135 61 19MB
German Pages 224 Year 2001
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht
Band 63
Die Abgrenzung privater Vermögensverwaltung von gewerblichen Grundstücks– und Wertpapiergeschäften Von
Joachim Bloehs
Duncker & Humblot · Berlin
JOACHIM BLOEHS
Die Abgrenzung privater Vermögensverwaltung von gewerblichen Grundstücks- und Wertpapiergeschäften
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wolfgang Graf Vitzthum in Gemeinschaft mit Martin HeckeI, Karl-Hermann Kästner Ferdinand Kirchhof, Hans von Mangoldt Martin Nettesheim, Thomas Oppermann Günter Püttner, Michael Ronellenfitsch sämtlich in Tübingen
Band 63
Die Abgrenzung privater Vermägensverwaltung von gewerblichen Grundstücksund Wertpapiergeschäften
Von
Joachim Bloehs
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Bloehs, Joachim: Die Abgrenzung privater Vermögens verwaltung von gewerblichen Grundstücks- und Wertpapiergeschäften 1 von Joachim Bloehs.Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht ; Bd. 63) Zug!.: Tübingen, Univ., Diss., 2000101 ISBN 3-428-10545-1
D21 Alle Rechte vorbehalten
© 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 3-428-10545-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 §
Meinen Kindern Theresa und Jonathan
Vorwort Die Frage, ob der Gewinn aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen der deutschen Einkommensteuer unterliegt oder nicht, kann bis heute meist nicht einfach und eindeutig beantwortet werden. In der Rechtspraxis ist es daher kaum möglich, bei "privaten" Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen die einkommensteuerlichen Wirkungen sicher vorherzusagen. Es besteht eine weitgehende Planungsunsicherheit. Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2000/2001 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität zu Tübingen als Dissertation angenommen. Sie wurde von Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof betreut. Ihm gilt mein besonderer Dank für die wertvollen Anregungen und für seine Unterstützung ebenso wie für die Zeit an seinem Lehrstuhl. Danken möchte ich auch Richterin am VGH Dr. Else Kirchhof für die Ermutigung zur Promotion. In den Dank möchte ich Prof. Dr. Eugen Klunzinger einschließen, der in erfreulich kurzer Zeit das Zweitgutachten erstellt hat. Prof. Dr. Wolfgang Graf Vitzthum und dem Verlag Duncker & Humblot danke ich für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe der "Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht", der Stiftung Landesbank Baden-Württemberg für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Danken möchte ich auch meinem Bruder Dr.Ing. Wolfgang Bloehs und Dipl.Betriebswirt (FR) Martin Renner für die interdisziplinären Diskussionen zur Nutzwertanalyse und für ihre Bereitschaft, sich bis auf das Terrain des Steuerrechts vorzuwagen. Schließlich gilt mein herzlicher Dank meiner Frau Christine, der ich in den letzten beiden Jahren nur selten im Alltag zur Seite stehen konnte, obwohl auch sie durch Beruf und Familie mehr als ausgelastet ist. Kohlberg, im April 2001
Joachim Bloehs
Inhaltsübersicht Einleitung und Problemstellung ........................................
23
1. Teil
Der Einkunftsbegriff als Begrenzung des steuerbaren Bereichs
26
A. Überblick ..........................................................
26
B. Die Einkommenstheorien im Einkommensteuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
27
c. Der Dualismus der Einkunftsarten ..................................... 32 D. Die sieben Einkunftsarten als Rahmen der objektiven Steuerbarkeit .......
36
E. Ergebnis ...........................................................
47
2. Teil
Grundstücks- und Wertpapiergeschäfte als gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG
50
A. Die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG ............
50
B. Ergebnis: Unvollständigkeit des gesetzlichen Tatbestandes ...............
68
3. Teil
Rechtsnatur des Begriffs "Gewerbebetrieb"
70
A. Entscheidungsrelevanz der Rechtsnatur des Begriffs "Gewerbebetrieb" . . . ..
70
B. Klassenbegriff und Typusbegriff ........................... . ..........
71
C. Der Gewerbebetriebsbegriff als Klassenbegriff mit typologischen Merkmalen..............................................................
73
D. Ergebnis ...........................................................
80
Inhaltsübersicht
10
4. Teil
Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs Nichtüberschreiten der privaten Vermögensverwaltung
81
A. Begriff der privaten Vennögensverwaltung .............................
81
B. Gewerbetreibende und private Vennögensverwaltung ....................
86
C. Verhältnis zur Betriebsaufspaltung .....................................
87
D. Private Vennögensverwaltung in der Rechtsprechung des BFH . . . . . . . . . . ..
90
5. Teil
Lösungsansatz
102
A. Private Vennögensverwaltung in der wirtschaftlichen Realität . . . . . . . . . . . .. 102
B. Einheitliche, anlagefonnunabhängige Merkmale zur Abgrenzung des Gewerbebetriebs von der privaten Vennögensverwaltung ................... 105
c. Gesamtbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles . . . . . . . . . . . .. 108 D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung ............ 124 E. Überprüfung der nutzwertorientierten Gesamtbetrachtung ................ 182
Zusammenfassung ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Anhang: Verifikation der nutzwertorientierten Gesamtbetrachtung anband der Finanzrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 189 Literaturverzeichnis
202
Sachwortverzeichnis .................................................. . 216
Inhaltsverzeichnis Einleitung und Problemstellung ........................................
23
1. Teil Der Einkunftsbegriff als Begrenzung des steuerbaren Bereichs
26
A. Überblick ..........................................................
26
B. Die I. 11. III.
Einkommenstheorien im Einkommensteuergesetz . . . . . . . . . .. . . . .. . . .. Quellentheorie ................................................. Reinvermögenszugangstheorie ................................... Markteinkommenstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Grundgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Dogmatische Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
27 27 28 29 29 29
C. Der Dualismus der Einkunftsarten ..................................... I. Dualismus der Einkunftsarten als (vorläufiger) Schlusspunkt der Entwicklung ...................................................... 11. Der Einkunftsbegriff in § 2 EStG ................................ 1. Definition des Steuergegenstandes ............................. 2. Der Begriff der "Einkünfte" .................................. III. Vereinbarkeit des Einkünftedualismus mit verfassungsrechtlichen Vorgaben.........................................................
32 32 34 34 35 36
D. Die sieben Einkunftsarten als Rahmen der objektiven Steuerbarkeit ....... 36 I. Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 36 11. Steuerbarkeit von Einkünften aus der Veräußerung von Betriebsvermögen ........................................................... 37 III. Grundsätzlich keine Steuerbarkeit der Einkünfte aus der Veräußerung von Privatvermögen ............................................ 38 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 38 2. Steuerbarkeit von Vermögenszuwächsen durch § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG ....................................................... 39 3. Steuerbarkeit von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 41 a) Spekulationsabsicht als frühere Steuerbarkeitsvoraussetzung .... 41 b) Änderungen durch das Steuerentlastungsgesetz 19991200012002 42 c) Schlussfolgerungen aus den Gesetzesänderungen der privaten Veräußerungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 44
12
Inhaltsverzeichnis 4. Steuerbarkeit von Gewinnen aus der Veräußerung von wesentlichen Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 17 EStG) ..................
45
E. Ergebnis ...........................................................
47
2. Teil Grundstücks- und Wertpapiergeschäfte als gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG A. Die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG ............ I. Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. II. Selbständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
III.
IV.
V.
VI.
Nachhaltigkeit.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Die Merkmale der Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Bedeutung des Handlungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Besondere Bedeutung bei Grundstücksgeschäften ............. b) Einheitliche Gesamtbetätigung ................... . . . . . . . . . .. c) Einzeltätigkeit ............................................ 3. Keine Abgrenzungsfunktion zur privaten Vermögensverwaltung ... Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ............... 1. Grundzüge der Rechtsprechung des BFH ....................... 2. Funktion des Tatbestandsmerkmals der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ...................................... 3. Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Beteiligung am allgemeinen Verkehr ........................... a) Unmittelbare Beteiligung am allgemeinen Verkehr ............ b) Mittelbare Beteiligung am allgemeinen Verkehr durch Zurechnung der Tätigkeit Dritter? ................................. aa) Zurechnung der Tätigkeit Dritter ........................ bb) Offene Imrnobilien-, Aktien-, Renten- und Derivatefonds .. cc) Geschlossene Fonds ................................... 5. Zwischenergebnis............................................ Gewinnerzielungsabsicht ........................................ 1. Begriffsinhalt ............................................... 2. Gewinnerzielungsabsicht bei Veräußerungsverlusten . . . . . . . . . . . . .. 3. Keine Abgrenzungsfunktion zur privaten Vermögensverwaltung ... Keine Einkünfte nach §§ 13 oder 18 EStG ........................ 1. Keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13 EStG ... 2. Keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 EStG . . . . ..
B. Ergebnis: Unvollständigkeit des gesetzlichen Tatbestandes ...............
50 50 50 51 53 53 54 54 54 55 56 57 57 58 59 60 60 60 60 62 63 63 64 64 66 66 67 67 67 68
Inhaltsverzeichnis
13
3. Teil
Rechtsnatur des Begriffs "Gewerbebetrieb"
70
A. Entscheidungsrelevanz der Rechtsnatur des Begriffs "Gewerbebetrieb" . . . ..
70
B. Klassenbegriff und Typusbegriff ...................................... I. Die Typuskonzeption ........................................... II. Die Nähe des Typusbegriffs zur teleologischen Rechtsanwendung ....
71 71 72
C. Der Gewerbebetriebsbegriff als Klassenbegriff mit typologischen Merkmalen ................................................................ I. Der Gewerbebetriebsbegriff als Typusbegriff ...................... 1. Systematische Auslegung (Einkunftsartenqualifikation) ........... 2. Funktioneller Vorteil der Einordnung als Typusbegriff ........... 3. Untemehmerbegriff des UStG ................................. II. Der Gewerbebetriebsbegriff als Klassenbegriff ..................... III. Vermittelnde Auffassung: Klassenbegriff mit einzelnen typologischen Tatbestandsmerkmalen .......................................... 1. Entwicklung vom Typusbegriff zum Klassenbegriff .... . . . . . . . . .. 2. Gebot der Tatbestandsmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ....................................................... D. Ergebnis ...........................................................
73 73 73 75 75 76 78 78 79 80
4. Teil
Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs Nichtüberschreiten der privaten Vermögensverwaltung A. Begriff der privaten Vermögensverwaltung ... . ......................... I. Keine Legaldefinition im Steuerrecht ............................. II. Entwicklung zum ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs ....................................................... III. Rechtfertigung der privaten Vermögensverwaltung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ............................................
81 81 81 82 84
B. Gewerbetreibende und private Vermögensverwaltung ....................
86
C. Verhältnis zur Betriebsaufspaltung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Grundzüge der Betriebsaufspaltung ............................... II. Betriebsaufspaltung als Richterrecht .............................. III. Dogmatischer Unterschied zwischen Betriebsaufspaltung und dem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der privaten Vermögensverwaltung ..........................................................
87 87 89
D. Private Vermögensverwaltung in der Rechtsprechung des BFH . . . . . . . . . . .. I. Die Fruchtziehungsformel des BFH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Die Fruchtziehungsformel ....................................
90 90 90
89
14
Inhaltsverzeichnis
11.
111.
2. Stellungnahme zur Fruchtziehungsformel ....................... 91 Die Drei-Objekt-Formel des BFH bei Grundstücksgeschäften ........ 93 1. Grundprinzipien der Drei-Objekt-Grenze ....................... 93 2. Keine Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Nachhaltigkeit ........................................................ 95 3. Stellungnahme zur Drei-Objekt-Grenze ......................... 96 a) Der Objektbegriff als systemimmanente Schwäche der DreiObjekt-Grenze ............................................ 96 b) Keine Vereinfachung durch die Drei-Objekt-Grenze ........... 97 c) Die Drei-Objekt-Grenze als Fall unzulässiger typisierender Betrachtungsweise ........................................ 98 d) Der Vorlagebeschluss des X. Senats vom 29.10.1997 zum Großen Senat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 100 e) Zwischenergebnis ......................................... 101 Ergebnis ...................................................... 101
5. Teil Lösungsansatz
102
A. Private Vermögensverwaltung in der wirtschaftlichen Realität ............. 102 I. Modeme Portfoliotheorie ........................................ 102 11. Schlussfolgerungen aus der wirtschaftlichen Realität für die vorliegende Abgrenzungsfrage ........................................ 104 B. Einheitliche, anlageformunabhängige Merkmale zur Abgrenzung des Gewerbebetriebs von der privaten Vermögensverwaltung ................... 105 I. Rechtsdogmatische Begründung für einheitliche Merkmale .......... 105 11. Vereinbarkeit einheitlicher Merkmale mit der Rechtsprechung des BFH .......................................................... 107
C. Gesamtbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles . . . . . . . . . . . .. I. Kein für die Abgrenzung alleinentscheidendes subsumierbares EinzeImerkmal ...................................................... 1. Suche nach einem neuen Abgrenzungsmerkmal ................. 2. Spezifisches Unternehmerrisiko ............................... 3. Aktive erfolgskausale Tätigkeit - Vornahme werterhöhender Maßnahmen ..................................................... 4. Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Tätigkeit .......... 5. Absicht alsbaldiger Veräußerung bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs .................................................... 6. Ausrichtung auf fremde Bedarfsdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7. Die Intensität der Marktteilnahme ............................. a) Die Intensität der Marktteilnahme als Bestandteil der Markteinkommenstheorie ..........................................
108 108 108 109 110 112 112 114 115 115
Inhaltsverzeichnis
11.
b) Bestimmung der Intensität der Marktteilnahme ausschließlich anhand objektiver Kriterien ................................ c) Stellungnahme ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesamtbetrachtung aller relevanten Merkmale ..................... 1. Gesamtbild ................................................. 2. Verkehrsauffassung ..........................................
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung ............ I. Anwendbarkeit der Nutzwertanalyse auf die vorliegende rechtliche Abgrenzungsentscheidung ....................................... 1. Anwendbarkeit der Nutzwertanalyse auf rechtliche Abgrenzungsentscheidungen im Allgemeinen ............................... a) Überblick ................................................ b) Die Wertanalyse als anerkannte Entscheidungsmethode ........ c) Funktionsweise der Nutzwertanalyse ........................ d) Anwendbarkeit der Nutzwertanalyse auf rechtliche Abgrenzungsentscheidungen ........................................... e) Verfahrensschritte der Nutzwertanalyse ...................... aa) Zielkriterienbestimmung ............................... bb) Zielkriteriengewichtung ................................ cc) Teilnutzenbestimmung ................................. dd) Nutzwertermittlung .................................... ee) Beurteilung der Vorteilhaftigkeit ........................ f) Vor- und Nachteile der Nutzwertanalyse ..................... 2. Adaption der Nutzwertanalyse auf rechtliche Abgrenzungsentscheidungen ..................................................... a) Neue Zielsetzung: Abgrenzung anstatt Optimierung ........... b) Formulierung der Zielkriterien .............................. c) Definition der Maßskalen .................................. 3. Anwendung der Nutzwertanalyse auf die Abgrenzung privater Vermögensverwaltung vom Gewerbebetrieb ........................ a) Methodische Festlegungen ................................. b) Auswahl der relevanten Entscheidungsmerkmale (Zielkriterienbestimmung) ............................................. 11. Für die Entscheidung irrelevante Abgrenzungsmerkmale ............ 1. Finanzierung des Erwerbs .................................... 2. Tätigkeit entspricht dem "Bild eines Händlers" ................. . 3. Spekulationsabsicht .......................................... 4. Die "Unüblichkeit" einzelner Merkmale ........................ 5. Veräußerungsmotive (Konkreter Veräußerungsanlass) ............. 6. Zusammenarbeit mit mehreren Banken ......................... 7. Gewerbeanmeldung, Buchführung und Jahresabschluss ........... III. Die für die Entscheidung relevanten Abgrenzungsmerkmale ......... 1. Art des Erwerbs .............................................
15
117 117 119 119 120 124 124 124 124 124 125 126 128 128 129 129 130 130 130 131 131 132 132 133 133 134 134 134 135 136 137 137 138 138 140 140
16
Inhaltsverzeichnis
2.
3.
4.
5.
a) Inhalt und Berechtigung des Abgrenzungsmerkmals ........... b) Definition der Maßskala ................................... Wertschöpfende oder umgestaltende Maßnahmen ................ a) Inhalt und Berechtigung des Abgrenzungsmerkmals ........... b) Definition der Maßskala ................................... aa) Maßskala bei Grundstücksgeschäften .................... bb) Maßskala bei Wertpapiergeschäften .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ce) Zusammenfassende Übersicht ........................... Quantitatives Merkmal der Marktteilnahme ..................... a) Inhalt und Berechtigung des Abgrenzungsmerkmals ........... aa) Relevanz des Merkmals aufgrund des Markteinkommensprinzips .............................................. bb) Transaktionsquote (Umschlagshäufigkeit) ................ ce) "Anzahl der Veräußerungen" und "Transaktionsquote" als Zielkriterien zweiter Ordnung ........................... dd) Trennung der zu beurteilenden Transaktion von einem bestehenden Gewerbebetrieb .............................. ee) Keine Berücksichtigung eigengenutzter Wirtschaftsgüter ... ff) Beschränkung der Betrachtung auf Veräußerungsakte ...... gg) Definition des Transaktionsobjektes ..................... hh) Notwendigkeit einer anlageformspezifischen Maßskala ..... ii) Notwendigkeit eines anlageformspezifischen Ermittlungszeitraums ............................................. jj) Zwischenergebnis zu Inhalt und Berechtigung eines quantitativen Merkmals ...................................... b) Definition der Maßskalen .................................. aa) Maßskala des Abgrenzungsmerkmals "Anzahl der Veräußerungen" .............................................. (1) Maßskala bei Grundstücken ......................... (2) Maßskala bei Wertpapieren .......................... (3) Zusammenfassende Übersicht ....................... bb) Maßskala des Abgrenzungsmerkmals "Transaktionsquote" .. Zeitlicher Zusammenhang zwischen Erwerb bzw. Vornahme wertschöpfender oder umgestaltender Maßnahmen und Veräußerung ... a) Inhalt und Berechtigung des Abgrenzungsmerkmals ........... b) Definition der Maßskala ................................... aa) Notwendigkeit einer anlageformspezifischen Maßskala ..... bb) Maßskala bei Grundstücken ............................ ce) Maßskala bei Wertpapieren ............................ . dd) Zusammenfassende Übersicht .......................... . Umfang der Tätigkeit (Berufsmäßige Verwaltung) ............... a) Inhalt und Berechtigung des Abgrenzungsmerkmals ........... b) Definition der Maßskala ........................... . .......
140 141 142 142 145 145 146 147 147 147 147 148 150 150 150 152 153 153 155 156 157 157 157 158 158 159 159 159 162 162 162 163 165 165 165 166
Inhaltsverzeichnis
IV. V.
VI.
6. Eigene Kenntnisse und berufliche Erfahrung a) Inhalt und Berechtigung des Abgrenzungsmerkmals ........... b) Definition der Maßskala ................................... 7. Tätigkeit zugunsten Dritter bzw. für fremde Rechnung ........... a) Inhalt und Berechtigung des Abgrenzungsmerkmals .......... . b) Definition der Maßskala ................................... 8. Spezifische Organisationsstruktur .............................. a) Inhalt und Berechtigung des Abgrenzungsmerkmals .......... . b) Definition der Maßskala ................................... Zusammenfassende Übersichten über die relevanten Abgrenzungsmerkmale und über die Maßskalen ............................... Gewichtung der Abgrenzungsmerkmale (Zielkriteriengewichtung) .... 1. Definition der Gewichtungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang der Tätigkeit und eigene Kenntnisse/berufliche Erfahrung. 3. Art des Erwerbs ............................................ . 4. Durchschnittlicher zeitlicher Zusammenhang .................... 5. Spezifische Organisations struktur .............................. 6. Wertschöpfende oder umgestaltende Maßnahmen ............... . 7. Quantität der Marktteilnahme ................................. 8. Tätigkeit auch für Dritte ...................................... 9. Zusammenfassung der Gewichtungsfaktoren .................... Ermittlung des Grenzwertes .....................................
17 167 167 170 171 171 172 172 172 173 174 176 176 176 177 177 178 178 179 180 180 181
E. Überprüfung der nutzwertorientierten Gesamtbetrachtung ................ 182 I. Konsistenzprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 182 11. Empirische Überprüfung der nutzwertorientierten Gesamtbetrachtung anhand der Rechtsprechung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 185 Zusammenfassung I.
11.
I. 11. 111. IV.
187
Das Problem: Keine befriedigende Lösung der Abgrenzung gewerblicher von privaten Veräußerungsgeschäften durch Gesetz, Rechtsprechung und Literatur .......................................................... 187 Die Lösung: Eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung ............... 187 Anhang: Verifikation der nutzwertorientierten Gesamtbetrachtung anhand der Finanzrechtsprechung
189
Auswahl der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Auswertung der Stichprobe .......................................... Ergebnis .......................................................... Fundstellen ........................................................
189 189 191 192
Literaturverzeichnis
202
Sachwortverzeichnis
216
2 Bloehs
Abkürzungsverzeichnis a.A. Abs. a.F. AG AGB allg.M. Anm. Anm. d. Verf. AO Art. BB Bd. bearb. begr. v. Beil. BFH BFH/NV BGB BGBL BGH BMF BMF-Schreiben
BR
BStBl. BT BT-Drs. BVerfG BVerfGE DB DepotG Diss. DJT DÖV Drs.
anderer Auffassung Absatz alte Fassung Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen allgemeine Meinung Anmerkung Anmerkung des Verfassers Abgabenordnung Artikel Betriebsberater (Zeitschrift) Band bearbeitet begründet von Beilage Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesministerium der Finanzen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (Verwaltungsanweisung) Bundesrat Bundessteuerblatt Bundestag Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band, Seite); Amtl. Sammlung Der Betrieb (Zeitschrift) Depotgesetz Dissertation Deutscher Juristentag Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Drucksache
Abkürzungsverzeichnis DStJG DStR DStRE DStZ DTB EFG ErbStG Erg.lfg. EStR EuGH EuGHE EUREX f. FB
ff. FG FGO FinArch FN. FR FS GÄndInvZulG gern. GewStDV GewStG GG gl.A. GmbH GmbHR GrS Habil. HB HFR HGB H/H/R h.L. h.M. Hrsg. hrsg. HStR V i.d.F. 2*
19
Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft (Band), Tagungsband Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Entscheidungen, Beiheft zu DStR Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift) Deutsche Terrninbörse (heute: Eurex) Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Ergänzungslieferung Einkommensteuer-Richtlinien Europäischer Gerichtshof Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Gerichts erster Instanz (Jahrgang, Seite) Europäische Terrninbörse folgende FinanzBetrieb (Zeitschrift) fortfolgende Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Finanzarchiv Fußnote Finanzrundschau (Zeitschrift) Festschrift Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes gemäß Durchführungsverordnung zum Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gleicher Auffassung Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Großer Senat des Bundesfinanzhofes Habilitationsschrift Handelsblatt Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG und KStG herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben Handbuch des Staatsrechts, Band V in der Fassung
20 i.d.S. i.E. i.e.S. INF insb. i.R. i.S.d. i.Ü. i.w.S. KAGG KG Kreditwesen K/S KWG LlB/H
Lfg. ma.W. m.N. Mrd. m.w.N. m.zahlr.N. n.F.
NJW
Nr. NZG OFD o.g. OVG PrOewStG PrOS PrOVG REStG RFH Rn. RS. RStBI. RT-Drs. Rz. S. sog. StbJb StBKongrRep StBp
Abkürzungsverzeichnis in diesem Sinne im Ergebnis im eigentlichen Sinne Die Information über Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) insbesondere im Rahmen im Sinne des/der im Übrigen im weiteren Sinne Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kommanditgesellschaft Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Kirchhof/Sähn, Kommentar zum EStG Gesetz über das Kreditwesen Littmann/Bitz/Hellwig, Kommentar zum Einkommensteuergesetz Lieferung mit anderen Worten mit Nachweisen Milliarde mit weiteren Nachweisen mit zahlreichen Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Oberfinanzdirektion oben genannt Oberverwaltungsgericht Preußisches Gewerbesteuergesetz Preußische Gesetzessammlungen Preußisches Oberverwaltungsgericht Reichseinkommensteuergesetz Reichsfinanzhof Randnummer Rechtssache Reichssteuerblatt Reichstags-Drucksache Randziffer Seite sogenannt Steuerberater-Jahrbuch Steuerberater-Kongressreport Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis StEK StEntlG StMBG str. StRO st.Rspr. StSenkErgG StSenkG StuW StZ Tz. u.a. umfangr.N. UStG v.a. Verf. vgl. WEG WM z.B. ZBB zit.
Sammlung "Steuererlasse in Karteiform" Steuerentlastungsgesetz Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz streitig Steuerrechtsordnung, Band I-III ständige Rechtsprechung Steuersenkungsergänzungsgesetz Steuersenkungsgesetz Die Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Stuttgarter Zeitung Textziffer unter anderem umfangreiche Nachweise Umsatzsteuergesetz vor allem Verfasser vergleiche Wohnungseigentumsgesetz Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) zum Beispiel Zeitschrift für Bank- und Betriebswirtschaft zitiert
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Einleitung und Problemstellung Das deutsche Einkommensteuerrecht folgt in der Frage, welche Tatbestände besteuerungswürdig sind, nicht durchweg einer finanzwissenschaftlichen Einkommenstheorie. Die Definition des Steuerobjekts erfasst wirtschaftliche Vorgänge vielmehr in unterschiedlicher Weise. Die sieben Einkunftsarten des § 2 EStG stellen dabei einen pragmatisch formulierten Einkünftekatalog dar. Dieser Einkünftekatalog ist abschließend. Wirtschaftliche Vor- und Nachteile des Steuerpflichtigen, die nicht unter die sieben Einkunftsarten subsumiert werden können, sind daher nichtsteuerbar und damit einkommensteuerrechtlich irrelevant (nichtsteuerbarer Bereich). Die sieben Einkunftsarten können in die beiden Gruppen der Gewinnund Überschusseinkünfte aufgeteilt werden (Dualismus der Einkunftsarten). Im unbeschränkt steuerbaren Bereich der Gewinneinkunftsarten (§§ 13-18 EStG) ist das Betriebsvermögen stets steuerverstrickt, und Veräußerungsgewinne sind immer steuerbar. 1 Bei den Überschusseinkunftsarten (§§ 19-23 EStG) werden Vermögenswertänderungen dagegen grundsätzlich nicht erfasst. Gewinne aus der Veräußerung des Vermögensstammes sind demzufolge nichtsteuerbar. Weil die Überschusseinkünfte nur laufende Erträge erfassen, handelt es sich um einen lediglich beschränkt steuerbaren Bereich. 2 Die vorliegende Arbeit untersucht für Veräußerungsgeschäfte wie die drei Steuerbarkeitsbereiche voneinander abgegrenzt werden können. Dabei werden die in der Praxis häufigsten Veräußerungsgeschäfte in die Betrachtung einbezogen, die Veräußerung von Grundstücken3 und von Wertpapieren sowie von anderen Finanzmarktprodukten. Auf andere Wirtschaftsgüter, wie etwa Kunstgegenstände, können die Ergebnisse der Untersuchung dem Grunde nach aber ebenfalls übertragen werden. 1 Kirchhof, in: K1S § 2 Rn. B 116. Zum Begriff der Steuerbarkeit vgl. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 211 m. w.N. 2 Die Bezeichnung "eingeschränkt steuerpflichtiger Bereich" wird zwar synonym verwendet (so z. B. von Beater, StuW 1991, S. 33, 35), lässt aber die Unterschiede zwischen Nichtsteuerbarkeit und Steuerfreiheit außer Betracht. Wie hier schon Jung, S.34. 3 Der im Folgenden verwendete Begriff der "Grundstücks geschäfte" erfasst sowohl den Grundstückshandel i. e. S., also den Kauf und die Weiterveräußerung eines Grundstücks in unverändertem Zustand als auch den Grundstückshandel i. w. S., also die Veräußerung im Anschluss an die Vornahme werterhöhender Maßnahmen (z. B. Bebauung). Begriff nach Schmidt-Liebig, Abgrenzung.
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Einleitung und Problemstellung
Die Abgrenzung der drei Steuerbarkeitsbereiche ist regelmäßig von großer Bedeutung für den Steuerpflichtigen. Hat er einen Veräußerungsgewinn realisiert, dann führt die Zuordnung zum nichtsteuerbaren oder beschränkt steuerbaren Bereich dazu, dass keine Einkommensteuer entsteht. Fällt der Gewinn im unbeschränkt steuerbaren Bereich an, so ist er zu versteuern. Die Interessenlage des Steuerpflichtigen ist bei realisierten Veräußerungsverlusten hingegen genau umgekehrt. Fällt der Verlust im unbeschränkt steuerbaren Bereich an, dann kann er sich grundsätzlich im Rahmen des horizontalen, vertikalen und intertemporalen Verlustausgleichs steuermindernd auswirken. Verluste im nicht oder nur eingeschränkt steuerbaren Bereich sind dagegen nicht berücksichtigungsfähig. Veräußerungsgeschäfte können auf zwei Arten zu gewerblichen Einkünften führen. Werden Wirtschaftsgüter eines ohnehin bestehenden Betriebsvermögens veräußert, dann ist das Veräußerungsergebnis ohne Weiteres steuerverstrickt. Diese Fallkonstellation ist objektiv relativ leicht feststellbar. Problematisch ist dagegen die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Veräußerungsgeschäfte an sich zur Steuerbarkeit führen, wann also Veräußerungsgeschäfte unmittelbar zum unbeschränkt steuerbaren Bereich der Gewinneinkunftsarten gehören. Zum unbeschränkt steuerbaren Bereich gehören neben den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft und aus selbständiger Tätigkeit in erster Linie die Einkünfte aus Gewerbebetrieb. § 15 Abs. 2 Satz I EStG enthält eine Legaldefinition des Gewerbebetriebs. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG enthält zwar mehrere positive und negative Tatbestandsmerkmale zur Definition des Gewerbebetriebs. Im Einzelfall ist es jedoch nicht möglich, die Abgrenzung gewerblicher Grundstücks- und Wertpapiergeschäfte vom nur eingeschränkt steuerbaren Bereich der Überschusseinkünfte der §§ 21, 20 EStG eindeutig anhand dieser Merkmale vorzunehmen. Das Gleiche gilt für die Abgrenzung zum nichtsteuerbaren Bereich, etwa bei der Veräußerung von brachliegenden und damit nicht der Erzielung laufender Einkünfte dienenden Grundstücken. Die vorliegende Untersuchung geht zunächst im I. Teil vom äußersten Rahmen der Steuerbarkeit aus, der durch den Einkunftsbegriff des § 2 EStG gesetzt wird. Im 2. Teil werden die Tatbestandsvoraussetzungen gewerblicher Grundstücks- und Wertpapiergeschäfte geprüft. Dabei bestätigt sich, dass die Abgrenzung vom nichtsteuerbaren Bereich ohne das heute weitgehend anerkannte ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Überschreitung einer privaten Vermögensverwaltung nicht möglich ist. Für die rechtliche Einordnung dieses ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals ist zunächst im 3. Teil zu klären, ob es sich beim Begriff des Gewerbebetriebs um einen Klassen- oder Typusbegriff handelt. Daran anschließend wird im 4. Teil die private Vermögensverwaltung näher untersucht und dogmatisch in den Steu-
Einleitung und Problemstellung
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ertatbestand eingeordnet. Dabei beschränkt sich die vorliegende Untersuchung auf den Grundfall der Veräußerungsgeschäfte natürlicher Personen. Auf die Besonderheiten von Personenzusammenschlüssen kann in diesem Rahmen nicht eingegangen werden. In einem weiteren Schritt wird dargestellt, dass es bislang weder der Rechtsprechung mit ihrer Fruchtziehungsformel oder mit der Drei-Objekt-Grenze gelungen ist, die Frage der Abgrenzung gewerblicher von privaten Veräußerungsgeschäften zu lösen, noch den unterschiedlichsten Ansätzen in der Literatur. Im 5. Teil wird ein eigener Lösungsansatz entwickelt, mit dessen Hilfe die Abgrenzungsfrage umfassend gelöst werden kann. Zunächst wird ausgehend von der wirtschaftlichen Realität belegt, dass die bislang vorherrschende Auffassung, Grundstücks- und Wertpapiergeschäfte seien stets isoliert voneinander und anband unterschiedlicher Kriterien zu beurteilen, unzutreffend ist (Kapitel A.). Die Abgrenzung des Gewerbebetriebs von der privaten Vermögensverwaltung hat vielmehr unabhängig von der jeweiligen Anlageform (Kapitel B.) anband einer Gesamtbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles (Kapitel c.) zu geschehen. Im Kapitel D. wird für die Abgrenzungsfrage ein eigenes anlageformunabhängiges Entscheidungsverfahren entwickelt. Diesem Verfahren liegt die Erkenntnis zugrunde, dass es sich bei der Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb um ein multikriterielles Entscheidungsproblern handelt, das im Wege einer nutzwertorientierten Gesamtbetrachtung gelöst werden kann. Schließlich wird das gefundene Ergebnis in Kapitel E. anhand einer systemimmanenten Konsistenzprüfung und mittels einer 45 Fälle umfassenden Stichprobe aus der Rechtsprechung verifiziert. Die Ergebnisse der Rechtsprechung und der hier entwickelten nutzwertorientierten Gesamtbetrachtung sind in nahezu allen untersuchten Fällen identisch. Die nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung bietet damit erstmals eine anlageformunabhängige, systematische und planbare Entscheidungsmethode für die Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung von einer gewerblichen Tätigkeit.
1. Teil
Der Einkunftsbegriff als Begrenzung des steuerbaren Bereichs A. Überblick Voraussetzung für eine verfassungsgemäße Besteuerung ist die rechtlich und tatsächlich gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen.4 Das aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. I GG abgeleitete Leistungsfähigkeitsprinzip stellt dies sicher und wird allgemein als Fundamentalprinzip eines rechtsstaatlichen Steuerrechts anerkannt. 5 Bei der Auswahl des konkreten Steuergegenstandes einer Einzelsteuer hat der Gesetzgeber jedoch unter Beachtung des Leistungsfähigkeitsprinzips einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. 6 Diesen Entscheidungsspielraum hat er für die Einkommensteuer zunächst mit der Bestimmung des Steuerobjekts in § 2 EStG anhand des Rechtsbegriffs7 "Summe der Einkünfte" (§ 2 Abs. 3 EStG) genutzt. 8 Die Summe der Einkünfte wird in erster Linie durch die in § 2 Abs. 1 und 2 EStG zum Ausdruck kommenden finanzwissenschaftlichen Einkommenstheorien bestimmt. 9 Aus der Vielzahl verschiedener Einkommenstheorien haben für die Einkommensteuer allerdings nur die Quellentheorie und die Reinvermögenszugangstheorie nachhaltige Bedeutung erlangt lO , neuerdings auch die Markteinkommenstheorie l l . BVerfGE 93, S. 121, 134; BVerfGE 99, S. 88, 94 ff. Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rn. 77 ff.; Paul Kirchhof, in: KlS § 2 Rn. A 167 m. w. N.; Schön, in: FS Offerhaus, S. 385, 396; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 97ff. m.w.N.; Eckhoff, S. 152 m.zahlr.N.; Biergansl Wasmer, FR 1985, S. 57 ff.; grundlegend: Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 59 ff., 123 ff.; Jachmann, StuW 1998, S. 293. Zu den Wurzeln des Leistungsfähigkeitsprinzips in den Erkenntnissen Adam Srniths vgl. Stern, Staatsrecht 11, § 46 I 2. 6 Lang, in: Tipke/Lang § 4 Rn. 75; Tipke, StRO 11 S. 561; Nickel, S. 44; BVerfGE 84, 239, 271; BVerfGE 93, 121, 136. 7 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 34. 8 Das Steuerobjekt bildet den äußersten Rahmen dessen, was vom Gesetzgeber als besteuerungs würdig angesehen wird und bestimmt damit die Grenze zwischen steuerbaren und nichtsteuerbaren Vorgängen. 9 Lang, in: Tipke/Lang § 4 Rn. 40. 4
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B. Einkommenstheorien im Einkommensteuergesetz
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B. Die Einkommenstheorien im Einkommensteuergesetz I. Quellentheorie Die wesentlich durch Fuisting geprägte Quellentheorie versteht unter Einkommen "die Gesamtheit der Sachgüter, welche in einer bestimmten Periode (Jahr) dem einzelnen als Erträge dauernder Quellen der Gütererzeugung ... zur Verfügung stehen ... 12
Die Quelle selbst ist dagegen als Vermögensbestand außerhalb des Steuerbaren angesiedelt. Wertveränderungen der Quelle werden nicht als Einkommen erfasst, weil sie nicht aus der bestimmungsgemäßen Verwendung der Quelle zur Ertragserzielung folgenY Die Trennung zwischen Quelle und Ertrag wird allerdings nicht gegenständlich, sondern funktional vorgenommen. So gehören Vermögensgegenstände, die typischerweise Quelle für Erträge sind, wie beispielsweise Häuser oder Wertpapiere, dann zum steuerverstrickten Vermögensbestand, wenn gerade sie Gegenstand einer gewerblichen Tätigkeit sind. In diesem Fall gehören Wertveränderungen dieser Vermögensgegenstände auch nach der Quellentheorie zum steuerbaren Ertrag der Quelle "Immobilienhandel" oder "Bankgewerbe".14 Ein wesentliches Merkmal der Quelle ist nach Fuisting deren Dauerhaftigkeit. Kein Einkommen, sondern nichtsteuerbare Verrnögenszuwächse sollen demnach einmalige Erwerbe wie Erbschaften, Schenkungen oder Spielgewinne sein. 15 Eine dauerhafte Quelle fehlt daher auch bei gelegentlichen Spekulationsgewinnen oder bei der Veräußerung der Quelle selbst. Die Wertrealisierung des Stammvermögens (Quelle) durch Veräußerung zählt folglich nicht zum Einkommen. 16 Eine sich ausschließlich auf die Quellentheorie stützende Definition des Einkommensteuerobjekts wäre allerdings nach heutigem Verständnis wegen der Beschränkung auf Erträge dauernder Quellen mit dem Leistungsfähig10 Ruppe, in: HIH/R Einf. ESt Anm. 10; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 43. 11 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 40; Tipke, StRO 11 S. 563 f. Im übrigen vgl. die Darstellungen bei Ruppe in: H/H/R Einf. ESt Anm. 10 ff. und Paul Kirchhof, in: K1S § 2 Rn. A 363 f. m.w.N. 12 B. Fuisting, Die Preußischen direkten Steuern, 1902, S. 110, zitiert nach: Ruppe, in: H/H/R Einf. ESt Anm. 11 und Lang, in: Tipke/Lang, 9 Rn. 50. 13 Schneider, S. 6. 14 Schneider, S. 6. 15 Ruppe, in: H/H/R Einf. ESt Anm. 11. 16 Schneider, S. 7; Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 50.
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1. Teil: Einkunftsbegriff als Begrenzung des steuerbaren Bereichs
keitsprinzip nicht vereinbar. Denn gerade die Realisierung von Wertveränderungen im sog. Stammvermögen steigert die Leistungsfähigkeit, wird von dem quellentheoretischen Einkunftsbegriff aber nicht erfasst. 17 11. Reinvermögenszugangstheorie
Das Einkommen wird nach der entscheidend durch von Schanz geprägten Reinvermögenszugangstheorie hingegen viel weiter verstanden. Es werden neben allen Reinerträgen und Nutzungen auch geldwerte Leistungen Dritter, Geschenke, Erbschaften, Wertveränderungen des Vermögens, Wertschöpfungen im Privatbereich sowie alle Veräußerungsgewinne erfasst. 18 Theoretisch wird auf diese Weise die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit umfassend in steuerrechtliche Kategorien abgebildet. 19 Allerdings greift dieser umfassende Einkommensbegriff zu weit. Denn die Besteuerung noch nicht realisierter und damit noch ungewisser Wertsteigerungen birgt die Gefahr einer Substanzbesteuerung. 20 Darüber hinaus bestehen unüberwindbare Schwierigkeiten praktischer Art. Die gleichmäßige und vollständige Erfassung nicht am Markt erwirtschafteten Einkommens, des Nutzwerts des gesamten persönlichen Gebrauchsvermögens sowie des Gewinns/Verlusts aus der Veräußerung von Gütern der privaten Lebensführung ist - wenn nicht bereits unmöglich - so doch im Rahmen eines freiheitlichen demokratischen Staates verwaltungstechnisch nicht durchführbar. 21 Bereits aus diesen Gründen würde die vollständige Übernahme der Reinvermögenszugangstheorie in das Einkommensteuerrecht gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und somit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen?2
17 Tipke, StRO 11 S. 563 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 51; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 43. 18 von Schanz, Der Einkommensbegriff und die Einkommensteuergesetze, FinArch 1896, S. 1 ff., 24, zitiert von Ruppe, in: H/H/R Einf. ESt Anm. 12. 19 Lang, in: Tipke/Lang, § 8 Rn. 32; Tipke, StRO 11 S. 563 ff.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 339; Nickel, S. 41. 20 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 51; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 174, 275 ff. 21 Tipke, StRO 11 S. 566; Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 51. So wohl auch Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 125 ff. 22 Tipke, StRO 11 S. 566; i. E. auch Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 276.
B. Einkommenstheorien im Einkommensteuergesetz
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IH. Markteinkommenstheorie 1. Grundgedanke
Den Bedenken gegen das extensive Verständnis des Einkommens im Rahmen der Reinvermögenszugangstheorie wird durch die Markteinkommenstheorie Rechnung getragen. Sie unterscheidet sich von den finanzwissenschaftlichen Theorien schon in ihrer grundsätzlichen Zielsetzung dadurch, dass sie keinen allgemeinen Einkommensbegriff, sondern einen eigenen steuerrechtlichen Einkommensbegriff schaffen sol1. 23 Der Grundgedanke der Markteinkommenstheorie wurde aus den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes abgeleitet. Er besagt, dass nur das am Markt erwirtschaftete Einkommen der Besteuerung unterliegen soll.24 Gemeinsames Merkmal zumindest der meisten Einkunftsquellen des Einkommensteuergesetzes ist die entgeltliche Verwertung von Leistungen (Wirtschaftsgütern oder Dienstleistungen) am Markt. 25 2. Dogmatische Ableitung
Die dogmatische Ableitung der Markteinkommenstheorie im Einkommensteuerrecht ist indes noch nicht abschließend geklärt. Teilweise wird im Markteinkommensbegriff ein "einJachgesetzlicher Strukturbegrijf,26 gesehen, der zudem relativ praktikabel sei, weil er sich auf die gut zu erfassenden, weil leicht erkennbaren Marktvorgänge beschränke. 27 Im Vergleich zur Reinvermögenszugangstheorie sei er jedoch enger und damit unvollständig, weil v. a. private Wertschöpfungen, wie der private Hausbau oder die Haushaltsführung, nicht erfasst werden?S Weil es aber faktisch unmöglich sei, derartige private Wertschöpfungen ohne eine totalitäre Überwachung der Steuerpflichtigen zuverlässig zu erfassen, genüge die Begrenzung der Steuerbarkeit durch die Markteinkommenstheorie gerade der Notwendigkeit einer gleichmäßigen, gleichförmigen und praktikablen Besteuerung. 29 Dem 23 Dieser Gedanke geht bereits zurück auf Enno Becker, Grundlagen der Einkommensteuer, StuW 1935 I, Sp. 1, 4.; vgl. Paul Kirchhof, in: K/S, § 2 Rn. A 363; Schneider, S. 8 f. 24 Ruppe, in: H/H/R Einf. ESt Anm. 17 m. w. N. Ausführlich zur Markteinkommenstheorie: Ruppe, in: DStJG 1, S. 7 ff.; WiUmann, Das Markteinkommen, 1992. 25 Ruppe, VDStjG 1979, S. 4, 16; Paul Kirchhof, in: KlS § 2 Rn. A 363 m. w.N.; Söhn, in: FS Tipke, S. 343, 346; Steichen, in: FS Tipke, S. 365, 367 ff.; ähnlich: Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 48 und S. 238. 26 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 52. 27 Lang, in: Tipke/Lang, § 8 Rn. 33. 28 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 251 ff.; i. E. ebenso: Söhn, in: FS Tipke, S. 343 ff.; Steichen, in: FS Tipke, S. 365, 385 f.
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1. Teil: Einkunftsbegriff als Begrenzung des steuerbaren Bereichs
Gesetzgeber stehe es im Rahmen seines Entscheidungsspielraums frei, zur Vermeidung absehbarer Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, den steuerrechtlichen Einkommensbegriff bereits definitorisch zu reduzieren. 3D Der Gesetzgeber sei andererseits aber nicht daran gehindert, den steuerrechtlichen Einkommensbegriff unter Beachtung des Leistungsfähigkeitsprinzips über das Markteinkommen hinaus auf nicht erwirtschaftete Vermögensmehrungen auszudehnen. 31 Eine andere Auffassung sieht den Vorgang marktabhängigen Erwerbens hingegen nicht nur als einfachgesetzlichen Strukturbegriff an, sondern darüber hinaus als veifassungsrechtlich gebotene ,,Legitimationsgrundlage für Gegenstand und Ausgestaltung der Einkommensteuer, d.h. für den § 2 [EStG]"32.
Die Steuerbarkeit des Einkommens rechtfertige sich aus dessen Herleitung vom Marktgeschehen und dem dafür von staatlicher Seite zur Verfügung gestellten Organisationsrahmen. Nur das am Markt erworbene Einkommen sei daher gesteigert sozialpjlichtiges und somit aufgrund Art. 14 Abs. 2 GG steuerbares Eigentum. 33 Gleichzeitig sei damit auch der äußerste Rahmen der Steuerbarkeit gesetzt. Die staatliche Teilhabe am Erfolg sei auf das marktabhängige Wirtschaften begrenzt und erfasse nicht alle Vermögenszuflüsse. Vermögenszuflüsse, die nicht in das Volkseinkommen eingingen, müssten demnach außerhalb der Einkommensteuerbarkeit liegen. 34 Dies ergebe sich nicht nur aus Art. 14 Abs. 2 GG, sondern auch aus dem in der Verfassung angelegten Schutz der Privatsphäre. 35 29 Tipke, NJW 1988, S. 2090, 2092; Tipke, StRO 11 S. 566; Lang, in: Tipke/ Lang, § 4 Rn. 108; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 124 ff. 30 Tipke, StRO 11 S. 566. 31 Söhn, in: FS Tipke, S. 343, 350 ff. m. w. N. 32 Pau1 Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 365 (Hervorhebung durch den Verfasser). 33 Paul Kirchhof, Gutachten F, S. F 23; Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 30, A 123 ff., A 481, A 660. 34 Wittmann, S. 12. 35 Paul Kirchhof, in: KlS § 2 Rn. A 111, Rn. B 183; Paul Kirchhof, in: FS Tipke, S. 27 ff.; Paul Kirchhof, in: StBKongrRep 1988, S. 29 ff.; gl.A. Handzik/Hellwig, in: LlB/H § 2 Rn. 48; differenzierend: Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 124 ff. Der Schutz der Privatsphäre als Argument zur Begrenzung der Steuerbarkeit auf marktabhängige Erwerbe überzeugt allerdings angesichts der i. R. der Einkommensteuer-Veranlagung geforderten detailliertesten Angaben zu den persönlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen nicht. Nicht nur die Angabe von Daten des Ehepartners (§ 26 EStG) zur Zusammen veranlagung und der Kinder (Kinderfreibetrag, Ausbildungsfreibetrag) wird verlangt, obwohl diese keinerlei eigene Einnahmen zu beziehen brauchen. Will der Steuerpflichtige für sich oder Familienangehörige außergewöhnliche Belastungen geltend machen, so sind Schwerbeschädigtenausweis, ärztliche Atteste etc. vorzulegen. Welche Privatsphäre soll hier noch geschützt werden? Auch Eckhoff, S. 11 formuliert, dass der Datenschutz zumindest hinsicht-
B. Einkommenstheorien im Einkommensteuergesetz
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Umstritten ist aber, ob Art. 14 Abs. 2 GG tatsächlich als Legitimationsgrundlage für Gegenstand und konkrete Ausgestaltung der Einkommensteuer herangezogen werden kann. 36
Die Gegenauffassung geht vielmehr davon aus, dass eine am Maßstab des Leistungsfähigkeitsprinzips orientierte Einkommensbesteuerung gerade nicht auf das Markteinkommen beschränkt werden dürfe. Neben dem Markteinkommen sei auch sog. abgeleitetes (zugewendetes) Einkommen, wie Unterhaltsleistungen und wiederkehrende Bezüge (§ 22 Nr. 1, Nr. 1 a EStG), leistungsfähigkeitssteigernd. Abgeleitetes Einkommen sei daher bereits de lege lata zwingend dem steuerbaren Einkommen zuzurechnen?7 Dies ändert aber an der grundlegenden Bedeutung der Markteinkommenstheorie für die Abgrenzung der steuerbaren von den nichtsteuerbaren Einnahmen de lege lata nichts?8 Dementsprechend besteht im Schrifttum weitgehende Einigkeit darin, dass die Begrenzung des Einkommensteuerobjekts "Summe der Einkünfte" auf das Markteinkommen den grundlegenden Charakter der heutigen Einkommensteuer bestimme 9 , wenn sie auch nicht verfassungsrechtlich zwingend geboten ist. 4o lich "marktoffenbarer Vorgänge" gegenüber dem Infonnationsbedürfnis des Steuerstaates in aller Regel zurücktreten müsse. Er lehnt damit einen weitergehenden Eingriff in die Privatsphäre jedenfalls nicht kategorisch ab. 36 Ablehnend: Söhn, in: FS Tipke, 1995, S. 343 ff.; Isensee, Referat zum 57. DJT, in: Verhandlungen des 57. DJT, Band II, 1988, S. N 32, N 36; Tipke, NJW 1988, S. 2090, 2091 f., Steichen, in: FS Tipke, S. 365, 372; Schön, in: FS Qfferhaus, S. 385, 396 m. w. N.; UeIner, Referat zum 57. DJT, in: Verhandlungen des 57. DJT, Band II, 1988, S. N 9, N 11 f.; Wendt, DÖV 1988, S. 710 ff.; Meincke, DB 1988, S. 1869 ff. 37 Söhn, in: FS Tipke, S. 343, 351, 357, 362 f.; Steichen, in: FS Tipke, S. 365, 383; Schön, in: FS Qfferhaus, 1999, S. 385, 398. 38 Steichen, in: FS Tipke, S. 343, 346 f. Z. T. wird hinsichtlich § 22 Nr. 1 a EStG von einer "systemwidrigen Ausnahme" gesprochen, so: Paul Kirchhof, in: KlS § 2 Rn. B 173, der diese Nonn als subjektive Zurechnungsnorm versteht; i. E. ebenso Klein, S. 83, 91, 147. Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 123 und Nickel, S. 40 beziehen diese Wertung auch auf § 22 Nr. 1 EStG. Lang stellt zutreffend fest, dass es sich bei § 22 Nm. 1, 1 a EStG um Tatbestände handelt, die an sich im Rahmen der Ermittlung der subjektiven Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen sind, sofern sie nicht erwirtschaftet worden sind. Weil das Einkommensteuerrecht de lege lata aber dafür kein eigenständiges Rechtsinstitut "Privatbezüge" enthält, sind diese Tatbestände "notgedrungen" im Rahmen der Einkunftsarten und damit systemwidrig im Rahmen der Ermittlung der objektiven Leistungsfähigkeit angesiedelt, vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 88 ff., 96 f. 39 Lang, in: Tipke/Lang, § 8 Rn. 31; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 169; Ferdinand Kirchhof, in: Achterberg/Püttner, § 20 Rn. 135; Handzik/Hellwig, in: LlB/H § 2 Rn. 27; Paul Kirchhof, in: KlS § 2 Rn. A 363 m. w. N.; Tipke, NJW 1988, S. 2090, 2094; Tipke, StRQ II S. 566; Wittmann, S. 6; Hönnann, S. 28; Schmitz, S. 33. A.A. wohl Schön, in: FS Qfferhaus, 1999, S. 385, 402 zumindest für die gewerblichen Einkünfte.
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1. Teil: Einkunftsbegriff als Begrenzung des steuerbaren Bereichs
C. Der Dualismus der Einkunftsarten I. Dualismus der Einkunftsarten als (vorläufiger) Schlusspunkt der Entwicklung Die Entwicklung der Steuerbarkeit des Einkommens im deutschen Einkommensteuerrecht führte zu einem Einkommensbegriff, der sich auf Gewinn- und Überschusseinkünfte und damit auf zwei Gruppen von Einkunftsarten stützt. Ausgehend von einem quellentheoretischen Ansatz41 sind bereits in den preußischen Einkommensteuergesetzen von 1851 und 1891 Elemente der Reinvermögenszugangstheorie zu finden, die als "gewinnermittlungstechnische Vereinfachung" in das quellentheoretisch konzipierte Gesetz gelangt waren oder wie bei Spekulationsgewinnen ausdrücklich als Ausnahmetatbestand geregelt wurden. 42 Auf der anderen Seite wurden auch in denjenigen deutschen Einkommensteuergesetzen, die das Reinvermögenszugangskonzept verfolgten43 , immer "aus Praktikabilitätsgründen" oder mit anderer Rechtfertigung Ausnahmen von der Steuerbarkeit gemacht, die zu einer Annäherung an die Quellentheorie führten. 44 So etwa bei der Nichtsteuerbarkeit von Gewinnen aus der Veräußerung von Grundstücken, die bereits länger als 10 Jahre im Eigentum des Steuerpflichtigen gewesen waren. 45 Die deutschen Einkommensteuergesetze enthielten demnach bereits fast von Anfang an dualistische Elemente, ohne dass dies auch dem Gesetzgeber bewusst gewesen war. So wurden einmalige Vermögenszuflüsse fast durchgehend einkommensteuerlich nicht erfasst, soweit sie nicht den ge40 So offensichtlich auch Tipke, NJW 1988, S. 2090, 2094; Steichen, in: FS Tipke, S. 365, 366 und Söhn, in FS Tipke, S. 343 ff., die sich aber de lege ferenda gegen die Begrenzung auf das Markteinkommen aussprechen. Insbesondere sei die Beschränkung auf die Markteinkommenstheorie weder rechtsdogmatisch noch logisch zwingend. Das Leistungsfähigkeitsprinzip gebiete vielmehr - soweit praktikabel - die Heranziehung der Reinvermögenszugangstheorie. Steichen (S. 379) ordnet denn auch die Markteinkommenstheorie als eine Quellentheorie ein, freilich mit dem Unterschied, dass die Veräußerung der Quelle steuerbar sei. 41 Ausführlich Schneider, S. 11 ff. Vgl. auch Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 393 zum preußischen EStG 1851 sowie Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 37; Nickel, S. 54 ff. zum preußischen EStG 1891. 42 Schneider, S. 15, S. 26; HuchatzlDaenner, in: H/H/R Einf. ESt, Dok. 1, Anm. 3; Hörmann, S. 14; Jung, S. 12 m. w. N. 43 Ausführlich Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 409 ff. Vgl. auch Klein, S. 4. 44 So z. B. beim ersten REStG 1920, vgl. Paul Kirchhof, in: KlS § 2 Rn. A 424; Schneider, S. 17; Hörmann, S. 17; Jung, S. 16. 45 Diese Ausnahme in § 12 Nr. 13 REStG 1920 wurde mit der Vorbelastung dieser Gewinne mit einer Wertzuwachs- und der GrESt begründet, vgl. Schneider, S. 17 ff.; Jung, S. 16.
