Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts: Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht [1 ed.] 9783428499236, 9783428099238

Das Handelsbilanzrecht gilt im deutschen Schrifttum und in der Rechtsprechung seit den Anfängen seiner Kodifizierung im

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Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts: Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht [1 ed.]
 9783428499236, 9783428099238

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht

Band 53

Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht Von

Jan Icking

Duncker & Humblot · Berlin

JAN ICKING

Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wolfgang Graf Vitzthum in Gemeinschaft mit Martin Heckei, Karl-Hermann Kästner Ferdinand Kirchhof, Hans von Mangoldt Thomas Oppermann, Günter Püttner Michael Ronellenfitsch sämtlich in Tübingen

Band 53

Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht

Von Jan Icking

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Icking, Jan: Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts : zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht / von Jan Icking. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht ; Bd. 53) Zug!.: Bochum, Univ., Diss., 1998/99 ISBN 3-428-09923-0

D294 Alle Rechte vorbehalten

© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 3-428-09923-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068

Meinen Eltern

Zum Geleit Dieses Buch hat eine Vorgeschichte. Im Herbst 1990 trafen sich die Mitglieder der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer zu ihrer Jahrestagung in Zürich, unter anderem, um über "Verwaltungsrecht als Vorgabe für Zivil- und Strafrecht" zu verhandeln 1. Ich benutzte die Diskussion, um meine Kolleginnen und Kollegen dazu zu ermuntern, bei nächst sich bietender Gelegenheit doch einmal über das Handelsbilanzrecht, die Vorschriften der §§ 238 ff HGB, zu sprechen. Meine Begründung hier in kurzen Worten 2 : Das Handelsbilanzrecht bilde einen Teil des Öffentlichen Rechts. Diese These habe das Reichsgericht in Strafsachen schon in einer Entscheidung aus dem Jahr 1886 vertreten. Die ersten großen Kommentare zum Aktienrecht aus den Anfangen dieses Jahrhunderts hätten die These aufgegriffen, sprächen etwa von einem Bilanzverwaltungsrecht. Heute sei es Gemeingut der Handelsrechtswissenschaft, die §§ 238 ff HGB den Normen des Öffentlichen Rechts zuzuordnen. Wenn es gegenwärtig, so hätte ich vielleicht noch fortfahren sollen, noch jemanden gäbe, der von all dem nichts wissen wolle, so seien dies die eigentlich Berufenen, die Lehrer des Staats- und Verwaltungsrechts. Meine Anregung stieß, ich hatte in der Tat kaum mit etwas anderem gerechnet, auf taube Ohren, nicht ganz auszuschließen: auf Unverständnis. Doch ich ließ den Gedanken deshalb nicht fallen, kam auf ihn vielmehr zurück, als es eines Tages darum ging, mit dem Verfasser dieses Buchs das Thema einer Dissertation "auszuhandeln". Wir waren uns schnell "handelseinig". Der Verfasser war mir bestens bekannt, hatte seit dem zweiten Semester an meinem Lehrstuhl gearbeitet, hatte sich schon längst als so etwas wie ein begnadeter Jurist im Gewande eines Studenten der Ökonomie entpuppt, war mit einer preisgekrönten Diplomarbeit über "Deutsches Einkommensteuerrecht zwischen Quellen- und Reinvermögenszugangstheorie" hervorgetreten 3, brachte, einfach ausgedrückt, all das mit, was ich von jemandem erwartete, der das Handelsbilanzrecht unter meiner Ägide einmal wirklich ergründen, es bis in die Details hinein anhand der Kategorien des Öffentlichen Rechts zu erklären versuchen sollte. 1 Vgl. M. Schröder/H. D. Jarass, Verwaltungsrecht als Vorgabe für Zivil- und Strafrecht, in: VVDStRL, Heft 50 (1991), 196 ff. 2 Vgl. ebd., 311 ff. 3 Vgl. 1. Icking, Deutsches Einkommensteuerrecht zwischen Quellen- und Reinvermögenszugangstheorie, Wiesbaden 1993.

8

Zum Geleit

Der Verfasser gliedert seine Untersuchungen im wesentlichen in drei Teile, in einen historischen, in einen systematischen und in einen ausgewählten Einzelfragen gewidmeten. In seinem historischen Teil führt der Verfasser den Leser zunächst bis in die Zeit der ersten Anfänge eines geregelten Rechnungswesens unter dem Codex Harnrnurabi aus dem 18. vorchristlichen Jahrhundert zurück, um ihn anschließend ausführlich mit der Entwicklung zu konfrontieren, die dem Bilanzrecht in der Epoche zwischen der berühmten Ordonnance de Commerce von 1673, dem Code de Commerce von 1807 und dem ADHGB von 1861 beschieden war. Es schließen sich dem Betrachtungen zur Geschichte der wichtigsten speziellen Bilanzrechte an, so zum aktienrechtlichen Bilanzrecht seit der Zeit des Preußischen Aktiengesetzes von 1843, dem Bilanzrecht der GmbH seit dem GmbH-Gesetz von 1892 und dem Bilanzrecht der Banken unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte der Bankenaufsicht. Der Verfasser rundet das bis hierhin Gesagte schließlich noch dadurch ab, daß er einen ersten Überblick über die Quellen des heute in Deutschland geltenden Handelsbilanzrechts, das Bilanzrecht des Bilanzrichtlinien-Gesetzes von 1985 in der Form der §§ 238 ff HGB n.F. usw. gibt. Der zweite Teil der vorliegenden Abhandlung, vom Verfasser selbst mit "Das Handelsbilanzrecht als Teil des öffentlichen Rechts" überschrieben, bildet fraglos das Kernstück des Werkes im ganzen. Der Verfasser macht es sich an dieser Stelle zur Aufgabe, die Behauptung, das Handelsbilanzrecht habe die Rechtsnatur von Öffentlichem Recht, unter Zugrundelegung der berühmten sogenannten Abgrenzungstheorien auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Der Verfasser beginnt, unter dogmengeschichtlichen Gesichtspunkten sicherlich nur konsequent, mit der sogenannten Interessentheorie, erklärt diese für in Lehre und Rechtsprechung zu seinem Thema ganz besonders weit verbreitet, kommt für sich selbst aber zu dem Schluß, daß das ihr eigentümliche öffentliche Interesse bei näherem Hinsehen kaum dazu geeignet ist, das Handelsbilanzrecht mit der gesuchten Öffentlichrechtlichkeit zu versehen. Es folgt ein Abschnitt, in dem sich der Verfasser der sogenannten Subordinationstheorie zuwendet, sich bis in allerletzte Einzelheiten mit der Frage beschäftigt, ob sich in bezug auf das Handelsbilanzrecht, sei es das ganze, seien es zumindest einzelne seiner Teile, von einem Verhältnis der Unterordnung des Kaufmanns unter den Staat sprechen läßt, ob der, der den Normen des Handelsbilanzrechts unterworfen ist, einer Art von Gewerbepolizeirecht unterliegt. Mit Sicherheit eine Art dogmengeschichtlicher Höhepunkt dazu der "Exkurs: Das Handelsbilanzrecht als Verwaltungsrecht", in der Sache eine Auseinandersetzung mit den "Großen" der frühen deutschen Verwaltungsrechtslehre, dem Handeisbilanzrecht einerseits bei Lorenz v. Stein und andererseits bei Otto Mayer! Im übrigen, um nur das hier noch ausdrücklich zu erwähnen: Der Verfasser geht mit der Subordinationstheorie eins, hält das Handelsbilanzrecht ihretwegen für Öffentliches Recht, im Falle der großen Kaufleute, der Kapitalgesellschaften,

Zum Geleit

9

der Banken und Versicherungen mit mehr, im Falle der kleinen Kaufleute, der Einzelunternehmer usw. mit weniger Recht. Dem Leser begegnen innerhalb des zweiten Teils der Arbeit schließlich noch zwei Abschnitte, in denen der Verfasser die Öffentlichrechtlichkeit des ihn beschäftigenden Rechtsgebiets zum einen aus dem Blickwinkel der sogenannten Subjekts- und zum anderen aus dem der sogenannten Verfügungstheorie beleuchtet. Die Verwaltungsrechtswissenschaft handelt die sogenannte Subjektstheorie schon seit längerem unter dem Stichwort "herrschende Lehre" ab. Umso überraschender deshalb aus der Feder des Verfassers diese Erkenntnis: Im gesamten Schrifttum findet sich bis heute nur eine Quelle, die es näher zu belegen unternimmt, daß die öffentlich-rechtliche Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts aus subjektstheoretischen Überlegungen folgt. Im dritten und letzten Teil seiner Untersuchungen richtet der Verfasser sein Augenmerk auf das, was er unter die Überschrift "Konsequenzen aus der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts" bringt. Der Verfasser beginnt damit, daß er sich kritisch mit all den Stimmen auseinandersetzt, die für die These zu sprechen scheinen, das Handelsbilanzrecht habe den Charakter von ius cogens, weil es einen Teil des Öffentlichen Rechts bilde. Der Verfasser benutzt diesen Teil seiner Arbeit ferner dazu, um etwa den Zusammenhängen nachzugehen, die zwischen der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts und der Bewertung von Vermögensgegenständen in der Handelsbilanz bestehen. Oder, um mit einem dritten Beispiel zu schließen: Man kann an dieser Stelle etwas darüber lesen, wie es um die Öffentlichrechtlichkeit des Buchführungsrechts in seiner Eigenschaft als Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB steht. Die Arbeit, mit Quellen in kaum zu überbietender Fülle belegt, hat der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum im Wintersemester 1998/99 unter dem Titel "Das Handelsbilanzrecht. Herkunft - Rechtsnatur - Sanktionen" als Dissertation vorgelegen. Die beiden Gutachter, ich in meiner Eigenschaft als Erst-, Herr Prof. Dr. rer. pol. Hannes Streim in seiner Eigenschaft als Zweitreferent, haben sie übereinstimmend mit der Note "summa cum laude" bewertet, haben in ihr, so jedenfalls die Worte des Zweitgutachters, "das Werk eines wahren Meisters auf dem Gebiet des Handelsbilanzrechts" gesehen. Die Gesellschaft der Freunde der Ruhr-Universität Bochum e.V. hat die Arbeit im Januar 2000 mit dem Gebrüder-Deschauer-Preis ausgezeichnet. Herr Prof. Dr. Wolfgang GrafVitzthum, mir seit vielen Jahren aus gemeinsamer Lehre an der Tübinger Juristenfakultät in Freundschaft verbunden, hat sich spontan bereit erklärt, die Arbeit in die von ihm betreute Reihe der "Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht" aufzunehmen. Das Staatsrecht, das Verwaltungsrecht und das Recht der Handelsbilanz: Dankenswerterweise wächst an dieser Stelle jetzt endlich zusammen, was zusammengehört! BochumlTübingen, im Januar 2000

Hermann- Wilfried Bayer

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 1998/99 von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum angenommen wurde. Die langjährige Unterstützung meiner Eltern und meiner beiden Geschwister waren für mich eine wertvolle und unverzichtbare Hilfe bei meinem Dissertationsvorhaben. Zu großem Dank bin ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hermann-Wilfried Bayer, verpflichtet, der mein Interesse auf die im Schrifttum weitgehend vernachlässigte Frage nach der Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts gelenkt hat. Ich fand in ihm jederzeit einen kritischen und fördernden Gesprächspartner. Die harmonische Arbeitsatmosphäre, die ich an seinem Lehrstuhl kennengelernt habe, hat die Entstehung dieser Arbeit wesentlich gefördert. Herrn Prof. Dr. Hannes Streim möchte ich meinen Dank für die Übernahme des Zweitgutachtens aussprechen. Herr Dr. Hans U. Brauner, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Rheinmetall AG, Herr Grillo, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Rheinmetall DeTec AG, und Herr Dr. Herbert Müller, Mitglied des Vorstands der Rheinmetall AG, haben die Entstehung dieser Arbeit in der Schlußphase entscheidend unterstützt. Wertvolle Hilfe hat mir auch Frau Micaela Kessel-Hartwig, Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl von Herrn Prof. Bayer, gewährt. Herrn Prof. Dr. Wolfgang Graf Vitzthum danke ich dafür, diese Arbeit in die von ihm herausgegebenen "Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht" aufzunehmen. Bochum, im Januar 2000

Jan Icking

Inhaltsverzeichnis Einleitung

35

1. Teil

Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

48

A. Begriffliche Vorbemerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

Der Begriff des "Handelsbilanzrechts" ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

11. Gliederungsmöglichkeiten des Handelsbilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

111. Der Begriff des "Bilanzsteuerrechts" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

B. Die Entwicklung des allgemeinen Bilanzrechts bis zum BilanzrichtlinienGesetz von 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

Die Zeit bis zur Ordonnance de Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

11. Die Ordonnance de Commerce von 1673 und der Code de Commerce von 1807 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

111. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 ..... . .

68

IV. Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 . . . . . . . . . . . . . . .

72

1. Vorausgehende Kodifikationsbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

2. Die den Beratungen der Nürnberger Konferenz zugrunde liegenden Entwürfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

3. Die Buchführungsvorschriften in den Beratungen der Nürnberger Konferenz ... .... .. . ....... .. .......... .. ...... ...... ...... ...

79

4. Die Buchführungsvorschriften des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

5. Das Handelsgesetzbuch von 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

I.

I.

C. Die Entwicklung des speziellen Bilanzrechts bis zum Bilanzrichtlinien-

Gesetz von 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

14

Inhaltsverzeichnis I.

Das aktienrechtliche Bilanzrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

1. Die Zeit bis zur Aktiennovelle von 1870 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

2. Die Aktiennovelle von 1870. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

3. Die Aktiennovelle von 1884. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

4. Die Aktiennovelle von 1931 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105

5. Das Aktiengesetz von 1937 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

108

6. Das Aktiengesetz von 1965 ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

108

11. Das GmbH-rechtliche Bilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

110

1. Das Gesetz l betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1892. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

110

2. Die gescheiterten Reformvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

112

III. Das genossenschaftsrechtliche Bilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

114

1. Das preußische Genossenschaftsgesetz von 1867 . . . . . . . . . . . . . . . . . .

114

2. Das Genossenschaftsgesetz von 1889 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119

3. Die Novellen von 1933 und 1934........................ .......

122

IV. Das versicherungsrechtliche Bilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

124

1. Die Versicherungsaufsicht im 19. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125

2. Das Versicherungsaufsichtsgesetz von 1901 ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

128

3. Die weitere Entwicklung der versicherungsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133

V. Das bankrechtliche Bilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

135

1. Die Entwicklung der Bankenaufsicht bis 1934 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

135

2. Das Kreditwesengesetz von 1934. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

138

3. Das Kreditwesengesetz von 1961. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141

VI. Das größenspezifische Bilanzrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

146

D. Das Bilanzrecht in seiner heutigen Gestalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

148

I.

Der europarechtliche Hintergrund des heutigen Bilanzrechts . . . . . . . . . . .

148

11. Das Bilanzrichtlinien-Gesetz von 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151

1. Die strukturelle Grundentscheidung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . .

151

2. Das allgemeine Bilanzrecht der §§ 238 bis 263 HGB n.F.. . . . . . . . . . . .

153

3. Das spezielle Bilanzrecht der §§ 264 bis 339 HGB n.F. .... . . . . . . . . .

154

Inhaltsverzeichnis

15

III. Das Bankbilanzrichtlinie-Gesetz von 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160

IV. Das Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz von 1994 und das Dritte ÄnderungsgesetzlEWG zum VAG von 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

161

2. Teil

Das Handelsbilanzrecht als Teil des öffentlichen Rechts A. Die Interessentheorie .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

166 167

Die Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht nach der Interessentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

167

11. Die Begründung der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts mit Hilfe der Interessentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168

1. Das Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168

2. Die Rechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171

3. Der Gesetzgeber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

172

III. Die Entstehung des interessentheoretischen Begründungsansatzes . . . . . . .

172

1. Der Blickwinkel des kaufmännischen Eigeninteresses an der Buchführung im frühen handelsrechtlichen Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

173

2. Die Ursprünge der Auffassung vom öffentlichen Interesse an der kaufmännischen Buchführung. . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

196

3. Die erstmalige interessentheoretische Begründung der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts bei Endemann . . . . . . . . . . . . . . .

201

4. Die Entscheidung des Reichsgerichts vom 9.1.1886. . . . . . . . . . . . . . . .

205

a) Die grundlegende Bedeutung der Entscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . .

205

b) Die Rechtsprechung des Ober-Tribunals zur Rechtsnatur der Buchführungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

207

c) Der Tatbestand der Entscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

212

d) Die Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

212

5. Staubs Kommentar zum ADHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

214

IV. Der Inhalt des öffentlichen Interesses am Handelsbilanzrecht. . . . . . . . . . .

218

I. Der Begriff des ..öffentlichen Interesses" im allgemeinen. . . . . . . . . . . .

220

a) Der Begriff des .. Interesses" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

220

b) Der Begriff ..öffentlich" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

221

Inhaltsverzeichnis

16

aa) "Öffentlich" im Sinne von "offenliegend" . . . . . . . . . . . . . . . . . .

221

bb) "Öffentlich" im Sinne von "staatlich" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

222

cc) "Öffentlich" im Sinne von "etwas, was alle angeht" . . . . . . . . . .

224

2. Der Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

226

3. Der Schutz des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

237

4. Der Schutz des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

238

5. Die Belange des Steuerfiskus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

244

6. Die öffentliche Bedeutung von Großunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . .

248

7. Die öffentliche,Bedeutung von Banken und Versicherungsunternehmen

256

8. Die Bedeutung der Rechnungslegung als Informationsgrundlage für staatliche Entscheidungen ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

259

V. Kritische Würdigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

260

B. Die Subordinationstheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

266

Die Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht nach der Subordinationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

266

II. Merkmale von Subordinations- und Koordinationsverhältnissen. . . . . . . . .

268

III. Die Begründung der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts mit Hilfe der Subordinationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

272

IV. Kritische Würdigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

275

1. Die Mängel der Subordinationstheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

275

2. Das Handelsbilanzrecht als Gesetzesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

278

3. Das Handelsbilanzrecht als pftichtenbegründendes Recht. . . . . . . . . . . .

279

4. Subordination im Handelsbilanzrecht der "kleinen" Personenunternehmen ........ ............ .. .... .. ...... .......... .......

281

a) Die fehlenden unmittelbaren Durchsetzungsmöglichkeiten . . . . . . . .

281

aa) Die Gesetzeslage .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

281

bb) Der Zusammenhang zwischen einer staatlichen Buchführungsaufsicht und einer direkten Sanktionierung von Buchführungsmängeln ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

285

cc) Die Gründe für die fehlenden unmittelbaren Durchsetzungsmöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

288

(1)

Die machtpolitischen Hintergründe des ADHGB . . . . . . . .

288

(2)

Antifranzösische Ressentiments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

289

I.

Inhaltsverzeichnis

2 Icking

17

(3)

Die mit dem französischen Bilanzrecht gemachten Erfahrungen.........................................

290

(4)

Der liberale zeitliche Hintergrund des ADHGB . . . . . . . . .

290

(5)

Der erforderliche Verwaltungsaufwand . . . . . . . . . . . . . . . .

298

(6)

Die Kosten der Pliifung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

301

(7)

Die drohende Amtshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

303

(8)

Die Gefahr der Wirtschaftslenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

303

(9)

Die Gefährdung des kaufmännischen Geschäftsgeheimnisses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

305

(10) Das kaufmännische Eigeninteresse an einer geordneten Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

307

(11) Das Leitbild des ordentlichen und ehrlichen Kaufmanns. .

307

(12) Die Gläubigerschutzorientierung des Handelsbilanzrechts .

308

b) Das Konkursstrafrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

309

c) Die Editionspflicht ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

309

d) Das Bilanzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

312

aa) Die finanzbehördliche Kontrolle der kaufmännischen Buchführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

312

(1)

Die Gesetzeslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

312

(2)

Die Entstehung der finanzbehördlichen Buchführungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

314

bb) Das Bilanzsteuerrecht als Gegenstand von Verwaltungsakten. . .

318

cc) Die Sanktionierung von Verstößen gegen das Bilanzsteuerrecht.

319

dd) Die öffentlich-rechtliche Natur des Bilanzsteuerrechts und das Handelsbilanzrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

321

e) Die Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

323

aa) Das Verhältnis von Handels- und Gewerberecht . . . . . . . . . . . . .

323

bb) Der Inhalt und die Rechtsnatur des § 35 GewO. . . . . . . . . . . . . .

324

cc) Verstöße gegen die handelsrechtliche Buchführungspflicht und die Anwendungsvoraussetzungen des § 35 GewO. . . . . . . . . . . .

326

(I)

Der Betrieb eines stehenden Gewerbes. . . . . . . . . . . . . . . .

327

(2)

Das Vorliegen von Tatsachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

328

(3)

Die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden. . . . . . . . . .

328

(4)

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. . . . . . . . . . . . . . . .

331

Inhaltsverzeichnis

18 (5)

c.

Die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg . . . . . .

334

f) Die Tagebuchführungspflicht der Handelsmakler nach § 103 HGB . .

334

5. Subordination im Handelsbilanzrecht der Kapitalgesellschaften, der Genossenschaften und der "großen" Personenunternehmen . . . . . . . . . .

339

a) Die Pflicht zur Abschlußprüfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

340

aa) Die Rechtsform des Trägers der Abschlußprüfung. . . . . . . . . . . .

340

bb) Der Begriff des "beliehenen Unternehmers" . . . . . . . . . . . . . . . .

342

ce) Der genossenschaftliche Prüfungsverband als beliehener Unternehmer .............................................

344

dd) Der Abschlußprüfer als beliehener Unternehmer. . . . . . . . . . . . .

349

b) Die staatliche Aufsicht über die Buchführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

356

aa) Die staatliche Buchführungsaufsicht im Oktroi- und Konzessionssystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

356

bb) Die Diskussion über ein staatliches Aktienamt . . . . . . . . . . . . . .

358

ce) Die staatliche Buchführungsaufsicht im Normativsystem . . . . . .

360

c) Die unmittelbare Sanktionierung von Verstößen gegen die Rechnungslegungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

367

6. Subordination im Handelsbilanzrecht der Banken und Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

376

a) Der Abschlußprüfer als beliehener Unternehmer. . . . . . . . . . . . . . . .

376

b) Die staatliche Aufsicht über die Buchführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

379

c) Das Handelsbilanzrecht der Banken und Versicherungsunternehmen als Gegenstand von Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

382

d) Die unmittelbare Sanktionierung von Verstößen gegen die Rechnungslegungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

384

7. Gleichordnung im Handelsbilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

386

a) Das Handelsbilanzrecht als Nicht-Privatrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

386

b) Gleichordnung im Handelsbilanzrecht der Einzelkaufleute. . . . . . . .

388

c) Gleichordnung im Handelsbilanzrecht der Handelsgesellschaften. . .

391

Exkurs: Das Handelsbilanzrecht als Verwaltungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . .

395

Die Subjektstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

405

Die Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht nach der Subjektstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

405

1. Die ältere Subjektstheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

406

I.

Inhaltsverzeichnis

19

2. Die fonnale Subjektstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

406

3. Die materielle Subjektstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

408

11. Die Begründung der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts mit Hilfe der Subjektstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

409

III. Kritische Würdigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

411

1. Die fonnale Subjektstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

411

a) Der Verpflichtete des Handelsbilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

411

b) Der Berechtigte des Handelsbilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

413

aa) Das Handelsbilanzrecht der Einzelkaufleute . . . . . . . . . . . . . . . .

413

bb) Das Handelsbilanzrecht der Handelsgesellschaften. . . . . . . . . . .

414

2. Die materielle Subjektstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

417

a) Der Verpflichtete des HandeIsbilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

417

b) Der Berechtigte des Handelsbilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

419

aa) Das Handelsbilanzrecht der Einzelkaufleute . . . . . . . . . . . . . . . .

419

bb) Das Handelsbilanzrecht der Handelsgesellschaften. . . . . . . . . . .

420

3. Der Begründungsansatz von W. Müller. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

421

D. Die Verfügungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

431

Die Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht nach der Verfügungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

431

I.

11. Die Begründung der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts

mit Hilfe der Verfügungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

432

III. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

438

E. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

443

3. Teil Konsequenzen aus der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts

445

A. Die zwingende Natur des Handelsbilanzrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

446

Die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts und dessen Zwangscharakter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

446

11. Der Wortlaut des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

451

I.



Inhaltsverzeichnis

20

III. Das Handelsbilanzrecht als bloße Empfehlung des Gesetzgebers . . . . . . . .

455

IV. Kritik.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

458

B. Die Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

462

Die grundsätzlichen Bewertungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

462

11. Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts und der gesetzlich verlangte Wertansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

464

1. Die Bewertungsproblematik bei Eisenbahngesellschaften. . . . . . . . . . . .

464

2. Die Objektivität der Wertermittlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

470

III. Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts und die Zulässigkeit von Unterbewertungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

475

C. Die bilanzielle Behandlung des Privatvermögens von Einzelkaufleuten. . . . . .

484

D. Die Ermittlung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung . . . . . . . . . . . .

488

Die grundsätzlichen Ermittlungsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

488

1. Die induktive Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

489

2. Die deduktive Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

491

11. Die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts und die deduktive Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

492

III. Die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts und die induktive Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

496

E. Die Bilanzaufstellungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

501

F. Die Auslegung des Handelsbilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

504

Die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts als Argument für eine Gesetzesauslegung zu Lasten des Kaufmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

504

11. Die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts als Argument für eine Gesetzesauslegung zugunsten des Kaufmanns. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

506

G. Die Beschlagnahmefahigkeit von Handelsbüchern im Strafprozeß . . . . . . . . . .

509

H. Die handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften als Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

515

I.

I.

I.

Zusammenfassung der Ergebnisse

522

Inhaltsverzeichnis

21

Literaturverzeichnis

530

Quellenverzeichnis

644

Entscheidungsregister

661

Personen- und Sachverzeichnis

673

Abkürzungsverzeichnis a.A.

anderer Ansicht

ABlEG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

Abs.

Absatz

Abschn.

Abschnitt

Abt.

Abt(h)eilung

AcP

Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift)

ADHGB

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch

a.E.

am Ende

ÄndG

Änderungsgesetz

a.F.

alte Fassung

AfR

Archiv für Rechtsfälle aus der Praxis der Rechts-Anwälte des Königlichen Ober-Tribunals; ab 23. Bd. (1857): Archiv für Rechtsfälle, die zur Entscheidung des Königlichen Ober-Tribunals gelangt sind (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite»

AG

AmtsgerichtIDie Aktiengesellschaft (Zeitschrift)

Akt.

Aktenstück

AktG

Aktiengesetz

ALR

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten

Anh.

Anhang

Anlagebd.

Anlageband

An!. zu den Stenogr. Ber. über die Verh. des Hauses der Abg.

Anlagen zu den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten

Anm.

Anmerkung

Annalen OAG Dresden

Annalen des König!. Sächs. Oberappellationsgerichts zu Dresden (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite»

Annalen OLG Dresden

Annalen des Kg!. Sächs. Ober-l;andes-Gerichts zu Dresden (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite»

AO

Abgabenordnung

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

23

Az

Aktenzeichen

BAG

Gesetz über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen

BAK

Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen

BankBiRiLiG

Bankbilanzrichtlinie-Gesetz

BAnz.

Bundesanzeiger

BAV

Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs-(bis 1972: und Bauspar-)wesen

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BayVGH

Bayerischer Verwaltungs gerichtshof

BB

Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BIB

Beckmann, Klaus/Bauer, Joachim: Bankaufsichtsrecht, Entscheidungssammlung, MünchenlFrankfurt am .Main, Stand: 1987 (damit eingestellt).

Bd.

Band

BeckBilKomm

Beck'scher Bilanz-Kommentar

BeckHdR

Beck'sches Handbuch eier Rechnungslegung

Bek.

Bekanntmachung

bes.

besonders

Beschl.

Beschluß

BFH

Bundesfinanzhof

BFHE

Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite»

BFHlNV

Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs

BFuP

Betriebswirtschaftliehe Forschung und Praxis (Zeitschrift)

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBI.

Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes; 1871: Bundes-Gesetzblatt des Deutschen Bundes; ab 1949: Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen

BiRiLiG

Bilanzrichtlinie(n)-Gesetz

24 BI. f. GenW

Abkürzungs verzeichnis Blätter für Genossenschaftswesen

BMF

Bundesministerium der Finanzen

BoHdR

Bonner Handbuch Rechnungslegung

Bolze

Die Praxis des Reichsgerichts in Civilsachen, bearbeitet von Bolze (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite»

BpO

Betriebsprüfungsordnung

BStBI.

Bundessteuerblatt

BT-Drs.

Bundestagsdrucksache

BuschsA

Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handelsrechts (ab 26. Bd. (1872): Handels- und Wechselrechts), hrsg. v. Busch (bei Entscheidungen zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite» (Zeitschrift)

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite»

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite»

bzw.

beziehungsweise

CR

Computer und Recht (Zeitschrift)

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

DBW

Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift)

ders.

derselbe

d.h.

das heißt

DHLZ

Deutsche Handelsschul-Lehrer-Zeitung

dies.

dieselbe(n)

Diss.

Dissertation

DJ

Deutsche Justiz (Zeitschrift)

DJZ

Deutsche Juristen-Zeitung

DM

Deutsche Mark

DNotZ

Deutsche Notar-Zeitung

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)

DR

Deutsches Recht (Zeitschrift)

DRichtZ

Deutsche Richterzeitung

Drs.

Drucksache

Abkürzungsverzeichnis

25

Drs. zu den Verh. des BRathes des Norddt. Bundes (Dt. Reiches)

Drucksachen zu den Verhandlungen des Bundesrathes des Norddeutschen Bundes (Deutschen Reiches)

DStB!.

Deutsches Steuerblatt (Zeitschrift)

DStJG

Deutsche Steuetjuristische Gesellschaft

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

DStRE

DStR-Entscheidungsdienst

DStZ

Deutsche Steuer-Zeitung

DStZlA

Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A

DVB!.

Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

DWZ

Deutsche Wirtschafts-Zeitung

DZWir

Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

ebd.

ebenda

EFG

Entscheidungen der Finanzgerichte

EG

Europäische Gemeinschaft

EGAktG

Einführungsgesetz zum Aktiengesetz

EGStGB

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

Einf.

Einführung

Ein!.

Einleitung

erg.

ergänze

EStDV

Einkommensteuer-Durchführungsverordnung

EStG

Einkommensteuergesetz

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

EuR

Europarecht (Zeitschrift)

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

e. V.

eingetragener Verein

EWGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

F.

Folge

FA

Finanzarchiv (Zeitschrift)

FASB

Financial Accounting Standards Board

FAVAG

Frankfurter Allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

26

Abkürzungsverzeichnis

FG

Finanzgericht

Fn.

Fußnote

FR

Finanz-Rundschau (Zeitschrift)

Frhr.

Freiherr

GA

Archiv für Preußisches Strafrecht; ab 19. Bd. (1871): Archiv für Gemeines Deutsches und für Preußisches Strafrecht; ab 28. Bd. (1880) bis 46. Bd. (1899): Archiv für Strafrecht; ab o.Bd. (1953): Goltdammer's Archiv für Strafrecht (Zeitschrift)

GA EuGH

Generalanwalt am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

GenG

Gesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirt(h)schaftsgenossenschaften

GesRZ

Der Gesellschafter (Zeitschrift)

GewArch

Gewerbearchiv (Zeitschrift)

GewO

Gewerbeordnung

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

gl.A.

gleicher Ansicht

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GmbHR

Rundschau für GmbH; ab 54. Jg. (1963): GmbH-Rundschau (Zeitschrift)

GoB

Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung

GrS

Großer Senat

Gruch.

Beiträge zur Erläuterung des Preußischen Rechts durch Theorie und Praxis; ab 11. Bd. (1867): Beiträge zur Erläuterung des Preußischen Rechts, des Handels- und Wechsel rechts durch Theorie und Praxis; ab 16. Bd. (1872): Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, in besonderer Beziehung auf das Preußische Recht mit Einschluß des Handels- und Wechselrechts; ab 41. Bd. (1897): Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot (Zeitschrift)

GVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen

GWW

Gemeinnütziges Wohnungswesen (Zeitschrift)

HAG

Handelsappellationsgericht

Halbbd.

Halbband

Halbs.

Halbsatz

HBG

Hypothekenbankgesetz

Abkürzungsverzeichnis HdbKommWissPrax

27

Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis

HdJ

Handbuch des Jahresabschlusses in Einzeldarstellungen

HdR

Handwörterbuch der Rechtswissenschaft

HdSW

Handwörterbuch der Sozialwissenschaften

HdWW

Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft

Hervorh. i. Orig.

Hervorhebung im Original

Hervorh. v. Verf.

Hervorhebung vom Verfasser

HGB

Handelsgesetzbuch

HirthsAnn.

Annalen des Deutschen Reich(e)s für Gesetzgebung, Verwaltung und Statistik; ab o.Jg. (1902): Annalen des Deutschen Reichs für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, begründet von Hirth (Zeitschrift)

Holdheim

Wochenschrift für Aktienrecht und Bankwesen, Steuer- und Stempel fragen; ab 5. Jg. (1896): Monatsschrift für Aktienrecht (ab 6. Jg. (1897): Handelsrecht) und Bankwesen, Steuer- und Stempelfragen, begründet von Holdheim (Zeitschrift)

hrsg.

herausgegeben

Hrsg.

Herausgeber

HS

Handelsrechtliche Entscheidungen, begründet von Gustav Stanzl, hrsg. von Johannes Wolfgang Steiner

HWB

Handwörterbuch der Betriebswirtschaft

HWF

Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens

HWiStR

Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts

HWR

Handwörterbuch des Rechnungswesens

HwS

Handwörterbuch der Staatswissenschaften

lAS

International Accounting Standards

IA SC

International Accounting Standards Committee

i.d.F.

in der Fassung

IDW

Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V.

IStR

Internationales Steuerrecht (Zeitschrift)

i.Y.m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift)

JbFfSt

Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht

JFG

Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite»

Jg.

Jahrgang

28

Abkürzungsverzeichnis

JheringsJb.

Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts; ab 36. Bd. (1897): Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts

1.0.

Journal Officiel de la Republique Fran~aise

JR

Juristische Rundschau (Zeitschrift)

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JW

Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung

Kap.

Kapitel

KapAEG

Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz

KapCoRiLiG

Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz

KG

Kommanditgesellschaft

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KGJ

Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit und in Strafsachen; ab 20. Bd.: Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempelund Strafsachen (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite»

KO

Konkursordnung

KonTraG

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich

KTS

Zeitschrift für Insolvenzrecht, Konkurs, Treuhand, Sanierung

KWG

Gesetz über das Kreditwesen

I.

lex

Leg.-Per.

Legislatur-Periode/Legislaturperiode

LG

Landgericht

Lib.

Liber

lit.

littera

LöschG

Gesetz über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften

LZ

Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht; ab 8. Jg. (1914): Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

m.

mit

mbH

mit beschränkter Haftung

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis

29

Ministerial-BI.

Ministerial-Blatt für die gesammte innere Verwaltung in den Königlich Preußischen Staaten

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

NB

Neue Betriebswirtschaft (Zeitschrift)

n.F.

neue Fassung

N.F.

Neue Folge

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

Nr.

Nummer

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

OAG

Oberappellationsgericht

o.Aufl.

ohne Auflage

o.Bd.

ohne Band

OGH

Oberster Gerichtshof

OHG

Offene Handelsgesellschaft

0.1.

ohne Jahr

o.1g.

ohne Jahrgang

OLG

Oberlandesgericht

OLGR

Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Civilrechts (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite»

0.0.

ohne Ort

o.S.

ohne Seite

OTrE

Entscheidungen des Königlichen Ober-Tribunals (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite»

o.y.

ohne Verfasser

OVG

Oberverwaltungsgericht

OVGE i. St.

Entscheidungen des Königlich Preußischen Oberverwaltungsgerichts in Staatssteuersachen (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite»

PrAktG

Preußisches Gesetz über die Aktiengesellschaften

PrEisenbahnG

Preußisches Gesetz über die Eisenbahn-Unternehmungen

PrEStG

Preußisches Einkommensteuergesetz

PrGenG

Preußisches Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschafts-Genossenschaften

PrGS

Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten

PrStGB

Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten

30

Abkürzungsverzeichnis

PublG

Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen

RabelsZ

Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Rabel

RAG

Reichsarbei tsgericht

RAnz.

Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger

RAO

Reichsabgabenordnung

Rdn.

Randnummer

RdOTr.

Die Rechtsprechung des Königlichen Ober-Tribunals in StrafSachen (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite»

RegE

Regierungsentwurf

REStG

Reichseinkommensteuergesetz

RFH

Reichsfinanzhof

RFHE

Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite»

RG

Reichsgericht

RGBI.

Reichs-Gesetzblatt; ab 1922: Reichsgesetzblatt

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RIW

Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)

ROHG

Reichsoberhandelsgericht

ROHGE

Entscheidungen des Reichs-Oberhandelsgerichts (zitiert: Bd., Anfangsseite (zitierte Seite))

Rpfteger

Der Deutsche Rechtspfteger (Zeitschrift)

RStBI.

Reichssteuerblatt

RT-Drs.

Reichstagsdrucksache

S.

Satz/Seite

SächsA

Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozeß (Zeitschrift)

SchmollersJb.

Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirt(h)schaft (bis 68. Jg. (1944): im Deutschen Reich(e)), begründet von Schmoller (Zeitschrift)

SEC

Securities and Exchange Commission

Sess.

Session

SeuffA

1. A. Seuffert(')s Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten

Abkürzungsverzeichnis

31

SeuffB!.

Blätter für Rechtsanwendung zunächst in Bayern; ab 63. Bd. (1898): Dr. J. A. Seuffert's Blätter für Rechtsanwendung (Zeitschrift)

Sp.

Spalte

SP

Soziale Praxis (Zeitschrift)

Stbg

Die Steuerberatung (Zeitschrift)

StBJb

Steuerberater-J ahrbuch

Stenogr. Ber. über die Verh. des (Dt.) RTag(e)s (des Norddt. Bundes)

Stenographische Berichte über die Verhandlungen des (Deutschen) Reichstag(e)s (des Norddeutschen Bundes)

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozeßordnung

StuW

Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)

StVj

Steuerliche Vierteljahresschrift (Zeitschrift)

Teilbd.

Teilband

Tit.

Titel

Tz.

Textziffer

u.a.

und andere

Urt.

Urteil

USA

United States of America

US-GAAP

United States - Generally Accepted Accounting Principles

v.

vom/von/vor

VAG

Versicherungsaufsichtsgesetz

v. Chr.

vor Christus

VerBAV

Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungs-(bis 1972: und Bauspar-)wesen

VersR

Versicherungsrecht (Zeitschrift)

VersRiLiG

Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz

VerwArch

Verwaltungsarchiv (Zeitschrift)

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

VjSchrStuFR

Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht (Zeitschrift)

Vol.

Volume

Vorb.lVorbem.

Vorbemerkung

32

Abkürzungsverzeichnis

VVaG

Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

VW

Versicherungswirtschaft (Zeitschrift)

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

WiB

Wirtschaftsrechtliche Beratung (Zeitschrift)

WiKG

Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität

WiSt

Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift)

wistra

Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht

WISU

Das Wirtschaftsstudium (Zeitschrift)

WiVerw

Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift)

WM

Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift)

WP

Der Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift)

WPg

Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)

WP-Handbuch

Wirtschaftsprüfer-Handbuch

WPK

Wirtschaftsprüferkammer

WPK-Mitt.

Wirtschaftsprüferkammer Mitteilungen (Zeitschrift)

WPO

Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung)

WR

Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

WT

Der Wirtschaftstreuhänder (Zeitschrift)

ZAkDR

Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht

z.B.

zum Beispiel

ZBJHR

Zentralblatt für Handelsrecht (Zeitschrift)

ZfA

Zeitschrift für Aktiengesellschaften und Der Handelsgesellschafter

zm

Zeitschrift für Betriebswirtschaft

ZfbF

Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung

ZfgG

Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen

ZfgK

Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen

ZfhF

Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung

ZfHuP

Zeitschrift für Handelswissenschaft und Handelspraxis

ZfV

Zeitschrift für Versicherungswesen

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZgS

Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft

Abkürzungsverzeichnis

33

ZHR

Zeitschrift für das gesam(m)te Handelsrecht (ab 60. Bd. (1907): und Konkursrecht; ab 124. Bd. (1962): und Wirtschaftsrecht)

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (bis 3. Jg. (1982): und Insolvenzpraxis)

ZPO

Zi vii prozeßordnung

ZSchwR

Zeitschrift für Schweizerisches Recht

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

ZVersWiss

Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft

3 (cking

Man soll öfters dasjenige untersuchen was von den Menschen meist vergessen wird, wo sie nicht hinsehen, und was so sehr als bekannt angenommen wird, daß es keiner Untersuchung mehr wert geachtet wird. Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbuch KEPAl: 'AMAAE>EIAl: Nr. 291

Einleitung Im heutigen Schrifttum besteht weitgehende Übereinstimmung darüber, daß das Handelsbilanzrecht ein dem öffentlichen Recht zugehöriges Rechtsgebiet ist und die Pflichten, die das Handelsbilanzrecht dem Kaufmann auferlegt, Verpflichtungen öffentlich-rechtlicher Natur sind. Wie sehr diese Auffassung verbreitet ist, zeigt ein Blick in die Kommentierungen des 3. Buchs des HGB 1 und in die handelsrechtliche Lehrbuchliteratur1. Auf dem gleichen Standpunkt wie die Wissenschaft stehen der Gesetzgebe~ und die höchstrichterliche RechtspreI Vgl. AdlerlDüring/Schmaltz, Rechnungslegung, 1998, Vorb. §§ 238-241 HGB Rdn. I: "Die Buchführungspflicht ist eine öffentlich-rechtliche Pflicht" (Hervorh. i. Orig.), § 238 HGB Rdn. 2,58, § 239 HGB Rdn. 78, § 242 HGB Rdn. 1,29, § 245 HGB Rdn. I; dies., Rechnungslegung, 1995, Vorb. § 257 HGB Rdn. 2, § 257 HGB Rdn. 9, 11, 26; dies., Rechnungslegung, 1997, § 264 HGB Rdn. 20, 24; Baumbach/DudenlHopt, HGB, 1995, § 238 Rdn. 4: "Eine (öffentlichrechtliche) Buchführungspflicht folgt aus dem allgemeinen Handelsrecht und den handelsrechtlichen Nebengesetzen", § 245 Rdn. I; Budde/Kunz, in: Budde u.a., BeckBilKomm, 1995, § 238 HGB Rdn. 56, § 245 HGB Rdn. 2; Ellerich. in: KütinglWeber, Rechnungslegung, 1995, § 238 HGB Rdn. 2; Glade, Rechnungslegung, 1995, § 238 HGB Rdn. 3: " ... so ist dieser (erg.: öffentlich-rechtliche) Charakter der Vorschriften (erg.: §§ 238 ff HGB) bisher wohl nie umstritten". § 242 HGB Rdn. 2.4, § 245 HGB Rdn. 3; Hüffer. in: Staub. HGB. 1988, § 238 Rdn. 2: Es "besteht ... Einigkeit in der Einschätzung der Buchführungspflicht als öffentlich-rechtlicher ... Pflicht"; Jung, in: Heymann. HGB. 1989, § 238 Rdn. 8, § 242 Rdn. 2, § 245 Rdn. 6; Streim. in: Hofbauer u.a .• BoHdR, 1986. § 238 HGB Rdn. 10; Woltmannl Uecker. in: ebd .. Vor §§ 242 ff. HGB Rdn. I: "Das Rechnungslegungsrecht ist öffentlich-rechtlicher Natur ... ", § 242 HGB Rdn. 3. § 245 HGB Rdn. I. § 257 HGB Rdn. 3. 2 Vgl. Brox. Handelsrecht. 1998. Rdn. 3.196; Capelle/Canaris. Handelsrecht, 1995,4, 10.14.192: "Was die dogmatische Einordnung angeht. so sind die §§ 238 ff. HGB im Einklang mit der h.L. dem öffentlichen Recht zuzuordnen" (Hervorh. i. Orig.); J. v. Gierke/Sandrock. Wirtschaftsrecht, 1975, 337; P. Hofmann, Handelsrecht, 1993, 1; Jänsch/Zerres. Handelsrecht. 1994. 127; K. Schmidt. Handelsrecht. 1994, 423: Als "öffentlichrechtliche Pflichten ... wird man die Rechnungslegungspflichten einzuordnen haben". 434. 3 V gl. Entwurf Bilanzrichtlinie-Gesetz, BT-Drs. 10/317. 73: " .... daß die Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften ... den Jahresabschluß trotz öffentlich-rechtlicher Verpflichtung vor allem im eigenen Interesse aufstellen ......

