Produktionsverantwortung: Die Pflichten zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen bei der industriellen und gewerblichen Produktion [1 ed.] 9783428496808, 9783428096800

Abfällen aus der industriellen Produktion kommt sowohl wegen der anfallenden Mengen als auch wegen der Gefährlichkeit de

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Produktionsverantwortung: Die Pflichten zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen bei der industriellen und gewerblichen Produktion [1 ed.]
 9783428496808, 9783428096800

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MATIlllAS LOCHER

Produktionsverantwortung

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dömer Dr. Dirk Ehlers Dr. Jürgen Welp

Band 126

Produktionsverantwortung Die Pflichten zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen bei der industriellen und gewerblichen Produktion

Von

Matthias Locher

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Locher, Matthias: Produktionsverantwortung : die Pflichten zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen bei der industriellen und gewerblichen Produktion I von Matthias Locher. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft; Bd. 126) Zug!.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09680-0

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©

Alle Rechte vorbehalten 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-09680-0

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

e

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1998 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Die Arbeit ist im Dezember 1997 fertiggestellt worden. Literatur und Rechtsprechung haben im wesentlichen noch bis zum Herbst 1998 in den Fußnoten Berücksichtigung gefunden. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hans D. Jarass, der mich über lange Jahre während meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl, zunächst an der Ruhr-Universität Bochum, später in Münster gefördert hat. Er hat auch das Thema der Arbeit angeregt und wertvolle weiterführende Hinweise gegeben. Herrn Prof. Dr. Pieroth danke ich rur die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Dank schulde ich auch Herrn Dr. Michael Hoffmann fiir seine stete Bereitschaft und Geduld, das Thema ,,Abfall" zu diskutieren. Bei den Herausgebern der "Münsterischen Beiträge zur Rechtswissenschaft", namentlich Herrn Prof. Dr. Erichsen, bedanke ich mich fiir die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe und beim Kuratorium zur Verleihung des Harry-Westerrnann-Preises fiir die Berücksichtigung der Dissertation bei der Preisverleihung 1998. Mein letzter und besonderer Dank gilt schließlich meinen Eltern. Ihnen widme ich die Arbeit.

Essen, im August 1999

Matthias Locher

Inhaltsverzeichnis Gegenstand und Gang der Untersuchung .................................................................. 15

Erster Teil Der erweiterte Abfallbegriff

20

A. Gründe der Neufassung des Abfallbegriffs................................................................ 20 B. Stoffströme in der Produktion aus technischer Sicht.. ............................................... 23 I.

Ursachen für die Entstehung von Rückständen in der Produktion ...................... 23

11. Beispielsfälle ....................................................................................................... 25 C. Bewegliche Sachen .................................................................................................... 28 I.

Sache ................................................................................................................... 29

11. Beweglich ............................................................................................................ 30 III. Vom Abfallrecht ausgenommene Stoffe.............................................................. 33 I. Abwasser ........................................................................................................ 33 2. Sonstige Stoffe ............................................................................................... 39 D. Bedeutung des Anhangs I und des Europäischen Abfallkatalogs .............................. 40 I.

Anhang 1............................................................................................................. .40

11. Europäischer Abfallkatalog ................................................................................ .42 I. Unmittelbare Indizwirkung der Abfallbeschreibungen .................................. 42 2. Bedeutung des EAK für die Bestimmung der Verkehrsanschauung .............. 44 3. Ausschlußwirkung des EAK .......................................................................... 46 4. Umsetzung ins deutsche Recht ...................................................................... .47 E. Die Entledigungstatbestände ..................................................................................... 47 I.

Entledigung nach § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG .......................................................... .48 I. Zuführen zu einer Verwertung oder Beseitigung ........................................... 48 a) Zuführen ................................................................................................... .48 b) Entsorgung im Sinne der Anhänge 11 A und 11 B ...................................... 51 aa) Abschließender Charakter der Anhänge............................................ .52

8

Inhaltsverzeichnis bb) Konkretisierung der Begriffe ,,Beseitigung" und "Verwertung" durch die Anhänge 11 A und 11 B ....................................................... 54 cc) Beseitigungsvorgänge ........................................................................ 57 dd) Verwertungsvorgänge ........................................................................ 57 (1) Verfahrensbeschreibungen des Anhangs 11 B ............................. 58 (2) Kennzeichen einer Verwertung nach § 4 Abs. 3 und 4 KrW-/AbfG ....................................................................... 59 (3) Systematischer Zusammenhang mit § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG ...... 61 (4) Verwertung im Sinne der Abfallrahmenrichtlinie ...................... 62 (5) Zusammenfassung und Einzelfragen .......................................... 63 2. Aufgabe der Sachherrschaft ............................................................................ 67

II. Der Entledigungswille ......................................................................................... 68 I. Wille zur Entledigung und Willensannahme .................................................. 68 2. Nicht bezweckter Anfall (§ 3 Abs. 3 S. I Nr. I KrW-/AbfG) ........................ 76 a) Zum Begriff des Anfalls in § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG .................. 78 b) Zweck des Produktionsprozesses .............................................................. 83 aa) Auffassung des Erzeugers .................................................................. 83 bb) Verkehrsanschauung als Korrektiv zur Erzeugerauffassung .............. 85 c) Konkretisierung der Verkehrsanschauung ................................................. 87 aa) Die Bezeichnung als Kuppel- oder Zwischenprodukt ........................ 91 (I) Zum Begriff des ,,Kuppel-" oder "Nebenprodukts" ................... 92 (2) Zu den Begriffen "Vor-" oder ,,zwischenprodukt" .................... 96 (3) Ergebnis ...................................................................................... 96 bb) Gewinnbringende Veräußerung und Marktwert................................. 97 (I) Gewinnerzielung ......................................................................... 99 (2) Vorhandensein eines zahlungswilligen Marktes ....................... 101 cc) Gegenstand eines Handelsvertrages ................................................. 105 dd) Erfüllen von Produktnorrnen ............................................................ 106 ee) Entstehenlassen trotz Verrneidbarkeit .............................................. 110 ff) Steuerung und Kontrolle des Produktionsprozesses im Hinblick auf die anfallende Sache .................................................... 112

gg) Zweck der Anlage nach der 4. BImSchV ......................................... 113 hh) Inhalt des Genehmigungsbescheides ................................................ 115

Inhaltsverzeichnis

9

ii)

Anfall in einer nachgeschalteten Anlage zur Minderung von Emissionen ................................................................................ 116

ii)

Abfallbeschreibungen des EAK ....................................................... 117

kk) Zusammenfassung ............................................................................ 118 3. Produktabfälle .............................................................................................. 118 a) Wegfall der ursprünglichen Zweckbestimmung ...................................... 118 b) Neuer Verwendungszweck ...................................................................... 119 c) Bedeutung der Verkehrsanschauung ....................................................... 121 4. Zum Verhältnis der beiden Alternativen des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG .......... 124 a) Erforderlichkeit der Abgrenzung ............................................................. 124 b) Lösungsansätze ........................................................................................ 127

111. Entledigen müssen ............................................................................................. 132

I. Wegfall der bisherigen Verwendung ............................................................ 133 2. Bestehen eines neuen Verwendungszwecks ................................................. 134 3. Gefahrenpotential ......................................................................................... 135

4. Notwendigkeit einer Entsorgung nach Abfallrecht ...................................... 137 F. Ende der Abfalleigenschaft...................................................................................... 140 G. Der Abfallbegriff im Bundes-Immissionsschutzgesetz............................................ 146

H. Zusammenfassung und Würdigung ......................................................................... 151

Zweiter Teil Die Verzahnung von Abfall- und Immissionsschutzrecht

155

A. Frühere Rechtslage und Ansätze für eine Neuregelung ........................................... 156

I.

Rechtslage vor Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ...... 156

11. Ansätze für eine Neubestimmung des Verhältnisses ......................................... 161 I. Empfehlungen des Sachverständigenrates .................................................... 162 2. Referenten-Entwurf ...................................................................................... 163 3. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ...................................................... 165 4. Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungs-Entwurf .......................... 167 5. Die Beschlußempfehlung des Umweltausschusses ....................................... 168 6. Endgültige Fassung ...................................................................................... 170 B. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-/AbfG ........................... 171

I.

Vermeidungspflichten ....................................................................................... 171

IO

Inhaltsverzeichnis 11. Verwertungspflicht ............................................................................................ 175 I. Adressaten .................................................................................................... 175 2. Inhalt der Verwertungspflicht nach § 5 Abs. 2 KrW-IAbfG ........................ 180 a) Ordnungsgemäß....................................................................................... 180 b) Schadlos .................................................................................................. 181 c) Getrennthaltung und getrennte Behandlung ............................................ 182 d) Hochwertige Verwertung ........................................................................ 182 e) Verhältnis von stofflicher und energetischer Verwertung ....................... 186 3. Verhältnis von Verwertung und Beseitigung ............................................... 187 a) Abgrenzung zwischen Verwertung und Beseitigung............................... 187 b) Grenzen der Verwertungspflicht... ........................................................... 190 aa) Technisch möglich ........................................................................... 190 bb) Wirtschaftlich zumutbar ................................................................... 192 cc) Umweltverträglichere Beseitigungsalternative................................. 200 111. Überwachung .................................................................................................... 201

C. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG ............................... 206 I.

Genehmigungsbedürftige Anlagen .................................................................... 206 I. § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG ........................................................................... 206 a) Vermeidungspflicht ................................................................................. 206 aa) Anlageninterne Kreislauffuhrung ..................................................... 208 (I) Kreislauffuhrung....................................................................... 209 (2) Anlagenintern ........................................................................... 211 bb) Vermeidung durch anlageninterne Verwertung? ............................. 218 cc) Verhältnis zur Verwertung ............................................................... 226 b) Verwertungspflicht .................................................................................. 228 aa) Verwertungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG als anlagenbezogene Betreiberpflicht.. ............................................. 229 (1) Vergleich mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Nr. 1 BImSchG ......................................................................... 235 (2) Verhältnis von Vermeidungs- und Verwertungspflicht ............ 236 (3) Anlagenbezogenheit des immissionsschutzrechtlichen Kontrollinstrumentariums ......................................................... 237 (4) Beschränkung der Nachsorgepflicht auf Abfälle im Anlagenbereich ......................................................................... 240 (5) Anlagenbezogenheit der immissionsschutzrechtlichen Beseitigungspflicht ................................................................... 241

Inhaltsverzeichnis

11

(6) Ergebnis .................................................................................... 245 bb) Anforderungen an die Durchfllhrung der Verwertung ..................... 247 c) Grenzen der Verrneidungs- und Verwertungspflicht ............................... 249 2. § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG ........................................................................... 252 11. Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen ........................................................... 260 1. Errnöglichung der Entsorgung (§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG) .............. 260 2. Entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ........................ 267 D. Die Verzahnung anlagen- und stoftbezogener Pflichten ......................................... 274 I.

Vorrang der Betreiberpflichten .......................................................................... 275 1. Erfaßte Betreiberpflichten ............................................................................ 277 2. Reichweite des Vorrangs der Betreiberpflichten .......................................... 281

11. Stoftbezogene Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung .............. 284 III. Anforderungen an die anlageninteme Verwertung ............................................ 290 I. Verordnungsvorbehalt nach § 9 S. 3 KrW-/AbfG ........................................ 290 2. Anlageninterne Verwertung ......................................................................... 297 IV. Bindung der Abfallbehörden durch die Entscheidungen der Immissionsschutzbehörden ................................................................................ 301 1. Bindung der Abfallbehörden an die Beurteilung der externen Verwertung durch die Immissionsschutzbehörde ......................................... 303 2. Folgerungen fllr die Auslegung des Genehmigungsbescheides sowie fllr die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen ................................... 316 3. Selbstbindung der Abfallbehörden durch die Stellungnahme im immissionsschutzrechtIichen Genehmigungsverfahren ........................... 320 4. Bindung der Immissionsschutzbehörde an Genehmigungen und Anordnungen der Abfallbehörden ................................................................ 322 5. Bindung an die Beurteilung des Anlagenzwecks ......................................... 323 6. Zusammenfassung ........................................................................................ 323 E. Würdigung ............................................................................................................... 324

Zusammenfassung ...................................................................................................... 326

Literaturverzeichnis ................................................................................................... 340

Sachverzeichnis ........................................................................................................... 352

Abkürzungsverzeichnis AbfKoBiV

Verordnung über Abfallwirtschaftskonzepte und Abfallbilanzen

ABI.

Amtsblatt

AJ

AbfallwirtschaftsJoumal (Zeitschrift)

AMG

Arzneimittelgesetz

BestbüAbfV

Verordnung zur Bestimmung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen

BestüVAbfV

Verordnung zur Bestimmung von überwachungsbedürftigen Abfällen zur Verwertung

BR-Drs.

Drucksachen des Bundesrates

BT-Drs.

Drucksachen des Deutschen Bundestages

ders.

derselbe

dies.

dieselben

EAK

Europäischer Abfallkatalog

EG-AbfRRL

Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (75/442/EWG), ABI. EG vom 25.7.1975, Nr. L 194/47

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

GK-BImSchG

Gemeinschaftskommentar zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, hrsg. von Hans-Joachim Koch und Dieter H. Scheuing

HdUR

Kimminichlv. LersnerlStorm, Handwörterbuch des Umwe1trechts

HUR

HimmelmannIPohllTünnesen-Harmes, Handbuch des Umwe1trechts

i. E.

im Ergebnis

i. S. d.

im Sinne des/der

Kennz.

Kennziffer

KrW -IAbfG

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz

LAGA

Länderarbeitsgemeinschaft Abfall

LAI

Länderausschuß flir Immissionsschutz

Iit.

litera

LKV

Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis

13

LWG

Landeswassergesetz

MURL

Ministerium rur Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen

NachwV

Verordnung über Verwertungs- und Beseitigungsnachweise (Nachweisverordnung) vom 10.9.1996, BGBI. 11411.

NW

Nordrhein-Westfalen

RAWG

Rückstands- und Abfallwirtschaftsgesetz

RdA

Recht der Abfallbeseitigung

RdE

Recht der Energiewirtschaft (Zeitschrift)

RL

Richtlinie

Rs.

Rechtssache

Slg.

Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs

SRU

Rat von Sachverständigen rur Umweltfragen

Staub-RL

Staub - Reinhaltung der Luft (Zeitschrift)

v.

vom, von

VerwArch

Verwaltungsarchiv (Zeitschrift)

VwV

Verwaltungsvorschrift

WiVerw

Wirtschaft und Verwaltung, Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv (Zeitschrift)

ZAU

Zeitschrift rur angewandte Umweltforschung

ZfU

Zeitschrift rur Umweltrecht und Umweltpolitik

Ziff.

Ziffer

ZUR

Zeitschrift rur Umweltrecht

Hier nicht aufgeruhrte Abkürzungen finden sich in Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, Berlin 1983.

Gegenstand und Gang der Untersuchung Im Herbst 1996 trat das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen und mit ihm das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz sowie verschiedene Änderungen weiterer Gesetze in Kraft. Bei der Erarbeitung und auch noch im Zeitpunkt der Verabschiedung des neuen Abfallrechts sah sich der Gesetzgeber mit einer unverändert angespannten Situation in der Abfallentsorgung, dem vielbeschworenen "Entsorgungsnotstand" konfrontiert. t Dem Abfallaufkommen stehe, so die Bundesregierung, eine weder quantitativ noch qualitativ ausreichende Entsorgungskapazität gegenüber. 2 Mitursächlich fiir den Entsorgungsnotstand sei die noch immer unzureichende Nutzung der Möglichkeiten zur Verwertung von Abfällen und des Einsatzes abfallarmer Verfahren, was u. a. auf das Fehlen klarer gesetzlicher Vorgaben fiir diesen Bereich zurückzufiihren sei. 3 Als einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der bestehenden Probleme hob die Bundesrelierung die Förderung einer umweltverträglichen Kreislaufwirtschaft hervor. Die Notwendigkeit einer Beseitigung von Abfällen müsse durch die vorrangige Vermeidung und Verwertung von Abfällen soweit wie möglich vermieden werden. S Noch vor Inkrafttreten des neuen Abfallrechts hatte sich die Entsorgungslage jedoch deutlich verändert. 6 Die gegenwärtige Diskussion wird bestimmt durch zurückgehende Abfallmengen7 und Überkapazitäten im Bereich der Abfallbeseitigung. Nicht ausgelastete Deponien und Müllverbrennungsanlagen8 fiihren zu einem regelrechten Wettbewerb der Betreiber um Abfälle. 9 Ein

I Vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/5672, S. 31; ferner die Beschlußempfehlung des Umweltausschusses, BT-Drs. 12/7240, S. 1. 2 BT-Drs. 12/5672, S. 1. 3 BT-Drs. 12/5672, S. 31. 4 BT-Drs. 12/5672, S. 31. s BT-Drs. 12/5672, S. 1 f. 6 Brandt, in: BrandtlRuchaylWeidemann, KrW-/AbfG, Syst I Rn. 9. 1 Das Gesamtabfallaufkommen sank von 1990 bis 1993 um 19%, SRU, Umweltgutachten 1996, Tz. 377. 8 Nach einer Umfrage des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft waren 1994 Deponien und MV A nur noch zu 60 bis 70% ausgelastet, SRU, Jahresgutachten 1996, BT-Drs. 13/4108, Tz. 382. 9 Vgl. die Eröffnungsansprache von Hoppe beim Symposium des Freiherr-vomStein-Instituts am 14.6.1996, in: HoppelBauerlFaber/Schink (Hrsg.), Auswirkungen des

16

Gegenstand und Gang der Untersuchung

Grund fiir diese Entwicklung ist sicherlich darin zu sehen, daß seit einigen Jahren die Bemühungen um eine stärkere Vermeidung und Verwertung von Abfällen Früchte tragen. IO Insbesondere haben sich die Gewichte zwischen den Entsorgungsaltemativen Beseitigung und Verwertung zugunsten der letzteren verschoben. 11 Trotz dieser gegenwärtigen Entspannung der Situation im Bereich der Abfallbeseitigung warnt der Rat von Sachverständigen fiir Umweltfragen in seinem Jahresgutachten 1996 ausdrücklich davor, die Bemühungen um eine Entlastung des Beseitigungsbereichs 12 abzuschwächen. 13 Die Auswirkungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes auf die Entsorgungssituation ließen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen,14 insbesondere stünde nicht zuletzt aufgrund der Veränderungen der europäischen und nationalen Abfallnomenklatur nur eine unzureichende Datenbasis zur Verfiigung.15 Die vorrangige Vermeidung und Verwertung von Abfällen ist nach wie vor geboten. Zugleich weist die gegenwärtige Entspannung der Situation im Bereich der Abfallbeseitigung auf die gestiegene Bedeutung der Abfallvermeidung und -verwertung und damit auch derjenigen gesetzlichen Regelungen hin, die Vermeidung und Verwertung steuern. Eine solche Steuerung ist notwendig, da auch eine Verwertung, wenngleich unter dem Gesichtspunkt der Ressourcenschonung gegenüber einer Beseitigung grundsätzlich vorzugswürdig, keineswegs per se umweltunschädlich ist. Gleiches gilt in gewissem Umfang auch fiir die Vermeidung. Zudem wird angesichts der gestiegenen Verwertungsquoten die Befiirchtung geäußert, es handele sich um "Scheinverwertungen", die teils auf niedrigem innovativem Niveau stattfänden und die Einführung hochwertiger Maßnahmen zur Vermeidung und Verwertung erschweren oder verhindern würden, teils ökologisch fragwürdiger seien als die Beseitigung, die materiell und formell strengen Reglementierungen unterläge. 16 Auch dies unterstreicht die Bedeutung der gesetzlichen Vorgaben fiir das "Ob" und "Wie" der Vermeidung und Verwertung von Abfällen.

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes auf die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, S. 3. \0 Vgl. auch SRU, Umweltgutachten 1994, Tz. 517. 11 Dazu bereits SRU, Umweltgutachten 1994, Tz. 513; speziell rur den Bereich der Produktionsspezifischen Abflille vgl. auch den Entwurf des LAGA-Arbeitspapier vom 7.3.1996, Ziff. O. 12 Der Umweltrat spricht zwar von Entsorgung. Aus dem Hinweis auf "Verbrennungsanlagen und Deponien" ergibt sich aber, daß hiermit vor allem die Beseitigung von Abfallen gemeint ist; vgl. BT-DRs. 13/4108, Tz. 382 ff., 414. 13 SRU, Umwe1tgutachten 1996, BT-Drs. 13/4108, Tz. 414. 14 BT-Drs. 13/4108, Tz. 414. 15 BT-Drs. 13/4108, Tz. 376, 385. 16 Entwurf des LAGA-Arbeitspapier vom 7.3.1996, Ziff. O.

Gegenstand und Gang der Untersuchung

17

Mit seiner Zielsetzung, Vermeidung und Verwertung von Abfallen zu fördern, wendet sich das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfallen weniger an den privaten Endverbraucher. Wie ein Blick auf § 13 KrW-/AbfG zeigt, bleibt es für ihn auch nach Inkrafttreten der Abfallrechtsnovelle im wesentlichen bei der Pflicht, seine Abfalle den Entsorgungsträgern zu überlassen. Adressat der wichtigsten Neuerungen gegenüber dem Abfallgesetz von 1986 sind vielmehr in erster Linie die industriellen und gewerblichen Abfallerzeuger. 17 Die als Ausdruck des Verursacherprinzips 18 eingeführten Grundpflichten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (§§ 5, 11 KrW-/AbfG), die zu einer Verlagerung der Entsorgungsverantwortung weg von den öffentlichen Entsorgungsträgern hin zu den Erzeugern führen, sowie die damit verbundenen neuen Möglichkeiten der Organisation der Entsorgung (§§ 17, 18 KrW-/ AbfG) haben nur für die Abfallerzeuger aus der Wirtschaft Bedeutung. Auch die Erweiterung des Abfallbegriffs mit dem Ziel, Reststoffe und sog. Wirtschaftsgüter in das Abfallregime einzubeziehen, ist in erster Linie für Industrie und Gewerbe bedeutsam. Industrie und Gewerbe sollen, so die Zielsetzung des Gesetzgebers, angehalten werden, verstärkt "vom Abfall her zu denken". 19 Hierbei sind nach der gesetzgeberischen Konzeption zwei Bereiche zu unterscheiden: Produkt- und Produktionsverantwortung. 2o Die Produktverantwortung bestimmt sich nach Maßgabe der §§ 22 ff. KrW-/AbfG und beinhaltet neben Anforderungen an die Gestaltung der gezielt hergestellten Erzeugnisse die Einführung von Rücknahme- und Rückgabesystemen. Unter Produktionsverantwortung ist demgegenüber die Schaffung abfallarmer Produktionsverfahren sowie die Verwertung bei der Produktion angefallener Abfalle zu verstehen. Der Vermeidung und Verwertung von Abfallen aus der Produktion kommt abfallwirtschaftlich eine ganz erhebliche Bedeutung zu, sowohl wegen der in diesem Bereich anfallenden Abfallmengen (1993: 77 Mio. t Produktionsabfalle im Vergleich zu 43 Mio. t Hausmüll)21 als auch mit Blick auf die besondere Gefahrlichkeit der sog. Sonderabfälle, die in größeren Mengen fast ausschließlich in der industriellen und gewerblichen Produktion anfallen. 22 Produktions abfalle stellen damit einen Hauptanwendungsfall des neuen Abfallrechts dar. Die Produktionsverantwortung ist indes nicht allein im Kreis-

17 Vgl. auch die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/5672, S. 2. 18 Vgl. BT-Drs. 12/5672, S. 1,32. 19 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/5672, S. 2; Petersen, Das abfallpolitische Konzept des KrW-/AbfD, S. 53. 20 Diese Unterscheidung triffi bereits die Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrs. 12/5672, S. 2. 21 SRU, Umweltgutachten 1996, BT-Drs. 13/4108, Abbildung 2.17, S. 161. 22 Sutter, Sonderabfälle, S. 9. 2 Locher

18

Gegenstand und Gang der Untersuchung

laufwirtschafts- und Abfallgesetz geregelt, sondern ergibt sich im wesentlichen erst aus einem Ineinandergreifen von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht. Das Immissionsschutzrecht enthält bereits seit 1974 "materielles Abfallrecht',23 in Form von anlagenbezogenen Verwertungs- und Beseitigungs- und seit 1985 auch Vermeidungspflichten. Diese ,,zweigleisigkeit,,24 hatte sich freilich in der Vergangenheit als problematisch erwiesen.2s Der Rat von Sachverständigen fiir Umweltfragen hat in seinem Sondergutachten ,,Abfallwirtschaft" von 1991 auf zahlreiche Disharmonien und Wertungswidersprüche hingewiesen. 26 Die Reform des Abfallrechts verfolgte daher ausdrücklich auch die Zielsetzung, die beiden Regelungsbereiche besser zu "verzahnen".27 Die Anwendung sowohl der Bestimmungen des Abfallrechts als auch der einschlägigen immissionsschutzrechtlichen Regelungen wird nach dem vollständigen Inkrafttreten des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen nunmehr einheitlich durch den Abfallbegriff gesteuert. Gleichzeitig ist der Abfallbegriff neu gefaßt worden. In einem ersten Teil wird daher zu untersuchen sein, unter welchen Voraussetzungen Stoffe und Gegenstände aus dem Produktionsbereich als Abfälle den abfallrechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Vermeidungs- und Verwertungspflichten unterworfen sind. Einen besonderen Problernschwerpunkt wird dabei die Abgrenzung zwischen Produktionsabfällen einerseits und sog. Neben- oder Koppelprodukten andererseits bilden. Es steht zu erwarten, daß diese Grenzziehung in Zukunft ähnlich umstritten sein wird, wie nach der alten Rechtslage die Unterscheidung zwischen Abfall und Wirtschaftsgut. 28 Der zweite Teil der Arbeit ist der Frage gewidmet, wie die anlagenbezogenen Pflichten des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und die stoffbezogenen Pflichten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz einander zuzuordnen sind. Dazu wird es zum einen erforderlich sein, sich einen Überblick über die Probleme der früheren Rechtslage sowie die im Gesetzgebungsverfahren erwoge-

23 Rehbinder, DVBJ. 1989, 496; SRU, Sondergutachten ,,Abfallwirtschaft", Tz. 94; v. Lersner, NuR 1981,2; Weidemann, Abfallentsorgungsanlagen, S. 65; vgJ. auch Rebentisch, NVwZ 1997,417. 24 SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 95. 25 Salzwedel, NVwZ 1989,821 f.; Rebentisch, UPR 1987,403; Scheier, Rechtsprobleme, S. 45 ff.; vgJ. ferner Schenkel/Reiche, ZAU 1993, 188. 26 SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 95, 236; vgJ. auch SRU, Umwe1tgutachten 1994, Tz. 498. 27 So bereits die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Bundesrats-Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Abfallgesetzes und des Bundes-Imrnissionsschutzgesetzes, BT-Drs. 12/631, S. 14; vgJ. ferner die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/5672, S. 36,43. 28 VgJ. an dieser Stelle nur Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich des neuen Abfallbegriffs, S. 58 m. w. N.

Gegenstand und Gang der Untersuchung

19

nen Lösungsmöglichkeiten zu verschaffen. Zum anderen bedarf vor allem der Inhalt der immissionsschutzrechtlichen Pflichten einer eingehenderen Bestimmung. Erst auf der Grundlage dieser Untersuchungen kann in einem dritten Schritt die Verzahnung von Abfall- und Immissionsschutzrecht durch den neuen Abfallbegriffund die Regelung des § 9 KrW-/AbfG untersucht und gewürdigt werden.

Erster Teil

Der erweiterte Abfallbegriff A. Gründe der Neufassung des Abfallbegriffs Der erweiterte Abfallbegriff ist einer der Kernpunkte des neuen Abfallrechts. Die Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG steuert den Anwendungsbereich des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und damit die Reichweite der hierin begründeten Pflichten. 1 Zugleich ist durch Art. 2 des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen der Begriff "Reststoffe" im Bundes-Imrnissionsschutzgesetzes durch den Begriff ,,Abfälle" ersetzt worden, der damit auch Anknüpfungspunkt für die imrnissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten ist. Der Abfallbegriff entscheidet somit darüber, welche bei der industriellen Produktion anfallenden Stoffe den abfallbezogenen Pflichten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und des Bundes-Imrnissionsschutzgesetzes unterliegen. Die Neuregelung des Abfallbegriffs war im Gesetzgebungsverfahren heftig umstritten. Im Vordergrund standen allerdings weniger die sachlichen Inhalte als vielmehr die zu wählende Formulierung. Noch der Umweltausschuß des Bundestages hatte in seiner Beschlußempfehlung an der im ersten Referentenentwurf, dem sog. "Töpfer-Entwurf',2 entwickelten Begriffstrias "Rückstände - Sekundärrohstoffe - Abfälle" festgehalten. 3 Dagegen wurde von seiten des Bundesrates zu Recht die Notwendigkeit einer wörtlichen Übernahme des Abfallbegriffes der Abfallrahmenrichtlinie der EG4 geltend gemacht. s

I Petersen, Abfallpolitisches Konzept, S.54; ferner Bartlsperger, VerwArch 86 (1995),33; ausführlich zur grundsätzlichen Bedeutung des neuen Abfallbegriffs Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 30 ff. 2 Abgedruckt in: Zur Sache 6/94, S. 40 ff. 3 BT-Drs. 12/7240, S. 6. 4 Richtlinie 75/442/EWG des Rates über Abfälle v. 15.7.1975 (ABI. L 194/39), zul. geänd. durch RL 91/692/EWG v. 23.12.1991 (ABI. L 377/48). S Vgl. hierzu die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-DRs. 12/5672, S.59; Versteyl, NVwZ 1993, 964. Vgl. ferner die Stellungnahmen der Sachverständigen Peine (S. 612), Versteyl (S. 616) und Führ (S. 621) in der öffentlichen Anhörung zum Kreislaufwirtschaftsgesetz, abgedruckt in: Zur Sache 6/94.

A. Grunde der Neufassung des Abfallbegriffs

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Im Gegensatz zu den Kontroversen über den Wortlaut der Abfalldefmition bestand in sachlicher Hinsicht schon früh weitgehende Übereinstimmung darin, daß der Steuerungsanspruch des Abfallrechts deutlich über den Anwendungsbereich des Abfallgesetzes von 1986 hinaus ausgedehnt werden sollte. 6 Grund hierfür waren zum einen die sich aus dem EG-Recht ergebenden Anforderungen an die Ausgestaltung des Abfallrechts der Mitgliedstaaten. 7 In mehreren Entscheidungen aus dem Jahr 1990 hatte der Europäische Gerichtshof geurteilt, daß das Abfallrecht der Europäischen Gemeinschaft auch Stoffe erfasse, die zur Verwertung geeignet seien, und dementsprechend ein nationaler Abfallbegriff, der wiederverwendbare Stoffe oder Gegenstände ausschließe, mit den einschlägigen Richtlinien nicht vereinbar sei. 8 Insbesondere hatte der Gerichtshof hervorgehoben, daß es für die Begründung der Abfalleigenschaft durch Entledigung nicht darauf ankomme, ob der Besitzer jede wirtschaftliche Wiederverwendung durch andere ausschließen wolle. 9 Wesentliches Ziel der AbfallRichtlinien sei der Schutz der Gesundheit des Menschen und die Bewahrung der Umwelt. Dieses Ziel wäre gefährdet, wenn die Anwendung der Richtlinien davon abhinge, ob der Besitzer die wirtschaftliche Wiederverwendung der Stoffe und Gegenstände, derer er sich entledige, durch Dritte ausschließen wolle. lo In einer weiteren Entscheidung aus dem Jahr 1995 bestätigte der Gerichtshof diese Auslegung und stellte fest, daß das deutsche Abfallrecht EGrechtswidrig sei, da es durch § 1 Abs. 3 Nr. 7 Abtu bestimmte wiederverwertbare Stoffe von seinem Anwendungsbereich ausnehme. 11 Die genannten Entscheidungen sind zwar noch zur ursprünglichen Fassung der Richtlinie 75/442/EWG ergangen. In der zuletzt genannten Entscheidung hatte der EuGH aber bereits zu erkennen gegeben, daß nach seiner Ansicht durch die Novellie-

6 Bereits die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates v. 29.5.1991, BT-Drs. 12/631, S. 14, nennt als Eckpunkte einer durchgreifenden NovelIierung des Abfallgesetzes die Neuordnung der Überwachung von Reststoffströmen, insbesondere in Form von abgestuften Überwachungsrege1ungen, die sowohl den Notwendigkeiten der erforderlichen ordnungsrechtlichen Überwachung der Abfallentsorgung als auch der Förderung der umwe1tgerechten Verwertung von Reststoffenl "Wirtschaftsgütern" Rechnung tragen. Vgl. ferner die Begründung zum ReferentenEntwurfvom 17.6.1992, abgedruckt in: Zur Sache 6/94, S. 143. 7 Die Begründung zum Referentenentwurf spricht von der erforderlichen formalen Harmonisierung mit dem EG-rechtlichen Abfallbegriff, Zur Sache 6/94, S. 143; vgl. ferner die Begründung zum Regierungsentwurf vom 15.9.1993, BT-Drs. 12/5672, S. 40, ferner S. 116. Ausführlich zu den Vorgaben des EG-Abfallrechts Dieckmann, Abfallrecht der EG; Schreier, Auswirkungen des EG-Abfallrechts; Grabitz, Abfall im Gemeinschaftsrecht, in: FS Sendler, 443 ff.; Pernice, NVwZ 1990,415 f. 8 EuGH, Sig. I 1990, 1461 ff. - Rs. Vessoso u. Zanetti; Sig. I 1990, 1509 ff. - Rs. Zanetti u. a. 9 EuGH, Sig. 1990, 1477, Tz. 10 f. - Vessoso u. Zanetti. 10 EuGH, ebda., Tz. 12. 11 EuGH, EuZW 1995,614/615 f.

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

rung der Richtlinie 75/4421EWG durch die Richtlinie 911156IEWG eine sachliche Änderung nicht eingetreten sei. 12 Dies hat der Gerichtshof nunmehr in den Urteilen vom 25.6.1997 13 und vom 18.12.199i 4 noch einmal bekräftigt. Ohne auf die Diskussion im einzelnen eingehen zu können, ist mit der ganz überwiegenden Auffassung festzustellen, daß auch Sachen, die vor Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes als "Wirtschaftsgüter", "Wertstoffe" oder "Reststoffe" vom Besitzer für eine Verwertung vorgesehen waren, im Sinne der Abfallrahmenrichtlinie als Abfälle einzustufen sind. IS Die Anpassung des deutschen Abfallrechts an diese inhaltlichen Vorgaben des EG-Rechts gehörte von Anfang an zu den Kernpunkten der Novelle. 16 So sah bereits der Regierungsentwurf zum Rückstands- und Abfallwirtschaftsgesetz vor, daß der weite Abfallbegriff der Abfallrahmenrichtlinie durch den Rückstandsbegriff materiell in innerstaatliches Recht umgesetzt werden sollte,17 wozu insbesondere die Einbeziehung sog. Wertstoffe in das Abfallregime gehörte. 18 Auch die Beschlußempfehlung des Umweltausschusses bekräftigte noch einmal die beabsichtigte Ausdehnung. 19 Neben der EG-Rechts-konformen Ausgestaltung des Abfallbegriffs sollte durch die Ausweitung zugleich das "Elend des Bundes-Abfallgesetzes" beseitigt werden. 20 Sowohl der subjektive als auch der objektive Abfallbegriff des § 1 Abs. 1 AbfG wiesen eine Reihe von Unzulänglichkeiten auf, die zu einer umweltpolitisch bedenklichen Grauzone zwischen Wirtschaftsgut, Wertstoff, Reststoffund Abfall geführt hatten. 21 Eine Verständigung auf die endgültige sprachliche Fassung des Abfallbegriffs gelang allerdings erst im Vermittlungsausschuß. § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/ EuGH, EuZW 1995,616, Tz. 23.; dazu Krieger, EuZW 1995,618. EUGH, ZUR 1997,267/268 - Tombesi u. a. 14 EuGH, ZUR 1998, 26 f. 15 Dieckrnann, Abfallrecht der EG, S. 155; Schreier, Auswirkungen des EG-Rechts, S. 76; Pernice, NVwZ 1990, 415 f.; Krieger, RdE 1991, 204 f.; v. WilrnowsJcy, NuR 1991,255; Schwarze, in: Das Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 141. Vgl. auch BVerwG, NVwZ 1996, 1010; VG Bremen, NVwZ 1997, 1029/1030. 16 Vgl. dazu auch Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 33. 17 BT-DRs. 12/5672, S. 3 und 40. 18 BT-Drs. 12/5672, S. 40. 19 BT-Drs. 12/7284, S. 11 f. 20 So der zum gefllge1ten Wort gewordene Titel des Aufsatzes von Franßen, in: FS Redeker, S. 457 ff. 21 Begründung des Umweltausschusses, BT-Drs. 1217284, S. 12; vgl. ferner die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 12/5672, S. 120. Auf die Ursachen dieser Probleme soll an dieser Stelle nicht noch einmal eingegangen werden, vielmehr sei auf die folgenden Darstellungen verwiesen: Franßen, in: FS Redeker, S. 461 ff.; Kersting, Abgrenzung, S. 40 ff.; Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S.29; Schink, Abfallbegriff, S.5 ff.; Versteyl, NVwZ 1993, 961 f.; v. Lersner, NuR 1981, 1 ff. 12

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B. Stoffströme in der Produktion aus technischer Sicht

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AbfG übernimmt weitgehend wörtlich die Abfalldeftnition in Art. 1 lit. ader Abfallrahrnenrichtlinie. Abfälle im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sind alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muß.

B. Stoffströme in der Produktion aus technischer Sicht Ehe die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Rechtsbegriffs ,,Abfall" näher untersucht werden, scheint es zum besseren Verständnis der Problematik angezeigt, sich die Stoffströme in der industriellen Produktion und damit die Quellen für mögliche Abfälle zunächst aus technischer Sicht zu vergegenwärtigen. Zudem soll anband einer Reihe von Beispielsfällen die Problematik der Abgrenzung zwischen Abfall und Nicht-Abfall veranschaulicht werden.

I. Ursachen für die Entstehung von Rückständen in der Produktion

Im Mittelpunkt jeder Produktion steht das Produkt als das gewünschte Ergebnis des Produktionsprozesses, das auf dem Markt gegen Zahlung eines Preises entweder direkt vom Endverbraucher nachgefragt wird oder als Vorleistung - als aufbereitete Rohstoffe, Grundstoffe oder Investitionsgüter - bei der Produktion von anderen Gütern genutzt wird. Alle nicht in das Produkt eingehenden Bestandteile der eingesetzten Materialien fallen zwangsläuftg als Rückstände22 bei der Produktion an, die über den Abgas-, Abwasser- oder Abfallpfad aus dem Prozeß ausgetragen werden. 23 Die Ursachen hierfür liegen in der Art der Einsatzstoffe und der Verfahrensdurchfiihrung. 24 In den Prozeß gehen als Ausgangsmaterialien zum einen die Rohstoffe ein. Diese enthalten zunächst die für die Produktherstellung notwendigen Elemente und Verbindungen. Neben diesen Wertstoffen sind in den Rohstoffen in der Regel aber in mehr oder minder großen Umfang auch Verunreinigungen und Begleitstoffe enthalten, die nicht in das Produkt eingehen und daher als Produktionsrückstand den Prozeß verlassen. Aber auch die Wertstoffe selbst werden bei großtechnischen Prozessen häuftg nicht vollständig in das gewünschte Produkt umgewandelt, sondern

22 Der Begriff Rückstand wird in diesem Zusammenhang als Tatsachenbegriff zur Kennzeichnung aller bei der Produktion übrigbleibender Stoffe oder Gegenstände verwendet, die nicht als Produkt Ziel des Herstellungsprozesses sind. 23 Große OphojJ, Konzepte, S. 289. 24 Siehe hierzu und zum folgenden ausführlich: Sutter, Sonderabfalle, S. 20 ff., 24 ff.; Große OphojJ, Konzepte, S. 292 f.; Pohle, Die Chemische Industrie, S. 501 ff.

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1. Teil: Der erweiterte AbfallbegrifI

mit den übrigen Rückständen ausgetragen. Die Gründe hierfür sind zum einen fertigungstechnischer Art, zum anderen durch Naturgesetzmäßigkeiten bedingt. Neben den Rohstoffen werden zur Prozeßdurchführung noch Hilfsstoffe eingesetzt, etwa organische Lösungsmittel oder Säuren, die nicht substantiell in das Produkt eingehen und daher eine weitere Quelle für Produktionsrückstände sind. Dabei können die eingesetzten Hilfsstoffe während des Produktionsverfahrens chemisch umgewandelt werden (z. B. Säuren fallen als Gipse an). Teilweise nehmen die Hilfsstoffe aber auch nur Verunreinigungen des Rohstoffes auf, bleiben aber chemisch unverändert (z. B. Lösungsmittel bei der Metallentfettung). Die Zusammensetzung der anfallenden Rückstände sowie die Form, in der sie anfallen - fest, flüssig oder gasförmig - wird von den chemisch-physikalischen Eigenschaften der Rohstoffe und der verfahrenstechnischen Durchführung des Prozesses (Prozeßfiihrung, Hilfsstoffe) bestimmt. Die Rückstände, die in gasförmiger Form den eigentlichen Produktionsprozeß verlassen, werden in aller Regel in nachgeschalteten Verfahrensschritten bis auf die zulässigen Emissionswerte von Schadstoffen befreit. Diese nachgeschalteten Reinigungstechnologien sind im Zuge der Verschärfung der Emissionsgrenzwerte durch die Großfeuerungsanlagen-Verordnung und die TA-Luft 1986 zu einer der Hauptquellen für Produktionspezifische Rückstände geworden. 25 Eine weitere Quelle für Produktionsrückstände sind ferner die bei der Reinigung der Produktionsabwässer anfallenden Stoffe. Rückstandsquellen sind weiterhin Produkte, die in der Produktion verwendet und nach Gebrauch entsorgt werden müssen, beispielsweise Bohr- und Schneideöl-Emulsionen oder PCB-haltige Transformatoren. 26 Zu Abfällen können auch die Produktionsanlagen selbst, Teile dieser Anlagen und Werkzeuge allgemein werden, wenn diese nicht mehr einsetzbar sind und ausgewechselt werden müssen. Endlich können fehlerhaft hergestellte Produkte (Produktionsausschuß) oder Produkte, die aus anderen Gründen nicht mehr absetzbar sind, eine Quelle von Abfällen darstellen. Die Erzeugung von Produkten in Industrie und Gewerbe ist in aller Regel ein vielstufiger Vorgang. Die eingesetzten Stoffe durchlaufen mehrere Ebenen der Wertschöpfung, nämlich die Rohstoff- und Grundstoffgewinnung sowie die Vor-, Zwischen- und Endproduktherstellung, wobei die einzelnen Ebenen ihrerseits in aller Regel aus mehreren Produktionsstufen bestehen. Die auf einer Produktionsstufe erzeugten Produkte sind entweder direkt Einsatzstoffe anderer Produktionsprozesse oder gehen als Produkte über den Markt in nachgelagerte 25 Rebentisch, UPR 1989,211; Hansmann, NVwZ 1990,409; GK-BlmSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 648. 26 Sutter, Sonderabfälle, 21.

B. Stoffströme in der Produktion aus technischer Sicht

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Produktionen oder in den Konsumbereich. 27 Große Abfallmengen entstehen auf den unteren Ebenen der Wertschöpfungskette in den Bereichen Rohstoff- und Grundstoffgewinnung. Die eingesetzten Naturprodukte enthalten in aller Regel neben den gewünschten Bestandteilen auch erhebliche Anteile an Nebenbestandteilen. Mit zunehmendem Veredelungs grad steigt der Wertstoffgehalt der Einsatzstoffe, während der Anteil der nicht nutzbaren Bestandteile und damit auch die Abfallmenge zurückgeht. 28 Bei der Verarbeitung von Vor- und Zwischenprodukten spielen Nebenbestandteile daher eine weit geringere Rolle. Hier treten die Hilfsstoffe und die Prozeßführung als Ursache der Abfallentstehung in den Vordergrund. 29 Während daher auf den unteren Produktionsstufen das Mengenproblem der industriellen Massenabfälle im Vordergrund steht, entstehen Abfälle mit hohem Gefährdungspotential vorwiegend in nachgelagerten Produktionsstufen. 30

11. Beispielsfalle Anhand einiger Beispielsfälle sollen typische Fragestellungen aufgezeigt werden, die sich bei der Beurteilung der Abfalleigenschaft von Produktionsriickständen ergeben können. ( 1) Bei der industriellen Spritzlackierung fällt regelmäßig am Werkstück vorbeigespritzter Lack, der sog. Overspray, an. In modemen Anlagen kann (a) ein Teil des Oversprays bereits in der Lackierkabine durch Rückgewinnungseinrichtungen (Scheiben, Bänder) wieder aufgefangen und direkt dem Lackkreislauf wieder zugeführt werden. (b) Im übrigen gelangt der Overspray mit der Abluft in Naßwäscher und wird dort bis auf die zulässigen Emissionswerte ausgewaschen. Die ausgewaschenen Laclepartikel werden aus dem Wasser ausgetragen und fallen als Lackschlamm an. Um eine Verklebung zu verhindern, werden dem Waschwasser Koagulierrnittel zugesetzt. Je nach dem gewählten Koagulierrnittel fällt der Lack chemisch verändert oder unverändert an; in letzterem Fall ist das so gewonnene Koagulat gut für eine Aufarbeitung zu Neulack geeignet. Diese kann intern oder extern geschehen. 31 (2) Die Metallentfettung stellt eine der Hauptquellen für den Anfall halogenierter Lösemittel dar. Die Lösemittel nehmen die Verschmutzungen der zu reinigenden Teile auf. Das gereinigte Gut verläßt den Prozeß, während die mit den Verunreinigungen beladenen Lösemittel aus technischer Sicht als Rück27 28

29 30 31

Konzepte, S. 290. Konzepte, S. 290; Pohle, Die Chemische Industrie, S. 503. Konzepte, S. 290 f.; Pohle, Die Chemische Industrie, S. 503. Konzepte, S. 291. Vgl. hierzu ausführlich Sutter, Sonderabfälle, 66 f.

Große Ophoff, Große Ophoff, Große Ophoff, Große Ophoff,

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

stand zurückbleiben. Da die Lösemittel in ihrer chemischen Zusammensetzung nicht verändert werden, sind sie grundsätzlich als sog. Kreislaufmedium geeignet. Hierzu ist die Abtrennung der Verunreinigungen erforderlich, die durch Filtration und Destillation erfolgt. Diese Aufbereitung kann innerbetrieblich oder extern erfolgen. Bei modemen Entfettungsanlagen ist eine Destillation der Lösemittel teilweise in den Verfahrensablauf integriert. Erst bei einem Gehalt von 30 bis 35 % an gelösten Verunreinigungen muß das Entfettungsbad einer externen Totaldestillation unterzogen werden. 32 (3) Beim Betrieb einer Feuerverzinkungsanlage nach Nr. 3.9 des Anhangs zur 4. BlmSchV (Anlage zum Aufbringen von metallischen Schutzschichten auf Metalloberflächen) werden Säuren als Bad eingesetzt und dabei verunreinigt. Diese Bäder können von einem Chemieunternehmen ohne weitere Aufbereitung unmittelbar in dessen Produktion eingesetzt werden, weil die bestehenden Verunreinigungen für diesen Verwendungszweck ohne Belang sind. Der Betreiber der Feuerverzinkungsanlage und das Chemieunternehmen schließen einen Vertrag, in dem sich der Anlagenbetreiber verpflichtet, durch bestimmte Maßnahmen bei der Prozeßfiihrung für eine gleichbleibende Qualität der Beizbäder zu sorgen. Das Chemieunternehmen verpflichtet sich seinerseits für einen längerfristigen Zeitraum, die Bäder abzunehmen und hierfür einen bestimmten Kaufpreis zu entrichten. (4) Bei der Erzeugung von Roheisen im Hochofen (Nr. 3.2 des Anhangs der 4. BlmSchV) entsteht neben dem Roheisen u. a. Hochofenschlacke. Die Schlacken werden zumeist unmittelbar im Hochofenwerk durch Granulierung zu Hüttensand oder durch Brechen und Klassieren zu Hüttenstückschlacke verarbeitet. (a) Hüttensand wird durch schnelles Abkühlen der flüssigen Hochofenschlacke, die beim Schmelzen von Eisenerz gebildet wird, in Granulationsanlagen gewonnen. Dabei wird die Schlacke durch Wasser fein zerteilt, abgeschreckt und erstarrt glasig. Der Hüttensand wird in Mahlanlagen auf eine Mahlfeinheit zerkleinert, die den Anforderungen der Zementnorm DIN 1164-1 entspricht. Er wird zu ca. 90 % als Einsatzstoff bei der Herstellung von Zement verwendet. Im übrigen bestehen eine Reihe weiterer Einsatzmöglichkeiten, die dazu geführt haben, daß der in Deutschland hergestellte Hüttensand während der zurückliegenden drei Jahrzehnte nicht mehr deponiert werden mußte. (b) Die Stückschlacke wird durch eine Aufbereitung der erstarrten Hochofenschlacke erzeugt und eignet sich bei Einhaltung bestimmter Anforderungen als Baustoff im Erd- und Straßenbau. 33

32 Zur Entwicklung anlagentechnisch geschlossener Systeme bei der Verwerdung chlorierter Lösemittel ausflihrlich Sutter, Sonderabfalle, 62 ff. 33 Näher hierzu Penkuhn u. a., Müll und Abfall 1996, 297 ff.; BartholotINeuhaus, Immissionsschutz 1996, 25.

B. Stoffströme in der Produktion aus technischer Sicht

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(5) Bei Steinkohlekraftwerken mit Trockenfeuerung muß aus dem Rauchgas S02 abgeschieden werden. Der ganz überwiegende Teil der Kraftwerksentschwefelungen in der Bundesrepublik arbeitet dabei nach dem Kalkwaschverfahren. S02 wird durch Neutralisationsmittel Ca(OH)2 in das Anion SO/(Calziumsulfit) und durch anschließende Oxidation in (Calziurnsulfat) umgewandelt und als Salz abgeschieden. In der anschließenden Gipsaufbereitung - in einem nachgeschalteten Hydrozyklon werden die Gipskristalle von festen Fremdbestandteilen getrennt; die Gipskristallsuspension wird mit Hilfe eines Filters oder einer Zentrifuge in Gipsfilterkuchen und Filterwasser getrennt; der Gipsfilterkuchen wird mit klarem Wasser gewaschen34 - kann das Salz Calziumsulfat zur REA-Gips (Calziurnsulfat-Dihydrat) aufgearbeitet werden. Dieser ist dem natürlichen Gips hinsichtlich des Einsatzes als Baustoff ebenbürtig. 35

sot

Die Anwendbarkeit des Abfallrechts kann in diesen Fällen unter verschiedenen Gesichtspunkten fraglich sein. Vielfach ist bereits zweifelhaft, ob die Stoffe oder Gegenstände überhaupt zu Abfall werden, etwa dann, wenn sie aus verfahrenstechnischer Sicht im Kreislauf geführt werden, wie etwa der Lack in Beispiel! oder die Lösemittel in Beispiel 2. Weiter stellt sich die Frage, ob sich rechtlich relevante Unterschiede daraus ergeben, daß der Wiedereinsatz in diesen Fällen teilweise ohne Vorbehandlung (Beispiel! (a», häufig aber erst nach einer Reinigung oder ähnlichen Maßnahmen (Beispiele 1 (b), 2) möglich ist. Von Bedeutung könnte schließlich sein, ob die Aufbereitung innerbetrieblich oder extern erfolgt. In Beispielsfall 3 bedarf die Frage der Klärung, ob bereits das Unbrauchbarwerden der Salzsäure für die bisherige Nutzung diese zu Abfall werden läßt, auch wenn eine Weiternutzung zu einem anderen Zweck möglich ist. Steht eine Weiterbenutzung einer Einstufung als Abfall entgegen, so schließt sich die weitere Frage an, ob jede Weiterbenutzung genügt, um eine Anwendung des Abfallrechts zu vermeiden. Als eine mögliche Weiterbenutzung käme vor allem auch der Einsatz als Rohstoff in einem weiteren Verarbeitungsprozeß in Betracht wie in den Beispielsfällen 4 und 5. Zudem stellt sich die Frage, ob es aus Sicht des Abfallrechts von Bedeutung ist, wenn die Weiterverarbeitung innerbetrieblich im Verbund geschieht. Unterstellt man in Beispiel 4 und 5 die Abfalleigenschaft der Hochofenschlacke oder des Calziurnsulfats, so ist endlich von Interesse, ob und wann die Aufarbeitung zu Hüttensand und Stückschlacke bzw. zu REA-Gips und die anschließende Nutzung dazu führen, daß die Stoffe ihre Abfalleigenschaft wieder verlieren.

34 35

LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.5. Sutter, Sonderabfälle, 54 f.

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

C. Bewegliche Sachen Wie schon nach § 1 Abs. 1 AbtU können auch nach § 3 Abs. 1 S. 1 KIW-I AbtU nur bewegliche Sachen Abfälle sein. Zum Ausgangspunkt fiir die Konkretisierung des Begriffs "bewegliche Sache" werden meist die Regelungen der §§ 90 ff. BGB genommen. 36 Bei näherem Hinsehen erweist sich jedoch, daß das zivilrechtliche Begriffsverständnis von der überwiegenden Meinung37 mit Rücksicht auf die unterschiedlichen Zwecksetzungen von Zivil- und Abfallreche s in so weitem Maße korrigiert wird, daß letztlich eine autonome Auslegung erfolgt, die von Wortlaut, Systematik und Zweck der abfallrechtlichen Regelung bestimmt wird. Abgelehnt wird vor allem eine Übertragung der differenzierenden Regelun~en über Grundstücks-, insbesondere über Scheinbestandteile (§ 95 BGB). 9 Eine Bindung an die zivilrechtliche Regelung ist aber schon vom Ansatz her bedenklich. Das deutsche Abfallrecht wird seit Erlaß der Abfallrahmenrichtlinie im Jahr 1975 durch das EG-Recht mitbestimmt. 40 Dies wirkt sich nicht nur als Verpflichtung des Normgebers zur Schaffung entsprechender Regelungen aus, sondern beeinflußt auch durch das Gebot der EG-rechtskonformen Auslegung die Rechtsanwendung. 41 Schon unter der Geltung des Abfallgesetzes hätte daher für die Auslegung des Begriffs "bewegliche Sache" auch die Begriffsbestimmung in Art. llit. a) EG-AbtRRL in den Blick genommen werden müssen, der nicht von "beweglicher Sache", sondern von "Stoffen" und "Gegenständen" spricht. Jedenfalls für § 3 Abs. 1 S. 1 KIW-IAbtU ist von maßgeblicher Bedeutung, daß der Gesetzgeber des KIeislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in § 3 KIW-IAbtU den Abfallbegriff der Abfallrahmenrichtlinie zumindest inhaltlich übernehmen wollte. 42 Es liegt aber auf der Hand, daß sich die 36 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 84 ff.; Pohl, in: HUR, B.3 Rn. 10; v. Lersner/Wendenburg, AbfG § I Rn. 4 f.; Kunig/Schwermer/Versleyl, AbfG, § I Rn. 4 f.; Hirn/Jung, Abfallbeseitigungsrecht, AbfG § I Anm. 1.1;

Kersting, Abgrenzung, S. 28 ff.; Rabanus, Der bundesrechtliche Abfallbegriff, S. 18 ff.; Altenmüller, DÖV 1978, 28 f.; Schwachheim, NVwZ 1989, 128 ff.; Schink, Abfallbegriff, S. 10 f. 37 Vgl. die in Fn. I. genannten; für eine weitgehende Übernahme Schwachheim, NVwZ 1989, 128 ff.; ihm folgend, i. E. aber nicht eindeutig Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 83 ff., insb. Rn. 88. 38 Vgl. hierzu Altenmüller, DÖV 1978,28; Kersting, Abgrenzung, S. 35; Rabanus, Der bundesrechtliche Abfallbegriff, S. 24; Heckmann/Kersting, in: LandmannIRohmer, KrW-/AbfG § 3 Rn. 15. 39 Vgl. v. LersneriWendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 5; Rabanus, Der bundesrechtliche Abfallbegriff, S. 23 ff.; a. A. Schwachheim, NVwZ 1989, 128 f. 40 Grundsätzlich hierzu Grabitz, in: FS Sendler, S.443 ff.; Pernice, NVwZ 1990, 414 ff. 41 Dazu ausführlich Jarass, Grundfragen, S. 89 ff. 42 Dazu oben unter A.

c. Bewegliche Sachen

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Begrifflichkeit der Abfallrahmenrichtlinie nicht an den Vorschriften des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches orientiert43 und daß insbesondere die dort vorgenommenen Differenzierung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen sowie Scheinbestandteilen für das EG-Recht ohne Bedeutung ist.

I. Sache

In Anlehnung an § 90 BGB wird als "Sache" jeder körperliche, d. h. im Raum abgrenzbare Gegenstand definiert, unabhängig von seinem Aggregatzustand. 44 Durch die Eingrenzung auf körperliche Gegenstände werden ungefaßte Gase und das fließende Wasser, auch soweit es durch Öl oder sonstige Stoffe verunreinigt ist, aus dem Abfallbegriff herausgenommen. Dies ergibt sich positivrechtlich bereits aus § 2 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 6 KrW-/AbfD. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz gilt demnach zum einen nicht für gasförmige Stoffe, die nicht in Behälter gefaßt sind (Nr. 5). Nach Nr. 6 unterliegen zum anderen Stoffe nicht mehr dem Abfallrecht, die in ein Gewässer eingeleitet worden sind. Mit dem Begriff "Sache" setzt § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfD das in Art. 1 lit. a) EG-AbfRRL verwendete Begriffspaar "Stoffe" und "Gegenstände" um. Der Anwendungsbereich des EG-Abfallbegriffs ist sehr weit gezogen. 4S Der Begriff "Gegenstand" dürfte auf die Individualisierbarkeit und zahlenmäßige Erfaßbarkeit abstellen, der B~riff des Stoffes dagegen auf die nur mengenmäßig mögliche Erfaßbarkeit. Im Ergebnis wird aber jede Materie unabhängig vom Aggregatzustand erfaßt. 47 Ein sachlicher Unterschied zum deutschen Abfallbegriff läßt sich insoweit nicht erkennen. Auch die Ausgrenzung von nicht gefaßten Gasen steht im Einklang mit dem EG-Recht. Gasförmige Ableitungen in die Atmosphäre werden durch Art. 2 Abs. 1 lit. a) EG-AbfRRL ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Für Flüssigkeiten, die sich in einem frei fließenden Gewässer befmden, fehlt allerdings eine entsprechende Regelung. Jedoch läßt sich für Abwässer aus Art. 2 Abs. 1 lit. b) iv) EG-AbfRRL folgern, daß sie mit Einleitung in ein Gewässer nicht mehr dem Abfallrecht, sondern den wasserrechtlichen Vorschriften unterliegen

Vgl. HofJmann, Grundfragen, S. 50. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und AbfaIlrecht, § 3 Rn. 84; Kunig/SchwermeriVersteyl, AbfG, § 1 Rn. 4. 45 Kersting, Abgrenzung, S. 163; HofJmann, Grundfragen, S. 50. 46 HofJmann, Grundfragen, S. 50. Eine etwas andere Abgrenzung nimmt Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und AbfaIlrecht, § 3 Rn. 90, vor. 47 Kersting, Abgrenzung, S. 163; Dieckmann, AbfaIlrecht der EG, S. 151 f.; Schreier, Auswirkungen des EG-AbfaIlrechts, 70. 43

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

sollen. 48 Im Ergebnis enthält die Abfallrahmenrichtlinie damit eine § 2 Abs. 2 Nr. 6 KrW-/AbfG entsprechende Regelung. 49

11. Beweglich a) § 3 Abs. I S. 1 KrW-/AbfG setzt weiter die Beweglichkeit der Sache voraus. Eine entsprechende Einschränkung ist in Art. 1 lit. a) EG-AbfRRL nicht ausdrücklich geregelt. Teilweise wird daher die Ansicht vertreten, der EGrechtliche Abfallbegriff erfasse im Gegensatz zum deutschen auch unbewegliche Sachen, also den Erdboden und mit ihm festverbundene Gegenstände oder Stoffe. so Hiergegen spricht zunächst schon, daß die Regelungen der Richtlinie auf unbewegliche Sachen nicht sinnvoll anwendbar sind. Nur bewegliche Sachen können etwa einem Sammelunternehmen übergeben und transportiert werden. sl Speziell gegen eine Einbeziehung kontaminierter Böden in den europäischen Abfallbegriff spricht, daß in der Abfallgruppe Q 15 des Anhangs I der Rahmenrichtlinie eine gegenteilige Abgrenzung vorgenommen wird: Q 15 urnfaßt kontaminierte Stoffe oder Produkte, die bei der Sanierung von Böden anfallen. Vorausgesetzt ist nach dieser Formulierung, daß die Stoffe als selbständiger Bezugspunkt des Abfallrechts erst bei der Sanierung des Bodens durch die Trennung vom Grundstück entstehen. Kontaminierter Boden kann daher erst mit der Auskofferung Abfall i. S. der Gruppe Q 15 werden. 52 Daß der Richtliniengeber dem Problem der Sanierung von Böden eine eigene Abfallgruppe gewidmet hat, spricht zudem dagegen, verunreinigtes Erdreich vor der Auskofferung der Auffanggruppe Q 16 zuzuordnen. 53 Denn man wird kaum annehmen können, daß sich der Gesetzgeber bei der Schaffung dieser speziellen Abfallgruppe des Problems der rechtlichen Behandlung von Altlasten nicht bewußt gewesen ist. 54 Für dieses Ergebnis spricht unter entstehungsgeschichtlichen Gesichtspunkten ferner, daß bereits die ursprüngliche Fassung der Abfallrahmen-

48 Vgl. Dieckmann, Abfallrecht der EG, S. 167; Schreier, Auswirkungen des EGAbfallrechts, 84. 49 So auch rur § 1 Abs.3 Nr. 5 AbfG Dieckmann, Abfallrecht der EG, S. 167; vgl. ferner Schreier, Auswirkungen des EG-Abfallrechts, 83 f. 50 Dies wird bejaht von Schreier, Auswirkungen des EG-Abfallrechts, 86; Kersting, OVBI. 1992, 348; zur Gegenauffassung vgl. die Nachweise im folgenden. 51 Bickel, NuR 1992, 370; grundsätzlich zustimmend Dieckmann, Abfallrecht der EG, S. 152 Fn. 19. 52 Dieckmann, NuR 1992, 409; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 90. A. A. allerdings Schreier, Auswirkungen des EG-Abfallrechts, 86. 53 Zur Funktion der Abfallgruppen nach Anhang I näher unten unter 0.1. 54 Dieckmann, NuR 1992,409; HoJfmann, Grundfragen, S. 51.

C. Bewegliche Sachen

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richtlinie das Begriffspaar "Stoffe und Gegenstände" verwendete. Zu diesem Zeitpunkt spielte das Thema Altlasten aber noch keine große Rolle, so daß für den Richtliniengeber kein Anlaß bestand, den Anwendun~sbereich des Abfallrechts ausdrücklich auf bewegliche Sachen zu begrenzen. 5 Zu berücksichtigen ist schließlich, daß zwar nicht der Richtlinientext selbst, wohl aber die Erwägungsgründe von "beweglichen Sachen" sprechen, auf die ein wirksames und zusammenhängendes System der Abfallbeseitigung Anwendung fmden muß. 56 Ein anderes Ergebnis läßt sich auch nicht durch eine pauschale Berufung auf den umfassenden Regelungsanspruch der Richtlinie begründen. 57 Schon die Annahme, die Richtlinie wolle so viele Sachverhalte wie möglich erfassen, erweist sich als unzutreffend, da in Art. 2 EG-AbfRRL eine Reihe von Stoffen und Gegenständen vom Anwendungsbereich ausgeschlossen werden. 58 Angesichts der komplexen Probleme, die mit einer Altlastensanierung verbunden sind, wäre zudem zu erwarten gewesen, daß sich zumindest einige grundsätzliche Regelungen hierzu in der Richtlinie fmden würden. Es kann daher im Ergebnis nicht angenommen werden, daß Grundstücke als Teil der Erdoberfläche "Stoffe" oder "Gegenstände" im Sinne des Art. 1 lit. a) EG-AbfRRL sind. Die Verwendung des Begriffs "bewegliche Sache" in § 3 Abs. 1 KrW-/AbfD begründet daher keinen inhaltlichen Unterschied zum europäischen Abfallbegriff. 59 Anders als beim Begriff ,,Abfall" selbst dürfte eine wörtliche Übernahme der Begriffsbestimmung des Art. llit. a) EG-AbfRRL auch nicht aus Gründen eines einheitlichen und effektiven Vollzuges geboten gewesen sein. b) Schwierigkeiten bereitet die Frage, wann eine Sache als beweglich bzw. unbeweglich zu bewerten ist. Sie ergeben sich, wenn an sich bewegliche Sachen mit Grundstücken verbunden werden. 60 Die im Zivilrecht getroffene Unterscheidung zwischen wesentlichen, unwesentlichen und Scheinbestandteilen enthält zwar eine detaillierte Regelung für die Zurechnung von Gegenständen zu einem Grundstück, kann aber aus den oben genannten Gründen nicht unmittelbar herangezogen werden. 61 Entscheidend ist vielmehr, ob eine feste Verbin-

55 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 90; Dieckmann, NuR 1992,409. 56 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 der Präambel. Dazu Konzak, NuR 1995, 132. 57 So aber Schreier, Auswirkungen des EG-Abfallrechts, 86 f.; i. E. auch Kersting, DVBI. 1992, 348. 58 So auch Bickel, NuR 1992, 370. 59 So auch: Seibert, DVBI. 1994,232; Dieckmann, ZUR 1995, 171 f.; Konzak, NuR 1995,132; Versteyl/Wendenburg, NVwZ 1996,938 f. 60 Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 12. 61 Ähnlich Beckmann/Kersting, in: LandmannIRohmer, KrW-/AbfG § 3 Rn. 19. A. A. wohl Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn 12.

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1. Teil: Der erweiterte AbfallbegrifT

dung mit dem Erdboden besteht, die faktisch zur Unbeweglichkeit führt. 62 Eine solche feste Verbindung ist allgemein fiir Bauwerke zu bejahen.63 Dies gilt jedoch nur für das Gebäude selbst. Nicht jede Sache, die mit dem Gebäude verbunden wird, kann hierdurch zur unbeweglichen Sache werden. Auch hier kommt es vielmehr darauf an, ob eine dauerhaft feste Verbindung vorliegt. Dies muß letztlich im Einzelfall unter Berucksichtigung der Verkehrsanschauung beurteilt werden. Anhaltspunkt ist zunächst, ob eine Entfernung ohne wesentliche Beschädigung des Gebäudes möglich ist. Eine solche Bewertung liegt auch § 93 BGB zugrunde, Abfallrecht und Zivilrecht laufen insoweit parallel. 64 Ferner wird es darauf ankommen, ob die Trennung einen größeren Aufwand erfordert und im Einzelfall zumutbar ist. 6s Ist die Entfernung leicht durchzuführen und möglicherweise sogar von Anfang an vorgesehen, liegt keine hinreichend feste, die Unbeweglichkeit der Sache begriindende Verbindung vor. 66 c) Das Imrnissionsschutzrecht unterscheidet in § 3 Abs. 5 BImSchG zwischen ortsfesten (Nr. 1) und ortsveränderlichen (Nr.2) Anlagen. Fraglich ist, ob diese Differenzierung fiir die Abgrenzung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen fruchtbar gemacht werden kann. Wann eine Anlage "ortsfest" ist, wird unterschiedlich beurteilt. Zum Teil wird vorwiegend darauf abgestellt, ob die Anlage nach der Art und Weise ihrer Aufstellung eine feste Verbindung zu einem bestimmten Ort hat, etwa durch die dauerhafte Verbindung mit dem Erdboden oder den Anschluß an Ver- und Entsorgungsleitungen. 67 Ungeklärt ist allerdings, welche Intensität die Verbindung aufweisen muß. 68 Nach einer anderen Ansicht kommt es vor allem auf die Absicht des Betreibers an, die Anlage fiir längere Zeit an demselben Ort einzusetzen. 69 Teilweise wird auch alternativ auf beide Kriterien abgestellt. 70 Schon hieraus ergibt

62 v. LersneriWendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 5; Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 5; Beckmann/Kersting, in: LandmannIRohmer, KrW-/AbfG § 3 Rn. 19; BarteIs, Abfallrecht, S. 17; Rabanus, Der bundesrechtliche Abfa11begrifT, S. 25; Altenmüller, DÖV 1978,29. 63 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 87; Frenz, KrW-/ AbfG, § 3 Rn. 12; Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 5; BarteIs, Abfallrecht, S. 17. Auch hier sind freilich Zweifelsfälle denkbar, etwa wenn es sich um eine kleine Gartenhütte handelt (dazu Schwachheim, NVwZ 1989, 129) oder um Wohncontainer. 64 Vgl. BayObLG, NuR 1986,136. 6S BVerwG, DÖV 1986,285/287, wo darauf abgestellt wird, ob die Abtrennung von einer Sachgesamtheit nach dem dadurch verursachten, auch finanziellen Aufwand zumutbar ist; BayObLG, NuR 1986, 136; Kersting, Abgrenzung, S. 36. 66 V gl. hierzu die Beispiele unten unter c). 67 GK-BImSchG/Koch, § 3 Rn. 302; vgl. auch Henkel, AnlagenbegrifT, S. 33. 68 GK-BImSchG/Koch, § 3 Rn. 302. 69 Kutscheidt, in: LandmannIRohmer, BImSchG § 3 Rn. 27; Feldhaus, in: ders., Bundes-Immissionsschutzrecht, § 3 Anm. 13. 70 Jarass, BImSehG, § 3 Rn. 61; Henkel, AnlagenbegrifT, S. 34.

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sich, daß die Begriffe "ortsfest" und "unbeweglich" nicht notwendig deckungsgleich sind. Denn rur die Orstfestigkeit kann es ausreichen, daß eine längerfristige Nutzung an einem Ort geplant ist, ohne daß eine feste Verbindung mit dem Boden besteht. Zudem ist auch eine an sich ortsveränderliche Einrichtung dann ortsfest im Sinne des Immissionsschutzrecht, wenn sie in einem funktionalen Zusammenhang mit einer ortsfesten Einrichtung, etwa einer Betriebsstätte, steht. 71 Nicht alles, was sich im räumlichen Bereich einer Betriebsstätte befmdet und mit ihr in funktionalem Zusammenhang steht, ist aber notwendig eine unbewegliche Sache im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG. Dies ist unmittelbar einsichtig rur einzelne Geräte oder Werkzeuge. Aber auch bei größeren Maschinen kann sich die Frage stellen, ob es sich um bewegliche Sachen handelt. So werden im Zivilrecht Maschinen in einem Fabrlkgebäude in der Regel lediglich als Zubehör, nicht jedoch als Bestandteil des Gebäudes und damit des Grundstücks betrachtet, es sei denn, Maschine und Gebäude sind in ihrer Bauart aufeinander abgestimmt und bilden eine untrennbare Einheit. 12 Aus Sicht des Abfallrechts kommt es dagegen auf die Intensität der Verbindung zwischen Maschine und Gebäude an. Jedenfalls dann, wenn sich die einzelne Maschine ohne größeren Aufwand vom Gebäude trennen läßt - wenn beispielsweise lediglich ein Losschrauben von einem Fundament erforderlich ist - handelt es sich um eine bewegliche Sache. In diesen Fällen wird die einzelne Apparatur nicht erst mit der Demontage zu einer beweglichen Sache, so daß es auch fiir die Begründung der Abfalleigenschaft nicht hierauf ankommen kann.

111. Vom Abfallrecht ausgenommene Stoffe Bestimmte Stoffe werden durch § 2 Abs. 2 KrW-/AbfG vom Anwendungsbereich des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ausgenommen. Grund hierrur ist, daß ihre Entsorgung ganz oder teilweise in speziellen Vorschriften . d. 73 gerege It WIr

J. Abwasser Sobald Stoffe in ein Gewässer oder eine Abwasseranlage eingeleitet oder eingebracht werden (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 KrW-/AbfG), gelangen die wasserrechtli-

71 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 61; ähnlich SchmatzlNöthlichs, Immissionsschutz, § 3 Anm.14. 72 PalandtlHeinrichs, § 93 Rn. 7. 73 v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfD § 2 Rn. 6; Frenz, KrW-/AbfD, § 2 Rn. 7. 3 Locher

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

chen Vorschriften zur Anwendung. Nach § 18a Abs. 1 S. 1 WHG ist Abwasser gemeinwohlverträglich zu beseitigen, wobei die Beseitigung das Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Versickern, Verregnen und Verrieseln von Abwasser sowie das Entwässern von Klärschlamm im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung erfaßt. Die Abwasserbeseitigung obliegt nach § 18a Abs. 2 WHG grundsätzlich den von den Bundesländern bestimmten Körperschaften des öffentlichen Rechts. 74 Der Begriff des Abwassers wird vom WHG nicht erläutert, sondern vielmehr vorausgesetzt. 7S Er umfaßt sämtliches verunreinigtes oder in seinen Eigenschaften verändertes Wasser sowie sämtliche abgehenden Wassergemische ohne Rücksicht auf die Ursache, das Ausmaß und die Schädlichkeit der Veränderungen oder Beimischungen. 76 § 7a WHG macht die Zulässigkeit einer Abwassereinleitung von der Einhaltung bestimmter Emissionsgrenzwerte abhängig. Neben diesen auf die Abwasserbeseitigung durch Einleitung in ein Gewässer oder eine Abwasseranlage bezogenen Vorschriften enthält das Wasserhaushaltsgesetz weitere Vorschriften, die das Zuführen von Stoffen in ein Gewässer regeln (§§ 26 Abs. 1,27, 34 WHG). Der Begriff "Stoffe" in § 2 Abs. 2 Nr. 6 KrW-/AbfG ist weit zu verstehen, insbesondere kommt es nicht darauf an, ob es sich um feste oder flüssige Stoffe handele 7 , wie sich schon an der Begrifflichkeit "einleiten" (flüssige Stoffe) und "einbringen" (feste Stoffe) zeigt. § 1 Abs.3 Nr.5 AbfG in der Fassung vor 1986 nahm dagegen lediglich ,,Abwässer" vom Anwendungsbereich des Abfallrechts aus. Durch die Abfallrechtsnovelle 1986 wurde dieser Begriff in Angleichung an die wasserrechtliche Begrifflichkeit (vgl. nur § 3 Abs. 1 Nr.4 WHG) durch "Stoffe" ersetzt. 78 Der Begriff "Gewässer" ist ebenfalls im Sinne des WHG zu verstehen. 79 Gewässer sind demnach oberirdische Gewässer, Küstengewässer und das Grundwasser nach § 1 Abs.l WHG. Den Begriff der "Abwasseranlage" defmiert das WHG nicht. Es verwendet ihn zum einen in § 18b WHG, darüber hinaus im Zusammenhang "öffentliche Abwasseranlage" in § 7a Abs. 3 WHG. In § 18c WHG begegnet ferner der Begriff ,,Abwasserbehandlungsanlage" als Spezialfall der Abwasseranlage. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 18a WHG ist zu folgern, daß Abwasseranlagen alle Anlagen sind, die der Abwasserbeseitigung nach § 18 a Abs. 1 S. 2 WHG dienen. Aus § 7a Abs. 3 WHG ist im Umkehrschluß zu folgern, daß es auch private Dazu Dahme, in: Sieder-Zeitler-Dahme, WHG, § 18a Rn. 14 ff. Czychowski, WHG, § 7a Rn. 3; Breuer, Abgrenzung, S. 47 ff.; ders., Wasserrecht, Rn. 288. 76 Czychowski, WHG, § 7a Rn. 4; Breuer, Wasserrecht, Rn. 289 77 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 2 Rn. 140; zu § 1 Abs.3 NT. 5 AbfG: Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 76. 78 Dazu v. Lersner/Wendenburg, AbfG § 1 Rn. 19. 79 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 2 Rn. 145; ders., ZfW 1996,489 f. 74

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Abwasseranlagen gibt. Dementsprechend können auch Einrichtungen, die dem Sammeln und Fortleiten von Wasser aus dem Produktionsprozeß dienen, Abwasseranlagen sein. 80 Vorausgesetzt ist aber immer, daß die Anlage der Abwasserbeseitigung dient (§ ISa WHG). Aus dem Begriff "Beseitigung" folgt, daß solche Anlagen nicht erfaßt werden, in denen verschmutztes Wasser zum anschließenden Gebrauch wiederaufbereitet werden soll.81 Durch die Formulierung "sobald" läßt § 2 Abs.2 Nr.6 KrW-/AbfG jetzt noch klarer als § lAbs. 3 Nr. 5 AbfG hervortreten, daß die Vorschrift unmittelbar nur in zeitlicher Hinsicht etwas für die Abgrenzung zwischen Abfall- und Abwasserregime hergibt. § 2 Abs.2 Nr.6 KrW-/AbfG setzt voraus, daß die Stoffe eingeleitet bzw. eingebracht werden, daß also der entsprechende Vorgang zumindest bereits begonnen hat. 82 Ab dem Zeitpunkt der Einleitung oder des Einbringens unterliegen die Stoffe nicht mehr dem Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz, sondern nur noch den wasserrechtlichen Vorschriften. 83 Dies gilt nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 6 KrW-/AbfG unabhängig davon, ob es sich um Abwasser, andere flüssige oder um feste Stoffe handelt. Ferner ist ohne Bedeutung, ob das Einleiten oder Einbringen rechtlich zulässig war oder nicht. 84 Bislang umstritten war, ob und inwieweit wasserhaltige Flüssigkeiten, die erst zukünftig eingeleitet werden sollen, allein dem Abwasserregime unterfallen oder (auch) den abfallrechtlichen Vorschriften. Dies ist für den Bereich der Produktionsabfälle von besonderer Relevanz. 85 Ob Rückstände aus der Produktion als wasserhaltige Gemische anfallen oder als feste Stoffe, hängt vielfach von der Wahl des Verfahrens ab. Teilweise wird die Abgrenzung des abfallrechtlichen und des wasserrechtlichen Entsorgungsregimes am Begriff des Abwassers festgemacht,86 wobei eine sich ausschließende Alternativität angenommen wird: Ein Stoff sei entweder als Abwasser nach den wasserrechtlichen Vorschriften oder als Abfall nach den Vorschriften des Abfallrechts zu entsorgen. 87 Demgegenüber ist jedoch zu bedenken, daß für den Abfallbegriff des 80 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 2 Rn. 146. 81 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 2 Rn. 146. 82 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 2 Rn. 141. 83 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 2 Rn. 141. Zu § 1 Abs.3 Nr.5 AbfG: Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 75. Vgl. ferner den Diskussionbeitrag von Reh, in: Klett u. a., 3. Kölner Abfalltage, S. 93 f. 84 v. LersneriWendenburg, AbfG, § 1 Rn. 26; Kunig/SchwermeriVersteyl, AbfG, § 1 Rn. 75 8S Vgl. dazu Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 2 Rn. 150; ferner Breuer, Abgrenzung, S. 1. 86 Breuer, Wasserrecht, Rn. 286. 87 Breuer, Wasserrecht, Rn. 299; ähnlich Henseler, Abwasserbeseitigung, S. 15. Vgl. dazu auch Fluck, ZfW 1996, 491 f.

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I. Teil: Der erweiterte AbfallbegrifT

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes der Aggregatzustand der Sache ohne Bedeutung ist, also auch wasserhaltige Flüssigkeiten erfaßt werden. Des weiteren spricht bereits der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 6 KrW-/AbfG gegen die Annahme, daß Abwasser und Abfall sich gegenseitig ausschließende Begriffe sind. Denn das Wasserrecht gelangt zur Anwendung, sobald die Stoffe eingeleitet bzw. eingebracht werden. Dies legt den Umkehrschluß nahe, daß vor diesem Zeitpunkt die Sache dem Abfallrecht unterliegt. 88 Eine solche Interpretation scheint auch im Hinblick auf die nach § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG gegenüber einer Beseitigung vorrangige Verwertungspflicht geboten. 89 Das Wasserrecht regelt lediglich die Zulässigkeit und Durchfiihrung der Beseitigung durch Einleitung in ein Gewässer, enthält aber keine unmittelbaren Verwertungspflichten. Wären wasserhaltige Flüssigkeiten als Abwässer vom Anwendungsbereich der abfallrechtlichen Vorschriften ausgenommen, würde für diese Stoffe keine Verwertungspflicht gelten. Die Anforderungen an die Reduzierung der Schadstofffracht nach § 7a WHG können zwar mittelbar zu einer Verwertung der bei der Abwasserreinigung anfallenden Stoffe fUhren. Die in der Rahmen-Abwasserverwaltungsvorschrift90 aufgestellten Grenzwerte und Anforderungen an das Produktionsverfahren orientieren sich aber nur an der möglichen Verringerung der Schadstofffracht und damit an der Erreichung einer bestimmten Abwasserqualität, nicht aber an der Frage, ob und wie die wasserhaltige Flüssigkeit und insbesondere die in ihr enthaltenen Stoffe unter dem Gesichtspunkt der Ressourcenschonung ordnungsgemäß und schadlos sowie möglichst hochwertig genutzt werden können (§ 5 Abs. 3, Abs. 2 S. 3 KrW_/AbfG).91 Aufgrund dieser unterschiedlichen Ansätze ist es durchaus denkbar, daß aus abwasserrechtlicher Sicht eine Einleitung zulässig ist, obwohl eine Verwertung des Abwasser bzw. der Inhaltsstoffe technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist und damit nach § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG Vorrang vor der Beseitigung genießt. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß nach Art. 2 Abs. 1 lit. b) iv) EG-AbfRRL Abwässer grundsätzlich dem Abfallbegriff zugeordnet werden, letzterer also aus Sicht der Abfallrahmenrichtlinie den Oberbegriff bildet. 92 Abwässer werden nur insoweit vom Anwendungsbereich der Richtlinie 88 (Allein) auf den Wortlaut des § 2 Abs.2 Nr.6 KrW-/AbfG stellen auch ab: v. Lersner/Wendenburg. KrW-/AbfG § 2 Rn. 19; Frenz, KrW-/AbfG, § 2 Rn. 21; Fritsch, Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, Rn. 206; v. KöI/er, KrW-/AbfG, S.87. Vgl. ferner Reh, in: Klett u. a., 3. Kölner Abfalltage, S. 94. 89 Ähnlich v. LersneriWendenburg. KrW-/AbfG § 2 Rn. 19. 90 Allgemeine Rahmen-Verwaltungsvorschrift über Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer, Bekanntmachung der Neufassung vom 25.11.1992 (Bundesanzeiger Nr. 233 b v. 11.12.1992). 91 Dies übersieht Kaster, Immissionsschutzrechtliche Genehmigung, S. 298 f. 92 Schreier, Auswirkungen des EG-Abfallrechts, 82.

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ausgenommen, wie für sie andere Vorschriften gelten. 93 Eine andere Vorschrift in diesem Sinne stellen die wasserrechtlichen Bestimmungen dar. 94 Diese regeln jedoch nur die Beseitigung, nicht aber die Verwertung von Abwässern. Soweit es die Verwertung betrifft, unterliegen Abwässer nach Art. 2 Abs. 1 lit. b) EG-AbfRRL daher den Bestimmungen der Abfallrahmenrichtlinie. Bedenken dagegen, wasserhaitiger Flüssigkeiten, die eingeleitet werden sollen, in den Anwendungsbereich des Abfallrechts einzubeziehen, könnten sich jedoch unter systematischen Gesichtspunkten ergeben. Abfälle, die beseitigt werden sollen, unterliegen nach § 13 KrW-/AbfG in weitem Umfang einer Überlassungspflicht gegenüber den entsorgungspflichtigen Körperschaften. Zudem ist nach § 27 Abs. 1 KrW-/AbfG eine Behandlung, Lagerung und Ablagerung von Abfällen nur in dafür zugelassenen Anlagen zulässig sowie, soweit es die Behandlung betrifft, auch in immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen, die überwiegend einem anderen Zweck dienen. Aus letzterem ist teilweise der Schluß gezogen worden, eine Beseitigung durch Einleiten in ein Gewässer oder eine Abwasseranlage bedürfe einer Ausnahmegenehmigung nach § 4 Abs. 2 AbfG (nunmehr § 27 Abs. 2 KrW_/AbfG).9S Richtigerweise wird man § 27 Abs. 1 KrW-/AbfG jedoch lediglich das Verbot entnehmen können, Abfälle außerhalb solcher Anlagen im Sinne des Abfallrechts zu behandeln, zu lagern und abzulagern. 96 Die Einleitung in eine Abwasserbehandlungsanlage ist jedoch keine solche Maßnahme im Sinne des § 27 Abs. 1 KrW-/AbfG. Mit der Einleitung werden die Stoffe weder gelagert noch abgelagert. Auch eine Behandlung liegt nicht vor, da ein Behandeln im Sinne des § 27 Abs. 1 KrW-/AbfG entweder der Verwertung oder der Vorbereitung der Ablagerung dient. 97 Bei der Einleitung in ein Gewässer handelt es sich vielmehr um eine im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nicht geregelte weitere Beseitigungsart. 98 Auch die Überlassungspflicht nach § 13 KrW-/AbfG macht keine grundsätzliche stoffbezogene Abgrenzung zwischen Abfall und Abwasser erforderlich. Freilich fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung, die entsprechend § 2 Abs. 2 Nr. 1-3 KrW-/AbfG klarstellen würde, daß für die Beseitigung von Abfällen, die zugleich den Begriff des Abwassers erfüllen, allein das Wasserrecht maßgebend ist. Dennoch ist davon auszugehen, daß das Abfallrecht die Besei93 Dieckmann, Abfallrecht der EG, S. 164. Umstritten ist freilich, ob damit lediglich EG-rechtliche oder auch mitgliedstaatliche Regelungen erfaßt werden. 94 Dieckmann, Abfallrecht der EG, S. 166 f. 95 Vgl. dazu Salzwedel, ZfW 1983, 84 u. 91. 96 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 2 Rn. 166; ders., ZfW 1996, 495; vgl. auch die Begründung der Bundesregierung, BT-Drs. 10/2885, S. 48. 97 Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 47. 98 Dazu auch Fluck, ZfW 1996, 495 f.

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

tigung von Abfällen als Abwasser nach den Vorschriften des Wasserrechts genauso zuläßt wie die Entsorgung von Tierkörpern nach dem Tierkörperbeseitigungsgesetz. 99 Deutlicher wurde dies noch in der ursprünglichen Fassung des § 1 Abs.3 Nr.5 AbfG 1972. Danach unterlag Abwasser, das in ein Gewässer oder eine Abwasseranlage eingeleitet wurde, nicht den Vorschriften 100 •• des Abfallrechts. Durch die Anderung des § 1 Abs. 3 Nr. 5 AbfG 1986 bzw. nunmehr durch § 2 Abs. 2 Nr. 6 KrW-/AbfG sollte lediglich klargestellt werden, daß mit der Einleitung bzw. dem Einbringen allein das Wasserrecht als sachnähere Regelung zuständig ist, auch wenn die eingebrachten Stoffe keine Abwässer sind und daher nach § 26 WHG zum Zwecke der Beseitigung überhaupt nicht eingebracht werden durften. lol Hieraus läßt sich aber nicht folgern, daß sich an der Zulässigkeit der Entsorgung von Abfällen nach den speziellen Vorschriften des Wasserrechts etwas ändern sollte, sofern deren Einleitung als Abwasser statthaft ist. Vielmehr ist dem Umstand, daß die Beseitigung von Stoffen durch Einleiten in ein Gewässer weiterhin zulässig ist, zu entnehmen, daß die wasserrechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Beseitigung durch Einleiten als speziellere Regelung nach wie vor den Beseitigungsregelungen des Abfallrechts vorgehen. Damit gilt die Überlassungspflicht nach § 13 KrW-I AbfG nicht, soweit zulässigerweise eine Beseitigung nach den Vorschriften des Wasserrechts gewählt wird. An ihre Stelle treten die auf der Grundlage von § I8a WHG getroffenen landesrechtlichen Regelungen zur Überlassung von Abwässern. 102 Im Ergebnis läßt sich festhalten, daß auch solche Sachen, die den Abwasserbegriff des Wasserhaushaltsgesetzes erfüllen, zugleich als Abfälle den Bestimmungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes unterliegen. Dies bedeutet, daß ihre Beseitigung nur dann zulässig ist, wenn keine vorrangige Verwertungspflicht nach § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG besteht. Das Abfallrecht entscheidet, ob eine Beseitigung erfolgen darf oder ob nicht vorrangig zu verwerten ist. läßt das Abfallrecht eine Beseitigung zu, so entscheidet das Wasserrecht über die Zulässigkeit der Beseitigung als Abwasser. Darf eine Beseitigung durch Einleiten in ein Gewässer oder eine Abwasseranlage erfolgen, so treten die Beseitigungsregelungen des Abfallrechts als subsidiär hinter die spezielleren Vorschriften des WHG zurück\03, sofern tatsächlich eine Einleitung erfolgt. Ist eine Einleitung nach den wasserrechtlichen Vorschriften unzulässig, so muß eine

Fluck, ZfW 1996,496; ähnlich schon Bickel, DÖV 1983, 257. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das AbtU 1972 ebenso wie das WHG allein die Beseitigung regelte. Die Frage, ob das Abfallrecht zumindest insoweit andwendbar sein muß, wie es um die Frage einer vorrangigen Verwertung geht, stellte sich somit nicht. 101 Vgl. Bundesregierung, BT-Drs. 10/2885, S. 13 und. S. 48. 102 Vgl. beispielsweise § 53 LWG NW. 103 Im Ansatz ähnlich bereits Bickel, DÖV 1983,257. 99

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Beseitigung nach Maßgabe des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes erfol104 gen. Ein solches Verständnis entspricht im übrigen auch der bisher zum Verhältnis des Reststoffbegriffs nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlrnSchG zum Abwasserbegriff vertetenen Auffassung. lOS Danach war Reststoff der Ober- 106 oder Vorschaltbegriffl07 und erfaßte auch flüssige, wasserhaltige Produktionsrückstände, mit der Folge, daß die Anforderungen an Venneidung und Verwertung auch für wasserhaltige Flüssigkeiten galten. \08 Daß der Abfallbegriff des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG nunmehr über die Willensannahme nach § 3 Abs.3 KrW-/AbfG den Reststoffbegriff in sich aufnimmt,I09 dürfte ein weiteres Argument für die hier vertretene Lösung sein.

2. Sonstige Stoffe

aa) Vorrangige Sonderregelungen sind nach § 2 Abs.2 Nr. 1 KrW-/AbfG des weiteren das Tierkörperbeseitigungsgesetz, das Tierseuchengesetz sowie Pflanzenschutzgesetz. 110 Das Tierkörperbeseitigungsgesetz erfaßt Tierkörper, die nicht zum menschlichen Genuß verwendet werden (§ 1 Abs.l Nr. 1 TKBG), Teile von Tierkörpern aus Schlachtungen oder sonst anfallende Teile von Tieren, die nicht zum menschlichen Genuß verwendet werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 TKBG) sowie Erzeugnisse, die unmittelbar von Tieren stammen und deren sich ihr Besitzer entledigen will oder deren unschädliche Beseitigung geboten ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 TKBG). Das Beseitigen umfaßt nach § 1 Abs. 2 TKBG sowohl die Verwertung als auch die Vernichtung dieser Sachen sowie die vorbereitenden Maßnahmen. Das Tierseuchengesetz enthält zum einen in §§ 18, 26 f. TierSG spezielle Beseitigungsvorschriften, zum anderen sind solche Bestimmungen in den auf das Tierseuchengesetz gestützten Rechtsverordnungen 104 Fluck, ZfW 1996, 497; Breuer, Abgrenzung, 76; Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 74. 105 Vgl. dazu Fluck, ZfW 1996, 493 ff. 106 Fluck, NuR 1989,410; Hansmann, NVwZ 1990,411. 107 Rebentisch, UPR 1989, 211; Breuer, Abgrenzung, S. 19,21. 108 Vgl. dazu nur Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 66; Jörgensen, Reststoffvermeidungsund Verwertungsgebot, S. 42 m. w. N. 109 Dazu näher unten E 11 2. 110 Keine eigenen Entsorgungsregelungen enthalten dagegen das Fleischhygienegesetz und das Geflügelfleischhygienegesetz, die lediglich auf das Tierkörperbeseitigungsgesetz verweisen. Unklar ist die Bedeutung der Nennung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes und des Milch- und Margarinegesetzes als Ausnahmevorschriften, da beide weder Entsorgungsvorschriften enthalten noch zu deren Erlaß ermächtigen; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 2 Rn. 84 ff.; a. A. v. Lersner/Wendenburg, KrW-IAbfG § 2 Rn. 12 f.

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

enthalten. 111 Gestützt auf das Pflanzenschutzgesetz kann schließlich die Beseitigung bestimmter Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse oder sonstiger Gegenstände, die Träger bestimmter Schadorganismen sind oder sein können, angeordnet werden (§ 3 Abs. 1 Nm. 6, 15 PflSchG).1I2 bb) Für Kernbrennstoffe und sonstige radioaktive Stoffe im Sinne des Atomgesetzes (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 KrW-/AbfG) enthält § 9a AtG eine spezielle Entsorgungsvorschrift, die die schadlose Verwertung oder geordnete Beseitigung vorschreibt. Das Strahlenschutzvorsorgegesetz (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 KrW-/AbfG) ermächtigt in § 7 Abs. 3 Nr. 2 StrVG zum Erlaß einer Rechtsverordnung, die auch die Beseitigung bestimmter Abfalle regelt. Da eine entsprechende Verordnung noch nicht erlassen worden ist, unterliegen die potentiell erfaßten Stoffe jedoch zur Zeit noch dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. 113 Für Abfalle aus dem Bergbau gilt in dem in § 2 Abs.2 Nr.4 KrW-/AbfG bezeichneten Umfang allein § 55 Abs. 1 Nr.6 BBergG, der eine ordnungsgemäße Beseitigung vorschreibt. Die Beseitigung von Stoffen über den Abluftpfad (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 KrW-/AbfG) wird durch §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr.2 BlmSchG gesteuert. Für die Beseitigung von Kampfmitteln (§ 2 Abs.2 Nr.7 KrW-/AbfG) gelten die einschlägigen Vorschriften der Bundesländer. \14

D. Bedeutung des Anhangs I und des Europäischen Abfallkatalogs I. Anhang I Entsprechend der Vorgabe des Art. 1 lit. a) EG-AbfRRL verlangt § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG für die Begründung der Abfalleigenschaft, daß die Sache unter eine der in Anhang I aufgeführten Gruppen Q 1 bis Q 16 fallt. Nach dem Wortlaut handelt es sich hierbei um eine echte Tatbestandsvoraussetzung, die kumulativ neben die weiteren Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG tritt. 115 Bereits für die Regelung der Abfallrahmenrichtlinie bestand jedoch weitgehend Einigkeit darüber, daß diesem Erfordernis eine echte Eingrenzungsfunktion nicht zukommt. 116 Dies folgt aus den Abfallgruppen Q 1 Dazu näher Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 2 Rn. 90 f. Näher v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 2 Rn. 14; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 2 Rn. 94 f. 113 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 2 Rn. \06. 114 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 2 Rn. 190. 115 Fluck, DVBI. 1995,537. 116 Vgl. Dieckmann, ZUR 1995, 172; Krings, WiVerw 1995, 104 f.; Petersen, Abfallpolitisches Konzept, S.56; Birn, NVwZ 1992, 421; im Ergebnis ebenso Fluck, DVBI. 1993, 591; ders., in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 95; 111

112

D. Bedeutung des Anhangs I und des Europäischen Abfallkatalogs

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(Nachstehend nicht näher beschriebene Produktions- oder Verbrauchsrückstände), Q 14 (Produkte, die vom Besitzer nicht oder nicht mehr verwendet werden) und Q 16 (Stoffe oder Produkte aller Art, die nicht einer der oben erwähnten Gruppen angehören). Vor allem letztere beinhaltet eine salvatorische Auffangklause1. 117 Aus diesem Grund wird der Verweisung auf Anhang I ganz überwiegend eine echte Tatbestandswirkung abgesprochen. 118 Der Anhang diene allenfalls der ordnenden Katalogisierung. 119 Ein anderer Teil der Literatur will dagegen den Gruppen Q 1 bis Q 15 eine widerlegliche Vermutung dafür entnehmen, daß es sich bei den aufgeführten Sachen um Abfälle handele. Diese Gruppen enthielten Stoffe, die typischerweise als Abfälle anfallen und als solche behandelt würden. Diese Vermutung kehre die Beweislast um. 120 Nicht mehr die Behörde, sondern derjenige, der sich trotz Einordnung eines Stoffes in die Kategorie des Anhangs I darauf berufe, es handele sich nicht um Abfall, müsse nachweisen, daß weder tatsächlich eine Entledigung stattfmde noch stattfmden müsse. 121 Dies wird man dahingehend verstehen dürfen, daß unmittelbar aus der Aufnahme in den Anhang I eine gesetzliche 122 Vermutung folgen soll. Gegen eine solche Auslegung sprechen jedoch Wortlaut und Systematik der Vorschrift. Hätte der Gesetzgeber allein dem Anhang I eine solche Vermutungswirkung zukommen lassen wollen, so hätte er dies unschwer im Wortlaut des Gesetzes zum Ausdruck bringen können. 123 Es ist auch nicht recht ersichtlich, in welchem Verhältnis eine solche VermuSeibert, DVBI. 1994,230. Die vor allem von Kersting vertretene Ansicht, der Anhang diene der Festschreibung des objektiven Abfallbegriffs (vgl. Kersting, Abgrenzung, S. 166 f.; ders., DVBI. 1992,345 f), beruhte offenbar auf der Erwartung, das noch zu erlassende Abfallverzeichnis werde abschließenden und zwingenden Charakter haben. Anders nunmehr BeckmannlKersting, UPR 1995,325 f. 117 Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S.37; BeckmanniKersting, in: Landmann/ Rohmer, KrW-/AbfG § 3 Rn. 22. 118 Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 38; Pohl, in: HUR, B.3, Rn. 11; LAGA-Arbeitspapier, Zifr. 2.1; vgl. auch Krämer, S. 275. 119 So Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 38. 120 Schink, Abfallbegriff, S. 14 unter Berufung auf Wendenburg, NVwZ 1995, 836, was allerdings auf einem Mißverständnis der zitierten Stelle beruht. Die Charakterisierung als "Beweislastumkehr" dürfte sich auf die in § 3 Abs.2 und § 3 Abs.3 KrW-I AbfG enthaltenen Regelungen beziehen. Vgl. ferner BeckmanniKersting, in: LandmannJRohmer, KrW-/AbfG § 3 Rn. 22. 121 Schink, Abfallbegriff, S. 14. 122 Eine auf Anhang I gestützte tatsächliche Vermutung scheidet von vomeherein aus, da ein solcher, aus der Lebenserfahrung gezogener Schluß nur hinsichtlich von Tatsachen möglich ist. Die Abfalleigenschaft ist indes keine tatsächliche, sondern eine rechtliche Eigenschaft. 123 Beispielsweise durch folgende Formulierung: Die Abfalleigenschaft wird hinsichtlich solcher beweglichen Sachen vermutet, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen. Dies gilt nicht, wenn sich der Besitzer der Sache nicht enledigt, entledigen will oder entledigen muß.

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

tung zu den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/ AbfG stehen sollte. Spricht man dem Anhang I eine Vermutungswirkung zu, so wird die Abfalleigenschaft zunächst allein dadurch begründet, daß ein Stoff die Voraussetzungen einer der Abfallgruppen erfiillt. Für ein solches Vorrangverhältnis gegenüber den weiteren Voraussetzungen fmdet sich in § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG kein Anhaltspunkt. Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift handelt es sich bei der Auffiihrung in Anhang I um eine Voraussetzung, die kumulativ neben den weiteren Tatbestandsmerkmalen des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/ AbfG erfüllt sein muß. Gegen eine allein auf Anhang I gestützte Vermutungswirkung spricht zudem der systematische Zusammenhang mit § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG. Wie noch näher zu begründen sein wird, enthält diese Vorschrift eine Vermutung des Entledigungswillens für Sachen, die bei Produktionshandlungen sowie Dienstleistungen und sonstigen Nutzungen von Stoffen und Erzeugnissen unbezweckt angefallen sind, sowie für Sachen, die nicht mehr gebraucht werden können oder sollen. 124 Vergleicht man dies mit den Abfallgruppen des Anhangs I, so zeigt sich, daß die in Anhang I erfaßten Konstellationen - ausgenommen Gruppe Q 16 - bereits durch die Willensannahme nach § 3 Abs.3 KrW-/AbfG erfaßt werden. Da das Gesetz für solche Stoffe bereits eine ausdrückliche Regelung enthält, nach der der Entledigungswille - und damit letztlich die Abfalleigenschaft - vermutet wird, kann nicht angenommen werden, daß zusätzlich auch Anhang I eine eigenständige Vermutungswirkung zukommt. Vorzugswürdig ist daher ein Verständnis, wonach allein der Nennung in Anhang I eine rechtliche · kung nIe . h t b e1ZU1l1essen. . 125 W Ir

11. Europäischer Abfallkatalog J. Unmittelbare Indizwirkung der Abfallbeschreibungen

Soweit dem Anhang I der Abfallrahmenrichtlinie von Teilen der Literatur eine weitergehende Bedeutung zugemessen worden ist, geschah dies vor allem im Hinblick auf das von der Kommission nach Art. 1 lit. a) S. 2 EG-AbfRRL zu erstellende Europäische Abfallverzeichnis. Das Verzeichnis soll nach Art. 1 lit. a) S. 2 EG-AbfRRL Abfälle aufführen, die unter die Abfallgruppen nach Anhang I fallen. Insbesondere daraus, daß Art. 1 lit. a) S. 2 EG-AbfRRL nicht von "Stoffen und Gegenständen", sondern von ,,Abfällen" spricht,126 ist zum Teil geschlosDazu unten I. Teil E 11 I. Fluck, DVBI. 1995, 538 sowie die in Fn. 2 genannten. 126 Dies übersieht beispielsweise Schink, Abfallbegriff, S. 16.

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D. Bedeutung des Anhangs I und des Europäischen Abfallkatalogs

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sen worden, die Kommission sei ermächtigt, abschließend über die Abfalleigenschaft bestimmter Sachen zu entscheiden und so den objektiven Abfallbegriff auszufiillen. 127 Ob Art. 1 lit. a) S. 2 EG-AbfRRL tatsächlich eine so weitgehende Ermächtigung enthält, ist fraglich,128 bedarf jedoch angesichts des von der Kommission Anfang 1994 als Entscheidung erlassenen Europäischen Abfallverzeichnisses (EAK)129 keiner abschließenden Klärung. Nach Nr.3 der Einleitung des EAK bedeutet die Aufnahme eines Stoffes in den Katalog nicht, daß es sich unter allen Umständen um Abfall handelt. Der Eintrag soll nur dann von Belang sein, wenn die Defmition von Abfall nach Art. 1 lit. a) EGAbfRRL zutrifft. Ein im Verzeichnis aufgefiihrter Stoff oder Gegenstand ist demnach nur dann Abfall, wenn sich der Besitzer seiner entledigt, entledigen will oder entledigen muß. Die Bundesregierung hat das Abfallverzeichnis durch die Verordnung zur Einfiihrung des Europäischen Abfallkatalogs (EAKV)130 in innerstaatliches Recht umgesetzt. Auch die deutsche EAK-Verordnung hat keinen rechtlichen Regelungsgehalt, der hierüber hinausginge. 131 Ihre Anwendung setzt nach § 1 Abs. 1 EAKV voraus, daß die einzustufenden beweglichen Sachen Abfälle nach § 3 Abs. 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sind. Der Aufnahme einer beweglichen Sache in den EAK wird von Teilen der Literatur aber immerhin eine Vermutungswirkung oder Indizfunktion dafiir zugesprochen, daß sich der Besitzer ihrer entledigen will oder muß, da diese Sache regelmäßig ohne Verwertungsverfahren nicht mehr nutzbar sei oder gar einem Beseitigungsverfahren unterzogen werden müsse. \32 Gegen die Annahme einer solchen unmittelbar aus dem EAK herzuleitenden rechtlichen Vermutungswirkung spricht jedoch zum einen, daß die Kommission zwar möglicherweise die Abfalleigenschaft einzelner Stoffe mit einem minderen Verbindlichkeitsgrad hätte festlegen können. \33 Dies hätte aber mit hinreichender Deutlichkeit erfolgen müssen,134 was de lege lata nicht geschehen ist. Zum anderen sind viele der im EAK enthaltenen Bezeichnungen derart profan, daß eine Indizwirkung ernsthaft nicht in Betracht gezogen werden kann. \3S So erfaßt etwa die

Kersting, Abgrenzung, S. 166 f.; vgl. auch Seibert, DVB!. 1994, 23 J. Vgl. zu den Bedenken Dieckmann, NuR 1992, 411; Konzak, NuR 1995, 133; Krieger, UPR 1995, 408 f. 129 Entscheidung der Kommission 9413/EG vom 20.12.1993 (ABI. L 5, S. 15). 130 Vom 13.9.1996 (BGB!. 11428). 131 Schink, Abfallbegriff, S. 15. m Fluck, DVB!. 1995, 538; ähnlich Paetow, EG-rechtliche Vorgaben, S. 95 f.; vgJ. auch den Bundesratsbeschluß zur EAK-Verordnung, BR-Drs. 355/96 (Beschluß), S. 1. 133 Dafür Seibert, DVBJ. 1994,232. 134 Seibert, DVBJ. 1994, 232. m Dieckmann, ZUR 1995,172. 127

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Abfallschlüsselnummer 040213 "Farbstoffe und Pigmente" aus der Textilindustrie; Nr. 090108 "Filme und photographische Papiere, die kein Silber und keine Silberverbindungen enthalten"; Nr. 150101 "Papier und Pappe"; Nr. 160602 "Ni-Cd-Batterien". Dies schließt es jedenfalls aus, aus der Aufnahme in das Verzeichnis generell eine Regelvennutung fiir die Abfalleigenschaft herzuleiten. 136 Auch der weniger weitgehenden Ansicht, die die Stärke der Indizwirkung von der Konkretheit und Fonnulierung der einzelnen Beschreibung abhängig machen Will,137 ist entgegenzuhalten, daß die genannten Stoffe nur dann Abfall sind, wenn zusätzlich ein Entledigungstatbestand erfüllt ist. Daher kann die Aufnahme in das Europäische Abfallverzeichnis schon aus systematischen Gründen nicht unmittelbar die Abfalleigenschaft begründen, auch nicht in Form einer nur indiziellen Wirkung. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Entscheidung der Kommission wie auch der EAK-Verordnung beschränkt sich der unmittelbare Regelungsgehalt des EAK auf die EG-weite Vereinheitlichung der Begrifflichkeiten und Abfallschlüsselnummem. 138 Nach Nr. 5 der Einleitung zum Abfallverzeichnis stellt der Katalog eine Bezugsnomenklatur dar, mit der eine gemeinsame Terminologie für die ganz Gemeinschaft festgelegt werden soll. Was dagegen die Begründung der Abfalleigenschaft anbelangt, kann dem Abfallverzeichnis keine unmittelbare Regelungswirkung entnommen werden. 139

2. Bedeutung des EAKjUr die Bestimmung der Verkehrsanschauung Andererseits ist zu bedenken, daß der Grund fiir die Aufnahme eines Stoffes in den EAK letztlich nur darin bestehen kann, daß sich in der Praxis der Erzeuger solcher Stoffe typischerweise entledigt, da sie in aller Regel ohne Verwertungsverfahren nicht mehr nutzbar sind oder gar mangels Verwertungsmöglichkeiten beseitigt werden müssen. 140 Diese Bewertung, die im Einzelfall den Abfallbezeichnungen des EAK entnommen werden kann, führt aber nicht unmittelbar zur Begründung der Abfalleigenschaft, auch nicht in der abgeschwächten Fonn einer widerleglichen Vermutung. Der systematisch richtige Platz für eine Berücksichtigung des EAK ist vielmehr dort, wo es fiir die Beurteilung der Abfalleigenschaft auf die Verkehrsanschauung ankommt, also vor

In diesem Sinne aber Paetow, EG-rechtliche Vorgaben, S. 95 f. Fluck, DVBI. 1995,538. 138 Dieckmann, ZUR 1995,172; Konzak, NuR 1995, 133. 139 Seibert, UPR 1994, 417; Petersen, Abfallpolitisches Konzept, S. 56; Konzak, NUR 1995, 133; Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S.60; Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 10. 140 Vgl. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 104. 136

137

D. Bedeutung des Anhangs I und des Europäischen Abfallkatalogs

45

allem bei der Ermittlung der Zweckbestimmung nach § 3 Abs. 3 S. 2 KrW-I AbfG. 141 Die Abfallbezeichnungen des EAK können als ein positivierter Ausdruck der Verkehrsanschauung aufgefaßt werden. Bei der Beantwortung der Frage, ob nach der Verkehrsanschauung der Anfall eines Stoffes bezweckt ist (§ 3 Abs. 1 S. 1 KrW-IAbfG) oder ein bisher bestehender Verwendungszweck ohne unmittelbare Neuwidmung entfallen ist (§ 3 Abs. 2 KrW_IAbfG),142 ist es deswegen von Bedeutung, ob der bei dem fraglichen Herstellungs- oder Nutzungsvorgang anfallende Stoff im EAK verzeichnet ist. Der Eintrag in den EAK ist allerdings nur ein Gesichtspunkt, der bei der Konkretisierung der Verkehrsanschauung von Bedeutung ist. Auch hier ist zu berücksichtigen, daß der genannte Stoff nicht unter allen Umständen Abfall ist. Vielmehr kann sich aus weiteren Gesichtspunkten, die bei der Aufnahme in den EAK keine Berücksichtigung gefunden haben, ergeben, daß der Stoff Zweck des ihn erzeugenden Prozesses oder ohne weitere Behandlung unmittelbar nutzbar ist. 143 Eine Bedeutung rur die Konkretisierung der Verkehrsanschauung kann jedoch nicht allen Abfallbeschreibungen in gleicher Weise beigemessen werden. Teilweise nennen die Beschreibungen keine konkreten Stoffe, sondern sprechen nur von "Abfällen", z. B. ,,Abfälle von Sand und Ton" (010402), ,,Abfälle aus der Herstellung von Silizium und Siliziumverbindungen" (060801), "Abfälle aus der Verarbeitung von Schlacke" (100201) oder schlicht ,,Abfälle a.n.g.". Zum Teil werden lediglich Stoffe aus einzelnen Herkunftsbereichen ohne Beziehung zu einem konkreten Entstehungs- oder Nutzungsprozeß benannt: "Farbstoffe und Pigmente" (040213), "Klebstoffe und Dichtungsrnassen, die keine halogenierten Lösemittel enthalten" (080405), "Offsetplattenentwikkler aufWasserbasis" (090102), "Gießformen und -sande mit organischen Bindern vor dem Gießen" (100901), "Papier und Pappe [Verpackungen]" (150101), "Bleibatterien" (160601). In beiden Fällen wird man dem Eintrag in den EAK keine Bedeutung fiir die Verkehrsauffassung zusprechen können: Im ersten Fall fehlt es an einer hinreichend konkreten Beschreibung, im zweiten Fall ist offensichtlich, daß diese Stoffe nur dann zu Abfall werden, wenn sich ihr Besitzer ihrer entledigt. Andere Beschreibungen beziehen sich dagegen auf bestimmte Stoffe, die bei konkreten Vorgängen anfallen, z. B. "Rotschlamm aus der Aluminiumherstellung" (010303), "Erde aus der Wäsche und Reinigung von Zuckerrüben" (020401), "Späne, Abschnitte, Verschnitt von Holz, Spanplatten und Furnie-

LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.1. Dazu noch ausführlich unten unter E 112 b) bb) und 3 c). 143 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 104; dazu auch unten E 112 c). 141

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

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ren" (030103), "verbrauchte Katalysatoren" (050301), "quecksilberhaltige Schlämme [aus der Erdgasreinigung]" (050701), ,,Aktivkohle aus der Chlorherstellung" (060702), "Gips aus der Titandioxidherstellung" (061101), "halogenierte Filterkuchen, verbrauchte Aufsaugmaterialien" (070209), "wässrige Schlämme, die Farbe oder Lack enthalten" (080108), "Reaktionsabfälle auf Kalziumbasis aus der Rauchgasentschwefelung in Form von Schlämmen" (100107), "unverarbeitete Schlacke [aus der Eisen- und Stahlindustrie]" (100202). Sind der fragliche Stoff und sein Entstehungsgrund derart konkret beschrieben, so kann hieraus geschlossen werden, daß nach der Bewertung des EAK regelmäßig nur eine Verwertung oder Beseitigung des Stoffes in Betracht kommt und der Stoff daher nach der Verkehrsanschauung regelmäßig nicht gezielt hergestellt worden ist bzw. nicht unmittelbar weiterverwendet werden kann.

3. Ausschlußwirkung des EAK

Hat die Aufnahme eines Stoffes oder Gegenstandes in den EAK daher fiir die Einstufung als Abfall im Einzelfall nur mittelbare Bedeutung, so wird man im Hinblick auf die Regelungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten aber zumindest feststellen können, daß eine Regelung, die einen im Verzeichnis enthaltenen Stoff generell vom Abfallrecht ausnehmen würde, nicht mit dem EG-Recht in Einklang stünde. Des weiteren könnte dem Verzeichnis immerhin eine Wirkung in negativer Hinsicht zukommen. Bei einem Stoff oder Gegenstand, der nicht unter die Tatbestände des EAK subsumiert werden kann, könnte die Einstufung als Abfall ausgeschlossen sein. l44 Nach der Einleitung zum EAK ist dieser zwar ein "harmonisiertes, nicht erschöpfendes Verzeichnis von Abfällen". Nicht erschöpfend wird aber scheinbar gleichgesetzt mit "zu überprüfen und zu ändern im Ausschußverfahren nach Art. 18 EG-AbfRRL". Gegen ein solches Verständnis spricht jedoch, daß die Erstellung eines abschließenden Verzeichnisses eine praktisch nicht lösbare Aufgabe darstellt. Es bestünde immer die Gefahr, daß aufgrund nicht vorhersehbarer Entwicklungen Stoffe aus dem Abfallbegriff ausgegrenzt werden, die an sich einer geordneten Entsorgung bedürfen. 14s Das Änderungsverfahren nach Art. 18 EG-AbfRRL bringt hier keine Abhilfe, da es zu schwerfällig ist, um kurzfristige Änderungen zu ermöglichen. 146 Ein solches Verständnis läßt sich daher kaum mit der Zielsetzung der Richtlinie in Einklang bringen, Gesundheit und Umwelt gegen Be-

So Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 104. Seibert, DVBI. 1994, 232; Dieckmann, NuR 1992, 411. 146 Seibert, DVBI. 1994,232.

144 145

E. Die Entledigungstatbestände

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einträchtigungen durch Abfalle zu schützen. 147 Auch der Wortlaut der Ermächtigung in Art.llit. a) S. 2 EG-AbfRRL legt es nahe, daß dem Verzeichnis keine Ausschlußwirkung zukommen soll. Die Kommission soll nicht etwa die unter die Abfallgruppen fallenden Abfalle festlegen, sondern lediglich ein Verzeichnis der unter die Gruppen fallenden Abfalle erstellen. Diese W ortwahl deutet eher auf eine deklaratorische Funktion des Verzeichnisses hin. 148 Der Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage für die Erstellung des Verzeichnisses sowie Sinn und Zweck der Abfallrahmenrichtlinie sprechen somit gegen eine in negativer Hinsicht abschließende Wirkung des EAK.

4. Umsetzung ins deutsche Recht Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz enthält keine spezielle Ermächtigungsgrundlage für die Umsetzung des EAK in innerstaatliches Recht. Die Verordnung zur Einführung des Europäischen Abfallkatalogs l49 stützt sich vielmehr auf § 57 KrW-/AbfD. Teilweise ist in Zweifel gezogen worden, ob diese Vorschrift als Ermächtigungsgrundlage ausreicht, da sie nur Verordnungen zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung sowie umweltverträgichen Beseitigung vorsieht. ISO Eine Ergänzung oder Konkretisierung des Abfallbegriffs erlaube § 57 KrW-/AbfD jedenfalls nicht. Dieses Problem ergibt sich jedoch nur, wenn man dem EAK eine unmittelbare Indiz- oder Vermutungswirkung zuspricht. Nach dem hier vertretenen Verständnis gibt er jedoch nur einheitliche Bezeichnung und Abfallschlüssel vor und dient damit einem EG-weit einheitlichen Vollzug bei der Entsorgung von Abfallen. Da hierdurch die ordnungsgemäße Entsorgung sichergestellt wird, ist die Umsetzung durch die auf § 57 KrW-/AbfD gestützte Verordnung nicht zu beanstanden.

E. Die Entledigungstatbestände Eine bewegliche Sache wird nach § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfD dann Abfall, wenn sich ihr Besitzer ihrer entledigt, entledigen will oder entledigen muß. Die Formulierung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes übernimmt insoweit wieder wörtlich die Regelung des Art. llit. a) EG-AbfRRL. Die Abfallrahmenrichtlinie enthält keine nähere Erläuterung der Begriffe "entledigen", "entledigen wollen" und "entledigen müssen". Demgegenüber enthält das KreislaufVgl. Erwägungsgrund Nr. 3 der Präambel. Dieckmann, NuR 1992, 411 Fn. 61. 149 V. 13.9.1996 (BGBl. 11428). 150 Fluck, DVBl. 1995, 537 f.; Cal/ies in: BrandtIRuchaylWeidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 57 Rn. 114. 147

148

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

wirtschafts- und Abfallgesetz in den Absätzen 2 bis 4 - jedenfalls dem Wortlaut nach lsl - eine Konkretisierung der Entledigungstatbestände des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG.

I. Entledigung nach § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG werden zumeist drei alternativ zu prüfende Einzeltatbestände entnommen: das ZufUhren zu einer Beseitigung, das ZufUhren zu einer Verwertung sowie die Aufgabe der tatsächlichen Sachherrschaft unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung. ls2 Dies ist einerseits zutreffend, verstellt aber andererseits leicht den Blick darauf, daß die beiden ersten Varianten dieselbe Struktur aufweisen und sich in dieser von der dritten Variante deutlich unterscheiden. In den ersten beiden Fällen ist die konkrete Zielrlchtung der Handlung kennzeichnend, nämlich die Zufiihrung zu einer bestimmten Entsorgungsmaßnahme. Das Gesetz hätte daher ohne Unterschied im Ergebnis formulieren können: "Eine Entledigung liegt vor, wenn der Besitzer Sachen einer Entsorgung im Sinne des Anhangs 11 zufUhrt."lS3 Demgegenüber setzt der dritte Fall voraus, daß der Besitzer mit der Aufgabe der Sachherrschaft keine konkrete Zielsetzung mehr verfolgt. Daher werden die beiden ersten Varianten, soweit es nicht gerade auf den Unterschied zwischen Verwertung und Beseitigung ankommt, im folgenden als "ZufUhrens-Alternative" bezeichnet.

1. ZufUhren zu einer Verwertung oder Beseitigung a) ZufUhren Die Abfalleigenschaft wird nach § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG nicht erst dadurch begründet, daß der Abfallbesitzer eine der in den Anhängen 11 A oder 11 B genannten Handlungen vornimmt. Wäre dies gewollt, so hätte dies im Wortlaut der Bestimmung unschwer zum Ausdruck gebracht werden können. Vielmehr liegt eine die Abfalleigenschaft begründende Entledigung bereits dann vor, wenn der Besitzer die Sache einem solchen Verfahren zufUhrt. Der Akt des Zuführens selbst ist noch keine Beseitigungs- oder Verwertungshandlung, sondern

151 Wie noch näher darzulegen sein wird, werden tatsächlich nur die Tatbestände der Entledigung und des Entledigen Müssens konkretisiert. Hinsichtlich des Entledigungswillens enthält § 3 Abs.3 KrW-/AbfD keine Konkretisierung, sondern die Ergänzung durch einen zusätzlichen Tatbestand. Dazu unten E 11 I. 152 Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S.43; BeckmanniKersting, in: Landmann! RohmeT, KrW-/AbfD § 3 Rn. 27. 153 Vgl. auch Art. 2 Abs. 4 des Basler Übereinkommens.

E. Die Entledigungstatbestände

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ein der Verwertung oder Beseitigung (unmittelbar) vorgelagertes Stadium. 154 "Zuführen" wird man daher als ein Verhalten des Besitzers der beweglichen Sache umschreiben können, aus dem sich ergibt, daß die konkrete Sache nunmehr einem in Anhang 11 genannten Verfahren unterzogen werden soll. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 AbfG waren Abfälle "alle beweglichen Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will". "Entledigen" wurde in diesem Zusammenhang allgemein als Gewahrsamsaufgabe zum alleinigen Zwecke der Beseitigung der Sache verstanden. ISS Demgegenüber kann nach § 3 Abs.2 KrW-I AbfG der Zweck der Entledigungshandlung auch in einer Verwertung der Sache liegen. Des weiteren ist eine Gewahrsamsaufgabe nicht mehr erforderlich. 156 Dem läßt sich nicht entgegenhalten, das Wort "entledigen" meine eindeutig die Besitzaufgabe. 157 Dies läßt außer acht, daß der Begriff "entledigen" in § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG legal defmiert wird l58 und insoweit vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichen kann. Daß § 3 Abs.2 KrW-/AbfG auch eine Entsorgung durch den Besitzer selbst ausreichen läßt, folgt zum einen aus einem Umkehrschluß aus der zweiten Alternative des § 3 Abs.2 KrW-/AbfG, die ausdrücklich eine Aufgabe der tatsächlichen Sachherrschaft verlangt. Dagegen setzt die erste Alternative nur voraus, daß die bewegliche Sache einer Entsorgungsmaßnahme unterzogen werden soll. Eine Einschränkung auf die Entsorgung durch Dritte ist der Vorschrift nicht zu entnehmen, sie kann also auch durch den Besitzer selbst erfolgen. 159 Für diese Interpretation spricht schließlich, daß der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG den europäischen Abfallbegriff umsetzen und diesen durch die Absätze 2 bis 4 lediglich konkretisieren wollte. Für den Entledigungsbegriff in Art. 1 lit. a) EG-AbfRRL gilt aber, daß entledigen nicht im Sinne von "weggeben", sondern von "aufgeben der ursprünglichen Zweckbestirnmung" zu verstehen ist l60 und daher eine Entledi-

BT-Drs. 12/7284, S. 12. BVerwG, UPR 1990, 192; v. LersneriWendenburg, KrW-/AbfG, § 1 Rn. 6; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 28 Rn. 9; v. Lersner, NuR 1981, 2. IS6 A. A. v. LersneriWendenburg, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 9. IS7 SO das einzige Argument bei v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 9. IS8 Dagegen bezeichnet Queitsch, KrW-/AbfG, Ergänzungsband, S. 21, die Regelung als "Fiktion", ohne dies zu begründen. Jedoch geben weder der Wortlaut der Vorschrift noch die Systematik des § 3 KrW-/AbfG etwas für dieses Auffassung her. IS9 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 122; Frenz, KrW-/ AbfG, § 3 Rn. 15; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.2; a. A. wohl Schink, Abfallbegriff, S. 18 f, der zwar einerseits eine Gewahrsamsaufgabe nicht für erforderlich hält, andererseits ein Zuführen zur Entsorgung aber wohl nur im Bereitstellen für eine Überlassung sehen will. 160 Dieckmann, Abfallrecht der EG, S. 161; Fluck, DVBI. 1993, 592; Konzak, NuR 1995, 134; in der Sache auch Paetow, EG-rechtliche Vorgaben, S. 91. Vgl. auch die Begründung des Umwe\tausschusses, BT-Drs. 12/7284, S. 12: "Da die EG-Richtlinie auch die Eigenverwertung durch den Besitzer vorsieht, kommt es für die Entledigung IS4

ISS

4 Locher

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I. Teil: Oer erweiterte Abfallbegriff

gung auch dann vorliegt, wenn der Besitzer selbst verwertet oder beseitigt. 161 Umgekehrt enthält die Zuführens-Alternative des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG aber auch keine Beschränkung auf vom Besitzer selbst vorgenommene Entsorgungshandlungen. Daher liegt ein Entledigen auch dann vor, wenn die Sache zur Verwertung an einen Dritten weitergegeben wird. 162 Ein Entledigen liegt regelmäßig dann vor, wenn die Sache demjenigen überlassen wird, der die in den Anhängen 11 A bzw. 11 B beschriebenen Handlungen selbst vornehmen soll. Ob die Übergabe an einen Dritten, der die Abfälle lediglich einsammelt und befördert, bereits ein Zuführen zur Entsorgung darstellt, ist dagegen fraglich. Die Anhänge 11 A und 11 B zählen zwar verschiedene Stufen der Abfallverwertung und -beseitigung auf. Nicht genannt ist aber das Einsammeln und Transportieren der Abfälle. Einsammeln und Befördern lassen sich bereits nach dem Wortlaut der Anhänge nur schwerlich unter eine der Gruppen fassen. Gegen eine Einbeziehung spricht auch, daß die Anhänge zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz die Anhänge 11 A und 11 B zur Abfallrahmenrichtlinie übernehmen. Die Richtlinie trennt aber zwischen Verwertung und Beseitigung einerseits sowie Einsammeln und Befördern der Abfälle andererseits. Art. 1 lit. d) EG-AbfRRL führt als Defmition von "Bewirtschaftung" das Einsammeln, die Beförderung, die Verwertung und die Beseitigung als je getrennte Aspekte auf. Ferner erfährt der Begriff "Einsammeln" in Art. 1 lit. g) EG-AbfRRL eine eigenständige Defmition. Dies führt zu dem Schluß, daß jedenfalls das Einsammeln und die Beförderung noch nicht zur Verwertung i. S. d. Anhangs 11 B bzw. zur Beseitigung i. S. d. Anhangs 11 A gehören. Möglicherweise aus diesem Grund wird teilweise die Übergabe der Sache an Personen oder Institutionen, die lediglich Vorbereitungshandlungen für die Entsorgung leisten, nicht der ersten Alternative des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG zugeordnet, sondern der Alternative ,,Aufgabe der tatsächlichen Sachherrschaft". 163 Hierbei wird jedoch zunächst übersehen, daß die Anhänge 11 A und II B zum Teil ausdrücklich vorbereitende Maßnahmen als Verwertung oder Beseitigung erfassen, beispielsweise die Zwischenlagerung (D 15, R 13).164 Darüber hinaus nötigt auch der Wortlaut der Vorschrift nicht dazu, ein Zuführen erst im allerletzten Schritt vor der eigentlichen Verwertung bzw. Beseitigung zu erblicken. Die Begründung zur Beschlußempfehlung des Umweltausschusses spricht von einem unmittelbar vorgelagerten Stadium, was darauf hindeutet, daß das Zuführen nicht lediglich ein punktueller Akt ist und schon gar nicht auf

im Gegensatz zum bisherigen deutschen Abfallrecht jedoch nicht mehr auf die Aufgabe der tatsächlichen Sachherrschaft an." 161 EuGH, ZUR 1998,26/27. 162 A. A. wohl Bartlsperger, VerwArch 86 (1995), 59. 163 Peine, in: Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, § 13 Tz. 31. 164 Vgl. ferner die Gruppen 013,014 sowie R 12.

E. Die Entledigungstatbestände

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den allerletzten Schritt vor der eigentlichen Entsorgung reduziert werden muß. Weiter ist zu bedenken, daß die Einschaltung eines Dritten zum Einsammeln und Transportieren typischerweise eine Beauftragung im Sinne des § 16 Abs. 1 KrW -/AbfG darstellt. Der Dritte wird lediglich als "Erfüllungsgehilfe" tätig. 165 Die Übergabe an den Transporteur läßt die Verantwortung des Abfallerzeugers bzw. -besitzers unberührt (§ 16 Abs. 1 S.2 KrW-/AbfG). Zivilrechtlich besteht zwischen dem Besitzer und dem Dritten ein Vertragsverhältnis, in der Regel Werkvertag. Durch die Beauftragung und (zumindest) die Ausgestaltung des Vertrages steuert der Besitzer den Transportvorgang mit, so daß dieser ihm auch als ein Zuführen im Sinne des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG zuzurechnen ist. Aus diesen Gründen scheint es zutreffender, auch in der Übergabe der beweglichen Sache an einen Transportunternehmer bereits ein Zuführen im Sinne der ersten Alternative zu sehen, wenn dieser die bewegliche Sache zu einem weiteren Unternehmen befordern soll, das dann eine Entsorgungshandlung nach Anhang 11 A oder 11 B vornimmt. Ferner stellt sich die Frage, ob schon ein Lagern durch den Besitzer ein Zuführen und damit eine Entledigung sein kann. Hiergegen könnte sprechen, daß Anhang 11 A, Gruppe D 15 bzw. Anhang 11 B, Gruppe R 13 gerade nicht die zeitweilige Lagerung von Stoffen auf dem Gelände ihrer Entstehung erfassen. Daraus folgt aber nur, daß diese Lagerung noch keine Verwertung oder Beseitigung im Sinne der Anhänge ist, nicht aber, daß die Lagerung kein Zuführen zu einer anschließenden Entsorgung und damit kein Entledigen sein kann. Allerdings ist nicht jedes Lagern notwendig ein Vorstadium der späteren Entsorgung. Es kann genausogut ein Zwischenschritt vor der Weiterverarbeitung oder dem Verkauf der Sache sein. Es müssen daher jedenfalls weitere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, daß das Lagern allein der Vorbereitung einer anschließenden Verwertung oder Beseitigung dient. Es sind Fälle denkbar, in denen die Zweckbestimmung des Lagerns noch nicht abschließend feststeht. Die Lagerung kann dann sowohl ein Zwischenschritt vor dem Verkauf sein wenn rechtzeitig eine entsprechende Nachfrage vorhanden ist - als auch ein Vorstadium zur Entsorgung. In diesen Fällen kann jedenfalls solange keine Entledigung angenommen werden, wie nicht feststeht, daß für die gelagerten Sachen nur noch eine Entsorgung in Betracht kommt.

b) Entsorgung im Sinne der Anhänge 11 A und 11 B § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG setzt dem Wortlaut nach nicht schlechthin eine "Verwertung" oder "Beseitigung" voraus, sondern eine Verwertung oder Beseitigung im Sinne der Anhänge II A und II B. Diese Bezugnahme soll, so die Be-

165

Dazu Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 16 Rn. 41.