C. Dualismus der Einkunftsarten
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werblichen Einkünften oder den Spekulationseinkünften zugeordnet werden konnten. Mit dem REStG 1925 nahm der Gesetzgeber den Dualismus der Einkunftsarten auch formell in das Einkommensteuergesetz auf. 46 Er betonte die Notwendigkeit, den "wirtschaftlichen Begriff' Einkommen für das Einkommensteuerrecht in klare, verständliche und durchführbare Normen zu fassen. 47 Daher enthält das REStG 1925 keine allgemeine Einkommensdefinition, sondern in § 6 Abs. 1 lediglich eine pragmatische,48 abschließende Aufzählung der acht Einkommensarten, die für die Besteuerung infrage kommen. 49 Die Gesetzesbegründung zeigt, dass der Gesetzgeber ganz bewusst die Unterscheidung von Gewinneinkünften und Überschusseinkünften gewählt hat. 5o Darin ist eine gesetzgeberische Steuerwürdigkeitsentscheidung zu sehen. Der historische Gesetzgeber ging nämlich davon aus, dass im Rahmen der Gewinneinkunftsarten die Nutzung von Vermögen zwar unverzichtbar sei, diese Einkunftsarten jedoch in erster Linie von einer spezifischen Tätigkeit der Steuerpflichtigen bestimmt würden. Anders sei es bei der Nutzung von Kapital- und Grundvermögen. Hier würden die Erträge nur aufgrund einer begrenzten Verwaltungstätigkeit bezogen. 51 Der Handlungstatbestand der Überschusseinkünfte werde, soweit es um die Nutzung von Kapital- und Grundvermögen geht, demnach durch einen reduzierten Intensitätsgrad der Tätigkeit im Vergleich zu den Gewinneinkünften charakterisiert. 52 Diese Unterscheidung findet sich auch in der Markteinkommenstheorie, die im Handlungstatbestand die Überschuss- von den Gewinneinkünften nach der Intensität der Marktteilnahme abgrenzt. 53 Auch der Gesetzgeber der nachfolgenden Einkommensteuergesetze führte den Dualismus der Einkunftsarten bis heute nahezu unverändert fort. 54 Die Grundentscheidungen und Grundwertungen des Gesetzgebers von 1925 liegen damit auch dem geltenden Einkommensteuerrecht noch zugrunde. § 7 Abs. 2 REStG 1925. Begründung zum Entwurf eines REStG, RT-Drs. 1924/25, Bd. 400, Nr. 795, S. 21 ff. 48 Huchatz/Daenner, in: H/H/R Einf. ESt, Dok. 1, Anm. 30. 49 Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 433; Nickel, S. 59 m. w.N. 50 Begründung zum Entwurf eines REStG, RT-Drs. 1924/25, Bd. 400, Nr. 795, S. 23: "grundsätzliche Unterschied der Besteuerungsart dieser beiden Gruppen". 51 Begründung zum Entwurf eines REStG, RT-Drs. 1924/25, Bd. 400, Nr. 795, S. 40 f. und S. 47 ff. 52 Insoweit zutreffend: Schneider, S. 37. 53 Schneider, S. 37; Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. B 89 spricht von der Intensität des Marktbezugs. 54 Ausführlich Schneider, S. 28 ff. m. w.N. Vgl. auch Dziadkowski, in: FS Offerhaus, S. 1091, 1093. 46 47
3 B10ehs
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1. Teil: Einkunftsbegriff als Begrenzung des steuerbaren Bereichs
Die Gewinn- und Überschusseinkunftsarten bilden ihrerseits jeweils im Wesentlichen die Reinvermögenszugangstheorie oder die Quellentheorie ab. Dieser im steuerrechtlichen Einkommensbegriff angelegte formelle "Dualismus der Einkunftsarten" stellt keine bloßen unterschiedlichen Berechnungsformeln für ein inhaltlich identisches Einkommen dar, wie es zumindest grundsätzlich die verschiedenen Gewinnermittlungsmethoden der §§ 4 Abs. 3 und 5 Abs. 1 EStG darstellen. Dort gilt der Grundsatz der Identität des Totalgewinns. Aus den unterschiedlichen Ansätzen der Reinvermögenszugangstheorie und der Quellentheorie folgt vielmehr zwangsläufig, dass die diesen unterschiedlichen Konzeptionen folgenden Gewinn- und Überschusseinkünfte auch materiell zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. 55 Es besteht somit neben dem formellen auch ein materieller Dualismus der Einkunftsarten. 56 Allerdings zeigt das geltende Einkommensteuerrecht mit der Steuerbarkeit von Unterhaltsleistungen und wiederkehrenden Bezügen unabhängig von einer Marktteilnahme auch, dass die Markteinkommenstheorie nicht in "Rein/orm" verwirklicht ist. 57 11. Der Einkunftsbegriff in § 2 EStG 1. Definition des Steuergegenstandes
§ 2 Abs. 1 EStG bestimmt zusammen mit den §§ 13-24 EStG abschließend, welche aller denkbaren Arten von Einkünften der Einkommensteuer unterliegen. 58 Die Zuordnung von Einkünften zu einer der sieben Einkunftsarten begründet also die Steuerbarkeit der Einkünfte. Andere Einkünfte, die nicht diesen Einkunftsarten zugeordnet werden können, sind nichtsteuerbar. 59 Mit anderen Worten: § 2 Abs. 1 EStG bestimmt den Steuerbarkeits-
55 Eingehend: Schneider, S. 30 ff.; gl. A. Dziadkowski, in: FS Offerhaus, S. 1091, 1108; Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 477 m. w.N.; Ferdinand Kirchhof, in: Achterberg/Püttner, § 20 Rn. 136. 56 Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. C 5 ff. So auch bereits Tipke, in: FS Paulick, S. 391, 397 f. m. w.N.; Tipke, Grundstücksveräußerungen, S. 48; Lang spricht von einem "zerklüfteten Einkunftsartenrecht ... , das die einzelnen Einkünfte unvollständig erfaßt, unterschiedlich quantifiziert und unterschiedlich steuerlich belastet. '" Die Differenzierungen sind teilweise verdächtig, dem Gleichheitssatz zu widersprechen", Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 477 m. w.N.; Knobbe-Keuk, in: FS Ludwig Schmidt, S. 741, 749; Eckhoff, S. 307. 57 Gl.A. Handzik/Hellwig, in: L/B/H § 2 Rn. 27; Steichen, in: FS Tipke, S. 365, 382 ff; Söhn, in: FS Tipke, S. 343, 346. 58 Raupach/Schenking, in: H/H/R § 2 Anm. 502 und Anm. 69. 59 Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 62 m. w. N.
c. Dualismus der Einkunftsarten
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rahmen und damit die Besteuerung dem Grunde nach. § 2 EStG seinerseits ist als "Kemtatbestand" des Einkommensteuerrechts aufzufassen. 60 ,,§ 2 [EStGj bietet den verbindlichen Fixpunkt, an dem sich die Maßstäbe der einkommensteuerlichen Systemgerechtigkeit, logischen Folgerichtigkeit, materiellen Gleichheit und rechtsstaatlichen Berechenbarkeit der Einkommensbesteuerung orientieren. ,,61
Die §§ 13-24 EStG finden deshalb in § 2 EStG eine "verbindliche Auslegungshilfe".62 2. Der Begriff der "Einkünfte"
Der Begriff der "Einkünfte" wird in seiner Grundbedeutung vom Einkommensteuergesetz als bekannt vorausgesetzt und durch § 2 Abs. I und 2 EStG nur näher beschrieben. 63 Die Struktur des § 2 EStG folgt dabei weniger dogmatischen Grundsätzen als dem Ziel, ähnlich einem Programmablaufplan, den Gang des Besteuerungsverfahrens festzulegen. 64 § 2 Abs. I EStG geht davon aus, dass die steuerbaren Einnahmen bereits definiert und um die der Einkunftserzielung dienenden Aufwendungen vennindert worden sind. 65 Eine einheitliche Bezeichnung der Ausgangsgrößen Einnahmen und Aufwendungen für alle Einkunftsarten existiert im EStG jedoch ebenfalls nicht. Den Dualismus der Einkunftsarten widerspiegelnd werden nämlich verschiedene Begriffspaare verwendet. 66 Die Begrifflichkeit des § 2 Abs. 1 und 2 EStG stellt allerdings klar, dass Gewinn- und Überschusseinkünfte nur Unterfälle der Einkünfte sind, der materielle Kemtatbestand des Einkommensteuerrechts also für alle Einkunftsarten identisch ist. Daraus folgt die Gleichordnung der Einkunjtsarten. 67 Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 173, Rn. B 2; Klein, S. 23. Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 174. 62 Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 173. Zu den unterschiedlichen dogmatischen Ansätzen zur Erklärung des Steuertatbestandes vgl. die "klassische Lehre" (Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 40), die unhaltbare "Stufenbaulehre" (insb. Bayer, BB 1988, S. 1) sowie die "vermittelnde Auffassung" (Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 107; Raupach/Schencking, in: H/H/R, § 2 Anm. 51). 63 Raupach/Schencking, in: H/H/R § 2 Anm. 53; Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 58. 64 Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 455; BT-Drs. 7/1470, S. 238. 65 Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 52. 66 Ertrag und Aufwand in den §§ 4 Abs. 1,5 Abs. 1 EStG sowie Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben in § 4 Abs. 3 EStG zur Ermittlung der Residualw-öße Gewinn, Einnahmen und Werbungskosten (§§ 8, 9 EStG) zur Ermittlung des Uberschusses. 67 Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 60 und B 30; Nickel, S. 46 m. w. N.; Raupach/Schencking, in: H/H/R § 2 Anm. 87; Handzik/Hellwig, in: LlB/H § 2 Rn. 53. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 229 ff. verwendet den 60
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3*
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1. Teil: Einkunftsbegriff als Begrenzung des steuerbaren Bereichs
IH. Vereinbarkeit des Einkünftedualismus mit verfassungsrechtlichen Vorgaben Der Dualismus der Einkunftsarten führt zu materiellen Ungleichbehandlungen. 68 Dies mag ursprünglich gerechtfertigt gewesen sein69 , ist aber im heutigen wirtschaftlichen Umfeld nicht mehr begründbar. 7o Denn das aus Art. 3 Abs. I GG folgende Gebot der Besteuerungsgleichheit bedeutet nicht nur Gleichheit im Belastungsgrund, sondern auch Gleichheit im Belastungserfolg. 71 Die systematische Unterscheidung verschiedener Einkunftsarten mit der Folge unterschiedlicher Regelungen und Steuerbelastungen kann für sich allein die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. 72 Unterschiedliche Steuerfolgen müssen sachlich gerechtfertigt sein. 73 Die Ausgestaltung des Einkünftedualismus bewegt sich nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts allerdings noch im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ?4
D. Die sieben Einkunftsarten als Rahmen der objektiven Steuerbarkeit I. Überblick Aus dem materiellen Dualismus der Einkunftsarten folgt, dass der äußerste Rahmen der objektiven Steuerbarkeit für die Gewinn- und Überschusseinkunftsarten getrennt zu ermitteln ist. Die folgende Darstellung beBegriff "Gleichwertigkeitsprinzip"; so auch Tipke, StRO 11 S. 594 f.; Eckhoff, S. 175; Schmidt-Liebig, INF 1999, S. 641, 643; Führer, S. 58; Wittmann, S. 126. Mit diesem Grundsatz dürfte allerdings die tatsächliche Ausformung des EStG mit seinem materiellen Dualismus (vgl. oben I.) kaum vereinbar sein. Skeptisch auch Ferdinand Kirchhof, in: Achterberg/PüUner, § 20 Rn. 136. 68 Vgl. oben I. sowie unten E. 69 Vgl. Dietz, FR 1999, S. 85, 86 f.; Merbecks, in: FS Bayer, S. 187, 210; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 123 f. 70 Vgl. Dietz, FR 1999, S. 85, 86 f.; Merbecks, in: FS Bayer, S. 187, 210; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 123 f.; Jachmann, StuW 1998, S. 193, 202; Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 187 m. w.N.; Tipke, StRO 11 S. 649. A.A. Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. A 666 f. 71 BVerfGE 84, 239, 271 ff.; zustimmend Jachmann, StuW 1998, S. 193, 203; Drenseck, in: FS Ludwig Schmidt, S. 850, 862. 72 BVerfGE 84, 348, 363 f. Auch Raupach, in: Symposium Band I, S. 15, 103 hält die Steuerfreiheit privater Veräußerungsgewinne für nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar. 73 BVerfGE 84, 348, 363 f.; BVerfGE 99, 88, 94 ff. Zustimmend Eckhoff, S. 172; Dietz, FR 1999, S. 85, 86; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 123. 74 BVerfGE 26, 302, 310 ff.; BVerfGE 27, 111, 127 f.; BVerfGE 28, 227, 236 ff. sowie in jüngerer Zeit in einem obiter dictum: BVerfGE 89, 329, 338.
D. Sieben Einkunftsarten als Rahmen der objektiven Steuerbarkeit
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schränkt sich dabei auf die für diese Arbeit relevanten Veräußerungsgeschäfte.
11. Steuerbarkeit von Einkünften aus der Veräußerung von Betriebsvermögen Bei den Gewinneinkunftsarten ist die Gewinnennittlung durch die Reinvermögenszugangstheorie geprägt und die Steuerverstrickung des gesamten Betriebsvermögens kennzeichnend. Für buchführungspflichtige Steuerpflichtige ergibt sich dies aus § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, der sämtliche bilanzierungspflichtigen Vermögenswertänderungen75 steuerlich erfasst. Doch selbst nicht buchführende Steuerpflichtige, die ihren Gewinn durch Einnahmen-/ Überschussrechnung ermitteln, haben gemäß § 4 Abs. 3 S. 3 EStG die Vorschriften über die Absetzung für Abnutzung anzuwenden. Zumindest aus dem G~ndsatz der Identität des Totalgewinns folgt, dass auch bei nicht buchführenden Steuerpflichtigen ein steuerverstricktes (notwendiges) Betriebsvermögen existiert. 76 Veräußerungen des Betriebsvermögens führen aufgrund der Steuerverstrickung immer zu steuerbaren Einkünften. 77 Verwirklicht also ein Steuerpflichtiger die Tatbestandsvoraussetzungen einer Gewinneinkunftsart, dann sind nicht nur sämtliche damit verbundenen Vermögenszugän~e aus der laufenden Erwerbstätigkeit steuerbar, sondern auch alle Vermögenszugänge aus der Veräußerung von Betriebsvermögen. Werden demnach Grundstücke, Wertpapiere oder anderes Kapitalvermögen des Betriebsvermögens veräußert, dann liegen in der Gegenleistung immer auch steuerbare Einnahmen vor. 78 Das Gleiche gilt für Entnahmen des Steuerpflichtigen für nichtunternehmerische Zwecke. Sie erhöhen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG ebenfalls den Gewinn.
75 Grundsätzlich gelten aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (§ 5 Abs. I Satz I EStG) das handelsrechtliche Realisationsprinzip, Vorsichtsprinzip und Imperationsprinzip (§ 252 Abs. I Nr. 4 HGB). 76 Allg. M. z.B. Heinicke, in: Ludwig Schmidt, § 4 Rn. 10 ff., Rn. 166. 77 So auch Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 82 f. 78 Dies gilt aufgrund der Subsidiaritätsklauseln der §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3 EStG auch für den Fall, dass - isoliert betrachtet - im Rahmen einer Gewinneinkunftsart gleichzeitig die Voraussetzungen der §§ 20, 21 EStG erfüllt sind. Eingehend zu Einkunftsartenkonkurrenzen und deren Lösung: Nickel, S. 48 ff.; Zugmaier, Einkünftequalifikation.
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1. Teil: Einkunftsbegriff als Begrenzung des steuerbaren Bereichs
IH. Grundsätzlich keine Steuerbarkeit der Einkünfte aus der Veräußerung von Privatvermögen 1. Grundsatz
Erfüllt ein Steuerpflichtiger lediglich die Tatbestandsvoraussetzungen einer der quellentheoretisch bestimmten Überschusseinkunftsarten, dann ist die Veräußerung des Vermögensstammes, der "Quelle", grundsätzlich nichtsteuerbar. Aus quellentheoretischer Sicht liegt kein Einkommen vor. 79 Der Vermögensstamm, bei Einkünften gemäß § 21 EStG das Vermietungsobjekt, meist ein Grundstück, bei Einkünften gemäß § 20 EStG das Kapitalvermögen, stellt kein steuerverstricktes, sondern Privatvermögen 80 dar. Das Gleiche gilt für Veräußerungen von Privatvermögen, das bislang überhaupt nicht für die Erzielung von steuerbaren laufenden Einkünften verwendet worden ist, beispielsweise für brachliegende Grundstücke des Privatvermögens. Das EStG macht von diesem quellentheoretischen Grundsatz allerdings einige Ausnahmen. 81 Während die Einbeziehung von Substanzwertsteigerungen in den steuerbaren Bereich durch § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG nur eine unbeabsichtigte Nebenfolge der steuerlichen Erfassung von Finanzinnovationen 82 zu sein scheint83 , ist dies bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften84 und aus der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen an Kapitalgesellschaften des Privatvermögens vom Gesetzgeber beabsichtigt. Insoweit handelt es sich also um eine Annäherung der Besteuerung der Überschusseinkünfte an die Reinvermögenszugangstheorie. Der Einfluss der Reinvermögenszugangstheorie hat somit die Einkünfte aus Privatvermögen aufgespalten in die laufenden Quelleneinkünfte gemäß §§ 20 Abs. 1, 21, 22 Nm. 1, 1 a, 3, 4 EStG und in die Einkünfte aus der Veräußerung von privatem Stammvermögen (§§ 17, 22 Nr. 2, 23 EStG).85 Vgl. oben B. I. Begriff nach Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 556 im Sinne von "Nicht-Betriebsvermögen". 81 Durchlaub, S. 24; Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 183 spricht von einer "Erweiterung des quellentheoretischen Rahmens". 82 Der Begriff "Finanzinnovationen" wird in der Literatur uneinheitlich gebraucht. Vgl. auch Reichei, RB vom 14./15.7.2000, S. 9; Tilp, S. 16 f. 83 Ausführlich sogleich unten 2. 84 Seit 1.1.1999 "Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften", Gesetz vom 24.3.1999, BGBL I 1999, S. 402. Gemäß § 23 Abs. 3 EStG wird aber weiterhin der "Gewinn" ermittelt; diese Bezeichnung entspricht aber nicht § 2 Abs. 2 EStG, sondern ist nach eigenen Grundsätzen als ein Überschuss zu ermitteln, Heinicke, in: Ludwig Schmidt, § 23 Rn. 2. 85 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 556. 79
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D. Sieben Einkunftsarten als Rahmen der objektiven Steuerbarkeit
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Gerade die §§ 17, 23 EStG sind in jüngster Vergangenheit mehrfach geändert worden. Ob dadurch eine weitere, womöglich vom Gesetzgeber beabsichtigte, Annäherung der quellentheoretisch geprägten Überschusseinkünfte an die Reinvermögenszugangstheorie verbunden ist, und ob dadurch sogar der Dualismus der Einkunftsarten faktisch beseitigt würde, wird im Folgenden untersucht. 2. Steuerbarkeit von Verrnögenszuwächsen durch § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG
Zur Vermeidung der Steuerbarkeit des Entgelts für die Überlassung von Kapitalvermögen im Rahmen des § 20 EStG86 wurden Finanzinnovationen entwickelt, die die Vergütung für die Kapitalüberlassung im nichtsteuerbaren Bereich als Wertsteigerung des Vermögensstammes anfallen ließen. 87 Auf diese Entwicklung reagierte der Gesetzgeber mit der Änderung des
§ 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 2-4 EStG ab 1994. 88 § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
stellt nun eine Auffangvorschrift dar, derzufolge unabhängig von der Bezeichnung und zivilrechtlichen Ausgestaltung des Wertpapiers laufende Kapitalerträge nur noch dann von der Besteuerung ausgenommen sind, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens und der zu erzielende Ertrag von vornherein unsicher ist. Demnach fallen nur noch reine Spekulationsfälle nicht unter § 20 EStG. 89 § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfasst die sog. Durchhaltefälle und § 20 Abs. 2 EStG die sog. Zwischenveräußerungsfälle. 9o Diese 86 BFH-Urteil vom 16.12.1992 I R 32/92, BStBl. II 1993, S. 399; gl.A. Wassermeyer, in: K/S § 20 Rn. 18b. Dem Theorienstreit, ob Besteuerungsgegenstand das Entgelt für die Nutzungsüberlassung oder das der Kapitalüberlassung zugrundeliegende Rechtsverhältnis ist, kommt zumindest für die vorliegende Fragestellung der objektiven Steuerbarkeit von Veräußerungsgeschäften keine Bedeutung zu. Nach Heinicke, in: Ludwig Schmidt, § 20 Rn. 12 ist es ohnehin ein "unbedeutender Theorienstreit" . 87 Loy, S. 9; Heinicke, in: Ludwig Schmidt, § 20 Rn. 170; Hofner, S. 55. Differenzierend Dahm/Hamacher, WM Sonderbeilage Nr. 3 zur Nr. 21/1994, S. 3. 88 StMBG, BGBL I 1993, S. 2310. 89 Heinicke, in: Ludwig Schmidt, § 20 Rn. 182; Lindberg, Rn. B 158 f.; Loy, S. 20. Z. B. Financial Futures, Index-Optionen, Floors, Caps, Collars, Swaps, Optionsscheine und DAX-Panizipationsscheine. Zu Bezeichnung, Beschreibung und steuerrechtlicher Qualifikation der genannten und weiterer Finanzinnovationen vgl. Loy, S. 54 ff., ABC der Finanzinnovationen, sowie Dahm/Hamacher, WM Sonderbeilage Nr. 3 zur Nr. 21/1994, S. 6 ff. Zu Indexzenijikaten vgl. auch Lohr/Kanzler, DB 1998, S. 2339 ff. 90 Vgl. die übersichtliche Darstellung bei Loy, S. 19 und S. 51. Als "DurchhalteHille" werden diejenigen Fälle bezeichnet, in denen der Erwerber, der die Finanzinnovation vom Emittenten übernimmt, diese bis zum Verfallstag bzw. der Einlösung durch den Emittenten hält. Veräußert er die Finanzinnovation dagegen vorher an einen Dritten, dann liegt ein ,,zwischenveräußerungsfall" vor.
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1. Teil: Einkunftsbegriff als Begrenzung des steuerbaren Bereichs
Unterscheidung zeigt, dass mit der Neuregelung des § 20 Abs. 2 EStG auch die steuerliche Erfassung und wirtschaftlich zutreffende subjektive Zuordnung91 von Erträgen aus Finanzinnovationen sichergestellt werden sollte. In den Fällen, in denen aus Sicht des Gesetzgebers unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten Kapitalerträge im Kurs der Wertpapiere und damit im Veräußerungspreis enthalten sind, werden durch § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG die Vermögenszuwächse teilweise als steuerbarer Kapitalertrag erfasst. 92 Für die Bemessung dieses Kapitalertrags ist grundsätzlich die rechnerisch auf die Besitzzeit entfallende Emissionsrendite93 heranzuziehen. Sofern der Steuerpflichtige diese Emissionsrendite im Besteuerungsverfahren nicht nachweist, wird gern. § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 EStG die Marktrendite als steuerbarer Kapitalertrag erfasst. 94 Diese kommt auch zur Anwendung, wenn sich eine Emissionsrendite objektiv nicht ermitteln lässt, wie z. B. bei Index -Anleihen und Reverse Floatern. 95 Wird die Marktrendite der Besteuerung zugrundegelegt, dann ist damit die Trennung von Kapitalstarnm und Kapitalertrag aujgehoben96 und es erfolgt eine echte Gewinnbesteuerung97 • Sinkt das Marktzinsniveau während der Laufzeit des Wertpapiers, dann steigt infolgedessen der Kurs des Wertpapiers. Erfolgt nun die Besteuerung aufgrund der Marktrendite, die anhand des anfangs höheren Zinsniveaus ermittelt worden war, dann wird auch ein grundSätzlich nichtsteuerbarer Kursgewinn als Nutzungsentgelt besteuert. 98 Die grundSätzliche Trennung zwischen Ertrags- und Vermögenssphäre sollte durch diese Gesetzesänderung nicht aufgehoben werden. 99 Dennoch Vgl. Schumacher, S. 224. Schumacher, S. 168; Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 73. 93 Unter Emissionsrendite wird die bei der Ausgabe eines Wertpapiers für den Fall seiner Einlösung als sicher versprochene Rendite verstanden, vgl. im Anschluss an BMF-Schreiben vom 30.4.1993, BStBl. I 1993, S. 343; Halfan, S. 69; Schumaeher, S. 197. 94 Unter Marktrendite ist der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung der Wertpapiere bzw. Kapitalforderungen zu verstehen, vgl. Schumacher, S. 204. 95 Dahm/Hamacher, WM Sonderbeilage Nr. 3 zur Nr. 21/1994, S. 5. Eine Emissionsrendite ist immer dann nicht ermittelbar, wenn zumindest ein Teil der Entgelthöhe von einem ungewissen Ereignis abhängt, vgl. Schumacher, S. 197. 96 Schumacher, S. 205; Stache, S. 204; Lindberg, Rn. B 22. 97 Es ist streitig, ob hier ein Fall der echten Gewinnbesteuerung vorliegt, in dem sich richtigerweise auch Kursverluste als negative Einnahmen in § 20 EStG niederschlagen: So z.B. Schumacher, DStR 2000, S. 416, 418; Scheurle, DB 1994, S. 445, 446; Dahm/Hamacher, WM Sonderbeilage Nr. 3 zur Nr. 21/1994, S. 8; Heinicke, in: Ludwig Schmidt, § 20 Rn. 184 m. w. N. A. A. Lindberg, Rn. B 177 und Rn. B 242, der die Differenzbesteuerung als bloße Ertragsermittlung versteht, die an der Irrelevanz von Vermögenswertänderungen i. e. S. nichts ändern soll. 98 Halfan, S. 105 f. 91
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D. Sieben Einkunftsarten als Rahmen der objektiven Steuerbarkeit
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durchbricht § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG in den genannten Sonderfällen diese Grenze lOO , ohne freilich mit der rasanten Weiterentwicklung der Kapitalmärkte Schritt halten zu können. 101 Der Gesetzgeber erkennt damit an, dass die Veräußerung von Wertpapieren einschließlich von sog. Finanzinnovationen noch zum Bereich der Überschusseinkünfte und somit zur privaten Vermögensverwaltung zählen können. Die Nutzung moderner Anlageformen, die teilweise zur Absicherung offener Positionen institutioneller Anleger entwickelt wurden,102 hindert demnach die Annahme privater Wertpapiergeschäjte nicht. Die Teilnahme am professionellen Kapitalmarkt durch Private hat für sich folglich keinen entscheidenden Einfluss auf die Abgrenzung gewerblicher von privater Vermögensverwaltung. Ursprünglich nur von institutionellen Anlegern im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit genutzte Anlageformen verlieren durch die verstärkte Nutzung durch private Anleger ihren zunächst gewerblichen Charakter. 3. Steuerbarkeit von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG)
a) Spekulationsabsicht als frühere Steuerbarkeitsvoraussetzung Die Steuerbarkeit von Spekulationsgewinnen ist bis heute ein Bestandteil aller deutschen Einkommensteuergesetze, die nicht ohnehin der Reinvermögenszugangstheorie folgten und damit sämtliche Vermögensveränderungen steuerlich erfassten. 103 Eine dogmatische Begründung für diese Ausnahme vom quellentheoretischen Ansatz fehlt allerdings. Erfolgte die Veräußerung innerhalb bestimmter Fristen lO4 , dann galt zunächst für die Spekulationsabsicht eine widerlegbare Vermutung. 105 Später entfiel diese Widerlegungs99 Loy, S. 19; Dahm/Hamacher, WM Sonderbeilage Nr. 3 zur Nr. 2111994, S. 4; Schumacher, S. 168. BT-Drs. 12/5630, S. 59, BT-Drs.12/6078, S. 117 und S. 122. 100 So z.B. bereits Halfan, S. 70; Lindberg Rn. B 22 und B 160 ff.; Hofner, S. 211 f. sowie Schumacher, S. 56 zu § 20 Abs. 2 NT. 4 EStG. 101 Vgl. nur BMF-Schreiben vom 24.5.2000 - IV C 1 - S 2252 - 145/00, DB 2000, S. 1153 zur Behandlung von Umtauschanleihen, wonach die steuerliche Erfassung von bereits angefallenen Stückzinsen bei der Weiterveräußerung während der Laufzeit nicht möglich sein soll, wenn die Stückzinsen nicht gesondert ausgewiesen werden. Denn eine Anwendung des § 20 Abs. 2 Nr. 4 lit. c EStG scheitere daran, dass lediglich die Rendite, nicht aber die Höhe der Erträge i. d. S. ungewiss sei. Zu Inkonsistenzen in der steuerlichen Erfassung durch das BMF-Schreiben vgl. Schumacher, DStR 2000, S. 1218 ff. 102 Z. B. Devisentermingeschäfte oder Financial Futures. 103 Schneider, S. 26. 104 2 Jahre bei Grundstücken, i. Ü. 3 Monate, § 42 Abs. 1 Nr. 1 REStG 1925. Jung, S. 24.
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1. Teil: Einkunftsbegriff als Begrenzung des steuerbaren Bereichs
möglichkeit. 106 Schließlich wurde der Tatbestand ganz von subjektiven Merkmalen gelöst. 107 Das danach allein maßgebende Fristenkriterium wurde 1969 vom Bundesverfassungsgericht als sachgerechtes Differenzierungskriterium im Rahmen einer zulässigen Typisierung anerkannt. 108 b) Änderungen durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002
Der Tatbestand der privaten Veräußerungsgeschäfte ist in mehrfacher Weise erheblich erweitert worden. Ganz entscheidend ist die Verlängerung der Spekulationsjristen bei Grundstücken und ähnlichen Rechten von zwei auf zehn Jahre und bei anderen Wirtschaftsgütem von sechs Monaten auf ein Jahr. 109 Insbesondere die Verlängerung der Frist für Grundstücksveräußerungen führt dazu, dass die Frage, ob ein Veräußerungsgeschäft als privates im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz I NT. 1 EStG oder als gewerblicher Grundstückshandel (§ 15 Abs. 2 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG) zu qualifizieren ist, wesentlich an Bedeutung verloren hat. 110 Denn bislang blieben Veräußerungsgewinne nach Ablauf der zweijährigen Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 NT. 1 a) EStG a. F. nichtsteuerbare Vermögensmehrungen, sofern der Veräußerungsakt nicht als gewerblicher Grundstückshandel einzustufen war. Weil die Finanzverwaltung im Rahmen der Prüfung, ob ein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt, regelmäßig einen Zeitraum von 10 Jahren betrachtetlll , kam es bei Veräußerungen zwischen 2 und 10 Jahren nach Erwerb eines Grundstücks oder nach der Vornahme werterhöhender Maßnahmen 1l2 auf diese Unterscheidung ganz wesentlich an: Lag kein gewerblicher Grundstückshandel vor und war die Zweijahresfrist beachtet worden, dann blieb der Veräußerungsgewinn nichtsteuerbar.
§ 42 Abs. 2 Nr. 3 REStG 1925. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 513. 107 Str. Zum Meinungsstand vgl. die Nachweise bei Sorgenfrei, DStR 1999, S. 1928, 1933 in FN. 56-58. 108 BVerfGE 26, 302, 312 f. 109 § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG. Auf die im Gesetzgebungsverfahren zunächst geplante Einführung einer dritten Frist von 5 Jahren für aus dem Betriebsvermögen entnommene sonstige Wirtschaftsgüter wie z. B. Aktien (§ 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG-Entwurt) wurde "aus Gründen der Gleichbehandlung verzichtet", Dritter Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Steuerentlastungsgesetz, in: BTDrs. 14/443, S. 29. 110 Gl.A. Altfelder, FR 2000, S. 349, 362 f. 111 BMF-Schreiben vom 20.12.1990, IV B 2 - S 2240 - 61/90, BStBl. I 1990, S. 884, Tz. 2; Paus, INF 1999, S. 513, 518. 112 Im einzelnen BMF-Schreiben vom 20.12.1990, IV B 2 - S 2240 - 61/90, BStBl. I 1990, S. 884, Tz. 17. 105
106
D. Sieben Einkunftsarten als Rahmen der objektiven Steuerbarkeit
43
Mit der Verlängerung der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind innerhalb von zehn Jahren nun alle Gewinne aus Grundstücksveräußerungen steuerbar, unabhängig davon, ob sie als gewerblich qualifiziert werden oder nicht. Dies ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Realisation einer echten Besteuerungsgleichheit ll3 , aber auch zur stillschweigenden Beseitigung des Einkünftedualismus. Mit § 23 Abs. 1 Nr. i Satz 2 EStG wurde das Tatbestandsmerkmal der identität von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut beseitigt. Bislang fiel bei der Veräußerung eines unbebaut erworbenen Grundstücks, auf dem in der Zeit zwischen Erwerb und Weiterveräußerung ein Gebäude erstellt worden war, für das mitveräußerte Gebäude kein steuerbarer Spekulationsgewinn an. 114 Seit dem 1.1.1999 sind auch innerhalb der 10 Jahre hergestellte Gebäude in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns einzubeziehen. 1l5 Eine weitere wesentliche Änderung wurde in § 23 Abs. 1 Nr. i Satz 3 EStG eingefügt. Danach werden nun Wirtschaftsgüter, die im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden, von der Steuerbarkeit nach § 23 EStG ausgenommen. 1l6 Bislang waren nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG private Termingeschäfte nur dann steuerbar, wenn unter Ausübung einer Kauf- oder Verkaufsoption ein Wirtschaftsgut tatsächlich erworben und innerhalb der Spekulationsfrist wieder veräußert worden war. Nichtsteuerbar blieben hingegen jene Geschäfte, die keine tatsächliche Lieferung von Wirtschaftsgütern beinhaltetenY7 Der neue § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG hat die Steuerbarkeit von privaten Termingeschäften ausgeweitet. Das "Termingeschäft" ist gekennzeichnet durch das zeitliche Auseinanderfallen von Vertragsabschluss und Vertragserfüllung. 118 Anstelle der Lieferung und Abnahme des Basiswertes kann eine Erfüllung auch durch einen finanziellen Ausgleich, den sog. BarausJachmann, Steuergesetzgebung, S. 124 f.; Wendt, FR 1999, S. 333, 350. Heinicke, in: Ludwig Schmidt, 17. Aufl. 1998, § 23 Rn. 6 m.w.N. 115 Eingehend: Meyer/Ball, FR 1999, S. 925 ff.; Risthaus, FR 2000, S. 128 ff. 116 Vgl. BMF-Schreiben vom 5.10.2000, IV C 3 - S 2256 - 263/00, BStBl. I 2000, S. 1383, 1386. Die zweite tatbestandliche Ausnahme stellt die Nutzung nur zu eigenen Wohnzwecken für den Zeitraum zwischen Anschaffung/Fertigstellung und Veräußerung dar. m van Bebber, DStR 1999, S. 1756; Schlüter, DStR 2000, S. 226 f.; Loy, S. 70; BFH-Urteil vom 25.8.1997 IX R 65/86, BStBl. 11 1998, S. 248. 118 van Bebber, DStR 1999, S. 1756. Ausführlich zur Neuregelung Hamacher, WM 2000, S. 1721 ff. Zum Begriff des Termingeschäfts vgl. eingehend Sorgenfrei, DStR 1999, S. 1928, 1929 f.; Loy, S. 70 und S. 100; Dahm/Hamacher, WM Sonderbeilage Nr. 3 zu Nr. 21/1994, S. 18 f. 113
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1. Teil: Einkunftsbegriff als Begrenzung des steuerbaren Bereichs
gleich (cash settlement) vereinbart werden. Der Barausgleich entspricht der Höhe der Differenz zwischen dem vereinbarten Bezugspreis für den Basiswert und dem zum Erfüllungszeitpunkt geltenden Marktwert. 119 § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfasst die Termingeschäfte, in denen ein Differenzausgleich vereinbart ist, § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG die Fälle, in denen erfüllt wird. 120
Im Zusammenhang mit dem neuen § 15 Abs. 4 Sätze 3-5 EStG gewinnen § 23 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Sätze 6, 7 EStG eine eigenständige systematische Bedeutung. § 15 Abs. 4 Satz 4 EStG beschränkt für Verluste aus betrieblichen Termingeschäften die Möglichkeit eines horizontalen Verlustausgleichs, soweit die Termingeschäfte weder von Finanzinstituten i.S. des KWG im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit vorgenommen werden, noch bei anderen Unternehmen "der Absicherung von Geschäften des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs dienen." Auf diese Weise wird eine Ausnahme von dem Reinvermögenszugangsprinzip geschaffen, dem die Gewinneinkunftsart des § 15 EStG im Übrigen fast durchgehend folgt. 121 c) Schlussfolgerungen aus den Gesetzesänderungen
der privaten Veräußerungsgeschäfte
Die Änderungen des § 23 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/ 200012002 sind objektiv dazu geeignet, die Folgen des materiellen Dualismus abzumildern, indem sie den Steuerbarkeitsrahmen bei privaten Veräußerungsgewinnen erweitern und der Besteuerung gewerblicher Veräußerungen annähem. 122 Die gleichzeitig mit der Erweiterung des Steuerbarkeitsrahmens eingeführte Ausnahme, wonach die Veräußerung von zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wirtschaftsgütern von der Steuerbarkeit ausgenommen bleibt l23 , kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass das EStG vermehrt nur van Bebber, DStR 1999, S. 1756, 1757 m. w. N. Delp,INF 1999, S. 584 ff.; van Bebber, DStR 1999, S. 1756, 1757 ff. zu Devisentenningeschäften. 121 Eingehend zu § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG, Sorgenfrei, DStR 1999, S. 1928 ff., der diese Nonn mit überzeugenden Argumenten für verfassungswidrig hält, weil der abgestufte Verlustausgleich zu nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen führe (S. 1934 ff. m. w. N.). Vgl. zu neuen Restriktionen im Bereich von Sicherungsgeschäften für Aktienkäufe § 15 Abs. 4 Satz 5 EStG i.d.F. des GÄndlnvZulG vom 20.12.2000, BGBl. I 2000, S. 1850. 122 Gl.A. Herzig/Lutterbach, DStR 1999, S. 521, 526 sowie bereits Tipke, StRO II S. 654 hinsichtlich der Auswirkungen einer von ihm noch vergeblich geforderten Verlängerung der Spekulationsfristen. 123 § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. 119
120
D. Sieben Einkunftsarten als Rahmen der objektiven Steuerbarkeit
45
die Veräußerung von Erwerbsvermögen erfassen soll. Die Veräußerung von zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wirtschaftsgütern respektiert die Privatsphäre, die von der Besteuerung ausgenommen bleiben soll, zumal § 23 EStG a. F. zu Wohnzwecken eigengenutzte Wirtschaftsgüter noch der Besteuerung unterwarf. Aus den Gesetzesmaterialien kann für eine derartige bewusste Entscheidung des Gesetzgebers allerdings kein zuverlässiger Hinweis entnommen werden. Entscheidende Motivation des Gesetzgebers, insbesondere für die Verlängerung der Spekulationsfristen, dürfte vielmehr die sog. "Verbreiterung der Bemessungsgrundlage" gewesen sein, also die Finanzierung der an anderer Stelle im Steuerentlastungsgesetz 1999/200012002 enthaltenen Entlastungsmaßnahmen. Dieses Motiv wird denn auch an mehreren Stellen der Gesetzesbegründung ausdrücklich hervorgehoben. 124 Die Aufnahme der neuen Nr. 4 in § 23 Abs. 1 EStG zeigt insbesondere in Verbindung mit den Änderungen des § 15 Abs. 4 EStG, dass der Gesetzgeber auch im Steuerentlastungsgesetz 19991200012002 und im GÄndInvZulG vom 20.12.2000 kein durchgehend systematisches Konzept verfolgt hat. Die Änderungen erwecken, zusammen betrachtet, vielmehr den Eindruck einer "Renaissance" der Spekulationsabsicht und der neuen Einteilung von Termingeschäften in "gute" (= "Hedging" im Rahmen von § 15 EStG) und "böse" (= private). Eine Umorientierung des Gesetzgebers in Richtung einer Abschaffung des (materiellen) Einkünftedualismus kann somit nicht als Konzeption erkannt werden. Für die Abgrenzung privater Vermögensverwaltung vom Gewerbebetrieb ist der Einkünftedualismus somit de lege lata weiterhin von uneingeschränkter Bedeutung. 4. Steuerbarkeit von Gewinnen aus der Veräußerung von wesentlichen Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 17 EStG)
Nicht im Betriebsvermögen gehaltene Anteile an Kapitalgesellschaften führen im Falle der Ausschüttung von Dividenden regelmäßig zu Einkünften gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. 125 Die Gewinne und Verluste aus der Veräußerung dieser Anteile als Vermögens stamm sind im Rahmen der Überschusseinkunftsart des § 20 EStG demnach aus systematischer Sicht nichtsteuerbar. Der Gewinn aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft wird allerdings als steuerbar erfasst. Mit dem 124 Entwurf eines Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, BT-Drs. 14/23, S. 126 f. 125 Mit Einführung des sog. Halbeinkünfteverfahrens zukünftig allerdings nur noch zur Hälfte, §§ 3 Nr. 40, 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG n. F.
46
1. Teil: Einkunftsbegriff als Begrenzung des steuerbaren Bereichs
Steuerentlastungsgesetz 1999/200012002 wurde die Wesentlichkeitsgrenze des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG 126 von mehr als 25% auf mindestens 10% gesenkt. Dadurch sind eine Vielzahl bislang nicht steuerverhafteter Beteiligungen in die Wesentlichkeit und damit in die Steuerverstrickung hineingewachsen. 127 Begründet wurde diese Herabsetzung in erster Linie mit dem Ziel der "Gegenfinanzierung" und "Verbreiterung der Bemessungsgrundlage", also mit reinen Fiskalzwecken. 128 Nicht als Ziel der Neuregelung der privaten Veräußerungsgeschäfte wird hingegen die Erweiterung des unbeschränkt steuerbaren Bereichs auf den bislang nur beschränkt steuerbaren Bereich genannt, um so die Folgen des materiellen Einkünftedualismus zu begrenzen. Mit dem Steuersenkungsgesetz wird die Wesentlichkeitsgrenze auf 1 % gesenkt. 129 Begründet wird diese Herabsetzung aber ausschließlich mit dem Ziel der Vermeidung von Steuerumgehungen, die sich im Bereich des § 17 EStG zukünftig nach Abschaffung des Vollanrechnungsverfahrens und dem Übergang auf das sog. Halbeinkünfteverfahren für Gewinnausschüttungen anbieten würden. 130 Auch hier findet sich in den Gesetzesbegründungen kein Hinweis auf eine Absicht des Gesetzgebers, die Unterschiede zwischen Gewinn- und Überschusseinkünften zu beseitigen. \31 In ihren steuerlichen Auswirkungen führt diese weitere Herabsetzung allerdings tatsächlich zu einer gleichmäßigeren Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfä126 Rechtssystematisch gehört § 17 EStG zu § 20 EStG, müsste also ein ,,§ 20a" sein, weil die Anteile an Kapitalgesellschaften nicht im Betriebsvermögen sind, sondern das Starnmvermögen für Einkünfte nach § 20 EStG bilden, Lang, in: Tipkel Lang, § 9 Rn. 197. 127 Balmes/Kotyrba, FR 1999, S. 1044, 1045; Tipke, StRO II S. 653 hält die Abgrenzung über Prozentpunkte für willkürlich. 128 Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 9.11.1998, BTDrs. 14/23, S. 178 und BT-Drs. 14/265, S. 179; Dritter Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 3.3.1999, BT-Drs. 14/443, S. 4. 129 § 17 EStG i.d.F. des StSenkG vom 23.10.2000, BGBL I 2000, S. 1433. Vgl. auch Korezkij, BB 2000, S. 1273 ff.; Eilers/Wienands, GmbHR 2000, S. 405 ff.; Schulte, DB 2000, S. 1043 ff. sowie allgemein zu § 17 EStG Wolff-Diepenbrock, in: FS Franz Klein, S. 875 ff. 130 Wegen des Wegfalls der Anrechnung der Körperschaftsteuer beim Anteilseigner und der beim Zufluss einer Ausschüttung erfolgenden nur hälftigen Versteuerung auf der Ebene des Anteilseigners würde es ansonsten zukünftig vorteilhaft sein, vor der Ausschüttung den Anteil zu veräußern, um bei geringerer Beteiligung als 10% den Veräußerungserlös steuerfrei vereinnahmen zu können. Mit der Herabsetzung der Wesentlichkeitsgrenze auf 1 % soll diese Möglichkeit weitgehend beseitigt werden, vgl. Entwurf des StSenkG vom 14.2.2000, BT-Drs. 14/2683, S. 163 f. 131 Entwurf des StSenkG vom 14.2.2000, BT-Drs. 14/2683 sowie bereits der ursprünglich im Internet veröffentlichte Referentenentwurf, http: I I www. bundesfinanzministerium.de/.
E. Ergebnis
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higkeit 132 und damit zu einem Abbau der materiellen Bedeutung des Einkünftedualismus.
E. Ergebnis Das Einkommensteuergesetz hat keine der finanzwissenschaftlichen Einkommenstheorien zur Gänze übernommen. Es folgt der Reinvermögenszugangs- und der Quellentheorie in einzelnen Bereichen, wie der Dualismus der Einkünfte belegt. Auch die steuerrechtliche Markteinkommenstheorie wird nicht in Reinform verwirklicht. Insbesondere ist die Steuerbarkeit nicht in allen Fällen auf eine marktwirtschaftliche Betätigung beschränkt. Von diesen Ausnahmefällen abgesehen, stellt die Markteinkommenstheorie aber die für die Auslegung des Einkommensteuergesetzes grundlegenden Kriterien zur Verfügung. Für die konkrete Bestimmung der Steuerbarkeit steht dem Gesetzgeber ein erheblicher Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Der Gesetzgeber hat in § 2 EStG die grundlegende Belastungsentscheidung getroffen, indem er dort die steuerbaren Einkünfte abschließend aufzählt. An diese Belastungsentscheidung ist die Gesetzesanwendung strikt und der Gesetzgeber in der Ausformulierung von Detailregelungen gebunden. 133 Der Gesetzgeber wäre nicht daran gehindert, den in § 2 EStG festgelegten Steuerbarkeitsrahmen zu erweitern. 134 Dies ist jedoch bislang nicht, auch nicht durch § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG oder durch die jüngsten Änderungen der §§ 17, 23 EStG geschehen. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Angreifbarkeit des materiellen Dualismus der Einkunftsarten wäre eine solche Erweiterung aber de lege ferenda geboten. 135 Bedeutungslos ist die Unterscheidung zwischen privaten und gewerblichen Veräußerungsgeschäften indes auch durch diese Gesetzesänderungen nicht geworden. Dies zeigen die weiterhin bestehenden Unterschiede in der steuerrechtlichen Behandlung von Privatvermögen und Betriebsvermögen. Werden Veräußerungsgeschäfte als gewerbliche Tätigkeit qualifiziert, dann ist § 23 EStG subsidiär. 136 Dies hat zur Folge, dass laufende Einkünfte innerhalb des Zeitraums zwischen Anschaffung/Fertigstellung eines Gebäudes und dessen Veräußerung nicht zu Einkünften aus § 21 EStG zählen. Sowohl Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 125 f. Paul Kirchhof, in: KlS § 2 Rn. A 172 ff.; Raupach/Schencking, in: H/H/R § 2 Anm. 79. 134 GI.A. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 316, S. 469; Lang, Reformentwurf, S. 65 f. 135 GI. A. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 126 f. 136 § 23 Abs. 2 Satz I EStG. 132 133
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1. Teil: Einkunftsbegriff als Begrenzung des steuerbaren Bereichs
die laufenden Einkünfte als auch Veräußerungsgewinne sind dann gewerbesteuerpflichtiger Gewinn. 137 Die Zuordnung zum gewerblichen Grundstückshandel führt außerdem dazu, dass die Gebäude als Umlaufvermögen zu aktivieren und Abschreibungen nach § 7 EStG damit unzulässig sind. 138 Aus der Zuordnung zum Umlaufvermögen folgt weiter, dass im Falle der Veräußerung trotz der Annahme gewerblicher Einkünfte die Steuervergünstigungen der §§ 16, 34 EStG regelmäßig versagt bleiben. 139 Häufig wird die Qualifikation als gewerbliche Tätigkeit von der Finanzverwaltung erst nach einigen Jahren erfolgen, sodass bei noch nicht bestandskräftigen Veranlagungen die Vollverzinsungsregelung nach § 233 a AO anzuwenden ist. Daraus können weitere Belastungen des gewerblich tätigen Steuerpflichtigen entstehen. 140 Aber auch bei bestandskräftigen Veranlagungen der Vorjahre kann nach der Rechtsprechung des BFH noch eine rückwirkende Änderung erfolgen 141, sodass ursprünglich nichtsteuerbare Veräußerungsgewinne der Vorjahre noch rückwirkend in den steuerbaren Bereich einbezogen werden. 142 Zwar soll es sich beispielsweise bei der Überschreitung der Drei-Objekt-Grenze nicht um ein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 AO handeln, doch die Anwendung des § 173 Abs. 1 AO soll möglich sein. 143 137 Bitz, BB 1999, S. 2111, 2112. Die Steuerbelastungsunterschiede des Veräußerungsgewinns sind indes nur geringfügig, vgl. eingehend: Rautenberg/Korezkij, BB 1999, S. 1638, 1639, insb. Tabelle 3, die je nach GewSt-Hebesatz und KiStSatz Belastungsdifferenzen anband von kombinierten Steuersätzen zwischen gewerblichen und nichtgewerblichen Gewinnen von max. -1,81 % bis 2,06% ermitteln; dazu auch: Bitz, DStR 1999, S. 792 ff. und BB 1999, S. 2111 f.; Rautenberg/ Korezkij, BB 1999, S. 2112. Durch § 35 EStG i.d.F. des StSenkG wird der Belastungsunterschied insgesamt wohl zukünftig höchstens marginal sein. 138 Führer, S. 188 f.; Bitz, BB 1999, S. 2111, 2112; Ehlers, DStR 1989, S. 729, 733; Biergans, StBp 1991, S. 193,200. 139 Ehlers, DStR 1989, S. 729, 733; Schmidt-Liebig, INF 1998, S. 257, 261; Führer, S. 188 ff. sowie Biergans, StBp 1991, S. 193, 200 mit Hinweisen auf Fallgestaltungen, in denen die §§ 16, 34 EStG zur Anwendung kommen können. Durch die Abschaffung des halben Steuersatzes und die Einführung der sog. Fünftelungsmethode in § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG hatte diese Frage zwar kurzzeitig an Bedeutung verloren; aufgrund des StSenkErgG hat sie aber wieder Relevanz erlangt. 140 Bitz, BB 1999, S. 2111, 2112; zustimmend Rautenberg/Korezkij, BB 1999, S. 2112; dies nur andeutend: Paus, INF 1999, S. 513, 518. 141 Altfelder, FR 2000, S. 349, 360. 142 Ausführlich Schmid, BB 1999, S. 2587 ff. 143 BFH-Urteil vom 6.7.1999 VIII R 17/97, BFH/NV 2000, S. 103. Im Gegensatz zu § 175 AO fol.~t aus § 173 AO keine Ablaufhemmung, sodass sich in zeitlicher Hinsicht die Anderungsmöglichkeiten durch das Urteil verringert haben. Vgl. die ausführliche kritische Stellungnahme von Altfelder, FR 2000, S. 349, 361 f. Bedenken gegen die Anwendung des § 173 Abs. 1 AO äußert Söffing, DStR 2000, S. 916 f.
E. Ergebnis
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Verluste aus Veräußerungsgeschäften, die den Einkünften nach § 15 EStG zugeordnet werden, unterliegen dem horizontalen und vertikalen Verlustausgleich regelmäßig in vollem Umfang. l44 Verluste im Rahmen des § 23 EStG werden hingegen nur begrenzt berücksichtigt. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 6 und 7 EStG ist sowohl ein vertikaler Verlustausgleich als auch ein interpersonaler Verlustausgleich zwischen zusammen veranlagten Ehegatten ausgeschlossen. Ein Abzug nach § IOd EStG ist ebenfalls nicht möglich. Lediglich ein begrenzter intertemporaler Verlustausgleich wird zugelassen. 145
144 Beachte aber neuerdings §§ 2 Abs. 3, 2b EStG. Vgl. z.B. Geserich, DStR 1999, S. 845 ff. 145 Delp, INF 1999, S. 584, 586 f.; Altfelder, FR 2000, S. 349, 363. 4 Bloehs
2. Teil
Grundstücks- und Wertpapiergeschäfte als gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG A. Die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG I. Überblick Die Definition des einkommensteuerrechtlichen Begriffes des Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 2 EStG wurde erst mit dem Steuerentlastungsgesetz 1984 in das EStG aufgenommen. 146 Bis dahin war der Gewerbebetriebsbegriff im EStG nicht geregelt gewesen. Rechtssystematisch zweifelhaft war zuvor auf die seit 1955 in § 1 Abs. 1 GewStDVenthaltene Definition des Gewerbebetriebs zurückgegriffen worden. 147 Die Definition der GewStDV ihrerseits enthielt die vom RFH und vom Preußischen OVG entwickelten Gewerbemerkmale l48 , die wesentlich auf die Verkehrs auffassung abstellten. 149 § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG enthält mehrere positive und negative Merkmale, die den Gewerbebetrieb von anderen Einkunftsarten und vom nichtsteuerbaren Bereich abgrenzen sollen. Auffallend ist, dass einige dieser Merkmale wie die Betätigung und die Gewinnerzielungsabsicht bereits zu dem "Handlungstatbestand" des § 2 EStG zählen. ISO Ihre Erwähnung in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist demnach lediglich deklaratorischer Art. Die in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG enthaltenen negativen Tatbestandsmerkmale, die die Land- und Forstwirtschaft sowie die selbständigen Tätigkeiten i.S. des § 18 EStG von der Gewerblichkeit ausnehmen, zeigen, dass es sich bei den Einkünften gemäß §§ 13, 18 EStG um Unterf,ille der untemehmerischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb handelt. 151 Gesetz vom 22.12.1983, BGBl. I 1983, S. 1583. "Rechtssystematisch zweifelhaft" deshalb, weil sich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG der gewerbesteuerrechtliche Begriff des Gewerbebetriebs nach der einkommensteuerrechtlichen Definition richtet. So auch die Regierungsbegründung in BTDrs. 10/336, S. 26 sowie bereits Tipke, Grundstücksveräußerungen, S. 27. 148 BFH-Urteil vom 1.8.1957 IV 399/55 U, BStBl. III 1957, 355; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 11. 149 Nickel, S. 71. 150 Ausführlich Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 121 ff. und Rn. 206 ff. 146 147
A. Gesetzliche Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG
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Im Grundsatz ist unstreitig, dass die Frage, ob Grundstücksgeschäfte und ob Wertpapiergeschäfte einen Gewerbebetrieb darstellen, gleichermaßen danach zu entscheiden ist, ob die Legaldefinition des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt iSt. 152 Die Legaldefinition 153 des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist jedoch nicht vollständig. Dies wird dadurch offenbar, dass die gesetzlichen Merkmale nicht in der Lage sind, die Grenze zum nicht einkommensteuerbaren Bereich der privaten Vermägensverwaltung zu ziehen. 154 Daher fügt der BFH in ständiger Rechtsprechung als - ungeschriebenes - drittes negatives Tatbestandsmerkmal das Nichtvorliegen einer privaten Vermägensverwaltung an. ISS
11. Selbständigkeit Das Tatbestandsmerkmal der selbständigen Tätigkeit setzt ein Handeln auf eigene Rechnung und Gefahr voraus. 156 Entscheidend ist also, ob der Handelnde selbst das unternehmerische Risiko trägt und ob er Untemehmerinitiative entfaltet, also weitgehend selbst über die Art und Weise der Tätigkeitsausübung entscheidet. 157 Die Selbständigkeit grenzt damit funktionell den Gewerbebetrieb von der nichtselbständigen Tätigkeit gemäß § 19 EStG ab. 158 Ein und dieselbe Tätigkeit kann nur zu Einkünften nach § 15 oder § 19 EStG führen. Die Einschaltung eines Dritten durch den Steuerpflichtigen steht der Annahme einer selbständigen Tätigkeit nicht entgegen, solange der Steuerpflichtige das wirtschaftliche Risiko der Beauftragung trägt. 159 Bei Grund151 Ferdinand Kirchhof, in: Achterberg/Püttner, § 20 Rn. 137. Gl.A. Zugmaier, FR 1999, S. 997; Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 199; LE. wohl auch Lang, in: Tipke/Lang § 9 Rn. 481. 152 BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStBl. 11 1999, S. 448. Gl.A. offensichtlich Weber, DStZ 1991, S. 353, 355 ff.; Bitz, in: LlB/H § 20 Rn. 135. 153 Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. B 144; Raupach/Schencking, in: H/H/R § 2 Anm. 89; Söffing, DB 1998, S. 1683. 154 Zugmaier, StuW 1998, S. 334, 344; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 56; Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 108 m. w. N. 155 BFH-Urteil vom 11.7.1968 IV 139/65, BStBl. 11 1968, 775 f.; BFH-Urteil vom 17.1.1973 I R 191/72, BStBl. 11 1973, S. 260 f.; BFH-Urteil vom 6.10.1982 I R 7/79, BStBl. 11 1983, S. 80, 81; BFH-Beschluss vom 25.6.1984 GrS 4/82, BStBl. 11 1984, S. 751, 763; vgl. auch Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 56 mit umfangr. Nachweisen der Rechtsprechung. 156 Schmidt-Liebig, "Gewerbe" im Steuerrecht, S. 19; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 14; Jung, S. 37. 157 Jung, S. 37 m. w. N.; Weber, DStZ 1991, S. 353, 355. 158 Nickel, S. 81; Schmidt-Liebig, "Gewerbe" im Steuerrecht, S. 19; SchmidtLiebig, Abgrenzung, Rn. 14; Schmidt-Liebig, BB 1984, Beilage 14, S. 8; Jung, S. 41. Ausführlich zur Einkünftequalifikation: Zugmaier, Einkünftequalifikation.
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2. Teil: Grundstücks-/Wertpapiergeschäfte als gewerbliche Tätigkeit
stücksveräußerungen ändert also auch die Einschaltung von Maklern oder Baubetreuungsunternehmern nichts an der Selbständigkeit des dahinterstehenden Steuerpflichtigen. 160 Deren Tätigkeit muss sich der Steuerpflichtige zurechnen lassen.
Dasselbe gilt bei Wertpapiergeschäften. Werden also eine Bank oder ein Wertpapierhändler im Namen und für Rechnung eines Kunden tätig, so ist ihm deren Tätigkeit zuzurechnen. 161 Dies gilt selbst dann, wenn Kreditinstitute für ihre Kunden aufgrund eines globalen Auftrags tätig werden, weil sie grundsätzlich verpflichtet sind, jederzeit neue Weisungen ihres Auftraggebers zu befolgen. 162 Daher ist ein Steuerpflichtiger auch dann selbständig tätig, wenn er seiner Bank einen umfassenden Auftrag zur Vermögensverwaltung erteilt und lediglich die Anlagestrategie vorgibt. 163 Ebenso sind Börsengeschäfte der Bank für den Kunden zu beurteilen, die mittlerweile regelmäßig in der Form von einfachen Kommissionsgeschäften betrieben werden. 164 Eine über die Abgrenzung zu den nichtselbständigen Einkünften hinausgehende Unterscheidungskraft besitzt das Tatbestandsmerkmal der Selbständigkeit jedoch nicht. Denn neben den unternehmerischen Tätigkeiten (§§ 13-15 EStG) werden auch die privaten vermögensverwaltenden Tätigkeiten, die zu laufenden Einkünften nach §§ 20, 21 EStG oder einmaligen Veräußerungseinkünften (§§ 17, 23 EStG) führen, durch die Selbständigkeit der Betätigung geprägt. Selbst Tätigkeiten wie Spiel und Wette, durch die nichtsteuerbare Einkünfte verwirklicht werden, übt der Steuerpflichtige regelmäßig selbständig aus. 165 Das Tatbestandsmerkmal der Selbständigkeit ist somit nicht dazu geeignet, den steuerbaren vom nichtsteuerbaren Bereich abzugrenzen.
159 BFH-Urteil vom 14.11.1972 VIII R 7172, BStBl. 11 1973, S. 239, 240; BFHUrteil vom 17.1.1973 I R 191172, BStBl. 11 1973, S. 260, 261; BFH-Urteil vom 8.8.1979 I R 186178, BStBl. 11 1980, S. 106, 107. 160 Jung, S. 38 m. w. N. 161 BFH-Urteil vom 31.7.1990 I R 173/83, BStBl. 11 1991, S. 66, 67. 162 Weber, DStZ 1991, S. 353,354; Richter, S. 65. 163 So auch Richter, S. 65. 164 Rellner/Steuer, Rn. 7128 zu den seit 1.1.1995 gebräuchlichen Sonderbedingungen für Wertpapier-Geschäfte. Vgl. beispielsweise die zumindest insoweit inhaltsgleichen Sonderbedingungen der ConSors Discount Broker AG, Stand 0212000 sowie der Postbank EasyTrade.AG, Stand 0712000. Zu den bis Ende 1994 üblichen Eigenhändlergeschäften entsprechend Nr. 29 Abs. 2 AGB-Banken -alt- vgl. Weber, DStZ 1991, S. 353, 355. 165 Wittmann, S. 43; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 14; Schmidt-Liebig, "Gewerbe" im Steuerrecht, S. 19; Jung, S. 41.