3'

36

Einleitung

chung4 . Die Auffassung gilt als eine derartige Selbstverständlichkeit, daß ihre Begründung häufig nicht nur in den Fällen unterbleibt, in denen die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts bloß festgestellt wird5 , sondern selbst dann für überflüssig gehalten wird, wenn aus der Zuordnung des Handelsbilanzrechts zum öffentlichen Recht weitreichende Konsequenzen abgeleitet werden 6. Die Auffassung von der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts kann sich auf eine lange Tradition stützen. Diese Tradition reicht bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts und damit in die eigentliche Entstehungszeit des heutigen deutschen Handelsbilanzrechts zurück. Soweit ersichtlich, wird das Handelsbilanzrecht erstmals in dem 1853 erschienenen Handelsrechtslehrbuch von Brinckmann ausdrücklich, allerdings noch ohne nähere Begründung als öffentli4 Vgl. jüngst BGHZ 125, 366 (377): " ... die ... öffentlich-rechtliche Pflicht zur Buchführung und Bilanzierung ..... ; BGHZ 132, 263 (267): " ... die öffentlich-rechtliche Pflicht zur Unterzeichnung der Bilanz ..... ; BFHE 165,339 (343); 168,527 (528): Bei der Verpflichtung zur Buchung laufender Geschäftsvorfalle und zur Jahresabschlußerstellung ,,(handelt) es sich um zwei selbständig zu beurteilende öffentlich-rechtliche Pflichten"; BFHE 172,456 (459): "Die Rechtsprechung des BFH zu den Rückstellungen bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen ist bisher an einzelnen Fallgruppen entwickelt worden, insbesondere an den Abschluß- und Prüfungspflichten ..... ; BFH v. 28.5.1997, DStRE 1998, 38: " ... die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Aufstellung und Veröffentlichung des Jahresabschlusses ...... 5 Vgl. Bandasch, HGB, 1960, Einl. § 38 Anm. 2; Beisse, Bild, 1994, 10; Biener, Auswirkungen, 1981/82, 348; ders., IASC, 1993, 350; ders., Fachnormen, 1996, 67; Crezelius, GmbH, 1987,747; Ellerich, in: KütinglWeber, Rechnungslegung, 1995, § 238 HGB Rdn. 2; J. v. Gierke/Sandrock, Wirtschaftsrecht, 1975,337; Goldbaum, HGB, 1930, 115; Hartung, EG-Bilanzrichtlinie, 1988,55 Fn. 43; Heni, Sanktionen, 1993, 1629; Hennrichs, EG-BilanzrichtIinie, 1997,87; Lange, Bilanzprüfer, 1932, 187; Leible, Bilanzpublizität, 1998, 609; Molitor, Recht, 1949, 66; Schön, Entwicklung, 1997, 139; ders., Bilanzkompetenzen, 1997,471; Thiel, Bilanzrecht, 1990, Rdn. 183; WeimarIReeh, Vermeidung, 1988, 1643; Weirich, Bilanzänderungen, 1976,625; dazu Käfer, Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 6.45. 6 So wird etwa von Brönner, Bilanz, 1968, I, unter Hinweis auf die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts die Zusammenfassung der über verschiedene Gesetze verstreuten Buchführungsvorschriften in einem einzigen Gesetz gefordert. Ernst, Publizitätspflicht, 1965, 695-696, lehnt die Einführung einer Publizitätspflicht für alle Großunternehmen nicht zuletzt wegen der öffentlich-rechtlichen Natur einer solchen Verpflichtung ab. Für Granobs, Abschlußerstellung, 1996, 280, folgt aus der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts, daß der Kaufmann die zur "Abschlußaufstellung gehörende(n) ... gestalterische(n) Elemente" nicht auf Dritte delegieren kann. Vor dem Hintergrund der Einrichtung des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (siehe unten S. 160 Fn. 732) wendet sich Groh, Thesen, 1998, I, gegen eine Regulierung des Rechnungslegungsrechts durch "Verlautbarungen der (erg.: privaten) Standard Setter", denn "Europas Rechtstradition ist vom Corpus Juris und vom Codex der römischen Kirche geprägt. Das ist zu bewahren. Handelsbilanzrecht ist Öffentliches Recht; es kann nicht durch Selbstverwaltungsmaßnahmen der Wirtschaft ersetzt werden."

Einleitung

37

ches Recht bezeichnet7 . Kurz nach Brinckmann beschäftigt sich Endemann in zwei Veröffentlichungen aus den Jahren 1858 und 1859 mit der Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts. Endemanns Ausführungen stellen die ersten ausführlichen Überlegungen zu diesem Thema dar. Im Gegensatz zu Brinckmann stellt Endemann die öffentlich-rechtliche Natur der Buchführungsvorschriften nicht nur fest, sondern begründet sie mit dem Bestehen eines öffentlichen Interesses an der Buchführungspflicht8 . Am Ende des 19. Jahrhunderts hat sich die Auffassung von dem öffentlich-rechtlichen Charakter des Handelsbilanzrechts allgemein durchgesetzt. Der "in der Dogmengeschichte der Bilanz immer wieder zu beobachtende Stellungswechsel,,9 kann damit jedenfalls in bezug auf die Frage nach der Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts nicht festgestellt werden. Den Schweizer Privatrechtler His veranlaßt dies, die Auffassung von der öffentlich-

7 Vgl. Brinckmann, Lehrbuch, 1853, J3 m. Fn. 2. Brinckmann differenziert hier zwischen ,,Privathandelsrecht" und "ö!fentliche(m) Handelsrecht", das wiederum in das ,,Handelsvölkerrecht" und in das "die Verhältnisse der Handeltreibenden zum Staate und im Staate" regelnde ,,Handelsstaatsrecht" (Hervorh. i. Orig.) zerfällt (zu dieser Gliederung siehe auch unten S. 202). Als Beispiel für handelsstaatsrechtliche Vorschriften nennt er die "Polizeivorschriften über die Buchführung der Handelsleute". 8 Vgl. Endemann, Entwurf, 1858,9,11,31-33; ders., Beweiskraft, 1859,367-370; zu Endemanns Ausführungen siehe im einzelnen unten S. 201-205; zu weiteren frühen Zuordnungen des Handelsbilanzrechts zum Gebiet des öffentlichen Rechts vgl. Goldschmidt, Gutachten, 1860, 7-8; o. V., Handelsgesetzbuch, 1861, 11-12, wo die Buchführungsvorschriften des ADHGB als "gewerbepolizeiliche( ... ) Vorschriften" (ebd., 11 (Hervorh. i. Orig.)) und damit als typische öffentlich-rechtliche Vorschriften bezeichnet werden. Besondere Hervorhebung verdient an dieser Stelle die Einführung des von der Nürnberger Konferenz beschlossenen Entwurfs eines Handelsgesetzbuchs in Österreich. Der Einführung dieses Entwurfs als "Allgemeines Handelsgesetzbuch für das Kaiserthum Oesterreich" geht in den beiden Häusern des österreichischen Reichsrats, dem Haus der Abgeordneten und dem Herrenhaus, eine umfangreiche und heftig geführte Diskussion voraus, ob für die Einführung der engere oder der weitere Reichsrat, in dem zusätzlich die ungarischen Kronländer vertreten sind, zuständig ist (zum verfassungsrechtlichen Hintergrund dieses Streits vgl. Art. I bis 3 des Kaiserlichen Diploms v. 20.10.1860, Reichs-Gesetz-Blatt für das Kaiserthum Oesterreich 1860,336; §§ 10 und 11 des Grundgesetzes über die Reichsvertretung v. 28.2.1861, Reichs-Gesetz-Blatt für das Kaiserthum Oesterreich 1861,69; dazu Gumplowicz, Staatsrecht, 1907, 123-125; H. Lutz, Habsburg, 1985, 420-425; Ulbrich, Staatsrecht, 1909, 48-52). Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Frage, inwieweit das Handelsgesetzbuch dem privaten oder dem öffentlichen Recht zuzurechnen ist (vgl. Sitzung des Hauses der Abgeordneten des (erg.: österreichischen) Reichsrathes am 15.9.1862, Stenographische Protokolle des Hauses der Abgeordneten des (erg.: österreichischen) Reichsrathes, 1. Sess. 1862, Bd. 4, 3856-3865; Sitzung des Hauses der Abgeordneten des (erg.: österreichischen) Reichsrathes am 17.9.1862, ebd., 3869-3880; Blodig, Einführung, 1865, 70-77). Im Rahmen dieser Auseinandersetzung werden die Buchführungsvorschriften des Entwurfs aufgrund ihres "rechtspolizeilichen Zweck(s)" (ebd., 76) dem öffentlichen Recht zugerechnet (vgl. ebd., 76-77). 9 Walb, Dogmengeschichte, 1933,62.

38

Einleitung

rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts als "die deutsche lO Doktrin"ll zu bezeichnen. Mit dieser Bezeichnung verwendet His einen mehrdeutigen Begriff. In einem neutralen Sinn wird "Doktrin" verwendet als Bezeichnung für eine "wiss. (erg.: wissenschaftliche) Lehre" 12. Daneben wird der Begriff in einem abwertenden Sinne gebraucht als Bezeichnung für eine "zum Glaubenssatz verhärtete Meinung,,13. Das zugehörige Adjektiv "doktrinär" steht für: "engstirnig an einer Theorie festhaltend"l4. Mehrere Indizien deuten nun darauf hin, daß es sich bei der Auffassung von der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts um eine "Doktrin" im zweiten Sinne handelt. Auffällig ist zunächst der Umstand, daß die Frage der Rechtsnatur des HandeIsbilanzrechts zwar - wie sich besonders deutlich bei AdlerlDüring/Schmaltz zeigt, bei denen die Feststellung der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts leitsatzartig am Beginn der Kommentierung steht l5 - als ein zentrales bilanzrechtliches Thema allgemein anerkannt, aber im Schrifttum "bisher wenig diskutiert worden (ist)"l6. Symptomatisch für die weitgehende Vernachlässigung dieses Themas ist der Unterschied zwischen der 1. und der 2. Auflage des grundlegenden Werks über das deutsche Bilanzrecht von Rehm. Mit einem Umfang von über 900 eng bedruckten Seiten stellt die 1. Auflage von 1903 bis heute die umfangreichste Monographie über das deutsche Handelsbilanzrecht dar. Die 1. Auflage enthält zugleich die tiefgehendsten und originellsten Überlegungen, die in der deutschen Literatur bisher über die Rechtsnatur des Handels10 Versteht man "deutsch" nicht im sprachraumbezogenen Sinne, ist der Gebrauch dieses Wortes durch His insofern irreführend, als ein öffentlich-rechtlicher Charakter handelsbilanzrechtlicher Normen auch im schweizerischen und österreichischen Schrifttum ganz allgemein angenommen wird; vgl. etwa aus schweizerischer Sicht Beeler, Bilanzrecht, 1956, 5-6; Käfer, Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 6.57; Lauter, Verpflichtungen, 1922,7; Ludwig, Handelsstrafrecht, 1925, 31a-32a, 37a; aus dem österreichischen Schrifttum Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht, 1976, 22; Komorzynski, Handel, 1906,35; Torggler, in: Straube, HGB, 1992, Vor § 189 Rdn. 7; aus der österreichischen Rechtsprechung OGH v. 13.2.1974, HS IX, 337 (340). 11 His, Obligationenrecht, 1940, Art. 957 Rdn. 20. 12 O.V., Doktrin, 1988,584. 13 Ebd., 584. 14 O.V., Doktrinär, 1988,584. 15 Vgl. AdlerlDüring/Schmaltz, Rechnungslegung, 1998, Vorb. §§ 238-241 HGB Rdn. 1; ferner Mirre, Bilanzen, 1930/31, 281, für den die öffentlich-rechtliche Seite der Buchführungsvorschriften "bei allen bilanzrechtlichen Erörterungen zu beachten (ist)"; van der Velde, Rechtsnatur, 1954/55,47: "... Grundsatzthema ..... ; sowie bereits L. Stein, Verwaltungslehre, 7. Theil, 1868,55-56, für den das Bewußtsein von der öffentlichrechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts "die Basis der Exegese im Einzelnen und der Auffassung im Ganzen (ist)" (ebd., 56). 16 Bayer, Diskussionsbeitrag, 1991,312.

Einleitung

39

bilanzrechts angestellt worden sind 17 • Von der zeitgenössischen Kritik wird das Werk zwiespältig aufgenommen. Während manche Stimmen seinen Materialreichtum lobend anerkennen 18, machen ihm andere den Vorwurf einer übergroßen Länge 19. Rehm reagiert auf diese Kritik, indem er in der 2. Auflage von 191420 erhebliche Kürzungen vornimmt21 . Zu den entfallenden rund 400 Seiten gehören auch sämtliche seiner bisherigen Ausführungen zum Rechtscharakter des Handelsbilanzrechts 22 . Die "anregend(e) und fruchtbar( e )..23 Wirkung, die 17 Vgl. Rehm, Bilanzen, 1903, III-IV, 40-46, 53-54, 61-66,102-103,136. Ein Grund dafür, daß sich Rehm derart intensiv mit der Frage der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts beschäftigt, liegt sicherlich nicht zuletzt darin, daß er als Lehrer des Staats- und Verwaltungsrechts an der Universität Straßburg (vgl. o.V., Rezension, 1903, Sp. 1472; Silberschmidt, Rezension, 1919,403) von Hause aus Öffentlichrechtier ist und diese "dazu ... (neigen), dem öffentlichen Recht weitere Anwendungsbereiche zu erschließen" (Ehlers, Unterscheidung, 1987, 373). Ein weiterer Grund dürfte darin bestehen, daß Rehm der erste ist, der "aus den Kreisen der Universität ... das Gebiet des Bilanzwesens" betritt, das bis dahin, insbesondere in der Person von Hennan Veit Simon, "nur von wissenschaftlich durchgebildeten Rechtspraktikern" bearbeitet worden ist (Keyßner, Rezension, 1905,619; vgl. auch Sievers, Rezension, 1904, 173-174: " ... es (ist) mit Freuden zu begrüßen, daß nach dem Manne der Praxis (erg.: Herman Veit Simon) jetzt auch ein Mann der Theorie dem Bilanzrechte ... eine eingehende ... Bearbeitung hat zuteil werden lassen"). Für einen "Mann der Theorie" hat die Frage nach den Grundlagen des Bilanzrechts, zu denen an erster Stelle die Frage nach dessen Rechtsnatur gehört, natürlich einen viel größeren Stellenwert als für einen "Mann der Praxis". In der Vielzahl von Rezensionen, die der 1. Auflage dieses Werks gewidmet sind, wird die Bedeutung von Rehms Ausführungen über die Rechtsnatur des Bilanzrechts jedoch nur von Bondi und von Reisch in seiner ansonsten sehr kritischen Besprechung gewürdigt. Bondi bezeichnet die Rehmschen "Abhandlungen über die rechtliche Natur der verschiedenen Arten der Bilanzen" als "besonders interessant und beachtenswert" (Bondi, Rezension, 1904,305). Bei Reisch heißt es: "Wir finden neue und sehr interessante Erörterungen über die Beziehungen des Bilanzrechts zu den übrigen Rechtsgebieten, namentlich jenen des öffentlichen Rechts im Allgemeinen und des Strafrechts im Besonderen, wodurch wertvolle Bausteine zur Vollendung der Systematik der gesamten Rechtswissenschaft herbeigeschafft erscheinen ... " (Reisch, Besprechung, 1904, 70). 18 Vgl. Fuisting, Rezension, 1905,94: " ... eine reiche Fundgrube ..... ; Keyßner, Rezension, 1905, 620; Langen, Rundschau, 1904,431; Staub, Rundschau, 1903,492. 19 Vgl. o.V., Rezension, 1903, Sp. 1472-1473; Reisch, Besprechung, 1904,70. 20 Vgl. Rehm, Bilanzen, 1914. 21 In den Besprechungen der 2. Auflage wird diese Kürzung durchweg begrüßt (vgl. Alsberg, Rezension, 1914,660; Oppenheimer, Rezension, 1915,811; A. Pinner, Rezension, 1915, 182: Die "erste Auflage litt an einer Überfülle des Stoffes und dadurch hervorgerufener Unübersichtlichkeit"; a.A.lediglich Silberschmidt, Rezension, 1919,391, für den die 2. Auflage zwar "an wissenschaftlicher Vertiefung gewonnen", aber zugleich "an Breite verloren (hat)", so daß "die erste Auflage ... ihre besondere Bedeutung für die Einführung des wissenschaftlich gebildeten Kaufmanns und des Rechtsbeflissenen in das Bilanzrecht beibehalten (wird)"). 22 Die Streichung der Ausführungen über die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts in der 2. Auflage wird begrüßt von o.V .• Rezension. 1915.580: "Die rein handels- und bür-

40

Einleitung

Schmalenbach von der 1. Auflage des Rehmschen Werks ausgehen sieht, hat die Diskussion über die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts in der Folgezeit nicht sonderlich befördert. Nach Rehm haben sich im Schrifttum zwar insbesondere Capelle/Canaris24 , Käfe~5, J. Lehmann 26 , W. Mülle~7, Schatz28 und van der Velde 29 mit dieser Frage näher auseinandergesetzt. An einer umfassenden Untersuchung dieser Problematik fehlt es dagegen bis heute. Eine wesentliche Ursache hierfür liegt in dem seit jeher festgestellten und beklagten geringen Interesse der Juristen im allgemeinen 30 und der PrivatrechtIer im speziellen31 an der kaufmännischen Buchführung. Gerade die Abstinenz der Privatrechtler mag ein Grund dafür sein, daß sich die Auffassung von der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts allgemein durchsetzen konnte, da Opposition gegen diese Anschauung am ehesten von privatrechtlicher Seite zu erwarten gewesen wäre. Daß eine solche Opposition nicht zustandegekommen ist, bestätigt die Feststellung von Ehlers, daß bei Privatrechtlem hinsichtlich der Zuordnung von Rechtsgebieten zum öffentlichen oder privaten gerlich-rechtlichen Lehren, die den Unterbau des Werks in der ersten Auflage bildeten, sind nun - mit Recht - ganz ausgeschieden; sie gehören in die Rechtsliteratur ... ". 23 Schmalenbach, Rezension, 1904, 1126; ähnlich die Einschätzung von Warschauer, Rezension, 1904, 846: "Das umfangreiche Buch dürfte in der Fachliteratur weite Wellenkreise ziehen, die wissenschaftliche Theorie beeinflussen, für die geschäftliche Praxis von großem Wert sein und auch für die Zwecke der Rechtsprechung mannigfache Verwendung finden." 24 Vgl. Capelle/Canaris, Handelsrecht, 1995, 190-193. 25 Vgl. Käfer, Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 6.40-6.68. Käfer verdient hier insofern besondere Hervorhebung, als sich bei ihm eine Übersicht über verschiedene Ansätze zur Begründung der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts findet. 26 Vgl. J. Lehmann, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 1930, § 38 Anm. 1-23, § 39 Anm. 1-2,4,7-9, § 40 Anm. 1,3,6, 7a, 7d, 12-13,27,34-35, § 41 Anm. 1,3. 27 Vgl. W. Müller, Jahresabschluß, 1994, passim. 28 Vgl. Schatz, Dogma, 1926, 154-225; ders., Bilanzwahrheit, 1931, passim, bes. 201-204; ders., Bilanzkontinuität, 1931,229-230; ders., Bilanzrecht, 1932,407-410. 29 Vgl. van der Velde, Rechtsnatur, 1954/55, passim. 30 Vgl. Braun, Handelsbilanz, 1997, 1014; Claussen, Stellenwert, 1997,433-435; Crezelius, Handelsbilanzrecht, 1987,2; ders., Einführung, 1990,366; ders., Bilanz, 1997, 509-510; Groh, Bilanztheorie, 1979/80, 122; Großfeld, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, 955; Großfeld/Johannemann, Verwendung, 1994,415; Kruse, Grundsätze, 1978,73-74; Luttermann, Buchführung, 1996,597-598,618-619; Maul, Ordnungsmäßigkeit, 1974, 697; Schulze-Osterloh, Gerichtshof, 1996, 1457; Tipke. Knobbe-Keuk, 1995,255-256; aus früherer Zeit Creizenach, Handelsgerichte, 1861,93; Key.ßner, Rezension, 1898,516; Lepa, Rezension, 1887, 138-139; Mirre, Buchführung, 1928, 1045; Seidler, Vermögensbewertung, 1905,399-401; Herrn. V. Simon. Bilanzen. 1910, VI: Die kaufmännische Buchführung bildet "für den Juristen ... ein gefährliches Feld". 31 Vgl. Großfeld, Zivilrecht, 1977,65-66; Kramer, Bilanzsteuerrecht, 1982,40; Knobbe-Keuk, Steuerrecht, 1986,22,25; Schwark, Aspekte, 1982, 1150; H. P. Westermann, Gesellschaftsrecht, 1987, 701-702.

Einleitung

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Recht im Gegensatz zu Öffentlichrechtlern32 "eher ein Besitzstandsdenken vorherrscht,,33. Denkbar ist zum anderen aber auch, daß die gängige Qualifizierung des Handelsbilanzrechts als öffentliches Recht den Privatrechtlern als willkommener Vorwand diente, jede Beschäftigung mit einer als unliebsam empfundenen Materie von vornherein zu vermeiden. Ein weiterer Grund für die bis heute fehlende grundSätzliche Auseinandersetzung mit der Auffassung von der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts kann in dem hohen Alter dieser Auffassung gesehen werden. Eine Ansicht, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vertreten wird, erscheint nachfolgenden Juristen-Generationen immer stärker als ein durch Überlieferung gesichertes und damit nicht mehr hinterfragungswürdiges Wissen. In Wirklichkeit macht aber gerade das hohe Alter dieser Auffassung eine solche Hinterfragung aus zwei Gründen um so dringlicher. Mit zunehmender zeitlicher Distanz gerät erstens die Frage in den Hintergrund, ob die in der Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte Zuordnung des Handelsbilanzrechts zum öffentlichen Recht vor dem Hintergrund des damaligen Rechts überhaupt als überzeugend angesehen werden kann. Zweitens besteht die Gefahr, daß mögliche geschichtliche Bedingtheiten dieser Auffassung aus dem Blick geraten. Eine Auffassung, die vor 150 Jahren richtig gewesen sein mag, muß dies nicht auch auf der Grundlage des aktuellen Handelsbilanzrechts sein, das sich erheblich von dem Handeisbilanzrecht des ADHGB unterscheidet34 . Geändert haben sich im Laufe der Zeit aber nicht nur die handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften, sondern auch die Anschauungen im juristischen Schrifttum, an hand welcher Kriterien die Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht vorzunehmen ist. Auch wenn sich dabei keine einheitliche Meinung über das anzuwendende Abgrenzungskriterium herausgebildet hat, wird das von Endemann zur Begründung der öffentlich-rechtlichen Natur des Handeisbilanzrechts herangezogene Abgrenzungskriterium 35 heute allgemein als ungeeignet abgelehnt36 . Im Gegensatz zu dieser Entwicklung hält das bilanzrechtliche Schrifttum in fast allen Fällen, in denen die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts begründet wird, weiterhin an dem von Endemann vorgebrachten Argument fest. Angesichts dieser offensichtlichen Diskrepanz erscheinen auch die häufigen Fälle im bilanzrechtlichen Schrifttum, in 32 Siehe dazu oben S. 39 Fn. 17. 33 Ehlers, Unterscheidung, 1987, 373. 34 Vgl. dazu Bullinger, Recht, 1968,9: " ... jede ... überlieferte Rechtsanschauung (muß) von Zeit zu Zeit auf ihre geschichtliche Bedingtheit geprüft und für die Gegenwart in Zweifel gezogen werden". 35 Siehe oben S. 37. 36 Vgl. Bachof, Recht, 1978, 6; Erichsen, Recht, 1982, 538-539; C.-F. Menger, Meinungen, 1973, 158-159; Detlef Schmidt, Unterscheidung, 1985, 88-89.

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denen die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts zwar festgestellt, aber keiner Begründung für wert gehalten wird, in einem anderen Licht. Diese Fälle könnten nämlich auch als Ausdruck davon verstanden werden, daß der Frage, wie die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts zu begründen ist, bewußt oder unbewußt ausgewichen wird 37 . Den deutlichsten Hinweis darauf, daß die Auffassung von der öffentlichrechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts möglicherweise als eine "Doktrin" im Sinne eines unreflektiert wiederholten Gemeinplatzes anzusehen ist, gibt die Existenz einzelner Stimmen, die jene Auffassung ablehnen. Das Bilanzrecht gehört für diese Stimmen, als deren wichtigster heutiger Vertreter Claussen angesehen werden kann, nicht dem öffentlichen, sondern allein dem Privatbzw. Zivilrecht38 an 39 . Die Vertreter dieser Ansicht stützen sich dabei insbesondere auf das Argument, daß das HGB ein klassischer Privatrechtstext sei und somit auch das Handelsbilanzrecht als ein integraler Bestandteil des HGB privatrechtlicher Natur sein müsse40 . Bemerkenswert ist, daß sich unter den Vertretern dieser Auffassung auch BFH-Richter befinden41 , obwohl der BFH in sei37 Vgl. dazu Bayer, Diskussionsbeitrag, 1991,313: "Die Begründung fällt schwer", daß "das Bilanzrecht ... ein Teil des öffentlichen Rechts (ist)". 38 Das Verhältnis dieser bei den Begriffe ist schwankend. "Zivilrecht" wird entweder mit "Bürgerlichem Recht" gleichgesetzt und damit als ein Teil des "Privatrechts" verstanden oder als Synonym für "Privatrecht" verwendet (vgl. Großfeld, Zivilrecht, 1977, 8 Fn. 2a; Molitor, Recht, 1949, 14). Im Rahmen dieser Arbeit werden beide Begriffe synonym gebraucht. Als Komplementärbegriff zu "öffentlichem Recht" wird gelegentlich auch der Begriff "bürgerliches Recht" verwendet (vgl. etwa Haller, Recht, 1929, 81; bezogen auf das Bilanzrecht Gentz, Begriffe, 1919/20, Sp. 629-630, und Veiel, Steuerrecht, 1941, Sp. 850, die das Handelsbilanzrecht als "bürgerliches" und das Steuerbilanzrecht als "öffentliches Recht" bezeichnen; bezogen speziell auf die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften Silberschmidt, Rezension, 1919,397-398). 39 Vgl. Claussen, Rechnungslegungsvorschriften, 1979, 170-171; ders., in: Zöllner, Kölner Kommentar, 1991, § 238 HGB Rdn. 6, § 242 HGB Rdn. 5-6; ders., Feststellungsrecht, 1993, 104 Fn. 26: " ... die vielen guten Gründe, die gegen einen öffentlich-rechtlichen Charakter der Rechnungslegungspflichten sprechen ... "; ders., Stellenwert, 1997, 437; Coing, Privatrecht, 1989, 535; Dungern, Währungsrecht, 1923, 98; Ehrenberg, Bilanz, 1907,225 Fn. 1; Großfeld, Zivilrecht, 1977,62-77; ders., Schlußbemerkungen, 1980,668; Haller, Normierung, 1993, Sp. 1420-1421,1425-1427; Hartwig, Synallagma, 1997, 843 Fn. 10; His, Obligationenrecht, 1940, Art. 957 Rdn. 19-22; Kirchner, Bilanzrecht, 1997, 275 m. Fn. 38; bezogen auf die Publizitätspflicht Siekmann, Publizitätspflichten, 1996,647-649; mit kritischem Unterton auch Großfeld, Bilanzrecht, 1997, Rdn. 16: " ... gilt das Bilanzrecht insoweit herkömmlich sogar als öffentliches Recht ...... 40 Vgl. Claussen, in: Zöllner, Kölner Kommentar, 1991, § 238 HGB Rdn. 6: "Die Buchführungspflicht ist ... nicht aus dem öffentlichen Recht, sondern dem HGB und dem AktG zu entnehmen, ist also zunächst eine handels- und damit eine zivilrechtliche Verpflichtung"; Hartwig, Synallagma, 1997, 843 Fn. 10: " ... , weil es mit § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB um die Auslegung einer handelsrechtlichen (und damit zivilrechtlichen) Norm geht".

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nen Entscheidungen den entgegengesetzten Standpunkt vertritt42 . Verglichen mit der Vielzahl von Stimmen, die sich für eine Zuordnung des Handelsbilanzrechts zum öffentlichen Recht aussprechen, bilden die Vertreter der Auffassung von der privatrechtlichen Natur der handelsrechtlichen Buchführungspflichten jedoch eine verschwindende Minderheit. Die vor kurzem von Claussen aufgestellte Behauptung, daß die Zuordnung des Handelsbilanzrechts zum öffentlichen Recht inzwischen zunehmend unter Druck gerate43 , entspricht nicht den Tatsachen. Wenn von einer privatrechtlichen Buchführungspflicht gesprochen wird, bedeutet dies jedoch nicht zwingend, daß damit die Zugehörigkeit des Handelsbilanzrechts zum öffentlichen Recht in Frage gestellt wird. Denn auch die Vertreter der Auffassung von der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts erkennen bestimmte Fälle an, in denen der Buchführung ein eindeutig privatrechtlicher Charakter zukommt44 • Hierbei handelt es sich erstens um die Fälle der im BGB enthaltenen gesetzlichen Rechenschaftspflichten45 aufgrund der Verwaltung fremden Vermögens. Eine privatrechtliche Komponente hat die Buchführungspflicht für die Vertreter der Ansicht von der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts zweitens dann, wenn die Pflicht zur Buchführung in einer vertraglichen Vereinbarung begründet liegt. Bei einer solchen Vereinbarung kann es sich um einen Gesellschaftsvertrag oder um den Fall handeln, daß der Kaufmann einem Dritten eine Gewinn- oder Umsatzbeteiligung eingeräumt hat. Aus dem Handelsbilanzrecht selbst ergibt sich für die Vertreter der Auffassung von der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts keine 41 Vgl. List, Privatrecht, 1988, 370; Littmann, Grundsätze, 1964, 651; Weber-Grellet, BFH-Rechtsprechung, 1993, 202-203. 42 Siehe oben S. 36 Fn. 4. 43 Vgl. Claussen, Stellenwert, 1997,437: "Inzwischen mehren sich die Anzeichen dafür, daß die ausschließliche Zuordnung zum öffentlichen Recht nicht mehr als treffend angesehen wird." 44 Vgl. Ballerstedt, Recht, 1964, 121; Brüggemann, in: Staub, HGB, 1967, Vorbem. 5 a) § 38; Dressler, Bilanzrecht, 1937,26-28; Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, 1976, 37-38; Hüffer, in: Staub, HGB, 1988, § 238 Rdn. 73; Käfer, Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 5.95-5.104, 6.59-6.61; TeichmannlKoehler, HGB, 1936, § 40 Anm. 4; J. Lehmann, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 1930, § 38 Rdn. I, 8a; Maul, Rechnungslegung, 1978, 29-33; ders., Buchführungspflicht, 1985, 1, 3; W. Meilicke, Aufstellung, 1979/80,449-450; Mirre, Bilanzen, 1930/31,281; W. Müller, Jahresabschluß, 1994, 87-88; Philipp, Buchführung, 1920,51-54; Heinr. V. Simon, Handelsbücher, 1933, 126-127; Wieland, Handelsrecht, 1921, 309. 45 Vgl. etwa §§ 666, 675, 681 S. 2,713,740 Abs. 2, 1214 Abs. I, 1667 Abs. 2, 1698, 1840, 1890,2130 Abs. 2 und 2218 BGB; dazu Budde, Grundsätze, 1993,789-790; Maul, Rechnungslegung, 1978, 30; Saage, Reform, 1970, 9; aus der Rechtsprechung RGZ 73, 286 (288): Die im BGB geregelten "Einzelfälle( ... )" von "Rechenschaftspflicht(en)" sind eine Ausprägung des "Grundsatz(es) ... , daß rechenschaftspflichtig ist, wer fremde Angelegenheiten oder solche, die zugleich eigene und fremde sind, besorgt".

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privatrechtliche Buchführungspflicht46, auch wenn sie emraumen, daß die Erfüllung dieser privatrechtlichen Buchführungspflichten inhaltlich mit den sich aus dem Handelsbilanzrecht ergebenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zusammenfallen kann und in der Regel auch zusammenfallen wird47 . Die Kritiker der Auffassung von der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts lehnen diesen Dualismus einer öffentlich-rechtlichen und einer privatrechtlichen Seite der handelsrechtlichen Buchführungspflicht ab. Die handelsrechtliche Buchführungspflicht gehört für sie allein dem Privatrecht an und hat damit einen rein monistischen Charakter. Wird die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts somit von einigen Stimmen ganz abgelehnt, fehlt es umgekehrt nicht an Autoren, für die dieser Anschauung bisher zu wenig Gewicht beigemessen wurde. Sie beklagen, daß sich die Äußerungen zur Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts im wesentlichen auf die bloße Feststellung seiner öffentlich-rechtlichen Natur beschränkten und mit Ausnahme der Schlußfolgerung, daß das Handelsbilanzrecht als öffentliches Recht zwingendes Recht sein müsse, keinerlei Überlegungen angestellt würden, welche Konsequenzen sich hieraus im einzelnen für die Behandlung bilanzrechtlicher Fragen ergäben 48 . Ein deutliches Beispiel hierfür ist die Habilitationsschrift von Euler über "Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung". Obwohl Euler seine Arbeit mit der Feststellung "Das Handelsrecht statuiert sanktionsbewehrte öffentlich-rechtliche Jahresabschlußpflichten,,49 einleitet, beschäftigt er sich im folgenden nicht näher mit der Frage, welche Auswirkungen sich hieraus auf das von ihm untersuchte Thema ergeben. Diejenigen Autoren, die sich darüber beklagen, daß der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts bisher nicht genügend Gewicht beigemessen 46 Vgl. J. Lehmann, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 1930, § 38 Rdn. I: "Aus § 38ff. läßt sich ein zivilrechtlicher Anspruch auf Buchführung nicht ableiten"; Otto, Verpflichtung, 1912,91 Fn. 1; van der Velde, Rechtsnatur, 1954/55,67. 47 Vgl. Brüggemann, in: Staub, HGB, 1967, Vorbem. 5 a) § 38; Dressler, Bilanzrecht, 1937,27-28, bes. 27: "Im allgemeinen wird die in Erfüllung einer bestimmten zivilrechtlichen Verpflichtung aufgestellte Bilanz im Rahmen der öffentlich-rechtlichen liegen"; Käfer, Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 6.56; Mirre, Bilanzen, 1930/31, 281; Trumpier, Bilanz, 1950,4-5; van der Velde, Rechtsnatur, 1954/55,67; W. R. Walz, Regulierungstheorien, 1993,91; daß privat- und öffentlich-rechtliche Buchführungspflicht nicht notwendigerweise zusammenfallen müssen, wird besonders betont von Ulmer, Mitwirkung, 1976,213 Fn. 26; ferner Käfer, Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 6.59-6.60. 48 Vgl. W. Müller, lahresabschluß, 1994,78,80: " ... Leerformel ohne materielle Auswirkung", 81: "Der Hinweis auf den öffentlich-rechtlichen Charakter ist mehr eine Pflichtübung, denn grundlegende Auslegungskomponente"; ferner Beisse, Handelsbilanzrecht, 1980,643: Die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts wurde "bisher nicht genügend beachtet"; ders., Bilanzrecht, 1984,7. 49 Euler, Grundsätze, 1996, 1.

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worden sei, benutzen nun ihrerseits den Hinweis auf die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts, um daraus bestimmte Konsequenzen abzuleiten 50 . Auf den ersten Blick ist dies nicht weiter erstaunlich, da gerade diese Autoren allen Grund haben, auf die Vernachlässigung möglicher Schlußfolgerungen aus der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts hinzuweisen. Dennoch drängt sich hier die Frage auf, ob die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts wirklich von einer derartig großen Bedeutung ist, wenn aus ihr in der Regel nur die Folgerung gezogen wird, daß es sich bei dieser Rechtsmaterie um zwingendes Recht handelt. Denkbar ist nämlich auch, daß diejenigen, die sich über die stiefmütterliche Behandlung der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts beklagen, zwar vorgeben, bestimmte bilanzrechtliche Ansichten aus der Zugehörigkeit dieses Rechtsgebiets zum öffentlichen Recht abzuleiten, tatsächlich auf die öffentlich-rechtliche Natur aber nur deshalb hinweisen, um ihren Ansichten eine größere Überzeugungskraft zu verleihen, indem sie diese als zwingenden Ausfluß des rechtlichen Grundcharakters des Handelsbilanzrechts erscheinen lassen. Ein deutlicher Beleg dafür, daß die Antwort auf die Frage nach der Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts nicht immer unabhängig von solchen pragmatischen Überlegungen ist, zeigt die Forderung des BFH-Richters Weber-Grellet, den Maßgeblichkeitsgrundsatz aufzugeben und stattdessen ein eigenständiges Steuerbilanzrecht aufzubauen. Obwohl der BFH in ständiger Rechtsprechung das Handelsbilanzrecht dem öffentlichem Recht zurechnet, stützt Weber-Grellet seine Forderung entscheidend auf das Argument, daß die Verbindung von Steuerbilanzrecht und Handelsbilanzrecht über den Maßgeblichkeitsgrundsatz im Widerspruch dazu stehe, daß es sich bei ersterem um öffentliches, bei letzterem dagegen um Zivilrecht handele 51 • Gerade aufgrund dieses offensichtlichen Widerspruchs zur BFH-Rechtsprechung wäre zu erwarten gewesen, daß Weber-Grellet sein abweichendes Verständnis von der Rechtsnatur des Handeisbilanzrechts näher begründet. Dies geschieht jedoch nicht. Weber-Grellet begnügt sich mit der Feststellung, daß das Handelsbilanzrecht Zivilrecht darstellt. In Anbetracht der festgestellten Versäumnisse und Unstimmigkeiten in der bisherigen Behandlung der Frage nach der Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts 50 So folgt für Beisse, Handelsbilanzrecht, 1980, 643, aus der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts, daß GoB nur deduktiv gewonnen werden können, während sich für W. Müller, lahresabschluß, 1994, 84-85, hieraus die Notwendigkeit einer induktiven GoB-Ermittlung ergibt (zu Einzelheiten siehe unten S. 488-501). 51 Vgl. Weber-Grellet, BFH-Rechtsprechung, 1993,202-203; ders., Moxter, 1994,33; ders., Maßgeblichkeitsschutz, 1994, 290; ders., Diskussionsbeiträge, 1994/95, 161-162, 169-170,179-180; zu Weber-Grellets Forderung nach einem eigenständigen Steuerbilanzrecht ferner ders., Zeit, 1993, 169-176; ders., Bestand, 1998, passim; vgl. in diesem Zusammenhang auch D. Schneider, Steuervergünstigungen, 1999, \06.

