) „Die Anwendung diese« §. bedingt, daß neben der Thatsache der Kontraklschließung dem unfähigen Schuldner solche» wenn auch nicht eben betrügliche Handlungen nachgewiesen werden können, welche den Entschluß de« Andern, sich mit ihm in ein Geschäft einzulaflen, bestimmt haben." Eine An. Wendung Gntfch. B. 12. S. 167 (vorgespiegelte Schreibkunde). Daß der Berleiter nach §. 36. d. T- auch al« Betrüger bestraft werden soll, hängt davon ab, ob seine Handlungen die Merkmale de« Betrug« nach dem Str. G B. zeigen. •’) §. 34.35. d. T. Gruchot S- 319. macht mit Recht daraus aufmerksam, daß §. 34. nicht Anwendung finden kann, wenn der Vertrag zwischen Abwesenden zu Stande gekommen.

5 74.

401

@teff»ertreler.

an derjenigen Sorgfalt, die Jedermann bei seinen Geschäften anzuwenden

hat, und hier an der gehörigen Erkundigung, die das Gesetz verlangt.

Daß ein nach gehobener Unfähigkeit erfolgtes Anerkenntniß den ungiltigen Vertrag nicht giltig macht, sondern al- neuer Vertrag anzusehen, ist bereit« §. 41. erörtert").

§. 74.

Stellvertreter.

S. Quellen und Litteratur oben §. 42. S. 196.

Koch, R. b. F. II. S. 565 f. 575.

Es ist §. 42. gezeigt, daß abweichend vom römischen Recht das heu­ tige gemeine und das preußische Recht freie und unmittelbare Stellver­

tretung zuläßt').

Der Vertretene wird durch den vom Vertreter abge­

schlossenen Vertrag berechttgt und verpflichtet, als Vertrag abgeschlossen hätte.

wenn er

selbst den

Wie solche Vertretung durch freie Ueberein-

kunst (Vollmachtsauftrag) begründet wird, und wie fich ein solches RechtS-

verhältniß zwischen Vertreter und Vertretenem gestaltet, wird später erörtert

werden.

Die Vertretung kann aber auch eine aus

gewissen rechtlichen

Zuständen hervorgehende nothwendige sein, mtb diese Fälle sind hier zu erwähnen.

1. Vertragsunfähige Personen werden durch diejenigen, unter deren Gewalt sie sich befinden (Vater) oder die ihnen gesetzlich als Vertreter

zugeordnet sind (Vormund), berechttgt und verpflichtet').

Daß der Vor­

mund, und nicht das vormundschaftliche Gericht den Pflegebefohlenen ver­

tritt, ist schon erwähnt').

Die Einwilligung des Gerichts hat in einigen

Fällen die Wirkung, daß sie den Vormund von seiner Verantwortung ent­

lasten soll, in anderen aber, daß die Gilttgkeit des Vertrags selbst davon abhängt'). Besonders beschränkt ist diese Vertretung bei Veräußerungen der Grundstücke des Mündels; dieser muß, wenn er 18 Jahr vollendet

hat, darüber gehört werden und kann mit Erfolg widersprechen'). Weniger

beschräntt ist der Vater als Vertreter des minderjährigen Kindes, doch soll hr die Einwilligung des vormundschaftlichen Gerichts einholen, wenn er

mit DermögenSstücken, an denen ihm der Nießbrauch znsteht, Substanz-

•") §. 37.38. d. T. Oben S. 191. *) Oben S. 196. Sergi. Deutsch. £>• G.B. Art. 42.52.114. Anders bet dem Äommisfionshandel Art. 368. *) «.L R. I, 5. §. 10. II, 2. §. 159.202. II, 18. §. 231. 233. 240. 250.251. 252. ') Entsch. B. 13. S. 3. Oben §. 73. Note 7. Strieth. B. 53. S. 11. ♦) Oben §. 73. Note 6.7. «ntsch. B. 13. S. 17. ') II, 18. §. 244. 560. 561. Foerster, Preuß. Privatrecht 26

Zweite« Buch.

402

Die besonderen Privatrechte.

Veränderungen vornehmen will').

In Ansehung deS freien Vermögens

vertritt der Vater das großjährige Kind überhaupt nicht. 2.

Hauskinder vertreten die Eltern (also auch die Mutter)

in

deren Wirthschaft und Gewerbe, insofern sie hierbei für diese erwerben'). Verpflichtet wird der Vater durch das HauSkind nur insofern, als Jemand überhaupt durch die Handlung eines Dritten, fei es in Folge eines Auf­

trags, ertheilter Genehmigung oder durch nützliche Verwendung, verpflichtet werden kann').

Letztere wird angenommen, wenn Jemand dem außerhalb

des väterlichen Hanfes lebenden Kinde die nothwendigsten und dringendsten Bedürfnifle des Lebens gewährt hat').

Zur Begründung eines

solchen

Anspruchs gegen den Vater genügt aber nicht, daß das Gegebene an sich

geeignet gewesen, ein solches Bedürfniß zu befriedigen, es muß auch nach­ gewiesen werden, daß das Kind wegen anderweitiger Beschaffung deffelben

in Verlegenheit sich befunden, das Bedürfniß muß nicht bloß objektiv, son­ dern auch subjektiv vorhanden gewesen sein, denn nur in diesem Fall kann

eine nützliche Verwendung angenommen werden"). 3. Der Ehemann vertritt die Frau in Betreff des eingebrachten

Vermögens, welches er vormundschaftlich verwaltet").

Wenn eS sich um

Grundstücke, Gerechtigkeiten und Kapitalien handelt, muß sie beistimmen “).

Bei Gütergemeinschaft gelten die vom Manne getroffenen einseitigen Ver­

fügungen in Ansehung deS ganzen gemeinschaftlichen Vermögens mit Aus­ nahme bei Verpfändung und Veräußerung von Grundstücken und Gerechttgkeiten, bei Aufkündigung und Einziehung von Kapitalien, die auf den

Namen der Frau oder beider Ehegatten geschrieben sind").

Hier muß

die Frau einwilligen, und zwar, wie für den ersteren Fall die Praxis fest­

gestellt hat, in schriftlicher (nicht gerichtlicher) Form"), während für den

letzteren Fall keine besondere Form erforderlich ist").

II, 2. §. 170. Entsch. B. 22. S. 371. II, 2. §. 121.123. II, 2. §. 126. II, 2. §. 129. En,sch. B. 18. S. 285. Entßh. B. 43. S. 33. II, 1. §. 232.233. Bei Grundstücken und Gerechtigkeiten schriftliche Form, s. unten Note 14. u. En,sch. B. 19. S. 427 oben. In Betreff der Kapitalien ist die Be­ willigung der Frau an keine Form gebunden. Präj. 1095. (Samml. I S. 139.) ") II, 1. §. 377-380. *♦) Pl. Beschl. Entsch. B. 14. S. 44. Maßgebend ist hier besonder« §.15. I, 10., welcher schriftliche Form verlangt für alle Willenserklärungen, durch welche über das Eigenthum eines Grundstücks etwas verfügt wird, und eine solche Willenserklärung ist die Einwilligung der Frau gewiß. Die Meinungen hierüber halten vorher sehr geschwankt. CS war selbst stillschweigende Einwilligung für ge­ nügend erachtet, andererseits sogar gerichtliche Form erfordert worden. S. Entsch. B. 14. ®. 45. Die gerichtliche Form hat die Entsch. B. 29. S. 145 für nicht •) *) ') *) *•) ") ")

- 75 4.

Vertrag-ablchlllffe zum Bortheil Dritter.

403

Die Ehefrau vertritt den Mann in Betteff seines eignen Ver­

mögens in der Regel nicht, außer daß sie für chn erwirbt, und ihn ver­ bindlich macht durch Schulden für gewöhnliche Bedürfnisse zur Haushal­ tung, oder .wenn das Erworbene in seinen Nutzen verwendet worden, wenn er während seiner Abwesenheit der Frau einen Theil seines Gewerbe­

überlassen, wenn er sich entfernt hat, ohne für den Hausstand Sorge zu tragen und sein Aufenthalt unbekannt ist, wenn er so erttantt ist, daß er

seine eignen Angelegenheiten nicht besorgen kann"). 5.

Der Verwalter einer juristischen Person

berechtigt und

verpflichtet dieselbe, soweit er vermöge des Umfangs seines Amts dazu ermächtigt oder in Folge seines Geschäft» in ihren Nutzen etwas verwendet

worden ist"). 6. Der Vertreter des Fiskus, d. h.

diejenige Staatsbehörde,

welche die betteffende Kaffe verwaltet, kann sie nur mit Genehmigung der

nächsten Aufsichtsbehörde verpflichten "). 7. Der Konkursverwalter vertritt die Maffe (d. h. den Schuld­

ner) und die Gläubigerschast, in einzelnen Fällen bedarf er der Genehmi­ gung oder Ermächtigung des KonkurSkommiffariuS oder de» lkonkurSgerichtS ").

§. 75. Vertragsabschlüsse zum Bottheil Dritter. A.L.R.«, 5. §. 74-77.

Htydem. I, S. 202.

Gruchot I, S. 333.

R. d. F. II, S. 550 s.

S.231.

Koch, Pr.R. II, S. 21t f.

S. 402.

Savigny, System B. 4. S. 125. 281. 285.

B angerow, 6. A. B. 3. S. 308 f.

S. 71.

Priv.N. B. 2. S. 290.

S. 474. 1845.

Bornern. H,

Unkerhol,ner I,

Oblig. R. B. 2. S. 74.

Beseler, Lehre von den Erbverträgen Th. 2.

Pfeiffer in d. Zeitschr. f. deutsches Recht, B.9.

Strippelmann, Entscheidungen de- O.A.G. Kassel, B. 5. S. 1.

nöthig erklärt. Wenn nach Entsch. B. 14. S. 33. die Einwilligung de- Mannes in die Schulden der Frau über 50 Thlr. nicht schriftlich zu sein braucht, so liegt hierin kein Widerspruch (Koch, Komment. Note 28. zu §.378. II, 1.), denn hier handelt es sich nicht um Grundstücke. UebrigenS bindet §. 378. den Mann an die Einwilligung der Frau nur bei Veräußerungen uud Verpfändungen der Grundstücke und das O.Trib. hat angenommen (B. 47. S. 231.), daß hier unter Veräußerung eine Belastung des Grundstücks nicht auch zu verstehen sei. Die engere Bedeutung von Veräußerung wird hier theils aus dem sonst überflüssigen Beisatz: verpfänden, theils au- dem Gegensatz de- §. 232. II, 1. gefolgert. Damit freilich im Wider­ spruch stehen die Gründe in der Entsch. B. 19. S. 426

") Präj. 1095. (Sammt. I. S. 139.) '«) II, 1. §. 202.320.321.324.325-328.

,7) I, 5. §.26-28.

II, 6. §. 154-158.

") I, 5. §. 29. 30. Die Genehmigung der nächsten Aufsichtsbehörde berührt nicht bloß die Prozeßsähigkeit (wie unrichtig von Förster, Klage und Einrede, S. 367. Note 19». angenommen), sondern die Giltigkeit des Vertrags selbst.

,9) Kont. Ordn. v. 1855 §. 215. (§. 131 f.) §. 222. 223.

Zweite» Buch.

404

Die besonderan Privalrechle.

1848 (f. auch 6euf fett, Arch. B. 3. Nr. 31.). vertretimg bei Eingehung v. Verträgen. 1852.

Buchka, die Lehre v. d. Btrll-

S. 158 ff.

Busch, Doktrin und

Praxi« über die Gültigkeit von Verträge» zu Gunsten Dritter. 1860.

Bähr in

Gerber und Jheriug, Jahrbücher, B. 6. S. 131. 1862.

Al- zulässigen „Gegenstand" eines Vertrags stellt das A.L. R. den

Bortheil eines Dritten hin.

Dies ist eine systemattsch falsche Anord­

nung, denn der Gegenstand des Vertrages ist auch in diesem Falle die Leistung selbst, nicht die Begünstigung oder der Vortheil, den sie einem Dritten bietet.

DaS Eigenthümliche, was solche Verträge zeigen, liegt

nicht in der Natur der Leistung, dem Geben oder Thun, sondern darin, daß der Vertrag eine Wirkung für eine Person äußern soll, die ihn nicht abgeschlossen,

auch nicht in ihrem Namen hat abschließen lassen.

Sie

müssen daher in der Lehre von den in BertragSverhältnisse eintretenden

Personen besprochen werden.

ES ist schon darauf hingewiescn'), daß daS neuere Recht den Grundsatz deS alten römischen Rechts, wonach der Vertrag nur zwischen den Kon­

trahenten Rechte und Pflichten äußern kann, in wesentlichen Beziehungen verlasien 'hat. Hier handelt eö sich darum, ob auch außer dem Fall der Stellvertretung durch den Vertrag, den zwei Personen unter sich errichtet haben, Rechtswirkungen für einen Dritten erzeugt werden können.

Un­

zweifelhaft ist, daß durch ein solches Geschäft einem dabei nicht betheiligten

Dritten Verpflichtungen in keiner Weise auferlegt werden dürfen.

„Dies

versteht sich," wie Savigny') sagt, „so sehr von selbst, daß dagegen gar

kein Zweifel vorkommen kann; deßhalb wird der Satz nicht einmal er­ wähnt."

Anders steht es mit der Frage nach

Dritten auS den Verträgen Anderer.

dem Rechtserwerb des

War einmal bei der Stellvertretung

der Grundsatz des römischen Rechts verlassen, so lag kein wesentliches Hin­ derniß vor, ihn auch in diesem Falle zu durchbrechen, zumal selbst das

römische Recht einzelne Ausnahmen zugelassen, in denen dem Dritten eine

abgeleitete Klage gegeben wurde3).

ES fragt sich nur, ob diese Ausnahmen

') Oben §. 42. S. 196. u. 74. a. A. S. 401. ') Oblig. R. B. 2. S. 74.

*) Der Grundsatz alteri stipulari nemo potest (1. 38. §. 17. D. XLV, 1. vergl. 1.11. D. XLIV, 7. 1. 73. §. 4. de R. J. u. v. a. St.) war im röm. R. so streng festgehalten, daß selbst der Promiffar keine Klage aus einem solchen Vertrage erwarb. Aus einem Versprechen an den Promiffar und an einen Dritten erhält ersterer nach Pandektenrecht nur die Hälfte (§. 4. J. III, 20. 1. HO. pr. D. XLV, 1), bei einem Versprechen an den Promiffar oder an einen Dritten wurde letzterer nur als Zah­ lungsempfänger angesehen (sol. c. adj.). Soll die an einen Dritten bedungene Leistung für den Promiffar klagbar werden, so muß entweder diese Leistung ein eignes Intereffe des PromiffarS enthalten (§. 20. J. III, 20. L 38. §. 20—23. D. XLV, 1. 1. 3. C. VIII, 39.), oder eine poenae stipulatio hinzutreten. (§. 19. J. ibid. 1. 38. §. 17. 0. ibid.) Die Ausnahmen des röm. R., bei benen der Dritte selbst ein Klagerecht erwirbt, sind: a. Wenn Jemand eine Sache verschenkt mit der Auflage, sie später einem Anderen wieder herauszugcben, so hat letzterer eine

J. 75.

Vertragsabschlüsse zum Vortheil Dritter.

405

abgeschlossen sink, und andere gegen den sonst geltend gebliebenen Grund­ satz nicht mehr statthaft erscheinen, oder ob diese Ausnahmen den Anfang

einer Rechtsentwicklung an den Tag bringen, deren Ziel die Beseittgung

de- Grundsatzes selbst ist, und welche im modernen Recht sich fortgesetzt

hat').

Wer den Standpunkt des römischen Rechts festhatten will, beruft

sich auf die Natur des SchuldverhaltniffeS, als eines rein persönlichen Bandes zwischen Gläubiger und Schuldner, die schon logisch eine unmittel­

bare Einwirkung auf Dritte unmöglich macht, und erblickt darin, daß da­

römische Recht diesen Gesichtspunkt scharf hingestellt hat, die allein richttge

Erkenntniß.

Wer sich dagegen erklärt, geht von einer anderen Anschauung

über daö Schuldverhältniß aus.

Wenn auch zugegeben wird, daß e» als

ein persönliches Rechts- und Pflichtverhältniß begründet wird, so wird doch die Folgerung nicht eingeräumt, daß seine Wirkungen auf die kontrahiren-

den Personen beschränkt bleiben müssen — da vielmehr es von ihrem Willen abhänge, ob die Wirkung auch auf andere Personen sich erstrecken soll.

Die Anhänger der letzteren Ansicht können sich darauf berufen, daß

die Anwendung der reinen römischen Rechtsbestimmungen für den Ge­

schäftsverkehr lästige Hemmungen erzeugt'); sie können darauf Hinweisen, daß selbst im römischen Recht, um die auch dort fühlbar gewordenen Uebel­

stände zu beseitigen, in einigen Fällen wenigstens Umwege betreten worden

sind, um den Grundsatz zwar zu erhalten, aber doch zu umgehen.

Und

in der That kann nicht geleugnet werden, daß ein Verkehrsbedürfniß den Satz: daß Niemand durch andere Personen Schuldansprüche erwerben kann,

wenigstens in solcher Allgemeinheit aufzugeben zwingt.

Der Kampf gegen

actio utilis. 1. 3. C. VIII, 55. Dies« Stelle ist es hauptsächlich, die die Neueren aurdebnend zur Rechtfertigung der neueren Praxis verwenden wollen, b. Wer eine fremde Sache bei Jemand verleiht oder in Verwahrung giebt, kann die Rückgabe an dm Eigenthümer bedingen, letzterer hat eine util. a. 1. 8. C. III, 42. c. Der Lscendmt, der eine Do« bestellt, kann deren Restitution an seine Tochter oder derm Kinder bedingen, letztere erwerben dadurch eine util. act. 1. 45. XXIV, 3. 1. 7. C. V, 14. d. Wmn Jemand im Namen eine« Dritten ein Darlehn giebt und fich dafür ein Pfandrecht bestellen läßt, (o hat der Dritte die condictio mutui und die Hypothekar. Klagt. 1. 2. §. 4. 1. 9. §. 8. D. XII, 1. 1. 2. C. IV, 27. e. Wenn Jemand für einen Andern eine Nichtschulb bezahlt, so kann dieser kondiziren. 1. 6. 47.57. pr. D. XII, 6. Doch ist nicht zn übersehen, daß von dm hier erwähnten Fällen nur b. ». c. dm Vortheil eine» Dritten bezwecken. In den anderen soll der Dritte nur erhalten, wa« ihm ohnehin gebührt und ihm billiger Weise nicht mtzogen werden darf. Die bei B angerow III. S. 309 f. unter a. b. d. aufgesührim Fälle stehm unter einem anderm Gesichtspunkt.

*) Die Romanisten behaupten, daß jene AuSnahmm eine abgeschloffene Zahl und ihre Vermehrung unzulässig sei — eine Begründung dieser Annahme wird nirgends getroffen. ■') Buchka S. 158. Zahlreiche BerlragSgeschäfte, die den Römern völlig unbekannt warm, und die der heutige Verkehr bedarf, würden unter Festhaltung de« römischen Grundsätze« unmöglich sein; man denke an die Einläuse in Wittwenkaffen, in LebmSversicherungSkaffen u. (■ w., deren eigentlichster Zweck darin besteht, brüten Personen Vortheile zuzuwenden.

406

3»eitee Buch. Eie besold er en Privatrechte.

diesen Satz geht durch da» ganze Mittelalter bi» in die neueste Zeit, und wenn er auch außer dem Falle wirklicher Stellvertretung noch nicht ais siegreich

abgeschlosien angesehen werden darf, so scheint es doch, daß sich im heutigen

gemeinen Recht der Grundsatz, namentlich in der Praxis, durchgearbeitet hat, daß auS Verträgen zu Gunsten Dritter auch außer dem Falle der

Stellvertretung für diese ein unmittelbarer Schuldanspruch, ein Klagerecht entspringt'). Sehr verschieden hat man versucht, diese neue Rechtsbildung zu mottviren, vom Standpunkt positivrechtlicher oder naturrechtlicher Kon­

struktton, und in sehr verschiedener Weise hat man sich dabei bald mehr

bald weniger vom römischen Recht entfernt.

Was die älteren Praktiker

und Naturrechtslehrer hierüber gesagt haben, muß hier übergangen werden, um für die neuere Doktrin und Praxis Raum zu gewinnen ’). Am Aus­ gang des vorigen Jahrhunderts wurde noch daran festgehalten, daß zwar

zum Vortheil eines Dritten ein Derttag giltig abgeschlossen werden könne,

daß aber der Dritte ein Recht daraus erst dann erlange, wenn er dem Vertrage beigetreten,

den

ihm

gebotenen Vortheil

angenommen habe.

Streittg war, ob die Giltigkeit des Vertrages zwischen den Kontrahenten davon abhängig sei, daß derjenige, der sich den Vortheil für den Dritten

habe versprechen lassen, ein eignes Interesse daran haben müsse, ob der

Beitritt des Dritten bedingt sei durch den Willen der Kontrahenten, und

wie die Beitrittshandlung des Dritten sich zu äußern habe.

Das Ober­

tribunal hat in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts den Satz

aufgestellt'): der Dritte erlangt auö dergleichen ihin zum Besten geschehe­

nen Stipulation nicht eher das geringste Recht, bevor er nicht seinerseits die Sttpulation gleichfalls acceptirt hat.

So lange seine Acceptation nicht

hinzugekommen, können die beiden Sttpulanten machen, was sie wollen, also auch die Stipulatton wieder aufheben.

Aus dieser Anschauung sind

die Vorschriften des A.L.R. erwachsen, welche zugleich die damaligen

*) Dresdener Annal. V, 375. ’) Buchka S. 159 ff. theilt ausführlich die dogmengeschichiliche Entwicklung der Realtion gegen datz Prinzip: alteri neminem stipulari posse mit. So wurde z. B. das sächs. Lehnrecht c. 36., wo bestimmt ist, daß, wenn Jemand sein Gut einem Herrn unter der Bedingung zu Lehn aufläßt, daß er eö einem Dritten verleihe, der Herr eS nicht selbst behalten darf, sondern eS dem Dritten verleihen muß, ferner der Satz des LehnrechtS, daß, wenn ein Lehnsherr ein Lehn als feudum antiquum verleiht, auch die Agnaren des letzteren aus seiner Investitur ein SuccessionSrecht erhalten, heran­ gezogen. Andere wiesen ans die Analogie der Staats- und Friedenövenräge, welche vielfach de jure tertii Verabredungen enthielten, die Jedermann für giltig erachte. Die NamrrechtSlehrer griffen zurück auf die bindende Kraft jedes acceptirten Versprechens, auf das sittliche Iutereffe, was jeder davon haben müsse, Anderen Wohllhaten zu erweisen u. s. w. Dergl. als Zeugen der Praxis in Deutschland, welche die Verträge zu Gunsten Dritter für giltig erklärt: Mevius p. IV. dec. 112. Scbilter, exerc. ad pand. VIII, 39. Leyser spec. 519. mcd. 4. Hopfner, Kommen­ tar, 1. A. S. 809. Struben, rechtl. Bedenken III, 71. Cramer, Wetzlarische Nebenstunden XIV, S. 9. Pufendorf, observ. II, 38. §.20. •) Erkenntniß v. 1. März 1768 bei Hymmen, Beiträge IV, 105.

§ n.

Lertrag-abschlüffe zum Vortheil Dritter.

Kontroversen beseitige« sollten.

407

In der neueren Doktrin hat zuerst Be­

sel er') die Frage untersucht und da- Ergebniß ausgestellt: der Bertrag

zu Gunsten eines Dritten ist giftig, auch wenn er nicht den Kontrahenten, sondern nur dem Dritten ein rechtliche- Interesse gewährt; derjenige, welcher sich den Vortheil de- Dritten hat versprechen lasten, kann ans

Erfüllung klagen; der Dritte selbst erlangt ein selbständige- Recht, er muß

sich aber die fremde Willen-bestimmung aneignen, eine Beitrittserklärung abgeben: bi- dahin können Gläubiger und Schuldner den Vertrag wieder

aufheben, nur der einseitige Rücktritt ist nicht gestattet und deßhalb dem

Dritten da- Recht unwiderruflich erworben, sobald eine übereinsttmmende Aufhebung de- Vertrag- durch den Tod de- einen Kontrahenten unmög­ lich geworden.

Savignh")

verwirft „vom Standpunkt der richtigen

Theorie" die Lehre, daß ein Dritter au- einem von Anderen geschlossenen Vertrage auch ohne seinen Auftrag ein Klagerecht erwerbe, und erklärt die

angebliche Praxi- für unbegründet.

Aber wenn er den Grund dafür darin

findet"), daß die Obligation überhaupt al- Beschränkung der natürlichen

Freiheit nur soweit einen Rechtsschutz erhalte, al- da- Bedürfniß de- Ver­ kehr- einen solchen nothwendig erfordert, so bleibt doch grade unbeant­ wortet, ob nicht da- Verkehr-bedürfniß, wie vielfach behauptet wird, auch für solche Verabredungen einen Rechtsschutz verlangt, denn da- „wie weit"

ist relattv, die Begrenzung kann enger oder weiter sein, je nach dem Be­

dürfniß, und sie wird weiter sein müssen, wenn sich der Verkehr weiter entwickelt hat.

Ueberdieß entzieht sich Savignh der eigentlichen Beant-

wortung dadurch, daß er die Fälle, in denen die seiner Meinung nach un­ begründete Praxi- eine Gilttgkeit deö Vertrage- zu Gunsten Dritter an­ nimmt, so auffaßt, al- sei „fast immer" hier eine Stellvertretung gedacht **). Also doch nicht immer.

Im Allgemeinen wollen die Romanisten auch heut

den Satz nicht anerkennen und bei der Regel de- römischen Recht- stehen bleiben").

Dagegen hält die Praxi- fest an der jüngeren Entwicklung

und geht zum Theil noch weiter al- Beseler, der, sofern er den Beitritt de- Dritten verlangt, eigentlich den Hauptpunkt wieder preiögiebt, weil

der beigetretene Dritte eben damit aufhört, ein Dritter zu sein und Mit­ kontrahent wird. Auf Grund dieser Praxi- hat Busch da-Dogma dahin angegeben"): durch deutsche Recht-gewohnheit ist der Satz de- römischen

’) Erbverträge u. Privatrecht a. a. O- II, S. 292 f. ■•) DM. 8t. II, 83. 84.

") S. 76.

”) S. 82.

Siehe Busch a. a. O. S. 9.

'*) So Savigny, Puchta, Bangerow, obgleich letzterer doch ein dagegen sprechen­ des, durchaus entschiedene- deutsche- Gewohnheitsrecht al« vorhanden anerkennt (®. 313. a. E.).

") A. a. O. S. 46.47.

Als Belege dafür sind im Anhang der Schrift 44 Erkennt-

408

ßwettet Buch.

Di« besonderen Privatrechte.

Recht- alteri neminem stipulari posse aufgehoben, und jetzt jeder Ver­

trag zu Gunsten eine- Dritten für die Kontrahenten bindend, wenn der Promiffar auch kein eigene- Interesse an der Erfüllung hat; der Dritte

erwirbt durch den Abschluß de- Vertrage- der Anderen ein diretteö Klage­ recht gegen den Schuldner, ohne daß die- von dem Anerbieten oder von der Einwilligung der Kontrahenten oder von einer ausdrücklichen besonde­ ren Beitritt-Handlung seinerseits abhängt, die Annahme kann vielmehr auch stillschweigend, durch entsprechende Handlungen, z. B. Anstellung der Klage, geschehen; diese Klage ist von der Hauptklage des Promissars aus dem

Vertrage abgeleitet (a. utilie) und stets nur gegen den Promittenten ge­

richtet.

Das neuere Recht hat hiernach das römische insoweit verlassen

oder weiter gebildet, daß jetzt grundsätzlich und allgemein, nicht bloß in einzelnen Ausnahmefällen, die Verträge zu Gunsten Dritter anerkannt sind,

daß der Promissar, auch wenn er kein eignes Interesse dabei hat, dennoch

auf Erfüllung klagen kann, daß der Dritte, so lange nicht der Promissar die Zuwendung widerrufen, ebenfalls gegen den Promittcntcn aus Erfüllung klagen kann, und daß diese- Recht deS Dritten unwiderruflich wird, so­ bald der Promiffar gestorben.

Einer besonderen Beitrittshandlung deS

Dritten bedarf es nicht, sein Recht ist zwar begründet durch den Abschluß deS Vertrage-, aber, so lange ein Widerruf der Hauptkontrahenten noch

möglich ist, ist eS ein abhängiges, bedingte-. — Damit ist aber auch da-

prakttsche Bedürfniß im Wesentlichen befriedigt: noch weiter zu gehen, und

da» Recht deS Dritten vom Vertragsabschluß an als so definitiv aufzufaffen, daß die Hauptkontrahenten nicht mehr zurücktreten, insbesondere,

daß der Promiffar die Zuwendung nicht mehr widerrufen dürfe, dazu liegt kein Grund vor").

Nisse mitgetheilt, bei denen fast alle deutsche Gerichte 3. Instanz vertreten sindBesonders wichtig ist hier die Praxis der O.A. Gerichte Dresden und Kassel. Da­ für auch die Praxis des AG. Greifswald, s. Provinzialrecht f. Neuvorpommern u. Rügen B. 4. S. 204. — Zaun im Arch. s. praktische R. W- 'N. F. l, S. 42 f. §. 4. führt aus, daß die Obligation mit Uebergchung des eigentlich kontrahirenden Stellvertreters alsbald in der Person des Dritten begründet werde und daß dieser zufolge thatsächlich erklärter Lession (die in dem Vertragsabschluß der Kontrahenten ausgedrückt sei) eine actio utilis erwerbe. Senssert 111,31. ,!k) Ganz ohne Schwanken ist übrigens die gemeinrechtliche Praxis noch keineswegs; die römischen Ideen wirken noch oft stark ein. Besonders bezieht fich das Schwanken auf die Fragen: ob der Promiffar ein eignes Interesse haben müsse, ob der Bei­ tritt deö Dritten von der Genehmigung der Kontrahenten abhängen solle. Seusf. III» 31.32. VIII, 30. IX, 18. X, 152. XI, 133. XII, 142. XIV, 131. Jedes Intereffe des Promifsars zu leugnen, wie Busch thut, geht zu weit, eS ist nur nicht nöthig, daß es ein vermögensrechtliches sei (Bähr a. a. O. S. 139 f.). Der Pro­ minent muß dem Promiffar selbst die Leistung an den Dritten versprechen, ersterer wird dadurch der Schuldner des letzteren, nicht des Dritten; die Klage, die der Promiffar anstellt, ist die directa, die des Dritten die utilis, aus der Person deS PromiffarS. Wenn Bähr den klagenden Dritten als procurator in rem suam, die Klage als a. mandata ansehen will, so ist dies eine ganz unpassende Anwendung einer spezifisch römischen Anschauung auf moderne Verhältnisse (S- 146 f.); er der-

$. 75.

Vertragsabschlüsse zum Vortheil Dritter.

409

Wa- nun dä- preußische Recht angeht, so cheilt eS insoweit die neuere

Rechtsanschauung, als es Vortheile eines Dritten grundsätzlich „Gegen­

stand"

eines Vertrages sein läßt — aber im Uebrigen entfernt es sich

nicht so weit vom römischen Recht, Der Dritte

erlangt

nämlich

aus

wie die neuere deutsche Praxis

einem

solchen

Schließung er weder unmittelbar, noch mittelbar

Verttage,

an

dessen

(durch Stellvertretung)

Theil genommen, erst dann ein Recht, wenn er demselben ausdrücklich,

und zwar mit Bewilligung der Hauptparteien, beigetteten ist.

Bis dieser

Beitritt erfolgt, kann der Verttag nach dem Einverständniß der Haupt­ parteien geändert oder aufgehoben werden 17).

Ist aber dem Dritten der

Anttag zum Beitritt geschehen, so müssen die Hauptparteien seine Erklä­ rung über die Annahme abwarten.

ist nicht

ganz klar").

Die Entstehungsgeschichte dieser §§.

Sie schließen sich zwar an die damalige Praxis

des Obertribunals an, es muß sich aber zugleich die Ansicht geltend ge­

macht haben, daß der Beittitt des Dritten an die Bewilligung der Haupt­ parteien zu knüpfen fei.

Don wem diese Ansicht aufgestellt, ist nicht zu

ersehen, denn der erste Entwurf enthält davon noch nichts, und das Mo­

nitum von Suarez war nicht darauf gerichtet.

Unter einem Berttage zum Vortheil eines Dritten (in favorem

tertii) kann nur ein solcher verstanden werden, der den Dritten in keiner Weise verpflichtet, sondern nur berechtigt, ihm eine reine Liberalität, eine

fällt hier der Mühlenbruchschen Theorie von der actio utilis des EessionarS, welche er selbst in seinem Aufsatz zur CessionSlehre (Jahrb. B. 1.) bekämpf: hat. ,6) §.74 s. 1,5. Die Entwicklung, die daS Dogma in den anderen Gesetzgebungen, bis zu den neuesten herab, erhalten, entspricht auch nicht der gemeinrechtlichen Praxis, wie fie oben angegeben. Der Code beschränkt die Wirkung solcher Verträge auf die Kontrahenten, Dritten können weder Verpflichtungen noch Berechtigungen entstehen. Aber der eine Kontrahent kann den Vortheil des Dritten zur Bedingung des Versprechens machen, welches man fich selbst thun läßt, oder zur Bedingung einer Schenkung, die man dem Versprechenden macht (Art. 1165.1121. ZachariäAnschütz, B. 2. S. 354.). DaS österr. G. «. hat §.881. nur den dürftigen Satz, daß Niemand für einen Andern ein Versprechen machen oder annehmen kann. DaS sächsische (§. 853—855.) giebt dem Dritten, zu besten Gunsten fich Jemand etwas hat versprechen lasten, neben dem letzteren eine Klage auf Erfüllung. DaS Recht des Dritten wird selbständig unb unabhängig von dem Willen besten, der sich die Leistung hat versprechen lasten, von der Zeit, wo er dem Vertrage beigetreten oder die Leistung angenommen hat. Bis dahin kann der Hauptgläubiger den Haupt­ schuldner wieder befreien. H)er bairische Entwurf (Art.33.34.) greift wieder zurück in daS römische Recht. Der Dritte darf erst betreten nach vorheriger Auf­ forderung der beiden Kontrahenten, und der Promissar hat gegen den Promittenten nur ein Klagerecht, wenn er ein eignes Interesse an der Ersülllmg hat. DaS Deutsche Hand. G. B. hat keine allgemeine Bestimmung über solche Verträge. Ja einem ganz speziellen Falle (Art. 405.) giebt eS dem Dritten eine Klage in eignem Namen gegen den Promittenten, sei es, daß er mit der Klage ein eignes oder formelles Jntereffe geltend mache.

,7) §. 391. J, 5. **) Bornem. II, S. 232. Note 2. Heydem. S. 203. Note 332. Pms. 14. S. 59. Beseler, Pr.R- II. S. 294. Note 14.

Ges. Revisor,

Di« btfanberen Privattechte.

Swift« Buch.

410

Vermehrung seines Vermögens

ohne Gegenleistung

zuwendet").

Es

gehören nicht hierher die zahlreichen Fälle, wo der Schuldner dem Gläu­

biger verspricht, des letzteren Schuld an einen Dritten zu übernehmen und zu berichtigen, der Dritte also nur das empfangen soll, was ihm schon rechtlich zukommt"). Ein Dritter ferner ist nur derjenige, der

bei dem Vertrage unbetheiligt, also nicht durch den Gläubiger (Promissar) vertreten ist“).

Gläubiger und Schuldner müssen vielmehr den Vertrag

als ihren eignen abschließen.

Das preußische Recht verlangt nicht — und

hierin stimmt es mit der neueren Praxis — ein besonderes Interesse deS

Gläubigers an dem Vertrage oder an der Leistung an den Dritten. Gleich­ wohl wird anzunehmen sein, daß das Versprechen, dem Dritten zu leisten, dem Gläubiger selbst in klagbarer Weise gemacht, daß für dieses Ver­ sprechen ein RechtSgrund (eine causa) vorliegen muß.

Denn sonst wäre

zwischen Gläubiger und Schuldner überhaupt kein Vertrag zu Stande ge­ kommen, und könnte auch nicht zu Gunsten eines Dritten wirken.

Aber

strenger als die jetzige deutsche Praxis ist es darin, daß es dem Dritten durch den Vertragsabschluß noch gar kein Recht giebt, sondern dies an seine beitretende Erklärung anknüpft, und diese auch nur mit Bewilligung

der Hauptparteien gestattet.

Letztere sind daher dem Dritten gegenüber

so lange nicht an den Vertrag gebunden, bis sie ihn zum Beitritt aufge­

Diese Aufforderung gilt als VertragSanerbieten.

fordert haben.

Dadurch

wird aber, wie Befeier") richtig hervorhebt, der Vertrag nicht bloß für

den Dritten,

sondern auch für Denjenigen, der sich den Vortheil deS

Dritten hat versprechen lassen, leicht illusorisch gemacht, weil der einseitige Widerspruch deS Versprechenden die Wirkung desselben verhindert.

Und

dann hebt auch das Erfordern iß des ausdrücklichen Beitritts, durch den der Dritte das Recht erst erwirbt, die Natur dieses Vertrages wieder auf,

indem der Dritte aufhört ein solcher zu sein, der Vertrag zu seinen Gun­ sten erst giltig wird, wenn er Mitkontrahent geworden.

So ist man nicht

wesentlich weiter gekommen, als nach römischem Recht, und die Hemmung

deS Verkehrs macht sich um so störender geltend, als die Sätze des A.L.R.

") «usch S. 6.

’") Dagegen will Bähr (S. 170 f.) gerade die Schuldltbernahme al» die häufigste An­ wendung be« Grundsatzes, daß nach neuerem Recht zu Gunsten Dritter paciscirt werden könne, ansehen. Die« ist aber entschieden unrichtig. Bei solchen «ertrügen denkt der Promissar so wenig an das Interesse des Dritten (seines Gläubiger«), daß er vielmehr nur sein eigenes Interesse, von der Schuld frei zu werden, im Auge hat, und ob dem Gläubiger de« PromiffarS daran« ein Vortheil erwächst, daß er noch den Stipulator als Schuldner erwirbt, ist etwas ganz Zufällige»; wenn der Stipulator zahlungsunfähig ist, fällt der Vortheil gewiß weg. Deßhalb hat mit Recht Delbrück (Schuldllberuahine S. 98.) die Zusammenstellung der Schuld­ übernahme mit Verträgen zu Gunsten Dritter abgewiesen. ") Busch S. 26 s. ”) Pr. R. II S. 295.

§. 75.

Lrttragsabschlüffe zum L ertheil Dritter.

411

in gewohnter Weise abstrakt hingestellt sind, so daß kamn eine Ausnahme zulässig erscheint, wie sehr auch das tägliche Leben dazu drängt.

Wichtig

ist eS daher, zu sehen, wie die preußische Praxis diese Bestimmungen bis­ her gehandhabt hat.

1. Zunächst hat sie daran fest gehalten, daß dieselben sich nur auf Verträge zum Vortheil Dritter beziehen.

Die Uebernahme der Schuld

deS einen Kontrahenten an den Dritten zählt sie nicht hierher"), ebenso wenig die Uebernahme der Reallasten von Seiten deS Käufers").

In

beiden Fällen erlangt der Dritte keine neue Berechtigung, sondern es wird ihm nur seine bisherige erhalten.

Dagegen ist eS ein Vertrag zu Gunsten

des Dritten, wenn die Konttahenten verabreden, daß ein bisher zinsloses

Kapital, welches dem Dritten gehört, ihm fortan verzinset werden soll"), oder wenn die Hauptparteien verabreden, daß der Schuldner die Schuld seines Gläubigers an den Dritten übernehmen, aber nicht zu des Letzteren

Nachtheil mit einer ihm gegen diesen zustehenden Forderung kompensiren solle"). 2. Die Praxis bestimmt den Begriff des Dritten dahin, daß nicht ein Fall der Stellverttetung vorliegen darf.

So ist z. B. der Ver­

pächter, soweit er durch den Pächter vertreten ist, kein Dritter"). 3. Der Nachweis eines besonderen Interesse auf Seite desjenigen Kontrahenten,

der sich den Vortheil des Dritten hat versprechen lassen, ist nicht erfor­ derlich, er hat auch ohne dieses eine Klage auf Erfüllung des Vertrages").

Der Versprechende (der Schuldner) ist unbedingt gebunden, der Gläubiger kann die ihm daraus erwachsende Klage cediren").

Widersprechend hier­

mit ist eine andere Entscheidung des Obertribunals"), welche die Klage

des Gläubigers, der sich vom Schuldner die Verzinsung eines einem Drit­ ten gehörigen Kapitals hatte versprechen lassen, auf Zahlung der Zinsen und

Anerkennung dieser Verpflichtung abgewiesen hat, weil der Gläubiger diese

Zinsen nicht für sich fordern könne.

Dieser Ansicht steht entgegen, daß

der Schuldner dem Gläubiger gegenüber sich zur Verzinsung verpflichtet

hatte, und daß dieser Vertrag ein Klagrecht auf Erfüllung erzeugen muß. 4. Beide Kontrahenten sind durch den Vertrag gebunden, einseitig kann

keiner zurücktreten, aufgehoben oder abgeändert darf er nur werden im beiderseittgen Einverständniß").

,J) ") ’*) ") ”) ”) ") 3") ’•)

Es ist hierbei ohne Einfluß,

ob beide

Entsch. B. 26. S. 8. Simon u. v. Strampss Recht-sprüche 1, S. 118. Sn,sch. B 16. S. 196. des. S. 202. a. E. Strieth B. 4. S. 252. Präj 1406c. (Sammt. I, S. 60.) Sntsch. B. 27. S. 316. a. E. Entsch- B. 12. S. 150. B. 14. S. 76. Enlsch. B. 14. S. 76. Strieth. B. 4. S. 253. I, 5. §. 391. Entsch. B. 26. S. 12. Strieth. B.30. S. 122.

412

Zweite« Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Kontrahenten, oder nur der eine den Bortheil des Dritten beabsichtigt.

E» stehen daher solche Berttäge unter dem allgemeinen Grundsatz, daß nach dem Abschluß ein einseitiges Aufheben oder Aendern überhaupt nicht statthaft ist, und nur in Beziehung auf den Dritten ist hier deS besonde­

ren Recht- zum Rückttitt Erwähnung geschehen").

5. Der Beitritt deS

Begünstigten ist bedingt durch die Bewilligung der Hauptparteien, indessen

genügt eS, daß nur diejenige Hauptpartei den Beittitt bewilligt, welche allein den Bortheil deS Dritten sich hat versprechen lassen").

6. Die

Aufforderung der Hauptparteien an den Dritten, dem Vertrage beizutreten, bedarf nicht der schriftlichen Form"). 7. Wie vor dem A.L.R., so hat auch noch nachher die Praxi- darüber gcschwantt,

ob der Beitritt deS

Dritten zu dem Vertrage eine ausdrückliche Erklärung verlangt, oder auch

durch schlüssige Handlungen, z. B. Annahme der Zahlung erfolgen könne. Ein Erkenntniß vom Jahre 1816 ”)

nahm letzteres

aber die Praxis sich dahin entschieden"),

an.

Seitdem hat

daß der Beittitt ausdrücklich,

und zwar, wo es erforderlich ist, in Schristform erklärt werden muß, daß

weder Klagerhebung noch Zahlungsannahme genügt.

Dagegen ist ein von

allen Interessenten unterschriebener Auszug aus dem zum Vortheil eineDritten abgeschloffenen Vertrage als ausreichender Beweis dafür ange­

nommen worden, daß der Dritte dem Verttage mit Bewilligung der

Hauptparteien beigetreten sei, obschon der Auszug keine beitretende Erklä­

rung deS Dritten, sondern nur die Stipulation der Hauptparteien zu sei­ nen Gunsten enthielt ’’). 8. Daß der Dritte, sobald er durch seinen Bei­ tritt das Recht erworben, es auf seine Erben überttägt, kann nicht zwei­ felhaft sein, auch kann er eS, wenn eS an sich cessibel ist, gewiß veräußern. 9. Welche Klage der Dritte gegen den Schuldner erwirbt, ist, wenn sein

Recht an einen von den Hauptparteien zu bewilligenden Beitritt geknüpft ist, keine praktisch wichtige Frage.

Diese BeittittScrklärung ist eine ver­

tragsmäßige, erzeugt also selbst eine Klage. Ihr kann der Schuldner alle Einreden entgegensetzen, die er der Klage deS Hauptgläubigers hätte ent­ gegensetzen können. 10. So allgemein und ausnahmslos nun auch die Bestimmungen des A.L.R. über solche Verttäge sind, so hat die preußische Praxis doch in einem Falle dem andrängenden Bedürfnisse deS Leben-

nachgeben und eine Ausnahme für ein Geschäft gestatten müssen, welcheden Römern ftemd, wesentlich deutschen Ursprungs ist.

“) JI) ") ”) “)

Durch Plenar-

Smsch. B. 39. S. 36. Smsch. B. 10. S. 341. bef. S. 349. u. §. 391. I, 5. Ä.L R. Entsch. B. 26. S. 9.12. Rechtspr. 8. 1. S. 118. Tntsch. 8.10 S. 354. (f. §. 153. 1, 5. A.L.R'» Rechtspr. B. 3. S. 166. Recht», fällt «. 1. S. 167. 31) Strieth. B. 7. S. 132.

tz. 75.

BertragSabschlüffe zum Vortheil Dritter.

413

beschluß vom 25. August 1846 (Präjudiz 1770.) ist ausgesprochen: „wenn

ein Vater in dem mit einem seiner Kinder abgeschlossenen GutSüberlassungS-

vertrage seinen anderen Kindern Abfindungen ausgesetzt hat, so kann der GutSannehmer dem die Abfindung einklagenden Kinde nicht entgegensetzen,

daß eS dem Vertrage nicht beigetreten fei" ”).

Hier soll also das Klage­

recht des begünstigten Kindes durch den Vertragsabschluß zwischen dem Vater und dem GutSübernehmer unmittelbar begründet sein, ohne daß eS seiner mit Bewilligung der Hauptparteien abzugebenden Beitrittserklärung bedarf.

Die ältere Praxis hatte dergleichen Klagen abgewiesen, aber die

dadurch nicht zu überwindende Ueberzeugung, namentlich des Landvolks,

von der unmittelbaren Giltigkeit solcher Verträge für den Dritten hatte zu Härten und offenbaren Ungerechtigkeiten geführt").

Es war dadurch

eine nochmalige Prüfung veranlaßt, diese aber von vornherein dadurch auf

einen bestimmten Weg gewiesen, daß an einem anderen Ort daS A.L.R.

bestimmt"): Verträge, wodurch Eltern ihr Vermögen schon bei Lebzeiten

ihren Kindern abtreten, sind blos als Verträge unter Lebenden anzusehen, denn diese Vorschrift machte die Erklärung unmöglich, daß

durch solche

Geschäfte eigentlich nur eine s. g. anücipirte Erbfolge geordnet werde, und

auf die Anwendbarkeit des §. 75. d. T. war man dadurch um so mehr hingewiesen.

Allein daS Obertribunal schließt dieselbe wesentlich deshalb

aus, weil die Eltern, also auch die Mutter, sowie der Großvater, und wie eine spätere Entscheidung ausführt*'), selbst die Großmutter, bei diesen

Verträgen ihre Kinder vertreten.

Durch sie nehmen die Kinder mit­

telbar an der BertragSschließung Theil.

Auf diesem Wege tritt in Be­

treff solcher Rechtsgeschäfte die preußische Praxis

der gemeinrechtlichen

nahe, aber eS muß bemertt werden, daß, wenn diese Verträge unter den

Gesichtspunkt der Stellvertretung gebracht werden, eS sich nicht um eine Ausnahme von §. 74 fg. handelt, sondern um einen Fall, der überhaupt nicht hierher gehört"). In Betreff des Vaters ist vermöge seines Ge­ waltverhältnisses die Annahme der Stellvertretung auch gewiß zulässig").

Koch'S Widerspruch darum,

daß

hiergegen ist unbegründet.

der Vater

bei

dem Verttag zwei

ES handelt sich nicht

„einander gegenüber­

stehende" Personen vorsteüen soll, er und daS begünsttgte Kind stehen sich einander nicht gegenüber: beide stehen auf derselben Seite, dem GntS-

») 6ntf) 1,12. §. 656.

**) Strieth. 8. 30. S. 150. *•) A. M. Heydem. S. 205.

Koch, Komment. Rote 69. zu §. 75. d. T.

"i Sehr zweifelhaft ist dagegen die Annahme einer Stellvertretung durch die Mutter »der Großmutter. Da« sind nur Konzessionen gegen da- Bedürfniß.

3»dtd Buch.

414

Dir besonderen Privatrechte.

Übernehmer gegenüber, der Vater schließt für sich und für fein abwesendes Kind, als dessen Vertreter, nicht zwischen sich und diesem den Vertrag ab.

Der Plenarbeschluß des Obertribunals findet folgerecht seine Anwen­

dung auch in den Fällen, wo daS vertretene Kind bereits großjährig und

au- der väterlichen Gewalt getreten, nicht bloß bei Geldabfindungen, son­

dern auch bei Abtretungen vom Gut selbst*4), nicht bloß wenn der GutSübernehmer ein Kind, sondern auch wenn es der andere Ehegatte ist4'),

und man wird hinzusetzen müssen,

worüber sich die Praxis bisher noch

nicht ausgesprochen hat: auch dann, wenn das Gut an einen Fremden veräußert wird, denn auch hier vertritt der Veräußerer sein Kind, dem er eine Abfindung bedingt. Und weil in der Stellvertretung der entschei­ dende Grund gefunden wird, so muß auch die Ehefrau, zu deren Gunsten

der Mann bei der GntSveräußerung eine Abfindung bedungen hat,

Klagerecht erwerben, ohne daß eS ihres Beitritts bedarf").

ein Endlich wird

die weitere Konsequenz des Satzes nicht abzulehnen sein, daß er nicht aus Verträge über Grundstücke (Gutöüberlassungen) zu beschränken,

sondern

auf alle Verträge anzuwenden sei, in denen Eltern oder Großeltern, oder

ein Ehemann zu Gunsten der Kinder, Enkel oder Ehefrau eine Zuwendung bedingen, denn überall liegt der gleiche Grund einer Stellvertretung vor,

obschon da» Obertribunal ihn als eine Konzession an die den deutschen Rechtsgewohnheiten angehörenden Gutsüberlassungsverträge anzusehen ge­

neigt ist.

Dann aber hätte seine Rechtfertigung eine andere sein müssen.

Wenn nun aber nach der Ansicht des Obertribunals das Klagerecht des begünstigten Kindes nicht von seinem ausdrücklichen Beitritt, auch nicht

davon abhängt, ob es durch den Tod des Vaters ein unwiderrufliches ge­ worden, also noch zu dessen Lebzeiten gebraucht werden kann, so entsteht

von selbst die Frage, ob der Vater (Ehemann u. s. w.) die Zuwendung widerrufen, ob er in diesem Punkt mit dem GutSiibernehmer den Vertrag ändern kann.

Busch") bestreitet den einseitigen Widerruf für die ge­

meinrechtliche Praxis, „denn Niemand wird vernünftigerweise in einem Athemzuge einem Dritten ein Recht ausbedingen und dieses wieder auf­

heben wollen," giebt aber zu, daß beide Hauptkontrahenten den Vertrag, ehe der Dritte chn angenommen hat, wieder ausheben können.

Die» ist

von seinem Standpuntt eine Folgewidrigkeit, denn wer die Vollendung

, deS RechtSerwerbS des Dritten in den Moment des Vertragsabschlusses verlegt, kann eine spätere Aufhebung dieses Rechts ohne dessen Willen

nicht mehr zugeben. Dieselbe Erwägung hat auch in der preußischen Praxis

") ") ") *’)

Stritlh. B. 10. S. 9. Strielh. B. 23. S. 339. Sntsch. v. 38. S. 26. Strieth. B. 27. S. 297. S. 37 s. 53 s. gestützt aus die Kasseler Praxis, S. 30.

|. 76. b. Iuhaü nnb Oegenflanb.

416

einigen Gerichten zweiter Instanz Beranlaffung gegeben, an- jenem Plenarbeschluß deS Obertribunals die Folgerung zu ziehen, daß ein späterer

Vertrag nicht mehr das aus dem ersten erworbene Recht dem begünstigten

Dieser Folgerung ist jedoch da- Obertribunal

Kinde entziehen sönne48).

entgegengetreten und hat auch für diese Fälle den Satz aufgestellt,

daß

vor dem Beitritt deS abgefundenen Kindes zu dem Verttage derselbe von

den Hauptparteien willkürlich geändert werden könne.

Dieser Satz steht

mit der Mottvirung deS Plenarbeschlusses nicht in Widerspruch und muß für richttg gehalten werden.

ES handelt sich hier nicht um eine übertra­

gene Stellvertretung, wie bei dem Mandatar durch Berttag, bei dem Vor­ mund durch Gesetz, sondern um eine Stellvertretung, die der Vater frei­

willig übernommen, zu der er vermöge seiner Gewalt berechttgt, aber nicht verpflichtet war.

Darum paßt hierher die Regel nicht, daß das vom

Stellvertteter dem Vertretenen bereits erworbene Recht diesem von jenem

nicht mehr willkürlich entzogen werden darf4').

§. 76.

b. Inhalt und Gegenstand.

Unterholjner I. S. 83.

Arndt« S. 376.

Siateni» II. S. 278.

ES ist oben gesagt worden: der Inhalt ist bei der Obligation die Beherrschung und Unterwerfung des Willens einer Person, der Gegenstand

ist die Leistung').

Daraus ergiebt sich, daß im Allgemeinen der Inhalt

nicht näher erörtert werden kann; er richtet sich nach der Natur der ein­

zelnen Obligation, nach der Art und Weise, wie dieser oder jener Berttag

den Willen bindet.

ihn.

Der besondere BerpflichtungSgrund (causa) bestimmt

So ist die Willensherrschaft eine andere bei einseitigen und gegen«

fettigen, freigebigen oder belastenden Verträgen, bei dem Kauf, der Miethe u. s. w.

Der Inhalt wird hiernach dem Verttage theils durch die Will­ kür der Parteien8), theils ist er ihm durch feine gesetzlichen Merkmale

gegeben').

So weit die erstere an den letzteren nichts geändert hat —

und sie darf dies nur so weit, daß das Wesen des Verttages noch erhal­ ten bleibt4) — werden diese Merkmale als sich von selbst verstehender

Inhalt desselben angenommen8). ") Entsch. B. 34. S. 41.

Strieth. B. 25. S. 128 f. - ") §. 392. 1, 5. A.L.R.

') §. 61. S. 311. *) 1.138. §. 1. D. XLV, 1.: diversa causa voluntatis expressae et ejus quae inest. 1.1. §. 6. D. XVI, 3.: contractus enim legem ex conventione accipiunt. 3) 1. 5. §. 4. D. XIX, 5.: potest mandatum ex pacto etiam naturam suajp excedere. 4) 1.1. §. 45.46. D. XVI, 3. 1. 12. pr. D. XLIII, 26. 1. 6. D. XLI, 6. 1. 36. D. XVin, 1. 1. 27. D. XXXIX, 6. 5) 1.11. §. 1. D. XIX, 1.: quod si nihil conrenit, tune ea praestabuntur quae naturaliter insunt.

416

Zweite» Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Auch über den Gegenstand der Verträge ist Besondere- nicht mehr hervorzuheben,- eS kommen hier die oben erörterten Regeln der verschiede­ nen Arten der Leistungen, ihrer Bestimmtheit, Möglichkeit, Theilbarkeit,

ihrer Unterscheidung in Haupt- und Nebenleistungen in Anwendung**).

Der

Erwähnung bedürfen nur die Fälle, wo nach preußischem Recht verboten ist, eine Leistung zum Gegenstand des Vertrages zu machen').

Nichtig

nämlich sind Verträge, durch welche man seine persönliche Freiheit auf-

giebt'), sich zur Ehelosigkeit über ein bestimmtes Alter — bei Männern das 30., bei Frauen das 25. Lebensjahr') — oder zur Bewahrung des

WittwcnstandeS ") verpflichtet, seine Gewissensfreiheit bindet"), die freie GewerbSthätigkeit beschränkt"); ferner Verträge, durch welche kulturschäd­

liche Berhältniffe an Grundstücken begründet"), oder unablösbar ihnen Lasten auferlegt werden"), Ueberlassungen von Grundstücken zu s. g..ge­

theiltem Eigenthum (Lehn, ErbzinS, Erbpacht)");

Verträge über Kon­

ventionalstrafen gegen Freiheit und Ehre"); Darlehne und Schenkungen

zu verbotenen Zwecken (Spiel und Wette), oder zur Beförderung uner­

laubter Handlungen"); Verträge, einen vorsätzlich zuzufügenden Schaden nicht zu ersetzen"); Verkauf einer noch nicht angefallenen Erbschaft");

Verträge, die dem Gläubiger Selbsthilfe einräumen").

‘) Obm §. 65-68. T) »och, R. d. F. II. S. 345 f. •) A.L.R. I, 4. §. 13. Edikt v. 9. Oktober 1807 §. 10. «ulturedik« v. 14. Sept. 1811 §. 7. 54. *) 1,4. §.10. Vertrag über Auslösung einer Ehe. Seusserl VIII, 25. '") I, 4. §. 11. ") I, 4. §. 9. I, 12. §. 63. S. oben §. 28. S. 144. Note 11. ") »ab. Ordre v. 19. April 1813 (Ges.S. 69 ). Gewerbe.Ordn. v. 17. Januar 1845 §. 1-3. Präj. 1220. Entsch. B. 8. S. 112. B. 11. S. 197. B. 28. S. 433. Selbst die älterm vertragsmäßigen Beschränkungen sind beseitigt. Zugleich giebt diese Entsch. ein Beispiel dasür, was nicht al« Gewerbsbeschränkuog auszufasien. S. auch Strieth. B. 47. S. 104. B. 48. S. 282. ’’) »ulturedikt v. 14. Septbr. 1811 §. 2. 7. Ablös. Ordn. v. 7. Juni 1821. Einl. ii. §. 29. P.O- v. 20. Juni 1817 §. 15.43. '*) Ablös. Ges. v. 2. März 1850 §. 91. ") Daselbst §. 2. Lersaffungsurk. Art. 40. ") I, 5. §. 297.298. ") I, 11. §. 581.714. 715.1070.1071. ") 1,16. §. 400. I, 20. §. 240.241. ") 1,11. §. 446. ") «och S. 347. Note 11. A.L.R. Einl. §. 77.78.

§. 77.

1.

Anbietm und Annehmm

417

c. Dir Willradeinigang. §. 77. A L.R.I, 5. §. 78-108.

S. 335 s.

1. Aubirtru und Lnarhmeu.

1,11. §.988-995.

Vornem. Rechttgesch. S. 224.

R. II S. 173.502.

R. d. F. II. S. 73 f.

271. — Unterholzner L @. 53 f.

teni« 2. A. II. S.244 s.

He,dem. I. S. 205f.

«ruchotl.

System II. S- 241 f.

Rod), Pr.

III. S. 1014.

v. Daniel« I. S-

Saviguy, System VIII. S. 235.

Sio»

Arndt« 4. A- §.231. S.371. v.Wening.Ingen«

heim im civil. Arch. II. S. 25.

Hasse im rhein.Mus.il. S. 371.

v. Scheuet,

Beiträge I. S-301. u. in Gerber ». IHering'« Jahrbüchmi II. S. 248. Bekker in s. u. Muther'» Jahrbuch II. S. 342.

Schütze über Auslobung inBekker'«

u. Muth er'« Jahrb. B.5. S. 33 f.

Da- erste und wesentlichste Erforderniß für die Vollendung eineSchuldvertrages besteht darin, daß die Personen, die ihn unter sich ein­ gehen wollen, über seinen Inhalt und Gegenstand vollständig einig wer­ den'), daß grade so weit und grade in der Art, wie der eine Theil ver­ pflichtet sein will, der andere berechtigt sein will, und daß jedem Theil dieser Wille des anderen kundgethan wird. Es ist hier an den Satz zu erinnern, daß der Wille, so lange er nur innerliches Moment ist, auf dem Gebiet des Rechts noch nicht berücksichtigt wird. Die Willenseinigung muß eine entsprechende Willenserklärung zur Folge haben'). Die eigentliche Vertrag-Handlung, welche die Willenseinigung Hervor­ rufen soll, besteht aus zwei Akten: dem Anbieten und Annehmen'). Derjenige, welcher sich verpflichten will, bietet an oder verspricht; der­ jenige, welcher dadurch berechtigt werden soll, nimmt diese- Anerbieten oder Versprechen genau so an, wie eS ihm gemacht worden. Anbieten und annehmen kann man durch ausdrückliche Erklärungen oder durch Hand­ lungen, welche die Absicht und den Inhalt eines Versprechen- klar machen oder die Annahme de- Versprechen- vorau-setzen'). So lange über Um*) l 1. §. 3. D. II, 14.: nullum esse contractum, qui non habeat in so Conven­ tionen» : nam et stipulatio, quae verbis fit, nisi habeat consensum, nulla est. „Wechselseitige Einwilligung" in §. 1. I, 5.

') Strieth. II. S. 52. ') sh 79. d. T. (I, 5.)

4) §. 81. 82. d. T. D. H. G. B. Art. 337. Handlungen können nur die Annahme eineversprechens darstellen, wenn nicht zur Giltigkeit de- Vertrages schriftliche Form ge­ hört. Rechtspr. B. 1. S. 119.123. Die bloße Zusendung eine- Schuldschein- und der stillschweigende Empfang desselben ist keine Annahmehandlung. Entsch. B. 9. S. 213. 222. Zur Bürgschaft genügt stillschweigende Annahme des Gläubigers. §. 204. I, 14. Lnlfch. B. 12. S. 233. 235. Die bloße Unterzeichnung einer Berficherung-.Police genügt nicht. Strieth. II. S. 52f. Wenn die Bedingung deLnerbietenS erfüllt worden, so ist der Vertrag durch stillschweigende Annahme zu Staude gekommen. Strieth. XXVII. S. 145. «och, R. d. F. IL S. 93 f. In der Anstellung der Klage au- dem versprechen liegt nicht dessen Annahme, sie Foerster, Preuß. Privatrecht.

27

Zweite« Buch.

418

Die besonderen Privatrechte.

fang unb Inhalt deS Anerbietens und der Annahme eine Verschiedenheit

besteht, können zwar noch vorläufige Verhandlungen zwischen beiden

Theilen schweben,

diese haben aber an sich keine verbindliche Kraft').

Von solchen s. g. Tractaten sind verschieden die vorbereitenden Verabredungen (pacta de contrahendo), welche, weil sie schon Verein­

barungen geworden sind, gegenseitig binden und zwar dahin, daß der eigent­ liche Vertragsabschluß nachfolgen müsse.

Daraus ergiebt sich aber, daß

derartige vorbereitende VerabredUllgen im heutigen Recht, wo alle Ver­ träge als Konsensualverträge aufgefaßt werden, ihre Bedeutung verloren

haben: der vorbereitende und der Hauptvertrag fallen zusammen').

Nur

soweit man noch von Realverträgen sprechen kann, d. h. von solchen, deren Inhalt durch Geben und Zurückgeben erschöpft wird, mag der Verab­ redung, geben zu wollen, eine selbständig verbindende Kraft beigelegt wer­

den — aber auch hier ist streng genommen die daraus hervorgehende Klage auf das Geben die Klage auf Erfüllung. Die Bedeutung der Punktation ist im preußischen Recht eine andere; sie bezieht sich auf die Vollendung der Form und muß daher in anderem Zusammenhang erörtert werden. Versprechen und Annehmen kann in umgekehrter Reihenfolge statt­

finden: dann frägt derjenige, welcher sich versprechen lassen will, den an­

dern, ob er sich verpflichten wolle, und in dieser Anfrage liegt die voraus erklärte Annahme, in der bejahenden Antwort oder in der Bewilligung

des Verlangten paS Versprechen, was nun keiner weiteren Annahme be­ darf').

Durch die unbedingte und uneingeschränkte Annahme erwirbt man

das angebotene Recht, nicht mehr und nicht minder;

eine bedingte oder

eingeschränkte Annahme ist keine und der Anbietende kann sein Anerbieten

zurücknehmen"). Anbieten und Annehmen fallen häufig der Zeit nach auseinander, meist wenn die Parteien sich an verschiedenen Orten aufhalten, und eS ist von besonderer Wichtigkeit, festzustellen, in welchem Moment die Willens­

einigung sich vollendet hat, um zu beurtheilen, wann der Vertrag zu Stande gekommen.

Daö römische Recht enthält über die Zeit der Annahme keine

Bestimmung, weil die regelmäßige Form der Willenseinigung,

die Sti-

muß derselben vorausgegangen sein. Heuser, Annal. I, 543. Wird der Vertrag durch einen Boten abgeschlossen, so sind nur diejenigen Erklärungen verbindlich machend, welche dem Boten in der Absicht ausgesprochen sind, daß sie dem anderen Kontrahenten bestellt werden. Seuffert V, 116. Ueber stillschweigende Einwilli­ gung das. 117. *) Unterhol,ner I, S.55. Arndt« S. 371. Koch, R. d. F. II, 70 s. (nicht, wie im Register steht, HI, 298.). •) Dresdener Annal. V, 452. §.82. d.T. Seuffert B. 4. Nr. 33. Koch, R. d. F. S. 74. Die römische Stipulationsformel: spondesne, epondeo. •) §. 83—85. d. T. Deutsche» H.G.B. Art. 322. Dresdener Annalen I, 127. 473.

§ 77.

1.

Änbidnt nnb Annehmm.

pulation, die Frage nicht aufiommen

ließ').

419

Erst die gemeinrechtliche

Praxis hat für Verträge unter Abwesenden Normen auffiuden müssen") und die dabei hervorgetretenen Zweifel haben die neueren Ge­ setzgebungen, voran daS A.L.R., zu beseitigen versucht.

Die Annahme des Versprechens muß, wenn sie gegen deu Anbieten­ den verbindliche Kraft haben soll, zur „gehörigen" Zeit geschehen"). Zu­

nächst hat der Versprechende daS Recht, die Zeit zu bestimmen, innerhalb

welcher die Annahme erfolgen soll, und dies selbst dann, wenn dem Gut­ befinden deS anderen Theils die Zeit zur Erklärung anfänglich überlaffen war.

Soll diesem eine eigentliche Bedenkzeit zu einem gewiffen Zweck zu­

stehen, so darf der Anbietende sie nicht zweckwidrig verkürzen.

Die vom

Anbietenden gesetzte Frist ist maßgebend für Verträge unter Gegenwärtigen und Abwesenben. Wird sie nicht innegehalten, so gilt daS Anerbieten als

nicht geschehen ").

Ist aber eine Frist nicht gestellt, so muß da» Gesetz bestimmen, welche Zeit die „gehörige" zur Annahme ist"). Hier ist die Regel: die Annahme muß immer sofort erklärt werden; eine Bedenkzeit kann nur vom An­ bietenden bewilligt werden, sie versteht sich niemals von selbst.

Dieses

Sofort hat bei mündlichen Anträgen, dem Vertragsabschluß unter Gegen­ wärtigen, ohne Weiteres zu erfolgen — aber bei schriftlichem Anbieten “),

dem Vertragsabschluß unter Abwesenden, muß der Zeitraum zwischen der

Absendung deS Anerbietens und dem Empfang der Antwort darauf noch

in Berücksichtiguyg kommen.

Auch hier zwar hat der Abwesende, der das

Anerbieten erhält, kein Recht auf besondere Bedenkzeit, auch er muß sofort antworten — aber dieses Sofort bedarf einer näheren gesetzlichen Präzision. Bei Personen an demselben Ort darf der Zwischenzeitraum 24 Stunden

nicht übersteigen "); bei Personen an verschiedenen Orten muß mit nächster

’) Di« folgt au- dem Wesen der Stipulation.

Koch, R. d- F. II. S. 80.

*") Koch S. 81 f., wo sich dogmengeschichtliche Notizen finden. ") §.90 ff. d. T.

Brrgl. Seufsert VI, 168.

“) Auch sofortige Ablehnung vernichtet da» Anerbieten, man darf nicht hinterher noch innerhalb der Restfrist annehmen. Entsch. B. 33. S. 30. Strieth. B. 21. S. 71. Die Ablehnung einte schriftlichen Anerbieten» bedarf nicht der schriftlichen Form. Äntsch. das. '*) §. 94 ff. d. T. D. H.G.v. Art. 318. '*) Dem steht gleich die mündliche Bestellung durch einen Boten. Wenn Koch, Kom­ ment. Note 82. zu §.99. d. T. sagt, der Bote sei nicht Stellvertreter beider Theile, sondern Beauftragter de« Absenders und schließt als solcher dm Vertrag mit dem Andem ab, so ist dies eine schiefe Aussaffung. Daß er nicht Stellvertreter beider Theile sein kann, versteht sich von selbst; man mag den Botm den Beauftragten de» Absender» nennen, aber er ist auch nicht dcssm Stellvertreter und schließt nicht den Bertrag ab. Nimmt er die mündliche Antwort zurück, so ist er Beauftragter beider Theile. Er ist, wie der Bries, nur ein Mittel, Surrogat der mündlichm Erklärung unter Gegeuwärtigm, nicht selbständig handelnd. *•) D- h. die Annahme muß innerhalb de« nächsten Tages erklärt werdm, keine Rech.

27*

420

Zweite« Buch.

ordentlicher") Gelegenheit

Die besonderen Privatrechte.

geantwortet werden, mit nächster Post oder

durch den zurückkehrenden Boten.

Daß Koch hier noch eine vierund­

zwanzigstündige Bedenheit einschieben will, ist ungerechtfertigt in der Sache

und nicht unterstützt durch da- Gesetz"). Weil aber ferner bei dem Vertragsabschluß zwischen Abwesenden auch

der Entschluß zur Annahme der Zeit nach immer von dem Moment ver­ schieden ist, wo dieser Entschluß zur Kenntniß de- Anbietenden zurückge­

langt, so ist zur Beantwortung der Frage, wann eigentlich der Vertrag abgeschlossen ist, noch eine weitere Bestimmung nöthig:

entweder nämlich

in dem früheren Moment, wo der Empfänger de- Anerbietens sich ent­

schließt, es anzunehmen und diesem Entschluß die äußere Erkennbarkeit zu

geben beginnt, indem er die Antwort niederschreibt, den Brief schließt und zur Post befördert — oder in dem späteren Moment, wo dieser Brief in

die Hände deS Anbietenden gelangt.

Von Entscheidung dieser Frage hängt

die weitere, praktisch wichtige Frage ab, bis wann ein Anerbieten wider­

rufen werden darf.

Für beide Zeitpunkte sind Vertheidiger aufgetreten

und noch dürfte der Streit nicht als entschieden anzusehen sein. Wer in jenen früheren Zeitpunkt den Vertragsabschluß verlegt"), verkennt zwar zunächst nicht den Grundsatz, daß der Entschluß zum An­

nehmen schon aus der Innerlichkeit zu einer äußeren Erkennbarkeit über­

gegangen sein muß;

deßhalb muß bereits dasjenige geschehen sein,

nöthig ist, um den Entschluß dem Anbietenden kund zu thun.

was

Weil aber

die Willenseinigung von dem Moment an vorhanden sei, wo der Empfän­ ger deS Versprechen- sich zum Ja entschließt, und dieses Ja zu einem

sinnlich wahrnehmbaren macht, so müsse, behauptet man "), auch von die­ sem Moment der Vertragsabschluß datiren, wenngleich der Anbietende noch

nicht weiß, daß diese Willenseinigung erreicht worden; denn dieses Nicht­ wissen sei nicht Bewußtlosigkeit über die Einigung, weil diese schon in

dem Willen deS Anbietenden lag,

als er den Vorschlag machte.

Das,

was er als Zukünftiges und Mögliches bereits in seinem Bewußtsein trug, nnng von Moment zu Moment, der Tag ist auf dem Rechtsgebiet der kleinste Zeit­ theil. Oben §. 45. S. 203. Entsch. B. 12. S. 395. §. 47. I, 2. A. L.R.

ie) Telegramm ist nicht eine ordentliche Gelegenheit; auf solche Antwort hat der An« bietende keinen Anspruch. Schering, Archiv B. 3. S. 434. ,7) R d. F. II, S. 88. Ebenso Bornem. II. S. 245. Daniels I. S. 273. Note 4.

Die richtige Anficht

bei

l8) Diese Ansicht vertreten Puchta §.251. tehrb. u. Bortes. B. 2., besonder- scharf Thöl, Handel-r. B. 1. S. 197., neuerdings auch Scheurl, nachdem er seine abweicbende frühere Meinung (Beiträge I. S. 307.) abgegeben (bei G. u. Ih. a. a. O. S. 257. a. E.), von den preuß. Juristen Gruchot a. a. O. S. 338. Bornem. Recht-gesch. 'S. 230. Syst. B. 2. S. 442.443. Plathner, Geist de- pr. Pr. R. I. S. 159. Dagegen nicht mehr Koch, da er Komment. Note 71. zu §. 80. d. T. die Ansicht de- Ö.Trib. billigt. ") Siehe über die Ausführung dieser Meinung bes. Scheurl bei G. u. Ih. a. a. O. S. 252 s. Seuffert II, 160. VH, 16. XVI, 203

§. 77.

1. «n bieten und Aunehmeu

421

wird durch die Annahme ein Gegenwärtiges und Wirkliches, in dem Aner­ bieten ist eventuell die Annahme enthalten. Allein diese Ansicht hat große Bedenken gegen sich"). Wenn von ihren Anhängern zugegeben wird, daß ein Vertrag unter Abwesenden durch die Erklärung der Einwilligung

in den Antrag zu Stande kommt, und daß diese Erklärung an den Anbietenden gerichtet sein muß — so folgt daraus keineswegs, daß diese

Erklärung schon vollendet ist durch den ersten Schritt zu ihrer Uebermittelung an den Anbietenden. Biel naher liegt die Folgerung, daß der UebermittelungSakt wirklich beendigt sein muß.

ES läßt sich überhaupt nicht

scharf bestimmen, welcher Schritt hier der erste ist, und Bekker stellt mit Recht eine'Reihe von Fragen auf"): ob eS der Moment ist,

wo der

Brief niedergeschrieben, oder wo der Schreiber ihn zu sich steckt, um ihn

zur Post zu tragen, wo er das Haus zu diesem Zweck verläßt oder ihn der Post übergiebt?

Diese Momente können

weit auseinander liegen.

Aber abgesehen hiervon spricht gegen jene Ansicht insbesondere, daß eine

Willenserklärung nach ihrem Begriff und Zweck nicht eher vorhanden ist, als bis der Andere, an den sie gerichtet, sie vernommen hat, bis ihm klar

geworden ist, was der Wille des Erklärenden ist.

So gewiß das Aner­

bieten für den Empfänger desselben nicht eher existirt, als bis er eS gehört oder gelesen, so gewiß existirt die Annahme nicht eher für Den, dem sie erklärt wird, als bis er sie gehört oder gelesen. Beide Akte verschieden zu beurtheilen, dort die kundgewordene Aeußerung zu fordern, hier sich mit der noch unbekannt gebliebenen zu begnügen, widerspricht ihrer rechtlich

gleichstehenden Bedeutung. Jeder der Kontrahenten muß wissen, daß der Wille deS anderen dem seinigen entspricht — nicht eher ist der Wille ein gegenseitig erklärter"). Auch wird die Ansicht, daß die Annahme dem Anbietenden kund geworden sein muß und daß erst in diesem Moment der Vertrag sich vollendet, wesentlich dadurch unterstützt, daß sie die Ver-

'") Gegen diese Ansicht Hasse im rhetn. Mus. II. S. 371. Bluntschli, Deutsche« Pr. R. 3. A. S. 457. Arndt« 4. A S. 372. «nm. 3., neuerding« des. Better a. a. O. Mühlenbrnch, Pand. §. 331. u. v. Wening-Ingenheim im civil. Arch. B. 2. S. 267. nehmen eine nicht entschiedene Mittelstellung ein. Seuffert B. 1. Nr. 194. B.3 Nr. 19. B. 8. Nr. 24. Oesterr. G.B. §. 862. verlangt daBekanntmachen. Das sächs. G.B. tz. 815. sieht Willenserklärungen gegen Abwe­ sende erst dann als geschehen an, wenn sie an den Abwesenden gelangt sind. Der bairische Entw. v. 1861 Art. 7. 10. Theil 2.: „Die Willen-einigung muß zu beiderseitiger Kenntniß gekommen, die Antwort deS abwesenden Annehmenden bei dem Versprechenden eingegangen sein." Das deutsche Hand. G. B. Art. 321. weicht aber ad: „ist ein unter Abwesenden verhandelter Vertrag zu Stande gekommen, so gilt der Zeitpunkt, in welchem die Erklärung der Annahme behusS der Absen­ dung abgegeben ist, als der Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages." Aber der Anbietende muß den Eingang der Antwort abwarten, er ist so lange gebunden. Art. 319. ”) A. a. O. S. 348. ") Savigny, Syst. B. 3. S. 308.

Zweit« Buch.

422

Die besoideren Privatrrchte.

tragSabschlüsse unter Abwesenden denen unter Gegenwärtigen gleichstellt.

Die größere Zwischenzeit, die bei jenen eintritt, verliert nun ihre Bedeu­ tung; wie einerseits die Zeit zwischen der Absendung deS Anerbieten-

und dessen Empfang nicht al- ein Zeitraum, sondern als ein Moment aufgefaßt wird, so geschieht ein Gleiches mit der Zeit zwischen der Absen­

dung der Annahme und ihrem Empfang.

.Die Zwischenzeit, nur ein

thatsächliches, äußeres Moment, kommt rechtlich nicht in Betracht, und es

wird bei dieser Auffassung der Grundsatz, der aus dem Begriff der Wil­ len-einigung sich ergiebt, daß sie eine gegenseitig bewußte sein muß, nicht

verletzt.

DaS A.L.R. drückt sich nicht hinreichend besümmt auS.

Der

Augenblick, sagt es, in welchem die Annahme gehörig erklärt worden, besümmt den Zeitpunkt des geschloffenen Vertrages, und in allen Fällen,

wo nicht ein Anderes ausdrücklich bestimmt ist, soll dafür gehalten werden, daß die Annahme in dem Zeitpuntt geschehen sei, wo der Annehmende

Alle- gethan hat, was von seiner Seite zur Bekanntmachung seiner Er­ klärung an den Antragenden erforderlich ist").

Hieraus könnte gefolgert

werden, daß die oben bekämpfte Ansicht, die den ersten Schritt zur Ueber-

mittelung für genügend hält, im Gesetzbuch gebilligt worden"). wohl folgt die- aus jenen Worten nicht nothwendig. der Annehmende erst,

Gleich­

Alle- gethan hat

wenn es nur noch vom Willen des Anbietenden

abhängt, daß er von der Annahme Kenntniß nehme.

So faßt es auch

die Praxis auf; Die Annahme muß dem Anbietenden bekannt geworden sein"). Wer eine ihm zugeschickte BertragSurkunde unterschreibt, aber bei sich liegen läßt, hat den Vertrag noch nicht zum Abschluß gebracht. gehört, daß dem Anbietenden die Urkunde wieder zugestellt werde").

Dazu

Da­

mit, ist aber auch Alle- geschehen, und wenn der Anbietende jetzt den

Empfang der Urkunde verweigert, so gilt der Vertrag als abgeschlossen").

Wie schon erwähnt, hängt hiermit die praküsch wichtige Frage zu­ sammen, ob und bi- wann ein Anerbieten widerrufen werden kann.