A. Gesetzliche Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG
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III. Nachhaltigkeit 1. Die Merkmale der Nachhaltigkeit
Das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit wird durch ein objektives und ein subjektives Element bestimmt. 166 Die konkreten Anforderungen der Rechtsprechung an das objektive Element der Tätigkeit und an die Wiederholungsabsicht als subjektives Element sind allerdings nicht besonders hoch. Es soll der allgemeine Wille genügen, gleichartige oder ähnliche Handlungen bei sich bietender Gelegenheit zu wiederholen. 167 Erweise das objektive Bild der Verhältnisse, dass mehrere aufeinanderfolgende gleichartige Handlungen vorgenommen werden, dann soll nach einer Auffassung die Wiederholungsabsicht sogar unwiderlegbar vermutet werden,168 zumal sie als innere Tatsache ohnehin nur anband äußerer Merkmale beurteilt werden könne. 169 Ausnahmsweise soll auch eine bloß einmalige Tätigkeit nachhaltig sein können 170, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Steuerpflichtige die Handlung bei sich bietender Gelegenheit wiederholen will. Nicht nachhaltig tätig soll hingegen ein Steuerpflichtiger sein, der noch völlig unentschlossen ist, ob er seine zunächst einmalige Tätigkeit wiederholen wird. l7l Ebenfalls nicht nachhaltig tätig sei z. B. ein Steuerpflichtiger, der mehrere Grundstücke in einem einzigen Rechtsakt an einen einzigen Erwerber veräußere und Anhaltspunkte für die Planung weiterer Grundstücksgeschäfte fehlten, solange darin kein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO gesehen werden müsse. In 166 Vgl. Söffing, DB 1998, S. 1683, 1684; Bitz, in: L/B/H, § 15 Rn. 122. Zur Entwicklung des Begriffs vgl. Tipke, Grundstücksveräußerungen, S. 14 f. m. w. N. St. Rspr. seit BFH-Urteil vom 21.8.1985, BStBl. 11 1986, S. 88 mit umfangreicher Zusammenstellung von Rechtsprechung und Literatur; BFH-Urteil vom 13.12.1995 XI R 43-45/89, BStBl. 11 1996, S. 232, 238; BFH-Urteil vom 9.11.1988 I R 200/ 85, BFH/NV 1989, S. 342; BFH-Urteil vom 28.11.1985 IV R 178/83, BStBl. 11 1986, S. 293; BFH-Urteil vom 15.7.1986 VIII R 289/81, BFH/NV 1987, S. 92. In Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch, vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG § 2 Rn. 264 m. w. N. 167 BFH-Urteil vom 21.5.1993 VIII R 10/92, BFH/NV 1994, S. 94 m. w.N.; BFH-Urtei1 vom 21.8.1985 I R 60/80, BStBl. 11 1986, S. 88, 90. 168 Str., so z.B. Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 17; Führer, S. 138. Unentschieden: Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 25; Hörmann, S. 33. Die Unwiderlegbarkeit zutreffend ablehnend: Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 120; Jung, S.50. 169 Jung, S. 49; Führer, S. 138; Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 17. 170 Zu Grundstücksgeschäften: Jung, S. 49; Hörmann, S. 34; Söffing, DStZ 1996, S. 353, 354 jeweils m. w.N. zur Rspr. Zu Wertpapiergeschäften: BFH-Urteil vom 31.7.1990 I R 173/83, BStBl. II 1991, S. 66; BFH-Urteil vom 21.8.1985 IR 60/80, BStBl. 11 1986, S. 88. 171 Führer, S. 139; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 22.
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2. Teil: Grundstücks-/Wertpapiergeschäfte als gewerbliche Tätigkeit
Entscheidend für die Frage der Nachhaltigkeit ist damit das subjektive Element der Wiederholungsabsicht, das sich aber bereits objektiv manifestiert haben muss. Aus dem Vorhandensein objektiver Elemente, insbesondere bei mehnnaliger tatsächlicher Wiederholung ist ein Anscheinsbeweis für das Vorliegen der Wiederholungsabsicht gegeben. 173 Für die Annahme einer unwiderlegbaren Vennutung und damit für eine materielle Typisierung fehlt hingegen eine Rechtsgrundlage.174 2. Bedeutung des HandlungsbegritTs
a) Besondere Bedeutung bei Grundstücksgeschäften
Die Beurteilung, ob überhaupt eine die Nachhaltigkeit begründende Wiederholung vorliegt, hängt insbesondere bei Grundstücksgeschäften im Anschluss an wertschöpfenden Maßnahmen entscheidend davon ab, wie der Begriff der Handlung oder Tätigkeit verstanden wird. So kann jede Handlung als nachhaltig angesehen werden, wenn sie gedanklich nur in genügend Einzelschritte unterteilt wird. Andererseits kann jede Handlung als gelegentliche oder einmalige verstanden werden, wenn bei entsprechender Abstraktion das gesamte Handlungsspektrum als einheitliche Betätigung aufgefasst wird. 175 Ausschlaggebend ist also, ob eine Gesamtbetätigung oder die Einzeltätigkeit Ausgangspunkt und damit maßgebliche Beurteilungseinheit für die Prüfung des objektiven Merkmals der Nachhaltigkeit sein soll. b) Einheitliche Gesamtbetätigung
Wird beispielsweise der Erwerb eines Grundstücks, dessen Bebauung und die anschließende Veräußerung als eine einheitliche Gesamtbetätigung ver172 BFH-Urteil vom 17.6.1998 X R 68/95, BStBl. II 1998, S. 667. Zu Grundstücksgeschäften gl. A. Söffing, DB 1998, S. 1683, 1684; Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 54. Zu Wertpapiergeschäften: BFH-Urteil vom 31.7.1990 I R 173/ 83, BStBl. 11 1991, S. 66, 68; Weber, DStZ 1991, S. 353,356. 173 Jung, S. 50; Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 120; Stuhrmann, in: Blümich, § 15 Rn. 32. Grundsätzlich gegen die Verwendung von Anscheinsbeweisen im Steuerrecht: Weber-Grellet, StuW 1999, S. 311. 314. 174 Allgemein zur Unzulässigkeit einer materiellen Typisierung durch die Rechtsanwendung, vgl. Raupach, DStJG 21, Steuervereinfachung, S. 155, 186 ff. sowie allgemein gegen die materielle Typisierung durch typisierende Betrachtungsweise: Eckhoff, S. 98 ff. m. zahlr. N. Zur Problematik der typisierenden Betrachtungsweise vgl. ferner im Rahmen der Drei-Objekt-Grenze unten 4. Teil D. 11. 3. sowie ausführlich Isensee, S. 55 ff. 175 Hörrnann, S. 33; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 25 m. w. N.
A. Gesetzliche Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG
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standen, so fehlt es an einer nachhaltigen Tätigkeit mit der Folge, dass bereits deshalb keine gewerblichen Einkünfte angenommen werden können. Die Einzelakte stellen dann reine unselbständige Teile eines in organisatorischer, technischer und finanzieller Hinsicht aufeinander abgestimmten Gesamtvorhabens dar, die auf einen einmalig gefassten Willensentschluss zurückzuführen sindp6 Gegen dieses Verständnis der Nachhaltigkeit ist aber einzuwenden, dass alle Bauvorhaben auf einen einmaligen Willensentschluss zurückgeführt werden können, unabhängig davon, welche Intensität der Betätigung daraus folgen wird. Will ein Steuerpflichtiger ein Einfamilienhaus errichten oder ein Großbauprojekt mit 100 Eigentumswohnungen am Markt anbieten, in beiden Fällen wird er irgendwann den Grundsatzentschluss treffen, das Projekt durchzuführen. 177 c) Einzeltätigkeit
Werden hingegen sämtliche Einzelakte des Erwerbs, der Bebauung l78 und der Veräußerung für sich isoliert jeweils als Handlung angesehen, dann liegt in der Realisierung des Bauvorhabens selbst bereits dann eine nachhaltige Tätigkeit, wenn es sich um ein bloßes kleines Einfamilienhaus handelte. Ein solches Verständnis der Nachhaltigkeit, wie sie der X. Senat in jüngster Zeit vertritt l79 , führte dazu, dass jedes Bauvorhaben per se bereits eine nachhaltige Tätigkeit darstellen würde. Nach zutreffender Auffassung der bisherigen Rechtsprechung des BFH reicht deshalb eine wiederholte Betätigung auf der Beschaffungsseite nicht aus, um das Merkmal der Nachhaltigkeit zu erfüllen. 18o Bei Grundstücksgeschäften ist vielmehr die Verkaufstätigkeit entscheidend. 181 Soweit die jüngste Rechtsprechung des X. Senats GI. A. Jung, S. 43 m. w. N. GI.A. Jung, S. 44; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 25. 178 Selbst jede einzelne Beauftragung von Bauhandwerkern könnte als Handlung verstanden werden. So z.B. BFH-Urteil vom 24.1.1996 X R 255/93 (sog. Supermarkturteil), BStBI. II 1996, S. 303, 305 sowie Altfelder, FR 2000, S. 349, 355; Führer, S. 180 ff. A.A. grundsätzlich Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 52; Eckhoff, S. 76 FN. 40. 179 Vorlagebeschluss vom 29.10.1997 X R 183/96, BStBI. 11 1998, S. 332 (GrS 1/ 98). BFH-Urteil vom 14.1.1996 X R 1/96, BStBI. 11 1998, S. 346 ff. 180 BFH-Urteil vom 15.7.1986 VIII R 289/81, BFH/NV 1987, S. 92, 94; BFHUrteil vom 12.7.1991 III R 47/88, BStBI. 11 1992, S. 143, 146 m. w.N.; Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 18; Jung, S. 46; Kobor, FR 1999, S. 1155, 1160; Herzig/Lutterbach, DStR 1999, S. 521, 525; Demuth, BB 1998, S. 1239; Ehlers, DStR 1989, S. 687, 688; ausführlich Söffing, DB 1998, S. 1733 ff. 181 BFH-Urteil vom 16.4.1991 VIII R 74/87, BStBI. 11 1991, S. 844; BFH-Urteil vom 12.7.1991 III R 47/88, BStBI. 11 1992, S. 143, 146. Jung, S. 46 ff. mit umfangreichen Nachweisen der Rechtsprechung. GI.A. Führer, S. 140; Herzig/Lutterbach, DStR 1999, S. 521, 525; Hörmann, S. 34. Ähnlich Zugmaier, Einkünftequalifika176 177
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2. Teil: Grundstücks-/Wertpapiergeschäfte als gewerbliche Tätigkeit
des BFH I82 von dieser bisherigen Rechtsprechung abrückt und den Begriff der Nachhaltigkeit "typologisch" unterschiedlich auslegt, je nachdem, ob ein Handels- oder Dienstleistungsbetrieb einerseits oder ein Produktionsbetrieb andererseits vorliegt, kann dem nicht gefolgt werden. Eine solche Differenzierung lässt sich aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 EStG nicht folgern und ist mit der Legaldefinition des Gewerbebetriebs nicht vereinbar. 183 3. Keine Abgrenzungsfunktion zur privaten Vermögensverwaltung
Die dem Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit von der Rechtsprechung verliehene Offenheit nach allen Seiten führt dazu, dass es regelmäßig zur Differenzierung nicht mehr geeignet ist. 184 Eine Abgrenzung zum nichtsteuerbaren Bereich kann aufgrund des Merkmals der Nachhaltigkeit demnach nur in den eindeutigen Fällen erfolgen, in denen nur ein einziges Veräußerungsgeschäft abgeschlossen wurde und objektiv belegt ist, dass kein weiteres Geschäft folgen wird. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ein selbstgenutztes Einfamilienhaus veräußert wird und dessen Eigentümer anschließend auswandert. In allen anderen Fällen kann die aus dem Dualismus der Einkunftsarten folgende Notwendigkeit einer Abgrenzung der steuerbaren gewerblichen Veräußerungsgeschäfte von den grundsätzlich nichtsteuerbaren privaten Veräußerungsgeschäften dagegen nicht anband des Merkmals der Nachhaltigkeit erfolgen. Denn vermögensverwaltende Tätigkeiten, die zu Überschusseinkünften führen, wie etwa die Vermietung und Verpachtung, stellen auch nachhaltige Tätigkeiten dar. Im Rahmen einer ordnungsgemäßen privaten Vermögensverwaltung sind außerdem ab einer gewissen Größenordnung des verwalteten Vermögens häufiger Transaktionen erforderlich, die zweifellos zu einer nachhaltigen Betätigung führen müssen. Doch allein daraus kann noch keine Gewerblichkeit gefolgert werden. 185 tion, S. 121 m. w. N., der auf die unmittelbar zur Einkünfteerzielung führende Tätigkeit einschließlich ihrer Vorbereitung abstellt. 182 BFH-Urteil vom 14.1.1998 X R 1/96, BStBl. 11 1998, S. 346 (sog. Sechsfamilienhausurteil); Vorlagebeschluss vom 29.10.1997 X R 183/96, BStBl. II 1998, S. 332 (GrS 1/98); BFH-Urteil vom 24.1.1996 X R 255/93 (sog. Supermarkturteil), BStBl. 11 1996, S. 303. So auch Fischer, FR 1996, S. 377,378. 183 Gl.A. Söffing, DB 1998, S. 1683 ff, 1733 ff. Vgl. auch unten 4. Teil D. 11. 3. d). 184 Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 25; Wittmann, S. 43; Jakob, in: FS Ludwig Schmidt, S. 115, 117; Marhofer-Ferlan, S. 121. So ist wohl auch Führer, S. 176 f. zu verstehen, der in der Konsequenz eine "typologische Ausdeutung" des Begriffs der Nachhaltigkeit für notwendig hält. Für das Umsatzsteuerrecht gl. A. Stadie, in: RaulDürrwächter, UStG § 2 Rn. 264. 185 Gl.A. zu Grundstücksgeschäften Jung, S. 54 m. w.N. Zu Wertpapiergeschäften gl.A. Nickel, S. 168; Kessler, FR 1991, S. 318; Jung/Redanz, ZBB 1993, S. 68, 79
A. Gesetzliche Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG
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IV. Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr 1. Grundzüge der Rechtsprechung des BFH
Zu den positiven Tatbestandsmerkmalen der gewerblichen Betätigung zählt die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Auch dieses Merkmal lässt sich auf die Rechtsprechung des Preußischen OVG zurückführen l86 , das eine Erkennbarkeit der Tätigkeit nach außen und eine Vielzahl verbundener Geschäfte forderte. 187 Die Rechtsprechung des BFH fordert heute auf der Grundlage der Markteinkommenstheorie eine Tätigkeit, mit der ein Gegenstand oder eine Leistung gegen Entgelt auf den Absatzmarkt gebracht und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird. 188 Auf den Einzelfall bezogen handhabt der BFH diese Voraussetzungen allerdings sehr flexibel. 189 Er hält das Merkmal beispielsweise schon dann für erfüllt, wenn der Steuerpflichtige nur einen beschränkten Kundenkreis oder sogar nur einen einzigen Kunden hat. 190 Der Steuerpflichtige brauche bloß bereit zu sein, seine Leistung, etwa bei Beendigung der Geschäftsbeziehungen mit dem jeweiligen Kunden, einem unbegrenzten Personenkreis anzubieten. 191 Maßgeblich soll dabei nicht der Wille des Steuerpflichtigen sein, sondern das äußere Erscheinungsbild seiner Tätigkeit. l92
sowie BFH-Urteil vom 31.7.1990 I R 173/83, BStBl. 11 1991, S. 66, wo es um zehn Wertpapiergeschäfte ging. Vgl. auch Weber, DStZ 1991, S. 353, 356, der eine objektiv nachhaltige Betätigung jedenfalls bei 20-30 Geschäften pro Jahr annimmt. 186 Tipke, Grundstücksveräußerungen, S. 18 m.N. zur Rechtsprechung. 187 Jung, S. 7 m. N. zur Rechtsprechung. 188 BFH-Urteil vom 28.10.1993 IV R 66-67/91, BStBl. 11 1994, S. 463; BFHUrteil vom 12.7.1991 III R 47/88, BStBl. 11 1992, S. 143, 146; BFH-Urteil vom 9.7.1986 I R 85/83, BStBl. 11 1986, S. 851 m.w.N. Ausführlich zur Rechtsprechung des BFH, jeweils mit umfangr. N.: Führer, S. 136 ff.; Jung, S. 54 ff.; SchmidtLiebig, Abgrenzung, Rn. 44 ff. 189 Zusammenfassende Darstellung in BFH-Urteil vom 13.12.1995, BStBl. 11 1996, S. 232, 239. Söffing, DB 1998, S. 1683, 1684 m.w.N. 190 BFH-Urteil vom 15.12.1999 I R 16/99, DStR 2000, S. 1084: Exklusiv-Wartungsvertrag für Computersysteme der US-Streitkräfte der NATO mit Verbot, für andere tätig zu sein. BFH-Urteil vom 2.9.1988 III R 58/85, BFHE 154, 332: Beratung nur eines Kunden und nur eines Wertpapierfonds durch einen Anlageberater; BFH-Urteil vom 27.2.1987 III R 217/82, BFH/NV 1987, S. 441: Vermietung eines Wohnheims an nur einen Mieter; BFH-Urteil vom 9.7.1986 I R 85/83, BStBl. 11 1986, S. 851: für nur ein Touristik-Unternehmen tätiger Fremdenführer. Ablehnend bereits: Zacharias/Rinnewitz, FR 1984, S. 377, 378. 191 BFH-Urteil vom 3.6.1987 III R 209/83, BStBl. 11 1988, S. 277. 192 BFH-Urteil vom 9.7.1986 I R 85/83, BStBl. 11 1986, S. 851; Jung, S. 55 m.w.N.
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2. Teil: Grundstücks-/Wertpapiergeschäfte als gewerbliche Tätigkeit
Entscheidend für die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist nach Auffassung des BFH demnach die grundsätzliche Bereitschaft, mit jedem, der die Verkaufsbedingungen erfüllt, Verträge zu schließen. 193 Der X. Senat l94 sieht das Merkmal bei Grundstücksveräußerungen neuerdings entgegen der bisherigen Rechtsprechung bereits dann als erfüllt an, wenn - wie im Falle der Errichtung von Immobilien - nur eine Beteiligung am Beschaffungsmarkt vorliegt. 195 2. Funktion des Tatbestandsmerkmals der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
Mit dem Merkmal der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr wird nach einer Auffassung die gewerbliche Betätigung von dem Handeln zur eigenen Bedarfsdeckung l96 und von ohne Leistungsaustausch erfolgenden gewinnbringenden Tätigkeiten wie der Bettelei abgegrenzt. 197 Der konstitutive Gehalt des Tatbestandsmerkmals wird von einer anderen Auffassung hingegen in der Abgrenzung gegenüber Geschäften unter Ausschluss Dritter gesehen. Dies wäre z.B. der Fall bei der teilentgeltlichen Übertragung ("gemischte Schenkung") von Grundstücken. Denn es könne davon ausgegangen werden, dass der Eigentümer das Grundstück an keinen anderen als den Beschenkten übertragen würde. 198 Richtig ist, dass die Teilnahme am allgemeinen Verkehr keine umfassendere Bedeutung hat als die Marktteilnahme i.S. des § 2 Abs. 1 EStG. Das Tatbestandsmerkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist nämlich bereits im Merkmal der Einkunftserzielung des § 2 Abs. I EStG angelegt. Es nimmt private Wertschöpfungen (sog. Eigenleistungen oder imputed income) sowie die selbst geschaffenen und selbst verbrauchten Güter und Leistungen zur eigenen Bedarfsdeckung bereits von der objektiven Steuerbarkeit aus. 199 Begründet wird diese Einschränkung mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Privatsphäre. 200 Jedenfalls 193 BFH-Urteil vom 7.12.1995 III R 24/92, BFH/NV 1996, S. 607, 608; BFHUrteil vom 21.5.1993 VIII R 10/92, BFH/NV 1994, S. 94; BFH-Urteil vom 12.7.1991 III R 47/88, BStBl. 11 1992, S. 143, 147. 194 Vorlagebeschluss vom 29.10.1997 X R 183/96, BStBl. 11 1998, S. 332, 337 f. (GrS 1/98) sowie BFH-Urteil vom 24.1.1996 X R 255/93, BStBl. 11 1996, S. 303 ff. Zurecht ablehnend Söffing, DB 1998, S. 1733 ff. 195 So nun i.E. auch Altfelder, FR 2000, S. 349, 355 im Rahmen der Prüfung der Nachhaltigkeit. 1% Jung, S. 59. 197 Hörmann, S. 38; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 44; Jung, S. 59; ausführlich Schrnidt-Liebig, StuW 1995, S. 162, 164 ff. 198 Söffing, DStZ 1996, S. 353, 354 f.; i.E. gl.A. Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 54 m. w. N. auch zur a. A.
A. Gesetzliche Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG
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könnte der Staat ohne äußerst intensive Eingriffe in die Privatsphäre nicht sämtliche Güter des privaten Konsums erfassen und den Wertverzehr durch Konsum von den Veräußerungseinkünften abgrenzen. Der Versuch einer derart umfassenden Regelung wäre folglich allenfalls lückenhaft und damit gleichheits widrig. 201 Das Tatbestandsmerkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verdeutlicht damit lediglich die bereits in § 2 Abs. 1 EStG zum Ausdruck kommenden Grundsätze der Markteinkommenstheorie, was aber an seiner Abgrenzungsfunktion zu nichtsteuerbaren Vermögenszuflüssen nichts ändert. 3. Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr
Eine Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr setzt die Teilnahme am Güter- und Leistungsaustausch voraus.z°2 Bei Termingeschäften an der Eurex und bei Devisentermingeschäften geht es hingegen nur um die Erzielung einer Differenz in Geld. 203 Bei Differenzgeschäften findet aber weder ein Güter- noch ein Leistungsaustausch statt, sodass hier keine Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr vorliegt. 204 Auch die unentgeltliche Übertragung eines Grundstücks stellt beispielsweise keine Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr dar, weil hier sowohl eine Marktteilnahme als auch die Einkünfteerzielungsabsicht fehlen. 205 Werden also ausschließlich derartige Geschäfte getätigt, dann liegt folglich keine gewerbliche Betätigung vor.
199 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 251 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 123; Lang, Die einfache und gerechte Einkommensteuer, S. 22 ff.; Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. B 182 sowie jüngst Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 127. 200 Paul Kirchhof, in: KlS § 2 Rn. B 183. 201 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 127. 202 Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 20, zu Wertpapieren aber a.A. in Rn. 21. Zu Wertpapieren gl.A. wie hier, Weber, DStZ 1991, S. 353, 356. 203 Vgl. oben 1. Teil D. III. 3. und Weber, DStZ 1991, S. 353, 356. 204 Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 89; Weber, DStZ 1991, S. 353, 357; Jung/Redanz, ZBB 1993, S. 68, 80. So auch BFH-Urteil vom 19.2.1997 XI R 11 96, BStBl. 11 1997, S. 399,401; FG München, Urteil vom 17.11.1998 16 K 265/94, DStRE 1999, S. 538, 539 (Az. BFH: X R 7/99); Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 4.12.1997 III 790/94, DStRE 1999, S. 57, 58 (Az. BFH: X R 67/98). I. E. ist so auch Bitz, in: LlB/H § 20 Rn. 135 zu verstehen. 205 Söffing, DStZ 1996, S. 353, 354 f.; i.E. gl.A. Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 54.
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2. Teil: Grundstücks-/Wertpapiergeschäfte als gewerbliche Tätigkeit
4. Beteiligung am allgemeinen Verkehr
a) Unmittelbare Beteiligung am allgemeinen Verkehr
Das Merkmal der Beteiligung am allgemeinen Verkehr ist erfüllt, wenn sich ein Steuerpflichtiger mit seiner Veräußerungsabsicht an den Markt wendet. 206 Das kann, wie bei Grundstücksgeschäften üblich, durch Zeitungsanzeigen der Fall sein. Aber auch der private Verkauf von Inhaberpapieren wie Aktien zwischen privaten Anlegern stellt regelmäßig eine unmittelbare Beteiligung am allgemeinen Verkehr dar. Dabei ist die Erkennbarkeit der Marktteilnahme für die beteiligten Kreise ausreichend; ein Angebot an eine Mehrzahl von Interessenten ist demgegenüber nicht erforderlich. 207 Fraglich ist hingegen, inwieweit Steuerpflichtigen die Teilnahme am allgemeinen Verkehr durch Dritte zugerechnet werden kann. b) Mittelbare Beteiligung am allgemeinen Verkehr durch Zurechnung der Tätigkeit Dritter?
aa) Zurechnung der Tätigkeit Dritter Grundsätzlich hat ein Steuerpflichtiger die tatbestandsbegründenden Merkmale selbst zu erfüllen, um Einkünfte zu erzielen. Nur ausnahmsweise kann ihm die Tätigkeit Dritter dann zugerechnet werden, wenn sie einer eigenen Tätigkeit rechtlich gleichsteht?08 Im Bereich der Grundstücksgeschäfte kann die Tätigkeit beauftragter Makler und anderer eigenwirtschaftlich Tätiger dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden, weil der Steuerpflichtige mit der Beauftragung des Dritten selbst die Ursache für dessen Tätigkeit gesetzt hat. Der Steuerpflichtige kann außerdem den Auftrag grundsätzlich jederzeit beenden, ohne dass er zum Abschluss eines Grundstücksgeschäfts verpflichtet wäre; er hat höchstens - je nach Vereinbarung - Aufwendungen oder Honoraransprüche des Beauftragten zu tragen. Darüber hinaus treffen die wirtschaftlichen Ergebnisse der Beauftragung nicht den Dritten, sondern den Steuerpflichtigen. Dies gilt gerade für unwiderrufliche Aufträge. Einer Zurechnung steht des206 BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStBl. II 1999, S. 448 m. w.N. zur Rechtsprechung. 207 BFH-Urteil vom 9.10.1992 III R 9/89, BFH/NV 1994, S. 80; BFH-Urteil vom 31.7.1990 I R 173/83, BStBl. II 1991, S. 66; BFH-Urteil vom 6.3.1991 X R 39/88, BStBl. II 1991, S. 631. 208 Auch Tipke/Kruse, § 38 Tz. 6 halten es nicht für notwendig, dass der Steuerpflichtige im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG die steuerauslösenden Leistungen in eigener Person am Markt erbringt.
A. Gesetzliche Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG
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halb auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse des beauftragten Maklers nicht entgegen. Daher ist für den Bereich der Grundstücksgeschäfte die Zurechnung der Tätigkeit Dritter weitgehend anerkannt?09 Bei Wertpapier- und Termingeschäften ist die Frage der Zurechnung allerdings streitig. Mit der Beauftragung der Bank, Wertpapiergeschäfte auf seine Rechnung abzuschließen, setzt der Steuerpflichtige die Ursache für die Transaktion, die die Bank lediglich auszuführen hat. Die wirtschaftlichen Folgen der Beauftragung hat ausschließlich der Steuerpflichtige zu tragen. Selbst im Rahmen eines umfassenden Vermögensverwaltungsauftrags hat die Bank eine vorgegebene Strategie zu verfolgen. Dasselbe gilt für Transaktionen des Steuerpflichtigen, die die Bank als Eigengeschäft abschließt. Denn hier macht die Bank lediglich von ihrem sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorbehaltenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch und tritt damit ihren Kunden gegenüber wie ein Marktteilnehmer auf. Darüber hinaus wäre die Einschaltung Dritter für die Steuerpflichtigen die denkbar einfachste Möglichkeit, die Gewerblichkeit zu umgehen. Bei Wertpapiergeschäften rechnet auch die jüngere Rechtsprechung des BFH die Tätigkeit der beauftragten Banken richtigerweise dem jeweiligen Anleger ZU?lO Unter welchen konkreten Umständen eine Zurechnung der Tätigkeit Dritter vorzunehmen ist, hat die Rechtsprechung bislang allerdings ausdrücklich offengelassen. 211 209 BFH-Urteil vom 7.12.1995 IV R 112/92, BStB1. II 1996, S. 367, 368; BFHBeschluss vom 19.11.1990 VIII B 101189, BFH/NV 1991, S. 321. 210 BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStB1. II 1999, S. 448 im Rahmen der grundsätzlichen rechtlichen Ausführungen m. w.N. zur Rechtsprechung; BFHUrteil vom 31.7.1990 I R 173/83, BStBl. 11 1991, S. 66, 68 f. sowie BFH-Urteil vom 9.10.1992 III R 9/89, BFH/NV 1994, S. 80 allerdings mit unzutreffender Begründung, die anhand des Volumens der Wertpapiergeschäfte (5 Mio. DM) einen Unterschied des Klägers zu einem "normalen" Bankkunden konstruieren wollte. Noch a.A. als die neuere Rechtsprechung mit umfangr. N. der früheren Rechtsprechung, Weber, DStZ 1991, S. 353, 357. Zur früheren Rechtsprechung vg1. z.B. BFH-Urteil vom 2.4.1971 VI R 149/67, BStBl. 1971, S. 620. 211 BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStB1. 11 1999, S. 448, der im Rahmen der Subsumtion des zu entscheidenden Tatbestandes sogar seine "Bedenken" gegen eine grundsätzliche Zurechnung geäußert und die Frage der Teilnahme am allgemeinen Verkehr schließlich unentschieden gelassen hat. GI. A. FG München, Urteil vom 29.10.1999, 8 K 3914/96, DStRE 2000, S. 350, 351 (Az. BFH: IX B 17/00). Gegen eine Zurechnung auch Marhofer-Ferlan, S. 81. Ähnlich Führer, S. 199, der eine Zurechnung nur in sog. "Strohmann"-Fällen vornehmen will; zur Begründung verweist Führer lediglich auf ältere Rechtsprechung des BFH und RFH. An anderer Stelle lässt Marhofer-Ferlan (S. 360 ff.) jedoch eine Zurechnung nicht nur bei einem Abhängigkeitsverhältnis des Dritten zum Steuerpflichtigen (z. B. Arbeitsverhältnis) zu, sondern bereits bei einem Vertreterhandeln wie bei einem Makler. Mit dieser Argumentation ist auch die hier vertretene Auffassung der Zurechnung des HandeIns der Banken zum Anleger vereinbar, weil die Banken mitt-
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2. Teil: Grundstücks-/Wertpapiergeschäfte als gewerbliche Tätigkeit
Infolgedessen ist dem Steuerpflichtigen bei Wertpapier- und Termingeschäften die Teilnahme der beauftragten Bank am allgemeinen Verkehr ebenso zuzurechnen, wie bei Grundstücksgeschäften die Teilnahme eines Maklers oder Baubetreuers. bb) Offene Immobilien-, Aktien-, Renten- und Derivatefonds Die Tätigkeit der Fondsmanager von offenen Fonds ist den Anlegern hingegen nicht zuzurechnen. Denn der Anleger hat keinen Einfluss auf die jeweiligen Kauf- und Verkaufsentscheidungen der Fondsmanager, sondern kann lediglich beim Erwerb der Fondsanteile zwischen verschiedenen Fonds wählen. Dabei sind neben der Performance der Vergangenheit die groben Vorgaben der Fondstrategie (z. B. Risikobereitschaft, Anlageschwerpunkte ) für den Anleger entscheidend. Insoweit sind offene Fonds mit Aktien und anderen Gesellschaftsanteilen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vergleichbar, zumal es bereits Immobilien-AGs gibt, deren Geschäftstätigkeit ausschließlich in der Verwaltung von eigenen Immobilien besteht. 212 Dort wird eine Zurechnung der Betätigung der Geschäftsführung zu den Aktionären nicht in Betracht gezogen. Anteile an offenen Fonds (also am Sondervermögen der Fondsgesellschaften) sind auch ähnlich fungibel wie Aktien und wesentlich leichter transferierbar als beispielsweise Geschäftsanteile an GmbHs. 213 Doch selbst bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung wird die Geschäftsführung den Gesellschaftern ebenfalls nicht zugerechnet. Zum Vermögensverwaltungsauftrag an eine Bank bestehen damit zwei wesentliche Unterschiede: Der Anleger erhält bei der Investition in einen Fonds einen wieder veräußerbaren oder doch zumindest rückgabefähigen Anteilsschein als Gegenwert. Bei der Vermögensverwaltung nimmt er hingegen eine Dienstleistung der Bank in Anspruch. Gerade diese Dienstleistung wird auf die individuellen Bedürfnisse des Auftraggebers zugeschnitten, idealerweise im Rahmen einer Asset Allocation?14 Auf das Anlageverhalten der Fondsmanager hat der Anleger hingegen keinerlei Einfluss. Eine lerweile fast durchgehend nur Kommissionsgeschäfte durchführen; Kommissionsgeschäfte sind aber rechtlich und wirtschaftlich dem Anleger zuzurechnen, wenn auch die Bank formal in eigenem Namen tätig wird. Richtigerweise für eine Zurechnung: Richter, S. 66 f. 212 Zur Immobilien-AG vgl. ausführlich Rehkugler, PB 2000, S. 230 ff.; Beck, Finanzplan 02.2000, S. 26 f.; Zitelmann, Die Bank 2000, S. 254, 256 ff. 213 Gern. § 15 Abs. 3 GmbHG ist die Abtretung notariell zu beurkunden. Zur steuerrechtlichen Behandlung von Veräußerungsgewinnen offener Immobilienfonds vgl. z. B. Fock, DStR 2000, S. 855 ff. 214 Vgl. unten 5. Teil A.
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Gleichbehandlung der Anteile an offenen Fonds mit der den Anlegern zuzurechnenden Vermögensverwaltungstätigkeit der beauftragten Bank ist folglich nicht geboten. Daher ist dem Anleger die Tätigkeit der Fondsmanager auf dem Finanzmarkt nicht als eigene Marktteilnahme zuzurechnen. Der Fondsanteil ist in diesem Zusammenhang wie eine Aktie lediglich das Objekt einer Markttransaktion, die vom Anleger oder ihm zurechenbar von dessen Bank durchgeführt wird. cc) Geschlossene Fonds Geschlossene Fonds werden regelmäßig in der Rechtsform von Gesellschaften des bürgerlichen Rechts oder von sog. Publikum-KGs gegründet. Sie dienen traditionell der Finanzierung und Verwaltung von großen Immobilienprojekten, in jüngerer Zeit aber auch vermehrt als Venture-Capital-Gesellschaften. Bei geschlossenen Fonds sind die Kapitalgeber regelmäßig von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Die Frage der Gewerblichkeit der Betätigung der Kapitalgeber wird anhand der gleichen Kriterien entschieden, wie sie für andere direkte Beteiligungen auch gelten: Liegen Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko des einzelnen Kapitalgebers vor, dann ist er gewerblich tätig?15 Fehlt eines dieser beiden Merkmale, dann liegt noch ein Fall privater VermögensverwaItung, regelmäßig der Vermietung und Verpachtung vor. Häufig ist das Merkmal der Mitunternehmerinitiative nicht erfüllt, weil die Einflussmöglichkeiten der Anleger ähnlich gering sind, wie in offenen Fonds. 216 5. Zwischenergebnis
Für die Abgrenzung der gewerblichen Tätigkeit von der privaten Vermögensverwaltung kann das Merkmal der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr keinen Beitrag leisten. 217 Zwar setzt eine gewerbliche Tätigkeit die Erfüllung dieses Merkmals zwingend voraus. Aber auch eine private Vermögensverwaltung wird häufig mit einer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verbunden sein. Schließlich ist der private Grundstücksverkäufer, von den o. g. Sonderfallen abgesehen, regelmäßig bereit, das Grundstück an einen unbestimmten Adressatenkreis zu veräußern. 218 215 Zu der in die vorliegende Untersuchung nicht einbezogenen Frage einer Zurechnung von Grundstücken/Grundstücksquoten aufgrund der Immobilien, die der geschlossene Fonds hält, zu den dahinterstehenden Anlegern vgl. z. B. SchmidtLiebig, BB 1998, S. 563 ff.; Führer, S. 206 ff.; Jung, S. 206 ff. 216 Vgl. oben bb). 217 Gl.A. Jung, S. 59.
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2. Teil: Grundstücks-/Wertpapiergeschäfte als gewerbliche Tätigkeit
V. Gewinnerzielungsabsicht 1. BegritTsinhalt
Der Begriff der gewerblichen Tätigkeit setzt voraus, dass die Betätigung mit der Absicht unternommen wird, Gewinn zu erzielen. Die Gewinnerzielungsabsicht219 braucht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 EStG nur Nebenzweck der Betätigung zu sein. Nach der jüngeren Rechtsprechung des BFH soll eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegen, wenn die Betätigung nach einer Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Tatalgewinns strebt. 220 Beurteilungsgegenstand ist dabei nicht das gesamte Grundstücks- oder Kapitalvermögen oder ein bestimmtes Wertpapierdepot, sondern der einzelne Anlagegegenstand, also jedes einzelne Wertpapier oder jede einzelne Forderung. 221 Weil es sich bei der Gewinnerzielungsabsicht um eine innere Tatsache handele, könne auf sie nur anhand äußerlicher Merkmale geschlossen werden,z22 Einzelne Indizien könnten sich zu einem Anscheinsbeweis (prima-facie-Beweis) verdichten. Es seien allerdings immer die Gesamtumstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. 223 Tatsächlich entspricht die Gewinnerzielungsabsicht der für die Überschusseinkünfte geltenden Überschusserzielungsabsicht und ist mit dieser gemeinsam unter dem Begriff der Einkünfteerzielungsabsicht zusammenzufassen,z24 Die Einkünfteerzielungsabsicht stellt jedoch bereits das subjekJung, S. 60; Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 123. Die Begriffe "Gewinnabsicht" und "Gewinnerzielungsabsicht" werden in Anlehnung an BFH-Beschluss vom 26.6.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 751, 766 als Synonyme aufgefasst. 220 St. Rspr. seit BFH-Beschluss vom 26.6.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 751, 766; jüngst BFH-Urteil vom 27.1.2000 IV R 33/99, BStBl. II 2000, S. 227 sowie zur Vermietung und Verpachtung BFH-Urteil vom 27.7.1999 IX R 64/96, BStBl. II 1999, S. 826; ablehnende Anm., Rößler, BB 2000, S. 808 f. 221 BFH-Urteil vom 7.12.1999 VIII R 8/98, NV, DStRE 2000, S. 623 zu § 20 EStG. Heinicke, in: Ludwig Schmidt, § 20 Rn. 10; Führer, S. 52 jeweils m. w. N. der Rspr. 222 BFH-Beschluss vom 26.6.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 751, 767; Zacharias/Rinnewitz, DStR 1984, S. 193, 194 m. w.N.; Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 27. 223 BFH-Beschluss vom 26.6.1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 751, 767. 224 Gl.A. Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 25; Braun, BB 2000, S. 283 f. Theisen, StuW 1999, S. 255, 259 spricht synonym von "Erwerbsabsicht". Zur früheren Rechtsprechung des RFH, der in der Gewinnerzielungsabsicht zunächst noch eine Abgrenzungsfunktion zu den freien Berufen sah, die nicht in erster Linie des Gelderwerbs wegen, sondern von einer höheren Warte aus um idealer Ziele willen tätig waren, vgl. Schmidt-Liebig, BB 1984, Beilage 14, S. 5 m.w.N. 218
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A. Gesetzliche Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG
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tive Tatbestandsmerkmal der "Erzielung" von Einkünften i.S. des § 2 EStG dar. 225 Damit wird zunächst klargestellt, dass die Einkommensteuer nicht an die Einkommensverwendung, an den Konsum anknüpft. 226 Fehlt die Einkünfteerzielungsabsicht, wie bei der Liebhaberei, bei Spiel und Wette oder bei der gemeinnützigen Tätigkeit, dann liegen subjektiv nicht einkommensteuerbare Einkünfte vor?27 Es handelt sich bei der Gewinnerzielungsabsicht also um kein nur für gewerbliche Einkünfte oder nur für die Gewinneinkünfte maßgebliches Tatbestandsmerkmal. Die Einkünfteerzielungsabsicht mit ihren beiden aus dem Einkünftedualismus folgenden Komponenten der Gewinn- und Überschusserzielungsabsicht stellt vielmehr bereits ein einheitliches Tatbestandsmerkmal im Grundtatbestand des Einkommensteuerrechts dar. Die Erwähnung der Gewinnerzielungsabsicht in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG hat demnach insoweit bloß deklaratarische Bedeutung?28 Um der Gewinnerzielungsabsicht einen eigenständigen Regelungsbereich zuzuweisen und um die gewerbliche Tätigkeit von anderen Einkunftsarten und vom nichtsteuerbaren Bereich abgrenzen zu können, wird vertreten, die Gewinnerzielungsabsicht müsse durch eine Tätigkeit verfolgt werden, die nach allgemeiner Auffassung als unternehmerisch gewertet wird. 229 Dieser Auffassung ist aber entgegenzuhalten, dass die Gewinnerzielungsabsicht ein Tatbestandsmerkmal der Definition der gewerblichen Tätigkeit ist und daher nicht selbst durch die Gewerblichkeit definiert werden kann. 23o Dies käme einem Zirkelschluss gleich. 231 225 BFH-Beschluss vom 26.6.1984 GrS 4/82, BStB!. 11 1984, S. 751, 766; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Ausgrenzung des nicht einkommensteuerbaren Bereichs durch die Gewinnerzielungsabsicht: BVerfG vom 18.11.1986 1 BvR 330/86 HFR 1988, S. 34 f. G!.A. Schmidt-Liebig, BB 1984, Beilage 14, S. 11. 226 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 128; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 258 ff., insb. S. 268 ff.; g!.A. Raupach/Schencking, in: H/H/R § 2 Anm. 79 und ausführlich zur Liebhaberei Anm. 350 ff.; Wittmann, S. 132. S. a. Jung, S. 66 f.; Schmidt-Liebig, "Gewerbe" im Steuerrecht, S. 21 m. w. N.; Zacharias/Rinnewitz, DStR 1984, S. 193, 194 m. w.N. Ablehnend: Schlindwein, S. 133 ff, insb. S. 144 ff. 227 Ausführlich: Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 267 ff.; gl.A. Raupach/Schencking, in: H/H/R § 2 Anm. 79. Vg!. auch Honisch, DStR 2000, S. 545 f.; Ebling, in: FS Offerhaus, S. 567 ff. 228 So bereits Raupach/Schencking, in: H/H/R § 2 Anm. 371; i.E. auch Hörmann, S. 37. 229 Schmidt-Liebig, BB 1984, Beilage 14, S. 6 f. sowie Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 40 m. w. N., der allerdings nicht erwähnt, dass die in Bezug genommene Rechtsprechung des BFH (GrS 10/70, BStB!. 11 1970, S. 700) im Beschluss vom 26.6.1984 GrS 4/82, BStBl. 11 1984, S. 751, 767 ausdrücklich aufgehoben worden ist.
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2. Teil: Grundstücks-/Wertpapiergeschäfte als gewerbliche Tätigkeit 2. Gewinnerzielungsabsicht bei Veräußerungsverlusten
Das Tatbestandsmerkmal der Gewinnerzielungsabsicht wird bei Grundstücksgeschäften immer dann relevant, wenn im Zuge zumindest regional sinkender Immobilienpreise232 im Rahmen von Veräußerungsgeschäften auch Verluste anfallen können. Handelt es sich zunächst regelmäßig um nichtsteuerbare Verluste aus der Veräußerung von Stammverrnögen, so besteht die Neigung, angefallene Verluste wenigstens steuerlich geltend machen zu wollen. Hier liegt es aus Sicht der Steuerpflichtigen nahe - ähnlich wie bei Verlusten aus Wertpapiergeschäften -, die verlustbringenden Geschäfte als gewerbliche qualifizieren zu wollen. Dies kann nur dann gelingen, wenn das defizitäre Veräußerungsgeschäft als gewerbliches Grundstücksgeschäft anerkannt wird. In diesem Kontext gewinnt das Tatbestandsmerkmal der Gewinnerzielungsabsicht erneut an Bedeutung. 233 Insoweit sind die Fallgestaltungen bei Grundstücks- und Wertpapiergeschäften miteinander vergleichbar. 3. Keine Abgrenzungsfunktion zur privaten Vennögensverwaltung
Das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht ist aber nicht dazu geeignet, die gewerbliche Betätigung von der privaten Verrnögensverwaltung abzugrenzen. Denn auch die verrnögensverwaltende Tätigkeit wird mit Einkünfteerzielungsabsicht ausgeübt. Soweit im Rahmen der Verrnögensverwaltung 230 Gl.A. Zacharias/Rinnewitz, DStR 1984, S. 193, 194 f. m.w.N., bereits zur Rechtslage vor dem Beschluss des GrS vom 26.6.1984. 231 So auch Hörrnann, S. 37; i.E. ähnlich Jung, S. 66. 232 Der gesamte deutsche Immobilienmarkt hatte in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre Preisrückgänge zu verzeichnen, vgl. Böckhoff/Stracke, S. 138; für die westlichen Bundesländer vgl. Schaar, Der Städtetag 1999, S. 20, 25 Abb. 7. "Seit dem Höhepunkt 1994 sind in den alten Bundesländern die Immobilienwerte um -1l,3% zurückgegangen .... In den neuen Bundesländern sind seit ... 1992 die Immobilienwerte um -2,1 % pro Jahr gesunken. Dies ist eindeutig auf die überhöhten Preise und Mieten in Folge der Mangelerscheinungen unmittelbar nach der Wende und die damalige Euphorie zurückzuführen.", Bulwien und Partner GmbH Münchener Institut, Immobilienindex 1975-1999 - Kurzfassung -, S. 2, Februar 2000. Auch der DEIX Deutscher Eigentums-Immobilien-Index für die neuen Bundesländer ist in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre stark gefallen, vgl. ifs, http:// www.ifs-staedtebauinstitut.de/deix.htm.BeiGewerbeimmobilien in Ostdeutschland liegen die Leerstandsquoten häufig zwischen 20--30%, vgl. o.V., Ostdeutscher Büromarkt erholt sich noch nicht, HB 2./3.6.2000, S. 55; Junghanns, Gähnende Leere, HB 2./3.6.2000, S. 55; http://public.deutsche-bank.de/grundbesitzS-47FJUQ/$file/ leipzig_d.html?OpenElement; Kempf/Wüpper, Die Ost-Immobilien bergen eine Zeitbombe - In großem Umfang laufen jetzt Mietgarantien aus, StZ 27.5.2000, S.13. 233 So auch Hörrnann, S. 38. Anders, INF 1987, S. 145 ff.
A. Gesetzliche Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG
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laufende Einkünfte erzielt werden, handelt es sich regelmäßig um Überschusseinkünfte gern. §§ 20, 21 EStG mit entsprechender Überschusserzielungsabsicht. Doch selbst wenn lediglich ein An- und Verkauf ohne zwischenzeitliche laufende Einkünfte vorgenommen wird (z. B. bei Briefmarken, Münzen oder Gemälden), erfolgt das Veräußerungsgeschäft mit der Absicht, nach Möglichkeit einen Überschuss des Verkaufs- über den Ankaufspreis zu realisieren. 234 Auch wenn man dem strengen betriebswirtschaftlichen Bild eines "homo oeconomicus" richtigerweise nicht folgt, so streben die Steuerpflichtigen doch regelmäßig danach, ihr Vermögen mit einem möglichst hohen Ertrag zu verwalten und ggf. zu realisieren?35
VI. Keine Einkünfte nach §§ 13 oder 18 EStG 1. Keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13 EStG
Eine selbständige, nachhaltige und von Gewinnerzielungsabsicht getragene Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist gemäß § 15 Abs. 2 Satz I EStG kein Gewerbebetrieb, wenn und soweit es sich um die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft i. S. von § 13 EStG handelt. 236 Die Veräußerung von land- und forstwirtschaftlieh genutzten Grundstücken wird in die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft einbezogen. 237 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist aber die Frage der Einkunftsartenqualifikation in land- und forstwirtschaftliehe Einkünfte oder in gewerbliche Einkünfte nicht von eigenständiger Bedeutung. Relevant ist vielmehr die Umgrenzung des steuerbaren Bereichs. 2. Keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 EStG
Die Abgrenzung gewerblicher Tätigkeit gegenüber den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit ist ebenfalls eine Frage der Einkunftsartenqualifikation238 und folgt auch den Kriterien zur Abgrenzung der gewerblichen von den privaten Grundstücksveräußerungen. 239 Jung, S. 68 m. W.N. GI.A. Tipke, Grundstücksveräußerungen, S. 16 f., 31 m.w.N.; Jung, S. 68 m. w.N. Zu Wertpapiergeschäften zutreffend FG Münster, Urteil vom 26.10.1995, 13 K 1801/94E,G, EFG 1996, S. 429 (Az. BFH XI R 1/96). 236 Vgl. ausführlich auch zur Definition Land- und Forstwirtschaftlicher Tätigkeit, Lang, in: Tipke/Lang § 9 Rn. 481 f.; Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 142 ff.; Hörmann, S. 40 f. 237 Seeger, in: Ludwig Schrnidt, § 13 Rn. 145; Hörmann, S. 41; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 53. 234 235
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2. Teil: Grundstücks-/Wertpapiergeschäfte als gewerbliche Tätigkeit
Für die Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung gewinnt also das Negativmerkmal "keine selbständige Tätigkeit" ebenfalls keine eigenständige Bedeutung.
B. Ergebnis: Unvollständigkeit des gesetzlichen Tatbestandes Die Abgrenzungskraft der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist, wie die Ausführungen gezeigt haben, von nur begrenztem Ausmaß. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale genügen nicht, den Gewerbebetrieb in jedem Fall vom nichtsteuerbaren und vom nur beschränkt steuerbaren Bereich abzugrenzen. Die Selbständigkeit trennt die gewerblichen Einkünfte von den nichtselbständigen Einkünften. Die Nachhaltigkeit verlangt mehr als eine Handlung. Die Abgrenzungskraft zum nichtsteuerbaren Bereich ist jedoch nur gering, zumal die Rechtsprechung das Merkmal sehr flexibel handhabt. Die Gewinnerzielungsabsicht kann von den Fällen der Liebhaberei und der gemeinnützigen Tätigkeit abgrenzen, stellt aber auch nur einen Unterfall der ohnehin bereits aufgrund § 2 EStG erforderlichen Einkünfteerzielungsabsicht dar. Auch das Tatbestandsmerkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr findet sich bereits im markteinkommenstheoretischen Einkunftsbegriff des § 2 EStG. Ein Abgrenzungskriterium zur privaten Vermögensverwaltung stellt auch dieses Merkmal nicht dar, weil es durch Tätigkeiten, die den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschreiten, ebenfalls erfüllt werden kann. Die negativen Tatbestandsmerkmale grenzen die Gewinneinkunftsarten lediglich untereinander ab. § 15 Abs. 2 EStG regelt dagegen nicht befriedigend, wie die Einkünfte aus Gewerbebetrieb von den übrigen Überschusseinkunftsarten zu unterscheiden sind. 24o Auch fehlt ein Abgrenzungsmerkmal zum nichtsteuerbaren Bereich. Gerade in den Fällen, in denen Steuerpflichtige ihr eigenes Vermögen verwalten und auf diese Weise Einkünfte nach § 20 oder § 21 EStG erzielen, sind meist auch die Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt. Denn der private Vermögensverwalter ist regelmäßig selbständig, nachhaltig, mit Einkünfteerzielungsabsicht und an den Markt gewendet tätig?41 Veräußerungen des Stammvermögens gehören aber aufgrund des 238 Jung, S. 73; zur Einkünftequalifikation ausführlich Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 159 ff. 239 Jung, S. 74; Hörmann, S. 44. 240 So bereits Lang, in: StBKongrRep 1988, S. 49, 52. Die Subsidiaritätsklausel der §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3 EStG enthalten keine Abgrenzungsmerkmale.
B. Ergebnis
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gesetzlich angeordneten Einkünftedualismus zum nicht einkommensteuerbaren Bereich. Deshalb ist es von großer Bedeutung, wie der Gewerbebetrieb von der privaten Vermägensverwaltung abzugrenzen ist. Die Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG können den Anwendungsbereich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb demnach häufig nicht abschließend festlegen. Weil alle geschriebenen Tatbestandsmerkmale der Vorschrift im Falle der Veräußerung des Vermögensstammes auch bei einer privaten Vermögensverwaltung erfüllt sein können 242 , ist der Gesetzeswortlaut der Gewerbebetriebsdefinition zu weit gefasst. 243 Daher erlangt das Merkmal der privaten Vermögensverwaltung für die Abgrenzung des Gewerbebetriebs von anderen Einkünften und vom nichtsteuerbaren Bereich eine überragende244 , wenn nicht die entscheidende245 Bedeutung. Ob in der privaten Vermögensverwaltung ein weiteres - ungeschriebenes - negatives Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebsbegriffs zu sehen oder ob der Begriff des Gewerbebetriebs einheitlich typologisch zu bestimmen ist, hängt von der Rechtsnatur des Begriffs des "Gewerbebetriebs" ab.
241 Hönnann, S. 45; Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 108; Lang, in: StBKongrRep 1988, S. 45, 53; Nickel, S. 83. 242 So auch Nickel, S. 83. 243 Lang, in: StBerKongrRep 1988, S. 45, 52; Jung, S. 79; a.A. Führer, S. 134 f. 244 Hönnann, S. 45. 245 Jung, S. 78.
3. Teil
Rechtsnatur des Begriffs "Gewerbebetrieb" A. Entscheidungsrelevanz der Rechtsnatur des Begriffs "Gewerbebetrieb" Die juristische Methodenlehre unterscheidet zwischen Klassenbegriffen und Typusbegriffen. Handelt es sich beim Gewerbebetrieb um einen Klassenbegriff, so muss ein konkreter Sachverhalt unter den Tatbestand des Begriffes subsumiert werden können und sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllen. Handelt es sich hingegen um einen Typusbegriff, so kann der konkrete Sachverhalt dem Typus 246 nur im Wege eines Ähnlichkeitsvergleichs zugeordnet werden. Einzelne Merkmale können mehr oder weniger erfüllt, im Einzelfall sogar gar nicht gegeben sein, wenn nur der konkrete Sachverhalt dem Typus noch im Wesentlichen entspricht. Dabei ist der Streit um die rechtliche Qualität des Gewerbebetriebsbegriffs vor dem materiellen Hintergrund zu sehen, welche Merkmale mit welchem Inhalt einen Gewerbebetrieb ausmachen und wie diese Merkmale zu gewinnen und anzuwenden sind. 247 Gerade für die Anerkennung des zusätzlichen ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der privaten Vermögensverwaltung ist diese Frage von grundlegender Bedeutung. 248 Die Kenntnis von der Rechtsqualität der privaten Vermögensverwaltung ist entscheidend für die Entwicklung eines eigenen Lösungsansatzes zur Abgrenzung privater von gewerblichen Veräußerungsgeschäften. Handelt es sich um ein typologisch zu bestimmendes Tatbestandsmerkmal, dann kann die Abgrenzung im Rahmen der Gesamtbetrachtung mehrerer Einzelmerkmale vorgenommen werden, von denen allerdings nicht in jedem Fall alle erfüllt sein müssen, um ein gewerbliches Veräußerungsgeschäft annehmen zu können. Handelt es sich dagegen um ein klassenbegriffliches Merkmal, dann verlangt die notwendige Subsumtion, dass alle für die Abgrenzung als
246 Zu den verschiedenen Fonnen des "Typus" sowie dessen Entwicklungsgeschichte vgl. Weber-Grellet, in: FS Beisse, S. 561 ff. und ausführlich Strahl, S. 55189. 247 Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 67; Hönnann, S. 79 m. w. N. 248 Jung, S. 80.
B. Klassenbegriff und Typusbegriff
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relevant erkannten Einzelmerkmale erfüllt sind, um ein gewerbliches Veräußerungsgeschäft annehmen zu können.
B. Klassenbegriff und Typusbegriff I. Die Typuskonzeption Die "klassische Typuskonzeption,,249 unterscheidet zwischen dem Klassenbegriff einerseits und dem Typusbegriff andererseits. Ein Klassenbegrijf wird durch eine feste Anzahl von Merkmalen geprägt. Die Subsumtion eines Sachverhalts unter einen Klassenbegriff stellt im Idealfall einen wertungsfreien, mit den Mitteln formaler Logik zu bewältigenden Vorgang dar?50 Ein Typusbegrijf unterscheidet sich vom Klassenbegriff durch seine Offenheit. 251 Anders als abstrakt-allgemeine (und darum subsumtionstaugliche) Klassenbegriffe definieren Typusbegriffe ihren Gegenstand nicht, sondern beschreiben ihn auf einer bestimmmten Abstraktionshöhe. 252 Der Typusbegriff hat zwar einen festen Kern, aber keine festen Grenzen, sodass von den für einen Typus charakteristischen "Zügen" auch der eine oder andere fehlen kann, ohne dass damit die Typizität eines bestimmten Sachverhalts in Frage gestellt zu sein braucht. Unter einen Typusbegriff kann nicht im Wege des Syllogismus subsumiert, ein konkreter Sachverhalt kann ihm nur in höherem oder geringerem Grad entsprechen, ihm wertend zugeordnet werden. 253 Typusbegriffe können sich aber im Verlauf der Rechtsentwicklung zu Klassenbegriffen verdichten, und umgekehrt können sich Klassenbegriffe zu Typusbegriffen entwickeln?54 In die Bildung des Typus und daher auch in die jeweilige Zuordnung zu ihm gehen sowohl empirische wie normative Elemente ein. Die Verbindung dieser beiden Elemente kennzeichnet den gesetzlichen Typusbegriff, der deshalb auch als "normativer Realtypus" bezeichnet wird. 255 Ausdruck eines Rückgriffs des Rechtsanwenders auf den realen Typus zur Bestimmung des gesetzlichen Typusbegriffes ist oft der Hinweis auf die Verkehrsanschauung ?56 249 Begriff nach Drüen, StuW 1997, S. 261, 264; Eckhoff, S. 75 spricht gleichbedeutend von einer "herkömmlichen Auffassung". 250 Eckhoff, S. 75. 251 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 147 m.zahlr.N. 252 Eckhoff, S. 76; Drüen, StuW 1997, S. 261, 264. 253 Drüen, StuW 1997, S. 261, 264; Kaufmann, S. 127; Tipke/Kruse, § 4 Tz. 136; Eckhoff, S. 76 f.; Lang, in: Tipke/Lang § 5 Rn. 45. 254 Eckhoff, S. 78; Drüen, StuW 1997, S. 261, 265. 255 Larenz/Canaris, S. 294. 256 Eckhoff, S. 77; Marhofer-Ferlan, S. 310.
