Das Bürgerliche Recht Deutschlands mit Einschluß des Handelsrechts historisch und dogmatisch dargestellt [2. Aufl., Reprint 2021] 9783112603581, 9783112603574


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German Pages 880 [885] Year 1901

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Das Bürgerliche Recht Deutschlands mit Einschluß des Handelsrechts historisch und dogmatisch dargestellt [2. Aufl., Reprint 2021]
 9783112603581, 9783112603574

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Das

Bürgerliche Recht Deutschlands mit Einschluß des

Handelsrechts historisch und dogmatisch dargestellt von

A. Engelmann, ObcrlandesgcrichLSrath.

Zweite durchgearbeitete Auflage

Don: „Das alte und das neue Bürgerliche Recht Deutschlands".

Preis M. 14.—, eleg. in Leinen geb. M. 15.—.

Vertin 1900. 3. 3- Heines Verlag.

Aorrvort zur ersten Auflage. Das vorliegende Werk enthält eine Darstellung des gesammten Privatrechts, wie es vom 1. Januar 1900 ab in Deutschland gelten wird, und zwar unter besonderer Berücksichtigung seiner geschichtlichen Entwicklung. Es geht daher überall vom älteren oder neueren römischen oder vom deutschen Rechte der Zeit vor der Reception aus und dann zur Darstellung des gemeinen und des neuen d. h. des künftigen Rechtes über. Die deutschen Partikulargesetzgebungen sind nur an einzelnen Stellen, und zwar als Phasen der geschichtlichen Entwicklung, berücksichtigt, nirgends ist ein einzelnes bestimmtes Landesrecht vergleichsweise neben dem neuen Rechte zur Darstellung gekommen. Ich bin genöthigt, dies besonders hervorzuheben, weil selbst Verfasser von Literaturüberfichten aus dem Umstande, daß ich früher eine kurzgefaßte Darstellung des Preußischen Privatrechts geschrieben habe, nach dem Erscheinen der ersten Hefte des vorliegenden Werkes ohne weiteres geschloffen haben, daß diese Arbeit eine Nebeneinanderstellung des neuen Rechts und des preußischen Landrechts enthaltm müsse. Da jede systematische Behandlung unseres Privatrechtes lücken­ haft bleiben muß, wenn sie nicht auch diejenigen Rechtsinstitute umfaßt, welche außerhalb des BGB oder des Pandektenrechtes stehen, ist auch im vorliegenden Werke das Handels-, Wechsel- und Seerecht, wie über­ haupt das auf Reichsgesetzen bemhende Privatrecht, es ist aber auch dasjenige bürgerliche Recht behandelt worden, welches künftig als Landesrecht fortbestehen wird. Bei der Bearbeitung dieser letzteren Materie ist in ähnlicher Weise verfahren worden, wie bisher das auf Landesrecht beruhende deutsche Privatrecht behandelt worden ist, d. h. es sind meist nur allgemeine und besonders wichtige Grundsätze hervorgehoben worden. Dieser Anlage gemäß soll das Werk nicht nur dem Anfänger einen ihn durch das gesammte Privatrecht führenden Leitfaden geben, sondern auch dem Kenner des alten, insbesondere des gemeinen Rechtes das Ein­ leben in das neue Recht erleichtern. Nur um Raum für die eigene Darstellung zu sparen, habe ich auf Literaturanführungen fast ganz verzichtet, obwohl ich sehr wohl weiß, daß solche Citate auf Viele Eindruck machen. Zum Schluffe will ich noch Herm Amtsgerichtsrath Berger in Grottkau meinen Dank für die Unterstützung aussprechen, die er mir bei Abfassung des Vormundschaftsrechtes gewährt hat.

Breslau, 31. Juli 1899. Engelmann.

Worwort zur zwettm Aussage. Schneller, als ich erwarten durste, hat sich das Bedürfniß nach einer neuen Auflage des im Juli vorigen Jahres vollendeten „alten und neuen bürgerlichen Rechts" eingestellt. Dieser Umstand und die zahlreichen günstigen Urtheile, die mir hauptsächlich auf privatem Wege zugegangen sind, haben mich in der Ueberzeugung bestärkt, daß ich in Bezug auf die Anlage des Ganzen sowie auf die Abwägung des Berhaltniffes von Geschichtlichem und Dogmatischem im Wesentlichen das Richtige getroffen habe. Die Aenderungen, welche die unter anderem Titel erscheinende zweite Auflage bringt, betreffen daher einmal Be­ richtigungen, welche die Fortschritte in meiner eigenen Erkenntniß des neuen Rechtes geboten, sind zum anderen Theile aber typographischer Art und aus dem Bestreben hervorgegangen, die Darstellung auch äußerlich so übersichtlich als möglich zu gestalten.

Breslau, 6. Juli 1900. Engelmann.

Abkürzungen. BGB — Bürgerliches Gesetzbuch. HGB — Handelsgesetzbuch. Ist Art. . . HGB angeführt, so ist eine Be­ stimmung des HGB alter Fassung (a. F.j, ist tz . . HGB angeführt, so ist eine Bestimmung des HGB neuer Fassung (n. F.) gemeint. WO = Wechselordnung. KO — Konkursordnung 1 Ist KO oder CPO ohne Zusatz (a. F. oder CPO — Civilprozeßordnung f n. F.) angeführt, so ist in den ersten Theilen des Werkes die alle, in den späteren Theilen die neue Fassung gemeint. GBO = Grundbuchordnung für das deutsche Reich. ZwstG — Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung. FG — Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit. GBG — Gerichtsverfassungsgesetz. StGB — Strafgesetzbuch. StPO = Strafprozeßordnung. Andere Abkürzungen betreffen regelmäßig das in demselben § am häufigsten vorkommcnde Wort. Wo ein § ohne Zusatz angeführt wird, ist ein § des BGB gemeint.

Worwort zur zwettm Aussage. Schneller, als ich erwarten durste, hat sich das Bedürfniß nach einer neuen Auflage des im Juli vorigen Jahres vollendeten „alten und neuen bürgerlichen Rechts" eingestellt. Dieser Umstand und die zahlreichen günstigen Urtheile, die mir hauptsächlich auf privatem Wege zugegangen sind, haben mich in der Ueberzeugung bestärkt, daß ich in Bezug auf die Anlage des Ganzen sowie auf die Abwägung des Berhaltniffes von Geschichtlichem und Dogmatischem im Wesentlichen das Richtige getroffen habe. Die Aenderungen, welche die unter anderem Titel erscheinende zweite Auflage bringt, betreffen daher einmal Be­ richtigungen, welche die Fortschritte in meiner eigenen Erkenntniß des neuen Rechtes geboten, sind zum anderen Theile aber typographischer Art und aus dem Bestreben hervorgegangen, die Darstellung auch äußerlich so übersichtlich als möglich zu gestalten.

Breslau, 6. Juli 1900. Engelmann.

Abkürzungen. BGB — Bürgerliches Gesetzbuch. HGB — Handelsgesetzbuch. Ist Art. . . HGB angeführt, so ist eine Be­ stimmung des HGB alter Fassung (a. F.j, ist tz . . HGB angeführt, so ist eine Bestimmung des HGB neuer Fassung (n. F.) gemeint. WO = Wechselordnung. KO — Konkursordnung 1 Ist KO oder CPO ohne Zusatz (a. F. oder CPO — Civilprozeßordnung f n. F.) angeführt, so ist in den ersten Theilen des Werkes die alle, in den späteren Theilen die neue Fassung gemeint. GBO = Grundbuchordnung für das deutsche Reich. ZwstG — Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung. FG — Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit. GBG — Gerichtsverfassungsgesetz. StGB — Strafgesetzbuch. StPO = Strafprozeßordnung. Andere Abkürzungen betreffen regelmäßig das in demselben § am häufigsten vorkommcnde Wort. Wo ein § ohne Zusatz angeführt wird, ist ein § des BGB gemeint.

Erstes Buch: Allgemeiner Theil. Einleitung. I. Das frühere Privatrecht Deutschlands. § 1. Die Bestandtheile des bisherigen Rechts § 2. Gemeines, allgemeines, partikuläres Recht II. § 8. Das künftige Privatrecht Deutschlands

Erster Abschnitt: Das objektive Recht. A. Die Quellen des objektiven Rechts. § 4. Das Gesetzesrecht..................................................................... § 5. Das Gewohnheitsrecht B. § 6. Anwendung des Rechts 0. § 7. Die Einteilungen der Rechtssätze D. § 8. Zeitliche Grenzen der Gesetze.....................................................

E. § 9. F. § 10. § § § §

11. 12. 18. 14.

Oertliche Grenzen der Gesetze...................................... . Die Autonomie.......................................................................... Zweiter Abschnitt: DaS subjektive Recht.

1 6 10

18 21 25 27 29 30 35

Begriff deS subjektiven Rechts 37 Die Einteilung der Rechte 37 Das Rechtssystem...........................................................................40 Recht und Anspruch 41 Dritter Abschnitt: Die Rechtssubjekte.

§ 15. Rechtsfähigkeit A. Die natürliche Person. § 16. Beginn und Ende der Rechtsfähigkeit § 17. Die natürlichen Eigenschaften der Person § 18. Die rechtlichen Eigenschaften der Person § 19. Insbesondere: Der Kaufmann B. Die juristische Person. § 20. Der Begriff der juristischen Person § 21. Die Körperschaften § 22. Die Arten der Körperschaften § 23. Die nicht rechtsfähigen Vereine § 24. Die Anstalten und Stiftungen § 25. Einzelne juristische Personen: Der FiSkuS, die Gemeinden

44

44 47 52 66 60 63 73 74 75

vin

8 8 § § § §

26. 27. 28. 29. 80. 81.

8 32.

8 8 8 8 8

33. 84. 85. 86. 87.

8 8 8 8 8 8 8 8 8

88. 89. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46.

8 8 8 8

47. 48. 49. 50.

Vierter Abschnitt: Die RechtSobjekte. Der Begriff der Sache und des Vermögens.................................79 A. Die natürlichen Eigenschaften der Sachen................................ 83 B. Die wirtschaftlichen Eigenschaften der Sachen .... 84 C. Die rechtlichen Eigenschaften der Sachen..................................... 88 Das Geld............................................................................................... 90 Urkunden und Wertpapiere................................................................92

Fünfter Abschnitt: Die juristischen Thatsachen. Einleitung............................................................................................... 93 I. Die Handlungen. A. Die Rechtsgeschäfte. Begriff des RechtSgeschäfteS................................................................ 94 Einteilung der Rechtsgeschäfte........................................................... 95 Der Vertrag..........................................................................................97 Versteigerung. Kreation. Gesammtakt......................................... 102 Die allgemeinen Voraussetzungen der Gültigkeit des RechtsgeschäfteS....................................................................................................104 Das Verhältniß von Wille und Erklärung....................................105 Die Freiheit der Willenserklärung....................................................112 Die Form der Rechtsgeschäfte.........................................................114 Die Bestandtheile der Rechtsgeschäfte.............................................. 119 DaS bedingte Rechtsgeschäft.............................................................. 120 DaS befristete Rechtsgeschäft.............................................................. 124 Willenserklärungen durch Stellvertreter......................................... 124 DaS ungültige Rechtsgeschäft.........................................................181 B. Die unerlaubte Handlung..............................................................133 II. Andere rechtSerhebliche Ereignisse. Allgemeines..............................................................................................134 Der Zeitablauf........................................................................................ 135 Die. Verjährung................................................................................... 186 Der Rechtserwerb und Rechtsverlust.............................................. 141 Sechster Abschnitt: Der Rechtsschutz. I. Vorbeugender Schutz (Sicherungsmittel).

2. 3. 4. 5. 6. 8 52. 8 58.

Die Rechtsverwahrung.......................................................... 142 Die Vormerkung.................................................................... 143 Aufnahme von LermögenSverzeichnissen,Rechnungslegung 143 Der Arrest, einstweilige Verfügung,Beschlagnahme ... 143 Der Sperrvermerk..........................................................................144 II. Wiederherpellender Schutz. 1. Die Selbsthülse............................... 144 2. Die gerichtliche Hülfe....................................................................147

Zweites Buch: Die Persönlichkeitsrechte. 8 54. 8 55. 8 66. 8 67.

Begriff...................................................................................................158 A. Die Rechte auf den Genuß persönlicher Güter. I. Im Allgemeinen...............................................................................168 IL Die Namen- und Zeichenrechte im Besonderen. Der Name...............................................................................................169 Marken und Zeichen............................................................................... 161

§ § § § §

58. 59. 60. 61. 62.

B. Die Rechte auf Bethätigung. Ueberblick.............................................................................................. 162 Der Rechtsschutz gegen unlauteren Wettbewerb..........................165 DaS Urheberrecht................................................................................... 168 DaS Erfinderrecht.............................................................................. 172 MitgliedfchastSrechte..............................................................................173

Drittes Buch: DaS Stecht der Schuldverhältniffe (Obligattonenrecht). A. Allgemeiner Theil.

Bon der Obligation überhaupt.

§ 63.

Erster Abschnitt. Begriff der Obligation........................................................................174

§ § § § § § §

64. 65. 66. 67. 68. 69. 70.

Zweiter Abschnitt: Gegenstand der Obligation. Der Schuldgegenstand überhaupt...................................................180 Bestimmtheit des Gegenstandes........................................................ 180 Die Leistung von Geld........................................................................184 Die Leistung von Zinsen . .............................................................184 Wiederkehrende Leistungen.................................................................. 188 Die Pflicht zur Jnteresseleistung........................................................ 189 Andere LeistungSgegenstände................................... 195

§ § § § § §

71. 72. 73. 74. 76. 76.

Dritter Abschnitt: Inhalt der Obligation. Allgemeines.............................................................................................196 Der Ort der Leistung........................................................................196 Die Zeit der Leistung........................................................................197 Der Verzug.............................................................................................199 Haftung für Verschulden und für den Zufall..............................204 Treu und Glauben.............................................................................208

Vierter Abschnitt: Entstehungsgründe der Schuldverhältnisse. § 77. Uebersicht.............................................................................................209 § 78. Die Handelsgeschäfte ......................................... ..............................209 § 79. DaS römische KontraktSsystem und die altdeutschen Betträge . 213 § 80. DaS Vertragssystem deS modernen Rechts................................... 216 § 81. Der abstrakte Vertrag........................................................................217 § 82. Der zweiseitig verpflichtende Bettrag............................................. 219 § 83. Die Gültigkeit der Vetträge............................................................. 223 § 81. Inhalt der Schuldverträge............................................................. 225 § 85. Der Bettrag zu Lasten und der Vertrag zu Gunsten eines Dtttten................................................................................................... 226 § 86. Bestärkung der Vetträge.................................................................. 228 § 87. Die Aushebung der Vetträge.............................................................233 § 88. Der Einfluß deS Konkurses auf denBestand der Verträge . 286

Fünfter Abschnitt: Die Subjekte deS Schuldverhältnisses. 8 89. I. Bestimmtheit und Unbestimmtheitdes Subjekts .... 240 § 90. II. Mehrheit von Subjekten..............................................................241 A. Mehrheit von Schuldnern (passives Gesammtschuldverhältniß) 244 B. Mehrheit von Gläubigern (aktives Gesammtschuldverhältniß) 246 III. Wechsel deS Subjektes. A. Die Uebettragung der Forderung. § 91. Die Session oder Abtretung.............................................................. 247

§ §

92. Das Indossament.................................................................................252 93. B. Die Schuldübernahme................................................................. 255

Sechster Abschnitt: Das Erlöschen der Schuldverhältnisse. § 94. Die Erfüllung...................................................................................... 259 § 95. Die Hingabe an GrfüllungSstatt......................................................262 § 96. ZahlungSweigerung wegen Zurückbehaltungsrechts . . . 263 § 97. Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners..................................... 265 § 98. Unmoglichwerden der Leistung........................................................... 269 § 99. Die Hinterlegung..................................................................................271 § 100. Die Ausrechnung (Kompensation)...................................................... 274 § 101. Der Erlast.................................... 279 § 102. Der Zwangsvergleich.......................................................................... 280 § 103. Andere Aufhebungsgründe................................................................ 281

B. Besonderer Theil.

§ 104. § 105. § 106.

§ § § §

107. 108. 109. 110.

§ § § § § § § §

111. 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118.

§ § § § § § § § § § § § § § §

119. 120. 121. 122. 123. 124. 125. 126. 127. 128. 129. 130. 131. 132. 133.

Die einzelnen Schuldverhältnisse.

I. Die Obligationen aus Rechtsgeschäften. 1. Die einseitigen Rechtsgeschäfte. A. Die Auslobung .................................................................................284 B. Die Ausstellung von Werthpapieren. a) der Wechsel......................................................................................285 b) DaS Jnhaberpapier............................................................ . 291 2. Die Verträge. A. Die einseitig verpflichtenden Verträge. DaS Darlehn.......................................................................................... 295 Die öffentliche Anleihe.......................................................................... 299 Die Schenkung..................................................................................... 300 Spiel und Wette ................................................................................ 306 B. Die unvollkommen zweiseitigen Verträge. Die Leihe................................................................................................ 309 Der Verwahrungsvertrag...................... •.................................... 311 Das Lagergeschäft................................................................................ 314 Der Faustpsandvertrag..................................................................... 316 Das Depositen- und Depotgeschäst................................................ 316 Einbringung von Sachen beiGastwirthen.................................. 318 Der Auftrag........................................................................................... 319 Die Anweisung..................................................................................... 323 C. Die zweiseitigen Verträge. Der Kauf................................................................................................ 327 Besondere Arten des Kaufes........................................................... 341 Die AbzablungSgefchäfte..................................................................... 344 Börsengeschäfte......................................................................................345 Der Tauschvertrag................................................................................ 348 Miethe...................................................................................................... 348 DiePacht.................................................................................................. 358 Der Dienstvertrag............................................................................... 360 Der Gestndedienstvertrag.....................................................................865 Der Lehrvertrag..................................................................................... 366 Der Werkvertrag.................................................................................... 867 Der Frachtvertrag............................................................................... 370 DaS Speditionsgeschäft ....... ................................ 378 DaS Kommissionsgeschäft...................................................................... 379 Der Trödelvertrag................................................................ 382

XI

Der Mäklers ertrag ......................................................................... 383 Der LerlagSv ertrag............................................... 885 Die Gesellschaft. 136. Uebersicht................................ _............................................................387 187. Die Gesellschaft deS bürgerlichen Rechte und die Sozietäten des Handelsrechts.............................................................................. 889 138. Die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung .... 400 189. Die Erwerbs- und WirthschastSgenossenschaften...........................413 140. Die Rhederei.........................................................................................417 141. Der Versicherungsvertrag.....................................................................418 142. Die Arbeiterverficherung.................................................................... 421 143. Der Leibrentenvertrag.......................................................................... 422 144. Der Vergleich.......................................................................................... 423 146. Der SchiedSvertrag............................................................................... 425 146. Die Bürgschaft.....................................................................................426

§ 184. § 185.

§ § §

§ § § § § § § §

§ § § § § §

147. 148149. 160. 151. 152.

§ § § §

153. 154. 155. 156.

§ 167.

§ 158. § 169. § 160.

§ § § §

161. 162. 168. 164.

II. Die Obligationen aus Nicht-RechtSgeschäften. 1. Die Obligationen aus unerlaubten Handlungen. Ueberblick.............................................................................................433 Geschichtliche Entwickelung............................................................. 488 Das neue Recht. Standpunkt des BGB...................................437 Die unerlaubte Handlung............................................................. 487 Haftung für andere und für Thiere............................................. 441 Besondere Grundsätze für einzelne Deliktsfälle........................ 443 2. Schadensersatzansprüche auS erlaubten Handlungen. Allgemeines........................................................................................447 Die Enteignung...................................................................................448 Gefährdende Unternehmungen........................................................ 450 Andere Fälle nichtdeliktifcher SchadenShaftung......................... 461 3. Ungerechtfertigte Benachteiligung. a) Die Verkürzung der Gläubiger............................................. 462 b) Die ungerechtfertigte Bereicherung......................................... 456 Die Bereicherung im Allgemeinen ..............................................466 Die Bereicherungsansprüche im Einzelnen................................... 468 c) Die Geschäftsbesorgung ohne Auftrag................................... 461 4. Obligationen auS thatsächlichen Zuständen. a) Die Gemeinschaft........................................................................ 463 b) Die Pflicht zur Unterhaltsgewährung....................................466 c) Die Ausstattungspflicht............................................................. 467 d) Verpflichtung zum Vorzeigen...................................................468

Viertes Buch: DaS Sachenrecht. H § § § 5 § § I

165. 166. 167. 168. 169. 170. 171. 172.

A. Der Besitz. Der Begriff des Besitzes.................................... 470 Einteilung des Besitzes................................................................... 472 Der Besitzern)erb...................................................................................476 Der Befltzerwerb durch Stellvertreter......................................... 479 Der Verlust des Besitzes................................................................... 480 Subjekt deS Besitzes.........................................................................481 Gegenstand deS Besitzes................................................................... 481 Insbesondere der Besitz anRechten................................................ 482

XII § 173. § 174.

§ 175. § 176. § 177.

§ 178. § 179. § § § § 8

180. 181. 182. 183. 184.

Der Besitzschutz. 1. DaS bisherige Recht.................................................................... 484 2. DaS neue Recht...............................................................................487 B. Die Sachenrechte. Allgemeine Grundsätze........................................................................491 Bedeutung des Besitzes durchdas Sachenrecht...........................493 Die Bedeutung der öffentlichen Bücher für das Jmmobiliarsachenrecht....................................................................................494 Das Schiffsregister............................................................................. 503 Das Agrarrecht.................................................................................. 504

Erster Abschnitt: Das Eigenthum. Begriff und Inhalt des Eigenthums........................................ 508 Einschränkungen des Eigenthums ..............................................508 Die Wege und das Wasser............................................................. 511 DaS VeräußerungSoerbot............................................................. 516 Das Familienfideikommiß............................................................. 518

§ 199. § 200. § 201.

Der Erwerb und der Verlust des Eigenthums. A. Die beweglichen Sachen. 1. Der abgeleitete EigentyumSerwerb.......................................... 520 Die Uebereignung...............................................................................521 IL Der ursprüngliche Erwerb. Einleitung.............................................................................................523 Erwerb auf Grund guten Glaubens .........................................523 Die Ersitzung........................................................................................526 Verbindung, Vermischung, Verarbeitung................................... 531 Erwerb von Zeugnissen und Bestandtheilen.............................. 533 Aneignung (Okkupation)................................................................... 534 DaS Jagdrecht...............................................................................536 Die Fischerei........................................................................................538 Fund, Schatz, Strandgut...................................................................538 B. Unbewegliche Sachen. Erwerb im Falle freiwilliger Veräußerung.............................. 540 Andere Fälle des EigenthumSerwerbeS.........................................543 DaS Eigenthum Mehrerer..............................................................544 Der Schutz des Eigenthums. A. Der Herausgabeanspruch. DaS bisherige Recht........................................................................ 546 Das neue Recht................................................................................... 550 B. Der Abwehranspruch (actio negatoria).............................. 555

202. 203. 204. 205.

Zweiter Abschnitt: Das Bergrecht. Begriff und Geschichte........................................................................ 557 Die Bergbauberechtigung................................................................... 559 Die Betheiligung Mehrerer am Bergwerke................................... 561 Die Knappschaften.............................................................................. 562

§ 206.

Dritter Abschnitt: DaS Lehnrecht....................................563

§ 207;

Vierter Abschnitt: EmphyteusiS und Erbpachtrecht

§ 185. § 186. § § § § § § § § §

187. 188. 189. 190. 191. 192. 193. 194. 195.

§ 196. § 197. § 198.

§ § § §

§ 208.

563

Fünfter Abschnitt: DaS Erbbaurecht, Supersiciaroder Platzrecht............................................................................... 567

Sechster Abschnitt: Die Servituten oder Dienstbarkeiten. § 209. Allgemeines....................................................................................... 568 I. Die Personalservituten. § 210. Die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten.............................. 569 § 211. Der Nießbrauch.................................................................................. 571 § 212. Grunddienstbarkeiten im Allgemeinen........................................ 574 § 213. Begründung und Endigung der Dienstbarkeiten .... 577 § 214. Der Schutz der Dienstbarkeiten........................................................ 580 § 215. § 216. § § § § § § § § § §

217. 218. 219. 220. 221. 222. 223. 224. 225. 226.

§ § § § § § § § § § § § § § §

227. 228. 229. 230. 231. 232. 233. 234. 235. 236. 237. 238. 239. 240. 241.

Siebenter Abschnitt: Die Reallast................................... 581 Achter Abschnitt: Das Pfandrecht. Begriff und Geschichte des Pfandrechts........................................ 585 A. Das Pfandrecht im engeren Sinne. Der Begriff des Pfandrechts........................................................ 588 Die Voraussetzungen des Pfandrechts........................................ 589 Mehrheit von Pfandrechten............................................................. 595 Die Rechte des Pfandgläubigers...................................................596 Die Pflichten des Pfandgläubigers und des Verpfänders . 601 Der Schutz des Pfandrechts..................................................... 603 Erlöschen des Pfandrechts......................................................604 Das Pfandrecht an Rechten......................................................605 Das Pfandrecht an Schiffen ........................................................ 607 DaS Zurückbehaltungsrecht......................................................608 B. Das Hypothekenrecht. Geschichtliche Entwickelung......................................................608 Ueberblick über das neue Hypothekenrecht........................... 610 Die rechtliche Natur der Grundschuld und der Hypothek . . 612 Entstehung der Hypothek und der Grundschuld................. 613 Umfang und Gegenstand der Haftung................................. 615 Die Gesammthypothek und die Gesammtgrundschuld . . . 617 Die Eigenthümerhypothek und die Eigenthümergrundschuld . 619 Die Befriedigung des Gläubigers ..............................................621 Der Uebergang der Hypothek und der Grundschuld . . . 623 Der Hypotheken- und der Grundschuldbrief...................... 625 Die besonderen Verpfändungsformen................................. 626 Die Aushebung der Hypothek oder der Grundschuld . . . 627 Die Zwangsvollstreckung in das Grundstück...................... 629 DaS Hypothekenkreditwesen......................................................631 Achter Abschnitt. Das Vorkaufsrecht.................................633

Fünftes Buch: Das Familienrecht. § 242. § 243.

§ 244. § § § §

245. 246. 247. 248.

Ueberblick.................................................................................... 635 Familie, Verwandtschaft, Schwägerschast........................... 636 Erster Abschnitt: Das Eherecht. A. Das persönliche Eherecht. DaS Berlöbniß..................................................................................639 Die Ehe. Geschichtliche Entwickelung des Eherechtes................................... 640 Begriff und Voraussetzungen der Ehe..........................................642 Die Schließung der Ehe.................................................................. 645 Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe......................................... 647

XIV § 249. § 260.

§ 251. § 252. § 253. § 264. § 255.

§ § § §

266. 257. 258. 259.

Die persönliche Stellung der Ehegatten zu einander . . . 648 Die Auflösung der Ehe................................................................... 661 B. Das eheliche Güterrecht. I. Geschichte des ehelichen GüterrechlS. Das römische Recht .........................................................................665 DaS deutsche Recht . . .................................................................... 658 II. DaS Recht deS BGB. Allgemeines........................................................................................661 A. DaS gesetzliche Güterrecht....................................................... 663 Die Gütertrennung............................................................................ 667 B. DaS vertragsmäßige Güterrecht. Die allgemeine Gütergemeinschaft.................................................. 668 Die beschränkte Gütergemeinschaft...................................................674 Einzelne GüterrechtSverhältniffe...................................................676 DaS Güterrechtsregister......................................... 677

§ § § § § § § § §

Zweiter Abschnitt: DaS Eltern, und KindeSverhältniß. I. Die Rechtsstellung des ehelichen Kindes. 260. Vorbemerkung...................................................................................678 A. Entstehung der Rechtsstellung deS ehelichen Stint)cß. 261. Eheliche Abstammung........................................................................678 262. Legitimation und Annahme an KindeSstatt.......................... 680. 263. B. Der Inhalt der elterlichen Gewalt........................................ 684 264. Die persönliche Stellung deS HauSkindeS................................... 686 266. Die vermögensrechtliche Stellung des HauSkindeS . . . 687 266. Die elterliche Gewalt der Mutter............................... - . . 691 267. Beendigung und Einschränkung der elterlichen Gewalt . . 692 268. II. Kinder aus nichtigen Ehen........................................................ 694 269. III. Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder.........................695

§ § § § § § § § §

270. 271. 272. 273. 274. 275. 276. 277. 278.

§

Dritter Abschnitt: Das Vormundschaftsrecht. Begriff und geschichtlicher Ueberblick.............................................. 696 Die Vormundschaft über Minderjährige................................... 699 DaS VormundschastSgericht..............................................................702 Der Gemeindewaisenrath................................................................... 704 Der Familienrath............................................................................. 704 Befreite Vormundschaft................................................................... 705 Beendigung der Vormundschaft....................................................705 Die Vormundschaft über Volljährige ......................................... 706 Die Pflegschaft...................................................................................707

Sechstes Buch: DaS Erbrecht. § 279. § 280. § 281.

Erster Abschnitt: Allgemeine Lehren. Begriff und Uebersicht........................................................................710 Die Erbfolge als Universalsuccesfion............................................. 712 Die allgemeinen BorauSsetzungen-derErbfolge...........................714

§ 282. § 283. § 284.

Zweiter Abschnitt: Die gesetzliche Erbfolge. Die gesetzliche Erbfolge im Allgemeinen................................... 719 A. DaS römische Recht...................................................................722 B. DaS deutsche Recht...................................................................725

K 285. § 286.

0. Das gemeine Recht....................................................................726 D. Das neue Recht.............................................................................. 727

Dritter Abschnitt: Die Erbfolge auf Grund einer Verfügung von TodeSwegen. A. DaS Testament. I. Die Testamentsform. § 287. Geschichte 731 § 288. DaS gemeine Recht.............................................................................. 733 § 289. Die Testamentsform nach neuem Recht ........ 733 II. Die außerordentliche Testamentsform. § 290. Verwahrung des Testamentes......................................................... 738 § 291. Eröffnung des Testamentes.............................................................. 739 § 292. IL Die Testamentsfähigkeit...............................................................740 III. Der Inhalt des Testamentes. § 293. Die Erbeinsetzung.............................................................................741 § 294. Die Einsetzung Mehrerer.................................................................. 743 § 295. Der heres ex re certa.................................................................. 746 § 296. Die Substitution ............................................................................ 747 § 297. Die Einsetzung eines Nacherben.................................................. 749 § 298. Nebenbestimmungen des Testamentes........................................ 753 § 299. IV. Die Ungültigkeit des Testamentes . 755 § 300. V. Die Anfechtung des Testamentes ..... ..................................757 § 301. VI. Gemeinschaftliche Testamente.................................................. 758 § 302. Testamentsvollstrecker........................................................................761 B. Der Erbvertrag. § 303. Der allgemeine Erbvertrag........................ 764 § 304. Besondere Arten des Erbvertrages............................................. 769

Vierter Abschnitt: Erbfolge gegen den Willen des Erblassers (Notherbrecht). § 305. Die geschichtliche Entwickelung und daSgemeine Recht . . 770 § 306. DaS neue Recht..................................................................................774 § 307. Pflichttheilsrecht gegenüber Rechtsgeschäftenunter Lebenden 780 § 808. Die Entziehung des Pflichttheils.................................................. 782

8 § § §

8 8 8 8

Fünfter Abschnitt: Die Erbfolge in besondere Güterarten. 309. Allgemeines.......................................................................................783 310. Die LehnSerbfolge............................................................................ 784 311. Die Fideikommißerbfolge..................................................................785 312. DaS bäuerliche Erbrecht..................................................................787

313. 314. 315. 316.

8 317. 8 318.

Sechster Abschnitt: Rechtstellung des Erben. I. Erwerb des Erbrechts. Römisches und gemeines Recht................................................... 788 DaS neue Recht.................................................................................. 789 Fürsorge für den Nachlaß............................................................. 791 Einweisungen in den ErbschastSbefitz und Erbschein . . . 793 n. Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten. Allgemeines........................................................................................795 Römisches und gemeines Recht. 1. Die RechtSwohlthat deS Inventars......................................... 796 2. Die RechtSwohlthat der Gütertrennung............................... 797

XVI § § § § § § § §

319. 320. 321. 322. 328. 324. 325. 326.

§ 327. § 328. § 329.

Das neue Recht. Ueberficht........................................797 Vorübergehende Befreiung von der Haftpflicht........ 798 Beschränkte Haftung gegenüber einzelnen Gläubigern ... Beschränkte Haftung gegenüber allen Gläubigern .... Die Jnventarerrichtung.................................................. 802 Handelsrechtliche Erbenhaftung.................................. 804 Die prozessuale Geltendmachung der beschränktenHaftung . HI. Die Rechtsmittel des Erben...................................806 IV. Mehrheit von Erben. 1. Das RechtSverhältniß der Erben untereinander .... 2. Die Schuldenhaftung der MUerben........................ 811 3. Die Ausgleichung (Kollation).................................. 813

799 800

805

809

Siebenter Abschnitt: Vermächtnisse, Schenkungen von Todeswegen und Auslagen. § § § § § § § § §

380. 881. 332. 833. 834. 835. 336. 337. 888.

§ 339.

A. DaS Vermächtniß. Begriff und Geschichte........................................................................ 816 Subjekte der Vermächtnisse........................................ 818 Gegenstand des Vermächtnisses ................................................... 819 Ungültigkeit und Aufhebung der Vermächtnisse......................... 821 Erwerb der Vermächtnisse..............................................................822 Substitution bei Vermächtnissen....................................................823 Die Rechtsmittel des BermächtnißnehmerS .............................. 824 Kürzung der Vermächtnisse............................................................. 824 B. Die Schenkung von TodeSwegen und der Bermächtnißantrag...................................................................................................825 C. Auflage............................................................................................. 826

Achter Abschnitt: Verlust des Erbrechts und Veräußerung der Erbschaft.

§ 340. 1. Der Erbverzicht............................................................................. 827 § 341. 2. Die Erbunwürdigkeit.................................................................. 828 § 342. 3. Der ErbschastSkauf....................................................................... 828 Alphabetisches Sachregister.............................................................................. 831

Erstes Buch: Allgemeiner Theil.

SmkeLtunz. I. Vas frühere privalrecht Deutschlands. 8 1. Die Bestandtheile des bisherigen Rechts. Das Privatrecht, das bis zum 1. Januar 1900 in Deutsch­ land galt, hatte sich aus fremden und einheimisch-deutschen Be­ standtheilen entwickelt. 1. Fremd war das recipirte römische Recht. Die Reception') war seit dem Beginne des 16. Jahrhunderts vollendete That­ sache. Ihre Erklärung findet sie in der Zersplitterung des deutschen Rechts im späteren Mittelalter und dem Bedürfnisse des deutschen Verkehrslebens nach einem einheitlichen, wissenschaftlich durch­ gebildeten Rechte, ferner in der irrigen Auffassung, daß Justinian ein Vorgänger der römischen Kaiser deutscher Nation ge­ wesen, das von ihm erlassene Gesetzbuch deshalb im deutschen Reiche geltendes Recht sei, und in dem Mangel eines deutschen Nationalbewußtseins. Die Aufnahme des fremden Rechts vollzog sich durch die Geltung, welche ihm die in Italien juristisch gebildeten, nachher in Deutschland zu Ehren und Aemtern gelangten Deutschen zunächst als Schiedsrichter, dann als Mitglieder einflußreicher Ge­ richte, insbesondere des Reichskammergerichts, des Reichshofraths und der territorialen Hofgerichte verschafften, ferner durch die Schriften der italienischen, später auch deutscher Juristen, insbe­ sondere durch die zahlreichen populären Darstellungen des römischen Rechts, wie es sich in Italien unter dem Einflüsse der Glossatoren und der Postalossatoren gebildet hatte. Die Thatsache der Re­ ception fand schließlich gesetzliche Anerkennung, indem zuerst die *) AuS der umfangreichen Literatur über diesen Gegenstand hebe ich hervor: ©lobbt: Geschichte der deutschen RcchtSquellen, Bd 1 u. 2, 1860, 1864. Stintzing: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft 1 1880. Gierke: Deutsche» Privatrecht I S 8 ff. Regeleberger: Pandekten I ©. 8 ff. vgl. auch meinen Cioilprojeh II, Heft 3 S. 97 ff. E ngelmann

b. bürgerliche Recht Deutschland».

1

2

Reichskammergerichtsordnung von 1495 und später eine Anzahl unter dem Einfluß der reichskammergerichtlichen Praxis entstandener Partikulargesetzbücher die Anwendung „des kaiserlichen und ge­ meinen Rechts", d. h. des bereits recipirten fremben Rechts als subsidiärer Rechtsquelle anordneten. Damit ist aber das römische Recht nicht zum Gesetzesrechte geworden. Wie es im Wege des Gewohnheitsrechtes ausgenommen worden ist, wenngleich gefördert durch die oben erwähnte irrige Vorstellung, so ist es auch trotz jener gesetzlichen Anerkennung Gewohnheitsrecht geblieben. Es sind daher in unser Recht nur diejenigen römischen Rechtsinstitute überaeaanaen, deren Anwendbarkeit der Rechtsüberzeugung in Deutschland entsprach. Recipirt ist nur dasjenige römische Recht, das in die Samm­ lung Justinians Aufnahme gefunden hat, aber auch von diesem nicht diejenigen Stellen, welche von den Glossatoren nicht mit der Glosse versehen worden sind (Quidquid non agnoscit glossa nec agnoscit curia). Recipirt sind ferner diejenigen Theile des Corpus Juris civilis, welche das Staatsrecht des römischen Reiches behandeln. Ob das corpus Juris civilis im Ganzen in unser Recht übergegangcn, ist bestritten geblieben; die herrschende Meinung war die Reception in complexu, man sagte deshalb früher: Qui jus Romanum allegat, habet fundatam intentionem, in dem Sinne, daß die Geltung des angerufenen römischen Rechts­ satzes ohne weiteres anzunehmen sei, wenn nicht nachgewiesen werde, daß gerade er nicht recipirt sei. Gleichwohl war der Richter in keinem Falle der Prüfung überhobcn, ob der von ihm anzuwendende Satz des fremden Rechts in Deutschland Geltung erlangt habe oder nicht. Das justinianische Recht, das nicht eine Kodifikation, sondern eine Kompilation des Rechts darstellt, besteht aus vier Theilen'): a. Die Institutiones, ein auf der Grundlage der In­ stitutionen des Gajus verfaßtes Lehrbuch des geltenden Rechtes. Seiner Eintheilung liegt der Gedanke zu Grunde: Omne autem jus quo utimur, vel ad personas vel ad res vel ad actiones pertinet. Danach werden im ersten Theile die Rechts­ subjekte und damit auch das sog. Personenrecht, im zweiten die Vermögensrechte, tm dritten die Klagerechte erörtert. Dieser Stoff ist in vier Bücher eingetheilt. Citirt wird z. B. § 12 I. de jure *) S. darüber jetzt vorzugsweise Krüger: Geschichte der Quellen und Litteratur de« römischen Recht». 1888. (Bindingsche Sammlung). S. 322 ff.

nat. 1, 2 (Stelle, an der der oben mitgetheilte Satz steht), indem I. Institutionen bedeutet, die dahinter stehende 1 das Buch, die 2 den Titel (Unterabtheilung des Buches) und § 12 den § (Unter­ abtheilung der Titel) angiebt. b. Die Digesta oder Pandectae enthalten in 50 Büchern, die wieder in Titel und leges oder fragmenta zerfallen, eine Sammlung vonAussprüchen (39) römischer Juristen. Die Aussprüche sind wissenschaftlichen Werken entnommen und werden daher als Fragmente bezeichnet. Die Stoffanordnung ist die des Edikts. Man citirt gewöhnlich 1. 11 pr. D. de rebus cred. 12, 1. Hier heißt v. Digesten, die 12 bezeichnet das Buch, die 1 den Titel, daneben wird die Titelüberschrift hinter dem D. abgekürzt (z. S.R.V. = de rei vindicatione) mitgethcilt. Die 11 bedeutet die lex (1) d. i. die Unterabtheilung der Titel. Die meisten leges zerfallen in Paragraphen, denen noch ein einleitender Satz (pr. — prineipium) vorangeht. Häufig citirt man fr. 13 § 2 de tut. et cur. 26, 5. Bezeichnet man nämlich die lex mit fr. = fragmentum so erübrigt sich das D., da nur die Digesten fragmenta enthalten. Zuweilen läßt man im Vertrauen auf die Kenntniß des Lesers die Zahl des Buches und des Titels weg. Die Bücher 30, 31, 32, welche de legatis handeln, haben keine Titel, man citirt daher 1. 68 de leg. II, d. h. die 1. 68 des zweiten von den Legaten handelnden, also des 31. Buches der Digesten. Durch die Konstitutionen Tanta und AeScoxev vom 16. De­ cember 533 verkündet, traten die Digesten schon am 30. December 533 mit den Institutionen in Kraft. c. S)er Codex enthält eine Sammlung der für die damalige Praxis noch brauchbaren Verordnungen römischer Kaiser. Diese auf uns gekommene, durch die constitutio „Cordi nobis“ verkündete und mit dem 29. December 534 in Kraft gesetzte Samm­ lung ist eine Ueberarbeitung einer im Jahre 529 verkündeten Sammlung. Hinzugetreten waren namentlich 50 von Justinian getroffene Entscheidungen von Streitfragen klassischer Juristen, die sog. quinquaginta decisiones, die neue Sammlung führt daher imGegensatz zur älteren den Namen codex repetitae praelectionis. Der Kodex zerfällt in 12 Bücher, diese in Titel und diese wieder in leges. Die Citirweise ist die gleiche wie bei den Digesten. So bedeutet 1. 1 pr. C. si pignus pignori 8,23, daß die Stelle im achten Buche des Kodex (C) Titel 23 und zwar im prineipium der lex 1 zu finden ist. Da der Kodex nur aus constitutiones besteht, so wird häufig citirt: c. 1 pr. si pignus pignori 8,23, wobei das c. constitutio bedeutet. Diese Konstitutionen sind nur zu einem geringen Theile allgemeine Gesetze (leges edictales),

4 die meisten sind Reskripte, d. h. Entscheidungen von Rechtsfällen. Dadurch aber, daß auch Aussprüche dieses Inhalts in den Kodex ausgenommen sind, haben die in ihnen zur Anwendung gelangten Rechtssätze die Eigenschaft von Gesetzen erlangt. d. Die Novellen (novellae constitutiones) sind von Justinian nach der Verkündung des Kodex erlassene Gesetze. Praktische Bedeutung für das gemeine Recht hatten nur wenige von ihnen, insbesondere die Nov. 4, 99, 115, 118 und 127. *) Die Novellen sind nicht, wie die (Konstitutionen, von Justinian selbst in eine Sammlung gebracht worden. Private Sammlungen sind drei bekannt. Das epitome Juliani ist ein gegen 556 von dem Rechtslehrer Julian zu Constantinopel verfertigter lateinischer Auszug von 125 Novellen; das authenticum oder die Vulgata ist eine vermuthlich um dieselbe Zeit in Italien auf Anordnung des Kaisers veranstaltete Sammlung von 134 Novellen. Sie giebt die lateinischen Novellen lateinisch und die in griechischer Sprache erlassenen Novellen in lateinischer Uebersetzung wieder. Endlich ist eine griechische Sammlung von 168 Novellen aus der Zeit Tiberius II. (698—705) vorhanden. Die drei ersten Theile dieser Gesetzessammlung, des corpus Juris civilis, sind von Justinian als ein Ganzes betrachtet worden. Daher gehen die (Konstitutionen des Kodex widersprechenden Stellen der andern beiden Theile nicht vor. Dagegen Haven die Novellen als neuere Gesetze den Vorzug vor den andern drei Theilen. Fremd ist ferner das kanonische Recht. Kanonisches Recht ist das auf der Gesetzgebungsgewalt des Papstes be­ ruhende Rechts) Diese im Mittelalter allgemein anerkannte Gewalt beschränkte sich nicht auf das rein kirchliche Gebiet, son­ dern hatte allmählich einen ausgedehnten Bereich erlangt. Das kanonische Recht ist daher nicht identisch mit Kirchenrecht, es er­ streckt sich außer auf Kirchenrecht auf Civilprozeß, Strafrecht, Strafprozeß und, wenngleich zum kleinsten Theile, auch auf Privat­ recht, während das geltende Kirchenrecht, auch das der katholischen Kirche, nicht ausschließlich auf kanonischen Satzungen beruht. Enthalten ist das kanonische Recht im Corpus Juris cano­ nici. Das c. jur. can. clausum umfaßt vier Theile: a. Das Decretum Gratiani ist eine Privatarbeit des Mönches Gratian und ist zwischen 1139 und 1142 als Grundriß zu Vorlesungen entstanden. Gratian giebt Quellenstellen und

*) Mosflrt sind 96. *) Canon — kirchliche Rechtsvorschrift.

einen Kommentar zu diesen, die sog. Dieta Gratiani, in der Absicht, das gesammte kanonische Recht unter Ausscheidung der Widersprüche zur Darstellung zu bringen, weshalb er seine Arbeit concordia discordantium canonum nannte. Das D. hat drei Theile; der erste zerfällt in 101 distinctiones, und letztere be­ stehen aus canones. Die Citirart ist c. 2 Bist. XX. Der zweite Theil erörtert 36 causae (Rechtsfälle), wobei quaestiones aufgeworfen und durch canones beantwortet werden. Citirt wird c. (= canon) 1, C. (--- causa) XII, qu. (--- quaestio) 1. Die qu. 3 der Causa 33 bildet eine längere Abhandlung de poenitentia und zerfällt in Distinktionen. Citirart c. 7 d. 2 de poenit. Den dritten Theil bilden fünf Distinktionen, welche in canones zerfallen. Der ganze dritte Theil führt die Be­ zeichnung de consecratione. Citirt wird c. 1 Bist. III de consecrat b. Die im Jahre 1234 von Gregor IX. publicirten Dekretalen (---päpstlichen Verordnungen). Man bezeichnet sie kurz mit Extra (X) = extra decretum Gratiani vagantes. Sie zerfallen in 5 Bücher, diese in Titel (mit Ueberschrift) und diese wieder in capita. Die Citirart ist ganz die des Kodex, c. (--- caput) 1 X, (de elect.) I, 6. c. Die im Jahre 1298 durch Bonifacius VIII verkün­ dete Sammlung von Dekretalen derPäpste von Jnnocenz IV bis Bonifacius VIII. Sie wird Liber sextus (VI.) genannt, als ob sie nur das sechste Buch der Sammlung Extra bildete, sie enthält aber selbst wieder 5 Bücher. Citirt wird c. 2 in VI» de renunciatione I 7. d. Die 1313 von Clemens V. verkündete Sammlung von Dekretalen der Jahre 1298—1313, genannt Clementinae. Auch sie enthält 5 Bücher, die wie in den Theilen 2 und 3 die Reihenfolge judex, judicium, clerus, connubio, crimen (Gedenkvers) einhalten. Citirt wird c. 1 Clem. de summa Irin. I. 1. Hierzu traten zwei das corp. jur. can. non clausum ent­ haltende private Sammlungen, die extravagantes Johannis XXII. und die extravagantes communes. Für das Eherecht von be­ sonderer Wid)tigkeit waren die Beschlüsse des Concilium Tridentinum. Das kanonische Recht wurde gleichzeitig mit dem römischen in Deutschland ausgenommen, und seine Geltung erhielt fidj trotz des anfänglichen Widerspruchs der Reformatoren auch in pro­ testantischen Ländern. Seine Sätze gingen als jüngere Quelle dem römischen Rechte vor und fanden in Deutschland bereitwilligere Aufnahme, da sie den mittelalterlichen und neueren Anschauungen

6 mehr entsprachen, als das antike römische Recht (z. B. in der Lehre vom Besitzschutz). Die Ausnahme des kanonischen Rechtes findet ihre Erklärung darin, daß die Kirche innerhalb ihres aus­ gedehnten Machtbereiches im Mittelalter eine der weltlichen gleichstehende Gesetzgebungsgewalt erlangte?) Als fremd gilt endlich das sog. longobardische Lehn­ recht. Die beiden libri feudorum, aus Privatarbeiten des 11. und 12. Jahrhunderts hervorgegangen, sind Erzeugnisse der longobardischen Rechtsschule. 2. Neben diesem geschlossenen System des fremden Rechts steht das deutsche Privatrecht?). Damit bezeichnete man nicht etwa das in Deutschland geltende Recht, sondern nur denjenigen Theil unseres Rechts, der deutschen Ursprungs ist. Hierher ge­ hören sowohl diejenigen Rechtsinstitute, die vor der Reception des fremden Rechts in Deutschland in Geltung standen und sich entweder rein oder durch römisches Recht beeinflußt gegenüber dem fremden Recht erhalten hatten, als auch jene Rechts­ institute, durch die das Rcchtsleben nach der Reccption bereichert worden ist, die aber dem römischen Rechte unbekannt waren. Zu den ersteren gehören z. B. das Bergrecht und die Reallasten, zu letzteren das Urheberrecht. Diejenigen Rechtssätze, die, den Anschauungen der neueren Zeit entsprungen, auf das römische Recht um bildend gewirkt haben, wie z. B. der Grundsatz der unmittelbaren Stellvertretung oder die Auffassung der Cession als einer Singularsucccssion, gehörten nicht in das deutsche Privatrecht, sondern vielmehr in das heutige römische oder Pandektenrecht. 8 2.

Gemeines, allgemeines, partikuläre- Recht.

Nicht auf den Ursprung, sondern auf das Geltungsgebiet sieht man, wenn man den Gegensatz von gemeinem und partikulärem Rechte aufstellt. Gemeines Recht ist aber nicht das Recht, welches zufällig in allen Theilen eines und desselben Landes, ober in mehreren Ländern gilt, sondern das, dessen Geltungskrast aufeinerdem ganzen Lande oder mehreren Ländern gemeinsamen Autorität beruht. Ge­ meines deutsches Recht war also dasjenige Recht, dessen Geltung auf eine für ganz Deutschland maßgebende Autorität zurückzuführen war. Ob der einzelne Satz dieses gemeinen Rechtes fremden oder *) Dgl. auch hierüber meinen Cioilprozetz a. a.O. S.S2ff. Regel6berget I ©. 14. Gierke 1 S. 14. s. Dgl. jetzt namentlich Gierke, Deutsches Privatrecht I S. 26 ff.

einheimischen Ursprungs ist, ob er Gesetzes- oder Gewohnheitsrecht ist, änderte nichts an seiner Eigenschaft als gemeines Recht. Zum gemeinen deutschen Privatrecht gehören demnach

1) das fremde Recht, soweit es in Deutschland recipirt ist, denn seine Autorität beruht auf deutschem Gewohnheitsrecht; 2) diejenigen Umwandlungen des recipirten Rechtes, die durch moderne Rechtsanschauungen bewirkt worden sind, denn sie theilen die Geltungsmacht des recipirten fremden Rechtes; 3) die Gesetze des früheren deutschen Reiches; 4) die Gesetze des jetzigen deutschen Reiches, denn beide beruhen aufeinerfürganzDeutschland bindenden Gesetzgcbungsgewalt; 5) Sätze eines ganz Deutschland umfassenden Gewohnheits­ rechtes. Partikularrecht ist alles Recht, dessen Geltung auf einer nur für einen Theil Deutschlands (einzelnes Land, beschränktes Gebiet eines Landes) maßgebenden Autorität, sei es Gesetz oder Gewohnheit, beruht. Das Verhältniß des Partikularrechts zum gemeinen Rechte war ehedem ein anderes als heute. Ueberall, wo in Gesetzen wie z. B. in der Kammergerichtsordnung von 1495 das fremde Recht als in Deutschland geltendes anerkannt worden ist, hat man ihm nur die Bedeutung eines subsidiär anwendbaren Rechtes bei­ gelegt, den partikulären Rechtssätzen aber den Vorzug gelassen. Es bildete sich so der Satz: „Willkür bricht Stadtrecht, Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemein Recht", der die An­ schauung zum Ausdruck brachte, daß die für ein größeres Gebiet maßgebende Rechtsquclle der für den engeren Kreis geltenden nach­ stehe. Dasselbe galt sogar von den Gesetzen des ehemaligen deutschen Reiches: während sie bestehendes Landesrecht nicht auf­ zuheben vermochten, konnten sie selbst durch die Gesetzgebung der Territorien außer Anwendung gesetzt werden. Mit dem Ende des deutschen Reiches im Jahre 1806 hörte auch die Möglichkeit einer gemeinrechtlichen Gesetzgebung auf und erwachte nicht wieder mit der Errichtung des deutschen Bundes im Jahre 1815. Denn der Bund hatte nicht die Befugniß, Gesetze mit einer die Ange­ hörigen des Bundes unmittelbar verpflichtenden Kraft zu erlassen. Diese Gesetzgebungsgewalt hat aber das neue deutsche Reich, wie sie auch der norddeutsche Bund gehabt hat. Die Reichsverfassung vom 16. April 1871 bestimmt in Uebereinstimmung mit der Verfassung des norddeutschen Bundes im Art. 2 : „Innerhalb dieses Bundesgebietes übt das Reich das Recht der Gesetzgebung nach Maßgabe des Inhalts dieser Verfassung

8 und mit der Wirkung aus, daß die Reichsgesetze den Landes­ gesetzen Vorgehen." Danach geht in denjenigen Materien, die der Gesetzgebung des Reiches unterworfen sind, alles Reichsrecht, mag es auf Gesetz oder Verordnung beruhen, dem Landesgesetze vor, und unter Landesaesetz ist alles Landesrecht zu verstehen. Der Erlaß eines Reichsgesetzes hebt also nicht nur die ihm wider­ sprechenden, sondern auch die mit ihm übereinstimmenden Landes­ rechte auf, es sei denn, daß das Reichsgesetz ausdrücklich auf die Landesrechte verwiese, oder der Landesgejetzgebung ausdrücklich die Ermächtigung gäbe, dem Reichsgesetze entgegenstehende Be­ stimmungen zu treffen. Nachdem durch Reichsgesetz vom 20. De­ zember 1873 die Zuständigkeit des Reiches auf das gesammte bürgerliche Recht ausgedehnt war, hat das Reich die Befugniß, nicht nur in den ihm besonders eingeräumten Materien, sondern auf dem gesammten Privatrechtsgebiete Gesetze zu erlassen. Es hat von dieser Befugniß wiederholt Gebrauch gemacht und jetzt das gesammte bürgerliche Recht mit Ausnahme der ausdrück­ lich den Landesgesctzen überlassenen Materien durch ein aus­ schließendes Gesetzbuch geregelt. Bis dahin war die Landesgesetz­ gebung befugt, privatrechtliche Materien, die von der Gesetzgebung des Reiches unberührt geblieben waren, zu regeln. Ja sie war sogar befugt, Reichsgesetze zu ergänzen, wenn das Reichs­ gesetz eine Materie nicht erschöpfend und abschließend behandeln wollte. Mit dem gemeinen Rechte nicht zu verwechseln ist das ge­ meinsame, d. i. dasjenige Recht, dessen Inhalt mit dem Inhalte eines in einem anderen Gebiete geltenden Rechtes übereinstimmt, aber auf einer anderen Rechtsquelle beruht als in dem andern Lande. Man nennt solches regelmäßig auf dem gleichen Gedanken beruhende, gleichen Bedürfnissen entsprungene Recht häufig all­ gemeines Recht. Solches allgemeines Recht waren das Handels­ gesetzbuch und die Wechselordnung vor ihrer Erhebung zum ge­ meinen Rechte. Der Bundestag hatte die fertiggestellten Ent­ würfe den Regierungen der einzelnen Bundesstaaten empfohlen, und diese hatten die Entwürfe als Landesgesetze erlassen. Da­ mit war eine Uebereinstimmung des Inhalts des Handels- und Wechselrechts hergestellt; formell gemeines und damit dem Ein­ flüsse der Landesgesetzgebung entzogenes Recht wurden beide Gesetzbücher erst durch das norddeutsche Bundes-, spätere Reichs­ gesetz vom 5. Juni 1869. Das deutsche Privatrecht war zu seinem größten Theile Partikularrecht und keineswegs allgemeines Recht, zu seinem

anderen Theile war es gemeines Recht, soweit es nämlich auf gemeinrechtlichen Quellen, Gesetz oder allgemeiner deutscher Ge­ wohnheit, beruht. Seine Sätze hatten daher Anspruch auf un­ mittelbare Anwendbarkeit nur soweit sie gemeines Recht waren; soweit sie auf partikularen Quellen beruhten, reichte ihre un­ mittelbare Anwendbarkeit nicht über das Geltungsgebiet jener Qnelle hinaus. Die Wissenschaft des deutschen Privatrechts lehrt daher zum größten Theile nicht Recht, das der Richter ohne weiteres zur Norm seiner Entscheidung machen durfte, sie zeigte nur die einheimisch deutschen Rechtsgedanken und die Gestaltung, die diese in allen, in vielen, ja zuweilen nur in vereinzelten Partikularrechten erhalten hatten, sie hat daher nicht nur die ideale Aufgabe, das deutsche Privatrecht als ein nationales Ge­ meingut gegenüber dem fremden Rechte zu bewahren, sondern auch die praktische Aufgabe, die Auslegung des partikularen Rechtes zu erleichtern. Die Partikularrechte waren entweder solche, die 1) das gemeine Recht als subsidiäre Rechtsquelle bestehen ließen, oder 2) solche, die das gemeine Recht ausschlossen und sich selbst an dessen Stelle setzten. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war es selten, daß ein Landesgesetz ausschließende Geltung beanspruchte. Seit dieser Zeit sind mehrere ausschließende Gesetzbücher erlassen worden, und auch die seit jener Zeit erlassenen Einzelgesetze verfolgten regelmäßig die Absicht, die entsprechenden Sätze des gemeinen Rechts außer Anwendung zu setzen. Diese ausschließenden Gesetzbücher sind: 1) Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794 mit Gesetzeskraft vom 1. Juni 1794. Es gilt in den sechs östlichen Provinzen der preußischen Monarchie mit Ausnahme von Neuvorpommern und Rügen, ferner in Westfalen und in den Kreisen Rees, Duisburg und Essen, ferner in denjenigen Theilen Hannovers, die vor 1815 zu Preußen gehört hatten, d. i. Ostfriesland, Lingen und Eichsfeld, ferner in den fränkischen Herzogthümern Ansbach und Bayreuth und einigen anderen kleinen Gebietstheilen Bayerns sowie in einem Theile von Sachsen-Weimar. 2) Das österreichische allgemeine bürgerliche Gesetz­ buch vom 1. Juni 1811. Es gilt in ganz Eisleithanien, in Siebenbürgen, Kroatien und Slavonien, außerdem im Fürstenthum Liechtenstein und in einigen bayerischen Ortschaften.

3) Der Code civil von 1807 trat in den zur Zeit seiner Publikation zu Frankreich gehörigen linksrheinischen deutschen Gebietstheilen in Kraft und wurde dann auch auf dem rechten Rheinufer eingeführt, hier aber später wieder aufgehoben, aus­ genommen in den rechtsrheinischen Theilen des früheren Herzogthums Berg. Er galt in Elsaß-Lothringen, auf dem linken Rhein­ ufer der preußischen Nheinprovinz, in Rheinhessen, in der bayerischen Pfalz und in dem olden burgischen Fürstenthum Birkenfeld.

4) Das badische Landrecht von 1809 war eine mit Zusätzen versehene deutsche Uebersetzung des code civil und galt im Großherzogthum Baden. 5) Das bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen vom 2. Januar 1863 hatte Gesetzeskraft vom 1. März 1865 im Königreich Sachsen. In allen übrigen Gebieten Deutschlands blieb das gemeine Recht bestehen, und zwar als subsidiäres Recht. Mit dem Jahre 1806 wurde es da, wo ausschlicßende Gesetzbücher nicht bestanden, Landesrecht der einzelnen deutschen Staaten und unterlag der Einwirkung durch die Landcsgesctzgebung. Ueberall da also, wo Rcichsgesetze, insbesondere die Einführungsgesetze zu den neuen Gesetzgebungswerkcn, auf das Landesrecht verweisen, ist auch das sog. gemeine Recht mitvcrstanden.

II. § 3.

Das neue Privatrecht Deutschlands.

Die erste Anregung zur Schöpfung eines einheitlichen natio­ nalen Gesetzbuches hatte Thibaut im Jahre 1814 durch seine Schrift: „Ueber die Nothwendigkeit eines Allgemeinen bütgctlidjen Rechtes für Deutschland" gegeben. Savigny war ihm mit der Schrift: „Ueber den Berus unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft" entgegengetreten. Nach ihm fehlte es noch an der wissenschaftlichen Beherrschung des reeipirten fremden und des einheimisd)en Rechtes, es fehlte aber namentlich an der einheitlichen Staatsgewalt, die im Wege der Gesetzgebung ein­ heitliches Recht hätte schaffen können. Das Bedürfniß nach einem solchen, wenigstens im Handels- und Wechselrecht, steigerte sich, nachdem durch Bertrag vom 22. März 1834 der Zollverein errichtet worden war und in der That gelang es, zunächst ein gemeinsames Wechselrecht zu schaffen.

Das frühere Wechselrecht beruhte ausschließlich auf partiku­ laren Wechselgesetzen und dem Gewohnheitsrechte des Handels­ standes. Bestrebungen, ein gemeinsames Wechselrecht zu schaffen, wurden erst möglich, nachdem der Zollverein errichtet worden war.

In mehreren deutschen Staaten wurden Entwürfe eines Wechsel­ gesetzes vorbereitet, in Preußen insbesondere wurde 1836 ein Entwurf einer Wechselordnung ausgearbeitet, aber erst nach wiederholter Berathung im Jahre 1847 veröffentlicht. Der Ent­ wurf wurde allen deutschen Bundesstaaten mit der Einladung zu einer am 2o. Oktober 1847 in Leipzig zusammentretenden Konferenz mitgetheilt. Die aus Nechtsgelehrten und Vertretern des Handelsstandes gebildete Konferenz legte ihren Berathungen den preußischen Entwurf zu Grunde und beendete ihre Be­ rathungen nach 35 Sitzungen am 9. December 1847. Da sie keine gesetzgebende Versammlung war, konnte sie ein Gesetz nicht schaffen, und da auch der Bundestag keine gesetzgebende Gewalt besaß, mußte den einzelnen Regierungen die Publikation des Entwurfes als eines Landesgesetzes überlassen bleiben. Einzelne Regierungen erhoben den Entwurf zum Gesetz, die Ereignisse des Jahres 1848 stellten den Regierungen aber zunächst andere Auf­ gaben. Das Jahr 1848 steigerte zugleich das Verlangen nach Herstellung einheitlicher Rcchtseinrichtungen, die deutsche National­ versammlung in Frankfurt a. M. ergriff denn auch die Gelegen­ heit, unter Ueberschreitung ihrer Zuständigkeit den Leipziger Entwurf wie eine ihr gemachte Gesetzesvorlage zu behandeln, und am 26. November 1848 verkündete der Reichsvcrweser die Wechsel­ ordnung im Reichsgesetzblatte. Später wurde der Entwurf in fast allen zum deutschen Bunde gehörigen Staaten im Wege der Landesgesetzgcbung eingeführt, er wurde also sog. allgemeines Recht. Durch Gesetz vom 5. Juni 1869 wurde die WO. nord­ deutsches und im Jahre 1871 zugleich mit dem Handelsgesetzbuch deutsches Reichsrecht. Aus demselben Wege entstand ein gemeinsames Handelsrecht. An der Entwicklung dieses Rechtszweiges hatte viel weniger das römische Recht als vielmehr das mittelalterlich-italienische Recht und die Verkehrssitte des Handelsstandes mitgcwirkt. Das Corpus Juris civilis enthielt nur einzelne, dem Handel besonders dienende Rechtsinstitute, (lex Rhodia de jactu, foenus nauticum, a. exercitoria, institoria, tributoria), ein eigentliches Sonder­ recht des Handels aber fehlte nicht blos ihm, sondern auch den Statutarrechten des Mittelalters. Erst im späteren Mittelalter und in der Neuzeit sonderte sich das Handelsrecht als ein eigener Nechtszweig vom allgemeinen bürgerlichen Recht ab, doch eine Kodiftkation des Handelsrechts ist sehr viel später erfolgt. Die erste solche Kodifikation enthielt das achte Buch des zweiten Theils des preußischen Allgemeinen Landrechts, und zwar wurde das Handelsrecht hier behandelt als ein Theil des Rechtes des

„Bürgerstandes.Ihm folgte in Frankreich der code de commerce (in Kraft seit dem 1. Januar 1808), ein Gesetz­ gebungswerk, das einen bedeutenden Einfluß erlangte und auch auf die Entwicklung des deutschen Handelsrechts einwirkte. In Deutschland half man sich wiederum auf dem Wege einer Ver­ ständigung über die Grundsätze eines gemeinsamen Handelsrechts und durch Einführung dieser Grundsätze mittelst der Gesetz­ gebungsgewalt der Bundesstaaten. Auf einen von Bayern ge­ stellten Antrag beschloß der Bundestag am 17. April 1856 die Niedersetzung einer aus Rechtsgelehrten und Sachverständigen bestehenden Kommission „zur Entwerfung und Vorlage eines Allgemeinen Handelsgesetzbuches für die deutschen Bundesstaaten. Nachdem die preußische Regierung den nur für Preußen be­ stimmten, aber auf der Grundlage der drei verschiedenen in seinem Gebiete bestehenden Civilrechtssysteme ausgearbeiteten Entwurf vollendet hatte, trat die Kommission am 15. Januar 1857 in Nürnberg zusammen, legte ihren Berathungen jenen preußischen Entwurf zu Grunde, berieth zunächst das eigentliche Handelsrecht in zwei Lesungen, nahm dann m Hamburg zwei Lesungen des Seerechts vor und beendete schließlich in einer dritten Lesung in Nürnberg im März 1861 ihre Berathungen. Der von ihr hergestellte Entwurf wurde dem Bundestage vor­ gelegt und von diesem den deutschen Regierungen zur Annahme empfohlen, er wurde dann auch in fast allen deutschen Bundes­ staaten als Landesgesetz publicirt und so zum sog. allgemeinen Rechte erhoben. Das Handelsgesetzbuch war aber als Landes­ gesetz der Abänderung durch Landesgesctz ausgesetzt; dieser Zu­ stand änderte sich erst nach der Errichtung des Norddeutschen Bundes und des deutschen Reiches. Durch Bundesgesetz vom 5. Juni 1869 wurde das HGB zum norddeutschen, durch die Reichsgesetze vom 16. April (für das deutsche Reich außer Bayern), vom 22. April 1871 (für Bayern) und vom 19. Juni 1872 (für das Neichsland) zum deutschen Reichsrecht erklärt und damit dem Einflüsse der Landesgesetzgebung entzogen. Der das Aktienrecht behandelnde Theil dieses Gesetzbuches erfuhr Ab­ änderungen durch die Gesetze vom 11. Juni 1870 und 18. Juli 1884. Weitere Kodifikationsbestrebungen hatten keinen Erfolg. Am 6. Februar 1862 beschloß der Bundestag die Niedcrsetzung einer Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Obligationen­ rechts. Preußen bestritt die Zuständigkeit des Bundestages zur Fassung eines solchen Beschlusses und versagte infolgedessen der gleichwohl im Januar 1863 in Dresden zusammentretenden

Kommission seine Theilnahme. Der von der Kommission aus­ gearbeitete sog. Dresdener Entwurf wurde kurz vor dem Kriege von 1866 veröffentlicht. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes wie die des Deutschen Reiches räumte dem Reiche nur die Zuständigkeit für das Handels- und Wechselrecht und für das Obligationenrecht ein. So lange aber das Reich von der ihm gegebenen Befugniß keinen Gebrauch machte, blieben die Einzelstaaten be­ rechtigt, im Wege ihrer Gesetzgebung auch in den jetzt zur Zu­ ständigkeit des Reiches gehörigen Gebieten neues, also partiku­ läres Recht zu schaffen. Zwar wurde das HGB und die WO, wie oben dargestellt, zu norddeutschem und später deutschem Reichsrecht erhoben und dadurch der Einwirkung der Landes­ gesetzgebung entzogen, ein einheitliches Obligationenrecht aber wurde nicht in Angriff genommen, dagegen eine Anzahl von Spezialgesetzen obligationenrechtlichen Inhalts erlassen (z. B. das Ges. vom 14. November 1867, Ges. vom 24. Mai 1880). Da das Reich indessen durch Art. 4 der Verf. das Gesetzgebungs­ recht auf dem Gebiete des Bankwesens, des Patent- und Ur­ heberrechts und des Post- und Telegraphenrechtes erhalten hatte, entstanden in allen diesen Zweigen Reichsgesetze privat­ rechtlichen Inhaltes. Erst als durch Gesetz vom 20. Dezember 1873 die Zuständig­ keit des Reiches auf das gesammte bürgerliche Recht ausgedehnt worden war, wurde die Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetz­ buches für ganz Deutschland in Angriff genommen *). Anfang des Jahres 1874 setzte der Bundesrath zunächst eine Kommission von fünf Juristen (die sog. Vorkommission) ein, welche über Plan und Methode der Ausarbeitung des BGB Vorschläge machen sollte. Durch den Bericht vom 15. April 1874 entledigte sie sich ihrer Aufgabe, indem sie an den Entwurf die Forderung stellte, er solle unter Berücksichtigung der geltenden Gesetzbücher und der von den Einzelstaaten, sowie im Auftrage des ehemaligen Deutschen Bundes über einzelne Rechtstheile ausgearbeiteten Gesetz­ entwurfs, das den Gesammtzuständen des Deutschen Reiches entsprechende bürgerliche Recht in einer den Anforderungen der heutigen Wissenschaft gemäßen Form kodifizirend zusammen­ fassen. *) Ueber das Folgende vgl. Dierhaus: Die Entstehungsgeschichte de» Entwurfs eine» BGB. 1888 und G. Planck: Kommentar »um BGB. Einteilung.

