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German Pages 305 [306] Year 1970
NIKOLAUS PFANDER
Die Zusage im öffentlichen .Recht
Schriften zum Steuerrecht Band 7
Die Zusage im öffentlichen Recht Zugleich ein Beitrag zur Lehre von vorbeugendem Rechteschutz und Vertrag, von Auskunft und Treu und Glauben im öffentlichen Recht, unter besonderer Berückaichtigung dee Steuer·, Beamten· und Baurechts
Von
Dr. Nikolaus Pfander Rechtsanwalt
DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN
Alle Rechte vorbehalten
@ 1970 Dunck.er & Humblot, Berlln 41
Gedruckt 1970 bei Alb. Sayff aerth, Berlin 61 Printed in Ge rmany
Meinen Eltern
Vorwort Vorliegendes Buch ist als ein -wenn auch bescheidener- Beitrag zur Lösung einiger noch ungeklärter Probleme des allgemeinen Verwaltungsrechts gedacht. Eine Kodifikation dieses für die Systematik und das Verständnis aller Bereiche des öffentlichen Rechts so wichtigen Rechtsgebiete steht bisher aus. Endgültiges hat sich noch nicht zu formieren vermocht. Den Grund hierfür sehe ich in der bei der Herausarbeitungallgemeiner Regeln des Verwaltungsrechts bislang angewandten juristischen Methodik. Anstatt ausgehend von den in besonderen Zweigen des öffentlichen Rechts gesammelten Erfahrungen dieselben nutzbringend bei einer Verallgemeinerung zu verwerten, wird zumeist der umgekehrte Weg beschritten. Im Anschluß an eine mehr oder weniger geglückte abstrakte Begriffsbildung ist man versucht, hierauf ein allgemein-gültiges Regelgebäude aufzubauen und dieses in besonderes Verwaltungsrecht umzusetzen. Derartiges Unterfangen ist m. E. bereits im Ansatz zum Scheitern verurteilt. Denn der praktischen Aufgabe des allgemeinen Verwaltungsrechts, gültige Klammer zwischen den mehr und mehr auseinanderstrebenden Zweigen des öffentlichen Rechts zu sein, vermag man so nur ungenügend Rechnung zu tragen. Darin habe ich die innere Rechtfertigung für mein Vorhaben gesehen, das besondere Verwaltungsrecht zum Ausgangspunkt meiner Betrachtungen zu machen. Die Aufgabe, allgemeine Zusageregeln zu formulieren, kann sich m. E. erst stellen, wenn und soweit man festgestellt hat, welche Probleme sich bei einer praktischen Anwendung der Zusage in Bereichen des besonderen Verwaltungsrechts ergeben, und ob die dort gefundenen Lösungen eine Verallgemeinerung fordern und zulassen. Sinn und Zweck der Arbeit wären weitgehend erfüllt, wenn ich diesbezüglich beim Leser Verständnis oder gar Bestätigung finden dürfte. Für den Leser, der weder Methodik noch Grundkonzeption dieser Arbeit zu billigen vermag, braucht eine Lektüre - jedenfalls des 1. Teiles - gleichwohl nicht ohne praktischen Nutzen zu sein. Es ist - soweit ich sehe - erstmalig der Versuch unternommen worden, möglichst sämtliche die Zusage betreffenden Entscheidungen, Veröffentlichungen und Gesetzesvorschriften in Steuer-, Beamten- und Baurecht herauszusuchen und systematisch zusammenzustellen. Dem Urteil des Praktikers mag es überlassen bleiben, inwieweit dieses Vorhaben gelungen ist. Aus den verschiedensten Gründen ist es leider nicht möglich gewesen,
Vorwort
8
die nach 1967 veröffentlichten Entscheidungen noch zu berücksichtigen. Ich hoffe, daß dadurch der Wert der Arbeit nicht allzusehr beeinflußt wird. Entscheidendes hat sich auf diesem Rechtsgebiet seit jener Zeit ohnehin nicht getan (vgl. z. B. Immensberger, Problematik von Zusage und Auskunft im Steuerrecht, NJW 70, S.l116 m. w. N.). Allen, die mir bei der Abfassung der Arbeit mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben, bin ich zu großem Dank verpflichtet. Mein besonderer Dank gebührt Herrn Ministerialrat a. D. Dr. J. Broermann für die Aufnahme des Buches in die vorliegende Schriftenreihe. Möge es sich dieser Ehre als würdig erweisen! Bremen, im Juli 1970 Nikolaus Pjande1
Inhaltsverzeichnis Einleitung
17
1. Die Bedeutung der Zusage für das heutige Verwaltungsrecht . .
17
2. Gedankengang der Untersuchung- Thematische Begrenzung .
25
Erster Teil
Die Erscheinungsformen der Zusage in Gesetz und Praxis
39
Erstes Kapitel: Die Zusage im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
I. Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage . . . .
40
1. Die Zollauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
2. Die Lohnsteuerauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
3. Der Entwurf eines allgemeinen Auskunftsverfahrens im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
4. Zusageähnliche Formen gesetzlich vorgesehenen Verwaltungshandeins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
li. Erscheinungsformen der Zusage in der Verwaltungspraxis . . . . . . .
81
1. Die Auskunftsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
2. Die Vereinbarungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
3. Die abweichenden Zusageregeln des Schrifttums .. . . .. . . . ... .. 111 Zusammenfassung .. . . ...... . . . .. . .. .. .. .. . .. .. .. . . . .... .. ... .. .. . . 116 Zweites Kapitel: Die Zusage im Beamtenrecht . . . ... ....... . . . . .... . 117 I. Schrifttum und Rechtsprechung zur Zusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
1. Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
2. Das Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
10
Inhaltsverzeichnis II. Die Geschichte der Zusage im Beamtenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Die Herausbildung eines Staatsbeamtenturns im Zeitalter des
aufgeklärten
~bsolutismus
............. . ................ . . . . 132
2. Die Herausbildung einer speziellen Formtypik des öffentlichen Rechts im Zeitalter der Liberalisierung und Demokratisierung des Staatslebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 111. Die Einzelprobleme der Zusage bei Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Drittes Kapitel: Die Zusage im Baurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 I. Die gesetzlich geregelten Formen der Zusage .............. . ... .. 159
1. Vorbescheid und Bebauungsgenehmigung . . ......... . . .. . . ... 159
2. Die Bodenverkehrsgenehmigung . ..... ...... .. . . ..... .. . .. . . . 168 II. Die baurechtliche Zusagen in der Verwaltungspraxis ... . ...... . . 177 1. Die Baugenehmigungszusagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
2. Die Erschließungsbeitragszusagen .. . . .. ........ . ....... ... ... 208 Zusammenfassung .. . . .. .. . ... . . . .......... ... . .. . . ......... . . . . .. . 219
Zweiter Teil
Die Zusage als Bestandteil des allgemeinen Verwaltungsrechts
220
Erstes Kapitel: Zulässigkeit der Zusage und ihre Grenzen .. ..... .... . 220 I. Entscheidungshoheit als Zulässigkeitsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
1. Zusagen nach Sachverhaltsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
2. Zusagen im Ermessens- und Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . 230 3. Die Unterlassungszusagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 II. Vertrag als Zulässigkeitsgrenze
240
1. Das Gegenleistungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
2. Das Vergleichsinteresse ........... .. . .. . .. . . . . ..... . . .. . . . .. 247 3. Vertragsbedürfnis bei fehlendem Vergleichs- und Gegenleistungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
Inhaltsverzeichnis
i1
Zweites Kapitel: Verfahrensregeln der Zusage . . . ........... . .. ... . . . 255
I. Gerichtsschutz und Rechtsnatur ...... . . . . ..... . ....... . .. . . . . .. 255 1. Die besondere begünstigende Wirkung der Zusage und ihr Ein-
fluß auf die Bestimmung der Rechtsnatur der Zusage . . . . . . . . . 256
2. Die Bedeutung der Rechtsnatur für die Abgrenzung von der Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 II. Besonderheiten des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens . . . . . . . 270 1. Das Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
2. Das Verwaltungsverfahren ... . ........ . .. ... . . . . ........ .. . . 272 Drittes Kapitel: Materiellrechtliche Zusageregeln . .. . ... . .. . ... .. . .. . 273
I. Die Bindungswirkung der Zusage im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 1. Die Anwendbarkeit der Regeln über die Aufhebbarkeit von
Verwaltungsakten .. . . ........ .. ........ . ................. . . 273
2. Die Bindungswirkung der Zusage bei anfänglichem Verstoß gegen Gesetz und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Die Bindungswirkung bei wesentlicher Änderung der Entscheidungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 II. Das Recht auf die Zusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Die bisherigen Meinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
2. Die eigene Ansicht . ... . .. .... .·........ ... ...... . .. .... . : . . . . 284 III. Die Ersatzansprüche .. ... . ............. . ... ... ....... . .. . ...... . 286 1. Ansprüche bei ursprünglicher Unwirksamkeit der Zusage . . . . . 287 2. Ansprüche bei späterer Unwirksamkeit infolge Änderung der Sach- und Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 3. Ansprüche bei Nichteinhaltung einer wirksamen Zusa ge . . . . . . 288
Scbluß
289
Literaturverzeichnis
291
Sacllregister
302
Abkürzungsverzeichnis a.a.O.
am angegebenen Ort
Abg.
Abgeordneter
a. M.
anderer Meinung
Amtsbl.
Amtsblatt des Saarlandes
Anm.
Anmerkung
AöR
Archiv für öffentliches Recht
AO
Abgabenordnung
AOAG
Abgabenordnungsänderungsgesetz
AOAG-Entw. . . . Entwurf eines Abgabenordnungsänderungsgesetzes vom . . . (Jahreszahl) ArchBürgR
Archiv für bürgerliches Recht
AS Rheinl.-Pf.
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des rheinlandpfälzischen Oberverwaltungsgerichts
Az.
Aktenzeichen
AZO
Allgemeine Zollordnung
BauregelungsVO Verordnung über die Regelung der Bebauung Bayr.BauO
Bayerische Bauordnung
BayVGH
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
BayVGHE
Sammlung der Entscheidungen des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
BayVBl
Bayerische Verwaltungsblätter
BB
Betriebsberater
BBauBl
Bundesbaublatt
BBauG
Bundesbaugesetz
BBG
Bundesbeamtengesetz
Bayr.Bürgerm.
Der Bayerische Bürgermeister
Bearb.
Bearbeiter
Betr.
Der Betrieb
BFH
Bundesfinanzhof
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
Abkürzungsverzeichnis BDA
Besoldungsdienstalter
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BJahrb
Beamtenjahrbuch
BRDrs.
Bundesratsdrucksachen
BremBO
Bremische Bauordnung
BremGBl.
Bremisches Gesetzblatt
BSG
Bundessozialgericht
BTDrs.
Drucksachen des Deutschen Bundestages
BStBl
Bundessteuerblatt
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
BVGg
Bodenverkehrsgenehmigung
BWVBl
Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt
BZBl
Bundeszollblatt
c.r.s.st.
clausula rebus sie stantibus
d.
der, des
DöD
Der öffentliche Dienst
DöV
Die öffentliche Verwaltung
DGT
Deutscher Gemeindetag
DStR
Deutsche Steuerrundschau
DStZ (A)
Deutsche Steuerzeitung, Ausgabe A
DStZ(B)
Deutsche Steuerzeitung, Ausgabe B
DVBl
Deutsches Verwaltungsblatt
DWW E 1966
Deutsche Wohnungswirtschaft = AOÄG-Entw. 1966
EFG
Entscheidungen der Finanzgerichte
EinfGRealStG
Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen
ErbStG
Erbschaftssteuergesetz
EStG
Einkommenssteuergesetz
ESVGH
Entscheidungssammlung des Hessischen und des Württembergisch-Badischen Verwaltungsgerichtshofs
FA
Finanzamt
l''AZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FG
Finanzgericht
FGO
Finanzgerichtsordnung
FR
Finanzrundschau
13
Abkürzungsverzeichnis
14
G.
Gesetz
GBl.
Gesetzblatt
GewStG
Gewerbesteuergesetz
GG
Grundgesetz
GrErwStG
Grunderwerbssteuergesetz
GruchBeitr.
Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot
GS.
Preußische Gesetzessammlung
GVBI.
Gesetz- und Verordnungsblatt
Hamb.OVG
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
HandwO
Handwerksordnung
HansRZ
Hanseatische Rechtszeitschrift für Handel, Schiffahrt und Versicherung sowie für Hansestädtisches Recht
Hess.VGH
Hessischer Verwaltungsgerichtshof
HFR
Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung
Hirths Ann.
Annalen des Deutschen Reichs, begründet von Hirth
h.M.
herrschende Meinung
HRR
Höchstrichterliche Rechtsprechung
Inf.
Die Information der Steuer und Wirtschaft für Industrie, Handel, Handwerk und Gewerbe
i. d. F.
in der Fassung
i. e. S.
im engeren Sinne
JR
Juristische Rundschau
JuS
Juristische Schulung
JW
Juristische Wochenschrift
JZ
Juristenzeitung
KAG
Kommunalabgabengesetz
KStG
Körperschaftssteuergesetz
KStZ
Die kommunale Steuerzeitung
LB
Lehrbuch
LBauO
Landesbauordnung
Leg.Per.
Legislaturperiode
Lfg.
Lieferung
L.S.
Leitsatz
LVG
Landesverwaltungsgericht
MBliV
Ministerial-Blatt für die gesamte innere Verwaltung in den Königlich-Preußischen Staaten
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht
Abkürzungsverzeichnis m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
Nachrichtenbl.
Nachrichtenblatt für die Zollstellen
n. F.
neue Fassung
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NLG
Die Niedersächsische Landgemeinde
N.N.
non nominatus
NW
Nordrhein-Westfalen
NWB
Neue Wirtschaftsbriefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht
15
n.v.
nicht veröffentlicht
OLG
Oberlandesgericht
OVG
Oberverwaltungsgericht
OVGE PersVerk
Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster sowie für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg Der Personenverkehr
pr.
preußisch
pr.AnsiedlG
preußisches Ansiedlungsgesetz
pr.FlLG
preußisches Fluchtliniengesetz
PrOVG
preußisches Oberverwaltungsgericht
PrOVGE
Entscheidungen des preußischen Oberverwaltungsgerichts
PrVerwBl
Preußisches Verwaltungsblatt
R.
Rechtsspruch
RAG
Reichsarbeitsgericht
RArbBl
Reichsarbeitsblatt
RBG
Reichsbeamtengesetz
RdF
Reichsminister der Finanzen
Rdnr.
Randnummer
Recht
Das Recht. Rundschau für den Deutschen Juristenstand
RegBl.
Regierungsblatt für das Königreich Württemberg
RG
Reichsgericht
RGBl.
Reichsgesetzblatt
RGZ
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
rh.-pf.
rheinland-pfälzisch
RiA
Das Recht im Amt
RMR
Rechtsmittelrücknahme
RMV
Rechtsmittelverzicht
RRatDrs.
Reichsratsdrucksachen
Rspr.
Rechtsprechung
16
RStBl RTDrs. RVerwBl RWP-Bl. RZBl RZentrBl. Sächs.OVG Sächs.OVGE SeuffArch. SGb SKV Slg. SozVers StAnpG StbJb StRK- ... StuW StWa Thür.OVGE
Abkürzungsverzeichnis Reichssteuerblatt Reichstagsdrucksachen Reichsverwaltungsblatt Rechts- und Wirtschaftspraxis Reichszollblatt Zentralblatt für das Deutsche Reich Sächsisches Oberverwaltungsgericht Jahrbücher des sächsischen Oberverwaltungsgerichts J. A. Seufferts Archiv für die Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten
Die Sozialgerichtsbarkeit Staats- und Kommunalverwaltung Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs (1. 1920-54. 1952) und des Bundesfinanzhofs (55. 1952 ff.) Die Sozialversicherung Steueranpassungsgesetz Steuerberaterjahrbuch Steuerrechtskartei- ... (Gesetz) Steuer und Wirtschaft
TabakStAndG
Steuerwarte Jahrbuch der Entscheidungen des Thüringischen Oberverwaltungsgerichts Tabaksteueränderungsgesetz
VA VerwArch. VerwRspr.
Verwaltungsakt Verwaltungsarchiv Verwaltungsrechtsprechung
VG
Verwaltungsgericht
VGH
Verwaltungsgerichtshof
vo
Verordnung
VStG
Vermögenssteuergesetz
VwGO WarnRspr.
Verwaltungsgerichtsordnung Rechtsprechung des Reichsgerichts, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung des Reichsgerichts abgedruckt ist, herausgegeben von Warneyer
WohnsiedlG
Wohnsiedlungsgesetz
württ.BauO
Württembergische Bauordnung
ZBR
Zeitschrift für Beamtenrecht
ZfZ
Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern
ZVG
Zivilprozeßordnung
ZPO
Zwangsvollstreckungsgesetz
Einleitung 1. Die Bedeutung der Zusage für das heutige Verwaltungsrecht § 1
a) Unser modernes Verwaltungsleben steht unter dem Eindruck einer zunehmenden Expansion aller Bereiche unserer Verwaltung. "Die enge Verflochtenheit und die wechselseitige Abhängigkeit von Verwaltung und Bürger sind kennzeichnende Merkmale unserer Lage1 ." Damit stehen wir geschichtlich gesehen am Ende einer Entwicklung, die gemeinhin als die Entwicklung des Staates zum modernen Sozialstaat bezeichnet wird2 • Der Staat hat erkannt, daß er der Gesellschaft und die Gesellschaft seiner bedarf3• Er bekennt sich "zu einer sozialgerechten Gestaltung der Gesellschaftsordnung, und übernimmt mit die Aufgabe, erforderlichenfalls durch positive öffentliche Leistungen die Entfaltung der Persönlichkeit zu ermöglichen. Damit wird die Konsequenz aus unserer Entwicklung zur arbeitsteiligen Gesellschaft gezogen, daß sich der Rechtsstaat mit seinen veränderten und sich laufend weiter verändernden Realitäten mit ihren zahlreichen sozialen Abhängigkeiten des einzelnen für die Zukunft nur zu behaupten vermag, wenn er die verbleibenden und neu erschlossenen Bereiche persönlicher Entfaltung auch sozialgerecht gewährleistet"'. § 2
Es ist das Verdienst Zeidlers, nachgewiesen zu haben, daß die legitimen Ursachen für die Bedeutung der Zusage im modernen Verwaltungsrecht vor allem in dieser Entwicklung zu suchen sind5 • Starke Abhängigkeit von der Verwaltung und ein nicht ohne weiteres erfaßbarer Gesetzesinhalt, der die Vermutung, daß publizierte Normen auch dem Zeidler, S. 11. Rohwer/Kahlmann in DVBl. 62, S. 622 ff. (626). ~ Fritsch in StuW 51, S. 470 ff. (471). 4 Rohwer/Kahlmann, a. a. 0. Vgl. Zeidler, S. 8 ff. (11); ebenso Fritsch, a. a. 0., für das Steuerrecht; für das Beamtenrecht trifft das aber nur sehr bedingt zu, siehe §§ 127 ff.; a. M. Herzig, S. 2, 3. 1
2 Pfauder
18
Einleitung
nicht sachverständigen Publikum bekannt sind, als nichts mehr wie eine Fiktion erscheinen läßt, müssen zu einem Selbstverständnis der Verwaltung führen, das besser durch das Stichwort "Kundendienst" als durch "Herrschaft" charakterisiert ist6 • Der Staat muß durch Zusagen und Auskünfte dem schwachen Bürger helfen, "das für ihn passende Schräubchen einer riesigen Apparatur zu finden" 7 •
§ 3 b) Damit wird aber nur die eine Seite des Problems gekennzeichnet. Der Zusage liegt die Fragestellung zugrunde, ob und inwieweit sich die Behörde durch eigene, dem Bürger gegenüber abgegebene Erklärungen, zu künftiger "hoheitlicher" Verwaltungstätigkeit verpflichten darf8 • Dem steht ein wichtiges verfassungsrechtliches Bedenken entgegen. Nach unserer Verfassungsordnung unterliegt die Verwaltung keiner anderen Bindung als der durch Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG). Dieser Grundsatz wird immer so sehr vom Rechtsstaatsprinzip her gesehen9. Gleiche existentielle Bedeutung hat er aber auch für ein Funktionieren der Verwaltung selbst. Eine Demokratie ohne funktionsfähige Exekutive ist nicht lebensfähig, und wollte man sie noch über die verfassungsrechtlichen Schranken hinaus in ihrer Bewegungsfreiheit einengen, so leistete man vor allem der Demokratie einen schlechten Dienst. Längst ist das grundrechtsgebundene Ermessen, der urteilsgleiche Verwaltungsakt zur selbstverständlichen Voraussetzung jeder Exekutivhandlung geworden10• Daneben gerät aber leicht der Grundsatz des Rechts der Exekutive auf Exekutive in Vergessenheit. Die Ämter-11 , Abgabenß und Planungshoheit13 des Staates und seiner Körperschaften sind nicht leere Begriffe, sondern wollen diesem Bedürfnis Rechnung tragen. Gerade der Rechtsstaat des Grundgesetzes, der eine erhebliche Zunahme richterlicher Kompetenzen mit sich gebracht hat, so daß gelegentlich schon von einem Richterstaat gesprochen wird14, läßt es uns als ein legitimes Anliegen erscheinen, sich auf die verfassungsrechtlich garantierten Kompetenzen der Verwaltung zu besinnen. Auch heute noch erscheint es durchaus als problematisch, wenn einem Unternehmer 6 7
8 9
Zeidler, S. 11. Zeidler, S . 12.
Vgl. die Begriffsbestimmungen in§ 14 und§ 309.
So z. B. Zeidler, S. 12, 72.
Vgl. Bullinger, S. 249. u Siehe §§ 171 ff. 12 Siehe §§ 92 ff., 119 ff., 229 ff., 258 ff. 13 Siehe §§ 220, 229 ff. u Zeidler, S.10, 72. 10
Einleitung
19
Gewerbefreiheit für einen bestimmten Zeitraum bei Zuzug in eine Gemeinde zugesagt wird15• Wie will die Gemeinde ihre Selbstverwaltungskompetenzen wirksam wahrnehmen, wenn innerhalb dieser Frist dringende kommunalpolitische Anliegen auftauchen, die nur unter Heranziehung gerade dieses Unternehmers zur Gewerbesteuer gemeistert werden können? Wird nicht das Funktionieren des Staatsapparates, der auf einer sorgfältig ausgesuchten Beamtenschaft beruht, in Frage gestellt, wenn der Staat durch Zusagen gehindert sein soll, jederzeit den ihm am geeignetsten Erscheinenden mit einem Amt zu betrauen18?
§ 4 Als sicher dürfte jedenfalls gelten, daß die Zusage der Behörde nicht das Recht auf die Amtsausübung als solche nehmen darf17• Denn die der Verwaltung in Art. 20 Abs. 2 GG eingeräumte Befugnis, objektives Recht durch hoheitliche Entscheidung in eine Rechtsregelung gegenüber dem Staatsbürger umzusetzen, muß als die wesentliche Kompetenz der Exekutive in unserem Verfassungssystem angesehen werden18. Es sollte zu denken geben, daß von der Rechtsprechung bei Vorliegen eines Lebenssachverhaltes, der die Behörde an sich zum Eingreifen berechtigt, lediglich vorbeugende Feststellungsklagen19, nicht aber vorbeugende Unterlassungsklagen20 zugelassen worden sind, wenn ein belastender Verwaltungsakt angedroht worden ist. "Das Gericht verwaltet nicht21 ", 15 BVerwG v. 5. 6. 1959, BVerwGE 8, 329 = DVBI. 59, 710 = BStBI. I 59, 1002 (Gemeindliche Zusage an Fabrikanten, ihm bei Zuzug in die Gemeinde Gewerbesteuerfreiheit für 5 und Grundsteuerfreiheit für 2 Jahre zu gewähren); vgl. früher schon Sächs. OVG v. 11.11.1907, Sächs. OVGE 11, 332; BayVGH v. 14. 3. 1906, BayVGHE 27, 62; BayVGH v. 3. 1. 1919, BayVGHE 40,39 (42). 16 z. B. OVG Koblenz v. 17. 4. 1956, ZBR 56, 262. 17 Vgl. hierzu die Ausführungen von Ringe in DVBI. 58, S. 378 ff. (379), der von der "Amtsausübung als formeller Kategorie" spricht. 18 Ebenso Ringe, a. a. 0. 19 BVerwG v. 9. 7. 1957, MDR 57, 503 (504) (Drohung mit Strafanzeige und Ordnungsverfügung für den Fall des Weiterbetriebs eines nicht genehmigten Betriebes); BVerwG v. 14. 5. 1963, BVerwGE 16,92 = DVBI. 63, 782 (Androhung der Einleitung eines Bußgeldverfahrens und einer Betriebskontrolle für den Fall der Weiterführung einer nicht eingetragenen "Wäscherei"); Näheres siehe § 278. 20 OVG Münster v. 24. 11. 1955, DöV 56, 411 f. (Klage auf Unterlassung eines Bescheides gern.§ 7 G 131); OVG Münster v. 8. 2. 1957, MDR 57, 573 f. (Klage auf Unterlassung einer Obdachloseneinweisung); das gilt selbst dann, wenn die vorbeugende Unterlassungsklage in das Gewand einer Feststellungsklage gekleidet ist, vgl. Hamb. OVG v. 27. 9. 1951, DVBI. 52, 86 = MDR 52, 186 = Verw. RSpr. 4, 384; zuletzt BVerwG v. 12.1. 1967, NJW 67, 996; auf der anderen Seite ist Umdeutung in Feststellungsklage möglich, wenn es nur um die materielle Rechtsfrage und nicht um die Amtsausübung als formelle Kategorie geht, vgl. dazuBVerwG v.14. 5. 1963, a. a. O.Näheres zu diesemFragenkreis siehe§§ 275 ff. 21 OVG Münster v. 24. 11. 1955, a. a. 0.