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

gründung im Bericht des Bundestags-Umweltausschusses, der Konkretisierung der Begriffe "Verwertung" und "Beseitigung" dienen. l66 Die Anhänge 11 A und II B zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz entsprechen wortgleich der bis zum 23. Mai 1996 geltenden Fassung der Anhänge 11 A und 11 B der Abfallrahmenrichtlinie. 167 Allerdings dienen diese im Kontext der EG-Richtlinie nicht zur Erläuterung des Entledigungsbegriffs, sondern lediglich der Konkretisierung der Begriffe Beseitigung und Verwertung. 168 Art. 1 EG-AbfRRL deftniert Beseitigung als "alle im Anhang 11 A aufgefiihrten Verfahren" (lit. e) und Verwertung als "alle in Anhang 11 B aufgefiihrten Verfahren" (lit. f).

aa) Abschließender Charakter der Anhänge

Unklar ist bereits, ob die Anhänge lediRlich im Sinne einer nur beispielhaften Erläuterung l69 oder als abschließende I 0 und möglicherweise sogar gegen-

BT-Drs. 1217284, S. 12; vgl. ferner Petersen, Abfallpolitisches Konzept, S. 57. Die Anhänge sind durch die Entscheidung der Kommission 96/3501EG vom 24.5.1996 (ABI. L 135/32) geändert worden. Die Änderungen des Anhangs 11 A sind nur geringfligiger Natur; betroffen sind die Verfahren D 9 und D 15. Einer umfangreicheren Änderung ist dagegen Anhang 11 B unterzogen worden. Die Verwendung als Brennstoff findet sich nunmehr unter R I (früher R 9). Die deutsche Fassung verzichtet jetzt auf den Zusatz "außer bei Direktverbrennung", der schon bisher in den anderssprachigen Fassungen nicht enthalten war ("use principally as fuel or other means to generate energy"). Durch diese Umstellung ändert sich die Numerierung der folgenden Verfahren R 2 - R 9 (früher: R I - R 8). Die Kompostierung und sonstige biologische Umwandlungsverfahren sind in der neuen Fassung der Gruppe R 3 - Verwertung/Rückgewinnung organischer Stoffe, die nicht als Lösemittel verwendet werden - zugeordnet (früher: RIO - Aufbringung auf den Boden zum Nutzen der Landwirtschaft oder der Okologie). Sprachliche Anderungen finden sich weiter hinsichtlich der Verfahren R 9 (früher: R 8) und R 11. In R 9 ist der Begriff "Altöl" durch das Wort "ÖI" ersetzt worden. R 11 spricht nunmehr von der Verwendung von ,,Abfällen" statt von ,,Rückständen. 168 Anderes gilt wiederum flir das Baseler Übereinkommen, dessen Vertragspartei auch die EG selbst ist. Dieses enthält in Art. 2 Abs. I zunächst eine dem Art. I lit a) EG-AbfRRL entsprechende Abfalldefinition. Art. 2 Abs. 4 definiert dann Entsorgung (disposal) als jedes Verfahren, daß in Anlage IV aufgeführt ist. Anlage IV entspricht in ihren Teil A und B den Anhängen 11 A und 11 B der EG-AbfRRL. Vgl. dazu auch Krieger, NuR 1995, 170 f. 169 So die wohl überwiegende Auffassung, vgl. v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 16 (nur Indizien); Beckmann/Kersting, in: LandmannIRohmer, KrW-/AbfG § 3 Rn. 29; Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 16; Bothe, UPR 1996, 170; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 4.2; Klöck, ZUR 1997, 118. Zur Abfallrahmenrichtlinie: Dieckmann, Abfallrecht der EG, S. 174 f.; ders., ZUR 1995,173; Paetow, EG-rechtliche Vorgaben, S. 91. 170 v. Köller, KrW-/AbfG, S. 104 f.; im selben Sinne der Diskussionbeitrag von Breuer, in: Klett, 4. Kölner Abfalltage, S. 74: echte Definition und abschließender Katalog. Für die Abfallrahmenrichtlinie: v. Wilmowsky, EuR 1992, 414/424; wohl auch Fluck, DVBI. 1993, 592. 166 167

E. Die Entledigungstatbestände

53

über den weiteren Begriffsbestimmungen in §§ 4 Abs.3 - Abs. 5, 10 Abs.2 KrW -/AbfG einschränkende Inhaltsfestlegung zu verstehen sind. Die Anhänge enthalten nach ihrem Eingangssatz Beseitigungs- bzw. Verwertungsverfahren, "die in der Praxis angewandt werden". Anhang 11 A nennt insgesamt 15 Vorgänge zur Beseitigung von Abfallen. Dazu gehören zunächst Verfahren zur Endlagerung von Abfallen, wobei die einzelnen Gruppen unterschiedlich speziell gefaßt sind. So erfaßt die Gruppe D 3 die Verpressung pumpfahiger Abfalle etwa in Bohrlöcher, Salzdome oder natürliche Hohlräume, D 4 die Oberflächenautbringung, D 5 die Ablagerung in speziell angelegten Deponien und D 12 die Dauerlagerung (z. B. Lagerung von Behältern in einem Bergwerk). Daneben steht aber die Gruppe D 1, die sämtliche Ablagerungen in oder auf dem Boden umfaßt, worunter man im Zweifel auch die Verfahren nach D 3 - D 5 fassen könnte. Weiter werden als Behandlungsmethoden zum einen die Behandlung im Boden (z. B. biologischer Abbau) (D 2), zum anderen alle biologischen (D 8) und chemisch/physikalischen (D 9) Verfahren genannt, durch die Endverbindungen oder -gemische entstehen, die dann mit einem der im Anhang genannten Verfahren entsorgt werden können. Erfaßt werden zudem auch die Vermengung oder Vermischung (D 13) sowie die Rekonditionierung (D 14) vor Anwendung eines weiteren Beseitigungsverfahrens, ferner die Zwischenlagerung (D 15). Schließlich nennen die Gruppen D 10 und D 11 noch die Verbrennung an Land und auf See. Die bei den einzelnen Beseitigungsverfahren angeführten konkreten Methoden sind zudem immer nur Beispiele, wie aus den Zusätzen "z. B." und "usw." folgt. Angesichts der weiten Fassung insbesondere der Gruppen D 1, D 8, D 9 - D 11, D 13 und D 14 kommt der Frage, ob die Aufzählung lediglich beispielhaft oder abschließend ist, keine praktische Bedeutung zu, da sich alle denkbaren Beseitigungsverfahren einer der Gruppen des Anhangs 11 A zuordnen lassen. \71 In Anhang 11 B werden 13 Vorgänge als Verwertungsverfahren erfaßt. Eine Reihe von Verwertungsvorgängen sind dabei auf näher bestimmte Stoffe bezogen (Rl: Lösemittel, R3 Metalle und Metallverbindungen; R5: Säuren und Basen; R7: Katalysatoren; R8: Altöl).172 Daneben stehen aber auch die stoftbezogenen Gruppen R 2 (organische Stoffe, die nicht als Lösemittel verwendet werden) und R 4 (andere anorganische Stoffe), die aufgrund ihrer weiten Fassung Auffangfunktion haben. 173 Andere Gruppen des Anhangs 11 B orientieren sich am Verwendungszweck: R 9 (Verwendung als Brennstoff oder andere Mittel der Energieerzeugung) und RIO (Autbringung auf den Boden zum Nutzen der Landwirtschaft oder der Ökologie, einschließlich der Kompostierung und sonstiger biologischer Umwandlungsverfahren). Endlich sind auch vorgelagerte Vgl. Kunig, NVwZ 1997,212. Vgl. Dieckmann, Abfallrecht der EG, S. 174 zum Anhang 11 B der EG-AbfRRL. 173 Krieger, NuR 1995,343. 171

172

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Maßnahmen erfaßt, etwa die Ansammlung von Stoffen, um sie einem Verwertung zuzuführen (R 13). Insbesondere aufgrund der Gruppen R 2 und R 4, die die VerwertungIRückgewinnung aller organischen bzw. anorganischen Stoffe betreffen, die nicht durch eine der anderen Gruppen erfaßt sind, hat die Frage nach dem beispielhaften oder abschließenden Charakter der Aufzählung auch für den Bereich der Verwertungsverfahren keine Bedeutung. 174 In Zweifel gezogen worden ist etwa, ob die Verwertung von Altpapier o. ä. l7S erfaßt wird oder der Einsatz von REA-Gips und Steinkohleasche als Stabilisat zur Verfüllung eines Tagebaus. 176 Beides läßt sich jedoch unter die Gruppen R 2 bzw. R 4 fassen. 177 Festzuhalten ist damit, daß durch die Aufzählung in den Anhängen 11 A und 11 B keine denkbaren Beseitigungs- und Verwertungsverfahren ausgeschlossen werden. 178 Die Frage, ob der Richtliniengeber die Anhänge als abschließenden Katalog oder lediglich als beispielhafte Aufzählung verstanden wissen wollte, ist im Ergebnis weitgehend bedeutungslos,179 da eine Einschränkung des Verwertungs- oder Beseitigungsbegriffs aus den Anhängen nicht hergeleitet werden kann. 180

bb) Konkretisierung der Begriffe "Beseitigung" und" Verwertung" durch die Anhänge II A und II B

Andererseits läßt die weite Fassung bestimmter Verfahrensgruppen die den Anhängen vom deutschen Gesetzgeber zugedachte Konkretisierungsfunktion problematisch erscheinen. Nur teilweise lassen sich den Formulierungen Anhaltspunkte entnehmen, was in bestimmten Fällen etwa ein Verwertungsverfahren kennzeichnet und von einer Nutzung, die keine Verwertung ist, unterscheidet. Vergleichsweise eindeutig formuliert sind die Gruppen R 1 (RückgewinnunglRegenerierung von Lösemitteln) oder R 5 (Regenerierung von Säuren oder Basen) zu. Wo dagegen der Begriff der Verwertung letztlich durch sich selbst erläutert wird - z. B. in den Gruppen R 2 und R 3: Verwertung von organischen oder anorganischen Stoffen - tragen die jeweiligen Ver-

Ebenso Birn, KrW-/AbfG, § 3 Anm. 2; vgl. auch Krieger, NuR 1995, 343. Dieckmann. Abfallrecht der EG, S. 175. 176 So wohl Fluck, DVBI. 1993, 593 zur EG-AbfRRL. 177 Für den Bergversatz ebenso Versmann, ZUR 1995, 187. 178 Mit Ausnahme der vorgelagerten Maßnahmen des EinsammeIns und Befördems der Abfälle, dazu bereits oben unter EIl a). 179 Ebenso Krieger, NuR 1995,343; Birn, KrW-/AbfG, § 3 Anm. 2. 180 So aber v. Wilmowsky, EuR 1992,414/424 f. 174

175

E. Die Entledigungstatbestände

55

fahrensbeschreibungen der Anhänge kaum zur Ausfiillung der Tatbestandsmerkmale des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG bei. Vielmehr fUhrt diese Unbestimmtheit dazu, daß sich unter die aufgelisteten Verfahrenstypen auch Nutzungen von beweglichen Sachen fassen lassen, die sinnvollerweise keine Abfallverwertung oder Abfallbeseitigung darstellen können. \81 So ließe es etwa der Wortlaut der Gruppe R 9 (Verwendung als Brennstoff) zu, auch den Einsatz von Heizöl als Entledigung nach § 3 Abs. 2 KrW-/ AbfG anzusehen, was dann zur Abfalleigenschaft nach § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG fUhren müßte. \82 Genauso könnte man den Einsatz von Rohstoffen zum Verfiillen von Restlöchern bei Tagebauen oder untertägigen Hohlräumen unter Anhang 11 A Gruppe D 1 oder D 3 fassen. Sehr unbestimmt ist auch Anhang 11 B, Gruppe R 10 formuliert: Nach dem Wortlaut kann auch die Aufbringung von Kunstdünger erfaßt sein. Endlich stellt sich dieses Problem auch überall dort, wo das Verfahren lediglich als "Verwertung" bestimmter Stoffe beschrieben ist, denn hierdurch könnte jede Nutzung dieser Sachen erfaßt sein. Daß dies nicht sinnvoll ist und auch nicht beabsichtigt sein dürfte, liegt auf der Hand. Die teilweise recht unbestimmte Formulierung der Verfahrensbeschreibungen fUhrt also zu dem Problem, wie eine - nicht dem Abfallrecht unterliegende Nutzung einer beweglichen Sache zum unmittelbaren Ver- oder Gebrauch oder zur Herstellung weiterer Produkte von ihrer Nutzung in Form der Abfallverwertung bzw. ihrer Beseitigung abzugrenzen ist. Im Kontext des EG-Rechtes stellen sich diese Schwierigkeiten nicht, da dort die Anhänge 11 A und 11 B lediglich der Ausfiillung der Begriffe "Beseitigung" und "Verwertung" dienen, nicht dagegen der Definition von "Entledigung". Allerdings wird vielfach angenommen, daß der Begriff "Entledigung" auch in der Abfallrahmenrichtlinie letztlich durch die Anhänge 11 A und 11 B konkretisiert werde. Ein Entledigen im Sinne des EG-Abfallbegriffs dürfe nur zum Zwecke des Verwertens oder Beseitigens erfolgen. Hieraus sei im Umkehrschluß auf die Abfalleigenschaft einer Sache zu folgern, wenn die vom Besitzer durchgefUhrten oder beabsichtigen Maßnahmen unter die in den Anhängen genannten Verfahren zu subsumieren seien: 83 Die Berechtigung dieses Umkehrschlusses ist in der Sache freilich zweifelhaft: \84 Jedenfalls dann, wenn er zwingend sein soll, kann ein solcher Schluß nur zulässig sein, wenn die gelisteten Verfahren ausschließlich der Abfallentsorgung dienen und nicht auch in

181 Vgl. auch Freytag, NuR 1996,337; BeckmanniKersting, in: LandmannIRohmer, KrW-/AbfG § 3 Rn. 29. 182 Vgl. hierzu auch Fouquet, ZUR 1996, 188. 183 Paetow, EG-rechtliche Vorgaben, S. 91; zustimmend Krings, WiVerw 1995, 106 u. 114. Vgl. ferner auch Krieger, NuR 1995, 171, der als zusätzliches Argument die Abfall- und Entsorgungsdefinition des Basler Übereinkommens anführt. 184 Kritisch auch Dieckmann, ZUR 1995, 173.

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Produktions- oder sonstigen Nutzungsprozessen eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang wäre ferner erforderlich, daß die einzelnen Maßnahmen sprachlich so präzise umschrieben wären, daß eine Unterscheidung zu ähnlichen, aber der Produktion oder sonstigen Nutzungen dienenden Verfahren möglich ist. Diese Voraussetzungen erfiillen die Verfahrensbeschreibungen der Anhänge 11 A und 11 B - wie dargelegt - jedoch nicht. Der Umkehrschluß vom Verfahren auf die Abfalleigenschaft ist im EGRecht daher zu Recht nicht zwingend vorgegeben. Ein in den Anhängen genanntes Verfahren ist nur dann Abfallverwertung oder Abfallbeseitigung, wenn der behandelte Stoff oder Gegenstand Abfall i. S. d. Art. 1 lit. a) EG-AbfRRL ist. 185 Eine Begrenzung in diesem Sinne ist im deutschen Abfallrecht dagegen nicht möglich, da - anders als in der Abfallrahmenrichtlinie - mit Hilfe der Anhänge gerade erst festgelegt werden soll, was Abfall ist. 186 Hier zeigt sich, wie problematisch der in § 3 Abs.2 KrW_/AbfG I87 vorgeschriebene Schluß von den gelisteten Verfahren auf die Abfalleigenschaft ist. 188 Da eine Einschränkung somit nicht über den Gegenstand des Verfahrens erfolgen kann, 189 muß Ansatzpunkt ein eingrenzendes Vorverständnis von Beseitigung und Verwertung im abfallrechtlichen Sinne sein, mit dessen Hilfe auch im Fall von sehr unbestimmt gefaßten Verfahrensbeschreibungen der Anhänge 11 A und 11 B eine Unterscheidung zwischen einer Verwertung als Abfall und dem Gebrauch eines Produkes bzw. der Nutzung als Einsatzstoff in der Produktion getroffen werden kann. 190

185 Die Frage freilich, wann ein Entledigen und damit die Abfalleigenschaft anzunehmen ist, läßt die Abfallrahmenrichtlinie offen. 186 Das übersehen v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfD § 3 Rn. 16, die auch für § 3 Abs. 2 KrW-/AbfD für die Erfüllung des Begriffs "Verwertung" verlangen, daß es sich um Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 KrW-/AbfD handelt. 187 Gleiches gilt für die Abfalldefinition des Basler Übereinkommens. 188 Kritisch auch Dieckmann, ZUR 1995, 173; vgl. ferner Fluck, DVBI. 1995, 539. 189 Diesen Ansatz verfolgt aber § 3 Abs.3 KrW-/AbfD. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 127, weist daraufhin, daß diese Vorschrift ihre Rechtfertigung möglicherweise in den Schwierigkeiten findet, welche die Unbestimmtheit des Verwertungsbegriffes nach § 3 Abs. 2 KrW-/AbfD für die praktische Handhabung mit sich bringt. Es ist unschwer abzusehen, daß die Bedeutung des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfD für die Praxis eher gering bleiben wird, wenn es nicht gelingt, den Verwertungsbegriff über die Verfahrensbeschreibungen des Anhangs 11 B hinaus zu konkretisieren. 190 Dies gilt natürlich erst recht, wenn man die Anhänge 11 A und 11 B ohnehin lediglich als beispielhafte Erläuterung der Begriffe "Beseitigung" und "Verwertung" begreift.

E. Die EntIedigungstatbestände

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ce) Beseitigungsvorgänge Auf das Problem der Abgrenzung zwischen einer nicht dem Abfallrecht unterliegenden Nutzung einer beweglichen Sache und ihrer Nutzung oder Behandlung im Rahmen der Abfallentsorgung ist für den Bereich der Abfallverwertung bereits verschiedentlich hingewiesen worden. 191 Wie oben am Beispiel der Verfiillung von Restlöchern im Tagebau oder dem Bergversatz aufgezeigt, kann es sich aber auch im Zusammenhang mit der Abfallbeseitigung stellen. Allerdings fällt die Abgrenzung zwischen Nutzung und Beseitigung wesentlich leichter, da das Verständnis des Begriffs "Beseitigung" relativ geringe Probleme bereitet~ Kennzeichnend für eine Beseitigung ist, daß wesentliches Ziel nicht die Nutzung der Sache ist, sondern der endgültige Ausschluß von jedem weiteren Gebrauch. 192 Auch § 4 Abs. 3 KrW-/Abtu zieht die Grenze zwischen Verwertung und Beseitigung anhand der Frage, ob der Hauptzweck der Maßnahme auf eine Nutzung des Abfalls oder auf seine Beseitigung gerichtet ist. Ganz unproblematisch ist diese Abgrenzung jedoch nicht, wie die unterschiedliche Bewertung der Verfiillung eines Tagebaues mit REA-Gipsen und Steinkohleaschen durch des OVG Koblenz 193 einerseits und das BVerwG 194 andererseits zeigt. Zwar ging es dort um die Abgrenzung von (Reststoff-)Verwertung und (Abfall-)Beseitigung. Immerhin aber belegen die Entscheidungen, daß die Unterscheidung zwischen einer Nutzung und einer bloßen Ablagerung im Einzelfall recht schwierig zu treffen sein kann: Der Einsatz als Verfiillmaterial in einem Tagebau ähnele, so das BVerwG, äußerlich und unter Umständen auch in seiner technischen Durchfiihrung der Ablagerung von Abfällen in . 195 D epomen.

dd) Verwertungsvorgänge Deutlich problematischer ist die Abgrenzung zwischen der Nutzung einer beweglichen Sache im Rahmen eines Produktionsprozesses oder eines sonstigen Gebrauchsvorgangs einerseits und ihrer Nutzung in Form der Abfallverwertung andererseits, da über den Inhalt des Verwertungsbegriffs weit weniger Klarheit besteht. 196 Kennzeichnend für eine Verwertung in Abgrenzung zur Be191 Vgl. nur Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 124; VersteyllWendenburg, NVwZ 1996,939; Dieckmann, NuR 1992,410. 192 So allgemein BVerwG, UPR 1994,341 zum Verwertungsbegriff in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. 193 OVG Koblenz, UPR 1993,450 ff. 194 BVerwGE 96,80 ff. 195 BVerwGE 96,80/84. 196 Krieger, NuR 1995, 343.

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

seitigung ist, daß aus dem Stoff oder Gegenstand ein Nutzen gezogen werden S011. 197 Gerade hierin gleicht die Abfa11verwertung aber dem Einsatz von Rohstoffen oder Zwischenprodukten in der Produktion oder dem Gebrauch von Endprodukten. Es kommt mithin darauf an, Kriterien zu benennen, die eine die Abfa11eigenschaft begründende Nutzung von einem normalen Verarbeitungsoder Gebrauchsvorgang unterscheiden. 198

( 1) Verfahrensbeschreibungen des Anhangs 11 B Einen ersten Anhaltspunkt bietet der Wortlaut der in Anhang 11 B gelisteten Verfahren. Zwar legt es die Vielzahl der verwendeten Begriffe nahe, daß der Norm~eber selbst nur eine äußerst vage Vorstellung davon hatte, worum es ihm ging. I Doch gilt dies nicht fiir alle Verfahrensbeschreibungen in gleicher Weise. Sieht man von den in R 11 bis R 13 aufgelisteten Verfahren ab, so lassen sich die in Anhang 11 B genannten Verwertungsverfahren in zwei Gruppen aufteilen: 2°O Zum einen sind Verfahren erfaßt, die der Rückgewinnung, Regenerierung oder Wiedergewinnung dienen. 201 Diese können als Maßnahmen umschrieben werden, in denen ein zuvor vorhandener Stoff oder Gegenstand, der beim Gebrauch verschlissen, beschädigt oder verunreinigt worden ist, wieder in einen Zustand gebracht wird, der im wesentlichen demjenigen entspricht, den er vor der Nutzung hatte. 202 Damit gewinnt der jeweilige Stoff oder Gegenstand zumindest teilweise die Einsatzmöglichkeiten zurück, die er vor der Nutzung hatte, die zur Notwendigkeit der Rückgewinnung gefiihrt hat. Bei dieser ersten Gruppe geht es mithin darum, bereits genutzte Stoffe oder Gegenstände, etwa verunreinigte Lösemittel, chemisch umgewandelte Säuren, Altöl oder Katalysatorenbestandteile, wieder nutzbar zu machen. Dabei hat die vorangegangene Nutzung nie das Ziel, die verunreinigten, verbrauchten oder chemisch umgewandelten Stoffe oder Gegenstände als Einsatzstoff fiir die Rückgewinnung · oder Regenenerung zu erzeugen. m

BVerwGE 96, 80/82 f.; Lange, NVwZ 1996,732. Vgl. hierzu auch EuGH, ZUR 1998,26/27. 199 So Krieger, NuR 1995, 343. 200 Im Ansatz ähnlich Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 126. 201 Ferner zählt hierzu auch als Spezialfall die Altölraffination. 202 Ähnlich Fluck, DVBI. 1995,539. 203 A. A. wohl Joschek u. a., AJ 1996, 60: Die Verfahren nach R 1 (RückgewinnunglRegenerierung von Lösemitteln) bzw. R 7 (Wiedergewinnung von Katalysatorbestandteilen) könnten auch Teile von Produktionsverfahren sein. Hierfür fehlt zunächst allerdings ein konkreter Beleg. Von der Frage, ob es sich hierbei um Verfahren zur Herstellung von Zwischen- oder Endprodukten handelt, ist die Frage zu unterscheiden, ob 197 198

E. Die Entledigungstatbestände

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Die andere Gruppe von Verfahren wird mit den Begriffen "Verwertung" oder "Verwendung" beschrieben. 204 Diese Maßnahmen lassen sich negativ in Abgrenzung zu den soeben genannten Verfahren dadurch kennzeichnen, daß hierunter Maßnahmen fallen, in denen es nicht darum geht, durch Reinigung, Reparatur oder ähnliche Maßnahmen den ursprünglichen Stoff oder Gegenstand wiederherzustellen. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet verwerten ,,(noch fiir etwas) verwenden, ausnützen, gebrauchen",205 wobei es häufig um die Nutzung von Resten geht, die bei anderen Tätigkeiten angefallen sind. Auch die in der englischen bzw. französischen Fassung der Abfallrahmenrichtlinie benutzten Begriffe "recycling" bzw. "recyclage" weisen daraufhin, daß es sich um Wieder-Verwertung handeln muß, also eine vorangegangene anderweitige Nutzung vorausgesetzt wird. In systematischer Hinsicht legt es ein Vergleich mit den Verfahren der ersten Gruppe nahe, daß auch eine "Verwertung" oder "Verwendung" im Sinne des Anhangs 11 B nur vorliegt, wenn die verwerteten oder verwendeten beweglichen Sachen nicht zielgerichtet fiir diese Nutzung hergestellt worden sind, sondern bei Handlungen angefallen sind, die einen anderen Zweck verfolgt haben.

(2) Kennzeichen einer Verwertung nach § 4 Abs. 3 und 4 KrW-/AbfG Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz defmiert den Begriff der Verwertung nicht allein in Anhang 11 B. Eine weitere Begriffsbestimmung fmdet sich in § 4 Absätze 3 und 4 KrW-/AbfG. Diese Vorschrift wird zwar von § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG nicht in Bezug genommen, um den Begriff der Verwertung zu erläutern. Zumindest der erste Anschein spricht jedoch dafiir, daß derselbe Begriff innerhalb eines Gesetzes in gleicher Weise äebraucht und daher auch in sachlich übereinstimmender Weise defmiert wird. 2 Zu berücksichtigen ist allerdings, daß § 4 Absätze 3 und 4 KrW-/AbfG in erster Linie dazu dienen, die Abgrenzung zwischen stofflicher bzw. energetischer Verwertung und stofflicher bzw. thermischer Behandlung zur Beseitigung näher zu präzisieren. Doch schließt dies nicht aus, daß aus der Begriffsbestimmung auch Rückschlüsse auf die Abgrenzung zwischen Abfallverwertung und sonstigen, nicht dem Abfallrecht unterliegenden Nutzungen gezogen werden können.

bei der Integration eines solchen Verfahrens in den Produktionsprozeß nicht eine Abfallvermeidung i. S. d. § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG vorliegt. 204 Vgl. Gruppen R 2, R 3, R 4, R 9. 205 Wahrig, Deutsches Wörterbuch. 206 Vgl. auch v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 16; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 125; Freytag, NuR 1996,337, die ebenfalls § 4 Abs.3 und 4 KrW-/AbfG zur Bestimmung des Verwertungsbegriffs in Anhang II B heranziehen.

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

§ 4 Absatz 3 KrW-/AbfG defmiert die stoffliche, Absatz 4 die energetische Verwertung. Eine stoffliche Verwertung liegt zunächst vor, wenn aus Abfällen sekundäre Rohstoffe gewonnen werden, die an Stelle von primären Rohstoffen, also den aus erstmalig behandelten Stoffen gewonnenen Rohstoffen,207 eingesetzt werden können. Hiervon unterscheidet § 4 Abs.3 S. 1 KrW-/AbfG die Nutzung der stofflichen Eigenschaften der Abfälle fiir den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke. Nicht ganz zu Unrecht wird teilweise das Gewinnen von Sekundärrohstoffen aus Abfällen lediglich als Unterfall der Nutzung der stofflichen Eigenschaften angesehen. 20B Jedenfalls kann die Zuordnung im Einzelfall schwierig sein. Als Beispiele fiir die Rohstoffgewinnung werden die Papierherstellung aus Altpapier, der Gebrauch von Altglas zur Neuglasherstellung oder das Zurückgewinnen von Kupfer aus Kabelresten benannt. 209 Dagegen soll die Nutzung von Altöl zur Schmierölherstellung eine Nutzung der stofflichen Eigenschaften darstellen. 2lO Werden aus der beweglichen Sache Rohstoffe zurückgewonnen oder ihre stofflichen Eigenschaften zu einem anderen als dem ursprünglichen Zweck genutzt, so ist die Sache jedenfalls nicht fiir diese Art der Nutzung hergestellt worden. Soweit sie zuvor einem bestimmten Verwendungszweck gedient hat, geht § 4 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG offenbar davon aus, daß dieser entfallen ist. Besteht die Verwertungsmaßnahme in einer Nutzung der stofflichen Eigenschaften für einen anderen Zweck, folgt dies schon daraus, daß ein "anderer" Zweck eine vorangegangene frühere Zweckbestimmung voraussetzt. In die gleiche Richtung weist der Begriff des sekundären Rohstoffs. Er setzt voraus, daß die vorangegangene Nutzung der beweglichen Sache nicht auf die Gewinnung von Rohstoffen zielte, da es sich ansonsten um einen gezielt hergestellt primären Rohstoff handeln würde. Vielmehr haben die Rohstoffe als Bestandteil der Sache zuvor einem anderen oder noch überhaupt keinem Zweck gedient. Anders ist der Fall gelagert, wenn die stofflichen Eigenschaften der beweglichen Sache zu ihrem ursprünglichen Zweck, also dem Zweck, zu dem sie hergestellt worden ist, genutzt werden sollen. Aus dem Zusatz "ursprünglich" muß aber gefolgert werden, daß auch diese Variante des § 4 Abs. 3 S 1 KrW-/AbfG voraussetzt, daß vor der Verwertung als Abfall der ursprüngliche Nutzungszweck zunächst zeitweilig entfällt. Eine bloße Weiterbenutzung ohne zwischenzeitlichen Wegfall der Zweckbestimmung wird demnach von § 4 Abs. 3 S. I KrW-/AbfG nicht erfaßt. Frenz, KrW-/AbfG, § 4 Rn. 20. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 4 Rn. 97, zustimmend Weidemann, in: BrandtlRuchaylWeidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 4 Rn. 104. 209 v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG § 4 Rn. 18; Frenz, KrW-/AbfG, § 4 Rn. 20. 210 v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG § 4 Rn. 19; Frenz, KrW-/AbfG, § 4 Rn. 21. 207 208

E. Die Entledigungstatbestände

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Die energetische Verwertung ist in § 4 Abs.4 KrW-/AbfG als Einsatz von Abfällen als Ersatzbrennstoff umschrieben. Der Begriff "Ersatzbrennstoff' weist darauf hin, daß die Abfälle an Stelle von aus Prirnärstoffen gewonnenen Brennstoffen wie Öl und Gas eingesetzt werden. 2I1 Auch die energetische Verwertung stellt im Grunde genommen eine Nutzung der stofflichen Eigenschaften der Abfälle dar. Dies belegt indirekt § 4 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG, wenn dort die unmittelbare Energierückgewinnung ausdrücklich aus dem Begriff der stofflichen Verwertung herausgenommen wird. Dementsprechend ist für eine energetische Verwertun~ nicht allein kennzeichnend, daß herkömmliche Normoder Regelbrennstoffe 21 substituiert werden. Denn dies kann zumindest theoretisch auch durch neuentwickelte Brennstoffe geschehen. Vielmehr liegt nur dann eine energetische Verwertung von Abfällen vor, wenn die als Ersatzbrennstoff eingesetzten beweglichen Sachen nicht gezielt für diese Nutzung hergestellt worden sind, sondern entweder zuvor einem anderen Nutzungszweck gedient haben, der dann entfallen ist, oder von vorneherein nicht gezielt hergestellt, sondern bei der Herstellung oder Verarbeitung anderer Produkte angefallen sind. Auch die in § 4 Abs. 3 und 4 KrW-/AbfG enthaltenen Begriffsbestimmungen weisen somit daraufhin, daß es für die Abgrenzung zwischen einer nicht dem Abfallrecht unterliegenden Nutzung einer beweglichen Sache zum unmittelbaren Ge- oder Verbrauch oder als Einsatz- bzw. Hilfsstoff bei Produktionsprozessen und der Nutzung in Form einer Abfallverwertung vor allem darauf ankommt, ob die bewegliche Sache für die Nutzung zielgerichtet hergestellt worden oder bei einem Vorgang angefallen ist, der nicht darauf gerichtet war, Einsatzstoffe rur ein derartiges Verfahren zu erzeugen.

(3) Systematischer Zusammenhang mit § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG Das Kriterium der zielgerichteten Herstellung bzw. des fortbestehenden Nutzungszwecks nutzt das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zudem ausdrücklich in § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG zur Bestimmung der Abfalleigenschaft einer beweglichen Sache. Danach ist der Wille zur Entledigung erstens anzunehmen, wenn eine bewegliche Sache bei Produktionsprozessen oder Dienstleistungen anfällt, ohne daß der Zweck der jeweiligen Handlung darauf gerichtet ist, und zweitens, wenn die ursprüngliche Zweckbestimmung der beweglichen Sache entfällt oder aufgegeben wird, ohne daß ein neuer

211 Frenz, KrW-/AbfG, § 4 Rn. 26; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 4 Rn. 142. 212 Vgl. zu diesem Ansatz einer Begriffsbestimmung Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 4 Rn. 142 f.

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1. Teil: Der erweiterte AbfallbegrifT

Verwendungszweck unmittelbar an die Stelle des ursprünglichen tritt. Hieraus folgt im Umkehrschluß, daß das Gesetz bei Sachen, deren Herstellung Zweck eines Produktionsprozesses ist, sowie bei Sachen, die entsprechend ihrem ursprünglichen Verwendungszweck bzw. einem unmittelbar an dessen Stelle getretenen weiteren Nutzungszweckes eingesetzt werden, nicht von einem Entledigungswillen, also der Absicht, eine als Entledigung zu bewertende Handlung vorzunehmen, ausgeht. Diese Wertung muß auch bei der Auslegung des Verwertungsbegriffs in § 3 Abs.2 KrW-/AbfG Berücksichtigung fmden. Es wäre widersprüchlich, wenn das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz einerseits in § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG den Entledigungswillen und damit letztlich die Abfalleigenschaft verneinen würde, weil die betreffende bewegliche Sache zielgerichtet hergestellt worden ist, andererseits aber dann die Verwendung, für die die Sache produziert worden ist, als eine dem Abfallregime unterliegende Verwertung nach Anhang 11 B ansehen und damit letztlich doch zur Abfalleigenschaft gelangen würde. Auch der systematische Zusammenhang zwischen § 3 Abs. 2 und § 3 Abs.3 KrW-/ AbfG spricht mithin rur eine Abgrenzung zwischen Abfallverwertung und sonstiger Nutzung, die sich an der Frage orientiert, ob die bewegliche Sache gezielt hergestellt worden ist und noch entsprechend dieser Zweckbestimmung eingesetzt wird.

(4) Verwertung im Sinne der Abfallrahmenrichtlinie Eine Bestätigung fmdet diese Eingrenzung des Verwertungsbegriffs durch die Erkenntnisse, die bei der Auslegung des Begriffs "Verwertung" im Sinne des Art. 1 lit. f) EG-AbfRRL gewonnen worden sind. Diese sind auch rur die Auslegung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes von Interesse, da Anhang 11 B zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Anhang 11 B der Abfallrahmenrichtlinie entspricht und darüber hinaus das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz der Umsetzung der EG-Richtlinie dient. Soweit ersichtlichlieh besteht im Hinblick auf Art. 1 lit. f) EG-AbfRRL Einigkeit darin, daß die (Weiter-)Nutzung einer Sache zu dem Zweck, zu dem sie gezielt hergestellt worden ist, keine Verwertung i. S. d. Anhangs 11 B ist. 213 Dies gilt auch dann, wenn sie an einen Dritten abgegeben wird, der sie zu diesem Zweck weiternutzt. 214 Eine

213 Vgl. auch das Arbeitspapier der Kommission TACIEWC/93.2 (abgedruckt in BTDrs. 12/5672, S. 138 ff.), ZifT. 1.1., das zwischen "intentionally" und "unintentionally produced" unterschiedet. 214 Dieckmann, Nur 1992, 410 f.; Krieger, NuR 1995, 343; Paetow, EG-rechtliche Vorgaben, S. 91.

E. Die Entledigungstatbestände

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Verwertung als Abfall setzt voraus, daß zumindest die ursprüngliche bzw. bisherige Nutzung aufgegeben wird. 21S

(5) Zusammenfassung und Einzelfragen Grammatikalische, genetische und systematische Auslegung fUhren somit zu dem Ergebnis, daß es für die Abgrenzung zwischen Verwertungsverfahren im Sinne des Anhangs 11 B und anderen Nutzungen von Sachen, die nicht dem Abfallrecht unterliegen, von wesentlicher Bedeutung ist, ob der Vorgang, bei dem die Sache angefallen ist, dazu diente, sie gerade für die anschließende Nutzung herzustellen oder vorzubereiten. 216 Ist die Sache ursprünglich für einen bestimmten Verwendungszweck hergestellt worden, so muß dieser entfallen sein. Die bloße Weiterverwendung zum bisherigen Zweck ohne zwischenzeitliche Aufgabe der Nutzung stellt keine Abfallverwertung dar. 217 (a) Ist die bisherige Nutzung entfallen, so kann, wie aus § 4 Abs.3 S. 1 KrW-/AbfG folgt, sowohl die Wiederverwendung zu einem neuen als auch zum ursprünglichen Zweck eine Verwertung sein. Fraglich ist allerdings, ob bereits eine schlichte Wiederverwendung ohne besondere Aufarbeitung den Verwertungsbegriff des Anhangs 11 B erfüllt. Für den Verwertungsbegriff der Abfallrahmenrichtlinie wird ganz überwiegend angenommen, eine Verwertung setze eine Veränderung der Gestalt der Sache2l8, einen sonstigen Substanzeingriff l9 bzw. eine Behandlung im Sinne einer Aufarbeitung220 voraus. Dagegen ist geltend gemacht worden, die Schutzgüter der Abfallrahmenrichtlinie, menschliche Gesundheit und Umwelt, seien im Fall der schlichten Weiterverwendung in vergleichbarer Weise gefährdet, so daß eine Differenzierung nicht gerechtfertigt sei. 221 Der in verschiedenen Verfahrensgruppen des Anhangs 11 B verwendete Begriff "Verwertung" läßt vom Wortlaut her beide Verständnismöglichkeitep. zu. Soweit es die Nutzung zu einem neuen Zweck betrifft, geht das Kreislaufiwirtschafts- und Abfallgesetz in § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG allerdings d~von aus, daß die bloße Umwidmung zu einem neuen Nutzungszweck nicht not-

Paetow, EG-rechtliche Vorgaben, S. 91. So auch der Diskussionsbeitrag von Breuer, in: 4.Kölner Abfalltage, S. 75. 211 So zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 125; zum Verwertungsbegriff der Abfallrahmenrichtlinie: Dieckmann, NuR 1992,410; Konzak, NuR 1995, 135. 218 Krieger, NuR 1995, 343. 219 Dieckmann, ZuR 1995, 173. 220 Fluck, DVBI. 1993,592 f. 221 Seibert, DVBI. 1994, 234. 215

216

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

wendig die Anwendung des abfallrechtlichen Regimes auslösen soll, wenn ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an die Stelle des alten tritt. 222 Eine Unmittelbarkeit ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der neue Verwendungszweck bereits bei Beendigung der bisherigen Nutzung feststeht und die Realisierung des neuen Zwecks keine besondere Behandlung erfordert, 223 die Sache also als solche weiterbenutzt werden kann. Unter diesen Voraussetzungen begründet die schlichte Wiederverwendung zu einem anderen als dem ursprünglichen Zweck, also der bloße Wechsel des Verwendungszweckes, nicht die Abfalleigenschaft der Sache nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG. Dies spricht aber dagegen, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG abweichend von der Wertung des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG die unmittelbare Weiterverwendung einer beweglichen Sache zu einem neuen Nutzungszweck als Verwertung im Sinne des Anhangs 11 B zu erfassen. (b) Soweit eine Sache zum ursprünglichen Zweck wiedereingesetzt werden soll, stellt sich vielfach die Frage, ob jede zwischengeschaltete Behandlung als Abfallverwertung zu betrachten ist. Zum Teil wird an die Art der Aufarbeitung, die für ein Verwertungsverfahren kennzeichnend sein soll, die zusätzliche Anforderung gestellt, es müsse ein wesentlicher Substanzeingriff24 vorgenommen werden. Daher sei beispielsweise das Auswaschen, Neuetikettieren und Wiederbe füllen von Pfandflaschen keine Verwertung im Sinne des Anhangs 11 B. 225 Eine solche Abgrenzung scheint im Hinblick auf das sehr unbestimmte Kriterium der Wesentlichkeit nicht unproblematisch. Andererseits ist zu bedenken, daß auch eine zweckentsprechende Verwendung häufig eine mit Umweltbelastungen verbundene Reinigung oder Reparatur voraussetzt. Trotzdem führen derartige Maßnahmen nicht dazu, daß der ursprüngliche Verwendungszweck entfällt, sie gehören vielmehr zur normalen Nutzung. Dies spricht dagegen, eine solche zum normalen Gebrauch gehörende Maßnahme dann als Verwertung zu betrachten, wenn die Sache zur Weiterverwendung an Dritte abgegeben wird.

Es sollte daher nicht danach unterschieden werden, ob die einer erneuten Nutzung vorangehende Behandlung einen wesentlichen Substanzeingriff darstellt, sondern ob die Behandlung eine zum normalen Lebenszyklus der Sache 222 In diesem Fall kann allerdings die Abfalleigenschaft aufgrund des objektiven Abfall eigenschaft begründet sein; dazu näher unten unter E III 2. 223 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 173; ders., DVBl. 1995, 542. Auf das Erfordernis einer Zwischenbehandlung stellt auch Frenz, KrW-/ AbfG, § 3 Rn. 22 ab; wohl auch Krings, WiVerw 1995, 116. Unklar v. LersnerIWendenburg. KrW-/AbfG § 3 Rn. 21. 224 Dieckmann, ZUR 1995,173; ähnlich Krieger, NuR 1995, 343, der eine Änderung der Gestalt der Sache verlangt. Vgl. ferner VG Bremen, NVwZ1997, 1029/1031 (zu § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG). 225 Dieckmann, ZUR 1995, 173.

E. Die Entledigungstatbestände

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gehörende Erhaltungsmaßnahme ist, wobei freilich Maßnahmen, die Substanz oder Gestalt in erheblichem Umfang verändern, in aller Regel nicht der Erhaltung dienen werden. Im Fall der Pfandflaschen dürfte daher entscheidend sein, daß aus Sicht der Getränkehersteller die Pfandflaschen als Behältnisse in Gebrauch bleiben und die Reinigung nur dazu dient, die Gebrauchstauglichkeit zu erhalten. 226 Ein weiteres Beispiel: Ein Unternehmen produziert hochwertige Reinigungstücher. Diese werden gegen Entgelt Betrieben zur Verfügung gestellt, die die Tücher bei der Reinigung von Maschinen nutzen. Durch vertragliche Regelung ist sichergestellt, daß die Tücher nach der Nutzung in speziellen Behältern gesammelt und an den Hersteller zurückgegeben werden. Dieser sortiert die verschlissenen Tücher aus, reinigt die restlichen und liefert sie anschließend zur abermaligen Nutzung wieder aus. Auch hier sprechen gute Gründe dafür, die Reinigung nicht als Verwertungsvorgang anzusehen, sondern als Maßnahme, die zum normalen Lebenszyklus des Produkts gehört. Die Grenzziehung im Einzelfall kann jedoch sehr problematisch sein. So ist etwa die Reinigung und Destillation von verunreinigten Lösemitteln aufgrund der eindeutigen Formulierung des Anhangs 11 B, Gruppe R 1 auf jeden Fall als Verwertungsverfahren anzusehen und nicht als Erhaltungsmaßnahme. (c) Wird die Sache dagegen nicht als solche weiterverwendet, sondern muß sie für eine weitere Nutzung über den soeben skizzierten Rahmen hinaus aufund umgearbeitet werden, so handelt es sich um eine Verwertung. Dies gilt allerdings nur dann, wenn es sich bei der Sache um ein Endprodukt gehandelt hat, dessen bisherige Nutzung entfallen ist. Anders ist die Situation naturgemäß bei solchen (Vor- oder Zwischen-)Produkten, die zur Weiterverarbeitung erzeugt worden sind. Hier liegt der bestimmungsgemäße Gebrauch gerade in der Verarbeitung und damit Veränderung der Gestalt und Substanz. Die Be- oder Verarbeitung von Stoffen oder Gegenständen ist jedoch dann ein Verwertungsverfahren nach Anhang 11 B, wenn die Stoffe nicht gerade zum Zwecke der Weiterverarbeitung produziert worden sind. Dabei ist insbesondere an solche Stoffe zu denken, die überhaupt nicht gezielt hergestellt worden sind. Allerdings wird teilweise die Ansicht vertreten, auch bei nicht gezielt hergestellten Stoffen sei eine Nutzung keine Abfallverwertung, wenn der Stoff zum unmittelbaren Ge- oder Verbrauch oder als Rohstoff zur weiteren Verarbeitung bestimmt sei oder abgegeben werde. Im Fall der Weiterverarbeitung soll entscheidend sein, ob die Stoffe unmittelbar als solche weiterverarbeitet oder als Rohstoff eingesetzt werden können oder ob sie dazu erst aufgearbeitet werden

226 Ähnlich Fluck, DVBI. 1993, 592. A. A. wohl Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 45, da dieser verlangt, daß die Sachherrschaft des Besitzers durch die Maßnahme nicht unterbrochen werden darf.

5 Locher

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

müssen. 227 Der unmittelbare Ver- oder Gebrauch sowie die unmittelbare Weiterverarbeitung seien keine Verfahren im Sinne des Anhangs 11 B. 228 Soweit hiermit gemeint ist, daß die fraglichen Stoffe oder Gegenstände dazu geeignet sind, unmittelbar an die Stelle von gezielt hergestellten Produkten zu treten, diese also zu substituieren, dürfte dem im Grundsatz zuzustimmen sein. 229 Es ist allerdings nur schwerlich vorstellbar, daß ein StoffProduktqualität hat, gleichzeitig aber nicht gezielt hergestellt worden ist. Anders wäre die Situation nur, wenn man als zielgerichtet hergestellt nur solche Produkte ansehen würde, deren Herstellung Hauptzweck der Produktion ist. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz erkennt dagegen an, daß eine Produktion mehrere und auch untergeordnete Zwecke verfolgen kann, und betrachtet auch solche Nebenprodukte als gezielt hergestellt. 23o Anders stellt sich die Problemlage bei solchen Stoffen oder Gegenständen dar, die nicht, auch nicht als Nebenprodukt, gezielt hergestellt worden sind, sondern erst durch eine Aufbereitung durch ihren Erzeuger selbst die Qualität als Einsatzstofffiir eine Weiterverarbeitung oder einen unmittelbaren Gebrauch erlangt haben. Hier stellt bereits die im Anschluß an ihren unbezweckten Anfall vorgenommene Aufbereitung eine Verwertung im Sinne des Anhangs 11 B dar, die eine Entledigung nach § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG und damit die Abfalleigenschaft nach § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG begründet. Bei diesen Stoffen geht es nicht darum, ob die unmittelbare Nutzung oder Weiterverarbeitung eine die Abfalleigenschaft begründende Verwertung ist, sondern ob sie die bereits zuvor begründete Abfalleigenschaft beendet. So kann etwa Bauschutt erst dann als Einsatzstoff im Straßenbau verwendet werden,231 wenn er zuvor sortiert worden ist. Gleichwohl ist nicht zu übersehen, daß es gerade bei Produktionsrückständen Probleme bereitet, zu beurteilen, ob eine Nutzung ein Verwertungsverfahren i. S. d. Anhangs 11 B ist. 232 Die Verarbeitung derartiger Rückstände wird sich, was das Verfahren anbelangt, vielfach nicht von normalen Produktionsprozessen unterscheiden. Der Unterschied liegt hier nicht im eingesetzen Verfahren, sondern im Einsatzstoff. Daher führt der von § 3 Abs. 2 KrW-/

Fluck, DVBI. 1993, 593. Fluck, DVBI. 1993,592; ihm folgend Konzak, NuR 1995,135. 229 Vgl. auch Freytag, NuR 1996,336. 230 Vgl. an dieser Stelle nur die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/5672, S. 40 sowie S. 120; ferner die Begründung des Umweltausschusses, BT-DRs. 12/7284, S. 12. Dazu ausführlich unten E III c), insb. unter aa) (3). Umstritten sind lediglich die Einzelheiten der Grenzziehung zwischen Nebenprodukten und Abfallen. A. A. möglicherweise Peine, in: Schmidt, Off. Wirtschaftsrecht, § 13 Tz. 35. 231 So ein Beispiel bei Pohl, in: HUR, B.3, Rn. 16. 232 Vgl. hierzu auch EuGH, ZUR 1998,26/27. 227

228

E. Die Entledigungstatbestände

67

AbfG gewählte Ansatz, die Abfalleigenschaft über die Art der Nutzung zu bestimmen, hier zu besonders großen Schwierigkeiten. Hilfreich ist es, wenn man sich zunächst vergegenwärtigt, daß eine Reihe von Produktionsrückständen aus verbrauchten Hilfs- und Betriebsstoffen besteht, also aus Produkten, die fiir einen bestimmen Einsatzzweck hergestellt und eingesetzt worden sind. Die Nutzung im Produktionsverfahren wird nie den Zweck haben, diese Hilfs- oder Betriebsstoffe fiir eine anderweitige Nutzung vorzubereiten oder zu bearbeiten. Daher ist eine weitere Nutzung in aller Regel eine Verwertung i. S. d. Anhangs 11 B, es sei denn, die Stoffe werden als solche weiter benutzt. Im eingangs geschilderten Beispielsfall3 233 käme es also darauf an, ob die Säurebäder als solche weiterverwendet werden oder ob beispielsweise nur bestimmte Stoffe aus ihnen zurückgewonnen werden sollen. Diese Überlegungen führen indes dann nicht weiter, wenn Stoffe genutzt werden, die bei einem Produktionsprozeß erstmalig entstanden sind. Hier wird sich die Abfalleigenschaft anhand von § 3 Abs.2 KrW-/AbfG häufig nicht sicher beurteilen lassen. In diesen Fällen muß auf die weiteren Entledigungstatbestände nach § 3 KrW-/AbfG zurückgegriffen werden. 234

2. Aufgabe der Sachherrschaft Im Unterschied zur Zuführens-Altemative setzt die zweite Alternative des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG immer den Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft des vorherigen Besitzers voraus. Zweitens ist erforderlich, daß die Aufgabe der Sachherrschaft unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung erfolgt. Der Begriff "Zweckbestimmung" fmdet auch in § 3 Abs.3 S. 1 Nr.2 und S.2 KrW-/AbfG Verwendung und ist dort gleichbedeutend mit "Verwendungszweck". Eine Aufgabe der Zweckbestimmung liegt vor, wenn die Sache nicht mehr fiir einen bestimmten Ge- oder Verbrauch vorgesehen ist. In diese Richtung deutet die Begründung des Umweltausschusses, auf den die Formulierung des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG im wesentlichen zurückgeht: " ... Die Entledigung ist jedoch stets gegeben, wenn der Besitzer den Besitz an ihnen [den Sachen] unter Wegfall jedes weiteren Verwendungszweckes aufgibt. Dies ist ... insbesondere dann der Fall, wenn der Besitzer die Stoffe oder Gegenstände, an denen er kein Gebrauchsinteresse hat, selbst entsorgt oder an Dritte abgibt. Hierrur ist maßgeblich, daß der Besitzer sich des Stoffes als für ihn wertlos geworden entledigen, d. h. davon befreien will, um ihn der Entsorgung zuzuführen oder zuführen zu lassen."

233 234

Oben unter B 11. Vgl. auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 127.

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Nicht als Gebrauch, der einen Verwendungszweck im Sinne dieser Vorschriften darstellt, ist demnach auch die Entsorgung, d. h. die Verwertung oder Beseitigung der Sache anzusehen. Folglich stellt aber auch das ZufUhren zu einer Entsorgung eine Aufgabe jeglicher Zweckbestimmung dar. Diese kann aber bereits nach der ersten Alternative des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG zugleich mit der Aufgabe der Sachherrschaft durch Abgabe der Sache an Dritte und damit mit einer Gewahrsamsaufgabe verbunden sein. Welche eigenständige Funktion die zweite Alternative noch haben soll, ist daher fraglich. Immerhin kann die Vorschrift als Auffangtatbestand fiir solche Fälle verstanden werden, in denen nicht feststellbar ist, ob der Besitzer die Sache einer Verwertung oder einer Beseitigung zugeführt wissen will, ihm die weitere Verwendung also gleichgültig ist. 235 Insbesondere soll hierdurch das "wilde Wegwerfen" der Sache erfaßt werden. 236 Fraglich ist allerdings, ob sich ein solches Verhalten nicht auch als Zuführen zu einer Beseitigung, nämlich Ablagern auf dem Boden, erfassen läßt. 237 Denn wird die betreffende Sache einfach weggeworfen, muß hieraus gefolgert werden, daß der Besitzer keine Nutzung mehr beabsichtigt und eine Verwertung daher ausscheidet. Die Allgemeinwohlverträglichkeit der Beseitigungsart dürfte dagegen keine Voraussetzung sein, um ein Entledigen im Sinne der ZufUhrens-Alternative annehmen zu können.

11. Der Entledigungswille 1. Wille zur Entledigung und Willensannahme Eine bewegliche Sache wird nach § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG weiterhin bereits dann zu Abfall, wenn sich ihr Besitzer ihrer entledigen will. Der Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "entledigen will" dient zum einen § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG. Nach dieser Vorschrift ist der Wille zur Vornahme einer Entledigung für zwei Konstellationen anzunehmen: Erstens, die bewegliche Sache entsteht bei bestimmten Vorgängen, ohne daß der Zweck der jeweiligen Handlung hierauf gerichtet ist, oder zweitens, die ursprüngliche Zweckbestimmung der Sache entfällt oder wird aufgegeben, ohne daß ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an die Stelle der ursprünglichen Zweckbestimmung tritt. Diese Konkretisierung des Entledigungswillens ist auf den Versuch des Gesetzgebers zurückzufUhren, einerseits der Verpflichtung zur (wörtlichen) Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie Genüge zu tun, andererseits die Ansätze

235 v. LersneriWendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 18; Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 19; Birn, KrW-/AbfG, § 3 Anm. 2. 236 Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 46. 237 Dagegen Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 46.

E. Die Entledigungstatbestände

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des ursprünglichen Regierungsentwurfs beizubehalten. 238 Nach § 3 Abs. 1 des Regierungsentwurfs waren Rückstände bewegliche Sachen, 1. die bei der Energieumwandlung oder bei der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder einer anderen Behandlung von Stoffen oder Erzeugnissen in Anlagen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes anfallen, ohne daß der Zweck des Anlagen betriebes hierauf gerichtet ist,

2. die bei Gewinnung, dem Aufsuchen oder Abbau, der Aufbereitung, Weiterverarbeitung, dem Verbrauch, Gebrauch von Stoffen oder jeder anderweitigen Nutzung von Stoffen, Erzeugnissen oder bei Dienstleistungen anfallen, ohne daß der Zweck der jeweiligen Handlung hierauf gerichtet ist, 3. deren ihrem Zweck entsprechende Verwendung entfällt oder aufgegeben wird, . ohne daß ein neuer Verwendungszweck an deren Stelle tritt, [... ]

In der Begründung heißt es hierzu, fiir die Feststellung der Zweckbestirnmung seien im wesentlichen objektive Kriterien maßgeblich und die in den betroffenen Branchen anerkannte Auffassung oder Bewertung. 239 Die Beschlußempfehlung des Umweltausschusses240 und letztlich auch die Gesetz gewordene Fassung des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG haben diese RückstandsdefInitionen in der Sache übernommen, allerdings in einer veränderten Funktion. Während sie ursprünglich unmittelbar die Rückstandseigenschaft begründeten, ergibt sich aus ihnen nunmehr der Entledigungswille. a) Nach § 3 Abs.3 S. 1 KrW-/AbfG ist der Wille zur Entledigung in den Fällen der Nr. 1 und Nr. 2 "anzunehmen". Probleme bereitet es, den genauen Gehalt dieser Regelung zu bestimmen. § 3 Abs.2 wie § 3 Abs.4 KrW-/AbfG enthalten echte Defmitionen der Tatbestandsmerkmale "entledigen" und "entledigen muß". Nur wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind, liegt ein "entledigen" bzw. "entledigen müssen" im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/ AbfG vor. Fraglich ist, ob dies auch fiir § 3 Abs.3 KrW-/AbfG gilt. Dafiir scheint zu sprechen, daß die Begründung des Umweltausschusses die Regelung als "Defmition des Entledigungswillens" bezeichnet. 241 Andererseits heißt es dort auch, Absatz 3 konkretisiere das Merkmal "entledigen will", was weniger eindeutig ist. Der Wortlaut der Vorschrift selbst ("ist anzunehmen") spricht gegen die Annahme einer DefInition des Begriffs "entledigen will". Wäre eine DefInition gewollt, hätte es nahe gelegen, eine Formulierung zu wählen wie in

238 Vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 12/5672, S. 121: "Vor dem Hintergund der EG-Abfallverbringungsverordnung, ... ist die Bundesregierung für eine formale Angleichung der Begriffsbestimmungen offen. So könnte etwa formal der Abfallbegriff der EG umgesetzt, die Begriffsbestimmungen des § 3 Abs. 1 [des Regierungsentwurfes] zur Konkretisierung der Entledigung herangezogen ... werden.". 239 BT-Drs. 12/5672, S. 40. 240 BT-Drs. 1217284, S. 12: "in Übereinstimmung mit dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung" . 24\ BT-Drs. 12/7284, S. 12.

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

§ 3 Abs. 2 KrW-/AbfG (also: der Wille zur Entledigung liegt vor) oder in § 3 Abs. 4 (der Besitzer will sich einer beweglichen Sache entledigen). Die Formulierung "ist anzunehmen" fmdet sich dem~egenüber häufig dort, wo das Gesetz eine Vermutung oder Fiktion242 enthält. 23 § 3 Abs.3 KrW-/AbfG ordnet an, daß aus dem Vorliegen der in den Nummern 1 oder 2 genannten Tatsachen auf eine weitere (innere) Tatsache, den Entledigungswillen, geschlossen werden soll, an den § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG als Rechtsfolge die Abfalleigenschaft der beweglichen Sache knüpft. Dies entspricht, ungeachtet mancher dogmatischer Nuancen, der Struktur einer gesetzlichen Tatsachenvermutun~ die eine bestimmte Tatsache als gegeben ansieht, wenn eine andere feststeht. 2 Ein Verständnis des § 3 Abs.3 KrW-/AbfG als abschließende Begriffsdefmition wäre des weiteren mit Blick auf die Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie bedenklich. Nach dem Worlaut des Art. 1 lit. a) EG-AbfRRL wird man durch das Tatbestandsmerkmal "entledigen will" jedenfalls auch diejenigen Sachverhalte erfaßt sehen müssen, in denen der Besitzer eine Entledigung beabsichtigt. 245 Daß der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie eine solche Auslegung des Merkmals "entledigen will" durch die Regelung des § 3 Abs. 3 KrW -/AbfG ausschließen und damit das Risiko in Kauf nehmen wollte, hinter den Anforderungen der Richtlinie zurückzubleiben, ist schwerlich vorstellbar. Sowohl der Wortlaut als auch der EG-rechtliche Hintergrund der Vorschrift sprechen somit dafür, daß § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG keine echte Defmition enthält, sondern eine gesetzliche Vermutung. 246 Sie enthebt die Behörde unter den Voraussetzungen des § 3 Abs.3 S. 1 KrW-/AbfG des Nachweises, daß der Wille des Erzeugers oder Besitzers tatsächlich auf eine Entledigung gerichtet ist. 247 Eines Rückgriffs auf die Vermutung bedarf es aber dann nicht, wenn der Entledigungswille feststeht. Wann sich der Besitzer einer beweglichen Sache im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG tatsächlich entledigen will, wird im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz freilich nicht näher erläutert. Daher ist entsprechend dem Wortlaut anzunehmen, daß der "Wille zur Entledigung" der Wille ist, eine Handlung vorzunehmen, die nach § 3 Abs.2 KrW-/AbfG als 242 Allgemein zu diesen Begriffen vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, sowie Deutsches Rechts-Lexikon, jeweils unter den Stichworten "Fiktion" und "Vermutung"; Baumbach u. a., ZPO, § 292 Rn. 4 ff. 243 Vgl. etwa §§ 167,239,267331,542 ZPO; 91 VwGO. 244 Baumbach u. a., ZPO, § 292, Rn. 4. 245 Vgl. Dieckmann, ZUR 1995,173 f. 246 So im Ergebnis auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 133; Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S.47; ferner LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.1.3.; Schink, Abfallbegriff, S. 19. 247 Von Bedeutung wird dies vor allem dort sein, wo zweifelhaft ist, ob die vorgesehene Nutzung eine Verwertung nach Anhang 11 B ist oder nicht.

E. Die EntIedigungstatbestände

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Entledigen zu bewerten ist. Wer also die Absicht hat, die Sache einer Entsorgung nach Anhang 11 zuzuführen oder die Sachherrschaft unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufzugeben, will sich dieser Sache im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG entledigen. Diese Absicht kann zum einen ausdrücklich geäußert werden. Sie kann sich aber auch schlüssig aus dem Verhalten des Besitzers ergeben. In diesem Fall wird es allerdings zu Überschneidungen mit dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG kommen, da ein solches Verhalten häufig bereits ein "Zuführen" darstellen wird. 248 Dies ist jedoch nicht notwendig so. § 3 Abs.2 KrW-/AbfG setzt voraus, daß eine bestimmte, bereits vorhandene Sache einer Entsorgung zugeführt wird. Dagegen kann sich der Entledigungswille konkludent bereits daraus ergeben, daß bestimmte Rückstände aus einem Produktionsprozeß bisher stets einer Entsorgung zugeführt worden sind und Anhaltspunkte für eine Änderung dieser Praxis nicht vorliegen. Für das Vorliegen des Entledigungswillens unerheblich ist, ob der Besitzer selbst die Sache als "Abfall" betrachtet; seine gegenteilige Auffassung stellt lediglich einen unbeachtlichen Subsumtionsirrtum dar. Entscheidend ist, ob die beabsichtigte Handlungsweise die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG erfüllt. bb) Enthält § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG eine gesetzliche Vermutung des Entledigungswillens, so bedarf des weiteren der Klärung, ob diese widerleglieh oder unwiderleglich249 ist. Eine widerlegliehe Vermutung würde bei Vorliegen des Vermutungstatbestandes nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 KrW-/AbfG nur zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Erzeugers oder Besitzers führen. 250

Dieckmann, ZUR 1995, 174. § 3 Abs.3 KrW-/AbfG wird zumeist als ,,Fiktion" bezeichnet, vgl. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 138; VersteyllWendenburg, NVwZ 1994,836; Seibert, UPR 1994,419; Dieckmann, ZUR 1995, 174; Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 48; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3; Paetow, Abfallvermeidung, S. 113; vgl. auch VG Bremen, NVwZ 1997, 1029/1030. Im folgenden soll jedoch der Begriff "unwiderlegliche Vermutung" benutzt werden. § 3 Abs.3 KrW-/AbfG beschreibt Situationen, in denen sich der Besitzer einer beweglichen Sache typischerweise entledigen will, der Wille zur Vornahme einer EntIedigung nach § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG also in aller Regel auch tatsächlich vorliegen wird. Der Begriff "Fiktion" legt dagegen nahe, der vom Gesetz angenommene Sachverhalt liege in Wirklichkeit generell nicht vor; insoweit ähnlich: v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 19. Zur Unterscheidung zwischen Fiktionen und unwiderleglichen Vermutungen vgl. ferner Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichworte "Fiktion" und "Vermutung"; Deutsches Rechts-Lexikon, Stichworte "Fiktion" und "Vermutung (Verfahrensrecht)"; Baumbach u. a., ZPO, § 292 Rn. 7. Teilweise wird beides auch gleichgesetzt, so etwa Rosenberg, Die Beweislast, S. 213 oder zumindest als in entscheidenden Punkten vergleichbar bewertet, vgl. OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 500; Baumbach u. a., ZPO, § 292 Rn. 5. 250 So Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 20; BeckmannlKersting, UPR 1995, 325 Fn. 35; mißverständlich Fluck, DVBI. 1995, 540; allgemein Zöller/Greger, ZPO, § 292, Rn. 1; Baumbach u. a., ZPO, § 292 Rn. 4. 248

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Dieser müßte beweisen, daß er sich entgegen der Vermutung der fraglichen Sache nicht entledigen will. 2S1 Eine solche Widerlegung bestünde nicht in dem Nachweis, daß entgegen der Vermutung eine Produktionsabsicht vorliegt. 252 Denn in diesem Fall wäre bereits der Tatbestand der Vermutung nicht erfüllt. Eine Widerlegung der Willensannahme würde vielmehr voraussetzen, daß der Erzeuger einen von ihm beabsichtigten Umgang mit der Sache dartun kann, der keine Entledigung ist, d. h. nicht die Tatbestandsmerkmale des § 3 Abs. 2 KrW -/AbfG erfüllt. Die Möglichkeit des Gegenbeweises, daß entgegen der gesetzlichen Annahme kein Wille zur Entledigung bestehe, wird in § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG, anders als beispielsweise in § 34 Abs. 2 GentG, nicht ausdrücklich angeordnet. Unzutreffend ist die Ansicht, § 3 Abs.3 Satz 1 KrW-/AbfG formuliere die Merkmale der Unterstellung des Entledigungswillens, die nach Satz 2 anhand der Auffassung des Erzeugers oder Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrs anschauung widerlegt werden könnten. 253 Satz 2 ist vielmehr selbst Teil des Tatbestandes der in Satz 1 geregelten Willensannahme. Die Vorschrift konkretisiert die Tatbestandsmerkmale "ohne das der Zweck hierauf gerichtet ist" bzw. "ursprüngliche Zweckbestimmung" und "ohne daß ein neuer Verwendungszweck ... an dessen Stelle tritt", indem festgelegt wird, wie die Zweckbestimmung des Produktionsprozesses bzw. der Dienstleistung oder des jeweils bereits vorhandenen Gegenstands zu ermitteln ist. Die Auffassung des Erzeugers oder Besitzers und die Verkehrsanschauung sind somit schon ausschlaggebend dafür, ob die Willensannahme nach Satz 1 überhaupt eingreift. Für eine widerlegliehe Vermutung soll sprechen, daß das Gesetz nicht die Formulierung "der Wille zur Entledigung liegt vor" gewählt hat. 2S4 Eine solche Formulierung würde indes eher für eine Begriffsdeflnition sprechen und nicht für die unwiderlegliche Vermutung oder Fiktion eines Tatbestandes. Eher läßt sich schon umgekehrt folgern: Daß das Gesetz nicht den bei widerleglichen Vermutungen üblichen2ss Rechtsbegriff "Vermutung,,2S6 benutzt, legt es nahe, daß eine solche auch nicht gewollt ist, zumal dem Gebrauch der Wendung "wird vermutet" sprachliche Gründe nicht entgegen gestanden hätten. Die bei unwiderleglichen Vermutungen oder Fiktionen in der Regel verwandte Formel So auch Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 20. So der Diskussionsbeitrag von Kersting in: Klett, 4. Kölner Abfalltage, S. 69; vgl. auch BeckmanniKersting, BB 1997, 162, Fn. 8. 253 v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 19; vgl. auch den Diskussionbeitrag von Kersting, in: Klett, 4. Kölner Abfalltage, S. 69. 254 BeckmanniKersting, UPR 1995, 325 Fn. 35, die sich zudem ohne nähere Begründung auf die Systematik des § 3 KrW-/AbfG berufen; dies., BB 1997, 162, Fn. 8. 255 Vgl. bspw. § 34 GenTG; §§ 891, 1006, 1362 1591 BGB; 437, 440 ZPO; vgl. auch § 292 ZPO. 256 Vgl. hierzu OVG Münster, NVwZ-RR 1989,500. 251

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E. Die Entledigungstatbestände

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"gilt als,,257 kommt hier dagegen schon aus sprachlichen Gründen nicht in Betracht, so daß sich nichts daraus herleiten läßt, daß sie in § 3 Abs. 3 KrW-/ AbfG keine Verwendung gefunden hat. Schon der Wortlaut der Vorschrift spricht somit eher dagegen, § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG als widerlegliche Vennutung anzusehen. Für den Bereich des Zivilrechts enthält § 292 S. 1 ZPO die Regelung, daß grundsätzlich der Beweis des Gegenteils zulässig ist, wenn das Gesetz eine Vennutung rur das Vorhandensein einer Tatsache aufstellt, es sei denn, das Gesetz schreibt etwas anderes vor. Fraglich ist, ob diese Auslegungsregel auch auf den Bereich des öffentlichen Rechts übertragen werden kann. Dies läßt sich nicht schon mit einem Hinweis auf § 173 VwGO begründen, da die Vorschrift des § 292 ZPO wegen ihres materiell-rechtlichen Gehalts keine ,,Bestimmung über das Verfahren" im Sinne des § 173 VwGO sein dürfte und überdies eine entsprechende Nonn, die die subsidiäre Geltung der Vorschriften der ZPO auch rur das Verwaltungsverfahren anordnet, fiir das Verwaltungsverfahrensrecht fehlt. 258 Die in § 292 S. 1 ZPO niedergelegte Auslegungsregel soll jedoch unabhängig von § 173 VwGO deswegen im Verwaltungsrecht anwendbar sein, weil sie dem bei der Gesetzesausle~ung vorauszusetzenden Gehalt des Rechtsbegriffs "Vennutung" entspreche. 2 9 Der Rechtsbegriff "Vennutung" fmdet in § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG jedoch gerade keine Anwendung, so daß sich aus ihm auch keine Folgerung rur die hier interessierende Frage ziehen läßt, ob der Erzeuger oder Besitzer die Willensannahme durch einen Gegenbeweis entkräften kann. Weitere Anhaltspunkte, die gegen eine Widerleglichkeit sprechen, lassen sich möglicherweise der Entstehung der Vorschrift entnehmen. Wie bereits erwähnt, begründeten die nun in § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG enthaltenen Tatbestände im Regierungsentwurf noch unmittelbar die Abfalleigenschaft, eine Widerlegung war nicht möglich. Da sich die wesentlichen Elemente des Regierungsentwurfs nunmehr in § 3 Abs.3 KrW-/AbfG fmden und zur Vennutung des Entledigungswillens fUhren, deutet dies daraufhin, daß sie auch hier zwingenden Charakter haben. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß der ursprüngliche Regierungsentwurf gerade nicht Gesetz geworden ist. Daß das Vorliegen der Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 in einer früheren Entwurfsfassung einmal zwingend zur Abfalleigenschaft geführt hat, kann fiir § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG daher nicht entscheidend sein.

Vgl. §§ 566,1923 Abs. 2 BGB; 739 ZPO; 5 Abs. 2 AbfG. 0VG Münster, NVwZ-RR 1989, 500; i. E. ebenso Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 26. 259 0VG Münster, NVwZ-RR 1989, 500 zu § 5 Abs.2 S. I AFWoG; diese Vorschrift benutzt ausdrücklich den Begriff der Vermutung. 257

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Ein weiteres Argument dafür, daß § 3 Abs.3 KrW-/AbfG auch in der endgültigen Gesetzesfassung zwingenden Charakter haben soll, ergibt sich, wenn man den systematischen Zusammenhang mit § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG betrachtet. Nach dieser Bestimmung muß sich der Besitzer unter bestimmten Voraussetzungen einer Sache entledigen, "wenn diese entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung nicht mehr verwendet" wird. § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG erfaßt nach dem klaren Wortlaut nur solche Sachen, die bisher eine Zweckbestimmung hatten. Auf Sachen, die nie eine Zweckbestimmung erhalten haben, ist die Vorschrift daher nicht anwendbar. 260 Für den objektiven Abfallbegriff nach § lAbs. 1 S. 1 AbfG, der in der Sache ansonsten weitgehend mit der Regelung des § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG übereinstimmt/61 war es dagegen ohne Bedeutung, ob die Sache zwecklos geworden war oder von Anfang an keinem Zweck gedient hatte. 262 Daß § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG die zweite Alternative nicht auffiihrt, scheint zunächst bedenklich, da sich ein sachlicher Unterschied zwischen den beiden Alternativen, der eine Ungleichbehandlung begründen könnte, bei isolierter Betrachtung der Vorschrift nicht entdecken läßt. 263 Bei von Anfang an zwecklosen Sachen besteht in gleicher Weise wie bei zwecklos gewordenen die spezifisch abfallrechtliche Gefahr, daß mit ihnen wegen eines fehlenden Interesses gemeinwohlgefährdend umgegangen wird. 264 Ebenso kann aufgrund ihres Gefährdungspotentials eine Entsorgung nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes erforderlich sein. Für die Nichterwähnung der von Anfang an zwecklosen Sachen in § 3 Abs. 4 KrW -/AbfG sind zwei Ursachen vorstellbar: zum einen ein gesetzgeberisches Versehen. Dies erscheint aber eher unwahrscheinlich. Die Begründung des Umweltausschusses des Bundestages zu § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG nimmt auf die Bauschutt- und Altreifenentscheidungen des BVerwG bezug, in denen das Gericht zwecklos gewordene und von Anfang an zwecklose Sachen ausdrücklich gleichgestellt hat. 265 Näher liegt es, daß der Gesetzgeber bewußt auf eine Nennung letzterer in § 3 Abs.4 KrW-/AbfG verzichtet hat, weil er sie bereits durch § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG erfaßt sah. Bei Stoffen oder Gegenständen, denen eine Zweckbestimmung von Anfang an fehlt, handelt es sich um Sachen, für die nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG der Entledigungs-

260 A. A. Fouquet, ZUR 1996, 188; Kunig, NVwZ 1997,213. Dies widerspricht jedoch dem klaren Wortlaut der Vorschrift und ist zudem, wie sogleich begründet werden soll, in der Sache nicht geboten. 261 v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 27. 262 BVerwGE 92,353/355; vgl. auch Fouquet, ZUR 1996, 188. 263 Vgl. insoweit Kunig, NVwZ 1997, 213. 264 BVerwGE 92, 353/355. 265 BVerwGE 92, 353/355.

E. Die Entledigungstatbestände

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wille anzunehmen ist. Daß von Anfang an zwecklose Sachen anders als zwecklos gewordene trotz der vergleichbaren Gefahrenlage nicht in § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG erwähnt werden, erklärt sich also daraus, daß der Gesetzgeber für diese Sachverhalte bereits § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG als ausreichende, weil in jedem Fall die Abfalleigenschaft begründende Regelung angesehen hat: Versteht man § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG als zwingende Regelung, bedarf es einer weiteren Erwähnung in § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG nicht. Wäre dagegen § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG lediglich als widerlegbare Vermutung zu verstehen, wäre es erforderlich, den objektiven Abfallbegriff auch auf von Anfang an zwecklose Sachen zu erstrecken. Denn nur dann wäre im Fall einer Widerlegung der Vermutung eine Zugriffsmöglichkeit des Abfallrechts bei gemeinwohlgefährdenden Nutzungen eröffnet. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß es bei diesem Verständnis des objektiven Abfallbegriffs überhaupt nicht bedürfe, da auch Sachen, die ihre ursprüngliche Zweckbestimmung verlieren, bereits durch § 3 Abs.3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG erfaßt seien. Nach § 3 Abs.3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG ist der Wille zur Entledigung nur unter der zusätzlichen Voraussetzung anzunehmen, daß ein neuer Verwendungszweck nicht unmittelbar an die Stelle des alten tritt. Kommt es zu einer unmittelbaren Neuwidmung, greift die Willensannahme nicht ein. Gleichwohl bleibt es erforderlich, anband des objektiven Abfallbegriffs zu kontrollieren, ob sich durch die neue Nutzung Gefahren für das Gemeinwohl ergeben. Im Ergebnis sprechen somit Wortlaut, Entstehung und Systematik für einen zwingenden Charakter der Willensannahme nach § 3 Abs.3 KrW-/AbfG. Bedenken an diesem Ergebnis könnten sich allerdings im Hinblick auf die Vorgaben des EG-Rechts ergeben. Die zwingende Willensannahme könnte dazu führen, daß nach deutschem Recht Stoffe als Abfälle eingestuft werden, die nicht unter den Abfallbegriff der EG-Richtlinie fallen. 266 Die Abfallrahmenrichtlinie gibt jedoch lediglich Mindeststandards vor. 267 Problematisch wäre es nur, Stoffe aus dem Abfallrecht auszuklammern, die den EG-rechtlichen Abfallbegriff erfüllen. Einem weitergefaßten Abfallbegriff des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes steht die Abfallrahmenrichtlinie daher nicht entgegen. 268

266 So Dieckmann, ZUR 1995, 174. Bislang fehlt es freilich an konkreten Beispielen dafür, daß § 3 Abs.3 KrW-/AbfG gegenüber dem EG-Abfallbegriff tatsächlich zu einem weiteren Anwendungsbereich des Abfallrechts führt, vgl. Kunig, NVwZ 1997,210. Bedacht werden sollte in diesem Zusammenhang ferner, daß die EG-Kommission eine Einordnung unbezweckt angefallener Rückstände (na residue, unintentionally produced") als Abfälle i. S. d. Abfallrahmenrichtlinie zumindest für vertretbar hält, vgl. BTDrs. 12/5672, S. 139. 267 Seibert, UPR 1994,419; Epiney, UmweJtrecht in der EU, S. 274; i. E. auch Kunig, NVwZ 1997,210. 268 Dies gilt jedenfalls, soweit rein innerstaatliche Sachverhalte betroffen sind. Anders ist dies möglicherweise im Bereich der grenzüberschreitenden Abfallverbringungen

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Zumindest im Hinblick auf das selbstgesteckte Ziel des Gesetzgebers, den Abfallbegriff der Abfallrahmenrichtlinie möglichst genau ins deutsche Recht umzusetzen, verbleiben aber dennoch Bedenken: Eine widerlegliche Vermutung stellt eine Verfahrensregelung für die Tatsachenermittlung dar. Soweit die Vermutung reicht, braucht die Behörde nicht weiter zu ermitteln, es tritt eine Umkehr der Beweislast ein. 269 Eine unwiderlegliche Vermutung enthält demgegenüber kein Verfahren zur Ermittlung von Tatsachen, sondern ändert hierin gleicht sie der Fiktion - den anzuwendenden Rechtssatz. 27o Dadurch, daß § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG den Entledigungswillen unwiderleglich vermutet, wird im Ergebnis ein weiterer Tatbestand geschaffen, auf den die Rechtsfolge des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-IAbfG übertragen wird. Der Gesetzgeber hat daher, entgegen seiner Intention, den Abfallbegriff der Abfallrahmenrichtlinie nicht wörtlich in das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz übernommen und durch die Tatbestände des § 3 Abs. 2 bis 4 KrW-/AbfG lediglich konkretisiert. 271 Neben die drei Entledigungstatbestände der Abfallrahmenrichtlinie tritt im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ein vierter, im EG-Recht nicht vorgesehener Tatbestand: 272 Eine bewegliche Sache ist dann Abfall, wenn sich der Besitzer ihrer entledigt, entledigen will, entledigen muß oder wenn die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG vorliegen. Ob sich der Gesetzgeber dieser Konsequenz bei der Formulierung des § 3 Abs.3 KrW-/AbfG jedoch bewußt war, darf bezweifelt werden.

2. Nicht bezweckter Anfall (§ 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-IAbfG) Für den Bereich der industriellen und gewerblichen Produktion von besonderem Interesse ist § 3 Abs. 3 Nr. 1 KrW-/AbfG, lehnt sich die Vorschrift doch

zu beurteilen. Hier könnte ein weiter deutscher Abfallbegriff zu Beeinträchtigungen der Warenverkehrsfreiheit ftihren, da im Einzelfall Stoffe den ftir Abfällen geltenden Beschränkungen unterworfen werden könnten, die nach EG-Recht keine Abfälle sind. Insoweit würde allerdings der Abfallbegriff der Abfallverbringungsverordnung als unmittelbar geltendes Recht dem deutschen Abfallbegriff vorgehen; vgl. Dieckmann, ZUR 1995, 174; Kunig, NVwZ 1997,210. Unterschiedliche Begriffiichkeiten könnten hier aber immerhin zu Schwierigkeiten im Vollzug ftihren. 269 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 17. 270 OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 500; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 17; allgemein Rosenberg, Die Beweislast, S. 213. 271 Vg,L schon die Begründung des Umwe1tausschusses zu § 3, BT-Drs. 12/7284, S. 11: "Ubemahme der Definitionsinhalte des Art. I"; VersteyllWendenburg, NVwZ 1994, 836; Petersen, Abfallpolitisches Konzept, S. 54. 272 Folgerichtig bezeichnet Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S.48, § 3 Abs.3 KrW-/AbfG als eine Erweiterung des Abfallbegriffs. Vgl. insoweit auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 77, der davon spricht, daß die Rückstandsdefinition zusätzlich in die Abfall-Definition eingefUgt worden sei.

E. Die Entledigungstatbestände

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an die bisher rur Reststoffe i. S. d .. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. gebräuchliche Begriffsbestimmung an. 273 Als Reststoffe i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. wurden alle Stoffe angesehen, die bei der Energieumwandlung oder bei der Herstellung, Bearbeitung oder Verarbeitung von Stoffen anfallen, ohne daß der Anlagenbetrieb hierauf gerichtet ist. 274 Der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. und damit der immissionsschutzrechtliche Reststoffbegriff beschränkte sich allerdings auf Stoffe, die beim Betrieb einer genehmigungsbedürftigen immissionsschutzrechtlichen Anlage anfallen. § 3 Abs.3 Nr. 1 KrW-/AbfG geht hierüber hinaus27s und bezieht die bei jeglicher sonstiger Nutzung von Stoffen oder Erzeugnissen oder bei Dienstleistungen anfallenden beweglichen Sachen in die Fiktion des Entledigungswillens ein. Erfaßt werden somit alle Produktions-, Verarbeitungs- und Nutzungsprozesse, unabhängig davon, ob sie sich als Betrieb einer (genehmipngsbedürftigen) immissionsschutzrechtlichen Anlage darstellen oder nicht. 27 Zentrales Problem277 des § 3 Abs.3 Nr. 1 KrW-/AbfG ist die Unterscheidung zwischen gezielt hergestellten Sachen und solchen Sachen, die anfallen, ohne daß der Zweck der jeweiligen Handlung darauf gerichtet ist. Es steht zu erwarten, daß diese Grenzziehung in Zukunft ähnlich umstritten sein wird wie zuvor die Unterscheidung zwischen Abfall und Wirtschaftsgut. 278 Im Kontext des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. wurden die gezielt hergestellten Sachen als "Produkte" 279 oder "Erzeugnisse,,28o bezeichnet. Diesem Sprachgebrauch folgend soll der Begriff "Produkte" hier zur Kennzeichnung solcher Stoffe und Gegenstände verwendet werden, deren Anfall im Sinne des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW -/AbfG bezweckt ist.

273 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 146; Paetow, Abfallvermeidung, S. 113; vgl. auch die Begründung zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 des RegierungsEntwurfs, BT-Drs. 12/5672, S. 40. 274 Vgl. §2 Nr.4 der 17. BImSchV; BVerwG, NVwZ 1994,897; GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 645; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 63; LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.2.1. 275 Weidemann, Abfall oder RohstotTI, S. 17; BeckmanniKersting, in: Landmann! Rohmer, KrW-/AbfG § 3 Rn. 44. 276 Vgl. auch Weidemann, Abfall oder RohstotTI, S. 17. 277 Joschek u. a., AJ 96,60 sehen hierin die ..Gretchenfrage der Kreislaufwirtschaft". 278 Vgl. Wendenburg, NVwZ 1995,835 f.; Birn, KrW-/AbfG, § 3 Anm. 1.1.; Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 58. 279 GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 647; LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.2.1; Rebentisch, NVwZ 1995, 639. 280 Fluck, NuR 1989,410.

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

a) Zum Begriff des Anfalls in § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG Die Vermutung nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG greift ein, wenn die bewegliche Sache bei den genannten Handlungen anfällt. Dieser BeFtff wird vom Gesetz noch in einer Reihe weiterer Vorschriften verwandt, 2 I jedoch nicht näher erläutert. Zumeist wird der Begriff in der Kombination "anfallende Abfalle" oder "Abfalle, die anfallen" gebraucht. Daneben spricht das Gesetz in § 10 Abs. 2 KrW-/AbfG aber auch von "anfallender Energie", und, im vorliegenden Zusammenhang, von beweglichen Sachen, die anfallen. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet anfallen "entstehen" oder auch "vorkommen".282 Die Vielzahl von Zusammenhängen, in denen der Begriff im Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz gebraucht wird, legt nahe, daß er lediglich in diesem allgemeinen Sinne als Synonym für "entstehen" verwandt wird, nicht aber in einer für allen Vorschriften einheitlichen und spezifischen Bedeutung. So fallt Abfall im Sinne des § 3 Abs. 5 KrW-/AbfG nicht notwendig mit dem Entstehen der jeweiligen beweglichen Sache zusammen. 283 Dies wird besonders deutlich, wenn man an gebrauchte Produkte denkt, bei denen zwischen der Erzeugung des Produktes und dem "zu Abfall werden" häufig eine längere Zeitspanne liegt. "Anfall eines Abfalls" bezeichnet den Zeitpunkt, in dem eine bewegliche Sache erstmals die Begriffsmerkmale des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG verwirklicht und damit die rechtliche Eigenschaft ,,Abfall" erlangt. 284 Dagegen dürfte die Wendung "anfallende Energie" in § 10 Abs. 2 S. 2 KrW-/AbfG immer die erstmalige Freisetzung der Energie bezeichnen, also einen physikalisch-technischen Vorgang. Dies zeigt, daß die Auslegung des Begriffs ,,Anfall" immer nur im Kontext der jeweiligen Norm möglich ist. 28S Nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG ist der Wille zur Entledigung bei beweglichen Sachen anzunehmen, die bei bestimmten Handlungen anfallen. Als maßgebliche Schnittstelle für den Anfall im Sinne des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW -/AbfG kommen grundsätzlich mehrere Bezugspunkte in Betracht. Zum einen kann der Begriff des Anfalls relativ in bezug auf ein bestimmtes System verstanden werden. 286 Im industriellen Bereich stellen die unterste Systemebene die einzelnen Apparate dar. Aus diesen setzt sich wieder die Produktionsanlage zusammen, die Gesamtheit der Produktionsanlage bildet schließlich den Pro281 Z.B. in § 2 Abs. 2 Nr. 4, § 3 Abs. 5, § 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 4; § 7 Abs. 1 Nr. 4., § 10 Abs. 2, § 19 Abs. 1, § 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 KrW-/AbfG. 282 Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Stichwort "anfallen". 283 So auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 274. 284 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 274; ders., ZfW 1996,499. 285 Vgl. auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 275, der den Begriff Anfall nUT im Fall des § 3 Abs. 3 S. 1 NT. 1 KrW-/AbfG verwenden will. 286 Große OphojJ, Konzepte, S. 294; Sutter, SondeTabfälle, S. 16.

E. Die Entledigungstatbestände

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duktionsbereich des Unternehmens. 287 Denkbar ist andererseits, "anfallen" im Sinne des physikalisch-technischen Entstehens als bewegliche Sache während des Herstellungs-, Verarbeitungs- oder Dienstleistungsvorganges zu verstehen. Dies stellt den frühest möglichen Zeitpunkt dar. Gegen die Wahl dieses Zeitpunktes wird eingewandt, daß eine gesonderte tatsächliche wie rechtliche Erfassung der Stoffe in diesem Stadium nicht möglich sei. 288 Solange sich die Sachen noch im Prozeßgang befmden, wird zumindest teilweise schon faktisch ein Zugriff nicht möglich sein. Zudem ist denkbar, daß sich erst im weiteren Ablauf des Prozesses entscheidet, was mit bestimmten Stoffen geschieht, ob sie etwa in das Produkt eingehen oder als Ausbeuteverluste übrigbleiben. Freilich dürften diese Gründe nicht immer einer Anknüpfung an die Stoffentstehung entgegenstehen. Unter systematischen Gesichtspunkten spricht aber gegen eine Gleichsetzung von Stoffentstehung und Anfall im Sinne des § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG, daß nach § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG die anlageninterne Kreislauffiihrung von Stoffen eine Maßnahme zur Vermeidung von Abfällen darstellt. Im Kreislauf gefiihrt werden können nur solche Stoffe, die als selbständige bewegliche Sachen bereits vorhanden sind. Daß der Vorgang der Kreislaufführung vom Gesetz als Vermeidung angesehen wird, zeigt jedenfalls, daß das physikalische Entstehen einer Sache nicht notwendig mit dem von § 3 Abs.3 S. 1 NI. 1 KrW-/AbfG vorausgesetzten Anfall gleichzusetzen ist. Dies spricht dafür, den Begriff des Anfalls relativ in bezug auf ein bestimmtes System zu bestimmen. Der Umstand, daß § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG dem Vorbild der Reststoff-Defmition i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. nachgebildet ist, legt es zunächst nahe, die Anlage als maßgebliche Bezugseinheit anzunehmen. Nach der wohl überwiegend vertretenen Auffassung sollte die Nutzung eines Stoffes innerhalb des Bereichs der genehmigungsbedürftigen Anlage nach § 4 BImSchG eine Reststoffvermeidung und keine Verwertung sein/89 der Stoff als Reststoff also erst mit Verlassen des Anlagenbereichs anfallen. Zur Anlage i. S. d. § 4 Abs. 1 BImSchG gehören jedoch nicht nur die zum Erreichen des Anlagenzweckes notwendigen Apparate, die Haupteinrichtung, sondern nach Maßgabe der 4. Bundes-Immissionsschutzverordnung auch weitere sog. Nebeneinrichtungen, wie etwa nachgeschaltete Reinigungsanlagen. 290 Teilweise werden auch Einrichtungen zur Rückstandsverwertung der Haupteinrichtung als Nebeneinrichtungen zugerechnet/91 die Systemgrenze der Anlage also sehr weitgezogen. Dazu und zum folgenden Sutter, Sonderabfälle, S. 16 f. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 69. 289 Vgl. an dieser Stelle nur LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.3.1; Rebentisch, UPR 1989,210; SRU, Sondergutachten ,,Abfallwirtschaft", Tz. 213. 290 Vgl. an dieser Stelle nur Jarass, BImSehG, § 4 Rn. 42 ff. 291 Näher dazu unten 2. Teil unter D III 2. 287 288

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I. Teil: Der erweiterte AbfaIlbegriff

Diese Sichtweise kann indes auf § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG nicht übertragen werden. Schon der Wortlaut spricht eher gegen eine anlagenbezogene Abgrenzung, stellt er doch nicht auf die Anlage, sondern auf einzelne Handlungen ab. Bedeutsamer ist, daß § 3 Abs. 3 S. 1 Nr.l KrW-/AbfG nicht nur tUr genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 4 BIrnSchG gilt, sondern auch tUr nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sowie Handlungen, die außerhalb einer Anlage vorgenommen werden. Damit steht aber der durch § 4 BIrnSchG i. V. m. der 4. BImSchV festgelegte Anlagenumfang nicht durchgängig zur Bestimmung der Anlagengrenze zur VertUgung. Vor allem aber sprechen systematische Gesichtspunkte gegen eine anlagenbezogene Sichtweise. § 9 S. 3 KrW-/AbfG setzt die Möglichkeit einer anlageninternen Verwertung voraus. Verwertet werden kann aber nur ein Abfall, der als bewegliche Sache bereits angefallen ist. Dies zeigt, daß maßgebliche Systemgrenze tUr die Frage des Anfalls einer beweglichen Sache nicht die Anlage im immissionsschutzrechtlichen Sinne oder gar der Betrieb als ganzes ist, sondern der einzelne Produktionsprozeß als unterste Ebene im Aufbau technischer Systeme. 292 Angefallen sind die beweglichen Sachen, die den jeweiligen Produktionsprozeß verlassen. 293 Da dieser zumeist durch die zu seiner Durchfiihrung erforderlichen Apparate konstituiert und räumlich begrenzt wird, fällt eine bewegliche Sache an, wenn sie deren technische Umschließung verläßt. 294 Das Abstellen auf den einzelnen Herstellungs- bzw. Verarbeitungsprozeß tUhrt allerdings zu weiteren Abgrenzungsschwierigkeiten. 295 Anders als der Begriff der Anlage, der in § 3 Abs. 5 BImSchG dem Gegenstand und in § 1 Abs.2 der 4. Bundes-Immissionsschutzverordnung auch dem Umfang nach konkretisiert wird/96 fehlt es tUr die Frage, wie die Grenzen des einzelnen Herstellungsprozesses festzulegen sind, an einer gesetzlichen Regelung. Bei der Diskussion um die Abgrenzung zwischen Vermeidung und Verwertung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. hat dieses Problem auch bei den Befiirwortern einer prozeßorientierten Betrachtungsweise, soweit ersichtlich, kaum Aufmerksamkeit gefunden. Der "Herstellungsprozeß" oder die "Abfallquelle" werden zumeist unausgesprochen als kleinste, unteilbare Einheit vorausgesetzt. 297 Eine erste Annäherung bietet die Umschreibung, der Prozeß sei eine verfahrens292 Zur prozeßorientieren Abgrenzung vgl. auch Meidrodt, Reststoffverrneidungsund Verwertungsgebot, S. 60 f. 293 Ähnlich Kunig, NVwZ 1997, 214, der von "Verfahrensschritt" spricht. 294 So grundsätzlich auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 70. 295 Vgl. Kunig, NVwZ 1997,214 f. 296 Vgl. hierzu Henkel, Anlagenbegriff, 1989; Jarass, NVwZ 1995,529 ff. 297 Vgl. Meidrodt, Reststoffverrneidungs- und Verwertungsgebot, S. 60 f, 67 f.; Jörgensen, Reststoffverrneidungs- und Verwertungsgebot, S.52 f.; GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 658 ff.

E. Die EntIedigungstatbestände

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technische Einheit, in der die chemischen, biologischen und physikalischen Schritte zur Herstellung von gewünschten (Zwischen- oder End-)Produkten erfolgen würden. 298 Schwierigkeiten ergeben sich jedoch dort, wo nicht die Herstellung eines, sondern mehrerer Produkte als Zweck in Betracht kommt und die Herstellung des einen Produkts mehr oder andere Schritte erfordert als die des anderen. Einen möglichen Ansatz zu einer weiteren Eingrenzung stellt die für § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG vorgeschlagene Gleichsetzung des Herstellungsprozesses mit der Haupteinrichtung i. S. d. § 1 Abs.2 Nr. 1 der 4. BImSchV dar. 299 Zur Haupteinrichtung rechnen alle Anlagenteile und Verfahrensschritte, die zum Betrieb notwendig sind. Was der Betrieb der Anlage im Einzelfall erfordert, hängt von den Formulierungen des Anhangs zur 4. BImSchV ab. Der dort regelmäßig festgelegte Zweck ist entscheidend für die Beantwortung der Frage, was zum Betrieb der genehmigungsbedürftigen Anlage notwendig ist. 3OO Was den so umschriebenen Bereich verläßt, ist angefallen und muß in die Kategorien "Produkt" oder ,,Abfall" eingeordnet werden. Eine Behandlung in Nebenanlagen soll nach dieser Ansicht grundsätzlich Verwertung darstellen301 und erfolgt damit zeitlich nach Anfall des Reststoffes. Eine Ausnahme hiervon wird nur fiir solche Einrichtungen gemacht, mit deren Hilfe der Stoff wieder in die Hauptanlage eingespeist wird, in der er entstanden ist. 302 Apparate, die der Kreislauffiihrung dienen, müssen, wie § 4 Abs. 2 KrW-IAbfG belegt, dem Produktionsprozeß bzw. der Hauptanlage zugerechnet werden. Einer Übertragung dieses Ansatzes auf den von § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-I AbfG geregelten Bereich steht freilich entgegen, daß dieser sich nicht auf genehrnigungsbedürftige Anlagen nach § 4 BlmSchG beschränkt. Manche der in § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-IAbfG aufgezählten Handlungen, beispielsweise Dienstleistungen, haben nicht einmal das Vorhandensein einer Anlage zur notwendigen Voraussetzung. Als weiterfiihrend erweist sich aber der Grundgedanke, in Zweifelsfallen zur Eingrenzung des Prozesses auf den Hauptzweck der jeweiligen Handlung abzustellen. Anlaß, die vom Erzeuger behauptete Herstellungsabsicht an einem objektiven Maßstab zu überprüfen, werden in aller Regel nur solche Stoffe und Gegenstände bieten, die als untergeordneter Produktionszweck in Betracht kommen. Dagegen wird die Feststellung des Hauptzwecks eines Produktionsverfahrens selten Probleme bereiten. Gleichzeitig bestimmt das Hauptprodukt als Leitprodukt in aller Regel auch die Gestaltung des

298

SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 734.

Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 67. 300 Vgl. nur Jarass, NVwZ 1995, S. 531 m. w. N. in Fn. 32. 301 Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 67; ders., Reststoffvermeidung und Reststoffverwer299

tung, S. 67. 302

Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 67.

6 Locher

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Produktionsprozesses. 303 Zum einzelnen Produktionsprozeß lassen sich, in Anlehnung an den Gedanken des § 1 Abs. 2 Nr. 1 der 4. BImSchV, all die Apparate und Verfahrensschritte rechnen, die zu Erreichung des Hauptzweckes notwendig sind. Soweit die hierbei eingesetzten Roh- oder Hilfsstoffe im Kreislauf gefiihrt werden, sind auch die hierfiir notwendigen Einrichtungen noch dem Produktionsprozeß zuzurechnen. Dagegen gehören alle Verfahrensschritte, die weder der Erreichung des Hauptzweckes noch der Kreislauffiihrung dienen, nicht mehr zum Herstellungsprozeß. Sie stellen vielmehr einen weiteren, eigenständigen Nutzungsprozeß dar. Die in ihnen weiterverarbeiteten Stoffe sind, bezogen auf den ersten Herstellungsprozeß, angefallen, so daß sich die Frage stellt, ob der Anfall bezweckt oder unbezweckt war. Demgegenüber schlägt Fluck vor, fiir den anlageninternen Anfall stets auf das Verlassen der technischen Umschließung abzustellen. 304 Dies hätte zur Konsequenz, daß eine Sache solange nicht als angefallen zu betrachten wäre, wie sie sich in einem durch Rohrleitungen, Förderbänder u.ä. verbundenen technischen System befmdet. Der Anlagenbetreiber könnte sich nach dieser Auffassung den Anforderungen, die das Abfallrecht an die Nutzung bestimmter Stoffe stellt, dadurch entziehen, daß er zwischen verschiedenen Prozessen eine entsprechende Verbindungseinrichtung schafft. Werden aber die gleichen Stoffe manuell oder mittels beweglicher Transportmittel wie z. B. einem Tankwagen von einem Prozeß zum nächsten gebracht, soll prinzipiell eine Anwendung des Abfallrechts möglich sein. 30S Daß der Transportvorgang im zweiten Fall tendenziell mit höheren Umweltbelastungen verbunden ist, kann eine unterschiedliche Behandlung jedoch allein nicht rechtfertigen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, daß das Abfallrecht gerade auch die Nutzung von Abfällen als Einsatz- oder Brennstoffe steuern Will. 306 Vom Ausgangspunkt her, daß es auf das Verlassen der technischen Umschließung ankommen soll, wäre es zudem konsequent, auch bei großen, aus einer Vielzahl von immissionsschutzrechtlichen Anlagen bestehenden Werkskomplexen einen Anfall einzelner Stoffe solange zu verneinen, wie die Produktionsbereiche durch entsprechende technische Verbindungen zu einem technisch umschlossenen System zusammengefaßt sind. Diesen Schritt will allerdings auch Fluck nicht vollziehen, der davon ausgeht, daß das Verlassen der Anlage im immissionsschutzrechtlichen Sinne in jedem Fall der späteste Zeit-

303 Gabler-Wirtschafts-Lexikon, Stichwort "Kuppelprodukte"; vgl. ferner speziell für die Roheisen- und Stahl erzeugung BartholotlNeuhaus, Immissionsschutz 1996,24. 304 Fluck, OVBI. 1997,465. 30S Fluck, OVBI. 1997,465. 306 Vgl. nur § 6, § 7 Abs. I Nr. 1 KrW-/AbfG.

E. Die Entledigungstatbestände

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punkt für den Abfallanfall ist,307 auch wenn der Stoff sich weiterhin in einem geschlossenen technischen System befmdet. Fluck verweist für seinen Abgrenzungsvorschlag weiterhin darauf, daß die genehmigungsbedürftige Anlage als rechtliche Einheit zu betrachten sei, mit der eine Abgrenzung nach rein technischer Defmition von Verfahrensprozessen nur schwerlich vereinbar oder rechtlich kaum handhabbar sei.308 Auch dieses Argument vermag jedoch nicht zu überzeugen, folgt doch gerade aus der in §§ 4 Abs. 2, 9 S. 3 KrW-/AbfG getroffenen Unterscheidung zwischen anlageninterner Kreislaufführung und anlageninterner Verwertung, daß aus Sicht des Gesetzes eine Betrachtung von Teilbereichen innerhalb der rechtlichen Einheit "Anlage" möglich sein soll. Zudem ist dem Irnmissionsschutzrecht auch im übrigen eine Anknüpfung an einzelne Teile der Anlage nicht fremd. So ist etwa die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 1 Abs.2 der 17. BImSchV vom zulässigen Anteil der Abfälle an der jeweils äefahrenen Feuerungswärmeleistung einer "Verbrennungseinheit" abhängig. 3 Im Regelungsbereich des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG wäre als Beispiel die Betrachtung von Teilabwasserströmen zu nennen, die durch Vorgaben des Wasserrechts für Reduzierung der Schadstofffracht im Abwasser erforderlich wird. Aus diesen Gründen kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob die einzelnen Prozesse durch technische Betriebseinrichtungen miteinander verbunden sind oder nicht, solange sich nach Ausgestaltung und Zielrichtung zwischen einzelnen Prozessen unterscheiden läßt.

b) Zweck des Produktionsprozesses Der Entledigungswille wird nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG nur hinsichtliche derjenigen beweglichen Sachen vermutet, deren Anfall nicht Zweck der jeweiligen Handlung ist. Der Zweck der Handlung ist nach § 3 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG in zwei Stufen zu ermitteln.

aa) Auffassung des Erzeugers Ausgangspunkt für die Beurteilung der Zweckbestimmung ist die Auffassung des "Erzeugers oder Besitzers". Spricht das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von Erzeuger oder Besitzer, so ist damit im allgemeinen der Abfallerzeuger i. S. d. § 3 Abs. 5 bzw. der Abfallbesitzer i. S. d. § 3 Abs. 6 KrW-/

Fluck, DVBI. 1997,465. Fluck, DVBI. 1997,465. 309 Jörgensen, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 45.

307 308

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

AbfG gemeint. In diesem speziellen Sinne können die Begriffe im Rahmen des § 3 Abs. 3 S. 2 KrW -/AbfG jedoch nicht verstanden werden, da ja nicht feststeht, ob die jeweilige bewegliche Sache Abfall ist oder nicht. Unter Erzeuger ist hier diejenige natürliche oder juristische Person zu verstehen, die den Vorgang i. S. d. § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG, bei dem die bewegliche Sache anfällt, in Gang setzt und beherrscht, was in der Regel der jeweilige Anlagenbetreiber sein wird. Besitzer ist derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft über die Sache ausübt und zwar im Fall des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/ AbfG zum Zeitpunkt des Anfalls - der Besitzer ist mithin identisch mit dem Erzeuger der beweglichen Sache - und im Fall des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/ AbfG zu dem Zeitpunkt, in dem die ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt bzw. von ihm aufgegeben wird.3\O Erzeuger und Besitzer i. S. d. § 3 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG sind damit immer Abfallerzeuger i. S. d. § 3 Abs. 5 KrW-/AbfG, weil durch ihre Tätigkeit die bewegliche Sache, deren Zwecklosigkeit vorausgesetzt, erstmals die Voraussetzungen des Abfallbegriffs erfüllt. Die parallele Nennung von Erzeuger und Besitzer in § 3 Abs. 3 S. 2 KrW-/ AbfG wird teilweise als problematisch empfunden, da sie die Frage aufwerfe, auf wessen Auffassung es ankomme, wenn Erzeuger und Besitzer nicht (mehr) identisch seien. Auch sei fraglich, ob der Wille des Erzeugers noch als Entledigungswille relevant sei, wenn der folgende Besitzer sich der Sache nicht mehr entledigen wolle, da § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG nicht auf den Erzeuger, sondern auf den Besitzer abstelle.3\l Hierbei wird jedoch übersehen, daß der Begriff "Erzeuger" im Rahmen des § 3 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG nicht im gleichen Sinn wie in § 3 Abs. 5 KrW-/AbfG verwandt wird. Der Erzeuger ist zum Zeitpunkt des Anfalls der beweglichen Sache auch deren Besitzer i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG. Seine Auffassung von der Zweckbestimmung des Entstehungsvorganges entscheidet mit darüber, ob ein Entledigungswille anzunehmen ist und die bewegliche Sache daher zu Abfall wird. Hinsichtlich eines späteren Besitzers kommt es daher zunächst nicht darauf an, ob bei ihm gleichfalls ein Entledigungswille nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG anzunehmen ist, da die Sache zu diesen Zeitpunkt bereits zu Abfall geworden ist. Hinsichtlich des neuen Besitzers stellt sich vielmehr die Frage, ob die Sache durch eine von ihm vorgenommene Handlung, und sei es nur die Widmung zu einem neuen Nutzungszweck,312 ihre einmal erlangte Abfalleigenschaft wieder verloren hat. 3\3 Auf die Frage, ob die bewegliche Sache zunächst aufgrund der Willensannahme nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG zu Abfall wird, kann die Auffassung eines späteren Besitzers jedoch keinen Einfluß mehr haben.

Dazu noch näher unten 2. Teil BIll. v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 22. 312 In diesem Sinne wohl Krieger, NuR 1995,347. 313 Dazu noch ausführlicher unten unter F. 310

311

E. Die Entledigungstatbestände

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bb) Verkehrsanschauung als Korrektiv zur ErzeugeraujJassung

Die Auffassung des Erzeugers, also desjenigen, der die zum Anfall der beweglichen Sache fiihrenden Handlungen i. S. d. § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/ AbfG vornimmt, ist nach § 3 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG nicht allein maßgeblich. Der Zweck des Herstellungs- oder Verarbeitungsprozesses ist ferner unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu ermitteln. Diese Kombination subjektiver und objektiver Elemente entspricht der ganz überwiegend zur Abgrenzung zwischen Produkt und Reststoff i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. vertretenen Auffassung. 314 Der Musterentwurf des LAI fiir eine Verwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. sieht vor, daß in Zweifelsfällenalso namentlich dann, wenn Erzeuger und Behörde verschiedener Auffassung über die Zweckbestimmung sind - die unter Fachleuten herrschende Verkehrsanschauung ergänzend heranzuziehen sei. 3\5 In gleicher Weise bildet nunmehr nach § 3 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG die Verkehrsanschauung das Korrektiv gegenüber der Auffassung des Erzeugers. Hierdurch soll einer mißbräuchlichen Berufung auf angebliche Produktionszwecke entgegengewirkt werden. 316 Käme es allein auf die Behauptungen des Erzeugers an, so wäre die Gefahr eines Mißbrauchs zur Umgehung der an den Entledigungswillen anknüpfenden Rechtsfolgen evident. Kritisch ist zu dieser Regelung angemerkt worden, es wäre systematisch klarer gewesen, primär auf die Verkehrsanschauung abzustellen und in diesem Rahmen die Vorstellungen des HersteIles als bedeutsames Indiz zu berücksichtigen. 317 Ob zwischen den unterschiedlichen Ansätzen im Ergebnis ein wesentlicher Unterschied besteht, darf allerdings bezweifelt werden. Denn einerseits müßte auch ein objektiver Ansatz dem Willen des Herstellers fiir den Normalfall entscheidende Bedeutung zumessen. Andererseits ergibt sich die Notwendigkeit einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung ohnehin nur im Zweifelsfall, insbesondere dann, wenn die Behörde die vom Erzeuger behauptete Zwecksetzung nicht ak-

314 GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 647; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 63; Rebentisch, UPR 1989,211; LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.2.1.; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S.20. Anders lediglich Führ, Sanierung, S. 190, der in Anlehnung an den objektiven AbfaJlbegriff einen rein objektiven Reststoff vertritt. 315 LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.2.1. 316 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und AbfaJlrecht, § 3 Rn. 143; Versteyl/Wendenburg, NVwZ 1996,940; Seibert, UPR 1994,419; Wolfers, NVwZ 1998,226; VG Bremen, NVwZ 1997, 1029/1031. 317 Seibert, UPR 1994,419. Zweifelhaft scheint, ob dies von der Begriffiichkeit her noch im Einklang mit den Vorgaben des Art. 1 lit. a) EG-AbfRRL stehen würde, vgl. Versteyl/Wendenburg NVwZ 1996,940.

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

zeptieren will. Daß es dann nicht auf bloße Behauptungen des Herstellers ankommen kann, liegt auf der Hand. 318 Aus dem Sinn und Zweck der Regelung sowie aus dem systematischen Zusammenhang mit § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG ergibt sich, daß dieses Korrektiv nur dann ergänzend heranzuziehen ist, wenn der Erzeuger eine - von der Behörde in ihrer Berechtigung in Zweifel gezogene - Zweckbestimmung behauptet, nicht aber dann, wenn er ausdrücklich oder doch den Umständen nach erklärt, daß der Anfall der fraglichen Stoffe oder Gegenstände nicht bezweckt sei. 3l9 Mit Hilfe der Verkehrsanschauung kann daher eine subjektiv fehlende Produktionsabsicht nicht dahingehend korrigiert werden, daß bestimmte Produktionsrückstände, weil sie etwa gewinnbringend veräußert werden können, objektiv als zweckgerichtet hergestellt und damit als Produkt und nicht als Abfall einzustufen sind. 320 Die Frage nach der Verkehrsanschauung stellt sich folglich überhaupt nicht, wenn der Erzeuger erklärt, bezüglich einer bestimmten Sache keine Produktionsabsicht zu verfolgen.32\ Das eigentlich bedeutsame Problem des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG besteht in der Ermittlung der Verkehrsanschauung. Dabei stellt sich zunächst die Frage, was gemeint ist, wenn § 3 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG auf die "Verkehrsanschauung" verweist. Allgemein werden hierunter die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise oder der (überwiegenden Mehrheit der) Allgemeinheit verstanden. 322 Der LAI-Musterentwurf zu § 5 Abs. 1 Nr.3 BlmSchG a. F. spricht davon, daß in Zweifelsfällen die unter Fachleuten bestehende Verkehrsanschauung ergänzend heranzuziehen sei. 323 Dies könnte Grund zu der Annahme geben, das Gesetz verweise durch die Verwendung des Begriffs "Verkehrsanschauung" auf die Meinung der führenden oder der Mehrheit der Fachleute auf dem betreffenden Gebiet, die im Streitfalle durch Beweisaufnahme zu ermitteln •• 324 waren. Richtigerweise wird man in der Bezugnahme auf die "Verkehrsanschauung" jedoch kein deskriptives, sondern ein normatives Tatbestandselement erblicken müssen. Bereits in der Diskussion um den Reststoffbegriff nach § 5 Abs. 1 NT. 3 BImSchG a. F. ist die Verkehrsanschauung als objektives Kriterium ver-

Dierkes, Grundpflichten, S. 129, zu § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSehG. So auch BeckmanniKersting, in: LandmannlRohmer, KrW-/AbfG § 3 Rn. 48. 320 In diesem Sinne aber möglicherweise Wendenburg, NVwZ 1995, 836. 321 So auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 158. 322 Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort "Verkehrsauffassung". 323 LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, S. 3, vgl. auch GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 647; Rebentisch, UPR 1989, S. 211. 324 So anscheinend Joschek u. a., AJ 1996, 60, die die "unter Fachleuten vorherrschende Meinung" berücksichtigen wollen. 318 319

E. Die Ent1edigungstatbestände

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standen worden,32S etwa im Sinne von "vernünftigen wirtschaftlichen Erwägungen".326 Mit der Generalklausel "Verkehrsanschauung" verweist die Norm auf einen aussergesetzlichen Maßstab. 327 Mit dem BegrifIsbestandteil "Verkehr" stellt es die Verbindung zu dem jeweils berührten Ausschnitt der Wirklichkeit her. Im Rahmen dieser Untersuchung ist dies die industrielle und gewerbliche Produktion als Bestandteil des Wirtschaftslebens. Bei der Konkretisierung des Maßstabs ist die Sachstruktur dieses Lebensbereichs einzubeziehen. Mit Blick auf die Grundstruktur sind objektive Bewertungskriterien zu entwickeln, die den Eigenheiten der betreffenden Sachmaterie hinreichend Rechnung tragen. Teilweise wird demgegenüber die Verkehrsanschauung als der sich für die soziale Umwelt erkennbar äußernde Wille des Erzeugers oder Besitzers umschrieben. 328 Der Entledigungs-, Verwendungs- oder Verwertungswille müsse sich durch Handlungen oder Unterlassungen auf eine Weise äußern, die nach unter Menschen üblichen Verhaltensweisen in der Regel den Schluß auf die Entledigungsabsicht zuließen. 329 Dies überzeugt nicht: Zum einen kommt es für § 3 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG nicht unmittelbar auf den Entledigungswillen, sondern zunächst nur auf die Zweckbestimmung des Produktionsprozesses an. Zum anderen vermengt diese Ansicht die Frage der Feststellung des subjektiven Willens des Erzeugers mit dem Problem der Kontrolle des nach außen hin manifestierten Willens anhand der Verkehrsanschauung. Zwar kann die Verkehrsanschauung im Einzelfall bereits für die Ermittlung eines nur konkludent geäußerten Willens von Bedeutung sein. In den Fällen, in denen es zum Streit über den Entledigungswillen kommt, dürfte indes immer eine ausdrückliche Erklärung des Erzeugers vorliegen. Mit Hilfe der Verkehrsanschauung ist dann nicht unmittelbar der Entledigungswille festzustellen, sondern die vom Erzeuger behauptete Produktionsabsicht zu überprüfen.

c) Konkretisierung der Verkehrsanschauung § 3 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG verlangt die Überprüfung der vom Erzeuger behaupteten Zwecke des Produktionsprozesses anhand eines objektivierenden Maßstabes. Unter Zweck ist allgemein derjenige Grund zu verstehen, um dessentwillen eine Handlung vorgenommen wird. Der Anfall, d. h. die Entstehung einer beweglichen Sache, ist bezweckt, wenn ihre Erzeugung der zumindest

325 Rebentisch, UPR 1989. 211; GK-BlmSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 647; Jarass, Reststoffvenneidung und ReststoffvelWertung, S. 77. 326 Rehbinder, DVBI. 1989,497. 327 Vgl. dazu allgemein Müller, Juristische Methodik, S. 189 f. 328 v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 23. 329 v. LersneriWendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 23.

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

mitbestimmende Anlaß für die Handlung ist. 330 Dies setzt mehr voraus, als daß die Entstehung als sichere Folge der Handlung vorausgesehen wird. Denn auch an sich unerwünschte Konsequenzen können vorausgesehen und damit eingeplant werden. Jedenfalls für den Bereich der industriellen oder gewerblichen Produktion kann davon ausgegangen werden, daß die Erzeugung einer Sache nur dann bestimmender Anlaß und Ziel des Produktionsprozesses ist, wenn für sie eine Nutzungsmöglichkeit besteht. Die in Betracht kommenden Verwendungsmöglichkeiten lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: die Nutzung durch den Erzeuger selbst, insbesondere als Einsatz- oder Hilfsstoff in weiteren Produktionsprozessen und die Weitergabe an Dritte zur Nutzung durch diese. Als vorgesehener Nutzungszweck - sei es durch den Erzeuger selbst, sei es durch Dritte - müssen von vornherein alle Maßnahmen ausscheiden, die eine Beseitigung nach Anhang 11 A darstellen. Denn für eine Beseitigung ist kennzeichnend, daß gerade keine weitere Nutzung der Sache mehr erfolgt. 331 Demgegenüber ist eine Verwertungsmaßnahme nach Anhang 11 B durchaus eine Nutzung der angefallenen Sache. Trotzdem kann eine solche Nutzung im Ergebnis nicht dazu führen, daß ein Entledigungswille verneint werden muß. Wie bereits dargelegt,332 enthält § 3 Abs.3 KrW-/AbfG keine abschließende Definition des Entledigungswillens, sondern lediglich eine gesetzliche Vermutung. Steht fest, daß die angefallene Sache einem Verfahren nach Anhang 11 B unterzogen werden soll, so bedarf es der Vermutung nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW -/AbfG nicht, da die Tatbestandsvoraussetzung "entledigen will" unabhängig von der Vermutung erfüllt ist. Denn in diesem Fall will der Erzeuger die anfallende Sache einer Verwertung zuführen und sich ihrer damit nach § 3 Abs.2 KrW-/AbfG entledigen. 333 Damit scheiden grundsätzlich alle in Anhang 11 genannten Verfahren als mögliche Nutzungen aus, die eine zweckgerichtete Produktion im Sinne des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG begründen können/ 34 ohne daß es eines Rückgriffs auf das Korrektiv "Vekehrsanschauung" bedürfte. Wie oben bereits dargelegt worden ist,m kann allerdings die Zuordnung zu den in Anhang 11 B genannten Verfahren im Einzelfall sehr schwierig sein.

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Aber auch darüber hinaus kann es nicht ausreichen, daß überhaupt eine Verwendungsmöglichkeit für die Sache besteht und eingeplant wird. § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG stellt nicht auf die Zweckbestimmung der anfallenden Sache ab, sondern auf den Zweck des Herstellungsprozesses. Daß für eine im So auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 149. Dazu oben unter EIl b) ce). 332 Dazu oben unter E 11 1. 333 Im Ergebnis ebenso LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3. 334 Unklar, im Ergebnis aber wohl ebenso Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 174, vgl. aber auch Rn. 166. 335 Dazu oben unter EIl b) dd). 330 331

E. Die Entledigungstatbestände

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Produktionsprozeß anfallende Sache eine Verwendung vorgesehen ist, bedeutet daher nicht notwendig, daß ihr Anfall auch Motiv für die Vornahme der Produktion ist. Der Rückschluß von der Verwendungsmöglichkeit auf die zielgerichtete Herstellung kann nur dann gezogen werden, wenn die Verwendungsmöglichkeit für den Erzeuger nutzbringend ist, denn nur dann ist anzunehmen, daß sie für ihn zumindest mitbestimmender Anlaß für die Vornahme der Produktionshandlung ist. Demgegenüber wird es teilweise als entscheidend angesehen, ob der Stoff in der Herstellungskette direkt verwendet wird, d. h. ein geplanter Verwendungszweck vorliegt. 336 In diesem Fall sei ein bezweckter Anfall anzunehmen. Dies soll unabhängig davon gelten, ob der angefallene Stoff als Einsatzstoff in einem nächsten Produktionsschritt des gleichen Prozesses, in einem weiteren Produktionsprozeß in der gleichen Anla~e, in einer neuen Anlage oder in der Anlage eines Dritten verwendet wird. 3 7 Die geschlossene Produktionskette wird nach dieser Ansicht erst dann unterbrochen, wenn die Sache einer zuvor nicht als Verfahrensstufe eingeplanten Aufarbeitung unterzogen werden muß, um als Rohstoff in einer neuen Produktionskette dienen zu können. 338 Unklar ist bereits, wie ein Aufarbeitungsschritt, der zur Unterbrechung der Prozeßkette fiihren soll, von einem Verarbeitungsschritt zu unterscheiden ist, der zu einem weiteren Zwischenprodukt fiihrt. Denn anscheinend soll eine Aufarbeitung dann zu einem Glied der Prozeßkette werden, wenn sie von Anfang an als Verfahrensstufe eingeplant ist. 339 Dies bedeutet, daß ein unbezweckter Anfall nur bei solchen Stoffen anzunehmen wäre, deren Anfall nicht vorhersehbar ist bzw. vom Anlagenbetreiber nicht eingeplant wird. Nun ist der Anfall von Rückständen bei neuentwickelten Produktionsprozessen möglicherweise nicht immer bis ins Detail vorhersehbar. Doch zumindest im wesentlichen wird feststehen, mit welchen Rückständen zu rechnen ist. Der Anfall ist somit vor-

336 Joschek u. a., AJ 1996,62; Wolfers, NVwZ 1998,229 f.; ferner Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 58: die weitere Nutzung der Sache sei (mit-)bestimmender Anlaß der Handlung, wenn sie von Anfang an eingeplant sei. Unzutreffend ist insoweit die Berufung auf Fluck, DVBl. 1995, 541, der die Voraussetzungen "eingeplant" und "mitbestimmender Anlaß" als kumulative Voraussetzungen nennt. 337 Joschek u. a., AJ 1996, 62. 338 Joschek u. a., AJ 1996,62; im Ansatz ähnlich bereits zum Abfallbegriff der EGAbfRRL: Fluck, DVBl. 1993, 592; Konzak, NuR 1995, 135. Nicht ganz eindeutig ist, ob die Stoffstrombetrachtung nur als ergänzender Gesichtspunkt für solche Fälle gedacht ist, in denen die im folgenden noch zu untersuchenden weiteren Kriterien noch zu keiner abschließenden Einordnung geführt haben, oder als eigenständiges und die anderen Gesichtspunkte verdrängendes Kriterium; vgl. Joschek u. a., AJ 1996, 64: Einerseits ist von einer "zusätzlichen Betrachtung des Herstellungs- und Gebrauchsweges" die Rede, andererseits soll immer ein Produkt vorliegen, wenn sich der Stoff in einer geschlossenen Prozeßkette befindet. Kritisch zu diesem Ansatz Rebentisch, NVwZ 1997, 418 f. 339 Joschek u. a., AJ 1996, 62.

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

hersehbar und der weitere Umgang mit diesen Stoffen daher planbar. Die Planung der Verwertung solcher Stoffe wird durch § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG den Anlagenbetreibern ausdrücklich zur Betreiberpflicht und damit zur Voraussetzung für den Betrieb ihrer Anlage gemacht. 340 Soweit dies möglich und zumutbar ist, hat der Betreiber bei der Planung und Gestaltung des Produktionsprozesses dafür Sorge zu tragen, daß eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung möglich ist. Würde bereits die Einplanung der Nutzung für die Begründung eines bezweckten Anfalls ausreichen, liefen diese Pflichten leer. Des weiteren würde der Anwendungsbereich des § 3 Abs.3 S. 1 Nr.l KrW-/AbfG auf Stoffe beschränkt, die unvorhergesehen und daher nicht planbar anfallen oder bei denen unstreitig ist, daß sie einer Verwertung im Sinne des Anhangs 11 B unterzogen werden müssen. Damit wäre die Willensannahrne weitgehend funktionslos. Wird eine Sache einer Verwertungshandlung nach Anhang 11 B zugeführt oder ist dies beabsichtigt, so liegt eine Entledigung nach § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG bzw. der Wille zur Vornahme einer Entledigungshandlung vor. Der Wille muß dann nicht mehr vermutet werden. Die Bedeutung des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG lieytjedoch gerade darin, die Behörde der im Einzelfall schwierigen Beurteilung34 zu entheben, ob eine bestimmte Verwendung eine Verwertungsmaßnahme im Sinne des Anhangs 11 B ist. Aus diesen Gründen ist die Einplanung der Nutzung zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung, um eine zielgerichtete Herstellung nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW _/AbfG anzunehmen. 342• 343 Einer näheren Betrachtung bedarf somit die Frage, wann ein objektiv anzuerkennender Nutzungszweck vorliegt, der einen Anfall in der Produktion als bezweckt erscheinen läßt. 344 Aufgrund des Modellcharakters des Reststoffbegriffs nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. kann für die Auslegung des § 3 Abs. 3 Nr. 1 KrW-/AbfG auf die zum Reststoffbegriff gewonnenen Erkenntnisse zurückgegriffen werden. Schon für § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. konnte freilich keinesfalls als abschließend geklärt gelten, nach welchen konkreten

Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 149. Zu den Schwierigkeiten bei der Konkretisierung des Verwertungsbegriffs in § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG oben unter E I I b) dd). 342 Zutreffend daher Fluck, DVBI. 1995,541, der neben der Einplanung der Nutzung zusätzlich fordert, daß die Nutzung mitbestimmender Anlaß für die zum Anfall führende Handlung ist. 343 Auch im Hinblick auf den Abfallbegriff der Abfallrahmenrichtlinie ergeben sich erhebliche Bedenken gegen die dargestellte Auffassung. In seiner Entscheidung vom 18.12.1997 (ZUR 1998, 26/27) hat der EuGH ausgeführt, daß auch Verfahren, die Teil eines industriellen Produktionsprozesses sind, Verwertungsverfahren und mithin Stoffe, die in diese Verfahren einfließen, Abfalle im Sinne der Richtlinie 75/442 sein können. 344 Insoweit ebenso Fouquet, ZUR 1996, 187. 340

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E. Die EntIedigungstatbestände

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Kriterien sich die Verkehrsauffassung bemessen sollte. 345 Zusätzlich zu den bereits zur Abgrenzung von Reststoffen und Produkten entwickelten Bewertungsmaßstäben sind im Hinblick auf § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG eine Reihe weiterer Kriterien vorgeschlagen worden,346 mit deren Hilfe die vom Erzeuger behauptete Zwecksetzung überprüft werden soll. Die verschiedenen in Betracht kommenden Ansätze zur Unterscheidung von Abfällen und Produkten werden im folgenden auf ihre Tauglichkeit fiir die von § 3 Abs. 3 Nr. 1 KrW-/AbfG geforderte Abgrenzung untersucht, wobei die Sachstruktur des hier interessierenden Lebensbereiches der industriellen und gewerblichen Produktion besonders zu berücksichtigen ist.

aa) Die Bezeichnung als Kuppel- oder Zwischenprodukt Die Begründung zum Regierungsentwurf fiihrt im Hinblick auf die Einbeziehung von Reststoffen i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. in den Rückstands- bzw. Abfallbegriff aus, Kuppelprodukte seien keine Rückstände i. S. des Gesetzes. 347 In die gleiche Richtung gehen die Erläuterungen des Umweltausschusses,348 "Vor-, Neben-, Co-, Kuppel- und Zwischenprodukte" seien keine Abfälle. 349 Ob diese Begriffe zu der von § 3 Abs.3 Nr. 1 KrW-/AbfG geforderten Abgrenzung beitragen können, ist zweifelhaft. Die wiedergegebenen Stellungnahmen implizieren einen eindeutigen Inhalt der verwendeten Begriffe, der diesen in Wahrheit jedoch fehlt. 35o Die Begriffe "Kuppelprodukt", "Nebenprodukt" u.ä. fmden im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ebensowenig Verwendung wie früher im Abfallgesetz die Begriffe "Wirtschaftsgut" und "Wertstoffe" . Es handelt sich vielmehr um Bezeichnungen, die dem betriebswirtschaftlich- technischen Sprachgebrauch entliehen sind. Zudem bezeichnen die

345 Vgl. hierzu nur Jörgensen, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 19 ff.; Dierkes, Grundpflichten, S. 128 ff.; Weidemann, Abfall oder Rohstoff?, S. 20 ff. 346 Vgl. insbesondere den Bericht des Umwe\tausschusses, BT-Drs. 1217284, S. 12; Fleckenstein, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, S. 30; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.1; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 158-166; Joschek u. a., AJ 1996, 60 ff. 347 BT-Drs. 12/5672, S. 40. 348 BT-Drs. 12/7284, S. 12. 349 Die Entwurfsbegründungen von Bundesregierung und Umweltausschuß decken sich weitgehend mit einer von BOI und OIHT zur Konkretisierung des EntIedigungsbegriffes vorgeschlagenen Fonnulierung, nach der bestimmte Kriterien, die der Annahme einer Entledigung bzw. eines Entledigungswillens entgegenstehen, "beispielhaft erfüllt [werden] von Vor-, Neben-, Kuppel- und Zwischenprodukten usw." (hier und im folgenden zitiert nach Fleckenstein, Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, S. 30). 350 Vgl. auch Weidemann, Abfall oder Rohstoff?, S. 34.

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Begriffe Neben-, Co- und Kuppelprodukt einerseits und Vor- und Zwischenprodukt andererseits unterschiedliche Sachverhalte.