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Das Handelsrecht sollte zum Gegenstände einer besonderen Kodifikation gemacht, und einzelne Theile des Privatrechts sollten in dem Entwürfe nicht behandelt werden. Der Bundesrath billigte die Vorschläge der Kommission und setzte eine Kommission von elf Mitgliedern zur Ausarbeitung eines Entwurfes des BGB ein. Vom 17. bis 29. September 1874 fand die erste Sitzungsperiode der Kommission statt. In dieser wurde der wichtige Be­ schluß gefaßt, keines der bestehenden Gesetzbücher zu Grunde zu legen, sondern einen neuen Entwurf auszuarbeiten, diesen Ent­ wurf in fünf Theile einzutheilen und für jeden dieser Theile einen besonderen Redaktor zu bestellen. Fragen von grund­ sätzlicher Bedeutung sollte die gesummte Kommission entscheiden, und zu diesem Zwecke sollte sie alle Jahre eine Zusammenkunft haben. Die Redaktoren traten periodisch zu Besprechungen zu­ sammen. Nachdem die Theilentwürfe fertiggestellt waren, trat die Gesammtkommission am 4. Oktober 18*1 zusammen. Sie hielt wöchentlich vier Sitzungen ab, von denen drei der Berathung gewidmet waren und in deren vierter die von den Hülfsarbeitern geführten Protokolle vorgelesen nnd festgestellt wurden. Nachdem die Theilentwürfe durchberathen worden waren, wurde der ganze Entwurf in der Zeit vom 30. September bis 16. Dezember 1887 einer nochmaligen Berathung unterzogen, worauf der Vorsitzende mittelst Berichts vom 27. Dezember 1887 den Entwurf dem Reichskanzler überreichte. Die von der Vorkommission in Aus­ sicht genommenen fünf Bücher waren zwar beibehalten worden, doch war ihnen ein sechstes mit der Uebcrschrist: „Räumliche Herrschaft der Rechtsnormen" hinzugefügt. Im Jahre 1888 wurde der Gesetzentwurf nebst 5 Bänden Motiven veröffentlicht. Die Motive sind nicht ein Werk der Gesammtkommission, sondern sind von den Hülfsarbeitern ausgearbeitet worden. Nachdem der Entwurf zuerst eine ungünstige Kritik erfahren hatte und namentlich von Gierke') als nicht deutsch, nicht social und nicht volksthümlich und daher als ungeeignet bezeichnet worden war, auch nur als Grundlage weiterer Arbeit zu dienen, erkannte man doch allmählich den hohen Werth der im Entwurf enthaltenen Geistesarbeit. Der Bundesrath beschloß denn auch am 4. Dezember 1890, den Entwurf einer zweiten Lesung zu unterziehen, und setzte zu diesem Zwecke eine Kommission von 22 Mitgliedern — Juristen und Vertretern verschiedener wirthschaftlicher Interessen — ein. Die Kommission trat am 15. De­ zember 1890 zusammen und hielt vom 1. April 1891 ab wöchent’) „Der ) Er übrrlitb gleichzeitig die Entscheidung über die GrotzjährigkeitSgrenze der Landesherren, der Mitglieder der landesherrlichen Familien und der fürstlichen Familie Hohenzollern den tzausgesctzen, entzog also den andern zum hohen Adel gehörigen Familien das Recht der Autonomie betreffs des GrobjährigkeitStermineS. Durch Art. 57 Einf.-G. z. BAB find die autonomischen Bestimmungen, soweit fie bi» jetzt bestanden, aufrecht erhalten.

a) die Kinder**) unter 7 Jahren; sie sind nach altem und neuem Recht vollkommen handlungsunfähig; sie können also gültige Willenserklärungen nicht abgeben, sind ge­ schäftsunfähig (§§ 104* und 105 BGB) und für den durch rechtswidriges Verhalten verursachten Schaden nicht verantwortlich (§§ 276, 828). Ihre Willenserklärungen also sind nach beiden Rechten nichtig und ihre unerlaubten Handlungen wirken wie zufällige Ereignisse. b) Die über 7 Jahre alten Minderjährigen sind nach altem wie neuem Recht aa) in der Geschäftsfähigkeit nur beschränkt (§§ 106 ff.). Sie können nach altem und neuem Rechte (§ 107) selbständig nur solche Willenserklärungen abgeben, durch welche sie ausschließlich einen rechtlichen Vortheils erlangen, sich also ohne Gegenleistung von einer Pflicht befreien oder ein Recht erwerben, sie sind demnach auch nicht wechselfähig (Art. 1 WO) und nicht prozeßfähig (§52 CPO). Andere Willenserklärungen des Minderjäh­ rigen sind oder werden wirksam nur, wenn sie mit Ein­ willigung des gesetzlichen Vertreters, d. i. nach altem und neuem Recht des Vaters, Vormundes oder Pflegers, nach neuem Recht (1684, 1685) auch der Mutter, wenn ihr die elterliche Gewalt zusteht, abgegeben werden oder wenn der gesetzliche Vertreter oder der Großjähriggewordene selbst das bis dahin „unwirksame" Rechtsgeschäft geneh­ migt (§§ 108, 182—184)’). Durch die nachträgliche Ge­ nehmigung wird nach altem und neuem Recht (§ 184) daS Geschäft von Anfang an (ex tune) gültig. Bis zur Ertheilung oder Verweigerung der Genehmigung bleibt nach altem Recht der Gegenkontrahent des Minderjährigen an das Geschäft gebunden, doch kann der Minderjährige Erfüllung nur verlangen, wenn er die von ihm übernom­ mene Leistung anbietet; es entsteht also ein sog. negotium claudicans. Das neue Recht (§ 109) unterscheidet: a) der andere Theil hat die mangelnde Geschäftsfähigkeit seines Gegenkontrahenten gekannt: dann ist er an den Vertrag gebunden; ß) er hat die mangelnde Geschäftsfähigkeit nicht gekannt: dann ist er nicht gebunden, sondern zum Widerrufe seiner Erklärung berechtigt, die in Folge der *) Da» BGB braucht den Ausdruck nicht, der Kürze halber aber sei «» gestattet, ihn ferner anzuwenden. ’) Im Gegensatz zum wirthschastlichen Bortheil. •) Bgl. auch § 110. Engelmann, b. bürgerliche Recht Deutschland«. 4

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Unwirksamkeit des Geschäftes eine bloße Offerte geblieben ist. In welcher Weise eine Erklärung über die Genehmi­ gung herbeigeführt wird, ist gleichgültig, hat aber der Gegenkontrahent des M. dessen gesetzlichen Vertreter zu einer Erklärung aufgefordert, so kann (§ 108 BGB) die Genehmigung nur innerhalb zweier Wochen nach dem Empfange der Aufforderung und nur ihm gegenüber erklärt werden; wird sie in dieser Frist nicht abgegeben, so gilt sie als verweigert. Auch auf die Form der Genehmigung kommt nichts an (§ 182), sie kann daher nach früherem wie neuem Rechte durch eine schlüssige Handlung erklärt werden. Nur wenn der Minderjährige ein einseitiges Rechtsgeschäft vorgenommen hat, ist die Genehmigungs­ erklärung entweder dem Gegenkontrahenten unmittelbar mitzutheilen oder vom Minderjährigen in schriftlicher Form vorzulegen (§ 111). Die Genehmigung des Vaters oder Vormundes kann sich auf ein bestimmtes Geschäft beschränken und dann diesem vor­ angehen oder nachfolgen (§§ 183, 184), die Di i t Wirkung des Vormundes (auctoritatis interpositio), die das römische Recht verlangte, ist heut nicht mehr erforderlich; die Genehmigung kann ferner für eine bestimmte Gattung von Geschäften ein für alle­ mal gegeben werden und wird stillschweigend ertheilt, wenn der gesetzliche Vertreter genehmigt, daß der Minderjährige eine Erwerbsthätigkeit beginnt oder in eine bestimmte Berufsstellung eintritt: es sind damit alle diejenigen Geschäfte genehmigt, ohne die der Minderjährige jene Thätigkeit oder diese Berufsstellung nicht erfüllen kann. Das neue Recht (§§ 112, 113) nimmt diese Grund­ sätze auf, verlangt aber für die Ermächtigung zum Betriebe eines Erwerbsgeschäftes stets, und wenn der Vormund dem Minder­ jährigen die Genehmigung zum Eintritt in eine Dienst- oderArbeitsstellung versagt, die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Nach bisherigem Recht können Männer, die das 20., Frauen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, vom Vormund­ schaftsgericht nach vorangegangener Untersuchung für volljährig erklärt werden (venia aetatis). Das BGB § 3 begnügt sich bei beiden Geschlechtern mit dem vollendeten 18. Lebensjahre. Die Testirfähigkeit tritt nach gemeinem Recht mit der Mündig­ keit, nach BGB (§ 2229) mit dem vollendeten 16. Lebensjahre und die Ehemündigkeit bei Männern mit dem vollendeten 21., bei Mädchen mit dem vollendeten 16. Lebensjahre ein. Doch war bisher Dispensation (§ 28 Ges. v. 6./2. 75) für beide Geschlechter, nach neuem Recht ist sie nur für Mädchen zulässig (§ 1303 BGB).

bb) In Bezug auf die Verantwortlichkeit für schuldhaftes Handeln, fei es innerhalb oder außerhalb eines Vertrages, kam es nach gemeinem Recht bei jedem Minderjährigen auf die Ver­ standesreife an1), nach neuem Recht (§§ 828 Abs.2,276 BGB) sind Personen unter 18Jahren dann unverantwortlich, wenn sie nicht die zur Erkenntniß ihrer Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besitzen, cc) Gesetzliche Verpflichtungen treffen auch den Handlunasbezw. Geschäftsunfähigen (z. B. die auf der Verwandtschaft be­ ruhende Unterhaltspflicht). 2. Hohes Alter d. i. nach bisherigem Recht von über 70, nach § 17868 BGB von mehr als 60 Jahren, kann als Be­ freiungsgrund von der Vormundschaft geltend gemacht werden. 3. Gesundheit. Körperliche Krankheit kann das Recht gewähren, eine Vormundschaft abzulehnen (§ 17864 BGB) Der Verlust eines Sinnes macht zum Abschluß derjenigen Rechts­ geschäfte unfähig, welche eine Thätigkeit des betreffenden Sinnes voraussetzen. Erreicht das Gebrechen einen solchen Grad, daß der Leidende an der Besorgung seiner Rechtsangelegenheiten gehindert ist, so kann er unter Vormundschaft gestellt werden, ohne die Handlungsfähigkeit zu verlieren. Nach § 1910 BGB ist in einem solchen Falle nur eine Pflegschaft zulässig, weil der Kranke weder geschäftsunfähig noch in der Geschäftsfähigkeit be­ schränkt ist (§§ 104, 106, 114). Geisteskrankheit dagegen beraubt regelmäßig der Hand­ lungsfähigkeit. Wie aber der wirklich Geisteskranke zeitweise von dem Einfluß seines Leidens frei sein, lichte Augenblicke (lucida intervalla) haben und daher vorübergehend handlungsfähig sein kann, so kann der bloß Geistesschwache handlungsunfähig sein. Der Geisteskranke kann nach neuem (§§ 675 ff. CPO) wie auch schon nach altem Recht durch amtsgerichtlichen Beschluß nach vorangegangenem Verfahren entmündigt werden. Der Beschluß hatte jedoch nach gemeinem Recht nicht konstitutive, sondern deklarative Wirkung. Der Entmündigte blieb also in lichten Augenblicken handlungsfähig, doch begründete die Ent­ mündigung eine Vermuthung (praesumtio facti) gegen die Handlungsfähigkeit. Das BGB stimmt insofern mit dem gemeinen Rechte über­ ein, als nach ihm (§ 104) die Personen, welche sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistesthätigkeit beflnden, geschäftsunfähig sind, natürlich aber nur so lange, als dieser Zustand dauert; es weicht *) RrgrlSbergrr § 131 I. Mandry civilrechtl. Inhalt d. Reich«» gesetzt § 1 Ro. 2 lit. a. u. Letter Pand. § 49. A. M. Dernburg I § 124. 4*

52 jedoch vom gemeinen Recht insoweit ab, als nach ihm die wegen Geisteskrankheit Entmündigten so lange geschäftsunfähig sind, bis die Entmündigung wieder aufgehoben ist, gleichviel ob sie im einzelnen Falle mit Einsicht handeln könnten oder nicht. Das BBG unterscheidet ferner eine Entmündigung wegen Geisteskrankheit, welche geschäftsunfähig macht, und eine Ent­ mündigung wegen Geistesschwäche, welche die Geschäftsfähigkeit in derselben Weise beschränkt, wie die über 7 Jahre alten Minderjährigen in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind (§§ 104, 114). Da die Entmündigung nur die Geschäftsfähigkeit nimmt, S die Verantwortlichkeit des Entmündigten für schuldhaftes davon ab, ob er im gegebenen Falle mit Einsicht gehandelt hat (88 276, 827). Als geistiger Defekt gilt auch die Verschwendungssucht, wenn sie die Gefahr eines Nothstandes für den Verschwender oder seine Familie begründet (62 BGB)'). Daher kann auch der Verschwender auf Antrag eines seiner Verwandten, seines Ehegatten oder seines gesetzlichen Vertreters durch amtsgericht­ lichen Beschluß entmündigt werden (88 680 ff. CPO). Die Entmündigung tritt mit der Zustellung des Beschlusses an den Entmündigten in Wirksamkeit und hat hier konstitutive Wirkung, indem sie den Entmündigten auf die Stellung eines Minder­ jährigen herabdrückt und ihn der Fähigkeit zu letztwilligen Ver­ fügungen beraubt (88 114, 2229). Nach BGB 8 6* ist Trunksucht selbständiger Ent­ mündigungsgrund, wenn sie zur Folge hat, daß der Trunk­ süchtige seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag oder sich oder seine Familie der Gefahr des Nothstandes aussetzt oder die Sicherheit Anderer gefährdet (8 680, 681 CPO). Der wegen Trunksucht Entmündigte steht dem wegen Ver­ schwendung Entmündigten gleich. Ferner sind die wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht Entmündigten unfähig, Vormund oder Pfleger oder Mitglied des Familienrathe» zu sein (88 1780, 1915, 1865). 8 18.

Die rechtliche« Eigenschaften der Person.

1. Der Stand. Nach älterem römischen Recht hatte« nur die römischen Bürger außer vollem öffentlichen Recht (jus *) L. 1 pr. D. 27, 10; 1. 12 § 2 D. 26, 5. RG 7,350: wenn Jemand bei leinen Ausgaben weder Maß noch Ziel }u halten weiß, wenn er überuiätzige, zu seinem vermögen in keinem Verhältnisse stehende unnütze Ausgaben macht und eine solche Lebensweise führt, welche bet fernerer Fortsetzung zu seiner Verarmung führen mutz. RG 21, 167: Unthätigkeit, unwirlhschast» UcheS Verhalten, Trunksucht, die zu unfinnigen, unwirthschastlichen Hand­ lungen hinreitzt.

Buffragii et bonorum) auch die volle Fähigkeit zu den altcivilen Privatrechten (jus connubii et commercii), d. h. zu den justae nuptiae, der manus, der patria potestas, dem dominium ex jure Quiritium, der sponsio, mancipatio und der Testirfreiheit. Ihnen gegenüber standen die peregrini und die Latini in viel­ fachen Abstufungen. Kaiser Caracalla hob im Jahre 212 diese Unterschiede auf, indem er allen Bewohnern des Reiches das römische Bürgerrecht verlieh. Auch im älteren deutschen Recht hatte der Standesunterschied insofern einen Einfluß auf die privatrechtliche Stellung des Einzelnen, als sich für jeden Stand ein gewisser Kreis von Rechtsinstituten ausbildete. Im modernen Rechte sind diese Unterschiede ausgeglichen worden, die ständischen Sonderrechte haben einem allgemeinen Rechte Platz gemacht. Daher ist die Zugehörigkeit einem gewissen Geburtsstande heute im öffentlichen wie im Privatrecht grund­ sätzlich einflußlos. Nur der hohe Adel hat eine ausgezeichnete Stellung erhalten.') Zu ihm gehören die Familien, denen zur Zeit der Auflösung des alten deutschen Reiches die erbliche Reichsstandschaft gebührte. Mitglied einer solchen Familie und damit des hohen Adels theilhaftig wird nur, wer aus einer ftandesmäßigen Ehe hochadliger Personen hervorgeht. Inso­ weit hat sich das Ebenoürtigkeitsprinzip erhalten. Die nicht ebenbürtige Frau tritt nicht in den Stand des Mannes ein, erlangt weder seinen Rang noch seinen Namen, und die aus einer unebenbürtigen Ehe hervorgehenden Kinder folgen dem niederen Stande („das Kind folgt der ärgeren Hand"), treten nicht in das hochadlige Haus und entbehren auch der ver­ mögensrechtlichen Vortheile dieser Stellung. Ob unebenbürtig aber nur oie Ehe eines Hochadligen mit einer bürgerlichen oder auch die mit einer Frau von niederem Adel ist, darüber herrscht noch jetzt Streit. Doch dürfte auch der niedere Adel als un­ ebenbürtig gelten. Die Familien des hohen Adels sind Körper­ schaften, denen das Recht der Autonomie zusteht. Durch Art. 14 der Bundesakte vom 8. Juli 1815 wurde die bisherige Rechtsstellung der Familien des hohen Adels gewährleistet. Die Gewährleistung erlosch zwar mit der Auflösung des Deutschen Bundes, aber die deutschen Bundesstaaten erachteten sich — viel­ fach auf Grund besonderer Gesetze — doch zu Gunsten des hohen Adels gebunden, und das Reich hat jetzt in den Artt. 57, 58 EG z. BGB den Unterschied gemacht, daß a. in Ansehung der Landesherren und der Mitglieder der landesherrlichen Familien, sowie der Mitglieder der fürst*) Girrte I S. 397 ff.

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lichen Familie Hohenzollern (des Hannoverschen Königs-, des Kurhessischen und des Nassauischen Fürstenhauses) die Haus- und Landesgesetze dem BGB vorgeben, b. in Ansehung der anderen Angehörigen hochadliger Familien die Landesgesetze und nach Maßgabe dieser die Vorschriften der Hausverfassungen unberührt bleiben. Der niedere Adel wird erworben durch eheliche Abstammung von einem adligen Vater, durch Legitimation mittels nachfolgen­ der Ehe, durch Heirath und durch Verleihung und geht durch Verheirathung einer Adeligen mit einem bürgerlichen Manne wie durch Verzicht unter. Der Berufs st and kann Bedingung gewisser Rechte oder Pflichten sein. So unterliegt der Gewerbetreibende, der Arbeiter, der Soldat, der Beamte besonderen gesetzlichen Vorschriften. Insbesondere trifft dies beim Kaufmann zu. Ueber ihn s. folgenden §. 2. Die Staatsangehörigkeit hatte in den ältesten Zeiten des römischen und deutschen Rechts einen wesentlichen Einfluß auf die Rechtsfähigkeit, denn der Fremde galt als rechtlos. Diese Anschauung ist immer mehr geschwunden, bis die neueste Zeit den Grundsatz der Gleichstellung von Inländern und Aus­ ländern ausgebildet hat. Beschränkungen bestehen noch nach § 503 HGB, § 2 RGes. v. 25. 10. 67, § 61 Ges. v. 11. 6. 70, 8 20 Ges. vom 9. 1. 76, 8 16 Ges. v. 11. 1. 76, 8 13 Ges. v. 1. 6. 91, 8 20 Ges. v. 30. 11. 74, 8 23 Ges. vom 12. 5. 94. Vergl. noch §§ 110, 111, 114 EPO, § 5 KO. Die Angehörigkeit zu einem deutschen Bundesstaate hat ohne Weiteres die Reichsangehörigkeit zur Folge (Art. 3 RV § 1 Ges. v. 1. 6. 1870). Die früheren Berechtigungen zu einem Abschoß d. i. einem Abzüge von dem durch Erbgang, ober einer Nachsteuer d. i. einem Abzüge von dem durch Auswanderung über die Grenze gehenden Vermögen, sind durch Art. 18 der deutschen Bundesakte und den Bundesbeschluß vom 23. Juni 1817 für den Verkehr unter den deutschen Bundesstaaten und durch völkerrechtliche Verträge für den Verkehr der Bundesstaaten mit anderen Staaten aufge­ hoben. Die von einem Bundesstaate mit einem ausländischen Staate geschlossenen Staatsverträge aber bleiben bestehen (Art. 56 EG z. BGB). Art. 31 EG z? BGB ermächtigt den Reichs­ kanzler unter Zustimmung des Bundesrathes die Ausübung des Vergeltungsrechts (die Retorsion) anzuordnen. Ferner stehen im Urheberrecht die Ausländer hinter Inländern zurück. 3. Das Religionsbekenntniß, das Mher insofern von erheblicher Bedeutung für die Privatrechtsstellung war, als der

Ketzer als rechtlos galt, hat durch Art. 16 der deutschen Bundes­ akte und dann durch das Rges. vom 3. 7. 1869 jede rechtliche Bedeutung verloren. Juden genossen im Mittelalter als Ausländer Rechtsschutz nur, wenn sie einen sog. Schutzbrief erhalten hatten (vergeleitete, Schutzjuden), dessen Ertheilung ein Regal bildete. Diese unter Schutz gestellten Juden waren privatrechtlich begünstigt und in andern Beziehungen zurückgesetzt; begünstigt, indem sie unter sich nach jüdischem Rechte lebten, namentlich aber dadurch, daß sie von dem Verbote des Zinsennehmens ausgenommen waren, zurückgesetzt, indem sie von einzelnen Gewerbebetrieben, der Niederlassungs- und Verehelichungsfrecheit, vom Grunderwerb und anderen Rechten, und von den öffentlichen Rechten ganz, ausgeschlossen waren. Die Gesetz­ gebung dieses Jahrhunderts sah die Juden nur als Nichtchristen an, sie hat durch das G. v. 3. 7. 69 ihren Abschluß gefunden. 4. Die Ehrenminderung hatte zu allen Zeiten einen Ein­ fluß nicht allein auf die öffentlich-rechtliche, sondern auch auf die privatrechtliche Stellung der Person. Aber die römisch-recht­ lichen Grundsätze von der infamia mediata und immediata sind nicht gemeines Recht geworden. Ebenso gehören die deutsch-rechtlichen Begriffe von Echtlosigkeit, Rechtlosigkeit, Ehr­ losigkeit, von Anrüchigkeit und Verächtlichkeit der Geschichte an. Das jetzige Recht unterscheidet zwischen einer thatsächlichen, als unmittelbare Folge unsittlichen Verhaltens eintretenden Ehren­ minderung, und der rechtlichen, als Folge strafbarer Handlungen vom Strafrichter als Strafe verhängten Ehrenminderung, dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Jene, der tunritudo des römischen, der Verächtlichkeit des späteren deutschen Rechts gleich, macht sich geltend als Zurück­ setzung der turpis persona bei der Wahl eines Vormundes (1. 17 § 1 D. 26,2) und bei Anfechtung eines Testaments wegen Verletzung des Notherbrechts der Geschwister (1. 27 C. 3, 28). Nach BGB kommt ehrloses oder unsittliches Verhalten als Ehe­ scheidungsgrund (§ 1568), als Grund für die Beschränkung der väterlichen Gewalt (§ 1666), als Grund für die Enterbung eines Kindes (§ 2333°) in Betracht. Die rechtliche Ehrenminderung richtet sich in ihrer An­ wendung ausschließlich nad) den §§ 32—37 StGB. Danach kann die Ehrenminderung eine dauernde oder zeitlich beschränkte, fakultative oder obligatorische Strafe fein1). Ihre Wirkungen *) St« muß ausgesprochen werden bei Berurtheilung wegen Meineids, schwerer Kuppelet, gewcrbs- oder gewohnheitsmäßigen Wucher» (§§ 161,181, 802) RS. 2, 251; 20, 203. 2) So RS. 34, 167 gegen Dernburg P. I § 77 und Kohler in Jhering» Jahrb. 26, 100 ff. 3) 88 314, 498, 926, 1096, 1561, 2164 SB®®. 88 b5, 90 ZwstS.

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Gerätschaften, zum Zubehör eines Landgutes, entgegen der römischen, aber mit der deutschrechtlichen Anschauung, das sog. landwirthschaftliche Inventar erklärt, nämlich das zum Wirthschaftsbetriebe bestimmte Geräth und Vieh, die landwirthschaftlichen Erzeugnisse, soweit sie zur Fortführung der Wirthschaft bis zu der Zeit erforderlich sind, zu welcher gleiche oder ähn­ liche Erzeugnisse voraussichtlich gewonnen werden, sowie den vorhandenen, auf dem Gute gewonnenen Dünger (§ 98). 3. Fruchttragende Sachen sind diejenigen, welche Früchte oder Nutzungen gewähren. Früchte sind 1) diejenigen Sachen, die auf natürlichem Wege aus einer anderen Sache entstehen; daß es menschlicher Thätig­ keit bedarf, um die erzeugende Sache in einen die Hervorbringung bestimmter Erzeugnisse vorbereitenden Zustand zu versetzen (Säen, Pflanzen), macht das Erzeugniß nicht zu einem Arbeitsprodukt. Auch der Umstand, daß die Erzeugnisse außerhalb des ordent­ lichen Wirthschaftsbetriebes gewonnen sind (Raubbau, Wind­ brüche) ändert an ihrer Eigenschaft als Frucht nichts, doch können sie vom Rechte des Nutzungsberechtigten ausgeschlossen sein (so §§ 581, 993 BGB). 2) Vom Verkehr und dem Recht, insbesondere auch vom BGB (§ 99), werden als Früchte be­ handelt diejenigen Sachen, die zwar nicht organische Erzeugnisse einer anderen sind, deren Gewinnung aber die bestimmungs­ mäßige Verwendung jener anderen bildet?) Hierhin gehören Torf, Sand, Lehm, Mineralien, also Gegenstände, die an sich Theile, Substanztheile einer anderen Sache bilden. Während also die organischen Erzeugnisse einer Sache (Nr. 1) in jedem Falle Früchte sind, ist die sonstige Ausbeute nur dann Frucht, wenn die Hauptsache die Bestimmung hat, gerade diesen Ertrag zu gewähren. So lange die Frucht noch mit der Muttersache zusammen­ hängt, bildet sie deren Bestandtheil und unterliegt nack römischem, gemeinem und neuem Recht (§§ 93, 94) den an der Mutter­ sache bestehenden Rechtsverhältnissen (fructus pendentes, stantes), erst durch die Trennung von der erzeugenden Sache wird sie zu einer selbständigen Sache und ermöglicht die Begründung be­ sonderer Rechte. Daher ist z. B. nicht der Nießbraucher, sondern der Eigenthümer des Grundstücks Eigenthümer der stehenden Früchte (1. 12 § 5 D. 7, 1. § 954). Das deutsche Recht be­ trachtete vielfach beim Bestehen eines Fruchtbezugsrechtes die noch

*) L. 7 § 13, 14; 1. 8, v. 24, 3; 1. 9 § 2, 3 D. 7, 1; 1. 5, § 1,1. 6 § 1 D. 8, 3. Motive j. BGB. III S. 69, § 77 B. Entw. II. Regel«beiger 1, S. 393.

stehende Frucht als selbständige Sache und damit als Gegenstand besonderen Rechtes. Und auch unter der Herrschaft des gemeinen und des neuen Rechts sind Rechtshandlungen möglich, welche eine bewegliche Sache zur Voraussetzung haben und deshalb wirksam sind nur wenn die jetzt noch stehende Frucht ihre Be­ stimmung, zur selbständigen beweglichen Sache zu werden, er­ reicht. Insbesondere ist die Pfändung stehender Früchte zu­ gelassen (§ 810 CPO). Früchte eines Rechts sind die Erträge, die das Recht be­ stimmungsgemäß gewährt. Hierher gehören die Zinsen, die eine verzinsliche Forderung einbringt. Nach ausdrücklicher Bestimmung des BGB (8 99 Abs. 2) gehören hierhin auch Bodenbestandtheile, wenn das erzeugende Recht auf Gewinnung von solchen ge­ richtet ist, so daß wer den Nießbrauch an einem Bergwerk hat, die geförderten Mineralien selbst, nicht etwa nur die Zinsen von dem Verkaufserlöse der Mineralien erwirbt. Den natürlichen Früchten stehen gegenüber (als fructus civiles) diejenigen Erträge, die eine Sache oder ein Recht nur vermittelst eines Rechtsverhältnisses gewährt. Das Rechtsver­ hältniß hat hier die Bedeutung, daß es die Erträge nicht nur erzeugt, sondern zugleich auch den Anspruch darauf begründet (z. B. Mieths- und Pachtzinse). Früchte eines Rechtes entstehen z. B. aus der Verpachtung des Rechts, z. B. des Jagdrechts. Fruchttragende Sache ist hier das nutzbare Recht, das Rechtsverhältniß aber, vermöge dessen das Recht Erträge gewährt, ist das durch den Pachtver­ trag begründete Rechtsverhältniß. Unter Nutzungen versteht das BGB (§ 100) nicht nur die Früchte einer Sache oder eines Rechtes, sondern auch die sonstigen Vortheile, die der bloße Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt, z. B. die Möglichkeit, auf dem Grundstücke zu wohnen. Folgen mehrere Fruchtziehungsberechtigte auf einander (z. B. Verkäufer und Käufer, Verpächter und Pächter, erster Nießbraucher und dessen Nachfolger, Nießbraucher und Eigen­ thümer), so erwirbt die Früchte nach deutschem Recht Derjenige, der die Bestellungsarbeit verrichtet hatte („wer sät, der mäht"), nach römischem x) und neuem Recht Derjenige, der zur Zeit der Trennung oder der Fälligkeit das Fruchtziehungsrecht hat (§ 101). Die Lasten hat zu tragen, wenn es sich um eine regel­ mäßig Wiederkehrende Last handelt, ein jeder nach Verhältniß der Dauer seiner Verpflichtung, und wenn es sich um eine andere *) Anders bei Rückgabe der Do». Hier wurde getheilt. Auch da» prruß. AM lieb eine Theilung der Früchte eintretrn.

88 Last handelt, Derjenige, der zur Zeit der Fälligkeit der Ver­ pflichtete ist (8 103). Wer zur Herausgabe von Früchten verpflichtet ist, hat nach dem BGB (§ 102) nur den Reinertrag zu leisten.

§ 29. C.

Die rechtliche« Eigenschaften der Sache«.

1. Der Rechtsverkehr sieht in den Sachen entweder Individuen (speeies), wenn die eine Sache durch eine andere nicht vertreten werden kann, oder Stücke einer Gattung (genus), wenn die eine Sache durch eine andere Sache gleicher Gattung vertreten werden kann. Man bezeichnet daher die letzteren als vertretbare (fungible), jene als unvertretbare (infungible) Sachen und bestimmt die vertretbaren nach Zahl, Maß oder Gewicht (so § 91 BGB), die unvertretbaren nach ihren indivi­ duellen Eigenschaften. Regelmäßig aber sind verschiedene Gattungen nicht untereinander vertretbar, so daß z. B. wer Sommererbsen verkauft, nicht Wintererbsen liefern darf. 2. Verkehrsfähig ist die Sache, die Gegenstand rechtlicher Verfügung, rechtsfähig diejenige, die Gegenstand des Rechts eines Einzelnen sein kann'). Das römische Recht sieht nur auf die erstere Eigenschaft, wenn es von res extra commercium spricht. a) Von Natur rechtsunfähig sind die Luft, das fließende Wasser, das Meer und die Meeresufer, dagegen ist eine Quantität eingeschlossener Luft, eingefangenen Wassers, ein Stück durch einen Bau (einen Leuchtthurm) dem Meere abgerungenen Bodens rechtsfähig **). Die Meeresufer (vom höchsten bis zum niedrigsten Wasserstande) und das Meer selbst auf eine mäßige Strecke unter­ liegen einem Staatshoheitsrechte. b) Eine Sache kann durch menschliche Bestimmung zu einer rechtsunfähigen oder zu einer verkehrsunfähigen gemacht werden. Rechtsunfähig waren nach röm. Recht die res sacrae (dem Gottesdienst geweihten) nnd die res religiosae (Begräbnißstätten). Nach jetzigem Recht sind diese Sachen zwar rechtsfähig, da sie tm Eigenthum der Kirchen, Kirchengemeinden oder einzelner Privatpersonen stehen, jedoch verkehrsunfähig, da sie denjenigen Verfügungen entzogen sind, durch die sie ihrem Zwecke ent­ fremdet würden (RG 7, 136.) Daher ist der Erwerb einzelner Rechte z. B. einer Wegegerechtigkeit an einem Kirchhofe zulässig'). Auch die öffentlichen Sachen (res publicae, publico usui *) Rtgelsbergrr I 6. 405. s) Daher ist ein Diebstahl an warmer Lust, an Gar, der Kauf von frischem Wasser (auf Bergen, Bahnhöfen) möglich. •) RT. 27, 255 geht ju weit. — Die Rechte der Gemeindemitglieder aus bestimmt« Begräbnibplatze und Kirchenstühle find vermögen-rechte, da» Recht aus Beerdigung überhaupt ist ein öffentlich-rechtliche» MttgliedschastSrecht.

destinatae) stehen im Gegensatze zum römischen Rechte heute im Eigenthum des Staates oder öffentlicher Verbände (Provinzen, Kreise, Gemeinden), können auch Eigenthum Einzelner sein. Hierin gehören die öffentlichen Straßen, die öffentlichen Flüsse, die öffentlichen Gebäude, dem Gemeingebrauch dienende öffent­ liche Anlagen. Als öffentlichen Fluß bezeichnete das röm. R. einen jeden, der das ganze Jahr hindurch floß (flumen, quod perenne eet), während das deutsche und heutige Recht (seit der Constitutio de regalibus von 1158) einen jeden, der schiffbar ist oder in seinem weiteren Laufe schiffbar wird, als öffentlichen bezeichnet (flumina navigabilia vel ex quibus fiunt navigabilia). Die Eigenschaft des öffentlichen Flusses erstreckt sich auf Bett, Wasser und Ufer (RG 3, 234). Die - Folge ist, daß nach heutigem Recht auch die Nutzungen öffentlicher Flüsse Eigenthum des Staates werden und das Recht auf die Nutzungen zu den Regalien gehört. Auch die öffentlichen Sachen sind nur beschränkt (relativ) verkehrsunfähig, nämlich so lange und soweit sie dem öffent­ lichen Gebrauche dienen. Der Gebrauch steht einem Jeden oder nur den Gliedern bestimmter Gemeinden zu und bildet dann nicht den Gegenstand eines Privatrechts. Ein solches kann aber durch besondere Erwerbstitel für den Einzelnen begründet werden. Rechte der letzteren Art (Sondernutzungsrechte) genießen wie andere dingliche Rechte den privatrechtlichen Klagenschutz (a. confessoria), der Gemeingebrauch steht heute unter polizeilichem Schutz, während er nach röm. R. der herrschenden Meinung nach durch Popularinterdikte geschützt wurde. Für den Sckutz eines besonderen Interesses an der öffentlichen Sache gav das röm. und gern. G. besondere Interdikte (int. ne quid in loco publico fiat u. a. D. 43, 8—15). Den Gegensatz von öffentlichen und Privatwegen erblickte das röm. R. in dem Bodeneigenthum, das heutige Recht aber in dem dort allgemeinen, hier bestimmten Personen ausschließlich zustehenden Gebrauch. Dieser kann auf Eigenthum oder einem be­ grenzten dinglichen Rechte (iter, via) beruhen (vgl. § 90 GBO). Auch der juristische Unterschied öffentlicher und privater Gewässer liegt in dem öffentlichen oder privaten Gebrauch. Quellen und Brunnen stehen an sich im Privateigenthum Des­ jenigen, auf dessen Grundstück sie sich befinden. Stehende Ge­ wässer stehen im Eigenthum der Anlieger. Dasselbe gilt von Privatflüssen, doch läßt das heutige Recht weitgehende Nutzungs­ rechte der Anlieger von Privatflüssen zu. Das BGB enthält über die dem Verkehr entzogenen Sachen

nicht eine einzige Bestimmung, weil die Gefahr nahe lag, die Grenze zwischen privatem und öffentlichem Recht zu überschreiten. Es bleibt hier Alles bei dem bestehenden Rechte (Art. 65, 69, 73, 132, 133 Eins. G. z. BGB).

8 30.

Da- Geld.

Geld ist an sich Sache, Waare. Da es die Bestimmung der Veräußerung an sich trägt, ist es eine verbrauchbare Sache (8 92 Abs. 1 BGB). Daß aber eine Sache bestimmter Art vom Staate dazu bestimmt wird, als Tauschmittel für alle andern Sachen zu dienen, und daß sie kraft Rechtssatzes von einem Jeden als Tauschmittel angenommen werden muß, giebt dieser Sache die Eigenschaft der Wäbrung (Valuta) und erhebt sie zum Gelde. Dadurch wird das Geld zum allgemeinen Werthmaßstabe'). Das Geld ist entweder Metallgeld oder Papiergeld. 1) Das Metallgeld besteht aus Barren oder Stücken an sich werthvollen Stoffes, Münzen. Das deutsche Münzwesen (Art. 48 RV) beruht auf dem Gesetze vom 4. 12. 71 über die Ausprägung von Goldmünzen und dem Münzgesetz vom 9./7. 73. Rach diesen Gesetzen sind nur Goldmünzen Zahlungsmittel, es besteht daher Goldwährung mit der Maßgabe, daß den Thaler­ stücken die Eigenschaft als Zahlungsmittel belassen worden ist2). Reichssilbermünzen, Nickel- und Kupfermünzen dienen als Zahlungsmittel nur für geringfügige Beträge und ferner als Ausgleichsmittel der in Gold nicht zahlbaren Restbeträge. Als Zahlungsmittel brauchen im Verkehr unter Privatleuten (denn Zahlungen an die Reichs- und Landeskassen sind ausgenommen) Silbermünzen nur bis zum Betrage von 20 Mark, Nickel- und Kupfermünzen nur bis zum Betrage von 1 Mark angenommen zu werden. Die Verpflichtung zur Annahme enthält aber nicht blos die Pflicht zur Annahme des Münzstückes, sondern auch zur Annahme des Stückes zum Nennwerthe d. i. dem vom Staate der Münze beigelegren Zahlungswerthe. Daneben giebt es einen inneren oder Metallwerth d. h. den Tausch­ werth des in der Münze enthaltenen Metalles, und den Ver­ kehrs- oder Kurswerth d. h. den Werth, zu dem die Münze im *) Diese Auffassung vom Wesen der Geldes ist schon von dem römischen Juristen Paulu» in der l. 1 D. 18,1 ausgesprochen (Oertmann: Die Volks­ wirtschaftslehre de» corpus juris. 1891.). a) Die Reichswährung ist also einfache Währung: e» ist nur den Gold­ münzen (mit Ausnahme der Thalerstücke) die Eigenschaft de» Zahlungsmittel» beigelegt. Die sog. Doppelwährung besteht in der unbeschränkten Zulaffung (owohl der Gold- al» der Silbrrmünzen. Die Doppelwährung verlangt geetzliche Festsetzung de» PreiSverhältniffeS zwischen Silber und Gold.

Verkehr genommen wird. Dieser ist gleich dem Quantum edlen Metalles, das gegen eine bestimmte Anzahl Münzen zu erlangen ist. In allen gerichtlich oder notariell aufgenommenen Urkunden, welche auf einen Geldbetrag lauten, und in allen zu einem Geldbeträge verurtheilenden gerichtlichen Entscheidungen ist der Geldbetrag in Reichswährung auszudrücken, wenn für ihn ein bestimmtes Verhältniß zur Reichswährung gesetzlich feststeht. Ist unter den Kontrahenten eine Bestimmung über die Münzsorte einer zu leistenden Zahlung nicht getroffen, so erfolgt die Zahlung in der am Orte der Zahlung gangbaren Sorte. Demnach sind Zahlungen innerhalb des deutschen Reiches in Reichswährung zu leisten (§ 244 BGB). 2) Da das Wesen des Geldes in der Währung, d. h. in dem ihm beigelegten Zwangskurse besteht, so ist Papiergeld das mit Zwangskurs versehene, auf einen bestimmten Betrag Metallgeld lautende Papier. Man pflegt aber papierne Werth­ zeichen des Staates d. i. Verpflichtungsscheine des Staates, die als Umlaufsmittel dienen und das Metallgeld im Verkehr ver­ treten sollen, auch dann Papiergeld zu nennen, wenn eine Ver­ pflichtung zur Annahme solcher Scheine nicht besteht. Im deutschen Reiche giebt es eigentliches Papiergeld nicht. Das Ges. v. 30. 4. 74 ordnet die Ausgabe sog. Reichskassenscheine an, welche von den öffentlichen Kassen, nicht aber von Privaten in Zahlung genommen werden müssen und Werthpapiere, nämlich Zahlungsversprechen des deutschen Reiches sind. Sie stellen die sog. unverzinsliche Staatsschuld dar im Gegensatz zu der ver­ zinslichen, welche durch Ausgabe von Reichsanleihescheinen be­ gründet wird. Zu unterscheiden von diesen wie von den Reichs­ kassenscheinen sind die Banknoten. Dies sind auf den Inhaber lautende Schuldversprechungen der mit dem Notenprivilegium ausgestatteten Bank, bei uns vorzugsweise der Reichsbank. Die Banknoten dienen zur Vermehrung der Umlaufsmittel und zur Verwendung bei Zahlungen. Eine Annahmepflicht besteht aber nur für die Bank, die sie ausgegeben hat. Während die Reichs­ kassenscheine in Abschnitten von 5, 20, 50 Mk., werden die Bank­ noten nur auf die Beträge von 100, 200, 500, 1000 oder einem Vielfachen von 1000 Mk. ausgefertigt. Die Realisirbarkeit der Kassenscheine hängt von dem Kredit des Reichs ab, die der Banknoten von dem Kredit der Bank, der aber dadurch erhöht ist, daß wenigstens ein Theil des Schuldbetrages durch vorhandene Werthobjekte gedeckt (fundirt) sein muß (G. über die Reichsbank v. 14./3. 75).

92 § 31.

Urkaude« und Wertpapiere.

Die Urkunden sind als körperliche Gegenstände Sachen (§ 90) und daher für sich fähig, Gegenstand des Besitzes, des Eigen­ thums, des Nießbrauchs und des Pfandrechtes zu sein. Hat die Urkunde aber den Zweck, das Dasein einer Forderung zu be­ weisen, sie zu „verbriefen", so ist sie von dieser in einer Weise abhängig, daß die Urkunde ohne Weiteres demjenigen Rechte mit unterliegt, welches an der Forderung besteht, so daß also der Gläubiger Eigenthümer der Urkunde ist, Derjenige, der ein Pfand­ recht an der Forderung hat, auch ein Pfandrecht an der Urkunde hat (§ 952). Gleichwohl ist die Urkunde nicht Zubehör der Forderung (§ 97). Es kann aber einen besonderen Besitz und in Folge dessen auch ein Zurückbehaltungsrecht an Urkunden geben (RG 20, 133; 16, 169). Eine besondere Art der Urkunden sind die Werthpapiere. Denn während die Urkunde an sich nur beweisen soll, ist ein Werthpapier eine Urkunde über ein Privatrechtsverhältniß, dessen Verwerthung durch die Urkunde privatrechtlich bedingt isU). dessen Entstehung, Veränderung und Aufhebung von dem Papiere abhängt. Die üblichste Eintheilung der W. ist die in Rekta-, Jnhaberund Ordre-Papiere. 1. Ein Rekta-P. ist dasjenige, in dem sich der Aussteller einer bestimmten Person verpflichtet. Die Folge davon ist die, daß das Papier nur durch Abtretung, aber nur unter Aus­ händigung des Papieres übertragen werden kann. Denn andern­ falls ist die Urkunde kein Werthpapier. Daher sind der Hypotheken­ brief und der Grundschuldbrief Werthpapiere und zwar Rekta­ papiere, weil das Verfügungsrecht über die Forderung vom Besitze des Briefes abhängt (§§ 1117, 1163, 1154, 1274, 1160 BGB). Der Grundschuldbrief kann übrigens auch zum Inhaber­ papier gemacht werden (§ 1195). 2. Ein Ordre-P. ist dasjenige, in dem sich der Schuldner einer bestimmten Person und zugleich demjenigen verpflichtet, der das Papier durch Indossament (Giro) erwerben wird. Der Unterschied dieser Papiere von den Namenspapieren besteht demnach in der ihnen eigenthümlichen Uebertragungsform, der Jndossabilität. Das Indossament bewirkt nämlich keine Succession in das Forderungsrecht, sondern eine selbständige Entstehung des im Papiere verbrieften Rechts in der Person

*) Brunner in Lndemann'» Handbuch des Handelsrechts II § 191. Ebenso: Garei»: Lehrbuch de» Handelsrecht» § 76 111.

des Indossatars. Nur der Wechsel und die Namensaktie (223 HGB) sind an sich Orderpapiere, es bedarf daher zur Ent­ ziehung dieser Eigenschaft (Schaffung eines Rektawechsels) eines in den Wechsel oder die Aktie aufzunehmenden Vermerks (nicht an Ordre, Art. 9, 13 WO); andere Papiere können an Ordre gestellt werden, andernfalls sind sie Rektapapiere. Dies gilt aber nur von denjenigen Papieren, bei denen das Gesetz die Orderklausel ausdrücklich gestattet. Es sind dies An­ weisungen und Verpflichtungsscheine der Kaufleute, sofern das Papier über eine Leistung von Geld oder eine Quantität ver­ tretbarer Sachen oder Werthpapiere ausgestellt ist und die Ver­ pflichtung zur Leistung nicht von einer Gegenleistung abhängig gemacht ist, ferner das Konossement, der Ladeschein, der Lager­ schein (warrant) über Waaren oder andere bewegliche Sachen, welcher von einer zur Ausstellung solcher Urkunden staatlich er­ mächtigten Anstalt oder einem Lagerhalter ausgestellt ist, Bödmereibriefe und Transportversicherungspokicen (§§ 363, 424 HGB, § 71 Binnenschiff.-Ges. vom 15. 6. 95). 3. Ein Inhaber-Papier ist dasjenige, in dem sich der Schuldner zu einer Leistung an den Inhaber des Papieres ver­ pflichtet. Das Versprechen ist von vornherein einem Jeden ge­ geben, der das Papier erwerben wird, die Forderung steht also jedem Eigenthümer des Papieres ursprünglich und demnach auf Grund des einseitigen Aktes der Kreation zu. Ueber sie und die ihnen verwandten Legitimationspapiere wird besonders ge­ sprochen werden. Hier sei nur hervorgehoben, daß das Jnhaberpapier im Verkehr als Sache gilt; es sei daran erinnert, daß unser sog. Papiergeld nur aus Jnhaberpapieren besteht.

Fünfter Abschnitt:

Die juristischen Thatsachen.

§ 32. Einleitung. Das objektive Recht knüpft an den Eintritt bestimmter, von ihm bezeichneter Thatsachen, des sog. Thatbestandes, den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen. Diese Rechtsfolgen sind: die Ent­ stehung, die Veränderung, die Aufhebung subjektiver Rechte. Solche Thatsachen sind rechtlich erhebliche (rechtserhebliche, relevante); alle andern Thatsachen, an welche das objektive Recht eine Rechtsfolge nicht knüpft, sind juristisch gleichgültige (unerhebliche, irrelevante) Thatsachen. Ein Recht entsteht nur, wenn es für eine bestimmte Person erworben wird, denn es giebt keine subjektlosen Rechte; es geht

94

unter, wenn eS für eine bestimmte Person verloren wird. Eine Aenderung des subjektiven Rechtes aber ist in der Weise mög­ lich, daß sein Inhalt oder daß sein Träger ein anderer wird. Die Lehre von der Entstehung, Aufhebung und Aenderung der Rechte ist daher gleichbedeutend mit der Lehre vom Erwerb und Verlust der Rechte. Das römische Recht suchte alle Rechtsfolgen aus den Willen der Person zurückzuführen, es gab der Bethätigung dieses Willens gesetzesgleiche Wirkung, indem in den zwölf Tafeln der Satz aufgestellt wurde: Uti lingua nuncupassit, ita jus esto, und wo andere Thatsachen mit Rechtsfolgen ausgestattet waren, da wurde mit Fiktionen geholfen. Daraus erklärt sich die Zu­ rückführung mancher Rechtsfolgen auf Quasi kontrakte und Quasi delikte. Das deutsche Recht dagegen zog der freien Willensbethätigung fast überall Schranken, es knüpft Rechtsfolgen regelmäßig an Thatsachen, die unabhängig vom Willen des Einzelnen cintreten. Das heutige Recht kann die juristischen Thatsachen nicht anders eintheilen als in 1. solche, welche vom menschlichen Willen abhängen, d. h. in Handlungen; 2. solche, die unabhängig vom menschlichen Willen eintreten.

I. Vie Handlungen.

A. Vie Rechtsgeschäfte. 8 33. Begriff des Rechtsgeschäfte-. Rechtshandlungen sind Handlungen mit rechtlicher Wir­ kung. Die rechtliche Wirkung ist entweder gewollt oder nicht gewollt. Eine Handlung, welche auf eine rechtliche Wirkung gerichtet ist und deren Rechtswirkung eintritt, weil sie gewollt ist, be­ zeichnet man als Rechtsgeschäft'). Die Rechtshandlungen aber, deren Rechtswirkung nicht gewollt ist, können erlaubte oder unerlaubte sein. Die Grenze zwischen den Rechtsgeschäften und den erlaubten Rechtshandlungen steht nicht fest. Die Dereliktion (§§ 959, 928) ist jedenfalls ein Rechtsgeschäft, denn sie bethätigt den Willen der Eigenthumsaufgabe. Dagegen sind die Besitzergreifung, die Aneignung, die Verarbeitung (§§ 854, 958, 950) nur Rechtshandlungen, nicht Rechtsgeschäfte, weil ihre Folge kraft Gesetzes, nicht deshalb, weil sie der Handelnde will,

*) Motive I S. 126. RegelSberger 1487 ff. Das Rechtsgeschäft wird auch heut vielfack al« Recht-norm (lex contractu») bezeichnet. So namentlich von Danz: Die Auslegung der Rechtsgeschäfte. 1897.

eintritt. Die Folge ist, daß auch ein Kind Besitz ergreifen, okkupiren und spezificiren kann. Die Genehmigung, die Ein­ willigung, die Vollmacht sind Rechtshandlungen, weil mit ihnen nicht der Eintritt einer Rechtsfolge für den Erklärenden beab­ sichtigt wird. Sie sind Voraussetzungen für die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts eines Andern und gehören deshalb zum That­ bestände dieses Rechtsgeschäftes. Denn bei zahlreichen Geschäften reicht die Willenserklärung nicht aus, damit die beabsichtigte Wirkung cintrete; die Willenserklärung bildet dann nur einen Theil des rechtsgeschäftlichen Thatbestandes**). Der Begriff der Rechtshandlungen und daher des Rechts­ geschäftes ist nicht auf das Privatrecht beschränkt, auch das öffentliche Recht, insbesondere das Civilprozeßrecht, kennt zahl­ reiche Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte'). Im Gebiete des Privatrechts aber versteht man jedenfalls unter Rechtsgeschäften nur die Willensbethätigungen von Privatpersonen. Das richter­ liche Urtheil ist daher nie privattechtliches Rechtsgeschäft, auch wenn es privatrechtliche Wirkungen begründet und begründen will.

8 34.

Eintheilimg der Rechtsgeschäfte.

1. Rechtsgeschäfte von Todeswegen (mortis causa) sind diejenigen, welche den Zweck haben, die Rechtsverhältnisse des Erklärenden für den Fall seines Todes zu regeln. Ihr Bestand hängt also vom Tode des Erklärenden ab (1. 32 D. 39,6). Doch nicht alle Geschäfte von Todeswegen sind letztwillige Verfügungen, da nicht alle den letzten Willen des Erblassers zum dlusdruck bringen. Den Gegensatz zu den Rechtsgeschäften von Todcswegen bilden die Geschäfte unter Lebenden (intervivos). 2. Lukrativ oder unentgeltlich ist dasjenige, eine Ver­ mögenszuwendung bezweckende Rechtsgeschäft, das diesen Erfolg herbeiführt, ohne daß der Empfänger ein Recht aufgiebt, o neros oder entgeltlich ist das Rechtsgeschäft dann, wenn gegen den Empfang des zugewendeten Vermögensvortheils ein Recht auf­ gegeben wird. Die unentgeltlichen Rechtsgeschäfte bezwecken dem­ nach eine Bereicherung des Empfängers. Daher sind die sog. Er­ füllungsgeschäfte keine unentgeltlichen. Denn wer seine Schuld tilgt, bereichert den Gläubiger nicht, da dieser sein Forderungsrecht ver­ liert, und die Gegenleistung, die der Schuldner gegen seine Ver­ mögensaufwendung erhält, ist die Befreiung von seiner Schuld'). i) Jsay: Die Willenserklärung im Thatbestände des RechtSgeichäst». 1899. a) Ueber Prozehhandlungen f. meinen Tivilprozeb: Geschichte und System. I. All«. Th. 6. 60 ff drSgl. in Thl. III im Deutschen Civilprozeß. •) vgl. RG. 27, 134 (§ 3 Rr. 2 Ges. vom 21. Juli 1879).

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3. Es giebt Rechtsgeschäfte, welche nut eine oder mehrere Willensäußerungen (Willensgeschäfte), und solche, welche da­ neben noch eine in die Sinne fallende Thätigkeit verlangen z. B. Uebergabe einer Sache (Realgeschäfte). 4; Es giebt Rechtsgeschäfte, welche der Willensäußerung nur einer Person bedürfen, und Rechtsgeschäfte, welche die überein­ stimmende Willenserklärung mehrerer Personen erfordern. Jene heißen einseitige, diese zweiseitige Geschäfte oder Verträge. Innerhalb der einseitigen Willenserklärungen unterscheiden sich die sog. empfangsbedürftigen von den nicht empfangsbe­ dürftigen dadurch, daß jene an eine bestimmte Person gerichtet und von dieser entgegengenommen werden müssen, um wirksam zu sein, während diese einer solchen Richtung an die Adresse einer Person und der Entgegennahme durch diese Person nicht

bedürfen. Der Unterschied beruht darauf, daß eine Reihe von Willensbethätigungen nur den Zweck verfolgt, einen Andern zu einer Rechtshandlung zu veranlassen oder eine Einwirkung auf seine Rechtslage hervorzurufen. Zur Wirksamkeit eines empfangs­ bedürftigen Rechtsgeschäftes bedarf es daher nicht blos der rechts­ gültigen Willenserklärung auf der einen Seite, sondern auch der Entgegennahme der Erklärung auf Seiten derjenigen Person, an welche sie gerichtet ist, und der bei dieser vorhandenen Fähigkeit, selbst eine solche Erklärung abzugeben'). Zu diesen Rechts­ geschäften gehören z. B. die Ausübung der Wahl bei einem alternativen Schuldverhältnisse, die Erklärung des Rücktritts vom Vertrage, die Kündigung, der Widerruf der Vollmacht?), ins­ besondere aber der Bertragsantrag. Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen sind z. B. die Errichtung eines Testamentes, die Annahme einer Erbschaft, Erwerb und Aufgabe des Eigen­ besitzes, die Auslobung?). Alle diese Eintheilungen der Rechtsgeschäfte werden vom BGB theils ausdrücklich, theils stillschweigend anerkannt. Es hat hinsichtlich der empfangsbedürftigen Willenserklärungen die besonders wichtige Bestimmung getroffen, daß eine solche Erklärung in dem Falle, daß sie einem Abwesenden gegenüber abgegeben "wird, in dem Zeitpunkte wirksam wird, in welchem sie ihm zugeht (§ 130). Damit hat sich das BGB in Ueberein­ stimmung mit der herrschenden Lehre des gemeinen Rechts (RG 23, 166) auf den Standpunkt der Empfangstheorie i) Zitelmann: Dir Rechtsgeschäfte im Sntw. d. BGS. 1889.6.22—24. a) Im BGB die Fälle der §§ 143, 263,284,293, 333, 319,338, 409, 531, 609, 497, 505. •) §§ 1937, 1943, 854, 856, 657.

gestellt und eine lebhaft erörterte Streitfrage des bisherigen Rechts, welche in der Lehre vom Vertrage besprochen werden wiro, entschieden. Die nothwendige Folge dieses Standpunktes ist a) einmal, daß es darauf, ob und wann der Empfänger von der Erklärung Kenntniß erhalten hat, nicht ankommt, und b) daß das bloße Aussprechen oder das bloße Niederschreiben, ja sogar, daß auch die Absendung der Erllärung die mit dieser beabsichtigte Rechtsfolge noch nicht begründet, daß also dann, wenn dem Empfänger vor oder gleichzeitig mit der Erklärung ihr Widerruf zugeht, die Erklärung un­ wirksam ist (§ 130 BGB). Folgerichtig mußte das BGB den Grundsatz aufstellen, daß die Erllärung, die gegenüber einer geschäftsunfähigen oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person abgegeben wird, erst dann Wirksamkeit erlangt, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht, es sei denn, daß sie dem beschränkt Geschäftsfähigen nur einen rechtlichen Vortheil bringt oder zur Entgennahme einer solchen Erklärung die erforderliche Einwilligung schon vorher er­ theilt ist (§ 131). Das BGB läßt aber ferner auch die Zustellung von Willens­ erklärungen durch den Gerichtsvollzieher zu (§132). Es ent­ spricht dies einer bisherigen Gepflogenheit, die den Vortheil ge­ währt, daß sie in der Zustellungsurkunde einen schwer zu ent­ kräftenden Beweis für die erfolgte Mittheilung ermöglicht. Denn das Verfahren bei der Zustellung unterliegt den Vorschriften der CPO. Das BGB läßt aber ferner auch die öffentliche Zustellung zu, einmal dann, wenn der Erklärende sich über die Person Desjenigen, dem gegenüber die Erllärung abzugeben ist, in einem nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Jrthum befindet, und zweitens dann, wenn ihm der Aufenthalt dieser Person unbekannt ist (§ 132 Abs. 2).

§ 35.

Der Vertrag.

1. Vertrag ist die auf eine Rechtswirkung gerichtete, über­ einstimmende Willenserklärung zweier oder mehrerer einander gegenüberstehender Personen. Er gehört allen Zweigen des Rechtes, insbesondere auch demVölkerrecht und dem Civilprozeßrecht an, seine Hauptbedeutung aber hat er als Begründungsakt von Privatrechtsverhältnissen, und zwar nicht nur im Gebiete des Vermögensrechts, sondern auch auf dem des Familienrechts. Das BGB behandelt ihn deshalb im Allgemeinen Theile §§ 145 bis 157. 2. Das römische Recht machte innerhalb der Verträge einen Engelmann, d. bürgerliche Recht Deutschland-.

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98 Unterschied von pactum und contractus. Das pactum war die formlose Willenseinigung der Parteien, es gehörte nicht blos dem Obligationenrecht, sondern auch dem Sachenrecht an, aber da, wo es nur das Versprechen einer künftigen Leistung be­ gründete, gewährte es kein Klagerecht, keine actio. Die contractus begründen nur Rechtsverhältnisse des Obligationenrechts, sie sind mit einer sog. causa civilis ausgestattet und daher durch ein civiles Klagerecht ausgezeichnet. Der wichtigste dieser Kontrakte, der schließlich das gesammte Obligationenrecht be­ herrschte, war die stipulatio. An ihr hat sich das römische Ver­ tragsrecht entwickelt. Da aber die stipulatio in Form mündlicher Frage und Antwort zu Stande kam und daher Anwesenheit beider Vertragenden verlangte, kam das römische Recht nicht zur Aus­ bildung einer Lehre über den Vertragsschluß unter Abwesenden. Das deutsche Recht erkannte grundsätzlich die Klagbarkeit jeder Willenseinigung an. Nach der durchgebildeten Lehre des heutigen Rechts wird zwischen den beiden Willenserklärungen, welche zum Vertrags­ schluß gehören, streng geschieden. Der Vertragsantrag (Offerte) ist der von dem einen Theile dem andern gemachte Vorschlag, einen Vertrag von bestimmtem Inhalt zu schließen, Annahme (Acceptation) die Erklärung des andern Theiles, daß er mit dem vorgeschlagenen Vertragsinhalt einverstanden sei. Die Uebereinstimmung beider Erklärungen bewirkt den Vertrag und damit die Gebundenheit der Vertragschließenden. Bis zur .Herstellung dieser Einigkeit war nach römischem und gemeinem Recht jeder Theil noch Herr seiner Erklärung, er konnte sie widerrufen oder ändern. Doch schon die herrschende Lehre des gemeinen Rechts gab Dem, der ohne Kenntniß von dem ge­ schehenen Widerruf Aufwendungen zum Zwecke der Vertrags­ erfüllung machte, einen Anspruch auf das sog. negative Vertrags­ interesse. Das BGB dagegen bindet den Antragenden an seine Offerte. Da es aber Sache des freien Willens ist, einen Vertragsantrag zu stellen, so kann der Antragsteller die Ge­ bundenheit ausschließen, indem er dem andern Theile erklärt, daß er nicht gebunden sein wolle. Die Gebundenheit ist eine zeit­ lich begrenzte. Sie hört natürlich auf mit der Ablehnung und ferner in Folge nicht rechtzeitiger Annahme des Antrages (§ 146). Die Frist für Annahme des Antrages ist entweder die vom Antrag­ steller selbst oder in Ermangelung einer solchen die vom Gesetz ge­ stellte. Das letztere verlangt für den einem Anwesenden und für den mittels Fernsprechers von Person zu Person gemachten Antrag sofortige Annahme, der einem Abwesenden gemachte Antrag

aber kann nur bis zu dem Zeitpunkte angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Erfolgt die Annahme verspätet, so ist sie gegenstandslos, denn der Antrag war bereits erloschen; die verspätete Annahme bildet aber einen neuen Antrag (§ 150). War die Annahme rechtzeitig abge­ sandt und dem Antragsteller nur verspätet zugegangen, und war dies dem Antragsteller erkennbar, so hat er die Pflicht, sofortiger Anzeige von der Verspätung. Erfüllt er diese Pflicht, so bleibt es dabei, daß der Vertrag nicht geschlossen ist; erfüllt er jene Pflicht nicht, so wird er nicht etwa schadensersatzpflichtig, sondern es gilt dann die Annahme als nicht verspätet, also ist der Vertrag geschlossen (§ 149). Diese Rechtswirkung ist nicht eine Strafe für die Säumniß des Offerenten, sondern eine Billig­ keitsrücksicht gegen den Acceptanten. 3. Der Vorschlag ist nur dann ein Vertragsantrag, wenn er in der Absicht gemacht wird, damit unmittelbar den Ver­ trag dieses Inhalts zu Stande zu bringen. Dadurch unter­ scheidet er sich von einer Aufforderung zum Unterhandeln. Zu einem Vertragsantrage gehört daher Bestimmt­ heit des Inhalts und Richtung an bestimmte Per­ sonen. Dieder Oeffentlichkeit gegenüber erklärte Bereitwillig­ keit, Verträge zu schließen *), enthält mithin einen Antrag noch nicht. Vertragsanträge sind ferner nicht diejenigen Vorschläge, die nicht in bindender Absicht, sondern nur zu dem Zwecke gemacht werden, damit der Gegner sie prüfe und seinerseits einen Vertragsantrag stelle. Diese von wirklichen Anträgen oft nicht leicht zu unterscheidenden Aeußerungen nennt man Vorverhandlungen (Traktate). Unverbindlich ferner ist die Punktation d. h. die von den Parteien bewirkte Aufzeichnung der vereinbarten ^Bestimmungen eines noch unfertigen Vertrages*). Die Unfertigkeit und also Unverbindlichkeit der Punktation entspricht entweder dem Willen des Gesetzes, wenn der Punktation die vom Gesetze verlangte gesteigerte Form (gerichtliche oder notarielle Abfassung) fehlt, oder dem Willen der Parteien, wenn sie das Niedergeschriebene als Vertrag noch nicht wollen gelten lassen, sei es, daß sie sich noch nicht über alle Vertragsbestimmungen, die auch nur e i n Theil für wesentlich hält, geeinigt haben oder daß sie sich

*) Mittheilungen von Preisverzeichnissen, Ausstellung von Waaren selbst mit Preisangabe, öffentliche Ausbietung von Diensten (Droschken­ kutscher, Dienftmänner). a) AuSsührlich Degenkolb im Archiv s. civilist. Praxi» Sb. 71 S. 1 ff. 7»

100 einer strengeren Form unterwerfen wollen (gerichtlichem oder notariellem Abschlüsse). Auf demselben Standpuntte steht §154 BGB. Doch enthält § 155 eine Einschränkung. Er behandelt den Fall, daß die Parteien den Vertrag für geschlossen halten, obwohl in einem einzelnen Punkte eine Verständigung that­ sächlich nicht erzielt oder die Vereinbarung über diesen Punkt aus irgend einem Grunde nichtig ist. Obwohl in diesem Falle die Parteien gebunden zu seien glauben, sind sie es thatsächlich nicht, weil der Vertrag noch nicht fertig ist, das BGB erllärt sie aber für gebunden an das, was wirklich vereinbart ist, wenn nämlich anzunehmen ist, daß der Vertrag auch ohne eine Bestimmung über jenen noch offenstehenden Punkt würde ge­ schlossen worden sein. Hinsichtlich dieses Punktes gilt dann der vermuthliche Wille der Parteien oder das Gesetz. 4. Der Antragsempfänger ist nicht verpflichtet, auf den Vertragsantrag zu antworten. Eine solche Pflicht besteht aber nach neuem Rechte: a. für den Rechtsanwalt, dessen Berufsthätigkeit mit dem Vertragsantrage in Anspruch genommen wird (§ 30 RAO) wie überhaupt für jeden, der zur Besorgung gewisser Ge­ schäfte öffentlich bestellt ist oder sich öffentlich oder auch nur dem Austraggeoer gegenüber erboten hat und einen Auftrag zur Vornahme von Geschäften dieser Art erhält (§ 663 BGB), mit der Wirkung, daß die Nichtablehnung eine Schadens­ ersatzpflicht begründet; b) für den Kaufmann, dessen Gewerbebetrieb die Besorgung von Geschäften für Andere mit sich bringt oder der sich dem Auftraggeber gegenüber zur Besorgung bestimmter Geschäfte bereit erklärt hat, wenn er im letzteren Falle von diesem, im ersteren Falle von Jemand, mit dem er nur in Geschäftsverbindung steht, einen Auftrag zur Be­ sorgung von Geschäften dieser Art erhält, mit der Wirkung, daß sein Schweigen als Annahme gilt (§362HGB). 5. Wird der Vertrag unter Anwesenden geschlossen, so fällt der Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem der Annahme­ erklärung zusammen. Für Verträge, die durch zeitlich ausein­ anderliegende Erklärungen, d. h. unter Abwesenden zu Stande kommen, nahm als Zeitpunkt des Vertragsschlusses an: a) dieAeußerungs- oderDeklarationstheorie denZeitpunkt, in welchem der Antragsempfänger den Annahmeentschluß zum Zwecke derMittheilung äußert (niederschreibt), kundgegeben hat,

*) S. neuestens Meischeider: Tie alten Streitfragen, in Belker'« und Fischer'« Beiträgen. 1839. S. 11. ff.

b) die Uebermittlungstheorie den Zeitpunkt, in welchem die Annahmeerklärung abgesendet wird (Uebergabe an die Post oder den Boten), c) die Empfangstheorie den Augenblick, in dem die An­ nahmeerklärung dem Antragsteller zugeht, d) die Vernehmungstheorie den Zeitpunkt, in welchem die Annahmeerklärung dem Antragsteller zur Kenntniß kommt (also wenn er den eingegangenen Brief liest). Die Vernehmungstheorie war im gemeinen Recht die herrschende, das frühere HGB aber hatte sich zur Empfangs­ theorie bekannt, und ihm ist das BGB (§ 130) gefolgt. In das neue HGB ist deßhalb eine Bestimmung nicht ausgenommen worden. Der Vertrag kommt also, wenn er unter Gegenwärtigen geschlossen wird, mit der Annahmeerklärung, und wenn er unter Abwesenden geschlossen wird, mit dem Eingänge der Annahme­ erklärung zu Stande (§§ 130, 151). Eine Äusnahme machen a) der gerichtlich oder notariell beurkundete Vertrag unter Abwesenden: er kommt mit der Beurkundung der An­ nahme zu Stande (§ 152); b) alle Fälle, in welchen die Mittheilung der Annahme­ erklärung der Verkehrssitte nicht entspricht (z. B. bei be­ stehender Geschäftsverbindung unter den Parteien) oder in denen der Offerent auf die Mittheilung verzichtet hat (§ 151): hier kommt der Vertrag mit der bloßen Aeußerung des Annahmeentschlusses z. B. dem Ausschneiden des unbestellten Buches zu Stande. In allen diesen Fällen erlischt der Antrag nicht in der oben bezeichneten kurzen Frist, sondern nur nach Ablauf eines Zeit­ raums, der dem ausdrücklich erklärten oder aus den Umständen zu entnehmenden Willen entspricht (z. B. bei Sendungen zur Probe oder zur Ansicht). 6. Da nur die Uebereinstimmung von Annahme und Antrag den Vertrag zu Stande bringt, ist eine ErUärung, die dem Anträge nicht völlig entspricht, keine Annahme. Wird der Annahmeerklärung eine Einschränkung z. B. hinsichtlich des verlangten Preises, des Lieferungsortes oder des Erfüllungs­ tages, oder eine Bedingung beigefügt, so ist diese Erllärung ein neuer Vertragsantrag. Von ihm gilt also Alles, was oben von der Offerte gesagt worden ist (§ 150 Abs. 2). 7. Daß der Offerent zwischen dem Anträge und der An­ nahme oder auch nach der Annahme, der Antragsempfänger nach der Annahmeerklarung stirbt oder geschäftsunfähig wird, ist kein Hinderniß für den Vertragsschluß, es sei denn, daß es

102 den Kontrahenten auf die Person deS Gegenkontrahenlen ankam (§§ 130 Abs. 2, 153 BGB). § 36.