Einleitung
20
mit der gleichen Begründung wird ein Gericht auch der Zusage Hechtsmittelfähigkeit und Verbindlichkeit absprechen müssen, wenn sie nach Sachverhaltsverwirklichung gegeben wird; denn andernfalls würde in unzulässiger Weise in die formelle Entscheidungshoheit der Verwaltung eingegriffen22• § 5
c) Leider ist im wissenschaftlichen Schrifttum eine Tendenz unverkennbar, die der Zusage unter Umgehung des oben gezeigten Interessenkonfliktes zwischen Exekutivhoheit der Verwaltung und Hechtsschutzbedürfnis des einzelnen allein unter Berufung darauf zur rechtlichen Anerkennung verhelfen will, daß es sich um eine typische Erscheinung des Verwaltungsalltags handelt23 • Dem gilt es energisch entgegenzutreten. Es mag in der Tat so sein, daß zahlreiche Zusagen gegeben und auch eingehalten werden, "ohne daß ein Hahn danach kräht" 24 • Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter. Es werden aber die Aufgaben der Rechtswissenschaft und noch mehr die der Rechtsprechung verkannt, wenn ihnen angesonnen wird, die Verhaltensweise der Verwaltung nachträglich zu legitimieren und zu sanktionieren. Vielmehr ist beider Bestreben, kontrolliert zu wirken. Steht eine neue Handlungsform der Exekutive mit unserer Rechtsordnung nicht im Einklang, so dürfen wir nicht müde werden, sie als "Unsitte" zu kritisieren. § 6
Auch beim öffentlich-rechtlichen Vertrag wird die Ansicht vertreten, es heiße den Zusammenhang mit der Rechtswirklichkeit verlieren, wollte man dieser Erscheinungsform täglichen Verwaltungshandeins die rechtliche Anerkennung versagen25 • Gerade hier zeigt sich aber, daß man nicht einfach auf die "Rechtswirklichkeit" und darauf abstellen darf, ob ein praktisches Bedürfnis nach dem Vertrag vorliegt. Denn das Bedürfnis, die "atypische, vertragsfordernde Interessenlage", auf die man sich so gern berufe6 , bezieht sich genau besehen weniger auf die Rechtsform des Vertrages als auf bestimmte rechtliche Anliegen, die mit Hilfe des Vertrages erreicht werden sollen, weil sie durch die vom Gesetz vorgegebenen Handlungsformen und Mittel nicht erreicht werden 22
2a 24 25
26
Siehe § 276.
Hugo Kenner, S. 67. Hugo Kenner, a. a. 0 . Forsthoff, § 14, S. 162.
Federführend ist hier vor allem SaLzwedel, S. 119.
Einleitung
21
können27• So mag z. B. ein Bedürfnis dafür bestehen, dem Bürger außergesetzliche Gegenleistungen für Verwaltungsvergünstigungen abzuverlangen28. Damit ist aber noch lange nicht gesagt, daß dieses Bedürfnis in einem rechtsstaatliehen Verfassungssystem ohne weiteres befriedigt werden darf, und daß der Verwaltung mit dem Vertragsprinzip "do ut des" das legitime Mittel zu ihrer Verwirklichung in die Hand gegeben ist. Ohne auf die später näher zu erörternden Einzelheiten einzugehen, kann an dieser Stelle schon eines festgestellt werden: Der Vertrag birgt seine Rechtsgrundlage in sich selbst ("pacta sunt servanda"); sie beruht auf dem subjektiven Parteiwillen der Vertragschließenden; wird ein Verwaltungsakt mit dieser Absicht zugesagt, so läßt sich die Behörde nicht von der Abwägung grundrechtsgebundener Rechtsnormen positiven und überpositiven Rechts leiten. Hier bewegt sie sich nicht mehr im Rahmen ihrer Ermessenskompetenz, es handelt sich um den typischen Fall eines Ermessensfehlgebrauchs. "Eine Rechtswidrigkeit ist aber auch dann nicht statthaft, wenn alle Beteiligten darüber einig sind, daß sie begangen werden soll29 ." Zusagen in solchen Rechtsformen sind unzulässig, was gleichbedeutend ist mit "unverbindlich". § 7
Damit ist die Problematik der Zusage direkt mit der des öffentlichrechtlichen Vertrages verknüpft. Wir brauchen uns nur zu verdeutlichen, daß eigentlich in jedem "subordinationsrechtlichen" Vertrag die Zusage einer künftigen, öffentlich-rechtlichen Tätigkeit begründet liegt. Hat der Vertrag ein Unterlassen vonseitender Verwaltung zum Gegenstand, so dürfte das klar sein. Aber auch dann, wenn sich die Verwaltung zu einem Handeln verpflichtet, etwa zur Dispenserteilung von einem Bauverbot gegen Zahlung von 3000 DM für künftige Straßenherstellungskosten30, handelt es sich um die Verpflichtung zu einem Verwaltungsakt, also um eine Zusage. Selbst wenn es den Anschein hat, daß der Vertrag den Endbescheid selbst zum Gegenstand hat, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Vertrag das Verpflichtungsgeschäft darstellt, auf dem die- eventuell "uno actu" ergehende- Verfügung beruht31. Die Frage, ob die Zusage ihrer Rechtsnatur nach ein Vertrag oder ein Verwaltungsakt ist, erhält daher einen wesentlich anderen Akzent: Selbstverständlich ergehen viele, ja sogar die meisten Zusagen in Form 21 Bullinger, S. 19. 28 So typisch bei den Baudispensverträgen, siehe §§ 229 ff. 29 BayVGH v. 3. 1. 1919, BayVGHE 40, 39 (42) (Zusicherung gemeindlicher Umlagenfreiheit bei Errichtung einer Filiale in der Gemeinde). 30 z. B. OVG Münster v. 25. 8. 1953, VerwRspr. 7, 860; Näheres siehe§§ 230 ff. 31 Das Verdienst, diesen Zusammenhang zwischen Vertrag und Verwaltungsakt herausgefunden zu haben, gebührt Redeker in DöV 66, S. 543 ff. (544).
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von öffentlich-rechtlichen Verträgen; nur: Sind sie in dieser Form auch bindend?! § 8
d) Während es sich bei der eben aufgeworfenen Frage um die rechtsstaatlich zu verantwortende Form der Genese eines Zusageversprechens handelt, verbirgt sich hinter der weiteren Frage, ob die Zusage ihrer Rechtsnatur nach einen Verwaltungsakt oder eine sogenannte "schlichte Amtshandlung" darstellt32, das Problem, ob und inwieweit ein Zusageempfänger Gerichtsschutz erfahren muß33• Der durch die Zusage gewährte und gewollte vorzeitige Rechtsschutz des einzelnen wäre unvollkommen, wenn er auf die gerichtliche Überprüfung einer Bindungswirkung im Rechtsmittelverfahren gegenüber dem Endbescheid beschränkt bliebe. Soweit wir uns in bestimmten, noch näher aufzuzeigenden Grenzen zur Zusage bekennen, ist darin m. E. das Bekenntnis zur gerichtlichen Überprüfung der Zusage selbst mit eingeschlossen. Es bleibt dann nur zu überlegen, welche der bekannten Klagetypen einen systemgerechten Rechtsschutz zu gewährleisten vermag. Insbesondere muß man sich fragen, ob dazu das Institut der vorbeugenden Feststellungsklage ausreicht, welches bekanntlich nicht das Vorliegen eines Verwaltungsaktes voraussetzt. Diese Frage wird zu verneinen sein, wenn die Zusage eines künftigen Verwaltungsaktes vor Verwirklichung eines Lebenssachverhaltes erteilt wird, der seinerseits tatbestandliehe Voraussetzung für den in Aussicht gestellten Verwaltungsakt ist. Denn nach jeder Begriffsbestimmung34 liegt dann ein konkretes Rechtsverhältnis, das die Behörde zum Eingriff berechtigt, nicht vor. Ein konkretes Rechtsverhältnis wird aber zu Recht als die unabdingbare Prozeßvoraussetzung für eine Feststellungsklage angesehen, weil andernfalls auf dem Umweg über die Feststellungsklage eine uneingeschränkte abstrakte Normenkontrolle stattfinden würde35• Systemgerechter vorbeugender Rechtsschutz kann daher vor Sachverhaltsverwirklichung nur durch die Zusage in Verbindung mit den Klagtypen36 gewährleistet werden, die das Vorliegen eines Verwaltungsaktes voraussetzen. 32 So hat sich der BFH in der Grundsatzentscheidung (S-Urteil!) v. 4. 8. 1961, BStBI. III 61, 562 = NJW 62, 319 dafür entschieden, daß die Zusage "schlichte Amtshandlung" ist, deren Bindungswirkungen mit Treu und Glauben zu erklären sind. 33 Nach BFH ist die Zusage nicht rechtsmittelfähig, vgl. BFH v. 11. 4. 1957, BStBl. III 57, 231; ebenso FG Nürnberg v. 23. 4. 1956, EFG 56, 322. 34 Vgl. die Begriffsbestimmungen bei W. Jellinek, S. 191 ff., Fenge in DöV 56, S. 392 ff. (393) und Naumann, Jellinek-Gedächtnisschrift, S. 391 ff. (397). 35 BVerwG v. 8. 6. 1962, BVerwGE 14, 235. 36 Vgl. zum Begriff "Klagtyp" Lerche, Staatsbürger und Staatsgewalt II, s. 59 ff. (71 ff.).
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§ 9 Gleichwohl sind von den Gerichten in mehreren Fällen vorbeugende Feststellungsklagen auch dann zugelassen worden, wenn aus der ihnen vorangehenden Androhung eines künftigen Verwaltungsaktes eindeutig zu erkennen war, daß dessen tatbestandliehe Voraussetzungen erst gegeben sein würden, wenn der Kläger selbst einen bestimmten Sachverhalt in Zukunft verwirklichen werden würde 37• Daraus kann auf der einen Seite ersehen werden, daß die Notwendigkeit der Gewährung vorbeugenden Gerichtsschutzes heute allgemein anerkannt ist. Zugleich zeigen sich hier aber die Auswirkungen der Tatsache, daß von unseren Gerichten noch nicht allgemein anerkannt ist, daß die Zusage ein rechtsmittelfähiger Verwaltungsakt ist. Dabei läge nichts näher, die jenen oben geschilderten Feststellungsklagen regelmäßig vorausgehenden Warnungen und Androhungen künftiger Verwaltungsakte als belastende Zusagen zu charakterisieren. Bei ihnen muß sich die der Zusage eigentümliche, formelle Begünstigung, eine gerichtliche Überprüfung der Rechtslage herbeiführen, ehe von seiten des Bürgers zur Tat geschritten wird, besonders positiv auswirken. Wenn man jenen Warnungen wegen fehlender Bindungswirkung eine Verwaltungsaktqualität nicht zuerkennen zu können glaubt38, so wird dabei verkannt, daß es der Behörde wie bei jedem anderen belastenden Verwaltungsakt auch39 unbenommen bleibt, unter Abweichung von der Drohung, einen für den Adressaten günstigeren Endbescheid zu erlassen40 • Wäre die Institutionalisierung des vorbeugenden Rechtsschutzes durch rechtsmittelfähige Zusageverwaltungsakte allgemein anerkannt, so müßten die systemwidrigen vorbeugenden Feststellungsklagen vor Sachverhaltsverwirklichung wegen fehlendem Rechtsbedürfnis als unzulässig zurückgewiesen werden. 37 Typisch OVG Harnburg v. 26. 1. 1952 Bf. II 94/51 - n. v., zit. nach Naumann, a. a. 0., S. 402 (Behörde droht für nächsten Polizeitransport Er-
hebung von Polizeigebühren an, da sie die Ansicht vertritt, das Bankinstitut sei polizeiptlichtig); ähnlich OVG Harnburg v. 29. 6. 1965, MDR 66, 360; BVerwG hält vorbeugende Feststellungsklage sogar ohne vorherige Androhung für zulässig, vgl. Urt. v. 26. 5. 1961, BVerwGE 12, 261 (Einsichtnahmerecht in Schöffenliste vor einem Prozeß), v. 25. 5. 1962, BVerwGE 14, 202 (Feststellung der Nichtgenehmigungsptlichtigkeit eines Langholztransportes, nachdem für frühere Transporte Genehmigungen erteilt worden waren) und v. 8. 6. 1962, BVerwGE 14, 235 (Feststellungsklage, ob Lehrherr in Zukunft mit Lehrling Verträge mit einer Dauer von über 3 Jahren abschließen darf, nachdem das von der Handwerkskammer immer abgelehnt worden war). 38 So Siebert in DöV 59, S. 733 ff. (734) und Naumann, Staatsbürger und Staatsgewalt II, S. 365 ff. (377 ff.); a. A. Eyermann/Fröhler, VwGO, Anm. 14 ff. zu § 42, sowie Walz in JZ 52, 223 (Anm. zu OLG Köln v. 19. 11. 1951, DVBI. 52, 309 = JZ 52, 223; vgl. Anm. 91). 39 Vgl. z. B. Haueisen in NJW 55, S.1457 ff. 40 Eine Bindungswirkung dürfte aber auch bei derartigen Drohungen insofern vorliegen, als die Behörde z. B. gehindert ist, auch ohne Sachverhaltsverwirklichung den angedrohten VA zu erlassen; Näheres siehe§§ 323 ff.
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Einleitung § 10
e) Verantwortlich dafür, daß die Zusage noch nicht allgemein als Verwaltungsakt anerkannt ist, muß die auch heute noch weitverbreitete Meinung gemacht werden, derzufolge die materiellrechtlichen Bindungswirkungen der Zusage in dem Grundsatz von Treu und Glauben ihre Erklärung finden41 • Diese Theorie muß sich ein wesentliches Bedenken entgegenhalten lassen: Ihre eigentliche Legitimation erfährt die Zusage erst durch die Aufgabenstellung, den vorbeugenden Rechtsschutz zu institutionalisieren und damit in geordnete Bahnen zu lenken. Materiellrechtlich geht es beim vorbeugenden Rechtsschutz aber darum, ob die Behörde bei Erlaß eines Verwaltungsaktes an eine frühere diesbezügliche Erklärung gebunden ist, obwohl im Falle einer Bindungswirkung der Verwaltungsakt nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen würde. Da man eine Schutzbedürftigkeit des Bürgers in diesen Fällen aus sozialrechtsstaatliehen Erwägungen heraus nicht von vornherein verneinen kann, stellt sich die Frage, ob diese Abweichung von gesetzlicheu Vorschriften mit Hilfe des Grundsatzes von Treu und Glauben oder unter Zuhilfenahme einer Zusage zu erfolgen hat. Im Grundsatz von Treu und Glauben liegt die Gefahr eines mehr oder weniger unkontrollierbaren Abweichens vom Gesetz aus Gründen rechtgewordener personaler Ethik begründet42• Soll die Zusage die ihr gestellte Aufgabe voll erfüllen, so kann sie eigentlich nur die Funktion haben, den Grundsatz von Treu und Glauben im Interesse der Rechtsklarheit aus dem Bereich vorbeugenden Rechtsschutzes zu verdrängen. Aus dieser Sicht muß sich die Rechtfertigung einer Bindungswirkung durch Treu und Glauben als ein Widerspruch in sich darstellen43 • §11
Schwerer als diese dogmatischen Bedenken wiegen jedoch die praktischen Folgen, die sich bei einer Verwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Zusammenhang mit der Zusage gezeigt haben. Da mit der Kennzeichnung als "schlichte Amtshandlung" die besonderen prozessualen Wirkungen der Zusage nicht erfaßt werden können, haben sich die Gerichte in mehreren Fällen dazu entschlossen, im Anschluß an eine Zusage die systemwidrige vorbeugende Feststellungsklage vor Sachverhaltsverwirklichung zuzulassen44 • Darüber hinaus ermöglicht es der Vgl. BFH v. 4. 8. 1961, a. a. 0 . Vgl. insofern die instruktive Begründung einer Bindungswirkung der Zusage auch nach Sachverhaltsverwirklichung durch FG Kassel v. 13. 12. 1960, EFG 61,320. 43 Näheres siehe § 325. 44 Vgl. die in Anm. 37 genannten Entscheidungen. 41
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Grundsatz von Treu und Glauben, die von Gesetzgeber und Rechtsprechung gewollten Zulässigkeitsgrenzen der Zusage zu umgehen, wobei gleichzeitig die Grenzen zwischen verbindlicher Zusage und unverbindlicher Auskunft diffus und undeutlich werden45• Schließlich hat der Vertragsgrundsatz "pacta sunt servanda" in dem Grundsatz von Treu und Glauben einen Deckmantel gefunden, unter dem die Verbindlichkeit vertraglicher Zusagen erneut propagiert werden kann45, obwohl die Gerichte der vertraglichen Zusage noch nie eine Wirksamkeit zugebilligt haben47• Man sollte daher bemüht sein, die Zusage aus dem Zusammenhang mit Treu und Glauben zu lösen.
2. Gedankengang der Untersuchung Thematische Begrenzung a) Gedankengang der Untersuchung
§ 12
Wollen wir der spezifischen Problematik der Zusage gerecht werden, so müssen wir uns von einer abstrakt-begrifflichen Betrachtungsweise lösen48 • Nur sie macht es verständlich, warum bisher weder ein Zusammenhang zwischen Zusage und Vertrag noch der zwischen vorbeugender Feststellungsklage und Zusage gesehen wurde. Indem man die Zusage gemeinhin im voraus begrifflich als Verwaltungsakt definiert49 , vermag man nicht zu erkennen, daß sie u. U. nur in dieser Rechtsform diejenige Institution abgibt, in der die Behörde Interessen wahrzunehmen vermag, die üblicherweise als "vertragsfordernd" angesehen werden50; auch können wir so nicht das hinter allem stehende Problem erfassen, nämlich die Frage, inwieweit die Gewährung eines vorbeugenden Siehe§§ 116 ff. Typisch z. B. FG Niedersachsen v. 29. 6. 1965, EFG 65, 611, siehe § 139. 47 Siehe §§ 121 ff. 48 Daran kranken m. E. die bisherigen Abhandlungen über die Zusage, bei denen fast ausschließlich bereits zu Beginn eine endgültige Begriffsbestimmung vorgenommen wird, wodurch praktisch das Ergebnis der Arbeit vorweggenommen wird; vgl. Heyland, S. 3; Zeidler, S. 14 ff.; Wörz, S. 2; Strotkamp, S. 29; Hubert Kellner, S. 28 ff. (31). 49 So z. B. Hubert Kellner, S. 31 (fehlende Gleichwertigkeit der Erklärungen und mangelnde gegenseitige Bindung); Zeidler, S. 47. 50 Die Zweifelhaftigkeit dieser Art der Begriffsbestimmung wird offenbar, wenn man sich verdeutlicht, daß Hubert Kellner, a. a. 0., einen Vertrag wegen fehlender ,.Gleichwertigkeit" der Erklärungen ablehnt, obwohl er erkennt, daß der Zusage oft, z. B. im Beamtenrecht, eine ,.vertragsfordernde" Interessenlage zugrunde liegt. Nach Salzwedel, a. a. 0., auf den er sich bezieht, hätte er dann eigentlich zum Vertrag kommen müssen. 45
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Rechtsschutzes überhaupt möglich ist. Dieser Weg muß zwangsläufig dazu führen, daß den Problemen ausgewichen wird51 • § 13
Es soll hier nicht verkannt werden, daß gerade der allgemeine Teil des Verwaltungsrechts einer begrifflichen Dogmatik bedarf- ja von ihr lebt -, weil er anders die fehlende Kodifikation nicht zu überwinden weiß. Darüber hinaus ist jede Jurisprudenz "Begriffsjurisprudenz" im weitesten Sinne; denn ohne Begriffe können wir nicht denken, nicht deduzieren, also führt auch kein Weg an der Verwendung von Begriffen vorbei52• Ebensowenig können wir auf die Logik verzichten, denn sie beschreibt die allgemeine Struktur jeden Denkprozesses, und kein Jurist würde mehr ernst genommen werden, dessen Ergebnisse mit den Sätzen der Logik unvereinbar wären53• Zutreffend weist Jesch jedoch darauf hin, daß echte unlogische Ergebnisse ganz selten sind54• Der wahre Streit geht nicht um logische oder unlogische Entscheidungen oder Begründungen, sondern um die Auswahl der richtigen und zulässigen Prämissen55• Denn in Wissensgebieten, wo die Frage nach der "Richtigkeit" menschlichen Handeins auftaucht - gleichviel ob man nach der ethischen, der politischen oder der rechtlichen Richtigkeit fragt -, müssen wir mit Schwierigkeiten der Materie und mit Unzulänglichkeiten der menschlichen Erkenntnismöglichkeiten rechnen, die sich der Gewinnung von Einzelsätzen allein durch logisches Schließen aus einem deduktiv-axiomatischen System verschließen56• Man muß demnach die Rolle der Logik bei der Gewinnung rechtlicher Entscheidungsgrundlagen bescheidener ansetzen57• Der Schwerpunkt liegt in der Prämissensuche, die man nicht einfach irrationalem Belieben überlassen kann58• Die Auffindung aller für die Problemlösung in Betracht kommenden Prämissen und die Wertung ihres Verhältnisses untereinander müssen einer Begriffsbildung stets vorausgehen59• Das deduktiv-systematische Denken indessen, wie es uns bei der rechtlichen Behandlung der Zusage und auch des Verwaltungsvertrages60 immer wieder entgegentritt, vermag auch durch 51 Dahm, S. 127, kennzeichnet die Betrachtungsweise, daß aus einem vorgefaßten Begriff im Wege logischer Deduktionen rechtliche Ergebnisse gewonnen werden sollen, als dogmatischen Positivismus. 52 Horn in NJW 1967, S. 601 ff. (603). 53 Jesch in AöR 82, S. 163 ff. (174). 54 Jesch, a . a. 0. 55 Jesch, a. a. 0. 58 Horn, a. a. 0. 57 58 59
Horn, a. a. 0. Horn, a. a. 0 ., S. 602. Horn, a. a. 0., S. 603.
60 So z. B. typisch auch Stern in VerwArch. 49, S. 106 ff. (130).
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dauernde Scheindeduktionen die eigentliche Sachproblematik nur zu kaschieren81 • Wollen wir zu einem wertbezogenen Zusagebegriff kommen, so darf die Dogmatik nicht Selbstzweck sein. Sie muß vielmehr auf die eben gezeigte Struktur der juristischen Argumentation zugeschnitten sein82• Die abschließende und endgültige Fixierung derselben in einem starren Begriffssystem hätte zur Folge, daß diesem die eigentlichen Sachprobleme mit der Zeit entgleiten würden63 • Da die erkennbaren Werte des Rechts einem steten Wandel in rechtshistorischer wie in rechtspolitischer Sicht unterliegen, fordern wir von einer Dogmatik z. B. solche Elastizität, daß es möglich wird, sowohl das Institut des öffentlichrechtlichen Vertrages als auch das der vorbeugenden Feststellungsklage gegen die Zusage einzutauschen, sofern jene in der Lage ist, deren legitime Anliegen mit zu übernehmen. § 14
Diese Gedankengänge lassen es als erforderlich erscheinen, vor einer Begriffsbildung in einer Bestandsaufnahme zu klären, mit welcher Begründung in welchen Fällen Gesetz, Rechtsprechung und Schrifttum die Selbstbindungsmöglichkeiten der Verwaltung bejaht oder verneint haben. Bei dieser weiten Fassung der gestellten Aufgabe wird es unumgänglich sein, daß uns andere Rechtsbegriffe, wie z. B. Auskunft, Regelung, Vereinbarung, Vorbescheid u. ä. m. entgegentreten, die aber gleichwohl unser zentrales Zusagethema, nämlich die Selbstbindungsmöglichkeiten der Verwaltung, berühren. Notwendigerweise müssen wir daher bereits im Rahmen dieser Bestandsaufnahme einen Begriff "Zusage" formulieren, der uns die Wiederholung der Fragestellung, unter welchen Gesichstpunkten diese Erscheinungsformen einer Verwaltungstätigkeit geprüft werden sollen, ersparen hilft. Dieser rein beschreibende Zusagebegriff soll lauten: Eine Zusage (in diesem weiten Sinne) liegt dann vor, wenn die Behörde dem Bürger gegenüber eine Erklärung abgibt, die eine bestimmte, zeitlich oder logisch nachfolgende öffentlich-rechtliche Tätigkeit betrifft. Die Antwort darauf, ob und inwieweit sie sich hierdurch verpflichten kann und darf, muß in dem zweiten, diesmal wertorientierten Zusagebegriff enthalten sein, der im Anschluß an diese Bestandsaufnahme zu formulieren ist64 • 61
62 63 64
Horn, a. a. 0. Horn, a. a. 0., S. 608. Horn, a. a. 0 . Siehe § 309.