(1) Zum Begriff des "Kuppel-" oder "Nebenprodukts" Insbesondere im Bereich der Aufbereitung von Roh- und der Produktion von Grundstoffen ist der Produktionsprozeß nicht notwendig erweise immer nur auf die Herstellung eines Produktes gerichtet. So fmdet man vor allem im Bereich der chemischen Industrie große Verbundstandorte. Diese sind dadurch entstanden, daß die bei einem Prozeß gleichzeitig anfallenden zwei oder mehr Stoffe oder Verbindungen jeweils als Ausyangspunkt für weitere eigenständige Verarbeitungsschritte genutzt werden,3s häufig in dem Bemühen, für ursprünglich unerwünschte Stoffe eine Nutzungsmöglichkeit zu fmden. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Chlorchemie. Bei der elektrolytischen Zersetzung von Kochsalz fallen Natronlauge und Chlor in einem festen Mengenverhältnis an. Historisch betrachtet war Ziel des Verfahrens ursprünglich nur die Herstellung von Natronlauge als Grundstoff für weitere Produktionsprozesse. Chlor war ein nur schwer zu entsorgender Rückstand aus dieser Produktion. Dies führte zu Verwertungsbemühungen für das anfallende Chlor, die letztlich so erfolgreich waren, das sich das Verhältnis zwischen Chlor und Natronlauge umgekehrt hat: Chlor als Hauptprodukt ist die bestimmende Determinante für den Umfang der Kochsalz-Elektrolyse, Natronlauge das überschüssige Nebenprodukt, das lange Zeit zu Tiefstpreisen abgegeben werden mußte. 3S2 Derartige Sachverhalte3s3 werden im betriebswirtschaftlichen Sprachgebrauch mit dem Begriff "Kuppelproduktion" bezeichnet. Allgemein wird unter Kuppelproduktion oder "technologisch verbundener Produktion" ein Produktionsprozeß verstanden, bei dem aus naturgesetzlichen oder technischen Gründen zwangsläufig in einem Arbeitsgang fleichartige oder verschiedenartige Güter, die "Kuppelprodukte", entstehen. 3s Je nachdem, ob das MengenverDazu Pohle, Die chemische Industrie, S. 6, 508. Siehe hierzu SRU, Sondergutachten ,,Abfallwirtschaft", Tz. 754 f. 353 Weitere typische Beispiele für Kuppelproduktion sind Kokereien, bei denen aus Steinkohle gleichzeitig Koks, Gas, Teer, Benzol und andere Kohlewertstoffe gewonnen werden, und Raffinerien, in denen aus dem eingesetzten Rohöl Schweröl, Leichtöl, Benzine, Gas, Wachs und einige andere Stoffe gewonnen werden. Ferner läßt sich auch das Zerlegen von Tieren in Schlachthöfen, beim dem gleichzeitig mehrere Fleischsorten, Häute und weitere Rückstände enstehen, als Kuppelproduktion begreifen; vgl. Kilger, Kostenrechnung, S. 354. 354 Kilger, Kostenrechnung, S. 354, Gabler-Wirtschafts-Lexikon, Stichwort "technologisch verbundene Produktion". Hiervon zu unterscheiden ist die lediglich ökonomisch verbundene Alternativproduktion, bei denen die Erzeugnisse die gleichen Fertigungs351

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E. Die EntIedigungstatbestände

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hältnis der Kuppelprodukte bei einem bestimmten Leistungsverhältnis eines Prozesses veränderlich ist oder nicht, ist zwischen starrer und elastische Kuppelproduktion zu differenzieren. 3SS Ferner kann bei der Kuppelproduktion häufig zwischen dem "Hauptprodukt" einerseits und sog. "Nebenprodukten" andererseits unterscheiden werden. Hauptprodukt des Hochofenprozesses ist beispielsweise das Roheisen, daneben fallen als Nebenprodukte Gichtgas, Schlacke und Abwärme an. 356 Als "Leitprodukt" wird z. T. dasjenige Kuppelprodukt bezeichnet, das die Ausrichtung der Produktion primär bestimmt, als "Koprodukte" bezeichnet man gleichrangige, weil ökonomisch ähnlich wertvolle Kuppelprodukte. 357 Die Bezeichnungen "Kuppelproduktion" und ,,Kuppelprodukt' können aber leicht zu Mißverständnissen führen, da der Begriff "Produkt" in diesem Zusammenhang in einem wesentlich weiteren Sinne verwandt wird als im allgemeinen Sprachgebrauch. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht läßt sich letztlich jede Produktion als "Kuppelproduktion" ansehen, weil naturgesetzlich bedingt immer mehrere Prozeßergebnisse auftreten. 358 Der Begriff "Kuppelprodukt" wird auch dann verwandt, wenn das zweite ,,Produkt" ein unerwünschtes, aber aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht vermeidbares Nebenergebnis des Prozesses ist. 359 Von unerwünschten Kuppelprodukten müssen daher die "angestrebten" Kuppelprodukte unterschieden werden. 360 Ob die bei der Kuppelproduktion entstehenden Stoffe aus betriebswirtschaftlicher Sicht erwünscht oder unerwünscht sind, hängt von der marktlichen Verwertbarkeit ab. 361 Charakteristisch für Nebenprodukte sind starke Preisschwankungen, wobei die stellen und dispositiven Einrichtungen eines Unternehmens beanspruchen, wobei aber beliebige Mengenrelationen zwischen den Produkten gewählt werden können, vgl. Kilger, Produktions- und Absatzplanung, S. 341. 355 Kilger, Kostenrechnung, S. 354. 356 Gabler-Wirtschafts-Lexikon, Stichwort "Kuppelprodukt". 357 Gabler-Wirtschafts-Lexikon, Stichwort "Kuppelprodukt"; Kilger, Kostenrechnung, S. 357. 358 Corsten, Produktionswirtschaft, S.225; ähnlich Kilger, Kostenrechnung, S. 354 f.; ders., Produktions- und Absatzplanung, S. 342 rn.w. N. 359 Vgl. als Beispiele für diesen Sprachgebrauch: Wagner/Matten, ZAU 1995, 55: "unerwünschte Nebenprodukte". Auch Kutscheidt, NVwZ 1986, 623 definiert Reststoffe i. S. d. § 5 Abs. 1 NT. 3 BlmSchG a. F. als "unerwünschte Nebenprodukte"; Salzwedel, ZfW 1983, 86, unterscheidet zwischen echten, d. h. durchweg absetzbaren, und unechten Koppelprodukten, die teilweise als Abflille beseitigt werden müssen. Vgl. ferner das Beispiel bei Kilger, Kostenrechnung, S.359. Teiweise wird der Tatbestand der Kuppelproduktion sogar als notwendige Voraussetzung eines wirtschaftswissenschaftlichen Abfallbegriffs genannt, vgl. Weiland, ZfU 1993, 126 f. 360 Vgl. Corsten, Produktionswirtschaft, S. 500. 361 HeineniDietel, in: Heinen (Hrsg.), Industriebetriebslehre, S.930; SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft" , Tz.. 401: "Die einzelnen Kuppelprodukte können entweder am Markt nachgefragt werden oder Abfall darstellen, [... ]."

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Preisuntergrenze im Negativen, nämlich bei den alternativ entstehenden Ver. htungsk osten 1·legen k ann. 362 nIC Die Übergänge zwischen erwünschtem und unerwünschten Kuppelprodukt sind zudem nicht ein für alle mal festgelegt. 363 Wie das Beispiel der Chloralkali-Elektrolyse zeigt, können Stoffe, die zunächst einen unerwünschten Produktionsriickstand darstellten, im Laufe der Zeit zu angestrebten Produkten werden. Auch außerhalb der chemischen Industrie lassen sich Beispiele für solche Entwicklungen fmden. Bei der Einführung der Gaserzeugung fiel als schwierig zu beseitigender Produktionsriickstand Teer an. Dieser wurde, zunächst unter Zuzahlung eines Entgeltes seitens der Gaserzeuger, von der ersten deutschen Dachpappenfabrik abgenommen. Im Zuge der steigenden Nachfrage nach Dachpappe wurde aber aus dem Rückstand Teer bald ein "Produkt", für das ein Preis erzielt werden konnte, der hoch genug lag, um im Einzelfall sogar einen Anreiz zu vermehrter Teerproduktion darzustellen?64 Die Übergangsstufen zwischen einem rentablen Kuppelprodukt und einem unerwünschten Produktionsriickstand hat der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen in seinem Sondergutachten ,,Abfallwirtschaft" unter ökonomischen Gesichtspunkten in Abhängigkeit vom Anteil des Kuppelprodukts an den Produktionskosten wie folgt unterschieden: 36s (I) Der Markterlös eines Nebenprodukts, das mit der Produktion des vom Produzen-

ten in erster Linie beabsichtigten Produktes technisch verbunden hergestellt wird, liegt über seinen (zurechenbaren) Kosten. Es liegt ein rentables Produkt vor, so daß aus ökonomischer Sicht Anreize zu seiner Produktion bestehen. (2) Der erzielte Markterlös liegt unter den zurechenbaren Produktionskosten, die Produktion ist fUr sich betrachtet nicht rentabel. Soweit dies möglich und in der gegebenen Situation rentabel ist, wird im Produktionsprozeß die Entstehung des Kuppe\produktes eingeschränkt. Der durch eine Verwertung erzielte Markterlös kann aber zur Rentabilität der Gesamtproduktion beitragen. (3) Es wird kein Markterlös erzielt. Eine Nutzung des Kuppe\produktes kann jedoch billiger sein als eine Beseitigung, so daß ein Anreiz zur Verwertung besteht, um die Gesamtproduktionskosten zu senken. 366

Gabler-Wirtschafts-Lexikon, Stichwort "Kuppelprodukte". SRU, Sondergutachten ,,Abfallwirtschaft", Tz. 401. 364 Dazu SRU, Sondergutachten ,,Abfallwirtschaft", Tz. 402. 365 SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 402 sowie Tabelle 2.4.1.; ähnlich auch Führ, Sanierung, S. 183 f.; Kortzj1eisch, in: Jacob (Hrsg.), Industriebetriebslehre, S. 115. Der Sachverständigenrat weist jedoch zurecht daraufhin, daß die vorgenommene Unterscheidung rein gedanklich ist und sich in der Praxis regelmäßig nicht durchfUhren läßt; dazu noch näher unten unter E 11 2 c) bb) (1). 366 Auch in diesem Fall sind weitere Differenzierungen möglich, vgl. SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 402. 362

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E. Die Entledigungstatbestände

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Es läßt sich somit festhalten, daß nicht alles, was als "Kuppel"- oder "Nebenprodukt" bezeichnet wird, aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein erwünschtes Prozeßergebnis ist. Der Begriff ,,Kuppelprodukte" bezeichnet zunächst alle bei einer technologisch verbundenen Produktion anfallenden Ergebnisse und umfaßt "erwünschte" wie "unerwünschte" Nebenprodukte, gewinnbringend zu veräußernde Stoffe ebenso wie Stoffe, die nur bei kostenloser Abgabe oder sogar bei Zuzahlung einen Abnehmer fmden oder gar vernichtet werden müssen. Daher ist die Aussage, bei Neben- oder Kuppelprodukten sei der Entledigungswille ausgeschlossen, da der Anfall ein (Neben-)Zweck des Herstellungs- oder Verarbeitungsprozesses sei,367 bestenfalls ungenau, da dies nur fiir angestrebte Prozeßergebnisse zutreffen kann, nicht dagegen fiir unerwünschte Nebenprodukte. 368 Defmiert man den Begriff Neben-, Co- oder Kuppelprodukt - entgegen dem betriebswirtschaftlichen Sprachgebrauch - enger und faßt darunter nur absichtlich erzeugte Güter, die in demselben Prozeß und zum selben Zeitpunkt wie das Hauptprodukt erzeugt werden,369 so wird die Aussage, ein Nebenprodukt sei zweckbestimmt erzeugt und damit kein Abfall,370 zum Zirkelschluß. Die entscheidende Frage, die es im Hinblick auf § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-I AbfG zu klären gilt, ist gerade, wann der Anfall eines Kuppelproduktes erwünscht ist. Darüber hinaus besteht aber auch die Gefahr, daß der Blick auf die eigentliche Problematik durch den Gebrauch derartiger Begriffe verstellt und durch die mit ihnen verbundene Unsicherheit ent~egen der Intention des Gesetzgebers eine neue "Grauzone" geschaffen wird. 3 1 Die Tür zur Flucht aus dem Abfallrecht hieße dann nicht mehr "Wirtschaftsgut" oder "Wertstoff', sondern "Co-, 372 Kuppel- und Nebenprodukt".

367 Vgl. die eingangs zitierten Äußerungen sowie ferner Fouquet, ZUR 1996, 187; ähnlich auch VersteyllWendenburg, NVwZ 1996,940; Joschek u. a., AJ 1996,61. 368 Auch das LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.1, stellt klar, daß es nicht auf die in der Praxis verwandten Bezeichnungen ankommt, sondern darauf, ob im Einzelfall der Anfall noch als untergeordneter Produktionszweck angesehen werden kann. 369 So etwa noch der Entwurf des LAGA-Arbeitspapier vom 7.3.96, Ziff. 2.1.3.1; anders nunmehr die aktuelle Fassung, Ziff. 2.3.1. 370 LAGA-Arbeitspapier (Stand: 7.3.96), Ziff. 2.1.3.1. 371 Auf diese Gefahr weist bereits Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S.20, hin. Im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 18.12.97, ZUR 1998, 26/27 ist zudem festzustellen, daß eine generelle Herausnahme von "Nebenerzeugnissen" mit dem EG-Recht nicht vereinbar wäre. Der EuGH hat in dieser Entscheidung ausdrücklich klargestellt, daß der Abfallbegriff grunsätzlich keine Art von Rückständen, industriellen Nebenerzeugnissen und sonstigen aus Produktionsprozessen stammenden Stoffen ausnehme. 372 So auch die Befürchtung von Rebentisch, NVwZ 1995,641.

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

(2) Zu den Begriffen "Vor-" oder "Zwischenprodukt" Einen vergleichbar eingeschränkten Erkenntniswert für die nach § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG vorzunehmende Abgrenzung besitzen die Begriffe "Vor-" bzw. "Zwischenprodukt". Unter Vorproduktion ist die Produktion auf einer vorgelagerten Produktionsstufe eines Erzeugnisses oder die Produktion von bestimmten Zubehörteilen des Endproduktes durch einen Dritten oder einen Betrieb, der zum Unternehmen gehört, aber nicht die Endmontage durchführt, zu verstehen. 373 Vorprodukte sind demnach die auf dieser Stufe hergestellten Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind, in ein weiteres Endprodukt eingebaut zu werden. Denselben oder zumindest einen ähnlichen Sachverhalt bezeichnen auch die Begriffe "Zwischenprodukte", "Halberzeugnisse" oder "unfertige Erzeugnisse". Dies sind be- oder verarbeitete Stoffe, deren Produktionsprozeß noch nicht beendet ist. 374 Beide Begriffe dienen zur Kennzeichnung der Mehrstufigkeit eines Herstellungsprozesses. 375 Jedoch ist nicht jeder Stoff, der weiterverarbeitet wird, erwünschtes und damit zielgerichtet hergestelltes Vor- oder Zwischenprodukt. Denn auch im Falle der Abfallverwertung werden, wie ein Blick auf § 4 Abs. 3 und 4 KrW-/ AbfG sowie Anhang 11 B zeigt, angefallene Stoffe genutzt, um aus ihnen neue Stoffe zu gewinnen oder ihre stomichen Eigenschaften zu bestimmten Zwekken einzusetzen. Ein auf die Entstehung folgender Verarbeitungsprozeß besagt somit allein nichts dariiber, ob die Entstehung selbst bezweckt war oder nicht. Wann ein Stoff zielgerichtet zur Weiterverarbeitung hergestellt worden ist und wann seine Nutzung lediglich die Verwertung eines an sich unerwünschten Produktionsriickstandes darstellt, läßt sich mit Hilfe des Begriffs "Zwischen-" oder "Vorprodukt" daher nicht unterscheiden.

(3) Ergebnis Die Begriffe Vor-, Neben-, Co-, Kuppel- und Zwischenprodukt sind somit als Abgrenzungskriterien unbrauchbar. Sie weisen jedoch auf die Problemlage hin, daß in der betrieblichen Praxis zum einen mit einem Produktionsprozeß zugleich mehrere Ziele verfolgt werden können, wobei zwischen den einzelnen Zielen auch ein gewisses Rangverhältnis bestehen kann, zum anderen der einzelne Fertigungs- oder Verarbeitungsschritt nicht immer schon zu einem absatzfähigen Endprodukt führt, sondern Prozeßergebnis auch ein weiterverarbei-

Vgl. Gabler-Wirtschafts-Lexikon, Stichwort "Vorproduktion." Gabler-Wirtschafts-Lexikon, Stichwort "unfertige Erzeugnisse." 375 Vgl. auch den Entwurf des LAGA-Arbeitspapiers vom 7.3.96, Ziff. 2.1.3.1, S. 6. 373

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E. Die Entledigungstatbestände

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tungsbedürftiges Zwischenprodukt sein kann. 376 Diese Besonderheiten der industriellen oder gewerblichen Produktion hat eine der Sachstruktur des Lebensbereichs angemessene Konkretisierung der Verkehrs anschauung zu berücksichtigen.

bb) Gewinnbringende Veräußerung und Marktwert Ein möglicher Nutzungszweck rur eine bei Produktionsprozessen entstandene bewegliche Sache ist die Weitergabe an Dritte. Nicht jede Weitergabe an Dritte begründet aber einen Nutzen fiir den Erzeuger. Die industrielle und gewerbliche Produktion ist Teil des Wirtschaftslebens. Die Ziele jeder unternehmerischen Tätigkeit lassen sich auf zwei wesentliche ökonomische Motive zurückfUhren: Geld zu verdienen und die Verdienstquelle zu sichern. 377 Für ein wirtschaftlich vernünftig denkendes Unternehmen ist der Zweck von Herstellungs- und Verarbeitungshandlungen daher letztlich immer die Erzielung von Einnahmen. Nur aus diesem Grund werden die mit der Herstellung verbundenen Kosten aufgewendet. Daher muß die Weitergabe der hergestellten Produkte an Dritte grundsätzlich gegen Entgelt erfolgen. Nur in diesem Altruistische Zwecke dürften rur den hier untersuchten Bereich eine zu vernachlässigende Rolle spielen. Im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. ist daher vielfach das Vorhandensein eines zahlungswilligen Marktes als gewichtiges Indiz fiir die Abgrenzung zwischen Produkten und Reststoffen hervorgehoben worden. Über die Absatzchancen und damit über die Produkteigenschaft entscheide letztlich der Markt, ihn zu antezipieren gehöre zum Kernbereich unternehmerischer Entscheidung. Nur wenn sich diese dauerhaft als nicht realisierbar erweise m. a. W. kein Marktpreis erzielt werden kann -, könne der fortdauernde Vermarktungswille unerheblich sein. 378 Es liege daher regelmäßig kein Reststoff, sondern ein Produkt vor, wenn fiir die Weitergabe des Stoffes an Dritte ein Erlöß erzielt werden könne. 379 Auch der Bericht des Umweltausschusses nennt als ein gegen die Abfalleigenschaft sprechendes Kriterium, daß die beim Produktionsprozeß angefallenen Stoffe oder Gegenstände "im Regelfall - gegebenenfalls nach Behandlung - einen positiven Marktwert haben",380 mit anderen Worten, der Abnehmer einen Preis fiir die übergebenen Stoffe oder GegenstänVgl. auch K. Wagner, Abfall und Kreislaufwirtschaft, S. 23. Baetge, Bilanzen, S. 5 f. 378 SRU, Sondergutachten ,,Abfallwirtschaft", Tz. 118; a. A. aber Jarass, Reststoffvermeidung und Reststoffverwertung, S. 78. 379 Dierkes, Grundpflichten, S. 131; ähnlich auch Jörgensen, Reststoffvermeidungsund Verwertungsgebot, S. 20. 380 Umweltausschuß, BT-Drs. 12/7284, S. 12. 376

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7 Locher

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

de bezahlt. Umgekehrt soll im Falle einer Abgabe ohne Entgelt oder sogar unter Zuzahlung nach der Verkehrsauffassung kein gezielt hergestelltes Produkt vorliegen: 381 Ein Produkt sei ein Stoff, der typischerweise gegen Entgelt veräußert werde. 382 Nicht immer ganz eindeutig ist freilich, in welchem Sinn der Begriff "Markterlös" gebraucht wird. Vereinzelt wird explizit eine gewinnbringende Veräußerung verlangt. 383 Hierbei gilt es aber zu beachten, daß "Gewinn" und "Markterlös" nicht gleichgesetzt werden können. 384 Gewinn, jedenfalls soweit er auf das einzelne Produkt und nicht auf die Gesamtproduktion bezogen wird, setzt voraus, daß mit der Abgabe des einzelnen Produktes ein Markterlös erzielt wird, der die zurechenbaren Herstellungskosten des Produkts übersteigt. Dieser Unterschied scheint zumindest zum Teil nicht hinreichend beachtet zu werden,385 hat aber erhebliche Konsequenzen. Stellt man auf die Gewinnerzielungsmöglichkeit ab, so wäre nach der Verkehrsanschauung eine zweckgerichtete Produktion nur hinsichtlich der ersten der drei vom Sachverständigenrat benannten Stufen386 anzunelunen. Läßt man die Erzielung eines, wenn auch nicht kostendeckenden, Markterlöses ausreichen, so würde auch die zweite Stufe mit einbezogen, die Nebenprodukte erfaßt, deren Produktion für sich genommen nicht rentabel ist. Die Unternelunen sind teilweise bestrebt, den Anfall dieser Stoffe im Produktionsprozeß einzuschränken, soweit dies technisch möglich ist und die Umstellungskosten niedriger sind als die alternativen Verwertungsoder Beseitigungskosten. 387 In diesen Fällen erscheint es auf den ersten Blick zumindest problematisch, von einem bezweckten Anfall der Stoffe auszugehen.

381 LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.1; Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 23; v. Lersnerl Wendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 24; Krieger, NUR 1995, 173; ebenso schon zu § I Abs. I AbfG: Paetow, EG-rechtliche Vorgaben, S. 98; Franßen, in: FS Redeker, S. 463; a. A. allerdings v. Lersner, NuR 1981, 2. Zu § 5 Abs. I Nr. 3 BImSehG: Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 63; Dierkes, Grundpflichten, S. 131; Jörgensen, Reststoffvermeidungsund Verwertungsgebot, S. 20. 382 Jarass, Reststoffvermeidung und Reststoffverwertung, S. 78. 383 Hansmann, NVwZ 1990, 410; vgl. auch Dierkes, Grundpflichten, S. 131. 384 So zutreffend Dierkes, Grundpflichten, S. 131. Vgl. zu der Problematik nunmehr auch Weidemann, Abfall oder Rohstoff?, S. 43. 385 V gl. etwa Führ, Sanierung, S. 185, der gewinnbringend und Marktnachfrage gleichzusetzten scheint. Unklar jedenfalls Rehbinder, DVBI. 1989, 497: "Absatz lohnend". 386 Oben unter E 11 I c) aa)(I). 387 SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 402. Als Beispiel sei hier auf die Eisen- und Stahl industrie verwiesen, die hinsichtlich der bei metallurgischen Prozessen anfallenden Schlacken eine Doppelstrategie verfolgt: Einerseits ist man bestrebt, den Schlackenanfall soweit wie möglich zu reduzieren, andererseits wird durch vielfältige Maßnahmen versucht, die Qualität der Schlacken im Hinblick auf eine spätere Vermarktung zu optimieren; vgl. dazu BartholotlNeuhaus, Immissionsschutz 1996,23.

E. Die Entledigungstatbestände

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Andererseits gilt es zu berücksichtigen, daß die Markterlöse des Nebenprodukts jedenfalls zur Rentabilität der Gesamtproduktion beitragen. 388

(1) Gewinnerzielung Nun scheint für den Bereich der industriellen und gewerblichen Produktion die Erzielbarkeit eines Gewinns auf den ersten Blick ein besonders angemessenes, weil marktgerechtes Kriterium zu sein, um in Zweifelsflillen die vom Hersteller behauptete Produktionsabsicht anhand eines objektiven Merkmals zu kontrollieren. Eine nähere Betrachtung zeigt jedoch, daß dieser Maßstab für die Konkretisierung der Verkehrsanschauung weitgehend untauglich ist. Das Kriterium der Gewinnerzielung erweist sich zunächst gerade in den hier besonders interessierenden Fällen als problematisch, in denen eine technologisch verbundene Produktion vorliegt und der Unternehmer hinsichtlich mehrerer dabei entstehender Kuppelprodukte die Verfolgung eines Produktionszwekkes behauptet. Die für den Kuppelproduktionsprozeß bis zum Entstehen der jeweiligen Kuppelprodukte (spill-off-point) anfallenden Kosten lassen sich nämlich weder nach dem sog. Identitätsprinzip noch nach dem Verursacherprinzip auf die einzelnen Kuppelprodukte aufteilen. Die produktindividuelle Zurechnung der Kosten des Kuppelprozesses bleibt daher immer willkürlich. Dies gilt fiir fixe wie für variable Kosten gleichermaßen. Erst die Weiterverarbeitungskosten der angefallenen Kuppelprodukte sind kostenträgermäßig separat erfaßbar. 389 Bezogen auf ein einzelnes Koppelprodukt läßt sich daher durch einen Vergleich von Herstellungskosten und erzieltem Erlös regelmäßig nicht ermitteln, ob ein Gewinn erzielt wird oder nicht. In der Betriebswirtschaftslehre werden daher lediglich für die Zwecke der Bestandsbewertung und die Durchfiihrung der kurzfristigen Erfolgsrechnung produktindividuelle Stückkosten kalkulatorisch ermittelt. Lassen sich die anfallenden Kuppelprodukte in ein Hauptprodukt, dessen Herstellung in erster Linie geplant ist, und ein oder mehrere Nebenprodukte einteilen, werden die Kosten des Hauptproduktes nach dem Substraktions- oder Restwertverfahren ermittelt, in dem die Herstellkosten der Gesamtproduktion um die Nettoerlöse der Nebenprodukte abzüglich der von diesen zusätzlich verursachten Kosten vermindert und der Saldo dem Hauptprodukt zugerechnet wird. 390 Ist die eindeutige Bestimmung eines Hauptproduktes nicht möglich, so wird das Äquivalenzziffern- oder Verteilungsver-

388 SRU, Sondergutachten ,,Abfallwirtschaft", Tz. 402. Vgl. auch Weidemann, Abfall oder Rohstoffl, S. 31 f. 389 Kilger, Kostenrechnung, S.355 m. w. N.; HeineniDietel, in: Heinen (Hrsg.), Industriebetriebslehre, S. 931; Gabler Wirtschafts-Lexikon, Stichwort "Kuppelprodukte". 390 Kilger, Kostenrechnung, S. 357.

IOD

I. Teil: Der erweiterte AbfallbegrifT

fahren zur Kalkulation der Kuppelprodukte angewandt, um die Stückkosten zu errnitteln.39\ Diese Verfahren fUhren aber nicht zu Stückkosten, die für die Entscheidun~en über Produktions- und Absatzplanungen herangezogen werden können. 3 2 In Planungsmodellen für Betriebe mit Kuppelproduktion werden die variablen Kosten der Kuppelprozesse grundsätzlich nur den verursachenden Stellen bzw. deren Maßgrößen für das Prozeßniveau, z. B. bestimmten Leitprodukten oder Leiteinsatzrnengen, zugerechnet. 393 Die Produktionsplanung insgesamt orientiert sich, vereinfacht gesagt, an dem mit dem Gesamtprozeß maximal erzielbaren Gewinn. 394 Dies zeigt, daß das Kriterium der Gewinnerzielung sich auf die Fälle der Kuppelproduktion nur sehr begrenzt und allenfalls dort anwenden läßt, wo bereits anband der nach dem spill-off-point entstehenden Weiterverarbeitungskosten entschieden werden kann, ob die Herstellungskosten den Markterlös übersteigen. Die bereits objektiv bestehenden Schwierigkeiten dürften sich zudem für die überwachende Behörde auf Grund ihres, im Vergleich zum Unternehmen bestehenden, Informationsdeftzites noch einmal erheblich steigern. 395 Doch auch aus anderen Gründen führt das Abstellen auf die Gewinnerzielung nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen. Zwar trifft es zu, daß ein wirtschaftlich vernünftig denkendes Unternehmen mit seiner Tätigkeit Gewinne erzielen will. Doch wird man dies nur auf das Resultat der Tätigkeit insgesamt beziehen können. Hinsichtlich einzelner Produkte kann es im Einzelfall durchaus sinnvoll sein, diese ohne Gewinnerzielung oder sogar mit Verlusten an Dritte abzugeben. Zu denken ist zunächst an zeitlich begrenzte Ausnahmesituationen wie etwa die Markteinfiihrung eines neuen Produktes, "Lockvogelangebote" oder die Räumung alter Lagerbestände. Doch auch langfristig kann ausnahmsweise die Produktion einzelner nicht kostendeckender Produkte ökonomisch vernünftig sein, um beispielsweise eine komplette Produktpalette anbieten zu können.

Kilger, Kostenrechnung, S. 361. Kilger, Kostenrechnung, S. 355; ders., Produktions- und Absatzplanung, S. 354. 393 So werden etwa die Kosten der Erschmelzung von Roheisen im Hochofen allein dem erzeugten Roheisen zugerechnet, nicht aber der Hochofenschlacke. Für diese werden nur die relativ geringen Kosten der nachgeschalteten Weiterverarbeitung zu Hüttensand oder Stückschlacke angesetzt. Die Kalkulation des Preises für diese Nebenprodukte orientiert sich dabei nicht an diesen Weiterverarbeitungskosten, sondern am Marktpreis der zu substituierenden PrimärstofTe. 394 Näher dazu Kilger, Produktions- und Absatzplanung, S. 358 fT. 395 Dierkes, Grundpflichten, S. 131. 391

392

E. Die Entledigungstatbestände

101

(2) Vorhandensein eines zahlungswilligen Marktes Da sich somit der Gesichtspunkt "Gewinnerzielung" als weitgehend unpraktikabel und teilweise auch nicht sachgerecht erweist, muß stattdessen auf die Erzielbarkeit eines Markterlöses als Anhaltspunkt dafür zurückgegriffen werden, daß eine Sache gezielt hergestellt wird. Diese hat den Vorteil, relativ einfach feststellbar zu sein. Eine vom Erzeuger behauptete Produktionsabsicht ist mit der Verkehrsanschauung in der Regel dann nicht zu vereinbaren, wenn für das Koppelprodukt weder allgemein noch innerhalb einer einzelnen vertraglichen Beziehung ein Erlös erzielt werden kann. Als Ausnahme wird man allerdings die Markteinführungsphase eines neuen Produkts anerkennen können, in der dieses gegebenenfalls zu Erprobungszwecken kostenlos zur Verfiigung gestellt wird. 396 Fraglich ist allerdings, ob der umgekehrte Schluß berechtigt ist, nämlich daß jede Sache, die veräußert werden kann, auch - gegebenenfalls untergeordneter - Zweck des Herstellungs- oder Verarbeitungsprozesses ist. 397 Bei der Beantwortung dieser Frage scheint eine differenzierende Betrachtung angebracht. Die Möglichkeit der Veräußerung begründet im allgemeinen ein Nutzungsinteresse des Erzeugers, die Sache ist daher für ihn nicht "zwecklos". 398 Damit fehlt es in der Regel auch an einer abfalltypischen Gefährdungslage. 399 Dies gilt allerdings nicht, wenn ein geringfügiger, eventuell sogar nur symbolischer Preis erzielt wird. Denn würde jede Zahlung eines noch so geringen Kaufpreises ausreichen, so läge die Gefahr eines Mißbrauchs auf der Hand. Dies gilt vor allem dann, wenn die Sache nicht allgemein handelbar ist, sondern lediglich im Rahmen einer einzelnen Geschäftsbeziehung weitergegeben wird. In diesen Fällen kann daher dem Kriterium "Markterlös" gegenüber anderen Beurteilungsgesichtspunkten nur ein verringertes Gewicht zukommen. Die Gefahr von Scheingeschäften besteht aber dann nicht, wenn die jeweilige Sache unabhängig von einer konkreten Vertragsbeziehung allgemein marktgängig ist. In diesen Fällen ist der Schluß von der Erzielbarkeit eines MarkterIöses auf die Produktionsabsicht in aller Regel nicht zu beanstanden. Es ist jedoch daran zu erinnern, daß es auf die Erzielbarkeit eines Markterlöses als

396 Joschek u. a., AJ 1996, 60 f. Möglicherweise hat auch Wolfers, NVwZ 1998, 229, eine derartige Konstellation im Auge. Soweit aber auf Dauer und generell die Abnahme nur gegen Zuzahlung durch den Verkäufer erfolgt, hat die Sache keinen positiven Marktwert, auch keinen "versteckten". 397 Gegen die Zulässigkeit eines sochen Schlusses: Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 63; ders., Reststoffvermeidung und Reststoffverwertung, S. 78; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.1. 398 In diesem Sinne Fluck, UPR 1993, 427; hiervon geht offenbar auch die Entscheidung BVerwG, DVBl. 1993, 1139/1140 aus. 399 Auf diesen Gesichtspunkt weist auch Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 23 hin.

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I. Teil: Der erweiterte AbfallbegrifT

objektives Kriterium dann nicht ankommt, wenn die Sache durch den Dritten einem Verfahren nach Anhang 11 B unterzogen werden SOll.4OO Freilich läßt sich die Frage, ob eine bestimmte Maßnahme nach Anhang 11 Beine Abfallverwertung darstellt, vielfach nur mit Hilfe der weiteren Frage beantworten, ob die dem Verfahren unterzogene Sache fiir diese Nutzung gezielt hergestellt worden ist. 401 Dies gilt jedoch nicht fiir die zu der Gruppe "Wiedergewinnung/Regenerierung" zählenden Maßnahrnen. 402 Deshalb ist beispielsweise unerheblich, ob der Abnehmer fiir gebrauchte Lösemittel ein Entgelt zu zahlen bereit ist, wenn er aus diesen wiederverwendbare Lösungsmittel rückgewinnenlregenerieren (Anhang 11 B, R 1) will. Nach den Vorstellungen des Umwe1tausschusses soll es genügen, wenn die angefallene Sache erst nach einer Behandlung einen positiven Marktwert hat. 403 Damit stellt sich die Frage, auf welchen Zeitpunkt bei der Anwendung des Kriteriums des Markterlöses abgestellt werden muß. Der vom Umweltausschuß verfolgte Ansatz, nicht allein auf den Zeitpunkt des Anfalls abzustellen, sondern auch die Weiterverarbeitung zu einem marktfahigen Gut zu berücksichtigen, begegnet Bedenken. § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbtU knüpft an den einzelnen Herstellungs- und Verarbeitungsprozeß an. Es kommt darauf an, ob der Anfall der beweglichen Sache Zweck gerade dieses Prozesses ist. Allerdings kann die Möglichkeit, durch Weiterverarbeitung und anschließenden Verkauf Einnahmen zu erzielen, auch aus Sicht der Verkehrsauffassung eine behauptete Produktionsabsicht hinsichtlich des vorherigen Produktionsschrittes plausibel erscheinen lassen. Gegen eine Unterscheidung zwischen Produkt und Abfall allein anhand des Marktpreises des Produktes, das im Anschluß an den Anfall durch eine Weiterverarbeitung gewonnen wird, spricht aber, daß auch eine Abfallverwertung zu einem marktgängigen Verwertungsprodukt führen kann und die Marktfahigkeit des Endproduktes daher nicht notwendig fiir eine zielgerichtete Herstellung der weiterverarbeiteten Sache spricht. Nach § 5 Abs.4 S. 1 KrW-/AbtU ist die Verwertung insbesondere dann wirtschaftlich zumutbar, wenn rur einen gewonnenen Stoff ein Markt vorhanden ist oder geschaffen werden kann. 404 Hiermit kann nicht lediglich gemeint sein, daß überhaupt Nutzungsmöglichkeiten fiir die gewonnenen Stoffe oder Gegenstände bestehen

400 I. E. ähnlich LAGA-Arbeitspapier, ZifT. 2.3.1; Grund hierfür ist allerdings nicht, daß in diesem Fall nach der Verkehrsanschauung keine zielgerichtet Herstellung vorliegt (so aber das LAGA-Arbeitspapier). Vielmehr liegt dann bereits ein Entledigen in der Form des Zuftihrens zu einer Verwertung nach § 3 Abs.2 KrW-/AbfG bzw. der Wille zur Entledigung vor, so daß es auf die Willensvermutung nach § 3 Abs. 3 KrW-/ AbfG nicht mehr ankommen kann. 401 Dazu oben unter EIl b) dd) (5). 402 Dazu oben unter EIl b) dd)(I). 403 BT-Drs. 12/7284, S. 12. 404 Dazu noch näher unten 2. Teil B 11 3 b) bb).

E. Die Entledigungstatbestände

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oder geschaffen werden können. Dies ist Voraussetzung, damit überhaupt eine Verwertung vorliegt. Da die Verwertung insbesondere dann wirtschaftlich zumutbar sein soll, wenn ein marktfahiger Stoff gewonnen werden kann, muß unter Markt eine Nachfrage verstanden werden, die bereit ist, fiir das Verwertungsprodukt ein Entgelt zu zahlen. Idealerweise führt also auch die Abfallverwertung zu einem gegen Entgelt absetzbaren Produkt. 40S Daher ist vorgeschlagen worden, fiir die Frage der Marktgängigkeit grundsätzlich auf den Rohzustand der Sache abzustellen, in dem sie sich nach Abschluß des zu beurteilenden Herstellungsvorganges befmdet. 406 Kann die Sache bereits in diesem Zustand - als Vor- oder Zwischenprodukt fiir nachfolgende Produktionsprozesse - veräußert werden, so ist dies ein gewichtiger Hinweis auf das Vorliegen eines Produktes. Dabei kann es allerdings nicht darauf ankommen, ob der einzelne Erzeuger die bei ihm anfallenden Sachen auch tatsächlich veräußert. Vielmehr muß es ausreichen, daß fiir Sachen dieser Art allgemein ein zahlungswilliger Markt besteht. Auch wenn der Erzeuger die Sache nicht veräußert, sondern weiter in der eigenen Produktion einsetzt, kann aufgrund der allgemeinen Marktfahigkeit von einem erwünschten (Zwischen-)Produkt ausgegangen werden. Ist dagegen ein bestimmter Stoff nicht marktgängig, wird er also von Dritten nur unter Zuzahlung übernommen und hat damit einen "negativen Marktwert", so spricht dies auch dann gegen die Qualifizierung als Produkt, wenn im Einzelfall der Erzeuger die Sache nicht an Dritte weitergibt, sondern selbst zu einem marktfahigen Produkt verarbeitet. Allerdings müssen hier Neuentwicklungen von Nutzungsmöglichkeiten Berücksichtigung fmden. Etwas anderes kann daher dann gelten, wenn der Erzeuger im Einzelfall nachweist, daß er die Sache nicht in der sonst üblichen Art und Weise verwerten will, sondern eine neue lohnende Nutzungsmöglichkeit für die Sache gefunden hat. Wird die Sache allerdings überhaupt nicht an Dritte abgegeben, sondern ausschließlich durch die Erzeuger weiterverarbeitet, so versagt das auf den RohZustand bezogene Marktpreiskriterium. In diesem Fall muß der Möglichkeit, nach Weiterverarbeitung einen Markterlös zu erzielen, mehr Bedeutung beige405 Dies übersieht Wolfers, NVwZ 1997,229; noch weniger kann es im übrigen genügen, daß die eigene Nutzung eines Stoffes mit weniger Unkosten verbunden ist als die Beseitigung oder Abgabe an Dritte. Denn es ist zwar sicherlich ein wirtschaftlich vernünftiges Verhalten, den Entsorgungsweg zu wählen, der mit den geringsten Kosten verbunden ist. Daß der Erzeuger sich aber bei der Entsorgung eines Stoffes wirtschaftlich vernünftig verhält, belegt nicht, daß er den Stoff auch haben wollte. Sowohl bei der Weiterverarbeitung gezielt hergestellter Produkte als auch bei der Verwendung unerwünschter Stoffe wird ein wirtschaftlich denkender Unternehmer stets die in seinem Rahmen mögliche kostengünstigste Alternative wählen. Vgl. hierzu auch Weidemann, Abfall oder Rohstoff?, S. 41. 406 Dierkes, Grundpflichten, S. 131; ähnlich Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschaftsund Abfallrecht, § 3 Rn. 164; ders., DVBI. 1995,541.

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

messen werden, ohne jedoch, aus den oben genannten Gründen, allein ausschlaggebend zu sein. Vielmehr muß ergänzend auf weitere, noch darzustellende Kriterien zurückgegriffen werden. Kann jedoch auch für die durch eine Weiterverarbeitung des angefallenen Stoffes oder Gegenstandes hergestellte Sache kein Markterlös erzielt werden, so liegt nach der Verkehrsanschauung keinesfalls ein gezielt hergestelltes Zwischenprodukt vor. Ein weiteres Problem bei der Anwendung des Markterlöses als Kriterium für das Vorliegen eines Produktionszweckes ergibt sich daraus, daß gerade Nebenprodukte (verstanden im umfassenden Sinne) häufig erheblichen Nachfrageund Preisschwankungen unterliegen, so daß nicht immer ein Markterlös erzielt oder die gesamte anfallende Menge abgesetzt werden kann. 407 Würde man die Marktfähigkeit in zeitlicher Hinsicht immer nur punktuell ermitteln, so würden diese Schwankungen dazu führen, daß der Anfall eines Stoffes in der Produktion einmal als bezweckt anzusehen wäre, weil gerade ein positiver Erlös erzielt werden kann, ein andernmal aber als unerwünscht, weil der Marktpreis sich im Negativen bewegt. Problematisch ist dies für den Bereich der industriellen und gewerblichen Produktion deshalb, weil die Errichtung und der Betrieb des Produktionprozesses, dessen Zweck beurteilt werden soll, auf längere Zeiträume berechnet ist. Hieran orientieren sich auch die für diesen Bereich geltenden Pflichten. Die Erteilung einer Genehmigung rur eine immissionsschutzrechtliche Anlage im Sinne des § 4 BImSchG setzt nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG u. a. voraus, daß die Einhaltung der Abfallvermeidungs-, -verwertungs- und -beseitigungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG sichergestellt ist. Um dies beurteilen zu können, muß aber geklärt sein, welche in der Anlage entstehenden Stoffe als Abfälle in Betracht zu ziehen sind. Ferner verlangt beispielsweise § 19 KrW -/AbfG die Aufstellung von Abfallwirtschaftskonzepten "für die nächsten runf Jahre". Dies zeigt die Notwendigkeit, in die Bestimmung des Produktionszweckes i. S. d. § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG die Zeitdimension mit einzubeziehen. Es genügt also nicht festzustellen, daß rur eine Sache zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Erlös erzielt bzw. nicht erzielt werden kann. Welche Konsequenz aber ist rur die Frage der Zweckbestimmung eines Produktionsprozesses daraus zu ziehen, daß ein dabei anfallender Stoff oder Gegenstand zeitweise auf dem Markt abgesetzt werden kann, zeitweise aber keine Abnehmer fmdet bzw. nur unter Zuzahlung von Dritten übernommen wird? Da es auch bei unzweifelhaft gezielt hergestellten Produkten zu zeitweisen Absatzschwierigkeiten kommen kann, wird man aus dem zeitweiligen Fehlen einer Nachfrage noch nicht auf mangelnde Produktionsabsicht schließen können, wenn bei längerfristiger Be-

407 Gabler-Wirtschafts-Lexikon, Stichwort "Kuppelprodukte". Vgl. hierzu auch Wendenburg, ZUR 1993, 224.

E. Die Entledigungstatbestände

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trachtung regelmäßig ein Absatz möglich ist. 408 Dies gilt jedenfalls dann, wenn Nachfrageschwankungen durch Lagerhaltung begegnet werden kann, was freilich nicht bei allen Koppelprodukten möglich sein wird. 409 So kann Schwefel, der bei einer Reihe von Prozessen als Nebenprodukt anfällt, im Regelfall unter Erzielung eines Erlöses als Rohstoff an die Chemische Industrie verkauft werden. Bedingt durch Werksferien sinkt die Nachfrage im Sommer jedoch so stark, daß ein Absatz nicht möglich ist. Der Schwefel wird dann häufig unter Zuzahlung an die Abnehmer weitergegeben, die ihn zur Weiterverarbeitung einlagern, wobei teilweise eigens zu diesem Zweck Lagerkapazitäten angemietet werden. Da der Schwefel im Normalfall marktgängig ist, spricht dies grundsätzlich für eine zielgerichtete Herstellung. Soweit der produzierte Schwefel nicht verkauft werden kann, bleibt allerdings zu prüfen, ob im Einzelfall der Entledigungswille nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG anzunehmen oder der objektive Abfallbegriff nach § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG erfüllt ist. Ergibt eine längerfristige Betrachtung, daß das Fehlen von Absatzmöglichkeiten häufiger auftritt und insgesamt ein erheblicher Teil der anfallenden Menge des betreffenden Kuppelproduktes nicht oder nur unter Zuzahlung abgesetzt werden kann, so spricht dies gegen eine zweckgerichtete Herstellung. Für diese Sichtweise läßt sich auch anführen, daß in diesem Fall im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG die Notwendigkeit besteht, die Sicherstellung alternativer Möglichkeiten der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung bzw. die Zulässigkeit einer allgemeinwohlverträglichen Beseitigung zu klären.

ce) Gegenstand eines Handelsvertrages Im Anschluß an die Ausführungen des Umweltausschusses410 wird es des weiteren als Anhaltspunkt für die Verfolgung eines (untergeordneten) Produktionszweckes angesehen, daß die anfallenden Stoffe oder Gegenstände von einem Handelsvertrag erfaßt werden, mit welchem der Empfänger sie vom Hersteller oder Besitzer erwirbt oder zur Umarbeitung übernirnmt. 411 Unklar ist, ob dieser Gesichtspunkt lediglich zum Kriterium des positiven Marktwertes hinzutreten und dieses verstärken soll, oder ob das Bestehen eines Handelsvertrages auch dann die zielgerichtete Herstellung belegt, wenn der Erzeuger kein Entgelt von seinem Abnehmer erhält. 412 Im ersteren Sinne dürfte das LAGA-Ar-

Ähnlich Weidemann, Abfall oder Rohstoff?, S. 45. Kilger, Produktions- und Absatzplanung, S. 365. 410 BT-Drs. 12/7284, S. 12. 411 Fluck, DVBI. 1995, 541; Fouquet, ZUR 1996, 187; Birn, KrW-/AbfG, § 3 Anm. 3. 412 Vgl. auch Krieger, NuR 1995,346: "in sich widersprüchlich". 408

409

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

beitspapier zu verstehen sein. Danach spricht für eine Produktionsabsicht, daß Sachen im Hinblick auf Handelsverträge produziert werden, aus denen hervorgeht, daß sie dem Erzeuger regelmäßig und gegen Zahlung eines Kaufpreises abgenommen werden.4\3 Ein solcher Handelsvertrag belegt den wirtschaftlichen Nutzen der angefallenen Sachen für ihren Erzeuger. Erhält dagegen der Erzeuger tUr die Abgabe kein Entgelt, so folgt allein aus dem Umstand, daß sich sein Abnehmer zur Übernahme der anfallenden Sachen verpflichtet, keine zielgerichtete Herstellung. Sowohl Produkte als auch Abfälle werden aufgrund vertraglicher Vereinbarungen ausgetauscht,414 so daß dem Umstand, daß eine vertragliche Vereinbarung besteht, keine Indizwirkung zukommen kann. Ein Handelsvertrag ist daher nur dann relevant, wenn er die Abnahme gegen Zahlung eines Kaufpreises vorsieht. 41S So ist es etwa branchenüblich, daß die Lieferanten von Kohle den Kraftwerksbetreibern im Gegenzug die Verwertung oder Beseitigung ihrer Reststoffe anbieten. Zugleich mit dem Lieferungsvertrag wird also eine Entsorgungsvereinbarung getroffen. Offenbar erhalten die Bergbaubetriebe für die Übernahme der Reststoffe Entgeltzahlungen von Seiten der Erzeuger, die es ihnen erlauben, kostendeckend zu arbeiten. 416 Da die Kraftwerksbetreiber für die Entsorgungsdienstleistung ein Entgelt bezahlen, folgt hieraus trotz des Bestehens einer vertraglichen Regelung hinsichtlich der Abnahme, daß die Entstehung der Kraftwerksrückstände vom Erzeuger nicht bezweckt war. Auch im Fall einer unentgeltlichen Rücknahme wäre dies nicht anders zu beurteilen. Denn auch in diesem Fall wäre die Erzeugung der Rückstände fiir die Kraftwerksbetreiber ohne Nutzen und damit zwecklos i. S. d. § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG. Warum eine vertragliche Verpflichtung der Bergbaubetriebe zur kostenlosen Rücknahme an dieser Beurteilung etwas ändern sollte, ist nicht ersichtlich.o4\1

dd) Erfiillen von Produktnormen

Daß die angefallene Sache allgemeine oder gewerbliche Produktnormen ertUllt, soll einen weiteren Anhaltspunkt für das Vorliegen einer zweckgerichteten Produktion bieten. 418 Noch weiter geht die bereits erwähnte vom BDIIDIHT LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.1. a., AJ 1996,61. 415 Insoweit ebenso Fluck, DVBl. 1995,541. 416 Dazu BrandtlFouquet, LKV 1995,202. 417 A. A. für den Fall der unentgeltlichen Übernahme, allerdings ohne Begründung, Fluck, DVBl. 1995, 541; ders., in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 165. 418 BT-Drs. 12/7284, S. 12; Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 23; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 163; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.1. 413

414 Joscheku.

E. Die Entledigungstatbestände

107

vorgeschlagene Abfalldefmition. Danach soll eine die Abfalleigenschaft begründende Entledigung zwingend bereits dann ausscheiden, wenn der Stoff oder Gegenstand "allgemeine oder gewerbliche ProduktnormeniSpezifIkationen" erfiillt. 419 Der Klärung bedarf zunächst, welcher Art die Normen sein müssen, die eine zweckgerichtete Herstellung belegen. Die Begriffiichkeit ist uneinheitlich: Eine erste Entwurfsfassung des LAGA-Arbeitspapiers sprach noch von "Produktionsnormen",42o Umweltausschuß und BDIIDIHT-Papier statt dessen von "Produktnormen".421 Diese können "allgemeiner" oder "gewerblicher" oder auch "allgemein gewerblicher,,422 Art sein. Daneben sollen auch "Spezifikationen" beachtlich sein. In der Sache handelt es sich bei derartigen Normen, Standards oder SpezifIkationen um allgemein formulierte Anforderungen an die Beschaffenheit des Produktes, die sicherstellen, daß es sich fiir bestimmte Verwendungen eignet. (1) Derartige Anforderungen können zunächst gesetzlich festgelegt sein. Nach Führ sollen Kuppelprodukte dann keine Reststoffe i. S. d. § 5 Abs.l Nr. 3 BImSchG a. F. sein, wenn sie nach produktbezogenen Vorschriften zugelassen oder angemeldet worden sind. Bei der Abgrenzung zwischen Reststoffen und Produkten sei die Wechselbeziehung zwischen produkt- und anlagenbezogenen Vorschriften zu berücksichtigen. Soweit nach den Produktnormen eine Entscheidung darüber gefallen sei, daß ein Stoff oder ein Erzeugnis vermarktet werden dürfe, wirke diese Entscheidung in das Immissionsschutzrecht hinein. 423 So löse die Anmeldung eines Kuppelprodukts nach dem ChemG dieses aus dem Reststoffbegriffheraus. 424

Nach § 11 PflSchG dürfen Pflanzenschutzmittel nur in den Verkehr gebracht oder eingefiihrt werden, wenn sie von der Biologischen Bundesanstalt zugelassen worden sind. 425 Auch Arzneimittel dürfen nach § 21 AMG in der Regel nur mit Zulassung durch die in § 77 AMG aufgefiihrten Behörden in Verkehr gebracht werden. Die Zulassung bezieht sich jeweils auf das Inverkehrbringen als Pflanzenschutzmittel bzw. Arzneimittel und ist an sachliche Anforderungen an die Beschaffenheit geknüpft. 426 Im Unterschied hierzu verlangt § 4 ChemikalienG unabhängig vom konkreten Verwendungszweck des jeweiligen Stoffes eiVgl. Fleckenstein, Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, S. 30. LAGA-Arbeitspapier (Stand: 7.3.96), Ziff. 2.1.3.1, S. 7; hierbei dürfte es sich allerdings um einen Schreibfehler gehandelt haben. 421 So jetzt auch die aktuelle Fassung des LAGA-Arbeitspapiers, Ziff. 2.3.1. 422 Fouquet, ZUR 1996, 187. 423 Führ, Sanierung, S. 189. 424 Führ, Sanierung, S. 190 Fn. 141. 425 Oder eine nach § 18 PflSchG gleichwertige Zulassung besitzen. 426 Vgl. § 25 Abs. 2 AMG; § 15 PflSchG. 419

420

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

ne Anmeldung, wenn ein Stoff als solcher oder als Bestandteil einer Zubereitung gewerbsmäßig oder im Rahmen sonstiger wirtschaftlicher Unternehmungen in den Verkehr gebracht werden soll. Liegt für einen Stoff eine Zulassung als Pflanzenschutzmittel, Arzneimittel o. ä. vor, so wird man in der Tat auch objektiv eine zweckgerichtete Herstellung annehmen müssen. 427 Inwieweit der umgekehrte Schluß vom Fehlen einer solchen Zulassung auf die fehlende Produktionsabsicht möglich ist, kann nicht generell beantwortet werden. So ist nach § 21 Abs. 1 AMG eine Zulassung nur erforderlich, wenn das Arzneimittel in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr gebracht werden soll. Eine Vermarktung im Ausland ist ohne (deutsche) Zulassung möglich. Gleiches gilt für Pflanzenschutzmittel, wie aus § 23 Abs. 2 Nr. 1 PflSchG folgt. Im übrigen handelt es sich bei Pflanzenschutz- oder Arzneimitteln bereits um sehr spezielle Konsumgüter. Auf dieser Stufe der Stoffumwandlung und -veredelung dürfte sich das Abgrenzungsproblem zwischen Produkt und Abfall ohnehin eher selten stellen. Weitaus problematischer sind die Bereiche Gewinnung und Aufbereitung von Rohstoffen sowie Herstellung von Grundstoffen und Produktionsgütern. 428 Hier scheint eher das ChemG als Abgrenzungshilfe geeignet, da es allgemein für das Inverkehrbringen von Stoffen und Zubereitungen gilt. Der Schluß von der erfolgten Anmeldung nach § 4 ChemG auf die Produkteigenschaft, den Führ ziehen will, ist jedoch nicht möglich. Dies galt schon für die Rechtslage vor Inkraftreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. Denn § 4 Abs. 1 ChemG setzt lediglich ein Inverkehrbringen im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen voraus. Diese Voraussetzung ist aber bereits erfüllt, wenn der Stoff an Dritte abgegeben wird. Ein Verkauf, also eine Abgabe unter Erzielung eines Markterlöses, ist dagegen nicht erforderlich, da das Inverkehrbringen keine Entgeltlichkeit voraussetzt, wie die Begriffsbestimmung nach § 3 Nr. 7 ChemG zeigt,429 und die Tätigkeit nicht notwendig gewerbsmäßig, und das heißt in diesem Zusammenhang mit Gewinnerzielungsabsicht,430 erfolgen muß.

427 Einzelne Produktionschargen können allerdings trotzdem Abfälle sein, weil sie im konkreten Fall die produktbezogenen Anforderungen nicht erfüllen, Führ, Sanierung, S. 190, Fn.140. Darüber hinaus können allerdings auch zugelassene Arznei- oder Pflanzenschutzmittel aufgrund neuerer Erkenntnisse über Risiken bzw. Nebenwirkungen faktisch ihre Marktfahigkeit verlieren, ehe diese Erkenntnisse Anlaß zur Aufhebung der Zulassung geben. Richtigerweise wird man diese Konstellationen jedoch nicht § 3 Abs.3 Nr. 1 KrW-/AbfG - fehlende Produktionsabsicht -, sondern § 3 Abs.3 Nr.2 KrW-/AbfG - Wegfall der ursprünglichen Zweckbestimmung - zuzuordnen haben. 428 Zu den einzelnen Stufen der Stoffumwandlung und -veredelung oben unter B 1. 429 Vgl. RehbinderiKayseriKlein, Chemikaliengesetz, § 3 Rn. 123. 430 RehbinderiKayserlKlein, Chemikaliengesetz, § 4 Rn. 12; Kloepfer, Chemikaliengesetz, S.65; a. A. Schiwy, Chemikaliengesetz, § 4 S.5, der aber den allgemeinen Sprachgebrauch nicht berücksichtigt; allgemein zum Begriff "wirtschaftliche Unterneh-

E. Die Entledigungstatbestände

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Dementsprechend ist eine Anwendbarkeit des Anmeldeverfahrens auch auf Reststoffe angenommen worden. 431 Eine Bestätigung fmdet diese Auslegung nunmehr in § 2 Abs. 1 Nr.3 ChemG in der seit dem 6.10.1996 geltenden Fassung. 432 Danach fmden die Vorschriften über das Anmeldeverfahren lediglich auf Abfalle zur Beseitigung keine Anwendung. Soweit also Abfalle zum Zwekke der Verwertung in Verkehr gebracht werden und die sonstigen Voraussetzungen des § 4 ChemikalienG erfüllt sind, greift die Anmeldepflicht. Damit ist ein Schluß von der anerkannten Anmeldung auf das Vorliegen eines gezielt hergestellten Produkts nicht möglich. Aber auch das Fehlen einer Anmeldung liefert nur begrenzt Anhaltspunkte für die Abgrenzung zwischen Produkt und Abfall. Nutzt der Erzeuger den angefallenen Stoff selbst, bedarf es ohnehin keiner Anmeldung, da insoweit kein Inverkehrbringen vorliegt. Beabsichtigt der Erzeuger allerdings keine eigene Nutzung des betreffenden Stoffes, sondern will ihn an Dritte abgeben, so setzt er sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch, wenn er einerseits eine gezielte Herstellung behauptet, es andererseits aber an der für ein Inverkehrbringen erforderlichen Anmeldung nach § 4 ChemikalienG433 fehlt. In derartigen Fällen kann das Fehlen der Anmeldung als Indiz für eine fehlende Produktionsabsicht herangezogen werden. Als weitere Einschränkung zu beachten ist hierbei aber auch, daß nach § 4 Abs. 1 ChemkalienG eine Anmeldung nur für das Inverkehrbringen innerhalb der EG bzw. in den anderen Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes erforderlich ist, nicht dagegen für den Export in Drittstaaten. Damit erweist sich das Kriterium der chemikalienrechtlichen Anmeldung insgesamt als nur begrenzt aussagekräftig für die Unterscheidung von Produkten und Abfallen. (2) Eine weitaus größere Rolle als staatlich festgelegte Qualitätsanforderungen spielen allein schon von der Anzahl her solche Vorgaben, die in privaten Regelwerken wie DIN-Normen u.ä. aufgestellt werden. Daneben kommen aber auch zwischen einzelnen Vertragspartnern vereinbarte besondere Qualitätsvereinbarungen in Betracht. 434 Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, daß auch für eine Vielzahl von Produktionsrückständen, die unstreitig als Abfalle eingestuft werden, anerkannte Qualitätsanforderungen bestehen. Als Beispiel lassen sich die Technischen Regeln der LAGA anführen, insbesondere die ,,Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen ReststoffenlAbfallen".43S mung" Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 20; Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 4 Anm. 12. 431 RehbinderlKayserlKlein, Chemikaliengesetz, § 2 Rn. 87. 432 Die Vorschrift ist durch Art. 6 des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfallen geändert worden. 433 Bzw. den nach § 4 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 2 S. 2 ChemikalienG gleichgestellten Anmeldungen. 434 Joschek u. a., AJ 1996, 61. 435 BartholotlNeuhaus, Immissionsschutz 1996,25.

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Auch die Musterverwaltungsvorschriften des LAI zur Vermeidung und Verwertung von Reststoffen § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG enthalten derartige Qualitätsanforderungen, beispielsweise für Reaktionsprodukte aus der nassen Abgasreinigung oder für Gips aus Rauchgasentschwefelungsanlagen. 436 Diese Regeln dienen einer einheitlichen und anerkannten Qualitätssicherung. Sie erleichtern damit die Zuordnung und Eignun~sfeststellung bestimmter Stoffe hinsichtlich bestimmter Einsatzmöglichkeiten. 37 Erst dadurch, daß Sekundärrohstoffe eine gleichbleibende Qualität aufweisen und den sich aus ihren möglichen Einsatzgebieten ergebenden Anforderungen genügen, wird eine Verwertung in größerem Umfange möglich. 438 Auf diesem Hintergrund kann nur solchen Qualitätsanforderungen Indizwirkung zukommen, die für Produkte allgemein und nicht speziell für solche Produkte gelten, die aus Abfällen hergestellt oder gewonnen werden. 439 Der Frage, ob derartige Normen erfüllt werden, wird allerdings in der Praxis neben dem Kriterium "Markterlös" kaum eigenständige Bedeutung zukommen, da eine Sache, die allgemeinen Produktnormen genügt, regelmäßig auch einen Marktpreis hat. Die Erfüllung solcher Produktnormen erlangt vor allem dann als ergänzendes Kriterium Gewicht, wenn wegen der geringen Höhe des Marktpreises oder häufigeren Nachfrageschwankungen noch Zweifel an der zielgerichteten Herstellung bestehen. Genügt die Sache bestehenden Produktionsnormen oder sonstigen Spezifikationen, so deutet dies auf eine entsprechende Produktionsabsicht hin. Umgekehrt spricht die Nichterfüllung gegen eine zielgerichtete Herstellung, wenn in der Praxis nur solche Produkte eingesetzt werden, die den Normen entsprechen.

ee) Entstehenlassen trotz Venneidbarkeit Einen weiteren Anhaltspunkt, insbesondere für die Fälle, in denen das Marktpreis-Kriterium allein zu keinem sicheren Ergebnis führt, könnte die Überlegung bieten, ob der Anlagenbetreiber die Sache noch entstehen lassen würde, wenn er den Hauptzweck der Anlage ohne ihren Anfall mit gleichen

436 LAI, Musterverwaltungsvorschriften, Kennz. 8010 Anhang 4 oder Kennz. 1010, Anhang 8. 437 BartholotlNeuhaus, Immissionsschutz 1996,25. 438 Vgl. zur Bedeutung von derartigen Vorschriften etwa Penkuhn u. a., Müll und Abfall 1996, 308, für den Bereich der Hochofen- und Stahlwerkschlacken. 439 LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.1.; a. A. BeckmanniKersting, in: LandmannIRohmer, KrW-/AbfG § 3 Rn. 50. Unter bestimmten Bedingungen kann aber bei Erfüllung abfallspezifischer Normen die Notwendigkeit entfallen, die weitere Verwendung des Abfalls noch der abfallrechtlichen Kontrolle zu unterwerfen; dies dürfte eine Frage der Beendigung der Verwertung sein, vgl. dazu unten 1. Teil F.

E. Die Entledigungstatbestände

111

oder geringeren Kosten erreichen könnte. 44o Diese vom LAI vorgeschlagene Formel hat vielfach Zustimmung gefunden. 44 \ Gleichwohl ist ihr praktischer Wert eher fraglich. 442 Diese Hilfsüberlegung setzt zunächst voraus, daß fiir die Herstellung des Hauptprodukts alternative Verfahren verfügbar sind, bei denen das Nebenoder Kuppelprodukt gar nicht oder zumindest in geringerem Umfang anfällt. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn nur ein Herstellungsverfahren mit einer starren Mengenrelation zwischen Hauptprodukt und Kuppelprodukt zur Verfügung steht. Zweifelhaft ist der Wert dieses Kriteriums ferner dann, wenn die Vermeidung oder Reduzierung eines bestimmten Rückstandes nur um den Preis des (verstärkten) Anfall eines anderen erkauft werden kann. Denn dann wird die Entscheidung rur das eine oder andere Verfahren vielfach nur die Wahl des "kleineren Übels" sein, nicht aber einen Rückschluß auf die Produktionsabsicht gestatten. Unklar ist weiterhin, auf welcher Grundlage der geforderte Kostenvergleich erfolgen soll. Die Realisierung einer Verfahrensalternative bei der Errichtung einer Produktionsanlage verursacht andere Kosten als die nachträgliche Änderung eines bestehenden Produktionsprozesses. So können die laufenden Kosten eines alternativen, rückstandsärmeren Verfahrens durchaus geringer sein als die des aktuell eingesetzten. Daß letzteres trotzdem beibehalten wird, spricht aber nicht notwendig dafiir, daß die dabei entstehenden Kuppelprodukte erwünscht sind. Vielmehr kann auch die Umstellung einen so hohen Investitionsaufwand erfordern, daß das Unternehmen deshalb auf einen Umstieg verzichtet. Daher müßten die Umstellungskosten in die Beurteilung mit einbezogen werden. Schließlich ist ein Schluß von der Wahl einer bestimmten Verfahrensalternative auf den bezweckten Anfall des hierbei entstehenden Nebenprodukts nur dann überzeugend, wenn diese Alternative im Vergleich zu anderen Möglichkeiten kostenintensiver ist. Wird von zwei alternativen Verfahren dasjenige gewählt, das einerseits mehr kostet, bei dem andererseits aber zusätzlich ein bestimmter Stoff anfällt, so ist dies ein Indiz dafiir, daß der mit höheren Kosten erkaufte Anfall dieses Stoffes angestrebt ist. Verursachen die Verfahrensalternativen dagegen je die gleichen Kosten, so dürfte es aus ökonomischer Sicht gleichgültig sein, welche Alternative gewählt wird. Trotz dieser Bedenken werden der Fragestellung, ob ein Unternehmen einen Stoff auch dann noch entstehen lassen würde, wenn das Hauptprodukt ohne seinen Anfall mit gleichen oder geringeren Kosten hergestellt werden könnte,

LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff.1.2.1. GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 647; Rebentisch, UPR 1989, 211; Rehbinder, DVBI. 1989, 497; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S.21; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.1; GaU, Nachträgliche Anordnung, S. 77. 442 Dierkes, Grundpflichten, S. 130 f.; sehr kritisch auch Weidemann, Abfall oder Rohstoff?, S. 45; Wolfers, NVwZ 1998,228. 440

441

112

1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

im Einzelfall Hinweise auf die Produktionsabsicht entnommen. Werden beispielsweise Anstrengungen unternommen, den Anfall eines bestimmten Kuppelproduktes zu reduzieren, soll dies gegen eine Produktionsabsicht sprechen. So fallen bei der Roheisengewinnung verfahrensnotwendig und damit unvermeidbar Schlacken an. In der Eisen- und Stahlindustrie ist man bestrebt, den Schlackenanfall zu reduzieren. Durch Einsatz von Reicherzen, Verbesserungen der Möllervorbereitung und verbesserte Prozeßfiihrung ist es gelungen, die spezifische Schlackenmenge von 700 kg Hochofenschlacke pro Tonne Roheisen in den 50er Jahren auf inzwischen etwa 250 kg/t zu senken. 443 Diese Bemühungen werden teilweise als ein Indiz dafür gewertet, daß der noch verbleibende Anfall von Schlacken nicht Zweck des Hochofenprozesses ist. 444 Dieser Schluß ist aber keineswegs zwingend. Die Produktionsmenge eines bestimmten Gutes wird sich an den bestehenden Absatzmöglichkeiten orientieren. Ist die Nachfrage geringer als die vorhandenen Produktionskapazitäten, so ist es wirtschaftlich vernünftig, diese nicht voll auszunutzen bzw. abzubauen. Eine solche Anpassung der Produktion an die Nachfrage zwingt aber nicht dazu, die dann noch produzierten Güter als nicht zweckgerichtet hergestellt anzusehen. Soweit daher regelmäßig und über einen längeren Zeitraum für die angefallene Sache ein nicht unerheblicher Marktpreis erzielt werden kann, kommt es auf die oben dargestellte Hilfsüberlegung nicht an. 445

jj) Steuerung und Kontrolle des Produktionsprozesses im Hinblick auf die anfallende Sache

Als Argument für eine zielgerichtete Herstellung wird verschiedentlich angesehen, daß sich der zu beurteilende Produktionsprozeß auch an der Qualität des Nebenprodukts orientiert, etwa was die Auswahl der eingesetzten Rohstoffe angeht oder die Prozeßsteuerung. 446 Eine solche Steuerung des Prozesses wird man sicherlich dann als zusätzliches Indiz für das Vorliegen eines Produktionszweckes ansehen können, wenn dies allein anband der Erzielbarkeit eines Markterlöses nicht eindeutig festgestellt werden kann. Hierher gehört auch die das von der LAGA vorgeschlagene Kriterium, ob der Erzeuger die anfallenden Sachen einer spezifischen Qualitätskontrolle unterwirft. 447 Fehlt eine solche Steuerung und Kontrolle des Erzeugungsvorganges, liegt es nahe, daß es dem Erzeuger auf den anfallenden Stoff nicht ankommt und er ihn daher auch nicht herstellen will. Allein aus der Steuerung und der Kontrolle des Prozesses im BartholotlNeuhaus, Immissionsschutz 1996, 23 f. BartholotlNeuhaus, Immissionsschutz 1996, 24. 445 I. E. ähnlich: Weidemann, Abfall oder Rohstoff?, S. 45 f. 446 Vgl. dazu auch BartholotlNeuhaus, Immissionsschutz 1996, 24. 447 LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.1.

443

444

E. Die Entledigungstatbestände

113

Hinblick auf den anfallenden Stoff läßt sich jedoch nicht zwingend ableiten, daß es sich um eine zielgerichtete Produktion handelt. Denn auch die von § 5 Abs.3 KrW-/AbfG bzw. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG geforderte ordnungsgemäße und schadlose Verwertung als Abfall hängt unter Umständen davon ab, daß die Sache in einer bestimmten Qualität "erzeugt" wird, etwa was die Inhaltsstoffe angeht. Daher spielt die Steuerung und Kontrolle der Stoffqualität keine Rolle, wenn die Sache dennoch an Dritte abgegeben wird, ohne daß ein Erlös erzielt werden kann. 448

gg) Zweck der Anlage nach der 4. BlmSch V

Zu § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG a. F. ist zur Bestimmung der Verkehrsauffassung des weiteren auf die Zweckbeschreibung zurückgegriffen worden, mit der die Anlage im Katalog der genehmigungsbedürftigen Anlagen der 4. BImSchV gekennzeichnet wird. 449 Dies wirft die Frage auf, in welcher Hinsicht die Anlagenbeschreibungen der 4. BImSchV für die Verkehrsauffassung prägend sein sollen. Man könnte zunächst daran denken, daß von einer zielgerichteten Herstellung auszugehen ist, wenn der Zweck der Anlage entsprechend der im Anhang zur 4. BImSchV genannten Bezeichnung auf die Erzeugung von Stoffen oder Gegenständen gerichtet ist und die angefallenen Stoffe durch den genannten Anlagenzweck abgedeckt sind. Der praktische Wert dieser Erkenntnis ist jedoch gering: In diesen Fällen wird ohnehin selten Anlaß zu Zweifeln bestehen, da die genehmigungsbedürftigen Anlagen in der 4. BImSchV anband ihres Hauptzweckes gekennzeichnet werden. 4so Problematisch sind dagegen die Fälle, in denen der Erzeuger die Verfolgung von weiteren Nebenzwecken behauptet. Zudem erweist sich die Beschreibung des Anlagenzweckes in einigen Fällen als zu weit gefaßt, um zur Unterscheidung zwischen Produkten und Abfällen herangezogen werden zu können. So sind Anlagen nach Nummer 4.1 des Anhangs der 4. BImSchV auf die Herstellung von Stoffen durch chemische Umwandlung gerichtet, aber nicht alle Stoffe, die in Anlagen der chemischen Industrie durch chemische Umwandlung entstehen, sind Produkte. Zu eng wäre dagegen in vielen Fällen der umgekehrte Schluß, daß eine gezielte Herstellung immer schon dann ausgeschlossen ist, wenn der Anlagenzweck nach der 4. BImSchV nicht gerade in der Herstellung dieses Stoffes beA. A. wohl Wolfers, NVwZ 1998,229. Dierkes, Grundpflichten, S. 129; Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 63; ders., Reststoffvermeidung und Reststoffverwertung, S. 78; BartholotlNeuhaus, Immissionsschutz 1996,23; MURL, Zweifelsfragen beim Vollzug des § 5 Abs. I Nr.3 BlmSchG (unveröffentlichtes Arbeitspapier), Ziff. 1.8.; ähnlich auch noch der Entwurf des LAGAArbeitspapiers vom 7.3.1996, Ziff. 2. 1.3. \. 450 Fluck, DVBI. 1995, 54\. 448

449

8 Locher

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

steht. Mit Hilfe der Anlagenbeschreibungen im Anhang der 4. BImSchV sollen entsprechend der Verordnungsermächtigung nach § 4 Abs. 1 BImSchG diejenigen Anlagen bezeichnet werden, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebes in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden. Aufgabe der Beschreibungen der 4. BImSchV ist mithin die hinreichend genaue Bezeichnung der genehmigungsbedürftigen Anlagen, nicht jedoch die vollständige Erfassung der in ihnen hergestellten Produkte. 4s1 Eine zielgerichtete Herstellung eines beim Betriebsprozeß anfallenden Stoffes soll jedoch zumindest dann nicht vorliegen, wenn der Zweck des Anlagenbetriebes nach der 4. BImSchV nicht im weitesten Sinne auf die Herstellung oder die Bearbeitung, Verarbeitung oder stoffliche Verwertung von Stoffen gerichtet ist. 4S2 Hieran soll es etwa bei den in Abschnitt 1 des Anhangs zur 4. BImSchV genannten Anlagen zur Wärmeerzeugung oder sonstigen Energieerzeugung fehlen, bei Anlagen zur Beseitigung von Reststoffen nach Nr. 8.1, ferner bei den in Abschnitt 9 aufgezählten Anlagen zur Lagerung und zum Beund Entladen von Stoffen und Zubereitungen sowie bei einigen der im Abschnitt 10 genannten sonstigen Anlagen, beispielsweise Anlagen zur Übung und Ausübung des Motorsports (Nr. 10.17).453 Nach dieser Ansicht wäre etwa REA-Gips schon deswegen nicht als Produkt anzusehen sein, weil der Kraftwerksbetrieb nicht im weitesten Sinne auf die Gewinnung von Stoffen gerichtet ist. Dies soll selbst dann gelten, wenn der jeweilige Stoff gewinnbringend veräußert werden kann. 4s4 Letzteres jedenfalls vermag nicht zu überzeugen. Gerade die Möglichkeit der Gewinnerzielung stützt im besonderen Maße die vom Erzeuger behauptete Produktionsabsicht.455 Allerdings ist einzuräumen, daß bei diesen Anlagen ein gesteigerter Anlaß zur Überprüfung eines vom Anlagenbetreiber behaupteten Produktionszweckes besteht. Bei Anlagen, in denen lediglich Dienstleistungen erbracht werden, wie die Anlagen zum Be- und Entladen nach Abschnitt 9, Schießstände (Nr. 10.18) oder Prüfstände fiir Motoren (Nr. 10.15), dürfte freilich ein solcher Fall in der Praxis ohnehin kaum vorkommen. Problematischer sind dagegen die Anlagen zur Wärme- und sonstigen Energieerzeugung sowie Anlagen zur thermischen Behandlung von Reststoffen und Abfällen. In diesen Anlagen werden, wie in Produktionsanlagen, Stoffe umgesetzt. Daß der Hauptzweck der Anlage, mit

451 Ebenso Joschek u. a., AJ 1996,62; ähnlich Wolfers, NVwZ 1997,227; vgl. auch den Diskussionsbeitrag von Fluck, in: Klett, 4. Kölner Abfalltage, S. 69. 452 Dierkes, Grundpflichten, S. 129; in diesem eingeschränkten Sinne wohl auch Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 63. 453 Dierkes, Grundpflichten, S. 129. 454 So Dierkes, Grundpflichten, S. 129. 455 Dazu oben unter E 11 I c) bb).

E. Die Entledigungstatbestände

115

dem diese in der 4. BImSchV gekennzeichnet ist, nicht im weitesten Sinne auf die Herstellung oder Gewinnung von Stoffen gerichtet ist, kann aus den oben bereits dargelegten Gründen nicht allein entscheidend sein, wenn andere Kriterien - wie etwa die Erzielung eines Gewinns oder zumindest eines Markterlöses - für eine Produktionsabsicht sprechen.

hh) Inhalt des Genehmigungsbescheides Anhaltspunkte für die Zweckbestimmung eines Produktionsprozesses sollen sich nach Auffassung der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall auch aus der Beschreibung des Anlagenzweckes durch den Antragsteller im Genehmigungsantrag und in den Genehmigun~sunterlagen sowie den Festlegungen des Genehmigungsbescheides ergeben. 4 6 Noch einen Schritt weiter geht die Ansicht, die Nennung des Stoffes als Herstellungszweck in der Anlagengenehmigung erlaube bei Anlagen, die unter der Geltung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes genehmigt worden seien, eine eindeutige Einordnung. 4s7 Die letztere Ansicht verkehrt Ursache und Wirkung. Bei der Genehmigung von immissionsschutzrechtlichen Anlagen ist als Genehmigungsvoraussetzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG zu prüfen, ob die Erfüllung der Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 und § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG sichergestellt ist. Da diese Pflichten nur für Abfälle gelten, muß die Genehmigungsbehörde beurteilen, welche in der Anlage anfallenden Stoffe Produkte und welche Abfälle sind. Auch für das Immissionsschutzrecht kommt es darauf an, ob die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG erfüllt sind. 4S8 Daher stellt sich für die Genehmigungsbehörde die Frage, ob der Anfall bestimmter Stoffe oder Gegenstände nach der Verkehrsanschauung Zweck des Anlagenbetriebs ist. Daß diese Stoffe oder Gegenstände dann im Genehmigungsbescheid nicht als Abfalle, sondern als Produkte aufgeführt werden, ist somit Folge der Nichterfüllung des Abfallbegriffs, kann aber für die Frage, ob es sich um Abfälle nach § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG handelt oder nicht, keine Rolle spielen. 459 Bedenken bestehen aus den genannten Gründen auch hinsichtlich der Bedeutung, die die LAGA den Angaben im Genehmigungsantrag und dem Genehmi-

456

LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.1; Wolfers, NVwZ 1997, 227 f.

457

Joschek u. a., AJ 1996, 64.

Dazu unten unter G. Eine andere Frage ist allerdings, welche Bedeutung der einmal anhand des Maßstabs des § 3 KrW-/AbfG getroffenen Beurteilung der Abfalleigenschaft zukommt, insbesondere mit Blick auf eine mögliche Bindungswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung; dazu näher 2. Teil D IV 5. 458

459

116

1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

gungsbescheid beirnißt. Immerhin wird man aber dem Umstand eine gewisse Indizwirkung entnehmen können, daß der Antragsteller selbst bestimmte Stoffe nicht als Nebenzweck des Anlagenbetriebs in seinen Genehmigungsantrag aufnimmt. Denn dies legt es nahe, daß es sich schon nach seiner Auffassung nicht um eine zielgerichtete Herstellung handelt.

ii) Anfall in einer nachgeschalteten Anlage zur Minderung von Emissionen

Im seinem Sondergutachten ,,Abfallwirtschaft" vertritt der Sachverständigenrat mit Blick auf den Reststoffbegriff des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. die Ansicht, Stoffe, die in nachgeschalteten Reinigungsanlagen anfielen, seien nach der Verkehrsauffassung keine gezielt hergestellten Erzeugnisse. 460 Ausgangspunkt dieser Erwägung ist offenbar, daß solche Einrichtungen niemals der Produktion dienen, sondern allein und ausschließlich der Erfiillung der gesetzlichen Pflichten zur Emissionsminderung. Für diese Sichtweise spricht, daß der Betrieb einer nachgeschalteten Reinigungsanlage nicht auf dem freien Entschluß des Anlagenbetreibers beruht, sondern durch die entsprechenden irnrnissionsschutzrechtlichen oder wasserrechtlichen Bestirnrnungen zwingend vorgeschrieben wird. Ohne die gesetzlichen Pflichten zur Emissionsminderung würden die in den nachgeschalteten Reinigungsanlagen zurückgehaltenen Stoffe nicht anfallen, sondern über die Abluft oder das Abwasser an die Umwelt abgegeben. Zwar kann ein zunächst durch das Gesetz erzwungener Anfall bestimmter Stoffe aufgrund sich entwickelnder Nutzungsmöglichkeiten unter Umständen dazu führen, daß der Erzeuger auch unabhängig von der gesetzlichen Pflicht die Stoffe entstehen lassen würde. 461 Für die Verkehrsanschauung entscheidend ist jedoch, ob der Spielraum durch die gesetzlichen Vorgaben so eingeengt ist, daß der eigenständigen Zwecksetzung keine Bedeutung zukommt. 462 Die Wahl des Reinigungsverfahrens und der Betrieb der Einrichtung werden in erster Linie durch die gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte bestimmt. Ob ein Verfahren genutzt werden kann, hängt von den jeweils geltenden Anforderungen an die Reinigungsleistung ab. Soweit mehrere Verfahren diesen Anforderungen genügen, kann der Betreiber allerdings wählen und damit auch die Art und Zusammensetzung der anfallenden Stoffe steuern. Bei der Rauchgasentschwefelung von Steinkohlekraftwerken kann etwa zwischen Verfahren gewählt werden, bei denen S02 gewonnen wird, und solchen, die zum Anfall von Calziumsulfat als Ausgangsmaterial für die

SRU, Sondergutachten ,,Abfallwirtschaft", Tz. 118. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und AbfaIlrecht, § 3 Rn. 161. 462 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 161. 460

461

E. Die Entledigungstatbestände

117

Herstellung von REA_Gips463 fUhren. 464 Letztlich bleibt die Wahl des Verfahrens aber immer von den einzuhaltenden Grenzwerten abhängig. Eine Verschärfung der Emissionswerte kann dazu fUhren, daß ein bisher praktiziertes Verfahren nicht mehr geeignet ist. Daher ist bei solchen Einrichtungen das "Ob" und das "Wie" des Betriebs in einem so großen Maße von den gesetzlichen Pflichten vorbestimmt, daß die Ausnutzung verbleibender Spielräume nicht dazu fUhren kann, den Anfall der in den Einrichtungen zurückgehaltenen Stoffe als eine zielgerichtete Herstellung im Sinne des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG zu bewerten. 46s

jj) Abfal/beschreibungen des EAK

Die Aufnahme einer Sache in den EAK fUhrt nicht unmittelbar zu einer Begründung der Abfalleigenschaft, auch nicht in Form einer widerleglichen Vermutung. 466 Soweit aber im EAK einzelne Stoffe nach ihrem Entstehungsgrund und ihrer Beschaffenheit konkret umschreiben werden, ist dies aus den bereits ausgefUhrten Gründen467 ein Indiz dafür, daß diese Stoffe nicht Zweck des sie hervorbringenden Vorganges sind oder jedenfalls nicht ohne Vorbehandlung unmittelbar wieder nutztbar sind. 468 Der EAK stellt gewissermaßen eine Positivierung der Verkehrsanschauung dar. Es würde allerdings dem Regelungsgehalt des EAK zuwiderlaufen, wenn auf dem Umweg über die Verkehrsanschauung allein der Eintrag einer Sache in den Katalog dazufUhren würde, daß eine Produktionsabsicht verneint und damit letztlich die Abfalleigenschaft begründet wird. So kann sich aus anderen Gesichtspunkten ergeben, daß eine wirtschaftlich vernünftige Zweckbestimmung vorliegt. 469 Wenn etwa die Sache im Rohzustand marktfähig ist, steht die Aufnahme in den EAK der vom Erzeuger behaupteten Produktionsabsicht nicht entgegen. Mehr Gewicht kommt dem Eintrag zu, wenn die Sache nicht marktgängig ist und allein von den jeweiligen Erzeugern weiterverarbeitet wird. Hier spricht die Aufnahme in den EAK dafür, daß die Nutzung die Verwertung eines zunächst unerwünscht angefallenen

463 REA-Gips ist freilich nicht schon aufgrund des § 7 Abs. 2 KrW-/AbfG stets Abfall. Diese Vorschrift setzt vielmehr ihrerseits voraus, daß die Abfalleigenschaft der genannten Stoffe begründet ist; vgl. hierzu Weidemann, Abfall oder Rohstoff?, S. 36. 464 Dazu Sutter, Sonderabfälle, S. 54 ff. 465 Im Ergebnis ebenso LAI, Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG n. F., Ziff. 2.2. 466 Dazu oben unter DIll. 467 Oben unter D 11 2. 468 A. A. Weidemann, Abfall oder Rohstoff?, S. 47. 469 Ähnlich LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.1, S. 9.

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Stoffes und nicht die Weiterverarbeitung eines gezielt hergestellten Zwischenprodukts ist.

kk) Zusammenfassung Als wichtigstes Kriterium zur Konkretisierung der Verkehrsanschauung für den Bereich der Produktionsabfälle erweist sich die Frage, ob für die fraglichen Stoffe oder Gegenstände, so wie sie anfallen, ein zahlungswilliger Markt besteht. 470 Ist dies der Fall, so ist die vom Erzeuger behauptete Produktionsabsicht aus Sicht der Verkehrsanschauung regelmäßig nicht zu beanstanden. Eine Ausnahme gilt nur insoweit, als die Stoffe aus nachgeschalteten Abluft- oder Abwasserreinigungsanlagen stammen, da bei diesen Anlagen die Erfiillung der gesetzlichen Anforderungen an die Emissionsminderung prägend ist. Umgekehrt handelt es sich nach der Verkehrsanschauung im Regelfall nicht um eine erwünschtes Nebenprodukt, wenn die Sache von Dritten nur dann abgenommen wird, wenn der Erzeuger hierfür bezahlt oder die Sache zumindest kostenlos überläßt. Weiteren Kriterien wie der Erfiillung von Qualitätsanforderungen, dem Bestehen von Handelsverträgen oder der Aufnahme in den EAK kommt dagegen nur nachgeordnete Bedeutung zu. Sie können ergänzend herangezogen werden, wenn trotz der Möglichkeit einer entgeltlichen Weitergabe an einen Dritten im Einzelfall Zweifel an der gezielten Herstellung bestehen. Sie sind aber nicht geeignet, das Fehlen eines zahlungswilligen Marktes zu kompensieren. Auf die Verkehrsanschauung und damit auf die zu ihrer Konkretisierung herangezogenen Kriterien kommt es aber nicht mehr an, wenn sich die vorgesehene Verwendung der angefallenen Sache eindeutig einer der Verfahrensgruppen nach Anhang 11 A oder 11 B zuordnen läßt, da in diesem Fall unabhängig von der Willensannahme nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG der Wille zur Entledigung vorliegt.

3. Produktabflille a) Wegfall der ursprünglichen Zweckbestimmung Nach der zweiten Alternative des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG wird der Wille zur Entledigung dann vermutet, wenn die ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne daß ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Abfälle nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG werden häufig auch als Produktabfälle471 bezeichnet, da die Vorschrift eine Sache voraussetzt, 470 47\

1m Grundsatz ebenso: Weidemann, Abfall oder Rohstoffl, S. 42 ff. Krings, WiVerw 1995, 116; Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 51.

E. Die Entledigungstatbestände

119

die zunächst rur einen bestimmten Verwendungszweck hergestellt worden ist. Nach dem Wortlaut muß die "ursprüngliche" Zweckbestimmung entfallen bzw. aufgegeben werden. Dies legt nahe, daß es sich um denjenigen Verwendungszweck handeln muß, fiir den die Sache hergestellt worden ist, was aber im Ergebnis nicht zutreffen kann. Nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG ist die Umwidmung zu einem anderen Zweck möglich, ohne daß die Sache zu Abfall wird. Auch dieser Sache, die nicht mehr zu ihrem ursprünglichen Zweck genutzt wird, kann sich der Besitzer aber entledigen wollen. 412 Richtigerweise wird man "ursprünglich" daher im Sinne von "bisheriger Verwendungszweck" zu verstehen haben. Eine mehrmalige unmittelbare Umwidmung wird durch die Vorschrift nicht ausgeschlossen. Die bisherige Zweckbestimmung muß entweder entfallen oder aufgegeben werden. Sie entfallt, wenn die Sache objektiv nicht mehr fiir den bisherigen Zweck nutztbar ist. 473 Eine Aufgabe der Zweckbestimmung liegt vor, wenn der Besitzer die objektiv weiterverwendbare Sache nicht mehr zum bisherigen Verwendungszweck einsetzen will. 474

b) Neuer Verwendungszweck Das zentrale Problem des § 3 Abs.3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG ist die Frage, wann ein neuer Verwendungszweck an die Stelle des alten getreten ist. 475 Nach § 3 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG kommt es hierfiir in erster Linie auf die Auffassung des Besitzers an. Als Korrektiv ist die Verkehrsanschauung zu berücksichtigen. Ausgangspunkt fiir die Frage, ob ein neuer Verwendungszweck vorliegt, sind nach § 3 Abs. 3 S.2 KrW-/AbfG die Angaben des Besitzers. Besitzer ist die Person, die die tatsächliche Sachberrschaft über die Sache zu dem Zeitpunkt ausübt, in dem die bisherige Zweckbestimmung entfallt oder aufgegeben wird. Dies versteht sich von selbst, wenn der bisherige Besitzer selbst die Sache zum neuen Verwendungszweck nutzen will. Fraglich könnte dies sein, wenn die Entwidmung gleichzeitig mit der Weitergabe an einen Dritten erfolgt. In diesem Fall könnte es rur die neue Zweckbestimmung auf die Auffassung des zukünftigen Besitzers ankommen. Dagegen spricht jedoch, daß die Aufgabe v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 21. Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 22. Diese Voraussetzung ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Sache aus tatsächlichen Gründen nicht mehr für ihren bisherigen Nutzungszweck eingesetzt werden kann. Fraglich, hier aber nicht zu vertiefen ist, ob hierunter auch Fälle zu fassen sind, in denen eine Weiterbenutzung gegen rechtliche Vorschriften verstoßen würde, die Weiterbenutzung in tatsächlicher Hinsicht aber durchaus noch möglich ist. 474 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 171. 475 Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 51; Seibert, UPR 1994,419. 472 473

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

der Sachherrschaft durch den bisherigen Besitzer unter Wegfall jeglicher Zweckbestimmung nach der zweiten Alternative des § 3 Abs.2 KrW-/AbfG eine Entledigung darstellt. Daher muß auch die Neuwidmung bereits durch den bisherigen Besitzer erfolgen. Freilich wird die vom Dritten beabsichtigte Nutzung in diesem Fall mittelbar auch für die Widmung durch den Besitzer von Bedeutung sein, da die Sache im Zweifel zu der vom Abnehmer vorgesehenen Verwendung gewidmet wird, sie ihm also zu diesem Verwendungszweck übergeben wird. Auch für § 3 Abs. 3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG gilt, daß es auf die Vermutung des Entledigungswillens nicht ankommen kann, wenn feststeht, daß der Besitzer eine nach § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG als Entledigung zu bewertende Handlung vornehmen, also die Sache einer Verwertung oder Beseitigung zuführen oder die Sachherrschaft unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufgeben Will. 476 Hieraus folgt zugleich, daß ein neuer Verwendungszweck im Sinne des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG nur ein solcher sein kann, der keine Verwertung oder Beseitigung im Sinne des Anhangs 11 ist. 477 Probleme ergeben sich auch in diesem Zusammenhang aus der zum Teil sehr unbestimmten Beschreibung der Entsorgungsverfahren. Kein Verwertungsverfahren nach Anhang 11 B liegt vor, wenn die Sache als solche ohne eine über normale Erhaltungsmaßnahmen hinausgehende Behandlung eingesetzt werden soll. Dagegen werden Maßnahmen, die die Sache erst durch eine Veränderung der Gestalt oder Substanz für einen neuen Verwendungszweck einsetzbar machen sollen, durch den Begriff "Verwertung" in Anhang 11 B erfaßt. 478 Der neue Verwendungszweck muß unmittelbar an die Stelle der entfallenen oder aufgegebenen Zweckbestirnrnung treten. Für die Beurteilung der Unmittelbarkeit ist zunächst von Bedeutung, ob die Neuwidmung ohne Zeitverzug erfolgt. 479 Die Entwidmung muß also mit der Neuwidmung verbunden sein. § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG stellt aber nur darauf ab, ob ein neuer Verwendungszweck an die Stelle der bisherigen Zweckbestimmung tritt. Da lediglich eine neue Zweckbestimmung, nicht aber bereits die konkrete Verwendung zu diesem Zweck gefordert wird, reicht es aus, daß die Sache erst in der Zukunft zu dem neuen Zweck genutzt werden soll, wenn dieser Verwendungszweck bei Aufgabe der bisherigen Zweckbestimmung schon feststeht. 480 Ausreichend dürfte auch sein, daß der Besitzer alternativ mehrere Nutzungsmöglichkeiten

Ebenso Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 174. Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 22. 478 Dazu oben unter E I I b) dd) (5). 479 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 172; Frenz, KrW-/ AbfG, § 3 Rn. 22; LAGA-Arbeitspapier, Zifr. 2.3.2. 480 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 172; ähnlich auch Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 22. 476

477

E. Die Entledigungstatbestände

121

vorsieht. 481 Dies wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn er die Sache an einen Dritten verkaufen will und die Sache sich für mehrere Verwendungen eignet. Neben dieser zeitlichen Komponente soll es für die Unmittelbarkeit bedeutsam sein, ob für die Realisierung der neuen Nutzung zunächst eine besondere Behandlung im Sinne eines Verfahrens nach Anhang 11 B erforderlich ist. 482 Hieran ist soviel richtig, daß in diesem Fall sicherlich von einer Unmittelbarkeit nicht mehr die Rede sein kann. Andererseits soll die Sache in diesem Fall einem Verwertungsverfahren im Sinne des Anhangs 11 B zugeführt werden. Geht man davon aus, wie es hier vertreten wird, daß § 3 Abs.3 KrW-/AbfG keine abschließende Defmition des Entledigungswillens enthält, sondern lediglich eine ergänzende gesetzliche Vermutung, dann ist in diesen Fällen die Tatbestandsvoraussetzung "entledigen will" bereits erfüllt. Des Rückgriffs auf die gesetzliche Vermutung nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG bedarf es daher nicht, so daß es auf die Frage der Unmittelbarkeit nicht mehr ankommt. 483

c) Bedeutung der Verkehrsanschauung Wiederholt ist die Befürchtung geäußert worden, der Erfmdungsreichtum der Abfallbesitzer im Hinblick auf das (Er-)Finden neuer Nutzungsformen sei groß, wenn es darum gehe, den abfallrechtlichen Pflichten zu entgehen. 484 Grenzen soll hier das Korrektiv der Verkehrsanschauung ziehen. Diese ist nach § 3 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG zur Beurteilung der Zweckbestimmung zusätzlich zugrunde zu legen. Zwar verwendet § 3 Abs. 3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG den Begriff "Zweckbestimmung" nur hinsichtlich des bisherigen Zwecks, gleichwohl ist mit dem Wort "Zweckbestimmung" in Satz 2 auch der neue Verwendungszweck gemeint. Dies folgt schon daraus, daß Satz 2 auch für § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG gilt, dort der Begriff Zweckbestimmung aber überhaupt nicht

481 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 172; zustimmend Frenz, KrW-/AbfD, § 3 Rn. 22; v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfD § 3 Rn. 21. 482 VG Bemen, NVwZ 1997, 1029/1031; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und AbfalJrecht, § 3 Rn. 172; Frenz, KrW-/AbfD, § 3 Rn. 22; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.2. Ähnlich auch v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfD § 3 Rn. 21: zwischen dem Wegfall der ursprünglichen Zweckbestimmung und dem neuen Verwendungszweck darf keine Phase der Entledigungsabsicht liegen. Eine solche Auslegung läuft jedoch auf einen Zirkelschluß hinaus: das Vorliegen des Entledigungswillens würde zur Voraussetzung für seine gesetzliche Vermutung gemacht. 483 Daher inskonsequent Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 180, sowie LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.2. 484 Kersting, DVBI. 1994, 276; Seibert, UPR 1994, 419; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 180; vgl. auch Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, 51.

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I. Teil: Der erweiterte AbfallbegrifT

verwendet wird. Die Verwendung unterschiedlicher Begriffe hat - wenn überhaupt - nur sprachliche Gründe. Die Verkehrsanschauung ist im Rahmen des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/ AbfG zunächst fiir die Frage bedeutsam, ob die Sache bisher einer bestimmten Zweckbestimmung gedient hat und ob diese entfallen ist. Schon dies kann unter Umständen problematisch sein, wie etwa das Beispiel von Mehrwegbehältnissen zeigt. 485 Mit dem Verbrauch der in ihnen aufbewahrten Füllgüter verlieren sie aus Sicht des aktuellen Besitzer ihren bisherigen Zweck, nämlich das ihm verkaufte Füllgut aufzubewahren. Stellt man dagegen vorrangig auf die Zweckbestimmung aus Sicht der Hersteller und Vertreiber ab, die die Mehrwegbehältnisse zur Abgabe ihrer Waren nutzen, behalten diese Behältnisse ihren Verwendungszweck, bis sie nicht mehr weiterverwendet werden können. Die vor einer Wiederbefiillung erforderliche Reinigung gehört dann als Instandhaltungsmaßnahme zum normalen Gebrauch und ist daher keine Aufarbeitung, die als Verwertung im Sinne des Anhangs 11 B zu werten wäre. 486 Auch bei überlagerten Produkten, etwa Arzneimitteln, die wegen Überschreitens des Haltbarkeitsdatums im Inland nicht mehr abgesetzt werden können, stellt sich die Frage, ob die bisherige Zweckbestimmung entfallen ist, wenn ein Absatz im Ausland noch möglich und nach dortigem Recht zulässig ist. Da sie nach wie vor als Arzneimittel eingesetzt werden sollen, kann der Wegfall der ursprünglichen Zweckbestimmung in Zweifel gezogen werden. Richtigerweise wird man jedoch darauf abzustellen haben, daß das Arzneimittel fiir einen speziellen Markt hergestellt worden ist und nun auf einem anderen Markt, fiir den andere rechtliche Anforderungen gelten, abgesetzt werden soll. Das letzte Beispiel zeigt, daß fiir die Verkehrsanschauung zunächst bedeutsam ist, ob die bisherige Nutzung rechtlich noch zulässig ist. Weiterhin kommt es darauf an, ob die Sache in einem Zustand ist, der - gegebenenfalls nach einer Reparatur - eine Weiternutzung zu diesem Zweck erlaubt. Eine Nutzung zum ursprünglichen Zweck kann ferner durch eine veränderte Marktsituation ausgeschlossen sein, beispielsweise bei überlagerten und veralteten Produkten. In diesem Zusammenhang weist eine lange Lagerung der Sache daraufhin, daß sie nicht mehr zu ihrem bisherigen Zweck genutzt werden kann. 487 Vor allem aber erlangt die Verkehrsanschauung fiir die Beurteilung Bedeutung, ob tatsächlich die Widmung zu dem angegebenen neuen Verwendungszweck erfolgt ist oder ob eine Neuwidmung lediglich zur Vermeidung der abfallrechtlichen Pflichten vorgeschoben wird, ohne daß eine entsprechende Nutzungsabsicht wirklich besteht. Wenig Anlaß fiir Zweifel bieten solche Fälle, Vgl. hierzu auch LAGA-Arbeitspapier, ZifT. 2.3.2. Dazu oben unter E I I b) dd) (5). 487 Vgl. Dierkes, Grundpflichten, S. 136.

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E. Die Entledigungstatbestände

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in denen die neue Nutzung ohne erheblichen Zeitverzug tatsächlich aufgenommen wird. 488 Mehr Grund fiir eine Kontrolle geben Konstellationen, in denen die behauptete neue Verwendung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen soll. Die Verkehrsanschauung wird hier häufig erfordern, daß die neue Zweckbestimmung nach außen hin sichtbar wird, sei es durch Kennzeichnung, Sicherung oder gesonderte Lagerung. 489 Des weiteren muß der neue Verwendungszweck innerhalb eines überschaubaren Zeitraums realisierbar sein. 490 Soweit die neue Nutzung bestimmte Qualitätsanforderungen an die Sache stellt, müssen diese erfiillt werden, die Sache also den entsprechenden ~esetzlichen oder gewerblichen Produktnormen oder Spezifikationen genügen. 91 Die Realisierbarkeit ist ferner in Frage gestellt, wenn es dem Besitzer oder Dritten an Kapazitäten fiir die vorgesehene Nutzung fehlt. 492 Auch in diesem Zusammenhang ist eine längere Lagerung ein Indiz gegen die Realisierbarkeit des angegebenen neuen Verwendungszwecks bzw. zumindest gegen die Verwirklichungsabsicht. 493 Ein gewichtiges Kriterium fiir die Verkehrsanschauung kann weiterhin der Marktwert der Sache sein. 494 Bezahlt der abnehmende Dritte fiir die Sache, so deutet dies darauf hin, daß er sie auch tatsächlich nutzen kann und will. Anders als bei § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG wird man die Zahlung eines Entgelts jedoch nicht als zwingende Voraussetzung für die Annahme einer neuen Zweckbestimmung ansehen können. Hier geht es nicht um die Frage, ob die Herstellung der Sache fiir den Erzeuger von Nutzen und daher bezweckt ist. In den von § 3 Abs. 3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG erfaßten Fällen, in denen der bisherige Besitzer die Sache bereits verwendet hat und sie fiir ihn selbst nicht mehr von Nutzen ist, ist eher vorstellbar, daß er die Sache unentgeltlich zur weiteren Nutzung einem Dritten überläßt. 49s Muß er allerdings für die Abnahme durch den Dritten auch noch ein Entgelt zahlen, so wird man in aller Regel nicht von einer Umwidmung durch den bisherigen Besitzer ausgehen können. Bei objektiver Betrachtung liegt die Bedeutung des Vorgangs fiir ihn in der Befreiung

Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 181. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 182; LAGAArbeitspapier, Ziff. 2.3.2. 490 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 182. 491 Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 23. 492 Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 23; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.2. 493 Vgl. BVerwGE 92, 3591362; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 63; Dierkes, Grundpflichten, S. S. 136; Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 23. 494 Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 23; v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 24; vgl. auch Paetow, EG-rechtliche Vorgaben, S. 97 f.; Wendenburg, ZUR 1993,224. 495 Vgl. auch Paetow, EG-rechtliche Vorgaben, S. 98. 488

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

von der nicht mehr brauchbaren Sache.496 Die neue Nutzung ist für den bisherigen Besitzer dagegen ohne Interesse. Zudem kann in diesem Fall nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Abnehmer ein Interesse an der Sache selbst hat, da sich der wirtschaftliche Vorteil der Übernahme für ihn bereits aus der Zahlung des Entgeltes ergibt.

4. Zum Verhältnis der beiden Alternativen des § 3 Abs. 3 KrW-IAbfG a) Erforderlichkeit der Abgrenzung Die Willens annahme nach § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG kann grundsätzlich alternativ sowohl nach § 3 Abs. 3 Nummer 1 als auch nach Nummer 2 begründet sein, wie die Verbindung durch das Wort "oder" zeigt. § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG erfaßt Sachverhalte, in denen der Anfall der Sache nicht Ziel des Produktionsvorganges ist, § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG erfordert den Wegfall der bisherigen Zweckbestimmung der Sache. Darüber hinaus unterscheidet sich die zweite Alternative von der ersteren aber auch dadurch, daß zum Zweckwegfall als weitere Voraussetzung hinzutritt, daß keine unmittelbare Widmung zu einem neuen Nutzungszweck erfolgt. Dagegen kommt es nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG nicht darauf an, ob die unbezweckt anfallende, weil für den Erzeuger nicht nutzbringend verwendbare Sache unmittelbar für einen (anderen) Nutzungszweck vorgesehen wird. Dies kann dann zu Unklarheiten führen, wenn einzelne Sachverhalte sich sowohl unter die Nummer 1 des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG fassen lassen als auch unter die Nummer 2. Denn aufgrund der in § 3 Abs. 3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG zusätzlich enthaltenen Voraussetzung, daß keine unmittelbare (Neu-)Widmung erfolgt, stellt sich die Frage, ob es ausreicht, daß die Abfalleigenschaft nach einer der beiden Alternativen begründet ist, oder ob § 3 Abs. 3 S. 1 Nr.2 KrW-/ AbfG in diesem Fall die speziellere Vorschrift ist. Hierfür könnte immerhin sprechen, daß das Gesetz bei Sachen, die bisher einen Verwendungszweck hatten, allein den Wegfall dieses Zwecks nicht ausreichen lassen will, um den Entledigungswillen und damit die Abfalleigenschaft zu begründen. Dieses Problem würde sich freilich dann nicht stellen, wenn sich die Anwendungsbereiche der beiden Alternativen nicht überschneiden würden. Ein Blick auf die in der Literatur genannten Anwendungsbeispiele für § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG zeigt jedoch, wie unsicher die Zuordnung ist. So werden etwa ausgewechselte Altreifen teilweise als Beispiel für eine bei der Nutzung des Fahrzeugs und dem Reifenwechsel unbezweckt angefallene Sache nach § 3 Abs. 3 496 So schon Franßen, in: FS Redeker, S. 463; rur eine andere Bewertung v. Lersner, NuR 1981,2.

E. Die Entledigungstatbestände

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S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG genannt. 497 Teilweise werden sie jedoch auch als eine Sache, deren bisherige Nutzungszweck aufgrund der Abnutzung entfallen ist oder vom Besitzer durch die Demontage aufgegeben wird, der zweiten Alternative zugeschlagen. 498 Sollen die Altreifen unmittelbar für einen neuen Verwendungszweck genutzt werden, etwa als Fender in Hafenanlagen oder in der Landwirtschaft zur Beschwerung von Abdeckplanen, führt die unterschiedliche Einordnung zu divergierenden Bewertungen: Nach der ersten Ansicht liegt in diesem Fall eine Abfallverwertung vor. Die Herstellung abgenutzter Reifen ist nicht Zweck der Nutzung des Kraftfahrzeuges. Auch der in einer Werkstatt durchgefiihrte Reifenwechsel, eine Dienstleistung im Sinne des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. I KrW-/AbfG, wird in der Regel nicht dazu dienen, Fender oder Beschwerungen für Abdeckplanen zu erzeugen. Allenfalls dann, wenn der Weiterverkauf der demontierten Reifen eingeplant ist, könnte man an einen Nebenzweck der Dienstleistung denken. Auch dies ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Reifen kostenlos abgegeben werden. Die zweite Auffassung gelangt dagegen zu dem Ergebnis, daß nach § 3 Abs.3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG keine Abfalleigenschaft begründet ist, da eine unmittelbare Neuwidmung erfolgt. Weitere Beispiele fiir derartige unterschiedliche Zuordnungen lassen sich etwa für Bauschutt499 oder leere VerpackungenSOO nachweisen. Darüber hinaus wird teilweise explizit eine kumulative Anwendung der beiden Alternativen des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG fiir möglich gehalten,SOI ohne allerdings auf die sich hieraus im Einzelfall ergebende Problematik unterschiedlicher Ergebnisse einzugehen. Auch im Bereich der industriellen Produktion kann sich hinsichtlich einer ganzen Reihe von Stoffen oder Gegenständen die Frage stellen, ob sie eindeutig einer der beiden Alternativen zugeordnet werden können oder ob es zu Überschneidungen kommt. Dies gilt zunächst fiir die zur Ver- oder Bearbeitung eingesetzte Produktionsanlage selbst. Sofern die Anlage mit dem jeweiligen Betriebsgrundstück verbunden ist, fehlt es allerdings bereits an einer beweglichen Sache. Aber nicht jede in einer Betriebsstätte eingesetzte Maschine ist ei-

497 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 190; ihm folgend Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 49. 498 LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.2; MURL, Zweife1sfragen beim Vollzug des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG, Ziff. 1.7.; wohl auch Birn, KrW-/AbfG, § 3 Anm. 1.1; vgl. auch BVerwGE 92,359 ff. 499 Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 20: § 3 Abs.3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG; v. Költer, KrW-/AbfG, S. 108; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 192: § 3 Abs. I S. 1 KrW-/AbfG. 500 V.Köller, KrW-/AbfG, S. 108 nennt gebrauchte Verpackungen als Beispiel für beide Alternativen, das LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.2, ordnet sie der zweiten Alternive zu, ebenso wohl Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 189. 501 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 192 (Metall schrott) u. Rn. 198 (Schwefelsäure).

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

ne unbewegliche Sache im Sinne des Abfallrechts. so2 Ferner ist die Zuordnung solcher beweglichen Anlagenteile oder Betriebsstoffe, beispielsweise Hydrauliköl, fraglich, die während des Betriebs verschleißen und ausgewechselt werden. Zudem ist an Produktionshandlungen zu denken, die mittels einfacher Werkzeuge vorgenommen werden, oder an Hilfsstoffe, beispielsweise Lösemittel bei der Metallentfettung oder Strahlgut bei der Oberflächenbehandlung. Sowohl Anlage( -nteile) und Werkzeuge als auch Betriebs- und Hilfsstoffe sind für bestimmte Verwendungen hergestellte Endprodukte und haben daher eine ursprüngliche Zweckbestimmung im Sinne des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG. Nach dieser Vorschrift ist ein Entledigungswille daher nicht anzunehmen, wenn sie, nachdem sie für ihren ursprünglichen Einsatzzweck unbrauchbar geworden sind, unmittelbar für einen neuen gewidmet werden. Daher läge etwa im Beispielsfall (3)S03 nach § 3 Abs.3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG kein Wille zu Entledigung vor, da die verunreinigte Säure unmittelbar für eine neuen Nutzung vorgesehen ist, deren Realisierung nach den Umständen des Einzelfalles auch keinen Bedenken unterliegt. Zugleich könnten die verschlissenen Maschinenteile und Werkzeuge, die verbrauchten Betriebsstoffe oder verunreinigten Hilfsstoffe bei den Produktionsprozessen im Sinne des § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG angefallen sein. Solange Anlagenteile, Werkzeuge oder Betriebs- und Hilfsstoffe noch entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung im Prozeß eingesetzt werden, sind sie allerdings im Sinne der Nummer 1 noch nicht angefallen. Ein Lösemitteltauchbad ist nicht bereits S04 nach der ersten Benutzung angefallen, sondern erst dann, wenn es so verunreinigt ist, daß es zur weiteren Entfettung von Werksmcken nicht mehr einsetzbar ist. Es gilt mit anderen Worten zu beachten, daß die Verweildauer der am Produktionsprozeß beteiligten Stoffe oder Gegenstände im Produktionsbereich recht unterschiedlich ausfallen kann. sos Ein Anfall im Sinne des § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG könnte aber zu dem Zeitpunkt vorliegen, in dem die Sachen nicht mehr im Prozeß eingesetzt werden, weil sie für ihren bisherigen Einsatzzweck nicht mehr brauchbar sind. Der Begriff "Anfall" erfaßt sicherlich Sachverhalte, in denen die Sache im Produktionsprozeß bei der Ver- oder Bearbeitung von Stoffen oder Zwischenerzeugnissen erstmalig als selbständige bewegliche Sache entsteht. Anders könnte dies jedoch zu beurteilen sein bei solchen Sachen, die bereits vor Durchführung des Prozesses in gleicher oder zumindest ähnlicher Form vorhanden sind und damit nicht erstmalig entstehen. Das Gesetz verwendet jedoch nicht den Begriff "entstehen", sondern das Wort "anfallen". Dieser Begriff fand bereits Dazu oben unter C 11. Oben unter B 11. 504 Vorbehaltlich der Möglichkeit einer anlagenintemen Kreislauffuhrung. 505 Dazu auch Sutter, Sonderabfalle, S. 23.

502 503

E. Die Entledigungstatbestände

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im Rahmen der Reststoff-Defmition zu § 5 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 2 BImSchG Verwendung und wurde weiter als das Wort "entstehen" ausgelegt,s06 etwa im Sinne von "übrig bleiben". Dementsprechend wurden auch gebrauchte Hilfsstoffe, die zur Bearbeitung des Produktes eingesetzt werden, wie Lösungsmittel oder Strahlgut, bisher als Reststoffe i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. betrachtet. so7 Speziell gegen eine Einbeziehung der Anlagen(-teile) oder Werkzeuge in den Anwendungsbereich des § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG könnte jedoch einzuwenden sein, daß diese nicht mit dem erwünschten Prozeßergebnis zusammen den Herstellungs- oder Verarbeitungsprozeß durchlaufen, sondern vielmehr den äußeren Rahmen fiir den Prozeßablauf bilden. Diese Unterscheidung erweist sich aber bei näherer Betrachtung als nicht haltbar. Ein zur Bearbeitung eines Metallstückes verwendeter Bohrer sowie die hierbei eingesetzte Bohremulsion nehmen im gleichen Maße am Produktionsprozeß teil wie das zur Entfettung des Werkstückes eingesetzte Lösungsmittel oder das zur Oberflächenbehandlung verwandte Strahlgut. Somit werden nach dem Wortlaut der Vorschrift verschlissene Maschinenteile sowie verbrauchte Betriebs- und Hilfsstoffe grundsätzlich auch durch § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG erfaßt, da ihre Abnutzung bzw. ihr Verbrauch nur schwerlich als Produktionszweck der jeweiligen Anlage angesehen werden kann. sos Nach dieser Vorschrift spielt es aber grundsätzlich keine Rolle, ob eine anderweitige Verwendung möglich ist.

b) Lösungsansätze Dies führt zurück zu der eingangs gestellten Frage nach dem Verhältnis der bei den Alternativen des § 3 Abs.3 KrW-/AbfG. Die Vorschrift stellt vom Wortlaut her beide Alternativen gleichrangig nebeneinander. Denkbar ist zunächst, daß eine strikte Unterscheidung der jeweiligen Anwendungsbereiche nicht beabsichtigt ist, sich vielmehr die Tatbestände des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW -/AbfG überschneiden und es ausreicht, wenn zumindest einer der beiden erfiillt ist. Dies würde im Ergebnis dazu fuhren, daß in Überschneidungsfällen jeweils § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG den Ausschlag fiir die Abfalleigenschaft gibt und es auf die Frage einer die Abfalleigenschaft vermeidenden anderweitigen Nutzung nicht ankäme. Ein solches Verständnis vermag jedoch nicht zu überzeugen. Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/

Dierkes, Grundpflichten, S. 138. Vgl. nur die Musterverwaltungsvorschrift des LAI für Anlagen nach Nr. 3.20 des Anhangs zur 4. BImSchV (Anlagen zur Oberflächenbehandlung ... ), Kennz. 3200, s. 21, sowie für Anlagen nach Nr. 5.1 des Anhangs zur 4. BImSchV (Lackierereien), Kennz. SOlO, S. 2. 508 Vgl. auch Dierkes, Grundpflichten, S. 135. 506

507

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

AbfG ist dem Wortlaut nach, was die erfaßten Handlungen betrim, bei denen eine Sache anfallen kann, außerordentlich weit gefaßt. In der ersten Alternative des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG werden die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 des Regierungsentwurfes vorn 15. September 1993 enthaltenen Tatbestände zusarnrnengefaßt. Während sich Nummer 1 nur auf solche Sachen bezog, die aus dem Betrieb einer irnrnissionsschutzrechtlichen Anlage stammen, dient Nummer 2 als Auffangtatbestand rur ,,Rückstände aus jedweder Nutzung von Stoffen, Produkten und sonstigen Erzeugnissen".s09 Auch die Gesetz gewordene Fassung erfaßt nicht allein Produktionsprozesse, sondern auch jede "Behandlung oder Nutzung von Stoffen oder Erzeugnissen".slO Jede Sache, die bei der Nutzung eines Stoffes oder Erzeugnisses übrigbleibt, könnte daher Gegenstand der Willensannahme nach § 3 Abs.3 S. 1 Nr.l KrW-/AbfG sein, auch das nicht mehr brauchbare Erzeugnis selbst, das nach dem Ende der Nutzung noch vorhanden ist. Eine derart weite Auslegung des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG sieht sich dem Einwand ausgesetzt, daß sie fiir § 3 Abs. 3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG keinen eigenen Anwendungsbereich mehr beläßt. Auch wenn nicht ausgeschlossen ist, daß der Gesetzgeber eine bei genauer Betrachtung überflüssige Alternative ins Gesetz aufgenommen hat, so spricht dieser Befund doch zunächst gegen eine extensive Auslegung des § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG. In die gleiche Richtung weist die Genese der Norm. § 3 Abs.3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG entspricht im wesentlichen § 3 Abs. 1 Nr.3 des Regierungsentwurfes, der ausweislich der Begründung "den Bereich Konsurn- und Verbrauchsgüter"Sll bzw. den "Produktbereich"sI2 umfassen sollte. Das deutet daraufhin, daß der Gesetzgeber rur § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG durchaus einen eigenständigen und von dem des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG verschiedenen Anwendungsbereich gesehen hat. Zum Teil wird daher angenommen, § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG erfasse den Produktions-, § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG dagegen den Produktbereich. SI3 Eine solche Abgrenzung läßt sich immerhin durch Hinweis auf die in den Gesetzesmaterialien zum Audruck kommende Absicht der Bundesregierung begründen, den Bereich der Konsurn- und Verbrauchsgüter durch eine eiSo die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/5672, S. 40. Dies beachtet Weidemann, Abfall oder Rohstoff?, S. 16, nicht hinreichend, wenn er in § 3 Abs.3 S. 1 Nr. I KrW-/AbfG eine Spezialregelung für die Abfalleigenschaft von Produktionsprozessen sieht. 511 BT-Drs. 12/5672, S. 40. 512 BT-Drs. 12/5672, S. 121. 513 Teilweise werden Abfälle nach § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG auch als Produktionsabfälle, Abfälle nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG dagegen als Produktabfälle bezeichnet; vgl. Krings, WiVerw 1995, 114 ff.; Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 49, 51; ferner auch LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.2. 509 510

E. Die Entledigungstatbestände

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gene Alternative zu erfassen. Dennoch führt sie zu keiner überzeugenden Lösung der Problematik. Für eine Einschränkung auf den Bereich des privaten Konsums bietet die Gesetz gewordene Fassung des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/ AbfG keinen Ansatzpunkt. Vorausgesetzt wird lediglich eine bewegliche Sache, deren bisheriger Verwendungszweck entfällt. Diese Voraussetzung wird auch von solchen Produkten erfüllt, die in Produktionsprozessen eingesetzt und verbraucht werden. Ebensowenig läßt sich § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG eine Beschränkung auf den Bereich der industriellen oder gewerblichen Produktion entnehmen. Zutreffend ist zwar, daß die meisten der in § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG aufgeführten Handlungen Produktionsvorgänge sind. Erfaßt werden aber auch die nicht näher eingegrenzte "Nutzung von Stoffen und Erzeugnissen" sowie Dienstleistungen. Ein Ansatz für eine Abschichtung der beiden Alternativen könnte jedoch darin bestehen, als "bewegliche Sachen, die bei der Nutzung des Stoffes oder Erzeugnisses anfallen" nur solche Sachen zu erfassen, die bei der Nutzung als selbständige bewegliche Sachen, etwa durch Abtrennung vom genutzten Gegenstand, neu entstehen oder jedenfalls in praktischer Hinsicht erstmals einem gesonderten Zugriff unterliegen,S14 nicht aber das genutzte Erzeugnis selbst, das bereits vorhanden ist. Das Tatbestandsmerkmal "anfallen" würde dann in einem engeren Sinne verstanden, als dies bisher im Zusammenhang mit der Reststoffdefmition der Fall war. Das könnte zu dem Einwand Anlaß geben, der Gesetzgeber habe die frühere Reststoffdefmition in § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/ AbfG übernehmen wollen. Dies spricht jedoch nicht entscheidend gegen eine engere Auslegung. Eine § 3 Abs. 3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG vergleichbare Vorschrift gab es bisher nicht, so daß sich die Notwendigkeit einer Abgrenzung nicht stellte. Eine weite Auslegung des Reststoffbegriffs, vor allem für den Bereich des § 5 Abs. 3 Nr. 2 BlmSchG a. F., wurde zudem damit begründet, daß es Sinn und Zweck der immissionsschutzrechtlichen Reststoffpflichten entspreche, bestimmte Stoffe in deren Anwendungsbereich einzubeziehen. S1S Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß bereits beim bisherigen Reststoffbegriff nicht in jedem Fall allein auf das Übrigbleiben abgestellt worden ist. Neben der Voraussetzung, daß die jeweilige Sache im weiteren Sinne aus dem 514 Die Begründung zum Regierungsentwurfnennt als Beispiel für das Anfallen einer Sache bei einer Dienstleistung "Straßenkericht", BT-Drs. 12/5672, S. 40. Hierbei wird es sich freilich teilweise um Sachen handeln, die bereits aus anderen Gründen Abfall sind, etwa weil der frühere Besitzer sich ihrer entledigt hat (z. B.: weggeworfene Zigarettenkippen, Getränkedosen) oder weil sie nicht mehr zweckentsprechend eingesetz werden (z. B.: Streumaterial). Von Bedeutung ist § 3 Abs.3 S. I Nr. 1 KrW-/AbfG in diesem Zusammenhang aber für Straßenstaub und Pflanzenreste. Diese Sachen sind zwar bereits vorhanden, rein praktisch unterliegen sie einem Zugriff aber erst mit der Einsamlung. m Vgl. etwa Dierkes, Grundpflichten, S. 134, 138; Hansmann, NVwZ 1993, 926, Fn.79.

9 Locher

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Betrieb der Anlage stammt, wurde bei noch nicht verbrauchten Hilfs- und Betriebsstoffen sowie noch nicht veräußerten Produkten als zusätzliches Kriterium für das Vorliegen eines Reststoffes verlangt, daß die Stoffe keinem bestimmten Zweck, also weder ihrem ursprünglichen noch einem anderen, mehr dienen. 516 Damit wurde für Stoffe, die von Anfang an einem bestimmten Verwendungszweck hatten, der Reststoffbegriff in der Sache in einer Weise ausgelegt, die dem Tatbestand der Willensannahme nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/ AbfG weithin entspricht. Da § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG derartige Stoffe nunmehr in seiner zweiten Alternative ausdrücklich berücksichtigt, besteht kein Bedürfnis mehr für eine extensive Auslegung der der bisherigen Reststoffdefmition entsprechenden ersten Alternative. Beide Alternativen des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG führen in gleicher Weise zur Annahme des Entledigungswillens und damit zur Abfalleigenschaft. Dies spricht dafür, Produkte, die im Produktionsprozeß eingesetzt und dabei unbrauchbar werden, grundsätzlich der zweiten Alternative des § 3 Abs. 3 KrW -/AbfG zuzuordnen. Ein solches Verständnis trägt der in § 3 Abs. 3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG zum Ausdruck kommenden Wertung Rechnung, bereits vorhandene Produkte nur unter der weiteren Voraussetzung einer fehlenden Neuwidmung zu Abfall werden zu lassen. Die hier vertretene Zuordnung dürfte überdies nicht nur für Maschinen, Werkzeuge, Betriebs- und Hilfsstoffe gelten, sondern auch für die zu verarbeitenden Einsatzstoffe. SI7 Auch hierbei handelt es sich um Sachen, die für einen bestimmten Verwendungszweck gewonnen oder hergestellt worden sind, der hier in der Weiterverarbeitung liegt. Daher werden beispielsweise noch nicht verarbeitete Einsatzstoffe, die auf einem Anlagengrundstück lagern, nicht mit Einstellung des Anlagenbetriebs und damit dem endgültigen Ende des Produktionsprozesses zu Abfall, sondern erst dann, wenn sie nicht mehr anderweitig eingesetzt werden können. S18 § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG gelangt dagegen zur Anwendung, wenn bei einer Produktionshandlung Stoffe oder Gegenstände als selbständige bewegliche Sachen entstehen. Schwierig zu beurteilen kann im Einzelfall allerdings sein, ob eine bestimmte bewegliche Sache entsteht oder lediglich eine unbeachtliche Veränderung einer bereits vorhandenen Sache durch den Gebrauch vorliegt. Ersteres wird in

Hansmann, NVwZ 1993,926; Dierkes, Grundpflichten, S. 135, 138 f. So auch schon für § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG: Dierkes, Grundpflichten, S. 136 ff.; Hansmann, NVwZ 1993,926. 518 Zu einem in der Sache ähnlichen Ergebnis gelangt für den Reststoffbegriff auch Dierkes, Grundpflichten, S. 138, der annimmt, daß auf dem Betriebsgelände lagernde noch nicht eingesetzte Einsatz- und Betriebsstoffe dann Reststoffe im Sinne des § 5 Abs.3 Nr. 2 BImSchG sind, wenn sie nicht mehr durch eine Veräußerung genutzt werden können. 516

517

E. Die Entledigungstatbestände

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der Regel der Fall sein, wenn Teile von einem einheitlichen Werkstück, etwa einem Holz- oder Metallstück, abgetrennt werden oder ein Stoff chemisch umgewandelt wird, wenn also beispielsweise als Hilfsstoffe eingesetzte Säuren in Gips umgewandelt werden.S\9 Problematischer ist die Vermischung von Stoffen ohne chemische Veränderung. Hier wird es letztlich auf die Verkehrsanschauung ankommen, nach der zu beurteilen ist, ob die ursprüngliche Sache noch im wesentlichen erhalten geblieben ist und die Beimischung eines anderen Stoffes sich lediglich als eine Verunreinigung darstellt. Ein Beispiel: Das CKW-Lösemittel nimmt bei der Metallentfettung die den Metalloberflächen anhaftenden Festkörper (Späne, Staub, Metallabrieb) und organischen Bestandteile (Öl, Fette, Wachse, Schmiermittel) sowie WasserS20 auf, wird durch diese in seiner chemischen Zusammensetzung aber nicht verändert. Die aufgenommenen Stoffe wird man nach der Verkehrsanschauung noch als Verunreinigung des Lösemittels ansehen können, zumal sie durch geeignete Reinigungsverfahren wieder entfernt werden können. Somit ist durch die Verunreinigung keine neue Sache entstanden, sondern ein vorhandenes Produkt durch die zweckentsprechende Nutzung zunächst unbrauchbar geworden. Dagegen erhalten beispielsweise bei der Verarbeitung von Holz oder Metall anfallende Späne erst durch den Verarbeitungsvorgang die Eigenschaft einer beweglichen Sachen und fallen daher im Sinne des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG an. Probleme bereiten ferner Sachverhalte, in denen Bestandteile aus Sachgesamtheiten herausgelöst werden, die aus zuvor gezielt hergestellten Einzelteilen zusammengesetzt worden sind. Ob man die Demontage von Altreifen als Anwendungsfall der ersten oder zweiten Alternative des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG anzusehen hat, hängt davon ab, ob die Reifen erst durch die Demontage (wieder) zu einer beweglichen Sache werden und daher bei der Dienstleistung anfallen, oder ob sie die ursprünglich vorhandene Eigenschaft als bewegliche Sache durch die Montage am Fahrzeug nie verloren haben. Dies beurteilt sich nach den gleichen Kriterien, die fiir die Zuordnun~ von Bestandteilen zu Grundstücken und Gebäuden entwickelt worden sind. 21 Die Frage, inwieweit eine Maschine o. ä. als Bestandteil eines Gebäudes unbeweglich ist, stellt lediglich einen Sonderfall des Problems der Beurteilung von Sachgesamtheiten dar. Es kommt darauf an, ob nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung eine dauerhaft feste Verbindung besteht, wofiir vor allem ausschlaggebend ist, ob eine Trennung ohne Beschädigung der Sachen möglich und der hierfür erforderliche Aufwand zumutbar ist. Danach werden Autoreifen durch die Montage nicht zu unselbständigen Bestandteilen des Fahrzeuges, sondern bleiben aus Sicht des Abfallrechts eigen-

519 520 521

Oben unter B II, Beispiel (5). Oben unter B II, Beispiel (2). Oben unter C 11.

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

ständige bewegliche Sachen, da die Demontage ohne Beschädigung erfolgen kann und sogar ein vorher eingeplanter und durchaus gewöhnlicher Vorgang ist, der keinen großen Aufwand erfordert. S22 Somit beurteilt sich der Entledigungswillen bei der Demontage von Altreifen nach der zweiten Alternative des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG. S23 Dagegen verlieren die zur Herstellung eines Gebäudes eingesetzten Baustoffe in aller Regel ihre Eigenständigkeit, da eine Herauslösung aus der Sachgesamtheit nur durch den teilweisen Abbruch des Gebäudes möglich ist. Hinsichtlich des beim Gebäudeabbruch anfallende Bauschutts wird der Entledigungswille daher nach § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG vermutet. Da die Gewinnung von Bauschutt kein Nebenzweck des Abbruchs ist, kommt es für die Begründung der Abfalleigenschaft nicht darauf an, ob der Bauschutt im Straßenbau wiederverwendet werden kann. 524 Zusammenfassend ist festzustellen, daß die beiden Alternativen des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG je unterschiedliche Anwendungsbereiche haben. Soweit bei einem der in § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG genannten Vorgänge selbständige bewegliche Sachen neu entstehen, greift die erste Alternative ein. Werden bereits vorhandene Sachen unbrauchbar, ist dies ein Anwendungsfall des § 3 Abs.3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG. Für dieses Verständnis spricht, daß der Gesetzgeber zwei Alternativen mit unterschiedlichen Anwendungsbereichen schaffen wollte, § 3 Abs. 3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG aber bei einer extensiven Auslegung des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG bedeutungslos wäre. Anderenfalls bliebe zudem die gesetzliche Wertung unberücksichtigt, daß bei vorhandenen selbständigen beweglichen Sachen, die bislang einen Nutzungszweck haben, die Annahme eines Entledigungswillens nicht allein aus dem Wegfall des bisherigen Nutzungszwecks folgen soll.