Versteigerung.

Kreation.

Grsammtakt.

1. Cb bei einer Versteigerung der Ausbietende eine Offerte macht und daher jedes Gebot den Vertrag unter der auflösenden Bedingung, daß kein besseres Gebot erfolgt, zu Stande bringt, oder ob der Ausbietende nur eine Aufforderung an die Bietungslustigen richtet, der Vertragsantrag daher erst mit der Abgabe eines Gebotes ausgesprochen wird, war bisher streitig. Das BGB (156) hat der herrschenden Lehre ent­ sprechend die zweite Auffassung zum Gesetz erhoben. Der An­ tragende ist daher zwar auch hier an den Antrag gebunden, aber nur bis zur Abgabe eines Uebergebotes oder bis zu dem Zeitpunkte, in welchem die Versteigerung ohne Zuschlag ge­ schlossen wird. Die Annahme des Antrages erfolgt durch den Zuschlag (vgl. auch § 72 ZwstG). 2. Ob die Verpflichtung aus einem Werthpapier durch einen einseitigen Akt oder durch einen Vertrag entstehe, ist gleichfalls streitig. Die Eigenthümlichkeit der Werthpapiere besteht darin, daß der Aussteller in Schriftform eine bestimmte Verpflichtung über­ nimmt, daß die Verfügung über die dieser Pflicht entsprechende Forderung von dem Besitze des Papieres abhängt, daß der Verpflichtete aber an den zu leisten hat, der sich äußerlich als der Berechtigte legitimirt. Dadurch ist dem Stück Papier, auf welchem die rechtsbegründende Erklärung niedergeschrieben ist, ein Werth beigelegt, der dem Werthe der Forderung gleichkommt. Alle Werthpapiere aber sind auf den Umlauf berechnet und daher mit einer Umlaufsfähigkeit ausgestattet, die dem Forderungs­ rechte an sich in diesem Grade nicht beiwohnt. Der Aussteller des Papieres verpflichtet sich also durch die „Skriptur" nicht einer bestimmten Person, sondern einem Jeden gegenüber, der sich auch nur äußerlich als berechtigter Besitzer des Papieres darzustellcn vermag. Die Kreationstheorie hält den einseitigen Akt der Aus­ stellung d. h. der Niederschrift und Unterzeichnung, die Kreation, für ausreichend, die Verpflichtung des Ausstellers jedem Papier­ eigenthümer gegenüber zu begründen, d. h. das Papier zum Werthpapier zu machen. Die Vertragstheorie läßt eine Verpflichtung des Ausstellers erst mit der Begebung, d. h. mit der Uebergabe des Papieres durch den Aussteller entstehen, und die jetzt herrschende Lehre nimmt an, dieser Vertrag sei nicht

etwa mit einer unbestimmten Gläubigerreihe, sondern mit dem bestimmten Nehmer, aber zu Gunsten der späteren Papier­ eigenthümer geschlossen. Die Kreationstheorie bedarf nicht der schwierigen Kon­ struktion einer Verpflichtung des Ausstellers auch dem gegenüber, der nicht rechtmäßig in den Besitz des Papieres gelangt ist, sie allein erklärt auch, wie es kommt, daß der Aussteller verpflichtet ist, wenn das Papier ohne oder gegen seinen Willen in den Verkehr kommt. Sie ist denn auch für Jnhaberpapiere vom BGB (§ 794)1) und war für den Wechsel auch schon vorher an­ genommen worden (RG 9, 56; 24, 87). Die Verpflichtung des Ausstellers entsteht also mit der Niederschrift und Unterzeichnung derjenigen Erklärung, welche den Inhalt des Werthpapieres bildet. So lange der Aussteller im Besitze des Papieres bleibt, ist er dessen Eigenthümer und also sein eigener Gläubiger. So wenig für ihn ein rechtlicher Zwang bestand, das Papier zu schaffen, so wenig ist er ver­ pflichtet, das von ihm erschaffene Werthobjekt zu verwerthen, er kann es also vernichten, bevor er es ausgiebt. Die Aus­ gabe (Emission) hat deshalb nur die Bedeutung, daß er den Nehmer zum Eigenthümer macht und also selbst das Verfügungs­ recht ausgiebt. Aber auch, wenn das Papier ohne oder gegen seinen Willen in den Verkehr kommt, ist sein Verfügungsrecht jedenfalls gegenüber dem redlichen Erwerber und also Eigen­ thümer des Papiers aufgehoben, folglich seine Leistungs­ pflicht begründet (§ 794 BGB). 3. Im Vertrage stehen die Kontrahenten einander gegenüber, selbst wenn sie (wie beim Gesellschastsvertrage) wirthschaftlich das gleiche Ziel verfolgen, so ist doch rechtlich die Gebundenheit des einen der Inhalt des dem andern zustehenden Rechts. Verbinden sich aber mehrere Personen zur Einreichung

eines Erfolges, an welchem sie alle das gleiche Interesse haben, so ist ein Gesammtakt vorhanden. Solche Gesammtakte werden insbesondere erfordert zur Schöpfung eines neuen Rechtssubjekts, eines Vereines, einer Gesammtheit, welcher gegen­ über alle in gleicher Weise berechtigt und verpflichtet sind. Daher liegt auf dem Gebiete des Völkerrechtes ein Gesammt­ akt vor, wenn mehrere selbständige Staaten einen Bundesstaat ins Leben rufen, und auf dem Gebiete des Privatrechts, wenn durch Zusammentreten mehrerer Personen eine Körperschaft z. B. eine Aktiengesellschaft gegründet wird. Die einzelnen Gründer

*) War ich aufrcchterhaltkn mutz.

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verpflichten sich nicht gegenseitig, sondern zu Gunsten des künftigen Rechtssubjekts. *)

§ 37.

Dir allgemeinen Voraussetzungen der Gültigkeit des Rechtsgeschäfte-.

1. Ein Rechtsgeschäft kann mit der beabsichtigten rechtlichen Wirkung vorgenommen werden nur von einer geschäftsfähigen Person, und sowohl das alte wie das neue Recht unterscheiden Geschäftsunfähigkeit und beschränkte Geschäftsfähigkeit. Das von einem Geschäftsunfähigen vorgenommene Rechtsgeschäft ist nichtig. Der beschränkt Geschäftsfähige kann nur diejenigen Geschäfte vornehmen, zu denen er die Fähigkeit besitzt (Vtzl. oben § 17). Juristische Personen haben Geschäftsfähigkeit nur auf dem Gebiete des Vermögensrechts. Sie sind testirunfähig, weil man von einem Tode der juristischen Person nicht sprechen kann. Doch können sie über das Schicksal ihres Vermögens für die Zeit nach der Auflösung gültig Bestimmung treffen. Etwas anderes als die Geschäftsfähigkeit ist die fälschlich zuweilen als Verfügungsfähigkeit bezeichnete Verfügung sbefugniß. Sie ist keine Eigenschaft, sondern das Recht der Person, über den Gegenstand des Rechtsgeschäfts Willens­ erklärungen mit verbindlicher Kraft abzugeben. Obwohl das Verfügungsrecht regelmäßig nur eine in dem Rechte der Person enthaltene Befugniß bildet, kann sie von diesem Rechte losgelöst sein. Diese Loslösung geschieht entweder zu Gunsten einer bestimmten Person oder zu Gunsten der Allgemeinheit. Daher darf z. B. eine Ehefrau, obgleich sie Eigenthümerin der von ihr eingebrachten Sachen bleibt, nicht zum Nachtheil des Mannes über diese Sachen verfügen (§ 1395). Veräußerungsverbote entziehen nur das Verfügungsrecht, und verkehrsunfährge Sachen können nicht Gegenstand gültiger Verfügung sein. 2. Zum Rechtsgeschäft gehört stets eine Willenserklärung. Die Erklärung kann eine ausdrückliche oder eine still­ schweigende fein.*) Die ausdrückliche Willenserklärung will nur die Kund­ gebung des bestimmten Gedankens sein, den sie zum Ausdruck bringt. Sie kann durch Worte oder Zeichen geschehen. Eine *) A. M. Anscheinend Holder: Kommentar z. BGB I. S. 236. 2) Ueber diesen Punkt herrscht in der Wissenschaft nicht» weniger al» Einigkeit. Renerding» insbesondere Ehrlich: Die stillschweigende Willens­ erklärung. 1893. Jsay: Die Willenserklärung im rhatbestande de» Rechtsgeschäft». 1899. S. 27 ff.

stillschweigende Erklärung giebt Derjenige ab, der eine auf einen anderen Zweck gerichtete Handlung (also auch eine Erklärung) vornimmt, durch diese aber zugleich das Vorhandensein eines gewissen anderen Willens bethätigt. Da jene Handlung nur einen Schluß gestattet auf diesen Willen, so nennt man sie schlüssige (konkludente) Handlung. Es kann also eine und dieselbe Handlung eine ausdrückliche Erklärung nach der einen Seite und eine stillschweigende Erklärung nach der anderen Seite sein. Der Erbe, der einen drängenden Erbschaftsgläubiger be­ friedigt, giebt damit ausdrücklich nur seine Tilgungsabsicht kund, er bethätigt aber stillschweigend den Willen, Erbe zu sein. In Uebereinstimmung mit dem bisherigen Rechte läßt das BGB, dem es an einer allgemeinen Vorschrift fehlt, die still­ schweigende Willenserklärung nur dann nicht zu, wenn vom Ge­ setze eine ausdrückliche Erklärung, insbesondere eine bestimmte Form gefordert wird (z. B. §§ 244, 700.). DieserGrundsatz hat bei rechtsgeschäftlichen Erklärungen unter Anwesenden und bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen kein Bedenken. Die einem Abwesenden gegenüber abgegebene Erklärung wird aber nur dann wirksam, wenn sie ihm zugeht. Indessen geht auch die stillschweigende Erklärung dem andern Theile zu, wenn sie zu seiner Kenntniß gelangt. Es giebt danach auch einen stillschweigenden Vertragsschluß unter Abwesenden. Das bloße Schweigen ist keine Erklärung, auch dann nicht, wenn der andere Theil erklärt, er werde das Schweigen als Zustimmung betrachten. Dagegen kann das sogenannte konkludente Schweigen eine Willenserklärung enthalten, wenn es nach den Umständen des Falles und nach der Ver­ kehrssitte keine andere Auffassung gestattet. Das HGB sieht in dem besonderen Falle des § 362 das Schweigen auf eine Offerte als Vertragsannahme an, und nach § 516 BGB gilt eine Schenkung als angenommen, wenn sie nicht innerhalb der gestellten Frist abgelehnt wird; der Ehemann, der den Betrieb eines Erwerbsgeschäftes seiner Frau nicht untersagt, giebt seine Zu­ stimmung (§ 1405). Damit sind nur einzelne Fälle hervorgehoben. In den meisten Fällen drückt die Erllärung den wirklichen Willen des Erklärenden aus. Nur wenn sie das nicht thut, enffteht die Frage nach dem Verhältniß von Wille und Er­ klärung.

§ 38.

DaS Verhältniß von Wille «nd Erklärn«-.

Ueber dieses Verhältniß herrscht ein besonders in der neuesten Zeit lebhaft geführter Streit.

106 Die eine Meinung verlangt die Nothwendigkeit der Ueber­ einstimmung von Wille und Erklärung, sie bezeichnet daher die­ jenigen Erklärungen, welche dem Willen des Erklärenden nicht entsprechen, als nichtig (Willenstheorie) ’). Die andere Meinung legt das ausschließliche Gewicht auf die Erklärung und hält deshalb den Erklärenden an seiner Äklärung fest, auch wenn sie mit seinem Willen nicht übereinstimmt (Erklärungs­ theorie)^). Nach ihr soll der den wirklichen Willen nicht aus­ drückenden Willenserklärung Wirkung in dem Falle beiwohnen, daß sie nach dem gemeinen oder dem Verständnisse dessen, an den die Erklärung gerichtet ist, als Ausdruck des wirklichen Willens erscheint. Die Willenstheorie führt zum Schutze oes Irrenden auf Kosten des Erklärungsempfängcrs, die Erklärungs­ theorie schützt den Erklärungsempfänger aus Kosten des Irrenden, der als wollend behandelt wird, obwohl er nicht gewollt hat. Das BGB folgt der Willenstheorie ^), hat sie aber nicht einseitig durchgcführt. Denn überall ist entscheidend, ob das Er­ klärte auch gewollt ist (vgl. insbesondere § 119), der Erklärende ist aber dann an seine Erklärung gebunden, wenn er mit der Berufung auf seinen abweichenden Willen arglistig handelt, und er wird sogar schadensersatzpflichtig, wenn er auch nur aus Versehen den Ändern täuschte. Eine Abweichung von Wille und Erklärung kann be­ absichtigt oder nicht beabsichtigt sein. I. Die Nichtübereinstimmung von Wille und Erklärung ist beabsichtigt: 1. wenn der Erklärende zur Belehrung oder im Scherz eine Erklärung abgiebt, ohne das Erklärte zu wollen*). Hier nimmt die Willenstheorie stets, die Erklärungstheorie nur dann Nichtigkeit der Erklärung an, wenn der Andere den Mangel der Ernstlichkeit erkennen konnte. Das BGB (§ 118) folgt insofern dem Willensdogma, als es die Erklärung als nichtig bezeichnet, wenn der Erklärende — auch nur in seinem Innern ^) — die Erwartung hegte, daß der Mangel der Ernstlichkeit nicht werde verkannt werden, insofern aber der Erklärungstheorie, als es im andern Falle den Erklärenden an seine Erklärung bindet; denn rechnet der Erklärende darauf, daß der Andere die Erklärung *) Vertreter vorzugsweise: Savigny, Wächter, Windscheid, Zitelmann. 2) Vertreter vorzugsweise: Bähr, Kohler, Leonhard, Hartmann. 8) A. M. Jsay a. a. O- S. 16 ff. *) Interessantes Beispiel RT. 8,249, ein Fall, der nach BTB ebenso entschieden werden muh. 6) ®o die herrschende Meinung.

ernst nehmen werde, so würde die Berufung auf den Mangel des Willens Arglist sein. Ist die Erklärung nichtig, so haftet der Erklärende einem Jeden, der auf die Ernstlichkeit des Willens vertraute, auf das sog. negative Interesse, es sei denn, daß der Geschädigte den Mangel der Ernstlichkeit kannte oder kennen mußte (122), denn schon in der Abgabe einer nicht ernstlichen und dem Mißverständnisse ausgesetzten Ällärung liegt ein Verschulden. 2. Die Mentalreservation besteht darin, daß der Er­ klärende absichtlich eine seinem wahren Willen nicht entsprechende rechtsgeschäftliche Erklärung abgiebt, um den Erklärungs­ empfänger über seinen wahren Willen zu täuschen; er macht also insgeheim den Vorbehalt, das Erklärte nicht zu wollen. Sowohl nach bisherigem Recht als nach BGB (§ 116) ist die abgegebene Erklärung gültig, wenn die beabsichtigte Täuschung gelungen ist, dagegen nichtig, wenn der Erklärungsempfänger den Vorbehalt kennt und also nicht getäuscht wird. In jenem Falle kommt die Erklärungs-, in diesem die Willenstheorie zur Geltung.

3. Die Simulation besteht darin, daß absichtlich eine dem wahren Willen des Erklärenden nicht entsprechende Erklärung abgegeben wird, aber im Einverständniß mit den anderen am Rechtsgeschäft betheiligten Personen. Eine Täuschung ist zwar auch hier beabsichtigt, die Täuschung wird aber von allen am Geschäft betheiligten gegen die nicht betheiligten Personen ver­ übt. Daher liegt ein simulirtes Geschäft nicht vor, wenn auch nur einem einzigen Betheiligten, insbesondere einem zu einem selbständigen, zur Vollendung des Geschäftes gehörigen rechts­ begründenden Akte berufenen Beamten die Täuschungsabsicht fehlt. Daher ist der Eheabschluß kein simuliertes Geschäft, also gültig, wenn auch nur dem Standesbeamten die Täuschungs­ absicht fehlt (vgl. §§ 1323—1328 BGB), wohl aber ein notarieller Kaufvertrag nichtig, wenngleich der Notar die Täuschungsabsicht nicht hat. Die Simulation kann darin bestehen, daß die Betheiligten ein Rechtsgeschäft überhaupt nicht oder darin, daß sie nur das erklärte Geschäft nicht, dagegen ein anderes, unter jenem verdecktes (dissimulirtes) Geschäft wollen. Der erste Fall liegt z. B. vor, wenn ein Ehemann sein Grundstück an die Frau ver­ kauft, beide Theile aber darüber einig sind, daß eine Aenderung in ihren Rechten nicht eintreten soll, der zweite Fall z. B., wenn ein Schuldner an seinen Gläubiger verkauft, beide Theile aber einig sind, daß nur verpfändet werden soll. Nach altem und neuem Recht ist das vorgegebene Geschäft immer nichtig,

108 das verdeckte aber gültig, wenn die zu seiner Gültigkeit er­ forderten Voraussetzungen vorhanden sind (§ 117 BGB)'). Vom Scheingeschäft verschieden ist das sog. fiduziarische Geschäft. Bei ihm haben die Betheiligten die ernstliche Absicht, eine bestimmte Rechtswirkung hervorzurufen, aber sie vereinbaren, daß der aus dem Geschäfte Berechtigte gegenüber dem, der Rechte aufgiebt, von seinem Rechte keinen oder nicht den vollen Gebrauch machen solle. Hierhin gehören vor Allem die sehr häufigen Geschäfte, welche die Sicherung des einen Theiles wegen einer Forderung herbeiführen sollen, diesen Zweck aber dadurch zu erreichen suchen, daß sie statt Pfandbestellung Eigenthums­ übertragung wählen. Die fiduziarischen Geschäfte sind als solche nicht nichtig, denn beide Parteien erklären, was sie ernstlich wollen. Zuweilen aber dienen diese Geschäfte der Gesetzes­ umgehung und sind dann aus diesem Grunde nichtig (§ 134 BGB), vorausgesetzt, daß das umgangene Geschäft in der That vom Gesetze verboten war (RG. 26,181). Ein solches Handeln („rechtsgeschäftlicher Schleichweg") ist nicht contra legem, sondern in fraudem legis gerichtet*). II. DieAbweichung vonWilleund Erklärung kann eine nicht be­ absichtigte, eine Willenserklärung kann die Folgeeines Irrthums sein. UmdenEinfluß des Irrthums zu verstehen, ist zu unterscheiden: 1. der Umstand, der die Willensthätigkeit in der Weise anregt, daß sie zu einem Entschluß führt, der Beweggrund, 2. der Willensentschluß (gewöhnlich kurz „Wille" genannt), 3. die Erklärungshandlung. 1. Der Beweggrund. Da der Beweggrund nur den An­ laß zur Bildung eines Willensentschlusses bietet, jeder einzelne Entschluß aber von mannigfaltigen und unklaren Beweggründen bestimmt worden sein kann, die Beweggründe überdies für den andern Theil regelmäßig nicht erkennbar sind, hat nach altem und neuem Recht für den Rechtsverkehr grundsätzlich nur der fertige Entschluß, nicht auch sein Beweggrund, Be­ deutung. Folglich muß auch der Irrthum im Beweggründe belanglos sein (RG 19, 126)?) Allerdings kann nach altem und neuem Recht (§ 123) eine Willenserklärung angefochten werden, wenn der Erklärende durch arglistige Täuschung zur Ilbgabe der Erklärung, also auch wenn er durch die Täuschung zur *) Plus valere quod agitur quam quod simulate concipitur. 2) L. 29. 30 D. de leg. 1, 3 S. besonder-: Bähr: Urtheile deReichsgericht- 1883 S. 52 ff. Regelsberger: Pand. 1 § 141 B. 8) Beispiel: Der A bietet und zahlt dem B 1000 Mark, um den B zum Rücktritt von einem Kaufverträge zu bewegen. A befand sich dabei in dem Irrthum, der Fi-ku- werde ihm für da- an B verkaufte Grundstück einen höheren Kaufpreis zahlen, al- B bezahlt hatte.

Fassung eines gewissen Entschlusses und also zur Abgabe der Erklärung bestimmt worden ist. Hier ist es aber nicht der Irrthum, sondern der Betrug, der zur Anfechtung berecktigt. Die Folge ist, daß eine empfangsbedürftige Willens­ erklärung nicht angefochten werden kann, wenn nicht der Empfänger, sondern ein Dritter die Täuschung verübt hatte und der Empfänger von der Täuschung nichts weiß. Denn dann ist für Diesen die Willenserllärung nur eine auf Irrthum im Motiv beruhende. Anders behandelt das alte und das neue Recht letztwillige Verfügungen. Eine solche ist anfechtbar, wenn der Erblasser „durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes bestimmt worden ist", ei alias legaturus non fuisset, d. h. wenn der irrige Beweggrund sein einziges Motiv bildete (§ 2078 Abs. 2.). 2. Der Willensentschluß. Der Willensentschluß ist ge­ richtet auf Verwirklichung einer bestimmten Geschäftsabsicht: sie hat einen bestimmten Inhalt. Diesen Inhalt zu verwirklichen, bedarf es einer Erklärung. Soll diese Erklärung den ge­ wünschten Erfolg erreichen, so muß sie denselben Inhalt haben, wie der Entschluß. Denn eine Rechtsfolge kann nicht durch das Dasein eines bloßen Entschlusses, sondern nur durch die Er­ klärung herbeigeführt werden. Wird nun in Folge Irrthums d. h. entweder einer falschen oder ohne jegliche Vorstellung etwas Anderes erllärt als gewollt ist, so tritt zwar unaus­ bleiblich die Folge ein, daß der Erklärende nicht das erreicht, was er will, ob aber die Erklärung nichtig ist, hängt weiter davon ab, ob das Recht eine Berufung auf jenen Irrthum ge­ stattet. Das BGB spricht in diesem Falle von einem Irr­ thum über den Inhalt der Erklärung (§ 119) und ge­ stattet, wie das bisherige Recht eine Berufung auf diesen Irrthum nicht immer. Das alte Recht ließ die Berufung vielmehr nur dann zu, wenn der Irrthum einen wesentlichen Bestandtheil der Willenserklärung betraf. Man hat von jeher nach einem Maßstabe für die Wesentlichkeit gesucht, und die herrschende gemeinrechtliche Lehre hat als einen unter allen Umständen wesentlichen Bestandtheil bezeichnet die Natur des Geschäftes und den Gegenstand der Willenserklärung, dagegen es als Thatfrage hingestellt, ob die Person oder gar die Eigenschaften des anderen Theiles wesentlich seien. Die Eigenschaft einer Sache war nur dann wesentlich, wenn das Fehlen dieser Eigenschaft die Sache nach den Verkehrsanschauungen zu einem anderen Verkehrs­ gegenstande machte. Dagegen war die Berufung auf einen solchen „wesentlichen Irrthum" regelmäßig^ auch dann zulässig, wenn

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er unentschuldbar war, denn seine Vermeidlichkeit ändert nichts daran, daß das Erklärte nicht das Gewollte ist. Weiter machte sich bei der Zulassung einer ^Berufung aus wesentlichen Irrthum der Gegensatz der Willenstheorie und der Erklärungstheorie geltend. Denn während jene den Irrthum beachtete, wenn die falsche Vorstellung für den Irrenden von Bedeutung ist, läßt ihn die letztere unbeachtet, wenn der andere Theil berechtigter Weise zu der Meinung kommen konnte, daß die Erklärung dem Willen des Erklärenden entspreche. Eine der vermittelnden Ansichten unterscheidet zwischen Verkehrs- und Nichtverkehrsgeschäften, und beachtet den wesentlichen Irrthum nur bei den letzteren. Das neue Recht vermeidet es, bestimmte Bestandtheile des beabsichtigten Gej'chäftsinhaltes für unbedingt wesentlich zu erklären, stellt (§ 119) vielmehr für die Wesentlichkeit des Irrthums a) bei allen Rechtsgeschäften (§§ 119, 2078) den subjektiven Maßstab auf, daß der Irrthum nur dann zu beachten sei, wenn der Erklärende bei Kenntniß der Sachlage anders gehandelt, und b) bei Rechtsgeschäften unter Lebenden daneben den objektiven Maßstab, nach welchem der Irrthum nur dann Berücksichtigung findet, wenn der Erklärende bei ver­ ständiger Würdigung des Falles anders gehandelt haben würde. Bei letztwilligen Verfügungen wird also lediglich den per­ sönlichen, wenngleich vielleicht wunderlichen Anstauungen des Erblassers, bei Rechtsgeschäften unter Lebenden aver auch allge­ meinen Anschauungen Rechnung getragen. Indem so das BGB die Bedeutung des Irrthums für den Irrenden berücksichtigt, folgt es der Willenstheorie, und soweit es den Erklärenden an die Erklärung dann bindet, wenn sein abweichender Wille nach der Annahme eines verständigen Menschen belanglos ist, folgt es der Erklärungstheorie. Es wird also auch bei einem Irr­ thum über die Art und den Gegenstand des Geschäftes jener Maßstab anzulegen sein. Was Inhalt der Willenserklärung ist, muß in jedem be­ sonderen Falle durch Auslegung ermittelt werden. Das BGB rechnet kraft ausdrücklicher Vorschrift (8 119 Abs. 2) hierzu auch die Eigenschaften der Person oder der Sache dann, wenn sie im Verkehr als wesentlich angesehen werden, darin der herrsckenden Lehre des gemeinen Rechtes folgend. Da aber auch der Gegenstand des Geschäftes zum Inhalte der Erklärung

gehört, so wird in Zukunft kein Zweifel mehr darüber ob­ walten, daß der Irrthum über die Identität der gewollten mit der in der Erklärung bezeichneten Sache nicht bloßer Irrthum im Motiv ist. 3. Die Erklärungshandlung. Sie verlangt, wie jede Handlung, einen gerade auf sie gerichteten Entschluß. Es kann daher geschehen, daß zwar diejenige Erklärung gewollt ist, welche dem wahren Willen entspricht, daß aber die Erklärungs­ handlung, die bloße Willensäußerung, fehlgeht. Das BGB (§ 119) sagt in diesem Falle, daß der Erklärende „eine Erklärung dieses Inhaltes überhaupt nicht abgeben wollte." Dies geschieht, wenn der Erklärende sich verspricht, verschreibt, vergreift. Gleichgestellt ist ihm vom BGB der Fall, daß mit der Uebermittlung einer Erklärung ein Bote oder eine Anstalt betraut, daß von dieser aber die Erklärung unrichtig über­ mittelt worden ist. Er mußte von der Willenstheorie anders behandelt werden als von der Erklärungstheorie (RG 28, 16). Das BGB hat in § 120 den Streit entschieden, indem es ein Anfechtungsrecht gewährt und dies an dieselben Voraussetzungen knüpft, von denen die Anfechtung einer Willenserklärung wegen Irrthums abhängt (§ 119). Es kommt dabei weder darauf an, ob die Mittelsperson arglistig oder fahrlässig gehandelt, noch ob höhere Gewalt an der Unrichtigkeit die Schuld trägt; ent­ scheidend allein ist die Unrichtigkeit der an den Empfänger gelangten Mittheilung. Ist eine andere Erklärung mitgetheilt, so ist diese nichtig. Die Wirkung des hiernach wesentlichen Irrthums war nacb altem Recht Nichtigkeit des Geschäftes. Nach neuem Recht ist oie Wirkung sowohl des Irrthums im Inhalt — soweit er Berücksichtigung verdient — als auch des Fehlgehens der Er­ klärung bloße Anfechtbarkeit des Geschäfts (§ 119). Der Irrende kann also das Geschäft bestehen lassen, wenn er das erklärte Geschäft nicht für unvortheilhaft hält oder wenn er die mit der Anfechtung verknüpften Weiterungen fürchtet. Daher hat auch der Dritte mit der Gültigkeit des Geschäftes so lange zu rechnen, als es nicht angefochten ist. Die Anfechtung muß unverzüglich nach der Entdeckung des Irrthums d. h. ohne schuldhaftes Zögern erfolgen, mit dem Ablaufe von 30 Jahren seit Abgabe der Willenserklärung aber erlischt das Anfechtungs­ recht ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt jener Entdeckung (§ 121). Anfechtungsberechtigt ist gegenüber Rechtsgeschäften unter Lebenden der Irrende, gegenüber letztwilligen Verfügungen der, dem die irrige Verfügung zum Nachtheil gereicht. ;

112 Weder nach gemeinem Recht noch nach BGB kommt es auf Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit des Irrthums an. Der Irrende, der das Geschäft mit Erfolg angefochten, ist sogar ohne Rücksicht auf sein Verschulden zum Schadensersätze ver­ pflichtet, und zwar bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen dem andern Theile, bei nicht empfangsbedürftigen jedem Dritten gegenüber. Zu ersetzen ist, weil das Geschäft durch die An­ fechtung nichtig wird, der andere Theil also keinen Anspruch auf Erfüllung hat, das sog. negative Interesse d. h. das, was der Andere oder der Dritte dadurch verliert, daß er auf die Gültig­ keit der Erklärung vertraut, nur nicht über das sog. Erfüllungs­ interesse hinaus (§ 122). Die Schadensersatzpflicht wird nur durch des Geschädigten Kenntniß oder seine schuldhafte Unkenntniß von dem Irrthum ausgeschlossen (§ 122 Abs. 2) und besteht überhaupt nicht gegenüber letztwilligen Verfügungen (§ 2078 Abs. 3). Ist bei einem Vertrage die Willenserklärung auch nur eines Theiles von Anfang an oder in Folge Anfechtung nichtig, so ist der ganze Vertrag nichtig, weil es in diesem Falle an der übereinstimmenden Willenserklärung fehlt. § 39. Die Freiheit der Willenserklärung. Das Recht schützt den Erklärenden gegen die auf seinen Willen von außen einwirkenden nachtheiligen Einflüsse, welche die Freiheit der Willensentschließung beeinträchtigen. Hierher gehört insbesondere die arglistige Täuschung und die Drohung. 1. Wer in böslicher Absicht durch Angabe falscher oder durch Unterdrückung wahrer Thatsachen in einem Andern einen Irrthum erregt oder seiner Verpflichtung zuwider ihn in einem Irrthum erhält, der begeht einen civiwechtlichen Betrug, und wird verantwortlich, wenn er sein Ziel erreicht. Der Begriff des Betruges im civilrechtlichen und im strafrechtlichem Sinne (§ 263 StGB) ist daher nicht der gleiche. Denn zum That­ bestände des civilrechtlichen Betruges gehört weder die Absicht, einen Vortheil zu erringen, noch die, einen andern zu schädigen, es reicht die rechtswidrige Absicht schlechthin aus. Eine solche aber ist schon in dem Bewußtsein enthalten, daß die Täuschung eine Schädigung verursachen kann.*) Die Verantwortlichkeit für den Betrug besteht in jedem Falle in der Verpflichtung, das volle Interesse zu leisten, eine Pflicht, die auch den am erschlichenen Geschäft als Kontrahenten nicht betheiligten Dritten trifft; der Klage aus dem betrügerischen

*) ROHG 9, 153; RG 23, 137.

Geschäft steht, selbst wenn sie vom Singularsuccessor erhoben wird, die exceptio doli (specialis oder praeteriti) entgegen. Das betrügerische Geschäft ist ferner für den Betrogenen anfecht­ bar, wenn ohne den Betrug das Geschäft nicht geschlossen worden wäre (dolus causam dans); wäre ohne den Betrug das Geschäft zwar geschlossen worden, doch unter anderen für den Betrogenen günstigeren Bedingungen (dolus meidens), so bleibt dem Betrogenen nur der Schadensersatzanspruch'). Auf die Art des Irrthums kam es nicht an, wenn er aber ein wesentlicher war, so war das Geschäft aus diesem Grunde nichtig. Dieselben Grundsätze stellt Vas BGB in § 123 auf: es giebt im Falle des dolus causam dans ein Anfechtungsrecht, dieses Recht kann aber geaen den Dritten, der unmittelbar d. h. nicht erst durch Abtretung (vgl. § 328) ein Recht auS dem Geschäft erworben hat, nur dann wirksam werden, wenn er die Täuschung kannte oder kennen mußte. Wie im römischen Recht die actio doli, so ist nach BGB die Anfechtung einer empfangs­ bedürftigen Erklärung gegen den Empfänger nur dann begründet, wenn dieser die von einem Dritten verübte Täuschung kannte oder kennen mußte. Bei der Täuschung ist also Grund des Anfechtungsrechtes nicht der Irrthum des Getäuschten, sondern da- rechtswidrige Verhalten des Gegners. Die exceptio doli ist wie nach altem Recht begründet, auch wenn das Recht, die erschlichene Erklärung anzufechten, verjährt ist (§ 853). 2. Der in körperlicher Ueberwältigung bestehende Zwang (vis absoluta) schließt den Willen des Ueberwältigten aus. Die bloße Androhung eines Uebels, die Drohung (vis com­ pulsiva), beeinträchtigt nur die Freiheit des Willens, indem sie einen Beweggrund schafft, der andernfalls für den Erklärenden nicht bestimmend gewesen wäre (etsi coactus tarnen voluit). Es bedarf daher des Anfechtungsrechtes, um die erzwungene Erllärung zu beseitigen. Ein solches Anfechtungsrecht fehlte dem altrömischen Civil­ recht, das prätorische Recht aver half durch Gewährung der actio quod metus causa, durch exceptio, durch restitutio in inte­ grum. Ihm folgte das gemeine Recht und diesem folgt das BGB (§ 123). Nach altem wie neuem Recht ist Grund des An­ fechtungsrechtes aber nicht das rechtswidrige Verhalten des einen Theiles, sondern die Willensunfreiheit des andern Theiles. Daher richtet es sich nicht blos gegen den Urheber der Drohung, fordern gegen jeden, der aus dem erzwungenen Geschäft einen *) RtgelSberger § 116 III 2. En-elmann. d. bürgerliche Necht Deutschlands.

114 Vortheil hat: die a. quod meins causa ist also nach beiden Rechten eine a. in rem scripta. Das römische Recht legt bei Beurtheilung der Drohung einen objektiven Maßstab an, indem es nur Dasjenige Uebel berücksichtigt, durch das ein constantissimus homo1) einge­ schüchtert werden kann. Das BGB dagegen begnügt sich mit der Thatsache, daß der Erklärende bestimmt worden ist, und nimmt keine Rücksicht auf die Möglichkeit, daß ein Anderer die­ selbe Drohung unbeachtet gelassen haben würde. Beide Rechte aber verlangen, daß die Drohung es war, welche die ange­ fochtene Erklärung veranlaßte, und daß die Drohung eine widerrechtliche war, daß der Drohende im gegebenen Falle zu dieser Drohung nicht berechtigt war?) Ist das Ziel, das Der Drohende verfolgt, ein unerlaubtes, so ist die Drohung stets eine widerrechtliche. Das BGB knüpft bei Betrug und Drohung das Anfechtungs­ recht an eine doppelte Ausschlußfrist, nämlich a) von einem Jahre, welches mit der Beseitigung der Willens­ unfreiheit beginnt, b) von dreißig Jahren, welche mit der Abgabe der Willens­ erklärung beginnen und ablaufen, auch wenn der Zustand der Unsteiheit nicht beseitigt wird (vgl. § 124). Die exceptio meins verbleibt dem Bedrohten nach altem und neuem Recht auch nach der Verjährung des Anfechtungs­ anspruches (§ 853). 8 40.

Die Form der Rechtsgeschäfte.

Unter Form versteht man nicht nur das Mittel, das dem Gedanken überhaupt Ausdruck giebt, sondern insbesondere auch die Einkleidung des Gedankens in eine bestimmte Gestalt der mündlichen oder schriftlichen Rede. Nur in diesem letzteren Sinne wird das Wort verwerthet, wenn man von der Form der Rechtsgeschäfte spricht, denn nur dann unterliegt die Willens­ äußerung einer Form, wenn für sie ein bestimmtes Ausdrucks­ mittel vorgeschrieben ist. Diese Vorschrift kann auf Gesetz oder Rechtsgeschäft be­ ruhen, man spricht deshalb von gesetzlicher und von gewill­ kürter Form. In den Anfängen der Rechtsentwicklung bewegt sich der ge­ schäftliche Verkehr in strengen, solennen, mit Symbolen ver­ knüpften Formen. Alle Erklärungen, die nicht in die sakrale *) L. 6 D quod met. caus. 4, 2. 2) Bestritten.

Form gekleidet sind, sind für das Recht gleichgültige Vorgänge. Mit der Entwicklung des Verkehrs aber lockern sich die Formen, weil die vorhandenen einfachen Geschäststypcn nicht mehr aus­ reichen, den neuen wirthschaftlichen Bedürfnissen zu entsprechen. Der Gang der Rechtsentwicklung im römischen und im deutschen Recht war daher ein langsamer Uebergang von äußerster Formenstrenge zu immer größerer Formfreiheit. Im altrömischen Rechte kam für mehrere Rechtsgeschäfte die Anwendung von Erz und Wage (per aes et libram) vor, so für die Eigenthumsübertragung an sog. res mancipi die mancipatio und für das Darlehn das nexum, ferner die An­ wendung solenner Worte bei der stipulatio, acceptilatio. heredis institutio, beim legatum, die Anwendung der Schrift bei der literarum obligatio, endlich hier wie im deutschen Recht die Anwendung eines Scheinprozesses zur Einkleidung rechtsgeschäft­ licher Erklärungen (in jure cessio, Auflassung). Auch das deutsche Recht besaß einen reichen Formenschatz *), die Rechts­ geschäfte vollzogen sich „mit Hand und Mund" d. h. mit der Vornahme einer symbolischen Handlung und dem Gebrauche einer Wortformel?); zahlreiche Geschäfte konnten nur in der Gerichtsversammlung vorgenommen werden und verlangten eine feierliche Einführung des Erwerbers in das erworbene Recht (die investitura). Daneben entwickelte sich die Gepflogenheit, wichtigere Erklärungen in „Brief und Siegel" zu geben, und der Handelsverkehr schuf in der Schriftform ein für zahlreiche Geldgeschäfte unumgängliches Ausdrucksmittel. Bei der Rezeption des römischen Rechtes wurden dessen Formen, soweit sie im justinianischen Gesetzbuche überhaupt noch Anerkennung gefunden hatten, nicht überall mit übernommen, insbesondere widersprach die Stipulationsform (Frage und Ant­ wort) deutscher Gewohnheit und wurde nicht rezipirt. Vielmehr entwickelte sich für das gemeine Recht der Grundsatz der Formfreiheit. Daneben blieben als Ausnahmen eine Reihe von Formbestimmungen stehen (z. B. für große Schenkungen). Partikularrechtlich aber erhielt sich eine große Zahl deutschrecht­ licher Formen. Man hatte bei ihnen stets zu prüfen, ob die Form nur ein Beweismittel schaffen, ob sie die Klagbarkeit oder die Gültigkeit des Geschäftes begründen sollte. Das alte HGB schloß sich in Art. 317 dem gemeinrecht­ lichen Grundsätze der Formfreiheit an und ihm ist das BGB gefolgt. Zum Ausdruck gebracht ist dieser Grundsatz ') S) eu611r: Institutionen des deutschen PrioatrechtS I §§ 17, IS. a) Schröder: Deutsche Rechtögeschichte § 11.

116

dadurch, daß nur für einzelne Geschäfte eine Form vorge­ schrieben ist. Die Nichtbeobachtung der vom Gesetze verlangten Form hat die Nichtigkeit deS Geschäftes zur Folge (§ 125). Bei Verletzung der gewillkürten Form ist es Sache der Auslegung, welche Bedeutung man der Formvor­ schrift beimessen wollte, doch ist nach BGB (§ 125) im Zweifel anzunehmen, daß Nichtbeachtung der Form auch hier Nichtig­ keit des Geschäftes nach sich ziehen soll. Diese Grundsätze gelten jetzt auch für das Handelsrecht. Das BGB und das HGB kennen folgende Formen: I) Schriftlichkeit. Diese Form verlangt, daß die Er­ klärung niedergeschricben und daß diese Schrift von dem Er­ klärenden entweder mit der eigenhändigen Namensunter­ schrift oder mit einem gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichen unterzeichnet wird (§ 126). Ein Vertrag muß von beiden Parteien unterzeichnet werden und zwar auf der­ selben Urkunde. Werden über den Vertrag aber mehrere gleich­ lautende Urkunden ausgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unter­ zeichnet. Da die gerichtliche und die notarielle Form eine Steige­ rung der Schriftform bilden, so wird die Schriftform durch diese gesteigerte Form ersetzt (§ 126). Schriftform ist vorgeschrieben: 1) für daS Stiftungsgeschäft unter Lebenden (81), 2) zur Mittheilung von der Schuldübcrnahme an den Gläubiger im Falle des § 416, .3) für das Leibrentenversprechen (§ 761 >, 4) sür die Bürgschaftserklärung (§ 766), 5) für das selbständige Schuldversprechen (tz 780, 782), 6) für das Schuldanerkenntniß (§§ 781, 782), 7's für die Anweisung, deren Annahme und Uebertragung (§§ 783, 784, 792), 8> für das auf den Inhaber lautende Schuldversprechen § 793), 9) für den auf länger als ein Jahr geschlossenen Mieth- oder Pachtvertrag (§§ 566, 581), 10) für Abtretung der Briefhypothek (§§ 1154, 1192), 11) für das Testament wahlweise mit anderen Formen (§ 2231). Das neue HGB entbindet die unter 4, 5, 6 genannten Ge­ schäfte von der Schriftform, wenn die Bürgschaft auf Seite des Bürgen, das Versprechen oder das Anerkenntniß auf Seite des Schuldners ein Handelsgeschäft und dort der Bürge, hier der Schuldner Vollkaufmann ist (§ 350). Hieraus folgt zugleich, daß alle andern Geschäfte, für welche das BGB eine Form

verlangt, dieser Form auch dann unterliegen, wenn sie Handels­ geschäfte sind. Außerdem verlangt das HGB Schriftform 1) für die Erklärung, daß der Lehrling zu einem anderen Gewerbe oder einem anderen Berufe übergehen werde (§ 78), 2) für die Ausgabe von Aktien (§§ 179, 320) *), 3) für die Zeichnung von Aktien (§§ 189, 281, 320), 4) für die übrigen «kripturobligationen, die Anweisung, den Frachtbrief, den Ladeschein, den Lagerschein, die Versiche­ rungspolice, die Verbodmung. Nur der schriftlich abgeschlossene Lehrvertrag begründet ein Recht, die Zurückführung des entlaufenen Lehrlings zu ver­ langen (§ 130 Gew. O., ähnlich § 79 HGB). Die Nichtigkeit einer formlos abgegebenen Bürgschafts­ erklärung wird durch Erfüllung der Hauptverbindlichkeit durch den Bürgen geheilt (§ 766 BGB), und die Folge der Berletzun^ der für den Miethvertrag vorgeschriebenen Form ist nicht Nichtigkeit des ganzen Vertrages, sondern nur der Vereinbarung über die Vertragsdauer (§ 566 BGB). Für die gewillkürte Schriftform gilt dasselbe, was für die gesetzliche Schriftform bestimmt ist, mit zwei Abweichungen: a) daß für alle Erklärungen im Zweifel die telegraphische Uebermittelung genügt, b) daß Verträge im Zweifel durch Briefwechsel geschlossen werden können. Doch kann in jedem Falle Nachholung der gesetzlichen (ordentlichen» Schriftform verlangt werden (§ 127 BGB).

II. Die gerichtliche oder notarielle Beurkundung. Diese Form besteht (§§ 168—182 FGG) darin, daß der Richter oder der Notar (die Urknndsperson) die mündlich abgegebene Willensäußerung entgegennimmt und in ein von ihm ab­ gefaßtes Protokoll bringt; das Protokoll ist in deutscher Sprache abzufassen, es hat Ort und Tag der Verhandlung, die Betheiligten und die mitwirkenden Personen anzugeben, es ist den Betheiligten vorzulesen, von ihnen zu genehmigen und eigenhändig zu unterschreiben, ferner aber auch von allen mit­ wirkenden Personen zu unterzeichnen. Die Zuziehung eines Gerichtsschreibers oder zweier Zeugen (bei gerichtlicher Be­ urkundung), oder eines zweiten Notars oder zweier Zeugen (bei notarieller Beurkundung) ist grundsätzlich nicht nothwendig, viel­ mehr nur für die gerichtliche oder notarielle Beurkundung von Testamenten und Erbverträgen vorgeschrieben (§§ 2233, 2276

*) vgl. wegen der Unterschrift § 181.

118 BGB)'). Ist ein einseitiges Rechtsgeschäft zu be­ urkunden, so ist die Erklärung mit der Fertigstellung des Protokolls vollendet, bei Aufnahme von Verträgen genügt es, daß zunächst der Antrag und sodann die Annahme deS Bertragsantrages beurkundet wird (§ 128). Jene Form ist vor­ geschrieben insbesondere für das Schenkungsversprechen (§ 518) und zwar ohne Rücksicht auf das Maß der Schenkung, für das Testament (§§ 2231, 2238), und ferner in den Fällen der §§ 1516, 1517, 1730. 1748, 2291, 2296, 311, 312, 313, 873, 876,1501, 2033, 2348, 2352, 2371. Ausnahmsweise wird verlangt, daß beide Kontrahenten gleichzeitig anwesend seien. Diese letztere Form ist insbesondere vorgeschrieben für die Auf­ lassung (§ 925), welche vor dem zuständigen Grundbuchamt erfolgt4), für die Bestellung des Erbbaurechts (Grundbuchamt § 1015), für den Ehevertrag (Gericht oder Notar § 1434), den Adoptionsvertrag (Gericht oder Notar § 1750), den Erbvertrag (Gericht oder Notar § 2276) und den Vertrag, durch den eine vertragsmäßige letztwillige Verfügung aufgehoben wird (§ 2290), sowie für die Errichtung der Aktiengesellschaft (§ 182 HGB). III. Die öffentliche Beglaubigung einer Erklärung besteht darin, daß die Willenserklärung schriftlich abgefaßt und die Unterschrift des Erklärenden vor der Urkundsperson vollzogen oder anerkannt und darauf von der Urkundsperson unter die Unterschrift oder das Handzeichen ein Vermerk gesetzt wird, inhalts welcher die Unterschrift oder das Handzeichen als von dem Erklärenden herrnhrend beglaubigt wird (§ 183 FGG). Hier wird also die Erklärung nicht vor der Urkundsperson abgegeben, sondern sie wird ihr fertig vorgelegt. Diese Form wird aber durch die notarielle oder gerichtliche Beurkundung er­ setzt. Sie ist vorgeschrieben für die Fälle bet §§ 371, 403, 411, 1035, 1155, 1342, 1372, 1491, 1528, 1577, 1597, 1662, 1706, 1915. IV. Eine nur für die Eheschließung zugclassene Form ist die Erklärung vor dem Standesbeamten und die daran ge­ knüpfte Erklärung des Standesbeamten. Das einer Form unterworfene Rechtsgeschäft ist nicht ohne weiteres ein sog. Formalgeschäft. Von einem solchen spricht man nur dann, wenn die Willenserklärung zugleich eine sog. abstrakte ist, d. h. von ihrem Rechtsgrunde nicht abhängt, das Gesetz sie aber nur deshalb zuläßt, weil sic einer festbestimmten Form entspricht. Hierher gehörten im römischen Recht das uexum, die *) Ueber erschwerte Förmlichkeiten §§ 169, 178, 179 FGG. 2) Dgl. aber den Vorbehalt sür die Landesgesetze in Art. 143 EG. z. BSB.

stipulatio, der Literalkontrakt, heute namentlich der Wechsel, das auf den Inhaber lautende Schuldversprechen, die Auflassung, die Bestellung einer Grundschuld. Bei ihnen ersetzt die Form den Rechtsgrund, während bei anderen Geschäften die Form zum Rechtsgrunde Hinzutritt. Eine von der neuesten Reichsgesetzgebung herübergenommene Einrichtung des deutschen Rechts sind die öffentlichen Bücher. Sie sind bestimmt, gewisse für Dritte besonders wichtige Vor­ gänge in sich aufzunehmen. Die öffentlichen Bücher genießen öffentlichen Glauben, d. h. die in ihnen enthaltenen Eintragungen gelten als wahr und als vollständig, sie sind ferner einem Jeden oder doch dem, der ein Interesse an der Einsichtnahme glaubhaft macht, zugänglich. Die in ihnen vorgenommenen Eintragungen haben entweder a) eine blos beurkundende Wirkung, indem sie einen rechtlich wichtigen Vorgang zur Kenntniß dessen bringen, der das Buch cingesehen hat, und gelten deshalb regelmäßig als demjenigen bekannt, der das Buch hätte einsehen sollen; oder b) rechtsbegründendeWirkung, indem sie einen Rechtsvorgang vollenden und mit einer Rechtsfolge versehen, die er an sich nicht hat. Hierhin gehören die meisten Eintragungen im Grundbuch und z. B. die Eintragung einer Aktien­ gesellschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eines einzutragenden Vereines. Der Gegensatz wird an den betreffenden Stellen hervor­ gehoben werden.

8 41.

Die Bestandtheile der Rechtsgeschäfte.

Man unterschied bisher und wird auch unter der Herrschaft des neuen Rechts unterscheiden: 1. die wesentlichen Bestandtheile, die essentialia, d. h. die Erfordernisse, ohne welche das erklärte Rechtsgeschäft nicht als solches bestehen kann als welches es die Parteien be­ zeichnen. Hierhin gehört z. B. beim Darlehn die Pflicht zur Rück­ gabe, beim Kauf eine Vereinbarung über Gegenstand und Preis; 2. die außerwesentlichen Bestandtheile, die accidentaliä, d. h. die Festsetzungen, durch welche die gesetzlichen Folgen des Geschäftes in Nebenpunkten ausgeschlossen oder geändert werden. Diese gesetzlichen, also natürlichen Folgen bezeichnet man häufig mit dem Ausdruck naturalia negotii, obwohl sie nicht Bestandtheile, sondern von selbst eintretende Folgen des Geschäftes sind. So haftet der Verkäufer für Fehler und Mängel der Kauf­ sache ; das ist naturale negotii. Die Abrede, daß der Verkäufer nicht haften solle, ist ein accidentale, eine Nebenabrede.

120

Wesentliche Bestandtheile sind aber nicht allein diejenigen, welche das Gesetz, sondern auch die, welche auch nur eine Partei für wesentlich ansieht, d. h. von deren Festsetzung die Partei ihre Willenserklärung abhängig macht. Es kann z. B. geschehen, daß der Verkäufer sich nur unter der Bedingung zum Vertrags­ schlüsse versteht, daß ein bestimmter Ort als Erfüllungsort fest­ gesetzt werde. Ist eine Einigung noch nicht über alle wesent­ lichen Erfordernisse erzielt oder ist die Abrede über ein solches Erforderniß nichtig, so ist ein Vertrag nicht geschlossen. Daher ist ein Rechtsgeschäft, das die Parteien als Kauf bezeichnen, bei dem aber ein Preis nur zum Scheine verabredet ist, kein Kauf­ vertrag (§ 154 BGB). Wird die für das Rechtsgeschäft vorgeschriebcne Form zwar beobachtet, aber eine wesentliche Bestimmung nicht in dieser Form getroffen, so ist das ganze Rechtsgeschäft ein formloses, also nach BGB (§ 124) nichtiges. Wird eine Nebenbestimmung in form­ loser Weise getroffen, so ist nur diese ungültig. Es gilt also in diesem Nebenpunkte das, was das Gesetz bestimmt. Ist also z. B. schriftliche Form vorgeschrieben, die Parteien haben aber nur mündlich eine bestimmte Erfüllungszeit vereinbart, so kann der Gläubiger sofortige Leistung verlangen, weil das Gesetz (§ 271 BGB) ihn hierzu berechtigt. Besonders wichtige Bestanvtheile der Rechtsgeschäfte bilden die Bedingungen und die Zeitbestimmungen.

§ 42. Das bedingte Rechtsgeschäft. 1. Bedingung ist nach altem und neuem Recht (§§ lob ff. BGB) ein ungewisser Umstand, von dessen Eintritt oder Nicht­ eintritt die Wirkung eines Rechtsgeschäftes abhängig gemacht ist. Der Umstand muß ein ungewisser sein. Daraus folgt, daß nach altem und neuem Recht keine Bedingungen sind a) die sog. unmögliche Bedingung, welche ein Ereigniß setzt, von dem beim Geschäftsschluß sicher ist, daß es nicht ein­ treten wird. Ob den Betheiligten die Unmöglichkeit be­ wußt ist oder nicht, macht keinen Unterschied. Nachträglich eintretende Unmöglichkeit bedeutet den Ausfall der Be­ dingung; b) die sog. nothwendige Bedingung, welche ein Ereigniß setzt, dessen Eintritt beim Geschäftsabschluß sicher ist. Hierher gehört auch ein unmöglicher Umstand, dessen Nichteintritt rur Bedingung gemacht ist; c) oie auf vergangene oder gegenwärtige Thatsachen gestellte Bedingung (conditio in praeteritum — in praesens collata). Daß für die Betheiligten eine Ungewißheit vor-

Handen ist, macht das Ereigniß nicht zu einem objektiv un­ gewissen, das Rechtsgeschäft also nicht zu einem bedingten. Doch ist der Rücktritt möglich, wenn die vorausgesetzte Thatsache nicht eingetteten ist, z. B. wenn ein Hund unter der „Bedingung" gekauft ist, daß er auf der vorigen Preis­ suche den ersten Preis erhalten hat (§ 459 BGB). In allen diesen Fällen ist das Rechtsgeschäft kein bedingtes, im Falle der Unmöglichkeit der Bedingung aber ist das Rechts­ geschäft nichtig. Das römische Recht (und mit ihm das gemeine Recht) behandelte bei letztwilligen Verfügungen die unmögliche Bedingung als nicht geschrieben. Das BGB kennt diese Aus­ nahme nicht. Als unsittliche Bedingung bezeichnet man diejenige, durch welche eine Rechtswirkung von der Vornahme einer gegen das Gesetz oder gegen die guten Sitten verstoßenden Handlung abhängig gemacht wird. Das römische und gemeine Recht be­ handelte diese Bedingungen ebenso wie die unmöglichen, wes­ halb man sie als juristisch oder moralisch unmögliche bezeichnete. Das BGB spricht nicht von ungesetzlichen und unsittlichen Be­ dingungen, sondern von gesetzlich verbotenen und gegen die guten Sitten verstoßenden Rechtsgeschäften. Da solche Rechtsgeschäfte nichtig sind (§§ 134, 138), sind auch die mit unsittlichen Be­ dingungen versehenen Rechtsgeschäfte nichtig. Noch altem und neuem Recht bildet die Zulässigkeit der Beifügung einer Bedingung die Regel. Eine Ausnahme machen im römischen Recht die Acceptilation, die Adoption, der Anttitt

und die Ausschlagung der Erbschaft, nach neuem Recht die Ausrechnungserklärung (§ 388), die Auflassung (§ 925), die Ehe­ schließung (§ 1317), die Anerkennung der Ehelichkeit eines Kindes (§ 1598), die Annahme an Kindesstatt (§ 1742) und deren Wiederaufhebung (§ 1768), die Ehelichkeitserklärung (§ 1724), die Annahme und die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses (§§ 1947, 2180), die Annahme des Testamentsvollstteckeramtes. Dasselbe ergiebt sich für die Kündigung aus der rechtlichen Natur dieses Geschäftes. Wird einem solchen Ge­ schäfte eine (wahre) Bedingung beigefügt, so ist es unwirksam. Die Parteiwillenserklärung ist es, die einem Umstande die Bedeutung einer Bedingung beilegt. Daher sind solche Er­ eignisse, welche die selbstverständliche Voraussetzung einer be­ stimmten Rechtswirkung sind, keine wahren Bedingungen. Man pflegt sie conditiones Juris ju nennen, weil sie ihren Grund in Rechtsvorschriften haben. So ist z. B. das Mitgiftversprechen vom Eheabschluß abhängig. 2. Soll nach dem Willen der Parteien die beabsichtigte

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Wirkung des Rechtsgeschäfts erst mit der Erfüllung der Be­ dingung eintreten, so heißt die Bedingung eine aufschiebende (suspensive). Soll die beabsichtigte und sofort eintretende Wirkung des Geschäftes mit der Erfüllung der Bedingung auf­ hören, so heißt die Bedingung eine auflösende (resolutive). Im ersten Falle ist das Rechtsgeschäft selbst bedingt, im zweiten Falle ist es unbedingt, und nur seine Wiederaufhebung ist auf­ schiebend bedingt. Denselben Gegensatz mußte auch das BGB (§ 158) aufstellen. Der Zustand bis zum Eintritt ist das Schweben der Be­ dingung. Während dieses Zustandes ist der aufschiebend-bedingt Berechtigte noch nicht berechtigt, der bedingt Verpflichtete noch nicht verpflichtet. Aber es besteht für den bedingt Berechtigten eine Anwartschaft auf Erwerb des Rechts (eine sog. spea), die aus den Rechtsnachfolger des ursprünglich Berechtigten dann übergeht, wenn das bedingt zugesagte Recht selbst auf den Nachfolger übergeht, und gewisse Rechtswirkungcn äußert gegen­ über Gefährdungen desjenigen Rechtszustandes, der mit Eintritt der Bedingung entstehen soll. Dieser Rechtszustand kann dadurch gefährdet werden, a) daß der Eintritt der Bedingung von dem bedingt Verpftichteten wider Treu und Glauben verhindert oder von dem bedingt Berechtigten wider Treu und Glauben herbei­ geführt wird; bisheriges wie neues Recht (§ 162 BGB) sichern gegen diesen Nachtheil dadurch, daß sie nicht etwa einen — vielleicht werthlosen — Schadensersatzanspruch ge­ währen, sondern in jenem Falle den Eintritt, in diesem den Nichteintritt fingiren: b) dadurch, daß das unter der Bedingung eingeräumte Recht vereitelt oder beeinträchtigt wird; in diesem Falle wird vom alten wie vom neuen Recht (§ 160) unter der Voraus­ setzung eines Verschuldens des anderen Theiles dem Be­ rechtigten ein Schadensersatzanspruch gewährt, der natürlich davon abhängt, daß beim Eintritt der Bedingung das Recht entstanden sein würde; c) dadurch, daß über den Gegenstand des Geschäftes eine weitere Verfügung getroffen wird zu Gunsten eines Andern. So kann der, der eine Sache bedingt verkauft, aber noch nicht übergeben hat, dieselbe Sache an einen Anderen veräußern oder verpfänden. Das gemeine Recht gewährte dem bedingt Berechtigten in einem solchen Falle nur einen Anspruch auf Schadensersatz, das BGB (§ 161) dagegen erklärt die zweite Rechtshandlung insoweit für unwirksam, als sie das Recht des bedingt Berechtigten

verletzt, es schützt aber den zweiten Berechtigten dann, wenn er ein Recht in gutem Glauben erworben hat; d? dadurch, daß die Lage deS bedingt Verpflichteten sich erbeblicb verschlechtert. Das Gesetz behandelt diesen Fall nicht vesonoers; er kann Anlaß zu Arrest oder einstweiliger Ver­ fügung geben. Tritt die Bedingung ein, so wird die vorherige Ungewißheit beseitigt. Eine sog. negative Bedingung aber, d. i. diejenige, welche das Nichteintreten eines Ereignisses setzt, wird „existent" erst, wenn Gewißheit darüber herrscht, daß das Ereigniß nicht mehr eintreten wird. Die affirmative Bedingung schlägt fehl (deficirt), wenn die Gewißheit besteht, daß das Ereigniß, dessen Eintritt vorausgesetzt ist, nicht mehr eintreten kann. Mit dem Eintritt der Bedingung entstehen die beabsichtigten Rechtsfolgen: der suspensiv-bedingt Berechtigte erwirbt das Recht, der bedingt Verpflichtete wird verpflichtet. Die im gemeinen Recht bestehende Streitfrage, ob die Wirkung der eingetretenen Suspensivbedingung auf den Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses zurückbezogen werde, ist vom BGB durch eine dispositive Bestimmung gegen die rückwirkende Kraft entschieden worden (§§ 158, 159). Auch der Eintritt der Resolutivbedingung wirkt nach BGB „ex nunc“, während das gemeine Recht hier auf den Willen der Be­ theiligten sah. Nach der herrschenden Auffassung des gemeinen Rechts hat nicht nur der Eintritt der Suspensivbedingung, sondern auch der der Resolutivbedingung nicht obligatorische, sondern ding­ liche Wirkung, d. h. es entsteht keine persönliche Berpfllchtung, den früheren Zustand wiederherzustellen, sondern dieser Zustand tritt von selbst wieder ein. Das Gleiche gilt nach neuem Recht (§ 158 Abs. 2). 3. Zum Gegenstände einer Bedingung können sowohl zusällige Ereignisse als Handlungen der Betheiligten gemacht werden. Die ersteren heißen zufällige (kasuelle), letztere Potestativ­ bedingungen, wenn sie vom Willen des Berechtigten abhänaen. Zur Bedingung kann aber auch ein Ereigniß gemacht werden, das in der Macht des bedingt Verpflichteten steht, z. B. es kauft jemand Möbel unter der Bedingung, daß er im Mai seine Villa beziehen sollte. In diesem Falle kann der Verpflichtete zwar den Eintritt der Bedingung vereiteln, gleichwohl macht eine solche Bedingung das Rechtsgeschäft nicht ungültig. Um den bedingt Verpflichteten an der Vereitelung zu hindern, kann eine Vertrags­ strafe stipulirt werden. Ist aber der Eintritt der Verpflichtung von dem bloßen Willen des Berechtigten oder Verpflichteten abhängig gemacht (si velis), so fehlt es an einem bindenden

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Willensentschluß, ein Rechtsgeschäft ist also nicht zu Stande ge­ kommen (Ausnahme: der Kauf auf Probe)*). Daß kein Zwang zur Erfüllung der Bedingung besteht, folgt aus dem Wesen der Bedingung (1. 41 pr. D. 18, 1). 8 43.

DaS befristete Rechtsgeschäft.

Wird der Eintritt einer Rechtswirkung oder deren Aufhören an einen Zeitpunkt (dies) geknüpft, so hat diese Bestimmung die Natur einer Bedingung dann, wenn es ungewiß ist, ob der Zeitpunkt eintreten wird oder nicht, selbst wenn der Zeitpunkt sich berechnen lassen würde, sog. dies incertus an; denn hier hängt die Wirkung des Geschäftes von einem künftigen unge­ wissen Ereignisse ab. Ist der Zeitpunkt dagegen ein solcher, der gewiß eintritt (dies certus an), so liegt eine Befristung auch dann vor, wenn der Zeitpunkt sich nicht berechnen läßt (incertus quando), z. B. der Tod eines Menschen. Es ist jedoch zu unter­ scheiden: a) Die Parteien wollen die Rechtswirkung des Geschäfts sofort eintreten lassen und nur die Geltendmachung dieser Wirkung hinausschieben, das Rechtsgeschäft ist ein be­ tagtes (§ 813 Aos. 2); in diesem Falle ist das Recht und bezw. die Verpflichtung mit dem Geschästsschluß entstanden, aber der Berechtigte darf nicht die Leistung verlangen; h) die Parteien wollen auch die Rechtswirkung des Geschäftes hinausschieben oder einschränken, das Rechtsgeschäft ist ein befristetes. Eine Willenserklärung aber, die erst von einem Anfangs­ termine ab oder nur bis zu einem Endtermine Rechtswirkung haben soll, gleicht einet Bedingung. Das BGB unterwirft daher ein solches Geschäft (§ 163) hinsichtlich des Zeitpunktes und der Absolutheit der Rechtswirkungen und des Anwartschaftsrechtes den für bedingte Geschäfte gegebenen Vorschriften. Geschäfte, die keine Bedingung vertragen, können auch nicht betagt oder befristet werden.