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b) Themabegrenzung Die in dem erstgenannten Zusagebegriff enthaltene Aufgabenstellung zwingt dazu, das Thema in vierfacher Hinsicht zu begrenzen, wobei natürlich zur näheren Begründung dieser Abgrenzung im Rahmen der Bestandsaufnahme die eine oder andere Randerscheinung der Zusage zu erörtern sein wird. § 15 (1) Es sollen hier keine Zusagen behandelt werden, die ein Hoheitsträger dem anderen gegenüber abgibt. Bei solchen Zusagen geht es um Fragen des Organisationsrechts, die mit der hier speziell anstehenden Problematik eines reinen Über/Unterordnungsverhältnisses zwischen Bürger und Staat nichts zu tun haben65 •
§ 16 (2) Aus dem gleichen Grunde will sich diese Abhandlung nicht mit denjenigen Bescheinigungen befassen, die für die Entscheidung einer anderen Behörde maßgeblich sein können, wie z. B. Armutszeugnis66 , Negativzeugnis67 , § 7 c- EStG-Bescheinigung68 , Strafregisterauskunft und Wohnsitzauskunft69 • M. E. ist die Lösung des Problems der Verbindlichkeit dieser Bescheinigungen direkt mit dem der sog. mehrstufigen 65 z. B. Zusicherung der Steuerfreiheit in Vertrag zwischen Preußen und Thüringen über den Betrieb einer Eisenbahn von Gotha nach Leinefelde, PrOVG v.19.1.1880 ; PrOVGE33 (39,40); vgl. auch PrOVG v. 22. 5.1889, PrOVGE 18, 79. 66 Keine Bindungswirkung gegenüber Gericht, RG v. 16. 4. 1901, JW 01, 326; v. 29. 7. 1937, WarnRspr. 37, 137 = JW 37, 2465; deshalb auch kein VA, vgl. OVG Harnburg v. 26. 3.1953, DVBl. 53, 548; im übrigen vgl. Wieczorek, ZPO, Anm. BI b 1 und 2 zu § 118, sowie Baumbach/Lauterbach, ZPO, Anm. 2 c zu § 118. 61 Bindungswirkung gegenüber Grundbuchamt, vgl. § 23 Abs. 2 BBauG; deshalb VA, vgl. VG Saarlous v. 2. 2.1967 NJW 67, 1338. Aber keine Bindungswirkunggegenüber Baugenehmigungsbehörde; vgl. Zinkahn/Bielenberg, BBauG, Anm. 6 zu§ 23. 68 Verweigerung durch Wohnungsbehörde ist für FA bindender VA, so BVerwG v. 28. 9. 1955, NJW 55, 1893 = DVBl. 56, 95 (96), v. 30. 11. 1955, NJW 56, 437; ebenso Zeidler, S. 31; a. M. OVG Lüneburg v. 19. 11. 1953, OVGE 7, 375. Erteilung der Bescheinigung durch Wohnungsbehörde ist dagegen kein VA, da FA nicht gebunden ist, vgl. BFH v. 29. 10. 1953, BStBl. 111 53, 358; v. 9. 9. 1954, BStBl. III 54, 303. 69 Vgl. hierzu ausführlich Zeidler, S. 32 ff., der allerdings einräumen muß, daß diese Bescheinigungen, auch wenn sie Verwaltungsakte sind, mit der Zusageproblematik nichts gemein haben, weil hier das Merkmal der Selbstbindung fehlt, vgl. Zeidler, S. 32, Anm. 97.
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Verwaltungsakte verknüft: Eine Regelungswirkung kommt ihnen nur dann zu, wenn der bescheinigenden Behörde die ausschließliche und abschließende Beurteilung eines Sachverhaltes zugewiesen ist70 • Auskünfte jedoch, die in irgendeiner Weise Bezug auf ein eigenes künftiges behördliches Verhalten haben können, sind Gegenstand dieser Untersuchung und unterfallen zunächst einmal dem weitgefaßten Zusagebegriff. Später -nachdem geklärt ist, unter welchen Voraussetzungen eine Zusage in diesem weitgefaßten Sinne bindend sein kann - soll eine begriffliche Unterscheidung von verbindlichen Zusagen (im engeren Sinne) und unverbindlichen Auskünften versucht werden71 • § 17
(3) Die in der Zusage angesprochene künftige Verwaltungstätigkeit muß den gleichen Sachverhalt betreffen, wie jenen, den die Zusage "im Auge" gehabt hat. Der Zusagevorgang zeichnet sich also dadurch aus, daß ein bestimmter Lebenssachverhalt einer zweifachen Subsumtion unterliegt: Die erste Subsumtion erfolgt durch die Zusage, die zweite im Rahmen der künftigen öffentlich-rechtlichen Tätigkeit der Behörde. Die Zusage ist damit unterschieden vom Endbescheid, der einen Sachverhalt endgültig und abschließend zu entscheiden gedenkt. Er läßt eine nochmalige Entscheidung über den gleichen Sachverhalt grundsätzlich nicht zu. Auf der anderen Seite will er über die in ihm getroffene Entscheidung hinaus keinen Einfluß auf nachfolgende Verwaltungsakte ausüben. § 18
Damit scheiden aus unserer Betrachtung diejenigen Verwaltungsakte als Zusagen aus, die zwar als abschließende Teilregelung einem anderen Verwaltungsakt als Entscheidungsgrundlage dienlich sind, die aber selbst einen anderen (Teil-)Sachverhalt zu beurteilen haben (z. B. Typengenehmigung und Baugenehmigung72) . Hier ist die Behörde in der Beurteilung des der Zweitverfügung zugewiesenen Sachverhaltsteiles frei; nicht die Problematik der Selbstbindung, sondern die der Bindung durch Teilregelung (Endbescheid) tritt uns hier entgegen. § 19
Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, daß damit nicht vorausgesetzt wird, daß die Verwaltung im Rahmen der zugesagten Verwal70 Das ist auch bei den mehrstufigen VA das entscheidende Kriterium, vgl. Menger in VerwArch 1959, S. 397 ff. 71 Siehe§ 318. 72 Siehe § 206.
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tungstätigkeit formell mit einem Bescheid, d. h. mit einem Handeln, reagieren muß. Die doppelte Subsumtion kann auch dazu führen, daß die versprochene Rechtsregelung durch ein Unterlassen ausgeführt wird. Entscheidend ist nur, daß die zu einer materiellen Rechtsregelung gehörige Subsumtion- wenn sie überhaupt vorliegt- nur in der Art vorliegen darf, daß sie eine nochmalige Subsumtion des gleichen Sachverhaltes bei einer endgültigen materiellen Regelung vorsieht. Von daher ist der Tätigkeitsbegriff in unserer Definition weit gefaßt: Es umfaßt sowohl ein Tun als auch ein Unterlassen der Behörde. Im Verlaufe der Arbeit wird daher erst zu klären sein, inwieweit Unterlassungszusagen möglich sind73 • § 20
(4) Schließlich scheiden aus unserer Betrachtung sämtliche Zusagen über eine künftige privatrechtliche Tätigkeit der Behörde aus. Diese Einschränkung wird im folgenden noch näher zu erläutern sein.
c) Der Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Recht § 21 Literatur: Baur, Neue Verbindungslinien zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht, JZ 63, S. 4 ff.; Bühler, Altes und Neues über Begriff und Bedeutung der subjektiven öffentlichen Rechte, Jellinek-Gedächtnisschrift, S. 269 ff.; 0. Mayer, Zur Lehre vom öffentlich-rechtlichen Vertrag, AÖR 3, S. 1 ff.; Naumann, Streitigkeiten des öffentlichen Rechts, Staatsbürger und Staatsgewalt II, S. 365 ff.; Siebert, Zur neueren Rechtsprechung über die Abgrenzung von Zivilrechtsweg und Verwaltungsrechtsweg, DöV, 59, S. 733 ff.; Wolf!, Der Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Recht; HÖK 76, S. 205 ff.; vgl. im übrigen die Darstellungen in den im Literaturverzeichnis aufgeführten Monographien zum Verwaltungsrecht.
Um die unter (4) gemachte Einschränkung näher zu erläutern, bedarf es einer Präzisierung dessen, was im Rahmen dieser Abhandlung unter öffentlich-rechtlicher Tätigkeit und privatrechtlicher Tätigkeit der Verwaltung verstanden werden soll. Angesichts der Vielzahl der vertretenen Meinungen kann es dabei nur auf eine Darstellung des eigenen Standpunktes ankommen. Der hier vertretene Standpunkt aber geht dahin, daß öffentlich-rechtliche Tätigkeit immer dann vorliegt, wenn die Behörde entweder eine einseitig-hoheitliche Regelung vorgenommen hat oder jedenfalls eine solche vornehmen muß, um die Rechtsbeziehungen zwischen sich und dem Bürger verbindlich zu regeln, 73
Siehe § 492.
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und daß eine privatrechtliche Tätigkeit dann vorliegt, wenn die Verwaltung eine Rechtsregelung im Wege zweiseitig-vertraglichen Aushandeins mit dem Bürger vereinbaren darf74 • (1) Die historische Entwicklung des öffentlichen Rechts Die Richtigkeit einer jeden Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Tätigkeit der Verwaltung hat sich m. E. in erster Linie bei einer Untersuchung der historischen Entwicklung des öffentlichen Rechts zu bewähren. § 22
Die Geburtsstunde des öffentlichen Rechts trifft nicht von ungefähr mit einem Zerfall des Lehnstaates mittelalterlicher Prägung und dem gleichzeitigen Erstarken territorialer Landeshoheit zusammen. Während vorher Amt und Amtsbefugnisse weitgehend als Ausfluß eines dinglichen Immobiliarrechtes gedeutet wurden75 , schafft sich der territoriale Landesherr nunmehr ein Reservat besonderer Hoheitsbefugnisse, mit dem er dem für alle geltenden gemeinen Recht und damit auch der kaiserlichen Gerichtsbarkeit entzogen ist. Das Recht zu einseitig hoheitlicher Regelung beansprucht er aber nicht für alle Bereiche seiner staatlichen Tätigkeit. Vielmehr bleibt er wie seit eh und je dem Gemeinrecht und späteren Privatrecht unterstellt, soweit die Ausübung der eigentlichen Staatshoheitsrechte nicht auf dem Spiel steht76 • Nur deshalb werden die vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen Bürger und Staat (Justizsachen) weiterhin dem Privatrecht unterstellt, nicht etwa deshalb, weil daran auf seiten des Staates ein imaginärer Fiskus beteiligt gewesen wäre (Fiskustheorie)77 • So richtete sich auch die große Verfassungsbewegung des 19. Jahrhunderts allein gegen die Hoheitsverwaltung, die sich um ihrer Souveränität willen aller Schranken des Ständestaates entledigt hatte, nicht aber gegen Vertrag und Vertragsfreiheit in der nicht-hoheitlichen Verwaltung, weil hier ein Restgebiet richterlich geschützten Rechts und damit des Rechtsstaats alter Prägung erhalten geblieben war78 • Diese Entwicklung zeigt, daß sich die Verwaltung zwar seit eh und je der Handlungsform des Vertrages bedient hat, daß aber das spezifisch Öffentlich-rechtliche ihrer Tätigkeit in der einseitighoheitlichen Regelung, dem Verwaltungsakt, begründet lag. Zumindest 74 Diese Charakterisierung erfaßt zwar nicht das Verhältnis öffentlichrechtlicher Körperschaften untereinander, sondern nur das Verhältnis Bürger/Staat. Nur mit ihm wollen wir uns aber gern. unserer Einschränkung (1) hier befassen. 75 Rehm in Hirths Ann. 1884, S. 565 ff. (571). 78
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Bullinger, S. 229. Bullinger, S. 230. BuHinger, S. 229.
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am Ende des 19. Jahrhunderts konnte der Unterschied zwischen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Tätigkeit daher mit Otto Mayer am Unterschied zwischen Verwaltungsakt und Vertrag orientiert werden79 • § 23
Die heute herrschende Meinung geht dahin, daß diese Unterscheidung in dem Augenblick ihre innere Berechtigung verloren habe, seitdem dem Staat neben der rein polizeilichen Gefahrenabwehr auch Aufgaben einer staatlich geförderten Wohlfahrt (Daseinsvorsorge) zugewachsen seien80• Das Über/Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger kennzeichne nicht mehr das öffentlich-rechtliche Tätigkeitsfeld des Staates schlechthin81 .Die weitere Entwicklung des öffentlichenRechts im 20.Jahrhundert beweist m. E. das Gegenteil. § 24
Der Wahrnehmung von Wohlfahrtsaufgaben durch einseitig-hoheitliche Regelung stand allerdings zu Zeiten Pütters das schwerwiegende Bedenken entgegen, daß der Staat damit, wenngleich unmittelbare Staatsinteressen nicht auf dem Spiel stünden, gleichwohl in die freien Entfaltungsmöglichkeiten des Bürgers eingreifen würde. Dem liberalen Staatsgedanken des 19. Jahrhunderts galt jener Staat als der beste, der dem einzelnen ein höchstmögliches Maß an persönlicher Freiheit beließ82 • Eben_um jener Forderung nach staatlicher Abstinenz in Wohlfahrtsangelegenheiten willen wurde der Polizeibegriff in dem berühmten Kreuzberg-Urteil des PrOVG v. 14. 6. 188283 auf die reine Gefahrenabwehr beschränkt. Die Wahrnehmung von Wohlfahrtsaufgaben durch den Staat mußte von daher um dieser Aufgabenstellung willen immer als unzulässiger öffentlich-rechtlicher Eingriff in den privaten Rechtskreis des Bürgers empfunden werden. § 25
Diese Gedankengänge haben sich im Zusammenhang mit der uns allen geläufigen Entwicklung zur modernen Massen- und Industriegesellschaft als unhaltbar erwiesen. Die staatliche Daseinsvorsorge wird heute zu Vgl. 0. Mayer in AöR 1, S. 3 ff. z. B. Rupp in DVBI. 58, S. 113 ff. (114). 81 Rupp, a. a. 0. ~· Anders aber der Polizeibegriff in § 3 der kgl. VO über die Einrichtung von Polizeibehörden v. 26. 12. 1808, zit. nach PrOVGE 9, 353 ff. (371). sa PrOVGE 9, 353 ff. (371, 374). 79
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Recht oft als das einzige Mittel angesehen, durch welches dem einzelnen in vielerlei Beziehung die verbleibenden und neu erschlossenen Bereiche persönlicher Entfaltungsfreiheit auch sozialgerecht gewährleistet zu werden vermögen84• Nun gebietet das dem Staat danach im öffentlichen Interesse zur ausschließlichen Wahrnehmung zugewiesene neue Aufgabengebiet aber nicht, daß es hier auch einseitig-regelnd tätig werden muß. Denn es kann u. U. ebenso im Allgemeininteresse begründet liegen, daß diese Aufgaben zwar vom Staat in Monopolstellung, aber doch nach erwerbswirtschaftlichen Grundsätzen bewältigt werden müssen. Verwaltungstätigkeit im Rahmen der Daseinsvorsorge schließt also nicht aus, daß der Staat gleichwohl im Rahmen der Privatautonomie vertraglich-aushandelnd tätig wird. Zu Recht wird deshalb hinsichtlich der Einordnung der Tätigkeit staatlicher Versorgungsbetriebe nicht auf die Aufgabe, sondern allein auf die tatsächliche Gestaltung der Rechtsverhältnisse abgestellt85• Wird das Rechtsverhältnis einseitig-hoheitlich durch Satzung und Verwaltungsakt geregelt, so gehört es dem öffentlichen Recht an, wird der Staat hingegen vertraglich-aushandelnd nach erwerbswirtschaftlichen Grundsätzen tätig, so handelt es sich um privatrechtliche Tätigkeit des Staates im Rahmen der Daseinsvorsorge8 ".
§ 26
Schon von daher erweist sich die Formulierung Sieberts, eine Verwaltungstätigkeit gehöre nicht dem öffentlichen Recht an, weil sie einseitig-regelnd sei, sondern sie sei einseitig-regelnd, weil sie dem öffentlichne Recht angehöre87, als unzutreffend. Denn wenn feststeht, daß der Staat einseitig-regelnd tätig geworden ist, trachtet er immer danach, hoheitliche Befugnisse wahrzunehmen, so daß er sich dann auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts bewegt. Das ist auch für den Bereich der Daseinsvorsorge anerkannt. Erst wenn nicht zu erkennen ist, wie der Staat nun tatsächlich tätig geworden ist, hat man auf die Verwaltungsaufgabe abzustellen. Auch dann ist aber die Interessenahwägung unter der Fragestellung vorzunehmen, ob die Verwaltung einseitig-regelnd tätig werden muß oder nicht. Nur im Fall der Bejahung wird man angesichts der geschilderten historischen Entwicklung des öffentlichen Rechts annehmen können, daß eine öffentlich-rechtliche Betätigung der Verwaltung vorliegt. 8j 85 86 87
z. B. Rohwer/Kahlmann in DVBl. 62, S. 622 ff. (626). Das räumt selbst Siebert in DöV 59, S. 733 ff. (735) ein. Vgl. die bei Siebert, a. a. 0 ., zitierte Rechtsprechung. Vgl. Siebert, a. a. 0., S. 733.
S Pieder
34
Einleitung § 27
(2) Die Praktikabilität der Abgrenzung bei Rechtsfragen Will man die Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Tätigkeit allein daran orientieren, ob die Verwaltung einseitig-hoheitlich gehandelt hat oder jedenfalls handeln muß, so darf sich auch die Beurteilung der Frage, ob eine öffentlich-rechtliche oder eine privatrechtliche Streitigkeit vorliegt, nicht nach anderen Kriterien vollziehen. Die Richtigkeit einer solchen Differenzierung kann sich nur daran erweisen, daß sie zu systemgerechten Ergebnissen bei der Hechtswegzuweisung führt. aa) Hoheitlicher Eingriff in privates RechtDer privatrechtsgestaltende Verwaltungsakt § 28
Wird in ein privatrechtliches Rechtsverhältnis in unzulässiger Weise durch einseitigen Hoheitsakt eingegriffen, so ist noch ungeklärt, ob es sich um eine privatrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Stellen wir darauf ab, daß die Verwaltung hier eine einseitighoheitliche Regelung tatsächlich hat treffen wollen, so liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor und der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet. Das will auch als systemgerecht erscheinen. Denn der eigentliche Rechtsverstoß liegt nicht so sehr in der gewollten materiellrechtlichen Regelung. So kann z. B. die dem Bahnhofswirt durch Verwaltungsakt zugehende Kündigung seines Pachtvertrages zivilrechtlich durchaus gerechtfertigt sein. Das eigentlich Problematische dieser Regelung liegt vielmehr im formellen Bereich, nämlich darin, ob sich die Verwaltung zur Lösung des Rechtsverhältnisses statt einer privatrechtliehen Kündigungserklärung einer einseitig-hoheitlichen Regelung bedienen darf. Das zu beurteilen, sind nur die Verwaltungsgerichte berufen. Denn es geht um Umfang und Ausmaß hoheitlicher Regelungsbefugnisse. Eine Inzidentkontrolle des Verwaltungsaktes durch die Zivilgerichte ist nur insoweit möglich, als der VA nichtig ist. Bei bloßer Aufhebbarkeit sind sie an seine Tatbestandswirkung gebunden. Wird aber eine Umdeutung des VA in eine privatrechtliche Willenserklärung vorgenommen und deshalb der Zivilrechtsweg bejaht, so besteht die Gefahr, daß man dem wahren Streit zwischen den Parteien nicht gerecht wird. Denn die Erklärung kann ja u. U. aus zivilrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden sein.
Einleitung
35
bb) Gerichtsschutz bei Verwaltungsprivatrecht
§ 29 Steht fest, daß die Behörde einen Sachverhalt durch Vertrag geregelt hat, und besteht der Verdacht, daß sie hier in einem Aufgabengebiet tätig geworden ist, das nur einseitig-hoheitlich geregelt werden darf, so wird überlegt, ob nicht bei solchem Ausweichen in privatrechtliche Rechtsformen der Vertrag an den gleichen Maßstäben gemessen werden muß, wie ein Verwaltungsakt Damit wird den Zivilgerichten die Aufgabe gestellt, eine Art "Verwaltungsprivatrecht" zu entwickeln, obwohl sie zur Beurteilung öffentlich-rechtlicher Tatbestände an sich nicht berufen sind. Würde man nach der hier vorgeschlagenen Lösung allein darauf abstellen, ob die Verwaltung durch VA oder durch Vertrag handeln durfte, so ergibt sich m . E. das praktikablere Ergebnis: Entweder die Aufgabe mußte durch öffentlich-rechtliche Tätigkeit, d. h. durch VA, wahrgenommen werden. Dann handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, in deren Rahmen das Verwaltungsgericht über die Zulässigkeit des Vertrages im öffentlichen Recht zu befinden und m. E. auszusprechen hätte, daß er unzulässig sei. Für die Beurteilung dieser Frage sind die Verwaltungsgerichte sehr viel kompetenter als die Zivilgerichte, da es wieder um Art und Umfang der Befugnisse der Verwaltung geht. Oder aber die Aufgabe konnte durch privatrechtliche Tätigkeit, d. h. durch Vertrag, wahrgenommen werden. Die Rechtmäßigkeit dieser Tätigkeit zu beurteilen, sind allein die Zivilgerichte berufen. Der besonderen Herausbildung eines Verwaltungsprivatrechts durch die Zivilgerichte bedarf es dann nicht. cc) Gerichtsschutz gegenüber schlichten Amtshandlungen § 30
Liegt eine einseitige Handlung der Verwaltung vor, durch die keine unmittelbare Regelung der Rechtsverhältnisse des Bürgers getroffen werden soll, so erhebt sich die Frage, vor welchem Gericht und mit welchem Rechtsbehelf der Beeinträchtigte klagen soll. Sonder- oder Amtsrecht, auf das dieses Verhalten gestützt werden könnte, ist nicht ersichtlich. Ist der private Rechtskreis des Bürgers durch die Maßnahme betroffen, so kann nach der Sonderrechtstheorie von Wolff nur vermutet werden, ob eine privatrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt88• Dieses Vermutungsverfahren birgt große Rechts88
Typisch z. B. die Erwägungen des KG in NJW 57, 1076 ("Steuerftbelfall").
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Einleitung
unsicherheit in sich und läuft in letzter Konsequenz doch auf die Fragestellung hinaus, die bei der hier vertretenen Konzeption gleich zu stellen sein würde: Handelt es sich um ein Aufgabengebiet, in dem die Verwaltung einseitig regelnd tätig werden darf oder nicht? Bejahendenfalls liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor und die Gerichte sind mit der Frage befaßt, ob die Beeinträchtigung ausreicht, um eine Rechtsverletzung im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG darzustellen. Wird auch diese Frage bejaht, so muß die Amtshandlung gleichzeitig als Verwaltungsakt bewertet werden und es ist der den Verwaltungsakten gemäße Gerichtsschutz zu gewähren89 • Ist die Amtshandlung kein VA, so ist der Betroffene auch nicht schützenswert; denn es fehlt die Rechtsverletzung gern. Art. 19 Abs. 4 GG90• Das zu beurteilen sind Verwaltungsgerichte, nicht aber Zivilgerichte kompetent91 •
§ 31 (3) Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die Unterscheidung zwischen öffentlicher und privatrechtlicher Streitigkeit mit der Fragestellung, ob die Verwaltung einseitig-hoheitlich gehandelt hat oder jedenfalls handeln muß, durchaus zu bewerkstelligen ist und auch zu gerechten Ergebnisse in der Rechtswegfrage führt. Ich meine darüberhinaus, daß diese Grundkonzeption den entscheidenden Vorteil der Rechtsklarheit für sich hat. Sie kennt nur öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Verwaltungstätigkeit. Neben dieser Unterscheidung haben die inzwischen herausgebildeten Zwischenstufen der Leistungsverwaltung und des Verwaltungsprivatrechts keine praktische Bedeutung mehr. Es wird allerdings davon ausgegangen, daß es neben dem Verwaltungsakt einen Vertrag als Handlungsform öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit insofern nicht gibt, als dadurch eine wirksame Rechtsregelung geschaffen werden soll. 89 Dazu muß man allerdings der Ansicht von Eyermann!Fröhler, VwGO, Anm. 14 zu § 42, Lerche, Staatsbürger und Staatsgewalt li, S. 59 ff. (71 f.) und Thomas in NJW 68, S. 438 ff. (439) folgen, wonach der Rechtsschutz im Subordinationsverhältnis Bürger/Staat durch Verpflichtungs-, Anfechtungs- und Feststellungsklagen typisiert ist, so daß für ungeschriebene Leistungsklagen hier kein Raum ist; Näheres siehe §§ 310, 317. 90 Der Begriff des subjektiven Rechts i. S. Art. 19 Abs. 4 GG und i. S. § 42 Abs. 2 VwGO ist nämlich nicht teilbar und bedeutet daher in beiden Fällen dasselbe, vgl. Bühler, Jellinek-Gedächtnissschrift, S. 269 ff. (285). 91 Deshalb unrichtig OLG Köln v. 19. 11. 1951, DVBl. 52, 309 = JZ 52, 223: Klage gegen Herausgabe einer Druckschrift gegen den Kommunismus durch den Bund ist gern. Art. 19 IV, 2 GG bei ordentlicher Gerichtsbarkeit zugelassen, da vor Verwaltungsgerichten kein Rechtsschutz gewährt werden kann; woher will ein Zivilgericht das beurteilen können?
Einleitung
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§ 32
Es darf darauf hingewiesen werden, daß sich das gefundene Ergebnis im Grunde im Einklang mit der von H. J. Wolff entwickelten Sonderrechtstheorie92 befindet: "Öffentliches Recht" ist nach Wolff der Inbegriff derjenigen Rechtssätze, deren Zuordnungsobjekt ausschließlich ein Subjekt hoheitlicher Gewalt ist (sog. Amts- oder Sonderrecht)93 ; "privates Recht" ist hingegen dadurch gekennzeichnet, daß der Staat hier im Rahmen von Befugnissen tätig wird, die jedermann zustehen94. Zeichnet sich der Verwaltungsakt im Unterschied zum Vertrag nicht gerade dadurch aus, daß sich seiner nur die Verwaltung bedienen darf, um die rechtliche Regelung eines bestimmten Sachverhaltes herbeizuführen?
d) Die Zusage privatrechtlicher Tätigkeit § 33
Von daher wird es auch verständlich, warum wir die Zusage privatrechtlicher Tätigkeit aus unseren Untersuchungen ausklammern müssen. Während es sich nämlich bei der Zusage öffentlich-rechtlicher Tätigkeit um eine tatsächliche Verwaltungserscheinung handelt, und die Frage nur die ist, ob sich die Verwaltung vor ihrem Endbescheid binden darf, geht es bei ersterer um die Frage, ob der Staat seinen Privatgeschäften eine Hoheitsentscheidung vorschalten muß95 • Zur Klarstellung sei lediglich angemerkt, daß der öffentlich-rechtliche Vertrag hier eine ganz andere Funktion als derjenige ausüben soll, der mit zum Gegenstand unserer Untersuchung gemacht werden soll. Denn hier geht es um die Frage, ob der Staat die ihm im Rahmen der Daseinsvorsorge neu zugewachsenen Subventionsaufgaben allein mit den Vertragsprinzipien zu bewältigen in der Lage ist oder ob es dazu eines - gedanklich zu trennenden - VorschaUverwaltungsaktes bedarf (Zweistufentheorie)96. Auch hier wird man sich im Interesse der Rechtsklarheit dafür entscheiden müssen, daß ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ein Widerspruch in sich ist, und daß die öffentlich-rechtliche Seite der Subventionsmaßnahme, insbesondere die Erwägungen nach Art. 3 GG usw., in einem vorgeschalteten Verwaltungsakt zu regeln sind, wenn eine solche Rege92 So grundlegend Wolf! in AöR 76, S. 205 ff.
ea Wolf! Lbl, § 22 II c.