111. Entledigen müssen

§ 3 Abs. 4 KrW-/AbfG defIniert das Tatbestandsmerkmal "entledigen muß". Nach der Intention des Gesetzgebers soll die Vorschrift den objektiven Abfallbegriff des § 1 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. AbfG in der Auslegung übernehmen, die er in der jüngeren Rechtsprechung des BVerwG525 erfahren hat. 526 Freilich ist es So auch BayObLG, NuR 1986, 136. I. E. ebenso LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.2; MURL, Zweifelsfragen beim Vollzug des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG, Ziff. 1.7.; wohl auch Birn, KrW-/AbfG, § 3 Anm. 1.1; vgl. auch BVerwGE 92, 359 ff. 524 I. E. ebenso Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 192. 525 BVerwGE 92, 353 ff. (Bauschutt) und 359 ff. (Altreifen). 526 So ausdrücklich die Begründung des Umweltausschusses, BT-Drs. 12/7284, S. 12; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 211; Fouquet, ZUR 1996, 188; Petersen, Abfallpolitisches Konzept, S. 58. 522 523

E. Die Entledigungstatbestände

133

im Hinblick auf die Defmition, die der Begriff "Entledigen" in § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG erfährt, irrefiihrend, wenn § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG von "entledigen müssen" spricht. Unter den normierten Voraussetzungen muß der Besitzer die Sache entsprechend den Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes entsorgen, eine Pflicht, die er nicht durch eine Aufgabe der Sachherrschaft unter Wegfall jeglicher Zweckbestimmung und damit durch ein "wildes Abkippen" erfiillen kann. S27 Zutreffender ist daher die Kennzeichnung des Regelungsinhaltes mit dem Schlagwort "Zwangsabfall". In sachlicher Hinsicht erweist sich dies allerdings als Scheinproblem, da § 3 Abs.4 KrW-/AbfG nicht den Inhalt der Entsorgungspflicht regelt, sondern nur den Anknüpfungspunkt für diese Pflicht bestimmt. Probleme bereitet das Verhältnis zu § 3 Abs. 2 und Abs. 3 KrW-/AbfG, da das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz die vom BVerwG im Hinblick auf den objektiven Abfallbegriff aufgestellte Voraussetzung des Fehlens oder Wegfalls einer Zweckbestimmung als Tatbestandsmerkmal nicht nur in § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG, sondern auch in § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG und in der zweiten Alternative des § 3 Abs. 2 KrW -/AbfG verwendet.

1. Wegfall der bisherigen Verwendung

Erste Voraussetzung des § 3 Abs.4 KrW-/AbfG ist, daß die Sache nicht mehr entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet wird. Demgegenüber fordert § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG, daß die ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt. Fraglich ist, ob aus der unterschiedlichen Formulierung ein Unterschied in der Sache abzuleiten ist. Für § 3 Abs.4 KrW-/AbfG könnte ausreichen, daß die Sache nicht mehr aktuell in Gebrauch ist, wodurch auch Fallgestaltungen erfaßt würden, in denen die Sache zwar gegenwärtig nicht mehr verwendet, aber für eine spätere Wiederbenutzung zum ursprünglichen Zweck aufbewahrt wird. 528 Hiergegen spricht jedoch, daß von der "ursprünglichen" Zweckbestimmung die Rede ist. Dies impliziert, daß diese Zweckbestimmung nicht mehr besteht. Zudem lehnt sich das Gesetz hier offensichtlich an die Formulierungen der Bauschutt-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 529 an. Dort wird aber ausdrücklich gefordert, daß die ursprüngliche Zweckbestimmung entfallen oder aufgegeben worden ist. s30 Daher wird man auch für § 3 Abs. 4 KrW -/AbfG verlangen müssen, daß nicht lediglich die aktuelle Verwendung für die ursprüngliche Zweckbestimmung einge-

Fouquet, ZUR 1996, 188. LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.4. 529 BVerwGE 92, 353/355. 530 BVerwGE 92, 353/355. 527

528

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

stellt worden ist, sondern daß die Zweckbestimmung selbst durch Unbrauchbarkeit entfallen oder durch den Besitzer aufgegeben worden ist. Eine Unterbrechung der Verwendung mit dem Ziel, die Sache später erneut zu diesem Zweck zu nutzen, reicht daher nicht. Allerdings kann es im Einzelfall fraglich sein, ob lediglich eine Unterbrechung der Nutzung oder ein Zweckwegfall gegeben ist. Hier muß, auch wenn § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG dies nicht ausdrücklich sagt, wie bei § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG auf die Auffassung des Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung abgestellt werden. 531 Für den objektiven Abfallbegriff nach § 1 Abs. 1 S. 1 AbfG war es ohne Bedeutung, ob die Sache zwecklos geworden war oder von Anfang an keinem Zweck gedient hatte. S32 Dagegen erfaßt § 3 Abs.4 KrW-/AbfG nach seinem Wortlaut nur solche Sachen, die ursprünglich eine Zweckbestimmung hatten. Daher stellt sich die Frage, ob in den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG auch solche Sachen einbezogen werden können, die von vorneherein keine Zweckbestimmung erhalten haben. 533 Zunächst gilt es festzustellen, daß vom Anwendungsbereich des § 3 Abs.4 KrW-/AbfG auch solche Sachen erfaßt werden können, die nicht zielgerichtet im Sinne des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG hergestellt worden sind. Der objektive Abfallbegriff setzt keine Produktionsabsicht voraus, sondern lediglich eine bisherige Zweckbestimmung. Auch solche Stoffe oder Gegenstände, die nicht (mit)bestimmender Anlaß eines Produktionsprozesses sind, können aber entweder von Anfang an oder zu einem späteren Zeitpunkt eine Zweckbestimmung erhalten. 534 Darüber hinaus ist es jedoch mit dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG nicht vereinbar, solche Sachen dem objektiven Abfallbegriff zu unterwerfen, die nie zu einem Verwendungszweck gewidmet worden sind. Hierzu besteht auch keine Notwendigkeit, wenn man § 3 Abs. 3 KrW-/ AbfG als unwiderlegliche Vermutung begreift, da in diesem Fall für von Anfang an zwecklos angefallene Sachen der EntlediFgswille nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG zwingend anzunehmen ist. 53

2. Bestehen eines neuen Verwendungszwecks Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird nicht vorausgesetzt, daß die Sache zu einem neuen Verwendungszweck gewidmet worden ist. Teilweise wird der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG sogar ausschließlich auf solche

So noch ausdrücklich LAGA-Arbeitspapier (Stand: 7.3.96), Ziff. 2.1.4. BVerwGE 92, 353/355; vgJ. auch Fouquet, ZUR 1996, 188. 533 So Fouquet, ZUR 1996,188. 534 Dazu oben unter E II 2 c). 535 Dazu oben unter E II 1. 531

532

E. Die Entledigungstatbestände

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Sachen beschränkt, für die gegenwärtig kein Verwendungszweck besteht. 536 Bei diesem Verständnis wäre § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG jedoch überflüssig, da der Entledigungswille bereits nach § 3 Abs.3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG vermutet wird, wenn keine unmittelbare Neuwidmung erfolgt. S37 Auch ein Blick auf die der Formulierung des § 3 Abs.4 KrW-/AbfG zugrundeliegenden Urteile des BVerwG zeigt, daß die weiterbestehende Zwecklosigkeit keine Voraussetzung des objektiven Abfallbegriffs ist. In dem der Bauschutt-Entscheidung zugrundliegenden Sachverhalt war der Bauschutt bereits für einen neuen Nutzungszweck, nämlich als Füllmaterial im Wegebau verwendet worden. 538

3. Gefahrenpotential Der objektive Abfallbegriff setzt weiterhin voraus, daß die Sache aufgrund ihres konkreten Zustandes geeignet ist, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit zu gefahrden. Der Begriff "Wohl der Allgemeinheit" ist hier im gleichen Sinne wie in § 10 Abs. 4 KrW-/AbfG zu verstehen und erfaßt, neben der von § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG ausdrücklich erwähnten Umwelt, insbesondere die dort aufgezählten Güter. S39 Die Gefährdungseignung muß sich aus dem konkreten Zustand der Sache ergeben. Hiermit wird zum einen der Zustand der Sache selbst erfaßt, d. h. ihre chemische und physikalische Beschaffenheit. Fraglich ist, ob es darüber hinaus auch auf den Aufbewahrungsort, die Art der Lagerung oder die aktuelle Nutzung ankommt. Hierfür spricht schon, daß ansonsten der Zusatz "konkreter Zustand" überflüssig wäre, da es bei einer bestimmten Sache keinen "abstrakten" Zustand geben kann. Des weiteren läßt sich für ein solches Verständnis auf die der Formulierung des § 3 Abs.4 KrW-/AbfG zugrundeliegenden Urteile des BVerwG verweisen. Danach kam es für den objektiven Abfallbegriff des Abfallgesetzes von 1986 darauf an, ob die Sache in ihrem gegenwärtigen Zustand an ihrem Aufbewahrungsort das Wohl der Allgemeinheit gefahrdet, was das BVerwG als "gegenwärtiges Gefahrdungspotential" bezeichnet hat. 540 Der "Altreifen"-Entscheidung läßt sich zudem entnehmen, daß es auch von Bedeutung ist, in welcher Menge, auf welchen Flächen und mit welchen Schutzvor-

Fouquet, ZUR 1996, 188. Dies erkennt auch Fouquet, ZUR 1996, 188; vgJ. femer v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 28; Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 53. 536

537

BVerwGE 92, 353/354. Näher hierzu Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 25; vgJ. weiter v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 29. 540 BVerwGE 92,353/356. 538

539

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

kehrungen die Sachen gelagert werden. 54 ) Dementsprechend kommt es auch für § 3 Abs. 4 KrW -/AbfG auf den situationsbedingten Zustand der Sache an. 542 § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG verlangt lediglich die Eignung, das Wohl der Allgemeinheit zu gefährden und läßt es ausreichen, daß es erst künftig zu Gefährdungen kommen kann. Das Gesetz selbst spricht im Hinblick auf diese Voraussetzungen von "Gefährdungspotential" . Bereits hieraus ergibt sich, daß der Eintritt einer konkreten Gefahrenlage keine Voraussetzung des objektiven Abfallbegriffs ist. 543 Dieser Befund wird durch einen Blick auf die Leitentscheidungen des BVerwG bestätigt. Dort wird lediglich verlangt, daß sich aus dem gegenwärtigen Zustand der Sache aufgrund allgemeiner Erfahrungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse typischerweise eine Gemeinwohlgefährdung ergeben kann. 544 Ausdrücklich stellt das Gericht heraus, daß es auf eine konkrete Gefahr nicht ankommt. 545 Ein solches Verständnis entspricht zudem der vorsorgeorientierten Zielsetzung des Abfallrechts insgesamt546 und der Funktion des Abfallbegriffs. Die QualifIzierung als Abfall soll die Kontrolle durch das Abfallregime und damit die Abwehr konkreter Gefahren im Einzelfall ermöglichen, daher kann das Bestehen einer solchen Gefahr nicht bereits Voraussetzung der Abfalleigenschaft sein. 547 Bei Stoffen und Gegenständen, die in der Verordnung zur Bestimmung von besonders überwachungsbedürftigen Abnmen genannt werden, wird man bereits aufgrund der Beschaffenheit der Sachen selbst regelmäßig davon ausgehen können, daß das von § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG vorausgesetzte Gefährdungspotential - aber auch nur dieses - vorliegt. Denn die Aufnahme einer Sache in die Verordnung erfolgt, weil sie nach Art, Beschaffenheit oder Menge in besonderem Maße gesundheits-, luft- oder wassergefährdend, explosibel oder brennbar ist oder Erreger übertragbarer Krankheiten enthält oder hervorbringen kann (§ 41 Abs. 1 KrW_/AbfG).548 Dagegen läßt sich aus der Auflistung in der BVerwGE 92, 359/362. In diesem Sinne auch LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.4; v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 28; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 225. 543 So auch die ganz herrschende Auffassung: Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschaftsund Abfallrecht, § 3 Rn. 226; Frenz, KrW-IAbfG, § 3 Rn. 25; v. Lersner/Wendenburg, KrW-IAbfG, § 3 Rn. 29; Pohl, in: HUR, B.3, Rn. 23; Krings, WiVerw 1995,117: Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 54; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.4; vgl. auch die Begründung des UmweItausschusses, BT-Drs. 12/7284, S. 13; a. A. Fritsch, Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, Rn. 164. 544 BVerwGE 92, 3531357; 359/362. 545 BVerwGE 92, 353/356. 546 Frenz, KrW-IAbfG, § 3 Rn. 25; so auch schon zum AbfG 1986 BVerwGE 92, 353135356 f. 547 Seibert, DVBI. 1994, 233 f. 548 So auch Wendenburg, ZUR 1993,224. 541

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E. Die Entledigungstatbestände

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EAK-Verordnung keine Indizwirkung für das Vorliegen der von § 3 Abs.4 KrW-/AbfG geforderten Gefahreneignung herleiten. s49 Anders als im Fall der Bestirnmungsverordnung sagt die Aufnahme in die EAK-Verordnung nichts über das der Sache selbst innewohnende Gefahrenpotential aus.

4. Notwendigkeit einer Entsorgung nach Abfallrecht Nicht jedes von einer zwecklos gewordenen Sache ausgehende Gefährdungspotential soll jedoch die Anwendung des Abfallrechts auslösen. sso Im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerwG zum objektiven Abfallbegriff nach § 1 Abs. I S. 1 AbfG fordert das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zusätzlich, daß das Gefährdungspotential nur durch eine dem Abfallrecht unterliegende Entsorgung beseitigt werden kann. Die Anwendung der abfallrechtlichen Vorschriften muß erforderlich sein, um die Gefahrdungseignung zu beseitigen. Das BVerwG ging im Rahmen des alten Abfallrechts noch von der Alternative "öffentliche Abfallentsorgung" oder "private Weiterverwendung/Wiederverwertung" aus,SSI die sich nach der Konzeption des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes so nicht mehr stellt, da die Abfallverwertung und zum Teil auch die Abfallbeseitigung in erster Linie dem Erzeuger oder Besitzer der Abfalle obliegt. Die Entsorgungspflicht der öffentlichen Entsorgungsträger nach § 15 KrW-/AbfG und damit verbunden die Überlassungspflicht des Abfallbesitzers nach § 13 KrW-/AbfG greift, jedenfalls was den Bereich der nicht aus privaten Haushaltungen stammenden Abfalle betrim, nur subsidiär ein. SS2 Daß eine Sache als Abfall eingestuft wird, hat also nicht mehr grundsätzlich zur Folge, daß sie ihrem Besitzer zugunsten der entsorgungspflichtigen Körperschaften entzogen wird. SS3 Vielmehr kann (und muß) er sie selbst nutzen. Er unterliegt dabei allerdings den materiellen Bindungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sowie der Überwachung durch die Abfallbehörden. Die hierin liegende Einschränkung der Eigentümerbefugnisse wird gleichwohl in aller Regel deutlich weniger einschneidend sein als die nach § 3 Abs. I AbfG begründete Überlasssungspflicht. Dies wiederum ist bedeutsam für die Anforderungen, die an das Gebotensein einer Entsorgung als Abfall zu stellen

So aber Pohl, in: HUR, B.3, Rn. 23. Vgl. die Begründung des Umweltausschusses, BT-Drs. 12/7284, S. 13. 551 BVerwGE 92, 353/356; vgl. auch BVerwGE 92, 359/363: die Einbeziehung in das Abfallregime sei als entschädigungslos zu duldender sozialbindender Entzugsakt anzusehen. 552 Vgl hierzu ausführlich Hölscher, ZUR 1995, 180; Krahnefeld, NuR 1996,272. 553 Vgl. dazu Bartlsperger, VerwArch 86 (1995), 61. 549 550

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

sind. Da die Anwendung des Abfallrechts den Besitzer nicht von der Nutzung der Sache ausschließt, sondern die Nutzung nur einer Kontrolle unterwirft, die zudem je nach Gefahrdungspotentials der Sache in ihrer Intensität abgestuft ist,554 besteht im Hinblick auf die Eigentumsgarantie kein Anlaß, die Anforderungen an das Gebotensein der Entsorgung nach Abfallrecht zu hoch anzusetzen. Insbesondere sollten verbleibenden Zweifel in der Regel zu Lasten des Besitzers gehen. Die im Hinblick auf § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG zu prüfende Alternative lautet nicht mehr öffentliche Abfallentsorgung oder private Verwendung, sondern Verwendung unter der Kontrolle des Abfallrechts oder Verwendung ohne eine solche Kontrolle. Maßgebend ist somit, ob davon ausgegangen werden kann, daß das Gefährdungspotential der Sache auch ohne eine Überwachung durch die Abfallbehörden beseitigt wird. Voraussetzung hierfiir ist zunächst, daß überhaupt eine technisch mögliche und rechtlich zulässige Nutzungsmöglichkeit besteht, bei denen sich die gemeinwohlgefährdenden Eigenschaften der Sache nicht realisieren können555 oder doch zumindest das sonstige Ordnungsrecht als zur Kontrolle der Risiken ausreichend angesehen werden kann. 556 Dabei ist zu berücksichtigen, daß hierfiir nur solche Nutzungsmöglichkeiten in Betracht kommen, die keine Verwertung im Sinne des Anhangs 11 B darstellen, da ansonsten eine Entledigung nach § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG oder der Wille zu ihrer Vornahme vorliegt. Allein die abstrakte Möglichkeit einer gemeinwohlverträglichen Nutzung reicht indes nicht aus. 557 Hinzukommen muß die hinreichende Wahrscheinlichkeit' daß der Besitzer die Sache dieser Nutzung tatsächlich zufUhrt. 558 Da sich die Gebotenheit der Entsorgung mit Blick auf das Gefährdungspotential bestimmt, es also letztlich um die Abwehr einer, wenn auch abstrakten, Gefahr geht, sind, wie allgemein im Recht der Gefahrenabwehr, an die Wahrscheinlichkeit der gefahrenadäquaten Nutzung um so höhere Anforderungen zu stellen, je höher das Gefahrdungspotential ist. 559 Voraussetzung für die Annahme einer gefahrenadäquaten Nutzung ist, daß der Besitzer zum einen in der Lage ist, die Sache der neuen Verwendung zuzu-

Vgl. §§ 41- 48 KrW-/AbfG; dazu noch ausführlicher unten 2. Teil unter BIll. BVerwGE 92, 359/363. 556 Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 26; vgl. auch die Begründung des Umweltausschusses, BT-Drs. 12/7284, S. 13; sehr weitgehend LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.4. 557 Vgl. BVerwGE 92,359/364; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.4. 558 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 233; LAGAArbeitspapier, Zifr. 2.4. 559 In diesem Sinne auch das LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.4. 554

555

E. Die Entledigungstatbestände

139

führen, und daß er dies auch tatsächlich beabsichtigt. 560 Soll die Sache zur Nutzung an Dritte abgegeben werden, so kommt es nach der Rechtsprechung des BVerwG,561 die weithin Zustimmung gefunden hat,562 zunächst darauf an, ob ein Markt besteht, auf dem ein Kaufpreis für derartige Sachen zu erzielen ist. Dieses Kriterium ist nicht etwa deswegen bedeutungslos geworden, weil nunmehr auch Abfalle zur Verwertung Abfalle sind. 563 Die Erwägung des BVerwG, daß bei marktgängigen Gütern regelmäßig davon ausgegangen werden kann, daß - wie auch sonst im Wirtschaftsverkehr mit potentiell gefahrlichen Gütern - die einschlägigen Fachgesetze zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit ausreichen, trifft auch für die neue Rechtslage noch zu. Daß ein zahlungswilliger Markt für derartige Stoffe oder Gegenstände besteht, belegt zum einen die Realisierbarkeit der neuen Nutzung. Zum anderen spricht die Möglichkeit, einen Veräußerungserlös zu erzielen, für die Absicht des Besitzers, die Sache tatsächlich der neuen Nutzung zuzuführen. Muß dagegen der bisherige Besitzer für die Abnahme der Stoffe ein Entgelt bezahlen, so entfallt sein wirtschaftliches Interesse daran, sie dieser Nutzung zuzuführen. Auch steigt die Wahrscheinlichkeit, daß der Übernehmende nicht an der Verwendung der Sachen, sondern lediglich am Entgelt für die Übernahme interessiert ist. Daher besteht in besonderem Maße die Besorgnis, daß die Stoffe aus Kostengründen umweltgefahrdend verwertet oder besei. werden. 564 ttgt Die Marktgängigkeit ist allerdings nur ein Indiz. 565 Auch bei der Abgabe an Dritte kommt es weiterhin darauf an, für welche Zwecke die Sache vom Abnehmer eingesetzt werden soll. Dies wird vor allem dann von Bedeutung sein, wenn der Nachfrage nach solchen Sachen nicht zugleich die Entwicklung typischer Nutzungsmöglichkeiten entspricht. In Zweifelsfallen ist es Sache des Besitzers, die beabsichtigte Nutzung der Sachen durch den Abnehmer hinreichend detailliert darzulegen. 566 Ist eine Nutzung durch den Besitzer selbst vorgesehen, so muß er in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht in der Lage sein, diese Nutzung zu realisieren.

560 BVerwGE 92, 359/364; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 233. 561 BVerwGE 92, 353/357; 359/362. 562 Seibert, DVBI. 1994,234; Bartlsperger, VerwArch 86 (1995),49; Wendenburg, ZUR 1993,224; Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 25 f.; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.4; im Ergebnis auch Fluck, DVBI. 1993,427; ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 233. 563 So aber v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 28. 564 BVerwGE 92, 353/357. 565 BVerwGE 92, 359/363. 566 BVerwGE 92, 359/364; Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 26.

140

I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Insbesondere muß er über die technischen, orranisatorischen, personellen und finanziellen Mittel für die Nutzung verfügen. 56 Fehlen diese, ist damit zugleich die Ernstlichkeit der Nutzungsabsicht in Frage gestellt.

F. Ende der Abfalleigenschaft Im Rahmen der bisherigen Überlegungen hat sich verschiedentlich gezeigt, daß nicht nur der Begründung der Abfalleigenschaft erhebliche praktische Bedeutung zukommt, sondern ebenso der Frage, unter welchen Voraussetzungen diese Eigenschaft wieder verloren geht, wann also eine Sache nicht mehr den Rechtsbegriff ,,Abfall" erfüllt und daher nicht mehr dem Regime des Abfallrechts unterliegt. 568 Eine Regelung, unter welchen Umständen eine Sache ihre Eigenschaft als Abfall wieder verliert, hält das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nicht bereit. Einigkeit besteht allerdings darin, daß keinesfalls gilt: einmal Abfall - immer Abfall. 569 Unklar sind jedoch die genauen Voraussetzungen, unter denen ein Ende der Abfalleigenschaft eintritt. Ist eine bewegliche Sache nach § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG als Abfall einzustufen, so löst dies grundsätzlich570 die Pflichten zur Verwertung oder Beseitigung nach §§ 5 Abs. 2, 11 Abs. 1 KrW-/AbfG aus. Die Sache muß dann ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder, soweit dies nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist, gemeinwohlverträglich beseitigt werden. Es kommt also nicht mehr darauf an, ob der Besitzer die Sache einer Verwertung oder Beseitigung zuführen und sich ihrer dadurch entledigen will. Er ist nun vielmehr verpflichtet, dies zu tun. Folglich verliert die zu Abfall gewordene Sache ihre Abfalleigenschaft nicht alleinS71 deswegen, weil sie einem Dritten übergeben wird, der keinen Entledigungswillen mehr hat. sn Auch der Dritte ist 567 BVerwGE 92, 3591364; VG Bremen, Nvwz 1997, 1029/1031; Frenz, KrW-1 AbfG, § 3 Rn. 27; Breuer, Erweiterter Anwendungsbereich, S. 54; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.4; in der Sache ähnlich Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 233. 568 Vgl. auch Versmann, in: Klett, 4. Kölner Abfalltage, S. 65. 569 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 4 Rn. 99; Fouquet, ZUR 1996, 189; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.5; Krieger, NuR 1995, 346; noch zum alten Recht: Seibert, DVBI. 1994, 236. 570 Soweit eine Beseitigung der Abfälle aus der industriellen Produktion nicht in eigenen Anlagen erfolgt, tritt an die Stelle der Beseitigungs- eine ÜberIassungspflicht nach § 13 Abs. I S. 2 KrW-IAbfG. 571 Die Verwendungsabsicht des Dritten ist aber mittelbar von Bedeutung für die Frage, ob die Verwertungspflicht erfüllt ist; dazu im folgenden noch näher. sn A. A. Fouquet, ZUR 1996, 189; auch v. LersnerlWendenburg, KrW-IAbfG § 3 Rn. 22, sowie Kunig, NVwZ 1997, 214, scheinen der gegenteiligen Auffassung zuzuneigen. Wie hier im Ergebnis: LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.5; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 4 Rn. 99; Krieger, NuR 1995,346.

F. Ende der Abfalleigenschaft

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Abfallbesitzer im Sinne des § 3 Abs. 6 KrW -/AbtU und als solcher unmittelbar durch das Gesetz zur Verwertung (oder Beseitigung) verpflichtet. 573 Hierfür bedarf es also keiner vertraglichen Verpflichtung des Abnehmers durch den Vorbesitzer. 574 Freilich bleibt auch der Abfallverursacher verpflichtet,575 da das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, anders als das Abfallgesetz, nicht nur den Abfallbesitzer, sondern auch den Abfallerzeuger im Sinne des § 3 Abs.5 KrW-/AbtU in die Pflicht nirnrnt. 576 Dieser bleibt also, unabhängig von der tatsächlichen Sachherrschaft, grundsätzlich zur Entsorgung verpflichtet. Die einmal durch Begründung der Abfalleigenschaft dem Abfallrecht unterworfene Sache wird daher erst dann aus dem Abfallregime wieder entlassen, wenn die Verwertungs- oder Beseitigungspflicht erflillt ist. 577 Soweit es die hier nicht weiter interessierende Beseitigung betrifft, dürfte dies spätestens mit der Erfüllung der Sicherungs- und Kultivierungspflichten nach § 36 Abs. 2 KrW-/ AbfG eintreten. 578 Wird der Abfall verwertet, endet das Abfallregime, wenn die Verwertung der Sache bzw. der aus ihr gewonnen Stoffe oder Gegenstände erfolgreich abgeschlossen ist. 579 Entscheidend für das Ende der Abfalleigenschaft ist daher die weitere Frage, wann die Verwertung beendet ist. Die Verwertung kann nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 2,4 Abs. 3 S. 1, Abs.4 KrW-/ AbfG in Form einer stofflichen oder einer energetischen Verwertung erfolgen. Letztere ist die unmittelbare Nutzung der Abfälle zur Gewinnung von Energie. Werden dagegen aus den Abfällen zunächst Rohstoffe ZUTÜckgewonnen (Beispiel: Rohöl aus Kunstoffen), so liegt auch dann keine energetische Verwertung vor, wenn das gewonnene Öl später als Brennstoff verwendet wird. 580 Bilden allerdings Aufbereitung und Verbrennung einen einheitlichen Vorgang, so wird man erstere lediglich im Sinne einer Vorbehandlun~ ansehen können, die einer Unmittelbarkeit der Nutzung nicht entgegensteht. 58 Die stoffliche Verwertung besteht im Gewinnen von sekundären Rohstoffen582 aus Abfällen zum Zwecke

Anders Fouquet, ZUR 1996, 189. So aber Fouquet, ZUR 1996, 189. 575 Vgl. auch § 16 Abs. 1 S.2 KrW-/AbfG: Die PflichtensteIlung des Erzeugers bleibt durch die Beauftragung Dritter mit der Entsorgung unberührt. 576 Dazu noch ausftihrlicher unten 2. Teil BIll. m So auch das LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.5. 578 Für diesen Zeitpunkt etwa Krieger, NuR 1995, 346. 579 Grundsätzlich ebenso: Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 4 Rn. 99; LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.5. 580 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 4 Rn. 105; Frenz, KrW-1 AbfG, § 4 Rn. 20; v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG § 4 Rn. 21; Weidemann, in: BrandtlRuchaylWeidemann, KrW-/AbfG, B 100 § 4 Rn. 156. 581 Frenz, KrW-/AbfG, § 4 Rn. 26. 582 Der in § 4 Abs.3 S. 1 KrW-/AbfG verwendete Begriff des "sekundären Rohstoffs" hat ftir die Frage der Beendigung der Abfalleigenschaft nur einen beschränkten 573 574

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

der Substitution von primären Rohstoffen sowie der Nutzung der stofflichen Eigenschaften der Abfälle zu deren ursprünglichen oder einem anderen Zweck. Die Verwertung muß nach § 5 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG ordnungsgemäß und schadlos sein. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz übernimmt damit die bisher schon in § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG formulierten Anforderungen fiir die Zulässigkeit einer bestimmten Verwertungsart. 583 Diese ist nach § 5 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG ordnungsgemäß, wenn die Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sowie aller anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Zu diesen Vorschriften gehören nicht nur die Vorgaben für das Verwertungsverfahren, sondern auch gesetzlich festgelegte Anforderungen an das Verwertungsprodukt, etwa chemikaliemechtliche Be. S84 stunmungen. "Schadlos" ist eine Verwertung nach § 5 Abs. 3 S. 3 KrW-/AbfG, wenn Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit nicht zu erwarten sind. S8S Die Auslegung des Merkmals "schadlos" in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. war uneinheitlich. s86 Die Formulierung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes folft denjenigen Stimmen, die schon bisher unter Schadlosigkeit die Umwelt_ 58 bzw. GemeinwohiverträglichkeitS88 der Verwertungsart und des Verwertungsproduktes verstanden haben. S89 Als in Betracht kommende Gemeinwohlbeeinträchtigung nennt § 5 Abs.3 S.3 KrW-/AbfG ausdrücklich die "Schadstoffameicherung im Wertstoffkreislauf". Dies soll verhindern, daß über Verwertungsprodukte Schadstoffe in den Wirtschaftskreislauf ausgeschleust Erkenntniswert. Selbst wenn man als richtig unterstellen würde, daß das KrW-/AbfG auf sekundäre Rohstoffe keine Anwendung findet (so etwa Weidemann, Abfall oder Rohstoff?, S. 39), ist damit noch nichts zu dem Problem gesagt, wann Stoffen, die aus Abfällen gewonnen werden, die Qualität eines sekundären Rohstoffes zuerkannt werden kann, sie also aus dem Regime des Abfallrechtes "in den Markt" entlassen werden können. 583 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/5672, S. 42. 584 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 141; Frenz, KrW-I AhfG, § 5 Rn. 21; v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG § 5 Rn. 13; ebenso bereits zu § 5 Abs. I Nr.3 BImSchG Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 72; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S.47; GK-BlmSchGI Roßnagel, § 5 Rn. 683. Vgl. auch die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/5672, S. 42. 585 Vgl. hierzu Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S.48 ff.; GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 685 f. 586 Dazu näher Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 148; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, 48 ff. 587 LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.3.3.; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 51. 588 Rehbinder, DVBI. 1989,500; Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 72. 589 So auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 148.

F. Ende der Abfalleigenschaft

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werden, die bei ihrer Verwendung oder späteren Verwertung oder Beseitigung zu Umweltbeeinträchtigungen fUhren können. 590 Zur Sicherung der gemeinwohlverträglichen Verwertung können nähere Anforderungen in einer Rechtsverordnung nach § 7 KrW-/AbfG festgelegt und so der Begriff der Schadlosigkeit konkretisiert werden. Die Anforderung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung und damit der Steuerungsanspruch des Abfallrechts bezieht sich somit auch auf das durch die Verwertung gewonnene Produkt, sei es ein aus dem Abfall gewonnener Sekundärrohstoff, sei es die wiedernutzbargemachte Sache als solche. Darüber hinaus wird zumindest im Grundsatz auch der Einsatz dieses Verwertungsprodukts der abfallrechtlichen Kontrolle unterworfen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG kann etwa die Einbindung von bestimmten Abfallen in Erzeugnisse nach Art, Beschaffenheit und Inhaltsstoffen der Abfalle beschränkt werden. § 7 Abs. 1 Nr.4 KrW-/AbfG ermöglicht, daß Inverkehrbringen von bestimmten Abfallen einzuschränken. Für bestimmte Abfalle, die im Bergbau Verwendung fmden sollen, können nach § 7 Abs. 2 stomiche Anforderungen rur den Einsatz festgelegt werden. Speziell fiir die energetische Verwertung enthält § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG Vorgaben fiir den Nutzungsprozeß. Wenn aber solche Anforderungen an das Inverkehrbringen, die Nutzung bei der Herstellung von Erzeugnissen oder dem sonstigen Einsatz möglich sind, so wird damit zugleich vom Gesetz vorausgesetzt, daß es sich hierbei noch um Tätigkeiten handelt, die der Verwertung zuzurechnen sind und der Regelung durch das Abfallrecht unterliegen. Der Begriff Verwertung ist daher weit gezogen und erfaßt nicht allein die Nutzbarmachung des Abfalls als Einsatzstoff fiir die Herstellung eines Erzeugnisses, als Brennstoff oder als Versatzmaterial im Bergbau, sondern, wie dies schon die Formulierung des § 4 Abs. 3 S. 1 KrW-/ AbfG nahelegt, in gewissem Umfang auch die Nutzung selbst. 591 Für die energetische Nutzung von Abfallen ergibt sich hieraus, daß die Verwertung und damit die Abfalleigenschaft erst mit dem Einsatz als Brennstoff endet, also der vollständige Nutzungsvorgang noch dem Abfallrecht unterliegt. 592 Im Fall der stomichen Verwertung kann die Abfalleigenschaft im Grundsatz fortbestehen, bis der Abfall als Einsatzstoff bei der Herstellung eines

590 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 12/5672, S. 42; Petersen, Abfallpolitisches Konzept, S. 65; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 152; vgl. ferner hierzu LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.3.3; Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 71; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S.51. 591 Ebenso LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.5; a. A. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 4 Rn. 99: Die Abfalleigenschaft endet, sobald die Nutzbarkeit wiederhergestellt ist. 592 LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.5.

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Produkts genutzt oder sonst eingesetzt wird. S93 Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut und der Systematik der Regelungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. Auch Sinn und Zweck der Anforderungen des § 5 Abs.3 S. 1 KrW -/AbfG sprechen für ein solches Verständnis: Denn die geforderte Beurteilung, ob die Nutzung der Abfälle ordnungsgemäß und schadlos erfolgt, läßt sich in vielen Fällen nur im Hinblick auf die konkrete Art und Weise des Einsatzes vornehmen. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß eine solche Ausdehnung des abfallrechtlichen Regimes für die Unternehmen, die Abfälle verwerten, faktisch erhebliche Nachteile mit sich bringen kann. So kann die gesetzliche Etikettierung als ,,Abfall" die Vermarktung erschweren und zu einer gewissen Stigmatisierung der Verwertungsprodukte führen. 594 Auch knüpfen an die Abfalleigenschaft verschiedene Pflichten an wie etwa die Verbleibskontrolle nach den §§ 42 ff. KrW-/AbfG oder die Notwendigkeit, nur nach § 50 Abs.2 Nr.l KrW-/AbfG i. V. m. § 1 TgV zugelassene Transportunternehmen bzw. Entsorgungsfachbetriebe mit der Beförderung zu betrauen. Fraglich ist daher, ob die Erstreckung der abfallrechtlichen Kontrolle in jedem Fall bis zum tatsächlichen Einsatz des Verwertungsprodukts gerechtfertigt ist. Nicht immer bedarf es zur Beantwortung der Frage, ob durch eine Verwertung eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist, der Kenntnis der Verwendung im Einzelfall. Bei einer Reihe von Abfällen aus der industriellen Produktion haben sich typische Nutzungsmöglichkeiten entwickelt, beispielsweise der Einsatz von REA-Gips in der Baustoffmdustrie oder von Hochofenschlacken, die als Hüttensand in der Zementherstellung, als Zuschlagstoff für Beton oder in der Herstellung von Düngemitteln Verwendung fmden, oder als Stückschlacke im Straßenbau eingesetzt werden. Die Verwertungsprodukte werden zum Teil als Substitut für Primärrohstoffe verwendet. Teilweise ergeben sich aber auch Nutzungsmöglichkeiten, für die Primärstoffe nicht zur Verfügung stehen. 595 Im Hinblick auf diese typischen Verwendungsmöglichkeiten sind vielfach Produktnormen formuliert worden, mit deren Hilfe die Eignung der Verwertungsprodukte für bestimmte Verwendungen sichergestellt werden soll. Teilweise erfüllen die durch die Abfallverwertung gewonnenen Stoffe oder Gegenstände aber auch die allgemeinen Produktnormen, d. h. solche Normen, die nicht lediglich für Stoffe gelten, die aus Abfällen gewonnen werden.

So auch LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.5. A. A. wohl Wolfers, NVwZ 1997,228. So die im Gesetzgebungsverfahren mehrfach geäußerte Befürchtung, vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 12/5672, S. 120 sowie den Bericht des UmweItausschusses, BT-Drs. 12/7284, 12; dazu ferner Penkuhn u. a., Müll und Abfall 1996,308 (Abfallbegriffist hinderlich). Vgl. hierzu auch Kunig, NVwZ 1997,211 f. 595 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 4 Rn. 98. 593

594

F. Ende der Abfalleigenschaft

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Ist durch die entsprechenden Produktnormen gewährleistet, daß durch den Einsatz der Verwertungsprodukte keine Umwelt- oder sonstigen Beeinträchtigungen entstehen können, die über das auch durch Primärrohstoffe oder Primärprodukte verursachte Ausmaß hinausgehen, S96 und wird die Einhaltung dieser Normen durch den Hersteller werksseitig kontrolliert, so kann in der Regel allgemein, d. h. unabhängig vom Einsatz im Einzelfall, aufgrund der Einhaltung dieser standardisierten Qualitätsanforderungen davon ausgegangen werden, daß es nicht zu Beeinträchtigungen des Gemeinwohls kommt. S97 Als weitere Voraussetzung wird man allerdings verlangen müssen, daß das Verwertungsprodukt einen positiven Marktwert hat bzw. ein Abnahmevertrag mit einem zahlungsbereiten Dritten besteht. s98 Anderenfalls bestünde weiter die abfallspezifische Gefahr, daß die Sache nicht genutzt, sondern beseitigt wird. S99 Sind aber diese Voraussetzungen gegeben, gebietet es die Zielsetzung des § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG nicht mehr, die abfallrechtliche Kontrolle im Einzelfall auf die konkrete Nutzung auszudehnen. Aufgrund des Marktwertes und der Erfüllung der Qualitätsnormen ist sichergestellt, daß die bestimmungsgemäße Verwendung gemeinwohlverträglich ist. Zudem ist aufgrund der Marktnachfrage davon auszugehen, daß die Verwertungsprodukte auch tatsächlich eingesetzt werden und so dem Ziel der Ressourcenschonung Rechnung getragen wird. Daher kann die Sache bzw. die aus ihr gewonnenen Stoffe wieder aus dem Abfallregime entlassen werden. Wendet man diese Kriterien an, so handelt es sich beispielsweise bei aufbereitetem marktfähigen REA-Gips nicht mehr um Abfall. 6OO Einer solchen Auslegung steht nicht entgegen, daß nach § 7 KrW-/AbfG die abfallrechtliche Steuerung der Abfallnutzung bis auf den Einsatz oder die Einbindung in Erzeugnisse ausgedehnt werden kann. Denn dies darf nur geschehen, soweit es zur Erfüllung der Pflichten aus § 5 KrW-/AbfG, insbesondere zur Sicherung der schadlosen Verwertung erforderlich ist. Besteht diese Notwendigkeit nicht, ist auch eine derart weitreichende Kontrolle nicht gerechtfertigt. Ob auch die Nutzung noch der Kontrolle bedarf, kann der Verordnungsgeber durch Erlaß einer entsprechenden Rechtsverordnung entscheiden. Im übrigen ist im Einzelfall anband der genannten Kriterien zu klären, was zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung erforderlich ist.

Vgl. LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.5. Ähnlich Beckmann/Kersting, in: LandmannIRohmer, KrW-/AbfG § 3 Rn. 50. 598 Auf den Marktwert stellt auch Krieger, NuR 1995, 346, ab. 599 LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.5. 600 LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.5. 596 597

\0 Locher

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

G. Der Abfallbegriff im Bundes-Immissionsschutzgesetz Zugleich mit dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ist durch Art. 2 des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen der Begriff "Reststoffe" in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG sowie in § 5 Abs. 3 Nr. 2 und § 54 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch den Begriff "Abfälle" ersetzt worden. Schon bisher knüpfte überdies § 22 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG an den Abfallbegriff an. Die im bisherigen Gang der Untersuchung vorausgesetzte Identität des Abfallbegriffs des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist nun näher zu begründen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz enthält keine eigene Defmtion des Begriffs "Abfall". Es liegt daher nahe, die Begriffsbestimmung in § 3 KrW-/AbfG auch im Immissionsschutzrecht zur Anwendung gelangen zu lassen. Hierfür spricht nicht allein der Gesichtspunkt der legislatorischen Kohärenz, also die Vermutung, daß der Gesetzgeber des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen den Abfallbegriff in allen Teilen des Gesetzs mit übereinstimmenden Bedeutungsinhalten verwendet haben wird. 601 Vielmehr belegen die Gesetzesmaterialien, daß eine Anpassung der imrnissionsschutzrechtlichen Vorschriften an die Terminologie des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, also eine einheitliche Begrifflichkeit, gesetzgeberisches Ziel war. 602 Schon der Referenten-Entwurf vom 6. Juli 1992 ersetzte den ReststoffBegriff in §§ 5 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 2 BImSchG durch den Begriff "Rückstände", um die imrnissionsschutzrechtlichen Pflichten an die Konzeption des neuen Abfallrechts anzupassen. 603 Zugleich bezog § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Entwurfes Reststoffe aus imrnissionsschutzrechtlichen Anlagen ausdrücklich in den neuen Rückstandsbegriff ein. Im Vermittlungsausschuß wurde der Begriff "Rückstand" dann sowohl im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz als auch im Bundes-Immissionsschutzgesetz durch den Begriff ,,Abfall" ersetzt. In systematischer Hinsicht belegen vor allem §§ 5 Abs. 1 und 9 KrW-/AbfG die Einheitlichkeit der Terminologie. Nach § 5 Abs. 1 KrW-/AbfG richtet sich die Pflicht zur Vermeidung von Abfällen i. S. des § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG u. a. nach § 9 KrW-/AbfG. Diese Vorschrift verweist ihrerseits weiter auf die imrnissionsschutzrechtlichen Bestimmungen über die Vermeidung von Abfällen. Zugleich dient § 9 KrW-/AbfG der Verzahnung zwischen den an den Abfallbegriff an-

So Rebentisch, NVwZ 1995, S. 640; vgl. ferner Kunig, NVwZ 1997,214. Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/5672, S. 53; Begründung zum Entwurf des Umweltausschusses, BT-Drs. 12/7284, S. 28; dazu auch Jörgensen, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 195. 603 Zur Sache 6/94, S. 176. 601

602

G. Der Abfallbegriffim Bundes-Immissionsschutzgesetz

147

knüpfenden Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz.604 Fraglich könnte allerdings sein, ob der Begriff ,,Abfälle" auch in § 22 Abs. 1 BImSchG im gleichen Sinn wie in § 3 KrW-/AbtU Verwendung fmdet. Bedenken hiergegen ergeben sich aus folgendem: Sowohl der Regierungsentwurf vom 15. September 1993 als auch die Beschlußempfehlung des Umweltausschusses benutzten anstelle des Begriffs Abfall den Oberbegriff "Rückstände". Dementsprechend wurde der Begriff "Reststofr' in den immissionsschutzrechtlichen Vorschriften durch das Wort "Rückstand" ersetzt. Allein in § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BlmSchG wurde der Begriff ,,Abfall" unverändert beibehalten, obwohl die gleichzeitig als Satz 2 der Vorschrift eingefiigte Verordnungsermächtigung ebenfalls den Rückstandsbegriff verwandte. 6OS Der Grund hierfiir dürfte aber nicht darin zu sehen sein, daß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG nicht an die abfallrechtliche Begriffiichkeit angepaßt werden sollte. Unter Abfällen waren nach der Terminologie des Regierungsentwurfes bzw. der Beschlußempfehlung des Umweltausschusses "nicht verwertbare Rückstände" zu verstehen, oder nach dem Sprachgebrauch des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes: Abfälle zur Beseitigung. Nun scheint § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BImSchG a. F. dem Wortlaut nach606 den Betreiber einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage lediglich zur Ermöglichung der Abfallbeseitigung, nicht jedoch zur (Reststoff-) Verwertung zu verpflichten. Dies hat möglicherweise im Gesetzgebungsverfahren zu der Annahme gefiihrt, die Pflicht aus § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BlmSchG könne sich von vorneherein nur auf nicht zu verwertende Rückstände und damit auf Abfälle beziehen. Eine Anpassung schien daher möglicherweise überflüssig. Dagegen läßt sich hieraus wohl nicht folgern, daß der Abfallbegriff nach § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbtU nicht auch fiir § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG gelten würde. 607 Im Ergebnis übernimmt das Bundes-Imrnissionsschutzgesetz damit in allen einschlägigen Vorschriften den in § 3 KrW-/AbtU definierten Abfallbegriff. 608

604 Dazu näher unten 2. Teil unter D.; vgl. hier nur die Begründung des Umweltausschusses, BT-Drs. 12/7284, S. 15. 60S Vgl. BT-Drs. 12/5672, S. 27; 12/7240, S. 26. Vgl. aber ferner auch den Referenten-Entwurf, der § 22 Abs. 1 S. I Nr. 3 BImSchG weitgehend neu formulieren wollte und dabei auch den Begriff "Abfälle" durch das Wort "Rückstände" ersetzte. 606 Der Begriff der Beseitigung in § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG entsprach jedoch inhaltlich dem der Entsorgung in § 1 Abs. 2 AbfG, dazu ausführlich unten 2. Teil C 11 1. 607 Für eine Anwendung auch Hansmann, in: LandmannIRohmer, BImSchG § 22 Rn. 27; Jarass, BImSchG, § 22 Rn. 38. 608 Seibert, UPR 1994, S.420; Petersen, Abfallpolitisches Konzept, S.67; Rebentisch, NVwZ 1995, 640; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 63a; LAI, Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs.l Nr.3 BImSchG n. F., Ziff. 2.1; Paetow, in: KuniglPaetowNersteyl, § 9 Rn. 2.

148

I. Teil: Der erweiterte Abfal\begriff

Der Reststoffbegriff nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 3, 5 Abs. 3 Nr.2 BImSchG a. F. erfaßte feste, flüssige und gasförmige Stoffe.609 Hierzu zählten nach ganz überwiegender Ansicht auch Produktionsrückstände, die zugleich die Abwasserdefinition610 erfüllten. 611 Auch die in § 1 Abs.3 AbfG bzw. nunmehr § 2 Abs. 2 KrW-/AbfG im übrigen vom Anwendungsbereich des Abfallrechts ausgenommenen Stoffe und Gegenstände zählten zu den Reststoffen,612 soweit diese nicht auch vom Anwendungsbereich des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ausgenommen waren.6\3 Nicht unter die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. fielen die an die Luft abgegebenen Emissionen. Teilweise wurde bereits der Reststoffbegriff als nicht erfüllt angesehen,614 im übrigen wurden § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG als verdrängende Spezialregelungen betrachtet. 615 Umstritten, von der ganz überwiegenden Auffassung aber bejaht, war die Frage, ob nur bewegliche Gegenstände den Reststoffbegriff erfüllen konnten. 616 Hinsichtlich der erfaßten Stoffe ist durch die Anpassung der Terminologie keine Änderung eingetreten. Soweit § 2 Abs. 2 KrW-/AbfG bestimmte Stoffe vom Anwendungsbereich des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ausnimmt, gilt dies nur für das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz selbst ("dieses Gesetzes"), nicht aber für das Bundes-Immissionsschutzgesetz. Insbesondere kommt es durch die Verwendung des Abfall- anstelle des Reststoffbegriffs auch nicht zu einem Ausschluß von wasserhaitigen flüssigen Abfällen aus dem Anwendungsbereich der immissionsschutzrechtlichen Vorschriften. 617 Dem Abfallbegriff unterfallen auch solche flüssigen Stoffe, die zugleich Abwässer im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes sind. 618 Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß §§ 5 Abs. 1 Nr. 3,5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG eine Beseitigung

609

Jarass, BImSchG, 3.Aufl., § 5 Rn. 63.

610

Dazu oben unter C III l.

Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 66; GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 646; Hansmann, NVwZ 1990, S. 410; Meidrodt, Reststoffverrneidungs- und Verwertungsgebot, S. 25 f. 612 Jarass, BImSchG, 3.Aufl., § 5 Rn. 64; GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 646. 613 Vgl. § 2 Abs. 2 BImSchG: Die schadlose Verwertung oder geordnete Beseitigung radioaktiver Reststoffe oder Anlagenteile richtet sich nach § 9a Abs. I Atomgesetz. 611

614

So LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.2.l.

Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 63; GK-BlmSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 646; Rehbinder, DVBI. 1989, S. 497; Dierkes, Grundpflichten, S. 125. 616 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 64; a. A. Fluck, NuR 1989, S. 410; ihm folgend GKBImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 650; dagegen zu Recht aber Dierkes, Grundpflichten, S. 139 ff.; anders nunmehr ausdrücklich auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 88. 617 So die Befürchtung von Fluck, Diskussionsbeitrag, in: Klett, 4. Kölner Abfal\tage, S.92 f.; vgl. aber auch ders., in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfal\recht, § 2 615

Rn. 158 ff. 618 Dazu oben unter C III I.

G. Der Abfallbegriffirn Bundes-Immissionsschutzgesetz

149

der Abfalle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit fordern. Schon für § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. ist angenommen worden, daß die dort geforderte Beseitigung "als Abfall" nicht nur eine Beseitigung nach den Vorschriften des Bundes-Abfallgesetzes meinte, sondern eine Beseitigung nach Maßgabe der für die betreffenden Stoffe jeweils anwendbaren Vorschriften, etwa des Abwasserrechts oder des Tierkörperbeseitigungsrechts,619 obwohl der Wortlaut der Vorschrift zunächst für das gegenteilige Ergebnis zu sprechen scheint. Zur Begründung wurde überwiegend angeführt, der Abfallbegriff in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. sei weiter als der Abfallbegriff nach § 1 AbfG. 620 Überzeugender war die Begründung, über den Abfallbegriff werde zugleich auch auf die in § 1 Abs.3 AbfG genannten Sonderregelungen weiterverwiesen. 621 Immissionsschutzrecht und Abfallrecht verwenden nach diesem Verständnis denselben Abfallbegriff, unterschiedlich ist nur der Anwendungsbereich der beiden Regelungsmaterien. § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG n. F. verlangt nunmehr eine Beseitigung der Abfalle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit. Schon vom Wortlaut her ist damit eine Interpretation im Sinne einer "Beseitigung nach den Vorschriften des Abfallrechts" nicht mehr nahegelegt. Eine Beseitigung von Abfallen erfolgt nach Maßgabe der Beseitigungsvorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes oder, soweit die Ausnahmen nach § 2 Abs. 2 KrW-/AbfG greifen, nach den dort genannten oder jedenfalls vorausgesetzten Spezialvorschriften. Dies gilt insbesondere auch für die Beseitigung solcher Produktionsabfalle, die zugleich den Abwasserbegriff erfüllen. 622 Entsprechend der schon zu § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. vertretenen Ansicht erstrecken sich die Pflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG n. F. schließlich nicht auf den durch Produktionsrückstände kontaminierten Erdboden des Betriebsgrundstücks. Dies ist nunmehr schon dadurch eindeutig klargestellt, daß Abfall nur eine bewegliche Sache sein kann. 623 Der Abfallbegriff nach § 3 KrW -/AbfG fmdet in den immissionsschutzrechtlicher Bestimmungen ohne Einschränkung Anwendung. Damit sind zur Beantwortung der Frage, welche Stoffe Abfalle sind, auch die Konkretisierungen der Entledigungstatbestände nach § 3 Abs. 2 bis 4 KrW-/AbfG heranzuziehen und nicht nur § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW_/AbfG. 624 Abfalle sind folglich nicht nur solche Sachen, die beim Betrieb der Anlage anfallen, ohne daß der Zweck des Anlagenbetriebs hierauf gerichtet ist - so die gängige Defmition des Begriffs

GK-BlmSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 693; Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 79 GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 693; Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 61 und 79. 621 Breuer, Abgrenzung, S. 34 f.; Henseler, Abwasserbeseitigung, S. 69 f.; Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 25. 622 Dazu oben unter C 3 a). 623 Dazu Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 88. 624 I. E. ebenso Weidemann, Abfall oder Rohstoff?, S. 15 Fn. 31. 619

620

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I. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

"Reststoff', die sich in § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG wiederfmdet -, sondern auch solche Sachen, deren ursprünglicher Verwendungszweck entfällt, ohne daß ein neuer unmittelbar an seine Stelle tritt (§ 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/ AbfG). Daher läßt sich der Anwendungsbereich der Pflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlrnSchG, § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG und § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG, jedenfalls nach der geltenden Rechtslage,62S nicht mehr allein auf solche Stoffe beschränken, die unmittelbar aus dem Produktionsprozeß stammen. 626 Demgegenüber vertritt der LAI in seinem Entwurf einer Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG n. F. die Ansicht, § 5 Abs. 1 Nr.3 BlmSchG beziehe sich im Ergebnis nur auf Abfälle im Sinne von § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG, da Abfälle nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG typischerweise nicht im Errichtungs- und Herstellungsprozeß anfallen würden. 627 Nicht deutlich wird, wie der LAI die Trennlinie zwischen den beiden Alternativen des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG ziehen will. Übersehen wird jedenfalls, daß Produktabfälle sehr wohl auch im Rahmen der Produktion anfallen und daher zumindest vom Wortlaut auch § 3 Abs.3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG zur Anwendung gelangen kann. 628 Nach der hier vertretenen Auffassung 629 ist die zweite Alternative des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG von erheblicher Bedeutung. Bereits vorhandene Produkte, beispielsweise Hilfsstoffe, werden nur dann zu Abfall, wenn sie nach ihrem Einsatz in der Produktion nicht unmittelbar für einen neuen Verwendungszweck vorgesehen werden. Die hier vertretene Sichtweise bedeutet nicht, daß künftig im Rahmen des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG Anforderungen an das Produkt der Anlage zu stellen sind. 630 Die hergestellten Produkte sind bei ihrem Entstehen keine Abfälle, so daß die Vermeidungspflicht nicht eingreift. Zudem ist § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG auf Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb der Anlage beschränkt631 und betrifft nicht unternehmerische Entscheidungen des Betreibers über den Absatz seiner Produkte.

625 Vgl. zur früheren Rechtslage: Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 164; Dierkes, Grundpflichten, S. 132 ff.; Stockmann, Nachsorgepflicht,

S.79. 626 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 62; teilweise a. A. LAI, Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG n. F., Ziff. 2.1. 627 LAI, Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG n. F., Ziff. 2.1. 628 Dazu oben unter E 11 4. 629 Oben E 11 4. 630 So das Argument des LAI, Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG n. F., Ziff. 2.1. 631 Insoweit ist dem LAI, Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG n. F., Ziff. 2.1, zuzustimmen.

H. Zusammenfassung und Würdigung

151

H. Zusammenfassung und Würdigung Die Neufassung des Abfallbegriffs führt zu einer erheblichen Ausdehnung des Anwendungsbereichs der abfallrechtlichen Vorschriften. Auch die Verwertung von unbezweckt angefallenen oder zwecklos gewordenen Sachen unterliegt nun grundsätzlich der Steuerung durch das Abfallrecht. Die dem zugrundeliegende Zielsetzung, nämlich den weiten EG-rechtlichen Abfallbegriff in innerstaatliches Recht zu übernehmen sowie die Grauzone "Wirtschaftsgut Wertstoffe - Reststoffe" zu beseitigen, ist grundsätzlich begrüßenswert. Die Begriffsbestimmung des § 3 KrW-/AbfG erweist sich jedoch als schwierig zu handhaben. Dies ist sicher nicht ausschließlich dem deutschen Gesetzgeber anzulasten. Bereits durch die Abfallrahmenrichtlinie vorgezeichnet sind die Unklarheiten hinsichtlich der Bedeutung des Anhangs I. ,,Hausgemacht" sind dagegen die Unklarheiten, die sich aus der Fassung, dem Zusammenspiel und der Abgrenzung der Entledigungstatbestände ergeben. So tritt zu den EGrechtlich vorgegebenen Tatbeständen der Entledigung, des Entledigungswillens und des Zwanges zur Entlediung im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz als vierter Tatbestand die unwiderlegliche Vennutung des Entledigungswillens nach § 3 Abs.3 KrW-/AbfG. Problematisch ist des weiteren die Konkretisierung des Entledigungsbegriffes in § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG. Die Bestimmung der Abfalleigenschaft anhand des vorgesehenen weiteren Umgangs mit der Sache leidet darunter, daß die Begriffe "Verwertung" und ,,Beseitigung" durch den Verweis auf die Anhänge 11 B und 11 A nur unzureichend konkretisiert werden. Insbesondere die problematische Abgrenzung zwischen der Nutzung von Produkten und der Verwertung von Abfällen läßt sich in vielen Fällen allein anhand des Anhanges 11 B nicht vornehmen. Zu Unklarheiten führt weiterhin, daß § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG zwar die Vermutung des Entledigungswillens regelt, dieser selbst aber keine ausdrückliche Erläuterung erfährt. Dies dürfte zur Konsequenz haben, daß in der Rechtsanwendungspraxis vielfach auf die Vennutung zurückgegriffen wird, ohne zuvor zu untersuchen, ob nicht bereits tatsächlich der Wille zur Vornahme einer Entledigung nach § 3 Abs.2 KrW-/AbfG vorliegt. Zu Überschneidungen kommt es ferner zwischen dem Vennutungstatbestand des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/ AbfG und dem objektiven Abfallbegriff nach § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG, da beide einen Wegfall der ursprünglichen Zweckbestimmung voraussetzen. Die Entledigungstatbestände sind von zentraler Bedeutung für die Begründung der Abfalleigenschaft. Unklarheiten in diesem Bereich wirken sich daher in besonderem Maße negativ auf den Vollzug aus. Dabei erscheinen zwei Gesichtspunkte von besonderem Gewicht: die Konkretisierung des Entsorgungsbegriffes in Abgrenzung zu solchen Nutzungen, die nicht dem Abfallrecht unterliegen, und die Vennutung des Entledigungswillens nach § 3 Abs. 3 KrW-/ AbfG. Letztere ist vor allem aus systematischen Gründen unbefriedigend. Zum

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

einen schafft sie einen zusätzlichen Entledigungstatbestand, der in dieser Fonn im EG-Recht nicht vorgezeichnet ist. Zum anderen aber ist es wenig überzeugend, daß die Vennutung in ihrem Anwendungsbereich allein auf den Entledigungswillen beschränkt ist und vom Gesetz nicht auch für die Beantwortung der Frage herangezogen wird, ob ein bestimmter Vorgang eine Entledigung i. S. des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG darstellt. Denn selbstverständlich wird auch die Vornahme einer Entledigung von einem entsprechenden Willen getragen. Der Wille zur Entledigung bezieht sich begriffsnotwendig auf die Vornahme einer EntIedigung. Wenn also in den Fällen des § 3 Abs.3 KrW-/AbfG vennutet wird, daß ein Entledigungswille besteht, dann muß konsequenter Weise unter denselben Voraussetzungen auch vennutet werden, daß ein Umgang mit der zwecklos angefallenen oder zwecklos gewordenen ein ZufUhren zu einer Entsorgung, also ein Entledigen i. S. des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG ist. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nutzt die Tatbestände des § 3 Abs.3 KrW-/AbfG hingegen allein, um die Vennutung des Entledigungswillens zu begründen. Eine nährere Betrachtung der Gesetzesgenese legt es jedoch nahe, daß dies ein eher zufalliges, jedenfalls aber nicht hinreichend durchdachtes Ergebnis des Bemühens ist, einen Kompromiß zwischen den Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie einerseits und den Vorstellungen des ursprünglichen Regierungsentwurfes andererseits zu fmden. 632 Die Begriffsbestimmungen des § 3 Abs. 1 des Regierungsentwurfes - die in der Sache mit den Tatbeständen des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 KrW-/AbfG übereinstimmen - sollten, so der Vorschlag der Bundesregierung, zur "Konkretisierung der Entledigung" herangezogen werden bei gleichzeitiger formaler Umsetzung des EG-Abfallbegriffes. 633 Offenbar erschien den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten dann der Entledigungswille das geeignetste Vehikel, die Begriffsbestimmungen des § 3 Abs. 1 des Regierungsentwurfes in das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zu übernehmen. Dies dürfte nicht zuletzt daran gelegen haben, daß die eigenständige Bedeutung dieser Tatbestandsalternative des Art. 1 lit. a) EGAbfRRL, die erst mit der Neufassung der Richtlinie im Jahre 1991 in den Abfallbegriff Eingang gefunden hat, zweifelhaft, jedenfalls aber noch weitgehend ungeklärt ist. 634 Aus den bereits dargelegten Gründen ist diese Lösung wenig befriedigend. Es schafft Verwirrung, wenn lediglich der Wille zur Entledigung, nicht aber die EntIedigung selbst auf diese Weise konkretisiert wird. Andererseits hat der Ansatz, der § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG zugrundeliegt, durchaus seine Berechtigung, nämlich die Abfalleigenschaft nicht vom beabsichtigten weiteren Umgang mit der Sache her zu bestimmen, sondern ausgehend von der Frage, ob sie zielgeDazu schon oben E 11 1. BT-Drs. 12/5672, S. 121. 634 Vgl. Dieckmann, ZUR 1995,173.

632 633

H. Zusammenfassung und Würdigung

153

richtet hergestellt worden ist oder noch einem Verwendungszweck dient. Wie die Untersuchung des Verwertungsbegriffes nach § 3 Abs. 2 i. V. m. Anhang 11 B KrW-/AbfG gezeigt hat, muß insbesondere zur Abgrenzung zwischen Abfallverwertung und Nutzung von Produkten gerade auf diesen Gesichtspunkt zurückgegriffen werden. 63s Sinnvoller wäre es daher, wenn das Gesetz die Vermutungstatbestände des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG bereits zur Ausfüllung des Entledigungsbegriffes nutzen würde. Eine den § 3 Abs.2 KrW-/AbfG ergänzende Regelung könnte etwa lauten: Es ist anzunehmen, daß der Besitzer einer beweglichen Sache diese einer Verwertung im Sinne des Anhangs 11 B oder einer Beseitigung im Sinne des Anhangs 11 A zufUhrt, wenn I. diese bei der Energieumwandlung, Herstellung, Behandlung oder Nutzung von Stoffen oder Erzeugnissen oder bei Dienstleistungen angefallen ist, ohne daß der Zweck der jeweiligen Handlung hierauf gerichtet war, oder 2. deren bisheriger Verwendungszweck entfallen oder aufgegeben worden ist, ohne daß eine neue Zweckbestimmung unmittelbar an dessen Stelle getreten ist. Satz 2 der Regelung könnte dann § 3 Abs. 3 S.2 KrW-/AbfG entsprechen. Eine eigenständige Vermutungsregelung hinsichtlich des Entledigungswillens würde sich erübrigen. Bei der Beurteilung, ob der beabsichtigte zukünftige Umgang mit einer Sache als Entledigung, d. h. als Zuführen zu einer Entsorgung bewertet werden muß, kann ohne weiteres auf die soeben vorgeschlagene Regelung zurückgegriffen werden. Den gegen eine unwiderlegliche Vermutung bestehenden Bedenken636 könnte ferner dadurch Rechnung getragen, daß die Bestimmung als widerlegliche Vermutung ausgestaltet und damit lediglich dem Besitzer die Darlegungslast aufgebürdet wird, daß der beabsichtigte Umgang keine Entledigung im Sinne des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG ist. Die mit der Einführung einer Vermutung beabsichtigte Erleichterung des Vollzuges dürfte auch auf diese Art und Weise noch zu erreichen sein. Allerdings wäre in einem solchen Fall der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG entsprechend abzuändern und auf solche beweglichen Sachen zu erstrecken, die angefallen sind, ohne daß der Zweck der zu ihrem Anfall führenden Handlung darauf gerichtet war. 637 Durch eine solche Ergänzung des Entledigungstatbestandes würde zudem der Schwierigkeit Rechnung getragen, die Entsorgung, insbesondere die Verwertung, von Nutzungen abzugrenzen, die nicht dem Abfallrecht unterliegen. Von einer Entsorgung wäre prima facies auszugehen, wenn die Sache zwecklos geworden oder nicht zielgerichtet hergestellt worden ist. Dabei ist es für die

Vgl. oben E I I b) dd) (5). Dazu oben E 11 1. 637 Vgl. oben E III 1. 635 636

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1. Teil: Der erweiterte Abfallbegriff

Annahme einer Entledigung und damit der Abfalleigenschaft zunächst ohne Bedeutung, ob die Entsorgung durch Verwertung oder Beseitigung erfolgen soll. Die Abgrenzung von Verwertung und Beseitigung würde sich weiterhin nach § 4 Abs. 2 und 3 KrW-IAbfG richten. Wünschenswert wäre es schließlich, wenn bei der Anwendung des objektiven Abfallbegriffs die veränderte Zuständigkeit fiir die Entsorgung von Abfällen hinreichend Berücksichtigung fände. Die Qualifizierung von Abfall zieht nicht mehr grundsätzlich die Pflicht zur Überlassung an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nach sich. Insbesondere im Falle der Verwertung verbleibt dem Besitzer daher die Möglichkeit zur Nutzung der Sache. Die Nutzung wird nur einer - je nach abstraktem Gefährdungspotential der Stoffe oder Gegenstände - mehr oder weniger strikten Kontrolle und bestimmten materiellen Begrenzungen unterworfen. Daher muß die Frage nach der Notwendigkeit einer Entsorgung als Abfall vor allem unter dem Gesichtspunkt gestellt werden, ob es erforderlich erscheint, die Verwertung der betroffenen Sache einer behördlichen Kontrolle zu unterwerfen. Da eine solche Kontrolle dem Eigentümer die Nutzungsmöglichkeit beläßt, sollten keine zu hohen Anforderungen an das Gebotensein der Entsorgung als Abfall gestellt werden.

Zweiter Teil

Die Verzahnung von Abfall- und Immissionsschutzrecht Rückstände aus der industriellen Produktion, welche nach den im vorangegangenen Teil herausgearbeiteten Voraussetzungen als Abfälle einzustufen sind, unterliegen grundsätzlich dem Regime des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind nur die in § 2 Abs.2 KrW-/AbfG genannten Stoffe, soweit fiir sie besondere Entsorgungsregelungen gelten. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG sind Abfälle in erster Linie zu vermeiden und nach § 4 Abs. 1 Nr.2 KrW-/AbfG in zweiter Linie zu verwerten. Abfälle die nicht verwertegt werden, sind nach § 10 Abs. 1 KrW-/AbfG dauerhaft von der Kreislaufwirtschaft auszuschließen und zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit zu beseitigen. Diesen vom Gesetz als Grundsätze der Kreislaufwirtschaft bzw. der gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung bezeichneten Regelungen korrespondieren Grundpflichten der Erzeuger und Betreiber von Abfällen. § 5 KrW-/AbfG regelt als Grundpflichten der Kreislaufwirtschaft die Vermeidung und Verwertung von Abfällen, § 11 KrW-/AbfG die Grundpflicht der Abfallbeseitigung. Soweit Abfälle in immissionsschutzrechtlichen Anlagen im Sinne des § 3 Abs.5 BImSchG anfallen bzw. anfallen würden, kommen zugleich auch die immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr.3, Abs.3 Nr. 2 bzw. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG zum Tragen. Der Pflichteninhalt der einzelnen Grundpflichten fällt unterschiedlich aus: § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG hat Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen zum Gegenstand, § 5 Abs.3 Nr. 2 BImSchG dagegen nur Verwertung und Beseitigung. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG schließlich verlangt nach dem Wortlaut der Vorschrift lediglich, daß Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können. § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG sieht darüber hinaus für bestimmte Fälle eine Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG auch bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen vor. Die immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten haben eine doppelte Funktion: Sie sind zum einen unmittelbar geltende Verhaltenspflichten des Anlagenbetreibers, der diese während des gesamten Betriebs der Anlage einzuhalten hat. I Zum anderen sind sie in der Regel Maßstabsnormen fiir die GenehmiI

Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 1 f.; § 22 Rn. 11.

2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Irnrnissionsschutzrecht

156

gungserteilung. Für die Pflichten aus § 5 BlmSchG folgt dies aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG, wonach die Genehmigung zu erteilen ist, wenn u. a. sichergestellt ist, daß die sich aus § 5 ergebenden Pflichten erfüllt werden. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BlmSchG erlangt dann Bedeutung als Genehmigungsmaßstab, wenn die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsfreie Anlage nach anderen Gesetzen genehmigungspflichtig ist und bei Genehmigungserteilung auch die Immissionsschutzvorschriften zu prüfen sind. 2 Da Gegenstand der abfall- wie der immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten der Umgang mit Abfällen ist und beide Rechtsregime Anforderungen an die Vermeidung, Verwertung oder Beseitigung enthalten, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die Pflichten nach Immissionsschutzrecht und nach Abfallrecht zueinander stehen. Die Neuregelung des Abfallrechts durch das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen wirft diese Fragestellung nicht zum ersten Mal auf. Die Zuordnung von abfall- und immissionsschutzrechtlichen Pflichten hatte bereits unter der Geltung des Abfallgesetzes eine Reihe von Problemen bereitet (dazu unten A.I.). Zu den Zielsetzungen des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen gehört es, die nach der früheren Rechtslage bestehenden Probleme durch eine bessere Abstimmung der abfall- und immissionsschutzrechtlichen Regelungen zu lösen. 3 Die Vorstellungen darüber, auf welchem Wege eine Harmonisierung erreicht werden könne, erwiesen sich während des Gesetzgebungsverfahrens allerdings als recht unterschiedlich (unten A.II.). Die in § 9 KrW-/AbfG Gesetz gewordene Regelung wurde in ihrer endgültigen Fassung erst im Verrnittlungsausschuß gefunden. Ehe der Regelungsgehalt dieser Vorschrift bestimmt werden kann (unten D.), ist es zunächst erforderlich, den genauen Inhalt der abfallrechtlichen, vor allem aber der immissionsschutzrechtlichen Pflichten zu bestimmen (unten B. und C.).

A. Frühere Rechtslage und Ansätze für eine Neuregelung J. Rechtslage vor Jnkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes Bereits die am 1. April 1974 in Kraft getretene ursprüngliche Fassung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes legte den Betreibem mit § 5 Nr. 3 und § 22 BImSehG, § 22 Rn. 45. Vgl. die Stellungnahme der Bundesregierung zum Bundesrats-Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Abfallgesetzes und des Bundes-Irnrnissionsschutzgesetzes, BTDrs. 12/631, S. 14; ferner die Begründung zum Regierungs-Entwurf, BT-Drs. 12/5672, 2 Jarass,

3

S. 36,43.

A. Frühere Rechtslage und Ansätze für eine Neuregelung

157

Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG Pflichten hinsichtlich der bei der Produktion entstehenden Rückstände auf. § 5 Nr. 3 BImSchG i. d. F. von 1974 verlangte, genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß die beim Betrieb der Anlage entstehenden Reststoffe ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder, soweit dies technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, als Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden. Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen fordert die - seit ihrem Inkrafttreten 1974 im Wortlaut unverändert gebliebene - Grundpflicht nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG, daß die Anlage so zu errichten und betreiben ist, daß die beim Betrieb der Anlage entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können. Beide Bestimmungen gingen auf die Initiative des Bundesrates zurück. Dieser schlug in Ergänzung des Regierungs-Entwurfs vom 14. Februar 1973 4 als weitere Genehmigungsvoraussetzung eine Beseitigungspflicht vor. s Diesen Vorschlag griff die Bundesregierung auf und erweiterte ihn um eine vorrangige Verwertungspflicht für die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Reststoffe. 6 Auch für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen regte der Bundesrat die Aufnahme einer Entsorgungsvorschrift an. 7 Die Bundesregierung stimmte dem Ergänzungsvorschlag in einer abgeänderten Fassung zu, die vom Bundestag beschlossen wurde. 8 Grund für die Ergänzungsvorschläge war die Erkenntnis, "daß vielfach nicht die Errichtung und der Betrieb einer Anlage problematisch sind, sondern die Beseitigung der bei der Produktion anfallenden Rückstände". 9 Die Bundesregierung unterstrich zudem die Notwendigkeit, bereits das Entstehen von zu beseitigenden Abfallstoffen zu begrenzen. 10 Durch die zweite Novelle zum Bundes-Immissionsschutzgesetz von 1985 wurde das Reststoffverwertungsgebot um ein Reststoffvermeidungsgebot zur Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. ergänzt und gleichzeitig neu formuliert. 11 Danach waren Reststoffe grundsätzlich zu vermeiden. Als Ausnahme von der Vermeidungspflicht sah die Vorschrift eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung vor. Vermeidungs- wie Verwertungspflicht entfielen, wenn ihre Erfüllung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar war. Da zweifelhaft war, ob die Grundpflichten nach § 5 Abs. 1 BImSchG noch gelten, wenn der Betrieb eingestellt wird, wurden 1990 zudem die sog. NachsorgeBT-Drs. 7/179. BT-Drs. 7/179, S. 52. 6 BT-Drs. 7/179, S. 60; s. hierzu auch GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 49 ff. 7 BT-Drs. 7/179,54. 8 Feldhaus in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 22 Anm. 9. 9 BT-Drs. 7/179. S. 52. IO BT-Drs. 7/179, S. 60. 11 Zum Gesetzgebungsverfahren siehe GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 55 ff.; Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 18 ff. 4

5

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

pflichten als Absatz 3 eingefügt. 12 Nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG a. F. mußte der Betreiber sicherstellen, daß auch nach einer Betriebseinstellung vorhandene Reststoffe verwertet oder als Abfälle beseitigt werden. Das Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 regelte im wesentlichen nur die ordnungsgemäße Deponierung von Abfällen, enthielt aber keine Ansätze zur Vermeidung oder Verwertung von Rückständen. In das Bundes-Abfallgesetz fand eine generelle Pflicht zur Verwertung von Abfällen erst mit der 4. Abfallrechtsnovelle von 1986 Eingang. \3 Nach § 1 Abs.2 AbfG urnfaßte die Abfallentsorgung die Abfallverwertung sowie das Ablagern von Abfällen, wobei § 3 Abs. 2 S. 3 AbfG einen Vorrang der Verwertung vor der sonstigen Entsorgung festlegte, soweit erstere technisch möglich war, die entstehenden Mehrkosten im Vergleich zu anderen Verfahren der Entsorgung nicht unzumutbar waren und für die gewonnenen Stoffe oder Energie ein Markt bestand. Anders als das Bundes-Immissionsschutzgesetz in § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG enthielt das AbfG 1986 unmittelbar keine Regelung der Vermeidung von Abfällen. Vielmehr verwies § la Abs. 1 AbfG zum einen auf die nach § 14 AbfG zu erlassenden Rechtsverordnungen, zum anderen auf die Vermeidung von Abfallen durch den Einsatz reststoffarmer Verfahren und die Verwertung von Reststoffen nach den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Solange sich das Abfallrecht auf die Regelung der Beseitigung beschränkte, blieb das Verhältnis zwischen Abfallrecht und Immissionsschutzrecht vergleichsweise unproblematisch. Immerhin hatten sich die Verwaltungsgerichte verschiedentlich mit der Frage auseinanderzusetzen, inwieweit Produktionsrückstände, die grundsätzlich in den Anwendungsbereich des immissionsschutzrechtlichen Verwertungsgebotes fallen und objektiv noch einen Wert haben, den objektiven Abfallbegriff erfüllen können. 14 Unübersichtlicher wurde das Verhältnis der beiden Regelungsmaterien durch die Einführung einer abfallrechtlichen Verwertungspflicht durch das Abfallgesetz von 1986. 15 Im Vordergrund stand vor allem die Frage, ob die Verwertung von Reststoffen auch Abfallentsorgung im Sinne des § 1 Abs. 2 AbfG sei und damit den strengen abfallrechtlichen Vorgaben unterfalle. 16 Die Problematik des Verhältnisses zwischen § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG und den Vorschriften des AbfG zeigte sich insbesondere in solchen Fällen, in denen

Dazu Dierkes, Grundpflichten, S. 17 f. BGB\. I 14\0. 14 Vg\. insbesondere VGH Kassel, UPR 1986,439/441; ferner BayVGH, BayVB\. 1981, 597 ff.; OVG Berlin, NuR 1981, 102 ff. IS Dazu SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 94. 16 Dazu SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 95; Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 30; Salzwedel, NVwZ 1989,821. 12

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A. Frühere Rechtslage und Ansätze flir eine Neuregelung

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es zu beurteilen galt, ob ein bestimmter Reststoff ordnungsgemäß und schadlos verwertet wurde. Verwertete der Anlagenbetreiber oder der Dritte, dem er die Reststoffe zur Verwertung übergeben hatte, diese nicht, nicht ordnungsgemäß oder nicht schadlos - und letztlich sind es nur diese Fälle, die rechtlich interessant und praktisch relevant sind -, so lag im Einzelfall keine private Verwertung vor, die eine öffentliche Abfallentsorgung entbehrlich gemacht hätte. Damit waren die Voraussetzungen des objektiven Abfallbegriffs an sich erfüllt waren. In dieser Situation stellte sich nach der alten Rechtslage dann die Frage, ob gleichwohl allein die Immissionsschutzbehörde zu einem Vorgehen gegen den Anlagenbetreiber auf der Grundlage von §§ 17, 20 oder 21 BImSchG berechtigt sein sollte, oder ob zusätzlich auch die Abfallbehörden ihn als Abfallbesitzer in Anspruch nehmen durften. 17 Weiter war problematisch, ob auch der Dritte, dem die Reststoffe zur Verwertung übergeben worden waren, der sie aber nicht entsprechend den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG behandelte, sich gegenüber Anordnungen der Abfallbehörde darauf berufen konnte, es handele sich nicht um Abfälle - daher grundsätzlich keine ZUiriffsmöglichkeit der Abfallbehörde -, sondern um zu verwertende Reststoffe. I Eine zusätzliche Dimension gewann die Problematik noch durch die Möglichkeit einer unterschiedlichen Bewertung der Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit einer Verwertung durch Immissionsschutz- und Abfallbehörden. Nicht zuletzt diese Unsicherheiten veranlaßten den Sachverständigenrat für Umweltfragen, in seinem Sondergutachten ,,Abfallwirtschaft" die inhaltlichen Disharmonien, Überschneidungen und Kompetenzkonflikte zwischen Abfallrecht und Immissionsschutzrecht zu kritisieren. 19 Der Sachverständigenrat beanstandete insgesamt die Unübersichtlichkeit der Strukturen des materiellen Abfallrechts, die die Handhabbarkeit erschwere. 2o Die Gründe hierfür lägen insbesondere in der "Zweigleisigkeit" des materiellen Abfallrechts in bezug auf Reststoffe oder Abralle aus der Produktion genehmigungsbedürftiger Anlagen. Die anlagenbezogene Perspektive des Immissionsschutzrechts und die mengen- und stoffbezogene Konzeption des Abfallrechts stünden unverbunden nebeneinander. 21 Nur vereinzelt ist in Rechtsprechung und Literatur die Möglichkeit einer parallelen Anwendung von Abfall- und Immissionsschutzrecht bejaht worden. 22 Eine Reststoffverwertung sei der Sache nach nichts anderes als die Behandlung von Abfallen. Der Anlagenbetreiber selbst unterliege hinsichtlich der Verwertung einer präventiven Kontrolle in Gestalt des Genehmigungsverfahrens. Eine 17 18 19

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21 22

Vgl. dazu OVG Saarlouis, NVwZ 1990,493. Vgl. VGH Kassel, NJW 1987,393 f. SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 95. SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 94. SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 95. VGH Kassel, NJW 1987,394.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Irnrnissionsschutzrecht

Verwertung könne aber auch außerhalb der Anlage durch Dritte erfolgen. Da das Gefahrdungspotential in beiden Fällen gleich sei, müsse auch die Tätigkeit des Dritten einer gleichwertigen Ordnung und Kontrolle unterworfen sein, die durch eine Anwendung der abfallrechtlichen Vorschriften zu erreichen sei. 23 Die ganz überwiegende Ansicht löste dagegen das Spannungsverhältnis zugunsten des Immissionsschutzrechts auf und sah den Anwendungsbereich der immissionsschutzrechtlichen Pflichten dem abfallrechtlichen Regime vorgelagert. 24 Eine Verwertung nach den immissionsschutzrechtlichen Vorschriften schließe die Anwendung der Entsorgungsregelungen des Abfallgesetzes aus. 2S Das Immissionsschutzrecht entscheide darüber, ob ein Stoff zu verwerten sei oder beseitigt werden dürfe. Das Abfallrecht greife erst dann ein, wenn der Reststoff nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG zur Beseitigung als Abfall freigegeben werde. 26 Diese Auffassung berief sich darauf, bei der Novellierung des Abfallgesetzes habe der Gesetzgeber Doppelregelungen vermeiden wollen. 27 Durch die Einführung einer Verwertungspflicht ins Abfallgesetz habe kein Vorrang der öffentlichen vor der privaten Entsorgung begründet werden sollen?8 Vielmehr folge aus § la Abs. 1 S.2 AbfG, daß das Abfallgesetz eine Verwertung von Reststoffen als Abfallvermeidung betrachte. In diese Richtung wies auch § 2 Abs. 3 AbfG, wonach bestimmte, in der Reststoffbestimmungsverordnung abschließend aufgezählte Reststoffe im Einzelfall einer abfallrechtlichen Überwachung unterworfen werden konnten. Hieraus wurde wohl zu recht gefolgert, daß eine Verwertung solcher Reststoffe keine Abfallverwertung sei, da die Reglung sonst überflüssig gewesen wäre. 29 Nicht abschließend geklärt war auf der Grundlage der herrschenden Meinung, ob das Immissionsschutzrecht auch dann alleinige Geltung beanspruchen

23 VGH Kassel, NJW 1987,394; Jarass, Sonderabfallentsorgung, S. 13 f.; vgl. ferner Wendenburg, ZUR 1993, 224. 24 GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 821; Rebentisch, NVwZ 1995, 639; Breuer, Gutachten, B 55, jeweils mit weiteren Nachweisen. 25 BVerwG, UPR 1994,341; Franßen, in: FS Redeker, S. 462; Rebentisch, NVwZ 1995,639. 26 Breuer, Abgrenzung, S. 18 f.; ders.; Gutachten, B 55; SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 118; Rebentisch, NVwZ 1995,639. 27 BT-Drs. 10/2285, S. 14; OVG Saar1ouis, NVwZ 1990, 492 f.; Bothe, NVwZ 1987, 941; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 22 f. 28 SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 109; Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S.39; vgl. auch Paetow, Abfallvermeidung, S.III; Klages, Vermeidungs- und Verwertungsgebote, S 66. 29 OVG Saarlouis, NVwZ 1990, 493; Rehbinder, DVBI. 1989, 503; Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 39 f. SRU, Sondergutachten ,.Abfallwirtschaft", Tz. 122; Struß, Abfallwirtschaftsrecht, S.40; Klages, Vermeidungs- und Verwertungsgebote, S 66.

A. Frühere Rechtslage und Ansätze für eine Neuregelung

161

konnte, wenn Reststoffe nach Verlassen der Anlage entgegen den immissionsschutzrechtlichen Pflichten nicht verwertet wurden. Für diese Fälle ist teilweise eine ergänzende Anwendung des Abfallrechts bejaht worden. 30 Das Imrnissionsschutzrecht stelle nicht die notwendigen Rechtsgrundlagen zur Verrugung, um die Gefahren zu bekämpfen, die von dem irgendwo lagernden Reststoff fiir seine Umgebung ausgehen würden. 31 Eine andere Auffassung sah auch in diesen Fällen das immissionsschutzrechtliche Instrumentarium, insbesondere die Ermächtigung zum Erlaß von nachträglichen Anordnungen nach § 17 BImSchG, als ausreichende Regelung an. 32

II. Ansätze für eine Neubestimmung des Verhältnisses Durch das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen hat sich das Verhältnis zwischen Imrnissionsschutzrecht und Abfallrecht bereits dadurch verändert, daß der gesonderte Reststoffbegriff aufgegeben worden ist und die Rückstände aus dem Betrieb genehmigungsbedürftiger Anlagen nunmehr dem erweiterten Abfallbegriff des § 3 KrW-/Abtu unterfallen. 33 Beziehen sich abfallrechtliche und immissionsschutzrechtliche Vermeidungsund Verwertungsgebote nun auch begrifflich auf den gleichen Gegenstand, so ergibt sich hieraus um so dringender die Notwendigkeit einer eindeutigen Bestimmung des Verhältnisses zwischen den einzelnen Anforderungen, sollen Doppelregelungen und Kompetenzkonflikte vermieden werden. Die (Neu-)Bestimmung dieses Verhältnisses war während des Gesetzgebungsverfahrens Gegenstand heftiger Kontroversen, insbesondere unter den beteiligten Fachjuristen. 34 Auch die einzelnen Gesetzesentwürfe enthielten zu dieser Frage recht unterschiedliche Regelungsansätze.

OVG Koblenz, UPR 1994,451; vgl. auch Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 65. OVG Koblenz, UPR 1994,451. Zur Reichweite der immissionsschutzrechtIichen Überwachung noch ausführlicher unten unter eIl b) aal (3). 32 VGH Mannheim, UPR 1985, 183; OVG Saarlouis, NVwZ 1990,493 unter Berufung auf Kutscheidt, NVwZ 1986, 624. 33 Dazu oben 1. Teil, G. 34 Von einer "Schlacht zwischen Immissionsschutzrecht und Abfallrecht" sprach der Abgeordnete Kampeter während der zweiten Anhörung zum KrW-IAbfG, Protokoll der 59. Sitzung des Umweltausschusses, abgedruckt in: Zur Sache 6/94, S. 633; vgl. auch Kunig, NVwZ 1997,209; Rebentisch, NVwZ 1997,418. Allgemein zum Verhältnis von Abfall- und Immissionsschutzjuristen und der jeweiligen Fachverwaltungen auch Schenkel/Reiche, ZAU 1993, 185. 30 31

11 Locher

162

2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht J. Empfehlungen des Sachverständigenrates

Als einen Eckwert der Novellierung des Abfallrechts hatte die Bundesregierung bereits in ihrer Stellungnahme zu einer Gesetzesinitiative des Bundesrates zur Änderung des Abfallgesetzes und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes die Harmonisierung von Abfall- und Immissionsschutz-I Reststoffrecht im Sinne des Sondergutachtens Abfallwirtschaft des Sachverständigenrates genannt. 35 Der Sachverständigenrat hatte empfohlen, das anlagenbezogene Abfallrecht grundsätzlich dem Immissionsschutzrecht und den fiir dessen Vollzug zuständigen Behörden zuzuweisen. 36 Die Verwertung von Abfällen und Reststoffen sollte insgesamt dem Abfallgesetz entzogen und dem Bundes-Immissionsschutzgesetz unterstellt werden. Dem Abfallrecht sollte demgegenüber die Aufgabe zukommen, den Verbleib der Abfälle und Reststoffe sowie deren Deklarierung zu kontrollieren. Die Abstimmung zwischen anlagenbezogenem und stoff- und mengenbezogenem Abfallrecht wollte der Sachverständigenrat durch eine Bindung der Immissionsschutzbehörden an die Abfallwirtschaftskonzeption der Abfallbehörden und deren stärkere Beteiligung bei Entscheidungen sicherstellen. 37 Die vorgeschlagene Zuweisung der Begründung von Verwertungspflichten und der Ordnung der Verwertung von Reststoffen ausschließlich zum Immissionsschutzrecht begründe sich damit, so der Sachverständigenrat, daß die immissionsschutzrechtlichen Behörden über permanente Kontroll- und Steuerungsinstrumente verfügen würden, um Vermeidung und Verwertung von Reststoffen in der Anlage ständig durchzusetzen und Verwertungsvorgänge zu ordnen. 38 Die Bewirtschaftung der Beseitigungsmöglichkeiten sei dagegen wegen der größeren Sachnähe und der bestehenden Kontrollmöglichkeiten den Abfallbehörden zuzuordnen. 39 Die Entscheidungen der Immissionsschutzbehörden über die Verwertung von Reststoffen würden aber gleichzeitig festlegen, inwieweit bestimmte Stoffe als zu beseitigender Abfall anfallen. 4o Die daher notwendige Koordinierung der immissionsschutzrechtlichen Entscheidungen mit den in der abfallwirtschaftlichen Rahmenplanung festgelegten Zielsetzungen sei insbesondere über eine Bindung der Immissionsschutzbehörden an die Abfallbeseitigungspläne und die Beteiligung der Abfallbehörden nach

BT-Drs. 12/631, S. 14. SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 236. 37 SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 236. 38 SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 95; ebenso Salzwedel, NVwZ 1989,822. 39 SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 95. 40 SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 95. 35

36

A. Frühere Rechtslage und Ansätze für eine NeuregeJung

163

§ 10 Abs.5 BImSchG zu erreichen. 41 Eine Doppelzuständigkeit der Irnrnissionsschutzbehörden und der Abfallbehörden in beiden Bereichen sei demgegenüber die schlechtere Lösung. 42 In einer späteren Stellungnahme43 zum Regierungs-Entwurf vorn 15.9.1993 präzisierte und ergänzte der Sachverständigenrat diese Empfehlungen, teilweise korrigierte er sie auch. Er sprach sich nunmehr für die Verankerung von mengen- und stoffbezogenen Vorgaben für Abfälle ("Rückstände" nach der Terminologie des Entwurfes) im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz aus. Dagegen sollten alle anlagenbezogenen Aspekte dem Irnrnissionsschutzrecht überlassen bleiben. 44 Zu letzteren zählte der Umweltrat sowohl Maßnahmen zur Vermeidung des Anfalls von Rückständen in der Anlage selbst als auch die Umsetzung stoffbezogener Anforderungen in der Anlage. 4S Zur Harrnonisierung der Anforderungen schlug der Sachverständigenrat vor, in das Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz und in das Bundes-Irnrnissionsschutzgesetz wortgleiche Fassungen der Texte für das Rangverhältnis sowie für die Festlegung der Pflichten des jeweiligen Normadressaten aufzunehrnen. 46

2. Referenten-Entwurf Der erste Referenten-Entwurf eines Rückstands- und Abfallwirtschaftsgesetzes vorn 17.6.199247 wollte das Abfallrecht und die abfallbezogenen Vorschriften des Irnrnissionsschutzrechts zu einern einheitlichen Regelungskomplex zusarnrnenfassen. 48 Dabei sollte zwar das anlagenbezogene Irnrnissionsschutzrecht und das mehr stoffbezogene Abfallrecht soweit wie möglich getrennt werden, dies aber unter gleichzeitiger Harrnonisierung der inhaltlichen Pflichten. 49 Aus dem Begründungskontext ergibt sich, daß als "anlagenbezogen" in erster Linie die Vorschriften über die Zulassung von Entsorgungsanlagen aufgefaßt wurden. Unter Berücksichtigung der Vorgaben des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes seien zur Straffung des Verfahrens die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen dem auf diesen Zweck ausgerichteten Bundes-

41

42 43 44 45

46 47 48

49

SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 95. SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 95. SRU, ZAU 1993, 172. SRU, ZAU 1993, 180 f. SRU, ZAU 1993, 181. SRU, ZAU 1993, 181. Abgedruckt in: Zur Sache 6/94, S. 40 ff. Zur Sache 6/94, S. 42. Zur Sache 6/94, S. 142 f.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

Immissionsschutzgesetz ZU überlassen. 5o Die bisher allein im Bundes-Immissionsschutzgesetz verankerten Betreiberpflichten zur Venneidung und Verwertung von Rückständen seien zu diesem Zweck unter stofflichen Gesichtspunkten in das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz einzubeziehen und dabei entsprechend der Zielsetzung des Gesetzes zu modiflzieren und präzisieren. 51 § 5 Abs. 1 des Referenten-Entwurfes sah allgemein einen Vorrang der Rückstandsvenneidung vor der Verwertung als Sekundärrohstoff vor der Entsorgung als Abfall vor. Der Vorrang der Rückstandsvenneidung wurde durch § 4 Abs. I S. 2 des Referenten-Entwurfes aber auf die immissionsschutzrechtlichen Venneidungspflicht und den Bereich der Produktverantwortung beschränkt. Nach § 5 Abs. 2 waren genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 4 des BundesImmissionsschutzgesetzes und anzeigepflichtige Anlagen nach Absatz 3 [des § 5 KrW-/AbfG-Entwurf] so zu errichten und zu betreiben, daß Rückstände vennieden sowie die Pflichten nach Absatz 1 erfiillt werden. Die beabsichtigte Neufassung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 BImSchG verwies in der ursprünglichen Fassung des Referenten-Entwurfs für den Inhalt der Betreiberpflicht lediglich auf die Maßgaben des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, ohne eigene materielle Anforderungen zu enthalten. 52 Durch die zusätzliche Verankerung im Bundes-Immissionsschutzgesetz sollte sichergestellt werden, daß die Anforderungen an Venneidung und Verwertung von Rückständen auch Inhalt der dynamischen Betreiberpflichten des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und vom Anlagenbetreiber jederzeit einzuhalten sind. 53 Der erste Referenten-Entwurf ging davon aus, daß aufgrund dieser Regelungen die umfassende Verwertungspflicht des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes an die Stelle des bisherigen Verwertungsgebotes nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. trete. 54 Daraus ist zu folgern, daß eine eigenständige Pflichtenbegründung durch das Immissionsschutzrecht nur noch bezüglich des Venneidung von Rückständen erfolgen sollte. Der nach der früheren Rechtslage dem Immissionsschutzrecht gegenüber dem Abfallrecht eingeräumte Vorrang wurde durch diese Regelung für den Teilbereich der Verwertung zugunsten des Abfallrechts umgekehrt. 55 Bereits die zweite Fassung des Referenten-Entwurfs vom 2.8.1992 scheint hiervon wieder teilweise abgerückt zu sein. Nach der dort vorgesehenen Fassung des § 5 Abs. 1 Nr.3 BlmSchG waren genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß Rückstände unter Be-

so Zur Sache 6/94, S. 142. Zur Sache 6/94, S. 142, 154. 52 Zur Sache 6/94, S. 128. S3 Zur Sache 6/94, S. 176. S4 Zur Sache 6/94, S. 42. ss Vgl. dazu auch Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 194. SI

A. Frühere Rechtslage und Ansätze für eine Neuregelung

165

achtung der Maßgaben des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes vorrangig vermieden, verwertet oder entsorgt werden. Sinn der Veränderung des Wortlautes dürfte es gewesen sein, klarzustellen, daß der Pflichteninhalt des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nicht allein durch die Anforderungen des Abfallrechts bestimmt wird, sondern zugleich auch den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb der Anlage Rechnung zu tragen ist.

Auch in dieser Fassung ist der Referenten-Entwurf auf heftige und im Ergebnis berechtigte Kritik gestoßen. Die anlagenbezogenen Vermeidungs- und Verwertungs anforderungen seien systemwidrig dem Regelungsbereich des Bundes-Immissionsschutzgesetzes entzogen und dem stoffbezogenen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz unterworfen worden. Ein solcher Schritt verkenne sowohl die Bedeutung des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG als präventives Instrument zur umweltverträglichen Steuerung von Reststoffströmen als auch den Zusammenhang mit den weiteren anlagenbezogenen Anforderungen, die in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit das Bundes-Immissionsschutzgesetz als ein auf einen medienübergreifenden Belastungsausgleich gerichtetes Gesetz prägen würden. 56

3. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung

Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf 7 rückte von dem weitgehenden Ansatz des Referenten-Entwurfes bereits wieder ab. Nach der Entwurfsbegründung sollten die bislang allein in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG verankerten anlagenbezogenen Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen zur Vermeidung und Verwertung 58 von Reststoffen mit den stojJbezogenen Anforderungen des KrW-/AbfG abgestimmt werden. 59 Dabei sollten die anlagenbezogenen Betreiberpflichten60 grundsätzlich unberührt bleiben. 61 Sie würden aber unter stofflichen Gesichtspunkten, d. h. Art und Beschaffenheit des Rückstands, in das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz einbezogen und mit den stoffbezogenen Pflichten in dem Sinne abgestimmt werden,62 daß die 56 Jörgensen, Reststoffverrneidungs- und Verwertungsgebot, S. 194 unter Berufung auf Rebentisch, Stellungnahme, S. 3 ff. 57 BT-Drs. 12/5672. 58 Wie beim Referenten-Entwurf stand auch beim Regierungs-Entwurf vor allem die Verwertungspflicht im Vordergrund der Überlegungen; vgl. BT-Drs. 12/5672, S. 3, 37. 59 BT-Drs. 12/5672, S. 43. 60 Kennzeichnend für diese Pflichten sei es, daß sie bereits vor der Rückstandsenstehung ansetzen und damit schon zu einer entsprechenden "Steuerung" der jeweiligen Anlage (Errichtung und Betrieb) verpflichten würden; BT-Drs. 12/5672, S. 126. 61 BT-Drs. 12/5672, S. 126. 62 BT-Drs. 12/5672, S. 36.

166

2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

stoffbezogenen Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes bei der Erfüllung der irnmissionsschutzrechtlichen Grundpflichten zu beachten seien.

§ 6 Abs. 2 des Regierungs-Entwurfes enthielt eine mit § 9 S. 1 KrW-/AbfG bereits weitgehend übereinstimmende Regelung: Die Pflichten der Betreiber von genehmigungs- und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, diese Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß Rückstände vermieden, verwertet oder entsorgt werden, richten sich nach den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG war die Anlage so zu errichten und betreiben, daß 3. Rückstände vermieden, ordnungsgemäß verwertet oder, soweit Vermeidung und Verwertung technisch nicht möglich oder unzumutbar sind, als Abfiille ohne Beeinträchtigung des Wohles der Allgemeinheit entsorgt [werden], ... Nach § 5 Abs.3 Nr.2 BlmSchG mußte sichergestellt sein, daß nach Betriebs einstellung vorhandene Rückstände ordnungsgemäß verwertet oder entsorgt werden. Allein der Formulierung des § 6 Abs. 2 des Regierungs-Entwurfes ließ sich nicht entnehmen, ob und inwieweit ergänzend zu den irnmissionsschutzrechtlichen auch die abfallrechtlichen Vorschriften Anwendung fmden sollten, ob sich also die Pflichten nur nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz richten sollten oder auch nach dem Abfallrecht. Wie sich jedoch aus der EntwurfsBegriindung63 sowie aus der Gegenäußerung der Bundesregierung zu Stellungnahme des Bundesrates64 ergibt, sah die Bundesregierung den Anknüpfungspunkt für die angestrebte Verzahnung zwischen Immissionsschutzrecht und Abfallrecht in darin, daß Gegenstand der Pflichten sowohl nach Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und als auch nach Bundes-Immissionsschutzgesetz "Rückstände" sein sollten, mit der Konsequenz, daß diese Stoffe nicht mehr allein dem Bundes-Immissionsschutzgesetz unterlagen, sondern gleichzeitig auch dem Anwendungsbereich des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und dessen stoffbezogenen Vorgaben. 6S Die Schaltstelle für die Anwendung der stoffbezogenen Vorgaben des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sah der Regierungs-Entwurf in den Anforderungen der "ordnungsgemäßen" Verwertung und der Entsorgung "ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit" nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG. Damit sei u. a. auch auf die stoffbezogenen Pflichten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes verwiesen. 66 63

64 65 66

BT-Drs. BT-Drs. BT-Drs. BT-Drs.

12/5672, S. 12/5672, S. 12/5672, S. 12/5672, S.

36,40 f. 126 f. 36. 127.

A. Frühere Rechtslage und Ansätze rur eine Neuregelung

167

Beabsichtigt war, sämtliche Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ,,zur Optimierung der Verwertung und Entsorgung nach Anfall von Rückständen aus Anlagen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes" zur Anwendung kommen zu lassen. 67 Als "stoffbezogene" Vorschriften sah der Regierungsenwurf die auf Art und Beschaffenheit des Rückstands bezogenen Anforderungen an,68 insbesondere § 4 (Grundsätze der Kreislaufwirtschaft) und § 5 (Grundsätze der Abfallentsorgung) des Entwurfes. 69

4. Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungs-Entwurf

Der Bundesrat schlug in seiner Stellungnahme zum Regierungs-Entwurf fol70 gende Fassung des § 6 Abs. 2 vor: Die Pflichten der Betreiber von genehmigungsbedürftigen Anlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, diese Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß Rückstände vermieden, verwertet oder entsorgt werden, richten sich nach den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes; Anforderungen in Rechtsverordnungen nach §§ 15 und 16 dieses Gesetzes bleiben unberührt.

Stoffbezogene Anforderungen des Abfallrechts an die Verwertung und Beseitigung sollten nach den Vorstellungen des Bundesrates nur dann bei der Erfüllung der Grundpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG zu beachten sein, wenn sie in Rechtsverordnungen nach §§ 15 und 1671 konkretisiert worden waren72 • Dies begründete der Bundesrat mit der Vollzugsklarheit einer solchen Regelung. Durch eine Beschränkung auf die in Rechtsverordnungen speziell geregelten stoffbezogenen Anforderungen werde die Schnittstelle zwischen den beiden Rechtsmaterien in der für den praktischen Vollzug notwendigen Weise präzisiert73 . Offenbar befürchtete der Bundesrat eine Erschwerung des Vollzuges bei der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG, wenn die Immissionsschutzbehörden bei der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen "ordnungsgemäß" und "ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit" die allgemeinen Grundsätze der §§ 4 und 5 KrW-/AbfG anwenden müßten.

BT-Drs. 12/5672, S. 127. BT-Drs. 12/5672, S. 36. 69 BT-Drs. 12/5672, S. 127. 70 BT-Drs. 12/5672, S. 67. 71 § 15 KrW-/AbfG-E entspricht in der Sache weitgehend § 7 KrW-/AbfG, § 16 KrW-/AbfG-E enthält eine § 12 Abs. 1 KrW-/AbfG entsprechende Regelung. 72 Vgl. hierzu auch die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 12/5672, S.127. 73 BT-Drs. 12/5672, S. 67. 67 68

168

2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

5. Die Beschlußempfehlung des Umweltausschusses Auch der Umweltausschuß befürwortete in seiner Beschlußempfehlung neben einem grundsätzlichen Vorrang des Immissionsschutzrechtes eine Beschränkung der Geltung des Abfallrechts auf solche Anforderungen, die in einzelnen Rechtsverordnungen festgelegt seien. § 9 der Beschlußempfehlung lautete: 74 Die Pflichten der Betreiber von genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, diese so zu errichten und zu betreiben, daß Rückstände vermieden, verwertet oder entsorgt werden, richten sich nach den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Stoffbezogene Anforderungen an die Verwertung bestimmter Rückstände auf Grund von Rechtsverordnungen nach § 6 Abs. 3 und § 7 sowie Anforderungen an die gemeinwohlverträgliche Entsorgung von Abfallen nach § 11 sowie auf Grund von Rechtsverordnungen nach § 12 bleiben unberührt. Stoffbezogene Anforderungen an die anlageninteme Verwertung von Rückständen stehen der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht entgegen. Weitergehende Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb immissionsschutzrechtlicher Anlagen nach diesem Gesetz sind nicht zulässig. Nach der vom Umweltausschuß vorgeschlagenen Fassung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG waren genehrnigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß Rückstände vermieden werden, es sei denn, sie werden ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder, soweit Vermeidung und Verwertung technisch nicht möglich oder unzumutbar sind, als Abfalle ohne Beeinträchtigung des Wohles der Allgemeinheit entsorgt, .... Mit der Regelung des § 9 Satz 1 sollte der anlagenbezogenen Pflicht des § 5 Abs. 1 NT. 3 BImSchG der "spezialgesetzliche Vorrang" eingeräumt werden. Die Erzeuger- und Besitzerpflichten nach §§ 5 und 11 KrW-/AbfD würden hierdurch, so die Begründung des Umweltausschusses, verdrängt. 75 Eine Verzahnung der anlagenbezogenen Pflichten mit den stoffbezogenen materiellen Anforderungen des KrW-/AbfD sollte durch § 9 S.2 KrW-/AbfD erreicht werden. Dabei differenziert die Beschlußempfehlung zwischen Anforderungen an die Verwertung und solchen an die Entsorgung. Verwertungsbezogene Anforderungen des KrW-/AbfD sollten nur beachtlich sein, soweit sie zuvor durch Rechtsverordnungen nach §§ 6 Abs. 3, 7 konkretisiert worden waren. 76 Grund rur die Beschränkung war auch hier die Vollzugsvereinfachung. Ein weitergehender Antrag der SPD-Fraktion, nach dem sämtliche Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes fiir anwendbar erklärt 74 75 76

BT-Drs. 12/7240, S. 9. BT-Drs. 12/7284, S. 15. BT-Drs. 12/7284, S. 16.

A. Frühere Rechtslage und Ansätze fUr eine Neuregelung

169

werden sollten,77 wurde von den Koalitionsfraktionen mit der Begründung abgelehnt, aus Gründen der Rechtssicherheit sollten die stoffbezogenen Anforderungen des Abfallrechts nur anrewendet werden, wenn dies in einer Rechtsverordnung konkretisiert werde. 7 Die Anforderungen an die gemeinwohlverträgliche Entsorgung sollten dagegen bereits auf der Grundlage der gesetzlichen Pflicht des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in § 11 sowie nach Maßgabe der Rechtsverordnungen aufgrund des § 12 zu beachten sein. 79 Durch Satz 3 des § 9 wollte der Umweltausschuß ,,klarstellen", daß stoffbezogene Anforderungen an die anlageninterne Verwertung, die sich aus einer Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 3 oder § 7 ergeben, der Erteilung der imrnissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht entgegenstehen. 80 Zur Begründung verwies der Umweltausschuß darauf,81 daß der Bereich der anlageninternen Verwertung nach herrschender imrnissionsschutzrechtlicher Auffassung Vermeidung sei. Diese sei aber nicht an "stoffspezifische Voraussetzungen" gebunden - gemeint sein dürften die Anforderungen "ordnungsgemäß und schadlos" -, so daß die entsprechenden Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes nicht über § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG zur Anwendung gelangen könnten. Mangels Anlagenbezug könnten sie auch nicht über § 6 S. 2 BImSchG zum Gegenstand des imrnissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemacht werden. Die stoffbezogenen Anforderungen könnten aber selbstexekutiv sein oder über das Instrument der Anordnung nach § 21 KrW-/AbfG gegenüber dem Anlagenbetreiber vollzogen werden. Dieser Regelung ist zu Recht ein fast kurioser Gehalt attestiert worden. 82 Einerseits sollen die abfallrechtlichen Anforderungen durchaus auch für die anlageninterne Verwertung Geltung besitzen, da sie sonst kaum mittels einer Anordnung nach § 21 KrW-/ AbfG durchsetzbar wären. Andererseits sollen sie bei der Anlagengenehmigung unbeachtlich sein, was zur Folge haben kann, daß eine Anlage auch aufgrund eines Verwertungskonzepts zugelassen werden muß, das im Widerspruch zu den in einer Rechtsverordnung konkretisierten abfallrechtlichen Vorgaben steht. Nach Inbetriebnahme der Anlage sieht sich der Betreiber dann aber mit den Anforderungen der Abfallbehörde konfrontiert, die ihm die imrnissionsschutzrechtlich genehmigte V ermeidung/Verwertung wieder untersagt.

77 78 79 80

81

82

BT-Drs. 12/7284, S. 36. BT-Drs. 12/7284, S. 7. BT-Drs. 12/7284, S. 16. BT-Drs. 12/7284, S. 16. BT-Drs. 12/7284, S. 16. Jarass, Reststoffvermeidung und Reststoffverwertung, S. 74.

170

2. Teil: Die Verzahnung von AbfalIrecht und Immissionsschutzrecht

6. Endgültige Fassung Die endgültige Fassung des § 9 KrW-/AbfG wie auch der immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen ist erst im Vermittlungsausschuß gefunden worden. § 9 S. 1 KrW-/AbfG übernimmt weitgehend die bereits im Regierungs-Entwurf in § 6 Abs. 2 vorgesehene Fonnulierung. Abgesehen von einigen sprachlichen Korrekturen besteht der wesentliche Unterschied darin, daß der Rückstandsbegriff durch das Wort ,,Abfalle" ersetzt worden ist. Mit Satz 2 greift das Gesetz die Vorschläge von Bundesrat, Urnweltausschuß und SPD-Fraktion auf, die Schnittstelle zwischen Immissionsschutzrecht und Abfallrecht zu konkretisieren. Danach bleiben stoffbezogene Anforderungen nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz an die Art und Weise der Verwertung und Beseitigung von Abfallen "unberührt". Im Unterschied zu den Vorstellungen des Bundesrates wie des Umweltausschusses ist die Geltung der abfallrechtlichen Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung nicht generell von der Konkretisierung in einer Rechtsverordnung abhängig gemacht worden. Ein solcher Verordnungsvorbehalt wird aber in § 9 S. 3 KrW-/AbfG für stoffbezogene Anforderungen an die anlageninterne Verwertung angeordnet. Vom textlichen Befund stellt § 9 KrW-/AbfG einen Kompromiß zwischen dem Regierungs-Entwurf und der Beschlußempfehlung des Umweltausschusses dar. Hinsichtlich der Verwertung ist weder die generelle Beschränkung auf solche Anforderungen übernommen, die in Rechtsverordnungen konkretisiert worden sind, noch die völlige Freistellung der anlageninternen Verwertung. Vielmehr folgt aus § 9 S. 3 KrW-/AbfG, daß stoffbezogene Anforderungen des Abfallrechts an die Art und Weise der Verwertung grundsätzlich auch für anlageninterne Vorgänge gelten. Die Auffassung des Umweltausschusses, dies sei schon wegen des Inhalts der immissionsschutzrechtlichen Pflichten nicht möglich, hat sich im Vermittlungs ausschuß demnach nicht durchzusetzen vennocht. Die Regelungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 BImSchG sind durch das Gesetz zur Venneidung, Verwertung und Beseitigung von Abfallen nur insoweit geändert worden, als anstelle des Wortes "Reststoffe" nunmehr der Begriff ,,Abfalle" Verwendung emdet und der weitere Wortlaut der Vorschriften dieser Änderung angepaßt worden ist. Im übrigen hat sich hier die vom Umweltausschuß vorgeschlagene Fassung durchgesetzt, die die bisherige Fassung der Vorschriften, insbesondere auch die etwas komplizierte Regelung des Verhältnisses zwischen Venneidungs- und Verwertungspflicht in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSehG, beibehalten wollte. Die bisherigen immissionsschutzrechtlichen Reststoffe sind durch die Erweiterung des Abfallbegriffs und insbesondere durch die Regelung des § 3 Abs. 3 KrW -/AbfG gezielt in den Anwendungsbereich des Abfallrechtes einbezogen worden. 83 Konsequenterweise ist gleichzeitig die Begrifflichkeit des Immis-

B. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW -/AbfG

171

sionsschutzrechts an diese Erweiterung angepaßt und der bisherige Reststoffbegriff in § 5 Abs. 1 Nr. 3 sowie § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG durch den Begriff "Abfalle" ersetzt worden. Hieraus kann nur gefolgert werden, daß Rückstände, die in immissionsschutzrechtlichen Anlagen anfallen, nicht mehr grundsätzlich dem Abfallrecht entzogen sind. Insbesondere kann nicht mehr angenommen werden, der Bereich der Verwertung sei dem Abfallrecht vollkommen vorgelagert und unterliege daher nicht den abfallrechtlichen Kautelen. 84 Gleichwohl ist die bisherige "Zweigleisigkeit des materiellen Abfallrechts" nicht aufgegeben, sondern, zumindest auf den ersten Blick, zunächst eher noch verstärkt worden, da nunmehr auch das Abfallrecht Grundpflichten zur Vermeidung und Verwertung von Abfallen durch deren Erzeuger oder Besitzer enthält. Die notwendige Abstimmung der Betreiberpflichten nach dem BundesImmissionsschutzgesetz und der Erzeuger- und Besitzerpflichten nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz soll § 9 KrW-/AbfG leisten. Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift läßt sich nicht bestimmen, ohne zuvor Voraussetzungen und Inhalt der Pflichten zu betrachten, die zueinander in Verhältnis gesetzt werden. Es ist somit zunächst erforderlich, sich einen Überblick über die abfallrechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten zu verschaffen, einschließlich der Instrumente, die der Überwachung ihrer Einhaltung dienen.

B. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-/AbfG I. Vermeidungspßichten § 2 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG bezieht die Vermeidung von Abfallen grundsätzlich in den Regelungsbereich des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ein. Die Vermeidung besitzt nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Vorrang vor der Verwertung und - als Element der Kreislaufwirtschaft - der Beseitigung von Abfallen und umfaßt insbesondere die in § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG genannten Maßnahmen. § 4 Abs. 1 KrW -/AbfG enthält jedoch keine unmittelbaren Rechtspflichten, sondern lediglich die "Grundsätze der Kreislaufwirtschaft", in denen eine Zielhierarchie ohne unmittelbar verpflichtende Wirkung begründet wird. 8s Zwar spricht

Dazu oben I. Teil, A, E II 2 und G. So auch Petersen, Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, S. 96. 85 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 4 Rn. 66; Frenz, KrW-/ AbfG, § 4 Rn. 4; Bartlsperger, VerwArch 86 (1995), 67; VersteyllWendenburg, NVwZ 1994,837; Petersen, Abfallpolitisches Konzept, 59; Meins, BayVBI. 1997,71; Paetow, Abfallvenneidung, S. 113; a. A. v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG § 4 Rn. 3 f. 83

84

172

2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

der Wortlaut des § 4 Abs. I KrW-/AbtG zunächst fiir ein unmittelbares rechtliches Gebot. 86 Bereits die amtliche Überschrift bezeichnet die Regelung aber lediglich als "Grundsatz". Entsprechend dem Sprachgebrauch neuerer Gesetze haben derartige Grundsatzbestimmungen - ähnlich wie Präambeln - die Aufgabe, die tragenden Erwägungen und Grundgedanken des Gesetzes zu verdeutlichen und als Auslegungshilfe beim Gesetzesvollzug zu fungieren. 87 Aus der Begründung der Bundesregierung zu § 4 des Regierungs-Entwurfs, der ebenfalls mit "Grundsätze der Kreislaufwirtschaft" überschrieben war, ergibt sich zwar, daß der Zielhierarchie "Vermeidung - Verwertung - Beseitigung" eine im Vergleich zu § la AbtG weitergehende rechtliche Verbindlichkeit beigemessen werden sollte, allerdings nur in Verbindung mit den in § 6 des Entwurfes begründeten materiellen Grundpflichten. Die Grundsätze sollten als Richtschnur für den Vollzug des Gesetzes dienen,88 also als Anhaltspunkt bei der Auslegung der anderweitig begründeten Pflichten. 89 Da es sich lediglich um eine Auslegungshilfe handelt, kann über § 4 Abs. I KrW-/AbtG dem Vorrang der Vermeidung nur soweit Geltung verschaffi werden, wie dies im Wege der Auslegung möglich ist, wobei die Auslegung insbesondere noch mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar sein muß. 90 Zu einem anderen Verständnis des § 4 Abs. I KrW-/AbtG nötigt auch nicht Art. 3 Abs. I EG-AbfRRL. Die Abfallrahmenrichtlinie gibt in dieser Vorschrift keine zwingende Pflichtenhierarchie vor, sondern beschränkt sich darauf, von den Mitgliedstaaten in erster Linie die Förderung der Vermeidung zu verlangen. Dies muß aber nicht notwendig durch die Schaffung einer umfassenden Vermeidungspflicht geschehen, vielmehr kommen auch mittelbar wirkende Maßnahmen wie eine verstärkte Forschungsf6rderung oder fmanzielle Anreize in Betracht.91 Die somit rechtlich nicht unmittelbar verbindlichen Grundsätze der Kreislaufwirtschaft werden nach der dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zugrundeliegenden Systematik erst durch die nachfolgenden Vorschriften in

v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 4 Rn. 3. Peine, in: Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, § 13 Tz. 57; Weidemann, in: BrandtlRuchaylWeidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 4 Rn. 49. 88 BT-Drs. 12/5672,41. 89 Weidemann, in: BrandtlRuchaylWeidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 4 Rn. 49; Klöck, ZUR 1997,117. 90 Vgl. zur Funktion des Wortlautes als Begrenzung zulässiger Normauslegung Müller, Juristische Methodik, S. 183 f. 91 Näher dazu Dieckmann, Abfallrecht der EG, 354 ff.; Schreier, Auswirkungen des EG-Abfallrechts, S. 54; Frenz, KrW-/AbfG, § 4 Rn. 2; Krieger, NuR 1995, 347. Das verkennt Meins, BayBI. 1997,71 Fn. 13, wenn er die Regelung der Vermeidung durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz rür unzureichend hält. 86

87

B. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-/AbfG

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rechtsverbindliche "Grundpflichten" umgesetzt. 92 Die Grundpflichten der Kreislaufwirtschaft normiert § 5 KrW-/Abtu. Die Pflicht zur Vermeidung von Abfällen wird in § 5 Abs. 1 KrW-/AbfG angesprochen. Diese Vorschrift legt aber selbst keine eigenständige Vermeidungspflicht fest. Sie enthält - ähnlich wie bereits § la Abs. 1 AbfG - vielmehr eine Verweisung auf andere Rechtsvorschriften, nämlich auf § 9 KrW-/AbfG sowie die aufgrund der §§ 23 und 24 KrW-/AbfG erlassenen Rechtsverordnungen. § 9 KrW-/AbfG enthält seinerseits keine direkte Vermeidungspflicht. Satz 1 der Vorschrift erklärt vielmehr die Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes fiir die Errichtung und den Betrieb genehrnigungsbedürftiger und nicht genehrnigungsbedürftiger Anlagen fiir anwendbar und verweist damit in der Sache weiter auf das Immissionsschutzrecht. Die andere Verweisung des § 5 Abs. 1 KrW-/AbfG bezieht sich auf die Rechtsverordnungen, die die sog. "Produktverantwortung" im Sinne des § 22 KrW-/AbfG rechtsverbindlich ausgestalten sollen. Die Produktverantwortung bezieht sich auf die Gestaltung und das Inverkehrbringen der gezielt hergestellten Erzeugnisse und ist daher nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Es stellt sich die Frage nach dem Sinn dieser - im Falle der Produktionsabfälle - doppelten Verweisung. Auch ohne die Regelung des § 5 Abs. 1 KrW-/ AbfG wäre die Vermeidungspflicht der Anlagenbetreiber nach dem BundesImmissionsschutzgesetz geltendes Recht. Zur Abgrenzung zwischen Immissionsschutzrecht und Abfallrecht hätte es des § 5 Abs. 1 KrW-/Abtu ebenfalls nicht bedurft, da § 9 Satz 1 KrW-/AbfG auch ohne die Verweisung seine Funktion erfiillen könnte. Denkbar wäre, § 5 Abs. 1 KrW-/AbfG nur eine symbolische Bedeutung zuzumessen. Da nach den in § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG festgelegten Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft Abfälle in erster Linie zu vermeiden und in zweiter Linie zu verwerten sind, wollte der Gesetzgeber möglicherweise in § 5 KrW-/AbfG, der die zu diesen Grundsätzen korrespondierenden Grundpflichten enthält, aus systematischen Gründen auch die Pflicht zur Vermeidung nicht unerwähnt lassen und wenigstens in Form einer deklaratorischen Verweisung aufnehmen. § 5 Abs. 1 KrW -/Abtu kann aber ein darüber hinaus gehender materieller Gehalt zukommen, wenn man der Vorschrift ein "nur" entnehmen könnte. Dann würde sie klarstellen, daß der Gesetzgeber sich fiir eine Beschränkung der abfallrechtlichen Vermeidungspflichten auf die Bereiche Produktions- und Produktverantwortung entschieden hat. § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG spricht darüber hinaus noch das auf den Erwerb abfall- und schadstoffarmer Produkte gerichtete Konsumverhalten als Maßnahme zur Vermeidung von Abfällen an. Der Re92 Vgl. die Begründung zur Beschlußempfehlung des Umweltausschusses, BT-Drs. 12/7284, S. 13; Paetow, Abfallvermeidung, S. 113; Weidemann, in: BrandtIRuchay/ Weidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 5 Rn. 26.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

ferenten-Entwurf vom 17.6.1992 enthielt in § 5 Abs. 1 Nr. 1 eine allgemeine Vermeidungspflicht für Rückstände. Diese besaß jedoch nicht generell Vorrang vor der Verwertung. Nach § 4 Abs. 1 S.2 war der Vorrang der Vermeidung vielmehr auf zwei Geltungsbereiche beschränkt: § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG sowie die Produktverantwortung nach Maßgabe der Rechtsverordnungen nach §§ 19 und 20 des Entwurfes. Auf einen allgemeinen Vorrang der Rückstandsvermeidung verzichtete der Referenten-Entwurf mit der Begründung, ein derartiges Gebot, das auch Konsum- und Verbrauchsgüter einschließen würde, wäre schwerlich mit den Grundlagen einer sozialen Markwirtschaft vereinbar. 93 Im Regierungs-Entwurf vom 15.9.1993 fehlte eine entsprechende Bestimmung, allerdings enthielt der Entwurf gleichzeitig auch keine allgemeine Regelung mehr zur Vermeidungspflicht. § 5 Abs. 1 KrW-/AbfG geht in der Gesetz gewordenen Fassung auf die Beschlußempfehlung des Umweltausschusses zurüce4 • Aus der Begründung zur Beschlußempfehlung des Umweltausschusses geht hervor, daß durch § 5 Abs. 1 abschließend die beiden Fälle benannt werden sollten, in denen eine Pflicht zur Vermeidung von Rückständen durchgesetzt werden kann. 95 Es ist daher davon auszugehen, daß das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz die Vermeidungspflicht auf die Schaffung abfallarmer Produktionsverfahren und die Entwicklung abfallarmer Produkte konzentriert96 • Die in § 4 Abs. 2 als Grundsätze genannten Maßnahmen werden somit nicht vollständig in verbindliche Pflichten umgesetzt. 97 Grund hierfür dürfte die Einsicht gewesen sein, daß eine unmittelbare Durchsetzung der Vermeidung mit Hilfe ordnungsrechtlicher Mittel in anderen Bereichen nur schwer möglich ist. Gerade der dritte von § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG angesprochene Bereich, das Konsumverhalten, dürfte einer solchen Regelung nicht zugänglich sein, zumindest was den privaten Konsum angeht. Die Durchsetzung eines abfallvermeidenden Verhaltens bleibt in diesen Bereichen den gesellschaftlichen Kräften überlassen. Staat und Verwaltung können hier nur indirekt steuernd tätig werden98 • Ein Ansatz ist ein entsprechendes Vorbildverhalten staatlicher Einrichtungen. Für den Bereich der Behörden des Bundes sieht § 37 KrW-/AbfG - ähnliche Vorschriften sind in den Abfallgesetzen vieler Bundesländer bereits enthalten99 - daher eine entsprechende Verhaltenspflicht vor. Zur Sache 6/94, S. 153; vgl. auch Paetow, Abfallvermeidung, S. 114. BT-Drs. 12/7240, S. 7. 9S BT-Drs. 12/7284, S. 13. 96 PetersenlRid, NJW 1995, 9; v. Köller, KrW-/AbfG, S. 124 f.; Weidemann, in: BrandtlRuchay/Weidemann, KrW-/AbfG, B \00, § 4 Rn. 56. 97 PetersenlRid, ebda. 98 VersteyllWendenburg, NVwZ 1994,837. 99 Vgl. bspw. § 2 LAbfG NW. 93 94

B. Venneidungs- und VelWertungspflichten nach dem KrW-IAbfG

175

Im Ergebnis enthält das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz flir den Bereich der abfallarmen Gestaltung des Produktionsverfahrens keine Regelungen über das "Ob" der Vermeidung. Des weiteren fehlen aber auch materielle Anforderungen an das "Wie" der Vermeidung. Nach den §§ 5 Abs. 1, 9 KrW-/ AbfG ist somit die Pflicht zur Vermeidung von Abfallen bei Produktionsvorgängen allein im Bundes-Immissionsschutzgesetz geregelt.

11. Verwertungspflicht 1. Adressaten

a) Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz regelt in § 5 Abs.2 S. 1 KrW-/AbfG die Pflicht zur Verwertung von Abfallen. Zu erfüllen habe die Verwertungspflicht die Abfallerzeuger und -besitzer, wobei sie sich allerdings nach § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG der Hilfe Dritter bedienen können. Die Abfalleigenschaft einer Sache führt, anders als nach dem Bundes-Abfallgesetz, nicht mehr grundsätzlich zu einer öffentlichen Entsorgung. Vielmehr sollen in erster Linie die jeweiligen Verursacher selbst für die Verwertung sorgen müssen. 100 Lediglich die Erzeuger von Abfallen aus privaten Haushaltungen sind nach § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG verpflichtet, diese den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgem zu überlassen, soweit sie zu einer Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Für Abfalle zur Verwertung aus gewerblichen Bereichen greift die bundesrechtliche Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG dagegen nicht, wie aus Satz 2 folgt, der die Überlassungspflicht auf Abfalle zur Beseitigung beschränkt. 101 Nach § 13 Abs. 4 S. 2 bis 4 KrW-/AbfG kann allerdings flir bestimmte besonders überwachungsbedürftige Abfalle zur Verwertung l02 durch Landesrecht eine Andienungs- oder Überlassungspflicht begründet sein. Nach Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes setzen derartige landesrechtliehe Regelungen nach § 13 Abs. 4 S. 2,3 KrW-/AbfG voraus, daß die betreffenden Abfalle zuvor in einer Rechtsverordnung des Bundes festgelegt worden sind. Mit deren Erlaß ist in absehbarer Zeit aber nicht zu rechnen. 103

100 Vgl. BT-Drs. 12/5672, S.32, 37; Petersen, Abfallpolitisches Konzept, S. 53; Schink,DÖV 1995,881. 101 Weidemann, in: BrandtlRuchaylWeidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 13 Rn. 73; Hoppe, Überlassungspflichten, S. 78. 102 Diese werden nach § 41 Abs. 2 Nr. I KrW-/AbfG abschließend durch die Verordnung zur Bestimmung von besonders übelWachungsbedürftigen Abfällen v. 10.9.1996 (BGBI. I 1366) festgelegt. 103 Vgl. Hoppe, Überlassungspflichten, S.94; PetersenlStöhriKracht, DVBI. 1996, 1163 Fn. 25.

176

2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

Unabhängig davon gelten landesrechtliche Andienungspflichten nach § 13 Abs.4 S.4 KrW-/AbfG weiter, die von den Ländern vor Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes 104 bestimmt worden sind. lOS Die Regelung gilt allerdings nur fiir Andienungspflichten. Die Andienungspflicht zwingt nicht zur Überlassung der Abfälle gegenüber der zuständigen Stelle. Diese weist die angedienten Abfälle vielmehr einem Dritten zu, der über eine geeignete Einrichtung verfiigt. Der Dritte wird dann fiir den Erzeuger oder Besitzer tätig, der aber zugleich selbst entsorgungspflichtig bleibt (§ 16 Abs. 1 S.2 KrW-/AbfG).I06 Durch eine Andienungspflicht nach § 13 Abs.4 S.4 KrW-/AbfG wird folglich lediglich die Art und Weise der Erfiillung der Grundpflicht aus § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG geregelt. 107 Unberührt bleiben im Sinne des § 13 Abs. 4 S. 4 KrW-/AbfG nur solche landesrechtlichen Regelungen, die rechtmäßig erlassen worden sind. Problematisch war unter der Geltung des Bundes-Abfallgesetzes insbesondere die Frage der Kompetenz der Bundesländer. 108 § 13 Abs. 4 S. 4 KrW-/AbfG wird man die Bestätigung entnehmen müssen, daß landesrechtliche Andienungspflichten zumindest grundsätzlich möglich waren, das Bundes-Abfallgesetz den Erlaß solcher Regelungen also nicht vollkommen gesperrt hat. Anderenfalls wäre die Regelung sinnlos, da es dann die von § 13 Abs.4 S.4 KrW-/AbfG vorausgesetzten landesrechtlichen Vorschriften nicht geben könnte. 109 Nach Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetzes fmden die weitergeltenden landesrechtlichen Andienungspflichten nur noch auf besonders überwachungsbedürfti~e Abfälle im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes Anwendung. 11 In der Sache bleibt es trotz der Erweiterung des Abfallbegriffs im wesentlichen bei der privaten Zuständigkeit fiir die VerweTtung, wie sie als Konsequenz aus der Herausnahme von Wirtschaftsgütern, Wert- und Reststoffen aus dem subjektiven Abfallbegriff des § 1 Abs. 1 AbfG faktisch bereits vor Inkrafttreten

104 Gemeint ist das Inkrafttreten der materiellen Regelungen am 7.10.1996; vgl. Jarass, Sonderabfallentsorgung, S. 61 m. w. N. 105 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 13 Rn. 238; Jarass, Sonderabfallentsorgung, S.61 f.; Weidemann, in: WeidemannIBeckmann, Organisation, S.45. 106 Jarass, Sonderabfallentsorgung, S. 8. IO? Vgl. Jarass, Sonderabfallentsorgung, S. 9. 108 Für eine grundsätzliche Kompetenz der Länder Jarass, Sonderabfallentsorgung, S. 39 ff.; Weidemann, in: WeidemannIBeckmann, Organisation, S. 28 ff.; ablehnend dagegen Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 13 Rn. 242; Beckmann, in: WeidemannIBeckmann, Organisation, S. 106 ff. 109 A. A. Beckmann, in: WeidemannIBeckmann, Organisation, S. 115. 110 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 13 Rn. 238; Jarass, Sonderabfallentsorgung, S. 59.

B. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-IAhfG

177

des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes bestand. 111 Der entscheidende Unterschied und Fortschritt gegenüber der früheren Rechtslage liegt darin, daß die private Verwertung von Rest- und Wertstoffen sich nicht mehr außerhalb des Abfallregimes vollzieht, sondern den Kontrollmechanismen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes unterliegt. 112 b) Erzeuger ist nach der Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 5 KrW-/AbfG jede natürliche oder juristische Person, durch deren Tätigkeit Abfalle angefallen sind, oder jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder sonstige Behandlungen vorgenommen hat, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser bereits angefallenen Abfalle bewirken. Diese Begriffsbestimmung lehnt sich an Art. 1 lit. b) EG-AbfRRL an. 113 Danach ist Erzeuger ,jede Person, durch deren Tätigkeit Abfalle angefallen sind ("Ersterzeuger"), und/oder jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder sonstige Behandlungen vorgenommen hat, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser Abfalle bewirken". Ersterzeuger von Abfallen ist derjenige, durch dessen Tätigkeit Abfalle anfallen. Es muß sich um ein Verhalten handeln, durch das eine bewegliche Sache zu Abfall i. S. des § 3 Abs. 1 KrW-/ AbfG wird, also entweder ein Entledigen i. S. des § 3 Abs.2 KrW-/AbfG, ein Produktions- oder Verwendungsvorgang nach § 3 Abs.3 Nr. 1 KrW-/AbfG oder eine Entwidmungshandlung, die unter § 3 Abs. 3 Nr. 2 oder § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG fallt. Die Erzeugereigenschaft wird ferner durch "Vorbehandlungen", "Mischungen" oder "sonstige Behandlungen" begründet, wenn diese Vorgänge nach Begründung der Abfalleigenschaft eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung des Abfalls bewirken. Insbesondere durch das Merkmal "sonstige Behandlungen" dürften letztlich alle Vorgänge umschrieben sein, die eine Veränderung der Natur oder Zusammensetzung der Abfalle zur Folge haben. Eine Mischung verschiedener Abfalle wird immer eine Veränderung der Zusammensetzung zur Folge haben. Ferner wird die Zusammensetzung oder Natur bei Vorbehandlungen geändert, bei denen chemische Reaktionen die stoffliche Beschaffenheit verändern. Auch Sortiervorgänge als weitere in Betracht kommende Vorbehandlungen bewirken eine Änderung der Zusammensetzung. Damit werden lediglich reine Sammel-, Transport- und Lagervorgänge nicht von § 3 Abs.5 KrW-/AbfG erfaßt. Die Erweiterung der Erzeuger-Defmition soll es ermöglichen, daß auch Abfallentsorger und Unternehmen, die Abfalle behandeln

VgJ. Bartlsperger, VerwArch 86 (1995), 61, 65. Dazu unten unter B III. 113 BT-Drs. 12/7284, S. 13, Begründung zu § 3. 111

112

12 Locher

178

2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

oder mischen, zur Erfüllung der Entsorgungspflichten herangezogen werden können. 114 Als Besitzer defmiert § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG jede Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat, und stellt den Besitzer neben den Erzeuger als weiteren Pflichtigen. Damit weicht die Defmition des Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetzes von der Begriffsbestimmung der Abfallrahmenrichtlinie ab, die "Besitzer" in Art. 1 lit c) EG-AbfRRL mit "der Erzeuger der Abfälle oder die natürliche oder juristische Person" umschreibt, "in deren Besitz sich die Abfälle befmden". Das Verständnis dieser EG-rechtlichen Defmition bereitet erhebliche Schwierigkeiten. 115 Überwiegend wird vertreten, aufgrund der Legaldefmition des Art. 1 lit c) EG-AbfRRL seien die Mitgliedstaaten nunmehr verpflichtet, auch Erzeuger der Abfälle in den Kreis der Abfallbesitzer aufzunehmen, selbst wenn diese nicht mehr die tatsächliche Sachherrschaft innehätten. 1l6 Möglich scheint aber auch ein Verständnis, wonach Art. 1 lit. c) EGAbfRRL den Erzeuger lediglich beispielhaft als diejenige Person benennt, die typischerweise Besitzer der Abfälle ist. 117 Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz dagegen stellt den Erzeuger selbständig neben den Besitzer. Da jedenfalls Erzeuger und Besitzer immer gemeinsam als Verpflichtete aufgeführt werden, dürfte es materiell den Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie genügen. Es ist nicht ersichtlich, daß hier eine wörtliche Übernahme erforderlich war, zumal die EG-rechtliche Begriffsbildung alles andere als verständlich ist. 118 § 5 Abs. 2 S. 1 KrW-/AbfG nennt sowohl den Erzeuger als auch den Besitzer als Adressaten der Verwertungspflicht. Damit stellt sich die Frage, ob der Erzeuger auch dann noch Verpflichteter bleibt, wenn er nicht mehr im Besitz der Sache ist. Nach § 3 AbfG war lediglich der Besitzer der Abfälle - derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft innehatte 1l9 - überlassungspflichtig (Abs. 1) oder bei ausgeschlossenen Abfällen selbst zur Entsorgung verpflichtet (Abs.4). Hieraus ist teilweise der Schluß gezo~en worden, mit Verlust der Sachherrschaft ende auch die Pflichtenstellung. 12 Dies kann jedenfalls für das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nicht überzeugen. Wäre allein der aktuelle Besitzer zur Verwertung verpflichtet, so bliebe unverständlich, warum § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG auch den Erzeuger als Adressaten der Pflicht aufführt. v. Köller, KrW-/AbfG, S. 100. Dieckmann, Abfallrecht der EG, S. 177. 116 Kersting, DVBI. 1992, S. 343; zustimmend wohl Dieckmann, Abfallrecht der EG, 114

115

S. 177. 117 118

So wohl auch Schreier, Auswirkungen des EG-Abfallrechts, S. 71. Dieckmann, Abfallrecht der EG, S. 177; vgl. auch Schreier, Auswirkungen des

EG-Abfallrechts, S. 71 f. 119

120

Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 9. Peine, Verantwortung für Abfall, S. 87.

B. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem KIW-IAbfG

179

Dies wäre überflüssig, da der Erzeuger vor Weitergabe der Sache zugleich auch Besitzer ist. Des weiteren ist gerade die Inanspruchnahme des Erzeugers Ausdruck des Verursacherprinzips. 121 Denn verantwortlich fiir die Entstehung des Abfalls ist derjenige, der eine Sache zu Abfall werden läßt, nicht aber derjenige, der sie zu einem späteren Zeitpunkt in Besitz hat. Es liefe daher der Zielsetzung des Gesetzes, die Verantwortlichkeit des Verursachers zu stärken, entgegen, wenn der Verursacher sich durch eine Weitergabe an Dritte seiner Pflicht entledigen könnte. Für den Spezialfall der Beauftragung Dritter mit der Verwertung stellt § 16 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG zudem ausdrücklich klar, daß die Weitergabe des Abfalls nicht dazu fUhrt, daß der Entsorgungspflichtige aus seiner Pflichtenstellung entlassen wird. Zu berücksichtigen ist weiter, daß die Verwertungspflicht des Abfallerzeugers dogmatisch gesehen nur ein Unterfall der Verhaltensveranwortlichkeit ist. Die Pflichtenstellung des Abfallerzeugers knüpft an die Handlung an, die die betreffende Sache rechtlich zu Abfall macht. Es liegt aber im Wesen der Verhaltensverantwortlichkeit, daß sie - einmal begründet - unveränderlich bestehen bleibt. 122 Schließlich muß berücksichtigt werden, daß die einzelnen Pflichten der Abfallrahmenrichtlinie zwar nur an den Besitzer gerichtet sind, gleichzeitig der Begriff des Besitzers nach EG-Recht jedoch den Erzeuger mitumfaßt. 123 Damit endet die Verwertungspflicht des Erzeugers grundsätzlich nicht dadurch, daß der Abfall an einen Dritten weitergegeben wird. Vielmehr bleibt (auch) der Erzeuger fiir die DurchfUhrung der Verwertung verantwortlich,124 bis diese beendet ist. 125 Die Abfallbehörde kann somit im Rahmen ihres Ermessens auswählen, wen sie im Wege einer Anordnung nach § 21 Abs. 1 KrW-/ AbfG zur Durchfiihrung der Verwertung heranzieht. 126 Im Regelfall wird dies allerdings der aktuelle Besitzer sein, da es dem Erzeuger, der nicht mehr Besitzer ist, an der Zugriffsmöglichkeit auf die Sache fehlt. Bedeutung erlangt die zusätzliche Verpflichtung des Erzeugers aber dann, wenn der gegenwärtige So schon die Begründung zum Regierungs-Entwurf, BT-Drs. 1215672, S. 37. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 214; vgl. auch Drews/Wackel Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, § 21 2. c), S. 328. 123 Unklar ist freilich, ob Art. 1 lit c) EG-AbfRRL die Mitgliedstaaten verpflichtet, stets Erzeuger und Besitzer als Adressaten der Pflichten in Anspruch zu nehmen (so Kersting, Abgrenzung, S. 163; wohl auch Seibert, DVBI. 1994,232), oder ob die Regelung lediglich ennöglichen soll, auch den Erzeuger zur Erf'üllung der abfallrechtlichen Pflichten heranzuziehen (so Schreier, Auswirkungen des EG-Abfallrechts, S. 71). 124 So auch v. LersneriWendenburg, KIW-/AbfG § 3 Rn. 5; Spoerr, in: BrandtlRuchay/Weidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 5 Rn. 78; a. A. möglicherweise Frenz, KIW-I AbfG, § 3 Rn. 8. Ein Fortbestehen der Erzeugerpflichten nach Besitzwechsel bejahen auch Kunig, NVwZ 1997,214; Fouquet, ZUR 1996,189. 125 Zur Frage, wann das der Fall ist, vgl. oben 1. Teil unter F. 126 Eingehender zur Störerauswahl Spoerr, in: BrandtlRuchay/Weidemann, KIW-I AbfG, 8 100, § 5 Rn. 81 f. 121

122

180

2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

Besitzer nicht in der Lage ist, die Verwertung durchzufiihren. Da die PflichtensteIlung nicht mehr allein an den Besitz anknüpft, kann sich der Abfallproduzent auch nicht durch Besitzaufgabe rechtswidrig seiner Pflichten entziehen. 127

2. Inhalt der Verwertungspflicht nach § 5 Abs. 2 KrW-IAbfG

Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG sind Abfalle "nach Maßgabe des § 6 zu verwerten". Der Wortlaut ist mißverständlich. 128 § 6 KrW-/AbfG regelt nur einen Teil der Vorgaben für die Verwertung, nämlich das Verhältnis von stofflicher und energetischer Verwertung. Weitere Anforderungen an die Verwertung enthält § 5 KrW-/AbfG. Ferner kann der Verordnungsgeber in Rechtsverordnungen nach § 7 KrW-/AbfG Anforderungen an die Verwertung festlegen.

a) Ordnungsgemäß Die Verwertung muß nach § 5 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG ordnungsgemäß und schadlos erfolgen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Formulierung eine Angleichung an § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG vornehmen. 129 Ordnungsgemäß ist eine Verwertung nach § 5 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG, wenn sie im Einklang mit den Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgt. Erfaßt werden sowohl Regelungen, die sich auf das Verwertungsverfahren beziehen, als auch Anforderungen an das Verwertungsprodukt. 130 Als Anforderungen ergeben sich unmittelbar aus dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz das Gebot, angefallene Abfalle getrennt zu halten und getrennt zu behandeln (§ 5 Abs. 2 S. 4 KrW-/AbfG), 131 die Regelungen zum Verhältnis von stofflicher und energetischer Verwertung nach § 6 KrW-/AbfG sowie - soweit man hierin ein rechtlich verbindliches Gebot sieht - die Anforderung einer hochwertigen Verwertung nach § 5 Abs. 2 S. 2 KrW-/ 127 Seibert, DVBI. 1994, 232. Vor Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes hat sich die Rechtsprechung mit der Konstruktion beholfen, daß der Betreffende dadurch wieder dem Abfallregime unterworfen werden könne, daß er ordnungsrechtlich zur Wiederaufnahme des Abfallbesitzes verpflichtet wird; vgl. BVerwGE 89, 138/141. 128 v. LersneriWendenburg, KrW-/AbfG § 3 Rn. 5. 129 So die Begründung zum Regierungs-Entwurf, BT-Drs. 12/5672, S.42. Kritisch hierzu Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 148. 130 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 141; Frenz, KrW-/ AbfG, § 5 Rn. 21; v. LersneriWendenburg, KrW-/AbfG § 5 Rn. 13; ebenso für § 5 Abs. I Nr.3 BlmSchG: Rehbinder, DVBI. 1989,500; Hansmann, NVwZ 1990,412. 131 S. unten unter B 11 2 c).

B. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-IAbfG

181

AbfG. 132 Weitere abfallrechtliche Anforderungen ergeben sich aus Rechtsverordnungen, die aufgrund des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, insbesondere nach den §§ 6 Abs. 1 und 7 KrW-/AbfG, erlassen worden sind.

b) Schadlos Die Schadlosigkeit der Verwertung setzt voraus, daß nach der Beschaffenheit der Abfälle, dem Ausmaß der Verunreinigungen und der Art der Verwertung Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit nicht zu erwarten sind, wobei § 5 Abs. 3 S. 3 KrW-/AbfG besonders die Anreicherung von Schadstoffen im Wertstoffkreislauf als Beeinträchtigung des Allgemeinwohls hervorhebt. § 5 Abs.3 S. 1 KrW-/AbfG verlangt keine absolute Schadlosigkeit, die auch nicht möglich wäre, da jeder Verwertungsvorgang stets mit Umweltbelastungen verbunden ist. 133 Nach der Begründung zum Regierungs-Entwurf soll wie bei § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nur eine "relative Schadlosigkeit" verlangt werden können. 134 Während im Immissionsschutzrecht Maßstab für die relative Schadlosigkeit in erster Linie die Vermeidung ist,135 stellt im Rahmen des § 5 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG allein die Alternative der Beseitigung den Bezugspunkt dar. 136 Schadlos ist einer Verwertung also bereits dann, wenn sie das Wohl der Allgemeinheit nicht stärker beeinträchtigt als die alternativ in Betracht zu ziehenden Beseitigungsmöglichkeiten. Wenig geklärt ist, in welchem Verhältnis die Anforderung der Schadlosigkeit zur Ordnungsmäßigkeit steht. Das Schadlosigkeitsmerkmal dürfte nur dort eigenständige Bedeutung erlangen, wo einzelne Gemeinwohlbelange nicht abschließend in Rechtsvorschriften konkretisiert worden sind und daher bereits über das Merkmal ordnungsgemäß berücksichtigt werden. 137 Letzteres dürfte insbesondere dann anzunehmen sein, wenn Vorschriften nicht allein der Gefahrenabwehr dienen, sondern auch das Maß der erforderlichen Vorsorge festlegen. Das Erfordernis der Schadlosigkeit bietet in diesem Fall keinen Ansatzpunkt, über den in Gesetz oder Rechtsverordnung festgelegten Anforderungsrahmen noch hinauszugehen. Dazu unten B II 2 d). 133 Vgl. dazu Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S 72. 134 BT-Drs. 12/5672, S. 42. 135 Vgl. LAI, Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.3.4; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S 51. Freilich ist es auch für § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG bedeutsam, ob die Verwertung im Vergleich zur Beseitigung die schadlosere Entsorgungsoption darstellt; dazu unten unter eIl b bb). 136 Frenz, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 24; vgl. auch BT-Drs. 12/5672, S. 42. 137 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 151; ähnlich Spoerr, in: BrandtlRuchaylWeidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 5 Rn. 91. 132

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

c) Getrennthaltung und getrennte Behandlung Für Abfalle zur Verwertung bestimmt § 5 Abs. 2 S.4 KrW-/AbfG, daß sie getrennt gehalten und getrennt behandelt werden müssen, soweit dies zur Erfüllung der Verwertungspflicht erforderlich ist. Hierduch soll vermieden werden, daß es durch Vermischungen zu undefmierbaren Abfallqualitäten kommt, die dann nicht und nur noch eingeschränkt ordnungsgemäß und schadlos verwertet werden können. 138 Die Pflicht greift mit Entstehung des Abfalls ein, 139 bei Produktionsprozessen also in der Regel dann, wenn ein Stoff den Prozeß verläßt. 140 Daß Abfalle getrennt gehalten werden können, setzt voraus, daß die jeweiligen Stoffe bereits als Abfalle zu qualifIzieren sind. Aus § 5 Abs. 2 S. 4 KrW-/AbfG folgen daher keine Anforderungen, den Produktionsprozeß selbst so zu gestalten, daß Rückstände getrennt anfallen. 141

d) Hochwertige Verwertung Als weitere Vorgabe fiir die Durchführung der Verwertung nennt § 5 Abs. 2 S. 3 KrW-/AbfG, daß eine der Art und Beschaffenheit des Abfalls entsprechende hochwertige Verwertung anzustreben ist. Der rechtliche Gehalt dieser Vorgabe ist freilich urnstrittten. Überwiegend wird ihr eine verbindliche Wirkung abgesprochen, da einerseits der Begriff der hochwertigen Verwertung vollkommen unbestimmt sei, andererseits nach dem Wortlaut nur das ,,Anstreben" der hochwertigen Verwertung verlangt werde, nicht aber die Durchführung. 142 Die Regelung sei daher als bloßer Prograrnmsatz anzusehen. 143 Hiergegen spricht jedoch die systematische Einordnung der Vorschrift als Bestandteil der Grundpflichten nach § 5 KrW-/AbfG. l44 Enthielte § 5 Abs.2 138 Frenz, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 19; vgl. auch die Begründung zum RegierungsEntwurf, BT-Drs. 12/5672, S. 43. 139 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 123; Weidemann, in: BrandtJRuchay/Weidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 5 Rn. 55. 140 Dazu I. Teil unter E 11 2 a). 141 Ähnlich Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 123. 142 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 115 f.; kritisch auch Weidemann, NVwZ 1995,637. 143 v. Köller, KrW-/AbfG, S. 127; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 3 Rn. 116; Frenz, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 16; Schink, Abfallbegriff, S. 45 f.; Pohl, in: HUR, B.3 Rn. 40; ähnlich Paetow, Abfallvermeidung, S. 117: Vorgabe für Verordnungsgeber; Kunig, in: KunigIPaetowNersteyl, § 5 Rn. 14. 144 v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 7. Der Regierungs-Entwurfverortete das Postulat, "eine der Art oder Beschaffenheit der Sekundärrohstoffe entsprechende Verwertung anzustreben", noch in der Grundsatznorm des § 4 Abs. 2, machte die Anforderung aber über § 6 Abs. I zum Inhalt der Verwertungspflicht.

B. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-/AbfG

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S. 3 KrW-/AbfG nur einen Prograrnmsatz, so hätte es nahegelegen, die Bestimmung in § 4 KrW-/AbfG aufzunehmen, der die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft enthält. Des weiteren weist die Formulierung als Ist-Vorschrift auf eine unmittelbar verpflichtende Wirkung hin. 14s Auch die Gesetzesmaterialien sprechen eher dafür, daß eine verbindliche Regelung geschaffen werden sollte. Mit der Maßgabe, eine hochwertige Verwertung anzustreben, soll einem "Downcycling" der Abfälle entgegengewirkt werden. l46 Mit gleicher Zielsetzung hatte bereits der Regierungs-Entwurf vorgeschrieben, daß eine "der Art und Beschaffenheit des Sekundärrohstoffes entsprechende Verwertung anzustreben" seL I47 Verfahren, die den Rückstand entsprechend seiner Art und Beschaffenheit verwerten, sollten gegenüber Verfahren, die ihn auf ökologisch niedrigerem Niveau nutzen, bevorzugt eingesetzt werden. 148 Das Gesetz ermögliche damit das Aufstellen einer Rangfolge der verschiedenen Verwertungsoptionen unter ökologischen Aspekten. 149 Einer Verwertung auf ökologisch niedrigerem Niveau kann § 5 Abs. 2 S. 3 KrW-/AbfG aber nur entgegenwirken, wenn die Vorschrift eine Verhaltenspflicht der Abfallerzeuger enthält. Nur dann ermöglicht es das Gesetz den Abfallbehörden, eine entsprechende Rangfolge aufzustellen und gegenüber den Verwertungspflichtigen durchzusetzen. Diese Gesichtspunkte lassen es zutreffender erscheinen, § 5 Abs. 2 S. 3 KrW-/AbfG als verbindliche Pflicht und nicht lediglich als Programmsatz zu begreifen. ISO Die Wahl des Wortes "anzustreben" spricht nicht zwingend gegen ein solches Verständnis. lsl Denn jedenfalls wird der Abfallerzeuger hierdurch verpflichtet, alternative Verwertungsoptionen in seine Überlegungen einzubeziehen. Da er verpflichtet ist, eine hochwertige Verwertung anzustreben, legt ihm § 5 Abs. 2 S. 3 KrW-/AbfG zumindest einen besonderen Rechtfertigungszwang auf, wenn er eine Verwertungsmöglichkeit nicht ergreift, die technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist und zudem ökologisch günstiger. Problematisch bleibt allerdings die Ausfiillung des unbestimmten Rechtsbegriffs "hochwertig". Das Hochwertigkeitsgebot nach § 5 Abs.2 S.3 KrW-/ AbfG soll das sog. Downcycling verhindern, d. h. die Wahl von Verwertungsoptionen, die den Abfall nicht entsprechend seiner Art und Beschaffenheit v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 5 Rn. 7. So die Begründung des Umweltausschusses, BT-Drs. 12/7284, S. 14. 147 BT-Drs. 12/5672, S. 9. 148 BT-Drs. 12/5672, S. 41. 149 BT-Drs. 12/5672, S. 41. 150 v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 7; Petersen, Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, S. 89; Seibert, UPR 1994,420; Freytag, NuR 1996,339 f.; Rebentisch, NVwZ 1997,420; im Ergebnis wohl auch Klöck, ZUR 1997, 119. 151 So aber Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 116; Weidemann, in: BrandtlRuchaylWeidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 5 Rn. 50. 145

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

verwerten. 152 Dies macht es erforderlich, unter dem Gesichtspunkt der relativen Hochwertigkeit eine Rangfolge der in Betracht kommenden Verwertungsmöglichkeiten aufzustellen. Einen Ansatzpunkt hierfür bieten die in § 5 Abs. 5 KrW -/AbfG aufgeführten Gesichtspunkte,153 die allerdings ihrerseits wieder recht unbestimmt gehalten sind. 154 Letztlich erfordert die Prüfung der Hochwertigkeit eine Ökobilanzierung der zur Auswahl stehenden Verwertungsverfahren, 155 wobei die umweltentlastenden Auswirkungen und die umweltbelastenden Effekte gegenüber zu stellen sind. Einzuräumen ist, daß eine derartige Bilanzierung im Einzelfall vielfach außerhalb der Möglichkeiten der zuständige Abfallbehörde liegen wird. Die Bedeutung des § 5 Abs. 2 S. 3 KrW-/AbfG im praktischen Vollzug wird daher in weiten Teilen davon abhängen, ob es gelingt, rur einzelne Abfallarten auf der Grundlage einer Ökobilanzierung der in Betracht kommenden Verwertungsmöglichkeiten eine allgemeine Rangfolge festzulegen und den Vollzugsbehörden in Form von Regelwerken an die Hand zu geben. Als fragwürdig erweist sich in diesem Zusammenhang, daß der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, in § 7 Abs. 1 KrW-/AbfG eine spezielle Ermächtigungsgrundlage zur Konkretisierung der Hochwertigkeit durch Rechtsverordnung vorzusehen. 156 Eine Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Hochwertigkeit dürfte im Rahmen der vorhandenen Verordnungsermächtigung nur teilweise möglich sein. Andererseits ist nach der hier vertretenen Auffassung eine Konkretisierung durch Rechtsverordnung nach der Konzeption des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgeseztes nicht Voraussetzung, um dem Gebot der hochwertigen Verwertung Rechtsverbindlichkeit zu verleihen. 157 Daher könnten abfallspezifische Regelwerke, die die Anforderungen der Hochwertigkeit konkretisieren, grundsätzlich auch in Form von norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften erlassen werden, wie dies etwa zur Konkretisierung der technischen Möglichkeit, Zumutbarkeit und Schadlosigkeit von Vermeidung Vgl. dazu näher Klöck, ZUR 1997, 119 m. w. N. v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 7; Freytag, NuR 1996,339. Auch die Begründung zum Referenten-Entwurf verweist für das Aufstellen einer Rangfolge unterschiedlicher Verwertungsoptionen unter ökologischen Aspekten auf diese Kriterien, Zur Sache 6/94, S. 153. 154 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 108. 155 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 108; v. Lersnerl Wendenburg, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 7. 156 Vgl. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 117; Kunig, in: KuniglPaetowNersteyl, § 5 Rn. 14. Dies übersieht Paetow, Abfallvermeidung, S. 117, der § 5 Abs.2 S. 3 KrW-/AbfG gerade als Vorgabe für den Verordnungsgeber Bedeutung zusprechen will. 157 So aber wohl die Überlegung von Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 117. 152

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B. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-/AbfG

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und Verwertung durch die LAI-Musterverwaltungsvorschriften zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG 1s8 für einzelne Anlagentypen geschehen iSt. 1S9 Ein erwägenswertes, weil plausibles und auch bei der Anwendung im Einzelfall vergleichsweise einfach zu handhabendes Kriterium für die Beurteilung der relativen Hochwertigkeit einer Verwertung ist die Veredelungsstufe des gewonnenen Verwertungsproduktes. Dieses Kriterium beruht auf der Überlegung, daß die durch Verwertung gewonnenen Produkte Originalprodukte oder Einsatzstoffe substituieren und somit auf deren Herstellung verzichtet werden kann, wodurch auch die mit der Herstellung verbundenen Umweltbelastungen entfallen. Da mit jeder Veredelungsstufe ein Rohstoff- und Energieverbrauch sowie Emissionen verbunden sind, weisen Verfahren, mit denen ein Produkt mit hoher Veredelung ersetzt werden kann, einen höheren Entlastungseffekt auf, als ein alternatives Verfahren, mit denen Produkte einer geringeren Veredelungsstufe substituiert werden. 16O Hieraus läßt sich ableiten, daß es unter dem Gesichtspunkt der Hochwertigkeit im allgemeinen vorzugswürdig ist, einen Abfall entsprechend seinem Ursprungszweck wiederaufzuarbeiten, anstatt die in ihm vorhandenen Wertstoffe abzutrennen und zu verwerten. 161 Der Regierungs-Entwurf sah wohl aus diesem Grund statt des Begriffs der Hochwertigkeit noch die Formulierung vor, eine "der Art und Beschaffenheit des Sekundärrohstoffes entsprechende Verwertung" sei anzustreben. Legt man dieses

Vgl. dazu Haug/Remus, Staub-RL 53 (1993), 94 ff. Die Unbestimmtheit der in § 5 Abs.2 S.3 KrW-/AbfG getroffenen Regelung sowie das Fehlen einer Ermächtigung rur den Verordnungsgeber zum Erlaß konkretisierender Regelungen sind aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Vollzugstauglichkeit bedenklich. Sie werfen auch das Problem auf, ob die Vorschrift noch den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotes genügt. Dieser Frage kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht weiter nachgegangen werden. Angemerkt sei nur folgendes: Das Bestimmtheitsgebot verlangt, Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. Jarass, in: JarasslPieroth, GG, Art. 20 Rn. 39). Dabei ist auch von Bedeutung, wieweit ein Sachbereich eine Regelung durch abstraktgenerelle Normen zuläßt. Gerade im Hinblick auf noch fehlende Erfahrung bei der ökologischen Bewertung von Verwertungsverfahren und die Mannigfaltigkeit der anfallenden Abfälle scheint es sehr fraglich, ob sich auf der Ebene des KrW-IAbfG selbst eine Regelung treffen ließe, die an Bestimmtheit über das hinaus ginge, was sich dem § 5 Abs.2 S. 3 KrW-/AbfG jetzt schon im Wege der Auslegung entnehmen läßt. Es bleibt jedoch bedenklich, wenn die Konkretisierung des in hohem Maße unbestimmten Hochwertigkeitsgebotes allein dem Vollzug im Einzelfall aufgebürdet wird. Diese Bedenken hätte der Gesetzgeber zumindest rur solche Bereiche, in denen sich typische Konstellationen feststellen lassen und die daher durch eine abstrakt-generelle Regelung erfaßbar sind, durch die Ermächtigung zum Erlaß von konkretisierenden Rechtsverordnungen mildern können. Es wäre daher wünschenswert, wenn eine entsprechende Verordnungsermächtigung in den Katalog des § 7 KrW-/AbfG Eingang fände. 160 Große OphojJ, Konzepte, S. 294 f. 161 Große OphojJ, Konzepte, S. 296. 158

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfal1recht und Immissionsschutzrecht

Kriterium zugrunde, so ist unter dem Gesichtspunkt der Hochwertigkeit beispielsweise die Aufarbeitung von Lackschlämrnen zu Lack gegenüber der Verarbeitung zu Füllstoffen für Kunststoffprodukte 162 oder ihrer Verbrennung in Zementdrehrohröfen 163 vorzuziehen. Die Komplexität der zu beurteilenden Sachverhalte sowie die Unbestimmtheit der gesetzlichen Anforderungen werden sicherlich dazu führen, daß den Behörden eine eindeutige Bewertung unterschiedlicher Verwertungsoptionen unter dem Gesichtspunkt der Hochwertigkeit häufig nicht möglich ist. Auch Ökobilanzen werden nicht notwendigerweise zu einem eindeutigen Ergebnis führen.'64 In diesem Fall ist die Pflicht aus § 5 Abs.2 S. 3 KrW-/AbfG nicht durchsetzbar. 165 Andererseits gibt es in der Praxis durchaus Sachverhalte, in denen die gewählte Verwertungsart eindeutig minderwertig und ein Einschreiten auf der Grundlage des § 5 Abs. 2 S. 3 KrW-/AbfG daher sinnvoll ist. 166

e) Verhältnis von stofflicher und energetischer Verwertung Als mögliche Verwertungsarten nennt das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz die stoffliche und die energetische Verwertung. Die Begriffe werden in § 4 Abs. 3 und 4 KrW-/AbfG erläutert. Das Verhältnis der beiden Nutzungsarten wird durch § 6 KrW-/AbfG und die hierauf gestützten Rechtsverordnungen geregelt. Anders als der Referenten-Entwurt 67 und in gewissem Umfang auch noch der Regierungs-Entwurt 68 postuliert das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz keinen grundsätzlichen Vorrang der stofflichen vor der energetischen Verwertung. 169 Nach § 6 Abs. 1 S.2 KrW-/AbfG hat im Grundsatz die besser umweltverträgliche Verwertungsart Vorrang. Begrenzt wird der Vorrang durch die technische Möglichkeit und wirtschaftliche Zumutbarkeit, wie sich aus dem Verweis auf § 5 Abs.4 KrW-/AbfG ergibt. § 6 Abs. 1 S.3 KrW-/AbfG ermächtigt die Bundesregierung, für bestimmte Abfallarten durch Rechtsverordnung generell den Vorrang der stofflichen oder der energetischen Verwertung

162 Große OphojJ, Konzepte, S. 294; vgl. auch die Begründung zum ReferentenEntwurf, Zur Sache 6/94, S. 153. 163 v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfD, § 5 Rn. 7. 164 v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfD, § 5 Rn. 7. 16S v. LersneriWendenburg, KrW-/AbfD § 5 Rn. 6. 166 v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfD § 5 Rn. 7. So würden etwa beim Untertageversatz häufig hochwertig Verwertungsalternativen mißachtet. 167 Zur Sache 6/94, S. 40 ff. 168 Vgl. § 4 Abs.2: Die stoffliche Verwertung sol1 Vorrang vor der energetischen Verwertung haben. 169 Frenz, KrW-/AbfD, § 6 Rn. 1; v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfD § 6 Rn. 4.

B. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-/AbfG

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festzulegen. Soweit es an einer Regelung durch Rechtsverordnung fehlt, ist eine energetische Verwertung nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG zulässig. Noch nicht geklärt ist, ob bei Erfiillung der Voraussetzungen des Absatzes 2 die energetische Verwertung stets zulässig ist,l70 oder ob daruber hinaus auch § 6 Abs. 1 S.2 und 3 KrW-/AbfG der Entscheidung im Einzelfall zugrundzulegen ist. 171

3. Verhältnis von Venvertung und Beseitigung Der Erzeuger oder Besitzer hat nach § 5 Abs.2 S.2 KrW-/AbfG Abfälle vorrangig zu verwerten. Erst wenn der Vorrang der Verwertung nach § 5 Abs. 4 und Abs. 5 KrW-/AbfG entfällt, ist eine Beseitigung zulässig.

a) Abgrenzung zwischen Verwertung und Beseitigung Der Vorrang der Verwertung vor der Beseitigung macht die im Einzelfall schwierig zu treffende Beurteilung erforderlich, ob es sich bei einer beabsichtigten Maßnahme um eine Verwertung oder Beseitigung handelt. l72 Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz grenzt in § 4 Abs. 3 bzw. § 4 Abs. 4 KrW-/ AbfG die stoffliche und die energetische Verwertung mit teils unterschiedlich formulierten Kriterien von der Beseitigung ab. In beiden Fällen ist vor allem auf den Hauptzweck der jeweiligen Maßnahme abzustellen. 173 Eine stoffliche Verwertung und keine Beseitigungsmaßnahme liegt nach § 4 Abs. 3 S. 2 KrW-/ AbfG vor, wenn der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials liegt. 174 Dabei ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde zu legen, wobei insbesondere die im einzelnen Abfall enthaltenen Verunreinigungen zu berucksichtigen sind. Bei der energetischen Verwertung kommt es gern. § 4 Abs. 4 S. 3 KrW-/AbfG auf die Art und das Ausmaß der Verunreinigungen des einzelnen Abfalls an sowie auf die durch die Behandlung anfallenden weiteren Abfälle und die entstehenden Emissionen. Daruber hinaus kennzeichnet § 4 Abs. 4 S. 1 KrW-/AbfG die energetische Verwertung als Einsatz von Abfällen als Ersatzbrennstoff. Hieraus

170 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 6 Rn. 82; Petersen, Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, S. 91 f. 171 v. LersnerlWendenburg. KrW-/AbfG § 6 Rn. 7; Frenz, KrW-/AbfG, § 6 Rn. 12; wohl auch Weidemann, NVwZ 1995,638. J72 Petersen, Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, S. 89. 173 Dolde/Vetter, NVwZ 1997,939 m. w. N. 174 Vgl. auch BVerwGE 96,80/85.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Irnrnissionsschutzrecht

folgt, daß auch dem Heizwert Bedeutung für die Abgrenzung zukommt. 175 Ergänzend zu § 4 Abs. 3 und 4 KrW-/AbfG stellt § 10 Abs. 2 S. 3 und 4 KrW-/ AbfG klar, daß bei der Behandlung und Ablagerung zu Beseitigungszwecken anfallende Energie oder Abfälle zwar soweit wie möglich zu nutzen sind, diese Nutzung aus dem Vorgang aber keine Verwertungsmaßnahme macht, wenn die Nutzung nur untergeordneter Nebenzweck der Behandlung ist. Äußerst umstritten ist freilich, wie diese Kriterien zu handhaben und weiter zu präzisieren sind, insbesondere dann, wenn nur einzelne Bestandteile oder Fraktionen des Abfalls genutzt werden. Je nach Blickwinkel kann die Maßnahme, durch die bestimmte Stoffe aus dem Abfall aussortiert oder abgetrennt werden, der weiteren Nutzung dieser Stoffe dienen oder der Mengenreduzierung der nach wie vor zu beseitigenden Restmenge. 176 Bezogen auf erstere liegt unzweifelhaft eine Verwertung vor, bezogen auf die letztere aber eine die Beseitigung vorbereitende Behandlung. Da eine Trennung jedoch erst durch die Maßnahme erfolgt, stellt sich die Frage, wie die Maßnahme bezogen auf die ursprüngliche Gesamtmenge einzustufen ist. l71 Die Problematik dieser Fragestellung gründet sich allerdings weniger in der Gefahr von gemeinwohlunverträglichen Scheinverwertungen. Auch für Abfälle zur Verwertung hält das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ein Überwachungs- und Kontrollinstrumentarium in Form von präventiven Kontrollerlaubnissen, Anzeigepflichten und Entsorgungsnachweispflichten bereit. Materiell ist eine Verwertung nur dann zulässig, wenn sie ordnungsgemäß und schadlos erfolgt. Soweit die verwertbaren Anteile des Abfalls entsprechend diesen Anforderungen genutzt werden, kann es im Hinblick auf den Vorrang der Verwertung keinen Bedenken begegnen, wenn nicht verwertbare Restbestandteile anschließend beseitigt werden müssen. Die Brisanz der Abgrenzung ergibt sich vielmehr aus den unterschiedlichen Rechtsfolgen, die an Verwertung und Beseitigung geknüpft sind 178 und die auch bei Maßnahmen mit ambivalenter Zwecksetzung eine Zuordnung zu der

Petersen, Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, S. 90. Dies übersieht Weidemann, in: BrandtlRuchay/Weidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 4 Rn. 140, wenn er als Alternative zur Verwertung des wiedergewonnenen Anteils nur die Deponierung der Gesamtmenge des Abfalls nennt. 177 Dieser Aspekt des Abgrenzungsproblems wird zum Teil nicht be.achtet, vgl. etwa die Kornrnentierungen von Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 4 Rn. 111 ff.; v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG § 4 Rn. 22 ff. Dagegen weist Frenz, KrW-/AbfG, § 4 Rn. 22 zu Recht daraufhin, daß der Verweis auf den Hauptzweck auch die Zuordnung von Sachverhalten ermöglichen soll, in denen der Abfall gleichzeitig zum einen Teil verwertet und zum anderen Teil beseitigt wird. 178 Hierauf weist auch Weidemann, in: BrandtlRuchay/Weidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 4 Rn. 132 hin; zu dieser Problematik allgemein auch Große OphojJ, Konzepte, S.296. l7S

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B. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-/AbfG

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einen oder anderen Kategorie erforderlich machen. Werden gewerbliche Abfälle verwertet, so sind hierfür die Erzeuger und Besitzer selbst verantwortlich, eine Überlassungspflicht besteht nicht. Im Falle einer Beseitigung besteht dagegen nach § 13 Abs. 1 S.2 KrW-/AbfG auch für ge",,~rbliche Abfälle grundsätzlich eine Überlassungspflicht gegenüber den öfknthch-rechtlichen Entsorgungsträgern, in deren Gebiet die Abfälle angefallen sind, es sei denn, sie werden in eigenen Anlagen beseitigt. Das hat zur Konsequenz, daß der Abfallerzeuger nicht die Möglichkeit hat, die Abfälle zu anderen und gegebenenfalls kostengünstigeren Entsorgern zu verbringen. Die Kommunen haben ihrerseits auf dem Hintergrund des eingangs erwähnten "Wettbewerbs um Abfälle" ein erhebliches fmanzielles Interesse an der Auslastung ihrer Entsorgungsein. htungen. 179 nc Eingehender mit der Bewältigung der dargestellten Problematik l80 beschäftigt sich das LAGA-Arbeitspapier "Defmition und Abgrenzung von Abfallverwertung und Abfallbeseitigung".181 Die LAGA schlägt für die stoffliche Verwertung eine Mengen-, Wert- und Schadstoffbetrachtung vor. 182 Werden die Bestandteile des Abfalls vollständig oder zu einem überwiegenden Anteil einer erneuten Nutzung zugeführt, soll grundsätzlich eine Verwertung anzunehmen sein. 183 Ist der Anteil der gewonnenen oder genutzten Stoffe dagegen im Verhältnis zur Ausgangsmenge gering, so sei der Verwertungseffekt in der Regel nur ein Nebenzweck im Sinne des § 10 Abs. 2 S. 4 KrW-/AbfG der an sich auf Beseitigung gerichteten Behandlung. Abweichend davon könne aber trotzdem von einer Abfallverwertung als Hauptzweck ausgegangen werden, wenn der Wert der gewonnenen Stoffe einen wesentlichen Teil der Aufwendungen für die Maßnahme trage. l84 Soweit jedoch der Schwerpunkt der Maßnahme auf der Beseitigung eines vorliegenden hohen Schadstoffpotentials liegt, sollen die wirtschaftlichen Nutzungen in ihrem Gewicht hinter dem Ergebnis der Beseitigung dieses Schadstoffpotentials zurücktreten. 18S Was die energetische VerwerVgl. hierzu Weidemann, GewArch 1997,311 f. Deren Bedeutung dürfte allerdings im Bereich der industriellen und gewerblichen Produktion zurückgehen, wenn freiwillig oder aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Vorgaben verstärkt auf ein Getrennthalten der Abfälle geachtet wird. 181 Eine Stellungnahme zu diesen Vorschlägen ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht zu leisten. Kritisch zum Arbeitspapier der LAGA: Weidemann, in: BrandtlRuchaylWeidemann, KrW-/AbfG, D 100.1. 182 LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 5.2. Grundsätzlich zustimmend Schink, Abfallbegriff, S. 36 ff.; ablehnend Weidemann, in: BrandtlRuchaylWeidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 4 Rn. 126 ff.; gegen eine qualitative Betrachtung auch VG Düsseldorf, NVwZ-RR 1997,347. 183 Vgl. VG Berlin, NVwZ 1997, 1032/1034: Verwertung jedenfalls dann, wenn ein großer Anteil des Abfalls nach der Sortierung einer Verwertung zugeführt wird. 184 LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 5.2.2. 185 LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 5.2.3. 179

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

tung anbetrifft, entnimmt das LAGA-Defmitionspapier § 6 Abs. 2 eine Mindestanforderung fiir die Einstufung einer Maßnahme als energetische Verwertung. 186 Darüber hinaus konune es auf die Eignung als Ersatzbrennstoff an. 187 Keine energetische Verwertung soll vorliegen, wenn der Abfall ein nach Art und Ausmaß hohes Schadstoffpotential aufweist l88 oder, wie insbesondere Hausmüll, nach Herkunft oder Art der Sammlung und Bereitstellung heterogen oder von wechselnder Zusanunensetzung ist, da hierbei das Risiko, daß Schadstoffe unbekannter Art oder Menge enthalten seien, besonders groß sei. 189

b) Grenzen der Verwertungspflicht Der Vorrang der Verwertung entfällt, wenn die Verwertung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist (§ 5 Abs.4 S. 1 KrW-/AbfG), ferner, wenn die Entsorgung durch Beseitigung umweltverträglicher ist (§ 5 Abs. 5 KrW-/AbfG).I90

aa) Technisch möglich Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz enhält keine Defmition des Begriffes "technisch möglich", sondern erläutert ihn nur durch ein der KlarsteIlung dienendes l91 Beispiel: Die technische Möglichkeit kann nicht wegen einer notwendigen Vorbehandlung der Rückstände verneint werden. Bereits das Bundes-Abfallgesetz von 1986 knüpfte den Vorrang der Verwertung an die technische Möglichkeit. Ferner macht auch § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG Vermeidungs- wie Verwertungspflicht von dieser Voraussetzung abhängig. Wie schon im Immissionsschutzrecht legt auch im Kontext des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes der Umstand, daß das Gesetz an anderer Stelle, nämlich in § 12 Abs. 3 KrW-/AbfG, den Begriff "Stand der Technik" legal defmiert und in § 12

186 LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 6.2.1. Ebenso Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschaftsund Abfallrecht, § 4 Rn. 143; Weidemann, NVwZ 1995, 638; ähnlich Frenz, KrW-/ AbfG, § 4 Rn. 31; wohl auch v. LersneriWendenburg, KrW-/AbfG § 4 Rn. 27 ff. 187 LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 6.2.2; vgl. auch Winkler, in: Landesumweltamt NRW, Jahresbericht '95, S. 187. 188 LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 6.2.2.1. 189 LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 6.2.2.2. 190 Daneben gilt der Vorrang der Verwertung nach § 5 Abs. 6 KrW-/AbfG generell nicht für Abfalle, die unmittelbar und üblicherweise durch Maßnahmen der Forschung und Entwicklung anfallen. 191 Vgl. Mann, UPR 1995, 180; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 167.

B. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-/AbfG

191

Abs. 1 KrW-/AbfG als Maßstab normiert, es nahe, daß die abweichende Formulierung in § 5 Abs. 4 S. 1 KrW-/AbfG eine andere Sachaussage bezweckt. 192 Während "Stand der Technik" einen generalisierenden Maßstab enthält,193 stellt "technisch möglich" nach ganz überwiegender Auffassung auf den konkreten Einzelfall ab. 194 Die Konsequenzen, die hieraus gezogen werden, sind jedoch unterschiedlich: Teilweise wird verlangt, daß der Verwertungspflichtige sich nicht auf im Betrieb mit Erfolg erprobte Verfahren beschränken dürfe, sondern im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auch Anstregungen zur Entwicklung von Verfahren unternehmen müsse. 195 Damit werden die Anforderungen jedoch überspannt, wenn hiermit mehr verlangt werden soll, als daß anderweitig bereits praktisch erprobte Verfahren so modiftziert werden müssen, daß sie im Betrieb des Erzeugers anwendbar sind. Anders als im Rahmen der imrnissionsschutzrechtlichen Verrneidungs- und Verwertungspflicht, die vor Entstehung des Abfalls eingreift und bereits die Errichtung der Anlage steuern soll, geht es bei § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG um die Verwertung eines bereits angefallenen Abfalls. 196 Längerfristige Entwicklungs- und Erprobungsbemühungen würden daher die zwischenzeitliehe Lagerung des Abfalls erforderlich machen, die ihrerseits mit Risiken für das Gemeinwohl verbunden sein kann. Richtigerweise verlangt technisch möglich daher nur den Einsatz bereits zur Verfiigung stehender, praktisch geeigneter Verfahren. 197 § 5 Abs. 4 S. 1 KrW-/AbfG setzt aber nicht voraus, daß die Verwertung dem Erzeuger oder Besitzer selbst möglich ist. Dieser hat nach § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG die Möglichkeit, Dritte mit der Durchführung zu beauftragen. Soweit eine Einschaltung Dritter in Betracht kommt, reicht es daher aus, daß diese über die geeigneten Verfahren verfiigen. 198 Dadurch nähert sich die Anforderung "technisch möglich" im Ergebnis

192 Mann, UPR 1995, 184; Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 74; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 168; v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 5 Rn. 19. 193 Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 74. 194 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 169; Frenz, KrW-I AbfG, § 5 Rn. 34; Petersen, Abfallpolitisches Konzept, S. 65; Fritsch, Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, Rn. 226; Pohl, in: HUR, B.3, Rn. 43; Mann, UPR 1995, 184. 195 v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 5 Rn. 19; ähnlich Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 170. 196 Dies verkennt auch Weidemann, in: BrandtlRuchaylWeidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 5 Rn. 38, der aus § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG die Pflicht ableiten will, das Produktionsverfahren so abzuändern, daß verwertbare Abflille entstehen. Eine solche Verpflichtung kann sich aber aus §§ 5 Abs. 1 Nr. 3, § 22 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ergeben; dazu unten eIl bund 11 1. 197 VGH BW, UPR 1992, 352; Mann, UPR 1995, 184; Frenz, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 34; Petersen, Abfallpolitisches Konzept, 65; Pohl, in: HUR, B.3, Rn. 43; für das Immissionsschutzrecht wohl ebenso Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 74. 198 Mann, UPR 1995, 185; Frenz, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 34.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

wiederum dem Stand der Technik an. Unterschiede können sich aber ergeben, wenn dem Erzeuger aufgrund der besonderen Gegebenheiten seines Betriebes mehr möglich ist, als es bisher dem Stand der Technik entspricht. Im übrigen scheiden solche Verfahren von vomeherein aus, die keine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung ermöglichen. 199

bb) Wirtschaftlich zumutbar

Technisch mögliche Verwertungsmaßnahmen müssen nach § 5 Abs. 4 S. 1 KrW -/AbfG aber nur dann ergriffen werden, wenn sie wirtschaftlich zumutbar sind. Im Interesse der Ressourcenschonung und Entlastung der Beseitigungskapazitäten (§ 1 KrW-/AbfG) verlangt das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vom Abfallerzeuger zwar grundsätzlich, Abfälle zu verwerten. Eine Verwertung um jeden Preis fordert das Gesetz indes nicht. 2OO Das Tatbestandsmerkmal "wirtschaftlich zumutbar" markiert die Grenze, bis zu welcher der Erzeuger Verwertungsanstrengungen im Allgemeininteresse vorzunehmen hat. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit ist nach § 5 Abs. 4 S. 3 KrW-/AbfG gegeben, wenn die mit der Verwertung verbundenen Kosten nicht außer Verhältnis zu den Kosten stehen, die für eine Abfallbeseitigung zu tragen wären. Eine ähnliche Formulierung fand sich bereits in § 3 Abs.2 S.3 AbfG, wonach die bei der Verwertung entstehenden Mehrkosten im Vergleich zu einem anderen Verfahren der Entsorgung nicht unzumutbar sein durften. Auch § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG verlangt eine Vermeidung oder Verwertung nur dann, wenn sie zumutbar ist. Ausgangspunkt rur die Beurteilung der Zumutbarkeit sind die Kosten einer alternativ in Betracht kommenden Beseitigung. Denn letztere hätte der Erzeuger oder Besitzer in jedem Fall zu tragen, wenn er nicht verwerten würde. Die wirtschaftliche Belastung durch die Verwertung ist daher überhaupt nur insoweit erheblich, als sie die Kosten der Beseitigung übersteigt. Aus § 5 Abs. 4 S.3 KrW-/AbfG folgt daher, daß es auf die Verhältnismäßigkeit der fmanziellen Mehrbelastung ankommt, die sich aus der Verwertung ergibt. Da eine Unzumutbarkeit erst dann gegeben ist, wenn die Kosten der Verwertung außer Verhältnis zu den Kosten der Beseitigung stehen, entfällt die Verwertungspflicht nicht bereits dann, wenn die Verwertung teurer ist als die Beseiti-

199 Vgl. Petersen, Abfallpolitisches Konzept, 65; Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 74; GKBImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 690. 200 Vgl. Mann, UPR 1995, 185; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und AbfalJrecht, § 5 Rn. 177; Klages, Vermeidungs- und Verwertungsgebote, S 119.

B. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-/AbfG

193

gung. 201 Vielmehr muß die Mehrbelastung ein solches Ausmaß erreichen, daß sich für den Unterschied keine rechtfertigenden Gründe mehr fmden lassen, die die Belastung des Betroffenen überwiegen. Als problematisch erweist sich zunächst die Ermittlung der in die Abwägung einzubeziehenden Kosten. Ausgangspunkt sind nach § 5 Abs.4 S.3 KrW-/ AbfG nicht die Kosten der Beseitigung schlechthin, sondern die für eine Beseitigung zu tragenden Kosten. Die gewählte Formulierung weist darauf hin, daß maßgeblich allein die Kosten sind, die tatsächlich vom Entsorgungspflichtigen im Falle der Beseitigung zu tragen wären, also im Regelfall die zu zahlenden Entsorgungsgebühren sowie die Kosten für Bereitstellung und Transport. 202 Nach anderer Auffassung sollen darüber hinaus in den Kostenvergleich die kostenrelevante Absicherung der Langzeitrisiken der Deponierung sowie die kostenträchtige Verknappung von Deponiekapazitäten auch insoweit mit einbezogen werden, wie sie nicht in die Kalkulation der Beseitigungsgebühren eingeflossen sind. 203 Hiergegen spricht aber nicht nur der Wortlaut des § 5 Abs.4 S. 3 KrW-/AbfG, sondern auch die Schwierigkeit der Erfassung, QuantiflZierung und monetären Bewertung solcher externer Kosten für die Entscheidung im Einzelfall. 204 Schon die Ermittlung der volkswirtschaftlichen Kosten der Deponierung dürfte im konkreten Fall die Möglichkeiten der zuständigen Behörde übersteigen. Völlig unklar ist, wie der Gesichtspunkt der Ressourcenschonung in einen solchen Kostenvergleich einbezogen werden kann. Im übrigen stellt sich die Frage, ob bei einer Einbeziehung der nicht internalisierten volkswirtschaftlichen Kosten der Beseitigung einerseits nicht auch die volkswirtschaftlichen Kosten der Verwertung andererseits Berücksichtigung fmden müßten. Denn auch ein Abfall, der zunächst verwertet wird, verursacht weitere Umweltbelastungen, zunächst durch das Verwertungsverfahren, weiterhin aber auch durch die Notwendigkeit, die bei der Verwertung anfallenden Abfälle zu beseitigen. Letztlich müßten also die ökologischen Kosten der Verwertung den ökologischen Kosten der Beseitigung gegenüber gestellt werden können, was ihre QuantiflZierbarkeit voraussetzt. Gesicherte Methoden, die dies erlauben würden, stehen jedoch zur Zeit nicht zur Verfügung. 2os

201 Vgl. die Begrüngung zum Regierungs-Entwurf, BT-Drs. 1215672, S.42; Frenz, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 36; Kunig, in: KuniglPaetowNersteyl, § 5 Rn. 38. 202 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 194; Frenz, KrW-/ AhfG, § 5 Rn. 36; wohl auch v. Köller, KrW-/AbfG, S. 130. 203 Petersen, Abfallpolitisches Konzept, 66; v. LersnerlWendenburg. KrW-/AbfG § 5 Rn. 27 f.; zu § 3 Abs. 2 S. 3 AbfG ausführlich Mann, Abfallverwertung, S. 189 ff. 204 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 192. 205 Vgl. dazu SRU, Sondergutachten ,,Abfallwirtschaft", Tz. 68 f.; Reiche, Wissenschaftlicher Stand des Stoftllußkonzeptes, S. 2 ff.; Henseling/Reiche. Forschungsbedarf zur Fundierung eines Stoftllußrechts aus methodischlnaturwisschenschaftlicher Sicht, 13 Locher

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

Aus Gründen der Praktikabilität ist es daher vorzugswürdig, bei der Ermittlung der Mehrkosten der Verwertung zunächst allein die betriebswirtschaftlichen Kosten zugrunde zu legen. 206 Die umweltbe- und -entlastenden Effekte von Verwertung und Beseitigung sollten erst als qualitative Aspekte bei der Abwägung zwischen der Belastung des Erzeugers einerseits und den Vorteilen der Verwertung gegenüber einer Beseitigung andererseits berücksichtigt werden. 207 Entsprechend sind auch bei der Verwertung zunächst nur die Kosten des eigentlichen Verwertungsverfahrens zu berücksichtigen, wobei auf das jeweils günstigste verfiigbare Verfahren abzustellen ist. Weiterhin sind die Kosten fiir die Beseitigung der Restabfälle, die Transportkosten und die Kosten der Vermarktung einzurechnen. 2os Können die Verwertungsprodukte verkauft werden, so muß der erzielbare Erlös von den Kosten abgezogen werden. 209 Zweifelhaft ist in diesem Zusammenhang, welche Bedeutung § 5 Abs. 4,2. Halbsatz KrW-/AbfG zukommen soll. Dieses Kriterium stellte in § 3 Abs. 2 S. 3 AbfG noch eine eigenständige, weitere Voraussetzung neben der Zumutbarkeit der Mehrkosten dar. 2IO Seine Funktion im Rahmen des § 5 Abs.4 S. 1 KrW-/AbfG ist dagegen unklar. Bereits die Formulierung der Vorschrift bereitet Verständnisschwierigkeiten, da nicht deutlich wird, worauf sich der mit "insbesondere" eingeleitete Nebensatz bezieht. Vorn Sinn her kann Bezugspunkt nur die Voraussetzung "wirtschaftlich zurnutbar" sein. Nach dem Wort-

S. 13 ff.; Bundesumweltministerium (Hrsg.), Umweltökonomische Gesamtrechnung, S. 17, 19. 206 So auch Frenz, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 36; Kunig, in: KuniglPaetowNersteyl, § 5 Rn. 37. 207 So auch Kunig, in: KuniglPaetowNersteyl, § 5 Rn. 37 f. 208 v. LersneriWendenburg, KrW-/AbfG § 5 Rn. 27; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 195; Kunig, in: KuniglPaetowNersteyl, § 5 Rn. 37. 209 v. LersneriWendenburg, KrW-/AbfG § 5 Rn. 27; Petersen, Abfallpolitisches Konzept, 66; Kunig, in: KuniglPaetowNersteyl, § 5 Rn. 37. 210 Vgl. dazu ausführlich Mann, Abfallverwertung, S. 108 ff. In diesem Sinne will Weidemann, in: BrandtlRuchaylWeidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 5 Rn. 40 ff., das Marktkriterium auch im Rahmen des § 5 Abs.4 KrW-/AbfG verstanden wissen. Dies wirft freilich die Frage nach dem Sinn der gegenüber § 3 Abs. 2 S. 3 AbfG geänderten Formulierung auf. Jedenfalls nicht zu überzeugen vermag es, wenn Weidemann - ähnlich auch Kunig, in: KuniglPaetowNersteyl, § 5 Rn. 34 - bei dem von ihm verfolgten Ansatz zugleich eine Vermarktbarkeit nur annimmt, wenn das Verwertungsprodukt gegen Erlös an Dritte abgegeben werden kann. Er übersieht, daß eine stoffliche Nutzung des Abfalls und die Notwendigkeit, an den Nutzenden für die Durchführung des Verwertung eine Entgelt zu zahlen, sich durchaus nicht ausschließen. Dies zeigen etwa die nach h. M. als Verwertung einzustufenden Fälle der Nutzung von Abfallen Versatzmaterial im Bergbau (vgl. BVerwGE 96, 80 ff.; VG Stuttgart, NVwZ-RR 1997, 345). Inwieweit vom Abfallerzeuger in diesen Fällen verlangt werden kann, daß er für die Verwertung durch den Abnehmenden zahlt, ist eine Frage der Zumutbarkeit der hierdurch verursachten Kosten.

B. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-/AbfG

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laut wäre die Pflicht zur Verwertung - die technische Möglichkeit unterstellt jedenfalls einzuhalten, soweit ein Markt vorhanden ist oder geschaffen werden kann. Dies kann aber nicht zutreffen. Der Begriff "wirtschaftlich zumutbar" wird bereits in § 5 Abs. 4 S.3 KrW-IAbfG definiert. Danach kommt es allein auf die Zumutbarkeit der Mehrkosten einer Verwertung an. Die Mehrkosten können zwar im Einzelfall durch die mögliche Vermarktung des Verwertungsprodukts verringert oder gar ganz kompensiert werden. Dennoch folgt aus dieser Möglichkeit nicht zwangsläufig, daß die Verwertung keine unzumutbaren Mehrkosten verursacht. Daß ein Markt vorhanden ist oder geschaffen werden kann, ist somit entgegen dem Wortlaut des § 5 Abs.4 S. 1 KrW-IAbfG nicht allein ausschlaggebend für die wirtschaftliche Zumutbarkeit, sondern nur im Hinblick auf die Ermittlung der Mehrkosten der Verwertung von Bedeutung. Die Mehrkosten sind somit aufgrund eines betriebswirtschaftlichen KostenvergIeichs zu ermitteln. Die Grenze der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit ist erreicht, wenn die Mehrbelastung nicht mehr verhältnismäßig ist. Zu Recht ist hervorgehoben worden, daß das Kriterium der wirtschaftlichen Zumutbarkeit letztlich nichts anderes verlange als die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. 2l1 Das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne besagt, daß bei jeder dem einzelnen vom Staat auferlegten Belastung das Ausmaß der Belastung noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen stehen muß. 212 Der Wortlaut des § 5 Abs. 4 S. 3 KrW-I AbfG legt es auf den ersten Blick nahe, daß es allein auf einen Kostenvergleich ankommt, die Unverhältnisrnäßigkeit sich also daraus ergibt, daß die Verwertungskosten die Beseitigungskosten um ein bestimmtes Maß überschreiten. Das Maß der Überschreitung sagt jedoch bei isolierter Betrachtung nichts darüber aus, wie sehr die Mehrkosten den Abfallerzeuger belasten. In vielen Fällen haben die Beseitigungskosten nur einen sehr geringen Anteil an den gesamten Produktionskosten,213 so daß auch Verwertungskosten, die um ein Vielfaches über den Beseitigungskosten liegen, die Gesamtproduktionskosten nur marginal verändern. Andererseits gibt es Produktionsvorgänge, bei denen der Abfallanfall pro Produktionseinheit hoch ist und sich selbst relativ geringfügige Erhöhungen der Entsorgungskosten merklich auf die Herstellungskosten aus-

211 Fluck, NuR 1995,238; vgl. ferner Mann, Abfallverwertung, S. 198; Klages, Vermeidungs- und Vewertungsgebote, S. 123; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 72. 212 BVerfGE 76, 1151; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 61. 213 Sutter, Sonderabfälle, S. 120, bringt hierzu folgendes Beispiel: Selbst eine Erhöhung der Entsorgungskosten für Lackschlämme um den Faktor 20 würde in der Automobilindustrie die Lackkosten pro Auto lediglich von 200 auf 300 DM erhöhen, eine angesichts eines Produktpreises von über 20.000 DM zu vernachlässigende Größe.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

wirken. 214 Es kann daher nicht auf die absolute Höhe der Verwertungskosten ankommen, sondern nur auf die Auswirkungen, die sie für die abfallerzeugende Tätigkeit haben. Diese Auswirkungen sind abzuwägen mit den Vorteilen, die eine Verwertung gegenüber der sonst durchzufiihrenden Beseitigung im Hinblick auf die Ziele des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes im Einzelfall hat. Die Belastung ist unverhältnismäßig, wenn die Vorteile, in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zu den Konsequenzen für den Abfallerzeuger stehen. Demgegenüber will Fluck die Vorteile, die eine Verwertung im Hinblick auf Ressourcenschonung und Schonung von Deponiekapazitäten mit sich bringt, nur als "sekundäres Kriterium" neben dem primären der wirtschaftlichen Belastung des Verpflichteten berücksichtigen. Diese Gesichtspunkte sollen nur dann von Bedeutung sein, wenn die Kosten von Verwertung und Beseitigung im wesentlichen gleich hoch sind. 21S Er übersieht dabei jedoch, daß allein das Verhältnis der Verwertungs- zu den Beseitigungskosten noch nichts über die Belastung des Abfallerzeugers aussagt und daß die Angemessenheit einer Belastung sich immer nur durch eine Abwägung der Vor- und Nachteile bestimmen läßt. Es ist daher weder allein noch primär auf die Nachteile in Form der fmanziellen Belastung des Abfallerzeugers noch vorrangig auf die umweltentlastenden Effekt der Verwertung abzustellen, vielmehr müssen beide Gesichtspunkte in Beziehung zueinander gesetzt werden. 216 Dabei kann im Einzelfall schon eine an sich wirtschaftlich noch tragbare fmanzielle Mehrbelastung unverhältnismäßig sein, wenn die Verwertung im Vergleich zur Beseitigung zu keiner Umweltentlastung fUhrt. Für den Fall, daß die Beseitigung sogar die umweltverträglichere Lösung ist, läßt bereits § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG ausdrücklich den Verwertungsvorrang entfallen. Aber auch ohne diese Regelung wäre die Verwertungspflicht nicht einzuhalten, da die Mehrbelastung unzumutbar im Sinne des § 5 Abs.4 KrW-/AbfG wäre. Die Bewertung und Bilanzierung der umweltbe- und -entlastenden Effekte wird freilich häufig erhebliche Schwierigkeiten bereiten, so daß unklar ist, welches Gewicht den Vorteilen einer Verwertung bei der Abwägung zukommt. Daher ist im Regelfall von der Wertung des Gesetzes auszugehen, das im Interesse des Gemeinwohls einen Vorrang der Verwertung festlegt. 217

Sutter, Sonderabfälle, S. 121. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 207; noch weitergehend ders., NuR 1995,238: aufgrund der Eingrenzung auf wirtschaftliche Aspekte sei 214 215

das Gemeinwohlinteresse nicht in die Abwägung einzustellen, sondern allein die Belastung des Verpflichteten. 216 Vgl. auch Kersting, Abgrenzung, S. 142 f. 217 Vgl. Kersting, Abgrenzung, S. 143; ähnlich wohl Kunig, in: KunigIPaetowNersteyl, § 5 Rn. 38.

B. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-/AbfG

197

Bei der vorzunehmenden Abwägung muß den unterschiedlichen Bedingungen, denen private Entsorgungspflichtige und öffentliche Entsorgungsträger unterliegen, Rechnung getragen werden. 218 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung interessieren allein erstere. Fraglich ist zunächst, ob es eine absolute Schranke für die vom Abfallerzeuger noch zu tragende fmanzielle Belastung gibt, oder ob ein nur hinreichend großer Vorteil für das Gemeinwohl auch finanzielle Mehrbelastungen rechtfertigen kann, die zur Aufgabe der abfallerzeugenden Tätigkeit zwingen. 219 Für eine absolute Schranke spricht, daß die Belastung wirtschaftlich zumutbar sein muß. Eine mit den Verwertungskosten belastete Wirtschaftseinheit muß die Kosten demnach noch tragen können, die Kostenbelastung darf nicht ein Martkausscheiden zur Folge haben. 220 Jedenfalls dann, wenn die zum Abfallanfall führende Produktion aufgrund der Mehrkosten der Verwertung aufgegeben werden müßte, die Tätigkeit selbst also aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich gemacht wird, ist die noch zumutbare Belastungsgrenze überschritten. Für § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG wird die Grenze der Zumutbarkeit zumeist dort gezogen, wo die Erzeugnisse, bei deren Herstellung die Abfälle anfallen, aufgrund der durch die Verwertung gestiegenen Herstellungskosten nicht mehr zu einem marktfähigen Preis abgesetzt werden können. 221 Dagegen will Fluck für § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG die absolute Belastungsgrenze bereits dort ziehen, wo die Gesamtkapitalrentabilität der Erzeugnisherstellung nicht mehr gegeben ist. Diese Grenze sei erreicht, wenn der durch die Produktion der Erzeugnisse erzielbare Gewinn unter die für das eingesetzte Kapital am langfristigen Kapitalmarkt erzielbare Rendite falle. 222 Fluck greift damit ein Kriterium auf, das von Hoppe zur Ausfüllung des Merkmals "wirtschaftlich vertretbar" vorgeschlagen worden ist,223 welches auch in § 5 Nr. 3 BlmSchG 1974 Verwendung fand. Mit der von Fluck vertretenen Auffassung wird das Erfordernis der wirtschaftlichen Zumutbarkeit jedoch zu restrik218 Barteis, Abfallrecht, S. 67 ff.; Mann, Abfallverwertung, S. 201 ff.; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 202 ff.; v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 5 Rn. 31. 219 In diesem Sinne wohl GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 672, für das Immissionsschutzrecht: keine absolute Grenze der Vermeidungspflicht. 220 Vgl. Koch, WiVerw 1983, 170. 221 LAI, Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.4.4; Jarass, BlmSchG, § 5 Rn.75; Hansmann, NVwZ 1990, 413; noch strenger aber GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 672: Das die Vermarktungsfähigkeit bedroht ist, stellt nur ein Indiz für die Unzumutbarkeit dar, ist aber keine absolute Grenze. 222 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 203. Dazu auch Hoppe, NJW 1977, 1851. 223 Vgl. nur Hoppe, NJW 1977, 1849 ff. Allerdings will Hoppe selbst das Kriterium der Gesamtkapitalrentabilität gerade nicht auf den Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit i. S. des § 5 Nr. 3 BImSchG a. F. angewandt wissen, vgl. NJW 1977, S. 1853.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

tiv ausgelegt. Dabei wird zu sehr in den Vordergrund gestellt, daß § 5 Abs. 4 KrW -/AbfG das Kriterium der Zumutbarkeit in Verbindung mit dem Attribut "wirtschaftlich" verwendet, und zu wenig beachtet, daß dennoch die "Zumutbarkeit" und nicht die "Vertretbarkeit" verlangt wird. Im Immissionsschutzrecht ist der Begriff der wirtschaftlichen V ertretbarkeit aber gerade deswegen durch den der Zumutbarkeit ersetzt worden, um zum Ausdruck zu bringen, daß eine über die wirtschaftliche Vertretbarkeit hinausgehende Pflicht zur Verwertung eingeführt werden soll, die nur noch von der Verhältnismäßigkeit der Verwertungsmaßnahme begrenzt ist. 224 Die gleichen Überlegungen waren ausschlaggebend dafür, in § 3 Abs. 2 AbfG 1986 statt der Worte "nicht vertretbar" die Formulierung "nicht zumutbar" zu wählen. 22S Daß nunmehr § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG ebenfalls von Zumutbarkeit, wenn auch von wirtschaftlicher, spricht, weist daraufhin, daß hiermit weitergehende Anforderungen verbunden sein sollen als mit dem Maßstab der wirtschaftlichen Vertretbarkeit. Ein sachlicher Grund, warum gerade die am langfristigen Kapitalmarkt erzielbare Rendite die absolute Grenze sein soll, ab der eine für die Allgemeinheit vorteilhaftere Verwertung nicht mehr verlangt werden kann, ist zudem nicht erkennbar. Hoppe geht bei seiner Bestimmung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit davon aus, staatliche Maßnahmen dürften eine angemessene Gewinnerzielung nicht nachhaltig verhindern. 226 Angemessen ist seiner Ansicht nach nur eine Gesamtkapitalrendite, die künftige Investitionen in die betroffene Wirtschaftseinheit noch lohnend erscheinen lassen, was erfordere, daß sie nicht unter die am langfristigen Kapitalmarkt erzielbare Rendite zuzüglich eines Risikozuschlags falle. 227 Zweifelhaft ist bereits, ob das Erreichen der Kapitalmarktrendite tatsächlich erforderlich ist, um die Investitionsbereitschaft zu erhalten. 228 Eine Begründung, warum gerade die Erhaltung der Investitionsbereitschaft die Grenze für eine unter den Gesichtspunkten des Ressourcenschutzes und der Schonung von Deponiekapazitäten gebotene Verwertung markieren soll, bleibt diese Argumentation zudem schuldig. 229 Im Ergebnis darf nach dieser Ansicht dem Verursacher des Abfalls eine Verwertung nur soweit abverlangt werden, wie die abfallerzeugende Tätigkeit für ihn noch eine einigermaßen interessante Investitionsmöglichkeit darstellt. Dafür werden die externen Kosten, die ein verstärkter Ressourcen- und Deponieverbrauch mit sich bringt, der Allgemeinheit aufgebürdet. 230 Dies läßt sich schwerlich mit der Zielsetzung Vgl. BT-Drs. 10/1862 (neu), S. 5; dazu GK-BImSchG/Roßnage/, § 5 Rn. 55 f. Vgl. dazu v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 5 Rn. 30. 226 NJW 1977, 1851. 227 NJW 1977, 1851. 228 Dazu Koch, WiVerw 1983, 165. 229 Vgl. auch Koch, WiVerw 1983, 164 f. 230 Vgl. Send/er, UPR 1983,45. 224 225

B. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW -/AbfG

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des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in Einklang bringen, durch eine Inanspruchnahme der Verursacher diese dazu anzuhalten, "vom Abfall her zu denken". Denn Lenkungseffekte, die die Abfallerzeuger dazu motivieren könnten, bestimmte Abfälle zu vermeiden oder für eine bessere und damit in aller Regel kostengünstigere Verwertbarkeit zu sorgen, lassen sich bei einem solchen Verständnis der wirtschaftlichen Zumutbarkeit nur in geringem Maße erzielen. Richtigerweise wird man eine absolute Grenze der wirtschaftlichen Zumutbarkeit erst dort annehmen können, wo die Mehrkosten der Verwertung die Fortsetzung der abfallerzeugenden Tätigkeit unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unmöglich machen, weil sie den Preis der hergestellten Güter so erhöhen, daß diese nicht mehr abgesetzt werden können. Subjektiver Bezugspunkt des Unzumutbarkeitsurteils ist zunächst der jeweils zur Verwertung verpflichtete Abfallerzeuger. 231 Würde man jedoch allein auf die Verhältnisse des einzelnen Erzeugers abstellen, so würde dies dazu fUhren, daß dieser gegen eine Zumutbarkeit auch solche Faktoren geltend machen könnte, die auf eigenen unternehmerischen Fehlentscheidungen beruhen, die die Produktionskosten auch ohne die Kosten einer Verwertung unnötig in die Höhe getrieben haben. 232 Zu Recht entsprach es daher bereits zu § 3 Abs.2 AbfG der ganz überwiegenden Ansicht, daß ergänzend zu prüfen ist, ob die Kosten der Verwertung von anderen Unternehmen der Branche bzw. einem gesunden Durchschnittsunternehmen derselben Branche getragen werden. 233 Ebenso wird im Immissionsschutzrecht für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Verwertung nicht ausschließlich auf die individuelle Leistungskraft des einzelnen Anlagenbetreibers, sondern auf die Leistungskraft eines intakten Durchschnittsbetriebes der betreffenden Art abgestellt. 234 Eine Verwertung ist somit auch dann noch zumutbar, wenn sie zwar den einzelnen Abfallerzeuger aufgrund betriebsindividueller Umstände an sich übermäßig belastet, aber von einem gesunden Durchschnittsunternehmen noch getragen werden kann. Schließlich stellt sich die Frage, inwieweit für die Beurteilung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit nur auf die Rentabilität des einzelnen Herstellungsprozesses abzustellen ist, bei dem der zu verwertende Abfall anfällt, oder ob es darüber hinaus auf die Wirtschaftskraft des Erzeugers insgesamt ankommt, was insbesondere dann Bedeutung erlangt, wenn der Erzeuger als größeres Unternehmen mit einer breit gefächerten Produktpalette die Möglichkeit hat, die v. LersneriWendenburg, KrW-/AbfG § 5 Rn. 31. Vgl. Koch, WiVerw 1983, 168. 233 BarteIs, Abfallrecht, S.68 f.; Klages, Venneidungs- und Vewertungsgebote, S. 124; a. A. v. Lersner/Wendenburg, AbfG, § 3 Rn. 39. 234 Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 75; GK-BlmSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 670; Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 86; Jörgensen, Reststoffvenneidungsund Verwertungsgebot, S. 73. 231

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

verwertungsbedin~ten

Mehrkosten in einem Produktbereich auf andere Produkte überzuwälzen. 2 5 Insbesondere um eine brancheninterne Vergleichbarkeit zu gewährleisten, sollte die wirtschaftliche Zumutbarkeit allein anband der Kosten des einzelnen Herstellungsprozesses beurteilt werden. 236 Im übrigen wird auch im Immissionsschutzrecht für die Frage der Zumutbarkeit einer Verwertung allein auf die betreffende Anlage abgestellt und nicht auf die Finanzkraft des Unternehmens, das die Anlage betreibt. 237

ce) Umweltverträglichere Beseitigungsalternative Nach § 5 Abs.5 KrW-/AbfG entfällt der Vorrang der Verwertung zudem unabhängig von den in § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG aufgestellten Voraussetzungen, wenn die Beseitigung der Abfälle die umweltverträglichere Lösung darstellt. Die Vorschrift geht zurück auf § 4 Abs. 5 des Regierungs-Entwurfes, der allerdings nicht allein den Vorrang der Verwertung vor der Beseitigung betraf, sondern auch den Vorrang der stofflichen vor der energetischen Verwertung. 238 Insbesondere mit Blick auf nachwachsende Rohstoffe hob der RegierungsEntwurf hervor, daß der vom Gesetz aufgestellten Prioritätenfolge die Vermutung der größeren Umweltverträglichkeit zugrundeliege, von der aber aufgrund eines Vergleichs der ökologischen Vor- und Nachteile abgewichen werden könne. 239 Ihre Gesetz gewordene Fassung erhielt die Bestimmung im wesentlichen bereits im Umweltausschuß. 240 Das Verhältnis zwischen stofflicher und energetischer Verwertung erhielt, in Anlehnung an die Begründung des Regierungs-Entwurfes, in § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG eine eigene Regelung, so daß § 5 Abs. 5 nur noch für den Vorrang der Verwertung vor der Beseitigung von Bedeutung blieb. 241

§ 5 Abs. 5 KrW-/AbfG läßt nach seinem Wortlaut lediglich den Vorrang der Verwertung entfallen und begründet so die Wahlmöglichkeit des Abfallerzeu-

Vgl. Mann, Abfallverwertung, S. 202. I. E. ebenso Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 204; a. A. v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 5 Rn. 31. 237 GK-BlmSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 670; Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 75; Rehbinder, DVBI. 1989, 501. 238 Vgl. BT-Drs. 1215672, S. 10,42. 239 BT-Drs. 1275672, S. 42; vgl. auch die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 12/5672, S. 66, die ebenfalls zwischen nicht regenerierbaren und nachwachsenden Rohstoffen differenziert. 240 Vgl. BT-Drs. 12/7240, S. 8. 24\ Die Begründung des Umweltausschusses fUhrt dagegen unzutreffenderweise aus, die Regelung entspreche inhaltlich dem Regierungs-Entwurf. 235

236

B. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-/AbfG

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gers, ob er verwerten oder beseitigen Will. 242 Eine Grenze fmdet diese Wahlmöglichkeit aber in der Anforderung der Schadlosigkeit einer Verwertung. Durch die Verwertung darf nach § 5 Abs. 3 S. 3 KrW-/AbfG eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit nicht zu erwarten sein, wobei die Schadlosigkeit relativ im Vergleich zu den Auswirkungen einer Beseitigung zu verstehen ist. 243 Damit verbleibt fiir § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG nur insoweit ein Anwendungsbereich, als die Beseitigung zwar umweltverträglicher ist, die Verwertung aber gleichwohl eine Gemeinwohlbeeinträchtigung nicht erwarten läßt. Auf diesem Hintergrund bleibt es beispielsweise völlig unklar, wann eine Anreicherung von Schadstoffen in Erzeugnissen lediglich den Vorrang der Verwertung entfallen läßt (§ 5 Abs. 5 S. 2 Nr. 4 KrW-/AbfG) und wann sie eine der Schadlosigkeit entgegenstehende Schadstoffanreicherung im Wertstoffkreislauf darstellen soll.244

Irr. Überwachung Die Reichweite der Überwachung auf der Grundlage des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ergibt sich aus § 40 Abs. 1 KrW-/AbfG. Nach dem Wortlaut der Vorschrift unterliegt die Verwertung (und Beseiti~g) von Abfällen ohne Einschränkung der abfallrechtlichen Überwachung, 4S die Vermeidung dagegen nur, soweit die Vermeidungspflicht durch Rechtsverordnungen nach §§ 23, 24 KrW-/AbfG begründet worden ist. Die anlagenbezogene Vermeidungspflicht nach §§ 5 Abs. 1,9 S. 1 KrW-/AbfG i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG ist folglich nicht Gegenstand der Überwachung nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. 246 § 40 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG enthält nur eine Aufgabenzuweisung, regelt aber nicht die Eingriffsbefugnisse der zuständigen Behörden. 247 Diese ergeben sich aus den folgenden Absätzen der Vorschrift sowie aus den §§ 19,20 sowie §§ 42 ff. KrW-/AbfG. § 40 Abs. 2 - Abs. 4 KrW-/AbfG regeln die üblichen Instrumente der allgemeinen Überwachung, die der zuständigen Behörde die Möglichkeit geben, von den Verpflichteten Auskunft zu verlangen und sich Informationen im We-

242 v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 5 Rn. 34; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 219. 243 Dazu oben unter B 11 2 b). 244 Kritisch zum Verhältnis von § 5 Abs.3 S.3 und Abs. 5 KrW-/AbfG Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 150. 245 Zur Frage, ob hiervon auch die anlageninterne Verwertung i. S. d. § 9 S. 3 KrW-/ AbfG erfaßt wird, s. unten D I 2. 246 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 40 Rn. 37. 247 Fluck, in:. ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 40 Rn. 55.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

ge der Nachschau, also durch Besichtigung der Betriebs- und Geschäftsräume, Einsichtnahme in Unterlagen und Vornahme von technischen Ennittlungen und Prüfungen zu verschaffen. Zur Auskunftserteilung und Gestattung der Nachschau sind die in § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 6 KrW-/AbfG genannten Personen verpflichtet, nämlich die Erzeuger und Besitzer von Abfällen, sonstige Entsorgungspflichtige - hiennit dürften die Entsorgungsträger nach §§ 15, 16 Abs. 2, 17 Abs. 3, 4 und 18 Abs. 2 KrW-/AbfG gemeint sein - sowie die Betreiber von Anlagen, in denen Abfälle (mit)verwertet oder (mit)beseitigt werden. Die Betreiber von Verwertungs- und Beseitigungsanlagen oder von Anlagen, in denen Abfälle mitverwertet oder mitbeseitigt werden, unterliegen nach § 40 Abs. 3 KrW-/AbfG einer weitergehenden Mitwirkungspflicht. Sie haben die Anlagen zugänglich zu machen und die zur Durchfiibrung der Überwachung erforderlichen Arbeitskräfte, Werkzeuge und Unterlagen zur Verfiigung zu stellen. § 40 Abs.3, 3. Variante KrW-/AbfG ermöglicht der Überwachungsbehörde, den Anlagenbetreiber zu verpflichten, Zustand und Betrieb der Entsorgungsanlage auf eigene Kosten prüfen zu lassen, was in der Regel durch die Beauftragung sachverständiger Dritter geschehen wird. 248 Neben dieser allgemeinen Überwachung hält das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz eine Reihe spezifischer Überwachungsinstrumente bereit, deren Anwendung vom Grad der Überwachungsbedürftigkeit des Umgangs mit den betreffenden Abfällen abhängt. Hierzu zählen das in §§ 42 bis 48 KrW-/AbfG i. V. m. der Nachweisverordnung249 geregelte Nachweisverfahren, die Pflicht zur Erstellung und Vorlage von Abfallwirtscbaftskonzepten und Abfallbilanzen nach §§ 19,20 KrW-/AbfG sowie verschiedene Genehmigungs- und Anzeigepflichten für Dritte, die von den Abfallerzeugern oder -besitzern in die Durchführung der Entsorgung eingeschaltet werden. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz unterscheidet zwischen "besonders überwachungsbedürftigen", "überwachungsbedürftigen" und "nicht überwachungsbedürftigen" Abfällen. Die besonders überwachungsbedürftigen Abfälle werden durch die Verordnung zur Bestimmung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen 2so abschließend festgelegt. (Einfach) überwachungsbedürftig sind alle nicht besonders überwachungsbedürftigen Abfälle zur Beseitigung sowie die in der Verordnun~ zur Bestimmung von überwachungsbedürftigen Abfällen zur VerwertuniS aufgeführten Abfälle, die ver-

248 Dazu Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 40 Rn. 244; Frenz, KrW-/AbfG, § 40 Rn. 16. 249 Verordnung über Verwertungs- und Beseitigungsnachweise vom 10.9.1996 (BGBI. I 1382). 250 Vom 10.9.1996 (BGBI. 11366). 251 Vom 10.9.1996 (BGBI. I 1377).

B. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-/AbfG

203

wertet werden. Nicht überwachungsbedürftig sind schließlich alle sonstigen Abfälle zur Verwertung. Das Nachweisverfahren hat die Aufgabe, die Umweltverträglichkeit der Verwertung und Beseitigung zu kontrollieren. Der Nachweispflichtige, im Regelfall der Abfallerzeuger, muß zu diesem Zweck der Behörde vor Durchführung der vorgesehenen Entsorgungsmaßnahrne deren Umweltverträglichkeit nachweisen (sog. Vorabkontrolle, vgl. § 42 Abs. 2 Nr. 1 KrW-/AbfG) und anschließend deren ordnungsgemäße Durchfiihrung dokumentieren (sog. Verbleibskontrolle, vgl. § 42 Abs.2 Nr.2 KrW-/AbfG).2S2 Die Einzelheiten des Verfahrens werden auf der Grundlage von § 48 KrW-/AbfG durch die Nachweisverordnung geregelt. Für die Vorabkontrolle hält die Nachweisverordnung zwei unterschiedliche Verfahrensarten bereit, zwischen denen der Abfallerzeuger wählen kann: das Grundverfahren nach §§ 3 - 9 NachwV sowie das privilegierte Verfahren nach §§ 10 - 13 NachwV. Beim Grundverfahren hat der Abfallerzeuger in der verantwortlichen Erklärung seine Abfälle zu deklarieren und den beabsichtigten Entsorgungsweg anzugeben. Diese Erklärung ist durch den Abfallentsorger in der Annahmeerklärung zu bestätigen. Anband beider Erklärungen prüft die für die Entsorgungsanlage zuständige Behörde die Zulässigkeit der vorgesehenen Entsorgungsmaßnahme und bestätigt diese, wobei die Erteilung von Nebenbestimmungen möglich ist, oder versagt ihre Zustimmung. Gegenstand der Prüfung ist allerdings nur die in der betreffenden Entsorgungsanlage durchzuführende Entsorgungsmaßnahrne selbst: Die Bestätigung ist nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 NachwV zu erteilen, wenn die Anlage rechtlich und technisch zur ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung oder zur gemeinwohlverträglichen Beseitigung der Abfälle in der Lage ist. Grundlage der Entscheidung sind in erster Linie die die Anlage betreffenden Zulassungen. Nach § 5 Abs. 6 NachwV hat die Behörde dagegen nicht zu prüfen, ob es sich bei der durchzuführenden Maßnahme um eine Verwertung oder Beseitigung handelt oder die übrigen aus dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und sonstige Rechtsvorschriften folgenden Erzeugerpflichten eingehalten sind. Inwieweit die Pflichten zur vorrangigen Vermeidung oder Verwertung, zur stofflichen oder energetischen Verwertung sowie zu einer möglichst hochwertigen Verwertung eingehalten werden, ist demnach nicht Prüfungsgegenstand des Nachweisverfahrens. Die Einhaltung dieser Pflichten wird vielmehr eigenständig außerhalb des Entsorgungsnachweisverfahrens durch die für den Abfallerzeuger oder -besitzer zuständige Behörde auf der Grundlage von § 40

252

PetersenlStöhrlKracht, DVBI. 1996, 1164.

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2. Teil: Die Verzahnung von AbfalJrecht und Immissionsschutzrecht

KrW-/AbfG bzw. § 52 BImSchG überwacht. 2S3 Zu diesem Zweck hat der Abfallerzeuger gem. § 6 Abs. 2 S. 1 NachwV eine Ablichtung des Entsorgungsnachweises der fiir ihn zuständigen Behörde zuzuleiten. 2s4 Die Beschränkung des Prüfungsumfan~es im Nachweisverfahren soll der Beschleunigung des Verfahrens dienen. 2 S Beim privilegierten Verfahren wird die Entsorgung ohne vorherige Einzelbestätigung der zuständigen Behörde durchgeführt, Abfallerzeuger und Abfallentsorger tauschen lediglich intern die Verantwortliche Erklärung und die Annahmeerklärung aus. Im übrigen hat der Abfallerzeuger nach § 11 NachwV vor Beginn der vorgesehenen Entsorgung der fiir ihn zuständigen Behörde lediglich anzuzeigen, daß er das privilegierte Verfahren nutzten will. Voraussetzung ist, daß die Entsorgung in besonders qualifIZierten Entsorgungsanlagen durchgeführt wird, nämlich entweder in zertifIZierten Entsorgungsfachbetrieben oder in behördlich freigestellten2S6 Entsorgungsanlagen (§ 10 Abs. 1 i. V. m. § 13 NachwV).2S7 Die Nachweisführung über die im Einzelfall durchgeführte Entsorgung erfolgt mit Hilfe der sog. Begleitscheine, § 15 NachwV. Diese sind von den am Entsorgungsvorgang beteiligten Personen - Abfallerzeuger und -entsorger sowie ggfs. Einsammler und Beförderer - spätestens bei Übergabe oder Annahme der Abfälle auszufüllen (§ 16 NachwV). Der Abfallentsorger hat spätestens zehn Tage nach Annahme der Abfälle Ausfertigungen der Begleitscheine der für die Entsorgungsanlage zuständigen Behörde sowie den weiteren am Entsorgungsvorgang beteiligten Personen zu übergeben oder zuzusenden (§ 17 Abs.2 NachwV). Soweit die fiir die Entsorgungsanlage zuständige Behörde nicht zugleich auch für den Abfallerzeuger zuständig ist, übersendet sie eine Ausfertigung des Begleitscheines an die fiir diesen zuständige Behörde (§ 17 Abs. 3 NachwV). Das soeben dargestellte Nachweisverfahren ist nach §§ 43, 46 KrW-/AbfG obligatorisch für besonders überwachungsbedÜfftige Abfälle durchzuführen. Bei überwachungsbedürftigen und nicht überwachungsbedürftigen Abfällen kann die zuständige Behörde nach §§ 42 Abs. 1 und 45 Abs. 1 KrW-/AbfG im Einzelfall das Nachweisverfahren anordnen mit der Folge, daß die Vorschriften für besonders überwachungsbedürftige Abfälle entsprechende Anwendung fm-

2S3 Vgl. die Begründung der Bundesregierung, BR-Drs. 356/96, S.73; PetersenlStöhr/Kracht, DVBI. 1996, 1165. 2S4 PetersenlStöhrlKracht, DVBI. 1996,1165 Fn. 35. 2SS PetersenlStöhrlKracht, DVBI. 1996, 1165. 2S6 Die FreistelJung von Entsorgungsanlagen erfolgt auf Antrag in einem eigenständigen, in § 13 NachwV geregelten Verfahren. 2S7 PetersenlStöhrlKracht, DVBI. 1996,1165.

B. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem KrW-/AbfU

205

den (§ 26 NachwV). Ansonsten sind die Abfallerzeuger und -entsorger bei überwachungsbedürftigen Abfällen nach §§ 42 Abs. 3,45 Abs.3 KrW-/AbfG verpflichtet, zum Zwecke des Nachweises bestimmte Belege über die Entsorgung zu führen und aufzubewahren. Hierzu ist nach § 25 Abs. 1 NachwVab einer Menge von 5 Tonnen pro Jahr und Abfallschlüssel ein vereinfachter Nachweis zu führen, der aus veranwortlicher Erklärung und Annahmeerklärung besteht. Nach § 25 Abs. 3 NachwV sind zudem Übernahmescheine auszustellen, mit der die erfolgte Übergabe der Abfälle jeweils von demjenigen bescheinigt wird, der sie zur weiteren Entsorgung übernimmt. Ein Instrument, das zugleich der betriebsinternen Planung und Kontrolle wie der Vereinfachung der abfallrechtlichen Überwachung dient, stellen die von bestimmten Abfallerzeuger aufzustellenden Abfallkonzepte und Abfallbilanzen dar. 258 Nach §§ 19, 20 KrW-/AbfG müssen Erzeuger, bei denen jährlich mehr als insgesamt 2000 Kg besonders überwachungsbedürftige Abfälle oder jährlich mehr als 2000 t überwachungsbedürftige Abfälle je Abfallschlüssel anfallen, ein Abfallwirtschaftskonzept und eine Abfallbilanz aufstellen. Im Konzept sind für einen Zeitraum von fünf Jahren Art und Menge der in den Anfallstellen des Abfallerzeugers voraussichtlich anfallenden Abfälle zu rsrognostizieren und deren geplante Entsorgung darzulegen (§§ 2, 4 AbfKoBiV 59). Die getroffenen und geplanten Maßnahmen zur Vermeidung, Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle sind darzustellen, wobei die Notwendigkeit einer Beseitigung besonders zu begründen ist (§ 5 AbfKoBiV). Mit Hilfe der Abfallbilanz wird die im Konzept dargelegte Planung kontrolliert. 260 Sie ist jährlich zu erstellen und muß die tatsächlich angefallenen Abfälle und die durchgeführten Verwertungs- und Beseitigungsmaßnahmen einschließlich der genutzten Entsorgungsanlagen darlegen (§ 3 Abs. 1 AbfKoBiV). §§ 44 Abs. 1, 47 Abs.l KrW-/AbfG sehen vor, daß die Abfallwirtschaftskonzepte und Abfallbilanzen an die Stelle der Entsorgungsnachweise treten, wenn die Abfälle vom Erzeuger oder Besitzer in eigenen, in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehenden Anlagen verwertet oder beseitigt werden. Im Falle der Eigenbeseitigung sowie bei der Eigenund Drittverwertung in anderen Anlagen soll die Behörde nach §§ 44 Abs. 2, 47 Abs.2 KrW-/AbfG von der Vorlage der Entsorgungsnachweise absehen, wenn die Gemeinwohlverträglichkeit der Beseitigung bzw. die Ordnungsgemäßheit und Schadlosigkeit der Verwertung durch die Konzepte und Bilanzen nachgewiesen werden kann. 258 PetersenlStöhriKracht, DVB\. 1996, 1167; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschaftsund Abfallrecht, § 1963 ff. 259 Verordnung über Abfallwirtschaftskonzepte und Abfallbilanzen vom 10.9.1996 (BGB\. I 1447). 260 PetersenlStöhrlKracht, DVB\. 1996, 1167.

206

2. Teil: Die Verzahnung von AbfalIrecht und Immissionsschutzrecht

C. Vermeidungs- und Verwertungspßichten nach dem BlmSchG I. Genehmigungsbedürftige Anlagen

1. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG Die Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG gilt grundsätzlich261 nur für genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 4 Abs. 1 BImSehG. Der Begriff der Anlage wird zunächst durch § 3 Abs. 5 BImSchG ausgefüllt. Welche Anlagen in diesem Sinne genehmigungsbedürftig sind, ergibt sich nach § 4 Abs. 1 S.3 BlmSchG abschließend aus der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BlmSchV).262 Aus der Verordnung ergibt sich auch, welche Einrichtungen und Apparate im einzelnen einer bestimmten Anlage zuzurechnen sind. Für die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG kommt es allein auf die Genehmigungsbedürftigkeit an, nicht dagegen darauf, ob tatsächlich eine Genehmigung vorliegt. 263 Die Grundpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG gilt für die Errichtung und den Betrieb der genehmigungsbedürftigen Anlage. Adressat der Pflicht ist daher allein derjenige, der die Anlage errichtet und betreibt. 264 Anlagenbetreiber in diesem Sinne ist, wer den bestimmenden Einfluß auf die Beschaffenheit und den Betrieb der Anlage ausübt, wer also darüber entscheiden kann, ob und wie die Anlage betrieben wird. 265 Regelmäßig ist dies derjenige, der den Betrieb oder das Unternehmen selbständig führt, innerhalb dessen die Anlage eingesetzt wird. 266 Als Betreiber kommen sowohl natürliche als auch juristische Per. . . Betracht. 267 sonen 0 der Personen.veremlgungen m

a) Vermeidungspflicht

§ 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG verlangt in erster Linie, daß die Anlage so errichtet und betrieben wird, daß Abfalle vermieden werden. Anders als für die Verwertung und Beseitigung nennt die Vorschrift für die Vermeidung keine beson-

261 Zur entsprechenden Anwendung auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen auf der Grundlage von § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG unten unter C 11 2. 262 Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 3. 263 GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 7 f. 264 GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 10; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 5. 265 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 70; Hansmann, in: LandmannIRohmer, § 16 Rn. 5; GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 11. 266 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 71; GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 11. 267 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 70.

C. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem BlmSchG

207

deren Anforderungen an die Art und Weise der Durchführung. Da die Venneidung aber stets Bestandteil des Anlagenbetriebs ist, muß der Anlagenbetreiber bei Maßnahmen der Venneidung die weiteren Grundpflichten aus § 5 BImSchG erfüllen, also insbesondere die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und die Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Nr.2 BImSchG.268 Darüber hinaus gelangen bei der Entscheidung über den Genehmigungsantrag nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG auch weitere öffentlich-rechtliche Vorschriften zur Anwendung, soweit diese anlagenbezogen sind. Nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. hatte der Anlagenbetreiber Reststoffe zu venneiden. Nach der Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen bezieht sich die Venneidungspflicht auf Abfälle. Die Übernahme der bisherigen Reststoff-Defmition in den Abfallbegriff durch § 3 Abs.3 KrW-/AbfG legt es nahe, daß durch den Austausch der Begriffe sachlich keine Einschränkung der Pflichten nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG bedingt sein kann. Demgegenüber äußert Rebentisch Bedenken, der Begriffswechsel habe hinsichtlich des immissionsschutzrechtlichen Venneidungs~ebotes möglicherweise zu einem "umweltpolitischen Rückschritt" geführt. 69 § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. habe dem Zweck gedient, im Interesse einer verbesserten Umweltvorsorge und Ressourcenschonung den Anfall von (Rest-)Stoffen, also das Entstehen dieser Stoffe zu verhindern oder zu minimieren. Eine Venneidung von Abfällen in diesem Sinne sei nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG n. F. nicht mehr möglich. Was gegenständlich nicht anfalle, weil sein Entstehen verhindert oder vermindert werde, könne nicht die tatbestandsbegründenden Voraussetzungen des Abfallbegriffs erfüllen, nämlich die den Besitz kennzeichnende tatsächliche Sachherrschaft und die Entledigungstatbestände. Nach der jetzigen Fassung der Vorschrift könne vom Anlagenbetreiber eine Abfallvenneidung nur noch in Fonn der Rückfiihrung von Abfällen in den Anlagenprozeß verlangt werden. Dadurch habe § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG n. F. ein deutlich geringeres Steuerungspotentia1. 270 Es ist indes nur schwer nachzuvollziehen, warum das Verhindern der Entstehung von Stoffen, die, wenn sie anfallen würden, Abfall wären, keine Abfallvenneidung sein soll. Liegt dagegen eine Sache vor, die die "tatbestandsbegründenden Elemente des Abfallbegriffs" erfüllt, läßt sich nicht mehr von Abfallvenneidung sprechen. Möglicherweise muß man aber Rebentisch dahingehend verstehen, daß die Verhinderung oder Minimierung des Entstehens bestimmter Produktionsrück268 GK-BlmSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 655; Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 68; Hansmann, NVwZ 1990,411 f.; Rebentisch, NVwZ 1995,643; HauglRemus, Staub-RL 53 (1993), 94. 269 NVwZ 1995, 640 f. 270 Rebentisch, NVwZ 1995,641.

208

2. Teil: Die Verzahnung von Abfal1recht und Immissionsschutzrecht

stände aufgrund des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG n. F. vom Anlagenbetreiber nicht mehr verlangt werden könne, weil dieser seiner Pflicht zur Abfallvermeidung auch dadurch genügen könne, daß er hinsichtlich der bereits angefallenen Stoffe die Entledigungstatbestände nicht erfülle. Soweit die anfallenden Stoffe in den Anwendungsbereich des § 3 Abs.3 Nr. 1 KrW-/AbfG fallen, wird der Entledigungswille unwiderleglich vermutet, so daß diese Stoffe mit ihrem Entstehen stets Abfall sind. Mit Ausnahme der Möglichkeit der anlagenintemen Kreislaufführung kann der Anlagenbetreiber diese Abfälle also nur vermeiden, indem er das Entstehen der Stoffe beim Betrieb der Anlage verhindert oder minimiert. Ein sachlicher Unterschied zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. läßt sich insoweit nicht ausmachen. Es ist jedoch daran zu erinnern, daß § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG nur einen Teil der Reststoffe nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. erfaßt. Nach der hier vertretenen Auffassung fallen dagegen Erzeugnisse, die in der Produktion als Hilfs- oder Betriebsstoffe eingesetzt werden, nicht in den Anwendungsbereich der ersten, sondern der zweiten Alternative des § 3 Abs.3 KrW-/AbfG. 271 Erfolgt im Anschluß an den Einsatz in der Produktion unmittelbar die Widmung zu einem neuen Einsatzzweck, so werden diese Stoffe nicht nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG zu Abfall. Freilich kann die Abfalleigenschaft in diesem Fall immer noch dadurch begründet sein, daß entweder die vorgesehene Nutzung eine Verwertung nach § 3 Abs.2 KrW-/AbfG darstellt und damit eine Entledigung oder der Wille zur Entledigung vorliegt, oder daß das Gefahrenpotential der Sache eine Nutzung unter der Kontrolle des Abfallrechts erforderlich macht. Dies ändert jedoch nichts daran, daß eine Vermeidung auch nach der Neufassung des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG dann vorliegt, wenn das Entstehen von Abfällen verhindert wird. Vermeidungsmaßnahmen sind daher nach wie vor der Einsatz bestimmter Produktionsverfahren oder die Auswahl bestimmter Einsatz- und Hilfsstoffe, die zur Folge haben, daß von vorneherein weniger Rückstände entstehen. 272 Zudem zählt § 4 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG auch die Verminderung der Schädlichkeit zu den Vermeidungsmaßnahmen. Weiterhin ist zur Vermeidung von Abfällen die anlageninterne Kreislaufführung zu rechnen, wie sich aus § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG ergibt.

aa) Anlageninterne Kreislauffiihrung Der Begriff der anlageninternen Kreislaufführung wird weder im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz noch im Bundes-Imrnissionsschutzgesetz definiert. Auch der Entwurf der Bundesregierung vom 15.9.1993 spricht ohne nä271 272

Dazu oben 1. Teil, E 11 4. GK-BlmSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 656.

C. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG

209

here Erläuterung von der anlageninternen Kreislauffiihrung als einer anlagenbezogenen Venneidungsmaßnahrne. 273 Aufschlußreicher ist dagegen die Begründung zum Referenten-Entwurf vom 6.7.1992. Dort wird als Beispiel fiir eine anlageninterne Kreislauffiihrung von Stoffen die destillative Lösemittelrückgewinnung in Entfettungsanlagen genannt. 274 Der Begriff der Kreislaufführung oder Rückflihrung von Stoffen in den Entstehungsprozeß war zudem schon bisher bei der Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F.von Bedeutung, genauer: bei der Abgrenzung zwischen der Venneidung und Verwertung von Reststoffen. Maßnahmen der Kreislaufführung wurden einhellig der Vermeidung zugerechnet,27S umstritten war nur die Beurteilung einer anderweitigen Nutzung der Reststoffe, z. B. durch Einbindung in die hergestellten Erzeugnisse oder Herstellung weiterer Produkte. 276 Die Musterverwaltungsvorschrift des LAI zu § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. nennt als Beispiel fiir eine Kreislauffiihrun die Lösemittelrückgewinnung bei Bedruckungsanlagen oder Spritzkabinen. 27 Dieses W ortverständnis deckt sich mit der Verwendung des Begriffs "Kreislauffiihrung" im verfahrenstechnischen Sprachgebrauch. Dort bezeichnet Kreislaufführung ein geschlossenes System der Rückflihrung von Wertstoffen, die als Folge von Ausbeuteverlusten entstehen, und chemisch unveränderten Hilfsstoffen in den selben oder einen zumindest gleichartigen Produktionsprozeß. 278 Abzugrenzen ist dies aus technischer Sicht von der Nutzung von Rückständen in sog. Verwertungskaskaden, bei der die einzelnen Rückstandskomponenten ihrerseits wieder als Einsatzstoffe in Folgeprozessen genutzt werden. 279 Die vom Referenten-Entwurf bzw. der LAI-Musterverwaltungsvorschrift genannten Verfahren sind typische Beispiele fiir geschlossene Stoffkreislaufsysteme.

9

(1) Kreislaufführung Die Bewertung einer Maßnahme als Venneidung nach § 4 Abs. 2 KrW-/ AbfG setzt zunächst voraus, daß von einer Kreislaufführung von Stoffen ge273 VgJ. § 3 Abs. 5 lit. a) des Regierungs-Entwurfs, BT-Drs. 12/5672, sowie die Begründung zu dieser Vorschrift auf S. 41. 274 Zur Sache 6/94, S. 40 ff. VgJ. dazu oben I. Teil B 11., Beispiel (2). 275 LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.4.1; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 67; GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 658; Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 61. 276 VgJ. an dieser Stelle nur GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 657 ff.; Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, 59 ff. 277 LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 4.1. 278 Sutter, Sonderabfälle, S 49 f. 279 Sutter, Sonderabfälle, S. 50.

14 Locher

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

sprochen werden kann. Bereits das Wort ,,Kreislauffiihrung" legt nahe, daß ein in sich geschlossener Stofffiuß vorliegen muß. Dies entspricht der Verwendung des Begriffs Kreislauffiihrung bzw. Stoffkreislauf im technischen Sprachgebrauch. Unter Kreislaufruhrung wird dort die Rückfiihrung von Wert- oder Hilfsstoffen in den Prozeß verstanden. Diese ist von der Nutzung der Rückstände in anderen Prozessen zu unterscheiden. 280 Aus technischer Sicht setzt eine Kreislauffiihrung voraus, daß Einsatz- und Hilfsstoffe chemisch unverändert bleiben. 281 Dies weist daraufhin, daß es Ziel einer Kreislauffiihrung ist, die zunächst angefallenen Stoffe wieder in ihrer ursprünglichen Funktion, also entweder als Hilfs- oder als Werts toff in den Prozeß ZUTÜckzufiihren. Beispiele rur eine Kreislauffiihrun~ sind aus technischer Sicht die Rückfiihrung von Lack beim Spritzlackieren2 2 (Wertstoffkreislaut) und die intefferte Lösemittelaufbereitung bei der Metallentfettung (Hilfsstoffkreislaut).23 Als Beispiel kann ferner die Kreislauffiihrung von Strahlmitteln bei der Oberflächenbehandlung von Gegenständen aus Stahl, Blech oder Guß dienen. Das eingesetzte Strahlmittel muß hierzu nach dem Aufprall auf das Strahlgut abgesaugt oder sonst aufgenommen werden; ferner muß eine Abtrennung des Feinanteils vom Sollkorn des Strahlmittels erfolgen. Das gereinigte Strahlmittel kann dann wieder im Strahlgerät eingesetzt werden. 284 Diese Beispiele machen deutlich, daß eine Kreislauffiihrung nur selten ohne zwischengeschaltete Aufbereitungsmaßnahmen auskommt. So kann der Overspray beim Spritzlackieren nur in begrenztem Umfang direkt aufgefangen und rückgeruhrt werden. Ein anderer Teil fällt als Lackschlamm an, der wieder zu Lack aufgearbeitet werden muß. Die Lösemittel bei der Metallentfettung müssen durch eine mechanische Abtrennung der Feststoffe durch einen Filter sowie eine Destillation wiederaufbereitet werden. Das Strahlgut muß von Verunreinigungen getrennt werden. Diese Aufbereitungsmaßnahmen werden häufig die Begriffsmerkmale der in Anhang 11 B aufgefiihrten Verwertungsverfahren errullen. 28s Damit läge aber nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG eine Entledigung vor, die an sich zur Abfalleigenschaft der Sache fUhren müßte. Daß es sich hier um eine Verwertungsmaßnahme nach Anhang 11 B handeln kann, wird besonders deutlich, wenn man berücksichtigt, daß solche Aufbereitungsmaßnahmen in vielen Fällen wahlweise sowohl innerhalb als auch außerSutter, Sonderabfälle, S. 50. Sutter, Sonderabfälle, S. 49; SRU, Sondergutachten ,,Abfallwirtschaft", Tz. 763. 282 Dazu oben I. Teil, B 11, Beispiel (1). 283 I. Teil, B 11, Beispiel (2). 284 Vgl. dazu LAI, Musterverwaltungsvorschrift, Kennz. 3200, S. 12. 285 Hinsichtlich der Beispielsfälle kommen vor allem in Betracht: R 2 (Rückgewinnung organischer Stoffe), R I (Rückgewinnung/Regenerierung von Lösemitteln) und R 3 (Rückgewinnung von Metallen). 280 28\

c. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG

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halb der Anlage erfolgen können. 286 Gleichwohl wird man den Begriff der Kreislauffiihrung nicht auf Maßnahmen beschränken müssen, die ohne zwischengeschaltete Aufbereitung auskommen. Unter "anlageninterne Kreislauffiihrung" sind schon bisher immer auch Verfahren gefaßt worden, bei denen vor Wiederverwendung eine Aufbereitung erforderlich ist. 287 Auch die Begründung zum Referenten-Entwurf nennt ein solches Verfahren, um den Begriff "anlageninterne Kreislauffiihrung" zu erläutern. 288 Dies spricht dafiir, daß § 4 Abs.2 KrW-/AbfG mit dem Begriff "anlageninterne Kreislauffiihrung" auch solche Maßnahmen erfassen will, die zum Zwecke der Kreislauffiihrung ein Verfahren nach Anhang 11 B nutzen. Dann aber muß die in § 4 Abs. 2 KrW-/ Abtu getroffene Zuordnung zur Vermeidung als Ausnahmetatbestand zur Regelung des Abfallbegriffes verstanden werden. 289 Einem solchen Verständnis steht der EG-rechtliche Ursprung des Anhangs 11 B nicht entgegen. Zunächst sei daran erinnert, daß nach der Abfallrahmenrichtlinie der Schluß vom Verfahren auf die Abfalleigenschaft keineswegs zwingend vorgegeben ist. 290 Es ist daher EG-rechtlich nicht ausgeschlossen, daß ein Verfahren nach Anhang 11 B auch im Rahmen der Vermeidung von Abfällen Anwendung fmdet. Des weiteren nennt Art. 3 Abs. 1 lit a) EG-AbfRRL als Maßnahme zur Verhütung oder Verringerung der Erzeugung von Abfällen die Entwicklung "sauberer Technologien". Zu diesen "clean technologies" wird allgemein auch die anlageninterne Kreislauffiihrung im beschriebenen Sinne gezählt. 291 Die Wertung des § 4 Abs. 2 KrW-/Abtu steht daher im Einklang mit den Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie.

(2) Anlagenintern Als Vermeidung ist die Kreislauffiihrung aber nur dann anzusehen, wenn die Aufbereitung anlagenintern geschieht. Dies hat zur Konsequenz, daß der gleiche Vorgang bei externer Aufbereitung der Verwertung zuzurechnen sein Vgl. dazu Sutter, Sonderabfälle, S. 64 und 68. Vgl. das in der LAI-Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG genannte Beispiel der Lösemittelrückgewinnung; ferner die vom SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 763 f, 768 f. beschriebenen Sachverhalte. 288 Die destillative Lösemittelrückgewinnung in Entfettungsanlagen, vgl. Zur Sache 6/94, S. 151. 289 So auch das LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.2; ferner Krings, WiVerw 1995, 115 ftir das Verhältnis zu § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG; ähnlich auch Frenz, KrW-/AbfG, § 4 Rn. 14. 290 Dazu oben 1. Teil unter EIl b) bb). 291 Hierzu und allgemein zum Stichwort "saubere Technologien" vgl. Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 60 f. m. w. N. 286 287

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

kann. 292 Der sachliche Grund für diese Differenzierung dürfte darin zu sehen sein, daß aufgrund der bei einer externen Aufbereitung regelmäßig erforderlichen Transportvorgänge zusätzliche Risiken geschaffen werden. Auch sind bei einer externen Verwertung häufig Dritte eingeschaltet, was eine Verbleibskontrolle nach Abfallrecht erforderlich machen kann. ,,Anlagenintern" sind nach dem Wortsinn solche Vorgänge, die innerhalb des räumlich-sächlichen Bereichs der Anlage erfolgen. Die Bewertung eines Vorganges als "anlagenintern" setzt folglich nicht nur eine gegenständliche Bestimmung dessen voraus, was eine Anlage ist, sondern darüber hinaus auch eine Festlegung des Anlagenurnfangs. Fraglich ist, welchen Anlagenbegriff das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG zugrundelegt. Einen einheitlichen Anlagenbegriff, auf den zur Ausfiillung des Merkmals zurückgegriffen werden könnte, kennt das deutsche Umweltrecht nicht, vielmehr legt jedes Gesetz dem Begriff der Anlage je nach Zweckrichtung unterschiedliche Bedeutung bei. 293 Denkbar ist zum einen, daß auch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz einen eigenen Anlagenbegriff benutzt. Eine Defmition oder Erläuterung des Begriffs enthält das Gesetz jedoch nicht. Ohne Bedeutung sind für den in § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG benutzten Anlagenbegriff die Vorschriften über Abfallentsorgungsanlagen (§§ 27, 31 KrW-/AbfG). § 4 Abs.2 KrW-/AbfG betrifft die Vermeidung der Abfallenstehung in Produktionsanlagen, nicht die Abfallentsorgung. Den Begriff "anlagenintern" verwendet das Gesetz außer in § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG noch in § 9 S. 3 KrW-/AbfG in der Kombination "anlageninterne Verwertung". § 9 KrW-/AbfG regelt das Verhältnis zwischen den anlagenbezogenen Abfallpflichten des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und den stoffbezogenen Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. Aus diesem Funktionszusammenhang ergibt sich für § 9 S. 3 KrW-/AbfG, daß der dort geregelte Verordnungsvorbehalt für die anlageninterne Verwertung den immissionsschutzrechtlichen Anlagenbegriff in Bezug nimmt. Anlagenintern bedeutet in § 9 S.3 KrW-/AbfG also "innerhalb der Anlage im immissionsschutzrechtlichen Sinne". Im Regelfall wird man annehmen dürfen, daß derselbe Begriff innerhalb ein und desselben Gesetzes jeweils mit der gleichen Bedeutung verwandt wird und daher auch § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG auf den Anlagenbegriff des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verweist. Hierfür spricht zudem die Gesetzesgenese. Eine dem § 4 Abs.2 KrW-/AbfG vergleichbare Bestimmung enthielt § 3 Abs. 5 Nr. 1 lit. a) des Regierungs-Entwurfs, wonach beim Betrieb von Anlagen die anlageninterne Kreislauffiihrung von Stoffen ei292 Die Einschränkung ergibt sich daraus, daß die Behandlung außerhalb der Anlage eine unwesentliche Erhaltungs- oder Reinigungsmaßnahme darstellen kann, die zum normalen Lebenszyklus des Produkts gehört; dazu oben 1. Teil unter EIl b) dd) (5). 293 Sundermann-Rosenow in: HdUR I, Sp. 112 f.

C. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG

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ne Maßnahme zur Venneidung von Abfällen darstellen sollte. 294 Die Entwurfsbegründung bezeichnet dies als "anlagenbezogene Maßnahme" und verweist für diesen Begriff auf die Änderungen der immissionsschutzrechtlichen Vorschriften durch Art. 2 des Gesetzes. 29S Hinzu konunt ein weiteres: § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG dient der Erläuterung des Venneidungsbegriffes. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz enthält aber keine eigene Venneidungspflicht, sondern verweist über §§ 5 Abs. 1,9 S. 1 KrW-/AbfG für den Bereich der anlagenbezogenen Venneidung auf die Venneidungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG, so daß auch dieser Gesichtspunkt für die Maßgeblichkeit des Anlagenbegriffs des Bundes-Immissionsschutzgesetzes spricht. Daher ist eine Kreislauffiihrung als anlagenintern zu betrachten, wenn sie innerhalb der räumlich-sächlichen Grenzen erfolgt, die das Immissionsschutzrecht zieht. 296 Das Bundes-Immissionsschutzgesetz enthält in § 3 Abs.5 BImSchG eine sehr weit gezogene Legaldeflnition des Begriffs ,.Anlage".297 Für die Frage nach dem maßgeblichen Umfang einer einzelnen Anlage läßt sich der Vorschrift jedoch nur wenig entnehmen. 298 Deutlich wird nur, daß je nach den Umständen des Einzelfalls ,.Anlage" i. S. d. § 3 Abs. 5 BImSchG die gesamte Betriebsstätte - der Begriff umfaßt auch Einrichtungen, die im allgemeinen Sprachgebrauch als Fabrik oder Werk bezeichnet werden299 -, aber auch nur eine einzelne ortsfeste Einrichtung oder Maschine sein kann. 3°O Nach welchen Kriterien sich dies entscheidet, ist § 3 Abs. 5 BImSchG dagegen nicht zu entnehmen. Jedenfalls für den hier zunächst interessierenden Bereich der genehrnigungsbedürftigen Anlagen enthält das Immissionsschutzrecht eine explizite Antwort auf die Frage nach dem Anlagenumfang in der 4. BImSchV. Die Verordnung legt fest, welche technischen Einrichtungen Bestandteil einer genehrnigungsbedürftigen Anlage sind. Nach § 1 Abs. 2 der 4. BImSchV sind dies Haupt- und Nebeneinrichtungen der im Anhang der 4. BImSchV aufgelisteten Anlagentypen. Haupteinrichtung sind nach § 1 Abs.2 Nr. 1 der 4. BImSchV alle Anlagenteile und Verfahrensschritte, die zum Betrieb, d. h. i. d. R. zur Erreichung

BT-Drs. 12/5672, S. 9. BT-Drs. 12/5672, S. 41. 296 L E. ebenso v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 4 Rn. 13; implizit wohl auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 70; Schulte, UPR 1996, 436. 297 Jarass, NVwZ 1995,530; G.-P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 65. 298 Vgl. Henkel, Anlag.~nbegriff, S. 147; Sellner, Immissionsschutzrecht, Rn. 18; G.P. Martens, Wesentliche Anderung, S. 65. 299 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 60; Henkel, Anlagenbegriff, S. 29; vgl. auch die amtliche Begründung, BT-Drs. 7/179; S. 29. 300 Vgl. Henkel, Anlagenbegriff, S. 147. 294 295

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

des im Anhang der 4. BImSchV gekennzeichneten Anlagenzweckes, notwen· sm . d .301 d19 Der Umfang der genehmigungsbedürftigen Anlage erstreckt sich nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 4. BImSchV ferner auf Nebeneinrichtungen. In Betracht kommen hierfür zunächst nur solche Einrichtungen, die vom Betreiber der Haupteinrichtung betrieben werden. 302 Voraussetzung ist des weiteren, daß die Einrichtung eine auf die Haupteinrichtung bezogene untergeordnete, dienende Funktion hat. 303 Eine untergeordnete Funktion ist auch möglich, wenn eine Einrichtung mehreren Anlagen dient. 304 Keine dienende Nebeneinrichtung, sondern eine selbständige Haupteinrichtung liegt jedoch vor, wenn die zu beurteilende Einrichtung aufgrund ihrer technischen und betrieblichen Organisation sowie nach Größe und Umfang und der Vielzahl der versorgten Anlagen nicht mehr einer oder einzelnen Haupteinrichtungen zugeordnet werden kann. 305 Dies gilt insbesondere fiir zentrale Versorgungseinrichtungen, wie etwa Fernwärme, Strom- und Wasserversorgungsanlagen, die mit der Vielzahl der versorgten Anlagen nur in einem mit einem Fremdbezug vergleichbaren Verbund stehen. 306 Voraussetzung einer Nebeneinrichtung ist weiterhin der räumliche und betriebstechnische Zusammenhang. Ein räumlicher Zusammenhang liegt vor, wenn sich die Einrichtung auf demselben Betriebsgelände wie die Haupteinrichtung befmdet, wobei kleinere Unterbrechungen, wie Straßen, kleinere Wasserläufe oder Grünfachen unschädlich sind. 307 Ein betriebstechnischer Zusam301 BVerwGE 69, 3511355; Jarass, BlmSchG, § 4 Rn. 39; ders., NVwZ 1995,531; GK-BlmSchG/Blankenagel, § 4 Rn. 21; c.-P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 73; Henkel, Anlagenbegriff, S. 115. 302 Die Erwägungen zu der parallelen Problematik bei § 1 Abs.3 der 4. BlmSchV gelten hier entsprechend, vgl. Hansmann, in: LandmannIRohmer, 4. BlmSchV § 1 Rn. 26; C-P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 117. 303 BVerwGE 69, 3511355; Hansmann, in: LandmannIRohmer, 4. BlmSchV, § 1 Rn. 15; Henkel, Anlagenbegriff, S. 117; Marburger, Massenstromwerte, S.41 f.; Jarass, NVwZ 1995, 532. 304 BVerwGE 69, 3511356; Hansmann, in: LandmannIRohmer, 4. BImSchV § 1 Rn. 16; Jarass, NVwZ 1995,532. Enger C-P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 83, der verlangt, die versorgten Anlagen müßten eine gemeinsame Anlage i. S. d. § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV bilden. 305 BVerwGE 69, 3511356; Henkel, Anlagenbegriff, S. 117 f.; Marburger, Massenstromwerte, S. 42; Jarass, NVwZ 1995, 532. 306 BVerwGE 69, 3511356; Henkel, Anlagenbegriff, S. 118; Marburger, Massenstromwerte, S. 42. 307 GK-BlmSchG/Blankenagel, § 4 Rn. 23; Jarass, BlmSchG, § 4 Rn. 44; C-P. Martens, Wesentliche Änderung, S.80; Henkel, Anlagenbegriff, S. 120; Marburger, Massenstromwerte, S.43. Nach Hansmann, in: LandmannIRohmer, 4. BlmSchV § 1 Rn. 18 soll bei größeren Anlagen auch ein Abstand von mehreren hundert Metern unschädlich sein.

c. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG

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menhang wird durch "technische Verbindungseinrichtungen" wie Förderbänder, Rohrleitungen oder sonstige Versorgungsleitungen hergestellt. 308 Nach ganz überwiegender Ansicht reicht es auch aus, wenn die Verbindung durch mobile Transportmittel wie GabelstabIer oder LKW gewährleistet wird. 309 Schließlich muß die Nebeneinrichtung nach § 1 Abs.2 Nr.2 lit. a) - c) der 4. BlmSchV für den Imrnissions- und Gefahrenschutz relevant sein. Teilweise wird es für erforderlich gehalten, daß die Nebeneinrichtung in ihrem funktionalen Zusammenwirken mit der Hauptanlage Einfluß auf deren Emissions- oder Imrnissionsverhalten oder deren technische Sicherheit haben kann. 3lO Zum Teil wird es aber auch als ausreichend angesehen, daß die Nebenanlage selbst Emissionen oder andere Gefahren auslöst, wobei die Risiken der Nebeneinrichtung nicht die gleichen sein müssen wie die der Haupteinrichtung. 311 Die Relevanz einer Einrichtung für die Erfüllung der Abfallpflichten rechtfertigt nach § 1 Abs.2 Nr.2 der 4. BImSchV dagegen für sich gesehen nicht die Einbeziehung. 312 Eine solche Einrichtung kann aber zugleich für den Immissionsschutz oder die Abwehr sonstiger Gefahren von Bedeutung sein.3\3 Unerheblich ist es für die Zurechnung einer Nebeneinrichtung zu einer Haupteinrichtung, ob bereits die Nebeneinrichtung für sich betrachtet genehrnigungsbedürftig ist. Dies stellt § 1 Abs. 4 der 4. BlmSchV klar, der davon spricht, daß die für sich genehrnigungsbedürftige Einrichtung als Bestandteil (der Haupteinrichtung) oder Nebeneinrichtung zu einer Haupteinrichtung gehört. 314 Nach § 1 Abs.3 der 4. BlmSchV sind überdies gleichartige Anlagen zu einer genehrnigungsbedürftigen Anlage zusammenzufassen. Nach dem Wortlaut scheint diese Bestimmung lediglich vorzuschreiben, daß bei der Berechnung der Anlagengröße bzw. von Leistungsgrenzen, die für die Genehrnigungsbedürftigkeit von Bedeutung sind, gleichartige Anlagen unter bestimmten Vor-

308 GK-BImSchGIBlankenagel, § 4 Rn. 24; Hansmann, in: LandmannIRohmer, 4. BImSchV § 1 Rn. 19; Marburger, Massenstromwerte, S. 44; Henkel, Anlagenbegriff, S. 120; Jarass, NVwZ 1995,533. 309 Hansmann, in: LandmannIRohmer, 4. BImSchV § 1 Rn. 19; Henkel, Anlagenbegriff, S. 120; Marburger, Massenstromwerte, S. 44; offengelassen von GK-BImSchGI Blankenagel, § 4 Rn. 24; anders möglicherweise Ludwig, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 4. BImSchV § 1 Anm. 13. 310 Ludwig, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 4. BImSchV § 1 Anm. 13; Marburger, Massenstromwerte, S. 44 f. 311 Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 44; Hansmann, in: LandmannIRohmer, 4. BImSchV, § 1 Rn. 20; differenzierend c.-P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 98 f. 312 Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 44; Henkel, Anlagenbegriff, S. 121; unklar, i. E. aber wohl ebenso Hansmann, in: LandmannIRohmer, 4. BlmSchV § 1 Rn. 20. 313 Jarass, NVwZ 1995,533; Henkel, Anlagenbegriff, S. 121; Marburger, Massenstromwerte, S. 45. 314 Zutreffend c.-P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 108.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

aussetzungen zusammenzurechnen sind. Doch besteht Einigkeit darüber, daß diese Anlagen nur eine gemeinsame Anlage bilden.3\S Umstritten ist aber, ob mehrere gleichartige Anlagen unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 der 4. BlmSchV auch dann eine (gemeinsame) Anlage darstellen, wenn fiir sie keine Leistungsgrenzen im Anhang der 4. BlmSchV vorgesehen sind. 316 Einzuräumen ist zwar, daß § 1 Abs.3 der 4. BImSchV unmittelbar nur dazu dient, die Bemessungsgrößen für die Einordnung in die Spalten des Anhangs der 4. BlmSchV zu bestimmen. Andererseits wird ganz überwiegend bejaht, daß mehrere gleichartige, nach einem einheitlichen Konzept in räumlichen Zusammenhang betriebene ~enehmigungsbedürftige Anlagen rechtlich zusammengefaßt werden können. 17 Die Legaldefmition des § 1 Abs.3 der 4. BImSchV enthält, über ihren unmittelbaren Regelungsgehalt hinaus, im wesentlichen die von der Rechtsprechung allgemein fiir die Zusammenfassung von genehmigungsbedürftigen Anlagen entwickelten Merkmale 318 und ist daher geeigneter positiv-rechtlicher Ausgangspunkt fiir die Bestimmung des Anlagenumfangs in diesen Fällen. 319

§ 1 Abs.3 der 4. BlmSchV setzt voraus, daß es sich bei den zusammenzufassenden Anlagen um Anlagen derselben Art handelt. Wann gleichartige Anlagen in diesem Sinne vorliegen, wird uneinheitlich beurteilt. Teilweise wird auf die im wesentlichen gleichartige Anlagentechnik abgestellt, teilweise auf die Zuordnung zu der gleichen Nummer des Anhangs der 4. BlmSchV, teilweise auf die Gleichartigkeit der Emissionen. Mit Blick auf den von § 1 Abs. 3 der 4. BlmSchV primär verfolgten Zweck und die Systematik des Anhangs der 4. BlmSchV dürfte eine darauf bezogene Abgrenzung zutreffend sein. 320 Als gleichartig sind grundsätzlich alle Anlagen anzusehen, die unter die gleiche Nummer des Anhangs fallen, unabhänfiig von unterschiedlichen Buchstaben und der Aufführung in Spalte 1 oder 2.3 1 Abweichungen hiervon können sich 315 316

Jarass, NVwZ 1995,533 m. w. N. Ablehnend: Henkel, Anlagenbegriff, S. 124; Marburger, Massenstromwerte,

S.46. 317 BVerwGE 6, 294/295; 69, 351/356; OVG Berlin, NVwZ 1985,756; Jarass, BlmSchG, § 4 Rn. 47; Kutscheidt, in: LandmannIRohmer, § 4 Rn. 22; c.-P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 108 ff.; Henkel, Anlagenbegriff, S. 125; Führ, Sanierung, 124 ff. 318 c.-P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 111 unter Verweis auf OVG Berlin, NVwZ 1985, 756. 319 Führ, Sanierung, 125; c.-P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 111 f.; Jarass, NVwZ 1995,533; implizit auch OVG Berlin, NVwZ 1985,756. Umgekehrt ist aus den in § lAbs. 3 und 4 der 4. BlmSchV getroffenen Regelungen zu schließen, daß im übrigen ungleichartige Anlagen je für sich zu betrachten sind; Jarass, NVwZ 1995,533; c.P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 111. 320 Henkel, Anlagenbegriff, S. 124; Jarass, NVwZ 1995,533. 321 Jarass, NVwZ 1995, 533; strenger Henkel, Anlagenbegriff, S. 124, der grundsätzlich verlangt, daß auch die gleiche Alternative innerhalb einer Nummer gegeben ist.

C. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG

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jedoch mit Blick auf die Anlagentechnik und die verursachten Emissionen rechtfertigen. Anlagen verschiedener Nummern können gleichartig sein, wenn sie eine im wesentlichen gleichartige Anlagentechnik aufweisen und eine vergleichbare Emissionssituation vorliegt. 322 Fallen Anlagen zwar unter die gleiche Nummer des Anhangs, sind aber Emissionen und sonstige Risiken völlig unterschiedlich, sind sie dagegen ausnahmesweise einer gemeinsamen Betrachtung nicht zugänglich. 323 Des weiteren verlangt § 1 Abs.3 der 4. BImSchV, daß die Anlagen in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen. Diese Voraussetzungen sind nach § 1 Abs.3 S.2 der 4. BImSchV erfüllt, wenn die Anlagen auf demselben Betriebsgelände liegen, durch gemeinsame Betriebseinrichtungen verbunden sind und einem vergleichbaren technischen Zweck dienen. Schließlich müssen die zusammenzufassenden Anlagen grundsätzlich von demselben Betrieber genutzt werden. 324 Wendet man die dargelegten Grundsätze auf Einrichtungen an, die der Kreislaufführung von Einsatz- und Hilfsstoffen dienen, so sind diese in aller Regel Teil der Haupteinrichtung oder zumindest Nebeneinrichtung, wenn sie vom selben Betreiber in räumlichem Zusammenhang mit der Einrichtung berieben werden, in der die Stoffe verarbeitet oder eingesetzt werden. Die Aufbereitung und Rückführung der Einsatz- und Hilfsstoffe wird teils technisch notwendig sein, dient aber zumindest dem Zweck der Haupteinrichtung. Die dienende Funktion kann allenfalls dann problematisch sein, wenn die Aufbereitung in einer zentralen Einrichtung erfolgt, die eine Vielzahl von Haupteinrichtungen versorgt, wenn etwa bei einem größeren Werkskomplex die Lösemittel aus einer Vielzahl von Anlagen zentral gefiltert und destilliert werden. Nicht erforderlich ist es weiter, daß die Verbindung zwischen Haupt- und Aufbereitungseinrichtung durch Versorgungsleitungen oder Förderbänder hergestellt wird,32S es reicht, daß die Stoffe per Tankwagen o. ä. transportiert werden. Allerdings genügt die Relevanz der der Kreislauffiihrung dienenden Einrichtungen für die Erfüllung der Vermeidungspflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nicht, um nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 4. BImSchV die Zurechnung zur Haupteinrichtung zu begründen. Vielmehr muß die Einrichtung auch für den Immissions- und Gefahrenschutz von Bedeutung sein, was sich aber nur im Einzelfall beurteilen läßt. Liegt eine gemeinsame Anlage mit mehreren gleichartigen Haupteinrichtungen vor, so wird man es des weiteren zur Erfüllung der Voraussetzung "Kreis-

C-P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 113; Jarass, NVwZ 1995, 533. Jarass, NVwZ 1995, 533; ähnlich C-P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 113. 324 Hansmann, in: LandmannIRohmer, 4. BImSchV § 1 Rn. 26; C-P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 117. 325 So aber Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 70. 322 323

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

lauffiihrung" ausreichen lassen müssen, wenn die im Kreislauf gefiihrten Stoffe nicht in die Einrichtung wieder eingespeist werden, aus der sie stammen, sondern in eine andere gleichartige Einrichtung. Voraussetzung ist aber, daß sie dort im wesentlichen wieder die gleiche Funktion erfiillen. Eine Einspeisung in dieselbe Einrichtung ist unter dem Gesichtspunkt der Ressourcenschonung nicht erforderlich. Auch die Funktion des Abfallrechts, eine Verbleibskontrolle zu ermöglichen, erfordert keine andere Beurteilung, da es sich um kleinräumige Vorgänge handelt und ein und dieselbe Person fiir alle Teilschritte verantwortlich bleibt.

bb) Vermeidung durch anlageninterne Verwertung? Neben Maßnahmen, die der Verhinderung bzw. Reduktion des Entstehens von Rückständen oder der Kreislauffiihrung der entstandenen Rückstände dienen, bewertete die überwiegende Ansicht zu § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. auch solche Maßnahmen als Vermeidung, bei denen die angefallenen Stoffe in anderer Weise als der Kreislauffiihrung innerhalb der Anlage genutzt werden. Hierzu wurde insbesondere das Einbinden der Reststoffe in die Produkte gerechnet, die in der Anlage hergestellt werden, beispielsweise die Zumischung des Filterstaubes der Drehrohrofenentstaubung des Zementwerkes zum Klinker. 326 Eine Verwertung soll demgegenüber erst Vorliegen, wenn die Nutzung außerhalb der Anlagen erfolgt, in der die Reststoffe angefallen sind. 327 Auch fiir § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG n. F. wird nunmehr die Ansicht vertreten, die anlageninterne Verwertung von Abfallen sei - zumindest aus Sicht des Immissionsschutzrechts - als Vermeidung einzuordnen. 328 Dies überrascht, unterscheidet doch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in § 4 Abs. 2 326 LAI, Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.4.1; SRU, Sondergutachten "AbfaUwirtschaft", Tz. 213. 327 LAI, Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.3.1; Hansmann, NVwZ 1990,411; Fluck, NuR 1989,409; Rebentisch, RdE 1994, 95; ders., NVwZ 1995,643; Kaster, NuR 1996, 113; Gall, Nachträgliche Anordnung, S. 79; nicht eindeutig Rehbinder, DVBI. 1989,499. Diese Ansicht ist freilich nie unumstritten gewesen; rur eine andere Bewertung Führ, Sanierung, S. 191 f.; Meidrodt, ReststofIvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 68; Jörgensen, ReststofIvermeidungs- und Verwertungsgebot, S.48 ff.; Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 67; ders., ReststofIvermeidung und Reststoffverwertung, 83 f.; GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 661 f.; vgl. auch Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 4 Anm. 15, 36; Scheier, Rechtsprobleme, S. 47. Unzutreffend daher Rebentisch, NVwZ 1995,643, der von einer einhelligen Auffassung ausgeht. 328 LAI, Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG n. F., Ziff. 3.1; MURL, Zweife\sfragen beim Vollzug des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSehG, Ziff. 1.1 (unveröffentliches Arbeitspapier); Rebentisch, NVwZ 1995, 643; v. Köller, KrW-/ AbfG, 118; v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG, § 4 Rn. 14.

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KrW-/AbfG und § 9 S.3 KrW-/AbfG ausdrücklich zwischen anlageninterner Kreislaufführung und anlageninterner Verwertung. Trotz des an sich klaren Wortlautes frodet sich allerdings die Auffassung, die anlageninterne Verwertung sei ein Unterfall der anlageninternen Kreislaufführung und werde daher vom Gesetz als Abfallvermeidung anerkannt. 329 Dieses bereits dem Wortlaut des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz widersprechende Verständnis läßt sich bei einer näheren Betrachtung der Gesetzesentstehung nicht halten. Vielmehr bezeichnet das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz mit dem Begriff der anlageninternen Kreislauffiihrung und dem der anlageninternen Verwertung je unterschiedliche Maßnahmen. Bedeutsam für das Verständnis der § 4 Abs. 2 und § 9 S. 3 KrW-/AbfG ist, daß bereits im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. zum einen zwischen der anlageninternen Kreislaufführung einerseits und der Einbindung von Reststoffen in die in der Anlage hergestellten Erzeugnisse andererseits unterschieden worden ist. 330 Umstritten war nur die Einordnung der letzteren, erstere wurde nach einhelliger Auffassung als Vermeidungsmaßnahme verstanden.33\ Der Begriff der anlageninternen Kreislaufführung urnfaßte somit nicht die gesamte Nutzung innerhalb der Anlage, insbesondere nicht die Verlagerung in andere Stränge des Herstellungsverfahrens. 332 Der Referenten-Entwurf vom 22.6.1992 ordnete zwar sowohl die anlageninterne Kreislauffiihrung als auch die anlageninterne Verwertung der Rückstandsvermeidung zu. 333 Die Entwurfsbegründung läßt aber deutlich werden, daß dabei zwischen der anlageninternen Kreislauffiihrung und der Einbindung von Stoffen in die in der Anlage hergestellten Produkte oder sonstige Erzeugnisse differenziert wurde. 334 Auch § 3 Abs. 5 Nr. 1 a) des Regierungs-Entwurfs führt die Einbindung von Stoffen in die in der Anlage hergestellten Erzeugnisse zusätzlich zur anlageninternen

329 v. Köller, KrW-/AbfG, S. 118; Birn, KrW-/AbfG, § 4 Anm. 2 (anders aber offenbar in Anm.2 zu § 9); ebenso v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 4 Rn. 14 sowie § 9 Rn. 16, aufgrund der unzutreffenden Annahme, eine Abfallverwertung könne immer nur außerhalb der Sachherrschaft des Erzeugers stattfinden. Unentschieden Reh, in: BirnlJung, Abfallbeseitigungsrecht für die betriebliche Praxis, Teil 18, Kap. 1 S. 12. 330 LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.4.1; Jarass, Reststoffvenneidung und Restoffverwertung, 82 f.; Rehbinder, DVBI. 1989, 499; GK-BlmSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 658. 331 Führ, Sanierung, S. 192; GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 658; Jarass, Reststoffvenneidung und Restoffverwertung, 82 f. 332 Führ, Sanierung, S. 192; Jarass, Reststoffvenneidung und Restoffverwertung, 83; Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 68. 333 § 2 Abs. 5 Nr. 1 a) des Entwurfs. 334 Referenten-Entwurf, Zur Sache 6/94, S. 151. Weniger eindeutig ist allerdings die FonnuJierung der Vorschrift selbst, die von der anlagenintemen Kreislaufflihrung einschließlich der Einbindung in Produkte oder Erzeugnisse spricht.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

Kreislauffiihrung auf. 335 Wenn demgegenüber § 4 Abs. 2 der Beschlußempfehlung des Umweltausschusses und nun auch § 4 Abs.2 KrW-/Abtu nur noch die anlageninterne Kreislauffiihrung als Beispiel fiir eine Vermeidung von Rückständen anfUhren und auf die zusätzliche Nennung der Einbindung von Stoffen in die Erzeugnisse verzichten, so kann nicht angenommen werden, der Begriff der Kreislauffiihrung umfasse auch die sonstige Nutzung innerhalb der Anlage. Vielmehr legt dies den Schluß nahe, die Einbindung in Erzeugnisse habe nicht mehr der Vermeidung i. S. d. § 4 Abs. 2 KrW-/Abtu zugeordnet werden sollen. Die divergierenden Auffassungen zur Reichweite des Vermeidungsbegriffs haben zudem auch im Gesetzgebungsverfahren Beachtung gefunden. Zu der von ihm vorgeschlagenen Fassung des § 9 S. 3 KrW-/Abtu weist der Umweltausschuß zunächst daraufhin, daß der Bereich der anlageninternen Verwertung nach herrschender immissionsschutzrechtlicher Auffassung unter "Vermeidung" i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG falle. 336 Dies läßt einerseits deutlich werden, daß der Umweltausschuß von einer unterschiedlichen Reichweite des Begriffs "Vermeidung" im abfallrechtlichen und im immissionsschutzrechtlichen Kontext ausging. Hieraus ergibt sich aber zugleich auch, daß die Nutzung von Abfällen innerhalb der Anlage auch aus Sicht des Umweltausschusses in der Terminologie des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes eine Verwertung darstellt und keine Vermeidung. So heißt es ausdrücklich in der Begründung zu § 5 Abs. 3 der Beschlußempfehlung: "Es wird insbesondere im Hinblick auf die Reststoffverwertungspflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG klargestellt, daß es sich auch beim Einbinden von Rückständen in Erzeugnisse um eine Maßnahme der Verwertung und nicht der Vermeidung handelt." Die anlageninterne Kreislauffiihrung dagegen ordnete § 4 Abs. 2 der Beschlußempfehlung der Vermeidung von Rückständen zu. Auch dies spricht gegen die Annahme, die anlageninterne Verwertung i. S. d. § 9 S. 3 KrW-/Abtu gehöre zur anlageninternen Kreislauffiihrung und werde durch § 4 Abs. 2 KrW-/Abtu als Abfallvermeidung anerkannt. Jedenfalls das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz trennt somit zwischen anlageninterner Kreislauffiihrung und anlageninterner Verwertung und ordnet lediglich erstere der Abfallvermeidung zu. Eine Übertragung dieses Begriffsverständnis auf die Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wird jedoch teilweise abgelehnt. Der Begriff "Vermeidung" in § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG sei anders zu verstehen als der abfallrechtliche Vermeidungsbegriff. 337

BT-Drs. 12/5672, S. 9. BT-Drs. 12/7284, S. 16. 337 LAI, Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG n. F., Ziff. 3.1; MURL, Zweifelsfragen beim Vollzug des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSehG, Ziff. 1.1; Reben335

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Während der Länderausschuß ./Ur Immissionsschutz eine Begründung für diese Interpretation schuldig bleibt, hält Rebentisch die Zuordnung der anlageninternen VelWertung zur VelWertung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG für unvereinbar mit der anlagenbezogenen Systematik des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. 338 Wäre die Nutzung der Abfälle innerhalb der Anlage eine VelWertung, so müsse sie auch ordnungsgemäß und schadlos erfolgen. Dies betreffe auch die stoffliche Beschaffenheit der durch die VelWertung gewonnenen Produkte, also etwa die Frage, ob bestimmte Schadstoffe in das Produkt eingebunden werden dürfen, die später zu Entsorgungsproblemen fiihren können. Eine solche Kontrolle der stofflichen oder sonstigen Beschaffenheit der hergestellten Produkte sei dem anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht fremd. 339 Die Genehrnigungsvoraussetzungen des § 6 BImSchG und die Grundpflichten nach § 5 BImSchG bezögen sich allein auf die Errichtung und den Betrieb der Anla340 ge. Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Die Überprüfung des VelWertungsproduktes ist lediglich die Konsequenz aus der Entscheidung des Gesetzes, eine VelWertung von Abfällen anstelle einer Vermeidung nur zuzulassen, wenn diese auch im Hinblick auf das gewonnene Produkt umweltverträglich ist. Sie ergibt sich somit unmittelbar aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr.3 BlmSchG und kann daher kaum ein Systembruch sein. 34 ! Zudem geht es bei der Frage, inwieweit Abfälle in Produkte eingebunden werden dürfen, nicht oder nicht in erster Linie um Anforderungen an das hergestellte Produkt, sondern um Vorgaben für die EinsatzstojJe, die zu seiner Herstellung velWendet werden. Wie ein Blick auf die Regelungen der, allerdings nur für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen geltenden, 1. und 2. BlmSchV zeigt, ist es dem Immissionsschutzrecht durchaus nicht fremd, im Hinblick auf die Erfüllung der anlagenbezogenen Pflichten die VelWendung bestimmter Stoffe zu untersagen, wenn deren Einsatz zu unzulässigen Umwelteinwirkungen fiihren würde. Darüber hinaus liegt es in der Konsequenz des von Rebentisch verfolgten Ansatzes, daß stoffbezogene Anforderungen an die Art und Weise der VelWertung selbst dann keine Anwendung auf anlageninterne Vorgänge fmden dürfen, wenn sie in Rechtsverordnungen nach §§ 6, 7 KrW-/AbfG enthalten sind. 342 Dies läßt sich nicht mit § 9 S. 3 KrW-/AbfG in Einklang bringen, der ausdrücklich die Anwendung vorschreibt. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß tisch, NVwZ 1995,643. Vgl. auch bereits die Begründung des Umweltausschusses, BTDrs. 12/7284, S. 16. 338 Rebentisch, NVwZ 1995,643 f.; ders., NVwZ 1997,420 f. 339 Rebentisch, NVwZ 1997,421. 340 Rebentisch, NVwZ 1995,643. 341 Petersen, Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, S. 100. 342 Rebentisch, NVwZ 1995,644; vgl. femerders., RdE 1994,95.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

die Problematik des immissionsschutzrechtlichen Vermeidungsbegriffs im Gesetzgebungsverfahren durchaus bewußt gewesen ist. Der Umweltausschuß hatte mit Rücksicht auf die vorherrschende immissionsschutzrechtliche Auffassung vorgeschlagen klarzustellen, daß die abfallrechtlichen Vorgaben für die Verwertung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht zu berücksichtigen seien, soweit es um die anlageninterne Nutzung gehe. Die im Vermittlungsausschuß gefundene Fassung des § 9 S.3 KrW-/AbfG hat diese Beschlußempfehlung jedoch gerade nicht übernommen. § 9 S.3 KrW-/AbfG beschränkt die Geltung der stoffbezogenen Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung auf solche, die in einer Rechtsverordnung nach §§ 6 Abs. 1, 7 KrW -/AbfG konkretisiert worden sind. Hieraus läßt sich im Umkehrschluß aber entnehmen, daß das Gesetz grundsätzlich von einer Anwendbarkeit der abfallrechtlichen Vorgaben auf die anlageninterne Verwertung ausgeht. 343 Damit ist aber noch nicht notwendig entschieden, daß Bundes-Immissionsschutzgesetz und Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz den Vermeidungsbegriff in einer identischen Bedeutung verwenden. Ansatzpunkt für eine Berücksichtigung der stoffbezogenen Anforderungen an die Art und Weise der anlageninternen Verwertung im abfallrechtlichen Sinne könnte auch § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sein. 344 Nach dieser Vorschrift darf die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage nur erteilt werden, wenn andere öffentlich-rechtliche Vorschriften ... der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Allgemein anerkannt ist allerdings, daß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG nichts am Charakter der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung als einer anlagenbezogenen Genehmigung ändert, so daß die anderen öffentlichen Vorschriften i. S. dieser Bestimmung immer nur "anlagenbezogene" sein können. 345 Fraglich ist, ob Anforderungen, die aufgrund der Verordnungsermächtigungen nach §§ 6 Abs. 1, 7 KrW-/AbfG festgelegt werden können, zu den anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften in diesem Sinne zählen. In einer Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 1 KrW-/AbfG kann rur bestimmte Abfallarten festgelegt werden, daß sie vorrangig stofflich oder energetisch zu verwerten sind. § 7 KrW-/AbfG ermächtigt zum Erlaß von Regelungen, soweit dies zur Erfiillung der Pflichten nach § 5 KrW-/AbfG, insbesondere zur Sicherung der schadlosen Verwertung, erforderlich ist. Von Bedeutung sind hier vor 343 I. E. ebenso Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 67; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschaftsund Abfallrecht, § 9 Rn. 71 f.; Frenz, KrW-/AbfD, § 9 Rn. 4; PeterseniRid, NJW 1995, 12; Petersen, Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, S. 96 f.; Schulte, UPR 1996, 436. 344 So der LAI, Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG n. F., Ziff. 3.1. 345 GK-BImSchGIBlankenagel, § 6 Rn. 13; Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 7; Schmatz! Nöthlichs, Immissionsschutz, BImSchG § 6 Anm. 2.3.1; Feldhaus in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 6 Anm. 6; Ule, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 6 Rn. 6; Rebentisch, RdE 1994, 95.

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allem die Ennächtigungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 (Beschränkung des Einbindens oder des Verbleibs von bestimmten Abfällen in Erzeugnissen), Nr. 2 (Anforderungen an die Getrennthaltung, Beförderung und Lagerung von Abfällen), Nr.4 (Beschränkung des Inverkehrbringens und der Verwertung) und Nr.6 (Kennzeichnungspflichten). § 7 Abs. 3 KrW-/AbfG ergänzt lediglich die Verordnungsermächtigungen nach § 7 Abs. 1 KrW-/AbfG hinsichtlich der Überprüfungsverfahren. § 7 Abs. 2 KrW-/AbfG ist dagegen auf die anlageninterne Verwertung nicht anwendbar, da allein Vorgänge außerhalb der erzeugenden 346 Anlage erfaßt werden. Die in den Rechtsverordnungen nach den §§ 6 und 7 KrW-/AbfG festzulegenden Anforderungen sind in erster Linie stoffbezogen, wie sich auch aus § 9 S. 3 KrW-/AbfG ergibt. Hieraus ist gefolgert worden, eine Berücksichtigung im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr.2 BImSchG sei nicht möglich, da diese Vorschrift anlagenbezogene Regelung voraussetze. 347 Fraglich ist allerdings, ob dieses enge Verständnis des § 6 Abs. 1 Nr.2 BlmSchG zutreffend ist. Eindeutig ist lediglich, daß über § 6 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG solche Anforderungen nicht erfaßt werden, die sich auf die Person des Betreibers beziehen. 348 Im übrigen kommt es nach dem Wortlaut der Vorschrift darauf an, ob die Vorschriften der Errichtung oder dem Betrieb der Anlage entgegen stehen können. Die Formulierung, die Vorschriften müßten sich auf die Anlage als solche beziehen,349 gibt den Regelungsgehalt des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG daher nur verkürzt wieder. Erfaßt werden nicht nur Anforderungen an das Bauwerk ,,Anlage", sondern auch an den Betrieb, d. h. die gesamte Betriebsweise350 der Anlage. Die Nutzung von Abfällen als Ersatzbrennstoff, ihre Einbindung in die in der Anlage hergestellten Erzeugnisse, das Getrennthalten und Lagern sowie die Kennzeichnung der Abfälle sind Vorgänge, die zum Betrieb der Anlage gehören. Die entsprechenden Rechtsverordnungen nach §§ 6 Abs. 1, 7 KrW-/AbfG sind mithin für die Durchführung der Produktionsvorgänge von Bedeutung und können dem Betrieb i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entgegenstehen, wenn sie die Nutzung bestimmter Abfälle als Einsatz-, Hilfs- oder Betriebsstoffe abweichend vom vorgesehenen Betrieb regeln, einschränken oder verbieten. Dieses Verständnis wird dadurch bestätigt, daß für die gleichfalls primär stoffbezogenen AnfordeSo auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 206. Rebentisch, RdE 1994, 95; ebenso die Begründung des Umweltausschusses zu § 9 S. 3, BT-Drs. 12/7284, S. 16: "Mangels Anlagenbezug können sie auch über § 6 Nr. 2 BImSchG nicht zum Gegenstand des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemacht werden." 348 VGH BW, in: Ule/Laubinger, BImSchG, Rechtsprechung § 6 Nr. 23, S. 3; GKBlmSchG/Blankenagel, § 6 Rn. 13; Ule, in: UlelLaubinger, BImSehG, § 6 Rn. 6; Jarass, BlmSchG, § 6 Rn. 14b. 349 Vgl. etwa Ule, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 6 Rn. 6. 350 Jarass, BlmSchG, § 4 Rn. 35; GK-BlmSchG/Blankenagel, § 4 Rn. 45. 346 347

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

rungen nach den aufgrund von §§ 17,23 Abs. 2 ChemG erlassenen Rechtsverordnungen,351 für die Reststoff- bzw. Abfallbestimmungsverordnung352 sowie die Vorschriften des Tierkörperbeseitigungsgesetzes353 die Anwendbarkeit bejaht wird. Bei der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wären die Anforderungen i. S. d. § 9 S. 3 KrW-/AbfG daher auch dann zu berucksichtigen, wenn man die anlageninterne Verwertung als Vermeidung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG betrachtet, für welche die Anforderungen "ordnungsgemäß" und "schadlos" nicht gelten. Trotzdem kann der Ansicht, Immissionsschutzrecht und Abfallrecht lägen unterschiedliche Vermeidungsbegriffe zugrunde, im Ergebnis nicht zugestimmt werden. Der vom LAI vertretene weite immissionsschutzrechtliche Vermeidungsbegriff vermochte bereits für die Rechtslage vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen nicht zu überzeugen. Er widerspricht nicht nur dem allgemeinen Sprachgebrauch,354 sondern auch der Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG. 3SS Die Bundesregierung ging in ihrer Stellungnahme zur Einführung einer vorrangigen Vermeidungspflicht davon aus, daß dem Anlagenbetreiber frei gestellt bleiben müsse, ob er Reststoffe vermeiden oder im eigenen Betrieb oder anderweitig verwerten wolle. 356 Zwar ist der Begriff des "Betriebs" nicht eindeutig, es liegt aber nahe, das er als Synonym für das Wort ,,Anlage" verwendet werden sollte. Vor allem aber vermag es nicht zu überzeugen, daß Anforderungen an die Herstellung des Verwertungsprodukt nur dann zum Tragen kommen sollen, wenn die Verwertung außerhalb -der Anlage erfolgt, nicht jedoch, wenn das gleiche Produkt innerhalb der Anlage erzeugt wird. Die Umweltbelastungen, die durch die Nutzung des Abfalles als Einsatzstoff verursacht werden können, sind in beiden Fällen im Wesentlichen die gleichen. Die Risiken der Verwertung liegen nicht allein in der Lagerung oder dem Transport der Abfälle, sondern ergeben sich auch aus der Behandlung und der Einbindung in ein Produkt. 357 Für eine völlige Freistellung der anlageninternen Abfallnutzung von den Anforderungen, die für eine externe SchmatzlNöthlichs, Immissionsschutz, BImSchG § 6 Anm. 2.3.1 (10.). SchmatzlNöthlichs, Immissionsschutz, BImSchG § 6 Anm.2.3.1 (4.); GKBImSchG/Blankenagel, § § 6 Rn. 22. 353 GK-BImSchG/Blankenagel, § § 6 Rn. 22; SchmatzINöthlichs, Immissionsschutz, BImSchG § 6 Anm. 2.3.1 (5.). 354 Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 67; GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 661. 355 Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 67; Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 68. 356 Vgl. den Bericht des BT-Innenausschusses, BT-Drs. 10/3556, S. 13. 357 Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, 68; GK-BImSchG/ Roßnagel, § 5 Rn. 661; vgl. auch Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 52. 351

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Nutzung gelten, fehlt es daher an einem sachlichen Grund. 3S8 Sie ist zudem auch unter EG-rechtlichen Gesichtspunkten bedenklich: Art. 4 EG-AbfRRL verlangt, daß die Verwertung ohne Gefährdung der menschlichen Gesundheit erfolgt und ohne daß Verfahren oder Methoden verwendet werden, welche die Umwelt schädigen können. Zumindest dann, wenn man die Anforderungen des Art. 4 EG-AbfRRL nicht allein auf das Verwertungsverfahren, sondern auch auf das Verwertungsprodukt bezieht,359 bedarf es auch bei der anlageninternen Verwertung einer Kontrolle der gewonnenen Stoffe oder Erzeugnisse anband des Maßstabes "ordnungsgemäß und schadlos". Weitere Einwände gegen das Begriffsverständnis des LAI ergeben sich aus der Neuregelung des Verhältnisses von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß § 6 Abs. 1 Nr.2 BIrnSchG nur bei der Erteilung von (Erst- oder Änderungs- 360)Genehmigungen zum Tragen kommt. Werden die abfallrechtlichen Anforderungen nach Genehmigungserteilung geändert, so ist eine Anpassung des Anlagenbetriebes an diese veränderte Rechtslage im Wege einer nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG nicht möglich. § 17 BImSchG dient nur der Durchsetzung der im Bundes-Immissionsschutzgesetz selbst oder in den auf das Bundes-Immissionsschutzgesetz gestützten Rechtsverordnungen geregelten Pflichten, nicht dagegen der Durchsetzung der Anforderungen des § 6 Abs. 1 Nr.2 BImSchG. 361 Diese Anforderungen sind vielmehr durch die fachgesetzlich zuständigen Behörden auf der Grundlage der jeweiligen Fachgesetze durchzusetzen/ 62 im Fall des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz also durch die Abfallbehörden auf der Grundlage des § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG. Im Ergebnis unterläge also die Erfiillung der Vermeidungspflicht (auch) der Kontrolle durch die Abfallbehörden. Dies kann zur Unklarheiten hinsichtlich der Zuständigkeit führen und dadurch den Vollzug erschweren. Zu bedenken ist insbesondere, daß die Pflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nur ein Element des auf einen ökologisch gesamthaften und ausgewogenen Belastungsausgleich gerichteten Pflichtenkatalogs des § 5 Abs. 1 BImSchG ist und in einer auf einen optimierenden Ausfleich ausgerichteten Wechselwirkung mit Schutz- und Vorsorgepflicht steht. 36 Die Tauglichkeit des § 5 Abs. 1 BImSchG als Instru-

358 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 67; ders., Reststoffvenneidung und Reststoffverwertung, S. 83 f. 359 In diesem Sinne Petersen/Rid, NJW 1995,12; a. A. Rebentisch, NVwZ 1995,643 und NVwZ 1997, 421, der aber lediglich auf die Anforderungen an das Verwertungsverfahren abstellt. 360 Vgl. Jarass, BImSchG, § 15 Rn. 19. 361 Jarass, BlmSchG, § 17 Rn. 10; GK-BImSchGIKoch, § 17 Rn. 73. 362 Jarass, BlmSchG, § 17 Rn. 10. 363 Rebentisch, RdE 1994, 96.

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Locher

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

ment eines medien- und sektorenübergreifenden Belastungsausgleichs könnte jedoch beeinträchtigt werden, wenn Teilaspekte des anlageninternen Umgangs mit Abfallen durch weitere Behörden mitbestimmt würden. Es darf zumindest bezweifelt werden, ob sich dieses Ergebnis mit dem Anliegen des § 9 S. 1 KrW-/AbfG vereinbaren läßt, der Betreiberpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BIrnSchG grundsätzlich den Vorrang vor den Pflichten nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz einzuräumen. 364 Endlich kann für die hier vertretene einschränkende Auslegung des Vermeidungsbegriffes darauf verwiesen werden, daß das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen eine Angleichung zwischen abfall- und immissionsschutzrechtlichen Pflichten anstrebt, insbesondere auch, was die Begrifflichkeiten anbetrifft. Damit würde es kaum im Einklang stehen, einen so zentralen Begriff wie den der Vermeidung in beiden Gesetzen unterschiedlich weit auszulegen. Es ist daher anzunehmen, daß durch die gesonderte Erwähnung der anlageninternen Verwertung in § 9 S. 3 KrW-/AbfG und die Abgrenzung zur anlageninternen Kreislaufführung als Vermeidung in § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG auch für das gleichzeitig im Rahmen des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen geänderte Bundes-Immissionsschutzgesetz klargestellt worden ist, daß eine anlageninterne Nutzung, die keine Kreislauffiihrung ist, grundsätzlich den Anforderungen an eine Verwertung unterliegt. 365 Nach zutreffender Ansicht umfaßt die Vermeidung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG daher nicht die anlageninterne Verwertung366 der angefallenen Abfälle. 367

ce) Verhältnis zur Verwertung Nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. bestand zwischen der Vermeidung von Reststoffen und ihrer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung kein

364

Vgl. dazu an dieser Stelle nur BT-Drs. 12/7284, S. 15. Näher dazu unten unter

DI. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 72. Welche Maßnahmen der anlagenintemen Verwertung zuzuordnen sind, wird im Zusammenhang mit der Regelung des § 9 S. 3 KrW-/AbfG noch näher zu untersuchen sein; dazu unten unter D III 2. Zur Abgrenzung zur anlagen internen Kreislaufflihrung oben eIl a) aa). 367 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 72; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 67; Petersen, Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, S. 96 ff.; PeterseniRid, NJW 1995, 12; BenderiSparwasserlEngel, Umweltrecht, § 10 Rn. 142; Schulte, UPR 1996, 436; K. Wagner, Abfall und Kreislaufwirtschaft, S. 28; Paetow, Abfallvermeidung, S. 114 f.; ders., in: KunigIPaetowNersteyl, § 9 Rn. 15; wohl auch Weidemann, NVwZ 1995,634; unklar Krieger, NuR 1995,174. 365

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generelles Rangverhältnis. 368 Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach es dem Anlagenbetreiber freisteht, zu verwerten statt zu vermeiden, solange die Verwertung ordnungsgemäß und schadlos erfolgt. Lediglich im Einzelfall kann sich aus der Anforderung der Schadlosigkeit, die das Gesetz an die Verwertung stellt, eine gewisse Bevorzugung der Vermeidung ergeben, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, daß Bezugspunkt für die relative Schadlosigkeit einer Verwertung die alternativ in Betracht kommende Vermeidung ist. Die teilweise vertretene These von einer prozeduralen Priorität der Vermeidung 369 führt in der Sache zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Ansicht soll es Sache des Betreibers sein, zur Abwendung der vorrangigen Vermeidungspflicht darzulegen, inwieweit eine Verwertung ordnungsgemäß und schadlos ist. Nach § 6 Nr. 1 BImSchG ist der Antragsteller jedoch ohnehin verpflichtet, das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen nachzuweisen; bleibt zweifelhaft, ob eine Verwertung ordnungsgemäß und schadlos erfolgen kann, so geht das bereits nach den allgemeinen Regeln zu seinen Lasten. 37o Daher schafft der Vorschlag, § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG eine prozedurale Priorität zu entnehmen, keine zusätzlichen Anforderungen. 37I Durch Inkrafttreten des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfallen hat sich an dieser prinzifiellen Gleichrangigkeit von Vermeidung und Verwertung nichts geändert. 37 Insbesondere erfordert auch § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG keine Neubewertung. 373 Wie bereits dargelegt,374 enhält die Vorschrift selbst keine allgemeine Vermeidungspflicht, sondern nur einen Grundsatz, der im Hinblick auf die Vermeidung von Produktionsabfällen erst durch § 5 Abs. 1 KrW-/AbfG i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG in eine konkrete Rechtspflicht umgesetzt wird. Zwar kann § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG dort von Bedeutung sein, wo es um die Auslegung unklarer Rechtsnormen oder unbestimmter Rechtsbegriffe geht. Grenze einer solchen Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift. Ein Vorrang der Vermeidung, der über das soeben dargelegte hinausginge, stünde mit dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG aber nicht mehr in Einklang. 368 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 76; ders., Reststoffvenneidung und Restoffverwertung, 80; Feldhaus, UPR 1985,387; Jörgensen, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, 61; Sellner, Immissionsschutzrecht, Rn. 64; Kutscheidt, NVwZ 1986, 623; a. A. Rebentisch, UPR 1987,403; Haug/Remus, Staub-RL 1993,94. 369 Rehbinder, DVBI. 1989,499; SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 213; GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 664; Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 69. 370 Vgl. Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 6. 371 Jörgensen, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 60 f. 3721. E. ebenso: Klöck, ZUR 1997,117. 373 A. A. v. Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG § 4 Rn. 8 sowie § 5 Rn. 8. 374 Oben B I.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

b) Verwertungspflicht Auf den ersten Blick kann es zweifelhaft erscheinen, ob § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG überhaupt eine Verwertungspflicht enthält. Der Wortlaut der Vorschrift legt es nahe, die Verwertung lediglich als Ausnahmetatbestand zu begreifen, der die Vermeidungspflicht entfallen läßt, nicht jedoch als eigenständige Rechtspflicht. 37S Eine genauere Betrachtung zeigt aber, daß auch die Verwertung eine echte Betreiberpflicht darstellt. Kann eine Abfallvermeidung vom Betreiber nicht verlangt werden, weil diese technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist, so bleibt dieser gleichwohl zur ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung verpflichtet, die ihrerseits Vorrang vor der Beseitigung hat. Denn die Beseitigung ist nach § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG nur zulässig, wenn sowohl die Vermeidung als auch die Verwertung technisch nicht möglich oder unzumutbar sind. Für dieses Verständnis spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSehG. In der ursprünglichen Fassung enthielt § 5 Nr.3 BImSchG bereits nach dem Wortlaut eine vorrangige Verwertungspflicht. 376 Die Neufassung im Rahmen der zweiten Novelle zum Bundes-Immissionsschutzgesetz wurde durch einen Vorschlag des Bundesrates angestoßen, der zusätzlich zur Verwertungs- und Beseitigungspflicht des § 5 Nr.3 BImSchG 1974 eine vorrangige Vermeidungspflicht vorsah. 377 Die Bundesregierung befürwortete dagegen in ihrer Stellungnahme eine Gleichrangigkeit von Vermeidung und Verwertung. 378 Beide Entwürfe ließen aber keinen Zweifel daran, daß der Betreiber weiterhin zur Verwertung verpflichtet bleiben sollte. Die schließlich Gesetz gewordene Fassung des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. ging auf die Initiative des Bundestagsinnenausschusses zurück. Durch die gewählte Formulierung sollte lediglich dem "Vermeidungsgebot in der Akzentuierung des Verhältnisses zum Verwertungsgebot eine weniger eindeutige Priorität eingeräumt" werden. 379 Daß mit der Neuformulierung eine Veränderung des Charakters der bisherigen Betreiberpflicht hin zu einer ,,Handlungs- und Obliegenheitspflicht,,380 verbunden sein sollte, kann daher nicht angenommen werden. 381

375 So ausdrücklich Hansmann, NVwZ 1990,410; Breuer, Gutachten, B 55. Ähnlich nunmehr auch Rebentisch, NVwZ 1995,641, der von "Handlungs- und Obliegenheitspflicht" spricht; wohl auch Kunig, NVwZ 1997,214. 376 Vgl. hierzu die Kommentierung von Ule, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 5 Rn. 5; Jarass, BlmSchG, l. Aufl. 1983, § 5 Rn. 37 ff.; ferner die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 7/179, S. 60. 377 BT-Drs. 10/1862 (neu), Art. 1 Nr. l. Vgl. hierzu Feldhaus, UPR 1885, 387. 378 BT-Drs. 1011862 (neu), S. 9. 379 BT-Drs. 10/3556, S. 13. 380 Vgl. Rebentisch, NVwZ 1995, 641; kritisch dazu Petersen, Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, S. 100 f.

C. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem BlmSchG

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aa) Verwertungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG als anlagenbezogene Betreiberpflicht Probleme bereitet die Bestimmung des genauen Gegenstandes der Verwertungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG. § 5 Abs.l BImSchG enthält Pflichten, die sich auf Errichtung und Betrieb der Anlage beziehen und in diesem Sinne anlagenbezogen sind. Der Begriff der Errichtung ist umfassend zu verstehen und beinhaltet neben dem Aufbau oder der Herstellung von Bauwerken auch die Einrichtung einer Anlage. 382 Der Betrieb einer Anlage ist ihr Gebrauch zur zweckbestimmten Produktion, darüber hinaus aber auch die konkrete Betriebsweise. 383 Der Betrieb umfaßt den gesamten Prozeß der Leistungserstellung unter Einsatz der spezifischen Produktionsfaktoren einschließlich vor- und nachbereitender Maßnahmen. Dazu zählen sowohl die charakteristischen Produktionsmethoden als auch logistische Produktionshilfen. 384 Des weiteren gehören zum Betrieb nicht nur betriebstechnische, sondern auch betriebsorganisatorische Maßnahmen, die die Erfüllung der Betreiberpflichten sicherstellen sollen. 385

§ 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG verlangt vom Betreiber, die Anlage so zu errichten und zu betreiben, daß Abfälle vermeiden oder ordnungsgemäß und schadlos verwertet werden. Gefordert wird mithin eine bestimmte Gestaltung der Anlage und ihres Betriebes, der technischen Einrichtungen und organisatorischen Abläufe, die auf eine Vermeidung oder Verwertung ausgerichtet sein müssen. 386

381 Vgl. Feldhaus, UPR 1985, 387: alternative Pflichten. Endlich besätigt auch ein Blick auf § 5 Abs. 3 Nr. 2 BlmSchG die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung. Nach allgemeiner Auffassung erstreckt die Vorschrift die Geltung der Betreiberpflicht aus § 5 Abs. I Nr. 3 BlmSchG in die Nachbetriebsphase (GK-BlmSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 774; Vallendar, UPR 1991, 93; Hansmann, NVwZ 1993, 921; Stockmann, Nachsorgepflicht, S.78). Sie statuiert aber keine Vermeidungspflicht mehr, für die nach Betriebseinstellung auch kein Anwendungsbereich mehr besteht. Dadurch tritt aber zugleich deutlicher hervor, daß die Sicherstellung der Verwertung (wie auch der Beseitigung - dazu noch näher unten C I I b) aa) (5) - von Abflillen eine selbständige Betreiberpflicht ist. 382 GK-BlmSchG/Biankenagel, § 4 Rn. 38; Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 33. 383 Jarass, BImSchG, § 4 Rn.35; GK-BlmSchG/Blankenagel, § 4 Rn.45; Kutscheidt, in: LandmannIRohmer, § 4 Anm. 15. 384 GK-BImSchG/Biankenagel, § 4 Rn. 45; Kutscheidt, in: LandmannIRohmer, § 4 Anm. 15; Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 35. 385 Feldhaus, NVwZ 1991,929; Hansmann, in: LandmannIRohmer, § 52a Rn. 19. 386 A. A. Henseler, Abwasserbeseitigung, S. 69, der ohne nähere Begründung davon ausgeht, § 5 Nr. 3 BImSchG 1974 beziehe sich nicht auf den Anlagenbetrieb selbst, sondern setze einen abgeschlossenen Betriebsvorgang voraus. Diese Interpretation steht jedoch im Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. I Nr. 3 BlmSchG und wird zudem der zentralen Funktion der Norm, bereits den Abfallanfall durch Anforderungen an Errichtung und Betrieb der Anlage zu steuern, nicht gerecht.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Irnrnissionsschutzrecht

Die Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG knüpft damit, anders als die Grundpflicht des Abfallerzeugers oder -besitzers nach § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG, nicht unmittelbar an den Anfall des Abfalls an. Vielmehr setzt sie bereits vor der Abfallentstehung an und verpflichtet zu einer an Vermeidungs- und Verwertungsmöglichkeiten orientierten Planung und Gestaltung der Anlagentechnik und des Betriebes.387 Denn die eingesetzten Rohstoffe sowie die gewählte Verfahrenstechnik entscheiden darüber, ob und welche Abfallstoffe in welchem Umfang anfallen. 388 Insbesondere eine Vermeidung von Produktionsabfällen ist nur durch die Auswahl entsprechender abfallarmer Verfahrenstechniken möglich. Hinzu kommt, daß nach Errichtung einer Anlage Änderungen der Anlagentechnik zur Vermeidung von Abfällen häufig nur mit erheblichem finanziellen Aufwand möglich und daher für den Anlagenbetreiber unwirtschaftlich und teilweise auch unzumutbar sind. 389 Nicht übersehen werden darf aber, daß auch für die Verwertung von Abfällen die Weichen bereits bei der Wahl der Anlagentechnik gestellt werden: Abfälle müssen mit einer bestimmten Qualität "erzeugt" werden, um den Vorrang der Verwertung vor der Beseiti~g sicherzustellen, der anderenfalls zu einer Leerformel verkümmern würde. 90 So lassen sich beispielsweise die Verfahren zur Rauchgasreinigung bei Kohlekraftwerken in verwertungsorientierte und rückstandsorientierte unterteilen. 391 Ferner setzt eine Verwertbarkeit von Rückständen häufig voraus, daß Verunreinigungen durch prozeßtechnische Maßnahmen vermieden werden. Beispielsweise scheiterte die Verwertung von Chemiegipsen lange Zeit an den über Rohstoffe und unerwünschte Nebenreaktionen eingetragenen Verunreinigungen. 392 Eine Verwertung der in Galvanikschlämmen enthaltenen NE-Metallen wird durch die Beimischungen von Chrom und Cadmium schwierig und teuer. Um eine Verwertung zu ermöglichen, müssen bereits in der Galvanik durch Maßnahmen der Prozeßfiihrun& und Abwassertechnik chrom- und cadmiumfreie Schlämme erzeugt werden. 3 3 Die Vermeidung ist immer Teil des Anlagenbetriebes, da sie nur durch die Gestaltung des Prozeßablaufes einschließlich von Maßnahmen der Kreislauffiihrung sowie die Wahl der Einsatz- und Hilfsstoffe erreicht werden kann. Zum Betrieb der Anlage und damit zum Gegenstand der Betreiberpflicht aus 387 Vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 12/5672, S. 126; ferner Weidemann, Abfallentsorgungsanlagen, S. 65 f. 388 Dazu näher Sutter, Sonderabfälle, S. 25 ff., 32 ff. 389 Vgl. dazu auch Sutter, Sonderabfälle, S. 119 f.; Sellner, Irnrnissionsschutzrecht, Rn. 64. 390 SRU, ZAU 1993, 182. 391 Sutter, Sonderabfälle, S. 53 ff. 392 Sutter, Sonderabfälle, S. 85. 393 Sutter, Sonderabfälle, S. 104 f.

C. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BlmSchG

231

§ 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG gehören unstreitig auch alle Maßnahmen der anlageninternen Verwertung. Eine Verwertung muß aber nicht notwendigerweise innerhalb der Anlage stattfmden. Der Betreiber hat auch die Möglichkeit, die Abfälle in anderen ihm gehörenden Anlagen zu verwerten oder sie zur Verwertung an einen Dritten abzugeben. 394 Der Nachweis einer solchen externen Verwertungsmöglichkeit genügt, um die Erfüllung der Grundpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG als gesichert anzusehen. Im Genehrnigungsantrag müssen dazu Angaben zu den Grundzügen des Verfahrens und der Art der Verwertung gemacht werden, sowie zum Zeitraum, während dessen die externe Verwertung sichergestellt ist. Zudem sind geeignete Unterlagen, z. B. Abnahrneverträge mit dem Verwerter, vorzulegen, durch die nachgewiesen wird, daß die Anlage, in der die Verwertung erfolgen soll, zur Verarbeitung zur Verfügung steht und über ausreichende Kapazitäten verfügt. 395 Nach ganz überwiegender Ansicht zählen Vorgänge außerhalb des Anlagenbereichs als solche nicht mehr zum Betrieb der Anlage. 396 Zwar ist der Begriff "Betrieb" weit zu verstehen, Voraussetzung ist aber immer, daß es sich um eine Nutzung der Anlage handelt. Das hat zur Konsequenz, daß die extern erfolgende Verwertung als solche nicht mehr zum Anlagenbetrieb gehört und auch die sie vornehmenden Dritten nicht Adressaten der Grundpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG sind. 397 Dies spricht an sich dafiir, daß auch die Pflichtenstellung aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG dort endet, wo der jeweilige Abfall die Anlage verläßt. Denn danach ist die Ermöglichung und Durchfiihrung der Verwertung durch Maßnahmen, die zum Betrieb der Anlage gehören, nicht mehr möglich. Aus diesem Grund wird teilweise angenommen, § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG erfasse nicht den gesamten Verwertungsprozeß, sondern nur die Schritte im Anlagenbereich. 398

394 OVG Koblenz, UPR 1993,452; VG Schleswig, NuR 1983, 36; Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 69; GK-BlmSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 680; Feldhaus, UPR 1983, 358; LAI, Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.3.1. 395 Vgl. dazu LAI, Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, 130, Ziff. 11.2.3. 396 Kutscheidt, NVwZ 1986,623; Hansmann, NVwZ 1990,414; c.-P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 178; Ule, in: Ule/Laubinger, BlmSchG, § 15 Rn. 3; Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 72; Führ, Sanierung, S. 128; Fluck, NuR 1989, 416; ders. in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 118; LAI, Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, 130, Ziff. 11.1; a. A. allerdings Jörgensen, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 29 f. 397 Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 5; Kutscheidt, NVwZ 1986, 623; Fluck, NuR 1989, 416; vgl. auch Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 92. 398 Jarass, BImSchG, § 5 Rn.72 f.; Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 5 Anm. 9 f. Im wesentlichen zum gleichen Ergebnis kommen auch diejenigen Autoren, die § 5 Abs. I Nr.3 BlmSchG allein eine Venneidungspflicht entnehmen; vgl. Hansmann, NVwZ 1990,414.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfal1recht und Immissionsschutzrecht

Die wohl überwiegende Auffassung bezieht dagegen auch die Durchführung der externen Verwertung außerhalb der Anlage vollständig in den Pflichtenumfang des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG ein mit der Begründung, anders als die Grundpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG sei die Verwertungspflicht nicht allein anlagenbezogen. Sie knüpfe nur an die Entstehung der Abfälle im Produktionsprozeß an. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG betreffe nicht nur den Anlagenbetrieb, sondern enthalte auch die Folgepflicht zur Durchführung der Verwertung. 399 Die Verwertungspflicht soll nach dieser Ansicht grundsätzlich erst mit Erfüllung, also nach erfolgreicher Durchführung der Verwertung erlöschen. 4°O Im Ergebnis wird § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG somit nicht lediglich eine auf die Errichtung und den Betrieb der Anlage bezogene Pflicht entnommen, sondern zugleich auch eine § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG entsprechende stoffbezogene Verwertungspflicht. 401 Diese ist freilich in ihrem Anwendungsbereich auf die Erzeuger von Abfällen aus genehmigungsbedürftigen Anlagen nach § 4 BImSchG beschränkt. 402 Die praktisch bedeutsamen Konsequenzen, die sich aus den unterschiedlichen Sichtweisen ergeben, werden sichtbar, wenn die externe Verwertung bei Drittbeauftragung im Einzelfall scheitert, weil der mit der Verwertung beauftragte Dritte diese nicht durchführen kann oder will. Entnimmt man § 5 Abs. 1

399 Fluck, NuR 1989, 412 (etwas unklar dagegen ders., in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfal1recht, § 9, Rn.56, 117 f. einerseits, Rn. 157 andererseits); Kutscheidt, NVwZ 1986, 623 f.; zustimmend Tettinger, GewArch 1988,43; i. E. auch GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 680, 699 f.; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 30; Krieger, UPR 1995,412; Klages, Vermeidungs- und Verwertungsgebote, S 66; Henseler, Abwasserbeseitigung, S. 69; vgl. auch Rebentisch, NVwZ 1995, 641; Paetow, in: KuniglPaetowNersteyl, § 9 Rn. 8. Aus der Rechtsprechung: VGH BW, UPR 1985, 183 f.; audrücklich offengelassen dagegen von VGH BW, DÖV 1996,40. 400 GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 680, 699 f.; Fluck, NuR 1989, 412 f.; Kutscheidt, NVwZ 1986, 623. Teilweise wird al1erdings angenommen, die Verwertungspflicht ende auch dann, wenn der Betreiber den Besitz an den Abflil1en an einen Dritten übergebe, weil die Erftil1ung der Pflicht dem Betreiber dadurch unmöglich werde, so Fluck, NuR 1989,412; a. A. aber GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 699. Die Auffassung von Fluck vermag schon deswegen nicht zu überzeugen, weil die Übergabe an einen Dritten nicht notwendig zur Unmöglichkeit der ErfUllung der Pflicht fUhren muß, da der Dritte freiwillig bereit oder durch Duldungsverftigung verpflichtet sein kann, die Verwertung durch den Anlagenbetreiber zu gestatten. Problematisch kann al1enfal1s sein, welche Behörde zum Erlaß einer entsprechende Verftigung befugt ist. 401 Anders al1erdings Rebentisch, NVwZ 1995,641, der annimmt, Verwertungs- und Vermeidungspflicht würden lediglich tatbestandlich an die Anlage anknüpfen, sie aber nicht selbst betreffen. Er übersieht jedoch, daß auch hinsichtlich der Abfa\lverwertung bereits bei der Errichtung der Anlage Weichenstellungen erfolgen und daher eine entsprechende Steuerung im Vorfeld der Abfallenstehung erforderlich ist. 402 Vgl. auch Bartlsperger, VerwArch 86 (1995), S. 66 f, der von einem besonderen "Entsorgungssystem des anlagenbezogenen Immissionsschutzes" spricht.

C. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG

233

Nr. 3 BImSchG eine allein auf Errichtung und Betrieb der Anlage bezogene Pflicht, so ist die anlagenexterne Verwertung nur insoweit von Bedeutung, als der weitere Betrieb der Anlage davon abhängt, daß die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung gesichert erscheint. Aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG folgt für den Betreiber die Pflicht, seinen Anlagenbetrieb so zu ändern, daß die Verwertung der in Zukunft anfallenden Abfälle sichergestellt ist. Er muß also versuchen, seinen Abnehmer zur Durchfiihrung der Verwertung anzuhalten. Erweist sich dies als nicht möglich, so darf er diesem keine künftig anfallenden Abfälle mehr übergeben, sondern muß die Verträge mit ihm kündigen und für die Zukunft einen anderen Verwerter beauftragen oder selbst verwerten. 403 Dagegen ergibt sich aus dem Immissionsschutzrecht keine Pflicht des Anlagenbetreibers, für eine anderweitige Verwertung der bereits übergebenen Abfälle zu sorgen. 404 Versteht man § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG zusätzlich als eine stoffbezogene Folgepflicht zur Durchführung der Verwertung im Einzelfall, dann muß der Anlagenbetreiber ggfs. die bereits abgegebenen Abfälle wieder an sich nehmen bzw. einen anderen Dritten mit deren Entsorgung betrauen, da seine Verwertungspflicht durch die Übergabe nicht gänzlich erloschen ist, sondern sich lediglich in eine Überwachungspflicht umgewandelt hat, die wieder zur vollen Pflicht erstarken kann. 405 Nichts anderes gilt, wenn der Betreiber die Abfälle selbst, aber außerhalb der Anlage, in der sie angefallen sind, verwertet. Unterbleibt die Verwertung oder wird sie nicht ordnungsgemäß oder schadlos durchgeführt, so ist dies nach der ersten Auffassung nur insoweit von Bedeutung, als dadurch für die Zukunft die Erfüllung der Pflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nicht mehr sichergestellt ist. Der Anlagenbetreiber muß dann eine andere Verwertungsmöglichkeit nachweisen oder die Abfälle vermeiden. Eine Verwertung der bereits vorhandenen und außerhalb des Anlagenbereichs verbrachten Abfälle läßt sich über das immissionsschutzrechtliche Instrumentarium dagegen nicht unmittelbar erzwingen. Entnimmt man § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG auch eine stoffbezogene Folgepflicht, so kann die Verwertung dieser Abfälle über § 17 BImSchG durchgesetzt werden.

403 Zum gleichen Ergebnisse müssen konsequenterweise diejenigen gelangen, die § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG ohnehin nur eine Vermeidungspflicht entnehmen und die Verwertung lediglich als Ausnahme bzw. Obliegenheit, die die Vermeidungspflicht entfallen läßt. Erfolgt die vorgesehene Verwertung nicht, so kann dies nur dazu führen, daß die Vermeidungspflicht nicht mehr entfällt. Da aber bereits angefallene Abfälle nicht mehr vermieden werden können, hat dies nur Auswirkungen für den zukünftigen Betrieb der Anlage. 404 Diese Verpflichtung kann sich aber aus dem Abfallrecht ergeben, dazu unten unter D I 2. 405 So GK-BlmSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 700.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

Sieht man auch die Durchführung der Verwertung in jedem Einzelfall als Bestandteil der Betreiberpflicht an, so hat dies zur Konsequenz, daß die Einhaltung der Pflicht auch durch eine nachträgliche Anordnung nach § 17 BImSchG durchgesetzt, d. h. dem Anlagenbetreiber aufgegeben werden kann, die bereits an einen Dritte abgegebenen Abfälle zu verwerten. 406 • Nach der ersten Auffassung, die § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG rein anlagenbezogen interpretiert, beschränkt sich die Steuerungsfunktion des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG auf den Anlagenbetrieb, was aber nicht heißt, daß eine Reaktion auf Probleme bei der externen Verwertung nicht möglich wäre: Dem Anlagenbetreiber kann vielmehr durch eine Anordnung nach § 17 BImSchG aufgegeben werden, zukünftig für eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung zu sorgen, d. h. in Zukunft selbst zu verwerten oder einen anderen Verwerter zu beauftragen.407 Die unterschiedlichen Auffassungen über Inhalt und Reichweite des immissionsschutzrechtlichen Verwertungsgebotes sind auch für das Verhältnis von Immissionsschutz- und Abfallrecht von Bedeutung. Enthält § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG auch eine stoftbezogene Folgepflicht, die zwar an die Entstehung des Abfalls im Produktionsprozeß anknüpft, aber ebenso die Durchführung der Verwertung außerhalb der Anlage zum Inhalt hat, so würden sowohl das Abfallrecht als auch das Immissionsschutzrecht Vorgaben für denselben Vorgang, die Verwertung einmal entstandener Abfälle, aufstellen. Eine solche Dop-

406 VGH BW, UPR 1985,183; Kutscheidt, NVwZ 1986,624; Fluck, NuR 1989,413. Fraglich ist, ob darüber hinaus eine Betriebsuntersagung nach § 20 Abs. 1 BImSchG in Betracht kommt, wenn der Anlagenbetreiber der Anordnung nicht nachkommt. Die Durchführung der Verwertung außerhalb der Anlage ist auch nach Ansicht derjenigen, die § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG eine stoffbezogene Pflicht entnehmen, nicht mehr Teil des Betriebes (Kutscheidt, NVwZ 1986,623; Fluck, NuR 1989,416). § 20 Abs. 1 BImSchG setzt voraus, daß die Anordnung die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage betrifft. Die Betriebsuntersagung dient dem Interesse an einem effektiven Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen negativen Effekten (GK-BImSchG/ Koch, § 20 Rn. 2; Jarass, BImSchG, § 20 Rn. 1). Dieser Schutz läßt sich im Wege einer Durchsetzung der nachträglichen Anordnung mit Mitteln des Verwaltungszwanges nicht immer erreichen, weil häufig nur ein Zwangsgeld in Betracht kommt, das nicht notwendig zu anordnungskonformem Verhalten führt (GK-BImSchG/Koch, § 20 Rn. 2). Die Untersagung ist als Mittel des Schutzes vor den Risiken eines nicht ordnungsgemäßen Betriebes aber nur insoweit geeignet, wie diese Risiken durch eine Untersagung abgeschirmt werden können. Eine vorübergehende Stillegung des Anlagenbetriebes führt indes nicht dazu, daß Abfälle, die sich bereits außerhalb der Anlage befinden, verwertet werden. Allenfalls mittelbar kann die Untersagung aufgrund der mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile für den Betreiber als Druckmittel wirken. Die mittelbare Erzwingung des angeordneten Verhaltens durch wirtschaftlichen Druck ist aber nicht Sinn des § 20 Abs. 1 BImSchG, da dieser Effekt bereits durch die Verhängung eines Zwangsgeldes erzielt werden kann. Zudem dürfte in diesen Fällen häufig auch eine Ersatzvornahme in Betracht kommen. 407 Diese Anordnung bezieht sich auf die Betriebsweise der Anlage. Eine Nichtbefolgung kann damit die Betriebsuntersagung nach § 20 Abs. 1 BImSchG rechtfertigen.

C. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BlmSchG

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pelregelung würde zu Unklarheiten und der Gefahr divergierender Entscheidungen der jeweils zuständigen Behörden führen. In diesem Fall wäre aus § 9 S. 1 KrW-/AbfG zu folgern, daß § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG die abfallrechtliche Verwertungspflicht vollständig verdrängt. 408 Die Verwertung von Abfällen aus genehmigungsbedürftigen Anlagen unterläge also allein dem Immissionsschutzrecht, und zwar auch dann, wenn die Verwertung außerhalb der Anlage erfolgt. Ein solches Verständnis der Verwertungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG als vom Anlagenbetrieb teilweise losgelöste, auch stoffbezogene Pflicht begegnet jedoch Bedenken, die im Ergebnis dafür sprechen, dem immissionsschutzrechtlichen Verwertungs gebot eine ausschließlich anlagenbezogene Pflicht zu entnehmen.

(1) Vergleich mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Nr. 1 BImSchG Die Grundpflichten aus § 5 Abs. 1 BImSchG knüpfen nicht nur tatbestandIich an das Vorliegen einer genehmigungsbedürftigen Anlage an, sondern haben bereits nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 BImSchG die Errichtung und den Betrieb der Anlage zum Gegenstand. Dies ist für § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG unbestritten. Zutreffend ist freilich, daß schädliche Umwelteinwirkungen, die die Anlage verlassen haben, im allgemeinen nicht mehr der Einwirkungsmöglichkeit des Anlagenbetreibers unterliegen, so daß sich die Frage nach einer Veranwortlichkeit für den weiteren Verbleib nach der Emittierung im Regelfall nicht mehr stellt.409 Die Verwaltungsgerichte beschäftigt hat jedoch beispielsweise die Frage, inwieweit sich aus § 5 Abs. 1 i. V. m. § 17 BImSchG die Pflicht ergeben kann, durch Emissionen der Anlage verursachte Bodenkontaminationen auf Nachbargrundstücken zu beseitigen. 4 \O Eine solche Pflicht ist verneint worden, obwohl die Beseitigung der Emissionen dem Anlagenbetreiber in diesen Fällen faktisch möglich war. Eine Anordnung nach § 17 BImSchG könne, so die Begründung, nur auf den Betrieb bezogene Regelungen zum Inhalt haben, nicht aber Maßnahmen auf den Nachbargrundstücken. 411

Dazu noch eingehend unten D I 2. VgJ. Jörgensen, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, 29, die darauf hinweist, daß die Auslegung des Begriffs "Betrieb" an den Problemen der Luftreinhaltung und Lännbekämpfung ausgerichtet sei, so daß externe Maßnahmen bisher keinen Streitgegenstand gebildet hätten. 410 VGH BW, UPR 1990,310 f.; VG Berlin, UPR 1987,238. 411 So insbesondere VG Berlin, UPR 1987, 238; vgJ. auch VGH BW UPR 1990, 311, wo allerdings allein auf die zeitliche Komponente des Betriebes abgestellt wird; dazu auch Dierkes, Grundpflichten, S. 67. Auch W. Martens, DVBJ. 1981,604 f, ent408

409

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

Auch die Schutz- und Abwehrpflicht aus § 5 Abs. 3 Nr. 1 BImSchG verlangt vom Betreiber nur Maßnahmen, die sich auf die Anlage und das Anlagengrundstück beziehen, nicht jedoch die Sanierung oder Sicherung von Nachbargrundstücken, die durch Immissionen aus der Anlage oder direkte Schadstoffeinträge, etwa infolge unsachgemäße Lagerung von Rohstoffen, Produkten oder Abfällen, 'verunreinigt worden sind. 412

(2) Verhältnis von Vermeidungs- und Verwertungspflicht Nun folgt aus diesem Befund nicht zwingend, daß gleiches auch für die Verwertungspflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG gelten muß. Insbesondere der Wortlaut der Vorschrift könnte darauf hindeuten, daß das Gesetz hier über den sonst verfolgten anlagenbezogenen Ansatz hinausgeht. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG verpflichtet den Betreiber in erster Linie, die Anlage so zu errichten und zu betreiben, daß Abfälle vermieden werden. Der Vorrang der Vermeidungspflicht entfällt, wenn die Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet werden. Dem Wortlaut nach scheint nur die Vermeidungspflicht auf Errichtung und Betrieb bezogen zu sein, die Verwertungspflicht dagegen stoftbezogen, wobei die Formulierung "werden ... verwertet" es nahelegt, daß es auf die tatsächliche Durchfiihrung der Verwertung des jeweils angefallenen Abfalls ankommt. Gerade die Verknüpfung von Vermeidungs- und Verwertungspflicht spricht aber eher dagegen, daß § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG über die Steuerung der Anlagenerrichtung und des Anlagenbetriebs hinaus auch die Durchführung der Verwertung in jedem Einzelfall zum Gegenstand hat. Denn ein im Einzelfall bereits angefallener Abfall kann nicht mehr vermieden werden; daher kann auch das Unterbleiben der Verwertung im Einzelfall nicht dazu fUhren, daß die Vermeidungspflicht wieder auflebt. Vielmehr kann es für das Verhältnis von Vermeidungs- und Verwertungspflicht nur darauf ankommen, ob durch Errichtung und Betrieb sichergestellt ist, daß künftig anfallende Abfälle verwertet werden. Dies spricht aber dafiir, daß § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG auch die Verwertung nicht unter stoftbezogenen, sondern unter anlagenbezogenen Aspekten regeln will. Zudem ist daran zu erinnern, daß nach dem ursprünglichen Wortlaut der Vorschrift auch bezüglich der Verwertung von Abfällen lediglich verlangt wurde, daß die Anlage entsprechend zu errichten und zu betreiben ist.

nimmt dem Immissionsschutzrecht nur die Möglichkeit betriebsbezogener präventiver Maßnahmen; ebenso Seibert, NVwZ 1993, 17. 412 So die ganz überwiegende Meinung, Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 98; Vallendar, UPR 1991, 95; Fluck, BB 1991, 1801; Hansmann, NVwZ 1993, 926; Stockmann, Nachsorgepflicht, S. 75; implizit auch GK-BlmSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 799. Teilweise anders für Kontaminationen, die nicht auf Immissionen beruhen Dierkes, Grundpflichten, S. 120.

C. Venneidungs- und VelWertungspflichten nach dem BlmSchG

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Wie bereits dargelegt, soll die gegenüber § 5 Nr.3 BImSchG 1974 geänderte Formulierung lediglich den Vorrang der Vermeidun~ zum Audruck bringen, nicht jedoch die Verwertungspflicht inhaltlich ändern. 13

(3) Anlagenbezogenheit des irnmissionsschutzrechtlichen Kontrollinstrumentariums Hinzu kommt ein weiteres: Zur Begründung dafür, das anlagenbezogene Abfallrecht grundsätzlich dem Immissionsschutzrecht und den für dessen Vollzug zuständigen Behörden zuzuweisen,414 verweist der Sachverständigenrat für Umweltfragen darauf, daß die Immissionsschutzbehörden über permanente Kontroll- und Steuerungsinstrumente verfügen würden, um Vermeidung und Verwertung von Reststoffen in der Anlage ständig durchzusetzen und Verwertungsvorgänge zu ordnen. 415 Betrachtet man das den Immissionsschutzbehörden zur Verfügung stehende Instrumentarium näher, so erweist sich aber, daß sich die behördlichen Handlungsmö~lichkeiten fast ausnahmslos auf anlagenbezogene Maßnahmen beschränken. 4 6 Die Immissionsschutzbehörden haben nach § 52 Abs. 1 BImSchG die Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen zu überwachen. Diese Aufgabe können sie nur erfüllen, wenn sie im einzelrten wissen, ob und wieweit die einschlägigen Normen von den Verpflichteten tatsächlich beachtet werden. 417 Eine unzureichende Informationslage führt daher zwangsläufig zu VollzugsdeflZiten.4\8 § 52 Abs. 1 BImSchG enthält lediglich eine Aufgabenzuweisung, verleiht den Behörden aber noch keine Eingriffsbefugnisse. 419 Diese ergeben sich erst aus den folgenden Absätzen sowie weiteren Bestimmungen. Festzustellen ist, daß sich die Überwachung in der Regel auf die Anlage und das Anlagengrundstück beschränkt. 42o Als Verpflichtete nennt § 52 Abs. 2 BImSchG, soweit dies hier von Bedeutung ist, Eigentümer und Betreiber von Anlagen sowie Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, auf denen Anlagen betrieben werden. Ein Recht,

Dazu oben unter eIl b). SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 236. 415 SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 95; vgl. ferner SRU, ZAU 1993, S. 181. 416 Vgl. w: Martens, DVBI. 1981,604. 417 Jarass, BImSehG, § 52 Rn. 1. 418 Hansmann, in: LandmannIRohmer, § 52 Rn. 1; Jarass, BImSehG, § 52 Rn. 1; Rebentisch, UPR 1987,406. 419 Jarass, BImSehG, § 52 Rn. 4; GK-BlmSchGILechelt, § 52 Rn. 67 ff. 420 Vgl. dazu GK-BlmSchGILechelt, § 52 Rn. 109 ff. 413

414

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

sonstige Grundstücke zu betreten, räumt § 52 Abs. 6 BImSchG nur ein, soweit es um die Ermittlung von Immissionen geht. Ein Betretungsrecht zum Zwecke der Kontrolle der Einhaltung der Abfallpflichten gibt § 52 BImSchG der Immissionsschutzbehörden dagegen nicht. Zwar wird auch die externe Verwertung regelmäßig in einer Anlage i. S. d. BImSchG stattfmden, die ihrerseits der immissionsschutzrechtlichen Überwachung untersteht. Der die externe Verwertung in dieser Anlage durchführende Dritte unterliegt der Überwachung aber nur insoweit, wie es um die Erfüllung der ihn selbst treffenden irnmissionsschutzrechtlichen Pflichten geht. Er ist aber nicht Adressat des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG, soweit es um die Erfüllung der Verwertungspflicht geht, die einen anderen Anlagenbetreiber betrifft. 421 Daher können auf § 52 Abs. 2 BImSchG auch keine Überwachungsmaßnahrnen gestützt werden, die der Kontrolle unmittelbar vor Ort dienen, ob der beauftragende Anlagenbetreiber mit Hilfe des beauftragten Dritten seine Verwertungspflicht erfüllt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß eine Verwertung im Einzelfall außerhalb einer irnmissionsschutzrechtlichen Anlage erfolgen kann. Auch aus anderen Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der hierauf gestützten Rechtsverordnungen422 ergeben sich keine Befugnisse, die eine unmittelbare Kontrolle der externen Verwertung ermöglichen würden. Nach §§ 26, 28 ff. BImSchG können lediglich Emissionen und Immissionen ermittelt und sicherheitstechnische Prüfungen an der Anlage durchgeführt werden. Schließlich enthalten auch die Immissionsschutz-Verordnungen keine einschlägigen Ermächtigungen. Zur Beurteilung, ob die Einhaltung der Verwertungspflicht bei einer externen Verwertung sichergestellt ist, stehen der Immissionsschutzbehörde somit keine Instrumente fiir eine unmittelbare Kontrolle zur Verfügung. Ein mittelbare Kontrolle ist allerdings dadurch möglich, daß der Antragsteller im Genehmigungsverfahren Unterlagen vorlegen muß, aufgrund derer beurteilt werden kann, ob die jeweilige Verwertung ordnungsgemäß und schadlos erfolgt. 423 Hierzu ist der Verwendungszweck des Abfalls anzugeben. Soweit die Verwertung in einer irnmissionsschutzrechtlichen Anlage erfolgt, muß diese unter Angabe des Standortes, der Art und des Betreibers bezeichnet werden. Darüber hinaus müssen die Grundzüge des Verfahrens und die art der Verwertung beschrieben werden. 424 Der Antragsteller muß durch die Vorlage geeigneter Unterlagen, z. B. der Abnahrneverträge, nachweisen, daß die Anlage in der die Verwertung erfolgen soll, über ausreichende Kapazitäten verfügt und zur Ver-

Vgl. Hansmann, NVwZ 1990,414. Vgl. die Übersicht bei Jarass, BImSehG, § 52 Rn. 11. 423 Zutreffend stellt Rebentisch, NVwZ 1997,419, fest, die Immissionsschutzbehörde treffe ihre Entscheidungen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wie der Überwachung "auf der Grundlage bedruckten Papiers". 424 LAI, Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, 130, Ziff. 11.2.3.1. 421

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C. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BlmSchG

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arbeitung der Abfälle zur Verfügung steht. 42s Ferner kann die Genehrnigungsbehörde eine Stellungnahme der für die Verwertungs anlage zuständigen Überwachungsbehörde einholen. 426 Nach Genehrnigungserteilung dient zunächst die Anzeigepflicht nach § 16 Abs. 1 BImSchG der Überwachung der Verwertungspflicht. Weiter kann die Behörde nach § 52 Abs. 2 BImSchG Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen verlangen, soweit diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Die Behörde kann daher überprüfen, inwieweit noch Abnahmeverträge für die Abfälle bestehen und sich deren Erfüllung durch Lieferscheine nachweisen lassen. 427 Trotz dieser Möglichkeiten einer mittelbaren Kontrolle der externen Verwertung kann nicht übersehen werden, daß das immissionsschutzrechtliche Instrumentarium nicht auf die Kontrolle von Vorgängen ausgerichtet ist, die außerhalb der Anlage erfolgen. Bezeichnend ist insbesondere, daß das Immissionsschutzrecht kein dem abfallrechtlichen Nachweisverfahren428 vergleichbares Überwachungsinstrumentarium bereithält.429 Eine effektive Überwachung der externen Verwertung durch die für den Betreiber zuständige Immissionsschutzbehörde ist daher nicht möglich. Nicht zu Unrecht weist die LAI-Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. daher darautbin, daß es nicht zu den Aufgaben im anlagenbezogenen Genehrnigungsverfahren gehöre, den vorgesehenen [externen] Verwertungsvorgang als solchen im einzelnen zu untersuchen und einer rechtlichen Bewertung zu unterziehen. 430 Dieses KontrolldefIzit belegen indirekt die divergierenden verwaltungsgerichtlichen Ent-

LAI, ebda., Ziff. 11.2.3.3. LAI, ebda., Ziff. 11.3. 427 LAI, ebda., Ziff. III.I.I. 428 Dazu oben B III. 429 Bereits nach früherer Rechtslage konnte allerdings die anlagenexterne Reststoffverwertung dadurch einer Verbleibskontrolle unterworfen werden, daß auf der Grundlage des § 2 Abs. 3 AbfG i. V. m. der Reststoffbestimmungsverordnung sowie §§ 25 f. der Abfall- und Reststoff-Überwachungsverordnung im Einzelfall die Führung von Nachweisen über die Zulässigkeit der beabsichtigten Verwertung sowie über die Durchführung der Verwertung angeordnet wurde. Diese Möglichkeit wurde jedoch gerade nicht den Immissionsschutz-, sondern den Abfallbehärden eingeräumt, die Reststoffverwertung also partiell dem Abfallrecht unterworfen; vgl. VGH BW, DÖV 1996, 39 f.; Klages, Venneidungs- und Verwertungsgebote, S 66. 430 LAI, Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, 130, Ziff. II.l. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Anmerkung von Rebentisch, NVwZ 1997,419, wonach es für § 5 Abs. I Nr.3 BImSchG nicht auf die Durchführung der Verwertung ankommen soll, sondern darauf, ob aufgrund einer durch objektivierte Nachweise gestützten Plausibilitätskontrolle die Prognose abgegeben werden könne, daß die Erfüllung der Verwertungspflicht sichergestellt sei. Die Kritik von Petersen, Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, S. 101, insb. Fn. 49, übersieht, daß eine weitergehende Kontrolle externer Verwertungsvorgänge durch die Immissionsschutzbehörden aufgrund der eingeschränkten Überwachungsmöglichkeiten kaum möglich ist. 425

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

scheidungen zum Verhältnis von Immissionsschutzrecht und Abfallrecht. Der HessVGH hat die von ihm befürwortete parallele Anwendung von Abfall- und Immissionsschutzrecht damit begründet, es sei mit den Anforderungen einer geordneten Entsorgung nicht vereinbar, wenn einerseits der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage für die Verwertung einer präventiven Kontrolle unterliege, während derjenige, der die Verwertung außerhalb der Anlage an seiner Stelle vornehme, dies frei von fachbehördlichen Kontrollen tun könne. 431 Hiergegen ist eingewandt worden, ein solches Kontrollvakuum existiere nicht, da das Immissionsschutzrecht auch die anlagenexterne Verwertung überprüfe und eine Steuerung der Verwertung nicht an den Toren der Betriebsstätte ende. 432 Notfalls könne auch bei anlagenexterner Verwertung eine Anordnung nach § 17 BlmSchG ergehen. 433 Ob das Immissionsschutzrecht tatsächlich "hinreichende Steuerungselemente" bereithält,434 ist dabei jedoch nicht näher untersucht worden. Daß das immissionsschutzrechtliche Instrumentarium zur Steuerun externer Vorgänge gerade nicht ausreicht, hebt zu Recht das OVG Koblenz4 5 hervor: In den Fällen der Abweichung von den Betreiberpflichten könne zwar eine Auflage gegen den Betreiber der Herkunftsanlage erlassen werden. Zur Bekämpflung der Gefahren, die von dem irgendwo lagernden Stoff für seine Umgebung ausgingen, genüge das aber regelmäßig nicht. Die für die Herkunftsanlage zuständige Immissionsschutzbehörde sei zu den erforderlichen Maßnahmen nicht in der Lage, für diese - bis hin zur Duldungsverfügung gegen den Grundstückseigentumer - biete nur das Abfallrecht die erforderlichen Rechtsgrundlagen. 436

8

Das Fehlen eines stoffbezogenen Kontrollinstrumentariums muß somit als deutlicher Beleg dafür gewertet werden, daß § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG keine stoffbezogene Folgepflicht enthält, sondern sich auf eine Steuerung von Errichtung und Betrieb der Anlage beschränkt.

(4) Beschränkung der Nachsorgepflicht auf Abfälle im Anlagenbereich Für ein ausschließlich anlagenbezogenes Verständnis läßt sich noch ein weiteres Argument anführen: Nach § 5 Abs. 3 Nr.2 BImSchG muß der Anlagen-

HessVGH, NJW 1987,394. 0VG Saarlouis, NVwZ 1990, 493; Tettinger, GewArch 1988, 43; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 22. 433 0VG Saarlouis, NVwZ 1990,493; Kutscheidt, NVwZ 1986,624; Tettinger, GewArch 1988,43 f. 434 So das OVG Saarlouis, NVwZ 1990,493. 435 UPR 1993, 450/451. 436 OVG Koblenz, UPR 1993, 451. 431

432

C. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem BlmSchG

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betreiber sicherstellen, daß auch nach einer Betriebseinstellung vorhandene Abfälle verwertet werden. Diese Vorschrift wäre überflüssig, wenn bereits § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG eine stoffbezogene Pflicht des Anlagenbetreibers zur Verwertung begründen würde, denn diese würde von der Einstellung des Betriebes nicht berührt werden. 437 Selbst wenn man der Bestimmung lediglich klarstellende Funktion zuspricht, ist im vorliegenden Zusammenhang von Interesse, daß sie sich nur auf "vorhandene" Abfälle bezieht. Hierdurch werden lediglich die noch in der Anlage oder auf dem Anlagengrundstück befmdlichen Abfälle erfaßt. 438 Enthielte § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG tatsächlich eine stoffbezogene Verwertungspflicht, müßte konsequenterweise die Nachsorgepflicht nach § 5 Abs. 3 Nr.2 BImSchG auch die noch nicht verwerteten, aber außerhalb des Anlagenbereichs gelagerten Abfälle erfassen, zumal sie als lex specialis nach der Stillegun~ der Anlage die Pflicht aus § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG jedenfalls verdrängt. 49 Daß dem nicht so ist, spricht ebenfalls gegen eine (auch) stoffbezogene immissionsschutzrechtliche Verwertungspflicht.

(5) Anlagenbezogenheit der immissionsschutzrechtlichen Beseitigungspflicht Für das Verständnis der Verwertungspflicht des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG ist schließlich ein Vergleich mit der Beseitigungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG aufschlußreich. Dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ist, soweit es die hier interessierende Fragestellung betriffi, kein struktureller Unterschied zwischen der auf die Verwertung und der auf die Beseitigung bezogenen Betreiberpflicht zu entnehmen. Ein Vergleich liegt zudem deswegen nahe, weil immissionsschutzrechtliche Verwertungspflicht und Beseitigungspflicht auch in § 9 S.2 KrW-/AbfG der gleichen Regelung unterworfen werden, was die Anwendbarkeit abfallrechtlicher Anforderungen anbelangt. Freilich ist bereits umstritten, ob § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG im Hinblick auf die Beseitigung überhaupt eine Betreiberpflicht enthält. Sowohl Verwertung als auch Beseitigung stellen nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG einen Ausnahmetatbestand zur Vermeidungspflicht dar. Aus diesem Grund wird eine immissionsschutzrechtliche Beseitigungspflicht zum Teil vemeint. 440 § 5 437 So Fluck, NuR 1989, 412; ders., BB 1991, 1801, der der Vorschrift daher nur klarstellende Funktion zuspricht. 438 Dies ist, soweit ersichtlich, einhellige Auffassung, GK-BlmSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 803; Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 99; Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 119; Dierkes, Grundpflichten, S. 122; impizit auch Hansmann, NVwZ 1993,926. 439 Dierkes, Grundpflichten, S. 122; Fluck, BB 1991, 1801. 440 Hansmann, NVwZ 1990,410; Rebentisch, UPR 1989,211; ders. NVwZ 1995, 642; ders., NVwZ 1997,419; wohl auch Rehbinder, DVBI. 1989,499.

16 Locher

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG regele nicht die Beseitigung als solche, sondern steuere den Abfallanfal1. 441 Der von § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG geregelte Bereich sei dem Beseitigungsregime vollständig vorgelagert und entscheide, ob ein Stoff der Obhut der Beseitigungsvorschriften überlassen werden dürfe. 442 Zwischen Immissionsschutzrecht und den die Beseitigung regelnden Vorschriften bestehe daher ein komplementäres Verhältnis. 443 Nach der Gegenansicht unterliegt der Anlagenbetreiber hinsichtlich der Beseitigung einer doppelten Inpflichtnahme. 444 Die Bedeutung einer eigenständigen immissionsschutzrechtlichen Beseitigungspflicht wird darin gesehen, daß der Abfallanfall und seine Beseitigung bereits bei der Errichtung der Anlage und während des Betriebes überwacht und gesteuert werden könne. 445 Für die Annahme einer eigenständigen immissionsschutzrechtlichen Beseitigungspflicht spricht immerhin, daß zumindest in § 5 Nr. 3 BlmSchG 1974 auch die Beseitigung als Betreiberpflicht ausgestaltet war. Nach dieser Bestimmung hatte der Betreiber die Anlage so zu errichten und zu betreiben, daß die beim Betrieb anfallenden Reststoffe als Abfälle ordnungsgemäß beseitigt wurden. Die Gesetzmaterialien enthalten auch hinsichtlich der Beseitigung keinen Anhaltspunkt dafür, daß am Pflichtencharakter durch die Neuformulierung im Rahmen der zweiten Novelle zum Bundes-Immissionsschutzgesetz etwas geändert werden sollte. 446 Endlich spricht der Wortlaut des § 9 S. 1 und 2 KrW-/AbfG dafür, auch die Beseitigung als Gegenstand der Betreiberpflicht anzusehen. 447 Geht man aus diesen Gründen davon aus, daß § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG ebenso wie zuvor § 5 Nr. 3 BlmSchG 1974 auch eine Pflicht des Betreibers zur Abfallbeseitigung enthält, so stellt sich die Frage, welchen Inhalt diese Beseitigungspflicht haben kann. Zu berücksichtigen ist, daß zum Zeitpunkt, als die immissionsschutzrechtlichen Vorschriften geschaffen wurden, das Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 die Pflicht zur Beseitigung von Abfällen bereits umfassend regelte. Auch die Beseitigung von Stoffen, die vom Anwendungsbereich des Abfallgesetzes ausgeschlossen waren, wurde bereits in speziellen Vorschriften geregelt, etwa im Wasserhaushaltsgesetz, das über die Zulässigkeit von Gewässernutzungen in Form der Abwassereinleitungen entschied. Bereits Hansmann, NVwZ 1990,410. Rebentisch, UPR 1989,211. 443 Rebentisch, NVwZ 1995, 639. 444 Kutscheidt, NVwZ 1986, 623; Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 81 f.; Feldhaus in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 5 Anm. 10; wohl auch GK-BlmSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 699 f, der allerdings nur die immissionsschutzrechtIiche Beseitigungspflicht be441

442

handelt und auf das Verhältnis zur Beseitigungspflicht nach Abfallrecht nicht eingeht. 445 Kutscheidt, NVwZ 1986,623; Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 82. 446 Dazu oben unter C I I b). 447 Vgl. aber auch Kunig, NVwZ 1997, 214.

c. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BlmSchG

243

dies deutet daraufhin, daß mit § 5 Nr. 3 BImSchG 1974 keine zusätzliche, mit den bereits existierenden Beseitigungspflichten parallellaufende Entsorgungspflicht eingeführt werden sollte. Eine solche Doppelregelung wäre nicht nur überflüssig gewesen, sie hätte zudem zu Unklarheiten und der Gefahr divergierender Entscheidungen der jeweils zuständigen Behörden geführt. Es ist ein Gebot funktionsgerechter und klarer Organisation, daß der Gesetzgeber die Kompetenzen der Behörden so abgrenzt, daß für die verbindliche Regelung eines Einzelfalles nicht zwei verschiedene Behörden nebeneinander zuständig sind. 448 Bei der Auslegung gesetzlicher Vorschriften kann daher nicht angenommen werden, der Gesetzgeber habe verworrene Zuständigkeiten schaffen wollen. 449 Seinen Vorschlag, eine Vorschrift zur Abfallbeseitigung in das Bundes-Immissionsschutzgesetz aufzunehmen, begründete der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum damaligen Regierungs-Entwurf damit, daß vielfach nicht die Errichtung und der Betrieb einer Anlage problematisch seien, sondern die Beseitigung der bei dieser Produktion anfallenden Rückstände. Nach der vom Bundesrat vorgeschlagenen Formulierung sollte daher die Anlagengenehmigung davon abhängen, daß "sichergestellt ist, daß die beim Betrieb der Anlage enstehenden Abfallstoffe ordnungsgemäß beseitigt werden können".4so Die in § 5 Nr. 3 BImSchG 1974 getroffene Regelung ist folglich auf dem Hintergrund dessen zu sehen, daß die Steuerungsmöglichkeiten des Abfallbeseitigungs~e­ setzes von 1972 - wie auch des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes4S erst mit dem Entstehen des Abfalls eingriffen, das Gesetz aber noch keine Instrumente enthielt, um das Entstehen schwer entsorgbarer Abfälle zu verhindern. 452 Die in § 5 Nr.3 BImSchG 1974 geregelte Beseitigungspflicht kann daher sinnvollerweise nur die Steuerung der Anlagenerrichtung und des Anlagenbetriebs zum Gegenstand gehabt haben. Der Anlagenbetreiber sollte angehalten werden, bereits bei Errichtung und Betrieb auch "vom Abfall her" zu denken. § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG steht daher der Erteilung der Anlagengenehmigung entgegen, wenn für bestimmte Abfälle keine Möglichkeit einer gemeinwohlverträglichen Beseitigung besteht. Der Anlagenbetreiber muß dann

Gaentzsch, NJW 1986, 2792. Gaentzsch, NJW 1986, 2792. 450 BT-Drs. 7/179, S. 52. Die Bundesregierung stimmte diesem Anliegen grundsätzlich zu, hielt es aber ftir notwendig, darüber hinaus bereits das Entstehen von Abfallstoffen zu begrenzen; BT-Drs. 7/179, S. 60. 451 Sieht man von den Regelungen der Produktverantwortung nach §§ 22 ff. KrW-/ AbfG einmal ab. 452 Vgl. hierzu auch SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 168. 448

449

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Irnmissionsschutzrecht

entweder die Anlage so abändern, daß Produktionsrückstände entstehen, deren Verwertung oder Beseitigung möglich ist, oder auf den Betrieb verzichten. 453 Die Beseitigungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG beschränkt sich somit auf die Steuerung des Anlagenbetriebs. 454 Sie regelt dagegen nicht zugleich stoffbezogen anlagenexterne Vorgänge, die nicht zu Errichtung und Betrieb der Anlage zählen. 4SS Bei einem solchen Verständnis der immissionsschutzrechtlichen Beseitigungspflicht dürfte im übrigen der Unterschied zu den Auffassungen, die die Beseitigung lediglich als Ausnahmetatbestand zur Vermeidungspflicht, nicht aber selbst als Betreiberpflicht begreifen, vom praktischen Ergebnis her recht gering ausfallen. Enthält § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG aber bezüglich der Abfallbeseitigung eine rein anlagenbezogene Pflicht, dann spricht dies dafür, daß auch die Verwertungspflicht als ausschließlich anlagenbezogene Regelung zu verstehen ist. Die Problernlage ist bei beiden Pflichten vergleichbar. Sowohl Verwertung als auch Beseitigung können auch außerhalb der Anlage stattfmden. Allerdings bezog sich die Verwertungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. auf ,,Reststoffe". Die Reststoffverwertung war nach ganz herrschender Ansicht dem Abfallregime gänzlich vorgelagert, so daß sich einem Verständnis der immissionsschutzrechtlichen Verwertungspflicht als auch stoffbezogene Pflicht nicht wie im Fall der Beseitigung - entgegenhalten ließ, dies fiihre zu einer Doppelregelung. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn durch das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen ist das Verhältnis der immissionsschutzrechtlichen und abfallrechtlichen Regelungen schon dadurch neu gestaltet worden, daß aufgrund des erweiterten Abfallbegriffs die Reststoffverwertung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. nunmehr grundsätzlich dem Regelungsanspruch des Abfallrechts unterliegt. Jedenfalls nach

453 Feldhaus, UPR 1983, 358; Hansmann, NVwZ 1990, 413; Rehbinder, DVBJ. 1989,502; Jörgensen, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 74. 454 Versteht man auch die Beseitigungspflicht als allein auf die Gestaltung der Anlage bezogene Pflicht, dann ergibt - entgegen der Ansicht von Rebentisch, NVwZ 1997, 419 - die Erstreckung des Anwendungsvorrangs auf die irnmissionsschutzrechtliche Beseitigungspflicht in § 9 S. 1 und S. 2 KrW-/AbfG einen Sinn: Die anlagenbezogene Betreiberpflicht bleibt durch die Regelungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes grundsätzlich unberührt (§ 9 S. 1); zugleich müssen aber bei der Prüfung, ob die Erfüllung dieser Pflicht sichergestellt ist, die stoflbezogenen Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes an die Durchführung einer Beseitigung Berücksichtigung finden (§ 9 S. 2). 455 I. E. ähnlich Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 81; vgJ. auch Struß, Abfallwirtschaftsrecht, S. 40; a. A. GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 699 f, der auch insoweit eine stoffbezogene Pflichtenstellung befürwortet, ohne sich alJerdings mit der Frage auseinanderzusetzen, welchen Sinn eine irnmissionsschutzrechtliche Pflicht diesen Inhalts neben den ohnehin bestehenden Beseitigungspflichten nach Abfallrecht, Wasserrecht etc. haben soll.

C. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG

245

Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ist die Verwertung von Abfällen - wie bisher schon die Beseitigung - umfassend im Abfallrecht geregelt. Warum bei der immissionsschutzrechtlichen Verwertungspflicht auch die Durchführung der externen Verwertung im Einzelfall zum Inhalt der Pflicht zählen sollte, während bei der Beseitigungspflicht lediglich Errichtung und Betrieb der Anlage am Ziel einer gemeinwohlverträglichen Beseitigung orientiert sein müssen, die Durchführung der Beseitigung außerhalb der Anlage aber Gegenstand der abfallrechtlichen Pflichten ist, läßt sich für die geltende Rechtslage wohl kaum begründen. Für das hier gefundene Ergebnis spricht weiterhin, daß das Gesetz selbst die Verwertungs- und die Beseitigungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG in § 9 S. 2 KrW-/AbfG hinsichtlich der Anwendung der abfallrechtlichen Anforderung gleichbehandelt. Rebentisch will in dieser Bestimmung allerdings ein Zeichen dafür sehen, daß der Gesetzgeber von unzutreffenden Vorstellungen über Inhalt und systematischen Zusammenhang der betreffenden Regelungen ausgegangen sei. Die Unberuhrtheitsklausel sei hinsichtlich der Beseitigung sinnlos, da das Bundes-Immissionsschutzgesetz hinsichtlich der Beseitigung von Abfällen keine Anforderungen enthalte. 4s6 Richtig ist hieran lediglich, daß § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nicht die Durchführung der Beseitigung der angefallenen Abfälle regelt. Diese richtet sich vielmehr unmittelbar nach § 11 KrW-/ AbfG. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG enthält aber bezüglich der Beseitigung ebenso wie hinsichtlich der Verwertung von Abfällen eine Regelung, die die Errichtung und den Betrieb der Anlage steuert. Erkennt man dies, so steht die in § 9 S. 2 KrW-/AbfG getroffene Regelung durchaus im Einklang mit Inhalt und System der Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG. Vielmehr muß sich die Annahme, § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG enthalte hinsichtlich der Verwertung eine andersgeartete Pflichtenstellung des Betreibers als hinsichtlich der Beseitigung, die das gegenteilige Ergebnis stützende Regelung des § 9 S. 2 KrW-/AbfG entgegenhalten lassen.

(6) Ergebnis Richtigerweise ist § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG daher allein anlagenbezogen zu vestehen. Die Vorschrift steuert die Errichtung und den Betrieb der Anlage im Vorfeld der Entstehung des einzelnen Abfallstoffes. Der weitere Umgang mit dem einmal angefallenen Abfall unterliegt der Verwertungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG dagegen nur soweit, wie die einzelnen Maßnahmen noch zum Betrieb der Anlage gehören. Dies umfaßt bei der internen Verwer456 Rebentisch, NVwZ 1997,420; ihm folgend v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG, § 9 Rn. 8 und 14.

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2. Teil: Die Venahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

tung den gesamten Verwertungsvorgang, bei der externen Verwertung dagegen nur diejenigen Schritte innerhalb der Anlage, die der Vorbereitung der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung durch den ausgewählten Dritten dienen. Hierzu zählen neben den prozeßbezogenen Maßnahmen, die die Verwertbarkeit als solche sicherstellen, Vorkehrungen technischer Art, wie etwa das Getrennthalten und die sachgemäße Lagerung der Abfälle sowie deren ausreichende Kennzeichnung. Des weiteren muß der Anlagenbetreiber bezüglich der Durchfiihrung der externen Verwertung sicherstellen, daß diese ordnungsgemäß und schadlos erfolgt. Soll die Verwertung durch einen Dritten vorgenommen werden, muß dieser sorgfältig ausgewählt werden, so daß die Gewähr für eine rechtmäßige Verwertung gegeben ist. 457 Die Abfälle dürfen daher nur solchen Unternehmen übergeben werden, die zuverlässig sind und über die erforderliche Fachkunde verfUgen. Bei der Auswahl des Dritten muß der Betreiber gegebenenfalls auch prüfen, ob das verwandte Verfahren zur Verwertung geeignet ist und er muß den Dritten, soweit erforderlich, mit den fiir die Verwertung benötigten Informationen über den Abfall, insbesondere über die stoffliche Zusammensetzung, versorgen. 458 Zudem muß sich der Anlagenbetreiber vertraglich Möglichkeiten einräumen lassen, die es gestatten, den Vertragspartner zur Durchfiihrung der vereinbarten ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung anzuhalten. Scheitert die so vorbereitete und dann außerhalb der Anlage durchgefiihrte Verwertung, so hat dies aus Sicht des Immissionsschutzrechts nur insoweit Bedeutung, als der Anlagenbetreiber nunmehr seinen Betrieb ändern muß, um eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der zukünftig anfallenden Abfälle sicherzustellen oder ihren Anfall zu vermeiden. Hinsichtlich der Abfälle, die den Anlagenbereich einmal verlassen haben, treffen den Anlagenbetreiber auf der Grundlage des Immissionsschutzrecht aber keine weiteren Pflichten, da diese externen Vorgänge nicht mehr zum Betrieb der Anlage zählen. Aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG folgt auch keine Pflicht, die vertraglich vorgesehenen Möglichkeiten zu nutzen, um den Dritten zur Durchfiihrung der Verwertung anzuhalten. 459 Die Immissionsschutzbehörde kann daher die Nutzung dieser Rechte nicht im Wege einer nachträglichen Anordnung durchsetzen. Ein gewisser faktischer Zwang, die vertraglichen Möglichkeiten gegenüber dem Dritten auch einzusetzen, ergibt sich aber daraus, daß der Anlagenbetreiber gezwungen ist, eine andere Verwertungsmöglichkeit nachzuweisen oder die Abfälle zu vermeiden, wenn es ihm nicht gelingt, den bislang eingeschalteten Entsorger zu einer vertragsgemäßen Durchfiihrung der Verwertung anzuhalten.

Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 73. Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 73. 459 A. A. wohl Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 5 Anm. 9. 457

458

c. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BlmSchG

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Eine solches Verständnis der Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG führt nicht dazu, daß sich der Anlagenbetreiber seiner Verantwortung für die Abfälle durch Weitergabe an einen Dritten entledigen kann. Er ist zugleich Abfallerzeuger nach § 3 Abs.5 KrW-/AbfG. Wie noch näher darzulegen sein wird, werden die aus der Verursachung des Abfalls sich ergebenden Pflichten durch § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nur soweit verdrängt, wie die immissionsschutzrechtliche Pflicht reicht. Da das Immissionsschutzrecht aber nur die anlageninternen Vorgänge steuert, bleibt es für die außerhalb der Anlage durchgeführte Verwertung der einmal angefallenen Abfälle bei der Ptlichtenstellung nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. 460

bb) Anforderungen an die Durchfiihrung der Verwertung Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG läßt nur die Möglichkeit einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung die Vermeidungspflicht entfallen. Der Anlagenbetreiber darf Abfälle bei der Produktion nur dann entstehen lassen, wenn ein Umgang mit diesen Stoffen möglich ist, der dem Verwertungsgebot des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG genügt. Es muß sich dabei zunächst überhaupt um eine Verwertung handeln. Wie bereits dargelegt, liegt Abfall- und Immissionsschutzrecht jedenfalls insoweit ein einheitlicher Verwertungsbegriff zugrunde, wie es um die Grenzziehung zwischen Verwertung und Vermeidung geht. 461 Aber auch für die Abgrenzung zur Beseitigung muß zur Ausfüllung des immissionsschutzrechtlichen Verwertungsbegriffs auf die Bestimmungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes zurückgegriffen werden. Das BundesImmissionsschutzgesetz enthält selbst keine weiteren Erläuterungen des Begriffs "Verwertung". In der Sache hat bereits das BVerwG in seinem Urteil vom 26. Mai 1994 den immissionsschutzrechtlichen Verwertungsbegriff in einer Weise ausgelegt, der der Defmition der stofflichen Verwertung in § 4 Abs.3 S. 1 KrW-/AbfG entspricht. 462 Für einen Rückgriff auf die abfallrechtlichen Begriffsbestimmungen spricht auf dem Hintergrund der im vorangegangenen Abschnitt gewonnenen Erkenntnisse ferner, daß die immissionsschutzrechtlichen Regelungen vor allem eine Steuerung des Anlagenbetriebs im Hinblick auf die nach Entstehung des Abfalls notwendig werdende Entsorgung bezwecken. Die Entsorgung richtet sich - soweit nicht der Fall einer anlageninternen Verwertung vorliegt - nach den Bestimmungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. Dies läßt es geboten erscheinen, die Begriffe "Verwertung" und "Beseitigung" in beiden GesetDazu ausftihrlich unten D I 2. Dazu oben unter C I I a) bb). 462 BVerwGE 96,80/82 f. (Verftillung eines Tagebaus mit REA-Gips). 460 461

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

zen einheitlich zu handhaben. Schließlich läßt sich auch auf die Zielsetzung des Gesetzgebers verweisen, beide Rechtsmaterien besser zu verzahnen. Ein unterschiedliches Verständnis derselben Begriffe stünde mit diesen Hannonisierungsabsichten nicht in Einklang. Daher ist im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG die Abfallverwertung in gleicher Weise von der Abfallbeseitigung abzugrenzen, wie dies §§ 4 Abs. 3 u. 4, 10 Abs. 2 KrW-/AbfG für das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vorsehen. 463 Ist eine vorgesehene Maßnahme nach diesen Grundsätzen als Verwertung zu qualifizieren, fordert § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG weiter, daß diese ordnungsgemäß und schadlos erfolgen kann. "Ordnungsgemäß" ist hier im gleichen Sinne wie in § 5 Abs.3 S. 1 KrW-/AbfG zu verstehen. Die Verwertung muß rechtmäßig erfolgen, es müssen also die für das Verfahren und das gewonnene Produkt geltenden Vorschriften eingehalten werden. 464 Die Anforderung der Schadlosigkeit ermöglicht eine zusätzliche Überprüfung der Verwertungsart, des Verwertungsvorgangs und insbesondere der Verwertungsprodukte im Hinblick auf die Gemeinwohlverträglichkeit. 46s Dies erlaubt es vor allem, diejenigen Nachteile zu berücksichtigen, die gerade durch den Gebrauch von Abfallen in Verfahren oder bei der Produktherstellung verursacht werden, wie etwa Schadstoffakkumulationen, die bei der späteren Verwendung oder Entsorgung eines Produktes zu Problemen führen. 466 § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG verlangt nur eine relative Schadlosigkeit der Verwertung. Eine solche ist zunächst dann gegeben, wenn die Verwertung im Verhältnis zu einer technisch möglichen Vermeidung geringere Nachteile für die Umwelt aufweist. 467 Darüber hinaus wird man eine Verwertung aber auch dann noch als schadlos betrachten müssen, wenn sie im gleichen Maße gemeinwohlverträglich ist wie die Vermeidung. Denn warum eine Schadlosigkeit nur anzunehmen sein soll, wenn die Verwertung die umweltverträglichere Lösung darstellt, ist nicht ersichtlich.

Dazu oben B 11 3 b) bb). GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 682, 686; Jörgensen, Reststoffvermeidungsund Verwertungsgebot, S. 47; Hansmann, NVwZ 1990,412; Rehbinder, DVBJ. 1989, 500. 465 GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 686; Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 71; Hansmann, NVwZ 1990,412; Rehbinder, DVBJ. 1989,500; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 50 f. 466 Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungs gebot, S. 51. 467 LAI, Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.3.4; GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 687; Hansmann, NVwZ 1990, 412; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 51. 463

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C. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG

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c) Grenzen der Venneidungs- und Verwertungspflicht Eine Venneidung oder Verwertung von Abfällen kann nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG vom Anlagenbetreiber nur verlangt werden, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Hinsichtlich der technischen Möglichkeit kann grundsätzlich auf die Ausführungen zu § 5 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfD verwiesen werden. 468 Zu beachten ist allerdings, daß § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG, anders als § 5 Abs. 2 KrW-/AbfD, in erster Linie eine bestimmte Gestaltung des Produktionsprozesses im Vorfeld der Abfallentstehung verlangt. Es kommt daher nicht allein darauf an, ob eine Verwertung des einmal entstandenen Abfalls technisch möglich ist. Zu prüfen ist vielmehr schon, ob Produktionsverfahren zur Verfiigung stehen, die eine Venneidung oder ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der anfallenden Rückstände erlauben. Darüber hinaus muß selbstverständlich auch berücksichtigt werden, wieweit Verwertungsverfahren fiir die Nutzung der nicht vermiedenen Abfälle vorhanden sind. Zumutbar ist die Venneidung oder Verwertung, wenn der Aufwand in einem sinnvollen Verhältnis zu den ressourcensparenden und umweltschonenden Auswirkungen steht.469 Die Nachteile, die sich aus der Venneidung oder Verwertung fiir den Anlagenbetreiber im Vergleich mit einer alternativen Beseitigung ergeben, müssen mit den Vorteilen fiir die Umwelt abgewogen werden. 470 Die Frage, ob Bezugspunkt fiir das Zumutbarkeitsurteil der Entsorgungsvorgang oder die Anlage sei,47\ erweist sich bei näherem Hinsehen eher als Scheinproblem. Denn durch einen bloßen Kostenvergleich zwischen Beseitigung und Verwertung bzw. Venneidung läßt sich ohnehin nur ermitteln, welche Mehrbelastung den Anlagenbetreiber trifft. Ob diese zumutbar ist, kann nicht allein anband des Prozentsatzes angegeben werden, den die Venneidungs- oder Verwertungskosten die Beseitigungskosten übersteigen,472 sondern erst anband der Folgen, die die Mehrbelastung fiir den Anlagenbetreiber hat. 473 Nach Hoppe soll zwar eine Verwertung dann unvertretbar sein, wenn die Beseitigung unter Berücksichtigung der in derselben Branche erzielten Ergebnisse Dazu oben B 11 3 b) aa). GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 691; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 75; Hansmann, NVwZ 1990,413; Rehbinder, DVBl. 1989,501. 470 GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 669; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 75; Rehbinder, DVBl. 1989,501; Hansmann, NVwZ 1990,413; Kutscheidt, NVwZ 1986,623; Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 82 f.; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 73. 471 Vgl. dazu Hoppe, NJW 1977, 1853 f.; Kutscheidt, NVwZ 1986, 623; Scheier, Rechtsprobleme, S.48, einerseits, Rehbinder, DVBl. 1989,501; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 72 f.; Kaster, NuR 1996, 113, andererseits. 472 So aber wohl Hoppe, NJW 1977, 1853 f. 473 Dazu schon oben unter B 11 3 b) bb). 468

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

und geübten Verfahren spürbar kostengünstiger ist, dies aber nur dann, wenn die Verwertung nicht trotzdem wegen der damit verbundenen Umweltentlastung geboten ist. 474 Damit räumt er letztlich ein, daß sich das Maß der zumutbaren Belastung erst aus der Abwägung von Vor- und Nachteilen ergibt und auch deutlich höhere Verwertungskosten gerechtfertigt sein können. Einen Maßstab, wie hoch diese Mehrbelastung sein darf, um noch durch die umweltentlastenden Vorteile gerechtfertigt zu sein, benennt er jedoch nicht. Dieser Maßstab kann sich wiederum nur aus der wirtschaftlichen Belastbarkeit der die Abfalle erzeugenden Anlage ergeben. Die Grenze der Unzumutbarkeit ist nach überwiegender Ansicht erreicht, wenn die Mehrkosten der Vermeidung oder Verwertung die Erreichung des mit dem Anlagenbetriebs verfolgten Zwecks derart erschweren, daß ein vernünftiger Unternehmer von einem Betrieb der Anlage Abstand nehmen würde. Werden in der Anlage Produkte erzeugt, dann ist die Grenze überschritten, wenn die Erzeugisse nicht mehr zu einem marktfähigen Preis abgesetzt werden können. 475 Zu beachten ist aber, daß der Aufwand für Vermeidung und Verwertung stets in einem sinnvollen Verhältnis zu den umwelt- und ressourcenschonenden Effekten stehen muß. Daher kann im Einzelfall eine Vermeidung oder Verwertung schon vor Erreichen der von der h.A. angenommenen absoluten Unzumutbarkeitsgrenze unverhältnismäßig sein. Zwar fehlt im Immissionsschutzrecht eine § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG vergleichbare Regelung. Anerkannt ist aber, daß die Mehrkosten einer Verwertung unzumutbar sind, wenn die Abfallbeseitigung keine größeren Umweltnachteile verursacht. 476 Auch darüber hinaus kann im Einzelfall eine Vermeidung oder Verwertung unzumutbar sein, wenn die zu erwartenden Umweltbelastungen durch die Beseitigung im Verhältnis zum erforderlichen Verwertungsaufwand sehr gering erscheinen. 477 Es bestünde sonst die Gefahr, daß für eine nur geringfügige Umweltentlastung ein hoher fmanzieller Aufwand gefordert wird, der in anderen Bereichen des Umweltschutzes wirkungsvoller eingesetzt werden könnte. Subjektiver Bezugspunkt des Zumutbarkeitsurteils ist zunächst der konkrete Anlagenbetreiber. Zu prüfen ist also, ob die Vermeidung oder Verwertung im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation der im Einzelfall betroffenen Anlage

NJW 1977, 1854. LAI, MustervelWaltungsvorschrift, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.3.5.2, 1.4.4.; Hansmann, NVwZ 1990, 413; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 75; Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und VelWertungsgebot, S.87; anders GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 672 f, der hierin nur ein Indiz für eine Unzumutbarkeit, jedoch keine absolute Grenze sehen will. 476 SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 220; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und VelWertungsgebot, S. 73. 477 Kersting, Abgenzung, S. 143. 474 475

C. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG

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zumutbar ist. Ergibt dies, daß die verlangte Maßnahme im konkreten Fall zu nicht mehr zumutbaren Nachteilen führt, so ist weiter zu prüfen, ob sie zumindest den Betreibern vergleichbarer Anlagen zumutbar ist. 478 Zur Begründung für diesen kombiniert subjektiv-objektiven Maßstab kann darauf verwiesen, daß er der bereits zu § 5 Nr. 3 BImSchG 1974 vertretenen herrschenden Auffassung entspricht479 und der Gesetzgeber durch den Austausch des Merkmals der wirtschaftlichen Vertretbarkeit gegen das der Zumutbarkeit die Anforderungen lediglich verschärfen wollte. Hätte der Gesetzgeber allein auf die Situation des konkreten Anlagenbetreibers abstellen wollen, so hätte er zudem in den Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG die Formulierung "ihm unzumutbar" aufnehmen können. 48o Sachlich rechtfertigt sich die Heranziehung eines objektiven Maßstabs dadurch, daß ansonsten individuell zu vertretende Fehlentscheidungen des Unternehmers das Maß der ihm abzuverlangenden umweltentlastenden Anstrengungen reduzieren könnten. 481 Für die Vermeidung hat der LAI in der Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. die Auffassung vertreten, diese sei bei nicht in Betracht kommender Verwertung bereits dann unzumutbar, wenn es erforderlich wäre, das vorgesehene Produktions-, Abgas- oder Abwasserreinigungsverfahren erheblich zu verändern, um die Anlage ohne den Anfall der betreffenden Abfälle betreiben zu können. 482 Lediglich der Einbau zusätzlicher Verfahrensstufen, die beispielsweise eine Kreislauffiihrung ermöglichen oder die Verwendung anderer Einsatz und Hilfsstoffe soll verlangt werden dürfen. Dagegen soll dann, wenn eine Beseitigung mit Nachteilen für das Wohl der Allgemeinheit verbunden ist,483 auch die Anwendung anderer Prozeßtechniken verlangt werden können. 484 Dieser Differenzierung ist in der Literatur mit überzeugenden Argumenten entgegengetreten worden. 48S § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG soll die Immissionsschutzbehörden gerade ermöglichen, Verfahrenstechniken durchzusetzen, die den Anfall eines nicht verwertbaren Abfalles vermeiden. 486 Ergän478 Dies ist allgemeine Auffassung, vgl. nur GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 670; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 75; Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 86; Hansmann, NVwZ 1990,412 f. 479 Hansmann, NVwZ 1990,412, f.; Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 86. 480 GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 670. 481 Vgl. Koch, WiVerw 1983, 168; dazu schon oben B 11 3 b) bb). 482 LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.4.3.1. 483 LAI, ebda., Ziff. 1.5. 484 LAI, ebda., Ziff. 1.4.3.2. 485 Rehbinder, DVBI. 1989,502; Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 83 ff.; vgl. ferner Jörgensen, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 73 f.; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 75. 486 Weidemann, Abfallentsorgungsanlagen, S. 65 f.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

zend ist noch darauf hinzuweisen, daß bereits der Ausgangspunkt nicht einsichtig ist, die Unzumutbarkeit können sich daraus ergeben, daß eine Änderung der geplanten Anlagentechnik erforderlich sei. Dies verkennt, daß § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG vom Anlagenbetreiber von vorneherein eine Planung der Anlage verlangt, die die Erfüllung dieser Grundpflicht ermöglicht. Es kann ihn daher nicht entlasten, wenn er bei der Planung diese Anforderungen zunächst unberücksichtigt gelassen hat. Da der Prüfung der Zumutbarkeit ein objektivierender Maßstab zugrundezulegen ist, kommt es bei der Neuerrichtung einer Anlage allein darauf an, ob die Wahl einer bestimmten Verfahrenstechnik bei der Planung und Errichtung derartiger Anlagen zumutbar ist. Anders stellt sich die Situation aber naturgemäß dar, wenn es um die Zumutbarkeit der Änderung einer bereits errichteten Anlage geht.

2. § 5 Abs. 3 Nr. 2 BlmSchG § 5 Abs. 1 BImSchG steuert die Errichtung und den Betrieb der Anlage. Daher ist ganz überwiegend die Ansicht vertreten worden, daß die Pflichten aus dieser Vorschrift mit Einstellung des Betriebs enden. 487 Aus diesem Grund wurden durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes die sog. Nachsorgepflichten als Absatz 3 in § 5 BImSchG eingefügt. Nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG hat der Anlagenbetreiber sicherzustellen, daß auch nach einer Betriebseinstellung vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden. Für § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG a. F. war umstritten, ob durch den dort verwandten Reststoffbegriff die nach der Betriebseinstellung in der Anlage verbliebenen, noch nicht gebrauchten Einsatz-, Hilfs- und Betriebsstoffe, nicht abgesetzte Produkte sowie die Restanlage und ihre Teile erfaßt wurden. 488 Hinsichtlich der Einsatz-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie der Produkte wurde dies von der überwiegenden Ansicht bereits aufgrund der bisherigen Rechtslage bejaht. 489 Diese Stoffe werden nunmehr, soweit sie keine Verwendung mehr

487 VGH BW, UPR 1990,310 f.; VG Berlin, UPR 1987,238; Schlabach, UPR 1990, 250; Vallendar, UPR 1991,92; a. A. Fluck, NuR 1989,412; ders., BB 1991, 1801. Vgl. auch BT-Drs. 11/4909, S. 15. 488 V gl. dazu Dierkes, Grundpflichten, S. 132 ff.; Stockmann, Nachsorgepflicht, S. 78 ff. 489 Dierkes, Grundpflichten, S. 144; Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 99; GK-BlmSchGI Roßnagel, § 5 Rn. 804; a. A. Stockmann, Nachsorgepflicht, S.79; Fluck, BB 1991, 1804.

C. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG

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fmden, durch § 3 Abs. 3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG erfaßt. 490 Gleiches gilt für andere Gerätschaften und Anlagenteile, soweit sie bewegliche Sachen im Sinne des § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG sind. 491 § 5 Abs.3 Nr. 2 BImSchG beschränkt die Entsorgungspflicht allerdings auf "vorhandene" Abfälle. Anlagenteile, Abbruchmaterial oder kontaminierter Boden, die erst nach Betriebseinstellung zu beweglichen Sachen werden, etwa in Erfiillung der Sicherungspflicht nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 BImSchG, dürften daher nach wie vor nicht Gegenstand der immissionsschutzrechtlichen Entsorgungspflicht sein. 492 Für sie gelten aber ohne weiteres die Entsorgungspflichten nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Bei der Pflicht aus § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG handelt es sich um eine Grundpflicht, die nicht erst mit der Einstellung des Anlagenbetriebs entsteht, wie insbesondere aus der Verwendung des Wortes "auch" sowie aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift folgt. 493 Da es sich um eine Pflicht nach § 5 BImSchG handelt, ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bereits im Genehmigungsverfahren zu prüfen, ob die Einhaltung der Pflicht sichergestellt ist. 494 Zu Recht ist aber darauf hingewiesen worden, daß die aus § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG folgenden Anforderungen zu diesem Zeitpunkt kaum zu überblicken sind und daher auch nur ausnahmsweise Gegenstand der Prüfung im Genehmigungsverfahren sein können. 49s Zudem gelten für die Errichtung und den Betrieb der Anlage ohnehin schon die Pflichten des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG. Die Entsorgung von Abfällen, die während des Betriebes anfallen, kann bereits auf der Grundlage dieser Vorschrift verlangt werden. Wegen der weitergehenden Anforderungen wird man § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG als lex specialis gegenüber § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG ansehen müssen. 496 Aus § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG können sich im Genehmigungsverfahren aber Anforderungen hinsichtlich solcher Stoffe ergeben, für die sich die Entsor-

490 Dazu oben 1. Teil. E 11 4. Für Produkte ebenso Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 63. 49\ Dazu oben 1. Teil, C 11. 492 So für § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG a. F. auch Fluck, BB 1991, 1801; Stockmann, Nachsorgepflicht, S. 79; i. E. ebenso, allerdings aufgrund anderer Erwägungen, Dierkes, Grundpflichten, S. 142 f.; a. A., ohne aber auf die Bedeutung des Merkmals "vorhandene" einzugehen, Hansmann, NVwZ 1993, 926; GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 804. 493 Hansmann, NVwZ 1993, 924; Fluck, BB 1991, 1797; Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 100; Dierkes, Grundpflichten, S. 151; Stockmann, Nachsorgepflicht, S. 71; Salzwedel, Betreiberpflichten, S. 56 f. 494 Hansmann, NVwZ 1993,924; Vallendar, UPR 1991,92; vgl. auch § 4c Nr. 6 der 9. BImSchV. 495 Dierkes, Grundpflichten, S. 154; Fluck, BB 1991, 1798; Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 100. 496 Dierkes, Grundpflichten, S. 151.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

gungsfrage erst nach Einstellung des Anlagenbetriebes stellt. 497 Ferner kommt als Anwendungsfall eine Auflage zur Lagermenge und Lagerdauer von Rohund Hilfsstoffen in Betracht. 498 Ihre eigentliche Bedeutung erlangt die Nachsorgepflicht jedoch erst in der Phase der Betriebseinstellung:99 d. h. mit Erstattung der Anzeige nach § 15 Abs. 3 S. 1 BImSchG. Zu diesem Zeitpunkt kann überblickt werden, welche Abfälle noch im Bereich der Anlage vorhanden sind und welche Entsorgungsmöglichkeiten bestehen. Schließlich ist die Geltung der Pflicht aus § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG zeitlich nicht auf die Dauer des aktiven Betriebes beschränkt und lediglich inhaltlich auf die Zeit nach Betriebseinstellung ausgerichtet. Auch nach Betriebseinstellung bleibt der - dann ehemalige Betreiber verpflichtet, soweit noch nicht geschehen, die Entsorgung vorhandener Abfälle sicherzustellen. 5°O Während der Errichtungs- und Betriebsphase richtet sich die Pflicht aus § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSehG, wie alle Grundpflichten, an den aktuellen Betreiber, also an denjenigen, der die Errichtung und den Betrieb vornimmt. 501 Wird die Anlage nacheinander von verschiedenen Personen betrieben, so muß jede während ihrer Betriebszeit die dann schon bestehenden Anforderungen des § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG im Hinblick auf die Zeit nach Betriebseinstellung erfiillen. 502 Ferner ist unstreitig, daß den letzten Betreiber die mit der Betriebseinstellung als solcher verbundenen Pflichten treffen. 503 Schließlich besteht auch Einigkeit darüber, daß der letzte Betreiber für den während seiner Betriebszeit herbeigeführten Zustand der stillgelegten Anlage verantwortlich iSt. 504 Nicht einheitlich beurteilt wird dagegen, ob einerseits daneben auch frühere Betreiber in Anspruch genommen werden können und andererseits der letzte Betreiber auch für solche Abfälle verantwortlich ist, die nicht von ihm verursacht worden sind. 505 Die ganz überwiegende Meinung behandelt den Anlagenbetreiber

497 Fluck, BB 1991, 1797, nennt als Beispiele PCB-haItiges Hydrauliköl und Rückstände im "Sumpf' von Raffinerie- und Teeranlagen. 498 GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 808; Hansmann, NVwZ 1993,924; LAI, Musterverwaltungsvorschriften zum 3. ÄndG zum BImSchG, Ziff. 2.1.3: Hierdurch soll das Risiko gemindert werden, daß bei einer plötzlichen Einstellung des Betriebes infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf einmal große Mengen an Abfällen entsorgt werden müssen. 499 Dierkes, Grundpflichten, S. 154; Fluck, BB 1991, 1799. soo Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 101; Dierkes, Grundpflichten, S. 151; Fluck, BB 1991, 1801; GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 797. SOl Dierkes, Grundpflichten, S. 158. 502 Hansmann, NVwZ 1993,923; Dierkes, Grundpflichten, S. 158. 503 Hansmann, NVwZ 1993, 923; GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 781; Dierkes, Grundpflichten, S. 158. 504 Hansmann, NVwZ 1993, 923; GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 782. 505 Vgl. dazu ausführlich Dierkes, Grundpflichten, S. 159 f.

c. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG

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gleichzeitig als Zustands- und als Verhaltensverantwortlichen. 506 Jeder frühere Betreiber der stillgelegten Anlage ist zum einen für die von ihm verursachten Probleme verantwortlich. Darüber hinaus ist der letzte Betreiber als Zustandsverantwortlicher rur die Anlage und das Anlagengrundstück umfassend und daher auch hinsichtlich der von früheren Betreibern verursachten Risiken verantwortlich. § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG verlangt die Sicherstellung der Entsorgung noch vorhandener Abfälle. Das ist zumindest vom Wortlaut her etwas anderes als die Vornahme der Verwertung oder Beseitigung. Dennoch wird vielfach, freilich ohne daß dies näher begründet würde, davon ausgegangen, § 5 Abs. 3 Nr. 2 BlmSchG verpflichte den Betreiber zur Verwertung oder Beseitigung der Abfälle. 507 Nach zutreffender Auffassung verlangt § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG vom Betreiber jedoch für die Zeit nach Betriebseinstellung nur den Nachweis, daß rur die vorhandenen Abfälle Entsorgungsmöglichkeiten bereitstehen. 508 Dieses Verständnis entspricht am ehesten dem Wortlaut der Vorschrift. Hinzu kommt auch hier, daß der Immissionsschutzbehörde die Möglichkeiten fehlen, um die Durchführung der Verwertung oder Beseitigung effektiv zu überwachen. 509 Nimmt man an, § 5 Abs. 3 Nr. 2 BlmSchG verlange nicht nur die Sicherstellung, sondern auch die Durchfiihrung der Entsorgung, so müßte zudem eine befriedigende Antwort auf die Frage gefunden werden, in welchem Verhältnis die immissionsschutzrechtliche Entsorgungspflicht zu den abfallrechtlichen Pflichten steht. Gegen die Annahme eines Vorrangs des Irnmissionsschutzrechtes spricht, daß § 5 Abs. 3 Nr. 2 BlmSchG bestehende Pflichten nach anderen Gesetzen unberührt lassen SOll.51O Mit § 5 Abs. 3 BlmSchG wollte der Gesetzgeber lediglich eine bestehende Regelungslücke schließen. Die vorhandenen Regelungen wurden als nicht ausreichend betrachtet, um rechtzeitig und vorbeugend rur einen sicheren, umweltverträglichen Zustand stillgelegter Anlagen zu sorgen.S\I Hinsichtlich des Abfallrechts wurde diese Regelungslücke darin gesehen, daß nach dem Abfallgesetz 1986 erst eingeschritten werden konnte,

506 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 95; GK-BImSchG/Roßnage/, § 5 Rn. 784 f.; Hansmann, NVwZ 1993,924; Fluck, BB 1991, 1800; i. E. ähnlich Dierkes, Grundpflichten, S.167f. 507 Fluck, BB 1991, 1802; GK-BImSchG/Roßnage/, § 5 Rn. 803; wohl ebenso Stockmann, Nachsorgepflicht, S. 78 f. 508 Dierkes, Grundpflichten, S. 155; Vallendar, UPR 1991,94. S09 Dazu oben C I 1 b) aa) (3). 510 Dies ist, soweit ersichtlich, allgemeine Auffassung, vgl. Dierkes, Grundpflichten, S. 39; LAI, Musterverwaltungsvorschriften zum 3. ÄndG zum BImSchG, Ziff. 2.1.6; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 90; Stockmann, Nachsorgepflicht, S. 70. 511 GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 771; Hansmann, NVwZ 1993,922.

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2. Teil: Die Verzahnung von AbfaIlrecht und Immissionsschutzrecht

wenn die Einsatzstoffe oder Produkte zu Abfall geworden waren.S\2 § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG sollte also den Anlagenbetreiber dazu verpflichten, die Reststoffe vom Anlagengelände zu schaffen, unabhängig davon, ob es sich bereits um Abfälle i. S. d. § 1 Abs. 1 AbfG handelte oder nicht. m Hierdurch sollte zugleich ein Beitrag geleistet werden, die Grundstücke stilly,elegter Anlagen eher rur neue Industrieanlagen wieder nutzbar zu machen. s 4 Dagegen kann nicht angenommen werden, daß die nach § 3 AbfG bestehende Entsorgungspflicht rur Abfälle fiir den Anlagenbetreiber durch die Pflicht aus § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG ersetzt werden sollte. 51S Dies spricht darur, daß § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG nicht an die Stelle der abfallrechtlichen Pflichten tritt, sondern diese lediglich ergänzt. § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG verpflichtet - ähnlich wie § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG - den Anlagenbetreiber im Vorfeld der abfallrechtlichen Entsorgungspflichten, dafiir Sorge zu tragen, daß nach Betriebseinstellung eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder eine allgemeinwohlverträgliche Beseitigung möglich ist, die benötigten Entsorgungskapazitäten also bereitstehen und, soweit erforderlich, betriebsseitige Vorkehrungen fiir deren Durchfiihrung getroffen werden. Die Steuerung des Entsorgungsvorganges selbst überläßt § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG dagegen dem Abfallrecht bzw. den sonstigen Entsorgungsvorschriften. S16 Genau wie § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG verlangt auch § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG, daß die Verwertung ordnungsgemäß und schadlos, die Beseitigung ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit erfolgen muß. Anders als § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG trifft § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG keine ausdrückliche Bestimmung zur Frage, ob die Sicherstellung der Verwertung Vorrang vor der Sicherstellung der Beseitigung genießt. Dennoch wird vielfach angenommen, der Anlagenbetreiber müsse in erster Linie fiir eine Verwertung sorgen. S17 Nach

S\2 GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 771; Hansmann, NVwZ 1993, 922 unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien. Sl3 Vgl. Vallendar, UPR 1991,94. 514 Vgl. Hansmann, NVwZ 1993,922. 515 Vgl. die Begründung des Regierungs-Entwurfes, BT-Drs. 11/4909, S. 15. 516 Allerdings fiel die Reststoffverwertung nach überwiegender Ansicht vor Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes nicht in den Anwendungsbereich des Abfallregimes, so daß sich die Frage steIlt, ob § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG nicht zumindest hinsichtlich der Verwertung eine über die SichersteIlung der Verwertungsmöglichkeit hinausgehende Pflicht entnommen werden muß. Jedenfalls mit Inkrafttreten des neuen Abfallrechts besteht diese Regelungslücke nicht mehr. Damit fehlt es an der Notwendigkeit ftir eine extensive und im Hinblick auf das den Immissionsschutzbehörden zur Verftigung stehende Überwachungsinstrumentarium auch bedenkliche Auslegung. 517 Hansmann, NVwZ 1993,926; GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 805; LAI, Musterverwaltungsvorschriften zum 3. ÄndG zum BImSehG, Ziff. 2.1.5.; Stockmann, Nachsorgepflicht, S. 80.

c. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem BlmSchG

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§ 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG müsse die Beseitigung gemeinwohlverträglich erfolgen. Eine Beseitigung, die zum Verlust von Ressourcen und Verbrauch von Deponiekapazitäten fiihre, beeinträchtige aber das Wohl der Allgemeinheit, wenn eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung technisch möglich und zumutbar sei. 518 Träfe diese Ansicht zu, so wäre die komplizierte Vorrangregelung des § 5 Abs. I Nr.3 BIrnSchG im Grunde überflüssig. 519 Aus dem Wortlaut des § 5 Abs.3 Nr.2 BImSchG sowie der Gesetzessystematik ergeben sich daher gewichtige Argumente für eine Gleichrangigkeit der beiden Entsorgungsalternativen. 520 Auch aus der Entstehungsgeschichte ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Vorrang der Verwertung. S2l Die hieraus gezogene Schlußfolgerung, nach Betriebseinstellung habe der Betreiber bei der Entsorgung der vorhandenen Reststoffe die Wahl, ob er verwerten oder beseitigen wolle,522 vermag im Ergebnis dennoch nicht zu überzeugen.

§ 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG soll der Immissionsschutzbehörde ein Instrument an die Hand geben, mit dem diese den Anlagenbetreiber anhalten kann, frühzeitig für einen sicheren, umweltverträglichen Zustand der stillgelegten Anlage zu sorgen. 523 Gegenstand der Vorschrift ist die Vorbereitung und Ermöglichung der Entsorgung noch vorhandener Abfälle. Verwertung wie Beseitigung müssen im Einklang mit den jeweils einschlägigen Entsorgungsvorschriften erfolgen. Es wäre ein widersprüchliches Ergebnis, wenn die Immissionsschutzbehörde vom Anlagenbetreiber nur die Sicherstellung der Beseitigung verlangen könnte, dieser seine imrnissionsschutzrechtliche Nachsorgepflicht mit anderen Worten durch die Ermöglichung einer Verbrennung oder Deponierung der Abfälle erfüllen könnte, obwohl er bei der Durchführung der Entsorgung nach den jeweils einschlägigen Fachgesetzen vorrangig zur Verwertung verpflichtet ist. § 5 Abs.3 Nr.2 BImSchG a. F. verwies mit der Alternative der gemeinwohlverträglichen Beseitigung vor allem auf die Entsorgung der Abfälle nach Abfallrecht, wobei der Begriff "Beseitigung" umfassend zu verstehen war und bei einer Beseitigung nach Abfallrecht neben der endgültigen Ablagerung auch die Abfallverwertung umfaßte. S24 Nach § 3 Abs. 2 S. 3 Abtu hatte die Verwer-

518 LAI, Musterverwaltungsvorschriften zum 3. ÄndG zum BImSchG, Ziff. 2.1.5; Hansmann, NVwZ 1993,926; Stockmann, Nachsorgepflicht, S. 80. 519 So mit Recht Fluck, BB 1991, 1802. 520 Dierkes, Grundpflichten, S. 149; grundsätzlich zustimmend Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 99; vgl. auch Fluck, BB 1991, 1802. 521 Fluck, BB 1991, 1802; Dierkes, Grundpflichten, S. 149. 522 Dierkes, Grundpflichten, S. 150. 523 GK-BImSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 771; Hansmann, NVwZ 1993,922. 524 Dierkes, Grundpflichten, S. 147; Fluck, NuR 1989,413.

17 Locher

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

tung aber Vorrang vor der sonstigen Entsorgung. Eine Beseitigung der Abfälle entsprach daher nur dann den abfallrechtlichen Vorschriften, wenn kein Vorrang der Verwertung bestand. Da § 5 Abs. 3 Nr. 2 BIrnSchG a. F. eine Entsorgung im Einklang mit den abfallrechtlichen Vorschriften verlangte, war bei der Frage, ob der Anlagenbetreiber seiner Sicherstellungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen war, dieser abfallrechtlich geregelte Vorrang zu berücksichtigen. Für § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG ist allerdings angenommen worden, es sei ausgeschlossen, Reststoffe, die nach Imrnissionsschutzrecht nicht verwertet werden müßten, noch dem abfallrechtlichen Verwertungsgebot zu unterwerfen. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. sei die speziellere Regelung und stelle zudem strengere Anforderungen als das Abfallrecht. S2S Diese Erwägungen ließen sich auf § 5 Abs. 3 Nr.2 BImSchG a. F. jedoch nicht ohne weiteres übertragen, da die Vorschrift gerade keine Vorrangregelung zugunsten der Verwertung enthielt. Zudem entsprach es einhelliger Auffassung, daß § 5 Abs.3 Nr.2 BImSchG a. F. die weitergehenden fachgesetzlichen Regelungen unberührt lassen sollte. Daher war fiir die Rechtslage vor Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetzes davon auszugehen, daß der abfallrechtliche Vorrang der Verwertung auch im Rahmen des § 5 Abs. 3 Nr.2 BIrnSchG a. F. zu berücksichtigen war. Der Anlagenbetreiber hatte somit zwar die Wahl zwischen Reststoffverwertung und Abfallbeseitigung. Entschied er sich fiir letztere, mußte er aber dennoch in erster Linie rur eine Verwertung der Rückstände als Abfälle Sorge tragen. Fraglich ist, ob sich dies mit Inkrafttreten des neuen Abfallrechts geändert hat. Auf den ersten Blick spricht hiergegen, daß nunmehr auch die Verwertung nach § 5 Abs.3 Nr.2 BImSchG eine Verwertung als Abfall ist. Verwertung wie Beseitigung richten sich damit grundsätzlich nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, das allerdings fiir bestimmte Bereiche durch § 2 Abs. 2 KrW-/AbfG auf speziellere Vorschriften weiterverweist. Das legt es nahe, daß auch die Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 S. 2 KrW-/AbfG zur Anwendung gelangt. Etwas anderes könnte aber aus § 9 S. 2 KrW-/AbfG folgen, wonach nur die stoffbezogenen Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung oder Beseitigung von Abfällen nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz unberührt bleiben. s26 Es scheint zweifelhaft, ob sich die Vorrangregelung nach § 5 Abs. 2 S. 2 KrW-/AbfG als eine die Art und Weise der Verwertung betreffende Anforderung auffassen läßt, da die Vorschrift das "Ob",

525 Rehbinder, DVBI. 1989, 496; zustimmend Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 92. 526 Zweifelhaft und im Ergebnis zu verneinen ist allerdings bereits, ob § 9 KrW-/ AbfG auf § 5 Abs. 3 Nr. 2 BlmSchG Anwendung findet, dazu unten D I 1.

C. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem BlmSchG

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nicht aber das "Wie" der Verwertung regelt. S27 Hieraus könnte der Schluß zu ziehen sein, über die von § 5 Abs. 3 Nr. 2 BIrnSchG aufgestellten Anforderungen "ordnungsgemäß" bzw. "ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit" kämen die abfallrechtlichen Vorschriften jeweils nur in dem von § 9 S. 2 KrW-/AbfG bezeichneten Umfang, also nur im Hinblick auf das "Wie" der Verwertung bzw. Beseitigung zur Anwendung. Die Immissionsschutzbehörde hätte daher bei nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 BIrnSchG i. V. m. § 17 BIrnSchG zu treffenden Entscheidungen nur die Anforderungen an die Art und Weise der Durchführung der Verwertung oder Beseitigung zu berücksichtigen, nicht aber das Rangverhältnis zwischen Verwertung und Beseitigung. Eine solche Auslegung führt jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht zu einem sachgerechten Ergebnis, da § 5 Abs. 3 Nr.2 BImSchG lediglich die Ermöglichung und Vorbereitung der Abfallentsorgung steuert, nicht aber deren Durchführung. Diese unterliegt allein den Bestimmungen des Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetzes bzw. der in § 2 Abs. 2 KrW-/AbfG aufgeführten Fachgesetze. Bei der Vornahme der Entsorgung wäre der Anlagenbetreiber daher als Abfallerzeuger wieder in erster Linie zu einer Verwertung verpflichtet. Die soeben skizzierte abweichende Auslegung wird zudem durch den Wortlaut des § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG keineswegs zwingend vorgegeben. Sowohl für die Verwertung als auch für die Beseitigung und damit in der Sache für die Entsorgung insgesamt verweist die Vorschrift nunmehr auf das Abfallrecht. Daher hätte der Gesetzgeber auf die gesonderte Nennung von Verwertung und Beseitigung verzichten und statt dessen die Sicherstellung der gemeinwohlverträglichen Entsorgung verlangen können. Daß Verwertung und Beseitigung trotzdem je rur sich aufgeführt werden, dürfte sich allein aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift erklären. Sachlich geboten ist die Differenzierung nicht, da der Anwendungsbereich des Abfallrechts durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz auch auf die Verwertung von Reststoffen ausgedehnt worden ist. Geht man aber zutreffenderweise davon aus, daß § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG eine gemeinwohlverträgliche Entsorgung verlangt, so wird deutlich, daß damit die den Entsorgungsvorgang steuernden Vorschriften insgesamt in Bezug genommen werden und damit auch die Bestimmungen, die das Rangverhältnis von Verwertung und Beseitigung regeln. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß der Anlagenbetreiber vorrangig zur Sicherstellung der Verwertung der Abfalle verpflichtet ist, soweit die Verwertung nach den abfallrechtlichen Vorschriften bzw. den über § 2 Abs. 2 KrW-/AbfG zur Anwendung kommenden Spezialvorschriften Vorrang vor der Beseitigung hat. Diesen sich aus den Entsorgungsvorschriften ergebenden Vorrang kann

527

Dazu unten D H.

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auch die Immissionsschutzbehörde gegenüber dem Anlagenbetreiber beim Vollzug des § 5 Abs. 3 Nr. 2 BlmSchG durchsetzen.

11. Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen

Alle Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5 BlmSchG, für die durch die 4. BImSchV keine Genehmigungspflicht begründet ist, sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen. 528 Die immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten für die Errichtung und den Betrieb dieser Anlagen sind in § 22 BImSchG geregelt. Adressat ist auch hier allein der Anlagenbetreiber. 529

1. Ermöglichung der Entsorgung (§ 22 Abs. J S. J Nr. 3 BImSehG) Der Betreiber einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen ist nach § 22 Abs. I S. I Nr.3 BImSchG dazu verpflichtet, seine Anlage so zu errichten und zu betreiben, daß die beim Betrieb der Anlage entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können. Mit dem Begriff der ordnungsgemäßen Beseitigung verweist § 22 Abs. I S. I Nr. 3 BImSchG auf die jeweiligen Fachgesetze, also das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und die in § 2 Abs. 2 KrW-/ AbfG angesprochenen Spezialgesetze, etwa das Wasserrecht oder das Tierkörperbeseitigungsgesetz. 530 Der Anlagenbetreiber muß bereits bei Errichtung und Betrieb die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Beseitigung schaffen. 531 Die Vorschrift stellt damit eine Verbindung zu den Vorschriften her, die die Durchführung der Entsorgung regeln. 532 Ähnlich wie § 5 Abs. I Nr.3 BImSchG greift § 22 Abs. I S. I Nr. 3 BlmSchG dabei bereits im Vorfeld der Entstehung von Abfällen ein und verpflichtet den Anlagenbetreiber, bei der Planung der Anlage und bei ihrem Betrieb durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß die anfallenden Abfälle

528 Der Kreis der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen ist außerordentlich weit gespannt und umfaßt so unterschiedliche Einrichtungen wie Chemisch-Reinigungsanlagen, Gaststätten, Schrottplätze und Tankstel1en, aber auch Kinderspielplätze, Spielhallen und Sportanlagen, vgl hierzu und zu weiteren Beispielen Jarass, BImSehG, § 22 Rn. 8 ff. 529 Jarass, BImSehG, § 22 Rn. 18. 530 Jarass, BImSehG, § 22 Rn. 39; GK-BImSchG/Roßnagel, § 22 Rn. 154; Hansmann, in: LandmannIRohmer, § 22 Rn. 28. 531 Jarass, BImSehG, § 22 Rn. 39; Hansmann, in: LandmannIRohmer, § 22 Rn. 29; StichiPorger, Immissionsschutzrecht, § 22 Tz. 10. 532 Vgl. BoissereeiOelslHansmann, Immissionsschutzrecht, BImSchG § 22 Rn. 6; PützlBuchholz, S. 16.

c. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BlmSchG

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ordnungsgemäß beseitigt werden können. S33 § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BImSchG enthält also keine stoffbezogene, sondern eine anlagenbezogene Regelung. 534 Im Unterschied zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG verlangt § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG allerdings nur, daß die Abfälle beseitigt werden können, also die Ermöglichung der Beseitigung. Die Durchführung der Beseitigung ist demnach nie Gegenstand der Betreiberpflicht, sondern unterliegt immer den einschlägigen Fachgesetzen. Nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BImSchG muß der Anlagenbetreiber durch die verlangten anlagenbezogenen Maßnahmen lediglich die ordnungsgemäße Beseitigung ermöglichen. Die Beseitigung erfaßt im Sprachgebrauch des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes allerdings nur die endgültige Ablagerung oder Vernichtung (z. B. durch Verbrennen) von Abfällen und die vorgeschalteten Sammel-, Transport- und Behandlungsvorgänge, wie sich aus § 3 Abs. 7 KrW-/AbfG und § 10 KrW-/AbfG ergibt. Beseitigung ist in diesem Sinne ein Unterfall der Entsorgung, die nach § 3 Abs.7 KrW-/AbfG durch Verwerten oder Beseitigen erfolgt. Würde man dieses Verständnis auch dem § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BImSchG zugrunde legen, so müßte lediglich die Ablagerung oder Vernichtung durch Verbrennen, nicht aber die Verwertung ermöglicht werden. Vor Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ist allerdings ganz überwiegend angenommen worden, § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG verpflichte den Betreiber einer nicht genehmigun/jsbedürftigen Anlage zwar nicht zu Reststoff(Vermeidung- und )verwertung. 53 Er unterliege aber der abfallrechtlichen Verwertungspflicht nach § 3 Abs.4 i. V. m. Abs. 2 S. 3 AbfG, sofern die Abfälle von der Entsorgun~ durch die öffentlich-rechtliche Körperschaft ausgeschlossen worden seien. 36 Nicht ausdrücklich erörtert worden ist freilich die sich hieraus ergebenden Frage, ob aus § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG daher auch die Pflicht folge, durch anlagenbezogene Vorkehrungen die vorrangige Verwertung der Abfälle zu ermöglichen. 537 Einem solchen Verständnis steht nicht entgegen, daß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BImSchG lediglich den Begriff "beseitigen" verwendet. Zwar war der Begriff der Beseitigung auch in § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG ursprünglich im Sinne BoissereelOelslHansmann, Immissionsschutzrecht, BlmSchG § 22 Rn. 6. StichlPorger, Immissionsschutzrecht, § 22 Tz. 10; Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 22 Anm. 9. 535 GK-BImSchG/Roßnagel, § 22 Rn. 155; Hansmann, in: LandmannIRohmer, § 22 Rn. 28; Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 22 Anm. 9. 536 GK-BImSchG/Roßnagel, § 22 Rn. 155; ders., Nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen, S. 63; Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 93; Pütz! Buchholz, S. 17; ähnlich Ule, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 22 Rn. 8. 537 Vgl. allerdings Struß, Abfallwirtschaftsrecht, S. 41. 533 534

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

des endgültigen Ablagems zu verstehen und entsprach damit der Bedeutun~, mit der der Begriff im Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 verwendet wurde. 5 8 Zu berücksichtigen ist aber, daß der Begriff der Beseitigung im Bundes-Abfallgesetz selbst seit 1986 keine Verwendung mehr fand. Vielmehr sprach § 1 Abs. 2 AbfG von der ,,Abfallentsorgung", die die Verwertung und die Ablagerung umfaßte. Gleichwohl wurde in § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG - ebenso wie in § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG - der Begriff der Beseitigung beibehalten. Die Bundesregierung hatte eine Angleichung der immissionsschutzrechtlichen Vorschriften an die Terminologie des Abfallgesetzes zwar vorgeschlagen,539 insbesondere um klarzustellen, daß durch die immissionsschutzrechtlichen Vorschriften eine Verwertunfc in zentralen Entsorgungseinrichtungen nicht ausgeschlossen werden sollte. 5 0 Der Absicht, den Begriff "beseitigen" in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG und § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BImSchG durch das Wort "entsorgen" zu ersetzen, war der Bundesrat aber mit der Begründung entgegengetreten, eine Anpassung an den Sprachgebrauch des Abfallgesetzes sei nicht sachgerecht, da der immissionsschutzrechtliche Abfallbegriff weiter sei als der des § 1 Abs. 1 AbfG und z. B. auch die den wasserrechtlichen Vorschriften unterliegenden Abwässer erfasse. Der Begriff der Entsorgung fmde aber in diesen anderen Vorschriften keine Verwendung. 541 Dem stimmte die Bundesregierung ZU,542 so daß auf eine Angleichung der Begrifflichkeit bewußt verzichtet wurde. 543 Zugleich folgt hieraus aber, daß der im Immissionsschutzrecht verwandte Begriff der Beseitigung inhaltlich die Verwertung nach Abfallrecht mit einschließen und in der Sache dem im Abfallgesetz verwandten Begriff der Entsorgung entsprechen sollte. 544 Umfaßte aber der Begriff der Beseitigung in § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. sowohl die Verwertung als auch die Beseitigung, so verpflichtete die Vorschrift den Anlagenbetreiber, die ordnungsgemäße Verwertung oder Beseitigung nach Maßgabe der jeweils einschlägigen Fachgesetze zu ermöglichen. Da nach § 3 Abs. 2 S. 3 AbfG in erster Linie eine Verwertung zu erfolgen hatte, genügte es § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BImSchG a. F. mithin nicht, beim Betrieb der Anlage allein dafür Sorge zu tragen, daß eine Verbrennung und Ablagerung der entstehenden Abfälle möglich war. Eine Beseitigung konnte

Vgl. etwa Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 22 Anm. 9. Vgl. BT-Drs. 1114909, S. 6 und S. 18. 540 BT-Drs. 1114909, S. 15. 54\ BT-Drs. 1114909, S. 27. 542 BT-Drs. 1114909,41. 543 GK-BlmSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 80. 544 Vgl. Hansmann, in: LandmannIRohmer, § 22 Rn. 27; PützlBuchholz, S. 18; Dierkes, Grundpflichten, S. 147; Fluck, NuR 1989,413. A. A. allerdings Struß, Abfallwirtschaftsrecht, S. 41. 538

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C. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem BlmSchG

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nach § 3 Abs. 2 S. 3 AbfG nur dann ordnungsgemäß erfolgen, wenn dabei der Vorrang der Verwertung nicht verletzt wurde. Daß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. insgesamt die Ermöglichung einer ordnungsgemäßen Entsorgung verlangte, spricht also dafür, daß durch anlagenbezogene Maßnahmen auch eine dem Abfallgesetz entsprechende Verwertung der Abfälle sichergestellt werden mußte und der abfallrechtliche Vorrang dieser Entsorgungsoption daher beim Anlagenbetrieb zu beachten war. 545 Hinzu kommt ein weiteres: Es würde wenig Sinn machen, wenn das Immissionsschutzrecht vom Anlagenbetreiber nur die Ermöglichung der Beseitigung verlangen würde, obwohl die Abfälle nach den maßgeblichen Entsorgungsvorschriften vorrangig verwertet werden müssen. Den Gesetzesmaterialien zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß durch das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen diese Rechtslage geändert werden sollte. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BlmSchG ist durch das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen unverändert geblieben ist. 546 Eine ausdrückliche begriffliche Harmonisierung mit dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - wie etwa bei § 5 Abs. 1 Nr.3 BlrnSchG - ist also nicht vorgenommen worden. Ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers, daß der Begriff der Beseitigung in beiden Regelungen gleich zu verstehen sein soll, läßt sich daher nicht feststellen. Gegen ein enges Verständnis sprechen die bereits oben genannten Gründe. Angesichts der Tatsache, daß das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - anders als das Abfallgesetz von 1986 - nunmehr wieder eine Legaldefmition der Beseitigung enthält, wäre es aus Gründen der Klarheit allerdings wünschenswert, wenn das Bundes-Immissionsschutzgesetz in diesem Punkt der Terminologie des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes angepaßt würde. Die Bedenken, die gegen eine solche Harmonisierung geltend gemacht worden sind,547 erweisen sich als nicht stichhaltig, wenn man § 2 Abs.2 KrW-/AbfG als Weiterverweis auf die dort genannten Spezialvorschriften versteht. Nicht abschließend geklärt ist allerdings die Reichweite der Pflicht, eine ordnungsgemäße Entsorgung der anfallenden Abfälle zu ermöglichen. Teils wird die Pflicht aus § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BlmSchG bereits als erfüllt angesehen,

545 Wie hier wohl GK-BlmSchG/Roßnagel, § 22 Rn. 155; a. A. Jarass, BImSchG, § 22 Rn. 40; Paetow, in: KuniglPaetowNersteyl, § 9 Rn. 10; möglicherweise auch SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 209 f. 546 Unzutreffend insoweit Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 69. 547 BT-Drs. 11/4909, S. 27.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

wenn die fiir die Entsorgung erforderlichen Anlagen vorhanden sind. 548 Der Anlagenbetreiber muß nach dieser Ansicht nur sicherstellen und dies nachweisen können, daß genügend Kapazitäten fiir eine ordnungsgemäße Entsorgung zur Verrugung stehen, sei es durch den Bau eigener Entsorgungseinrichtungen, sei es durch den Abschluß von Verträgen mit Dritten. Damit werden aber die Anforderungen an den Anlagenbetreiber sehr stark zurückgenommen. Der Wortlaut der Vorschrift spricht dagegen fiir einen etwas weitergehenden Gehalt der Betreiberpflicht. Denn § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG bezieht sich auch und sogar in erster Linie auf die Errichtung und den Betrieb, also auf Maßnahmen, die die Anlage selbst betreffen. 549 Die technischen und organisatorischen Betriebsabläufe müssen so ausgestaltet werden, daß eine ordnungsgemäße Entsorgung der anfallenden Abfälle erfolgen kann. 550 Fraglich ist allerdings, wieweit diese Verpflichtung in den Produktionsprozeß hineingreift. Hansmann entnimmt dem Begriff "ordnungsgemäß" nicht nur die Anforderung, daß die Entsorgung "in formeller Übereinstimmung mit der Rechtsordnung" erfolgt. Vielmehr sei auch die Übereinstimmung mit den Zielen einer ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung i. S. d. § 2 Abs. 1 AbfG gefordert. 551 Die Entsorgung habe so zu erfolgen, daß das WobI der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt werde. Hieraus folgert Hansmann, der Anlagenbetreiber sei verpflichtet, durch den zumutbaren Einsatz anderer Brenn- oder Einsatzstoffe oder durch Verfahrensumstellungen eine Abfallentsorgung zu ermöglichen, die mit weniger Nachteilen für das Gemeinwohl verbunden sei. Das Merkmal "ordnungsgemäß" verlange im Einzelfall eine Abwägung des Aufwandes und der Nachteile für den Anlagenbetreiber mit den Vorteilen fiir die Verwirklichung der Ziele der einschlägigen Gesetze. 552 Damit wird der Anforderung einer ordnungsgemäßen Entsorgung in § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG eine vergleichbare Funktion zugewiesen, wie sie nach teilweise vertretener Ansicht553 der Begriff der allgemeinwohlverträglichen Beseitigung in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG bzw. § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG haben soll. Sie verweist nach dieser Interpretation nicht lediglich auf die Einhaltung der für den Entsorgungsvorgang einschlägigen Vorschriften, sondern ermöglicht eine eigenständige immissionsschutzrechtliche Kontrolle, ob eine 548 SchmatzlNöthlichs, Immissionsschutz, BIrnSchG § 22 Anrn. 7; wohl auch Stiehl Porger, Immissionsschutzrecht, § 22 Anrn. 10. 549 Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 22 Anrn. 9. 550 Vgl. GK-BIrnSchGIRoßnagel, § 22 Rn. 156; Jarass, BIrnSchG, § 22 Rn. 37. 55\ So Hansmann, in: LandrnannIRohrner, § 22 Rn. 29, in einer früheren Fassung der

Kommentierung; die aktuelle Kommentierung ist hier weit weniger explizit. 552 Hansmann, in: LandrnannIRohmer, § 22 Rn. 29. 553 Vgl. Hansmann, NVwZ 1990,413; ders., NVwZ 1993,926; GK-BImSchGIRoßnagel, § 5 Rn. 698.

C. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG

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Entsorgung zugelassen werden kann. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BIrnSchG steht nach dieser Sichtweise dem Betrieb einer Anlage nicht nur in dem Fall entgegen, daß fUr bestimmte Produktionsabfälle keine geeigneten Entsorgungsanlagen zur Verfiigung stehen, sei es, weil der Betreiber niemanden fmdet, der fiir ihn die Entsorgung vornimmt, sei es, weil bestimmte Stoffe überhaupt nicht gemeinwohlverträglich entsorgt werden können. SS4 Vielmehr soll der Betreiber verpflichtet sein, von mehreren Verfahrensalternativen diejenige zu wählen, die Abfälle erzeugt, die bei ihrer Entsorgung zu geringeren Nachteilen fiir das Gemeinwohl fUhren. Er muß also die hinsichtlich der Abfallentsorgung umweltverträglichere Betriebsweise wählen. Begrenzt wird diese Verpflichtung lediglich durch die Zumutbarkeit. Der Anlagenbetreiber wäre also nicht nur verpflichtet, die bei der von ihm gewählten Anlagenauslegung anfallenden Abfälle soweit technisch möglich und zumutbar zu verwerten. Er wäre vielmehr im Rahmen des Zumutbaren auch verpflichtet, solche Einsatz- oder Hilfsstoffe oder Verfahrenstechniken zu wählen, die eine Verwertung der anfallenden Produktionsrückstände erst möglich machen. Bereits der Begriff "ordnungsgemäß" bietet jedoch keinen Ansatzpunkt fiir eine Interpretation als Maßstab fiir die Beurteilung der Umweltverträglichkeit der Entsorgungsart. Er verweist lediglich auf die Anforderungen der einschlägigen Entsorgungsvorschriften. Zudem läuft die Auffassung von Hansmann im Ergebnis auf eine recht weitreichende Vermeidungspflicht fiir nicht genehmigungsbedürftige Anlagen hinaus. Die in Betracht gezogenen Maßnahmen sind zum einen auf eine Reduzierung des Schadstoffgehaltes gerichtet. Die Verminderung des Schadstoffgehaltes durch eine Änderung der Prozeßtechnik oder des Einsatzes anderer Roh- oder Hilfsstoffe ist aber der Abfallvermeidung zuzuordnen. Die Vermeidung umfaßt nicht nur die Verringerung der Menge, sondern auch die qualitative Veränderung der Zusammensetzung durch geringere Schadstofffrachten. sss Auch § 4 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG geht davon aus, daß Abfälle durch die Verminderung ihrer Schädlichkeit zu vermeiden sind. Zum anderen ist darüber hinaus auch an Maßnahmen gedacht, die zum Anfall anderer Abfälle fUhren als die ursprünglich vorgesehene oder angewandte Verfahrenstechnik. Auch dies wären Maßnahmen zur Abfallvermeidung, da die Abfälle, die nach der Änderung nicht mehr anfallen, vermieden werden. Wollte man daher die Pflicht des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG in der von Hansmann vorgeschlagenen Weise verstehen, so enthielte die Vorschrift eine Pflicht zur Abfallvermeidung, die in erheblichem Maße in den Produktionsprozeß eingreifen würde. Gegen eine solche Auslegung spricht unter systematischen Ge554 Letzterer Fall dürfte allerdings eher theoretischer Natur sein. Feldhaus, UPR 1983, 358, nennt als Beispiel "Ultragifte", die weder schadlos verwertet noch allgemeinwohlverträglich beseitigt werden können. 555 Jörgensen, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 44.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

sichtspunkten, daß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG im Unterschied zu § 5 Abs. 1 Nr.3 BlmSchG vom Anlagenbetreiber gerade keine Abfallvermeidung verlangt. Erst aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG kann eine Vermeidungspflicht fiir bestimmte nicht genehrnigungsbedürftige Anlagen begründet werden. Auch die Entstehungsgeschichte der Norm weist eher in eine andere Richtung. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG geht auf den Vorschlag des Bunderates zurück, SS6 fiir nicht genehrnigungsbedürftige Anlagen vorzusehen, daß "Vorkehrungen fiir eine gefahrlose Beseitigung der Abfallstoffe getroffen und eingehalten werden" müssen. Der Begriff "Vorkehrungen" legt aber nahe, daß damit nicht Anforderungen gemeint sein können, die weit in den Produktionsprozeß hineingreifen. Da § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BImSchG somit keine Vermeidungspflicht entnommen werden kann, lassen sich auf diese Vorschrift keine Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb stützen, die eine Vermeidung von Abfällen beinhalten. Ausgeschlossen sind somit sowohl Mengenreduzierungen als auch der Einsatz altemativer Produktionsverfahren mit dem Ziel, bestimmte Abfälle zu vermeiden und stattdessen andere Rückstände zu erhalten, die besser zu entsorgen sind. Denn in beiden Fällen wird vom Anlagenbetreiber eine Vermeidung verlangt. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG bietet allenfalls einen Ansatzpunkt fiir gewisse ModifIkationen oder Optirnierungen, die sich im Rahmen des vom Anlagenbetreiber gewählten und durch Verfahrenstechnik sowie Einsatz- und Hilfsstoffe festgelegten Verfahrens halten. In Betracht kommen vor allem technische oder organisatorische Maßnahmen, die den Umgang mit den beim Betriebsprozeß anfallenden Stoffen im Vorfeld der eigentlichen Entsorgung betreffen, also etwa die Kennzeichnung und das Getrennthalten. Letzteres hatte freilich unter der Geltung des Bundes-Abfallgesetzes noch eine größere Bedeutung, da die Entsorgung im Regelfall erst mit der Überlassung der Abfälle an die entsorgungspflichtige Körperschaft (§ 3 Abs. 1 AbfG) begann und das Bereitstellen auf dem Anlagen~rundstück durch den Abfallbesitzer daher noch nicht zur Entsorgung zählte. S 7 Dagegen ist nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz der Abfallerzeuger nach § 5 Abs. 2 S. 4 KrW-/AbfG mit dem Anfall der Abfälle zum Getrennthalten verpflichtet. Da § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG an der Gestaltung des Prozeßablaufes selbst ansetzt, wird man aber solche Vorkehrungen verlangen können, die eine Vermischung bereits entstandener Rückstände im weiteren Verlauf des Prozesses verhindern, auch wenn diese Stoffe aus Sicht des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes noch nicht als Abfälle angefallen sind. 558 Das imrnissionsschutzrechtliche Vermischungsverbot greift damit zu einem früheren Zeitpunkt ein als die Pflicht zur GeDazu Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 22 Anm. 9. Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfD, § 1 Rn. 45. SS8 SO wohl auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 5 Rn. 123. SS6 SS7

c. Venneidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG

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trennthaltung von Abfällen nach § 5 Abs.2 S.4 KrW-/AbfG. SS9 Von Bedeutung ist dies, wenn eine Verwertung vermischt angefallener Abfälle technisch nicht oder nur mit hohem und daher häufig wirtschaftlich unzumutbarem Aufwand möglich wäre. 56O

2. Entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG

Die Möglichkeiten, die § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG zur Steuerung des Abfallanfalls bietet, sind im Ergebnis recht gering. 561 Insbesondere gibt die Vorschrift den Immissionsschutzbehörden keine Handhabe, Änderungen der Anlagenauslegung zu verlangen. 562 Die unterschiedliche Behandlung von genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen in diesem Punkt ist jedoch unter abfallwirtschaftlichen Gesichtspunkten kaum zu rechtfertigen. Die Regelung der Genehmigungsbedürftigkeit orientiert sich nach § 4 Abs. 1 BImSchG am besonderen Besorgnispotential, das eine Anlage im Hinblick auf den Immissions- und Gefahrenschutz hat, nicht jedoch an der Art und Menge der erzeugten Abfälle. 563 Es besteht daher keine Gewähr, daß alle unter dem Gesichtspunkt der Abfallverursachung besonders relevanten Anlagen von der Genehmigungspflicht erfaßt werden. 564 Die abfallwirtschaftliche Bedeutung von nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen ist erheblich. Schätzungsweise die Hälfte aller Gewerbeabfälle stammen aus diesem Bereich. 565 Auf diesem Hintergrund war verschiedentlich die Forderung erhoben worden, das Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen auszudehnen. 566 Der Entwurf des Bundesrates für eine Änderung des Abfallgesetzes und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 29.5.1991 schlug vor, in § 22 Abs. 1 BImSchG eine Bestimmung einzufügen, die es der Bundesregierung ermöglichen sollte, durch Dazu oben C I 1 b) aa). Vgl. dazu oben C I 1 b) aa). 561 So i. E. auch Jörgensen, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 151. 562 Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S.94; vgl. auch SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft" , Tz. 210. 563 SRU, Sondergutachten ,.Abfallwirtschaft", Tz. 210; vgl. auch die Begründung zum Gesetzesentwurf des Bundesrates vom 29.5.91, BT-Drs. 12/631, S. 9. 564 SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 210. 565 SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 210; Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 94; Roßnagel, Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, S. 70; Salzwedel, NVwZ 1989,821. 566 Vgl. die Vorstöße des Bundesrates, BT-Drs. 1114909 und BT-Drs. 12/631, S. 5; ferner SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 211; Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 94; Birn, NVwZ 1992,422. 559 560

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfal\recht und Immissionsschutzrecht

Rechtsverordnung diejenigen nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen zu bestimmen, auf die § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG entsprechende Anwendung fmden sollte. 567 Die Bundesregierung begrüßte diesen Vorschlag grundsätzlich, hielt es aber rur erforderlich, im Hinblick auf die Effektivität der Regelung und die Überwachung des Betriebes solcher Anlagen weitere Gesichtspunkte zu prüfen, insbesondere die Frage einer Anzeigepflicht. 568 Der Referenten-Entwurf fiir ein Rückstands- und Abfallwirtschaftsgesetz vom 17.6.1992 griff diese Überlegung auf. § 5 Abs.3 S.1 ermächtigte die Bundesregierung, durch Verordnung "diejenigen Anlagen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu bestimmen, deren Errichtung und Betrieb der Betreiber wegen der Art und Menge al\er oder einzelner anfal\ender Rückstände der zuständigen Behörde anzuzeigen hat". 569 Für diese anzeigepflichtigen Anlagen sollten nach § 5 Abs. 2 die gleichen Rückstandspflichten gelten wie rur genehmigungsbedürftige Anlagen. Nach der vorgesehenen Neufassung von § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG waren nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß Rückstände nach Maßgabe des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes vermieden, verwertet oder entsorgt werden. 570 Der Entwurf der Bundesregierung sah demgegenüber zwei Verordnungsermächtigungen vor. § 6 Abs. 3 des Entwurfes ermächtigte die Bundesregierung zunächst, durch Verordnung die Errichtung und den Betrieb bestimmter Anlagen nach § 22 BImSchG einer Anzeigepflicht zu unterwerfen, wenn dies aufgrund der Art oder Menge aller oder einzelner anfallender Rückstände im Hinblick auf die Erfiillung der Anforderungen nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz geboten sei. S7l Aus dem Kreis der anzeigepflichtigen Anlagen sollten dann in einem zweiten Schritt auf der Grundlage einer in § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG enthaltenen Ermächtigung durch Rechtsverordnung diejenigen nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen bestimmt werden, fiir die § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG entsprechend gelten sollte. 572 Demgegenüber knüpfte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Regierungs-Entwurf die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen allein an die Aufnahme in die nach § 22 Abs. 1 S.2 BImSchG zu erlassene Rechtsverordnung. 573 Diese Anlagen sollten nach § 6 Abs. 2 S. 2 des Entwurfes den genehmigungsbedürftigen Anlagen gleich-

BT-Drs. 12/631, S. 5. BT-Drs. 12/631, S. 13. 569 Referenten-Entwurf, Zur Sache 6/94, S. 52. 570 Referenten-Entwurf, Zur Sache 6/94, S. 128. 571 BT-Drs. 12/5672, S. 10. m Vgl. BT-Drs. 12/5672, S. 43, 53. 573 BT-Drs. 12/5672, S. 67. 567 568

c. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem BImSchG

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gestellt werden. Die Anzeigepflicht nach § 6 Abs. 3 des Entwurfes sollte dagegen nicht anlagenbezogen, sondern stoffbezogen ausgestaltet werden und für Erzeuger oder Besitzer von bestimmten Rückständen gelten. 574 In der Beschlußempfehlung des Umweltausschusses wurde dann der Ansatz, eine besondere Anzeigepflicht für bestimmte nicht genehmigungsbedürftige Anlagen vorzusehen, "aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und Deregulierung" gänzlich fallen gelassen. S7S Die vorgeschlagene Fassung des § 22 Abs. 1 S.2 entsprach bereits - bis auf den anstelle des Wortes ,,Abfälle" benutzten Begriff "Rückstände" - § 22 Abs. 1 S. 2 KrW_/AbfG. s76 Nach dieser Vorschrift kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung diejenigen nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen bestimmen, für die die Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG entsprechend gelten. Welche Anlagen in die Verordnung aufgenommen werden, hat sich an der Art oder Menge der Abfälle zu orientieren, die in diesen Anlagen anfallen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob hinsichtlich aller in der Anlage anfallenden Abfälle eine entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG erforderlich ist. Es reicht aus, daß diese Voraussetzungen hinsichtlich einzelner Abfallarten vorliegen. Art oder Menge der Abfälle müssen die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG rechtfertigen. Der wesentliche Unterschied, den § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG im Vergleich mit § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BImSchG aufweist, liegt darin, daß der Anlagenbetreiber grundsätzlich zur Vermeidung solcher Abfälle verpflichtet ist, die nicht ordnungsgemäß und schadlos verwertet werden können. Dies ermöglicht es, im Rahmen des Zumutbaren, Änderungen der Anlagenauslegung zu fordern, wenn anders eine Verwertbarkeit der anfallenden Abfälle nicht sichergestellt werden kann. Können bestimmte Abfälle wegen ihrer Beschaffenheit nicht oder wegen der großen Menge, in der sie anfallen, nicht vollständig verwertet werden, dann muß der Anlagenbetreiber eine andere Verfahrenstechnik wählen, die den Abfallanfall mengenmäßig reduziert bzw. bei der andere Abfälle anfallen, die verwertbar sind. Es liegt daher nahe, § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG auf solche Anlagen anzuwenden, bei der bestehende Verwertungspotentiale, die sich aus einer Änderung der Anlagentechnik und der Einsatz- und Hilfsstoffe ergeben würden, bislang nur unzureichend genutzt werden. Entsprechend der Systematik des anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht knüpft § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG an bestimmte Anlagentypen an. Alternativ wäre eine stoffbezogene Regelung in Betracht zu ziehen gewesen, nach der die BT-Drs. 12/5672, S. 67 f. BT-Drs. 12/7284, S. 16. 576 BT-Drs. 12/7240, S. 26. 574

S75

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG unabhängig von der Art der Anlage stets dann eingreift, wenn beim Betrieb bestimmte Abfälle, ggfs. in Abhängigkeit von einer Mengenschwelle, anfallen. Dagegen kann § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nach der in § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG getroffenen Regelung von vorneherein nur auf Anlagen der in der Rechtsverordnung festgelegten Art Anwendung fmden. Wesentlicher Inhalt der nach § 22 Abs. 1 S.2 BlmSchG zu erlassenden Rechtsverordnung ist daher zunächst ein Katalog derjenigen nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen, fiir die die Grundpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG entsprechend gilt. Dieser Katalog besitzt konstitutive Wirkung. In ihm sind die betroffenen Anlagen gegenständlich zu beschreiben. Da die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG auch von der Menge der anfallenden Abfälle abhängen kann, können für einzelne Anlagentypen Mengenschwellen festzulegen . 577 sem. Neben der gegenständlichen Festlegung der erfaßten Anlagen ist es des weiteren sinnvoll, in der Verordnung auch eine Bestimmung des Anlagenumfanges vorzunehmen. 578 Nur durch eine Festlegung dessen, was in räumlich-funktioneller Hinsicht zu der in einer Rechtsverordnung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BlmSchG aufgeführten Anlage gehört, kann im Einzelfall ermittelt werden, fiir welchen Bereich in einem größeren Werkskomplex und damit auch fiir welche Abfälle § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG entsprechend zur Anwendung kommt. Diese Notwendigkeit wird noch dadurch verstärkt, daß für Anlagen nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG auch § 9 S. 3 KrW-/AbfG zur Anwendung gelangt und damit die anlageninterne Verwertung nur in dem dort geregelten Umfang abfallrechtlichen Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung unterliegt. 579 Während die Frage nach dem Umfang einer nicht menehmigungsbedürftigen Anlage bisher nur eine geringe Rolle gespielt hat,58 erhält sie durch die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG nunmehr ein größeres Gewicht. Die in § 3 Abs. 5 BlmSchG getroffene Regelung ist jedoch, was den Anlagenumfang angeht, weitgehend unergiebig. s8 ! Eine vollzugsfreundliche Lösung für das Problem kann letztlich nur darin liegen, daß in der Rechtsverordnung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG die erfaßten Anlagen nicht nur gegenständlich, sondern auch dem Umfang nach bezeichnet werden, wie dies fiir die genehmigungsbedürftigen Anlagen in der 4. BlmSchV geschehen ist.

577 Auch die Begründung zum Regierungs-Entwurf, BT-Drs. 12/5672, S. 43, spricht von der Festlegung von Bagatellschwellen. 578 Dazu auch unten unter D III 2. 579 Dazu unten D III 1. 580 Vgl. Seiler, Rechtslage, S. 49; Henkel, Anlagenbegriff, 145 f. 581 Henkel, Anlagenbegriff, S. 147; Sellner, Immissionsschutzrecht, Rn. 14.

C. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem BlmSchG

271

Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche weiteren Regelungsinhalte die Rechtsverordnung noch aufweisen darf. Hier wäre zunächst daran zu denken, die Geltung des § 5 Abs. I Nr.3 BImSchG für die betreffende Anlagenart auf diejenigen Abfälle zu begrenzen, die Grund für die Aufnahme in die Rechtsverordnung sind. Der Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG spricht jedoch eher dagegen. Danach gilt § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG in vollem Umfang für die von der Rechtsverordnung erfaßten Anlagen. Art und/oder Menge aller oder einzelner Abfälle sind lediglich das Auswahlkriterium. Auch in den Gesetzgebungsmaterialien fmdet sich kein Anhaltspunkt, daß die Verpflichtung der Betreiber der Anlagen nach § 22 Abs. 1 S. 2 BIrnSchG zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen auf bestimmte Abfälle beschränkt werden kann. Vielmehr sollten die durch die Rechtsverordnung erfaßten Anlagen den genehmigungsbedürftigen gleichgestellt werden582 • Vor allem spricht aber gegen eine derartige Beschränkung, daß eine Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG allein auf bestimmte Abfälle nicht sinnvoll ist. Die Vermeidung eines bestimmten Abfalls durch Änderungen des Verfahrens oder die Wahl anderer Einsatz- oder Hilfsstoffe führt häufig zum Anfall anderer Abfälle, für die § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG dann aber möglicherweise nicht gelten würde. Die altemativ entstehenden Abfälle können aber unter den Gesichtspunkten eines sparsamen Umgangs mit Rohstoffen und der Vermeidung der Abfallbeseitigung ebenso unerwünscht sein, wie diejenigen, derentwegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG für anwendbar erklärt worden ist. Ebensowenig kann es in Betracht kommen, nur einen Teil der in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG enthaltenen Anforderungen zur Anwendung zu bringen. 583 Die sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ergebenden Pflichten bilden ein Gesamtsystem. Insbesondere durch die Verknüpfung von Vermeidungs- und Verwertungsgebot ergibt sich das weitreichende Steuerungspotential des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG, das es erlaubt, den Anlagenbetreiber zur Wahl alternativer Verfahrenstechniken oder anderer Einsatz- und Hilfsstoffe zu veranlassen. Eine Teilanwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ist daher nicht sinnvoll möglich. Im Ergebnis wird sich somit der Inhalt der Rechtsverordnung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG in der Bestimmung der erfaßten Anlagen erschöpfen. Für die in der Rechtsverordung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG bestimmten Anlagen gilt die Grundpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG. Nicht ausdrücklich geregelt wird in § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG das Verhältnis zu § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG. Ein Vergleich der Regelungsinhalte von § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG und § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG zeigt jedoch, daß alle Anforderungen, die sich aus letzterer Vorschrift ergeben können, auch von § 5 Abs. 1

582 583

BT-Drs. 12/5672, S. 43 So aber Jarass, BlmSchG, § 22 Rn. 42.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

NT. 3 BImSchG abgedeckt werden. Daher ist anzunehmen, daß bei den Anlagen nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG die weitergehende Pflicht aus § 5 Abs. 1 NT. 3 BImSchG an die Stelle der Re~elung des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG tritt und diese vollständig verdrängt. 84 Zur Anwendung kommt aber nur der materielle Regelungsgehalt des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSehG. Die Anlagen selbst bleiben nicht genehmigungsbedürftig. Daher ist die Pflicht des Betreibers aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG mit den rur die nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen geltenden Mitteln zur Geltung zu bringen. Die Immissionsschutzbehörde kann lediglich das Instrument der Einzelfallanordnung nach § 24 S. 1 BImSchG nutzen, um die Vermeidungsund Verwertungspflichten nach § 22 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG durchzusetzen. Wird der Anordnung nicht Folge geleistet, ist eine Untersagung nach § 25 Abs. 1 BImSchG möglich. Nachträgliche Anordnungen sind jedoch ein nur in begrenztem Maße taugliches Instrument, um dem Vermeidungs- und Verwertungsgebot Geltung zu verschaffen. Die Nutzung von Vermeidungs-, aber in bestimmten Umfang auch von Verwertungspotentialen erfordert häufig weitreichende Änderungen der Anlagenauslegung. 585 Da derartige nachträgliche Änderungen aber in der Regel einen deutlich höheren Aufwand erfordern als die Wahl eines entsprechenden Verfahrens bei der Neuerrichtung einer Anlage,586 wird das Verlangen nach einer Änderung der einmal errichteten Anlage in manchen Fällen bereits an der Hürde des auch rur § 24 BImSchG geltenden Verhältnismäßigkeitsprinzips587 scheitern. 588 Zusätzlich wirkt sich das Risiko, daß die fraglichen Maßnahmen die Ertragskraft der betroffenen Unternehmen empfmdlich belasten und damit Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen gefährden, eher hemmend auf den Vollzug aus. 589 Hinzu kommt, daß im Falle einer nachträglichen Anordnung die Behörde nachweisen muß, daß der Anlagenbetreiber seine Pflicht aus § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG verletzt und die Vermeidung oder Verwertung der Produktionsrückstände technisch realisierbar

584 A. A. Jarass, BlmSchG, § 22 Rn. 42, der annimmt, ftir die Pflicht zur Abfallbeseitigung komme § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und § 23 BlmSchG zum Tragen. Da jedoch auch § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG den Anlagenbetreiber verpflichtet, die Anlage so zu errichten und zu betreiben, daß die Abfälle gemeinwohlverträglich beseitigt werden können, besteht hierftir kein Grund. 585 Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 128 f.; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 132. 586 Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 106. 587 Jarass, BlmSchG, § 24 Rn. 14. 588 Vgl. auch Rehbinder, DVBI. 1989,496. 589 Jarass, Anwendung neuen Umwe1trechts, S. 34; GK-BlmSchGIRoßnagel, § 17 Rn. 218.

C. Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem BlmSchG

273

iSt. 59O Dies erfordert ein technisches Know-how, das den Behörden oftmals fehlt. 591 Eine effektive Nutzung des Instruments der nachträglichen Anordnung erfordert daher erhebliche Anstrengungen, wie beispielsweise das Hessische Vollzugsprogramm zur Umsetzung des Reststoffverrneidungs- und Verwertungsgebotes, fiir das 1987 ein Etat von 5 Mio. DM bereitgestellt worden ist. 592 Schließlich hat der Anlagenbetreiber die Möglichkeit, die Anordnung anzufechten, mit der Folge, daß sie häufig erst Jahre nach ihrem Erlaß wirksam wird. 593 Größer sind die Durchsetzungsmöglichkeiten dagegen bei der Erteilung einer Anlagengenehmigung - Erst- oder Änderungsgenehmigung -, da in diesem Fall der An1agenbetreiber das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen dartun muß. Zudem ist in dieser Situation auch die Kooperationsbereitschaft größer, da der Betreiber mit Errichtung und Betrieb erst beginnen kann, wenn er die Genehmigung erhalten hat. Anders als bei einer nachträglichen Anordnung besteht .fiir ihn nicht die Möglichkeit, das Wirksamwerden der Anforderungen durch langwierige Prozesse hinauszuzögern. Die Durchsetzungsmöglichkeit über die Anlagengenehmigung steht den Immissionsschutzbehörden fiir Anlagen nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG jedoch gerade nicht zur Verfiigung. Allerdings sind die Voraussetzungen des § 22 BImSchG zu beachten, soweit die nach Inlmissionsschutzrecht genehmigungsfreie Anlage nach anderen Gesetzen genehmigungspflichtig ist und der Genehmigungsmaßstab auch die Immissionsschutzvorschriften erfaßt. 594 So darf insbesondere eine Baugenehmigung nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des § 22 BImSchG in vollem Umfang erfiillt sind. 595 Für die von einer Rechtsverordnung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG erfaßten Anlagen sind daher die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG in aller Regel im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen. Angesichts der Schwierigkeiten, die der Vollzug des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG in der Vergangenheit den mit dem erforderlichen Fachpersonal si-

590 Führ, Sanierung, S. 64, 241; VaUendar, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 17 Rn. 19; Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 109; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 132; a. A. GaU, Nachträgliche Anordnung, S. 98. 591 Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 128; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 139. 592 Dazu Klockow, Erfahrungen, S. 311 ff.; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 133 ff. 593 Jarass, BlmSchG, § 17 Rn. 4; ders., Anwendung neuen Umweltrechts, S. 34; Meidrodt, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 109 f. 594 Jarass, BlmSchG, § 22 Rn. 45 m. w. N. 595 Jarass, BlmSchG, § 22 Rn. 45.

18 Locher

2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

274

cherlich besser ausgestatteten Immissionsschutzbehörden bereitet hat,596 steht jedoch kaum zu erwarten, daß über die jeweiligen fachgesetzlichen Genehmigungen ein rascher Beitrag zur Durchsetzung des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG im Bereich der Anlagen nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG erreicht werden kann. 597 Wahrscheinlich bedarf es auch hier eines großangelegten Vollzugsprogramms, um die anlagenbezogene Abfallvermeidung und -verwertung bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen zu forcieren. Einstweilen bleiben diese Fragen jedoch ohnehin theoretischer Natur, da der Erlaß einer Verordnung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG noch nicht absehbar ist.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoftbezogener Pflichten Die vorangegangenen Betrachtungen haben gezeigt, daß das Immissionsschutzrecht und das Abfallrecht das Problem der Vermeidung und Verwertung von Abfällen aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick nehmen. Die Erzeugerpflichten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sind stoffbezogen. Ihr Anknüpfungspunkt ist der Anfall bzw. das Vorliegen eines als Abfall einzustufenden Stoffes. Die Betreiberpflichten des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sind dagegen anlagenbezogen, was nicht lediglich bedeutet, daß sie vom Tatbestand her das Vorliegen einer Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 BImSchG zur Voraussetzung haben, sondern daß sie sich auch inhaltlich allein auf die Steuerung der Errichtung und des Betriebs der Anlage beziehen. Trotz der unterschiedlichen Ansätze, die den beiden Regelungsmaterien somit zugrundliegen, kommt es zu gewissen Überschneidungen. Dabei muß zwischen verschiedenen Problemkreisen differenziert werden: Eine direkte Regelungskonkurrenz besteht, soweit es die Durchfiihrung der Verwertung in der Anlage selbst betrifft. Da die anlageninterne Verwertung Teil des Anlagenbetriebs ist, ist ihre Vornahme noch Bestandteil der Betreiberpflicht aus § 5 Abs.l Nr.3 BImSchG. Zugleich ist die Durchfiihrung der Verwertung allgemein in § 5 Abs. 2 KrW-IAbfG geregelt. Insoweit enthalten Abfallrecht und Immissionsschutzrecht also parallellaufende Pflichten. Eine zweite Überschneidung ergibt sich daraus, daß die immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen zwar nicht unmittelbar zur Durchfiihrung der anlagenexternen Verwertung verpflichten, die Errichtung und der Betrieb der Anlage aber auf eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung hin ausgerichtet

596 Dazu Meidrodt, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 128 ff.; Rehbinder, DVBI. 1989, 497; Rebentisch, UPR 1989, 210; Jörgensen, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 2 ff. 597 Skeptisch auch F/uck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 137.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoflbezogener Pflichten

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sein müssen. Während das Immissionsschutzrecht diese Anforderungen nicht weiter konkretisiert, enthält das Abfallrecht eine Reihe von Vorgaben für die Durchfiihrung der Verwertung. 598 Unmittelbar aus dem Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz folgen vor allem das Gebot der hochwertigen Verwertung (§ 5 Abs. 2 S. 3 KrW-/AbfG) sowie das Gebot, Abfälle getrennt zu halten (§ 5 Abs.2 S.4 KrW-/AbfG); ferner die Anforderungen an die Zulässigkeit einer energetischen Verwertung nach § 6 KrW-/AbfG. Darüber hinaus können insbesondere die Anforderungen, die sich aus der Voraussetzung der Schadlosigkeit ergeben, durch Rechtsverordnungen nach § 7 KrW-/AbfG weiter präzisiert werden. Damit stellt sich die Frage, ob und wieweit diese Anforderungen auch im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Pflichten Anwendung fmden. Schließlich muß die Immissionsschutzbehörde bei der Entscheidung über den Genehmigungsantrag prüfen, ob die geplante externe Verwertung in Übereinstimmung mit den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr.3 BlmSchG erfolgt, denn nur in diesem Fall ist die Vermeidungspflicht nicht einzuhalten. Das setzt die Feststellung voraus, daß es sich bei der beabsichtigten Maßnahme überhaupt um eine Verwertung - und nicht etwa um eine Beseitigung - handelt und daß diese ordnungsgemäß und schadlos erfolgt. Weiterhin setzt die Genehmigungserteilung die Beantwortung der Frage voraus, ob vom Anlagenbetreiber unter den Gesichtspunkten der technischen Möglichkeit und der Zumutbarkeit statt einer Beseitigung eine Verwertung - oder Vermeidung - verlangt werden kann. Dies fiihrt zu der Frage, ob und in welchem Ausmaß sich daraus Bindungen fiir die Abfallbehörden ergeben können, daß die Immissionsschutzbehörde im Genehmigungsverfahren - gleiches gilt für den Erlaß nachträglicher Anordnungen - die Ordnungsgemäßheit und Schadlosigkeit der geplanten Verwertung bejaht oder an ihrer Stelle wegen fehlender technischer Möglichkeit oder wegen Unzumutbarkeit eine Beseitigung fiir zulässig gehalten hat.

I. Vorrang der Betreiberpflichten Normativer Anknüpfungspunkt für die Zuordnung der immissionsschutzrechtlichen und abfallrechtlichen Pflichten ist § 9 S. 1 KrW-/AbfG. Nach dieser Norm richten sich die Pflichten der Betreiber von Anlagen nach dem BundesImmissionsschutzgesetz, diese so zu errichten und zu betreiben, daß Abfälle vermieden, verwertet oder beseitigt werden, nach den Vorschriften des BundesImmissionsschutzgesetzes. Bei unbefangener Betrachtung scheint die Vorschrift zunächst nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit anzuordnen, da das Kreislaufwirtschafts- und Ab-

598

Vgl. oben unter B 11.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

fallgesetz keine Entsorgungspflichten enthält, die unmittelbar die Errichtung und den Betrieb von Produktionsanlagen steuern. 599 Eine entsprechend formulierte Bestimmung fand sich bereits in § 6 Abs. 2 des Regierungs-Entwurfes. 600 Die Begründung der Bundesregierung führt hierzu aus, ob Anlagenbetreibern Pflichten auferlegt würden, die bereits zur entsprechenden Steuerung des Betriebes vor Anfall von Rückständen verpflichten würden, richte sich nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. § 6 Abs.2 stelle klar, daß diese Pflichten nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz "unberührt" blieben.601 Verständlich wird die Aufnahme dieser klarstellenden Bestimmung auf dem Hintergrund des vorangegangenen Referenten-Entwurfes, der die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG weitgehend in das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz überführen wollte. 602 Eine andere Interpretation der Vorschrift ergibt sich aus der Begründung des Umweltausschusses: Danach bringt § 9 S. 1 KrW-/AbfG den "spezialgesetzliehen Vorrang" der immissionsschutzrechtlichen Vorschriften zum Ausdruck. 603 Die "entsprechenden Pflichten" des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes würden verdrängt. Während die Begründung der Bundesregierung eher darauf hinweist, daß abfallrechtliche und immissionsschutzrechtliche Pflichten nach § 9 S. 1 KrW -/AbfG nebeneinander bestehen und letztere nur dann Vorrang genießen, wenn es zu Überschneidungen kommt, sprechen die Ausführungen des Umweltausschusses rur eine Auslegung, nach der die immissionsschutzrechtlichen Pflichten die Erzeugerpflichten nach §§ 5, 11 KrW-/AbfG vollständig verdrängen. Es steht zu vermuten, daß diese unterschiedlichen Interpretationen derselben Formulierung ihren Grund in einem unterschiedlichen Verständnis der immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten haben. Die Bundesregierung hebt - nach hier vertretener Auffassung zu Recht - darauf ab, daß die Betreiberpflichten im Vorfeld der Abfallentstehung die Errichtung und den Betrieb der Anlage steuern. Dagegen spricht der Bericht des Umweltausschusses von einer "Grundpflicht zur Vermeidung, Verwertung und Entsorgung von Rückständen", was auf ein Verständnis als stoftbezogene Folgepflicht hindeutet. 604 Denn nur in diesem Fall würde das Bundes-Immissionsschutzgesetz Pflichten enthalten, die den Erzeugerpflichten nach §§ 5, 11 KrW-/AbfG "entsprechen". Dies macht deutlich, daß die Reichweite der in § 9 S. 1 KrW-/AbfG

S99 Insoweit spricht Rebentisch, NVwZ 1997,418, nicht zu Unrecht von einer Verweisung auf die pflichtenbegründenden Regelungen des BImSehG. 600 Dazu schon oben unter All 3. 601 BT-Drs. 12/5672, S. 126. 602 Dazu oben unter A 11 2. 603 So die Begründung des Umweltausschusses, BT-Drs. 12/7284, S. 15. 604 Hierzu oben unter C I I b) aa).

D. Die Verzahnung anlagen- und stoffbezogener Pflichten

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getroffenen Regelung davon abhängt, welchen Inhalt man den immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten entnimmt. 60S Es gilt zunächst festzuhalten, daß nach § 9 S. 1 KrW-/AbfG die erfaßten immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten jedenfalls unberührt bleiben sollen, d. h., die in ihnen getroffene Regelung auch dann in vollem Umfang zur Geltung kommt, wenn es zu Überschneidungen zwischen den anlagenbezogenen Betreiberpflichten und den Pflichten der Abfallerzeuger und -besitzer aus §§ 5 und 11 KrW-/AbfG kommt. Dagegen läßt sich allein dem Wortlaut der Norm nicht entnehmen, daß die Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes überhaupt keine Anwendung fmden, sondern vielmehr Art und Umfang der Verwertungspflicht bei Anlagen i. S. d. Bundes-Immissionsschutzgesetzes ausschließlich durch die entsprechenden immissionsschutzrechtlichen Vorschriften determiniert werden. 606 Eine solche Interpretation, die ein gesondertes Entsorgungsregime fiir Abfälle aus Anlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz postuliert, hätte nur dann ihre Berechtigung, wenn das Immissionsschutzrecht auch insgesamt die Durchfiihrung der Entsorgung steuern würde. Diese Annahme, die offenbar auch der Umweltausschuß geteilt hat, trifft jedoch nicht ZU. 607 Auf die Folgerungen, die sich fiir die Interpretation des § 9 S. 1 KrW-/AbfG aus dieser Erkenntnis ergeben, wird im folgenden noch näher einzugehen sein. 60S Festzustellen ist anhand des Wortlautes der Norm sowie der Gesetzesmaterialien weiterhin, daß sich die Regelungsaussage des § 9 S. 1 KrW-/AbfG auf das Verhältnis der Betreiberpflichten nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zu den Erzeuger- und Besitzerpflichten nach §§ 5, 11 KrW-/AbfG beschränkt. Die Vorschrift regelt also nicht schlechthin das Verhältnis von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht,609 sondern nur einen Teilbereich.

1. Erfaßte Betreiberpflichten Das wirft zunächst die Frage auf, für welche Betreiberpflichten die Regelung nach § 9 S. 1 KrW-/AbfG gilt. Unzweifelhaft erfaßt wird § 5 Abs. 1 Nr.3 60S So im Grundsatz auch Weidemann, in: BrandtlRuchaylWeidemann, KrW-/AbfG, B 100, § 5 Rn. 28 f. 606 So Rebentisch, NVwZ 1997,418. I. Ü. ist es hinsichtlich der Vermeidungspflicht genaugenommen nicht zutreffend, von einer Anwendungsexklusivität zu sprechen, da die Vermeidung von Produktionsabfällen nicht Gegenstand der Erzeuger- und Besitzerpflichten nach dem KrW-/AbfG ist und demgemäß eine Regelungskonkurrenz überhaupt nicht besteht; dazu oben unter B I. 607 Dazu oben unter C I 2 b) aa). 608 Unten D I 2. 609 So die mißverständliche Aussage bei v. Köller, KrW-/AbfG, S. 146.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

BImSchG, da diese Vorschrift sowohl eine Vermeidungspflicht begründet als auch Betreiber;Rflichten, die auf eine Verwertung oder Beseitigung der Abfälle gerichtet sind. \0 Eine Anwendung auf § 5 Abs. 3 Nr. 2 sowie § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG begegnet Bedenken, da beide Grundpflichten nur die Verwertung und Beseitigung von Abfällen betreffen, nicht aber die Vermeidung. Neben dem Wortlaut sprechen auch die Gesetzesmaterialien dagegen, den Anwendungsbereich des § 9 S. 1 KrW-/AbfG auf die Pflichten aus § 5 Abs.3 Nr.2 und § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG zu erstrecken. Ausweislich der Begründung des Umweltausschusses soll § 9 KrW-/AbfG "das Verhältnis der immissionsschutzrechtlichen Grundpflicht zur Vermeidung, Verwertung und Entsorgung von Rückständen nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG" zu den entsprechenden Pflichten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes regeln. 611 Dies deutet daraufhin, daß § 9 S. 1 KrW-/AbfG allein auf § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG Bezug nimmt. Hiergegen könnte eingewandt werden, § 9 S. 1 KrW-/AbfG gelte auch für die Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen, für die bisher nur § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG zur Anwendung gelange. Aus den Ausfiihrungen des Umweltausschusses ergibt sich aber, daß nicht genehmigungsbedürftige Anlagen nur insoweit in den Anwendungsbereich des § 9 S. 1 KrW-/AbfG fallen sollen, wie sie von einer Rechtsverordnung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG erfaßt werden und sich die Abfallpflichten daher nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG richten. 612 Diese Auffassung kann sich darauf berufen, daß nur in diesem Fall die Pflichten zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen auch für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen gelten. 613 Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm sprechen mithin dafür, § 9 S. 1 KrW-/AbfG nur dann zur Anwendung gelangen zu lassen, wenn der Anlagebetreiber den Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG unterliegt, sei es direkt, sei es in entsprechender Anwendung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG.614 Dagegen könnten Sinn und Zweck des § 9 S. 1 KrW-/AbfG eine Anwendung auch auf die Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 und § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BImSchG geboten erscheinen lassen. 61S § 9 S. 1 KrW-/AbfG will eine Regelung für den Fall zu treffen, daß es zu Überschneidungen der imrnissionsschutzrechtlichen Pflichten mit den entsprechenden abfallrechtlichen Anforde610 Dazu oben eIl b). A. A. Kunig, NVwZ 1997,214, der sich aber allein und zudem unzureichend am Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG orientiert. 611 BT-Drs. 1217284, S. 15. 612 BT-Drs. 12/7284, S. 15; vgl. hierzu auch Freytag, NuR 1996,339. 613 Das übersieht Rebentisch, NVwZ 1997,419. 614 Frenz, KrW-IAbfG, § 9 Rn. 1; Birn, KrW-IAbfG, § 9 Anm. 1. 615 Für eine Anwendung Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 56.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoflbezogener Pflichten

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rungen kommt. Demnach müßte § 9 S. 1 KrW-/AbfG auch für §§ 5 Abs. 3 S. 2, 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG zum Tragen kommen, wenn bei diesen Normen Kollisionsfalle der Art auftreten, die § 9 S. 1 KrW-/AbfG regelt. Vergegenwärtigt man sich den Inhalt der Pflichten nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 bzw. § 5 Abs.3 Nr.2 BImSchG, so zeigt sich jedoch, daß eine regelungsbedürftige Überschneidung ausgeschlossen ist. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BImSchG verlangt, die Anlage so zu errichten und zu betreiben, daß eine Entsorgung nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes erfolgen kann. 616 Die Vorschrift fordert damit nur Maßnahmen, die eine Verwertung oder Beseitigung vorbereiten, verweist aber ansonsten vollständig auf die abfallrechtlichen Regelungen. Insbesondere trifft § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG, anders als § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG, keine eigenen Bestimmungen zum Rangverhältnis zwischen Verwertung und Beseitigung und stellt auch keine Anforderungen an die Art und Weise der Durchführung der Entsorgung. Auch § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG fordert lediglich, daß für die Zeit nach Betriebseinstellung eine Entsorgung im Einklang mit den abfallrechtlichen Vorschriften sichergestellt wird. Zwar scheint die Vorschrift nach ihrem Wortlaut eigene Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung bzw. Beseitigung zu stellen, was insbesondere im Hinblick auf § 9 S. 2 KrW-/AbfG dafür sprechen könnte, § 9 KrW-/AbfG zur Anwendung kommen zu lassen. Im Ergebnis enthält § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG jedoch ebensowenig eigenständige Anforderungen an die Entsorgung wie § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG, sondern verweist ebenfalls insgesamt auf das Abfallrecht. 617 Da § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG sowie § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG Bereiche regeln, die der Durchführung der Verwertung und Beseitigung des einzelnen Abfalls vollständig vorgelagert sind, kann es zu einer direkten Pflichtenkonkurrenz wie bei der anlagenintemen Verwertung nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG nicht kommen. Da die Vorschriften zudem hinsichtlich der Frage, was ermöglicht bzw. sichergestellt werden muß, vollständig auf das Abfallrecht weiterverweisen, bedarf es weiterhin keiner Klärung, ob und wieweit die Vorgaben des Abfallrechts über unbestimmte Rechtsbegriffe im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Vorschriften zur Anwendung gelangen können. 618 Damit ist auch nach Sinn und Zweck des § 9 S. 1 KrW-/AbfG eine Anwendung auf § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG und § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG nicht geboten. Dies bestätigt das anhand des Wortlautes und der Gesetzesmaterialien gefundene Ergebnis, daß Anwendungsfall des § 9 S. 1 KrW-/AbfG allein das Dazu oben C 11 I. Dazu oben C I 2. 618 Zu der Frage der Bindungswirkung enthält § 9 KrW-/AbfG ohnehin keine Regelung; diese beantwortet sich vielmehr nach allgemeinen Grundsätzen. Dazu unten D IV. 616

617

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Irnrnissionsschutzrecht

Verhältnis des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG - gegebenenfalls i. V. m. § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG - zu den abfallrechtlichen Pflichten ist. 619 Das "Ob" und "Wie" der Verwertung von Abfällen aus nicht genehrnigungsbedürftigen Anlagen, die nicht von einer Rechtsverordnung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG erfaßt werden, unterliegt daher vollständig dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. 62o Unzutreffend oder zumindest doch sprachlich ungenau ist die Ansicht, die Betreiber nicht genehrnigungsbedürftiger Anlagen unterlägen bis zum Erlaß einer Rechtsverordnung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG weder einer Pflicht zur Vermeidung noch einer solchen zur Verwertung von Abfällen. 621 Diese Ansicht differenziert nicht hinreichend zwischen den auf die Errichtung und den Betrieb der Anlage bezogenen Betreiberpflichten und den stoffbezogenen Entsorgungspflichten. Richtig ist, daß den Betreiber einer nicht genehrnigungsbedürftigen Anlage weder nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG noch nach §§ 4,5 KrW-/AbfG eine - stets anlagenbezogene - Vermeidungspflicht trifft. Diese kann sich allein aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ergeben. Eine Pflicht, die technischen und organisatorischen Abläufe in der Anlage am Ziel einer Verwertung zu orientieren, ergibt sich dagegen in allerdings recht begrenztem Umfang bereits aus § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSehG. Die stoffbezogene Pflicht zur Verwertung der einmal angefallenen Abfälle folgt schließlich aus § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG. Da § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BImSchG nur die anlagenbezogene Vorbereitung der Verwertung nach Abfallrecht verlangt, kann man aus dieser Vorschrift eine spezielle immissionsschutzrechtliche Regelung der Verwertung auch dann nicht herleiten, wenn diese innerhalb der Anlage erfolgt, in der die Abfälle angefallen sind. Auch die anlageninterne Verwertung ist eine Verwertung nach § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG und unterliegt der abfallrechtlichen Überwachung nach § 40 KrW-/AbfG. 622 Da § 9 KrW-/AbfG nur fiir die Betreiberpflicht aus § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG zum Tragen kommt, gelten bei der Entsorgung von Ab-

619 So im Ergebnis auch flir § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BImSchG Frenz, KrW-/AbfG, § 9 Rn. 1; Jarass, BImSchG, § 22 Rn. 40; ders., Reststoffvermeidung und Reststoffverwer-

tung, S. 73; Freytag, NuR 1996,339. A. A. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 56; v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG, § 9 Rn. 9 f.; v. Köller, KrW-/AbfG, S. 147. In der übrigen Literatur wird § 9 S. 1 KrW-/AbfG ohnehin stets nur im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG bzw. § 5 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 22 Abs. I S.2 BImSchG diskutiert, vgl. Birn, KrW-/AbfG, § 9 Anm. 1; Bartlsperger, VerwArch 86 (1995), 67; Petersen, Abfallpolitisches Konzept, 66 f.; Petersen/Rid, NJW 1995, 12; Seibert, UPR 1994,420; Rebentisch, NVwZ 1995,641 f.; K.Wagner, Abfall und Kreislaufwirtschaft, S. 27 f.; Schulte, UPR 1996,436; Kunig, NVwZ 1997, 214; Paetow, Abfallvermeidung, S. 114; ders., in: KunigIPaetowNersteyl, § 9 Rn. 6 f. 620 So auch die Begründung des Umweltausschusses, BT-Drs. 12/7284, S. 15. 621 Rebentisch, NVwZ 1997,419. 622 A. A. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 147.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoffbezogener Pflichten

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fällen aus nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen weder § 9 S. 2 noch S. 3 KrW-/AbfG. Die Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes gelten daher in vollem Umfang. Gleiches gilt, wenn es um die Entsorgung von Abfällen geht, die sich nach Betriebseinstellung noch im Bereich der Anlage befmden. Auch hier gelangen die abfallrechtlichen Erzeugerpflichten ohne Einschränkung zur Anwendung. § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG soll der Immissionsschutzbehörde lediglich die Möglichkeit geben, bereits während des Betriebes und auch noch nach der Betriebseinstellung Maßnahmen durchzusetzen, die der Ermöglichung einer Entsorgung nach Abfallrecht dienen. Die abfallrechtlichen Anforderungen sollen hierdurch aber nicht eingeschränkt werden. 623

2. Reichweite des Vorrangs der Betreiberpjlichten Bedeutungslos ist die Regelung des § 9 S. 1 KrW-/AbfG, soweit es die Vermeidung von Produktionsabfällen betrifft. Hier kommt es zu keiner Überschneidung zwischen Abfallrecht und Immissionsschutzrecht, da das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz weder hinsichtlich des "Ob" noch des "Wie" der Vermeidung Anforderungen enthält. 624 Von Bedeutung ist § 9 S. 1 KrW-/AbfG jedoch, soweit es um die Verwertung (und Beseitigung) von Abfällen geht. Der Vorrang nach § 9 S. 1 KrW-/AbfG reicht nur soweit, wie das Immissionsschutzrecht auch eine Regelung enthält. Der Aussage, daß sich die Betreiberpflichten nach dem Bundes-Imrnissionsschutzgesetz richten, kann nicht mehr entnommen werden, als daß das Abfallrecht in dem Maße zurücktreten muß, wie die Betreiberpflichten reichen. Demgegenüber läßt sich hieraus nicht entnehmen, daß das Abfallrecht auf Abfälle aus immissionsschutzrechtlichen Anlagen überhaupt keine Anwendung fmdet. Wäre eine solche Regelung gewollt gewesen, hätte es nahegelegen, eine entsprechende Bestimmung in den Katalog des § 2 Abs. 2 KrW-/AbfG aufzunehmen. Hieraus folgt zunächst, daß die Pflichten nach §§ 5 und 11 KrW-/AbfG jedenfalls dann zur Anwendung kommen, wenn die Abfälle sich nicht mehr in der Hand des Anlagenbetreibers befmden. Denn allein dieser ist Adressat der Betreiberpflichten. Dritte, die die Abfälle vom Betreiber übernehmen, unterliegen als Abfallbesitzer oder, soweit sie Behandlungen im Sinne des § 3 Abs. 5 KrW-/AbfG vornehmen, als Abfallerzeuger allein den Pflichten des §§ 5, 11 KrW-/AbfG. 62S Einer Inanspruch-

Dazu oben C I 2. Dazu oben B I. 625 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 127. 623

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Irnrnissionsschutzrecht

nahme durch die Abfallbehörden kann daher nicht entgegengehalten werden, die Verwertung oder Beseitigung unterliege allein dem Immissionsschutzrecht. Die Bedeutung des § 9 S. 1 KrW-/AbfG für den Anlagenbetreiber selbst hängt, wie bereits mehrfach betont, davon ab, wie man den Inhalt der imrnissionsschutzrechtlichen Pflichten bestimmt. Folgt man der Auffassung, § 5 Abs.l Nr.3 BlmSchG regele als stoffbezogene Folgepflicht auch die Durchfiihrung der Verwertung und Beseitigung außerhalb der Anlage, so würde die Betreiberpflicht die Erzeugerpflichten aus §§ 5, 11 KrW-/AbfG vollständig verdrängen. 626 Nach dem hier für vorzugswürdig gehaltenen Verständnis sind die Betreiberpflichten aus § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG allein auf die Errichtung und den Betrieb der Anlage bezogen. Die Durchfiihrung der Entsorgung außerhalb der Anlage gehört nicht zum Pflichteninhalt, insoweit beschränkt sich die Betreiberpflicht auf die Ermöglichung durch anlagenbezogene Maßnahmen. Dies hat zur Konsequenz, daß der Anlagenbetreiber als Abfallerzeuger bei der Durchfiihrung der Entsorgung außerhalb der Anlage grundsätzlich den Pflichten nach §§ 5, 11 KrW-/AbfG unterliegt, da dieser Bereich durch das Imrnissionsschutzrecht nicht geregelt wird und daher die abfallrechtlichen Pflichten auch nicht verdrängt werden können. Die Pflicht des Anlagenbetreibers als Abfallerzeuger zur Verwertung erlischt nicht mit der Übergabe der Abfälle an einen Dritten, sondern erst mit erfolgreicher Durchfiihrung der Verwertung. 627 Ist der ausgewählte Dritte nicht in der Lage, die Verwertung ordnungsgemäß und schadlos durchzufiihren, so wird die Verwertungspflicht des Anlagenbetreibers wieder aktuell. Diese Rechtsfolge ergibt sich aber nicht aus der Betreiberpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG,628 sondern aus der Erzeugerpflicht nach § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG. Für die anlageninterne Verwertung bei genehmigungsbedürftigen Anlagen folgt dagegen aus § 9 S. 1 KrW-/AbfG, daß sie allein Gegenstand der Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ist. Dies gilt nicht nur, soweit die Verwertung vollständig innerhalb der Anlage erfolgt. Auch das Einsammeln, Behandeln und Zwischenlagern von Abfällen gehört zur Verwertung (vgl. § 4 Abs. 5 KrW-/AbfG). Soweit diese Schritte im Anlagenbereich vorgenommen werden, sind sie noch Teil des Betriebs, so daß § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG der Erzeugerpflicht nach § 5 Abs.2 KrW-/AbfG vorgeht. Da diese Maßnahmen Gegenstand der Betreiberpflicht sind, unterliegen sie auch nach Genehmigungserteilung dem imrnissionsschutzrechtlichen Regime. Sie sind von der Immissionsschutzbehörde nach § 52 BImSchG zu überwachen. Erfüllt der Anlagenbetreiber seine Grundpflicht nicht ausreichend, kann die Behörde den

In diesem Sinne offenbar der Umweltausschuß, BT-Drs. 12/7284, S. 15. Dazu oben I. Teil unter F sowie 2. Teil unter BIll. 628 So GK-BlmSchG/Roßnagel, § 5 Rn. 700. 626 627

D. Die Verzahnung anlagen- und stoflbezogener Pflichten

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Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG im Wege einer nachträglichen Anordnung Geltung verschaffen. § 40 Abs. I S. 1 KrW-/AbfG gibt allerdings Anlaß zu der Frage, ob die anlageninterne Verwertung zusätzlich auch der abfallrechtlichen Überwachung unterliegt. Denn nach dem Wortlaut der Norm ist lediglich die produktionsbezogene Vermeidung von der Überwachung ausgenommen, nicht dagegen die anlageninterne Verwertung i. S. d. § 9 S. 3 KrW-/AbfG. Zu bedenken ist aber, daß für den Bereich der anlageninternen Verwertung sich die Verwertungspflicht allein aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ergibt, es sich insoweit also nicht um eine Pflicht nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz handelt. 629 Dies spricht dafür, daß die Einhaltung der Pflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG bei Errichtung und Betrieb der Anlage auch ausschließlich von den Immissionsschutzbehörden überwacht wird, auch wenn dabei mittelbar Abfallrecht zu beachten ist. 630 Für eine ausschließliche Anwendung der immissionsschutzrechtlichen Vorschriften läßt sich zudem darauf verweisen, daß gerade das Immissionsschutzrecht über Instrumente verfügt, die auf die permanente Steuerung und Kontrolle der mit dem Produktions.grozeß unmittelbar in Zusammenhang stehenden Vorgänge ausgerichtet sind. 31 Bedenkenfrei ist eine solche Lösung ausschließlich zugunsten des Immissionsschutzrechtes freilich nicht. Denn unstreitig unterliegt der Einsatz von Abfällen in immissionsschutzrechtlichen Anlagen dann der Kontrolle durch die Abfallbehörden, wenn die Abfälle nicht aus der Anlage selbst stammen. 632 Dies folgt aus § 40 Abs. 2 und 3 KrW-/AbfG, der die Mitverwertung von Abfällen ausdrücklich der Überwachung nach Abfallrecht unterstellt. Werden in einer Anlage sowohl eigene als auch fremde Abfälle als Einsatzstoffe etwa zur Energiegewinnung genutzt, so führt die dargestellte Differenzierung dazu, daß der Einsatz der anlagenfremden Abfälle auch der abfallrechtlichen, der Einsatz der anlageneigenen Abfälle dagegen ausschließlich der immissionsschutzrechtlichen Kontrolle unterliegt. Konstruktiv läßt sich die unterschiedliche Behandlung der Mitverwertung von anlageneigenen und anlagenfremden Abfällen allerdings dadurch begründen, daß in letzterem Fall die abfallrechtlichen Vorgaben nicht über die Grundpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG, sondern als sonstige Anforderungen an den Betrieb der Anlage im Sinne des § 6 Abs. 1 NT. 2 BImSchG zu beachten sind. Für den Vollzug solcher Anforderungen ist

F/uck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 40 Rn. 37. F/uck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 40 Rn. 144. 631 SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 95. 632 F/uck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 40 Rn. 144. 629 630

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

nach Genehmigungserteilung nicht die Immissionsschutzbehörde, sondern die jeweilige Fachbehörde zuständig. 633

11. Stoftbezogene Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung Die bisherigen Überlegungen haben allein Bereiche betroffen, in denen es zu einer direkten Nonnenkonkurrenz zwischen den Pflichten des Abfallrechts und des Immissionsschutzrechts kommt. Für die weitere Frage, wieweit die materiellen Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes an die Durchführung einer Verwertung oder Beseitigung auch bei der Anwendung der immissionsschutzrechtlichen Pflichten zu beachten sind, läßt sich allein § 9 S. 1 KrW-/AbfG keine eindeutige Antwort entnehmen. Die Vorschrift kann bei isolierter Betrachtung so verstanden werden, daß sich die Maßstäbe für die Beurteilung, ob eine Anlage im Einklang mit § 5 Abs. 1 Nr. 3 BIrnSchG errichtet wird, allein aus dem Immissionsschutzrecht ergeben. Jedoch ging bereits die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates davon aus, daß über die Begriffe "ordnungsgemäß" bzw. "Wohl der Allgemeinheit" andere Rechtsvorschriften und damit auch alle Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes zur Optimierung der Verwertung und Entsorgung nach Anfall von Abfällen im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten zu berücksichtigen seien. 634 Der Bundesrat hielt es im Hinblick auf den praktischen Vollzug jedoch für geboten, die Schnittstelle zwischen stoffbezogenem Abfallrecht und anlagenbezogenem Irnmissionsschutzrecht zu präzisieren und ausdrücklich klarzustellen, daß die stoffbezogenen Bestimmungen des Abfallrechts für die Betreiber von Anlagen Rechtsfolgen begründen können. 63s Er schlug daher eine "Unberührtheitsklausel" zugunsten der stoffbezogenen Anforderungen des Abfallrechts vor. 636 Eine solche Unberührtheitsklausel enthält nunmehr § 9 S.2 KrW-/AbfG. Nach dieser Vorschrift bleiben die stoffbezogenen Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung und Beseitigung von Abfällen unberührt. Aus der Entstehungsgeschichte und der systematischen Stellung im Anschluß an Satz I ergibt sich, daß die Regelung klarstellen637 will, daß die materiellen Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes an Verwertung und Besei-

Jarass, BImSehG, § 17 Rn. 10; GK-BlmSchGIKoch, § 17 Rn. 73. BT-Drs. 12/5672, S. 127. 635 BT-DRs. 12/5672, S. 67. 636 BT-Drs. 12/5672, S. 67; dazu schon oben A 11 4. 637 Auch Rebentisch, NVwZ 1997,420, billigt der Vorschrift nur einen deklaratori-

633

634

sehen Charakter zu.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoflbezogener Pflichten

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tigung auch im Rahmen der in § 9 S. 1 KrW-/AbtU angesprochenen Betreiberpflichten zu beachten sind. 638 Die in § 9 S. 2 KrW-/AbtU getroffene Regelung könnte zu der Annahme führen, daß beim Betrieb einer imrnissionsschutzrechtlichen Anlage schlechthin nur die von § 9 S. 2 KrW-/AbtU erfaßten Anforderungen zur Anwendung gelangen. Dabei würde jedoch übersehen, daß § 9 KrW-/AbtU nicht insgesamt das Verhältnis von Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und Bundes-Immissionsschutzgesetz regelt, sondern nur die vorrangige Geltung der materiellen Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG vor den allgemeinen Erzeuger- und Besitzerpflichten nach §§ 5, 11 KrW-/AbtU. Anforderungen, die unabhängig von diesen Pflichten bestehen, werden daher von § 9 S. 1 KrW-/ AbtU nicht betroffen. Da § 9 S. 2 KrW-/AbtU an Satz 1 anknüpft und auf dessen Anwendungsbereich beschränkt ist, betrifft die Vorschrift ausschließlich die Frage, welche Anforderungen des Abfallrechts bei der Anwendung der Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG zu beachten sind. Bestimmungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, die unabhängig von diesen materiellen Betreiberpflichten anwendbar sind, werden von § 9 S. 2 KrW-/ AbfG nicht betroffen. Daher kommt es für die Geltung der in §§ 19 und 20 sowie §§ 53 und 54 KrW-/AbtU getroffenen Regelungen nicht darauf an, ob sie den Anforderungen des § 9 S. 2 KrW-/AbtU genügen. Im so eingegrenzten Anwendungsbereich des § 9 S. 2 KrW-/AbtU kommen nur solche Anforderungen zum Tragen, die zum einen stoffbezogen sind und sich zum anderen auf die Art und Weise der Verwertung bzw. Beseitigung beziehen. Wenig Klarheit besteht darüber, welche Funktion die Voraussetzung der Stoffbezogenheit in § 9 S.2 KrW-/AbtU hat. Die Gesetzesmaterialien, nicht jedoch der Gesetzestext selbst, stellen den stoffbezogenen Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes die anlagenbezogenen Pflichten des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG gegenüber.639 Aus dieser Gegenüberstellung läßt sich folgern, daß anlagenbezogen alle Vorschriften sind, die von ihrem Tatbestand her die Errichtung und den Betrieb einer Anlage steuern. Als stoffbezogen wird man demgegenüber alle Anforderungen anzusehen haben, die tatbestandlich am Vorliegen eines Stoffes anknüpfen und unabhängig davon gelten, ob er in einer genehrnigungsbedürftigen oder nicht genehrnigungsbedürftigen

So i. E. auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 155. VgJ. den Bericht des Umweltausschusses, BT-Drs. 12/7284, S. 16; ferner bereits die Begründung zum Regierungs-Entwurf, BT-Drs. 12/5672, S. 43. Eine solche Gegenüberstellung nimmt auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 236, vor, wenn er anlagenbezogenes und stoflbezogenes Abfallrecht unterscheidet. VgJ. hierzu auch v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG, § 9 Rn. 14. 638

639

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2. Teil: Die Verzahnung von AbfalIrecht und Immissionsschutzrecht

Anlage oder außerhalb einer solchen angefallen ist oder genutzt wird. 640 Nicht entscheidend kann demgegenüber sein, ob die Anforderungen beim Betrieb einer Anlage zu beachten sind. MI Denn der Sinn und Zweck des § 9 S. 2 KrW-/ AbfG ist gerade darin zu sehen, die Beachtlichkeit stoffbezogener Anforderungen bei Errichtung und Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage klarzustellen. So sind etwa die Vorgaben fiir die Zulässigkeit einer energetischen Verwertung nach § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG tatbestandlich stoffbezogen, d. h. immer zu beachten, wenn ein Abfall energetisch verwertet werden soll, unabhängig davon, ob sich um eine genehmigungsbedürftige oder nicht genehmigungsbedürftige Anlage handelt. Daran ändert nichts, daß der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage, wenn er den Abfall als Brennstoff einsetzen will, beim Anlagenbetrieb die Vorgaben nach § 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG erfüllen muß. 642 Es ist allerdings bislang nicht erkennbar, daß dem Merkmal der Stoffbezogenbeit im Ergebnis eine tatbestandseingrenzende Funktion zukommen könnte, die über die weitere Einschränkung hinausginge, daß nur Anforderungen an die Art und Weise zu berücksichtigen sind. 643 Durch die Beschränkung auf Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung bzw. Beseitigung schließt § 9 S. 2 KrW-/AbfG die Anwendung solcher Bestimmungen aus, die sich auf das "Ob" der Verwertung oder Beseitigung beziehen. Grund fiir diese Einschränkung ist, daß § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG selbst Maßstäbe normiert, anband derer zu entscheiden ist, ob Errichtung und Betrieb der Anlage hinsichtlich bestimmter Produktionsabfälle auf eine Vermeidung, Verwertung oder Beseitigung hin auszurichten sind. 644 Ausgeschlossen wird hierdurch die Anwendung der in § 5 Abs.4 bis 6 KrW-/AbfG enthaltenen Bestimmungen,645 da diese Vorschriften regeln, wann eine Pflicht zur Verwertung entfällt. 646 Die Vorschrift des § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG entspricht inhaltlich im wesentlichen der in 640 SRU, ZAU 1993, S. 180. I. E. ähnlich Birn, KrW-/AbfG, § 9 Anm.2; Petersen/Rid, NJW 1995, 12. 641 Dies problematisiert Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und AbfalIrecht, § 9 Rn.158. 642 So im Ergebnis auch Fluck, DVBI. 1997,469. 643 Diese weitere von § 9 S.2 KrW-/AbfG vorgenommene Beschränkung wird erstaunlicherweise kaum thematisiert, vgl. nur das Fehlen einer Kommentierung des Merkmals bei Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und AbfalIrecht, § 9. 644 I. E. ähnlich Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und AbfalIrecht, § 9 Rn. 173 f. 64S Für § 5 Abs. 5 und 6 ebenso Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und AbfalIrecht, § 9 Rn. 173 f. 646 Da bereits die Beschränkung auf Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung dazu fUhrt, daß § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG keine Anwendung findet, kommt es auf die rechtssystematischen Überlegungen, auf die Rebentisch, NVwZ 1997, 420, die vorrangige Geltung des immissionsschutzrechtIichen Maßstabes der Zumutbarkeit stützen will, nicht an.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoffbezogener Pflichten

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§ 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG für das Verhältnis zwischen Verwertung und Beseitigung getroffenen Regelung. Ob sich im praktischen Ergebnis ein Unterschied daraus ergeben kann, daß § 5 Abs. 4 KrW-IAbfG auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit, § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG dagegen nur auf die Zumutbarkeit abstellt,647 darf bezweifelt werden, da die inhaltlichen Kriterien nach hier vertretener Auffassung weitgehend deckungsgleich sind.648 Nach § 5 Abs.5 KrW-1 AbfG entfallt die Verwertungspflicht, wenn die Beseitigung die umweltverträglichere Lösung darstellt. Zum gleichen Ergebnis gelangt man jedoch bei einer sachgerechten Auslegung der Zumutbarkeitsgrenze: Die Mehrkosten einer Verwertung sind dann nicht zumutbar, wenn die Verwertun! gegenüber der Beseitigung mit stärkeren Umweltnachteilen verbunden ist. 9 Praktisch bedeutsam ist daher allein, daß das Forschungsprivileg des § 5 Abs. 6 BImSchG im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG keine Anwendung fmdet. Auch den Besonderheiten von Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen kann aber jedenfalls in einem gewissen Umfang über das Merkmal der Zumutbarkeit Rechnung getragen werden. 650 Als stoffbezogene Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung kommen vor allem die Vorgaben hinsichtlich einzelner Verwertungsarten in Betracht. Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfallen verpflichtete § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F. den Anlagenbetreiber lediglich zu einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung. Erfüllten mehrere Verwertungsoptionen diese Anforderungen, so hatte der Anlagenbetreiber die freie Wahl zwischen ihnen. Eine Pflicht, die umweltverträglichste Verwertungsart zu wählen,ließ sich aus § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. nicht ableiten. 651 Insbesondere war dem Merkmal der Schadlosigkeit kein genereller Vorrang der stofflichen Verwertung zu entnehmen. 6S2 Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz enthält nunmehr in § 5 Abs. 2 S. 3 sowie in § 6 KrW-/AbfG Regelungen für das Verhältnis unterschiedlicher Verwertungsmöglichkeiten. Beide Vorschriften sind stoffbezogen, da sie am Vorliegen ei-

647 So wohl Rebentisch, NVwZ 1997,420. 648 Vgl. hierzu oben B II 3 b) bb) und eIl c). Ähnlich v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG, § 9 Rn. 8. 649 Dazu oben B II 3 b) bb). 650 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 174. 651 Ausführlich hierzu Meidrodt, Reststoffverrneidungs- und Verwertungsgebot, S. 74 ff.; Hansmann, NVwZ 1990,414; ferner Jarass, BIrnSchG, § 5 Rn. 77; Rehbinder, DVBI. 1989, 499; Schenkel/Reiche, ZAU 1993, 185. Teilweise a. A. SRU, Sondergutachten "Abfallwirtschaft", Tz. 217, der, ohne dies freilich näher zu begründen, annimmt, zumindest im Einzelfall könne aus den Anforderungen der Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit eine Rangfolge zwischen konkurrierenden Verwertungsarten hergeleitet werden. 652 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 77; Hansmann, NVwZ 1990,414.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

nes Abfalls anknüpfen und den Umgang mit diesem regeln. Zugleich beziehen sie sich auf die Art und Weise der Verwertung, da sie nicht den Vorrang der Verwertung gegenüber der Beseitigung, sondern das Verhältnis einzelner Verwertungsmöglichkeiten zueinander und damit das "Wie" der Verwertung betreffen. Nach § 9 S.2 KrW-/AbfG sind sie somit bei der Anwendung des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG zu beachten. 6S3 Eine vom Anlagenbetreiber geplante Verwertung ist daher nur dann ordnungsgemäß im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG, wenn eine hochwertige Verwertung angestrebt wird654 und die gewählte Verwertungsart im Einklang mit § 6 KrW-/AbfG steht. Eine energetische Verwertung kann folglich nur gewählt werden, wenn die Mindestvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG erfiillt werden. Soweit eine auf § 6 Abs. 1 S.3 KrW-/AbfG gestützte Rechtsverordnung erlassen worden ist, muß der darin geregelte Vorrang der stofflichen oder energetischen Verwertung beachtet werden. 655 Anforderungen im Sinne des § 9 S. 2 KrW-/AbfG können sich ferner aus einer Rechtsverordnung nach § 7 KrW-/AbfG ergeben,656 wie bereits aus § 9 S. 3 KrW-/AbfG folgt. Fraglich ist, ob darüber hinaus auch Überlassungs- und Andienungspflichten nach § 13 Abs. 4 KrW_/AbfG657 zu den von § 9 S. 2 KrW-/AbfG erfaßten Anforderungen gehören. 658 Da sie am Vorliegen bestimmter Abfälle anknüpfen, sind diese Pflichten stoffbezogen. Allerdings regeln sie in erster Linie, wer die Verwertung durchzufiihren hat. Daher könnte zweifelhaft sein, ob sie Anforderungen an die Art und Weise der Entsorgung darstellen. Festzustellen ist zunächst, daß sie jedenfalls keine Regelung über das "Ob" der Verwertung darstellen. Des weiteren läßt sich § 9 S. 2 KrW-/AbfG keine Einschränkung in dem Sinne entnehmen, daß mit der Tatbestandsvoraussetzung ,,Art und Weise" allein technische Aspekte der Durchfiihrung der Verwertung erfaßt werden sollen. Daher ist davon auszugehen, daß mit dem Begriff ,,Art und Weise" insgesamt das "Wie" der Entsorgung gemeint ist. Damit lassen sich auch bestehende Überlassungs- oder Andienungsrsflichten zu den Regelungen über die Art und Weise der Verwertung zählen. 59 Eine Beachtung im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG erscheint zudem sachlich geboten. Besteht fiir bestimm653 So auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 172, 175; K. Wagner, Abfall und Kreislaufwirtschaft, S. 25; Freytag, NuR 1996, 339. 654 So auch Rebentisch, NVwZ 1997,420. Dazu auch oben B 11 2 d). 655 Dazu oben B 11 2 e). 656 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 176. 657 Dazu oben BIll. 658 Dafür wohl Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 177, jedenfalls soweit es die Beseitigung betrim. 659 Für Andienungspflichten ebenso Jarass, Sonderabfallentsorgung, S. 9; grundsätzlich auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 177.

D. Die Verzahnung anlagen- und stofibezogener Pflichten

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te Abfälle eine Andienungs- oder gar Überlassungspflicht, so schränkt dies die Möglichkeiten des Anlagenbetreibers ein, Dritte mit der Verwertung zu beauftragen. Im Falle der Überlassungspflicht hat er die Abfälle der zuständigen Stelle zu übergeben, wobei die Entsorgungspflicht regelmäßig auf diese Stelle übergeht. 660 Besteht eine Andienungspflicht, so trifft die zuständige Stelle, der die Abfälle anzudienen sind, eine Entscheidung darüber, welchen Abfallentsorger der Abfallbesitzer mit der Entsorgung beauftragen muß. Durch diese Regelungen werden zugleich die in Betracht konunenden Verwertungsverfahren auf das- oder diejenigen beschränkt, die demjenigen zur Verfiigung stehen, dem die Abfälle zu überlassen sind bzw. dem die zuständige Stelle die Abfälle zuweist. Der Einsatz anderer Verfahren ist dem Anlagenbetreiber dann aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Andererseits wird die Immissionsschutzbehörde bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG in aller Regel von einer ordnungsgemäßen Verwertung ausgehen können, wenn die externe Verwertung aufgrund von Überlassungs- oder Andienungspflichten einer besonderen Kontrolle unterliegt. Aus diesen Gründen ist es erforderlich, das Bestehen von Überlassungs- und Andienungspflichten im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflicht zu berücksichtigen. Trotzdem verbleiben Zweifel, ob sich derartige Pflichten anband der von § 9 S.2 KrW-/AbfG vorausgesetzten Unterscheidung zwischen Anforderungen an die Art und Weise der Entsorgung und anderen Anforderungen sinnvoll einordnen lassen. Vielfach haben Andienungspflichten nicht allein als materielle Entsorgungsregelungen Bedeutung, sondern sind zumindest auch Instrumente der abfallrechtlichen Überwachung. 661 Es ist aber zumindest fraglich, ob Anforderungen, die sich aus den Überwachungsregelungen ergeben, überhaupt in den Anwendungsbereich des § 9 KrW-/AbfG fallen. Schwerer wiegt womöglich noch ein weiterer Gesichtspunkt: § 9 S. 3 KrW-/AbfG beschränkt die Anwendbarkeit stoffbezogener Anforderungen auf solche, die in einer Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 1 oder § 7 KrW-/AbfG festgelegt worden sind. Die Begründung von Überlassungs- oder Andienungspflichten erfolgt aber entweder unmittelbar durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz oder aber durch landesrechtliche Regelungen in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 13 Abs.4 S.3 KrW-/AbfG. Die Verordnungsermächtigung in § 7 Abs. 1 Nr.3 KrW-/AbfG dürfte demgegenüber allein zu einer Regelung hinsichtlich der Art und Weise der Überlassung errnächtigen. 662 Würde man daher Überlas-

Jarass, Sonderabfallentsorgung, S. 8. Vgl. BVerwG, NVwZ 1995, 273/274; Jarass, Sonderabfallentsorgung, S. 39 f.; Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 13 Rn. 188; Beckmann, in: WeidemannIBeckmann, Organisation, S. 101 ff. 662 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 7 Rn. 78, spricht von einer Ergänzung der Überlassungspflicht nach § 13 KrW-/AbfG. 660 661

19 Locher

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

sungs- und Andienungspflichten fiir Abfälle zur Verwertung nach § 13 Abs. 4 S.2 KrW-/AbfG als Anforderungen im Sinne des § 9 S.2 KrW-/AbfG ansehen, müßten sie konsequenter Weise bei der Prüfung, ob eine anlageninterne Verwertung ordnungsgemäß erfolgen kann, außer Acht bleiben. Dies wäre jedoch widersinnig, da die Länder Überlassungs- oder Andienungspflichten gerade nur dann anordnen dürfen, wenn dies zur Sicherstellung der umweltverträglichen Entsorgung erforderlich ist und eine ordnungsgemäße Verwertung nicht anderweitig gewährleistet werden kann. 663 Es stellt sich daher die Frage, ob die Andienungs- oder Überlassungspflichten nicht unabhängig von den Voraussetzungen des § 9 S. 2 und 3 KrW-/AbfG unmittelbar über die Voraussetzung der Ordnungsmäßigkeit zum Tragen müssen. Zur Begründung dafür, diese Anforderungen nicht in den Anwendungsbereich des § 9 S. 2 und 3 KrW-/AbfG fallen zu lassen, kann immerhin auf den nicht allein auf die Modalitäten der Entsorgung bezogenen Regelungsgehalt dieser Pflichten verwiesen werden.

111. Anforderungen an die anlageninterne Verwertung 1. Verordnungsvorbehalt nach § 9 S. 3 KrW-IAbfG

Nach § 9 S.3 KrW-/AbfG sind stoffbezogene Anforderungen an die anlageninterne Verwertung durch Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 1 und § 7 KrW-/AbfG festzulegen. Der Wortlaut der Vorschrift läßt nicht klar erkennen, ob damit lediglich ein Regelungsauftrag festgeschrieben werden soll oder ob § 9 S. 3 KrW-/AbfG auch einen Verordnungsvorbehalt enthält mit der Konsequenz, daß bei der anlageninternen Verwertung nur solche stoffbezogenen Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung i. S. d. § 9 S. 2 KrW-/AbfG zu beachten sind, die in einer Rechtsverordnung nach §§ 6 Abs. 1, 7 KrW-/ AbfG festgelegt werden. Die Entstehungsgeschichte der Norm spricht fiir letzteres. Wie bereits dargestellt,664 hatten sowohl der Bundesrat als auch der Umweltausschuß befürwortet, die Anwendbarkeit der abfallrechtlichen Anforderungen auf solche Vorgaben zu beschränken, die in Rechtsverordnungen konkretisiert worden sind. Dies begründete der Bundesrat mit der Vollzugsklarheit einer solchen Regelung. Durch eine Beschränkung auf die in Rechtsverordnungen speziell geregelten stoffbezogenen Anforderungen werde die Schnittstelle zwischen den beiden Rechtsmaterien in der fiir den praktischen

663 Der Frage, ob für diese Regelung in der Praxis überhaupt ein Anwendungsbereich besteht, kann an dieser Stelle nicht nachgegangen werden. Kritisch hierzu Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 13 Rn. 205,212 ff. 664 Dazu oben A 11 4 und 5.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoffbezogener Pflichten

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Vollzug notwendigen Weise präzisiert.66s Nach Auffassung des Umweltausschusses sollten die stoffbezogenen Anforderungen an die Verwertung insgesamt aus Gründen der Rechtssicherheit nur angewendet werden, wenn dies in einer Rechtsverordnung konkretisiert werde. 666 Auch wenn sich diese Positionen im Vermittlungsausschuß nicht völlig durchzusetzen vermochten, folgt hieraus doch, daß Gegenstand der Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren stets nur ein Verordnungsvorbehalt war, nicht dagegen ein Rechtssetzungsauftrag. Auf diesem Hintergrund muß auch § 9 S. 3 KrW-/AbfG im Sinne eines Verordnungsvorbehaltes verstanden werden. 667

§ 9 S. 3 KrW-/AbfG baut damit auf der Regelung des § 9 S. 2 KrW-/AbfG auf und beschränkt die Anwendbarkeit der stoffbezogenen Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung auf solche Vorgaben, die in Rechtsverordnungen nach §§ 6 Abs. 1, 7 KrW-/AbfG konkretisiert worden sind. Im Anwendungsbereich des § 9 S. 3 KrW-/AbfG kann daher nicht unmittelbar auf die im KrW-/AbfG enthaltenen Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung zurückgegriffen werden. Begründet wird diese Einschränkung damit, daß Anforderungen an die anlageninteme Verwertung in der Regel weitreichende Auswirkungen auf den Produktionsbetrieb hätten. Diese sollten nach den Vorstellungen des Bundestages nicht im Einzelfall durch die Behörde festgelegt werden. 668 Es wurde wohl befiirchtet, daß behördliche Entscheidungen anband der unbestimmt gehaltenen Tatbestände nach § 5 Abs. 2 S. 3 und 4 sowie § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG zu Schwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten beim Vollzug fiihren würden und sich dadurch das Genehmigungsverfahren in die Länge zöge. 669 Angenommene Vollzugsschwierigkeiten waren bereits der Grund, den Bundesrat und Umweltausschuß zur Rechtfertigung eines noch weitergehenden Verordnungsvorbehaltes angefiihrt hatten. 67o BT-Drs. 12/5672, S. 67. BT-Drs. 12/7284, S. 7. 667 So auch die allgemeine Auffassung Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 213 f.; PeterseniRid, NJW 1995, 12; Petersen, Abfallpolitisches Konzept, S. 67; ders., Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, S. 96 Fn. 34; Schulte, UPR 1996, 436; LAI, Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG n. F., Ziff. 3.1; Birn, KrW-/AbfG, § 9 Anm. 2; K.Wagner, Abfall und Kreislaufwirtschaft, S. 28. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 193, 215, entnimmt der Vorschrift zudem auch einen Rechtsetzungsauftrag; zustimmend v. LersnerlWendenburg, KrW-/AbfG, § 9 Rn. 19. Welche praktischen Konsequenzen sich hieraus ergeben könnten, ist jedoch nicht ersichtlich; § 9 S. 3 KrW-/AbfG dürfte jedenfalls keinen drittschützenden Charakter haben. 668 Petersen, Abfallpolitisches Konzept, S. 67 Fn. 66; PetersenlRid, NJW 1995, 12 Fn. 53; Schulte, UPR 1996,436 Fn. 10; Paetow, in: KuniglPaetowNersteyl, § 9 Rn. 17. 669 Vgl. den Hinweis bei Jarass, Reststoffvermeidung und Reststoffverwertung, 66S

666

S.74. 670

Vgl. oben unter All 4 und 5.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

Ob diese Bedenken die unterschiedliche Behandlung der anlageninternen und der anlagenexternen Verwertung in überzeugender Weise rechtfertigen, erscheint allerdings zweifelhaft. Erfolgt die gleiche Verwertungsmaßnahme ausserhalb der den Abfall erzeugenden Anlage, ist die Genehmigungsbehörde verpflichtet, auch anband der Maßstäbe des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes zu überprüfen, ob die Verwertung ordnungsgemäß und schadlos erfolgt, und muß hierbei die Voraussetzugen des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG sowie des § 5 Abs.3 S. 3 KrW-/AbfG beachten. Fraglich ist zudem, ob Anforderungen an die anlageninterne Verwertung tatsächlich zu "weitreichenden Auswirkungen" auf den Produktionsbetrieb führen. Denn wesentliche Bedeutung für die Gestaltung des Produktionsprozesses haben vor allem Änderungen der Prozeßführung, der Einsatzstoffe und der Kreislauffiihrung. Diese Maßnahmen rechnen aber nicht zur Verwertung, sondern zur Vermeidung. Als prozeßintegrierte Verwertungsmaßnahme kommt die Einbindung von Rückständen in das hergestellte Produkt oder die Nutzung zur Erzeugung von Energie in Betracht. Nachgeschaltete Verwertungsmaßnahmen durch Aufarbeitung zu anderen Produkten betreffen dagegen nicht mehr den Produktionsprozeß, der die Abfälle hervorbringt. 671 Schließlich ist noch folgendes zu bedenken: Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, die einer Nutzung von Abfällen als Einsatz- oder Hilfsstoffe entgegenstehen, sind über § 6 Abs. 1 Nr.2 BImSchG bei der Entscheidung über die Erteilung der Genehmiguny für eine Anlage beachtlich, die Abfälle aus anderen Anlagen verwerten soll.67 Dies gilt unabhängig davon, ob sie sich aus einer Rechtsverordnung oder unmittelbar aus dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ergeben. § 9 S. 3 KrW-/AbfG steht dem nicht entgegen. Aus der systematischen Stellung in § 9 KrW-/AbfG folgt, daß der Verordnungsvorbehalt nur für die Erfüllung der Grundpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG durch Verwertung in der erzeugenden Anlage gilt, nicht aber immer schon dann, wenn Abfälle in immissionsschutzrechtlichen Anlagen verwertet werden. Bei der Genehmigung von Anlagen, in denen Abfälle (mit-)verwertet

671 Zweifelhaft ist schon, ob es sich in diesen Fällen überhaupt noch um eine anlageninterne Verwertung handelt. Der Anwendungsbereich der "anlageninternen Verwertung" in Abgrenzung zur anlageninternen Kreislauff'llhrung einerseits und externer Verwertung andererseits könnte bei entsprechender restriktiver Eingrenzung des Anlagen umfanges recht gering ausfallen und - läßt man den Bereich der vorbereitenden Maßnahmen wie Einsammeln und Lagern außer Acht - im Wesentlichen auf die unmittelbare energetische Nutzung sowie auf die praktisch kaum relevante (vgl. Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 205) Einbindung von Abfällen in die Produkte, bei deren Herstellung sie anfallen, beschränkt sein; dazu unten unter 2. 672 Vgl. dazu schon oben eIl a) bb).

D. Die Verzahnung anlagen- und stoffbezogener Pflichten

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werden, bleiben die "weitreichende(n) Auswirkungen auf den Produktionsbetrieb", die § 9 S. 3 KrW-/AbfG vermeiden will, also ohne weiteres zulässig. 673 Aufgrund der Regelung des § 9 S.3 KrW-/AbfG verbleibt es für den Bereich der anlageninternen Verwertung bis zum Erlaß der entsprechenden Verordnungen bei der vor Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes bestehenden Rechtslage. Dabei ist allerdings zu beachten, daß nunmehr klargestellt ist, daß eine anlageninterne Nutzung von Abfällen, die keine Kreislaufführung darstellt, als Verwertung zu betrachten ist und daher den Anforderungen der Ordnungsrnäßigkeit und Schadlosigkeit genügen muß. 674 § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG gestattet daher eine Überprüfung, ob die Verwendung des Abfalls als Einsatzstoff zur Produktherstellung schadlos erfolgt. Hiergegen ist eingewandt worden, aus dem Merkmal der Schadlosigkeit dürften für die anlageninterne Verwertung keine stoffbezogenen Anforderungen abgeleitet werden, da stoffbezogene Anforderungen nach § 9 S. 3 KrW-/AbfG nur dann beachtet werden müßten, wenn sie in einer Rechtsverordnung festgelegt worden seien. 675 Diese Argumentation übersieht zunächst, daß stoffbezogene Anforderungen, etwa nach Chemikalienrecht, bereits über das Merkmal ordnungsgemäß zur Anwendung gelangen, die Prämisse also unzutreffend ist, lediglich über die Voraussetzung der Schadlosigkeit seien stoffbezogene Anforderungen zu beachten. Des weiteren muß die Vorschrift des § 9 S. 3 KrW-/AbfG in ihrem systematischen Zusammenhang mit § 9 S.2 KrW-/AbfG gewürdigt werden. § 9 S.2 KrW-/AbfG stellt klar, daß Anforderungen "nach diesem Gesetz", also nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und den darauf gestützten Rechtsverordnungen, auch im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG beachtlich sind. Wenn nun § 9 S. 3 KrW-/AbfG die Anwendbarkeit der stoffbezogenen Anforderungen auf solche beschränkt, die sich aus Rechtsverordnungen nach §§ 6 Abs. 1, 7 KrW-/AbfG ergeben, dann wird hierdurch nur die Geltung der stoffbezogenen Anforderungen nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz beschränkt. Die Einschränkung kann aber nicht für solche Vorgaben gelten, die sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG selbst oder aus anderer Gesetzen als dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ergeben. Wäre letzteres beabsichtigt gewesen, so hätte der Verordnungsvorbehalt in die immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen aufgenommen werden müssen. So beschränkt er sich allein auf die Anforderungen des Abfallrechts. Nach allgemeiner Auffassung bezog sich das Merkmal der Schadlosigkeit auch bisher schon auf die Umweltverträglichkeit der Verwertungsart und des 673 Vgl. auch Paetow, Abfallvermeidung, S. 115, der ebenfalls davon auszugehen scheint, daß unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den Produktionsprozeß zwischen anlagenintemer und anlagenexterner Verwertung kein prinzipieller Unterschied besteht. 674 Petersen, Abfallpolitisches Konzept, S. 67 Fn. 66. 675 So Schulte, UPR 1996, 436 f.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

Verwertungsproduktes676 und ermöglichte damit auch stoffbezogene Vorgaben, etwa an die Einbindung von Abfällen in Produkte. Dagegen ist es allein auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nicht möglich, ein Rangverhältnis zwischen verschiedenen Verwertungsoptionen aufzustellen, soweit diese sämtlich die Voraussetzungen der Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit erfüllen. Der Anlagenbetreiber ist daher nicht verpflichtet, von mehreren möglichen Verwertungsverfahren dasjenige zu wählen, das den Abfall am hochwertigsten verwertet. Auch seine Wahlfreiheit zwischen energetischer und stofflicher Verwertung ist nicht eingeschränkt. § 9 S. 3 KrW-/AbfG ermächtigt selbst nicht zum Erlaß von Verordnungen, sondern enthält eine Rechtsgrundverweisung auf die Verordnungsermächtigungen nach § 6 Abs. 1 und 7 KrW-/AbfG. 677 Nach § 6 Abs. 1 S.4 KrW-/AbfG kann für bestimmte Abfallarten der Vorrang der energetischen oder stofflichen Verwertung festgelegt werden. Rechtsverordnungen nach § 7 KrW-/AbfG erlauben eine Reihe von Vorgaben und Beschränkungen für den Umgang mit Abfällen. Fraglich ist, ob es ausreicht, daß für bestimmte Abfallarten generell Anforderungen in einer Rechtsverordnung nach §§ 6 Abs. 1, 7 KrW-/AbfG festgelegt worden sind, oder ob es zusätzlich erforderlich ist, daß diese Anforderungen gerade auch im Hinblick auf die anlageninterne Verwertung aufgestellt werden. 678 Für letzteres läßt sich der Wortlaut des § 9 S.3 KrW-/AbfG anführen, nach dem auf der Grundlage der Verordnungsermächtigungen nach §§ 6 Abs. 1, 7 KrW-/AbfG Anforderungen an die anlageninterne Verwertung festzulegen sind. Vom Sinn des § 9 S. 3 KrW-/AbfG scheint ein solches Verständnis allerdings nicht geboten. Verhindert werden soll, daß im Genehrnigungsverfahren unmittelbar aus den unbestimmten Vorgaben nach § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG Anforderungen an die Gestaltung des Produktionsprozesses hergeleitet werden. Sind in einer Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 1 S. 4 oder § 7 KrW-/AbfG für bestimmte Abfallarten stoffbezogen Anforderungen festgelegt worden, so besteht die Gefahr unvorhersehbarer Einzelfallentscheidungen sowie der Verzögerung des Genehrnigungsverfahrens aufgrund von Unklarheiten über den Inhalt der Anforderungen nicht. Sind die stofflichen Anforderungen bereits für bestimmte Abfallarten durch Rechtsverordnungen spezifIziert worden, so ergeben sich im Hinblick auf die Vollzugstauglichkeit und Rechtssicherheit keine durchgreifenden Bedenken mehr. Wodurch in diesem Fall noch die unterschiedliche Behandlung der anlageninternen und anlagenexternen Verwertung gerechtfertigt sein soll, ist nicht ersichtlich. Nach Sinn und

676 Vgl. nur LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 1.3.3; Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 71. 677 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 193. 678 In letzterem Sinne Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 194.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoffbezogener Pflichten

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Zweck der Regelung ist es daher nicht erforderlich, daß die stoftbezogenen Anforderungen speziell für die Verwertung innerhalb der die Abfälle erzeugenden Anlage konkretisiert worden sind. Es genügt vielmehr die stoffspezifische F estlegung, daß die energetische oder stoffliche Verwertung Vorrang genießt bzw. daß bei der Verwendung des Stoffes bestimmte Vorgaben oder Einschränkungen zu beachten sind.

§ 9 S. 3 KrW-/AbfG verweist lediglich auf Rechtsverordnungen nach §§ 6 Abs. 1, 7 KrW-/AbfG. Anforderungen, die der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung dienen, können sich jedoch auch aus Rechtsverordnungen nach § 57 KrW-/AbfG ergeben. Auf der Grundlage dieser Vorschrift kann die Bundesregierung Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften umsetzen. Freilich kann sich eine Umsetzung prinzipiell auch auf die sonstigen Einzelverordnungsermächtigungen stützen. Da diese aber oft einen eng zugeschnittenen Anwendungsbereich haben, werden sie nicht immer einen geeigneten Rahmen zur Umsetzung einer konkreten gemeinschaftsrechtlichen Regelung bieten,679 insbesondere dann nicht, wenn der EG-rechtlichen Regelung eine andere Systematik zugrundliegt als dem deutschen Abfallrecht. In diesem Fall kann der Verordnungsgeber auf die weit gefaßte680 Verordnungsermächtigung des § 57 KrW-/AbfG zuruckgreifen. 68 \ Jedenfalls dem Wortlaut nach verlangt § 9 S. 3 KrW-/AbfG eine Festsetzung der stoftbezogenen Anforderungen in einer Rechtsverordnung nach §§ 6 Abs.l, 7 KrW-/AbfG. Eine Verordnung, die sich allein auf § 57 KrW-/AbfG stützt, würde dieser Anforderung nicht genügen. Zwar steht als praktischer Ausweg die Möglichkeit offen, die Umsetzung der EG-rechtlichen Vorgaben zumindest auch auf die Verordnungsermächtigungen nach § 6 Abs. 1, 7 KrW-/AbfG zu stützen, doch ist nicht sichergestellt, daß dieser Weg stets gangbar ist. § 7 KrW-/AbfG enthält einen abschließenden Katalog von Verordnungsermächtigungen. 682 Auch § 6 Abs.l KrW-/AbfG hat einen eng begrenzten Anwendungsbereich. Es besteht daher zumindest theoretisch die Möglichkeit, daß im EG-Recht Anforderungen an die Verwertung gestellt werden, die sich nicht über §§ 6 Abs. 1 und 7 KrW-/AbfG, sondern nur über § 57 KrW-/AbfG umsetzen lassen.

Krieger, in: Fluck, Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 57 Rn. 35. Zu verfassungsrechtlichen Bedenken wegen der sehr weiten Fassung der Verordnungsermächtigung vgl. einerseits Krieger, in: Fluck, Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 57 Rn. 41 - 70, andererseits Callies, in: BrandtIRuchaylWeidemann, KrW-/ AbfG, B 100, § 57 Rn. 115 f. 681 Krieger, in: Fluck, Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 57 Rn. 35. 682 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 7 Rn. 31. 679

680

296

2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

Zu erwägen ist allerdings, ob nach dem Sinn und Zweck des § 9 S. 3 KrW-/ AbfG nicht auch eine Festlegung stoffbezogener Anforderungen in einer Verordnung nach § 57 KrW-/AbfG genügen kann, jedenfalls dann, wenn die Anforderungen so konkretisiert sind, daß die Vollzugstauglichkeit sichergestellt und unvorhersehbaren Einzelfallentscheidungen der Immissionsschutzbehörde vorgebeugt ist. Hiergegen spricht jedoch folgendes: Der Rechtsgrundverweis auf die in § 6 Abs. 1 und § 7 KrW-/AbfG abschließend geregelten Verordnungsermächtigungen hat nicht allein zur Konsequenz, daß stoffbezogene Anforderungen für die anlageninterne Verwertung nur zum Tragen kommen, wenn sie überhaupt in einer Rechtsverordnung festgelegt worden sind. Vielmehr beschränkt der Verweis auch die der Art nach möglichen stoffbezogenen Anforderungen auf diejenigen, die in § 6 Abs. 1 oder § 7 KrW-/AbfG vorgesehen sind. Aus § 9 S. 3 KrW-/AbfG folgt mithin nicht allein das Erfordernis einer Konkretisierung durch Rechtsverordnung, sondern gleichzeitig auch eine Eingrenzung der möglichen Inhalte. Dieser materielle Gehalt des § 9 S. 3 KrW-/AbfG verbietet es, entgegen dem Wortlaut der Norm auch solche stoffbezogenen Anforderungen zur Anwendung kommen zu lassen, die allein in einer auf § 57 KrW-/AbfG gestützten Verordnung geregelt sind. Der Geltungsbereich des § 9 S. 3 KrW-/AbfG ist jedoch auf Anforderungen nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz beschränkt. Daher bleibt es möglich, EG-rechtliche Vorgaben, die ihrer Art nach auch auf die anlageninterne Verwertung Anwendung fmden, durch eine Rechtsverordnung nach § 7 BImSchG umzusetzen, da die anlageninterne Verwertung Teil des Anlagenbetriebs ist. § 7 Abs. 1 BImSchG ermöglicht es, die Anforderungen der Grundpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG zu konkretisieren. 683 § 7 Abs. 4 BImSchG erlaubt darüber hinaus die Umsetzung von EG-Richtlinien, auch soweit die darin enthaltenen Vorgaben nicht die Grundpflichten nach § 5 BImSchG ausgestalten. Soweit also EG-rechtliche Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung über § 6 Abs. 1 und § 7 KrW-/AbfG nicht ausreichend umgesetzt werden können, ist es erforderlich, eine Verordnung zur Umsetzung der Vorgaben nicht nur auf § 57 KrW-/AbfG zu stützen, sondern zugleich, soweit es um den Bereich der anlageninternen Verwertung geht, auf § 7 BIrnSchG. Die Beschränkung der möglichen stoffbezogenen Anforderungen auf solche, die in einer Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 1 oder § 7 KrW-/AbfG geregelt werden können, hat endlich zur Konsequenz, daß die Vorgabe des § 5 Abs. 2 S. 3 KrW-/AbfG im Bereich der anlageninternen Verwertung nicht oder doch zumindest nur sehr begrenzt zum Tragen kommen kann. Eine eigene Ermächtigungsgrundlage zur Konkretisierung der Anforderungen, die sich aus dem Gebot der Hochwertigkeit der Verwertung für einzelne Abfallarten ergeben, ent-

683

Jarass, BImSehG, § 7 Rn. 6; GK-BlmSchG/Roßnagel, § 7 Rn. 87 f.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoffbezogener Pflichten

297

hält § 7 KrW-/AbfD nicht. Eine Mitberücksichtigung im Rahmen der anderen Verordnungsennächtigungen dürfte nur ausnahmsweise und dann auch nur punktuell möglich sein.

2. Anlageninterne Verwertung

§ 9 S.3 KrW-/AbfD verleiht der Frage gesteigerte praktische Bedeutung, welche Vorgänge der anlageninternen Verwertung zuzurechnen sind und welche bereits anlagenextern erfolgen. Von Interesse ist die Klärung dieser Frage darüber hinaus aber auch deswegen, weil die anlageninteme Verwertung allein der Grundpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG und damit dem ausschließlichen Zugriff der Immissionsschutzbehörden unterliegt. Im Zusammenhang mit der anlageninternen Kreislauffiihrung sind die Bestimmungen, die den Umfang einer genehmigungsbedürftigen Anlage festlegen, bereits näher dargestellt worden. 684 Der in der 4. BImSchV geregelte umfängliche Anlagenbegriffmuß auch im Rahmen des § 9 S.3 KrW-/AbfD zugrunde gelegt werden. Dies folgt aus der Zielsetzung der Vorschrift, Einzelfallentscheidungen der Immissionsschutzbehörde im Hinblick auf den Produktionsbetrieb der genehmigungsbedürftigen Anlage vorzubeugen und so eine Überfrachtung des Genehmigungsverfahrens vorzubeugen. Prüfungsgegenstand des Genehmigungsverfahrens ist jedoch die Anlage, wie sie durch § 3 Abs. 5 BImSchG und § 1 der 4. BImSchV in gegenständlicher und räumlicher Hinsicht umschrieben wird. Die Übernahme des umfänglichen Anlagenbegriffs der 4. BImSchV wirft verschiedene Probleme auf: Zunächst gilt die 4. BImSchV nur für genehmigungsbedürftige Anlagen. Durch eine Verordnung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG kann der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG und damit auch des § 9 S. 3 KrW-/AbfD auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen erstreckt werden. Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen fehlt es aber an einer gesetzlichen Festlegung des Anlagenurnfanges. § 3 Abs.S BImSchG ist insoweit unergiebig. 68s Bisher war die Frage des Umfanges einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage nur im Zusammenhang mit der Abgrenzung zur genehmigungsbedürftigen Anlage praktisch relevant. Nunmehr macht es § 9 S. 3 KrW-/AbfD erforderlich, auch bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen den Anlagenumfang zu bestimmen. Als Lösung ist an eine analoge Anwendung von § 1 Abs.2 - 4 der 4. BImSchV zu denken. De lege ferenda erscheint es möglich und sinnvoll, in der entsprechenden Rechtsverordnung nach

684 685

Oben eIl a) aa) (2). Vgl. Henkel, Anlagenbegriff, S. 147.

298

2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

§ 22 Abs. I S. 2 BImSchG zugleich eine Festlegung des Anlagenumfanges vorzunehmen. 686 Auf der Grundlage der 4. BImSchV ist somit die Frage zu beanworten, welche Einrichtungen, in denen Abfalle aus einer bestimmten Anlage verwertet werden, noch dem internen Bereich dieser Anlage zuzuordnen sind. Zur genehmigungsbedürftigen Anlage zählt nach nach § lAbs. 2 Nr. I der 4. BImSchV zunächst die Haupteinrichtung. Diese umfaßt alle Anlagenteile und Verfahrensschritte, die zum Betrieb, d. h. i.d.R. zur Erreichung des im Anhangs der 4. BImSchV gekennzeichneten Anlagenzweckes notwendig sind. Insbesondere bei Anlagen der chemischen Industrie ist dieser Zweck relativ weit gefaßt (Nr. 4.1: Anlagen zur fabrikmäßigen Herstellung von Stoffen durch chemische Umwandlung). Dies gibt Anlaß zu der Frage, ob eine Einrichtung, die bestimmte Rückstände aus vorangegangenen Prozeßschritten verwertet, noch Bestandteil der auf Erreichung des Anlagenzwecks i. S. d. Nr. 4.1 gerichteten Haupteinrichtung ist. Wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt, soll jedoch gerade nicht der gesamte Fabrikkomplex, in dem eine Vielzahl einzelner Produktionsanlagen zusammengefaßt ist, begriffsnotwendig eine Anlage darstellen. 687 Anlage ist demnach grundsätzlich die einzelne Produktionseinrichtung. 688 Unter den Voraussetzungen des § lAbs. 3 der 4. BImSchV können allerdings mehrere Einrichtungen eine gemeinsame Anlage darstellen, was bei Anlagen derselben Sparte die Bildung größerer Komplexe erlaubt.689 Es muß sich allerdings um ,,Anlagen derselben Art" handeln. Als gleichartig sind zwar grundsätzlich alle Anlagen anzusehen, die unter die gleiche Nummer des Anhangs fallen, unabhäng~ von unterschiedlichen Buchstaben und der Auffiihrung in Spalte I oder 2.6 Abweichungen hiervon können sich aber mit Blick auf die Anlagentechnik und die verursachten Emissionen rechtfertigen. Fallen Anlagen unter die gleiche Nummer des Anhangs, unterscheiden sich aber Emissionen und sonstige Risiken in erheblichem Maße, sind sie einer gemeinsamen Betrachtung nicht zugänglich. 691 Daher reicht der Verbundbetrieb

Dazu oben C 11 2. Vgl. Die Begründung der Bundesregierung zu § 2 Nr. 17 der bis 1985 gültigen Fassung der 4. BlmSchV, BR-Drs. 650174, S. 9; Ludwig, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 4. BlmSchV, AnhangNr. 4.1; vgl. auch Führ, Sanierung, S. 126. 688 Ludwig, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 4. BlmSchV, Anhang Nr. 686 687

4.1. 689 Ludwig, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 4. BlmSchV, Anhang Nr. 4.1; Führ, Sanierung, S. 125 f. Vgl. auch das noch zu § 2 Nr. 17 der 4. BlmSchV 1975

ergangene Urteil BVerwGE 69, 351/356. 690 Jarass, NVwZ 1995, 533; a. A. teilweise Henkel, Anlagenbegriff, S. 124, der grundsätzlich verlangt, daß auch die gleiche Alternative innerhalb einer Nummer gegeben ist. 69\ Jarass, NVwZ 1995, 533; ähnlich c.-P. Martens, Wesentliche Änderung, S. 113.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoffbezogener Pflichten

299

verschiedener chemischer Anlagen, bei dem der Abfall der einen Anlage Einsatzstoff einer anderen Anlage ist, alleine nicht, um diese zu einer gemeinsamen Anlage zu rnachen. 692 Allerdings dürfte in solchen Fällen der Verbundproduktion regelmäßig zunächst die vorgelagerte Frage aufgeworfen sein, ob es sich um Abfall oder ein Zwischenprodukt handelt. Der Umfang der genehrnigungsbedürftigen Anlage erstreckt sich ferner auf Nebeneinrichtungen. Einrichtungen zur Abfallentsorgung werden häufig als Beispiele für Nebeneinrichtungen genannt,693 wobei aber unklar bleibt, welche Einrichtungen im einzelnen hiermit gemeint sind. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 4. BlmSchV ist zunächst maßgebend, ob die Einrichtung eine untergeordnete, dienende Funktion im Verhältnis zur Haupteinrichtung hat. 694 Eine solche dienende Funktion wird regelmäßig dann verneint, wenn die zu beurteilende Einrichtung aufgrund ihrer technischen und betrieblichen Organisation sowie nach Größe und Umfang eine verselbständigte Einrichtung darstellt, was insbesondere für zentrale Einrichtungen und Lagerplätze angenommen wird, die eine Vielzahl von Anlagen versorgen. 69S Gleiches muß aber für Entsorgungseinrichtungen gelten: Zentrale Zwischenlager oder Abfallbehandlungseinrichtungen stellen daher keine Nebeneinrichtungen zu einer oder einzelnen Anlagen dar, wenn sie aufgrund der oben genannten Kriterien mit den Anlagen, deren Abfälle entsorgt werden, lediglich in einem mit einem Fremdbezug vergleichbaren Verbund stehen. Ferner setzt eine dienende Funktion voraus, daß die Nebeneinrichtung auf den primär verfolgten Betriebszweck der Haupteinrichtung hin ausgerichtet ist. 69 Zweifelhaft erscheint die auf den Produktionszweck der Haupteinrichtung bezogene Funktion dann, wenn in der Einrichtung die Verwertung selbst durchgeführt wird, die Abfälle also zu einem neuen Nutzungszweck aufbereitet werden. Das OVG Münster hat es in einer Entscheidung aus dem Jahre 1986697 abgelehnt, landwirtschaftliche Flächen, auf denen Gülle aus einem Schweinernastbetrieb als Dünger verwertet wurde, dem Schweinernastbetrieb als Nebeneinrichtung zuzurechnen. Es fehle, so das OVG, an einer Unterordnung unter

692

Ludwig, in: Feldhaus, Bundesirnmissionsschutzrecht, 4. BImSchV, Anhang Nr.

4.l. 693 Feldhaus, in: ders., Bundesirnmissionsschutzrecht, § 4 Anm.24; Ludwig, in: Feldhaus, Bundesirnmissionsschutzrecht, 4. BImSchV, § 1 Anm. 13; Hansmann, in: LandmannJRohmer, 4. BImSchV § 1 Rn. 19; Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 45. 694 BVerwGE 69, 3511355; Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 39. 695 Henkel, Anlagenbegriff, S. 117 f.; Marburger, Massenstromwerte, S. 42; vgl. auch BVerwGE 69,3511356. 696 BVerwGE 69, 3511355; Henkel, Anlagenbegriff, S. 117; Hansmann, in: LandmannJRohmer, 4. BImSchV § 1 Rn. 15. 697 NVwZ 1987, 146 ff.

300

2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

den Betriebszweck des Mastbetriebes.698 Das Ausbringen von Mist sei keine spezifische Folge der Errichtung eines Stalles. Es könne vielmehr unabhängig von Standort und Ausgestaltung des Stallgebäudes je nach den wechselnden betrieblichen Bedürfnissen an verschiedenen Orten erfolgen. 699 Es handele sich daher bei der Nutzung der Gülle als Dünger um eine Verwertung außerhalb der Anlage. 700 Diese Erwägungen greifen auch, wenn Abfälle aus einer genehmigungsbedürftigen Anlage als Einsatzstoffe in einem neuen Produktionsstrang Verwendung fmden. Der Einsatz von Abfällen, um aus ihnen Sekundärrohstoffe zu gewinnen oder sie für den ursprünglichen oder einen neuen Nutzungszweck aufzuarbeiten, weist grundsätzlich keine spezifische Bindung an die Anlage auf, in der die Abfälle entstehen, sie kann unabhängig von Standort und Ausgestaltung der Produktionsanlage je nach den betrieblichen Bedürfnissen an verschiedenen Orten erfolgen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Stoffe wieder in dem Prozeß eingesetzt werden sollen, aus dem sie stammen, etwa als Beimischung zum Produkt oder als Brennstoff. 701 Werden aber die Abfälle zu eigenständigen Produkten weiterverarbeitet, wird mit einer solchen Einrichtung nicht mehr der Produktionszweck der Haupteinrichtung gefördert, sondern vielmehr ein eigenständiger primärer Produktionszweck verfolgt. Anderenfalls könnte sich bei den oben erwähnten Chemieanlagen die Frage überhaupt nicht stellen, unter welchen Voraussetzungen bei einer Verbundproduktion, bei der der Abfall der einen Anlage Einsatzstoff einer anderen Anlage ist, eine gemeinsame Anlage vorliegt: Die Produktionsanlage der folgenden Stufe wäre bereits eine der Abfallverwertung dienende Nebeneinrichtung zur Anlage der vorangegangenen Produktionsstufe. Daß derartige Verbundanlagen nicht von vorneherein als eine Anlage behandelt werden,702 spricht für die Richtigkeit der hier vorgenommenen Unterscheidung. Daher wird man zwar beispielsweise die Zumischung des Filterstaubes der Drehrohrofenentstaubung des Zementwerkes in den Klinker703 noch als anlageninternen Vorgang zu werten haben, da eine

OVG Münster, NVwZ 1987, 147. OVG Münster, NVwZ 1987, 147. 700 OVG Münster, NVwZ 1987, 147. 701 Erinnert sei aber daran, daß es auf diese Gesichtspunkte erst dann ankommen kann, wenn zuvor zum einen festgestellt worden ist, daß ein Stoff oder Gegenstand angefallen ist, was in der Regel erst dann der Fall ist, wenn der einzelne ProduktionspTozeß beendet ist bzw. der Stoff nicht mehr zweckentsprechend im Prozeß eingesetzt wird; dazu oben in 1. Teil unter E 11 2 a) und E 11 4. Zum anderen liegt im Falle einer Kreislaufftihrung der Einsatz- oder Hilfsstoffe ohnehin keine Verwertung, sondern nach § 4 Abs. 2 KTW-/AbfG eine Vermeidung vor. 702 Ludwig, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 4. BImSchV, Anhang NT. 4.1; vgl. auch Führ, Sanierung, S. 216. 703 So ein Beispiel des LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff.1.4.1. 698

699

D. Die Verzahnung anlagen- und stoflbezogener Pflichten

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Einbindung in das Produkt der Haupteinrichtung erfolgt. Gleiches gilt, wenn flüssige Abfalle genutzt werden, um durch Verbrennung die fiir den Produktionsprozeß erforderliche Energie bereitzustellen. Werden dagegen schwermetallhaltige Stäube in ein zusätzliches Produkt eingebunden, beispielsweise Kunststoffzaunpfahle, 7IM so dient die Produktion der Zaunpfahle nicht mehr dem Prozeß, in dem die Schwermetalle entstanden sind. Dagegen ist die auf den primären Produktionszweck bezogene Funktion fiir solche Einrichtungen grundsätzlich zu bejahen, die die angefallenen Abfalle zum Zwecke der Zwischenlagerung bis zur weiteren Verwendung oder Weitergabe an Dritte aufnehmen. Gleiches gilt rur Einrichtungen, die notwendig sind, um die Abfalle transportfahig zu machen. Diese Einrichtungen sind nicht unabhängig vom Standort und Ausgestaltung der Anlage, sondern befmden sich notwendig am Ort des Abfallanfalls. Voraussetzung fiir eine Zurechnung der Verwertungseinrichtung ist ferner, daß ein räumlicher und betriebstechnischer Zusammenhang besteht. 705 Schließlich muß die Nebeneinrichtung nach § 1 Abs.2 Nr. 2 der 4. BImSchV fiir den Immissionsschutz oder im Hinblick auf sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen von Bedeutung sein.706 Die Bedeutung fiir die Errullung der Pflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG reicht dagegen nicht aus. 707

IV. Bindung der Abfallbehörden durch die Entscheidungen der Immissionsschutzbehörden Die bisherigen Überlegungen hatten das Problem einer direkten Normenkonkurrenz zwischen immissionsschutzrechtlichen und abfallrechtlichen Pflichten zum Gegenstand sowie die Frage, wieweit die materiellen Maßstäbe des Abfallrechts zur Beurteilung der Ordnungsgemäßheit und Schadlosigkeit einer Verwertung auch im Immissionsschutzrecht Beachtung fmden. Ein dritter Berührungspunkt ergibt sich daraus, daß die Immissionsschutzbehörde bereits im Genehmigungsverfahren und damit weit im Vorfeld des Anfalls der Produktionsabfalle zu beurteilen hat, ob die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung eines bestimmten Abfalls möglich ist. Bedeutung hat dies in zweierlei Hinsicht. Nur dann, wenn die durch den Betrieb der Anlage verursachten Abfalle ordnungsgemäß und schadlos verwertet werden können, entfallt die Pflicht zur Vermeidung der Abfalle. Ferner ist eine Beseitigung der Abfalle

704

Vgl. das Beispiel bei Jarass, Reststoffvermeidung und Reststoffverwertung,

S.83. Dazu oben eIl a) aa) (2). Oben eIl a) aa) (2). 707 Oben eIl a) aa) (2).