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3. Teil: Rechtsnatur des Begriffs "Gewerbebetrieb"
Die Existenz von Typusbegriffen im Steuerrecht wird überwiegend anerkannt. 257 Bei den Typusbegriffen handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe. 258 Sie genügen daher dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. 259 Die Möglichkeit, von einzelnen Merkmalen abzusehen, die herkömmlicherweise den Begriffskern des Typus mit umschreiben, ist dagegen mit dem Verständnis von einem Klassenbegriff nicht zu vereinbaren. Liegt ein Klassenbegriff vor, dann ist der Verzicht auf einzelne Tatbestandsmerkmale unzulässig und verstößt gegen das Gesetzmäßigkeitsgebot. Weil der Gesetzgeber regelmäßig nicht zu erkennen gibt, welche von beiden Begriffsarten er verwenden will, ist diese Frage von der Gesetzesauslegung zu entscheiden. Da jede Gesetzesauslegung nicht nur die normativen Überlegungen und Ziele des Gesetzgebers (teleologische Auslegung) sowie die historischen und systematischen Zusammenhänge berücksichtigen muss, sondern von individuellen Rechtsanwendern vorgenommen wird, die in einer bestimmten Lebensumgebung mit eigenen Wertvorstellungen leben (law in action), enthält jede Art der Rechtsanwendung zwingend Wertungen des Rechtsanwenders, die das herkömmliche, Wertungsfreiheit vorspiegelnde Subsumtionsideal hinter sich lassen. 26o Rechtsanwendung ist also nicht nur Erkenntnisakt, sondern zugleich Willensakt und Wertungsakt. Dieser Wertungsakt tritt bei der Zuordnung zum Typusbegriff offen zutage, weil seine Merkmale zum Teil abstufbar und verzichtbar sind,z61 11. Die Nähe des Typusbegriffs zur teleologischen Rechtsanwendung
Die "moderne" Begriffslehre hält die strikte Abgrenzung zwischen Klassenbegriff und Typusbegriff allerdings für konstruiert,z62 Wie bereits die Möglichkeit der Entwicklung eines Typusbegriffs zum Klassenbegriff zeige, 257 Lang, in: Tipke/Lang § 5 Rn. 45; Paul Kirchhof, in: KlS § 2 Rn. B 144; Schmidt-Liebig, "Gewerbe" im Steuerrecht, S. 47 ff.; Hörmann, S. 79 ff.; Tipke/ Kruse, § 4 Rn. 136 m. w.N.; Eckhoff, S. 75 ff. m. w.N.; Drüen, StuW 1997, S. 261 ff. a.A. Weber-Grellet, in: FS Beisse, S. 561 ff.; Bydlinski, S. 545 ff.; Koch/ Rüßmann, S. 76 f. 258 Tipke/Kruse, § 4 Rn. 136; Eckhoff, S. 105. 259 Zweifelnd Weber-Grellet, in: FS Beisse, S. 551, 568 f.; Lang, in: StBKongrRep 1988, S. 49, 52 f. 260 Gl.A. Eckhoff, S. 79; Weber-Grellet, StuW 1999, S. 311, 314. 261 Drüen, StuW 1997, S. 261, 264 f. m.w.N. Zur Gefahr der ideologischen Instrumentalisierung von Typusbegriffen, wenn die ihnen zugrunde liegenden Wertungen nicht offengelegt werden, sondern auf eine "Natur der Sache" oder auf die "Normativität der ,Fakten'" abgestellt wird, vgl. instruktiv Rüthers, NJW 1996, S. 1249 ff. m. w.N.; Weber-Grellet, in: FS Beisse, S. 551, 558; Eckhoff, S. 79. 262 Drüen, StuW 1997, S. 261, 265 ff.; Bydlinski, S. 545 ff.
c. Klassenbegriff mit typologischen Merkmalen
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seien die Grenzen fließend. Die typologische Rechtsfindung lasse sich außerdem als Teil der herkömmlichen juristischen Lehre von der Auslegung des Gesetzes, mit einer besonderen Nähe zur teleologischen Argumentation, verstehen. 263 Teilweise wird sogar vertreten, dass die Verwendung von Typusbegriffen methodisch nicht geboten sei. Es sei vielmehr hinlänglich bekannt, dass alle Begriffe mehr oder weniger unbestimmt seien. Der Unbestimmtheit sei aber mit den herkömmlichen Mitteln der juristischen Auslegungstechnik zu begegnen. 264 Kumulative, disjunktive und negative Verbindungen in Tatbeständen oder Tatbestandsmerkmalen seien nichts Besonderes. 265 Typusbegriffe mit wechselnden Inhaltsmerkmalen seien hingegen zu unbestimmt. Eine Norm, die offene Typusbegriffe enthalte, sei infolgedessen rechtswidrig. Bestenfalls sei der Begriff des Typus schlicht überflüssig. 266 Die "klassische Typuskonzeption" erweckt demnach nur den Anschein der Notwendigkeit einer strikten und klaren begrifflichen Alternativenlage. Sowohl die Nähe des Typusbegriffs zur teleologischen Rechtsanwendung, die sich in der Art und Weise der Bestimmung. des Begriffshofes anhand seines Kernbereichs zeigt, als auch der mögliche Übergang zwischen Typus- und Klassenbegriff legen den Gedanken nahe, dass es auch Klassenbegriffe mit typologischen Einzelmerkmalen geben kann.
c.
Der Gewerbebetriebsbegriff als Klassenbegriff mit typologischen Merkmalen I. Der GewerbebetriebsbegritT als TypusbegritT
1. Systematische Auslegung (Einkunftsartenqualifikation)
In der Literatur ist umstritten, ob es sich beim Begriff des Gewerbebetriebs gemäß § 15 Abs. 2 EStG um einen Klassenbegriff267 oder einen Typusbegriff268 handelt. Die Rechtsprechung folgt formal dem klassenbegrifflichen Ansatz, geht inhaltlich aber häufig eher typologisch vor. 263 Drüen, StuW 1997, S. 261, 267 m. w.N.; Weber-Grenet, in: FS Beisse, S. 551, 558; Weber-Grenet, StuW 1999, S. 311, 314. 264 Weber-Grenet, in: FS Beisse, S. 551, 568. 265 Weber-Grenet, in: FS Beisse, S. 551, 568; Drüen, StuW 1997, S. 261, 265. 266 Weber-Grenet, in: FS Beisse, S. 551, 568 f. Weber-Grenet verwendet den Ausdruck "offener Typus", meint damit aber die hier als Typusbegriff bezeichneten Tatbestände oder Tatbestandsmerkmale des realen Typus (S. 565). 267 So Jung, S. 81 m. w.N.: "Nach der wohl herrschenden Meinung ... Klassenbegriff'. Für die Qualifikation als Klassenbegriff außerdem: Koblenzer, BB 1999, S. 718, 720. I.E. auch Söffing, DStZ 1996, S. 353.
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3. Teil: Rechtsnatur des Begriffs "Gewerbebetrieb"
Sowohl die Einteilung als auch die Beschreibung der einzelnen Einkunftsarten ist von pragmatischer Art und im Wesentlichen historisch bedingt. 269 Die Einkunftsarten lassen sich nicht teleologisch voneinander abgrenzen. 270 Sie enthalten vielmehr in der heutigen Form nur beispielhafte Umschreibungen der historischen Tätigkeitsbilder, die der jeweiligen Einkunftsart zugeordnet werden sollten?71 Das Gesetz weist daher keine trennscharfen Definitionen der Einkunftsarten auf, sondern hebt deren Anwendungsbereich meist nur beschreibend hervor, indem es ihren Kern durch die Aufzählung möglichst lebensnaher Berufs- oder Tätigkeitsgruppen272 festlegt und die Randbereiche durch allgemein gehaltene Formulierungen273 offenhält. 274 Zumindest die Einkunftsarten in §§ 13, 18, 20 und 21 EStG werden damit durch Typusbegriffe beschrieben?75 Die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit (§ 19 EStG) werden von den übrigen Einkünften anband einer Statusentscheidung abgegrenzt; liegt Arbeitnehmereigenschaft vor, so werden Einkünfte nach § 19 EStG erzielt. Der Begriff des Arbeitnehmers stellt ebenfalls einen Typusbegriff dar. 276 Obwohl § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG vier positive und zwei negative Tatbestandsmerkmale mit dem Anspruch einer abschließenden Legaldefinition enthält, führt gerade die Inbezugnahme der offenen negativen Tatbestandsmerkmale dazu, dass der Begriff des Gewerbebetriebs selbst unbestimmt wird. Wird der Tatbestand dann auch noch auf das weitere ungeschriebene negative Tatbestandsmerkmal der privaten Vermögensverwaltung gestützt,
268 So Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 68 m. w.N.: "Die herrschende Meinung in der Literatur hält ... § 15 Abs. 2 EStG '" für eine typologische Beschreibung ... ". Für die Qualifikation als Typusbegriff sind weiter Zugmaier, FR 1999, S. 997, 998; Zugmaier, EinkünftequalifIkation, S. 110 m. w.N.; Drüen, StuW 1997, S. 261, 264; Nickel, S. 42; Jakob, in: FS Ludwig Schmidt, S. 115, 120. 269 Vgl. oben 1. Teil. 270 Drüen, StuW 1997, S. 261, 267. 271 Vgl. Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 71. 272 Z. B. Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gemüsebau, Baumschulen, Rechtsanwälte, Notare, Dentisten, Dolmetscher, Bezüge aus Aktien, Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens, wiederkehrende Bezüge. 273 Z. B. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG: " ... und aus allen Betrieben, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen."; § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG: " ... und ähnlicher Berufe." sowie § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG: "Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit, z. B.... " 274 Raupach/Schencking, in: H/H/R § 2 Anm. 89; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 71. 275 Kellersmann, S. 84 m. w.N.; Raupach/Schencking, in: H/H/R § 2 Anm. 89; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 71; Drüen, StuW 1997, S. 261, 267; Zugmaier, FR 1999, S. 997, 999; Nickel, S. 40. 276 Lang, in: StBKongrRep 1988, S. 49, 53 m. w.N.
C. Klassenbegriff mit typologischen Merkmalen
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dann soll der Begriff "Gewerbebetrieb" vollends vom abgeschlossenen Tatbestand in die Gruppe der Typusbegriffe wechseln. 277 Die Einordnung in die Gruppe der Typusbegriffe ist allerdings nicht zwingend, wenn man anerkennt, dass es Klassenbegriffe mit einzelnen typologisch auszulegenden Tatbestandsmerkmalen gibt. Der Unterschied zum "klassischen" Typusbegriff liegt dann darin, dass alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sein müssen. Dies entspricht am ehesten dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG. 2. Funktioneller Vorteil der Einordnung als TypusbegritT
Das Verständnis vom Gewerbebetriebsbegriff als Typusbegriff würde in den Fällen der Entstehung, des Ruhens und der in Abwicklung befindlichen Gewerbebetriebe die Subsumtionsproblematik unter die Tatbestandsmerkmale "Nachhaltigkeit" und "Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr" vermeiden. 278 3. UnternehmerbegritT des UStG
Wie beim Gewerbebetriebsbegriff des § 15 Abs. 2 EStG ist auch beim Unternehmerbegriff des § 2 UStG streitig, ob es sich dabei um einen Klassen- oder Typusbegriff handelt?79 Die Rechtsprechung des EuGH zum Unternehmerbegriff stellt jedenfalls auf eine Gesamtbetrachtung der Gegebenheiten des Einzelfalles ab und lässt als eine Beurteilungsmethode den Vergleich der Umstände des Einzelfalles mit denjenigen Umständen zu, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird. 28o Die Rechtsprechung des EuGH wird infolgedessen von den Vertretern des Typusbegriffes als Indiz für die Typuseigenschaft des Gewerbebetriebsbegriffs herangezogen?81 Allerdings ist auch die Auslegung eines Klassenbegriffs für eine Gesamtbetrachtung offen. 277 Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. B 144; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 71 f.; Schmidt-Liebig, BB 1984, Beilage 14, S. 8. 278 Zugmaier, FR 1999, S. 997, 998 f.; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 73. Zu der Problematik im Einzelnen vgl. oben 2. Teil A. III. und IV. 279 Zum Streitstand vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG § 2 Rn. 270 und Rn. 274. 280 Insb. EuGH-Urteil vom 26.9.1996 RS. C-230/94, EuGHE 1996,1-4517,4546 und im Anschluss daran BFH-Urteil vom 12.12.1996 V R 23/93, BStBl. 11 1997, S. 368, 370. 281 Vgl. auch die Argumente für einen umsatzsteuerrechtlichen Typusbegriff bei Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG § 2 Rn. 47 ff. Zurecht ablehnend: Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG § 2 Rn. 8.
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3. Teil: Rechtsnatur des Begriffs "Gewerbebetrieb"
11. Der GewerbebetriebsbegritT als KlassenbegritT Der BFH folgt formal argumentativ der klassenbegrifflichen Einordnung des Gewerbebetriebsbegriffs, indem er betont, sämtliche geschriebenen und das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des Nichtüberschreitensprivater Vermögensverwaltung müssten erfüllt sein, um einen Gewerbebetrieb annehmen zu können. 282 Die Vertreter der typologischen Auffassung wenden jedoch ein, dass die Urteile des BFH im Rahmen der Prüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale deren Bedeutung so weit über den möglichen Wortsinn hinaus ausdehnten, dass sie jegliche Abgrenzungswirkung verlieren. Auf diese Weise werde der Gewerbebetriebsbegriff insgesamt typologisch angewendet, ohne dass der BFH dies eingestehe?83 Gerade in der jüngeren Entscheidung des Großen Senats vom 3.7.1995284 würden nicht mehr sämtliche Tatbestandsmerkmale geprüft, sondern nur noch eine Abgrenzung von der privaten Vermögensverwaltung vorgenommen. Die Abgrenzung hänge davon ab, ob eine Tätigkeit "nach allgemeiner Auffassung als unternehmerisch gewertet wird,,285, wobei "auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung abzustellen,,286 sei. Eine solche Argumentation entspreche typologischer Rechtsanwendung?87 Auch der 1. Senat ist in einem aktuellen Urteil argumentativ dem Großen Senat gefolgt. 288 Der Blick auf die den Urteilen zugrundeliegenden Sachverhalte 289 zeigt allerdings, dass die übrigen (geschriebenen) Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG zweifellos und wohl auch unstreitig vorgelegen hatten?90 Der BFH konnte sich daher umfangreiche Ausführungen zu diesen Punkten sparen. Vor diesem Hintergrund kann aus den genannten Entscheidungen des BFH lediglich geschlossen werden, dass das Tatbestandsmerkmal des Überschreitens privater Vermögensverwaltung typologisch angewendet wird. Diese Auffassung wird durch ein Urteil des 111. Senats vom 10.12.1998291 gestützt, in dem die vom Finanzgericht festgestellten Tatsachen nach An282 Z.B. ausdrücklich BFH-Urteil vom 12.7.1991 III R 47/88, BStBI. II 1992, S. 143, 146. 283 Z.B. Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 15 ff. 284 Beschluss vom 3.7.1995 GrS 1/93, BStBI. II 1995, S. 617 ff. 285 Beschluss vom 3.7.1995 GrS 1/93, BStBl. II 1995, S. 617, 618. 286 Beschluss vom 3.7.1995 GrS 1/93, BStBI. II 1995, S. 617, 619. 287 Zugmaier, FR 1999, S. 997, 999. 288 BFH-Urteil vom 18.5.1999 I R 118/97, BStBI. II 2000, S. 28. 289 Der Große Senat verweist hinsichtlich des Sachverhalts auf den Vorlagebeschluss vom 2.9.1992 XI R 21/91, BStBI. II 1993, S. 668 ff. 290 So auch in zwei Urteilen des XI. Senats vom 29.10.1998, XI R 57/97 und XI R 58/97, BFH/NV 1999, S. 766 ff. 291 BFH-Urteil vom 10.12.1998 III R 61/97, BStBl. II 1999, S. 390.
C. Klassenbegriff mit typologischen Merkmalen
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sicht des Senats nicht erkennen ließen, ob die geschriebenen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt waren?92 Deshalb prüfte der III. Senat die einzelnen Merkmale anhand der zur Verfügung stehenden tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts und gab dem Finanzgericht detaillierte Vorgaben für die Prüfung der geschriebenen Tatbestandsmerkmale im zweiten Rechtszug?93 Allerdings hat der X. Senat in jüngster Zeit die Abgrenzung des Gewerbebetriebsbegriffs tatsächlich typologisch vorgenommen. Er hat dabei aber die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG jeweils für sich typologisch bestimmt294 und nicht den Gewerbebetriebsbegriff als Ganzes. 295 Derselbe Senat hat aber in einem fast zeitgleich ergangenen Urteil einen Gewerbebetrieb verneint, weil die Veräußerung nur eines Grundstücks keine nachhaltige Tätigkeit begründet habe. 296 Auch in seiner Entscheidung vom 15.3.2000297 betont der X. Senat die geschriebenen Tatbestandsmerkmale Nachhaltigkeit und Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Dass der X. Senat also den Gewerbebetriebsbegriff faktisch als einheitlichen Typusbegriff versteht, ist aus dessen aktuellen Entscheidungen also nicht zwingend zu schließen. Denn nur aus einem grundsätzlich klassen begrifflichen Verständnis heraus kann ein Gewerbebetrieb mit dem bloßen Hinweis auf fehlende Nachhaltigkeit verneint werden. Zumindest in der genannten Entscheidung vom 17.6.1998 wendet der X. Senat den Gewerbebetriebsbegriff nicht nur der Form nach klassenbegrifflich an?98 Vielmehr 292 "Die bisherigen Feststellungen des FG erlauben auch nicht die abschließende Beurteilung, ob die weiteren Merkmale des gewerblichen Grundstückshandels im Streitfall sämtlich erfüllt sind." (S. 392; Hervorhebung d. Verf.). 293 BFH-Urteil vom 10.12.1998 III R 61/97, BStBl. 11 1999, S. 390. 294 Vorlagebeschluss vom 29.10.1997 X R 183/96, BStBl. II 1998, S. 332 ff. (GrS 1/98); BFH-Urteil vom 2.12.1998 X R 83/96, BStBl. 11 1999, S. 534, in dem ein Rundfunkermittler als Gewerbetreibender und nicht als Arbeitnehmer qualifiziert wurde. "Die Merkmale des § 15 Abs. 2 EStG [haben] den ,typischen' Unternehmer im Blick, ... in atypischen Fällen ... [sind] die Merkmale ... typusbezogen auszulegen". Selbst die ausschließliche Tätigkeit für einen Auftraggeber sei hier noch als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zu werten, weil die übrigen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt seien. Die typologische Vorgehensweise des X. Senats - hinsichtlich der geschriebenen Tatbestandsmerkmale zurecht - ablehnend: Söffing, DB 1998, S. 1683 ff., 1733 ff.; Koblenzer, BB 1999, S. 718, 719 ff.; Eckhoff, S. 76, FN. 40. 295 Nur aus diesem Grund den Ansatz des X. Senats ablehnend: Zugmaier, FR 1999, S. 997, 1000 und DB 1999, S. 1048. 296 Urteil vom 17.6.1998 X R 68/95, BStBl. 11 1998, S. 667. 297 X R 130/97, DStR 2000, S. 1131, 1133 f. (BFH/NV 2000, S. 1032). 298 So aber Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 69. Wie hier wohl auch Koblenzer, BB 1999, S. 718, 720.
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3. Teil: Rechtsnatur des Begriffs "Gewerbebetrieb"
scheint sich auch der X. Senat der vermittelnden Auffassung vom Klassenbegriff mit einzelnen typologischen Tatbestandsmerkmalen anzunähern. 111. Vermittelnde Auffassung: KlassenbegritT mit einzelnen typologischen Tatbestandsmerkmalen 1. Entwicklung vom TypusbegritT zum KlassenbegritT
Die Definition des einkommensteuerrechtlichen Begriffes des Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 2 EStG wurde erst mit dem Steuerentlastungsgesetz 1984 in das EStG aufgenommen. 299 Bis dahin war auch für einkommensteuerrechtliche Zwecke auf die seit 1955 in § 1 Abs. 1 GewStDV - rechtssystematisch zweifelhaft - enthaltene Definition des Gewerbebetriebs zurückgegriffen worden?OO Die Definition der GewStDV ihrerseits enthielt die vom RFH und vom Preußischen OVG entwickelten Gewerbemerkmale 301 , die wesentlich auf die (jeweilige) Verkehrsauffassung abstellten?02 Diese Entstehungsgeschichte zeigt, dass es sich beim Gewerbebetriebsbegriff ursprünglich um einen Typusbegriff handelte. 303 Mit der Legaldefinition des Gewerbebetriebsbegriffs erfolgte die Konkretisierung zum Klassenbegrif.!.·304 Gegen den Einwand, der Gewerbebetriebsbegriff sei in der Form eines Typusbegriffes in das Gesetz aufgenommen worden 305 , spricht, dass in § 15 Abs. 2 EStG anders als in den übrigen Einkunftsarten einzelne Tatbestandsmerkmale genannt werden. Woraus gefolgert wird, dass dennoch der Gewerbebetrieb als Typusbegriff eingeführt wurde, bleibt offen. Davon abgesehen handelt es sich bei § 15 Abs. 2 Satz 2 EStG um kein isoliert zu sehendes Merkmal des Gewerbebetriebs. Hier wurde vielmehr entgegen der bis zum StEntlG 1984 ständigen Rechtsprechung des BFH eine materielle Klarstellung des Merkmals der Gewinnerzielungsabsicht Gesetz vom 22.12.1983, BGBL I 1983, S. 1582. So auch die Regierungsbegründung, BT-Drs. 10/336, S. 26; Tipke, Grundstücksveräußerungen, S. 27. 301 BFH-Urteil vom 1.8.1957 IV 399/55 U, BStBl. III 1957, 355; SchmidtLiebig, Abgrenzung, Rn. 11. 302 Nickel, S. 71 m. w.N. 303 So ausdrücklich Hörmann, S. 81 und Z.B. noch 1981: Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 480. 304 Lang, in: Tipke/Lang § 5 Rn. 45, § 9 Rn. 488 f.; Herzig/Lutterbach, DStR 1999, S. 521, 525. Marhofer-Ferlan, S. 320 f. u. S. 326; Lang, in: StBKongrRep 1988, S. 49, 52. GLA. Jung, S. 82; Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 38 Rn. 4 m. w. N. Tipke, Grundstücksveräußerungen, S. 28 ff. vertrat schon 1974 mit Hinweis auf § 1 Abs. 1 GewStDV die Auffassung, die Entwicklung zum Klassenbegriff sei bereits abgeschlossen. 305 Zugmaier, FR 1999, S. 997, 999. 299
300
C. Klassenbegriff mit typologischen Merkmalen
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vorgenommen?06 Die von den Vertretern eines typologischen Verständnisses angeführten Nachweise in der Literatur307 stammen im Wesentlichen noch aus der Zeit vor der Legaldefinition des Gewerbebetriebs durch das Steuerentlastungsgesetz 1984. Sie können folglich nicht gegen die Auffassung angeführt werden, der Gewerbebetriebsbegriff habe sich gerade durch oder doch zumindest seit der Legaldefinition zum Klassenbegriff entwickelt. 2. Gebot der Tatbestandsmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung
Die in der Realität vorkommenden Erscheinungsformen der gewerblichen Betätigung sind außerordentlich vielfältig und einer steten Wandlung unterworfen. So sterben manche Formen der Gewerbetreibenden im einkommensteuerrechtlichen Sinne langsam aus, wie der Schuhmacher, Sattler und Gestellmacher, andere entstehen neu, wie der Rundfunkerrnittler, Forderungskäufer (Factor), Day-Trader308 , Produkt-Designer und der Internet-Broker. Die Interpretation des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG muss vor diesem Hintergrund insoweit typologisch erfolgen, als die Berufsbilder anderer Einkunftsarten grundsätzlich nicht durch einen abschließenden Katalog von Begriffsmerkmalen bestimmt werden können. Obwohl die gewerblichen Einkünfte selbst nicht über Berufsbilder definiert werden, wirken die Berufsbilder der anderen Einkunftsarten durch die Abgrenzung des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG über die geschriebenen negativen Tatbestandsmerkmale mittelbar auf den Inhalt des Gewerbebetriebsbegriffes ein. Auch bei dem Merkmal der Selbständigkeit werden die Berufsbilder des Gewerbetreibenden und des Arbeitnehmers gegenübergestellt. 309 Die berufsbildbezogenen Tatbestandsmerkmale grenzen die gewerblichen Einkünfte allerdings nur innerhalb des steuerbaren Bereichs von anderen Einkunftsarten ab. Die Abgrenzung des Gewerbebetriebsbegriffs vom nichtsteuerbaren Bereich erfolgt hingegen unabhängig von Berufsbildern. Bei der Definition des Gewerbebetriebs muss jedenfalls das Gebot der Gesetzmäßigkeit und Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung i.S. des § 38 AO beachtet werden. Das bedeutet, dass ein Gewerbebetrieb nur dann bejaht werden kann, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt sind. 310 Dieser rechtlichen Vorgabe entspricht das klassische Zacharias/Rinnewitz, DStR 1984, S. 193, 199. Siehe z. B. Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 110 in FN. 18; SchmidtLiebig, Abgrenzung, Rn. 68 in FN. 97 und Hörmann, S. 80 FN. 336. 308 So auch Schmidt-Liebig, INF 1999, S. 641, 645 f. 309 Lang, in: StBKongrRep 1988, S. 49, 52 f. Auch hier verwendet Lang trotz der Auffassung, beim Gewerbebetrieb handele es sich um einen Klassenbegriff, wieder die Wendung "Typus des Gewerbebetriebs" (S. 52). 306 307
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3. Teil: Rechtsnatur des Begriffs "Gewerbebetrieb"
Typusverständnis vom Gewerbebetriebsbegriff jedoch nicht. Denn die Bildung mehr oder weniger willkürlicher Kern- und Randbereiche von Berufsbildern vernachlässigt die ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers, einen Gewerbebetrieb nur dann anzunehmen, wenn die im gesetzlichen Tatbestand enthaltenen Merkmale auch sämtlich erfüllt sind?ll Einzelne Merkmale des § 15 Abs. 2 EStG sind allerdings - wie gezeigt - typologischrestriktiv auszulegen?12 Das gilt in erster Linie für die private Vermögensverwaltung?13 Die private Vermögensverwaltung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das den umfassenden Tatbestand des § 15 Abs. 2 EStG auf den steuerbaren Bereich begrenzt, kann wegen ihrer außerordentlich vielfältigen Erscheinungsweise in der Realität nur typologisch im Rahmen einer Gesamtbetrachtung erfasst werden. 314
D. Ergebnis Das Verständnis des Gewerbetriebsbegriffs als reiner Typusbegriff ist jedenfalls seit der Legaldefinition durch § 15 Abs. 2 EStG nicht mit den Prinzipien der Gesetzmäßigkeit und Tatbestandsmäßigkeit vereinbar. Die geschriebenen Tatbestandsmerkmale des Gewerbebetriebsbegriffs müssen in jedem Fall erfüllt sein, um eine gewerbliche Tätigkeit annehmen zu können. Demnach handelt es sich um einen Klassenbegriff. Einzelne Tatbestandsmerkmale sind allerdings typologisch auszulegen?15 Die jüngste Rechtsprechung des BFH scheint sich dieser Auffassung ebenfalls anzunähern. Dies gilt insbesondere für das typologisch auszulegende, ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des Nichtüberschreitens einer privaten Vermögensverwaltung. 316 310 Altfelder, FR 2000, S. 349, 354; Jung, S. 87; Herzig/Lutterbach, DStR 1999, S. 521, 525; Lang, in: StBKongrRep 1988, S. 49, 52; Weber-Grellet, in: FS Beisse, S. 551, 568; Weber-Grellet, FR 1998, S. 313; Führer, S. 177 f.; Söffing, DB 1998, S. 1683 f.; Söffing, DStZ 1996, S. 353; Bitz, in: LlB/H § 15 Rn. 130; Jung/ Redanz, ZBB 1993, S. 68, 80. Nur so kann auch Söffing, Die Betriebsaufspaltung, S. 209 ff. verstanden werden. 311 So ist wohl auch Führer, S. 176 ff. zu verstehen. 312 Lang, in: StBKongrRep 1988, S. 49, 52 f.; Führer, S. 177 f. 313 So bereits Wittmann, S. 44 FN. 76. Nun ausdrücklich auch BFH-Urteil vom 15.3.2000 X R 130/97, DStR 2000, S. 1131, 1133. 314 Vgl. unten 4. Teil. 315 Vgl. bereits Zacharias/Rinnewitz, FR 1984, S. 377, 378; Zacharias/Rinnewitz, DStR 1984, S. 193, 199; Bitz, in: LlB/H, § 15 Rn. 117 m.w.N; Jung, S. 81 ff., insb. S. 87; Altfelder, FR 2000, S. 349, 354; Führer, S. 178 und i. E. auch Stuhrmann, in: Blümich, § 15 Rn. 13 ff. Davon dürfte auch Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 73 ausgehen. A.A. Marhofer-Ferlan, S. 327 f. 316 Vgl. im Einzelnen sogleich im 4. Teil.
4. Teil
Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs - Nichtüberschreiten der privaten Vermögensverwaltung A. Begriff der privaten Vermögensverwaltung I. Keine Legaldetinition im Steuerrecht Im Einkommensteuergesetz findet sich keine Definition des Begriffs "Vermögensverwaltung".317 Lediglich in § 14 AO wird die "Vermögensverwaltung" erwähnt. Hier dient sie der Abgrenzung vom wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der v. a. im Rahmen des Gemeinnützigkeitsrechts von Bedeutung iSt. 318 Nach § 14 Satz 1 AO ist "ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ... eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, ... , die über den Rahmen der Vermögensverwaltung hinausgeht."
Bereits daraus, dass der Begriff "Gewerbebetrieb" ein Unterbegriff des "wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs" ist, ergibt sich, dass ein Gewerbebetrieb nur gegeben sein kann, wenn der Rahmen der Vermögensverwaltung überschritten wird. 319 Für die Frage, wann eine Vermögensverwaltung vorliegt, gibt § 14 Satz 3 AO allerdings nur einen ersten Hinweis?20 Dessen Umschreibung der Vermögens verwaltung mit einem Regelbeispiel kennzeichnet nur das Abgrenzungsproblem; sie löst es aber nicht. Denn auch bei der Verwirklichung eines Regelbeispiels muss keine Vermögensverwaltung 317 Auch nicht in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, der gerade nicht die hier relevante private Vermögensverwaltung erfasst, sondern die Dienstleistung der Verwaltung fremden Vermögens. Vgl. ausführlich Schneider, S. 45 f. sowie Hörmann, S. 46. 318 Zu den Ursprüngen des § 14 AO im Gemeinnützigkeits- und Ertragsteuerrecht vgl. Schneider, S. 41 ff. und Führer, S. 41. 319 Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 57; Jung, S. 78. Dem steht auch die Auffassung von Tipke/Kruse, § 14 Rn. 8 nicht entgegen, der lediglich klarstellt, dass die Auslegung des Begriffs des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs in der AO seinerseits nicht von einem einkommensteuerrechtlichen Gewerbebetriebsbegriff abhängig sein kann. 320 "Eine Vermögensverwaltung liegt in der Regel vor, wenn Vermögen genutzt, zum Beispiel Kapitalvermögen verzinslich angelegt oder unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird."
6 Bloehs
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4. Teil: Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs
vorliegen. Besondere Umstände des Einzelfalles können zu einer abweichenden Qualifizierung zwingen. 11. Entwicklung zum ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs
Der Begriff der privaten Vermögensverwaltung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist durch eine jeweils enge Wechselbeziehung zu dem Begriff des einkommensteuerrechtlichen und gewerbesteuerrechtlichen Gewerbebetriebs gekennzeichnet. Die Suche nach seinen Ursprüngen führt von § 15 EStG zu der bis 1984 zentralen Regelung der § 1 GewStDV und damit zum Gewerbesteuerrecht selbst. 321 Dabei ist festzustellen, dass bereits in den ersten Gewerbesteuergesetzen der Kern des heutigen Gewerbebetriebsbegriffs angelegt war. Zentrale Begriffsmerkmale, wie Selbständigkeit der Tätigkeit und berufsmäßige Ausübung, lassen sich schon im preußischen Gewerbesteuergesetz von 1810322 in erkennbarer Ausprägung finden. Sie waren zwar noch nicht als abstrakte Tatbestandsmerkmale explizit formuliert, ihre deskriptive Abgrenzung zeigt aber, dass nichtselbständig ausgeübte 323 ebenso wie nicht beruflich ausgeübte Tätigkeiten324 von der Gewerbesteuerpflicht ausgenommen waren. Die private Vermögensverwaltung als Gegensatz zur "Berufsausübung" gehörte somit nicht zu den gewerbesteuerbaren Tätigkeiten, sofern nicht "ein Gewerbe daraus gemacht" wurde. Die konkrete Abgrenzungsfrage, wann aus einer privaten Vermögensverwaltung ein Gewerbe wurde, blieb allerdings unbeantwortet. Das Änderungsgesetz von 1861 325 brachte einen ersten Anhaltspunkt für die Abgrenzung zwischen privater und gewerblicher Vermietung: Eine gewerbliche Zimmervermietung lag demnach erst dann vor, wenn "drei oder mehr heizbare Zimmer" vermietet wurden. 326 Es wurde demnach ein quantitatives Element als Abgrenzungsmerkmal eingeführt. Auch das preußische Gewerbesteuergesetz von 1891 327 enthielt keine tatbestandliche Begriffsbestimmung des Gewerbebetriebs. Eine inhaltliche Schneider, S. 51. PrGS 1810, S. 79. 323 Beamte der staatlichen und kommunalen Ebene, in Privatdiensten angestellte Personen, Arbeiter oder Tagelöhner, § 5 PrGewStG 1810, zitiert bei Schneider, S. 51. 324 Grundstücksvermietung, Nutzung von Kapitalvermögen durch Ausgabe von Hypotheken, Wechsel, Aktien, Leibrenten oder öffentlichen Fonds, § 5 PrGewStG 1810, zitiert bei Schneider, S. 53 f. 325 Gesetz vom 19.7.1861 zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes vom 30.5.1820, PrOS 1861, S. 697. 326 Zum Ganzen ausführlich: Schneider, S. 52 ff. m. w. N. 321
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A. Begriff der privaten Vermögensverwaltung
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Konkretisierung des Gewerbebetriebsbegriffs blieb so der Rechtsprechung überlassen. 328 Das Preußische OVG entwickelte daher eine umfangreiche Rechtsprechung zum Begriff Gewerbebetrieb. 329 Zur Abgrenzung wurde das Merkmal der ,,Berufsmäßigkeit" entwickelt,33o das seinerseits insbesondere durch den Aspekt der Wiederholungsabsicht gekennzeichnet sein sollte. 33 ! Der Begriff der Vermägensverwaltung wurde erstmals in einem Urteil des RFH vom 15.7.1924332 verwendet, in dem die gewerbliche Betätigung von der Vermögensverwaltung ebenfalls anband des Merkmals der Berufsmäßigkeit abgegrenzt wurde. In der Folgezeit entwickelte sich die Vermögensverwaltung zu einem festen Bestandteil der Rechtsprechung des RFH. Das gilt insbesondere für die schon vom Preußischen OVG behandelten Fragen des gewerblichen Grundstückshandels oder Effektenbandeis. In anderen Entscheidungen des RFH zum gewerblichen Grundstückshandel wurde die Vermögensverwaltung hingegen noch nicht als entscheidendes Differenzierungsmerkmal angesehen, sondern die Entscheidung von der Zugehörigkeit der Grundstücke zum Privat- oder Betriebsvermögen abhängig gemacht. 333 Auch die frühe Rechtsprechung des BFH bezog sich anfangs nicht entscheidend auf die Vermögensverwaltung. Bis Mitte der siebziger Jahre gewann aber das schon aus der Rechtsprechung des RFH bekannte Kriterium der "Privatheit,,334 zunehmende Bedeutung und konkretisierte sich gemeinsam mit dem Merkmal der Vermögensverwaltung zum Begriff "private Vermögensverwaltung". Wurde die private Vermögensverwaltung zunächst noch als Gegensatz zu dem in § 1 GewStDV definierten Gewerbebetriebsbegriff verstanden335 , gewann doch die Erkenntnis mehr und mehr an Boden, dass der Gewerbebetriebsbegriff allein durch die geschriebenen positiven Tatbestandsmerkmale des § I GewStDV 336 nicht von der privaten Vermögensverwaltung abgegrenzt werden kann. Die private Vermögensverwaltung wird deshalb nun PrGS 1891, S. 205. Schneider, S. 55. 329 Ausführlicher Überblick bei Tipke, Grundstücksveräußerungen im Steuerrecht, S. 9 ff. m. w. N.; Schneider, S. 56 ff.; Hörmann, S. 14. 330 Schneider, S. 56 m. w. N.; PrOVG vom 11.10.1894, PrOVG (St) 3, S. 234, 239. 331 PrOVG vom 28.11.1901, PrOVG (St) 10, S. 388, 390. 332 RFH-Urteil vom 15.7.1924, E 14, S. 143, 144. So auch Beater, StuW 1991, S. 33, 34; Führer, S. 41; Schneider, S. 60. 333 RFH, RStBl. 1936, S. 769; RStBl. 1936, S. 1113; RStBl. 1939, S. 230. 334 Als Gegensatz zur "Berufsmäßigkeit". 335 Vgl. auch Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 473 f. 336 Und später des § 15 Abs. 2 EStG. 327
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4. Teil: Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs
vom BFH337 und der herrschenden Auffassung in der Literatur338 als ungeschriebene Ergänzung der geschriebenen Tatbestandsmerkmale des Gewerbebetriebs verstanden.
In.
Rechtfertigung der privaten Vermögensverwaltung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal
Die Erträge aus privater Vermögensverwaltung sind in den Überschusseinkünften und in den §§ 22 Nr. 2, 23 EStG angesiedelt. Darüber hinaus sind sie wegen des Dualismus der Einkunftsarten nicht steuerbar?39 Weil bereits der "klassische" private Kapitalanleger oder Vermieter alle geschriebenen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt340, muss zur Wahrung des dualistischen Konzepts ein abgrenzendes Tatbestandsmerkmal gefunden werden?41 Deshalb ist aus systematischer und teleologischer Sicht ein steuerliches Eigenleben der privaten Vermögensverwaltung 342 und der sie repräsentierenden Überschusseinkünfte zwingend. Rechtsdogmatisch handelt es sich dabei um die Schließung einer verdeckten Lücke im gesetzlichen Tatbestand des Gewerbebetriebsbegriffs 343 im Wege der teleologischen Reduktion. 344 Zur Ausfüllung von verdeckten Gesetzeslücken und damit zur ergänzenden Rechtsfortbildung sind die Gerichte gleichermaßen befugt und verpflichtet. 345 Eine "verdeckte Gesetzeslücke" liegt vor, wenn der gesetzliche Tatbestand zwar eine Regelung enthält, diese Regelung aber ihrem Zweck nach auf eine bestimmte Gruppe 337 St. Rspr. Z.B. BFH-Urteil vom 11.7.1968 IV 139/63, BStBl. 11 1968, S. 775 ff.; BFH-Urteil vom 17.1.1973 IR 191/72, BStBl. III 1973, S. 260 ff.; BFHBeschluss vom 25.6.1984 GrS 4/82, BStBl. 11 1984, S. 751, 763; BFH-Urteil vom 10.4.1986 IV R 200/83, BFH/NV 1988, S. 154 ff. 338 Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 108 m. w. N.; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 57 m. w. N.; Hörmann, S. 44 f.; Jakob, in: FS Ludwig Schmidt, S. 115 ff.; Schneider, S. 62 ff. m. w.N.; Beater, StuW 1991, S. 33, 34. A.A. Führer, S. 134 f. 339 Vgl. oben 1. Teil C. 340 Hörmann, S. 45; Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 108; Lang, in: StBKongrRep 1988, S. 45, 53; Nickel, S. 83. 341 Jakob, in: FS Ludwig Schmidt, S. 115, 117; Lang, in: StBKongrRep 1988, S. 49, 52; Jung, S. 78. 342 Ein solches gesteht selbst Schmidt-Liebig, "Gewerbe", S. 73 zu: "Da jede private Einkunftserzielung (z. B. auch die ,gelegentlichen Vermittlungen') nicht gewerblich erfolgt, ist die Vermögensverwaltung als wichtigster Bereich der privaten Einkunftssphäre im Sinne eines pars pro toto zu verstehen." A.A. Marhofer-Ferlan, S. 246 ff.; Führer, S. 134. 343 Jung, S. 79. A.A. Marhofer-Ferlan, S. 326. 344 Jung, S. 79; Jakob, in: FS Ludwig Schmidt, S. 115, 117; Lang, in: StBKongrRep 1988, S. 49, 52 spricht gleichbedeutend (vgl. Larenz/Canaris, S. 211) von "teleologischer Restriktion". A.A. Führer, S. 134.
A. Begriff der privaten Vermögensverwaltung
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von Fällen nicht passt, weil sie deren für die Wertung relevante Besonderheiten außer Acht lässt. 346 Die Lücke besteht hier im Fehlen einer Einschränkung des gesetzlichen Tatbestandes. 347 Eine solche Lücke wird durch die Hinzufügung der sinngemäß geforderten Einschränkung ausgefüllt. 348 Die teleologische Reduktion muss sachlich gerechtfertigt sein. Als Rechtfertigung kommt grundsätzlich das Gebot der Gerechtigkeit als maßgeblicher Wertungsgesichtspunkt, gleichartige Fälle gleich zu behandeln, in Frage. 349 Im vorliegenden Zusammenhang des Gewerbebetriebsbegriffs kann der Gleichbehandlungsgrundsatz aber gerade nicht herangezogen werden, weil der im EStG verwirklichte Einkünftedualismus selbst zu materiell differenzierten steuerlichen Folgen führt. Die teleologische Reduktion kann aber auch "durch ein für eine bestimmte Fallgruppe vorrangiges, dem Gesetz immanentes, Prinzip ..35o gerechtfertigt sein. Im vorliegenden Kontext stellt gerade die gesetzgeberische Entscheidung, die Einkunftsarten dualistisch zu konzipieren, ein solches, auch dem § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG immanentes Prinzip dar, das die Rechtsprechung des BVerfG bis in die jüngere Zeit stets für zulässig gehalten hat. 351 Folglich ist der neueren Rechtsprechung des BFH zuzustimmen, die das Tatbestandsmerkmal der privaten Vermögensverwaltung "aus dem Gesetz.. 352 , insbesondere aus der in § 2 Abs. 1 EStG vorgegebenen Systematik der Einkunftsarten ableitet, wonach die Einkünfte des § 2 Abs. 1 Nr. 5-7 EStG und die des nichtsteuerbaren Bereichs nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören. 353
345 Tipke/Kruse, § 4 Tz. 120 m.umfangr.N. der Rechtsprechung. Zur Zulässigkeit und Unentbehrlichkeit richterlicher Rechtsfortbildung vgI. BVerfGE 69, 188, 203 m. w. N. sowie überzeugend Osterloh, Gesetzesbindung, S. 105 ff. 346 Larenz/Canarls, S. 198 m.w.N.; Beisse, StuW 1981, S. 1,9 f. 347 Tipke/Kruse, § 4 Tz. 117 und Tz. 121 m. w. N. 348 Larenz/Canaris, S. 211; Lang, in: Tipke/Lang, § 5 Rn. 75; Arndt, S. 31 f.; Jung bezeichnet die teleologische Reduktion zutreffend als "methodisch allgemein anerkannt und daher auch in der vorliegenden Problematik zulässig" (S. 79 m. w. N). 349 Larenz/Canarls, S. 211. 350 Larenz/Canarls, S. 211. Gl.A. Tipke/Kruse, § 4 Tz. 120 m.w.N. sowie Lang, in: Tipke/Lang, § 5 Rn. 72. 351 VgI. oben 1. Teil C. III. 352 BFH-Urteil vom 23.10.1987, BStBI. 11 1988, S. 293 ff.; BFH-Urteil vom 3.6.1987, BStBI. 11 1988, S. 277 ff.; BFH-Urteil vom 6.4.1990 III R 28/87, BStBI. 11 1990, S. 1057, 1058 m. w.N. zu dieser st.Rspr. sowie Jung, S. 78 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung in FN. 9; Hörrnann, S. 45. 353 Hörrnann, S. 45 m. w. N. GI. A. Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 108; Schrnidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 57 m. w. N.
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4. Teil: Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs
B. Gewerbetreibende und private Vermögensverwaltung Übt der Steuerpflichtige bereits unabhängig von den zu beurteilenden Veräußerungsgeschäften eine gewerbliche Tätigkeit aus, dann stellt sich die Frage, ob dieser Steuerpflichtige überhaupt privat vennögensverwaltend tätig sein kann. Ist der Veräußerungsgegenstand Bestandteil des Betriebsvermögens, dann ist ein Veräußerungsgewinn zwingend betrieblich veranlasst und stellt somit gewerbliche Einkünfte dar?54 Bei den zunächst nicht zum Betriebsvennögen gehörenden Wirtschaftsgütern ist die Lage nicht so eindeutig. Das EinkunJtsartenprinzip des EStG ordnet die jeweils erzielten Einnahmen einer der sieben Einkunftsarten zu oder qualifiziert sie als nichtsteuerbar. Dabei sind die Einnahmen im ersten Schritt zunächst isoliert zu betrachten und gemischte Tätigkeiten soweit möglich zu trennen, notfalls im Wege der Schätzung. 355 Eine natürliche Person kann nach h. M. dabei im Rahmen mehrerer für sich abgrenzbarer Tätigkeiten teils selbständig und teils unselbständig tätig sein?56 Erst in einem zweiten Schritt, der Einkunftsartenqualifikation, werden z. B. laufende Einkünfte aus Kapitalvennögen oder aus Vermietung und Verpachtung u. a. durch Subsidiaritätsregeln oder wegen fehlender sachlicher Selbständigkeit den gewerblichen Einkünften zugeordnet. 357 Dies setzt aber wiederum eine betriebliche Veranlassung der Einkünfte voraus. Ohne Vorliegen einer betrieblichen Veranlassung ist zu beachten, dass für jeden Steuerpflichtigen grundsätzlich dieselben Maßstäbe für die Abgrenzung des nur eingeschränkt steuerbaren Bereichs gelten. 358 Allerdings rechnet die Rechtsprechung Tätigkeiten des Steuerpflichtigen, die funktionell seiner unternehmerischen Betätigung nahestehen, immer dann dem gewerblichen Bereich zu, wenn der Steuerpflichtige die deutliche Trennung zwischen privater und gewerblicher Sphäre nicht darlegen kann. 359 Dementsprechend wird in ständiger Rechtsprechung vom BFH anerkannt, dass auch Angehörige der Bankbranche Wertpapiergeschäfte im Rahmen einer privaten Vennögensverwaltung tätigen können, selbst wenn sie ansonsten gewerblich tätig sind?60 Dasselbe gilt für Architekten und Bauunternehmer Vgl. oben 1. Teil D. 11. H.M. Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 88; H 136 EStR. Ausführlich auch Koller, S. 30 ff. 356 Z.B. Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 11; Jung, S. 41 m.w.N.; Hofer, DStR 2000, S. 1635, 1639. 357 § 20 Abs. 3 EStG; § 21 Abs. 3 EStG. Vgl. ausführlich Führer, S. 105 ff. und S. 74 ff. Zum Begriff der sachlichen Selbständigkeit vgl. Jung, S. 38. 358 Gl.A. Jung, S. 197 m.umfangr.N.; Ehlers, DStR 1989, S. 729, 730. 359 Jung, S. 39 ff. 354 355
C. Verhältnis zur Betriebsaufspaltung
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hinsichtlich der Veräußerung von Grundstücken?61 Infolgedessen bezieht der Große Senat des BFH in die Drei-Objekt-Grenze nur solche Grundstücke ein, die weder eindeutig im Rahmen eines anderweitig bestehenden Gewerbebetriebs veräußert werden, noch klar vermögens verwaltenden Charakter362 haben. 363 Demnach können auch Gewerbetreibende innerhalb eines Privatbereichs privat vermögensverwaltend tätig sein. Jede Betätigung ist zunächst für sich zu beurteilen (Trennungsprinzip ) und nur unter besonderen Voraussetzungen einem bestehenden Gewerbebetrieb zuzuordnen.
c.
Verhältnis zur Betriebsaufspaltung
I. Grundzüge der Betriebsaufspaltung Die Betriebsaufspaltung ist gesetzlich nicht normiert. 364 Sie wurde seit Ende der 30er Jahre vom RFH entwickelt und wird mittlerweile von der Rechtsprechung als "Rechtsinstitut" bezeichnet?65 Bereits diese Bezeich360 BFH-Urteil vom 9.10.1992 III R 9/89, BFH/NY 1994, S. 80; BFH-Urteil vom 6.3.1991 X R 39/88, BStBl. 11 1991, S. 631; BFH-Urteil vom 11.7.1968 IV 139/63, BStBl. 1968, S. 775; BFH-Urteil vom 15.2.1966 I 95/63, BStBl. III 1966, S. 274. Vgl. auch Führer, S. 203 ff. A.A. Biergans, StBp 1991, S. 193, 196, der dieses Trennungsprinzip mit dem Argument des § 344 Abs. 1 HGB ablehnt. Lediglich auf Dauer für eigene Wohnzwecke genutzte Grundstücke seien der Privatsphäre des Gewerbetreibenden zuordenbar. Diese Auffassung verkennt jedoch, dass - wie sie selbst einräumt - § 344 Abs. 1 HGB lediglich eine Vermutung für den Zweifelsfall (!) aufstellt. Handelsrechtlich wird demnach nicht eine Privatsphäre negiert, sondern gerade anerkannt. Gelingt es also, eine zuverlässige Abgrenzung vorzunehmen, dann ist für die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB kein Raum. Wie hier jüngst auch Hofer, DStR 2000, S. 1635, 1639. 361 BFH-Urteil vom 13.11.1996 XI R 31/95, BStBl. 11 1997, S. 247; BFH-Urteil vom 12.3.1964 IV 136/61 S, BStBl. III 1964, S. 364. 362 Z.B. Schenkungsweise Übertragung eines Grundstücks. 363 BFH-Beschluss vom 3.7.1995 GrS 1/93, BStBl. II 1995, S. 617. SchmidtLiebig, StBp 1998, S. 66, 70. Zur Drei-Objekt-Grenze vgl. unten D. 11. 364 Zur Betriebsaufspaltung umfassend vgl. z.B. Söffing, Die Betriebsaufspaltung, 1999; Brandmüller, Die Betriebsaufspaltung nach Handels- und Steuerrecht, 1997; Fichtelmann, Betriebsaufspaltung im Steuerrecht und Kaligin, Die Betriebsaufspaltung. Die Betriebsaufspaltung zurecht ablehend: Knobbe-Keuk, StbJB 1980/ 81, S. 335 ff. und Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, S. 772 ff. mit Hinweis auf weitere ablehnende Stellungnahmen in FN. 267 (S. 774) sowie bereits Barth, in: FS für Paulick, S. 277, 282 ff. Zu den Vor- und Nachteilen einer Betriebsaufspaltung vgl. i. Ü. z.B. Schneeloch, DStR 1991, S. 955 ff.; Montag, in: Tipke/Lang, § 18 Rn. 12 sowie Kaligin, S. 203 ff. 365 Ausführlich zur Entwicklung der Betriebsaufspaltung vgl. Schneider, S. 85 ff. m. w. N.; Söffing, Die Betriebsaufspaltung, S. 53 ff. sowie Knobbe-Keuk,
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4. Teil: Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs
nung legt die Frage nahe, ob es sich hier noch um Rechtsfortbildung 366 oder bereits um unzulässige richterliche Rechtsetzung handelt. In der Ausgangssituation handelt es sich bei der Betriebsaufspaltung nach heutigem Verständnis 367 um die zivilrechtliche Trennung von betrieblich genutztem Vermögen, die aufgrund "besonderer Umstände" steuerrechtlich nicht anerkannt wird. Vielmehr wird ertragsteuerrechtlich eine nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nur vermögensverwaltende und damit an sich nicht gewerbliche Tätigkeit, nämlich das Vermieten und Verpachten von Wirtschaftsgütern, in eine gewerbliche Tätigkeit umqualijiziert. Dies geschieht, wenn der Mieter (Pächter) ein Unternehmen betreibt (sog. Betriebsunternehmen) und zwischen diesem und dem Vermieter (Verpächter) eine enge wirtschaftliche Verflechtung besteht. In einem solchen Fall wird die Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit als Besitzunternehmen bezeichnet. 368 Es werden also die wesentlichen Betriebsgrundlagen369 eines Unternehmens zivilrechtlich nicht dem Betriebsunternehmen unmittelbar zugeordnet, sodass sie steuerliches Betriebsvermögen würden, sondern dem Unternehmen durch Dritte (Besitzunternehmen) zur Nutzung überlassen (sog. sachliche Verflechtung). Regelmäßig stellt die Nutzungsüberlassung für sich betrachtet keinen Gewerbebetrieb dar, sondern eine bloße private Vermögensverwaltung in der Form der Vermietung oder Verpachtung. Damit werden vom Besitzunternehmen - isoliert betrachtet - nur Überschusseinkünfte erzielt. Handelt es sich bei denjenigen Steuerpflichtigen, die die wesentlichen Betriebsgrundlagen an das Unternehmen überlassen, um dieselben Personen 370 , die ihren Willen bei dem Betriebsunternehmen durchsetzen können, werden m. a. W. beide Bereiche von derselben Personengruppe beherrscht und ist von einem "einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen,,371 auszugehen, dann liegt eine sog. personelle Verflechtung vor. Sind beide Kriterien, sachliche und personelle Verflechtung, erfüllt, dann nimmt der BFH eine BetriebsauJspaltung an. Daraus folgt nicht nur die Gewerbesteuerpflicht der Einkünfte aus der Nutzungsüberlassung, sondern auch, dass die Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 776 ff., die zutreffenderweise den Begriff "Rechtsinstitut" ablehnt (S. 774 f.). 366 So BVerfGE 69, 188, 202 und 205; BVerfGE 25, 28, 40. Grundsätzlich zu den Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung vgl. Stern, Staatsrecht 11, § 3711 2 e). 367 Zu den sich im Laufe der Zeit verändernden Rechtfertigungsversuchen für die Annahme einer Betriebsaufspaltung vgl. Schneider, S. 87 ff. insb. S. 93 ff. und Führer, S. 282 ff. 368 Söffing, Die Betriebsaufspaltung, S. 56. 369 Z. B. Betriebsgrundstücke, Maschinen, Betriebsvorrichtungen und -anlagen. 370 Oder Personenmehrheiten. 371 BFH-Urteil vom 24.6.1969 I 201164, BStBI. 11 1970, S. 17; jüngst bestätigt durch BFH-Urteil vom 24.2.2000 IX R 62/98, DB 2000, S. 957 ff.
c. Verhältnis zur Betriebsaufspaltung
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überlassenen Vermögensgegenstände Betriebsvermögen werden. Die Folge ist die Steuerverstrickung zukünftiger stiller Reserven, sodass Veräußerungsgewinne einkommensteuerbar werden. Dabei bilden Besitz- und Betriebsunternehmen nicht - wie früher teilweise angenommen wurde - ein einheitliches Unternehmen, sondern es handelt sich um zwei selbständige Unternehmen. 372 11. Betriebsaufspaltung als Richterrecht
Durch das "Rechtsinstitut" der Betriebsaufspaltung wird eine im EStG nicht vorgesehene Umqualifizierung von Tätigkeiten vorgenommen, die isoliert betrachtet zur privaten Vermögensverwaltung gehören. Aufgrund sachlicher und personeller Verflechtung mit einem Gewerbebetrieb sollen sie nun aber dessen steuerrechtliches Schicksal teilen. 373 Rechtsgrundlage dafür kann nur der Grundtatbestand des § 15 Abs. 2 EStG sein, dessen Wortlaut allerdings die Betriebsaufspaltung ebenfalls nicht umfasst. Deshalb kann das "Rechtsinstitut" der Betriebsaufspaltung höchstens als Analogie verstanden werden, mit der eine offene Gesetzeslücke des § 15 Abs. 2 EStG geschlossen werden soll.374 III. Dogmatischer Unterschied zwischen Betriebsaufspaltung und dem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der privaten Vermögensverwaltung
Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der privaten Vermögensverwaltung ist im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion entstanden. Auf diese Weise wurde die in der zu weit gefassten Legaldefinition des Gewerbebetriebsbegriffs enthaltene verdeckte Gesetzeslücke geschlossen. 375 Das "Rechtsinstitut" der Betriebsaufspaltung wurde zwar auch durch die Rechtsprechung entwickelt. Durch die Betriebsaufspaltung soll jedoch eine offene Gesetzeslücke geschlossen werden. Denn aus Sicht der Anhänger der Betriebsaufspaltung wird durch sie der zu enge Gewerbebetriebsbegriff im 372 BFH-Beschluss vom 8.11.1971 GrS 2/71, BStBl. II 1972, S. 63; BFH-Urteil vom 14.1.1998 X R 57/93, BFH/NV 1998, S. 1160. Söffing, Die Betriebsaufspaltung, S. 56 ff. sowie S. 198 m.w.N. 373 Jüngst ausdrücklich: BFH-Urteil vom 24.2.2000 IV R 62/98, DB 2000, S. 957. 374 Ob eine solche steuertatbestandserweiternde Analogie zulässig ist, wird unterschiedlich beurteilt. Die Rechtsprechung des BVerfG sieht in der Rechtsprechung des BFH zur Betriebsaufspaltung jedenfalls keinen Verstoß gegen das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, BVerfGE 69, 188, 205. 375 Vgl. oben A. III.
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4. Teil: Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs
Wege der richterlichen Rechtsfortbildung systemgerecht auf das Besitzunternehmen erweitert. Für die Auslegung des negativen Tatbestandsmerkmals des Nichtüberschreitens der privaten Vermögensverwaltung kann die Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung infolgedessen nichts beitragen.