94 Wolf!, a. a. 0. 95 Vgl. zu dem hiermit ausgesprochenen Problemkreis der Zweistufentheorie z. B. Krüger in DVBI. 55, S. 383 ff.; Bachof in DöV 53, S. 423 ff.; Ipsen in DVBI., S. 466; Maunz!DüTig, GG, Rdnr. 134 ff. zu Art. 1m. w. N. sowie Bullinger, S. 231. 98 Vgl. BVerwG v. 6. 6. 1958, BVerwGE 7, 89.
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Einleitung
lung nach Abwägung aller Gesichtspunkte überhaupt für notwendig erachtet wird97 • Diese Problematik kann aber letztlich dahinstehen. Denn wir wollen uns nicht mit der hoheitlichen Verpflichtung zu privatrechtlichem Handeln, sondern mit der Verpflichtung zu Hoheitshandeln befassen. Dieser grundsätzliche Unterschied rechtfertigt es m. E. trotz mancher verwandter Züge, von einer Erörterung der Zusage privatrechtlichen Handeins im Rahmen dieser Untersuchung abzusehen. Selbstverständlich kann sich daher der Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag nur auf den Vertrag beschränken, in dem eine typisch hoheitliche Tätigkeit versprochen wird, wenngleich die hier vertretene Grundkonzeption dahingeht, den Vertrag als Handlungsform in allen Bereichen des öffentlichen Rechts abzulehnen.
97 Sonst handelt es sich um einen privaten Vertrag im Rahmen der Daseinsvorsorge, siehe §§ 25, 26.
ERSTER TEIL
Die Erscheinungsformen der Zusage in Gesetz und Praxis § 34
Wie schon eingangs angedeutet, wird die Diskussion um die Zusage durch viele begriffliche und terminologische Streitigkeiten erschwert. Insbesondere besteht die Gefahr, daß durch eine vorangestellte Begriffsbestimmung manche Erscheinungsform des täglichen Verwaltungshandeins aus dieser Diskussion ausgeklammert wird\ obwohl sie in ihrem Kern ebenfalls das Zusageproblem, wie es einleitend skizziert wurde2 , anspricht und u. U. wichtige Hinweise für eine Lösung bieten kann. Um dem vorzubeugen, soll eingangs untersucht werden, wie die Verwaltung bisher die hier interessierende zentrale Aufgabe bewältigt hat, ihre eigene Handlungsweise in der Zukunft festzulegen (Selbstbindung der Verwaltung). Bei solcher Untersuchung müßte man am Ende zu einem schlüssigen Ergebnis darüber gelangen, ob, in welcher Form und in welchen Grenzen eine solche Bindung möglich ist. Gleichzeitig soll diese Übersicht einen Einblick in die gegenwärtig noch bestehende Diskrepanz zwischen Verwaltungswirklichkeit und rechtsstaatlich legitimiertem, d. h. gesetzlich vorgesehenem Verwaltungshandeln, gewähren. Es wird sich zeigen, inwieweit die Verwaltung hier der Rechtsentwicklung vorgegriffen hat, und wann sie Zwecke verfolgt, die vom Gesetzgeber nicht gebilligt werden, mit denen die Verwaltung also den Boden ihrer demokratischen Legitimation verläßt.
1
So typisch z. B. Kampmann, S. 8. Siehe §§ 14 ff.
1. Teil, 1. Kap. : Die Zusage im Steuerrecht
40
Erstes Kapitel
Die Zusage im Steuerrecht I. Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage 1. Die Zollauskunft Literatur: Baumann in ZfZ 57, S. 232 f.; Beckhaus in ZfZ 32, S. 10 ff.; Friedrich in BB 57, S. 1104 ff.; GaHeiske in StuW 60, S. 283 ff.; Jancke in ZfZ 27, S. 29 ff., ZfZ 30, S. 23 ff. und ZfZ 31, S. 2 ff.; Konda in ZfZ 62, S. 109 ff.; List in ZfZ 59, S. 100 ff.; Ludwig in ZfZ 29, S. 226 ff. und ZfZ 30, S. 211 ff.; Ritter in ZfZ 66, S. 353 ff.; Sellnick in ZfZ 30, S. 172 ff.; Schneider in ZfZ 31, S. 25 ff.; Trapp in ZfZ 65, S. 199 f.; Zimpel in ZfZ 57, S. 14 f.
§ 35 Eingeführt wurde die verbindliche Zoll(tarif)auskunft durch einen Bundesratsbeschluß vom 20.1.1868 1, der seinerseits durch eine Resolution des Reichstags vom 21. 1. 1897 2 veranlaßt worden war. In jedem Steuerdirektionsbezirk sollte danach eine Behörde errichtet werden, die auf Verlangen Auskunft über Zolltarife zu geben hatte 3 • Da diese Zusageform seit über 60 Jahren zum fest etablierten Bestandteil unserer Zollgesetze gehört, empfiehlt es sich, die in diesem Zeitraum gemachten Erfahrungen aufzuzeigen, um sie bei einer späteren Verallgemeinerung nutzbringend zu verwerten.
a) Die Rechtsnatur der Zollauskunft § 36 Da in den §§ 91 ff. AO 1931 4 die Aufhebbarkeit steuerrechtlicher Verfügungen ausdrücklich geregelt ist, hat seit jeher die Frage interessiert, RZentrBI. 1898, 84. RTDrs. 896/1897/98, Nr. 622, S. 2915; eine frühere Resolution des Reichstags v. 14. 3. 1893 (RTDrs. 892/1893, Nr. 142) wurde ohne Begründung durch Bundesrathsbeschluß abgelehnt (BRDrs. 1894, Nr. 47); vgl. im übrigen die Sitzungsberichte über die Sitzungen v. 4. 12. 1896, 9. Leg. Per., RTDrs. 147/1895-97, S. 3711 B ff., und v. 30. 10. 1902, 11. Leg.Per., RTDrs. 185/1900-03, S. 6082 B. 3 Die in dem Bundesratsbeschluß getroffene Regelung wurde später durch § 2 des Zolltarifgesetzes v. 25. 12. 1902, RGBI. S. 303, in Verbindung mit der Anleitung für die Zollabfertigung v. 11. 1. 1906, RZentrBI. 06, 31 = Nachrichtenbl. 06, 1, entsprechend übernommen. Die Einführung der Zollauskunft wurde interessanterweise seinerzeit mit dem dringenden (Rechts-)Schutzbedürfnis des gutgläubigen Importeurs gegen das schon damals bestehende, unbedingte Nachforderungsrecht der Zollverwaltung gern. §§ 94 Abs. 1 Ziff. 1, 223 AO motiviert, vgl. Abg. Dr. Harnmacher in der 140. Sitzung v. 4. 12. 1896, 9. Leg. Per., RTDrs. 147/1895-97, S. 3711 B; abl. Graf Posadowsky in der gleichen Sitzung, S. 3713 C; vgl. hinsichtlich der Entstehungsgeschichte RFH v. 15. 1. 1940, Slg. 49, 313 (314). 4 V. 22. 5. 1931, RGBI. I s. 161. 1
2
I. Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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wie die Zollauskunft in dieses System einzuordnen sei. Es geht hier vor allem um zwei Fragenkreise: 1. Inwieweit ist die Zollauskunft überhaupt eine Verfügung, die den §§ 91 ff. AO unterliegt? 2. Wenn ja: Handelt es sich um eine begünstigende Verfügung i. S. d. § 96 AO? Praktische Bedeutung gewinnen beide Fragen vor allem dadurch, daß die speziell für die Zollauskunft geltenden Rücknahmebestimmungen (§§ 6 Abs. 1 VO 1927\ § 85 AZO 19396 , § 31 AZO 196F) den Regelungen der AO entsprechend ausgelegt werden müssen, weil die Abgabenordnung grundsätzlich auch für das Zollrecht verbindlich ist8 • § 37
(1) Durch die Bestimmung des§ 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1919t wurde die Zollauskunft "ein Feststellungsbescheid des Landesfinanzamtes, der für die Bemessung künftiger Steueransprüche bindend ist" 10• Die Zollauskunft galt demzufolge als Zollbescheid und durfte wie ein solcher nach § 76 Abs. 1 Ziff. 1 AO 1919 zurückgenommen oder geändert werden11 • Der Bundesratsbeschluß von 1898, die Anleitung von 1906 und die VO von 1927 hatten dabei stets zwischen einer der Auskunft zugrunde liegenden Entscheidung und "dem anderen Teil der Zollauskunft" unterschieden12• Von der Rücknahme wurde unstreitig nur der 1. Teil erfaßt, während die Rechte des Antragstellers aus § 6 Abs. 2 und 3 sowie § 7 VO 1927 unberührt blieben13• Das gab Anlaß zu einer Kontroverse darüber, ob die Auskunft begünstigende Wirkungen im Sinne des § 78 AO 1919 aufzuweisen habe. Während Jancke 14 und Ludwig15 die Auffassung vertraten, die Auskunft teile zwar nur objektives Recht mit und sei deshalb noch nicht einmal ein Feststellungsbescheid im Sinne des Steuerrechts, zeitige aber in den §§ 6 und 7 besondere Wirkungen, die nur über § 78 AO 1919 widerrufen werden könnten, sah Sellnick16 in der Auskunft einen i. d. F. der VO v. 20. 2. 1936, RZBI. 36, 78. v. 31. 3. 1939, RGBI. S. 313. 7 v. 29. 11. 1961, RGBI. I S. 1937 = BZBI. 61, 1010. 8 RFH-Gutachten v. 18. 4. 1941, Slg. 50, 200 (203). 9 v. 13. 12. 1919, RGBI. S. 1995. 10 RFH v. 24. 11. 1920, Slg. 4, 60 = RZBI. 21, 9; vgl. auch Drs. Nr. 1460 der Nationalversammlung 1919/20, S. 33 des Ausschußberichtes. 11 RFH, a. a. 0., vgl. auch RFH-Gutachten v. 18. 4. 1941, a. a. 0. 12 Jancke in ZfZ 27, S. 29 ff. 13 Jancke, a. a. 0.; Ludwig in ZfZ 29, S. 226 ff., sowie in ZfZ 30, S. 211 ff. u a.a.O. 15 a. a. 0. 16 in ZfZ 30, S. 172 ff. 5 6
1. Teil, 1. Kap.: Die Zusage im Steuerrecht
42
Feststellungsbescheid, durch den bindend über zukünftige Steueransprüche entschieden werde, was sich direkt aus den Regelungen der §§ 6 und 7 VO 1927 ergebe. Diese Bindung sei für den Feststellungsbescheid in gleicher Weise wie für die Zollauskunft charakteristisch; beide würden ohne die Bindungswirkung ihre Zweckbestimmung verlieren. Wenn die Zollauskunft aber in diesem Sinne mit einem Feststellungsbescheid identisch sei, so könne sie keine Wirkungen nach § 78 AO 1919 zeitigen. Denn die Bindung ergebe sich ausschließlich aus der Natur des Feststellungsbescheides und könne deshalb keine Begünstigung darstellen17• § 38
(2) Die Entwicklung der Gesetzgebung schien Sellnick zunächst zu widerlegen: Durch Art. VII Ziff. 6 und 7 des Tabaksteueränderungsgesetzes vom 22. 12. 192918 wurden in § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1919 die Wörter "oder Landesfinanzämter" sowie der 3. Satz des Abs. 2 gestrichen und dafür ein § 223a AO 1919 eingefügt 19• Die Feststellungsbescheide des Landesfinanzamtes waren damit in Fortfall geraten. Dazu heißt es in der Begründung des Gesetzes20 : "Feststellungsbescheide sind nunmehr nur noch die Bescheide, durch die Besteuerungsgrundlagen der Steuern von Einkommen, vom Ertrag, vom Vermögen und vom Umsatz konstitutiv festgestellt werden, nicht aber mehr die Zollauskünfte, deren Tarifentscheidung nur deklaratorisch wirkte21 ." Ein Feststellungsbescheid im Sinne des Steuerrechts konnte die Zollauskunft nach Ansicht des damaligen Schrifttums vor allem deshalb nicht sein, weil dessen Feststellungen nur mit Rechtsmitteln gegen den Feststellungsbescheid selbst angegriffen werden konnten, während die einer Zollauskunft zugrunde liegende Entscheidung nicht nur unmittelbar mit Rechtsmitteln gegen die Zollauskunft, sondern auch mittelbar durch Rechtsbehelf gegen den Zollbescheid angegriffen werden durfte, und zwar auch dann, wenn die Zollauskunft ihrerseits bereits unangreifbar geworden war22 • Dieser in der Tat grundlegende Unterschied zu den sog. Feststellungsbescheiden der Abgabenordnung führte auch dazu, daß es später für notwendig befunden wurde23, SeHnick in ZfZ 30, S. 172 ff. (174). RGBl. I S. 234. 19 Später§ 236 AO 1931. 20 RTDrs. 1927, Nr. 104, S. 126 f., Begründung zu Art. 1 Nr. 27 des Entw. eines Steueranpassungsgesetzes, und RTDrs. 1928, Nr. 565, S. 230 f., Begründung zu Art. I Nr. 43 des gleichen Entwurfs. 21 RTDrs. 1927, Nr. 104, und 1928, Nr. 568, a. a . 0 . 22 Ludwig in ZfZ 30, S. 211 ff. ; Jancke in ZfZ 30, S. 23 ff. 23 Nämlich durch den 3. Teil, Kap. IV, Art. 1 Nr. 22 der VO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen v.l. 12. 1930, RGBl. I S. 517. 17
18
I. Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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"den Bescheid der in§ 223a AO bezeichneten Art" ausdrücklich im Wege der Gesetzesänderung in die Vorschrift des § 76 Abs. 1 Ziff. 1 AO 191924 einzugliedern. Damit wurde anerkannt, daß die Zollauskunft nicht länger ein Feststellungsbescheid, sondern ein Bescheid eigener Art sein sollte, der von § 76 Abs. 1 Ziff. 125 nicht ohne weiteres erfaßt wurde20 • § 39
(3) Gleichwohl läßt sich der Beweis, daß der Gesetzgeber der Zollauskunft damit jeglichen Verfügungscharakter absprechen wollte, nicht führen 27 • Im Gegenteil: Die §§ 80 ff. AZO 1939 haben die Unterscheidung zwischen der "der Zollauskunft zugrunde liegenden Entscheidung" und "dem anderen Teil der Zollauskunft" gänzlich fallengelassen. Es war von jetzt an unmöglich, in der Auskunft lediglich die Wiedergabe des objektiven Gesetzeswortlautes zu sehen, sollte sie gleichwohl Bindungswirkungen zeigen28 • Denn durch eine Rücknahme wurde die Auskunft in ihrem ganzen Umfang erfaßt29 • Wäre sie nur eine objektive Rechtsmitteilung gewesen, so hätten mit der Rücknahme auch alle übrigen Wirkungen aufhören müssen. Die Rechte aus einer Zollauskunft konnten deshalb nur noch als Folgen ihrer Rechtsnatur erklärt werden. § 40
Die Entwicklung ist dabei nicht stehengeblieben: Während noch § 86 Abs. 3 AZO 1939 die dreimonatige Bindung der Zollbehörden nach Aufhebung der Auskunft von dem Nachweis abhängig gemacht hat, daß der Antragsteller die Verträge über den Bezug einfuhrzollbarer Waren im guten Glauben an die Richtigkeit der Zollauskunft geschlossen hatte, ist dieses Erfordernis durch § 23 Abs. 2 ZollG 1961 gänzlich fallengelassen worden. Dadurch tritt nicht nur eine Änderung der Beweislast ein30, vielmehr wird der Zollauskunft darüber hinaus jener Vertrauensschutz zugebilligt, die jeder hoheitlichen Verfügung immanent ist31• Insofern ist es heute kraft Gesetzes anerkannt, daß die Zollauskunft eine Verfügung im Sinne des§ 91 AO, also ein Verwaltungsakt ist32• Später§ 94 AO 1931. Dieser erfaßte aber auch Feststellungsbescheide. 26 RFH v . 18. 4. 1941, a. a. 0., S. 205. 21 Anders RFH, a. a. 0. 28 So nach Jancke in ZfZ 27, a. a. 0.; Ludwig, a. a. 0. 29 So RFH, a. a. 0 ., unter Hinweis auf das amtliche Muster zu § 83 Abs. 1 AZO 1939. 3° Konda in ZfZ 62, S. 109 ff. 31 Vgl. auch BFH v. 9. 4. 1963, HFR 63, Nr. 406, wonach Bindung nur, wenn Verzollung nach Auskunfterteilung vorgenommen wird. 32 z. B. Tipke!Kruse, AO 1931, Anm. 2 zu§ 236. 2•
25
1. Teil, 1. Kap.:
Die Zusage im Steuerrecht § 41
(4) Richtungweisendes Kennzeichen dieser Entwicklung muß für uns sein, daß die Zollauskunft als Verwaltungsakt eigener Art anerkannt wird, obwohl sie unter die geläufigen, ähnlichen Verwaltungsaktformen, insbesondere unter den steuerrechtliehen Feststellungsbescheid nicht eingeordnet werden kann, weil ihr dessen doppelseitige Bindungswirkung fehlt. Damit wird die spezifisch begünstigende Wirkung der Zusage anerkannt, die darin besteht, daß man ihre Rechtmäßigkeit nicht nur unmittelbar durch Rechtsmittel gegen dieselbe, sondern auch noch mittelbar im Rechtsmittelverfahren gegen den Endbescheid angreifen kann33• Gleichzeitig fällt auf, daß gerade diese spezifisch begünstigende Wirkung es erforderlich gemacht hat, die Zollauskunft trotz dieser formellen Begünstigung als rechtsmittelfähigen Verwaltungsakt zu kennzeichnen. Nicht dogmatische Erwägungen, sondern allein das praktische Bedürfnis, dem vorbeugenden Rechtsschutz auch einen systemgerechten Gerichtsschutz zur Seite zu stellen, sind daher für die Rechtsnatur dieser Zusageform verantwortlich zu machen34• § 42
Die Zollauskunft wird nicht dem § 96 AO, sondern § 94 AO untergeordnet. Damit unterfällt sie materiellrechtlich den gleichen Rücknahmeregeln wie andere zollrechtliche Verfügungen auch. Selbst die Bindungswirkung gern. § 23 Abs. 2 Satz 2 ZollG wird also nicht als besondere materielle Begünstigung gesehen, die anderen Steuerbescheiden fremd wäre. Die doppelte Rechtsmittelfähigkeit zeigt, daß materiellrechtlich auch belastende Zollauskünfte denkbar sind. Aus materiellrechtlicher Sicht ist ihr daher keine besonders begünstigende Wirkung zu eigen. Dieser Gesichtspunkt ist verallgemeinerungsfähig und sollte vor allem dann beachtet werden, wenn die Frage ansteht, ob die allgemeine steuerrechtliche Zusage § 94 AO oder§ 96 AO zugeordnet werden soll35•
b) Die Institutionalisierung einer Zusage im Zollrecht Ihre Probleme und ihre Auswirkungen § 43
Die Zollauskunft ist in der erkennbaren Absicht geschaffen worden, dem Zollpflichtigen ein Rechtsinstitut in die Hand zu geben, welches sei33 34
35
Siehe §§ 311 ff. Siehe§ 310. Siehe §§ 312, 322.
I.
Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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nem Interesse an der Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes genügend Rechnung trägt36• Diese Institutionalisierungsabsicht hat zu folgenden zwei Fragestellungen Anlaß gegeben: 1. Inwieweit bedarf der Zollpflichtige überhaupt des vorbeugenden Rechtsschutzes? 2. Inwieweit bedarf er auch dann noch des vorbeugenden Rechtsschutzes, wenn er den zollpflichtigen Tatbestand ohne vorherige Einholung einer Zollauskunft verwirklicht hat? § 44 (1) In den 60 Jahren ihres Bestehens hat der Gesetzgeber immer wieder vor der Frage gestanden, wieweit die Zollauskunft im sachlichen Bereich zu erstrecken sei. § 2 ZollTG 1902 kannte nur eine Auskunft über Zolltarifsätze. In der VO über die amtliche Zollauskunft vom 7. 1. 1927 37 hingegen, durch die die obengenannte Anleitung ersetzt wurde, konnte auch über Tarasätze verbindlich Auskunft erteilt werden38, worin allerdings nach Ansicht des RFH keine Ermächtigung zur Auskunft auch über Tarabestimmungen zu erblicken war39• Die Neuregelung der Zollauskunft durch § 63 ZollG 193940 sowie §§ 80 ff. AZO 1939 sah hinsichtlich der Tarasätze und -bestimmungen nur noch eine unverbindliche Auskunft vor. Heute ist die Auskunftsermächtigung so weit eingeschränkt, daß gern. § 23 ZollG 1961 41 und§§ 28 ff. AZO 1961 allein über die Zolltarifstelle und nicht mehr auch über den Zollsatz verbindliche Zolltarifauskünfte erteilt werden dürfen. Diese fortlaufende Einschränkung der Verbindlichkeit im sachlichen Bereich soll ihre Erklärung in den Bestimmungen der §§ 7 VO 1927, 87 AZO 1939 und 23 Abs. 3 ZollG 1961 finden: Ihnen zufolge tritt die Auskunft dann außer Kraft, wenn die in ihr angewendeten Rechtsvorschriften geändert werden. Da Tarabestimmungen, Tarasätze und Zollsätze in steigendem Maße einem häufigen Wechsel unterliegen, wäre die Effektivität der Zollauskunft in Frage gestellt, müßte sich die Zollauskunft auch auf diese Bereiche erstrecken42 • Meines Erachtens hätte es bei dieser Begründung der Beschränkung auf die Zolltarifstelle aber nicht bedurft; schon § 88 Abs. 3 AZO bestimmte nämlich, daß die in der Begründung einer Zollauskunft enthaltenen Tarifierungsgrundsätze für die Zollbehörden auch dann maßgebend bleiben 36 Abg. Dr. Harnmacher in der 140. Sitzung v. 4. 12. 1896, 9. Leg. Per., RTDrs. 147/1895-97, S. 3711 B. 3 7 RZBl. 27, 4 ff. as Ludwig in ZfZ 29, S. 226 ff. 39 Urt. v. 14. 10. 1931, RZBl. 31, 374. 40 v. 20. 3. 1939, RGBl. S. 529. 41 v. 14. 6. 1961, RGBL I, S. 737. ~ 2 Vgl. Begründung des Entwurfs, BTDrs. III, Nr. 2201, S. 31 f. u. 42.
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1. Teil, 1. Kap.: Die Zusage
im Steuerrecht
würden, wenn die Zollauskunft infolge Änderung der Gesetzgebung außer Kraft getreten wäre (§ 87 AZO 1939) und die Tarifierungsgrundsätze durch die gesetzlichen Änderungen nicht berührt würden. Das aber konnte schon damals bei richtiger Auslegung nur bedeuten, daß die Auskunft über die Tarifstelle durch Änderungen des Zollsatzes nicht berührt wurde43 • Die Erklärung für diese Entwicklung ist vielmehr darin zu suchen, daß es die finanzpolitische Lage des Staates erfordert, Tarabestimmungen, Tarasätze und Zollsätze ständig zu ändern und der jeweiligen Situation anzupassen. Wenngleich das im Rechtsschutzinteresse des Bürgers durch den Gesetzgeber zu geschehen hat, so muß angesichts der Schwerfälligkeit gesetzgeberischer Entscheidungen besonders darauf geachtet werden, daß dem Staat dadurch keine Einnahmen entgehen. Diese Entscheidungshoheit des Staates über die materiellen Voraussetzungen einer Zollschuld (materielle Zollhoheit) erfordert es demnach auch, daß noch nicht einmal die Gefahr besteht, daß infolge von Zollauskünften auf Einnahmequellen verzichtet werden muß. Deshalb sind Zollauskünfte in diesen Bereichen nicht zugelassen. § 45
Zu den Bereichen des Zollrechts, in denen aus ähnlichen wie den oben dargelegten Erwägungen heraus die Erteilung einer verbindlichen Auskunft nicht möglich erscheint, gehören die Bestimmungen über die außertarifliche Zollfreiheit und den Wertzolltarif. Zwar sind neuerdings durch Erlaß des BdF vom 9. 6. 196444 verbindliche Auskünfte der Hauptzollämter über die außertarifliche Zollfreiheit sowie über Umstände ermöglicht worden, die für die Bemessung des Zollwertes maßgebend sind45 • Damit versucht man dem seit Einführung des Wertzolltarifs immer dringender werdenden Bedürfnis des Importeurs nach Berechenbarkeit des Zollwertes Rechnung zu tragen46• Derartige Auskünfte sollen aber auch in Zukunft nicht mit Rechtsmittelfähigkeit ausgestattet werden; denn endgültig und verbindlich kann der Zollwert dann auch die außertarifliche Zollfreiheit erst zum Zeitpunkt der Zollabfertigung - also nach Tatbestandsverwirklichung - festgestellt werden, weil sich beide nach dem Wert der Ware zu diesem Zeitpunkt berechnen47• Damit fehlt auch dieser Auskunft entgegen der Absicht der BdF eine originäre Bindungswirkung in dem Sinne, daß der Zollbescheid in der Auskunft seine Rechtsgrundlage findet. GaUeiske in StuW 60, S. 283 ff. BZBl. 64, 648. • 5 Vgl. dazu Ludwig, a. a. 0., sowie in ZfZ 30, S. 211 ff. •s Galleiske, a. a. 0 . n Vgl. BTDrs. V, Nr. 885, S. 4.