70S

706

302

2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

nicht zulässig, solange eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung verlangt werden kann. Der Anlagenbetreiber muß daher im Genehmigungsverfahren die in § 4c der 9. BImSchV genannten Angaben machen, aus denen u. a. ersichtlich sein muß, welche Möglichkeiten zur Verwertung der beim geplanten Betrieb anfallenden Abfälle ihm zur Verfügung stehen und warum eine weitergehende Verwertung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Darüber hinaus werden in Verwaltungsvorschriften Angaben zur chemischen Zusammensetzung, ~hysi­ kalischen Beschaffenheit und Menge der einzelnen Abfallarten verlangt. 08 Zu jeder Abfallart, deren Verwertung geplant ist, muß der Anlagenbetreiber den genauen Verwendungszweck angeben. Soweit die Verwertung in einer Anlage erfolgt, muß diese unter Angabe des Standortes, der Art und des Betreibers bezeichnet werden. Darüber hinaus müssen die Grundzüge des Verfahrens und die Art der Verwertung beschrieben werden. Weiterhin ist eine Bestätigung der für die Verwertungsanlage zuständigen Überwachungsbehörde beizufügen, daß der Einsatz ordnungsgemäß und schadlos erfolgen kann. Schließlich muß der Zeitraum, während dessen die Verwertung sichergestellt ist, angegeben werden. Durch die Vorlage geeigneter Unterlagen, z. B. von Abnahmeverträgen, muß nachgewiesen werden, daß die Anlage, in der die Verwertung erfolgen soll, ausreichende Kapazitäten besitzt und für die Verwertung zur Verfügung steht. 709 Die Erteilung der Genehmigung erfolgt also auf der Grundlage bereits recht detaillierter Angaben des Anlagenbetreibers zu dem für die einzelne Abfallart vorgesehenen Entsorgungsweg. Die Genehmigung kann nur erteilt werden, wenn die Genehmigungsbehörde aufgrund der vom Anlagenbetreiber vorgelegten Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, die konkret vorgesehene Verwertung genüge den Anforderungen der Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit. Dies gilt auch dann, wenn die Verwertung anlagenextern erfolgen soll. Andererseits ist die Durchführung der anlagenexternen Entsorgung weder Gegenstand der Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG noch wird sie durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gestattet. 710 Sie unterliegt vielmehr der Steuerung und Kontrolle durch die Abfallbehörden. 71I Die vom Anlagenbetreiber für die Durchführung der externen Verwertung einzuholen708 Vgl. LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 11.2; ebenso nunmehr LAI, Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG n. F., Ziff. 6.2.1; dazu auch Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 145 f. 709 LAI, Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG n. F., Ziff. 6.2.4. 710 0VG Münster, NVwZ 1987, 148; Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 4 Anm. 36; i. E. auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 128; Paetow, in: Kunig/PaetowNersteyl, § 9 Rn. 8. 711 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 126.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoflbezogener Pflichten

303

den Gestattungen712 - insbesondere die Entsorgungsbestätigung nach § 5 Abs.2 Nachwy 713 oder die Notiflzierung nach der EG-Abfallverbringungsverordnung - werden von der Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG nicht erfaßt. 714 Dies dürfte schon daraus folgen, daß es sich bei der Yerbringung und externen Entsorgung von Abfällen um bloße Folgernaßnahmen des Anlagenbetriebes handelt, die außerhalb der Anlage stattfmden, aber nicht die Nutzung der Anlage selbst betreffen. 715 Erst recht umfaßt die Genehmigung für die erzeugende Anlage im Regelfalf 16 nicht Gestattungen, die für die Errichtung und den Betrieb der Anlagen erforderlich sind, in denen die Abfälle verwertet werden.

1. Bindung der Abfallbehörden an die Beurteilung der externen Verwertung durch die Immissionsschutzbehörde

Dies führt zu der Frage, ob die Abfallbehörden zumindest an die Beurteilungen gebunden sind, die die Immissionsschutzbehörde bei der Erteilung der Anlagengenehmigung zugrundegelegt hat. Eine derartige Bindungswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wird zum Teil bejaht. Nach Ansicht von Fluck ist der durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gezogene vorbeugende immissionsschutzrechtliche Rahmen auch für die nachfolgende Überwachung der externen Entsorgung durch die Abfallbehörden 712 Die Pflicht zur Einholung einer Transportgenehmigung trifft demgegenüber nicht den Anlagenbetreiber als Abfallerzeuger, sondern vielmehr das von ihm beauftragte Transportunternehmen, so daß es hier von vorneherein nicht zu einer Konkurrenz mit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung kommen kann; unklar Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 128 ("bleiben üblicherweise unberührt"). Der Transport eigener Abfälle ist demgegenüber nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz genehmigungsfrei, vgl. Locher, DVBI. 1997, 146 f. Zudem handelt es sich um eine Personalgenehmigung, die von § 13 BImSchG gerade nicht erfaßt wird; vgl. Rebentisch, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 13 Rn. 52. 713 Die Bestätigung der Behörde nach § 5 Abs. 2 NachwV ist zumindest in der Sache einer Genehmigung für die Entsorgung vergleichbar. Demenstprechend bezeichnen etwa Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 11 Rn. 16 die Bestätigung auch als Entsorgungsgenehmigung. 714 Jarass, BImSchG, § 13 Rn. 5; SchmatzINöthlichs, Immissionsschutz, BImSchG § 13 Anm.3 a) Nr.7; i. E. ebenso Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 128. 715 Vgl. hierzu Fluck, in: Ule/Laubinger, BImSehG, § 13 Rn. D 37 für die Gewässernutzung. Die hiergegen geltend gemachten Bedenken (vgl. Seibert, in: LandmannIRohmer, § 13 Rn. 115; Kaster, Immissionsschutzrechtliche Genehmigung, S. 82 f) dürften jedenfalls auf den Bereich der Abfallentsorgung nicht übertragbar sein. Vgl. allerdings auch Jarass, BImSehG, § 13 Rn. 5, der die Entsorgungsnachweise als reine Betriebsgenehmigungen von der Konzentrationswirkung ausnehmen will. 716 Es sei denn, es handelt sich ausnahmsweise um Nebeneinrichtungen.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

mitbestimmend. 717 Eine Bindung bestehe grundsätzlich gegenüber dem Abfallerzeuger und erfasse die Beurteilung, welche Anforderungen an die Verwertung und Beseitigung des im Genehmigungsverfahren nach Art, Zusammensetzung und Menge konkret zugrundegelegten Abfalls zu stellen seien. 718 Darüber hinaus soll die Bindungswirkung auch Maßnahmen gegenüber Dritten entgegenstehen, wenn diese "behördlicherseits zur Umgehung der Bindung gegenüber dem Anlagenbetreiber gewählt" würden. 719 Bereits fiir § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. hat Jörgensen die Ansicht vertreten, die Abfallbehörden seien bei der Anwendung des Entsorgungsnachweisverfahrens fiir Reststoffe nach der Abfall- und Reststoff-Überwachungsverordnung an die Beurteilung der Umweltverträglichkeit des Verwertungsvorganges durch die Immissionsschutzbehörde gebunden. 720 Das Problem der Bindungswirkung von Verwaltungsakten hat, insbesondere im Zusammenhang mit der Frage der fachbehördlichen Entscheidungskompetenzen bei parallelen Genehmigungsverfahren, seit einiger Zeit verstärkte Beachtung gefunden. 721 Bindungswirkung meint in diesem Zusammenhang nicht nur die Bindung der erlassenden Behörde an die eigene Entscheidung, sondern auch - und im vorliegenden Zusammenhang vor allem - die Bindung anderer Behörden. 722 Als gesichert darf gelten, daß die Bindungswirkung, die ein Verwaltungsakt für andere Behörden entfaltet, nicht weiter reichen kann als sein Regelungsgehalt. 723 Das eigentliche Problem liegt damit in der Frage, wie der Regelungsinhalt zu bestimmen ist. 724 Ausgangspunkt ist die Notwendigkeit, zwischen der Regelung und den ihr zugrundeliegenden Erwägungen, den Gründen, zu differenzieren. 725 Zum Inhalt der Regelung gehört jedenfalls der verfügende Teil des Verwaltungsaktes. 726 Daneben kann zum Regelungsgehalt aber

717 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 126; ders., DVBl. 1997,470; zustimmend Paetow, in: KunigIPaetowNersteyl, § 9 Rn. 16. 718 Fluck, in: ders., Kreis1aufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 127. 719 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 127. 720 Jörgensen, Reststoffvenneidungs- und Verwertungsgebot, S. 56 f. 721 Vgl. nur Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, 1984; Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1989; Gaentzsch, NJW 1986,2787; PaulylLützeler, DÖV 1995, 545; Kaster, Das Verhältnis von immissionsschutzrechtlicher Genehmigung und wasserrechtlicher Erlaubnis, 1996. 722 Vgl. Jarass, Konkurrenz, S.69 ff.; Seibert, Bindungswirkung, S.63 f, 259; Gaentzsch, NJW 1986, 2790. 723 Gaentzsch, NJW 1986, 2790; Seibert, Bindungswirkung, S. 302 f.; Kaster, Immissionsschutzrechtliche Genehmigung, S. 57. 724 Seibert, Bindungswirkung, S. 304. 125 ErichseniKnoke, NVwZ 1983, 190. 726 Gaentzsch, NJW 1986,2791; Seibert, Bindungswirkung, S. 308 f, spricht von der "Hauptfrage"; vgl. auch Jarass, Konkurrenz, S. 70 ff.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoffbezogener Pflichten

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nach ganz überwiegender Meinung auch die verbindliche Regelung von Vorfragen gehören. 727 So kann nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes verbindlich festgestellt sein, daß bestimmte Voraussetzungen für den Erlaß des Verwaltungsaktes, etwa bestimmte Genehmigungsvoraussetzungen, vorliegen. 728 Andererseits darf hieraus aber nicht der Schluß gezogen werden, jede Beurteilung von Genehmigungsvoraussetzungen zähle zum Regelungsgehalt und habe daher an der Bindungswirkung teil. 729 Nicht alles, was Gegenstand der Sachprufung ist, wird auch Gegenstand der erteilten Genehmigung.730 Inwieweit die Feststellung bestimmter Vorfragen zum Regelungsgehalt eines Verwaltungsaktes zählt, ist anband des objektiven Erklärungsgehaltes der betreffenden Genehmigung durch Auslegung zu ermitteln. 731 Eine wichtige Rolle spielt hierbei die gesetzliche Regelung, die durch den Verwaltungsakt auf den Einzelfall angewandt wird. Im Normalfall ist der im Verwaltungsakt an~estrebte Regelungsinhalt mit dem vom Gesetz vorgegebenen gleichzusetzen. 32 Von Bedeutung ist hierbei insbesondere die Frage, wieweit das Gesetz der Behörde eine Kompetenz zur Sachregelung verleiht. 733 Allerdings kann im konkreten Einzelfall die Behörde mehr oder auch weniger geregelt haben, als sie dies nach der zugrundeliegenden gesetzlichen Regelung durfte. 734

727 Seibert, Bindungswirkung, S. 308 ff.; Gaentzsch, NJW 1986,2791; für die Möglichkeit einer Bindung auch an Feststellungen Jarass, Konkurrenz, S. 72; vgl. ferner Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 191; kritisch M. Wagner, Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben, S. 193,215 ff. 728 Gaentzsch, NJW 1986,2791; Seibert, Bindungswirkung, S. 308 ff.; Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 4 Anm. 36. 129 Gaentzsch, NJW 1986,2790 f.; Seibert, Bindungswirkung, S. 313, 322 f, 396. 730 BVerwG, NVwZ 1986,208/216; OVG Münster, NVwZ 1987, 148; Gaentzsch, NJW 1986,2794; Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 8; Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 4 Anm. 36; Fluck, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 13 Rn. C 17; Seibert, DVBI. 1986, 1279. Die gegenteilige Auffassung, was geprüft werde, werde auch entschieden (Kaster, ImmissionsschutzrechtIiche Genehmigung, S. 59; vgl. ferner die Nachweise bei Seibert, DVBI. 1986, 1279, Fn. 10), ist in dieser Allgemeinheit offensichtlich unzutreffend. So ist etwa Voraussetzung für die Ernennung zum Beamten, daß der Betreffende Deutscher i. S. des Art. 116 GG oder Angehöriger eines anderen EGMitgliedstaates ist (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 BBG). Durch die Ernennung zum Beamten wird gleichwohl nicht mit Bindungswirkung auch für andere Behörden festgestellt, daß der Ernannte diese Voraussetzungen erftillt. Es handelt sich vielmehr um eine Vorfrage, deren Beurteilung nicht zum Regelungsinhalt gehört. 731 BVerwGE 84, 220/229; Seibert, Bindungswirkung, S.315; Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 190 f. 732 Vgl. Seibert, Bindungswirkung, S.318 f.; ders., DVBI. 1986, 1278; Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 191. 733 Gaentzsch, NJW 1986, 1986,2793; vgl. ferner OVG Münster, NVwZ 1987, 148: Es könne nicht angenommen werden, daß die Behörde außerhalb ihrer Regelungskompetenz eine Entscheidung treffen wolle. 734 Seibert, Bindungswirkung, S. 317 f.

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Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung beinhaltet zunächst die Gestattung des Vorhabens. 735 Sie beseitigt in ihrem verfügenden Teil das mit dem Genehmigungsvorbehalt verbundene grundsätzliche Errichtungs- und Betriebsverbot. 736 Die Gestattung bezieht sich aber nicht umfassend auf die Durchfiihrung des gesamten Vorhabens, sondern allein auf die Errichtung und den Betrieb der Anlage. Speziell für § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG hat das OVG Münster in dem bereits erwähnten Urteil vom 23. Januar 1986 festgestellt, durch die Anlagengenehmigung werde eine bestimmte Form der Abfallentsorgung - im entschiedenen Fall die Ausbringung von Gülle aus einem Schweinemastbetrieb auf die umliegenden landwirtschaftlichen Flächen - nicht gestattet, wenn diese außerhalb der Anlage erfolge. 737 Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, daß dem Anlagenbetreiber durch Auflagen zum Genehmigungsbescheid bestimmte Vorgaben für die Gülleausbringung gemacht worden seien. Nach § 12 Abs. 1 BImSchG könnten sämtliche Nebenbestimmungen festgesetzt werden, die erforderlich seien, um die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Dies bedeute aber nicht, daß das angeordnete Verhalten auch gleichzeitig genehmigt worden sei. 738 Dies bestätigt zunächst die bereits oben getroffene Feststellung, daß die für die Durchführung der anlagenexternen Verwertung erforderlichen Gestattungen durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht nach § 13 BImSchG ersetzt werden. Der verfügende Teil der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bezieht sich allein auf die Errichtung der Anlage und deren Nutzung, den Betrieb. Eine Gestattung von Vorgängen außerhalb der Anlage spricht die Genehmigung dagegen nicht aus. Eine Bindung der Abfallbehörden kann sich daher nur daraus ergeben, daß mit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auch V orfragen verbindlich entschieden werden, die die anlagenexterne Entsorgung der Abfälle betreffen. 739 Vielfach wird angenommen, die Genehmigung stelle bindend fest, die Anlage entspreche im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung den für sie geltenden immissionsschutzrechtlichen Anforderungen i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. 740 Des weiteren soll die Genehmigung auch die bindende Feststellung enthalten, daß andere öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb nicht entgegenstehen. Diesbezüglich erstreckt sich der Rege-

Jarass, BImSehG, § 6 Rn. 25; Seibert, Bindungswirkung, S. 447. Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 25; Kutscheidt, in: LandmannIRohmer, vor § 4 Rn. 18. 737 NVwZ 1987, 148; zustimmend Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 4 Anm. 36. 738 VgJ. auch BVerwGE 69, 351/357. 739 In diesem Sinne dürften die oben dargesteIlen SteIlungnahmen von Fluck und Jörgensen zu verstehen sein. 740 Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 4 Anm. 36; i. E. ähnlich Seibert, Bindungswirkung, S. 447. 735

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lungsgehalt aber nur auf den Bereich, der von der Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG erfaßt wird. 74I Soweit dagegen nach § 6 Abs. 1 Nr.2 BImSchG im Genehmigungsverfahren auch solche öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu prüfen sind, die nicht von der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG erfaßt werden,742 gehört deren Beurteilung nicht zum Regelungsgehalt der Anlagengenehmigung. Die Genehmigung kann daher insoweit auch keine Bindungs. kung h ab en. 743 WIr Aber auch solche Vorfragen, die bei der Prüfung der spezifisch immissionsschutzrechtlichen Anforderungen i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu beurteilen sind, müssen nicht notwendig als Inzidentfeststellungen an der Bindungswirkung der Genehmigung teilhaben. Die Genehmigung bezieht sich nach § 4 Abs. 1 BImSchG allein auf die Errichtung und den Betrieb der räumlich-gegenständlichen Anlage. 744 Dagegen können auch Einrichtungen und Verhaltensweisen, die selbst nicht zur Anlage oder ihrem Betrieb zählen, für die Erfiillung der immissionsschutzrechtlichen Pflichten von Bedeutung und daher im Genehmigungsverfahren zu prüfen sein. 745 Schon dies legt es nahe, daß eine Übereinstimmung mit dem geltenden Recht nur insoweit verbindlich festgestellt wird, wie es die Anlage selbst betrifft. Das oben erwähnte Urteil des OVG Münster nimmt zu dieser Problematik nicht ausdrücklich Stellung, da es fiir die Entscheidung nach Ansicht des Gerichtes allein darauf ankam, ob durch die Anlagengenehmigung zugleich auch zu Lasten der Anwohner eine Ausbringung der Gülle gestattet worden war. Dennoch lassen sich der Entscheidung auch fiir das Problem einer Bindung anderer Behörden außerhalb des gestattenden Teils der Genehmigung Hinweise entnehmen. So hätte sich die Frage gestellt, ob und wieweit etwa die Wasserbehörde bei einer nach § 3 Abs.2 Nr.2 WHG gegebenenfalls erforderlichen Erlaubnis nach § 7 WHG an die Beurteilung der Gülleausbringung durch die Immissionsschutzbehörde gebunden wäre. Das Ausbringen von Dünger ist je-

741 Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 4 Anm. 36; Seibert, in: LandmannJRohmer, § 13 Rn. 120; ders., Bindungswirkung, S. 447; unklar Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 8 einerseits, Rn. 25 andererseits. 742 Str.; dafür Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 8; Fluck, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 13 Rn. C 16 f.; SchmatzlNöthlichs, Immissionsschutz, BImSchG § 6 Anm.2.3.1; a. A. Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 6 Anm.6; StichlPorger, Immissionsschutzrecht, § 6 Anm. 13. 743 Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 8; SchmatzlNöthlichs, Immissionsschutz, BImSchG § 6 Anm. 2.3.1; Fluck, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 13 Rn. C 17; vgl. auch M. Wagner, Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben, S. 227. 744 Vgl. Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 29; Fluck, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 13 Rn. C 63 f.; vgl. auch OVG Münster, NVwZ 1987, 148. 745 BVerwGE 69, 351/357; OVG Münster, NVwZ 1987, 148; i. E. auch Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 4 Anm. 36.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

denfalls dann ein nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG erlaubnispflichtiger Tatbestand, wenn es sich um eine gefährliche746 bzw. gewässerrelevante747 Maßnahme handelt. Insoweit wäre zu erwägen, ob die Bewertung der Immissionsschutzbehörde, es handele sich um eine ordnungsgemäße und schadlose Nutzung der Gülle, für die Wasserbehörde bindend ist oder ob diese die Erforderlichkeit einer wasserrechtlichen Erlaubnis sowie die Genehmigungsfahigkeit der Nutzung unabhängig von der Anlagengenehmigung hätte beurteilen können. Im Zusammenhang mit der Bestimmung der durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung im konkreten Fall getroffenen Regelung merkt das OVG Münster an, es könne nicht angenommen werden, daß die Immissionsschutzbehörde außerhalb ihrer Regelungskompetenz eine Entscheidung treffen wolle. Dies deutet darauf hin, daß das OVG der Ansicht ist, eine verbindliche Klärung der auch für die wasserrechtliche Erlaubnis bedeutsamen V orfragen habe die Immissionsschutzbehörde nicht vornehmen dürfen und daher auch nicht vornehmen wollen. Auch die Möglichkeiten der Abfallbehörden, auf der Grundlage von § 15 AbfG gegen die Gülleausbringung einzuschreiten, bleiben nach Auffassung des Gerichtes unberührt, was aber nicht der Fall wäre, wenn die Genehmigung zwar die Ausbringung nicht unmittelbar gestatteten, aber zugunsten des Anlagenbetreibers zu einer Bindung der Abfallbehörden an die Bewertung der Immissionsschutzbehörde führen würde. Des weiteren geht das Gericht davon aus, daß sich zwar die Sachprüfung im Genehmigungsverfahren auch auf die Gülleausbringung erstreckt habe, die Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen insoweit aber nicht Gegenstand der erteilten Genehmigung geworden seien. Gegenstand der Grundpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ist nach richtiger Auffassung nicht die Verwertung oder Beseitigung selbst, sondern eine Gestaltung der Anlage, die sich an den Anforderungen einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung bzw. gemeinwohlverträglichen Beseitigung der entstehenden Abfälle orientiert. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG steuert in erster Linie die Menge und Qualität der entstehenden Abfälle. Die Durchführung der Entsorgung ist nur ausnahmsweise und insoweit Pflichteninhalt, als sie zum Betrieb der Anlage gehört. Schon dies spricht dafür, daß die Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit einer anlagenexternen Entsorgung zwar als Vorfrage zu prüfen ist, die Genehmigung aber diesbezüglich keine verbindlichen Feststellungen treffen kann. Genehmigungsvoraussetzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ist die Erfüllung der Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSehG. Die Zulässigkeit einer anlagenexternen Entsorgung stellt wiederum nur eine Vorfrage im Hinblick auf die Erfüllbarkeit der Betreiberpflicht dar. Selbst wenn die Feststellung, die Anlage werde im Einklang mit den Anforderungen des § 5 746 747

So Czychowski, WHG, § 3 Rn. 74. Krohn, DVBI. 1986,745.

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Abs. 1 Nr. 3 BImSchG betrieben, zum Regelungsinhalt der Genehmigung gehört, folgt daraus nicht notwendigerweise, daß auch die Beurteilung der weiteren Vorfrage noch zum Inhalt dieser verbindlichen Feststellung zu zählen ist. Bedeutsam ist im vorliegenden Zusammenhang des weiteren, daß die Bindung von Verwaltungsbehörden an Verwaltungsakte anderer Behörden ihre Rechtfertigung zumindest auch im Schutz der Kompetenzzuweisung an die jeweilige Behörde fmdet. 748 Entscheidungen der zuständigen und in der Regel fachkompetenteren und sachnäheren Behörde sollen nicht von einer sachfemeren Behörde negiert und übergangen werden dürfen. 749 Umgekehrt folgt hieraus aber, daß eine Behörde nur insoweit befugt ist, eine verbindliche Re~elung zu treffen, wie sie auch die Kompetenz zur Sachentscheidung besitzt. 75 Wieweit eine Behörde, insbesondere mit Blick auf die Kompetenzen einer andere Behörde, zur Sachentscheidung berechti~t ist, muß durch Auslegung der einschlägigen Normen ermittelt werden. 7 1 Im Grundsatz anerkannt ist, daß die Befugnis einer Behörde zur Sachentscheidung dort ihre Grenze fmdet, wo die Regelung bestimmter Fragen eindeutig in die Regelungskompetenz einer anderen Behörde fällt. 752 Kommt es hinsichtlich der zu prüfenden Voraussetzungen zu Überschneidungen, so ist eine Zuordnung der Sachentscheidungskompetenz dort vergleichsweise unproblematisch, wo Anforderungen in dem einen Fachgesetz ausdrücklich benannt werden, während sie nach dem anderen Fachgesetz nur durch Generalklauseln wie "Wohl der Allgemeinheit" oder "sonstige öffentliche Vorschriften" erfaßt werden. 753 Mehr Schwierigkeiten bereitet die Zuordnung der Sachentscheidungskompetenz, wenn, wie im vorliegenden Fall, die fraglichen Anforderungen in beiden Fachgesetzen enthalten sind. Die Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit der Verwertung stellt eine von den Abfallbehörden im Rahmen der allgemeinen Überwachung sowie im Nachweisverfahren zu prüfende Anforderung dar, ist zugleich aber auch als Vorfrage für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung von der Immissionsschutzbehörde zu beachten. Für die Beantwortung der Frage, welche Behörde für die verbindliche Entscheidung über die externe Verwertung die Entscheidungsbefugnis besitzt, ist

748 Seibert, Bindungswirkung, S. 259 ff.; Knöpj1e, BayVBI. 1982, 228; Fluck, VerwArch 79 (1988) 1988, 413; Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 4. 749 Seibert, Bindungswirkung, S. 261. 7S0 Gaentzsch, NJW 1986, 2792 f. 751 Gaentzsch, NJW 1986,2793 f. 7S2 Gaentzsch, NJW 1986,2793; Fluck, VerwArch 79 (1988), 424 f. 753 Gaentzsch, NJW 1986, 2792, 2794; vgl. dazu auch Jarass, Konkurrenz, S. 32.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Irnrnissionsschutzrecht

es von Ertrag, zunächst einen Blick auf die vergleichbare Problematik bei der Abwasserbeseitigung zu werfen. Dort ergibt sich die Frage, wie die Entscheidungskompetenzen der Immissionsschutzbehörde und der Wasserbehörde im Hinblick auf die Gestattung der Abwassereinleitung abzugrenzen sind. Einerseits nimmt § 13 BImSchG die Erlaubnis nach § 7 WHG ausdrücklich von der Konzentrationswirkung aus, andererseits gilt die Grundpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG auch rur solche Produktionsrückstände, die zugleich den Abwasserbegriff des WHG erfiillen. Die Anlage ist daher so zu errichten und zu betreiben, daß die anfallenden Abwässer im Einklang mit den wasserrechtlichen Anforderungen beseitigt werden können. Über die Zulässigkeit der Einleitung von Produktionsabwässern in ein Gewässer entscheidet jedoch erst die Wasserbehörde in der Einleiteerlaubnis. Gleichwohl muß bereits im immissionsschutzrechtlichen Verfahren geprüft werden, ob eine Einleiteerlaubnis erteilt werden kann. 754 Denn nur in diesem Fall ist eine gemeinwohlverträgliche Beseitigung der Produktionsrückstände als Abwasser möglich. Diese ist aber ihrerseits Voraussetzung fiir die Erfiillung der Grundpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG. Eine Bindung der Wasserbehörde durch die Anlagengenehmigung erfolgt aber nur insoweit, wie es um die grundsätzliche Gestaltung des Produktionsverfahrens geht,755 also hinsichtlich der anlagenbezogenen Aspekte. Dagegen ist die von der Errichtung und dem Betrieb der Anlage zu unterscheidende Handlung der Gewässerbenutzung nicht von der Bindungswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erfaßt. 756 Die von der Immissionsschutzbehörde vorgenommene Prüfung und Beurteilung der Voraussetzungen einer Einleitung der Produktionsabwässer fUhrt somit nicht dazu, daß die Wasserbehörde bei ihrer Entscheidung über die Erteilung der Einleiteerlaubnis vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgehen muß. Obwohl es sich um Anforderungen handelt, die sich aus der Grundpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ergeben, wird die Feststellung, daß diese Voraussetzungen erfiillt sind, jedenfalls rur den Bereich der Abwasserbeseitigung nicht zum Regelungsgehalt der Anlagengenehmigung gezählt. Diese Zuordnung der Sachentscheidungskompetenzen wird mit der Unterscheidung zwischen dem Kem- und dem Randbereich der jeweiligen Behördenkompetenzen begründet. Die Prüfung und Beurteilung wasserwirtschaftli754 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 7 Rn. 57; Kaster, Irnrnissionsschutzrechtliche Genehmigung, S. 311. 755 Kaster, Irnrnissionsschutzrechtliche Genehmigung, S. 338. Dies ist auf dem Hintergrund zu sehen, daß § 7a WHG nicht nur Anforderungen an die Beschaffenheit des einzuleitenden Abwassers gestattet, sondern auch Vorgaben dafür, wie im Produktionsverfahren die einzuhaltenden Grenzwerte zu erreichen sind; vgl. dazu Kaster, Irnrnissionsschutzrechtliche Genehmigung, S. 136 ff. 756 Kaster, Irnrnissionsschutzrechtliche Genehmigung, S. 338, 367; Breuer, Abgrenzung, S. 40 f.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoftbezogener Pflichten

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cher Fragen falle in den Kernbereich wasserbehördlicher Kompetenzen. 7S7 Den Kernbereich der immissionsschutzrechtlichen Entscheidungskompetenz stelle dagegen die Errichtung und der Betrieb der Anlage dar. 758 Die Prüfung der mit einer Anlage verbundenen Gewässerbenutzungen weist allerdings Bezüge zu beiden Aufgabenbereichen auf. Während die Gestattung der Abwassereinleitung aber zum Kern der wasserrechtlichen Kompetenz gehört, stellt die Möglichkeit der Einleitung im immissionsschutzrechtlichen Verfahren nur eine Vorfrage fii.r die Genehmigungsfähigkeit der Errichtung und des Betriebs der Anlage dar. Hinzu kommt, daß die wasserrechtliche Erlaubnis ausdrücklich von der Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG ausgenommen und jedenfalls die Beseitigung im Gewässer ein Vorgang ist, der außerhalb der Anlage erfolgt und nicht mehr zum Betrieb als solchem zählt. Wegen dieses schwächeren Bezuges zum Immissionsschutzrecht sollen die mit der Gewässernutzung verbundenen Fragen nur in den Randbereich der den Immissionsschutzbehörde zugewiesenen Aufgaben fallen. 759 Über Fragen, die dem Randbereich zuzurechnen sind, dürfe eine Behörde dann nicht verbindlich entscheiden, wenn diese dem Zuständigkeitskern einer anderen Behörde angehören. 760 Die Unterscheidung zwischen Kern- und Randbereich ist letztlich eine Richtschnur fii.r die Auslegung der jeweiligen Fachgesetze und dient der Entscheidung darüber, welche von den zur Sachprüfung berufenen Behörden auch zur Sachentscheidung befugt ist. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist, welche Behörde die sachnähere ist. Die gleichen Erwägungen, die gegen eine Bindung der Wasserbehörden sprechen, gelten auch für den Fall der anlagenexternen Abfallentsorgung. § 40 KrW -/AbfG trifft eine klare Aufgabenzuweisung zugunsten der Abfallbehörden. Die Regelung des Umgangs mit Abfällen und dessen Überwachung gehört zum originären Aufgabenbereich der Abfallbehörden. Wie bereits festgestellt, werden die fii.r die anlagenexterne Verwertung benötigten Gestattungen ebensowenig wie die wasserrechtliche Einleiteerlaubnis nach § 13 BImSchG von der Anlagengenehmigung ersetzt. Ferner ist zwar die Steuerung des Anlagenbetriebs im Hinblick auf die anfallenden Abfälle sicherlich zum Kernbereich

757

Kaster, Immissionsschutzrechtliche Genehmigung, S. 80; Breuer, Abgrenzung,

S.38. 758 Kaster, Immissionsschutzrechtliche Genehmigung, S. 81; zu eng dagegen Breuer, Abgrenzung, S. 38, der den Kembereich allein in der Aufgabe des Immissionsschutzes sieht und damit dem Charakter des Bundes-Immissionsschutzgesetzes als umfassendes Industriezulassungsverfahren nicht gerecht wird. 759 Kaster, Immissionsschutzrechtliche Genehmigung, S. 81; Breuer, Abgrenzung, S. 38 f. 760 Henseler, DVBI. 1982, 392, 398; Breuer, Abgrenzung, S. 38; Jörgensen, Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 33; i. E. auch Seibert, Bindungswirkung, S.397.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

des Immissionsschutzrechts zu rechnen. Die Möglichkeit der Entsorgung ausserhalb der Anlage ist für die Anlagengestaltung aber nur mittelbar von Bedeutung, was dafiir spricht, Fragen der anlagenexternen Entsorgung nur dem Randbereich der den Immissionsschutzbehörden zugewiesenen Aufgaben zuzurechnen. Für die erforderliche Zuordnung der Sachentscheidungskompetenz folgt hieraus, daß die nach Immissionsschutzrecht für die Anlagengenehmigung zuständige Behörde nicht befugt ist, Regelungen hinsichtlich der Durchfiihrung der anlagenexternen Entsorgung zu treffen, die für die Abfallbehörden bindend sind. Gegen dieses Ergebnis läßt sich kein Einwand aus dem Umstand ableiten, daß die Abwasserbeseitigung ein Unterfall der Abfallbeseitigung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ist, im vorliegenden Zusammenhang aber vor allem die Frage der Verwertung von Interesse ist. Eine unterschiedliche Beurteilung von Verwertung und Beseitigung ist in der Sache nicht gerechtfertigt. Dies war möglicherweise anders zu beurteilen, solange die Reststoffverwertung grundsätzlich außerhalb des abfallrechtlichen Regimes erfolgte. Denn in diesem Fall fehlte es an einer umfassenden Zuständigkeit der Abfallbehörden für die Durchfiihrung der Verwertung. Nach Inkrafttreten der Neuregelung durch das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen ist dieser Grund jedoch entfallen. Die Verwertung von Produktionsabfällen unterliegt nun in gleichem Maße wie die Beseitigung der Steuerung durch das Abfallrecht. Auch aus der Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG ergeben sich keine Gründe fiir eine unterschiedliche Beurteilung. Zwar unterscheiden sich die an Verwertung und Beseitigung gestellten Anforderungen inhaltlich, von der Struktur der Pflichten her bestehen jedoch keine Unterschiede. Ein weiterer Einwand könnte sich daraus ergeben, daß eine umfassende präventive Prüfung der Entsorgung allein im imrnissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren möglich ist. Der Prüfungsumfang bei der Zulassung von Verwertungsanlagen, der NotifIzierung von Verbringungen sowie der Bestätigung der Entsorgung nimmt dagegen nicht die Erfiillung der Erzeugerpflichten insgesamt in den Blick, sondern nur einzelne Aspekte. So wird insbesondere im Nachweisverfahren die Frage ausgeblendet, ob die Abfälle statt einer Beseitigung einer Verwertung hätten zugefiihrt werden müssen oder ob eine andere Verwertungsoption im Hinblick auf das Gebot der hochwertigen Verwertung vorzuziehen gewesen wäre. 761 Dies könnte dafiir sprechen, eine Bindungswirkung der imrnissionsschutzrechtlichen Genehmigung nur insoweit zu verneinen, wie fiir die anlagenexterne Entsorgung eine anderweitige Genehmigung erforderlich ist,762 jedoch die Beurteilung solcher Fragen, die in den abfall-

761

762

Petersen/Stöhr/Kracht, DVBl. 1996, 1165. Vgl. Fluck, NuR 1989,416.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoflbezogener Pflichten

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rechtlichen Gestattungen keine Berücksichtigung fmden, zum verbindlichen Regelungsgehalt der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu zählen. Der Verzicht auf eine umfassende Prüfung der Erzeugerpflichten bei der Entscheidung über die Bestätigung des Entsorgungsnachweises beruht jedoch allein auf praktischen Erwägungen. Bei der Beratung der Nachweisverordnung im Bundesrat war von Seiten des Umweltausschusses vorgeschlagen worden, die QualifIzierung der Maßnahme als Verwertung oder Beseitigung, die Frage der Hochwertigkeit sowie die Einhaltung einer eventuell bestehenden Vermeidungspflicht im Nachweisverfahren durch die für den Erzeuger zuständige Behörde prüfen zu lassen. 763 Auf diese Weise hätte umfassend festgestellt werden können, daß die Entsorgung im Einklang mit den Pflichten nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz erfolgt. 764 Der Wirtschaftsausschuß sprach sich demgegenüber dafür aus, entsprechend dem Zweck des Nachweisverfahrens, aus der Durchführung der Entsorgung resultierende Gefahren abzuwehren, allein die in der Entsorgungsanlage durchgeführte Maßnahme selbst zum Gegenstand der Prüfung zu machen. 76s Weitergehende Pflichten könnten losgelöst vom Nachweisverfahren ausreichend geprüft und durchgesetzt werden. 766 Befürchtet wurde, daß ansonsten der Entscheidungsprozeß erheblich verzögert werden würde. 767 Hieraus folgt jedoch nur, daß auf eine umfassende Durchsetzung der Erzeugerpflichten mit Hilfe des Instrumentes eines präventiven Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt verzichtet worden ist. Eine Einschränkung der Sachkompetenz der Abfallbehörden zur Durchsetzung der Erzeugerpflicht war dagegen jedenfalls nicht beabsichtigt. Vielmehr läßt die Begründung der Bundesregierung zur Nachweisverordnung erkennen, daß die Einhaltung der im Entsorgungsnachweisverfahren nicht geprüften Gesichtspunkte im Rahmen der allgemeinen Überwachung nach § 40 KrW-/AbfG durch die Erzeugerbehörde oder, soweit es die Frage der Vermeidung betrifft, durch die Immissionsschutzbehörde durchgesetzt werden soll. 768 Teilweise wird angenommen, daß die Entscheidungskompetenz einer Behörde in einem vorhabenbezogenen Genehmigungsverfahren nur durch anderweitige Genehrnigungserfordemisse begrenzt ist, nicht aber durch die Fachkompetenzen anderer Behörden auf Gebieten ohne eigenes Genehmigungserfordernis. 769 Für den vorliegenden Zusammenhang nötigt dies jedoch nicht zu einem

BR-Drs. 356/1196, Nr. 3, S. 3; PetersenlStöhriKracht, DVBI. 1996, 1165. BR-Drs. 356/1196, Nr. 3, S. 4. 765 BR-Drs. 356/1196, Nr. 3, S. 5; PetersenlStöhriKracht, DVBI. 1996, 1165. 766 BR-Drs. 356/1196, Nr. 3, S. 5. 767 PetersenlStöhriKracht, DVBI. 1996, 1165. 768 BR-Drs. 356/96, S. 73; PetersenlStöhriKracht, DVBI. 1996, 1165. 769 Fluck, VerwArch 79 (1988), 426 f.

763

764

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2. Teil: Die Verzahnung von AbfaIIrecht und Immissionsschutzrecht

anderen Ergebnis. Zum einen dürfte sich diese Annahme auf den Fall beschränken, daß das Gesetz ohne Genehmigungsvorbehalt sich auf dasselbe Vorhaben bezieht. Schon diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, da sich die abfallrechtlichen Regelungen nicht auf die immissionsschutzrechtliche Anlage, sondern gerade auf Vorgänge beziehen, die keinen Anlagenbezug mehr haben. Zum anderen wird man eine Begrenzung der Entscheidungskompetenz jedenfalls dann annehmen können, wenn nach der gesetzlichen Regelung deren Vollzug eindeutig einer anderen Behörde zugeordnet ist. Einzuräumen ist, daß ein Genehmigungsvorbehalt zugunsten einer Behörde der deutlichste Hinweis für eine solche Zuweisung ist. Andererseits ist der Genehmigungsvorbehalt lediglich ein mögliches Instrument zur Durchsetzung gesetzlicher Anforderungen. Für den Bereich der Erzeuger- und Besitzerpflichten nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz hat sich der Gesetzgeber nur teilweise für die Begründung einer Genehmigungspflicht entschieden. Teilweise erachtet das Abfallrecht eine Anzeige gegenüber der zuständigen Behörde für ausreichend. 770 Für (einfach) überwachungsbedürftige und nicht überwachungsbedürftige Abfälle wird auf eine generelle präventive Kontrolle weitgehend verzichtet. Diese Abstufung der Kontrollintensität orientiert sich am Gefährdungspotential der Abfälle. Endlich unterliegen Dritte, die die Entsorgung für den Erzeuger durchführen, bestimmten Genehmigungs- und Anzeigepflichten, 771 die der mittelbaren Kontrolle des Entsorgungsvorganges dienen. Das Abfallrecht hält somit ein ausdifferenziertes Instrumentarium zur Steuerung der Abfallentsorgung bereit, was belegt, daß der Gesetzgeber die Durchsetzung der Ziele des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes den Abfallbehörden zuweisen wollte. Für die Richtigkeit des hier gefundenen Ergebnisses sprechen zwei weitere Gesichtspunkte: Hinzuweisen ist zunächst auf die Art und Weise, wie die Prüfung der externen Verwertung bisher in Genehmigungsverfahren gehandhabt worden ist. Für den Nachweis, daß im Falle der Verwertung oder Beseitigung außerhalb der Anlage die Erfüllung der Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG sichergestellt sind, läßt es die Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG a. F. ausreichen, wenn nur eine den Voraussetzungen der Vorschrift genügende Verwertungs- oder Beseitigungsmöglichkeit plausibel nachgewiesen ist. Eine Untersuchung des vorgesehenen Entsorgungsvorganges im einzelnen gehöre nicht zu den Aufgaben im anlagenbezogenen Genehmigungsverfahren. 772 Die Prüfungstiefe hinsichtlich der anlagenexternen Vorgänge ist demnach deutlich reduziert. 773 Diese Handhabung entspricht im Ergebnis der in weiten Teilen der Literatur vertretenen Auffassung, daß sich Vgl. §§ 6 Abs. 2, I I Abs. I NachwV. Vgl. §§ 49, 50 Abs. 1,2 Nr. 1,50 Abs. 3, 51 Abs. I KrW-/AbfG. 772 LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. II.l. 173 Petersen, Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, S. 100 f.

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D. Die Verzahnung anlagen- und stoffbezogener Pflichten

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eine Behörde bei Voraussetzungen, die nicht in ihre Fachkompetenz bzw. den Kernbereich ihrer Zuständigkeit fallen, auf eine Evidenzprüfung beschränken kann. 774 Diese Evidenz- oder Plausibilitätsprüfung soll sich vor allem auf die Stellungnahme der beteiligten Fachbehörde stützen. 775 Hiermit in Übereinstimmung steht es wiederum, wenn die nordrhein-westfälischen Verwaltungsvorschriften zum Genehmigungsverfahren776 vorsehen, daß insbesondere mit Blick auf die Pflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG die zuständige Abfallbehörde zu beteiligen ist. 777 Diese soll sich bei der Prüfung der Unterlagen auf ihren "Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich" beschränken, den die Verwaltungsvorschrift im Falle der Abfallbehörde in der Beachtung der Reststoffpflichten sieht. Hinzu kommt ein weiteres: Unstreitig ist, daß die immissionsschutzrechtliehe Genehmigung allenfalls im Verhältnis zum Anlagenbetreiber zu einer Bindung der Abfallbehörden führen kann. Maßnahmen der Abfallbehörden gegenüber dem die Verwertung durchführenden Dritten werden durch die Festlegungen des Genehmigungsbescheides nicht behindert. 778 Anordnungen gegenüber dem Abfallverwerter wirken aber notwendig auf den Anlagenbetreiber zurück. Untersagt die Abfallbehörde beispielsweise eine bestimmte Art der Verwertung, weil sie zu der Auffassung gelangt, daß diese nicht schadlos erfolgt oder zur Erfüllung des Hochwertigkeitsgebotes eine andere Nutzung des Abfalls geboten ist, so entfällt damit faktisch auch die im Genehmigungsverfahren zugrundegelegte Entsorgungsmöglichkeit. Die unmittelbare rechtliche Wirkung gegenüber dem Dritten und die mittelbar faktische gegenüber dem Anlagenbetreiber können zwar theoretisch unterschieden, aber in der Vollzugspraxis nicht voneinander getrennt werden. Fluck hält allerdings Anordnungen gegenüber Dritten aufgrund der von ihm befürworteten Bindungswirkung dann für unzulässig, wenn sie von der Abfallbehörde zur Umgehung der Bindungswirkung gegenüber dem Anlagenbetreiber gewählt würden. 779 An welche Fallgestaltungen hierbei gedacht ist, läßt sich jedoch nicht erkennen. Unterstellt man ein rechtmäßiges Verhalten der Abfallbehörden, 774 Breuer, Abgrenzung, S.39; ders., Wasserrecht, Rn. 98; Kaster, Immissionsschutzrechtliche Genehmigung, S. 65 ff.; Schmidt-Preuß, DVBl. 1991, 236; vgl. dazu ferner M. Wagner, Genehmigung urnweltreJevanter Vorhaben, S. 202 m. w. N .. Aus der Rechtsprechung OVG Münster, DÖV 1986, 575/576; OVG Lüneburg, DVB!. 1983, 185/186. 775 M. Wagner, Genehmigung umweltreJevanter Vorhaben, S. 228 f.; Schmidt-Preuß, DVB!. 1991,236; Kaster, Immissionsschutzrechtliche Genehmigung, S. 67. 776 Vom 21.November 1975 (MBl. NW. 1975,2216), zul. geänd. durch Gern. RdErl. vom 4.1.1990 (MB!. NW, 227). 777 Nr. 7.1 VwV NW. 778 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 127. 779 Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 127.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

kann ein Einschreiten gegen den die Verwertung durchführenden Dritten nur in Betracht kommen, wenn dieser die von ihm zu beachtenden Pflichten nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz verletzt. Ist diese Voraussetzung aber erfüllt, ist nicht ersichtlich, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt die zuständige Behörde an einem Einschreiten gehindert sein sollte. Freilich werden derartige Probleme in der Praxis kaum auftauchen, wenn die Abfallbehörde in ausreichendem Maße im Genehmigungsverfahren beteiligt worden ist. Bei unveränderter Sach- und Rechtslage dürfte es kaum je dazu kommen, daß die Abfallbehörde bei der Überwachung zu einer Bewertung der Entsorgungsmaßnahme gelangt, die von ihrer Stellungnahme im Genehmigungsverfahren abweicht. Ändert sich dagegen die Sach- oder Rechtslage, so entfallt ohnehin die Bindungswirkung, da die verbindliche Feststellung, daß die Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen, sich allein auf den Zeitpunkt der Genehmigungsertei'h780 Iung b eZle t. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die Immissionsschutzbehörde hinsichtlich der anlagenexternen Verwertung keine Sachentscheidungskompetenz besitzt. Die anlagenexterne Verwertung ist zwar Gegenstand der Prüfung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, nicht aber Regelungsinhalt der erteilten Genehmigung. Daher hat die Genehmigung auch nicht die von Fluck und Jörgensen angenommene Bindungswirkung für die Überwachung und Durchsetzung der abfallrechtlichen Pflichten außerhalb der Anlage.

2. FolgerungenjUr die Auslegung des Genehmigungsbescheides sowie jUr die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen Diese Erkenntnis hat Konsequenzen für die Auslegung der im Einzelfall erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sowie für die Zulässigkeit von Nebenbestirnmungen. Ersteres ist von Bedeutung, wenn der Genehmigungsbescheid keine ausdrücklichen Nebenbestirnmungen zur Abfallentsorgung enthält, sondern lediglich die vom Anlagenbetreiber eingereichten Unterlagen Bezug nirnmt. 781 Diese müssen nach § 4c der 9. BImSchV sowie den hierzu erlassenen Verwaltungsvorschriften782 für jeden Abfall Angaben darüber

m

780 Dazu allgemein Seibert, Bindungswirkung, S.222 f, 232 f.; ErichseniKnoke, NVwZ 1983, 191; speziell zu der hier untersuchten Problemstellung vgl. auch Fluck, in: ders., Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, § 9 Rn. 129. 781 In dem vom OVG Münster entschiedenen Fall enthielt die Genehmigung die Formulierung, die Genehmigung sei "nach Maßgabe der nachstehend aufgefiihrten Antragsunterlagen" erteilt worden, wozu auch die ,,Darstellung der Gülleunterbringung" zählte. 782 Vgl. bspw. die Verwaltungsvorschrift des Landes NRW zum Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, Ziff. 1.3.7.1.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoffbezogener Pflichten

317

enthalten, in welcher Anlage die Entsorgung erfolgen soll. Die LAI-Musterverwaltungsvorschrift verlangt darüber hinaus auch Angaben zu den Grundzügen des Verfahrens und der Art der Verwertung. 783 Diese Angaben sind erforderlich, um die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG prüfen zu können. Durch die pauschale Bezugnahme auf die Antragsunterlagen werden diese Angaben aber nicht zum Regelungsinhalt des Genehmigungsbescheides. Zwar ist anerkannt, daß eine Verweisung auf Antragsuntedagen zur Festlegung des Genehmigungsgegenstandes grundsätzlich zulässig ist. 784 Bei der Ermittlung des objektiven Erklärungswertes ist jedoch als Auslegungsgrundsatz zu berücksichtigen, daß die Behörde im Zweifelsfall nur innerhalb ihrer Sachentscheidungskompetenz eine Regelung treffen will. 785 Soweit sich daher aus dem Bescheid nicht eindeutig das Gegenteil ergibt, muß davon ausgegangen werden, daß mit dem Hinweis auf die geprüften Unterlagen zur externen Entsorgung diese nicht zum Regelungsinhalt der Genehmigung gemacht werden sollen. Problematischer ist, ob und wieweit Nebenbestimmungen zulässig sind, die sich auf die anlagenexterne Entsorgung beziehen. Der Entwurf einer allgemeinen Musterverwaltungsvorschrift des LAI zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG sieht vor, daß im Genehmigungsbescheid fiir jeden Abfall die zur Erfüllung des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG einzuhaltenden Anforderungen festzulegen sind, wobei insbesondere bestimmt werden soll, ob der Abfall der Verwertung oder der Beseitigung zuzufUhren ist. Darüber können nach Ansicht des LAI die Be1leitumstände des Umgangs mit Abfällen durch Auflagen festgelegt werden. 78 Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, daß Nebenbestimmungen unproblematisch sind, soweit sie sich lediglich auf die Errichtung und den Betrieb der Anlage beziehen, also beispielsweise die anlageninterne Verwertung betreffen oder das Getrennthalten von Abfällen innerhalb der Anlage. Zweifelhaft ist auf dem Hintergrund der bisherigen Überlegungen dagegen, ob Nebenbestimmungen möglich sind, die festlegen, wie die Verwertung selbst außerhalb der Anlage durchzufiihren ist. Von einer Zulässigkeit geht offenbar das OVG Münster in der erwähnten Entscheidung zur Gülleausbringung aus. Der Genehmigungsbescheid enthielt mehrere Auflagen, die der Anlagenbetreiber bei der Gülleausbringung zu beachten hatte. Der nähere Inhalt der Auflagen läßt sich dem mitgeteilten Sachverhalt allerdings nicht entnehmen. Die Grundlafe fiir diese Nebenbestimmungen sieht das Gericht in § 12 Abs. 1 BImSchG. 7 7 Diese Vorschrift gestattet es 783 LAI, Musterentwurf, NVwZ 1989, 130, Ziff. 11.2.3.1. Ebenso nun LAI, Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. I Nr. 3 BlmSchG n. F., Ziff. 6.2.4. 784 Vgl. hierzu Roßnagel, UPR 1995, 121 ff.; Fluck, VerwArch 88 (1997), 271. 785 OVG Münster, NVwZ 1987, 148; Seibert, DVBI. 1986, 1278. 786 LAI, Musterverwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG n. F., Ziff. 6.4. 787 NVwZ 1987, 148.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

jedoch nur allgemein, die Genehmigung mit Nebenbestimmungen zu versehen, soweit dies erforderlich ist, um die Erfiillung der in § 6 genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Hieraus folgt aber nicht, daß auf der Grundlage von § 12 BImSchG jede Regelung getroffen werden darf, soweit dadurch nur irgendwie dazu beigetragen werden kann, daß die Betreiberpflichten eingehalten werden. Nebenbestimmungen müssen zunächst erforderlich sein. Die Erforderlichkeit einer Nebenbestimmung, die die Durchfiihrung der externen Entsorgung regelt, ist jedoch zweifelhaft. Die Entsorgung außerhalb der Anlage ist umfassend durch das Abfallrecht geregelt und unterliegt der Kontrolle durch die Abfallbehörden bzw. die Behörden, die für die Überwachung Entsorgungsanlagen zuständig sind. Das Abfallrecht enthält eigene Vorkehrungen zur Durchsetzung der Anforderungen an die Verwertung, ohne daß es hierzu einer Regelung in der imrnissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf. 788 Das vormals durch die Ausklamrnerung der Reststoffverwertung aus dem Regime des Abfallrechts bestehende KontrolldefIzit ist durch die Erweiterung des Abfallbegriffs beseitigt worden. Des weiteren folgt aber aus der Einsicht, daß Behörden nur im Rahmen ihrer Sachentscheidungskompetenzen befugt sind, Regelungen zu treffen, daß auch durch Nebenbestimmungen keine Regelungen erlassen werden dürfen, die eine andere Behörde in deren Sachentscheidungsbereich binden würden. 789 Es kann dahingestellt bleiben, ob Nebenbestimmungen stets nur den Betrieb und die Beschaffenheit der genehmigten Anlagen regeln können790 oder ob darüber hinaus auch Nebenbestimmungen zulässig sind, die Maßnahmen außerhalb der Anlage festlegen. 791 In jedem Fall ist die Befugnis der Immissionsschutzbehörde, durch Nebenbestimmungen verbindliche Regelungen zu treffen, durch die Sachentscheidungskompetenz der Abfallbehörden begrenzt. Für das Verhältnis der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur wasserrechtlichen Erlaubnis hat das BVerwG ausgeführt, daß es durch die gesetzliche Verteilung der Entscheidungskompetenzen geboten sei, eine Trennung zwischen dem Regelungsgehalt der wasserrechtlichen Gestattung und dem Regelungsgehalt der Anlagengeneh788 Vgl. auch Rausching, 5. Deutsches Atornrechts-Symposium, S. 90 für die Frage, inwieweit in der atomrechtlichen Genehmigung Einzelfauflagen zur Beachtung weiterer öffentlich-rechtlicher Vorschriften zulässig sind. 789 M. Wagner, Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben, S.205 f, 238; Kaster, Immissionsschutzrechtliche Genehmigung, S.325; Schmidt-Preuß, DVBl. 1991, 237; Rausching, 5. Deutsches Atornrechts-Symposium, S. 90; vgl. ferner Vallendar, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 12 Anm. 3; Sellner, in: LandmannIRohmer, § 12, Rn. 118. 790 So Vallendar, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 12 Anm. 3. 791 BVerwGE 69, 351/357; Jarass, BImSchG, § 12 Rn. 7; Sellner, in: Landmann! Rohmer, § 12 Rn. 117.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoffbezogener Pflichten

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migung vorzunehmen. 792 Zu Recht hatte sich daher nach der Auffassung des Gerichts in dem entschiedenen Fall die Immissionsschutzbehörde darauf beschränkt festzustellen, daß beim Betrieb der Anlage keine Wasserverunreinigungen auftreten würden, die nicht dem noch ausstehenden wasserrechtlichen Gestattungsverfahren unterlägen. Das BVerwG sieht es als Sache der Wasserbehörde an, die Gemeinwohlverträglichkeit der Abwassereinleitung durch entsprechende Benutzungsbedingungen und Auflagen sicherzustellen oder, soweit dies nicht möglich ist, die Gewässerbenutzung zu verhindern. Wie bereits begründet, entspricht die Verteilung der Sachentscheidungskompetenzen zwischen Immissionsschutz- und Abfallbehörde hinsichtlich der Abfallentsorgung derjenigen, die das Gesetz für den Bereich der Abwasserbeseitigung trifft. Im einen wie im anderen Fall ist es Aufgabe der für den externen Vorgang zuständigen Fachbehörde, für eine Durchfiihrung der Entsorgung im Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen zu sorgen. Nebenbestimmungen mit Blick auf die anlagenexterne Verwertung sind daher nur zulässig, soweit sie durch Maßnahmen, die zur Errichtung und zum Betrieb der Anlage zählen, die Voraussetzungen schaffen sollen, daß die abfallrechtlichen Anforderungen eingehalten werden können,793 nicht jedoch zur Regelung der anlagenexternen Vorgänge selbst. Statthaft sind überdies Auflagen, die der Immissionsschutzbehörde die Überwachung ermöglichen sollen, ob dem Anlagenbetreiber für die künftig anfallenden Abfälle geeignete Entsorgungswege zur Verfügung stehen. So kann dem Anlagenbetreiber aufgegeben werden, rechtzeitig vor Ablauf bestehender Entsorgungsverträge den Abschluß neuer Verträge nachzuweisen, durch die eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung sichergestellt wird. Schließlich werden teilweise verfahrensübergreifende Nebenbestimmungen dann als zulässig erachtet, wenn zugleich klargestellt wird, daß die in einer solchen Auflage enthaltene Regelung für die parallel zuständige Behörde nicht verbindlich ist. Diese sei dann nicht gehindert, abweichende Anforderungen zu stellen. 794 Im Ergebnis sind somit Nebenbestimmungen, die die anlagenexterne Durchführung der Entsorgung regeln, nicht zulässig. Eine andere Frage ist freilich, ob Nebenbestimmungen, die eine Behörde in Überschreitung ihrer Sachentscheidungskompetenz getroffen hat, Bindungswirkung haben. Nach § 44 Abs. 1 VwVfG führt eine Überschreitung der sachlichen Kompetenz nur dann zur Nichtigkeit, wenn sie einen besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler darstellt. Angesichts der Schwierigkeiten, die die Zuordnung der SachBVerwG, DVBI. 1989,58. Kaster, IrnrnissionsschutzrechtIiche Genehmigung, S. 325; ähnlich Rausching, 5. Deutsches Atornrechts-Symposium, S.90; Hansmann, 5. Deutsches AtomrechtsSymposium, S. 98. 794 M. Wagner, Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben, S. 238. 792

793

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht

entscheidungskompetenzen bereitet, sind diese Voraussetzungen regelmäßig nicht gegeben. Da die Bindungswirkung eine Konsequenz der Wirksamkeit eines Verwaltungs aktes ist,795 sind auch rechtswidrig erlassene, aber wirksame Nebenbestimmungen für die eigentlich zuständige Behörde verbindlich. 796

3. Selbstbindung der Ab/allbehörden durch die Stellungnahme im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsveifahren

Ist eine Bindung der Abfallbehörden an die Beurteilung der anlagenexternen Entsorgung durch die Immissionsschutzbehörde abzulehnen, so stellt sich die weitere Frage, ob zumindest eine Bindung an die eigene positive Stellungnahme möglich ist, die die Behörde bei ihrer Anhörung nach § 10 Abs. 5 BImSchG im Genehmigungsverfahren abgegeben hat. Für den Bereich der Abwasserbeseitigung wird eine solche Selbstbindung der Wasserbehörde an ihre Stellungnahme im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren teilweise bejaht. 797 Die Erlaubnis für eine Gewässerbenutzung , die mit dem Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage verbunden sei, könne prinzipiell nicht mehr aus Gründen versagt werden, welche die im Anlagengenehmigungsverfahren beteiligte Wasserbehörde in ihrer verwaltungsinternen Stellungnahme nicht angeführt habe, bei sachgerechter Mitwirkung sowie unter Berücksichtigung der Risikoverteilung jedoch bereits in diesem Verfahren hätte anführen können und müsssen. 798 Hergeleitet wird diese Bindungswirkung letztlich aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Erforderlich soll aber in analoger Anwendung des § 38 VwVfG sein, daß die verwaltungsinterne Stellungnahme schriftlich erfolgt ist, diese dem antragstellenden Unternehmer zur Kennntis gelangt und eindeutig und positiv abgefaßt ist. 799 Ein schutzwürdiges Vertrauen wird man allerdings allenfalls dort annehmen können, wo im Vertrauen auf die positive Stellungnahme der Wasserbehörde nach Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bereits Investitionen getätigt worden sind, die bei Nichterteilung der Einleiteerlaubnis sinnlos würden. 8°O 795 Dazu ausführlich Seibert, Bindungswirkung, s. 192 ff.; vgl. ferner Peine, JZ 1990,207 f. 796 Seibert, Bindungswirkung, S. 377; Gaentzsch, NJW 1986,2792 f. 797 Breuer, Wasserrecht, Rn. 99; Kaster, Immissionsschutzrechtliche Genehmigung, S. 340 ff. m. w. N .. Eine Bindung lehnen ab: Henseler, Recht der Abwasserbeseitigung, S. 76 ff.; M. Wagner, Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben, S. 218 ff. vgl. ferner Schmidt-Preuß, DVBI. 237 f.; VGH Kassel, NVwZ 1990,583. 798 Breuer, Wasserrecht, Rn. 99; Kaster, Immissionsschutzrechtliche Genehmigung, S. 340 ff. 799 Breuer, Wasserrecht, Rn. 99. 800 So richtigerweise Kaster, ImmissionsschutzrechtIiche Genehmigung, S. 344.

D. Die Verzahnung anlagen- und stoffbezogener Pflichten

321

Im vorliegenden Zusammenhang ist bereits zweifelhaft, ob eine spätere abweichende Beurteilung der anlagenexternen Entsorgung durch die Abfallbehörden die Investitionen in die Anlage entwerten kann. Anders als das Wasserrecht macht das Abfallrecht die Zulässigkeit der Entsorgung nicht von anlagenbezogenen Voraussetzungen abhängig. Um die abfallrechtliche Zulässigkeit einer anlagenexternen Entsorgung zu erreichen, bedarf es daher keiner nachträglichen Änderungen der erzeugenden Anlage. Allenfalls könnte der Wegfall einer angenommenen Verwertungsmöglichkeit Anlaß fiir die Immissionsschutzbehörde sein zu prüfen, ob nunmehr eine Vermeidung zu verlangen ist. Des weiteren vermag aber auch die Herleitung der Selbstbindung nicht zu überzeugen. Eine entsprechende Heranziehung des Rechtsgedankens des § 38 VwVfG stößt auf erhebliche Bedenken. Eine Zusage setzt den unzweideutig erkennbaren Bindungswillen der Behörde in Hinblick auf ein künftiges Handeln voraus. 80l Eine Stellungnahme im Rahmen des § 10 Abs. 5 BImSchG dient jedoch allein der Information der Genehrnigungsbehörde, um deren Entscheidung vorzubereiten. 802 Sie ist an die Genehrnigungsbehörde, nicht an den Antragsteller gerichtet. Schon deswegen wird man hierin im Regelfall keine Selbstverpflichtung der beteiligten Behörde gegenüber dem Antragsteller sehen können, auch dann nicht, wenn er von der Stellungnahme aus den Akten Kenntnis erlangt. Eine entsprechende Anwendung des Rechtsgedankens des § 38 VwVfG würde zumindest voraussetzen, daß die Stellungnahme auch an den Antragsteller adressiert ist. Nur dann könnte ihr als objektiver Erklärungsinhalt eine Selbstverpflichtungserklärung diesem gegenüber entnommen werden. Gegen eine Selbstbindung ist weiterhin einzuwenden, daß sie die beteiligte Behörde praktisch dazu zwingen würde, bereits das eigene Genehrnigungsverfahren durchzuführen, insbesondere was den Umfang und die Tiefe der Prüfungen anbelan~t, um das Risiko einer Bindung an eigene Fehleinschätzungen zu minimieren. 03 Die Folge wären Verzögerungen des Genehrnigungsverfahrens, bedingt durch Fragestellungen, über die im immissionsschutzrechtlicher Verfahren überhaupt nicht abschließend entschieden werden kann. 804 Unabhängig von diesen Bedenken ist schließlich noch folgendes zu berücksichtigen. Im Wasserrecht ist die Rechtslage insbesondere dadurch gekennzeichnet, daß die Erteilung der Einleiteerlaubnis im Bewirtschaftsermessen der Wasserbehörde steht. Die Wasserbehörde hat einen Spielraum, innerhalb dessen mehrere gleichermaßen rechtmäßige Entscheidungen möglich sind. Im-

OVG Berlin, NVwZ 1986,579; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 38 Anm. 3.1.1. Henseler, Abwasserbeseitigung, S. 78. 803 Henseler, Abwasserbeseitigung, S.79; ähnlich M Wagner, Genehmigung um-

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weltrelevanter Vorhaben, S. 219. 804 Henseler, Abwasserbeseitigung, S. 79. 21 Locher

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Irnmissionsschutzrecht

merhin ist vorstellbar, daß Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes hier zu einer gewissen Einschränkung des Ermessens fiihren können, soweit die einschlägige Norm dies zuläßt. 80S Dagegen handelt es sich bei den nach Abfallrecht erforderlichen Gestattungen um gebundene Entscheidungen. Eine Reduzierung des Ermessens aufgrund einer Selbstbindung scheidet in diesen Fällen von vorneherein aus. Daher kann aus einer Stellungnahme der Abfallbehörde im imrnissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren keine Verpflichtung abgeleitet werden, beim Vollzug der abfallrechtlichen Vorschriften bestimmte Verwaltungsakte zu erlassen oder nicht zu erlassen. Eine andere und hier nicht zu behandelnde Frage ist, ob eine fehlerhafte Stellungnahme Amtshaftungsansprüche begründen kann. 806

4. Bindung der Immissionsschutzbehärde an Genehmigungen und Anordnungen der Abfallbehärden

Auf der Hintergrund der untersuchten Verteilung der Sachentscheidungskompetenzen zwischen Abfall- und Irnmissionsschutzbehörden ergibt sich ohne weiteres, daß umgekehrt die Immissionsschutzbehörde bei der Entscheidung über die Genehmigungserteilung an Verwaltungsakte der für die externe Entsorgung zuständigen Behörden gebunden ist. Werden die Abfälle in einer genehmigten Anlage im Einklang mit den Festsetzungen des Genehmigungsbescheides verwertet oder beseitigt, so hat die Immissionsschutzbehörde aufgrund der Bindungswirkung dieser Entscheidung davon auszugehen, daß die Entsorgung, soweit die Regelung der Genehmigun~ reicht, ordnungsgemäß und schadlos bzw. gemeinwohlverträglich erfolgt. 80 Untersagt die Abfallbehörde nach Genehmigungserteilung eine bestimmte Art der Entsorgung, die der Genehmigung zugrundgelegt worden ist, so ist auch diese Entscheidung für die Immissionsschutzbehörde verbindlich. Die Immissionsschutzbehörde muß dann prüfen, ob sich aus dem Wegfall dieser Entsorgungsmöglichkeit Konsequenzen für den Anlagenbetrieb ergeben. Soweit andere Verwertungsoptionen bestehen, wird dies nicht der Fall sein. Im Einzelfall kann es aber für den Anlagenbetreiber erforderlich sein, Änderungen am Betrieb vorzunehmen, um andere Verwertungsoptionen zu erschließen oder Abfälle, die nicht mehr verwertbar sind, nunmehr zu vermeiden. Diese Änderungen des Betriebes kann die Immissionsschutzbehörde mittels einer nachträglichen Anordnung durchsetzen.

Kritisch M. Wagner, Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben, S. 220. Dazu M. Wagner, Genehmigung umweItrelevanter Vorhaben, S. 218. 807 Fluck, NuR 1989,416.

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D. Die Verzahnung an1agen- und stoftbezogener Pflichten

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5. Bindung an die Beurteilung des Anlagenzwecks Eine Bindungswirkung könnte der Anlagengenehmigung allerdings ausnahmsweise für die Frage zukommen, ob die Erzeugung eines bestimmten Stoffes oder Gegenstandes Zweck des Anlagenbetriebes ist. Dies ist als Vorfrage für die Vermutung des Entledigungswillens nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG bedeutsam. Für eine Befugnis der Immissionsschutzbehörde, über die Zweckbestimmung des Produktionsprozesses mit verbindlicher Wirkung auch für andere Behörden zu entscheiden, spricht, daß die Beurteilung des Anlagenbetriebes in den Kernbereich der immissionsschutzrechtlichen Kompetenzen fallt. Enthält der Genehmigungsbescheid eine ausdrückliche Feststellung dahingehend, daß bestimmte Sachen (Neben-)Produkt der Anlagen sind, so haben die Abfallbehörden dies bei der Prüfung zu beachten, ob eine zielgerichtete Herstellung nach § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG anzunehmen ist oder nicht. 808 Zu beachten ist allerdings, daß die Immissionsschutzbehörde nicht abschließend über die Abfalleigenschaft der Sache entscheiden kann, sondern nur über den Produktionszweck der Anlage. Die Feststellung, daß die Erzeugung einer Sache Ziel des Anlagenbetriebes ist, steht einer Einstufung als Abfall nach § 3 Abs.3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG oder nach den Tatbeständen des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG bzw. § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG nicht entgegen. In diesen Fällen hängt die Abfalleigenschaft von Gesichtspunkten ab, die nicht allein die Errichtung und den Betrieb der Anlage betreffen.

6. Zusammenfassung Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens oder bei der Entscheidung über den Erlaß einer nachträglichen Anordnung muß die Immissionsschutzbehörde prüfen, ob der Anlagenbetreiber Abfalle, die nicht vermieden oder anlagenintern genutzt werden, einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung oder gemeinwohlverträglichen Beseitigung zuführt. Nur unter dieser Voraussetzung steht der Betrieb der Anlage im Einklang mit den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG. Genau wie bei der Abwasserbeseitigung kann die Immissionsschutzbehörde im Fall der anlagenexternen Entsorgung jedoch keine verbindliche Regelung über die Durchführung der Entsorgung treffen. Die Steuerung und Überwachung der Entsorgung außerhalb der Anlage ist dem Kernbereich der Aufgaben zuzurechnen, die nach § 40 KrW-/AbfG den Abfallbehörden obliegen. Vielmehr ist die Immissionsschutzbehörde ihrerseits an die Beurteilung der externen Vorgänge durch die dafür zuständigen Behörden gebunden. Im Genehmigungsverfahren hat die Immissionsschutzbehörde den

BOB

So i. E. auch LAGA-Arbeitspapier, Ziff. 2.3.1; Joschek u. a., AJ 1996,62,64.

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2. Teil: Die Verzahnung von Abfallrecht und Irnrnissionsschutzrecht

Regelungsgehalt von Genehmigungen zu beachten, die für die Durchführung der externen Entsorgung bereits erteilt worden sind. Gelangt die Abfallbehörde bei der Überwachung der Entsorgung zu dem Ergebnis, daß diese nicht (mehr) im Einklang mit den Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes erfolgt und untersagt daher diese Art der Entsorgung, so ist die Immissionsschutzbehörde an die Entscheidung der Abfallbehörde gebunden.

E. Würdigung Dem selbst gestellten Ans~ruch, Immissionsschutzrecht und Abfallrecht besser als bisher zu verzahnen,8 wird die durch das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen geschaffene Rechtslage nur teilweise gerecht. Der erweiterte Abfallbegriff erlaubt im Grundsatz eine klarere Zuordnung der beiden Regelungsmaterien. Als problematisch hatte sich nach der früheren Rechtslage erwiesen, daß die Reststoffverwertung in weiten Teilen außerhalb der Kontrolle durch die Abfallbehörden erfolgte und zugleich das irnmissionsschutzrechtliche Instrumentarium zur einer Überwachung anlagenexterner Vorgänge nicht ausreichte. Nunmehr erstreckt sich die Verbleibskontrolle nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz auch auf solche Rückstände aus der Produktion, die privatwirtschaftlich verwertet werden. Dies erlaubt es, den Anwendungsbereich der irnmissionsschutzrechtlichen Pflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG auf die Steuerung der Errichtung und den Betrieb der Anlage zu beschränken, ohne daß hierdurch Kontrolldeftzite zu befiirchten wären. Die Annahme, § 5 Abs. 1 Nr. 3 BIrnSchG enthielte auch eine stoffbezogene Folgepflicht, die sich auf die Durchführung der Verwertung außerhalb der Anlage bezöge, erweist sich damit als entbehrlich. Die irnmissionsschutzrechtlichen und abfallrechtlichen Regelungen ergänzen einander: Das Immissionsschutzrecht steuert die Abfallentstehung und sorgt dafür, daß Abfälle, die nicht vermieden werden, so anfallen, daß sie verwertet oder gemeinwohlverträglich entsorgt werden können. Die Entsorgung des einmal entstandenen Abfalls unterliegt im Grundsatz der Steuerung durch das Abfallrecht. Als wenig gelungen erweist sich jedoch die Regelung des § 9 KrW-/AbfG, die zu einer ganzen Reihe von Zweifelsfragen Anlaß gibt: Aus § 9 S. 1 KrW-/ AbfG folgt nicht in der fiir den Vollzug wünschenswerten Klarheit, für welche Betreiberpflichten der Vorrang gelten soll. Schwierigkeiten bereitet es ferner, sämtliche stoffbezogenen Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in das § 9 S.2 KrW-/AbfG zugrundegelegte Schema von Vorgaben fiir das "Ob" und das "Wie" der Entsorgung einzuordnen. Wenig überzeugend ist schließlich die Privilegierung, die die anlageninterne Verwertung erfährt. 809

Zu dieser Zielsetzung oben die Einleitung zum 2. Teil bei Fn. 3.

E. Würdigung

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§ 9 S. 3 KrW-/AbfG hat zur Konsequenz, daß bestimmte abfallrechtliche Anforderungen überhaupt nicht zur Anwendung gelangen können, weil es an entsprechenden Verordnungsermächtigungen fehlt. Zweifelhaft ist zudem, ob die Vorschrift nicht im Ergebnis dazu führt, daß Abfälle, die anlagenintern verwertet werden, von den nach § 13 Abs. 4 KrW-/AbfG im Interesse einer umweltverträglichen Entsorgung begründeten Andienungspflichten generell freigestellt sind. In der Sache ist die Differenzierung zwischen der Nutzung von Abfällen in der Anlage, in der sie entstanden sind, und in anderen Anlagen wenig einsichtig. Sie nötigt zudem zu der schwierigen Abgrenzung zwischen anlageninterner und anlagenexterner Verwertung. Schwierigkeiten bereitet schließlich, daß der Gesetzgeber es versäumt hat, den Wortlaut des § 5 Abs.3 Nr.2 BImSchG und des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr.3 BImSchG in ausreichendem Maße an den durch die Neufassung des Abfallbegriffs veränderten Anwendungsbereich des Abfallrechts anzupassen. Die Formulierung des § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG ist nach wie vor von der Unterscheidung zwischen der Verwertung als Reststoff und der Beseitigung als Abfall geprägt, die durch die Erweiterung des Abfallbegriffs und die damit in der Sache verbundene Einbeziehung der Reststoffverwertung in das Abfallrecht hinfällig geworden ist. Dies führt im Hinblick auf die in § 9 S.2 KrW-/AbfG getroffene Einschränkung fiir die Geltung abfallrechtlicher Anforderungen zu unnötigen Verständnisproblemen, insbesondere in der Frage des Rangverhältnisses zwischen Verwertung und Beseitigung. Im Fall des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG hat der Gesetzgeber es versäumt, den Begriff der Beseitigung durch den der Entsorgung zu ersetzen. Dies steht im Widerspruch zum Bestreben einer begrifflichen Harmonisierung zwischen Abfallrecht und Immissionsschutzrecht.

Zusammenfassung 1.

Abfällen aus der industriellen und gewerblichen Produktion kommt sowohl wegen der anfallenden Mengen als auch wegen der Gefährlichkeit der sog. Sonderabfälle abfallwirtschaftlich eine besondere Bedeutung zu. Die Pflichten zur Schaffung abfallarmer Produktionsverfahren und zur Entsorgung der bei der Produktion angefallenen Abfälle - Produktionsverantwortung - ergeben sich erst aus einem Ineinandergreifen von Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und Bundes-Immissionsschutzgesetz.

2.

Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz bezieht durch den erweiterten Abfallbegriff in § 3 KrW-/AbfG verwertbare Produktionsrückstände, die früher außerhalb der abfallrechtlichen Kontrolle verwertet worden sind, in das Abfallregime ein. Hierdurch werden zum einen Vorgaben der EG-Abfallrahmenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Zum anderen soll die umweltpolitisch bedenkliche Grauzone des zuvor geltenden Bundes-Abfallgesetzes, die durch die Begriffe "Wirtschaftsgüter", "Wertstoffe" und "Reststoffe" gekennzeichnet war, beseitigt werden.

3.

In sachlicher Übereinstimmung mit Art. 1 lit. a) EG-AbfRRL unterfallen nur bewegliche Sachen dem Abfallbegriff des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG. Kontaminierter Boden ist daher vor der Auskofferung kein Abfall. Für die Frage, wann eine Sache im abfallrechtlichen Sinne beweglich ist, sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über wesentliche, unwesentliche und Scheinbestandteile prinzipiell ohne Bedeutung. Gleiches gilt für die immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen über ortsfeste und ortsveränderliche Anlagen. Entscheidend ist die faktische Unbeweglichkeit. Hierfür kommt es darauf an, ob eine Trennung vom Grundstück oder Gebäude ohne wesentliche Beschädigung und unter zumutbarem Aufwand möglich ist.

4.

Auch Produktionsabwässer werden durch den Abfallbegriff des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG erfaßt. Ihre Beseitigung nach den Vorschriften des Wasserrechts ist nur dann zulässig, wenn keine vorrangige Verwertungspflicht nach § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG besteht. Läßt das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz die Beseitigung zu, so entscheidet das Wasserrecht über die Zulässigkeit der Entsorgung durch Einleiten in ein Gewässer.

5.

Weder aus der Aufnahme einer Sache in die Abfallgruppen des Anhangs I noch aus der Auflistung im Europäischen Abfallkatalog ergibt sich eine unmittelbare Vermutung für die Abfalleigenschaft. Alle Voraussetzungen

Zusammenfassung

327

des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG müssen vielmehr kumulativ erfüllt sein. Die Annahme einer Vermutungs- oder Indizwirkung ist unter systematischen Gesichtspunkten nicht haltbar, da daß Gesetz in § 3 Abs. 3 KrW-/ AbfG ausdrücklich eine Vermutung regelt. Bedeutung erlangt die Aufnahme bestimmter Stoffe oder Gegenstände in den Europäischen Abfallkatalog aber bei der Konkretisierung der Verkehrsanschauung im Rahmen des § 3 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG. 6.

§ 3 KrW-/AbfG enthält im Gegensatz zu Art. 1 lit. a) EG-AbfRRL vier Entledigungstatbestände: Ausdrücklich geregelt sind die Entledigung (Abs.2), die unwiderlegliche Vermutung des Entledigungswillens (Abs. 3) sowie der Zwang zur Entledigung (Abs. 4). Daneben ergibt sich aus § 3 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs.2 KrW-/AbfG, der Tatbestand des Willens zur Vornahme einer Entledigungshandlung i. S. d. Absatzes 2.

7.

Die Defmition des Begriffes "entledigen" in § 3 Abs.2 KrW-/AbfG enthält zwei Alternativen. Ein Entledigen ist zum einen gegeben, wenn die Sache einem der in Anhang 11 A und B genannten Entsorgungsverfahren zugeführt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der bisherige Besitzer die Behandlung selbst vornimmt oder die Sache zu diesem Zweck einem Dritten übergibt. Eine Besitzaufgabe wird daher von dieser ersten Alternative nicht vorausgesetzt. Die zweite Alternative erfordert eine Entwidmung durch den bisherigen Besitzer sowie dessen Gewahrsamsverlust. Die Anwendungsbereiche beider Alternativen überschneiden sich, da die Bestimmung einer Sache zur Verwertung oder Beseitigung keine neue Zweckbestimmung i. S. der zweiten Alternative darstellt.

8.

Die erste Alternative des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG schließt von der Behandlung, der eine Sache unterzogen wird, auf die Abfalleigenschaft. Insbesondere die Verwertungsverfahren werden durch Anhang 11 B jedoch nur unzureichend konkretisiert. Probleme bereitet die Abgrenzung zwischen der Nutzung im Rahmen normaler Produktions- und Gebrauchsvorgänge und der Nutzung in Form der Abfallverwertung. Die Verfahrensbeschreibungen des Anhangs 11 B lassen nur teilweise eine eindeutige Zuordnung zu. Ergänzend muß zur Ausfüllung des Verwertungsbegriffs auf die Definition in § 4 Abs.3 und 4 KrW-/AbfG zurückgegriffen werden. Eine Nutzung in Form der Abfallverwertung liegt grundsätzlich vor, wenn die jeweilige Sache nicht für den Einsatz in diesem Verfahren hergestellt worden, sondern bei einem Vorgang angefallen ist, der nicht darauf gerichtet war, Einsatzstoffe für ein anschließendes derartiges Verfahren zu erzeugen. Die Wiedernutzbarmachung zu einem zuvor bestehenden Verwendungszweck ist daher grundsätzlich eine Verwertung i. S. d. Anhangs 11 B. Ausgenommen sind hiervon nur Maßnahmen, die nach der Verkehrsanschauung lediglich der Erhaltung der Gebrauchstauglichkeit dienen.

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9.

Zusammenfassung Der Wille zur Entledigung liegt vor, wenn der Besitzer der Sache eine Handlung vorzunehmen beabsichtigt, die nach § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG als Entledigen zu bewerten ist. § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG enthält dagegen keine Defmition, sondern eine gesetzliche Vennutung des Entledigungswillens. Sie enthebt die Abfallbehörden unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG des Nachweises, daß der Besitzer tatsächlich eine Entledigung beabsichtigt. Damit entfällt auch die Notwendigkeit des Nachweises, daß die beabsichtigte Nutzung eine Verwertung nach Anhang 11 Bist. Der Vennutungstatbestand ergibt sich aus § 3 Abs. 3 S. 1 und S. 2 KrW-/ AbfG. Erst wenn danach vom unbezweckten Anfall oder dem Wegfall der bisherigen Zweckbestimmung auszugehen ist, wird als Rechtsfolge der Entledigungswille unwiderleglich vennutet.

10. Maßgebliche Systemgrenze für den Anfall einer Sache i. S. des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG ist nicht die Anlage im imrnissionsschutzrechtlichen Sinne, sondern der einzelne Produktionsprozeß. Denn § 9 S. 3 KrW-/AbfG setzt voraus, daß es eine anlageninterne Verwertung geben kann. Schwierigkeiten bereitet die Eingrenzung des einzelnen Herstellungsprozesses. Hierfür kann es nicht ausschließlich auf die technische Umschließung ankommen. Dem Prozeß zuzurechnen sind jedenfalls solche Einrichtungen, die der anlageninternen Kreislaufführung i. S. des § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG dienen. Läßt sich zwischen Haupt- und Nebenprodukten unterscheiden, so ist im Zweifel der einzelne Prozeß abgeschlossen, wenn das Hauptprodukt erzeugt ist. Die Weiterverarbeitung von Nebenprodukten, die hierbei entstanden sind, stellt einen neuen, eigenständigen Produktionsschritt dar. 11. Der Zweck des einzelnen Produktionsprozesses ist nach § 3 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG ausgehend von der Auffassung des Erzeugers unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu bestimmen. Erzeuger ist in diesem Zusammenhang nicht der Abfallerzeuger i. S. des § 3 Abs. 5 KrW-/AbfG, sondern derjenige, der den Produktionsprozeß in Gang setzt und beherrscht. Die Verkehrsanschauung dient als Korrektiv zur Erzeugerauffassung. Die Kombination subjektiver und objektiver Kriterien entspricht der bereits zum Reststoffbegriff des § 5 Abs. 1 Nr.3 BlmSchG a. F. vertretenen Auffassung. 12. Mit dem Tatbestandsmerkmal "Verkehrsanschauung" nimmt § 3 Abs.3 S. 2 KrW-/AbfG nicht auf die empirisch zu ermittelnde Überzeugung aller oder zumindest der führenden Fachleute auf dem betreffenden Gebiet bezug, sondern erfordert eine Bewertung anhand objektiver Kriterien. Diese Kriterien sind mit Blick auf die objektiven Gegebenheiten der industriellen und gewerblichen Produktion als Teil des Wirtschaftslebens zu entwickeln.

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13. Der Zweck eines Produktionsvorganges ist nicht bereits dann auf die Erzeugung einer Sache gerichtet, wenn deren Anfall als sichere Folge vorausgesehen wird. Auch die Einplanung der weiteren Nutzung ist nur notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung, um einen bezweckten Anfall annehmen zu können. § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG stellt nicht auf die Zweckbestimmung der anfallenden Sache, sondern auf den Zweck des Herstellungsprozesses ab. Das Entstehen einer Sache kann nur dann als mitbestimmender Anlaß für die Vornahme der Produktionshandlung angesehen werden, wenn ihre weitere Verwendung für den Erzeuger wirtschaftlich nutzbringend ist. 14. Als Verwendung, die auf die zweckgerichtete Herstellung schließen läßt, scheiden alle in Anhang 11 A und 11 B genannten Verfahren aus. 15. Aus der Bezeichnung als Kuppel- oder Nebenprodukt folgt nicht, daß die Sache im Sinne des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG bezweckt angefallen ist. Als Kuppel- oder Nebenprodukte werden im betriebswirtschaftlichtechnischen Sprachgebrauch auch Produktionsrückstände bezeichnet, deren Anfall unerwünscht ist. Auch die Bezeichnung als Zwischen- oder Vorprodukt belegt nicht notwendig, daß die Erzeugung der betreffenden Sache bei objektiver Betrachtung mitbestimmender Anlaß des Produktionsprozesses ist. Diese Begriffe weisen lediglich auf die besonderen Schwierigkeiten hin, die sich aus der Vielstufigkeit von Produktionsprozessen sowie der Möglichkeit ergeben, mit demselben Prozeß mehrere Ziele zu verfolgen. Sie taugen aber nicht zur Abgrenzung zwischen Abfällen und Produkten. 16. Wichtigstes Kriterium zur Ausfüllung der Verkehrsanschauung ist die Frage, ob sich bei Weitergabe der Sache an Dritte ein Erlös erzielen läßt. In der Veräußerungsmöglichkeit manifestiert sich der Nutzen, den der Anfall der Sache für ihren Erzeuger hat. Sind Dritte nur dann bereit, die Sache zu übernehmen, wenn der Erzeuger dafür bezahlt, liegt nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich kein zielgerichtet hergestelltes Produkt vor. Umgekehrt ist die vom Erzeuger behauptete Produktionsabsicht prinzipiell dann nicht zu beanstanden, wenn eine allgemeine, zahlungswillige Nachfrage nach derartigen Sachen besteht. Läßt sich die Gefahr von Scheingeschäften aufgrund einer so verstandenen allgemeinen Marktgängigkeit nicht ausschließen, so müssen weitere Beurteilungsgesichtspunkte ergänzend herangezogen werden. Gleiches gilt, wenn bestimmte Sachen überhaupt nicht an Dritte weitergegeben, sondern ausschließlich vom Erzeuger weiterverarbeitet werden. Für die Frage der Marktgängigkeit ist auf den Rohzustand der Sache abzustellen, in dem sie sich nach Abschluß des zu beurteilenden Herstellungsvorganges befmdet. Daß ein durch Weiterverarbeitung der angefallenen Sache gewonnenes Produkt veräußert werden kann, schließt allein die Abfalleigenschaft nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1

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Zusammenfassung KrW-/AbfG nicht aus. Wie § 5 Abs. 4 S. 1 KrW-/AbfG belegt, kann auch die Abfallverwertung zu marktfähigen Erzeugnissen führen.

17. Weitere Gesichtspunkte ergänzen lediglich das Kriterium der Veräußerungsmöglichkeit. Ihre Heranziehung kann im Einzelfall dazu führen, daß die aufgrund einer Veräußerungsmöglichkeit prima facies angenommene Produkteigenschaft im Ergebnis doch zu verneinen ist. Umgekehrt können sie jedoch keine zielgerichtete Herstellung begründen, wenn der Erzeuger für die Abgabe der Sache an Dritte kein Entgelt erhält. Ergänzende Kriterien sind das Bestehen von Handelsverträgen, das Erfüllen von gesetzlichen oder privaten Produktnormen, das Fehlen von Qualitätskontrollen, der Anfall in nachgeschalteten Anlagen zur Emissionsminderung sowie die Aufnahme in den EAK. Dagegen ist der praktische Wert der Fragestellung, ob der Anlagenbetreiber die Sache noch entstehen lassen würde, wenn er den Hauptzweck der Anlage ohne ihren Anfall mit gleichen oder geringeren Kosten erreichen könnte, eher zweifelhaft. Gleiches gilt für die Heranziehung der Zweckbeschreibungen des Anhangs zur 4. BImSchV. 18. Für die zweite Alternative des § 3 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG kommt es darauf an, ob der bisherige Verwendungszweck der Sache wegfällt, ohne daß sich der Vorgang als Umwidmung zu einem neuen Nutzungszweck darstellt. Wird die Sache an einen Dritten weitergegeben, so ist erforderlich, daß bereits der bisherige Besitzer die Neuwidmung vornimmt, da ansonsten jedenfalls eine Entledigung nach § 3 Abs. 2, 2. Alt. KrW-/AbfG vorliegt. Die Neuwidmung muß zeitlich mit der Entwidmung zusammenfallen, da es ansonsten an der erforderlichen Unmittelbarkeit fehlt. Als neuer Verwendungszweck scheiden von vorneherein alle in Anhang 11 A und B genannten Entsorgungsverfahren aus. 19. Anhand der Verkehrsanschauung ist sowohl zu ermitteln, ob die bisherige Zweckbestimmung entfallen ist, als auch, ob eine Widmung zu einem neuen Verwendungszweck erfolgt ist. Kriterien zur Konkretisierung der Verkehrsanschauung sind insbesondere der Marktwert, das Erfüllen gesetzlicher oder gewerblicher Produktnormen, die Dauer der Lagerung sowie die Verfügbarkeit von Kapazitäten zur Vornahme der neuen Nutzung. 20. Die beiden Alternativen des § 3 Abs. 3 KrW-/AbfG weisen je gesonderte Anwendungsbereiche auf, da ansonsten die zweite Alternative aufgrund der weiten Fassung des § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG keine eigenständige Bedeutung hätte. § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG erfaßt nur solche Stoffe und Gegenstände, die bei den genannten Vorgängen erstmals als selbständige bewegliche Sache entstehen, etwa durch Abtrennung von einer anderen Sache. Werden dagegen in einem Produktionsprozeß Produkte als Hilfs- oder Betriebsstoffe eingesetzt, so ist dies ein Anwendungsfall des § 3 Abs.3 S. 1 Nr.2 KrW-/AbfG. Gegen diese Auslegung

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spricht nicht, daß § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG in Anlehnung an den Reststoffbegriff des § 5 Abs. 1 Nr.3 BlmSchG a. F. geschaffen worden ist. Bereits beim Reststoffbegriff wurde jedenfalls im Rahmen des § 5 Abs. 3 Nr. 2 BlmSchG a. F. eine ähnliche Unterscheidung getroffen wie nunmehr in § 3 Abs.3 KrW-/AbfG. Der Reststoffbegriff ist zudem auch vom Wortlaut her nicht unverändert übernommen worden. Schließlich darf der neue systematische Zusammenhang, insbesondere die mit § 3 Abs.3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG geschaffene eigenständige Alternative, nicht unberücksichtigt bleiben. 21. § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG übernimmt in weiten Teilen den objektiven Abfallbegriff des § 1 Abs. 1 S. 1,2. Alt. AbfG in der Auslegung, die die Vorschrift in den Entscheidungen ,,Altreifen" und "Bauschutt" des BVerwG erfahren hat. Wie § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG setzt § 3 Abs. 4 KrW-/ AbfG den Wegfall der bisherigen Zweckbestimmung voraus. Die Vorschrift gilt daher nicht für Sachen, die von Anfang an keinem Zweck gedient haben; für diese enthält bereits § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG eine ausreichende Regelung. Einen gegenüber § 3 Abs. 3 S. 1 Nr.2 KrW-/ AbfG eigenständigen Anwendungsbereich hat der objektive Abfallbegriff des KrW-/AbfG nur, wenn eine Neuwidmung erfolgt ist und daher die Vermutung des Entledigungswillens nicht eingreift. 22. § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG stellt auf das Gefahrdungspotential der jeweiligen Sache ab, das sich aus ihrer Beschaffenheit sowie den Umweltbeziehungen ergibt. Eine konkrete Gefahrenlage ist nicht erforderlich. Vom Vorliegen des erforderlichen Gefahrdungspotentials kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn es sich um einen Stoff oder Gegenstand handelt, der in der Verordnung zur Bestimmung von besonders überwachungsbedürftigen Abfallen genannt wird. 23. Die Anforderungen an das von § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG vorausgesetzte Gebotensein der Entsorgung nach Abfallrecht fallen geringer aus als unter der Geltung des Bundes-Abfallgesetzes. Die Einstufung als Abfall führt nämlich nicht mehr grundsätzlich zu einer Überlassungspflicht und damit zum Entzug der Nutzungsmöglichkeit. Die Nutzung in Form der Abfallverwertung unterliegt lediglich bestimmten materiellen Beschränkungen sowie einer Kontrolle, die zudem je nach Gefahrdungspotential in ihrer Intensität abgestuft ist. Ob eine Verwendung außerhalb des Abfallregimes erfolgen kann, hängt davon ab, ob eine gemeinwohlverträgliche Nutzung auch ohne abfallrechtliche Kontrolle hinreichend wahrscheinlich ist. Der Besitzer muß in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht zur Realisierung der Nutzung in der Lage sein. Von der Ernstlichkeit der Nutzungsabsicht kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn es sich um ein marktgängiges Gut handelt.

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24. Ist die Abfalleigenschaft einer Sache einmal begründet, so wird die Sache erst mit Erfüllung der Entsorgungspflichten wieder aus dem abfallrechtlichen Regime entlassen. Wird die Sache verwertet, endet die Abfalleigenschaft erst mit Abschluß der Verwertung. Zur Verwertung zählt nicht allein der Vorgang der Wiedernutzbarmachung, sondern in gewissem Umfang auch die anschließende neue Nutzung. Der Steuerungsanspruch des Abfallrechts erstreckt sich grundsätzlich auch auf die Kontrolle des Einsatzes der aus dem Abfall gewonnenen Stoffe oder Gegenstände, wie insbesondere aus §§ 6 Abs. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 KrW-/AbfG folgt. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es aber gerechtfertigt und im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten, die Abfalleigenschaft bereits mit der Erzeugung des Verwertungsproduktes enden zu lassen. Dies ist der Fall, wenn das Verwertungsprodukt standardisierten Qualitätsanforderungen genügt, die gewährleisten, daß von der Sache keine Beeinträchtigungen rur das Gemeinwohl ausgehen, die das von Primärprodukten verursachte Ausmaß überschreiten. Bedingung ist weiter, daß die Einhaltung dieser Normen werksseitig kontrolliert wird und das Verwertungsprodukt einen positiven Marktwert hat. 25. Der Abfallbegriff des § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG gelangt in den einschlägigen immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen ohne Einschränkung zur Anwendung. Insbesondere ist der Abfallbegriff des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht weiter als der des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes; hinsichtlich der in § 2 Abs. 2 KrW-/AbfG genannten Sachen bestehen lediglich Unterschiede im Anwendungsbereich der beiden Regelungsmaterien. Auch ist die Übernahme des Abfallbegriffs nicht auf den Tatbestand des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG beschränkt. 26. Zu den Zielsetzungen des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfallen gehört eine Harmonisierung zwischen den anlagenbezogenen "Reststoffpflichten" des Immissionsschutzrechts und den stoffbezogenen Entsorgungspflichten des Abfallrechts. Die frühere Rechtslage war durch eine ungenügende Abstimmung der anlagenbezogenen Perspektive des Immissionsschutzrechts und der mengen- und stoffbezogenen Konzeption des Abfallrechts geprägt. Nach herrschender Auffassung vollzog sich die Verwertung von Produktionsrückständen aus genehrnigungsbedürftigen Anlagen grundsätzlich außerhalb der Kontrolle durch die Abfallbehörden. Die Lösungen, die fiir eine bessere Zuordnung der beiden Regelungsmaterien im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen worden sind, sind recht weitgespannt. 27. Das Verhältnis der Entsorgungspflichten nach dem KrW-/AbfG und der Betreiberpflichten nach dem BImSchG wird durch dreierlei bestimmt: zum einen durch die Neufassung des Abfallbegriffs. Nach Aufgabe des gesonderten Reststoffbegriffs kann nicht mehr angenommen werden, die

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Verwertung von Produktionsrückständen vollziehe sich in einem Bereich, der dem Abfallrecht vollkommen vorgelagert sei. Auch die Verwertung von Produktionsrückständen ist Abfallverwertung. Zum anderen enthält § 9 KrW-/AbfG eine Regelung für das Verhältnis der Pflichten nach Abfallrecht und Immissionsschutzrecht. Das Verständnis dieser Regelung hängt drittens vom Inhalt der Entsorgungspflichten nach dem KrW-/AbfG und der Betreiberpflichten nach dem BImSchG ab. Den Erzeuger- und Besitzerpflichten nach dem KrW-/AbfG und den Betreiberpflichten des BImSchG liegen zwei unterschiedliche und sich ergänzende Regelungsansätze zugrunde: Erstere steuern die Durchführung der Entsorgung des angefallenen Abfalls, letztere Errichtung und Betrieb der abfallerzeugenden Anlagen. 28. Die Entsorgungspflichten nach dem KrW-/AbfG sind stoftbezogen. Soweit dies hier von Interesse ist, greifen sie erst zu dem Zeitpunkt ein, in dem die Sache erstmals den Abfallbegriff des § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG erfüllt und steuern die Entsorgung des einmal entstandenen Abfalls. Eine allgemeine Pflicht zur Vermeidung von Abfällen enthält das KrW-/AbfG nicht. Das KrW-/AbfG regelt Vorgaben rur die Durchführung der Entsorgung. Hierzu zählen insbesondere der Vorrang der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung vor der Beseitigung sowie Vorgaben, die das Rangverhältnis einzelner Verwertungsoptionen regeln. Weiterhin hält das KrW-/AbfG die Instrumente zur Kontrolle der Durchfiihrung der Entsorgung und des Verbleibs der Abfälle bereit. 29. Adressat der Verwertungspflicht nach dem KrW-/AbfG ist der Erzeuger als Verursacher der Abfälle. Er ist Verhaltensverantwortlicher. Seine Verantwortlichkeit endet erst mit der erfolgreichen Beendigung der Verwertung. Daneben trifft die Verwertungspflicht auch denjenigen, der bei Durchführung der Entsorgung Besitz am Abfall erlangt. 30. Demgegenüber steuern die immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten, ob und in welcher Form Abfälle beim Betrieb von Anlagen entstehen, indem sie Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb der abfallerzeugenden Anlagen stellen. Sie verpflichten den Anlagenbetreiber, bei der Wahl der Verfahrenstechniken und der eingesetzten Stoffe sowie bei der Organisation der Betriebsabläufe die Entsorgbarkeit der anfallenden Abfälle zu berücksichtigen. Adressat der immissionsschutzrechtlichen Pflichten ist ausschließlich der Anlagenbetreiber. 31. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG dürfen beim Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage grundsätzlich nur solche Abfälle entstehen, rur die tatsächlich Verwertungsmöglichkeiten verfiigbar sind. Nur wenn keine Verfahrensoptionen zur Verrugung stehen, die zu keinen oder zumindest zu verwertbaren Abfällen ruhren, oder die Nutzung dieser Optionen nicht

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zumutbar ist, dürfen Abfälle erzeugt werden, die beseitigt werden müssen. Aber auch in diesem Fall hat der Anlagenbetreiber dafür Sorge zu tragen, daß nur solche Abfälle entstehen, für die tatsächlich gemeinwohlverträgliche Beseitigungsmöglichkeiten bestehen. Die Genehmigungsfähigkeit der Errichtung und des Betriebs der Anlage hängt davon ab, daß die Erfüllung dieser Pflichten sichergestellt ist. Die Einhaltung der Pflichten ist Voraussetzung dafür, daß die Anlage weiter betrieben werden kann. 32. Zur Vermeidung von Abfällen i. S. d. § 5 Abs. I Nr.3 BImSchG zählen neben Maßnahmen zur Reduzierung der Menge und Schädlichkeit auch Maßnahmen zur anlageninternen Kreislaufführung (§ 4 Abs.2 KrW-/ AbfG). Eine Kreislaufführung liegt vor, wenn der angefallene Produktionsrückstand wieder in seiner ursprünglichen Funktion in den Produktionsprozeß zurückgeführt wird. Die Kreislaufführung ist anlagenintern, wenn sie innerhalb der durch § 1 Abs. 2 bis 4 der 4. BImSchV gezogenen Anlagengrenzen erfolgt. Die anlageninterne Kreislaufführung ist nach der Wertung des § 4 Abs.2 KrW-/AbfG auch dann eine Abfallvermeidung, wenn zum Zwecke der Kreislaufführung eine zwischengeschaltete Aufarbeitung erforderlich ist, die an sich die Begriffsmerkmale eines Verwertungsverfahrens nach Anhang 11 B zum KrW-/AbfG erfüllt. 33. Nicht zur Vermeidung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG rechnet die anlageninterne Verwertung von Abfällen. Die früher vorherrschende gegenteilige Auffassung im irnmissionsschutzrechtlichen Schrifttum steht mit den in § 4 Abs.2 und § 9 S.3 KrW-/AbfG zum Ausdruck kommenden Bewertungen nicht mehr in Einklang. Die Annahme, KrW-/AbfG und BImSchG lägen unterschiedliche Vermeidungsbegriffe zugrunde, erweist sich als nicht haltbar. 34. Auch nach der Neufassung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG durch das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen besteht zwischen Vermeidung und Verwertung kein generelles Rangverhältnis. Für eine auf § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG gestützte andere Auslegung bietet § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG keinen Ansatzpunkt. 35. § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG enthält die Verpflichtung, die Anlage so zu errichten und zu betreiben, daß entstehende Abfälle verwertet werden. Die Verwertung - gleiches gilt für die Beseitigung - ist nicht lediglich ein Ausnahmetatbestand, der die Vermeidungspflicht entfallen läßt, sondern ebenso wie die Vermeidung Gegenstand der Betreiberpflicht. Dies folgt aus Wortlaut und Genese der Vorschrift sowie aus einem Vergleich mit § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG. 36. Wie die Vermeidungspflicht bezieht sich auch die Verwertungspflicht allein auf die Errichtung und den Betrieb der Anlage. Die Durchführung der Verwertung ist daher im Ergebnis nur soweit Gegenstand der Betreiber-

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pflicht, wie sie innerhalb der Anlage erfolgt. Aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ergibt sich keine stoffbezogene Folgepflicht, die auch die Durchführung der Verwertung des einmal angefallenen Abfalls außerhalb der Anlage umfassen würde. Gegen die Annahme einer auch stoffbezogenen Folgepflicht sprechen insbesondere folgende Gesichtspunkte: Das immissionschutzrechtliche Überwachungsinstrumentarium ist nicht darauf ausgerichtet, Vorgänge außerhalb des Anlagenbereichs zu kontrollieren. Des weiteren enthält nach zutreffender Auffassung § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG jedenfalls bezüglich der Abfallbeseitigung eine allein anlagenbezogene Regelung. Insbesondere die Gleichbehandlung von Verwertung und Beseitigung in § 9 S. 2 KrW-/AbfG spricht für eine strukturelle Gleichartigkeit der Verwertungs- und der Beseitigungspflicht aus § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG. Zudem besteht nach der Ausweitung des Abfallregimes auf die privat durchgeführte Verwertung in der Sache kein Anlaß mehr, Verwertung und Beseitigung unterschiedlich zu behandeln. 37. Werden Abfalle aus einer genehrnigungsbedürftigen Anlage nicht verwertet, so ist dies aus immissionsschutzrechtlicher Sicht nur im Hinblick auf den zukünftigen Betrieb der Anlage von Bedeutung. Der weitere Betrieb hängt davon ab, daß eine anderweitige Entsorgungsmöglichkeit nachgewiesen wird. Die Durchsetzung der Verwertung bezüglich der bereits entstandenen Abfalle erfolgt auf der Grundlage des KrW-/AbfG oder, soweit einschlägig, der sonstigen in § 2 Abs. 2 KrW-/AbfG genannten Sondermaterien. 38. § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG verpflichtet den Anlagenbetreiber im Vorfeld der abfallrechtlichen Entsorgungspflichten, dafür Sorge zu tragen, daß nach Betriebseinstellung eine Entsorgung im Einklang mit den Anforderungen des KrW-/AbfG oder der sonstigen in § 2 Abs. 2 KrW-/AbfG genannten Entsorgungsvorschriften erfolgen kann, also die benötigten Entsorgungskapazitäten bereitstehen und die betriebsseitig erforderlichen Vorkehrungen für die Durchführung der Entsorgung getroffen sind. Die Steuerung des Entsorgungsvorganges selbst bleibt dem KrW-/AbfG überlassen. Bei der Anwendung und Durchsetzung des § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG haben die Immissionsschutzbehörden den abfallrechtlich begründeten Vorrang der Verwertung vor der Beseitigung zu beachten. 39. Nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG hat der Betreiber einer nicht genehrnigungsbedürftigen Anlage die Entsorgung der entstehenden Abfalle entsprechend den Anforderungen des KrW-/AbfG zu ermöglichen. Auch § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG enthält lediglich Anforderungen an Errichtung und Betrieb der Anlage, steuert aber nicht die Durchführung der Entsorgung. Der Anlagenbetreiber hat auch und vorrangig die Verwertung der von ihm erzeugten Abfalle zu ermöglichen. Wie sich aus der Genese der Vorschrift ergibt, entspricht der Begriff der Beseitigung in § 22 Abs. 1

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S.1 Nr.3 BImSchG dem der Entsorgung in § 3 Abs. 7 KrW-/AbfG. Der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG ist aufgrund der Vorverlagerung des Eingreifens der abfallrechtlichen Pflichten eher gering. Insbesondere läßt sich aus der Vorschrift keine Pflicht zur Änderung der vom Betreiber gewählten Anlagenauslegung und zur Wahl von abfallwirtschaftlich besonders vorteilhaften Produktionsverfahren ableiten, da dies auf eine Abfallvermeidung hinauslaufen würde, die § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG vom Betreiber gerade nicht verlangt. 40. Da die Bedeutung nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen als Quelle von Produktionsabfällen recht erheblich ist, ermöglicht nunmehr § 22 Abs. 1 S.2 BImSehG, durch Rechtsverordnung den Pflichtenkanon des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG auf bestimmte nicht genehmigungsbedürftige Anlagen zu erstrecken. Wesentlicher Inhalt der nach § 22 Abs. 1 S.2 BImSchG zu erlassenden Rechtsverordnung ist die konstitutiv wirkende Festlegung der betroffenen Anlagen. Dabei sollten die Anlagen nicht nur gegenständlich umschrieben werden, sondern zugleich eine Regelung des Anlagenumfangs getroffen werden. Dies ist jedenfalls im Hinblick auf § 9 S. 3 KrW-/AbfG geboten. 41. Art oder Menge aller oder einzelner Abfälle, die in den betreffenden Anlagen anfallen, sind lediglich das Kriterium für die Aufnahme einer Anlagenart in die Rechtsverordnung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG. Dagegen ist es nicht sachgerecht, die entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG auf bestimmte Abfälle zu beschränken, da es hierdurch zu unerwünschten Verlagerungseffekten kommen könnte. Auch ist es nicht sinnvoll, § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nur rur teilweise anwendbar zu erklären. Das Steuerungspotential der Vorschrift ergibt sich erst aus der Verknüpfung von Vermeidung, Verwertung und Beseitigung. 42. Die in einer Rechtsverordnung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG erfaßten Anlagen bleiben nicht genehmigungsbedürftige Anlagen. Die Durchsetzung der Pflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG kann daher nur mit den rur solche Anlagen zur Verrugung stehenden Mitteln erfolgen. Den Immissionsschutzbehörden steht lediglich das Instrumentarium der §§ 24, 25 BImSchG zur Verrugung. Nachträgliche Anordnungen haben sich in der Vergangenheit jedoch als nur begrenzt geeignet erwiesen, § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG Geltung zu verschaffen; jedenfalls ist ein erheblicher Vollzugsaufwand erforderlich. Ob eine effektive Durchsetzung über die nach anderen Fachgesetzen erforderlichen Anlagengenehmigungen, etwa die Baugenehmigung, erfolgen kann, ist eher zweifelhaft. 43. Trotz der unterschiedlichen Ansätze, die den Erzeuger- und Besitzerpflichten des KrW-/AbfG einerseits und den Betreiberpflichten des BImSchG andererseits zugrunde liegen, kommt es in dreierlei Hinsicht zu Über-

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schneidungen: Eine direkte Regelungskonkurrenz besteht, soweit es die Durchführung der Verwertung innerhalb der Anlage betrifft. Zweitens stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang die abfallrechtlichen Maßstäbe auch im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Pflichten Berücksichtigung fmden. Schließlich stellt sich das Problem der Bindungswirkung, die Entscheidungen der Immissionsschutzbehörde oder der Abfallbehörde für die jeweils andere Fachbehörde haben können. 44. § 9 S. I KrW-/AbfG stellt klar, daß die Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG unberührt bleiben und im Falle einer Überschneidung den abfallrechtlichen Pflichten vorgehen. Ein solcher Fall ergibt sich nach dem Inhalt der Pflichten jedoch lediglich hinsichtlich der anlageninternen Verwertung, da die Durchführung der anlagenexternen Verwertung nicht Gegenstand der Betreiberpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ist. Die anlageninterne Verwertung unterliegt als Teil des Anlagenbetriebs allein der Überwachung durch die Immissionsschutzbehörde. 45. Aus Wortlaut, Genese und Sinn und Zweck des § 9 S. 1 KrW-/AbfG folgt, daß die Vorschrift nur eingreift, soweit § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG unmittelbare oder entsprechende Anwendung findet. Die Durchführung der Entsorgung von Abfällen aus stillgelegten genehmigungsbedürftigen Anlagen sowie aus nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen, die nicht von einer Rechtsverordnung nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG erfaßt werden, richtet sich ohne Einschränkungen nach dem KrW-/AbfG. 46. § 9 S.2 KrW-/AbfG betrifft die Frage, wieweit die abfallrechtlichen Maßstäbe zur Ausfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG herangezogen werden können. Stoffbezogen i. S. d. § 9 S. 2 KrW-/AbfG sind alle Anforderungen, die tatbestandiich am Vorliegen eines Abfalls anknüpfen, unabhängig vom Entstehungsgrund und -ort. Unerheblich ist, ob die stoffbezogene Anforderung sich mittelbar auf den Betrieb einer Anlage auswirkt. Auf die Art und Weise der Verwertung bezogen sind alle Vorgaben, die nicht das "Ob" der Verwertung betreffen. Hierzu zählen insbesondere diejenigen Anforderungen des KrW-/AbfG, die das Rangverhältnis zwischen stofflicher und energetischer Verwertung regeln. Als problematisch erweist sich die Einordnung der in § 13 Abs. 4 KrW-/AbfG angesprochenen Andienungspflichten, die nicht nur die Durchführung der Verwertung regeln, sondern zugleich Instrumente der abfallrechtlichen Überwachung sind. 47. Die Anwendbarkeit der abfallrechtlichen Anforderungen nach § 9 S.2 KrW-/AbfG wird für die anlageninterne Verwertung durch § 9 S. 3 KrW-/ AbfG weiter eingeschränkt. Vorgaben, die durch oder aufgrund des KrW-/ AbfG begründet werden, sind nur beachtlich, soweit sie in einer Rechtsverordnung nach §§ 6 Abs. 1, 7 KrW-/AbfG enthalten sind. Ratio legis

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Zusammenfassung dieses Verordnungsvorbehaltes ist es, Eingriffe in das Produktionsverfahren auf der Grundlage der unbestimmt gehaltenen Tatbestände des KrW-/ AbfG zu vermeiden und eine Überlastung des irnrnissionsschutzrechtlichen Genehrnigungsverfahrens zu verhindern. Durch § 9 S.3 KrW-/ AbfG wird nur die Anwendung von Vorgaben begrenzt, die sich aus dem KrW -/AbfD ergeben. Der Vorschrift kann dagegen nicht entnommen werden, daß an die anlageninterne Verwertung nicht stoffbezogene Anforderungen gestellt werden können, die sich aus anderen Gesetzen oder aus dem BImSchG selbst, insbesondere aus dem Merkmal "schadlos", ergeben.

48. § 9 S.3 KrW-/AbfD enthält nicht nur einen Verordnungsvorbehalt, sondern begrenzt die nach Abfallrecht möglichen Anforderungen zugleich auf solche, die in Rechtsverordnungen nach §§ 6 Abs. 1 und 7 KrW-/AbfD geregelt werden können. Dies ist bedenklich im Hinblick auf EG-rechtlich vorgezeichnete Anforderungen, die nach Abfallrecht lediglich über eine Verordnung nach § 57 KrW-/AbfD umgesetzt werden können. In diesen Fällen ist es möglich und geboten, zugleich § 7 Abs. 1 und Abs. 4 BImSchG als Verordnungsermächtigung heranzuziehen. 49. Der Begriff der anlageninternen Verwertung ist für genehrnigungsbedürftige Anlagen durch einen Rückgriff auf die Bestimmung des Anlagenumfanges durch § 1 Abs. 2 - 4 der 4. BImSchV auszufüllen. Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG kann diese Regelung entsprechend herangezogen werden, soweit der Verordnungsgeber den Anlagenurnfang nicht in der jeweiligen Rechtsverordnung festgelegt hat. 50. Allein der Umstand, daß eine Verwertung im räumlichen und betriebstechnischen Zusammenhang mit der Einrichtung erfolgt, in der die Abfalle entstanden sind, ermöglicht es noch nicht, die Verwertungseinrichtung als Nebeneinrichtung der erzeugenden Anlage zuzurechnen. Eine Anlage zur Abfallentsorgung ist nur dann Nebeneinrichtung, wenn sie im Verhältnis zur erzeugenden Anlage eine untergeordnete und dienende Funktion hat. Hieran fehlt es zum einen, wenn Abfalle aus einer Vielzahl anderer Anlagen entsorgt werden. Eine dienende Funktion ist ferner dann zu verneinen, wenn die Verwertungsanlage die Abfalle zu einem zusätzlichen, eigenständigen Produkt weiterverarbeitet. Eine anlageninterne Verwertung ist daher regelmäßig nur anzunehmen, wenn die Abfalle in ihren Ursprungsprozeß zurückgeführt werden, ohne daß ein Fall der Kreislaufführung vorliegt. 51. Die Durchführung der anlagenexternen Verwertung ist weder Gegenstand der Betreiberpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG noch wird sie durch

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die immissionsschutzrechtliche Anlagengenehmigung gestattet. Gleichwohl muß die Genehmigungsbehörde auch in dem Fall, daß der Betreiber eine anlagenexterne Verwertung vorsieht, prüfen, ob die Abfälle, die beim geplanten Betrieb der Anlage anfallen, ordnungsgemäß und schadlos verwertet werden können. Nur in diesem Fall steht der zukünftige Betrieb im Einklang mit den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG. 52. Die Beurteilungen, die die Immissionsschutzbehörde der Genehmigungserteilung insoweit zugrundegelegt hat, entfalten im Normalfall keine Bindungswirkung für die Abfallbehörden bei der nachfolgenden Überwachung der anlagenexternen Verwertung. Die Steuerung und Überwachung der Entsorgung außerhalb der Anlage ist dem Kernbereich der den Abfallbehörden obliegenden Aufgaben zuzurechnen. Der Immissionsschutzbehörde fehlt es daher diesbezüglich an der erforderlichen Sachentscheidungskompetenz. Auch aus § 12 BImSchG läßt sich keine Befugnis ableiten, die Durchfiihrung der anlagenexternen Entsorgung verbindlich zu regeln. 53. Vielmehr ist die Immissionsschutzbehörde ihrerseits an die Entscheidungen gebunden, die die Abfallbehörden hinsichtlich anlagenexterner Vorgänge treffen, und hat deren Regelungsgehalt im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren oder beim Erlaß von nachträglichen Anordnungen zu beachten.

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Sachverzeichnis Abfall

- anzeigepflichtige 166, 273

- anlagenfremder 283

- gemeinsame 216 f., 298, 300

- besonders überwachungsbedürftiger 136, 176, 202 ff.

- genehmigungsbedürftige 83, 206

- überwachungsbedürftiger 202 ff., 314

- nicht genehmigungsbedürftige 157, 260,266,278,297

Abfallart 184, 222, 294, 302

- stillgelegte 241, 253 f.

Abfallbegriff 20 ff.

Anlagen, gleichartige 215

- des Abfallgesetzes 22

Anlagenbeschreibung 113

- europäischer 21 f., 29 f., 55

anlagenbezogen 18,80,159, 162 f., 222, 229,274,285

- objektiver 22, 43, 74 f., 132 ff. - subjektiver 22, 176 Abfallbilanz 202, 205 Abfalleigenschaft, Begründung der 21, 33,40,42,48,58,64,66,75,117 Abfallrahmenrichtlinie 20, 28 f., 37, 40, 62 f., 70, 75, 172, 178 Abfallverbringungsverordnung 303 Abfallwirtschaftskonzept 162, 202, 204 Abnahmeverträge 145,231,238 f., 302 Abwasser 23, 33 ff., 83,148 f., 310 Abwasseranlage 34 Abwasserbeseitigung 34, 310, 312, 319f.,323 Abwassereinleitung 34, 310

anlagenextern 297 anlagenintern 83, 211 f., Anlagentechnik 216 f., 230, 269, 298 Anlagenumfang 80, 212 f., 216, 270, 297 Anlagenzweck 113, 115,323 Anmeldung, chemikalienrechtliche 108 f. Anordnung, nachträgliche 234, 272 AntragsunterIagen 317 Anzeigepflicht 166,191,243,272 f., 319 Arzneimittel 108 f., 123 Atomgesetz 40 Auffangklausel 41 Auskunftspflicht 205

Altlasten 30 f. Altreifen 124, 13 1 f. Änderungsgenehmigung 273 Andienungspflicht 176, 288 ff., 325 Anfall 45, 76, 78 ff., 82 f., 87 ff. Anlage 32,79 ff., 113,206,212 f., 260, 268,297 ff.

BaseIer Übereinkommen 53, 56 Baugenehmigung 278 Bauschutt 67, 75, 126, 133 Begleitschein 207 f. Behörde, sachnähere 314, 316 Bergbau 40, 107, 144 f.

Sachveneichnis Beseitigungskosten 99, 198 f., 254

Entledigen 49 ff., 55

Beseitigungspflicht, immissionsschutzrechtliche 159,232,245 ff.

Entledigungstatbestände 44, 47 ff.

Beseitigungsverfahren 53 Besitzer 178 f. Bestandteil 33, 131 Betreiberpflichten 164,274,275 ff. Betrieb 230 f. Betriebs- und Geschäftsräume 201 Betriebseinstellung 252, 254 ff., 281 Betriebsgelände 214, 217 Betriebsstätte 33, 125,213

353

Entledigungswille 42, 62, 68 ff. Entsorgung 51, 68 Entsorgungseinrichtung 262, 299 Entsorgungsfachbetrieb 144,204 Entsorgungsnachweis 204 f., 313 Entsorgungsträger 17, 13 7, 189, 202 Entwidmung 119 f. Erfullungsgehilfe 51 Erlaubnis, wasserrechtliche 308, 311

Betriebsstoff67, 126, 130,223,252

Errichtung einer Anlage 111, 191,229 f., 252

Betriebsweise 223, 229

Ersatzbrennstoff 61, 187, 223

beweglich 30 ff.

Ersteneuger 177

Beweislast41, 71, 76

Eneuger 177 f.

Bindungswirkung 303 ff., 320

Europäischer Abfallkatalog 42

Boden, kontaminierter 30, 149,253

Evidenzprüfung 315

Chlorchemie 92

Fabrikkomplex 298

Deponiekapazitäten 193, 196, 198,257

Filterstaub 218, 300

Doppelregelung 160 f., 235, 243 Downcycling 183

Forschungs- und Entwicklungseinrichtung 287

Durchschnittsunternehmen 199 f.

Funktion, dienende 217, 299

EAK-Verordnung 43 f., 137

Gefährdungseignung 135, 137

Eigentumsgarantie 138

Gefährdungspotential 135 ff,314

Einleiteerlaubnis 310, 320

Gefahrenschutz 215,267

Einleiten 34 f., 37 f.

Gegenbeweis 72 f.

Einsammeln 50 f., 282

Genehmigung, Auslegung der 305,316 f.

Einsatzstoff 23 f., 66, 130, 221

Genehmigungsantrag 115 f., 231

Emissionsminderung 116

Genehmigungsbescheid 115 f., 306, 316 f.

Fiktion 70 ff., 76

Endlagerung 53 Endprodukt24, 65, 96

Genehmigungsverfahren, parallele 304

354

Sachverzeichnis

Gesamtkapitalrentabilität 197

Koppelprodukt s. Kuppelprodukt

Gesamtproduktion 94, 98 f., 195

Koprodukte 93

Getrennthalten 223, 246, 266, 317

Körperschaften, entsorgungspflichtige s. Entsorgungsträger

Gewahrsamsaufgabe 49 Gewässer 29, 33 f., 36 ff., 310 f. Gewässerbenutzung 310 f., 319 f. Gewinn 98 Gewinnerzielung 99 f. Grundpflichten - abfallrechliche 17, 155 ff., 230 - immissionsschutzrechtliche 155 f., 206 f., 230 Grundsätze der Kreislaufwirtschaft 155, 167,171 f. Halberzeugnis 96 Handelsvertrag 105 f. Haupteinrichtung 79, 81, 213 ff., 298 f. Hauptprodukt 81, 93, 99, 111

Kosten, externe 193, 198 Kostenvergleich 111, 193, 195,249 Kraftwerksentschwefelung 27 KraftwerksTÜckstände 106 Kreislauffuhrung 209 f., 218 ff. -

anlagen externe 212

-

anlageninterne 79,83,208,212 ff.

Kreislaufmedium 26 Kuppelprodukt 18, 91 ff., 99 f. Kuppelproduktion 92 f., 99 f. Lagern von Abfällen 51, 223 Leistungsgrenzen 215 f. Leitprodukt 81, 93, 100

Hauptzweck

LösemitteI25f.,58,65, 102, 126, 131, 210

-

LösemittelTÜckgewinnung 209

eines Produktionsprozesses 52, 93, 99 110, 113 f.

- einer Entsorgungsmaßnahme 187, 189

Markt 103

Herstellungskette, s. Produktionskette

Marktausscheiden 197

Hilfsstoffe 24 f., 126 f., 150,208

Markterlös 94, 98 f., 101 ff., s. a. Marktwert

Hochofenschlacke 26, 112, 144 Hüttensand 26, 144 Inverkehrbringen 107 ff.

Marktwert, positiver 97, 102 f., 105, 123, 145, s. a. Markterlös Maschinenteile 126 Mengenschwellen 270

Kennzeichnung von Abfällen 123,223, 246

Metallentfettung 25,131,210 Mischung von Abfällen 177

Kontrolldefizit 239, 318 Kontrolle, präventive 314

Nachfrageschwankungen 105, 110

Kontrollintensität 314

Nachsorgepflicht 158,240,252 ff.

Konzentrationswirkung 303, 307, 310 f.

Nachweisverfahren 202 ff., 309, 312 f.

Sachverzeichnis

355

Nachweisverordnung 202 f., 313

REA-Gips 27, 54,114,117,144 f.

Nebenbestimmungen 306, 316 ff.

Regelungsauftrag 290

Nebeneinrichtung 79, 213 ff., 299 f.

Regelungsgehalt eines Verwaltungsaktes 304 ff.

Nebenprodukt 66, 91 ff., 98 f., s. a. Kuppelprodukt Neuwidmung 45, 75, 120

Regelungskonkurrenz, s. Pflichtenkonkurrenz

Nutzung, gefahrenadäquate 138

Reinigungsanlage, nachgeschaltete 79 116 '

Ökobilanzierung 184

Ressourcenschonung 26, 36,145, 192 f. 196,198 '

ordnungsgemäß 142, 180 ortsfest 32 ff.

Reststoftbegriff, immissionsschutzrechtlicher 39,77,90, 129 f., 148,252 Rückgewinnung 58

Pfandflasche 64 f. Pflanzenschutzgesetz 39 f.

Rückstands- und Abfallwirtschaftsgesetz 22,163 Rückstandsbegriff 22, 146 f., 170

Pflanzenschutzmittel 107 f. Pflichtenkonkurrenz 274, 279 Priorität, prozedurale 227 Produktabfälle 118, 150 Produktionsabfälle 17 f. Produktionsabwässer 310, s. a. Abwasser Produktionsanlage 78, 125,298 Produktionsbereich 78, 82 Produktionskette 89 Produktionskosten, zurechenbare 94, 98 Produktionsstufen 24 f. Produktionsverantwortung 17 Produktnormen 106 f., 144 f. Produktverantwortung 17, 164, 173 Produktionseinrichtung 298 Produktionsprozeß 80 ff., 92 Qualitätskontrolle 112

Sache 29 f.

-r

Sachentscheidungskompetenz 309 f. 317 ff. ' Sachherrschaft, tatsächliche 67 f., 84, 119,178 SachpTÜfung 305, 311 schadlos 142, 181 Schadlosigkeit, relative 181, 227, 248 Schadstoffanreicherung 142, 20 I, 248 Scheinbestandteil 28, 31 Sekundärrohstoff 20, 60, 110, 183,300 Selbstbindung 320 ff. Sonderabfälle 17 Spritzlackierung 25, 195,210 Stand der Technik 190 ff. stoftbezogen 167,274,285 Stoffstrombetrachtung 89

Rahmen-Abwasserverwaltungsvorschrift 36

Stückkosten 99 f. Stückschlacke 26, 144

356

Sachverzeichnis

Tierkörperbeseitigungsgesetz 38 f., 149, 223,260 Transport von Abfällen 50 f., 177 Transportgenehmigung 303 Transportunternehmen 51, 144 Überlassungspflicht37f., 137, 175, 189, 289 f. Überwachung - abfallrechtliche 20 I ff.

Verursacherprinzip 17, 179 Verwertung 57 ff., 175 ff., 228 ff. - Art und Weise 170, 284 ff., 290 f. - energetische 61,141,186 f., 190,288 - stoffliche 60, 141 f., 186 f., 189,200, 287 Verwertungsarten 186 Verwertungskaskade 209 Verwertungskosten 195 ff., 249 f.

- immissionsschutzrechtliche 237 ff.

Verwertungsprodukt 102 f., 142 ff., 180, 185,221

Umweltentlastung 196, 250

Verwertungsverfahren 53 f., 58

Umweltverträglichkeit 200, 203, 265, 293

Vollzugsklarheit 167, 290

Umwidmung 63,119

Vollzugsprogramm 273 f.

Unberührtheitsklause1 245, 284

Vorabkontrolle 203

unbeweglich 30 ff.

Vorbehandlung 177

Unzumutbarkeit 192, 195, 199,250,252

Vorprodukt 96 Vorrang, spezialgesetzlicher 168, 276

Verbindungseinrichtungen 215 Verbleibskontrolle 144,203,324

Wasserbehörde 307, 310, 319 ff.

Verbundbetrieb 298

Werkzeuge 24, 33,126

Veredelungsstufe 185

Wertstoffe 22, 23, 177

Verfahrenstechnik 230, 251 f.

Wiederverwendung, wirtschaftliche 21

Verhaltensverantwortlichkeit 179,255

Willensannahme 68 ff.

Verhältnismäßigkeit 192, 195 f., 198, 250,272

Wirtschaftsgut 18, 22

- im engeren Sinne 195 Verkehrsanschauung 45,85 ff., 118 f., 121 ff. Vermeidung 79, 158, 171 ff., 206 ff., 218 ff., 251, 265, 281 Vermutung 41 f.,43 f., 70 ff., 151 ff. Verordnungsvorbehalt 170,290 ff. Versorgungseinrichtung 214 Vertrauensschutz 320 Vertretbarkeit, wirtschaftliche 197 f., 251

Zubereitung 108 Zuführen 48 ff. Zumutbarkeit, wirtschaftliche 186, 192 fI., 287 Zusammenhang, betriebstechnischer und räumlicher 214,301 Zwangsabfall 133 Zweckbestimmung 67 Zwischenprodukt 96