D. Private Vermögensverwaltung in der Rechtsprechung des BFH I. Die Fruchtziehungsformel des BFH 1. Die Fruchtziehungsformel
Nach Auffassung des BFH376 und der Finanzverwaltung377 stellt sich die zu beurteilende Tätigkeit noch als Nutzung im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten dar, wenn die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte im Vergleich zur Umschichtung nicht entscheidend in den Vordergrund tritt. 378 Neben der Fruchtziehung an sich gehörten auch Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäfte, die die Nutzung einleiteten oder beendeten, noch zur privaten Vermögensverwaltung. 379 Teils wird vertreten, dasselbe solle gelten, wenn die Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäfte lediglich deshalb vorgenommen würden, um aus dem vorhandenen Vermö376 St. Rspr. Zu Grundstücken: BFH-Urteil vom 15.3.2000 X R 130/97, DStR 2000, S. 1131, 1132; BFH-Urteil vom 18.5.1999 I R 118/97, BStBl. 2000, S. 28; DStR 1999, S. 1263 f. ; BFH-Urteil vom 10.12.1998 III R 61/97, BStBl. 11 1999, S. 390; BFH-Beschluss vom 3.7.1995 GrS 1/93, BStBl. 11 1995, S. 617; BFH-Urteil vom 9.12.1986 VIII R 317/82, BStBl. 11 1988, S. 244, 245 m.w.N.; BFH-Urteil vom 17.1.1973 I R 191/72, BStBl. 11 1973, S. 260, 261. So auch Söffing, DB 1998, S. 1683, 1684 f.; Beater, StuW 1991, S. 33; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 59; Hörmann, S. 46 jeweils m. w. N. Zu Wertpapieren: BFH-Urteil vom 28.7.1993 XI R 21/92, BFH/NV 1994,463; BFH-Urteil vom 6.3.1991 X R 39/ 88, BStBl. 11 1991 , S. 631 sowie Halfan, S. 102. 377 R 137 EStR. 378 Der Begriff "Früchte" ist allerdings auch aus Sicht des BFH nicht mit den zivilrechtlichen Früchten und Nutzungen (§§ 99, 100 BGB) identisch. Beispielsweise gehören bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu den "Früchten" auch Bezugsrechte des Aktionärs auf junge Aktien. Vgl. ausführlich Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 64 f. m. w.N. Gl.A. wie der BFH: Nickel, S. 167 f. ("allgemein akzeptierte Formel"). A.A. bereits Knobbe-Keuk, in: FS Ludwig Schmidt, S. 741, 745 ("wenig geeignet"). 379 BFH-Urteil vom 18.5.1999 I R 118/97, BStBl. 2000, S. 28; BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStBl. 11 1999, S. 446; BFH-Urteil vom 29.4.1987 IR 10/ 86, BStBl. 11 1987, S. 603; BFH-Urteil vom 7.4.1967 VI 199/65, BStBl. 11 1967, S. 467. A.A. Nickel, S. 171, allerdings ohne Begründung.
D. Private Vennögensverwaltung in der Rechtsprechung des BFH
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gen höhere Erträge zu erzielen oder ein sichereres Anlageobjekt zu finden. 38o Bei der Abgrenzung im Einzelfall stellt der BFH auf das "Gesamtbild der Verhältnisse" und auf die "Verkehrsauffassung" ab. 381 In Zweifelsfällen soll maßgeblich sein, ob die Tätigkeit dem Bild entspreche, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmache und einer Vermögensverwaltung fremd sei, wobei auch auf die Art und den Gegenstand der abgeschlossenen Geschäfte Rücksicht zu nehmen sein sol1. 382 Der Umfang des verwalteten Vermögens und selbst der erhebliche Einsatz von Fremdmitteln soll demnach für den Begriff der Vermögensverwaltung unerheblich sein. 383 Das könne bei einem größeren verwalteten Vermögen durchaus dazu führen, dass die gesamte Arbeitskraft des Steuerpflichtigen in Anspruch genommen werde oder dass ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb zur Verwaltung erforderlich sei. Allein dies soll noch nicht zu einem Gewerbebetrieb führen. 384 2. Stellungnahme zur Fruchtziehungsformel
Die formelhafte Umschreibung der Vermögensverwaltung durch das Regelbeispiel in § 14 Satz 3 AO bezieht sich - auf das Einkommensteuerrecht übertragen - nur auf die Überschusseinkunftsarten der §§ 2 Abs. 1 Nr. 5 und 6, 20, 21 EStG385 • Diesen engen gedanklichen Ansatz spiegelt auch die Ehlers, DStR 1989, S. 687, 688 f.; Kobor, FR 1999, S. 1155, 1156. BFH-Beschluss vom 3.7.1995 GrS 1193, BStBL 11 1995, S. 617; BFH-Urteil vom 25.6.1984 GrS 4/82, BStBL 11 1984, S. 751, 763. Die Verkehrsauffassung wurde bereits LR. des § 6 Abs. 2 REStG 1925 und § 2 Abs. 3 S. 2 REStG 1934 zur Entscheidung von Zweifelsfällen herangezogen, vgL Nickel, S. 60 m. w.N. 382 BFH-Urteil vom 15.3.2000 X R 130/97, DStR 2000, S. 1131, 1132; BFHUrteil vom 15.12.1999 I R 16/99, DStR 2000, S. 1086, 1087; BFH-Beschluss vom 3.7.1995 GrS 1193, BStBL 11 1995, S. 617; BFH-Urteil vom. 6.3.1991 X R 39/88, BStBL 11 1991, S. 631; BFH-Urteil vom 31.7.1990 I R 173/83, BStBl. 11 1991, S. 66; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 61; Jung, S. 83; Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 124 jeweils m. w. N.; Nickel, S. 168. 383 BFH-Urteil vom 18.5.1999 I R 118/97, BStBL 11 2000, S. 28 m. w. N.; BFHUrteil vom 12.3.1964 IV 136/61, BStBL III 1964, S. 364; Hönnann, S. 46 m. w.N.; Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 123. 384 GI. A. Jung, S. 92; wohl auch Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 123. So auch Hönnann, S. 46 mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 6.10.1982 I R 7/79, BStBL 11 1983, S. 80 ff. und auf BFH-Urteil vom 10.4.1986 IV R 200/83, BFH/ NV 1988, S. 154, 155, die allerdings jeweils bereits aus anderen Gründen zur Gewerblichkeit kommen. 385 Von § 14 Satz 3 AO wird wohl auch die Vermietung beweglicher Gegenstände erfasst, die nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar ist. Im vorliegenden Kontext erlangt diese Konstellation aber keine eigenständige Bedeutung. 380 381
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4. Teil: Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs
Fruchtziehungsformel des BFH wider, die letztlich den Quellengedanken386 zur Abgrenzung von gewerblichen Einkünften heranzieht. 387 Zur privaten Vermögensverwaltung zählt aber nicht nur der lediglich beschränkt einkommensteuerbare Bereich der (laufenden) Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung, bei denen die Veräußerung des Stammvermögens aufgrund der Quellentheorie nichtsteuerbar ist. Private Vermögensverwaltung liegt vielmehr auch im gesamten von der Einkommensteuer überhaupt nicht erfassten Bereich der Privatsphäre, im nicht einkommensteuerbaren Bereich, vor. Bei bestimmten Wirtschaftsgütern, die keine laufenden Erträge ("Früchte") abwerfen, wie unbebaute Grundstücke388 , Briefmarken, Gemälde und teilweise auch Wertpapiere389 , realisiert sich der wirtschaftliche Nutzen, den auch solche Vermögensanlagen haben sollen, ausschließlich durch die mit der Veräußerung realisierten Wertsteigerungen. Bestimmte Formen privater Vermögensverwaltung zielen ausschließlich auf die Fruchtziehung 390, andere ausschließlich auf die Erzielung von Wertsteigerungen (Substanzgewinnen)391 und wieder andere auf beides zugleich?92 So setzen sich wirtschaftlich die Erträge aus Aktien aus den drei Komponenten Dividende, Bezugsrecht und Kursentwicklung zusammen. 393 Die Fruchtziehungsjormel ist also für die Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung vom Gewerbebetrieb zu eng?94 Die Fruchtziehungsformel und damit der Quellengedanke lässt sich nicht als Abgrenzungskriterium verwenden, wenn aus der Vermögensverwaltung keine laufenden Erträge realisiert werden. 395 Demgegenüber zeigt die gewerbliche Vermietung Schaffung einer Quelle zur Erzielung ständiger Einkünfte, vgl. oben 1. Teil B. Lang, FR 1997, S. 205; Jung, S. 87; Beater, StuW 1997, S. 33; Lang, StBKongrRep 1988, S. 49, 53. 388 Vgl. auch Schrnidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 205 ff. 389 Das gilt auch für Optionen und andere Finanzinnovationen wie z.B. IndexPapiere. Gl.A. Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 65. 390 Z. B. Kapitalanlage auf einem Sparbuch, Termingelder. 391 Z. B. Sammeln von Kunstwerken, Münzen, Briefmarken, Erwerb von unbebauten Grundstücken. 392 Z.B. Erwerb und Verwaltung eines Mietshauses. Zum Ganzen vgl. SchrnidtLiebig, Abgrenzung, Rn. 60; Jung, S. 87 m. w. N. 393 Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 65 m. w. N. 394 Gl.A. Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 205 ff. A.A. Nickel, S. 167: "allgemein akzeptierte Formel". 395 So schon Beater, StuW 1997, S. 33 ff. Beater plädiert deshalb dafür, in den Fällen von Grundstücksverkäufen, in denen eine Vermietungstätigkeit vorliegt, die Fruchtziehungsformel anzuwenden und in den Fällen, in denen keine Vermietungsabsicht bestand, die Abgrenzung ausschließlich anband des Gewerbebegriffs vorzunehmen. Eine Begründung dafür, dass die Abgrenzung der privaten Vermögensver386 387
D. Private Vermögensverwaltung in der Rechtsprechung des BFH
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und Verpachtung beispielsweise von Campingplätzen oder Hotelzimmem, dass bereits durch bloße Fruchtziehung ohne Vermögensumschichtung ein Gewerbebetrieb begründet werden kann. 396 Aus diesen Gründen ist die Fruchtziehungsformel als alleinentscheidendes Abgrenzungskriterium ungeeignet. 397 Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist die Fruchtziehungsformel hingegen zu berücksichtigen?98 11. Die Drei-Objekt-Formel des BFH bei Grundstücksgeschäften 1. Grundprinzipien der Drei-Objekt-Grenze399
Im Rahmen von Grundstücksgeschäften hat der BFH Mitte der 80er Jahre die sog. Drei-Objekt-Grenze entwickelt. 4OO Sie stellt den Versuch dar, wenigstens für einen Teilbereich die Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb durch relativ einfache, vorhersehbare und damit planbare Kriterien vorzunehmen. Dabei handelt es sich um die Kombination eines quantitativen und eines zeitlichen Elementes. Werden höchstens drei Objekte401 innerhalb einer Frist von fünf Jahren veräußert, dann soll noch private Vermögensverwaltung vorliegen. Die Drei-ObjektGrenze stellt nach Auffassung des BFH eine Freigrenze dar, sodass bei ihrer Einhaltung unabhängig von weiteren Sachverhaltsmerkmalen des Einzelfalles keinesfalls eine gewerbliche Betätigung anzunehmen sein S011. 402 waltung vom Gewerbebetrieb anhand unterschiedlicher Kriterien erfolgen soll, ist weder ersichtlich, noch wird eine solche von Beater genannt. 396 Bereits Jung, S. 91 m. w. N.; Bitz, in: LlB/H, § 15 Rn. 137 ff.; Lüer, in: Lippross, EStG, § 15 Rz. 86. Die Gewerblichkeit erfordert neben der reinen Nutzungsüberlassung weitere Leistungen des Steuerpflichtigen, die die Gesamtleistung von einer bloßen Vermietung und Verpachtung abheben. Bei Hotelzimmern ist dies beispielsweise das Angebot von Mahlzeiten. 397 Gl.A. Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 206 ff.; Zugmaier, StuW 1998, S. 334, 345. Knobbe-Keuk, in: FS Ludwig Schmidt, S. 741, 745 hält denn auch die Fruchtziehungsformel für einen "abstrakten Spruch", der "für die praktische Rechtsanwendung wenig geeignet" ist. 398 Vgl. unten 5. Teil D. III. Dort wird die Fruchtziehungsformel durch die Kombination mehrerer Einzelmerkmale berücksichtigt. 399 Über die Grundzüge hinausgehende ausführliche Darstellungen der DreiObjekt-Grenze finden sich bei Jung, S. 142 ff.; Schmidt-Liebig, Rn. 214 ff.; Führer, S. 143 ff.; Söffing, DStZ 1996, S. 353, 357 ff.; Strahl, S. 303 ff.; s.a. das Schaubild bei Enneking, S. 195. 400 BFH-Urteil vom 9.12.1986 VIII R 317/83, BStBl. 11 1988, S. 244 ff. Zur Rechtsprechungsentwicklung bis 1984 und der bis dahin von der Finanzverwaltung teilweise vertretenen 6-0bjekt-Grenze vgl. Schlücking, FR 1984, S. 89, 90 ff. 401 Was als "Objekt" i. d. S. zu zählen hat, ist auch unter den Senaten des BFH streitig, vgl. dazu unten 3. a).
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4. Teil: Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs
Wird die Drei-Objekt-Grenze überschritten, so liegt nach der jüngeren Rechtsprechung noch nicht zwingend ein Gewerbebetrieb vor. 403 Kommt jedoch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Erwerb und Weiterveräußerung der Grundstücke hinzu, wird also nach Auffassung des BFH eine bedingte Veräußerungsabsicht bereits im Zeitpunkt des Erwerbs indiziert404 , dann geht die Rechtsprechung von einer gewerblichen Tätigkeit aus. Dasselbe gilt für einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Vornahme werterhöhender Maßnahmen und der Weiterveräußerung. Es sind also neben der Anzahl der Veräußerungen zwei zeitliche Fristen zu beachten. 405 Zum einen ist der Haltezeitraum 406 pro Objekt zu ermitteln. Liegt ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Erwerb und Weiterveräußerung des Objektes vor, dann weise dies klar auf eine bedingte Veräußerungsabsicht bereits im Zeitpunkt des Erwerbs hin. Ein solcher enger zeitlicher Zusammenhang besteht nach Auffassung der Rechtsprechung jedenfalls innerhalb von fünf Jahren. Bei dem Haltezeitraum von grundsätzlich fünf Jahren407 handelt es sich aber um keine starre Grenze. In besonderen Fällen kann sie bis zu zehn Jahre betragen.408 Die zweite Frist bezieht sich auf die Gesamtzahl der Veräußerungen. Werden innerhalb eines Veräußerungszeitraums409 von fünf Jahren mehr als drei Objekte in bedingter Veräußerungsabsicht veräußert, dann liegt nach der Drei-Objekt-Formel ein Gewerbebetrieb vor.
402 Vgl. die ausführliche und zustimmende Darstellung der Rechtsprechungsentwicklung bei Jung, S. 143 f., insb. die umfangreichen Nachweise zur Rechtsprechung in FN. 333 ff.; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 216; Führer, S. 144; Biergans, StBp 1991, S. 193, 200; Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 50, 52; Hörmann, S. 48. A.A. Zugmaier, StuW 1998, S. 334, 347 mit Hinweis auf BFHBeschluss vom 3.7.1995 GrS 1/93, BStBI. 11 1995, S. 617 ff., der der Drei-ObjektGrenze formal nur eine indizielle Bedeutung beimisst. Demgegenüber hält SchmidtLiebig, StBp 1998, S. 66, 70 auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Großen Senats die Drei-Objekt-Grenze für "eine relativ starre Untergrenze gewerblicher ... Tätigkeit". 403 Noch a.A. BFH-Urteil vom 22.11.l988 VIII R 184/84, BFH/NV 1989, S. 726 ff. Vgl. auch Jung, S. 148; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 216. sowie bereits Lang, in: StBKongrRep 1988, S. 49, 56 f. 404 Im Einzelnen vgl. unten 5. Teil C. I. 5. 405 Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 52; Hörmann, S. 64 f.; Altfelder, FR 2000, S. 349, 359 ff. 406 Bezeichnung im Anschluss an Altfelder, FR 2000, S. 349, 359 ff. 407 Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 52; Kobor, FR 1999, S. 1155, 1156; ausführlich: Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 217; Jung, S. 148 ff. 408 Altfelder, FR 2000, S. 349, 359 f.; Biergans, StBp 1991, S. 193, 194 f.; Ehlers, DStR 1989, S. 687, 689 ff.; Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 52. 409 Bezeichnung im Anschluss an Altfelder, FR 2000, S. 349, 359 ff.
O. Private Vennögensverwaltung in der Rechtsprechung des BFH
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2. Keine Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Nachhaltigkeit
Aufgrund der Kombination quantitativer und zeitlicher Elemente wird die Drei-Objekt-Grenze teilweise als Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Nachhaltigkeit, die Nachhaltigkeit also als Rechtsgrundlage für die Drei-Objekt-Grenze verstanden. 410 Auf das Überschreiten der privaten Vermögensverwaltung käme es dann also nicht mehr an. Dies widerspräche aber der Feststellung, dass auch vermögensverwaltende Tätigkeiten regelmäßig nachhaltig sind. 411 Auch aus der Rechtsprechung des BFH kann keine einheitliche Inbezugnahme der Nachhaltigkeit als angebliche Rechtsgrundlage für die DreiObjekt-Grenze gefolgert werden. 412 Denn mehrere Senate des BFH haben in Entscheidungen zunächst die Frage der Nachhaltigkeit geprüft und trotz deren Bejahung einen gewerblichen Grundstückshandel wegen Nichtüberschreitens der Drei-Objekt-Grenze verneint. 413 Die Drei-Objekt-Grenze stellt demnach keine Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Nachhaltigkeit dar. Sie dient vielmehr dem Versuch der Rechtsprechung, eine praktikable Abgrenzung der gewerblichen von den privat vermögensverwaltenden Grundstücksgeschäften, mithin eine Unterscheidung von steuerbaren und nichtsteuerbaren Einkünften zu finden. 414
410 Führer, S. 143 ff., der die Orei-Objekt-Grenze als "lediglich ... pauschalierte Fonn der Prüfung der Nachhaltigkeit" bezeichnet (S. 179). GI. A. Biergans, StBp 1991, S. 193, 195; Klein, in: FS Meyding, S. 73, 84 sowie Schuhmann, StBp 1997, S. 34, 37, der die Nachhaltigkeit aber bei drei Objekten noch nicht als erfüllt ansieht und daher die Orei-Objekt-Grenze ablehnt. A.A. zutreffend bereits Söffing, OB 1998, S. 1733, 1739. 411 VgL oben 2. Teil A. III. 3. 412 So aber Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 222, dessen Hinweis auf Urteile "neuerer Zeit" im Gegensatz zu den "bisherigen Entscheidungen" zumindest hinsichtlich der zeitlichen Abfolge der von ihm zitierten Entscheidungen offensichtlich nicht zutreffend ist. 413 BFH-Urteil vom 7.3.1996 IV R 2/92, BStBL 11 1996, S. 369, 373; BFH-Urteil vom 3.6.1987 III R 209/83, BStBL 11 1988, S. 277, 278; BFH-Urteil vom 9.12.1986 VIII R 317/82, BStBL 11 1988, S. 244, 245. Allerdings ist die Rechtsprechung nicht einheitlich. So liegen mehrere Entscheidungen, insbesondere des XI.Senats vor, die zumindest missverständlich sind: BFH-Urteil vom 18.9.1991 XI R 23/90, BStBL 11 1992, S. 135, 136 f.; BFH-Urteil vom 2.9.1992 XI R 21191, BStBL 11 1993, S. 668, 671; BFH-Urteil vom 30.6.1993 XI R 38/91, BFH/NV 1994, S. 20, 21. Führer, S. 178 f. 414 Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 269; Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 52.
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4. Teil: Ungeschriebenes Tatbestandsmerkrnal des Gewerbebetriebs 3. Stellungnahme zur Drei-Objekt-Grenze
a) Der Objektbegriff als systemimmanente Schwäche der Drei-Objekt-Grenze Was als Objekt im Sinne der Drei-Objekt-Grenze zu verstehen ist, ist bislang nicht eindeutig geklärt. Unstreitig als Objekt zu qualifizieren sind Einund Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen sowie die für eine Bebauung mit solchen Objekten vorgesehenen Bauparzellen.415 Ob die DreiObjekt-Grenze darüber hinaus auf alle Objektarten anwendbar ist, hat der Große Senat 1995 noch ausdrücklich offengelassen. 416 Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll die Drei-Objekt-Grenze bei anderen Objekten wie Mehrfamilienhäusern, Büro-, Hotel-, Fabrik- oder Lagergrundstücken hingegen nicht gelten. 417 Der I. Senat des BFH hat nun in einem Fall des Grundstückshandels i. e. S. die Auffassung der Finanzverwaltung ausdrücklich verworfen. Er entschied, dass auch Mehrfamilienhäuser und Gewerbebauten in die Drei-Objekt-Grenze einzubeziehen seien und es somit weder auf die Größe, noch auf die Art der Nutzung des Objektes ankomme. 418 Dieser nicht differenzierenden, numerischen Betrachtungsweise folgt auch die h.L. 419 Mehrere Senate des BFH sehen als Objekt unabhängig von Art und Größe jede einzelne Immobilie an, die selbständig veräußert und genutzt werden kann. Maßgebend dafür sollen die zivilrechtlichen Voraussetzungen sein. 42o Demnach müssten auch auf eigenen Grundstücksparzellen gebaute 415 Der Große Senat hat diesbezüglich von "Wohneinheiten" gesprochen, BFHBeschluss vom 3.7.1995 GrS 1/93, BStBI. 11 1995, S. 617. Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung, BMF-Schreiben vom 20.12.1990 IV B 2 - S 2240 - 61/90, BStBI. I 1990, S. 884 Tz. 9. 416 BFH-Beschluss vom 3.7.1995 GrS 1/93, BStBI. 11 1995, S. 617. Zuvor ebenso BFH-Urteil vom 12.7.1991 III R 47/88, BStBI. 11 1992, S. 143. Zur Entwicklung der Rechtsprechung vgI. Söffing, DStZ 1996, S. 353, 359 f. 417 BMF-Schreiben vom 20.12.1990 IV B 2 - S 2240 - 61/90, BStBI. I 1990, S. 884 Tz. 9. 41S BFH-Urteil vom 18.5.1999 I R 118/97, BStBI. 11 2000, S. 28. GI.A. bereits Führer, S. 173 m. w. N. Hinsichtlich Mehrfamilienhäusern hat sich der X. Senat dieser Rechtsprechung mittlerweile angeschlossen, BFH-Urteil vom 15.3.2000 X 130/97, DStR 2000, S. 1131, 1132. 419 Jung, S. 151 f. m.w.N. zur Literatur; Ehlers, DStR 1989, S. 687, 691. 420 BFH-Urteil vom 23.4.1996 VIII R 27/94, BFH/NV 1997, S. 170. BFH-Urteil vom 10.10.1991 XI R 22/90, BFH/NV 1992, S. 238, 239 sowie in seinem Vorlagebeschluss vom 2.9.1992 XI R 21/91, BStBI. 11 1993, S. 668, 669 (GrS 1/93). BFHBeschluss vom 22.4.1998 IV B 19/98, BStBI. 11 1999, S. 295 m.w.N. zur Rspr., der darauf abstellt, ob das Objekt Gegenstand eines Grundstückskaufvertrags sein könne. GI. A. Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 234.
D. Private Vennögensverwaltung in der Rechtsprechung des BFH
97
Garagen als eigenständige Objekte gezählt werden. Im Gegensatz dazu ordnet der X. Senat in seinem Vorlagebeschluss Garagen keinen eigenen Zählwert zu, weil sie als "Zubehör-Räume" von Eigentumswohnungen anzusehen seien. 421 Was als "Objekt" im Sinne der Drei-Objekt-Grenze von der Rechtsprechung anerkannt wird, ist demnach bislang nicht endgültig geklärt, wenn auch in jüngster Zeit wenigstens im Bereich des Grundstückshandels i. e. S. Fortschritte gemacht worden sind. 422 Ist aber bereits unklar, was als "Objekt" anzusehen ist, so kann die Drei-Objekt-Formel nicht der Rechtssicherheit dienen.
b) Keine Vereinfachung durch die Drei-ObJekt-Grenze Die Rechtsprechung des BFH erfordert selbst im Rahmen der DreiObjekt-Grenze eine detaillierte Fallgruppenbildung. So müssen zunächst die Fälle der Veräußerung von bebauten und unbebauten Grundstücken unterschieden werden. Innerhalb der Gruppe der bebauten Grundstücke ist danach zu unterscheiden, ob das Grundstück unverändert oder nach der Vornahme werterhöhender Maßnahmen veräußert wird. Sind werterhöhende Maßnahmen wie eine Bebauung vorgenommen worden, dann sind sich die Senate des BFH nicht einig, ob es auf die Art des Objektes ankommen sol1. 423 Unabhängig davon, um welche Art von Objekt es sich handelt, soll die Drei-Objekt-Grenze dann nicht anwendbar sein, wenn das Objekt durch den Bauherrn nach dem Bild eines Bauunternehmers, Bauträgers oder Baubetreuers errichtet wird. 424 Im Ergebnis will der X. Senat" die Drei-ObjektGrenze also nur noch beim Grundstückshandel i. e. S. anwenden. 425 Er führt die Unterscheidung zwischen Grundstückshändler und Produzent ein. Bislang hat der BFH jedoch bei der Anwendung der Drei-Objekt-Grenze nicht zwischen selbsterrichteten und gekauften Gebäuden unterschieden. 426 Eine Klärung wird möglicherweise die Entscheidung des Großen Senats bringen. 421 So auch Flies, StBp 1997, S. 18. Zurecht ablehnend: Schmidt-Liebig, BB 1998, S. 1284, 1285. 422 Ob und inwieweit Anteile an Personenzusammenschlüssen als "Objekt" zu qualifizieren sind, ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Vgl. dazu beispielsweise Führer, S. 288 ff. sowie Kobor, FR 1999, S. 1155, 1157 ff. 423 Vgl. oben a). 424 Vorlagebeschluss vom 29.10.1997 X R 183/96, BStBl. II 1998, S. 332 (Az. GrS 1/98) zu Wohneinheiten sowie BFH-Urteil vom 14.1.1998 X R 1/96 (Sechsfamilienhaus), BStBl. II 1998, S. 346; BFH-Urteil vom 24.1.1996 X R 255/93 (Supennarkt), BStBl. 11 1996, S. 303 zu Großobjekten. Zur außerordentlich umfangreichen Kritik an diesem Ansatz vgl. nur Söffing, DB 1998, S. 1683 ff. und S. 1733 ff. sowie unten d). 425 Herzig/Lutterbach, DStR 1999, S. 521, 525.
7 Bloehs
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4. Teil: Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs
Ein solches Maß an Differenzierung innerhalb einer Abgrenzungsformel, deren Rechtfertigung höchstens in der Vereinfachung und Schaffung von Rechtssicherheit liegen kann, entzieht der Drei-Objekt-Grenze aber die eigene Legitimation. 427 c) Die Drei-Objekt-Grenze als Fall unzulässiger
typisierender Betrachtungsweise
Die Rechtsanwendung ist die schrittweise Angleichung von Sachverhalt und Rechtsnorm. 428 Auf der Ebene der Qualifikation des Sachverhalts liegt die typisierende Betrachtungsweise, die Unterschiede im Sachverhalt vernachlässigt und darauf abzielt, Sachverhalte für die Besteuerung zu fingieren. 429 Auf der Ebene der Entscheidungsnorm liegt hingegen das Problem der Typisierung und Verwendung von Typusbegriffen durch den Gesetzgeber. 43o Typisierung liegt vor, wenn der Gesetzgeber Unterschiede im Sachverhalt für die Besteuerung unberücksichtigt lässt431 • Die gesetzliche Typisierung ist anerkanntermaßen ein unverzichtbares Mittel der Gesetzgebung. 432 426 BFH-Beschluss vom 22.4.1998 IV B 19/98, DStRE 1998, S. 388, 390 m.w.N. zur Rspr. Gl.A. bereits Führer, S. 180 ff. 427 I.E. auch HerziglLutterbach, DStR 1999, S. 521, 526; Kobor, FR 1999, S. 1155, 1157; Paus, DStZ 1999, S. 873, 874. Kritisch auch Hofner, DStR 2000, S. 1635 ff.; Widmann, in: FS Franz Klein, S. 865, 868. 428 Drüen, StuW 1997, S. 261, 271; Tipke/Kruse, § 4 Tz. 134. 429 Eine typisierende Betrachtungsweise i.S. einer materiellen Typisierung, die einen Sachverhalt fingiert, wird mittlerweile allgemein abgelehnt, vgl. z. B. BFHBeschluss vom 23.8.1999 GrS 1197, BStBl. 11 1999, S. 778 m.w.N.: "Die unwiderlegbare Vermutung und die Unterstellung können nur durch Gesetz begründet werden". Dennoch lässt die Rechtsprechung des BFH häufig faktisch eine materielle Typisierung erkennen. Vgl. ausführlich Eckhoff, S. 98 ff.; Weber-Grellet, in: FS Beisse, S. 551, 562 ff.; Drüen, StuW 1997, S. 261, 271 f. Der BFH hält eine sog. tatsächliche Vermutung für die Feststellung von Tatsachen dagegen im Rahmen des § 96 FGO für zulässig, BFH-Beschluss vom 23.8.1999 GrS 1197, BStBl. 11 1999, S. 778. Eine tatsächliche Vermutung setzt jedoch eine entsprechende Lebenserfahrung voraus, BFH-Beschluss vom 22.11.1996 VI R 77/95, BStBl. 11 1997, S. 20 ff. mit Verweis auf BFH-Beschluss vom 4.7.1990 GrS 2-3/88, BStBl. 11 1990, S. 817, 826. 430 Tipke/Kruse, § 4 Tz. 134. Zu den Grenzen der allgemein anerkannten gesetzlichen Typisierung vgl. Eckhoff, S. 89 ff.; Paul Kirchhof, in: HStR V 1992, § 124 Rn. 5 ff. 431 Zurecht Gast-de-Haan, in: 75 Jahre RFH - BFH, S. 227, 231: "Der Gesetzgeber darf also typisieren." Z.B. die Höhe der als Werbungskosten ansetzbaren Aufwendungen von Arbeitnehmern zwischen Wohn- und Arbeitsstätte gern. § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG, die unabhängig von den tatsächlichen Werbungskosten im Einzelfall anzusetzen sind.
D. Private Vennögensverwaltung in der Rechtsprechung des BFH
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Die Drei-Objekt-Grenze findet sich jedoch nicht einmal andeutungsweise im EStG. Sie ist vielmehr ein ausschließliches Produkt der Rechtsprechung. Soweit die Drei-Objekt-Grenze als Freigrenze verstanden wird, stellt sie einen Fall der typisierenden Betrachtungsweise dar. 433 Die Rechtsprechung des BFH vernachlässigt hier nämlich gerade die auch von ihr formal geforderte Gesamtbetrachtung des Einzelfalles und stellt entscheidend nur auf die Kombination zweier Sachverhaltsmerkmale ab. Wird die willkürliche434 Freigrenze von drei Veräußerungen nicht überschritten, so wird sogar nur dieses isolierte Sachverhaltsmerkmal der Beurteilung des BFH zugrundegelegt. Ein Gegenbeweis ist ausgeschlossen. 435 Folglich liegt keine formelle Typisierung im herkömmlichen Begriffssinne einer widerlegbaren Vermutung, also einer Beweisregel VOr. 436 Weil dadurch häufig im Einzelfall relevante Merkmale für die Abgrenzung privater Vermögensverwaltung vom Gewerbebetrieb ignoriert werden, handelt es sich um einen Fall der typisierenden Betrachtungsweise.437 Das BVerfG hat aber in der sog. Oder-Konto-Entscheidunl38 zur Anerkennung von Ehegatten-Arbeitsverhältnissen entschieden, dass in Fällen, in denen eine steuerrechtliche Beurteilung von einer Gesamtbetrachtung der Merkmale des Einzelfalles abhängt, nicht ein einzelnes dieser Merkmale als entscheidendes angesehen werden darf, wenn aufgrund der anderen Merkmale bereits ein hinreichender Beweis für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses erbracht ist. Der BFH hatte bis dahin die Überweisung des Lohnes oder Gehalts des Arbeitnehmer-Ehegatten auf ein Konto gefor432
BVerfGE 96, 1, 6; BVerfGE 81, 108, 119; Paul Kirchhof, in: HStR V 1992,
§ 124 Rn. 5; Eckhoff, S. 89 m.w.N.; Drüen, StuW 1997, S. 261, 270 m.w.N.; Paul
Kirchhof, in: FS Meyding, S. 3, 14; Gast-de-Haan, in: 75 Jahre RFH - BFH, S. 227, 231; Jachmann, StuW 1998, S. 193, 200, 203 ff.; Lang, in: Tipke/Lang § 4 Rn. 130 ff. 433 Gl.A. Eckhoff, S. 89 f. FN. 90 sowie S. 102 f. und S. 107. 434 Ehlers, DStR 1989, S. 687, 692; Schrnidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 264; Enneking, S. 179 f.; Schuhmann, StBp 1997, S. 34, 36. 435 Z.B. in BFH-Urteil vom 22.3.1990 IV R 23/88, BStBl. 11 199011, S. 637, wo der BFH die Drei-Objekt-Grenze ungeachtet der Tatsachenfeststellungen des FG angewendet hat, dass das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin im Streitfall nicht dem eines Grundstückshandels nach der Verkehrsauffassung entsprochen habe. 436 Vgl. Osterloh, Gesetzesbindung, S. 211 ff. So wohl auch Raupach, in: DStJG 21, Steuervereinfachung, S. 155, 189. 437 So das herkömmliche Verständnis von der typisierenden Betrachtungsweise. Wegen der Ignoranz maßgeblicher Entscheidungskriterien ist die Drei-ObjektGrenze aber auch nach dem Verständnis von Osterloh, Gesetzesbindung, S. 27 ff. und S. 51 ff. als unzulässig anzusehen, weil die Generalisierung der Entscheidungskriterien vor den Wertungen des Einkünftedualismus nicht zutreffend vorgenommen worden ist. 438 Beschluss vom 7.11.1995 - 2 BvR 802/90, BStBl. 11 1996, S. 34 ff. 7"
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4. Teil: Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs
dert, auf das der Arbeitgeber-Ehegatte keinen Zugriff hatte. War diese Voraussetzung nicht erfüllt, dann wurde das Arbeitsverhältnis unabhängig von den übrigen Sachverhaltsmerkmalen nicht anerkannt. Ähnlich stellt sich die Drei-Objekt-Freigrenze dar. Wenn nicht mehr als drei Objekte veräußert werden, soll nach der Rechtsprechung des BFH keinesfalls eine gewerbliche Tätigkeit vorliegen. Die Drei-Objekt-Grenze ist also mit der Rechtsprechung des BVerfG nicht vereinbar. 439 Insofern verstößt das Verständnis der Drei-Objekt-Grenze als Freigrenze gegen das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung440 und führt zu einem Verstoß gegen das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.441 d) Der Vorlagebeschluss des X. Senats vom 29. 10. 199fM2 zum Großen Senat
Ein weiteres Beispiel typisierender Betrachtungsweise im Bereich der Drei-Objekt-Grenze stellt der Vorlagebeschluss des X. Senats dar443 , mit dem er den Anwendungsbereich der Drei-Objekt-Grenze einschränken will. Aus dem Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung soll die steuerliche Erfassung der produktiven Wertschöpfung unmittelbar folgen. Die produktive Wertschöpfung wird jedoch im gesetzlichen Tatbestand des § 15 Abs. 2 EStG nicht genannt, sodass dies nicht als Rechtfertigung dafür dienen kann, die Merkmale des Einzelfalles zu ignorieren. Insoweit verstößt der X. Senat gegen das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung. 444 Im Rahmen einer (echten) Gesamtbetrachtung kann das Merkmal der Wertschöpfung hingegen durchaus Bedeutung haben. 44s
439 So bereits Lang, FR 1997, S. 201, 203; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 264 m.w.N. I.E. kann auch Zugmaier, StuW 1998, S. 334,346 f. so verstanden werden. A.A. wohl Brockmeyer, in: FS Offerhaus, S. 13,22 f. und 27 ff. 440 Gast-de-Haan, DStZ 1992, S. 289 ff.; Gast-de-Haan, in: 75 Jahre RFH - BFH, S. 227, 236 f.; Eckhoff, S. 99 ff. Auch Paul Kirchhof, in: KJS § 2 Rn. A 570 ff. hält Quantifizierungen nur durch den Gesetzgeber für zulässig. A. A. Klein, in: FS Meyding, S. 73 82 ff. 441 Paus, DStZ 1999, S. 873, 874. 442 X R 183/96, BStBl. 11 1998, S. 332 (GrS 1/98). 443 Gl.A. Herzig/Lutterbach, DStR 1999, S. 521, 526; Koblenzer, BB 1999, S. 718, 720 f. 444 Ausführlich bereits Eckhoff, S. 103 ff. und S. 107 FN. 163; Söffing, DB 1998, S. 1683 ff. und S. 1733 ff. Gl.A. Bitz, DStR 1999, S. 792, 793; Koblenzer, BB 1999, S. 718, 720 f. 445 Vgl. unten 5. Teil D. III. 2.
D. Private Vennögensverwaltung in der Rechtsprechung des BFH
101
e) Zwischenergebnis
Die Drei-Objekt-Grenze begegnet vielfaltigen Bedenken. Sie ist nicht nur aus systemimmanenten Gründen, sondern auch als Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung abzulehnen. Seit sie innerhalb des BFH nur noch unbestritten auf den Erwerb und die unveränderte Weiterveräußerung von Wohneinheiten in der Form von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen angewendet werden kann446 , hat sie selbst den eigenen Anspruch einer einfachen und rechtssicheren Formel verwirkt.
IH. Ergebnis
Die Rechtsprechung des BFH stellt sowohl im Ertragsteuerbereich bei der Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung vom Gewerbebetrieb als auch im Umsatzsteuerbereich bei der Abgrenzung der Privat- von der Unternehmenssphäre auf eine Gesamtbetrachtung der Merkmale des Einzelfalles ab. In Zweifelsfällen übernimmt jedoch der BFH die Wertungen des Ertragsteuerrechts in die umsatzsteuerrechtliche Betrachtung. Die im Ertragsteuerrecht entwickelte Fruchtziehungsformel ist allerdings zu eng, als dass sie dazu geeignet wäre, ein einheitliches Abgrenzungskriterium für alle Grundstücksfälle, geschweige denn für alle Vermögensformen darzustellen. Der Versuch der Rechtsprechung, im Wege einer typisierenden Betrachtungsweise mit der Drei-Objekt-Grenze zumindest im Anwendungsbereich des Grundstückshandels Rechtssicherheit zu schaffen, muss angesichts massiver Widersprüche selbst innerhalb der Rechtsprechung als gescheitert angesehen werden. Soweit in der Drei-Objekt-Grenze eine materielle Grenze gesehen wird, verstößt dies bereits gegen das Verbot materieller Typisierung. Materielle Typisierungen sind allein dem Gesetzgeber vorbehalten. Wird die Drei-Objekt-Grenze hingegen als formelle Typisierung verstanden und auch so angewendet, dann kann sie den angestrebten Vereinfachungsund Rechtssicherheitseffekt nicht erreichen. Denn es bleibt weiterhin eine Gesamtbetrachtung im Einzelfall notwendig447 , sodass die Drei-ObjektGrenze bestenfalls schlicht überflüssig ist.
446 BFH-Beschluss vom 20.5.1998 III B 9/98, BStBl. 11 1998, S. 721 mit Hinweis auf BFH-Beschluss vom 3.7.1995 GrS 1/93, BStBl. 11 1995, S. 617. 447 So auch Schmidt-Liebig, BB 1998, S. 1284, 1288.
5. Teil
Lösungsansatz A. Private Vermögensverwaltung in der wirtschaftlichen Realität I. Moderne Portfoliotheorie Die steuerrechtliche Abgrenzung der privaten Vennögensverwaltung vom Gewerbebetrieb erfolgt bislang seitens der Rechtsprechung naturgemäß kasuistisch und isoliert für die jeweilige Anlagefonn. In der wirtschaftlichen Realität werden die einzelnen Anlagefonnen hingegen immer weniger isoliert betrachtet. Zunehmend wird insbesondere bei der Beratung von Privatanlegern durch Banken und Finanzdienstleister dem "Vennögensaufbau" und der "Vennögensstruktur" große Beachtung geschenkt. Häufig legen zwar nur unscharfe Faustfonneln eine Gesamtbetrachtung aller Anlage/ormen nahe, so die Empfehlung, eine "ausgewogene Vennögensstreuung" führe zu einer "nachhaltigen Vennögenssicherung,,448 oder ,je größer das Gesamtvennögen, desto höher sollte der Prozentanteil von Immobilien und Finanzinnovationen sein,,449. Die Wirtschaftswissenschaften stellen jedoch auch in der Praxis anerkannte Finanzplanungsinstrumente zur Verfügung 450 , die die Vennögensstruktur optimieren sollen. Ausgangspunkt einer zeitgemäßen Vermägensstrukturierung ist die auf Markowitz zurückgehende modeme Portjoliotheorie. 451 Der Realität entsprechend wird als Anlageziel nicht bloß die (Nachsteuer-) Rendite452 einer Vennögensanlage angesehen, sondern auch ein möglichst geringes Risiko, das sich in der Volatilität abzeichnet453 , sowie ein hohes Maß an Liq"{idität. 454 Die entscheidende Erkenntnis der modemen Portfoliotheorie ist, dass Lindmayer, S. 23. Lindmayer, S. 25. 450 Vgl. z.B. Gohout/SpechtlRipper, Die Bank 2000, S. 422 ff. 451 Für die Portfoliotheorie erhielten Markowitz u. a. den Nobelpreis 1990 für Wirtschaftswissenschaften. Ausführlich zur Entstehung der Portfoliotheorie vgl. Steiner/Bruns, S. 6 ff. 452 Für den Anleger ist nicht die Nominal-Rendite, sondern die individuelle Nachsteuer-Rendite die entscheidende Größe, vgl. z. B. Staubli, Kreditwesen 1997, S. 808 ff.; Kappelhoff-Wulff, Kreditwesen 1996, S. 988, 990. 448
449
A. Private Vermögensverwaltung in der wirtschaftlichen Realität
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das Gesamtrisiko eines Portefeuilles durch die Diversifikation in zwei unterschiedliche Anlagegüter regelmäßig unter den Durchschnitt der Einzelrisiken der Anlagegüter sinkt! Die Ursache dieses Phänomens liegt in der Korrelation der Einzelrisiken. Je geringer die Korrelation der Einzelrisiken, d. h. je weniger gleichläufig die Renditeschwankungen der Einzelanlagen sind, desto mehr wird das Risiko durch die Mischung der Einzelanlagen reduziert. 455 Durch Anlagediversifikation ist demnach eine Risikoreduktion ohne Renditeverlust möglich. 456 Zwei Portefeuilles, die die gleiche Rendite erreichen, können also ein unterschiedliches Risiko beinhalten. Die moderne Portfoliotheorie dient daher auch als theoretische Basis für die gesamte private Vermögensstrukturierung (sog. ,,Asset Allocation"). Dabei wird der Denkansatz der modernen Portfoliotheorie im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtungsweise des Vermögens zunehmend auf alle Anlage/ormen einschließlich Immobilien, Kunstwerke457 etc. ausgeweitet (sog. sektorale Vermögensstruktur).458 So kann die "Beimischung" von Investmentfonds, die in Optionen oder Terminkontrakte investieren, zu einer Senkung des Gesamtrisikos des Vermögens bei gleichzeitiger Renditeerhöhung führen. 459 Dies liegt an der geringen Korrelation dieser Anlageformen insbesondere zu Immobilien und Geldmarktpapieren. 46o Einen geringen Korre453 Risiko wird definiert als Schwankung der Renditen in einem bestimmten Zeitraum. Risikomaß ist die Volatilität als Standardabweichung, bezogen auf ein Jahr. Vgl. Böckhoff/Stracke, S. 89; Wilkens/Scholz, FB 2000, S. 171, 176; Liesenberg, S. B 6 sowie Steiner/Bruns, S. 59 f. mit einem Beispiel zur Volatilitätsberechnung bei Wertpapieren. 454 Sog. "Magisches Dreieck" der drei Basisziele eines Anlegers, vgl. Böckhoffl Stracke, S. 81; Steiner/Bruns, S. 50; Kappelhoff-Wulff, Kreditwesen 1996, S. 988, 990; Schütz, Kreditwesen 1997, S. 1057. 455 Böckhoff/Stracke, S. 92; Steiner/Bruns, S. 88. 456 Böckhoff/Stracke, S. 91 f.; Busak, S. B 2; Giacometti, S. B 3. Bei Aktien lässt sich das Risiko dadurch auf ca. ein Drittel reduzieren, ohne dass die Risikoreduktion mit einer Renditeeinbuße bezahlt werden muss, vgl. ListerlSchaer, FB 2000, S. 393, 394 m. w.N. Zu den Einzelrisiken von Immoblienprojekten vgl. Neubürgerl Brockmann, Die Bank 2000, S. 480 ff. 457 Der "Daily Telegraph Art 100"-Index soll beispielsweise zwischen 1979 und 1999 eine Rendite von 10,1 % p.a. erreicht haben, vgl. Böckhoff/Stracke, S. 141. Das sog. "Art Banking" ist allerdings noch sehr unterentwickelt. Von deutschen Kreditinstituten wird derzeit lediglich ein einziger offener Kunstfonds als Nischenprodukt angeboten. Vgl. ausführlich Kiehling, Die Bank 2000, S. 516 ff. 458 Kappelhoff-Wulff, Kreditwesen 1996, S. 988, 990; BöckhoffiStracke, S. 100 f., S. 131 und S. 282; Steiner/Bruns, S. 87 ff. m. w. N.; Bernd Rose, Kreditwesen 2000, S. 911 ff.; Hockmann, Die Bank 2000, S. 590 ff. Neuerdings sogar Groos, in: Focus Money Nr. 3112000 vom 27.7.2000, S. 124 f. sowie Busak, S. B 2. Dagegen nur den Kapitalmarkt in das Private Banking einbeziehend: ListerlSchaer, FB 2000, S. 393 ff. 459 Vgl. Staubli, Kreditwesen 1997, S. 808, 811 f.; Böckhoff/Stracke, S. 137 m. w. N.; Steiner/Bruns, S. 92; Busak, S. B 2; Giacometti, S. B 3.
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5. Teil: Lösungsansatz
lationsgrad weisen auch Kapitalanlagen auf, die unterschiedliche Marktzyklen haben, wie z. B. der Schiffs- und der Immobilienmarkt. Neben dieser "einfachen" sektoralen Diversifikation existieren weitere Ebenen, wie die Diversifikation nach geographischen Regionen461 , Währungen, Laufzeiten, Branchen etc. 462 Die "Asset Allocation" bedarf einer ständigen Überwachung und ggf. Revision des Portefeuilles, weil sich die ökonomischen Bedingungen ständig ändern, die Höhe des investierten Kapitals variiert und sich auch die Ziele des Anlegers ändern. 463 Weil die Input-Daten täglich variieren, kann u. U. auch täglich eine umfangreiche Portefeuille umschichtung erforderlich sein. 464 11. Schlussfolgerungen aus der wirtschaftlichen Realität für die vorliegende Abgrenzungsfrage
Die private Vermögensverwaltung wird weder im Ertragsteuerrecht legaldefiniert, noch kann die Entwicklung zum ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal einen klaren Anhaltspunkt dafür liefern, welche Merkmale für die private Vermögensverwaltung entscheidend sind. Die wirtschaftliche Realität zeigt jedenfalls, dass diese Frage nicht für jede Anlageform einzeln zu entscheiden ist. Vielmehr gebietet eine wirtschaftlich sinnvolle Vermögensstruktur einen "Anlageformen-Mix", der kontinuierlichen Veränderungen unterworfen ist und nur in seiner Gesamtheit eine optimierte RenditeRisiko-Struktur bieten kann. 465 Das Risiko einer einzelnen Kapitalanlage spielt, isoliert betrachtet, dabei nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist eine ganzheitliche Vermögensstrukturoptimierung. 466 Die "Streuung" des Vermögens im Rahmen einer Vermögensverwaltung in verschiedene Anlageformen dient also gleichzeitig der Risikoreduktion und der Renditeerhöhung und stellt somit ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft dar. 467 (Private) Vermögensverwaltung ist daher in der wirtschaftlichen Realität immer 460 Böckhoff/Stracke, S. 137 m. w.N. Zum Einsatz von Untemehmensanleihen zur Risikodiversifikation vgl. Matthias Klein, Kreditwesen 2000, S. 939 ff. 461 Beispielsweise folgen der deutsche und der US-amerikanische Immobilienmarkt unterschiedlichen Marktzykien, Böckhoff/Stracke, S. 281. 462 Böckhoff/Stracke, S. 281 ff. 463 Steiner/Bruns, S. 125. So führt die Einführung des Euro zu Markveränderungen, auf die die Asset Allocation zu reagieren hat, vgl. Lister/Schaer, FB 2000, S. 393 ff. 464 Steiner/Bruns, S. 130. 465 Gl.A. Halfan, S. 113 m.w.N. 466 BöckhofflStracke, S. 281. So offensichtlich auch Führer, S. 204. 467 Gl.A. Halfan, S. 113 m. w.N.; Staubli, Kreditwesen 1997, S. 808, 810.
B. Einheitliche anlageformunabhängige Merkmale
105
auch die Anlage des Vennögens in verschiedenen Anlagefonnen. 468 Eine einkommensteuerrechtliche Betrachtung, die lediglich eine Anlagefonn fokussiert und diese isoliert beurteilt, ignoriert eine möglicherweise vorhandene Verkehrsauffassung, in jedem Fall aber die wirtschaftliche Realität.
B. Einheitliche, anlageformunabhängige Merkmale zur Abgrenzung des Gewerbebetriebs von der privaten Vermögensverwaltung Für die Abgrenzung des Gewerbebetriebs von der privaten Vennögensverwaltung stellt sich aufgrund der vielfältigen Tätigkeiten in der wirtschaftlichen Realität die Frage, ob es einheitliche Abgrenzungsmerkmale für alle Anlagefonnen gibt oder ob für Grundstücksgeschäfte und Wertpapiergeschäfte jeweils eigenständige Abgrenzungsmerkmale zur privaten Vennögensverwaltung entwickelt werden müssen. Die Rechtsprechung scheint darauf hinzudeuten. 469 I. Rechtsdogmatische Begründung für einheitliche Merkmale Das EStG folgt in seiner Struktur dem Grundsatz einer synthetischen Einkommensteuer, indem die Einkunftsarten grundsätzlich gleichrangig in das Einkommen eingehen und somit bei der Ennittlung der Steuerbemessungsgrundlage gleichbehandelt werden. 47o In jüngster Zeit werden Differenzierungen des Gesetzgebers im Rahmen der Einkunftsartenqualifikation und zwischen den Einkunftsarten zunehmend kritisch hinterfragt. So hat das BVerfG beispielsweise das auf Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG a. F. beschränkte Verlustverrechnungsverbot für verfassungswidrig erklärt, weil ein sachgerechter Differenzierungsgrund fehle. 471 Zur Verfassungswidrigkeit der Nonn kommt auch der X. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss 468 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2000, S. 23 ff. zu dem Anlageverhalten der deutschen Privathaushalte: "Die Wahl der Anlageformen wurde wiederum hauptsächlich von Renditeüberlegungen bestimmt .. . In Anteilsrechten sowie einschlägigen Investmentanteilen haben private Haushalte 1999 schätzungsweise 86 Mrd. DM angelegt. Das Anlagevolumen nahm damit gegenüber 1998 um die Hälfte zu und entsprach gut 30 % der gesamten Geldvermögensbildung, verglichen mit etwa einem Fünftel ein Jahr zuvor. ... Allein die Zuflüsse zu den inländischen offenen Immobilienfonds waren 1999 dreimal so hoch wie ein Jahr zuvor, ... erreichten die privaten Haushalte sowohl eine rendite- als auch steuergünstige internationale Diversifikation ihrer Anlagen." 469 So auch Altfelder, FR 2000, S. 349, 356; Schmidt-Liebig, BB 1998, S. 1284, 1287 f.; Nickels, S. 168 f. und S. 171 f., 470 Vgl. oben 1. Teil C. 11. 2. 471 BVerfGE 96, S. I, 6.
106
5. Teil: Lösungsansatz
zum BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG bei der Taritbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG. 472 Auch der Gesetzgeber ist demnach an ein einmal gewähltes System gebunden; differenzierende Regelungen müssen sachlich gerechtfertigt sein. 473 Bei der Abgrenzung gewerblicher Einkünfte von der privaten Vermögensverwaltung geht es um die Festlegung des steuerbaren Bereichs. Wie auch der Gang dieser Untersuchung zeigt, erfolgt die Abgrenzung im Rahmen der Tatbestandsmäßigkeit der gewerblichen Einkünfte. Unter die Einkünfte nach § 15 EStG fallen die unterschiedlichsten gewerblichen Haupt- und Nebentätigkeiten, weshalb der Tatbestand abstrakt nur mit Hilfe des ungeschriebenen Merkmals der privaten Vermögensverwaltung definierbar ist. Der Gesetzeswortlaut setzt dabei die Abgrenzung vom nichtsteuerbaren Bereich voraus, sodass daraus kein Hinweis für unterschiedliche anlageformspezifische Abgrenzungsmerkmale abgeleitet werden kann. Müssen aber bereits die expliziten Differenzierungen des Gesetzgebers, wie in § 22 Nr. 3 EStG a.F. und § 32c EStG, gerechtfertigt sein, dann gilt dieser Prüfungsmaßstab auch für Differenzierungen der Rechtsanwender, die diese im Wege der Auslegung in den Tatbestand des § 15 Abs. 2 EStG einfügen wollen. 474 Unterschiedliche Abgrenzungsmerkmale, je nachdem, ob die transferierten Anlagegüter Grundstücke oder Wertpapiere wären, würden eine solche Differenzierung darstellen. 475 Eine Rechtfertigung für eine derartige Differenzierung ist allerdings nicht erkennbar. Dies folgt bereits aus der festgestellten wirtschaftlichen Realität, in der sowohl Anlageentscheidungen als auch die damit verbundenen Aktivitäten - wirtschaftlich sinnvolles Handeln unterstellt - immer einer Gesamtanlagestrategie folgt. Idealerweise wird die Gesamtanlagestrategie durch die Asset Allocation operationalisiert. Ansonsten wird die Zusammensetzung des gesamten Investiv-Vermögens jede bewusste Entscheidung des Anlegers zumindest intuitiv mitbestimmen. Davon abgesehen ist die auf eine einzelne Anlageform ausgerichtete Betrachtung nicht geeignet, dem in der Realität häufig vorkommenden Wechsel zwischen Anlageformen Rechnung zu tragen. So hat der BFH bereits vereinzelt bestätigt, dass Investitionen in eine Anlageform im Anschluss an 472 BFH-Beschluss vom 24.2.1999 X R 171/96, BStBI. 11 1999, S. 450 ff. § 32c EStG wird allerdings durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 ab dem Jahr 2001 aufgehoben. 473 Zum materiellen Dualismus der Einkunftsarten vgl. jedoch oben I. Teil C. 474 Zur Bindung der Rechtsprechung an das Gesetz vgl. jüngst Offerhaus, DStZ 2000, S. 9 f. 475 Eine einheitliche Definition hält Schmidt-Liebig, DB 1997, S. 346, 367 f., ausgehend vom Typusverständnis des Gewerbebetriebs demgegenüber für ausgeschlossen.
B. Einheitliche anlagefonnunabhängige Merkmale
107
die Veräußerung eines Wirtschaftsguts anderer Anlagefonn den Rahmen der privaten Vennögensverwaltung nicht überschreiten. 476 Soll aber ein Wechsel zwischen den Anlagefonnen ohne Auswirkung auf die Qualifikation als gewerbliche oder private Vennögensverwaltung bleiben, so müssen einheitliche Abgrenzungsmerkmale gelten. Ansonsten bliebe das Ergebnis zufällig. 11. Vereinbarkeit einheitlicher Merkmale mit der Rechtsprechung des BFH
Der BFH betont in ständiger Rechtsprechung, dass die Abgrenzung der privaten Vennögensverwaltung vom Gewerbetrieb grundsätzlich anhand derselben Kriterien vorzunehmen sei. Gerade die Anwendbarkeit der Fruchtziehungsfonnel auch bei Wertpapiergeschäften wird herausgestellt. 477 Allerdings müsse auch den "artspezifischen Besonderheiten" der jeweiligen Wirtschaftsgüter Rechnung getragen werden, weshalb eine Beurteilung nach einheitlichen Maßstäben ausscheide. 478 Richtig ist an dieser Einschätzung des BFH, dass es tatsächliche Unterschiede zwischen Immobilien und Wertpapieren gibt, die auch im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung sind. So bestehen Unterschiede in der Fungibilität und regelmäßig in der Lebensdauer, wobei insbesondere hinsichtlich der Lebensdauer gerade bei Wertpapieren eine außerordentliche Bandbreite besteht. 479 Diese Unterschiede stehen jedoch einheitlichen Abgrenzungsmerkmalen dann nicht entgegen, wenn innerhalb des jeweiligen Merkmals - sofern erforderlich - diesen Unterschieden Rechnung getragen wird. 48o Beispielsweise wird dem Merkmal der Anzahl der Transaktionen von der Rechtsprechung im Bereich der Grundstücksgeschäfte große Bedeutung beigemes476 BFH-Urteil vom 9.12.1986 VIII R 317/82, BStBl. 11 1988, S. 244, 245; BFHUrteil vom 22.5.1987 III R 212/83, BFH/NV 1987, S. 717, 718. Gl.A. Jung, S. 93. 477 BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80197, BStBl. 11 1999, S. 448; BFH-Urteil vom 9.10.1992 III R 9/89, BFH/NV 1994, S. 80; BFH-Urteil vom 4.3.1980 VIII R 150/76, BStBl. 11 1980, S. 389 sowie ausdrücklich BFH-Urteil vom 6.3.1991 X R 39/88, BStBl. 11 1991, S. 631. Nach der jeweiligen Vennögensart hingegen grundSätzlich differenzierend noch BFH-Urteil vom 11.7.1968 IV 139/63, BStBl. 11 1968, S. 775. 478 BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStBl. 11 1999, S. 448 m.w.N. zu dieser "gefestigten Rechtsprechung". A.A. allerdings offensichtlich BFH-Urteil vom 18.5.1999 I R 118/97, BStBl. 11 2000, S. 28, in dem betont wird, dass es auf die Anlagefonn überhaupt nicht ankommen, sondern die mit dem Veräußerungsvorgang verbundene Tätigkeit des Steuerpflichtigen entscheidendes Abgrenzungsmerkmal sei. Dagegen wiederum Altfelder, FR 2000, S. 349,356. Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 65 fordert darüber hinaus bereits innerhalb des Wertpapierbereichs eine nach Kapitalanlagefonnen differenzierende Betrachtung. 479 Vgl. im Einzelnen unten D. III. 3. a) hh). 480 Im Einzelnen vgl. unten D. III.