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I. Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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§ 46
Diese Entwicklung zeigt, daß das vorbeugende Rechtsschutzinteresse, welches mit der Zollauskunft verfolgt wird, in der Zollhoheit des Staates seine Grenze findet. Soweit es seine finanzpolitische Gesamtsituation erfordert, bestimmte Zollvorschriften ständig zu ändern (materielle Zollhoheit), darf noch nicht einmal die Gefahr bestehen, daß der Staat durch vorherige Zusagen an ältere Vorschriften gebunden ist und deshalb auf Einnahmen verzichten muß. Aber auch dann, wenn aus finanzpolitischen Gründen die Feststellung der Voraussetzungen einer Zollpflichtigkeit erst nach Tatbestandsverwirklichung vorgenommen werden kann (formelle Zollheit) darf der Zollpflichtige durch eine Zusage nicht geschützt werden. § 47 (2) Die Bindungswirkung der Zollauskunft ist dadurch gekennzeichnet, daß der Antragsteller von den Zollstellen eine der Auskunft entsprechende Abfertigung der eingeführten Waren verlangen kann (§§ 6 Abs. 2 VO 1927, 86 Abs.1 AZO, § 23 Abs. 2 Satz 1 ZollG 1961 48). Es taucht immer wieder die Frage auf, inwieweit Dritte eine der Auskunft entsprechende Behandlung ihrer Ware verlangen können. Herausgefordert wird diese Fragestellung durch jene seit jeher übliche Veröffentlichung der Zollauskünfte im Nachrichtenblatt49 bzw. Reichs- und Bundeszollblatt50, sowie durch die gesetzlich vorgeschriebene Mitteilung an verschiedene andere Behörden, die von der Regelung betroffen sind51 . § 48
Zunächst hatte die Veröffentlichung der Zollauskunft durch den RdF nur "nachrichtliche Bedeutung" 52• Mit Erlaß des RdF vom 21. 12. 193653 konnten derartige Auskünfte jedoch nur noch mit Zustimmung des RdF 48 Dabei ist die eingeführte Ware nicht nur dann "von der in der Zollauskunft behandelten Beschaffenheit" (§ 86 Abs. 1 AZO 1939), wenn sie mit den eingesandten Proben übereinstimmt, sondern auch, wenn die in der Auskunft angewandten Tarifierungsgrundsätze bei einer anderen Ware zur gleichen Tarifierung führen müssen, FG Düsseldorf v. 14. 12. 1960, EFG 61, 333. Das ist aber eine Auswirkung der Entscheidungsgründe, die mit dem Verfügungscharakter der Zollauskunft durchaus im Einklang steht. 49 Vgl. Nachrichtenbl. 1906, 1. 50 RdF-Erlaß v. 21. 12. 1936, RZBl. 36, 469. 51 §§ 5, 9 VO 1927, § 84 AZO 1939. 52 Vgl. BTDrs. V, Nr. 885, S. 4; vgl. auch RFH v. 21. 12. 26, ZfZ 27, 64. 53 RZBl. 36, 469.
1. Teil, 1. Kap.: Die Zusage im Steuerrecht
48
aufgehoben oder geändert werden54• Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte jede veröffentlichte Zollauskunft aber ebenso wie jede Mitteilung an betroffene Zollstellen (§ 88 Abs. 1 AZO 1939) nur den Charakter einer internen Dienstanweisung haben (§ 88 Abs. 1 AZO 1939)55• Denn diese Bestimmungen waren letztlich von dem Bestreben geleitet, durch weitgehende Information der beteiligten Behörden die durch das Institut der Zollauskunft an sich gefährdete Einheitlichkeit der Tarifierung gleichwohl zu gewährleisten56• § 49
Im Schrifttum hat es dennoch nicht an Stimmen gefehlt, die unter Verkennung der Movitation dieser Vorschriften gefordert haben, der Auskunft eine echte Wirksamkeit gegenüber Dritten einzuräumen, eine Wirkung, die ihr de facto sowieso eingeräumt wurde57• Es wird die Auffassung vertreten, daß es als übertriebener Formalismus zu bewerten sei, wenn jeder Importeur, um gegen spätere Nachforschungen geschützt zu sein, für sich eine spezielle Zollauskunft beantragen müsse (§§ 6 Abs. 3 VO 1927, 86 Abs. 2 AZO 1939, 23 Abs. 2 Satz 1 ZollG 1961). Auch bestehe bei der derzeitigen Rechtslage die akute Gefahr einer Überschwemmung der Oberfinanzdirektionen mit Auskunftsanträgen58 • Der BFH hat sich diesen Gedankengängen indes bisher stets verschlossen59, weil die Zollauskunft eine gesetzlich geschaffene Vertrauensgrundlage bildet, die deshalb nur demjenigen zugute kommen kann, der sich ihrer bedient, d. h. der eine Auskunft beantragt hat60 • § 50
In diesem Zusammenhang stoßen wir auf die interessanteste Wirkung der Zollauskunft: Nach der Rechtsprechung des BFH61 hat sie mit die Aufgabe, den Grundsatz von Treu und Glauben aus dem Zollrecht zu verdrängen. Gegen den Widerstand der Finanzgerichte62 hat der BFH Vgl. RFH-Gutachten v. 18. 4. 1941, Slg. 50,200 (204). Vgl. auch BdF-Erlaß v. 11. 12. 1957, BZBL 57, 684. 56 BFH-Erlaß, a. a. 0.; vgl. auch § 28 AZO 1961, wo dieser Gedanke ebenfalls Pate stand. 57 Zimpel in ZfZ 57, S. 14 f.; Baumann in ZfZ 57, S. 232 f.; Friedri ch in BB 57, S. 1104 ff.; Galleiske, a. a. 0 . 58 Galleiske, a. a. 0. 59 Urt. v. 17. 1. 1957, BStBI. 111 57, 123. 60 Ebenso FG Kassel v. 12. 2. 1959, EFG 59, 298. u Urt. v . 17. 1. 1957, BStBl. 111 57, 123; v. 27. 2. 1958, BStBl. 111 58, 205; V. 11. 1. 1961, BStBl. 111 61, 89; v. 31. 7. 1962, ZfZ 62, 338; V. 17. 3. 1964, ZfZ 64, 240 (Rümelin) = HFR 64, 330. 62 FG Rh.-Pf. v . 13. 2. 1962, EFG 62, 432 = ZfZ 62, 345; FG Nürnberg v. 25. 1. 1963, EFG 63, 389; FG Bremen v. 16. 10.1964, ZfZ 65, 28; wie BFH nur FG Freiburg v . 18. 11. 1958, EFG 59, 231. 54 55
I.
Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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für das Zollrecht daran festgehalten63, daß der Grundsatz von Treu und Glauben erst Berücksichtigung finden kann, wenn alle Schutzmöglichkeiten, die das Gesetz bietet, ausgeschöpft sind. Die Zollauskunft hat den Vertrauensschutz im Zollrecht institutionalisiert; es muß deshalb zu Lasten des Importeurs gehen, wenn er sich dieser Möglichkeit nicht bedient. Wenn er bei kleineren, sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Einfuhrgeschäften die Kosten für eine verbindliche Zolltarifauskunft scheut, so nimmt er das Risiko von Nachforderungen in Kauf6'; denn die Kosten der Zollauskunft stellen sich nicht als eine Frage der Zumutbarkeit, sondern als eine Frage kaufmännischer Kalkulation dar65• Aus dieser Rechtsprechung kann m. E. im Umkehrschluß gefolgert werden, daß nicht etwa Treu und Glauben, sondern allein der Vertrauensschutz rechtsstaatlich-hoheitlichen Handeins eine Grundlage für die Verbindlichkeit der Zollauskunft zu bieten vermag und daß es neben ihm keinen Lebensraum für den Grundsatz von Treu und Glauben gibt, soweit es im Zollrecht um die Selbstbindung der Verwaltung durch vorangegangenes Tun geht. § 51
Erhärtet wird dieser Umkehrschluß auch dadurch, daß es der Gesetzgeber bisher stets abgelehnt hat, den seit jeher im Zollrecht üblichen, unverbindlichen Auskünften der Zollstelle - zuständig für die verbindlichen Zolltarifauskünfte sind allein die Oberfinanzdirektionen66 irgendeine Rechtswirkung, geschweige denn Bindungswirkung beizumessen. Zwar sind jene in den§§ 11 ff. VO 192767 - zurückgehend auf einen Erlaß des RdF vom 23.1. 192568 - und in§ 89 AZO normiert worden. Das geschah aber lediglich zu dem Zweck, eine schon damals weithin verbreitete Verwaltungsübung in geordnete Bahnen zu lenken. Wie der besondere Hinweis auf§ 676BGB in demErlaß vom 23.1.1925 und in§ 11 VO 1927 erkennen ließ, waren solche Auskünfte Empfehlungen gleich zu erachten, aus deren Unrichtigkeit nur dann ein Anspruch auf Schadensersatz erwuchs, wenn sich aus einem Vertragsverhältnis oder einer un63 Vgl. BFH v. 17. 3. 1964, ZfZ 64, 240 (Rümelin) = HFR 64, 330, wodurch das Urteil des FG Nürnberg v. 25. 1. 1963, EFG 63, 389, aufgehoben wird (zustimmend Rümelin, a. a. 0.); früher schon RFH v. 27. 8.1937, Slg. 42,92 = RStBl. 37, 1050; einzige anderslautende, in sich widersprüchliche Entscheidung ist BFH v. 9. 4. 1963, HFR 63, Nr. 406; Zustimmung hat diese Rspr. durch Ritter in ZfZ 66, S. 353 ff. (355) erfahren. 64 So der Leitsatz des BFH v.17. 3. 1964, a. a. 0. 65 BFH, a. a. 0. 66 § 28 AZO 1961. 67 = § 10 VO 1927 i. d. F. v. 31. 3. 1930, RZBl. 295. 68 RZBl. 25, 11.
4 Pfauder
1. Teil, 1. Kap. : Die Zusage im Steuerrecht
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erlaubten Handlung eine Verantwortlichkeit dafür ergab69 • Eine Amtspflichtverletzung wurde durch sie nicht ohne weiteres begründet. Dazu mußte schon ein weiteres, haftungsschärfendes Moment hinzutreten etwa wissentliche Unrichtigkeit der gemachten Angaben70 • § 52
Die Institutionalisierung der Zusage hat nach allem im Zollrecht die Wirkung gehabt, daß unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben vorbeugender Rechtsschutz nicht mehr gewährt werden kann. Die Zusage übt insofern also eine verdrängende Funktion aus. Wir werden später sehen, inwieweit sich der BFH der Konsequenzen seiner diesbezüglichen Rechtsprechung in anderen Bereichen bewußt geworden ist71 •
c) Die Zollauskunft im Rechtmittelverfahren § 53
Erkennen wir der Zusage in gleicher Weise wie der Zollauskunft die Rechtsnatur eines Verwaltungsaktes zu, so ergibt sich zugleich das Problem, wie das Rechtsmittelverfahren gegen diesen Verwaltungsakt ausgestaltet werden soll. Die einzige Zusage, die über Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügt, ist die Zollauskunft. Das Problem hat sich hier in zwei Fragen aktualisiert: 1. Wie kann das Rechtsmittelverfahren mit der ihm eigenen Forderung nach Gewährung rechtlichen Gehörs gleichzeitig doch so wirkungsvoll ausgestaltet werden, daß die Zollauskunft dabei ihrer Eigenart als schnelle, vorläufige Entscheidung nicht verlustig geht? 2. Auf welche Rechtslage muß ein Gericht bei einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zusage bei zwischenzeitlich auftretenden Rechtsänderungen abgestellen? § 54 (1) Ursprünglich war der Zollauskunft eine eigene Rechtsmittelfähigkeit versagt worden72• Der Zollbeteiligte war nach § 4 Abs. 2 der Anleitung von 1906 vielmehr darauf angewiesen, Waren der in der Auskunft behandelten Art einzuführen und dann gegen die Zollabfertigung gern. Trapp in ZfZ 65, S. 199 f . OLG Köln v. 13. 9. 1954, NJW 55, 106; die Kritik von Ritter in ZfZ 66, S. 353 ff. an dieser Entscheidung überzeugt nicht. eD
70
11 72
Siehe§§ 64, 114. Vgl. Ziff. IV des Bundesratsbeschlusses und§ 4 der Anleitung.
I. Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
51
§ 12 Satz 2 des Vereinszollgesetzes vom 1. 7. 1869 Beschwerde einzulegen73. Die Rechtslage änderte sich mit lokrafttreten der Abgabenordnung vom 13.12.191974. Danach war gegen die Zollauskunft, die als Feststellungsbescheid im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 2 AO 1919 galt, die Rechtsbeschwerde gegeben, § 220 Abs. 2 Satz 3 AO 1919. Das führte aber zu der vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Rechtsprechung des RFH75, wonach schon vor Erteilung der Auskunft in verstärktem Maße der Grundsatz des rechtlichen Gehörs Anwendung zu finden habe, da es für den Zollbeteiligten unmöglich sei, mit der Rechtsbeschwerde eine Überprüfung tatsächlicher Feststellungen zu erreichen. So mußten die Sachverständigengutachten in entsprechender Anwendung der §§ 240, 241 AO 1919 dem Zollbeteiligten zur Stellungnahme mitgeteilt werden78. Auch wurden die Gutachten der "Technischen Prüfungs- und Lehranstalten der Reichszollverwaltung" als Gutachten im Sinne der §§ 240, 1241 AO angesehen, obwohl jene Ämter organisatorisch in die Landesfinanzämter eingegliedert waren und ihnen deshalb eigentlich die begriffsnotwendige Unabhängigkeit fehlte77. Um dieser Rechtsentwicklung Einhalt zu gebieten, wurde der neue§ 223a AO 191978 eingefügt: Danach war künftig gegen Zollauskünfte zunächst das Rechtsmittel des Einspruchs gegeben, ehe die Rechtsbeschwerde beim RFH erhoben werden konnte. Im Ausgleich dafür galten von nun an die§§ 241, 240 AO 19197v nur noch für das Einspruchsverfahren, nicht aber für das der Erteilung der Zollauskunft vorausgehende Verfahren. Damit sollte der Zweck des Auskunftsverfahrens- möglichst schnelle Herbeiführung einer den künftigen geschäftlichen Dispositionen des Zollbeteiligten als Grundlage dienenden Entscheidung - gewahrt werden. Diese Regelung ist bis auf den heutigen Tag im Grundsatz beibehalten worden80. Das berühmte Gutachten des BFH vom 17.4.195181 hat lediglich insofern eine Änderung gebracht, als sich der BFH im Hinblick auf die fehlende Berufungsinstanz von nun an für berufen betrachtet, die Einspruchsentscheidung der Oberfinanzdirektion sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen82. Von der Einführung einer Berufungsmöglichkeit ist auch bei 73 RFH v.18. 4.1941, a. a. 0., S. 202. 74
am 23. 12. 1919.
77
RFH v. 10. 2. 1926, a. a. 0.
75 Urt. v. 10. 2. 1926, Slg. 18, 192; V. 27. 2.1926, Slg. 18, 146. 78 RFH v. 27. 2. 1926, a. a . 0. 78 Durch Art. VI Ziff. 7 des Tabaksteueränderungsgesetzes v . 22. 12. 1929,
RGBI. I, S. 234. 79 §§ 256, 257 AO 1931. 80 Vgl. §§ 37, 162 Nr. 40 der Finanzgerichtsordnung v. 6. 10. 1965 (FGO), BGBI. I, S. 1477; zwischenzeitlich waren die FG höchste Instanz, vgl. BFH v. 18. 1. 1952, BStBl. 111 52, 65 = Slg. 56, 163 = FR 52, 185 = ZfZ 52, 125. 8 1 BStBI. 111 51, 107. 82 Urt. v. 26. 7. 1956, BStBI. III 56, 313.
.,..
1. Teil, 1. Kap.: Die Zusage im Steuerrecht
52
Neufassung des Rechtsmittelverfahrens im Rahmen der FGO abgesehen worden83 , weil man trotz grundsätzlicher Bedenken dem Bedürfnis des Zollbeteiligten nach einer schnellen gerichtlichen Entscheidung Rechnung tragen will84• Tipke-Kruse 85 weisen zu Recht darauf hin, daß § 37 FGO verfassungsrechtlich unbedenklich sei, weil Art. 19 Abs. 4 GG keinen Anspruch auf mehrere Instanzen gebe83 • § 55
Es wird bei einer Gesamtschau zu überlegen sein, ob es nicht dem Interesse des Zusageempfängers an einer schnellen Entscheidung zuwiderläuft, wenn u. U. mehr als zwei Instanzen bis zur Rechtskraft der Zusage durchlaufen werden müssen87 • Auf der anderen Seite genügt eine gerichtliche Instanz sicherlich nicht, zumal es sich dann im Rechtsschutzinteresse um ein Obergericht, wenn nicht gar Bundesgericht, handeln müßte, welches mit den zusätzlich anfallenden Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht sicher überfordert wäre88• Auch für die Zollauskunft kann deshalb nur vorgeschlagen werden, unter Abschaffung des verwaltungsinternen Einspruchsverfahrens direkt die Klage beim Finanzgericht als Rechtsmittel 1. Instanz zuzulassen89• Verallgemeinerungsfähig ist schließlich der im Zollauskunftsverfahren zum Ausdruck kommende Gedanke, daß die Behörde im Zusageverwaltungsverfahren von Ermittlungspflichten nicht betroffen wird00• Abgesehen davon, daß damit dem Interesse nach einer schnellen Auskunft Rechnung getragen wird, sind den Ermittlungsmöglichkeiten auch natürliche Grenzen gezogen, als die Behörde nur aus dem Antrag entnehmen kann, welcher zollpflichtige Sachverhalt in Zukunft verwirklicht werden soll91 • § 56 (2) Die bei der Zollauskunft diskutierte Frage, ob Rechtsänderungen, die im Verlaufe des Rechtsmittelverfahrens auftreten, bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind, vermag Anhaltspunkte für das bei einer
Vgl. §§ 37, 162 Nr. 40 FGO. BTDrs. IV, Nr. 3523, schriftl. Bericht des Rechtsausschusses zu § 35 des Entwurfs. 8 5 Tipke/Kruse, FGO, Anm. 1 zu§ 37. 86 BVerfG v. 10. 6.1958, BVerfGE 8, 174 (182); BVerwG v. 12.1. 1954, BVerwGE 1, 60 (62). 87 Siehe § 329. 88 Siehe § 329. 8o Siehe §§ 85, 329. 90 Siehe § 330. 91 Siehe auch § 223. 83 84
I.
Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
53
allgemeinen Betrachtung auftauchende Problem zu geben, auf welche Rechtslage bei einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zusage abgestellt werden muß. Die Rechtsprechung zur Zollauskunft hat auf das jeweilige Rechtsmittelverfahren abgestellt, in dem die Rechtsänderung aufgetreten ist: Für das Einspruchsverfahren hat der RFH die Ansicht vertreten, daß der Entscheidung über den Einspruch das zur Zeit der Einspruchsentscheidung geltende Recht zugrunde zu legen sei92 , daß aber eventuell aufgetretene Rechtsänderungen nur für die Zeit ab Eintritt der Rechtsänderung rechtliche Bedeutung haben könnten93. Im Rechtsbeschwerdeverfahren hingegen war dem RFH zufolge das z. Z. der Einspruchsentscheidung geltende Recht auch dann zugrunde zu legen, wenn inzwischen eine Änderung dieses Rechts eingetreten war. Die sich aus der Rechtsbeschwerdeentscheidung ergebende Zollbehandlung konnte allerdings nur für die Zeit vor Eintritt der Rechtsänderung Bedeutung erlangen94 . Der BFH hatte im Bewußtsein der ihm durch Art. 19 IV GG zugewachsenen Kompetenzen hinsichtlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens zunächst in genau entgegengesetzter Richtung entschieden, nämlich dahin, daß seiner Entscheidung das zur Zeit des Rechtsbeschwerdeverfahrens geltende Recht zugrunde zu legen sei95. Im Hinblick auf die Regelung des § 87 AZO 193998 hat der BFH aber seine Rechtsprechung in jüngster Zeit insofern korrigiert, als in solchem Fall der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei und daß deshalb nur noch über die Kostenfrage zu entscheiden sei. Diesbezüglich komme es dann aber darauf an, ob das Rechtsmittel vor der Rechtsänderung gerechtfertigt gewesen sei, d. h. auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung97. § 57
Wir werden uns im 2. Teil dieser Abhandlung mit der Frage zu befassen haben, inwieweit diese Grundsätze auf die Zusage der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit übertragbar sind. Es ist bei den zum Einspruchsverfahren entwickelten Grundsätzen zwar sicherlich zu beachten, daß der Einspruch kein echter gerichtlicher Rechtsbehelf ist, sondern vielmehr dem Widerspruch im Sinne des § 70 VwGO vergleichbar ist. Die zuerst genannte Entscheidung des RFH läßt aber erkennen, daß List in ZfZ 59, S. 100 ff. RFH v. 2. 5. 1935, Slg. 37,327 = RZBl. 35,244. 94 RFH, a. a. 0 . 95 Urt. v. 26. 7. 1956, BStBl. III 56, 313. 92
93
96 Die Zollauskunft tritt bei Rechtsänderung ohne besonderen Aufhebungsakt außer Kraft. 97 Urt. v. 26. 11. 1958, BZBl. 59, 126 = BStBl. III 59, 54 = Betr. 59, 130 = DStZ (A) 59, 279 = NJW 59, 551 = FR 59, 35.
1. Teil, 1. Kap.:
54
Die Zusage im Steuerrecht
es nicht allein darin begründet liegen kann, wenn erwogen wird, bei einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Zollauskunft auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung abzustellen. Dahinter verbirgt sich vielmehr der Gedanke, daß die Zollauskunft im Gegensatz zu jeder anderen steuerlichen Verfügung nicht etwa einen abgeschlossenen, in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt beurteilt, sondern zu einer zukünftigen Verwaltungstätigkeit verpflichten will. Anders als bei der normalen kassatorischen Entscheidung und ähnlich wie bei Verpflichtungsurteilen muß daher jedenfalls bei einem erstinstanzliehen Urteil erwogen werden, ob es nicht auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommen muß98 •
2. Die Lohnsteuerauskunft § 58
Durch die Lohnsteuerauskunft wird gegenüber dem Anrufenden- sei er nun Arbeitgeber oder Arbeitnehmer - eine Voraussage darüber getroffen, inwieweit der Adressat in einem künftigen Bescheid zur Lohnsteuer(haftung) herangezogen werden wird99 • Im Unterschied zur Zollauskunft hat sich die Rechtsprechung hier nie zum Verfügungscharakter dieser Zusageform bekannt100, sondern ihre Rechtswirkungen ausschließlich im Grundsatz von Treu und Glauben gesucht101 • Wir werden sehen, daß man gleichwohl hinsichtlich der materiellen Zusageregeln zu im wesentlichen gleichen Ergebnissen wie bei der Zollauskunft gelangt ist (a), daß sich aber im sonstigen Bereich des Lohnsteuerrechts (b), sowie im prozessualen Bereich (c) Schwierigkeiten ergeben haben, die bei der Zollauskunft infolge des dortigen grundsätzlichen Bekenntnisses zur Rechtsnatur als Verwaltungsakt vermieden werden konnten.
a) Materielle Rechtsregeln der Lohnsteuerauskunft Sowohl hinsichtlich des Umfanges ihrer Bindungswirkung als auch hinsichtlich der Voraussetzungen für diese Wirkungen sind für die Anrufungsauskunft im wesentlichen die gleichen Regeln wie bei der Zollauskunft entwickelt worden. os 99
375.
100 101
292.
Siehe§ 327. Auch für Arbeitnehmer, vgl. z. B. FG Stuttgart v. 26. 2. 1957, EFG 57, BFH v. 13. 11. 1959, BStBl. III 60, 108. BFH v. 13. 11. 1959, a. a. 0.; vgl. auch BFH v. 6. 5. 1959, BStBl. 111 59,
I.
Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
55
§ 59
(1) Eingeführt wurde die Anrufungsauskunft im Zusammenhang mit dem Lohnsteuergesetz vom 11.7.1921 102• Ihr Zweck war und ist es, den für die Steuer seines Arbeitnehmers persönlich und in erster Linie haftenden Arbeitgeber vor Nachteilen zu bewahren, die sich aus einer unrichtigen Berechnung und dementsprechend unrichtigen Einziehung der Lohnsteuer ergeben können103 • Wie es in der Begründung des Gesetzes hieß, bestand für den Arbeitgeber das dringende Bedürfnis, eine ,.beschleunigte, rechtskräftige" Entscheidung herbeizuführen104• § 60
Der durch das obengenannte Gesetz eingefügte§ 52a EStG 1920105 enthielt ebenso wie seine Nachfolger- Art. I § 24 der 2. Steuernotverordnung vom 10. Dezember 1923 10~ und § 79 EStG vom 10. 8. 1925107 - die Bestimmung, daß gegen die Entscheidung des Finanzamtes nur die Beschwerde an das Landesfinanzamt zulässig sei. Das führte in Verbindung mit der Begründung zu § 52a EStG 1920108 zunächst einmal zu der Problemstellung, ob die Rechtsmittelbehörden im Streit um die Haftung für die Lohnsteuer an eine Anrufungsentscheidung des Finanzamtes gebunden seien109• Eine Mindermeinung wollte den Anfragenden sowohl bei günstiger wie auch bei ungünstiger Auskunft an diese gebunden wissen, weil - wie es in der oben zitierten Begründung zum Ausdruck komme - mit der Auskunft eine rechtskräftige Entscheidung getroffen werden solle110• Die herrschende Meinung in Schrifttum111 und Rechtsprechung112 dagegen räumte dem Arbeitgeber bei ungünstiger Auskunft das Recht ein, das Berufungsverfahren gegen den Haftungsbescheid selbst einzuleiten, ohne durch die Auskunft präjudiziert zu sein. Denn die Auskunft stelle sich nur als eine vorläufige Verwaltungsmaßnahme dar; ihre innere Rechtfertigung erfahre sie durch das beschleunigte Verfahren; ihre sofortige Rechtskraft sei nur die Folge dieser Zweckbestimmung. Demnach sei die Vorschrift des § 79 Satz 2 EStG eng auszulegen und 102 103 104
1oo 108 107
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1oe 110 111
m
Einführung des§ 52 a EStG, RGBl. S. 845. Kampmann, S. 27. RTDrs. 1921, Nr. 2253, S. 9. v. 29. 3. 1920, RGBI. S. 359. RGBl. S. 1205. RGBl. S. 189. RTDrs. 1921, Nr. 2253, S. 9; vgl. oben Anm. 102. Ott in StuW 30, s. 355 ff. Vgl. die Hinweise bei Ott, a. a. 0. Ott, a. a. 0., m. w. H .
RFH v. 6. 10. 1924, Slg. 14, 208; v. 7. 4. 1925, Slg. 16, 199.
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dürfte nicht auf die gesamte Haftung des Arbeitgebers bezogen werden. Beendet wurde dieser Teil der Auseinandersetzung durch § 56 der Lahnsteuerdurchführungsbestimmungen vom 9. 6. 1933113, mit dem § 79 EStG abgelöst wurde. Satz 3 dieser Vorschrift bestimmte: "Die Beschwerdeentscheidung ist für das etwa nachfolgende Veranlagungsverfahren nicht bindend." Damit ist vom Gesetzgeber seinerzeit genau die spezifisch begünstigende Eigenschaft einer Zusage anerkannt worden, die wir bereits bei der Zollauskunft kennengelernt haben. Sie liegt nicht so sehr in der vollen Überprüfungsmöglichkeit des Endbescheides trotz Rechtsmittelfähigkeit der Auskunft. Das gebietet bereits Art.19 Abs. 4 GG. Denn in die Rechte des Steuer-(Haftungs-)pftichtigen wird erstmalig durch den Steuerbescheid eingegriffen. Die Besonderheit liegt vielmehr in der Rechtsmittelfähigkeit der Anrufungsauskunft selbst. Sie beruht auf der Erkenntnis, daß ein vorbeugender Rechtsschutz unvollkommen wäre, wenn die materielle Rechtmäßigkeit der Auskunft nicht überprüft werden könnte. § 61
Von nun an beschäftigte sich die Rechtswissenschaft nur noch mit der zweiten, weit wichtigeren Frage, ob die dem Anfragenden günstige Auskunft präjudizierend auf die spätere Haftung wirken könne. Der RFH neigte in seiner Entscheidung vom 10. 9. 1930 der Ansicht zu, einer Auskunft dürften deshalb keine Bindungswirkungen beizumessen sein, weil sie weder einen Bescheid gern.§ 211 AO noch einen i. S. d. § 220 AO 1919 darstelle114• Letztlich konnte er aber die Frage dahingestellt lassen, weil im konkreten Fall die Anrufungsauskunft durch das Wohnsitzfinanzamt gegeben wurde und damit für das Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers nicht bindend wirken konnte115• In der nächsten Entscheidung schon hielt der RFH jedoch das Finanzamt aus Gründen der Billigkeit für gebunden, und zwar selbst dann, wenn die Auskunft mündlich erteilt wurde116• "Es kann als billig zu vertreten sein, daß sich das FA daran halten muß, wenn es auf Anfragen durch den Fernsprecher eine solche Auskunft nicht ablehnt, vielmehr Auskunft erteilt hat117." Dem entspricht seither die ständige Rechtsprechung des RFH118 und des BFH119 RGBI. S. 546. StuW 30, Nr. 1203 = RStBl. 30, 709. 115 RFH v . 10. 9. 1930, a. a. 0. 116 RFH v . 10. 12. 1930, StuW 31, Nr. 171. 117 RFH, a. a. 0. 118 Urt. v. 14. 4. 1931, Slg. 28, 262 = RStBl. 31, 530 = StuW 31, Nr. 742; v. 21. 2. 1934, StuW 34, Nr. 275; v. 12. 5. 1938, RStBl. 38, 812; v. 10. 2. 1939, RStBl. 39, 729. 119 Urt. v. 6. 5. 1959, BStBI. 111 59, 292; v. 13. 11. 1959, BStBl. 111 60, 108. 113 114
I.
Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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zur Bindung des FA an eine Anrufungsauskunft. Der Unterschied zui Zollauskunft besteht nur darin, daß diese Wirkungen nicht mit der Rechtsnatur der Anrufungsauskunft, sondern mit Treu und Glauben begründet werden. Das ist allerdings insofern wesentlich, als der systemgerechten Gewährleistung der oben erkannten spezifisch begünstigenden Wirkung der Anrufungsauskunft dadurch später erhebliche Schwierigkeiten bereitet werden. Auch hat diese Begründung Auswirkungen auf das übrige Lohnsteuerhaftungsrecht. Das hätte vermieden werden können, zumal man sich diese Bindungswirkung auch mit dem jedem innewohnenden Vertrauensschutz erklären kann. (2) Auch hinsichtlich der Voraussetzungen der Bindungswirkung sind von der Rechtsprechung Grundsätze entwickelt worden, die wir z. T. schon bei der Zollauskunft kennengelernt haben, und die sich nur mit der Rechtsnatur der Lohnsteuerauskunft als hoheitlicher Entscheidung, nicht aber mit dem Prinzip von Treu und Glauben erklären lassen.
§ 62
Nach h. M. zeigt die Auskunft grundsätzlich nur dem "Beteiligten" gegenüber Bindungswirkungen, der um sie nachkommt120• Der Arbeitnehmer darf sich also nur dann auf eine Auskunft berufen, wenn sie ihm selbst gegeben worden ist; die dem Arbeitgeber erteilte Auskunft nützt ihm wenigm. Dazu zwingt der Grundsatz von Treu und Glauben an sich nicht; zwingend ergibt sich solches aber aus dem jedem Verwaltungsakt innewohnenden Prinzip, daß er nur für denjenigen eine Rechtsregelung beinhalten will, der Adressat der Verfügung ist. So ist es auch die einem Verwaltungsakt eigene Vertrauensschutzwirkung, die bewirkt122, daß sich der Arbeitgeber bei einer Gesetzesänderung erst mit deren Bekanntgabe auf diese einzustellen braucht, während sie dem Arbeitnehmer gegenüber volle Wirkung, also auch eventuelle Rückwirkung, zu entfalten vermagi 23 ; das Ergebnis müßte bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles aus Gründen rechtgewordener personaler Ethik- also wenn das Prinzip von Treu und Glauben herrschen würde - u. U. anders lauten. 120 RFH v. 10. 9.1930, StuW 30, Nr. 1203 = RStBI. 30, 709; FG Harnburg v. 27. 8. 1953, DStR 53, 452; FG Harnburg v. 13. 10. 1953, DStR 53, 574; FG Stuttgart v. 26. 2. 1957, EFG 57, 375; Gierschmann in FR 60, S. 349 ff.; Baumann in StWa 63, S. 150 f. 121 FG Hamburg, a. a. 0., FG Stuttgart, a. a. 0. 122 Anders Horn in DStZ (A) 54, S. 191 ff., und in BB 55, S. 373. 123 RFH v. 12. 5. 1938, RStBl. 38, 812.
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1. Teil, 1. Kap.: Die Zusage im Steuerrecht
§ 63
Schließlich findet auch bei der Lohnsteuerauskunft der bei der Zollauskunft als selbstverständlich vorausgesetzte Grundsatz Anwendung, daß die Auskunft selbst für den Adressaten dann keine Wirkung haben kann, wenn jener den Steuer- bzw. Haftungstatbestand bereits verwirklicht hat124• Mit Treu und Glauben läßt sich diese Einschränkung kaum erklären. Denn auch nach Tatbestandsverwirklichung sind schwerwiegende wirtschaftliche Dispositionen denkbar. Sieht man in der Anrufungsauskunft jedoch eine Entscheidung in dem Sinne, daß sie die in einem Endbescheid vorzunehmende Subsumtion vorwegzunehmen trachtet, so wird jener Grundsatz verständlich. Geht es doch darum, daß dem Finanzamt durch die Auskunft nicht sein formelles Recht auf Erlaß eines Endbescheides genommen werden kann. Diese formelle Entscheidiungshoheit steht der Anrufungsauskunft nur dann nicht entgegen, wenn der steuer-(haftungs-)pflichtige Tatbestand noch nicht erfüllt ist. Denn dann ist das FA zur Endbescheidung noch nicht befugt.
b) Die Bedeutung von Lohnsteuerauskunft und Treu und Glauben im Lohnsteuerrecht § 64
Die Lohnsteuerauskunft sollte sich eigentlich ebenso wie die Zollauskunft als eine Institution darstellen, durch die für ein bestimmtes Rechtsgebiet der vorbeugende Rechtsschutz institutionalisiert und vermittels der obengenannten Rechtsprechnug in geordnete Bahnen gelenkt werden kann. Die Konsequenz, daß der Arbeitgeber nur dann geschützt sein kann, wenn er sich dieser Institution bedient, wird indessen nur vereinzelt gesehen125, so etwa, wenn aus einer Lohnsteueraußenprüfung Folgerungen für die Zukunft nur unter den Voraussetzungen gezogen werden dürfen, die auch für eine Anrufungsauskunft gelten126• Im übrigen jedoch wird eine Freistellung des Arbeitgebers auch ohne Einholung einer Anrufungsauskunft in weitem Umfang für möglich erachtet127• Die Formel des BFH lautet: Die Inanspruchanhme des 124 BFH v. 6. 5. 1959, BStBl. III 59, 292; anders Gierschmann in FR 60, S. 349 ff.; Baumann in StWa 63,8. 150 f.; RFH v. 10. 9.1930, StuW 30, Nr. 1203 = RStBl. 30, 709; FG Harnburg v. 27. 8.1953, DStR 53, 452; v. 13. 10. 1953, DStR 53, 574; FG Stuttgart v. 26. 2. 1957, EFG 57, 375. 125 RFH v. 10. 2. 1939, RStBl. 39, 729; FG Schl.-Holst. v. 25. 6. 1957, EFG 57, 374; BFH v. 18. 10. 1957, BStBl. III 58, 16; Mattern, S. 43. 126 BFH v. 18. 10. 57, BStBl. III 58, 16, v. 2. 8. 1956, BStBl. 111 56, 340 f.; VG Berlin v. 20. 12. 1956, EFG 57,326 f . 127 VG Berlin v. 19. 11.1956, EFG 57, 213; BFH v. 21. 11.1958, BStBl. III 59, 69; v. 11. 8. 1961, BStBl. III 61, 509; v. 30. 8. 1963, HFR 64, Nr. 78; v. 9. 3. 1965, BStBl. III 65, 426; weitere Nachweise bei ZöHer in RWP-Bl. Lfg. 571, 55.
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Arbeitgebers für nicht einbehaltene Lohnsteuer muß Recht und Billigkeit entsprechen; befindet sich dieser im entschuldbaren Irrtum über den Umfang seiner Haftpflicht - etwa weil er sich an eine für einen Laien eindeutige Verwaltungsrichtlinie gehalten128 oder auf die Nichtbeanstandung seines Abzugsverfahrens in früheren Betriebsprüfungen vertraut hat129 - , so darf er wegen des Steuerausfalles auch dann nicht haftbar gemacht werden, wenn er es unterläßt, eine entsprechende Auskunft einzuholen130• Zu erklären ist diese Rechtsprechung aus dem Bestreben, die Haftung des Arbeitgebers, der eigentlich kein Steuerschuldner ist und dennoch nach dem Wortlaut des§ 46 LStDV131 vor dem Arbeitnehmer haftet, soweit wie möglich einzuschränkenm. So legitim dieses Anliegen jedoch auch sein mag, es bleibt doch das Unbehagen, daß der eigentliche Sinn und Zweck der Anrufungsauskunft verfehlt wird, wenn der Arbeitgeber von seiner Haftung auch ohne sie frei werden kann. Angesichts der gesetzgeberischen Nonchalance, mit der es verabsäumt worden ist, die gesetzlichen Voraussetzungen dieses Vertrauensschutzes näher festzulegen und insbesondere mit mehr Rechtsschutz auszustatten133, wäre es erst recht Aufgabe der Rechtsprechung gewesen, diese Gesetzeslücken im obengenannten Sinne zu füllen. § 65
Statt dessen wird eine indirekte Kritik an der Arbeitgeberhaftung als solcher geübt, die der Rechtsprechung nicht gestattet ist; denn § 46 LStDV entspricht dem grundsätzlichen Willen des Gesetzgebers. Die Wertung etwa, eine Arbeitgeberhaftung sei unbillig, wenn der Arbeitnehmer gleichwohl gern. § 46 EStG zur Einkommensteuer zu veranlagen seP 3\ ist eine gesetzgeberische und steht dem Gericht angesichts des eindeutigen Wortlautes des § 46 LStDV nicht zu. Hier kann und darf nur eine Gesetzesänderung Abhilfe schaffen. Liegen die Gründe für eine Freistellung des Arbeitgebers jedoch nicht beim Arbeitnehmer, sondern allein im Verhalten der Verwaltung, so gibt m . E. § 56 LStDV deutlich zu erkennen, daß Vertrauensschutz nur im Rahmen der Anrufungsauskunft gewährt wird und daß darüber hinaus ein Verbot des venire contra fac128 BFH v. 21. 11. 1958, BStBl. 111 59, 69; vgl. auch VG Berlin v. 19. 11. 1956, EFG 57,213. 129 BFH v. 30. 8. 1964, HFR 64, Nr. 78; BFH v. 9. 3. 1965, BStBI. 11165, 426.
BFH v. 20. 8. 1963, HFR 64, Nr. 78; vgl. auch VG Berlin, a. a. 0. i. d. F. v. 22. 11. 1965, BGBI. I S. 1829 = BStBl. I 65, 654. 132 Zöller in RWP-Bl. Lfg. 571, 55. 133 Vor allem: Rechtsmittelfähigkeit, siehe§ 67. 134 BFH v. 18. 7. 1958, BStBI. 111 58, 384; FG Hannover v. 29. 9. 1960, EFG 61, 163; FG Düsseldorf v. 25. 11. 1956, EFG 56, 223; BFH v. 20. 2. 1959, BStBI. 111 59, 202; V. 26. 7. 1964, BStBI. 11163,470. 130
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turn proprim für die Verwaltung nicht gilt. Welchen Zweck sollte sonst die Anrufungsauskunft erfüllen? § 66
Die Ursachen für diese Fehlentwicklung sind m. E. darin zu suchen, daß nach Ansicht des BFH die Bindungswirkungen der Auskunft mit Treu und Glauben erklärt werden. Treu und Glauben lassen eine präzise Eingrenzung des vorbeugenden Rechtsschutzes nicht zu, und es besteht somit die Gefahr einer uferlosen Ausweitung, wie die eben genannten Beispiele gezeigt haben mögen. Allerdings: Soll die Anrufungsauskunft in Zukunft die einzige Vertrauensgrundlage gegenüber der Verwaltung darstellen, dann muß dieses Institut auch mit allen möglichen Garantien eines Rechtsstaates ausgestattet werden, d. h. insbesondere muß es rechtsmittelfähig sein135• Inwieweit letzteres vom Gesetzgeber als auch von der Rechtsprechung bisher versäumt worden ist, soll Thema des nächsten Abschnittes sein.
c) Rechtsnatur und Rechtsmittelfähigkeit der Lohnsteuerauskunft § 67
(1) Wie oben erwähnt wurde, sahen sowohl §52 a EStG 1920 138, wie Art. I § 24 2. SteuernotV0 137, § 79 EStG 1925138 und §56 LStDV J933 139 gegen die Anrufungsauskunft das Rechtsmittel der förmlichen Beschwerde an das Landesfinanzamt im Sinne der§§ 237,303 AO 1931 vor140• Erst §56 LStDV 1934141 enthielt eine derartige Bestimmung nicht mehr. Sie erlag damit der für den nationalsozialistischen Staat kennzeichnenden Bestrebung, die Verwaltung einer Rechtsmittelkontrolle zu entziehen. 135
Weitere Grenzen nennt Horn in DStZ (A) 54, S. 191 ff., und in BB 55,
s. 373.
138 v. 29. 3. 1920, RGBI. 20, 359, eingeführt durch das Lohnsteuergesetz v. 11. 7. 1921, RGBI. S. 845. 137 v. 10. 12. 1923, RGBI. I, S. 1205. ue v. 10. 8. 1925, RGBI. S. 189. 1 3 9 v. 9. 6. 1933, RStBI. S. 546. 140 Vgl. auch RFH v. 8. 6. 1924, Slg. 14, 88; v. 6. 10. 1924, Slg. 14, 208; v. 7. 4. 1925, Slg. 16, 199. 141 V. 29. 11. 1934, RStBI. 1934, s. 1489.
I.
Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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§ 68 (2) Das hätte nach Inkrafttreten des Grundgesetzes, insbesondere des Art. 19 Abs. 4 GG, eigentlich zur Folge haben müssen, daß die Beschwerdemöglichkeit wieder auflebte und mit ihr gleichzeitig auch die Anrufung der Finanzgerichte erlaubt gewesen wäre, wie es dem Sinn des BFH-Gutachtens vom 17.4.1951 142 entsprochen hätte. Der BFH verhielt sich jedoch abwartend und entschied zunächst, daß jedenfalls das Berufungsverfahren nicht gegeben seP 43• Zur Begründung machte er geltend, die Anrufungsauskunft sei weder ein Steuerbescheid i. S. d. § 212 AO 1931, noch ein Feststellungsbescheid i. S. d. §§ 214, 215 AO 1931 oder ein Steuerbescheid über sonstige Vergünstigungen i. S. d. § 96 AO 1931 144•
§ 69
Diese Entscheidung löste ein verschiedenartiges Echo bei den Finanzgerichten aus: Das FG Stuttgart145 wollte unter Berufung auf diese Entscheidung eine Rechtsmittelfälhigkeit der Auskunft nicht schlechthin abgelehnt wissen. Zwar hätten die Beteiligten keinerlei Anspruch auf eine abschließende richterliche Klärung der materiellen Streitfrage, aber es bestehe ein Anspruch darauf, die Auffassung der Verwaltung erfahren zu können, um vor überraschenden Nachforderungen sicher zu sein. Hätten sich die Vorbehörden z. B. einer derartigen Auskunftspflicht entzogen, so wäre die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt und die Anrufung des Finanzgerichts wäre insofern zulässig 146• Nach Ansicht des FG München147 hingegen war aus der Begründung des BFH zu entnehmen, daß die Auskunft auch eine Verfügung im Sinne des Beschwerdeverfahrens nicht sein könne und daß dem Arbeitgeber deshalb lediglich das Rechtsmittel der Dienstaufsichtsbeschwerde in die Hand gegeben sei. Dieses Urteil wurde vom BFH ausdrücklich bestätigt. Zur Begründung stützte er sich aber bemerkenswerterweise nicht so sehr auf den Gedanken, daß die Auskunft kein Verwaltungsakt und deshalb nicht rechtsmittelfähig sei, sondern vor allem darauf, "daß FeststelBStBI. 111 51, 107. Urt. v. 30. 7. 1953, BStBl. 111 53, 295 = BB 53, 906 = Betr. 53, 880 = DStZ (B) 53, 500 = lnf. 53, 906. 144 Anders aber schon damals Horn in DStZ (A) 54, S. 191 ff. 14s Urt. v. 3. 7. 1956, EFG 56,401. 14e FG Stuttgart, a. a. 0. 147 Urt. v. 18. 4. 1959, EFG 59, 383; ebenso Horn in NJW 58, S. 291 ff. Öfterding/Görbing, LStDV, Anm. zu §56; Gierschmann in FR 60, S. 349 ff. ; Baumann in StWa 63, S. 150 f. t42
143
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1. Teil, 1. Kap.: Die Zusage im Steuerrecht
lungsklagen im Besteuerungsverfahren nur statthaft seien, wenn sie ausdrücklich zugelassen wären" 148• Dazu führte er aus: "Das Interesse des Arbeitgebers spricht zwar für eine schnelle, klare steuergerichtliche Entscheidung. Das könnte aber lediglich den Gesetzgeber veranlassen, in Zukunft für die Anrufungsauskunft Rechtsmittel zuzulassen. Nach geltendem Recht ist ein solches Recht jedenfalls nicht gegeben . .. Die Zulassung einer Feststellungsklage würde den Kreis der in der Abgabenordnung zugelassenen Rechtsbeihilfe ohne sachliche Notwendigkeit vermehren und die schwierige Abgrenzung erforderlich machen, unter welchen Voraussetzungen die Feststellungsklage zulässig sein sollte. Denn daß man Feststellungsklagen nicht unbeschränkt zulassen kann, steht wohl außer Zweifel. Schließlich könnte man dann Feststellungsklagen wohl kaum auf das Lohnsteuerverfahren beschränken. Es wäre schwer zu vertreten, daß z. B. ein Kaufmann, dessen geschäftliche Dispositionen von der Entscheidung einer bestimmten steuerrechtliehen Zweifelsfrage abhängig sind, nicht bereits vor dem Veranlagungsverfahren die Zweifelsfrage zum Gegenstand einer Feststellungsklage machen könnte, um bald eine klare Grundlage für seine Dispositionen zu haben. Daß dabei aber das Rechtsmittelsystem der Abgabenordnung gesprengt würde, liegt auf der Hand." Diese Begründung vermochte m. E. schon damals nicht zu überzeugen; denn sie wich einer Stellungnahme zu der Frage aus, ob nicht wenigstens das formelle Recht auf Auskunfterteilung (aus § 56 LStDV) eingeklagt werden können müsse. Das hätte man mit FG Stuttgart bejahen müssen- bei einer Verweigerung der Auskunft liegt ja die Verletzung des durch § 56 LStDV gewährten subjektiven Rechts auf Auskunfterteilung vor - und daran hätte sich die weitere, zu verneinende Frage angeschlossen, ob das FG denn bei der Feststellung des formellen Auskunftsrechst stehen bleiben dürfe.
§ 70
Das Bemerkenswerte an dieser Rechtsprechung ist, daß eine Rückkehr zu den Zuständen vor 1933 durch die Treu-und-Glauben-Theorie verhindert wird. In § 56 Satz 3 LStDV war bereits die spezifische begünstigende Eigenschaft der Anrufungsauskunft, die in der Rechtsmittelfähigkeit der Auskunft selbst lag, anerkannt worden. Treu und Glauben schließen es jedoch aus, die Auskunft als rechtsmittelfähigen Bescheid zu deuten. Deshalb wird der einem Verwaltungsakt gemäße Gerichtsschutz überhaupt nicht in Betracht gezogen. Weil man auf der anderen Seite aber erkennt, daß vorbeugender Rechtsschutz ohne entsprechenden Gerichtsschutz nur unvollkommen sein kann, sucht man in der Feststellungsklage einen Ausweg. us Urt. v. 13. 11. 1959, BStBl. III 60, 108.
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§71
(3) Seit lokrafttreten der Finanzgerichtsordnung vom 6. 10. 1965149 ist das Rechtsmittelsystem der AO "gesprengt", wenn man es mit den Augen der eben genannten Entscheidung des BFH sehen will. Zum einen ist nämlich heute die Feststellungsklage grundsätzlich zugelassen (§ 41 FGO), zum anderen gelten laut § 259 AO 1965 die Vorschriften über den Einspruch und die Beschwerde gegen steuerrechtliche Verfügungen sinngemäß für die Anfechtung anderer steuerrechtlicher Verwaltungsakte. In Übereinstimmung mit Tipke-Kruse 150 erscheint es mir sehr zweifelhaft, ob die vorgenannte BFH-Entscheidung mit Inkrafttreten dieser Vorschriften noch aufrechterhalten werden kann. Zwar meint die Gesetzesbegründung zu § 41 FGO, daß die Feststellungsklage "für den Steuerprozeß voraussichtlich nur wenig praktische Bedeutung erlangen werde" 151 ; berechtigt ist diese Ansicht aber nur deshalb, weil man mit Inkrafttreten des § 259 AO 1965 Auskünfte der FA als VA anzusehen hat. Jedenfalls die gesetzlich vorgesehenen Anrufungsauskünfte muß § 259 AO gemeint haben. § 72
Soweit in der Auskunft jedoch ein VA nicht gesehen wird, eröffnet sich für die heute152 grundsätzlich zugelassene Feststellungsklage ein weites Anwendungsfeld. Besteht ein berechtigtes Interesse an der Auskunft über die rechtliche Behandlung eines Steuersachverhaltes, dann kann das Gericht nicht bei der bloßen Feststellung des formellen Auskunftsrechtes stehenbleiben. Anderenfalls würde die Auskunft in ihrem materiellen Gehalt einer gerichtlichen Kontrolle wieder entzogen sein diese Erwägungen gelten ja nur für den Fall, daß man sie nicht als VA ansieht - und das kann unmöglich der Sinn einer Feststellungsklage sein! Der Kläger hätte deshalb einen Anspruch darauf, daß von seiten des Gerichts auch über den materiellrechtlichen Teil der Auskunft entschieden würde; die Auskunft müßte ihm also vom Gericht selbst mitgeteilt werden. Auf diesem Umwege würden der Auskunft dann die gleichen Rechtsschutzgarantien zuteil wie einem VA 153• Diese Erwägungen scheinen mir jedenfalls für den Bereich der Anrufungsauskunft schwer widerlegbar; denn unbestreitbar enthält § 56 LStDV eine formelle Auskunftsverpflichtung für die Finanzämter. ue BGBl. I, S. 1477, am 1. 1. 1966. AO 66, Anm. 2 zu § 259.