§ 44.

Willenserklärungen durch Stellvertreter.

Die Stellvertretung besteht in der Vornahme einer Rechts­ handlung an Stelle und im Namen eines Andern, also mit der vom Handelnden beabsichtigten Folge, daß die Wirkung der Rechtshandlung in der Person jenes Anderen entstehe. Verschieden vom Stellvertreter ist namentlich 1. der Bote. Während im Vertreter sich der zum Geschäfts') Windschtid 18 93. Rtgtlsbrrgrr 1 6.666. (L17,L27 § 1, 1. 99 § 1, 1. 115 ß 1. V. 0., 45,1.) Motive j. B«B. 1 6. 266.

abschluß erforderliche Wille bildet, dient der Bote nur der Uebermittlung des von einem Andern gefaßten und erklärten Entschlusses. Da aber auch er dem Auftraggeber eine Thätig­ keit erspart, ihn also im weiteren Sinne vertritt, so Pflegt man ihn Vertreter in der Abgabe der Willenserklärung, den eigent­ lichen Stellvertreter aber Vertreter in der Willensbildung zu nennen. Nicht der Vertreter, wohl aber der Bote kann geschäfts­ unfähig sein (§ 165). Da nur die dem andern Theile zuge­ gangene Erklärung rechtliche Bedeutung hat (§ 130), steht eine unrichtig übermittelte Erklärung einer solchen gleich, welche der Erklärende so nicht abgeben wollte (§ 120). 2. Derselbe Unterschied waltet zwischen dem Stellvertreter und dem Mäkler ob, da auch der letztere nicht das Geschäft durch eigne Willensbildung schließt, sondern als Bote beider Kontrahenten deren Willenserklärungen überbringt. Die Parteien können den Mäkler aber zum Stellvertreter machen. 3. Der Ersatzmann (und ein solcher ist der Kommissionär) schließt das Geschäft zwar in fremdem Interesse, aber in eigenem Namen, daher auch mit der Wirkung ab, daß das Geschäft sein Geschäft ist, ihn berechtigt oder verpflichtet und daß es also eines besonderen Rechtsaktes bedarf, die Rechtsfolge des Geschäftes auf den an seinem Abschluß Jnteressirten zu übertragen. Da auch er dem Betheiligten eine Thätigkeit erspart, so Pflegt man fälschlich auch ihn Vertreter zu nennen, ihn aber von dem wahren als dem unmittelbaren durch die Bezeichnung mittelbarer Stell­ vertreter zu unterscheiden. In Wahrheit ist die mittelbare Ver­ tretung keine Stellvertretung *). Das römische Recht kannte eine wahre Stellvertretung nur für den Besitzerwerb und den durch Besitzerwerb vermittelten Eigenthumserwerb, für das Darlehn, für das zur Sicherheit dieses bestellte Pfandrecht und für den Erbschaftserwerb. Im klebrigen kannte es nur den Geschäftsschluß durch Ersatzmänner. Tas prätorische Recht schuf durch die Zulassung die actiones exercitoria und institoria, sowie der actiones adjectitiae qualitatis einige Abhülfe'). Völlig umbildend auf das römische Recht wirkte alsdann ein im Mittelalter beginnendes, vom kanonischen Recht gefördertes') gemeines deutsches Gewohn­ heitsrecht, das für alle Geschäfte, für welche'eine Stellvertretung nicht ausgeschlossen ist, die eigentliche, unmittelbar wirkende Stell*) Außer den hier aufgeführien Gehülfen handeln al» solche auch die UrlundSperson, der Dolmetscher. Hierüber wird tm Obligationen- und im Familienrecht gesprochen werden. .3) Poteat quis per alium, quod potest facere per ae ipsum; qui facit per alium, eat perinde ac si faciat per ae ipsum (c. 68. c. 72 in VI o. de reg. jur. 5, 12).

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Vertretung zuließ (Prinzip der unmittelbaren Stell­ vertretung). Dieses gemeine deutsche Recht ist in die modernen Gesetz­ bücher, namentlich auch in das alte HGB (Art. 52, 298) und in das BGB (§ 164) übergegangen. Danach ist eine Stell­ vertretung dann vorhanden, wenn der Handelnde zur Abgabe einer Erkürung Namens einer anderen Person befugt ist und die ErNärung thatsächlich im Namen jenes Andern abgiebt. Das Geschäft ist aber dann Namens des Andern geschlossen, wenn dies der Vertreter ausdrücklich kundgiebt oder wenn die Umstände ergeben, daß es im Namen des Geschäftsherrn ge­ schlossen sein soll. Es kommt also im letzteren Falle nicht auf das Wissen des Erklärungsempfängers von der Stellvertreter­ eigenschaft des Erklärenden, sondern darauf an, ob Umstände vorliegen, die objektiv geeignet sind, dem Empfänger diese Kenntniß zu verschaffen?) Fehlt es an einer Kundgebung des Vertretungswillens, so ist der Handelnde Selbstkontrahent und kann sich nicht darauf berufen, daß er nicht für sich habe handeln wollen (§ 164 Abs. 2). Da Kontrahiren in eigenem Namen und Kontrahiren in fremdem Namen verschiedene Dinge sind, so ist die Behauptung, der Gegner habe nicht in eigenem, sondern in ftemdem Namen gehandelt, keine Einrede, sondern motivirtes Leugnen (RG 2, 194; 3, 122). Ob ausschließlich der Vertretene handelt und der Vertreler nur sein Werkzeug ist (Theorie Savignys), oder ob der Vertreter die ausschließlich handelnde Person ist (Repräsentationstheorie), oder ob endlich ein Zusammenwirken Beider stattfindet (Thöl), war streitig. Das BGB hat sich der Repräsentationstheorie, angeschlossen. Nach ihr ist zwischen Handlung und Wirkung zu unterscheiden. Da nämlich der Vertreter den zum Geschäftsschluß erforder­ lichen Willen selbst bildet, so sind die Erfordernisse gültiger Willensbildung und Erklärung nur nach der Person des Vertreters beurtheilt, insbesondere wird das Zustandekommen des Geschäfts nur durch Willensfehler des Vertreters beeinflußt. Dasselbe gilt von dem Einflüsse, den die Kenntniß oder das Kennenmüssen von gewissen Umständen nach sich zieht. Das BGB (8 166) stellt nur die Ausnahme auf, daß wenn der Vollmachtgeber dem Bevollmächtigten eine bestimmte Weisung ertheilt, gewisse Umstände aber selbst gekannt hat, er sich nicht darauf berufen darf, daß sein Vertreter diese Umstände nicht

•) Z B. der dem Verkäufer bekannte Gut-verwalter 8. kauft eint grißerr Anzahl Ackerpserdr. Hier ergeben die Umstände, daß der Kauf Namen- de- Gut-eigenthümer- geschloffen ist.

gekannt habe. Denn hier war die Willensbildung nicht aus­ schließlich Sache des Vertreters, sondern auch die des Ver­ tretenen. Da aber die Wirkung des Geschäfts in der Person des Vertretenen eintritt, so wird das Geschäft in allen seinen Rechtsfolgen nach der Person des Vertretenen beurtheilt (z. B. ob ein Handelsgeschäft vorliegt). Die Folge ist, daß der Vertreter nicht geschäftsunfähig sein darf, denn sonst würde er einen gültigen Entschluß nicht fassen können, daß er aber be­ schränkt geschäftsfähig sein kann, denn die von ihm begründeten Verpflichtungen sind nicht seine Verpflichtungen (§ 165). Die unmittelbare Beziehung der Rechtsfolgen des Geschäfts aus den Vertretenen bewirkt, daß der Vertreter ein Geschäft für sich und zugleich im Namen eines Andern, ja daß er als Ver­ treter verschiedener Personen zwischen diesen einen Vertrag schließen kann (RG 4, 302; 6, 11: 7, 119). Das BGB nimmt grundsätzlich denselben Standpunkt ein. Denn es läßt ein solches Kontrahiren des Vertreters sowohl im Falle besonderer Gestattung, als auch dann zu, wenn das vorgenommene Rechts­ geschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit be­ steht (§ 181). Daher kann insbesondere der Vormund und der Konkursverwalter gültig Zahlung leisten und erheben, indem er einen Geldbetrag aus der einen in die andere Kasse legt, ein Rechtsvorgang, den schon das römische Recht in Abweichung von seiner grundsätzlichen Auffassung zuließ (1. 9 §§ 5, 7, D. de adm. et peric. 26, 7). Natürlich aber reicht zum Selbstkontrahiren der bloße Willensentschluß des Vertreters nicht aus, es bedarf auch hier der Bethätigung des Entschlusses. In allen andern Fällen ist das Selbstkontrahiren des Vertreters nach dem BGB unzulässig (§ 181), weil es leicht zu Kollisionen führt. II. Voraussetzung der Wirksamkeit des vom Vertreter vor­ genommenen Geschäftes ist Vertretungsmacht des Stell­ vertreters. Das ohne diese Befugniß vom Vertreter vorge­ nommene Geschäft ist für den Vertretenen unverbindlich. Das Geschäft wird sein Geschäft erst dadurch, daß er es genehmigt (ratihabirt). Dies gilt sowohl nach altem als nach neuem Recht (§§ 177, 184). Die Ratihabition bewirkt nachträglich das, was vor Ausführung des Geschäftes die Vollmacht bewirkt: sie stellt die Verbindung zwischen dem Geschäftsbesorger und dem dominus her. Dadurch aber, daß der Ratihabent nicht mitkontrahirt, unterscheidet er sich von dem, der sich dem Gegenkontrahenten gegenüber zu einem nicht gültigen Vertrage bekennt. Daher genügt die Ratihabition dem Geschäftsbesorger gegenüber (§ 182)i). . der Aufhebung der alten unter gleichzeitiger Begründung einer neuen Obligation mit dem Inhalt der alten zu. Doch konnte durch Vertrag mit dem Gläubiger ein zweiter Schuldner neben den ersten treten. Das deutsche Recht ließ eine Uebernahme der Schuld unter Wahrung der Identität der Schuld zu. Insbesondere fand ein solcher Uebergang dann statt, wenn ein einzelner Vermögens­ gegenstand oder ein ganzes Vermögen, aus welchem die Mittel zur Tilgung der Schuld genommen werden sollten, seinen Herrn wechselte. Vom gemeinen Rechte wurde zwar das Rechtsinstitut der Novation übernommen, daneben aber die deutschrechtliche Auf­ fassung einer Rechtsnachfolge in die Schuld gewohnheitsrechtlich S; einem allerdings vielumstrittenen Rechtsinstitute ausgebildet'), as BGB behandelt das Institut der Novation nicht, indem es den Kontrahenten überläßt, ihrem Vertrage novierende Wirkung beizulegen, dagegen behandelt es als Schuldübernahme in §§ 414 bis 419 die Sondernachfolge in die Schuld. II. Von der Schuldüvernahme verschieden ist die Uebernahme der Erfüllung einer fremden Verbindlichkeit. Dieses Rechts­ geschäft wirkt nur unter den Parteien und ändert auch unter ihnen nichts an dem Bestände der Schuld. Schuldübernahme ist das Eintreten in die Verpflichtung eines Andern. Der Eintritt setzt entweder neben den ersten Schuldnereinenzweiten (kumulative Schuldübernahme), oder an die Stelle des bisherigen Schuldners einen andern (privative Schuldübernahme). III. Die kumulative Schuldübernahme schafft ein Gesammtschuldverhältniß. Das Eintreten des zweiten Schuldners konnte nämlich auch ohne Vertrag mit dem Gläubiger, allein durch Vertrag zwischen den Schuldnern geschehen. Aber auch in diesem Falle konnte der zweite Schuldner dem Ansprüche des Gläubigers nicht den Einwand entgegensetzen, daß der Antrag eine für den Gläubiger fremde Thatsache (res inter alias acta) sei, denn er hat dem Gläubiger ein Recht gewähren wollen. Dagegen konnte er ihm diejenigen Einwendungen entgegensetzen, die dem ersten Schuldner zustande«. Das moderne Recht nimmt aber eine kumulative Sch. selbst in dem Falle an, wenn ohne die ausdrückliche Uebernahme der Haftung ein ganzes Vermögen oder ein Vermögensinbegriff, mit welchem Schulden verbunden sind, übernommen wird, und das neue Recht erklärt in Ueber') Lgl. insbesondere Delbrück: Di« Uebernahme fremder Schulden. 1863. Dernburg Pand. II § 63. Stobbe: Deutsche» Prioatrecht III § 181. Bähr In den (letzt) gesammelten Abhandlungen I 62 ff. Unger: Schuldübernahmt 1889.

«inftimmung mit dieser Auffassung die Schuld in dem Sinne als einen passiven Bestandtheil des übertragenen Vermögens, daß den Uebernehmer sogar die Ausschließung oder Ablehnung der Haftung nicht befreit. Diese Folge verbindet § 419 BGB mit dem Ver­ trage, durch den Jemand das Vermögen eines Anderen übernimmt und § 25 HGB mit der Fortführung eines unter Lebenden er­ worbenen Handelsgeschäftes unter der bisherigen Firma. In jenem Falle wird der Uebernehmer aus allen, in diesem aus den im Betriebe des Handelsgeschäftes begründeten Verbindlich­ keiten des Veräußerers haftbar. Ein Uebergang der Schulden findet zwar auch dann statt, wenn der Erwerber eines Handebsgeschäftes die bisherige Firma nicht fortführt, doch ist der Uebergang hier nicht an die Thatsache der Fortführung des Geschäftes, sondern an einen die Schuldenübernahme bewirkenden Verpflich­ tungsgrund gebunden, und als solcher gilt, bisheriger Auffassung entsprechend, die in handelsüblicher Weise geschehende Bekannt­ machung der Schuldenübernahme durch den Erwerber. Die Haftung ist bei Uebernahme eines ganzen Vermögens eine auf dessen Bestand beschränkte, bei Fortführung einer Firma eine unbeschränkte. Der Veräußerer bleibt verpflichtet. Bei Uebernahme eineHandelsgeschäftes tritt aber zu Gunsten des Veräußerers, sofern nicht nach den allgemeinen Vorschriften eine kürzere Verjährungs­ frist besteht, eine Verjährung von fünf Jahren ein (§ 26 HGB). Nach altem und neuem Recht (Art. 113 HGB a. F. § 130 HGB n. F.) übernimmt derjenige, der in eine bestehende offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft eintritt, die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Ge­ sellschaft, nach neuem Rechte (§ 28 HGB) übernimmt aber auch derjenige, der in das Geschäft eines Einzelkaufmanns als persönlich haftender Gesellschafter oder als Kommanditist eintritt, die im Betriebe des Geschäftes entstandenen Schulden. IV. Die privative Schuldübernahme *) ist die Folge entweder eines mit dem Gläubiger oder eines mit dem bisherigen Schuldner geschlossenen Vertrages. Im ersten Falle bedarf es nicht der Zu­ ziehung des bisherigen Schuldners, im zweiten Falle bedarf es der Genehmigung des Gläubigers. Vor ertheilter Genehmigung besteht der Uebernahmevertrag unter den Parteien, doch können diese ihn ändern oder aufheben. Wird bte Genehmigung ver­ weigert, so wird der Schuld Übergang verhindert, doch bleibt der Uebernehmer dem Schuldner zur Bezahlung aus dem Uebernahme>) S. v. Blum e und RcgelSbergrr tn Jhrrtng» Jahrb. 89, 390 ff. 463 ff. Engelmann, d. bürgerliche Siecht Deutschland».

H

258 vertrage verpflichtet; sie gilt als verweigert, wenn der Gläubiger die ihm zur Erklärung gesetzte Frist verstreicken läßt. Die Ge­ nehmigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, oie Mittheilung der Schuldübernahme durch einen der Betheiligten an den Gläubiger kein Vertragsangebot. Diese Sätze des BGB (§§ 414, 415) entsprechen der herr­ schenden Auffassung des bisherigen Rechts. Neu aber ist gegenüber dem gemeinen Recht, daß, wenn der Erwerber eines Grundstücks durch Vertrag mit dem Veräußerer eine auf dem Grundstücke lastende Hypothekenschuld des Veräußerers übernimmt, der Gläu­ biger die Schuldübernahme nur dann genehmigen kann, wenn der Veräußerer sie ihm mittheilt. In einer Mittheilung des Erwerbers kann ein Vertragsangebot liegen, mit dessen Annahme ein Schuldübernahmevertrag (gemäß § 414) geschlossen ist. Die Mittheilung des Veräußerers kann erst erfolgen, wenn der Er­ werber als Eigenthümer im Grundbuche eingetragen ist. Sie bedarf der Schriftform. Eine Fristsetzung durch die betheiligten Personen ist wirkungslos, doch giebt dem Gläubiger das Gesetz eine Erklärungsfrist von sechs Monaten, mit deren Ablauf die Genehmigung als ertheilt gilt (§ 416). Denn die Annahme, daß er Denjenigen auch als persönlichen Schuldner wolle, der ihm ding­ lich haftet, muß durch eine Erklärung entkräftet werden. Die Wir­ kung seines Beitritts besteht in dem Eintritt der persönlichen Haftung des Erwerbers und dem Aufhören der Haftung des Veräußerers. Aus dem Prinzip der Succession folgt, daß der neue Schuldner die dem bisherigen Schuldner zustehenden Einwendungen hat, nur die Gegenrechnung mit Forderungen des bisherigen Schuldners ist ihm versagt, weil er damit Vermögensobjekte eines Andern zur Schuldtilgung verwenden würde. Aus dem zwischen ihm und dem alten Schuldner bestehenden, der Schuldübernahme zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisse kann er Einwendungen nicht herleiten. Denn der Schuldübernahmevertrag, mag der Uebernehmer ihn mit dem Gläubiger (§ 414) oder mit dem bisherigen Schuldner schließen (§ 415), ist ein von seinem Rechts­ grunde unabhängiger, abstrakter Vertrag, der VerpflichtungsWille allein verpflichtet den Uebernehmer (§ 417). Auch diese Sätze des BGB kann man als bisheriges Recht betrachten. Trotz des Prinzips der Succession wirkt doch das Eintreten einer anderen Person insofern ändernd auf die Schuld, als 1. ein mit der Forderung verbundenes Vorzugsrecht im Konkurse des neuen Schuldners nicht geltend gemacht werden kann, denn der Schuldübernehmer würde dadurch seine eigenen Gläubiger benachtheiligen; 2. die Pfand- und Bürgschaftsrechte der Schuld untergehen,

denn die Sicherheit ist mit Rücksicht aus die Person des bis­ herigen Schuldners gegeben. Daher bestehen diese accessorischen Rechte weiter, wenn der Bürge oder der Eigenthümer der ver­ pfändeten Sache zustimmt, und gesetzliche Pfandrechte werden durch die Schuldübernahme nicht berührt (§ 418).

Sechster Abschnitt: Jas Erlöschen der Schutdverfiättniste. § 94.

Die Erfüllung.

1. Erfüllung oder Zahlung (solutio) ist die Leistung des geschuldeten Gegenstandes. Sie ist ein Vertrag und bewirkt Tilgung der Forderung, wenn ihre Voraussetzungen vorliegen. Hierzu gehört a) daß die Leistung an die zu ihrer Empfangnahme be­ rechtig te Person bewirkt wird. Berechtigt aber ist der Gläubiger selbst oder dessen Bevollmächtigter. Als bevollmächtigt gilt der Handlungsreisende, aber nur zur Empfangnahme des Kaufpreises aus den von ihm abgeschlossenen Handelsgeschäften (8 55 HGB); der in einem Laden oder offenen Waarenlager Angestellte, aber nur für diejenigen Leistungen, die in einem derartigen Laden oder Waarenlager gewöhnlich geschehen (§ 56 HGB); endlich gilt (§ 370 BGB) allgemein Derjenige zur Empfangnahme einer Leistung ermächtigt, welcher eine Quittung überbringt, gleichviel ob sie ihm vom Aussteller eingehändigt worden ist oder nicht, es sei denn, daß die dem Leistenden bekannten Umstände der An­ nahme einer Ermächtigung zur Zahlungsempfangnahme entgegen­ stehen. Das neue HGB (§ 86) beantwortet eine früher häufig erörterte Frage, indem es dem Handlungsagenten die Ermächtigung zur Zahlungsempfangnahme abspricht. Eine Vollmacht zur Empfangnahme der dem Schuldner obliegenden Leistung liegt in dem einem Gerichtsvollzieher ertheilten Vollstreckungsauftrage (§ 754 CPO). Diese Ermächtigung bewirkt, daß sowohl die Wegnahme von Geld im Wege der Pfändung als auch die Empfangnahme des Versteigerungserlöses durch den Gerichtsvoll­ zieher die Wirkungen einer vom Schuldner geleisteten Zahlung hat (88 815, 819 CPO). Die vom Ersteher eines Grundstücks zu leistende Zahlung des Erlöses geschieht mit befreiender Wirkung an das Gericht (8 107 ZwG). Das neue Recht läßt die Leistung an einen Dritten mit besteiender Wirkung für den Schuldner zu, wenn die Leistung an den Dritten mit Einwilligung des Gläubigers geschieht oder nachher von ihm genehmigt wird (88 362, 185). Daher ist auch 17*

260 die Zahlung an den Dritten, welcher durch Bertrag mit dein Schuldner und zu dessen Erleichterung zur Empfangnahme er­ mächtigt wird und dessen Vollmacht daher nicht ohne Zusümmung des Schuldners widerrufen werden kann, d. h. an einen solutionis causa adjectus, wie nach bisherigem Recht, zulässig. Damit ist auch die Bestimmung des gemeinen Rechts (1. 11 § 5 D. de pign. act. 13, 7), daß der Untermiether durch unmittelbare Zahlung des Miethszinses an den Vermiether den Miether befreit, aufgehoben. b. In vielen Fällen würde die Leistung dadurch, daß sie von einem Anderen als dem Schuldner bewirkt würde, zu einer anderen werden und also den Schuldner nicht befreien. Hier hat der Schuldner in Person zu leisten. Regelmäßig aber hat nach altem und neuem Recht (§ 267 BGB) die Leistung auch dann befreiende Wirkung, wenn sie von einem Andern wider Wissen und Willen des Schuldners gemacht wird, selbst der Widerspruch des Schuldners hat nur die Wirkung, daß der Gläubiger die Leistung ablehnen kann. Der Dritte handelt, indem er leistet, im Interesse des Schuldners und als dessen un beauftragter Geschäftsbesorger(§H677, 678). Der Dritte hat aber ein Recht auf die Befreiung des Schuldners, wenn gegen diesen vom Gläubiger die Zwangsvollstreckung betrieben nnd durch diese der Besitz oder ein Recht des Dritten gefährdet wird (§ 268) z. B. der Nießbrauch (Erweiterung des römisch-rechtlichen jus offerendi). Die Folge ist, daß der Gläubiger die ihm vom Dritten angebotene Leistung nicht ablehnen, und daß der Dritte die Befriedigung des Gläubigers auch durch Hinterlegung oder Aufrechnung herbeiführen darf. Hier geht die getilgte Forderung kraft gesetzlicher Cession auf den Dritten über, seine Stellung gegenüber dem Schuldner ist daher dieselbe, in welcher sich der bisherige Gläubiger befand. c. Die Leistung muß dem Gegenstände der Schuld gleich­ kommen. Daher ist der Gläubiger weder nach gemeinem noch nach neuem Recht (§ 266), ausnahmsweise dagegen nach Art. 38 WO, zur Annahme von Theilleistungen verpflichtet. Eine mangelhafte Leistung bringt den Schuldner in Verzug. Nimmt der Gläubiger die angebotene Leistung als Erfüllung an, so trifft ihn die Beweislast, wenn er die Mangelhaftigkeit oder Unvoll­ ständigkeit der Leistung behauptet (§ 363). 2. Für den Fall, daß der Gläubiger mehrere gleichartige Forderungen gegen den Schuldner hat, von diesem aber eine Leistung empfängt, welche nicht alle Forderungen deckt, besteht im gemeinen Recht die Streitfrage, ob der Schuldner das Recht einseitiger Bestimmung der Schuld habe, welche er tilgen wolle. Die Vertragsnatur der Zahlung scheint der Befugniß einseitiger

Erklärung zu widersprechen. Da aber der Schuldner auch dann, wenn er mehrere Gläubiger hat, frei ist in oer Wahl derjenigen Schuld, welche er tilgen will, hat ihm das BGB (§ 366) die Befugniß der einseitigen Bestimmung eingeräumt. Haler von diesem Rechte keinen Gebrauch gemacht, so tritt nach neuem Recht (8 366) die Bestimmung des Gesetzes ein. Nach diesem wird die Leistung auf die fällige Schuld, unter mehreren gleich fälligen auf die weniger sichere, unter gleich fixeren auf die dem Schuldner lästigere, unter gleich lästigen auf die ältere und unter gleich alten auf alle Schulden nach Verhältniß angerechnet. Die Bestimmung des Gesetzes tritt ohne Weiteres ein (§ 367), wenn der Schuldner außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten zu entrichten hat, und zwar sind in diesem Falle zuerst die Kosten, dann die Zinsen und zuletzt die Hauptleistung getilgt. Will der Schuldner eine andere Anrechnung bestimmen, so kann der Gläubiger die Annahme ablehnen. Im Prozeß halber Schuldner zu beweisen, daß gerade die eingeklagte Schuld getilgt sei. 3. Ob der Schuldner ein Recht auf Ouittungsleistung habe, war nach römischem Recht zweifelhaft*), dagegen war es in Deutschland durch Gewohnheitsrecht eingeführt, und durch BGB (8 368) ist es zu einem gesetzlichen Rechte geworden. Es ist ein aus dem Rechtsgeschäft der Zahlung entstandener persön­ licher Anspruch, der Schuldner kann deshalb die Leistung ver­ weigern, wenn der Gläubiger dem Verlangen, Quittung zu leisten, nicht entspricht. Die Quittung braucht nur in einfacher Schrift­ form ertheilt zu werden, es sei denn, daß der Schuldner ein rechtliches Interesse an einer gesteigerten Förmlichkeit hat (z. B. 88 29, 30 RGBO). Die Kosten der Quittung trägt regelmäßig der Schuldner (8 369). Die Ouittung ist ein schriftliches Bekenntniß empfangener Leistung und dient dem Beweise. Nach römischem Recht hatte die Quittung in den ersten 30 Tagen keine, nach Ab­ lauf dieser Frist eine unwiderlegliche Beweiskraft^. Nach dem Vor­ gänge von Art. 295 HGB hat 8 17 EG z. CPO der Quittung Beweiskraft vom Augenblick der Aushändigung an beigelegt, aber den Gegenbeweis zugelassen. An diesem Rechtszustande hat das BGB nichts geändert. Letzteres hat dem Schuldner aber auch den persönlichen Anspruch auf Rückgabe des Schuldscheines event, öffentlich beglaubigtes Anerkenntniß, daß die Schuld erloschen sei, eingeräumt (8 371). e

*) Richard Lehrend: Beiträge zur Lehre von der Quittung. 1896. 38 ff. *) 61 gilt in dieser Beziehung dar vom Schuldschein Gesagte.

262

Das Anerkenntnis daß die Schuld erloschen sei, ist nicht Beweisgrund, sondern eine Willenserklärung. Es ähnelt der alt­ römischen acceptilatio, einem in Form von Frage und Antwort ertheilten, nur für Stipulationsschulden verwendbaren Empfangs­ bekenntnisse (quod ego tibi promisi, acceptum habes oder facis? Acceptum habeo oder facio) und dient daher wie diese haupt­ sächlich dem Bedürfnisse nach Sicherung gegen künftige Geltend­ machung von Forderungen, die auf andere Weise als durch Leistung getilgt sind. Es unterliegt der Anfechtung wie andere Willens­ erklärungen. § 95. Die Hingabe an Erfüllung-statt.

Der Schuldner wird befreit nur durch Leistung des geschul­ deten Gegenstandes. Giebt er einen anderen Gegenstand und nimmt diesen der Gläubiger statt des geschuldeten Gegenstandes als Erfüllung an, so wird durch das in dieser Hingabe an Er­ füllung sstatt (datio in solutum) liegende Rechtsgeschäft die Schuld nach altem und neuem Recht (§ 364) unmittelbar getilgt*). Voraussetzung ist, daß der Schuldner den Gegenstand (Sache, Recht, Forderung), den er giebt, dem Gläubiger zu vollständigem Rechte gewähren kann. Ist sein Recht an dem Gegenstände ein mangelhaftes, so hat der Gläubiger nach gemeinem Recht die Wahl, die Forderung als noch bestehend zu behandeln oder vom Schuldner auf Grund seiner Erklärung, daß das Gegebene Eigen­ thum des Gläubigers werden solle, das Interesse zu verlangen. Räch neuem Recht (§ 365) ist und bleibt die Schuld getilgt,' der Schuldner ist aber zur Gewährleistung verpflichtet wie ein Ver­ käufer. Nach besonderer Vorschrift?) hatte der Schuldner, welcher zur Leistung von Geld verpflichtet war, sich solches aber durch Ver­ kauf anderer Sachen nicht beschaffen konnte, das Recht, Immo­ bilien dem Gläubiger zum Schätzungswerthe zu überlassen, daher beneficium dationis i. s.) Dieses Recht ist vom BGB beseitigt. Die Wirkung der Schuldentilgung hat auch die im Wege der Zwangsvollstreckung durch gerichtlichen Beschluß erfolgte Ueberweisung einer Forderung des Schuldners an den Gläubiger, wenn sie nach dem Willen des Gläubigers an Zahlungsstatt erfolgt (§ 835 CPO). Wird dem Gläubiger vom Schuldner eine diesem zustehende, wenngleich in einem Papiere verkörperte Forderung zahlungs­ halber gegeben, so ist die Schuld nichtschon milder Hingabe, sondern erst mit der durch den Dritten bewirkten Zahlung getilgt.

*) Römer: Die Leistung an Zahlungsstatt nach römischem und ge­ meinem Recht mit Berücksichtigung der neueren Gesetzbücher. 1866. 3) Nov. 4 c. 3.

Zu diesem bloßen Zahlungsversuche werden besonders Wechsel verwendet. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Schuldner selbst, oder ob ein Dritter aus dem Wechsel verpflichtet ist. In beiden Fällen ist nicht ohne weiteres anzunehmen, daß der Wechsel an Zahlungsstatt gegeben sei, im ersten Falle kann der Gläubiger unter Rückgabe des Wechsels seine Forderung geltend machen, im zweiten Falle hat er die Pflicht, die Einziehung des Wechsels beim Dritten zu versuchen'). 8 96.

Berwet-eruug der Leistung wegen ZurückbehaltuugSrechtS.

Die Erfüllung einer an sich bestehenden Leistungspflicht kann verweigert werden, wenn dem Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Man versteht darunter die Befugniß, dem Berechtigten eine Leistung so lange vorzuenthalten, bis dieser eine ihm gegen den Schuldner obliegende Leistung gemacht hat. Das Z. beruht auf dem Gedanken, daß derjenige gegen Treu und Glauben handelt, der die ihm geschuldete Leistung fordert, die ihm obliegende Leistung aber nicht gewährt. Dieser Gedanke ist ein berechtigter aber nur dann, wenn die beiden Verpflichtungen einem einheitlichen Rechtsverhältnisse entspringen. Die herr­ schende Lehre des gemeinen Rechtes machte daher die „Konnexität" der beiden Leistungen zur Voraussetzung des Retentionsrechtes und verstand darunter eine natürliche oder gewollte Einheit. Das BGB (§ 273) stimmt damit überein, indem es erklärt, Anspruch und Gegenanspruch müßten „aus demselben rechtlichen Verhältnisse" entstanden sein, das sog. kaufmännische Z. aber ist von einer solchen Einheit unabhängig, cs besteht (§ 369 HGB) auch dann, wenn Anspruch und Gegenanspruch nur überhaupt aus beider­ seitigen Handelsgeschäften entstanden sind, auch wenn aus diesen Geschäften verschiedene rechtliche Verhältnisse begründet worden sind. Entspringen die beiden Ansprüche bemfelben gegenseitigen Vertrage, so geht das Z. in der e. non impleti contractus auf. Neben dieser kannte das römische Recht einzelne bestimmte Fälle eines Z. und gab zu seiner Durchführung bte e. doli generalis. Die Lehre des gemeinen Rechts verallgemeinerte diese Fälle, und das BGB folgt ihr, indem es ein Z. gewährt 1) in jedem Falle des Vorhandenseins aus demselben rechtlichen Verhältnisse entstandener gegenseitiger Ansprüche;

2) gegenüber dem auf Herausgabe eines Gegenstandes gerichteten Ansprüche wegen eines Anspruches auf Erstattung von Ver Wendungen oder eines durch den Gegenstand verursachten Schadens. Dadurch, daß das Gesetz (§ 273 BGB) den Retentionsbe*) Reichhaltige Judikatur, f. besonder« ROH® 8, 145; 4, 871; 7, 47; 10, 133; 17, 272. Ä® 14, 210; 27, 91; 31, 109.

264 rechtigten zur „Verweigerung" der Leistung berechtigt, bringt zum Ausdruck, daß jede Art der Leistung, insbesondere die Ueber« gäbe von Sachen, aber auch die Vornahme von Handlungen, die Abgabe von Willenserklärungen Gegenstand eines Zurückbe­ haltungsrechts sein kann. Ob im Falle zu 2 der herauszugebende Gegenstand dem Gläubiger oder dem Retentionsberechtigten gehört, macht nach BGB keinen Unterschied. Das eigenthümliche kaufmännische Zurückbehaltungsrecht setzt allerdings voraus, daß die den Gegen­ stand des Rechts bildenden Sachen oderWerthpapiere dem Schuldner des Retentionsberechtigten gehören, und es läßt das Zurückbe­ haltungsrecht ausnahmsweise nur an solchen, dem Retentions­ berechtigten gehörigen Sachen zu, die der letztere vom Gegner erworben hatte und auf diesen zurückzuübertragen hat, also z. B. an Sachen, die er gekauft und übergeben erhalten, nachher aber wegen Mängeln zur Verfügung gestellt hat und jetzt wegen der auf sie gemachten Verwendungen oder wegen seines Anspruches auf Erstattung des Preises zurückbehält. Das BGB setzt im Falle 2 nur voraus, daß der Retentions­ berechtigte sich im Besitze befindet, das HGB aber verlangt, daß der Gegenstand mit dem Willen des Ändern und auf Grund eines Handelsgeschäftes in den Besitz des R.-Berechtigten ge­ langt ist. Das BGB schließt das Z. aus, wenn der Besitzer den Gegenstand durch eine vorsätzliche unerlaubteHandlung erlangt hat, das HGB dann, wenn die Zurückbehaltung einer bei der Uebergabe vom andern Theile gegebenen Anweisung oder der vom Besitzer übernommenen Verpflichtung, mit dem Gegenstände in einer be­ stimmten Weise zu verfahren, widersprechen würde (§§ 273, 369). Nach altem und neuem Recht (§ 273 BGB, 369 HGB) kann das Z. nur wegen fälliger Ansprüche geltend gemacht werden, das kaufmännische Z. besteht aber auch wegen nicht fälliger Forde­ rungen, wenn über das Vermögen des Schuldners der Konkurs eröffnet ist oder der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat oder wenn eine Zwangsvollstreckung in sein Vermögen ohne Erfolg versucht worden ist (§ 370 HGB). Das Z. giebt an sich nur das Recht, die Leistung zu ver­ weigern, also den Besitz der Sache, auf deren Herausgabe der Schuldner ein Recht hat, zu behalten. Es kann daher nur durch (verzögerliche) Einrede geltend gemacht werden und bewirkt, das; der Retentionsberechtigte nur zur Leistung Zug um Zug verurtheilt wird. Der andere Theil kann die Retentionseinrede durch Sicherheitsleistung (aber nicht durch Bürgenstellung) beseitigen, denn das Z. dient nur dem Zwecke der Sicherung (§§ 273, 274 BGB, 369 HGB). Das kaufmännische Z. ist jedoch zu einem

Pfandrechte gesteigert, denn der Berechtigte darf sich nach den Grundsätzen vom Pfandverkauf aus dem Gegenstände befriedigens wenn er einen vollstreckbaren Titel hat, und er kann auf Gestattung der Befriedigung klagen (§ 371 HGB). Das Z. aber ist in jedem Falle verloren, wenn der Berechtigte den Besitz der Sache aufgiebt. Das Z. ist nach altem und neuem Recht ein persönliches Recht und wirkt also nur gegenüber dem Schuldner des Reten­ tionsberechtigten. Veräußert oder belastet der Eigenthümer aber die im Besitze eines Andern befindliche Sache, so wirkt das Z. auch gegen den Erwerber, denn diesem können diejenigen Ein­ wendungen entgegengesetzt werden, die auch gegen den Veräußerer zulässig waren (§§ 986 Abs. 2, 931, 1227 BGB), also auch das Zurückbehaltungsrecht (vgl. § 369 Abs. 2, 372 HGB).

§ 97.

Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.

Der vorübergehende Mangel an Geldmitteln bildet keine den Schuldner befreiende Unmöglichkeit der Erfüllung, entlastet ihn auch nicht von der Schadensersatzpflicht wegen Nichterfüllung oder Verzuges. Werden eines solchen Mangels wegen Zahlungen unter­ lassen, so besteht eine Zahlungsstockung. Ohne Einfluß auf bestehende Obligationen ist auch die Zahlungsunfähigkeit d. h. der dauernde Mangel an Geldmitteln zur Vornahme der nothwendig werdenden laufenden Zahlungen. Hören dieZahlungen aus diesem Grunde auf, so spricht man von Zahlungsein­ stellung. Führt die Zahlungsunfähigkeit zum Konkurse, so ändert dies an dem Bestände der Schuldverhältnisse nichts, es findet nur eine durch das öffentliche Interesse wie durch Die Be­ theiligung von meistens zahlreichen Gläubigern gebotene Aende­ rung in der Art, die vorhandenen Schulden zu befriedigen, statt. Denn während die einfache, von einem einzelnen Gläubiger be­ triebene Zwangsvollstreckung nur das private Interesse des be­ treibenden Gläubigers verfolgt und daher die Gefahr birgt, daß ein­ zelne Gläubiger voll, andere aber überhaupt nicht befriedigt werden, bezweckt das (gerichtliche) Konkursverfahren die möglichst gleich mäßigeBefriedigung allerGläubiger des Gemeinschuldners. Der Konkurs ergreift das dem Gemeinschuldner zurZeit der Konkurseröffnung gehörige, der Zwangsvollstreckung unter­ liegende Vermögen (§ 1 KO), die Konkursmasse. Im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Ehemannes gehört das Gesammtgut zur Masse, wenn in der Ehe Güter­ gemeinschaft, Errungenschafts- oder Fahrnißgemeinscbaft herrscht. Dadurch, daß das vom Gemeinschuldner nach der Konkurs­ eröffnung erworbene Vermögen nicht zur Masse gehört, bilden sich *) Das Nähere im Pfandrecht.

266 zwei verschiedenartig zu behandelnde Bestandtheile des gcmeinschuldnerischen Vermögens: der eine bildet die Konkurs­ masse und wird daher derVerfügung des Gemeinschuldners entzogen, der andere gehört nicht zur Masse und unterliegt der freien Berfügung des Gemeinschuldners. Aber dieser letztere Theil ist nur dem Zugriffsrecht der Konkursgläubiger entzogen, während diejenigen Gläubiger, welche nichtKonkursgläubiger sind, diesenTheil des schuldnerischenVermögenszuihrerBefriedigung in Anspruchnehmen dürfen (§§1,3,6,14, 15KO). Es kann daherüber das Vermögen des Gemein­ schuldners ein zweiterKonkurs aus brechen, noch ehe der erste beendet ist. Der Gemeinschuldner bleibt Eigenthümer auch seines zur Masse gehörigen Vermögens, eine Succession in seine Rechte findet zu Gunsten der Gläubiger nicht statt. Da nur ihm gehörige Gegenstände zur Masse gehören, so findet eine Aussonderung der­ jenigen Objekte statt, welche ihm nicht gehören (§§ 43—46 KO). Der Anspruch auf Aussonderung kann ein dinglicher (z. B. rei vindicatio) oder ein persönlicher (z. B. a. commodati, depositi) sein. Die Aussonderungs berechtigten wurden früher ungenau Bindikanten oder Separatisten ex jure dominii genannt. Die Konkursmasse dient zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Konkursgläubiger. Konkursgläubiger aber sind diejenigen Personen, welche einen zur Zeit der Konkurseröffnung begründeten persönlichen Vermögensanspruch gegen den Gemeinschuldner haben (§ 3 KO). Damit sind von dem Kreise der Konkursgläubiger und daher von der Befriedigung aus der Masse ausgeschlossen 1. die Gläubiger, deren Forderungen nicht aus dem Vermögen des Ge­ meinschuldners und 2. auch die, deren Forderungen nicht aus dem Gesammtvermögen des Gemeinschuldners befriedigt werden können. Zu jenen gehören die Gläubiger, deren Anspruch sich nicht in Geld umsetzen läßt (§ 69), und diejenigen, welche mit einem Theile ihres Vermögens an dem Risiko eines vom Gemeinschuld­ ner betriebenen Geschäfts theilnehmen, daher nicht eigentlich Gläubiger, sondern Gesellschafter sind (Kommanditisten, Aktionäre, Mitglieder einer eingetragenen Genossenschaft oder einer Gesell­ schaft mit beschränkter Haftung, §§ 171, 300 HGB, § 90 Gesetz vom 1. Mai 1889, § 73 Gesetz vom 20. April 1892, beschränkt der stille Gesellschafter § 341 HGB). Hierzu treten diejenigen Gläubiger, welche kraft gesetzlicher Vorschrift, ohne ihr Forderungsrecht zu verlieren, sich am Konkurse ihres Schuldners nicht betheiligen Dürfen (§ 56 KO).*) *) Der Grund liegt in der Rücksichtnahme aus die andern Gläubiger. Di« während de» Konkurse» laufenden Zinsen würden an der Quote der Betheiligung der Gläubige, nicht» ändern. Ander» ist e» bei der Zwang»» Versteigerung eine» Grundstück» (§ 12 ZwS.), da hier dir Gläubiger nicht neben-, sondern hintereinander stehen.

Nicht aus dem Gesammtvermögen, sondern aus einzelnen zur Masse gehörigen Gegenständen werden diejenigen Gläubiger befriedigt, welche ein Recht auf abgesonderte Befriedigung haben (die früher sog. Separatisten ex jure crediti). Diese nehmen am Konkurse nicht Theil; ist ihnen aber der Ge­ ineinschuldner persönlich verpflichtet, so sind sie Konkursgläubiger und können, wie andere Konkursgläubiger, am Konkurse theilnehmen, Befriedigung aus der Gesammtmasse jedoch nur für den­ jenigen Betrag erlangen, zu welchem sie auf abgesonderte Be­ friedigung verzichten oder mit welchem sie bei dieser Befriedigung ausgefallen sind (§§ 4, 64 KO). Die abgesonderte Befriedigung geschieht unabhängig vom Konkursverfahren auf Betreiben des Berechtigten, doch kann auch der Konkursverwalter die Verwerthung des dem Absonderungsrechte unterliegenden Gegenstandes und also die Befriedigung des Absonderungsberechtigten veranlassen (§§ 126, 127 KO, § 172 ff. ZwG). Zu den Absonderungsberechtigten gehören vor Allem, in Uebereinstimmung mit dem römischen Recht, die Pfandgläubiger i§§ 48, 49 KO), während diese nach gemeinem Recht sich auf den Konkurs einlassen mußten und nur bevorzugte Befriedigung erlangen durften. Ferner sind absonderungsberechtigt alle Die­ jenigen, welche ein Recht auf Befriedigung aus dem unbeweg­ lichen Vermögen des Gemeinschuldners haben, also nicht bloß die Hypotheken-, sondern auch die Grundschuldgläubiger und anderen Realberechtigten (8 47 KO, 1105, 1113, 1117, 1191, 1192,1199 BGB), ferner partikularrechtlich die Lehns-, Stammguts- oder Fideikommißgläubiger (§ 52 KO), während die sog. Allodialgläubiger Konkursgläubiger sind. Nach römischem und gemeinem Rechte hatten ein Absonderungsrecht auch die Erbschaftsgläubiger und Vermächtnißnehmer hinsichtlich des Nachlasses ihres Schuldners; nach neuem Recht dagegen können diese Gläubiger sich nur durch einen Antrag auf Anordnung der Nachlaßverwaltung oder auf Eröffnung des Nachlaßkonkurses den Gläubigern des Erben gegen­ über die abgesonderte Befriedigung aus dem Nachlasse sichern (88 1967, 1981, 1984, 1985 BGB, 217, 219, 231 KO). Betreibt der Konkursverwalter die Zwangsversteigerung eines zur Masse gehörigen Grundstücks, so hat das geringste Gebot, das nach neuem Recht erzielt werden muß, alle vor­ handenen Realansprüche zu decken, weil hier die Konkursgläubiger, also die nur persönlichen Gläubiger als betreibende Gläubiger auftreten. Diejenigen Realgläubiger aber, denen der Gemein­ schuldner zugleich persönlich haftet, die also das Interesse haben, festzustellen, ob und mit welchem Betrage sie bei der Zwangs­ versteigerung ausfallen werden und also aus der Gesammtmasse

268 befriedigt werden können, dürfen verlangen, daß das geringste Gebot so bemessen werde, daß es nur die ihnen vorgehenden Ansprüche deckt (§§ 174, 44 ZwG). Aus der Masse werden nicht die Konkursgläubiger allein be­ friedigt, sondern auch die Massegläubiger. Die Forderungen dieser sind durch das Konkursverfahren, insbesondere durch die Verwaltung der Masse, entstanden, also nicht gegen den Gemein­ schuldner, sondern gegen die Konkursgläubiger gerichtet. Der Gegenstand ihrer Beftiedigung wird aber durch die Masse begrenzt. Daher haften die Konkursgläubiger nicht unbeschränkt mit ihrem eigenen Vermögen, sondern nur mit der Konkursmasse. Die Besriedigungsmittel für die Massegläubiger werden daher vorweg aus der Masse genommen. Man unterscheidet wiederum Masse­ kosten und Masseschulden. Die ersteren sind die eigentlichen Verwaltungsun kosten und die dem Gemeinschuldner bewilligte Unterstützung. Die letzteren sind Verpflichtungen aus Rechts­ geschäften oder Handlungen des Verwalters, ans zweiseitigen Verträgen, die der andere Theil zur Masse zu erfüllen hat, und aus grundloser Bereicherung der Masse (§§ 57 — 60 KO). Die eigentlichen Konkursforderungen werden aus der „Thei­ lungsmasse" d. h. demjenigen Gelderlöse, welchen die Versilberung der Konkursmasse eingebracht hat, nach Verhältniß befriedigt. Eine Anzahl dieser Forderungen genießt das Vorzugsrecht, daß sie vor anderen befriedigt werden; die nicht bevorzugten theilen das, was nach Tilgung der bevorzugten übrig bleibt. Das ge­ meine Recht kannte 5 Klassen: Die absolut privilegirten Gläu­ biger, die privilegirten Pfandgläubiger, die Pfandgläubiger, die pnvilegirten und die nicht privilegirten (sog. chirographarischen) Gläubiger. Aber auch innerhalb dieser Klassen stufen sich die Forderungen nach ihrem Range ab, so daß das gemeine Recht zu einer sehr verwickelten Rangordnung gelangte. Zu den pri­ vilegirten Pfandgläubigern gehörte insbesondere die Ehefrau wegen der an sie' fallenden Dos. Die KO hat die Rangordnung sehr vereinfacht. Sie verweist die Pfandgläubiger zur abgeson­ derten Befriedigung und beseitigt das Vorrecht der Ehefrau (§ 61). Die Gläubiger haben an der Konkursmasse kein Pfandrecht, aber ein dinglich wirkendes Verwerthungsrecht*). Dieses Recht wird durch prozessualische Maßregeln, durch die Besitznahme seitens des Verwalters und dadurch gesichert, daß der Gemein­ schuldner das Recht verliert, über die zur Masse gehörigen Ver­ mögensgegenstände zu verfügen. Seine Rechtshandlungen sind nu£ den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam (§ 7 KO), das *) Bon Kohler (Lehrbuch des Konkursrecht-, 1891) Beschlags recht genannt.

VerwerthungSrecht wirkt also auch gegen den Erwerber veräußerter Gegenstände, für den Schuldner selbst und den anderen Kon­

trahenten haben die Verfügungsakte des Gemeinschuldners volle Wirksamkeit. Der Verwalter ist weder ausschließlich Vertreter der Gläubiger, noch ausschließlich Vertreter des Gemeinschuldners, er hat im öffentlichen Interesse die Zwecke des Konkursverfahrens durchzu­ führen und entnimmt seine Rechte und Pflichten nur dem Ge­ setze (RG 29, 29).

8 98.

UttmS-ttchwerdea der Leistung.

Die nach Entstehung des Schuldverhältnisses eintretende objektive oder subjektive (§ 275 Abs. 2) Unmöglichkeit der Leistung hat in jedem Falle die Befreiung der Schuldners von dieser Leistung, dagegen nicht immer auch die Befreiung von der Schuld überhaupt zur Folge. I. Die Leistung einer nur der Gattung nach bestimmten Sache wird nur dann unmöglich, wenn Sachen derselben Gattung nicht mehr vorhanden sind und nicht mehr entstehen können. Genus non perit. Bleibt hiernach die Leistung aus der Gattung möglich, so bleibt der Schuldner auch dann verpflichtet, wenn er zur Leistung ohne sein Verschulden unvermögend wird (§ 279).**)

II. Wird eine andere Leistung unmöglich, so ist zu unter­ scheiden, ob die Unmöglichkeit herbeigeführt ist durch einen Um­ stand, den der Schuldner zu vertreten hat, oder durch einen Umstand, den er nicht zu vertreten hat. 1. Ist der Schuldner für das Unmöglichwerden verant­ wortlich, so hat er dem Gläubiger Schadensersatz zu leisten, vermöge des Surrogationsprinzipes aber dem Gläubiger das­ jenige Vermögensobjekt (Sache oder Recht), das er als Äsatz für den geschuldeten Gegenstand erhält,*) zu überlassen. Hierin stimmen altes und neues Recht überein (§§ 280, 281 BGB). Das BGB entscheidet die Beweislastfrage im Sinne der herrschenden Lehre des bisherigen Rechts (RG 31, 184) dahin, daß der Gläubiger, welcher Schadensersatz fordert, nur oie Ent­ stehung seines Leistungsanspruches und die eingetretene Unmög­ lichkeit zu beweisen, der Schuldner dagegen den Beweis zu führen hat, daß die Unmöglichkeit durch einen von ihm nicht zu ver­ tretenden Umstand verursacht sei (§ 282). In zahlreichen Fällen stellt sich die Unmöglichkeit erst bei >) Der Besitzer eint Oelfabrtk wird daher von der Verpflichtung »u einer vellieferung nicht frei, wenn seine Fabrik mit den Velvorräthen abbrennt. •) z. v. Anspruch aus eine verstcherungpsummr, auf Schadensersatz -egen den Beschädigte der Sache.

der vom Gläubiger betriebenen Zwangsvollstreckung heraus. Will der Gläubiger in diesem Falle vom Erfüllungs- zum Schadens­ ersatzanspruch übergehen, so muß er die eingetretene Unmöglich­ keit beweisen: er kann sich diesen Beweis erleichtern, indem er alle Exekutionsmittel erschöpft (vgl. § 893 CPO). Das BGB befreit den Gläubiger von dieser Nöthigung: sofort nach der rechtskräftigen Verurtheilung des Schuldners kann der Gläubiger diesem eine Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er nach dem Ablaufe der Frist die Annahme der Leistung ablehne, ist die Frist verstrichen, so kann derGläubiger ohne WeiteresSchadensersatz ver­ langen, den Anspruch auf Erfüllung aber hat er verloren (§ 283). 2. Ist der Schuldner für das Unmöglichwerden der Leistung nicht verantwortlich, so wird er nach altem und neuem Rechte von seiner Verpflichtung frei (275 BGB). In diesem Falle steht das Unvermögen des Schuldners der Unmöglichkeit gleich. Dies sind die allgemeinen, für alle Arten von Rechtsver­ hältnissen, für die nicht Besonderes gilt, maßgebenden Grundsätze. Aus ihnen folgt zugleich, daß die Gefahr, d. i. der Nachtheil zufälligen Unterganges des Leistungsgegenstandes, nach altem und neuem Recht vom Gläubiger getragen wird. Species pent ei cui debetur.i) Besonderes gilt für die gegenseitigen Verträge, weilhier die Frage zu lösen ist, ob die Unmöglichkeit der Leistung des einen Theiles einen Einfluß auf die Rechtsstellung des andern Theils ausübt. 1. Ist die Unmöglichkeit von einem Kontrahenten ver­ schuldet, so Haftel er nach bisherigem Rechte dem andern Theil für den Schaden nach den allgemeinen oder besonderen Grund­ sätzen, die über das Verschulden bei Verträgen überhaupt bestehen. Das BGB unterscheidet: a) der Schuldner hat die Unmöglichkeit der ihm obliegenden Leistung verschuldet. In diesem Falle hat der andere Theil ein dreifaches Wahlrecht: aa) Schadensersatz zu verlangen, oder bb) vom Vertrage zurückzutreten, oder endlich ec) sich so zu verhalten, als ob die Leistung durch Zufall unmöglich geworden wäre, d. i. die Gegenleistung zu verweigern oder gegen eigene Erfüllung Herausgabe dessen zu verlangen, was der Schuldner statt der unmöglichen Leistung hat (§§ 325, 323); b) der Gläubiger hat die Unmöglichkeit der dem Schuldner obliegenden Leistung verschuldet. In diesem Falle wird der Schuldner von seiner Verpflichtung frei, der Gläubiger aber bleibt zur Gegenleistung verpflichtet (§ 324). *) Für da» gemeint Recht besonder» klar: Wächter im Rrch. f. civil. Praxi« Bd. 16 R. 6 u. 9.

2. Zst die Unmöglichkeit der Leistung eine unverschuldete, durch Zufall herbeigeführte, so war nach römischem Recht zu unterscheiden zwischen dem Kauf und den auf Vor- und Nach­ leistung gerichteten Verträgen. Ging die verkaufte Sache nach dem Vertragsschluß unter, so trug die Gefahr der Käufer, d. h. er verlor den Anspruch auf Leistung des Kaufgegenstandes, blieb aber zur Bezahlung des Kaufpreises verpflichtet. Ging bei der Miethe oder einem ihr ähnlichen Vertrage der Miethsgegenstand unter, so wurde der Vermiether zwar frei, aber er verlor auch den Anspruch auf die Gegenleistung (RG 3,182). Diese Grund­ sätze wurden gemeines Recht. Das BGB hat die Eigenthüm­ lichkeit, die das bisherige Recht für den Kauf aufstellte, fallen lassen und für alle gegenseitigen Verträge den Grundsatz auf­ gestellt, daß jeder Kontrahent die Gefahr bis zur Er­ füllung trägt (§ 323). Der zufällige Untergang der dem einen Theile obliegenden Leistung hat demnach seine Befreiung, aber auch den Verlust seines Anspruches auf die Gegenleistung zur Folge. War die Gegenleistung bereits gemacht, so bewirkt sie eine ungerechtfertigte Bereicherung des Empfängers und kann als solche zurückgefordert werden. Der Zufall befreit aber nur von dieser Leistung, er hebt nicht den Vertrag auf, der andere Theil kann daher Herausgabe des seinem Gegner zustehenden Ersatzes (j. B. einer Versicherungssumme) verlangen, muß dann aber eine diesem Ersätze entsprechende Gegenleistung machen (§ 323 Abs. 2).

8 99.

Die Hinterlegung.

1. Hinterlegung ist die Ucbergabe des Leistungs­ gegenstandes an eine durch Vereinbarung oder allge­ meine Rechtsvorschrift bestimmte Person oder Behörde. Nach gemeinem Recht sollte die H. bei Gericht erfolgen, das BGB setzt eine hierzu bestimmte „öffentliche Stelle" voraus (§ 372) und überläßt die Bestimmung den Landesgesetzen (Art. 144 EG z. BGB). Gegenstand der H. können nach dem BGB (372) allerdings nur Geld, Werthpapiere und sonstige Urkunden sowie Kostbarkeiten, also Gegenstände sein, deren Aufbewahrung weder mit besonderen Schwierigkeiten noch Kosten verbunden ist. Das HGB aber ge­ stattet die Hinterlegung auch von anderen beweglichen Sachen und verlangt deshalb, daß die Niederlegung in einem öffentlichen Lagerhause oder überhaupt in sicherer Weise erfolge (§ 373). Die Hinterlegungsstelle hat den ihr angebotenen Gegenstand anzunehmen, gleichviel ob die H. berechtigt oder unberechtigt ist. Privatrechtliche Wirkung aber hat nur die berechtigte Hinterlegung. Eine Berechtigung zur H. besteht nach altem

272 und neuem Recht (§ 372) 1. wenn der Gläubiger im Annah meverzuge ist, 2. wenn in der Person des Gläubigers ein anderes der Erfüllung entgegenstehendes Hinderniß obwaltet (z. B. Abwesenheit) oder wenn die Person des Gläubigers un­ gewiß ist (z. B. nach dem Tode des ursprünglichen Gläubigers), der Schuldner also nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann. Ob ein solcher Fall vorliegt, hat der Schuldner auf eigene Ge­ fahr zu entscheiden und im Streitfälle zu beweisen.

Die H. bezweckt Befreiung des Schuldners von seiner Verpflichtung durch mittelbare Zuführung des Leistungsgegen­ standes an den Gläubiger. Die Befreiung trat bei berechtigter H. nach altem Recht stets ein. Da die H. aber nicht, wie die Zahlung, ein mit dem Gläubiger geschlossener Vertrag ist, so steht dem Schuldner das Recht der Rücknahme zu, und zwar nach gemeinem Recht mit der Wirkung, daß die Rücknahme das er­ loschene Forderungsrecht wieder aufleben läßt. Nach neuem Recht wirkt nur die unwiderrufliche H. befreiend; behält sich der Schuldner das Rücknahmerecht vor, so gewährt sie nur eine Einrede gegen den Anspruch auf Erfüllung (§ 379), da der Schuldner den Gläubiger auf die hinterlegte Sache verweisen kann. Das Rücknahmerecht wird ausgeschlossen durch Verzicht, durch Annahme des Gläubigers und durch das die H. für recht­ mäßig erklärende Urtheil (§ 376). Die widerrufliche H. be­ freit also den Schuldner nicht von der Schuld, wohl aber von der Gefahr, von der Zinspflicht und von der Verpflichtung, Ersatz für die gezogene Nutzung zu leisten. Sie bildet den Regelfall, denn die H. ist immer dann widerruflich, wenn das Rücktrittsrecht nicht ausgeschlossen ist. Macht der Schuldner von dem Rücknahmerechte Gebrauch, so gilt die Hinterlegung als nicht erfolgt; vor der Rücknahme wirkt die H. als Anfang der Befriedigung in der Weise Gunsten des Gläubigers, daß die hinterlegte Sache dem Zugriffe anderer Gläubiger entzogen ist; das Rücknahmerecht ist daher nicht pfändbar (also auch nicht abtretbar § 400) und kann während des Konkurses des Schuld­ ners weder von seinen Gläubigern noch von ihm selbst aus­ geübt werden (§ 377). Die H. tritt an die Stelle der unmittelbaren Erfüllung, daher kann nach neuem Recht der Schuldner einer Zug-um-ZugLeistung das Empfangnahmerecht des Gläubigers von dessen Gegenleistung abhängig machen. Dieses Empfanynahmerecht ist die unmittelbare Folge der H. für den Gläubiger, es tritt an Stelle des getilgten Erfüllungsanspruches, ist aber nicht selbst ein Anspruch und unterliegt daher nicht der Verjährung, erlischt jedoch mit Ablauf einer Präklusivfrist von 30 Jahren. Denn

-em Schuldner sollen die Vortheile, die er durch Verjährung de- Leistungsanspruches erlangt haben würde, nicht verlöre» gehen. Ist also die Frist verstrichen, so kann der Schuldner die hinterlegten Sachen zurücknehmen, auch wenn er auf das Rück­ nahmerecht verzichtet hatte. Die H. wirkt auch dann, wenn sie bei einer örtlich unzu­ ständigen Stelle geschieht und auch dann, wenn der Schuldner die Pflicht versäumt, den Gläubiger von der H. zu benachrichtigen. In beiden Fällen tritt eine Schadensersatzpflicht ein'). II. An Stelle der Hinterlegung der geschuldeten Sache tritt 1) nach dem BGB (§ 383) die Versteigerung der Sache und Hinterlegung des Erlöses, a) wenn die Sache zur H. ungeeignet ist und der Gläubiger im Annahmeverzuge ist, b) wenn die Sache dem Verderben ausgesetzt ist und einer der anderen Hinterlegungsgründe vorliegt; 2) nach dem HGB (§ 373) bei jeder Art von Sachen die Versteigerung (dersog.Selbsthülfeverkauf), wenn be» einem Handelsverkauf der Käufer im Annahmeverzuge ist. Diese Maßnahmen haben dieselbe Wirkung wie die H., wenn ihre besonderen Voraussetzungen gegeben sind. Diese Voraus­ setzungen sind a) Androhung der Versteigerung; die Androhung darf jedoch unterbleiben, wenn die Sache dem Verderben ausgesetzt und mit dem Verzüge Gefahr verbunden oder wenn die Androhung aueinem anderen Grunde unthunlich ist; b) Öffentlichkeit der Versteigerung, d. h. öffentlicher, durch den Gerichtsvollzieher des Versteigerungsortes oder durch einen zu Versteigerungen befugten anderen Beamten oder durch einen öffentlich angestellten Versteigerer voraenommener Verkauf (§ 383 Abs. 3 BGB); hat die Sache einen Börsen- oder Markt­ preis, so kann der Verkauf aus freier Hand durch einen Handels­ mäkler oder durch eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person zum laufenden Preise (Tageskurse) erfolgens. Die Androhung soll dem Gläubiger die Möglichkeit gewähren, seine Rechte wahrzunehmen. Es muß deshalb zwischen ihr und der Versteigerung ein angemessener Zeitraum liegen. Sie ist eine einseitige, empfangsbedürftige Erklärung. ') kosten der Hinterlegung treffen den Gläubiger (§ 881), bei Ueber« jenbung durch die Poft wiev die H. aus den ZeitpunN der Absendung zurück (§ 375). *) Auf den Eelbstbülsevertauf ist in der Lehre vom kauf zurückzulommen. ingelmann, d. bürgerlich« Recht Deutschland».

1g

274 Von der vollzogenen Versteigerung hat der Schuldner den Gläubiger unverzüglich zu benachrichtigen, andernfalls ist er fchadensersatzpflichtig. III. Von der Hinterlegung zum Zwecke der Erfüllung ist die Hinterlegung zum Zwecke der Sicherung wesentlich verschieden, daher im ersteren Falle der geschuldete, im letzteren ein anderer Gegenstand hinterlegt wird.

§ 100.

Die Aufrechtmug (Kompensation).

Wenn dem Schuldner gegen den Gläubiger eine Forderung zusteht, so wird dadurch an dem Bestände weder der Forderung noch der Gegenforderung an sich etwas geändert. Wird aber die eine Forderung durch die andere getilgt, so erfolgt die Aufhebung durch Aufrechnung, Kompensation. Der Gläubiger erhält in diesem Falle nicht den Gegenstand seiner Forderung, sondern Befreiung von der eigenen Schuld, ein jeder zahlt also mit seiner eigenen Forderung. Die Auftechnung kann mit dem Willen (comp. voluntaria) oder gegen den Willen des Gläubigers (comp. necessaria) erfolgen. A. Der Kompensationsvertrag ist die Vereinbarung »wischen Gläubiger und Schuldner, daß gewisse Forderungen durch Aufrechnung getilgt sein oder werden sollen. Der Vertrag kann nämlich bereits bestehende Forderungen für erloschen erklären (comp. in praeteritum) oder das Erlöschen künftiger Forderungen anordnen (comp. in futurum, eigentliches pactum de compensando). Beide Verträge sind nach altem und neuem Recht zu­ lässig und bieten den Vorzug, daß durch sie Forderungen ohne Anwendung von Baarmitteln getilgt werden können, auch wenn die Voraussetzungen der gesetzlichen Kompensation (s. unter B) nicht vorhanden sind. 1. Eine Anwendung der comp. in praeteritum ist die Skontration d. h. dieAuftechnung der gegenseitigen Forderungen unter mehr als zwei Personen, ein Rechtsgeschäft, das den voran, gegangenen Wechsel derSubjekte durch Cession, Delegation, Schuld­ übernahme voraussetzt. DerDurchführung dieser Operationen dienen die an größeren Handelsplätzen bestehenden Abrechnungsstellen. 2. Eine Anwendung der comp. in futurum ist der Konto korrentvertrag. Er besteht in der Vereinbarung auf Herstellung einer Geschäftsverbindung und damit gegenseitigerKreditgewährung in der Weise, „daß die aus der Verbindung entspringenden beider­ seitigen Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen in Rechnung ge­ stellt und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Theil sich ergebenden Ueberschusses ausgeglichen werden" (§ 355 HGB). Der Kontokorrentvertrag war schon dem römischen Recht be-

kannt, nach welchem der Bankier (argentariue) aus dem Kontokorrentverhältniß nur cum compensatione agere d. h. nur auf den Saldo klagen durfte. Das Institut hat alsdann im Handels­ verkehr des Mittelalters seine Ausbildung und im modernen Recht nur für den Handelsverkehr gesetzliche Regelung erfahren (vgl. Art. 291 HGB a. F.). Auch das neue HGB (§§ 355—357) setzt die Kaufmannseigenschaft wenigstens des einen Kontrahenten voraus. Man wird aber auf ein gleiches Rechtsverhältniß unter Nichtkauflenten die Grundsätze des HGB analog anwenden dürfen. Die Wirkung des Vertrages besteht darin, daß die ein­ zelnen Forderungen und Schulden ihre Eigenschaft als selbständige Vermögensgegenstände verlieren und zu bloßen Rechnungsposten herabsinken. Hieraus folgt, daß keiner der Kontrahenten über die einzelnen Forderungen ver­ fügen, insbesondere sie abtreten, verpfänden, einklagen kann, daß jeder Theil ein seiner freien Verfügung unterliegendes Forderungs­ recht vielmehr nur auf den Saldo hat. Der Rechtsgrund der Saldoforderung ist also der Kontokorrentvertrag und die Saldo­ feststellung. Folgerecht haben auch die Gläubiger des Kontrahenten nur diejenigen Befugnisse, die der Schuldner selbst hat, Gegen­ stand einer von ihnen betriebenen Zwangsvollstreckung kann also nur die Saldo-Forderung sein. Die Verwandlung der ehemals selbständigen Forderungen in bloße Rechnungsfaktorcn tritt selbst bei denjenigen Forderungen ein, die durch Pfand, Bürgschaft oder sonst gesickert sind oder für die ein Gesammtschuldner haftet. Vor der Salvofeststellung kann der Gläubiger eine solche Forderung ebenso geltend machen, wie jede andere selbständige Forderung. Nach der Saldofeststellung kann der Gläubiger jenes accessorische Recht nicht mehr zum Zwecke der Befriedigung der Hauptforderung selbst, wohl aber zum Zwecke der Beitreibung des Saldo geltend machen, wenn diese und jene Forderung sich decken. Hafteten also für eine Forderung des A. auf 1000 Mk. der B. und der C. als Gesammtschuldner und geht diese Forderung in die Rechnung von A. u. B. über, so kann diese Forderung gegen C. nicht mehr geltend gemacht werden, und C. ist für immer frei, wenn sich ein Guthaben für B. herausstellt. Ergiebt sich aber für A. ein Guthaben von 820 Mk., so haftet für diesen Betrag auch der C. B. Die gesetzliche Kompensation. Gesetzliche Kompensation ist die v om Willen des Gläubigers u nab hängige Kompensation. Sie tritt beim Vorhandensein ihrer gesetzlichen Voraussetzungen ein, wenn der Schuldner den KompensationSwillea bethätigt.