An

sich folgt auS dem Anbieten als einer einseitigen Willensäußerung nicht,

daß eS den Anbietenden binde: im Gegentheil, es ist bis dahin widerruf­ lich, wo es angenommen zum vollendeten Vertrage sich gestaltet hat"). Wird nun der Abschluß unter Abwesenden in den Moment verlegt, wo

") §. 80.102. d. T. ’4) Dies folgern auch, besonders aus §. 102. Bornem-, Plathner, Gruchot. ") Strieth. B. S. S- 52 53. Emsch. B. 43. S. 42 f. S. 47. „Der §. 102. hat die Frage, ob ein Vertrag durch die Annahme zu Stande gekommen, überhaupt nicht zum Gegenstände; er bezweckt vielmehr, über den Zeitpunkt zu entscheiden, von welchem ab uuter der Voraussetzung eines recht-beständigen Abschlusses der Ber» trag seine Wirksamkeit äußern soll." ’•) Emsch. B. 19. S. 69 f. ’7) Sntsch. B. 29. S. 154. Strieth. B. 15. S. 220. Koch, R. d. F. II. S. 80 f.

$. 77.

1. anbitten nnb Amrehmcu.

423

die Annahme dem Anbietenden zukommt, so folgt, daß dieser auch bi- da­

hin widerrufen kann, wo er die Annahme erfährt").

Daß unter Um­

ständen hier Entschädigungsansprüche deS in seiner Erwartung getäuschten

Annehmers erwachsen können, wenn ihm der Widerruf zukommt, nachdem er bereits die Annahme-Erklärung im Vertrauen auf die Beharrlichkeit des Anbietenden abgeschickt und Vorbereitungen für Ausführung des Ver­ trags getroffen hat, ist eine andere Frage, die hier zunächst nicht iuter-

essirt").

DaS A.L.R. hat aber einen anderen Standpunkt. Im Anschluß an die Lehre des NaturrschtS"), welches den Grundsatz aufftellte, daß da­

einseitige Anerbieten in sich selbst schon eine verpflichtende Kraft habe, vermöge welcher eS den Anbietenden so lange binde, als der Empfänger

annehmen darf, schließt eS den Widerruf aus.

Der Anbietende muß die

gehörige Zeit warten ”), der Empfänger des Versprechens erlangt aus dem­ selben ein Recht zur Annahme während dieser Zeit"), und erst wenn diese Zeit ohne Erklärung verstrichen, fällt die Wirkung des Anerbietens wieder

fort").

Direkt ausgesprochen ist der Grundsatz zwar im A.L.R. nicht,

aber seine Bestimmungen über die Zeit der Annahme können nur unter

dieser Voraussetzung verstanden werden, ein Widerrufsrecht des Antragen­ den ist nirgend anerkannt, wohl aber seine Verpflichtung „zu warten"

”) Wir die Vollendung des Vertrag» in den früheren Moment de» ersten Schritt» zur Übermittelung der Annahmeerklärung verlegt, kaun auch nur bis dahin den Widerrui des Anbietenden zulasten. Scheuri a. a. O. S. 262 f. Wenn Bekker a. a. • O. S. 364 f. gleichwohl hiermit übereinstimmt, so steht er mit feiner Grundanstcht übir den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Widerspruch, und legt dem ersten UbersendungSschritt doch wieder eine Bedeutung bei. DaS Motiv, daS Zustandekovmen von Berträgen unter Abwesenden wäre sonst bedeutend erschwert, reicht zur Rkchtsertigung nicht aus, kann auch nicht als richtig ^zugegeben werden. Siehe für die im Text ausgesprochene Ansicht Hasse a. a. O. S. 371. u. aus der Praxis deO.Trib. Stuttgart bei Sensfert B. 8. Nr. 24. Die Darstellung von Sintenis (II S. 246 p ist wohl nicht befriedigend, wie sie Gruchot nennt (I. S. 343), wel auch er auf die Absen düng der Annahme das entscheidende Gewicht legt. 30) Dlß ein Entschädigungsanspruch erwächst, wird allgemein anerkannt, nur feine Begrinbung ist noch bestritten. Scheuri zieht die actio mandati analog heran nach 1. 15. D. XVII, 1., weil der Antrag zum Vertrage, zu besten Erfüllung eine Thä­ tigst vom Annehmenden erfordert werde, den stillschweigenden Auftrag zu dieser ent,alte (a. a. O. S. 274.). Belker (S. 365 s.) will die Kontraktsklage selbst wezen der verletzten bona fides geben, jedenfalls aber eine actio doli, und dies letzere ist wohl das Richtige, auch für das preuß. Recht anzunehmen. 31) Kcch, R. d. F. II. S. 84 f. Gruchot I. S. 344. Ersterer will zwar (Komm. Noe 77. zu §. 90. d. T.) den Widerruf zulasten, wenn dieser dem Annehmenden noo vor der Annahme bekannt wird. Dies ist aber nur richtig, wenn der Wider­ ruf vor oder mit dem Anerbieten, nicht wenn er nachher eintrifft. ") z. B. wenn das Anerbieten einer Korporation gemacht ist, so lange, bis diese übe die Annahme einen verfassungsmäßigen Beschluß fasten kann, was immer ringe Zeit erfordert. §. 101. d. T. ") Di^ folgt aus §.90. d. T. Koch's Note 77. im Komment. 34) §. '03. d. T.

Zweite« Buch. Dir btfonbtrtn Privatrechtr.

424

mehrfach ausgesprochen ”).

So kann also dem Anbietenden eine Willens­

änderung nur bis zu dem Moment freistehen, wo der Andere sein Aner­

bieten empfängt, der Widerruf muß diesem zeitiger oder gleichzeitig zu­ kommen (z. B. durch Telegramm, welches den Brief überholt)").

dem Annehmenden

kann

Bei

eine Aenderung des Entschlusses nicht ander­

wirken: auch er darf die Annahme widerrufen bi- zu dem Augenblick, wo

der Anbietende seine bejahende Antwort empfängt"). Nach gemeinem Recht hindert der Tod oder Handlungsunfähigkeit, wenn sie während der Zeit zwischen Absendung de- Anerbieten- und Empfang

der Antwort darauf eintreten, den Vertragsabschluß").

Recht weicht ab.

Da- preußische

Wenn nach geschehenem Anträge und vor Ablauf der

Frist zur Annahme der eine oder der andere Theil stirbt, so wird durch diesen Tod in den Rechten und Pflichten wegen der Annahme nicht- geän­

dert").

Die Erben de- Anbietenden sind durch deffen Anerbieten gebun­

den, und die Erben de- Empfänger- sind ebenso wie dieser berechtigt und

verpflichtet, innerhalb der gehörigen Zeit anzunehmen. frist steht ihnen nicht zu.

Eine UeberlegungS-

Die Voraussetzung ist freilich/daß die Ver­

trag-rechte und Pflichten an sich auf die Erben übergehen können.

Der

Tod hebt also die Wirkung de- Anerbieten- dann auf, wenn es ausdrück­

lich nur auf persönliche Begünstigung desjenigen abzielte, dem e- gemacht

worden, wenn e- wesentlich auf dessen persönliche Fähigkeiten und Verhältnisie ankam").

Der annehmende Erbe ist aber Kontrahent in seiner

Eigenschaft al- Erbe, als Vertreter de- Nachlasses und er hastet deßhalb für die Gegenleistungen nur mit den Kräften de- Nachlasses").

Inzwischen

’•) Bon dm neuerm Gesetzbüchern haben da« österr. §. 862, und da« deutsche Hand. G.B. Art. 319. denselben Satz angenommen, den man übrigen« nicht al« einen Grundsatz bezeichnen bars, weil er nicht zum Begriff de« Anerbieten« gehört, sondern al« einen Hils-satz, nm dem Vertragsabschluß unter Abwesenden sichern Halt zu geben. Da» sächs. G. B. §. 816. erkennt ihn nicht an, e« läßt da« Anerbieten bi« zur Annahme widerrufen. Der bairische Entwurf Art. 10. schließt sich dem HandelSges.B. an. ’*) Deutsch. Hand. G. B. Art. 320. welche« dm Widerruf, trotzdem . S. 61. eo) 1, 2. §. 7—9. PrLj. 1710. (Sammt. S. 71.) Vergl. über gegenseitige Ansprüche: Entsch. B. 15. S. 83. Strieth. B. 2. S. 45. B. 26. S. 44. ") ”) ”) ")

3»rite8 Buch.

446

Die besonderen Privatrechte.

Gesetz drückt den Begriff vollständiger Erfüllung durch daS Wort „abge­

machtes Geschäft" auS: es dürfen nicht noch Nachforderungen aus diesem

Geschäft zu erheben sein").

Bei Berträgen über unbewegliche Sachen

macht dagegen selbst die vollständige Erfüllung von beiden Seiten das Geschäft nicht giftig; cS kann von jedem Theile aufgerufen und die Wie­ derherstellung des ftüheren Zustandes verlangt werden"). c.

Theilweise Erfüllung,

worunter auch die nur einseitige

Erfüllung bei gegenseitigen Verträgen zu verstehen ist, schließt zwar den Rücktritt vom Vertrage an sich nicht auS, aber das A.L.R. hält den billi­

gen Grundsatz fest, daß der zurücktretende Kontrahent nachtheiliger gestellt werden soll, als der beharrliche, indem er einem unredlichen Besitzer gleich

gilt, und bestimmt demgemäß über die Forderungen, die sich aus dem Rück­ tritt ergeben, je nachdem der Gegenstand der Erfüllung eine Sache oder

Handlung war, folgendes: I. Gegenstand des Vertrages war eine Sache,

ohne Unterscheidung von beweglichen oder unbeweglichen"). Zurücktreten kann der Empfänger und der Geber, a. Tritt der Empfänger zurihf"), so muß er entweder das Erhaltene unoeränbert") zurück­ geben, die davon gezogenen Nutzungen

statten,

als unrechtfertiger Besitzer er­

Summen vom Tage des Empfanges verzinsen, und kann nur

Ersatz der Erhaltungskosten verlangen") und Verbesserungen wegnehmen, ei) Z. B. daS Kausgeld darf nicht noch gestundet sein, Striet h. B. 28. S. 6a., die Session einer verbrieften Forderung darf nicht mündlich unter Aushändigung der Urkunde geschehen sein, Entsch. B. 14. S. 239. S. auch Rechtfälle B. 4. S. 375. Dagegen ist das Kaufgeschäft ganz abgemacht, wenn über das Kaufgeld nach münd­ licher Verabredung ein Wechsel ausgestellt, Entsch. B. 39. S. 240., wenn die Session schriftlich unter Aushändigung der Urkunde geschehen, obgleich die Höhe der Valuta nur mündlich verabredet und noch nicht gezahlt worden. Entsch. B. 12. S. 204. B. 16. S. 142. Da- Kaufgeschäft ist nicht ganz abgemacht, wenn die Uebergabe erst an den Fuhrmann geschehen. Präj. 1064. (Samml. S. 50.) Ueber weitere Anwendungen des Satzes in der Praxis f. Bornem. a. a. O. Das Präj. 1371. (Samml. S. 48.) unterwirft formell giltig abgeschlosiene Kaufverträge über Grund­ stücke, wobei der Preis nur mündlich verabredet worden, bei beiderseitig geleisteter Erfüllung dem K.146. d. T. Strieth. B. 28. S. 8. Ein Anspruch auf Ge­ währleistung steht der vollständigen Erfüllung nicht entgegen. Schles. Arch. B. 3. S. 638.

8a) Entsch. B. 12. S. 33. (dieser Pl. Beschl. wird unten näher besprochen werden). B. 38. S. 33. Der Rücktritt von dem ungiltig geschlossenen Vertrage muß ein vollständiger sein. Gruchot B 8. S. 353.

") Daß diese Bestimmungen auch ans Verträge über Grundstücke Anwendung finden, folgt daraus, daß das Gesetz hier keine Unterscheidung macht. Die Praxis zweifelt auch nicht daran. Nur ist zu bemerken, daß die Ansprüche aus Rückgabe oder Bergütigung hier auch dann stattfinden, wenn der Vertrag beiderseits vollständig er­ füllt ist und später der eine oder beide Theile daS Geschäft ausrusen wollen. Entsch. B. 12. S. 47. B. 38. S. 33. Koch, Komm. Nr. 39. zu §. 156. d. T. Strieth. B. 2. S. 304. B. 6. S. 249. B. 12. S. 240. B. 29. S. 85. Bornemann S. 205. 207. 8chr. 8.1. S. 614.) irrt, wenn er die Klage au» 8- 325. auch al» Gewährleistung-klage auffaßt, weil sie sich „rück« haltweise" in eine Klage au« bem Edikt auflöse. Die Unverjährbarkeit der Ein­ rede au» §. 271. d. T. Präj. 266. Sammt. 1. S- 18. und der Einrede auf Bor« enthallung der Gegeuleiftung au- §. 325: Erk. de» O. Tr. v. 8. Jan. 1835. I. W Echt . 1837 S. 45. ") §.326.328. d. T. 1. 25. 8- 1 D. XLIV, 2. Der Unterschied von Haupt- und Nebenfehlern, an den man die Wahl der Redhibitio» oder Minderung hat knüpfen wollen, ist ungerechtfertigt. Unterholzner II. S. 272f. Rote g. “) Siehe oben Note 8. ") §. 328. d T- Sie ist auch noch zulässig, wenn Kläger bereit» anderweitig über die Waare dispvnirt hat. Seussert III, 27.28. Der Aufwand, welcher nöthig ist, nm den Fehler zu beseitigen, kann nicht mit der Minderung»., sondern nur mit der KontraktSklage verlangt werden. Seussert X, 32. ”) Strieth. B. 37. S. 129.

K. 85.

Gewährltiftung wegen Fehler

477

dann ist ihr Effekt freilich derselbe tote bei der Wandelklage; eS muß der

ganze Kaufpreis erstattet und die Sache zurückgegeben werden").

Wie

aber wird der Minderwerth, die Vergütigung berechnet")? Es kaffen fich

zwei Berechnungsarten denken, von denen man die eine als die absolute, die andere als die relative Preisminderung bezeichnen kann und die erstere in der Praxis die herrschende zu sein scheint").

DaS A.L.R. bestimmt nur:

Die Vergütung solle gleich sein dem

Minderwerth der Sache wegen der fehlenden Eigenschaft, und dieser Min­ derwerth solle gefunden werden durch vereidigte Sachverständige").

Das

römische Recht stellt die Regel hin: Der Geber solle dasjenige ersetzen quanti minoris emisset emtor, si sciisset, vitiosam rem ease"). Beide Vorschriften scheinen verschieden, das A.L.R. weiset auf den Sach­ werth, das römische Recht auf den Kaufpreis, der höher oder niedriger al» jener sein kann.

Aber beide sind auch ganz unvollständig, da sie für die

Berechnungsart nichts ergeben").

Es soll ein Minderwerth gefunden

werden, d. h. eine Unterschiedösumme zwischen zwei Summen. Die eine von letzteren steht fest, eö ist der Werth der fehlerhaften Sache").

Ob aber dieser abgezogen werden soll vom Kaufpreis oder von dem Werth

der Sache, als fehlerlos gedacht, ist bestritten.

Wird der Werth der feh­

lerhaften Sache vom Kaufpreis abgezogen, so stellt die Differenz die ab­ solute Preisminderung dar. Wird aber der Werth der fehlerhaften und

fehlerlosen Sache gegeneinander gestellt, so erhält man nur ein relative» Ergebniß, weil dabei noch da» Verhältniß des Kaufpreises zum Werth der

fehlerlosen Sache in Berücksichttgung gezogen werden muß.

") I. 43. §. 6. D. XXI, 1.

1. 11. §. 3. D. XIX, 1.

Es ergiebt sich

I. 25. §. 1. D. XLIV, 2.

J7) Gruchot II S. 330 s. Unterholzner II. S. 277. V, 1. Hofsmann im Arch. f. prakt. R.W. B. 4. S- 181. Bähr das. B. 7. S. 67. Heuser, kurheff. Annalen B. 4. S. 80. (v. Zaun), B. 9. S. 73. (v. Kraushaar). Brinz, Pandekten S. 493. Aus der gemeiurechtl. Praxis: Seuffert B 10. Nr. 32. u. Heuser B. 10. S. 39. ") Seuffert B 17. Nr. 128. Don den in vor. Note genannten Schriftstellern ver­ treten die relative Berechnung Zaun, Hoffmann, Bähr (letzterer besonders mit Rücksicht auf den Tausch); die absolute Unterholzner, Kraushaar u. Brinz. Don den preußischen Juristen billigt Gruchot die relative; ob auch Koch, ist nach seiner Note 49. zu I, 11. §. 206. unsicher, im R. d. F. II. S 479. hat er sich auch nicht näher auf diese Frage eingelasien. 39) A. L.R. I, 11. §.206. 40) 1. 61. D. XXI, 1.

1. 13. pr. §. 1. D. XIX, 1.

*’) Die Aussprüche im corp. jur. enthalten nur das Problem, nicht die Lösung, keinen Maßstab. Brinz S- 494. Daffelbe gilt v. §. 328. d. T. 41) Bei Feststellung des Werths der fehlerhaften Sache müssen aber auch die Vortheile in Anschlag kommen, die sie trotzdem noch gewährt. App. G-Hamm bei Gruchot II. S. 330. Und andererseits ist die Bedeutung des Fehlers nach dem Inhalt des Vertrages zu bemessen. Es kommt also nicht daraus an, ob die Sache noch zu anderen Zwecken, als welche im Bertrage auögedrückt sind, brauchbar ist. Insofern ist die Berechnung des Fehlers eine relative. St riet h. B. 53. S. 250 f.

Zweit«« Buch.

478

Die besonderen Privatrechte.

hier eint Gleichung, deren erstes Glied das Verhältniß des Kaufpreises zum Werth der fehlerlosen Sache,

und das

zweite das Verhältniß des

Werths der fehlerhaften Sache zur Minderung x bildet.

Also eine Sache,

die fehlerlos 80 Thlr. werth, ist für 90 gekauft; fehlerhaft ist sie nur 50 werth: 80 : 90 — 50 : x; x — 56'/«, während nach der absoluten Rech­

nung 30 von 90 abgezogen werden, der geminderte Kaufpreis also 60 be­ Für keine dieser Berechnungsarten sprechen bestimmte und klare

trägt.

Gesetze,

aber die Natur der Sache, der Zweck der Gewährleistung ent­

scheidet für den Abzug des Werths des Fehlers vom Kaufpreis, für die

absolute Berechnungsart.

Leistung und Gegenleistung, wie sie von den

Parteien zum Vertragsinhalt gemacht sind, sollen ausgeglichen werden — weiter nichts; eS soll dem Empfänger nicht zugemuthet werden, mehr zu leisten, als er an Gegenleistung empfängt. Verglichen darf also nur wer­

den die Sache, wie sie geleistet worden, d. h. die fehlerhafte, Preis, der gegeben.

Die Differenz ist die Ausgleichungssumme.

mit dem

Außer­

dem noch, wie es nach der anderen Ansicht geschehen soll, das Verhältniß des bedungenen Preises zum Sachwerth zu ermitteln, führt zu dem Be­ denken, daß dem Sachwerth ein Einfluß gegeben wird, von dem man nicht

wiffen kann, ob und wie er im Bewußtsein der Parteien gelegen, daß man ihn, da er im Vertragswillen keinen Ausdruck gefunden, gewiffermaßen erst hinter ihm hervorsuchen muß und daß man in das unbestimmbare des zu cheuer oder zu billig Kaufens geräth. Der Käufer kauft nicht den Werth

der Sache, sondern die Sache. Außerhalb des Vertrages liegt der zu­ fällige Erfolg, ob ein gutes oder schlechtes Geschäft gemacht worden"). Nur in einem Fall ist die relative Berechnungsart gerechtfertigt: wenn selbst die fehlerhafte Sache noch einen höheren Werth hat, als der Preis. Hier muß die Kürzung dem Verhältniß entsprechen, in welchem der Kauf­ preis zum Werth der fehlerlosen Sache steht"). V.

Mit der Wandelklage geht Kläger vom Vertrage ab.

er sich erbietet"),

Indem

die Sache ebenso zurückzugeben, wie er sie empfan-

43) Da- sächs. Ges.B. tz. 919. bestimmt: ..„so hat der Veräußerer so viel von der Gegenleistung zu erlassen, oder so viel zu ersetzen, als die Sache ihrer Fehlerhaftigteil wegen zur Zeit des Vertragsabschlusses weniger werth war, als die Gegenleistung beträgt, oder zu derselben Zeit werth gewesen." DaS ist auch die absolute Preis­ minderung. Bergl. Seufsert B. 17. Nr. 128. **) Also der Werth der fehlerhaften Sache — 100, gekauft für 75, fehlerhaft = 80. Die Gleichung lautet: 100: 75 = 80: x. Das A.L R. enthält keine Bestimmung hierüber, aber es muß §. 171. 1, 11., der im nächsten §. Note 72. ausführlicher zu erörtern, hier analog angewendet werden. Unterholzner II. S. 278. Nr. 3 u. Brinz S. 494. wollen in solchem Fall Preisminderung ganz ausschließen, weil die Sache immer noch preiswürdig geblieben. Aber doch nicht so preiswürdig, als der Käufer sie erwerben wollte. 45) Gruchot II. S. 322. Dergl. I, 11. §. 165. Nach röm. Recht genügt auch Be­ stellung einer Sicherheit. 1. 25. §. 9.10. 1. 26. D. XXI, 1. Ueber Beweislast Seufsert II. Nr. 26.

85.

lÜewLhrleistnng wegen Fehler.

479

gen"), verlangt er gleichzeitig Erstattung seiner Gegenleistung.

Der Zweck

ist, einen Zustand herbeizuführen, als wäre der Vertrag überhaupt nie

abgeschloffen worden, kein Theil soll Schaden, aber auch keiner Vortheil haben.

So faßt da- römische Recht die Sachlage auf47 * *). ** 49 * *Die 50 * * * *fehlerhafte * 54

Sache wird zurückgegeben mit allen Früchten und Zuwächsen, versäumte Früchte (fr. percipiendi) werden erstattet4'); der Preis wird mit Zinsen

zurückgezahlt, und die nicht freiwilligen Verwendungen auf die Sache er­ setzt4'); eine Vergüttgung für entgangenen Gewinn ist ausgeschloffenso).

Wird wegen Mangelhaftigkeit eines Inbegriffs vom Vertrag abgegangen,

so muß der ganze Inbegriff, wird dagegen gewandelt, weil einzelne von mehreren zusammen gegebenen Sachen fehlerhaft sind, so ist nur die ein­

zelne Sache zurückzugeben ").

Die Voraussetzung ist, daß die Sache noch

zurückgegeben

Ist dies in Folge eines Verschuldens des

werden

kann.

Empfängers nicht mehr möglich, hat er sie in eine andere umgewandelt, verbraucht, verzehrt, so verliert er die Wandelklage").

Weiterverkauf der

Sache steht aber der Wandelung nicht entgegen, falls nur die Rückgabe

an den Beklagten noch möglich bleibt").

Es bewahrt das gemeine Recht

auch darin einen freieren Standpunkt, daß nicht jede Veränderung oder

Verschlechterung in dem Zustand der Sache die Redhibition ausschließt'4). Dies würde in solchen häufigen Fällen unbillig sein, wo man den Fehler,

z. B. die Mangelhaftigkeit des Materials, erst bei der Bearbeitung be­

merken kann,

oder wo die Sache zufällige oder natürliche Aenderungen

gettoffen haben.

Nur wenn überhaupt nicht mehr, oder in völlig verän­

dertem und unbrauchbarem Zustande

zurückgegeben

werden

könnte

und

4K) In dem Zustand, in welchem sie sich bei dem Vertragsabschluß, oder unmittelbar vorher befunden, wobei vermuthet wird, daß sie sich von da bis zur Uebergabe nicht verändert habe. §. 194—196. I, 11. 4') 1. 23. §. 1. D. XXI, 1.: ut uterque resolute emtione nihil amplius consequatur, quam haberet, si venditio facta non esset. §. 7.: Julianus ait, Judicium redhibitoriae actionis utrumque, id est venditorem et emtorem quodammodo in integrum restituere debere. 1. 27. eod. in f.: indemnis enim emtor debet discedere. Mommsen, Beiträge B. 2. S. 34. 4’) I. 23. §. 1.9. eod.: jubent aediles restitui et quod venditioni accessit, 1. 31. §. 1—4. 1. 43. §. 5. D. eod. Mommsen a. a. O. bes. S. 35.36. 49) 1.27.29. §. 1—3. 1.30. §. 1. 1.45. eod. 1. 1. C. IV, 58. Mommsen S. 35. 50) Mommsen S. 34. Seufsert B. 4. N. 25. B. 7. N. 25. **) §. 341.342. d. T. 1. 34. pr. §. 1. I 59. 64. §. 1. D. XXI, 1. Unterholzner II. S. 276. Nr. 5. Strieth. B. 29. S. 88. Seufsert B. 4 N. 24. (saünicht etwa ein besonderer Zusammenhang zwischen den fehlerhaften Sachen und den übrigen existirt, welcher die Trennung nicht zuläßt). B. 5. N. 119. ”) 1. 23 pr. 1. 25. §. 1. 2. 3. 5. 1. 31. §. 9.11.14.15. D. XXI, 1. Auch der Scha­ den, den die familia, der procurator der Sache zugesügt, fällt dem Empfänger zur Last. Unterholzner II. S. 275. ") Seufsert B. 3. N. 27.28. B. 5. N. 269. B. 7. N. 296. B. 10. N. 149. B. 16. N. 106. 54) Seufsert B. 2. N. 24.170. Die Verschlechterung muß nur vergütigt werden.

Zwnik» Bu) §. 188. I, 11. Da« römische Recht giebt bei Eviktionen nicht die actio redhibitoria. Da« sächs. G.B. giebt die Wandelklage zur Wahl. §. 942. E« muß aber ein wirklicher Anspruch wegen Entwährung vorliegen. Die« ist nicht der Fall, wenn der Veräußerer die Besr eiung de« Grundstücks von einer daraus ruhenden Schuld oder Last ausdrücklich versprochen hat. Dies ist eine besondere kontraktliche Ver­ bindlichkeit, die erfüllt werden muß. Entsch. B. 22. S. 145. ’■) §. 164-167. I, 11.

8- 86.

Entwährung.

495

so ist dies nicht die Minderungsklage (a. quanti minoris), sondern die BertragSklage.

ES entsteht aber auch hier, wie bei jener, die Frage nach

der Berechnungsart der Entschädigungssumme.

In Betracht kommt hier­

bei, daß außer entsprechender Erstattung des Erwerbspreises und baarer Kosten vom unredlichen und fahrlässigen Veräußerer auch sonstiges Inter­ esse vergittigt werden soll, und daß der gutgläubige Veräußerer nur PreiS

und Kosten erstattet.

Zu unterscheiden ist also, wie soll der Preis de»

entwährten Theils, wie sollen die Kosten, wie soll das sonstige Interesse

berechnet werden.

Der Werth des reellen TH'eilS, der hervorgetrete­

nen Last oder des nicht vorhandenen Recht» wird hier, wie bei fehlenden Eigenschaften, an und für sich (absolut) entweder nach dem Anschlag der Parteien oder durch sachverständige Abschätzung berechnet und vom Preis

de» Ganzen abgezogen.

Maßgebend für die Werthberechnung ist die Zeit

de» Vertragsabschlusses.

Ist aber der Kaufpreis niedriger als der Werth

des Ganzen, so muß nach demselben Verhältniß die Entschädigung für den entwährten Theil herabgesetzt werden").

Bei ideellen Theilen dagegen

fehlt e» an der Bestimmbarkeit ihrer Güte, ihr Preis kann daher nur nach

ihrem Größenverhältniß zum Ganzen gesilnden werden").

Wenn erweis­

bar ist, daß die Kosten nur auf den entwährten Theil verwendet worden,

so sind

sie nach ihrem vollen Betrage zu ersetzen.

Fall bei den Kosten des EntwährungSprozesseS.

Dies ist immer der

Sind sie für da» Ganze

aufgewendet, so fallen sie auf den Theil nach dem Verhältniß desselben Bei der Berechnung des sonstigen Interesse kommen

zum Ganzen.

auch die in der Zwischenzeit den Theil betroffenen Verbesserungen oder

Verminderungen in Berücksichttgung.

ES ist die Zeit der Entwährung

maßgebend.

") Pro bonitate: 1.1. D. XXI, 2. I. 64. §. 3. ibid. A.L.R. §. 170. 171. I, 11. S. hierüber Strieth. B. 15. S. 101. 8.49. S. 6. Der §. 170. ist die Regel, der §. 171. die Ausnahme für den Fall, wo unter dem Werth gesaust worden. Also nach §. 171: Werth bet Ganzen — 4500. Preis 3000. Werth de» evinzirten Stückes — 100, so stellt sich die Rechnung dahin: 4500 : 3000 — 100 : x; und nach §. 170.: Preis 4500. Anschlag oder Werth de» Ganzen—3000. Werth de» evinzirten Stück» — 100, t» wird der Betrag von 100 vom Preise abgezegeti, nicht aber eine Berhrltnißberechnung aufgemacht, wonach eNva nach dem Verhältniß de» höheren Preise- für da» Ganze eine höhere Entschädigung für da» entwährte Stück gezahlt werden müßte, also nicht 3000 : 4500 — 100 : x. Somit ist die Regel (§. 170.) die absolute Berechnung, die Ausnahme ($. 171.) die relative. Vgl. Koch, Komm. Note 15. zu §. 171. Die absolute Berechnung ist ferner anerkannt bei der Eviktion eine» Stück» au» einem Inbegriff (§. 173. 174. d. T.) und bei der Kapitalistrung der Last (§. 189.190. d. T-). Strieth. B. 16. S. 27. B. 50. S. 31. Der LOsache Betrag de» jährlichen Mindertrage» ist die Entschädigungssumme. Bergt, oben §. 85. Note 38—44. S. 477 s. Da» sächf. G. B. §. 941. stellt die Summe, welche dem Verhältniß de« Werth» de« entwährten Gegenstände» zum Werth de» Ganzen zur Zeit der Entwährung entspricht, al» die Entschädigung hin. Vergl. auch Seussert V, 122. Heus er, Annalen B. 10. S. 46 f.

73) Pro quantitäte evictas partis: I

1. cit.

Zweite- Buch.

496

Die besonderen Privairechte.

3. Die Sache ist mit Privat schulden belastet.

Hier läßt sich der

Umfang der BertretungSpflicht erst feststellen, sobald die Privatschuld geltend gemacht und vom Erwerber der Sache hat geleistet werden müssen.

Der

Betrag seiner Leistung und seines sonstigen Interesse ist zu berechnen.

VII. Außer der Vertragsklage auf Ersass und der Wandelklage hat der Entwährte auch noch zu seinem Schutz gegen den Anspruch seines BeräußererS auf Gegenleistung die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages oder der drohenden Entwährung.

sie geltend gemacht durch Verweigerung

Nach gemeinem Recht wird

der ganzen Gegenleistung

eines verhältnißmäßigen Theils derselben").

Das

oder

A.L.R. bestimmt:

„Kommen Gewährsmängel oder Ansprüche eines Dritten an die Sache vor erfolgter Bezahlung des KaufgeldeS zum Vorschein, so kann der Käu­ fer einen verhältnißmäßigen Theil desselben zurückhalten und gericht­

lich niederlegen""). Die jetzt durch Plenarbeschluß festgestellte Praxis legt diese Worte dahin auS, daß

der zurückgehaltene Theil des Preises

gerichtlich niedcrgelegt werden muß").

Das Zurückbehaltungsrecht ist also

dahin beschränkt, daß eS nur in der Form gerichtlicher Niederlegung auS-

geübt werden darf.

Diese Form ist jedoch nicht erforderlich,

wenn die

Zurückhaltung vertragsmäßig besonders eingeräumt ist77), und die Ver­ hältnißmäßigkeit der zurückgehaltenen Gegenleistung braucht

nicht genau

dem Verhältniß dcS Theils zum Ganzen zu entsprechen, der Entwährte

daher eine solche Uebereinstimmung nicht nachzuweisen 7°).

Endlich hat der

Entwährte noch das SicherungSmittel einer KautionSforderung, nach deren Bestellung er seine Gegenleistung nicht vorenthalten darf7').

VIII. Die Klage auf Leistung der Gewähr wegen Entwährung, und zwar sowohl die auf Ersatz alS auf Wandelung gerichtete, verjährt in kürzerer Frist, als sonst die Vertragsklage °°).

„Wegen solcher Mängel,

welche nicht die Sache selbst, sondern nur äußere Eigenschaften, Befugnisse ***) Die Gegenleistung verweigert der Erwerber, wenn bereits evinzirt ist, 1. 13. §. 9. D. XIX, 1. und wegen drohender Eviktion. Die Quellen sagen quaestione mota. 1. 18. §. 1. D. XVIII, 6 Daß man bloß argwöhnt/, es werde evinzirt werden, genügt nicht. 1. 10. §. 1. D. XVIII, 5. Die gemeinrechtliche Praxis verlangt aber nicht Beginn des Rechtsstreits, sondern ermißt im einzelnen Fall nach den thatsächlichen Verhältnissen, ob drohende Eviktion anznnehmen. Seusfcrt B. 1. Nr. 49. 50. B. 13. Nr. 15. 88. 137. Arch. f. prakt. R.W. N F. B. 1 S. 459. Better S. 323 f. Gerichtliche Deposttion ist gemeinrechtlich nicht erfordert. Strieth. XIII, 88. Auch nicht sächs. G. B. §. 943.

") §. 222. I, 11. •6) Cntsch. B. 28. S. 1.

Strieth. B. 14. S. 112.

?7) Entsch. B. 29. S. 355.

78) Strieth. B. 15. S. 98. ") §.223. I, 11. XIII, 15.

Bei erweislich begründeter Besorgniß der Entwährung: Seufsert

•°) Gemeinrechtl. keine kürzere Verj.; nach österr. G. B. §.933. drei Jahr bei unbe­ weglichen, 6 Monat bei beweglichen Sachen; nach sächsischem tz. 946. drei Jahr.

5.86.

oder Lahn derselben

betreffen,

Eniwähruug.

497

muß der Uebernehmer seine Rechte bei

Landzütrn innerhalb eines Jahres, bei städtischen Grundstücken innerhalb sechs imt bei beweglichen Sachen innerhalb dreier Monate nach der von dem Magel erlangten Kenntniß geltend machen""). Daß unter äußeren

Eigenfcheten, Befugnissen, Lasten nur die s. g. juristischen im Gegensatz

zu de« Phsischen Eigenschaften zu verstehen sind, ist jetzt allgemein ange­ nommen'). Die Anwendbarkeit des §. 344. ist bedingt durch einen Mangelsolcher juristischen Eigenschaften.

Die Verjährung ist also auS-

geschloffei, wo nicht von einer Mangelhaftigkeit der Sache die Rede ist.

Die Enttährung bewirkt nicht immer Mangelhaftigkeit der Sache.

Gewiß

niemals wenn die ganze Sache entwährt worden"), oder wenn nur

Privatfhulden (verpfändt) ist").

vorhanden sind, für die die Sache dinglich verhaftet Daher tritt in beiden Fällen die kurze Verjährung

nicht ein. Nicht immer, wenn die Sache theilweiS entwährt wird,

nämlich tut dann, wenn die Entziehung des Theiles

Ganze, fine Beschaffenheit, Brauchbarkeit, Güte wirkt.

kurze Bejährung hier Immer aber,

nur unter dieser

nachtheilig aufs

Daher ist die

Voraussetzung anwendbar").

wenn auf der Sache eine Last liegt oder ihr eine ver­

sprochene Befug niß nicht zusteht, denn beides wirft unmittelbar auf ihre

höhere odr geringere Brauchbarkeit. Daher ist hier die Klage der kurzen

Verjährmg unterworfen. Haben die Parteien im Verttage die Verttetung der Entwährung so verabredet, wie sie schon aus dem Gesetz folgt, so bleibt )ie kurze Verjährung anwendbar").

Sie beginnt mit der „er­

langten Knntniß des Mangels", also nicht mit dem Tage der Ueber­

nahme. G ist aus den Thatsachen zu ermessen, ob und wann die Kennt­ niß des Dangels (nicht des bloßen Anspruchs) erlangt worden. Daß dazu die rechtskräftige Berurtheilung oder Abweisung des Erwerbers im Ent-

währungSfrozeß nothwendig fei, läßt sich nicht behaupten.

Die Kenntniß

muß nur nit einem gewissen Grade von Zuverlässigkeit bekleidet sein").

") §. 344.1, 5.

") He,dem. i. S. 259. Ergänz. ,n 5. 344. Nr 4. Strieth. 8.43. S. 205. ") Enisch. B. 15. S. 3. Damit stimmt auch dir Praxi- de- O. A. G. München. Blätter f. Recht-anw- B. 23. S. 289. ’*) Recht-sille 8.3. S. 59. u. übereinstimmend die hannoversche Praxi- nach 8 L R. Magazii für hannov. R. v. Klemke B. 4. S. 99. (Aussatz von Bo junga). Ber. lragomcgig übernommene Pflicht, da« Grundstück von einer Hypothek -n befreien, gehört licht zur Gewährleistung, verjährt also auch nicht nach §. 344 I, 5. Recht«s. I. 6. M4. Strieth 8.7. S. 298. Arn-d. Arch. XIV. S. 212. Gruchot II. S. 479. ••) Entjch. 8.15. S. 3. ••) Strieth. 8. 31. S. 86. ") Sntfch. 8.41. S. 39, a. E. Bretter Prruß. Privatrecht.

«och, R. d. F. 8.2. S. 453.

3todte* Buch.

498

Die besonderen Privatrechte.

Daß die Einrede nicht der Verjährung unterworfen, ist §. 85. a. E. erwähnt").

IX.

Der Anspruch wegen Entwährung fällt fort, wenn ver­

tragsmäßig demselben ohne Arglist entsagt worden"); wenn die Sache dem

Erwerber durch höhere Gewalt entzogen ist90 * *);* * *wenn der Erwerber den Verlust verschuldet hat9'); wenn die Sache vor der Entwährung durch

Zufall untergegangen99); wenn beide Theile ausdrücklich99) über eine fremde Sache den Vertrag geschlossen"); wenn der Erwerber gewußt, daß seinem Veräußerer oder der Sache das veräußerte Recht nicht zustand99). WaS den Einfluß eines Erbfalles auf die Entwährung und die aus ihr hervor­

gehende Gewährleistungspflicht betrifft, so sind sechs Möglichkeiten denkbar. 1. DaS A.L.R. erwähnt nur den Fall, daß der Entwährer (Eigenthümer) den Veräußerer beerbt").

Wird er dessen Erbe ohne Vorbehalt, so kann

er nicht mehr aus eigenem Recht evinziren, und damit fällt auch die Verpflichtung weg, dem Erwerber Ersatz zu leisten. Wird er dessen Erbe mit Vorbehalt, so kann er noch auS eigenem Recht entwähren, muß aber auch

die Pflicht seines ErblaflerS erfüllen, d. h. dem Entwährten gerecht wer­ so weit sein Erbtheil reicht. 2. Wenn umgekehrt der Veräußerer

den,

den Eigenthümer beerbt, so erwirbt er von seinem Erblasser das EntwährungSrecht, bleibt aber dem Entwährten als Veräußerer verhaftet auf den

Ersatz.

ES muß daher auch zulässig erscheinen, daß der Veräußerer, ob­

schon ihm im EntwährungSprozeß der Streit verkündigt ist und er dem

Erwerber Beistand geleistet, nachdem er den Eigenthümer beerbt, den Bei­ stand wieder aufgiebt und den Prozeß seines früheren Gegners nunmehr gegen seinen früheren Parteigenossen fortsetzt.

Dieser Wechsel der Partei­

rollen erscheint zwar bedenklich, weil der Veräußerer mit seinen früheren Erklärungen, die gegen den Entwährer gerichtet waren, in Widerspruch treten muß.

Wird aber erwogen, daß er dem Erwerber nicht in deffen,

") §. 345. I, 5. Oben §. 85. Note 80. "•) §.137. 138. I, 11. Arglistig ist der Veräußerer, wmn er da» Recht de» Dritten selbst begründet, oder e» gewußt und verschwiegen hat. Koch, R. d. F. II. S. 457. 1. 11. §. 14. 15. 18. D. XIX, 1. Ueber das pactum de non praestanda evictione war viel Streit Glück B. 20. S. 295. Bangerow IIL S. 345. 90) Hierher gehören auch die Verfügungen der Staatsgewalt, Expropriationen, gesetzliche Aushebung von Recht-instituten. Koch S. 459. a. E. Simon, Rechtspr. B. 4. S. 34. •*) Z. B. nachweisbare Nachlässigkeit in Vertheidigung gegen den Evinzenten und unter­ lassene Litiödenunziation. Koch S. 460. §. 146. 147. I, 11. ”) A.L.R. Einl. §. 108. Koch S. 461. Entsch. B. 11 S. 245. 1. 21. D. XXI, 2. ") Präj. 526. Sammt- I. S. 51. ") §. 139. I, 11. ”) §. 159. 1, 11. 1. 27. C. VIII, 45. Seufsert B. 7. N. 297. §. 140 142. I, 11. Koch S. 462 f.

§. 87.

D.

Aufhebung-

499

sondern im eigenen Interesse zur Seite getreten, daß er schon an sich be­ rechtigt ist, jeden Augenblick diesen Beistand wieder aufzugeben, wenn sein

Interesse abweicht, so schwindet die scheinbare Auffälligkeit.

Ein Gleiches

ist anzunehmen, wenn der beigeladene Vormann aus Singulartitel Rechts­ nachfolger des Evinzenten wird.

Nur freilich versteht sich von selbst, daß

die Rechte des Streitverkündigers nicht beeinträchtigt werden dürfen, und

daß er ungehindert ist, die Vertheidigungsmittel, die ihm von seinem bis­ herigen Beistände bereits dargeboten sind, ferner auch gegen ihn zu be­

nutzen ”).

3. Der Veräußerer beerbt den Erwerber.

des Eigenthümers bleibt unberührt,

Das Eviktionsrecht

der Eviktionsregreß ist weggefallen.

4. Der Eigenthümer beerbt den Erwerber:

Das Eviktionsrecht ist weg­

gefallen, der Eviktionsregreß an den Veräußerer unberührt. werber beerbt den Veräußerer:

5. Der Er­

Das Eviktionsrecht des Eigenthümers ist

geblieben, der Regreß weggefallen.

Hat aber der Erbe nur mit Vorbe­

halt angenommen, so kann er sein Regreßrecht als Nachlaßschuld geltend machen.

6. Der Erwerber beerbt den Eigenthümer:

Das Eviktionsrecht

ist beseitigt, der Regreß an den Veräußerer ist geblieben.

X. Zum Schluß sei erwähnt, daß das deutsche Handelsgesetz­ buch den redlichen Erwerber von beweglichen Sachen, die ein Kaufmann

in seinem Handelsbetriebe veräußert, verpfändet oder übergiebt, gegen alle Entwährung sichert, wenn auch der veräußernde Kaufmann nicht Eigen­ thümer war.

Früher begründetes Eigenthum, früher begründetes Pfand­

recht oder anderes dingliches Recht erlischt^).

§. 87. A.L.R. r, 5. §. 349—423.

D. Aufhebung.

Heydem. I. S. 263f.

Gruchot III. S. 128f.

nemann II. S. 359. Daniels II. S.345. Koch, Pr. R. II. S. 207.

II. S. 495.

Bor­ R.d. F.

Plathner, Geist. I. S. 299. 311. 327.

Unter der Randaufschrift: „Aufhebung der Verträge" erwähnt das A.L.R. sieben Fälle: Betrug, Unmöglichkeit der Erfüllung, veränderte

Umstände, wechselseitige Einwilligung, Mangel der Erfüllung von der einen

Seite, Erlaß und Vergleich, Tod einer Partei.

Es ist in diesen Bestim­

mungen mancherlei durcheinander gemengt, was nicht zusammengehört, es ist die Aufhebung des Vertrages vermischt worden mit der Verwandlung

”) So hat das O.A.G. Kassel einen Rechtssall entschieden. S. 43 f.

Heuser, Annalen B. 5.

9#) Art. 306. Auf gestohlene und verlorene Sachen hat dieser Artikel keine Anwendung. Bei Veräußerung von Papieren auf den Inhaber ist die Entwährung ausgeschlossen auch wenn die Veräußerung nicht vom Kansmaun in seinem Handelsbetriebe ge­ schehen und das Papier gestohlen oder verloren gewesen. Art. 307.

Zweit« Buch.

500

Die befonberen Privatrechte.

de- Vertragsgegenstandes in eine EntfchädigungSfordemng, und man stößt

hier auch zum Theil auf so wunderliche Mißgriffe, auf eine so leben-lose Kasuistik, daß eS Hauptziel der nachfolgenden Erörterung sein muß, da­

nur hierher Gehörige sorgsam herauSzuschälen und klar zu machen,

wie

einzelne Bestimmungen für Praxi- und Theorie als todt zu betrachten.

Aufhebung ist Wiederbefeitignng eines giltigen Vertrages mit Aufgaben feines Zwecks. Begriff natürlichen

Sie unterscheidet sich einerseits von der seinem

und nothwendigen Beendigung oder Lösung

deS

VertragSverhältnisseS, andererseits von der Anfechtung, welche einen un-

giltig

entstandenen Vertrag angreift, und von der Umwandlung des

Vertrages in einen neuen, durch welche der GeschästSzweck erhalten werde» soll.

Betrug ist also kein AufhebungS-, sondern ein AnfechtungSgrund');

Vergleich, weil dieser das bisherige Vertragsverhältniß nur einschränkend ändert, hebt ihn ebenfalls nicht auf; mangelhafte oder ganz ausbleibende Erfüllung, soweit sie eine verschuldete ist und die Forderung auf das In-

tereffe erzeugt, bringt vielmehr recht eigentlich die zwingende Kraft deS BertrageS an den Tag. ES bleiben als Aufhebungsgründe nur übrig: veränderte Umstände, zufällige Unerfüllbarkeit, wechselseitige Einwilligung, Erlaß, Tod eine- Theil-. zurückführen:

Diese Gründe (offen sich aus drei Kategorien

der Vertrag wird aufgehoben

entweder durch Begeben­

heiten (veränderte Umstände, zufällige Unerfüllbarkeit, Tod), oder durch

den Willen eines Theils (Erlaß, nach der besonderen Auffaffung deA.L.R. unter gewissen Voraussetzungen auch bei ausbleibender Erfüllung und wegen Nutzlosigkeit), oder durch den Willen beider Theile (wech­ selseitige Einwilligung).

I. Vertragsaufhebung durch Begebenheiten.

a. Veränderte Umstände'). die Bestimmung des römischen Rechts,

Man kann eS kaum verstehen, wie

daß die an eine zum Zahlungs­

empfang bestimmte Person (solutionis causa adjectus), welche inzwischen

eine Rechtsminderung (capitis deminutio) erlitten, geleistete Zahlung un­

wirksam sein soll'), eine so unsinnige Regel in der Praxis des 17. und 18. IahrhundcrS hat erzeugen können, wie die, daß jedem Vertrage die

*) Di« ist auch der Ausdruck in §.92. I, 4. *) I, 5. §.377 -384. Heydem. I. S.268. Gruchot III. S. 139. Plathnerl. © 387 f. Bornern. 11. @.361. Daniel« II. ©. 351. Sech, Pr. R-II. ©. 208. R. d. F. II. ©. 505. 630. — Weber, system. Entwickl- der Lehre v. der natürl. Verbindlichkeit, §.90. Unterholzner I. ©.564. ©eil, über die riJnt. rechtl. Aush. der Odl. durch conc. duar. caus. lucrat. 1839. Mommsen, Beiträge I. S. 255 s-, III. S. 413 s. Dazu Windscheid in der (Heidelb.) kritischen Zeitschr. II. S. 130. Arndt« S.458. Sinteni« II. ®. 500. Sei­ ler S. 518. ©euffert, Pand. 4. A. 11. S. 157. §. 296. ’) 1. 38. pr. D. XLVI, 3.

§. 87. D. Aushebung. stille Voraussetzung anhänge:

Uwstände

eine Aufhebung

501

rebus sic stantibus, d. h. daß veränderte

des

Vertrag- herbeiführen

sollens.

A.L.R. hat den Satz in seiner Allgemeinheit4 5)6 verworfen.

Da-

Veränderte

Umstände berechtigen „in der Regel" nicht, die Erfüllung zu verweigern.

Nur die Ausnahme ist zugelassen:

wenn die Erreichung de- ausdrücklich

erklärten oder aus der Natur des Geschäfts sich ergebenden Endzweck­ brid er Theile durch die zufällige Veränderung der Sachlage unmögliH gemacht worden.

Es wird vorausgesetzt, daß die Aenderung der Umstände

unvorhergesehen eingetreten, daß bei ihrem Eintritt noch überhaupt nicht erfüllt ist, aber auch noch nicht hätte erfüllt sein sollen'), und dann steht

mit dem Willen beider Theile die Sache so, als wäre zwischen ihnen kein

Vertrag geschlossen worden.

Ist schon ganz erfüllt, auch bei einseitigen

Verträgen, so bleibt es dabei;

ist mit der Erfüllung erst angefangen, so

muß zurückgeleistet werden; ist die Erfüllung scheinbar verzögert, so tritt der Anspruch auf Entschädigung ein, selbst wenn die Umstände sich geän­

dert haben').

Nun kann aber die Veränderung der Umstände auch nicht

zufällig eingetteten, sondern durch die freie Handlung einer Partei verur­ sacht sein, oder sie kann nur dem einen Theil die Erreichung des Ver­

tragszwecks vereiteln.

In diesen Fällen läßt daS A.L.R. zwar auch den

Verttag aufheben, jedoch gegen Entschädigung, aber gerade darin zeigt sich,

daß hier der Vertrag nicht aufgehoben, sondern daß vielmehr sein Inhalt

und Gegenstand in die Leistung des Interesse geändert wird").

Die For-

4) Z. B. Leyser, sp. 40. m. 4.: Omne pactum, omnis promissio rebus sic stan­ tibus intelligenda est, sive ut Seneca rem clarius explicat, omnia esse debent eadem, quae fuerunt, cum promitterem, ut promittentis fidem teneas. Er stützt aber diesen Satz nicht aus die 1. 38. (vorige Note), sondern aus die Stellen, wo zufällige Unerfüllbarkeit von der Leistung entbindet. Das als Beispiel beigesetzte Responsum von Helmstadt paßt nicht, da es nur die Billigung eines BergleicheS empfiehlt. Bei Götz, Entsch. der jurid* Fakultät zu Altdorf, 1808 S. 89. ist die Klausel eine ost mißverstandene, Übel angewandte genannt. Weber a. a.O. 5.2. S. 345. hat den Satz so eingeschränkt, wie er im A.L.R. erscheint. „Es wird erfordert, daß die Veränderung einen Umstand betreffe, welchen entweder die Natur des Vertrages oder ausdrückliche Verabredung der Parteien dergestalt wesentlich er­ fordert, daß ohne ihn der Vertrag wegfällt." S. 346. Suarez, Ansicht bei Bornem. II. S. 361. 6) Das österr. G. B. §. 936. läßt veränderte Umstände nur auf die Verabredung, künf­ tig einen Vertrag zu schließen, einwirken. Dem sranzös. u. sächs. G. B. ist der Satz überhaupt unbekannt. •) Entsch. B. 26. S. 239. B. 49. S. 55. ") Heydem. S. 269. hat die Stellen des A.L.R. angeführt, in denen die Verände­ rung der Umstände sich geltend macht: I, 11. §. 178.635. 656 f. 758 -760. 982. 984-986. 1005 f. 1140 s. I, 12. §.538. I, 14. §. 47 f. 248. I, 16. §. 33. I, 17. §. 80. I, 21. §. 235 f. 366 f. 376 s. 553. (dazu Suarez, Schl. Revis. S. 71). II, 1. §.107 f. 489. II, 2. §. 454. 485. II, 5. §. 143. 146. (dazu Gesindeordn. v. 1810 §. 144. 147. 149.). II, 18. §. 416. II, 19. §.41, Äons. Ordn. v. 1855 §. 15 s. §. 99 f. «) Strieth. B. 24. S. 302. ö.35. S. 128.

Zweite» Buch.

502

Die besuudere» Pnvatrechte.

derung auf Entschädigung kann sich nur auf den Vertrag gründ«,

der

also wirksam bleibt. Als eine Veränderung der Umstände,

welche den Vertrag aufhebt,

wird insbesondere auch angesehen, wenn der Gläubiger, der eine bestimmte

Sache unentgeltlich zu verlangen hat, dieselbe anderweitig unentgeltlich er­ worben hat (concuraus causarum lucrativarum) *).

Das A.L.R. stellt

den Satz allgemein nicht auf, wendet ihn aber bei Vermächtnissen an, wenn der Legatar die Sache schon unentgeltlich erworben hat ”). Die Regel ist nicht anwendbar bei Gattungssachen (Quantitäten), oder wenn der Gläu­

biger nur den Werth, nicht die Sache selbst empfangen").

Diese muß

unwiderruflich und wirklich in sein Eigenthum Lbergegangen sein '*).

b. Zufällige Unerfüllbarkeit ").

Das A.L.R. sagt: „entsteht

die Uninöglichkeit, den Vertrag zu erfüllen, durch einen Zufall, oder durch unabwendbare Gewalt und Uebermacht, so wird der Vertrag für aufge­

hoben angesehen."

Es bedarf nicht eines Aufhebungsaktes der Parteien.

§. 66.") ist erwähnt, daß

die Unmöglichkeit bei Schuldverhältnissen in

zweifacher Hinsicht in Betracht kommt: entweder ist die Leistung schon nach

ihrer Natur von Anfang an unmöglich;

dann kann sie überhaupt nicht

Gegenstand einer Obligation werden, und dies ist der beschränktere Sinn der Regel impossibilium nulla est obligatio. Oder die Erfüllung der

Leistung ist hinterher unmöglich geworden, und hier gilt nach gemeinem Recht der Grundsatz, daß der Schuldner frei ist von der Verpflichtung

zum Leisten, sofern dieses ohne sein Verschulden unmöglich geworden. Jede verschuldete Unmöglichkeit erzeugt aus dem Vertrage die Forderung auf

*) §. 6. J. II, 20. 1. 17. 19. D. XL1V, 7. 1. 83. §. 6. D. XLV, I. 1. 34. §. 3. 1 108. §. 1. 4—6. de leg. I. Sell, über die römisch-rechtliche Aushebung der Obligationen durch conc. duar. caus. lucr. Mommsen, Beitr. znm Oblig. R. I. S. 255 f. Hat der Empfänger die Sache entgeltlich erworben, so bleibt die Ob­ ligation auf das bestehen, quod abest crcditori; das muß der Schuldner noch leisten. ’°) 1, 12. §. 323. 380. Uebrigens bezieht sich die Mehrheit der Stellen des corp. jnr. auch aus Vermächtnisse.

'') §. 6. J. II, 20. Bei Konkurrenz eine- bebinatcn und unbedingten Erwerb-grunde- hebt der letztere, wenn er zum wirklichen Erwerb geführt hat, den ersteren auf, 1. 98. pr. de V. O. Ersitzung ist auch ein unentgeltlicher Erwerb-grund. 1. 82. §. 1. de leg. I. Will der Schuldner dem Gläubiger den Nießbrauch an der Sache schenken und der andere erwirbt anderweitig da- Eigenthum an derselben, so ist die Schenkung des Nießbrauch- aufgehoben, weil in dem größeren Recht da- geringere enthalten ist, so daß e- hier nicht darauf ankommt, ob da- Eigenthum un» entgeltlich erworben. ") 1. 108. §. 6. de leg. I. *3* )1 *I, 5. §.360 376. Heydem. I. S. 265. Gruchot III. S. 131. Plathner I. S. 299. Bornem. II. S. 359. Daniels II. S. 349. Koch, Pr. R. II. S. 208. u. 40. R. d. F. II. S. 502. 1. S. 198. bes. S. 202 s. Unterholjner I. S. 511 f. Arndt- S. 454. S int en iS II. S. 464. Keller S. 532. Seus. fett II. S. 136. *4)S.Oben S. 360.

§. 87.

503

D. Aufhebung.

Das A.L.R. dagegen befreit bei unverschuldeter Unmög­ lichkeit nicht sowohl den Schuldner von der Leistung, sondern es hebt den

das Interesse.

Vertrag auf.

Die erhebliche Verschiedenheit beider Standpunkte zeigt sich

in den praktischen Folgen.

Nach gemeinem Recht behält der Schuldner

das Recht auf die Gegenleistung, der Vertrag ist also nicht aufgehoben. Der Nachtheil, den der Zufall verursacht, trifft die andere Partei, sie hat

die Gefahr (periculum) zu tragen *5).

So bei allen Verträgen, die Eigen­

thumserwerb bezwecken, besonders beim Kauf").

Anders dagegen bei den

Verträgen auf Gebrauch und Nutzung, bei der Miethe"). Hier ist die Gegenleistung so sehr durch die Vorleistung bedingt, daß jene nur so weit

verlangt werden darf, als diese erfüllt ist.

Der Grund liegt nicht, wie

Koch annimmt, in der theilbaren Aufeinanderfolge der Gegenleistung, wäh­ rend dort beiderseitig einmalige Leistung die Obligation erschöpft, sondern

in dem Verhältniß von Vor- und Nachleistung").

Das A.L.R. hat

die Regel des römischen Rechts von der Miethe verallgemeinert und auf

alle Verträge ausgedehnt. Die Pflicht zur Gegenleistung fällt weg, wenn die Leistung hinterher zufällig unmöglich geworden. Die Gefahr wird also beiden Theilen gleichmäßig auferlegt").

Die Unmöglichkeit muß objektiv

sein, d. h. die Leistung als solche oder die im Vertrage bestimmte Art

derselben treffen20), ist aber nicht bloß absolut, sondern relativ zn ver­ stehen , d. h. nach dem Gegenstände des Vertrages und der demselben zu

Grunde liegenden Absicht der Parteien zu bemessen2').

Soll eine Gat­

tungssache geleistet werden, so kann eine objektive Unmöglichkeit nicht ein­ treten (genus non perlt)22). Bei der Wahlobligation ist nach preußischem

Recht Unmöglichkeit der Leistung vorhanden, wenn die eine von den Sachen, aus denen zu wählen war, untergegangen ist23). Fällt die Unmöglichkeit

,5) Mommsen, Beiträge l. S. 232 s. “) 1. 5. §.2. D. XVIII, 5. I. 15. D. XXIII, 3. ,T) 1. 9. §. 4. 6. *’)

’")

"')

=2) ”)

1.19.5.6.

Mommsen S. 330 f.

1. 30. §. 1. D. XIX, 2.

Mommsen S.342f.

Koch, R.d. F. I. S.208. Unten § 108. bei Note 46. und 35. Ueber das Tragen der Gefahr in Bertragsverhältnissen wird §. 108. unter einem allgemeinen Gesichtspunkt ausführlicher gehandelt werden. §. 364.373. I, 5. Der „bloße Zufall" im Gegensatz zu dem Zufall, der sich in der Person eines Kontrahenten ereignet hat, §. 369. 370. Entsch. B. 40. S. 30. Eine relative Unmöglichkeit, die dem Zufall gleich geachtet wird, ist es auch, wenn die Erfüllung durch Schuld eines Drillen unmöglich wird. Entsch. B. 17. S. 96 f. Stri eth. B. 27. S. 162. Dem widerspricht nicht 1. 137. §. 5. I). XLV, 1., wo von subjektiver Unmöglichkeit die Rede ist. Ueber relative und absolute Unmöglichkeit s. Mommsen S. 4.5. I. 42. D. XXIII, 3. I 1. §. 2—4. D. XLIV, 7. In der 1. 37. D. XLV, 1. sind die certi nummi in arca nicht Gattungssache, sondern Species. Anders nach rem. Recht. S. oben §. 65. S. 358. 8. 33. I, 11. Es tritt also auch nicht der Werth an die Stelle der untergegangeuen Sache. Auch nach röm. R. tritt übrigens der Werth nicht an die Stelle der Sache, außer bei Legaten. 1. 47. §. 3. D. de leg. I. Das arg. acontr., was Mommsen (S. 311.) aus der 1.95.

Zweite« Luch.

504

Die 6efe«beten Privatrechte.

später wieder weg, so erwacht der aufgehobene Vertrag nicht wieder"). WaS vor Eintritt der Unmöglichkeit bereits geleistet worden, muß zurück­

geleistet werden, um den Zustand vor dem Vertragsabschluß wieder her­

zustellen. Dabei darf keiner mit dem Schaden des Anderen gewinnen. Mit dieser Beschränkung soll der Zurückgebende als redlicher Besitzer an­

gesehen werden, d. h. er steht bei Verschlechterungen für grobes Versehen ein.

WaS nicht mehr zurückgegeben werden kann, auch die gezogene Nutzung,

muß vergütigt werden").

Für dieses Zurückleisten ist das Haben ohne

RechtSgrund (condictio sine causa) maßgebend. Unmöglichkeit durch Verschulden herbeigeführt,

oder in der Person

de» Verpflichteten zufällig eingetreten, wirkt dagegen verändernd auf daS Schuldverhältniß und wird an einem anderen Ort erörtert werden"). c. Der Tod hebt den Vertrag auf, wenn deffen Gegenstand eine Handlung war, bei welcher es auf besondere Fähigkeiten und Verhältnisse

deS verstorbenen Verpflichteten ankam").

Die Erben müssen zurückgeben,

wa- der Verstorbene erhalten, können aber für da», waS ihr Erblasser

bereit- geleistet hatte,

einen entsprechenden Theil der Gegenleistung —

nach dem Maße deS Vortheils, den der Gläubiger erlangt hat — bean­ spruchen ").

Der Tod wirkt unter diesen Voraussetzungen als ein Zufall, der die Erfüllung hinterher unmöglich macht, und insofern hat Gruchot

Recht, wenn er die besonderen Bestimmungen deS A.L.R. hierüber über­

flüssig nennt"). II. Vertragsaufhebung durch den Willen eines Theils.

a. Erlaß (pactum de non petendo)") ist die ausdrückliche Ent­ sagung auf ein bereit- erworbene» Recht"), er kommt daher nicht bloß

")

») ") ,7)

») ") ”)

*')

§. 1. D. XLVI, 3. entnehmen will, ist nicht durchschlagend. S. Bangerow III. S. 28. Anm. II. 1. 98. §. 8. D. XLVI, 3. A. M. scheint für da» Preuß. R. Sto ch zu sein. R. d. F. II, 605. §. 365-368. d. T Bergt. I, 11. §. 902.960. 964. 967. I, 16. §. 14. 102. I, 18. §. 760 f. I, 21. §. 211. 299 s. 381. §. 360-363 369—372. 374-376. d. T. Unten §. 106. u. 108. §.416. d. T. Loch, R. d. F. II. S. 523. Der Satzhatbesonder» Anwendung bei der Werkverdingung und dem Dienftleiftung»vertrage. 1. un. §. 8. C. VI, 51. Anwendungen im A.L.R. I, 13. §. 186. I, 17. §. 281. 290. I, 21. § 366 f. II, 1. § 124—127. 830. 1088 s. II, 8. §. 661 f. Gestndeordn v. 1810 §. 99 f. §.417-422. d. T. Beiträge B. 3. S. 180. Koch, R.d.F. II. e. 741. Unterholzner I, 478. ©intern» II. S. 479. Arndt» S. 438. Bangerow III. S. 394. Seusseri, Pand. II S. 149. Bölderndorss, zur Lehre vom Erlaß. 1850. scheurl, Beiträge B. 2. S 14. Arndt« in der kritisch. Ueberschan B. 2. S. 154. §. 379. 381. I, 16. Ueber die Frage, ob schrisiliche Form auch bei Beträgen ant« 50 Thlr. nöthig ist (§. 134. I, 5.) s. oben §. 79. bei Note 62. S. 441. «och, R. d. F. II. S. 741.

6.87.

D. Aushebung.

505

al- Aufhebung-art für Bertrag-rechte in Betracht, sondern hat eine all­ gemeinere Natur.

den.

ES kann die Leistung ganz oder theilweiS erlassen wer­

Nur im ersteren Fall ist der Vertrag aufgehoben “), im letzteren ist

er eingeschränkt.

Der Erlaß ist ein einseitiger (wohlthätiger) Vertrag und

bedarf daher der Annahme de- Schuldner-, dem er angeboten wird").

Daß ein in gerichtlicher Form erklärter Erlaß keiner Annahme bedürfen soll"), ist eine falsche Bestimmung de- Gesetze-; e- scheint, daß die Re­

daktoren, verführt durch den allgemeinen Begriff der Recht-entsagung, der sich auch auf nicht obligatorische Rechte bezieht, hier, waS letztere er­ fordern, übersehen haben, denn die gerichtliche Form der Erklärung kann

an den materiellen Erfordernissen ihrer Giltigkeit nicht- ändern").

Wie

der einem Schuldner ertheilte Erlaß bei vorhandenem Gesammtschuldverhältniß wirkt, ist §. 63. erwähnt"); wie er auf Dritte, nebenbei Ver­

pflichtete, z. B. Bürgen wirkt, wird bei der Erörterung der Bürgschaft zn erwähnen sein"). b. Mangelhafte Erfüllung von einer Seite"). Eine wun­ derbare und durchaus verwerfliche Erfindung der Redaktoren de- A.L.R.

ist e-, daß derjenige Kontrahent, der sich weigert, seinerseits zu erfüllen,

weil ber andere Theil nicht erfüllt, ein Wahlrecht auf Schadenersatz oder auf Rücktritt vom Vertrage haben soll, sobald im Wege de- gerichtlichen

Verfahren- seine Weigerung für begründet erachtet worden.

Noch wun­

derbarer ist e-, daß diese- Wahlrecht die Kraft haben soll, die Fortsetzung de- gerichtlichen Verfahren- in den folgenden Instanzen zu unterbrechen, d. h. dem Bernrtheilten oder Abgewiesenen die weitere Verfolgung deRechtswege- gradezu abzuschneiden"). Die Wiflenschaft hat keine Erklä­

rung für solche Gedanken und der Praxis sind sie ftemd geblieben, weil das Bedürfniß de- Lebens auf ein

solches Wahlrecht nicht hinführt").

Bei Verträgen auf ein Geben kann das Ausbleiben der Leistung oder die

Im heutigen R. bleibt keine natur, adlig, zurück.

”) I, 16. 8 380., wo der Erlaß als „Vertrag" aufgefaßt ist.

Lergl. $. 388. d. T.

") S. 392. d. T. ") Koch S. 750. ’•) Oben S. 337.

J1) Vergl. I, 14. §.385. ") 8. 393 - 414. I, 5. Heydem. S. 272 f. Gruchot UI. S. 147 f. R. d. F. II. S. 509 f. Slrieth. B. 50. S. 325.

Koch,

■*’) 8- 396—407. Das Vorbild für diese Bestimmungen war das viel bestritteve und dunkele jus poenitendi bei den unbenannten Realverträgen und Snarez meinte, seine Tdeorie sei keine neue. Schlußrev. Vorlr. S. 5 s. Da« österr. Ges. B. 8- 919. läßt nur die ErsüllungSklage zu; der Code art. 1194 läßt von jedem zwei­ seitigen Vertrage zurücktreten, wenn ein Theil nicht erfüllt. *") Siehe die Urtheile von Koch S. 510, S. 144 (auch bei Koch, S.519.).

Gruchot S. 154., der Gesetzrevisoren

3»ritee Buch.

506

Die bcfonbtrtn Pnvatrechte.

Mangelhaftigkeit der ErfüllMg niemals ein Grund fein, den Vertrag auf­ zuheben"), vielmehr muß dieser grade hier seine zwingende Kraft zeigen.

Ander- allerdings bei Verträgen auf ein Thun, weil Handlungen nicht direkt erzwungen werden können, auch nicht so genau wie Sachen durch Geldersatz ausgewogen werden und eine weniger vertretbare Natur haben.

Darum ist es hier gerechtfertigt, unter Umständen bei ausbleibender Lei­ stung eine Aufhebung des Vertrages zu gestatten.

Das A. L. R. sagt:

„Bei Verträgen, deren Hauptgegenstand Handlungen sind, kann Der­ jenige, welcher behauptet, daß der Andere die Erfüllung bisher nicht kon­

traktmäßig geleistet habe, oder solchergestalt nicht leisten könne, sofort auf seine Gefahr von dem Vertrage wieder abgehen." Seine Gefahr besteht

darin, daß er den andern Theil entschädigen muß, wenn seine Behauptung über kontraktwidrige Leistung unrichtig befunden wird.

Dagegen erwirbt

er einen Entschädigungsanspruch, wenn sein Rücktritt gerechtfertigt er­ scheint "). Werden diese Bestimmungen an der oben gegebenen Definitton der Aufhebung gemessen, so ergiebt sich, daß hier eine solche nicht statt­

findet;

der Vertrag behält, mag die Behauptung des Gläubigers wahr

oder unwahr sein, die Wirkung, daß im letzteren Fall er selbst, im ersteren der Schuldner entschädigen muß.

Es ist dem Gläubiger nur gestattet,

gleich die Entschädigung in Anspruch zu nehmen und die Leistung der

Handlung zurückzuweisen, während in der Regel erst auf Erfüllung geklagt

werden muß, ehe die Entschädigungsforderung hervortritt"). Darum ist auch die Frage, die in der Praxis des Obertribunals eine verschiedene Beantwortung erfahren hat, ob der Rücktritt ausdrücklich erklärt werden muß, oder auch thatsächlich erfolgen kann, von keiner wesentlichen Bedeu­

tung").

Aber die Feststellung des Begriffs: „Berttag, deffen Hauptgegenstand Handlungen sind", ist nicht unzweifelhaft.

Das Wort Haupt gegenstand

deutet offenbar darauf hin, daß auch an solche Verttäge gedacht ist, bei denen Geben und Thun auf derselben BerttagSseite gemischt ist. AuS den thaffächlichen Unterlagen des einzelnen Falls muß entnommen werden,

ob die Handlung der Hanptgegenstand ist.

Sie wird es sein, wenn sie

dem Berttage den eigenttichen Charatter aufdrückt, insbesondere wenn auf

") ©eufftrt V. 270. 41) §. 408— 410. b. T. Siehe bei. Gruchot'« ausführliche Glossen hierzu B. 3. €>. 154 f. Htydem. S. 276 s. Ueber die Höhe der Emschäbigung im Fall b« §.409. u. 410. s. Sn,sch. B. 11. S. 30. Leniralblatt 1838 Sp. 834. Gruchot S. 179. ") Auch bei Verträgen über Hanblungen kann aus Erfüllung geklagt werben, so lange noch nicht ein Rücktritt stallgesunben hat. Die» ist bas Verhältniß des §. 408. I, 5. ,n §. 877. 878. I, 11. Gruchot S. 158. (Erk. brt O- Trib. v. 13. Okt. 1857). Bergl. auch Vesinbeorbn. v. 1810 §. 136 s. §. 145 s. ") Gruchot S. 176 f. Strieth. B. 2. S. 372. B. 15. S. 225. B.18. S. 259.

§. 87.

507

D. Aushebung.

der einen Seite nur Handlungen zu leisten sind, gleichviel ob die andere

Seite zu einem Geben oder auch zu einer Handlung als Gegenleistung

verpflichtet ist46).

Das Obertribunal hat aber von der Bestimmung eine

sehr bedenkliche Anwendung gemacht46).

Bon der Ansicht ausgehend, daß

§. 408. nicht Handlungen allein als Gegenstand des Vertrages erfordere, daß es vielmehr genüge,' wenn neben einem anderen Hauptgegenstande

Handlungen auch als solcher zu betrachten seien, hat eS bei einem GutS-

überlaffungSvertrage den Rücktritt gestattet, weil

der Annehmer außer

anderen Leistungen auch die Handlung liebevoller Verpflegung versprochen

und unerfüllt gelassen hatte.

In späteren Entscheidungen hat der Gerichts­

hof diese Ansicht nicht dirett aufgegeben, aber ihre Anwendung möglichst auS Gründen zu vermeiden gesucht, die theils den speziellen thatsächlichen

Verhältnissen, theils der formalen Natur der NichttgkeitSbeschwerde ent­

nommen waren47).

In der Theorie ist ihr überall lebhaft widersprochen,

die Gerichtshöfe zweiter Instanz scheinen haben46).

sich ihr nicht angeschlosien zu

Wenn aber auch nach den Worten de» Gesetze» die Behauptung

Sommer'»4* ')*S.* wohl zu weit geht, daß Handlungen nie Hauptgegenstand

eines Vertrages sein können, wenn sie neben einem andern Hauptgegen­

stande vorkommen, so ist doch jene Ansicht de» Obertribunals für verfehlt anzusehen.

Ein Vertrag, dessen Gegenstand eine Gutsveräußerung ist,

kann, wenn diese nicht die Gegenleistung für Handlungen, sondern der Zweck de» Geschäfts ist, die Handlungen vielmehr die Gegenleistung für die Veräußerung sind, nicht als ein Berttag über Handlungen aufgefaßt

werden. c. Nutzlosigkeit der Leistung66), deren Begriff §. 69. erörtert

ist6'), berechtigt den Verpflichteten, bei Gericht den Antrag al» Klage oder Einrede zu stellen, den Berttag aufzuheben. III.

Vertragsaufhebung

durch

beiderseitige

Einwilli­

gung66) setzt voraus, daß der Berttag noch unerfüllt ist, und die Auf") Anwendungen de« §. 408. d. T. bei Dienstverträgen, Gruchot S. 160. Strieth. 8.4. S. 1. 8.28. S. 47. 204; bei Engagement eine« Schauspieler«, Strieth. 8.15. S. 225; bei Verträgen mit Handarbeitern, Strieth. 8.20. S. 240; bei Liesernngen, Strieth. 8. 18. S.258. >i. Gruchot S. 161. Keine Anwendung aus opus conductum. Entsch. 8.19. S. 151. Strieth. 8.20. S 248. Bei­ spiel, wo die Handlung nicht der Hanptgegenstand, Strieth. 8. 11. S. 347. **) Präj. 2066. Sammt. I. S. 18. Da« Erkenntniß ist abgedruckt im Arn«b. Arch. 8.14. S 181 s. Gruchot S. 162. Enüch. 8.16. S. 521. ") Siehe Gruchot S. 168f. 170. Strieth. 8. 6. S. 4. 8.14. S. 137. 8. 20. S. 228. 8. 36. S. 99. ") Gruchot S. 164 s. theilt drei Erkenntnisse de» App. Ger. zu Hamm mit. *•) «rn«b. Arch. 8.14. S. 185. sn) §. 70. I, 5. ") Oben S. 360. ") §.385—392. I, 5. Gruchot S. 140. He,dem. S. 269. «och, R. d. F. II. S. 495. §.4. J. III, 29.

Zweite« Buch.

506

Hebung uneingeschränkt,

Die besonderen Privatrechte.

bedingungslos

fordert weder Ausdrücklichkeit,

erfolgt.

Solche Erklärung

er­

noch eine besondere Form, doch soll die

schriftliche DertragSurkunde vernichtet werden"), und nur bei einem »ach gesetzlicher Vorschrift, nicht nach Willkür der Parteien"), gerichtlich ge­ schlossenem Vertrage auch die Aufhebung gerichtlich erfolgen. Die beider­ seitige Einwilligung ist ein liberatorischer Vertrag").

Ist schon ganz er­

füllt, so ist eine Aufhebung nicht mehr denkbar; wollen die Parteien die Wirkungen des Vertrages wieder beseitigen, so kann dies nur durch

ein neues verpflichtendes Geschäft in der gesetzlichen Form") geschehen. Dasselbe gilt, wenn die Erfüllung schon angefangen,

oder erst einseitig

erfolgt ist, oder die Aufhebung nicht unbedingt geschehen, eigentlich also der Vertrag modifizirt werden soll.

ES darf ein Vertrag nicht aufgehoben

werden, wenn er zum Vortheil eines Dritten geschlossen und dieser bereit-

beigetreten"), oder wenn ihn ein Kontrahent für den Dritten „vermöge obliegender Pflichten" geschlossen und diesem dadurch ein Recht erworben hat").

§. 88.

E. Anfechtung.

Die Anfechtung eine- Vertrages kann nach doppelter Richtung sich

bewegen: es wird entweder seine Rechtsbeständigkeit an sich angegriffen, oder eS sollen wenigsten- seine Wirkungen beseitigt werden.

Nach der

ersten Richtung geht die Anfechtung von einer der Vertragsparteien aus, welche sich hier frei machen will von Verpflichtungen, die ein nur schein­

bar existirender Vertrag ihr auferlegt.

Nach der zweiten Richtung kann

aber die Anfechtung von einem Vertragsgenossen nicht auSgehen, weil es ”) Dir« ist wesentlich. Entsch. B. 14. S. 192. Doch vergl. Enlsch. B. 20. 6. 98. , Strieth. B. 28. 6.50. und Bornern., Erörter. H. 1. 6.178 s. ") Strieth. 8.25. 6.127. ") Siehe oben §.72. 6. 393. fett, Arch. I. Nr. 223.

Gruchor S. 140. Note gegen Sinteni«.

Seus-

**) Strieth. B. 9. 6. 203. Wobei sich aber die Anwendbarkeit M §• 146. d. T. versteht, d. h. rt kann ein bereit» ganz oder theilweise ersilllter schristlicher Vertrag durch einen sogleich von beiden Seiten vollständig ersüllten mündlichen Vertrag aufgehoben werden. Strieth. B. 26. S. 42. Das O-A.G. München (Blätter f. R. Anw. B. 15. 6. 377) hat §. 390. I, 5. ans einen Fall angewendct, wo ein noch ein Jahr dauernder Mielhvertrag aus 130 st. Miethe dadurch ausgehoben wor­ den, daß der Miether ausgezogen und der Vermieiher die Schlüssel der Wohnung an sich genommen und letztere anderweitig benutzt Halle, weil der AnshebungSver. krag sofort von beiden Seiten erfüllt worden, also der schriftlichen Form nicht be­ dürfe. — War der Vertrag schon erfüllt, so tritt im Zweisel die Auflösung ex nunc ein. Seussert X. 34.

6T) §. 391. d. T.

Oben §. 75. S. 411 s.

*") §. 392. d. THierher gehören nicht Vormünder und Vertreter einer juristischen Person. Koch, Komment, zu diesem §. und Gruchot S-147.

$. 88

E. Lnsechtimg.

509

keinem zusteht, bei bleibender Recht-beständigkeit de- Vertrag» sich den au»

chm folgenden Wirkungen zu entziehen. Dritten dazwischen,

Hier tritt da- Interesie eine»

welche» mit diesen Wirkungen kMdirend sie zu be-

seitigen trachtet. I.

Die Gründe zur Anfechtung der Recht-beständigkeit eine»

Vertrage» durch einen Konttahenten sind verschiedene.

De» Angriff- auf

ein nichtiges Geschäft bedarf e» nicht, aber die ungiltigen Verträge müssen durch einen Angriff beseitigt werden'). Dieser Angriff wird meist al»

Einrede gegen die Erfüllung-klage auftreten, aber auch al- Klage ist er

gellend zu machen, theil- um den au- dem Vertrage abzuleitenden Ver­ bindlichkeiten überhaupt zu entgehen, theils um bereit- Geleistete- zurück zu erhalten. Mängel.

Der Verttag ist anfechtbar wegen innerer oder äußerer

Unter den ersteren tritt zunächst die Vertrag-unfähigkeit

de» einen Kontrahenten hervor: Eheftauen ohne Zustimmung ihre- Man­ ne», Bevormundete ohne die de- Vormunde-, Hauskinder ohne die de» Vater» ').

AuS öffentlichen Rücksichten ist auch anderen, an sich geschäfts­

fähigen Personen versagt, gewisse Geschäfte abzuschließen, besonder- Dar­ lehne zu empfangen, königl. Schauspielern, Militairpersonen, Studenten. Sodann der Mangel der Willen-einigung, welche au-geschloffen

wird durch Zwang, Betrug, Irrthum, oder weil beide Theile nur ein Scheingeschäft wollten.

Es ist früher erörtert, daß nach preußi­

schem Rechte der Zwang nur ein Anfechtungsrecht begründet, und daß die achttägige Anzeigefrist nur die Bedeutung hat, sich das Recht de- Eide»-

anttag- zu erhalten'). — Was den Bettug Betrifft4), so kann der Be­ trogene entweder bei dem Vertrage stehen bleiben und nur Ersatz de- chm durch den Bettug verursachten Schaden- (de- ganzen Interesie) fordern,

oder den Berttag anfechten.

Da- Geleistete giebt er dann al- redlicher

Besitzer zurück und er empfängt e- vom Betrüger al- unredlichem Besitzer.