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5. Teil: Lösungsansatz
sen. 481 Bei Wertpapiergeschäften soll die Anzahl der Transaktionen hingegen irrelevant sein, auch wenn der BFH damit seine eigene dogmatische Grundlage, die Fruchtziehungstheorie, verlässt und annimmt, dass die Nutzung von Wertveränderungen durch An- und Verkauf auch zu privaten Wertpapiergeschäften gehöre. 482 Gerade bei einem solchen quantifizierbaren Kriterium bietet sich allerdings eine merkmalsimmanente Differenzierung nach der Anlageform an: Bei Grundstücksgeschäften deuteten dann bereits wesentlich weniger Transaktionen auf eine gewerbliche Tätigkeit hin als bei Wertpapiergeschäften. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Rechtsprechung des BFH mit dem Ansatz einheitlicher Abgrenzungsmerkmale483 vereinbaren, sofern bei den einzelnen Merkmalen die Besonderheiten der Anlageform Berücksichtigung finden.
c.
Gesamtbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles I. Kein für die Abgrenzung alleinentscheidendes subsumierbares Einzelmerkmal 1. Suche nach einem neuen Abgrenzungsmerkmal
Die Frage der Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung vom Gewerbebetrieb stellt sich erst dann, wenn die geschriebenen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt sind. 484 Vor diesem Hintergrund liegt der Gedanke nahe, nach einem einheitlichen neuen Merkmal zu suchen, das in der Lage ist, die Abgrenzung vorzunehmen, und nicht bereits im Rahmen der Prüfung der vier positiven Tatbestandsmerkmale zur Anwendung kommt. Denn die dort verwendeten Merkmale sind nicht geeignet, die Abgrenzung mit der notwendigen Rechtssicherheit zu ermöglichen. Diesem Gedanken folgend, werden in der Literatur verschiedene "neue" Merkmale genannt, die im Folgenden näher betrachtet werden. Die meisten davon sind jedoch weder "neu", noch zur Abgrenzung geeignet. Das schließlich eingeführte Merkmal der "Intensität der Marktteilnahme" ist dagegen "neu" und grundSätzlich für die Abgrenzung geeignet, allerdings ohne eine weitere Operationalisierung nicht subsumierbar. Diese OperatioMan denke nur an die sog. Drei-Objekt-Grenze, vgI. 4. Teil D. 11. BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStBI. 11 1999, S. 448 m. w.N. zu dieser "gefestigten Rechtsprechung". GI. A. wie der BFH ist Jung, S. 93. 483 Von einheitlichen Abgrenzungsmerkmalen gehen offensichtlich ebenfalls aus: Jung/Redanz, ZBB 1993, S. 68, 81. Andeutungsweise auch Richter, S. 67. 484 VgI. 3. Teil D. 481
482
C. Gesamtbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles
109
nalisierung ist nur anhand einer Gesamtbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles möglich. Damit stellt sich der gedankliche Ausgangspunkt der Rechtsprechung als richtig heraus. 485 2. Spezifisches Unternehmerrisiko
Unter Hinweis auf eine Entscheidung des BFH486 wird teilweise vertreten, der Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung sei dann überschritten, wenn die Betätigung des Steuerpflichtigen unternehmerisch, also auf Risikotragung gerichtet sei. 487 Bei näherer Betrachtung stellt das Merkmal eines spezifischen Unternehmerrisikos aber gerade keinen eigenständigen neuen Gesichtspunkt dar. Selbst die Vertreter dieser Auffassung benutzen das Merkmal des unternehmerischen Risikos bereits im Rahmen der Subsumtion des geschriebenen Tatbestandsmerkmals der Gewinnerzielungsabsicht. 488 Außerdem dient die Frage nach dem Vorliegen eines unternehmerischen Risikos, also das Handeln auf eigene Rechnung und Gefahr, für die Abgrenzung der Arbeitnehmereigenschaft von dem Tatbestandsmerkmal der Selbständigkeit als mitentscheidendes Merkma1. 489 Das Merkmal "spezifisches Unternehmerrisiko" ist demnach kein neues und eigenständiges Abgrenzungsmerkmal, sondern bereits im Rahmen der geschriebenen Tatbestandsmerkmale herangezogen worden. 49o Davon abgesehen kann die These von einem "spezifischen Unternehmerrisiko" widerlegt werden. Denn auf der einen Seite wird die Geschäftstätigkeit von Venture Capital-Fonds meist als das Halten und Verwalten von Unternehmensbeteiligungen und damit als private Vermögensverwaltung anerkannt491 , obwohl gerade Investitionen in diesem Kapitalmarktsegment ein enormes Risiko aufweisen. Um dieses Risiko ein wenig zu reduzieren, greifen die Venture Capital-Fonds regelmäßig sogar zumindest beratend in die Beteiligungsunternehmen ein. 492 Auf der anderen Seite ist ein professionelles Wertpapiermanagement gerade durch Maßnahmen zur Risikoreduktion gekennzeichnet. 493 Auch geVgl. 4. Teil D. I. 1. BFH-Urteil vom 17.3.1981 VIII R 149/78, BStBl. 11 1981, S. 522, 523. 487 Zacharias/Rinnewitz, DStR 1984, S. 193, 199. 488 Zacharias/Rinnewitz, DStR 1993, S. 193, 194 f. 489 BFH-Urteil vom 31.7.1990 I R 173/83, BStBl. 11 1991, S. 66. Vgl. auch Zugmaier, StuW 1998, S. 334, 348; Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 67. 490 Gl.A. bereits Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 68. 491 Reichel, HB vom 16./17.6.2000, S. 7; Ebbing/Grüner, NZG 2000, S. 347, 348. 492 Ebbing/Grüner, NZG 2000, S. 347,348. 485
486
110
5. Teil: Lösungsansatz
setzliche Vorgaben für Kreditinstitute494 und Kapitalanlagegesellschaften495 hinsichtlich der Begrenzung der Investition in bestimmte Anlageformen und Anlagegüter dienen dem Schutz der Anleger und damit gleichzeitig der Risikoreduktion. Private Anleger sind diesen Restriktionen dagegen nicht unterworfen. Ein "spezifisches Unternehmerrisiko" kann also als Abgrenzungsmerkmal der privaten Vermögensverwaltung zur gewerblichen Betätigung nicht angenommen werden. 3. Aktive erfolgskausale Tätigkeit Vornahme werierhöhender Maßnahmen
Ausgehend von der Erkenntnis, dass Einkünfte durch Arbeit, durch Kapital oder durch eine Kombination von beidem erzielt werden, wird ausgeführt, dass die Arbeitstätigkeit Grundlage jedes Gewerbebetriebs sei. Denn der Gewerbebetrieb bilde einen "lebendigen Organismus"; Betriebseinrichtungen und Betriebsanlagen stellten nicht den Gewerbebetrieb dar, sondern dienten ihm bloß.496 Entscheidend sei also eine Tätigkeit. Zwar sei im Rahmen privater Vermögens verwaltung, wie beispielsweise zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen, ebenfalls eine Arbeitstätigkeit erforderlich, diese Tätigkeit sei jedoch nicht kausal für den Erfolg. Hier werde vielmehr lediglich der entstandene Erfolg durch eine Tätigkeit realisiert. Das Einziehen von Zinsen geschehe z. B. nicht in Gewinnerzielungsabsicht, da sie die Entstehung des Zinsanspruchs nicht beeinflusse. Die Entstehung des Zinsanspruchs selbst hänge nicht von Arbeit ab, sondern vom Einsatz des Kapitals. 497 Dasselbe soll für den Bereich der Vermietung und Verpachtung gelten. Dagegen sei die Erschließung und Bebauung erworbener 493 VgI. oben A. I. zur Asset Allocation und modemen Portfoliotheorie. GI. A. Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 69 f. 494 VgI. die §§ 10 ff. KWG zur Eigenmittel- und Liquiditätsausstattung von Kreditinstituten sowie der §§ 13 ff. KWG zum Kreditgeschäft. Danach muss ein Mindestmaß an Eigenmitteln und Liquidität zur Risikovorsorge bestehen. Außerdem sind Großkredite anzuzeigen, sodass das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen informiert wird, um ggf. einzuschreiten. 495 Z. B. § 28 KAGG, wonach ein Grundstücks-Sondervermögen mindestens 10 Grundstücke enthalten muss und keines der Grundstücke zum Zeitpunkt des Erwerbs einen höheren Wert als 15% des Gesamtvermögens haben darf. §§ 8, 8 a KAGG für Wertpapier-Sondervermögen (z. B. Anlage von max. 5 % des Sondervermögens in Wertpapiere eines Schuldners). Die Grenzen für Wertpapier-Sondervermögen gelten grundsätzlich auch für Beteiligungs-Sondervermögen (§ § 25 a ff. KAGG) und für Investmentfondsanteil-Sondervermögen (§§ 25k ff. KAGG). Zu offenen Immobilienfonds vgI. auch Fock, WM 2000, S. 1729 ff. 496 H. Schreiner, Der Gewerbebetrieb des Gewerbesteuerrechts (Diss.), 1958, S. 27, zitiert mit zustimmender Stellungnahme in: Tipke, Grundstücksveräußerungen, S. 45 f. 497 Tipke, Grundstücksveräußerungen, S. 46.
C. Gesarntbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles
111
Grundstücke ("Arbeitstätigkeit") kausal für deren Wertsteigerung, die durch den Verkauf realisiert würde. Auf diese Weise werde ein in seinem Wesen verändertes Wirtschaftsgut geschaffen, bevor es weiterveräußert wird. Die entscheidende Tätigkeit sei daher die Erschließung oder Bebauung von Grundstücken, nicht aber deren Verkauf. 498 Nach dieser Auffassung soll also die Frage ausschlaggebend sein, ob vor der Veräußerung werterhähende Maßnahmen vorgenommen worden sind. 499 Abgesehen davon, dass auch im Rahmen der Vermögensverwaltung regelmäßig ein gewisses Maß an erfolgskausaler Tätigkeit entfaltet werden muss 5OO, ist dieser Auffassung zuzugeben, dass werterhöhende Maßnahmen auf eine gewerbliche Tätigkeit hindeuten können. 501 In der Vornahme werterhöhender Maßnahmen kann aber nicht ein allein entscheidendes Einzelmerkmal gesehen werden. Dies folgt bereits aus der Aufnahme der Gebäudeerrichtung, -erweiterung und des Gebäudeausbaus in die Steuerbarkeit privater Veräußerungsgewinne. Damit hat der Steuergesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass werterhöhende Maßnahmen zwar zur Steuerbarkeit, nicht aber zwingend zur Gewerblichkeit führen müssen. 502 Darüber hinaus erfasst dieses Merkmal nur Grundstücksgeschäfte i. w. S. und nicht den eigentlichen Grundstückshandel i. e. S., der ohne Veränderung des Grundstücks allein über Transaktionen bereits als gewerblich einzustufen sein kann. 503 Die Vornahme werterhöhender Maßnahmen kann deshalb zwar ein für die Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb maßgebliches Merkmal, jedoch nicht allein entscheidend sein.
498 Tipke, Grundstücksveräußerungen, S. 45 ff.; Marhofer-Ferlan, S. 358 ff.; vgl. auch die Darstellung bei Jung, S. 99 f. m. w. N. 499 Ausführlich Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 178 ff. und Rn. 210 m. umfangr. N. zur Rspr. und Literatur sowie Söffing, DStZ 1996, S. 353, 361 f. m. umfangr. N. zur Rspr., die eine Fallgruppeneinteilung vornehmen. Vgl. auch Schlücking, FR 1984, S. 89 ff. 500 Im Fall der Vermietung und Verpachtung muss ein Mieter/Pächter gesucht, ein Mietvertrag geschlossen und umgesetzt werden. Folgt der Mietvertrag dem gesetzlichen Leitbild der §§ 535 ff. BGB, dann ist der Vermieter auch zur Erhaltung der Mietsache verpflichtet. Im Rahmen von Kapitaleinkünften muss der Steuerpflichtige die Anlageentscheidung treffen und zumindest eine Bank beauftragen. Wenn auch Kapitaleinkünfte aus einem geerbten Aktiendepot zu steuerbaren Einkünften führen, ohne dass der Steuerpflichtige selbst diesbezüglich irgendeine Tätigkeit entfaltet hat, so wird regelmäßig, wenn auch nicht zwingend, entgegen der o. g. Auffassung eine erfolgskausale Tätigkeit entfaltet. 501 Deshalb wird dieses Merkmal auch in die Gesamtbetrachtung einbezogen, vgl. unten D. III. 2. 502 § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002. 503 Vgl. ausführlich bereits Jung, S. 123 f. m. w.N.
112
5. Teil: Lösungsansatz
4. Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Tätigkeit
Ausgehend von der Erkenntnis der Notwendigkeit einer Tätigkeit im Rahmen gewerblicher Einkünfte wird vertreten, die Abgrenzung zwischen gewerblicher und vermögensverwaltender Tätigkeit ließe sich anhand der Unterscheidung von aktiver und passiver Tätigkeit vornehmen. 504 Obwohl sich diese Auffassung gerade nicht auf eine historische Auslegung beruft50S , entspricht dies der Argumentation des Gesetzgebers zum REStG 1925.506 Richtig daran ist, dass in den "Grundfällen" die private Vermögensverwaltung tendenziell mit weniger (Arbeits-) Tätigkeit verbunden und somit eher "passiver Natur" ist als eine gewerbliche Betätigung. Auch wird in den §§ 20, 21 EStG im Gegensatz zu § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG keine Tätigkeit gefordert. Einem höheren Maß an Betätigung kann demnach prinzipiell tatsächlich eine Tendenz zur Gewerblichkeit anhaften. 507 Als allein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal ist die Unterscheidung passiver von aktiver Tätigkeit jedoch nicht geeignet. Denn die Ausgestaltungen privater Vermögensverwaltung können durchaus mit einem hohen Maß an Tätigkeit verbunden sein508 , sodass eine klare Grenzziehung zwischen aktiver und passiver Tätigkeit weder von den Vertretern dieser Auffassung selbst vorgeschlagen wird, noch überhaupt möglich erscheint. 5. Absicht alsbaldiger Veräußerung bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs
Nach einer weiteren Auffassung stellt die zumindest bedingte Veräußerungsabsicht beim Erwerb der später wieder veräußerten Vermögensgegenstände das entscheidende neue Merkmal dar. 509 Dieses Merkmal wurde im Marhofer-Ferlan, S. 358 ff. Marhofer-Ferlan, S. 358. 506 Vgl. oben 1. Teil C. I. 507 Deshalb wird das Merkmal der Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Tätigkeit auf dessen Differenzierungsmerkmal der Quantität an Tätigkeit zurückgeführt und im Rahmen der notwendigen Gesamtbetrachtung als Abgrenzungsmerkmal "Umfang der Tätigkeit" verwendet, vgl. unten D. III. 5. 508 Zur Frage der Zurechnung der Tätigkeiten Dritter vgl. oben 2. Teil A. IV. 4. b), allerdings a.A. Marhofer-Ferlan, S. 360 ff. 509 Lang, in: Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 475 ff. insb. S. 477 f., der sowohl bei Grundstücks- als auch Wertpapiergeschäften die subjektive Zielsetzung des Steuerpflichtigen als entscheidendes Abgrenzungsmerkmal versteht. Vgl. auch Lang, StBKongrRep 1988, S. 49, 55; Söffing, DStZ 1996, S. 353, 356. GI.A. Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 124 ff.; Zugmaier, StuW 1998, S. 334, 346. A.A. Weber-Grellet, in: Ludwig Schrnidt, § 15 Rn. 55, der dieses Merkmal für "obsolet" hält und zurecht allein auf die objektiven Verhältnisse abstellen will. Vgl. auch Weber-Grellet, FR 1999, S. 946; Brandis StuW 1987, S. 289, 293. 504 505
C. Gesamtbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles
113
Rahmen der Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung vom gewerblichen Grundstückshandel i. w. S. entwickelt510 und wird in diesem Zusammenhang auch von der neueren Rechtsprechung des BFH als zentrales Merkmal verwendet. 511 Seine historischen Wurzeln gehen jedoch bis ins REStG 1920 zurück, das die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte vom Bestehen einer Wiederveräußerungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbs abhängig machte. 512 Zu beachten ist, dass es sich hier nicht um die Veräußerungsabsicht an sich handelt. Entscheidend für die Abgrenzung zur gewerblichen Tätigkeit soll vielmehr die wenigstens bedingte Absicht einer alsbaldigen Veräußerung bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs bzw. der Vornahme wertsteigernder Maßnahmen sein. 513 Bei der Absicht einer alsbaldigen Veräußerung handelt es sich um ein subjektives Merkmal. Subjektive Tatbestandsmerkmale können nicht unmittelbar festgestellt werden. Deshalb kann auf sie immer nur anhand des Vorliegens von objektiven (Hilfs-)Merkmalen (Indizien) geschlossen werden. 514 Nach dieser Auffassung haben die Zahl der Objekte, der zeitliche Abstand der Veräußerungen und der zeitliche Zusammenhang zwischen Erwerb bzw. Vornahme werterhöhender Maßnahmen und Veräußerung für die Beurteilung als gewerbliche Tätigkeit indizielle Bedeutung. Das Bestehen dieser objektiven Zusammenhänge zwischen An- und Verkauf zwinge mangels eindeutiger gegenteiliger Anhaltspunkte zu der Schlussfolgerung, dass bei dem Kauf zumindest eine bedingte Veräußerungsabsicht bestanden habe. 515 Eine Widerlegung dieser Vermutung sei nur beim Vorliegen anderer äußerer Tatsachen denkbar. In Frage käme dazu der Abschluss langfristiger Miet510
194 f.
Vgl. Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 126 ff.; Biergans, StEp 1991, S. 193,
511 St. Rspr. z.B. in jüngster Zeit: BFH-Urtei1 vom 18.5.1999 I R 118/97, BStEl. 11 2000, S. 28; BFH-Urteil vom 10.12.1998 III R 61197, BStEl. 11 1999, S. 390; BFH-Urteil vom 10.12.1998 III R 62/97, BFH/NV 1999, S. 1067; BFHUrteil vom 29.10.1998 XI R 56/97, BFH/NV 1999, S. 766; BFH-Urteil vom 6.8.1998 III R 227/94, BFH/NV 1999, S. 302; BFH-Urteil vom 3.7.1995 GrS 1193, BStEl. 11 1995, S. 617. Vgl. Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 121 m. w.N. auch zur abweichenden älteren Rechtsprechung. 512 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 40 f., S. 55, S. 515. 5I3 Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 121; Schmidt-Liebig, INF 1998, S. 257, 258; Kobor, FR 1999, S. 1155 ff. 514 Allg.M. Z.B. Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 121 f. sowie Rn. 139 ff. jeweils m. W.N. 515 St.Rspr., in jüngster Zeit z.B. BFH-Urteil vom 10.12.1998 III R 61197, BStBl. 11 1999, S. 390; BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 58/97, BFH/NV 1999, S. 766; BFH-Urteil vom 29.10.1997 X R 183/96, BStEl. 11 1998, S. 332; BFH-Beschluss vom 6.2.1997 III B 122/94, BFH/NV 1997, S. 477. Ausführlich zur Rspr. auch Jung, S. 125 ff. sowie S. 138.
8 B10ehs
114
5. Teil: Lösungsansatz
verträge 516 oder die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken. 517 Teilweise wird auch anerkannt, dass ein häufiger berufsbedingter Wohnortwechsel die Vermutung erschüttern könne. 518 Diese Auffassung übersieht jedoch, dass neben Gewerbetreibenden auch private Vermögensverwalter häufig bereits zum Erwerbszeitpunkt eine zumindest bedingte Absicht zur alsbaldigen Veräußerung haben. Denn es widerspricht keineswegs einer ordnungsgemäßen privaten Grundstücks- oder Wertpapierverwaltung, wenn es sich der Anleger zumindest für den Fall eines besonders günstigen Angebots oder auch für Notfälle vorbehält, sein Vermögen auch durch die Veräußerung des Vermögensstammes einschließlich der zwischenzeitlich eingetretenen Wertsteigerungen zu realisieren. 519 Eine solche innere Einstellung entspricht der Denk- und Verhaltensweise jedes vernünftigen Kapitalaniegers. Daher kann die Absicht einer alsbaldigen Veräußerung nicht als relevantes Abgrenzungskriterium angesehen werden. 52o Die von der Rechtsprechung herangezogenen objektiven Anzeichen, von denen auf die Veräußerungsabsicht geschlossen wird, sind jedoch für sich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung durchaus relevant. 521 6. Ausrichtung auf fremde Bedarfsdeckung
Zum umsatzsteuerrechtlichen Unternehmerbegriff wird vereinzelt vertreten, eine umsatzsteuerrechtlich relevante, weil nachhaltige Tätigkeit, liege dann vor, wenn die Tätigkeit des Steuerpflichtigen darauf angelegt sei, fremden Bedarf zu decken. Dies sei der Fall, wenn sich der Steuerpflichtige derart an einem Markt beteilige, dass sich der Verkauf nicht mehr als das Ende einer Phase der Eigennutzung, sondern vielmehr als Beginn einer Phase der Fremdnutzung darstelle. 522 Demnach sei beispielsweise die Tätig516 BFH-Urteil vom 6.4.1990 III R 28/87, BStBl. 11 1990, S. 1057. Eine Mietvertrag mit einer Laufzeit von bis zu 5 Jahren wird vom BFH allerdings noch nicht als "langfristig" idS. angesehen, BFH-Beschluss vom 26.3.1999 X B 155/98, BFHI NV 1999, S. 1209. 517 BFH-Urteil vom 12.7.1991 III R 47/88, BStBl. 11 1992, S. 143; BFH-Urteil vom 19.12.1990 X R 165/87, BFH/NV 1991, S. 381. Gl.A. wie der BFH, Söffing, DStZ 1996, S. 353, 356. 518 Söffing, DStZ 1996, S. 353, 356. 519 Darauf deutet auch die von Marhofer-Ferlan, S. 82 in Bezug genommene ältere Rechtsprechung hin, die bei Wertpapiergeschäften eine bedingte Veräußerungsabsicht noch als im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung üblich ansieht. Sollte man also das Kriterium der bedingten Veräußerungsabsicht für relevant halten, würde dies die Annahme einheitlicher Merkmale verbieten. Zur Notwendigkeit einheitlicher Merkmale vgl. aber bereits oben B. 520 Gl.A. bereits Jung, S. 140 ff. 521 Vgl. unten D. III. 4.
C. Gesamtbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles
115
keit eines Teppichhändlers im Gegensatz zur einmaligen Veräußerung von Hausrat deshalb unternehmerisch, weil er den Erlös aus der Veräußerung dazu verwende, erneut Teppiche zu erwerben und zu veräußern. Auf diese Weise bereite der Teppichhändler planmäßig den Verkauf vor, wobei er die Wirtschaftsgüter gezielt nach den Bedürfnissen der Nachfrager auswähle. Darin sei eine planmäßige Marktteilnahme zu sehen. 523 Diese Auffassung ist jedoch zumindest nicht auf den ertragsteuerlichen Bereich übertragbar. Denn hier sind nicht alle Einnahmen, die außerhalb der (privaten) Eigennutzung erzielt werden, auch steuerbar. Einen beschränkt steuerbaren Bereich der privaten Vermögensverwaltung kennt das UStG nicht. Außerdem gehört zur vernünftigen privaten Vermögensverwaltung im Bereich der Vermietung und Verpachtung auch, dass der Steuerpflichtige bereits zu Beginn der "Fruchtziehungsphase" deren Beendigung mitplant, also ein Gebäude beispielsweise so erstellt, dass es später möglichst gewinnbringend veräußert werden kann. Die Transaktionen, die den Beginn und das Ende einer privaten Vermögensverwaltung darstellen, lassen die Gesamtbetätigung aber nicht gewerblich werden. 524 Die Berücksichtigung dieser finalen Akte bereits bei der Anlageentscheidung kann daran nichts ändern. Die Ausrichtung auf fremde Bedarfsdeckung ist folglich nicht geeignet, als Abgrenzungsmerkmal herangezogen zu werden. 7. Die Intensität der Marktteilnahme
a) Die Intensität der Marktteilnahme als Bestandteil der Markteinkommenstheorie Das EStG folgt in der Frage nach dem Vorliegen steuerbarer Einkünfte von wenigen Ausnahmen abgesehen der Markteinkommenstheorie. 525 Dem Dualismus der Einkunftsarten Rechnung tragend, liegt eine gewerbliche Tätigkeit nur dann vor, wenn die erforderliche Marktteilnahme den Rahmen privater Vermögensverwaltung überschreitet. Bereits der Gesetzgeber des REStG 1925 hat einen unterschiedlichen Intensitätsgrad der Tätigkeit als die charakteristische Unterscheidung zwischen Gewinneinkünften und der Nutzung von Kapital- und Grundvermögen angesehen. 526 Auch die Abgrenzung des nichtsteuerbaren Bereichs der privaten Konsumsphäre, in dem 522
Goertzen, DStR 1996, S. 164, 167; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG § 2
523
Goertzen, DStR 1996, S. 164, 168. Gl.A. Stadie, in: RaulDürrwächter, UStG
Rn. 280 m.w.N. und Rn. 311. I.E. gl.A. Neeb, DStZ 1991, S. 705, 708. § 2 Rn. 280 m. w.N.; i.E. auch Neeb, DStZ 1991, S. 705, 708. 524 525
8"
H. M., vgl. oben 4. Teil D. I. 1. Vgl. oben 1. Teil B. III.
116
5. Teil: Lösungsansatz
positive Erträge mehr oder weniger billigend in Kauf genommen werden, wird wegen des markteinkommenstheoretischen Charakters des Einkommensteuerobjekts im Wesentlichen anhand der Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr und damit an der Intensität der Marktteilnahme vorgenommen. 527 Dementsprechend hat der BFH in jüngerer Zeit mehrfach die Intensität der Tätigkeit als wesentliches Abgrenzungsmerkmal herangezogen. 528 Selbst die Vertreter der Stufenbaulehre erkennen die entgeltliche Verwertung von Leistungen am Markt als "gemeinsamen Nenner der steuerbaren Tätigkeiten" an, wobei eine gewerbliche Tätigkeit über das normale Maß der Verwaltung von Vermögen hinausgehen müsse. 529 Die Intensität der Tätigkeit in den Formen der Arbeitsintensität und Wertschöpfung wird sogar teilweise als relevant anerkannt, wenn der Gebewerbebetriebsbegriff als klassischer Typusbegriff verstanden wird. 53o Die private Vermögens verwaltung ist demnach Ausdruck für eine spezifische, Art und Umfang der Überschusseinkünfte kennzeichnende, Marktteilnahme. 531 In dem Rahmen der privaten Vermögensverwaltung ist also eine abstrakte Intensitätsschwelle zu sehen, die durch die Tätigkeit des Steuerpflichtigen überschritten werden muss. 532
526 Schneider, S. 37. Vgl. die Begründung zum Entwurf eines REStG, RTDrs. 1924/25, Bd. 400, Nr. 795, S. 40 f. 527 Lang, FR 1997, S. 201, 204. 528 BFH-Beschluss vom 28.6.1998 X B 148/96, BFH/NV 1996, S. 750; BFHUrteil vom 23.4.1996 VIII R 27/94, BFH/NV 1997, S. 170; BFH-Urteil vom 24.1.1996 X R 255/93, BStBl. 11 1996, S. 303; BFH-Urteil vom 2.9.1992 XI R 21/ 91, BStBl. II 1993, S. 668; BFH-Urteil vom 23.1.1992 V R 66/85, BB 1992, S. 2277; BFH-Urteil vom 25.7.1968 IV R 17/67, BStBl. II 1968, S. 655; BFHUrteil vom 11.7.1968 IV 139/63, BStBl. 11 1968, S. 775; BFH-Urteil vom 22.1.1964 I 398/60 U, BStBl. III 1964, S. 207. A.A. BFH-Urteil vom 30.6.1993 XI R 38-39/91, BFH/NV 1994, S. 20; BFH-Urteil vom 10.10.1991 XI R 22/90, BFH/NV 1992, S. 238. 529 Z.B. Zugmaier, S. 134; Nickel, S. 40 sowie Führer, S. 61 ff. und S. 105, der dann allerdings die Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb abschließend im Merkmal der Nachhaltigkeit vornimmt und die Einfügung des negativen Tatbestandsmerkmals der privaten Vermögensverwaltung als contra legern bezeichnet (S. 134). 530 Altfelder, FR 2000, S. 349, 358: "unter Umständen relevant, aber nicht allein ausschlaggebend" . 531 Schneider, S. 108; Nickel, S. 84. Vgl. auch die ausführliche Ableitung bei Jung, S. 163 ff. mit umfangreichen Nachweisen zu Literatur und Rspr. im Bereich der Grundstücksgeschäfte. 532 Vgl. auch ausführlich Wittmann, S. 46 ff. m.w.N. Ebenso Schneider, S. 72; Paul Kirchhof, in: K/S § 2 Rn. B 146; Jakob, in: FS Ludwig Schmidt, S. 115, 117 ff.; Schuhmann, StBp 1997, S. 34, 37; Flies, StBp 1999, S. 18, 19. A.A. Freitag, S. 65 f.
c. Gesamtbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles
117
Das Merkmal der Intensität der Marktteilnahme muss allerdings weiter konkretisiert werden, da es für sich nicht subsumtionsfähig ist. Denkbar sind verschiedenste Einzelkriterien wie die Anzahl der Marktprozesse, das finanzielle Volumen der Marktteilnahme, die Art der umgesetzten Wirtschaftsgüter, der betroffene Transaktionszeitraum etc. 533
b) Bestimmung der Intensität der Marktteilnahme ausschließlich anhand objektiver Kriterien Die Intensität der Marktteilnahme wird in einem jüngst entwickelten Lösungsansatz für den Bereich der Grundstücksgeschäfte ausschließlich durch die Kombination dreier Einzelkriterien bestimmt. 534 Demnach sollen abgrenzungsrelevant sein: - die Vornahme zusätzlicher Verwertungsmaßnahmen, 535 - der zeitliche Zusammenhang zwischen Ankauf bzw. Vornahme zusätzlicher Verwertungsmaßnahmen und Verkauf sowie - die Anzahl der Verkaufsobjekte. Dieser Lösungsansatz stellt also die Kombination der für sich allein jeweils zur Abgrenzung nicht geeigneten Merkmale der "erfolgskausalen Arbeitstätigkeit,,536 und der "Absicht alsbaldiger Veräußerung,,537 sowie der für die Abgrenzung insgesamt ungeeigneten "Drei-Objekt-Grenze"538 dar. Durch die Kombination dieser Merkmale werden in einer geteilten zweidimensionalen Matrix fünfzehn "Gesamtbildkombinationen" ermittelt und bewertet. 539 Diese Entscheidungsmatrix wird zu einer mathematischen Abgrenzungsjormel weiterentwickelt, mit deren Hilfe die Intensität der Marktorientierung "berechnet" wird. Die Abgrenzung erfolgt dann in einem zweiten Schritt durch den Vergleich mit einem selbst ermittelten Grenzwert, der auf der ausgewerteten Rechtsprechung und Literatur basiert. c) Stellungnahme
Die Kombination mehrerer, für sich allein nicht zur Abgrenzung geeigneter Kriterien ist unumgänglich, wie auch ein Blick auf die langjährige 533 Vgl. Wittmann, S. 68. Schneider, S. 112 f. deutet die Fruchtziehungsformel des BFH sogar als unausgesprochene Anwendung des Abgrenzungsmerkmals der Intensität der Marktteilnahme durch den BFH. 534 Jung, S. 163 ff., der selbst von "Intensität der Marktorientierung" spricht. 535 Dies entspricht den "werterhöhenden Maßnahmen" im herkömmlichen Sinne. 536 Vgl. oben 3. 537 Vgl. oben 5. 538 Vgl. oben 4. Teil D. 11. 539 Jung, S. 188.
118
5. Teil: Lösungsansatz
Rechtsprechung zur Abgrenzung der gewerblichen Tätigkeit von der privaten Vennögensverwaltung und die bisherigen Ergebnisse dieser Untersuchung bestätigen. Abgesehen davon, dass der zu beurteilende Lösungsansatz ausschließlich auf Grundstücksgeschäfte anwendbar ist und das Gebot anlageformunabhängiger Merkmale nicht berücksichtigt, ist ein rein mathematisches Verfahren nicht dazu geeignet, die erforderlichen Abwägungen im Einzelfall vorzunehmen. Dies wird bereits dadurch deutlich, dass selbst im Rahmen dieses Lösungsansatzes nach Ermittlung des mathematischen Ergebnisses in einem weiteren Schritt eine Überprüfung der besonderen Umstände des Einzelfalles angeschlossen werden muss. Begründet wird dies damit, dass die Intensität der Marktorientierung "kein Vollbeweis" sei, sondern "als formelle Typisierung einem prima-facie-Beweis" gleichstehe. 54o Dadurch wird der Nutzen der Berechnungsmethode bereits stark eingeschränkt. Die Berechnungsmethode enthält demnach zwar notwendige, nicht aber auch die hinreichenden Merkmale zur Abgrenzung im Einzelfall. Aber auch materiell bestehen Bedenken gegen einzelne Punkte dieses Lösungsansatzes. Denn in der Bildung der Berechnungsfonnel wird ohne Begründung die Drei-Objekt-Grenze als Freigrenze verwendet, obwohl diese gerade zu verwerfen iSt. 541 Darüber hinaus fallt auf, dass im Rahmen der Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles ausschließlich Kriterien geprüft werden, die die durch Berechnung entstandene Vennutung eines gewerblichen Grundstücksgeschäfts entkräften können sollen. Die drei Kriterien Werterhöhung, zeitlicher Zusammenhang und Anzahl der Veräußerungen müssen folglich in einem kombinierten Mindestmaß erfüllt sein, damit man überhaupt VOn Gewerblichkeit ausgehen kann. Andere Kriterien können nach diesem Lösungsansatz jedoch nicht zur Gewerblichkeit führen, auch nicht in Kombination mit einzelnen der herangezogenen drei Kriterien. Es widerspricht aber dem zutreffenden Ansatz dieses Lösungsansatzes, wenn die an die Berechnung anschließende Gesamtbetrachtung "nur in eine Richtung" erfolgt, nämlich zur Widerlegung der rein mathematisch ennittelten Vennutung einer gewerblichen Tätigkeit. Der vorliegende Lösungsansatz kann daher nicht völlig überzeugen, wenn er auch vom Ansatz her die Intensität der Marktteilnahme richtig zu erfassen versucht. Die Konkretisierung der Intensität der Marktteilnahme 540 Jung, S. 192 f. m. w.N.: "Wenn dem Steuerpflichtigen nicht die Möglichkeit geboten würde, die durch die tatsächlich entfaltete Intensität der Marktorientierung begründete Vermutung zu widerlegen, so läge eine materielle Typisierung in Form einer unwiderlegbaren Vermutung vor, die gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG sowie gegen den Untersuchungsgrundsatz § 88 Abs. 1 AO verstößt." 541 Vgl. oben 4. Teil D. 11.
C. Gesamtbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles
119
muss jedoch umfassender sein, soll sie die erforderliche Gesamtbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles ermöglichen. 542 11. Gesamtbetrachtung aller relevanten Merkmale 1. Gesamtbild
Fehlt bei der vorliegenden Fragestellung ein subsumierbares, allein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal, so besteht ein sog. multikriterielles Entscheidungsproblem. 543 Gelöst werden kann es nur durch die Gesamtbetrachtung aller relevanten Merkmale. 544 Diese Vorgehensweise ist nichts anderes, als die Berücksichtigung aller Umstände des zu würdigenden Lebenssachverhaltes im Rahmen der gesetzlichen Subsumtion. 545 Insoweit zutreffend stellt der BFH in ständiger Rechtsprechung bei der Abgrenzung des Gewerbebetriebs von der privaten Vermögens verwaltung auf das Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall ab. Diese Gesamtbildbetrachtung soll jedoch unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung erfolgen. 546 Fraglich ist aber bereits, was unter dem Begriff der "Verkehrsauffassung" zu verstehen und ob eine solche überhaupt ermittelbar ist.
542 Ähnlich, allerdings unabhängig von dem hier zu beurteilenden Lösungsansatz, bereits Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 73, für den Bereich der Wertpapiergeschäfte: " ... muss darauf geachtet werden, dass nicht ... der Blick auf einige (wenige) Einzele1emente konzentriert wird, deren Überbetonung dem Gesamtbild nicht mehr gerecht wird." 543 V gl. unten D. I. 1. 544 Insoweit besteht grundsätzlich Einigkeit zwischen den Vertretern des klassenbegrifflichen und denjenigen des typusbegrifflichen Verständnisses vom Gewerbebetrieb sowie mit der Rechtsprechung. Vgl. Jung, S. 177 ff. m. w. N.; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 87 ff.; Nickel, S. 169 m.w.N.; Marhofer-Ferlan, S. 311 f.; Schuhmann, StBp 1997, S. 34, 38. Zur Rechtsprechung vgl. die anschließenden Ausführungen. 545 Marhofer-Ferlan, S. 312 f. m.w.N. Zur Subsumtion auch Weber-Grellet, in: FS Beisse, S. 551, 559. 546 BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStBl. 11 1999, S. 448; BFH-Beschluss vom 22.4.1998 IV B 19/98, BStBl. 11 1999, S. 295; Vorlagebeschluss zum Großen Senat vom 29.10.1997 X R 183/96, BStBl. 11 1998, S. 332 (GrS 1/98); BFH-Urteil vom 24.1.1996 X R 12/92, BFH/NV 1996, S. 608; BFH-Urteil vom 16.1.1996 VIII R 11/94, BFH/NV 1996, S. 676; BFH-Urteil vom 13.12.1995 XI R 43-45/89, BStBl. 11 1996, S. 232; BFH-Urteil vom 7.12.1995 III R 24/92, BFH/NV 1996, S. 606; BFH-Beschluss vom 3.7.1995 GrS 1/93, BStBl. 11 1995, S. 617; BFH-Urteil vom 26.2.1992 I R 149/90, BStBl. 11 1992, S. 693 sowie bereits z.B. BFH-Urteil vom 8.7.1982 IV R 20178, BStBl. 11 1982, S. 700.
120
5. Teil: Lösungsansatz
2. Verkehrsauffassung
Üblicherweise wird die "Verkehrsauffassung" von der "Volksanschauung" unterschieden. Die Volksanschauung als die Anschauung der unbefangenen und mit der Materie nicht speziell befassten, billig und gerecht denkenden Menschen, braucht nicht explizit festgestellt zu werden, sondern ist dem Richter bekannt. Bei der Verkehrsauffassung, als der Anschauung der mit der speziellen Materie befassten Wirtschaftskreise547 , sind hingegen konkrete Ermittlungen durch Gutachten o.ä. erforderlich, wenn man sich auf sie berufen möchte. 548 Auch der BFH verstand in älteren Entscheidungen die Verkehrsauffassung dementsprechend zurecht als die Ansicht der beteiligten Wirtschaftskreise, die im Einzelfall festzustellen sei und nicht durch die Überlegungen der Verwaltung oder des Gerichts ersetzt werden könne. Derartige Überlegungen könnten zwar im Ergebnis (zufällig549) mit der Verkehrsauffassung übereinstimmen, sie seien aber nicht die allein maßgebende Verkehrsauffassung. 550 In seiner jüngeren Rechtsprechung geht der BFH speziell für die Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung vom Gewerbebetrieb hingegen davon aus, dass in Zweifelsfällen "die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend [sei], ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrs auffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd iSt."SSl
Woraus der BFH die Erkenntnis gewonnen hat, dass es sich bei der Verkehrsauffassung und bei der Bestimmung eines Gesamtbildes immer um eine gerichtsbekannte und deshalb nicht beweisbedürftige Tatsache handelt, ist indes nicht erkennbar. Diese Vennengung der Begriffe Verkehrsauffassung und Volksanschauung wird denn auch zurecht aus methodologischer Sicht kritisiert. 552 547 Dazu gehören jedenfalls die Entscheidungen der Finanzgerichtsbarkeit, Ausführungen der Finanzverwaltung und von Fachverbänden und die steuerwissenschaftliche Literatur. Außerdem sind angrenzende Bereiche wie wirtschaftswissenschaftliehe Literatur und empirische Untersuchungen zu berücksichtigen, vgl. Jung, S. 85 m.w.N. 548 Jung, S. 83 m. w. N. Ausführlich zur Verkehrsanschauung Marhofer-Ferlan, S. 306 ff. 549 Anm. d. Verf. 550 BFH-Urteil vom 25.6.1953 V z 150/52 S, BStBl. III 1953, S. 254; BFHUrteil vom 30.4.1975 I R 152173, BStBl. 11 1975, S. 626, 628: Die Verkehrsauffassung gehört zu den "vom FG zu ermittelnden Tatsachen"; unausgesprochen auch in BFH-Urteil vom 25.6.1976 III R 165173, BStBl. 11 1976, S. 612, 613. 551 BFH-Beschluss vom 3.7.1995 GrS 1/93, BStBl. 11 1995, S. 617; BFH-Urteil vom 10.12.1998 III R 61/97, BStBl. 11 1999, S. 390.
C. Gesamtbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles
121
Für den Bereich der Grundstücksgeschäfte mag es noch zutreffen, dass in den vergangenen Jahren keine wesentlichen strukturellen Veränderungen stattgefunden und die Verkehrsauffassung nachhaltig verändert haben. Die Auswirkungen der Entstehung von offenen Immobilienfonds und von Immobilien-AGs auf die Verkehrsauffassung dürften noch überschaubar gewesen sein. Insofern kann die Rechtsprechung durchaus auch aus eigener Kenntnis heraus wenigstens im Ergebnis zu zutreffenden Einschätzungen gekommen sein, wie die Verkehrsauffassung die Abgrenzungsfrage lösen würde. Dennoch ändert dies nichts an der methodologischen Angreifbarkeit eines solchen Vorgehens. Es lässt sich aber selbst vom Ergebnis her nicht rechtfertigen, im Bereich der Wertpapiergeschäfte die Verkehrsauffassung als gerichtsbekannt zu unterstellen. Denn der Kapitalmarkt ist in den vergangenen Jahren einem derart rasanten Strukturwandel unterworfen, dass es nicht möglich erscheint, für dieses Marktsegment überhaupt eine Verkehrsauffassung zu ermitteln. Jede Verkehrsauffassung ist zwar immer kontinuierlichen Veränderungsprozessen in dem gleichen Maße unterworfen, wie auch der wirtschaftliche Verkehr des jeweils zugrundeliegenden Marktsegments selbst. Zur Entwicklung und Feststellung einer Verkehrsauffassung ist aber ein Mindestmaß an Kontinuität erforderlich. Diese Kontinuität kann auf dem Kapitalmarkt angesichts der realen Veränderungsintensität nicht festgestellt werden. Seit der Geltung der weitgehenden Kapitalverkehrsfreiheit innerhalb der EU553 und der Gründung der Deutschen Terminbörse554 Anfang der neunziger Jahre entstehen innerhalb immer kürzerer Fristen neue Kapitalmarktprodukte. 555 Das Bondstripping ist beispielsweise in Deutschland erst seit 1997 möglich. 556 In Kürze sollen an der Eurex sogar "Wetterderi552 Vgl. bereits Tipke, Grundstücksveräußerungen, S. 24, 32, 51 f.; Rose, DB 1980, S. 2464, 2467; i.E. wohl auch Jung, S. 84. A.A. Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 89 FN. 121, der diese Rechtsprechung einfach ohne eigene Stellungnahme übernimmt. 553 Art. 56 ff. EG-Vertrag. 554 Mittlerweile ist die DTB mit der Schweizer Terminbörse zur EUREX fusioniert. 555 Z. B. jüngst Hamich, Europa-Premiere für bärsengehandelte Indexfonds, Die Bank 2000, S. 402 ff. zu Exchange Traded Funds; Paul, Die Banken locken mit doppeltem Gewinn - Zwei Finanzinstitute bieten neuartige Aktienzertifikate an Anleger müssen tägliche Kursentwicklung genau verfolgen, StZ vom 20.7.2000, S. 16; Quandt, Kurspuffer nach Maß, HB 12./13.5.2000, S. 5 zu Discountzertifikaten. Zu Commercial Papers, Low-Coupon-Bonds, Stripped Bonds, Floating Rate Notes und Reverse Convertibles, vgl. Lohr, DB 2000, S. 643 ff.; Schumacher, DStR 2000, S. 416 ff., aber auch: Weiss, "Bondstripping - Novität am deutschen Rentenmarkt, Die Bank 1997, S. 338 ff.; Vogt, "Gestaltungsvarianten des Kupon-Stripping, Die Bank 1998, S. 424 ff. Vgl. ferner auch die Nachweise in 4. Teil A. 556 Weiss, Die Bank 1997, S. 338.
122
5. Teil: Lösungsansatz
vate" gehandelt werden. 557 Darüber hinaus werden Anleger durch neue Transaktionsmöglichkeiten immer unabhängiger von der Bankinfrastruktur. 558 Dies hat bereits zu einem spürbaren Wandel im Anlegerverhalten geführt: Immer mehr Transaktionen werden nicht mehr am Bankschalter, sondern im Internet über Online-Broker abgewickelt. 559 Gleichzeitig verliert der Parketthandel mit der Einführung des elektronischen Handels (XETRA) immer mehr an Bedeutung. 56o Mit dem "Day-Trader" entsteht sogar bereits ein neues Berufsbild. 56 ! Andererseits werden die neu gewonnenen "Freiheiten" teilweise durch staatliche Reglementierungen zum Schutz des Kapitalmarktes oder der Anleger wieder begrenzt. 562 Auch die zunächst Anfang der neunziger Jahre eingerichteten Live-Sendungen privater Fernsehgesellschaften über das Börsengeschehen563 ließen private Anleger schnell und unkompliziert notwendige Anlageinfonnationen zukommen. Der Weg zur Börse oder Bank erübrigte sich. Heute werden near-realtime Kurse mit einer Zeitverzögerung von nur wenigen Minuten ins Internet eingestellt und durch professionelle Chart-Analysen ergänzt. 564 Die Infonnationsmöglichkeiten privater Anleger stehen also denen professioneller Marktteilnehmer annähernd gleich. Infolgedessen ist gerade bei privaten Anlegern eine zunehmende Marktkenntnis festzustellen. 565 Nicht zuletzt der Aktienboom der letzten Jahre, die Einführung der "Volksaktie" Deutsche Telekom AG und die Emissionsgewinne am Neuen Markt dürften in Deutschland zu einer spürbaren Veränderung des Kapitalmarktes und der Zusammensetzung seiner Teilnehmer geführt haben. Klare Indizien dafür sind populärwissenschaftlich aufbereitete Veröffentlichungen zu Kapitalmarktthemen in Massenmedien566, die große Zahl von Anleger-Chatrooms 557 Wetterderivate sind bereits im Bereich der Rück-Versicherungswirtschaft ein gebräuchliches Mittel zur Absicherung, vgl. Klapproth, S. B 7; Wemer, Die Bank 2000, S. 858 ff. 558 Vgl. auch Kleingarn, S. B 5. 559 Z. B. Comdirekt Bank: AG, ConSors Discount Broker AG und Brokerage24. 560 Gl.A. Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 65. 561 Vgl. Müller-Deku, WM 2000, S. 1029 ff. sowie Schmidt-Liebig, INF 1999, S. 641 zur steuerrechtlichen Qualifikation. 562 Das Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel plant derzeit, Bankkunden, die sich als Day-Trader betätigen, dadurch besser zu schützen, dass die Handelsplattformen die Kunden zukünftig intensiver über die Risiken aufklären und ihnen mindestens zehn Probegeschäfte kostenlos unter nachgestellten Bedingungen anbieten müssen, vgl. o.V. "Spekulationen begrenzen", StZ 12.8.2000, S. 17. 563 Z. B. Tele-Börse. 564 Z.B. http://www.boerse.de; http://www.handelsblatt.de; http://wwwJocus.de. 565 So bereits im Jahr 1996 Kappelhoff-Wulff, Kreditwesen 1996, S. 988 sowie jüngst Kleingarn, S. B 5; Busak, S. B 2, B 4. 566 Jüngst z.B. Goos, "Asset Allocation - Reichtum nach Maß", in FocusMoney 2000, S. 124 f.
C. Gesamtbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles
123
im Intemet567 und in erster Linie die Entwicklung der Kunden- und Umsatzzahlen von Direktbanken. 568 Ein Ende dieser rasanten Veränderungen ist nicht absehbar. Vielmehr scheint in naher Zukunft eine Öffnung der Börsen für PrivatanIeger möglich. 569 Für den ungeregelten Freiverkehr besteht seit kurzem eine sogar Privatanlegern zugängliche Handelsplattform im Intemet. 57o Eine derart dynamische Entwicklung schließt es aus, dass im Bereich des Kapitalmarktes eine Verkehrsauffassung mit der erforderlichen Sicherheit ermittelt werden kann, auf die Gerichte zurückgreifen könnten. Dies gilt umso mehr, als die Verkehrsauffassung nur dann als entscheidungsrelevant angesehen wird, wenn Zweifelsfälle zu entscheiden sind. Zumindest für den Bereich des heutigen Kapitalmarktes muss deshalb der Auffassung gefolgt werden, dass in Zweifelsfällen keine Verkehrsauffassung existiert, die zur Abgrenzung privater Vermögensverwaltung vom Gewerbebetrieb herangezogen werden könnte. 571 Infolgedessen kann sich die erforderliche Gesamtbetrachtung der relevanten Merkmale des Einzelfalles für das vorliegende Entscheidungsproblem nicht auf eine Verkehrsauffassung stützen, die bereits Vorstellungen über die Grenzziehung vermitteln könnte.
567 Vgl. Jörg Schäfer/Friederike Storz, "Keine Geheimtipps - Die Chatrooms im Internet sind stark besucht.", HB 21.122.7.2000, S. 11. 568 So hat z. B. die Comdirekt Bank AG ihre Kundenzahl in den ersten sechs Monaten des Jahres 2000 von 277.000 auf 545.000 Kunden fast verdoppelt und in diesem Zeitraum 8,3 Millionen Werpapierorder ausgeführt (1. Halbjahr 1999: 2,0 Millionen), o.V., in: HB vom 18.7.2000, S. 22 und o.V., in: StZ vom 18.7.2000, S. 15. 569 "Düsseldorfer Börse setzt verstärkt auf private Anleger ... Mit neuen Dienstleistungen will die Regionalbörse nun verstärkt Kleinanleger gewinnen. ... soll die Bearbeitung einer Kauf-Order innerhalb von zwei Minuten garantiert werden", o.V., in: HB vom 18.7.2000, S. 31. Felix Schönauer, Muss Consors seine Privatbörse allein starten?, in: HB vom 20.7.2000, S. 25. 570 http://www.webstock.de. 571 So bereits Rose, DB 1980, S. 2464, 2467; Tipke, Grundstücksveräußerungen, S. 32; Philipowski, StBKongrRep 1982, S. 177, 188; Marhofer-Ferlan, S. 311 f. A.A. für Grundstücksgeschäfte Zugmaier, Einkünftequalifikation, S. 125; Zugmaier, StuW 1998, S. 334, 345; Hörmann, S. 47; Jung, S. 83 ff. und 91; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 86 und 94, die vom Typusverständnis ausgehend den konkreten Lebenssachverhalt einer bestimmten Art von Vermögensverwaltung zuordnen wollen. Schmidt-Liebig (Rn. 86) räumt der Kritik gegenüber allerdings ein, dass in den beteiligten Wirtschaftskreisen keine Anschauungen über den steuerlichen Gewerbebetriebsbegriff und seine Abgrenzung zur Vermögensverwaltung bestehen. Dennoch soll die Verkehrsauffassung "nicht überflüssig" sein (Rn. 87). Ebenfalls a.A. Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 63 und 73 für Wertpapiergeschäfte.
124
5. Teil: Lösungsansatz
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung I. Anwendbarkeit der Nutzwertanalyse auf die vorliegende rechtliche Abgrenzungsentscheidung 1. Anwendbarkeit der Nutzwertanalyse auf rechtliche
Abgrenzungsentscheidungen im Allgemeinen
a) Überblick
Soweit ersichtlich wurde die Entscheidungsmethode der Nutzwertanalyse bislang noch nicht auf rechtliche Abgrenzungsentscheidungen angewendet. Daher ist zu prüfen, ob sie auf rechtliche Fragestellungen überhaupt anwendbar ist. In einem ersten Schritt werden die Anwendungsbereiche und die Funktionsweise der Nutzwertanalyse vorgestellt. Anschließend wird die Anwendbarkeit dieser Entscheidungsmethode auf rechtliche Abgrenzungsentscheidungen belegt. b) Die Wertanalyse als anerkannte Entscheidungsmethode
Bei der Abgrenzung der privaten Vennögensverwaltung vom Gewerbebetrieb handelt es sich um ein multikriterielles Entscheidungsproblem. Zur Lösung derartiger Problemstellungen wird in verschiedenen Wissenschaftsbereichen die Wertanalyse als anerkannte Entscheidungsmethode verwendet. Dabei handelt es sich um ein ganzheitliches Bewertungsverfahren zur Integration einer Vielzahl unterschiedlicher Entscheidungskriterien. 572 Die Wertanalyse findet als universelle Vorgehensweise zur Lösung komplexer Probleme allgemeine Anerkennung. 573 Sie stellt einen umfassenden Entscheidungsprozess dar, der mit der Problembeschreibung beginnt und mit der Umsetzungskontrolle endet. 574 Die Wertanalyse wird beispielsweise im Rahmen der Verfahrenstechnik575 und im Bereich der Biologie zur ökologischen Bewertung von Naturlandschaften576 verwendet. Sie ist darüber hinaus VDI Zentrum Wertanalyse (Hrsg.), Wertanalyse, S. 52 ff. VDI Zentrum Wertanalyse (Hrsg.), Wertanalyse, S. 9. 574 Vgl. VDI Zentrum Wertanalyse (Hrsg.), Wertanalyse, S. 16 f.; Hoffmann, Wertanalyse, S. 73 ff. 575 Vgl. die Praxisbeispiele in: VDI Zentrum Wertanalyse (Hrsg.), Wertanalyse, S. 23 ff. und bei Lillich, S. 144 ff. Vgl. auch Institut für Angewandte Elektronische Datenverarbeitung der TU Berlin, Skript für SE I und BS I, Die Nutzwertanalyse, http://aedv.cs.tu-berlin.de/se/Nutzwertanalyse7.htm. Dort wird die Wertanalyse auch neben den Techniken zur Systemgestaltung und des Projekt-Managements als dritte Komponente des Systems-Engineering-Konzeptes verstanden. Für den technischen 572
573
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
125
in nahezu allen anwendungsorientierten wissenschaftlichen Bereichen gebräuchlich, so beispielsweise in der Verkehrsplanung577 und Softwareentwicklung. 578 Wertanalyse-Objekte können neben Erzeugnissen, Dienstleistungen und Produktionsverfahren auch Informationsinhalte sein. 579 Im vorliegenden Zusammenhang ist aber nur ein Teilbereich des gesamten Wertanalyseprozesses, die Phase der Aufbereitung und Verarbeitung von lnfonnationen von Interesse. 58o Für diese Phase stehen verschiedene Methoden (ABC-Methode, Portfolio-Analyse, Szenario-Technik etc.) zur Verfügung. 58 } Die weiteren Phasen der Wertanalyse, wie die Nutzwert-KostenGegenüberstellung oder die fachliche Umsetzungsphase, sind hingegen für eine rechtliche Entscheidungsfindung nicht mehr von Relevanz. Für die hier relevante rechtliche Abgrenzungsfrage bietet sich als Bewertungsverfahren die Nutzwertanalyse an, mit deren Hilfe Aussagen über die Beurteilung von alternativen Lösungen für vorgegebene Ziele entwickelt werden können. 582 Auf diesen Teilbereich der Wertanalyse konzentriert sich auch die betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre. 583 Nutzwertbetrachtungen werden dort insbesondere im Rahmen der Investitionsplanung und des Investitions-Controlling zur Alternativenbewertung herangezogen. 584 c) Funktionsweise der Nutzwertanalyse
Jede Entscheidungsfindung lässt sich als das Lösen eines Auswahlproblems auffassen, bei dem mehrere Handlungsalternativen bestehen. Bei der Bereich ist die Wertanalyse darüber hinaus in DIN 699/0 definiert, vgl. VDI Zentrum Wertanalyse (Hrsg.), Wertanalyse, S. 14 ff. m. w.N. sowie S. 82 ff. 576 BSU, Oekologische Wertanalyse Naturlandschaft Sihlwald, http://sihlwald. unizh.ch/summary/oek_zus.html; Stoffel, GIS als Instrument zur Oekologischen Wertanalyse, 1992, http://www.sihlwald.unizh.ch/works/summary I astoffel.html. 577 Vgl. das Beispiel zur Verkehrsplanung bei Institut für Angewandte Elektronische Datenverarbeitung der TU Berlin, Skript für SE I und BS I, Die Nutzwertanalyse, http://aedv.cs.tu-berlin.de/se/Nutzwertanalyse7.htm unter Tz. 1.5. 578 Vgl. VDI Zentrum Wertanalyse (Hrsg.), Wertanalyse, S. 362 ff. mit Beispielen zu weiteren Anwendungsgebieten. 579 VDI Zentrum Wertanalyse (Hrsg.), Wertanalyse, S. 17. 580 Diese Phase entspricht den Grundschritten 2 und 3, "Ermitteln des IST -Zustandes" und "Prüfen des IST-Zustandes" nach DIN 699/0, vgl. Händel, S. 19. 581 VDI Zentrum Wertanalyse (Hrsg.), Wertanalyse, S. 336 ff. 582 VDI Zentrum Wertanalyse (Hrsg.), Wertanalyse, S. 338. 583 Vgl. Bamberg/Coenenberg, S. 55 f.; Lillich, S. 84 ff.; Vonlathen, http://www. betriebswirtschaft.ch/publikationen/manager5.html; Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Frankfurt a. M., http://caladan.wiwLuni-frankfurt.de/IWIlVeranstaltung/ Eus/Theorie_NW A.htm. 584 Vgl. z.B. Olfert, 273 ff.; Matschke, S. 21 m.w.N.