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verfolgt die vorliegende Arbeit das Ziel, diese Frage einer kritischen und umfassenden Untersuchung zu unterziehen. Die Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Da das heutige Handelsbilanzrecht ein in verschiedenen Stufen gewachsenes Recht ist und somit Aussagen aus verschiedenen Zeiten über die Rechtsnatur des Handeisbilanzrechts nur bei Kenntnis des jeweiligen Stands der Buchführungsvorschriften entsprechend gewürdigt werden können, wird im ersten Teil der Arbeit zunächst die historische Entwicklung der kaufmännischen Buchführung und des Handelsbilanzrechts dargestellt. Den historischen Ausführungen sind einige Vorbemerkungen vorangestellt, in denen die Begriffe "Handelsbilanzrecht" und "Bilanzsteuerrecht" näher abgegrenzt werden. Im zweiten Teil der Arbeit wird die Frage untersucht, ob sich das Handelsbilanzrecht als öffentliches Recht qualifizieren läßt. Im einzelnen werden hierzu die drei wichtigsten Theorien, die die Rechtswissenschaft im Laufe der Zeit zur Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht entwickelt hat, betrachtet. Es handelt es sich hierbei um die Interessentheorie, die Subordinationstheorie sowie die Subjektstheorie. Neben diese drei Theorien tritt als vierte die Verfügungstheorie. Auch wenn diese im Rahmen der allgemeinen Diskussion über die Trennung von öffentlichem und privatem Recht keine bedeutende Rolle gespielt hat, ist sie hier zu behandeln, da sie im Zusammenhang mit der Frage der Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts einige Bedeutung erlangt hat. Jeder dieser vier Abgrenzungstheorien ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Innerhalb dieser Kapitel wird zunächst der Inhalt der jeweiligen Abgrenzungstheorie vorgestellt. Hieran schließt sich eine Darstellung an, inwieweit die Theorie von Schrifttum, Rechtsprechung und Gesetzgeber zur Begründung der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts herangezogen wurde. Den Schluß der Ausführungen bildet eine kritische Würdigung, inwieweit die betrachtete Abgrenzungstheorie tatsächlich geeignet ist, das Handelsbilanzrecht dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Im Rahmen dieser kritischen Würdigung wird dabei auch auf die Frage eingegangen, inwieweit dem Handelsbilanzrecht vom Blickwinkel der jeweiligen Abgrenzungstheorie aus ein privatrechtlicher Charakter zukommt. Eine entscheidende Rolle in den Ausführungen des zweiten Teils spielt die Frage, welche Sanktionsmöglichkeiten der Gesetzgeber vorgesehen hat, um die Kaufleute dazu anzuhalten, die handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften zu befolgen. Der abschließende dritte Teil der Arbeit ist den Konsequenzen gewidmet, welche Schrifttum, Rechtsprechung und Gesetzgeber aus der Qualifizierung des Handelsbilanzrechts als öffentliches Recht gezogen haben. Im einzelnen werden die Auswirkungen der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts auf die Frage nach der zwingenden oder dispositiven Natur handelsbilanzrechtlicher Normen, auf das Bewertungsproblem, auf die Behandlung des einzeIkaufmännischen Privatvermögens, auf die Ermittlung der GoB, auf die Bilanzaufstellungsfrist, auf die Frage, ob das Handelsbilanzrecht eng oder weit auszulegen ist, auf

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die Beschlagnahmefähigkeit der Handelsbücher im Strafprozeß und, abschließend, auf die Fragestellung untersucht, ob die handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BOB darstellen. Anhand dieser Einzelfälle wird insbesondere der Frage nachgegangen, warum sich die Begründung, die im bilanzrechtlichen Schrifttum und in der Bilanzrechtsprechung bis heute für die öffentlich-rechtliche Natur des Handelsbilanzrechts angeführt wird, seit 150 Jahren praktisch nicht verändert hat.

J. Teil

Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts A. Begriffliche Vorbemerkungen I. Der Begriff des "Handelsbilanz rechts" Das Handelsbilanzrecht ist ein Rechtsgebiet, auf dem keine einheitliche Terminologie herrscht. Der Begriff "Handelsbilanzrecht" selbst wird in verschiedener Bedeutung gebraucht, da seine beiden Begriffsbestandteile "Bilanz"-recht und "Handelsrecht" unterschiedlich abgegrenzt werden. In einem engeren Sinne wird "Bilanzrecht" so benutzt, daß unter "Bilanz" der - wie es in der mißglückten l Formulierung des § 242 Abs. I S. I HOB heißt das Verhältnis des Vermögens und der Schulden des Kaufmanns darstellende Abschluß verstanden wird 2. Der Begriff "Bilanz" bezeichnet in diesem Sinne einen von mehreren Bestandteilen der sogenannten kaufmännischen Buchführung im weiteren Sinne3 , die ihrerseits einen Teil des betrieblichen Rechnungswesens bildet4 . Die weiteren gesetzlichen Elemente der Buchführung im weiteren Sinne neben der Bilanz sind: die laufende Buchführung, die sogenannte Buchführung im engeren Sinne5 , als die laufende, nach einem bestimmten I Vgl. Federmann, Bilanzierung, 1992, 25; zu weiteren Definitionsversuchen von "Bilanz" vgl. Berliner, Bilanz, 1909/1 0, 270-271; zur Etymologie des Begriffs vgl. Penndorf, Herkunft, 1929, 358; Federmann, Bilanzierung, 1992, 25. 2 In diesem Sinne wird der Begriff "Bilanzrecht" etwa gebraucht von Beisse, Bilanzrecht, 1984, 4: "Das Handelsbilanzrecht ist Teil des Rechts des Jahresabschlusses ..... ; ders., Gläubigerschutz, 1993, 90; ferner Käfer, Obligationenrecht, 1981, Art. 957 Rdn. 22; Käfer folgend Körner, Wesen, 1986, 1743. 3 Vgl. Ober-Tribunal v. 16.5.1878, GA 1878. 339: " ... die ... Bilanz (gehört) zu den regelmäßigen Bestandtheilen jeder kaufmännischen Buchführung"; RGSt 13. 354 (355); 30, 170 (171); 39, 165 (167-168); 40, 242 (243); BFHE 82. 104 (l07); 85, 1 (9, 11); 109, 167 (169): "Zutreffend rechnet das FA auch die Bilanz zur Buchführung ..... ; BFHE 133, 500 (503); BGHZ 53,394 (397); ferner Rehm. Bilanzen, 1903,350: "Die B. (erg.: Bilanz) ist ein Bestandteil der Buchführung"; Schmalenbach, Buchwert, 1912/13.42; Herrn. V. Simon, Bilanzen, 1910, V. 4 Zur Stellung der Buchführung im betrieblichen Rechnungswesen vgl. Baetge, Bilanzen, 1994, 1-6; Horschitz/Groß/Weidner. Bilanzsteuerrecht, 1995, 1-2; Mathiak. in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 5 Rdn. A 78; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, 1996, § 4 Rdn.7.

A. Begriffliche Vorbemerkungen

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System erfolgende Aufzeichnung sämtlicher Geschäftsvorf,ille (§ 238 Abs. 1 HGB), die Handelsbriefe (§ 238 Abs. 2 HGB), das Inventar (§ 240 Abs. 1 und 2 HGB), die Gewinn- und Veriustrechnung (§ 242 Abs. 2 HGB), der Anhang (§ 264 Abs. 1 S. 1 HGB) und der Lagebericht (§ 264 Abs. 1 S. 1 HGB). Dieser Unterscheidung in Buchführung im engeren und weiteren Sinne entspricht diejenige des Begriffs "Handelsbücher" in die Handelsbücher im engeren und im weiteren Sinne6 . Da die Bilanz als "der Schlußstein, die Krönung der gesamten Buchführung,,7 im Mittelpunkt der Buchführungsvorschriften steht8 , wird der Begriff "Bilanzrecht" üblicherweise jedoch so gebraucht, daß die "Bilanz" als pars pro toto für sämtliche Bestandteile der kaufmännischen Buchführung mit Ausnahme der laufenden Buchführung9 oder einschließlich dieserIO verstanden wird. Im fol5 Zur Unterscheidung zwischen Buchführung im engeren und weiteren Sinne vgl. Passow, Bilanzen, Bd. I, 1921,43 Fn. 2. der sich über die Begriffsverwirrung beklagt. daß der Begriff ..Buchführung" ..oft ... auf einer und derselben Seite ... ohne jeden weiteren Zusatz sowohl in dem einen als in dem anderen Sinne verwandt wird"; ferner Berliner. Bilanzlehre. 1924. 59-60. 195; Mathiak. in: Kirchhof/Söhn, EStG. § 5 Rdn. A 79A 80; Otto. Verpflichtung, 1912.46; Philipp. Buchführung. 1920.25-26; Pisko. Lehrbuch. 1923. 82; Ruban. Buchführung. 1993. 85; aus der Rechtsprechung RGSt 13. 354 (355); 41, 41 (43): ..Die kaufmännische Buchführung im weiteren Sinne umfaßt die Aufstellung von Inventar und Bilanz"; RG v. 30.4.1926. JR 1926. Sp. 1099-1100; RG v. 28.6.1934. JW 1934.2694. Abweichend von der hier zugrunde gelegten Definition versteht Braune. Buchführung. 1882. 158-159. 166-167. unter Buchführung im engeren Sinne auch das Inventar. die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung und unter Buchführung im weiteren Sinne sämtliche schriftlichen Aufzeichnungen des Kaufmanns; ähnlich His. Obligationenrecht. 1940. Art. 957 Rdn. 3. 7; Wieland. Handelsrecht, 1921, 296-297 . .6 Im engeren Sinne wird der Begriff .. Handelsbücher" etwa in § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB gebraucht. im weiteren Sinne als Überschrift des 3. Buchs des HGB (zur zweifachen Bedeutung des Begriffs ..Handelsbücher" vgl. Bayer, Steuerlehre. 1998. Rdn. 591; Brox. Handelsrecht. 1998. Rdn. 189; Passow. Bilanzen. Bd. I. 1921.43 Fn. 2; Schmalenbach. Vorschrift. 1912113.245-246; ders .• Bilanzrecht. 1916/17.9-10.27-28; aus der Rechtsprechung RdOTr. 17.96 (97); Ober-Tribunal v. 16.5.1878. GA 1878.339; RGSt 7.87 (89); 13, 354 (355); 41. 41 (45. 47); RFH v. 29.10.1930. StuW 11 1931. Sp. 111). 7 Reisch, Besprechung, 1904,34; Herrn. V. Si mon. Betrachtungen. 1906.397. 8 Vgl. Großfeld, Bilanzrecht. 1997. Rdn. 39; Käfer. Obligationenrecht. 1981. Art. 957 Rdn.22. 9 Hierbei handelt es sich um die Fälle. in denen von .. Buchführungs- und Bilanzrecht" gesprochen wird (vgl. etwa K. Barth. Entwicklung. Bd. I. 1953, 67; BaumbachlDudenl Hopt, HGB, 1995, Einl. v. § 238 Rdn. 2; Heinr. V. Simon. Handelsbücher, 1933. 113; ferner Schulze-Osterloh. Überlegungen. 1981. 8: ..... Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften"); wohl auch Leffson. Bilanzrecht. 1985. 3: ..Der Terminus Bilanzrecht ist eine Kurzform für das Recht des Jahresabschlusses ... und. sofern ein Anhang aufzustellen ist. diesen. ferner den Geschäftsbericht und das mit ihm Publizierte." 10 Vgl. Großfeld, Bilanzrecht. 1997. Rdn. I: .. Als .Bilanzrecht' bezeichnen wir traditionell das Recht der Handelsbücher (§§ 238-3410) ...... Rdn. 12; Luttermann. Buchfüh4 Icking

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I. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

genden soll der Begriff "Bilanzrecht" in diesem letzten, weitesten Sinne verwendet werden. An Stelle von "Bilanzrecht" als zusammenfassender Bezeichnung für alle Bestandteile der kaufmännischen Buchführung sprach man früher von "Buchführungs-,d1 bzw. "Buchhaltungsrecht,,12. Der Begriff des "Bilanzrechts" hat diese Fonnulierungen im Laufe der Zeit immer stärker verdrängt 13, während sich der Begriff "Buchführungsvorschriften" bis heute hat behaupten können 14. Seinerseits wird der Begriff "Bilanzrecht" aber heute immer stärker vom Begriff "Rechnungslegungsrechtl-vorschriften" verdrängt l5 . Der Vorteil dieses Begriffs gegenüber "Bilanzrecht" liegt darin, daß sich der Begriff "Rechnungslegung" insofern besser als Oberbegriff eignet, als "Rechnungslegung" im Gegensatz zu "Bilanz" nicht zugleich einen Bestandteil der kaufmännischen Buchführung, sondern eine Funktion der Buchführung umschreibt l6 .

rung, 1996,610: " ... Rechtsregeln der Buchführung, die allgemein als ,Bilanzrecht' erfaßt werden". 11 Vgl. etwa Philipp. Buchführung. 1920,25; Schmalenbach, Mängel, 1907/08,281; ders., Vorschrift, 1912113,245. 12 Vgl. etwa Rehm. Eröffnungsbilanz, 1908/09, 35 I: ..... Fragen des Buchhaltungsrechtes ..... ; ferner Fuisting, Rezension, 1905,91, der hier die Begriffe "Buchhaltungs-" und .. Bilanzrecht" synonym gebraucht. Der Begriff "Buchhaltung" ist älter als der Begriff .. Buchführung" (vgl. Ricker, Beiträge, 1967, 144). Beide Begriffe werden in der Regel synonym verwendet (vgl. A. Adler, Buchführung, 1909,244 Fn. I; Braune, Mängel, 1893,204; Leyerer, Entwicklung, 1922. 125; Passow, Bilanzen, Bd. 1,1921, 43 Fn. I; Ricker, Beiträge, 1967, 144; für einen abweichenden Gebrauch der Begriffe vgl. etwa Brüning. Buchhaltung, 1993, Sp. 276; Reisch/Kreibig, Bilanz, 1914, I Fn. I; Herbert Seitz, Buchführung, 1935, 14-15). 13 Vgl. Wieland. Handelsrecht, 1921.299: .. Das Buchführungs- oder, wie der neuerdings übliche Ausdruck lautet. ,Bilanzrecht' ...... 14 Vgl. nur Brüning, Buchhaltung, 1993. Sp. 277: ..... die handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften ..... (Hervorh. i. Orig.); aus der Rechtsprechung BGH v. 20.2.1995, BB 1995,975. 15 Vgl. zum Gebrauch dieser Begriffe etwa Busse v. Colbe. Internationalisierung, 1997, 418: ..... Rechnungslegungsvorschriften ...... 420: ..... Rechnungslegungsrecht ..... ; Capelle/Canaris, Handelsrecht. 1995. 188: ..Grundzüge des Rechts der Rechnungslegung"; Haller, Normierung. 1993, Sp. 1420: ..... Rechnungslegungsnormen ...... Sp. 1423: ..... Rechnungslegungsvorschriften ..... ; Moxter. Fehlentwicklungen. 1997.509: ..... Rechnungslegungsrecht ... Rechnungslegungsvorschriften ... "; K. Schmidt. Handelsrecht. 1994. 422: ..Gegenstände des Rechnungslegungsrechts"; D. Schneider. Rechnungswesen. 1997.67.68: ..... Recht der Rechnungslegung ...... 77-78: ..... Rechnungslegungsvorschriften ...... 16 Vgl. BGHZ 16. 17 (22): .. Der Jahresabschluß. der seine rechnerische Grundlage in der Buchführung hat. und der Geschäftsbericht sind die Mittel der Rechnungslegung"; Freericks. Bilanzierungsfähigkeit. 1976. 14; H. Nicklisch. Budgetierung. 1929. 54: ..... die Buchhaltung ... (dient) dem Zweck der Rechnungslegung ......

A. Begriffliche Vorbemerkungen

51

Aber auch der Rückgriff auf den Begriff "Rechnungslegung" führt zu keinem einheitlichen Sprachgebrauch. Denn der Begriff "Rechnungslegungsrechtl-vorschriften" wird, je nachdem, ob die Vorschriften über die Abschlußprüfung und die Offenlegung hinzugezählt werden 17 oder nicht l8 , in einem weiteren und einem engerem Sinne gebraucht. Wenn im folgenden von "Rechnungslegungsrechtl-vorschriften" die Rede ist, wird der Begriff in seinem weiteren Sinne verstanden. Die Begriffe "Bilanzrecht", "Buchführungsrechtl-vorschriften" und "Rechnungslegungsrechtl-vorschriften" sollen im Rahmen dieser Arbeit synonym verwendet werden. Was den zweiten Begriffsbestandteil von "Handelsbilanzrecht", das "Handelsrecht", betrifft, kann an dieser Stelle nicht auf die übliche l9 Definition von "Handelsrecht" als dem Sonderprivatrecht der Kaufleute zurückgegriffen werden 2o . Zieht man diese Definition zur Abgrenzung des Handelsbilanzrechts heran, setzt man bereits voraus, daß es sich beim Handelsbilanzrecht nicht um öffentliches, sondern um Privatrecht handelt. Inwieweit das eine oder das andere der Fall ist, sollen die folgenden Untersuchungen aber erst zeigen. "Handelsrecht" soll hier daher zunächst allgemein als das Sonderrecht der Kaufleute verstanden werden 21 . Zentraler Regelungsort des Handelsrechts ist das HOB. Han17 Vgl. etwa Claussen, in: Zöllner, Kölner Kommentar, 1991, Vorb. § 238 HGB Rdn. 19: "Deutsches Rechnungslegungsrecht" (Überschrift) i. V .m. Rdn. 23 und 24; Haller, Normierung, 1993. Sp. 1423: " ... das Dritte Buch des HGB (§§ 238-339 HGB) (enthält) Rechnungslegungsvorschriften ..... ; W. Müller, Jahresabschluß, 1994, 82: "Auch die Bestimmungen über den Abschlußprüfer sind Teil der Rechnungslegungsvorschriften ..... ; D. Schneider, Rechnungswesen, 1997,77-78. 18 Vgl. etwa Beham, Pflichtprüfungswesen, 1937,285, der diesbezüglich von einer "Dreiheit der Vorschriften" spricht; Capelle/Canaris, Handelsrecht, 1995, 189; Claussen, Aktienrechtsreform, 1996, 481: " ... das Rechnungslegungsrecht und das Prüfungsrecht ..... ; Fuhrmann, in: Geßler/Hefermehl/EckardtlKropff, AktG, 1976-1994, Vor § 399 Rdn. 13: " ... Rechnungslegungs- und Prüfungsrecht ..... ; Hüffer, in: Staub, HGB, 1988, Vor § 238 Rdn. 9; Großfeld/Lenfers, Gleichbehandlung, 1988,2011: "Rechnungslegung, Prüfung und Publizität ..... ; Schildbach/Koenen, GmbH & Co. KG, 1991,668: " ... Rechnungslegungs-, Publizitäts- und Prüfungspflichten ..... ; K. Schmidt, Sanierung, 1982, 125: " ... Rechnungslegungs- und Publizitätsrecht ..... ; ders., Handelsrecht, 1994,422: "Rechnungslegung und Publizität"; StreirnlKugel, GmbH & Co. KG, 1985, 102 m. Fn. I; Wysocki, Vereinheitlichung, 1983, 96. 19 Vg!. Capelle/Canaris. Handelsrecht, 1995, I m.w.N.; J. v. Gierke/Sandrock, Wirtschaftsrecht, 1975, I. 3-5; P. Hofmann, Handelsrecht, 1993. I; N. Horn, in: Heymann, HGB, 1995. Ein!. I Rdn. 1-2; K. Schmidt, Handelsrecht, 1994,3-4 m.w.N. 20 Vg!. dazu Capelle/Canaris, Handelsrecht, 1995, 192. 21 So auch N. Horn, in: Heymann, HGB, 1995, Ein!. I Rdn. I, als Folge der Tatsache, daß "das HGB in großem Umfang öffentliches Recht enthält". Im Ergebnis bleibt N. Horn aber der traditionellen Definition von "Handelsrecht" verhaftet, wenn er im folgenden Satz schreibt, daß man das öffentliche Recht des HGB "auch als Sonderrecht des kaufmännischen Privatrechtsverkehrs bezeichnen (kann)", da es "unmittelbar dem Privatrechtsverkehr des Kaufmanns dient" (ebd., Ein!. I Rdn. 1; ferner ebd., Ein!. I Rdn. 7). 4·

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I. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

deIsrechtliche Vorschriften finden sich daneben in einer Vielzahl weiterer Gesetze, den sogenannten handelsrechtlichen oder kaufmännischen Nebengesetzen 22 . Der Begriff "Handelsrecht" soll im Rahmen dieser Arbeit daher nicht, wie es gelegentlich geschieht23 , nur in bezug auf das HGB gebraucht werden. Faßt man die obige Begriffsabgrenzung von "Bilanzrecht" und "Handelsrecht" zusammen, läßt sich "Handelsbilanzrecht" definieren als die Gesamtheit der im Sonderrecht der Kaufleute enthaltenen Normen über die Buchführung. 11. Gliederungsmöglichkeiten des Handelsbilanzrechts

Die nach dieser Definition zum Handelsbilanzrecht zählenden Bestimmungen können nach verschiedenen Kriterien systematisiert werden. Auf inhaltlicher Ebene lassen sich die Normen des Handelsbilanzrechts in zwei Bereiche unterteilen: zum einen in die Normen, die den Kaufmann zu einem bestimmten Handeln 24 verpflichten und diese Pflichten näher ausgestalten, zum anderen in die Normen, die Verstöße gegen diese Verpflichtungen sanktionieren. Die wichtigsten dieser Pflichten sind: die Verpflichtung zur laufenden Buchführung, die sogenannte Buchführungspflicht im engeren Sinne (§ 238 Abs. 1 S. 1 HGB), die Pflicht zur Inventarerrichtung (§ 240 Abs. 1 und 2 HGB), die Pflicht zur Aufstellung von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (§ 240 Abs. I und 2 HGB), die Aufbewahrungspflicht (§ 257 Abs. I HGB), die Verpflichtung zur gerichtliVon K. Schmidt, Handelsrecht, 1994,3, wird die Definition des im HGB enthaltenen Handelsrechts als Sonderprivatrecht der Kaufleute dadurch zu retten versucht, daß er die als öffentlich-rechtlich anzusehenden Normen des HGB als "vereinzelt(e)" Einsprengsel bezeichnet, die "nur aus Gründen des Sachzusammenhangs mit dem Sonderprivatrecht der Kaufleute in das Gesetz aufgenommen und für das materielle Handelsrecht nicht charakteristisch (sind)". Im Widerspruch hierzu steht allerdings, daß K. Schmidt das Handeisbilanzrecht als öffentliches Recht ansieht (siehe oben S. 35 Fn. 2) und das BiRiLiG begrüßt, weil mit ihm "die Rückführung zentraler Regelungsgegenstände in die Handelsrechtskodifikation betrieben (wurde)" (ebd., 47). 22 Zu den handelsrechtlichen Nebengesetzen vgl. Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 1995,2. Teil: "Handelsrechtliche Nebengesetze"; N. Horn, in: Heymann, HGB, 1995, Ein!. I Rdn. 30; Mathiak, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 5 Rdn. A 72. 23 Vg!. etwa Baetge, Bilanzen, 1994,75-95, der von "Vorschriften über die handeIsrechtliche Rechnungslegung" allein in bezug auf das 3. Buch des HGB spricht; Mösbauer, Grenzen, 1995, 397: " ... die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten des Handels-, Gesellschafts- und Genossenschaftsrechts ... "; dazu K. Schmidt, Handelsrecht, 1994,17: "Die verbreitete Gleichsetzung von ,Handelsgesetzbuch' und ,Handelsrecht' ist falsch." 24 V g!. dazu Luttermann, Rechtsgebiet, 1997, 488: "Rechnungslegung ist Rechtshandlung, bei der ein zur Bilanzierung Verpflichteter Rechenschaft abgibt" (Hervorh. v. Verf.); Nolte, Bilanzen, 1963,4: Die Bilanzierungspflicht ist eine "Verpflichtung, auf der ein Handeln beruht".

A. Begriffliche Vorbemerkungen

53

chen Vorlage der Handelsbücher, die sogenannte Editionspflicht (§§ 258 Abs. 1 und 260 HGB) und, für bestimmte Gruppen von Kaufleuten, die Prüfungspflicht (§ 316 Abs. 1 S. 1 HGB) und die Offenlegungs- oder Publizitätspflicht25 (§ 325 Abs. 1 HGB). Die Gesamtheit dieser Pflichten bildet die sogenannte Buchführungspfticht im weiteren Sinne 26 . Soweit in dieser Arbeit nichts anderes gesagt wird oder es sich aus dem Zusammenhang nicht eindeutig ergibt, wird der Begriff "Buchführungspfticht" im folgenden in diesem weiteren Sinne verstanden 27 . "Buchführungspflicht" und "Rechnungslegungspflicht" werden als synonyme Begriffe verwendet. In Abhängigkeit von ihrem Geltungsbereich lassen sich die Nonnen des Handeisbilanzrechts einteilen in das allgemeine und das spezielle Bilanzrecht28 . Während das allgemeine Bilanzrecht für alle Kaufleute 29 gilt, gelten die Bestim25 Der Begriff der "Publizität" hat mehrere Bedeutungen. Er umschreibt zum einen den Zustand, daß etwas für jedermann zugänglich ist, sodann eine Eigenschaft, nämlich die Offenkundigkeit als das Ergebnis der Publizität, und drittens die Tätigkeit der Bekanntmachung bestimmter Tatsachen (vgl. Käfer, Konzentration, 1971·, 679-680). In Verbindung mit dem Begriff "Pflicht" hat "Publizität" die dritte Bedeutung; zum Begriff "Publizität" vgl. ferner Kunze, Publizität, 1965, 310; K. Schmidt, Handelsrecht, 1994, 341-342. 26 Vgl. RGSt 41, 41 (45). 27 In diesem Sinne wird der Begriff "Buchführungs pflicht" auch gebraucht von Behrend, Lehrbuch, 1886, 289-290; Cosack, Lehrbuch, 1923, 69-78; 1. Lehmann, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 1930, § 39 Anm. 1: "Die §§ 39-41 (erg.: HGB a.F.) regeln einen bestimmten Teil der Buchführungspflicht, nämlich die Aufstellung von Inventar ulld Bilanz" (Hervorh. i. Orig.); Maul, Buchführungspflicht, 1985,4; K. Schmidt, Handelsrecht, 1994, 431: " ... die sog. Buchführungspflicht (ist) nicht auf die (erg.: laufende) Buchführung beschränkt"; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 1996, § 41 Rdn. 24; van der Velde, Rechtsnatur, 1954/55,48,53. Ein Beispiel dafür, daß der Begriff "Buchführungspflicht" ohne näheren Zusatz sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne gebraucht wird, ist Wiedmann, in: Rowedder/FuhrmannlRittner/Koppensteinerl Wiedmann/Rasner/Zimmermann/Schmidt-Leithoff/Schaal, GmbHG, 1997, § 42a Rdn. 53: "Die Pflicht zur Aufstellung von lahresabschluß und Lagebericht ist ebenso wie die Buchführungspflicht ..... , § 41 Rdn. 1: "Die gesetzliche Buchführungspflicht (§§ 238 ff. HGB ... ) ...... 28 Vgl. zu dieser Unterscheidung etwa Fuisting, Rezension, 1905, 91; Käfer, Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 4.4; Rehm, Bilanzen, 1903, 39; Schmalenbach, Mängel, 1907/08,281. 29 Bis zum 31.6.1998 waren Minderkaufleute wegen § 4 Abs. 1 HGB a.F. von den Bestimmungen des allgemeinen und sonstigen Handelsbilanzrechts befreit. Dieses galt lediglich für Vollkaufleute. Mit der Reform des Kaufmannsbegriffs durch das Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz - HRefG) v. 22.6.1998, BGBI. I 1998, 1474, durch dessen Art. 3 Nr. 4 der bisherige § 4 HGB aufgehoben wird, werden alle Kaufleute buchführungspflichtig; zu dieser Reform des Kaufmannsbegriff vgl. Bydlinski, Handelsrechtsreformgesetz, 1998, 1170-1174; Henssler, Gewerbe, 1997,

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l. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

mungen des speziellen Bilanzrechts nur für einzelne Gruppen von Kaufleuten. Allgemeines und spezielles Bilanzrecht stehen dabei zueinander im Verhältnis von lex generalis zu lex specialis 30 . Die wichtigsten Anknüpfungspunkte für spezielle bilanzrechtliche Bestimmungen sind die Rechtsform, die Branchenzugehörigkeit und die Größe eines Unternehmens 31 . Das spezielle Bilanzrecht läßt sich daher unterteilen in das rechtsformspezifische oder gesellschaftsrechtliche, das branchen spezi fische und das größenspezifische Bilanzrecht. Rechtsformspezifische Vorschriften bestehen für die Aktiengesellschaft, die GmbH und die Genossenschaft. Das Recht der Personenhandelsgesellschaften kennt dagegen mit Ausnahme von §§ 118 Abs. 1 und 166 Abs. 1 HGB, die dem Gesellschafter der OHG bzw. dem Kommanditisten das Recht zur Einsicht in die Handelsbücher einräumen, keine rechtsformspezifischen Buchführungsvorschriften32 . Vorbehaltlich dieser und etwaiger branchen- oder größenspezifischer Vorschriften ist die Rechnungslegung der Personenhandelsgesellschaften ebenso wie die der Einzelkaufleute mit dem allgemeinen Bilanzrecht abschließend geregelt33 • Im Mittelpunkt des branchenspezifischen Bilanzrechts stehen das versicherungs- und das bankenspezifische Bilanzrecht34 , während das größenspezifische Bilanzrecht seine Regelung im PublG erfahrt. Nicht zu verwechseln mit der Einteilung des Handelsbilanzrechts in vier voneinander getrennte handelsbilanzrechtliche Regelungskreise, das allgemeine, das rechtsform-, das größen- und das branchenspezifische Handelsbilanzrecht, ist eine andere adressatenbezogene Gliederungsmöglichkeit des HandeJsbilanzrechts. Da die Vorschriften des speziellen Handelsbilanzrechts einen das allgemeine Handelsbilanzrecht ergänzenden Charakter haben, ist auch eine kumulapassim, bes. 44-50; E. Schaefer, Handelsrechtsreformgesetz, 1998, 1269-1270; K. Schmidt, HGB-Reform, 1997,912-913. 30 Vgl. Haller, Normierung, 1993, Sp. 1425. 31 Vgl. Baetge, Bilanzen, 1994,92-95; Brönner/Bareis, Bilanz, 1991, Teil 11 Rdn. lW; Chmielewicz, Vereinheitlichung, 1980, 16-19; Haller, Normierung, 1993, Sp. 1426; Ordelheide, Handelsbilanz, 1993, Sp. 874; R. Ludewig, Rechnungslegung, 1997,476; zu weiteren Anknüpfungspunkten für spezielle bilanzrechtliche Normen vgl. Haller, Normierung, 1993, Sp. 1426-1427. 32 Die §§ 120 bis 122 und 167 bis 169 HGB, die gelegentlich zum Bilanzrecht gezählt werden (vgl. etwa Federmann, Bilanzierung, 1992, 58; Thiel, Bilanzrecht, 1990, Rdn. 156-159), betreffen die Gewinnverwendung sowie das Entnahmerecht und stellen damit keine "eigentliche(n) Buchführungsvorschriften" dar (Käfer, Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 4.6; vgl. auch die Überschrift des 5. Teils des I. Buchs des AktG: "Rechnungslegung. Gewinnverwendung"). 33 Vgl. Bieg, in: Castan u.a., BeckHdR, A 100 Rdn. 46; Busse v. Colbe/Chmielewicz, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, 294-295; HeImrich, Grundsatzentscheidungen, 1988, 221; Kübler, Gesellschaftsrecht, 1994, 250; Moxter, Bilanzlehre, 1974, 178, 180. 34 Weitere, im Rahmen dieser Arbeit nicht interessierende branchenspezifische Rechnungslegungsvorschriften gelten insbesondere für Unternehmen der Verkehrs- und Wohnungswirtschaft (vgl. Baetge, Bilanzen, 1994,93-94).

A. Begriffliche Vorbemerkungen

55

tive adressatenbezogene Gliederung dieses Rechtsgebiets möglich, indem all diejenigen handelsbilanzrechtlichen Normen zu einer Gruppe zusammengefaßt werden, die für eine bestimmte Adressatengruppen gelten. Nach dieser Gliederungsmöglichkeit, der im Rahmen dieser Arbeit eine große Bedeutung zukommen wird35 , läßt sich das Handelsbilanzrecht in fünf Gruppen unterscheiden: I. das Handelsbilanzrecht der ..kleinen,,36 Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften, die im folgenden zusammenfassend als ..Personenunternehmen" bezeichnet werden, 2. das Handelsbilanzrecht der Kapitalgesellschaften, 3. das Handelsbilanzrecht der Genossenschaften, 4. das Handelsbilanzrecht der im Sinne des PublG ..großen" Personenunternehmen und 5. das Handelsbilanzrecht der Banken und Versicherungsunternehmen. Während nach der ersten Einteilung jede handelsbilanzrechtliche Norm nur einem Regelungsbereich zurechenbar ist, kann im zweiten Fall ein- und dieselbe Norm mehreren Normengruppen angehören. So zählt etwa die Verpflichtung zur laufenden Buchführung aus § 238 Abs. I S. 1 HGB nach dem ersten Gliederungskriterium nur zum allgemeinen Bilanzrecht, während sie im zweiten Fall Bestandteil jeder einzelnen der fünf genannten Normengruppen ist. Die Normen des Handelsbilanzrechts lassen sich weiterhin nach der Periodizität der Rechnungslegung dahingehend unterscheiden, ob sie, wie im wesentlichen die Vorschriften im 3. Buch des HGB, die regelmäßige Rechnungslegung oder die Rechnungslegung aus Anlaß besonderer, nicht regelmäßig wiederkehrender Vorgänge betreffen. Diese ..Sondergebiete des Handelsbilanzrechts·m , darunter insbesondere die Normen über die Rechnungslegung im Konkurs und in der Liquidation, werden im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht weiter betrachtet38 .

III. Der Begriff des "Bilanzsteuerrechts" Abzugrenzen vom Handelsbilanzrecht ist das Steuerbilanzrecht oder, wie es häufiger bezeichnet wird 39, das Bilanzsteuerrecht4o. Der Begriff ..Bilanzsteuer-

Siehe insbesondere unten S. 281-386. bezeichnet hier diejenigen Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften, die nicht die Größenmerkmale des PublG erfüllen. 37 Beisse, Bild, 1994. 10. 38 Zu Einzelheiten vgl. etwa BuddelFörschle. Sonderbilanzen, 1994, passim; K. Schmidt. Liquidationsbilanzen, 1989, passim; für eine Übersicht über die relevanten Rechtsgrundlagen vgl. Federmann. Bilanzierung, 1992, 32. 39 Vgl. Kramer. Bilanzsteuerrecht, 1982,35; grundlegend für die Prägung des Begriffs .. Bilanzsteuerrecht" ist der Titel von Lion, Bilanzsteuerrecht. 1923; ferner bereits Rehm, Bilanzen, 1903, III: ..... Bilanzsteuerrecht" (Hervorh. i. Orig.); zum synonymen Gebrauch beider Begriffe vgl. etwa HerziglRieck, Saldierungsbereich, 1997, 35

36 .. Klein"

56

1. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

recht" wird unterschiedlich gebraucht. Im weiteren Sinne wird darunter heute "das gesamte Recht der steuerlichen Gewinnermittlunl 1 begriffen,,42. Neben den Vorschriften über die bilanzielle Gewinnermittlung zählen nach diesem Verständnis auch die Vorschriften über die beiden anderen einkommensteuerlichen Gewinnermittl ungsarten, die Betriebseinnahmen-Betriebsausgaben-Rechn ung gemäß § 4 Abs. 3 EStG und die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG zum "Bilanzsteuerrecht,,43. Im engeren Sinne werden unter "Bilanzsteuerrecht" nur die steuerrechtlichen Vorschriften über die bilanzielle Gewinnermittlung verstanden44 . Diese Definition reicht für die Zwecke dieser Arbeit aus und wird daher im folgenden zugrunde gelegt. Die Normen des Bilanzsteuerrechts sind nicht einheitlich kodifiziert, sondern über mehrere Gesetze verstreut45 . Kernnormen des Bilanzsteuerrechts46 sind §§ 4 bis 7k EStG47 , § 60 EStDV48 und §§ 140, 141, 145 bis 148 und 158 A049 . 1881: " ... Fragen des Bilanzsteuerrechts ... ", 1884: " ... Deformation des Steuerbilanzrechts ... "; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, 1996, § I Rdn. 1: "Das Steuerbilanzrecht (Bilanzsteuerrecht) ... "; Vogelgesang, Jurist, 1997,515. Der von Rehm, Bilanzen, 1903, III, einmal verwendete Begriff ,,Bilanzhandelsrecht" (Hervorh. i. Orig.) ist dagegen als Synonym für "Handelsbilanzrecht" unüblich. 40 Vg!. Beisse, Bild, 1994, 10: "Das geltende Bilanzrecht stellt ein Doppelsystem dar, das die beiden Regelungsbereiche Handelsbilanzrecht und Steuerbilanzrecht umfaßt ... "; Zaczyk, Bilanzrecht, 1991, 115: "Der Begriff ,Bilanzrecht' umfaßt als Oberbegriff Handeisbilanzrecht und Steuerbilanzrecht ... ". 41 Bei Lion, Bilanzsteuerrecht, 1923, passim, bes. 16, umfaßt der Begriff "Bilanzsteuerrecht" auch den Bereich der bilanziellen Verrnögenserrnittlung für die Zwecke der Substanzsteuern. 42 Kramer, Bilanzsteuerrecht, 1982,37 (Hervorh. i. Orig.); ebenso Tiedtke, Bilanzsteuerrecht, 1995,250. 43 Vg!. Kramer, Bilanzsteuerrecht, 1982, 36-37. 44 Vg!. Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, 1996, § 1 Rdn. I; ferner Bayer, Steueriehre, 1998, Rdn. 583; Rasenack, Bilanzsteuerrecht, 1979, 149. Eine mittlere Position vertritt Weber-Grellet, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 4 Rdn. A 5, indem er die Einnahmen-Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, nicht aber die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen unter den Begriff "Bilanzsteuerrecht" faßt. 45 Vg!. Federmann, Bilanzierung, 1992, 71; Kramer, Bilanzsteuerrecht, 1982, 39; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, 1996, § I Rdn. 3. 46 Vg!. Großfeld, Bilanzrecht, 1997, Rdn. 17; Kramer, Bilanzsteuerrecht, 1982,39-40; Maul, Rechnungslegung, 1978, 28; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, 1996, § 1 Rdn. 3; zu weiteren steuerrechtlichen Gesetzen, die bilanzsteuerrechtliche Regelungen enthalten, vg!. ebd., § 1 Rdn. 11. 47 Einkommensteuergesetz 1997 (EStG 1997) i.d.F. der ·Bek. v. 16.4.1997, BGB!. I 1997,821, letztes ÄndG v. 19.12.1997, BGB!. 11997,3121. 48 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1997 (EStDV 1997) i.d.F. der Bek. v. 18.6.1997, BGB!. I 1997, 1558. 49 Abgabenordnung (AO 1977) v. 16.3.1976, BGB!. I 1976,613, letztes ÄndG v. 17.12.1997, BGB!. 11997,3039.

A. Begriffliche Vorbemerkungen

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Handelsbilanz- und Steuerbilanzrecht stehen nicht unabhängig nebeneinander, sondern sind auf zweifache Weise miteinander verknüpft. Diese Verknüpfung besteht erstens in dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die steuerrechtliche Gewinnermittlung (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG), der einen ,,Eckpfeiler des (erg.: deutschen) Bilanzrechts,,50 bildet, und dem Grundsatz der sogenannten umgekehrten Maßgeblichkeit51 , nach dem steuerliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz auszuüben sind (§ 5 Abs. 1 S. 2 EStG). Um die Maßgeblichkeit nach § 5 Abs. 1 S. 1 EStG sprachlich besser von der umgekehrten Maßgeblichkeit abzugrenzen, wird sie auch als "einfache,,52 oder "direkte,,53 Maßgeblichkeit bezeichnet. Verbunden sind Handels- und Steuerbilanzrecht zweitens über § 140 AO. Indem diese Vorschrift die zahlreichen außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten54 zu steuerlichen Pflichten erklärt, soweit jene von steuerlicher Bedeutung sind, wird die handelsrechtliche Buchführungspflicht zugleich zu einer steuerlichen Pflicht55 . Die steuerliche Bedeutung der handelsrechtlichen Buchführungspflicht liegt dabei insbesondere darin, daß die kaufmännische Buchführung als ein Instrument der Gewinnermittlung eine wichtige Grundlage für die Feststellung und die Überprüfung der Bemessungsgrundlage bei den sogenannten Gewinnsteuern, der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer, darstellt56. In bezug auf die Normierungsdichte des Bilanzsteuerrechts hat diese Nutzbarmachung der handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften für steuerliche Zwecke zur Folge57 , daß das Bilanzsteuerrecht weniger detailliert ausgestaltet ist als das Handelsbilanzrecht.

50 Dziadkowski, Steuerbilanz, 1988,411; zu ähnlichen Formulierungen vgl. Gail, Abhängigkeiten, 1995, 112. 51 Kritisch zum Begriff "umgekehrte Maßgeblichkeit" ebd., 129-130, 139-140. 52 Schreiber, Maßgeblichkeitsprinzip, 1997,504. 53 P.-J. Schmidt, Besteuerung, 1997,462. 54 Der Begriff "Aufzeichnungen" ist weiter als der Begriff "Buchführung" und umschließt diesen (vgl. § 239 Abs. 1 S. 1 HGB; ferner Mösbauer, Buchführungspflicht, 1996,2583; Ruban, Buchführung, 1993,86). 55 Zu den handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften als dem Hauptanwendungsbereich des § 140 AO vgl. Entwurf Abgabenordnung, BT-Drs. VII1982, 123; Mösbauer, in: K. Koch/Scholtz, AO, 1996, § 140 Rdn. 7; ders., Buchführungspflicht, 1996, 2582-2853; Trzaskalik, in: HübschmanniHepp/Spitaler, AO, 1995, Vor § 140 Rdn. 12, § 140 Rdn. 2. 56 Zur steuerlichen Bedeutung der kaufmännischen Buchführung vgl. Maul, Buchführungspflicht, 1985, 2; ferner Käfer, Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 5.42; Karoli, Buchführung, 1932,617; Kovero, Bewertung, 1912,37-40,46. 57 Vgl. Entwurf Abgabenordnung, BT-Drs. VII1982, 123: Durch § 140 AO wird "das Steuerrecht ... der Notwendigkeit enthoben, für steuerliche Zwecke eigene Vorschriften zu schaffen"; ferner TipkeiKruse, AO, 1996, § 140 Rdn. I.

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1. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

Da die in § 140 AO zu steuerlichen Pflichten erklärten Buchführungspflichten in außersteuerlichen Nonnen wurzeln, wird die durch diese Vorschrift konstituierte Buchführungspflicht als abgeleitete oder derivative Buchführungspflicht bezeichnet. Abzugrenzen von dieser derivativen Buchführungspflicht ist die ursprüngliche oder originäre steuerrechtliche Buchführungspflicht des § 141 A058 , durch den Gewerbetreibende und Land- und Forstwirte, für die sich keine Buchführungspflicht aus § 140 AO ergibt, bei der Erfüllung bestimmter Größenkriterien einer eigenständigen steuerrechtlichen Buchführungspflicht unterworfen werden.