Die Anfechtung ist anSgefchloffen, wenn sich die Konttahenten gegenseitig

betrogen haben. — Wann der Irrthum ein Anfechtungsrecht begründet, wann nicht, ist §. 30. und 78. ausgeführt. — Bei dem Scheingeschäft ist

zu erwähnen, daß der Verttag au- solchem Grunde nicht angefochten wer­ den darf,

wenn der andere Konttahent an der Täuschung nicht Theil

') Oben §. 41. S. 189 s.

') Oben §. 73. S. 394 f. *) Oben §. 29. S. 147.148. *) I, 5. §. 349—359. Oben §. 31. S. 151. Dem Betrug stehl ein betrügliche» BerIciten, wenn diese» wesentlichen Irrthum hervorgerusen hat, gleich. Ist dadurch ein unwesentlicher Irrthum verursacht, so findet nur eine Forderung aus Schadloshal­ tung, nicht eine Ansechtung de» Vertrage« statt. §. 358. 359. I, 5. Ueber die doli exceptio generalis j. oben S. 154. Hehdemann S. 264. Strieth. B. 8. S. 326.

Zweite» Buch.

510

Die besondere» Prlvatrechte.

genommen hat'), daß aber gerichtlicher Abschluß des BertrqeS diese» Anfechtung-grund nicht beseitigt').

Aeußere Mängel sind: Ur-nlSssi-Ieit

deS Gegenstandes, wenn es der bedungenen Leistung an der Bestimmt­ heit fehlt oder wenn sie von Anfang an unmöglich war'), und Fvrm-

mangel.

Hier wird,

weil dieser Mangel sofort erkennbar ist,

meist eine Anfechtung nicht nöthig sein.

freilich

Allein die Borschrften deS preu­

ßischen Rechts über die Form der Berträge sind vielfach weifelhaft und bestritten'), und für solche Berhältniffe tritt das Bedürfniß oer Anfechtung hervor.

Wie weit hier die gänzliche

oder theilweise Erfillung ändernd

eingreist, ist §. 79. erörtert'). II.

Die Anfechtung der Wirkungen eines Vertrags durch einen

Dritten (actio Paulliana) *°). ••)

ES ist von jeher als eine besonders schwierige Aufgake für die bür­

gerliche Rechtsgesetzgebung erachtet worden,

den

vielfacher Ränken

und

Bettügereien entgegenzutreten, welche ersonnen werden, um dem Gläubiger

dtzn Gegenstand seiner Befriedigung aus dem Vermögen M ZchuldnerS zu entziehen.

Einerseits soll die Vertragstreue möglichst ^sichert werden

gegen betrügerische Handlungen des Schuldners;

andererpitS aber darf

nicht übersehen werden, wie bedenklich eS ist, einem Schildner die DiSposition über sein Vermögen, oder einzelne Stücke desielber schon deßhalb

zn entziehen, weil er einen Gläubiger hat und dessen VeuragSrechte un­

erfüllt läßt; zumal wenn die Rechte anderer Personen leicht ungerecht oder

unbillig dabei gekränkt werden können"). zugestandenen

Anfechtungsrecht

müssen

Einem solchen, dem Gläubiger daher

sehr bestinmte und

feste

Grenzen gesetzt, es kann immer nur als ein Ausnahmerecht aufgefaßt wer­

den «nd unterliegt keiner ausdehnenden Auslegung “).

*) ‘) T ') ') ••)

Stufftrt V. S. 175. «och, R. d. F. II. S. 153. Oben §. 65. 66. S. 355. u. 360. Oben §.79. S.435fg. S. 445 fg. «ont Ordn. v. 8. Mai 1855 (©ff. S. 321.) §. 99—112.373.393. Gesetz v. 9. Mai 1855 (Ges. S. S. 429.). Koch, R. d. F. II. S. 815.831.846. u. tarn.,. A.L.R. 1. 5. 941 §. 99 ff. desselben Komm. z. «onk.Ord». Wentzel u. Klos«, die preuß. «onk.Ordn. 1855 ®.56.210.546. Goltdammer, Komment« zur Koni.Ordn. 1858 S. 30. 550. Ton-bruch, Besngniß der Konk.Gläubiger zur Anfechtung, 1857. Meischeider, die preuß. Gesetzgebung über da« Anfechtungsrecht der Gläitdiger, 1864. — Unterholzner II. S.92. Bangerow III. s. 645. Arndt« 6. 366. Sinteni« II. S. 734. Keller S. 693. — FranUe u. La«pepre« im civil. Arch. B. 16. S. 125. 251. B. 21. S. 35. Wind Miller, die Ansech, tiing simulirter und sonstiger Veräußerungen, 1854. — Zachariä (Anichütz) B. 2. S. 261. *') S. die Regierung-motive zur Konk. Ordn, bei Goltdammer S. 31. Wentzel und «lose S.60. ") Entsch. B.49. S. 358. Strieth. B.46. S. 204.

§. 88.

E. Anfechtung.

511

Das gemeine Recht bietet den Gläubigern gegen ihnen nachtheilige

Veräußerungen ihres Schuldners in der Paulliauischen Klage ein Mittel,

dessen Anwendbarkeit nach Eröffnung des Konkurses unzweiselhaft, diesem Zeitpunkt aber bestritten ist.

vor

Angesehene Gerichtshöfe der gemein­

rechtlichen Praxis haben sie aber auch im letzten Falle zugelassen "), und selbst, wo dagegen Zweifel aufgekommen, ist sie doch wenigstens dann ge­

stattet, wenn nur ein Gläubiger vorhanden, mithin eine formelle Konkurs­

eröffnung unmöglich ist").

Die Voraussetzungen dieser Klage,

von der

im neueren Recht das altrömische interdictum fraudatorium nicht mehr

unterschieden wird"), sind: ein Veräußerungsgeschäft des Schuldners bei bereits vorhandener oder durch diese Veräußerung verursachter Vermögens­

unzulänglichkeit'3*), * S.die Feststellung der letzteren durch einen fruchtlos ge­ bliebenen Exekutionsaktir), die durch bestimmte Thatsachen zu erweisende Absicht des Schuldners, durch die Veräußerung seinem Gläubiger ein Ver­

mögensstück, aus welchem er Befriedigung hätte erlangen können, zu ent­ ziehen"), also nicht bloß sein Wissen, daß er sich durch die Veräußerung

zahlungsunfähig mache").

Die Veräußerung muß

das Vermögen des

Schuldners in einer dem Gläubiger nachtheiligen Weise vermindern; es

gehören also vorzugsweise freigebige Geschäfte, Schenkungen, hierher, oder solche, durch welche eine Gegenleistung eingetauscht wird, wenn der ein-

*3) Dresden, Lübeck, München, Stuttgart, Kiel bei Seuffert IIL S. 266. Wochenbl. f. merkw. Rechtss. 1849 S. 460. Bl. f. Rechtsanw. B. 9. S. 210.297. Senfs. B. 2. Nr. 115. B. 7. Nr. 268. B.ll. Nr. 321. Würtemb. Archiv B. 6. S. 209. Seufsert XV, 180. XVI, 171. Entsch. B. 40. S. 60. Strielh. B. 31. S. 154. 14) Kassel bei Seuffert III. S. 267. Strippelmann, Samml. B. 5. S. 98.100. 111 f. Heuser, Ann. II, 614. Hiergegen erklärt sich die Entsch. B. 40. S. 60. und Strieth. B. 13. S. 202. Es will auch dem einen Gläubiger den Antrag auf Konkurseröffnung gestatten. S. dagegen Koch, R. d. F. III. S. 1226.

15) Nach Huschke's Untersuchung (Zeitschr. s. Civ.R. n. Proz. N. F. B. 14. S. 1.) gab es im älteren röm. R. drei Klagerechte: die actio Paul, nach 1. 1. pr. D. XLII, 8. §. 6. J. IV, 6. vor und nach ausgebrochenem Konkurse; das interdictum fraudatorium, nur vor dem Konkurse; eine in factum actio, nur nach der Kon­ kurseröffnung brauchbar. *6) Seufsert B. 3. Nr. 248. B. 5. N. 95. Nachtheilige Wirkung muß eingetreten sein. 1. 10. §. 1. 1. 15. D. XLII, 8. ,7) 1. 6. §. 14. N. 247.

1. 10. §. 1. 18. D. XLII, 8.

§. 6. J. IV, 6.

Seuffert B. 3.

18) Animus fraudandi. Franke a. a. O. B. 16. S. 125. Seuffert B. 3. S. 264. B. 7. S. 303. Die Absicht braucht nicht besonders bewiesen zu werden, sie ist auch aus den Umständen, z. B. aus dem bereits vorhanden gewesenen Vermögeusverfall zu folgern. Dresd. Ann. 1,161.

19) Wie Laspeyres a. a. O. B. 21. S.30. behauptet. Wissentliche Benachtheiligung schließt betrügliche Absicht nicht in sich. Das O.A.G. Kiel hat als genügend zum dolus das Bewußtsein des Schuldners erachtet, daß durch sein Geschäft der Gläu­ biger benachtheiligt werden kann. Seuffert B. 12. S. 302. Ebenso Celle, das. B. 9. Nr. 356. B. 12. Nr. 227.

Zweite« Bach.

512

Die besonder« Privatrechte.

getauschte Werth auffallend geringer ist als der veräußerte").

Dagegen

kann nicht angefochten werden, wenn der Schuldner einen ihm angefallenen Erwerb auSschlägt, z. B. eine Erbschaft nicht antritt, weil dies keine

Verminderung, sondern nur eine Nichtvergrößerung des Vermögens ist"). Endlich muß der Vertragsgenosse des Schuldners, der durch die Veräuße­

rung erworben, gewußt haben, daß letzterer dabei von der Absicht geleitet

worden, seinem Gläubiger Nachtheil zuzufügen, daß er bereits überschuldet sei oder es wenigstens durch diese Veräußerung werde").

Der Zweck der

Klage ist, die Veräußerung zu widerrufen, daS Vermögensstück in daS Vermögen des Schuldners zurückzubringen, um es zur Befriedigung deS Gläubigers angreifen zu können "). Die Klage verjährt in einem Jahre "). Eine Streitfrage ist es, ob sie auch auf den Fall Anwendung finde, wo

der Schuldner einen anderen Gläubiger beftiedigt, wenn die Befriedigung vor der Fälligkeit erfolgt ist, oder in ihr sich eine Begünstigung deS einen

Gläubigers zum Nachtheil des anderen zeigt.

Bei vorzeitiger Zahlung

muß die Paullianische Klage auf Erstattung deS InterusuriumS gerichtet werden"), bei begünstigender Zahlung ist sie aber nach unzweifelhaften Aussprüchen der Quellen ganz auSgeschloffen.

Der RechtSsatz: nihil dolo

creditor facit, qui suum recipit, steht ihr entgegen").

Nur die nach

,") vermögen wird hierbei im weitesten Sinn genommen, alles was in bonis ist; jede Verminderung desselben, die sich als ein geatum darstellt, gehört hierher, also nicht bloß Zahlen, Veräußern von Sachen, Abtretung von Klagercchten, sondern auch daS Belasten einzelner Vermögensrechte, Bestellung von Pfand und Servituten, selbst absichtliche Nichtunterbrechnng der Verjährung. 1. 1. § 2. 1. 2. 3. pr. §. 1. 1. 5. §. 10. 13—15. 1. 14.17. §. 1. 1. 18. 25. pr. D. XL1I, 8. Anfechtbar mit der a. Paul, ist auch die Dotiruug der Tochter kquasi ex donatione). Scufsert I, 393 Verpfändung II, 116. 352. IV, 274. donatio sub modo. XI, 106. Ueber datio in Bolutum s. Seufsert B. 3. S. 266. Das gestum umfaßt sonach auch absichtliche, daS Vermögen vermindernde Unterlassungen. Es ist entweder ein dare oder obligare oder liberare. 1. 3. 4. 5. eod. Mißverhältniß der Gegenleistung: Seus s. B. 16. S. 447. H) Noluit enim acquirere, non suum proprium patrimonium deminuit. 1. 6. §. 2. 1. 19. 20. D. eod. 1. 134. de R. J. ") 1.1. pr. 1. 10. pr. §.2-5. 1. 7. D. XLII, 8. Franke S. 126. ") Doch nur so weit, al- es die Befriedigung deS benaLtheiligten Gläubigers erfor­ dert. L 9.10. §. 19.22. 1.14.17.25. §. 1. D. XLII, 8. ’•) Annus utilis, nach dessen Ablauf geht die Klage nur ans die Bereicherung deS Beklagten. 1.1. pr. 1.6. §. 14. 1.10. §. 18. 24. D. eod. ") Franke S. 266. 269. und LaSpeyreS S. 75. wollen die Paul. Klage mit voller Wirkung gestatten. Jedoch 1. 10. §12. 1. 17. §.2. D. XLII, 8. SinteniS S. 736. Note 26. a. E. Vangerow III. S.653. Anm. II. Seuffert IV, 275. *•) Die von älterer» Praktikern ausgestellte und neuerdings mit einiger Einschränkung von LaSpeyreS S. 54. vertheidigte s. g. Gratifikationstheorie ist jetzt atL gemein verworfen. SinteniS a. a. O. Vangerow III. S. 647. Anm. 1. Franke S. 140. 251. Meifcheider bei Gruchot B. 4. 'S. 350. 1.129. pr. de R. J. 1. 6. §. 6. 1. 7. D. XLII, 8. Seuffert I, 392. IV, 272. VI, 124. 305. Hingabe an Zahlungsstatt ist aber nicht ohne Weitere- wie Zahlung uuanfechtbar. Das. XII. 228.

§. 88.

C. AastchtMlg.

513

eröffnetem Konkurse erfolgte Zahlung ist dem Widerruf durch die Paullianische Klage ausgesetzt, weil dem Gemeinschuldner die Verfügung über sein Vermögen bereits entzogen war").

Diese Paullianische Klage liegt den neueren Gesetzgebungen zu Grunde").

WaS dieselben neu bestimmt haben, ist nur weitere Ausbildung im Ein­ zelnen, wie die Erfahrung im praktischen Leben sie allmälig nöthig gemacht

DaS A.L.R. freilich bot hier fast keiney Schutz. Außerhalb deS Konkurses läßt es Vermögensveräußerungen auf Leibrenten ’’) und Schen­

hat.

kungen, die innerhalb eines oder dreier Jahre vor eröffnetem Konkurse gemacht worden"), von den dadurch verkürzten Gläubigern widerrufen.

Im Konkurse konnte außer freigebiger Veräußerung auch eine mtf Grund eines lästigen Vertrages erfolgte angefochten werden, wenn der Erwerber

die Insolvenz deS Gemeinschuldners gekannt hatte").

Einen wesentlichen,

obgleich auch bald als unzureichend erkannten Fortschritt brachte das Gesetz

vom 26. April 1835”), indem es einzelnen Gläubigern auch außer dem

Konkurse die Anfechtung lästiger Verttäge, die der Schuldner mit dem

Ehegatten oder mit Verwandten abgeschlossen, gestattete und ihnen die Beweisführung der unredlichen Absicht durch eine Vermuthung erleichterte, so daß eS nun dem Gegner oblag, zu beweisen, daß eine solche Absicht

nicht vorhanden gewesen.

immer noch sehr eng.

Doch war der Kreis für das Anfechtungsrecht

Lästige Verträge mit fremden Personen waren un­

anfechtbar geblieben; die Erfahrung zeigte täglich, daß solche fremde Per­

sonen zwischengeschoben wurden.

Die Vermögenslosigkeit des Schuldners,

die die Voraussetzung der Anfechtung war, durfte nur in bestimmten Fällen

angenommen werden.

Die Anfechtung war dergestalt an die Exekution

gebunden, daß bis zu dem Zeitpuntt, wo diese eingeleitet wurde, der Gläu­ biger kein Mittel besaß, sich zu sichern").

drängte eS nach Erleichterung

In allen diesen Beziehungen

und Erweiterung des

Anfechtungsrechts.

Die Konkuröordnung vom 8. Mai 1855 und im engen Anschluß daran das Gesetz vom 9. Mai 1855 sollten sie bieten.

Die von der Paulliani-

schen Klage gegebene, im Wesentlichen gleiche Behandlung betrügerischer

Veräußerungen in und außer dem Konkurse ist durch diese Gesetze gewon­ nen.

Im Verhältniß zum Gesetz vom 26. April 1835 ist daS neue nicht

,T) Vangtrow III. S. 647. 1. 6. §.7. 1.10. §.16. D. XLII, 8 ") Code civil art. 1167. DaS Oesterr. Ges. B. § 953. läßt nur Schenkungen ansechten, und zwar allere dann, wenn der Beschenkte eine- hinterlistigen Einverständ­ nisses überwiesen werden kann. ") A.L.R. I, 11. §. 640—642. 30) I, 11. §.1129.1133. Koch, R. d. F. II. S. 847. ") A.G.O. I, 50. §. 42.44. 53-55. 31) Ges. S. S. 53. Löwen berg, Motive B. 1. S. 672. ") Entsch. B. 21. S. 250. F oerfter, Preuß. Privatrecht.

Dir besonderen Privatrechte.

Zweite« Buch.

514

bloß deklaratorischer Natur, eS hat nicht bloß Kontroversen entschieden, die bei Anwendung deS älteren hervorgetreten, sondern es hat vollständig, von einer anderen Grundlage aus, da- Anfechtungsrecht normirt.

Darüm kann ihm

auch keine rückwirkende Kraft auf ältere Geschäfte beigelegt werden ").

Da

die besondere Natur deS Konkurses einzelne abweichende Bestimmungen nöthig gemacht hat, so müssen auch hier beide Fälle getrennt erörtert werden,

a.

Anfechtung der Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb

deS Konkurses.

Jeder Gläubiger,

hat die Befugniß, Rechtshandlungen

anzufechten").

dessen Forderung vollstreckbar ist, seines

Schuldners

„als ungiftig"

Ungiftig im eigentlichen Sinn wird die Rechtshandlung

dmch die Anfechtung nicht,

denn diese hat nur den Zweck,

ihre Wir­

kungen, soweit sie dem Gläubiger nachtheilig sind, zu beseitigen — im klebrigen bleibt daS Geschäft bestehen. Die einzelnen, das Anfechtungsrecht

umgrenzenden Voraussetzungen sind folgende:

1. Vollstreckbarkeit der

Diese Eigenschaft ist dargethan durch daS

Forderung des Gläubigers.

rechtskräftig von ihm erlangte Urtheil, eines weiteren Nachweises bedarf eS nicht, insbesondere hat er nicht darzuthun,

daß

dieser rechtskräftige

Anspruch auch ein rechtSgilsiger, z. B. nicht simulirter ist"). 2. Benachtheiligung des Gläubigers dmch die Rechtshandlung deS Schuldners.

Eine solche liegt nicht vor, wenn der Schuldner einen anderen Gläubiger beftiedigt hat, dessen Forderung eine bevorrechtete gewesen").

mögenSunzulänglichkeit des

Schuldners.

vorhanden zur Zeit der Veräußerung, führt").

3. Ber-

Sie war entweder schon

oder wird durch

diese herbeige­

Der anfechtende Gläubiger hat den schlechten. BermögenSstand

deS Schuldners nachznweisen; in den Fällen, wo Exekution ftuchtloS gegen

ihn gewesen, oder er sich einer solchen zu entziehen gesucht, bedarf eS eine­ weiteren Nachweises nicht").

Die vorher nachgefuchte Exekution ist nicht

mehr Bedingung für die Ausübung deS Anfechtungsrechts, sie erleichtert

nur den dem Gläubiger obliegenden Beweis").

Unzulänglichkeit des Ver­

mögens ist nicht anzunehmen, wenn sich in demselben noch Rechte oder Sachen vorfinden, deren baldige und sichere Verwerthung möglich ist.

») Slrieth

ES

8.25. S. 362. v. 29. S. 95.

") §. 1. de« Ges. v. 9. Mai 1855. ") Entsch. B. 40. S. 71. Dagegen sieht es dem mit der Anfechtungsklage belangten Dritten frei, trotz der Rechl«krast der Forderung de« anfechtenden Gläubiger«, deren Giltigkeit, z. 8 daß sie nur «in Scheingeschäst sei, im Wege der Einrede anzusech. ten. Vollstreckbar ist bei rechtskräftig sestgesteüten terminlichen Leistungen nur der fällige einzelne Termin, nicht die künftigen. Präj. 1041. Sammt I. S. 404.

") Strieth. 8. 36. S.135.

'») Erlisch. 8.9. S. 136. Pl. Beschl. ") 8 3. N. 1.2.3. de« Ges. In diesen Fällen wird die Jnsufficienz vermuthet, nicht fingirt; e« ist also Gegeubewei« zulässig. Meischeider S. 18 s.

'") S. den Schlußsatz de« §. 3

de« Ges.

§. 88. muß

dann

sann41)..

diese

6. Anfettung.

erst erfolgen,

515

ehe Unzulänglichkeit festgestellt werden

Insbesondere, wenn der Schuldner Grundstücke besitzt, ist der

Gläubiger zunächst an deren Einkünfte gewiesen, und wenn ihn diese in­ nerhalb eines Jahres nicht befriedigen können, muß er den Verkauf des Grundstück- abwarten44). Ob der Schuldner daffelbe zu vollem freien

Eigenthum besitzt, oder ob es ein unveräußerliches Fideikommiß ist, macht wegen der Verweisung an die Einkünfte keinen Unterschied44), das Anfech­

tungsrecht ist aber gleich statthaft, wenn au- den Einkünften die Befrie­

Diesen Umstand muß der anfechtende

digung nicht gefunden werden kann. Gläubiger beweisen,

4.

denn er gehört zur Begründung seiner Klage44).

Eine Rechtshandlung des Schuldner- ist der Gegenstand der An­

fechtung").

Der Begriff der Rechtshandlung (gestum)

Thätigkeit de- Schuldners selbst.

verlangt eine

Die Thätigkeit kann zwar auch eine

passive sein, wenn der Schuldner durch Andere sein Vermögen vermindern läßt, während er berechtigt und deßhalb auch im Interesse seine- Gläu­

biger- verpflichtet gewesen wäre, diese Verminderung abzuwenden, seinen Vermögen-stand dagegen zu vertheidigen44).

In solchem Fall ist die Un-

terlasiung ein gestum, und diese, nicht aber die vermindernde Thätigkeit

de- Dritten, der Grund der Anfechtung44). Im Allgemeinen ist jedeGeschäst anfechtbar, durch welche- au- dem Vermögen de- Schuldneretwa- an einen Dritten gelangen soll oder bereit- gelangt ist, also, wie nach gemeinem Recht, Veräußerungen im weitesten Sinn44).

Abweichend

vom gemeinen Recht sind nach preußischem auch Entsagungen einer Erb­

schaft oder eine- Vermächtniffe- anfechtbare Rechtshandlungen,

weil der

Erwerb sich von selbst vollzieht, nicht erst einer Antritt-Handlung bedarf, mithin die Entsagung nicht ein Nichterwerben, sondern

bereit- Erworbene-, d. h. eine Veräußerung ist44).

der Verzicht auf

Dagegen sind wie

“) §. 4. de« Ges.

") Sntsch. 8.46. S. 394.

") Sntsch. 8.47. S. 366. *♦) Sntsch. 8. 47. S. 370.

45) Meijcheider S. 20 s. 46) Wie 1.4. D. XLII, 8. deutlich ausspricht. 47) @6 kann Meischeider bei Gruchot IV. S. 353. 354. nicht beigetreten werden, baß auch Rechtshandlungen anderer Personen da- Recht der Anfechtung begründen. Wenn der Schuldner ein ungünstiges Erkenntniß gegen sich hat ergehen lassen, so ist dieses negative gestum des Schuldners, nicht die Klage des Dritten gegen ihn, der Grund zur Ansechtung. Koch, R. d. F. B. 2. S. 816 s. Entsch. v. 38. S. 423. Sr rieth. B. 28. S. 197. Deßhalb ist auch die von einem Gläubiger im Wege der Exekution erwirkte hypothekarische Eintragung seiner Forderung nicht anfechtbar, weil hierbei der Schuldner nicht thätig gewesen und nicht hat hindern können. Gruchot VII. S. 536 s.

**) Auch Veräußerungen eines s g. InbegrisiS, z. B. einer Erbschaft S. 93. Sachs. Ges. B. §. 1509 1510. ") Nach A.L.R. I, 9. §. 367.368.

Koch,

R. d. F. II, 818.

Entsch. B. 31.

Auch nach dem sächs.

33*

516

Zweite» Buch.

Die besonderen Privatrechte.

nach gemeinem Recht Zahlungen") oder Hingabe an Zahlung-statt") auf eine fällige, rechtlich begründete Forderung nicht anfechtbar, auch nicht Ver­

pachtungen")- Bestellung von Pfand und Hypothek"), denn hier bleibt

da- Objekt im Vermögen de- Schuldners, endlich nicht Erbtheilungen"), weil sie von den Miterben gegen den Schuldner erzwungen werden kön­

nen. Sonst aber wird die Anfechtung nicht dadurch ausgeschlossen, daß die an sich anfechtbare Rechtshandlung vollstreckbar geworden"), wie auch

der Gläubiger noch den Nachweis führen darf, daß die Rechtshandlung

zum Schein vorgenommen, wenngleich schon in einem Prozeß des Schuld­ ner- mit dem Dritten die Simulation rechtskräftig verworfen worden"). Nichts hindert den Gläubiger, was der Schuldner oder dessen GeschästS-

genofse zur Sicherung des Geschäft- herbeiführt, wenn sonst die Bedin­ gungen der Anfechtbarkeit vorhanden sind.

sind ihm gesetzt,

Nur 5. Zeitbeschränkungen

a. Vor allem hängt das Anfechtungsrecht davon ab, daß

die Forderung des Gläubigers älter ist, als die anzufechtende Rechts­ handlung, außer wenn es sich um ein Scheingeschäft handelt"),

b. Weiter

ist in Betreff einzelner Geschäfte die Anfechtung nur zulässig,

wenn

sie

innerhalb zweier Jahre vom Tage, wo die Anfechtungsklage angebracht

worden, zurückgerechnet erfolgt sind"). Diesen Zeitraum kann sich der daß er schon im Laufe de- Borprozesses

Gläubiger dadurch verlängern,

G. B. §. 1511. Meischeider S. 33. will den Grund nicht in dem ipso jure Erwerb der Erbschaft, sondern darin finden, daß im preuß. R. der römische Grundsatz, nach welchem die actio Pauli, gegen ein volle acquirere nicht stattfinde, auf. gehoben sei. DaS ist aber zu leugnen, und bie petitio principii, die er Koch vorwirft, trifft ihn selbst. Daß die Nichterfüllung einer Potestativbedingung die Anfechtlmg begründe, kann nicht zugegebeu werden, die Verhinderung ist aber ein gestum. '") Strieth. B. 28. S. 190.

Sachs. G.B. §. 1512.

Strieth. B. 4. S. 357. Entsch. B. 38. S. 423. B 49. S. 368. Zn Betrefi der Zahlung a. M. Meischeider S 71., aber sein Grund, daß, weil §. 100.101. der Kont. Ordn, einzelne Fälle der Zahlung anfechtbar erklärt, diese Fälle nicht als Ausnahmen aufgefaßt werden dürfen, sondern als Ausdruck der allgemeinen Regel, ist wohl nickt haltbar. Angabe an Zahlungsstatt nicht anfechtbar: Strieth. B. 49. S. 161. Entsch. B. 49. S. 368. A. M. auch hier Meischeider S. 79. Er unterstellt die datio in solutum den §. 103. N. 1. 373. N. 1. Konk.-Ordn. u. §. 7. N. 1. des Gef. v. 9. Mai 1855. ") Präj. 2587. Entsch. B. 30. S. 241. Noch nach älterem Recht; das Gesetz vom 9. Mai 1855 hat hier nichts geändert.

") Strieth. B. 35. S. 213. Vergl. auch Entsch. B. 43. S. 463. Ueber das An­ fechtungsrecht der nachstehenden Hvpolheken-Gläubiger s. Pfandrecht (Entsch. B. 11. S. 47. Pl. B.).

54) Strieth. B. 18. S. 126. ") tz. 8. des Ges. ") Entsch. B. 40. S. 71. 57) §. 9. des Ges. Koch, Komm. Note 92d. B. 1. S. 949. DaS Alter der Forde­ rung entscheidet sich nach ihrer Entstehung, nicht nach ihrer Fälligkeit (z. B. bei einer Wechselsorderung nach dem Tage der Ausstellung^. Strieth. B. 52. S. 303.

*’) § 5. des Ges.

§. 88.

6. Anfechtung.

517

gegen seinen Schuldner eine Rechtshandlung desselben bezeichnet,

die er

nach erlangter Vollstreckbarkeit der Forderung anfechten will").

Dabei

muß er die BermögenSunzulänglichkeit des Schuldner- bescheinigen, falldiese nicht schon anderweitig erkennbar ist"), und die Frist wird von dem

Tage zurückgerechnet, wo demjenigen, gegen welchen die Anfechtung künftig gerichtet werden soll, die vorläufige Bezeichnung bekannt gemacht worden.

Zu diesen an den zweijährigen Zeitraum gebundenen Rechtshandlungen ge­ hören Verträge, durch welche der Schuldner Gegenstände seines Vermögen­

auf Leibrente gegeben, freigebige Entäußerungen, Entsagungen, Geschäfte, bei denen die Gegenleistung in erheblichem Mißverhältniß steht, und Veräuße­ rungen unter lästigem Titel an den Ehegatten oder an die eignen oder

de- Ehegatten Verwandte in auf- und absteigender Linie, voll- und halbbürttge Geschwister").

In allen diesen Fällen

gehört zur Begründung

der Anfechtung nicht die Behauptung der betrüglichen Absicht; vielmehr

hat der Ehegatte oder, der Verwandte nachzuweisen, daß Umstände vor­ liegen, welche sein Wiffen von der Benachtheiligung des Gläubigers auSschlleßen").

c.

Dagegen sind

unbeschränkt durch einen

bestimmten

Zeitraum anfechtbar alle Scheingeschäfte, bei denen der andere Theil die betrügliche Absicht deS Schuldner- gekannt hat");

Entscheidungen

und

Mandate oder auf Grund derselben vorgenommene Rechtshandlungen, bei welchen eine gleiche Absicht erhellt"); wenn der Schuldner freigebig gegen

seinen Ehegatten gewesen, der Eheftau ohne gesetzliche Nothwendigkeit durch

Pfand für ihr Vermögen Sicherheit bestellt oder ihr für das eingebrachte Vermögen ohne Verpflichtung zur Herausgabe Befriedigung gewährt, wenn er Quittungen, Anerkenntnisse oder Zugeständnisse seinem Ehegatten gegen­

über — auch stillschweigend, z. B. im Kontumazialverfahren — abgegeben hat"),

d. Das Anfechtungsrecht geht verloren, wenn eS nicht inner­

halb des Zeitraums gebraucht wird, in welchem dem Gläubiger Exekutton gegen den Schuldner zusteht.

Fristbewilligungen verlängern den Zeitraum

») 8- 6. des Ges. Strieth. v. 50. S. 216.

‘') Nicht auf Veräusserungen an Verlobte zu erstrecken, weil da- Anfechtungsrecht nicht ausdehnende Erklärung erleidet. Strielh. B. 46. S. 204. Entsch. B. 49. S. 358. 359. Unter Veräußerung sind hier und in §. 102. Nr. 3. Kolik. Ordn, nicht solche zu verstehen, die zur Tilgung einer Schuld zwischen dem Schuldner und Gläubiger geschehen. Strielh. 8.34. S.238. *’) §. 5. des Ges.

“’) Hierher (und unter §. 103. N. 1. Kouk. Ordn.) gehört nicht eine Zahlung, die ein Gläubiger angenommen hat, obschon ihm die Jnfusficienz de« Schuldner« bekannt gewesen. Striet h. B. 28. S. 190.

“) Wenn also die nachtheiligen Entscheidungen durch Kollusion herbeigeführt Strieth. B. 28. S. 197. “) §. 7. de» Gef.

sind.

Zvritr- Buch.

518

für die Anfechtung nicht").

Die besonderen Privalrechte.

Regelmäßig

muß eS also innerhalb eines

Jahre» nach eingetretener Bollstreckbarkeit auSgeübt werden").

Ist in

diesem Jahr Exekution wirklich aber fruchtlos vollstreckt worden, so beginnt

zwar von da an auch für die Anfechtung ein neue» Jahr"), ist aber die nachgesuchte Exekution vom Gläubiger wieder fallen gelassen, so verlängert

sich die Anfechtungsfrist nicht").

6.

DaS Anfechtungsrecht geht gegen

den Schuldner und dessen Vertragsgenossen, oder gegen letzteren allein70), sowie gegen ihre Erben, und zwar gegen den Erben des Schuld­ ners nicht bloß wegen Rechtshandlungen dieses Erblassers, sondern auch wegen eigner Verfügungen über den Nachlaß"). Daß der GeschäftSgenosse des Schuldners selbst betrüglich gehandelt, oder die betrügliche Ab­ sicht deS letzteren gekannt hat, ist nicht Bedingung"). Der schlechte oder

gute Glaube kommt aber bei der Rnckgewähr in Betracht.

Um

dem

Zwischenschieben anderer Personen entgegenzntreten, läßt daS Gesetz auch

gegen den dritten Besitzer (und dessen Erben) anfechten, wenn dieser

die Simulation oder betrügliche Absicht deS Schuldners gekannt, wenn er freigebig erworben, wenn er der Ehegatte des Schuldners oder ihm nahe

verwandt oder

verschwägert ist73).

7.

Das Anfechtungsrecht kann als

Klage und Einrede geltend gemacht werden"), letzteres z. B. gegen die

JnterventionSklage des Erwerbers.

Weil die Rechtshandlung nicht schlecht­

hin als ungiltig, sondern nur beziehungsweise als unwirksam angefochten

werden darf, so muß der Klageantrag genau angeben, was der Beklagte zu thun oder zu dulden schuldig sein soll").

8. Der Zweck der An­

fechtung ist wie nach gemeinem Recht ein revokatorischer;

eS soll da»

“) §. 10. brt Gks.

‘7J A.G.O. 1,24. §. 3. ") Strieth. 8.50. ®. 279.

*’) Sntsch. B. 43. S. 417. '") Die entaegenstehende Ansicht deS O. Trib. Entsch. B. 27. S. 156. Strieth. B. 10. S. 213. war jchon nach älterem Recht zweifelhaft, s. Strieth. B. 16. S. 196. In der neueren Praxis ist angenommen, daß gegen den GeschäftSgeuossen des SchuldnerS .allein geklagt werden kann. Emfch. B. 49. S. 360. Strieth. V. 46. S. 204. Koch, Komment, z. A.L.R. L 3. A. S. 942. Note 76b. Meischeider S. 102 f. ") §. 11. des Gef.

-1) Da- fächf. G.B. §.1513. verlangt Wissenschaft des EwerberS von der fraudulösen Absicht des Schuldner-, außer bei unentgeltlicher Veräußerung und wenn der Er­ werber handlungsunfähig war. 1J) §. 16. des Gef. Nach fächf. G. B. §. 1513. haftet der fernere Erwerber im Fall des unentgeltlichen Erwerbes, wenn er die fraudulöse Absicht des Schuldners, im Fall deö entgeltlichen Erwerbes, wenn er nicht nur diese, sondern auch die Wissenschäft seine- Veräußerers von dieser Absicht gekannt hat. '•) §. 1. des Ges.

7') §. 14. des Ges.

$. 88.

6. Anfechtung.

519

veräußerte Vermögensstück zurückgewährt werden"), um eS zur Be­ friedigung des Gläubigers verwenden zu können"). Ist der beklagte Er­ werber gutgläubig gewesen, so muß ihm der Kläger seine Gegenleistung vollständig erstatten"). War er schlechtgläubig, so kann er sich nur an seinen Veräußerer (den Schuldner) halten"). Hat er freigebig ohne Si­ mulation erworben, so giebt er die Bereicherung zurück, oder was er noch besitzt"). Der schlechtgläubige Erwerber muß die Sache auch dann zurück­ gewähren, wenn er sie nicht mehr besitzt, oder das Interesse leisten"). Der gutgläubige muß die Umstände beweisen, au- denen sein guter Glaube folgt"). In allen Fällen aber wird da- Recht de- Erwerber-, der zu­ rückgewähren mußte, gegen den Schuldner erhalten; e- erwacht wieder, wenn die angefochtene Veräußerung eine Schuldtilgung war"). 9. Eine besondere Eigenthümlichkeit de- Anfechtungsrecht- ist, daß der erkennende Richter von den positiven Beweisregeln bei Feststellung der Zulässigkeit der Anfechtung Befreit ist. Nur der zugeschobene Eid hat seine Bedeutung behalten"). Mit Recht hat da- Oberttibunal diese Bestimmung ah- eine materielle aufgefaßt, welche nicht da- Verfahren der Beweisaufnahme, son­ dern die innere Bedeutung und Kraft der Beweismittel, und die Grund­ sätze der Beweislast betrifft85). b. Anfechtung der Rechtshandlungen eines Schuldner- im Kon­ kurse"). Es genügt, die Besonderheiten hervorzuheben. Da- Anfech­ tungsrecht hat im Konkurse die Gläubigerschaft, und erst wenn sie e- nicht *‘) §. 12. d. G. Der Erwerber muß da» Bermögen«stück gewähren, auch wenn er sich nicht im Besitz befindet. Strieth. B. 42. S. 189. Im Widerspruch hiermit hat derselbe Senat (Strieth. B. 53. S. 307 s.) angenommen, daß eine Rechtshandlung, welche die Veräußerung einer Sache zum Gegenstand hat, nur gegen den Besitzer angefochten werden darf. Gegen den Weiterveräußerer kann unter Umständen nur ein Entschädigungsanspruch begründet sein. Auffallend ist, daß bei der jüngeren Entscheidung die ältere keine Erwähnung gefunden hat; letztere ist aber für die rich. tigere zu halten, weil §. 12. nur bei freigebiger Veräußerung die Klage gegen Erwerber-von deffen Besitz abhängig macht — sonst also nicht.

T7J Koch'« Note 92 f. Komm. B. 1. S. 950. ■') $. 13. d. G Nach Sachs. G. B. §. 1516. kann der Dritte die Gegenleistung nur znrUcksordern, soweit sie sich im Vermögen de« Schuldner« noch befindet. ") §. 13. d. ®.

*") §. 12. Satz 3. de« Ges.

Sächs. G. B. §. 1517.

"*) Strieth. B. 42. S. 189. B. 25. S. 362. Gegen die Verpflichtung, da« Interesse zu ersetzen, hat sich die Entsch. bei S trieth. B. 8. S. 104. ausgesprochen. S. hier­ über Meischeider S. 112 f. *’) Entsch. B. 42. S. 97. Dagegen Sutro-bei Gruchot V. S. 201. "’) §. 13. Schlußsatz de« Ges. "*) §. 17. d. Ges. Die Besreiung von den positiven Bewei«regeln bezieht sich allge­ mein aus die Frage, ob da« Anfechtungsrecht „zulässig," also nicht bloß auf die srandulose Absicht, sondern auch aus die Thatsache der Jnsusficienz. Da« Gesetz unterscheidet nicht, und deßhalb kann Meischeider S 86. nicht beigetreten werden, obgleich die inneren Gründe, die er gegen die Ausdehnung der Regel ans die Fest, stellung der Jnsusficienz vorsührt, an sich richtig (tob. ") Strieth. B. 26. S.267. ••) Äons. Ordn. §. 99-112.

Zweite» Luch.

520

Die besonderen Privatrechte.

auSüben will, der einzelne Gläubiger"), jedoch Masse").

nur im Jntereffe. der

Abgesehen von den Rechtshandlungen, die im Konkurse ebenso

anfechtbar sind, wie außer dem Konkurse, und zwar theils innerhalb der

zweijährigen Zeitgrenze ihrer Vornahme"), theils ohne Zeitbeschränkung, greift das Konkursrecht noch

weiter.

ES erklärt alle Zahlungen

und

Rechtsgeschäfte des Gemeinschuldners von dem Zeitpunkt an, wo er seine Zahlungen bereits eingestellt, dem Gericht seine DermögenSunzulänglichkeit

angezeigt oder einer seiner Gläubiger auf Konkurseröffnung angetragen

hat, für ungiltig, wenn diese Thatsachen ’°) dem andern Theil bekannt ge­ wesen"); ferner ohne Rücksicht auf daS Wissen deö anderen Theils die­

jenigen Rechtshandlungen, welche der Gemeinschuldner oder sein Erbe") nicht bloß nach dem Eintritt dieser Thatsachen, oder an dem Tage, an

welchem sie eingetreten ’’), sondern auch in den nächstvorhergehenden zehn

Tagen vorgenommen hat, und durch welche eine noch nicht fällige Schuld") getilgt, eine fällige nicht baar oder durch Handelspapiere bezahlt"), oder

für eine ältere Forderung durch Pfand und Hypothek Sicherheit bestellt worden, ohne daß dies schon früher, bei Entstehung der Forderung, aus­ bedungen") war").

Die übrigen Bedingungen der Ausübung des An­

fechtungsrechts sind die gleichen, wie außerhalb des Konkurses, nur noch

mit den Abweichungen, daß

die Anfechtung,

weil sie im Jntereffe der

Masse geschieht, immer die ganze Rechtshandlung mit allen ihren Folgen

") §. 99. 112. das. Die Gläubiger können auch die ein Jahr vor Ausbruch de- LonkurseS erfolgte Auslösung de» GesellschaftSverhältnisseS zwischen dem Gemeinschuldner und seinem stillen Gesellschafter ansechten und dessen Einlage zurücksordern. Deutsche« H. G. B. Art. 259. **) Das Anfechtungsrecht geht nicht mit den andern Klagerechten nach Beendigung de« Konkurses auf den Gemeinschuldner über. Gruchot B. 7. S. 534. "’) Im Konkurse wird djeser Zeitraum zurückgerechnet vom Tage der Zahlungseinstel­ lung, oder wo der Schuldner dem Gericht seine Jnjusficienz angezeigt, oder ein Gläubiger ans Konkurseröffnung angetragen hat. §. 102. St. O.

’***) Strielh. B.28. S. 190. Der Dritte muß grade diese Thatsachen gekannt haden; seine Kenntniß von der Jnsusficienz de» Schuldner« im Allgemeinen ist imschädlich. ") §. 100.,St. £). Meischeider S. 50. Exekutivisch abgenöthigte Zahlungen können aber nicht angesochten werden (Entsch. B. 38. S. 427weil sie keine Rechtshand­ lung de» Schuldner» find und von diesem nicht gewollt auch nicht die Absicht, andere Gläubiger zu bevortheilen darlegen können. — §. 122. der ft ent. Ord ist auch für Anwendung de« §.100. maßgebend. Strieth. B. 48. S. 254. ”) Strieth. B. 50. S. 289.

") Strieth. B. 34. S. 236. Schuld ist nur Geldschuld.

Strieth. B. 41. S. 284.

") Cession zum Zweck der Schuldtilgung ist anfechtbar.

*“) Gleichviel ob schriftlich oder mündlich Sergi, auch v. 40. S. 112.

ansbedungen.

Strieth. B. 34. S. 237. Strieth. B. 45. S. 185.

’’) §. 101. K. O. S. über diesm §. und dessen Beschränkung aus den Konkurs Meischeider S. 48. 57. Dagegen Hoffmann in Grnchot'« Beiträgen B. 8. S. 617.

§. 89.

521

Die Beschädigung.

ergreift, ein speziell beschränkender Klageantrag daher nicht erforderlich ist, daß der schlechtgläubige Erwerber seinen Anspruch auf Erstattung der Ge­

genleistung nicht gegen den Gemeinschnldner, sondern alS Massegläubiger geltend machen muß ”) und daß der Erwerber, der die Sache oder Summe zurückgewährt, in Betreff seiner wieder erwachten Forderung an den Schuld­

Endlich fällt die Vor­

ner in die Reihe der Konkursgläubiger eintritt").

aussetzung, daß die Forderung des anfechtenden Gläubigers älter sein muß,

als die anzufechtende Rechtshandlung, nothwendig weg, weil im Konkurse

die Anfechtung niemals im Interesse einzelner Gläubiger stattfindet.

Zweite- Kapitel. Rechtlose Handlungen. A.L.R. I, 6. tz. 1-97. Heydem. I. S. 294. Gruchot III. S. 466. IV. S. 115. Bornern. II. S. 170. Koch, Pr. R. II. S. 219. R. d. F. I. S. 196. II. S. 531. v. Daniel« IV. S. 1 Plathner II. 1. Förster, Kl. n. Einr. S 347. — v. Wenin g.Ingenheim, die Lehre v. Schadenersatz nach röm. R.1841. Hepp, die Zurechnung auf d. Geb- de« Eivilr. 1838. Mommsen, Beiträge z. Obl-R. 2. Abth.: Zur Lehre vom Interesse. 1855. Un terholzner I. S. 91. 253f Savigny, CbL R. II. S. 293. Wächter, würtemb. Pr. R II. S. 776. Unger, öflen. Pr. R. II. S. 228. ArndtS §. 206. S. 324. §. 243. S. 389. Sinteni« II. §. 100. S. 314. Seussert, prakt. Pand. R. 4. A. 1. D. S. 78. Keller §. 240. S. 471. Zachariä (Anschütz) II. S. 572 f. Unger, Fragmente z. östen. Obl. R. 1864. (5. 3.

§. 89. Die Beschädigung. Wenn in herkömmlicher Weise diesem Kapitel die Ueberschrist: Schuld­

verhältnisse aus unerlaubten Handlungen (obligationea ex delicto) gegeben worden wäre, so würde sie zu eng sein.

Hierher gehört die mehr

umfassende Gruppe aller selbständigen Schuldverhältniffe,

welche darauf

abzielen, den Rechtszustand einer Person unversehrt zu erhalten und wo er ohne Rechtsgrund verletzt worden, ihn wieder herzustellen, gleichviel zu­

nächst, ob die verletzende Handlung eine verbotene (unerlaubte) gewesen

oder nicht.

Zwar ist der 6. Titel des A. L. R.

Pflichten und Rechten,

die aus

überschrieben: von den

unerlaubten Handlungen entstehen.

Gleichwohl beschränk sich sein Inhalt nicht hierauf; er umfaßt alle Ent­ schädigungsansprüche, die nicht innerhalb eines VertragSverhältnifseS ent­

springen').

Die DeliktSobligationeu sind nur eine Art dieser Gattung.

") §. 107. Satz 3. fi. C. ”) §. 108. K. O. ') z. 17. d. T. Heydem. S. 294.

522

Zweitel Buch.

Die besouderrn Privatrechte.

E» bedarf aber die Umgrenzung dieser Gruppe von Schnldansprüchen noch

Ihr Prinzip liegt in der Vorschrift:

einer genaueren Bestimmung.

aus

dem Recht des Einen folgt die Pflicht des Andern zur Leistung oder Dul­

dung dessen, was die Ausübung deS Rechts erfordert;

wer den Andern

in dieser Ausübung hindert, beleidigt ihn und wird ihm für allen darau-

erwachfenen Schaden und Nachtheil verantwortlich').

Die Rechtssphäre

jeder Person muß von allen anderen Personen geachtet, sie muß unbehin­

dert gelassen werden; wer dagegen handelt, ohne hierzu besonders berech­ tigt zu fein, muß den Zustand vor der Störung wieder Herstellen oder

den Schaden ersetzen.

Dieser Grundsatz umfaßt nun zwar auch diejenigen

Verletzungen, welche von dem aus einem besonderen Geschäft Ver­ pflichteten zugefügt werden.

Allein der aus dem Vertragsbruch erwachsene

Nachtheil, der später seine ausführliche Erörterung finden wird'), trifft nicht den bisherigen, in sich schon abgeschlossenen Rechtszustand deS Ver­

letzten, sondern die Erweiterung, die durch den Vertrag beabsichtigt wor­

den.

Der hieraus entstehende Anspruch auf Entschädigung zeigt daher eine

wesentlich andere Natur; er hat im Vertrage selbst seine Quelle, er ist

ein abgeleiteter und richtet sich in Art und Umfang nach dem besonderen

Inhalt dieses Vertrages.

Und ebenso müssen die hier zusammenzufassen­

den Ansprüche unterschieden werden von anderen, die zwar auch darauf abzielen, die Beeinträchtigung einer Rechtssphäre zu beseitigen, bei denen aber der Umfang dieser Rechtssphäre selbst noch streitig ist.

Wenn der

Eigenthümer vindizirt, so will er zwar auch nur daS wieder erlangen, was ihm gehört: ob aber diese Sache zu seinem Rechtsgebiet, ob sie nicht viel­

mehr Demjenigen gehört, von dem er sie verlangt,

ist noch zweifelhaft,

die Klage richtet sich hauptsächlich auf diesen Punkt, auf daS Recht an der Sache.

Bei den Schuldverhältnissen aus Beschädigungen ist aber ein

solcher Zweifel ganz und gar nicht vorhanden: eS fragt sich nicht, ob die Sache, an welcher die angeblich beschädigende Handlung verübt worden,

wirklich die des Klägers ist,

sondern ob diese Sache einen Schaden er­

litten und ob dieser Schaden von dem Beklagten zu heilen sei.

So

abgegrenzt einerseits

gegen die Klagen auf das Intereffe aus

Verträgen, andererseits gegen die Klagen auf Anerkennung und folgeweise

auf Wiederherstellung eines dinglichen Rechts,

läßt sich der Begriff der

hierher gehörigen Ansprüche dahin fassen: Schnldverhältnisse, die aus be­ schädigenden Handlungen

als solchen entspringen.

Die nächsten

') Oben S. 76. Einl. j. A L-R §. 92. 93. §. 8. l, 6. pr. J. IV, 4. generaliter injuria dicitur omne, quod non jure fit. 1. 1. pr. D. XLVII, 10.: injuria ex eo dicta est, quod non jure fiat; omne enim, quod non jure fit, injuria fieri dicitur: hoc generaliter. 1. 5. §. 1. D. IX, 2. 3) Unten §. 106.

§. 89.

528

Die Beschädigung.

Voraussetzungen für die Entstehung eines solchen SchuldverhLltniffeS sind: ein Schaden und eine ihn bewirkende Handlung.

a.

Schaden definirt das A.L.R.:

„jede Verschlimmerung des Zu»

standeS eines Menschen in Ansehung seines Körpers, seiner Freiheit oder Ehre oder seines Vermögens" **).

Da jedoch die Verletzungen der Persön­

lichkeit auf dem Gebiet des Privatrechts nur in ihrer Rückwirkung aus das Vermögen in Betracht kommen,

so kaun der Begriff des Schadens

einfacher dahin bestimmt werden: jede Verschlimmerung des VermögensJ).

Die Beschädigung ist entweder völlige Vernichtung oder Verschlechterung, auch die bloße Entziehung einer Sache aus der Rechtssphäre, der sie zu­

gehört, wo dann nicht diese einzelne Sache, sondern der gesammte VörmögenSzustand daS beschädigte Objekt ist.

Auch wenn die Sache War an

sich nicht an Werth verringert worden, wohl aber z. B. durch eine schwer

oder gar nicht mehr trennbare Vermischung oder Verbindung mit anderen Sachen für den Eigenthümer an Gebrauchswerth verloren hat, liegt Scha­

den vor. Neben diese Verminderung deö Vermögens, die einen schon in ihm enthaltenen Bestandtheil trifft, tritt als zweite Art des SchadenS

die gehinderte Vermehrung des Vermögens, der entgangene Ge­ winn: „Vortheile, die man erlangt haben würde, wenn eine gewisse Hand­

lung oder Unterlassung nicht vorgefallen wäre"').

Ein Gewinn ist ent­

gangen und dies als Schaden aufzufassen, wenn ihn zu erlangen nicht bloß allgemein möglich gewesen, sondern welcher sicher eingetroffen wäre,

wenn nicht die störende Handlung dazwischen getreten wäre'). 4) Damnum von demere und deminuere. 1. 3. D. XXXIX, 2. Damnum ab ademtione et quasi deminutione patrimonii dictum. Schaden an Leib, Ehre, Vermögen: 1. 1. C. V, 47. 1. 50. D. XXXVI, 1. ') Damnum pecuniarium: 1. 5. §. 5. in f. D. IX, 3. 1 3. D. XXXIX, 2. (Note 4.\ Der Schaden ist die Differenz zwischen dem LermögenSbetrage einer Person, wie derselbe in einem gegebenen Zeitpunkte ist, und dem Betrage, welchen dieseVermögen ohne die Dazwischenkunft eines bestimmten beschädigenden Ereignisse- in dem zur Frage stehenden Zeitpunkte haben würde. Mommsen S. 1. Der Aus­ druck id quod interest, Interesse, bezieht sich hauptsächlich aus den Schaden-be­ trag, der innerhalb von Vertragöverhälmissen erwachsen ist. tz. 286. I, 5. Der Ausdruck vollständige Genugthuung (§. 7. I, 6.) bezieht sich aus den Um­ fang des Ersatzes. In Enlsch. B. 28. S. 274 f. interpretin däö O. Trid. den Aus­ druck „allen Schaden" in § 25. des Eisen b Ges. v. 3. Novbr. 1838 aus Grund des §. 7. I, 6. „gestimmten Schaden" nur als ten wirklichen Schaden mit Aus­ schließung des entgangenen Gewinnes. S. auch Unger a. a. O. Anm. 2. 3. Unten §. 106. bei Note 15—21. über den Sprachgebrauch des A. L. R. *) §.5.6. d. T. 1. 13. pr. D XLVI, 8.: quantum mihi abest, quantumque lucrari potui. Damnum und lucrum ist häufig in den Quellen nedeneinandergeftelll und zwar immer so, daß der sehlgeschlagene Gewinn zum damnum gerechnet wird; z. B. 1. 33. pr. D. IX, 2.: in lege Aquilia damnum consequimur: et amisisse dicemur, quod aut eonsequi potuimus aut erogare cogimur. 1. 11. pr. D. XXXVI, 1. 1. 13. pr. D. XLVI, 8 1. 2. §. 11. D. XL1II, 8. 1. 2. §. 8. D. XIII, 4. Der Ausdruck lucrum cessans und damnum emergens im NeichSabjchied von Spever. 1600 §. 139. ') Die Frage, welcher entgangene Gewinn als Schaden ausznfasien, kann im ein-elnen

Zweit«» Buch. Die besondrren Privatrahte.

524

Während nun daS römische und gemeine Recht bei dieser natürlichen Eintheilung in wirklichen Schaden (damnum emergens) und entgangenen Gewinn (lucrum cessans) sich begnügen’), hat das A.L.R. den ersteren noch in einen unmittelbaren und mittelbaren unterschieden, je nach­

dem er durch die Handlung oder Unterlassung allein („unmittelbar und

zunächst") oder durch diese in Verbindung mit einem von ihr verschiedenen Ereigniß oder Umstand bewirkt worden'). Diese Entscheidung ist an sich

nicht unrichtig, und würde sehr unschädlich sein, wenn nicht daS A.8.R. davon eine ganz verwerfliche Anwendung gemacht hätte. Es zeigt sich hier, wie sonst noch vielfach, daß der 6. Titel eine besonders verunglückte

Schöpfung der Gesetzgebung ist, indem er an einer todten Abstraktion und einer unerträglichen Kasuistik leidet; Eintheilungen und Unterscheidungen,

die dem Leben fremd sind, haben zu Folgerungen geführt, die weder nach den Gesetzen der Logik zu rechtfertigen sind, noch den Anforderungen der Gerechtigkeit entsprechen: die Einfachheit des römischen RechtS hat gekün­

stelten Verwicklungen weichen müssen'").

UebrigenS geht diese Scheidung

deS wirklichen Schadens in unmittelbaren und mittelbaren, deren schäd­ liche praktische Wirkung erst bei Beantwortung der Frage nach dem Um­ fang deS Ersatzes gezeigt werden kann, parallel mit der Eintheilung der

Folgen einer Handlung in unmittelbare und mittelbare").

b. Die beschädigende Handlung.

ein Vermögen

beschädigt worden,

ein

Soll aus dem Umstand, daß

besonderes Schuldverhältniß auf

Entschädigung entspringen, so muß der Schaden verursacht sein durch eine

Handlung.

ES folgt aus der Natur dieser Obligationen und steht nach

gemeinem Recht unzweifelhaft fest, daß die schädliche Handlung nie eine

bloße Unterlassung sein kann"), daß sie als ein positives Einwirken

Fall sehr zweifelhaft sein. Bergt, die eingehende Untersuchung von Mommsen §. 17. S. 173. Nähere- hierüber im folg. §. Uebrigenö ist der in § 13. I, 6. erwähnte entgangene Gewinn, der aus dem gewöhnlichen Gebrauch hätte gezogen werden können, keine besondere Abstufung. 8) 1. 30 D. IX, 2.: nam et qui occasionem praestat, damnum secisse videtur. 1. 22. §. 1. D. IX, 2 1.21. §. 3. D XIX, 1.: „omnis utilitas in aestimationem venit. In der gemeinrechtlichen Doktrin ist die Eintheilung des damnum circa rem ipsam und extra rem entstanden, doch ist auch diese in der neueren Theorie v'erworsen. Mommsen S. 265 f. ArndtS S- 326 f. Anm. 3.4. Das A. L. R. erwähnt diese Eintheilung nicht. Auch den anderen neuen Gesetzbüchern ist eine weitere Eintheilung deS damnum emergens unbekannt. Oesterr. §. 1294. 1295. Sächs. §.124.125. Ueber franz. R. s. Zachariä (Anschütz) II, 576. ’) §. 2.3. d. T. Rechtspr. B. 4. S. 447. ’") Siehe die Urtheile von Heydem. S. 294 f. Gruchot S. 466. Koch, Komm. Note 1. zu §. 1. d. T. ") A.L.R. 1,3. §. 4.5. ”) Sinterns II. S. 318. Note 8. unter II. @.320. Hasse, die Culpa. 2. A. S. 13 f. Der ganze Titel de lege Aquilia zeigt, daß die Bestimmmlgen des Gesetzes sich nur auf positive Handlungen beziehen: ein damnum injuria datum. Mehr

§. 89.

Die Beschädigung.

525

oder Eingreifen in die fremde Recht-sphäre sich äußern muß — denn eine

besondere Pflicht zum Thun, wie sie der Vertrag begründet, oder ein be­ stimmte- gesetzliches Gebot für besondere Fälle ausnahmsweise begründen kann, liegt nicht vor, es kann also eine solche durch Nichtthun nicht ver­ letzt werden.

Wo eine besondere Pflicht zu einer Handlung (eine ZwangS-

pflicht) besteht, da wird durch Unterlassen derselben da- besondere RechtS-

verhältniß verletzt und dieses, nicht die Unterlassung als solche, giebt den RechtSgrund auf Entschädigung ").

ist,

wird doch

Diese Regel, so fest begründet sie auch

für das preußische Recht in Zweifel gezogen.

Koch be­

hauptet, daß auch Unterlaffungen im Allgemeinen geeignet sind, Obligatio­

nen auf Schadenersatz zu erzeugen, und er sieht hierin eine wichtige Ab­ weichung des preußischen Rechts vom gemeinen "). ist nicht vorhanden.

Allein diese Abweichung

Kein §. im 6. Titel spricht dafür, denn obwohl an

einzelnen Stellen") neben den Handlungen die Unterlassungen erwähnt

find, so soll damit doch nur gesagt sein, daß auch letztere die Ursache zu

einem Schaden fein können — was natürlich Niemand leugnet — nicht aber, daß ein aus Unterlassungen erwachsener Schaden eine selbständige Obligation

erzeugt,

und dies ist um so weniger au- jenen Stellen zu

schließen, als der 6. Titel keineswegs frei geblieben ist von Andeutungen, die sich auf die Ersatzpflicht aus Verträgen, beziehen").

So

erwähnen

jene §§. neben der Handlung auch die Unterlaffung, weil sie ganz allge­ meine Begriffsbestimmungen geben, die auf Beschädigungen innerhalb und

außerhalb eines Vertrags sich beziehen.

Für die letzteren stellt dann aber

§. 9. gradezu den richtigen Grundsatz hin, daß die Unterlaffung nur, wenn sie die Verletzung einer „Zwangspflicht",

d. h. eines

schon

bestehenden

besonderen Rechtsverhältnisses oder eines besonderen gebietenden Gesetze­

ist, als eine zum Schadenersatz verpflichtende Handlung aufgefaßt werden

darf.

So hat auch Koch außer dem negativen Satz, der Tit. 6. „erkenne

eS nirgends an",

daß nur durch positives Handeln eine zu vertretende

Culpa begangen werden könne, nichts weiter für seine Ansicht beigebracht, als einige fingirte Beispiele.

Jener negative Satz beweist aber schlechthin

nichts, da vielmehr nachzuweisen gewesen wäre, wo das A.L.R. eine so

als bloße Unterlaffung ist e« auch, wenn man eine Beschädigung nicht verhindert hat, die man hätte verhindern können und sollen. Seussert B. 16. S. 363. B. 3. S. 68. ") Beispiele sind: §. 6. J. IV, 3. 1. 8. pr. D. IX. 2. 1. 30. §. 3. D. eod. Bergl. L.L.R. 1,3. tz.33.34. Slriethorst B. 41. S. 334. Würtemb. Arch. B. 6. S. 224. ") R. d. F. I. S. 253 s. ") 8- 2. 3. 4. 5. d. T. I6) Wa« Koch selbst nicht verkennt. S. Komment. Rote 1. zu 8-1. d. T. Heydem. S. 294. a. E. 295. Plathner II. S. 1. 8. 9. Z. B. Entsch. B. 38. S. 40. Strieth. B. 29. S. 54.

Awntol Buch

526

Die besonderen Privatrctie.

wichtige Abweichung von der naturgemäßen Regel gradezu ausgesprochen hat.

Und die von Koch getroffene Entscheidung deS ersten Beispiels ist

gewiß falsch.

Kein gemeinrechtlicher Richter würde so urtheilen, warum

soll eS ein preußischer?

WaS den Beschädigten abgehalten hat, sein Pferd

zu holen, ist ein rein zufälliges Hinderniß, die zugefallene Thür: der Mann in der Stub^ hat ihn nicht gehindert, also auch nicht beschädigt. Bei den übrigen Beispielen

aber

liegt eine durch das Gesetz

gebotene

Zwangspflicht zum Handeln vor, dessen Unterbleiben wie bei Verträgen

zu beurtheilen ist. Wie daS bloße Unterlassen einer Handlung, die einen Schaden hätte

verhindern können, zu deren Vornahme aber keine besondere Verpflichtung

bestand, eine Obligation auf Schadenersatz nicht erzeugt, ebenso wenig geht eine solche aus zufälligem Schaden hervor:

dessen Entstehen aus der

Handlung oder Unterlassung gar nicht vorausgesehen werden konnte"). Wenn man dies durch das Sprichwort ausdrückt: casum sentit dominus,

so kann dies nur bedeuten, daß Niemand als Urheber zum Ersatz eines solchen Schadens verpflichtet ist"). Es ist aber c. auch festzustellen, wer als der Beschädigte anzusehen, Da das Vermögen aus

d. h. wessen Rechtssphäre eigentlich verletzt ist").

verschiedenartigen Rechten zusammengesetzt ist, und je in verschiedenen recht­

lichen Beziehungen eine Sache gleichzeitig in die Rechtssphäre verschiedener Personen gehören kann, so leuchtet das praktische Interesse dieser Frage

ein.

Unzweifelhaft freilich ist die Beantwortung bei Beschädigungen, die

die Person oder ein VermögenSstück treffen, welches Objekt des uneinge­

schränkten und unbelasteten Eigenthums ist. Hier hat der persönlich Ver­

letzte, der Eigenthümer den Nachtheil erlitten. Wer dagegen zur Sache nur ein persönliches Recht hat, ist an sich nicht durch ihre Beschädi­

gung getroffen"), er kann nur insofern als Beschädigter gelten,

für den Schaden dem Eigenthümer aufkommen muß").

als er

Was den Be-

”) §. 4. d. T. Siehe hierzu Koch, Komm. Note 4. 1. 6. C. IV, 24. 1. 64. D. de KJ. u. A.L.R. 1,3. 5.6. ,8) Oben S. 141. und unten §. 108. bei Note 25. Richtiger Casus a nullo praestantur. 1. 23. in f. de R. J. Bergt, den Rechtfall bei Gruchot II. S. 81. ") Besonders Gruchot IV. S. 151-158 ,J) Hasse, Eulpa S. 244. Lex Aquilia domino damna salva esse voluit. Dieser Grundsatz wurde auch auf jedes selbständige jus in re aliena angewendet, aber nicht aus persönliche Rechte. Den Mauser traf erst das periculum und er war daher erst zur EntschädignngSklage legitimirt, sobald ihm übergeben worden, I. 12. D. XVIII, 6.; er mußte sich deßhalb diese Klage vom Verkäufer cediren lassen. 1. 13. §. 12. D. XIX, 1. Bergt. 1. 14. §. 10. XLVI1, 2.: neque enim is, cujuscunque intererit, rem non perire, habet furti actionem, sed qui ob eam rem tenetur, quod ea res culpa ejus perierit **) 1. 14. §. 12. IG. D. XLVII, 2. 1. 87. eod. Dagegen wegen Entziehung der perzipirten Früchte hat der colonus ohne Weiteres die Klage, quia ejus esse coepissent. 1. 26. §. 1. 1. 82. §. 1. D. eod.

$. 90.

Die Entschädigung.

527

sitzer angeht, so macht sich hier die Abweichung deS preußischen vom ge­ meinen Recht geltend, insofern ersteres einzelnen Rechtsverhältnissen, die nach

letzterem nur persönlicher Natur sind, den dinglichen Charakter des nnvollständigen Besitzes beigelegt hat.

und

Der vollständige Besitzer ist nach gemeinem

preußischem Recht von der Beschädigung

unmittelbar

ebenso der Nießbraucher"), der Pfandbesitzer"); aber auch der Miether, Pächter, Leiher").

getroffen");

nach preußischem Recht

Ob auch der Inhaber, also

der Depositar, Mandatar, der Handwerker, dem ein Stoff zur Bearbeitung

anvertraut worden, der Gastwirth und Schiffer, ist nach gemeinem Recht davon abhängig gemacht, ob er dem Eigenthümer gegenüber die Gefahr zu

vertreten hat").

Dies setzt aber voraus, daß der Schaden grade in die,

fett Kreis der Vertretungspflicht trifft.

nach preußischem Recht anzunehmen;

Der gleiche Grundsatz ist auch

man wird aber nach diesem noch

weiter gehen müssen und überhaupt den Inhaber als Beschädigten anzu­

sehen haben — auch abgesehen von seiner Vertretungspflicht gegen den, in dessen Namen er innehat, denn selbst der Prekarist hat die possessori­ schen Rechtsmittel und „sein Recht ist schwächer al- das eines Jeden, der eine Befugniß zum Besitze nachweisen kann", stärker also denen gegenüber,

die keine Befugniß haben").

§. 90.

Die Entschädigung.

Die beschädigende Handlung als solche erzeugt ein selbständige- Schuld­ verhältniß, dessen Inhalt darin besteht, daß der Beschädign entschädigen muß.

Diese Obligation verzweigt

”) A.L.R. I, 7. §. 176.

sich in zwei Arten,

je

nachdem

die

§. 15. J. IV, 1.

”) 1. 17. §. 3. D. VII, 1. 1. 11. §. 10. D. IX, 2. Ä.L.St. I, 21. §. 2. 23.

") §. 14. J. IV, 1. 1. 12. §. 2. D. XIII, 1. 1. 30. §. 1. D. IX, 2. §. 117. I, 7. §. 169. 146 s.

Ä.L.R. I, 20.

") Dies folgt auf §. 2. I, 21. Verb, mit §. 6. I, 7. A.L.R. ") Der Depositar nur, wenn in Folge seiner culpa die Sache weggekommen: §. 2. J. IV, 2. Er hat aber die furtio actio nicht, wenn er in dolo oder sine culpa war. 1.14. §. 3. D. XLVII, 2. §. 17. J. IV, 1. Der Mandatar nur, wenn er eine custodia zu prästiren haue, I. 14. §. 17. D. eod. Aus gleichem Grund« der Hand­ werker, I. 12. pr. D. eod. und 1. 2. pr. D. IX, 1. Der Gastwirth und Schifter, so weit ihnen das periculum zusällt, 1. 4. pr. D. IV, 9. 1. 14. §. 17. cit.

1T) A- i R. 1, 7. §. 162.163. In Entsch. B 44. S. 5. ist der Detentor von Wolle, die ihm gestohlen worden, zur Klage gegen den Dieb und Hehler aus Ersatz des Werthes berechtigt erklärt. Äus S. 137. I, 7. diese Berechtigung herzuleiten, erscheint bedenklich, weil dieser nur von den Rechten und Pflichten spricht, den Be­ sitz zn erhalten. Die Entscheidung rechtfertigt sich aber au» §. 162. I, 7., denn wenn die Rückforderung der Sache nicht mehr möglich ist, tritt Vergütigung ein, und daraus, daß der Detentor, soweit er dem Eigenthümer zum Ersatz verpflichtet war, beschädigt worden ist. Bergl. über gemeines R. die vorige Note.

Zweite« 8ud>.

528

Die besonderen Priratrechle.

Handlung nur nach ihrer objektiven Schädlichkeit, oder zugleich auch nach ihrer subjektiven Rechtswidrigkeit in Betracht kommt.

Man darf — es

fehlt an einem technischen Ausdruck — jene erste Art die einfache EntfchädigungSpflicht nennen; die zweite Art umfaßt die Fälle der „Pflichten

und Rechte aus unerlaubten Handlungen", die obligatione« ex delicto.

Beide Arten sind in den Voraussetzungen ihrer Geltendmachung einiger­ maßen verschieden.

Gemeinsam ist ihnen: daß ei» Schaden wirklich entstanden und daß

dieser Schaden durch eine Handlung (nicht Unterlassung) verursacht sein muß. Abweichend sind sie darin, daß bei einfacher Entschädigungsforderung ein

Verschulden und die Zurechnungsfähigkeit des BefchädigerS nicht in Frage

kommt, daß bei ihr also auch alle die Folgerungen wegfallen, die das A.L.R.

in Beziehung auf den Umfang der Entschädigung je nach dem Grade der Schuld aufgestellt hat.

a.

Dies verlangt hier eingehendere Erörterung.

Ein Schaden muß wirklich entstanden sein; es muß sein

Betrag mindestens annäherungsweise

festgestellt werden

können').

Ein

möglicher, drohender Schaden genügt nicht zur Begründung der Obliga­

tion auf Entschädigung — hier bietet das Recht Sicherungsmittel anderer Art'), und selbst diese sind heut im Vergleich mit dem römischen Recht

sehr eingeschränkt, weil die umfassendere Thätigkeit der Polizei dafür sorgt, daß drohende Störungen des Nebeneinanderlebens beseitigt werden').

Es

') Gin wirklicher Schade liegt auch dann schon vor, wenn das Vermögen mit einer Schuld belastet worden ist, ). B. die Schuld an den Arzt wegen der Kurkosten. Der Beklagte kann nicht einwenden, daß Kläger sie noch nicht bezahlt habe. Sen ff. B. 13. Nr. 215. Bergl. auch Heuser, Annalen B. 4. S. 416 f. Gruchot 111. Seite 469. . Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung in Sachsen B. 16. S. 287. ES gehört zum Klagegrund, daß diejenigen Thatsachen angesiihrt werden, aus welchen sich die faktische Existenz und die Höhe deS Schadens erkennen läßt. „Wollte man eine Klage für zulässig erachten, welche nur aus Entschädigung gerichtet werden konnte, und gerichtet worden ist, ohne daß in solcher die Thatsachen, worin der Schaden besteht und aus denen sich die Höhe desselben bemessen läßt, angeführt worden, so würde ein möglicherweise durchaus überflüssiger Streit geführt werden, und auf einen solchen sich einzulassen ist der Beklagte nicht verbunden." Dagegen hat der deutsche Gerichtsgebrauch zugelassen, ans die „erweislichen Schäden" zu klagen, wo diese nur accesiorisch ;u einem Hauptanspruch hinzutreten. Seuss. B. 5. Nr. 315. B. 12. Nr. 307. Bergl. auch Busch in den Blättern f. RechtSpfl in Thüringen B. 3. S. 114. •) Kaution und Pfändung S. §. 48.49. S. 219. u. 223. 3) Das gemeine Recht bietet zur Abwendung eines drohenden Schadens verschiedene Klagerechte: operis novi nuntiatio, cautio damni infecti, actio aquae pluviae arcendae, interdictum quod vi aut clam. Nach preuß. R. sind solche Klagerechte nicht anerkannt. Gegen die Aufführung eines möglicher Weise schädlichen Baues, z. B. einer Mühle, kann man zwar Widerspruch erheben (op. novi nunt.), aber die Polizeibehörde entscheidet darüber mit Ausschluß des Rechtswegs. Edikt über Aufhebung d. Mühlenzwanges v. 28. Oktober 1810 §. 7.8. Entsch. B. 7. S. 188. Die Vorsorge, das Verhältniß der Nachbargrundstücke in Betreff der Gebäude, der Borfluth und dergl. zu regeln, liegt der Polizeibehörde ob. Vielfach ergiebt dies A.L.R. 1,8. z. B. §.65—82. Edikt v. 15. Nov. 1811 §.5.15. Koch, Pr. R. II. §. 602. 603. 604.

$. 90.

Die Entschädigung.

529

genügt daher nicht, den Anspruch auf Entschädigung lediglich darauf zu

gründen, daß eine Handlung geschehen, die ihrer Natur nach widerrechtlich und schädlich ist, und die Feststellung deS Schaden- einer späteren Zeit

vorzubehalten.

Der Grund einer solchen Klage ist niemals die Handlung

allein, sondern der durch die-Handlung verursachte Schadens.

Dagegen

ist e- wiederum nicht nöthig, daß der Schaden sich schon vollendet hat, ehe der Entschädigungsanspruch erhoben werden darf, nur sjjn erster wirk­

licher Eintritt muß erfolgt sein, wenngleich er später sich z. B. periodisch

wiederholt').

b.

Die Handlung muß die Ursache de- Schadens geworden fein').

Nur insofern als der Schaden erweislich die wirkliche Folge der Hand­ lung ist, entsteht die Obligation zur Entschädigung, ihr Dasein und ihr

Umfang ist davon abhängig.

Zu weit geht man, wenn man verlangt, der

Schaden müsse die nothwendige Folge gewesen sein').

Ebenso wenig

gehört eS zu dem ursächlichen Zusammenhang, daß die Handlung die

alleinige Ursache gewesen'): der Begriff deS mittelbaren Schaden- be­ steht grade darin, daß zu der Handlung noch andere Umstände oder That­ sachen als mitwirkend hinzugetteten sind, gleichviel, ob der Eintritt dieser

mitwirkenden Thatsachen durch jene Handlung bedingt war oder nicht. Die Ursächlichkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß möglicher Weise der Schaden auch auf andere Art hätte eintteten können, aber sie wird

ausgeschloffen, wenn er unter allen Umständen, auch ohne die ihn jetzt bewirkende Handlung eintreten mußte'). Ist also ein schädlich gewordener

Zufall nicht die Folge einer Handlung gewesen, so erzeugt diese keine Obli­ gatton, ist dagegen der Zufall nur eingetreten in Folge der Handlung, so wird je nach der thatsächlichen Lage ein ursächlicher Zusammenhang an­

zunehmen sein.

Ob nun im einzelnen Fall eine Handlung die Ursache

eine- Schaden- geworden, ist da, wo es sich nur um Feststellung dewirklichen Schadens (damnum emergens) handelt, meist leicht nachweis­

bar").

Die Thatsachen sprechen hier unmittelbar.

Weniger sicher wird

da- Ergebniß in Betteff des entgangenen Gewinn- sein, weil hier zu den

Thaffachen mehr oder weniger arbittäre Schlußfolgerungen hinzutteten müffen. Man kommt nicht damit aus, zu verlangen, es müsse die Ge­

wißheit des Gewinnes nachgewiesen werden.

*) ’) *) ') •) »)

Die Gewißheit ist graduell,

Sruchot III. e. 469. Snlsch. B. 13. S. 19. Mommsen a. a. O. S. 137 f. Seusfert XV, 209. Mommsen S. 142.165. Mommsen S. 143.164. Mommsen S. 146. Sergi, hierzu 1. 4. §. 5. D. IV, 7. 1. 36. §. 3. D. V, 3. 1. 27. 5. 2. D. VI, 1. '* *) Wnzn auch oft durch Schlußfolgerungen. Seufsert XIII, 214. Foerster, Preuß. Prtvatrecht. 34

Zweite« Buch.

530

Die Befonbtrm Privatrechte.

und welcher Grad soll genügen?

Die Frage ist: hätte ohne Dazwischen­

treten der beschädigenden 'Handlung der Beschädigte einen bestimmten und

erlaubten Gewinn ziehen können? Die Beantwortung hängt von Zweierlei ab; einmal davon, ob objekttv die thatsächlichen und rechtlichen Voraus­

setzungen für den Erwerb vorgelegen haben oder eintreten mußten, und sodann, ob subjektiv der angeblich Beschädigte habe erwerben oder gewin­ nen wollen.

Jenes objekttve Moment wird in den meisten Fällen klar

erkennbar sein und ebenso, ob die beschädigende Handlung an sich geeignet gewesen, grade diese Voraussetzungen zu beseitigen.

Schwieriger ist der

Beweis des subjektiven Moments, wenn der Gewinn eine bestimmte Thä-

ttgkeit des Erwerbers verlangt.

Hier hat Mommsen den unzweifelhaft

richtigen Grundsatz ausgesprochen:

eS muß immer angenommen werden,

daß der Beschädigte den Erwerb durch seine Thätigkeit herbeigeführt haben würde, wenn das Unterlassen dieser Thätigkeit ein Mangel an der Sorg­ falt eines diligena paterfamilias wäre, während in den Fällen, wo der

Erwerb überhaupt keine Thätigkeit erfordert, sondern nur in einem passiven Anfallen besteht, jenes subjektive Moment gar nicht zur Sprache kommt"). ES folgt auS den Grundsätzen von der Beweislast, daß der Beschä­

digte die Handlung, den Eintritt und Umfang des Schadens und den ursächlichen Zusammenhang der ersteren mit diesem nachweisen muß, und

eS ist eine überflüssige Bestimmung, wenn daS A.L.R. sagt: „daß Jemand

durch die Schuld eines Andern beschädigt worden, wird nicht vermuthet" “). Dagegen giebt es noch zwei Beweisregeln über den ursächlichen Zusammen­ hang"), von denen die eine die den Gegenbeweis zulassende Vermuthung

aufftellt, daß der bei Gelegenheit der Ausübung einer unerlaubten Hand­ lung entstandene Schaden durch die Schuld des Thäters verursacht wor­ den, die andere mit Ausschluß des Gegenbeweises fingirt, daß jeder Schaden,

der durch Beachtung eines Polizeigesetzes hätte vermieden werden können, durch die Uebertretung desselben verursacht worden ist.

") Mommsen S. 177. Die immer al« Beispiel angezogene 1. 29. §. 3. D. IX, 2., um die Gewißheit de« Gewinne« al« Ersorderniß zu erweisen (cum incertum fuerit, an caperentur), ist doch von zweifelhafter Richtigkeit, da bei einem Fischer, der hierin seine Gewerb«thLtigkeit Hal, wohl immer mit Gewißheit anzunehmen ist, daß er Fische gefangen hätte, wenn ihm die Netze nicht entzogen gewesen wären. Ungewiß bleibt nur die Menge der Fische, die Größe de« Fange« und deßhalb recht­ fertigt sich die Entscheidung de« Juristen. Mommsen S. 190. Note 29. §. 6. 1,6. A. L. R. giebt Anhalt«punkte für die Bestimmung de« entgangenen Gewinne«. Der natürliche, gewöhnliche Lauf der Dinge soll angenommen werden, nicht« Außerordent­ lich«» oder Ausnahmsweise« (§. 116. d. T.). Beispiele aus der Praxis: Rechtspr.I. S. 259. IV. S. 224.243. Striethorst B. 3. S. 13. B. 7. S. 226. Unger, Fragm. j. österr. Obl.R. 1864 S. 7. Note 7. ") z. 24. d. T. u. §. 15. I, 3.

Hefster, pr. Civ.Pr. 1856 S. 145. Note 1.