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276 I. DaS römische Recht kannte ein civiles Kompensationsrecht nicht. Bei den bonae fidei judiciis hing es vom Ermessen der Richters ab, die Kompensation zuzulassen oder zu versagen. Wollte der Schuldner gegenüber einer a. Btricti juria kompensiren, so be­ durfte es der Aufnahme einer exceptio doli in die Formel; die Holge war aber die, daß beim Vorhandensein der Gegenforderung die gänzliche Freisprechung des Beklagten auch dann erfolgte, wenn die Gegenforderung geringer war als die Forderung. Der Kläger war also genöthigt, von vornherein nur auf den Ueberschuß zu klagen. Erst Mark Aurel gab der e. doli in diesem Falle bloße Kompensationswirkung und schrieb die Berücksichtigung der Gegen­ forderung vor. Nach dem späteren Kaiserrecht und dem Recht deS corpus iuris besteht also ein Kompensationsrecht des Schuldner-. Auf demselben Standpunkte stand das gemeine und steht das neue Recht (§§ 387,388 BGB). Nach gemeinem Recht war aber streitig, ob sich die gegenüberstehenden Forderungen von selbst mit dem Augenblick ihrer Existenz aufheben (sog. ipsojure-Wirkung) oder ob es der Kompensationserklärung bedarf oder endlich ob erst das die Aufrechnung zulassende Urtheil die Tilgung der Forde­ rungen bewirke. Das neue Recht schließt sich der schon bisher, insbesondere in der Praxis (vgl. namentlich RG 11, 119, 120 und die dort Angeführten) vertretenen Auffassung an, daß eS zur Ausübung des Kompensationsrechts zwar der Willenserklärung des Schuldners, aber auch nur dieser Erklärung bedürfe, um die Aufrechnung mit der Wirkung eintreten zu lassen, daß die Forderungen, soweit sie sich decken, in dem Zeitpunkte er­ loschen sind, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübertraten (§§ 387—389). Jene Erklärung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie soll eine klare Rechts­ lage schaffen, sie ist daher unwirksam, wenn sie unter einer Be­ dingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird (§ 388). Sie kann sowohl außerhalb wie innerhalb der Prozesses abgegeben werden. Geschah sie außerhalb, so ist die Berufung auf sie im Prozesse nichts weiter mehr als eine Thatsachenbehauptung, ge­ schieht sie erst im Prozesse, so ist sie ein im Prozesse bethätigte» Privatrechtsgeschäft. Das die Aufrechnung zulassende Urtheil stellt aber in jedem Falle nur die bereits vollzogene Kompensation fest. II. Das Kompensationsrecht hängt nach altem und neuem Recht von folgenden Voraussetzungen ab: 1. Vorhandensein zweier rechtsbeständigen Forderungen. Daher kann eine Forderung, der eine Einrede entgegensteht, sowie eine verjährte Forderung nicht aufgerechnet werden. Das einmal begründete Kompensationsrecht erlischt aber nicht durch Verjährung. Daher kann auch nach Eintritt der Verjährung kompensirt werden,

wenn die Forderung zu der Zeit, zu welcher sie aufgerechnet werden konnte, nicht verjährt war (§ 390 BGB). Ferner müssen die Forderungen: 2. auf gleichartige Gegen­ stände gerichtet, sie müssen 3. fällig und 4. gegenseitige Forderungen sein, d. h. die Gegenforderung muß dem Schuldner gegen den Gläubiger zustehen. Von dem Erfordernisse der Gegenseitigkeit sind jedoch Ausnahmen zugelassen: a) der Schuldner kann nach altem und neuem Recht (§ 406) mit einer gegen den Cedenten zustehenden Forderung gegen den Cessionar aufrechnen; b) mit einer fremden Gegenforderung konnte nach bisherigem Rechte kompensiren: der Bürge mit der Forderung des Haupt­ schuldners, der Korrealschuldner mit der Forderung de- Mit­ schuldners, wenn unter ihnen ein Regreßrecht besteht, und der dritte Pfandbesitzer mit einer Forderung des Schuldners. Da­ neue Recht sucht das Prinzip, daß Niemand die eigene Schuld mit fremdem Vermögen bezahlen dürfe, zu wahren, indem es dem Korrealschuldner wie dem Schuldübernehmer jene AufrechnungSbefugniß entzieht (§§ 422 Abs. 2, 417 BGB), und dem Bürgen ebenso wie dem Mitgliede einer offenen Handels­ gesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft l§770BGÄ, 88 >29 Abs. 3, 161 HGB) statt des Kompensationsrechts ein dem beneficium excuaaionia vergleichbares Verweisungsrecht, d. h. die Befugniß einräumt, die Befriedigung des Gläubigers zu ver­ weigern, so lange diesem die Möglichkeit zusteht, sich durch Kompensation mit einer eigenen Schuld zu befriedigen. Das BGB geht aber insofern weiter als das bisherige Recht, als es einem Jeden, dessen Rechte an einer Sache durch daS Zugriffsrecht eines Anderen gefährdet sind, die Befugniß giebt, daS Forderungsrecht dieses Anderen durch Leistung oder durch Aufrechnung mit seiner eigenen Forderung, die also nicht eine Gegenforderung des Schuldners ist, zu beseitigen s§ 268). Daher hat auch der Eigenthümer der mit einem Pfand- oder Hypothekenrecht belasteten Sache das Recht, die Forderung des Pfand- oder Hypothekengläubigers durch Kom­ pensation zu tilgen (§§ 1142, 1224). Das frühere gemeine Recht verlangte ferner bei Kompensation im Prozesse Liquidität d. h. Feststellbarkeit der Gegenforderung bis zu dem Zeitpunkte, in welchem die Forderung festgestellt wäre, vorausgesetzt, daß Forderung und Gegenforderung nicht in recht­ lichem Zusammenhänge ständen. Dieses Erforderniß ist von der CPO beseitigt und vom BGB nicht wieder ausgenommen worden, da die CPO dem berechtigten Verlangen, die Entscheidung über

278 die Forderung nicht durch eine weithergeholte und schwer feststellbare Gegenforderung aufzuhalten, in anderer Weise Rechnung trägt. Das Prozeßrecht unterscheidet: a) wenn beide Forderungen in rechtlichem Zusammen­ hänge stehen, so muß über sie in demselben Endurtheile entschieden werden, dem Gericht ist a berTrennung derVerhandlungundAburtheilung über die eine Forderung durch Zwischenurtheil gestattet; b) wenn aber die Forderungen nicht in rechtlichem Zu­ sammenhänge stehen, so kann das Gericht getrennte Verhand­ lung anordnen (§ 145 Abs. 3 CPO). Hat es dies gethan und kommt es zuerst zu einer die Forderung bejahenden Entscheidung, so hat es über diese allein ein Endurtheil zu erlassen. Das über die Forderung erlassene Endurtheil erledigt aber den Rechts­ streit nicht, sondern ergeht unter dem Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung (§ 274 CPO, RG 31,1). Bejaht das Gericht nachher durch das vorbehaltene Urtheil die Gegenforderung, so muß zugleich in demselben Endurtheil das frühere Urtheil aufgehoben und die Klage abgewiesen werden. III. Das Kompensationsrecht ist ausgeschlossen: 1) durch Verzicht des Berechtigten. Ein solcher Verzicht wird vom BGB insbesondere dann angenommen, wenn sich der Schuldner verpflichtet, an einem bestimmten Orte und zu einer bestimmten Zeit zu leisten, ihm selbst aber eine Forderung mit anderem Leistungsorte zusteht. Denn hier ist die Absicht auf Be­ friedigung eines augenblicklichen Bedürfnisses gerichtet tz 391 Abs.2); 2) gegenüber gewissen Forderungen: a) Nach gemeinem Rechte gegen Forderungen aus rechts­ widriger Wegnahme von in fremdem Besitze befindlichen Sachen (RG. 19, 237; 22, 227), nach neuem Rechte (§ 393) gegen jede Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (vergl. § 273). b) Nach gemeinem Rechte gegen Alimentenforderungen, nach neuem Recht (§ 394) gegenüber jeder der Pfändung nicht unter­ worfenen Forderung (Ausnahme § 394 Satz 2). c) Nach gemeinem Recht gegen Forderungen des FiskuS, wenn diejenige Kasse, welche zu leisten hat, verschieden ist von der, an welche zu leisten ist. Das neue Recht dehnt dieses dem FiskuS des Reiches und der Bundesstaaten zustehende AuSnahmerecht auf die Gemeinden und anderen Kommunalverbände auS (§ 395). d) gegen die Ansprüche der Aktiengesellschaft, Aktienkom­ manditgesellschaft, der eingetragenen Genossenschaft und der Ge­ sellschaft mit beschränkter Haftung gegen ihre Mitglieder auf Ein­ zahlung der Einlagen (§§ 221, 320 HGB. § 22 Gesetz vom 1. Mar 1889, § 19 Gesetz vom 20. April 1892);

27» Endlich darf nicht ausgerechnet werden mit Forderungen^ die Gewerbetreibenden auf Grund verbotener Kreditirung gegew ihre Arbeiter zustehen (§ 118 Gew. O.). Vom neuen Recht beseitigt ist das gemeinrechtliche Verbot der K. gegen die actio depositi und gegen gewisse Forderungen­ des Fiskus und der Stadtgemeinden. Wird eine Forderung in Beschlag genommen, so darf nach allgemeinen Grundsätzen der Drittschuldner an seinen Gläubiger nicht mehr leisten (§§ 829, 845, 930, 936 CPO), das BGB beläßt ihm aber das zur Zeit der Beschlagnahme schon vor­ handene Aufrechnungsrecht (§ 392 BGB). IV. Der gemeinrechtliche Satz compensatio compensationis non datur folgt aus dem Wesen der Aufrechnung. Denn diese ist mit Abgabe der Kompensationserklärung vollzogen, sie kann nicht dadurch wieder aufgehoben werden, daß der Gläubiger mit einer zweiten ihm zustehenden Forderung gegen die Gegenforderung aufrechnen zu wollen erklärt. Hat der eine oder der andere Theil mehrere Forderungen, so kann der aufrechnende Theil die zu kompensirende Forderung bestimmen. Unterbleibt die Bestimmung oder wird sie durch so­ fortigen Widerspruch des anderen Theiles entkräftet, so kommen die Grundsätze zur Anwendung, die für eine auf mehrere Forde­ rungen geleistete Zahlung gelten (§ 396). V. Der Konkurs des einen Theiles schließt eine Befriedigung des andern durch Aufrechnung nicht aus. Aber auch hier wird vorausgesetzt, daß das Kompensationsrecht schon zur Zeit der Konkurseröffnung begründet war (§§ 53 ff. KO>.

§ 101.

Der Erlaß.

Im römischen Recht diente die in Stipulationsform abge­ schlossene acceptilatio (quod ego tibi promisi, babesne acceptum? habeo) der Aufhebung von Stipulationsschulden. Sie wirkte als Formalakt ipso jure aufhebend, *) gleichviel, ob der Gläubiger in Wirklichkeit befriedigt war oder nicht. Um sich der Acceptilation bedienen zu können, pflegte man die auf anderem Rechtsgrunde beruhende Schuld durch Novation in eine Stipu­ lationsschuld umzuwandeln. In das gemeine Recht ist die Form der Acceptilation nicht übergegangen. Im heutigen Recht erreicht man indessen dasselbe Ziel auf anderem Wege. 1. Der (im römischen Recht für Nicht-Stipulationsschuldeir vorkommende) Erlaßvertrag besteht in ver vom Schuldner an-

*) Die Aushebung einet Schuld wirkte ipso jure, wenn diese Folge traft Eioilrechi«, fie wirkte ope exceptionis, wenn jene Folge nur kraft der vom Prätor in die formula eingerückten exceptio eintrat.

28V

genommenen Erklärung des Gläubigers, daß er seine Forderung aufgebe. Verschieden von ihm ist das pactum de non petendo, die Zusicherung des Gläubigers, nicht mit den Mitteln deS gerichtlichen Zwanges gegen den Schuldner vorgehen zu wollen, ein Vertrag, der die Schuld bestehen läßt und entweder in der Aufgabe der Zwangsbefugnisse schlechthin (p. de n. p. in rem) oder in einem Entgegenkommen gerade nur gegen die Person des Schuldners (p. d. n. p. in personam) besteht. Der Erlaß kann ein Akt der Freigebigkeit, er kann Gegenstand einer Verpflichtung (insbesondere aus einem gegenseitigen Vertrage) sein, jedenfalls ist er ein absttakter Vertrag (§ 397). 2. Das Anerkenntniß des Nichtbestehens einer Schuld wirkt nach der herrschenden Lehre deS gemeinen Rechts und nach neuem Recht (§ 397 Abs. 2 BGB) aufhebend, wenn es den Inhalt eines mit dem Schuldner geschlossenen Vertrages bildet. Denn in diesem Falle ist es eine (abstrakte) Willenserklärung, während die einem Dritten gegenüber vom Gläubiger abgegebene Erklärung, daß er eine Forderung nicht habe, als bloße Thatsachenbehauptung nur die Bedeutung eines Beweisgrundes hat. Ob in der Rückgabe oder absichtlichen Vernichtung der Schuld­ urkunde ein Erlaß oder ein Anerkenntniß der Nichtschuld liegt, ist Thatfrage, jedenfalls begründet sie einen Beweisgrund dafür, daß die Schuld aus irgend einem Grunde erloschen sei.

§ 102. Der Zwangsvergleich.') Der Z. ist ein den Konkurs beendender Rechtsakt, welcher die vom Gemeinschuldner abzugebende Erklärung, in welcher Weise die Gläubiger befriedigt und ob und wie sie sichergestellt werden sollen, sowie die Zustimmung der Mehrheit der Konkursgläubiger voraussetzt und der Bestätigung durch das Gericht bedarf. Er gehört hierher, weil er in den meisten Fällen eine theilweise Auf­ hebung der den Gläubigern zustehenden Forderungen herbeifühtt. Der Zwangsvergleich ist kein Vertrag der Gläubiger mit dem Gemeinschuldner, denn er wirkt nicht nur für und gegen die­ jenigen Gläubiger, die sich am Konkurse nicht betheiligt, sondern auch für und gegen die, welche sich gegen den Z. erklärt haben (§ 193 KO). @rr ist eine Rechtshandlung der Gläubiger und des Gemeinschuldners, die beim Vorhandensein dergesetzlichen Erfordernisse die vom Gesetze gewollte Wirkung ausübt. Em Institut des modernen Rechtes, ist er zuerst von der fran­ zösischen Gesetzgebung ausgebildet und aus dieser in die preußische *) Kohler: Lehrbuch de- Konkur-recht-. 1891. 6. 689 ff. Keltx Vach: Der Zwang-vergleich im Konkurse. 1896. Löhr: Ztschrst. f. 6toU« Prozeß. Bd. 16. 6. 835.

KO von 1856 und andere deutsche Partikulargesetze, auS diesen aber in die RKO übernommen worden. Zu seinen Voraussetzungen gehört ein VergleichSvorschlag deS Gemeinschuldners (§§ 173, 174 KO) und die Zu­ stimmung einer Personen« und einer Summenmajorität (8182)1). Die gerichtliche Bestätigung hat einen rechtspolizeilichen Charakter: sie hat nicht nur festzustellen, daß die vom Gesetze aufgestellten Erfordernisse gegeben sind, sondern auch dafür zu sorgen, daß Benachtheiligungen vermieden und die gemeinsamen Interessen der Gläubiger nicht verletzt werden (§§ 184- 188). Der Z. berührt nur die nicht bevorrechtigten Gläubiger, muß diesen aber gleiche Rechte gewähren (Gleichheitsprinzip). Werden die Forderungen der Gläubiger prozentual herabgemindert, so erlischt der aufgehobene Theil der Forderung wie durch einen Erlaßvertrag. Der Erlaß wirkt aber nur iu Gunsten der Person des Gemeinschuldners, die Mitschuldner und Bürgen bleiben auf den ursprünglichen Schuldbetrag verhaftet, desgleichen bleiben Pfand« und Hypothekenrechte sowie Grundschulden und Vor­ merkungen unberührt, auch wenn diese dinglichen Rechte an einem rur Masse gehörigen Gegenstände bestehen. Der Z. kann aber Den Gläubigern neue Rechte (insbesondere Sicherungsrechte, Rechte gegen Mitschuldner) gewähren und gewährt ihnen stets einen vollstreckbaren Schuldtitel gegen diejenigen Personen, welche durch den Z. Pflichten übernommen haben (§ 194). § 103.

Andere Aufhebung-gründe.

Aufhebend wirken noch: 1. Die Novation. Sie besteht in der Aufhebung der bis­ herigen und der Begründung einer neuen Forderung mit dem Inhalt der alten (1. 1 pr. D. 46,2: novatio eet prioris debiti in aliam Obligationen! vel civilem vel naturalem transfusio atque translatio). Die N. vollzieht sich durch Vertrag, und zwar im römischen Recht durch Stipulation oder Literalkontrakt. Sie hatte damals eine größere Bedeutung als heute, weil sie in älterer Zeit das fehlende Institut der (Session und die Schuld­ übernahme zu ersetzen hatte, zugleich aber auch die Form bildete, durch welche die zahlreichen klaglosen Forderungen in llagbare verwandelt wurden. DaS BGB erwähnt sie nur beiläufig (§364Abs. 2), indem es den dem heutigen Rechtsverkehre entnommenen Satz wiederholt, daß, wenn der Schuldner zum Zwecke der Befriedigung des *) 1. Einfache Mehrheit der im Termine anwesenden Gläubiger. 2. Gesamintsummr der Forderungen der zustimmenden Gläubiger — •/< der Gesammtsummr drrFordrrungen aller überhaupt stimmberechtigtenGläudiger.

?8S Gläubigers eine neueVerbindlichkeit übernimmt, die Vermuthung gegen eine Hingabe an Zahlungsstatt, also gegen die Auf­ hebung der alten Obligation spricht. Die Parteien können aber eine Novation erklären. Der Vertrag, der die neue Obligation begründet, ist stets ein abstrakter, häufig wird dafür die Wechsel­ form gewählt. Dagegen können die Parteien auch vereinbaren, daß daS, was der Schuldner aus anderem Rechtsgrunde schuldet, ihm fortan als Darlehn belassen werde. Die Novation geschah und geschieht mit Personenwechsel, wenn an Stelle des alten Gläubigers ein neuer Gläubiger oder an Stelle des bisherigen Schuldners ein neuer Schuldner tritt. Ein neuer Gläubiger kann nur ein treten auf Grund einer For­ derungsüberweisung, einer Delegation (Aktiv-D.), ein neuer Schuldner kann eintreten sowohl auf Grund einer Schuldüber Weisung (Passivdelegation) von Seiten des bisherigen Schuldners als auch ohne Mitwirkung des alten Schuldners d. i. im Wege der Expromission. Da im römischen Recht die Litiskontestation die bisherige Schuld, das (lare oportere, in das condemnari oportere um­ wandelte, so nannte man sie im Mittelalter eine novatio neceesaria im Gegensatz zu der durch Vertrag geschehenden n. voluntaria. 2. Die Vereinigung von Forderung und Schuld (confusio) *) in einer Person (z. B. durch Beerbung, aber auch durch Ab­ tretung) schafft einen dem Wesen der Obligation widersprechenden Zustand und führt damit deren Untergang herbei. Eine Aus­ nahme macht das justinianische und gemeine Recht beim Erbschafts­ antritt cum benefleio inventarii. Das moderne Recht unterscheidet zwischen endgültiger und vorübergehender Vereinigung und läßt nur bei der ersteren daS Erlöschen, dagegen bei der letzteren ein bloßes Ruhen der Obligation eintreten. Eine vorübergehende Vereinigung tritt in den Fällen ein, in denen die Obligation in einem Papiere verkörpert oder im Grundbuche eingetragen worden ist. Daher erlischt die Obligation nicht, wenn der Aussteller eines Jnhabervapieres oder der Wechselschuldner das Papier erwirbt, denn durch Veräußerung des Papiers trennt er Forderung und Schuld und führt er daher das Wiederaufleben der Obligation herbei. Ueber die Hypothek des Eigenthümers, vgl. im Sachenrecht. Im Falle des Erbganges tritt zwar Konfusion ein, doch wird sie durch Anordnung der Nachlaßverwaltung oder deS Nachlaßkonkurses ausgeschlossen (§§ 1976, 1991 BGB). *) Schwedler: Da« Erlöschen der Schuldoerhältnisse durch Vereini­ gung, 1897.

283 3. Durch den sog. concursue duarum causarum lucrativanim (1.61 D. 46,3) ging nach römischem und gemeinem Recht die auf Leistung einer bestimmten Sache gerichtete Obligation unter, wenn dem Gläubiger dieselbe Sache von anderer Seite so zugeführt wurde, daß der Gläubiger kein Vermögensopfer erlitt. DaS BGB hat hierüber keine Bestimmung. Es muß aber auch nach ihm die Forderung erlöschen, wenn der Zweck, dem die Forderung diente, ohne Beeinträchtigung der Vermögens­ lage des Gläubigers auf irgend einem Wege erreicht wird.

B. Besonderer Theil.

Vie einzelnen Achuldverhaltnisse.

I. Ale Hvttgatlonen ans 'Flechtsgeschäftm. L. Die einseitige« Rechtsgeschäfte. A. § 104.

Die Auslobung.

Eine Auslobung nimmt Derjenige vor, der „durch öffentliche Bekanntmachung eine Belohnung für die Vornahme einerHandluna, insbesondere für die Herbeiführung eines Erfolges aussetzt". Diese Definition deS § 657 BGB entspricht dem bisherigen Rechte. Die A. ist ein Institut gemeinen deutschen Gewohnheitsrechts. In diesem standen die VertragStheorie, welche die Auslobung selbst als bloßeS Angebot auffaßt und eine Verpflichtung erst mit der Annahme der Offerte entstehen ließ, und die Pollizitations­ theorie, welche in der A. eine einseitige verbindliche Willens­ erklärung erblickte, einander gegenüber. Das BGB hat sich derTheorie des einseitigen Versprechens angeschlossen. Der Anspruch auf die Belohnung ist daher erworben mit der Vornahme der zu belohnenden Handlung, gleichviel, ob der Handelnde von der A. Kenntniß und den Willen hatte, die Be­ lohnung zu erlangen (§ 657). Die A. ist daber in dem Augen­ blick für den AuSlobenden bindend, in welchem die öffentliche Bekanntmachung geschehen ist. Diese sofort eintretende Ver­ pflichtung hat mit der Widerruflichkeit der A. nichts zu thun. Der AuSlobende kann daher die A. zurücknehmen, aber er kann nicht einen auf die Belohnung schon entstandenen Anspruch auf­ heben. Der Wi derruf steht ihm daher nur bis zur Vornahme der Handlung zu (§ 605). Das Recht des Widerrufs ist mit der A. an sich gegeben, es bedarf daher zu seiner Beseitigung eines Ver­ zichtes. Der Verzicht erfolgt entweder ausdrücklich in der A. selbst oder süllschweigend dadurch, daß der Auslobende für die Vornahme der Handlung eine Frist setzt. Der Widerruf ist wirksam nur, wenn er in derselben Weise bekannt gemacht wird wie die A. selbst oder wenn er durch besondere Mittheilung (gegenüber dem mit der Vornahme der Handlung Beschäftigten) erfolgt (§ 658). Unter mehreren aus der Auslobung Berechtigten geht Derjenige vor, der die Handlung zuerst vorgenommen hat. Bei

gleichzeitiger Vornahme ist die Belohnung zu theilen, und ist die Theilung nach Lage der Umstände nicht angängig, so entscheidet daS Loos (§ 659). Eine der Billigkeit entsprechende Vertheilung soll auch dann stattfinden, wenn Mehrere zu dem zu belohnenden Erfolge mitgewirkt haben (§ 660). Die eine Preisbewerbung bezweckende A. hat die Besonder­ heiten, daß zu ihrer Gültigkeit nicht bloß die öffentliche Bekannt­ machung, sondern auch eine Fristbestimmung (damit also der präsumtive Widerrufsverzicht) erfolgt, daß über die Zuerkennung des Preises die in der A. bezeichnete Person oder der Auslobende entscheidet, und daß dieser die Ueberttagung des Eigenthum- an dem Werke nur verlangen kann, wenn dies in der A. bestimmt ist. B. Die Ausstellung von Werthpaptere«.

§ 105.

a.

Der Wechsel.

Der Wechsel ist eine Urkunde, in welcher unter Anwendung des Wortes »Wechsel" einem bestimmten Gläubiger sowie jedem, an den die Urkunde durch Indossament gelangt, ein Summen­ versprechen gegeben wird. 1. Er ist ein Summenversprechen, d. h. er enthält eine absttakte, einseitige Verpflichtung zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme; er bleibt Formal-(Skriptur-) Obligation auch dann, wenn der Verpflichtungsgrund in ihm zum Ausdruck gelangt ist. In welch beschränktem Maße der Schuldner aus diesem Ber« pflichtungsgrunde einen Einwand gegen die Zahlungspflicht her­ leiten kann, ist oben § 82 erörtert. Jede auf den Wechsel gesetzte Wechselerklärung enthält ein Versprechen und begründet eine Wechselverpflichtuna. Die Wechsel­ verpflichtungen sind entweder Prinzipale oder subsidiäre. Der W. hat nämlich entweder die Form eines einfachen Zahlungsver­ sprechens oder die eines Zahlungsaufttages. Im ersten Falle er-

Hart der Aussteller: Gegen diesen W. zahle ich im zweiten Falle erklärt er: Gegen diesen W. zahlen Sie. . . Jener W. heißt eigener (ttockener), dieser gezogener Wechsel oder Tratte, jener gleicht einem Schuldscheine, dieser einer Anweisung. Wie für die Anweisung, so sind auch für den gezogenen W. drei Personen nothwendig: 1. der Anweisende oder Trassant, 2. der Angewiesene, Bezogene oder Trassat, welcher zahlen, 3. der Anweisungsempfänger, Remittent, an welchen gezahlt werden soll'). Der Aussteller eines eigenen W. geht stets eine Prinzipale Berpflichtung ein. Der Aussteller eines gezogenen Wechsels ist von

') Der Aussteller kann — und die» ist da» gewöhnliche — fich selbst al» Remittenten bezeichnen (W. an eigene Ordre Art. 6).

286 vornherein nur Auftraggeber, und auch der Remittent ist von vornherein nur Gläubiger. Mit der Begebung des W. von Seiten deS Trassanten an den Remittenten aber übernimmt der Trassani die wechselmäßige Garantie für die Annahme und Zahlung des W. (Art. 8 WO), und die gleiche Garantie übernimmt ein Jeder, der den W. durch Indossament weiterbegiebt. Daher erwirbt der Indossatar mit dem W. nur Wechselrechte, eine Wechselverpflichtung acht er erst ein, indem er den W. weiterbegiebt (Art. 9. 14). Alle diese Personen, die zuerst nur Rechte erlangen und erst durch die Begebung des W. eine Wechselpflicht übernehmen, hasten nur subsidiär (im Wege des Regresses), d. h. nur dann, wenn der Hauptverpflichtete den W. nicht annimmt oder nicht bezahlt. Bezahlen aber soll ihn der Trassat. Dieser ist zur Bezahlung des W. vielleicht civilrechtlich, aber nicht wechselmäßig verpflichtet, er wird Wechfelfchuldner erst durch das Accept oder die Annahme des Wechsels (Art. 21, 23), dann aber auch Haupt­ verpflichteter. Bei diesem hat der Gläubiger zunächst die Zahlung nachzüsuchen, und nur wenn er sie hier nicht erlangt, kann er einen der Regreßschuldner in Anspruch nehmen. Aber auch diese letzteren sind zur Zahlung oder Sicherstellung (Art. 25, 29. 41) nur dann verpflichtet, wenn der Gläubiger darüber, daß er rechtzeitig beim Hauptverpflichteten Annahme oder Zahlung ge­ sucht (die Wechseldiligenz beobachtet) hat, eine öffentliche Urkunde, den Protest, hat aufnehmen lassen (Art. 41).

2. Jede Wechselerklärung ist ein Kreationsakt (RG 9, 56; 24, 87) und begründet demnach eine Wechselverpflichtung durch die bloße Niederschrift. Die Folge ist: a) Der Aussteller kann sich selbst als Bezogenen bezeichnen (Art. 6 Abs. 2); das deutsche Wechselrecht läßt diesen sog. trassirt-eigenen W., der nicht als eigener, sondern als gerogencr W. behandelt wird, als normale Erscheinung aber nur dann zu, wenn Ausstellungs- und Zahlungsort verschieden sind, denn nur in diesem Falle befriedigt er ein Verkehrsbedürfniß. b) Der Wechselschuldner ist gegenüber demjenigen Besitzer tut Zahlung verpflichtet, der sich durch eine zusammenhängende Reihe von Indossamenten als gutgläubiger Erwerber und damit als Eigenthümer des W. legitimirt; er ist aber zur Zahlung be­ rechtigt gegenüber dem, der sich nur äußerlich in der beschrie­ benen Weise legitimirt, denn der Wechselschuldner ist zur Prüfung der Echtheit der Indossamente nicht verpflichtet (Art, 36).

Aus einer Wechselerklärung entsteht also eine Wechsel­ verpflichtung nicht etwa nur gegenüber demjenigen, dem sich der Schuldner verpflichtet hat, und gegenüber den Rechtsnachfolgern

des ursprünglich Berechtigten, sondern unmittelbar gegenüber einem Jeden, der den W. durch Indossament erwirbt. c) Eine Wechselverpflichtung entsteht auch dann, wenn der W. gegen den Willen dessen, der die Wechselerklärung nieder­ geschrieben, in den Verkehr kommt (RG 9,56). 3. Zu den Erfordernissen eines gezogenen W. gehört nach Art 4 Nr. 8 die Angabe des Ortes, wo die Zahlung geschehen soll. Ist dieser Ort nicht identisch mit dem Wohnort des Bezogenen, so heißt der W. domicilirter oder Domicilwechsel. Die Person, welche am Wechseldomicil Zahlung leisten soll, ist der Domiciliat. Es ist dies regelmäßig eine Person (namentlich ein Bankier), die es übernommen hat, für den Be­ zogenen Zahlungen ju leisten. Der Wechselgläubiger hat deshalb Zahlung beim Domiciliaten nachzusuchen und bei ihrem Aus­ bleiben Protest zu erheben, obwohl der Domiciliat nicht Wechsel­ schuldner ist, und er verliert seine Rechte nicht nur gegen die Re­ greßschuldner, sondern sogar gegen den Acceptanten, wenn er nicht beim Domiciliaten Protest erhebt (Art. 24, 43). Ist im Domicilvermerk die Person, welche am Wechseldomicil zahlen wird, nicht genannt, so hat der Bezogene selbst am Wechsel­ domicil zu zahlen. 4. Obwohl der Bezogene erst durch die Annahme des W. wechselmäßig verpflichtet wird, besteht grundsätzlich für den Wechselgläubiger eine Verpflichtung, den W. dem Bezogenen zur Annahme zu repräsentieren, nicht. Doch kann der Aussteller eines Domicilwechsels die Präsentation vorschreiben, und für W., welche auf eine bestimmte Zeit nach Sicht lauten, besteht eine gesetzliche Präsentationspflicht (Art. 24, 19). Nichtbeachtung dieser Diligenz hat in beiden Fällen den Verlust des Regresses gegen Aussteller und Indossanten zur Folge (Art. 20, 24). Macht der Wechselinhaber indessen von seinem Rechte, zu präsentieren, Ge­ brauch, und wird die Annahme verweigert, so kann er Regreß auf Sicher st ellung dafür, daß der W. zur Verfallzeit werde bezahlt werden, gegen den Aussteller und die Indossanten nehmen (dlrt. 25 ff). Verschieden hiervon ist der Regreß wegen Unsicher­ heit des Acceptanten (Art. 29). Denn während der R. auf Sicherstellung seinen Grund darin hat, daß in Folge der An­ nahmeweigerung die Prinzipale Wechselverpflichtung nicht zur Ent­ stehung kommt, hat der R. wegen Unsicherheit das erfolgte Accept zur Voraussetzung; der letztere R. kann daher nur bei ein­ getretener Unsicherheit des Acceptanten (Konkurs, Zahlungs­ einstellung, fruchtlose Exekution) genommen werden. Die Präsentation des W. zur Zahlung muß erfolgen, weil sich der Gläubiger nur durch den Besitz des auf ihn indossierten

288 W. als Gläubiger ausweist und weil nur gegen Aushändigung des W. gezahlt zu werden braucht (Ärt. 36, 39, 41). Ob der Bezogene den W. angenommen hat, ist für die Frage nach der Noth­ wendigkeit der Präsentation gleichgültig. Denn die Regreßpflicht deS Ausstellers und der Indossanten besteht in jedem Falle (Art. 8, 14). Wird die Zahlung verweigert, so geht der Regreßanspruch deS Wechselgläubigers nicht auf Sicherstellung, sondern aufZahlung. Voraussetzung eines jeden Regreßanspruches ist die Protesterhebung (Art. 26, 29, 41). Der Protest mangels Zahlung muß spätestens am zweiten Werktage nach dem Fälligkeits­ tage ausgenommen werden (Art. 41, 91, 92). Zur Erhaltung des Wechselrechts gegen den Acceptanten bedarf es der Protesterhebung nur, wenn der W. domicilirt ist. 5. Der Wechselgläubiger kann gegen einen beliebigen Bor­ mann Regreß nehmen. Vormann ist für den Wechselgläubiger ein jeder, welcher den W. vor ihm erworben und durch In­ dossament übertragen hat. Bezahlt der Bormann im Regreß­ wege, so befreit er seine Hintermänner von der Regreßpflicht, kann aber gegen seine Vormänner Regreß nehmen. Der Aussteller befreit demnach alle Regreßschuldner, denn er ist der letzte in ihrer Reihe. Durch mehrfaches Regreßnehmen verzögert sich die endgültige Abwicklung des Geschäfts und vergrößert sich die zu zahlende Summe (Art. 50, 51). Der Abkürzung des Regreßweges dient das Institut der Wechselintervention'). Diese besteht darin, daß ein Anderer als der Trassat den W. annimmt oder daß ein Anderer als der Trassat den W. bezahlt. Die Annahme geschieht entweder von einer Nothadresse, d. h. einer im W. genannten, nur bedingt mit der Zahlung beauftragten Person („int Falle der Noth bei Herrn N.") oder im Wege der Ehrenannahme im engeren Sinne, d. h. von einer nicht als Nothadresse im W. benannten Person. In beiden Fällen tritt der Intervenient als Schuldner nur auf Grund der von ihm erklärten Wechselannahme ein. Ist aber eine Nothadresse vorhanden, so hat der Wechsel­ inhaber vor dem Regresse auf Sicherstellung die Annahme bei der Nothadresse nachzusuchen, eine wechsetmäßige Pflicht zur Annahme besteht indessen für die Nothadresse selbstverständlich nicht. Die Ehrenzahlung geschieht stets von einer zur Zahlung nicht verpflichteten Person. Die Intervention erfolgt zu Gunsten (zu Ehren) eines Regreßschuldners (Honoraren), und zwar entweder deS be-

1891.

') S. besonder» Soldschmidt: System de» Handelsrecht». 6. 267-274.

3. Aust.

stimmt Benannten oder, wenn die Nennung unterblieben ist, des Ausstellers. Durch die Ehrenannahme sowohl als durch die Ehrenzahlung werden die Nachmänner des Honoraten befreit, er­ folgt die Intervention also zu Gunsten des Ausstellers, so werden alle Regreßschuldner befreit. Die Ehrenannahme kann der Wechsel­ gläubiger zurückweisen, die Ehrenzahlung muß er nehmen (Art. 56—65). 6. Eine Wechselkopie ist eine Abschrift des W. und hat nur die Bestimmung, Kenntniß von dem Inhalte des W. zu geben, ihre Herstellung liegt deshalb im freien Belieben eines jeden Wechselbesitzers. Ein Wechselduplikat aber ist ein mit dem W. gleichlautendes Originalexemplar; es ist Träger selbständiger Wechselerllärungen und kann daher nur von demjenigen heraestellt werden, der den W. geschaffen, d. i. vom Aussteller. Indessen ist dieser zur Ausstellung von Duplikaten auf Verlangen verpflichtet (Art. 66). Die Duplikate dienen dem Interesse, den Wechselbesitzer vor den Folgen des Verlusts des W. zu schützen (insbesondere wenn die Prima zum Accept versandt wird), und um dem Inhaber, der den W. zum Accept versandt hat, die Möglichkeit der Jndossirung zu erhalten. Das Duplikat an sich ist nur eine Wechselabschrift, daher findet aus den auf dem W. befindlichen Wechselerllärungen, die im Duplikat nur wiederholt sind, nur eine einmalige Haftung statt. Das Duplikat hat aber die Bestimmung, selbständige Wechselerklärungen aufzunehmen, daher tritt aus den auf ihm be­ findlichen neuen Wechselerklärungen eine selbständige Haftung ein. Jndossirt also der Inhaber mehrerer Exemplare jedes dieser Exemplare an einen anderen Indossatar, so haftet er aus jedem Indossamente, und acceptirt der Trassat mehrere Exemplare, so bleibt er aus jedem Accepte verhaftet, wenn er sich nicht bei der Zahlung alle acceptirten Exemplare zurückgeben läßt (Art. 67). Die Selbständigkeit einer jeden Wechselerllärung bewirkt aber auch eine Haftung aus dem auf einer Wechselkopie befindlichen Originalinoossamente (Art. 70, 71). 7. Eine jede Wechselerklärung kann von mehreren Personen abgegeben werden, und zwar entweder so, daß sie als Haupt­ verpflichtete erscheinen, oder so, daß nur der eine die Haupt-, der andere die accessorische Verbindlichkeit (Bürgschaft) übernimmt (Art. 81). Im ersten Falle entstand nach gemeinem Rechte bei gemeinschaftlicher Unterzeichnung eine Korreal-, bei hintereinander erfolgender Uebernahme der Verbindlichkeit eine einfache Solidarobligation, nach neuem Rechte schlechthin ein Gesammtschuldverhältniß. Im zweiten Falle spricht man von Aval, wenn die bloß accessorische Natur der Haftung (des Avalisten) aus dem W. «nge lman», ». dür,erlich« Nicht Deutschlmid«.

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290 selbst erkennbar ist. Er hastet nur dann, wenn die Hauptunter­ schrist in formell gültiger Weise abgegeben ist; in diesem Falle hastet er aber selbständig so, als ob er der einzige Verpflichtete wäre, also auch dann, wenn der Urheber der Hauptunterschrist materiell nicht verpflichtet ist (z. B. wegen mangelnder Wechselfähigkeit). Die Gültigkeit der einen Wechselerklärung ist im übrigen von der Gültig­ keit anderer Wechselerklärungen unabhängig (Art. 3, 75, 76). 8. Der Wechselanspruch gegen den Acceptanten sowie den Aus­ steller eines eigenen W. verjährt in drei Jahren vom Tage der Fälligkeit, die Regreßansprüche verjähren in 3, 6, 18 Monaten (Art. 77—79). Die Unterbrechung der Verjährung unterliegt nach neuem Recht den allgemeinen Grundsätzen (Art. 8 Nr. 2 Eins. z. neuen HGB, §§ 209 ff. BGB). 9. Jede Wechselerklärung begründet eine „wechselmäßige" d. h. den Grundsätzen des Wechselrechts unterliegende Verpflichtung. Diese ist eine atricti juris obligatio, sie ist ausgestattet mit der materiellen Wechselstrenge d. h. der zivilrechtlich erleichterten Durchführbarkeit des Wechselanspruchs durch Beschränkung der Einreden (Art. 82), und der formellen Wechselstrengc d. h. der prozessualisch erleichterten Durchführbarkeit des Wechselanspruchs durch Gewährung eines schleunigen, der Vertheidigung des Schuldners ungünstigen Prozesses (§§ 592—605 CPO). Als abstrakte Obligation dient die Wechselverpflichtung ale Form für jedes nur denkbare Schuldverhältniß. Dasjenige Rechts­ verhältniß, das zwischen dem Aussteller und dem Bezogenen vor­ handen ist oder durch die Zahlung Seitens des Bezogenen ent­ steht, heißt Deckungsverhältniß; das, was der Aussteller dem Bezogenen leistet, ist die Deckung. Das Rechtsverhältniß aber, das zwischen dem Aussteller und dem Nehmer des W., oder zwischen dem Indossanten und dem Indossatar obwaltet, heißt Valutav erhältniß; das, was der Nehmer dem Geber für den W. leistet, ist die Valuta. Diese beiden Rechtsverhältnisse gehören nicht dem Wechselrecht, sondern dem allgemeinen bürgerlichen Rechte an. Zahlt („honorirt") also derTraffatdenaufihngezogenenW., sohaterdamit gegen den Aussteller den R e v a l i e ru n g s a n sp r u ch auf die Deckung erworben, war der Trassat aber Schuldner des Ausstellers, so ist mit der geleisteten Zahlung, soweit sie reicht, dieSchuld gedeckt, oder der Schuldner kann gegen sie mit dem Revalierungsanspruche auf­ rechnen; war der Trassat nicht Schuldner des Ausstellers, so hat er doch den ihm ertheilten Zahlungsauftrag erfüllt, der Reva­ lierungsanspruch ist also nach altem und neuem Recht die actio mandati contraria (§§ 669, 670 BGB). Ist der W. nicht be­ zahlt worden, so ist das frühere Rechtsverhältniß bestehen ge­ blieben oder, wenn ein solches nicht bestand, ein Deckungs-

Verhältniß nicht entstanden. Ist der Wechselanspruch verjährt oder ist die Wechselkrast des W. in Folge Nichtbeobachtung der Wechseldiligenz erloschen (der W. „präjudizirt"), so kann der Wechselgläubiger auf das zu Grunde liegende civilrechtliche Schuldverhältniß zurückgreifen; ist auch dieses erloschen, oder kann der Wechselinhaber aus ihm gegen den Schuldner Rechte nicht herleiten, so hat er gegen den Acceptanten (Aussteller des eigenen W.) und den Trassanten einen civilrechtlichen Anspruch auf denjenigen Betrag, um welchen diese ju seinem (des ehe­ maligen Wechselgläubigers) Schaden reicher fern würden (Art. 83). Gegen die Indossanten findet ein solcher Anspruch nicht statt. Wechselmäßig verpflichtet ist nur der Aussteller, der Acceptant, der Indossant, der Ehrenacceptant und der Wechsclbürge. 10. Unter einem Blanko-Accept versteht man das auf einen nicht ausgefüllten W. gesetzte Accept. Der Aussteller darf in diesem Falle den W. nur mit derjenigen Summe ausfüllen, die der Acceptant ihm zur Zeit aus anderen Schuldverhältniffen schuldet. Vcrcinbarungswidrige Ausfüllung giebt eine e. doll aber nur dem Aussteller gegenüber (RG 23, 110). Ein Gefälligkeitsaccept ist dasjenige, das der Acceptant nur giebt, um dem Nehmer Kredit zu verschaffen, und gegen welches der Nehmer sich verpflichtet hat, dem Acceptanten vor der Verfallzeit Deckung zu gewähren oder den W. selbst einzu­ lösen (ROHG 14, 225). Ein Depotwechsel ist ein solcher, dessen Indossirung durch einen Vermerk „nicht an Ordre" oder durch einen gleichbedeuten­ den Ausdruck ausgeschlossen ist (Art. 9). Das trotzdem vorge­ nommene Indossament hat nur die Bedeutung einer Cession. Eine Rimesse ist ein W., der als Deckung gegeben wird. Interimswechsel ist derjenige W., der über die Valuta ge­ zogen wird. 11. Ein abhanden gekommener Wechsel kann auf Antrag des letzten Berechtigten für kraftlos erklärt werden. Der Wechsel­ gläubiger kann aber auch während des der Amortisation des W. vorangehenden Aufgebotsverfahrens Zahlung verlangen, wenn er Sicherheit leistet, andernfalls kann »Hinterlegung fordern (Art. 73), § 106.

d. Das Jnhaberpapier.

1. Das Jnhaberpapier (vom BGB Schuldverschreibung aus den Inhaber genannt) ist eine Urkunde, in welcher sich der Aus­ steller zu einer Leistung an den jeweiligen Besitzer (Inhaber) der Urkunde verpflichtet. Auch dieses Institut ist dem römischen Recht 19*

292 fremd, denn es widerspricht der römischen Auffassung von der obligatio; es hat sich erst in den Statutarrechten Italien- ent­ wickelt und erst in neuerer Zeit, namentlich im 18. Jahrhundert, ausgestaltet. Es verdankt seine Entstehung dem wirthschaftlichen Bedürfniß nach Herstellung von Schuldverschreibungen ohne die für den Schuldner bestehende Nöthrgung, die Berechtigung des Papierinhavers zur Erhebung der versprochenen Leistung zu prüfen. Das Znhaberpapier hat eine noch größere Umlaufs­ fähigkeit als der Wechsel, es ist für den Verkehr Sache, im Ver­ hältniß von Gläubiger und Schuldner aber bleibt es Urkunde über eine gegen den Aussteller zustehende Forderung. Die Regelung des Instituts unterlag bisher dem Partikular­ recht, und nur in einzelnen Beziehungen griff das Reichsrecht ein (Art. 307 HGB a. F. Ges. vom 8. Juni 1871); ein gemeines Gewohnheitsrecht fehlte. Das BGB hat in den §§ 793—808 die wichtigsten Grundsätze aufgestellt, in den Art. 98—102 des Eins. Ges. indessen mehrere Vorbehalte für die Landesgesetzgebung gemacht. 2. Während der Wechsel stets eine abstrakte Obligation be­ gründet, besteht eine solche Einschränkung für das Jnhaberpapier weder nach altem noch nach neuem Recht (§ 793). Gleichwohl ist das Einrederecht nach neuem Recht in ähnlicher Weise beschränkt

wie beim Wechsel (§ 796); da jedoch die aus der Urkunde selbst sich ergebenden Einwendungen zugelassen sind, so ist ein Zurück­ gehen auf die causa debendi dann ermöglicht, wenn die Urkunde oie Stipulationen des zu Grunde liegenden Geschäftes wiedergiebt. 3. Wie beim Wechsel entsteht, was das BGB im § 794 zum Zwecke der Erledigung des bisherigen Streites zwischen Ver­ trags- und Kreationstheorie unzweideutig ausspricht, die Ver­ pflichtung aus dem Papiere mit dem einseitigen Akte der Niederschrift. Das Recht aus dem Papiere wird also nicht aus einem vom Aussteller mit dem ersten Nehmer geschlossenen Ver­ trage, sondern aus dem einseitig erklärten Verpflichtungswillen des Schuldners hergeleitet. Daher erwirbt auch jeder spätere Erwerber des Papieres das Recht aus diesem Papiere nicht vom Veräußerer, sondern unmittelbar vom Aussteller, das Recht enffteht also in jedem Erwerber von neuem. Folgeweise ist der Aussteller auch dann verpflichtet, wenn das Papier ohne oder gegen seinen Willen in den Verkehr gekommen ist, und er oder sein Erbe haftet, wenn das Papier nach Eintritt seiner Geschäftsunfähigkeit oder nach seinem Tode ausgegeben („emittiert") wird. 4. Auch beim Jnhaverpapiere ist zu unterscheiden zwischen Rechtserwerb und bloßem Reähtsausweis. Das Recht aus dem Papiere erwirbt nur derjenige, welcher das Verfügungsrecht über das Papier erlangt, d. h. derjenige, welcher das Papier in

gutem Glauben erwirbt und daher dessen Eigentümer wird (88 793, 932— 935). Diesem gegenüber ist der Aussteller zur Zahkmg verpflichtet. Aber auch Der nicht verfügungsberechtigte Inhaber des P. ist zur Erhebung ver Leistung legitimirt, der Aus­ steller ist ihm gegenüber zur Zahlung berechtigt, er wird also durch Zahlung an den bloßen Inhaber befreit. Den Gefahren, die hierin für den Eigenthümer liegen, suchten zahlreiche Partikulargesetze dadurch vorzubeugen, daß sie Dem Besitzer des Papieres gestatteten, diesem durch einen auf die Urkunde gesetzten Vermerk die Umlaufsfähigkeit zu nehmen. Dieser Außerkurssetzungsvermerk verwandelte das für die ausgedehn­ teste Cirkulation bestimmte Papier ohne oder gegen den Willen deS Ausstellers in ein Rektapapier. Das BGB (8 806) beseitigt dieses Institut, indem es nur dem Aussteller die Befugniß cinräumt, das Papier in ein auf den Namen eines bestimmten Berechtigten lautendes, also in ein Rektapapier zu verwandeln. Das umgewandelte Papier kann nur noch durch Cession über­ tragen werden, und der Aussteller kann mit befreiender Wirkung nur an den gehörig legetimirten Cessionar zahlen. In jedem Falle ist nach altem wie neuem Recht der Aus­ steller nur gegen Aushändigung des Papieres zur Leistung ver­ pflichtet: das Jnhaberpapier ist ein sog. Präsentationspapier Durch die auf Grund der Zahlung erfolgende Rückgabe des Papieres erwirbt der Aussteller nach neuem Recht (§ 797) in jedem Falle das Eigenthum des Papieres. Bleibt das Papier bestehen, so ruht die Verpflichtung des Eigenthümers so lange er das Papier besitzt; erwirbt später ein Anderer Das Verfügungs­ recht, so lebt die Verpflichtung des Ausstellers wieder auf. 5. Im Jnlande ausgestellte Jnhaberpapiere, welche auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme lauten, dürfen nur mit staatlicher Genehmigung in den Verkehr gebracht werden (8 795). Das ohne diese Genehmigung ausgegebene Papier be­ gründet keine Verpflichtung. Die Ertheilung oder Verweigerung der Genehmigung ist Sache des Bundesstaates, in dessen Gebiete der Aussteller seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hat. Die für die Frage der Genehmigung maßgebenden Normen aehören demnach dem Landesrecht an. Jedenfalls gewährt die Thatsache der Genehmigung dem Erwerber eines Jnhaberpapieres eine gewisse Sicherheit Dafür, daß die vom Aussteller in Umlauf ge­ setzten Papiere die Zahlungsmittel des Ausstellers nicht übersteigen. Das Erfordernis der Genehmigung fällt weg bei Papieren, die vom Reich oder einem Bundesstaat ausgegeben sind (§ 795). 6. Wäre das Papier ausschließlich eine mit einem gewissen Werthe ausgestattete Sache, so müßte der Verlust des Papiers

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den Verlust des in ihm enthaltenen BermögenswertheS und die ungerechtfertigte Bereicherung des Ausstellers um diesen Werth lut Folge haben. Das Papier ist aber eine Urkunde über eine Forderung, und diese letztere geht mit dem Verluste der Urkunde nicht verloren. Vielmehr kann nach altem und neuem Recht der Inhaber eines unbrauchbar gewordenen und daher nicht mehr umlaufsfähigen und der letzte Inhaber eines verloren gegangenen Papieres vom Aussteller die Ertheilung eines neuen Papieres an Stelle des alten verlangen, wenn das unbrauchbare Papier zurückgegeben wird, das verlorene auf Grund eines AufgebotSverfahrenS für kraftlos erklärt („amortisirt") worden ist (§§ 798 bis 800 BGB. §§ 946 ff. insbesondere 1003 ff. CPO). Nur Zins-, Renten- uud Gewinnantheilscheine sowie auf Sicht zahl­ bare unverzinsliche Schuldverschreibungen unterliegen der Kraft­ loserklärung nicht (8 799 BGB), desgl. Banknoten nach § 4 Bankges. v. 14. 3. 75. Die Kosten der Erneuerung trägt stets der Inhaber (§§ 798, 799, 800). Auf Verlangen des Antrag­ stellers hat das Gericht zugleich die Zahlungssperre auszu­ sprechen d. h. an den Aussteller und die etwaigen Zahlstellen ein die Leistung untersagendes Gebot zu richten. 7. Das BGB unterscheidet zwischen der VorleyungSfrist und der Verjährung. Die erstere ist eine Präklusivfrist, die bei Zins-, Renten- und Gewinnantheilscheinen 4, bei den anderen Jnhaberpapieren 30 Jahre beträgt, und deren Bedeutung darin besteht, daß mit ihrem Ablauf die Forderung aus dem Papiere erlischt (§§ 801, 802). Wird aber innerhalb der Frist die Ur­ kunde dem Aussteller zum Zwecke der Einlösung vorgelegt, so beginnt damit die Verjährung der Forderung. Die Verjährungsfrist beträgt 2 Jahre. 8. Das Jnhaberpapier ist für den Umlauf bestimmt. Ur­ kunden, welche diese Bestimmung nicht haben, die aber den In­ haber als Empfangsberechtigten ausweisen, sind daher nicht Hnhaberpapiere, sondern bloße Legitimationszeichen. Hierher gehören Eisenbahn- und andere Billets, Marken, Bons u. s. w. Alle diese Urkunden werden auf Grund eines regelmäßig gegen­ seitigen Vertrages sz. B. eines Transportvertragesf ausgegeben, aber der eine Kontrahent, dessen Leistung noch aussteht, will sich die Prüfung der Legitimation des anderen Kontrahenten erleichtern, indem er denjenigen als den Empfangsberechtigten gelten läßt, der jenes Zeichen vorweist. Dadurch erlangen diese Zeichen that­ sächlich die Umlaufsfähigkeit des Jnhaberpapieres. Das BGB (§ 807) wendet auf diese Zeichen einige Bestimmungen von Jn­ haberpapieren an, indem es den Inhaber für empfangsberechtigt erklärt, für sie die Kreationstheorie verwerthet (§§ 793, 794),

sie zu Präsentationspapieren macht (§ 797) und die Einreden gegen sie beschränkt (§ 796). Eine Kraftloserklärung findet nicht statt, und die Vor­ legungsfrist kommt nicht zur Anwendung. Der Schuldner kann gleichwohl das Interesse haben, nur an die Person des ursprünglichen Gegenkontrahenten zu leisten. Er kann daher die Uebertragung des Papiers untersagen. Wird das Papier trotzdem veräußert, so erwirbt der Erwerber das Recht auf die Leistung nicht (§ 793). Keine Jnhaberpapiere, sondern gleichfalls bloße Legitimationszeichen (hinkende Jnhaberpapiere) find ferner diejenigen Ur­ kunden, in welchen der Gläubiger benannt ist, die jedoch mit der Bestimmung ausgegeben werden, daß die Leistung an jeden Inhaber bewirkt werden kann. Hierher zählen namentlich die Sparkassenbücher zahlreicher öffentlicherSparkassen. Auch hier wird nur das Interesse an der Erleichterung der Legitimationsprüfung befriedigt. Daher kann das Recht aus einem solchen Papier nur durch Cession übertragen werden, aber der Schuldner kann an den bloßen Inhaber mit befreiender Wirkung leisten (§ 808). Diese Papiere können für kraftlos erklärt werden, es besteht für sie keine Borlegungsfrist, der in ihnen beurkundete Anspruch unterliegt der Verjährung.

2. Die Verträge. A. Die einseitig verpflichtenden Verträge. 8 107.

Da- Darlehn.

1. Darlehu ist nach altem und neuem Recht (§ 607) die Hingabe vertretbarer Sachen gegen die Verpflichtung, das Empfangene in Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzuerstatten. Es ist nach römischem und heutigem Recht ein Realkontrakt, die Verpflichtung zur Rückgabe entsteht also erst mit dem Hingeben und Annehmen, und das die Dahrlehnshingabe versprechende pactum de mutuo con­ trahendo ist ein vom Dahrlehusvertrage selbst verschiedenes Geschäft. Die durch diesen Konsensualvertrag begründete Ver­ pflichtung geht auf ein Thun (b. i. den Vertragsschluß), sie kann also nicht gegen eine auf Leistung einer Quantität von Sachen ge­ richtete Forderung des Darlehnsgebers aufgerechnet werden. Nach altem und neuem Recht (§ 610) gilt für das p. de mutuando die clausula rebus sic stantibus: der Verpflichtete kann sein Ver­ sprechen widerrufen, wenn in den Vermögensverhältnissen des anderen Theiles eine wesentliche Verschlechterung eintritt, durch die der Anspruch auf die Rückerstattung gefährdet wird.

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2. Der Darlehnsvertrag kommt nach altem und neuem Recht nicht blos durch unmittelbare Hingabe, sondern auch dadurch zu Stande, daß die Valuta auf Anweisung des Darlehnsempfängers einem Dritten oder daß dem Darlehnsfucher eine andere Sache mit der Ermächtigung gegeben wird, die Sache zu verkaufen und den Erlös als Darlehn zu behalten (sog. contractus mohatrae), es kann auch die aus einem anderen Grunde entstandene Schuld durch Novation in eine Darlehnsschuld verwandelt werden (§ 607 Abs. 2). Dadurch daß der Darlehnsempfänger nur eine gleiche Quan­ tität der gegebenen vertretbaren Sachen zu erstatten hat, wird er zum Verbrauche der Sachen berechtigt. Durch den gutgläu­ bigen Verbrauch oder durch ununterscheidbare Vermengung mit eigenen Sachen wird er Eigenthümer der fremden Sachen, falls er es nicht schon durch die Uebergabe geworden ist. Durch die Uebergabe aber wurde er nach bisherigem Recht nur dann Eigenthümer, wenn der Darlehnsgeber Eigenthümer war. Nach neuem Recht wird der Darlehnsempfänger durch die Uebergabe stets Eigenthümer, wenn er in gutem Glauben ist (§§ 929, 932, 935 Abs. 2). Ist der Empfänger nicht in gutem Glauben, so kommt kein Darlehn zu Stande, der Empfänger haftet vielmehr aus der Bereicherung oder unerlaubtem Thun. Werden statt baaren Geldes Jnhaberpapiere hingegeben, so hängt es von den Umständen des einzelnen Falles ab, ob die Papiere selbst oder eine Geldsumme Gegenstand des Darlehns ist. Giebt Jemand ein Darlehn aufdenNameneinesDritten, so erwirbt dieser Dritte das Forderungsrecht aus dem Darlehn, mag der Geber Eigenthümer des Geldes gewesen sein oder nicht, und zwar nach altem Recht kraft positiver Bestimmung (1. 9 § 8 D. 12,1 u. a.), nach neuem Recht nach den Grundsätzen über Verträge zu Gunster Dritter. Kommt in Folge Irrthums des Empfängers über die Person des Gebers ein gültiger Darlehns­ vertrag nicht zu Stande, so haftet der Empfänger dem Eigen­ thümer des Geldes aus der Bereicherung (cond. Juventiana I. 32 D. de reb. cred. 12,1. §§ 809, 812 BGB). 3. Der Darlehnsvertrag erzeugt eine einseitige Ver­ pflichtung auf Rückerstattung. Nach altem römischen Recht er­ zeugte daS förmlich (per aes et libram) geschlossene Nexum einen unmittelbar vollstreckbaren Anspruch. Aber auch nachdem diese Folge des Nexum durch die lex Poetelia (313 v. Chr.) aufge­ hoben und deshalb das Nexum selbst außer Gebrauch gekommen war, blieb das formlos geschlossene mutuum ein negotium stricti Juris und die aus ihm hervorgehende actio mutui eine condictio certi. Zinsen konnten nach römischem Recht nur auf Grund be-

sonderer Stipulation verlangt werden, nach gemeinem und neuem Recht genügt zur Begründung der ZinSpflicht die formlose Vereinbarung. Ist nichts Anderes bedungen, so sind nach neuem Recht (8 608) die Zinsen nach dem Ablaufe eines jeden Jahres oder, wenn das Darlehn vor dem Ablaufe eines Jahres zu er­ statten ist, bei der Rückerstattung zu enttichten. Nach römischem und gemeinem Recht konnten sich auf Grund des Set. Macedonianum Hauskinder aus Darlehen nur mit Zu­ stimmung des Vaters verpflichten, während sie aus anderen Rechtsgeschäften hafteten. Das BGB beseitigt diese Singularität, da nach ihm die Verpflichtung aus einem Darlehn wie die aus anderen Rechtsgeschäften von der Geschäftsfähigkeit des Darlehnsempfängers abhängt (§§ 104 ff. 1626). 4. Der Darlehnsschuldschein ist nur Beweismittel für das durch Geben und Nehmen der geliehenen Sachen gültig zu Stande gekommene Darlehn. Das spätere römische und ältere gemeine Recht legte dem Schuldschein erst nach Ablauf von zwei Jahren Beweiskraft bei in der Weise, daß vor Ablauf der Frist der Inhaber des Schuldscheines die Erklärung des Ausstellers, daß er das Darlehn nicht erhalten habe (querela non numeratae pecuniae in Gestalt einer exceptio n. n. p., einer condicitio auf Rückgabe des Scheines oder eines Protestes), durch den Schuld­ schein selbst nicht widerlegen konnte, nach Ablauf der Frist aber der Gegenbeweis gegen den Schein unzulässig war. Der Schuldner hatte es also in der Hand, dem Schuldscheine für immer alle Beweiskraft zu entziehen. Diese Grundsätze wurden zuerst durch Art. 295 HGB für das Gebiet der Handelsgeschäfte und dann durch § 17 EG zur CPO für Nichthandelsgeschäfte beseitigt. Indem hier bestimmt wird, daß „die Beweiskraft eines Schuld­ scheines an den Ablauf einer Zeitfrist nicht gebunden" sein soll, ist der Schuldschein anderen Urkunden gleichgestellt; er erlangt mit der Aushändigung an den Gläubiger beweisende Kraft, kann aber durch Gegenbeweis entkräftet werden. Die Beweiskraft des Schuldscheins erstreckt sich auf Alles, was er enthält, Zeit, Summe u. s. w., insbesondere auch auf das in ihm bezeichnete Schuld­ verhältniß, so daß, wer behauptet, es bestehe unter den Parteien ein anderes Schuldverhältniß, den Gegenbeweis zu führen hat. Hieraus folgt, daß, wenn der Schuldschein einen Verpflichtungs­ grund nicht angiebt, der Gläubiger das Vorhandensein des von ihm behaupteten Schuldgrundes anderweit zu beweisen hat. 5. Ist über die Zeit der Rückzahlung nichts vereinbart, so kann die Zahlung nach bisherigem Recht zu jeder Zeit ge­ fordert werden (quod sine die debetur, statim debetur). Das neue Recht hat dem allgemeinen Brauche und den Interessen

298 beider Theile entsprechend die Fälligkeit des Darlehns, sofern nicht besondere Vereinbarungen getroffen sind, von einer jedem Theile zustehenden Kündigung abhängig gemacht und die Kündigungsfrist bei Darlehen von mehr als 3lX)Mark auf drei Monate, bei Darlehen von geringerem Betrage auf einen Monat festgesetzt. Unverzinsliche Darlehen aber kann der Sckuldner auch ohne vorangegangene Kündigung zurückerstatten (8 609). 6. Ein bedingtes Darlehn war das aus dem griechischen Rechte aufgenommene Seedarlehn (foenua nauticum, peeunia trajecticia)1). Es ist ein dem Rheder zum Zwecke des Ankaufs von Waaren oder zur Reparatur des Schiffes oder zur Löhnung der Schiffsmannschaft gegebenes, im Bestimmungshafen rückzah^

bares Darlehn, dessen Eigenthümlichkeit darin besteht, daß die Rückzahlungspflicht von der glücklichen Vollendung der Fahrt abhängt. Der Darlehnsgeber nahm also an der Gefahr der Seereise Theil und erhielt dafür in einem bestimmten Betrage oder jedenfalls in einem erhöhten Zinse eine Gefahrprämie, denn die Höhe der Zinsen unterlag ursprünglich der freien Vereinbarung, seit Justinian durfte sie 12% betragen. Es war üblich, das Schiff zu verpfänden, doch bildete die Verpfändung keinen noth­ wendigen Bestandtheil des Vertrages. Ging das Schiff in Folge Versehens des Rheders oder seiner Leute unter, so haftete er wie aus einem gewöhnlichen Darlehn. Das antike Seedarlehn ist im Mittelalter durch den deutschrechtlichen Bodmereivertrags verdrängt worden, ein Institut, das schließlich im HGB (§§ 679 bis 699) seine gemeinrechtliche Regelung erfahren hat. Die Bodmerei ist ein Darlehnsgeschäft, welches von dem Schiffer als solchem unter Zusicherung einer Prämie und unter Verpfändung von Schiff, Fracht und Ladung oder von einem oder mehreren dieser Gegenstände in der Art eingegangen wird, daß der Gläubigerwegen seiner Ansprüche nur an die verpfändeten (verbodmeten) Gegenstände nach der Ankunft des Schiffes an dem Orte sich halten kann, wo diejenige Reise enden soll, für welche das Geschäft eingegangen ist (§ 679 HGB). Das Geschäft unterscheidet sich vom foenua nauticum dadurch, daß es ein unbedingtes Darlehn, daß ihm die Verpfändung wesentlich ist, daß der Darlehnsnehmer nur mit den verpfändeten Gegenständen haftet und daß die Prämie unbeschränkt ist. Zur Gültigkeit des B.-Vertrages ist die Aufnahme einer Urkunde (des Bodmereibriefes) erforderlich, der an Ordre gestellt werden kann. Das Papier ist in diesem Falle ein Ordre-, andernfalls ein Rekta-, in jedem Falle ein i) Lgl. besonder» Schröder in Endemann'» Handbuch de» Handels­ recht» Bd. 4 S. 235 ff. 3) Son Boden, d. h. Schiffsboden, Kiel.

Präsentationspapier. Das Darlehn ist im Bestimmungshafen und am achten Tage nach Vollendung der Bodmereireise fällig. Der gutgläubige Erwerber der verbodmeten Gegenstände ist von der Haftung frei. Fehlt es an einer der Voraussetzungen für das Geschäft, so haftet der Darlehnsnehmer wie aus einem ge­ wöhnlichen Kreditgeschäfte. — Zu den bestimmten Handelsge­ schäften gehört es nicht, weil es nicht den Gegenstand eines Handelsgewerbes bilden kann.

§ 108.

Die öffentliche Anleihe.