126
5. Teil: Lösungsansatz
Entscheidung zwischen mehreren Handlungsalternativen ist auf die Dimensionalität der Entscheidung zu achten. Sie ist davon abhängig, wie viele und welche Kriterien in die Bewertung einbezogen werden. Die Nutzwertanalyse wurde mit dem Ziel entwickelt, die Entscheidungsfindung durch Bewertung eines Kriteriensystems transparent zu machen und dabei auch monetär nicht unmittelbar zugängliche Kriterien zu berücksichtigen. 585 In der Nutzwertanalyse wird die jeweilige Handlungsalternative als Objekt der Beurteilung im Hinblick auf ihren Wert oder den zu erzielenden Nutzen betrachtet. Da Wert oder Nutzen wegen der Komplexität des Objektes nicht unmittelbar geschätzt werden können, sucht man nach Kriterien, die als multidimensionales Zielsystem einer Beurteilung zugänglich sind. In diesem Zielsystem stehen mehrere Einzelziele nebeneinander, verbunden mit der Aussage über Präferenzen, die den Einzelzielen des Zielsystems im Verhältnis zueinander eingeräumt werden sollen. Die Präferenzen werden durch eine Gewichtung der Ziele zum Ausdruck gebracht. 586 Für jedes entscheidungsrelevante Einzelziel wird eine Maßskala ermittelt, mit deren Hilfe der Grad der Zielerreichung gemessen werden kann. 587 Dabei müssen Einzelziele ggf. in mehrere Subziele aufgebrochen werden, damit sie auf der untersten Stufe bewertbar werden. Aus dem so ermittelten Zielerreichungsgrad ergibt sich für jedes Einzelziel ein Teilnutzwert. Der Gesamtnutzen wird unter Anwendung einer Aggregationsvorschrlft aus der Zielgewichtung und den Teilnutzwerten ermittelt. Diesen Wert bezeichnet man auch als Nutzwert der betrachteten Handlungsalternative. Da im Entscheidungsprozess mehrere konkurrierende Handlungsalternativen betrachtet werden, wird das Verfahren auf alle Alternativen mit den gleichen Zielgewichten und mit der gleichen Maßskala zur Ermittlung der Zielerreichungsgrade angewendet. Die Zielerreichungsgrade sind in der Regel unterschiedlich und ergeben auch unterschiedliche Nutzwerte. d) Anwendbarkeit der Nutzwertanalyse auf rechtliche Abgrenzungsentscheidungen
Wie die Beschreibung der Funktionsweise der Nutzwertanalyse gezeigt hat, dient sie regelmäßig Optimierungsaufgaben. Unter einer endlichen An585 Zu den theoretischen Grundlagen der Nutzwertanalyse vgl. Lillich, S. 14 ff. sowie S. 84 ff. sowie zur Entscheidungstheorie allgemein z.B. Bamberg/Coenenberg, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre; Laux, Entscheidungstheorie; Rieper, Betriebswirtschaftliche Entscheidungsmodelle und Wöhe, S. 125 ff. Zur Entwicklung der Wertanalyse vgl. VDI Zentrum Wertanalyse (Hrsg.), Wertanalyse, S. 10 ff. sowie ausführlich Hoffmann, Wertanalyse, S. 19 ff. 586 VDI Zentrum Wertanalyse (Hrsg.), Wertanalyse, S. 61 ff. 587 VDI Zentrum Wertanalyse (Hrsg.), Wertanalyse, S. 59 ff.
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
127
zahl von Handlungsalternativen soll diejenige mittels der Nutzwertanalyse ausgewählt werden, die den größten Nutzen bringt. Es geht also zunächst um die Bestimmung einer Relation oder auch um ein sog. Rating. Eine rechtliche Abgrenzungsentscheidung ist demgegenüber ganz anders strukturiert. Hier bestehen zwei Entscheidungsalternativen, die anband einer endlichen Anzahl von Entscheidungskriterien gegeneinander abgegrenzt werden müssen. Maßstab hierfür sind das Gesetz sowie dessen Auslegung. Im Ergebnis hat sich der Rechtsanwender dann für eine der Alternativen zu entscheiden. Auf den ersten Blick scheint die optimierende Nutzwertanalyse dafür keine adäquate Entscheidungsmethode zu sein. Bei näherer Betrachtung stellt sich aber heraus, dass die Nutzwertanalyse auf eine rechtliche Abgrenzungsentscheidung durchaus angewendet werden kann, wenn die Definition der einzelnen Zielkriterien den rechtlichen Anforderungen gerecht wird. Versteht man dabei den jeweils zu prüfenden Lebenssachverhalt als eine Handlungsalternative i.S. der Nutzwertanalyse, dann stellen die Zielkriterien die einzelnen für die rechtliche Gesamtbetrachtung relevanten (Entscheidungs-) Merkmale dar. Ist also für die rechtliche Abgrenzungsentscheidung eine Gesamtbetrachtung erforderlich, dann sind die für diese Gesamtbetrachtung relevanten (rechtlichen) Einzelmerkmale auf herkömmliche Weise durch Subsumtion zu ermitteln. Die aufgrund der Auslegung anband von Rechtsprechung und Literatur als relevant erkannten Einzelmerkmale werden dann als die Zielkriterien der Nutzwertanalyse definiert. 588 Im Rahmen einer rechtlichen Gesamtbetrachtung lassen sich die als relevant erkannten Merkmale in solche einteilen, die im Einzelfall entscheidungstragend sind und in weitere eher untergeordnete Merkmale, die lediglich ergänzend zum Gesamtbild beitragen. Dabei wird keines dieser Merkmale für sich bereits die Entscheidung in der Weise dominieren können, dass dessen alleinige Verwirklichung die Entscheidung in eine Richtung lenken würde. Denn in diesem Fall eines absolut dominanten Merkmals wäre eine Gesamtbetrachtung auch aus rechtlicher Sicht nicht erforderlich. Der Einzelfall könnte vielmehr allein auf das Vorliegen dieses einen, für sich entscheidenden Merkmals hin geprüft werden, ohne dass es einer Gesamtbetrachtung bedürfte. Dasselbe gilt im Rahmen der Nutzwertanalyse. Hier wird den einzelnen als relevant erkannten Zielkriterien eine eigene Zielkriteriengewichtung zugewiesen, die ihrer Bedeutung aus Sicht des Entscheidungsträgers für die Zielerreichung entspricht. Absolut dominante Zielkriterien werden hingegen regelmäßig bereits vor der Anwendung des in der
588 Zur Adaption der Nutzwertanalyse auf rechtliche Abgrenzungsentscheidungen vgl. unten 2.
128
5. Teil: Lösungsansatz
Praxis recht aufwendigen Verfahrens geprüft und nicht geeignete Handlungsalternativen ggf. bereits zu diesem Zeitpunkt ausgeschieden. e) Veifahrensschritte der Nutzwertanalyse
-
Die Anwendung der Nutzwertanalyse erfolgt in den fünf Schritten: Zielkriterienbestimmung, Zielkriteriengewichtung, Teilnutzenbestimmung, Nutzwertermittlung, Beurteilung der Vorteilhaftigkeit. 589 aa) Zielkriterienbestimmung
Zielkriterien sind die der Beurteilung von verschiedenen Handlungsalternativen zugrunde gelegten Kriterien. Der erste Schritt der Nutzwertanalyse besteht in der Zusammenstellung eines Kriterienkatalogs. Nach Möglichkeit ist eine operationale Formulierung der Zielkriterien zu erreichen. Neben einer genauen Beschreibung des Zielkriteriums soll für jedes Kriterium eine Maßskala angegeben werden, mit deren Hilfe die Zielerreichung gemessen oder geschätzt werden kann. 59o Dabei können die jeweiligen Zielkriterien in unterschiedlichen Dimensionen angegeben werden (Zeiteinheiten, Mengeneinheiten, Währungseinheiten, qualitative Beschreibung). Die Maßskala kann demnach nominal, ordinal oder kardinal sein.59l Zu beachten ist, dass die Mehifacheifassung bestimmter Eigenschaften der Handlungsalternativen vermieden werden muss. Auch ist die Nutzenunabhängigkeit der einzelnen 589 Institut für Angewandte Elektronische Datenverarbeitung der TU Berlin, Skript für SE I und BS I, Die Nutzwertanalyse, http://aedv.cs.tu-berlin.de/se/ Nutzwertanalyse7.htm, Tz. 1.1. Die Einteilung des Prozesses in fünf Schritte ist allerdings methodologisch nicht zwingend. So existieren auch inhaltsgleiche Modelle mit sechs Schritten, vgl. Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Frankfurt a. M., http://caladan.wiwi.uni-frankfurt.de/IWIlVeranstaltung/Eus/Theorie_NWA.htm. Der Arbeitsplan einer Wertanalyse nach DIN 69910 enthält auch sechs Schritte, vgl. Händel, S. 19. 590 Lillich, S. 84 ff.; Institut für Angewandte Elektronische Datenverarbeitung der TU Berlin, Skript für SE I und BS I, Die Nutzwertanalyse, http://aedv.cs.tuberlin.de/se/Nutzwertanalyse7.htm, Tz. 1.3.1. Vgl. auch Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Frankfurt a. M., http://caladan.wiwi.uni-frankfurt.de/IWI/ Veranstaltung/Eus/Theorie_NWA.htm. 591 Olfert, S. 282 ff.; Institut für Angewandte Elektronische Datenverarbeitung der TU Berlin, Skript für SE I und BS I, Die Nutzwertanalyse, http://aedv.cs.tuberlin.de/se/Nutzwertanalyse7.htm, Tz. 1.3.3.1.
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
129
Kriterien untereinander zu gewährleisten, d.h. die Erreichung eines Zielkriteriums darf die Erreichung anderer Zielkriterien nicht zur Voraussetzung haben. 592 bb) Zielkriteriengewichtung Der Entscheidungsträger wird den einzelnen Kriterien im Hinblick auf den Nutzwert in der Regel nicht die gleiche Bedeutung beimessen. Um die relative Bedeutung der Kriterien untereinander anzugeben, werden die Zielkriterien gewichtet. Zur Bestimmung der Kriteriengewichte 593 kann man verschiedene Skalierungsmethoden anwenden. 594 Bei der Intervallskalierung werden den einzelnen Kriterien natürliche Zahlen, sog. gesamtheitliche Gewichtungsfaktoren 595 , zugeordnet; die Distanzen entsprechen den Präferenzunterschieden des Entscheidungsträgers. cc) Teilnutzenbestimmung Der Teilnutzen wird als Nutzen einer Handlungsalternative in Bezug auf ein Zielkriterium definiert. Die Bestimmung des Teilnutzens erfolgt in den zwei Schritten Messen des Zielerreichungsgrades und Transformation des Zielerreichungsgrades in den Teilnutzen. 596 Unter Zielerreichungsgrad597 wird das Ausmaß der Erreichung eines Zielkriteriums durch die jeweils zu beurteilende Handlungsalternative verstanden. Es wird im ersten Schritt also innerhalb jeder Handlungsalternative jedes Zielkriterium hinsichtlich des Zielerreichungsgrades bewertet. Im zweiten Schritt werden die den Zielkriterien zugewiesenen verschiedendimensionalen Werte in eine einzige Dimenson (Punktwerte) umgesetzt. Beide Schritte können jedoch auch simultan erfolgen, d. h. die Ausprägung des Merkmals kann bereits Bewertungsgröße sein. 598 Regelmäßig 592 Olfert, S. 281 f.; Institut für Angewandte Elektronische Datenverarbeitung der TU Berlin, Skript für SE I und BS I, Die Nutzwertanalyse, http://aedv.cs.tuberlin.de/se/Nutzwertanalyse7.htm, Tz. 1.3.1. Vgl. auch Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Frankfurt a. M., http://caladan. wiwi.uni-frankfurt.de/IWI/Veranstaltung/Eus/Theorie_NWA.htm. 593 Auch "Artenpräferenz", vgl. Lillich, S. 31 f. 594 Vgl. z. B. Olfert, S. 282 ff. 595 Lillich, S. 89. 596 Institut für Angewandte Elektronische Datenverarbeitung der TU Berlin, Skript für SE I und BS I, Die Nutzwertanalyse, http://aedv.cs.tu-berlin.de/se/ Nutzwertanalyse7.htm, Tz. 1.3.3. 597 Verschiedentlich wird der Begriff "Zielerfüllung" verwendet. Beide Begriffe sind synonym. 598 Lillich, S. 25.
9 Bloehs
130
5. Teil: Lösungsansatz
enthält die Maßskala fünf Zielerreichungsklassen, um noch klare Abstufungen zu ennöglichen. Für jedes Zielkriterium ergibt sich daraus der Teilnutzen. dd) Nutzwertennittlung Die Summe der Teilnutzen ergibt den Nutzwert der jeweiligen Handlungsalternative. 599 ee) Beurteilung der Vorteilhaftigkeit Die Handlungsalternative mit dem höchsten Nutzwert ist damit die relativ vorteilhafteste. Bei der Beurteilung der Vorteilhaftigkeit muss aber beachtet werden, dass die Nutzwertanalyse keine in sich geschlossene Entscheidungsrechnung ist, sondern einen durch subjektive Urteile bestimmten Entscheidungsrahmen darstellt. Denn die Auswahl der Kriterien und die Kriteriengewichte sind stark von Subjektivität beeinflusst. Eine Objektivierung der Ergebnisse ist z. B. durch Einbeziehung von Wertvorstellungen mehrerer an der Entscheidung Beteiligter möglich. 6OO Im Rahmen rechtlicher Abgrenzungsentscheidungen wird die Objektivierung durch die Berücksichtigung der Rechtsprechung und Literatur erreicht. f) Vor- und Nachteile der Nutzwertanalyse
Als Nachteil der Nutzwertanalyse wird die Gefahr der Scheinobjektivität der Entscheidung genannt. Aufgrund des mathematischen Ermittlungsverfahrens werde häufig übersehen, dass die Zielkriterienauswahl ebenso wie deren Gewichtung und Teilnutzenbestimmung auf subjektiven Kriterien basiert. 601 Ist sich der Anwender allerdings dieses Zusammenhanges bewusst, so hat dies gerade für rechtliche Abgrenzungsentscheidungen keine Auswirkung auf die Aussagekrajt und Anwendbarkeit der Nutzwertanalyse. Denn
599 Institut für Angewandte Elektronische Datenverarbeitung der TU Berlin, Skript für SE I und BS I, Die Nutzwertanalyse, hup:/!aedv.cs.tu-berlin.de/se/ Nutzwertanalyse7.htm, Tz. 1.3.4. Vgl. auch Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Frankfurt a. M., hUp:/ /caladan.wiwi.uni-frankfurt.de/IWIIVeranstaltung/ Eus/Theorie_NWA.htm. 600 Institut für Angewandte Elektronische Datenverarbeitung der TU Berlin, Skript für SE I u. BS I, Die Nutzwertanalyse, hup:/!aedv.cs.tu-berlin.de/se/ Nutzwertanalyse7.htm, Tz. 1.4. 601 Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Frankfurt a.M., hup:/! caladan. wiwi.uni-frankfurt.de/IWI/Veranstaltung/Eus/Theorie_NWA.htm.
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
131
die modeme juristische Methodenlehre verlangt gerade die offene Berücksichtigung von Wertungen. 602 Zurecht wird hingegen darauf hingewiesen, dass die Annahme der kardinalen Messbarkeit und gegenseitigen Unabhängigkeit der Zielkriterien problematisch sein kann. 603 Manche Zielkriterien sind nicht oder nur eingeschränkt messbar. In diesen Fällen kann aber, wie dargestellt 604, eine nominale Maßskala zur Messung der Zielerreichbarkeit verwendet werden. Demgegenüber überwiegen die Vorteile der Nutzwertanalyse. Es handelt sich bei der Nutzwertanalyse zunächst um ein eingeführtes und bewährtes Veifahren. Mehrdimensionale Entscheidungsprobleme werden systematisch und nachvollziehbar gelöst. 605 Der Prozess der Entscheidungsfindung wird in mehrere Teilschritte zerlegt und erhält dadurch ein hohes Maß an Transparenz. Die Lösung ist damit überprüjbar606 und die Entscheidungsfindung reproduzierbar. Subjektive Einschätzungen und objektive Tatbestände werden voneinander getrennt, ohne dass der Gesamtzusammenhang des Entscheidungsproblems verloren geht. 607 Die Nutzwertanalyse stellt damit eine Entscheidungsmethode unter ganzheitlicher Betrachtunl08 des Entscheidungsproblems dar. 2. Adaption der Nutzwertanalyse auf rechtliche Abgrenzungsentscheidungen
a) Neue Zielsetzung: Abgrenzung anstatt Optimierung
Für die Anwendung der Nutzwertanalyse auf eine rechtliche Abgrenzungsentscheidung sind bei der Definition des Entscheidungsfeldes609 mehrere Besonderheiten zu beachten. Diese Besonderheiten folgen aus der methodologischen Zielsetzung, im rechtlichen Bereich keine Optimierungs aufgabe zu lösen, sondern eine Abgrenzung zu erhalten. Pawlowski, Rn. 176 ff. Institut für Wirtschaftsinfonnatik der Universität Frankfurt a. M., http:// caladan. wi wi. uni -frankfurt.de/IWIIVeranstaltung/Eus/Theorie_NW A.htm. 604 VgI. aa). 605 GI. A. Institut für Wirtschaftsinfonnatik der Universität Frankfurt a. M., http:// caladan. wiwi.uni -frankfurt.de/IWI/Veranstaltung/Eus/Theorie_NWA.htm. 606 VgI. auch Olfert, S. 273. 607 GI. A. Institut für Angewandte Elektronische Datenverarbeitung der TU Berlin, Skript für SE I und BS I, Die Nutzwertanalyse, http://aedv.cs.tu-berlin.de/ se/Nutzwertanalyse7.htm, Tz. 1.6. 608 vor Zentrum Wertanalyse, S. 52 ff. 609 Entscheidungsfeld ist der Gesamtkontext mit seinen Interdependenzen, in den die Entscheidungsfrage eingebettet ist. Dazu gehören ein Aktionenraum, ein Zustandsraum und die Ergebnisfunktion, vgI. z.B. Bamberg/Coenenberg, S. 14 ff. 602 603
9"
5. Teil: Lösungsansatz
132
b) Formulierung der Zielkriterien
Zunächst ist bei der Formulierung der Zielkriterien darauf zu achten, dass die zunehmende Erfüllung des Zielkriteriums jeweils in dieselbe "Richtung" zeigt, d.h. für oder gegen dieselbe der beiden Entscheidungsalternativen spricht. Ein hohes Maß an Zielerreichung hat also auf die eine Entscheidungsalternative, ein geringes Maß an Zielerreichung auf die andere Entscheidungsalternative hinzudeuten. Ein hoher Teilnutzwert als Ergebnis der Anwendung der Zielkriterien auf einen Lebenssachverhalt spricht dann für die eine Entscheidungsalternative, ein niedriger Teilnutzwert für die andere Entscheidungsalternative. c) Definition der Maßskalen
Weil die Maßskalen der einzelnen Zielkriterien unterschiedliche Dimensionen haben und auch rein qualitativer Art sein können, ist es methodisch zulässig, alle für die rechtliche Beurteilung relevanten Merkmale als Zielkriterien aufzufassen und einer beispielsweise fünfstufigen Maßskala zuzuordnen. Den Merkmalen, für die kein abgestufter Zielerreichungsgrad definiert werden kann (z. B. das Merkmal ist erfüllt oder ist nicht erfüllt) wird eine nominale Maßskala zugeordnet (z.B. nein =1; ja =5). Wird die Maßskala für jedes Zielkriterium weiter so definiert, dass der Mittelwert (z. B. Drei bei einer Grundskala 1 bis 5) bei diesem Zielkriterium hinsichtlich der Abgrenzungsentscheidung indifferent ist, so kann durch die gewichtete Summe der indifferenten Mittelwerte ("Nullstelle") ein neutraler Nutzwert ermittelt werden (im Folgenden "neutraler Wert"), der die eindeutige Grenzlinie zwischen den bei den Entscheidungsalternativen darstellt. Durch die Vergabe des jeweils neutralen Wertes können auch fehlende Sachverhaitsangaben610 entscheidungsneutral bewertet werden. Bei einzelnen Zielkriterien besteht die Möglichkeit einer noch differenzierteren Betrachtung durch die Verschiebung der Nullstelle. Denn die Verschiebung der Nullstelle führt bei den Zielkriterien zu einem höheren Differenzierungsgrad, deren Erfüllung/Nichterfüllung, ausgehend von der Nullstelle ,,3", entweder nicht den Minimal- oder den Maximalwert der Maßskala erreichen würde. Würde beispielsweise im Rahmen der "Grundskala 1 bis 5" ein Maximalwert niemals erreicht, dann können im Bereich unterhalb der Nullstelle differenziertere Bewertungen vorgenommen werden, indem die Nullstelle beispielsweise mit ,,4" definiert wird. Inner610
Vgl. auch unten E. 11.
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
133
halb der eher für die eine Entscheidungsalternative sprechenden Erfüllungsgrade wird dann nicht nur zwischen 1 und 2, sondern von 1 bis 3 differenziert. Auf diese Weise können verschiedene Handlungsalternativen (Lebenssachverhalte) noch differenzierter betrachtet werden. Diese stringente, genau genommen mathematische, Vorgehensweise ist für den rechtlichen Bereich sehr ungewöhnlich. Das liegt daran, dass rechtliche Problemstellungen nicht mathematisch eindeutig gelöst werden können. Es gibt keine rein objektive, eindeutige und wahre Lösung. Dies wird aber von der Nutzwertanalyse auch nicht unterstellt. Denn die Zuweisung von Punktwerten und deren Multiplikation im Rahmen der Zielkriteriengewichtung sowie die Addition der Teilnutzwerte im Rahmen der Nutzwertbestimmung operationalisieren lediglich die darin verborgenen objektiven und subjektiven Entscheidungen. Diese Entscheidungen werden aufgrund der Rechtsprechung, Literatur und - soweit vorhanden - Verkehrsauffassung bei der Kriterienauswahl, Kriterienformulierung, Definition der Maßskala und Bestimmung der Gewichtungsfaktoren getroffen. Die Zuordnung des einzelnen Lebenssachverhaltes unter die Zielkriterien entspricht einer Subsumtion des Rechtsanwenders im üblichen Sinne. Die anschließende Nutzwertanalyse des Einzelfalles entspricht dann der in die Entscheidungsmatrix eingegangenen Gesamtbetrachtung aller für die Abgrenzungsentscheidung relevanten Merkmale. Es kann demnach gegen die Anwendung der Nutzwertanalyse auf rechtliche Abgrenzungsentscheidungen nicht eingewandt werden, dass die juristische Methodenlehre zugunsten eines vermeintlich objektiven mathematischen Verfahrens vernachlässigt worden ist. Infolgedessen kann die Nutzwertanalyse auf rechtliche Abgrenzungsentscheidungen angewendet werden. 611 3. Anwendung der Nutzwertanalyse auf die Abgrenzung privater Vermögensverwaltung vom Gewerbebetrieb
a) Methodische Festlegungen
Im vorliegenden Fall befindet sich die Prüfung der geschriebenen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG außerhalb des Entscheidungsfeldes, weil die Abgrenzung des Gewerbebetriebs zur privaten Vermögensverwaltung nur dann relevant wird, wenn die geschriebenen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. 612 Sie müssen also bereits geprüft und bejaht worden sein, bevor die nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung zur Anwendung kommen kann. 611 612
Im Einzelnen vgl. oben 1. d). Vgl. oben 3. Teil D.
134
5. Teil: Lösungsansatz
Die in die nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung sinnvollerweise einzubeziehenden Kriterien zeichnen sich dadurch aus, dass sie sämtlich nicht absolut dominant sind, also keines für sich allein eine eindeutige Entscheidung ermöglicht. 613 Absolut dominante Kriterien können also bereits vor Anwendung des Nutzwertverfahrens geprüft werden. Dies muss bei der Definition des Entscheidungs/eides der Nutzwertanalyse berücksichtigt werden. b) Auswahl der relevanten Entscheidungsmerkmale (Zielkriterienbestimmung)
Der erste Schritt der nutzwertorientierten Gesamtbetrachtung besteht in der Auswahl der Zielkriterien. Im vorliegenden Zusammenhang sind also die denkbaren Abgrenzungsmerkmale auf ihre Relevanz für die Entscheidung hin zu untersuchen. Dabei sind zunächst diejenigen Merkmale darzustellen, die sich als für die Entscheidung irrelevant herausstellen werden. 614 Daran anschließend werden die relevanten Abgrenzungsmerkmale im Einzelnen dargestellt. 615
11. Für die Entscheidung irrelevante Abgrenzungsmerkmale 1. Finanzierung des Erwerbs
Verschiedentlich wird von der Rechtsprechung vertreten, dass die Frage nach der Art der Finanzierung des Erwerbs ein relevantes Merkmal darstellen könne. Dabei ist festzustellen, dass die Maßgeblichkeit der Finanzierungsart nur im Bereich der Wertpapiere diskutiert wird. 616 Bei Immobilien wird ein Fremdkapitalbedarf auch im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung als unschädlich und üblich unterstellt. 617 Bereits diese Ungleichbehandlung der Anlageformen disqualifiziert das Merkmal der Finanzierung 613 Diese Vorgabe ist methodologisch für die Nutzwertanalyse zwar nicht unverzichtbar, doch lässt sich durch die Vorprüfung von absolut dominanten Kriterien der Aufwand der Nutzwertanalyse vermeiden, wenn ohnehin bestimmte Handlungsalternativen aufgrund dieser Kriterien ausfallen. 614 Vgl. im Anschluss 11. 615 Vgl. unten III. 616 BFH-Urteil vom 19.2.1997 XI R 1196, BStBl. 11 1997, S. 399 ff.; BFH-Urteil vom 9.10.1992 III R 89/89, BFH/NV 1994, S. 80 ff.; BFH-Urteil vom 31.7.1990 IR 173/83, BStBl. 11 1991, S. 66 ff. So nun auch zu bestimmten Wertpapierarten, die "üblicherweise" fremdfinanziert würden, BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 801 97, BStBl. 11 1999, S. 448. 617 Bereits BFH-Urteil vom 12.3.1964 IV 136/61 S, BStBl. III 1964, S. 364 hielt die Finanzierungsart bei Grundstücken für irrelevant.
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
135
des Erwerbs618 , weil hier nicht eine merkmalsimmanente Differenzierung zwischen den Anlageformen erfolgt, sondern das Merkmal der Art der Finanzierung nur bei Wertpapieren entscheidungsrelevant sein soll. Davon abgesehen sprechen weitere Gesichtspunkte gegen die Maßgeblichkeit der Finanzierungsart. So wird v. a. in jüngerer Zeit vertreten, die Fremdfinanzierung spreche jedenfalls dann für. Gewerblichkeit, wenn sie auf einer freien Finanzierungsentscheidung beruhe, m. a. W. also genügend Eigenkapital zur Verfügung gestanden hätte, um den Erwerb auch ohne Fremdkapital finanzieren zu können. 619 Diese Auffassung widerspricht aber vor dem Hintergrund des Leverage-Effektes620 eindeutig Rentabilitätsgesichtspunkten. 621 Wirtschaftlich vernünftiges Verhalten spricht aber nicht gegen private Vermögensverwaltung. 622 Seit dem zutreffenden ZweiKonten-Beschluss des Großen Senats des BFH623 ist zudem klargestellt, dass die Art der Finanzierung im Ermessen des Steuerpflichtigen liegt624, solange für eine Einschränkung der Handlungs- und Eigentumsfreiheit keine gesetzliche Grundlage besteht. Fehlt eine gesetzliche Regelung, kann der Steuerpflichtige von seiner Handlungsfreiheit Gebrauch machen, ohne dass dies steuerrechtlich zu Nachteilen führen darf. 625 Die Finanzierungsart stellt folglich ein indifferentes und damit für die Abgrenzung nicht heranziehbares Merkmal dar. 2. Tätigkeit entspricht dem "Bild eines Händlers"
In der Rechtsprechung des BFH626 und diesem folgend von einem Teil der Literatur627 wird häufig die Abgrenzung danach vorgenommen, ob die 618 GI.A. Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 66 ff. A.A. Zugmaier, StuW 1998, S. 334, 346; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 481. 619 Weber, DStZ 1991, S. 353, 358: "Indiz"; Richter, S. 69: Fremdfinanzierung führe für den Anleger zu einem dem § 15 EStG typischerweise anhaftenden Unternehmerrisiko. 620 Ausführlich zum positiven und negativen Leverage-Effekt z. B. Böckhoff/ Stracke, S.102 ff. 621 Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 66; gI.A. für den Bereich von Termingeschäften, Jung/Redanz, ZBB 1993, S. 68, 87. 622 GI. A. Jung, S. 205 m. w. N. Dies bestätigt nun auch BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStBI. 11 1999, S. 448 ff. Auch Sorgenfrei, Die Bank 2000, S. 486 deutet diese Entscheidung als Aufgabe des Kriteriums der Fremdfinanzierung. 623 BFH-Beschluss vom 8.12.1997 GrS 1-2/95, BStBI. 11 1998, S. 193, 199. So i.E. neuerdings auch BFH-Urteil vom 20.6.2000 VIII R 57/98, BFH/NV 2001, S.28. 624 GI.A. Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 70; Eckhoff, S. 295. 625 Weber-Grellet, Anmerkung zu BFH-Beschluss vom 8.12.1997 GrS 1-2/95, DB 1998, S. 292, 293.
136
5. Teil: Lösungsansatz
Tätigkeit des Steuerpflichtigen dem Bild eines Händlers entspricht. Diese Formel stellt aber lediglich den Versuch dar, für eine Gesamtbetrachtung eine "griffige" Bezeichnung zu finden. Tatsächlich wird darunter kein eigenständiges Merkmal verstanden. 628 Davon abgesehen wäre ein solches Kriterium wegen seiner Unbestimmtheit weder subsumierbar noch im Sinne eines typologischen Verständnisses zuordenbar. 629 Die Tätigkeit "wie ein Händler" ist demnach kein relevantes Abgrenzungsmerkmal, das in eine Gesamtbetrachtung Eingang finden könnte, sondern stellt selbst das Ergebnis der Gesamtbetrachtung dar. Daraus folgt, dass das "Bild eines Händlers" nicht als eigenständiges Merkmal zu berücksichtigen ist. Die einzelnen bei der Bestimmung des Bildes insbesondere von der Rechtsprechung herangezogenen Merkmale, wie die Anzahl der Transaktionen, Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen oder das Unterhalten einer eigenen Organisation63o , können hingegen durchaus von Relevanz sein. 631 3. Spekulationsabsicht
Insbesondere im Bereich von Wertpapiergeschäften, aber auch bei unbebauten Grundstücken liegt die Frage nahe, ob eine Spekulationsabsicht des Steuerpflichtigen geeignet wäre, auf eine gewerbliche Tätigkeit hinzudeuten. Nicht gegen ein solches Verständnis der Spekulationsabsicht spricht indes § 23 EStG, der gerade keine Spekulationsabsicht verlangt. 632 Zwar hat der BFH in älteren Entscheidungen auch eine Spekulation mit Wertpapieren als banktypisches und damit gewerbliches Verhalten angesehen. 633 626 BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStBl. 11 1999, S. 448; BFH-Urteil vom 7.2.1990 I R 173/85, BStBl. 11 1991, S. 631; BFH-Urteil vom 19.2.1997 XI R 1/96, BStB!. 11 1997, S. 399; BFH-Urteil vom 29.6.1987 X R 23/82, BStB!. 11 1987, S. 744; BFH-Urteil vom 16.7.1987 X R 48/82, BStBl. 11 1987, S.752. 627 Nickel, S. 168; Zugmaier, StuW 1998, S. 345 f. A.A. Sorgenfrei, S. 61, 65, der hinsichtlich Wertpapieren zutreffend auf die modemen Transaktionsmöglichkeiten hinweist, die keine Vorstellung vom "Bild" einer gewerblichen Tätigkeit mehr ermöglichen. 628 Vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStBl. 11 1999, S. 448. 629 Auch der Vorlagebeschluss vom 29.10.1997 X R 183/96, BStBl. 11 1998, S. 332 ff. verwendet das "Bild" lediglich als Ergebnis einer im wesentlichen typologischen Gesamtbetrachtung. Vg!. auch die zurecht kritischen Anmerkungen zu diesem Beschluss Weber-Grellet, FR 1998, S. 313 f.; Söffing, OB 1998, S. 1683 ff. und S. 1733 ff. Das "Bild eines Händlers" offensichtlich auch als griffige Formulierung verstehend: Fischer, FR 1996, S. 377. 630 SO Z.B. BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStB!. 11 1999, S. 448. 631 V gl. z. B. unten III. 3. das quantitative Merkmal der Marktteilnahme. 632 Vg!. oben 1. Teil D. 111. 3. a). 633 Zu dieser älteren Rechtsprechung vg!. die Nachweise bei Führer, S. 204 f.
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
137
Tatsächlich handelt es sich bei der Spekulationsabsicht aber um ein für die vorliegende Abgrenzung indifferentes Merkmal. Denn eine Spekulationsabsicht wird weder im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung noch beim Gewerbebetrieb gefordert. Sie kann vielmehr in beiden Bereichen gleichermaßen vorkommen. 634 4. Die "Unüblichkeit" einzelner Merkmale
Teilweise wird vertreten, einzelne Merkmale deuteten auf eine gewerbliche Tätigkeit hin, wenn sie im Einzelfall für die private Vermögensverwaltung "unüblich" seien. Die Frage der "Unüblichkeit" wird v.a. im Bereich von Wertpapiergeschäften gestellt. 635 Abgesehen davon, dass anlageformunabhängige Merkmale erforderlich sind636 , setzt die Beantwortung der Frage nach der "Unüblichkeit" die Kenntnis der "Üblichkeit" voraus. Doch insbesondere im Bereich von Wertpapiergeschäften ist eine Aussage über die Üblichkeit aufgrund der hohen Kapitalmarktänderungsintensität637 nicht mit hinreichender Sicherheit zu treffen. 5. Veräußerungsmotive (Konkreter Veräußerungsanlass)
Ein mögliches Merkmal könnte auch die Berücksichtigung der Veräußerungsmotive des Steuerpflichtigen sein. Insbesondere in Fällen, in denen aufgrund eines engen zeitlichen Zusammenhanges zwischen Erwerb und Veräußerung von der Rechtsprechung eine bedingte Veräußerungsabsicht angenommen wird, liegt der Versuch nahe, durch den Nachweis einer Notsituation638 als Veräußerungsanlass die Vermutung einer bereits im Erwerbszeitpunkt vorliegenden Veräußerungsabsicht zu entkräften. Als Notsituation werden beispielsweise ein nicht erwarteter Kapitalbedarf 639 , eine unerwarSo ausdrücklich BFH-Urteil vom 19.2.1997 XI R 1/96, BStBl. 11 1997, S. 399. Jüngst BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStBl. 11 1999, S. 448 mit dem Hinweis, im entschiedenen Fall komme es auf die Fremdfinanzierung nicht an, weil die vorliegenden Wertpapiergeschäfte üblicherweise fremdfinanziert würden. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 479 und S. 481 hält die Fremdfinanzierung von Wertpapiergeschäften für unüblich. De lege ferenda hält er solche Geschäfte für eindeutig gewerblich; aber auch de lege lata sei die Qualifikation als gewerblich bereits möglich. Bei einem angestellten Rentenhändler hat der BFH eine ungewöhnliche Abwicklung der Transaktionen wesentlich für die Qualifikation als gewerbliche Tätigkeit angesehen, BFH-Urteil vom 6.3.1991 X R 39/88, BStBl. 11 1991, S. 631 ff., gl.A. Assmann, StBp 1994, S. 129, 130. 636 Vgl. oben B. 637 Vgl. oben C. 11. 2. 638 BFH-Urteil vom 11.4.1989 VIII R 267/84, BFH/NV 1989, S. 665. 639 BFH-Beschluss vom 12.2.1998 X B 109/97, BFH/NV 1998, S. 1083, 1084 mit umfangr. Nachweisen zur Rechtsprechung. 634 635
138
5. Teil: Lösungsansatz
tete Krankheit640 oder die Scheidung der Eheleute641 genannt. Bei der bloßen Motivation des Steuerpflichtigen handelt es sich jedoch um ein subjektives Merkmal, das im Rahmen der hier vorzunehmenden Abgrenzung anhand der objektiven Art und Weise der Tätigkeit keine Relevanz hat. 642 6. Zusammenarbeit mit mehreren Banken
Teilweise wird vertreten, die Zusammenarbeit mit mehreren Banken sei für eine private Vennögensverwaltung unüblich und stelle ein Indiz für eine gewerbliche Tätigkeit dar. 643 Insbesondere bei der Verwaltung größeren Vennögens ist aber die Einschaltung mehrerer Banken der Regelfall. Zum einen dient dies einer Risikostreuung der Anleger644 , gleichzeitig aber auch häufig deren Bedürfnis, niemandem vollständige Einsicht in die persönliche Vennögenslage zu gewähren. 645 Darüber hinaus führt bereits die Nutzung des Online-Banking und Online-Brokerage fast zwangsläufig zu Konten bei mehreren Banken, will man das meist seit Jahren bestehende Girokonto nicht mit erheblichem Änderungsaufwand umstellen. 646 Außerdem gehört auch der Vergleich der Anlageangebote mehrerer Banken zu einer wirtschaftlich vernünftigen privaten Vennögensverwaltung. Daher stellt das Kriterium der Zusammenarbeit mit mehreren Banken kein relevantes Abgrenzungsmerkmal dar. 7. Gewerbeanmeldung, Buchführung und Jahresabschluss
Als weiteres Kriterium im Rahmen von Wertpapiergeschäften wird insbesondere in der Rechtsprechung der Finanzgerichte647 geprüft, ob der SteuerBFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 58/97, BFH/NV 1999, S. 766. BFH-Urteil vom 4.6.1992 IV R 79/91, BFH/NV 1992, S. 809. 642 BFH-Urteil vom 18.5.1999 I R 118/97, BStBl. 11 2000, S. 28 m.w.N. zur Rspr. So bereits zutreffend Jung, S. 202 ff. mit umfangr. Nachweisen zur Rechtsprechung und Literatur sowie Weber-Grellet, in: Ludwig Schmidt, § 15 Rn. 55; Altfelder, FR 2000, S. 349, 360; Ehlers, DStR 1989, S. 687, 688; Biergans, StBp 1991, S. 193, 195. Ebenfalls ausführlich zur Rechtsprechung Enneking, S. 156 ff. A.A. Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 161 und Ehlers, DStR 1989, S. 729, 731. 643 Führer, S. 199 mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 31.7.1990 I R 173/83, BStBl. 1991, S. 66. 644 "Risikostreuung" deshalb, weil sich die Anleger nicht auf die Anlageberatung durch eine Bank beschränken wollen. 645 Staubli, Kreditwesen 1997, S. 808, 810. 646 Vgl. auch Kleingarn, S. B 5. 647 FG Saarland, Urteil vom 7.12.1999 1 K 41198, EFG 2000, S. 314, 315 (Az. BFH III R 9/00, III R 12/00). Bei BFH-Urteil vom 19.2.1992 XI R 1196, BStBl. 11 1997, S. 399 ging es im Gegensatz dazu um die Zuordnung zu einem 640 641
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
139
pflichtige seiner Verpflichtung nachgekommen ist, die Aufnahme eines Gewerbebetriebs innerhalb eines Monats bei der örtlich zuständigen Gemeinde anzuzeigen. 648 Werde gegen diese Verpflichtung verstoßen, so deute dies in Fällen, in denen Steuerpflichtige Verluste aus "gewerblichen" Wertpapiergeschäften erklärten, darauf hin, dass auf diese Weise Verluste der privaten Vermögenssphäre steuerbar gemacht werden sollten. 649 Bei der genannten Interessenlage des Steuerpflichtigen mag eine fehlende Gewerbeanzeige ebenso wie eine fehlende Buchführung und fehlende Jahresabschlüsse ein gewisses Indiz dafür darstellen, dass das Argument der gewerblichen Tätigkeit nur vorgeschoben ist. Auf die gegensätzliche Interessenlage der Steuerpflichtigen lässt sich diese Betrachtung aber schon nicht mehr übertragen. Denn wenn der Steuerpflichtige Gewinne aus Wertpapiergeschäften macht, werden fehlende Erklärungen des Steuerpflichtigen seitens Finanzverwaltung und Rechtsprechung als irrelevant angesehen. 65o Gegebenenfalls werden die Besteuerungsgrundlagen durch Schätzung ermittelt. Gegen eine Relevanz dieses Kriteriums spricht weiter, dass im Bereich der Grundstücksgeschäfte, wo der Steuerpflichtige erzielte Gewinne möglichst der Privatsphäre zuordnen will, die Frage einer Gewerbeanzeige nicht einmal thematisiert wird. Aus diesen Gründen kann die Frage nach einer Gewerbeanzeige, Buchhaltung oder einem Jahresabschluss weder ein einheitliches Kriterium noch ein in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle aussagekräftiges Kriterium darstellen. Mithin stellt dies kein für die Abgrenzung relevantes Merkmal dar.
bereits aus anderen Gründen bestehenden Betriebsvermögen. So verwendet der BFH diese Indizien eher im Zusammenhang mit der Frage, ob die zu beurteilende Tätigkeit von einer daneben ausgeübten gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit getrennt sind, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15.3.1994 X R 38/92, BFH/NV 1994, S. 850. Zum Trennungsprinzip vgl. 4. Teil B. 648 § 138 Abs. 1 und Abs. 3 AO. 649 Schmidt-Liebig, INF 1999, S. 641, 645. 650 In einer aktuellen Entscheidung zur Frage der Gewerblichkeit einer Vermietungstätigkeit hat der BFH die vom FG festgestellte Gewerbeanmeldung nicht einmal in den Entscheidungsgründen erwähnt, BFH-Urteil vom 24.2.1999 X R 1061 95, BFH/NV 1999, S. 1081.
140
5. Teil: Lösungsansatz
III. Die für die Entscheidung relevanten Abgrenzungsmerkmale 1. Art des Erwerbs
a) Inhalt und Berechtigung des Abgrenzungsmerkmals
Die Art des Erwerbs der Wirtschaftsgüter ist dann für die Abgrenzungsfrage relevant, wenn aus den verschiedenen möglichen Erwerbsvorgängen Hinweise auf eine unterschiedliche Tendenz zur Gewerblichkeit entnommen werden können. Die Unterscheidung eines passiven Erwerbs durch Erbschaft oder Schenkung651 und eines aktiven Erwerbs durch Kauf lässt sich damit begründen, dass der aktive Erwerb eine eigene oder subjektiv zurechenbare Teilnahme am Beschaffungsmarkt voraussetzt. 652 Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung stellt sich der aktive Erwerb damit als intensivere Betätigung am Markt dar, als der passive Erwerb. Außerdem spricht ein passiver Erwerb zunächst gegen eine planmäßige Tätigkeit. Die Berücksichtigung des gesamten Marktes, bestehend aus Beschaffungs- und Absatzmarkt, wird in jüngerer Zeit zunehmend vertreten. 653 Dadurch werden nicht nur ein Teilbereich der steuerrelevanten Betätigung des Steuerpflichtigen isoliert betrachtet, sondern ähnlich wie bei der Gewinnermittlung neben den auf dem Absatzmarkt erzielten Erträgen auch die auf dem Beschaffungsmarkt angefallenen Aufwendungen berücksichtigt. Der geringeren Bedeutung des Beschaffungsmarktes für die Abgrenzungsentscheidung als des Absatzmarktes wird durch eine entsprechende Gewichtung Rechnung getragen. 654 Die Art des Erwerbs stellt damit ein relevantes Abgrenzungsmerkmal dar. Eine Differenzierung innerhalb der Arten des passiven Erwerbs ist an dieser Stelle allerdings nicht geboten. Unterschieden zwischen dem passiven Erwerb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge und im Wege der Einzelrechtsnachfolge wird vielmehr im Abgrenzungsmerkmal des "engen zeitlichen Zusammenhangs,,655 Rechnung getragen. 651 Die Annahme der Schenkung sowie etwaige Mitwirkungspflichten wie bei der grundbuchmäßigen Transaktion ändern nichts am grundsätzlich passiven Charakter des Erwerbs. Denn die Entscheidung, ob der Erwerb stattfinden kann, liegt nicht maßgeblich in den Händen des passiven Erwerbers. 652 Die Teilnahme am Beschaffungsmarkt wird derzeit im Zusammenhang mit den Mindestanforderungen an das geschriebene Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit diskutiert, vgl. Altfelder, FR 2000, S. 349, 355. 653 Vorlagebeschluss vom 29.10.1997 X R 183/96, BStBl. 11 1998, S. 332. Vgl. auch Altfelder, FR 2000, S. 349, 355. 654 Vgl. unten V. 3. 655 Vgl. unten 4. a).
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
141
b) Definition der Maßskala
Das Merkmal der Art des Erwerbs wird lediglich in passive und aktive Erwerbe unterschieden, sodass es sich um eine klare Alternativenlage handelt. Eine weitere Abstufung ist nämlich nicht vorgesehen. Im Rahmen der Nutzwertanalyse ist auch eine nominale Maßskala systemkonform,656 die es ermöglicht, Alternativentscheidungen abzubilden. Es werden demnach für den passiven Erwerb die Bewertungszahl 1 und für den aktiven Erwerb die Bewertungszahl 5 vergeben. Da regelmäßig mehrere Wirtschaftsgüter in die Abgrenzungsentscheidung einbezogen werden, sind die Erwerbe aller Wirtschaftsgüter auf ihre Art hin zu untersuchen und als Bewertungszahl der Durchschnitt aller ermittelten Einzelwerte anzunehmen. Im Ergebnis werden sich damit in den zu prüfenden Einzelfällen, die regelmäßig mehrere Erwerbe umfassen, selbst bei der Verwendung einer nominalen Maßskala einzelfallbezogene, differenzierte Bewertungszahlen ergeben. Auf die Gewichtung des Durchschnitts anband des jeweiligen Wertes der erworbenen Wirtschaftsgüter kann im Rahmen dieses Merkmals hingegen verzichtet werden, weil die Intensität der Teilnahme am Beschaffungsmarkt weitgehend unabhängig vom Wert des Transaktionsobjekts ist. Um das Bewertungsverfahren übersichtlich zu halten, erscheint es gerechtfertigt, das Ergebnis der Durchschnittsbildung kaufmännisch zu runden. Dann kann die nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung mit ganzen Zahlen weitergeführt werden. Demnach ergibt sich folgende Maßskala für das Merkmal ,,Art des Er-
werbs":
Zielkriterium
Bewertungszahl
1 Art des Erwerbs
*
0
passiv
Neutraler Wert.
656
Vgl. oben I. 1. e) aa).
2
3*
Dimension
4
5 aktiv
-
142
5. Teil: Lösungsansatz
2. Wertschöpfende oder umgestaltende Maßnahmen
a) Inhalt und Berechtigung des Abgrenzungsmerkmals
Werden während des Besitzzeitraums dem Steuerpflichtigen zurechenbare werterhöhende Maßnahmen durchgeführt, dann spricht dies für die bewusste und zielgerichtete Erhöhung des Transaktionswertes (Marktwertes) und somit gegen Fruchtziehung und für Substanzverwertung. 657 Bloße Erhaltungsmaßnahmen und geringfügige Wertschöpfungen sind bei Grundstücken relativ bedeutungslos; das Entstehen einer "Ware von anderer Marktgängigkeit" deutet jedoch klar auf Gewerblichkeit hin. 658 Entscheidend ist also, ob durch die Maßnahmen das Wesen des Grundstücks verändert wird. 659 Bei Grundstücken können beispielsweise dem Steuerpflichtigen zurechenbare außerordentliche Werterhöhungen durch die Parzellierung, die Initiierung von Umlage- und Bebauungsplanverfahren660 und natürlich über die Bebauung, die Modernisierung und Altbausanierung erreicht werden. Dabei wird das ursprünglich vorhandene Wirtschaftsgut meist grundlegend verändert. Das Merkmal der Vornahme wertschöpfender oder umgestaltender Maßnahmen 661 ist auch anlageformneutral. Denn selbst Wertpapiere können, wenn auch nur in begrenztem Umfang, ebenfalls Gegenstand von wertschöpfenden oder umgestaltenden Maßnahmen sein. 662 Staatsanleihen können beispielsweise auf Veranlassung des Inhabers durch Banken in den Zinskupon und einen Zerobonds aufgespalten (Bondstripping), eigenständig veräußert, aber auch wieder vereinigt werden (Rebundling).663 Darüber hinaus können auch Optionsanleihen "gestrippt" werden. 664 Außerdem be657 Vgl. oben C. I. 3. Fischer, FR 1996, S. 377, 378 hält den Umfang werterhöhender Aktivitäten für die Abgrenzung für entscheidend; auf die Anzahl der Veräußerungen komme es hingegen nicht an. Zur Fruchtziehungsformel, die lediglich wegen ihrer Unvollständigkeit als allein entscheidendes Merkmal abzulehnen war, vgl. oben 4. Teil D. I. 658 So Fischer, FR 1996, S. 377, 378; Führer, S. 148; Ehlers, DStR 1989, S. 729, 730 m.w.N. 659 Führer, S. 148 ff. 660 Nicht als eine auf Gewerblichkeit hindeutende Maßnahme kann ein vom Grundstückseigentümer nicht initiiertes Umlage- oder Bebauungsplanverfahren angesehen werden. Derartige "windfall profits" können nicht gewerblichkeitsindizierend sein. 661 Die Bezeichnung "wertschöpfende und umgestaltende Maßnahmen" stellt lediglich eine "griffige", wenn auch nicht erschöpfende Begriffsbildung für das Gesamtmerkmal dar. Sie wird jedoch im Folgenden verwendet, um die Lesbarkeit des Textes zu verbessern. 662 I.E. wohl ähnlich Wangler, DStR 1999, S. 184, 185, der nach erfolgtem Bondstripping von Wertpapieren "anderer Qualität" spricht.
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
143
steht die Möglichkeit, standardisierte oder von Banken individuell nach den Bedürfnissen des Anlegers665 geschaffene Derivate zu erwerben. Werden dabei Optionen erworben, deren Basispapier der Anleger bereits im Bestand hat, so benötigt er dafür bei seiner Transaktionsbank keine "MarginLinie,,666. Der Erwerb von Derivaten kann einmal zur Kursabsicherung ("Hedging") genutzt667 , aber auch zur Umsetzung von bestimmten Markteinschätzungen dienen. Auf diese Weise können Zusatzchancen, aber auch Zusatzrisiken entstehen. 668 Weitgehend risikolose Zusatzrenditen können im Wege der Wertpapierleihe erzielt werden. 669 Dabei stellt der Anleger die in seinem Bestand befindlichen Wertpapiere über seine Transaktionsbank anderen Anlegern kurzfristig zur Verfügung, damit diese offene Positionen aus Geschäften mit Derivaten schließen und abwickeln können. Der Einsatz derartiger Finanzmarktprodukte verleiht dem gesamten Wertpapierengagement eine andere Qualität. Die Kombination von Basispapieren mit Derivaten verändert die Risiko-Renditestruktur des Gesamtengagements, weshalb in der professionellen Gestaltung derartiger "synthetischer Positionen" eine Tendenz zur gewerblichen Tätigkeit zu sehen ist. 67o Dies bestätigt der Vergleich mit den neuesten auf dem Finanzmarkt zur Verfügung stehenden Finanzinnovationen. Denn durch den Erwerb von sog. "strukturierten Finanzprodukten,,671 wie Discount-Zertifikaten und KickStart-Zertifikaten672 können Anleger ähnliche Risiko-Renditestrukturen er663 Vogt, Die Bank 1998, S. 424 ff. und Weiss, Die Bank 1997, S. 338 ff., jeweils mit Berechnungsbeispielen, insb. zur steuerrechtlichen Behandlung. 664 Optionsanleihen sind Teilschuldverschreibungen, bei denen dem Anleger eine feste Verzinsung garantiert und zusätzlich das Recht eingeräumt wird, unter festgelegten Voraussetzungen Aktien des Emittenten zu erwerben. Regelmäßig können das Optionsrecht und die Anleihe voneinander getrennt und isoliert gehandelt werden. Vgl. Dahm/Hamacher, WM Sonderbeilage Nr. 3 zu Nr. 2111994, S. 7 f. 665 Die Eurex bietet beispielsweise Derivate nur mit standardisierten Fälligkeiten an; Banken können Derivate mit davon abweichenden Fälligkeiten anbieten. 666 "Margin-Linie" ist eine Sicherheitslinie, die die Transaktionsbank dem Anleger einräumen und gegenüber der Eurex nachweisen muss, damit garantiert ist, dass der Anleger seinen Verpflichtungen auch nachkommt. Eine derartige Sicherheit ist nicht notwendig, wenn der Anleger die Basiswerte in seinem Bestand und somit zur Bedienung etwaiger Verpflichtungen zur Verfügung hat. 667 Zur Kursabsicherung vgl. Manfred Berger, Hedging, 1990. 668 Geht der Anleger beispielsweise von weiterhin gleichbleibenden oder sich nur leicht verändernden Aktienkursen aus, so kann er eine Renditesteigerung dadurch erreichen, dass er bei der Eurex die Position eingeht, die ihn zur Erfüllung einer begebenen Kaufoption verpflichtet (sog. Covered Short Call). Vorausgesetzt, seine Annahme trifft zu, wird der Inhaber der Kaufoption diese nicht ausüben und die Optionsprämie dem Anleger als Zusatzrendite verbleiben. 669 Zur Wertpapierleihe vgl. ausführlich z. B. Acker, Die Wertpapierleihe, 1991. 670 Zu "synthetischen Positionen" und deren "Konstruktion" vgl. ausführlich Diwald, S. 397 ff.
144
5. Teil: Lösungsansatz
reichen, wie es durch die originäre Vornahme wertschöpfender oder umgestaltender Maßnahmen der Fall wäre. Der Erwerb von "strukturierten Finanzprodukten", die von Banken angeboten werden, spricht denn auch eher für eine (noch) private Vermögensverwaltung. 673 Wie die Darstellung der wertschöpfenden oder umgestaltenden Maßnahmen im Bereich der Wertpapiere zeigt, handelt es sich nicht ausschließlich um Maßnahmen, die nur das Anlagegut selbst umgestalten oder unmittelbar bei diesem zu einer Wertschöpfung führen. Auf eine gewerbliche Tätigkeit deuten vielmehr auch Wertschöpfungen hin, die nicht am Anlagegut selbst erfolgen, sondern als Nebenleistungen erbracht werden. Im Bereich von Grundstücksgeschäften stellt beispielsweise das Angebot, gleichzeitig mit dem Verkauf des Grundstücks auch die Finanzierung des Erwerbes mitzuregeln oder eine Bauherrenhaftpflichtversicherung zu vermitteln eine wertschöpfende Nebenleistung dar, die ebenfalls auf eine gewerbliche Tätigkeit hindeutet. Die Vornahme wertschöpfender oder umgestaltender Maßnahmen stellt demnach ein einheitliches und relevantes qualitatives Abgrenzungsmerkmal dar.
671 Wilkens/Scholz, PB 2000, S. 171; Gerald Klein, S. B 2. "Griffiger" ist die in Bankkreisen gebrauchte Bezeichnung "Koppelprodukte". 672 Bei den jüngst eingeführten "Kick-Start-" bzw. "Speed-Zertifikaten" handelt es sich um den Kauf einer Kombination aus Schuldverschreibung und Call-Option, wobei ein maximaler Settlementpreis ("Stopppreis") das Kurssteigungsrisiko der Banken begrenzt; vgl. ausführlich o.V., HB vom 14./15.7.2000, S. 33 und Paul, StZ vom 20.7.2000, S. 16. Bei "Reverse Convertibles" handelt es sich um über dem Zinsniveau verzinsliche Schuldverschreibungen mit aktienbezogenem Rückzahlungswahlrecht des Emittenten; bei "Discount-Zertifikaten" erhält der Inhaber bei Fälligkeit den aktuellen Aktienwert, maximal aber einen festgelegten Höchstbetrag vgl. Wilkens/Scholz, PB 2000, S. 171 ff. Es handelt sich bei beiden Finanzinnovationen also ebenfalls um die Kombination eines Aktienkaufs mit Call- und/oder Put-Optionen. So auch Kunze, S. B 3. Zu Umtauschanleihen vgl. Reichei, HB vom 14./15.7.2000, S. 9; Umtauschanleihen unterscheiden sich von herkömmlichen Wandelanleihen dadurch, dass sich das Wahlrecht auf Lieferung einer bestimmten Anzahl von Aktien auf Aktien einer anderen AG, nicht aber des Emittenten bezieht. Zum neuenfortlaufenden Fondshandel, vgl. Holger Paul, StZ vom 15.7.2000, S. 17. 673 Daher steht auch die in § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG zum Ausdruck kommende Auffassun~ des Gesetzgebers, dass Transaktionen von Finanzinnovationen durchaus i. R. der Uberschusseinkünfte vorgenommen werden können (vgl. oben 1. Teil D. III. 2.) der hier vertretenen Ansicht nicht entgegen.
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
145
b) Definition der Maßskala aa) Maßskala bei Grundstücksgeschäften Bei Grundstücken führen wertschöpfende oder umgestaltende Maßnahmen häufig zu einer Vervielfachung des Wertes. Das gilt in erster Linie bei unbebauten Grundstücken durch die Widmung zu Bauerwartungsland und die anschließende Erschließung. Aber auch die Bebauung eines Grundstücks oder die Aufteilung nach dem WEG führen zu großen Werts teigerungen, die den ursprünglichen Marktwert relativ stark erhöhen. Vor dem Hintergrund der hier verwendeten fünfstufigen Maßskala mit einem indifferenten "neutralen Wert" von 3 stehen für die Darstellung der gewerblichen Tendenz zunächst nur zwei Stufen (Bewertungszahlen 4 und 5) zur Verfügung. Wegen der auf die gewerbliche Tendenz beschränkten Aussagekraft des Merkmals blieben so allerdings die Bewertungsstufen 1 und 2 unbesetzt. Durch die Verschiebung der Nullstelle, also durch eine Änderung der Skalierung, lässt sich ein höheres Maß an Differenzierung erreichen. 674 Daher wird als entscheidungsneutraler Wert 1 definiert. Auf diese Weise können die vier verbleibenden Bewertungsstufen dem Ausmaß der Wertsteigerungen Rechnung tragen. Weil Wertschöpfungen wie kleinere An- und Umbauten noch keinen Hinweis auf eine gewerbliche Betätigung bieten, sondern auch im privaten Bereich durchaus noch üblich sind, kann einer für Grundstücke relativ moderaten Wertsteigerung von bis zu 50% nur eine geringfügige gewerbliche Tendenz beigemessen werden. Erst das Entstehen einer Ware von anderer Marktgängigkeit soll eine klare gewerbliche Tendenz aufweisen. 675 Dies ist etwa der Fall bei der Umwidmung von landwirtschaftlich genutzten Flächen in Bauerwartungsland oder bei der Bebauung eines Grundstücks. Hier sind Wertsteigerungen von mehr als 200% nicht selten. Aus diesen Gründen wird eine leicht progressive Skalierung gewählt, die von Wertsteigerungen bis zu 50% (Bewertungszahl 2) über 100% und 200% auf der fünften Stufe alle über 200% liegenden Wertsteigerungen erfasst. 676 Die Maßskala könnte zwar auch anders skaliert, streng linear oder auch degressiv definiert werden, ohne dass sie falsifiziert werden könnte. Der Einfluss derartiger definitorischer Unterschiede darf allerdings nicht überbewertet werden. Denn die gleichzeitige Berücksichtigung der Skalierungsverschiebung bei der Nullstellendefinition stellt sicher, dass der neutrale Teilnutzwert677 in gleicher Weise verändert wird. Innerhalb des Bewertungsbe674 675 676
Vgl. oben I. 2. c). Vgl. oben a). Vgl. auch die Übersicht unten ce).