") 8. 25.26.d. T. Gruchot III. S. 480. Ein Beispiel Strieth. B 45. S. 210. Anwendung de« §. 26. aus Korporationen: Entsch. B. 14. S. 92. B. 37. S. 32. Strieth. «.27. S. 128.

§. 90.

531

Die SMschädi-ung.

c. Die unter a. und b. besprochenen Erfordernisse genügen zur Ent­ stehung der

zelnen Fälle

s. g.

einfachen Entschädigung-forderung.

ihre- Vorkommen-

lassen sich

oder auf allgemeine Gruppen zurückführen.

Die ein­

nicht erschöpfend darstellen,

Nur al- Beispiele seien er­

wähnt: die au- Zwang-enteignungen, au- Beschädigungen der Oberfläche oder de- Wasserlaufs durch den Bergbau, au- Aufopferungen zum gemei­ nen Wohl oder in der Kollision mit dem stärkeren Rechts eine- Andern, au-

dem

sprüche ").

GewerbS-

oder Fabrikbetrieb

erwachsenden Entschädigungsan­

Diese Fälle haben noch die Eigenthümlichkeit, daß bei ihnen

,4) In Betreff derExpropriationev: A.L.R. 1,11. tz.4—11. Entsch. B.31. S. 104. B. 40. S. 42. Bergbau: A.L.R. II, 16. §. 109-112. 116.150. Entsch. B.4. S. 354. B. 9. S. 101. B. 15. S. 379. B. 18. S. 71. Aufopferungen zum gemeinen Wohl: A.L.R. Eint. §. 75. Siehe über die Entschädigung-pflicht deStaate» au- §. 75. Eint. z. A. L.R. oben §. 18. S. 78 f. Entsch. B. 20. S. 3. 101. B. 31. S. 109. B. 32. S. 23 (Ges. v. 11. Mai 1842 §. 4.). Seufsert VII, 184. Entsch. B. 43. S. 15.23. Hierher gehört auch, wenn der Staat im Wege der Gesetzgebung ein Rechtsinstitut gegen Entschädigung anshebt, z. B. Müh­ lenzwang, B.O. v. 15. Septbr. 1818 (Ges.S. S. 178.). Entsch. B. 15. S. 46. Sollifton mit dem stärkeren Recht, z. B. die Verpflichtung de- unterliegen­ den Grundbesitzers, dem oberen zu gestalten, Gräben zu ziehen, um die Borfluth zu beschaffen. Ges. v. 15. Novbr. 1811 §. 13.14. A.L.R. Ginl. §. 95 f. Entschä­ digung für eine eingeräumte nothwendige Grnndgerechtigkeit, 1, 22. § 4. Entschäd. wegm Wildschaden findet nicht mehr statt. Ges. v. 31. Okt. 1848. Entsch. B. 19. S. 113. Au- dem GewerbS- und Fabrikbetrieb: Entsch. B. 23. S. 252. (Pl. Beschl.) Strieth. B. 32. S. 90. Dagegen greift derjenige nicht in fremdeEigenthum ein, welcher durch Anlagen oder Einrichtungen auf seinem Grundstück dem Nachbar nur einen bisher genossenen Bortheil entzieht, 1. 24. 26. D. XXXIX, 2. ES muß damit eine für das Nachbargrundstück schädliche Wirkung verbunden sein, um den Entschädigungsanspruch zu begründen. Seufsert B. 12. S. 166. Bloße Unannehmlichkeit (Lärm und Getöse) genügt nicht. Seufsert B. 12. S. 165. Beschädigungen durch den Eisenbahnbetrieb. Seufsert B. 14. S.354. Entsch. B. 21. S. 177. B. 28. S. 270. B. 37. S. 32. u. 42. Errieth. B. 52. S. 33. Gesetz v. 3. Novbr. 1838 §.25. In diese Klaffe einfacher Entschädi­ gungsansprüche sollte auch an sich der aus ungerechtfertigter Arrestlegung ent­ sprungene gehören. DaS O. Trib. läßt aus ihr eine Klage aber nur |u, wenn der Arrestleger in dolo oder culpa gewesen, d. h. wenn ein Delikt vorliegt. Pl. Beschl. Entsch. B. 19. S. 11. Ueber diese die §§. 137.138. d. T. einschränkende Interpretation urtheilt Briegleb, Einl. in die Theorie der summarischen Prozeffe 1859 S. 367. sehr hart. Die Ansichten gehen übrigen- auch gemeinrechtlich aus­ einander. Mevius, de arrestis c. 20. N. 8. c. 23. N. 2 f. und decis. p. V. dec. 388. stellt diesen Entschädigungsanspruch den Prozeßkosten gleich, verlangt also nicht noch Verschulden. Ebenso die Praxis in Kaffel. Heuser, Annalen B. 11. S. 661 s. 670 f. Seufsert B. 1. Nr. 148. Gruchot IV. S. 179.180. Bayer, Theorie der summar. Proz. §. 29. Heydem. S. 322. erklärt die Entscheidung d. O. Trib. für die reine Konsequenz der richtig« und durch die ganze systemattsche Stellung des 6. T. bedingten Auslegung. Koch, Komment, zu §. 137. Note 78. hält sie auch für richtig, freilich mit dem sehr bedenklichen Zusatz: „gewiß ist, daß darnach schwerlich ein Regreß wegen ungerechtfertigten Arreste- zu begründ« sein wird." Das O.Trib. stützt seine Ansicht nur daraus, daß in §. 8. I, 6. die Worte: „ohne Recht" so viel bedeuten, also rechtswidrig, unerlaubt, und daß „unrecht­ mäßiger Weise" in §. 137. gleiche Bedeutung haben müffe. Dagegen ist zu erwi­ dern: ohne Recht heißt wörtlich zunächst nur „rechtlos", der 6. Titel enthält nicht bloß die eigentlich« Deliktsobligationen, sondern umfaßt alle Beschädigung« „außerhalb eine- Vertrages" §. 17. Die Pl. Entsch. diftinguirt nicht zwischm recht-

34*

532

Zweite Buch.

Die besondere»'Privatrechte.

die Entschädigung niemals in der Wiederherstellung des früheren Zustandes, sondern nur in einer Ersatzleistung bestehen kann. Die s. g. Kondiktionen

dagegen, die Rückforderungsrechte, gehören nicht in diese Klaffe von Obli­

gationen, denn wenngleich auch sie die Wiederherstellung einer außerhalb von Verträgen grundlos beeinträchtigten Rechtssphäre bezwecken, so fehlt

eS doch bei ihnen an der beschädigenden Handlung eines Dritten:

ihr

Klagegrund ist nicht eine solche, sondern daS Haben ohne Recht, d. Bei her Deliktsobligation tritt zu jenen Erfordernissen noch hinzu, daß die Handlung nicht bloß eine rechttose, sondern eine widerrecht­

liche, unerlaubte gewesen, und — was daraus folgt, weil sie auf einem

Verschulden beruht — daß sie dem Thäter zuzurechnen sein muß.

Dies

ist daS Gebiet des actio legis Aquiliae, des eigentlichen damnum in­

juria datum“).

Zwar bezog sich diese im römischen Recht ursprünglich

nur auf die körperliche Beschädigung (corpore corpori), aber sie erfuhr auch schon dort und ungehinderter noch in der gemeinrechtüchen Praxis

eine sehr ausgedehnte Anwendung auf alle Arten Beschädigungen, nur immer vorausgesetzt, daß eine unerlaubte, schuldbare Handlung sie hervor­ gerufen. Die Bezeichnung einer in factum actio ad exemplum legis

Aquiliae war in bequemster und ungemessener Weise dehnbar“).

Und

da im heutigen Recht Beleidigung, Diebstahl und Raub nicht mehr als Privatvergehungen aufgefaßt und verfolgt werden, so können auch die durch solche Handlungen verursachten Beschädigungen unter die völlig absttakt

gewordene Kategorie der widerrechtlichen VermögeuSbeschädigung gebracht und nach gleichen Grundsätzen beurtheilt werden.

Die Beleidigung macht

hiervon keine Ausnahme, denn obgleich mit der Injurienklage nicht Ent­

schädigung, sondern Strafe erstrebt wird, so gehört sie doch nur nach ihrer prozessualischen Seite dem Privatrecht, nach ihrer materiellen aber dem öffentlichen Recht an.

Privatsttafen kennt das heutige Recht nicht

loser und verbotener Beschädigung. Und, da der entstandene Schaden doch empfunden wird, warum soll ihn der unschuldig Beschädigte tragen? Der Grundsatz, zu Gunsten de» Beschädign», ist ungerecht gegen den Beschädigten. Die Abwei­ sung der ArrestNage al» einer ungerechtfertigten kann in der That nicht» andere» besagen, al« daß der Arrestschlag „ohne Recht" geschehen, und da« genügt zur Entschädigung-forderung. Nur freilich muß zugegeben werden, daß, wenn die Arrest­ klage abgewiesen wird, weil nach ihrer Erhebung der Grund de« Arreste», z. B. durch Zahlung weggesallen ist, eine EntschädigungSsorderung nicht entstehen kann. Hier ist aber auch der Arrestschlag selbst nicht „unrechtmäßig" gewesen. S. noch die ältere preuß. Praxi»: Präj. 36 (Sammt I. S. 21.). Entsch. B. 15. S. 103. die B. 19. S. 13. 14. eiterten älteren Entscheidungen; ferner au» der neueren Praxi»: Strieth. B. 5. S. 366. B. 8. S. 251. Hiermit noch zu vergl. Strieth. B. 17. S. 247. 257. B. 19. S. 37. u. Entsch. B. 31. S. 9. ") 1. 2. pr. 1. 27. z. 5. 0. IX. 2.; §. 19. J. IV, 3. Unerlaubte Handlungen im Sinn de» §.35. 1,3. A.L.R. sind unsittliche oder geradezu verbotene, die in die Recht-sphäre eine» Anderen nachtheilig eingreisen. Strieth. B. 44. S. 165 ") Z. B. 1. 53. 1.12. 33. §. 1. v. IX, 2. §. 16. J. IV, 3.

J. 90. mehr ").

Dir Entschädigung.

533

So weit dagegen die Kränkung der Ehre eine nachtheilige Rück»

Wirkung auf das DermLgen

äußert, ist der Anspruch völlig gleich den

übrigen Ansprüchen auf Vermögensentschädigung aus unerlaubten Hand­

lungen ").

Daß das civilrechtliche Unrecht,

das Verschulden,

entweder ein

absichtliches, Vorsatz (dolus), oder ein fahrlässiges, Versehen (culpa) ist, daß das preußische Recht die dreigliedrige Eintheilung deS letzteren ausge­

nommen hat, ebenso der Begriff der Zurechnung ist §. 27. näher auSgeführt, und es kann hier im Allgemeinen darauf zurückgewiesen werden "). Hervorzuheben ist nur Folgendes.

1. Während nach römischem Recht bei der actio legis Aquiliae die

Grade des Versehens überhaupt nicht in Betracht kommen, und von dem allein richtigen Grundsatz ausgegangen wird: in lege Aquilia et levissima culpa venit”), d. h. daß immer der volle Schaden mit dem

entgangenen Gewinn ersetzt werden muß, wenn nur überhaupt die Beschä­

digung eine verschuldete gewesen, hat das A. L. R. durch eine angebliche Moralität diesen einfachen und klaren Rechtssatz getrübt und den Umfang

der Entschädigung nach dem höheren oder geringeren Grade deS Versehens abgestuft").

ES ist dies ein Beweis dafür, wie eine solche ungehörige

Einmischung deS moralischen Gefühls in das Rechtsgebiet nur dazu führt, die Gerechtigkeit zu verletzen **).

Denn der Beschädigte hat unbedingt den

Anspruch, daß sein Schaden nach seinem vollen Umfange entschädigt werde; ihm einen Theil dieser Entschädigung zu entziehen, weil der Beschädiger

einen minderen Grad von Verschulden an den Tag gelegt, ist ungerecht und um so ungerechter, als bei der oben besprochenen einfachen Entschä­

digungsforderung, bei welcher ein Versehen überhaupt nicht erforderlich ist, solche Unterschiede nicht gemacht werden können.

Im Allgemeinen muß

übrigens für jedes Versehen — wenngleich in verschiedenem Umfang —

eingestanden werden, mit der Ausnahme, daß der, welcher eine gefährliche

") Savignh, Obl. R. II. S. 300. §. 83. ") S. 131. d. T.

”) Oben S. 136. Kläger muß das Verschulden bee Beschädiger» nachweisen, weil e» zu den da« Klagerecht erzeugenden Thatsachen gehört. Ander» bei dem Anspruch aus Entschädigung (Interesse) an» Vertrag-verhältnissen. Bergl. unten §. 106. bei Note 90. und §. 107. bei Note 62. In Betreff der Vertretung-pflicht de» Hypothekenrichter» hat da» Spruchkollegium zu Heidelberg (Seusfert B. 17. Nr. 120.) angenommen, daß nicht der Kläger das Versehen de» Beamten, sondern dieser, daß er diligentiam prästirt habe, beweisen müffe. Die Begründung diese» Satze», di« darin gesunden wird, daß hier da» Gesetz schon annehme, daß der Beamte die Mittel und Wege habe, um die ihm obliegende Sorgsalt anzuwenden, ist aber wohl nicht ausreichend. ’") 1. 44 v. IX, 4. ’*) §. 10 ff. d. T.

Hasse, Culpa S. 64-72.

Koch, R. d. F. I. S. 264.

Unten bei g.

**) Oben S. 109.141.

Gruchot III. S. 470 f.

Unger Anm. 6.

Zweite« Buch.

534

Die besonderen Privatrechte.

Handlung an einem öffentlichen Orte mit Genehmigung der Obrigkeit ver­ nimmt,

für den daraus entstehenden Schaden nur wegen Borsatz oder

groben Versehen» hastet").

2. Wem die Fähigkeit der Selbstbestimmung und der Einsicht in die

Folgen einer That fehlt, dem kann die That nicht zugerechnet werden. Da» A.L.R. macht hiervon nicht durchweg richtige Anwendungen.

Zwar

ist e» gerechtfertigt, daß der, welcher die unwillkürliche schädliche Handlung eine» Anderen veranlaßt, wer die ihm obliegende Pflicht der Aufsicht über

Personen, denen die freie Selbstbestimmung fehlt, vernachlässigt, für die von diesen ausgegangenen beschädigenden Handlungen einstehen mufi"); ebenso, daß sie dem nicht angerechnet werden, der in Folge eines Befehle»,

dem er unbedingt gehorchen mußte, gehandelt hat"). Nicht folgerichtig ist

e» aber, und dem gemeinen Recht widersprechend “), wenn dennoch in gewiffem Grade von solchen Personen, die sich nicht bestimmen können, Kin­

dern unter 7 Jahren und Geisteskranken, eine Entschädigung in zweiter Reihe, wenn auch von beschränkterem Umfange, verlangt wird").

Zu den willenlosen Personen gehören auch die s. g. juristischen

Personen; Diejenigen, welche für sie den Willen haben, sind die sie ver­

tretenden physischen Personen, ihre Beamten it. s. w. streitige Frage,

Es ist eine sehr

ob die ersteren durch die Handlungen der letzteren zur

Entschädigung verpflichtet werden").

Es scheint, daß bei Erörterung der­

selben ihre beiden Bestandtheile nicht genügend gesondert und ein übereilter

") §. SS. b. T. ’*) $. 56.57. b. T. Sinter über 7 Jahren hasten selbständig. Bergt, noch II, 2. §. 139 — 146. 167. 203. u. II, 18. §. 99. «och, «omm. N. 37. zu §. 57. I, 6. Gruchot III. G. 511. ") §. 45-47.58. 59. b. T. 1. 169. pr. de R. J. 1. 37. pr.D. IX, 2. Gruchot IV S. 115.133. ») I. 60. D. VI, 1. 1. 5. §. 2. D. IX, 2. 1. 61. v. XXVI, 7. *’) §. 41—43. b. T. Gruchot III. S. 506. Nur entfernt kann in dieser Auffassung eine Aehalichkeit mit dem älteren deutschen Recht gesunden werden, weil in diesem nach der Schuld und Zurechnung überhaupt nicht gefragt wurde. Sachsensp. II. Art. 65. §. 1. Hepp S. 118 s. 167 f. 187. Gruchot III. S. 507 f. ") Savigny, System B. 2. S. 317. Unt erholzner I. S. 140 s. Puchta im Recht-lexikon B. 3. S. 70 s. Bangerow I. S 112. Sintern« I. §. 15. IV. S. 116., des. Note 53. S. 119.122. unter y. In Beziehung auf die Vertretung«» pflicht bet Staate» au« recht-widrigen Handlungen und Unterlassungen seiner Beamten: Pseisser, prakt. Au»führungen, 1828 B 2. S. 361.; Hessler im Archiv s. Stint. R. 1851 S. 455., wo er seine frühere Anficht in den Beiträgen z. deutschen Staat-, u. Fürstenrecht, 1829 S. 162. modifizier; Perthe», der Staat-, dienst in Preußen, 1838 S. 137. und außer den Kompendien über Staat-recht jetzt besonder» die Abhandlung von Zachariä in der Tübinger Zeitfchr. s. b. gejammte Staat-wisfenschast B. 19. 1863 S. 582 s. Da» römische R. giebt die actio quod metus c. (I. 9. §. 1. D. IV, 2. s. hierüber Sintern» S. 122. in der Note) und die doli actio au» dem dolue eorum, qui res administrant, si quid ad eos pervenit (1. 15. §. 1. D. IV, 3 ). Nach 1. 2. pr. C. VII, 37. §. ult. J. II, 6. muß Fi-ku», der eine sremde Sache verlaust hat, entschädigen. Bergl. ferner die authen-

$. 90.

Schluß gezogen worden.

Die SMfthSdigwrg.

536

Sie ist nämlich in folgende zwei Fragen zu zer­

legen: kann eine juristische Person vorsätzlich oder au- Versehen eine schädliche Handlung begehen? haftet sie aus den schuldbaren Handlungen ihrer Ver­

treter?

Die erste Frage ist gewiß zu verneinen, denn die juristische Per­

son ist ja nur eine in Gedanken bestehende, eine Fiktion, und diese Fiktion

handelt nie selbst.

Aus dieser Verneinung folgt aber nicht, daß auch die

zweite Frage verneint werden muß.

Daß die juristische Person auS Hand-

lungen, die ihre Vertreter für sie vornehmen, verpflichtet werden könne, ist unbezweifelt, und die Gründe, auS denen man dies bestreitet, wenn die

Handlung dolo vel culpa begangen, in keiner Weise stichhaltig.

Man

beruft sich auf die Analogie des Verhältnisses zwischen Mandanten und Mandatar, in welchem der letztere für Vorsatz und Versehen selbst ein­ stehen muß.

Allein das Verhältniß des Vertreters einer juristischen Per­

son ist doch insofern ein ganz anderes, als hier die Vertretung eine noth­ wendige, dort eine freiwillige ist, hier die Handlung des Vertreters alS

die eigne Handlung der juristischen Person gilt, ihre Folgen nothwendig

auf diese übergehen, dort die Handlung des Mandatars doch immer seine eigne bleibt, und nur mittelbar ihre Folgen den Mandanten treffen. Muß zugegeben werden, daß aus Vertragsverletzungen ihres Beamten die juri-

stifche Person zur Entschädigung verpflichtet wird, so liegt kein Grund vor, warum sie aus derjenigen Obligation, die in Folge eines Delikts ihreS

VertreterS erzeugt wird, nicht soll verbindlich werden können.

So hat

denn auch die gemeinrechtliche Praxis eine solche Verhaftung des Staates, der Gemeinden, Korporationen u. f. w. aus den Verschuldungen ihrer

Vertreter unbedingt und allgemein angenommen"), nur freilich unter der

tica item nnlla zu L 2. C. I, 3. uub die auth. item qaaecunque zu 1. 13. eod. Aus dem Canon. R. ist die Spolienklage gegen Korporationen gegeben, o. 9. 12. X. II, 13. c. 2. in IVto. II, 5. Seufsert B.2. N. 54.159. B 3. N. 257.326.327. B. 4. N. 203. B. 5. N. 135. 174. 281. S. 377., bes. 378 f. B. 7. Nr. 150.321. B. 15. Nr. 26. B. 17. Nr. 145. Pfeiffer B. 2. S. 376.381. Strippelmann, Sammt, v: Entsch. d. O.A.G. Kassel B. 4. S. 285. Die sächsische Praxis knüpft an Sachsensp. III, 86. §. 2. an. Emmin ghauS, sächs. Pandekten S. 229. Seuffert I. S. 172. DasO.Trib. Berlin für das gemeine Recht Strieth. B. 37. S. 29. Seuffert XIV, 36. Zeitschrift f. RechtSpfl. in Braunschweig, 1860 S. 21. Auch die Praxis des A. G. Greifswald hat diesen Grundsatz vielfach angewendet. Von den Schriftstellern vectritt besonders Sintenis denselben. Zach ar iä a. a. O. unterzieht die Lehre von der BertretungSpflicht des Staats einer umfassenden Revision. Er hat dogmen­ geschichtlich nachgewiesen, daß die MandatStheorie jetzt als überwunden gelten muß, und daß die Frage nur vom staatsrechtlichen Standpunkt beantwortet werden kann. Er entwickelt S. 615 f. folgendes Dogma: „Der Staat ist als moralische Person Subjekt von Rechten und Pflichten; er hat keine Willens- und Handlungsfähigkeit und bedarf daher nothwendig physischer Personen, die für ihn wollen und handeln, ihn berechtigen und verpflichten. Jeder Beamte vertritt ihn in der ihm angewiese­ nen Sphäre. Handlungen, welche seine Vertreter außerhalb ihrer Sphäre vorgenommen haben, verpflichten ihn nicht. Amtshandlungen, auch wenn in ihnen ein Amtsmißbrauch liegt, verpflichten ihn. In culpa kann der Staat zwar nie (ein, aber

636

Zweite» Buch.

Die besondere» Privatrechte.

Voraussetzung, daß der Vertreter an sich zu der Vornahme der Handlung, welche den Schaden verursacht, berechtigt war und sie auch für die Korporatton vorgenommen hat; ja zum Theil ist man weiter gegangen, und hat z. B. den Staat selbst für diejenigen Handlungen seiner Beamten ver­ antwortlich gemacht, die nicht in ihren Wirkungskreis gehörten. — Das preußische Recht bietet eine allgemeine Vorschrift über diesen Punkt nicht. In Beziehung auf die Verpflichtung des Staates, für die Landstraßen zu sorgen, in Betreff der Ausübung der Zollberechtigung und des Postregals, sind die Beamten selbst verantwortlich gemacht, wenn durch ihre Nach­ lässigkeit Anderen Schaden entstanden"). DaS hat die Praxis zu der Annahme geführt, daß der Staat überhaupt nicht die Verschuldungen sei­ ner Beamten zu vertreten habe, mit Ausnahme der Vertragsverletzungen"), und eS ist hieraus gefolgert, daß ein Verschulden des Beamten nicht geeig­ net fei, die Entschädigungspflicht eines Dritten zu beseitigen"). Anderer­ seits ist in einer bestimmten einzelnen Anwendung der Grundsatz ausge­ sprochen worden, daß Stadtgemeinden für den Schaden unmittelbar hasten müssen, den ihre Beamten verschuldet haben"). weil seine Vertretung durch Beamte eine nothwendige ist, muß er wenigstenGarantie für deren Handlungen leisten und — eine s. g. Iustizsache vorausge­ setzt — den Verletzten entschädigen, wenn objektiv eine Rechtswidrigkeit und subjektiv ein Verschulden des Beamten vorliegt." Diese Garantieleistung ist aber nicht bloß vom Staat, sondern von jeder Korporation zu verlangen, und zwar aus demselben Grunde, weil ihre Vertretung durch physische Personen eine nothwendige ist. Die Beweislast wird dadurch nicht geändert, daß der Beschädige! ein ^öffentlicher Beamter ist, nur kann unter Umständen die Vermuthung sür die Legalität der Amtshand­ lungen einwirken. Seuffert XVI, 113.

30) A.L- R. II, 15. §. 12.119. Zn II, 10. § 59 s., wo man solche Bestimmungen suchen sollte, finden sich keine. Die HaftnngSpflicht der PrivatgerichtSherrn II, 17. §. 90 f. ist jetzt antiquirt. Nach §. 186. II, 15. müssen die „Postämter", d. h. die einzelnen Postbeamten, die Versehen vertreten. ") Entsch. B. 2. S. 119 f. Zn der Note S. 120. ist die Ansicht der Gesetzrevisoren mitgetheilt, die die Frage vom Standpunkt der MazidatStheorie unbedingt verneinen, während S choltz (jurist. Wochenschr. B. 2. S. 5. 17. 33. 53. 69.) die Haftung des Staats ans Verletzungen besonderer privatrechtlicher Verhältnisie zugiebt. Das O. Trib. ist übrigens fttlher anderer Ansicht gefolgt und hat „mit Rücksicht aus das eigenthümliche Verhältniß, welches aus der Nothwendigkeit der Anstellung von Beamten folgt", den Staat aus deren Handlungen zum Schadenersatz verpflichtet erklärt. Simon, preuß. Staat-recht I. 1844 S. 320.

3*) Entsch. B. 3. S. 39. Hiernach ist §. 19. I, 6. aus den Staat für unanwendbar erklärt. 3S) Pl. Beschl. Entsch. B. 14. S. 92. Bergl. da- ältere Präjudiz 498 (Sammt. I. S. 20.). Hier ist die Frage nur entschieden in Beziehung aus Brücken- und Wegebau, indem die Gemeinden als „Privatinhaber" nach §. 138—140. 1, 15. A.L.R. angesehen werden. Der richtige Grundsatz der unbedingten VertretungSpflicht scheint ausgesprochen in §.82. II, 4. A. L. R. Daö Gesetz v. 11. März 1850 (Ges. S. S. 199.) verpflichtet die Gemeinden zum Ersatz de- bei öffentlichen Ausläufen ver­ ursachten Schaden-. Auch hier ist culpa der Recht-grund: die versäumte polizeiliche Verhinderung, deßhalb fällt die Verhaftung weg, wenn erweislich die Gemeinde nicht im Stande war, den Schaden zu verhindern.

3.

537

Die Entschädigung.

§. 90.

Ein Verschulden liegt auch der EntschLdigungSpflicht zu Grunde,

wenn durch Thiere Schaden gethan").

Da» A.L.R. entfernt sich hier

von dem römischen und dem altdeutschen Recht.

die noxae datio de- ersteren,

DaS letztere kannte nicht

wenn ein Thier

contra naturam eui

generis geschadet hatte"), sondern verpflichtete den Herrn, wenn er vom

Ersatz frei sein wollte, da- Thier laufen zu lasten, oder fortzujagen"), und während daS römische Recht bei Schaden durch gefährliche wilde Thiere eine Entschädigungsklage aus dem ädilittfchen Edift nur dann gab,

wenn man sie an öffenlliche Orte gelassen"), verpflichtete daS deutsche

Recht in diesem Fall unbedingt zur vollen Entschädigung").

DaS A.L.R.

unterscheidet zwischen ihrer Natur nach unschädlichen und schädlichen Thie­

ren, und bei den ersteren wieder zwischen solchen, die in Haushaltungen gebraucht werden oder nicht.

In allen Fällen wird der Grund zur Ent­

schädigungspflicht in einem Verschulden des Herrn gefunden"): entweder

in der versäumten Aufsicht bei den HauSthieren, oder in einer gewissen

Rücksichtslosigkeit gegen die Mitmenschen bei den für den Hausgebrauch entbehrlichen und den von Natur schädlichen Thieren.

Was die letzteren

angeht, so soll man sie ohne obrigkeitliche Erlaubniß überhaupt nicht halten.

Man trägt deßhalb jeden Schaden, den sie anrichten.

Ist die Erlaubniß

ertheilt, so wird nur aus der versäumten Aufsicht gehastet.

Me Ver­

pflichtung zur Schadloshaltung fällt weg, wenn der Verletzte das Thier gereizt oder sonst durch Unvorsichttgkeit Anlaß zur Beschädigung gegeben.

4. Unwillkürliche Handlungen werden nicht zugerechnet, wenn man sich nicht selbst vorübergehend in einen Zustand versetzt hat, in welchem

man seiner vernünftigen Ueberlegung nicht mächttg ist").

e.

AIS Beschädiger, gegen welchen der Anspruch sich richtet, ist

nicht bloß der Urheber, sondern auch der Anstifter und Theilnehmer an» zusehen").

Von dem aus der Mitwirkung Mehrerer zu einer Beschädi­

gung entspringenden Gesammtschuldverhältniß und von der unter ihnen

") ") ’*) ") ”) ")

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§. 70-78. d T. Heydtin. I. S. 314. Gruchot IV. S. 142. pr. J. IV, 9. 1. 1. pr. D. IX, 1. Hepp S. 90 s. Sachsensp. II, 40. Hepp S. 153 s. 159. 1. 29. §. 6. I. 40. §. 1. 1. 41.42. D. IX, 1. Schaden durch Hau«thirre setzt Brr. schulden de» Eigenthümer« sür die aquilische Klage voran«. Heuser, Ann. I, 550. Sachsensp. II, 62. Entsch. B. 35. S. 378. Da« Verschulden ist stärker, wenn der Eigenthümer oder Besitzer de« Thiere« weist, daß e« gegen seine Natur schädlich sei. §. 74. d. T. Diese Bestimmung, nicht die de« §. 72., klingt an da« contra naturam sui generis de« rom. R. an. S. Entsch. B. 21. S. 188. Fälle, wo da« verschulden wegfällt: Strieth. B. 25. S. 323. §. 39. 40. d. T. §. 29-35. d. T. 1. 169. de R. J. 1.1. §. 12. D. XLIII, 16. 1. 11. $. 3—6. v. XLVII, 10. Sinteni» II. S. 383.

Zweite- Buch.

538

Dir besonderen Privatrechtr.

stattfindenden Au-gleichung ist §. 63. gehandelt"). Auftrag bedürfen

noch einer Erwähnung4').

seine unerlaubte Handlung immer verantwortlich. Urheber, Anstifter.

Nur Befehl und

Der Befehlende ist für Er ist intellektueller

Der Befohlene hastet gemeinsam44) mit ihm,

wenn

die Handlung gesetzlich verboten oder er nicht aus irgend einem Grunde

verpflichtet war,

unbedingt zu gehorchen.

Selbst die Unwissenheit des

Thäters von der Gesetzwidrigkeit des Befehls befreit ihn nicht, sondern giebt ihm nur Regreß gegen den Befehlenden44).

Der Befohlene hastet

wenn er die Grenzen des Befehls überschreitet und dadurch die Beschädigung verursacht. Unerlaubte Aufträge verpflichten den Macht­

allein,

geber und den Beauftragten gemeinsam lsolidarisch), selbst wenn letzterer

den Auftrag überschritten hat44).

So allgemein hingestellt, scheint der

Satz sagen zu wollen, daß jeder unerlaubte Auftrag an sich schon die

Bedeutung der Anstiftung, der intellektuellen Urheberschaft haben solle —

und doch kann dies nur angenommen werden, wenn der Auftrag geeignet war, als Anstiftung zu wirken, den Willen des Thäters zur Beschädigung anzuregen und zu bestimmen4').

Nachträgliche Genehmigung der beschädi­

genden Handlung ist für die privatrechtliche Verantwortlichkeit nach der richtigen Ansicht bedeutungslos: hier steht sie dem Auftrag nicht gleich44). Der Machtgeber haftet ferner aushilfsweise, wenn er sich bei der Aus­

wahl eines untüchtigen Bevollmächtigten ein grobes oder mäßiges Versehen

hat zu Schulden kommen taffen").

Dagegen ist er sonst frei von Ver­

tretung, wenn sein Auftrag an sich erlaubt war und der Bevollmächtigte bei Ausrichtung desselben Schaden verursacht. Dem Befehle stellt das A.L.R. gleich das wissentliche Geschehen-

") Oben S. 334. u. S. 343. Grucho t HI. S. 485 s. Ges. vom 17. August 1835 (Ges.S. S. 170.). ") §. 45—53.58. d. T. Gruchot IV. S. 115 f. **) Da« Wort „hauptsächlich" in §. 58. ist nicht der Gegensatz zu subsidiarisch. Koch, Komment, zum §. ") Wa« Gruchot IV. S. 115. über dm Zusammmhang der §§.47.48. anführt, scheint unbegründet. Der im Fall de« §. 47. Handelnde taun auf Entschädigung überhaupt nicht belangt werden, er bedarf daher auch keine« Regresse« an den Be­ fehlenden. ") Gemeinrechtlich streitig. Glück B. 15. S. 258 f. Heuser, Auu. B. 9. S. 50. Seuffer, XV, 130. ") Gruchot IV. S. 120 f. *'*) Gruchot IV. S. 122. a. E. u. s. Gemeinrechtlich wegen einiger Stellen im Cor­ pus Juris streitig. Sinteui« II. S. 383. Note 128. 41) I, 13. §. 36. macht den Machtgeber, der wissentlich einen Unfähigen zum Bevollmächligteu bestellt hat, subsidiarisch filt den von diesem angerichleteu Schaden verantwortlich. Da« wissentlich ist aber nicht nothwendig dolus, sondern kann auch culpa fein. Koch, Komm. Note 28. zu §. 53. d. T- Diese Bestimmung hat die Enisch. B. 45. S. 123. analog ausgedehnt aus Verträge mit geduugmen Hand­ arbeitern und Entreprisen.

8.90.

Die EutschLdigmrg.

539

lassen10), wenn man verpflichtet und vermSgend war, die beschädigende That zu hindern. Ein solche- Geschehenlassen erscheint eigentlich al- Bcgünstigung der Schuld, wenn sie auch in ihrer passiven Weise weiter ist, al- der strafrechtliche Begriff* 1'). Bon diesem Grundsatz macht da- Ge­ setzbuch folgende Anwendungenll): aushilfsweise (in subsidium) vertreten die beschädigenden Handlungen Anderer: die Dienstherrschaften und Meister die de- Gesinde-, der Gesellen und Lehrlinge, die Bermiether die der Miethsleute. Da- römische Recht hat entsprechende Vorschriften. Auch hier ist da- Wiffen und Nichchindern, obschon man eS konnte, da­ verpflichtende Verschulden, eS ist also nicht ohne Weitere- die Verantwort­ lichkeit geboten11). Die Dienstherrschaft hastet, wenn sie entweder schon bei der Annahme de- Gesinde- seine gefährlichen, schädlichen Eigenschaften gekannt hat, oder wenn sie dieselben hinterher kennen lernt und e- bei­ behält"), ebenso der Wirth, wenn er wissentlich unvorsichtige oder nach­ lässige MiethSleute duldet, d. h. länger al- gesetzlich nothwendig bei sich wohnen läßt. Die Vertretung de« Schaden- in zweiter Reihe erhebt sich zur Vertretung in erster Reihe, wenn die Herrschaft, der Meister oder Hau-wirth den Beschädiger nicht nachweisen kann. f. Die Leistung des Beschädiger- ist die Entschädigung. „Wenn ein Schade geschehen ist, so muß alle- so viel al- möglich wieder in den Zustand gesetzt werden, welcher vor der Anrichtung de- Schaden- vorhan­ den war. Kann durch diese Wiedererstattung der Beleidigte nicht hin­ reichend entschädigt werden, so muß der Beschädiger ihm da- daran noch Fehlende anderweitig vergüten. Ein Gleiches muß geschehen, wenn die Erstattung unmöglich ist"11). Die Enffchädigung ist ihrem Begriff nach eine Ausgleichung, sie muß dem Umfang de- Schaden- entsprechen und wird bewirkt entweder durch Wiederherstellung (^Restitution) oder durch eine Vergütigung, Schadenersatz. Da-A.L.R. hat aber diesen einfachen §. SS. d. T. §. 38. 39. Str.G.B. v. 1851. §. 60—69. d. T. Hierher gehören auch II, 2. §. 139—146.167.203. In Betreff de- Gesinde-: Da- acire und non probibere, quam prohibere posset, drücken alle Stellen als Bedingung der Haftpflicht aus (1. 44. §. 1. 1.45. pr. D. IX, 2. 1. 4. C. III, 41. u. a.). Dazu kommt die negligentia in eligendia ministeriis und zwar insbesondere, wie §.63. I, 6., in Anwendung aus Feuerscha­ den (1. 27. §. 9. 11. D. IX, 2.). Bülow u. Hagemann, prakt. Erört. B. 1. S. 124 f. Glück B. 10. S. 418. Sintern- II. S. 384 in der Note. In vetrefs der Miether giebt da- röm. R. die actio de effuaia et dejectia (die auch §. 66. I, 6. erwähnt) gegen den Hau-wirth, weil er inhabitatorea perpetuoa ipae quodammodo elegit, quia non rejecit, quorum factum oportet eum praeatare. 1. un. §. 6. D. XLVII, 5. Auch muß der Bewohner für seine Mitbewohner ein­ stehen. 1. 6. §. 2. D. IX, 3. 84) Bergt, hierzu §. 126. der Ges. Ordn. v. 1810, wonach die Herrschaft da- Gefinde erst noch warnen muß, ehe sie e- entlasten darf. 86) §. 79—81. d. T. 5°) ") ") ")

Zweit«« Buch.

540

Die besonderen Privatrechte.

Gesichtspunkt verlassen und eine überaus künstliche Ausgleichungstheorie aufgestellt, indem es den Umfang der Entschädigung nicht nach dem Um­ fang des Schadens, sondern nach dem größeren oder geringeren Grade des

Verschuldens abmißt").

ES war daher die Reihe des

unmittelbaren,

mittelbaren, zufälligen Schadens und deS entgangenen Gewinnes mit der

Reihe des Vorsatzes, des groben, mäßigen, geringen Versehens und endlich mit der Reihe der verschiedenen WerthSbesttmu.ungen zu verbinden.

Das

Ergebniß ist, daß sehr häufig der Beschädigte nicht zu seinem vollen Recht kommt.

WaS nun aber zunächst die Wiederherstellung betrifft, so kann bei ihr von einer Anwendbarkeit dieser künstlichen Theorie nicht die Rede

sein: sie ist eben nur auf eine Weise denkbar und keinem Mehr oder DaS Vermögen deS Beschädigten muß ganz wieder in die Lage gebracht werden, in der es sich vor der Beschädigung befunden. Minder zugänglich.

Die Sache muß also unversehrt mit allem ihrem Zubehör, mit allen ihren

Früchten und Nutzungen zurückgegeben werden").

Erst wenn eine solche

Wiederherstellung nicht möglich ist, oder soweit sie nicht vollständig möglich ist, und wo sie an sich nicht zulässig ist"), tritt der Schadenersatz")

als Vergütigung ein, und da diese nur durch eine Vergleichung zwischen

dem früheren und späteren Werth des beschädigten Gegenstandes gefunden werden kann, so sind Verschiedenheiten ihres Betrages oder Umfanges denkbar. Die Ermittelung des Werthes der beschädigten Sache geschieht

so:

1. Der volle Werth") ist zu ermitteln, wenn die Sache ganz ver­

loren gegangen, vernichtet oder unbrauchbar geworden, und zwar derjenige Werth, den die Sache gehabt hat zur Zeit des Verlustes. Dieser Werth

") Das gemeine Recht macht diese Unterschiede nicht. Ohne Rücksicht auf den Grad de- Verschulden- wird nach aestimatio ejus, quod interest, entschädigt, und hier­ zu gehört der wirkliche Schaden, ohne Unlerscheidung de- mittelbaren und unmittel­ baren, und der entgangene Gewinn. S. die Belege und da- Urtheil über die Theorie de- A.L.R. bei Gruchot III. S. 470 f. Da- öflerr. Gesetzbuch hat die Theorie de- A.L.R. ausgenommen, §. 1324. Da- französ. Recht hat sich davon fern ge­ halten. Zachariä (Anschütz) II. S. 574. Auch dem sächs. G.B. ist sie unbe­ kannt. §. 124. 686.1483. 57) 1. 15. §. 7. D. XLIII, 24.: officio judicis ita oportere fieri restitutionem judicandum est, ut in omni causa eadem conditio sit actoris, quae futura esset, si id opus, de quo actum est, neque vi neque elam factum esset. ") Die- ist der Fall bei der s. g. einfachen Entschädigung-sorderung, bei Expropria­ tionen nnd bei den Opfern, die dem gemeinen Wohl oder dem stärkeren Recht in der Kollision (;. B. bei dem Bergbau) gebracht werden müssen. St rieth. B. 10. S. 191. und Über diese Entsch. Gruchot IV. S. 150. Bei der Delikt-obligation tritt immer Ersatz de- Werthe- ein, wenn die Wiederherstellung nicht möglich ist. ") Unterholzner I. S. 253.270. Hänel, Versuch einer Darstellung der Lehre vom Schadenersatz, 1823. v. Wening-Jugenheim, die Lehre vom Schaden­ ersatz nach röm. R. 1841. Sinteni- II. S. 67 s. 60) §. 82—88. d. T.

$. 90.

Die Entschädigung.

541

ist entweder schon durch da- Gesetz selbst, oder, wie bei Gegenständen deS

Sffentlichen Verkehr-, durch ihren marktgängigen Preis bestimmt, oder er muß durch Sachverständige geschätzt werden.

Wie §. 22. gezeigt, wird der

Werth in den gemeinen, den außerordentlichen und den der besonderen

Vorliebe getheilt").

In gewissen Fällen geschieht die Ermittelung durch

eidliche Schätzung de- Beschädigten").

Diese kann

über den gemeinen

und außerordenllichen Werth hinau-greifen, darf aber nicht den doppelten Betrag de- von Sachverständigen angegebenen mittleren Werths überstei­

gen.

Es hat daher der Beklagte da- Recht, gegen die eidliche Schätzung

des Klägers sich auf sachverständige- Gutachten zu berufen").

Handelt

e- sich um Feststellung des Werths der Vorliebe, so findet diese nur an

einem billigen richterlichen Ermeffen ihre Grenze, welches unter Berücksichtigung besonderer Umstände auch bis über den doppelten Bettag des ge­ meinen Werths hinausgehen darf. 2. Der Unterschiedswerth") muß

au-gemittelt werden, wenn Güte und Brauchbarkeit der Sache nur ver­ mindert worden und der Beschädigte nicht von dem Recht Gebrauch macht, die Sache dem Beschädiger gegen Erstattung des vollen Werth- zu über­ lassen.

Der Unterschied

Werths vor der

wird

Beschädigung,

ermittelt durch Vergleichung des

vollen

und de- verminderten nach derselben.

3. Läßt sich der vormalige Werth nicht mehr ermitteln,

so soll in allen

Fällen (1. und 2.) der Werth einer Sache von derselben Art und von Mittlerer Güte zu Grunde gelegt werden").

4. Der gemeine Werth so­

wohl wie der außerordentliche kann, theils weil er nur aus Vergleichungen

zu finden ist, theils weil er in den verschiedenen Puntten eines Zeittaums verschieden sein kann — namentlich bei marktgängigen Waaren — ein

mittlerer und höherer sein, je nachdem der durchschnittliche oder der höchste innerhalb eines Zeittaums berechnet wird. Nach dem Grundsatz,

daß die schwerere Schuld strenger büßen muß, läßt das A.L.R. unter Um-

•*) Oben S. 109. ") WllrderungSeid, jusjurandum in litem. I. S. 326. Unterholzner I. S. 257.

A. G.O. I, 22. §. 9 f. Sinterns II. S. 80.

-och, R. d. F.

®3) Ohne Widerspruch des Beklagten findet die Einholung eines sachverständigen Gut­ achtens hier nicht statt. Er hat ihn als Einrede geltend zu machen, rndem er unter Angabe eine- Minderquantums die Ueberschreituug des doppelten Betrages behaup­ tet. AehnlicheS bestimmt die 1. un. C. VJI, 47. Siehe über dieses Gesetz, welchein Betreff der Bestimmung der certa quantitas und natura viel Zweisel erregt hat, Mommsen, Beitr. II. S. 235. DaS Gesetz bezieht flch nicht aus die Scha­ denersatz-Obligation (ex delicto), sondern aus die Schätzung de- Interesse bei Ver­ tragsbruch. Ob als Bimplum der verabredete oder der wahre Werth des Gegen­ standes anzunehmen, ist streitig. Die meisten Neueren nehmen den letzteren, die Aelteren und jetzt wieder Mommsen den ersteren an, im Anhalt an 1. 43. in f. 1. 44. D. XIX, 1., und dafür spricht auch die ganze Sachlage. Ander- wäre efreilich, wenn sich da- Gesetz auch auf die Delikt-obligation bezöge.

•♦) §. 89-91. d. T. ") §. 92. d. T.

Zweite« Buch.

542

Die besonderen Privatrechte.

ftihtbcn auch den höheren Werth ersetzen, nnd bestimmt zu diesem Zweck

den Zeitraum zwischen der Zufügung deS Schadens und der zugestellten Klage “). 5. Da der Schadenersatz den Schaden auSglkichen soll, so muß er sich verschieden gestalten, je nachdem der letztere auf einmal in vollem Umfang eingetreten ist oder sich fortlaufend wiederholt.

Im letzteren Fall

muß auch die Entschädigung eine verhältnißmäßig fortlaufende, die Wieder­ kehr des Schadens so zu sagen begleitende sein, und hiernach wird auch

ihr Betrag ermittelt.

Daraus ergiebt sich eine Rente, die der Kapitali-

firung fähig ist, und eS steht dem Verletzten frei, zwischen der Rente und der Kapitalsabfindung zu wählen"). der Ermittelung des Werths der Sache;

6.

Das A.L.R. spricht nur von

eS ist aber nicht zweifelhaft, daß

dazu auch die des entgangenen Gewinnes in den Fällen gehört, wo dieser

zu vergüttgen ist.

g. Auf Grund der bisherigen Ausführungen kann nach der Theorie de» A.L.R. eine förmliche Tabelle über den Umfang des Schaden­ ersatzes aufgestellt werden, für welche die Grade des Verschuldens daS EintheilungSprinzip bilden.

Nämlich 1. Bei Vorsatz") wird vollstän­

dige Genugthuung geleistet.

Diese umfaßt den unmittelbaren, mittel­

baren Schaden und entgangenen Gewinn.

Der zufällige Schaden tritt

noch hinzu, wenn ein Verbotsgesetz übertreten worden.

Der Werth des

Schadens und verlorenen Gewinnes wird hier als höchster gemeiner oder als höchster außerordentlicher,

oder als Werth der Vorliebe berechnet.

Handelt eS sich nur um den gemeinen oder außerordentlichen, so hat der

Beschädigte daS Recht der eidlichen Selbstschätzung mit der oben angege­

benen Beschränkung.

2. Bei grobem Versehen") ist ebenfalls vollstän­

dige Genugthuung nach

dem

höchsten

gemeinen

oder außerordentlichen

Werth mit dem Recht der eidlichen Schätzung zu gewähren, aber nicht

nach dem Werth der Vorliebe.

3. Bei mäßigem Versehen") wird der

wirlliche (unmittelbare und mittelbare)") Schaden nach

dem gemeinen

(mittleren) Werth ohne das Recht der Selbstschätzung vergütigt, und nur

ein solcher entgangener Gewinn, der durch den „gewöhnlichen" Gebrauch der Sache hätte erlangt werden können. 4. Bei geringem Versehen")

wird nur der wirlliche unmittelbare Schaden nach dem gemeinen mittleren Werth zur Zeit der Beschädigung ersetzt. 5. Der Umfang der Entschädi-

•*) 6. 86. d. T. Siehe hierüber Gruchot IV. S. 160. und Koch, Kommen«, zu diesem $. ei) Simon, Rechtspr. B. 1. S. 77. des. S. 82. ”) S. 7.10.16.85.86.87. 94-97. d. T. ”) §. 7.10.85.86.94.95. d. T. '") §. 12.13.88.93. d. T. ") Strieth. B. 47. S. 3. ") §. 15.88.93. d. T.

90.

Die Entschädig»-.

643

gung in den Fällen, wo der Schaden ohne Verschulden zugefügt ist, bei der s. g. einfachen Entschädigungsforderung, ist in den Gesetzen meist nur unbestimmt als „billige Bergütigung" oder „angemessene Entschädigung" bezeichnet").

Hierunter ist die Erstattung des wirklichen Schadens und

entgangenen Gewinnes nach dem gemeinen mittleren Werth zu verstehen.

h. Die Verbindlichkeit zur Entschädigung fällt weg:

1. wenn die

Schuld des Beschädigten konkurrirt"). Die Einfachheit des römischen Rechts, welches ganz allgemein diesen Grundsatz durchgreifen lößt, ohne nach den Graden der Schuld auf der einen oder anderen Seite zu fra­

gen"), hat auch hier den Redaktoren des A.L.R. nicht genügt.

Da­

gegenseitige Abwägen der Grade hat wiffenschastlich kein Interesse. 2. Wenn

Theilnehmer an einer unerlaubten Handlung sich wechselseitig beschädi­

gen, so hat keiner den anderen zu entschädigen").

Dagegen findet sonst

bei wechselseitigen Beschädigungen eine solche Kompensation nicht statt"). 3. Durch eine dem gemeinen Recht unbekannte kurze Verjährung, welche

später erörtert werden soll").

i. Schließlich noch die Bemerkung, daß die Obligaüon auf Entschädi­ gung überhaupt nicht entsteht, wenn man sich seines Rechts innerhalb der

gesetzlichen Schranken bedient und unter mehreren möglichen Arten der Ausübung nicht gerade die dem Anderen nachteilige, in der Absicht, ihn zu beschädigen, wählt").

") Z. B. A.L.R. Einl. §. 75. I, 22. §. 4. I, 11. §. 9. Eisenbahngesetz v. 3. Rovbr. 1838 §. 11.13. Versass. Utf. Art. 9. ’*) §. 18—21. d. T. Gruchot III. S. 475. Hehdemaun I. ®. 296. Rote 529. Dazu noch Tntsch. B. 14. S. 329. B. 29. S. 339. Diese Bestimmungen finden auch aus Entschädigung au« Verträgen Anwendung. Entscheid. B. 38. S. 40. Strieth. B. 29. S. 54. Nicht anwendbar auf den Fiskus: Entsch. B. 3. S 37. Oben Note 32. Demeliu», über Kompensation der Kulpa, in Gerber u. Jhering, Jabrb. B- 5. 1861 S. 52. des. S. 85. über preuß. Recht.

”) I. 203. de R. J.: Quod quis ex sua culpa danmnm sentit, non intelligitnr sentire. Seufsert X, 358. XV, 209. Ausnahme, wenn der Beschädige! in dolo. 1. 9.13. D. IX, 2. ’•) §. 23. d. T. als Konsequenz au« §. 36. 1,3. ") §. 22. d. T’•) §. 54.55. d. T.

") z. 36. 37. d. T.

DeN. v. 31. Marz 1838.

S. unten §. 120.

Zwettr« Bach.

644

Die besonderen Privatrechte.

Fünfter Abschnitt.

Die

Lösung.

§. 91. Zahlung. AL«. 1,16. §.28 — 63. 72-165. 1,11. §. 778 - 802. Bvrnem. III. S. 314. v. Daniel- II. S. 317. Koch, Pr.R. II. S. 222. R. b. F. II. S. 610. — Unterholzner I. S. 460. Baugerow III. S. 183. Arndt» S. 427. Sinteni» II. ©..392. Keller S. 513. Senffert, Pand. II. ©. 132. Zachariä (Anschütz) II. S.266s.

Das Band, mit welchem das Schuldverhältniß den Willen zweier

Personen umschlingt, ist lösbar:

es ist die Bestimmung der Obligation,

daß sie zu existiren aufhört, wenn ihr vermögensrechtlicher Zweck erreicht ist'). Die Befriedigung des Gläubigers befreit den Schuldner'). Diese

Befriedigung kann auf verschiedene Weise bewirkt werden. Die allgemeinste und häufigste ist die Zahlung, die Hingabe des

Geldwerthes der Obligation in der Absicht ihrer Tilgung.

Der Sprach­

gebrauch bezeichnet mit Zahlen zwar jedes Hingeben einer Geldsumme, auch

wenn dadurch erst eine Obligation erzeugt werden soll, wie bei dem Dar­

lehn.

Im engeren juristischen Sinn kann aber die Zahlung nur als die

schuldlösende Thätigkeit anfgefaßt werden, und so bestimmt sie auch das A.L.R. als die „Erfüllung der Verbindlichkeit des Schuldners durch Geld oder geldgleiche Inhaberpapiere"').

Das Zahlen ist nicht bloß eine That­

sache, sondern mit rechtlichen Eigenschaften bekleidet, eigene rechtliche Wir­

kungen erzeugend:

ein Rechtsgeschäft').

Ihre naturgemäße Wirkung ist

die Schuldtilgung; aber wo eine solche nicht eintreten kann, obwohl sie beabsichfigt war, entstehen andere Wirkungen, selbständige Obligationen auf Rückforderung').

Hier kommt die Zahlung als schuldlösend in Betracht,

und dabei sind folgende Punfte zu erwägen:

') S. oben §. 61. S. 309. §. 83. a. A. S. 458. *) Hierin liegt der Unterschied zwischen der Aushebung und der Lösung der Obligation. S. oben §. 87. S. 500. Die Lösung tritt mit der Befriedigung nothwendig von selbst ein, die Aufhebung nur in Folge besonoerer, au- der Obligation nicht schon erklärter Ursachen. ’) §. 28. d. T- Ob geldgleiche Inhaberpapiere Zahlungsmittel find, davon unten. Der römische Sprachgebrauch beschränkt da- solvere nicht aus Geldzahlen, 1. 47. 176 de V. 8. pr. J III, 28. 1. 49.54.107. D. XLVI, 3. Da» iisterr. Ges. B. $. 1412. definirt Z. al» Leistung dessen, wa» man zu leisten schuldig. ♦) «och, R. d. F. 11,611. •) 1.33. D. XII, 6.: nam io, qui pecuniam non debitam solvent, hoc ipso aliquid negotii gerit

§. 91.

1.

Zahlung.

Wem kann gezahlt werdens?

545

Dem Gläubiger selbst*), seinem

Rechtsnachfolgers, seinem Bevollmächtigten’).

Der Empfänger muß hand­

lungsfähig sein"), weil die Zahlung ein Rechtsgeschäft ist, weil in ihrer

Annahme die Befreiung deS Schuldners liegt.

Fehlt eS dem Gläubiger

an der Handlungsfähigkeit nach allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen, wie den Ehefrauen, HauSkindern, Minderjährigen, juristischen Personen, oder in Folge gerichtlicher Anordnungen, wie den Verschwendern und Gemein­ schuldnern, so kann befreiend nur an ihre gesetzlichen Vertreter, Ehemann,

Vater, Vormund, Verwalter, Vorsteher gezahlt werden.

Vormünder find

in Betreff deS Zahlungsempfanges, namentlich von Kapitalien, unter die

besondere Aufsicht der Behörde gestellt und meist vermitteln die Deposi-

torien der Gerichte die Einnahme und Ausgabe der Gelder,

Vormund zurücktritt").

so daß der

Der Vormundschaftsrichter selbst ist zur Zah-

lnngSannahme nicht berechtigt").

Auch die Konkursverwalter stehen unter

Aufsicht der Gerichte, aber sie haben eine freiere Besugniß, Zahlungen für

die Masse zu empfangen").

Fehlt dem Gläubiger die Fähigkeit in Folge

besonderer rechtsbeständiger Willenserklärungen, so wird an ihn nicht giltig

6) §. 30—39. d. T. 7) 1. 39. D. III, 5. 1. 12. C. VIII, 43. Mehreren Gläubigern kann nach preuß. R. nur gemeinschaftlich gezahlt werden. S. oben §. 63. Nr. 1. S. 329. Anders nach röm. R. §. 1. J. III, 16. 1. 34 §. 1. D. XLVI, 3.

*) Wem das Recht des Gläubigers oder besten Ausübung übertragen ist: Erbe, Eesfionar, Assignatar (1. 49. D. XLVI, 3 ). Hierher gehört auch die Anweisung, die das Gericht an den Schuldner erläßt, statt an den Gläubiger an einen Dritten zu zahlen. S. §. 34. d T. An den Gerichtsexekutor darf der Schuldner zahlen, wenn er durch seinen Austrag zur Empfangnahme ermächtigt ist. A.G.O. I, 24. §. 65. 66. Reskr. v. 19. Febr, 18. Oktober und 10. Dezbr. 1836 (Jahrb. B. 47. S. 321. B. 48. S. 438. 411.).

*) 1. 12. pr. D. XLVI, 3. Nach preuß. R. ist Spezialvollmacht erforderlich. §. 105. I, 13. Soll bei Gericht eine Zahlung erhoben werden, so ist wenigstens notarielle Vollmacht nöthig. §. 116. I, 13. Ges. v. 11. Juli 1845. Der Zahlende muß sich von der Vollmacht Ueberzeugung verschaffen und hat sie sich in schristlicher Form vorzeigen zu lassen. §. 8. I, 13. Handlungsreisende sind nach Handelsgebrauch zum ZahlungSempsang nicht legitimirt. Seusfert B. 12. S. 174. Bergt, setzt Hand. Ges. B. Art. 47. Der Ueberbringer einer quittirten Rechnung ist als legitimirt an­ zusehen. SinteniS II. S. 406. Note 46. Deutsches H. G. B. Art. 296. Spä­ tere Genehmigung ersetzt die Vollmacht. 1.12. §. 4. 1. 49 D. XLVI, 3. A. L. R. I, 13. §. 142.239. Prozeßvollmacht bezieht sich nicht auf Zahlungsannahme. 1. 86. D. XLVI, 3. '") §. 36 -38. d. T.

Unterholzner I. S. 469.

") II, 18. §. 494—496. 499.500. Nach älterem röm. R. wurde dem Vormund gü­ tig gezahlt, 1. 49. D. XLVI, 3., aber nach neuerem muß Erlaubniß der BormundschastSbehörde hinzntreten, außer bei Einziehung von Zinsen, 1. 25. C. V, 37. ") Koch, R. d. Ford. II. S. 632. und Simon und Strampsf, Rechtssprüche II. S. 332.

,J) Konk. Ordn. v. 1855 §. 161.221. ioerster, Preuß. Privatrecht.

Instruktion §. 45.

35

Zweite« Buch.

546

Dir besouderen Privatrechte,

gezahlt, wenn der Zahlende die Einschränkung gekannt hat, oder lüfte ken­

nen müssen ").

Wenn durch das Schuldverhältniß selbst „außer" dem Gläubiger eine andere Person zum Zahlung-empfang bestimmt worden (solutionis c. ad-

jectus),

so erlangt dadurch der Schuldner da- ihm einseitig nicht mehr

entziehbare Wahlrecht, an den Gläubiger selbst oder an den Dritten zu

zahlen").

Die- Wahlrecht kann ihm nur gegen Entschädigung beschränkt

und nur bei so veränderten Umständen, wie sie den Rücktritt rom Ver­

trage gestatten würden (§.87. I. a.), widerrufen werden"). Während also

eine Vollmacht jederzeit willkürlich zurückgezogen werden kann, und der

Schuldner dann nicht mehr berechtigt ist, an den gewesenen Bevollmäch­ tigten zu zahlen "), ist in seinem Interesse dem Gläubiger nicht willkürlich

gestattet, den bestimmten Zahlungsempfänger zu beseitigen.

Dieser aber

tritt nicht in das Schuldverhältniß ein, er erlangt aus ihm kein Recht,

kann über das Vertragsobjekt nicht disponiren, und es kommt daher auch nichts auf feine Geschäftsfähigkeit au ").

In welchem rechtlichen Verhält­

niß er zum Gläubiger steht, ist dem zahlenden Schuldner gegenüber in­

different; in der Regel wird er Auftrag haben, daher dem Gläubiger auch

mit der Auftragsklage hasten").

Die Beifügung eines Zahlungsempfän­

ger- kann übrigen- auch an Bedingungen geknüpft werden, oder sich nur auf einen Theil, oder, bei alternattven Leistungen, nur auf die eine Leistung

beziehen").

Hat der Gläubiger auf Zahlung geklagt, so

verliert der

Schuldner die Befugniß, an den Dritten zu zahlen"). — Endlich kann der Schuldner auch durch gerichtliche Verfügung angewiesen, und dadurch

nicht bloß berechtigt, sondern verpflichtet werden, statt an den Gläubiger

“) Insbesondere wenn die Einschränkung in dem Hypothekenbuch vermerkt ist. §. 17. bis 19. I, 4. ") §. 31.32. b. T. Koch, R. d. F. II. S. 633. Vangerow III. S. 185. Sintenis II. S. 407o. Brandt« im rhei». Museum V. S. 11. 1. 10. 12. §. 3. 59. 95. §. 6. 1. 98. §. 6. 1. 106. v. XLVI, 3. 1. 16. pr. D. XLVI, 1. §.4. J. III, 20. Die Vorschriften des preuß. Rechts über die adjectio solutionis causa sind sehr dürftig, und es ist daher eine Ergänzung ans dem gemeinen Recht un­ entbehrlich. '*) §. 32.33. d. T. Der letztere entspricht der 1. 38. pr. 1. 81. pr. D. XLVI, 3. „si in eodem statu maneat“. Also kann nicht an den Erben deS adjectus gezahlt werden. 1. 81. pr. D. XLVI, 3. Die adjecta fällt weg, wenn sie sich verieirathet. •’) 1. 108. D. XLVI, 3.

A.L.R. I, 13. §. 159.

”) 1. 10.11. D. XLVI, 3. 1. 7. §. 1. v. XIII, 5.

Brandt« S. 276. 300.

**) Selbst wenn ein MandatSgeschäft nicht ausdrücklich abgeschlosien worden. §. 4. J. III, 20. 1. 131. § 1. de V. O. 1. 98. §. 5. D. XLVI, 3. UebrigenS kann auch die Absicht dahin gehen, dem adjectus zu schenken. ’“) 1. 141. §. 5 f. de V. O. 1. 98. §. 4. D. XLVI, 3. Die 1. 98. §. 5. ibid. lestirimt, daß, wenn an den adjectus weniger zu zahlen ist, al« der Gläubiger zu foidern hat, der Rest an letzteren noch gezählt werden mutz. ") 1. 57. §. 1. D. XLVI, 3.

§ 91 an eiln« Anderen zu zahlen.

Zahlung.

547

Die Zahlungsverbindlichkeit darf dadurch

nicht erjhwert werden, die Zahlung ist aber befreiend.

Dies geschieht bei

ZwamgSvllstreckungen, wenn der Gläubiger des Gläubigers sich dessen Forderung an den Schuldner durch das Gericht übereignen (cediren) oder

anweiisen läßt"). L. Wer kann zahlen")? Auch der Zahlende muß fähig sein.

Nach

gemeinten Recht wird das von einem Unfähigen Gezahlte nicht Eigenthum

deS EmpängerS, es kann vindizirt, oder wenn es nicht mehr unvermischt vorhamds ist, kondizirt werden").

Das A.L.R. bestimmt:

die Zahlung

eines Unähigen gilt, soweit er sich dadurch befreit — also zu seinem

Vortheil; sie gilt nicht und begründet ein Rückforderungsrecht oder Er-

stattumg 7er Zwischenzinsen (Interusurium), wenn er auf eine für ihn nicht werlindliche Schuld oder zu früh gezahlt hat").

ES ist nicht nöthig,

daß grat» der Schuldner zahle, auch ein Dritter kann ditrch Zahlung an den Olätbiger den Schuldner befreien, mit oder ohne Auftrag des Letzte­ ren, ßa slbst ohne sein Wissen und Wollen, jedoch mit der Absicht, ihn zu befreiet").

Wer also dem Gläubiger Valuta zahlt, um die Forderung

von ihan u erwerben, befreit den Schuldner nicht").

Der zahlende Dritte

kann durh diese Handlung in eine verschiedene Stellung zum Schuldner kommen. In allen Fällen, das A.L.R. sagt „überhaupt", erwirbt er durch das Gesetz die Klage des beftiedigten Gläubigers"), wenn er nicht

in der Alsicht zu schenken gezahlt hat").

Zahlung ist hier nicht als Er­

füllung algemein, sondern als Erfüllung durch Hingabe der Geldsumme

") Ges. v 4. Juli 1822. Ueber gemeines R s. Bangerow III. S. 184. Der an den Gliubiger des Gläubigers zahlende Schuldner befreit sich, wenn er als nego­ tiorum gestor zu betrachten ist. ") §. 40-51. d. T.

?4) 1. 29. ). XII, 6. ") §. 41.170.171. d. T. Der Tadel, den Koch, R. d. F. II, 622. gegen §. 170. ausspribt, ist wohl zu streng. ES handelte sich hier wesentlich nur um die Folgen der Unähigkeit deS Zahlenden, nicht um die Folgen der Zahlung einer an sich ungiltigen schuld — und ebenso können die Worte: „vor gehobener Unfähigkeit ge­ zahlt iwrden" nach dem ganzen Zusammenhang nicht anders verstanden werden, als „vcm Unfähigen" gezahlt worden. Den gleichen Grundsatz hat das österr. G. B. t. 142. ") §. 43.45. d. T. pr. J. III, 30. 1. 17. 23. 40. 53. D. XLVI, 3. 1. 65. §. 9. D. XII, 6. 1. 31. pr. D. V, 3. Wenn aber der, welcher irrthümlich eine fremde Schuld als eigene abgetragen, hinterher den eigentlichen Schuldner auf Ersatz mit der neg gest. act. in Anspruch nimmt, so ist die Schuld als getilgt anzusehen. 1. ult. 1). III, 5. ’7) l. 36. 3-. D. XLVI, 1.

") §. 46. t. T. ’•) Die bei Zahlungen für einen Dritten ans dessen Schuld auch dann nicht vermuthet vird, nenn sonst die Bedingungen zu einer solchen Vermuthung vorliegen (I, 11. tz. 1040-1045.), Entsch. B. 7. S. 88., denn das Zahlen ist hier nicht daS Geben (hier Siche oder Summe an den Beschenkten.

oder geldgleicher Papiere aufzufassen

Er hat aber auch daneben, wenn

er vom Schuldner Auftrag gehabt, die Vollmachtsklage (actio mand. contr.),

und wenn ein Auftrag nicht vorliegt, die Zahlung aber die Kriterien einer nochwendigen oder nützlichen Geschäftsbesorgung besitzt, die daraus ent­

springende Klage (negotiorum gestorum actio)”).

Fehlt es an diesen

Kriterien, so muß der Zahlende als unbefugter Eindringling sich mit der

Klage des Gläubigers begnügen"), mithin auch alle Einreden gegen sich

gelten lasten, die der Schuldner dem Gläubiger hätte entgegensetzen können. Die Ansicht, daß in allen Fällen, wo kein Auftrag ertheilt worden, neben

der Klage des Gläubigers dem Zahlenden auch die Klagen aus der Ge­

schäftsbesorgung oder — was im Gesetz nicht ausgesprochen ist — aus der nützlichen Verwendung") zustehen, daß die Thatsache der Zahlung für sich allein immer eine Nützlichkeit für den Schuldner und daß er wehrlos jeder aufgedrungenen Gefälligkeit preisgegeben sei, indem er den Klagen

auö den neuen Gründen nicht mehr die Einreden (z. B. der Verjährung)

wie gegen die Klage des Gläubigers entgegensetzen kann, ist durchaus zu­

rückzuweisen.

Sie führt zu gradehin widersinnigen Folgen"). — Schein­

bar sind übrigen- die Bestimmungen des A.L.R. unklar, denn die gesetz­ liche Klagabtretung beruht auf der Voraussetzung, daß die Schuld noch

fortbesteht, während sie durch die Zahlung getilgt sein soll. Sache liegt doch nicht anders, wie bei der Bürgschaft.

Allein die

Auch hier hat der

’") Strikth. B. 12. S. 268. ’•) §. 45. d. T. ”) Nach gemeinem Recht hat der unbefugte Eindringling keine Klage gegen den Schuld­ ner (nach dem Grundsatz in 1. 49. v. III, 5.), eine gesetzliche Session in allen Fällen ist ihm unbekannt. Heuser, Ann. II, 162. Nützliche Zahlungen gelten und erzeugen Kompensationsansprüche. Seussert VII, 15. Koch, Komm. Note 13. zu 8. 46. Daugerow III. S. 523. Wächter im Arch. f. Liv. R. u. Pro). 8.20. S. 11. Leist, da» erlaubte ungerufene Eingreifen in fremde BermögeuSangelegenbeiten, 1855 S. 103 f. “) Die» hat ein Senat des Obertrib. (Rechtsfälle B. 4. S. 119.) gegen den ausdrück­ lichen Wortlaut des §.45., der nur den 1. u. 2. Abschnitt, nicht auch den 3. des 13. Titels anzieht, vermöge einer gewiß unrichtig ausdehnenden Interpretation be­ hauptet. Die Entscheidung ist um so unrichtiger, als das A. L. R. grundsätzlich streng gegen unbefugtes Eindringen ist. §. 228.229.234. I, 13. ") ES wird Übrigens in der Praxis dies noch häufig angenommen. Arnsb. Archiv B. 12. S. 326. Rechtsfälle B. 4. S. 250. Entsch. B. 14. S. 251. Ueberzeugend ist die Ansicht widerlegt von v. Diepeitbroick-Grüter bei Gruchot B. 3. S. 1. Koch, Kommentar Note 11. zu §. 45. hält zwar die Bezugnahme de« 1. 2. Abschn. Tit. 13. für erschöpfend, und demgemäß die in vor. Note angeführte Entscheidung de« O. Trib. für falsch, aber er geht R. d. F. II. S. 625 ff. zu weit, wenn er annimmi, daß in allen Fällen, wo nicht Auftrag vorliege, die Geschästssührnngsklage zustehe. Nur sofern die besonderen Voraussetzungen derselden jutreffeu, ist sie gerechtfertigt. Ein Beispiel, daß nach gern. Recht nickt jede Zahlung eines Dritten als negotiorum gestio angesehen wird, in 1. 43. D. III, 5. «ergl. 1.12.16. C. II, 29. 1. 6. D. XVI, 2. Das österr. G. B. läßt nur mit Einwilligung de« Schuldners dem Gläubiger die Zahlung eine« Dritten aufbringen. §. 1423.

9. 91.

Zahlung.

549

Bürge die Klage de» Gläubigers nur durch Cesfion bei der Zahlung, ob­ schon diese befreiend ist, und hier wie dort vollzieht das Gesetz die Abtre-

tung, d. h. die letztere wird fingirt").

Die Konkurrenz der Klage auS

dem Auftrag oder der nützlichen Geschäftsführung kann zwar dem Zahlen­

den wegen der etwanigen Unkosten, die er außerdem gehabt hat, und deren

Deckung er mit der cedirten Klage nicht erlangen kann, nützlich sein"), aber eS muß zugegeben werden, daß sie insofern überflüssig ist, als wenig­

stens der Beauftragte oder, der Geschäftsbesorger die Klage des Gläubigers nicht braucht.

Nur dem Eindringling ist sie nöthig, wenn ihm überhaupt

ein Anspruch an den Schuldner gegeben sein soll.

Eine ausdrückliche

Klagabtretung muß geschehen, wenn die Sicherung-- und Vorrechte der Forderung auf den Zahlenden übergehen sollen").

Ist der Gläubiger

verpflichtet, von dem Schuldner die Zahlung anzunehmen, so muß er sie auch von dem Dritten annehmen und wo es wegen der Sicherung-- und

Vorrechte nöthig ist, seine Klage diesem abtreten. Widersprechen Gläubiger

und Schuldner der Zahlung durch den Dritten, so kann sie ersterem nicht aufgedrungen werden").

3. Wann und Wo?")

Ort gezahlt werden.

Es muß zu gehöriger Zeit, am gehörigen

Der Gläubiger darf die Zahlung erst nach Ablauf

des bestimmten Tages fordern, er braucht sie nicht vor diesem Tage, kann sie aber noch später annehmen.

Die dann hinzutretenden Folgen einer

verzögerten Zahlung werden unter einem allgemeineren Gesichtspunkt erör­ tert werden.

In der Regel erfolgt die Zahlung postnumerando.

auszahlungen sind nur bei Alimenten gesetzlich geboten").

Vor­

Borzeittg ge­

leistete Zahlung verpflichtet zum Ersatz der Zwischenzinsen (des Interu-

suriumS)").

Stundung, so weit sie nicht vom Gläubiger freiwillig

gewährt wird, kann bei dem Gericht vom Schuldner binnen 14 Tagen

nach Eintritt der Vollstreckbarkeit seiner Schuld nachgesucht und ihm selbst gegen den Willen des Gläubigers gewährt werden, wenn er im Stande

ist, die Schuld binnen Jahresfrist abzutragen, wenn er sie bis dahin, auch

,5) I, 14. §. 338. I. 17. D. XLVI, 1. Im gemeinen Recht ist auch die Ansicht ver­ treten, daß die (Session der Klage an den Biirgen selbst nach der Zahlung nicht unstatthaft sei. Bergt. Lsterr. G. B1423. Code a. 1249—1252. L. v. Diepenbroick-Grüter a. a. O. S- 6.

“) u. Diepenbroick-Grüter a. a. O. S. 8. ”) §. 47.48. Präj. 1028. (Sammt. I. S. 86.), 1858 (Sammt. I. S. 197.). Hier­ von macht eine Ausnahme das EintrittSrechl dessen, der nach eröffnetem Konkurse die Forderung eines Gläubiger« bezahlt. Er erwirbt ohne ausdrückliche (Session auch die Vor- und SicherungSrechle. §. 11. der Konk. Ordn. v. 1855. "*) §. 49-51. d. T. ») §. 54-57. 52. 53. d. T.

*°) §. 61. d. T.

•*) Siehe oben §. 68. a. E.

S. 382.

Zweite« Vach.

550

Die besonderen Privatrechte.

wenn sie ursprünglich unverzinslich gewesen, verzinset, auf Erfordern des

Gläubigers genügende Sicherheit bestellt, und in seiner persönlichen Lage nach billigem Ermessen Gründe vorliegen, die die Ertheilung dieser Wohl­ ES wird darüber mit dem Gläubiger im schleunigen

that rechtfertigen. Prozeß verhandelt.

Gewisie Forderungen sind jedoch

unbedingt auSge-

schloffeu: au- Wechseln, wegen Alimenten, auS unerlaubten Handlungen, wenn schon einmal in einem vollstreckbaren Vergleich Frist bewilligt wor­

den und bei Handelsleuten, SchiffSrhedern, Fabrikbesitzern wegen Schulden aus ihrem Geschäftsbetrieb. Dem Bürgen kommt die einjährige Stundung zu gut.

Der Gläubiger kann mit seiner Gegenschuld aufrechnen, aber er

nicht zum Zweck der Kompensation Schulden Dritter an seinen Schuldner übernehmen — wovon der Anfall einer Erbschaft, deren Gläu­

darf

biger der zur Stundung verstattete Schuldner ist, ausgenommen ist.

Die

Wirkung der Stundung hört auf, wenn auf Antrag anderer Gläubiger

gegen den Schuldner Exekution vollstreckt worden oder früher seine Ver­ mögenslage sich verbessert").

Der Zahlungsort ist die Wohnung des

Schuldners").

An öffentliche Kaffen darf aber nur auf der Kaffe selbst

gezahlt werden.

An einem anderen Ort, als welcher im Vertrage bestimmt

worden, kann der Gläubiger die Zahlung nicht verlangen, eö sei denn, daß er dem Schuldner den Schaden ersetzt, den dieser dadurch erleidet"). 4.

Womit")?

Das Zahlungsmittel ist, wenn die Parteien nicht

ein Anderes verabredet haben, Geld und zwar das zur Zeit der Zahlung

gangbare preußische Silbercourant. Weder Gold noch Scheidemünze wer­

den ohne besondere Verabredung als Zahlungsmittel angesehen, doch darf letztere bis zum Betrage von '/, Thaler nicht zurückgewiesen

werden").

Ist Gold von den Parteien verschrieben, so wird der preußische FriedrichS-

d'or zu 5 Thlr. 20 Sgr."), der vollwichtige Dukaten zu 2 Thlr. 22 Sgr.

") Koni. Ordn. v. 1855 §. 421—433. Generalmoratorien sind im prenß. Recht abgeschafft. Koch, R. d. F I. S- 402—421. Die Vorschriften der Konk. Ordn, sind dem franz. R- nachgcbildet. Zachariä (Anschütz) II. S. 277. Code civ. a. 1244. Code de proced. a. 124. Ueber die Kompensation s. A.L. R. I, 16. §. 356-358., in Betreff de« Bürgen I, 14. §. 299.

**) Kab. Ordn. v. 13. Juni 1840. I. M. Bl. S. 254. Hierher gehört auch die Entsch. B. 41. S. 30., obschon sie nicht aus §. 52. d. T- Bezug nimmt. Nach österr. G. B. §. 1420. „am Orte de« Wohnsitze«." ") Senfsert II, 157. Der Schuldner kann dem Gläubiger, wenn über den Zah. lungSort nicht« festgesetzt, überall, wo opportunus locus ist, zahlen- Senfsert X, 24. “) I, 11. §. 778-802. I, 16. §. 74-84. Koch, R. d. F. I. S. 49 s. v. Savigny Obl- R. I. S. 403 s. §. 40-48. (§. 46. über prenß. R.)

,6) Ges über die Münzversaffnng v. 30. Septbr. 1821 §. 7. (der §. 77. d. T. und §.780. I, 11. ist dadurch aufgehoben). Ges. v. 4. Mai 1857 §. 7. 41) Kab. Ordre v. 21. Novbr. 1831. Friedrichöd'or werden in Preußen nicht mehr ge­ prägt. Münzgesetz v. 4. Mai 1857 §.11. Die Goldkronen und die halben Kro­ nen, welche jetzt »»«geprägt werden sollen (daselbst, sind eine Handelsmünze.

§- 91.

6 Pf. berechnet").

Zahlung.

551

Auf diese Berechnung kommt eS nicht an, wenn eine

bestimmte Stückzahl Goldmünzen gezahlt werden soll.

Ausländisches

Geld ist nur dann Zahlungsmittel, wenn in Preußen sein Umlauf ge-

stattet ist, wie bei den Münzen der Vereinsstaaten *9).

Sonst kann im

Inlande der Schuldner niemals genöthigt werden, mit ausländischem Gelde zu zahlen, selbst wenn darauf der Vertrag lautet.

chenden Bettag in preußischem Gelde.

Er zahlt den entspre­

Der Gläubiger aber muß auslän­

disches Geld annehmen, wenn es im Verttage festgesetzt und die Münze

nicht inzwischen in ihrem Heimatlande außer Umlauf gebracht ist").

Ist

das ausländische Geld als Waare versprochen, so kommt eS nicht als

Zahlungsmittel, sondern als Objekt einer Sachleistung in Bettacht. Geschäft ist dann ein Kauf.

DaS

Tritt in der Zwischenzeit von der Entstehung

der Forderung bis zur Zahlung eine Veränderung im Münzwesen ein,

so ist zu unterscheiden zwischen der Veränderung der Münzforte und einer solchen des Münzfußes").

Für beide Fälle gilt, daß der Gläubiger nur

das zu erhalten hat, wozu ursprünglich der Schuldner verpflichtet wurde.

Durch die Veränderung darf kein Theil gewinnen oder verlieren"). ist daher der Zeitpunkt sestzustellen,

Schuldners zur Zahlung der Geldsumme begründet worden.

verhältnissen,

ES

in welchem die Verbindlichkeit deS

die von Anfang auf eine Geldleistung lauten,

Bei Schuld­

ist eS der

Zeitpunkt des Vertragsabschlusses; bei Schuldverhältnissen, bei denen erst in der Folge die Geldleistung an die Stelle einer anderen Leistung tritt, und bei Forderungen auf Schadenersatz ist eS der spätere Moment, wo

diese Umwandlung einttitt, oder der Betrag festgestellt ist, sei eö durch

einen neuen Vertragsabschluß oder durch ein gerichtliches Erkenntniß, bei

welchem der Tag der Publikation entscheidet.

Die Ausgleichung, die zwi­

schen der alten und neuen Münzsorte oder zwischen dem alten und neuen Münzfuß vorzunehmen ist, besteht in der Differenz zwischen dem CourSwerth ") am Entstehungö- und ain ZahlungStage.