Das Darlehn dient der Beftiedigung vorübergehenden Kapital­ bedürfnisses. Es ist deshalb nicht geeignet, das Bedürfniß des Staates und anderer Korporationen nach der Aufnahme von Kapitalien, die zu dauernden Anlagen verwendet werden sollen, und das Bedürfniß des Geldbesitzers nach einer dauernden Kapital­ anlage zu befriedigen. Beiden Zwecken entspricht die öffentliche Anleihe, denn sie ist kein Darlehn. Sie kommt vielmehr in der Weise zu Stande, daß die geldbedürstige Korporation eine öffent­ liche Aufforderung erläßt, ihr Kapital zu gewähren, daß alsdann Diejenigen, welche der Aufforderung entsprechen wollen, einen bestimmten Geldbetrag „zeichnen", d. h. sich zur Hingabe des Betrages schriftlich verpflichten, und daß die Korporation als­ dann Jnhaberpapierc herstellt, welche von den Zeichnern gekauft werden. Die Papiere haben deshalb schon bei der Ausgabe an den ersten Nehmer einen Kurswerth, es kann also geschehen, daß schon der erste Nehmer für das Papier nicht den vollen Nenn­ werth bezahlt (Unter-Pari-Emission). Häusig verkauft die geld­ bedürftige Korporation die Papiere an Vereinigungen (Konsortien) von Bankhäusern, die dann ihrerseits die Papiere „auf den Markt" bringen d. h. in Umlauf setzen. Die Verpflichtung des Ausstellers unterscheidet sich aber von der Verpflichtung des DarlehnS« Schuldners dadurch, daß die Anleiheschuld für den Gläubiger un­ kündbar ist, daß die Schuldtilgung häufig ganz ausgeschlossen, oder daß Zeit und Umfang der Schuldtilgung dem Ermessen des Schuldners überlassen ist, und daß da, wo sich der Aussteller zur Schuldtilgung verpflichtet hat, die Zahlung im Wege der Amortisation, d. h. dadurch erfolgt, daß mit den Zinsen ein diese um ein geringes übersteigender Mehrbetrag gezahlt wird. Hat der Schuldner eine Rückzahlungspflicht nicht übernommen, so heißt die Schuld eine Rentenanleihe, denn der Inhaber des Papieres hat hier nur die fälschlich meist als Zins bezeichnete Rente zu fordern und kann das gezahlte Kapital nur auf dem Wege der Veräußerung des Papieres wiedererlangen. Eine be­ sondere Art der Anleihe ist die Prämien- oder Lotterie«

300 Anleihe, bei welcher der Schuldner sich verpflichtet, auf die nach gewißen Zeitabschnitten durch das Loos bestimmten Papiere einen Gewinn (eine Prämie) oder wenigstens den Nennwerth zu zahlen (Ges, vom 8. 3uni 1871). Die einzelnen Papiere heißen hier Prämienscheine oder Loose. Nach dem Staatsrecht des Deutschen Reiches erfolgt die Aufnahme einer Reichsanleihe im Wege des Gesetzes (Art. 73 VU). Durch das Gesetz wird aber nur die verfassungsmäßige Zustim­ mung von Bundesrath und Reichstag beschafft, die Aufnahme selbst bleibt ein Berwaltungsakt. Nach allen bisherigen Anleihe­ gesetzen des Deutschen Reiches steht nur dem Reiche, nicht auch den Inhabern der Anleihescheine ein Kündigungsrecht zu. Die Reichsanleihen sind also wiederkäufliche Rentenanleihen. Durch Gesetz vom 31. Mai 1891 ist das Reichsschuldbuch eingeführt worden, d. h. eine von der Reichsschuldenverwaltung geführte Urkunde, in welche die dem Inhaber von Reichsanleihescheinen aus dem Jnhaberpapier zustehende Forderung gegen Rückgabe der Papiere auf seinen Namen als Buchschuld eingettagen wird. Die Jnhaberschuld verwandelt sich bannt in die auf einen bestimmten Gläubiger lautende Buchschuld. Die Umwandlung er­ folgt ebenso wie die Wiederherstellung der Jnhaberschuld nur auf Verlangen des Gläubigers.

§ 109.

Die Schenkung.

1. „Eine Zuwendung, durch die Jemand aus seinem Ver­ mögen einen Anderen bereichert, ist Schenkung, wenn beide Theile darüber einig sind, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgt." In dieser Begriffserklärung stimmen altes und neues Recht (§ 516) überein, durch sie wird die Schenkung in Uebereinstimmung mit der herrschenden Lehre des bisherigen Rechtes zugleich als Ver­ trag bezeichnet. Es kann eine unentgeltliche Zuwendung aller­ dings auch ohne den Willen des Bereicherten bewirkt werden, z. B. indem ohne sein Wissen ein ihm obliegendes Geschäft unter Vermögensopfern, aber ohne animus obligandi, besorgt wird, zur Schenkung wird die Zuwendung aber erst durch ihre Annahme. Von Demjenigen, der die Zuwendung nicht ausdrücklich ablehnt, muß vermuthet werden, daß er sic angenommen habe. Das BGB (§ 516) giebt dem Schenker ein Mittel, Klarheit über die Mei­ nung des Anderen zu erhalten, indem es ihm die Befugniß ein­ räumt, den Anderen zur Erklärung über die Annahme unter Bestimmung einer angemessenen Frist aufzufordern. Nichtantworr gilt als Annahme der Schenkung, und die Ablehnung giebt dem Zuwendenden einen Anspruch aus grundloser Bereicherung (con­ dictio sine causa).

In jedem Falle gehört zum Begriffe der Schenkung das Herausgehen eines Bermögensobjektes aus dem Vermögen des Einen in das des Anderen. Schenkung ist daher, was das BGB (§ 517) in Uebereinstimmung mit dem bisherigen Rechte ausdrücklich bestimmt, nicht die Ausschlagung eines angetragenen Erwerbes, nicht der Verzicht auf ein angefallenes, noch nicht er­ worbenes Recht, auch nicht die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses, selbst wenn in allen diesen Fällen die Ab­ lehnung des Erwerbes in der Absicht geschieht, einem Andern einen Vortheil zu verschaffen. Ist die Zuwendung als unentgeltliche gewollt (animua donandi), so ist sie auch dann Schenkung, wenn jener Wille einem eigennützigen oder sogar unlauteren Motive entspringt (RG 23, 207). Die Zuwendung ist eine entgeltliche, wenn sie sich als Er­ füllung einer Rechtspflicht darstellt. Wer ohne solche Pflicht mit der Zuwendung einen ihm geleisteten Dienst velohnen will, nimmt eine (belohnende, remuneratorische) Schenkung vor, die nach gemeinem und neuem Recht den Grundsätzen von der Schenkung überhaupt unterliegt; wer durch den Dienst des Andern aber einen Vermögensvortheil erlangt hat und zur Erstattung der Bereicherung verpflichtet ist, tilgt durch die Zuwendung seine Verpflichtung und schenkt nur den seinen Vortheil etwa übersteigenden Betrag. Die Schenkung kann verschiedene Formen annehmen, in der Uebereignung einer Sache, in der Ueberlassung des Gebrauchs einer Sache, in dem Erlasse einer Schuld oder in dem Versprechen sonstiger Zuwendung bestehen'). Im letzteren Falle begründet sie eine einseitige Verpflichtung, die im älteren römischen Recht nur durch Stipulation, seit Justinian durch formlosen Vertrag be­ gründet werden konnte. 2. Von jeher haben Schenkungen gewissenEinschrä nkungen unterlegen. Solche wurden hauptsächlich durch die lex Cincia de

donis et muneribus (204 v. Chr.) eingeführt, in der späteren Kaiserzeit jedoch meist wieder beseitigt. Eigenthümlich war dem römischen Recht das in das gemeine Recht übergegangene, vom BGB aber aufgehobene Verbot der Schenkung unter Eheleuten. Endlich wurde seit dem Ende der Kaiserzeit (306 n. Chr.) ge­ richtliche Verlautbarung der Schenkung verlangt, Justinian aber verlangte gerichtliche Form nur für Schenkungen über 500 So­ lidi. Diese Bestimmung ging in das gemeine Recht über. Nach ihr unterliegt die Schenkung nur wenn und insoweit sie diesen Betrag (4666 % Mark) übersteigt, der richterlichen Beurkundung des Schenkungsaktes („der Insinuation"). War die Schenkung

*) Au« diesem Gründe ist sie hier behandelt. Häufig wird fie in den allgemeinen Theil gestellt B. Savtgny im Syst. d. heut. rom. Recht» 86.4).

302

andelsgeschäft, so war sie von jener Form befreit (Mrt. 317 GB a. F. RG 26, 15). Auch das BGB (§ 518) will durch eine Formvorschrift Uebereilungen verhüten, es unterwirft der Form, d. i. der gericht­ lichen oder notariellen Beurkundung, jedoch nur das Schenkungs­ versprechen, dieses aber ohne Rücksicht auf die Höhe des Betrages. Die Annahme des Versprechens und die dando oder liberando geschehende Schenkung ist an keine Form gebunden. Jener Form unterliegt das Schenkungs­ versprechen aber auch dann, wenn es sich in eine abstrakte Willens­ erklärung (Schuldversprechen oder Anerkenntniß) kleidet und selbst dann, wenn es Handelsgeschäft ist (tz 350 HGB). Der Mangel der Form wird durch Vornahme der versprochenen Leistung geheilt. Ist also die versprochene bewegliche Sache übergeben, die unbewegliche aufgelassen, so findet die Rück­ forderung wegen formeller Ungültigkeit des Schenkungsversprechens nicht mehr statt. 3. Gegenstand der Schenkung kann Alles sein, was aut der einen Seite eine Vermögensvermehrung, auf der anderen Seite eine Vermvgensminderung bewirkt, daher auch Handlungen, insbesondere Dienstleistungen. 4. Daß die Schenkung ein Akt der Freigebigkeit ist, har zur Folge, daß die Rechtsstellung des Schenkers eine günstigere ist, als die eines zur Leistung Verpflichteten. a) Nach altem und neuem Recht haftet daher der Schenker nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§§ 521, 276); b) der Schenker ist nach altem und neuem Recht von der Verpflichtung, Verzugszinsen zu zahlen, frei (§§ 522, 288); c) der Beschenkte muß die Sache nehnren wie sie ist, daher haftet der Schenker wegen eines Mangels der Sache nach altem und neuem Recht nur bei Arglist. Hat er aber eine nur der Gattung nach bestimmte Sache versprochen, die er selbst erst erwerben muß, so ist anzunehmen, daß er eine fehlerfreie Sache hat geben wollen. Giebt er gleichwohl eine fehlerhafte Sache, so ist der Beschenkte nach BGB (§ 524) aa) wenn dem Schenker der Fehler beim Erwerbe der Sache bekannt war oder ohne grobes Versehen nicht unbekannt sein konnte, berechtigt, eine fehlerfreie Sache, bb) wenn der Schenker den Mangel arglistig verschweigt, berechtigt, eine fehlerfreie Sache oder Schadensersatz zu verlangen. Nach der herrschenden Lehre des gemeinen Rechtes haftete der Schenker für Mängel im Rechte nur bei Schenkung einer Gattungssache. Das BGB (§ 523) entscheidet die Streitfrage:

S

nach ihm haftet der Schenker aa) einer Sache, die ihm bereits gehört, nur bei arglistiger Verschweigung des Mangels, und zwar, wie angenommen werden muß, nur auf das negative Interesse; verspricht er bb) eine Sache, die er erst erwerben muß, so haftet er, wenn er beim Erwerbe den Mangel kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, auf Schadensersatz wegen Nicht­ erfüllung. Dagegen unterscheidet das BGB (§ 523) hier nicht zwischen Gattungssachen und individuell bestimmten Sachen. Die Ansprüche des Schenkers unterliegen in beiden Fällen den für Gewährleistungsansprüche des Käufers gegebenen Bestimmungen (W 523, 524). d) Der Schenker kann eine ihm aus der Schenkung drohende übermäßige Vermögensminderung verhüten. Nach gemeinem Rechte war er in dieser Beziehung auf das beneficium competentiae beschränkt, d. h. auf die Befugniß, von dem Gegenstände eines noch nicht erfüllten Schenkungsversprechens so viel abzuziehen, als er nothwendig zum Leben bedurftes. Das BGB geht weiter, indem es dem in seiner Existenz bedrohten Schenker die Befugniß giebt, nicht bloß die Erfüllung eineß Schenkungsversprechens zu verweigern (8 519), sondern auch eine bereits vollzogene Schenking wie eine grundlose Bereicherung des Beschenkten zurückzufordern (8 528), und indem es dem Schenker diese Rechte schon dann giebt, wenn es ihm am standesmäßigen Unterhalte und an den Mitteln zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht fehlen würde. Dem Schenkungsversprechen gegenüber kommen bei Bemessung des Unterhalts die sonstige» Verpflichtungen des Schenkers in Anschlags). Die Rückgabe der vollzogenen Schenkung kann der Beschenkte durch Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen Betrages abwenden. Das Recht auf denfllnterhalt gegenüber einem Schenkungsversprechen geht durch Zeitablaufnicht verloren, der Schenker kann es der Klage des Beschenk­ ten gegenüber durch Einrede, der Zwangsvollstreckung gegenüber durch die Vollstreckungsgegenklage gemäß 8 767 CPO, in jedem Falle durch negative Feststellungsklage geltend machen. Dagegen geht das Unterhaltsrecht gegenüber der vollzogenen Schenkung dadurch verloren, daß von dem Zeitpunkte der Leistung des ge­ schenkten Gegenstandes bis zum Eintritte der Bedürftigkeit des Schenkers 10 Jahre verstreichen; es kommt garnicht zur Entstehung, wenn der Schenker seine Bedürftigkeit durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt, und es wird ausgeschlossen durch das entgegenstehende Unterhaltsrecht des Beschenkten (8 529). e) Endlich kann der Schenker aus gewissen Gründen die *) Ueber die Geltendmachung RG 88, 878. 3) Die Fassung von 88 519, 528 stimmt nicht überein.

304 Schenkung widerrufen. Solche Gründe waren nach bisherigem Recht grober Undank des Beschenkten und die spätere Geburt ehelicher Kinder des Schenkers. Den letzteren, auf gemeinem Gewohnheitsrechte beruhenden Widerrufsgrund hat als solchen das BGB beseitigt, doch kann jene Thatsache das oben (d) behandelte Unterhaltsrecht begründen. Den römisch - rechtlichen Widerrufs­ grund des groben Undankes hat das BGB (§ 530) beibehalten und davon abhängig gemacht, daß der Beschenkte eine schwere Verfehlung gegen den Schenker selbst oder einen nahen Ange­ hörigen des Schenkers begeht. Der Widerruf ist ein einseitiges, empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft. Ist er begründet, so hebt er nach altem und neuem Recht (§ 531) die Schenkung auf: es kann dann sowohl das Scheukungsversprechen als die bereits voll­ zogene Schenkung als grundlose Bereicherung des Beschenkten zurückgenommen werden. Das Widerrufsrecht ist nach altem und neuem Recht (§ 530 Abs. 2) ein höchstpersönliches Recht. Auf die Erben des Schenkers geht es nach BGB nur über, wenn der Beschenkte den Schenker vorsätzlich und widerrechtlich getödtet oder am Wider­ rufe verhindert hat. Auf das Widerrufsrecht kann nicht verzichtet werden, bevor der Schenker von dem Undank erfahren; dies würde dem Wesen der Schenkung widersprechen. Dagegen geht das Widerrufsrecht nach altem und neuem Recht dadurch verloren, daß der Schenker verzeiht oder daß der Beschenkte stirbt. Ist seit der Kenntniß von dem Undank ein Jahr verstrichen, so ist nach dem BGB (§ 533) stillschweigend verziehen. 5. Um zu verhindern, daß durch Schenkungen eine Beern trächtigung von Rechten Dritter herbeigeführt werde, ist dem Benachtheiligten dieBefugnißeingcräumt,Schenkungen anzufechten. Diese Befugniß ist gegeben 1) nach neuem und altem Recht Demjenigen, der in Folge von Schenkungen des Erblassers in seinem Pflichtteile ver­ kürzt ist (das Nähere im Erbrecht); 2) den Gläubigern, die aus dem Vermögen ihres Schuldners nicht volle Befriedigung erhalten können, gegenüber Schenkungen ihres Schuldners (das Nähere unter „Verkürzung der Gläubiger"). Die Anfechtung geht von einem Dritten, der Widerruf vom Schenker aus; die Anfechtung hebt die Schenkung nur soweit auf, als sie dem Dritten nachtheilig ist, der Widerruf hebt die Schenkung Sauf; das Anfechtungsrecht ist an das bedrohte Recht, das

:rrufsrecht an die Person des Schenkers gebunden. 6. Besondere Arten von Schenkungen sind: a) die Schenkung unter einer Auflage (donatia sub modo.) Sie unterscheidet sich von der bedingten Schenkung dadurch,

daß der Beschenkte den Gegenstand der d. sub modo schon mit der Annahme erwirbt, mit der Annahme aber die erzwingbare Ver­ pflichtung übernimmt, dieAuflage(den Modus) zu erfüllen, während der Erwerb der bedingten Schenkung von dem Eintritt der Be­ dingung abhängt, für den Beschenkten aber ein Zwang zur Er­ füllung der Bedingung nicht vorhanden ist. („Der Modus zwingt, aber suspendirt nicht, oieBedingung suspendirt, aber zwingt nicht.") Der Zwang besteht nach altem und neuem Recht a) in der Befugniß des Schenkers, das Geschenk, soweit es zur Vollziehung der Auflage hätte verwendet werden sollen, als ungerechtfertigte Be­ reicherung desBeschenkten zurückzufordern, wenn dieser die Voll­ ziehung der Auflage unterläßt (§ 527), und b) in dem Rechte, die Vollziehung der Auflage zu verlangen (§ 525). Dieses letztere Recht steht nach altem und neuem Recht dem Schenker oder seinen Erben oder dem Dritten, dessen Vortheil die Auflage dient, nach neuem Recht nach dem Tode des Schenkers auch der zuständigen Behörde zu, wenn die Vollziehung der Auflage im öffentlichen In­ teresse liegt (§§ 525, 527, Abs. 2, 328). Voraussetzung des An­ spruchs auf Erfüllung aber ist die vorangegangene Leistung des Schenkers (§ 525), das römische Recht verwandte daher hier die Grundsätze von Jnnominatkonttakten (a. praescriptiB verbis). Ist die Auflage nach Absicht der Betheiligten das Aequivalent für die empfangene Leistting, so ist nicht eine Schenkung, sondern ein zweiseitiger Vertrag vorhanden. Die SchenkungSnatur der wirklichen donatio sub modo hat aber die Folge, daß der Beschenkte nicht verpflichtet ist, eigenes Vermögen zur Voll­ ziehung der Auflage zu verwenden (§ 526). b) Die Schenkung von Todeswegen (mortis causa donatio) ist eine unter der Bedingung gemachte Schenkung, daß der Beschenkte den Schenker überlebt. Sie wird also nach altem und neuem Recht erst mit dem Tode des Schenkers perfekt und ist demnach eine Verfügung von Todeswegen (§ 2301). Vollzieht sie der Schenker durch Leistung des zugewendeten Gegenstandes,

so ist sie nach neuem Recht ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, d. h. der Beschenkte erwirbt das zugewendete Recht sofort, ist aber zur Rückgabe nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Be­ reicherung verpflichtet, wenn die Bedingung nicht eintritt (§ 2301). c) Die Anstandsschenkung, d. i. diejenige, durch welche einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird, ist nach dem BGB in manchen Be­ ziehungen ausgezeichnet. Sie unterliegt weder der Rückforderung noch dem Widerrufe (§ 534); eine solche Schenkung zu machen ist berechtigt der Ehemann auch ohne Zustimmung der Frau. tngelmanM, d. bürgerliche Recht Deutschland».

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306

wenngleich der Gegenstand der Schenkung aus dem Gesammtgute genommen wird (§ 1446), der Vater in Vertretung des Äittbe# (§ 1641), der Vormund in Vertretung des Mündels (§ 1804), der Vorerbe (§ 2113), der Testamentsvollstrecker (§ 2205); sie unterliegt nicht der Anfechtung durch den Pflichttheilserben (§2330). § 110.

Spiel und Wette.

1. Spiel und Wette sind bedingte Verttäge. Die Bedingung entscheidet, welcher Konttahent verliett, d. h. zu einer Leistung verpflichtet ist, und welcher Konttahent gewinnt d. h. auf eine Leistung berechtigt ist. Spiel und Wette begründen daher, ttotzdem jeder Konttahent eine bedingte Verpflichtung eingeht, doch nur auf einer Seite eine unbedingte Leistungspflicht. Das Spiel bezweckt die Erzielung eines Gewinnes durch eine Thätigkeit, die an sich nicht wirthschaftlicher Natur ist und nur ein Unterhaltungsbedürfniß befriedigt, die Wette aber bezweckt die Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit und nur nebenbei vielleicht einen Bermögensgewinn. Das römische Recht unterschied erlaubte und unerlaubte Spiele, erlaubt aber waren nur bestimmte gymnastische Spiele (ludi virtutie causa), und auch bei diesen durfte nur um einen solidus gespielt werden; sie begründeten einen klagbaren Anspruch auf den Gewinn. Aus unerlaubten Spielen entstand keine Ver­ pflichtung, und was geleistet war, konnte zurückgefordert werden (vgl. Seuffert Archiv 50, 280). Das ältere deutsche Recht gab einen Anspruch auf den Gewinn und schloß damit die Rückforderung deS Geleisteten aus. Das gemeine Recht und mit ihm das BGB (§ 762) fassen die Verpflichtung aus einem erlaubten d. h. jetzt straflosen Spiele als Naturalobligation auf, indem sie den Anspruch auf den Spielgewinn, zugleich aber auch die Rückfor­ derung des gegebenen Spielverlustes versagen (RG 39, 163). Das unerlaubte, d. h. strafbare (nach § 284 StGB nur das ge­ werbsmäßige Glücks-) Spiel erzeugt für den sttafbaren Theil keine Rechte, auch nicht das Recht auf Rückhaltung des an ihn gezahlten Gewinnes. Die Wette ist ein Verttag, durch welchen jeder Theil oder auch nur ein Theil eine Leistung für den Fall verspricht, daß er mit einer bestimmten Behauptung Unrecht haben sollte. Sie war im römischen Recht klagbar und kam häufig vor; auch nach deutschem Rechte war die Wette ein gültiger Verttag, häufig jedoch nur dann, wenn die Ernsllichkeit der Wette durch eine besondere Handlung außer Zweifel gestellt war. Im gemeinen Recht hat sich die Gültigkeit und Klagbarkeit der Wetten erhalten, daS BGB (§ 762) aber behandelt sie ebenso wie das Spiel.

Rach altem und neuem Recht stehen unter den für Spiel und Wette gegebenen Vorschriften nicht blos die auS diesen Ver­ trägen unmittelbar entstehenden (sog. Wett- oder Spiel-)Schulden, sondern auch diejenigen Vereinbarungen, durch die der verlierende Theil zum Zwecke der Erfüllung einer Spielschuld eine be­ sondere Verbindlichkeit (z. B. eine Wechselschuld, einSchuldancrkenntniß) gegenüber dem Gewinner eingeht. Nach dem BGG begründen also auch diese Vereinbarungen nur Naturalobli­ gationen (§ 762 Abs. 2). 2. Nicht eigentlich Spiel ist der Lokterievertrag, denn er geht nicht auf eine der Unterhaltung dienende Thätigkeit, er läßt auch nicht die Frage, wer verlieren wird, sondern nur die Frage, ob der Mnsetzer gewinnen oder verlieren wird, bis zu einem ge­ wissen Zeitpunkt unentschieden. Er besteht in der Vereinbarung, wonach der eine Theil gegen Zahlung einer bestimmten Summe (Einsatz) den bedingten Anspruch auf eine vom andern Theile zu leistende Summe (den Gewinn) erwirbt, und bei welchem der Eintritt der Bedingung vom Zufall, nämlich vom Ziehen des dem Einsetzer gegebenen LooseS, abhängt. Das Geschäft gehört dem modernen Recht an und ist nach Partikularrechten nur dann gültig, wenn es obrigkeitlich genehmigt ist. Dasselbe gilt vom Ausspielgeschäft, nach welchem der eine Theil gegen einen Einsatz den bedingten Anspruch auf eine vom andern Theile als Gewinn ausgesetzte Sache erwirbt, und bei dem der Eintritt der Bedingung gleichfalls vom Ziehen des Looses abhängt. Das StGB (§ 286) erklärt das ohne obrigkeitliche Erlaubniß unternommene öffentliche Lotterie- und das öffentliche Aus­ spielgeschäft für strafbar. Verträge, die gegen dieses Vervot ver­ stoßen, sind daher nach altem und neuem Recht (§ 134) nichtig. Das nicht strafbare Lotterie- oder Ausspielgeschäst ist nach neuem Recht verbindlich, wenn das Unternehmen obrigkeitlich genehmigt ist; fehlt die Genehmigung, so steht das Geschäft unter den für das Spiel gegebenen Vorschriften (§ 763, 762). Der Lotterie- oder Ausspielverttag ist geschlossen mit der Ueberaabe und Annahme de« Looses. Daher hat derjenige, dem ohne Bestellung ein Loos zugesendet wird, keinen Anspruch auf den Ge­ winn, wenn er nicht den Entschluß, das Loos spielen zu wollen, ausdrücklich oder stillschweigend bethätigt hat. 3) Hierher gehört auch das sog. reine Differenzgeschäft^. In jedem Fall enthält das Differenzgeschäft die Verabredung, daß Waaren oder Werthpapiere, die einen Markt- oder Börsen-

-) Die Urtheile de« »S hierüber sind sehr zahlreich, »esondcr« ein­ gehend Ä® 84, 92.

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preis haben, zu einem jetzt vereinbarten Preise an einem künf­ tigen Termine geliefert werden sollen. Diese Geschäfte heißen daher Termingeschäfte. Wollen die Parteien wirkliche („effektive") Lieferung, so unterscheidet sich daS Geschäft nicht von einem anderen Kaufverträge, und es bleibtKaufvertrag und daher Realgeschäft, wenn die Parteien am Lieferungs- (Stich-) Tage oder kurze Zeit vorher vereinbaren, daß an die Stelle der wirklichen Lieferung die Zahlung deS Unterschiedes treten solle, der zwischen dem Kauf­ preise und dem Marktpreise der Waare am Stichtage besteht. Schließen die Kontrahenten aber beim Abschlüsse des Geschäftes ausdrücklich oder stillschweigend die wirkliche Lieferung aus, so ist von vornherein Gegenstand deS Geschäftes nur jene Preis­ differenz. Dieses re ine Differenzgeschäft ist als Kaufvertrag simulirt und daher nichtig, als ein auf den Preisunterschied gerichtetes Geschäft aber Spiel, denn das Steigen oder Sinken des Preises bewirkt auf der einen Seite Gewinn, auf der anderen Verlust, und dieses Ergebniß hängt von einem für die Kontrahenten zufällige« Ereignisse ab. Die frühere Lehre über das reine Differenzgeschäst hat erst durch die Praxis des Reichsgerichts einige Festigkeit erlangt. Denn die Differenzgeschäfte sind Gegenstand der deutschen Reichsgesetzgebung geworden. a) Nach dem Börsengesetz vom 22. Juni 1896 begründet ein jedes Börsentermingeschäft in dem Falle, daß nicht beide Kontrahenten zur Zeit des Geschäftsschlusses im Börsenregister ein­ getragen sind, eine bloße Naturalobligation, denn es entsteht weder aus dem Geschäft selbst noch aus einem Schuldanerkenntnisse eine Verpflichtung, während das, was bei oder nach völliger Ab­ wicklung deS Geschäftes zu seiner Erfüllung geleistet worden ist, nicht »urückgefordert werden kann. Wird aber aus einem hiernach klag baren Börsentermingeschäfte ein Anspruch erhoben, so ist dem­ jenigen Theile, der zur Zeit des Vertragsschlusses im Börsenregister eingetragen war, der Einwand, daß ein reines Differenzgeschäft vorliege, versagt (§§ 66, 69). b) Nach § 764 BGB*) ist das reine Differenzgeschäft Spiel. Nach der Begriffsbestimmung des BGB ist ein reines D. aber nicht nur dann, wenn die Parteien die wirkliche Lieferung ausschließen, sondern schon dann vorhanden, wenn es in der Ab­ sicht geschlossen ist, daß die Preisdifferenz gezahlt werden soll, und sogar dann, wenn diese Absicht nur bei einem der Kontrahenten besteht, der andere aber diese Absicht kannte oder kennen mußte. Börsentermingeschäste (s. darüber unten § 122 und § 48 des Börsengesetzes) unterliegen daher den §§ 66,69 des Börsengesetzes, *) Bo« Reichstage eingefügt.

andere Termingeschäfte den allgemeinen Rechtsgrundsätzen d. h. den ^Bestimmungen des HGB und des BGD über den Kauf, wenn sie Realgeschäfte, dem § 764 BGB, wenn sie reine Differenz­ geschäfte sind (Art. 14 Nr. V Einf.-Ges. z. HGB). Die hier behandelten Verträge gehören zu den sog. gewagten Geschäften (aleatorischen Verträgen). Im weiteren Sinne um­ faßt diese Klasse von Verträgen alle diejenigen Geschäfte, deren Erfolg ganz oder doch wesentlich von einem Glückszufalle abhängt. Im engeren Sinne zählt man dahin die zweiseitig verpflichtenden Verträge, bei denen die Leistung oder doch der Umfang der Leistung des einen Theiles vom Zufall abhängt, während die Leistung des andern Theiles fest bestimmt ist und durch den Zufall nicht be­ einflußt toitb1). Es gehören hierher insbesondere noch der Ver­ sicherungsvertrag und der Hoffnungskauf (emtio spei und emtio rei speratae).

B. Die unvollkommen zweiseitigen Verträge.

8 111.

Dio Leihe.

1. Leihe istdie Hingabe einer Sache zu unentgeltlichem Gebrauch mit der Verpflichtung, dieselbe Sache zurückzutzeben. Gegenstand der Leihe können nur körperliche, bewegliche tote un­ bewegliche*) Sachen sein, verbrauchbare Sachen dann, wenn der Gebrauch die Rückgabe nicht ausfchließt'). Vertretbare Sachen können von den Parteien zum Gegenstände derLeihe gemacht werden, wenn die Rückgabe der hingegebenen Stücke bedungen wird. Hat der Entleiher die Befugniß, die Sachen zu verbrauchen und also nur dieselbe Menge von gleicher Beschaffenheit zurückzugeben, so ist oder wird das Geschäft Darlehn. Die Leistung eines Entgelts für den Gebrauch macht das Geschäft zur Miethe. Hierin überall stimmt das BGB (§598,604,535) mit dem gemeinen Rechte überein. 2. Der Vertrag ist nach altem und neuem Recht ein Real­ vertrag. Doch entstehen mit der Hingabe Rechte und Pflichten möglicherweise auf beiden Seiten. Der Verleiher haftet nicht nur für den durch Vorsatz oder grobes Versehen, sondern auch für den durch unzeitige Rückfor­ derung dem Entleiher zugefügten Schaden; denn der Entleiher hat ihm gegenüber ein Recht auf den Gebrauch. Der Ver­ leiher ist ferner verpflichtet, dem Entleiher diejenigen Auslagen zu erstatten, die er auf die Erhaltung der Sache verwendet hat. Dagegen hat der Entleiher die gewöhnlichen, laufenden ') 2) •) RG 13,

«». 9, 287. L. 17 pr. D. de praescr. verb. 19, 6. L. 3 § 6, 1. 4 D. comm, 13, 6; 1. 18 § 1 D. de red. cred. 12, 1. 128.

310

Kosten, insbesondere also die Fütterungskosten für ein Thier, zu tragen. Die gleiche ^Bestimmung enthält § 601 BGB, welcher folgerichtig die Vornahme anderer Verwendungen durch den Entleiher als unbeaustragte Geschäftsführung behandelt. Der Entleiher kann seine Ansprüche durch Klage (die a. commodati contraria) und durch Einrede (Zurückbehaltungsrecht § 273 Abs. 2 BGM geltend machen. Der Entleiher haftet nach altem und neuem Recht (§§ 276, 602, 603), so lange er nur den vertragsmäßigen Gebrauch von der geliehenen Sache macht, schlechthin für Verschuldung, nicht auch für die durch den Gebrauch verursachten Veränderungen oder Verschlechterungen. Die Gefahr trägt der Entleiher nur dann, wenn er einen vertragswidrigen Gebrauch macht oder wenn er sich im Verzüge befindet*). Der Entleiher ist ferner zur Rückgabe nach Beendigung des vertragsmäßigen Gebrauches verpflichtet. Die Dauer deGebrauches bemißt sich nach der Vereinbarung der Parteien oder nach dem Zwecke des Gebrauchs, und wenn hiernach eine Fest­ stellung nicht getroffen werden kann, nach dem Belieben des Ver­ leihers. Auch darin stimmt das BGB § 604 mit dem gemeinen Rechte überein. Letzteres giebt aber dem Verleiher nicht nur das Recht, die Sache nach Ablauf desjenigen Zeitraumes zurück­ zufordern, in welchem der Entleiher den Gebrauch hätte machen können, sondern in Uebereinstimmung mit dem gemeinen Rechts auch ein Kündigungsrecht in gewissen Fällen (§ 604, 605). Neu ist die Gewährung eines Rückforderungsrechtes oes Verleihers gegenüber dem Dritten, an den der Entleiher die Sache überlassen hatte (§ 604, Abs. 4); der Anspruch ist ein persönlicher, denn er stützt sich auf den Leihvertrag, und kann nur nach Beendigung der Leihe geltend gemacht werden, aber er ist eine a. in rem scripta8). Während die Ansprüche der Kontrahenten aus dem Vertrage der gewöhnlichen Verjährung unterliegen, hat § 606 BGB für die Ansprüche des Verleihers wegen Veränderung oder Ver­ schlechterung der Sache und für die des Entleihers auf Ersatz von Verwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer an der geliehenen Sache vorgenommenen Einrichtung eine Ver­ jährungsfrist von sechs Monaten festgesetzt, die gegen den Ver­ leiher mit der Rückgabe der Sache, gegen den Entleiher mit der Beendigung der Leihe zu laufen beginnt. Der Anspruch des Verleihers heißt a. comm. directa.

*) L. 5 § 7 comm. 13, 6. § 2 J. quib. mod. de 3, 14. ebenso B»B 603, 287. 280. •) L. 8 C. de loc. 4, 66. •) vertmann zu § 666 nimmt eine gesetzliche Schuldübernahme an.

3. Nach bisherigem Recht wurde der Entleiher Detentor, der Verleiher blieb juristischer Besitzer der Sache, nach neuem Recht ist der Entleiher Besitzer, der Verleiher mittelbarer Besitzer der Sache (§§ 854, 868). 4. Das römische Recht unterschied vom commodatum das precarium, d. h. die Leihe auf beliebigen Widerruf. Es biente damals besonderen, aus dem älteren Recht erklärlichen Zweckens. Diesen Zwecken entsprach es, daß der Entleiher juristischer Be­ sitzer wurde und der Verleiher keinen Anspruch aus dem Vertrage, sondern die Eigenthumsklage und später das interd. d. precario hatte. Die Veranlassung zu jener Unterscheidung ist jedoch schon im gemeinen Recht fortgefallen, die beliebig widerrufliche Leihe bildet daher hier wie nach neuem Recht eine Unterart des Leih­ vertrages (§ 604 Abs. 3 BGB). § 112.

Der VerwahruugSvertrag.

1. Verwahrungsvertrag (depositum) ist der Vertrag, durch den Jemand die Aufbewahrung einer ihm übergebenen beweglichen Sache übernimmt. Ist die AufbewahrungsÖt nothwendige Folge eines anderen Vertrages (z. B. eine­ es, des Kommissionsgeschäftes §§ 379, 390 HGB). so sind die besonderen Grundsätze dieses Vertrages maßgebend. DaDepositum setzt voraus, daß die Aufbewahrung den aus­ schließlichen ober hauptsächlichen Gegenstanddes Vertragebildet. In der Aufbewahrungspflicht ist aber die Pflicht zur Obhut (custodia) d. h. zum Schutze gegen nachtheilige Einflüsse enthalten (ROHG 4, 93). Nach römischem Rechte war Unentgeltlichkeit WesentlicheMerkmal des Geschäftes, wurde ein Entgelt bedungen für die Gewährung des Raumes, so lag Sachmiethe, wurde sie bedungen für eine vom Verwahrer zu leistende Thätigkeit, so lag Dienst­ miethe vor. Nach gemeinem nnd neuem Recht (§ 688, 689) ändert die Abrede einer Vergütung nichts am Wesen des Vertrages; eine Vergütung gilt sogar als stillschweigend ver­ abredet, wenn die Aufbewahrung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist, insbesondere kann ein Kauf­ mann Lagergeld auch ohne vorherige Verabredung beanspruchen (8 354 HGB). Das Depositum ist nach bisherigem (RG 12, 88) wie neuem Recht ein Realkontrakt. 2. Der Depositar haftet nach bisherigem Rechte grund­ sätzlich nur für grobes Versehen, da er keinen Vortheil au- dem Geschäfte hat; das BGB macht für die entgeltliche Verwahrung *) IHering: Der Befitzwtlle 1889 6. 889 ff.

312 keine Ausnahme von der allgemeinen Pflicht zur Anwendung jeder Sorgfalt (§ 276), das unentgeltliche Depositum ver­ pflichtet nur zur diligentia quam suis (§ 690). Für die Ver­ schuldung seines Gehülfen steht der Verwahrer in jedem Falle ein (§§ 691, 278); übergiebt er die Sache einem Dritten zur Aufbewahrung, so hastete er nach bisherigem Rechte nicht schlechthin für den Dritten, nach neuem Recht ist dem Verwahrer die Substitutionsbefugniß grundsätzlich entzogen (§ 691), ist sie ihm gleichwohl eingeräumt — und diese Einräumung kann aus den Umständen folgen — so haftet er nur für ein bei dieser Hinter­ legung begangenes Versehen, also auch für culpa in eligendo. weiter aber reicht seine Haftung für den Dritten nicht. Die VerKagspflicht deS Verwahrers erstreit sich im übrigen auf die vereinbarte Art der Aufbewahrung. Daher darf er hierin eine Aenderung nur vornehmen, wenn er auf die Zustimmung des Hinterlegers rechnen darf; doch ist er, wenn nicht Gefahr im Verzüge ist, verpflichtet, dem Hinterleger Anzeige von der bevorstehenden Aenderung zu machen und dessen Entschließung abzuwarten; andern­ falls kann er sie unter jener Voraussetzung selbständig vornehmen. Die Sache in eigenem Interesse zu gebrauchen, ist der Verwahrer nicht berechtigt; verwendet er hinterlegtes Geld für sich, so trifft ihn die gesetzliche Verzinsungspflicht (§ 698). 3. Nach altem und neuem Remt (§ 659) kann der Hinter­ leger die Sache jederzeit zurückforoern. Eine Zeitbestimmung schiebt nicht die Geltendmachung dieses Rechtes hinaus, sie be­ grenzt nur die Aufbewahrungs pflicht des Verwahrers: Rück­ nahme der Sache verlangen kann der Depositar vor Einkitt des Termins nur aus einem wichtigen Grunde, nach Einkitt des Termins unbedingt. Nach neuem Recht kann er die Rücknahme bei un befristeter Verwahrungspflicht jederzeit beanspruchen(8696). Die Rückgabepflicht ist nach altem und neuem Recht eine Holschuld (§ 697)'). Die Ansprüche des Hinterlegers (a. depoeiti directa) werden durch den Einwand, der Verwahrer sei Eigenthümer, nicht ent­ kräftet^), es sei denn, daß der Verwahrer nach geschehener Deposition das Eigenthum vom Hinterleger erworben hätte, weil in diesem Falle der VerwahrungsverKag aufgehoben wird (RG15, 208). Dasselbe muß nach neuem Recht gelten. Das gemeine Recht versagte dem Verwahrer das Zurückbehaltung-- und das Kompensationsrecht gegenüber dem Ansprüche des Hinterlegers, eine Beschränkung, die das BGB aufgehoben hat. *) Auch wenn der Deponent die Kosten der Zusendung trägt, wie aus § 697 folgt. 2) Dasselbe gilt sür die Leihe.

4. Der Hinterleger ist nach § 699 BGB verpflichtet, die vereinbarte Vergütung nach den für die Deposition festgesetzten Zeitabschnitten oder bei der Beendigung der Aufbewahrung zu entrichten, nach altem und neuem Recht auch, dem Verwahrer die zum Zwecke der Aufbewahrung verwendeten nothwendigen Auslagen und denjenigen Schaden zu ersetzen, den die hinterlegte Sache durch ihre Beschaffenheit dem Depositar zugefügt hat, es sei denn, daß er die gefahrdrohende Eigenschaft der Sache weder kannte noch kennen mußte oder daß der Verwahrer sie vom Hinterleger selbst oder anderswoher erfahren hatte (§ 694). Die Ansprüche des Depositars führen die technische Bezeichnung a. dep. contraria. 5. Werden vertretbare Sachen mit der Abrede hinterlegt, daß der Verwahrer nicht dieselben Stücke, sondern Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzuerstatten habe, so heißt der Vertrag depoaitum irreguläre. Vom Darlehn unter­ scheidet sich dieses Geschäft dadurch, daß die Hinterlegung allein das Interesse des Einlegers, das Darlehn allein das Jntereffe des Nehmers oder die Interessen beider befriedigt'). Das gemeine Recht machte also zwischen beiden Geschäften einen Unterschied. Nach dem BGB (§ 700) ist ein Geschäft dieses Inhalts Darlehn*). Wird es aber in der Weise geschlossen, daß dem Verwahrer der Verbrauch der hinterlegten Sachen gestattet wird, so geht das Geschäft erst dadurch in ein Darlehn über, daß der Ver­ wahrer von der Erlaubniß Gebrauch macht, denn dadurch be­ thätigt er das jedenfalls jetzt vorhandene eigene Interesse. Gleich­ wohl ist in beiden Fällen das Geschäft derartig von dem Interesse deS Gebers beherrscht, daß Zeit und Ort der Rückgabe sich wie beim Depositum bestimmen (also jederzeitigc Rückforderung und Holschuld). Damit ist ein eigenthümliches Zwittergebilde geschaffen. 5. Dem neuen Recht unbekannt ist das sog. depoaitum miaerabile d. h. die Hinterlegung zur Zeit eines Nothstandes, bei welchem die Verurtheilung auf das Doppelte ging. Keine Bestimmungen enthält das BGB über die Sequestration, d. h. die Niederlegung einer streitigen Sache bei einem Dritten, der sie an den herauszugeben hat, der den Sieg erstreitet. Ein solches Geschäft ist jetzt als Auftrag oder Dienstmiethe *u behandeln. 6. Der Verwahrer ist nach gemeinem Recht Detentor, nach neuem Recht Besitzer, der Hinterleger nach bisherigem Recht juristischer Besitzer, nach neuem Recht mitteloarer Besitzer (§§ 854, 868). *) Ob Spareinlagen al» Darlebn oder Depositum anzusehen, ist nach dm lonfrdm Umständen gu entscheiden (8t® 1, 204). *) Bestritten, doch herrschende Meinung.

314

§ 113.

Dar Lagergeschäft.

DaS neue HGB hat in §§ 416—424 Bestimmungen über da- Lagergeschäft ausgenommen, weil die Bestimmungen deS bürger­ lichen Rechts über den BerwahrungSvertrag den Bedürfnissen deS größeren Handelsverkehrs nicht genügen. DaS Lagergeschäft ist zwar eine Art deS Verwahrungsvertrages, die für diesen gegebenen Bestimmungen des BGB finden aber auf das Lagergeschäft nicht subsidiäre Anwendung. Das Lagergeschäft kann nur mit einem Lagerhalter ge­ schlossen werden. Lagerhalter ist, wer gewerbsmäßig Die Lagerung und Aufbewahrung von Gütern übernimmt (§ 416). Er ist Kaufmann (§ 1 Aos. 2 Nr. 6 HGB). Uebernimmt ein Kaufmann, dessen Handelsgewerbe nicht daS eines Lager­ halters ist, in einem einzelnen Falle die Verwahrung einer Sache, so ist ein civilrechtlicher Verwahrungsvertrag vorhanden, und ist die Lagerung uno Aufbewahrung Folge eines auf andere Zwecke ?gerichteten Rechtsgeschäfts (Kommission, Spedition, Frachtgeschäft), o kommen die besonderen Grundsätze vom Lagerschäft nicht zur Anwendung. Der Lagerhalter hat in Bezug auf die Empfangnahme, die Auf­ bewahrung und die Versicherung des Gutes die dem Kommissionär obliegenden Pflichten. Er hat demnach (§§ 388 - 390 HGB): a) bei Einlagerung mangelhaften oder beschädigten Gutes die Rechte gegen Frachtführer und Schiffer zu wahren, den Zustand deS Gutes festzustellen und den Einlagerer unverzüglich zu be­ nachrichtigen; b) die Verantwortung für den Verlust und die Beschädigung des in seiner Verwahrung befindlichen Gutes zu tragen, eS sei denn, daß der nachtheilige Einfluß durch die Sorgfalt eines ordent­ lichen Lagerhalters nicht abgewendet werden kann. Der L. haftet daher zwar nicht bis zur Grenze der höheren Gewalt, er haftet aber für mehr als bloßes Verschulden (§ 276). Zur Versicherung deS Gutes ist der L. nur auf Grund besonderer Anweisung deS Einlagerers verpflichtet. c) Der L. kann in Fällen, in denen der Einlagerer die Pflicht, über das Gut zu verfügen, versäumt, hinterlegen oder zum Selbsthülfeverkauf schreiten. Der Lagerhalter ist darüber hinaus verpflichtet (§§ 417,418): d) von Veränderungen, die am Gute eintreten und dessen Ent­ weichung befürchten lassen, den Einlagerer sofort zu benachrichtigen; e) dem Einlagerer die Besichtigung des Gutes, die Entnahme von Proben und die zur Erhaltung deS Gutes nothwendigen Handlungen während der Geschäftsstunden zu gestatten.

Der Lagerhalter hat ein Recht auf Erstattung der Lager­ losten d. i. deS bedungenen oder ortsüblichen Lagergeldes, der Auslagen für Fracht und Zölle und der sonst für da- Gut ge­ machten Aufwendungen, soweit er sie für erforderlich halten durste. Der Anspruch auf Erstattung der baaren Auslagen ist sofort fällig, der Anspruch auf die anderen Lagerkosten immer nach je 3 Monaten (§ 420). Wegen seines Rechtes auf Lagerkosten (nicht auch wegen anderer Forderungen § 397) hat der L. ein Pfandrecht, so lange er sich im natürlichen oder durch Dispo­ sitionspapiere vermittelten Besitze des Gutes befindet (§ 421).

Der Lagerhalter ist wie jeder Verwahrer nur Besitzer des Gutes und darf darüber nicht verfügen; er darf vertretbare Sachen nur auf Grund besonderer Erlaubniß mit anderen vermischen, aber selbst in diesem Falle geht das Eigenthum nicht auf ihn über, sondern es entsteht Miteigenthum der bisherigen Alleineigenthümer am Ganzen (§ 419 HGB, 948, 947 BGB). Der L. kann aber ohne Zustimmung der anderen Theilhaber einem jeden Miteigenthümer den ihm gebührenden Antheil am Gesammtvorrath ausantworten. Diese Bestimmungen sichern den Ein­ lagerern im Falle des Konkurses deS L. das AuSsonderungsrecht und sind dem Lagergeschäft derart wesentlich, daß die Vereinbarung, der L. solle das Eigenthum erwerben und nur zur Herausgabe der gleichen Quantität und Qualität verpflichtet sein, dem Vertrage die Eigenschaft des Lagergeschäfts entzieht (§ 419 Abf. 3 HGB), es kommt dann nach § 700 BGB ein Darlehn zu Stande. Der Einlagerer hat das Rückforderungsrecht wie der Hinter­ leger (s. § 112), es würde aber dem Zwecke des Geschäfts wider­ sprechen, wollte man dem Lagerhalter das unbegrenzte Rück­ gaberecht einräumen. Er kann daher die Rücknahme vor Ablauf der Lagerzeit nur aus einem wichtigen Grunde, dagegen mit Ablauf der Lagerzeit sofort, und ist eine solche nicht bedungen, erst nach Verlauf von 3 Monaten verlangen, muß dann aber kündigen und eine Kündigungsfrist von einem Monat abwarten. Der Herausgabeanspruch gegen den Lagerhalter unterliegt der gewöhnlichen, die Schadensersatzansprüche unterliegen einer Verjährung von einem Jahre (§§ 423, 414). Der Lagerhalter kann einen Lagerschein (Warrant) aus­ stellen und ihn zu einem Ordrepapier machen. Ist der Schein indossabel, so hat er zugleich die Eigenscbaft eines DiSpositionSpapieres, d. h. seine Ueoergabe an denjenigen, der durch den Sckein zur Empfangnahme des Papiers legitimirt wird, steht der Ueoergabe des Gutes gleich.

316 § 114.

Der -««ftpfimdtzertra,.

Der Faustpfandvertrag (pignue) besteht in der Hingabe einer Sache zum Pfande, und ist ein Realkontrakt. Das BGB zählt ibn zwar unter den Schuldverträgen nicht mit auf, sondern behandelt die aus dem contractus pigneraticiue folgenden Rechte und Pflichten im Pfandrecht (§§ 1215 ff.). Die durch ihn begründeten Pflichten — Verwahrung des Pfandes, Rückgabe nach dem Erlöschen des Pfandrechts — werden mit der Klage aus dem Pfandvertrage (a. pigneraticia directa geltend gemacht. Es kann aber auch eine Verpflichtung des Verpfänders entstehen auf Erstattung von Auslagen und Schäden, die das Pfand verursacht hat. Zur Geltendmachung dieser Verpflichtung dient die a. pigneraticia contraria. Das BGB bemißt die Pflichten nach den Grundsätzen der unbeauftragten Geschäftsführung (§1216).

§ 115.

Das Depositen- und Dep-t-eschast.

1. Mit dem Worte Depot verbindet der Sprachgebrauch des modernen Handelsverkehrs zwar stets den Begriff einer Ver­ wahrung von Werthpapieren, doch ohne das Rechtsverhältniß anzudeuten, auf dem die Verwahrung beruht. Auch das Gesetz vom 5. Juli 1896 (kurzweg Depotgesetz genannt) giebt Be­ stimmungen schlechthin über die „Aufbewahrung fremder Werth­ papiere". Jener Sprachgebrauch aber und dieses Gesetz nehmen ein Depot oder eine Aufbewahrung an sowohl im Falle eines eigentlichen Verwahrungsvertrages als auch im Falle einer Ver­ pfändung wie endlich im Falle eines Kommissionsgeschäftes. Die Rechte und Pflichten des Depot-Inhabers richten sich deshalb nack den für das betreffende Rechtsverhältniß maßgebenden be­ sonderen Grundsätzen. Die Parteien können daher vereinbaren, daß der Verwahrer oder Pfandgläubiger nicht dieselben Stücke, sondern gleichartige Papiere herausgeoen soll oder daß er über die hingegebenen Papiere verfügen darf. Es enfftand damit nach bisherigem Recht ein depositum irreguläre oder ein pignus irreguläre, und auch nach neuem Recht bleibt dem Depotgeber jedenfalls nur ein persönlicher Anspruch aus Erstattung der hin­ gegebenen Papiere (§ 700 BGB). Die mit dieser Wirkung ver­ knüpfte Vereinbarung setzt jedoch nach dem Depotgesetz, d. h. bei Uebergabe eines unverschlossenen Depots an einen Kauf­ mann (§ 1), zu ihrer Gültigkeit eine für jeden einzelnen Fall ausdrücklich und schriftlich gegebene (§ 2), nach dem BGB (§ 700 Abs. 2), d. h. bei jedem nicht unter das Depotgesetz fallenden Depot die ausdrückliche Erllärung deS Hinterlegers

oder Verpfänders voraus*). Fehlt es an dieser Vereinbarung, so bleibt nach bisherigem Recht, nach dem Depotgesetz und nach dem BGB der Hinterleger oder Verpfänder Eigenthümer deS Depots, er hat also neben dem persönlichen Ansprüche aus dem Depotgeschäfte die dingliche Klage und im Fall deS Konkurses des Depotnehmers das Aussonderungsrecht. Um den Eigenthums­ anspruch des Depotgebers außer Zweifel zu stellen, verpflichtet das Depotgesetz den Depotnehmer nicht nur zur Eintragung der Papiere in ein besonderes Handelsbuch, sondern auch zu einer Sonderung jedes einzelnen Depots von den eigenen Beständen des Nehmers und den Depots anderer Kunden unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes Hinterlegers oder Ver­ pfänders (81), während das BGB die allgemeinen Verpflichtungen des Verwahrers und des Pfandgläubigers nicht verschärft (§§ 690,

691, 276). Ein Depot und damit eine Berwahrungspflicht des DepotInhabers kann ferner durch die Ausführung des einem Kommissionär ertheilten Auftrages, für den Kommittenten Werthpapiere einzu­ kaufen oder umzutaufchen oder ein Bezugsrecht auf bestimmte Papiere geltend zu machen, entstehen. Handelt in einem solchen Falle der Kommissionär im Namen des Auftraggebers, so erwirbt dieser, handelt er, waS die Regel ist, in eigenem Namen, so er­ wirbt nach altem und neuem Recht (§§ 164, 929 BGB) der Kommissionär das Eigenthum der Papiere. Im letzteren Falle vollzieht sich der Eigenthumserwerb für den Kommittenten (§§ 929, 930 BGB) durch körperliche Uebergabe oder durchWillenserklärung (constitutum possessorium), das Depotgesetz aber verpflichtet den Kommissionär zur Absendung eines sog. Stückeverzeichnisses an den Kommittenten und knüpft an diesen Akt den Eigenthums­ erwerb des Kommittenten (§§ 3, 5, 7), falls dieser Erwerb sich nicht schon durch eine andere Form des const. possessorium voll­ zogen hat. Das Stückeverzeichniß ist im Falle der Einkaufs­ kommission innerhalb drei Tagen, in den anderen Fällen innerhalb zwei Wochen abzusenden; erfüllt der Kommissionär diese Pflicht nickt, so kann bei der Einkaufskommission der Kommittent vom Geschäfte zurücktreten, in den anderen Fällen wird er von der Pflicht zur Provisionszahlung frei (§§ 4, 6).

2. Verschieden vom Depotgeschäft ist das Bankdepositen­ geschäft. Es besteht in der Hingabe einer Summe an einen Bankier oder eine Sparkasse zum Zwecke der Verzinsung und *) Da» Depotgesetz befreit von dieser Form nur denjenigen Hinterleger oder BerpfLnder, der selbst Bank- oder Seldwrch»lergeschLste betreibt (§ 2). Da» Ersetz nimmt seraer Banknoten «nd Papiergeld au», da» BGB be­ greift hier alle Derlhpapterr.

318 Rückerstattung der gleichen Summe, gleichviel ob diese in Geld oder in Werthpapieren gegeben ist. Dieses Geschäft war nach bisherigem Recht gewöhnlich depoBitum irreguläre, nach neuem Rechte (§ 700) ist es Darlehn.

§ 116. Sinbrivgnn- von Sachen bet Saftwirthen. Die Haftung der Schiffer, Gast-und Stallwirthe für die Sicher­ heit der von Reisenden eingebrachten Sachen ist eine Schöpfung cheS prätorischen Edikts, das in einer an diesen Sachen gleichviel von wem verübten Entwendung oder Beschädigung ein Quasi­ delikt des Wirthes erblickte. Der Wirth konnte sich gegen die auf das receptum (cauponum, nautarum, stabulariorum) ge­ stützte Schadensersatzklage des Gastes Anfangs überhaupt nicht, später uno insbesondere auch nach gemeinem Recht jedoch durch Berufung auf höhere Gewalt schützen. Hiermit stimmt das BGB (§§ 701 ff.) grundsätzlich überein. Nach ihm aber ist, wie nach neuerem Recht überhaupt, die Haftung ans einen zwischen Gast und Wirth geschlossenen Vertrag') zu­ rückgeführt und auf diejenigen Gastwirthe, welche gewerbemäßig Fremde zur Beherbergung aufnehmen, beschränkt. Diese Wirthe hasten wie nach bisherigem Rechte dem im Betriebe jenes Ge­ werbes aufgenommenen Gaste für jeden Schaden, den dieser durch Verlust oder Beschädigung eingebrachter Sachen erleidet. Die Haftung ist von einem Verschulden des Wirthes unabhängig, die Ersatzklage also genügend begründet, wenn das Einbringen und der Verlust bewiesen wird. Der Wirth kann sich nur schützen, wenn er beweist, a) daß der Schaden vom Gaste selbst, einem Begleiter des Gastes oder einer Person, die dieser bei sich ausgenommen hat, b) durch die Beschaffenheit der Sache selbst, c) durch höhere Gewalt verursacht ist, denn da in allen diesen Fällen der Kausalzusammenhang zwischen dem Verluste und dem Gastwirthsbetriebe fehlt (§ 701), ist ein Anspruch gegen den Wirth nicht entstanden. Der Wirth wird nach neuem Recht (§ 703) von der einmal begründeten Schadens­ ersatzverbindlichkeit wieder frei, wenn der Gast von dem Ver­ luste nicht unverzüglich nach erlangter Kenntniß dem Wirth An­ zeige macht, denn hierdurch erschwert oder benimmt er dem Wirthe die Möglichkeit, den Schaden und den Thäter festzustellen. Die Haftung kann, wie nach altem Recht durch Vertrag, nicht aber durch einen bloßen Anschlag, durch den der Wirth die Haftung ablehnt, ausgeschlossen werden. *) Wut »tgcn dieser Auffassung de» B®B, da» selbst die Materie neben dem Berwahrungsoertrage behandelt, wird fir hier erörtert.

Die Haftung ist wie nach bisherigem Recht grundsätzlich eine unbeschränNe. Nach neuem Recht (§ 702) ist sie auf einen HSchstbetrag von 1000 Mk. beschränkt, bei Verlust von Geld, Werthpapieren und Kostbarkeiten. Die volle Haftung aber tritt auch bei diesen Sachen ein, a) wenn der Wirth sie in Kenntniß ihrer Eigenschaft zur Aufbewahrung übernimmt, denn damit übernimmt er die Haftung ausdrücklich, b) wenn er die Aufbewahrung ablehnt, gleichwohl aber den Gast aufnimmt, c) wenn der Schaden von ihm oder seinen Leuten ver­ schuldet wird. Zur Begründung einer Schadensersatzklage auf einen lOOOMk. übersteigenden Betrag bedarf es also des Beweises eines dieser Nmstände. Die Haftung setzt voraus 1) den Abschluß eines Gastaufnahmevertrages. 2) das Einbringen von Sachen von Seiten des aufgenom­ menen Gastes. Eingebracht ist jede Sache, die der Gast dem Wirth oder Leuten des Gastwirths, die zur Entgegennahme der Sachen bestellt sind oder als bestellt anzusehen waren, übergeben oder an einen rhm von diesen angewiesenen Ort oder in Er­ mangelung einer Anweisung an den hierzu bestimmten Ort gebracht hat (§ 701). Der Vertrag ähnelt dem Verwahrungsvertrage, denn er verpflichtet den Wirth zur Gewährung der Obhut. Während aber der Verwahrungsvertrag ein Akt des Vertrauens ru der Person des Verwahrers ist, in der Besitzübertragung be­ steht und den Verwahrer zur Obhut der besonders übernommenen Sachen verpflichtet, enthält die Einbringung von Sachen einen Akt des Vertrauen- zu der im Gasthause herrschenden Sicherheit, er beläßt die Sachen im Besitz des GasteS und verpflichtet zu einem sämmtliche eingebrachten Sachen umfassenden Schutze. § 117.

Der Auftrag.

Auftrag (manckatum) ist nach römischem Recht und dem BGB (§ 662) der Vertrag, durch welchen sich der eine Theil (der Be­ auftragte, Mandatar) verpflichtet, ein ibm von dem anderen Theile (demAuftraggeber, Mandanten) üoertragenesGeschäft unentgeltlich zu besorgen (mandatum, nisi gratuitum, nullum eat). Dadurch, daß das gemeine Recht das Versprechen einer Belohnung mit dem Wesen des Mandats für vereinbar hielt, daß eS ferner das Begriff-merkmal der operae illiberales beim Dienst­ verträge fallen liefe, verwischte es den Gegensatz zwischen Mandat und Dienstmiethe. DaS neue Recht schließt sich zwar hinsichtlich

320 des Gegenstandes beider Verträge dem gemeinen Rechte an. indem Geschäfte und Dienste jeder Art Gegenstand des Auftrages wie der Dienstmiethe sein können (§§ 662, 675, 611), es nimmt aber den Gegensatz zwischen der Entgeltlichkeit der Miethe und der Unentgeltlichkeit des Auftrages aus dem römischen Recht wieder auf (§ 611, 612, 662). Daß durch den Auftrag die „Besorgung von Geschäften", durch den Dienstvertrag die „Leistung von Diensten" übernommen wird, begründet keinen Ge­ gensatz, denn der Dienst kann in der Vornahme von Rechts­ handlungen, das Geschäft in der Leistung eines thatsächlichen Dienstes z. B. der Entfernung eines unangenehmen Gastes be­ stehen. Der dem Rechtsanwalt ertheilte Auftrag und das Kom­ missionsgeschäft gehören also nach neuem Rechte zu Dienstverträgen. Dem Gegensatze von rein thatsächlichem Dienste und Rechtsgegeschäfte trägt das BGB jedoch dadurch Rechnung, daß es die­ jenigen Dienst- und Werkverträge, welche eine „Geschäftsbesorgung" zum Gegenstände haben, d. h. auf Vornahme von Rechtshand­ lungen gerichtet sind, in wesentlichen Punkten (Abweichung von den Weisungen des Auftraggebers, Anzeige- und Rechenschafts-, Herausgabe-, Verzinsungspflicht des Beauftragten, Vorschuß- und Ersatzpflicht des Auftraggebers, Einfluß des Todes des Auftrag­ gebers oder des Beauftragten) den dem Beauftragten eine freiere Stellung einräumenden Grundsätzen vomAuftrageunterwirft(§675). 2. In Uebereinstimmung mit dem bisherigen Rechte unter­ scheidet das BGB zwischen Auftrag und Vollmacht (s. oben S. 128). Wird dem Beauftragten die Macht eingeräumt, Namens des Macht­ gebers Rechtshandlungen vorzunehmen, so ist ihm neben dem Auftrage zugleich Vollmacht, soll er Rechtsgeschäfte in eigenem Namen vornehmen, so ist ihm nur ein Auftrag ertheilt. Der Ertheilung der Vollmacht kann sowohl ein Auftrag als auch ein Dienstvertrag zu Grunde liegen, in jedem Falle ist die Vollmacht grundsätzlich dem freien Widerrufe ausgesetzt (§ 167 BGB). Wider­ spricht der Widerruf dem Dienstverträge, so verbleiben dem Ver­ pflichteten die aus diesem Vertrage sich ergebenden Rechte (§ 167 BGB, 88 52, 231 HGB). Durch den Auftrag wird ein auf Vertrauen gegründetes, daher rein persönliches Rechtsverhältniß geschaffen. Die Folge ist, daß jedenfalls nach neuem Recht (§ 664) nur der Auftrag­ geber (bezw. seine Erben) die Ausführung des Auftraaes verlangen kann, daß also der Anspruch auf Ausführung keine Uebertragung zuläßt, daß aber auch der Beauftragte den Auftrag nicht auf eine andere Person übertragen darf. Die herrschende Meinung des gemeinen Rechts aber gab dem Mandatar die SubstitutionSbefugniß,während daS BGB grundsätzlich dieSubstitutions-

befugniß versagt, jedoch wegen der Mannigfaltigkeit der Fälle alles auf die Auslegung des Vertrages ankommen läßt (§ 664). Die unbefugte Substitution hat dieselben Folgen wie jede Ver­ tragsverletzung, die befugte Substitution macht den Mandatar nur für ein bei der Uebertragung ihm zur Last fallendes Ver­ schulden, insbesondere also für culpa in eligendo, haftbar, dar­ über hinaus steht er für die Handlungen des Substituten nicht ein. Hierin folgt das BGB dem bisherigen Rechte. Die An­ nahme von bloßen Gehülfen ist gestattet, belastet den Mandatar aber mit der Verantwortung für deren Handeln (§ 278). 3. Der Beauftragte ist verpflichtet a) den Auftrag auszuführen und dabei nach altem und neuem Recht jede Fahrlässigkeit zu vertreten; er ist den Wei­ sungen des Auftraggebers unterworfen; ein Recht, von dieser Weisung abzuweichen, ist gegeben, wenn der Beauftragte nach den Umständen annehmen darf (subjektiver Standpunkt), daß der Auftraggeber die Abweichung genehmigen würde (§ 665); er kann sogar verpflichtet sein, von der Instruktion abzuweicyen, wenn es im Interesse des Mandanten geboten ist; b) dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Befragen Auskunft zu ertheilen, und nach der Ausführung des Auftrages Rechenschaft abzulegen (§ 666), c) dem Auftraggeber Alles, was er zum Zwecke der Aus­ führung des Auftrages oder in Folge der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben, also auch die Rechte zu übertragen, die der Mandatar für den Mandanten, aber durch Handeln in eigenem Namen, erworben hat (667); d) Geld, das er nicht für den Mandanten verwendet oder an ihn herausgegeben hat, ohne Rücksicht auf ein etwaiges Ver­ schulden zu verzinsen (§ 668). Hierin stimmen altes und neues Recht überein. Die Ansprüche des Auftraggebers führen die Bezeichnung a. mandati directa. 4. Der Auftraggeber ist zum Ersätze der Aufwendungen, die der Mandatar nach den Umständen für erforderlich halten durste (subjektiver Standpunkt), und zur Leistung von Vorschüssen auf die zur Ausführung des Auftrages nothwendigen Aufwendungen verpflichtet (§§ 669, 670). Auch hierin folgt das neue dem alten Recht. Der Geltendmachung dieser möglicherweise entstehenden Forderungen des Beauftragten dient die a. mandati contraria und das Zurückbehaltungsrecht (§ 273). 5. Der Auftrag erlischt a) nach altem und neuem Recht durch seine Ausführung, durch eine Resolutivbedingung oder Zeitbestimmung, Snzelmann, d. bürgerliche Recht Deutschland-. 21

322

b) nach altem und neuem Recht durch Widerruf des Man­ danten und durch Kündigung des Mandatars. Ein Verzicht auf das Widerrufsrecht entzieht nach herrschender Auffassung dem Vertrage die Rechtsnatur des Mandats (ROHG 23, 324, RG 3, 186). Auf das Kündigungsrecht des Mandatars kann indessen gültig verzichtet werden (§ 671). Wird es zur Unzeit ausgeübt, so haftet der Beauftragte für den Schaden, der dadurch enffteht, daß der Mandant für die Fortführung des Geschäfts nicht recht­ zeitig sorgen konnte; c) nach altem und neuem Recht durch den Tod des Be­ auftragten, wenn nicht aus dem Vertrage das Gegentheil folgt; erlischt der Auftrag, so besteht für den Erben die Pflicht ungesäumter Anzeige von dem Tode des Mandatars (§ 673); d) nach altem, grundsätzlich aber nicht nach neuem Rechte (§ 672) durch den Tod des Auftraggebers, indessen rechnet auch hier das BGB mit der Möglichkeit eines abweichenden Ver­ tragswillens. Nach altem und neuem Recht ist auch der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Mandanten nicht von Einfluß auf das Mandat; e) nach neuem Recht (§ 23 KO) durch den Konkurs des Auftraggebers. 6. Der Auftrag kann ein einzelnes bestimmtes Geschäft, eine ganze Klasse von Geschäften, sowie endlich die gesammten Ge­ schäfte des Auftraggebers zum Gegenstände haben. 7. Vom Mandat unterscheidet sich der Rath dadurch, daß ersterer in der Regel die Angelegenheiten des Mandanten, letzterer stets nur die des Berathenen betrifft, und daß ersteres aus der Absicht, ein Rechtsverhälrniß zu begründen, hervorgeht, bei letzterem aber eine solche Absicht fehlt. Aus einem bloßen Rath entsteht für den Rathgeber nur dann eine Verbindlichkeit, wenn er ver­ sprochen hat, für die Folgen der angerathenen Handlung zu haften („Garantie" übernommen hat), sowie dann, wenn er wissentlich einen schlechten Rath ertheilt. Im ersten Falle hastet er aus dem Vertrage, im letzteren Falle aus der unerlaubten Handlung (a. doli). Das neue Recht stimmt hierin mit der herrschenden Auffassung des gemeinen Rechts überein (§ 676). Diese Grundsätze kommen aber dann nicht zur Anwendung, wenn zwischen dem Rathgeber und dem Berathenen ein Ver­ tragsverhältniß besteht, das den Rathgeber zur Rathsertheilung verpflichtet. Denn in diesem Falle kann bloßes Versehen eine Haftung begründen, wenn der Rathgeber nach Inhalt des Vertrages für Versehen einsteht. Was vom Rathe gilt, gilt von der Empfehlung (8 676).