B. Die Entwicklung des allgemeinen Bilanzrechts bis zum Bilanzrichtlinien-Gesetz von 1985 I. Die Zeit bis zur Ordonnance de Commerce Die heutige Buchführungstechnik ist das Ergebnis einer mehrtausendjährigen Entwicklung, deren Ursprünge üblicherweise im 3. Jahrtausend v. ehr. bei den Sumerern angesetzt59, teilweise aber auch bis ins 9. Jahrtausend v. ehr. zurückdatiert werden 60 . Die rudimentären Art. 100, 104 und 105 des im 18. Jahrhundert v. ehr. von dem babylonischen König Hammurabi erlassenen "älteste(n) Gesetzbuch(s) der Welt,,61 gelten als die ersten gesetzlichen Buchführungsvorschriften62. Griechische Bankiers63 bringen um 400 v. ehr. die Buchführung nach Rom64 . Dort bleibt die Kenntnis der Buchführung nicht auf den Kreis der Argentarier, der römischen Bankiers, und übrigen Geschäftsleute beschränkt. Auch für den 58 Zum Begriff der "abgeleiteten/derivativen" und "ursprünglichen/originären" Buchführungspflicht vgl. Bayer, Steuerlehre, 1998, Rdn. 585, 600; Mathiak, in: Kirchhofl Söhn, EStG, § 5 Rdn. A 214; Mösbauer, in: K. KochlScholtz, AO, 1996, § 140 Rdn. 2; Tiedtke, Bilanzsteuerrecht, 1995,320,322; Tipke/Kruse, AO, 1996, § 140 Rdn. 1; Trzaskalik, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 1995, Vor § 140 Rdn. 12. 59 Vgl. K. Barth, Rechnungswesen, 1993, passim, bes. 428; Löffelholz, Geschichte, 1970, Sp. 584; Luttermann, Buchführung, 1996,605; D. Schneider, Geschichte, 1993, Sp. 713; Stiegler, Buchhaltung, 1958,8-10. 60 Vgl. Weil bach, Unfug, 1986, 161. 61 Schmersahl, Gesetzbuch, 1903, 111; Gesetzestext abgedruckt in: Winckler, Gesetze, 1904, 1-92. 62 Vgl. Diekmann, Geschichte, 1991,22; Käfer,Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 3.3; Leyerer, Theorie, 1919,21: "Unter Hammurabi ... wurde die Buchhaltung zur gesetzlichen Pflicht"; Luttermann, Buchführung, 1996,610; Penndorf, Buchhaltungsgeschichte, 1938, Sp. 1169. 63 Zur Buchführung der Griechen vgl. Boyd, Accounting, 1905, 23-28; Costouros, Development, 1973,77-81.

B. Die Entwicklung des allgemeinen Bilanzrechts bis 1985

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römischen Hausvater ist es Sitte, über seine Einnahmen und Ausgaben sowie, für die Zwecke des Zensus, über sein Vermögen Bücher zu führen 65 . Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen beweisen die Bücher nicht nur gegen den Buchführenden, sondern, wenn sie ordentlich geführt sind, auch zu seinen Gunsten66 . Ob das römische Recht neben diesem indirekten Anreiz, Bücher zu führen, auch eine direkte gesetzliche Verpflichtung zur Buchführung kennt, ist strittig 67 . Die mit dem Untergang des Weströmischen Reichs einsetzende Phase einer langandauernden ökonomischen und kulturellen Stagnation führt auf dem Gebiet der Buchführung zu einem Entwicklungsrückschritt68 , bevor mit Beginn des 13. Jahrhunderts in Italien, ausgelöst durch günstige ökonomische Rahmenbedingungen, eine Wiederbelebung und entscheidende Fortentwicklung der Buchführung einsetzt69 . Das starke Wachstum von Handel, Industrie und Bankwesen, die einsetzende Blüte von Geldwirtschaft, Kredit- und Wechselverkehr erwecken ebenso wie die wachsende Bedeutung von Handelsgesellschaften das 64 Vgl. Luttermann, Buchführung, 1996,606; Oehler, Argentarii, 1895, Sp. 706, 709; M. Voigt, Bankiers, 1888,515,529; a.A. Leyerer, Theorie, 1919,21; zur Buchführung der Römer vgl. Beigel, Rechnungswesen, 1904, passim; Glautier, Accounting, 1973, passim; M. Voigt, Bankiers, 1888,529-577. 65 Vgl. Beigel, Rechnungswesen, 1904, 66; ders., Beitrag, 190911 0, 66-67; Kruse, Grundsätze, 1978,37 Fn. 4; Niemeyer, Rezension, 1890,320; Otto, Verpflichtung, 1912, 7; Pöhls, Darstellung, 1828, 349-350. 66 Vgl. Beigel, Rechnungswesen, 1904, 188-201,219,233-241; Diekmann, Geschichte, 1991,23; Luttermann, Buchführung, 1996,610; Pöhls, Darstellung, 1828,349-350; D. Schneider, Betriebswirtschaftslehre, 1987,94-95; a.A. Heimbach, Creditum, 1849, 621-623. Auch in Griechenland haben ordentlich geführte Bücher Beweiskraft (vgl. Diekmann, Geschichte, 1991,22). 67 Von einer gesetzlichen Buchführungspflicht für die Argentarier gehen unter Berufung auf Lib. II, Tit. 13, 1. 10 § 1 der Digesten (Textausgabe von Krueger/Mommsen, Corpus Iuris Civilis, 1973), wo die Argentarier zur Edition ihrer Bücher verpflichtet werden, weil "haec principalis eorum opera est, ut actus sui rationes diligenter conficiant" (Hervorh. v. Verf.), aus Glück, Pandecten, 1809, 126; Heimbach, Creditum, 1849, 622-623; D. Schneider, Betriebswirtschaftslehre, 1987,95; von einer Buchführungspflicht der Argentarier sprechen ohne Beleg Beigel, Rechnungswesen, 1904,213, und Goldschmidt, System, 1892, 107; a.A. dagegen Otto, Verpflichtung, 1912,9-16; Philipp, Buchführung, 1920, 13-15. Von Leyerer, Entwicklung, 1922, 128, wird für das römische und auch das griechische Recht allgemein die Existenz einer gesetzlichen Buchführungspflicht für private Unternehmen angenommen. Für Pöhls, Darstellung, 1828,350, kommt den Büchern des römischen Bürgers gerade deshalb Beweiskraft zu, "weil eine Verpflichtung sie zu halten angenommen wurde". 68 V gl. Melis, Ragioneria, 1950, 19, 372-373; Otto, Verpflichtung, 1912, 16-17; Philipp, Buchführung, 1920, 15-16; Heinr. V. Simon, Handelsbücher, 1933, 114. 69 Zur zentralen Bedeutung dieses Zeitpunkts in der Geschichte der Buchführung vgl. Melis, Ragioneria, 1950, 18-19, 382: " ... demarcazione delI' era delta Ragioneria antica e delI' era delta Ragioneria moderna ... " (Hervorh. i. Orig.).

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1. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

Bedürfnis nach einer Verbesserung der Buchführungstechnik7o . Gefördert wird die Entwicklung der Buchführung zudem durch die Einführung der arabisch-indischen Zahlen 71. Im Zuge dieser stetigen Weiterentwicklung 72 der Buchführungstechnik entsteht in Italien die doppelte Buchführung73 . Unter dem Einfluß von Luca Paciolis Darstellung der doppelten Buchführung74 in seiner 1494 erschienenen "Summa de Arithmetica, Geometria, Proportioni et Proportionalita,,75 und über die engen Handelsbeziehungen zwischen Italien und dem restlichen Europa76 70 Vgl. Diekmann, Geschichte, 1991, 16; Melis, Ragioneria, 1950,373,381-382; ferner R. Koch, Würdigung, 1863,446: Die kaufmännische Buchführung ist "der geschriebene Ausdruck" des "Uebergang(s) aus der regelloseren, mehr von Zufälligkeiten abhängigen Naturalwirthschaft zu der wesentlich durch ein geordnetes Wirthschaftssystem bedingten Geldwirthschaft und ihrem Complemente, der Credit-Wirthschaft"; speziell zur Bedeutung der Kreditwirtschaft als der zentralen Ursache für die Entwicklung der kaufmännischen Buchführung vgl. R. Fischer, Bücher, 1914,464; Müller-Erzbach, Handelsrecht, 1921, 119: "So war ... die aufkommende Kreditwirtschaft die Ursache für die Entstehung der kaufmännischen Buchführung"; Schiele, Fugger-Veröffentlichungen, 1967, 51; zur Bedeutung der Handelsgesellschaften für die Fortentwicklung der Buchführung vgl. Fogo, History , 1905, 97; Micha, Bedeutung, 1922/23, 80; Penndorf. Geschichte, 1913,3,36; D. Schneider, Entwicklungsstufen, 1974, 159; M. Weber, Wirtschaftsgeschichte, 1923, 199-200. 71 Vgl. Diekmann, Geschichte, 1991, 17; Goldschmidt, Universalgeschichte, 1891, 98-99, 245-246; GroßfeldlDiekmann, Grundlagen, 1988, 420; Schmalenbach, Buchführung, 1950, 14-15; Herrn. V. Si mon, Bilanzen, 1910,29-30. 72 Zu den einzelnen Entwicklungsschriuen vgl. Käfer, Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 2.8-2.9; Löffelholz, Betriebswirtschaft, 1935, 130-134; Penndorf, Geschichte, 1913,41-46; ders., Buchhaltung, 1933, 1-50; Sieveking, Beitrag, 1901. 1494-1503. . 73 Zu den unterschiedlichen Auffassungen über den genauen örtlichen und zeitlichen Ursprung der doppelten Buchführung vgl. Käfer,Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 2.9; Melis, Ragioneria, 1950,425-527, bes. 425-426, 524-527; Leyerer, Doppik, 1911112, 116 Fn. 2; de Roover, Perspectives, 1955, passim; Yamey, Bookkeeping, 1949, 101. Als erstes bekanntes Dokument der doppelten Buchführung werden in der Regel die Rechnungsbücher Genueser Finanzbeamten von 1340 genannt (vgl. Fogo, History , 1905, 99; Lion, Betrachtungen, 1928,404; Lutterrnann, Buchführung, 1996,608; Ricker, Beiträge, 1967, 149). 74 Vgl. Pacioli, Abhandlung, 1933,83-157; zu Leben und Werk Paciolis vgl. Lück, Pacioli, 1994, passim; Luttermann, Buchführung, 1996, 601-605; Penndorf, Buchhaltung, 1933,·51-62. 75 Zum Einfluß dieses Werks auf die in der Folgezeit europaweit entstehende reichhaltige Buchführungsliteratur vgl. Großfeld, Geschichte, 1989, 134-135, bes. 134: " ... ,Buchführungsbibel' Europas"; ders., Rechnungslegung, 1997,434; Luttermann, Buchführung, 1996, 605, 609; Penndorf, Buchhaltung, 1933, 68-79; Ricker, Beiträge, 1967,157-158. 76 So kommen etwa süddeutsche Kaufleute wie der berühmte Fugger-Buchhalter Matthäus Schwarz nach Venedig, um dort die doppelte Buchführung zu erlernen (vgl. GroßfeldlDiekmann, Grundlagen, 1988,420; Weitnauer, Handel. 1931. 5-6).

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breitet sich "die Zaubersprache der doppelten Buchhaltung,,77 im 16. Jahrhundert auch in anderen europäischen Ländern aus78 , wo die Buchführungstechnik bis dahin weit hinter dem in Italien erreichten Niveau zurückstand79 . Seinem wirtschaftlichen Aufschwung verdankt Italien auch seine führende Rolle in der Entwicklung des Handelsrechts. Nach und nach wird in Italien das bestehende kaufmännische Gewohnheitsrecht auf lokaler Ebene in den Statuten von Zünften und Stadtgemeinden kodifiziert80 . Inhaltlich gleichen sich diese Statuten im Laufe der Zeit weitgehend an 81 . In bezug auf die Buchführung finden sich in ihnen formelle Vorschriften über die Art, wie die Geschäftsvorfalle in den Büchern zu erfassen sind, und über die äußere Gestaltung der Bücher. So hat der Kaufmann die einzelnen Seiten durchzunumerieren und das Buch auf der ersten Seite eigenhändig zu intitulieren, d.h. Angaben über den Zweck des Buches, den Zeitpunkt der ersten Eintragung und den Namen des Geschäftsinhabers zu machen 82 . Um die Einhaltung dieser Vorschriften sicherzustellen, werden die Kaufleute verpflichtet, ihre Bücher zur Kontrolle den Zunft- bzw. städtischen Behörden vorzulegen. Sind die Bücher ordnungsmäßig geführt, werden sie von diesen beglaubigt und abgestempelt83 . Der wesentliche Zweck die-

Goethe, Cellini, 1998, 490. Zur Ausbreitung der doppelten Buchführung in Europa vgl. Käfer, Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 2.11-2.12; Herrn. V. Simon, Bilanzen, 1910,32-33; speziell zu ihrer Ausbreitung in Frankreich vgl. Diekmann, Geschichte, 1991,25-32. 79 In Deutschland enthalten die frühesten erhaltenen Handelsbücher - das älteste ist das der Holzschuher aus Nümberg aus den Jahren 1304 bis 1307 (vgl. dazu Ricker, Beiträge, 1967, 178-180) - zunächst neben geschäftlicheri auch Eintragungen rein privater Natur. Verzeichnet wird anfangs außerdem nicht jedes kaufmännische Geschäft, sondern eine Eintragung erfolgt zur Gedächtnisstütze nur bei Kreditgeschäften. Für Fogo, History, 1905,95, ist daher ..nothing ... more primitive than these Teutonic records". Mit der Zeit werden die privaten Eintragungen zurückgedrängt und die Eintragungen auf alle kaufmännischen Geschäfte ausgedehnt. Es kommt zur Kontenbildung und eine größere Ordnung setzt sich durch (zur Entwicklung der Buchführung in Deutschland während des 14. und 15. Jahrhunderts vgl. grundlegend Penndorf, Geschichte, 1913, 1-40; ferner Luschia v. Ebengreuth, Geschichte, 1909/10, 195-198; Penndorf, Entwicklung, 1915/16, 31; Ricker, Beiträge, 1967, 115-116, 136-140, 178-183; Stieda, Handelsstatistik, 1902, 22-30). Ende des 16. Jahrhunderts hat sich in Deutschland die doppelte Buchführung durchgesetzt (vgl. Penndorf, Entwicklung, 1915/16,36). 80 Vgl. Endemann, Beiträge, 1862,347-355; Goldschmidt, Universalgeschichte, 1891, 150-153, 156-158, 166-169, 240; GoldschmidtlPappenheim, Handelsrecht, 1910, 321; K. Lehmann, Lehrbuch, 1908, 17-20; Otto, Verpflichtung, 1912, 18-20; Philipp, Buchführung, 1920, 18-19; Pohlmann, Quellen, 1973, 810-813. 81 Vgl. Rehme, Geschichte, 1913,91-92,95-97; ferner Endemann, Beiträge, 1862, 353; Otto, Verpflichtung, 1912,20; Philipp, Buchführung, 1920, 19. 82 Vgl. Doren, Studien, 1908,627-628; Lattes, Diritto Commerciale, 1884,283; Otto, Verpflichtung, 1912,20-21; Philipp, Buchführung, 1920,20. 77

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ser Vorschriften ist die Umschreibung der Voraussetzungen, unter denen Handelsbüchern Beweiskraft zukommt84 . In welchem Umfang ordentlich geführten Handelsbüchern Beweiskraft zugunsten des Kaufmanns eingeräumt wird, ist dabei regional unterschiedlich gerege1t85 . Auch wenn die italienischen Statuten keine ausdrückliche Verpflichtung zur Buchführung kennen, gilt die Buchführung als eine gewohnheitsrechtliche Pflicht des Kaufmanns 86 . Durch die Beweiskraft ordentlich geführter Handelsbücher werden die Kaufleute außerdem indirekt zur Buchführung angehalten. Ebenso wie in Italien entsteht in Deutschland das Handelsrecht im Mittelalter als lokales Recht87 . Dem deutschen Rückstand auf dem Gebiet der Buchfüh-

83 Vgl. Doren, Studien, 1908,628; Lattes, Diritto Commerciale, 1884,283; Otto, Verpflichtung, 21-22; Penndorf, Buchhaltung, 1933, 50; Philipp, Buchführung, 1920, 20. Von Pacioli, Abhandlung, 1933, 99-100, wird diese Praxis ausdrücklich begrüßt. 84 Vgl. A. Adler, Buchführung, 1909, 257: "Die Handelsbücher ... haben schon im Mittelalter in Handelsstreitigkeiten Beweiskraft gehabt. Das veranlaßte behördliche Bestimmungen über deren ordnungsmäßige Führung"; Hüffer, in: Staub, HGB, 1988, § 238 Rdn. 6: "Leitendes Motiv der frühen Rechtsetzung war es, die Beweiskraft der Handelsbücher als Voraussetzung der an sie anknüpfenden ... besonderen Beweisregeln sicherzustellen ..... (Hervorh. i. Orig.); Kruse, Grundsätze, 1978, 199: "Dabei ist die ganze kaufmännische Buchführung ursprünglich allein auf die Beweiskraft der Handelsbücher ausgerichtet gewesen"; Otto, Verpflichtung, 1912, 22; Pacioli, Abhandlung, 1933, 99; Philipp, Buchführung, 1920, 20; Schmalenbach, Mängel, 1907/08, 282; D. Schneider, Betriebswirtschaftslehre, 1987,95. 85 Vgl. Goldschmidt, Universalgeschichte, 1891,247-248; Kruse, Grundsätze, 1978, 199; Lattes, Diritto Commerciale, 1884, 283-285; Leyerer, Entwicklung, 1922, 150-152; Rehme, Geschichte, 1913,98. Volle Beweiskraft, plenafides, räumen etwa die Statuten Piacenzas von 1391 und Bolognas von 1454 den Büchern der Wechsler ein (vgl. G. F. v. Martens, Versuch, 1797,23 Fn. t, Anh. 18-19,56). Genießen die Bücher keine volle Beweiskraft, ist der Beweis durch Eid oder Zeugen zu ergänzen (vgl. Lattes, Diritto Commerciale, 1884,284; Leyerer, Entwicklung, 1922, 143). 86 Vgl. Lattes, Diritto Commerciale, 1884,283: "Nessuna legge impone a' commercianti obbligo assoluto di tener questi libri, sebbene tale pratica fosse conforme alle buone consuetudini ..... ; Straccha, Tractatus, 1576, Pars 11, Rdn. 51: ..Solent, & debent mercatores rationum libros conficere ..... (Hervorh. v. Verf.); ferner Bensa, Norme, 1931, 122-123, 125; Neumeyer, Darstellung, 1891,35-36; Otto, Verpflichtung, 1912,23-25. Nach Philipp, Buchführung, 1920, 21, enthalten die Statuten gerade deshalb keine ausdrückliche Verpflichtung des Kaufmanns zur Buchführung, weil eine solche Bestimmung angesichts einer bereits "gewohnheitsrechtlich begründete(n) Pflicht zur Buchführung ... als überflüssig erschein(t) ...... Von einer Buchführungspflicht sprechen ohne ausdrücklichen Hinweis, daß diese nur gewohnheitsrechtlich begründet ist, außerdem Doren, Studien, 1908, 627: ..... Zwang zur Buchung und Führung der Bücher ..... ; ders., Wirtschaftsgeschichte, 1934,434; Goldschmidt, Universalgeschichte, 1891,247: ..... die durchgängige Zwangspflicht zur Buchführung ..... ; Müller-Erzbach, Handelsrecht, 1928, 109: " ... so verpflichtete das Recht schon im Mittelalter den Kaufmann dazu, ordnungsmäßig Buch zuführen" (Hervor. i. Orig.); Rehme, Geschichte, 1913,98: .. Die Handelsbücher sind wahres Rechtsinstitut: es besteht die Pflicht, sie zu führen ......

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rungstechnik entsprechend finden sich im Vergleich mit der Vielzahl italienischer Statuten aber nur spärliche gesetzliche Äußerungen über die Buchführung 88 . Ob Handelsbüchern bereits im 14. Jahrhundert vor Gericht Beweiskraft zugunsten des Kaufmanns eingeräumt wird, ist umstritten 89 . Eine eindeutige Regelung über die Beweiskraft findet sich in dem aus den Jahren 1413 bis 1421 stammenden Ofener Recht90. Die ab dem Ende des 15. Jahrhunderts in Deutschland entstehenden Stadtrechte und Landesgesetze enthalten, trotz ihres ansonsten bescheidenen handelsrechtlichen Gehalts, durchweg Vorschriften über Handelsbücher91 . Diese Bestimmungen betreffen aber fast ausschließlich 92 nur die Beweiskraft der Handelsbücher93 , was bereits in ihrem Regelungsort zum Ausdruck kommt. In den Stadtrechten finden sich diese Regelungen innerhalb der Vorschriften über den Urkundenbeweis 94 , auf Landesebene vor allem in den Gerichts- und Prozeßordnungen sowie in eigenständigen Verordnungen über die Beweiskraft der Handelsbücher95 .

Vgl. ebd., 130, 134, 197. Ricker, Beiträge, 1967, 116, spricht zwar davon, daß ..Mitte des 14. Jahrhunderts ... bereits Anordnungen der Städte (z. B. von Freiburg) zur Führung von Büchern" vorzufinden seien, bleibt einen genaueren Beleg jedoch schuldig. Laut Penndorf, Geschichte, 1913,37, sind nach einem Eintrag in das Lübecker Niederstadtbuch aus der Mitte des 14. Jahrhunderts Handelsgesellschaften verpflichtet, Bücher zu führen. 89 Vermutet wird dies etwa für Hamburg und Lübeck (vgl. Mollwo, Handlungsbuch, 1901, XLIII, XLVI-XLVII; Nirrnheim, Handlungsbuch, 1895, XXXIV; Penndorf, Geschichte, 1913,39; Rehme, Geschichte, 1913, 159 Fn. 98; a.A. K. Lehmann, Lehrbuch, 1921. 96 Fn. I; Luschia v. Ebengreuth, Geschichte, 190911 0, 198). 90 Vgl. ebd, 198; Penndorf, Geschichte, 1913,39. 91 Vgl. Eisenhardt, Wurzeln, 1995,61-62; Rehme, Geschichte, 1913, 197; für eine Übersicht über die Stadtrechte und Landesgesetze, die Vorschriften über Handelsbücher enthalten, vgl. Ebeling, Beweiskraft, 1815,6-8; ferner Penndorf, Geschichte, 1913, 168-169,235-236. 92 Ein Beispiel dafür, daß die Stadtrechte in bezug auf das Bilanzrecht nicht nur die Beweiskraft regeln, ist das 10. Gesetz im 30. Titel der Nürnberger Reformation von 1479, abgedruckt in: Beyerle, Quellen, 1936, 1-94, wonach in Gesellschaften jährlich eine Bilanz aufgestellt werden soll, wenn im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist; zu ähnlichen Vorschriften in anderen Stadtrechtsreformationen vgl. Coing, Reformation, 1935, 61; D. Schneider, Betriebswirtschaftslehre, 1987,442 Fn. 20. 93 Vgl. Lamme\, Gesetzgebung, 1976,653: ..Grundtenor der gesetzlichen Vorschriften über die Handelsbücher ist die Festlegung von deren Beweiswert im Prozeß"; Leyerer, Entwicklung, 1922, 128; Otto, Verpflichtung, 1912,28; Penndorf, Geschichte, 1913, 168-169,235: .. Alle diese Bestimmungen (erg.: in den Stadtrechten und Landesgesetzen) betrafen aber in der Hauptsache nur die Beweiskraft der Handelsbücher"; Philipp, Buchführung, 1920, 18. 94 Vgl. Rehme, Geschichte, 1913, 198. 95 Vgl. Lammei, Gesetzgebung, 1976,599,653-655. 87

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11. Die Ordonnance de Commerce von 1673 und der Code de Commerce von 1807 Mit der 1673 von Ludwig XIV. erlassenen Ordonnance de Commerce beginnt in der Entwicklung des Handels- und speziell auch des Handelsbilanzrechts eine neue Epoche. Mit der Ordonnance de Commerce erfolgt erstmals eine umfassende Regelung des Handelsrechts für ein ganzes Staatsgebiet96 . Auch wenn strittig ist, ob die Ordonnance de Commerce mit ihren nur 122 Artikeln 97 als erste Kodifikation des Handelsrechts anzusehen ist98 , wird ihre Bedeutung als die Geburtsstunde des modernen Handelsbilanzrechts uneingeschränkt anerkannt99 . Der konkrete Anstoß für den Erlaß der Ordonnance de Commerce liegt in den damals in großer Anzahl auftretenden Betrügereien und Konkursen, die die Funktionsfähigkeit des französischen Kreditwesens bedrohten 1oo . Als geistiger Vater des Gesetzes gilt Jacques Savary, der in der Gesetzeskommission mitwirkt und auf dessen Denkschriften die Ordonnance de Commerce aufbaut lOl . Im Jahr 1675 veröffentlicht Savary sein Werk "Le Parfait Negociant", das als eine Art Kommentar zur Ordonnance de Commerce gilt lO2 und ihn zu "eine(m) der Urväter des Bilanzrechts"I03 werden läßt. Auf die handlungswissenschaftliche und handelsrechtliche Literatur gewinnt dieses Werk, von dem bereits 1676 eine deutsche Übersetzung erscheint lO4 , einen erheblichen Einfluß lO5 . 96 V gl. Müller-Erzbach, Handelsrecht, 1928, 34-35; Rehme, Geschichte, 1913, 182-184. 97 Zum Inhalt der Ordonnance de Commerce vgl. ebd., 183-184; Schmidt-Busemann, Vorschriften, 1977,23. 98 So Passow, Bilanzen, 1910, 96; Raisch, Handelsrecht, 1990, 261; Wilhelm, Gesetzgebung, 1967,243 m.w.N.; zu Gegnern dieser Auffassung siehe unten S. 68 Fn. 137. 99 Vgl. K. Barth, Entwicklung, Bd. 1,1953,65; Bensa, Norme, 1931, 126; Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, 1976, 40; GroßfeldlDiekmann, Grundlagen, 1988, 429; Hax, Bilanz, 1963, 466; Käfer, Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 3.7; Heinr. V. Simon, Handelsbücher, 1933, 114. 100 Vgl. K. Barth, Entwicklung, Bd. I, 1953,65; Diekmann, Geschichte, 1991,39; Drukarczyk, Insolvenzrechtsreform, 1984, 4; Krieger, Maßgeblichkeit, 1988, 329; J. Savary, Parfait Negociant, 1675, Livre 1,33-38,251-252; Schmidt-Busemann, Vorschriften, 1977, 22. 101 Vgl. K. Barth, Entwicklung, Bd. I, 1953,65; Diekmann, Geschichte, 1991,41, 53; Lion, Betrachtungen, 1928, 420, 426; Zavelberg, Savary, 1926, 3. 102 Vgl. Ph.-L. Savary, Code Marchand, 1742, Sp. 949; ter Vehn, Bilanzauffassungen, 1929, 243; Zavelberg, Savary, 1926,4. 103 Moxter, Bilanzlehre, 1986, 6. 104 Vgl. J. Savary, Handels-Mann, 1676. 105 Vgl. Scherner, Wissenschaft, 1977,907: "Die wohl meistzitierte Quelle in der europäischen Handelsrechtsliteratur und ein Werk, das bei Kaufleuten, Gesetzgebern und

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Die Buchführungsvorschriften der Ordonnance de Commerce lO6 , die "die ersten ausführlichen gesetzlichen Regeln über die Buchhaltung"107 darstellen, finden sich in Tit. III "Des livres et registres des Negocians, Marchands et Banquiers" und umfassen zehn Artikel 108 . Am Anfang dieser sprachlich nicht immer eindeutigen 109 Vorschriften steht mit Art. 1 die ausdrückliche Verpflichtung der Kaufleute zur laufenden Buchführung llO. Zum Schutz vor Fälschungen 111 werden detaillierte Anforderungen an die äußere Form der Handelsbücher aufgestellt (Art. 3 bis 5). Art. 3 und 4 unterwerfen die Handelsbücher einer behördlichen Kontrolle, indem sie verlangen, daß die Bücher vor ihrem Gebrauch auf der ersten und letzten Seite von einem Handelsrichter oder dem Bürgermeister zu visieren 112 und auf jeder Seite behördlich zu paraphieren und durchzunumerieren sind. Die Paraphierung und Numerierung soll verhindern, daß einzelne Blätter herausgenommen oder hinzugefügt werden 113. Art. 5 verbietet Lücken zwischen den einzelnen Eintragungen und Randvermerke. Empfangene Geschäftsbriefe sind nach Art. 7 aufzubewahren und die ausgehenden in einem Briefkopierbuch zu verzeichnen. Art. 8 verpflichtet die Kaufleute, ein Inventar aufzustellen. Eine Pflicht zur Bilanzaufstellung findet sich allerdings nicht. Am Ende von Tit. III stehen Bestimmungen über die Editionspflicht der Handelsbücher im Prozeß (Art. 9 und 10). Im Interesse des kaufmännischen Geschäftsgeheimnisses wird in Art. 9 ihre zwangsweise Vorlegung vor Gericht auf bestimmte Fälle beschränkt, während Art. 10 das Gericht ermächtigt, ihre Vorlage zu verlangen, wenn der Kaufmann sich ihrer zum Beweis bedienen will oder die Gegenpartei anbietet, den Büchern zu glauben. Bewertungsvorschriften kennt die Ordonnance de Commerce nicht. In seinem "Le Parfait Negociant" schließt Savary diese Lücke, indem er den Ansatz der Waren zum Anschaffungspreis bzw. zum darunterliegenden Verkaufspreis fordert, wenn dieser um mehr als 5 % von ersterem abweicht 1l4 . Savary formuliert Juristen gleichermaßen Aufsehen erregte ... "; ferner Diekmann, Geschichte, 1991, 57; Leffson, Grundsätze, 1987,55; D. Schneider, Entwicklungsstufen, 1974, 159. 106 Die im folgenden behandelten Vorschriften sind abgedruckt in: K. Barth, Entwicklung, Bd. I, 1953,264-268,278; Diekmann, Geschichte, 1991, 174-176. 107 Ebd., 42. 108 Ausführlich zum Inhalt dieser Bestimmungen vgl. ebd., 42-53. 109 Vgl. ebd., 42, 47. 110 Ähnliche Vorschriften gab es in Frankreich schon früher (vgl. ebd., 42; Kerwer, Bilanzauffassung, 1933,835). 111 Vgl. Diekmann, Geschichte, 1991,46-47; J. Savary, Parfait Negociant, 1675, Livre I, 254-255. 112 "Visieren" bedeutet, daß auf den Büchern der Tag der Numerierung und Paraphierung, die handelnde Amtsperson, die Bestimmung des Buches und der Geschäftsinhaber vermerkt werden (vgl. Koczynski, Geschäftsbücherstempel, 1927,56-58; ferner Diekmann, Geschichte, 1991,80). 113 Vgl. Koczynski, Geschäftsbücherstempel, 1927,56. 5 Icking

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hiennit als erster in der Geschichte des Bilanzrechts das Niederstwertprinzip l15, das eine Kombination aus dem Realisations- und dem Imparitätsprinzip darstellt 116. Zur Durchsetzung ihrer Buchführungsvorschriften bestimmt die Ordonnance de Commerce in Tit. XI "Des Faillites et Banqueroutes", daß Kaufleute, die im Konkursfall keine ordentlich geführten Handelsbücher vorlegen können, als betrügerische Bankrotteure bestraft werden können (Art. 11 i.V.m. Art. 3). Auf betrügerischen Bankrott steht nach Tit. XI Art. 12 die Todesstrafe ll7 . Ein weiterer indirekter Anreiz für den Kaufmann, nicht gegen die Buchführungsvorschriften zu verstoßen, liegt in der Beweiskraft ordentlich geführter Handelsbücher ll8 . Die Finanzspekulationen und Konkurse während der französischen Wirtschaftskrise von 1806 119 haben zur Folge, daß die Ordonnance de Commerce im Jahre 1807 durch den Code de Commerce l20 ersetzt wird. Der Code de Commerce, der als das erste moderne Handelsgesetzbuch der Welt gilt l21 und sich in vielen Bereichen an die Vorschriften der Ordonnance de Commerce anlehnt l22 , übernimmt auch in seinen Buchführungsvorschriften weitgehend deren Bestimmungen, baut sie aber im einzelnen aus (Art. 8 bis 17)123. Die sprachliche Unklarheit der Ordonnance de Commerce über die Bücher, die der Kaufmann zu führen hat, wird beseitigt. Der Code de Commerce verpflichtet jeden Kaufmann, drei bestimmte Bücher, ein Journal, ein Inventar- und ein Briefkopierbuch, zu führen (Art. 8 bis 10 Abs. 2). Neu eingeführt wird mit Art. II S. 2 eine zehnjährige Aufbewahrungspflicht der Handelsbücher. Die behördliche KonVgl. 1. Savary, Parfait Negociant, 1675, Livre 1,325. Vgl. Großfeld1Diekmann, Grundlagen, 1988, 421; Lion, Betrachtungen, 1928, 420,426; D. Schneider, Entwicklungsstufen, 1974, 159; ter Vehn, Bilanzauffassungen, 1929,249-250. Erfinder des Niederstwertprinzips ist Savary jedoch nicht, da es bereits im 14. Jahrhundert in Italien nachweisbar ist (vgl. Penndorf, Inventar, 1930,491). 116 Vgl. Chmielewicz, Neuordnung, 1981, 21. 117 Kritisch dazu Howard, Rules, 1932, 98: "Capital punishment for violation of book-keeping regulations is worse than an absurdity." 118 Vgl. J. Savary, Parfait Negociant, 1675, Livre 1,252-254. 119 Vgl. Bergfeld, Bedeutung, 1981, 110; Goldschmidt, Handbuch, 1875,210; Locre, Ugislation, 1836,76-78. 120 Textausgabe in o.V., Les Six Codes, 1828,507-604; ein Abdruck der im folgenden behandelten Vorschriften findet sich ferner bei K. Barth, Entwicklung, Bd. I, 1953, 268-272,278; Diekmann, Geschichte, 1991,84, 181-184. 121 V gl. Bergfeld, Bedeutung, 1981, 109; GoldschmidtIPappenheim, Handelsrecht, 1910,325; K. Lehmann, Entwicklung, 1902,7; Rehme, Geschichte, 1913,231. 122 Vgl. Bergfeld, Preußen, 1987, 109; Diekmann, Geschichte, 1991,75; K. Lehmann, Lehrbuch,1908,23. 123 Zum Inhalt dieser Vorschriften vgl. im einzelnen Diekmann, Geschichte, 1991, 75-84. 114 115

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trolle der Handelsbücher wird in Art. 10 Abs. I und 11 S. 1 verschärft, indem das Journal und das Inventarbuch nicht mehr nur einmalig vor ihrem Gebrauch dem Handelsrichter oder Bürgenneister zur Visierung, Paraphierung und Numerierung, sondern zusätzlich jedes Jahr zur amtlichen Einsichtnahme einzureichen sind, um paraphiert und visiert zu werden. Hiennit sollte erreicht werden, "dass die Eintragungen den wahren Stand der Unternehmung leicht ersehen liessen und dass eine etwaige Unordnung der Buchführung nicht allzulang unbemerkt bleiben konnte" 124. Auch wenn in der Folgezeit wiederholt gefordert wird, die Numerierung und Paraphierung der Handelsbücher aufzugeben 125, hält das französische Bilanzrecht an diesem "rigorosen Fonnalismus,,126 bis heute fest 127. Aufgehoben wird 1930 nur die jährliche amtliche Vorlagepflicht und 1953 die Pflicht zur vorherigen Visierung der Handelsbücher l28 . Vorschriften über Bewertung und eine regelmäßige Bilanzaufstellung enthält der Code de Commerce ebenso wenig wie die Ordonnance de Commerce l29 . Zur Aufstellung einer Bilanz ist der Kaufmann nur im Konkursfall verpflichtet (Art. 470 und 471)130. Verstöße gegen die Buchführungsvorschriften werden auch weiterhin nur im Konkursfall sanktioniert, und zwar in Abhängigkeit von der Schwere des Verstoßes als einfacher oder betrügerischer Bankrott (Art. 587 Nr. 3,593 Nr. 4 und 7, 594)131. Der Code de Commerce löst weltweit das Bestreben aus, das Handelsrecht in einem eigenständigen Handelsgesetzbuch zu kodifizieren. Inhaltlich orientieren sich all diese Kodifikationsbemühungen, wenn auch im Einzelfall mehr oder weniger stark, am Vorbild des Code de Commerce 132 . Seine Buchführungsvorschriften erlangen damit eine weltweite Vorbildfunktion. Fast wörtlich übernommen werden die französischen Buchführungsvorschriften insbesondere in Spanien, Portugal, Belgien und Italien 133 . Koczynski, Geschäftsbücherstempel, 1927,57. Vgl. Diekmann, Geschichte, 1991, 93 Fn. 173, 137, 139, 149. 126 Sonnenberger, Wirtschaftsrecht, 1991, Rdn. 11 68. 127 Vgl. Art. 2 Abs. 2 S. 1 des Dekrets Nr. 83-1020 v. 29.11.1983, J.O. v. 1.12.1983: "Le livre-journal et le livre d'inventaire sont cotes et paraphes ... par le greffier du tribunal de commerce ou, le cas ecMant, du tribunal de grande instance statuant en matiere commerciale, au registre duquel le commercant est immatricule"; ferner Diekmann, Geschichte, 1991, 149. 128 Vgl. HameULagarde/Jauffret, Droit Commercial, 1980, Rdn. 246 a.E. 129 Vgl. Diekmann, Geschichte, 1991,78-79; Schmidt-Busemann, Vorschriften, 1977, 124 125

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130 Vgl. dazu Diekmann, Geschichte, 1991,84-85; Großfeld/Diekmann, Grundlagen, 1988,422; Schmidt-Busemann, Vorschriften, 1977, 35. 131 Vgl. dazu Diekmann, Geschichte, 1991,85-86; Neumeyer, Darstellung, 1891, 112. 132 Vgl. Müller-Freienfels, Selbständigkeit, 1978,601; Rehme, Geschichte, 1913, 233-234; Raisch, Abgrenzung, 1962,55-56; Riesser, Grundgedanken, 1892, 14-17.

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Auch auf die Entwicklung des deutschen Handelsbilanzrechts im 19. Jahrhundert übt der Code de Commerce erheblichen Einfluß aus. Nach den Befreiungskriegen bleibt der Code de Commerce in der preußischen Rheinprovinz, in der Rheinpfalz, in Rheinhessen und in Baden weiter in Kraft 134. In den übrigen deutschen Staaten gibt es dagegen zunächst noch kein kodifiziertes Handelsrecht. Eine Ausnahme bilden nur diejenigen Teile Preußens, in denen das 1794 erlassene ALR in Geltung ist 135 .

IH. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 Das ALR 136 ist die erste umfassende deutsche Kodifikation des Handelsrechts. Da seine handelsrechtlichen Regelungen wesentlich umfangreicher sind als die der Ordonnance de Commerce, gilt es für viele als weltweit erste Kodifikation des Handelsrechts 137. Das ALR geht zurück auf Bestrebungen Friedrichs 11., das gesamte preußische Rechtswesen mit Ausnahme des Prozeßrechts auf eine neue Grundlage zu stellen 138. Im Gegensatz zur Ordonnance de Commerce und zum Code de Commerce machen daher die handelsrechtlichen Bestimmungen des ALR nur einen Teil des Gesetzes aus 139 . Sie finden sich in Teil 11, dessen Systematik durch die Verfassung des Ständestaats bestimmt ist l40 , unter dem 8. Titel "Vom Bürgerstande" in §§ 475 bis 2464. Im Rahmen dieser Vorschriften äußert sich das ALR in zwei zusammenhängenden Normenkomplexen, §§ 562 bis 613 und §§ 639 bis 646, zur kaufmännischen Buchführung. Der erste Komplex bildet einen eigenen Unterabschnitt 133 Vgl. Käfer, Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 3.14: Die französischen Buchführungsvorschriften werden "oft ziemlich kritiklos kopiert(. .. )"; HeinT. V. Si mon, Handelsbücher, 1933, 114; ter Vehn, Bilanzauffassungen, 1929, 343-344. 134 Vgl. Baums, Einführung, 1982, 11-12; Bergfeld, Bedeutung, 1981, 114-116; Penndorf, Geschichte, 1913,236; Rehme, Geschichte, 1913,234. 13.5 Vgl. Ferd. Fischer, Recht, 1856,7; Rehme, Geschichte, 1913,234; zum Geltungsbereich des ALR vgl. Coing, Privatrecht, 1989, 11. 136 Textausgabe von Hattenhauer, Landrecht, 1996. 137 Vgl. Büsch, Darstellung, 1814, 171: ..... bis jetzt ist der Preußische Staat der erste, welcher ... ein gewissermaßen vollständiges Handlungsgesetz hat"; Droysen, Beiträge, 1896, 11; O. Gierke. Grundzüge, 1904, 894; Goldschmidt, Handbuch, 1875, 55-56; Heymann, Handelsrecht, 1929, XXII-XXIII; Rehme, Geschichte. 1913,228-229. 138 Zur Entstehung des ALR vgl. Hattenhauer, Einführung, 1996, 1-16; zur Entstehung speziell seiner handelsrechtlichen Vorschriften vgl. Heymann, Handelsrecht, 1929, XXII-XXIX. 139 V gl. Droysen, Beiträge, 1896, 8; Rehme, Geschichte, 1913, 228-229; ferner Coing, Privatrecht, 1989,10: Das ALR "gibt eine Gesamtordnung des gesellschaftlichen Lebens". 140 Vgl. Hattenhauer, Einleitung, 1996, 19; Wilhelm, Quellen, 1972, 261.