Unberücksichtigt bleiben

Dukaten werden in Preußen feit dem Münzedikt 8. 30. Septbr. 1821 nicht mehr geprägt. 2 Thlr. 22 Sgr. 6 Pf. ist der Werth, in welchem ursprünglich der nngarifche Dukaten ausgeprägt wurde, und den auch die gemeinrechtliche Praxi« bei Berechnung der Höhe eines Geschenks (wegen der Insinuation) zu Grunde legt. Savigny, Syst. B. 4. S. 210. und die dort Notex. citirten Praktiker.

'*'* Wenn die auswärtige Münzforle im Lande Umlauf hat, §. 79. I, 16. Münzkonvention v. 30. Juli 1838 Art. 7 (Gef. S 1839 S. 18.). Gef. über da« Münz, wesen v. 4. Mai 1857 §. 4. und der demselben beigefügte Münzvertrag v. 24. Jan. 1857. 10 §. 78. 79. I, 16. M §. 787.788. I, 11.

Koch I. S. 63.

Bangerow lll. S. 32.

**'• ® ciiffei t B. 12. S. 175. B. 2. S. 190. (Eine früher kontrahirte Schuld ist bei inzwischen eingetretener Aendenmg des Münzfüße« nach dem innern Werth de« Geldes zur Zeit de« Vertrag« zu berichtigen.) " Daß der Berechnung der Courswerth und nicht der Nominalwerth zu Grunde zu

Zweite- Buch.

552

Die besonderen Privatrechte.

die Werthschwankungen der Münzen im Handel nnd Wandel.

Ein Fehl­

griff, der den Auslegern Schwierigkeiten bereitet hat, war die Vorschrift

des A.L.R., daß, wenn der Landesherr eine Münzsorte nicht in ihrem inneren Gehalte verändert, sondern nur in ihrem äußeren Werthe herab­ gesetzt hat, der Schuldner in derselben Miinzsorte zurückzahlen soll"), und zwar, wie nach der Ausführung Savignh's") nicht bezweifelt wer­

den kann, nicht etwa entsprechend mehr in derselben Sorte, um den her­

abgesetzten Werth auszugleichen, sondern nur ebenso viel, als im Vertrage verschrieben.

Der neue CourSwerth blieb also in diesem Fall unberück­

sichtigt, der Nominalwerth entschied allein und der Gläubiger wurde um

so viel verkürzt, alS die Herabsetzung betrug.

Diese Vorschrift ist jedoch

nicht mehr praktisches Recht; durch die Deklaration vom 27. September 1808") ist nicht vorübergehend für die damalige Zeit, sondern dauernd") der Rechtssatz anerkannt, daß die Rückzahlung nach dem Courswerth anSzugleichen ist, mithin um so viel mehr zu zahlen ist, als die Reduktion den

Geldwerth herabgedrückt hat. — Papiergeld, in Preußen zuerst 1806 eingeführt, ist nur insoweit Zahlungsmittel, als die Parteien es wollen").

— Geldpapiere auf den Inhaber sind ihrer Natur »ach nicht Zah­ lungsmittel, wenngleich das A.L.R. sie so auffaßt").

Es hängt von der

Uebereinkunft der Parteien ab, ob sie dieselben zu Zahlungen verwenden

wollen und dann ist eS ein Hingeben an Zahlungsstatt").

Auf die Ver­

schiedenheit des CourseS zwischen dem Tage des Empfanges nnd der Rück­ zahlung

kommt es hierbei nicht an;

dieselbe Art und dieselbe Zahl der

Stücke wird, wie bei generischen Sachleistungen, zurückgegeben.

Dagegen

war einem möglichen Wucher entgegenzutreten und deßhalb ist verboten,

Papiere unter dem Nennwerth hinzugeben

nnd

sich die Rückzahlung in

legen, ist Überzeugend au-geführt von Savigny a. a. D. S. 442 f., ebenso von Koch. Da- A.L.R. steht dieser richtigen Theorie nicht entgegen. §.786. I, 11. „Conr« de- Zahlungsorte-," §. 789. „nach Verhältniß de- Courses." Die in §. 790. enthaltene Abweichung ist jetzt beseitigt. S. Text.

") §. 790. I, 11. Koch, Komm, zu diesem §. **) A.a.O. S. 487 s. Koch, Komm, zu §.790. tritt ihm bei. Ander- noch im R. d. F. I. S. 64 s. s‘) N. C. C. XII, 441. Mathi« B. 7. S. 18. Rabe B. 9. S. 287., in den Er­ gänzungen und in Koch'- Komment.

•'’) Savigny a. a. O. S. 495. •") B. w. d. Tresorscheine v. 5. März 1813 §. 1. Edikt, die Tresor- und Thalerscheine bett., v. 7. Septbr. 1814 (Ges. S. S. 83.) §. VI. Seitdem ist dies giltiger Recht«, satz geblieben. Koch I. S.58. Zahlung mit ausländischen Banknoten, wenn sie ohne Widerspruch oder Vorbehalt angenommen sind, besreit. S trieth. B. 44. S. 8. ") I, 16. §.28. Daß unter diesen geldgleichen In haberpapieren die Redaktoren nicht au da- damal« in Preußen noch unbekannte Papiergeld gedacht haben, s. Koch, R. d. F. II. S. 611.

">) §. 76. I, 16.

Koch a. a. O. S.612.

Seussert II, 151.

§. 91.

Zahlung.

553

Baar oder in Papieren nach dem Nennwerth oder mit Bergütigung der

CourSdifferenz auszubedingen6I).

Sind die zurückzugebenden Papiere nicht

mehr vorhanden, so ist die Zahlung baar nach dem CourSwerth der Pa­ piere zur Zeit ihrer Hingabe (zur Zeit des Vertragsabschlusses) zu leisten.

Diese gesetzlichen Vorschriften über die Art und Weise der Zahlung

sind nur subsidiarisch.

ES steht den Parteien frei, davon Abweichendes zu

vereinbaren, sofern nicht Wucher begangen wird “).

Nimmt der Gläubiger

die Zahlung in schlechterer Münzsorte an und quittirt darüber ohne Vor­

behalt, so steht ihm eine Nachforderung nicht mehr zu.

Doch soll auS der

Annahme von Zinsen in schlechterem oder besserem Gelde nicht schon die

Verbindlichkeit oder das Recht gefolgert werden, die Kapitalzahlung ebenso

anzunehmen oder zu fordern"). Hat der Schuldner in besserer Münzsorte gezahlt, so kann er die Mehrleistung nur bei obwaltendem Irrthum zu­

rückfordern "). 5. Wie?

Da Zahlung Erfüllung des Schuldverhältnisses sein soll,

so unterliegt sie den allgemeinen Regeln der Erfüllung.

Sie muß voll­

ständig geschehen"), in der Absicht, die Schuld zu tilgen"), und so, daß die Geldsumme Eigenthum des Gläubigers wird.

Daher braucht dieser

Geld, von dem er weiß, daß es nicht dem Schuldner gehört, nicht anzu­

nehmen ; thut er es, so wird er dem Eigenthümer des Gelde- verantwort­ lich, behält dann aber seine Forderung"). Ebenso wenig dürfen ihm Stückzahlungen aufgedrungen werden, und wenn er eine solche angenom­ men, so folgt daraus keine verlängerte Zahlungsfrist für den Rest *8). ES giebt aber Fälle, wo das Gesetz oder eine gerichtliche Verfügung den Gläu­ biger nöthigt, sich abschlägliche Zahlungen gefallen zu lassen.

Die einzelnen

Erben des Schuldners hasten, wenn sie sich die Erbschaft nach öffentlicher

Bekanntmachung getheilt haben, dem Gläubiger nur antheilSweise nach der Höhe ihrer Portion"). Künstler und Handwerker, welche ihr Geschäft

“) Deklar. v. 4. April 1811 (Ges. S. S. 169.).

") §. 84. I, 16. ") §. 797-800. I, 11. ") §.798. 1, 11. ") Daß der Gläubiger im Konkurs sich einen Nachlaß gksallen lasten unten §. 111. und 113. “) Vorbehalt der späteren Session bei der Zahlung hindert Seussert V, 124.

«’) §. 72. 73. I, 16.

muß, davon

die Tilgung der Schuld.

1. 17. D. XLVI, 3.

te) §. 57 f. I, 16. Bei der Quittung itber eine Theilzahlung kann sich der Hppothekengläubiger das Vorzugsrecht wegen seiner Restsorderung Vorbehalten, um zu ver. hüten, daß der Eigenthümer den von ihm bezahlten Theil anderweitig zu gleichem Recht mit der Restforderung des Gläubigers cedire. Strieth. B. 44. S. 1.

“) I, 17. §. 137. 141.

Zweite» Buch.

554

Die besonderm Privatrechte.

noch betreiben und nicht» weiter besitzen, als das nöthige Werkzeug") da­

zu. sollen das letztere behalten und unter obrigkeitlicher Anordnung zur

terminweisen Abtragung ihrer Schuld angehalten

werden.

Die Schuld

muß aber innerhalb 3 Jahre vollständig und pünktlich durch die Stückzahlungen getilgt werden").

Wenn eine juristische Person ihre Schuld nur

durch ausgeschriebene Beiträge ihrer Mitglieder tilgen kann, so muß der Gläubiger Theilzahlungen annehmen, die die vorgesetzte Verwaltungsbehörde feststellt").

Endlich ist zur Erleichterung des Verkehrs mit Forderungen

dem Gläubiger und Schuldner gestattet, theilweise dieselben zn kündigen,

und es hängt vom Gläubiger ab,

ob er sich damit begnügen,

oder den

ganzen Betrag fordern, vom Schuldner, ob er nur den gekündigten Theil oder das Ganze zurückzahlen will").

auf

mehrere

Gläubiger

antheilöweise

Dasselbe gilt, wenn die Forderung durch

Theilcessionen

übergegan­

gen ist"). 6.

Die nach Vorstehendem giltig

und in der Absicht der Schuld­

abtragung geleistete Zahlung wirkt Tilgung der Schuld, Befreiung des

Schuldners, so weit sie reicht"):

also theilweise oder vollständig.

Eine

vorbehaltlose Zahlung entzieht zugleich dem Zahlenden alle Einreden gegen den Gläubiger Das Geschäft ist abgemacht. Will er sich die Einreden erhalten, so muß er den Vorbehalt bei der Zahlung kundthun und dann

ist unter auflösender Bedingung gezahlt ”).

Unpraktisch ist die Vorschrift,

daß der Vorbehalt schriftlich erklärt oder vom Gläubiger in der Quittung anerkannt sein muß, denn wenn beide Theile uneinig sind, wird der Gläu­ biger weder den schriftlichen Vorbehalt annehmen, noch ihn in seiner Quit­ tung anerkennen").

ES entsteht die Frage, welche Schuld durch die Zah­

lung als getilgt angenommen werden soll, wenn an denselben Gläubiger von demselben Schuldner mehrere Posten zn berichtigen sind, und die ge­ zahlte Summe nicht alle deckt.

der Parteien").

Zunächst entscheidet das Uebereinkommen

Ist die Zahlung auf eine bestimmte Post ausdrücklich

ohne Widerspruch des anderen Theils geleistet oder angenommen, so behält

") Ueber den Begriff Werkzeug f. Ergänzungen zu §. 95. und Anh. §. 159. I, 24. A.G.O. Koch, R. d. F. II. S. 616. ") A.G.O. I, 24. §. 95,96. Anh §. 159. Verordn, v. 4. März 1834 §. 14. ’*) A G.O. I, 24. Anh. §. 153. zu §. 45. A. L.R. II, 6. § 97. 98. ”) Koch II. S. 617 s. Verordn, v. 8. gebt. 1811 (@ef. S. S. 150.) Nr. 1-3. ") B. v. 8. Febr. 1811 Nr. 4. ") §. 149. d. T. ’6) §. 165. d. T. ") §. 160 f. d. T. Koch II. S.619. 76) §• 161. d. T. Koch a. a. O. "’) §. 149—159. d T. Löwenberg, Motive I. S. 285. theilt die Materialien mit. Koch II. S.636 s. — Unterholzner I. S. 463. Langerow III. S. 224. SinteniS II. S. 395 s.

S- 91.

e« dabei sein Bewenden.

Zahlung.

555

Erst wenn ein solcher ausgesprochener Partei­

Hierbei muß das Interesse deS Gläubigers und Schuldners in gleicher Weise beachtet werden'"), insofern wille fehlt, tritt daS Gesetz ergänzend ein.

für jenen die unsicherste, für diesen die lästigste") Schuld als zuerst ge-

tilgt angenommen werden soll, sonst die zuerst gekündigte oder am längsten fällige, endlich, wenn solche Momente nicht vorliegen, wird auf alle Posten verhältnißmäßig abgerechnet. Die Forderung an Kosten und „verfallenen"

Zinsen,

worunter hier sowohl vorbedungene als gesetzliche zu verstehen

sind"), geht aber immer der Kapitalsforderung vor;

also zunächst auf jene verrechnet werden.

die Zahlung muß

Eine Strafforderung geht der

Kostenforderung vor"). 7.

Beweisen muß die Zahlung der Schuldner, und es ist für daS

heutige praktische Recht ohne Erheblichkeit,

ob man die Behauptung der

Zahlung, die der Klage entgegengestellt wird, als Einrede oder als Klag-

’*") Nach gemeinem Recht hängt zunächst die Bestimmung vom Schuldner ab. Be­ stimmt dieser nichts, so hat der Gläubiger das Wahlrecht, aus welche Forderung er die Zahlung anrechnen will, er ist dabei aber verpflichtet, daS Interesse deS Schuld­ ners zu berücksichtigen. Erklärt auch der Gläubiger nichts, so wird zuerst aus die Zinsen, und zwar ohne Unterscheidung von bedungenen oder gesetzlichen, dann auf die fällige und lästigere Kapitalschuld abgerechnet. Sonst ans die gleichalten und gleichlästigen pro rata. Wird die Einrede der Zahlung erhoben, wenn der Schuld­ ner mehrere Posten zu berichtigen hatte, so gehört zur Begründung derselben nur die Angabe der Art, der Zeit und des Betrages der Zahlung, nicht aber die An­ gabe, wie diese auf die mehreren Posten verrechnet werden soll. Hier treten die ge­ setzlichen Grundsätze ein. Bl. s. RechtSanw. B. 29. S. 256. 1. 1—3. 101. §. 1. D. XLVI, 3. 1. 5. §. 3 1. 6. 48. ibid. 1. 1. C. VIII, 43. Seufsert, Archiv I Nr. 191. Im Wesentlichen stimmt daS A.L.R. hiermit überein; einen Unter­ schied kann man nur darin finden, daß im A. L. R. dem Gläubiger, wenn er bei dem Mangel einer Bestimmung deS Schuldners die Post zu wählen hat, nicht wie im rem. R. zur Pflicht gemacht ist, bei dieser Wahl daS Interesse des Schuldners zu berücksichtigen. Oesterr. G. B. §. 1415. 1416. Sachs. G. B. §. 977—980 und der bair. Entw. Art 170. binden auch nicht den Gläubiger an das Interefie des Schuldners, sondern überlaffen dem letzteren, zu widersprechen. Code Nap. a. 1253. 1256.

**) Schles. Arch. B. 6. S. 276. Die Schuld mit Pfand ist jedenfalls lästiger, als die ohne Pfand. Bon der verbürgten Schuld läßt sich dies nicht im Allgemeinen behaupten. Doch vergl. Seuffert X, 23. Die Beweislast hat derjenige, der die größere Lästigkeit der Schuld behauptet. Immer zuerst auf die Zinsen. Das. XV, 16. Lästigere Schuld: das. XV, 193. Die rechtskräftige Schuld ist die lästigere. Sachs. G. B. §. 980. gl) Pl. Beschl. Entsch. B. 8. S. 19. Das Verfallen bedeutet hier nur die am ZahlungStage aufzurechnende Summe der bis dahin ausgelauferten Zinsen. Damit steht der Pl. Beschl. Entsch. B 4. S. 28Ö. nicht in Widerspruch, obschon er davon auSgeht, daß Verzugszinsen nicht fällig werden. Anfrechnen kann man täglich, aber kein Tag ist ein besonderer Fälligkeitstag. S. oben §. 68. S. 380. Das gemeine R. stimmt überein; f. vorher Note 80. Der Gläubiger, welcher im Kaufgelderbe­ legungsverfahren einen theilweifen Ausfall erlitten, kann, wenn er den persönlichen Schuldner oder den Bürgen in Anspruch nimmt, diesen gegenüber die erhaltene Hebung zunächst auf die Zinsen verrechnen, obgleich er sie nach Vereinbarung mit den übrigen Gläubigern aufs Kapital erhalten hat. Entsch. B. 16. S. 181.

SJ) I. Min. Bl. 1840 S. 85. Nr. 10.

Oppenhoff, Verfahren in Strafsachen zu An. 137.

556

Zweit«« Buch.

Di« besonder«« Privatrecht«.

Verneinung auffaßt. Wie §. 53. gezeigt, hat das neuere Recht den Begriff

der Einrede erweitert").

Ein vorzugsweise- Beweismittel ist die Quit­

tung (securitas, apocha)85 * *), ** ** da* * * *schriftliche * * * * * * * *Bekenntniß ** de- Gläubiger­

oder seine- Vertreter-, auf eine bestimmte Forderung zum Zweck ihrer Tilgung Zahlung empfangen zu haben88).89 90 ES ist bei der Quittung eine doppelte Seite ru unterscheiden; sie ist Zeugniß oder Bekenntniß über er­

haltene Zahlung

und zugleich für die Willenserklärung des Gläubiger-

über Befteiung de- Schuldners — also Beweismittel nicht bloß für eine

Thatsache, sondern auch zugleich für ein befteiendeS Rechtsgeschäft8'). Formell gehört zur richtigen Ausstellung dieser Urkunde, daß

sich au-

ihrem Inhalt die Schuld88), die Zahlung nach ihrem Bettage88),

die

Zeit, der Ort derselben, der Schuldner ergiebt, und daß sie die Unter­ schrift de-Zahlungsempfängers zeigt.

Schreibunkundige müssen zwei oder

einen Zeugen mit unterschreiben lassen, je nachdem die gezahlte Summe

über oder unter 50 Thaler beträgt.

Wird die Quittung auf das Schuld-

insttument gesetzt, so kann ihr Inhalt au- letzterem ergänzt, und da-, wa- unvollständig bleibt, kann auf andere Weise erwiesen werden. Für

verpflichtet zur Ausstellung einer Quittung erklärt das A. L. R. den Gläu­ biger88), es ist seine der Zahlung entsprechende Gegenleistung; er hat daher

M) Oben S. 243. Die Einrede der Zahlung gehört zur zweiten Klasse, s. S. 245. Daß die liberatio ipso jure contingat, §. 4. J. III, 19. ist hierbei nach neuerem Recht nicht mehr entscheidend.

Rs) §. 86-148. d. T. Gruchot in s. Beiträgen B. 7. S. 1 f. Koch, R. d. F. I. S-476. — ArndtS S.428. Sintenis II. S. 267. 414. Seuffert, Pand. II S. 134. Linde, in der Z. f. C. R. u. Pr. B. 1. S. 244. Busch, im Arch. s. civ. Pr. B.31. S. 1. Gneist, die formellen Verträge des neueren röm. Obl. R. 1845 Bes. S. 25 f. - Bähr, die Anerkennung als BerpflichtungSgrund, S. 317. Derselbe in Gerber u. Zhering, Iahrb. B- 2. S. 283 s. 367 f. B. 3. S. 357. Schlesinger, zur Lehre von den Formalkontrakten, S. 180. 259 f. 279 s. 321. 8. T. Koch S. 243. Zu der alten Forderung kann aber noch eine ErstattungSsorderung wegen der Schäden und Kosten hinzutreien, di« ihm bei der sehlgeschlagenen Einziehung der Post erwachsen sind. Diese sordert er dann vom Anweisenden mit der actio mand. contraria (nicht directa, wie Koch S. 257.). §. 277-279. d. T. Zu §. 277. s. Strirth. B. 14. S. 109. §. 289. d. T. Koch S. 244. Der Angewiesene verliert durch eine Säumniß nicht seine Forderung an den Anweisenden, aber er muß den Nachtheil tragen, der daran» entsteht. Ges.Nevis. Pens. XIV. S. 129. Koch, Uebergang S. 245. Strieth. B. 14. S. 109. Seufsert XIII, 220. §. 283. d. T. Hat der Angewiesene die Einziehung ausgegeben und die Besriedigung wieder vom Anweisenden (seinem Schuldner) direkt verlangt, so dars er dann nicht wieder aus den Ueberwiesenen znriickgehen, außer im Fall einer neuen Anwei­ sung. Simon u. Strampss, Rechtspr. B. 1. S. 45. Koch, Uebergang S.255. §. 281. 285.286. 287.288. d. T.

Zweiter Buch.

586

er die Verweigerung

Dir besondere» Privatrechte.

der Zahlung dem Anweisenden sofort — binnen

24 Stunden — anzuzeigen.

Dasselbe gilt, wenn der Ueberwiesene auch

schon die Annahme der Anweisung verweigert hat"). 2. Zwischen dem Anweisenden und Ueberwiesenen (Assignat)"). Ersterer soll dem Letzteren die Anweisung bekannt machen, widri­

genfalls ihm dieser nicht zum Schadenersatz verpflichtet wird, wenn er die Anweisung nicht annehmen will”).

Eine vorbehaltlose Annahme heilt je­

doch die unterbliebene Bekanntmachung"), und der Anweisende selbst kann in keinem Fall deßhalb die vom Ueberwiesenen dem Angewiesenen geleistete Zahlung anfechten").

Bestand zwischen dem Anweisenden und Ueber­

wiesenen ein Schuldverhältniß, so wirkt die Annahme der Anweisung als erneuertes Schuldbekenntniß'"), und die Schuld wird durch die Zahlung

an den Angewiesenen, wie durch Zahlung an den Ersteren vollständig ge­ Bestand noch keine Obligation, so wird der Anweisende, wenn

tilgt").

der Ueberwiesene auf Grund des Auftrags an den Angewiesenen gezahlt

hat, Schuldner des Ueberwiesenen").

Umgekehrt kann aber der Letztere

sich auch dem Anweisenden verantwortlich machen,

Bekanntmachung an

den

Angewiesenen

zahlt").

verpflichtet den Ueberwiesenen zur Annahme,

wenn er ohne dessen

Die Bekanntmachung

wenn dadurch seine Lage

nicht verschlechtert, die ihm obliegende Schuldabtragung an den Anweisen­

den weder im Gegenstand noch nach Zeit und Ort erschwert wird.

Er

hat also unter dieser Voraussetzung, wenn er schon Schuldner des An­

weisenden ist, kein Widerspruchsrecht").

War der Ueberwiesene bisher

noch nicht Schuldner des Anweisenden, so ist er zu einer Annahme der

Anweisung überhaupt nicht verpflichtet. 3.

Zwischen

dem

Angewiesenen (Assignatar) und Ueber­

wiesenen (Assignat)"). Bor der Annahme der Anweisung besteht zwischen

") §.280. 284. d. T.

Koch S 248.

Zu §.280. s. Strieth. B. 40 S. 146.

-- «och S. 268.

") §. 268. 269. b. T.

•") §. 270. ”) §. 271.

30) §. 292. **) ß. 252. Koch S. 273. Es ist dabei gleichgiliig, ob in der Anweisung di« be­ stimmte Schuld, welche durch sie getilgt werden soll, bezeichnet worden ist oder nicht. Koch, schles. Arch. SB. 4. S. 120. Seussert II. Nr. 42. ") §. 298.299. Die Annahme und Zahlung einer Anweisung begründet keine Ber. muthung dasür, daß der Ueberwiesene di« Summe dem Anweisenden schuldig gewesen, oder daß er von diesem Deckung gehabt, vielmehr muß die« vom Anweisen­ den al« Einrede bewiesen werden, wmn ihn der Ueberwiesene au« der honorirten Anweisung in Anspruch nimmt. Strieth. B. 1. S. 385.

”) §. 273. d. T. ") §. 256. d. T") Koch S. 263.

'

8.95.

Anweisung.

587

beiden kein Recht-verhältniß"). Durch die vorbehaltlose Annahme verpflichtet sich der Ueberwiesene, an den Angewiesenen zu zahlen"), und diese Verpflichtung wird selbst dadurch nicht beseitigt, daß ihm vor der Annahme ein Widerruf zugekommen war"). Au- der Annahme kann also der Angewiesene gegen den Ueberwiesenen Nagen. Unbedingte An­ nahme, welche al- Schuldbekenntniß gilt, entzieht dem Ueberwiesenen die Einreden gegen die Forderung"). Bedingte Annahme bindet nicht und giebt dem Angewiesenen kein Klagerecht"). Der Angewiesene ist nicht bloß berechtigt, die Zahlung bei dem Ueber­ wiesenen für sich zu erheben; er kann auch die erhaltene Anweisung an andere Personen weiter begeben, und solche Weiterbegebung kann sich vielfach wiederholen. Dann tritt zu dem ursprünglichen zwiefachen Auf­ trage eine Reihe neuer Aufträge hinzu. Der erste Angewiesene ist. für die Versehen seiner Nachfolger dem ersten Anweisenden, wie aus dem eignen Versehen verantwortlich; jeder Nachfolger kann sich bei au-bleiben­ der Annahme oder Zahlung nur an seinen unmittelbaren Vormann, nicht an den ersten Anweisenden halten"). Die Zahlung tilgt hier so viel Schulden, al- Zwischenmänner vorhanden waren, denen die Schuld de-

J*) Der Angewiesene kann also auch nicht in eigenem Namen gegen den Ueberwiesenen Nagen. Strieth. B. 29. S. 46. 37) Die Annahme ist ein selbständiger Verpflichtung-grund. Entsch. B. 46. S. 109. Seuffert, Arch. XIII, 141. Heuser, Annal. IV, 438. UebrigenS ist dieser Recht-satz nicht unbestritten. Thöl (3. A.) S. 468. Note 2b. leugnet die Giltig­ keit deffelben, da die Annahme nur ein Summenversprechen ohne causa debendi sei, für da- gemeine Recht und läßt sie nur für da- Handelsrecht zu. Dagegen Bruns in der Zeitschr. f. Recht-geschichte B. 1. S. 114., der die Annahme al- em constitutum ansieht, wobei keine weitere causa debendi erforderlich sei. Nur wenn irrthümlich eine Schuld al- vorhanden angenommen, würde der Accept unverbind­ lich sein. Salpiuö S. 481. steht im Anweisung-accept die ihrer tilgenden Wir­ kung entkleidete DelegationSstipulation der Römer, d. h. eine Stipulation, die auden materiellen Unterlagen de- Geschäfts nicht mehr anfechtbar, aber nicht mehr wie bei den Römern der Zahlung gleich ist. Der annehmende Ueberwiesene muß ver» tragSsähig sein, Entsch. B. 46. S. 110., und daß durch Annahme einer Anweisung Seitens einer Frau die Beschränkungen der weiblichen Interzefstonen leicht umgan­ gen werden können, s. das. S. 111. Der Assignat kann nach der Annahme dem klagenden Assignatar seine Legitimation nicht mehr bestreiten. Entsch. B. 20. S. 181. Der Assignat, der die Anweisung angenommen, obschon er dem Anweisenden nicht schuldig war, muß zahlen, auch wenn letzterer bis zum ZahlungStage in KonkurS geräth. Entsch. B. 17. S. 356. Deutsches H.G.B. Art. 300. J’) §. 259. 276. d. T.

Präj. 784 (Sammt. I. S. 90.).

Gr verliert nicht nur den, sondern er kann Angewiesenen hatte. Anweisung im Wege

die Einreden, die ihm selbst gegen den Anweisenden -ustanauch diejenigen nicht gebrauchen, die der Anweisende gegen den 1. 19. D. XLVI, 2. Koch, S. 267. Dagegen nicht bei der der Exekution. Entsch. B. 30. S. 442.

4") Bedingte Annahmen z. B. §. 272. d. T.

Hierüber Koch S'. 265.

*’) Entsch. B. 20. S. 185. u. B. 15. S. 155. Strieth. B. 1. S. 77. Weiter be­ geben kann auch der, dem eine Forderung seines Schuldners im Wege der Exeku­ tion vom Prozeßrichter überwiesen worden. Entsch. B- 4. S. 224., auch ohne daß die Forderung mit übertragen wird. Entsch. B. 34. S. 454 f.

Di« besondere» Privatrechte. .

Zweit«» Buch.

588

Ueberwiesenen zum Zweck der Tilgung ihrer Forderung an ihren Anwei­ senden überwiesen worden ").

Dieselbe Forderung kann aber auch Mehre­

ren gleichzeitig überwiesen werden: dann entscheidet die erste Annahme des Ueberwiesenen über die Person dessen, an welchen zu zahlen ist").

Die Anweisung erlischt bei verweigerter Annahme von selbst"), bei verweigerter Zahlung, sobald der Angewiesene sich nicht entschlossen hat,

den Ueberwiesenen gerichtlich zu belangen*'), und durch Widerruf des Anweisenden, der aber dem Ueberwiesenen vor der Annahme zukommen muß

Wenn der Angewiesene den Ueberwiesenen ausdrücklich als seinen

Schuldner angenommen und 'den Anweisenden entlassen hat, so geht die

Anweisung in Cession über47); sie wird aber Delegation, wenn nicht nur der Angewiesene den Anweisenden entläßt und den Ueberwiesenen als

seinen Schuldner annimmt44), sondern zugleich der Letztere den Angewiese­ nen alS seinen Gläubiger anerkennt (§. 101.).

Der Unterschied von gewöhnlichen und kaufmännischen Anweisungen ist im „eueren Recht beseitigt44).

§. 96. 31.8.9t. 1,16.

S. 339.

S. 567. S. 529.

Bereinigung von Forderung und Schuld.

§.476 — 481. 486 — 512. Koch, Pr.R. II. S. 241.

Arndt« §.273. S. 452.

Sortiern. III. S. 405.

v. Daniel« II.

9i. d. F. II. S. 792. - Unterholzner I.

Sinteni« II. S. 463. R. 3.

Seusseri, Pand. II. S- 147.

v. Keller

Knntze, die Obligation und Singular.

“) v. Daniel« II. S. 337.

”) §. 295. d. T. Koch S. 276 f. Hat der Ueberwiesene mehrere Anweisungen ange. nowmen, so bleiben au» der Annahme dm anderen angewiesenen ihre Rechte gegen ihn Vorbehalten. §. H96. d. T.

*♦) Koch S. 249. ") Simon, Rechtspr. B. 1. S. 45.

Koch S. 255.

") §• 275.276. d. T. Nach preuß. R. nicht durch den Tod de« Anweismdm, Koch S. 267. ■ Gemeinrechtlich wird da« Gegentheil behauptet von Sinteni« II. S. 583. Eine gerichtlich im Wege der Exekution ertheilte Anweisung kaun vom Exequendu« nicht Widerrusen werden. Entsch. B. 16. S. 189. *•) §. 262.263. d. T.

’•) §. 264-267. d. T.

**) 3- 297. d. T. und II, 8. Abschn. 9. sind aufgehoben durch da« EinsührnngSgesetz zur deutschen Wechselordn. v. 15. Kebr. 1850 §. 9. Ueber kaufmännische Anwei­ sungen enthält da« Hand-G.B. Art. 300 f. Bestimmungen. Die Annahmeerklärung ist ZahlungSvei sprechen; die Anweisung kann aus Ordre ausgestellt und durch Zn« dosiament übertragen werden; der Angabe de« Verpflichtung-grunde« oder de« Em« psangSbekenmnisie« der Valuta bedarf e« nicht.

t 96.

Bereinigung von Forderung und Schuld.

succesfion, 1856 §. 51. S. 217.

Delbrück,

Uebernahme fr. Sch. S 61.

ting, die Natur der Korrealoblig. S. 103 — 129.

S. 118.

589 Fit-

Samhaber, Korrealoblig.

varou, die GesammtrechtSverhältnisse des röm. R. 1864 S. 335 f.

Scheinbar ohne Befriedigung de- Gläubigers, in der That aber nicht ohne solche, wird ein Schuldverhaltniß gelöst, wenn

sich auf dauernde,

unwiderrufliche Weise die VermögenSmaffen des Schuldners und Gläu­

bigers in einer Person durch Universalrechtsnachfolge vereinigen’).

Durch

diese Bereinigung (Konfusion) des Vermögens des Schuldners mit dem des Gläubigers geht entweder der BermögenSstoff der Obligation aus dem

') Das A. L. R. verlangt nur einen unwiderruflichen Recht-grund für die Bereinigung von Forderung und Schuld. Wenn statt deffen oben gejagt ist, „durch Univerfalrecht-nachfolge", so rechtfertigt sich dies dadurch, daß in der That eine Konfusion persönlicher Rechte und Verbindlichkeiten durch Singularsuccession undenkbar ist. — Eine Eesfion der Forderung an den Schuldner selbst ist juristisch ein Unding. Wenn ein solchÄ Geschäft vorgenommen würde, so könnte es nur ausgefaßt werden ent-

weder als eine in eine Eesfion eingekleidete Quittung, oder als Erlaß oder Schenkung. Wenn A. an das Handlungshaus B. Forderungen hat, und er erwirbt diese Handlung mit allen Aktivis und PasstviS, ohne daß seiner Forderungen Erwähnung geschieht, so find diese Ansprüche nicht etwa durch Konfusion erloschen, sondern ent­ weder ist ihre Befriedigung erfolgt durch die Festsetzung eines geringeren Erwerbspreise- fürdie Handlung, oder sie gelten als dem Verkäufer erlassen. Im Wechsel­ recht kann zwar auf den Aussteller oderAcceptanten in dos sirr, und dadurch der Wechselschuldner die Wechselforderung erwerben, aber hier tritt überhaupt nicht Kon­ fusion ein, denn entweder ist der Wechsel vom Aussteller eingelöst, dann liegt Zah­ lung vor, oder die Wechselforderung bleibt bei Bestand und kann weiter indossirl werden. Bei Seufsert B. 17. Nr. 144. ist Konfusion angenommen, wenn der Gläubiger an den Bürgen, welcher ihn bezahlt hat, die vom Hauptschnldner nicht deigetriebene Forderung cedirt. Hier kann aber von Konfusion gar nicht die Rede sein, daS Recht des Gläubigers vereinigt sich doch nicht mit der Verpflichtung des Hauptschuldners in der Person deS Bürgen! Der Legatar, dem durch das Legat die Schuld vermacht ist, zu der er dem Erblasser verpflichtet war, gilt als befreit durch Erlaß (1, 12. §. 425.). — Daher kommt es, daß alle Stellen des römischen Rechts, die sich auf Konfusion von Schuldverhältuifsen beziehen, eine Universalsuccession im Auge haben. Keller S. 529. unter I. scheint doch die Universalsuccession, nament­ lich Beerbung, nur noch als Beispiel anzusehen. Sonst ist dieser Punkt in den Kompendien nirgend Hervorgehoden, außer bei Göschen II, 2. S. 257., der die Universalsuccession als Voraussetzung der Konfusion hinstellt. Weil nur wirkliche Universalsuccession Konfusion herbeisühren sann, so ist es richtig, daß der Singularsucceffor aus einem Bitalitienvertrag die Stellung de- Gläubigers und Schuldner­ nicht in sich vereinigt. Strieth B. 13. S. 182. Der Erbschaft-käufer gilt nach A.L.R. als Univerjalsuccesior, seine Forderung oder Schuld an den Erblasier erlischt also durch Konfusion. §.454. 456. I, 11. (Bergl. über die Natur der Succession bei dem Erbschaft-kauf nach preuß. Recht Unger, öperr. Priv.R. B. 6. S. 223. Note 3. Nähere- gehört ins Erbrecht.) In Entsch. B. 48. S. 118. hat das Ober» Trib. Konfusion durch Singularsuccession (Kauf) angenommen; offenbar aber mit Unrecht, benn wenn der Pächter kaust und dadurch Eigenthümer wird, so erwirbt er nicht da- Recht de- Verpächters, sondern da- Recht des Eigenthümer-, der Pacht­ vertrag ist durch den Kaufvertrag aufgehoben, nicht durch Bereinigung von Pacht­ schuld und Pachtforderung. Nach preuß. R. wäre dieser Borgang Novation (siehe folg. $.), richtiger aber Aushebung der Pacht durch gegenseitige Einwilligung. Darum ist auch die Folgerung falsch, daß, nachdem der Wiederkauf sich realifirt hatte, der Pachtvertrag von selbst wieder in Kraft getreten ist. Ander-, wie bei der Konfusion steht e- bei der Konsolidation, die das A.L.R. nicht gehörig von jener trennt. Sie söst dingliche Verpflichtungen, und tritt allerdings ein durch Singularsuccession in die bestimmte Sache, an der da- dingliche Recht hastet.

Zweite- Buch.

590

Die besonderen Privatrecht«.

Vermögen deS Ersteren in das de- Letzteren über oder er verbleibt dem Vermögen des Ersteren,

je nachdem der Gläubiger der Nachfolger des

Schuldners ist, oder umgekehrt, und dadurch wird die Befriedigung er­ langt'). Die Bereinigung muß in der Art geschehen, daß die Person, „in der sie erfolgt", das Recht (die Forderung) „für sich selbst" auSzuüben und die Pflicht (Schuld) „für eigne Rechnung" zu leisten hat'). Sie muß

die Folge eines unwiderruflichen RechtSgrundeS fein.

Ist sie in wider­

ruflicher Weise eingetreten, so bewirkt sie nicht die Lösung deS SchuldverhältniffeS, sondern ein Ruhen desselben in der Art, daß, wenn-die Ver­ einigung aufhört, Forderung und Schuld zu alter Kraft gelangen4* ).*5 *6 Das

Schuldverhältniß ist in dem Moment gelöst, in welchem die Vereinigung

sich vollendet,

die Lösung geschieht von selbst (ipso jure)4).

Es kann

Niemand sein eigner Schuldner sein'). Aber aus diesem Grundsatz folgt auch nur, daß das Band gelöst ist, durch welches die Obligation den

Willen des Gläubigers und Schuldners zusammengehalten, daß nur die persönliche Beziehung zerstört wird,

nicht wie durch Zahlung die

Obligation selbst in ihrer Substanz, in ihrem Inhalt').

Beides fällt

freilich in der Wirkung zusammen, wenn Ein Gläubiger und Ein Schuld­

ner sich gegenüberstanden, hier hat die Konfusion den Solutionscharakter,

der an sich nicht in ihrem Begriff liegt; in den Fällen aber, wo aus der einen Obligation mehrfache persönliche Beziehungen hervortreten, und nur

') So auch die Auffassung im röm. R. 1. 21. §. 1. D. XXXIV, 3. 1. 50. 71. D. XLVI, 1. Ribbentrop, Corr. Obl. S. 24. Note 3. Ku ntze, Obl. n. Sing. Succ. S. 221. A. M. Baron a. a. O. S. 347., welcher annimmt, eS fehle an allen Zahlungsmitteln, an einem Vermögen des Schuldners. Aber wenn der Gläu­ biger den Schuldner beerbt, so erwirbt er doch mit dessen Vermögen die Mittel, aus denen ihn der Schuldner hätte befriedigen können. ') §. 477. d. T. Ein Beispiel Entsch. B. 18. S. 232., wenn der Verkäufer einer Erb­ schaft, zu der ein Passivum gehört, nachher (nach dem Verkauf) das Recht des Gläubigers erwirbt (indem er dessen Erbe wird), so kann sich der Käufer der Erbschäft nickt darauf berufen, daß die Schuld durch Konfusion erloschen sei, weil zur Zeit, wo die Nachlaßsorderung vom Verkäufer erworben wurde, die Person des Schuldners eine von der des Gläubigers getrennte war.

4) 1. 21. §. 2. D. V, 2. 1. 87. §. 1. D. XXIX, 2. Insbesondere, wenn die Erbschaft, die die Konfusion herbeigeführt hat, an einen nachgesetzten (fideikommiflarisch substituirten) Erben wieder herausgegeben werden muß; wenn man unter SuSpensivBedingung Erbe geworden und die Bedingung defizirt. §- 481. d. T. Präj. 1989 (Sammt. 1. S. 93 ). Ein auf Wiederkauf geschloffener Kauf ist kein unwiderruf­ licher Recht-grund. Entsch. B. 46. S. 119. Bergt, übrigens über diese Entschei­ dung oben Note 1.

5) 1. 75. 95. §. 2. D. XLVI, 3.

1. 71. pr. D. XLVI, 1. „veluti solutionis jure.“

6) 1. 107. D. XLVI, 3. 1. 75. ibid. Koch, R. d. F. Note 3. S. 270. Bei der einfachen A.M. Göschen

II, 793. Keller S. 529. Ribbentrop, Correaloblig. S. 24. Note 3. — 1. 71. pr. D. XLVI, 1. und dazu I. ult. D. XLV, 2. Solidarsorderung kann ein Zweifel hierüber nicht aufkommen. 11,2. S. 257.

Serchtigunfl von Forderung «ad Schuld.

§ 96.

591

die eine der letzteren von der Vereinigung betroffen wird, tritt der Unter­ schied zwischen dem Solutions- und Liberationscharakter hervor.

Im Einzelnen ist zu bemerken:

1. Der Vorbehalt bei dem Erb-

schastSerwerb hindert die Konfusion, weil er das totale Zusammenfiießen

deS ererbten und eignen Vermögens hindert *).

Der Erbe behält die For­

derung, die er gegen den Erblaffer hatte, und bleibt verpflichtet, wie er

Im CrbschastSverzeichniß tritt die Forderung oder

eS gegen diesen war.

Schuld des Erben unter den Passivis oder Attivis hervor. Dagegen tritt auch hier sofort die Konfusion ein,

wenn sich ergiebt, daß der Nachlaß

ausreicht, um alle Gläubiger (also auch diesen Erben) zu befriedigen').

In der Person des vorbehaltlosen Erben vollzieht sich die Konfusion nur in der Att, daß er seine Forderung an den Erblaffer zum Nachtheil

der anderen Gläubiger oder Legatarien nicht geltend machen, und daß seine Schuld an ihn nicht zum Nachtheil derselben und seiner Miterben unbe­ zahlt oder ohne Anrechnung auf sein Erbtheil bleiben darf").

Regeln besagen,

Diese

daß, wo im Intereffe Dritter (Miterben, Legatarien,

Gläubiger) die Größe der Nachlaßmasse in Bettacht kommt, die Schuld oder Forderung de» Erben an den Erblasser in Berechnung gestellt wer­

den muß, die Konfusion also nur in Beziehung auf diesen Erben selbst eintritt, Dritten gegenüber ignorirt wird.

Den Gläubigern des Erb­

lassers ist zur Abwehr der Nachtheile, die ihnen aus der Vereinigung

von Forderung und Schuld in der Person des Erben entstehen könnten, für den Fall, wo der Erbe in Konkurs gerathen, das besondere Recht ge­ geben, die Erbschaft zu trennen von dem eigenen Vermögen des Gemein­ schuldners, und während letzteres den Konkursgläubigern verfällt, sich selbst

ersterem abgesondert bezahlt zu machen. Dadurch hindern sie die Konfusion"). Zu den Erbschaftsgläubigern gehören nach neuem Recht

aus

auch

die Legatarien").

Die Ausübung des AbsonderungSrechtS ist an

bestimmte Fristen gebunden, und eS geht dem verloren, der sich mit dem

") §. 486. d. T.

Snisch. B. 11. S. 225.

9) So wird der Rechtssatz in §. 488. zu fassen sein. Die Beifügung, daß die Äon» susion vom Tage de« eröffneten PrätlusionSerkenmnisseS erfolgt ist, soll nur den terminus a quo angeben; die Präklusion allein stellt den Erben nicht sicher gegen später auftretende Ansprüche, aber die Zulänglichkeit des NachlasieS stellt ihn sicher und unter dieser Voraussetzung bedarf eS nicht (wie Koch, Komm. Note 9. zu die­ sem §. meint), der Entsagung deS Vorbehalts, denn dann verstände sich die Kon­ fusion von selbst. Der Vorbehalt hindert nur ausnahmsweise die durch Erbgang sich vollziehende Vereinigung zum Besten der Gläubiger; ist für Gläubiger nicht mehr zu sorgen, so muß die Regel, die Konfusion, als eingetreten angenommen werden.

10) §. 489—491. d. T. Seussert XV, 18. ist angenommen, daß der Gläubiger als Erbe des Schuldners seine Forderung auch gegen den Nießbraucher des Nachlasses geltend machen kann (1. 43 D. XXXHI, 2.). ") §. 500—506. d. T.

Konk. Ordn. §. 256 f.

") Konk. Ordn. 8.256. u. Art. IX. des Einführ.Ges.

Zweite« Buch.

592

Die besondere» Privatrechte.

Erben in eine Novation seiner Forderung einläßt").

Daffelbe Recht der

Absonderung steht den Gläubigern des Erben zu, um., sich gegen den Nachtheil zu schützen, der ihnen au« der vorbehaltlosen Annahme einer überschuldeten Erbschaft erwachsen kann").

2. Bei der Gesammtschuld

zeigt sich der Liberationscharakter der Konfusion darin, daß sie, wenn sie

zwischen dem Gläubiger und einem Mitschuldner eingetreten ist, einfluß­ los bleibt auf den Fortbestand der Verpflichtung der übrigen Schuldner;

nur das Ausgleichungsrecht desjenigen Schuldners, der den Gläubiger be­

friedigt hat, darf nicht beeinträchtigt werden").

3. Bei der Bürgschaft

ändert die Beerbung des Bürgen und Schuldners und die Beerbung des Bürgen und Gläubigers nichts am Fortbestand der Schuld, aber die Bürg-

schastsverpflichtung hört auf, wenn die Hauptschuld durch Konfusion unter­

gegangen, mag auch der Bürge schon rechtskräftig verurtheilt sein.

Er

behält nur in diesem Fäll, und wenn er vor dem Eintritt der Konfusion

gezahlt hat, seinen Ersatzanspruch an den Schuldner").

Schuldner welches

den

Cedenten,

so

versteht sich

nach

V

Beerbt der

preußischem

Recht,

in der Session nicht die Ausübung eines fremden Recht»

in

eignem Namen sieht, von selbst, daß die Lage des CessionarS unberührt bleibt.

ES kann hier keine Konfusion eintreten, weil die abgetretene For­

derung definitiv ans dem Vermögen des Cedenten auSgefchieden ist. Das­ selbe gilt, wenn der Cedent den Schuldner beerbt").

5. Bei der Schuld­

übernahme bewirkt die Beerbung des Gläubigers durch den Schuldner und umgekehrt zwar eine Befreiung des letzteren, nicht aber eine Befteiung

des UebernehmerS");

die

Beerbung

des

UebernehmerS")

durch den

13) §. 504. d. T. Das L. R. ist hier den Gläubigern günstiger, als das röm. Recht, welches ihnen die Separation nicht bloß entzieht, wenn sie novandi animo mit dem Erben verhandelt, sondern toinn sie überhaupt in Betreff deS nomen heredem secuti sunt (ihn in Anspruch genommen), wenn sie von ihm die Zinsen eingezogen haben. 1. 1. §. 10 s. D. XLII, 6. 14) §. 507—509. d. T. ") §. 492-494. d. T. Oben S. 338. Note 83. 1. 71. pr. D. XLVI, 1.: puto, confusione Obligationis eximi personam. Kuntze a. a. O. S. 218. Seussert IX, 272. **) §. 495—499. d. T. Siehe zu §. 497. Koch'S Note 17. im Kommentar. 1. 21. §. 3. 1. 71. pr. D. XLVI, 1. 1. 43. D. XLVI, 3. Dem Bürgen steht gleich, wer für die Schuld eines Andern seine Sache verpfändet hat. 1. 38. §. 5. D. XLVI, 3. ,7) Wer für da« gemeine Recht noch an der Antiquität fefthält, daß der Cessionar procurator in rem suam ist, muß die Konfusion, die durch Beerbung des Schuld­ ners durch den Cedenten eintritt, künstlich wieder durch eine actio utilis des CessionarS wegräumen. Ibering in s. Iahrb. B. 1. S. 111. Note 6. nimmt au, die cedirte Klage sei unabhängig (?!) von der Fortdauer der Obligation. ,B) Seussert X, 173. ") Delbrück, a. a. O. 61., sagt: „Die Schuld, insofern sie Gegenstand des Verkehrs ist, gehört nach der Uebernahme zum Vermögen de« UebernehmerS; wenn daher auch der Schuldner die Forderung erwirbt, so gehören dennoch Schuld und Forde­ rung keineswegs zu deniselben Vermögen." Da jedoch die Uebernahme dem Schuldner

5- 97.

Umschaffmig.

593

Gläubiger und umgekehrt führt keine Konfusion in Betreff der übernom­ menen Schuld selbst herbei, doch wird der Schuldner insofern frei, at­

er gegen den Anspruch seines Gläubigers seinen Anspruch an den Uebernehmer stellen kann. Ist zwischen dem Uebernehmer und Gläubiger schon ein bestimmte» Rechtsverhältnis eingetreten, so erlischt dieses allerdings

im Fall der Beerbung des Einen durch den Andern.

6. Der Begriff der

Konfusion kehrt als Konsolidation auf dem Gebiete der dinglichen Rechte wieder").

Davon im Sachenrecht.

Eigenthümlich dem preußischen Recht

ist eS, daß Hhpothekenrechte durch Bereinigung ihres Eigenthums mit

dem Eigenchum des Grundstücks nicht erlöschen").

§. 97. «.8.Ä. 1,16. §.460—475.

UmschafflMg.

»orttem. 8.3. ©.402.

«och, Pr. R B. 2. S. 162.

Davon im Pfandrecht.

v. Dani kl« B. 2. S. 341.

Desselben Uebergang der F.R. 1837

Unterholzner B. 1. S. 621.

ArndtS S. 441.

Keller S. 533.

©cuffert II. S. 151.

fache Versprechen,

1840

(des. z. 26.).

S. 285. —

Sintenis B. 2.

S. 445.

Liebe, die Stipulation und das ein­

Dazu die Rezens. von Schmidt in den

Leipziger krit. Jahrb. B. 9. (5. Iahrg.) S. 869. und 961., bes. S. 988 f. (1841).

Gneist, die formellen Verträge, 1845 S. 229.

Novation u. Delegation, 1850.

S. 242 f.

Kuntze,

Schlesinger, Form.Eontr.,

pulation, 1859 S. 231 s.

Fein, Beitr. zur Lehre von der

die Obligation u. Singularsucc. 1858 S. 120.

1856

Girtanner, die Sti.

Bruns in d. Zeitschr. s. Rechtsgeschichte B. 1. S. 115.

Lang, Kritik des bair. Entw. B. 2. S. 119 (darüber Arndts in der krit. Bier-

teljahrschr. B. 5. H. 3. S. 331.).

Kuiep, Einfluß der bedingten Novation aus

die ursprüngliche Obligatio, 1860.

Römer, die bedingte Novation nach d. röm.

ii. heutigem Recht, 1863.

v. SalpiuS, die Novation und Delegation nach röm.

R., 1864 §. 23—53. §. 77. 78.

Zachariä (Anschütz) II. S. 289 f.

Die Darstellung der Lehre von der Umschaffung der Obligationen

(Schuldneuerung, Novation) muß mit Untersuchung der Frage be­ ginnen, ob dieses aus dem römischen Recht in das gemeine und in die Landesrechte übergegangene Institut heut noch besteht, oder vielmehr ob es noch bestehen kann.

Die herrschende Meinung will eS aufrecht erhalten,

wenngleich sie zugiebt, daß eS durch die Reception Veränderungen erlitten. Gegen diese Ansicht ist aber in neuerer Zeit von mehreren Seiten Wider­

spruch hervorgetreten.

ES sei das, was heut Novation genannt werde, nur

gegenüber eine selbständige Verpflichtung erzeugt, so bedarf eS dieser Erklärung nicht. Durch den Erbgang zwischen Gläubiger und Schuldner wird die UebernahmeObligation überhaupt nicht berührt. ,0) §. 482—485. d. T.

S. oben Note 1.

") Anh. §. 52. zu §. 484. d. T. oben Note 1. a. E-

Foerster, Preuß. Privatrecht.

Dellar. v. 3. April 1824 (Ges. S. S. 77.).

S.

ein Name ohne Begriff, der eben nur noch traditionell fortvegettre, ein „juristisches Unding".

Zuerst hat Koch diesen Widerspruch erhoben, ihm

sind, ohne auf seine beachtenSwerche Ausführung einzugehen, Andere ge­ folgt l).

Es steht fest, daß im römischen Recht die Novation die Umschaf­

fung einer Obligation in einen Verbalvertrag war,

daß sie nur durch

*) Koch, Uebergang S. 285 f. Liebe (§. 26.) nimmt an formloser Novation keinen Anstoß. S. S. 340 An Stelle der Stipulation setzt er das einfache Versprechen. Aber er bekämpft den Standpunkt der neueren Gesetzgebungen, anch de- A.L.R., wonach Novation der materiellen causa eine neue materielle causa substituiren soll. Sein Rezensent Schmidt (S. 989.) dagegen leugnet, daß mit einem nudum pac­ tum novirt werden könne, und weiset daraus hin, baß sich im heutigen Recht alle Novationen in solche Falle auflösen lassen, welche an die Stelle einer obligatio eine andere materiell verschiedene setzen. Gneist a. a. O. S. 229., der hier sehr kurz ist, erwähnt seiner Vorgänger nicht, und S int en iS II. S. 446. Note 2. findet die Frage einzig bei Gneist berührt. Seitdem hat auch Lang a. a. O. sich gegen die Möglichkeit einer Novation im heutigen R. erklärt. Dieser Widerspruch hat in der Theorie doch schon mehrfach Schwanken und Zweifel an dem Institut hervorgeruseu. Sintenis will es noch künstlich konstruiren neben der einfachen Schuldverwand­ lung. Seine Deduktion ist aber so undurchsichtig, daß es kaum möglich ist, in ihren Sinn einzudringen. Keller giebt doch schon zu, daß dem Begriff der Novation, wenn man sie heut durch formlosen Vertrag (consensu) geschehen lasse, jede- In­ teresse abgehe neben dem aufhebenden und begründenden Vertrage. Gr will die Novation für die formellen Verträge des heutigen Recht- (Wechsel, Iuhaberpapiere, Hypothek) beibehalten. Kniep gesteht ein, daß eö mit der Novation heut zn Tage nicht viel aus sich habe, daß sie ans unserem Recht-boden nicht recht gedeihen will (S. 144.); er bestreiket die Novation für die Fälle, wo eine materielle causa an die Stelle einer anderen materiellen causa tritt, denn zwei materielle Verträge werden stet- in dem Verhältniß zu einander stehen, daß sie sich gegenseitig mit Noth­ wendigkeit ausschließen. Da e- aber eine Eigenthümlichkeit der Novation sei, daß sie auf dem freien Willen der Parteien beruhe, so sei sie nicht da, wo die Nothwen» digkeit den freien Willen ausschließt. Er sieht nur noch in der Expromisstou eine Novation (S. 135. a. E. 136 ). Wenn gegen diese Angriffe die Existenz de- In­ stitut- noch immer vertheidigt wird, so geschieht e- theil- nur, weil sie herkömmlich ist, wie z. B. bei Arndt-, theils ohne zureichende neue Gründe, wie z. B. bei Kuntze, der ihre civilistische Pointe in der Einheit de- Rechtsvorganges findet, durch welchen die alte obligatio aufgehoben, und zugleich die neue begründet wird (S 245.). Diese Einheit de- Rechtsvorganges ist aber nicht- als Schein. Was Schlesinger S. 119. sagt: in der Eigenthümlichkeit der Novation liege durchaus nicht-, was „verhinderte", den Willen über den Recht-grund als wesentlichen Be­ standtheil de- Vertrages zu denken — ist doch zu negativ. Es bleibt unklar, wie män die Aenderung einer Forderung in eine andere materielle Forderung wollen kaun. Auch Brun- (a. a. O. S. 116.) ist es nicht gelungen, da- Institut zu retten. Er meint, materiell sei auch nach röm. R. durch die Novation ein Aus­ tausch von Obligationen vorgenommen, und dies könne auch heut noch geschehen, nur daß jetzt die Aufhebung der alten Obligation die direkte causa des Novations­ versprechens bilde und daher zum Klagegrunde gehöre. Die s. g. Schuldverwand, lung sieht er nicht als Novation an. Daß Obligation mit Obligation auSgetaujcht werden kann, ist zuzugeben, aber daß die AufhebungScausa nicht durch einen Formal-, sondern durch einen materiellen Vertrag bewirkt werden soll, macht die un­ überwindliche Schwierigkeit — und Dann, wodurch soll für ein solches besonderes Institut die Nothwendigkeit der Existenz dargethan werden? Römer S. 341s. hält die herrschende Ansicht, daß Novation durch formlose- Versprechen entstehen könne, für allein richtig, weil e- denkbar sei, daß das ursprüngliche debitum (der ökonomische Stoff der Oblig.) sortlebe in einer neuen obligatio, und die- unter­ scheide gerade die Novation vom aushebenden Vertrage. Die- ökonomische Fort­ leben ist aber nicht ein juristische- Fvrtleben. Der juristische Inhalt wird auf-

$■ 97.

Umschaffnug.

595

Stipulation - vorgenommen werden konnte, und dies erklärt sich daraus,

daß die Stipulation eine so allgemeine Vertragsform war, daß sie für die

Aufnahme jedes obligatorischen Stoff» und Inhalts, ohne ihn zu affiziren, geeignet war').

Der materielle RechtSgrund der alten Obligation wurde

mit einem formellen RechtSgrund bekleidet').

Eine solche Umwandlung

wirkte wie Zahlung; die alte Obligation war zerstört'), nicht dadurch, daß der Gläubiger den VermögenSwerth derselben erhalten, sondern dadurch,

daß sie auSgetauscht worden gegen eine neue Obligatton, welche die Be­ stimmung hatte, ihm denselben VermögenSwerth zu verschaffen.

Nun ist

die Berbalobligation, die Sttpulation, nicht recipirt, die Novation also in dieser Weise nicht mehr ausführbar.

An die Stelle der formellen Ver­

träge sind die Konsensualverträge getreten, und eS fraßt sich, ob die Novation nunmehr durch Konsensualverttag vollzogen werden kann. Wer eS behauptet — und es ist dies noch der Standpunkt der Lehrbücher') —

sucht zunächst nach anderen Anknüpfungspunkten im römischen Recht.

AlS

solche bezeichnet man einzelne in den Quellen vorkommende Fälle, wo eine

Obligation in eine andere in der Art umgewandelt wird, daß durch bloße Willenseinigung an Stelle der materiellen causa eine andere gesetzt wird. So kann dem Mandatar die Summe, die er dem Machtgeber

herauSzugeben

hat,

das Depositum dem Verwahrer als Darlehn,

dem

Vormund die Summe, die er aus der Verwaltung hinter sich hat, vom großjährig

gewordenen

In diesen

Fällen

tum,

Mündel

gegen

Verzinsung

gelaffen

werden').

wurde die Klage aus dem Mandat, dem Deposi­

der vormundschaftlichen Verwaltung beseitigt durch eine Einrede

auS der neueren Verabredung und diese gab eine neue Klage, quasi ex

mutuo.

Dadurch war aber ein

wesentlicher

Unterschied

zwischen der

Novatton und solchen Verwandlungen gegeben, jene zerstörte die alte Obligehoben, wenn uovirt werden soll, und diese Aushebung ist keine andere, mag man daS Geschäft Novation nennen oder aufhebenden Vertrag (mutuus dissensus). — SalpiuS endlich sieht in der heutigen, durch formlosen Vertrag einzugehenden No­ vation nur eine Wiederholung des Rechtsgrundes der alten Obligation, einen neuen Konsens, ein Anerkenntniß. S. 493 f. Es wird ihm kaum zuzugeben sein, daß die bloße Wiederholung als eine neue, an die Stelle der alten tretende Obligation angesehen werden kann, selbst wenn auch schon die spätere StipulationSform die materielle causa in sich ausgenommen.

') 1. 1. §. 1. 1. 2. D. XLVI, 2.

Gaj. II, 38.

Römer S. 5.

3) Kuntze S. 242. meint, daß bei der Novation nicht die alte Obligation in die neue, sondern daß der Vermögenöstoff der alten in die neue überging. Nicht der VermvgenSstofs, sondern der RechtSstofs ging über. 1. 1. pr. eod.: prioris debiti in aliam obligationem transfusio atque translatio. Röm er S. 3. 4. 24. (Gegenstand im ökonomischen Sinn.) 4) §. 3. J. III, 29

1. 1. pr. 1. 31» §. 1. D. XLVI, 2.

') Unterholzner I. @. 622. II. Göschen, Arndts, SinteniS, Seuffert. Nur Keller sieht in der Novation auch noch nach heutigem Recht die Umwand­ lung in eine Formal Obligation. 6) 1.15. 1. 9. §. 9. D. XII, 1. 1. 44. §. 1. D. XXVI, 7.

Zweite- Buch.

596

gation ipso jure,

Die besonderen Privatrechte.

diese beseitigten nur ihre Klage ope exceptionis7).

Wenn nun auch dieser Unterschied im heutigen Recht wenig bedeutet, und man deßhalb geneigt sein könnte, jene Verwandlungen al- die Vorbilder der heutigen Novation aufzufassen °), so ist doch damit noch kein feste- und

bestimmte- Recht-institut gewonnen.

Denn eS ist zu beachten, daß in den

erwähnten Fällen die Forderung au- dem Mandat, dem Depositum u. s. w. nicht in eine wirkliche DarlehnSforderung umgewandelt wird, sondern daß

vielmehr da- Darlehn nur al- da- Vorbild für ein bloße- Kreditiren be­ nutzt wird, da- kreditirte Geld soll quasi mutua pecunia gelten9).

hat es also nur mit einer figürlichen Reden-art zu thun.

Man

Dazu kommt

der Haupteinwand, daß es logisch unmöglich ist, der materiellen causa

der alten Obligation eine neue materielle causa nur durch Worte unterzufchiebenEs ist nicht möglich,

aus

der Kaufgeldsforderung durch

bloßes Reden eine DarlehnSforderung zu machen, der Kaufgeldrückstand ist nicht als Darlehn gegeben. Vereinigen sich die Parteien dahin, daß da- Kaufgeld als Darlehn gelten soll, so haben solche Worte keinen an­

deren Sinn, als daß daö Kaufgeld ferner kreditirt sein, vielleicht auch ver­ zinst werden

Novation

soll.

In einer solchen Verabredung ist Nichts von einer

enthaltenH).

Wo aber wirklich an die Stelle des Vertrag-,

Sintern- II. S.447. Note. Wie es Sintern- a. a. O. thut. 1. 9. §. 9. D. XII, 1. S. darüber besonder- Koch, Uebergang a. a. O. und seine Noten im Kommentar zu §. 450 f., bes. N. 2. 4. 5. 6. 12.13. ") Siehe hierüber Römer S. 8 s. 17. In den Quellen zeigt sich auch eine gewisse Abneigung, derartige Schutdverwandtungen zu statu irrn. So in 1. 34. pr. XVII, 1. : non esse creditam, alioquin dicendum, ex omni contractu nuda pactione pecuniam creditam fieri posse! Selbst in der 1. 15. D. XII, 1. ist nur gesagt: ▼ideatur. Zu beachten ist auch da- simulatis pro infectis babitis in 1. 6. C. IV, 2. Die Praxis ist oft noch recht unklar über die Novation durch Unterschieben eine­ anderen materiellen Recht-grunde-, z. B. Seussert I. Nr. 335. XIII, 17. ES ist für den Begriff der Novation wesentlich, daß sie durch einen Formalakt bewirkt werde, der nicht- weiter al- diese- ist. Wer also im heutigen Recht, welche- den römischen Formalakt der Stipulation nicht mehr dazu verwenden kann, die Novation retten will, muß dem einfachen Versprechen eine formale Natur, und dem s. g. ab­ strakten Willen, d. h. dem durch keinen besonderen Recht-inhalt individualisirten, die Kraft beilegen, Rechte nnd Verbindlichkeiten zu erzeugen. In der neueren Wissen­ schaft tritt eine Neigung dazu hervor — die Frage ist aber noch so wenig in ihren Tiefen ergriffen und noch so entfernt von einem Resultat, daß in einem Handbuch nicht weiter darauf eingegangen werden kann. Die Bemerkung möge aber gestattet sein, daß, wenn dem s. g. abstrakten Willen die fouveraine Gewalt bcigelegt wird, durch die Erklärung: „ich will dem N. zahlen", ein Recht-verhältniß zu erzeugen, da- ganze Vertrag-recht mit all feinen einzelnen Instituten zu einer unterschiedslosen Masse -verflüchtigt ist. E- erschöpft sich dann in dem einen Satz: wer sich durch eine ernstliche Willenserklärung einem Andern gegenüber zu einer Vermögen-leistung verpflichtet, ist verpflichtet. Die Frage nach der Individualität deö Recht-grundekann gar nicht mehr aufgeworfen werden; es läßt sich nicht feststellen, ob der Ver­ trag durch Willen-einigung zu Stande gekommen, denn dazu gehört die Einsicht in die causa de- Anbietens und Annehmen-, ganz abgesehen von der dabei ferner her* vortretenden Frage, was bewiesen werden und wer beweisen soll, wenn die Verpflich­ tung in abstracto bestritten worden. Da- ist gewiß nicht deutsche Recht-anschauung, 7) ®) 9) ,0)

§. 97.

Umschaffnng.

597

der bisher zwischen den Parteien bestanden, über dasselbe Vermögen-objekt ein anderer Bertrag abgeschlossen wird, z. B. statt der bisherigen Leihe ein MiethSverttag, da löst sich die Verabredung auf in zwei Akte, in ein aufhebendes Geschäft (mutuus disaenaus) und in ein neu begründendes, welches ans der alten Obligation nur den BermögenSstoff übernimmt. Für einen solchen Vorgang ein besonderes Rechtsinstitut anzunehmen, dazu ist-kein Bedürfniß vorhanden, das heuttge Rechtssystem würde keine Lücke haben, wenn die Novation gänzlich daraus entfernt wäre"). Doch das A.L.R. hat dieses besondere Rechtsinstitut wesentlich so, wie eS die gemeine Lehre noch vorträgt. „Rechte und Verbindlichkeiten und die Theorie möge sich hüten, hier nicht in ihrer Kühnheit grau, d. h. unpraktisch zu werden. Wie von jeher auf die causa naturalis, d. h. auf den materiellen Recht-grund als da- Bindende im deutschen Recht gesehen worden, hat mit Anfüh­ rung vieler Zeugnisse Schmidt a. a. O. S. 888-901. auSgeftthrt. ") Man könnte sich die Novation auch als Auerkennung möglich denken, wenn diese als einseitiger, formell bindender WillenSakt, als selbständige causa debendi aufge­ faßt wird (Bähr). Daß dies aber wenigstens nicht die Auffassung deS preußischen Rechts ist, f. oben S. 193. Auch die Uebertragnng eines Saldo ist keine Nova» tion, sondern nur der Rest der alten Forderung. Senssert VIH, 159. Keller hält die Novation im heutigen Recht mit Rücksicht auf die heut üblichen formellen Verträge für noch lebensfähig. Hierher gehört die viel besprochene Frage, ob durch Ausstellung oder unbedingte Annahme eines Wechsels novirt werde. Die Frage ist in der Praxis von verschiedenen Gerichtshöfen verschieden beantwortet worden und auch dieselben Gerichte haben geschwankt. Zu letzteren gehört insbesondere daObertribunal zu Berlin, welches früher Novation angenommen, in neuerer Zeit aber die Ansicht aufgegeben hat (Strieth. B. 4. S. 67. B. 41. S. 214. Entscheid. B. 32. S. 421.). Novation nehmen an die O.A.Gerichte Dresden (doch s. Senfs. II. Nr. 114 ), Stuttgart, Mannheim. Dagegen sind Hamburg, Lübeck, Darmstadt und der Appellhof zu Köln. Kastel steht in der Ausstellung des Wechsels eine Anerkennnng der Schuld. S. die Nachweisungen in dem Aussatz von Ladenburg im Archiv für prakt. R. W. 1859 B. 7. S. 1 f. Siebenhaar und Tanchnitz, Archiv für Wechselrecht B. 1. S. 165. B. 3. S. 197. Senssert V1II, 288. Dresdener Ann. I, 24. 75. Die richtige Ansicht ist, daß Ausstellung oder Annahme de- Wechsels nicht novirt; die entgegengesetzte Meinung beruht auf der falschen Vorstellung, daß der Wechsel an sich schon ein Werth sei, mit dem gezahlt werden kann. ES känn zwar in der Absicht der Parteien liegen, bei Ausstellung oder Annahme deS Wechsels die alte Obligation aufzuheben; da- muß aber deutlich erhellen, denn an sich folgt eS nicht aus der Natur de- Wechsels. Meist geht, wie die tägliche Erfahrung lehrt, die Absicht der Parteien nur dahin, durch den Wechsel die Erfüllung der alten Obligation zu sichern oder zu beschleunigen. Dies nennt Bähr (Anerkennung §. 13. S. 46) accestorische Stipulation, eine Bezeichnung, die man annehmen mag, ohne dadurch etwa- Wesentliche- zu gewinnen. Wenn auch die alt­ römische Stipulation und der moderne Wechsel Formalverträge sind, so darf doch der große Unterschied nicht übersehen werden, daß, wenn die Novation durch Sti» pulotion geschah, der Recht-stost der alten Obligation in die Stipulation übernom­ men wurde, während bei Ausstellung eine- trockenen Wechsels dies an sich gar nicht der Fall ist. Neben der Wechfelforderung, die trotz ihrer formalen Natur doch nicht so inhaltlos ist, wie die römische Stipulation, kann die Forderung aus dem mate­ riellen Vertrage sehr gut sortbeftehen, jene kann nur accestorisch sein. Ob, wenn die eine Forderung bann bezahlt worden, der anderen die exceptio doli entgegen* gestellt werden kann, hängt von den Umständen de- einzelnen Falle- ab. Salpiu S. 496 f. verneint die Novation durch Wechsel, weil letzterer den alten Schuldgruud nicht reproduznt. Da- hängt mit seiüer Austastung der heutigen Novation znsammen. Oben Note 1. a. E. und unten §. 101. Note 1. u. 3.

Zw«ti- Buch.

598

Die besonder«! Privatrechte.

können.auch nach ihrem Entstehen mit Einwilligung der Interessenten ")

mngeSndert werden."

„Wird eine neue Berbindlichkeit“) ausdrücklich

an die Stelle der vorigen gesetzt, so erlöscht die letztere durch Umschaf­

fung" ").

Ausdrücklich soll die neue Verbindlichkeit an Stelle der alten

gesetzt werden.

Die- ist der animus novandi, und grade der soll eS sein,

der dem Institut der Novation seine Eigenthümlichkeit giebt und seine

Fortexistenz bedingt").

Die Parteien, sagt man,

wollen nicht bloß die

alte Berbindlichkeit aufheben und eine neue eingehen, sondern sie wollen

die alte durch die neue aufheben, und da dies ein besonderer Wille ist,

so soll er sich ausdrücklich geltend machen.

Hier leuchtet doch gewiß die

Dürftigkeit des Instituts recht ein. Ein solcher besonders geeigenschastetcr

Wille ist gar nicht nöthig, um die Wirkungen herbeizuführen, daß die alte

Obligation aufhöre und eine neue entstehe.

Die einfache gegenseitige Ein­

willigung in die Aufhebung und Neubildung bewirkt ganz dasselbe, und darum ist eS auch klar, daß, wenn die alte Obligation neben der neuen

nicht bestehen kann, es einer ausdrücklichen Aufhebung nicht erst bedarf"),

,3) Im gemeinen Recht hat man neben die novatio voluntaria eine necessaria gestellt, herbeigesührt durch LitiSkontestation und rechtskräftige Entscheidung. Durch jene wurde nach älterem röm. R. die actio in Judicium deducta zerstört, und an ihre Stelle trat die obligatio condemnari oporters,. welche jedoch die Accessionen und Sicherung-rechte der zerstörten Obligation beibehielt. Im heutigen Recht, bei der ganz veränderten Bedeutung der L. E- ist dieser Fall unpraktisch. Kellvr, L E. u Urrh. S. 82 f. Sint eni-, E. R. B. 1. S. 322. Note 6. Daß res judicata nicht novirt, s. oben S. 267. Note 1. Seussert, Pand. II. §.295. S. 155.

") Die Novation ist also gedacht al- Austausch einer Berbindlichkeit durch eine andere, und zwar durch eine „der Art" nach verschiedene (§. 462. d. T ), eine andere causa wird konstituirt. Dadurch ist von der Novation ausgeschlossen die Aenderung der Personen (Delegation, Expromission), die unter einem anderen Gesichtspunkt steht (s. unten den §. a. E.) und die bloße Aenderung des Gegenstandes der Verbind­ lichkeit. Es kann daher weder in der Umschreibung einer Hypothek in Pfandbriefe, noch in der Verwandlung von Naturalleistungen in Geldleistung Novation de« Recht-grunde- gefunden werden, wie dies das O-Trib. annimmt. Entsch. B. 39. S. 88. B. 45. S. 261. ") g. 450. 454. d. T. Die s. g novatio tacita oder praesumta, die auch für va­ gem. R. sehr streitig ist (Salpiu- S. 261 s. über die 1.8. C. VIII, 42.), wird vom AL R. ausgeschlossen. Da« österr. G.B. §. 1376. bestimmt die Novation als Umänderung des Recht-grunde- oder de- Hauptgegenstandes. Das s ächf. G. B. §. 1001.: Durch Neuerungsvertrag wird eine Forderung ausgehoben, wenn durch den Vertrag an ihre Stelle eine neue Forderung begründet wird. Bairischer Entw. Art. 198. verlangt ein in Ansehung des Inhalt« oder de- Recht-titels ver­ schiedenes Schuldverhältniß. Code a. 1271: une nouveile dette.

*”) Durch den animus novandi allein will z. B. Sinken iS II. S. 449 Note die Novation von der bloßen Schuldverwandlung unterscheiden. 1. 2. D. XLVI, 2. 1. 3.8. C. VIII, 42. Heuser, Ann. IV, 624. Ueber die verba expressa Seusf. VII, 167. SalpiuS S. 186 f.

1T) §. 455. d. T. Da- soll die s. g. novatio privativa flin, deren Gegensatz, die cumulativa, aber schlechthin zu verwerfen ist, weil sie eben nicht novirt. Puchta, Dortes. §. 291. Bähr (Anerkennung S. 46 s ) sieht hierin eine accessorische Stipulation, welche den Zweck hat, nicht die alte Obligation durch eine neue zu ersetzen, sondern sie durch diese, welche neben ihr besteht, materiell oder prozessualisch

§. 97.

UmschafsllNg.

599

eine solche nur nöthig erscheint, wenn beide Obligationen konkurriren kön­ nen — denn eS kann derselbe Gegenstand aus verschiedenen Recht-gründen geschuldet werden, und wenn die Parteien da- nicht wollen, so müssen sie e- sagen *’). Die Regeln, die al- die der Novation eigenchümlichen vom A. L.R. aufgestellt sind, enthalten demgemäß auch Nicht-, wa- nicht als Folge deeinfachen aufhebenden BertrageS angesehen werden könnte"). So ist eS keine Novation, wenn die neue Vereinbarung nur Einzel­ nes an der bestehenden Obligation ändert, wenn die Zahlungstermine an­ der- regulirt, Zinsen versprochen, der Zinssatz erhöht oder erniedrigt, Kündigungsfristen bestimmt, Sicherungen aufgehoben oder hinzugefügt wer­ den, wenn ein neue- Schuldinstrument ausgestellt wird"). Ueberhaupt spricht die Vermuthung gegen die Aufhebung der alten Verbindlichkeit"). Um giltig zu noviren, müssen die Parteien vertrag-fähig sein, insbesondere eine solche Obligation eingehen können, wie die neue sein soll"). Diese muß an sich giltig, d. h. gesetzlich zulässig sein"). Ist die Novation ungiltig, oder bedingt abgeschloffen und die Bedingung ausgefallen, so bleibt die alte Verbindlichkeit bei Kräften"). Der Novation wird ferner als eigenthümliche Wirkung zugeschrieben — eS führt aber die einfache Auf­ hebung zu derselben Wirkung — daß mit der aufgehobenen Obligation ihre Nebenabreden und Sicherung-rechte wegfallen, daß diese sich nicht von selbst auf die neue Obligation übertragen"). Nur die Bürgschaft setzt

zu sichern. Nur muß man Stipulation nicht im technischen Sinn nehmen und dann ist auch der Grundsatz: cum principalis causa (die alte Obl.) non consistit, ne ea quidem, quae sequuntur, locum habent nnanwendbar. So wird in der Aus­ stellung eines Wechsels über eine Schuld aus materieller causa, in dem rechtskräfti­ gen Urtheil eine accefforische Stipulation liegen (s. oben Note 12.). '") 1. 2. in f.

1. 8. §. 5. D. XLVI, 2.

1. 8. C. VIII, 42.

19) Mit Recht nennt fie Koch, Komm. Note 2. zu tz. 450. wesenlose Bestimmungen. 20) §. 452. 453. d. T.

v-rgl. hierzu Grrtsch. B. 21. S. 36.

")tz.451. d. T. ”) §. 462.463. d. T.

1. 24. D. XLVI, 2. 1. 9. §. 6. D. XII, 1.

") §. 464. d. T. Nach röm. R. kann die neue Oblig. auch eine naturalis sein. pr. §. 1. D. XLVI, 2.

1. 1.

’♦) §. 465.466. d. T. Die bedingte Novation einer nnbedingten Schuld ist nur be­ dingte Aushebung. Die unbedingte Novation einer bedingten Schuld macht die neue Forderung nur dann zur unbedingten, wenn daraus der Wille der Parteien aus­ drücklich gerichtet gewesen. 1. 8. §. 1. 1.14. §. 1. L 24. D. XLVI, 2. 1. 30. §. 2. D. 11, 14. §. 3. J. III, 29. Puchta, Borles. §. 291. Unterholzner S. 624. Note a. zu §. 290. SinteniS II. S. 452. Note 13. Keller S. 534. und die anges. Schriften von Kuiep u. Römer. Bergl. zu ersterer Wind scheid in der krit. Bierteljahrschr. B. 3. S. 242., zu letzterer Witte in der krit. Bierteljahrschr. B. 6. S. 39 s. Ueber die Novation alternativer Oblig. s. Huschte in d. Zeitschr. s. Liv. R. u. Pr. N. F. B. 2. S. 162.

") §. 469. 470. 471. d. T

C. VIII, 41.

1. 1. pr. 1. 18. 15. D. XLVI, 2.

1. 2. C. VIII, 42.

1. 4.

Zweit« Buch.

600

Dir besonderen Privatrechte-

sich fort, wenn der Bürge bei der Errichtung der neuen Obligation zuge­ zogen worden"); aber selbst die- ist nicht- Besondere-,' denn eS wird hier

die Einwilligung de- Bürgen, auch für die neue Schuld zu hasten, anzu­ nehmen sein"). Daß die Aufhebung nur aufhebt, wenn sie giltig ist"), versteht sich so sehr von selbst, daß nicht einzusehen ist, worin hier eine

Eigenthümlichkeit liegen kann, und ebenso, daß, wenn die neu konstituirte Obligation giltig ist, sie nicht au- der Ungiltigkeit der alten angefochten werden kann"). Die- deutet recht bestimmt darauf hin, daß die Auf­ hebung der alten und die Begründung der neuen eigentlich die Folge zweier

trennbarer Akte sind.

So muß ferner die Novatton, so weit sie Auf­

hebung-akt ist, bei Gesammtschulden da- ganze Schuldverhältniß beseitigen, wenn sie auch nur ein Gesammtschuldner mit dem Gläubiger abgeschlossen"),

und Gleiche- tritt ein bei der echten Gesammtberechtigung, d. h. bei der, bei welcher der einzelne Gesammtgläubiger vom Schuldner da- Ganze zu

Da- A.L.R. kennt aber, wie §. 63. erwähnt, eine falsche Gesammtberechtigung, bei welcher an die Gläubiger gemeinschaftlich zu lei­

fordern hat").

sten ist. Hier kann die Novation zwischen dem Schuldner und einem Gläubiger die Rechte der anderen nicht schmälern^).