8 118.

Die Anweisrmg*).

1. Geschichte. Ertheilt Jemand in eigenem Interesse einem Andern den Auftrag, eine Leistung zu erheben, oder den Auftrag eine Leistung zu machen, so kommt durch Annahme des Auftrages ein Mandat zu Stande, und der Beauftragte wird zur Ausführung des Auftrages verpflichtet. Nur ein Doppelmandat zum Erheben und zum Leisten erblickte die frühere gemeinrecht­ liche Lehre in der Anweisung. Sie ist zwar römischen Ursprungs, hieß dort juasua, delegatio seltener mandatum, sie hat sich aber erst im Verkehrsrecht der italienischen Städte des Mittelalters und insbesondere im modernen Handelsverkehr ausgebildet und den Namen Assignation an­ genommen. Ueberall, wo von Anweisung die Rede ist, wird eine indirekte Vermögensleistung angestrebt: nämlich die Leistung durch die Person eines anderen und Leistung in der Person eines Anderen. Die Anweisung dient deshalb der Ersparung von Zeit, Mühe, Gefahr und Kosten dadurch, daß einmaliges Leisten die­ selbe Wirkung herbeiführt, die an sich durch zwei Leistungen er­ reicht werden sollte. Die delegatio des römischen Rechts enthielt eine Weisung des Deleganten an den Delegaten, dem Delegatar entweder zu leisten (dare) oder zu versprechen (promittere). Sie war un­ abhängig von einem Schuldverhältnisse des Deleganten gegen­ über dem Delegatar und auch unabhängig von einer Schuld des Delegaten gegenüber dem Deleganten. Ging sie auf ein pro­ mittere, so wurde sie ausgeführt regelmäßig durch eine Stipu­ lation zwischen Delegatar und Delegat. War nun der Delegat Schuldner des Deleganten und erfolgte die Delegation dahin, daß der Delegat das, was er dem Deleganten schuldete, dem Delegatar versprechen sollte, so zog die formale Kraft der atipulatio eine Novation nach sich, d. h. die Forderung des Deleganten ging unter, und der Delegatar erwarb ein neues Forderungsrecht gegen den Delegaten. War auch der Delegant Schuldner des Delegatars und sollte mit der Delegation diese Schuld getilgt werden, so wurde der Delegant von seiner Schuld frei und der Delegat trat als neuer Schuldner an seine Stelle. Aber nicht jede Delegation erfolgte „auf Schuld", nicht jeder Delegation lag die Novationsabsicht zu Gründe, nicht jede Delegation also bewirkte eine Novation. 2. Das neue Recht. Das BGB giebt im Wesentlichen *) Wendt: Da- allgemeineAnweisungSrccht, 1895. Windscheid in der Festgabe für Otto Müller, 1892. Lenel in JheringS Jahrbüchern, B. 86, 113 ff.

324 die spätere gemeinrechtliche Lehre, welche die Mandatsnatur ver­ warf, wieder, aber im Anschlüsse an die Gepflogenheiten des heutigen Verkehrs behandelt es nur die schriftliche Anweisung. Nach ihm und nach altem Recht ist Anweisung die Ermächtigung, eine Leistung bei einem Dritten im eigenen Namen zu erheben, und die dem Dritten ertheilte Ermächtigung, eine Leistung für Rechnung des Anweisenden zu machen (§ 783). Sie erfolgt da­ durch, daß der Anweisende eine Urkunde ausstellt, in der er den Dritten (den Angewiesenen) anweist, Geld, Werthpapiere oder andere vertretbare Sachen an den Anweisungsempfänger zu leisten, und daß er diese Urkunde dem Anweisungsempfänger aushändigt. Der Anweisung ist also eine doppelte Weisung eigenthümlich, aber in der Weisung liegt nur eine Ermächtigung. Das der Er­ mächtigung zu Grunde liegende Rechtsverhältniß ist gleichgültig, es kann ein Auftrag sein; es ist ferner nicht erforderlich, daß der Anweisende Schuldner des Anweisungsempfängers, der Angewiesene Schuldner des Anweisenden ist. Die Anweisung ist ein abstraktes Rechtsgeschäft, das den verschiedensten Zwecken dienstbar ge­ macht werden kann. Die Anweisung begründet weder für den Anweisungsem­ pfänger eine Verpflichtung, die Leistung zu erheben, noch für den Angewiesenen eine Verpflichtung, die Leistung zu machen, selbst dann nicht, wenn der Angewiesene Schuldner des Anweisenden ist (§ 787 Abs. 2). Eine Verpflichtung zur Leistung ent­ steht für den Angewiesenen aber durch die Annahme der Anweisung, und die Annahme erfolgt durch einen schriftlichen Vermerk auf der Anweisungsurkunde. Der Vermerk kann schon vor der Aushändigung der Urkunde an den Empfänger nieder­ geschrieben werden, in diesem Falle aber wird der Angewiesene erst mit der Aushändigung der Urkunde Schuldner des Anweisungs­ empfängers (§ 784). Die Annahme begründet ein abstraktes Schuldver­ hältniß und also ein selbständiges Recht des Empfängers. Daher ist das Vertheidigungsrecht des Angewiesenen ein beschränktes, es besteht eine der materiellen Wechselstrenge analoge Anweisungs­ Strenge. Es können nämlich (§ 784) dem Gläubiger nur die­ jenigen Einwendungen entgegengesetzt werden, die a) die Gültigkeit derAnnahme selbst betreffen (z. B. Simulation); b) sich aus dem Inhalte der Annahme ergeben (z. B. Zeit­ beschränkungen); c) sich aus dem Inhalte der Anweisung ergeben (z. B. nur nach Empfang einer Vorleistung zu leisten); d) dem Anweisungsempfänger unmittelbar entgegenstehen (z. B. Erlaß, Aufrechnung).

Ausgeschlossen sind also alle Einwendungen aus dem der Anweisung zu Grunde liegenden Schuldverhältnisse (vgl. 1. 19 D. 46, 2), es sei denn, daß dieses Schuldverhältniß in der An­ weisung zum Ausdruck gekommen wäre (s. oben zu c).

Wird die beabsichtigte indirekte Vermögensleistung vereitelt, sei es, weil der Anweisungsempfänger die Anweisung nicht geltend machen kann oder will oder weil der Angewiesene die Annahme oder die Leistung verweigert, so hat der Assignatar dem An­ weisenden sofort Anzeige zu machen (§ 789).

Der Anspruch aus dem Anweisungsaccept verjährt wie der Anspruch aus dem Wechselaccept in drei Jahren (§ 786). Die Anweisung erlischt nicht durch den Tod oder den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit der Betheiligten (§ 791), denn sie ist kein Mandat im Sinne des römischen Rechts. Sie erlischt dagegen durch Widerruf gegenüber dem Angewiesenen; ist aber die An­ weisung von diesem angenommen, so ist der Widerruf ausge­ schlossen, da der Anweisende dem Empfänger das durch das Accept gewährte eigene Recht nicht nehmen kann. Auch nach dem BGB gilt der gemeinrechtliche Satz: An­ weisung ist keine Zahlung. Ist der Anweisende Schuldner des Anweisungsempfängers, so ist er weder durch die Anweisung noch durch die Annahme der Anweisung von seiner Schuld befreit, denn die Anweisung begründet keine Novation. Der Anweisungs­ empfänger hat in diesem Falle nach der Annahme zwei Schuldner, aber diese sind nicht Gesammtschuldner, denn ihre Verpflichtungen beruhen auf verschiedenen Rechtsgründen. Der Anweisungsem­ pfänger ist nicht verpflichtet, zuerst den Angewiesenen zu be­ langen, er kann vielmehr die Schuld des Anweisenden geltend machen. Erst durch die Leistung Seitens des Angewiesenen wird der Anweisende von seiner Schuld befreit (§ 788). Ist der Anweisende nicht Schuldner des Anweisungsempfängers, so hat der leistende Assignat den sog. Revalirungsanspruch (der a. mandati contraria analog) auf Deckung, bei verweigerter Leistung oder Annahme aber besteht an sich kein Regreßrecht des Anweisungsempfängers gegen den Anweisenden, ein solches kann nur auf das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältniß gegründet werden. Hierin liegt ein erheblicher Unterschied zwischen der Anweisung und dem Wechsel. Die vom Angewiesenen geleistete Zahlung gilt in jedem Falle als Zahlung des Anweisenden. Ist die Zahlung zu Unrecht er­ folgt, so steht die condictio auf das Gezahlte dem Anweisenden gegen den Zahlungsempfänger zu, wenn der Rechtsgrund der condictio in dem Valutenverhältniß liegt, und dem Angewiesenen

326 gegen den Anweisenden, wenn die condictio ihren Grund hat im Deckungsverhältniß ’). Die Anweisung kann vom Anweisungsempfänger schriftlich übertragen werden. Ist die Anweisung noch nicht angenommen, so liegt hierin nur eine Uebertragung der Ermächtigung d. h. eine neue Anweisung, war sie dagegen angenommen, so enthält die Uebertragung an sich nur eine Substitution, sie kann aber eine Cession des durch die Annahme begründeten Forderungs­ rechtes enthalten. Nimmt daher der Angewiesene dem Erwerber gegenüber die Anweisung an, so scheidet der erste Anweisungs­ empfänger aus, so daß aus das zwischen ihm und dem Ange­ wiesenen bestehende Rechtsverhältnisse Einwendungen gegen die Acceptverpflichtung nicht hergeleitet werden können (§ 792). 3. Unter einem Kreditbrief versteht man a. einen Auftrag, welcher den Zweck hat, dem Anweisungsempfänger Kredit zu eröffnen, z. B. Darlehen zu verschaffen. In diesem Falle kommen jetzt dieGrundsätze von der Bürgschaft zur Anwendung (§778 BGB); b) einen Zahlungsauftrag. In diesem Falle geht der Be­ auftragte durch Zahlungsleistung kein Kreditgeschäft mit dem Em­ pfohlenen ein, sondern er zahlt für Rechnung des Auftraggebers.

4. Unter einer kaufmännischen Anweisung war bisher nach Art. 301 HGB a. F. die von einem Kaufmann über Geld, vertretbare Sachen oder Werthpapiere ausgestellte Anweisung zu verstehen. Rach dem neuen HGB § 363 ist kaufmännische A. die auf einen Kaufmann ausgestellte Anweisung. Denn es kommt dem Verkehr weit mehr auf die Person des Angewiesenen als auf die des Anweisenden an. Was die kaufmännische von der gewöhnlichen Anweisung unterscheidet, ist die Möglichkeit, sie an Ordre zu stellen und also indossabel zu machen, vorausgesetzt, daß die A. über Geld, Werthpapiere oder andere vertretbare Sachen lautet und daß die Leistung nicht von einer Gegenleistung abhängig gemacht ist. Zwar kann auch die civilrechtliche A. über­ tragen werden (§ 792 BGB), aber sie ist dem Indossament mit seine), besonderen Wirkungen unzugänglich. Die landesgesetzlichen Vorschriften über kaufmännische Anweisungen treten außer Kraft (Art. 21 EG zum neuen HGB). Rach dem HGB ist die in­ dossierte Anweisung ein Präsentationspapier; betreffs der Form des Indossaments, der Legitimation des Besitzers und der Prüfung der Legitimation kommen die wechselrechtlichen Vor­ schriften zur Anwendung (Art. 11—13, 36 WO). Dagegen findet keinSprungregreß statt, der Indossant haftet nur seinem un­ mittelbaren Nachmanne. i) RG bei Seuffert Archiv 44, 419.

5. Eine im Bankverkehr übliche Anweisung ist der Check (seltener Bankanweisung genannt); er ist eine auf eine Bank ober einen Bankier ausgestellte, daher eine Unterart der kaufmännischen A. im Sinne des neuen HGB und hat den Zweck, die Verfügung über eine bei einem Bankier für den Einleger bereitliegende ober vom Bankier (durch Krediteröffnung an den Anweisenden) bereitgestellte Summe zu ermöglichen. Der Bankier ist ver­ pflichtet, in Höhe dieser Summe auf ihn gestellte Checks des Gläubigers zu hvnvriren, aber nicht verpflichtet, über jene Summe hinaus mit seinem eigenen Vermögen einzutreten. Daher ist es nicht üblich, diese Anweisungen zu acceptiren, und ein gleichwohl gegebenes Accept ist nach Absicht der Karteien unverbindlich, denn durch das Accept entsteht eine persönliche Verbindlichkeit des An­ gewiesenen. An einer reichsgesetzlichen Regelung des Checkwesens fehlt es noch immer, Art. 17 EG z. HGB läßt daher die landes­ gesetzlichen Vorschriften über Checks bestehen. Sie benennen als Empfangsberechtigten gewöhnlich den Inhaber oder eine bestimmte Person mit dem Zusatze, daß auch an den Inhaber gezahlt werden könne. Das Accept eines solchen Jnhaberchecks wird durch § 784 BGB ausgeschlossen, und auf einen bestimmten Anweisungsem­ pfänger ausschließlich gestellte Checks sind ungebräuchlich. Der Check dient ferner nicht ausschließlich der Abhebung, sondern auch der Umschreibung des angewiesenen Betrages auf das Conto eines anderen Girokunden desselben Bankiers (insbe­ sondere der Reichsbank, welche für jene CH. weiße, für diese rothe Formulare hat). Der auf Umschreibung gerichtete Check setzt das Vorhandensein eines Giroverkehrs zwischen der Bank und einer Anzahl von Girokunden voraus. Der Giroverkehr wird begründet durch den Abschluß eines sog. Girokonto-Eröffnungsver­ trages zwischen dem Girokunden und der Bank und Einzahlung einer Summe in Geld oder Werthpapieren, des sog. Giro-Depots. Durch den Vertrag ist die Bank verpflichtet, die Forderungen ihrer Girokunden gegeneinander durch Umschreibung auszugleichen. Die Umschreibung geschieht auf Grund von Checks der Girokunden» indem der Betrag, auf den der Check lautet, von dem Giro­ konto des Anweisenden ab- und dem Conto des Anweisungsem­ pfängers zugeschrieben wird. Hierdurch werden Unbequemlich­ keiten, Gefahren und Kosten der Baarzahlung vermieden. DerGiroverkehr erlischt durch Kündigung wie durch Erschöpfung des Depots.

C. Die MtiseMgen Verträge. § 119. Der Kauf. I. Begriff. Kauf (emtio-venditio) ist derjenige Vertrag, durch welchen der eine Theil die Ueberlassung eines Ver-

328 Mögensgegenstandes an den andern, dieser aber die Zahlung einer Geldsumme an jenen übernimmt. Unter Ueberlassung verstand jedoch das römische und gemeine Recht nur das habere Meere praestare, nur die Verschaffung des ungestörten Genusses, während das BGB (§ 433) im Anschluß an das deutsche Recht und die meisten neueren Gesetzgebungen die Ver­ schaffung des Eigenthums der verkauften Sache oder die Verschaffung des verkauften Rechtes verlangt. Zum Abschlüsse des Vertrages gehört nur die Vereinbarung über den Kaufgegenstand und den Preis. Die Entstehung des durch den Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses kann aber von einer Bedingung abhängig gemacht werden. 1. Gegenstand des Kaufes können Sachen und Rechte sein, letztere dann, wenn sie übertragbar sind; es ist also insbesondere der Kauf von Forderungen regelmäßig zulässig. Auch Vermögens­ inbegriffe, Sachgesammtheiten und künftige Sachen können Ge­ genstand eines Kaufes sein. Bei letzterem aber ist zu unterscheiden, ob die Sache oder ob die Aussicht auf ihre Entstehung verkauft wird. Wird die Sache verkauft, so wird ein durch die Entstehung der Sache bedingter Kauf abgeschlossen, die aus dem Kaufver­ träge folgenden Rechte und Pflichten kommen also nur dann zur Entstehung, wenn auch die Sache entsteht. Der Hoffnungs­ kauf (emtio spei) aber ist ein unbedingter Kauf, denn die Gewinnmöglichkeit ist von vornherein da. Daher ist der Kauf­ preis auch dann zu zahlen, wenn die Hoffnung fehlschlägt. Aber es liegt kein Hoffnungskauf, sondern bedingter Sachkauf vor, wenn die Parteien Zahlung des Preises ohne Rücksicht auf Menge und Güte der künftigen Sache bedingen. Denn in diesem Falle hängt die Pflicht des Käufers davon ab, daß die erhoffte Sache entsteht (emtio rei speratae). Alles dies gilt auch nach den» BGB. Genus kauf ist der Kauf einer nur der Gattung nach be­ stimmten Sache. Werden aber alle zu einer bestimmten Gattung gehörigen Sachen verkauft, so liegt ebenso, wie wenn ein einzelner bestimmter Gegenstand verkauft wird, ein Specieskauf vor. Ob das römische Recht reine Genuskäufe zuließ, ist zweifelhaft, aber zu verneinen ’). Im heutigen Recht ist er als Kauf ausdrücklich anerkannt §§ 480, 491 BGB. Endlich kann auch eine fremde Sache Gegenstand bed Kaufes sein. Der Verkäufer hat die Sache zu beschaffen oder Schadens­ ersatz zu leisten. Dasselbe muß nach BGB gelten, da die Fremdheit der Sache nur das Unvermögen des Schuldners, nicht eine die Nichtigkeit des Vertrages begründende Unmöglichkeit bewirkt (88 306—308).

i) Dernburg Pand. 11 8 94 Rr. 1.

2. Der Kaufpreis muß vor Allem als wahres Entgelt (pretium verum) von den Parteien gemeint sein. Sind die Par­ teien einig, daß der bedungene Preis den Werth der Sache nicht erreicht (venditio uno nummo des römischen Rechts), so ist der den Preis übersteigende Werth geschenkt. Ob die Ansicht der Parteien dem wahren Werthe entspricht (pretium justum), ist ohne Belang. Das spätere römische Recht gagegcn gewährte die Möglichkeit der Anfechtung eines Kaufver­ trages wegen Verletzung über die Hälfte (laesio enormia), indem Diokletian und Maximian (1. 2 C. 4, 44) dem Verkäufer das Recht gaben, vom Vertrage zurückzutreten, wenn der Preis nicht einmal die Hälfte des gemeinen Sachwerthes betrug. Seit der Glossatorenzeit entwickelte sich jedoch ein gemeines Gewohn­ heitsrecht, das auch dem Käufer das Rücktrittsrecht gewährte, wenn er mehr als das Doppelte des wahren Werthes versprochen hatte. Diese Sätze wurden zunächst durch das alte HGB (Art. 286) für Handelskäufe beseitigt und sind vom BGB nicht wieder aus­ genommen worden. Es gilt daher jetzt betreffs der Höhe des Preises volle Vertragsfreiheit. Der Kaufpreis mußte im älteren römischen Recht bestimmt sein (pretium certum), allein nach späterem Recht, gemeinem und neuem Recht genügt die Bestimmbarkeit des Preises. Haben die Parteien einen Preis nicht bestimmt, so haben sie sich dem Marktpreise der Waare unterworfen d. i. nach altem wie neuem Rechte dem für den Erfüllungsort zur Erfüllungszeit maß­ gebenden Preise (§ 453 BGB). Hat der Kaufgegenstand einen Marktpreis nicht, so tritt nach altem und neuem Recht das arbitrium boni viri ein, d. h. der Verkäufer bestimmt den Preis, aber er hat ihn nach billigem Ermessen zu bestimmen (§§ 316,315), denn nur dem angemessenen Preise hat sich der Käufer unterworfen. Der Preis muß in Geld bestimmt werden. Wird eine andere Sache als Geld zur Gegenleistung bestimmt, so ist das Geschäft nicht Kauf, sondern Tausch. Ob der Preis in baarem Gelde bezahlt wird, ist ohne Belang, denn hier wie bei anderen Ge­ schäften ist Hingabe an Zahlungsstatt erlaubt.

II. Verbot. In Uebereinstimmung mit dem römischen Rechte, welches denjenigen Personen, welche kraft Amtes verkauften, das Kaufen untersagte, richtet auch das BGB (§§ 456, 457) an Die­ jenigen, welche mit der Vornahme oder Leitung eines im Wege der Zwangsvollstreckung geschehenden Verkaufes beauftragt sind, sowie an ihre Gehülfen (z. B. den Protokollführer), und an diejenigen Personen, welche bei dem Verkaufe auf Grund gesetz­ licher Ermächtigung, den Gegenstand für Rechnung eines Andern

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verkaufen zu lassen, handelns, das Verbot, den zum Verkauf gestellten Gegenstand für sich persönlich oder durch einen Anderen oder als Vertreter eines Andern zu kaufen. Der gleichwohl ge­ schehene Kauf ist nicht nichtig, aber er hängt von der Zustimmung der am Verkauf als Gläubiger, Schuldner oder Eigenthümer betheiligten Person ab (§ 458 BGB). III. Uebergaag der Gefahr. Nach römischem und gemeinem Recht geht die Gefahr des Untergangs und der Verschlechterung mit dem Kaufabschluß auf den Käufer über: der Ausdruck per­ fecta est emtio bedeutet, daß der Käufer die Gefahr trägt. Das ältere deutsche Recht ließ die Gefahr erst mit der Uebergabe der verkauften Sache auf den Käufer übergehen. Dieser Grund­ satz des deutschen Rechtes hat sich in mehreren Partikular­ rechten erhalten nnd ist in das BGB (8 446) übergegangen. Bei dem Verkauf eines Grundstücks geht die Gefahr schon mit der Eintragung des neuen Eigenthümers über, wenn diese vor der Uebergabe erfolgt. Der angeblich ans dem Wesen der synallag­ matischen Verträge folgende Grundsatz des gemeinen Rechts machte eine Bestimmung über die Gefahr der Versendung der verkauften Sache überflüssig. Denn der Transport geschah nach ihm immer auf Gefahr des Käufers. Da aber, wo der Käufer die Gefahr erst vom Zeitpunkte der Uebergabe ab trägt, sind Bestimmungen über die Transportgefahr erforderlich. Nach BGB (§§ 446, 447) kommt es folgerichtig darauf an, ob in der Absendung eine Ueber­ gabe an den Käufer enthalten ist. Eine Uebergabe an den Käufer ist in der Aushändigung der Sache an die Transportperson aber dann enthalten, wenn die Versendung auf Verlangen des Käufers nach einem anderen Orte als dem Erfüllungsort bewirkt wird. Eine Versendung der Sache an den Erfüllungsort ist nur eine Vorbereitung der Uebergabe. Daher geht in jenem Falle mit der Aushändigung der Sache an die Transportperson die Gefahr auf den Käufer über, während die Sendung an den Erfüllungsort auf Gefahr des Verkäufers geschieht. IV. Uebergabe. Nach römischen, gemeinem und neuem Recht ist der Verkäufer verpflichtet, die verkaufte Sache zu übergeben: der Käufer muß den Besitz der Sache erhalten. Nach deutschem und neuem Recht ist der Verkäufer auch zur Vornahme derjenigen Handlungen verpflichtet, die an sich zur Uebertragung des Eigenthums erforderlich sind, also insbesondere zur Auflassung der unbeweglichen Sache (§§ 433, 929, 873). Die Auflassung kann jedoch durch die rechtskräftige Verurtheilung des Verkäufers zur Auflassung ersetzt werden (§ 894 CPO). ’) Damit ist j. B. der Derkauf im Austrage des Konkursverwalter» oder des PsandgläubigerS gemeint.

Ist ein Recht verkauft, so hat nach römischem und gemeinem Recht der Verkäufer dem Käufer nur die Möglichkeit der Aus­ übung, nach deutschem und neuem Recht das verkaufte Recht selbst zu verschaffen (§ 437). Damit hängt die Verschiedenheit der sog. Eviktionspflicht des Verkäufers nach römischem und neuem Recht zusammen. Uebergabe und Ablieferung sind nicht dasselbe. Uebergabe ist derjenige Akt, durch welchen der Besitz eingeräumt wird, Ab­ lieferung derjenige Akt, durch den der Käufer die thatsächliche Möglichkeit einer Untersuchung der Sache erlangt. Die Ablieferung kann nur bei beweglichen Sachen vorkommen, sie fällt mit der Uebergabe nicht immer zusammen, sondern folgt ihr häufig nach. Auch Annahme und Empfangnahme sind nicht dasselbe. Die Annahme vollendet den Uebergabeakt, die Empfangnahme schließt die Billigung der Waare ein. V. Entwehrung. Der Verkäufer hat die Pflicht des habere Heere praestare, d. h. er hat dafür zu haften, daß nicht Rechte Dritter bestehen, welche dem Käufer das Haben der Sache ge­ fährden. Wird dem Käufer der Besitz der Sache entzogen auf Grund eines Anspruches aus dem Eigenthum, dem redlichen Be­ sitze, dem Pfandrechte, einer persönlichen Dienstbarkeit oder auf Grund eines Noxalanspruches, m. e. Worte: wird dem Käufer die Sache evincirt (entwehrt), so steht der Verkäufer für das Interesse ein. Nach dem Recht der zwölf Tafeln stand dem Käufer in dem Falle, wenn er die Sache durch Mancipation erworben, eine actio auctoritatis auf das Doppelte des Kaufpreises zu. War die Sache nur tradirt, so hatte der Käufer die a. emti auf das Interesse. Dieses pflegte man durch Vertrag (stipulatio duplae) auf das Doppelte des Preises festzusetzen. Das gemeine Recht hielt daran fest, daß der Verkäufer nicht zur Verschaffung des Eigenthums, sondern nur zum habere Heere praestare verpflichtet sei. Die Eviktionspflicht konnte daher nicht schon dann geltend gemacht werden, wenn sich herausstellte, daß der Verkäufer Eigenthum nicht übertragen, sondern erst dann, wenn der Käufer den Besitz in Folge des Rechts eines Dritten verloren hatte (RG 20,217). Voraussetzung der Eviktionshaftung ist ferner im gemeinen wie im älteren römischen Rechte eine voll­ ständige Entziehung des Genusses des Sache. Sie trat daher nach herrschender Auffassung dann nicht ein, wenn der Dritte an der Sache eine Grunddienstbarkeit mit Erfolg geltend macht (RG 4, 194; 7, 174), vielmehr haftet der Verkäufer in diesem Falle nur dann, wenn er dem Käufer die Freiheit der Sache von der Realservitut zusicherte oder wenn er ihm das Bestehen dieses Rechtes arglistig verschwieg.

332 In beiden Beziehungen weicht das neue Recht vom bisherigen ab. Das BGB verpflichtet nämlich den Verkäufer a. zur Ver­ schaffung des Eigenthums oder des verkauften Rechtes (z. B. der Forderung), und es verpflichtet ihn b. den verkauften Ge­ genstand frei von allen Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegen den Käufer geltend gemacht werden können (§§ 433,434). a) Die erstere Pflicht hat zur Folge, daß der Verkäufer haftet, auch wenn der Dritte sein Eigenthum nicht geltend macht, denn er hat in jedem Falle nicht Eigenthum übertragen, den Kaufvertrag also nicht erfüllt. b) Die letztere Verpflichtung des Verkäufers führt dahin, daß er nach dem BGB schon dann haftet, wenn nur überhaupt Rechte Dritter an der veräußerten Sache bestehen. Besteht ein solches Recht, so ist der Vertrag von Seiten des Verkäufers nicht erfüllt. Der Verkäufer hat aber auch die nicht bestehenden, im Grund­ buch oder Schiffsregister noch eingetragenen Rechte auf seine Kosten löschen zu lassen, wenn sie im Falle ihres Bestehens das dem Käufer zu beschaffende Recht beeinträchtigen würden (§§437—439). Allgemeiner Grundsatz ist, daß derVerkäufer jedesRecht eines Dritten, das gegen den Käufer geltend gemacht werden könnte, und das dem Käufer unbekannt ist, zu vertreten und also zu be­ seitigen hat. Von diesem Grundsätze bestehen zwei Ausnahmen: et) es sind nicht zu vertreten die öffentlichen Lasten und Ab­ gaben von Grundstücken (§ 436), ß) es sind zu vertreten die Hypothek, die Grundschuld, die Rentenschuld, das Pfandrecht, die Vormerkung, auch wenn sie der Käufer kennt. Ist der Vertrag in der einen (a) oder anderen Beziehung (b) nicht erfüllt, so kann der Käufer: 1) nachträgliche Erfüllung verlangen, 2) die Zahlung des Kaufpreises verweigern (e.non impleti contractus), 3) die nach den allgemeinen Grundsätzen sich ergebenden Rechte wegen Unmöglichkeit der Erfüllung oder wegen Verzuges des Verkäufers geltend machen (§ 440). Bildete den Gegenstand des Vertrages aber eine beweg­ liche Sache, so kann der Käufer Schadensersatz wegen Nicht­ erfüllung nur verlangen, wenn erste dem Verkäufer oder dem Dritten herausgegeben hat oder wenn sie untergegangen ist (§ 440), weil sonst der Käufer die Vortheile des Besitzes ziehen und daneben noch Schadensersatz erlangen würde. VI. Eigenthumsübergang. Das Eigenthum der ver­ kauften und übergebenen Sache geht nach römischem und gemeinem Recht erst mit der Zahlung oder Kreditirung des Preises, nach

deutschem und neuem Recht mit der Uebergabe der beweg­ lichen, der Auflassung der unbeweglichen Sache auf den Käufer über. Die Eigenthumsübertragung ist aber die Folge des, von der Gültigkeit des Kaufvertrages unabhängigen, in der Uebergabe oder Auflassung, bei Forderungen in der Cession be­ stehenden dinglichen Vertrages. Beim Verkaufe von Seeschiffen oder Schiffsparten kann bedungen werden, daß das Eigenthum sofort d. i. mit dem Vertragsabschlüsse und ohne Uebergabe auf den Käufer übergehen soll (§ 474 HGB). Der Verkäufer kann sich bei der Uebergabe das Eigenthum bis zur Zahlung des Preises vorbehalten (pactum reservati dominii). Nach gemeinem wie neuem Recht liegt in diesem Vor­ behalt im Zweifel eine aufschiebende Bedingung, nach neuem Recht zugleich der Vorbehalt eines Rücktrittsrechts, für den besonderen Fall, daß der Käufer mit der Zahlung in Verzug kommt (§ 455). VII. Haftung wegen Mängeln der Sache. Nach altem und neuem Recht haftet der Verkäufer einer Sache dem Käufer dafür, daß die verkaufte Sache nicht mit physischen Mängeln behaftet ist. Diese Haftung bildet den Gegensatz zu der oben erörterten Haftung für Mängel im Rechte. 1. Geschichte. Das römische Civilrecht gab dem Käufer nur einen Jnteresseanspruch (actio emti), und zwar wenn der Verkäufer Eigenschaften der Sache, die ihr thatsächlich fehlten, versprochen hatte, und wenn er ihm bekannte Mängel der Sache arglistig verschwieg. Diese für den Verkauf von Grundstücken passenden Sätze reichten im Marktverkehr nicht aus. Das Edikt der curulischen Aedilen und das sich anlehnende (das sog. ädilitische) Recht ging darüber hinaus. Der Fortschritt, den eö brachte, bestand darin: a) daß der Verkäufer nicht bloß für versprochene (promissa), sondern auch für die der Sache beigelegten Eigenschaften (für dicta), b) daß er auch für die ihm selbst unbekannten Mängel haftete, c) daß dem Käufer die Wahl zustand, vom Vertrage zurück­ zutreten oder bei dem Vertrage zwar stehen zu bleiben, dafür aber Herabsetzung des Preises zu verlangen. Daneben blieb das Civilrecht bestehen. Der Käufer hatte also die Befugniß, Schadensersatz zu verlangen, wenn die Voraussetzungen hierzu Vorlagen, er hatte aber auch die sog.' ädilitischen Rechtsmittel (actio redhibitoria und quanti minoris). Die Grundsätze des römischen Rechts wurden gemeines Recht, das deutsche Recht dagegen, das vom Käufer eine größere Aufmerksamkeit verlangte („wer die Augen nicht aufthut, muß den Beutel aufthun") und welches vielfach die Geltendmachung

334 der Rechte des Käufers von der bald nach der Uebergabe erfolgten Feststellung deS Mangels abhängig machte, erhielt sich für den Wehhandel und hatte auf die Gestaltung des Handelsrechts Einfluß. 2. Neues Recht. Das BGB giebt A. allgemeine Vorschriften über d»e Gewährleistung über­ haupt und schließt sich darin an das gemeine Recht an (§§ 459 bis 480); diese Vorschriften kommen auch dann zur Anwendung, wenn der Kauf Handelsgeschäft ist, und nur für den Fall, daß der Kauf für beide Theile Handelsgeschäft ist, hat das HGB in 88 377, 378 einige besondere Bestimmungen: B. besondere Vorschriften über die Gewährleistung bei Vieh­ mängeln (88 481—492), die auf deutschrechtlicher Grundlage beruhen und auch dann zur Anwendung kommen, wenn das Geschäft Handelsgeschäft ist (8 382 HGB).

A. Die allgemeinen Gewährleistungsgrundsätze. 1. Nach gemeinem und neuem Recht (8 459) haftet der Verkäufer für die zugesicherten Eigenschaften der Sache (dicta promissa) unb für ihre Fehler, auch wenn der Mangel verborgen und dem Verkäufer selbst unbekannt war. Die Haftung für die zugesicherten Eigenschaften ist eine unbedingte, mag das Fehlen der Eigenschaft die Brauchbarkeit oder den Werth der Sache be­ einträchtigen oder nicht. Die Haftung für Fehler aber ist davon abhängig, daß der Fehler die Tauglichkeit der Sache zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Ge­ brauche oder ihren Werth aufhebt oder mindert (8 459). Nach altem und neuem Recht aber kommen unerhebliche Minderungen des Werths oder der Tauglichkeit nicht in Betracht (minima non curat praetor). Ist eine bestimmte Größe des verkauften Grund­ stücks zugesichert, so ist damit nach BGB (8 468) eine Eigenschaft zugesichert. Auch darin stimmen altes und neues Recht überein, daß die Haftungdes Verkäufers ausgeschlossenist, nicht nur, wenn der Käufer den Mangel kannte, sondern auch wenn er ihn nur bei grober Fahr­ lässigkeit übersehen konnte (vita — quae ignoravit vel ignorare potuit. 1. 14 8 10 D. 21,1. 8 460 BGB). Für diese letzteren, leicht erkennbaren Mängel haftet der Verkäufer jedoch dann, wenn er die Abwesenheit des Fehlers zugesichert oder wenn er den Fehler arglistig verschwiegen hat (8 460). Kennt der Käufer den Mangel bei der Annahme, so liegt in dieser ein Verzicht auf seine Rechte, es sei denn, daß er sich diese vorbehält (§ 464). In einer Veräußerung der beanstandeten Waare liegt regelmäßig, aber nicht immer die Annahme und also ein Verzicht. Dieselben Grundsätze gelten im Handelsrecht. Das

HGB (§ 377) ist nur bei denjenigen Kaufverträgen, die für beide Theile Handelsgeschäfte sind, insofern gegen den Käufer strenger als das BGB, als es ihm die Pflicht auferlegt, die Waare un­ verzüglich nach der Ablieferung zu untersuchen und von einem entdeckten Mangel dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen (Mängelrüge), und indem es an die Versäumniß derAnzeige«die der Widerlegung entzogene Vermuthung knüpft, daß aare genehmigt sei. Die Mängelrüge enthält nämlich die Erklärung, daß mit der Waare so, wie sie beschaffen, der Kauf­ vertrag nicht erfüllt sei;, nichts weiter ist die Erklärung, daß die Waare dem Verkäufer zur Verfügung gestellt werde. Die Sicherheit des Handelsverkehrs erheischt diese strenge Behandlung, denn es soll sobald als möglich feststehen, ob das Geschäft mit der Lieferung erfüllt ist. Die Anzeigepflicht enffteht mit dem späteren Hervortreten eines Mangels von Neuem. Sie ist aber erfüllt, wenn die Anzeige noch rechtzeitig abgesendet wird. Diese Grundsätze kommen nach dem neuen HGB zur Anwendung, sowohl wenn die Waare versendet (Distanzkauft als auch wenn sie nicht versendet wird (Platzkauf), endlich auch dann, wenn eine andere als die bedungene Waare oder eine andere als die be­ dungene Menge von Waren geliefert ist. Die Abweichung darf aber nicht eine so starke sein, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten mußte (§ 378 HGB). 2. Entscheidend für die Gewährleistungspflicht des Verkäufers ist nach gemeinem Rechte, daß der Mangel zur Zeit des Ver­ tragsschlusses, nach neuem Reckt, daß er zur Zeit des Gefahr­ überganges vorhanden ist (§ 459). 3. Hat der Verkäufer den vorhandenen Mangel überhaupt zu vertreten, so jift nach altem und neuem Rechte der Käufer be­ rechtigt, a) Rückgängigmachung des Kaufes (Wandelung [actio redhibitoriaj) oder b) Herabsetzung des Preises (Minderung [actio quanti minoris]) zu verlangen (§ 462). c) Statt einedieser beiden Rechte kann der Käufer nach altem und neuem Recht (§ 463) Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (mit der actio emti), wenn der Sache beim Vertragsabschlüsse, im Falle eines Genuskaufes (§ 480) beim Uebergange der Gefahr, eine zugesicherte Eigenschaft fehlte oder ein arglistig ver­ schwiegener Fehler anhaftete. Selbstverständlich hat der Käufer ferner daS Recht, nach­ trägliche Erfüllung, also Nachbesserung, d. i. bei einem Genus­ kauf Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 480), zu verlangen, der Verkäufer kann aber der Geltendmachung eines deranderen Rechte des Käufers nicht durch das Angebot einer Nachbesserung ent­ gegentreten.

336 Unter jenen Rechten kann der Käufer wählen; er kann von der einmal getroffenen Wahl wieder abgehen (jus variandi), bis die Wandlung oder Preisminderung vollzogen ist. Vollzogen aber war sie nach der herrschenden Lehre des gemeinen Rechts mit der vom Käufer einseitig getroffenen Wahl. Diesen Stand­ punkt hat das BGB verlassen. Nach ihm (§ 465) ist die einseitige Erklärung des Käufers, daß er wandeln oder mindern wolle, nichts weiter als ein Vertragsantrag, Wandelung oder Minderung sind vollzogen erst mit der Annahme des Antrages. Kommt eine Eini­ gung nicht zu Stande, so kann der Käufer auf Wandelung oder Minderung klagen; nach der Auffassung des BGB ist die Klage auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet, die Wandelung oder Minderung ist in diesem Falle also erst vollzogen mit der rechts­ kräftigen Verurtheilung des Verkäufers (§ 894 CPO). Hat der Käufer aber die Schadensersatzklage erhoben, so hat er damit auf das Recht der Wandelung oder Minderung verzichtet (§ 463 BGB). Das BGB hat dem Verkäufer ein Mittel in die Hand ge­ geben, Klarheit über die Absichten des Käufers zu erlangen. Der Käufer soll nicht zum Nachtheil des Verkäufers auf das Steigen oder Fallen des Preises der gelieferten Waare spekuliren (d. h. beim Steigen des Preises Minderung, beim Sinken Wandelung verlangen) dürfen. Der Verkäufer kann daher Wandelung an­ bieten unter Bestimmung einer angemessenen Erklärungsfrist. Geht der Käufer auf den Antrag ein, so ist die Wandelung vollzogen, geht er innerhalb der Frist auf den Antrag nicht ein, so hat er das Recht auf Wandelung verloren (§§ 466, 465.) 4. Die Wandelung ist Rücktritt vom Vertrage, und das BGB (§ 467) hat sie unter die Grundsätze vom vertragsmäßigen Rücktritt gestellt. Nach altem und neuem Recht ist jedoch zur Redhibition der Käufer nur dann befugt, wenn er den Kauf­ gegenstand in unveränderter Beschaffenheit und Gestalt zurück­ zugeben bereit und im Stande ist oder wenn die Unmöglichkeit der Wiederherstellung des früheren Zustandes nur die Folge einer Verfügung ist, zu der der Käufer dem Verkäufer gegenüber be­ fugt war (§§ 467, 352, 487 BGB). Sind mehrere Sachen ver­ kauft, so kommt es darauf an, ob sie als einzelne oder als zu­ sammengehörige verkauft waren: in jenem Falle kann nur Wandelung der einen mangelhaften und in Folge dessen verhältnißmäßige Herabsetzung des Preises der nicht gewandelten Sachen (§§ 469, 471), in diesem Falle aber kann von jedem Theile Wandlung aller Sachen verlangt werden, wenn sich die mangelfreien von den mangelhaften Sachen nicht ohne Nachtheil trennen lassen. Daß ein Gesammtpreis vereinbart worden, ist noch kein Beweis dafür, daß die Sachen als Einheit gemeint sind.

Die vollzogene Wandlung hat die Verpflichtung deS Ver­ käufers zur Folge, den gezahlten Preis zurückzuzahlen. Zum Ersätze des durch die mangelhafte Sache verursachten Schadens aber ist der Käufer nur auf Grund eines Verschuldens verpflichtet. 5. Die Minderung besteht nach dem bisher herrschend gewesenen und auch vom BGB (§ 472) angenommenen relativen Prinzip in einer verhältnißmäßigen Herabsetzung des Preises, d. h. es ist zunächst der Werth der mangelfreien und der Werth der mangelhaften Sache festzustellen; in dem Ver­ hältnisse, in dem diese Werthe zu einander, muß auch der Preis der mangelfreien zu dem zu suchenden Preise der mangelhaften Sache stehen. ’) Die Minderung ist so oft zulässig, als Mängel hervortreten; ja es ist, wenn wegen eines Mangels Minderung erfolgt ist, wegen eines anderen Mangels Wandelung gestattet (§ 475). Jeder von mehreren Käufern hat ein selbständiges Recht auf Minderung (§ 61 CPO), wandeln aber können nur alle Käufer gemeinschaftlich (§ 62 CPO). Ist daher von einem einzelnen Käufer die Minderung vollzogen, so ist damit nicht nur für ihn, sondern wegen der Unteilbarkeit des Wandlungs­ rechts die Wandelung für alle ausgeschlossen (§ 474). 6. Die Rechte auf Wandelung oder Minderung unterliegen nach altem und neuem Recht (§ 476) dem Verzicht, der jedoch die Rechte wegen arglistigen Verschweigens eines Mangels nicht beseitigt, und einer kurzen Verjährung. Nach gemeinem Recht verjährt die a. redhibitoria in 6 Mo­ naten, die a. quanti minoris in einem Jahre, die a. emti da­ gegen als gewöhnliche Vertragsklage in 30 Jahren. Das BGB unterscheidet nicht mehr die Ansprüche, sondern die Kaufgegen­ stände. Daher unterliegt auch die Schadensersatzklage der kurzen Verjährung, und zwar von 6 Monaten bei beweglichen Sachen, von einem Jahre bei Grundstücken. Nur die auf arglistiges Verschweigen gestützte Schadensersatzklage unterliegt der ordent­ lichen Verjährung. Die Verjährung tilgt nicht blos daS Klage­ sondern auch das Einrederecht. Das Wandlungs- oder Minderungsrecht befugt nämlich zur Verweigerung der Kaufpreiszahlung (Einrede) und der Schadens­ ersatzanspruch berechtigt gegenüber dem Ansprüche auf den Kauf­ preis zur Aufrechnung (Einwendung). Jene Einrede und die Befugniß zur Aufrechnung erhalten sich trotz Verjährung der ihnen zu Grunde liegenden Ansprüche (§§ 478, 479) wenn *) Werth der fehlerlosen Sache — 200, der mangelhaften Sache 160, Prei» der fehlerfreien Sache — 250. Also 200:150 — 250: x.x = 187,60 M. Lngelman n, d. bürgerliche Recht Deutschlands. 22

a) der Käufer vor Eintritt der Verjährung dem Verkäufer den Mangel angezeigt oder die Anzeige an ihn abgesendet, oder b) gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises beantragt, oder c) in einem zwischen ihm und einem späteren Erwerber der Sache wegen eines Mangels der Sache anhängigen Rechtsstreite dem Verkäufer den Streit verkündet hat. Die einheitliche Grundlage, auf welcher das Wandlungs-, Minderungs- und Schadensersatzrecht beruht, hat zur Folge, daß die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung des einen Rechtes auch aus die Verjährung der anderen Rechte hemmend oder unterbrechend wirkt (§ 477). Der Uebergang von der Wandlungs- in die Minderungs- oder Schadensersatzklage wird gleichwohl in der Regel eine Klageänderung enthalten, doch kann sie nach neuem Recht (§ 264 CPO) vom Gericht zugelassen werden, wenn die Vertheidigung des Beklagten nicht wesentlich erschwert wird. B. Die besonderen Grundsätze von Viehmängeln. Diese kommen nur beim Verkauf von Pferden, Eseln, Mauleseln und Maulthieren, von Rindvieh, Schafen und Schweinen zur Anwendung (§ 481). Aber auch beim Verkauf dieser Thiere steht der Verkäufer nur für bestimmte Fehler (Hauptmängel) und nur dann ein, wenn sie sich innerhalb bestimmter Fristen (Ge­ währfristen) zeigen (§ 482). Die Hauptmängel und die Ge­ währfristen werden durch eine mit Zustimmung des Bundesrathes erlassene Kaiserliche Verordnung bestimmt.') Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages, an welchem die Gefahr übergegangen ist. Tritt innerhalb dieser Frist ein vertretbarer Hauptmangel hervor, so wird vermuthet, daß er schon bei Beginn der Frist vorhanden war. Der Käufer hat nur den Wandelungs ­ anspruch, er verliert aber auch diesen, wenn er nicht spätestens zwei Tage nach der Tödtung oder dem Verenden des Thieres oder dem Ablaufe der Gewährfrist die Mängelrüge erklärt, Klage erhoben, Sicherung des Beweises beantragt oder den Streit ver­ kündet hat. Diese Frist sowie die Gewährfrist sind Ausschluß­ fristen. Die Verjährung der Wandelungs- und der Schadens­ ersatzklage tritt mit dem Ablauf von 6 Wochen seit dem Ablauf der Gewährfrist ein. Mit der Aufstellung dieser Grundsätze (die Einzelheiten s. §§ 481—492) schließt sich das BGB dem deutschen Rechte an. Beim Verkaufe von Thieren, welche im BGB nicht bezeichnet sind, oder beim Vorhandensein solcher Mängel, die nicht als

>) Ist am 27. Mär» 1899 erlassen.

33?

Hauptmängel gelten, kommen die allgemeinen Grundsätze über Gewährleistung zur Anwendung. VIIL Pflichte« des Käufers. Der Käufer war nach römischem Recht zur Abnahme der Waare berechtigt, aber nicht verpflichtet. Eine solche Pflicht bestand richtiger Ansicht nach') im gemeinen Recht, und das BGB hat sie ausdrücklich ausge­ sprochen (§§ 433 Abs. 2, 448, 449).

Der Käufer ist ferner verpflichtet, gegen Uebergabe oder Auf­ lassung der Sache den Kaufpreis zu bezahlen (§ 433) und von dem Tage ab zu verzinsen, an welchem die Nutzungen der Sache ihm gebühren, es sei denn, daß der Kaufpreis gestundet wäre (§ 452). Hierin stimmen altes und neues Recht überein?) Der Käufer ist endlich bei einem zweiseitigen Handelsgeschäft verpflichtet, die ihm von einem anderen Orte übersendete und von ihm beanstandete Waare einstweilen aufzubewahren, und, wenn Gefahr im Verzüge oder die Waare dem Verderb ausgesetzt ist, verkaufen zu lassen (§§ 373, 379 HGB, 383 BGB). IX. Verzug. Ist ein Kontrahent mit der Erfüllung seiner Verpflichtungen im Verzüge, so kommen nach altem und neuem Recht die allgemeinen Grundsätze zur Anwendung (s. oben S. 195). Nach neuem Recht hat der nicht säumige Theil insbesondere auch das Recht des Rücktritts, wenn der säümige Theil die ihm ge­ setzte Nachfrist verstreichen läßt (§ 326). Dieses Recht geht dem Verkäufer verloren, wenn er den Vertrag erfüllt und den Kauf­ preis stundet (§ 454), das Recht auf Schadensersatz behält er.

Die Bestimmungen des BGB (§§ 326, 286) kommen künftig auch im Handelsverkehr zur Anwendung, sie stimmen im Wesent­ lichen mit den in Art. 354—356 HGB für den Handelskauf maßgebend gewesenen Grundsätzen überein. Das neue HGB giebt aber für Handelskäufe, also für Kaufverträge, welche jeden­ falls für einen Kontrahenten Handelsgeschäfte sind (§§ 343—345 HGB), einige besondere Bestimmungen. 1. Ist der Kauf ein Fixgeschäft, sei es, daß die Lieferung oder die Abnahme oder die Zahlung zeitlich fixirt ist, so hängt das Rücktrittsrecht des Nichtsäumigen nicht von einem Ver­ züge des andern Theils, sondern nur von der Thatsache ab, daß die Leistung nicht rechtzeitig erfolgt. Nur der Schadensi) RG 30, 118 nimmt eine solche Verpflichtung jedenfalls in dem Falle an, wenn der Verkäufer ein besonderes Interesse an der Abnahme hat. Ein solches Interesse wird vom BGB nicht mehr gefordert. *) Ueber die Berechnung des Preises nach dem Gewicht § 380 HGB.

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340 ersatzanspruch ist durch den Verzug des anderen Theiles bedingt. Der Anspruch auf Erfüllung geht verloren, wenn nicht dem Säumigen sofort nach Ablauf der Leistungszeit vom andern Theile erklärt wird, daß er auf der Erfüllung bestehe. Denn der säumige Theil kann gerade diese Entschließung nicht erwarten. Der Nicht­ säumige kann entweder a) den ihm thatsächlich entstandenen Schaden verlangen und diesen durch jedes ihm zu Gebote stehende Mittel beweisen (konkrete Schadensberechnung), er kann zu diesem Zwecke das Ergebniß eines von ihm wirklich vorge­ nommenen Deckungskaufes oder Deckungsverkaufes, d. h. eines Kaufes, den er zum Zwecke der anderweitigen Deckung seines Bedürfnisses oder zum Zwecke der Fortschaffung derWaare schließen mußte, heranziehen, wenn das Deckungsgeschäft sofort nach dem Ablauf der Leistungszeit vorgenommen ist und die Waare einen Börsen- oder Marktpreis hat; oder er kann b) seinen Schaden o berechnen, als ob er ein Deckungsgeschäft vorgenommen hätte, )as er in Wahrheit aber nicht geschlossen hat, d. h. den Unter« chied zwischen dem Kaufpreise und dem Markt- oder Börsen­ weise zur Zeit und am Orte der geschuldeten Leistung d. h. demenigen Orte, an dem der Leistungsgegenstand verwerthet werden oKte, fordern (abstrakte Schadensberechnung). 2. Ist der Käufer mit der Anna hme d. h. der Besitzergreifung der Waare im Verzüge,so richtet sich das Rücktritts- und Schadens­ ersatzrecht des Verkäufers nach den Vorschriften des BGB (§ 374 HGB, 326 BGB), das HGB (§ 373) aber giebt dem Verkäufer außerdem ein Hinterlegungs- und ein Verkaufsrecht und damit ein Mittel, sich der Obhut und des Besitzes der bereitgestellten Waare zu entschlagen. Der Verkauf (Selbsthülfeverkauf) ge­ schieht zwar im Namen des Verkäufers, aber für Rechnung des Käufers, denn er hat den Zweck, den Preis festzustellen, zu dem die Waare verkäuflich war. Die Folge ist, daß der Verkäufer nicht mehr zur Lieferung der Waare, sondern zur Leistung der Summe verpflichtet ist, die sich als Verkaufserlös ergiebt und die sich um den Betrag der Kosten des Selbsthülfeverkauss und um den durch den Verzug dem Verkäufer sonst zugefügten Schaden vermindert, daß der Käufer aber den Verkauf nicht anzuerkennen braucht, wenn dieser unter Verletzung derjenigen Maßregeln vor­ genommen ist, die der Wahrung der Rechte des Käufers dienen sollen (Androhung und öffentlicher oder durch einen Handels­ makler bewirkter Verkauf).

Käufer und Verkäufer können bei der Versteigerung mitbieten (§ 373 HGB, § 457 BGB).

§ 120.

Besondere Arten de- Kaufes.

I. Der Äflttf «ach Probe ist nach altem und neuem Recht ein unbedingter Kauf, durch den der Verkäufer die Verpflichtung übernimmt, eine der Probe oder dem Muster entsprechende Waare zu liefern. Die Eigenschaft der Probe bildet also ein dictum promissum der Waare (§ 494). Daß diese der Probe entspricht, hat der Verkäufer zu beweisen. Auf den Käufer geht die Be­ weislast über, wenn er den Verlust der ihm zur Aufbewahrung überlassenen Probe verschuldet hat (RG 11, 38).

II. Der Kauf auf Probe oder auf Besicht ist nach bis­ herigem und neuem Recht (§ 495) unter der im Belieben des Käufers stehenden Bedingung geschlossen, daß er die Waare billigen werde. Durch das dem Käufer eingeräumte freie Be­ lieben, das diesen von der Angabe des Grundes seiner Miß­ billigung befreit, unterscheidet sich das Geschäft von der Verein­ barung, daß der Käufer durch eine Prüfung das Vorhandensein gewisser Eigenschaften feststellen werde. Seine Eigenthümlichkeit besteht darin, daß nur der Verkäufer gebunden, der Käufer aber nach freiem Belieben zu bestimmen berechtigt ist, ob das Geschäft geschlossen und also auch für ihn bindend sein solle; er bildet also eine Ausnahme von dem Grundsätze, daß die unter der Bedingung si velim geschlossenen Geschäfte ungültig sind. Gleichwohl ist er nicht eine bloße Offerte an den Käufer, sondern ein bedingter Kaufvertrag. Die Bedingung ist im Zweifel eine aufschiebende (§ 495 BGB), nach neuem Recht aber ist er nicht von dem bloßen Willen, sondern davon abhängig, daß der Käufer sich innerhalb einer (vereinbarten oder vom Käufer bestimmten angemessenen) Frist erklärt. Schweigt der Käufer bis zum Ablauf der Frist, so wird auch der Verkäufer frei, wenn er den Besitz behalten hatte, doch wird die geschehene Billigung angenommen, wenn die Sache dem Käufer übergeben war (§ 496). III. Der Spezifikation-kauf (ein Erzeugniß des neuesten Verkehrsbrauches namentlich der Eisenindustrie) ist derjenige über eine bewegliche Sache geschlossene Kauf, bei welchem dem Käufer die nähere Bestimmung über Form, Maß oder ähnliche Verhält­ nisse der verkauften Waare vorbehalten ist (z. B. Kauf von Stab­ eisen nach den vom Käufer angegebenen Maßen). Die Be­ stimmung ist ein Recht, aber auch eine Pflicht des Käufers. Daher geräth nach § 375 des neuen HGB, der dieses Geschäft zum ersten Male einer gesetzlichen Norm unterwirft, der Käufer in Verzug, wenn er in der Erfüllung jener Pflicht säumig ist. Die Folge ist, daß der Verkäufer die Spezifikation vornehmen oder

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die ihm nach dem BGB zustehenden Rechte geltend machen d. h. Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordern oder vom Vertrage zurücktreten kann (§ 326 BGB). Von der durch ihn vorge­ nommenen Spezifikation hat der Verkäufer den Käufer zu be­ nachrichtigen und ihm zugleich eine Frist zur Vornahme einer anderweitigen Bestimmung zu setzen. Giebt der Käufer nicht innerhalb der Frist eine andere Bestimmung auf, so ist die Besümmung des Verkäufers maßgebend. Der Käufer muß also die nach dieser Bestimmung hergestellte Waare annehmen (§§ 375, 373). Die Anwendung dieser im HGB enthaltenen Grundsätze auf Nicht-Handelsgeschäfte ist natürlich nicht ausgeschlossen. IV. Vorbehalt eines besseren Gebote- (addictio in diem) ist die dem Kauf beigefügte Abrede, daß der Verkäufer den Kaufgegenstand einem Anderen verkaufen dürfe, wenn dieser ein besseres Angebot macht als der erste Käufer. Die gemein­ rechtliche Lehre sah in dieser Abrede im Zweifel eine auflösende Bedingung. Das BGB enthält keine Bestimmung, es ist also im einzelnen Falle zu entscheiden, ob die Parteien eine auflösende Bedingung, die Begründung eines Rücktrittsrechtes oder vielleicht eine ausschiebende Bedingung gewollt haben. V. Da- Wiederkaufsrecht und das (seltenere) Wieder­ verkaufsrecht (p. de retroemendo — retrovendendo) giebt dem einen Kontrahenten das (meist an eine Frist geknüpfte) Recht, die Sache wieder zu kaufen oder wieder zu verkaufen. Ist es an die Person des Berechtigten geknüpft, so geht es nicht auf dessen Erben über. Grundsätzlich aber ist es sowohl nach gemeinem Recht wie nach BGB veräußerlich und vererblich. Ob der Vor­ behalt des Wiederkaufsrechtes die Einräumung eines Rücktritts­ rechtes oder ein pactum de contrahendo enthält, war nach ge­ meinem Rechte streitig. Nach dem BGB begründet es eine persönliche Verpflichtung zur Wiederüberlassung der — beweg­ lichen oder unbeweglichen — Sache an den Verkäufer auf dessen einseitige, formlose Erklärung hin, daß er das Wiederkaufsrecht ausübe (§§ 497, 498). Es folgt hieraus die Nothwendigkeit einer Festsetzung desjenigen Preises, zu dem der Wiederkauf erfolgen soll (des Wiederkaufspreises): im Zweifel ist der Wieder­ kaufspreis dem Kaufpreise gleich (§ 497 Abs. 2). Ist derWiederkaufpreis höher als der Kaufpreis, so liegt die Annahme nahe, daß das Geschäft als Kaufvertrag simulirt und als Darlehn mit Verpfändung gemeint ist. Der Preisunterschied ist dann die Gegenleistung für die Kapitalgewährung und kann einen wucherlichen Vortheil darstellen. In Ermangelung einer vertragsmäßigen Frist ist vom BGB für die Ausübung des Rechtes bei Grundstücken eine

Ausschlußfrist von 30 Jahren, bei anderen Gegenständen eine solche von 3 Jahren festgesetzt (§ 503). Ueber das Wieder­ verkaufsrecht giebt das BGB keine Bestimmungen.

VI. Da- Vorkaufsrecht. In Uebereinstimmung mit dem bisherigen Rechte unterscheidet das BGB den persönlich wirkenden Vorbehalt eines Vorkaufsrechts (§§ 504 ff.) und das eine dinglicheBelastung eines Grundstücks enthaltende Vorkaufs­ recht (88 1094 ff.). Das hier zu behandelnde persönliche Vorkaufsrecht giebt dem Berechtigten die nur gegen den Verpflichteten und dessen Erben wirkende Befugniß, in einen von dem Verpflichteten mit einem Dritten abgeschlossenen Kaufvertrag einzutreten (§ 504). Nach dem BGB setzt die Ausübung des V. also einen fertigen Kaufvertrag voraus, während die herrschende Lehre des ge­ meinen Rechts die Bereitwilligkeit des Dritten zum Kaufabschluß für ausreichend erklärte. Der Vertrag muß sich als Kaufvertrag charakterisiren d. h. als entgeltliche, freiwillige Veräußerung. Das V. greift deshalb im Zweifel nicht bei einem Kaufe Platz, der nur das künftige gesetzliche Erbrecht des Käufers gegenüber dem Verkäufer verwirklicht (sog. Kindskauf 8 511), und ist gegen­ über einem im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch den Konkursverwalter bewirkten Verkaufe ausgeschlossen (8 512), da­ gegen ist es nach BGB, das hiermit eine (Streitfrage des bis­ herigen Rechtes entscheidet, auch gegenüber dem sog. Mengekauf begründet (§ 508). Da das V. regelmäßig nur den persönlichen Interessen des Berechtigten dient, ist es im Zweifel nach altem und neuem Recht (§ 514) weder veräußerlich noch vererblich. Doch geht es auf die Erben des Berechtigten dann über, wenn es auf eine bestimmte Zeit beschränkt ist. Wie das Wiederkaufsrecht wird auch das Vorkaufsrecht nach neuem Recht durch eine einseitige, formlose Erklärung aus­ geübt (8 505). Mit dieser Erklärung ist der Kaufvertrag zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten geschlossen, und zwar unter den Bedingungen, die zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten vereinbart sind (§§ 505, 507—509). Die Erklärung des Berechtigten ist demnach die Annahme einer ihm gestellten Offerte. ’) Daher ist der Verpflichtete zur Anzeige des geschlossenen Kaufes an den Berechtigten verpflichtet, und die Annahmefrist beträgt bei Grundstücken zwei Monate, bei anderen Gegenständen eine Woche (§ 510). *) Streitig. Andere Ansicht: bedingte- pactum de contrahendo.

344 Das Vorkaufsrecht kann außer durch Vertrag auch durch ketztwillige Verfügung begründet werden.

§ 121.

Die Abzahlungsgeschäfte.

Unter Abzahlungsgeschäften versteht man Verträge, welche die Uebertragung des Eigenthums einer beweglichen Sache gegen Entgelt bezwecken, bei denen aber dem Erwerber gestattet ist, das Entgelt in Theilzahlungen zu leisten, und dem Veräußerer bei nicht pünktlicher Erfüllung der dem Erwerber obliegenden Verpflichtungen das Rücktrittsrecht zusteht. Sie unterliegen dem Reichsgesetze vom 16. Mai 1894. Der Vertrag stellt sich äußerlich als Kauf- oder als Miethvertrag dar. Als Kaufvertrag ist er entweder unbedingt, aber mit Vorbehalt des Rücktrittsrechts oder unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, daß der Käufer alle Theilzahlungen pünktlich entrichtet. Ist dasGeschäft als Mieth­ vertrag geschlossen, so ist die Sache dem Erwerber zunächst nur zum Gebrauche überlassen, während der Eigenthumsübergang an die Bedingung vollständiger Tilgung des von vornherein in einer festen Summe bedungenen Preises geknüpft ist. Auch in diesem Falle aber ist ein aufschiebend-bedingter Kaufvertrag geschlossen. Den Abzahlungsgeschäften war bis zu jenem Gesetz die Ver­ wirkungsklausel eigenthümlich (f. oben S. 228, 229), und zwar in der Form, daß beim Rücktritt des Verkäufers alle bis­ her geleisteten Theilzahlungen verfallen sein sollten. Tas Gesetz erklärt eine solche Abrede für nichtig und verlangt, daß bei Aus­ übung des Rücktrittsrechtes alle bisher gemachten Leistungen zurück­ gewährt und daß nur Beschädigungen, Aufwendungen und Ab­ nutzungen vergütet werden sollen. Die Rückgewähr der Leistungen hat Zug um Zug zu geschehen, es steht also jedem Theile bis zum Realangebote der Gegenleistung das Zurückbehaltungsrecht zu (88 273, 274, 320 BGB). Eine dem Käufer auferlegte, unverhältnißmäßig hohe Konventionalstrafe kann nach dem Gesetz von 1894 wie künftig nach § 343 BGB auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Eine fernere Besonderheit dieser Geschäfte bestand darin, daß Nichteinhaltung eines Theilleistungstermins die Fälligkeit der ganzen Restschuld herbeiführte. Nach dem Gesetz von 1894 tritt jene Folge aber nur dann ein, wenn zwei aufeinanderfolgende Raten ganz oder theilweise ausbleiben, und wenn der Theil der Schuld, mit dem sich der Käufer im Verzüge befindet, wenigstens dem 10. Theile des ganzen Kaufpreises gleich­ kommt. Entgegenstehende Abreden sind nach diesem Gesetz und nach tz 134 BGB nichtig. *) Lazaru«: Das Recht des Abzahlungsgeschäft».

1893.

Die besonderen Bestimmungen des Gesetze- von 1894 kommen nicht zur Anwendung, wenn der Erwerber als Kaufmann im Handelsregister eingetragen ist. § 122.

Börsengeschäfte.

Unter Börsengeschäften versteht man regelmäßig die an der Börse und unter Benutzung der Börseneinrichtungen geschlossenen Geschäfte. Börse in diesem Sinne bezeichnet aber nicht den Ort, wo die Kaufleute zum Abschlüsse von Geschäften thatsächlich zu­ sammenkommen, sondern die von kaufmännischen Vereinigungen zum Zwecke der Erleichterung des Geschäftsverkehrs und der Preis­ feststellung errichteten Anstalten. Das deutsche Börsengesetz vom 22. Juni 1896 stellt die Börsen unter Staatsaufsicht und unter­ wirft sie einer Reihe von gesetzlichen Vorschriften. Es werden aber an der Börse nicht Geschäfte über beliebige, sondern nur solche über bestimmte Waarengattungen geschlossen, die von den Börsenorganen als Objekte des Börsenverkehrs besonders zuge­ lassen sind. Es sind dies Waaren, die besonders starken Preis­ schwankungen ausgesetzt sind, insbesondere also Werthpapiere („Effekten", daher Effekten- oder Fondsbörse) und Rohprodukte (Produktenbörse). Denn nur für den Geschäftsverkehr mit diesen Waaren besteht ein wirthschaftliches Bedürfniß an der Fesfftellung und Bekanntmachung der Preise. Die Feststellung erfolgt durch die amtlich bestellten und vereideten Kursmakler durch Ver­ gleichung der an sie zum Zwecke der Geschäftsvermittelung ge­ richteten Kauf- und Verkaufangebote. Die so sich aus Angebot und Nachfrage ergebenden Preise werden von den Börsenorganen amtlich bekannt gemacht (Kurszettel) und ergeben die Auffassung, die der Handel von dem jeweiligen Werthe der einzelnen Waaren­ gattungen hat, sie sind deshalb auch von Bedeutung für NichtBörsengeschäfte. Ueber die Zulassung einer Waare als Objekt des eigentlichen Börsenhandels entscheiden die Börsenorgane. Die an der Fondsbörse vorgenommenen Geschäfte sind ent­ weder Kassa- (Komptant-) oder Zeitgeschäfte. Die ersteren werden an demselben oder am nächstfolgenden Tage oder aus­ nahmsweise einige Tage nach dem Abschlüsse erfüllt') und dienen der Anlage, sowie der sofortigen Flüssigmachung von Kapital. Zeit- oder Termingeschäfte sind diejenigen Geschäfte, welche eine bestimmte Zeit nach dem Geschäftsschluß erfüllt werden, ?) sie dienen vorzugsweise der Spekulation, indem der Käufer darauk *) Auch „Tagrügeschäste", weil sie sich nur aus einen Tag erstrecken. a) Auch „Ultimogeschäfte", weil der Zahltag gewöhnlich der letzte de- Monat» ist.