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"Von Handlungsbüchern". Trotz dieser Überschrift betreffen sämtliche Vorschriften dieses Unterabschnitts nur die Beweiskraft der Handelsbücher l41 , die einer bis ins Detail gehenden Regelung unterworfen wird l42 . Die Beweiskraftorientierung der Vorschriften zeigt sich in aller Deutlichkeit bereits in der ersten Vorschrift: ,,Ein Kaufmann kann sich seiner Handlungsbücher, wenn dieselben gehörig geführt sind, zum Beweise bey seinen streitig gewordenen Forderungen bedienen." Aussagen über Inventur, Bilanz und Bewertung finden sich nicht. Auch eine direkte Buchführungspflicht, wie sie in den französischen Gesetzen am Anfang der Buchführungsvorschriften steht und auch dem österreichischen Recht seit dem Hofdecret vom 1.12.1768 bekannt ist l43 , enthält das ALR entgegen vielfacher Äußerungen 144 im Rahmen dieser Vorschriften nicht l45 • Der dro141 Wenn Heymann, Handelsrecht, 1929, XXX, die Buchführungsvorschriften des ALR als ..die in Deutschland erste eingehende Darstellung der Handelsbücher" lobt, verkennt er diese Einseitigkeit. 142 Daß sich das ALR über die Beweiskraft der Handelsbücher .. in einer nach allen Richtungen hin eingehenden Weise verbreitet" (OTrE 41, 274 (279», entspricht der für das gesamte ALR charakteristischen und ihm wiederholt zum Vorwurf gemachten Neigung zu kasuistischen Einzelfallregelungen (vgl. Coing, Privatrecht, 1989,9, ll; Dorn, Rechtssicherheit, 1933, 290; O. Fischer, Reichsgericht, 1929, 112-113; kritisch speziell in bezug auf seine Beweiskraftvorschriften Bericht der Funfzehnten Kommission über den Entwurf eines Einführungs-Gesetzes, Sammlung sämmtlicher Drucksachen des Herrenhauses, Sitzungs-Periode von 1860-1861, Bd. 4, Drs. Nr. 142, 11: ..... jene bedenkliche Kasuistik ... "). 143 Hofdecret v. 1.12.1768, abgedruckt in: Paurnfeindt, Handelsgesetze, 1836, 245-246: ..Da man in sichere Erfahrung gebracht, daß Einige unter den hiesigen HandeIsleuten die nöthigen Bücher und verläßlichen Scritturen nicht führen, ... so haben Ihre Majestät allergnädigst zu befehlen geruhet, den Vorstehern des hiesigen gesammten Handelsstandes zu bedeuten, daß sie ... jedes ihrer Mitglieder warnen sollen: I. Daß, wenn eines derselben die verläßlichen Scritturen und Bücher, weßwegen nachgesehen wird, über sein Negoz nicht führen ... sollte, gegen einen solchen außer den in den Generalien ausgemessenen Strafen mit Niederlegung des Gewerbes und Handels ohne Nachsicht verfahren werden würde ...... Wenn Paurnfeindt, Handelsgesetze, 1836, 245, davon spricht, daß ..dem Handelsmanne ... schon durch die (erg.: österreichische) Fallitenordnung vom 18. August 1734 die Haltung von Handlungsbüchern bei schwerer Strafe zur Pflicht gemacht (wird)", verkennt er, daß sich aus der konkursrechtlichen Strafvorschrift des Art. 1 der 4. Abteilung der Ordnung wider die Falliten und Decoctoren v. 18.8.1734, abgedruckt in: ebd., 317-346, auf die er sich hier beruft, nur eine indirekte Buchführungspflicht ergibt. 144 Vgl. K. Barth, Entwicklung, Bd. I, 1953,66: Das ALR .. enthielt eingehende Vorschriften über die Buchführungspflicht (§§ 562 ff.)" (Hervorh. i. Orig.); Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, 1976, 41: § 562 .. regelt die Buchführungspflicht"; Otto, Verpflichtung, 1912,30-31; D. Schneider, Entwicklungsstufen, 1974, 159: Das ALR "enthielt ein geschlossenes Handelsrecht, in dem die Buchführungspflicht geregelt wird"; ter Vehn, Bilanzauffassungen, 1929, 336: ..... allgemeine Vorschriften über die Buchführungspflicht (§ 562 ff.) ..... ; wohl auch Haller, Normierung, 1993, Sp. 1420: Das ALR enthält "verpflichtende Rechnungslegungsnormen für jeden Kaufmann"; in § 88 des Statuts für die Kaufmannschaft zu Tilse v. 22.4.1823, PrGS 1823,77, heißt es: ..Da nach den Geset-

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hende Verlust der Beweiskraft übt nur einen indirekten Zwang auf den Kaufmann aus, ordentliche Handelsbücher zu führen. Das Wort "Sollen", mit dem die Vorschrift des § 566 146 eingeleitet wird, macht deutlich, daß der Gesetzgeber im Rahmen dieser Vorschriften die Führung von Handelsbüchern nicht ausdrücklich vorschreiben, sondern der freien Entscheidung des Kaufmanns überlassen will. Die Anforderungen, die das ALR an die kaufmännische Buchführung stellt, können daher nicht als indirekte Umschreibung einer Buchführungsptlicht, sondern nur als Regelung der Voraussetzungen verstanden werden, unter denen Handelsbüchern Beweiskraft zukommt 147 . Die das französische Bilanzrecht kennzeichnende behördliche Visierung, Paraphierung und Numerierung der Handelsbücher ist dem ALR unbekannt 148 • Eine weitere indirekte Ptlicht 149 zur Buchführung und auch zur jährlichen Bilanzziehung enthält das ALR im Rahmen seiner Konkursvorschriften. Nach zen (Allg. Landrecht Thl. 11. Tit. VIII. §§. 566. bis 569. und Tit. XX. §. 1468.) einem jeden Kaufmanne obliegt, seine Handlungsbücher in derjenigen Form und Ordnung zu führen, wie sein Geschäft es erfordert ... "; eine ähnliche Formulierung enthält § 74 des Statuts für die Kaufmannschaft von Stettin v. 15.11.1821, PrOs 1821, 194 (zum Wortlaut dieser Bestimmung siehe unten S. 207 Fn. 210). 145 Vgl. Diekmann, Geschichte, 1991, 114: .. Das Allgemeine Preußische Landrecht kannte keine allgemeine Buchführungspflicht"; o.V., Bilanzziehung, 1866,525: ..... die Verpflichtung zur Buchführung und zur Bilanzziehung ... (war) in unserem Handelsrecht nicht als positive Verpflichtung ausgesprochen, vielmehr ... nur stillschweigend vorausgesetzt ... "; Schmidt-Busemann, Vorschriften, 1977,40-41: ..... keine explizite Buchführungspflicht ... ". 146 § 566: ..Sollen die Handlungsbücher Beweiskraft haben: so müssen sie nach kaufmännischer Art geführt seyn." 147 Vgl. Schmidt-Busemann, Vorschriften, 1977,42: ..Die Vorschriften über Handelsbücher waren allein als prozessuale Beweissicherungsvorschriften konzipiert"; ferner Pausch, Steuerbilanz, 1979, 69; Schüppen, Systematik, 1993,66. 148 Vgl. Ferd. Fischer, Recht, 1856,80. 149 Vgl. Lion, Betrachtungen, 1928, 429: ,,Es ergibt sich aber mittelbar ein Zwang zur jährlichen Bilanzziehung aus der strafrechtlichen Vorschrift in § 1468 ALR. 11, 20 ..... ; Schmidt-Busemann, Vorschriften, 1977,41. Die Statuten der Kaufmannschaften von Tilse und Stettin scheinen dagegen auch Teil 11 Tit. 20 § 1468 als eine direkte Verpflichtung zur Buchführung zu verstehen (siehe oben S. 70 Fn. 144). Symptomatisch für die unterschiedlichen Auffassungen darüber, ob das ALR eine direkte Buchführungspflicht enthält, sind die schwankenden Formulierungen in der Rechtsprechung des Ober-Tribunals. In seiner Entscheidung vom 19.5.1857 scheint das Gericht von einer direkten Buchführungspflicht auszugehen: ..Denn der Kaufmann, welcher über seinen Geschäftsverkehr Bücher führt, und nach gewisser Richtung hin zu dieser Führung gesetzlich verpflichtet ist ... " (AfR 24, 322 (324». Das Gleiche gilt für die Entscheidung vom 4.4.1861, in der die Wortwahl deutlicher ist: ..... nur durch die gesetzlich eingeschärfte und im Unterlassungsfalle selbst mit harten Nachtheilen bedrohete, ordnungsmäßige und gewissenhafte Buchführung ..... (OTrE 45, 273 (278». In einer dritten Entscheidung differenziert das Gericht: Teil 11 Tit. 20 § 1468 .. macht" den Kaufleuten die jährliche

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Teil II Tit. 20 § 1468 wird der Kaufmann, der keine Bücher geführt oder keine jährliche Bilanz aufgestellt hat, im Konkursfall als fahrlässiger Bankrotteur bestraft l5o . Innerhalb des zweiten Normenkomplexes, §§ 639 bis 646 151 , sind dagegen sowohl eine direkte Buchführungspflicht 152 als auch Vorschriften über Inventur, Bilanz und Bewertung enthalten. Diese Bestimmungen sind jedoch kein alle Kaufleute betreffendes, allgemeines, sondern rechtsformspezifisches Bilanzrecht, da sie nur für Handelsgesellschaften gelten 153. Die in § 642 verlangte jährliche 154 Inventar- und Bilanzerstellung ist darüber hinaus keine zwingende Verpflichtung, sondern gilt nur für den Fall, daß in dem Gesellschaftsvertrag "keine besondere Verabredungen getroffen" sind und ein Gesellschafter ihre Erstellung verlangt 155 . Bloß dispositiven Charakter haben auch die BewertungsBilanzaufstellung "zur Pflicht", während "diese Verpflichtung" in Teil 11 Tit. 8 §§ 562. 566.605 und 610 "nicht ausgesprochen ist" (Ober-Tribunal v. 30.6.1859, GA 1859,851). In einer vierten Entscheidung vom 27.5 .1865 wird dann deutlich unterschieden zwischen einer "absolut(en)" Buchführungspflicht. für die als Beispiel auf den Code .de Commerce und das ADHGB verwiesen wird. und. unter Hinweis auf "ALR. 11, 8. § 566 ff.; H. 20. § 1468", einer Buchführungspflicht. die "relativ bestimmt. beziehungsweise als eine selbstverständliche Pflicht der Kaufleute vorausgesetzt war ..... (RdOTr. 6.153 (155». 150 Zu ähnlichen Vorschriften in anderen deutschen Gesetzen des 18. Jahrhunderts vgl. Neumeyer. Darstellung, 1891,89; vgl. auch Teil H Tit. 20 § 1455 ALR. 151 Zur Entstehung dieser Vorschriften vgl. Lion. Betrachtungen. 1928,429-434. 152 Vgl. § 639: .,Jeder Gesellschafter ist schuldig. dahin zu sehen, daß über die durch ihn besorgten Geschäfte ordentliche Bücher nach kaufmännischer Art geführt werden"; dazu Schmidt-Busemann. Vorschriften. 1977.41 Fn. I: "Eine direkte Buchführungspflicht bestand nur für die Gesellschafter von Handelsgesellschaften." 153 §§ 639 bis 646 stehen im 7. Unterabschnitt "Von Handlungsgesellschaften". 154 Die Forderung nach jährlicher Bilanzziehung wird in Deutschland erstmals zu Beginn des 17. Jahrhunderts von Simon Stevin erhoben (vgl. R. Fischer, Bücher, 1914, 463-464; Löffelholz, Betriebswirtschaft, 1935, 169). Bis dahin schlossen die Kaufleute ihre Bücher in der Regel nur dann ab, wenn diese vollgeschrieben waren (vgl. Leyerer, Entwicklung, 1922, 150; Sieveking, Beitrag, 1901, 1508-1509; Herrn. V. Simon, Betrachtungen. 1906,382-383; Yamey, Bookkeeping. 1949, 106) oder besondere Anlässe wie Änderungen in der Geschäftsführung oder Geschäftsveräußerungsabsichten einen Abschluß erforderten (vgl. für die Buchhaltung der Fugger Hummel, Buchhaltung, 1912/13.271; Schiele. Fugger-Veröffentlichungen, 1967,60-71; Weitnauer. Handel. 1931, 32-33). Eine jährliche Bilanzziehung ist für Handelsgesellschaften aber noch bis ins 18. Jahrhundert nicht die Regel (vgl. Kovero, Bewertung, 1912, 14-17; M. Weber, Wirtschaftsgeschichte. 1923,243-244). Der Einzelkaufmann zieht bis ins 19. Jahrhundert erst dann Bilanz, wenn seine Bücher voll geschrieben sind (vgl. D. Schneider, Betriebswirtschaftslehre, 1987, 95); für einen tabellarischen Überblick über die Entwicklung von Bilanz und Inventar vgl. Lion, Betrachtungen, 1928,404-408. 155 Abzulehnen ist es daher, wenn Pöhls, Actiengesellschaften, 1842.254, diese Vorschrift so versteht. daß sie eine .jährliche Rechnungsablage forder(t)"; vgl. stattdessen den Hinweis bei Jolly, Actiengesellschaften, 1847,434. daß in den Statuten der Aktien-

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vorschriften der §§ 644 bis 646 156 • Die herausragende Bedeutung dieser Vorschriften in der Geschichte des Bilanzrechts liegt darin, daß mit § 644 157 erstmals das Niederstwertprinzip gesetzlich kodifiziert wird 158. IV. Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 1. Vorausgehende Kodifikationsbemühungen Bevor es mit dem ADHGB von 1861 gelingt, ein einheitliches deutsches Handelsrecht zu schaffen, sind mehrere Anläufe erforderlich l59 . Ein erster Anstoß geht von Württemberg aus, das auf der Zollvereinskonferenz von 1836 eine möglichst einheitliche Handelsgesetzgebung in den einzelnen deutschen Staaten anregt l60 . Im Jahre 1839/40 legt Württemberg den ersten deutschen Entwurf eines selbständigen Handelsgesetzbuchs nebst Motiven vor l61 . Dieser Entwurf wird zwar nicht Gesetz, beeinflußt die weitere Entwicklung in Deutschland aber stark l62 . Inhaltlich orientiert sich der Württemberger Entwurf vorrangig am Code de Commerce, berücksichtigt daneben aber auch andere Gesetze wie etwa das ALR 163 . Die enge Anlehnung des Entwurfs am Code de Commerce zeigt sich nicht zuletzt in seinen Vorschriften "Von den Handelsbüchern" (Art. 34 bis 59). In ihrer Systematik entsprechen diese Vorschriften, auch wenn sie im Einzelfall wesentlich detaillierter als die französischen Bestimmungen sind, den Buchführungsvorschriften des Code de Commerce. Die für das ALR kennzeichnende alleinige Ausrichtung der Buchführungsvorschriften auf die Beweiskraft wird gesellschaft noch bis weit in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts der Verzicht auf einen jährlichen Rechnungsabschluß vereinbart werden kann. 156 Vgl. § 644: "Sind in dem Contracte keine besonderen Abreden getroffen ... ". 157 Vgl. § 644: " ... Materialien und Waaren (werden) nur zu dem Preise, wofür sie angeschafft sind, und wenn der gangbare Werth zur Zeit der Inventur niedriger ist, nur zu diesem niedrigeren Preise angesetzt". 158 Vgl. Diekmann, Geschichte, 1991, 115; GroßfeldlDiekmann, Grundlagen, 1988, 422; Lion, Betrachtungen, 1928,425,429; D. Schneider, Entwicklungsstufen, 1974, 161. 159 Zur Zersplitterung des Handelsrechts in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vgl. Baums, Einführung, 1981, 10-13. 160 Vgl. Bergfeld, Bedeutung, 1981, 117; Goldschmidt, Handbuch, 1875, 64-65; W. Schubert, Einführung, 1986,4. 161 Entwurf eines Handelsgesetzbuches für Württemberg, 1839; Entwurf eines Handelsgesetzbuches für Württemberg, Motive, 1840; zu den politischen Hintergründen des Entwurfs vgl. Bergfeld, Entwurf, 1978,228-232; ders., Bedeutung, 1981, 116-117. 162 Vgl. Bergfeld, Entwurf, 1978,226-227; ders., Bedeutung, 1981, 117; Raisch, Abgrenzung, 1962, 71. 163 Vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuches für Württemberg, Motive, 1840, 5-9; ferner Bergfeld, Entwurf, 1978, 232; ders., Bedeutung, 1981, 117.

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damit nicht übernommen. Am Anfang der Buchführungsvorschriften des Württemberger Entwurfs steht vielmehr die Verpflichtung zur laufenden Buchführung (Art. 34). Nach dem Vorbild des Code de Commerce schreibt der Entwurf dem Kaufmann die Führung von drei bestimmten, "unerläßlichen"l64 Handelsbüchern vor. Neben dem Tagebuch (Art. 34) hat der Kaufmann das in Art. 36 verlangte jährliche "Vennögensverzeichniß" 165 "in ein besonderes dazu bestimmtes Buch" sowie seine abgehenden Handelsbriefe in ein "Copirbuch" einzutragen (Art. 39). Art. 40 enthält die fonnellen Anforderungen an die Handelsbücher. Die vom Code de Commerce verlangte amtliche Paraphierung und Visierung der Handelsbücher wird dagegen nicht übernommen. In Art. 42 bis 52 wird die Editionspflicht und die Beweiskraft der Handelsbücher geregelt. Bewertungsvorschriften enthält der Württemberger Entwurf nicht. In seinen Motiven verweist er zwar auf die Bewertungsbestimmungen des ALR, hält die in ihnen enthaltenen Bewertungsgrundsätze aber für so selbstverständlich, daß sich ihre gesetzliche Regelung erübrige 166. Die Einhaltung der Buchführungsvorschriften wird in Art. 54 bis 57, die unter der Überschrift "Mangelhafte Buchführung" stehen, über verschiedene Sanktionsmechanismen abgesichert. Von besonderem Interesse innerhalb dieser Vorschriften ist Art. 54. Neben dem Verlust der Beweiskraft der Handelsbücher (Art. 55 bis 57) und der Bestrafung im Konkursfall 167 wird mit dieser Vorschrift, deren Vorbild Art. 45 des spanischen Handelsgesetzbuchs, des C6digo de Comercio, von 1829 ist 168 , als weiteres Sanktionsinstrument eine Geldstrafe für den Fall vorgesehen, daß der Kaufmann die vorgeschriebenen Bücher nicht führt 169 . Die besondere Bedeutung dieser Sanktion liegt im Verhältnis zu den Konkursstraftatbeständen darin, daß sie die Ahndung von Buchführungsmängeln auch außerhalb eines Konkurses ennöglicht. Nach den Motiven liegt aber Vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuches für Württemberg, Motive, 1840, 56. Eine Bilanz wird hiermit nicht verlangt, das Gesetz gibt sich mit einem Inventar zufrieden (vgl. ebd., 53: Die Ergänzung des Inventars um eine Bilanz ist "zwar nützlich, aber nicht durchaus nöthig"). 166 Vgl. ebd., 183-184, bes. 184: Die vom ALR vorgeschriebene Bewertung "versteht sich aber wohl von selbst, und scheint jedenfalls nicht in das Gesetzbuch zu gehören". 167 Der Württemberger Entwurf enthält zwar innerhalb seiner Buchführungsvorschriften und auch in seinem 3. Buch "Von dem Verfahren in Handelssachen", in dem in Art. 1005 bis 1164 das Konkursverfahren geregelt wird, keine eigenen Konkursstraftatbestände, setzt deren Existenz jedoch in Art. 54 Abs. 1 und 56 Abs. 1 voraus. 168 Vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuches für Württemberg, Motive, 1840,71; zu Entstehung und Inhalt des spanischen Handelsgesetzbuches von 1829, das ebenfalls stark durch den Code de Commerce geprägt ist, vgl. Ehrenfried, Aktienrecht, 1936, 13-17; Mittermaier, Handelsgesetzbuch, 1830, passim, bes. 486. 169 Eine Geldstrafe als Mittel, um die Kaufleute auch außerhalb eines Konkurses zur Einhaltung der Buchführungsvorschriften anzuhalten, wird in Frankreich bereits um 1720 vorgeschlagen (vgl. Diekmann, Geschichte, 1991,63). 164

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"der stärkste Zwang zu Führung der nothwendigen Handelsbücher,,170 in dem drohenden Verlust der Beweiskraft. Eine Übernahme der in Art. 43 des spanischen Handelsgesetzbuchs auch für den Fall einer unordentlichen Führung der Handelsbücher vorgesehenen Geldstrafe wird, da ein Verstoß gegen Art. 40 des Entwurfs nach Art. 56 bereits den Verlust der Beweiskraft nach sich zieht, als "überflüssig" 171 abgelehnt. Nach Württemberg legt im Jahre 1842 Nassau den Entwurf einer HandeIsund Wechselordnung l72 vor, der sich eng am Württemberger Entwurf orientiert 173 . Der Nassauer Entwurf besteht aus sechs Titeln, von denen der vierte die Überschrift "Von den Handelsbüchern" trägt. Da die Vorschriften dieses Titels, §§ 105 bis 121 des Gesetzes, wörtlich aus dem Württemberger Entwurf übernommen sind und der Nassauer im Gegensatz zum Württemberger Entwurf ohne Motive veröffentlicht wird, die einen Aufschluß über die Absichten des Gesetzgebers hätten geben können, ist der Nassauer Entwurf für die Entwicklung des Handelsbilanzrechts von keiner eigenständigen Bedeutung. Die 1847 erfolgreich eingeleitete Vereinheitlichung des deutschen Wechselrechts verstärkt das Bestreben, die partikulare Zersplitterung auch der restlichen Teile des Handelsrechts zu überwinden l74 . Ende 1848 setzt das Reichsministerium der Justiz zu diesem Zweck eine Kommission ein, deren Beratungsergebnisse im Jahre 1849 in einem Teilentwurf eines Handelsgesetzbuchs, dem sogenannten Frankfurter Entwurf, veröffentlicht werden 175. Grundlage dieses Entwurfs, der wegen des Scheiterns der Paulskirchenverfassung nie Gesetzeskraft erlangt l76, ist im wesentlichen der Code de Commerce. Berücksichtigung finden aber etwa auch das Handelsrecht des ALR und der Württemberger Entwurf l77 . Die Buchführungsvorschriften des Frankfurter Entwurfs finden sich innerhalb des 2. Titels im 2. Abschnitt "Von den Handelsbüchern" und umfassen die Art. 4 bis 18. Inhaltlich sind sie eng an die Bestimmungen des Code de Commerce angelehnt 178• An ihrem Anfang steht daher mit Art. 4 und 5 die Verpflichtung des Kaufmanns zur laufenden Buchführung. Ebenso wie der Code de 170 Entwurf eines Handelsgesetzbuches für Württemberg, Motive, 1840, 71; gl.A. Osiander, Entwurf, 1844, 16. 171 Entwurf eines Handelsgesetzbuches für Württemberg, Motive, 1840,73. 172 Entwurf einer Handels- und Wechselordnung für das Herzogthum Nassau, 1842. 173 Vgl. Goldschmidt, Handbuch, 1875,67; Raisch, Abgrenzung, 1962,86-87. 174 Vgl. Rehme, Geschichte, 1913,238-240; Thöl, Handelsrecht, 1879,66. 175 Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland, 1849, abgedruckt in: Baums, Entwurf, 1982,59-216; zur Entstehung des Entwurfs vgl. Baums, Einführung, 1982, 29-41; Goldschmidt, Handbuch, 1875, 84-86. 176 Vgl. Baums, Einführung, 1982, 41. 177 Vgl. Denkschrift über die Hauptprinzipien, abgedruckt in: Baums, Entwurf, 1982, 53-57, hier 55-56; Raisch, Abgrenzung, 1962,89.

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Commerce und der Würuemberger Entwurf schreibt auch der Frankfurter Entwurf dem Kaufmann vor, "ein Tagebuch, ein Briefcopierbuch und ein Inventarienbuch" zu führen (Art. 4). Nach Art. 10 Abs. 1 Halbs. 2 "soll" der Kaufmann ,jedes Jahr eine Bilanz ... seines Vermögens anfertigen und in das Inventarienbuch einschreiben". Darüber, wie zu diesem Zweck das Vermögen zu bewerten ist, sagt der Entwurf nichts. Art. 11 enthält die üblichen formellen Anforderungen an eine ordentliche Buchführung. Wie der WürUemberger verzichtet auch der Frankfurter Entwurf darauf, die vom Code de Commerce verlangte amtliche Visierung, Paraphierung und Numerierung zu übernehmen. Am Ende der Buchführungs vorschriften stehen Bestimmungen über die Beweiskraft und die Edition der Handelsbücher im Prozeß (Art. 13 bis 18). 2. Die den Beratungen der Nürnberger Konferenz zugrunde liegenden Entwürfe

Den letztlich entscheidenden Anstoß zur Schaffung eines einheitlichen deutschen Handelsrechts gibt im Jahre 1856 ein Antrag Bayerns bei der Frankfurter Bundesversammlung, eine Kommission mit der Aufgabe einzusetzen, ein allgemeines Handelsgesetzbuch für die deutschen Staaten zu entwerfen l79 . Anfang 1857 wird daraufhin in Nürnberg die sogenannte Nürnberger Konferenz eröffnet, auf der fast alle deutschen Staaten einschließlich Österreich vertreten sind 180. Der Konferenz werden drei Entwürfe vorgelegt, ein preußischer Entwurf181 und zwei österreichische Entwürfe, der sogenannte ministerielle Entwurf von 1855 182 und der auf ihm aufbauende sogenannte revidierte Entwurf von 1857 183 . Der preußische Entwurf seinerseits geht zurück auf einen Entwurf von 1856 184 , den sogenannten ersten preußischen Entwurf l85 . Die Konferenz beschließt, ihren Beratungen den preußischen Entwurf zugrunde zu legen, während die österreichischen Entwürfe ergänzend berücksichtigt werden sollen l86 . 178 Vgl. K. Barth, Entwicklung, Bd. I, 1953,67; GroßfeldlDiekmann, Grundlagen, 1988, 423-424. 179 Vgl. Baums, Einführung, 1982,41-42; Goldschmidt, Handbuch, 1875,86-88; Rehme, Geschichte, 1913,240. 180 Vgl. Goldschmidt, Handbuch, 1875,91; Thöl, Handelsrecht, 1879,68. 181 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preussischen Staaten, 1857; Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preussischen Staaten, Motive, 1857; zur Entstehung des Entwurfs vgl. Bergfeld, Bedeutung, 1981, 118. 182 Entwurf eines österreichischen Handelsrechtes, Ministerieller Entwurf, abgedruckt in: 1. v. Lutz, Protokolle, Beilagenband, I. Theil, 1861, 107-140. 183 Entwurf eines österreichischen Handelsrechtes, Revidirter Entwurf, abgedruckt in: ebd., 69- 106. 184 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten', 1856. 185 Zu den einzelnen Entwürfen vgl. Goldschmidt, Handbuch, 1875,93-98; J. v. Lutz, Vorrede, 1858, II1-IV; o.V., Entstehung, 1863, 1-2.

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In den Beratungen spielen die österreichischen Entwürfe keine große RoHe 187 . Zur Grundlage des ADHGB wird damit der preußische Entwurf l88 . Die Buchführungsvorschriften in §§ 27 bis 42 des ersten und Art. 29 bis 38 des zweiten preußischen Entwurfs stimmen weitgehend überein. Ihre Grundstruktur - am Beginn als Grundvorschrift die Verpflichtung zur laufenden Buchführung, dann Vorschriften über die Behandlung der Handelsbriefe und die Inventar- und Bilanzaufstellung, darauf folgend die üblichen formellen Anforderungen an die Handelsbücher und zum Schluß Vorschriften über die Beweiskraft und die Edition der Handelsbücher im Prozeß - entspricht der schon aus dem Code de Commerce, dem Württemberger und dem Frankfurter Entwurf bekannten 189. Ebenso wie die Redaktoren dieser beiden Entwürfe lehnen es auch die Verfasser der preußischen Entwürfe ab, die in Frankreich vorgeschriebene behördliche Visierung, Paraphierung und Numerierung der Handelsbücher zu übernehmen l90 . Der erste wichtige Unterschied zwischen den beiden preußischen Entwürfen besteht darin, daß der erste Entwurf nach dem Vorbild des Code de Commerce in seinem § 27 den Kaufmann dazu "verpflichtet, ein Tagebuch, ein Briefkopirbuch und ein Inventarienbuch zu führen". Nachdem die Sachverständigenkommission 191, der man den ersten Entwurf zur Beurteilung vorgelegt hat, in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung im Schrifttum 192 diese Bestimmung abgelehnt hat 193 ,wird im zweiten Entwurf darauf verzichtet, dem Kaufmann die Führung bestimmter Bücher vorzuschreiben. Dieser verpflichtet den Kaufmann nur, "Bücher zu führen, aus welchen ... seine Handelsgeschäfte 186 Vgl.]. v. Lutz, Protokolle, I. Theil, 1858,6; zu den politischen Hintergründen dieser Entscheidung siehe unten S. 288-289. 187 Vgl. Bergfeld, Preußen, 1987, 110. 188 Vgl. Bergfeld, Bedeutung, 1981, 119; o.V., Entstehung, 1863,2; W. Schubert, Einleitung, 1986,5. 189 Beide Entwürfe nennen den Code de Commerce und den Württemberger und Frankfurter Entwurf ausdrücklich unter ihren Quellen (vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, 1856, V-VI; Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preussischen Staaten, 1857, V). 190 Vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preussischen Staaten, Motive, 1857,22. 191 Vgl. zu dieser Kommission Goldschmidt, Handbuch, 1875,96. 192 Vgl. gegen eine Verpflichtung des Kaufmanns, bestimmte Bücher zu führen, Anschütz, Beweiskraft, 1858,209 m. Fn. 2; ders., Entwurf, 1859, 163; Brinckmann, Würdigung, 1850, 75-78; Dietzel, Entwurf, 1858, 274; Goldschmidt, Entwurf, 1857, 124-125; ders., Gutachten, 1860,28-29; o.V., Eröffnung, 1857, 17; Puchelt, Entwurf, 1857,82; a.A. R. Koch, Würdigung, 1863,447. 193 Vgl. Protokolle über die Berathungen mit kaufmännischen Sachverständigen, 1856, 10; Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preussischen Staaten, Motive, 1857, 20.

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und die Lage seines Vennögens vollständig zu ersehen sind" (Art. 29 Abs. 1). Welche Reichweite dieser "Emancipation"194 von dem französischen Recht zukommt, zeigt sich darin, daß sie, neben dem Verzicht auf die behördliche Aufsicht über die Handelsbücher l95 , ein Hauptgrund dafür ist, daß in der Folgezeit zwischen einem französischen bzw. romanischen und einem deutschen Rechtskreis von Buchführungsvorschriften unterschieden wird l96 . Der zweite wesentliche Unterschied betrifft die Frage der Bewertung. § 33 des ersten Entwurfs übernimmt fast unverändert die Bewertungsvorschriften des ALR und damit das Niederstwertprinzip. Im Gegensatz zum ALR ist diese Bewertungsvorschrift nicht mehr bloß dispositiv und auf Handelsgesellschaften beschränkt, sondern gilt zwingend für alle Kaufleute. Nachdem die Sachverständigenkommission diese Bestimmung abgelehnt hat l97 , übernimmt sie der zweite preußische Entwurf nicht. In seinem Art. 31 Abs. 1 heißt es nur noch, daß "von den Waaren, deren Werth auf dem Lager vennindert wird, und von den Gebäuden und Geräthschaften, welche sich im Werthe verringern oder durch den Gebrauch abnutzen, ein verhältnismäßiger Abzug zu machen (ist)". Was dabei unter "Werth" zu verstehen ist, bleibt unklar l98 . Auch wenn die österreichischen Entwürfe in den Beratungen der Nürnberger Konferenz keine große Rolle spielen, sind sie insofern von Interesse, als sich ihre Buchführungsvorschriften, insbesondere die des ministeriellen Entwurfs, in wichtigen Punkten von denen der preußischen Entwürfe unterscheiden. In beiden österreichischen Entwürfen sind die Buchführungsvorschriften, §§ 47 bis 77 Anschütz, Entwurf, 1859, 163. Vgl. Kruse, Grundsätze, 1978,37 Fn. 4: Die "behördliche Aufsicht" über die Handelsbücher "ist typisch romanisch. Sie hat sich ... in Deutschland ... nie recht durchsetzen können." 196 Vgl. Bensa, Norme, 1931, 126-128; K.-B. Fischer/A.-K. Fischer, Wirtschaftsrecht, 1983, Rdn. 87; Garrigues, Derecho Mercantil, 1987, 640; Redecker, Beweiskraft, 1925, 17-18; Heinr. V. Simon, Handelsbücher, 1933, 118; Vicent Chulili, Derecho MercantiI, 1986, 104-105. Aufgrund des weltweiten Einflusses des Code de Commerce schreiben die meisten Länder dem Kaufmann die Führung bestimmter Bücher vor (vgl. die Übersicht bei Riesser, Grundgedanken, 1892,46-48; Heinr. V. Simon, Handelsbücher, 1933, 118); zu den Ländern, die eine behördliche Visierung, Paraphierung und Numerierung der Handelsbücher vorschreiben, vgl. Riesser, Grundgedanken, 1892,50; Heinr. V. Simon, Handelsbücher, 1933, 119. 197 An Stelle des in Anschaffungspreises als Höchstgrenze wird in den Kommissionsberatungen der Ansatz aller Vermögensgegenstände "nach ihrem wahren Werthe" (Protokolle über die Berathungen mit kaufmännischen Sachverständigen, 1856, 11) bzw. der Waren "zu dem wirklichen Werthpreise" (ebd., 31) verlangt. Eine Bewertungsvorschrift wird darüber hinaus überhaupt nur für die Aktiengesellschaft und die Kommanditgesellschaft auf Aktien für erforderlich gehalten (ebd., 31). 198 Zu den Bewertungsvorschriften der zwei preußischen Entwürfe vgl. K. Barth, Entwicklung, Bd. 1,1953,67-68,130-132; Hintner, Bilanzlehre, 1930,240-241; ter Vehn, Bilanzauffassungen, 1929,432-436. 194 195

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des ministeriellen und §§ 51 bis 77 des revidierten Entwurfs, wesentlich detaillierter als in den preußischen Entwürfen l99 . Die Buchführungsvorschriften der österreichischen Entwürfe stimmen weitgehend miteinander überein. Beide schreiben dem Kaufmann den Gebrauch bestimmter Bücher vor2oo und verlangen in Anlehnung an das französische Recht, daß "diese Bücher ... vor dem Gebrauche dem Handelsgerichte vorgelegt werden, welches den Namen des Handelsmannes, für welchen sie bestimmt sind, die Zahl der darin begriffenen Blätter und den Tag der Beglaubigung unter ämtlicher Besiegelung einer durchgezogenen Schnur darauf anzumerken hat,,201. In bezug auf die Bewertung enthalten beide Entwürfe lediglich die Aussage, daß "alle Waaren und Handelsforderungen nur nach ihrem wirklichen Werthe angeschlagen werden (dürfen),,202. Wie bereits die österreichischen Hofdecrete vom 1.12.1768 203 und 14.3.1795 204 und die Verordnung vom 27.3.1798 205 sieht der ministerielle Ent-

wurf strenge Maßregeln vor, um die Einhaltung der Buchführungsvorschriften sicherzustellen. Die Buchführung wird einer Aufsicht durch das Handelsgericht unterworfen 206. Um das Handelsgericht über aufgetretene Buchführungsmängel

199 Vgl. Hertlein, Buchhaltung, 1938, Sp. 1157: Die österreichischen Entwürfe enthalten "auf Grund einer ständisch-gebundenen Einstellung eine mehr in die Einzelheiten gehende Regelung der Pflichten des Kaufmanns zur B. (erg.: Buchhaltung)"; Hintner, Bilanzlehre, 1930,239. 200 Vgl. §§ 47 und 58 Abs. 1 des ministeriellen bzw. §§ 51 und 62 S. 1 des revidierten Entwurfs. 201 § 48 Abs. 1 des ministeriellen bzw. § 52 S. I des revidierten Entwurfs. 202 § 54 Abs. 4 des ministeriellen bzw. § 58 Abs. 3 des revidierten Entwurfs. 203 Neben der Androhung eines Gewerbeverbots (siehe oben S. 69 Fn. 143) sieht das Dekret auch eine staatliche Kontrolle vor, ob der Kaufmann seiner Buchführungspflicht nachkommt: "Der Commerzialconceß habe ... 1. bei ein und anderem Handelsmanne nach Verlauf dreier Monate, obwohl ohne alle Untersuchung oder Einsicht der Geschäfte, folglich mit nöthiger Bescheidenheit und Vermeidung unnöthigen Aufsehens die Erkundigung zu pflegen, ob selber die erforderlichen Bücher halte ... ". 204 Im Hofdecret v. 14.3.1795, abgedruckt in: Paurnfeindt, Handelsgesetze, 1836, 250, wird der Gebrauch von mißverständlichen Abkürzungen in den Handelsbüchern "unter Strafe verboten". 205 In der Verordnung v. 27.3.1798, abgedruckt in: ebd., 250-251, wird "dem Magistrate ... aufgetragen, ... bei den gesammten bürgerlichen Handlungen die Untersuchung zu pflegen", ob sie verläßliche Handelsbücher führen. Außerdem werden die HandeIsstände verpflichtet, "alle Handelsleute nach und nach bei dem Handelsstande vorzuladen, selbe über die Richtigkeit ihrer Buchführung zu befragen, und Jene, welche sich dieser Verordnung nicht unterziehen würden, sammt den Gründen ihrer Weigerung anzuzeigen". 206 Vgl. § 60 des ministeriellen Entwurfs: "Die Aufsicht über die pflichtmäßige Führung der Handelsbücher liegt dem Handelsgerichte ob. Wenn ein begründeter Verdacht entsteht, daß in einer Handlung die Bücher gar nicht oder nicht dem Gesetze gemäß geführt werden, ist von dem Handelsgerichte eine gen aue Untersuchung der Buchfüh-

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in Kenntnis zu setzen, werden bestimmte Behörden und Personen verpflichtet, dem Gericht mitzuteilen, wenn sie von solchen Mängeln erfahren207 . Gegen den Kaufmann, der die Buchführungsbestimmungen nicht einhält, ist eine Geldstrafe zu verhängen (§ 62 Abs. 1). Bei wiederholten oder schwerwiegenden Verstößen droht dem Kaufmann eine Gefängnisstrafe und die Löschung aus dem Handelsregister (§ 63), womit er sein Recht verliert, Handel zu treiben. Stehen die Buchführungsmängel in Verbindung mit einer vom Kaufmann verschuldeten Zahlungsunfähigkeit oder sonstigen Straftaten, wirken sie sich gemäß § 64 straferhöhend aus und können dazu führen, daß dem Kaufmann jede weitere kaufmännische Tätigkeit verboten wird. In den revidierten Entwurf werden die §§ 62 bis 64 des ministeriellen Entwurfs nicht übernommen. Erhalten bleiben dagegen die Aufsicht des Handelsgerichts über die Buchführung und die ihm gegenüber bestehende Mitteilungspflicht Dritte~08. Eine Einschränkung erfahrt die handelsgerichtliche Aufsicht jedoch insofern, als das Handelsgericht nach § 64 Abs. 2 des revidierten Entwurfs "mit möglichster Schonung des Handelsmannes die erforderliche Einsicht in seine Buchführung zu nehmen (hat)". Auch wenn damit "der Durchführungszwang ... wesentlich gemildert,,209 wird, unterliegt die Buchführung im Gegensatz zu den preußischen Entwürfen, die weder eine Verpflichtung zur behördlichen Vorlegung der Bücher vor ihrem Gebrauch noch die Möglichkeit einer handelsgerichtlichen Kontrolle der Buchführung kennen, auch im revidierten österreichischen Entwurf einer staatlichen Kontrolle. 3. Die Buchführungsvorschriften in den Beratungen der Nürnberger Konferenz

Die Beratungen der Nürnberger Konferenz erfolgen in drei Lesungen 21O . Mit den Buchführungsvorschriften beschäftigt sich die Konferenz in ihrer ersten 211 rung zu pflegen. Dieser Untersuchung sind zwei Handelsgerichts-Beisitzer oder zwei andere Sachverständige beizuziehen." 207 Vgl. § 61 des ministeriellen Entwurfs: "Sowohl alle Behörden, welche bei ihren Amtshandlungen Uebertretungen dieser Art wahrnehmen, als auch die Vorsteher des Handelsstandes, wenn sie von einer gesetzwidrigen Führung der Bücher Kenntniß erhalten, und die gerichtlich bestellten Handlungsverständigen, welche einen Auftrag zu vollziehen haben, womit die Einsicht von Handelsbüchern verbunden ist, sind verpflichtet, dem Handelsgerichte die entdeckten Mängel anzuzeigen." 208 Vgl. § 64 und 65 des revidierten Entw~rfs. 209 Schmalenbach, Bilanz, 1962, 20; vgl. ferner Endemann, Beweiskraft, 1859, 371. 210 Zum Ablauf der Nürnberger Konferenz vgl. Goldschmidt, Abschluß, 1862, 205-208,216-222; Goldschmidt, Handbuch, 1875,98-101, 104-112; Rehme, Geschichte, 1913,243-244. 211 Vgl. J. v. Lutz, Protokolle, I. Theil, 1858,44-60.

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und zweiten Lesung 212 . Die nach der zweiten Lesung in bezug auf die Buchführungsvorschriften eingebrachten Änderungsanträge werden, wie viele andere Anträge auch 213 , in der dritten Lesung aus Zeitgründen nicht mehr behande1t214 . Die wichtigsten Änderungen, die die im preußischen Entwurf enthaltenen Buchführungsvorschriften in den Beratungen erfahren, betreffen die Bewertung und die Beweiskraft der Handelsbücher. In bezug auf die Bewertung wird in beiden Lesungen beantragt, die Bewertungsvorschrift des Art. 31 des preußischen Entwurfs ganz zu streichen 215 . Diese Anträge werden abgelehnt216 . Zustimmung finden dagegen Anträge, die Formulierung der Vorschrift zu ändern, da diese "zu Mißverständnissen Anlaß gebe,,217. Ein Änderungsantrag verlangt den Ansatz zum "wahren Werthe,,218. Als Kompromiß einigt man sich auf die Formulierung des späteren Art. 31 Abs. 1 ADHGB: "Bei der Aufnahme des Inventars und der Bilanz sind sämmtliche Vermögensstücke und Forderungen nach dem Werthe anzusetzen, welcher ihnen zur Zeit der Aufnahme beizulegen ist. ,,219 Am intensivsten beschäftigt sich die Nürnberger Konferenz in bezug auf die Buchführungsvorschriften mit den Bestimmungen über die Beweiskraft der Handelsbücher und deren Editionspflicht220 . Strittig ist insbesondere die Frage, ob die Beweiskraft, wie in Art. 35 des preußischen Entwurfs vorgesehen, gänzlich in das freie Ermessen des Richters gestellt werden soll oder ob, in Anleh212 Vgl. ebd., 1II. Theil, 1858,932-948. 213 Von den insgesamt 515 nach der zweiten Lesung eingereichten Änderungsanträgen (vgl. Zusammenstellung der Erinnerungen, abgedruckt in: ebd., IX. Theil, 1861, hinter 5152) werden 251 nicht weiter behandelt (vgl. Goldschmidt, Handbuch, 1875, 104-110; kritisch zu dieser Verfahrensweise Goldschmidt, Abschluß, 1862, 217-222; Thöl, Handelsrecht, 1879,72). 214 Vgl. Schmalenbach, Bilanzrecht, 1916/17,6. 215 In der ersten Lesung wird der Streichungswunsch damit begründet, daß man mit der Aufstellung einer Bewertungsvorschrift "über die Zwecke eines Handelsgesetzbuches hinaus in den Bereich der Instruktionsertheilung sich verliere" (1. v. Lutz, Protokolle, I. Theil, 1858,47). In der zweiten Lesung wird darauf verwiesen, daß eine Bewertungsvorschrift "mehr in die Handlungswissenschaft, in die Lehre von der Buchführung als in ein Gesetzbuch gehöre" (ebd., III. Theil, 1858,934); zur Diskussion der Bewertungsvorschriften auf der Nürnberger Konferenz vgl. K. Barth, Entwicklung, Bd. I, 1953, 133-136. 216 Eine Begründung für die Ablehnung enthält nur das Protokoll der ersten Lesung: "Man war aber der Ansicht, daß derselbe (erg.: Art. 31 des preußischen Entwurfs) einen sehr schätzbaren Wegweiser enthalte ... " (ebd., I. Theil, 1858,47). 217 Ebd.,47. 218 Ebd.,47. 219 Art. 30 Abs. I des Entwurfs eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches (Nach den Beschlüssen der zweiten Lesung), abgedruckt in: ebd., Beilagenband, I. Theil, 1861,207-276. 220 Vgl. ebd., I. Theil, 1858,49-60, III. Theil, 1858,936-948.