Da endlich herkömmlich die durch Novation bewirkte Aufhebung al-

Zahlung, oder eigentlich, da Obligatton für Obligatton hingegeben wird, al- Angabe an Zahlung-statt aufgefaßt wird, so folgt, daß der Schuldner

befähigt sein muß, Zahlung zu leisten"), der Gläubiger, Zahlung zu

empfangen"), und daß, wenn diese Art Zahlung ungiltig geleistet worden,

die alte Schuld ungetilgt geblieben ist, sie mit ihren Beirechten fortbe­ sieht") und der Schuldner berechttgt ist, die zur Tilgung der alten Ber-

“) §. 472.473. d. T.

”) S. Koch, Note 19. im Komm, zu §.473. Bei Fraueubürgschaft muß aus« Neue ctrliorirt werden, wenn sie aus die neue Obligation übergehen soll. ") §. 465. d. T.

**) §. 467. d. T.

’“) §. 458. d. T.

1. 31. §. 1. D. XLVI, 2.

Fitting, Korr.Obl. S. 48.

") §. 460. d. T.

") §. 459. d. T. „Für seinen Antheil" soll aber die Novation de« Einen der geineinsLastlichen Gläubiger mit dem Schuldner wirksam sein, war zu dem Begriff der Gemeinschastlichkeit nicht paßt. §. 456. d. T. Der Latz, welcher offenbar eine Reminiscenz au« 1. 1. §. 1. D. XLVI, 2. ist, paßt übrigen«, woraus Koch, Note 7. im Komm, hinweiset, nicht zu §. 462., weil nicht die aushebende und konstiluirende Seite der Novation getrennt werden kann; e« kann bei dem Unsähigen nicht die Besreiung gelten und die neue Verpflichtung wegsallen: 1. 3. 1. 20. §. 1. 1. 9. pr. I. 34. pr. D. XLVI, 2.

") §. 457. d. T.

I. 3. 1. 20. §. 1. v. XLVI, 2.

") §. 465.469. d. T. §. 475. bestimmt noch, daß, wenn die Ungiltigkeit der Novation ihren Grund nicht in der persönlichen Unfähigkeit de« Gläubiger«, sondern in der neuen Obligation an sich hat, und der Gläubiger den Bürgen ausdrücklich entlasten, da« Pfand zurückgegeben, die Hypothek hat löschen kaffen, mit dem Wegfall der

$. 98.

Erbfolge.

601

Kindlichkeit eingegangrne Novation unter denselben UmstSnden, welche die Rückforderung einer Zahlung gestatten,

zu widerrufen").

Dieser Satz

gehört aber nicht in die Lehre von der Novation, sondern in die von dem

Rückforderung-rechte geleisteter Zahlungen (Kondiktionen). Unrichtiges! es nach heutigem Recht, die Veränderung der Personen

eine- SchuldverhältnifseS, bei der das letztere in seiner Wesenheit erhalten

bleibt, unter den Begriff der Novation zu bringen.

DaSA.L.R. erwähnt

diese Veränderung hier nur flüchttg und verweist sie „an den gehörigen Ort" ").

Darüber unten §. 101.

Sechster Abschnitt.

Die Veränderung.

Veränderung in den Personen.

A.

a.

Auf Seiten bt« Gläubiger«.

Erbfolge.

§.98. A.L.R. I. 5. §. 415—423. 462. 463. 1081.

278 f. 2 — 26.

1,21. §.366 f.

I, 9. §. 360—366.

I, 6. §. 28.

1, 13. §. 186 f.

1,14. §. 334-337.

1,11. $. 316. 317. 454. 1,17. §. 127.128.151 f.

Sefindeordn. §. 99.101.103. — «och,

Pr.R. II. S. 128 — 133.

Unterhol,ner l. S. 576 s.

Uebergang S. Stobbe in

Belker u. Muther, Zahrb. B. 5. 1862 S. 293. (über das Eintreten der Erben in

die obligater. Lerhältniffe de« Erblasser« nach deutschem Recht).

Lewi«, die Suc­

cession de« Erben in die Obligationen de« Erblaffer« nach deutschem Recht, 1864.

Bisher ist das Schuldverhältniß von seiner Entstehung bis zur Auf­ lösung unter der Voraussetzung dargestellt worden, daß es in Betteff der Personen, die eS geschloffen, sowie in Betteff seiner Natur und seineS GegenstandeS ein und daffelbe geblieben.

Wie aber S. 128. gesagt wor­

den, hat jedes Rechtsverhältniß seine Geschichte, eS verändert sich im Laufe seines Daseins durch bestimmte Thatsachen.

Nunmehr ist zu erörtern, wie

Wirkung der ungiltigm Novation dies« Sicherungsrechte nicht wieder in «rast kom­ men. Die« ist aber die natürliche Folge der „ausdrücklichen Entlastung", also einer besonderen Vereinbarung, die sür sich giltig bleiben kann, «och, Uebergang S. 311 f. ») §. 468. d. T.

J‘) tz. 461. d. T.

Delegation, Expromisfion, Eesfion.

Zweite« Buch.

602

Die bcfenbaeit Privatrechte.

von solchen Beränderungen die Schuldverhältniffe betroffen werden können. Diese Erörterung theilt sich naturgemäß in zwei Theile: es verändern sich

die Personen auf der Seite des Gläubiger- oder Schuldner-; e- wird der Gegenstand verändert.

Die Beränderungen in den Personen auf beiden Seiten treten ein

in

Folge einer entweder

allgemeinen

oder

besonderen

Rechtsnachfolge

(Universal- und Singularsuccession).

Der Erbe erwirbt mit der Erbschaft alle Forderungen de- Erblasser-,

soweit sie nicht „bloß an der Person" de- letzteren haften **). verschwinden durch den Tod').

Solche Rechte

Hierher gehören die s. g. Stande-rechte *).

Aber auch aus nicht vererblichen Rechten können zur Leben-zeit de- Erb­ lasser- Folgen entstanden sein, die ein Geldinteresse begründen, und dieseInteresse geht auf den Erben über *).

Nicht vererblich sind ferner Schuld­

ansprüche, bei denen die Leistung auf persönlicher Individualität beruht. E- erlischt also durch den Tod der Vollmacht-auftrag, so daß die Erben

de- Machtgebers oder de- Bevollmächtigten auf dessen Fortsetzung kein

Recht habens.

Kaufmännische Geschäfte') und Prozeßführung') machen

hier eine Ausnahme.

Die Rechte au- dem Gesellschaft-verträge gehen

nicht auf die Erben über, wenn ihr Erblasser persönlich zu dem Betriebe

de- gemeinschaftlichen Geschäft- mitzuwirken hatte'). Nach dem Tode dePächters oder Miether- haben dessen Erben nicht da- Recht auf Fort­ setzung').

Dagegen übertragen sich die Rechte de- Verpächter» und Ber-

mietherS auf feine Erben *°).

Der Gesindevertrag löst sich durch den Tod

auf. Die Lohn- und Kostgeldforderung des Gesinde- fällt aber seinen Erben zu, soweit eS gedient hat; stirbt dagegen da» Haupt der Familie, so wird dadurch an den Rechten der Erben desselben gegen da- Gesinde

nicht- geändert"). Eine eigenthümliche Behandlung hat im A.L.R. da- Verhältniß der Miterben erfahren. Man wollte praktischen Unzuträglichkeiten, die sich

') ’) *) *) ') *) ■) ") ’) *") ")

8- 360. i, 9. A.L.R. Eml. §. 102. l. 2. §. 40. §• 361. I, 9. §• 186. I, 13. §• 191. 1,13. §• 192. I, 13. §. 281. I, 17. 8. 366. 369. 371. 373. I, 21. §• 375. I, 21. Gesinde-Ordn. §.99.101.

§. SS.

Erbfolge.

603

ans dem Grundsatz des römischen Rechts, daß die ErbschastSforderungen sich von selbst auf die einzelnen Erben »ertheilen"), ergeben sollten, aus

dem Wege gehen und gerieth in andere Unzuträglichkeiten, von denen zwei­ felhaft ist, ob sie nicht die größeren sind. Hier kann der in das Erbrecht

gehörigen ausführlichen Erörterung dieses Punktes nicht vorgegriffen wer­ den, es mögen daher einzelne Bemerkungen genügen.

römischen Rechts ist verlaffeu. dauert,

Der Grundsatz deS

So lange die Gemeinschaft der Miterben

d. h. bis zur Theilung, steht ihnen die Ausübung der ererbten

Forderungsrechte nur gemeinschaftlich zu").

Der Einzelne darf nicht

auf seinen Antheil (pro parte) den Schuldner belangen.

Nach der Thei­

lung ist derjenige Erbe der Gläubiger, dem der Anspruch überwiesen wor­ den oder der sich im Besitz des Schuldinstruments befindet").

Im letzteren

Fall können die anderen Miterben eine Verfügung des Besitzers über diese Forderung nur durch eine gerichtliche Widerspruchserklärung bei dem Schuld­ ner oder durch einen Eintrag im Hhpothekenbuche verhindern").

Wird

die Forderung einem einzelnen Erben bei der Theilung nicht überwiesen, so bleibt sie gemeinschaftlich, um aber dem Schuldner die Zahlung zu er­ leichtern, sollen die Erben einen gemeinschaftlichen Bevollmächtigten zum

Empfang bestellen, oder der Schuldner ist berechtigt, sich durch gerichtliche Hinterlegung zu befreien "). Man sieht, die Redaktoren deS A.L.R. haben bei diesen Bestimmungen, die übrigens schon der damaligen gemeinrecht­

lichen Praxis nicht fern gewesen sind *’), einseitig den Vortheil deS Schuld­ ners im Auge gehabt. Man wollte diesem die Zahlung erleichtern, ihn vor den Weitläufigkeiten schützen, die durch Stückzahlungen an einzelne Erben oder durch Theilklagen ihm entstehen können ").

Damit aber ver­

letzte man die Rechte des einzelnen Erben als Gläubigers, denn es wird

ihm die Verfolgung seines Anspruchs,

weil sie an die gemeinschaftliche

Klage gebunden ist, oft bis zur Unmöglichkeit erschwert.

Die Praxis hat

'•) 1. 37. D. XXIX, 2. 1. 6. C. III, 36. 1. uh. S- 14. C. VI, 30. Unterhol,ner S- 586. Die Theilung von Summen «nb sonstigen Quantitäten geschieht numero, die Theilung bei Leistungen bestimmter Sachen (species) nach Brnchtheilen, also ideell. 1.54. pr. D. XLV, 1. Handlungen werden wie Ouaniilätm behandelt. §. 1. ibid. Da« römische Recht ist so konsequent in der Festhaltung des Grund­ satzes von der Theilung der nomina, daß auch bei untheilbaren Leistungen, wenn sie ans Geldwerth gebracht werden, hiernach getheilt wird, 1. 25. §. 9. D. X, 2., und daß ein Gebot des Erblasser«, da« Aktivum solle gemeinschaftlich bleiben, un­ wirksam ist. 1. 56. §. 1. D. XLV, 1. ") §. 151. 1,17. ") §. 152. 154. 1,17. ”) §. 153. I, 17. '♦) §. 156. 1,17. '■) Koch, Uebergang S. 24. Glück B. 11. S. 69. ”) Entsch. B. 24. S. 424. Schlußrevision bei v. Kamptz, Zahrb. B. 41. S. 56.57. Gesetzrevisor, Pens. XVI. S. 233. 234.

Zweite- Buch.

604

Die besonderen Privatrechte.

mannichfach versucht, au- diesen Schwierigkeiten sich herau-zuwinden, an­

dererseits hat aber auch grade sie wieder die Schwierigkeiten dadurch ver­ größert, daß sie aus dem A. L. R. den allgemeinen Grundsatz entwickelt hat,

daß vor der Theilung dem

einzelnen Erben ein bestimmter verhält-

nißmaßiger Antheil an der Erbschaft überhaupt nicht zustehe.

Hierüber

da- Nähere im Erbrecht").

Durch den Erbschaft-kauf, den da- A.L.R. als Kauf des Erbrechts auffaßt, als wäre die Erbschaft sogleich dem Käufer und nicht dem Ver­ käufer angefallen, gehen natürlich die in der Erbschaft enthaltenen Schuld­ ansprüche auf den Käufer über.

Er tritt in die Rechte deS Erben und

damit in die des Erblassers").

§. 99.

Recht-abtretung.

« r.R. 1,11. 8. 376 - 444. Bornem. III. S. 65-103. Koch, Pr.R. II. S. 134. bis 155. Derselbe, Ueberg. der Fordenmgsrechte, 1837 S. 32—225. v. Da­ niels III. S. 194 — 201. (Die Duodezschrist von Schoultz. Ascheraden 1822 ist ganz werthloS.) Gruchot in seinen Beiträgen B. 3. S. 30 s. B. 6. S. 151 f — Glück B. 16. S. 379. Mühlenbrnch, die Lehre von der Session der Forde­

rungsrechte, zuerst 1817, 3 A. 1836 (nach dieser wird citirt). Unterholzner I. S. 601 f Puchta im Recht-lexikon II. S. 636 f. und in dessen Keinen Schriften Nr. 27. S. 459 f. 1844. v. Scheurl, Beitr. H. 1. 1852 S. 12 s. Delbrück, die Uebernahme fremder Schulden, 1853 S. 6 f. Windscheid in der kritischen Ueberschau B. L S. 27. 1853. Brinz, kritische Blätter H. 2. S. 33 f. Pandekten I. ©.560 t Kuntze, die Obligation und Singularsuccession, 1856. Wind­ scheid, die Actio, 1856 S. 120—202. Bähr in Gerber und Ihering, Jahr­ bücher B. 1. 6.351 — 502. Schmidt, die Grundlehren der Session nach röm. R. Theil I. Die Sessionsform, 1863- v. SalpiuS, Novation und Delegation nach röm. Recht 1864 §. 55. 60 — 64. — Bangerow III S. 109 f. Arndt« S. 413. §. 254 f. Sintenis II. S. 790. §. 128. Keller S. 541 f. Senffert II S. 159 f. (4. A.). - Zachariä (Anschütz) II. S. 400 f.

„Non solet stipulatio semel quaesita ad alium transire, nisi ad heredem“1)-

In diesen Worten findet die neuere Doktrin seit Mühlen-

") Pl. Beschl. v. 16. März 1857. Entsch. B. 35. S. 352. Bergt, hierüber Gruchot, Beiträge B. 2. S. 377 f. Göppert, Beiträge zur Lehre vom Miteigentümer nach dem pr. A.L.R. 1864, der in gründlicher Weise die Ausfasinng des O-Trib. zu widerlegen sucht, und Boa-, zur Lehre vom Miteigentum, 1864, der sie ver­ theidigt (S. 67.). I, 11. §. 454—456 Der Erbschast-kaus ist seinem Begriff nach zwar Singularsuc­ cession, da« A.L.R. schwankt aber hier zwischen dieser und der Universalsuccesston. S hierüber Unger, österr. Pr. R. B. 6. S. 223. Note 3. *) 1. 25. §. 2. D. VII, 1. Damit zu vergleichen Gaj. II, 38.: quod mihi ab alio debetur, id si velim tibi deberi, nullo eorum modo, quibus res corporales ad

$. 99.

R«chwaltrrtm»g.

605

bruch'S berühmtem Werk den Satz ausgedrückt, daß die Natur de- For­ derung-recht» eine Singularsuccession nicht gestatte.

Nicht allein, weil er

im römischen Recht ausgesprochen, sondern auch, weil er au- dem Begriff

und Wesen der Obligation nothwendig folge, festgehalten werden *).

muffe er al- Recht-regel

In der älteren Theorie dagegen, seit der Gloffe *),

bei den Praktikern der letzten Jahrhunderte hat die Ansicht vorgeherrscht4* ), * *6 daß auch in Obligationen Singularsuccession stattfinde und daß bei solcher daS Forderungsrecht selbst aus dem Vermögen de- Veräußerer- defirsitiv

ausscheide, das eigne des Erwerber- werde. haben diese Auffaffung *).

Alle neueren Gesetzbücher

Solche Sachlage drängt unwillkürlich zu Zweifeln

alium transferuntur, efficere possam. Diese Stelle sagt doch aber mir, daß For­ derungen nicht ebenso, wie Sachen, durch Tradition u. s. w. übertragen werden kön­ nen ; daß sie die Uelertragbarkeit der Forderungen überhaupt verneine, hat die neuere Doktrin erst in sie hineingelegt. So schon die Gloffe: nomina sive actione» non possunt separari a domino, sicut nec anima a corpore. Salpiu- S. 346. 350.: „e- gehört in der That nur der Entschluß einer vorurtheil-freien Prüfung dazu, um sich von dieser Auffaffung los zu machen." Im Wege der Universaljnccessiou nahm auch da- römische Recht die Uebertragbarkeit der Obligationen au. Wmn die Neueren den Grund dafür darin finden, daß die Person de- Erblaffers und Erben eine sei, daß der Erbe in die Persönlichkeit de- Erblaffers, nicht bloß in omne jus defuncti succedire, so ist die- eine Anschauung, bei der man mit Recht nach der nöthigen Klarheit sucht. Die Römer sind an dieser Auffaffung unschuldig. Windscheid in der krit. Ueberschau I. S. 194. u. Actio S. 161 f.

') Mühlenbruch a. a. O. S. 220f. §. 18. ist der eigentliche Urheber dieser Theorie, obschon ihm Bucher, R. d. Ford. 2. A. S. 59. wenigstens avdeutungSweise vor» angegangen ist. Des Letzteren Grund ist, daß es dem Kontrahenten gewöhnlich nicht einerlei fei, wem er Schuldner oder Gläubiger sein solle. Diese äußerliche Auffaffung haben auch die späteren Schriftsteller nicht ganz fallen fassen, obgleich ihr ein entscheidendes Gewicht nicht beigelegt wird. Die Mühleubruch'sche Theorie, welche tiefer geht, haben angenommen: Unterholzner (1. S. 598.), Puchta, Buchka (Lehre von der Stellvertretung bei Eingehung von Perträgen), der die nahe verwandte Kontroverse, ob durch Stellvertreter BertragSrechte unmittelbar er* worben werden können, erörtert. Siehe hierüber oben §. 42. S. 196. Bangerow, Sinienis, Keller, v. Scheurl, und neuestens aus zum Theil neuen Gesichts­ punkten Knutze. Auf dem Gebiete der preuß. RechtSwiffenschaft gehört Koch zu den Anhängern der Mühlenbruch'schen Theorie (a. a. O. S. 26 f.); ohne neue Stützen für dieselbe beizubringen, bezeichnet er die entgegenstehende Ansicht schlecht­ hin als eine ungründliche. Auch Born em. hat früher eine eigentliche Beränßerung des Rechts für undenkbar erklärt (111. S. 66.). Neuerdings hat er diese Ansicht ausgegeben (Rechtsentwicklung S. 33.).

s) Die Gloffe zu 1. ult. C. IV, 15. stellt die Cession als parallel der Tradition bei körperlichen Sachen hin. Mühlenbruch S. 204. Note 375. 4) Mühlenbruch §. 17. S. 201 s. Kuntze §. 7. 8. 9. S. 18—30. Schon in der französischen und holländischen Jurisprudenz. In Deutschland, wie es scheint, zuerst bei Lauterbach. Besonder- aber vertritt sie Schilter (praxis jur. Rom. in foro Germ. t. II. exerc. 30. §. 62 f. cd. 1733). Er stützt sich aus deutsche Gewohnheit und Gericht-gebrauch. Ihm sind gefolgt Ludovici (doctrina Pandectarum 1769 lib. XVIII. tit. 4. §. 9.), Leyser (medit. sp. 199. med. 6. 7.), Mevius, dec. VIII, 440. Berger, oecon. jur. II. tit. VI. th. I. not. 3. Höpsner (Kom­ mentar §. 992. 8. A. S. 736.) und sehr entschieden I. H. Böhmer (exercit. ad pand. t. II. ex. 28 cap. 1. §. 22 ).

6) Außer dem A.L.R. da- österr. G.B. §. 1392 : e- läßt die „Forderung" übertra­ gen, sieht darin aber eine „Umänderung de-Recht- mit Hiuzukunst (?) eines

606

Zweite- Buch.

Die besonderen Priv airechte.

gegen die neuere Theorie und obschon zuversichtlich die Hoffnung au-ge­ sprochen worden, daß „für alle Zeiten" die Rückkehr der alteren Theorie verhütet sein werdet, so ist doch in jüngster Zeit eine sehr lebhafte und sehr entschiedene Opposition erwacht, welche den Satz wieder in sein Recht einsetzen will, daß der Cessionar die Forderung al- eigne erwerbe7*).* 9 * Daß ** der heutige Verkehr nach leichter Realisirbarkeit und schneller Geschäfts­ abwickelung strebt, daß dafür die Uebertragbarkeit der au- Schuldverhältniffen entspringenden Forderungen an Dritte ein höchst brauchbare-, ja ein unentbehrliche- Mittel ist, leugnet Niemands. Darum müssen Die­ jenigen, die die Singularsuccession in Forderungen für unmöglich erklären, in anderer Weise dem Verkehr-bedürfniß Befriedigung gewähren; sie sind gedrängt zu einer Theorie der Auskunft-mittels. Es soll freilich nicht behauptet werden, daß die Wissenschaft ohne Weitere- einer „vulgären Anschauungsweise" sich zu unterwerfen fyatlü), aber bedenklich ist eS von vornherein, wenn sie sich gegen tin so entschieden hervortretendes Lebens­ bedürfniß, wie eS der Verkehr mit Forderungen ist, spröde verhält und, doch ihm nachzugeben genöthigt, Umwege einschlägt. Denn in einem sol­ chen Verhältniß darf Praxi- und Theorie auf dem Gebiete de- Recht­ nicht stehen"). neuen Gläubigers". S. auch §. 1395.: „neue Verbindlichkeit". Hiernach scheint die (Session als Novation aufgesaßt. — Code a. 1689. 1692. Zachariä II. S. 400. Sächs. Ges. B. §. 953.967. 'Bair. Entwurf Art. 145. Gesetzbuch für den (Santo« Zürich 1855. §. 1025 (bei Windscheid, Actio S. 121. citirt).

®) Bangerow III. S. 114. 7) Zuerst hat Delbrück a a. O. Widerspruch erhoben, obschon auch neben Mühlen­ bruch dissemirende Stimmen nicht gefehlt haben (Roßhirt in s. Zeitschrift B. 5. S. 41. 1843; Ehristiansen, Institutionen, 1843 S. 286.; beide jedoch wenig beachtet). Im Anschluß an Delbrück und mit weiterer Begründung besonders Windscheid und Bähr. Ferner find Anhänger der SuccessionStheorie: Brinz (Pand. §. 130. Sein hier angeführtes Eitat ans feinen kritischen Blättern H. 3. S. 34. ist unrichtig. Es muß heißen H. 2. S. 34., wo aber die Frage nur ganz kurz berührt ist. Seuffert, Arndts, Beseler, deutsches Pr. R. B. 2. §. 118. S. 279, Bluntschli H. 111., Unger II. S. 19.20. Neuestens auch SalpinS in dem angeführten Werk, bes. S. 345 s. In den im Seusfen'schen Archiv veröffentlichten Entscheidungen ist allerdings die Mühlenbrnch'sche Theorie noch vor» herrschend, aber man wird kaum eine finden, wo die Entscheidung gerade in ihr nur ihre Rechtfertigung findet. •) Außer Knntze (S. 30. 31), der das praktische Bedürfniß geradezu bestreitet.

9) Als „AuSknnstSmittel" bezeichnen Mühlenbruch, Puchta, Bangerow und die Anderen ausdrücklich die Wege, die im römischen Recht eingeschlagen worden, um die nicht übertragbaren Forderungen übertragbar zu machen, und die daS heutige Recht auch nicht aufgeben dürfe.

,0) Bangerow III. S. 115. Und doch ist gerade dieser Schriftsteller (III. S. 313.) bei dem Dogma von der Stellvertretung genöthigt, eine weitergehende deutschrecht­ liche Praxis anzuerkennen. Warum nicht auch hier, da beide Dogmen innerlich Zu­ sammenhängen und einen parallelen Entwicklungsgang genommen Haden. “) „Wo ein solcher Konflikt zu bestehen scheint, liegt die Schuld nicht am Verkehr, sondern an der Theorie, die das ihr überwiesene Problem nicht zu lösen vermag." Delbrück S. 7. a. E

|. 99.

Recht-abtretung.

607

Die Theorie der Au-kunstSmittel deduzirt: nicht da- Forderung-recht,

sondern nur die Ausübung desselben sei übertragbar"). römische Recht die Cession aufgefaßt.

So habe da­

Der Erwerber hat die Forderung

nicht al- eigne, sondern im Namen und Auftrag de- Gläubiger- (mandata actio) al- procurator geltend zu machen, aber da ihm der BermögenSwerth der Obligation verbleiben soll, so ist er procurator in rem suam,

er betreibt ein fremde- Geschäft in eigenem Interesse, für sich selbst"). Der Widerspruch, der in diesem Begriff liegt, leuchtet ein: in Vertretung

eine- Anderen, al- Prokurator, und doch selbständig, ein ftemde- Recht und doch ein eigene-,

sind unversöhnbare Gegensätze").

Die praktische

Konsequenz ist, daß der erste Gläubiger Gläubiger bleibt, daß da- Mandat jederzeit gekündigt werden,

daß e- jeden Augenblick durch den Tod de-

Mandanten oder Mandatar- erlöschen kann.

Gesichert war also bei die­

sem Auskunft-mittel der neue Gläubiger in seinem eignen Interesse gewiß

nicht").

Doch da- spätere römische Recht half durchgreifender.

ES gab

") Mühlenbruch S. 222.: „Eession ist die Uebertragung der Besugniß, ein fremdes Forderung-recht al- eignes geltend zu machen." Puchta S. 639.: „Eession der Forderung ist die Uebertragung der Ausübung derselben sür eigne Rech, nung de- Eessionar-." Bangerow S. 114.: „Dem debiler cessus gegenüber gilt der Eessionar auch nach neuestem Recht schlechthin nur al- procurator; er ist nicht selbst Gläubiger oder Successor des Gläubiger-, sondern er macht, mag er nun wirNich procuratorio nomine oder mit der actio utilis aus treten, immer nur eine fremde obligatio geltend." S. 115.: „Eine Session ist dann vorhanden, wenn jemand durch ein Rechtsgeschäft oder durch gesetzliche Vorschrift die selbständige Besngniß erlangt hat, eine fremde Forderung zu eignem Bortheile au-zuübev." ") Der Begriff und die Stellung des procurator in r. s. ist erst aus Gajus II, 38. 39. klar geworden. Bergl. 1.42. D. 111,3.: ea obligatio, quae in ter dominum et procuratorem consistere seiet, mandati actionem parit: aliquando tarnen non contrahitur obligatio mandati, sicut evenit, cum in rem suam procuratorem praestamus. SalpiuS S. 388 f. Im älteren römischen Recht wurde künstlich der Uebergang der Forderungen bewirkt durch die Formalobligation, verborum oblig., und zwar außerprozefsuatisch durch Stipulation: der Schuldner stipulirte die Zah­ lung an den Dritten, und prozessualisch durch Liti-kontestation: der Dritte erhielt vom Gläubiger ein mandatum ad agendum, als des letzteren Prokurator kontestirte er liiern mit bqn Schuldner. Die Stipulation befriedigte den Verkehr nicht, denn sie machte die Uebertragbarkeit der Obligation vom Willen de- Schuldners adhängig und vernichtete die Sicherungsrechte; die LitiSkontestation sühne zwar diese Nachtheile nicht mit sich (1. 29. D. XLVI, 2.), aber sie verlor ihre formale Bedeu­ tung im späteren röm. Proz. Die Eession wurde ein außergerichtliches Geschäft, ebüßte dadurch der Prokurator (Eessionar) noch vollend- die Möglichkeit ein, sich sei­ nen Erwerb zu sichern gegen die Willkür de- Gläubigers (Eedenten). An die Stelle der Lit. tontest, trat die nicht uovirende Denunziation an den Schuldner. '*) Bangerow S. 112. giebt selbst zu, daß die Konstruirung des Begriffs eines in rem suam proc. „freilich nothdürftig genug" die Unübertragbarkeit eine- Forde» rungSrechtS mit den Bedürfnissen de- Recht-leben-, welche- einen Verkehr mit gor* derungen „dringend" erheische, in Einklang brachte. Dagegen nennt Mühlenbruch S. 178. den Weg, daß man den neuen Erwerber zum pr. in r. s. machte, einen ganz vortrefflichen! Siehe DeldrüA S. 9. li) Erst durch die Liti-kontestation wurde ein festere- Verhältniß für den Prokurator in r. b. (Eessionar) herbeigesührt. 1. 16. D. III, 3. Bi- dahin hatte da- Verhältniß den prekären Charakter de- Mandat-, welche- aufkündbar und nicht vererblich war.

606

3toet** Buch.

Die btfonbertn Privatrechte.

neben der mandata actio, zunächst in den Fällen, wo ein Mandat nicht

ertheilt worden, obschon eine Verpflichtung dazu vorhanden war, in spä­ terer Entwicklung allgemein dem neuen Gläubiger eine utilia actio, und mit dieser klagte er gegen den Schuldner suo nomine1*). Ueber die Be­

deutung dieser utilia actio sind verschiedene Meinungen.

Mühlenbruch ")

sieht in ihr die Fiktion einer persönlichen oder rechtlichen Qualität, einer

fehlenden Rechtsform und so, wie bei der publiciana die bonae fidei possessio als Eigenthum behandelt werden solle, so werde bei der utilia

actio des CessionarS — nicht etwa, wie man erwarten sollte, daS Recht

aus der Obligation gegen den Schuldner als auf den Cefsionar überge­ gangen, sondern — das Mandat des Cedenten an den Cefsionar als ge­ schehen angenommen;

die utilia actio soll die fingirte actio mandata,

nicht die erweiterte actio directa de- Cedenten gegen den Schuldner sein;

beide seien auf den nämlichen Zweck gerichtet, durch beide entstehe das nämliche Rechtsverhältniß "). In überzeugender Weise hat Windscheid

diese Deduktion widerlegt").

Soll einmal fingirt werden,

warum kann

nicht fingirt werden, was doch nähxr liegt, daß die utilia die directa sei,

Der Gläubiger konnte noch selbst die Zahlung beitreiben. 1.3. C. VIII, 42. (re Integra heißt: vor bewirkter LitiSkontestation). Mühlenbruch S. 178. Bähr S. 378. Das Mandat erlischt mit dem Tode: 1. 27. §. 3. D. XVII, 1. ,s) Dies ist das folgenreichste Entwickelungsmoment in der römischen CesfionSlehre. ES sicherte den Cessionar gegen die Widerruslichkeit und Nichtvererblichkeit des Man­ dats. 1. 1. C. IV, 10. 1. 33. C. VIII, 54. I. 55. D. III, 3. Die actio war nun das eigene Recht des Prokurators geworden, d. h. der Standpunkt der Stellver­ tretung war damit aufgegeben. Bähr a. a. O. S. 381 ff. Zuerst erhielt der Erbe die actio utilia, dann der Erbschaftskäufer 1. 16. D. II, 14. 1.5. C. IV, 39. Der Pfandnehmer einer Forderung 1. 20. D. XX, 1. 1. 4. C. VIII, 17. I. 18. pr. D. XIII, 7. Der Ehemann wegen Dotalforderungen 1. 2 C. IV, 10. Seit Diokletiou wird die utilia actio allgemeiner (Bähr S. 388., Windscheid S. 126 ). Zuletzt wurde sie durch 1. 33. C. VIII, 54. von Justinian auch für geschenkte For­ derungen gegeben (Bähr S. 393. 394.). Jetzt hat SalpiuS S. 406 s. 410 f. überzeugend nachgewiesen, daß daS pignua nominia das eigentliche Vorbild der spä­ teren Singularsuccession (der Cession) gewesen. Nach 1. 7. C. IV, 39. soll der Käufer einer verpfändeten Forderung eine actio utilia erhalten, wie der Pfandgläubiger uud in 1. 8. eod. bedeuten die Worte exemplo creditoris „nach Analogie deS PsandgläubigerS."

l7) S. 152. u. 177 s. §. 16. ’•) Die Anhänger seiner Theorie (Puchta, Bangerow) haben auch diese Fiktion deS Mandats al« sich von selbst verstehend angenommen. *9) Actio S. 128 f. Der neueste Bearbeiter der Lehre, Schmidt, bleibt bei der Fiktion des Mandats stehen. Er sieht im mandatum agendi die einzige mögliche CessiouSform, es berechtige den procurator in r. a. in doppelter Form zu klagen, entweder nach Civilrecht als Vertreter des Cedenten, direkt alieno nomine, oder nach prätorischem Recht und kaiserlichen Reskripten, wie der Herr des Klagerechts in eignem Namen, utiliter auo nomine, „als ob ein mandatum agendi ertheilt worden wäre" (S. 1. 5. 183 f.). Er stützt sich gegen Windscheid wesentlich auf die Basiliken, aber keine der von ihm angeführten Stellen beweist für seine Annahme mehr, als daß die utilia actio parallel der mandata actio gegeben war; aus keiner geht hervor, daß sie auf der Fiktion des Mandats beruhe. — Jetzt auch gegen Mühleubruch's Theorie SalpiuS S. 394 f.

§. 99.

609

XechtSabtretuug-

warum fingirt man wieder den Umweg?

Entscheidend aber ist, daß die

utilia actio des römischen Rechts überhaupt nicht fingirt, fie ist eine er­

weiterte Anwendung der entsprechenden directa, eine Ausdehnung ihres

Gebrauchs entweder in Beziehung auf ein thatsächliches Moment, oder in Beziehung auf die Person kessen, dem sie zusteht.

Die Klage des Ceden-

ten (die directa) soll auch der Cessionar gebrauchen dürfen, und zwar« al-

eigne, aber da sie ihm ursprünglich nicht zustand, als utilia.

Es wird

nicht etwa- Nichtvorhandenes (das Mandat) fingirt, sondern etwas Vor­ handene- (die directa actio aus der Obligation) einer anderen Person zugestanden, imb zwar deßhalb zugestanden, weil ein Rechtsgeschäft vorlag, welche- die Abrede de- UebergangS der Forderung enthielt (Kauf, Mitgistbestellung u. f. w.).

Dieser bereit- erklärte Wille des Gläubigers, daß

der Andere die Forderung für sich erwerben solle, wurde als schon voll­ endete Uebertragung aufgefaßt").

Versteht man die utilia

actio des

CefsionarS in dieser Weise, so erlangt auch da- auo nomine agere erst seinen wahren, entscheidenden Sinn, der bei der Fiktion de- Mandat­ nicht zu gewinnen ist“) — und der Standpunkt des späteren römischen

Recht- ist dann im Wesentlichen

schon der des heutigen.

Denn einen

Unterschied zwischen der directa und utilia kennen wir nicht mehr;

wer

mit letzterer klagt, klagt so gut, wie mit ersterer; damit hat er auch da-

Forderung-recht selbst al- eigene- erworben und eS fällt die Trennung

de- Rechts von seiner Ausübung weg, eine Trennung, die, wenn sie alunwiderruflich und den Inhalt de- Rechts erschöpfend gedacht wird, wie

die- von Mühlenbruch und seinen Anhängern geschieht, nur eine leere Abstraktion ist.

Ohne Ausübung ist die Obligation nicht-"). — Aber

*“) Zaun im Arch. f. prakt. R. Mss. 91. F. I. S. 11.23 f. 27 s. Die Anhänger der Ansicht von MUhlenbruch über die actio utilia behaupten dagegen, sie sei dann gegeben worden, wenn daS man datum agendi erzwingbar gewesen und habe deßhalb ba» mandatum fingirt. S. Savigny, Odl.R. I. S. 243. Puchta im R.Lex. II, 641. „Die a. ut. tritt überall ein, wo eine Verpflichtung zur Lession wirklich vorhanden ist, und der Berpflichtete den Akt der (Session nicht vornehmen kann «der will," und Pond. §. 281. „der Lessionar kann sich für seine Klage gegen den Schuldner nicht bloß durch ein wirkliches Mandat des Leden len, sondern auch durch dessen Verpflichtung zu sofortiger Lession legitimiren." Soweit ist übri­ gens Mühlenbruch nicht gegangen (ß. 43.44.); er giebt die a. ut. nur in ein­ zelnen besonderen Fällen, und mit Recht nennt Windscheid (Actio S. 194. 195.) jenen Satz exorbitant: ein Recht, besten Abtretung man verlangen könne, hab« mau noch nicht, sonst müßte auch der, der «ine Obligation auf Uebertragung des Eigen­ thum» ^abe, schon berechtigt sein, die rei vindicatio al» utilia anzustellen i *') Windscheid S. 132. Kuntze S. 39. nennt den Ausdruck: auo nomine agere eine oberflächliche Bezeichnung. So lassen sich aber Quellenzeugniffe nicht beseitigen. 1. 55. D. 111,3. (wie kann ein zurückgenommene« Mandat fingirt werden?). 1. ult. C. IV, 5. 1. 18. C. VI, 37. und besonder« noch 1. 8. C. IV, 39.: ex nominia emtione utilia exemplo creditoria pereecutio tribuitur. Also eine An­ wendung, wie sie bei der Klage, die dem creditor, d. h. dem Psandglänbiger, gege­ ben war, stattfand. S. über diese Interpretation Salpiu» S. 411 f. ") Delbrück S. 8.

Windscheid in der krit. Ueberschau I. S. 31.

Foerfter, Preuß. Prioatrecht.

39

610

5x>ritee Buch

Dir brsradrrm Privattrchtr.

nach römischem Recht hat doch der alte Gläubiger noch seine directa neben der utilis de- Cessionars; auch die- ist keine Stütze für die Theorie der Gegner, denn Bähr hat mit Recht darauf hingewiesen, daß dem Gläubiger bi» zur Bekanntmachung der Session an den Schuldner nur noch thatsächlich die Möglichkeit bleibt, die Schuld einzuziehen und über sie zu verfügen"). So war der Recht-satz von der Beräußcrlichkeit der Forderung-rechte schon im römischen Recht fast zum Abschluß gekommen"): dem neueren Recht blieb zur Vollendung dieser Entwicklung nur noch ein Schritt übrig, der viel kleiner war, al- der von der mandata zur utilis actio. Seit der Glosse bi- zu den neuen Gesetzbüchern ist dieser Schritt gethan und wer eine fortschreitende Recht-bildung über da- römische Recht hinaus für zulässig hält, muß diese Entwicklung anerkennen. Doch die Gegner der Succession-theorie nehmen ihre Gründe nicht bloß au- den Au-sprüchen der römischen Quellen; sie berufen sich vornehm­ lich auf die Natur der Obligation, welche jede Ueberttagbarkeit au-schließe. Meist freilich wird von ihnen diese Eigenthümlichkeit ohne Weitere- alAxiom behauptet"). Andere mottviren sie so zu sagen durch sich selbst: die Obligation sei nur dieselbe zwischen denselben Personen, eine Verände­ rung der letzteren verändert auch sie"). Aber grade die- ist erst zu be­ weisen. Dagegen spricht schon eine Vermuthung, denn die Obligationen

") Bähr §. 10. S. 422 f. Die herrschende Lehre, welche den Satz aufstellt, daß der Eedeut auch noch nach der (Session Gläubiger bleibe, erst mit der Denunziation aus­ höre, e- zu sein, „substituirt dem Recht de- Schuldner-, an den Eedenten Zah. hing zu leisten, ein Recht de- Eedenten, Zahlung zu fordern." 2)it». direcu kann neben der utilis keinen Inhalt mehr Haden, und der dolus de- Eedenten, der trotz der (Session die Forderung noch einzieht, oder über sie mit dem Schuldner noch verhandelt, kann nicht al- Recht aufgefaßt werden. Der Schuldner hat daher auch gegen die actio directa de- Gläubiger- nach erfolgter Abtretung eine exceptio doli, 1. 25. 55. D. III, 3. 1.18 pr. D. XIII, 7. 1. 4. C. VIII, 17. 1. 3 C. VIII, 42., und darf dem Cessionar nicht mehr gegen deffen actio utilis Einreden entgegensetzen, die ihm erst nach der (Session gegen den Eedenten entstanden. Nur im Interesse deEesfionar- kann der (Sebent noch Pfandrechte erwerben. 1. 6. D. XVIII, 4.

•*) 1. 23. C. IV, 35.: transferant in alium creditorem. Ueber die Entwickelung der Aktivsuecejsion im röm. R. jetzt besonder- Salpin- S. 414 s. ") Z. B. von Bangerow und Puchta. ") Z. B. von Mühlenbruch, aus den sich alle Neuere stützen ((Session S. 21—28.). Uebrigen- ist ausfallend, wie selbst die Gegner der Mühlenbruch'schen Theorie doch lwch an dem Dogma sesthalten, daß die Obligation ihrer Natur nach unübertragbar sei. So z. B. Delbrück (S. 10 f.), welcher au- der „unübertragbaren" Obligation eine übertragbare Forderung und Schuld herau-zieht. Aber bei dieser Scheidung von Obligation einerseits und Forderung und Schuld andererseits fragt man mit Recht, was für erstere übrig bleibt: nicht mehr, als wenn man die Obligation von ihrer Ausübung trennt, ein wesenloser Schatten. Forderung und Schuld sind nur die äußeren Erscheinung-seiten der Obligation. Sind sie Übertragbar, so muß auch die Obligation selbst übertragbar sein. Seuffert S. 160. Note 4. hängt auch fest am Dogma der Gegner, und weiset nur seine Konsequenzen ab. Da- geht aber gar nicht; ist jene-richtig, so müssen diese ertragen werden. Windscheid, Brinz und Bahr greifen da- Dogma selbst an. Salpiu- S. 353. a. E.

$. SS.

Recht-abtretung.

611

find Gegenstände des Vermögens und auf dem Gebiet des Bermögeu» ist das Erwerben und Veräußern, das Uebergehen aus dem einen in da­ andere die gewöhnlichste und allgemeinste Erscheinung.

Warum sollen die

Obligationen davon ausgenommen sein, zumal bei ihnen alle- darauf hin­

drängt, sie als Gegenstände des freiesten Verkehrs zu behandeln?

Man

sagt, Inhalt und Gegenstand derselben widerspreche der Succession. Der Inhalt ist, wie §. 61. gezeigt, nicht die Leistung, sondern die je nach der

besonderen Natur der Obligation geeigenschaftete Beherrschung deS Willende- Verpflichteten; diese Beherrschung wird keine andere, sie verändert in

Nicht- ihre eigenthümliche Richtung oder ihren Umfang, wenn der Be­

rechtigte sie einer anderen Person überträgt; nicht die Personen, sondern da- von ihnen gewollte Rechtsgeschäft giebt dieser Beherrschung den eignen Charakter").

Eö kann zwar eine Obligation so eingegangen werden, und

eS liegt dies in der Natur gewisser Obligationen (Bevollmächtigung, Ge­

sellschaft), daß ihr Inhalt nicht die Willensherrschaft nach ihrer objektiven

Seite, sondern in einer bestimmten subjektiven Beziehung ist, daß eben nur Aber daß solche Obli­

an diese bestimmte Person geleistet werden kann.

gationen — nicht in Folge der allgemeinen Natur persönlicher RechtSver-

hältniffe, sondern in Folge besonderer Momente — unübertragbar sind, wird von Niemand bezweifelt''). Ferner wird gesagt, der Gegenstand

der Obligation müsse bei dem Wechsel der Person untergehen"). dies ist nicht zugegeben.

Auch

Der Gegenstand ist die Leistung, eine Handlung.

Sie erlangt ihre individuelle Bestimmtheit erst in dem Zeitpunkt, wo sie

vorgenommen wird, bis dahin hat sie nur eine generische Bestimmtheit und genus non perit.

Aber sie ist auch dieselbe, sie mag an den A. oder

den B. zu leisten sein, denn der Handelnde (der Schuldner) ist derselbe, wie er an den A. geleistet haben würde, so leistet er an den B.

Einmal

erzeugt vom Willen der Parteien hat die Obligation ein objektives Dasein,

eine konkrete Individualität, die sie fähig erscheinen läßt, von den Personen,

*’) Die- zeigt sich auch darin, daß es selbst nach römischem Recht an stch gleichgillig ist, wer erslillt, wenn nur erfüllt wird. 1. 31. pr. D. XLVI, 3. Unterholzner I. S. 221. Oben §. 83. a. A.

") Wegen des Inhalt» der Obligation erklärt sie Scheurl (Beiträge S-15. u. krit. Ueberschan I S. 331.) für unveräußerlich, weil er zum Inhalt nicht bloß eint per« sönliche Beziehung an sich, sondern die bestimmte persönliche Beziehung zwischen diesem Gläubiger und diesem Schuldner rechnet. Gegen ihn Mindscheid, Atli» S. 151.

■'*) Die« ist Knutze's Grund. Er saßt die Succession nicht aus al« Uebertragung de» Recht«, sondern al» Uebertragung de» Objekt», und da da» letztere bei der Obligalten eine Handlung fei, di« keine reale Selbständigkeit hab«, wie eine Sache, son­ dern nur am Individuum haft«, so müsse auch ihre Ablösung vom Individuum ihr Untergang fein (§. 16 20.) Er saßt seine Ansicht S. 76. in den Satz zusammen: „um der Unübertragbarkeit de» Objekt» willen ist eine Singularsuccesfion in Obligationen undenkbar." Gegen ihn Windscheid, Aktie S. 154 ff.

Zweite» Buch.

612

Die besondere» Privatrechte.

die ihre Urheber sind, losgelöst zu werden, ohne ihren rechtlichen Charakter

zu verändern oder ihr Objekt zu verlieren.

Die Gegner der SuccessionStheorie weisen

endlich

noch

auf zwei

Konsequenzen hin, die sich auS ihr ergeben müssen und deren Widersinnig­ keit einleuchte.

Einmal könne bei wirklicher Singularsuccession der Schuld­

ner, der guten Glauben- an den alten Gläubiger gezahlt habe, dadurch

nicht befreit werden, er unterliege der Gefahr, doppelt zahlen zu müssen; sodann lasse sich nicht erklären, wie der Schuldner gegen den Cessionar

die Einreden behalten könne, die ihm gegen den Cedenten zugestanden30).

Beide Einwürfe sind ebenfalls ohne Gewicht. Nach der SuccessionStheorie hört allerdings der Cedent im Augenblick der geschehenen Session auf,

Gläubiger zu sein, er darf nicht mehr klagen und nicht mehr Zahlung annehmen.: zahlt ihm der Schuldner, noch unbekannt mit der Cession, so

wird er frei, aber nicht weil er an den rechten Gläubiger gezahlt, sondern

weil ihn sein guter Glaube schützt").

Nur in diesem Moment liegt seine

Befreiung; sie tritt nicht ein, wenn es ihm an dem guten Glauben fehlt.

Und die Einreden verliert der Schuldner trotz des vollständigen UebergangS des Forderungsrechts in das Vermögen des CessionarS deßhalb nicht,

weil dieser es vom Cedenten nur in der Art und in dem Umfange er­ wirbt, als es letzterem zustand, mit all seiner Stärke und Schwäche3').

Indem die neueren Gesetzbücher, das A.L.R. vorangehend, die Theorie der Singularsuccession in Forderungen angenommen haben, sind sie mit­

hin weder abgewichen vom Wesen der Obligationen,

noch haben sie sich

eines Mißverständnisses des römischen Rechts schuldig gemacht.

Es zeigt

sich hier vielmehr, daß Bestimmungen der Landesrechte, die man bereit war zu tadeln"), doch zuweilen ihren tieferen Grund haben, daß sie der

Abschluß einer neueren, berechtigten Rechtsbildung sind. Nach dem Ausgeführten muß der Be'griff der Cession für das heu­

tige praktische Recht dahin gegeben werden: sie ist die Übertragung einer Forderung ihrer Substanz nach auf einen neuen Gläubiger. tretung ist Singularsuccession.

treten.

Diese Ab­

Das „Eigenthum des Rechts" wird abge­

Nur freilich ist vom Standpunkt juristischer Betrachtung davor zu

*•) «nutze §. 10. S. 31.33. ") Bähr S. 9. S. 414 f. ") Delbrück, Uebernahme S. 108. 1. 54. 1. 175. §. 1. D. de B J.

Windscheid, Actio S. 181J.

Bähr S. 408.

“) Koch S. 31. Note c. sagt: „Die Redaktoren thun, al» wäre e» nie und nirgend ander» gewesen!" Sehr natürlich, denn die Redaktoren haben nicht ahnen können, daß durch Mühlenbruch iine andere Theorie, al» sie bisher in dem gemeinen Recht angenommen worden, ausgestellt werden würde; die neuere Theorie ist auch erst durch die Auffindung de» Gaju« möglich geworden, au» welchem die Prozeß­ form cl für den Prokurator bekannt wurde. Außerdem wäre e« wohl aber überhaupt nicht Sache der Redaktoren eine» Gefetzbuch« gewesen, andere Theorien, die sie nicht ausnehmen wollten, noch besonder» zu berücksichtigen.

§. 99.

Recht-abtretung.

613

warnen, den Ausdruck Eigenthum in seiner Anwendung auf Obligationen ebenso aufzufaffen, als bei Sachen und dinglichen Rechten.

Eigenthum ist

hier nur eine dem gemeinen Leben entlehnte Ausdrucksweise, um zu be­ zeichnen, daß die abgetretene Forderung die eigne des neuen Gläubigers geworden.

Insbesondere ist die unberechtigte Folgerung abzuweisen, Obli­

gationen als Gegenstände deS Besitzes sich zu denken").

Denselben Begriff hat das A.L.R., „die Handlung, durch welche das

Eigenthum eines Rechts dem Anderen wirklich übertragen wird" ").

Diese

Definition führt zunächst zu der Frage nach dem

I.

RechtSgrund der Session").

Sie selbst ist nur die übertra­

gende, einseitige Handlung, ähnlich wie bei dem Eigenthum die Uebergabe.

Sie ist nach der Auffaffung des A.L.R. dem Modus bei dem Erwerb dinglicher Rechte vergleichbar, setzt also einen RechtSgrund (Titel, causa) voraus"). Dieser Grund ist entweder ein Rechtsgeschäft deS Inhalts,

daß der Eine verpflichtet wird, dem Andern das Forderungsrecht zu über­ tragen");

oder eine allgemeine Rechtsvorschrift,

die den Uebergang

eines Rechts auf einen Andern nothwendig (ipso jure) herbeiführt, ohne

daß es einer übertragenden Handlung bedarf").

Hiernach wird die frei­

willige und nothwendige Session unterschieden.

Jene verliert ihren

Charakter nicht, wenn sie auch eine erzwingbare Verpflichtung geworden").

’**) Bähr S. 401. Dresdener Annalen III, 466. ") §. 376.377. Die Session ist kein Vertrag über Handlungen, der Alt der Session ist nicht Gegenstand, sondern nur Folge eme- Vertrages, daher §. 408. I, 5 f. nicht darauf anwendbar. Srrieth. B. 45. S. 291. 36) Koch, Uebergang §. 22. S. 117. 3T) §• 376.377. Koch, Uebergang S. 32 f. Komment. Note 1. zu §. 376. d. T. ") §. 376. d. T. 3*) §. 442. d. T. *b) Von den Neueren (f. Seuffert, Pand. II. S. 163. Note 7.), insbesondere auch von Koch (Uebergang S. 117 f. 146 f.), wird unter die Fälle der nothwendigen Session auch die erzwingbare gerechnet, d. h. diejenige, zu welcher der Sedeut in Folge eine- Rechtsgeschäfts, z. B. Kauf der Forderung, verpflichtet ist. Mit Unrecht, denn dadurch wird der Unterschied zwischen freiwilliger und nothwendiger Session verwischt. Ist in Folge eines Rechtsgeschäft- eine Verpflichtung zur Session eingetreten, so ist diese nur die Erfüllung des Rechtsgeschäfts, und das letztere jedenfalls ein Akt der Freiwilligkeit. Selbst wenn der Erbe die vermachte Forderung hem Legatar cediren muß, ist das Vermächtniß als freiwilliges Rechtsgeschäft der Grund der Session. S. oben Note 19. Das sächs. Ges.B. tz. 953. theilt richtig ein in Sessionen, die aus einem Rechtsgeschäft beruhen, gleichviel, ob der Gläubiger dasselbe freiwillig oder in Folge gesetzlicher Verpflichtung übernommen, in solche, die nach Gesetz ohne Weiteres, und durch Ausspruch des Richters geschehen. Da­ röm. Recht gab in den Fällen der Erzwingbarkeit eine actio utilis (Seusfert 111, 259.), nach preuß. R. muß besonders cedirr werden. Hierher gehört noch solgender Fall: Der Bürge, welcher sich besonder- verpflichtet hat, erlangt durch die Zah­ lung den Anspruch an den Gläubiger aus Session seiner Rechte gegen die Mitdürgen. I, 14. ß. 379. 1. 39. D. XVI, 1. Der zahlende Korrealschuldner hat zwar einen Regreß an seine Mitverpflichteten, aber nicht in Folge einer ausdrücklichen oder ipso jure etzttretenden Session, eben so wenig erwirbt der Schuldner, der einen

Zwrile« Buch.

614

Die besonderen Privatrechte.

Dazwischen schiebt sich als dritte Art die erzwungene Session ein, die

im Wege der Exekution ein Forderungsrecht dem Gläubiger zu seiner Be­ friedigung übertrügt41).

Sie steht in ihren Wirkungen der freiwilligen

nahe.

a.

Rechtsgeschäft.

„Die Abtretung der Rechte setzt einen Ver­

trag voraus, wodurch Jemand sich verpflichtet, einem Andern daö Eigen­

thum seines Rechts

lasten" “).

gegen

eine bestimmte Vergeltung

zu über­

Diese Vorschrift kann zunächst zu der Annahme verleiten, als

erfordere die freiwillige RechtSabttetung jedesmal einen besonderen Vertrag

(ein pactum de cedendo). standen “).

So aber wird sie nicht von der Praxis ver­

Der vorausgesetzte Vertrag kann mit der AbtrettrngShandlnng

zusammenfallen.

ES folgt dies daraus, daß die Erklärung des Cedenten:

der Andere solle fortan befugt sein, das Recht als das {einige auszuüben,

und die Annahme dieser Erklärung für sich allein das Eigenthum am Recht übertragen 4‘).

Also kein besonders vorhergehender, formell rechtS-

beständiger Vertrag über die Cession ist nöthig, wohl aber ein RechtSgrund,

der ein verttagSmäßiger sein kann: entweder entgeltlich oder unentgeltlich, einseitig oder zweiseitig. Das A. L. R. nimmt mit Unrecht die Entgeltlich­ keit in die Begriffsbestimmung auf, denn wenn auch die unentgeltliche

Ueberttagung als Schenkung angesehen werden foü45), so ist sie nichts destoweniger eine Cession,

sie dem Widerruf wie die

die nur insofern eine Besonderheit hat, als Schenkung ausgesetzt ist“).

liche Titel kann nun sehr verschieden sein:

Der entgelt­

Kauf des Forderungsrechts,

von mehreren Berechtigten befriedigt hat, den Anspruch gegen die anderen au« §. 452. I, 5 aus Grund einer ipso jure Cession, und er bedarf auch nicht der au«, drüctlichen Cession de» Besriediglen. S. oben §. 63. S. 332. u. 341. Nach rvm. R. ferner mußte der Mandatar und Geschäslsbesorger die erworbenen Klagen dem Mandanten adtreten. 1. 8. §. ult. 1.10. §. 1. 1. 27. §. 5 D. XVII, 1. Auch die» fällt nach preuß. R. weg. Der Mandant erwirbt nach dem Prinzip der freien Stellvertretung die Klagen unmittelbar. Oben §. 42. S. 196. *') Dem A.L. R. unbekannt; eingesührt durch neuere» Recht, Ges. vom 4. Juli 1822. Verschieden von der Cession, zu der man sich freiwillig verpflichtet hat. Siehe

vor. Note. **) Ueber die Entstehung de» §. 376 d. T. s. Koch, Uebergang S. 32 f. Komment., Rote 2. und Ergänzungen. Buch die Redaktoren haben den „vorausgesetzten Ver. trag" nur al» die causa praecedens sich gedacht, welche mit dem CessionSakt selbst zusammenfallen kann. Die Fassung der §§. 376 377. ist nur beliebt worden, um „akkurat zn sprechen und Chikanen gegen die Definition zu vermeiden", statt, wie e» im Entwurf hieß: „die Abtretung der Recht« ist ein Vertrag, wodurch Jemand sich verpflichtet, einem Andern da» Eigenthum seine» Recht« gegen eine bestimmte Vergeltung zu überlasten." •’) Simon, Rechtspr. B. 1. S. 159. Entlch. B. 9.S. 213. B. 21. S. 351. Strieth. B. 2. S. 228. ") §. 393. d. T. •*) §. 378. d. T. “) Koch, Komment Note 3. zu §. 376. d. T., sicht die Besonderheit in der Form; aber die schenknngSweise Cessionshandlnng bedarf nicht der gerichtl. Form. Entsch. B. 51. S. 121.

s 99.

ftegttataetimg.

615

wenn die Gegenleistung baare« Geld ist, Tansch, wenn da« Forderung«' recht übertragen wird gegen eine Sache oder ein Recht4’), Hingabe an

Zahlung-statt, wenn durch die Abtretung der Forderung eine andere Schuld

berichtigt werden soll44); die Session kann erfolgen, um gemeinschaftliche« Vermögen (eine Erbschaft) zu theilen44), um ein BermLchtniß zu realisi-

ren40).

In allen diesen Fällen ist sie die Ausführung-handlung, die Er­

füllung

eine-

Rechtsgeschäft«,

deffen

Grundsätzen zu beurtheilen ist,

Giltigkeit nach

so daß,

darauf gestützte Session hinfällt4').

seinen

besonderen

wenn diese« ungiltig,

Ungeeignet ist die Session,

auch die

um

die

Verpfändung einer Forderung auszuführen; die« widerstrebt ihrem Begriff, weil sie die Forderung zur eignen de» Erwerber« machen soll,

während

Verpfändung die Forderung noch Bestandtheil de« Vermögen« de« Ver­ pfänder« bleiben läßt44).

b.

Rechtsvorschrift.

Die Session vollzieht sich ohne den Willen

de« Cedenten, also ohne daß eine besondere Handlung von ihm erfordert wird, allein auf Grund de« Gesetze« (ipso jure) in einzelnen bestimmten Fällen, wenn zwischen dem Gläubiger und Cessionar ein Rechisverhältniß

eintritt, welche« diese Eigenschaft in sich trägt. Diese« Recht-verhältniß muß einen Anspruch an einen Dritten (den debitor cessus) enthalten, der auf

den Cessionar übergeht. chen:

Da« A.L.R. hat allgemein den Satz ausgespro­

„Ueberhaupt tritt in der Regel der Zahlende gegen den Schuldner

auch ohne ausdrückliche Session in die Rechte de« bezahlten Gläubiger«"44).

Ueber diesen Satz, in solcher Allgemeinheit dem gemeinen Recht unbekannt44).

,T) K. 381. d. T. *") Übereignung an Zahlungsstatt, wie sie das Ges. v. 4. Juli 1822 al« Exekutions­ art einsührl, kann auch freiwillig durch Bertrag geschehen. Gruchol I. S. 82. «. L. R. 1, 16. §. 262. 263. Thöl, Handelsrecht §. 120. a. 6. Sine solche Übereignung gilt im Zweisel nicht al» Zahlung, sondern al» Versuch, die Zahlung durch den debitor cessus zu bewirken. Daher hat da»O. Trib. (Strieth. B. 6. S. 25.) mit Recht angenommen, daß, wenn ein -Luser zur Berichtigung de» -aus. gelbe« dem Verkäufer eine Forderung an einen Dritten überweiset, und daraus der -ausvertrag für ungiltig ertlirt wird, der -Luser nicht den Baarteirag der über, wiesenen Forderung, sondern nur die Rückcession derselben verlangen kann. **) A.L R. l, 17. §. 60. 63. 98. 154. ,v) E« folgt au« §. 311. 1,12 , obschon nach §. 288. dir legirte Forderung schon vom Todestage de« Erblasser« die eigene de« Legatar« geworden ist. -och, Uebergang S. 154 s. ") Mühlenbruch S. 453 f. Schmidt 1 S. 33. Der viliöse Titel giebt aber nicht dem Schuldner eine Einrede gegen den Cessionar, sondern dem Eedrntrn ein« -läge oder Einrede gegen diesen, «der diesem gegen den Eedenlen. ") -och, Uebergang S. 133.170. betrachtet die Eelsion einer Forderung zum Zweck ihrer BerpsLndung al« bedingte Abtretung, die Bedingung sei, daß der Schuldner nicht ersülle. Seuffert, Pand. II. S. 162. Note 5. ") 1,16. $. 46. ») 1.49. v. III, 5. S. oben §. 91. Note 32. S. 548. Da« sLchs. Ges B. $. 955. ILßt auch in solchem Falle vom zahlendm Dritten die Cession sich nur au-bedingen, von selbst tritt sie nicht ein.

Zweit« Buch.

616 ist oben

gehandelt worden").

Die besonder« Privatrechte.

Die Befriedigung de- Gläubiger» durch

eine dritte Person überträgt von selbst da» Forderung-recht de- Ersteren an seinen Schuldner auf den Zahler: die- setzt voraus, daß Letzterer durch

die Zahlung nicht die Befreiung de- Schuldner- beabsichtigte.

Daß da-

A.L.R. aber die Forderung nur dann von selbst übergehen läßt, wenn sie

nicht mit besonderen Vorrechten und Sicherheiten bekleidet ist, und für letztere eine ausdrückliche Session verlangt"), ist folgewidrig. Weitere Fälle der gesetzlichen Cession sind:

der Erbschaft-käufer erwirbt von selbst alle

Forderung-rechte der Erbschaft"); der Bürge tritt in da- Recht de- be­ friedigten Gläubiger-"); der Allodialerbe an die Stelle und in die Rechte

de- von dem Erblaffer al- Lehn-besitzer bezahlten Gläubiger- gegen den LehnSnachfolger in einigen besonderen Fällen"); der Nießbraucher, welcher für den Eigenthümer Kapital-zahlungen geleistet hat, gegen ihn an Stelle

seine- Gläubigers").

Der Bürge und der Nießbraucher erwerben zugleich

ohne ausdrückliche Cession die Vor- und Sicherheit-rechte; §. 47. 48. I, 16.

findet auf sie keine Anwendung, weil hier diese Unterscheidung nicht ge­ macht ist, und bei dem Nießbraucher noch Hinzutritt, daß er für Berichti-

gung aufgekündigter Kapitalien sorgen muß"). c. Gericht-zwang. Die A.G.O. gestattete einem Gläubiger, im Wege der Exekution Forderung-rechte de- Schuldner- in Beschlag zu

nehmen"). Diese Bestimmung war unzureichend, sie ermächttgte nicht zur Einziehung und ist von der neueren Gesetzgebung geändert"). Um den Gläubiger in die Lage zu bringen, ohne Hinderniß Forderungen seine-

Schuldner- einzuziehen und gegen dessen Schuldner zu diesem Zweck zu klagen, wird ihm auf seinen Antrag durch gerichtliche Verfügung die For­ derung übereignet.

Die Verfügung ist die Cession-Handlung, welche vom

Richter an Stelle de- Schuldner- vorgenommen wird; der Gläubiger wird

dadurch berechtigt, die Schuld einzuziehen, zu klagen, und, wenn sie hypo­ thekarisch versichert ist, seine Uebereignung in da- Hypothekenbuch eintragen

zu taffen.

Ist die Schuld größer, al- die Forderung de- Exekution-sucher-,

so erfolgt die Uebereignung nur auf den entsprechenden Theil mit dem Vorzugsrecht vor dem Ueberrest.

Die übereignete Forderung ist für den

Oben §. 91. S. 547 f. I, 16. §.47. Loch, Urbergang S. 148 f. I, 11. §. 454. 1,14. §. 338. 1,18. §. 597. (§. 593-596.) I, 21. §. 79. *■) I, 21. §. 75. Loch, Uebergang S. 152. n. Kommentar Note 52. )u §. 79. 1, 21. gegen Bornemann IV, 275. und die Gesetzrevisoren, Pens. XIII. XIV, 55. ♦’) a.@ O. I, 24. §.101- 105. ") Ges. v. 4. Juli 1822 §. 6-9. ") *•) ”) ") ")

j. 99.

Recht-abtretung.

617

Gläubiger Zahlungsmittel, es tritt eine Hingabe an Zahlung-statt ein und er ist befriedigt, soweit er auf die Forderung Zahlung erhält, nicht aber

in Höhe de- Nennwerths").

II. Die CessionSform.

Da die Session die UebextragungShand-

lung ist, so gehört zur freiwilligen nichts weiter, als daß der Sebent er­

kläre: der Andere solle befugt sein, die abgetretene Forderung als die seinige auSzuüben, und daß der Sessionar diese Erklärung annehme").

Eine Er­

wähnung deS Recht-grundes, weßhalb cedirt wird, ist nicht erfordert, darum

auch nicht die Erklärung über die empfangene etwaige Gegenleistung (Va­

luta)").

Nützlich zwar ist eS, bei der Session dergleichen zu erwähnen,

aber zur Session-form gehört e- nicht").

Nach der allgemeinen Regel

muß die Session-erklärung bei einer Forderung über 50 Thlr. schriftlich

abgegeben

werden").

Außerdem aber soll die Session immer schriftlich

erfolgen, wenn über die Forderung selbst eine briefliche Urkunde vorhan­ den ist, wie.z. B. bei Hypothekenforderungen").

Eine s. g. Blanco-

Session, d. h. eine solche, welche auf dem Schuldschein die Unterschrift deS Cedenten in der Weise enthält, daß über dieselbe die Session mündlicher Verabredung gemäß geschrieben werden kann, hat die ältere Praxi- für ungiltig erklärt, die neuere zugelassen70).

Dem Wortlaut de- Gesetze-

M) Dies folgt daraus, daß der Gläubiger der abgetretenen Forderung dem Cefsionar für die Sicherheit, d. h. für den Ausfall hasten muß. §. 427. d. T. Entsch. B. 17. S. 167. S. oben Note 48.

r’5 * )* *§* 393 d. T. Das bloße Anerkenntniß deö Cedenten, daß dem Cefsionar das Recht zustehe, ersetzt nicht die ErNärung, die §. 393. vom Cedenten erfordert. Strieth. B. 4. S. 158. Diese Erklärung bat die Natur eines Anerbietens gegen den Cessio* nar, muß also diesem selbst gegenüber vom Cedenten erfolgt sein. Strieth. B. 19. S. 47. Nach dem Code a. 1689 besteht die CessionSsorm in der Uebergabe der Schnldurkunde (titre). Das bloße Umschreiben deS Namens deö Gläubigers genügt nicht. Seuffert XIV, 92. ") Entsch. B. 16. S. 253. B. 12. S. 204. Schles. Arch. B. 6. S. 479. Strieth. B. 6. S. 175. Koch, Uebergang S. 138. Der Schuldner darf die Art, ob und wie Valuta berichtigt worden, nicht zur Erörterung ziehen; er braucht daher auch nicht- darüber zu erfahren. ArnSb. Arch. B. 10. S. 574. Der Ceisionar bedarf der Cefsion nur zur Legitimation für die Klage aus der abgetretenen Forderung; er braucht den CefsionSgrund nicht anzugeben. A. M v. d. Pfordten in den Bl. f. R. Anw. in Baiern B. 3. S. 65. Dagegen Seuffert B. 5. Nr. 150. B. 10. Nr. 36. B. XIII, 90. Sächs. Ges.B. §.974. M) Koch, Uebergang S. 138 Gesetzrevisoren, Pens. XIV. S. 74. 75. Es gehört auch nicht zur CessionSsorm, daß der debitor Cessna genannt werde. ES kann ein An­ spruch (z. B. ans Schadmersatz) cedirt werden, zu welchem der Schuldner, der Ur* Heber des Schadens, noch zu ermitteln ist. Seuffert VII, 20. ") Nach § 131. I, 5.

") §. 394 d. T. Hypoth. Ordn. II. §. 205. Ges. v. 24. Mai 1853 §. 17. Entsch. B. 14. S. 237. Der schriftlichen Form ist aber auch genügt, wenn der Schuldner vom Cedenten die Urkunde zurückerhält und eine neue auf den Cefsionar auSftellt. Präj. 1709 (Samml. I. S. 60.). Entsch. B. 1. S. 161. verneint die Zulässigkeit ans Grund deö §. 116. I, 5. und des §. 8. I, 13., weil die Ausfüllung nur auf Grund eines Mandats geschehen

Zweite- Buch.

618

Die besonders Privatrechte.

entspricht die altere Praxis, denn in Wahrheit ist eine solche Session eine

mündliche").

Eine Theilcession ist es, wenn entweder die Forderung

nur theilweis"), oder von mehreren in einem Instrumente zusammenge­ faßten Forderungen nicht alle abgetreten werden").

Hier soll eine be­

glaubigte Abschrift deS Hauptinstruments gefertigt, und auf letzterem, wel­ ches in den Händen deS Gläubigers zurückbleibt, die Abzweigung vermerkt werden").

Dies führt zu der Frage, ob die Aushändigung der Schuld­

urkunde an den Cefsionar zur CefsionSform gehört. Nach den §§. 395—397.

d. T. scheint es so; sie enthalten jedoch nur BorsichtSregeln für den ab­

getretenen Schuldner und aus §. 407. 413. und §. 393. folgt, daß die Aushändigung der Urkunde nicht zur Vollendung der Session und ihrer

Giltigkeit gehört.

Von Wichtigkeit ist sie für die Sicherung des Schuld­

ners gegen dritte redliche Inhaber der Urkunde, und deßhalb hat auch

der Cefsionar gegen den Cedenten ein Klagerecht auf Aushändigung der Urkunde").

Die zur Vollendung der Session nöthige Erklärung der Annahme

könnte, dem e- an der rechtsverbindlichen Form gebricht. Dagegen läßt BtancoEession zu Enlsch. G. 16. S. 142. RechtSfäLe B. 3. S. 291. Hier wird die UnInschrift des Eedenten als eine unter eine mündliche ErNärung gesetzte gedacht! Das ist aber unmöglich, der Name de-Eedenten ist hier nicht unterschrieben, son­ dern nur niedergeschrieben.

") Koch, Beurlh. S. 40.

Komment. Note 21. a. E. zu §. 394. d. T-

T7) Ges. v. 8. Febr. 1811 Nr. 4. 5. Die ältere Praxis schwankte darüber, ob der Cessionar, welchem eine Theilforderung abgetreten, diesen Theil kündigen und ein­ ziehen dürfe. (S. Ergänz, zu §. 399.) Diese Besugniß hat ihm das Ges. vom 8. Febr. 1811 gegeben.

73) §. 399. d. T. §. 399. d. T. Dazu noch die K. O. v. 6. Novbr. 1834 (Ges. S. S. 180.) über Abzweigung der Schulddokumente und «bändernd Ges. v. 24. Mai 1853 §. 9.

*5* )* *Die * Praxis ist fest darin, daß die Aushändigung de- EessionSinstrument« nicht zur Vollendung der Cession gehört, selbst nicht bei Parüalcessionen und hypothekari­ schen. I. M. Bl. 1844 G. 190. Entsch. D. 2. S. 332. B. 4. S. 70. Zwischen den §§. 395-397. und einerseits §. 407, 413. d. T., andererseits §. 126. 127. I, 16. besteht ein Widerspruch, den die Revisoren (Pens. XIV. S. 75.), Koch, Uebergang S. 139 s. u. A. für unlösbar erklären. Da- O-Trib. (Entsch. V. 46. S. 90 s.), nimmt einen eigentlichen Widerspruch nicht an, denn unter dem in §. 397. erwähn­ ten dritten Inhaber sei nicht jeder Dritte, sondern nur ein solcher Dritter zu verstehen, der e- schon zur Zeit der Zahlung war, denn dieser allein ist im Stande gewesen, dem Schuldner die Cession gehörig bekannt zu machen. Dem ZahlungSempsänger aber, also dem Eessionar ohne Ausweis, hätte der Schuldner gar nicht zahlen sollen; hat er es unvorsichtiger Weise gethan, so hat er sich über den Ver­ lust seiner Zahlungöeinrede gegen den dritten Inhaber der Forderung nicht zu be­ klagen. Hat dagegen der letztere die Forderung erst nach der Zahlung erworben, so muß er Rechtsnachfolger des Cessionarö geworden sein, der die Zahlung empsangen, und dann fleht ihm die Einrede entgegen. Daß ein Mortifikationsschein die Rückgabe der Schuldurkunde auch im Fall des §. 395. d. T. ersetzt, dürste nicht zweifelhaft fein. Bei Hypothekenforderungen verliert aber allerdings der Schuldner, welcher bei der Zahlung die §§.395.396. vernachlässigt hat, ave Einredm gegen den redlichen dritten Inhaber der Post. Dies hängt mit der Besonderheit des Hy­ pothekeninstituts zusammen.

$. 99.

619

RechtSabtretung

ist an keine Form gebunden, sie kann selbst stillschweigend durch schlüssige Um aber den Cessionar gegen den Cedentcn zur Gegenleistung zu verpflichten, muß eine ausdrückliche Verpflichtungserklä­

Handlungen erfolgen,e).

rung vorliegen, deren Beschaffenheit sich nach der Natur des Rechtsgeschäfts

richtet, welches den Rechtsgrund der (Session bildet ”).

ES ist daS bloße

Liegenlaffen einer zugesendeten CessionSurkunde nicht eine genügende BerpflichtungSerklärung des CessionarS, obschon sie zum Beweis der UebertragnngShandlung gegen den Schuldner ausreicht").

Bei den Cessionen, die sich auf Grund einer allgemeinen RechtSregel

von selbst vollziehen, hat das Gesetz dem Erwerber der Forderung noch besonders das Recht gegeben, vom Gläubiger eine ausdrückliche Abtretung

zu verlangen, und wenn dies verweigert wird, ihn im Wege gerichtlichen

Verfahrens zu zwingen"), was dadurch bewirkt wird, daß der Tenor des Urtheils die Cesfion ausspricht. Koch") macht mit Grund darauf auf­ merksam, daß eine solche Berechtigung den Gläubiger verletzt, da dieser nicht zu mehr verpflichtet werden darf, als zur Leistung der Quittung und zur Rückgabe der Schuldurknnde, daß sie überdieß kein praktisches Be­ dürfniß für sich hat, da die Abtretung schon alS durch das Gesetz bewirkt angenommen wird, der Cessionar also durch die ausdrückliche (Session nicht

ein Mehreres erlangt.

Eine dem preußischen Recht eigenthümliche CessionSform ist die, daß der Besitzer eines verpfändeten Grundstücks, welcher die Post gezahlt und

vom Gläubiger Quittung erhalten hat, auf Grund dieser Quittung allein,

also ohne ausdrückliche (Session die Rechte des bezahlten Gläubigers gegen

den persönlichen Schuldner der Post erwirbt").

ES ist dies ein Fall der

auf Rechtsvorschrift gegründeten (Session.

7‘) §• 393. d. T. Entsch. B. 9. S. 213. B. 21. S. 351. (f. hierüber Koch, »erntn. Kote 2. Abs. 3. zu §. 376. d. £.). Strieth. B. 2. S. 228. B. 8. S. 149. B.32. S. 103. Ist aber der Cessionar Analphabet, so kann au» der Annahme der Session»« urkunde seine annehmende Erklärung nicht gefolgert werden. Math!» B. 1. S 236f. vornem. B- 2. S. 284. 292. Koch, Uedergang S. 136. Ueber die Nothwendig, keil der Annahme zur Bollendung der Session-Handlung s. Gruchot IV. S. 84. u. Strieth. B. 19. S. 47. 7") Entsch. B. 9. a. a. O. S. auch da» in bat Ergänz. 4. A. I. S. 344. a. E. zu §. 402. mitgetheilte Präjudiz de» Kammergericht». ”) Entsch. B- 9. a. a. O. S. 22.

”) §. 442. 443. d. T.

A. L. R. I, 3. §. 26. l, 4. §. 61.

Dresdner Annalen I.

Bergl. §. 9. de» Exek. Ges. v. 4. Mär, 1834.

'") Komment. Note 75. zu §. 443. d. T. ") Deklar. v. 3. April 1824 (Ges.S. S. 77.) zu Anh. §. 52 (1,16. §. 484.). Koch, Uebergang S. 122 f. E» muß aber vollständig, nicht bloß theilwei» die Post dezahlt sein. Koch S. 184 s. Der Schuldner erhält durch die Quittung die Hypo. thekensorderung und kann weiter über dieselbe disponiren, aber wenn sie unverzin». lich war, nicht durch Zinsverbindlichkeit erweitern. Gruchot I. S. 9.

620

Zweite- Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Inhaberpapiere find der CessionSform nicht zugänglich");, fie bedürfen ihrer nicht bloß nicht, sondern sie widerstrebt ihnen, weil sie bei der Uebertragung noch als Sache oder Waare, nicht als Obligation in Betracht kommen, mithin nur übergeben werden können"). Der Wechsel hat seine besondere CessionSform im Indossament"). III. Gegenstand der Abtretung ist im Allgemeinen jede- obliga­ torische Recht, welches einen BermögenSwerth darstellt: „alle Rechte, welche nicht an die Person des Inhabers (Gläubigers) gebunden sind" "). Hier­ her'gehören insbesondere auch Klagen über ein dingliches Recht, weil jedes derartiges Klagerecht, sobald eS gegen eine bestimmte Person begründet ist, einen obligatorischen Charakter annimmt"), ebenso die Be­ sitzklagen, soweit die mit ihnen verfolgten Ansprüche eine vom Besitz der Sache unabhängige Natur haben, oder der Erwerb deS Besitzes dem Cessionar gestattet sein sott87). Der Besitz selbst, daö Eigenthum oder da­ dingliche Recht werden aber nicht schon durch die Session der aus ihnen erwachsenen Klagen übertragen: ihr Erwerb kann nur durch Tradition herbeigeführt werden88). Cessibel ferner sind bedingte88) Rechte, ebenso "') §. 401. d. T. *J) Oben §. 64. S. 353. Hierher gehören auch Pfandbriefe. Entsch. D. 17. S. 154. Recht-fälle B. 1. S. 145. B. 4. S. 83. Strieth. B. 19. S. 197. Heuser, turhess. Annal. B. 7. S. 69. *4*)*S.*Ueber * den Unterschied von Eession und Indossament s. vluntschli, Erläuter. z. Wechs. Ordn. S. 37. Nach Seussert, Arch. B. 14. Nr. 158. läßt da- O.Trib. Wechselrechte auch durch Eession übertragen. Vergl. Strieth. B. 46. S. 31 f. Im Handelsrecht ist das Indossament die UebertragSform, s. deutsch. H. G B. Art. 301 sg. 309 fg. 414. 417. 646. 685. 687. 896. 904 s. ") §. 382. d. T. Einl. z. A.L.R. §. 99 f. Koch, Uebergang S. 39. Die bei filte­ ren Praktikern für die Eessibilität aufgestellte Regel, quod est transmissibile, id est cessibile, ist seit Cocceji Diep. vol. II. nr. 65. verworfen. Weil nur obliga­ torische Rechte der Eession zugänglich sind, deßhalb kann ein „Erbtheil" nicht eedirt werden, sondern nur die einzelnen obligatorischen Ansprüche, die in ihm enthalten sind. Entsch. B. 3. S. 302. Schles Arch. B. 4. S. 12 s. Koch, Beurtheilung S. 196. Derselbe, Uebergang S. 39 fg. §. 10—21. Das Recht, welches der Ee» beut abtritt, muß sein eignes sein, dies ist z. B. auch dann der Fall, wenn ihm tine Forderung durch gerichtliche Versügung assignirt worden. Diese Forderung gehört ihm zwar nicht, aber der Anspruch auS der Assignation ist sein eigner und kann daher von ihm cedirt werden. Entscheidung B. 4. S. 224. B. 34. S. 450. Strieth B. 9. S. 352. RechtSsälle B. 2. S. 78. ") Strieth. B. 8. S. 80. Koch, Uebergang S. 40. Derselbe erwähnt S. 41. die Frage, ob dem Avjudikatar von den Realglänbigern eine Vindikationsklage gegen dritte Besitzer einzelner Stücke des subhastirten Grundstücks abgetreten werden kann, und verneint sie mit Recht, weil die Realgläubiger selbst nicht vindiziren können. Sie können ihm nur ihre Hypothekenklage cediren. — 1. 9 C IV, 39. I. 21. 63. D. VI, 1. 1. 35. §. 4. D. XV11I, 1. 1. 25. §. 8. D. XIX, 2. Mühlenbruch S. 245 s. Windscheid, Actio S. 214. Ueber die Eession der Vindikation Ihering in s. Iahrb. 1. S. 101 sg. *7) Koch, Uebergang S. 59. Mühlenbruch S. 277 f. namentlich über die 1. 18. D. XLIII, 16. •8) Wenn aber in Folge Durchführung der cedirten Vindikationsklage der Eesstonar vom Beklagten die Sache erhalten, und die Absicht bei dem Rechtsgeschäft zwischen

$. 99.