15o
15t BTDrs. IV, Nr. 1446, S. 46. m Im Gegensatz zur Zeit der Entscheidung des BFH v. 13. 11. 1959, BStBl. III 60,108. 153 Ebenso wird N. N. in NWB, Fach 2, S. 1301 zu verstehen sein.
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§ 73
Es erhebt sich dann allerdings die Frage, ob bei derartigen Feststellungsklagen bereits die erforderliche Konkretheit des Rechtsverhältnisses vorliegt. Da Anrufungsauskünfte nur dann verbindlich sind, wenn sie vor Sachverhaltsverwirklichung gegeben worden sind, wird es der Konkretheit jedenfalls in den Situationen ermangeln, in denen sich eine Klagerhebung überhaupt lohnt. Aus rechtspolitischer Sicht können wir für die Anrufungsauskunft daher nur fordern, daß sie sich künftig als rechtsmittelfähiger Verwaltungsakt zu etablieren vermag. Ähnlich wie im Zollrecht könnte damit neben den auftauchenden prozessualen Schwierigkeiten den unkontrollierbaren Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben im Bereich des Lohnsteuerrechts entgegengewirkt werden, zumal es jenes Prinzip - wie gezeigt wurde - nicht vermocht hat, die Anrufungsauskunft anderen materiellen Rechtsregeln zu unterwerfen als denjenigen, die für einen normalen Verwaltungsakt gelten würden.
3. Der Entwurf eines allgemeinen Auskunftsverfahrens im Steuerrecht § 74
Wahrscheinlich werden die Bemühungen um die Einführung eines allgemeinen Auskunftsverfahrens im Steuerrecht154, noch im Laufe der 5. Wahlperiode des Bundestages von Erfolg gekrönt sein, nachdem die Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzentwurfes in der 4. Wahlperiode des Bundestages an Zeitknappheit gescheitert ist155• Beide Entwürfe stimmen im wesentlichen mit den von uns bisher erkannten Grundsätzen überein \56 • 154 1. außerparlamentarischer Vorschlag stammt von Bubenzer in StuW 49, S. 389 ff.; 1. parlamentarische Anregung ging vom Abg. Schmidt (Wuppertal) aus, BTDrs. IV, Nr. 380, S. 3; zunächst dann zögernde Haltung der Bun-
desregierung, vgl. Antwort des Staatssekretärs Hettlage auf die Anfrage des Abg. Schmidt, IV. Leg. Per., 28. Sitzung v. 9. 5. 1962, S. 1178 C; auf einen in der 69. Sitzung v. 13. 3. 1963, IV. Leg.Per., S. 2973 C, einstimmig angenommenen Resolutionsantrag des Finanzausschusses, BTDrs. IV, Nr. 1005, S. 4, anläßlich des Berichts über den Entwurf eines Finanzverwaltungsänderungsgesetzes (BTDrs. IV, Nr. 392), in dem die Gutachtenerstattung durch den BFH abgeschafft werden sollte, legte die Bundesregierung dann den Entwurf eines Abgabenordnungsänderungsgesetzes vor, BTDrs. IV, Nr. 2442. 155 Vgl. schriftl. Bericht des Finanzausschusses über den Entwurf, BTDrs. IV, Nr. 3593, S. 1. 15 6 Mitveranlaßt durch eine Anfrage des Abg. Genscher betr. die Novellierung, BTDrs. V, Nr. 161, S. 3, und nach einer positiven Beantwortung der
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Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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a) Die Rechtsnatur der Auskunft und ihre Folgen § 75 In der Entwurfsbegründung wird ausdrücklich hervorgehoben, daß es sich bei den Entscheidungen im Auskunftsverfahren um Verwaltungsakte handeln soll157• Das ist um so bemerkenswerter, als damit der ständigen Rechtsprechung des BFH zur Rechtsnatur der Lohnsteuerauskunft1~8 und der gesetzlich nicht vorgesehenen Auskunft159 offensichtlich nicht gefolgt werden soll. § 76 (1) Die Entstehungsgeschichte des Entwurfs zeigt deutlich, daß sich der Gesetzgeber durchaus der Konsequenzen bewußt gewesen ist, die sich aus der Anhebung der Auskunft in den Status eines rechtsmittelfähigen Verwaltungsaktes ergeben können. Mehr noch: Die Auskunft ist um dieser Konsequenzen willen eingeführt worden. Der 1. Gesetzentwurf wurde auf einen in der 64. Sitzung180 einstimmig angenommenen Resolutionsantrag des Finanzausschusses anläßlich eines Ausschußberichtes181 über den Entwurf eines Gesetzesm angenommen, in dem die seinerzeit gemäߧ 64 AO 1931 noch mögliche Gutachtenerstattung durch den Bundesfinanzhof abgeschafft werden sollte163• Das Interesse des Bürgers an vorbeugendem Rechtsschutz wurde also nach wie vor anerkannt; nur sah man die Gutachtenerstattung durch den BFH als systemwidrig an und vermeinte, dem Rechtsschutzinteresse mit einer rechtsmittelfähigen Auskunft der Finanzämter besser dienen zu können.
§ 77
Damit ist die Konkurrenz zwischen vorbeugender Feststellungsklage vor Sachverhaltsverwirklichnug und Auskunft erkannt und zugunsten Anfrage in der 14. Sitzung v. 13. 1. 1966, V. Leg.Per., S. 532 C, legte die Bundesregierung dann den Entwurf eines Gesetzes zur .Änderung der RAO und der FGO - AOÄG-Entw. 1966 - v. 23. 8. 1966, BTDrs. V, Nr. 885, vor. Beide Gesetzentwürfe stimmen im Wesentlichen überein. Die Paragraphenbezeichnung wird aus dem 2. Entwurf übernommen. 157 BTDrs. V, Nr. 885, Begründung zu Art. 1 Nr. 5. 158 Vgl. Anm. 119, 148. 159
Vgl. Anm. 303, 304.
160 v. 13. 3. 1963, IV. Leg.Per., S. 2973 C. t6t BTDrs. IV, Nr. 1005, S. 4. 162 BTDrs. IV, Nr. 352. 163 Vgl. BTDrs. IV, Nr. 1005, Nr. 4.
5 Pfuder
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1. Teil, 1. Kap.: Die Zusage im Steuerrecht
der letzteren entschieden worden; denn was ist der Antrag auf Gutachtenerstellung durch den Bundesfinanzhof anderes als eine verkappte Form der Feststellungsklage vor Verwirklichung eines Sachverhaltes?! Zugleich ist damit aber auch anerkannt worden, daß dieser Auswechslungsprozeß nur dann voll gelingt, wenn man der Auskunft selbst Rechtsmittelfähigkeit und damit die Rechtsnatur eines Verwaltungsaktes zuerkennt. Wenn§ 41 FGO heutetrotz Abschaffung der Gutachtertätigkeit des BFH die Feststellungsklage für zulässig erklärt, so kann das nur so verstanden werden, daß damit lediglich nach Verwirklichung eines bestimmten Sachverhaltes auf Feststellung geklagt werden kann; das stimmt mit der aus der Verwaltungsgerichtsordnung bekannten These überein, daß eine Feststellungsklage nur bei Vorliegen eines konkreten Rechtsverhältnisses zulässig ist164 • § 78 (2) Dabei muß der Gesetzgeber davon ausgegangen sein, daß die Verwaltungsaktnatur bejaht werden muß, obwohl die Auskunft nach der vorgesehenen gesetzlichen Regelung nur eine einseitige Bindungswirkung aufweisen soll. Denn gern. § 227 k E ist das FA bei Deckungsgleichheit des der Auskunft zugrunde gelegten und des verwirklichten Sachverhaltes dann nicht gebunden, wenn die Auskunft im Widerspruch zum geltenden Recht zuungunsten des Antragstellers erteilt worden ist165• Auch kann die Rechtmäßigkeit der Auskunft und damit wiederum das Ausmaß ihrer Bindungswirkung nicht nur im Rechtsmittelverfahren gegen die Auskunft selbst, sondern auch im Rechtsmittelverfahren gegen den endgültigen Steuerbescheid angegriffen werden166• Diese einseitig begünstigende Bindungswirkung der Auskunft ist bereits bei der Zollauskunft167 und bei der Lohnsteuerauskunft168 erkannt worden. Es handelt sich hier um eine Besonderheit, welche die Zusage gegenüber jedem anderen bekannten steuerrechtliehen Verwaltungsakt, inbesondere dem Feststellungsbescheid, auszeichnet169• Weil man aber mit der Aberkennung der Verwaltungsakteigenschaft den dadurch gewährten doppelten Gerichtsschutz wieder beschneiden würde, lehnt es der Entwurf - wie die vorgeschlagene Regelung erkennen läßt - zu Recht ab, 164 Vgl. z. B. die Ausführungen bei BVerwG v. 8. 6.1962, BVerwGE 14, 235 = NJW 62, 1690 (Lehrlingsvertragsfall). 185 Daraus bietet sich im übrigen der Umkehrschluß an, daß eine Bindung dann eintritt, wenn die Auskunft im Widerspruch zum geltenden Recht zugunsten des Antragstellers erteilt wurde. 166 Vgl. BTDrs. V, Nr. 885, Begründung zu§ 227 k. 167 Siehe §§ 38, 41. 188 Siehe§ 60; vgl. aber auch§ 70. 169 Siehe§ 38.
I. Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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aus dieser einseitigen Gebundenheit des FA den Schluß zu ziehen, die Zusage sei kein Verwaltungsakt.
b) Die materiellrechtliche Regelung der Auskunft und ihre Auswirkungen Die in dem Entwurf enthaltenen materiellrechtlichen Regelungen über die Auskunft sind ganz an der dort vertretenen Grundkonzeption orientiert, daß die Auskunft ein Verwaltungsakt ist. § 79
(1) Es soll vermieden werden, daß weiterhin auf dem Umweg über Treu und Glauben eine Abweichung von klaren gesetzlichen Bestimmungen ermöglicht wird. Daher ist es das Bestreben des Gesetzgebers, die Berechtigung der Finanzämter möglichst umfassend durch Verwendung einer Generalklausel zu regeln170• Eine Beschränkung der Auskünfte auf bestimmte im Gesetz näher bezeichnete Tatbestände wird für unzweckmäßig gehalten, weil eine solche Aufzählung keine Gewähr für Vollständigkeit bieten könntem. Das Bestreben, das Auskunftswesen umfassend zu regeln, zeigt sich auch darin, daß es ausdrücklich abgelehnt wird, für Zölle und Verbrauchssteuern ein allgemeines Auskunftsrecht zu statuieren, da die Verbrauchssteuergesetze die notwendige Klarheit aufweisen würden, und da sich eine über die bereits bestehende Zollauskunft hinausgehende Auskunftsmöglichkeit über den Zollwert nicht empfehle, weil dieser seiner Zweckbestimmung nach erst zum Zeitpunkt der Entstehung der Zollschuld verbindlich festgestellt werden könnem. Der Entwurf hat also alle Auskunftsmöglichkeiten gesehen und die zulässigen Auskünfte außer der Lohnsteuerauskunft und der Zollauskunft in diesem Gesetzentwurf abschließend regeln wollen. Deshalb erscheint es nur als konsequent, wenn es in der Begründung zu§ 227 a heißt: ,.Auskünfte, die außerhalb des förmlichen Auskunftsverfahrens durch die Verwaltung erteilt werden, besitzen - wie durch die Fassung der Vorschrift klargestellt wird- keine bindende Wirkung173." Damit dürfte sichergestellt sein, daß derartigen Auskünften auch mit dem Grundsatz von Treu und Glauben in Zukunft nicht mehr zur Verbindlichkeit verholfen werden darf. BTDrs. V, Nr. 885, Begründung zu§ 227 a. m BTDrs. V, Nr. 885, a. a. 0 . 172 Vgl. BTDrs. V, Nr. 885, Einführung zu Art. I Ziff. 3 des AOÄG-Entw. 1966; diese Zusagen sind infolge eines Konfliktes mit der Zollhoheit des Staates unzulässig, siehe § 46. 173 BTDrs. V, Nr. 885, Begründung zu§ 227 a E. 170
5•
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1. Teil, 1. Kap.: Die Zusage im Steuerrecht
§ 80
(2) Die Frage des Umfanges der Bindungswirkung ist ebenfalls genau so geregelt, wie es die Charakterisierung als Verwaltungsakt erwarten läßt: Eine ex-nunc-Aufhebung bzw. -Änderung ist ohne weiteres möglich, eine ex-tunc-Aufhebung nur insoweit, als die Auskunft entweder offensichtlich dem geltenden Recht zuwider erteilt oder durch unlautere Mittel wie Zwang, Täuschung oder Bestechung bewirkt worden ist, oder wenn der Antragsteller zustimmt (§ 2271 Abs. 3 Ziff. 1-3 E). Damit wird deutlich, daß sich der Gesetzgeber in der bekannten Kontroverse, ob eine dem Recht nicht entsprechende Zusage Bindungswirkungen zeigt oder nicht174, zugunsten der Richtung entschieden hat, die entsprechend der Vertrauensschutzrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts175 der bloß rechtswidrigen Zusage eine Bindungswirkung zubilligt176 • Denn die Gründe, die zur Aufhebung ex tune führen, sind alles solche, die nach der Lehre vom Verwaltungsakt dessen Nichtigkeit zur Folge haben117• Das gilt insbesondere von der Formulierung "offensichtlich dem geltenden Recht zuwider erteilt", die darauf hindeutet, daß nicht jede Rechtswidrigkeit, sondern nur die besonders schwere zur Aufhebung ex tune führt; damit wird der Auskunft nur bei Vorliegen eines anerkannten Nichtigkeitsgrundes die Verbindlichkeit versagt178• Gleiches geht auch daraus hervor, daß man die Verbindlichkeit von Auskünften nur durch einen Aufhebungsakt stoppen zu können glaubt, woraus sich im Umkehrschluß ergibt, daß man Auskünfte, die von vornherein dem geltenden Recht widersprechen, ohne solchen Aufhebungsakt weiterhin für wirksam, d. h. bindend, erachtet. § 81
Wenngleich diese gesetzgeberische Entscheidung grundsätzlich zu begrüßen ist, so zeigt die Regelung doch, daß man sich zu sehr von der Parallele Auskunft/Verwaltungsakt hat leiten lassen, ohne ihren besonderen Eigenheiten gegenüber anderen Verwaltungsakten genügend Rechnung zu tragen. Von einer rückwirkenden Kraft der Aufhebung kann man sinnvollerweise doch nur dann sprechen, wenn der Adressat den Sachverhalt, auf den die Auskunft gemünzt war, bereits verwirklicht hat; welche "Rückwirkungen" sollte die Aufhebung vor Sach114 Gegen die Bindung z. B. Zeidler, S. 72; dafür z. B. RohweriKahlmann in DVBI. 62, S. 627 ff. 115 z. B. BVerwG v. 7. 12. 1960, NJW 61, 1130 = DöV 61, 382; erstmalig bekanntlich OVG Berlin v. 14. 11. 1956, DöV 57, 753 = DVBI. 57, 503. 116 Näheres siehe §§ 332 f. 111 Vgl. z. B. Wolf!, Lbi, §51. 178 Das ergibt sich auch aus dem Umkehrschluß zu § 227 k E, vgl. Anm. 165.
I.
Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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Verhaltsverwirklichung haben? Nach Sachverhaltsverwirklichung aber kann die eigentliche Schutzwirkung, die mit einer Aufhebung beabsichtigt ist, nicht mehr eingreifen. Die Aufhebung soll verhindern, daß der Adressat die Auskunft weiterhin zur Grundlage seines Verhaltens macht. Das ist nach Sachverhaltsverwirklichung nicht mehr möglich. Über die Frage der Bindungswirkung wird in dem Steuerbescheid entschieden, der diesen Sachverhalt zu beurteilen hat179•
§ 82 Statt dieser verfehlten Unterscheidung zwischen ex-nunc- und extune-Zurücknahmen hätte man aber regeln müssen, wie lange denjenigen Auskünften, die für mehrere Geschäfte usw. erteilt werden, noch eine Bindungswirkung zukommen soll. Diese Frage ist bei der Zollauskunft so geregelt worden, daß sie drei Monate nach ihrer Aufhebung außer Kraft tritt. Eine derartige generelle Regelung empfiehlt sich bei der allgemeinen steuerrechtliehen Auskunft infolge der Verschiedenheit der Sachgebiete nicht. Es sind hier zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden: 1. Ist von vornherein ein steuerrechtlich beachtliches Dauerschuldverhältnis geplant und ist die Auskunft dementsprechend erteilt worden, so gebietet es der Vertrauensschutz, daß die Aufhebungswirkung erst zu dem Zeitpunkt eintritt, in dem sich der Steuerpflichtige ohne Schaden durch Kündigung, Rücktritt usw. von seinen vertraglichen Pflichten lösen kann. Diese "Lösungsfrist" kann von vornherein überblickt werden und muß deshalb in der Auskunft selbst enthalten sein. 2. Wird in dem Auskunftsantrag zum Ausdruck gebracht, daß die Auskunft für einen bestimmten Geschäftstyp eingeholt wird, der in Zukunft des öfteren verwirklicht werden wird, so können es die wirtschaftlichen Interessen des Steuerpflichtigen ebenfalls gebieten, daß die Aufhebungswirkung nicht sofort, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt. Da die hier notwendig werdende Interessenahwägung erst zum Zeitpunkt der Rücknahme möglich ist, kann und darf die Frist nur in der Aufhebungsverfügung enthalten sein.
§ 83 Ich schlage vor, den § 227 1 E zu streichen und dem § 227 k E, der die Bindungswirkung behandelt, folgende Absätze 3 und 4 hinzuzufügen: Abs. 3: Absatz 1 gilt auch dann nicht, wenn 1. die Auskunft offensichtlich dem geltenden Recht zuwider erteilt worden ist, 2. die Auskunft durch unlautere Mittel, wie Täuschung, Zwang oder Bestechung, erlangt worden ist, 3. die Rechtsvorschriften, auf denen die Auskunft beruht, geändert werden. 179
Näheres hierzu siehe § 335.
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1. Teil, 1. Kap.: Die Zusage im Steuerrecht
Abs. 4: Das Finanzamt kann die Auskunft vor Sachverhaltsverwirklichung aufheben. Hat sich die Auskunft auf mehrere Sachverhalte erstreckt, so kann der Zeitpunkt des Außerkrafttretens unter gerechter Abwägung der zu beachtenden Interessen des einzelnen und der Allgemeinheit auf einen bestimmten Zeitpunkt nach Zustellung der Aufhebungsverfügung festgesetzt werden, es sei denn, daß die Aufhebung unter den Voraussetzungen des Absatz 3 verfügt werden muß. Die Festsetzung hat in der Auskunft selbst zu erfolgen, wenn der Sachverhalt aufgrund eines einheitlichen Rechtsverhältnisses dauernd verwirklicht wird. Ansonsten erfolgt die Festsetzung in der Aufhebungsverfügung.
c) Die verfahrensrechtZiehe Regelung Die in dem Entwurf enthaltenen verfahrensrechtlichen Vorschriften stellen einen Versuch dar, den Besonderheiten der Auskunft gegenüber anderen Verwaltungsakten Rechnung zu tragen. § 84
(1) Der Zwiespalt zwischen der Forderung nach rechtlichem Gehör und jener nach einer schnellen praktikablen Verwaltungsentscheidung ist uns bereits vom Zollauskunftsverfahren her bekannt180• Dort führte der Konflikt dazu, daß ein zusätzlicher Rechtsbehelf zugunsten des Zollbeteiligten eingeführt wurde, und im Ausgleich dafür die Gewährung rechtlichen Gehörs in dem der Erteilung der Zollauskunft vorausgehenden Verfahren erheblich eingeschränkt wurde. Auch bei der allgemeinen Steuerauskunft soll das Finanzamt nicht von den Ermittlungspflichten nach § 204 AO, die für das Veranlagungsverfahren vorgeschrieben sind, betroffen sein. Da verbindliche Auskunft nur ,.über die steuerliche Behandlung eines noch nicht verwirklichten Sachverhalts erteilt wird (§ 227 a Abs. 1 E)", sind der Ermittlungstätigkeit des Finanzamtes natürliche Grenzen gesetzt. Das FA kann nicht wissen, welchen Sachverhalt der Bürger zu verwirklichen beabsichtigt. Entscheidungsgrundlage ist daher allein der Auskunftsantrag und die in ihm enthaltene Darstellung des Sachverhaltes, § 227 Abs. 4 E 181 • § 85
(2) Ebenso wie das Verwaltungsverfahren ist auch das Rechstmittelverfahren anders als bei anderen Steuerbescheiden ausgestaltet. Bei der Zollauskunft hat sich gezeigt, daß ein zweistufiger Instanzenzug den Interessen des Antragstellers genügend Rechnung trägt182• Auf der ande180 1s1 182
Siehe §§ 54, 55. Näheres siehe § 330. Siehe §§ 54, 55.
I. Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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ren Seite muß es sich aber insbesondere nach Inkrafttreten der Finanzgerichtsordnung um zwei gerichtliche Instanzen handeln; denn andernfalls würde der BFH sowohl zur rechtlichen wie zur tatsächlichen Überprüfung aufgerufen sein183. Um die dadurch auftretenden Unzulänglichkeiten184 zu vermeiden und um das Auskunftsverfahren zu beschleunigen, soll durch § 230 Abs. 3 E die vorherige Verwaltungsbeschwerde ebenso ausgeschlossen werden wie durch die Neufassung des § 229 Nr. 2 E der Einspruch als außergerichtlicher Rechtsbehelf185. Die Aufhebung der Auskunft kann daher allein mit der Anfechtungsklage angestrebt werden; gegen eine diesbezüglich ergehende Entscheidung gibt es dann das Rechtsmittel der Revision. Das Rechtsmittelverfahren der Zollauskunft sollte dem hier geplanten angeglichen werden186• § 86
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der vorgelegte Entwurf sowohl hinsichtlich seiner materiell-rechtlichen wie auch der in ihm enthaltenen verfahrensrechtlichen Bestimmungen als eine geglückte Verwertung und Weiterentwicklung der bei Zoll- und Lohnsteuerauskunft gemachten Erfahrungen angesehen werden kann. Er ist von dem Bestreben geleitet, die Möglichkeiten einer Abweichung von gesetzlichen Vorschriften in kontraHierbare Bahnen zu lenken, die von der Generalklausel Treu und Glauben unabhängig sind, und der Etablierung einer systemwidrigen, vorbeugenden Feststellungsklage vor Sachverhaltsverwirklichung entgegenzuwirken. 4. Zusageähnliche Formen gesetzlich vorgesehenen Verwaltungshandeins § 87
Die bisher als vom Gesetzgeber gewollt erkannten Grundzüge des Zusagewesens gehen nicht nur aus der Regelung von Zollauskunft, Lohnsteuerauskunft und allgemeiner Steuerauskunft hervor. Sie zeigen sich indirekt auch bei anderen, der Zusage verwandten Erscheinungsformen des Verwaltungshandelns, die eine gesetzliche Regelung erfahren haben. Dabei müssen wir unterscheiden: § 88 Die Gruppe der Vorbescheide gibt Aufschluß darüber, inwieweit das FA auch nach Sachverhaltsverwirklichung eine verbindliche Erklärung über die steuerrechtliche Behandlung dieses Sachverhaltes abzugegenvermag (a). 183
Vgl. BFH v. 26. 7. 1956, BStBl. III 56, 313.
185
Vgl. BTDrs. V, Nr. 885, Begründung zu Art. I Nr. 5 AOÄG-Entw. 1966. Näheres dazu siehe § 329.