10 Bloehs
146
5. Teil: Lösungsansatz
reichs, der die gewerbliche Tendenz widerspiegelt (Bewertungszahlen 2-5), wird das Ergebnis durch unterschiedliche Skalierungen lediglich geringfügig beeinflusst. Denn die Bewertungsdifferenz aufgrund verschiedener Skalierungen wird wegen der vierstufigen Skala regelmäßig höchstens den Wert 1 haben. Im Einzelfall kann allerdings über die Gewichtung des Merkmals eine unterschiedliche Skalierung den Entscheidungswert dennoch maßgeblich beeinflussen. Diese Unsicherheit ist aber in Anbetracht der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung insgesamt vorherrschenden Wertungsmöglichkeiten des Rechtsanwenders unumgänglich und vor dem Hintergrund der Vorteile des Nutzwertverfahrens hinzunehmen. Für die Rechtsanwendung entscheidend ist die gleichförmige Anwendung im Rahmen der Subsumtion des Einzelfalles, um eine relative Gleichheit der zu beurteilenden Sachverhalte sicherzustellen. Dafür ist ein systematisches Verfahren ungleich besser geeignet als eine unsystematische Einzelfallbetrachtung. bb) Maßskala bei Wertpapiergeschäften Anders als bei Grundstücken liegen die Wertverhältnisse bei Wertpapieren. Dort werden Teilrechte abgespalten oder neu erworben, die zwar in der Summe mit dem Restwert zu einer Wertsteigerung führen. Doch gleichzeitig wird z.B. der Wert des "gestrippten" Wertpapiers durch den Verlust des Zinsanspruchs reduziert. Lediglich der Erwerb eines Optionsrechts kann in vollem Umfang ohne Belastung des Basiswertes zu einer Wertsteigerung führen. Aber auch in diesem Fall bewegt sich der neu geschaffene Wert im Vergleich zu den Möglichkeiten bei Grundstücken in geringen Größenordnungen. 678 Weil es sich gleichzeitig um eine nur schmale Bandbreite der vorkommenden Wertschöpfungen im ein- bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich handelt, kann eine fünfstufige Maßskala für Wertpapiere nicht sinnvoll skaliert werden. Stattdessen ist der entscheidende qualitative Gesichtspunkt in der Verwendung von Derivaten und umgestaltenden Maßnahmen wie dem Stripping zu sehen, die sich äußerst unterschiedlich auf die gesamte Risiko-Rendite-Struktur auswirken können. Diese (qualitative) AIternativenlage lässt sich im Gegensatz zu quantifizierbaren Merkmalen nicht sinnvoll skalieren, sondern nur durch eine nominale Maßskala erfassen. Es ist deshalb lediglich danach zu differenzieren, ob wertschöpfende oder umgestaltende Maßnahmen vorgenommen werden oder nicht. Ohne Vgl. oben I. 2. c). Der amtliche XETRA-Schlusskurs vom 22.8.2000 betrug beispielsweise für die Siemens-Aktie 175,1O€. Die Optionsscheine der DG-Bank DG Siem CIlO 12/00 lagen bei 6,62€. Die Settlementkurse für CALL-Optionen betrugen auf der Basis von 185,0€ für den Zeitraum 9/00 - 3/01 zwischen 3,0€ - 16,8€, auf der Basis von 170,0€ zwischen 9,6€ - 23,8€ (also 5,48% - 13,2% des Kurswertes des Basispapiers), StZ vom 23.8.2000, S. 14 f. 677 678
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
147
wertschöpfende oder umgestaltende Maßnahmen wird der neutrale Wert 1 vergeben, im Falle der Wertschöpfung der Wert 5. cc) Zusammenfassende Übersicht Demnach ergibt sich für Grundstücke und Wertpapiere eine differenzierte Maßskala für das Abgrenzungsmerkmal "Wertschöpfende oder umgestaltende Maßnahmen": Zielkriterium
Bewertungszahl
Dimension
1*
2
3
4
5
0
:S 50
:S 100
:S 200
> 200
Prozent
ja
-
Wertschöpfende oder umgestaltende Maßnahmen • Grundstücke
~
• Wertpapiere
*
nein
Neutraler Wert.
3. Quantitatives Merkmal der Marktteilnahme
a) Inhalt und Berechtigung des Abgrenzungsmerkmals aa) Relevanz des Merkmals aufgrund des Markteinkommensprinzips Die Anzahl der Veräußerungen besitzt große Relevanz. Sie ist eine objektive Maßzahl, die mit zunehmender Größe auf einen höheren Intensitätsgrad der Marktteilnahme hinweist. 679 Nicht der persönliche Aufwand oder Arbeitseinsatz des Steuerpflichtigen680 ist hier relevant, sondern entsprechend dem markteinkommenstheoretischen Konzept des EStG die Inanspruchnahme infrastruktureller Leistungen einerseits und die nach außen hin in Erscheinung tretende Marktteilnahme andererseits. 681 Die Nutzung des 679 GI. A. bereits Ehlers, DStR 1989, S. 687, 692; Jung, S. 142 f. Ein quantitatives Element wird bereits seit den frühen preußischen Gewerbesteuergesetzen für maßgeblich angesehen, vgL oben 4. Teil A. II. Die Quantität besitzt auch i. R. der Drei-Objekt-Grenze eine große Relevanz, vgL oben 4. Teil D. 11. 680 Dazu vgL unten 5. 681 VgL oben 1. Teil B. III. sowie oben C. I. 7.
10*
148
5. Teil: Lösungsansatz
Marktes als Plattfonn wird mit zunehmender Anzahl der Transaktionen intensiver. Dabei kommt es nicht in erster Linie auf die Anzahl der transferierten Güter (Grundstücke, Aktien) an, sondern auf die Anzahl der Transaktionsvorgänge, die am Markt stattfinden. Das Merkmal der quantitativen Marktteilnahme besteht aus zwei untergeordneten Zielkriterien zweiter Ordnung. 682 Dabei handelt es sich um die absolute Anzahl der Veräzij3erungen (Transaktionsvorgänge) und die Transaktionsquote. 683 Sie stellen keine unterschiedlichen und unabhängigen Kriterien dar, sondern ergänzen sich zum Zielkriterium "quantitative Marktteilnahme". bb) Transaktionsquote (Umschlagshäufigkeit) Die Transaktionsquote berücksichtigt die Größe des Gesamtvennögens des Steuerpflichtigen in der jeweiligen Anlagefonn. Sie ist der Quotient aus dem Wert der veräußerten Wirtschaftsgüter zum Wert des in der zu beurteilenden Anlagefonn gebundenen Gesamtvennögens. Damit wird der wirtschaftlichen Realität Rechnung getragen, dass bei einem größeren Vennögen auch die erforderliche Verwaltungstätigkeit zunimmt, wobei aber insgesamt die die zutreffende Einkommenssphäre mitkennzeichnende typische Relation zwischen Vennögen und Tätigkeit erhalten bleibt. 684 Dementsprechend hat bereits der RFH anerkannt, dass bei einem erheblichen Vennögen häufiger Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden müssen, als beim Besitz geringeren Vennögens. 685 Die Gegenauffassung, die das Merkmal der Umschlagshäufigkeit zumindest bei Wertpapiergeschäften für irrelevant hält686 , führt jedoch im Ergebnis dazu, dass mit steigendem Vennögen die Schwelle zur Gewerblichkeit automatisch überschritten würde, sofern wirtschaftlich notwendige Verwaltungstätigkeiten und Transaktionen vorgenommen werden. 687 Das ließe sich 682 Zur Hierarchiebezogenheit von Zielkriterien vgI. Olfert, S. 280 f. sowie zur Ableitung von "Subzielen" vgI. oben I. 1. c). 683 Transaktionsquote wird hier als Umschlagshäufigkeit des investierten Geldkapitals verstanden. Die Umschlagshäufigkeit ergibt sich aus dem Quotienten des Transaktionsvolumens geteilt durch das Gesamtvermögen, das in dieser Anlageform investiert ist. 684 So bereits Jung, S. 86 m. w. N. sowie ausführlich S. 193 ff. 685 RFH-Urteil vom 28.11.1928, StuW II 1929 Nr. 347 für die Anschaffung und Veräußerung von Grundbesiz. GI. A. Jung, S. 89 sowie S. 93 m. w. N. 686 Weber, DStZ 1991, S. 353, 358; Sorgenfrei, Die Bank 2000, S. 486, 487; Sorgenfrei, FR 1999, S. 64, 66; Richter, S. 68, dieselbe jedoch noch unentschlossen, Merbecks, in: FS Bayer, S. 187, 208. 687 Allein in den Jahren 1992 bis 1999 stieg das Sachvermögen privater Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland von 6.938 Mrd. DM auf 8.831 Mrd. DM
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
149
aber nicht mit der Erkenntnis vereinbaren, dass in maßgeblichem Umfang qualitative Kriterien die Abgrenzung zwischen Vennögensverwaltung und Gewerbebetrieb bestimmen. Quantitative Merkmale dürfen demnach nicht allein zur Gewerblichkeit führen. Die absolute Größe des Vermögens stellt für sich aber ebenfalls kein geeignetes Kriterium dar. 688 Zum Einen wird auch im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvennögen an keiner Stelle danach unterschieden, wie hoch das Kapitalvennögen oder die Einkünfte daraus sind, um auf diese Weise eine Grenze zur Gewerblichkeit zu fingieren. Dem folgt auch der BFH. 689 Zum Anderen wird durch die Einkommensteuer die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen belastet und nicht ein Sollertrag wie bei der früheren Vennögensteuer. 690 Die Berücksichtigung der Vennögensgröße im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Abgrenzung zwischen privater Vennögensverwaltung und Gewerbebetrieb würde dagegen Sollertragsteuercharakter aufweisen. Andererseits können quantitative Merkmale auch nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Denn dem Abgrenzungsmerkmal der Intensität der Marktteilnahme wohnt neben qualitativen Merkmalen immer ein quantitatives Element inne. 691 Selbst die Teile der Literatur, die weder die Anzahl noch die Umschlagshäufigkeit im Rahmen der Abgrenzung für relevant halten 692, gehen davon aus, dass kapitalanlageartspezifisch eine Gesamtbetrachtung
(+27,3%) und das Geldvennögen von 4.115 Mrd. DM auf 6.749 Mrd. DM (+64,0%). Seit 1990 hat sich das Geldvennögen privater Haushalte damit nahezu verdoppelt. Zu drei Vierteln spiegelt der Bestandszuwachs das Ergebnis der "finanziellen Ersparnis" wider, zu einem knappen Viertel beruht er auf Wertsteigerungen, Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2000, S. 24 und S. 26. 688 So aber Lang, Die Bemessungsgrundlage zur Einkommensteuer, S. 480, der bei großen Vennögen die Gewerblichkeit bereits aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes der Vennögensverwaltung bejahen will. Dies ist aber mit der Darstellung auf S. 479 nicht ohne Weiteres vereinbar, wonach bei Wertpapiergeschäften solange keine gewerbliche Tätigkeit vorliegen soll, wie eine planmäßige Pflege des Kapitalstammes und noch keine planmäßige Verwertung der Vennögenssubstanz erfolge. Zurecht für Grundstücke a.A. Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 208 sowie Rn. 125 u. 130 m.w.N.; Biergans, StBp 1991, S. 193 m.w.N. 689 BFH-Urteil vom 18.5.1999 I R 118/97, BStBl. II 2000, S. 28; BFH-Urteil vom 17.1.1973 I R 191/72, BStBl. 11 1973, S. 260; BFH-Urteil vom 22.5.1987 III R 212/83, BFH/NV 1987, S. 717 zum Grundstückshandel; BFH-Urteil vom 11.7.1968 IV 139/63, BStBl. 1968, S. 775 zu Wertpapiergeschäften; BFH-Urteil vom 6.10.1982 I R 7/79, BStBl. 11 1983, S. 80 zum Umfang einer Vermietungstätigkeit (Campingplatz). 690 BVerfGE 93, 121, 136 ff. 691 Vgl. oben C. I. 7. sowie bereits Jung, S. 90. 692 Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 64.
150
5. Teil: Lösungsansatz
vorzunehmen ist. Weshalb innerhalb einer Gesamtbetrachtung die Anzahl und Transaktionsquote keine Relevanz haben sollen, bleibt jedoch offen. Richtigerweise sind also quantitative Elemente als Einzelmerkmale innerhalb einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. 693 Bei der konkreten Ennittlung der Transaktionsquote dient nicht das gesamte Vermögen des Steuerpflichtigen als Maßstab, weil infolge des Einkunftsarten- und des daraus abzuleitenden Trennungsprinzips auch nur das Transaktionsvolumen der jeweils zu beurteilenden Anlageform in die Gleichung eingeht. Zähler und Nenner müssen dieselbe Dimension haben, um eine klare Aussage zu ermöglichen. cc) "Anzahl der Veräußerungen" und "Transaktionsquote" als Zielkriterien zweiter Ordnung Durch die Aufteilung des quantitativen Merkmals in zwei Subkriterien werden also die Schwächen einer nur die Anzahl der Veräußerungen berücksichtigenden Betrachtung durch die Einbeziehung eines relativierenden Maßstabs (Gesamtvermögen) kompensiert: Mit dieser Differenzierung des quantitativen Merkmals in zwei Teilmerkmale wird eine erhöhte Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles erreicht. Denn die absolute Zahl der Transaktionen kann die Intensität der Marktteilnahme ohne gleichzeitige Berücksichtigung der Relation der Transaktionen zum Gesamtvermögen nicht korrekt wiedergeben. dd) Trennung der zu beurteilenden Transaktion von einem bestehenden Gewerbebetrieb Für die vorliegende Abgrenzungsentscheidung folgt aus dem Trennungsprinzip694, dass die im Rahmen eines bestehenden Gewerbebetriebs ausgeführten Veräußerungsgeschäfte nicht in die quantitative Betrachtung einbezogen werden können. ee) Keine Berücksichtigung eigengenutzter Wirtschaftsgüter Bestandteil der Markteinkommenstheorie ist die Erkenntnis, dass eine steuerlich nicht erfasste Privatsphäre existiert, zu der der private Konsum zählt. 695 Besteuerungsgrundlage sollen danach das dem Erwerb, nicht der 693 Zustimmend wenigstens für den Bereich des Grundstückshandels i.e.S., Fischer, FR 1999, S. 946, 947. 694 Vgl. oben 4. Teil B. 695 Ausführlich Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 43 ff.
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
151
privaten Lebensführung gewidmete Wirtschaftsgut (Erwerbsvermögen), und die Berufsausübung, nicht die der privaten Lebensgestaltung dienende Tätigkeit sein. 696 Dementsprechend werden eigengenutzte Wirtschaftsgüter nicht in die nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung einbezogen. Bei Wertpapieren ist allerdings im Gegensatz zu Grundstücken eine derartige Eigennutzung nicht möglich. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Einfügung des § 23 Abs. I Nr. I Satz 3 EStG, wonach ein Gewinn aus der Veräußerung zu Wohnzwecken selbstgenutzten unbeweglichen Wirtschaftsgütern nichtsteuerbar ist. 697 Zum gleichen Ergebnis kommt auch der BFH in einzelnen Entscheidungen. 698 Ein solches Wirtschaftsgut wird dann nicht in die Beurteilung einbezogen. Allerdings finden sich auch Entscheidungen, in denen der BFH die Auffassung vertritt, eine kürzere oder auch längere Eigennutzung von Wohnungen unterscheide sich von der Vermietung nicht, weshalb die zeitweise Eigennutzung von Grundstücken deren Zählwert im Rahmen der Drei-ObjektGrenze nicht beeinträchtige. 699 Diese Gleichsetzung ist nach der Abschaffung der Nutzwertbesteuerung ab 1987 und der nun geltenden Konsumgutlösung vor dem Hintergrund der Trennung einer Privat- von der Erwerbssphäre nicht mehr zu rechtfertigen. 7oo Um kurzfristige Umgehungsversuche zu vermeiden, werden zu Wohnzwecken eigengenutzte Wirtschaftsgüter nur dann nicht in die nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung einbezogen, wenn die Fristen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG n. F. eingehalten wurden. 696 Paul Kirchhof, in: K/S, § 2 Rn. A 116, A 666. GI.A. Lang, Die einfache und gerechte Einkommensteuer, S. 22 ff.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 127. 697 Vgl. oben 1. Teil D. III. 3. So auch Bitz, DStR 1999, S. 792, der aufgrund der gesetzlichen Neuregelung eigengenutzte Grundstücke nicht als Objekte i. S. d. Drei-Objekt-Grenze wertet. 698 BFH-Urteil vom 12.7.1991 III R 47/88, BStBI. 11 1992, S. 143; BFH-Urteil vom 19.12.1990 X R 165/87, BFH/NV 1991, S. 381; gl.A. wie der BFH Söffing, DStZ 1996, S. 353, 356. Diese Entscheidungen ergingen allerdings im Zusammenhang mit der Frage nach der Absicht einer alsbaldigen Veräußerung bereits im Zeitpunkt des Erwerbs; hier genügte dem BFH die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, um den Anscheinsbeweis des engen zeitlichen Zusammenhangs zu widerlegen. 699 BFH-Urteil vom 11.4.1989 VIII R 266/84, BStBI. II 1989, S. 621, 623. 700 Der zugrunde liegende Sachverhalt betraf das Jahr 1979, wurde beim BFH im Jahr 1984 anhängig und 1989 entschieden. Das BFH-Urteil vom 28.11.1991 XI R 291 89, BFH/NV 1992, S. 310, 311 f. ließ zwar die Eigennutzung als Ausschlussmerkmal ebenfalls nicht gelten, im entschiedenen Fall allerdings mit der Besonderheit einer jeweils nur kurzzeitigen Eigennutzung (jeweils weniger als drei Jahre) und ohne weiterer Gründe für die Veräußerungen. Eine Gleichsetzung von Eigennutzung und Fremdvermietung ist mit diesem Urteil also nicht verbunden. Altfelder, FR 2000, S. 349, 359 will für eigene Wohnzwecke genutzte Einfamilienhäuser zutreffenderweise grundsätzlich nicht in die Drei-Objekt-Grenze einbeziehen.
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5. Teil: Lösungsansatz
ff) Beschränkung der Betrachtung auf Veräußerungsakte Bei der Ermittlung der Transaktionsquote wird auf Veräußerungsakte abgestellt. Denn Veräußerungsakte sind für die Frage der Intensität der Marktteilnahme von wesentlich größerer Bedeutung als Erwerbsakte. Schließlich stellen die Erträge als Gegenleistung für die jeweilige Teilnahme am Absatzmarkt die leistungsfähigkeitserhöhende Komponente im Steuertatbestand dar. 701 Entscheidend sind im vorliegenden Zusammenhang sogar nur die Veräußerungsakte 702 , weil die Berücksichtigung der Erwerbsakte zu einer unzulässigen Doppeleifassung führen würde. Bei Veräußerungen, denen äquivalent ebenfalls ein Erwerbsakt gegenübersteht, würde die Berücksichtigung des Erwerbs lediglich zu einer höheren Anzahl ohne Veränderung der Aussagekraft führen. In den Fällen aber, in denen beispielsweise nach einer Parzellierung oder nach einem Bondstripping mehreren Veräußerungen nur ein (Gesamt-)Erwerbsakt gegenüberstehen würde, ergäbe sich eine geringere Anzahl an berücksichtigungsfahigen Transaktionen. Dies würde definitions gemäß eher auf eine private Vermögensverwaltung hindeuten, obwohl gerade wertschöpfende oder umgestaltende Maßnahmen die Ursache für die geringere Transaktionszahl gewesen wären. Die beiden Merkmale "Anzahl der Veräußerungen" und "wertschöpfende oder umgestaltende Maßnahmen" würden sich in ihrer Aussagekraft gegenseitig weitgehend egalisieren. Im umgekehrten Fall, dass einer Veräußerung mehrere Erwerbe gegenüberstehen, erscheint es dagegen auf den ersten Blick erforderlich, beide Transaktionen zu berücksichtigen. Eine genauere Betrachtung ergibt jedoch, dass auch in diesen Fällen die Einbeziehung aller Transaktionen in die Betrachtung materiell nicht erforderlich ist und im Rahmen der Nutzwertanalyse systemwidrig wäre. Als Beispiel für mehrere Erwerbe bei nur einer Veräußerung wird der Erwerb mehrerer Grundstücksparzellen und deren Vereinigung im grundbuchrechtlichen Sinne zu einem Grundstück genannt. Ein solches Vorgehen ist in der Tat eher ungewöhnlich und könnte auf eine gewerbliche Tätigkeit hindeuten. Eine Berücksichtigung beim Merkmal der Anzahl der Transaktionen ist indes nicht erforderlich. Handelt es sich bei der Grundstücksvereinigung nämlich um eine wirtschaftlich sinnvolle Maßnahme, dann ist sie regelmäßig mit einer Wertschöpfung oder Umgestaltung des Grundstücks verbunden. Wertschöpfende oder umgestaltende Maßnahmen wie die ParzelIierung oder Aufteilung in Eigentumswohnungen werden 701 Vgl. Tipke/Kruse, § 38 Tz. 6, die im Rahmen des § 15 EStG die Frage nach der steuerauslösenden Leistung am Markt stellen. 702 I. E. gl. A. bereits Hörmann, S. 34; Herzig/Lutterbach, DStR 1999, S. 521, 525 i.R. der Drei-Objekt-Grenze; Biergans, StBp 1991, S. 193, 196, allerdings ohne Begründung.
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
153
aber bereits als eigenständiges Merkmal erfasst; dies gilt auch für den umgekehrten Fall der Grundstücksvereinigung. Die erneute Berücksichtigung im vorliegenden Merkmal würde also zu einer unzulässigen Doppelerfassung der Wertschöpfung und folglich zu einer verdeckten Übergewichtung dieses Merkmals führen. Führt die Grundstücksvereinigung hingegen zu keiner Werterhöhung, dann ist die Frage nach dem wirtschaftlichen Sinn der Maßnahme zu stellen, und die Tatbestandsvoraussetzungen des § 42 AO sind zu prüfen. Daher beschränkt sich das quantitative Merkmal "Anzahl" auf Veräußerungsakte. 703 gg) Definition des Transaktionsobjektes Die Frage nach der Definition des Transaktionsobjektes ist bereits von der Drei-Objekt-Theorie her bekannt. Die Anzahl der Veräußerungen kann nur dann bestimmt werden, wenn geklärt ist, was als zählbare Transaktion zu werten ist. Dabei ist im vorliegenden Rahmen der quantitativen Merkmalsbestimmung lediglich auf eine numerische Betrachtung abzustellen. Deshalb wird mit der überwiegenden Anzahl der Senate des BFH allein darauf abgestellt, ob das Transaktionsgut auch Gegenstand eines Grundstückskauf- bzw. Wertpapierkaufvertrages sein könnte?04 Die vom X. Senat des BFH beabsichtigte Ausnahme705 für "Zubehör-Räume" wie Garagen wird nicht übernommen. Dies würde ansonsten die Aussagekraft des rein quantitativen Merkmals der Anzahl beeinträchtigen, weil die Intensität der quantitativen Marktteilnahme durchaus unterschiedlich hoch ist, ob - wie im Entscheidungsfall des X. Senats - eine Eigentumswohnung inklusive Garage in einem notariellen Kaufvertrag übertragen wird, ob zwei Verträge erforderlich sind oder gar die Garage an einen Dritten veräußert wird. hh) Notwendigkeit einer anlageformspezifischen Maßskala Die Verwendung eines quantitativen Merkmals erfordert eine anlageformspezifische Maßskala. Nach einhelliger Auffassung kann für Transaktionen 703 Der Klarheit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Übertragung von Wirtschaftsgütern im Wege der Schenkung oder einer "freigebigen Zuwendung" keinen Zählwert haben kann, sofern kein Fall des § 42 AO vorliegt. Dies ergibt sich bereits aus der bei diesen Transaktionen fehlenden Gewinnerzielungsabsicht. Diese Vorgänge werden nicht vom EStG, sondern vom ErbStG erfasst. I. E. auch BFH-Beschluss vom 20.5.1998 III B 9/98, BStBl. II 1998, S. 721 m. umfangr. N. zur Rechtsprechung. 704 Vgl. oben 4. Teil D. II. 3. a). 705 Vgl. oben 4. Teil D. II. 3. a).
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5. Teil: Lösungsansatz
von Grundstücken und von Wertpapieren nicht dieselbe Anzahl abgrenzungsrelevant sein. Dazu sind diese Anlageformen zu unterschiedlich. 706 So bestehen zwischen Grundstücken einerseits und Wertpapieren sowie Finanzinnovationen andererseits regelmäßig bereits Unterschiede in der ,,Lebensdauer". Sind Grundstücke grundsätzlich unvergänglich und Gebäude i. d. R. weit über 50 Jahre lang nutzbar, so existieren Optionen meist nur zwischen ein und sechs Monaten707 und festverzinsliche Wertpapiere, von langfristigen Staatsanleihen abgesehen, meist nicht länger als 5-10 Jahre. 70S Bereits aus diesem Grund unterliegen Wertpapiere einem erhöhten Transaktionszwang709 und einer erhöhten Transaktionsquote. Ein weiterer Unterschied liegt in der Transaktionsfähigkeit (Fungibilität)710. So können Wertpapiere außerordentlich unkompliziert und schnell, häufig telefonisch oder per Internet, transferiert werden. Für Grundstücke und grundstücks gleiche Rechte bestehen hingegen Formvorschriften und der Zwang zur Abwicklung im Grundbuchverkehr. Ein Grundstück wird daher kaum häufiger als drei bis viermal jährlich übertragbar sein. Zwischen Wertpapieren und Grundstücken bestehen zudem große Volatilitätsunterschiede711 , die Anleger bei Wertpapieren bereits aus wirtschaftlichen Gründen zu häufigeren Umschichtungen zwingen. 712 Ein weiterer Unterschied liegt in dem Ausmaß der Kapitalbindung. Einzelne Wertpapiere erfordern eine wesentlich geringere Kapitalbindung als Grundstücke. Bei bebaubaren oder bebauten Grundstücken werden mehrere hunderttausend Euro gebunden, wohingegen nur wenige Aktien Kurswerte von mehr als eintausend Euro aufweisen. 713 Sämtliche beschriebenen Unterschiede deuten darauf hin, dass bei Wertpapieren faktisch und wirtschaftlich ein Zwang zu einer höheren Transak706 Z.B. Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 63; Schmidt-Liebig, INF 1999, S. 641; BFH-Urteil vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStBI. 11 1999, S. 706. 707 Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 63 ff.; Sorgenfrei, Die Bank: 2000, S. 486, 487. 708 Die Lebensdauer von Aktien ist indes nicht begrenzt. 709 Gl.A. Kessler, FR 1991, S. 318; Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 64; Jung/ Redanz, ZBB 1993, S. 68, 85. 710 So auch Führer, S. 155. 711 GI. A. Gohout/Specht/Ripper, Die Bank: 2000, S. 422. So ist auch Jung, S. 92 m. umfangr. N. zur Literatur und Rspr. zu verstehen, der die besondere Krisen- und InfIationssicherheit von Immobilien hervorhebt. 712 Bereits die ältere Rechtsprechung des BFH betont, dass im Gegensatz zu Grundstücken bei Wertpapieren ein hohes Maß an Transaktionen "in der Natur der Sache" liege, vgI. BFH-Urteil vom 11.7.1968 IX 139/63, BStBI. 1968, 775 ff. m. w.N. zur Rechtsprechung. 713 Von den DAX-Werten beträgt der aktuelle Kurswert sogar nur bei Allianz und den Namensaktien der Münchener Rückversicherung wenig mehr als 3OO€, StZ 24.8.2000, S. 14.
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
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tionszahl besteht als bei Grundstücken. Eine solche anlageformspezifische Differenzierung hat auch der Steuergesetzgeber in § 23 EStG vorgenommen. Dort werden für unbewegliche Wirtschaftsgüter (insb. Grundstücke) mit einer Frist von 10 Jahren wesentlich längere "Spekulationsfristen" vorgesehen als bei beweglichen Wirtschaftsgütern mit einer Frist von nur einem Jahr. Dies trägt dem Erfordernis häufigerer Transaktionen bei Wertpapieren Rechnung. Bei Wertpapieren wird also die Intensität der Marktteilnahme anband einer anderen Maßskala mit höheren Werten bestimmt als bei Grundstücken?14 ii) Notwendigkeit eines anlagefonnspezifischen Ennittlungszeitraums Die Anzahl der Transaktionen kann nur dann bestimmt werden, wenn der relevante Ennittlungszeitraum definiert ist, in den Transaktionen fallen müssen, um einen Zählwert zu erlangen.715 Die Begrenzung des Ermittlungszeitraums ist erforderlich, weil ansonsten lebenslang Transaktionen berücksichtigt würden und mit zunehmendem Lebensalter die Summe der Transaktionen eher auf eine Gewerblichkeit deuten würden als bei jüngeren Steuerpflichtigen. Die Gefahr einer gewerblichen Betätigung nähme folglich mit zunehmendem Lebensalter zu. Außerdem wäre es lebensfremd, Transaktionen vor 30 Jahren hinsichtlich der Frage einer gewerblichen Betätigung heutigen Veräußerungsgeschäften zuzurechnen. 716 Zur Definition des Ermittlungszeitraums bietet sich grundsätzlich die Höchstgrenze von zehn Jahren an. Zum einen wird in § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Steuerbarkeit auf einen Zeitraum von zehn Jahren begrenzt. Die gleiche Zeitspanne gilt gern. § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG für die Berücksichtigung früherer Erwerbe von derselben Person und gern. § 15 a Abs. 1 Satz 2 UStG für die Vorsteuerberichtigung bei Grundstücken und Gebäuden. § 15 a UStG enthält dabei die Wertung, dass nach Ablauf von höchstens zehn Jahren der unternehmerische Zusammenhang mit dem ursprünglichen Vorsteuerabzug nicht mehr in dem Maße gegeben ist, dass beim Wegfall der Umsatzsteuerpflicht noch eine rückwirkende Korrektur des Vorsteuerabzugs erfolgen müsste. Selbst die längste Steuerfestsetzungsfrist beträgt bei Steuerhinterziehung höchstens zehn Jahre?17 Bei bebauten Grundstücken ver714 Sorgenfrei, Die Bank 2000, S. 486, 487 lehnt deshalb ein quantitatives Kriterium völlig ab. Ausführlich bereits Sorgenfrei, FR 1999, S. 61, 63 f. 715 Gl.A. i.R. der Drei-Objekt-Grenze Neufang, INF 1991, S. 465, 469 ff. 716 Wo der BFH die Grenze setzen will, ist völlig offen, nachdem er im Rahmen der Gesamtbetrachtung "auf die gesamte überschaubare Tätigkeit" abstellt, BFHUrteil vom 18.5.1999 I R 118/97, BStBl. 11 2000, S. 28; BFH-Urteil vom 14.3.1989 VIII R 96/84, BFH/NV 1989, S. 784, 785.
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5. Teil: Lösungsansatz
langt die Finanzverwaltung einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren, um ohne weitere Prüfung von privater Vermögensverwaltung ausgehen zu können?18 Damit erkennt auch die Finanzverwaltung an, dass der Ermittlungszeitraum grundsätzlich zu begrenzen ist. Für Grundstücke ist daher von einem zehnjährigen Ermittlungszeitraum auszugehen. Der Ermittlungszeitraum ist außerdem anlageformspezifisch zu differenzieren. Denn auch hier wirken sich die strukturellen Unterschiede zwischen den Anlageformen aus. Während aufgrund der unterschiedlichen Transaktionsfähigkeit der Wirtschaftsgüter bei weniger fungiblen Anlagefonnen ein längerer Ermittlungszeitraum notwendig ist, um eine planmäßige Betätigung erkennen zu können, so genügt bei den "kurzlebigeren" und transaktionsfähigeren Wertpapieren eine kürzere Frist. Die Intensität der Marktteilnahme ist bei Transaktionen, die dem Grundbuchverkehr unterliegen, auch höher als bei formlos möglichen Transaktionen, sodass bei Grundstücken bereits eine geringere Anzahl von Veräußerungen auf eine gewerbliche Tätigkeit hindeutet. Ein kürzerer Ermittlungszeitraum lässt sich bei Wertpapieren auch mit den schnellen Veränderungen des Kapitalmarktes rechtfertigen, weil die Zielkriterien und Maßskalen in wenigen Jahren überholt sein können. Würde sich der Ermittlungszeitraum auf Zeiten erstrecken, für die noch andere Maßskalen als richtig erkannt wurden, dann stellte eine Neuqualifikation jedenfalls eine (unechte) rückwirkende Maßnahme dar und ginge zumindest zulasten der Planbarkeit und Rechtsicherheit. Wird im Rahmen des § 15 a Abs. 1 Satz 1 UStG bei anderen Wirtschaftsgütern als Grundstücken und Gebäuden noch von einer allgemeinen Rückwirkungsfrist von 5 Jahren ausgegangen, so begnügt sich § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des StEntlG 19991200012002 mit einem Jahr. Gerade bei Wertpapieren ist diese kurze Einjahresfrist als Ermittlungszeitraum zu bevorzugen, weil dies den häufig nur "kurzlebigen" Wertpapieren entspricht. jj) Zwischenergebnis zu Inhalt und Berechtigung eines quantitativen Merkmals Das quantitative Merkmal wird durch die zwei untergeordneten Zielkriterien der Anzahl der Transaktionen und der Transaktionsquote dargestellt. Entsprechend den Vorgaben des Trennungsprinzips werden Veräußerungen eines Gewerbetreibenden insoweit nicht in die Betrachtung einbezogen, als sie klar dem gewerblichen Bereich zugeordnet sind. Ebenso keinen Zähl717 § 169 Abs. 2 S. 2 AO. Aufgrund der Regelungen zum Beginn der Festsetzungsfrist in § 170 AO ergibt sich faktisch aber eine längere Frist. 718 BMF-Schreiben vom 20.12.1990 IV B 2 - S 2240 - 61/90, BStBl. I 1990, S. 884, Tz. 2.
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
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wert erhalten Veräußerungen von eigengenutzten Wirtschaftsgütem. Den Unterschieden der einzelnen Anlageformen wird durch eine anlageformspezifische Maßskala im Rahmen der Anzahl der Transaktionen Rechnung getragen. Auch der Ermittlungszeitraum unterscheidet sich je nach Anlageform. Die Transaktionsquote berücksichtigt schließlich die Tatsache, dass eine rein quantitative Abgrenzung nicht möglich ist und daher auch im Rahmen der nutzwertorientierten Gesamtbetrachtung ausgeschlossen sein muss.
b) Definition der Maßskalen aa) Maßskala des Abgrenzungsmerkmals "Anzahl der Veräußerungen"
(1) Maßskala bei Grundstücken Nachdem die einmalige Veräußerung regelmäßig bereits keine nachhaltige Tätigkeit darstellt, kann im Rahmen der nutzwertorientierten Gesamtbetrachtung, insbesondere bei Grundstücken, eine Bewertung erst bei mindestens zwei Transaktionen vorgenommen werden. Dies dürfte grundsätzlich im Ermiulungszeitraum von 10 Jahren noch im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung liegen. Die Veräußerung von durchschnittlich einem Objekt jährlich während des gesamten Ermittlungszeitraums deutet demgegenüber auf eine gewerbliche Tätigkeit hin?19 Daher werden zwei Veräußerungen der niedrigsten Bewertungszahl 1 zugeordnet; zehn und mehr Veräußerungen der höchsten Bewertungszahl 5. Die Skalierung erfolgt streng linear in Zweierschritten. Als Nullstelle wird die Bewertungszahl 2 definiert, weil es die im Rahmen des Nutzwertverfahrens erfolgende tatsächliche Gesamtbetrachtung rechtfertigt, den grob vereinfachenden numerischen Ansatz der Drei-Objekt-Grenze72o, der materiell nicht belegt werden kann, moderat zu erhöhen. Damit wird den Einflüssen der übrigen Merkmale korrelierend Rechnung getragen. Auf diese Weise nähert sich die quantitative Betrachtung auch der früheren Auffassung der Finanzverwaltung und von Teilen der Literatur an, die bis in die achtziger Jahre noch die Veräußerung von sechs Objekten als vermögensverwaltende Tätigkeit qualifizierte. 721 719 Die Anzahl der Transaktionen in Relation zum Gesamtvermögen wird korrelierend im Rahmen der Transaktonsquote berücksichtigt, vgl. unten bb). 720 Zur Drei-Objekt-Grenze vgl. oben 4. Teil D. 11. 721 Erlass des Finanzministeriums Bayern vom 15.10.1976 31-S 2240-118-63458, StEK, EStG, § 15 Nr. 59; OFD Stuttgart, Verfügung vom 15.10.1976 S 2240 A - 3 St 34, DB 1977, S. 1870 sowie Verfügungen der OFD Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart vom 18.9.1985, StEK EStG § 15 Nr. 133 Tz. l.2.4. Zur Literatur vgl. die umfangreichen Nachweise bei Jung, S. 183 FN. 509.
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5. Teil: Lösungsansatz
(2) Maßskala bei Wertpapieren
Den anlagefonnspezifischen Besonderheiten der Wertpapiere wird neben dem kurzen Ermittlungszeitraum von einem Jahr durch eine eigenständige Skalierung Rechnung getragen. Zunächst ist festzustellen, dass die auch im Rahmen des § 20 EStG vorzunehmende Einzelbetrachtung jedes einzelnen Wertpapiers im vorliegenden Zusammenhang nicht aussagekräftig ist. Denn regelmäßig werden nicht nur einzelne Aktien, sondern größere Stückelungen in einem, wenn auch nicht rechtlich, so doch wirtschaftlich und organisatorisch einheitlichen Transaktionsakt übertragen. Die Intensität der Marktteilnahme wird dabei nicht so sehr von der Anzahl der übertragenen Wertpapiere, sondern von der Anzahl der Transaktionen bestimmt. 722 Ansonsten hätte beispielsweise die Nennwertumstellung der meisten DAX-Werte von 50-DM-Aktien auf 5-Euro-Aktien zu einer in der Folgezeit intensiveren Marktteilnahme geführt. Vor dem Hintergrund der Unterschiede der Anlagefonnen wird für Wertpapiere eine um den Faktor 10 höhere Skalierung gewählt als bei Grundstücken. 723 Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ermittlungszeiträume ergibt sich auf den für Grundstücke geltenden Ermittlungszeitraum bezogen für Wertpapiere eine um den Faktor 100 erhöhte Skalierung. (3) Zusammenfassende Übersicht
Demnach ergibt sich für das Abgrenzungsmerkmal ,,Anzahl der Veräußerungen" für Grundstücke und Wertpapiere folgende differenzierte Maßskala: Zielkriterium
Bewertungszahl
Dimension
1
2*
3
4
5
2-3
4-5
6-7
8-9
2:10
Objekte/lO Jahre
> 100
Transaktionen p.a.
Anzahl der Veräußerungen • Grundstücke • Wertpapiere
*
~
40
~
60
~
80
~
100
Neutraler Wert.
722 Anders ist es im Rahmen des Merkmals des engen zeitlichen Zusammenhangs, vgl. unten 4. 723 Diese Skalierung lässt sich auch mit der in der Literatur vertretenen Auffassung vereinbaren, wonach bereits eine nachhaltige Tätigkeit etwa 20-30 Wertpapiergeschäfte erfordere, Weber, DStZ 1991, S. 353, 356; Jung/Redanz, ZBB 1993, S. 68, 79.
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
159
bb) Maßskala des Abgrenzungsmerkmals "Transaktionsquote" Die Transaktionsquote wird ermittelt als Quotient aus dem Wert der veräußerten Wirtschaftsgüter einer Anlageform und dem in dieser Anlageform vor Veräußerung gebundenen Gesamtvermögen. Der neutrale Wert wird im Anschluss an eine aus der Rechtsprechung abgeleiteten Auffassung in der Literatur mit 50% des Gesamtvermögens definiert. 724 Eine Transaktionsquote von höchstens 25 % weist auf private Vermögensverwaltung hin. 72s Der mehrfache Umschlag des vorhandenen Vermögens deutet demgegenüber klar auf eine gewerbliche Tätigkeit hin, weshalb einer Transaktionsquote von mehr als 100% die Bewertungszahl 5 zugeordnet wird. Daraus ergibt sich für das Abgrenzungsmerkmal "Transaktionsquote" die folgende einheitliche Maßskala: Zielkriterium
Transaktionsquote
Dimension
Bewertungszahl
1
2*
3
4
5
::; 25
::; 50
::; 75
::; 100
> 100
Prozent
* Neutraler Wert. 4. Zeitlicher Zusammenhang zwischen Erwerb bzw. Vornahme wertschöpfender oder umgestaltender Maßnahmen und Veräußerung
a) Inhalt und Berechtigung des Abgrenzungsmerkmals
Der zeitliche Zusammenhang wird vom BFH und dem ihm folgenden Teil der Literatur726 als objektives Merkmal verstanden, das eine bedingte Veräußerungsabsicht "indiziert,,727. Zwar besitzt eine bedingte Veräußerungsabsicht für die Abgrenzungsentscheidung keinerlei Relevanz728, der zeitliche Zusammenhang ist aber dennoch von Bedeutung. So wird auch 724 Vgl. ausführlich Jung, S. 193 ff. mit der Ableitung aus: BFH-Urteil vom 8.8.1979 I R 186178, BStBl. I 1980, S. 106; FG Bremen, Urteil vom 29.11.1984 11 125-128/83, EFG 1985, S. 358; BFH-Urteil vom 22.5.1987 III R 212/83, BFHI NY 1987, S. 717; FG Schlweswig-Holstein, Urteil vom 3.11.1983 I 146/80, EFG 1984, S. 304. 725 Ausführlich Rose, DB 1980, S. 2464,2469 f.; Jung, S. 193 ff. 726 Insb. Schrnidt-Liebig, StBp 1998, S. 66, 67 ff., wenn auch von der typologischen Betrachtungsweise ausgehend. 727 Zurecht ausdrücklich Söffing, DStR 2000, S. 916 sowie Söffing, DStZ 1996, S. 353, 356 m. w. N. Ausführlich zur Rechtsprechung vgl. Jung, S. 132 ff. 728 Vgl. oben C. I. 5.
160
5. Teil: Lösungsansatz
zutreffend ausgeführt, dass einer gewerblichen Tätigkeit die Tendenz einer möglichst kurzen Kapitalbindung innewohnt. 729 Je enger der zeitliche Zusammenhang ist, desto geringer ist der Umfang der aus dem Wirtschaftsgut gezogenen Erträge. 73o Dadurch wird der Aspekt der Fruchtziehung zugunsten der Substanzverwertung in den Hintergrund gedrängt. 731 Daher folgt das zeitliche Merkmal auch aus den quellentheoretischen Grundsätzen der Überschusseinkünfte und damit aus dem Einkünftedualismus. 732 Das Merkmal des engen zeitlichen Zusammenhangs unterscheidet sich von der Transaktionsquote darin, dass die Transaktionsquote diesen zeitlichen Faktor nicht erfasst. Außerdem stellt die Transaktionsquote auf Wertverhältnisse ab, das Merkmal des engen zeitlichen Zusammenhangs hingegen auf das einzelne transferierte Wirtschaftsgut. Das Merkmal des zeitlichen Zusammenhangs ist demgegenüber auch dann mit einer hohen Bewertungszahl zu versehen, wenn zwar nur wenige Transaktionen vorliegen, diese aber in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb erfolgen. Es ist also durchaus möglich, dass das Merkmal des engen zeitlichen Zusammenhangs in hohem Maße erfüllt ist, aber nur eine niedrige Transaktionsquote vorliegt. Infolgedessen liegt kein Fall der unzulässigen Doppelerfassung eines Kriteriums vor. Fraglich ist die Behandlung geerbter WirtschaJtsgüter. Für die Abgrenzungsentscheidung ist die vom Steuerpflichtigen verwirklichte Intensität der Marktteilnahme festzustellen 733 und nicht diejenige seines Rechtsvorgängers. Nur unter engen Voraussetzungen kann die Tätigkeit Dritter dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden, wenn diese von ihm veranlasst worden ist. 734 Der Erwerb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kann nicht vom Steuerpflichtigen beeinflusst werden. Der Steuerpflichtige hat somit das 729 BFH-Urteil vom 15.3.2000 X R 130/97, DStR 2000, S. 1131, 1133 ausdrücklich entgegen BMF-Schreiben vom 20.12.1990 IV B 2 - S 2240 - 61/90, BStBl. I 1990, S. 884, Tz. 2; BFH-Urteil vom 23.10.1975 VIII R 60170, BStBl. 11 1976, S. 150 sowie insoweit zutreffend der Vorlagebeschluss vom 29.10.1997 X R 183/ 96, BStBl. 11 1998, S. 332. Vgl. auch Jung, S. 173 ff. Zur betriebswirtschaftlichen Zielsetzung einer möglichst geringen Kapitalbindung vgl. z. B. Wöhe, S. 667 f. Diesen Umstand übersieht Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 127, die im Übrigen zutreffend ausführt, dass die staatlich institutionalisierte Ordnung immer in gleichem Umfang beansprucht wird, unabhängig von einem mehr oder weniger engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Erwerb und Veräußerung. 730 Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 127. Die Möglichkeit der Erzielung von Emissionsgewinnen wie bei dem Börsengang der Infineon AG und anderer Unternehmen während einer euphorischen Phase am Neuen Markt bis Mitte des Jahres 2000 stellen allerdings besonders eng begrenzte Ausnahmefälle dar. 731 So zutreffend bereits Ehlers, DStR 1989, S. 687,689. 732 Lang, FR 1997, S. 201, 205 ff. 733 Vgl. oben C. I. 7. 734 Vgl. oben 2. Teil A. IV. 4. b).
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
161
Wirtschaftsgut auch nicht im Rahmen einer planmäßigen Tätigkeit angeschafft,735 die auf eine gewerbliche Tendenz hindeuten könnte. Aus diesem Grund würde im Sonderfall des Erwerbs durch Gesamtrechtsnachfolge die notwendige Beschränkung der zeitlichen Betrachtung auf die Besitzzeit des Erben unzulässigerweise auf Gewerblichkeit hindeuten, falls eine kurzfristige Veräußerung erfolgte. Die zeitnahe Veräußerung von geerbten Wirtschaftsgütern deutet nicht auf eine gewerbliche Tätigkeit hin, sondern bewegt sich noch im Rahmen privater Vermögensverwaltung. 736 Folglich sind geerbte Wirtschaftsgüter in die Ermittlung des zeitlichen Zusammenhangs nicht einzubeziehen. 737 Dies gilt allerdings nur für die im Nachlass befindlichen Wirtschaftsgüter und nicht für das dadurch verkörperte Vermögen. Denn die Anschaffung eines Surrogates im Anschluss an die Veräußerung eines geerbten Wirtschaftsguts kann dem Erben selbst zugerechnet werden. Wird dieses Surrogat anschließend wieder in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dessen Erwerb veräußert, dann deutet dies wie auch bei anderen Wirtschaftsgütern auf eine gewerbliche Tendenz hin. Eine Ausweitung auf die sog. vorweggenommene Erbfolge oder allgemein auf Schenkungen ist nicht erforderlich. 738 Diese Übertragungen im Wege der EinzelrechtsnachJolge erfordern die Mitwirkung des Steuerpflichtigen, sodass deren Umfang, Form und Zeitpunkt leicht gestaltet werden kann. Der qualitative Unterschied zum aktiven Erwerb durch den Steuerpflichtigen wird bereits im Merkmal der "Art des Erwerbs,,739 berücksichtigt. Der weiteren Abstufung zwischen Gesamtrechtsnachfolge und Schenkung bzw. vorweggenommener Erbfolge wird durch die Ausgrenzung der Gesamtrechtsnachfolge im vorliegenden Zusammenhang Rechnung getragen. Die Kombination der Merkmale "Art des Erwerbs" und "zeitlicher Zusammenhang" führt zu einer dreistufigen Intensitätswertung: Der Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge deutet auf private Vermögensverwaltung hin, sodass die Kombination der Merkmale "Art des Erwerbes" und "enger zeitlicher Zusammenhang" zu minimalen Bewertungszahlen gelangt. Der Erwerb durch Schenkung ist weitgehend indifferent, wohingegen der aktive Kauf im Vergleich zur Gesamtrechtsnachfolge und Schenkung eher auf Gewerblichkeit hindeutet. Eine Übergewichtung dieser Grundaussagen, insbe735 Führer, S. 132; Altfelder, FR 2000, S. 349, 360. So wohl auch i. E. BFHUrteil vom 15.3.2000 X R 130/97, DStR 2000, S. 1131 zu Grundstücken, wenn auch im Zusammenhang mit der Frage nach dem Vorliegen einer bedingten Veräußerungsabsicht ergangen. 736 Führer, S. 153 f.; Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 134. 737 So bereits zutreffend Biergans, StBp 1991, S. 193, 195. 738 A.A. Söffing/Klümpen-Neuse1, DStR 2000, S. 1753, 1755 ff. 739 Vgl. oben 1. 11 Bloehs
162
5. Teil: Lösungsansatz
sondere in der Hinsicht, dass auch im Rahmen privater Vermögensverwaltung häufige Erwerbe stattfinden können, wird durch die Zielkriteriengewichtung vermieden. 74o Der zeitliche Zusammenhang zwischen Erwerb bzw. Vornahme werterhöhender Maßnahmen und Veräußerung stellt infolgedessen mit Ausnahme des Erwerbs durch Gesamtrechtsnachfolge ein relevantes Abgrenzungsmerkmal dar. b) Definition der Maßskala
aa) Notwendigkeit einer anlageformspezifischen Maßskala Die Maßskala für den engen zeitlichen Zusammenhang ist ebenfalls anlagejormspezijisch zu definieren. Denn die anlageformspezifischen Unterschiede hinsichtlich der wirtschaftlichen Notwendigkeit, Transaktionen vorzunehmen741, sind auch hier zu berücksichtigen. bb) Maßskala bei Grundstücken Bei Grundstücken wird im Rahmen der problematischen Drei-ObjektGrenze ein Haltezeitraum von grundsätzlich bis zu fünf Jahren als auf eine gewerbliche Tätigkeit hinweisender enger zeitlicher Zusammenhang angesehen. Nur in besonderen Fällen kann diese Frist auf bis zu zehn Jahre ausgedehnt werden?42 Diese Unterteilung in einen kurzfristigen Bereich von bis zu fünf Jahren, einen mittelfristigen von mehr als fünf und bis zu zehn Jahren sowie einen langfristigen Bereich über zehn Jahre wird auch von Teilen der Literatur übernommen, die die Drei-Objekt-Regel i. W. ablehnen?43 Eine Besitzzeit von weniger als fünf Jahren weist demnach tendenziell auf eine gewerbliche Tätigkeit hin, rechtfertigt jedenfalls eine zusammenhängende Beurteilung mehrerer Veräußerungen. 744 Eine längere Besitzzeit deutet eher auf private Vermögensverwaltung hin. 745 Als neutraler Wert mit der Bewertungszahl 3 wird demzufolge eine Besitzzeit von fünf Jahren definiert. Eine kürzere Besitzzeit erhält höhere Bewertungen und eine länVgl. unten V. Vgl. oben 3. a) hh). 742 Vgl. oben 4. Teil D. 11. 1. 743 Jung, S. 173 ff. 744 Jung, S. 174. 745 Ehlers, DStR 1989, S. 687, 689 ff. So i.E. auch Schmidt-Liebig, Abgrenzung, Rn. 140, allerdings hinsichtlich der Frage, ob eine bedingte Veräußerungsabsicht indiziert wird. 740 741
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
163
gere Besitzzeit niedrigere. Die Skalierung erfolgt dabei unter Berücksichtigung des Ennittlungszeitraums von 10 Jahren gleichfönnig?46 cc) Maßskala bei Wertpapieren Ausgehend von den für Grundstücke entwickelten Grundsätzen wird die Maßskala für Wertpapiere entsprechend definiert. Der einjährige Ennittlungszeitraum, der der Haltefrist des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG entspricht, wird demnach gleichförmig auf die fünfstufige Bewertungsskala verteilt; eine Besitzzeit von mehr als einem Jahr wird folglich mit der Bewertungszahl 1 bewertet, eine Besitzzeit von weniger als einem Vierteljahr mit der Bewertungszahl 5. Bei der Ermittlung der Besitzzeit ist für Wertpapiere im Gegensatz zu Grundstücken eine Besonderheit zu beachten. Grundstücke sind wegen der grundbuchmäßigen Erfassung stets individualisiert, deren Besitzzeit somit unproblematisch feststellbar. Soweit möglich, sind auch Wertpapiere anhand ihrer Seriennummem individuell nachzuweisen. Häufig wird aber insbesondere bei Aktien eine Girosammelverwahrung durch ein Kreditinstitut erfolgen, sodass die Wertpapiere lediglich der Art und Zahl nach bestimmbar sind. 747 In diesen Fällen sieht die Rechtsprechung des BFH im Rahmen des § 23 EStG zur Fristenermittlung eine Durchschnittsbetrachtung vor, weil der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung der Anwendung eines Verbrauchsfolgeverfahrens748 entgegenstehe. 749 Eine Übertragung dieser, wegen des steuerbegründenden Charakters der "Spekulationsfrist", für § 23 EStG zutreffenden Rechtsprechung auf den vorliegenden Zusammenhang ist allerdings nicht zwingend geboten. Denn allein durch die Bejahung eines engen zeitlichen Zusammenhangs kann im Rahmen der nutzwertorientierten Gesamtbetrachtung keine Steuerbarkeit entstehen. Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, der hier an § 15 Abs. 2 EStG und nicht an § 23 EStG zu messen ist, kann also nicht verletzt werden. Allerdings können die VerbrauchsfolgeverVgl. die Übersicht unten dd). §§ 5 f. DepotG. Vgl. dazu auch die Ausführungen in BFH-Urteil vom 24.11.1993 X R 49/90, BStBl. 11 1994, S. 591 ff. 748 Z. B. LiFo = Last In First Out; FiFo = First In First Out. 749 BFH-Urteil vom 24.11.1993 X R 49/90, BStBl. 11 1994, S. 591 mit umfangr. Nachweisen zur Literatur; BFH-Urteil vom 4.5.1994 X R 157/90, BFH/NV 1995, S. 195. Vgl. auch Heinicke, in: Ludwig Schmidt, § 23 Rn. 8 und Rn. 40 m.w.N. Das BFH-Urteil vom 24.11.1993 enthält ein Berechnungsbeispiel des BFH zur Ermittlung der Besitzzeit nach der Durchschnittsbetrachtung, das darauf hinausläuft, dass nur die Zahl an Wertpapieren, die zweifellos innerhalb der Spekulationsfrist wieder veräußert wurden, in die Besteuerung einbezogen werden können. 746 747
11*
5. Teil: Lösungsansatz
164
fahren auch im vorliegenden Zusammenhang wegen ihres letztendlich fiktiven Charakters nicht angewendet werden. 75o Denn die Verwendung der LiFo-Methode hätte eine typisierende Verkürzung der Behaltefrist und damit eine systemwidrige gewerbliche Tendenz zur Folge. Die FiFo-Methode bewirkte den umgekehrten Effekt, eine system widrige Tendenz zur privaten Vermögensverwaltung.
Wenn Wertpapiere nicht individualisierbar sind, bleibt daher allein eine Durchschnittsbetrachtung anhand der tatsächlichen Besitzzeiten. Diese Durchschnittsbetrachtung weicht von derjenigen des BFH im Rahmen des § 23 EStG insofern ab, als nicht eine bestimmte Anzahl von Wertpapieren zu ermitteln ist, die eine vorgegebene Frist einhalten, sondern die durchschnittliche Behaltefrist aller Wertpapiere gleicher Art. 751 Es ist also ein gewichteter Durchschnitt zu bilden. Beispiel]: Bestand Sammeldepot
Behalte/rist (Monate)
I; Monate
100 Aktien 100 Aktien 200 Aktien
24
2.400
4
400 2.800
Gewichtete durchschnittliche Behaltefrist: 2.800 : 200 = 14,0 Monate
Beispiel 2: Bestand Sammeldepot
Behalte/rist (Monate)
10 Aktien
12
120
200 Aktien
3
600
210 Aktien
I; Monate
720
Gewichtete durchschnittliche Behaltefrist: 720 : 210 = 3,4 Monate
750 So zutreffend die ausführliche Begründung zum fiktiven Charakter in BFHUrteil vom 24.11.1993 X R 49/90, BStBl. 11 1994, S. 591. 751 Eine Differenzierung erfolgt anhand der Wertpapierkennnummer (WKN).
D. Die Lösung durch eine nutzwertorientierte Gesamtbetrachtung
165
dd) Zusammenfassende Übersicht Im Rahmen der vorliegenden Gesamtbetrachtung wird immer die Veräußerung von mehreren Wirtschaftsgütern untersucht. Daher muss für jedes transferierte Wirtschaftsgut die individuelle Besitzzeit ermittelt und für die Zuweisung einer Bewertungszahl der Durchschnitt gebildet werden. Nur bei nicht individualisierbaren Wertpapieren wird hilfsweise eine gewichtete durchschnittliche Besitzzeit ermittelt. Zur Erhöhung der Operationalität der Methode wird die durchschnittliche Besitzzeit kaufmännisch auf die nächste ganze Zahl gerundet. Für das Abgrenzungsmerkmal des durchschnittlichen ,,Zeitlichen Zusammenhangs" ergibt sich demnach folgende anlageformspezifische Maßskala: Zielkriterium
Bewertungszahl
Dimension
1
2
3*
4
5
Zeitlicher Zusammenhang • Grundstücke
0
>10
?7
?5
?3
1
?
?lh
?