621

Recht-abtretung.

ungewisse oder künftige") Rechte mit Ausnahme des Anspruchs auf eine noch nicht angefallene Erbschaft").

Insbesondere können alterna­

tive Forderungen abgetreten werden"), da das Wahlrecht des Schuldners gewiß einftußloS, ein dem Gläubiger eingeräumtes Wahlrecht aber an sich

nicht nothwendig an

seine Person

gebunden ist.

Streitig war in der

preußischen Praxis, ob Forderungen aus zweiseitigen Verträgen cedirt werden

können.

Die neuere Praxis läßt die Session zu"),

und zwar

mit Recht, denn der Gegengrund, daß man seine Verbindlichkeit nicht auf einen Dritten übertragen könne, paßt nicht.

Die Pflicht zur Gegenleistung

bleibt bei dem Cedenten, wer durch Session die Forderung auf den Kauf­ preis erwirbt, wird nicht Verkäufer — auch hat der abgetretene Schuldner

überhaupt nur zu verlangen, daß die Gegenleistung bedungenermaßen er­ folge.

Ob dies vom Gläubiger oder Cessionar geschieht, ist an sich gleich-

giltig, ausgenommen hei denjenigen Verträgen, die auf besonderem persön­

lichen Vertrauen beruhen (z. B. bei der Gesellschaft).

Dagegen ist bei der

Session der Rechte aus zweiseitigen Verträgen daran festzuhaltcn, daß der Schuldner nicht in die Lage gebracht werden darf, an den Cessionar zu

leisten und doch nicht von ihm, sondern nur vom Cedenten die Gegen­ leistung zu erwarten.

Beide Leistungen sind durch einander bedingt, sie

können nicht persönlich getrennt werden; soll dem Cessionar geleistet wer­ den, so muß auch dieser zur Gegenleistung verpflichtet sein"). — Das Recht auf Zuschlag aus dem Meistgebot bei nothwendigen Subhastatio-

nen kann aus gleichem Grunde und mit gleichen Maßgaben abgetreten

dem Cedenten und Cessionar dahin ging, daß letzterer da» Eigenthum erwerben sollte, so erlangt er e» durch die Uebergabe der Sache vom Beklagten. Die Absicht kann aber auch dahin gerichtet sein, daß der Cessionar die Sache al» unvollständiger Besitzer erlangen soll. Jhering, Jahrb. B. 1. S. 119. Better in s. Jabrb. IV. S. 205. Dresdner Annal. I. S. 364. Heuser, kurheff Annal. B. 5. S. 503. B. 6. ®. 411. ") Koch, Ueberg. S. 56.

») Koch, Ueberg. S. 52 f. A. L. R. I, 11. §. 527. Au» §. 421. d. T. folgt, daß zweiselhasle Rechte abgetreten werden können. Die Zweiielhasligkeit kann auch in der Unbestimmtheit de» Gegenstände» liegen. 1. 5. 17. D. XVIII, 4. 1. 3. C. VIII, 55. Ein erwartete» Legat ist nicht ceisibel. Seusscrt XIII, 151.

A.L.R. 1,11. §. 445. 446. ”) Koch, Ueberg. S. 57. Da» A.L.R. spricht sich hierüber nicht au». rechtlich nicht zweifelhaft. Bangerow III. S. 116. a. 6.

Auch gemein­

*’) Präs. 695 (Sammt 8. 1. S. 57.). Entsch. 8.12. S. 11. Koch, Uebergang. S. 39. 44. Beurth. S. 40. Schles. Arch. 8. 6. S. 321 f. Strieth. 8. 52. S. 153. (Aeltere Praxi», die solche Cession nicht zuließ: Entsch. 8. 1. S. 161.) Auch in der gemeinrechtlichen Praxi» wird die Cession gestattet. Geusfert Vitt, 35. XIII, 89. Strieth. 8. 47. S. 123.

•*) Eutsch. b« O.Trib. im J.M.Bl. 1851 S. 287. Nach dem sächs. Ges. 8. h. 965. können Forderungen, mit welchen Verpflichtungen verbunden sind, nicht mit den Verpflichtungen abgetreten werden. Ohne die Verpflichtung können sie abgetreten werden, der Schuldner behält aber seine Einrede aus Gegenleistung.

HKK

Zweit»« Vach.

Di« besonder« Privatrechte.

werden, d. h. der Meistbietende bleibt aus seinem Gebot den SnbhastationSintereffenten als Verkäufern neben dem Cessionar verhaftet").

Nach

ertheiltem Zuschlag ist eine Session nicht mehr denkbar, weil dann das

obligatorische Recht bereit- in ein dingliche- übergegangen ist"). — Cesfibel

ist die Klage au- dem Verwahrung-verträge selbst bei gerichtlicher

Deposition und eS ist ohne Einfluß auf die Abtretung-fähigkeit, ob der hinterlegte Gegenstand eine Sache oder eine Summe ist").

E- ist deß­

halb nicht richtig, wenn da- Obertribunal zur Sicherheit der Landschafts­ behörde gerichtlich, niedergelegte Pfandbriefe nicht al- Gegenstände einer Session ansehen will").

Denn wenn die Pfandbriefe auch kein Aktivum

de- Eigenthümer- de- Gute- sind, so sind sie doch sein Eigenthum, die-

wieder zu erlangen, hat er ein Klagerecht gegen den, in deffen Intereffe

sie gerichtlich verwahrt werden, und kein Grund liegt vor, die Abtretung dieser Mage zu versagen. — Cessibel soll da- Recht de-Verkäufer-

gegen den Käufer sein, ihn von übernommenen Hypotheken zu

befreien, und e- soll eine solche Session an den Hypothekengläubiger selbst erfolgen können, der dadurch, wie die Praxi- annimmt, eine direkte

persönliche Klage gegen den Käufer auf Zahlung erlangt"). — Abweichend

von römischem Rechte'") sind rechtshängige Sachen veräußerlich, nur

darf durch eine solche Session auf den Fortgang der Recht-verfolgung kein dem Prozeßgegner nachtheiliger Einfluß bewirkt werden: der Sessionar über­

kömmt die prozessualischen Pflichten de- Sedenten ""). — Die Klagen auf

95) Schles. Arch. B. IV. S. 511. Zugeschlagen kann nur dem Cessionar werdm, eS muß aber im Tenor des AdjudtkationSbescheideS ausgesprochen werdm, daß der Meistbietende den SubhastationSinteressenten für das Gebot verhaftet bleibe. Dem Meistbietenden „und demnächst" dem Cessionar zuzuschlagen, ist juristisch nicht zu erklären, Miteigenthümer sollen sie nicht werden. — Koch, Uebergavg G. 44. Reskr. v. 30. Olt- 1835 in der I. W. 1835 S. 414. Echtes. Arch. B. 4. S. 511 (die Cession muß vor dem SubhastationSrichter erfolgen).

") Gruchot I. S. 294.

•7) Präj. 1996 (Sammt. I. S. 58.).

Strieth. B. 42. S. 371.

•’) Die Pfandbriefe selbst sönnen zwar nicht cedirt werden (s. oben Note 83.), wohl aber der Anspruch auf Empfang derselben. Entsch. B. 16. S. 360. Rechtfälle B. 3. S. 41. Koch, Komment. Note 7 f. zu §. 382. d. T. ”) Deklaration v. 21. Mär- 1835 §. 3 (Ges.S. S. 42.). Entsch. B. 7. S. 298 (Pl. Beschl.). Simon u. Strampss, Nechtspr. I. S. 15. Strieth. B. 13. S. 316. Die Kritik dieses zweifelhaften Rechtssatzes kann erst unten §. 102. erfolgen. Lergl. dort Text bei Note 46 f.

,uo) 1. 3. 4. C. VIII, 37. DaS Verbot der Cession litigiöser Forderungm ist zwar im gemeinen Recht noch praktisch, aber die Praxis sucht eS möglichst einzuschränken. Dresdner Annal. B 6. S. 53. Seufsert, Pand. II. S. 168. Note 8. Archiv B. 5. Nr. 10. B. 11. Nr. 135. B. 12. N. 89. B. 14. Nr. 251. B 15. Nr. 217. In einzelnen Ländern ist es gesetzlich ausgehoben; z. B. in Baiern, Ges. v. 22. Febr. 1855 Art. 2. DaS österr. Ges. B. erwähnt eS nicht. ,0‘) §. 383. 384. d. T. Der §. 383. widerspricht nicht dem §. 48. c. I, 7. A. G. O. Koch, Uebergang S. 112 sg. Ersterer bezieht sich aus den Kläger, letzterer aus den Beklagten. UcbrigenS ist auch im letzteren Fall die Veräußerung giltig, eS entstehen

$. SS.

Rechwabtretim-.

Ergänzung des Pflichttheil-, auf Anfechtung eine- Testament-,

auf Widerruf einer Schenkung, die Restitution-forderung bei einem Fideikommiß sind ebenfalls cessibel""). —

Beirechte einer Forderung,

also Bürgschaft, Pfand, gehen mit der Forderung auf den Cessionar über,

und müssen mit übergehen, e- kann sie sich daher weder der Cedent zu»

rückbehalten, noch auch selbständig ohne die versicherte Forderung an Andere

abtreten""). —

Nebenrechte sind abgesondert cessibel,

wenn sie mit

einer selbständigen Klage verlangt werden können, z. B. fällige vorbedun­

gene Zinsen'").

Verzugszinsen werden nicht fällig, sind nicht selbständig

einzuklagen und daher auch nicht selbständig cessibell0$).

Ob der Anspruch

auf eine Konventionalstrafe vom Hauptrecht losgelöst und ohne diesea» Andere abgetreten oder vom Cedenten vorbehalten werden kann,

ist

streitig; der Zweifel bezieht sich aber nur auf die Trennbarkeit der Ber­ trag-strafe von der Hauptforderung vor der Verwirkung der ersteren, denn daß die fällig gewordene Vertragsstrafe wie jede andere Forderung abge­

treten werden kann, bezweifelt wohl kaum JemandDaS Obertribunal

verneint die Trennbarkeit vor der Verwirkung ganz

noch unentschieden gelassen,

allgemein, hat aber

wer, wenn dennoch der Cedent der Haupt­

forderung sich die Strafforderung vorbehalten, zu deren Einklagung befugt

sei. ES erachtet die Konventionalstrafe vor ihrer Verwirkung als ein un­ selbständiges Nebenrecht, welches bloß in untrennbarer Beziehung zu der

Haupfforderung steht,

nur von dem verletzten Kontrahenten oder dessen

Rechtsnachfolger geltend gemacht werden kann, weil nur er durch die Nicht­

erfüllung oder nicht gehörige Erfüllung de- Hauptvertrages verletzt werden

nur besondere prozessualische Pflichten für den Veräußerer und der Erwerber ist dem Erkenntniß in der Sache unterworfen. A.G.O. 1,24. §.5—9. Ein Beispiel, wie die prozestnalischen Pflichten aus den Cessionar übergehen: S trieth. B. 3. S. 44. Lergl. Koch, Komm. Note 8 a. zu §. 384. d. T Ist bereit» aus einen Eid für den Cedenten erkannt, so dars er nicht den Cessionar nnlerjchieben. Seussert XI, 102.

*°*) Koch, Uebergang S. 65. 70. Mühlenbruch S. 289. Die quaerela inofficiosi testamenti vel donationis war nach römischem Recht nicht übertragbar. 1. 8. pr. D. V, 2. Mühlenbruch S. 300 «") »och S. 85. Mühlenbruch S. 331 fg. Bangerow III. S. 119. will die abgesonderte Abtretung der Bürgschast-klage zulassen, und meint, daß auch da- beneficium excussionis nicht entgegmstehe, sreüich müsse sich der Cessionar diese Einrede gefallen lasten. Aber wenn der Bürge an den Cessionar gezahlt hat, ist doch die Hauptforderung erloschen, diese also mit der Bürgschast-klage in der Hand de» Cessio» nar» gewesen. — Seussert IV, 26. Der Anspruch ans Aushebung de» Vertrag­ wegen laeaio enormis ist nach dem Weiterverkauf der Sache nicht cessibel. Seuff. VII, 168.

'"•) Weil sie mit einer besonderen Klqge verlangt werden können.

Oben §. 68. S. 375.

'“) Oben §. 68. S. 380.

""■) Ein Gericht 1. Instanz hatte die Konventionalstrafe al» ein höchst persönliche- Rech» (jus personalissimum) ansgesaßt, und au» diesem Grund« ihre Eessibilität selbst mit dem Hauptrecht verneint. Mit Recht dagegen Koch, Echtes. Arch. B. 6. S. 320.

Zweite« Buch.

624

kaun'").

Die besonder« Privatrechte.

DaS Appellation-gericht zn Hamm hat in zwei bekannt gewor­

denen Erkenntnissen die entgegengesetzte Ansicht vertreten""), davon aus­ gehend, daß die Strafforderung nicht ein Accefforium der Hauptforderung,

sondern ein selbständige-, an eine aufschiebende Bedingung geknüpfte- Ver­

trag-recht sei, welche- so gut, wie jede andere bedingte ^Forderung vor Eintritt der Bedingung cedirt werden könne.

Koch erklärt an der einen

Stelle die Konventionalstrafe für cessibel, an einer anderen Stelle unter Bezugnahme auf jene Entscheidung de- Obertribunals für nicht cessibel — Gruchot dagegen hat die Entschei­

beide- ohne nähere Begründung"").

dung de- höchsten Gericht- al- zu allgemein angegriffen: er tritt ihr bei für die Fälle, wo die Konventionalsttafe da- ganze Erfüllungsinteresie ver­ tritt, weil hier die Obligation die Natur einer alternativen habe:

der

Gläubiger könne wählen zwischen der Erfüllung und deren Aequivalent, der Sttafe, und die- schließe die Trennung beider Alternativen, durch welche jede eine selbständige Obligation werden würde, au-.

Aber in dem

Fall, wo der Sttafvertrag nur abgeschlossen worden, um die Erfüllung

zu sichern, wo also die Strafe eine zur Hauptleistung hinzutretende, sie vergrößernde Nebenleistung sei — um eine solche handelte e- sich in dem entschiedenen Recht-fall — müsse die Trennbarkeit oder Cessibilität, wie

bei anderen nur bedingten Rechten, zulässig erscheinen'"). Ein nähere- Eingehen in die Nattlr der Konventionalstrafe zeigt aber,

daß die Entscheidung de- Obertribunals begründet ist.

ES kann freilich

später erst näher au-geführt werden'"), daß mit der Auffassung, die Konventtonalsttafe sei ein bedingte- Nebenrecht, für die Erkenntniß ihrer recht­

lichen Natur

nicht- gewonnen ist, daß

sie auch in den Fällen, wo die

Parteien sie zur Versicherung der Erfüllung verabredet haben, da- In­ teresse verttitt, nicht aber eine neue, selbständige Vergrößerung der Haupt­

leistung ist, — nicht bloß also, wenn sie da- ganze und volle Vertrags­ interesse, sondern auch, wenn sie nur ein theilweiseS Interesse, wie da-

OrtS- oder Zeitinteresse, decken soll.

Ist die- aber richtig, so ergiebt sich

daraus, daß sie nur demjenigen zustehen kann, dessen Interesse verletzt worden, und zwar grade nach der Richtung verletzt worden, für welche

die Sttafe bedungen wurde.

Verletzt kann hier aber immer nur der

werden, dem die Hauptforderung zusteht.

Wurde dieselbe cedirt mit Vor­

behalt der Sttafe für den Gebenten, so kann der Eessionar, obschon sein

Interesse durch die nicht vertragsmäßige Erfüllung verletzt wird, gegen

Entscheid. B. 38. S. 37. 108) Entscheid. B. 38. S. 36. Bei Gruchot 11. S. 226. und die zweite Entscheidung bei Gruchot VII, 57 f. '") Komment. Note 7. zu §. 382. I, 11. (3. A.) und N. d. F. II. S. 376 (2. A.). H0) Gruchot II. S. 226 fg. ,n) Unten §. 107.

J. SS.

Recht-aittttung.

625

den Schuldner die Strafe nicht einklagen, weil er die Forderung darauf nicht erworben, — aber auch der Cedent kann sie nicht mehr einklagen,

weil sein Intereffe nicht mehr verletzt werden kann, weil ihm gegenüber der Schuldner keine Erfüllungspflicht mehr hat.

Zwar ist hiergegen be­

hauptet, das Interesse werde doch verletzt, was der Cedent an der Er­

füllung an den Cessionar habe.

Allerdings hat er ein Interesse, daß dem

Cessionar erfüllt werde, er muß ihm für die Einziehbarkeit der Forderung einstehen. Diese- Interesse ist aber ein andere-, al- da-, für welche-

er sich vom Schuldner die Konventionalstrafe bedungen hat;

letztere darf

nicht zur Deckung eine- anderen Intereffe verwendet werden.

Endlich

aber können auch nicht Cedent und Cessionar gemeinschaftlich die Strafe

gegen den Schuldner einklagen, weil jener das Interesse nicht mehr hat, für welche- die Strafe bedungen war, und dieser zwar grade in diesem

Interesse verletzt worden, aber wieder das Recht auf die Strafe nicht hat.

Da- Klagerecht kann nicht durch Addition zweier Nichtrechte begründet

werden.

Durch ein Geschäft also, welche» die Strafe vor ihrer Verwir­

kung vom Hauptrecht trennt, wird in der That — so sehr es dem Satz zu widerstreben scheint, daß durch die Session die Lage des Schuldners wie nicht verschlimmert,

so auch nicht verbessert werden darf — der

Schuldner frei von der Strafe.

Er wird frei, weil die Voraussetzung,

nämlich diejenige Interesseverletzung nicht mehr

eintreten kann,

für

welche die Strafe bedungen, er wird frei, weil dem Aequivalent, was sie immer nur ist, der Gegenstand entzogen, die Strafforderung dadurch in­ haltlos geworden.

ES ergiebt sich, daß die Scheidung der beiden Fälle,

wo die Strafe da- Interesse decken und wo sie nur die Erfüllung sichern soll, wie sie Gruchot aufstellt, unhaltbar ist; sie ist eS auch deßhalb, weil

vor der Verwirkung der Strafe selbst im ersten Fall eine alternative

Obligation nicht existirt:

daS Wahlrecht deö Gläubigers auf Erfüllung

oder Strafe tritt erst ein mit der Verwirkung, und auch nur dann, wenn

die nachträgliche Erfüllung noch möglich geblieben.

Die Frage wäre so

zweifelhaft wohl nicht erschienen, wenn die Strafforderung cedirt,

die

Hauptforderung bei dem Cedenten zurückgeblieben wäre, denn es wäre dann bestimmter hervorgetreten, daß der Cessionar die ihm abgetretene Strafforderung nicht geltend machen kann, weil er an der Erfüllung der Hauptforderung kein Intereffe hat.

Umgekehrt muß dasselbe gelten.

Das

Obertribunal hat sich darüber noch nicht endgiltig ausgesprochen, ob und

von wem bei erfolgter Trennung beider Rechte die Strafe überhaupt noch eingeklagt werden kann.

Es sagt ganz richtig, daß die Strafforderung nur

dem durch Nichterfüllung de-Vertrages verletzten Kontrahenten oder sei­ nem Rechtsnachfolger (d. h. dem Nachfolger in Hauptrecht und Strafrecht)

zustehen könne, und doch hat es den Kläger nur in der angebrachten Art abgewiesen, und dadurch angezeigt, daß ihm eine Klage deffelben Klägers Foerst er, Preuß. Privatrecht. 40

Zweite» Buch.

626

Die befendrrm Privatrechte.

in anderer Art noch denkbar sei, worauf der Schlußsatz hindeutet: ob Kläger in Verbindung mit dem Cesfionar Nagen kann, sei jetzt nicht zu

entscheiden. Die in der oben aufgestellten allgemeinen Regel von der Cessibilität

aller obligatorischen Rechte enthaltenen näher bestimmenden Momente deDermögenSwerth- und, daß das Recht nicht an die Person de- Inhaber­ gebunden sei"'), entziehen einzelnen Rechten, denen diese Eigenschaften ab­

gehen, die Beräußerlichkeit.

Der fehlende Vermögen-werth macht In­

jurienklagen unübertragbar, wogegen die au- einer Ehrverletzung oder

einer sonst beschädigenden Handlung erwachsene Forderung auf Entschädi­ gung cessibel ist"').

TuS persönlichen Gründen sind nicht übertragbar:

da- Mandat, d. h. der Auftrag zur Verrichtung des Geschäft-'"), da-

Recht der Mitgliedschaft an einer Gesellschaft'"), da- Recht au- dem Pacht- und Mietsverträge'"). Der entscheidende Grund ist nicht

sowohl, daß in diesen Rechtsverhältnissen auf jeder Seite Rechte und Pflichten gemischt sind, al- vielmehr, daß sie eine ganz bestimmte sub­ jektive Beziehung haben, welche eS unstatthaft macht, daß da- Recht oder

die Pflicht für oder von werde.

einer anderen Person gefordert oder geleistet

Allein der Ausschluß der Cessibilität bezieht sich nur auf den Ein­

tritt in das Rechtsverhältniß selbst: e- darf kein anderer Mandatar, Ge­ sellschafter, Miether aufgevrungen werden.

Sind dagegen selbständige ver­

mögen-rechtliche Forderungen au- solchen RechtSverhältniffen für die Be­ theiligten erwachsen, für den Mandatar auf Honorar oder Entschädigung,

für den Gesellschafter auf den Gewinnantheil, für den Bermiether oder Verpächter auf die fälligen Zinsen u. s. w>, so sind diese einzelnen An­

sprüche der Abttetung zugänglich'").

Bei der Pacht und Miethe ist aber

"’) Sachs. Ges. B. §. 966. „setzt eine Forderung zu ihrer Geltendmachung eine nicht übertragbare Eigenschaft de- Berechtigten voraus, oder würde deren Inhalt durch Leistung an einen Anderen geändert, so ist deren Abtretung unzulässig." §. 388. 389. d. T. Koch, Ueberg. S. 59. 69. 1. 5. §. 1. D. IX, 2. 1. 28. D. XLVII, 10. Hierher gehören auch die heut nicht mehr praktischen römischen actiones vindictam spirantes, welche nicht cedirt werden konnten.

,l4) A. L. R. I, 13. §. 38. 1. 8. §. 3. D. XVII, 1. 1. 28. D. III, 5. Mühlenbruch S. 245 s. S. 307 fg. Puchta S. 642.

Koch S. 74.

1,s) Koch, Ueberg. S. 73. A.L.R. I, 17. §. 68. 1.49. D. XVII, 2. Bei Miteigenthum ist aber der Antheil des Einzelnen cessibel. A. L. R. I, 17. §. 60. 1. 3. D. IV, 52. 1. 31. pr. D. XVII, 2. Seusfert, Arch. B. 1. Nr. 28. B. 5 Nr. 125. B. 8. Nr. 35. B. 11. Nr. 32. 225. B. 13. Nr. 89. Deutsche- H. G. B. Art. 98. l16) Koch S. 74. A.L.R. I, 21. §. 309. 310. Den Eessionar de- Miether- (den AfterMiether) kann deßhalb der Bermiether direkt au-weisen. Im gem. R. bestritterr, für die Unzulässigkeit der Session de- Rechtsverhältnisse- au- Miethe und Pacht: Mühlenbruch S. 310. ,17) Strieth. B. 5. S. 297. B. 24. S. 165. Seusfert V, 125. Werden künftig fällige Miethzin-forderungen abgetreten, so darf dadurch in der Lage de- Miethernicht- geändert werden, d. h. er kann wegen vertragswidriger Erfüllung Seilen­ de- Bermiether- auch gegen dessen Eessionar Abzüge machen. S. hierüber und

§. 99.

627

Recht-abtretung.

noch eine durch den Grundsatz „Heuer geht vor Kauf" bewirkte Abwei­

chung vom gemeinen Recht hervorzuheben.

Wo, wie nach römischem Recht,

Kauf Miethe bricht, ist das Verhältniß des BermietherS nicht cessibel; wo, wie nach preußischem Recht, das Gegentheil gilt'"), tritt der neue Eigen­ thümer der vermietheten Sache ganz und voll in das Rechtsverhältniß de-

ersten BermietherS, dessen Verpflichtungen gegen den Miether übrigen-

dadurch nicht gelöst werden'").

Die Rechte aus der Dienstmiethe auf

die Dienste selbst sind nicht übertragbar, wohl aber die Forderung auf

den schon fälligen oder noch zu verdienenden Lohn"").

Bei der Werk-

verdingnng kann der Besteller sein Recht abtreten, der Werkmeister nur seine Forderung auf den bedungenen Preis, währeüd er persönlich für die

Ausführung des Werks im Rechtsverhältniß verbleiben muß"').

Das

Wiederkaufsrecht"'), das Vorkaufs- und Retraktrecht'") dürfen

ebenfalls aus persönlichen Gründen nicht cedirt werden.

AuS gleichem

Grunde alle Rechte, welche nur zur Nothdurft einer bestimmten Person

bewilligt worden'"), z. B. Anspruch auf Alimente, Armenunterstützung. Wegen fehlenden DermögenSwerthS und wegen persönlicher Beziehung kann der Grundherr seinen Anspruch ans den Mitbau zur Hälfte, bevor die

Muthung eingelegt und er sich über die Ausübung des Rechts erklärt hat,

nicht cediren'"), denn bis zu dieser Erklärung existirt noch kein Vermö­ gensrecht für ihn; erst wenn er die 61 Kuxe erlangt hat, kann er diese

abtreten; sein Erbkux aber, d. h. sein Anspruch auf zwei Freikuxe, ist

ein von Grund und Boden untrennbares Recht und in seiner dinglichen Eigenschaft mit dem Besitz des Grundstücks zwar nicht unübertragbar, aber nicht cessibel'").

Ob der Anspruch aus der Muthung auf Verleihung

des Bergwerkeigenthums cessibel sei, ist streitig.

Für preußisches Recht

gegen eine Entscheidung deSO.Trib. Koch, Priv.R. II. S. 136.137. Seu ssert XVI, 209. Nach deutsch. H. B. Art. 181. sind die Kapital an theile der persönlich hastenden Gesellschafter bei Kommanditaktiengesellschasten nicht cessibel. "') §. 358. I, 21.

'") Koch, Ueberg. S. 77. KochS. 77. Ges. Ordn. v. 1810 §.62. '") Koch S. 79. Nach röm. R. tonnte der Werkmeister die Ausführung der Arbeit einem Anderen überlassen, wenn c6 nicht besonders aus seine persönliche Befähigung ankam. 1. 48. pr. D. XIX, 2. 1. 38. §. 21. v. XLV, 1. I. 31. D. XLVI, 3. Dagegen A.L.R. I, 11. §. 928. 929. A.L.R. 1,11. §. 312. Koch S. 80.

'") A.L.R. 1, 20. §. 594.

Koch S. 82.

Mühlenbruch S. 323.

Koch S. 83. A.L.R. I, 19. §. 22 Strieth. B. 10. S. 205. Geldsorderung al« Surrogat der Naturalleistung taun bedingt cedirt werden; die Bedingung be­ steht darin, daß die Berpstichtuug zur Unterstütznng sortbesteht. '") Entsch. B. 21. S. 385. 122—127.

Strieth. B. 3. S. 179.

•••) «. L.R. II, 16. §. 117.118.

Bergl. A.L.R. II, 16. §. 118.

Zweit« Buch.

628

Die besonderen Privatrechte.

hat e- da» Obertribunal bejaht, weil die Muthung einen Anspruch auf

vorzugsweise Verlechung des Eigenthums giebt, für gemeines Recht aber

verneint, weil hier das Muthen nur ein Bewerben fei'").

Endlich ist

der Abtretung entzogen das Gehalt und die Pension der königlichen Beamten'"), wobei ein öffentliches Interesse einwirkt. Ein Ueberrest des römischen Satzes ne potentiori cedatur, welcher

im heutigen gemeinen Recht kaum noch Anwendung findet'"), ist die Be­ stimmung deS A.L.R., daß Richter, Anwälte und Justizsubaltern­ beamte"°) Forderungen nicht an sich lösen dürfen, denen vom Schuldner

ganz oder zum Theil das Anerkenntnis versagt worden, die also insofern schon bestritten sind und zur Erörterung vor dasjenige Gericht 1. oder 2. Instanz gebracht werden müßten, an welchem der betreffende Beamte

fungirt"').

Auf die Beamten des Obertribunals bezieht die Praxis das

Verbot nicht'"): eS ist auch ausgeschlossen beiCessionen, die auf RechtS-

zwang oder eine allgemeine Rechtsvorschrift sich gründen, und bei dem

Erwerb von Hypothekenforderungen, gegen welche im Hypothekenbuch Ein­ reden nicht vermerkt find'").

Sonstige Beschränkungen der Cessibilität kennt daS preußische Recht nicht; ob der Cessionar Bormund deS Schuldners'"), ob er mit diesem

durch väterliche Gewalt verbunden'"), Berschiedenheit des Standes, Ge-

"') Strieth. B. 27. S. 267. B. 37. S. 141. A.L.R II, 16. §. 164. u. Sirieth. B. 47. S. 122. '") Publik, v 18. Novbr. 1802 (Rabe B. 7. S. 272.). Bergl. ©triefterst B. 42. S. 179. *”) 1. 2. C. II, 14. Seuffert II S. 167. Note 1. Sinterns II. 3. 802. Note 40. ArndtS S. 424. Anm. 3. Pangerow 111. S. 120. 13°) Die das AktuariatSexamen bestanden haben, also von den Aktuarien 1. u. II. Klasse auswärts. — Der bairische Entwurf Art. 148. fügt noch StaatSanwalte und No­ tare bei. Ul) §.385. b, T. und Anh. §. 16. Koch, Ueberg. S. 100 s. Streitig ist das Recht, wenn der Schuldner seine Verpflichtung auch nur außergerichtlich bestritten hat. Entsch. B. 7. S. 395. UebrigenS bezieht sich da- Verbot ans alle Arten obligato­ rischer Rechte. Z. B. Entsch. B. 23. S. 95. Nicht auf den Erwerb von Sachen, über welche daS dingliche Recht bestritten ist. Präj. 953 (Sammt. B. 1. S. 58.). Der Anspruch aus einem Melstgebot bei der Sudhastation eines Grundstück« kann an einen solchen Beamten abgetreten werden. Entsch. B. 23. S. 95. 13t) Obgleich der Wortlaut des §. 385. sich auch auf sie bezieht. ArnSb. Arch. B. 3. S. 581. Die Materialien sprechen aber für die Auslegung der Praxis. Bornem. B. 3. S. 69. l33) Präj. 1625 (Sammt. B. 1. S. 58.). Koch, Komment. Note 11. Daß sich das Verbot nicht auf Hypothekenrechte bezieht, bei deuen Einreden oder Protestationen im Hypothekenbuche nicht vermerkt sind, folgt an« dem Glauben des letzteren. Koch, Komment. Note 13. zu §. 386. d. T. Uebergang S. 105. Arnüb. Arch. B. 3. S. 587.

"*) Nov. 72. e. 5. Mühlenbruch S. 389. 138) Nach gemeinem Recht Übrigens streitig. Die Unzulässigkeit der (Session zwischen Pater und HauSkind wird gefolgert aus 1. 7 de 0. et A. Mühlenbruch S. 394 f.

- SS.

629

Rechwabtretnng.

werbe- und der Religion'") ist ohne Einfluß auf die Uebertragbarkeit der Forderung-rechte. IV. Die Wirkung.

Wie bereit- auSgeführt, ist die Wirkung der

Cession, daß der Cessionar in da- Recht deS Cedenten gegen den Schuld­ ner succedirt:

„durch die Cession tritt der neue Inhaber in alle abge­ Die

tretenen Rechte und damit verbundenen Pflichten deS Cedenten" *”).

Forderung ist au-geschieden au- dem Vermögen des Cedenten. Der Cessio­

nar erwirbt sie mit allen Neben-und Beirechten: die Zinsenansprüche,

soweit sie vom Tage der Abtretung neu entstehen, aber nicht auch die

Forderung auf rückständige Vertrag-zinsen, diese bedürfen einer ausdrück­ lichen Abtretung'"); ferner die Forderungen des JntereffeS, welche au-

Vorsatz, Versehen oder Verzug deS Schuldners erwachsen, soweit sie nicht vorher fällig geworden und dann auch besonders abgetreten werden müssen,

ebenso der Anspruch auf Konventionalstrafe, der vom Hauptrecht erst ge­

trennt werden kann, wenn sie fällig geworden'”).

Die Bürgschaft, die

Hypothek und da- Pfand sichern auch den Erwerber'"), nur muß beim

Faustpfand die Uebergabe der Sache an den Cessionar hinzutreten, weil es sonst nach preußischem Recht nicht fortbesteht"').

ES ist in der ge­

meinrechtlichen Dokttin bestritten gewesen, ob und wie die Vorrechte auf

den Cessionar übergehen.

Man unterschied zwischen Vorrechten, die eine

Eigenschaft der Forderung an sich sind, und solchen, die nur eine persön­

liche Begünstigung deS ersten Gläubiger- enthalten'").

Geht man von

dem GesichtSpuntt au-, daß der Cessionar nur ein fremde- Forderungs­ recht auSübt, so dürste e- auf diesen Unterschied nicht ankommen, alle

Vorrechte,

auch die der letzteren Klaffe müßten ihm zustehen,

denn die

Forderung ist ja noch die deS Cedenten geblieben, er ist noch der eigent­

liche Gläubiger'").

'») '”) '")

”’) "") '") '")

'")

Allein dieser Gesichtspunkt ist im preußischen Recht

Puchta 6. 643. Dagegen Unterhvlzner I. S. 607. Nr. 11. Sinteni« II. S. 799. Note 29. Bangerow III. S. 118. 8- 411. d. T. §.402. d. T. SSchs. Ges B §.968. Daß die Cession, nicht erst die Denunziation da« Recht de» Session ar8 begründe, ist angenommen bei Seufserl VII, 301. In der gemeinrechtlichen Praxi« wird auch angenommen, daß der Uebergang rück­ ständiger Zinsen besonder« erfolgen müsse. Seussert XI, 226. Bl. f. R. Auw. B. 8. S. 128. B. 9. S. 271. Heuser, turhess. Ann. B. 1. S. 887. SSchs. Ges.B. §. 969. Siehe oben S. 624 f. In Betreff der Bürgschaft verlangt da« Präj. 1028 (Sammt. I. S. 86.) au«, drückliche Session. S. dagegen Koch, Komm. Note 33. znL. 402. §. 104. I, 20. A.L.R. Ueber die verschiedene» Meinungen s. Koch, Ueberg. S. 171 sg. Mühlenbruch S. 574 sg. Bangerow III. S. 129. Windscheid, Actio S. 186. Bangerow III. S. 129. Anm. 2. Bergt. 1. 2. 1. 6. pr. D. XVIII, 4. 1. 8. C. IV, 39. Jedoch mit den Modifikationen, daß prozessualische Borrechte ganz allSge-

v Zweite« Buch.

ß30

Die besondere» Privatrecht«.

verworfen, der Cefsionar ist Gläubiger geworden.

alten Gläubiger zurückbleiben muß,

Daraus folgt, daß beim

und auf den neuen nicht übergehen

kann, was seinen Grund nur in der Person des alten hat, was nicht die

Forderung als solche besonders charakterisirt.

DaS A.L.R. bestimmt da­

her ganz richtig, daß diejenigen Vorrechte auf den neuen Gläubiger über­ gehen, welche der cedirten Forderung nach ihrer Natur und Be­ schaffenheit beigelegt sind,' also z. B. das Vorrecht im Konkurse; daß aber diejenigen Vorrechte nicht übergehen, welche als bloß persönliche

Befugniffe deS ersten Inhabers von diesem bei „Gelegenheit der cedirten

Forderung" auSgeübt werden konntenDie Fassung der ZK. 403. 404. ist nicht so prägnant, wie die deS ungedruckten Entwurfs zum allgemeinen

Gesetzbuch.

Hier hieß eS: „die persönlichen Vorrechte des Cedenten gehen

auf den Cefsionar nicht weiter über, als insofern in Rücksicht des Ersteren

der Forderung selbst ein Verzugsrecht beigelegt ist"'"). neue Fasiung hat keinen anderen Sinn.

Allein auch die

Solche nicht übergehende persön­

liche Vorrechte sind die Sportelfreiheit des Fiskus, sein ExekntionSrecht, die ihin und gleichberechtigten Korporationen zugestandene längere Verjäh­ rung, das einzelnen juristischen Personen gebührende Einziehungsrecht für

laufende Leistungen, die doppelte Appellationsfrist Unmündiger und juristischer Personen'"). Dagegen gehört nicht hierher, wenn wegen der Person deS ersten Erwerbers die Forderung selbst eine besondere Eigenschaft gewonnen;

die Illatenforderung einer Ehefrau bleibt eine solche auch nach der Cession und behält ihr Vorrecht'"). Die Prozeßart, in der eine Forderung einzukla­ gen ist, geht ans ihrer Beschaffenheit hervor, ist also auch vom neuen Gläu­

biger anzuwenden'"). — Die Übertragung eines bedingten Rechts ist an diese Bedingung gebunden; eS kann aber auch ein unbedingtes Recht be­

dingt übereignet werden.

In beiden Fällen äußert die Cession ihre volle

schloffen, und daß Vorrechte, die nicht mit der Forderung Zusammenhängen, dann übergehen, wenn sie mit der letzteren schon in Verbindung gekommen sind. Dies hat besondere Anwendung ans privilegirte ZinSsvrderungen. So weit sie schon er. worben, gehen sie über; sür die Folgezeit aber nicht.

’**) §. 403. 404. d. T. ES ist kein Vorrecht der Forderung, wenn der Cedent seinem Cesfionar sich zu unbedingter Gewährleistung verpflichtet hat, die« Versprechen geht also nicht ohne Weitere« aus den zweiten Cessivnar über, muß vielmehr ihm beson­ ders cedirt werden. Ohne solche besondere Cession hat der zweite Cefsionar an seinen Cedenten nur die Ansprüche au« dem Gesetz, aber keinen an den ursprüng. . iichen Gläubiger. Durch solche besondere Cession wird letzterer debitor cessus.

Gruchot, Beiträge B. 1. S. 21. B. 2. S. 419.

'") Koch, Uebergang S. 176. **‘) Koch, Komm. Note 37. zu §. 404. d. T.

Ueberg. S- 179. 180.

*•’) Koch, Komm. Note 36. zu §.404. d. T. '") Der MandatSprozeß sür eine cedirte Gebührensorderung eine« Rechtsanwalt«. Note 37. zu §. 404. d. T.

Koch,

t- 99.

Nechteabtretuug.

gzi

Wirkung erst bei der Entscheidung über den Eintritt oder Wegfall der Bedingung"'). Im Einzelnen ist noch Folgendes hervorzuheben.

a. nar"°).

Rechte und Pflichten zwischen Cedenten und Cessio-

Durch die Cesston erwirbt zunächst der Cedent daS Recht auf

die dafür bedungene Gegenleistung, glso auf Zahlung der Valuta, Uebereignung des Rechts, Uebergabe der Sache, je nachdem Kauf oder Tausch

der RechtSgrund der Cesston gewesen.

Ist diese geleistet,

so muß die

Valuta gezahlt werden, wenn sie auch nur mündlich bedungen worden"'). Der Kauf einer Forderung ist als Kauf einer beweglichen Sache anzu­

sehen, der Cedent kann also die Abttetung aufrufen, wenn die Zahlung

des Preises, der Valuta, anSbleibt'").

Die Höhe derselben hängt allein

von dem Uebereinkommen der Parteien ab"'); die gemeinrechtlichen Be­

schränkungen deS anastasischen Gesetzes *") kennt daS preußische Recht nicht,

sie sind auch im Gebiet des gemeinen Rechts in mehreren Ländern"') durch neuere Gesetze beseitigt und damit ist eine nicht unbeträchtliche Zahl

sehr unnöthiger «Streitfragen verschwunden.

Ob wegen Verletzung über

die Hälfte die Abttetung rückgängig gemacht werden darf, ist im gemei­ nen"') und preußischen Recht besttitten. Koch'") gestattet daS Rechts­ mittel, weil §. 381. d. T. unterschiedlos die auf Gegenleistung erfolgten

Cessionen den Regeln deS Kaufs und Tausches unterwirft.

Dieses Argu­

ment kann aber nicht allein entscheiden, es muß vielmehr bei jeder einzelnen

'”) §. 418. d. T. Koch, Urberg. S. 167. «Sine eventuelle, „jur Sicherheit" Borgenommeue Session ist eine bedingte, nicht bloß eine Verpfändung der Forderung. Strebn. Ann. II. S. 228. III. S. 295. ”") Schliemann, die Haftung des (Sebenten. 2. A. 1850. '”) Bestimmte Vergeltung in §. 376. d. T. Strieth. B. 32. S 103. Wird die Zahlung der Valuta verzögert und will der Cedent nicht zurllcktreten (s. folgende Note), so muß der (Sessionar vom Tage der «Session die Valuta verzinsen, nach dem Grundsatz tz. 109. 1,11. Au« gemeinrechtl. Praxi«: Heuser, kurheff. Ann. B. 5. S. 403. Seussert XII, 148. '”) Nach §. 230. 231. 1,11. Sntsch. B. 17. S. 158. '") §. 390. d. T. Der Schuldner kann daher an« dem ganzen Betrage der Valuta keine Einrede gegen den Eessionar herleiten. Arn«b. Arch. B. 10. S. 574. '«) 1. 22. C. IV, 35. '") In Baiern Ges. v. 22. Febr. 1855; Braunschweig, Ges. v. 21. Dezbr. 1849; Sachsen, Ges.B. v. 1861, kennt die Beschränkung nicht. In Preußen für die gemeinrechtlichen Bezirke Ges. v. 1. Febr. 1864 (Ges. S. S. 33.). Deutsch. Hand. G B. Art. 299. '") Dagegen Mühlenbruch S. 622., weil der «Sebent etwa« Gewisse« in der Forde­ rung abtritt, sich mithin nicht inen kann. Dafür Puchta S. 652., weil au» der Versagung folgen würde, daß, wer ein Grundstück verkauft, die actio venditi auf Rescission habe, der aber, dem die actio emti abgetreten, deren Gegenstand dasselbe Grundstück sei, daraus nicht Anspruch machen könne. Sinteni« 11. S. 809. Note 58. tritt Puchta bei. '") «och, Uebergang S. 202.

632

Zweite« Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Regel ihre Anwendbarkeit auf die Session geprüft werden.

Nach preußi­

schem Recht würde der Käufer der Forderung, der Sessionar, die Ver­

letzung geltend zu machen haben'").

Dadurch stellt sich die Sache ander-

al- im gemeinen Recht, wo der Sebent die Klage oder Einrede hätte. Denn der Sessionar kann überhaupt nicht in die Lage kommen, über die

Hälfte verletzt zu werden, weil ihm vom Sedenten, wie unten zu erörtern, nicht bloß die Richtigkeit, sondern auch die Sicherheit der abgetretenen

Forderung gewährleistet werden muß'"); er hat also, wenn er an- dem einen oder anderen Grunde einen Ausfall erleidet,

der eine Verletzung

über die Hälfte im Vergleich mit seiner Gegenleistung harstellt,

immer

einen ausreichenden Anspruch an den Sedenten: er bedarf nicht bloß der

Anfechtung wegen Verletzung nicht, sie würde sogar jenem Anspruch wider­

sprechen, und daß der Sessionar die Wahl haben sollte zwischen jener und

diesem, ist im Gesetz nicht angedeutet. Daher muß gegen Koch mit Gruchot die Anfechtung wegen enormer Verletzung für nnanwendbar auf Sessionen erachtet werden ""). Sodann hat der Sedent die Verpflichtung, das besonders gegebene

Sessionsversprechen (pactum de cedendo) durch Vollziehung der Abtre­ tung zu erfüllen *“), sowie den Sessionar in den Stand zu setzen, daß er

die ihm abgetretene Forderung als seine eigene geltend machen kann.

Er

muß ihm also die Schuldurkunde einhändigen und alle-, was nöthig ist, um den Sessionar dem Schuldner gegenüber zu legitimiren'").

"") §. 59. i, 11. '") §. 430. d. T. I6°) Gruchot I. S. 59. Göppert, diss. de remedio ob laesionem jur. comm. Boruss. Vratisl. 1863 p. 31. 32. tritt der Ansicht von Gruchot im Allgemeinen zwar bei, behauptet aber für zwei Fälle die Zulässigkeit des Rechtsmittels aus der Läsion, nämlich wenn der Schuldner nicht Geld, sondern eine Sache zu leisten ver­ pflichtet ist, und wenn Jemand ein Papier von marktgängigem Börsenpreis für das Doppelte desselben ankauft. Letzteres ist aber ein Sachkauf, nicht ein Forderungs­ kauf und geschieht ohne Session, und im ersteren Fall ist nicht die Sache und deren Werth, sondern die Forderung auf die Sache Gegenstand der Session; der Werth der Sache und der der Forderung sind verschiedene Dinge. 16T) §. 376. d. T. In Simon, Rechtspr. US. 67., ist der Fall behandelt, wo zwi­ schen dem pactum de cedendo und dessen Erfüllung der Konkurs über das Ver­ mögen des Sedenten eröffnet worden, und ist entschieden, daß die Gläubiger kncht verpflichtet find, daS pactum de cedendo zu erfüllen Die neue Konk. Ordn, von 1855 §. 15 Abs. 3. schreibt vor: besteht die rückständige Gegenleistung des GemeinschuldnerS nicht in einer Geldleistung, so kann der Mitkontrahent die Erfüllung nicht fordern, sondern eS findet nur ein Anspruch auf Entschädigung statt. — DaS pactum de cedendo ist kein Vertrag, dessen Hauptgegenstand Handlungen sind, die "Session ist nicht Gegenstand, sondern Folge deS pactum, Ausführung desselben. Es muß also auf Erfüllung geklagt werden, man kann nicht (nach §. 408 f. I, 11.) zu­ rücktreten. Entsch. B. 48. S. 60. '") §. 395. d. T. Entsch. B. 14. S. 237. Koch, Beurth. S. 123. 230. Uebergang S. 139. 201 f. Sächs. Ges. B. §. 970. Zu diesem Zweck kann der Sessionar gegen den Sedenten auch aus Anerkennung der Session klagen. Seussert B. 13. S. 30. Note 1.

z. 99.

MhtSabtretung.

633

Er muß drittens dem Cessionar die Richtigkeit und RechtSgiltigkeit der Forderung (nomen verum) gewährleisten'"), d. h. daß sie ihm

wirklich mit ihren Nebenrechten und Vorzügen, so wie sie abgetreten wor­ den, zusteht und gesetzlich klagbar ist, daß ihr nicht Einreden wirksam ent­ gegengesetzt werden können.

Hat er eine Forderung im Bewußtsein ihrer

Unrichtigkeit abgetreten, so ist von ihm daS volle Jntereffe zu vergüti-

ßcn164 * * ): * * *er* *muß * die erhaltene Gegenleistung (als wirklichen Schaden) und Zinsen und Vortheile ersetzen,

die der Cessionar mit der hingegebenen

Gegenleistung erweislich anderweitig hatte erzielen können (als entgangenen

Gewinn)'").

Ausgeschlossen ist aber immer ein Ersatzanspruch für den­

jenigen Gewinn, den der Erwerber durch die Zahlung einer Valuta unter

dem Nennwerth der Forderung erstteben wollte'").

Ist eine unrichtige

Forderung auS Versehen oder Irrthum abgetreten, so werden vom Cedenten die Schäden und Kosten bis auf Höhe der empfangenen Valuta er­

stattet'").

Der Cessionar hat, um sich diese Gewährleistungsansprüche

zu sichern, die Pflicht, den Cedenten zum Beitritt im Prozeß aufzurufen'").

Die Verbindlichkeit zur Gewährleistung kann ausdrücklich erlasien werden, sie fällt weg, wenn die Forderung ausdrücklich als zweifelhaft abgetreten

worden'").

Nur darf in beiden Fällen nicht ein betrügerisches Verhalten

des abtretenden Gläubigers unterlaufen'^). '") §.420. d. T. Koch, Ueberg. S. 202. 207 f. Einigermaßen kann diese Gewähr­ leistung mit der Eviktionsleistung verglichen werden, nur ist nicht zu übersetzen, daß Forderungen nicht evinzirt werden können. Passender ist eS, die Gewähr für die Richtigkeit und RechtSgiltigkeit auszufassen als Gewähr für die Rechtseigenschaften. Daß sie nur stattfindet bei entgeltlichen Sessionen, folgt auS dem landrechtlichen Begriff §. 376. d. T. Auch so nach gemeinem Recht: 1.18. §. 3. D. XXXIX, 5. 1. 75 §. 1. 2. D. de leg. I. Aber für DoluS wird auch bei geschenkten Forderungen gehastet. 1. 18. §. 3. eit. 164) §• 422. 424. d. T. Schliemann, die Haftung des Cedenten. 2. A. 1850. Heuser, kurhess. Ann. V. 7. S. 16. (Gewähr für die Sicherheitsrechte der Forde­ rung). Die Gewähr für die Richtigkeit besteht aber nicht darin, daß der Sebent dem Cessionar die Verpflichtung des Schuldners (de- debitor cessu#) erfülle. Strieth. B. 42. S. 83. '") Striethorst, Arch. B. 6. S. 116. ,6*) §. 425. d. T. Auch selbst dann kann nicht Ersatz über die gegebene Valuta hinauverlaugt werden, wenn die Gewährleistung besonders bedungen worden. Es kann aber ein Mehreres ftipulirt werden. Präj. 1701 ^Samml. I. S. 61.). Strieth. B. 29. S. 214. Der §. 425. ist ein Prohibttivgesetz. Entsch. B. 41. S. 103. Strieth. B. 34. S. 202. Siehe über diese Beschränkung der Jntereffe.Forderung Gruchot II. S. 188 f Unten §. 106. Note 50 16) §.423. d. T. Zinsen von der Valuta, außer im Fall des dolus, nur noch bei lat* culpa. Koch, Ueberg. S. 210. §. 426. Siehe oben §. 86. S. 489. über Litisdenunziation. '") §.421.d. T. 1. 8. §. 1. O. XVIII, 1.1. 10-12. D. XVIII, 4. Ausdrücklich muß die Gewährleistung erlaffen oder abgelehnt sein, sonst findet sie selbst dann statt, wenn die abgetretene Forderung gesetzlich nngilrig ist. Präj. 1808 (Samml. 1. S. 61.). Wenn aber auch die Gewährleistung erlaffen, so bleibt der Sebent doch aus Ersatz verhaftet, wenn ber Schulbner Forderungen an den Cedenten gegen den Cessionar compensando geltend gemacht hat. Entsch. B. 12. S. 238. '") §. 421. b. T.

Abweichend vom gemeinen Recht'") hat nach A.8.R. vierten- der Gläubiger auch für die Sicherheit der Forderung (nomen bonum) ein­

zustehen *’*), d. h. daß sie zur Zeit der Abtretung nicht ganz oder theilweiuneinziehbar sei.

Spätere nachtheilige Veränderungen in dieser Hinsicht

treffen den Erwerber, ohne Unterschied, ob sie zufällig eingetreten oder

Bei Hhpothekenforderungen'"), oder wenn Valuta unter dem Nennwerth entrichtet worden'"), oder die Forderung

von ihm verschuldet sind'").

al- zweifelhaft abgetreten ist'"), fällt die Vertretung für die Sicherheit weg, kann aber auch in diesen Fällen ausdrücklich bedungen und natürlich

überhaupt erlassen werden'").

Forderung zu erhalten,

Um sich die Garantie für die Güte der

darf der Cessionar in Kündigung und Beitrei­

bung derselben nicht säumig sein, dem Schuldner nicht freiwillig Nachsicht

gehen'").

Der Cedent vertritt den Ausfall bis zur Höhe der empfangenen

17‘) 1. 4. D. XVIII, 4. Die Parteien können aber eine Haftung für die Sicherheit be­ dingen, und es muß für Güte eingestanden werden, wenn der dolus die Inexigibililät veranlaßt hat. Seuffert IV, 27. Hat der Cedent sich für die Güte ver­ pflichtet, so kann auch der Nachmann des CessionarS dies geltend machen. Seuffert IV, 26. ,72) §. 427 — 441. d.T. Suarez (Gesetzrev. Pens. XIV, S. 88.) motivirte die Ab­ weichung vom gemeinen Recht durch natura negotii, intentione praesumta contrahentium und ex analogia Juris; in der Schlußrevision knüpfte er den Satz an die Bestimmung des röm. R. an, daß der Cedent verhaftet sei, quando sciverit, debitorem non esse solvendo. Die Gewähr für die Sicherheit kann verschieden aufgesaßt werden, entweder als Gewährleistung für fehlende natürliche Eigenschaften oder als Interzession für den Ausfall. Da sie aber das A.L.R. als ein Naturale der (Session hinstellt, so ist der erstere Gesichtspunkt der richtigere; sie ist keine accessorische oder subsidiäre Lerpflichtung, wie sie Koch, Ueberg. S. 212. und einzelne Entscheidungen des O. Trib. ansehen. Der Ausdruck: Regreß in §. 434. 435. be­ weist nichts für die Bürgschaft. Darum haftet der Cedent auch nicht für den ganzen Ausfall, sondern bis zur Höhe der Valuta. S. Gruchot l. S. 97. Das österr. Ges. B §. 1397. läßt neben der Richtigkeit für die Eindringlichkeit haften, bis zur Höhe der Valuta. Der bairische Entwurf läßt nur bei dolus des Cedenten für die Zahlungsfähigkeit des Schuldners haften, und wenn es ausdrücklich bedungen. Art. 154. Nach dem Code a. 1694. wird für Zahlungsfähigkeit nur gehaftet, wenn sich der Cedent dazu verpflichtet hat und bis zur Höhe der Valuta. ,73) §. 431.—433. d. T. "♦) §. 427. d. T. Strieth. B. 53. S. 46 f. Dresdener Ann. B. 2. S. 17. Ebenso österr. G. B. §. 1398. '") §. 429. d. T. *76) §. 430. d. T. ,77) §. 427. 429. 430. d. L. Wenn für eine Hypothek die Gewähr für Sicherheit ver­ sprochen , so ist sie zu leisten, sobald die Unzulänglichkeit der Hypothek feststeht; der Cessionar hat nicht erst den persönlichen Schuldner auszuklagen. Entsch. B. 17. S. 173. Strieth. B. 1. S. 183. B. 21. S. 26. Diese Entscheidung beruht auf der Auffassung, daß die Gewähr für Sicherheit eigentlich Bürgschaft fei, was sie zwar sein kann, aber nicht nothwendig ist. Ueber diese Auffassung s. noch Simon, Rechtspr. IV. S. 63. Oben Note 172 ,18) §. 434.-436. 438. d. T. Wenn der Schuldner bis zum Verfalltage in Konkurs gerathen, so soll angenommen werden, daß die Forderung schon zur Zeit der Ab­ tretung unsicher gewesen. Der Auöbruch des Konkurses ist übrigens nur ein Bei­ spiel ; der VermögenSversall kann auch aus anderen Thatsachen (vergebliche Exeku-

i- 99.

Recht-abtretung.

635

Valuta, daneben den Schaden und die Kosten, die dem Cessionar entstan­ den find'"). — Bei nothwendigen Sessionen (I. b.) wird weder die Richtigkeit noch Sicherheit gewährleistet"'). DaS folgt au-ihrem Begriff, da sie von selbst eintreten. Bei erzwungener Session (I. c.), durch welche der Gläubiger mit seiner Forderung dem Cessionar zahlt und der Richter die Übereignung nur vermittelt, gelten dieselben Grundsätze, wie bei der auf Rechtsgeschäft gegründeten Abtretung; es muß nach beide« Richtungen die Gewähr geleistet werden "'). Da sich der Anspruch deCessionarS an seinen Gebenten, ihm für Richtigkeit und Sicherheit zu hasten, nach der Auffaffung des A.L.R. als GewährlelstungSforderung charakterisirt, und zwar nach ihren beiden Beziehungen, für RechtSmängel und Mängel an vorausgesetzten natürlichen Eigenschaften, so folgt, daß sie über­ haupt nur eintritt bei entgeltlichen Sessionen "**) und daß die Klage der kurzen Verjährung nach §. 343. 344. 1,5. unterworfen ist"’). lutionen) gefolgert werden und Gegenbeweis ist zuläffig. Präj. 639 (Sammt. I. S. 62.). S trieth. B. 18. S. 39. Koch, Uebergang S. 217. „Sofort" in 8-434 läßt ein modicum tempus zn. Koch S. 217. Entsch. B. 10. S. 372. 1. 21. §. 1. D. XIII, 5. „Freiwillige Nachsicht" ist der Gegensatz zu der vom Richter erzwungenen. Koch S. 218. Bergt, noch Entsch. B. 1. S. 315. wonach §. 434 f. auch Anwendung finden, wenn die Haftung für Sicherheit ausdrücklich versprochen ist. Koch S. 212. Oesterr. Ges. B. §. 1399. Bei Seussert XIII, 20. ist die Einrede des Eedenten, der Cessionar sei säumig gewesen in der Einziehung, verworfeit, da der Cessionar nicht verpflichtet sei zu einer anderen Zeit, als „wo er Lust habe," gegen den Schuldnerin klagen.

1'9) §. 437. 440. d. T. Das O. Tr. läßt bis zum Nominalwerth haften, vom Stand­ punkt der Bürgschaft aus. Bergl. Ges. Rev. Pech. XIV. S. 89. Dagegen Koch S. 222 s. und Strieth. B. 18. S. 195.

,R0) §. 444. d. T. *V) Entsch. B. 17. S. 167. Dadurch ist die entgegenstehende Ansicht des Min. Reskr. v. 24. Febr. 1831 beseitigt. ArndtS in der I. W. 1845 S. 426. will in diesem Fall nur für die Richtigkeit, nicht für die Sicherheit haften lasten, weil letztere eine vertragsmäßige Verpflichtung des Cedenteu vörauSsetze, die bei solchen Zessionen nicht anzunehmen sei. Allein die Gewähr für Sicherheit geht ebenso, wie die für die Richtigkeit aus dem Gesetz hervor, sie ist ein Naturale der Cesstou, s. oben Note 172. und nicht mehr und nicht weniger vertragsmäßig als die Gewähr für die Verität.

182) Nach §. 318.1, 5. §. 378. 381. d. T. App. Ger. Hamm in der. jur. Mon. Schr. I. S. 420.

,R3) A M. ist Koch, Uebergang S. 223. welcher als eine Klage aus einer Bürgschaft in 30 aber wohl anzunehmen, daß die Redaktoren für die Verität als wirkliche Gewährleistung

die Klage auf Gewähr für Sicherheit Jahren verjähren lasten will. Es ist die Gewähr für Sicherheit neben der aufgefaßt haben, wobei übrigens nickt

verkannt werden soll, daß sie als Bürgschaft von den Parteien inteudirt werden kann. Auch bei Seussert XIII, 21. nicht als Bürgschaft, sondern al- Eviktion-hast aufgefaßt. Die Praxi- hat sich über die Verjährung noch nicht ausgesprochen. S. auch Koch, Komm. Note 59. zu §. 427. d. T Note 74. zu §. 441. Der Ersatz­ anspruch auf Grund eines Betrüge- unterliegt natürlich nur der 30jährigen Verjäh­ rung. Im Pr. R. II. S. 154. beantwortet Koch die Frage etwa- ander-, indem er die kurze Verjährung anwendet, wenn der Ausfall wegen Zahlungsunfähigkeit de- Schuldners entstanden, unv nur dann die Haftung für die Sicherheit in 30 Jah­ ren verjähren läßt, wenn der Cedent den ganzen Nominalwerth ersetzen muß. Daun

Zweite» Buch. Die besonderen Privatrechte.

636

Da der CessionSakt selbst'") daS Eigenthum der Forderung über­ trägt, so verliert mit diesem Moment der Cedent jedes weitere Dispo­ sition-recht über dieselbe, er darf vom Schuldner keine Zahlung mehr annehmen, sich mit ihm in keine Unterhandlungen über sie einlasien, sie

nicht mehr an Andere cediren.

Dem Cessionar gegenüber sind alle solche

Handlungen ein Vertragsbruch und verpflichten den (Siebenten zur Leistung

des Interesie,8i).

Der jüngere Cessionar kann kein Recht mehr erwerben,

weil der Cedent kein

übertragbares Recht mehr

in Händen hatte *8*).

Wenn es bei Theilcessionen an einem Abkommen darüber fehlt, ob der

cedirte Theil eine vorzugsweise Befriedigung vor dem bei dem (Siebenten zurückgebliebenen Ueberrest genießen soll, so versteht sich ein solches Vor­

zugsrecht nicht von selbst,

auch nicht, wenn sich der Cedent nur einen

Zinsenanspruch behalten hat; die Zahlung des Schuldner- wird vielmehr

so auf die ganze Forderung verrechnet, wie er eS will und zu seinen Gunsten gilt die Zinsenschuld zunächst für abgetragen. Kapitalzahlungen werden dem (Siebenten und Cessionar zu gleichen Rechten geleistet'8').

b.

Die rechtliche Stellung des Schuldner- gegenüber dem

(Siebenten und Cessionar,8e).

Der Schuldner erhält durch die Session,

die ohne seine Zuziehung erfolgt'88), einen neuen Gläubiger.

Durch den

Akt der (Session scheidet die Forderung au- dem Vermögen de- bisherigen

Gläubigers definitiv au-, und wird sofort ein definitiver Bestandtheil des Vermögens de- neuen Gläubigers.

Daraus muß folgen, daß das Ber-

pflichtungSband zwischen dem Schuldner und (Siebenten sich in demselben Moment löst, in bemselben Moment zwischen ihm unb bem Cessionar ge­ knüpft ist.

Der alte Gläubiger hat nichts mehr, ber neue Alles, was bie

Forberung bietet, vom Schulbner zu forbern.

'"*)

’“)

"”)

"') ■•’)

Aber bieser weiß von bem

ist allerdings eine acceflorische Verabredung mit dem Charakter der Bürgschaft vor­ handen. „Bon nun an" in §• 393. b. T. §. 393. 402. 417. d. T- Der Cedent muß insbesondere dem Cessionar da- herausgeben, was er vom Schuldner erhallen. Schles. Arch. B. 6. S. 333. 1. 55. D. III, 3. I. 23. §. 1. D. XVIII, 4. Bei Heuser, kurhesi. Ann. B-1. ©. 886. ist der Interesse - Anspruch dem Cessionar versagt, weil „der Cedent nicht eine fremde, sondern seine eigene Forderung eingezogen habe." Das ist eine Folge der Theorie von Mühlendrnch. Unrichtig ist eS, wenn die Emsch. B. 4. S. 71. demjenigen (jüngeren) Cessionar, der im guten Glauben im Besitz der Schuldurkunde ist, ben Borzug giebt, denn die Aushändigung der Urkunde gehört nicht zur Cessionssorm. S. oben Note 75. Für da« Necht des älteren Cessionar« Seussert VIII, 248. Koch. Uebrrgang S. 182 fg. Seussert, Archiv B. 11. Nr. 227. Dagegen muß der Cedent, der sich einen Theil der Forderung zurückdehalten, dem Cessionar zurückstehen, „weil e» gegen den guten Glauben sei, daß der Zahlende seinem Gläubiger da« wieder entziehe, wa« er ihm an Zahlungsstatt gegeben." Seussert IX, 280. §. 402-419. d. T. §. 409. d. T. 1. 3. C. IV, 39.1. 2. C. VIII, 54.

$. SS.

ganzen Vorgang zunächst nicht-:

Recht«abtretung.

637

e- ist also möglich, daß er an den ge­

wesenen Gläubiger noch leistet, daß dieser die Zahlung arglistig annimmt.

Die- bringt den Schuldner in die Gefahr, daß er nicht befreit wird, daß er noch einmal leisten muß, und doch verlangt sein Nichtwissen, sein guter

Glaube, Schutz.

Ferner konnte er sich gegen den alten Gläubiger, wenn

dieser die Forderung einziehen wollte, durch Einreden wirksam vertheidigen.

E- scheint zweifelhaft, ob diese Vertheidigung-mittel, welche au- Thatsachen

oder Berechtigungen zu entnehmen sind, zu denen der neue Gläubiger in

keiner Beziehung steht, auch gegen diesen gebraucht werden können, ob sie nicht verloren gehen müssen.

In beider Hinsicht schützt den Schuldner

der Grundsatz, daß durch die Cession seine Derpflichtnng in keiner Weise

erschwert werden, daß er durch dieselbe aber auch nicht gewinnen darf"").

Dieser Akt soll auf seine rechtliche Stellung ohne Einfluß sein. Er kann also guten Glauben- noch an den früheren Gläubiger zählen"') und sich dadurch befreien; er kann gegen den neuen Gläubiger die VertheidigungSmittel gebrauchen, die ihm gegen den ersten zustande«'"). Dieser RechtSsatz hat seine Begründung darin, daß Niemand ohne sein Wissen einer anderen Person verpflichtet werden kann, und daß jede- Recht nur ebenso auf einen Anderen übergeht, al- cS dem Veräußerer zustand, daß e- durch

die Veräußerung nicht bester und nicht schlechter wird'"). — So entsteht also zunächst für den Cessionar da- Bedürfniß, daß der Schuldner von seinem Recht-erwerb eine solche Kenntniß erlange, welche einer ferneren Leistung an den gewesenen Gläubiger den guten Glauben entzieht, welche

ihn an den

neuen Gläubiger bindet.

Denunziation,

erfährt'").

Diese- Bedürfniß befriedigt die

durch welche der Schuldner die geschehene Abtretung

Nach gemeinem Recht ist e- nicht unbestritten, ob diese Be­

kanntmachung nur vom Cedenten oder nur vom Cessionar oder von jedem dieser Beiden mit Erfolg geschehen kann.

tigere Annahme'“).

Die letztere ist aber die rich­

Da- A. L. R. läßt die Benachrichtigung

von dem

"") §. 408. d. T.

">) §. 413. d. T.

■”) §. 407. d T. -") 1. 54. 143. 160. § 2.1.175. §. 1.1. 177. pr. de R. J. §. 101. GiiiL j. A.L. R. Der Grundsatz, daß dem Schuldner die Einreden erhallen bleiben, ist nicht bloß, wie Koch, Ueberg. S. 190. »«nimmt, nach der Theorie von der Unübertragbarkeit der Forderung ju rechtfertigen, und nicht ein unmotivirt eingeschobener RechlSjatz.

'»*) §. 413 — 416. 418. d. T. Koch, Ueberg. S. 163 f. Grnchot B. 6. S. 151 f. Müsset in der Zcitschr. s. Sie. R. u. Proz R. F. B 12. S. 339. behauptet vom Mühlenbruchschen Standpunkt, daß erst die Denunziation die Cession vollende.

■’5) Nach der Theorie Mühlenbruch'S muß dem Cessionar die Benachrichtigung ob­ liegen, weil es sein Interesse ist, sich zum Schuldner in ein bestimmte« Recht«Verhältniß zu setzen und dadurch die volle Disposition über die Forderung zn er« werben. Wenn aber der Cession«akk selbst die Forderung aus den Cessionar überträgt, hat die Denunziation nicht die Bedeutung der Vollendung de« Geschäft«, sondern

Zweite» Buch.

638

Die besondere» Privatrechte.

einen oder anderen anSgehen, nur mit dem Unterschiede, daß die des Cedenten an sich selbst schon.den Schuldner an den Cessionar bindet, die de- letzteren aber noch von dem Nachweis seiner Berechtigung begleitet

fein muß"').

Dies geschieht hauptsächlich durch Vorzeigung des Schuld-

und CessionSinstrumentS "7).

Zur Benachrichtigung kann man sich auch

des Gerichts bedienen"'), ihre Erweisbarkeit wird dadurch sicherer, aber an ihren Erfordernissen nichts sonst geändert, d. h. wenn der Cessionar da- Gericht hierzu entast, so wird er nicht von jenem Nachweis seiner Legitimation frei.

Durch die Denunziation muß der Schuldner auch mit

den Maßgaben, unter welchen cedirt worden, z. B. mit der Bedingung bekannt gemacht werden "').

MS zur „gehörigen" Bekanntmachung ist der

gutgläubige Schuldner gesichert, wenn er an den alten Gläubiger zahlt, oder mit ihm sonst über die Forderung verhandelt"") — nicht weil dieser -noch Gläubiger geblieben und der Cessionar ein fremdes Recht ausübt,

also nicht weil solche Verhandlungen an sich giltig sind, sondern nur, wie da- A.L. R. sich bezeichnend ausdrückt:

„zu Gunsten des Schuldners."

Die Schlechtgläubigkeit wird chm daher auch noch vor der Denunziation nachtheilig"').

Wenn im gemeinen Recht nach der Regel causa lucrativa

pro dolo est der vom alten Gläubiger nach der Session bewilligte schen-

kungSweise Erlaß für den Schuldner immer ungiltig sein soll""), so wird

nur der Sicherung desselben gegen den Schuldner und da ist e« gleichviel, von wem er die Session erfährt. Daß der Cessionar denunziren müsse, behaupten unter Auderen: Mühlenbruch §. 8. Puchta a. a. O. S. 654. a. 6. Windscheid, Actio S. 193 f. Vaagerow III. ©. 112. 113. SinteniS ll. S. 811. Müsset a. a. O. Knorr im Arch. s. civil. Prax. B. 42. S. 312 f. B. 46. S. 74. Senfs. Atch. B. 6. Nr. 25. Daß Cessionar oder Cedent denunziren können: Glück B. 16. S. 424 sg Unterholzner I. S. 609. Bähr S. 422 sg. Heuser, kurhess. Annal. B. 9. S. 375. Seussert B. 3. R. 156. B. 15. Nr. 120., dessen Pand. S. 174. Rote 2., weil es nur darauf ankommt, die ignorantia debitoris zu beseitigen. 1.17 D. II, 15. §. 414.115. d. T. Die Legitimation muß innerhalb 3 Tage bescheinigt sein, sonst ist die Denunziation des Sessionars unwirksam, wenn der Sebent die Session bestreitet. §. 416. d. T. Code civ. 1691. läßt vom Sedenlen oder Cessionar benach­ richtigen. Da» österr. Ges. B. §. 1395. 96. läßt e» dahingestellt, von wem. Sächs. G. v. S. 999. wie da» A.L.R. Ueber die Pflicht de» denunzirenden Cessionar-, sich zu legitimiren, Lähr a. a. O. §. 15.17.18. Strieth. B. 34. S. 266.

"') g. 415. 395. d. T. Nach gemeinem Recht genügt, wenn die Denunziation nur so geschieht, daß der Schuldner überzeugt wird. Seuffert XI, 32. Aber der Schuldner ist berechtigt, die Vorlegung de» Session-instrument» zu verlangen. XL 136. '") S. 414. d. T. "') g. 418. d. T. '»«) g. 413. d. T. Strieth. B. 25. S. 28. B. 52. S. 70.

10 •) $.417. d. T. Die Schlechtgläubigkeit ist aber nicht bloße» Wissen von der Session, sondern zugleich die Absicht, „seinen Vortheil mit dem Schaden de» Sessionar» zu besördern," also Kollusion mit dem Sedenlen. Koch S. 166. *•*) Rach 1. 4. g. 29. 31. D. XLIV, 4. 1. 6. §. 11. D. XLII, 8. Bähr a. a. O. S. 419.

|. SS.

Recht-atttetnng.

639

man nach preußischem Recht nur annehmen können, daß er dem schlecht­ gläubigen Schuldner nicht nützt. Nach alle dem hat die Denunziation nicht die Bedeutung, daß sie den CessionSakt vollendet, sondern, daß sie den Schuldner und Cessionar in unmittelbare, rechtliche Beziehung zu ein­ ander bringt, daS Rechtsverhältniß zwischen Beiden sicher stellt"'). Wie oben gezeigt, kann ein späterer Cessionar vom Cedenten kein Recht mehr erwerben, weil eS der ältere Cessionar schon erworben. Hier fragt sich, ob, wenn der jüngere Cessionar den Schuldner zuerst benach­ richtigt, dadurch ein Vorzugsrecht vor dem älteren begründet werden kann. Dies ist zwar zu verneinen'"), aber der Schuldner ist jedenfalls befreit, wenn er unter solchen Umständen an den jüngeren gutgläubig gezahlt hat"'). Ebenso muß der Schuldner für berechtigt und verpflichtet erachtet werden, dem zuerst denunzirenden jüngeren Cessionar die Leistung vorzu­ enthalten, wenn er noch die ältere Cession rechtzeitig erfährt und selbst das Anerkenntniß, was er jenem gegenüber etwa bereits ausgesprochen, anzufechten "'). Die andere Folge des Grundsatzes, daß die Lage des Schuldner» durch die Cession nicht verschlimmert werden darf, ist die, daß ihm gegen den Cessionar alle Einreden erhalten bleiben, die er dem Cedenten hätte entgegenstellen können"'). Das A.L.R. macht hier keine Ausnahme je nach der Natur der Einreden, ob sie gegen die Forderung selbst oder nur gegen die Person des Gläubigers zustehen und hat damit eine Streitfrage beseitigt, die im gemeinen Recht seit den Nachglossatoren erörtert wor­ den"'). Insbesondere ist die Einrede der Arglist (exceptio doli), des

"") Di« Denunziation ist kein AneiqnuugS- sondern ein Sicherung-mittel für den Les. sionar. Windscheid, Actio S. 141 sg. 187 sg. saßt die Denunziation aus al„Besitzergreifung" der Actio. Dem steht entgegen, daß mit solchen figürlichen, gmwi-Erklärungen nicht- gewonnen wird. An einer Forderung oder Klage kann Besitz nicht «griffen werde». Gegen ihn Bähr a. a. O. S. 425 sg. "") Senfsert XIII, 246. A. M. Knorr im Arch. f. civil. Pr. B- 42. S. 312.

*"*) A. M. Koch, Uebng. S-161 f., weil er davon au»geht, daß der Cedent noch Gläu­ biger geblieben, daher auch noch später cediren konnte. E. für die Ansicht im Text Senffert, Pand. II. S. 174. Not« 2. Schäffer im Arch. f. prakt. R W. B. 1. H. 3. S- 149. B. 3. S. 403. Bähr S. 435 sg. Dagegen Müsset, Wind­ scheid, Actio S. 190. Wie im Text da- sächs. Ges. B. §. 973. ’"*) Ebenso, wie Cession von stattgefunden pr. D. XIII,

er dem Cedenten except. doli entgegenstellen kann, wenn er nach der ihm die Forderung noch einziehen will, mag die Denunziation schon haben, oder nicht. 1.16. pr. D. II, 14. 1. 25. 55. D. III, 3. 1. 18. 7 (S. oben Note 23.).

"") §• 407. d. T. Ausgenommen sind aber die Einreden gegen Hypothekensorderungen, welche gegen den Cessionar nur dann erhalten bleiben, wenn sie im Hypotheken­ buch vermerkt worden. Die- bezieht sich nur auf die Einreden gegen da- ding­ liche Recht au- der Hypothek. Koch, Ueberg. S. 192 f.

’°‘) Frauke im civil. Arch. iß. XVI. S. 417. Windscheid, Actio S. 181 fg. Die Glosse nahm noch an, daß der Schuldner alle Einreden gegen den Cedenten dem Cessionar opponirm könne (zu 1. 4. §. 28. D. Xl.IV, 4. v. except.). Die Post-

Zweite» Buch.

640

Dir besoudcreu Privatrechte.

Nachlasse- (exceptio pacti)”’), wie gegen den Cedenten so auch gegen den Cessionar zu gebrauchen. gehandelt"").

Ueber die Kompensation-einrede ist bereit- oben

Die Einreden müssen dem Schuldner selbst zustehen, er

kann also nicht durch die Behauptung sich vertheidigen, daß die Session nur zum Schein erfolgt sei, denn diese Einrede wäre au- der Person de- Ce­

denten entlehnt, und für ihn ohne Interesse'").

Sie müssen ihm zustehen

gegen den Cedenten (den ursprünglichen Gläubiger) oder gegen den klagen­ den Cessionar'"). nicht einzulaffen,

Auf Einreden gegen Zwischeninhaber hat sich Letzterer weil diese nicht- vom Schuldner gefordert haben'");

der spätere Cessionar muß sich aber deßhalb die Zahlung entgegensetzen lassen, die ein früherer Cessionar bereit- erhoben hat'").

Prozessualische

Einreden stehen dem Schuldner nur zu, wenn sie gegen seinen Prozeß­

gegner an sich begründet sind oder gegen den Cedenten schon prozessualisch begründet waren; ist z. B. der Cessionar ein Ausländer, so ist ihm die

Einrede der Kaution zu opponiren, wenn auch der Cedent ein Inländer war, und hat ein Inländer von einem Ausländer die Forderung erwor­ ben, so kann jenem die gegen diesen zulässig gewesene Kautionseinrede nur entgegengesetzt werden, wenn die Session im Laufe des Prozesses erfolgt,

und dadurch die Kautionsforderung schon entstanden ist'"). Ob der Schuldner gegen den Cessionar eine gegen den Cedenten begründete Wie­ derklage erheben kann,

ist zweifelhaft.

Die gemeinrechtliche Praxis ist

glossatoren stellten dm Unterschied auf von exe. iei cohaerentes und quae mere peraonam cedentis concernunt. Zu letzteren rechneten sie aber nur die exe. bauni et excommunicationis. Dies wurde später mißverständlich verallgemeinert.

””) Franke S. 430. 424. Mühleubruch S. 594. 599. Bangerow III. S. 126* 128. Auch die Einrede der Kompetenz bleibt erhalten. Bangerow S. 129. PrenßRecht: KouknrSordn. v. 1855 §. 434 sg. Koch, R. d. F. I. S. 428 sg. "") Oben §.94. S. 570 s. ’**) Präj. U554 (Samml. I S. 59.). Seussert XII, 337. Eiu Beispiel Strieth. B. 2. S. 183. Der Schuldner kann auch nicht dem gutgläubigen Cessionar entgegmsetzen, daß er mit dem Gläubiger verabredet habe, daß Cession nicht ftattfinden solle, wohl aber al« except. doli dem schlechtglänbigen Cessionar nach A.L.R. I, 4. §. 17. DreSdn. Ann. B. 4. S. 466. Der bairische Entwurf Art. 156. giebt dem Schuldner auch die Einreden, „welche au« der Beschaffenheit de« Abtretungsgeschäfts entspringen." Seussert II, 164. Der Schuldner hat die Einrede, daß der Cedent diSpofitionsunsähig gewesen. V, 11 ^pactum de non cedendo). XIII, 18.

Denn dieser macht gegen den Schuldner sein eigene« Recht geltend, muß sich daher auch gefallen lassen, daß ihm der Schuldner nur leiste, wenn er auch ihm zu leisten schuldig. Die 1.4. §. 18. D. XLIV, 4. giebt gegen den procurator in rem suani dem Schuldner au« dessen Person die doli exc. Unzulässig ist e«, dem Cessionar eine Einrede entgegenzustellen, die au« einem Recht-verhältniß entnommen ist, welche« dem Schuldner ganz fremd ist. Seussert VI, 176. Die exc. doli gen. gegen den Cessionar. Das. XI, 31.

"') §. 316. I, 16. A.L.R. ,H) Entjch. B. 46. S. 86.

’15) Koch, Kommmt. Note 8a. zu §. 384. d. T.

|. SS.

Se^tfoBttttang.

641

geneigt, sie ihm z« versagen'"), da- preußische Recht läßt sie ausdrücklich

zu, nur darf der Cessionar nicht auf den Ueberschuß über die abgetretene Forderung verurtheilt werden'").