184 Siehe § 55. 18&
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1. Teil, 1. Kap.: Die Zusage im Steuerrecht
Die FeststeHungsbescheide klären über die umgekehrte Fragestellung auf, ob die Freistellung des Bürgers von einer steuerrechtliehen Verpflichtung nur als Endbescheid und nach ausführlicher Prüfung des bereits verwirklichten Sachverhaltes oder schon vor Sachverhaltsverwirklichung erfolgen kann (b). Die Vereinbarungsformen geben schließlich darüber Auskunft, ob sich das Finanzamt auch in Form eines Vertrages zu künftigem Verwaltungshandeln verpflichten kann (c). a) Der Vorbescheid in der Abgabenordnung
Der RFH hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß bindende Vor- und Zwischenentscheidungen selbst dann nicht möglich sind, wenn der Steuerpflichtige zustimmt187• Davon hat auch der Gesetzgeber keine Ausnahmen zugelassen. § 89 (1) Die vorläufige Steuerfestsetzung gemäß § 100 A0 188 soll der Ver-
waltung zu einem Zeitpunkt, in dem ein endgültiger Veranlagungsbescheid noch nicht möglich ist, einen rechtskräftigen Titel für schon entstandene Steuerforderungen bieten189• Sie ist im überwiegenden Interesse der Verwaltung geschaffen worden190• Interessant ist zweierlei: Steht nach dem vorliegenden Sachverhalt fest, daß die Steuerschuld noch nicht entstanden ist, so kann auch aus der Möglichkeit ihres künftigen Entstehens die Berechtigung zur Durchführung vorläufiger Besteuerungsmaßnahmen nicht hergeleitet werden191 • Der Bescheid geht also regelmäßig von einer Steuerfestsetzung nach Tatbestandsverwirklichung aus 192• Zum anderen wirkt die vorläufige Steuerfestsetzung auf die endgültige nicht präjudizierend. Zwar sind gegen den vorläufigen Bescheid dieselben Rechtsmittel wie gegen den endgültigen gegeben. Nach Eintritt der formellen Rechtskraft sind Einwendungen gegen die Vorläufigkeit ausgeschlossen193• Im Verfahren gegen den endgültigen Bescheid darf aber nicht mehr gerügt werden, daß ein vorläufiger Bescheid nicht hätte erteilt werden dürfen194• Wäre diese Rüge gestattet, könnte also geltend gemacht werden, schon der vorläufige 187 RFH v. 8. 3. 1922, Slg. 8, 301 = RStBl. 22, 210; v. 29. 10. 1931, Slg. 29, 330; v. 22. 5. 1936, RStBI. 36,793 = Slg. 39, 316; v. 25. 1.1940, RStBI. 40,236. 18 8 So früher schon RFH v. 3. 3. 1922, Slg. 8, 301 = RStBI. 22, 210; RFH v. 27.5. 1936,RStB1.36,793 = Slg.39,316. 189 Hübschmann!Hepp/Spitaler, AO, Anm. 2 zu§ 100. 100 Hübschmann!Hepp/Spitaler, a. a. 0. 191 Hübschmann!Hepp/Spitaler, a. a. 0. 192 Vgl. auch Kühn, AO, Anm. 3 zu§ 100. 193 Hübschmann!Hepp/Spitaler, AO, Anm. 14 zu§ 100. 194 BFH v. 3. 5. 1963, BStBI. III 63, 389 = StRK-AO § 100 R. 19.
I.
Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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hätte eigentlich ein endgültiger Bescheid sein müssen, dessen Änderung nur noch gern. §§ 94, 222 AO möglich sei, so wäre das Ziel des vorläufigen Bescheids, keinerlei Einfluß auf den endgültigen Bescheid auszuüben, in Frage gestellt. Aus § 100 AO läßt sich deshalb entnehmen, daß Vorbescheide nach Tatbestandsverwirklichung grundsätzlich unverbindlich sind195• § 90
(2) Die Feststellungsbescheide der Reichsabgabenordnung stellen Besteuerungsgrundlagen gesondert fest, ein Vorgang, der sonst einen unselbständigen, mit Rechtsmitteln nicht anfechtbaren Teil des Steuerbescheides ausmacht, § 213 Abs. 2 AO. Es handelt sich in diesen Fällen regelmäßig um zwei voneinander zu scheidende, getrennte Verfahren, von denen das erste die Grundlage des zweiten bildet196• Damit wird aber der Grundsatz, daß nach Tatbestandsverwirklichung eine bindende Zusage im Steuerrecht unzulässig ist, nicht durchbrachen. Denn über die in ihm selbst getroffenen Entscheidungen hinaus übt der Feststellungsbescheid auf den Steuerbescheid keinen Einfluß aus. Das wird auch daran deutlich, daß Einwendungen gegenüber den getroffenen Feststellungen im Verfahren gegen den Feststellungsbescheid selbst und nicht mehr im Verfahren gegen den Steuerbescheid geltend gemacht werden können. Der Feststellungsbescheid der Abgabenordnung stellt sich als Endbescheid, nicht aber als Zusage197 dar. § 91
Aus der gesetzlichen Regelung des Vorbescheids im Steuerrecht läßt sich nach allem nicht entnehmen, daß der Gesetzgeber von dem anerkannten Grundsatz des Steuerrechts, daß Zwischen- und Vorentscheidungen nicht möglich sind, Ausnahmen hat zulassen wollen.
b) Die Freistellungsbescheide § 92
Das Steuerrecht kennt Fälle, in denen dem Bürger bescheinigt wird, daß er von einer Steuerzahlung befreit ist (sog. "Freistellungsbescheide"). Bei zwangloser Betrachtung könnte man nun in diesen FG Harnburg v. 24. 4. 1953, DStR 53, 236. Kühn, AO, Anm. 2 zu§ 213. 197 Vgl. auch RRatDrs. 1927, Nr. 104, Begründung zu Art. I Nr. 25 des Entwurfs eines Steueranpassungsgesetzes; siehe§§ 17, 18 und 38. 195
198
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1. Teil, 1. Kap.: Die Zusage im Steuerrecht
Bescheiden die Zusage eines behördlichen Unterlassens etwa in dem Sinne sehen, daß mit dem Freistellungsbescheid zugesagt wird, eine künftige Steuererhebung zu unterlassen. Wir haben im vorhergehenden Abschnitt erkannt, daß Zusagen nur vor Sachverhaltsverwirklichung zulässig sind und daß nachher nur noch Endbescheide in Betracht kommen. Sollte es hier umgekehrt sein, müßten wir uns allerdings dazu entschließen, die Unterlassungszusage für unzulässig zu erklären. Denn sie würde sich in nichts von jedem anderen Endbescheid unterscheiden. Die oben gekennzeichnete Unterlassungszusage ist nämlich jedenfalls dann keine besondere Eigenschaft des Freistellungsbescheides, wenn er nach Tatbestandsverwirklichung erteilt wird. Auch jeder andere Steuerbescheid ergeht mit der Bindungswirkung, daß über die festgesetzte Steuerschuld hinaus eine künftige Steuererhebung hinsichtlich des gleichen Tatbestandes zu unterlassen sei. Die uns hier interessierende Frage ist daher, ob die im Steuerrecht zu den Freistellungsbescheiden entwickelten Regeln einen Schluß darüber zulassen, ob Unterlassenszusagen vor Sachverhaltsverwirklichung möglich sind oder nicht. § 93
(1) Ein Erlaß der Steuer kann gern. § 131 AO nur nach Sachverhaltsverwirklichung und nach ordnungsgemäßer Ermittlung sämtlicher Besteuerungsgrundlagen erfolgen. Das gilt selbst von dem sogenannten vorweggenommenen Billigkeitserlaß gern. § 131 Abs.1 Satz 2 und 3 AO. Zwar ergeht er seiner Zweckbestimmung nach regelmäßig vor Abschluß des ordentlichen Veranlagungsverfahrens. Doch darf auch dieser Erlaß nur soweit erstreckt werden, wie die durch ihn manipulierten einzelnen Besteuerungsgrundlagen, d. h. also Teile des Steuertatbestandes, ordnungsgemäß festgestellt werden können. Er ist deshalb lediglich in zwei Formen möglich: 1. Nichtberücksichtigung einzelner Besteuerungsgrundlagen. 2. Spätere Berücksichtigung einzelner, die Steuer erhöhender Besteuerungsgrundlagen und frühere Berücksichtigung einzelner, die Steuer vermindernder Grundlagen. § 94
Damit ist nicht nur vorausgesetzt, daß der gesamte Sachverhalt bereits verwirklicht ist, sondern auch, daß zumindest Teile des Sachverhalts mit genügender Sorgfalt auf ihre Auswirkungen hin überprüft worden sind. Das liegt aber nicht etwa darin begründet, daß ein Unterlassen zugesagt wird. Maßgebend ist vielmehr, daß ein Steuerpflichtiger von seinen gesetzlichen Steuerpflichten dispensiert werden soll. Hierbei
I. Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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besteht aber vor Sachverhaltsverwirklichung und vor genügender Überprüfung des Steueranspruchs die Gefahr, daß sich die Verwaltung ihres Besteuerungsrechtes schlechthin begibt; sie könnte nämlich vorher nicht feststellen, in welcher Höhe ihr nun Steuergelder entgehen werden würden. Die Regelung des§ 131 AO läßt deshalb nur den Schluß zu, daß Dispenszusagen nicht zulässig sind198• § 95
Den vorweggenommenen Billigkeitserlaß kann man darüber hinaus gern. § 131 Abs. 1 Satz 2 und 3 als Anzeichen für die Unzulässigkeit von Zusagen in einem laufenden Veranlagungsverfahren werten199• Obwohl er seiner Zweckbestimmung nach vor Abschluß des Veranlagungsverfahrens erteilt wird, übt er auf den endgültigen Steuerbescheid ebensowenig und ebensoviel Einfluß aus wie ein anderer Feststellungsbescheid auch. Mit ihm wird die abschließende Entscheidung über die steuerrechtliche Beurteilung bestimmter Besteuerungsgrundlagen vorgenommen. Er ist nur Endbescheid, keine Zusage200 • § 96
(2) Unter dem Stichwort "Freistellungsbescheid" hat sich die Rechtsprechung allerdings nicht mit den eben besprochenen Billigkeitserlassen beschäftigt, sondern mit jenen deklaratorischen Entscheidungen, in denen festgestellt wird, daß der Bürger nach den gesetzlichen Vorschriften - also ohne Anwendung einer Dispensvorschrift - zu einer Steuerzahlung nicht verpflichtet ist. Seit jeher war die Rechtsprechung mit dem Problem befaßt, ob durch solchen Freistellungsbescheid in unzulässiger Weise über das Besteuerungsrecht allgemein verfügt wird201 • Die Frage wurde zunächst vom 2. Senat des RFH bejaht202 , was zur Folge hatte, daß eine Berichtigung des Bescheides auch außerhalb der Schranken der 198
BTDrs. I, Nr. 3962,.Begründung zu Art.. I Ziff. 5 des .AOÄG-Entw. 1951
(= später Art. I Ziff. 6 des AOÄG v. 11. 7. 1953, BGBI. I, S. 511), durch den
diese Erlaßmöglichkeiten eingeführt wurden. 199 Anders aber Weisensee in DStZ 64, S.179 ff., unter Hinweis auf RFH v. 16. 9. 1936, RStBI. 37, 262; diese Entscheidung deutet den vorweggenommenen Erlaß jedoch gerade in eine Freistellung und damit in einen endgültigen Bescheid um. 200 Siehe§§ 17, 18. ~ 01 RFH v. 24. 1. 1922, Slg. 8, 115; RFH (GS) v. 8. 5. 1926, Slg. 19, 68; BFH v. 30. 10. 1952, BStBl. III 53, 30 = StRK-AO § 210 R. 2; BFH v. 10. 6. 1953, BStBI. III 53, 214 = StRK-AO § 210 R. 3; FG Münster v. 26. 2. 1958, EFG 58, 291; FG Freiburgv. 28. 9. 1956, DStZ (B) 57,183. 2°2 RFH v. 24. 1. 1922, a. a. 0.
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1. Teil, 1. Kap.: Die Zusage im Steuerrecht
§§ 78, 210 AO 1919203 möglich war. Dem trat der große Senat in seiner Entscheidung vom 8. 5.1926204 entgegen. Er wies darauf hin, daß der Grund für die Bestandskraft des Steuerbescheides im Bereich der Besitz- und Verkehrssteuern das vorhergegangene, besondere Veranlagungsverfahren seF05 • Deshalb sei auch der Steuerbescheid, der auf DM 0 laute, hinsichtlich seiner Berichtigungsmöglichkeiten dem normalen Steuerbescheid gleichzustellen. Der hoheitliche Ausspruch, daß eine Steuerpflicht nicht in Betracht komme, müsse demnach ebenfalls in Rechtskraft erwachsen können208• Um diesen Vertrauensschutz für Freistellungsbescheide zu beseitigen, wurde durch § 28 Ziff. 39 RealStG207 die Vorschrift des § 210 Abs. 3 AO 31 eingeführt208 • Danach hatten die Vorschriften, die damals für Steuerbescheide galten, auf Freistellungsbescheide nur noch insoweit Anwendung zu finden, als dieses durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich bestimmt war. Nach heutiger Auffassung ist eine wortgetreue Auslegung des§ 210 Abs. 3 AO mit den nunmehr herrschenden Rechtsgrundsätzen nicht mehr vereinbar209 ; der Vertrauensschutz muß eingreifen, gleichgültig, ob der Steuerbetrag auf DM 0 oder auf eine hohe Summe lautet210 • Ein echter Freistellungsbescheid in diesem Sinne liegt nach Ansicht des BFH allerdings nur dann vor, wenn er unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Steuerbescheid, also nach einem Veranlagungsverfahren sowie u. U. in Schriftform, gegeben worden ist211 • Er wird dadurch von der Nichtveranlagungsverfügung abgegrenzt, die keine Bindung erlangen kann, weil sie sonst eine Verfügung über den Steueranspruch schlechthin darstellen würde212 • § 97
Es bestätigt sich hier die These, daß nach Sachverhaltsverwirklichung nur Endbescheide, nicht aber Zusagen möglich sind. Denn andernfalls würde der Verfügungscharakter des Freistellungsbescheides nicht vom §§ 94, 222 AO 31. Slg. 19, 68. 205 Vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf, Drs. Nr. 759 der Nationalversammlung 1919/20, S. 123. 206 Hübschmann!Hepp/Spitaler, AO, Anm. 13 zu§ 210. to7 v. 1. 12. 1936, RGBl. I, S. 961 = RStBl. 1936, 1137. 208 Vgl. die amtl. Begründung in RStBl. 1937, 689 ff. 209 Vgl. BFH v. 30. 10. 1952, a. a. 0 .; v. 10. 6. 1953, a. a. 0., unter ausdrücklicher Berufung auf den weltanschaulich gefärbten Ursprung des § 210 Abs. 3 AO 31, vgl. auch Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. 0 . 210 Anders aber FG Münster v. 26. 2. 1958, a. a. 0 . 211 FG Freiburg v. 28. 9. 1956, a. a. 0. ; früher schon N. N. in DStZ 37, S. 233; RFH v.16. 9. 1936, RStBl. 37,262. 212 Vgl. BFH v. 27.10. 1959, BStBl. 111 61, 286; FG München v. 8. 5. 1958, EFG59,63. 203
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I. Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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Abschluß eines ordnungsgemäßen Veranlagungsverfahrens abhängig gemacht werden. Ein Beweis dafür, daß Unterlassungszusagen vor Sachverhaltsverwirklichung nicht möglich sind, läßt sich aber auch aus dieser Rechtsprechung nicht herleiten. Wir sehen nach allem, daß die gesetzliche Regelung der Freistellungsbescheide keinen Anhaltspunkt dafür bietet, daß der Gesetzgeber zwischen Handlungs- und Unterlassungszusagen unterscheiden will. Sie ist aber ein weiteres Anzeichen dafür, daß Zusagen nach Sachverhaltsverwirklichung und Dispenszusagen unzulässig sind.
c) Gesetzlich vorgesehene Vereinbarungsformen Wir wollen nun die Frage prüfen, inwieweit der Gesetzgeber Zusagen in Vertragsform für zulässig erachtet hat. Dabei sollte beachtet werden, daß auch dann, wenn scheinbar der Endbescheid selbst Bestandteil des Vertrages ist, ihm- wenn auch nicht immer zeitlich, so doch jedenfalls logisch - die vertragliche Zusage von seiten der Verwaltung vorausgehe13. § 98
(1) Als vereinbarungsähnliche Rechtsform ist uns die in den§§ 31, 34 c Abs. 3, 42 a, 50 Abs. 5 EStGm, § 21 KStG215 , § 15 GewStG218 , § 32 ErbStG217 , § 14 ErbStG218 , §§ 9, 10 VStGm, §§ 35 a und b LStDV220 und der VO v. 28.7.1941 221 gesetzlich vorgesehene pauschale Steuerfestsetzung geläufig222. Sie ist teilweise nur mit vorheriger Zustimmung des Steuerpflichtigen möglich223, und zwar meistens dann, wenn der Steuerbetrag offenbar geringfügig ist und die genaue Ermittlung zu unverhältnismäßig großer Verwaltungsarbeit führen würde224 • Damit geht aber der Pauscha2 13 214 215 218 217 21 8 21e 220
Siehe § 7 sowie § 304. i. d. F . v . 15. 8. 1961, BGBl. I, S. 1253. i. d. F. v. 13. 9. 1961, BGBl. I, S. 1722. i. d. F. v. 19. 12. 1957, BGBl. I, S. 1871. i. d. F. v. 1. 4. 1959, BGBl. I, S. 187. i. d. F. v. 29. 3. 1940, RGBl. I, S. 585. i. d. F . v. 10. 6. 1954, BGBl. I, S . 137.
i. d. F. v . 22. 11. 1965, BGBI. I, S . 1829
= BStBl. I 65, S. 654.
RStBl. 41, 569. Spezialliteratur zur Pauschalbesteuerung: Berger, Vereinbarung und Pauschalierung im Steuerrecht, NWB, Fach 2, S. 255; Brönner, Steuervereinbarungen und Pauschalierungen, FR 51, S. 81 f.; Frank, Wirtschaftliche Fragen bei der Pauschbesteuerung, StuW 35, S. 1253 ff.; ders., Pauschalierung und Pauschalfestsetzung im neuen Reichssteuerrecht, StuW 35, S. 1001 ff.; Kapp , Vergleiche (Vereinbarungen) über Steueransprüche, DStZ 42, S. 75 ff.; Schulz, Vereinbarungen im Steuerrecht, FR 49, S. 299 ff. 223 § 32 ErbStG, § 14 GrErwStG, § 9 VStG. 224 § 14 GrErwStG, §§ 34 c Abs. 3, 50 Abs. 5 EStG, § 21 KStG, §§ 9, 10 VStG, § 15 GewStG, § 32 ErbStG; vgl. Boruttau/Klein, GrErwStG, Anm. 1 zu§ 14. 221
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1. Teil, 1. Kap.: Die Zusage im Steuerrecht
lierung nicht etwa eine bindende Vereinbarung voran225• In der Zustimmung ist vielmehr ebenso wie in dem Antrag auf Einleitung des Pauschalverfahrens lediglich der Verzicht des Steuerpflichtigen auf die Ermittlungspflichten der Steuerbehörde gern. § 204 AO zu sehen226 • § 99
Wäre die pauschale Steuerfestsetzung eine Vereinbarung, so dürfte der Pauschalbescheid nicht rechtsmittelfähig sein. Denn die vertragliche Einigung würde beide Seiten zur Einhaltung des Abkommens verpflichten, so daß der Steuerpflichtige durch seine Zustimmung gehindert wäre, Rechtsmittel gegen den Pauschalbescheid einzulegen. Die Rechtsmittelfähigkeit des Pauschalbescheides ist aber in weitem Umfange anerkannt227. Gemäß § 236 Abs. 2 A0228 ist das Rechtsmittelverfahren zugelassen, wenn der Pauschbetrag von einem Finanzamt festgesetzt worden ist229, nicht hingegen bei einer Festsetzung durch die oberste Finanzbehörde, § 326 Abs. 2 Satz 2 A0 230 • Ist letzteres im Wege einer Verwaltungsanweisung erfolgt, so bleibt dem Steuerpflichtigen jedoch der Nachweis unbenommen, daß der Pauschbetrag den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entspricht231 • Auch soll in diesen Fällen nach h. M. ein Rechtsbehelf immer dann gegeben sein, wenn die pauschale Steuerfestsetzung höher ausfällt, als es der Steuerpflichtige bei seiner Zustimmungserklärung erwarten durfte232• Hier zeigt sich deutlich, daß nicht eine dem Pauschalbescheid eventuell logisch vorausgehende Vereinbarung für die mangelnde Rechtsmittelfähigkeit verantwortlich sein kann, sondern allein die Tatsache, daß der Pauschalbescheid nach den gesetzlichen Voraussetzungen - auch was das ihm vorausgehende summarische Verfahren betrifft - so und nicht anders ergehen konnte; wird das FA von keiner Ermittlungspflicht betroffen, so ist es auch dem 225 h. M.; Blümlich/Boyens/Steinbring/Klein, GewStG, Anm. 2 zu § 15; Becker/Riewald/Koch, AO, Anm. 9 zu§ 220; Frank in StuW 35, S. 1101 ff. (1103); Kapp in DStZ 42, 75 ff. (76); Schulz in FR 49, S. 299 ff. (299); Brönner in FR 51, S. 81 f. (81); vgl. Mattern, S. 33: "Wo im Steuerrecht von Vereinbarungen die
Rede ist, handelt es sich nicht um Verträge, sondern um VA, die gegebenenfalls der Zustimmung des StPfl. bedürfen." 226 Becker/Riewald/Koch, a. a. 0 .; deshalb hat der StPfl. auch keinen Anspruch auf Pauschalierung, vgl. M egow, ErbStG. Anm. 5 zu§ 32. 227 Frank, a. a. 0. 228 Eingeführt durch§ 21 Ziff. 27 des StAnpG v . 16. 10. 1934, BGBL I, S. 925 ff. 229 §§ 42 a, 50 Abs. 5 EStG, § 21 KStG, § 14 GrErwStG. 230 Hübschmann/HeppjSpitaler, AO, Anm. 4 zu § 236. 2!i1 BFH v. 22. 9. 1955, BStBI. III 56, 181; v. 24. 7. 1956, BStBl. 11157, 111. 232 Vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. 0.; Megow, ErbStG, Anm. 6 zu § 32; einer Mindermeinung zufolge trifft § 236 Abs. 2 Satz 2 AO 31 überhaupt nur den Fall der Vereinbarung, nicht aber den der gesetzlich vorgesehenen Pauschalierung, vgl. Berger in NWB, Fach 2, S. 255.
I.
Die gesetzlich vorgesehenen Erscheinungsformen der Zusage
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Gericht versagt, strengere Anforderungen an das Verwaltungsverfahren zu stellen, und die Behörde zu einem entsprechenden Verwaltungsakt zu verpflichten. § 100
Selbstverständlich besteht bei einer Pauschalierung die Gefahr einer unzulässigen Verfügung über einen gesetzlich vorgesehenen Steueranspruch und damit eines unzulässigen Verstoßes gegen die Abgabenhoheit des Staates durch die Verwaltung; denn im Unterschied zur Schätzung gemäß § 217 AO betrifft die Pauschalierung nicht nur Besteuerungsgrundlagen, sondern auch den ganzen Steuerbetrag233 • Aber dieser Gefahr sucht man- im Unterschied zur Vereinbarung, die das gleiche Bedenken gegen sich gelten lassen muß 234 - dadurch zu begegnen, daß betont auf bestimmte gesetzlich vorgesehene Voraussetzungen abgestellt und in besonders schwierigen Fällen sogar die hoheitliche Zustimmung der vorgesetzten Behörde angeordnet wird235 , oder daß man überhaupt nur die oberste Finanzbehörde des Landes entscheiden läßt236. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn die Pauschalierung neben Ermittlungsschwierigkeiten auch aus volkswirtschaftlichen Gründen zugelassen ist237, und damit einem Erlaß gleicht. Zu Recht wird im Schrifttum238 darauf hingewiesen, daß der Grundsatz steuerlicher Gerechtigkeit es erfordert, derartige Vergünstigungen nur in engem Rahmen zu gewähren. Soll die Wettbewerbsgleichheit gewahrt werden, so dürfen volkswirtschaftliche Gründe allein keine entscheidende Rolle mehr spielen. Jedenfalls darf der Rahmen der hoheitlichen Erlaßverfügung in diesen Fällen nicht verlassen werden239• Es läßt sich demnach die Tendenz feststellen, eine Pauschalierung nur in Form der rechtsmittelfähigen Verfügung zuzulassen, weil nur so die Einhaltung des Prinzips steuerlicher Gerechtigkeit gewährleistet erscheint240. § 101 (2) Echte gesetzlich zugelassene Vereinbarungen waren früher nur aus dem Kommunalsteuerrecht bekannt. Die Gemeinden wurden durch
233 Frank in StuW 35, S. 1253 ff. (1235); vgl. auch Megow, ErbStG, Anm. 1 zu§ 32. 234 Siehe §§ 126 ff. 2 as §§ 31,34 c Abs. 3 EStG; § 15 GewStG. 238 §§ 31,34 c Abs. 3 EStG; § 32 ErbStG; §§ 9, 10 VStG. 237 §§ 34 c Abs. 3, 50 Abs. 5 EStG; § 15 GewStG; §§ 9, 10 VStG; vgl. Blümlichl Falk/Steinbring, EStG, Anm. 2 zu§ 31. 2 3B RössZer/Troll, VStG, Anm. 9 zu§ 9, und Anm. 1 zu§ 10. 239 BZümlich/Klein/Steinbring/Stutz, KStG, Anm. 1 zu§ 15. 240 Vgl. auch BFH v. 15. 12. 1955, zit. von Friedrich in FR 58, S. 505.
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1. Teil, 1. Kap.: Die Zusage im Steuerrecht
§ 13 Abs. 2 KAG241 ermächtigt, Vereinbarungen mit den Steuerpflichtigen zu schließen, in denen der Jahresbetrag der zu entrichtenden Gewerbe- oder Grundsteuern für mehrere Jahre im voraus fest bestimmt werden konnte. Derartige Verträge bedurften der Genehmigung durch die Aufsichtsbehördem. § 5 des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzenvom 1. 12. 1936243 beschränkte die Möglichkeit der Steuervereinbarung auf den Bereich der Gewerbesteuer244 • In der Gesetzesbegründung hieß es245, daß Steuervereinbarungen zwar den Grundsätzen des Steuerrechts widersprächen, daß sie aber gerade bei der Gewerbesteuer im Einzelfall nicht zu umgehen seien, wenn starke Schwankungen der Betriebsergebnisse in den einzelnen Jahren eine Vereinbarung über einen längeren Zeitraum auch im Interesse der Gemeindefinanzen zweckmäßig erscheinen ließen. Derartige Vereinbarungen sollten den Steuerpflichtigen allerdings nur von dem Risiko konjunktureller Unsicherheit befreien, nicht aber von vornherein begünstigen und damit wettbewerbsverzerrend wirken2