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nung an die beiden österreichischen Entwürfe 221 , eine gesetzliche Beweisregel über den Umfang der den Handelsbüchern zukommenden Beweiskraft in das Gesetz aufzunehmen ist222 . Bei der Schlußabstimmung über diese Frage gibt die Stimme des österreichischen Sitzungsvorsitzenden den Ausschlag zugunsten der zweiten Auffassung223 . De facto bleibt die im preußischen Entwurf vorgesehene freie richterliche Beurteilung der Beweiskraft aber erhalten 224 , da dem Richter zugestanden wird zu beurteilen, ob den Büchern "ein größeres oder geringeres Maß der Beweiskraft beizulegen,,225 ist. Anträge, den Kaufmann zur Führung bestimmter Bücher zu verpflichten bzw. den Partikulargesetzgebungen das Recht zu einer solchen Verpflichtung einzuräumen, bleiben erfolglos 226 . Nur die Verpflichtung, ein Briefkopierbuch zu führen, wird eingeführt227 . Als die Paraphierung der Handelsbücher zur Sprache kommt, wird es abgelehnt, eine solche Verpflichtung in das Handelsgesetzbuch zu übernehmen. Den einzelnen Staaten wird aber freigestellt, im Rahmen ihrer Partikulargesetzgebung eine Paraphierung zu verlangen 228 . Eine Verschärfung erfahren die im preußischen Entwurf enthaltenen Buchführungsvorschriften in den Konferenzberatungen, sieht man von der Verpflichtung zur Führung eines Briefkopierbuchs ab, somit nicht. Wiederholte Anträge, einzelne Vorschriften ganz zu streichen229, zeigen aber, daß manchen Kommissionsmitgliedern die vorgesehenen Buchführungsvorschriften zu weit gehen. Als ihr schärfster Kritiker erweist sich der Vertreter Hamburgs. Das Handelsgesetzbuch solle, so seine Kritik, nicht bestimmen, wie die Bücher im einzelnen zu führen seien, sondern sich auf die Vorschrift: ,Jeder Kaufmann ist verpflichtet, ordentliche Bücher zu führen" beschränken, da jeder Kaufmann seine Bücher in Vgl. § 65 des ministeriellen bzw. § 66 des revidierten Entwurfs. Vgl. J. v. Lutz, Protokolle, I. Theil, 1858,49-54, III. Theil, 1858,936-940; vgl. zu dieser Frage aus dem Schrifttum für eine gesetzliche Beweisregel Brinckmann, Würdigung, 1850,68-73,91-99; für das Prinzip der freien Beweiswürdigung Endemann, Entwurf, 1858,35-36; ders., Beweiskraft, 1859, passim, bes. 329-330,370. 223 Vgl. J. v. Lutz, Protokolle, I. Theil, 1858,54; ferner zu den politischen Hintergründen Schnelle, Bremen, 1992,40, 181-182. 224 Vgl. Behrend, Lehrbuch, 1886,297; Endemann, Entwurf, 1858,35; ders., Beweiskraft, 1859,329; M. Hoffmann, Glossen, 1867,442-443; Keyßner, Beweiskraft, 1864, 305. 225 Art. 33 Abs. 2 des Entwurfs eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches (Nach den Beschlüssen der zweiten Lesung). 226 Vgl. J. v. Lutz, Protokolle, I. Theil, 1858,44. 227 Vgl. ebd., 45. 228 Vgl. ebd., 48: "Bezüglich der in einigen Staaten bestehenden Vorschrift der amtlichen Beglaubigung (Paraphirung) der Handelsbücher wurde auf Anregung mehrerer Mitglieder ausgesprochen, daß diese Vorschrift zwar als allgemein nicht aufzunehmen, daß aber den einzelnen Staaten unbenommen sei, dieselbe beizubehalten oder einzuführen." 229 Vgl. ebd., 45, 47, III. Theil, 1858,933-934,936. 221

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einer anderen Weise führe und die Einhaltung jener Vorschriften nicht kontrolliert werden könne230. Hamburg beantragt daher nach der zweiten Lesung, alle Buchführungsvorschriften mit Ausnahme der Verpflichtung zur laufenden Buchführung, der Vorschrift über die formellen Anforderungen an die Handelsbücher und der Bestimmungen über die Beweiskraft und die Editionspflicht zu streichen231. Ähnliche Anträge werden von Kurhessen 232 und Hannove~33 gestellt, wobei letzteres jedoch die Regelung der zu streichenden Vorschriften dem Landesgesetzgeber vorbehalten wissen will 234 . Da die Buchführungsvorschriften in der dritten Lesung nicht mehr beraten werden, bleiben diese Anträge von vornherein folgenlos. 4. Die BuchrDhrungsvorschriften des AUgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs Die Nürnberger Konferenz beendet ihre Beratungen im März 1861. Der nach Abschluß der dritten Lesung aufgestellte Entwurf235 wird, von geringfügigen Änderungen abgesehen 236, in der Folgezeit von den meisten deutschen Bundesstaaten als "Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch" eingeführt237 . Die Buchführungsvorschriften dieses dritten Entwurfs (Art. 28 bis 40) sind bis auf den neu eingefügten Art. 29 Abs. 3 identisch mit Art. 27 bis 39 des nach der zweiten Lesung angefertigten Entwurfs.

230 Vgl. ebd., III. Theil, 1858,932; zur Kritik des Hamburger Vertreters siehe im einzelnen unten S. 293-294; dessen Kritik zustimmend Souchay, Entwurf, 1858,468-469. 231 Zum Wortlaut dieses Antrags siehe unten S. 295 Fn. 625. 232 Vgl. Zusammenstellung der Erinnerungen, abgedruckt in: J. v. Lutz, Protokolle, IX. Theil, 1861, hinter 5152, 11: ,,Es dürfte einer nochmaligen Erwägung zu unterziehen sein, ob die Reglementar-Bestimmungen über die kaufmännische Buchführung (Art. 27 Abs. 2 und Art. 28 bis 30 ind.) nicht gänzlich zu beseitigen seien." 233 Vgl. ebd., 10-11: ,Den Titel, von den Handelsbüchern' mit Rücksicht darauf, daß seine Bestimmungen theils unausführbar, theils für ein allgemeines Handelsgesetzbuch zu detailliert sind, nochmals zu überarbeiten ... ". 234 Vgl. ebd., 11. 23S Entwurf eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, abgedruckt in: J. v. Lutz, Protokolle, Beilagenband, 11. Theil, 1861, 1-186. 236 In bezug auf die Buchführungsvorschriften enthalten die Einführungsgesetze allenfalls Präzisierungen über die Beweiskraft der Handelsbücher, insbesondere über deren Beweiskraft gegenüber Nichtkaufleuten (vgl. dazu Keyßner, Beweiskraft, 1864, 320-341). 231 Vgl. Bergfeld, Preußen, 1987, 113; Goldschmidt, Handbuch, 1875, 125-129; Rehme, Geschichte, 1913,247; Thöl, Handelsrecht, 1879,75-78; speziell für Preußen Goldschmidt, Abschluß, 1862,516-570; speziell für Österreich Blodig, Einführung, 1865, passim.

B. Die Entwicklung des allgemeinen Bilanzrechts bis 1985

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Die einzige Änderung, die Art. 28 bis 40 während der Geltungsdauer des ADHGB erfahren, betrifft die Bestimmungen über die Beweiskraft und die Edition der Handelsbücher, Art. 34 bis 40. Anlaß dieser Änderung ist die im Jahre 1877 erlassene ZP0 238 , die den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung einführt239 • Art. 34 bis 36 ADHGB, die eine gesetzliche Beweisregel enthalten, sind hiermit nicht vereinbar und werden daher aufgehoben 240. Die Vorschriften über die Editionspflicht im Zivilprozeß bleiben dagegen weitgehend erhalten. Aufgehoben werden lediglich Art. 37 S. 2 und 39 ADHGB, da an deren Stelle §§ 392 und 399 ZPO treten. Da die besondere Beweiskraft der Handelsbücher zugunsten des Kaufmanns durch diese Gesetzesänderung aber weder beseitigt noch geschmälert wird241 , stellt die Beweiskraft von Handelsbüchern auch weiterhin einen indirekten Anreiz für den Kaufmann dar, den gesetzlichen Buchführungsvorschriften nachzukommen. Unmittelbare Sanktionen für einen Verstoß gegen die Buchführungsvorschriften kennt das ADHGB dagegen nicht. Es enthält zwar eine große Zahl von durch das Registergericht zu verhängenden Ordnungsstraf- bzw., in der heutigen Gesetzesterminologie242 , Zwangsgeldvorschriften243 . Eine Ordnungsstrafe zur Civilprozeßordnung v. 30.1.1877, RGBI. 1877,83. § 259 Abs. 1 S. 1 (heute: § 86 Abs. 1 S. 1) ZPO: "Das Gericht hat ... nach freier Ueberzeugung zu entscheiden, ob eine thatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei." 240 § 13 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes, betreffend die Einführung der Civilprozeßordnung v. 30.1.1877, RGBI. 1877,244; vgl. dazu Begründung des Entwurfs einer Civilprozeßordnung, Stenogr. Ber. über die Verh. des Dt. RTages, 2. Leg.-Per., 11. Sess. 1874175, 3. Bd., Akt. Zu Nr. 6, 593: "Nachdem der §. 249. (erg.: des Entwurfs) der C. P. 0. sich zur Aufhebung der gesetzlichen Beweistheorie entschieden hat, sind die Art. 34. und 35. (erg.: ADHGB) unhaltbar geworden. Mit Beseitigung dieser Vorschriften kann auch der Art. 36. (erg.: ADHGB) in Wegfall kommen, weil er sich bei freier Beweiswürdigung von selbst versteht." 241 Vgl. ebd., 475: "Uebrigens darf bei Anwendung des §. 249. (erg.: des Entwurfs) nicht übersehen werden, dass mit der Verwerfung einer gesetzlichen Beweisregel die Regel selbst noch nicht beseitigt, sondern nur in ihrer rechtlichen Bedeutung verändert wird. indem die gesetzlichen Vorschriften den Charakter goldener Erfahrungssätze annehmen"; ferner AnschützlVölderndorff, ADHGB, 1895. Vor Art. 28 § 3; Behrend. Lehrbuch, 1886.297-298; R. Fischer. Bücher, 1914,472-473; F. v. Hahn, ADHGB, 1894. Art. 34 und 35 § I; Kruse. Grundsätze, 1978, 200; Leffson. Grundsätze, 1987, 49; RGZ 6. 345 (346-347): "Der §. 13 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Civilprozeßordnung hat. indem er die in Artt. 34 tlg. H.G.B. aufgestellten Beweisregeln aufhob. keineswegs die Beweiskraft. welche den Handelsbüchern längst vor dem Handelsgesetzbuche aus in der Sache liegenden Gründen beigelegt ist. beseitigen oder schmälern ... wollen" (Hervorh. i. Orig.). 242 Der Begriff "Ordnungsstrafe" wird bis zum Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) v. 2.3.1974, BGBI. I 1974,469. in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet. "Ordnungsstrafe" bezeichnet sowohl die repressive Rechtsfolge für einen vorangegangenen Ordnungsverstoß. der seinem Wesen nach zu den Ordnungswidrigkei238

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1. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

zwangs weisen Durchsetzung der Buchführungsvorschriften, wie sie Art. 54 des Württemberger Entwurfs, § 114 des Nassauer Entwurfs und § 62 Abs. 1 des österreichischen ministeriellen Entwurfs vorsehen, ist ihm jedoch fremd 244 . Eine Bestrafung droht dem Kaufmann, der seinen Buchführungspflichten nicht nachkommt, nur im Konkursfall. Im Gegensatz zum Code de Commerce und zum Nassauer Entwurf45 kennt das ADHGB selbst keine konkursrechtlichen Strafbestimmungen 246 . In den Strafgesetzen der meisten Länder sind aber entsprechende Konkursstraftatbestände enthalten 247 • Inhaltlich lehnen sich diese eng an das Konkursstrafrecht des Code de Commerce an 248 . Überwunden wird die partikulare Zersplitterung des Konkursstrafrechts mit dem Erlaß des StGB für den Norddeutschen Bund von 1870249, das 1871 zum Reichsgesetz250 erhoben wird. Im gesamten Reichsgebiet gelten fortan mit §§ 281 bis 283 StGB, in denen die §§ 259 bis 261 des PrStGB von 1851 251 weitten gehört, als auch eine Zwangs- und Beugemaßnahme (vgl. EntwurfEGStGB, BT-Drs. 7/550, 195). Mit dem EGStGB wird der Begriff ..Ordnungsstrafe" im ersten Fall durch ..Ordnungsgeld" und im zweiten durch ,.zwangsgeld" ersetzt (vgl. ebd., 195-196; Göhler, Einführungsgesetz, 1974,826). Wenn das ADHGB dem Registergericht das Recht einräumt, ..Ordnungsstrafen" zu verhängen, legt es dem Begriff die zweite Bedeutung zu (vgl. F. v. Hahn, ADHGB, 1879, Vorbem. Art. 12 § 14: ..Die Ordnungsstrafe ist eine vo(m) ... Handelsgericht ... von Amtswegen auszusprechende PolizeistraJe" (Hervorh. i. Orig.); siehe ferner unten S. 337 Fn. 857); zum unterschiedlichen Charakter von echten Strafen, den sogenannten ..Krirninal"-Strafen, einerseits und Zwangsgeldern andererseits vgl. Hüffer, in: Geßler/Hefermehl/EckardtlKropff, AktG, 1976-1994, § 407 Rdn. 3: ..Die Festsetzung von Zwangsgeld ist Beugemaßnahme, nicht Strafe und nicht Bußgeld ..... (Hervorh. i. Orig.). 243 Vgl. die Aufstellung bei F. v. Hahn, ADHGB, 1879, Vorbem. Art. 12 § 13; ferner Busch, Handelsregister, 1863, 174; Goldschmidt, Abschluß, 1862,225. 244 Vgl. Anschütz/Völderndorff, ADHGB, 1868, Art. 28 Anm. 2: ..Ob hingegen das Handelsgericht mit Ordnungsstrafen die Führung von Büchern erzwingen dürfe, muß verneint werden"; GareislFuchsberger, ADHGB, 1891, Art. 28 Anm. 8; Stubenrauch, Handbuch, 1863,88; Völdemdorff, Von den Kaufleuten, 1881,234; kritisch zur Eignung von Ordnungsstrafen zur Durchsetzung der Buchführungsvorschriften Anschützl Völderndorff, ADHGB, 1868, Art. 28 Anm. 2; Rießer, Revision, 1887,35: ..... ganz abgesehen von der Unzulänglichkeit des allein möglichen Zwangsmittels, durch Ordnungsstrafen die Führung (erg.: bestimmter Handelsbücher) zu erzwingen". 24S §§ 127 und 128 des Nassauer Entwurfs. 246 Vgl. Schüppen, Systematik, 1993,70. 247 Vgl. den Überblick bei F. v. Hahn, ADHGB, 1863, Vorbem. Art. 28 § 3; ferner Endemann, Beweiskraft, 1859,372. 248 Vgl. BGHSt 15, 103 (l05); Neumeyer, Darstellung, 1891, 113-115; Tiedemann, Insolvenz-Strafrecht, 1996, Vor § 283 StGB Rdn. 36. 249 Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund v. 31.5.1870, BGB!. 1870, 197. 2SO Gesetz, betreffend die Redaktion des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich v. 15.5.1871, RGB!. 1871,127. m Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten v. 14.4.1851, PrGS 1851, 101.

B. Die Entwicklung des allgemeinen Bilanzrechts bis 1985

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gehend unverändert übernommen werden 252 , einheitliche konkursrechtliche Stratbestimmungen. In Abhängigkeit von der Schwere des Vergehens können nach diesen Bestimmungen Kaufleute bei Verstößen gegen die Buchführungsvorschriften im Konkursfall wegen betrügerischen (§ 281 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StGB) oder einfachen Bankrotts (§ 283 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB) bestraft werden. Als mit der KO von 1877 253 ein reichseinheitliches Konkursrecht geschaffen wird, werden diese Strafbestimmungen aus dem StGB herausgenommen und inhaltlich unverändert als §§ 209 Abs. 1 Nr. 3 und 4, 210 Abs. 1 Nr. 2 und 3 (seit 1898254 : §§ 239 Abs. 1 Nr. 3 und 4, 240 Abs. 1 Nr. 3 und 4) in die KO eingefügt. Über das Jahr 1877 hinaus bleibt das StGB jedoch bis heute insofern von bilanzrechtlicher Bedeutung, als Verstöße gegen die Buchführungsvorschriften, wenn durch diese Rechtsverstöße Dritte geschädigt werden, einzelne Straftatbestände, insbesondere den des Betrugs, der Untreue und der Urkundenfalschung, erfüllen können 255 . Mit der gesetzlichen Normierung der kaufmännischen Buchführung durch das ADHGB wird eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen, daß sich der Steuergesetzgeber die bilanzielle kaufmännische Gewinnermittlung für seine Zwecke nutzbar machen kann 256 . Im Jahre 1874 erlassen Bremen und Sachsen die ersten deutschen Einkommensteuergesetze, in denen für die Besteuerung gewerblicher Gewinne nicht mehr auf die bisher für diesen Zweck übliche Einnahmen-Überschußrechnung 257 , sondern auf das Ergebnis der bilanziellen han252 Vgl. Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages des Norddt. Bundes, I. Leg.-Per., Sess. 1870,3. Bd., Akt. Nr. 5, 80; Tiedemann, Insolvenz-Strafrecht, 1996, Vor § 238 StGB Rdn. 38. 253 Konkursordnung v. 10.2.1877, RGBI. 1877,351; zur Entstehung des Gesetzes vgl. Thieme, Entstehung, 1977, passim, bes. 50-65; zu der bis dahin bestehenden partikularen Rechtszerspliuerung vgl. Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, Stenogr. Ber. über die Verh. des Dt. RTages, 2. Leg.-Per., 11. Sess. 1874n5, 4. Bd., Akt. Zu Nr. 200, 1578-1609. 254 Konkursordnung i.d.F. der Bek. v. 20.5.1898, RGBI. 1898, 612. 255 §§ 263, 266 und 265 (heute: §§ 263 bis 264a, 265b, 266, 267, 269, 270, 274, 303a und 303b) StGB; vgl. dazu Maul, Bilanzdelikte, 1989, 190-192, mit dem Hinweis, daß diese Tatbestände jedoch nur "ganz selten als spezifische Bilanzdelikte eingestuft werden" (ebd., 190); ferner Castan, in: Castan u.a., BeckHdR, D 20 Rdn. 61-105; Helmschrott/Buhleier, Konsequenzen, 1997, 17; Schüppen, Systematik, 1993,27,33-37; Schuppenhauer, Beweiskraft, 1996,698; Spohr, Urkundenfälschung, 1936, passim; Streim, Einheitsbilanz, 1990,541; Thiel, Bilanzrecht, 1990, Rdn. 164. 256 Vgl. Mathiak, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 5 Rdn. A 111. 257 Vgl. etwa für Preußen § 30 Abs. 2 des Gesetzes, betreffend die Einführung einer Klassen- und klassifizirten Einkommensteuer v. 1.5.1851, PrGS 1851, 193; dazu AIsheimer, Maßgeblichkeit, 1974, 841-842; K. Barth, Entwicklung, Bd. 11, 1955, 178-180; Icking, Einkommensteuerrecht, 1993, 28-29. Auch in den Entwürfen des Sächsischen

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1. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

deIsrechtlichen Gewinnennittlung zurückgegriffen wird258 . Der heute in § 5 Abs. 1 S. 1 EStG verankerte Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz hat hier seinen Ursprung259 . Dem Vorbild von Bremen und Sachsen folgen 1881 Hamburg 260 , 1889 Lübeck 261 , 1891 Preußen 262 sowie viele weitere deutsche Staaten263 . 5. Das Handelsgesetzbuch von 1897 Im Zusammenhang mit dem Erlaß des BGB 264 wird im Jahre 1897 das HGB erlassen 265 • Beide Gesetze treten am 1.1.1900 in Kraft. Soweit die Anpassung des Handelsrechts an das BGB keine Änderungen erforderlich macht, hält der Gesetzgeber im HGB im wesentlichen an den Bestimmungen des ADHGB und des Bremer EStG ist zunächst für die Ermittlung gewerblicher Gewinne noch eine Einnahmen-Überschußrechnung vorgesehen. Um dem Kaufmann kein zweites Rechenwerk neben seiner handelsrechtlichen Buchführung vorzuschreiben, wird in den Gesetzesberatungen auf die Einnahmen-Überschußrechnung verzichtet und die steuerliche Gewinnennittlung an die Handelsbilanz angeknüpft (vgl. K. Barth, Entwicklung, Bd. 11, 1955, 183-189; ders., Grundsätze, 1963, 390; Icking, Einkommensteuerrecht, 1993, 34-35; D. Schneider, Anfange, 1991, 185). 258 Anlage B Nr. 7 des Bremer Einkommensteuergesetzes v. 17.12.1874 Ld.F. v. 19.4.1885, abgedruckt in: FA 1890,595-602: "Zum reinen Einkommen sind zu rechnen: ... Der Gewinn aus Handelsgeschäften, so wie sich derselbe aus dem nach den Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs aufgestellten Jahresabschluss ergibt"; § 22 Nr. 1 des Sächsischen Einkommensteuergesetzes v. 22.12.1874, GVBI. 1874,471: "Beim Handels- und Gewerbebetrieb ist der Reingewinn nach den Grundsätzen zu berechnen, wie solche für die Inventur und Bilanz im Handelsgesetzbuch vorgeschrieben sind und sonst dem Gebrauche eines ordentlichen Kaufmanns entsprechen ... ". 259 Vgl. Alsheimer, Maßgeblichkeit, 1974,842-843; Dziadkowski, Steuerbilanz, 1988, 410; Euler, Rechnungslegung, 1998, 15. 260 Anhang zu § 4 Nr. 5 Abs. 2 des Hamburger Einkommensteuergesetzes v. 7.3.1881, abgedruckt in: FA 1890,603-610. 261 Anhang A Nr. 7 des Lübecker Einkommensteuergesetzes v. 27.5. 1889, abgedruckt in: FA 1890,611-621. 262 § 14 Abs.I S. 2desEinkommensteuergesetzesv. 24.6.1891,PrGS 1891, 175. Die steuerliche Anknüpfung des PrEStG an die kaufmännische GewinnermiUlung ist hier, wie schon bei den Einkommensteuergesetzen von Bremen und Sachsen, ein Ergebnis der Gesetzesberatungen. Der Entwurf des PrEStG hielt für die Ermittlung gewerblicher Gewinne noch am Instrument der Einnahmen-Überschußrechnung fest (vgl. dazu K. Barth, Entwicklung, Bd. 11, 1955, 197-205; Icking, Ein,kommensteuerrecht, 1993, 32-33; D. Schneider, Anfange, 1991, 185-187). 263 Vgl. dazu die Aufzählung bei Kovero, Bewertung, 1912,40-43. 264 Bürgerliches Gesetzbuch v. 18.8.1896, RGBI. 1896,195. 265 Handelsgesetzbuch v. 10.5.1897, RGBI. 1897,219; zur Entstehungsgeschichte des HGB vgl. Rehme, Geschichte, 1913,254-256; W. Schubert, Entstehungsgeschichte, 1986, passim.

B. Die Entwicklung des allgemeinen Bilanzrechts bis 1985

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fest 266 . Die allgemeinen Buchführungsvorschriften des HGB (§§ 38 bis 47) stimmen daher weitgehend mit denen des ADHGB überein 267 • Auf eine detaillierte Regelung der Buchführung wird damit weiterhin verzichtet268 • Im einzelnen enthält § 38 die Verpflichtung des Kaufmanns zur laufenden Buchführung, §§ 39 bis 42 betreffen die Bilanz- und Inventaraufstellung, §§ 43 und 44 die formellen Anforderungen an die Handelsbücher und die Aufbewahrungsfristen, während die abschließenden §§ 45 bis 47 die Editionspflicht der Handelsbücher im Prozeß regeln. Vorschriften über die Beweiskraft finden sich, nachdem diese 1877 aus dem ADHGB gestrichen worden sind, nicht mehr. Die Verpflichtung des Kaufmanns, ein Briefkopierbuch zu führen, wird aus dem ADHGB nicht übernommen. Welche Bücher er führt, steht dem Kaufmann fortan völlig frei 269 . Eine Neuerung innerhalb der Buchführungsvorschriften ist die Verpflichtung des Kaufmanns, bei der Führung seiner Handelsbücher die "Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung" zu beachten (§ 38 Abs. 1). In bezug auf die Bewertung wird in § 40 Abs. 2 der bisherige Art. 31 Abs. 1 ADHGB, von einer redaktionellen KlarsteIlung abgesehen, unverändert übernommen. Unmittelbare Sanktionen, mit denen der Kaufmann auch außerhalb eines Konkurses zur Einhaltung seiner Buchführungspflichten angehalten werden kann, werden auch durch das HGB nicht eingeführt. Wie in fast allen Ländern der Welt270 muß der gegen die Buchführungsvorschriften verstoßende Kaufmann in Deutschland, abgesehen von einer kurzen Zeitspanne nach dem Zweiten Weltkrieg271 , eine Bestrafung weiterhin nur im Falle des Konkurses befürchten 272 . Mit dem 1. WiKG von 1976273 wird das Konkursstrafrecht aus 266 Vgl. O. Gierke, Entwurf, 1896.443; Rehme, Geschichte, 1913,259; für eine Aufstellung der wichtigsten Änderungen vgl. Kaufmann, Unterschiede, 1899, passim. 267 Vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstags-Vorlage, 1897, 109: "Die Vorschriften der §§. 37 bis 46 über die Handelsbücher geben mit einigen Aenderungen den Inhalt der bisherigen Art. 28 bis 40 wieder. soweit diese nicht schon durch die Civilprozeßordnung ihre Geltung verloren haben"; ferner K. Lehmann, Entwurf, 1896,306: "Nur wenige inhaltliche Aenderungen ..... ; Schmalenbach, Bilanzrecht, 1916/17, 28-29: "Die durch das neue Handelsgesetzbuch geschaffene Ordnung des Bilanzrechts bestätigt im allgemeinen das geltende Recht; es verbessert nur teilweise den Wortlaut und gibt einige kleine Zusätze. An den Hauptfragen wird nichts geändert ..... ; Schön, Entwicklung, 1997. 135; zu den einzelnen Änderungen vgl. G. Cohn, Revision, 1897,214-215; Kaufmann, Unterschiede, 1899,809. 268 Vgl. Gareis, Rechtsverhältnisse, 1897,371. 269 Vgl. dazu Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag-Vorlage, 1897, 109-110. 270 Zu den wenigen Ausnahmen vgl. Heinr. V. Simon, Handelsbücher, 1933, 154; ferner Käfer, ObJigationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 5.41; Leffson, Grundsätze, 1987, 172. 271 Siehe unten S. 296. 212 Vgl. Hildebrandt, in: Geßler/HefermehVHildebrandt/Schröder. HGB, 1973, § 38 Rdn. 8; R. Fischer, Bücher. 1914,476; Knorr, Strafrecht, 1970, Sp. 1640: "Außer in

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1. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

der KO herausgelöst und in das StGB reintegriert274 . Die bisherigen Buchführungsdelikte der §§ 239 Abs. 1 Nr. 3 und 4, 240 Abs. 1 Nr. 3 und 4 KO werden dabei weitgehend unverändert in den bis heute gültigen § 283 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 StGB übernommen. Eine Neuerung stellt § 283b StGB dar, der Verstöße gegen Buchführungsvorschriften im Falle eines Unternehmenszusammenbruchs auch außerhalb der in § 283 StGB vorausgesetzten Krisensituation 275 einer Strafe unterwirft276 • Neben die konkursrechtliche Sanktionierung von Buchführungsmängeln treten als Folge der im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts einsetzenden Heranziehung der handelsrechtlichen Buchführung für die Zwecke der Besteuerung steuerrechtliche Sanktionen, die mit dem Erlaß der RAO von 1919277 reichseinheitlich geregelt werden. Denn da die handelsrechtliche Buchführungspflicht durch § 163 S. 1 RAO, den Vorläufer des heutigen § 140 AO, zu einer steuerlichen Pflicht erklärt wird, stellt ein Verstoß gegen die handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften zugleich einen Verstoß gegen steuerrechtliche Pflichten dar mit der Folge, daß die Sanktionsvorschriften des Steuerrechts Anwendung finden 278 . Das Steuerrecht übt damit wie das Konkursstrafrecht einen mittelbaren Zwang auf den Kaufmann aus, den handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften nachzukommen279 • § 239 ... und § 240 ... der Konkursordnung ... gibt es keine besonderen Strafvorschriften für das Rechnungswesen"; Passow, Bilanzen, Bd. I, 1921, 19. 273 Erstes Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (I. WiKG) v. 29.7. 1976, BGBI.I1976, 2034. 274 Art. 1 Nr. 5 des 1. WiKG; vgl. dazu GöhlerlWilts, Wirtschaftskriminalität, 1976, 1658-1661; Schmidt-Busemann, Vorschriften, 1977, 136-142; SchUppen, Systematik, 1993, 83-84. Mit der Reintegration des Konkursstrafrechts in das Strafgesetzbuch soll vor allem die general präventive Wirkung der Konkursstraftatbestände erhöht werden (vgl. GöhlerlWilts, Wirtschaftskriminalität, 1976, 1658-1659; Tiedemann, InsolvenzStrafrecht, 1996, Vor § 238 StGB Rdn. 43). 275 Zu den Krisenmerkmalen des § 283 StGB vgl. Castan, in: Castan u.a., BeckHdR, D 20 Rdn. 9-18. 276 Vgl. ebd., D 20 Rdn. 32,56; Tiedemann, in: Scholz, GmbHG, 1995, Vor §§ 82 ff. Rdn. 29,34,43. 277 Reichsabgabenordnung v. 13.12.1919, RGBl.I1919, 1993. 278 Vgl. Anwendungserlaß zur AO (AEAO), BStBI. 1 1987,692; Mösbauer, in: K. KochlScholtz, AO, 1996, § 140 Rdn. 2; ders., Buchführungspflicht, 1996,2586; Passow, Bilanzen, Bd. I, 1921, 31; aus der Rechtsprechung RGSt 61, 275 (276), BFHE 123,547 (551); zu den steuerrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten siehe im einzelnen unten S. 319-321. 279 Vgl. Karoli, Buchführung, 1928, 7; ders., Bedeutung, 1932, 254-255; ferner 1. Lehmann, in: DUringer/Hachenburg, HGB, 1930, § 38 Anm. 1a, der die steuerrechtlichen Sanktionen im Gegensatz zu den Konkursstraftatbeständen und dem drohenden Verlust der Beweiskraft sogar als einen direkten Zwang zur Erfüllung der handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften versteht. .

C. Die Entwicklung des speziellen Bilanzrechts bis 1985

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Mit dem HGB von 1897 erreicht die Entwicklung des allgemeinen Bilanzrechts einen vorläufigen Abschluß. Die bis zum Erlaß des BiRiLiG erfolgenden Änderungen und Ergänzungen der §§ 38 bis 47 HGB beschränken sich im wesentlichen auf Anpassungen der Vorschriften an die technischen Fortschritte auf dem Gebiet der Buchführungstechnik sowie auf Erleichterungen hinsichtlich Inventur und Aufbewahrungsfrist28o. Ein Stillstand in der Entwicklung des HandeIsbilanzrechts tritt nach 1897 jedoch nicht ein. Der Schwerpunkt der Entwicklung verlagert sich vielmehr auf das Gebiet des speziellen Bilanzrechts, auf dem es zu einer immer stärkeren ,,Ausfüllung der aus den §§ 38 ff. HGB folgenden Verpflichtungen ..281 kommt.

C. Die Entwicklung des speziellen Bilanzrechts bis zum Bilanzrichtlinien-Gesetz von 1985 I. Das aktienrechtliche Bilanzrecht 1. Die Zeit bis zur Aktiennovelle von 1870

Die Anfänge des aktienrechtlichen Bilanzrechts, dem unter den Bestimmungen des speziellen Bilanzrechts in der Folgezeit die größte Bedeutung zukommen wird282 , reichen zurück bis zum PrEisenbahnG von 1838 283 und dem PrAktG von 1843 284 • Das PrAktG ist die erste deutsche Kodifikation des Aktienrechts, nachdem Frankreich mit Art. 19,29 bis 38, 40 und 45 des Code de Commerce von 1807 als weltweit erstes Land das Aktienrecht kodifiziert hat285 •

280 § 1 des Gesetzes zur Abkürzung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Aufbewahrungsfristen v. 2.3.1959, BGB!. I 1959,77; § 1 des Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches und der Reichsabgabenordnung v. 2.8.1965, BGB!. I 1965, 665; Art. 4 Nr. 1 und 2 des 1. WiKG; Art. 56 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) v. 14.12.1976, BGB!. 11976,3341; vg!. dazu im einzelnen Biener, Neufassung, 1977, passim; Offerhaus, Änderung, 1976, passim; ders., Buchführungsvorschriften, 1976, passim; Schmidt-Busemann, Vorschriften, 1977, 117-135; Schulze-Osterloh, Buchführungsvorschriften, 1977, passim; Wanik, Buchführungsvorschriften, 1975, 30-33. 281 Entwurf Bilanzrichtlinie-Gesetz, BT-Drs. 10/317,67. 282 Vg!. Döllerer, Rechnungslegung, 1965, 1417: ..... Schrittmacher auf dem Gebiet des Bilanzrechts ... "; Spieker, Aktienrechtsreform, 1962, 726. 283 Gesetz über die Eisenbahn-Unternehmungen v. 3.11.1838, PrGS 1838, 505. Das preußische Eisenbahngesetz ist insofern ein aktienrechtliches Gesetz, als aufgrund seiner §§ 1 S. 3 und 2 Eisenbahnen nur in der Rechtsform der Aktiengesellschaft betrieben werden dürfen. 284 Gesetz über die Aktiengesellschaften v. 9.11.1843, PrGS 1843,341; zur Entstehung des Gesetzes vg!. Baums, Einführung, 1981, 29-31.

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In diesen Gesetzen kommt der Übergang vom Oktroi- zum Konzessionssystem zum Ausdruck. Grundproblematik des Aktienrechts und Hintergrund dieser beiden Syteme ist die Janusköpfigkeit der Aktiengesellschaft. Die Aktiengesellschaft ist einerseits, insbesondere in ihrer Funktion als Kapitalsammelstelle, von größtem wirtschaftlichen Nutzen. Andererseits stellt sie eine ständige Gefahrenquelle dar. Gefährdet sind dabei insbesondere die Kapitalgeber aufgrund der dieser Rechtsform eigenen Trennung von Eigentum und Verfügungsrnacht, die Gläubiger wegen der beschränkten Haftung dieser Gesellschaftsform und, da sich die Aktiengesellschaft zur typischen Rechtsform des Großunternehmens entwickelt, der Wettbewerb286 . Im Oktroi- und Konzessionssystem wird dieses Spannungsverhältnis dadurch zu lösen versucht, daß die Gründung einer Aktiengesellschaft einer staatlichen Konzessionspflicht und ihr Geschäftsbetrieb einer laufenden staatlichen Überwachung unterworfen wird287 . Zu den Mitteln dieser Überwachung zählt auch die Beaufsichtigung der Buchführung288 , denn in ihrer Eigenschaft als kontenmäßiger Abbildung sämtlicher Geschäftsvorfälle 289 ist die Buchführung "bei jedem wirtschaftlichen Unternehmen ... die unentbehrliche Grundlage für die Ausübung jeglicher Aufsichtstätigkeit,,290. Beide Systeme unterscheiden 291 sich darin, daß das Oktroisystem keine allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen über Aktiengesellschaften kennt, da in ihm 285

121.

Vgl. Coing, Rechtsvergleichung, 1978, 168; Großfeld, Aktiengesellschaft, 1968,

286 Zur Janusköpfigkeit der Aktiengesellschaft vgl. bereits Gans, Beiträge, 1830-32, 178; ferner Bekker, Aktienrecht, 1872,445; Goldschmidt, Reform, 1885,73-74; ders., Handelsgesellschaft, 1901, 328: Die Aktiengesellschaft "bewahrt die ihr naturgemäss anhaftenden Mängel als nothwendige Korrelate ihrer grossen wirthschaftlichen Vorzüge"; zu den der Aktiengesellschaft im einzelnen zugeschriebenen Vor- und Nachteilen vgl. Hopt, Grundlagen, 1980, 146-154; F. Martens, Aktiengesellschaft, 1934,28-49; R. v. Mohl, Polizei-Wissenschaft, 1866, 105-115; o.V., Aktiengesellschaften, 1856, 30-64, bes. 42-64; Reich, Entwicklung, 1969,240-241; Schäffle, Unternehmungsformen, 1869,338. 287 Vgl. Großfeld, Aktiengesellschaft, 1968, 115-117, 120-122; F. Klein, Erwerbsgesellschaften, 1914, 18-19, bes. 19: "Für das ältere Aktienrecht sind also charakteristisch: die weitgehende Abhängigkeit von der Staatsgewalt ... "; K. Lehmann, Aktiengesellschaften, 1898,285-289; Leitz, Publizität, 1929,57-58; F. Martens, Aktiengesellschaft, 1934, 28; Strauß, Aktienrecht, 1959,6-7. 288 Vgl. K. Lehmann, Entwicklung, 1895,87; ders., Aktiengesellschaften, 1898,286, 288-289; F. Martens, Aktiengesellschaft, 1934, 28; Passow, Aktiengesellschaft, 1922, 528. 289 Zur Abbildungsfunktion der Buchführung vgl. Bieg, in: Castan u.a., BeckHdR, A 100 Rdn. 34; Käfer, Obligationenrecht, 1981, Grundlagen Rdn. 6.215; Leffson, Grundsätze, 1987,67; D. Schneider, Bilanzrechtsprechung, 1980, 1226; Schüppen, Systematik, 1993,6,14; Wanik, Buchführungsvorschriften, 1975,29. 290 BVerwGE 4,271 (272).

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die Gründung einer Aktiengesellschaft durch einen einzel fall bezogenen obrigkeitlichen Rechtsakt erfolgt. In diesem Oktroi werden der Aktiengesellschaft das Korporationsrecht sowie verschiedene Privilegien, wie etwa steuerliche Vergünstigungen oder Monopolrechte, verliehen 292 . Häufig enthält das Oktroi auch Regelungen über die Buchführung293 . Im Konzessionssystem dagegen bestimmen sich Gründung und Verfassung der Aktiengesellschaft nicht mehr durch ein einzelfallbezogenes Oktroi, sondern nach abstrakten gesetzlichen Normen. Aus der lex specialis des Oktroi wird eine lex generalis294 . Im PrEisenbahnG werden die Eisenbahnen einer umfangreichen staatlichen Beaufsichtigung unterworfen. Zum Zwecke der in §§ 29 bis 33 des Gesetzes geregelten Preisaufsicht wird die Gesellschaft in § 34 verpflichtet, "über alle Theile ihrer Unternehmung genaue Rechnung zu führen und hierin die ihr von dem Handels-Ministerium zu gebende Anweisung zu befolgen. Diese Rechnung ist jährlich bei der vorgesetzten Regierung einzureichen." Genauere Vorschriften über Bilanz, Inventar oder Bewertung finden sich noch nicht. Das PrAktG, das bis zum ADHGB die einzige detaillierte gesetzliche Regelung des Aktienrechts in Deutschland bleibt295 , enthält an mehreren Stellen bilanzrechtliche Aussagen. Der Gesellschaftsvertrag, der nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes "zur landesherrlichen Bestätigung vorzulegen" ist, hat gemäß § 2 Nr. 4 Bestimmungen über "die Grundsätze, nach welchen die Bilanz ... aufzunehmen ist", zu enthalten. In § 24 wird der Vorstand verpflichtet, "die zur Uebersicht der Vermögenslage erforderlichen Bücher zu führen, auch in den ersten drei Monaten eines jeden Geschäftsjahres eine Bilanz des Gesellschaftsvermögens zu ziehen, und in ein dazu bestimmtes Buch einzutragen. Die Bilanz ist der Regierung mitzutheilen, in deren Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat." Nach Art. 25 Abs. 1 hat der Vorstand öffentlich mitzuteilen, wenn sich aus der letzten Bilanz eine Verminderung des Grundkapitals um die Hälfte ergibt. In diesem Fall ist die Regierung nach Art. 25 Abs. 2 verpflichtet, in die Handelsbücher Einsicht zu nehmen 296 . Insgesamt bleiben diese Bestimmungen rudiment~97. Insbeson291 Kritisch zur Unterscheidung zwischen Oktroi- und Konzessionssystem dagegen Beitzke, Konzessionssystem, 1941, 36-38. 292 Zu den Grundsätzen des Oktroisystems vgl. Bösselmann, Entwicklung, 1939, 60-61; Großfeld, Aktiengesellschaft, 1968, 115-116; Hopt, Grundlagen, 1980, 134-135; K. Lehmann, Aktiengesellschaften, 1898,285; Wiethölter, Aktiengesellschaft, 1961, 60-61,64. 293 Vgl. K. Lehmann, Entwicklung, 1895,70; Herrn. V. Simon, Bilanzen, 1910, 44-47. 294 Vgl. Großfeld, Aktiengesellschaft, 1968, 121; Strauß, Aktienrecht, 1959,7. 295 Vgl. Martin, Entstehung, 1969, 510. 296 Im ersten Entwurf des PrAktG (Entwurf der Kommission für die Revision des Handelsrechts, abgedruckt in: Baums, Gesetz, 1981,50-53) sind die späteren §§ 2 Nr. 4, 24 S. 2 und 25 Abs. 2 noch nicht enthalten.