Dadurch ist aber die Wiederklage auf

die Wirkung der Kompensationseinrede reduzirt.

gegen den Cessionar kann natürlich

Dem Gebrauch seiner Einreden

der Schuldner entsagen.

Solche Entsagung liegt darin, daß der Schuld-

ner in rechtsverbindlicher Art den Cessionar al» seinen Gläubiger für die

ihm

abgetretene Forderung anerkennt'").

Der

Schuldner muß

den

Cessionar als seinen Gläubiger anerkennen, er muß ihm gegenüber eine verpflichtende Erklärung abgeben; es genügt nicht, daß er ihn nur al-

Cessionar anerkennt und mit ihm über die Schuld verhandelt, denn ein

solche- Anerkennen ist nur ein thatsächliche- Zugeständniß, nicht verpflich­ tend'").

Da»

Anerkenntniß

muß

die

Forderung

nach

Qualität

Quantität, dem Recht-grunde und Gegenstand nach, genau bezeichnen. muß in rechtSgilttger Weise erklärt werden:

und ES

die- kann auch einseitig vom

Schuldner geschehen, und e» genügt, wenn der Cessionar stillschweigend annimmtSo erscheint diese-Anerkenntniß al» ein selbständiger Ver­

pflichtung-akt de- Schuldners,

welcher zwar den Recht-grund der abge­

tretenen Forderung weder ändert noch aufhebt, wohl aber durch Beseitigung

der gegen sie möglichen Angriffe verstärkt, indem eS auSdrückt, daß die Forderung nicht' allein giltig entstanden ist, sondern auch bi- zum Moment dieser Erklärung giltig fortbesteht.

Darum wirkt eS al- Entsagung, ist

aber nicht al» Novation aufzufaffen,

ohnehin sehr zweifelhaft ist.

Kein

deren Existenz im heutigen Recht

neue- Recht

ist

geschaffen,

sondern

'*1') Z. B. Lübeck bei Seusserl B. 12. S. 190. Ihre Zulässigkeil scheint aber au« 1. 33. §. 3. 1. 34. D. III, 3. hervorzugehen, denn der Cessionar Hai im Prozeß gegen den Schuldner ganz allgemein die Pflicht und da- Recht de» defendere für den Leden len. n:) «. G.O. J, 19. §. 7. Koch, Uedergang S. 199. Priv. R. B. 2. S. 151. Rote 23. Da- O. Lrib. Enisch. B. 22. ©. 25. hat angenommen, daß der Schuldner im Prozeß gegen den Cessionar seine Forderung aus Gegenleistung nicht bloß excipiendo, sondern auch reconveniendo und selbst durch neue Klage geltend machen kann, wenn er im Borprozeß zur Leistung an den Cessionar verurtheilt und zugleich in den Urlheilsgrüuden sestgestellt worden, raß die Leistung nur aus Gegenleistung zu er­ folgen habe. S. auch Strieth. B. 13. S. 91. *") §. 412. d. T. Gruchot B. 3. S. 30 sg. Z. B. wird dadurch die Einrede der nicht erhaltenen Palma beseitigt, außer bei Hypothekensordernngen, wenn wegen nicht gezahlter Valuta eine Protestatio» vermerkt ist. Strieth. B. 46. S. 224. ”’) Entsch. B. 11 S. 251. S trielh. B. 10. S. 185. Der anerkannte Gläubiger soll der wirklich eigne Gläubiger de- Schuldners werden und deßhalb giebt dieser die Einreden gegen den früheren Gläubiger aus. Da« Anerkenntniß muß dem Cessionar gegenüber erklärt sein: Präj. 1406 (Samml. I. S. 60.). ”") Sittich. B. 16. S. 31 . N. 1. S. 417. der Bl. f. R. Anw. 8.26. 1861. Bähr in Gerber und Zhering, Jahrbüter 8. 6. S. 170 f. 1862. Zaun im Arch. f. pr. R. W 8. 1. S. 113 f. v. Salpiu», Novation u. Delegation nach röm. R. 1864, §. 67 -69. 80.

Bei der Delegation kann, bei der Expromission wird immer in eine

Schuld succedirt; beide Geschäfte werden unter Mitwirkung des Gläubi­ gers errichtet, der den alten Schuldner entläßt, den neuen annimmt.

Novationscharakter haben sie im neuen Recht nicht mehr').

Den

Es entsteht

die Frage, ob parallel der Cession, die ohne Zuziehung des Schuldners die Nachfolge in eine Forderung bewirkt, auch ohne Zuziehung des Gläu­ bigers die Nachfolge in eine Schuld durch

ein Geschäft herbeigeführt

werden kann, welches lediglich zwischen dem Schuldner und dem Dritten, der in das Verhältniß eintreten soll, abgeschloffen wird, und ob ein sol­

ches Rechtsinstitut dem positiven Recht, insbesondere dem preußischen, be­ kannt ist.

erörtert

Die Theorie, hat diese Frage bis in die neueste Zeit ganz un­ gelassen,

obschon die ältere gemeinrechtliche Praxis nicht ohne

Spuren der Anerkennung eines solchen Instituts war.

Dies Ignoriren

ist nicht besonders auffallend: erst mußte das Dogma von der Unüber­ tragbarkeit der Obligation wieder beseitigt werden, ehe eine solche Unter­ suchung möglich

wurde.

Neuerdings hat Delbrück die Schuldüber­

nahme als selbständiges Rechtsinstitut wissenschaftlich zu begründen und

im positiven Recht nachzuweisen gesucht.

Anknüpfend an die ältere PraxiS

in Deutschland konstruirt er sie in folgender Weise ’).

Im neueren Recht

') Siehe vorigen §. 101. ') 3n dem angeführten Werk S. 16. sg. Im römischen Recht wurde, wie Salpiu» a. a. O. S. 433 f. nachgewiefen, die Passivsuccession durch Novation vollzogen: quod mihi Sejus debet, tu dare apondes? und die Klagsormel lautete dann: ei paret Sejnm centum dare operiere, Numerium Negidium centum condemna. Es war also ein Abkommen zwischen dem Gläubiger nnd dem Successor, der

654

Zweite« Buch. Die besonderen Privatreckte.

sind Forderung und Schuld BermögenSwerthe, der Veräußerung, d. h. des Ausscheidens aus dem bisherigen Vermögenöverbande und der Uebertra-

gung in ein anderes Vermögen fähig.

Wie bei der Cession die Forde­

rung aus dem Vermögen des Cedenten in das des CefsionarS übergeht,

so kann auch die Schuld aus dem Vermögen des Schuldners in dasjenige

eines UebernehmeS übergehen.

Wie die Cession keine Mitwirkung, des

Schuldners, so verlangt auch die Schuldübernahme keine Mitwirkung des Gläubigers; wie die Cession entweder durch eine ausdrückliche Erklärung geschieht oder die Folge bestimmter Rechtsereignisse ist, so auch kann die Schuldübernahme entweder ausdrücklich oder stillschweigend eintreten. Durch die Uebernahme zahlt der Uebernehmer mit der Schuld dem Schuldner,

und haftet ihm dafür, daß er vom Gläubiger nicht in Anspruch genommen Bis zu dem Augenblick, wo der Gläubiger den neuen Schuldner (den Uebernehmer) annimmt, wird das Rechtsverhältniß zwischen ihm und

werde ’).

dem alten Schuldner nicht geändert — es bedarf eines bestimmten Aktes *),

um den Gläubiger in ein Rechtsverhältniß zum Uebernehmer zu setzen — er erwirbt aber schon durch die Uebernahme eine Klage gegen den Uebernehmer5),

gleichwie auch bei der Cession der Schuldner noch vor der förmlichen Denun­

ziation an den Cessionar zahlen und dem Cedenten eine Einrede (exceptio doli) entgegenstellen kann. Bei so großer Aehnlichkeit zwischen Cession und

Schuldübernahme muß aber doch sofort auf den erheblichen Unterschied hingewiesen werden, der zwischen einer Succession in die Forderung und

einer*Succession in die Schuld besteht. Die Forderung kann ohne Schwie­ rigkeit einem anderen Gläubiger zugewendet werden; für den Schuldner

ist es ohne Interesse, ob er diesem oder jenem leiste,

wenn nur seine

Schuldner blieb außerhalb Die Stipulationcsormel drückte später auch die ma­ terielle causa der Schuld aus, z. B- 1. 24. D. XIII, 5. Die liberatorische Wirkung für den Schuldner beruht ebenso auf der Einigung zwischen (gläubiger und Ueber, nehmer. 1. 8 §. 5. in f. D. XLVI, 2. Die Schuld, die auf den Uebernehmer über­ ging, bjieb in ihrem RechtSgrund ungeändert, wie aus der citirteu 1. 24. D. XIII, 5. folgt. ES blieben also auch die Einreden, und eS kann an sich der pro* missio debiti alieni die Natur einer Aguition nicht beigelegt werden. 3) A. a. O. S. 18. 19. 49 f. *) A- a. O. S. 57. 5) A. a. O. S. 70. SalpiuS S. 5l0 f. bestreitet dieses Klagerecht des Gläubigers, indem er annimmt, daß dem Bedürfniß des Verkehrs genug gethan, wenn nur überHaupt eine Passivsuccession ermöglicht ist, und diese nicht dadurch verloren gehe, wenn der Succession-alt an einen Vertrag zwischen Gläubiger und Uebernehmer ge. knüpft wird. Er läßt diesen Vertrag auch durch stillschweigende Willenserklärung, ja selbst durch „öffentliche Erklärungen an das Publikum" ersetzen. Dadurch ist aber im Wesentlichen der Vertrag zwischen Gläubiger und Uebernehmer ausgegebeu. SalpiuS betrachtet den Uebernahmevertrag zwischen dem alten und neuen Schuldner als pactum de succedendo, welches erst die Vollendung erhalte durch den Zutritt des Gläubigers, und bringt die ganze Frage mit der bestrittenen Materie nach der Wirkung von Verträgen zu Gunsten Dritter in Zusammenhang. S. dagegen oben §. 75. Note 20. S. 410.

§ 102.

655

Gchuldübernahme

Verpflichtung dadurch nicht erschwert wird.

Darum scheidet bei der Cessio»

der Sebent au- der Obligation aus, auch wenn. eS der Schuldner nicht weiß oder nicht will.

Ander- bei der Schuldübernahme: e- ist dem Gläu­

biger keineswegs gleichgiltig, wer ihm leiste, denn für ihn ist die Leistungs­

fähigkeit von Bedeutung..

Man kann sich zwar seine- Recht- entäußern,

aber Niemand darf sich einseitig seiner Pflicht entziehen.

Darum kann

bei der Schuldübernahme der alte Schuldner nicht ohne Wiffen und Willen de- Gläubiger- au- der Obligation au-scheiden.

Wenn ihn der Gläubiger

nicht entläßt, so haftet er nach wie vor, nur neben ihm der Uebernehmer.

Der Gläubiger hat fortan zwei Schuldner, die zwar nicht solidarisch oder korreal nebenemander stehen, deren Verhältniß aber doch in . seiner Wir­ kung als Korrealität erscheint'). Da- praktische Bedürfniß für ein

solche- Institut äußert sich im

modernen Verkehr vielfach'): weniger bei vereinzelten Schuldverhältnissen,

weil e- bei diesen nie schwer sein wird, den Gläubiger herbeizuziehen und von ihm die Einwilligung für den neuen Schuldner zu erlangen, wohl aber in den zahlreichen Fällen, wo ein ganzer Vermögen-inbegriff mit

allen seinen Rechten und Pflichten, mit allen Aktiven und Passiven, oder wo mehrere Schulden, die auf einem Vermögen-stück lasten, wie die Hypo­

theken eine- Grundstück-, auf eine andere Person übergehen sollen.

Ist

e- einmal unbedenklich, daß bei der Erbschaft der Erbe Schuldner wird,

warum soll e-, nachdem da- Dogma der Unlösbarkeit der Obligation von

ihren ursprünglichen Subjekten beseitigt worden, besonders bedenklich fein, bei dem Uebergang eines Vermögens unter Lebenden den Erwerber deffel-

ben al- Schuldner anznsehen?

Unb gewöhnlich wird unter solchen Fällen

da- Herbeirufen de- Gläubiger- mit großen Schwierigkeiten verbunden sein, besonder- wenn viele Gläubiger bei dem Vermöge» betheiligt sind.

Da-

Veräußerung-geschäft würde wesentlich verschleppt werden, sein Zustande­

kommen mehr oder weniger dem Zufall anheim gegeben

sein.

Darum

hat auch die ältere Praxi-, wie Delbrück nachgewiesen, beim Erbschafts­

kauf"), bei der Schenkung eine- ganzen Vermögen-'), bei dem Bitalizien-

*) a. -. O. S. 116.

’) Delbrück S. 73 sg.

Motive zum bairischen Enlwurs S. 101 sg.

’) Nach 1. 2. C. IV, 39. hat der Gläubiger nur da« Recht, gegen den Erben zu klagen, und diesem bleibt überlassen, sich an den Käufer zu Hallen. Dagegen sagt Voet, Comment, ad Fand. t. III. lib. 18. tit. 4. n. 6.: quod nostris moribus mntatum esse et creditoribus in emtorem actiones oportere dari. Ebenso Hellfeld, jurispr. for. §. 1015. Hofacker, princip. jur. III. §. 1942. und ein sächs. Er. kenntniß bei Hartitzsch, Entscheidungen prakt. Rechtsfragen. 1840, Nr. 167. Delbrück S. 81. ’) Nach 1. 28. D. XXXIX, 5. soll der Empfänger, wenn er de» Gläubiger nicht be« friedigt, gezwungen werden, den beklagten Schenker im Prozeß zu vertreten. In 1. 72. D. XXIII, 3. wird den Gläubigern versagt, gegen den Mann, dem die Frau

Zweite« Vuch.

656

Die besondere» Privatrechte.

Bertrag"), bei Ankauf eine- HandlungSgeschästS ") die Schuldübernahme in

der Weise zugelafsen, daß dem Gläubiger gestattet Ivurde, gegen den Uebernehmer unmittelbar zu klagen. Sie ist sich hierbei besten wohl bewußt gewesen, daß sich eine solche Klage aus dem römischen Recht nicht herleiten lasse,

daß vielmehr moderne Rechtsanschauungen und Rechtsbedürfnisse die be­ wirkenden Fattoren seien"). Aber dies sind nur Zeugnisse dafür, daß daS Rechtsinstitut Anerkennung gefunden — civilistisch gerechtfertigt ist eS

bflmit noch nicht und es stehen selbst der Begründung, die ihm Delbrück gegeben, erhebliche Bedenken entgegen.

Indem dieser Schriftsteller an der

Unübertragbarkeit der Obligation festhält"), hat er sich die Konstruktton wesentlich erschwert.

Er scheidet ans dieser unübertragbaren Obligation

die.Forderung und Schuld nicht bloß auS, er löst sie von ihr ab und doch können beide von ihrem Grunde ebenso wenig getrennt werden, als, wie

Delbrück selbst, mit Recht hervorgehoben, die Trennung der Obligation von ihrer Ausübung gerechtferttgt erscheint").

Allerdings ist nicht bloß

die Forderung ein VermögenSwerth, sondern auch die Schuld; zwar nicht

in dem Sinne eines negativen Werths, denn dies ist ein Widerspruch in sich selbst,

sondern in dem Sinne, daß mit ihr der Uebcrnehmer dem

Schuldner (seinem Gläubiger) zahlen kann, daß dem Ersteren mit der

Schuld zugleich ihr Credit übertragen wird.

Der Uebernehmer hat den

Bortheil, nicht gleich baar zahlen zu dürfen, es kommen ihm die Kündi­

gungsfristen zu gut, die Schuld kann bei ihm stehen bleiben und deßhalb ist es erfahrungsmäßig z. B. im Verkehr mit Grundstücken eher eine Er­

leichterung als eine Erschwerung des Verkaufs, wenn der Käufer Schulden übernehmen kann. Darin liegt der positive Werth nicht sowohl der Schuld,

Der Uebernehmer fuccedirt in die Obligation von der Schuldnerseite, wie der Cessionar von der Glänbigerseite, eS bleibt

als der Uebernahme.

weder da noch hier bei dem ersten Gläubiger oder ersten Schuldner eine

forderungslose oder schuldlose Obligation zurück.

Eine solche ist Nichts.

Darum klagt auch der Gläubiger gegen den Uebernehmer mit derselben Klage auS der Obligation, die er gegen den Schuldner hat, und eö bedarf

nicht einer Erörterung der Frage, ob er eine andere und welche Klage er

,0) ") ’') ") ”)

ihr ganze» vermögen al« dos gegeben, wegen Schulden derselben zu klagen. Dagegen wieder Voet 1,5. lib. 39. tit. 5. §.2O., besonder« Leyser, med. spec. 494. m. 2., ebenso Berger, oecon. jur. II. tit. II. th. 28. not. r. Höpsner, Kommentar §. 410. Anm. 3. Dagegen für die Ausfassung de« röm- R. besonder« Faber, Carpzo w, Mevius decis. p. V, 272. 273. Delbrllck S 82 sg. Delbrück S. 86. Delbrück. S. 93 fg. Wie Voet sagt: nostris moribus mutatum est. Oben Note 8. «. a. O. S. 10. A. a. O. S. 8. a. E.

- 102. habe.

Schuldübrmahmr.

657

Delbrück leugnet die persönliche Klage") deS Gläubiger- gegen

den Uebernehmer, d. h. die Klage au- derjenigen Obligation, der die über­

nommene Schuld angehört, weil „zwischen dem Gläubiger und Uebernehmer keine Spur eine- obligatorischen Verhältnisse- bestehe", aber eS ist ihm

nicht gelungen, die Klage, die er dem Gläubiger gegen den Uebernehmer giebt, anderweitig zu individualisiren. er sagt:

Damit ist nicht- gewonnen, wenn

jeder, zu dessen Passivvermögen eine Schuld gehört, kann von

dem Gläubiger mit der „entsprechenden" Klage belangt werden, die „weder rein dinglicher noch rein persönlicher Natur sei"; denn welche ist die ent­ sprechende Klage, wenn nicht die au- der Obligation?

AuS der Ueber­

nahme kann sie nicht hergeleitet werden, denn diese ist kein Geschäft zwi­ schen Gläubiger und Uebernehmer.

Die Uebernahme giebt nur die Passiv-

legittmation, wie die Cesston die Aktivlegitimation.

Der Cedent überträgt

mit der Forderung sein Klagerecht, der Schuldner mit der Schuld seine Klagepflicht.

Nicht erst durch die Rechtsverletzung entsteht die Klage,-sie

ist der Obligation immanent").

Da- deutsche Sprichwort:

da- Eigen­

thum ist ein Amt, auf welche- sich Delbrück beruft, giebt kein Prinzip für die Klage,

sondern kann nur motiviren,

warum der Gläubiger die

Klage au- der Obligation gegen den Uebernehmer anstellen darf, obschon

er mit ihm in kein persönliche- Recht-verhältniß getreten ist, lediglich weil er der Eigenthümer de- Vermögen- oder Vermögen-theil- geworden, an

welchem die Schuld hastend gedacht wird.

Auch die Auffassung, daß die

au- der Obligation losgelöste Forderung und Schuld nicht mehr dem Obli­ gationenrecht, auch nicht dem Sachenrecht, sondern einem eignen Recht--

") A. a. O. S. 70 sg. Bähr, der -ei der (Session die Auffassung, daß der (Sesfionar ein procurator in rem euam sei, so entschieden zurückweiset, will bei der Schuld­ übernahme den Gläubiger gegen den Uebernehmer als procurator in rem suam aus Grund eines fingirten Mandats die Klage des Schuldners gegen den Uebernehmer aus der Uebernahme anstellen lasten (Jahrbücher a. a. O. S. 174.). Zaun a.a.O. 116. 118. führt die Schuldübernahme auf einen besonderen Bertrag zurück, durch welchm sich der Uebernehmer gegen den Schuldner anheischig macht, an besten Gläu­ biger Zahlung zu leisten. Die aus diesem Bertrage entspringende Klage des Schuldner- gegen den Uebernehmer wird dann dem Gläubiger auf Grund einer thatsächlich erklärten (Session (der Genehmhaltung deS Gläubiger-) als actio utilia gegeben. Tie Genehmhalmng findet in der Klagerhebung ihren Ausdruck, weil aber Ratihabition zurückwirkt, so hat der Gläubiger die actio utilis schon vom Zeitpunkt deS Uebernahmevertrags. Gegen diese Ausführung spricht, daß der Begriff der „thatsächlich erklärten Eession" ad hoc erfunden, und daß die Klage deö GläubigerS gegen den Uebernehmer direkt nur auf Zahlung geht, die Klage des Schuldners gegen den Uebernehmer auf Befreiung von der Schuld, mithin einen anderen In­ halt hat. UebrigenS sind auch schon ältere Praktiker aus eine stillschweigende (Session zurückgegangen. So Mevius dec. VIII, 439. 440. Delbrü ck S. 89 s., der mit Recht sagt: „das Wunderbarste bei dieser (Session ist, daß sie erfolgt nicht zwischen (Sebent und Eessionar, sondern zwischen (Sebent und Schuldner." Was gegen eine solche fingine (Session einzuwenden, gilt im Wesentlichen auch gegen Bähr'S fingirteS Mandat.

l6) Oben S. 228. 281. F oerft er, Preuß. Privatrecht.

42

Zweite« Bich.

668

Die besonderen Privatrechtr.

gebiete zwischen diesen beiden angehören, entbehrt zu sehr der klaren und festen Umgrenzung, als daß ihr beigestimmt werden kann ").

Und endlich,

wenn Delbrück den Inhalt der Uebernahme nur darin findet, daß der

Uebernehmer dem Schuldner dafür haste, daß er vom Gläubiger nicht in Anspruch genommen werde, nicht aber auch darin, daß der Uebernehmer

von der Schuld befreie, wenn er also dem Schuldner das Recht ab­ spricht, den Uebernehmer zu irgend einer positiven Thätigkeit in Bezug auf die Schuld zu drängen, so reduzirt er den Werth der Zahlung, die in der

Uebernahme liegen soll, auf eine bloße Eviktionsleistung, der Schuldner

erlangt nur einen Regreß an den Uebernehmer, wenn er in Anspruch ge­ nommen worden.

Damit ist aber dem Institut die praktische Spitze ab­

gebrochen, durch die Uebernahme will der Schuldner frei werden, der Uebernehmer soll die Schuld auf sich nehmen als eigene.

Nicht eher ist

die Succession deS Uebernehmer- in die Schuld vollendet, nicht eher ist

diese au- dem Vermögen des Schuldners heraus, als bis er von ihr besteit worden.

Darin eben liegt die Zahlung, daß

das Vermögen des

Schuldners durch die Uebernahme auf Höhe der übernommenen Schuld

wirklich vermehrt wird, nicht darin, daß hinterher der Schuldner, wenn er den Gläubiger hat befriedigen müssen, sich bei dem Uebernehmer seines

Schadens erhole.

Darum ist die Uebernahme eine Verpflichtung zur

Befreiung und der Schuldner muß das Recht haben,

auf diese Be-

steiung zu dringen.

Aber bei einer Darstellung deS preußischen Recht- ist doch die

wichtigste Frage, ob in ihm die Schuldübernahme als Rechtsinstitut vor­

kommt und anerkannt ist.

sie gegeben;

DaS A. V. R. hat keine besonderen Regeln für

einzelne Anwendungen sind aber nachzuweisen und in einem

besonders wichtigen Fall, der Uebernahme von Schulden auf den Kaufpreis

bei Grundstücken,

ist in Folge älterer Praxis die Frage auch legislativ

erörtert und hat in der Deklaration vom 21. März 1835 in Betreff dieses

Falles einen Abschluß erlangt, der die Eigenthümlichkeit der Schuldüber­

nahme verleugnet.

Die Schuldübernahme erscheint im A. L. R. zunächst bei dem Erb-

schaftSkauf").

Der Käufer

tritt in alle Pflichten

deS Erben,

der

’7) Delbrück S. 14. Nach ihm S. 12. a. E. sind Obligationen nicht Sachen, sondern erreugen Sachen, d. h. eine Forderung und eine Schuld. „Dem Sachenrecht ge­ hören sie (nämlich Forderung und Schuld) an, insosern sie al» Sachen gelten und Fruchtgenuß, sowie Veräußerung gestatten, sie entziehen sich aber dennoch wieder deu Grundsätzen diese» Gebiet», indem sie nur Werthe, vorgestellte Sachen sind, und Besitz an ihnen nicht denkbar ist." Danach wäre zwischen da» Obligationen, und Sachenrecht ein Recht-gebiet einzuschieden, welchem die aktive und passive Singularsuccession in Schuldverhältnisie zuzuweisen wäre, und welche- daher Forderungen und Schulden al» Verkehr-objekte, al- vorgestellte Sachen zu behandeln hätte. ") «.L R. 1,11. §. 454. 463. VII, 22.

Ander« nach röm. R. 1. 2. C. XVIII, 4.

Seufsert

f. 102.

Gchuldüberuahmr.

669

Gläubiger kann den Erben oder Käufer unmittelbar belangen “).

Sodann

bei dem Bitalizien-Vertrag, wenn dabei ein ganzer BermögenSinbegriff übertragen wird").

Zwar ist gesagt, daß hier unter Vermögen nur

dasjenige zu verstehen, was nach Abzug der Schulden übrig bleibt, eine wörtliche Ueberfetzung einer bekannten Stelle im corpus Juris“).

Allein

grade hierin zeigt sich, daß die Schulden am Vermögen hasten, aus ihm bezahlt werden müssen, daß also der Rentenverkäufer, der das ganze Ver­

mögen empfangen, weil er im Besitz der Befriedigungsobjekte für die Schul­

den ist, aus diesem Vermögen für sie aufkommen muß.

Obertribunal auch den Rechtssatz

aufgestellt"):

Darum hat das

derjenige,

welchem ein

ganzer BermögenSinbegriff durch einen Bitalizienkontrakt übertragen wor­ den, ist den Gläubigern des Uebertragenden, auch wenn sie dem Vertrage nicht beigetteten sind,

unmittelbar verhaftet.

Bon der Schenkung

eines ganzen Vermögens schweigt das A.L.R., es ist indessen nicht bedenklich, hier daffelbe anzunehmen: der Beschenkte hastet den Gläubigern

deS Schenkenden unmittelbar, Legatarien

denn es ist dieselbe ratio legis").

erwerben eine dirette Klage gegen

Die

den Intestaterben,

wenn dieser in Folge eines Vergleichs vom Testamentserben einen Theil

des NachlaffeS erhalten, denn damit hat er die Nachlaßschuld übernom­ men").

Bei allen diesen Rechtsgeschäften ist der Uebergang der Schuld

**) Aber nur soweit, al« die Erbschaft reicht, hastet ihr Säufer, während der Erbe, wenn er eS ohne Vorbehalt geworben, noch darüber hinaus haftet. Die Schuld­ übernahme verpflichtet den Uebernehmer nur als Erwerber des Vermögens, an dem die Schuld haftet. ie) Anh. §. 19. zu A. L.R. I, 11. §. 646. Ueber die Entstehungsgeschichte des Anh. §. f. Delbrück S. 86 fg. Löwenberg, Motive B. 2. S. 28 f. 95. 116. Das Kontlufum der Gesetzkommisfion v. 11. Ian. 1796 bei Stengel, Beitr. B. 2. S. 283 f. ”) 1.39. §. 1. de V. 8. Bona intelliguntur cujusque, quae deducto aere alieno supersunt. In den römischen Rechtsquellen wird dadurch der Gegensatz von Aktivund Passivvermögen bezeichnet, und in der 1. 72. pr. D. XXIII, 3., daß bei der Hingabe deS ganzen Vermögens der Frau als dos angenommen werden soll, daß nur soviel von den Gütern in promissione sei, als nach Bezahlung der Schulden übrig bleibt. Daraus kann aber ebenso gut gefolgert werden, daß die Gläubiger der Frau sich an ihr Vermögen halten können, gleichviel, ob es sich noch bei ihr befindet, oder auf ihren Mann übergegangen ist, und der praktischere Weg für die Gläubiger ist offenbar, daß fie — wie es das preuß. Recht gestaltet — unmittelbar an den sich halten können, der das ganze Vermögen hat. Für sie ist die Frage ob in Folge von Universal- oder Singularsuccession sehr irrelevant. ES kann daher Göppert (Beiträge z. Lehre v. Miteigeuthum nach A.L. R. 1864*S. 117.) nicht beigetreten werden, der den Anh. §. 19. schlechthin als irrationell bezeichnet. Ueber die vielfach interpretirte 1. 72. s. besonders Delbrück S. 82. UebrigenS kann sich der Gläubiger nicht mit der actio judicati an den Erwerber des Vermögens halten, er muß selbständig gegen diesen klagen, daS Urtheil gegen den Veräußerer bindet letzteren nicht. Strieth. B. 53. S. 201. Bon dieser Ansicht weicht Glück B. 25. S. 15. ab. Delbrück S. 83. ") Entsch. B. 7. S. 67. 74. ") A.L.R. 1,11. §. 1087. u. Koch, Komment. Note 48. zu diesem §. ") «.L.R. I, 16. §.440.441.

Die besonderen Privatrechte.

Zweite« Buch.

660

auf den Uebernehmer eine von selbst eintretende Folge; er kann aber auch bei anderen Geschäften bedungen werden, und eS frägt sich, ob der Gläu­ biger auch hier eine Klage gegen den Uebernehmer erlangt, wenn er bei

dem Geschäftsabschluß sich nicht betheiligt hat.

Vor allem gehört hierher

die Uebernahme eines Gutes mit „Schuld und Unschuld", „mit Last und Lust".

ES ist bezeugt, daß die Praxis niemals darüber gezweifelt,

dem Gläubiger gegen den GutSannehmer eine direkte Klage zu gestatten —

weil Letzterer dasjenige VermögenSobjett erworben, an welchem die Schuld hastet").

Nach der Erbtheilung hat der Gläubiger das Recht, seine

Forderung an den Nachlaß von demjenigen Miterben einzuziehen, dem sie als Schuld überwiesen, die anderen Erben haften nur aushilfsweise").

Schwieriger ist die Beurtheilung des Falles, wenn eine Handlung mit allen Passiven veräußert wird").

Der Handelsbrauch zweifelt auch

hier nicht, daß der neue Eigenthümer der Handlung für die älteren Schul­

den als Uebernehmer den Gläubigern unmittelbar haftet, wenn die Ueber­ nahme öffentlich bekannt gemacht worden").

Aber eine gesetzliche Aner­

kennung ist dafür nicht nachzuweisen, selbst das deutsche Handelsgesetzbuch

Wer in eine Handelsgesellschaft eintritt,

spricht sich hierüber nicht auS.

hastet zwar den Gläubigern auch für die älteren Schulden direkt"), aber er übernimmt nicht statt der bisherigen deren Schulden, sondern er tritt

nur neben sie,

die Gesellschaft als das verpflichtete Subjekt bleibt un­

geändert. Täglich kommt es vor, daß der Käufer eines Grundstücks die auf

demselben hastenden Hhpothekenschulden auf sein Kaufgeld ver­ Es entsteht die Frage,

rechnet, sie übernimmt.

gläubiger gegen den Käufer nur

ob der Hypotheken­

seine hypothekarische Klage behält und

diese nur soweit geltend machen kann, als ihm das verpfändete Grundstück

Beftiedigung bietet"), oder ob er auf Grund der im Kaufvertrag enthal­ tenen Uebernahme seine persönliche Klage gegen den Verkäufer nunmehr

auch gegen den Käufer anstellen darf.

Die Frage ist in der älteren Praxis,

d. h. in der aus der Zeit vor 1835 verschieden beantwortet worden.

Ein

") Arnsberger Archiv v. 5. S. 355. Runde, die ersrühete Erbfolge, in der Zeitschr. f. deutsche« R. B. 7. S. 18. 19. Da« A. L. R. kennt ein besondere« Institut der GutSübernahme-Beriräge nicht; seine Eigenthümlichkeiten sind provinzialrechtlich.

H) « L R. 1,17. §. 131.137.

Delbrück S. 92.

") Delbrück S. 93. Seussert XI, 83. Die Schwierigkeit liegt darin, daß da« zur Handlung gehörige Vermögen kein so bestimmt adgcschlosiene« Ganze ist, man als» nicht mit Sicherheit sage» kann, ob und wie weit di« Schuld nur an ihm haste uud mit ihm übergehe. Vergl. die Leräußerung eine« Gewerbe-Etablisfemenk«: Seujsert VII, 21.

**) S. die Nachweisungen bei Delbrück S. 94 sg. ") Deutsche« H.G.V. Art. 111. 112. 113.

’’) Rach A.L.R. I, 20. $. 53. 54.

Busch, Arch. s. Handelsrecht«. 1. S.25.

Da« würde auch ohne Uebernahme eintreten.

z 102.

Schaldüternahme.

661

Erkenntniß deS Obertribunals vom Jahre 1816") spricht gradezu auS: „wer bei einem Gutskauf eine Personalschuld deS Verkäufers in partem pretii

übernimmt, der tritt dadurch in deffen Personal-Verbindlichkeit gegen den

Gläubiger."

Aber die Motivirung ist schwach, sie'wird darin gefunden,

daß der Gläubiger von dem Uebernehmer Zinsen und Kapital gefordert, und dadurch dem Vertrage zwischen diesem und dem Verkäufer beigetreten

sei.

Dann ist aber nicht die Uebernahme, sondern der Beitritt der wir­

kende Faktor, und unter den Begriff der Verträge zu Gunsten Dritter

können solche Uebernahme-Stipulationen nicht gebracht werden, weil weder der Verkäufer noch der Käufer die Absicht haben, den Vortheil deS ab­ wesenden Gläubigers zu begünstigen, sondern jener, sich von der Schuld

zu befreien, dieser, sein Kaufgeld zu belegen.

In einem anderen Erkennt­

niß vom Jahre 1823") wird dem Gläubiger die direkte Klage gegeben,

weil er durch die Klaganstellung die Genehmigung zur Expromission ertheilt habe, und weil sonst eine unnöthige Vervielfältigung der Prozesie hervor­

Eine Expromission liegt aber hier nicht vor, und der letztere Grund ist unjuristisch, obgleich grade er das praktische Bedürfniß gerufen würde.

für die Klage deS Gläubigers gegen den Uebernehmer zu bezeugen scheint. Ans den späteren Erwägungen, die die Frage vom legislativen Standpunkt

erfahren"), ersieht man, daß die Gründe für und wider sich an bestimmte gesetzliche Aussprüche nicht anknüpfen ließen, daß man Analogien oder in­

direkte Beweise herbeiführte, von denen keiner paßte oder entscheidend er­

schien.

DaS Resultat war, daß man, offenbar unter dem Einfluß der

damals allein herrschenden neueren romanistischen Theorie der Unlösbar­ keit der Obligation von ihren ursprünglichen Subjekten"), die persönliche

Verpflichtung des Schuldübernehmers gegen den Gläubiger verneinte Md

eine solche nur dadurch herbeiführen ließ, daß entweder zwischen dem Er­ werber und Gläubiger ein besonderer Vertrag darüber abgeschlosien würde,

oder der Verkäufer dem Gläubiger seinen Anspruch abtrete.

oder Kapitalzahlungen des Uebernehmer-

führen

pflichtung gegen den Gläubiger nicht herbei").

Selbst Zins-

feine persönliche Ver­ Mit dieser Feststellung

") Recht-sprüche 8.1. S. 116. ") Daselbst -S. 17.18. Zehn Jahre später siegte die entgegengesetzte Anficht. Io einem Erkenntniß v. 1833 (Rechlspr. B 3. S. 166.) ist der Grundsatz an-gesprochen: der Käufer eine« Grundstück- wird durch die Uebernahme der Hypothek aus Rechnung de« ikansgelde« allein dem Gläubiger nicht persönlich verpflichtet. S« wird die« au» den §§. 75. 76. I, 5. hergeleitet: daß diese nicht hierher paffe», s. oben Text und S 410. Rote 20. ") Löwenberg, Motiv« 8.1. S. 309—329. Sergi, dazu den Aufsatz von O-wald in Simon u. Strampff Zeitschr. 8. 2. S. 262 fg.

”) Delbrück S. 101.103.

Simon u. Strampsf, Zeitschr. 8.2. S. 262 fg.

’*) Deklar. v. 21. März 1835. Eine Ausnahme tritt bei nothwendigen Subhastationm hervor. Der Adjudikatar, ter die Kausgrlder nicht zahlt, oder Hypotheken zur An«

Zweite« Buch. Die besoudrren Privelrrchte.

662

wollte man jedoch der Prüfung de» Prinzip- im Allgemeinen nicht vor­

greifen"). Die Deklaration vom 31. März 1835, bestimmt die Zweifel zu be­

seitigen, die sich an §. 54. I, 20. A.L.R. angeknüpft hatten, hat diesen Mit aller Schärfe ist da- Prinzip hingestellt, daß

Zweck nicht erreicht.

durch die Uebernahme der Hypothek der Uebernehmer in kein persönlicheRecht-verhältniß zum Pfandgläubiger tritt.

Die Uebernahme erzeugt ein

solche- nur zwischen dem Schuldner und Uebernehmer de- Inhalt-, daß

der Uebernehmer den Schuldner von der Verpflichtung gegen deffen Gläu­ biger testete.

Selbst nicht, daß der Gläubiger vom Uebernehmer Zinsen

oder Zahlungen auf da- Kapital erhält und annimmt, ist geeignet, zwischen

diesen Beiden ein Recht-verhältniß hervorzurufen").

Deßhalb muß die

Praxis dem Gläubiger die Befugniß versagen, vom Uebernehmer mit der persönlichen Klage die Zinsen einzuklagen").

Die Obligatton zwischen dem Schuldner und Uebernehmer besteht also darin, daß Letzterer den Ersteren von seiner Schuld befreie.

E- ist

streitig geworden, ob in der Befreiung-pflicht auch die Zahlung-pflicht ent­ halten sei, d. h. ob durch die Uebernahme der Schuld der Erwerber gegen

den Veräußerer persönlich verbindlich werde, ihn entweder durch Zahlung oder auf andere Art von der Schuld zu befreien. Da- Obertribunal hat diese Frage bejahet").

Der Käufer zahlt durch die Uebernahme; wie er

rechnung übernimmt, wird den Hypothekengläubigern persönlich verhaftet und der Sub. hastat 'scheidet aus der Schuld aus. Entsch. B. 10. S. 152 fg. Dies wird dadurch

gerechtfertigt, daß der Adjudikatar durch die Uebernahme dem Gläubiger, nicht dem Subhastaten, zahlt, denn der Zweck der nothwendigen Subhapation ist die Befriedigung der Gläubiger, nicht der Berkaus im Interesse de- Besitzers. Wenn also auch dieser alö der eigentliche Verkäufer gedacht werden maa, so ist er doch nicht derjenige, an welchen zu zahlen ist. A M. Delbrück S. 68. Vergl. noch Rechtspr. B. 4. S. 325 f. und zur DeN. v. 21. März 1835: Entsch. B. 1. S. 90. B. 15. S. 221. über da- Verhältniß des Uebernehmer- zum Schuldner. ••) Löwenberg S. 330. oben.

S1) §. 2. der DeN.

3g) Präj. 1478 (Sammt. -u §. 54.1, 20. Note Sache nicht zugleich lauge, als er sich im

I. S. 111.). Jurist. Wochenschr. 1837 S. 10. Koch, Komm, 50. mit Berufung aus §. 8.1, 19: „Ist aber der Besitzer der persönlich verpflichtet, so dauert seine Verbindlichkeit nur so Besitz der verpflichteten Sache befindet."

’•) Rechtspr. B. 3 S. 170. Entsch. B. 1. S 90 s. Hier wird namentlich auch Bezug genommen auf §.11.11,3. A. G. O. Absatz 6., wonach der Verkäufer vom Richter bedeutet werden soll, daß er durch die Uebernahme von seiner Schuld nicht frei werde, vielmehr e- seine Sache sei, dafür zu sorgen, daß entweder der Käufer die Schuld berichtige oder die EntlassungS-Ertlärung des Gläubigers herbeischafie. Wenn nun auch hier der Recht-satz nicht di-positiv, sondern nur als Inhalt einer Belehrung hingestellt ist, so kann doch darin eine Anerkennung desielben gewiß gesunden werden. Im Schles. Arch. B. 1. S. 167. ist noch mit Recht hervorgehoben: verbliebe die Obligation beim Verkäufer, so hitte er insofern für die verkaufte Sache keinen Preis empfangen. Das wirkliche Abnehmen der Schuld kann nur in der Befreiung be. stehen, und wenn diese nur durch Zahlung zu erreichen, so muß fie der Verkäufer verlangen dürfen. Vergl. auch Schles. Arch. B. 1. S. 171. Entsch. B. 7. S. 298.

j 108.

Schnkdübrrnahme.

663

zur Zahlung des Kaufgelde» persönlich verpflichtet ist, so wird er auch durch die Uebernahme persönlich gegen den Veräußerer verpflichtet, deffen

Schuld an den Gläubiger abzuführen, wenn er die Befreiung nicht auf Die persönliche Schuld de» Veräußerer»

andere Weise bewirken kann.

geht durch die Uebernahme al» persönliche Schuld auf den Erwerber über, und dieser wird nicht dadurch von der Verbindlichkeit frei, daß er da» Grundstück, auf welchem die übernommene Hypothek hastet, weiter ver­ äußert und sie sich wieder von seinem Käufer abnchmen läßt.

Die ent?

gegenstehende Ansicht behauptet"), die Befreiungspflicht enthalte nur die-,

daß der Käufer dem Verkäufer für alles gerecht werden müsse, wa» dieser

dem Gläubiger wirklich gezahlt habe, weil sonst der Verkäufer ja gleich nach Abschluß des Uebernahme-Vertrages berechtigt wäre, von dem Käufer die Befriedigung de» Gläubiger» zu verlangen, und damit der Zweck der Uebernahme vereitelt würde.

Diese Motivirung ist aber gewiß unhaltbar

— ebenso gut wird der Zweck der Uebernahme zum Nachtheil de» Schuld­

ner» vereitelt, wenn desten Recht nur darin bestehen soll, daß ihm der Uebernehmer zur Eviktionsleistung verpflichtet ist.

Allerdings ist der Ueber-

nehmer verpflichtet, alsbald die Befreiung de» Verkäufers zu bewirken, also entweder vom Gläubiger eine Entlassung de» letzteren herbeizuschaffen, oder sobald dies zulässig, die Post zu kündigen "). Dieses Alsbald ist nur gebunden an die Modalitäten, welche filr die Zahlung dieser Schuld fest­

gestellt worden..

Da der Gläubiger nicht genöthigt werden kann, unter

anderen Modalitäten in Betreff der Zeit, de» Ortes n. s. w., die Zahlung

anzunehmen, so kann auch bet Schuldner vom Uebernehmer nicht verlan­ gen, daß er stüher oder anders leiste, als er selbst zu leisten gehabt hätte"). Die BesteiungSpflicht de» UebernehmerS erschöpft sich aber nicht schon durch

die Zahlung der Schuld; er muß die Löschung der Post im Hypotheken­ buch bewirken, und weun die Post auf mehreren Grundstücken eingetragen,

auch die Löschung bei diesen").

Da jedoch der Eigenthümer eines Grund-

stück» berechtigt ist, die bezahlte Hypothekenschuld nicht löschen zu lasten,

sondern auf Grund der erhaltenen Quittung weiter zu cediren, so kann

(Pl. Beschl.); Präjudiz der kkammergericht» Ar. 18. in bat Ergänz. 4. A. 1. S. 657. Sp. 2. Nr. 7. Strieth. B. 6. S. 342 B 49. ®. 318. Oswald in Simon und Strampfs, Zeitschrift, B. 2. S. 262. -och, Uebergang S. 44. '") Schles. Arch. I. S. 164. 165.

*') Strieth. v. 18. S. 152. ") Erusch. B. 19. S. 203. Strieth. B. 2. S. 292. Beide Entscheidungen wider­ sprechen sich nicht. T» ist nicht nöthig, daß der Gläubiger den Schuldner schon in Anspruch genommen habe; der Uebernehmer soll verhüten, daß es Lberhairpt geschehe.

") Strieth. B. 18. S. 152. Der Uebernehmer kann sich nie in Unwissenheit darüber befinden, daß filr die übernommene Post außer dem von ihm erworbenen Grund­ stück noch «in andere» verhaftet sei, weil ihm die» sein Hppothekenfolium anzeigt, und er muß den Berkäufer gänzlich befreien.

664

Bwritrt Vuch.

Di« fctfenbertn Privatrechte.

die- Recht auch dem Uebernehmer nicht entzogen werden.

Nur muß in

diesem Fall die Befreiung de- Schuldners durch die Cesfion des Ueber«

nehmerS eintreten: der Cefsionar erwirbt kein persönliches Recht gegen den BerkSufer "). Ein Rechtsverhältniß zwischen dem Uebernehmer und dem Gläubiger,

so daß dieser gegen jenen auf Zahlung klagen kann, läßt die Deklaration

entstehen entweder durch besonderen Vertrag zwischen Beiden oder durch

Session deS Anspruchs des Schuldners an den Uebernehmer. dere Vertrag ist alS Expromission

aufzufassen").

Der beson­

Zweifelhafter ist die

Begründung der Cession. Die Deklaration sagt"): „Wenn jedoch der Erwerber nicht bloß die Pfand- und Hhpothekenschnlden übernimmt, son­ dern außerdem zu deren Tilgung sich besonders verpflichtet, so ist der

Veräußerer befugt, seinen Anspruch aus diesem Versprechen den Gläu­

bigern abzutreten."

Welches sind die Voraussetzungen, welches ist der Ge­

genstand dieser Cession?

Zunächst scheint der Wortlaut deS §. 3. darauf

hinzuführen, daß die Voraussetzung der Cession nicht die Uebernahme als

solche, sondern außerdem noch eine persönliche Verpflichtung zur Tilgung

sein solle.

Daraus würde folgen, daß in der Schuldübernahmc an sich

eine Tilgungspflicht noch nicht liege, diese besonders versprochen werden müsse; allein so hat die Praxis, wie oben erwähnt"), das Gesetz nicht er­

klärt, sie stellt die bloße Uebernahme dem ausdrücklichen Versprechen der persönlichen Tilgung gleich — mit anderen Worten: in der Uebernahme

liegt die Zahlung-pflicht, weil Zahlung eine BefteiungSart ist, und die

Obligation deS Uebernehmer- darin besteht, daß er den Schuldner befreie. Daß diese Auffassung der Praxis an sich richtig ist, wurde oben auSgeführt;

dann aber muß zugegeben werden, daß die Faffung des §. 3. eine sehr verunglückte ist48).

Die Voraussetzung der Cession ist also die auSdrück-

") Anh. §. 52. ,u l, 16. §. 484. und Dekl. v. 3. April 1834. Entsch. B. 33. S. 370. Strielh. B. 22. S. 225. «. 28. S. 23.

") Delbrück S. 76. erklärt «inen solchen Bertrag für eine juristische Selbsttäuschung, weil

677

Entgelt"), Nießbrauch"), Verträge über Handlungen“), Bollmachtsauf­ trag gegen Entgelt"), die Verpflichtung de- Benefizialerben gegen die ErbschastSgläubiger"), entgeltliche Leihe").

3. Einseitiger Vortheil — Vertretung des geringen Versehen-: der Kommodatar"). Dies sind die regelrechten Anwendungen des aus dem gesuchten Vor­

theil entnommenen Prinzips.

Für die Ausnahmen nach beiden Seiten

müssen hesondere Gründe vorhanden sein.

4.

Ausnahmsweise Steigerung der Vertretung-pflicht.

Sie

wird begründet: a. Durch freiwilliges Aufdrängen zu der vertragsmäßigen Sorgfalt").

So bei der Verwaltung einer fremden Erbschaft"), bei der

austraglosen Geschäftsführung"), bei der auftraglosen Besorgung vormund­ schaftlicher Angelegenheiten"); in diesen Fällen ist für geringe- Versehen

zu hasten.

Für mäßige- Versehen dagegen, statt für grobe-, steht der ein,

der sich zur Aufbewahrung angeboten"). b. Durch das besondere per­ sönliche Vertrauen auf die Aufmerksamkeit und Sachverständigkeit de- Ver­ pflichteten. So hei dem Auftrag an einen Kunst- und Sachverständigen: hier haftet der Beauftragte ohne Entgelt statt für die in eignen Ange­ legenheiten gewöhnte Aufmerksamkeit für mäßiges, und mit Entgelt statt für mäßige- für geringe- Versehen").

Bei dem Gastaufnahme-Vertrag

’*) I, 11. §. 542. 543. Nach 1. 3. C. IV, 33. bezieht sich da- periculum immer nur auf wirkliche Unglücksfälle (marinae tempestatis discrimen etc.), nicht auf dolus und culpa de- andern Theils. Dafür muß dieser also einstehen Die Kategorie der gewagten Geschäfte als eines Gattungsbegriffs kennt übrigens das römische Recht nicht. ’°) I, 14. 8- 17. 71) I, 21. §. 15. 16. 105. 132. L 65. pr. D. VII, 1.. debet en im omne, quod diligens pater familias in sua domo facit, et ipse facere. Also levis culpa in abstracto. ") I, 11. 8- 879. I, 5. $• 360. 277 fg. Zum Wesen solcher Verträge gehört der bei­ derseitige Vortheil. I, 11. §. 870. ") I, 13, 8- 56. ’*) I, 9. §. 445. 1. 26 8. 1 1. 47. § 5. D. de leg. I ") I, 21. §. 249. ’•) I, 21. §. 248 ,7) Dieser Gesichtspunkt ist im römische« Recht (1. 1. §. 35. D. XVI, 3. 1. 53. §. 3. D. XLVII, 2.) anerkannt, und auch dem älteren deutschen Recht nicht unbekannt. Förster in der Zeitschrift für deutsches R. B. 9. S. 108 fg. A. M. Stobbe S. 298 fg. Die älteren deutschen Praktiker haben ihn auch hingestellt. Leyser, spec. 554. med. 1. Höpfner, Komment. §. 759. 942. Glück B. 4. g. 324. b. Sächs. G. v. §. 729. Bairische Entw. Art. 110 111. ••) I, 9. 8 457. ") I, 13. 8- 245. 30) II, 18. 8- 281. 1. 53. 8. 3. D. XLVII, 2 31) I, 14. 8 18. Nach röm. R. für omnis culpa. 1. 1. g. 35. D, XVI, 3. ”) I, 13. 8- 57. 58.

3»eitrt Buch.

678

Dir kfcnbnot Privatrrchte.

(receptum)"), bei der Vormundschaft"),

c. Durch da- Gesetz: bei den

unmittelbar au- dem Gesetz entspringenden Verbindlichkeiten ist geringeVersehen zu vertreten (I, 16. §. 13.).

5.

Ausnahmsweise Ermäßigung der BertragSpflicht.

mäßigung

besteht

darin,

Die Er­

daß nicht die Sorgfalt eines HauSvaterS von

gewöhnlichen GeisteSgaben, sondern die Sorgfalt in eignen Angelegenheiten

zu Grunde gelegt wird.

Im Wesen der Verträge liegt dies offenbar bei

dem Mandat, wenn e- ohne Rücksicht auf Entgelt übernommen, oder ohne

Rücksicht auf besondere Sachverständigkeit übertragen worden"), bei dem

unentgeltlichen BerwahrungSvertrage"), bei der Verwaltung"), bei der Gesellschaft"), bei der Verwaltung deren Mann").

des Vermögens

der Eheftau durch

In allen diesen Fällen richtet sich das Vertrauen eben

nur auf die Person in ihrer individuellen Befähigung und es kann daher von ihr auch nicht mehr verlangt werden, als sie zu leisten befähigt ist").

Die Ermäßigung kann aber c^uch darin begründet sein,

daß der andere

") II, 8. §. 447. Nur Zufall, oder ein mäßiges Verschulden des Gastes befreit den Wirth. Hierzu gehören auch die Lohnfuhrleme. II, 8 §.2459. Der 8. Tit. Thl. 2. ist ausgehoben durch das deutsche Handelsgesetzbuch. Dieses bestimmt Art. 395, daß der Frachtführer für allen Schaden hastet, wenn er nicht via major nachweiset; Art. 423 sg. ordnet eine gleiche Vertretung für Eisenbahnen an und bestimmt im Einzelnen, wie ihre Haftpflicht durch besonderes Bedingen ermäßigt werden kann. Art. 560. omnis culpa vom Verfrachter des Schiffs. Das Handelsrecht ist in so fern strenger, als es jeden Schaden als verschuldet vermuthet in* nur die Einrede der Zufälligkeit gestattet, wodurch dem Beklagten die Beweislast zufällt. 34) II, 18. §. 275. 276. legt dem Vormund culpa levis in abstracto, mäßiges Ver­ sehen, zur Last. Seine Haftung steigert sich, wenn er besonders gegen die ihm ob­ liegende diligentia boni patris fam. gefehlt hat, bis zur Vertretung eines geringen Versehens. §. 277 fg. Nach röm. R. omnis culpa, aber mit der Mäßigung auf dilig. q. suis reb. adh. 1. 1. pr. D. XXVII, 3. und ohne diese Ermäßigung, wenn er sich ausgedrängt hat. 1. 53. §. 3. D. XLVII, 2. 3Ä) I, 13. §. 55. DaS römische Recht weicht hier ab. ES verlangt die Vertretung der culpa in abstracto. 1. 23. de R J. Siehe hierüber Bethmann ^Hollweg bei Hasse, Culpa, 2. A. S. 568 sg. Mommsen S. 395. a. E. s. ") I, 14. §. 11. Die Haftung für culpa lata, welche culpa in abstr. ist, ist nach §. 12. die gesetzliche Regel. Der Depositar hat aber ans §. 11. eine Einrede. Nach 1. 23. de B. J. haftet bet Depositar für dolus (culpa lata). 37) Weil diese au- Mandat und Depositum zusammengesetzt ist. I, 14. §. 109.

••) I, 17. §. 211. $. 9. J. III, 25. (26). 1 72. D. XVII, 2. Hasse §. 69. S. 241. Bei der communio incidens besteht kein eigentliches gegenseitige- obligatorischeBerhältniß, e- kann daher mehr nicht von dem einzelnen Genosten verlangt werden, al- daß er die Sorgfalt für eigene Angelegenheiten anwende. Trotzdem hat daA.L. R. I. 17. §. 58. die Vertretung de- mäßigen Versehen- angeordnet. Nach röm. R. ist nur culpa in concreto zu präfliren. 1. 25. §. 16. D. X, 2. quia conjunxit non consensus sed res. Deutsch. H.G. B. Art. 94.

") II, 1. §. 555. Auch nach römisch. R. vertrat der Ehemann in Beziehung auf die dos nur dilig. qu. suis reb. adh. 1. 17. pr. D. XXIII, 3. Diese Stelle zeigt, daß die dilig qu. s. r. eine Ermäßigung der culpa levis in abstracto lst. Mommsen S. 375 fg.

40) Hasse S. 247 f. 251. 272. 528 f. Bethmann-Hollweg a. st. O. S. 570 fg.

1.104. Vorsatz web Verseh«.

079

Theil da» Geschäft zuerst in Vorschlag gebracht, den Verpflichteten dazu aufgefordert hat*'). Hiernach ist die Vertretung-pflicht bei denjenigen SchuldverhLltniffen normirt, welche ihre Entstehung durch den Willen der Parteien finden. Ob da- vertretbare Versehen bei dem Begründungsakt oder bei der Er­ füllung begangen wird, ist für die Vertretung-frage einflußlos**). Uebrig bleiben diejenigen Obligationen, welche unmittelbar au- dem Gesetz entspringen. Bei ihnen unterscheidet da- preußische Recht keine Grade de- Verschulden-, soweit eS auf die Ursache der Vertretung ankommt. Auch geringes Versehen erzeugt sie*'). In wie weit für Bestimmung de- Umfangs der Vertretung die Grade der Verschuldung erheblich sind, wird unten erörtert werden. Wenn bei diesen gesetzlichen Obligattonen nur de- Verschulden- in der Erfüllung, nicht in der Begründung gedacht ist, so ist die- kein Verrücken de- StandpunttS**), weil diese Obligationen nicht durch eine freie, zurechnenbare Handlung de- Verpflichteten, sondern durch da» Gesetz hervorgerufen werden, mithin von einem Verschulden bei der Entstehung nicht wohl die Rede sein kann. Da» Verschulden erzeugt die Verpflichtung, den au» demselben ent­ standenen Schaden zu beseitigen, nur dann, wenn dieser in jenem seine Ursache hat, und e- entsteht daher die Frage, ob die Verpflichtung zur Entschädigung sich ändert, wenn da» Verschulden de- DeschädigerS nicht die alleinige Ursache ist, sondern auch ein Verschulden de- Beschädigten konkurrirt. ES ist schon §. 90. h. erwähnt, daß bei den au- Beschädi­ gungen entspringenden Obligattonen im Falle einer solchen Konkurrenz die Entschädigung-pflicht wegfällt, und eS kann nicht bezweifelt werden, daß dieser Grundsatz auch dann Anwendung finden muß, wenn auf ein bestehendes Schuldverhältniß, auf einen Vertrag durch Verschulden ver­ ändernd eingewirtt worden, denn da- Prinzip ist dasselbe. Nur so weit, al- der Schaden durch das subjekttve Verhalten bessert herbeigeführt, der seine Vertrag-pflicht verletzt hat, kann e- ihn verpflichten, e- darf ein Verhalten des gegenüberstehenden Beschädigten, wenn eS in ursächlichem Verhältniß zum Schaden steht, nicht außer Berückfichttgung bleiben. Denn nun ist der Schade nicht mehr die ausschließliche Folge de- Verhalten» eine- Theils, sondern die Folge de» Verhalten- Beider. Die Praxi» *') Z. «. I, 21. §. 249. *•) I, 5. §• 284. Hierüber Gruchot, 1. S. 535., der diesen §. al» unverständlich bezeichnet. Allein er normirt die Vertretung der culpa in contrahendo, und wie wichtig die» ist, f. Jhering in f. u. Gerber'» Zahrb. B. 4. 8. 50. 51., der mit Recht sagt: „Die preußische Jurisprudenz hat fich diesen höchst wichtig« Para, graphen so gut wie mtgehen lasten." Beispiele: I. 4. §. 79 I. 5. §. 33. 36.105. II. 2. §. 135.

•’) I, 16. §. 13.

’“) Wie t» Loch auffaßt, R. d. Ford- 6. 281 fg.

Zweite« Buch.

680

Die besonderen Privatrechte.

wendet daher mit Recht die im 6. Titel des A. 8. R. gegebenen Bestim­

mungen über Kompensation des Verschuldens auch auf Verträge an"). Die aus Verschulden erzeugte Verbindlichkeit ist vererblich, ohne daß sich in der Person de» Erben der Grad des Verschulden» ändert").

§. 105.

Verzug.

a.8.«. I, 16. §. 16-26. 66-71. 8»rnemann II. ®. 321 fg. »och, «. d. F. I. 6. 344—377. Priv.R. ll S. 61 fg. v. Daniel« II. S. 308. - Madai, die

Lehre v. der Mora, 1837. Wolfs, zur Lehre v. der Mora, 1841. Beiträge, 8. 3. S. 1. 1855.

H. Gerber, Beiträge z. Lehre v. »lagegrunde und der

8.3. 1856. S. 253 fg. 8ewei»last,

Mommsen,

Wiudscheid in der Heidelb. kritische» Zeitschrift,

1858. S. 66.

Bangerow IN. ©.202.

Unlerholzner I. S. 107 fg. Sintern« II. ©. 177 fg.

Arndt« S. 406.

Seuffert II. 6. 39 fg.

»eilet S. 495. — Unger, Fragmente au« einem System de» österr. Obl. R. 1864 S. 17 (auch in Haimerl'« Viertels. Schr. 8.14. H. 1.).

In besonderer Weise äußert sich das Verschulden in obligatorischen Verhältnissen ferner darin, daß die Erfüllung nicht zur rechten Zeit er­ folgt.

E» gehört, wie schon mehrfach erwähnt worden, zum Wesen der

Obligation als einer Willensbeherrschung, daß sie wieder gelöst werden muß, weil der Wille einer freien Person nicht dauernd einem anderen

Willen unterworfen sein darf *).

Deßhalb kann auch die Lösung der Obli­

gation nicht dem Zufall Preis gegeben sein; die Erfüllung, welche sie her­ beiführt, muß zu einer bestimmten Zeit erfolgen.

Diese Zeit ist entweder

durch Zweck und Natur des SchuldverhältnisieS, oder durch die Willkür

der Parteien bestimmt.

Wenn die Erfüllung nicht in dieser Zeit geleistet

wird, so treten Folgen ein, die auf die Obligation einwirken.

Der Be­

rechtigte, der nicht zu rechter Zeit erhält, ist dadurch benachtheiligt.

ES

entsteht die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Verpflichtete

diesen Nachtheil tragen, auSgleichen muß.

Aber auch der Verpflichtete ist

berechtigt, zur bestimmten Zeit frei zu werden, und auch er kann Nachtheil erleiden, wenn er nicht befreit wird.

die Erfüllung annehmen.

Der Gläubiger muß zur rechten Zeit

ES entsteht die weitere Frage, ob und unter

welchen Voraussetzungen der Gläubiger einen solchen Nachtheil auf sich

zu nehmen hat.

So giebt e» eine' Verzögerung der Erfüllung

") 8.8.9t. I, 6. §. 19. 20. 21. Sntsch. 8. 88. S. 43 s. Strieth. B. 29. S. 54. Oben S. 543. Demeliu« über »ompensatiou der Culpa in Gerber und Ihr. ring, Jahrb. 8. 5. 1861. S. 52.

") l. 6. §. 28. Z. 8. II, 10. §. 128.145. Line Ausnahme II, 18. §. 293. mit der Modifikation in §. 294. 304. ') Oben §. 61. S. 309. §. 83. a. A. S. 468. §. 91. a. A. S. 544.

$• 106. Verzug.

681

(mora solvendi) und eine Verzögerung der Annahme (mora ac-

cipiendi). Um den Begriff des Verzugs

festzustellen,

genügt nicht die bloße

Thaffache, daß das obligatorische Band nicht zu rechter Zeit vom Schuld­

ner oder Gläubiger gelöst worden.

Das kann mannichfache Ursachen haben,

die nicht unter diesen Begriff fallen. ES muß vielmehr der Verzug ein verschuldeter sein. Zwar hat man die- Erforderniß bestritten*), aber e» kann als gemeine Meinung diejenige bezeichnet werden, die den Verzug als eine Unterart des obligatorischen Verschuldens,

als ein Verschulden

nach einer bestimmten Richtung ansieht, und im A.L.R. ist diese Auf-

faffung unzweifelhaft angenommen').

Sie ist auch allein begründet; denn

sonst könnte von Entschuldigung in einzelnen bestimmten Fällen nicht die Rede sein, eS wäre daS Erforderniß einer Interpellation unverständlich,

da doch sie grade festzustellen bestimmt ist, daß der Zögernde nicht leisten will, abgesehen von einzelnen Ausdrücken und Wendungen in, den Quellen,

die unabweisbar darauf hindeuten, daß die Zögerung eine Vertretungs­ pflicht erzeugt, wenn sie gewollt ist und hätte vermieden werden können *).

Und grade der Ausspruch, den die Gegner für sich anführen:

quum sit

magis facti quam Juris'), deutet darauf hin, daß nicht bloß objektive

Merkmale zur Sprache kommen, sondern auch die subjektive Beziehung

deS Zögernden zur Zögerung.

Vornehmlich vom Verschulden gilt, daß e»

magis facti quam Juris ist, und daß eS einer Feststellung des Richters

•) Verschulden als Voraussetzung de- Verzug» leugnen: Schümann, Schadenersatz, B. L S. lOffl. Glück B. 8 S-426. Puchla, Pand. $. 269. Sinteni» II. Anm. 50. S. 195., letzterer in Anschluß an Bensey'» Rezension von Wolff in der allg. Litt. Zeil, 1842. S. 179 f. 345 f., des. S. 358. — Dagegen behaupten culpa al» Voraussetzung der mora: Madai $. 2, Wolfs §. 20., der sich jedoch mit den Stellen, in denen von Folgen nicht rechtzeitiger Erfüllung die Rede ift, ohne daß ein« culpa angenommen werden kann, durch Ausstellung einer s. g. ob­ jektiven Mora, im Gegensatz zur subjektiven, abfindet. Kerner Vangerow 111. S. 204. Aumerk. 1. Mommsen, Beiträge B. 1. S. 264 fg. B. 3 S 56. Windscheid a. a. O. S. 260. Heller a. a. O. Koch, R. d. F. I. S. 348. Unger a. a. O. S. 21. Rote 7. Unter Holzner I. S. 108. unterscheidet verschul­ dete und unverschuldete Mora, präsumirt für Verschuldung. Dagegen aber spricht, daß dann doch auch die Folgen verschiedene sein müßten, und da» ist von ihm nicht nachgewiesen. Bergl. S. 117 fg. Unbestimmt lassen die Frage Arndt» Anm. 7. zu §. 252., und Seuffert Note 13. zu §. 245. Au» der Praxi»: Seussert III. S. 43. XII. Nr. 134.

') I, 11. §. 97. 98. 102.1077. I, 16. §. 26: „entschuldigt." I. 14. §. 72: „Verbindlichkeit eine« unredlichen Besitzer»." Strieth. B. 25. S. 72. Im österr. Ges. B §. 1333.1334. tritt der Gesichtspunkt nicht hervor. Ebenso läßt ihn da« sächsGes. v. §. 733. unentschieden. Dagegen sieht der bairische Entwurf Art. 124. Verschulden al» Voraussetzung de« Verzug« an. Darau« aber, daß der Verzug ein verschuldeter sein muß, folgt nicht, daß der Kläger die Verschuldung nachzuweisen hat. S- unten Note 22. und Maxey v. d. BeweiSlast, 1861. S. 194. *) Per te stetit, per te factum est: 1. 15 pr. 1. 23. §. 1. D. XXXVIII, 1. 1. 1. §. 13. D. L, 13. Besonder» aber 1. 5. v. XII, 1. I. 91. §. 3. D. XLV, 1.

') 1. 32. D. XXII, 1.

682

Zweit«» Buch.

Dir fcfeebmu Prwatrechte.

nach feinem Ermessen bedarf'). Vollend- aber entscheidet nicht- gegen jene

Ansicht, daß der Verzug im römischen Recht eine abgesonderte Behandlung er­

fahren hat: da- rechtfertigt sich genügend, wie die weitere Darstellung zeigen wird, au- den besonderen Regeln, die seine Eigenthümlichkeit erfordert, und

e- wird ja nicht behauptet, daß er da-, sondern nur, daß er ein Verschul­

den ist. Auch au- der 1. 3. C. II, 41. in Verbindung mit I. 17. §. 4. D. XXII, 1. kann ein entschiedener Gegengrund nicht entlehnt werden'). Letztere zeigt deutlich, daß zwischen dem tardius pecuniatn inferre und der mora ein Unterschied ist, daß da- bloße Nichtrechtzeitlg, da- ZuspSt an sich noch nicht eine Verzögerung enthält, zu dieser vielmehr noch ein

andere- Moment hinzutreten muß, welche- nur ein subjektive- sein kann, die I. 3. aber bestimmt etwa- Ausnahmsweise- und Besondere- zu Gun­ sten der Minderjährigen. Sie bezieht sich auf Geldschulden an solche, und

soll Zinsen gewähren, gleich al- ob Mora vorläge, wenn sie auch nicht vorliegt'). Ist hiernach der Verzug eine Art des civilrechtlichen Verschulden-, so muß er besinnt werden als die willkürliche und rechtswidrige

Unterlassung der rechtzeitigen Lösung einer Obligation').

Nun wird nöthig, da- Verhältniß zu bestimmen, in welchem sich diese

Unterart zu ihrer Gattung befindet. dreigradigeS,

Da- Verschulden ist ein zwei- oder

welchem Grade gehört der Verzug an?

Daß der Verzug

selbst keine Abstufung erleiden kann, folgt ohne Weitere- au- seinem Be­

griff : er hat keine Grade, er kann also nicht in dem einen Fall der lata,

in einem andern der levis culpa entsprechen.

Nun wird bei der letzteren

ein au- bloßer Unachtsamkeit hervorgegangener Irrthum vorausgesetzt, bei der ersteren ein leichtfertige- Uebersehen dessen, waS man wissen könnte, worüber man sich nicht irren sollte — und bei dem Verzug muß der

Säumige sogar noch vorher auf seine Verbindlichkeit hingewiesen werden, er muß also wissen, daß er verpflichtet sei.

Wenn er dennoch der Ver­

pflichtung nicht nachkommt, so kann nur angenommen werden, daß er evorsätzlich oder wenigsten- au- grobem Versehen unterläßt.

Der Verzug

*) ©euffert XIII, 12. *) Darauf stützt sich hauptsächlich Einten iS.

e) Mommsen B. 3. S. 122. 123.

Bergl. I. 5. C. IV, 49.

Seussert VII, 13.

•) Mommsen s Definition B- 3. S. 24. berücksichtigt nur die mora solvendi, weil er (S. 134. 135.) bei dem Annahme-Verzug (mora accipiendi) nicht da- Moment der Verschuldung, sondern nur daS der Willkürlichkeit fordert Er besinnt daher die mora solvendi als willkürliche und zugleich rechtswidrige, die m. aco. nur als willkürliche Verzögerung. Darin kann ihm nicht beigetreten werden. Der Gläu­ biger ist zwar gewiß nicht verpflichtet, sein Recht überhaupt auszuüben, aber jedenfalls verpflichtet, den Schuldner zu rechter Zeit sreizugeben und wenn er es unter­ läßt, verletzt er das Recht des Schuldners. Madai §. 26. Wolfs 8. 31. ver­ langen auch bei der mora acc. Verschuldung.

§ 105.

Verzug

683

kann nur grobe- Versehen oder Vorsatz sein **). Gleichwohl hat auch hier da» A.L.R. die Einfachheit de- richtigen Grundsätze- verlassen, durch die falsche Theorie irre geführt, daß der Umfang der Vertretung sich nach der Schwere de- Verschulden- richten müsse. E- unterscheidet auch bei dem Verzug, je nachdem er au- grobem oder mäßigem Versehen hervorgeht"). Wenn trotzdem, daß Verzug Verschulden ist, derselbe al- ein selbstän­ dige- Recht-institut neben letzterem erscheint, so liegt dafür der Grund in einigen Besonderheiten, die ihn vom Verschulden unterscheiden"). Da» Verschulden im engeren Sinn richtet sich auf die Leistung' al» solche, diese erleidet in Folge von jenem eine Veränderung in ihrem Wesen; e» muß ein Surrogat eintreten. Der Verzug läßt die Leistung al- solche unberührt, er bezieht sich nur auf die Zeit der Erfüllung und c» tritt nicht al- nothwendige Folge eine Veränderung der ersteren, sondern nur eine Erweiterung derselben ein. Außer unb neben der ursprünglich fest­ gestellten Leistung, wenn diese noch möglich geblieben, muß ein Mehrere» geleistet werden, welche» den Zweck hat, allein die Folgen de- Verzug» zu heilen. Und weil der Verzug sich auf die Erfüllung-zeit bezieht, und diese nicht bei allen Obligationen von vornherein merkbar bestimmt ist, ost viel­ mehr erst durch den Willen de- Berechtigten bestimmt werden kann, so bedarf e-, um den Verzug al» Verschuldung aufzufassen, noch einer be­ sonderen Thatsache, die dem Verpflichteten da» Bewußtsein der Rechts­ widrigkeit geben soll, der Mahnung oder de» Anbieten». Auch ist nicht bei allen Obligationen ein Verzug denkbar"). Gewiß nicht bei denen, deren Leistung nur eine Unterlassung ist, denn der Verzug ist selbst nichtandere- al- ein Unterlassen, und dann kann es nicht rechtswidrig sein. Auch nicht bei denen, die nur in einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt werden können, weder vorher noch nachher. In diesen Fällen ist die Versäumung des Zeitpunkts nicht Verzögerung der Erfüllung, welche vorauSfetzt, daß noch nachträglich erfüllt werden kann, sondern gradezn Nicht­ erfüllung "). Endlich wird angenommen, daß Obligationen auf Entschädi-

'") Mommsen B. 1. ®. 266. 8. 3. S. 23 fg. Damit scheint allerding«, woraus Wiudschrid a. a. O. S. 261. aufmerksam macht, dir Ausführung Mommsen'« S. 67. 68., wonach die Entscheidung der Frage, ob «ine verschuldete oder unver­ schuldete Unmöglichkeit der Leistung anzunehmen, davon abhLnge, welcher Grad der Eulpa in dem zur Frage stehenden obligatorischen Verhältniß zu prästiren sei, in Widerspruch zu stehen. Dieser Ausführung kann aber nicht beigetretm treiben. Ist Verzug «ingetreten, so äußert er, wenn er überhaupt verschuldet ist, seine selbpändigr Wirkung, und ist nach seinem Eintritt, wLhrend seiner Dauer die Leistung unmöglich geworden, so tritt an die Stelle der Leistung da« Interesse, ohne Rück­ ficht auf den Grad der Verschuldung.

") Z. 8. I, 11. §. 97.

l, 16. §. 17.

") Mommsen B. 3. S. 21. ") Mpmmsen 8. 3. S. 32. '*) Mommsen 8. 3. S. 28. 137. 138.

Er führt al« 8eispirl an, wenn eia Fuhr.

Zweites Bach.

684

Di« befonbrrrn Privatrechte.

gung den Verzug ausschließen "), weil ein Interesse des Interesse- nicht

verlangt werden darf.

Nach A. L. R. soll zwar der Entschädigungsbetrag

vom Tage desjenigen Urtheils, welche- ihn festgestellt hat, verzinset wer­

den"), diese Verpflichtung kann aber nicht al- Folge eine- Verzugs auf­

gefaßt werden. I.

Erfüllung-verzug (mora eolvendi).

Bei zweiseitigen Obli­

gationen kann jedem der Kontrahenten Erfüllung-verzug zur Last fallen.

Er setzt außer der Verschuldung voraus, daß die Forderung fällig ge­ worden"), mithin bei gegenseitigen Verträgen, daß die Gegenleistung ent­

weder bereit- geschehen oder Zug um Zug geschehen soll "), und daß der

Schuldner vom Gläubiger zur Erfüllung aufgefordert worden").

Diese

Aufforderung oder Mahnung (interpellatio) hat die Bedeutung, den Schuldner darüber zu vergewissern, daß er verpflichtet sei, jetzt zu lei­ sten, und daß der Gläubiger bereit sei, jetzt anzunehmen, daß mithin

durch da- Ausbleiben der Erfüllung das Recht des Gläubiger- verletzt werde.

Mora fieri intelligitur non ex re sed ex persona").

Die

Mahnung giebt die justa causa, propter quam intelligere debes, te dare oportere •*).

Um diese Wirkung hervorzurufen, muß die Mahnung

nach eingetretener Fälligkeit vom Gläubiger selbst oder seinem berechtigten Vertreter an den Schuldner selbst oder dessen berechtigten Vertreter, unter

genauer Angabe de- Umfang- der erwarteten Leistung und auch sonst in einer Weise erfolgt sein, daß die Verpflichtung nicht erschwert wird: also

zu einer Zeit und an einem Ort, wo geleistet werden kann oder nach Inhalt der Obligation

geleistet werden muß").

ES muß endlich der

mann fich verpflichtet hat, zur bestimmten Stunde einen Reisenden zu einem be­ stimmten Bahnzuge abzuholen, und ausbkibl. Hier kann von einer spateren Er­ füllung nicht mehr die Rede fein. S. Deutsch. H. @. B Art. 357.

") Mommsen B. 2. S. 189. B. 3. S. 32. ") 1, 16. §. 66. ") 1. 88. de R J. 1. 40. D. XII, 1. 1. 49. $. 3. de V. O. I. 54. D. II, 14. Mommsen B. 3. S. 25. Die Forderung muß natürlich auch an sich klagbar sein. Die Klagbarkeit zeigt fich auch darin, daß der Forderung keine Einrede ent» gegengefiellt werden kann. Non in mora est, a quo pecunia propter exceptionem peti non poteat. 1. 40. cit. 1. 21. D. XXII, 1. 6» kann aber in Betreff eines Theils der Forderung mora eintreten; B. 1. 78. pr. de leg. II.

") I, 16. §. 22. 23. «ergl. I, 5. §. 232. 271. 1. 18. §. 1. D. XVIII, 6. 1. 40. D. XII, 1. 1. 24. C. VIII, 24. .") I, 16. 6- 20. 1. 32. pr. D. XXII, 1. Mommsen B. 3. S. 35 sg. ,0) 1. 32. pr. v. XXII, 1. ”) I. 5. D. XII, 1. Ob sich die justa causa auf die Obligation, oder auf die Inter­ pellation bezieht, geht zwar aus dieser Stelle nicht ausdrücklich hervor. Koch, R. d. F. I. S. 346. bezieht die Worte nur aus die Interpellation. Mommsen a. a. O. S. 36. Note 2. läßt es zweifelhaft. Jedenfalls können sie nach dem Zu­ sammenhang der Stelle auch aus die Interpellation bezogen werden.

”) 1. 32. pr §. 1. D. XXII, 1. 1. 20. §. 11. D. V, 3. 1 24. 49. §. 2. de V. 0. Mommsen S. 36. 41. Die Interpellation muß zwar nicht gerade am Ersül»

§. 105. verzag

685

Schuldner davon überzeugt werden, daß der Gläubiger jetzt annehmen will

und kann, daß also auch insofern der Erfüllung kein Hinderniß mehr ent­

gegensteht ").

Wie die gemeine Meinung und die ältere preußische Praxi- "),

so hat auch da- A.L.R. keine besondere Form für die Mahnung vorge­

schrieben ").

Sie kann ausnahmsweise Wegfällen, wo die Zeit der Er­

füllung durch eine Willenserklärung oder durch einen richterlichen Aus­

spruch oder durch besondere Gesetze bestimmt ist").

Damit hat da- A.L.R.

den damals behaupteten, durch Gewohnheitsrecht in Deutschland gesicher­

ten"), wenn auch nicht au-

dem römischen Recht nachweisbaren

dies interpellat pro homine ausgenommen (mora ex re)").

Satz

Er rechtfer­

tigt sich durch die Erwägung, daß durch die in Vorau- festgesetzte Erfüllungs­ zeit der Wille de- Gläubiger-, der sonst erst durch besondere Mahnung

kund werden muß, bereit- dahin ausgesprochen ist, daß er grade zu dieser Zeit die Leistung fordere.

Wenn dagegen da- A. L. R. vorschreibt,

daß

auch der Eintritt der Bedingung den Schuldner, sobald er davon Kennt­

niß erhalten, ohne Mahnung in Verzug setzen soll"), so ist dabei die Be­

deutung einer Bedingung verkannt, denn diese soll nicht sowohl die Zeit der Erfüllung, als vielmehr die Wirklichkeit de- RechtSverhältnisieS selbst

lungSorte selbst erfolgen, aber sie darf nicht eine Erfüllung an einem anderen Orte, als vertragsmäßig verlangen. Mommsen S. 42 s. Nach A.L.R. I, 16. $.21. muß der Verpflichtete Kenntniß von der Mahnung erlangen. Der klagende Gläu­ biger muß außer den Thatsachen, die seine Forderung erzeugt haben, auch die That­ sache der Interpellation beweisen, wenn er das Zeitintereffe (utilitas temporis) for­ dert. Maxen, über Beweislast u. s. w. 1861. S. 190 sg. Gerber a. a. O. S. 67. 1. 32. pr. §. 1. D. XXII, 1.

13) Mommsen S. 36 s. **) Hymmen, Beiträge B. 8. S. 177. Madai §. 7. Mommsen S. 38. 39. Wird gerichtlich interpellirt, so ist die Interpellation erst vollendet, wenn der Schuld­ ner die Klage erhalten. 1, 16. §. 21. 71. Mommsen S. 39. Note 6. Ein­ malige Mahnung genügt. Madai §. 9. Mommsen S. 38. Note 5. Koch S. 347. ”) I, 16. § 20.21. Koch S. 347. Die Klaganstellung ist Mahnung, selbst wemt das Fundametu der Klage verfehlt ist. St riet h. B. 50. S. 309. Uebnfeudnng der Rechnung ist nicht Mahnung. D. H G. B. Art. 288.

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