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dere sind keine Bewertungsvorschriften vorhanden. Die Entscheidung darüber, nach welchen Grundsätzen die Bilanz aufzustellen ist, bleibt der Aktiengesellschaft in ihrem Statut, vorbehaltlich der staatlichen Zustimmung, selbst überlassen.

Die Kombination von Konzessionspflicht und einer bloß rudimentären Regelung der Buchführung von Aktiengesellschaften kennzeichnet auch den Württemberger298 , den Frankfurter299 und die beiden preußischen Entwürfe eines Handelsgesetzbuchs. Die beiden letzteren übernehmen im wesentlichen die Buchführungsbestimmungen des PrAktG 3OO . Auf der Nürnberger Konferenz ist das Konzessionssystem heftig umstritten 301 . Von seiten Hamburgs, das wie Bremen keine Konzessionspflicht kennt302 , wird es abgelehnt als Ausdruck einer "obervormundschaftliche(n) Fürsorge des Staates", die verhindere, "daß die Einzelnen selbst die erforderliche Vorsicht und Mäßigung anwenden, um sich vor Schaden in Acht zu nehmen,,303. Der wirksamste Schutz vor der Aktiengesellschaft bestehe darin, das Aktienwesen "dem freien Ermessen der Betheiligten (zu) überlassen,,304. Als 297 Für K. Barth, Entwicklung, Bd. I, 1953,69, kann daher von "einem eigentlichen Bilanzrecht" (Hervorh. i. Orig.) noch nicht gesprochen werden. 298 Die Konzessionspflicht ergibt sich aus Art. 244 des Württemberger Entwurfs. In bezug auf die Buchführung enthält der Entwurf mit Art. 262 nicht mehr als die allgemeine Verpflichtung der Aktiengesellschaft, den Aktionären jährlich "die Berechnung" über den erzielten Gewinn oder Verlust vorzulegen. . 299 Die Konzessionspflicht ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 des 3. Titels des Frankfurter Entwurfs. Sonderbestimmungen über die Buchführung der Aktiengesellschaft finden sich nicht. Es heißt in Art. 84 des 3. Titels bloß: "Die Aktien-Gesellschaften haben die Rechte und Pflichten der Kaufleute; insbesondere gelten auch für sie die Bestimmungen dieses Gesetzbuches über Handelsbücher ...... Eine Übernahme von § 2 NT. 4 PrAktG wird in den Motiven des Frankfurter Entwurfs, der alle anderen Nummern dieser Vorschrift ansonsten unverändert als Art. 75 des 3. Titels übernimmt, für überflüssig erklärt (vgl. Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland, 1849, abgedruckt in: Baums, Entwurf, 1982,59-216, hier 155). 300 Vgl. §§ 188 Abs. 1, 191 Nr. 6, 204, 206 und 207 des ersten preußischen Entwurfs bzw. Art. 181 Abs. 1, 182 Nr. 6,196 bis 198 des zweiten preußischen Entwurfs. 301 Vgl. J. v. Lutz, Protokolle, I. Theil, 1858,314-315,319-323; ferner Coing, Rechtsvergleichung, 1978, 173; Reich, Entwicklung, 1969, 260; zur Kritik am Konzessionssystem vgl. bereits Gans, Beiträge, 1830-32, 182-183; Reyscher, Aktiengesellschaft, 1852, 399-402; zu den geistigen Zeitströmungen, die dieser Kritik zugrunde liegen, vgl. F. Klein, Erwerbsgesellschaften, 1914,20. 302 Vgl. Fick, Aktiengesellschaften, 1862, 60; Renaud, Actiengesellschaften, 1863, 290. 303 Vgl. J. v. Lutz, Protokolle, I. Theil, 1858,320. 304 Ebd., 321; zustimmend zur Hamburger Forderung nach einer möglichst uneingeschränkten Privatautonomie für die Aktiengesellschaft Fick, Aktiengesellschaften, 1862, 21-22,60-62; die Konzessionspflicht ablehnend ferner Ladenburg, Handelsgesellschaf-

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Komprorniß einigt man sich in den Beratungen darauf, an der Konzessionspflicht mit Art. 208 Abs. 1 ADHGB grundsätzlich festzuhalten, den Einzelstaaten aber in Art. 249 ADHGB das Recht einzuräumen, auf diese zu verzichten 305 . Im Rahmen seiner aktienrechtlichen Bestimmungen enthält das ADHGB nur wenige Buchführungsvorschriften. In Art. 209 Nr. 6 wird bestimmt, daß "die Grundsätze, nach welchen die Bilanz aufzunehmen und der Gewinn zu berechnen und auszuzahlen ist, sowie die Art und Weise, wie die Prüfung der Bilanz erfolgt", in den "Gesellschaftsvertrag, dessen Genehmigung erfolgen soll", aufzunehmen sind. Nach Art. 239 Abs. 1 ,,(ist) der Vorstand ... verpflichtet, Sorge zu tragen, daß die erforderlichen Bücher der Gesellschaft geführt werden. Er muß den Aktionären spätestens in den ersten sechs Monaten jedes Geschäftsjahres eine Bilanz des verflossenen Geschäftsjahres vorlegen." Das aktienrechtliche Bilanzrecht kommt damit über das im PrAktG erreichte Niveau nicht hinaus 306 . Die in Art. 197 Abs. 1 des zweiten preußischen Entwurfs in Anlehnung an § 24 Abs. 2 PrAktG enthaltene Verpflichtung des Vorstands, die jährliche Bilanz der Bezirksregierung mitzuteilen 307 , und die Verpflichtung der Staatsregierung in Art. 197 Abs. 2 des Entwurfs, "im Falle der Unterlassung ... Einsicht von den Büchern zu nehmen", beschließt die Nürnberger Konferenz mit acht gegen sieben Stimmen nicht in das ADHGB zu übernehmen. Hiermit wird die Staatsaufsicht über die Buchführung der Aktiengesellschaft zwar nicht abgeschafft, denn strittig ist hier zunächst nur, ob das ADHGB der richtige Regelungsort für eine solche Bestimmung sei 308 . Tatsächlich wird mit dieser Entten, 1858, 134; o.V., Eröffnung, 1857, 17-18; für die Konzessionspflicht dagegen Puchelt, Entwurf, 1857, 107. 305 Zu den Staaten, die neben den Hansestädten von dieser Ermächtigung Gebrauch machen, vgl. Reich, Entwicklung, 1969,261-262; W. Schubert, Aktienrechtsnovelle, 1981,287. 306 Vgl. Raisch, Aktiengesetz, 1966,505: " ... das Aktienrecht des ADHGB von 1861 (enthielt) keine eigenständige Regelung der Rechnungslegung"; Herrn. V. Simon, Bilanzen, 1910, 48. 307 Kritisch dazu bereits Reyscher, Aktiengesellschaft, 1852,401 Fn. 36: "Mißlich ist die in dem preußischen Gesetz von 1843 §. 24 den Gesellschaften auferlegte Verpflichtung, der Regierung jährlich eine Bilanz des Gesellschaftsvermögens vorzulegen" (Hervorh. i. Orig.). 308 Vgl. J. v. Lutz, Protokolle, I. Theil, 1858, 353-354: "Man brachte zur Begründung dieses Antrages (erg.: des Antrags auf Streichung von Art. 197 des preußischen Entwurfs) vor: der Inhalt des Artikels sei nicht im mindesten civilrechtlicher Natur, gehöre also nicht in das Handelsrecht, sondern als ein Satz von handelspolitischer Bedeutung in die über Genehmigung von Aktiengesellschaften überhaupt zu erlassenden Verordnungen, oder in die über Genehmigung einzelner Gesellschaften ergehenden Erlasse .... Zur Aufrechterhaltung des Entwurfes wurde hienach geltend gemacht: der Artikel hänge mit dem Prinzipe der Staatsgenehmigung zusammen; durch dasselbe werde der Staat zu einer Aufsichtsbehörde über die Aktiengesellschaften gemacht. Dabei könnten Vorschriften

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scheidung aber ein deutliches Signal gegen die staatliche Beaufsichtigung der Buchführung gesetzt, da sie fortan nur auf Grund einer ausdrücklichen landesgesetzlichen Regelung möglich ist309 . Eine solche sehen neben Preußen nur einige wenige Länder in ihren Einführungsgesetzen zum ADHGB vo~lO. Auf dieses Ergebnis dürften die Kritiker von Art. 197 des preußischen Entwurfs abgezielt haben, da sie nicht nur formalrechtliche Einwände gegen diese Vorschrift erheben, sondern auch auf den mit ihrer Verwirklichung einhergehenden bürokratischen Aufwand für den Staat hinweisen 311 . Ein staatliches Einsichtsrecht in die Handelsbücher der Aktiengesellschaft sieht Art. 240 Abs. 2 ADHGB nur für den Fall vor, daß sich das Grundkapital um die Hälfte vermindert hat. Aber auch dieses Einsichtsrecht wird abgeschwächt, indem aus den Muß-Vorschriften des § 25 Abs. 2 PrAktG und Art. 198 Abs. 2 des zweiten preußischen Entwurfs eine Kann-Bestimmung wird 312 . 2. Die Aktiennovelle von 1870 Nachdem das Konzessionssystem bereits im ADHGB erheblich aufgeweicht worden ist, wird es infolge des beherrschenden Einflusses, den der wirtschaftliche Liberalismus ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der siebziger darüber, wie das Aufsichtsrecht geübt werden solle, nicht entbehrt werden. So gut aber, wie das Prinzip selbst, könnten auch die Vorschriften über dessen Ausübung eine Stelle im Gesetz finden." 309 Vgl. K. Lehmann, Aktiengesellschaften, 1898,289: ..... hiermit (ist) der dem Konzessionssystem zu Grunde liegende Gedanke halb aufgegeben ... "; Kuntze, Handelsgesellschaften, 1863,239: ..... das H.-G.-B. (setzt) nichts über ein fortlaufendes KontroIeund Inspektionsamt des Staats fest ... ". 310 Vgl. Art. 12 § 7 des Einführungsgesetzes zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch v. 24.6.1861, PrGS 1861,449: ..Innerhalb der im Artikel 239. des Handelsgesetzbuchs vorgeschriebenen Frist hat der Vorstand die jährliche Bilanz auch der im §. 2. (erg.: des Einführungsgesetzes) bezeichneten Behörde einzureichen"; zu den übrigen Ländern vgl. Renaud, Actiengesellschaften, 1863, 180, 500-50 I; Ring, Reichsgesetz, 1893, Art. 239a ADHGB Anm. 8. 311 Vgl. J. v. Lutz, Protokolle, I. Theil, 1858.353-354: .. Der Artikel (erg.: Art. 197) enthalte sogar eine ungeeignete Belästigung der Regierungen, wenn er sie zwingen wolle. alljährlich die Bilanzen entgegenzunehmen. Letzteres sei bei vielen Aktiengesellschaften, namentlich bei kleineren, ganz unnöthig." Bei den Beratungen des ersten preußischen Entwurfs wird die Vorlage der Bilanz bei der Bezirksregierung dagegen, trotz offenbarer Widerstände auf seiten der Kaufleute. noch befürwortet: ..... der mitgetheilte Vorschlag einer Kaufmannschaft. die Einreichung der Bilanz an die Bezirksregierung ... fortzulassen, (wurde) nicht unterstützt" (Protokolle über die Berathungen mit kaufmännischen Sachverständigen, 1856,53 (Hervorh. i. Orig.». 312 Diese Abschwächung ist eine Kompromißlösung, da auf der Nürnberger Konferenz beantragt worden ist. Art. 198 des zweiten preußischen Entwurfs ganz zu streichen (vgl. J. v. Lutz, Protokolle, I. Theil, 1858,355-356).

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Jahre in Deutschland auf die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Zeit gewinnt313 , mit der Aktiennovelle von 1870314 endgültig abgeschafft. Mit der liberalen Forderung nach größtmöglicher wirtschaftlicher Entfaltungsfreiheit und Eigenverantwortung ist die strenge staatliche Bevormundung und Beaufsichtigung der Aktiengesellschaft nicht länger vereinb~15. Bestärkt wird die liberale Kritik am Konzessionssystem durch die praktische Erfahrung, daß es diesem nicht gelungen ist, Gläubiger und Aktionäre dauerhaft vor Mißbräuchen zu schützen316 . Eine wirksame staatliche Kontrolle der Aktiengesellschaft erwies sich nicht zuletzt deshalb als unmöglich, weil dem Staat die nötigen Mittel fehlten, die Beachtung der Statuten durchzusetzen und festgestellte Mißstände abzustellen317 . 313 Vgl. Hachenburg, Rundschau, 1930, Sp. 600; Lütge, Wirtschaftsgeschichte, 1966, 413; Scheuner, Einführung, 1971, 14-16; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, 1990, 13; Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht, 1989,36 m. Fn. 11. 314 Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften v. 11.6.1870, RGBI. 1870,375; zur Entstehung des Gesetzes vgl. W. Schubert, Aktienrechtsnovelle, 1981, passim. 315 Vgl. Großfeld, Aktiengesellschaft, 1968, 132; Hopt, Kapitalanlegerschutz, 1975, 32-35; Reich, Entwicklung, 1969,264-266,268; W. Schubert, Aktienrechtsnovelle, 1981, 287; Strauß, Aktienrecht, 1959, 7-8. Der liberale Hintergrund der Aktiennovelle von 1870 zeigt sich deutlich in den Gesetzesmotiven, wenn als entscheidender Nachteil des Konzessionssystems angeführt wird, es habe Gläubiger und Aktionäre verleitet, sich leichtgläubig auf die staatliche Fürsorge zu verlassen, anstatt wirksamere, private Schutzmaßnahmen zu ergreifen (vgl. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktien-Gesellschaften, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages des Norddt. Bundes, I. Leg.-Per., Sess. 1870.4. Bd., Akt. Nr. 158,650-651; ferner Jaques, Diskussionsbeitrag, 1870,56-57; Schäffle, Unternehmungsformen, 1869,303: " ... Einschläferung der Kritik des Publikums .....). 316 Vgl. Großfeld, Aktiengesellschaft, 1968, 132; ferner Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktien-Gesellschaften, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages des Norddt. Bundes, I. Leg.-Per., Sess. 1870.4. Bd., Akt. Nr. 158,650. 317 Ebd .• 650-651: "Die Ausübung einer wirksamen Aufsicht ist faktisch unmöglich . ... Dazu gehört eine so sorgfältige fortgesetzte Einsicht in alle Gesellschaftsgeschäfte. wie sie auch ein von der Behörde zur wirksamen Beaufsichtigung mit der dauernden Ueberwachung beauftragter Beamte (sie!) ohne zu weit gehende Einmischung in den inneren Geschäftsbetrieb der Aktiengesellschaft gar nicht ausüben kann. Die Aufsichtsinstanz muß sich daher darauf beschränken. etwaige Statut- oder Gesetzwidrigkeiten. die gelegentlich der General-Versammlungen oder sonst durch Beschwerden von Aktionären zu ihrer Kenntnis kommen. zu rügen. Mittel. die Abstellung derselben zu erzwingen. besitzt sie entweder überhaupt nicht oder nicht in zureichendem Maaße. Die ganze Wirksamkeit der Aufsichts-Kommissarien und der Aufsichts-Behörde besteht sonach im •Warnen' •... ohne daß jedoch diese Warnung - soweit bekannt - jemals gefruchtet hätte . ... der Regierung (fehlen) ... die Mittel .... die spätere Beachtung der sorgfältig redigirten Statute (sie!) zu erzwingen. Ihre Einwirkung beschränkt sich gegenwärtig auf die Beihülfe bei der Redaktion der Statuten und etwa auf Bestellung eines Aufsichtsbeamten. der, wie die Regierung selbst. den Gesellschaften gegenüber in der That machtlos ist" (Hervorh. i. Orig.); ferner Goldschmidt, Reform. 1885,75: Die Novelle von 1870 "ent-

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An die Stelle des Konzessionssytems tritt mit der Aktiennovelle von 1870 das sogenannte Normativsystem. Die Funktion der Genehmigungspflicht und der laufenden staatlichen Überwachung übernehmen im Normativsystem gesetzliche Schutzbestimmungen, die sogenannten Normativbestimmungen, über die Gründung und die laufende Verwaltung der Aktiengesellschaft318 . Mit dem Übergang zum Normativsystem setzt auch für das aktienrechtliche Bilanzrecht eine neue Epoche ein, denn unter dem Konzessionssystem hatte der Gesetzgeber nur eine geringe Veranlassung, das aktienrechtliche Bilanzrecht detailliert zu regeln, weil er im Rahmen seiner Genehmigungs- und laufenden Kontrollpraxis auf die Buchführung der Aktiengesellschaften einwirken konnte319. Zu den Normativbestimmungen der Aktiennovelle von 1870320 zählt auch der neue Art. 23'9a ADHGB, mit dem das bislang rudimentäre Aktienbilanzrecht eine erste Erweiterung erfahrt. Art. 239a ADHGB n.F., der vier Grundsätze für die Bilanzaufstellung enthält, wird vom Gesetzgeber ausdrücklich als notwendiger Ersatz für die mit dem Normativsystem entfallende staatliche Möglichkeit gerechtfertigt, auf die Buchführung der Aktiengesellschaft Einfluß zu nehmen 321 . Da im Normativsystem die Staatskontrolle über die Aktiengesellschaft entfällt, bedarf es neuer Sicherungsmittel, die gewährleisten, daß die Aktiengesellschaften nicht gegen die Normativbestimmungen verstoßen. Im Normativsystem erfüllt diese Aufgabe vorrangig das Instrument der Publizität. Durch die

sprang aber nicht, wie das bekannte Schlagwort lautet, liberalen oder gar freihändlerischen Tendenzen, sondern sie war auch insofern ein wahres, Nothgesetz', als das bisherige System völlig versagte .... der Staat - die Administrativbehörden waren einfach außer Stande, der ihnen gestellten Aufgabe, pflichtmäßiger Prüfung der immer zahlreicher um Konzessionirung andrängenden Gesellschaften, zu entsprechen"; GrUnhut, Reform, 1874, 79; skeptisch speziell zur Wirksamkeit der staatlichen Kontrolle Uber die Bilanz Auerbach, Actienwesen, 1873,279-280: "Es mag dahingestellt bleiben, ob von den ,weitgreifenden Befugnissen' zur Prüfung der Bilanz der richtige Gebrauch gemacht wurde und - wenn es geschehen - ob dies die Aufstellung von Scheinbilanzen verhUtet hat!"; Weinhagen, Aktien-Gesellschaften, 1866, Art. 239 ADHGB Anm. IV: "Ob wohl die Actionäre dadurch genUgend geschUtzt sind, daß ... die Bilanz auch der Aufsichtsbehörde eingereicht werden muß, möchte zu bezweifeln sein" (Hervorh. i. Orig.). 318 Zu den Merkmalen des Norrnativsystems vgl. K. Lehmann, Aktiengesellschaften, 1898,290-291; Leitz, Publizität, 1929,58-59; aus der Rechtsprechung ROH GE 3, 331 (332). 319 Vgl. Herrn. V. Simon, Bilanzen, 1910,47. 320 Zu den wichtigsten Norrnativbestimmungen der Novelle vgl. Reich, Entwicklung, 1969, 267; W. Schubert, Aktienrechtsnovelle, 1981, 288-289. 321 Vgl. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktien-Gesellschaften, Stenogr. Ber. Uber die Verh. des RTages d. Norddt. Bundes, I. Leg.-Per., Sess. 1870, 4. Bd., Akt. Nr. 158, 657; zur Diskussion Uber Art. 239a ADHGB in den Gesetzesberatungen vgl. W. Schubert, Aktienrechtsnovelle, 1981, 310-311.

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Verpflichtung des Unternehmens, unternehmensbezogene Daten durch Offenlegung für jedermann frei zugänglich zu machen, tritt an die Stelle der staatlichen Kontrolle die "Kontrolle durch Öffentlichkeit und Markt,,322. Eine der wichtigsten Formen der Publizität ist die Offenlegung der Rechnungslegung323 . In Deutschland wird die Rechnungslegungspublizität bereits früh als wirksames Instrument der Unternehmenskontrolle erkannt324 und VOn einzelnen Gesellschaften auch freiwillig praktiziert325 • Für Aktiengesellschaften gesetzlich allgemein 326 verbindlich wird sie aber erst 1870 mit Art. 239 Abs. 1 S. 2 ADHGB

322 Hopt, Grundlagen, 1980, 154; zur Publizität als Ersatz für Konzession und Staatsaufsicht vgl. Bekker, Aktienrecht, 1872, 456-457; Caemmerer, Publizitätsinteressen, 1962, 143; Hopt, Kapitalanlegerschutz, 1975, 304; ders., Publizität, 1980, 231; K. Lehmann, Aktiengesellschaften, 1898, 292; Leitz, Publizität, 1929, 59-61; Lutter, Rechnungslegung, 1988,240-241; Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht, 1989, 138: "Gemeinhin deutet man ... die aktienrechtlichen Publizitätsnormen historisch als funktionales Surrogat für die durch Aufgabe des Konzessionssystems weggefallene hoheitliche Kontrolle"; Moxter, Bilanzlehre, 1974,421-422; Würdinger, Publizität, 1964, 153. 323 Zu Begriff und Formen der Publizität vgl. Kropff, Publizität, 1993, Sp. 1669; K. Lehmann, Aktiengesellschaften, 1898, 292-295; Rittner, Publizität, 1964, 3-5 mit Fn. 16, 9-11; siehe ferner oben S. 53 Fn. 25. 324 Vgl. Hansemann, Eisenbahnen, 1837, 104: ,,zu den Mitteln, die Verwaltung einer großen Aktien-Gesellschaft rechtlich und tüchtig zu erhalten, gehört, daß sie in gewissem Maße der Oeffentlichkeit anheim gegeben werde. Es ist dieß eine wirksame Kontroie .... Es werde daher der Verwaltung jeder Eisenbahngesellschaft die Verpflichtung auferlegt, jährlich der General-Versammlung einen vollständigen Rechenschaftsbericht ... vorzulegen, und diesen Bericht demnächst durch Aufnahme in ein viel gelesenes Tageblatt zu veröffentlichen"; ferner Goldschmidt, Gutachten, 1860, 80-81; Schäffle, Aktienwesen, 1856,276-278; A. Wagner, Beiträge, 1857,23-29; ders., Zettelbankpolitik, 1873, 73-121, bes. 74-75. Auch in den Beratungen des PrAktG spielt der Gedanke der Rechnungslegungspublizität als Schutzinstrument eine Rolle. Eine ausdrückliche Publizitätspflicht wird aber für überflüssig gehalten, da man der Auffassung ist, daß sich die Rechnungslegungsinformationen auch ohne eine solche verbreiten würden (vgl. Gutachten der vereinigten Abtheilungen, abgedruckt in: Baums, Gesetz, 1981, 134-157, hier 141); zu frühen kritischen Stimmen gegen eine Pflicht zur Bilanzpublizität vgl. ferner Protokolle über die Berathungen mit kaufmännischen Sachverständigen, 1856, 52-53; J. v. Lutz, Protokolle, I. Theil, 1858, 356. 325 Vgl. Schäftle, Aktienwesen, 1856,276-277; A. Wagner, Zettelbankpolitik, 1873, 74,83-84. 326 Preußen kennt eine Publizitätspflicht für die Bilanz der Aktiengesellschaften bereits seit 1856 (vgl. Cirkular-Verfügung v. 7.3.1856, abgedruckt in: Weinhagen, Aktien-Gesellschaften, 1866, Anhang 79-80: Um "das Publikum möglichst gegen Täuschungen zu sichern und demselben von der Geschäftsverwaltung wenigstens einige Kenntniß zu geben", ist "darauf hinzuwirken, daß dieselben (erg.: die Aktiengesellschaften) die von ihnen alljährlich au/zustellende Bilanz zur öffentlichen Kenntniß bringen" (Hervorh. i. Orig.); ferner Nr. 16 der Cirkular-Verfügung v. 29.3.1856, abgedruckt in: ebd., Anhang 80-88: "Es ist für die Folge bei allen Aktien-Gesellschaften vorzuschreiben, daß die Bilanz öffentlich bekanntgemacht wird ... ").

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1. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

n.F., nach dem der Vorstand die Bilanz in "öffentlichen Blättern" zu veröffentlichen hat. Eine Verpflichtung des Vorstands, die Bilanz einer Staatsbehörde vorzulegen, ist dagegen mit den Grundsätzen des Normativsystems nicht vereinb~27. Nachdem bereits seit 1861 eine solche Pflicht nur noch auf landesgesetzlicher Basis möglich gewesen ist328 , wird 1870 auch die bisherige Ermächtigung der Verwaltungsbehörde aus Art. 240 Abs. 2 ADHGB a.F., in die Handelsbücher Einsicht zu nehmen, wenn das Grundkapital zur Hälfte aufgebraucht ist, gestrichen. Um die Einhaltung der Normativbestimmungen sicherzustellen, wird der Aktiengesellschaft außerdem die bisher nur fakultative Einrichtung eines Aufsichtsrats zwingend vorgeschrieben (Art. 209 Nr. 6 ADHGB n.F.)329. Da die Überprüfung der Rechnungslegung des Vorstands "zum unverzichtbaren Kern jeder Überwachung (gehört),,330, wird der Aufsichtsrat verpflichtet, "die Jahresrechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinnvertheilung zu prüfen und darüber alljährlich der Generalversammlung ... Bericht zu erstatten" (Art. 225a Abs. 2 ADHGB n.F.). Die Durchsetzung der Normativbestimmungen soll schließlich, da der Strafschutz durch die allgemeinen Straftatbestände, insbesondere die des Betrugs und der Untreue, für unzureichend erachtet wird33 ), durch die Einführung spezieller aktienrechtlicher Strafbestimmungen in Gestalt der Art. 249 und 249a ADHGB n.F. erreicht werden 332 . Von bilanzrechtlicher Bedeutung innerhalb 327 Vgl. Renaud, Actiengesellschaften, 1875, 563. In den Beratungen der Aktiennovelle von 1870 äußert der Vertreter Weimars dennoch Sympathie für die Beibehaltung einer staatlichen Kontrolle der Bilanzen, indem er zu bedenken anregt, "ob nicht das Recht der Behörden zur Prüfung der Bilanzen aufrecht zu erhalten sei", da die vorgesehenen Strafbestimmungen "zum Schutze des Publikums kaum genügen" (Zusammenstellung der Bemerkungen der Bundesregierungen, Drs. zu den Verh. des BRathes des Norddt. Bundes, Sess. 1870, Nr. 56,23 (Hervorh. i. Orig.». 328 Diese landesgesetzlichen Bestimmungen werden aufgehoben durch § 2 Abs. I der Aktiennovelle von 1870: "Die Landesgesetze, welche zur Errichtung von Kommanditgesellschaften auf Aktien oder Aktiengesellschaften die staatliche Genehmigung vorschreiben oder eine staatliche Beaufsichtigung dieser Gesellschaft anordnen, werden aufgehoben." 329 Vgl. dazu Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktien-Gesellschaften, Stenogr. Ber. Uber die Verh. des RTages des Norddt. Bundes, I. Leg.-Per., Sess. 1870,4. Bd., Akt. Nr. 158,655; ferner Bekker, Aktienrecht, 1872,463; Passow, Entstehung, 1909,49-51. 330 HUffer, Aufsichtsrat, 1980,329. 331 Vgl. Frassati, Strafbestimmungen, 1895,437; SchUppen, Systematik, 1993,71; Staub, ADHGB, 1893, Vorbern. Art. 249. 332 Das PrAktG und das ADHGB enthalten keine aktienrechtlichen Strafvorschriften (vgl. SchUppen, Systematik, 1993, 69). Der Gesetzgeber des PrAktG hält eine zivilrechtliehe Haftung des Vorstands für ausreichend und befürchtet, strafrechtliche Sanktionen

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dieser Spezialstraftatbestände ist der Tatbestand der sogenannten Geschäftslagetäuschung333 (Art. 249 Abs. 1 Nr. 3 ADHGB n.F). Zur "Sicherung einer richtigen Bilanzaufstellung,,334 wird mit ihm die unwahre oder verschleiernde Darstellung des Vermögens stands der Gesellschaft unter Strafe gestellt. Vorbild für diese Vorschrift sind Bestimmungen im Großherzoglieh Hessischen, Hessisch-Homburgischen und Württembergischen Einführungsgesetz zum ADHGB 335 . In der Geschichte des deutschen Bilanzrechts stellen diese einführungsgesetzlichen Bestimmungen von einigen frühen Ausnahmen abgesehen 336 die ersten bilanzstrafrechtlichen Normen außerhalb des Konkursstrafrechts dar337 . 3. Die Aktiennovelle von 1884 Schon kurz nach der Aktiennovelle 1870 werden die Schwächen des neuen Aktienrechts offenbar, als in der Gründerkrise von 1873 viele der zuvor in den Gründerjahren in großer Anzahl und häufig aus rein spekulativen Gründen entstandenen Aktiengesellschaften wieder zusammenbrechen 338 . Die Normativbestimmungen von 1870 werden dabei nicht nur in betrügerischer Absicht umgangen, sondern begünstigen sogar häufig selbst die eingetretenen Mißbräuche 339 . könnten geeignete Persönlichkeiten von der übernahme eines Vorstandspostens abhalten (vgl. Motive zu der Verordnung über Aktien-Gesellschaften, abgedruckt in: Baums, Gesetz, 1981,54-77, hier 69-70). Unter dem ADHGB werden Verstöße gegen die aktienrechtlichen Bestimmungen, soweit die einzelnen Staaten in ihren Einführungsgesetzen keine aktienrechtlichen Stratbestimmungen vorsehen, auf der Grundlage der allgemeinen Stratbestimmungen bestraft (vgl. Petersen/Pechmann, Gesetz, 1890, Vorbem. Art. 249-249g ADHGB Anm. 1); zur nicht unumstrittenen (vgl. ablehnend Endemann, Entwickelung, 1874, Sp. 395; Goldschmidt, Reform, 1885,83; Sitzung des Reichstags am 20.5.1870, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages des Norddt. Bundes, I. Leg.-Per., Sess. 1870,2. Bd., 1059 (Rede Meier), 1067 (Rede v. Miquel); ferner W. Schubert, Aktienrechtsnovelle, 1981, 311-312) Einführung von Art. 249 und 249a ADHGB n.F. als Folge des Übergangs zum Normativsystem vgl. ferner Frischtatzky, Verantwortung, 1923, 13-14; Fuhrmann, in: Geßler/HefermehllEckardtlKropff, AktG, 1976-1994, Vor § 399 Rdn. I; Renaud, Actiengesellschaften, 1875,620; Schüppen, Systematik, 1993, 70. 333 Vgl. zu diesem Begriff ebd., 29. 334 Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktien-Gesellschaften, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages des Norddt. Bundes, I. Leg.-Per., Sess. 1870,4. Bd., Akt. Nr. 158, 657. 335 Vgl. ebd., 657; F. v. Hahn, ADHGB, 1879, Art. 249 § I; SchUppen, Systematik, 1993,69-70. 336 Vgl. den Hinweis bei Neumeyer, Darstellung, 1891,88-89, daß die Hamburger Banco-Ordnung von 1639 in Art. 35 eine mangelhafte Buchführung unabhängig von einer Konkurssituation bestraft. Neumeyer weist aber zugleich auf den Ausnahmecharakter dieser Vorschrift hin: " ... regelmäßiger ... Weise jedoch wird eine mangelhafte Buchführung nur gestraft als Ursache einer Insolvenz" (ebd., 89). 337 Vgl. Schüppen, Systematik, 1993,69. 7"

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Infolge dieser negativen Erfahrungen setzt eine intensive Diskussion über die notwendige Reform des Aktienrechts ein, die ihren Abschluß in der AktiennoveIIe von 1884340 findet. Die Reformvorschläge weisen ein breites Spektrum auf341 . Insbesondere in Hamburg und Bremen sieht man die schon bei der AktiennoveIIe von 1870 geäußerten Erwartungen 342 bestätigt, daß die Normativbestimmungen dieses Gesetzes nur eine andere Form staatlicher Bevormundung darsteIIten, weIche die Aktionäre und Gläubiger weiterhin im bequemen Vertrauen auf die staatliche AIImacht in selbsttrügerische Sicherheit wiege und damit verhindere, daß sich die einzig wirksame KontroIIe der Aktiengesellschaft, die KontroIIe durch eigene Vorsicht auf Seiten der Aktionäre und Gläubiger, herausbilde. Eine Verschärfung der Normativbestimmungen wird von dieser Seite abgelehnt. Gefordert wird stattdessen, das Aktienwesen soweit wie möglich von einengenden gesetzlichen Regulierungen zu befreien und ihm größtmögliche Bewegungsfreiheit zu gewähren343 . Die Vertreter der anderen Extremposition verlangen dagegen die völlige Beseitigung der Aktiengesellschaft344 oder eine Wiederbelebung der Staatsaufsicht345 . 338 Zum Ausmaß der Krise vgl. Großfeld/Diekmann, Grundlagen, 1988, 425; Hommelhoff, Eigenkontrolle, 1985, 55-56; zu den Ursachen des Gründungsbooms vgl. N. Horn, Aktienrecht, 1979,316-317; Reich, Entwicklung, 1969,268. 339 Zu den aufgetretenen Mißständen vgl. insbesondere Sitzung des Reichstags am 4.4.1873, Stenogr. Ber. über die Verh. des Dt. RTages, I. Leg.-Per., IV. Sess. 1873, 1. Bd., 213-224 (Rede Lasker); ferner Behrend, Actiengesellschaften, 1873,38-47; Goldschmidt, Actiengesellschaftswesen, 1873, 30-32; Reich, Entwicklung, 1969, 268-269; Strombeck, Grundkapital, 1878,21. 340 Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften v. 18.7.1884, RGBl. 1844, 123; zur Entstehung des Gesetzes vgl. Reich, Entwicklung, 1969, 270-276; W. Schubert, Entstehung, 1985, passim. 341 Zu den einzelnen Reformvorschlägen vgl. im Überblick Reich, Entwicklung, 1969, 270-273; ferner Deutscher Handelstag, Bericht, 1884, 266. 342 Vgl. Bericht des Ausschusses für Justizwesen, Drs. zu den Verh. des BRathes des Norddt. Bundes, Sess. 1870, Nr. 28, 3-4, 6-7; Bericht des Ausschusses für Justizwesen, ebd., Nr. 62, 2-3; zur Opposition der Hansestädte gegen die Normativbestimmungen der Aktiennovelle von 1870 vgl. W. Schubert, Aktienrechtsnovelle, 1981, 296-312; ferner Sitzung des Reichstags am 20.5.1870, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages des Norddt. Bundes, I. Leg.-Per., Sess. 1870,2. Bd., 1059-1060 (Rede Meier). 343 Vgl. Bremer Handelskammer, Gutachten, 1874, 206-211; Hamburgische Handelskammer, Gutachten, 1874,230-233; gl.A. Kaufmannschaft zu Berlin, Bericht, 1874, 302-304; vgl. hierzu ferner Deutscher Handelstag, Bericht, 1884, 266; Hommelhoff, Eigenkontrolle, 1985, 62. 344 Vgl. Jhering, Zweck, 1877,227-228; Perrot, Thesen, 1874, Sp. 378; die Unterstellung der Aktiengesellschaft unter das Genossenschaftsrecht wird gefordert von der Handels- und Gewerbekammer zu Chemnitz, Gutachten, 1873, Sp. 614. 345 Vgl. Reich, Entwicklung, 1969,272.

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Die meisten Stimmen nehmen eine mittlere Position ein und sprechen sich für eine Verschärfung und effizientere Gestaltung der Nonnativbestimmungen aus 346 . Der Gesetzgeber schließt sich dieser Auffassung an 347 . Eine Freigabe des Aktienrechts lehnt er ab, da sich das Publikum und der einzelne ohne staatliche Unterstützung nicht wirksam gegen die Aktiengesellschaften schützen könnten 348 .

Im Rahmen des mit der Aktiennovelle von 1884 erfolgenden Ausbaus der Nonnativbestimmungen 349 werden auch die bilanzrechtlichen Vorschriften präzisiert und verschärft35o . Stimmen, die den Verzicht auf die Aufstellung spezieller aktienrechtlicher Bilanzierungsgrundsätze fordern und der Aktiengesellschaft nur vorschreiben wollen, "bei der Bilanzirung ... die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes,,351 zu beachten, können sich nicht durchsetzen. An die Stelle von Art. 239a ADHGB a.F. tritt Art. 185a i.V.m. Art. 239b ADHGB n.F., wobei Art. 185a Nr. 4 bis 6 ADHGB n.F. weitgehend übereinstimmt mit Art. 239a Nr. 2 bis 4 ADHGB a.F. Grundlegend geändert wird dage346 Vgl. ebd., 273; diese Auffassung wird etwa vertreten von Endemaitn, Entwickelung, 1874, Sp. 395-399; Goldschmidt, Actiengesellschaftswesen, 1873,32-34; Leipziger Handelskammer, Gutachten, 1874, passim; Reichs-Oberhandelsgericht, Gutachten, 1985,161; Sitzung des Reichstags am 4.4.1873, Stenogr. Ber. über die Verh. des Dt. RTages, I. Leg.-Per., IV. Sess. 1873, l. Bd., 217 (Rede Lasker). 347 Vgl. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktiengesellschaften, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages, 5. Leg.-Per., IV. Sess. 1884,3. Bd., Akt. Nr. 21, 243-245; Gareis, Entwurf, 1884,80; Goldschmidt, Reform, 1885,75; Hommelhoff, Eigenkontrolle, 1985,62; Riesser, Neuerungen, 1899,6. 348 Vgl. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktiengesellschaften, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages, 5. Leg.-Per., IV. Sess. 1884,3. Bd., Akt. Nr. 21,244. 349 Zu den wichtigsten Neuerungen der Aktiennovelle von 1884 vgl. Hommelhoff, Eigenkontrolle, 1985, 64-102; ferner Bähr, Aktiengesetz, 1883, passim; Renaud, Entwurf, 1884, passim; Ring, Entwurf, 1884, passim; Herrn. V. Simon, Entwurf, 1884, 448-489. 350 Vgl. PetersenlPechmann, Gesetz, 1890, Art. 185c ADHGB Anm. I; Herrn. V. Simon, Bilanzen, 1910,55. Für D. Schneider, lahresabschluß, 1980,84, geht damit die "praktisch bilanzrechtsjreie( ... ) Zeit" (Hervorh. i. Orig.) zu Ende; zur Kritik an Art. 239a ADHGB a.F. vgl. Keyßner, Aktiengesellschaften, 1873,240: " ... Karakter einer Gelegenheitsgesetzgebung ....., 255; Oechelhaeuser, Nachtheile, 1878, 80; Strombeck, Grundkapital, 1878,26 Fn. 15. Kein bilanzrechtlicher Änderungsbedarf besteht dagegen für Goldschmidt, Actiengesellschaftswesen, 1873, 35. 351 Verhandlungen der Aktienrechtskommission, abgedruckt in: W. SchubertlHommelhoff, Aktienrecht, 1985,288-386, hier 365; vgl. ferner Behrend, Actiengesellschaften, 1873,78-79; Hecht, Actienwesen, 1874, 121; Keyßner, Aktiengesellschaften, 1873, 255; Oechelhaeuser, Nachtheile, 1878,80-81; zur Diskussion über diesen Vorschlag vgl. Verhandlungen der Aktienrechtskommission, abgedruckt in: W. SchubertlHommelhoff, Aktienrecht, 1985. 288-386, hier 365-367; Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktiengesellschaften. Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages. 5. Leg.-Per.• IV. Sess. 1884, 3. Bd .• Akt. Nr. 21, 302.

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gen die Bewertungsvorschrift des Art. 239a Nr. 1 ADHGB a.F., nach der Wertpapiere "höchstens zu dem Kurswerthe, welchen dieselben zur Zeit der Bilanzaufstellung haben, angesetzt werden (dürfen)". Da diese Vorschrift den Ansatz der Wertpapiere zu ihrem Kurswert auch dann erlaubte, wenn dieser über dem Anschaffungspreis lag 352 , konnte mit ihr entgegen der gesetzgeberischen Absicht353 nicht verhindert werden, daß in der Gründerkrise viele Aktiengesellschaften zusammenbrachen, weil sie unrealisierte Gewinne ausgewiesen und "nach dem Prinzip des Raubbaues,,354 zu Lasten ihrer Substanz ausgeschüttet hatten. Begünstigt wurde die Ausschüttung unrealisierter Gewinne auch dadurch, daß für die Bewertung aller anderen Vermögens gegenstände Art. 31 ADHGB galt, der nach der damals herrschenden Meinung ebenfalls eine Bewertung über dem Anschaffungspreis nicht ausschloß355 . Auf der Grundlage dieser Erfahrungen 356 schreibt der Gesetzgeber als Bewertungsgrundsatz für alle Vermögensgegenstände das Realisations- und Niederstwertprinzip zwingend vor (Art. 185a Nr. 1 bis 3 ADHGB n.F.)357. Eine Bewertung über den Anschaffungs- oder Herstellungspreis hinaus ist damit für alle Vermögensgegenstände ausgeschlossen.

352 In der Gründerkrise wird diese Möglichkeit von den Aktiengesellschaften bewußt mißbraucht, indem sie den Kurs ihrer Wertpapiere zum Bewertungsstichtag manipulativ in die Höhe treiben (vgl. Auerbach, Actienwesen, 1873,243-245; zu weiteren Beispielen, "wie die falschen Dividenden fabricirt werden", vgl. Sitzung des Reichstags am 4.4.1873, Stenogr. Ber. über die Verh. des Dt. RTages, I. Leg.-Per., IV. Sess. 1873, 1. Bd., 219 (Rede Lasker». 353 Vgl. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktien-Gesellschaften, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages des Norddt. Bundes, I. Leg.-Per., Sess. 1870,4. Bd., Akt. Nr. 158, 657: Art. 239a Nr. I ADHGB soll im Interesse der Grundkapitalerhaltung dazu dienen, "der Tendenz, die Bilanz so einzurichten, daß hohe Dividenden vertheilt werden können, einigermaßen entgegenzuwirken". In den Beratungen der Aktiennovelle von 1870 wird der Mangel von Art. 239a Nr. I ADHGB a.F. von dem Vertreter Meiningens bereits klar erkannt, wenn er beantragt, "es möchte noch zu bestimmen sein, daß die Papiere auch nicht höher als der Einkaufspreis anzusetzen sind, da, so lange dieselben nicht realisiert werden, der Gewinn aus der Kursdifferenz kein wirklicher ist" (Zusammenstellung der Bemerkungen der Bundesregierungen, Drs. zu den Verh. des BRathes des Norddt. Bundes, Sess. 1870, Nr. 56,32 (Hervorh. i. Orig.». 354 Behrend, Actiengesellschaften, 1873, 46. 355 Siehe unten S. 465. 356 Zum Bestreben, den Ausweis unrealisierter Gewinne zu verhindern, als dem Leitgedanken der neuen Bewertungsvorschriften vgl. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktien-Gesellschaften, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages, 5. Leg.-Per., IV. Sess. 1884,3. Bd., Akt. Nr. 21, 301-304, 321. 357 Vgl. Beisse, Wandlungen, 1997,390; Diekmann, Geschichte, 1991, 116; Kropff, Vorsichtsprinzip, 1997,81; Moxter, Helmrich-Konzeption, 1994,712; D. Schneider, Entwicklungsstufen, 1974, 161: Im Aktiengesetz von 1884 ,,(wurde) das Niederstwertprinzip erstmals zwingend vorgeschrieben"; ders., Betriebswirtschaftslehre, 1987, 453.

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In Art. 239 Abs. 2 S. 1 ADHGB n.F. wird der Vorstand dazu verpflichtet, neben der Bilanz künftig auch eine Gewinn- und Verlustrechnung und einen Geschäftsbericht aufzustellen358 . Die Generalversammlung wird ennächtigt, besondere Revisoren für die Prüfung der Bilanz zu bestellen (Art. 239a Abs. 1 ADHGB n.F.), was in der Praxis bereits häufig geschah 359 . Die Einführung einer Pflichtprüfung der Bilanz lehnt der Gesetzgeber, obwohl sie von vielen Stimmen gefordert wird 360, ab. Mit der Aktiennovelle von 1884 wird auch die Rechnungslegungspublizität in zweifacher Hinsicht erweitert361 . Nach Art. 185c Abs. 1 i.V.m. Art. 239b ADHGB n.F. ist neben der Bilanz fortan auch eine Gewinn- und Verlustrechnung zu veröffentlichen. Beide Rechenwerke sind darüber hinaus beim Handelsregister einzureichen, wo sie von jedennann eingesehen werden können 362 . Neben die bisherige Bekanntmachungspublizität tritt damit zusätzlich eine Handelsregisterpublizität363 . Da sich die bisherigen aktienrechtlichen Strafbestimmungen in der Gründerkrise als unzureichend erwiesen haben, wird das Aktienstrafrecht in den neuen Art. 249 bis 249g ADHGB verschärft364 • Der Straftatbestand der Geschäftslage358 Zu den sonstigen Neuerungen in Art. 239 ADHGB n.F. vgl. Kayser, Gesetz, 1884, Art. 239 ADHGB Anm. 4. 359 Vgl. Herm. V. Si mon, Entwurf, 1884,482; Wiener, Reform, 1873,31. 360 Vgl. Behrend, Actiengesellschaften, 1873,79-81; Keyßner, Aktiengesellschaften, 1873,268 Fn. 49; Oechelhaeuser, Nachtheile, 1878,68,70-71; o.V., Reform, 1876,23, 34-35; o.V., Mahnruf, 1876,40-46; A. Wagner, Actiengesellschaftswesen, 1874,56 (These 27); Wiener, Reform, 1873,9-10, 29-36;Wolffson, Referat, 1873,85-87,89; ablehnend dagegen Albrecht, Correferat, 1873,94-95; Geiger, Diskussionsbeitrag, 1873, 114; Hecht, Actienwesen, 1874, 104, 147 m.w.N.; Jaques, Diskussionsbeitrag, 1873, 103-104; Makower, Diskussionsbeitrag, 1873, 120-121; Reichs-Oberhandelsgericht, Gutachten, 1985,203-204; Strombeck, Votum, 1874,54-55. 361 Zur Forderung nach einer Verbesserung der Publizität vgJ. Behrend, Actiengesellschaften, 1873,53-55; Hecht, Actienwesen, 1874, XI-XII, 41-42,140 m.w.N.; Strombeck, Votum, 1874, 15, 18-40; A. Wagner, Actiengesellschaftswesen, 1874,55-56 (These 20-25). 362 VgJ. Art. 12 Abs. 2 ADHGB. 363 Zur Forderung nach Einführung einer Handelsregisterpublizität für die Rechnungslegung vgl. Grünhut, Reform, 1874, 101; Keyßner, Aktiengesellschaften, 1873, 258. 364 In den Motiven wird die Verschärfung der Strafbestimmungen als eines der wesentlichen Ziele der Aktiennovelle bezeichnet (vgJ. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktien-Gesellschaften, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages, 5. Leg.-Per., IV. Sess. 1884, 3. Bd., Akt. Nr. 21, 245); zur geringen Wirksamkeit der bisherigen Strafbestimmungen und der Forderung nach ihrer Verschärfung vgl. ebd., 342; ferner Bekker, Aktienrecht, 1872,457; Frischtatzky, Verantwortung, 1923, 12, 14; Grünhut, Reform, 1874,90-92; Renaud, Actiengesellschaften, 1875,620; A. Wagner, Actiengesellschaftswesen, 1874,55 (These 20).

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1. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

täuschung wird in Art. 249b Abs. 1 Nr. 1 ADHGB n.F. unverändert übernommen. Erheblich erhöht wird jedoch das Strafmaß365 . Um den Vorstand zur Erfüllung seiner Buchführungspflichten anzuhalten, wird in der Aktiennovelle von 1884 als weitere Sanktion erstmals auch eine Ordnungsstraf- bzw., in heutiger Gesetzesterminologie366, eine Zwangsgeldvorschrift eingeführt. Gemäß Art. 249g Abs. 2 ADHGB n.F. hat das Registergericht den Vorstand durch Zwangsgelder dazu anzuhalten, seinen Aufstellungs- und Vorlagepflichten aus Art. 239 Abs. 2 ADHGB n.F. und seiner Publizitätspflicht aus Art. 185c i.V.m. Art. 239b ADHGB n.F. nachzukommen 367 • Bei Erlaß des HGB wird das geltende Aktienbilanzrecht ohne größere Änderungen in die §§ 239, 260 bis 266 Abs. 1 HGB übernommen 368 . Mit § 239 HGB wird die Buchführungspflicht des Vorstands von den anderen bilanzrechtlichen Bestimmungen getrennt. Praktisch unverändert übernommen werden auch die aktienrechtlichen Strafbestimmungen in §§ 312 bis 319 HGB 369 . An die Stelle von Art. 249b Abs. 1 Nr. 1 und Art. 249g Abs. 2 ADGHB a.F. treten § 314 Abs. 1 Nr. 1 und § 319 Abs. 1 HGB. Das in Art. 249g Abs. 2 ADHGB a.F. enthaltene Recht des Registergerichts, die Einhaltung der Publizitätspflicht zu erzwingen, ergibt sich fortan aus der allgemeinen Ordnungsstraf- bzw., seit 1974, Zwangsgeidvorschrift370 des § 14 HGB 371 , in dem die zahlreichen Ord365 Vgl. dazu Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktien-Gesellschaften, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages, 5. Leg.-Per., IV. Sess. 1884,3. Bd., Akt. Nr. 21, 344: Das Strafmaß des Art. 249 Abs. 1 ADHGB a.F., "we\che(s) sich in der Grunderperiode als unzureichend erwiesen hat", wird "in erheblicher Weise (verschärft), um wirksamer die wissentliche Aufstellung unrichtiger Bilanzen und die Täuschung der Aktionäre bezw. des Publikums durch absichtliche unwahre Darstellungen oder Verschleierungen des wirklichen Standes der Verhältnisse der Gesellschaft zu treffen"; Schüppen, Systematik, 1993,74. 366 Die Umbenennung der aktienrechtlichen Ordnungsstraf- in eine Zwangsgeldvorschrift erfolgt mit Art. 129 Nr. 6 EGStGB (siehe dazu oben S. 84 Fn. 242); zum unterschiedlichen Charakter der Kriminalstrafen der Art. 249 bis 249f ADHGB n.F. und der Ordnungsstrafe des Art. 249g ADHGB n.F., die nur den Charakter eines "ZwangsmitteI(s)" hat, vgl. PetersenlPechmann, Gesetz, 1890, Vorbem. Art. 249-249g ADHGB Anm. 11, Art. 249g ADHGB Anm. 1. 367 Eine Ordnungsstrafe zur Durchsetzung der Publizität forderten Grunhut, Reform. 1874, 101; A. Wagner, Actiengesellschaftswesen, 1874,56 (These 25); für nicht unbedingt erforderlich hielt sie Keyßner, Aktiengesellschaften, 1873,258. 368 Vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag-Vorlage, 1897, 159; Freericks, Bilanzierungsfahigkeit, 1976, 48; 0. Gierke, Entwurf, 1896,495-496; Herrn. V. Si mon, Bilanzen, 1910,56. 369 Vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag-Vorlage, 1897. 171; Frischtatzky, Verantwortung, 1923, 15; Fuhrmann, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976-1994, Vor § 399 Rdn. 1; Schüppen, Systematik, 1993,77. 370 Die Bezeichnung "Ordnungsstrafe" in § 14 HGB wird mit Art. 125 Nr. 1 EGStGB durch ,,Zwangsgeld" ersetzt.

C. Die Entwicklung des speziellen Bilanzrechts bis 1985

105

nungsstrafvorschriften des ADHGB zusammengefaßt werden, die handelsregisterliche Anmelde-, Unterzeichnungs- und Einreichungspflichten betrafen372 . 4. Die Aktiennovelle von 1931

In den zwanziger Jahre intensiviert sich als Folge des im Aktienwesen aufgetretenen "Strukturwandels,,373 die aktienrechtliche Diskussion374 . Die zentralen Aspekte dieses Strukturwandels sind die Auswirkungen der Inflation auf das Aktienwesen, eine immer stärkere Zurückdrängung des Kleinaktionärs zugunsten des Großaktionärs sowie eine zunehmende Konzentration und konzernmäßige Verflechtung 375 . In Reaktion auf diese Reformdiskussion erstellt das Reichsjustizministerium 1930 einen Aktiengesetzentwurf, der die Herauslösung des Aktienrechts aus dem HGB in einem eigenständigen Aktiengesetz vorsieht376 . Nach dem Zusammenbruch mehrerer Aktiengesellschaften in der Weltwirtschaftskrise werden einzelne Teile des überarbeiteten Entwurfs mit dem 1. Teil der Notverordnung vom 19.9.1931 377 vorweg in Kraft gesetzt. Infolge der vielfach geringen Aussagekraft der von den Aktiengesellschaften veröffentlichten Bilanzen und Geschäftsberichte378 zählt der Ausbau der Publi371 Vgl. Hildebrandt, in: Geßler/HefermehllEckardtlKropff, HGB, 1973, § 14 Rdn. 2; Kropff, in: Geßler/HefermehllEckardtlKropff, AktG, 1973, § 177 Rdn. 15-17; Rehm, Bilanzen, 1903,918; Seitz, Buchführung, 1935, 149-150. 372 Vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag-Vorlage, 1897, 29-30. 373 So das damals übliche Schlagwort für die aufgetretenen Entwicklungen im Aktienwesen (vgl. etwa den Titel von Passow, Strukturwandel, 1930, oder Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Wandlungen, 1930, 1: " ... Strukturveränderungen ... Strukturwandlungen ..... ; ferner Nörr, Entwicklung, 1986, 156). 374 Zum Inhalt der umfangreichen Reformdiskussion vgl. Hachenburg, in: Düringerl Hachenburg, HGB, 1934, Ein!. Anm. 12-29; Klausing, Reform, 1933, 26-43; W. Schubert, Reichswirtschaftsrat, 1987,25-29; Solmssen, Aktienrecht, 1929,2-7. 375 Vgl. Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Wandlungen, 1930, 1-2; Klausing, Reform, 1933, 19-20; F. Lehmann, Aktienrechtsreform, 1927, 810-812; Nörr, Entwicklung, 1986, 156; Passow, Strukturwandel, 1930, 1-6; Solmssen, Aktienrecht, 1929, 1-2. 376 Reichsjustizministerium, Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften, 1930; zu den bilanzrechtlichen Vorschriften des Entwurfs vgl. F. Lehmann, Rechnungslegung, 1930, passim; K. Barth, Entwicklung, Bd. I, 1953,84-99. 377 Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie v. 19.9.1931, RGBl. 11931,493; zur Entstehung der Verordnung und den Hindernissen, die einer sofortigen Umsetzung des ganzen Entwurfs entgegenstehen, vgl. Meisel, Wirtschaftsprüfer, 1992, 168-175; Nörr, Entwicklung, 1986, 166; W. Schubert, Entwürfe, 1986, 145-156; ders., Reichswirtschaftsrat, 1987,29-34. 378 Zur Klage über den unzureichenden Informationsgehalt der Bilanzen und Geschäftsberichte vgl. Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingun-

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I. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

zität zu den zentralen Forderungen der Refonnbewegung379 . In der Notverordnung vom 19.9.1931 reagiert der Gesetzgeber hierauf, indem er die bisherigen Publizitätsinstrumente wirksamer ausgestaltet380. Dies geschieht insbesondere durch die Aufstellung detaillierter Vorschriften über die Gestaltung des Geschäftsberichts (§ 260a HGB n.F.) und die Einführung von Gliederungsschemata für die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung (§§ 261a Abs. 1 und 261c Abs. 1 HGB n.F.). Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung werden unter dem Begriff ,Jahresabschluß" zusammengefaßt (§ 260 Abs. 1 HGB n.F.). Als Folge der angewachsenen konzernmäßigen Verflechtung enthält die Verordnimg erste Ansätze einer Konzemrechnungslegung381 . Die bisherigen aktienrechtlichen Bewertungsvorschriften werden in § 261 HGB n.F. ausgebaut und verfeinert, im Grundsatz aber unverändert übemommen 382 . Die wichtigste, bereits bei der Aktiennovelle von 1884383 und seitdem unter Berufung auf die geringe Wirksamkeit der Kontrolle des Vorstands durch den Aufsichtsrat immer wieder geforderte 384 , von anderen Stimmen aber ebenso gen der deutschen Wirtschaft, Wandlungen, 1930, 31-34; Buchwald, Strukturwandlungen, 1928, 117-118; le Coutre, Bilanzreform, 1928, 1764-1765; Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 1934, Einl. Anm. 32; o.V., Revision III, 1926,4; A. Wagner, BankbTÜche, 1901/02,250-251. Symptomatisch für die geringe Publizitätsneigung ist eine Äußerung Uebelens, sein Unternehmen sei bei Veröffentlichungen "auf Grund der Erfahrungen vieler Jahre ... nach dem Wahlspruch verfahren: Je kürzer, desto besser" (Uebelen, Diskussionsbeitrag, 1928, 268). 379 Vgl. Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Wandlungen, 1930,30,34-35; Bruch, Reform, 1932, 15-16,55; Hachenburg, Rundschau, 1928, Sp. 430-431; Nickel, Einfluß, 1935,74-77; Quassowski, Aktienrechtsnovelle, 1931, 2914: ,,zu den zentralen Problemen der Aktienrechtsreform gehört die Steigerung der Offenlegungspflicht ..... (Hervorh. i. Orig.); zu den Gründen der Forderung nach verbesserter Publizität vgl. Quassowski, Publizität, 1932,402-404; zu den unterschiedlichen Ansichten, wie die Publizität zu verbessern sei, vgl. F. Lehmann, Rechnungslegung, 1930, 362. 380 Vgl. Bruch, Reform, 1932,56; Nörr, Entwicklung, 1986, 166: Die Notverordnung "zielte hauptsächlich auf eine verstärkte Publizität"; Quassowski, Publizität, 1932, 404; für Hachenburg, Bilanzvorschriften, 1932, Sp. 35, bilden die "Vorschriften über die verstärkte Offenlegung der Verhältnisse der AktGes. in Bilanz und Geschäftsbericht" "das Kernstück der Novelle"; zum Ausbau der Publizität durch die Notverordnung vgl. im einzelnen Quassowski, Publizität, 1932,407-418. 381 Vgl..Auler, Konzernbilanzen, 1935, 197-200; Quassowski, Publizität, 1932, 421-422; ders., Grundzüge, 1937, 1O-11; zur Forderung nach einer verbesserten Aussagekraft der Rechnungslegung über Konzernbeziehungen vgl. Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Wandlungen, 1930, 75-76, 90-92. 382 Vgl. Freericks, Bilanzierungsfähigkeit, 1976,49; Wysocki/Halbinger, Bilanz, 1981, Sp. 164-165; zu den Bewertungsvorschriften vgl. im einzelnen Quassowski, Aktienrechtsnovelle, 1931,2915- 2917; Nothwang, Notverordnung, 1933,29-40. 383 Siehe oben S. 103.

c. Die Entwicklung des speziellen Bilanzrechts bis 1985

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entschieden abgelehnte 385 bilanzrechtliche Neuerung der Notverordnung ist die Einführung der Pflichtprüfung des Jahresabschlusses durch externe Revisoren (§ 262a Abs. 1 HGB n.F.). Der entscheidende Anlaß für den Gesetzgeber, die bis dahin schon bei vielen Aktiengesellschaften auf freiwilliger Basis durchgeführte Jahresabschlußprüfung 386 gesetzlich verbindlich vorzuschreiben, ist der Zusammenbruch der FAVAG, der zweitgrößten deutschen Versicherungsgesellschaft, bei der der Aufsichtsrat als Kontrollinstanz völlig versagt hat387 . Über die Ausgestaltung der Pflichtprüfung, die ergänzend neben die Kontrolle der Rechnungslegung durch den Aufsichtsrat tritt388 , werden in §§ 262a Abs. 2 bis 262g HGB n.F. detaillierte Vorschriften gegeben 389 . Zur Durchführung der

384 Vgl. R. Fischer, Revision, 1920,670,673-676; Hecht, Mißstände, 1903,271-272; Müller-Erzbach, Entartung, 1926,27; o.V., Revision IV, 1926,4; Voß, Revision, 1927, 19-21; auf dem 28. Deutschen Juristentag wird die Einführung einer Ptlichtprüfung verlangt (vgl. Rehm, Verantwortlichkeit, 1905,28-30,39-40; Rießer, Referat, 1907, 594-595); ebenso K. Lehmann, Grundsätze, 1912,539, in seinem Gutachten für den 31. Deutschen Juristentag. 385 Auf dem 34. Deutschen Juristentag, der sich mit der Frage der Ptlichtprüfung beschäftigt, wird deren Einführung abgelehnt (vgl. Solmssen, Bericht, 1927, 729-730, 733-734; Heymann, Bericht, 1927,745-746; Schlegelberger, Diskussionsbeitrag, 1927, 780; ablehnend auch das Gutachten von J. Lehmann, Reform, 1926,320-323; a.A. nur A. Pinner, Bericht, 1927,648-654); ablehnend ferner Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Wandlungen, 1930, 62-63; Bondi, Ptlichtrevision, 1930, Sp. 1309; Deutscher Anwaltsverein, Reform, I. Teil, 1929, 109; Geiler, Strukturwandlungen, 1928,65-66; Lifschütz, Fragebogen, 1929, 141; W. Ludewig, Hauptprobleme, 1929,68-69,165; Rosendorff, Bankbrüche, 1902, 195-196; Ständige Deputation des deutschen Juristentages, Bericht, 1928,23. 386 Nach Schätzung von Klausing, Reform, 1933, 173-174, ließen sich vor 1931 bereits etwa 60 % der Aktiengesellschaften freiwillig prüfen; vgl. ferner Beham, Pflichtprüfungswesen, 1940,28; Gerstner, Bilanzpublizität, 1930, 198; Meisel, Wirtschaftsprüfer, 1992, 174-175. 387 Vgl. Alsheimer, Gründerkrise, 1988,477-478; Nickel, Einfluß, 1935, 66-74; Schmölder, Entwurf, 1930,2625; zu den Motiven des Gesetzgebers vgl. Reichsjustizministerium, Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften, 1930, 115: "Die Ereignisse der jüngsten Zeit haben bestätigt, daß eine Beaufsichtigung und Nachprüfung des Rechnungswesens der Aktiengesellschaften erforderlich ist. Die regelmäßige Rechnungsprüfung ... kann ... zur Gesundung des Aktienwesens und zu seiner Sicherung in erheblichem Maße beitragen." 388 Vgl. Schmölder, Entwurf, 1930,2626: "Die Pflichtrevision ersetzt nicht die Aufsichtsfunktionen des AR. (erg.: Aufsichtsrats), sie ergänzt sie nur"; ferner Forster, Aufsichtsrat, 1988, 790-795; Theisen, Zusammenarbeit, 1994, 810-811; den Verzicht auf die Kontrolle der Rechnungslegung durch den Aufsichtsrat bei Einführung der Ptlichtprüfung fordern dagegen R. Fischer, Revision, 1920,670,673-674; Homburger, Neugestaltung, 1931, 19-20; Hecht, Mißstände, 1903, 271. 389 Zum Inhalt der Prüfungsvorschriften vgl. Gerstner, Bilanzrevision, 1932, passim; Klausing, Reform, 1933,210-244; Rosendorff, Aktienrecht, 1932, 256-269.

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1. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

Pflichtprüfung schafft der Gesetzgeber als neuen Berufsstand den "öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer"390. 5. Das Aktiengesetz von 1937

Die bilanzrechtlichen Vorschriften der Notverordnung von 1931 bilden bis zum Aktiengesetz von 1965 die Grundlage der aktienrechtlichen Rechnungslegung. Als im Jahre 1937 die angestrebte Verselbständigung des Aktienrechts mit dem Erlaß des AktG391 erfolgt, werden die bilanzrechtlichen Bestimmungen der Notverordnung von 1931 in Einzelheiten verbessert und verschärft, grundsätzlich aber unverändert übernommen und als eigener Teil des AktG unter der Überschrift "Rechnungslegung" zusammengefaßt (§§ 125 bis 144 AktG)392. Die Verpflichtung des Vorstands, "dafür zu sorgen, daß die erforderlichen Bücher geführt werden", wird außerhalb dieses Teils in § 82 AktG geregelt. Mit Ausnahme der neu eingeführten strafrechtlichen Bestimmung des § 301 Abs. 1 AktG, der die richtige Wiedergabe des Jahresabschlusses nach § 144 AktG sicherstellen soll, werden die bisherigen bilanzrechtlichen Straf- und Zwangsgeldtatbestände im wesentlichen unverändert übernommen (§§ 296 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 302 und 303 Abs. 1 AktG)393. Eine wichtige gesetzliche Neuerung stellen §§ ·135 Abs. 1 S. 2 394 und 202 AktG dar, die einzelne Fälle aufführen, in denen der festgestellte Jahresabschluß nichtig ist. 6. Das Aktiengesetz von 1965

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzen neue aktienrechtliche Reformbestrebungen ein 395 , die mit dem Erlaß des AktG von 1965 396 , der sogenannten Großen 390 Erste Verordnung zur Durchführung der aktienrechtlichen Vorschriften der Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie v. 15.12.1931, RGBl. 11931,760, Anlage; vgl. dazu Meisel, Wirtschaftsprüfer, 1992, 180-189. 391 Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) v. 30.1.1937, RGBJ. I 1937, 107; zur Entstehung des Gesetzes vgl. W. Schubert, Einleitung zu Band 1,1986, XXV-L. 392 Zum .Inhalt der neuen Rechnungslegungsvorschriften vgl. K. Barth, Entwicklung, Bd. 1,1953,100-109; Hefermehl, Rechnungslegung, 1937, passim; HerbiglGeßler/Hefermehl, Aktiengesetz, 1937, 188-190. 393 Vgl. Fuhrmann, in: Geßler/Hefermehl/EckardtlKropff, AktG, 1976-1994, Vor § 399 Rdn. 1. 394 Zum Hintergrund dieser Neuerung siehe unten S. 433-435. 395 Zu den verschiedenen Reformvorschlägen vg\. C. E. Fischer, Reform, 1955, 187-197. 396 Aktiengesetz v. 6.9.1965, BGB\. 11965,1089.

C. Die Entwicklung des speziellen Bilanzrechts bis 1985

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Aktienrechtsrefonn, ihren Abschluß finden. Leitgedanke der Refonn ist es, die Stellung des Aktionärs zu stärken, die Aktie als Finanzierungsmittel wiederzubeleben und weite Bevölkerungskreise am volkswirtschaftlichen Produktionsvennögen zu beteiligen, um damit das Aktienrecht an die Grundsätze der neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung anzupassen 397 . In Umsetzung dieser Ziele erfährt das aktienrechtliche Bilanzrecht, das zusammen mit dem Konzernrecht den Schwerpunkt der Reform darstellt398 , in § § 148 bis 178 AktG einige bedeutsame Änderungen 399 . Die wichtigste4OO , seit langem geforderte401 Änderung erfolgt durch die neuen Bewertungsvorschriften der §§ 153 bis 156 AktG. Indem das Wort "höchstens" aus den bisherigen Bewertungsvorschriften entfällt, verlieren die aktienrechtlichen Bewertungsvorschriften ihren Charakter als reine Höchstwertvorschriften. Die bisherige Bewertungsobergrenze wird zugleich zur Bewertungsuntergrenze. An die Stelle des begrenzenden Niederstwertprinzips402 tritt damit das fixierende Niederstwertprinzip403 oder Fixwertprinzip404. Die bisher fast uneingeschränkt zulässige Bildung stiller Willkürreserven405 wird mit dieser Neuregelung fortan weitgehend ausgeschlossen406 .

397 Vgl. Entwürfe eines Aktiengesetzes, BT-Drs. IV/l7I, 92-93; ferner Schäffer, Aktienrechtsreform, 1958, 1253; Forster, Aktiengesetz, 1965,586 m.w.N.; Hueck, Reform, 1963,18-19. 398 Vgl. Döllerer, Rechnungslegung, 1965, 1405 m.w.N. 399 Zum Inhalt der neuen Rechnungslegungsvorschriften vgl. ebd., passim; EBer, Gliederungsvorschriften, 1965, passim. 400 Der herausragende Stellenwert, der dem AktG 1965 infolge seiner Bewertungsbestimmungen in der Geschichte des deutschen Bilanzrechts zukommt, findet seinen Ausdruck in Beurteilungen wie "ein Markstein in der Geschichte des deutschen Bilanzrechts" (Döllerer, Rechnungslegung, 1965, 1411) oder "ein grundlegender Wandel in der Bedeutung der Rechenschaftslegung" (Goerdeler, Publizität, 1992, 242). 401 Siehe unten S. 480-482; aus der dem AktG 1965 vorangehenden umfangreichen Reformdiskussion vgl. nur Caemmerer, Publizitätsinteressen, 1962, 144-154; Rasch, Gebiete, 1957, 18-26; Stützei, Aktienrechtsreform, 1960, 956-959; a.A. etwa Riebei, Reserven, 1958, passim. Nach einer Schätzung von Bühler, Aktionär, 1956,3, weisen die deutschen Aktiengesellschaften als Folge der umfangreichen Bildung stiller Reserven nur etwa ein Drittel der tatsächlich erzielten Gewinne aus. 402 Vgl. Busse von Colbe/Chmielewicz, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986,300-301; Chmielewicz, Kommission, 1988, 80. 403 Vgl. Chmielewicz, Regierungsentwurf, 1982, 288. 404 Vgl. Albaeh, Bewertungsprobleme, 1966,377. 405 Zum Begriff der "Willkürreserven" und ihrer Abgrenzung von den ,,Zwangsreserven" und "Ermessensreserven" vgl. Mellerowicz, in: Gadow/Heinichen/Schmidt/ SchmidtlWeipertlFischer, AktG, 1970, Vorbem. §§ 153-156 Anm. 13-17; Priester, Reserven, 1991,374; D. Schneider, Rechnungswesen, 1997, 195-197; zu den verschiedenen Arten stiller Reserven vgl. ferner die Übersicht bei Küting, Erfolgsanalyse, 1998, 3.

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1. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts

Neben dem grundsätzlichen Verbot stiller Reserven wird die Aussagefähigkeit der Rechnungslegung durch eine verbesserte Gliederung der Bilanz und erweiterte Berichtspflichten im Geschäftsbericht ausgebaut407 . Mit §§ 329 bis 338 AktG wird erstmals die Konzernrechnungslegung eingehend geregelt408 . Die bisherigen bilanzrechtlichen Nichtigkeits-. Straf- und Zwangsgeldbestimmungen werden in §§ 256. 400. 403. 404. 405 Abs. I Nr. 5 und 407 Abs. 1 AktG weitgehend unverändert übernommen. Die bilanzrechtlichen Bestimmungen des AktG von 1965 gelten ohne größere Änderungen bis zum Inkrafttreten des BiRiLiG.

It Das GmbH-rechtliche Bilanzrecht 1. Das Gesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1892

Als im Jahre 1892 mit dem Erlaß des GmbHG 409 die Rechtsform der GmbH durch den deutschen Gesetzgeber geschaffen wird. um die Rechtsformenlücke zwischen den unbeschränkt haftenden Personenhandelsgesellschaften einerseits und der in ihrer Haftung zwar beschränkten. aber gesetzlich stark regulierten und daher wenig flexiblen Aktiengesellschaft andererseits zu schließen. werden mit §§ 41 und 42 auch zwei bilanzrechtliche Vorschriften in das Gesetz aufgenommen. Bei der Ausgestaltung dieser Bestimmungen orientiert sich der Gesetzgeber an den Bestimmungen des Aktienrechts und übernimmt diese. soweit sie ihm für die neue Rechtsform geeignet erscheinen 41O • In § 41 Abs. 1 GmbHG werden "die Geschäftsführer ... verpflichtet. für die ordnungsmäßige Buchführung der 406 Zu den neuen Bewertungsvorschriften und den Fällen. in denen es infolge von Wahlrechten weiterhin zur Bildung stiller Willkürreserven kommen kann, vgl. Forster, Aktiengesetz, 1965, 589-594; Mellerowicz, in: Gadow/Heinichen/Schmidt/Schmidtl WeipertlFischer, AktG, 1970, Vorbem. §§ 153-156 Anm. 6-7,18-25. 407 Vgl. Entwürfe eines Aktiengesetzes, BT-Drs. IV/171 , 93-94, 165; Forster, Aktiengesetz, 1965,586-589,595-597; Freericks, Bilanzierungsfahigkeit, 1976,51. 408 Zu den diesbezüglichen Motiven des Gesetzgebers vgl. Entwürfe eines Aktiengesetzes, BT-Drs. IV/17 I , 240-241. 409 Gesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung v. 20.4.1892, RGBI. 1892,477; zugrunde gelegt wird im folgenden das Gesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Ld.F. der Bek. v. 20.5.1898, RGBI. 1898, 846; zur Entstehung des GmbHG vgl. W. Schubert, Gesellschaft, 1982/83, passim; ders., GmbHGesetz, 1992,4-29; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 1992, Einl. Rdn. 3-6. 410 Vgl. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages, 8. Leg.-Per.. I. Sess. 1890/92,5. Anlagebd., Akt. Nr. 660, 3748-3750.

C. Die Entwicklung des speziellen Bilanzrechts bis 1985

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Gesellschaft zu sorgen". § 41 Abs. 2 GmbHG verlangt von ihnen, neben der Bilanz eine Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen, und regelt zusammen mit Abs. 3 die Aufstellungsfrist. Eine Verpflichtung zur Rechnungslegungspublizität - einer der zentralen Streitpunkte bei der Entstehung des Gesetzes411 und bis heute mit der eng verbundenen Frage der Pflichtprüfung das Kernproblem des GmbH-Bilanzrechts - sieht das GmbHG grundsätzlich nicht vor412 . § 42 GmbHG, das Gegenstück zu Art. 185a ADHGB Ld.F. vom 18.7.1884, enthält einzelne Bestimmungen über die Bilanzaufstellung. Die Einhaltung der Buchführungsvorschriften wird über Strafvorschriften gesichert. Neben das Konkursstrafrecht, das in § 83 GmbHG auf die GmbHGeschäftsführer für anwendbar erklärt wird413 , tritt mit § 82 Abs. 1 Nr. 3 (seit 1980414 : § 80 Abs. 2 Nr. 2) GmbHG eine der aktienrechtlichen Stratbestimmung des Art. 249b Abs. 1 Nr. 1 ADHGB i.d.F. v. 18.7.1884 nachgebildete Vorschrift. Eine bilanzrechtliche Ordnungsstraf- bzw. Zwangsgeldvorschrift kennt das GmbHG im Gegensatz zum Aktienrecht nicht415 .

411 Eine Bilanzpublizität wird insbesondere von Oechelhäuser, dem "geistige(n) Vater des GmbH-Gesetzes" (W. Schubert, Gesellschaft, 1982/83, 594), gefordert (vgl. Sitzung des Reichstags am 24.3.1884, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages, V. Leg.-Per., IV. Sess. 1884, I. Bd., 221). Später ändert Oechelhäuser jedoch seine Meinung (vgl. Sitzung des Reichstags am 19.2.1892, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTags, VIII. Leg.-Per., I. Sess. 1890/92,6. Bd., 4304). Der Deutsche Handelstag und die Mehrheit der preußischen Handelskammern lehnen eine Bilanzpublizität ab (vgl. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages, 8. Leg.-Per., I. Sess. 1890/92, 5. Anlagebd., Akt. Nr. 660, 3761,3763,3767,3769; ablehnend ferner Holdheim, Gesellschaften, 1892,48; Loewenfeld, Entwurf, 1884, 33-36). Ein bei der Beratung der Gesetzesvorlage im Bundesrat eingebrachter Antrag Hessens, für die Bilanz eine Veröffentlichungspflicht einzuführen, findet keine Unterstützung (vgl. W. Schubert, GmbH-Gesetz, 1992,28). In der dritten Lesung des Gesetzentwurfs beklagt sich Broemel über die fehlende Bilanzpublizität (vgl. Sitzung des Reichstags am 21.3.1892, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTags, VIII. Leg.-Per., I. Sess. 1890/92,7. Bd., 4885); zu den Motiven des Gesetzgebers, auf die Einführung einer Publizitätspflicht zu verzichten, vgl. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages, 8. Leg.-Per.,I. Sess. 1890/92.5. Anlagebd., Akt. Nr. 660, 3749. 412 Eine Publizitätspflicht besteht nach § 41 Abs. 4 GmbHG, der in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens in das Gesetz gelangt (vgl. Bericht der XXV. Kommission, Stenogr. Ber. über die Verh. des RTages, 8. Leg.-Per., I. Sess. 1890/92, 6. Anlagebd., Akt. Nr. 744, 4006, 4009-40 \0; hierzu auch Rittner, Publizität, 1964, 46), nur für eine GmbH, die Bankgeschäfte betreibt. 413 Zu den Gründen und der weiteren Entwicklung dieser Vorschrift vgl. Tiedemann, in: Scholz, GmbHG, 1995, Vor §§ 82 ff. Rdn. 28. 414 Art. I Nr. 29 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften v. 4.7.1980, BGBI. I 1980, 836.

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I. Teil: Die historische Entwicklung des Handelsbilanzrechts 2. Die gescheiterten Reformvorhaben

Die bilanzrechtlichen Vorschriften des GmbHG von 1892 bleiben bis zum BiRiLiG weitgehend unverändert416 . Im Gegensatz zum aktienrechtlichen Bilanzrecht, dessen "Geschichte ... durch eine stetige Verbesserung der Rechnungslegungsvorschriften gekennzeichnet (ist),,417, weist das GmbH-Bilanzrecht damit "eine bemerkenswerte Stabilität,,418 auf. Gleichwohl hat es im Rahmen der zwei gescheiterten, im Anschluß an die Aktienrechtsreformen von 1937 und 1965 unternommenen Anläufe zu einer umfassenden GmbH-Rechtsreform 419 nicht an Versuchen gefehlt, auch das "laxere,,420 GmbH-Bilanzrecht neu zu gestalten. In enger Anlehnung an die Beratungen des im Jahre 1937 errichteten Ausschusses für GmbH-Recht der Akademie für Deutsches Recht421 erstellt das Reichsjustizministerium im Jahre 1939 einen GmbHG-EntwurfU2 . In §§ 87 bis 96 des Entwurfs werden die rudimentären bilanzrechtlichen Vorschriften des GmbHG erheblich ausgebaut und in einem eigenen Teil "Rechnungslegung" zusammengefaßt. Vorbild dieser Bestimmungen sind die Rechnungslegungsvorschriften des AktG von 1937423 , die jedoch nicht undifferenziert auf die GmbH übertragen werden. Der Entwurf nimmt eine Größendifferenzierung vor. Während die aktienrechtlichen Vorschriften für Gesellschaften mit mindestens zwei Millionen Reichsmark Stammkapital (§ 95 Abs. I S. I) im Kern unverändert übernommen werden, sind für die darunterliegenden Gesellschaften geringere Anforderungen vorgesehen424 . Die wichtigste Unterscheidung betrifft die Prüfungs- und Publizitätspflicht, deren Ausdehnung auf jede425 bzw. wenigstens 415 Vg!. Staub, GmbHG, 1903, § 41 Anm. 33: "Dagegen findet ein Zwang durch den Registerrichter hier nicht statt." 416 Vg!. Schulze-Osterloh, Rechnungslegung, 1992,502-503. 417 Döllerer, Referentenentwurf, 1958, 1410. 418 Schulze-Osterloh, Rechnungslegung, 1992,501. 419 Zum ersten Reformvorhaben und der vorangehenden Reformdiskussion vg!. W. Schubert, Einführung, 1986,25-90; fernerders., Einleitung, 1986, passim; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 1992, Ein!. Anm. 56; zum zweiten Reformanlauf vg!. Gessler, GmbH-Novelle, 1980, 1385; Mosthof, Reformen, 1994,26-40; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 1992, Ein!. Anm. 57. 420 K. Lehmann, Grundsätze, 1912, 540. 421 Zu den Beratungen des Ausschusses vg!. W. Schubert, Einführung, 1986,70-83. 422 Entwurf eines Gesetzes über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, abgedruckt in: W. Schubert, Entwurf, 1985,94-146. 423 Vg!. Entwurf einer amtlichen Begründung, abgedruckt in: W. Schubert, Entwurf. 1985. 147-198, hier 180. 424 Vg!. ebd., 180. 425 Vg!. Crisolli. G.m.b.H., 1935, 1171; R. Fischer, Revision, 1920, 675-676; Klausing. Reichsgesetz, 1936, 54; ohne sich über die Frage der Pflichtprüfung zu äußern.

C. Die Entwicklung des speziellen Bilanzrechts bis 1985

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auf die große GmbH426 unter Berufung insbesondere auf die Haftungsbeschränkung und die Konkursanfälligkeit der GmbH seit 1892 wiederholt gefordert worden ist427 . Nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 und 5 des Entwurfs ist nur die große

GmbH verpflichtet, ihren Iahresabschluß prüfen zu lassen, zu veröffentlichen und zum Handelsregister einzureichen428 .

Der zweite Anlauf zu einer grundsätzlichen GmbH-Rechtsreform führt im Iahre 1969 zur Veröffentlichung eines Referentenentwurfs429 , der ohne größere Änderungen dem Bundestag im Iahre 1971 und 1973 als Regierungsentwurf vorlegt wird43o . Der Referentenentwurf enthält mit §§ 127 bis 155431 eine detaillierte Regelung der GmbH-Rechnungslegung, deren Ausgestaltung sich wiederum eng an die aktienrechtlichen Bestimmungen anlehnt432 . Eine Prüfungspflicht sieht der Entwurf in § 138 Abs. I S. 1 nur für Gesellschaften mbH mit einer Bilanzsumme von mehr als vier Millionen DM vor, während er in § 152 Abs. 1 S. 1, der "einschneidendste(n) Neuerung des Entwurfes auf dem Gebiete der Rechnungslegung,,433, jede GmbH unabhängig von ihrer Größe verpflichtet, ihre Bilanz beim Handelsregister einzureichen 434 . sprechen sich für eine Bilanzpublizität aus Brodmann, Revision, 1937,382; Heilbrunn, Gesetzgebung, 1917.85; Liebmann. Gesellschaft, 1902,329; ders., Reform, 1910, Sp. 681; für eine Prüfungspflicht der GmbH ferner Wanieck, Vorschläge, 1933,52. 426 Vgl. Buchholz, Publizität, 1938, Sp. 934-936; Burmeier, Gesellschaft, 1936, 429-430; Danielcik, GmbH.-Reform, 1938, 358; Institut der Wirtschaftsprüfer, Rechenschaftslegung, 1938,290-291; W. Koch, Wirtschaftsprüfung, 1935,352. 427 Ablehnend dagegen Hachenburg, Rundschau, 1930, Sp. 604-605; Reinhart, Gesellschaft, 1934, Sp. 1313-1314; gegen eine Publizitätspflicht für die GmbH, ohne zum Problem der Pflichtprüfung Stellung zu nehmen, ferner Crüger, Recht, 1914,29; Hollaender, Reform, 1915,76-77,80-81; Molitor, G.m.b.H., 1927,53-54 m.w.N.; Pusch, Reform, 1914,56-58; K. Schaefer, Notwendigkeit, 1937,51-52; R. Schmidt, Reform, 1938,36-37. 428 Zur Begründung dieses Schritts vgl. Entwurf einer amtlichen Begründung, abgedruckt in: W. Schubert. Entwurf. 1985, 147-198. hier 180. 182-183. 429 Bundesministerium der Justiz. Referentenentwurf. 1969. 430 Entwürfe eines Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, BT-Drs. VI13088 = BT-Drs. 7/253. 43\ Zum Inhalt dieser Vorschriften vgl. Fleddermann, Referentenentwurf, 1969. 99-10 1; Gessler. Reform. 1969. 593-594. Die entsprechenden Paragraphen der bei den Regierungsentwürfe sind §§ 127 bis 151. 432 Vgl. Bundesministerium der Justiz. Referentenentwurf, 1969.284; Forster. Rechnungslegung. 1970.94-96; Rittner, Rechnungslegung, 1970. 135-136. 142. 433 Forster, Rechnungslegung. 1970. 117. 434 Kritisch gegenüber einer sich auf jede GmbH erstreckenden Publizitätspflicht Böning, Rechnungslegung. 1969. 2141-2143; Fleddermann. Referentenentwurf, 1969. 101; Goerdeler. Jahresabschluß. 1970, 167; Rittner. Publizität. 1964. 158-159; ders .• Rechnungslegung, 1970. 148-152; a.A. CoenenberglLuckanlSieben, Rechnungslegungsvorschriften. 1970, 147-148. 8 Icl