346 rechnet, daß der Kurs der Papiere bis zum Lieferungs- (Stich-) Tage steigen, der Verkäufer aber darauf rechnet, daß der Kurs der Papiere bis zum Stichtage fallen werde, (ä Hausse — ä baisse spekuliern). Termingeschäfte werden auch in Produkten vorge­ nommen, doch ist durch das Börsengesetz der börsenmäßige Termin­ handel in Getreide und Mühlenfabrikaten untersagt (§ 50). Das Börsengesetz giebt über Kassageschäfte keine Bestimmungen, sie unterliegen danach den allgemeinen Grundsätzen des HGB und des BGB. Termingeschäfte unterliegen den Vorschriften des Börsengesetzes, wenn sie Börsentermingeschäfte sind. Diese Eigenschaft aber haben sie dann, wenn sie nach Geschäftsbe­ dingungen geschlossen werden, die von dem Börsenvorstande für den Termin festgesetzt sind, und wenn für die an der betreffenden Börse geschlossenen Geschäfte solcher Art eine Feststellung von Terminpreisen erfolgt (§ 48). Alle anderen Geschäfte sind ein­ fache Lieferungsgeschäfte und unterliegen ausschließlich den Be­ stimmungen des HGB und des BGB, insbesondere denen über das Fixgeschäft. Ueber den Einwand des Differenzgeschäftes s. oben S. 308. Vgl. auch RG 42, 50. Da die Spekulation in der Beregnung derjenigen Umstände besteht, welche auf das Steigen uno Sinken des Preises der „Werthe" Einfluß haben, aber auch die umsichtigste Berechnung durch unvorhergesehene Umstände vereitelt werden kann, ist bei den Spekulationsgeschäften der Vorbehalt des Rücktritts be­ sonders häufig. Das Rücktrittsrecht pflegt aber nur dann ge­ währt zu werden, wenn der Berechtigte dem anderen Theile eine bestimmte Summe (Prämie) zahlt. Der Prämiengeber ist als­ dann befugt, entweder bei dem Geschäfte stehen zu bleiben oder gegen Aufopferung der Prämie zurückzutreten. Diese Geschäfte heißen Prämiengeschäfte. Unter den Begriff des Prämien­ geschäftes fallen aber auch alle anderen Börsengeschäfte, die gegen eine Prämie dem Prämiengeber ein Recht einräumen, das er nach der Natur des Vertrages nicht haben würde. Die Prämie wird gezahlt entweder für die Einräumung oder für die Aus­ übung des bedungenen Rechtes, sie ist also keine Konventional­ strafe, sondern eine Vergütung für die Uebernahme des Risikos, und wenn sie für das ausgeübte Nücktrittsrecht gezahlt wird, eine sog. Wandelpön. Das einfache Prämiengeschäft besteht in dem Vorbehalte des Rücktrittsrechts, das zusammengesetzte P. in der Befugniß, das geschlossene oder ein anderes Geschäft zu wollen. Zu den letzteren gehört: a) das Nochgeschäft, bestehend in der Befugniß, nur die

bedungenen oder außer diesen zu dem gleichen Preise noch andere Papiere zu verlangen; b) der Schluß auf fest und offen, bestehend in dem Rechte, nur einen Theil der bedungenen Papiere zu nehmen oder zu geben, hinsichtlich des anderen Theiles aber vom Geschäfte zurückzutreten; c) das Stellgeschäft, bestehend in der Befugniß, zu ver­ kaufen oder zu kaufen; d) das Wandelgeschäft, d. i. die Befugniß, die Erfüllung schon vor dem Stichtage zu fordern oder zu bewirken. Verschieden vom Stellgeschäft ist das zweischneidige Prä­ miengeschäft, insofern es auch noch das Rücktrittsrecht gewährt. Zweiprämiengeschäft aber ist die Verbindung zweier Prämien­ geschäfte: der Käufer behält sich gegen je eine von ihm zu zahlende Prämie nicht blos gegenüber dem Verkäufer, sondern auch gegen­ über seinem Abnehmer das Rücktrittsrecht vor, oder er räumt gegen eine von jedem an ihn zu gebende Prämie jedem von ihnen das Rücktrittsrecht ein. Man pflegt die vom Verkäufer entrichtete P. Rück- oder Empfangs-, die vom Käufer entrichtete Vor- ooer Lieferungsprämie zu nennen. Das Heuer- oder Promessengeschäft besteht in der gegen Prämie übernommenen Verpflichtung, denjenigen Gewinn heraus­ zuzahlen, der nach einer Verloosung auf ein Papier (ein sog. Loos) fallen wird. Durch das sog. Protongations-(Report-, Deport-, auch wohl Kost-) Geschäft wird dem Bedürfnisse nach Fortsetzung einer begonnenen Spekulation genügt. Würde nämlich der Käufer, der an Ultimo abnehmen und zahlen müßte, bei dem gegenwärtigen Kursstände Schaden leiden oder nicht den ganzen erhofften Ge­ winn haben, so verkauft er die Papiere, die er abnehmen sollte, an einen Dritten und kauft sie zu einem späteren Termine von ihm zurück, und zwar gewöhnlich zu einem Preise, der den vom Dritten zu zahlenden Kaufpreis übersteigt. Der Preisunterschied heißt Report. Diesen gewinnt der Dritte, aber der Spekulant kann doch dadurch gewinnen, daß die Papiere zu dem späteren Termine so hoch im Kurse stehen, daß der Report überschritten wird. Der Dritte nimmt die Papiere unmittelbar vom Verkäufer und zahlt an diesen oder an oen spekulirenden Käufer. Ferner kann derjenige, der am nächsten Ultimo Papiere liefern soll, aber durch Lieferung Schaden oder nicht den ganzen erhofften Gewinn haben würde, die Papiere von einem Dritten kaufen und zu einem späteren Termine wieder an ihn verkaufen. Der Dritte

348 erhält regelmäßig einen höheren Preis, als er an dem späteren Termine anzuzahlen hat, er gewinnt also den Preisunterschied, Deport, aber der Spekulant kann durch starkes Fallen der Papiere bis zu diesem späteren Termine doch vielleicht noch gewinnen. Nach der herrschenden Ansicht ist der Dritte nicht Darlehnsgeber, sondern Käufer bezw. Verkäufer der Papiere (RG 19, 145 ff.). § 123.

Der Tauschvertrag.

Der T. besteht in der Veräußerung von Sache gegen Sache. Er war im römischen Recht ein nudum pactum, wurde aber später zum Innominatkontrakte. Es konnte also nur derjenige auf Erfüllung klagen, der seinerseits geleistet hatte (a. praescriptis verbis). Im gemeinen und neuen Recht ist der Tausch Konsen­ sualvertrag. also mit dem Abschluß bindend. Im gemeinen Recht wich er insofern vom Kauf ab, als er die Verpflichtung zur Eigenthumsübertragung begründete. Diese Verpflichtung besteht auch nach neuem Recht, da nach ihm die Vorschriften über den Kauf auf den Tausch entsprechende Anwendung finden (§ 515). Es haften also beide Theile für Entwehrung und für physische Mängel. Das Wechseln von Geld ist regelmäßig Tausch. § 124.

Miethe.

I. Begriff. Während das römische Recht als locatio conductio rei jeden Vertrag bezeichnete, durch welchen der eine Kontrahent dem andern die Benutzung eines Gegenstandes gegen Bezahlung überließ, unterscheidet man im gemeinen und im neuen Rechte (§§ 535, 581) Miethe und Pacht, je nachdem nur der Gebrauch oder auck) der Fruchtgenuß überlassen ist. Die modernen Gesetzgebungen und mit ihnen das BGB (§§ 581 ff.) geben denn auch der Pacht, insbesondere der Pacht landwirthschaftlicher Grundstücke, eine von der Miethe in einigen Beziehungen abweichende Regelung. Die Ueberlassung des Ge­ nusses von Rechten sieht das BGB immer als Pachtvertrag an (§§ 535, 581). Die Ueberlassung der bloßen Räume zu dem Zwecke, in ihnen ein Gewerbe zu betreiben, ist Miethe; wird aber das dem Einen zustehende Recht zu einem bestimmten Gewerbebetriebe (3. B. die Fährgerechtigkeit an einem öffentlichen Flusse) überlassen, so ist ein Pachtvertrag vorhanden. Ein Haus ist verpachtet, wenn es zum Vermiethen, vermiethet, wenn es zum Wohnen überlassen ist. Das Rechtsverhältniß der Miethe oder Pacht kann nur durch Vertrag entstehen: die Einquartierung von Truppen ist eine

öffentlich-rechtliche Last. Der Vertrag war schon im römischen Recht Konsensualkontrakt. Wesentlich ist ihm die zeitliche Be­ grenzung des eingeräumten Rechtes und die Festsetzung eines sog. Mieths- oder Pachtzinses, der nach römischem Recht nur in Geld und nur bei der Pacht in einer Quote der Früchte bestehen konnte (colonia partiaria), nach neuem Recht (§ 535) aber nur überhaupt in einer Gegenleistung zu bestehen braucht. II. Form des Vertrages. Der Vertrag ist nach altem und neuem Recht formfrei. Ist er aber über ein Grundstück auf länger als ein Jahr geschlossen, so unterliegt er nach neuem Rechte (§ 566) der Schriftform. Verabsäumung dieser Form hat zur Fol^e, daß der Vertrag jedenfalls ein Jahr ausgehalten werden mutz, daß er im Uebrigen aber auf unbestimmte Zeit gilt. Er endet also keineswegs mit Ablauf des ersten Jahres von selbst, sondern unterliegt für das Ende des ersten Jahres und für die Zeit darüber hinaus der (gesetzlichen) Kündigung. III. Gegenstand. Gegenstand der Miethe können nach neuem Recht (§ 535) nur körperliche (bewegliche wie unbe­ wegliche) Sachen, Gegenstand der Pacht können auch Rechte sein. Es kann Jemand auch seine eigene Sache gültig miethen, wenn ein Anderer das Recht auf den Gebrauch der Sache hat (z. B. infolge Pfandbestellung, Nießbrauchs). Wußte der Miether nicht, daß die Sache seine eigene, so ist der Miethvertrag ungültig.1) IV. Pflichten des VermietherS. Der Miethvertrag wird nicht durch einmalige Leistung und Gegenleistung erfüllt, sondern begründet eine während der Vertragszeit fortdauernde Ver­ pflichtung zu Leistung und Gegenleistung. Der Vermiether hat also A) nach altem und neuem Recht nicht nur die Pflicht, die Sache rechtzeitig und in brauchbarem Zustande zu übergeben, sondern er hat ferner die Pflicht, die Sache während der ganzen Vertragsdauer in demjenigen Zustande zu er­ halten, der dem Miether den vertragsmäßigen Gebrauch der Sache ermöglicht. Ob die Unbrauchbarkeit der Sache Folge eines Verhaltens des Vermiethers oder des vertragsmäßigen Gebrauches von Seiten des Miethers oder die Folge eines Zufalles ist, macht keinen Unterschied, da in jedem Falle der Miether den Gebrauch entbehrt (§ 536)*). Nach neuem Recht ist zu unterscheiden: 1. Die Sache ist übergeben, aber sie ist zur Zeit der Ueberlassung mit einem Fehler behaftet, der ihre Tauglichkeit ') L. 29 pr. D. 7, 4; 1. 35 § 1, 1. 37 D. 13,7; 1. 28 D. 41,2. - L. 20 C. 4, 65; 1. 21 D. 41,8. ’) L. 9 § 1, 1. 19 § 1, 1. 30 § 1 D. 19,2. RG 4, 169.

350 zu dem vertragsmäßigen Gebrauch aufhebt oder mindert, oder es entsteht im Laufe der Miethzeit ein solcher Fehler, oder es fehlt der Sache zur Zeit der Ueberlassung oder später eine zu­ gesicherte Eigenschaft. In einem solchen Falle kann Der Miether a) Erfüllung des Vertrages d. h. Herstellung der Sache verlangen, b) die Zahlung des Miethszinses ganz oder zum Theil ver­ weigern (§ 537). Diese Rechte sind von einem Verschulden des Ver­ miethers una bhängig. War aber der Mangel beim Vertragsa bschlusse vorhanden, oder tritt später ein Mangel ein in Folge eines vom Vermiether zu vertretenden Umstandes, oder geräth der Vermiether mit der Beseitigung des Mangels in Verzug (§ 538), so liegt ein Verschulden des Vermiethers vor. Die Folge ist, daß zu jenen beiden Rechten die Befugniß des Miethers Hinzutritt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Dieses Recht steht dem Miether neben dem Rechte auf Ver­ weigerung der Gegenleistung zur Wahl. Beim Verzüge des Vermiethers kann der Miether den Mangel selbst beseitigen und Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Kenntniß oder auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntniß des Miethers von dem Vorhandensein des Fehlers und wissent­ liche Annahme einer mangelhaften Sache bringen den Miether um seine Rechte, wenn nicht der Vermiether den Mangel arglistig ver­ schwiegen oder der Miether sich seine Rechte vorbehalten hat. Dem Vorhandensein eines physischen Mangels stellt das BGB das Dasein des Rechts eines Dritten gleich, voraus­ gesetzt, daß dem Miether auf Grund dieses Rechtes der vertrags­ mäßige Gebrauch der Sache ganz oder zum Theil entzogen wird (§ 541). 2. Die Sache wird nicht oder nicht rechtzeitig zum vertrags­ mäßigen Gebrauche übergeben oder sie wird dem Miether wieder entzogen. In diesem Falle hat der Miether, gleichviel ob die Nichterfüllung vom Vermiether verschuldet oder nicht ver­ schuldet ist1), ein fristloses Kündigungsrecht (§ 542) und zwar unbedingt, wenn die Sache für ihn kein Interesse mehr hat, durch den fruchtlosen Ablauf einer Nachfrist bedingt, wenn die Sache für den Miether noch Interesse hat. Auch hier bewirkt die Künoigung eine Auflösung des Miethsvertrages für die Zukunft. War der Miethvertrag Fixgeschäft, so fällt die Fristbestimmung

*) Nach den allgemeinen Grundsätzen Rücktritt-recht nur bei ver­ schulden (§§ 825, 326).

toeß, und der Miether hat das Recht des Rücktritts (§ 361). Trifft den Vermiether ein Verschulden, ist er insbesondere im Verzüge, so tritt neben das Kündigungsrecht das auf den all­ gemeinen Grundsätzen dem Miether zustehende Rücktritts- und Schadensersatzrecht (§§ 326, 286). Das Kündigungsrecht geht aus denselben Gründen verloren, welche dem Miether die wegen eines Mangels gegebenen Rechte entziehen. Auf diese Rechte wie auf das Kündigungsrecht kann ferner gültig verzichtet werden (§§ 543, 539, 540), wenn nicht dem Vermiether Arglist zur Last fällt; sie stehen dem Miether aber trotz Kenntniß und trotz Verzichts zu, wenn ein zum Auf­ enthalt von Menschen dienender Raum gemiethet ist, die Benutzung dieses Raumes aber nach seiner Beschaffenheit mit einer erheb­ lichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist (§ 544). B. Der Vermiether ist verpflichtet, die vom Miether auf die Sache verwendeten nothwendigen Auslagen (z. B. für Wieder­ herstellung unbrauchbarer Oefen) zu ersetzen (1. 55 D. 19,2 § 547 BGB). Die Fütterungskosten für ein vermiethetes Thier aber hat nach neuem Recht (§ 547) der Miether zu tragen. Die Erstattung nützlicher Verwendungen richtet sich nach den Grundsätzen von der Geschäftsbesorgung ohne Auftrag, hängt also vom animus obligandi des Miethers ab. Auch hat der Miether das Wegnahmerecht (1. 19 § D. 19,2 § 547 BGB). C. Der Vermiether ist weiter nach altem und neuem Recht verpflichtet, die auf der Sache ruhenden Lasten zu ttagen (1. 32 § 6 D. 26,7, § 546 BGB). V. Pflichten de- Miether-. Der Miether ist verpflichtet, A) den bedungenen Miethzins zu bezahlen und zwar, da der Vermiether vorleisten muß, nach gemeinem Recht erst nach Beendigung der ganzen Miethszeit, nach neuem Recht entweder nach Ablauf der ganzen Miethzeit oder derjenigen Zeitabschnitte, nacy denen der Zins bemessen ist (§ 551). Der Miethszins für ein Grundstück ist, sofern er nicht nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist les ist z. B. gemiethet gegen einen monatlichen Mieths­ zins von 50 Mark), nach dem Ablaufe je eines Kalenderviertel­ jahres am ersten Werktage des folgenden Monats zu entrichten (§ 551). Der auf den Miethszins klagende Vermiether muß seine Vorleistung beweisen, es genügt aber, darzuthun, daß er dem Miether die Möglichkeit der vertragsmäßigen Benutzung gewährt hat. Der Anspruch wird daher nicht durch ein in der Person desMiethers liegendesHinderniß, wohl aber dadurch ausgeschlossen, daß der Vermiether den Gebrauch an einen Andern überläßt. Dies gilt für altes und neues Recht (§ 552).

352 B. Der Miether hastet bei dem Gebrauch der Sache nach altem und neuem Recht (§ 276) für jedes Versehen. Eine durch vertragsmäßigen Gebrauch verursachte Abnutzung ist keine Beschädigung. VertragswidrigerGebrauch verpflichtetzumSchadensersatz und giebt dem Vermiether nicht blos einen Anspruch auf Unterlassung (§ 550), sondern nach fruchtloser Abmahnung und bei erheblicher Gefährdung der Rechte des Vermiethers auch ein fristloses Kündigungsrecht (§ 553). C. Er hat nach Beendigung der Miethzeit die Sache zurückzugewähren (§ 556), und ein Zurückbehaltungsrecht wegen seiner Ansprüche gegen den Vermiether steht ihm nicht zu (§ 556). Das Wenigste, was der Vermiether bei Vorenthaltung der Sache verlangen kann, ist der vereinbarte Miethszins, einen weitergehenden Schadensersatzanspruch hat er besonders zu be­ gründen (§ 557). D. Der Miether ist zur unverzüglichen Anzeige an den Vermiether verpflichtet, wenn sich im Laufe der Miethe ein Mangel zeigt oder wenn eine Vorkehrung zum Schutze der Sache noth­ wendig wird oder wenn sich ein Dritter ein Recht an der Sache anmaßt. Unterlassung der Anzeige verpflichtet den Miether zum Schadensersätze und entzieht ihm die sonst etwa auf Grund dieser Umstände zustehenden Rechte (§ 545). Die Ansprüche aus dem Miethvertrage unterlagen nach bisherigem Recht der ordentlichen Verjährung. Dies gilt nach neuem Recht (§ 558) nicht für die Ansprüche des Vermiethers wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der vermietheten Sache, auch nicht für die Ansprüche des Miethers auf Ersatz von Verwendungen und auf Gestattung derWegnahme einer Einrichtung. Diese Ansprüche verjähren in 6 Monaten. VI. Pfandrecht. Nach römischem, gemeinem und neuem Recht hat der Vermiether eines Grundstücks wegen seiner Forderungen aus dem Miethverhältnisse ein Pfandrecht an den in das Grund­ stück eingebrachten Sachen des Miethers. Die verbreitete gemein­ rechtliche Auffassung, welche dieses Pfandrecht auf eine still­ schweigende Verpfändung der Sachen durch den Miether zurück­ führte (1. 4 pr. D. 2,14. 1. 3, 1. 4 pr. 1. 6 D. 20,2), und welche folgerte, daß das Pfandrecht sich auf alle Sachen erstrecke, die der Miether zu verpfänden befugt sei, insbesondere also auf die unpfändbaren und auf die Sachen seiner Ehefrau und Kinder, sofern ihm über diese Sachen ein Verfügungsrecht zustehe, ist vom neuen Recht (§ 559 BGB § 49 2 KO) verworfen worden, in­ dem dieses das Recht des Vermiethers als ein gesetzliches Pfand­ recht bezeichnet. Dieses Pfandrecht besteht ohne Besitz des Pfand-

gläubiger-, es erstreckt sich nicht aus die der Pfändung ent­ zogenen und beschränkt sich auf die dem Miether selbst gehörigen Sachen. ES hat den Zweck, Sicherheit zu gewähren für die Forderungen des Vermiethers, der Miether kann daher die Geltend­ machung des Pfandrechts überhaupt durch Sicherheitsleistung ab­ wenden und auch jede einzelne Sache vom Pfandrecht befreien, wenn er in Höhe ihres Werthes Sicherheit leistet (§ 562).

Dem Miether gegenüber kann der Vermiether das Pfand­ recht geltend machen für alle bereits fälligen Forderungen auf Miethzins oder Entschädigung, sowie für die Forderungen auf den Miethzins des laufenden und des folgenden MiethjahreS, anderen Gläubigern desselben Miethers gegenüber aber nur wegen fälliger Entschädigungsforderungen und wegen des Miethzinses für das der Pfändung oder Konkurseröffnung vorangehende letzte Jahr (§§ 559, 563 BGB, § 49 Nr. 2 KO). Einer Pfändung von Sachen des Miethers kann der Ver­ miether nicht widersprechen (§ 563 BGB, § 805 CPO), er kann, soweit er dem andern Gläubiger gegenüber sein Pfandrecht über­ haupt geltend macken darf, nur bevorzugte Befriedigung aus dem Erlöse der gepfändeten Sache verlangen. Nach der herrschenden Auffassung des gemeinen Rechts (ROHG 6, 288. RG in Strass. 14,321) und neuem Recht erlischt das Pfandrecht mit der Entfernung der Sachen vom Grundstück (§ 560). Geschieht die Entfernung heimlich oder gegen den Widerspruch des Vermiethers, so bleibt das Pfandrecht bestehen. Ein Widerspruch des Vermiethers aber ist dann ungerechtfertigt, wenn die Entfernung im regelmäßigen Betriebe des Geschäfts des Miethers oder nach den gewöhnlichen Lebensverhältnissen erfolgt, oder wenn die zurückbleibenden Sachen des Miethers zur Sicherung des Vermiethers offenbar ausreichen. Um die Enffernung der Sachen zu verhindern, ist dem Vermiether nach altem und neuem Recht ein Zurückhaltungsrecht eingeräumt, gegen das sich der Miether durch einstweilige Verfügungen schützen kann (§ 561). VII. Endigung des MiethverhältnisseS. Nach altem und neuem Recht endet das auf eine bestimmte Zeit eingegangene Miethverhältniß ohne Weiteres mit Ablauf der Zeit, das auf unbestimmte Zeit begründete Verhältniß mit einer jedem Theile freistehenden Kündigung (§ 564). Die Kündigungsfrist wird durch Vertrag, in Ermangelung einer Vertragsbestimmung durch das Gesetz festgesetzt. Nach neuem Recht ist die gesetzliche Frist so bemessen, daß Engelmann, d. bürgerliche Recht Deutschland«.

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354 1. die Miethe beweglicherSachen spätestens am dritten Tage vor dem Tage zu kündigen ist, an welchem das Miethverhältniß endigen soll, und ist der Miethszins nach Tagen bemessen, so kann an jedem Tage für den folgenden Tag gekündigt werden; 2. bei der Miethe von Grundstücken ist zu unterscheiden: a) der Miethszins ist nach bestimmten Zeitabschnitten bemessen. Ist er nach Tagen bemessen (z. B. bei Hotelzimmern), so ist die Kündigung an jedem Tage für den folgenden Tag zu­ lässig; ist der Miethzins nach Wochen bemessen (z. B. bei Wohnungen in Badeorten), so ist die Kündigung nur für den Schluß einer Kalenderwoche zulässig und muß spätestens am ersten Werktage der Woche erfolgen; ist der Miethzins nach Monaten bemessen (z. B. bei möblirten Zimmern), so ist die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendermonats zulässig und muß spätestens am 15. des Monats erfolgen. b. Ist der Zins nicht nach diesen Zeitabschnitten, also wie bei größeren Wohnungen nach dem Jahresbeträge bemessen oder für die ganze Miethsdauer bestimmt, so ist die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendervierteljahres zulässig und muß spätestens am 3. Werktage des Vierteljahres erfolgen. Ueber den formlosen Miethvertrag s. oben unter II. Ist der Vertrag auf länger als 30 Jahre geschlossen, so steht nach Ablauf von 30 Jahren jedem Theile das gesetzliche Kündigungs­ recht zu. Ist der Vertrag aber auf die Lebenszeit des Ver­ miethers oder des Miethers geschlossen, so ist die Kündigung unzulässig (§ 567). Eine thatsächliche Fortsetzung des Miethverhältnisses (relocatio) nach seiner Beendigung hat nach altem und neuem Recht (§ 568) die Bedeutung einer Verlängerung des Vertragsverhält­ nisses auf unbestimmte Zeit. Dieser Annahme kann nur durch Erklärung des entgegenstehenden Willens des einen oder des andern Theiles entgegengetreten werden; nach neuem Recht kann die Erklärung nur gegenüber dem andern Theile und nur inner­ halb einer Frist von zwei Wochen abgegeben werden.

VIII. Einfluß ungewöhnlicher Ereignisse. 1. Wird dem Miether der vertragsmäßige Gebrauch der Sache nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen, so steht ihm —, und macht er trotz Abmahnung des Vermiethers einen ver­ tragswidrigen Gebrauch, oder überläßt er den Gebrauch unbefugt einem Anderen oder gefährdet er die Sache erheblich durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt, so steht dem Vermiether ein fristloses Kündigungsrecht zu (88 542, 553).

2. Verzug des Miethers mit dem ganzen Miethzinse oder einem Theile des Zinses an zwei aufeinanderfolgenden Terminen giebt dem Vermiether ein fristloses Kündigungsrecht (§ 554). Nimmt aber der Vermiether vor der Kündigung den rückständigen Miethzins an, so verliert er das Kündigungsrecht. 3. Der Tod des Miethers hat nach gemeinem Rechte keinen Einfluß auf den Bestand des Miethverhältnisses, nach neuem Recht aber gewährt er sowohl dem Erben als auch dem Vermiether das Recht, den auf eine bestimmte Zeit oder unter Festsetzung einer längeren Kündigungsfrist geschlossenen Vertrag unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen. Erfolgt aber die Kündigung nicht für den ersten Termin, für den sie zulässig ist, so ist jenes außerordentliche Kündigungsrecht erloschen (8 569). 4. Veränderung der persönlichen Verhältnisse giebt keinem Theile ein Recht zur Kündigung. Nach neuem Rechte (570) aber gewährt Militärpersonen, Beamten, Geistlichen und Lehrern an öffentlichen Unterrichtsanstalten die Versetzung nach einem anderen Orte ein außerordentliches, nur für den ersten zulässigen Termin bestehendes Recht, mit Einhaltung der gesetz­ lichen Frist zu kündigen. 5. Der Konkurs des einen oder des anderen Theiles hat die oben S. 238k erörterten Folgen. 6. Die freiwillige Veräußerung der vermietheten Sache durch den Vermiether. Da der Miether nur ein persönliches Recht aus dem Vertrage, also nur gegen den Vermiether hat, so konnte folgerecht nach römischem und gemeinem Recht der Singularsuccessor des Vermiethers zwar ohne vorangegangene Künoigung, doch unter Gewährung einer angemessenen Frist vom Miether die Herausgabe der Sache verlangen, und der Miether war auf einen Schadensersatzanspruch gegen seinen Ver­ miether beschränkt („Kauf bricht Miethe"). Wollte aber der Vermiether in den Vertrag eintreten, so war der Miether nicht berechtigt, den Vertrag aus eigener Entschließung zu lösen. Nach mehreren deutschen Partikularrechten stand dem Miether ein dingliches, also gegen den Singularsuccessor wirkendes Recht an der Miethsache zu („Kauf bricht nicht Miethe"; „Heuer geht vor Kauf"). Tas ÄGB steht bei der Miethe beweglicher Sachen auf dem gemeinrechtlichen Standpunkte, und hat richtiger Meinung nach auch für unbewegliche Sachen die Dinglichkeit des dem Miether zustehenden Rechtes abgelehnt, da nach ihm durch bloße Besitzübertragung dingliche Rechte an unbeweglichen

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Sachen nicht entstehen. Dagegen tritt bei ihnen der Rechts­ nachfolger des Vermiethers in die durch den Miethver§rag begründeten Rechte und Pflichten ein. Also ist der Erwerb einer vermietheten Sache zu einer Rechtsnachfolge in das durch den Vertrag begründete Rechtsverhältniß gestaltet (88 571, 572)1). Ist der Eintritt aber einmal erfolgt, so ent­ stehen die durch den Miethvertrag begründeten Rechte und Pflichten in der Person des Erwerbers nicht als abgeleitete, sondern als eigene, so als ob er selbst den Vertrag mit dem Miether geschlossen hätte. a) Für die Verpflichtungen aus dem Vertrage haftet dem Miether neben dem Erwerber, der sie durch den Erwerb der Sache übernommen, der Veräußerer, der sie durch den Mieth­ vertrag übernommen, wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Von dieser Haftung wird der Veräußerer frei, wenn er dem Miether von dem Eigenthumsübergange Mittheilung macht und der Miether nicht für den ersten zulässigen Termin kündigt (8 571 Abs. 2). Denn damit hat er sich mit dem Eintritt des Erwerbers in den Miethvertrag einverstanden erklärt. b) Der Anspruch auf den nach dem Eigenthumsübergange fälligen Miethzins steht dem Erwerber zu, denn er ist nach Obigem eine Forderung aus seinem Vertrage, sie steht ihm daher nicht als abgetretene, sondern als ursprünglich eigene zu. Von diesem Grundsätze macht indessen das BGB insofern Ausnahmen: aa) Gegen den Erwerber und zu Gunsten des Bermiethers läßt es Verfügungen des Veräußerers über den Miethzins für das zur Zeit des Eigenthumsüberganges laufende und das nächste Kalendervierteljahr gelten. Es sind damit besonders Abtretungen, Verpfändungen und Pfändungen des Miethszinses getroffen. bb) Gegen den Erwerber und zu Gunsten des Miethers sind Rechtsgeschäfte des Veräußerers mit dem Miether, insbe­ sondere also Vorausbezahlungen, Kompensationsverträge, Erlasse (88 573, 574) wirksam?), wenn sie nur den Miethzins für das zur Zeit der Kenntniß des Miethers vom Eigenthumsübergange laufende und für das nächste Kalendervierteljahr betreffen?). War der Eigenthumsübergang beim Abschlüsse eines solchen Ge­ schäftes schon geschehen, so wird der Miether geschützt, wenn er in gutem Glauben war (8 574). Soweit aber ein Rechtsgeschäft x) Fischer: Soll Kauf Pacht und Miethe brechen? 1839. Crome: Die juristische Natur der Miethe. 1896. (Sep. A. aus JheringS Jabrb. f. Dogm. Bd. 37 S. 1 ff.) 2) Es sei auf die Verschiedenheit von § 573 u. 574 aufmerksam gemacht. 8) Z. B. der Veräußerer hat am 12. Mai seine Miethforderungen für die Zeit vom 1. Juli bis 1. Januar an Dritte abgetreten und am 15. Juli

argen den Erwerber wirkt, ist auch die Aufrechnung mit Schulden oes Veräußerers gegenüber dem Erwerber zulässig (§ 575). Der Eigenthumsübertragung steht die Belastung des vermietheten Grundstücks mit dem Rechte eines Dritten gleich, wenn durch die Ausübung des Rechts dem Miether der vertragsmäßige Gebrauch entzogen (§ 577), insbesondere also wenn das Grund­ stück mit einem Nießbrauchsrechte belastet wird. Der dinglich Berechtigte muß demnach dem Miether den Gebrauch der Sache gestatten, wie wenn er selbst den Miethvertrag geschlossen hätte. Dasselbe gilt, wenn das Recht des Dritten nur eine Beschränkung des Miethers zur Folge haben würde. Diese Grundsätze gelten unbeschränkt nur, wenn der Eigen­ thumsübergang nach der Ueberlassung der Sache an den Miether erfolgt; geschieht sie vor der Ueberlassung, so tritt der Erwerber in das Miethverhältniß nur dann ein, wenn er dem Vermiether gegenüber die Erfüllung der aus dem Miethvertrage folgenden Verpflichtungen besonders übernommen hat: andernfalls gilt hier der Grundsatz „Kauf bricht Miethe" (§ 578). Daß er dann, wenn er dem Miether gegenüber die Pflichten aus dem Vertrage über­ nimmt, in das Miethverhältniß eintritt, bedarf keiner Ausführung. 7. Die Zwangsversteigerung des vermietheten und dem Miether oder Pächter übergebenen Grundstückes wirkt wie eine freiwillige Veräußerung, doch hat der Ersteher ein außerordent­ liches, nur für den ersten zulässigen Termin bestehendes Recht, mit Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen. Das Kündigungs­ recht besteht nicht, wenn die Zwangsversteigerung die Aufhebung einer Gemeinschaft bezweckt (§§ 57, 183 des 3tost. Ges.).

IX. Untermiethe. Der Miether kann beim Mangel einer entgegenstehenden Vertragsabrede die Sache in Aftermiethe geben, nach neuem Recht (§ 549) jedoch nur auf Grund der Er­ laubniß des Vermiethers. Verweigert der Vermiether die Er­ laubniß, so kann der Miether kündigen, es sei denn, — was der Vermiether zu beweisen hat — daß in der Person des Unter­ miethers ein wichtiger Grund zur Versagung vorläge. Für Ver­ schuldungen des Untermiethers haftete der Miether nach altem Recht nur, wenn ihn bei der Auswahl des Untermiethers ein Verschulden traf, nach neuem Recht (§ 549) haftet er unbedingt, das Grundstück ausgelassen. Die Cesston ist gegen den Erwerber wirksam § 573. — Er hat am 12. Mai vom Miether A den nachträglich zu zahlen­ den MiethszinS für die Zeit vom 1. April bis 1. Januar erhoben und am 15. Mar ausgelassen, wovon A am 20. Mai Kenntniß erlangt hat. Die Zahlung muß sich der Erwerber gefallen lassen, soweit er den MiethzinS für die Zeit vom 1. April bis 30. September betrifft. Den Zins für daS letzte Vierteljahr muß A nochmals, an den Erwerber, zahlen.

358 Das Recht des Untermiethers endete nicht ohne Weiteres mit dem Rechte des Miethers. Da aber der Hauptvermiether nicht in ein Rechtsverhältniß zum Aftermiether trat, so konnte er bisher auf Grund seines Eigenthums nach Beendigung der Hauptmiethe gegen den Untermiether auf Räumung klagen, und das dem Hauptmiether die Räumung gebietende Urtheil wirkte gegen den Astermiether (§ 236 CPO a. F). Nach neuem Recht (§ 556 Abs. 3) erlischt mit dem Hauptmiethverhältniß auch die Untermiethe. Der Vermiether hat daher ein aus demMiethvertrage folgendes Recht gegen den Untermiether auf Räumung des Besitzes. X. Besitz. Nach römischem und gemeinem Recht behielt der Vermiether den juristischen Besitz, und der Miether erhielt nur die Detention. Besitzschutz genoß also nur der Vermiether. Nach neuem Recht hat der Miether Besitz, also auch Besitzschutz, sogar gegen den Vermiether, der Vermiether hat mittelbaren Besitz, also gleichfalls Besitzschutz (§§ 854, 865, 868).

§ 125.

Die Pacht.

Die Pacht gewährt nach altem und neuem Recht keineswegs das Recht auf alle Erzeugnisse und Nutzungen der Sache, sondern nur auf diejenigen Früchte, die nach den Regeln einer ordnungs­ mäßigen Wirthschaft als Ertrag anzusehen sind (§ 581). Da unter den Begriff der Frucht aber überhaupt jede Ausbeute fällt, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen wird (§ 99 BGB), so ist nach altem und neuem Recht der Vertrag, der die Ausnutzung eines Bergwerks, eines Steinbruchs, eines Torfstichs zum Gegenstände hat, nicht ein Kauf der zu gewinnenden Substanztheile, sondern ein Pachtvertrag lRG 6, 4; 27, 279. Preuß. Berggesetz vom 24. 6. 65 § 114).

Die Pacht richtet sich nach den für die Miethe gegebenen Bestimmungen. Doch weicht das BGB von ihnen in einzelnen Punkten ab: 1. Für jedes Pachtverhältniß gilt, daß der Pächter nicht wegen verweigerter Unterverpachtung, nicht wegen Versetzung, der Verpächter nicht beim Tode des Pächters kündigen darf (§§ 596, 549 Abs. 1, 569, 570). 2. Ist ein Grundstück verpachtet, so kann sich das Rechts­ verhältniß hinsichtlich des Inventars, d. h. der dem wirthschaftlichen Zwecke des Grundstücks dienenden Gegenstände (§ 98), verschieden gestalten, je nachdem das Grundstück sammt In­ ventar d. i. als Einheit verpachtet oder das Inventar zum Schätzungswerthe übernommen wird.

Im ersten Falle hat der Pächter die Pflicht, die einzelnen Stücke zu erhalten und den gewöhnlichen Abgang der Thiere aus den Jungen zu ersetzen, der Verpächter aber die Pflicht, das durch ungewöhnlichen Abgang verminderte Inventar zu ergänzen (sog. Summission), der Pächter hat aber nicht das Recht, über das Inventar zu verfügen. Im zweiten Falle (dem sog. Eisernviehvertrage; Rechtssprüchwort: eisern Vieh stirbt nie) ist der Pächter nur verpflichtet, das Inventar als solches zum Schätzungswerthe zurückzuge­ währen, er trägt die Gefahr und hat das Inventar als Ganzes zu erhalten, dagegen hat er das Recht freier Verfügung über die einzelnen Stücke. In beiden Fällen bleibt das I. Eigenthum des Verpächters, und in dem zweiten Falle geht das Eigenthum eines ange­ schafften Stückes mit der Einverleibung in das I. auf den Ver­ pächter über (§§ 586—589). Wegen der Forderungen des Pächters, die sich auf das mit­ gepachtete I. beziehen, steht dem Pächter nach altem und neuem Recht ein gesetzliches Pfandrecht an den in seinem Besitz be­ findlichen Jnventarstücken zu (§ 590). 3. Ist die Pachtzeit nicht bestimmt, so kann nach neuem Recht (§ 595) die Kündigung nur für den Schluß eines Pacht­ jahres und spätestens am ersten Werktage desjenigen halben Jahres erfolgen, mit dessen Ablauf die Pacht endigen soll. An dieselben Grenzen ist die Kündigung dann gebunden, wenn die Pachtzeit zwar bestimmt, aber ein Fall gegeben ist, in welchem unter Wahrung der gesetzlichen Frist gekündigt werden darf (s. oben § 124 VIII. 3, 5, 7)J) 4. Ist Gegenstand der Pacht ein landwirthschaftlicheS Grundstück, so hat der Pächter die Pflicht, das Gut in betriebs­ fähigem Zustande zu erhalten, daher die gewöhnlichen Aus­ besserungen vorzunehmen (§ 582), Aenderungen in der wirthschaftlichen Bestimmung zu unterlassen, die auf die Art der Bewirthschaftung über die Pachtzeit hinaus von Einfluß sind (§ 583), und das Grundstück, gleichviel in welchem Zustande er es über­ nommen, in dem Zustande zurückzugewähren, der einer während der Pachtzeit fortgesetzten ordnungsmäßigen Bewirthschaftung entspricht (§§ 591, 593, 594). Ueber die Rechte und Pflichten der Kontrahenten bei der Rückgewähr enthält das BGB aus­ führliche Vorschriften (§§ 591—594). Auch das gesetzliche Pfandrecht des Verpächters eines landwirthschaftlichen Grundstückes reicht weiter als das anderer Verpächter. Es ergreift, wie nach altem Recht, auch die Früchte *) DlkS gilt auch bei der Pacht von Rechten (§ 595).

360 des Grundstücks, es umfaßt ferner auch die nach 811* CPO unpfändbaren Sachen, und es kann Dritten gegenüber wegen des gesammten Pachtrückstandes geltend gemacht werden (§§ 585, 563 CPO, § 49 Nr. 2 KO). Ist, wie üblich, der Pachtzins nach Jahren bemessen, so ist er, in Ermangelung einer abweichenden Vertragsbestimmung nach Ablauf eines Pachtjahres am ersten Werktage des folgenden Jahres zu entrichten. Nach römischem und gemeinem Rechte hatte der Pächter eines landwirthschaftlichen Grundstückes Anspruch auf Nachlaß am Pachtzinse (remissio mercedia), wenn der Fruchtgenuß durch außergewöhnliche Ereignisse erheblich geschmälert wurde, wogegen er verpflichtet war, den Ausfall aus den Erträgen besonders reicher Jahre zu decken. Diese Bestimmungen hat das BGB beseitigt. 4. Seit dem Mittelalter hat sich in Gegenden mit ausge­ bildeter Viehzucht der sog. Viehverstellungsvertragentwickelt, durch welchen der eine Theil gegen ein Aequivalent Vieh des andern Kontrahenten zur Wartung, Fütterung, insbesondere aber auch zur Nutzung übernimmt. Das Geschäft kommt in den ver­ schiedensten Formen vor, wird aber gewöhnlich als Pachtvertrag behandelt. Das BGB überläßt ihn gewohnheitsrechtlicher Bildung.

§ 126.

Der Dienstvertrag.

1. Im alten Rom galt die produktive Lohnarbeit, da sie fast ausschließlich von Sklaven geleistet wurde, als eines freien Menschen unwürdig, als opera illiberalis. Gegenstand eines Dienstvertrages, der locatio conductio operarum, d. h. eines auf Leistung von Diensten gegen Entgelt gerichteten Vertrages, konnten daher nur diese operae illiberales (locar isolitae) sein, während operae liberales d. h. die Bethätigungen einer Wissen­ schaft oder Kunst, ohne Entgelt geleistet wurden. Als man später auch für die operae liberales eine Gegenleistung zu beanspruchen pflegte, fehlte es zur Durchsetzung dieses Verlangens an einer actio, doch fand sich in der extraordinaria cognitio ein Mittel, die Leistung der verabredeten Vergütung, die man, der früheren Auffassung entsprechend, nichtrnerces, sondern honorarium nannte, zu erzwingen. Die moderne Anschauung macht keine Unter­ schiede. Das gemeine Recht wendete daher die römischen, nur für operae illiberales gegebenen Grundsätze von der loc. c. ope­ rarum auf alle Dienstverrichtungen, auch die wissenschaftlicher oder künstlerischer Art, an. Ihm folgt das BGB, indem nach ihm (8 611) Dienste jederArt Gegenstand des Dienstver­ trages sein können.

Eine Reihe von Dienstverträgen besonderer Art hat ihre reichsgesetzliche Regelung in besonderen Gesetzen gefunden, so namentlich die Rechtsverhältnisse der Handlungsgehülfen und der Seeschiffer im HGB, die der gewerblichen Arbeiter in der Gew.-O., die der Schiffsmannschaft in der Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872. Diese Gesetze sind für die durch sie geregelten besonderen Arten von Dienstverträgen neben dem BGB bestehen geblieben. DieBestimmungen dieses kommen, wie bisher die Vorschriften des Pandektenrechts, nur auf die nicht durch Spezial­ gesetz geordneten Arten der Dienstverträge zur Anwendung. 2. Begriff. Der Dienstvertrag besteht in der Ueber­ nahme der Verpflichtung, bestimmte Dienste gegen eine von dem andern Theile versprochene Vergütung zu leisten. Die Vereinbarung einer Vergütung ist hiernach wesentlich. Doch bedarf es weder nach altem noch nach neuem Recht, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist, ausdrücklicher Festsetzung (§ 612 BGB). Die Vergütung mußte nach römischem Recht in Geld bestehen (mercea), andernfalls war der Vertrag ein Innominatkontrakt. Nach ge­ meinem und neuem Recht kann die Vergütung in jeder Art von Leistungen bestehen, sie muß nach der Auffassung der Parteien den Gegenwerth gegen den Werth der Dienste, nicht einen bloßen Beweggrund für die Dienstleistung, bilden. 3. Pflichten. Der Dienstverpflichtete hat die versprochenen Dienste zu leisten, und zwar im Zweifel in Person und nur an die Person des Dienstberechtigten zu leisten. Die Mitwirkung bloßer Gehülfen ist natürlich nicht ausgeschlossen; ihre Hand­ lungen sind Handlungen des Dienstverpflichteten. Ueberträgt Letzterer aber mit Einwilligung des Dienstberechtigten die Dienst­ leistung einemAndern, so ist dieser der Dienstverpflichtete. Der Dienstherr ist verpflichtet, a) die bedungene Vergütung zu gewähren. Sie ist nach altem und neuem Recht Nachleistung, also grundsätzlich erst nach Beendigung des Dienstes zu entrichten; ist sie aber nach Zeitabschnitten bemessen, so ist sie nach neuem Recht (§ 614) nach Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu leisten. Fehlt es an einer Vereinbarung über ihre Höhe, so entscheidet die etwa vorhandene Taxe und beim Fehlen einer solchen der übliche Satz; b) nach modernem Gewohnheitsrecht und neuem Recht (§ 120 Gew.-O., § 618 BGB) für die Sicherheit des Dienstverpflichteten gegen lebens- und gesundheitsgefährliche Einflüsse bei Ausrichtung

der Dienste zu sorgen;1)

*) Wctlcr geht diese Fürsorgepflicht gegenüber Personen, die in der häus­ lichen Gemeinschaft des Dienstberrchtigten stehen (§ 618 Abs. 2).

362

c) nach neuem Recht (§ 617) dem Dienstverpflichteten während einer Erkrankung die erforderliche Verpflegung und ärztliche Behandlung bis zur Dauer von 6 Wochen zu gewähren, vor­ ausgesetzt, daß das Dienstverhältniß ein dauerndes ist, daß es die Erwerbsthätigkeit deS Verpflichteten vollständig oder haupt­ sächlich in Anspruch nimmt, daß der Verpflichtete in die Haus­ gemeinschaft des Dienstberechtigten ausgenommen ist, und daß der Dienstverpflichtete nicht die Krankheit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat. Die hierdurch entstandenen Kosten können von der Vergütung in Abzug gebracht werden. Ein Vertrag, der die unter 2 und 3 aufgeführten Ver­ pflichtungen des Dienstberechtigten im Voraus ausschließt oder einschränkt, ist nichtig (§ 619 BGB). 4. Unterbleiben der Leistung. Wird die Leistung der Dienste durch einen Zufall unmöglich, so entsteht weder nach altem noch nach neuem Recht (§ 323) eine Vergütungspflicht. Will oder kann aber der Berechtigte, wenngleich ohne seine Schuld, die Dienste nicht annehmen, während der Pflichtige zur Leistung bereit und im Stande ist, so hat nach altem Recht unbedingt (1 19 § 9, 1 38 pr. D. 19, 2. RG 3, 179) und nach neuem Recht bei Annahmeverzug des Berechtigten (§§ 615, 293 ff.) der Pflich­ tige den Anspruch auf die Vergütung, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Der Anspruch ist ein Schadensersatzanspruch aus dem Vertrage, der Dienstverpflichtete muß sich daher an­ rechnen lassen, was er erspart und was er bei anderweitiger Verwendung seiner Arbeitskraft verdient oder zu verdienen bös­ willig unterlassen hat. Eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsätze, daß die Vergütung nur für die wirklich geleisteten Dienste zu zahlen ist, macht der Satz des neuen Rechts, daß a) beim gewöhnlichen Dienstverträge unbedeutende, vom Pflichtigen nicht verschuldete Unterbrechungen seiner Dienstthätig­ keit seinen Anspruch auf die Vergütung nicht beeinträchtigen (§ 616 BGB), b) daß der Ha ndlungsgehülfe bei einer durch unverschul­ detes Unglück verursachten Verhinderung seiner Dienstthätigkeit den Anspruch auf Gehalt und Unterhalt, doch nicht über 6 Wochen hinaus, behält (§ 63 HGB). Im Falle a (nicht auch bei b) hat nach neuem Recht der Dienstverpflichtete sich den Betrag anrechnen zu lassen, der ihm für die Dauer seiner Behinderung auf Grund der gesetzlichen Kranken­ oder Unfallversicherung zukommt (§ 616 BGB, § 63 HGB). 5. Die Dauer des Dienstvertrages bestimmt sich nach altem und neuem Recht (§ 620) entweder nach der Parteifestsetzung

oder nach der Natur oder dem Zwecke der Dienste. Fehlt ein derartiger Maßstab, so kann jeder Theil das Dienstverhältniß kündigen. Die Kündigungsfrist richtet sich nach dem Vertrage, gesetzliche Kündigungsfristen hat tm Gegensatze zum römischen Recht erst die neuere Gesetzgebung eingeführt: sie beträgt bei Gesellen, Gewerbsgehülfen und Fabrikarbeitern 14 Tage, für Handlungsgehülfen 6 Wochen. Das BGB sucht der Verschieden­ artigkeit der Dienstverhältnisse möglichst zu entsprechen, inoem es die Zeiträume, nach denen die Vergütung bemessen ist, auch als Kündigungsfristen gelten läßt (§ 621); es kommen hier dieselben Bestimmungen wie bei der Miethe zur Anwendung (§ 565 Abs. 1) mit der Abweichung, daß, wenn die Vergütung nach Viertel­ jahren bemessen ist, die Kündigungsfrist sechs Wochen beträgt. Diese Frist gilt auch bei dem Dienstverhältniß der mit festen Bezügen zur Leistung von Diensten höherer Art angestellten Personen, deren Er­ werbsthätigkeit durch das Dienstverhältniß vollständig oder haupt­ sächlich in Anspruch genommen wird (insbesondere der Lehrer, Er­ zieher, Privatbeamten, Gesellschafterinnen), selbst wenn die Ver­ gütung nach längerenZeitabschnitten als Vierteljahren bemessen ist. In' allen Fällen sechswöchiger Frist kann die Kündigung nur zum Schluß eines Kalendervierteljahres erfolgen. Für den Handlungsgehülfenvertrag gilt (§§ 67—69 HGB) noch das Be­ sondere, daß eine bedungene Frist für beide Theile gleich sein und wenigstens einen Monat betragen muß, es sei denn, daß der Handlungsgehülfe ein Gehalt von wenigstens 5000 Mark jährlich bezieht oder daß er für eine außereuropäische Handels­ niederlassung angenommen ist und der Prinzipal für den Fall, daß er kündigt, die Kosten der Rückreise zu tragen hat. Ist die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen, so kann, wie nach bisherigem Recht, die Kündigung jederzeit er­ folgen (§ 623, s. daselbst die Ausnahme). Endlich ermöglicht das BGB § 624 die Lösung eines auf die Lebenszeit einer Person oder für länger als fünf Jahre eingegangenen Dienst­ verhältnisses, indem es eine Kündigung nach Ablauf von fünf Jahren zuläßt und eine Frist von 6 Monaten festsetzt. Von der Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist befreit ist Derjenige, dem ein wichtigerGrund zu sofortiger Auflösung des Dienstverhältnisses zur Seite steht (§§ 626 BGB 70 HGB). Die Gew. O. zählt diese Gründe auf, und das HGB giebt in §§ 71, 72 einige Beispiele. Ob ein solcher wichtiger Grund vorliegt, ist im Streitfall durch Urtheil zu entscheiden. 6. Die Rechtsverhältnisse der Handlung-gehülfe« sind in den §§ 59—75 HGB geregelt, welche schon am 1. Januar 1898 in Kraft getreten sind (Art. 1 Einf.-Ges. z. HGB).

364

Handlungsgehülfe ist, „wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist" (§ 59). Durch die Leistung kaufmännischer Dienste unterscheidet er sich von den Personen, welche technische Leistungen bewirken, und von denen, welche dem Kaufmann Gesindedienste leisten. Durch die Anstellung tritt er in ein Dienstverhältniß zum Prinzipal; dadurch unterscheidet er sich vom Handlungsagenten, der in keinem Dienstverhältniß steht, daher nicht einem Prinzipal unter­ steht und nur für einzelne bestimmte Dienste Belohnung (Pro­ vision) erhält. Umfang und Art der wechselseitigen Leistungen bestimmen sich in Ermangelung besonderer Vereinbarung nach dem Orts­ georauch; fehlt es an einem solchen, so gelten die den Umständen nach angemessenen Leistungen als vereinbart. Die Dienste des Gehülfen können in dem Abschlüsse von Handelsgeschäften Namens des Prinzipals, also in einer Stellvertretung, be­ stehen. Der Gehülfe ist dann kraft der ihm ertheilten Vollmacht Handlungsbevollmächtigter oder Prokurist des Prinzipals. Die Vollmacht unterliegt dem Widerrufe, damit wird aber der Dienst­ vertrag an sich nicht berührt. Der Gehalt ist am Schlüsse eines jeden Monats zu zahlen, und eine Vereinbarung, wonach der Gehalt später zu zahlen, ist nichtig (§ 64). Der Handlungsgehülfe unterliegt während seiner dienstlichen Stellung einem Konkurrenzverbote (§ 60). 7. Die Verträge der selbständigen Gewerbetreibenden mit gewerbliche» Arbeitern unterliegen den §§ 105—139 Gew. O. Selbständiger Gewerbetreibender ist derjenige, welcher für eigene Rechnung in Erwerbsabsicht eine gewerbliche Thätigkeit, wenngleich nur vorübergehend, ausübt. Daher ist derjenige, welcher Arbeiter anwirbt und alsdann den von ihnen verdienten Lohn an sie abführt, Vermittler oder Stellvertreter dieser Ar­ beiter, nicht selbständiger Gewerbetreibender. Das Dienstverhältniß unterliegt zwar der freien Verein­ barung, doch ist diese Freiheit in einigen Beziehungen (namentlich hinsichtlich der Sonntagsruhe, der Annahme jugendlicher Arbeiter) durch Gesetz eingeschränkt. Zu den Beschränkungen gehört das Verbot des Trucksystems: die Arbeitslöhne sind baar in Reichswährung zu zahlen und Waaren dürfen den Arbeitern nicht kreditirt werden. Hieraus folgt zunächst die Nichtigkeit entgegen­ stehender Vereinbarungen, die Nichtigkeit derHingabe anZahlungsstatt und der Mangel gerichtlichen Schutzes derjenigen Forde­ rungen, welche für kreditirte Waaren entstanden sind. Von diesem Verbote ist nicht betroffen die Verabfolgung von Lebensmitteln

an die Arbeiter zu einem die Anschaffungskosten nicht überstei­ genden Preise, ferner können die Ueberlassung von Wohnung, Feuerung, Landnutzung, regelmäßige Beköstigung, Arzneien, ärzt­ liche Hülfe, Werkzeuge und Stoffe zu den übertragenen Arbeiten gewährt, und eS kann der Werth dieser Leistungen auf den Lohn angerechnet werden. Gesellen und Gehülfen sind zu häuslichen Arbeiten für den Dienstherrn nicht verpflichtet, sie unterliegen aber dessen Weisungen betreffs der ihnen übertragenen Arbeiten und der häuslichen Einrichtungen. Der Dienstherr ist verpflichtet, dem Gesellen oder Gehülfen nach Beendigung des Dienstverhältnisses ein Zeugniß auszu­ stellen, das auf Verlangen auch auf die Führung auszudehnen ist.

§ 127.

Der Äestudedlenstvertrag.

Durch den Gesindedienstvertrag verpflichtet sich das Gesinde zur Leistung von Diensten im Hausstande des Dienstbe­ rechtigten, tritt in dessen Hausstand ein und unterwirft sich der hausherrlichen Gewalt des Dienstberechtigten. Die Vergütung besteht in Geld, freier Wohnung und Kost. Die Unbestimmtheit der zu leistenden Dienste, die Unterwerfung des Gesindes unter die Anordnungen des Hausherrn, die häusliche Gemeinschaft von Gesinde und Herrschaft, der rechtliche Einfluß des Herrn auf das sittliche Leben des Gesindes unterscheiden die Gesindemiethe von dem nur obligatorische Wirkungen begründenden Dienstverträge und nähern das Gesindedienstverhältniß einem personenrechtlichen Gewaltverhältnisse. Dem römischen Recht war diese Art des Dienstvertrages unbekannt, und auch in Deutschland hat er sich spät entwickelt, da die häuslichen Dienste regelmäßig von Leibeigenen geleistet wurden. Erst in den letzten Jahrhunderten hat sich das Institut in Deutschland partikularrechtlich, aber ziemlich gleichmäßig ent­ wickelt. Der Vertrag unterliegt keiner Form, aber die Hingabe eines Miethgeldes an das Gesinde ist fast überall in Uebung. Das Miethgeld gilt nach manchen Rechten als bloßes Angelo, das auf den Lohn angerechnet wird, nach anderen Rechten als Zugabe zum Lohn. Beiden Theilen steht ein Kündigungsrecht zu, vielfach war der Herrschaft ein mäßiges Züchtigunasrecht ge­ währt, dagegen die Pflicht auferlegt, auch für das krankgewordene Gesinde zu sorgen. Das BGB läßt die landesgesetzlichen Vorschriften, welche dem Gesinderecht angehören, unberührt (Art. 95 EinfGes.), stellt aber einzelne Normen auf, die auf den Gesindedienst­ vertrag Anwendung finden und die natürlich dem Landesrecht vor-

366 gehen. So beseitigt das BGB daS hier und da etwa noch bestehende Züchtigungsrecht der Herrschaft, es unterwirft den G.-Vertrag den allgemeinen Vorschriften über die Geschäftsfähig­ keit (§ 104—115, 131), es macht den Dienstherrn haftbar für das bei Ausführung der Dienstverrichtungen vom Gesinde be­ gangene Verschulden (§§ 278, 831), es legt dem Dienstherrn hinsichtlich der Fürsorge für erkranktes Gesinde und des Schutzes gegen Gefahren dieselben Pflichten auf, denen der Dienstberechtigte überhaupt unterworfen ist (§§ 601—619); es erklärt ein auf Lebenszeit oder auf länger als 5 Jahre eingegangenes Dienst­ verhältniß für kündbar (§ 624), und es giebt dem Ehemanne ein fristloses, aber an die Ermächtigung des Vormundschafts­ gerichts geknüpftes Kündigungsrecht, wenn die Frau sich ohne seine Zustimmung zu Gesindediensten verflichtet hat (§ 1358). Die Ansprüche aus dem Gesindedienstverhältnisse genießen im Zwangsversteigerungsverfahren und im Konkurse des Dienst­ herrn ein Vorzugsrecht (§ 10 Nr. 2 Zwst.-G. § 61 Nr. 1 KO).

§ 128.

Der Lehrvertrag.

Durch den Lehrvertrag übernimmt der Lehrherr die Pflicht, den Lehrling in einem bestimmten Gewerbe zu unterrichten, während der Lehrling die Verpflichtung eingeht, für den Lehrherrn zu arbeiten und seinen An­ ordnungen zu folgen. Das römische Recht behandelte den Lehrvertrag als locatio conductio operis, seine Ausbildung hat er indessen erst durch das deutsche Recht erfahren, und zwar vorzugsweise durch die zahlreichen Zunftordnungen. Reichsgesetz­ liche Bestimmungen enthält die Gewerbeordnung (§§ 126—133) und für Handlungslehrlinge jetzt das HGB (§§ 76—82). Diesem deutschrechtlichen Lehrvertrage ist der Eintritt des Lehrlings in das Hauswesen des Lehrherrn und die Unterwerfung des Lehr­ lingsunter dieväterlicheZucht desLehrherrn eigenthümlich, während die Zahlung eines Lehrgeldes nicht wesentlich ist?) Wie der Gesindedienstvertrag, begründet auch der Lehrvertrag nicht blos rein obligatorische Beziehungen, sondern ein Gewaltverhältniß und in Folge dessen höchstpersönliche Rechte und Pflichten. Der Lehrvertrag ist zwar formfrei, doch können An­ sprüche wegen unbefugter Lösung des Lehrverhältnisses nur, wenn der Vertrag schriftlich geschlossen ist, geltend gemacht werden (§§ 130, 132 Gew. O. § 79 HGB). Innerhalb der ersten 4 Wochen, bei Handlungslehrlingen innerhalb des ersten Monates,

*) Die Unterwerfung unter die väterliche Zucht besteht gesetzlich nur bei den Handwerk-lehrlingen. Handlung-lehrlinge find zur Arbeitsamkeit und zu guten Sitten anzuhalten.

kann der Vertrag fristlos gekündigt werden, eine Ausdehnung dieser Probezeit auf mehr als 3 Monate aber ist unzulässig. Nach Ablauf der Probezeit währt das Lehrverhältniß die im Vertrage oder durch Ortsgebrauch bestimmte Zeit und kann vorher nur aus den Gründen aufgehoben werden, die zu einer vorzeitigen Lösung des Gesellen- oder Handlungsgehülfenverhältnisses be­ rechtigen; der Lehrling kann den Vertrag auch dann lösen, wenn der Lehrherr seine Verpflichtungen gegen den Lehrling in einer dessen Gesundheit, Sittlichkeit oder Ausbildung gefährdenden Weise vernachlässigt, der Handwerkslehrling endlich auch, wenn der Lehrherr seine väterliche Zucht mißbraucht oder zur Erfüllung seiner Verpflichtungen unfähig wird. Der Lehrling behält jedoch die Freiheit, zu einem anderen Gewerbe oder Berufe überzugehen: macht er von dieser Befugniß Gebrauch, so muß dies dem Lehr­ herrn schriftlich mitgetheilt werden, der Lehrvertrag endet dann nach Ablauf von 4 Wochen (nach HGB nach einem Monat). Nach Beendigung des Lehrverhältnisses ist dem Lehrling ein Zeugniß auszustellen. § 129.

Der Werkvertrag.

1. Begriff. Der Werkvertrag (locatio conductio operis) ist nach altem und neuem Recht (§ 631) derjenige Vertrag, durch welchen sich der Unternehmer (conductor) zur Her­ stellung eines Werkes, der Besteller (locator) zur Ent­ richtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Werk­ verdingung ist aber nicht blos der auf Herstellung oder Bearbeitung einer Sache, sondern jeder auf den Erfolg einer Arbeits­ leistung gerichtete Vertrag, daher auch die Transportbesorgung. Zum Wesen des Vertrages gehört auch hier die Vereinbarung einer Vergütung, doch genügt stillschweigende Vereinbarung, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütuug zu erwarten ist (§ 632). a) Gegenstand des Dienst miethvertrages sind Dienste für sich betrachtet oder die Arbeit als solche, Gegenstand der Werkver­ dingung ist das Erzeugniß der Dienste oder der Arbeit. Daher wird auch die Vergütung für das Arbeitsprodukt gewährt, was nicht ausschließt, daß die Höhe der Vergütung nach Maß, Zahl, Gewicht, Zeit bestimmt werden kann. b) Beschafft der Unternehmer selbst den Stoff zu dem her­ zustellenden Werke, so enthält die Lieferung des Werkes nach römischem und gemeinem Recht eine Veräußerung (§ 4 J. 3, 24; 1. 2 § 1 D. 19, 2; 1. 20, 65 D. 18, 1. RG 1, 29), der auf Herstellung des Werkes gerichtete Vertrag demnach einen Kauf­ vertrag. Dieselbe Entscheidung trifft das BGB (§ 651), aber

368 nur in dem Falle, wenn der Uebernehmer eine vertretbare Sache herzustellen übernimmt. Denn es ist gleich, ob der Besteller eine schon fertige oder eine erst herzustellende Sache erwirbt. Hat der Unternehmer eine unvertretbare Sache herzustellen, so ist nach der Auffassung des BGB die Arbeits­ leistung wichtiger als der Stoff, der Herstellungsvertrag ist daher in diesem Falle ein Werkvertrag, aber der Unternehmer hat dann nicht das Pfandrecht und nicht den Titel zur Hypothek, er bleibt Eigenthümer bis zur Uebergabe, er kann sich also durch Zurückhaltung seiner Leistung sichern. Der Stoff gilt als vom Besteller beschafft, wenn der Unternehmer nur Zuthaten oder sonstige Nebensachen liefert. Daher ist der Vertrag, durch den der Unternehmer die Herstellung eines Bauwerkes auf dem Grund­ stück des Bestellers, doch mit eigenem Baumaterial, verspricht, ein Werkvertrag (§ 651). Einen zwischen Kauf und Werkvertrag stehenden sog. Werklieferungsvertrag anzunehmen und zu diesem die auf Herstellung aus dem Stoffe des Unternehmers gerichteten Verträge zu rechnen, wie Einige*) wollen, ist nicht nothwendig. 2. Pflichten. Der Unternehmer ist verpflichtet: a) das Werk vertragsmäßig auszuführen; ob er es persönlich ausführt oder es nur unter seiner Leitung ausführen läßt oder ob seine Thätigkeit ausnahmsweise ganz außer Betracht bleibt, bestimmt sich nach dem Inhalt des einzelnen Vertrages. Entspricht das Werk dem Vertrage nicht, so griffen nach bisherigem Recht nicht die aedilitischen Rechtsmittel Platz, der Besteller hatte vielmehr das Recht, Beseitigung des Mangels und, falls dem Werke eine zugesicherte Eigenschaft fehlte oder dem Unternehmer ein Verschulden zur Last fiel, Schadensersatz zu verlangen. Das neue Recht (§ 633) bestimmt zunächst den Begriff der Mangelhaftigkeit; nach ihm ist das Werk dann mangelhaft, wenn ihm eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder wenn es mit einem Fehler behaftet ist, der den Werth oder die Tauglichkeit des Werkes zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauche aufhebt oder — wenn­ gleich nur unerheblich — mindert. Ferner giebt das neue Recht dem Besteller die Wahl zwischen Wandelung und Minderung. Diese Rechte hängen nicht von einem Verschulden des Unternehmers, wohl aber in der Regel davon ab, daß der Besteller den Unternehmer zur Beseitigung des Mangels unter Bestimmung einer Frist und mit der Drohung ver­ geblich aufgefordert hat, daß er nach Ablauf der Frist die Be­ seitigung nicht mehr dulden werde. T>iese Regel greift dann nicht !) Z. B. Filcher-Henle, Oertmann.

Platz, wenn die Beseitigung unmöglich oder vom Unternehmer verweigert ist oder wenn der Besteller ein besonderes Interesse an der sofortigen Minderung oder Wandelung hat, z. B. wenn ein Reiseanzug bis $ur Abreise sich nicht ändern läßt. Der Be­ steller ist auf den Mrnderungsanspruch beschränkt, wenn der Mangel den Werth oder die Tauglichkeit des Werkes nur uner­ heblich mindert, er hat dagegen außer jenen beiden Ansprüchen {ur Wahl auch noch das Recht auf Schadensersatz, wenn der lnternehmer den Mangel verschuldet hat (88 634, 635). Diese Ansprüche verjähren nach neuem Recht (§§ 638, 639) in sechs Monaten, bei Arbeiten an einem Grundstücke in einem Jahre, bei einem Bauwerk in fünf Jahren. b) Er ist zur rechtzeitigen Ablieferung verpflichtet. Ver­ letzt er diese Pflicht, so hatte der Besteller nach altem Recht unter Umständen ein Rücktritts-, jedenfalls ein Schadensersatzrecht. Nach neuem Recht kommen die Grundsätze vom Verzüge zur Anwendung, wenn ein solcher vorliegt. Aber auch wenn sich der Unternehmer nicht im Verzüge befindet, hat der Besteller das Recht der Frist­ setzung und des Rücktritts (§ 636). Nach altem und neuem Recht liegt in der vorbehaltlosen Annahme des Werkes eine stillschweigende Billigung, die dem Besteller die Beweislast aufbürdet und das Rügerecht hinsichtlich der ihm bekannten Mängel entzieht (§§ 363, 640 BGB). Der Besteller ist nach altem und neuem Recht verpflichtet: a) das Werk abzunehmen, wenn es vertragsmäßig her­ gestellt und wenn nicht etwa durch seine Beschaffenheit (z. B. Transportausführung) die Abnahme ausgeschlossen ist (§ 640); b) die Vergütung zu bezahlen, ob bei oder nach der Ablieferung, ist nach altem Recht streitig. Nach neuem Recht ., d. h. alle Schäden, welche dem Schiffe oder der Ladung oder beiden zum Zwecke der Errettung beider aus einer gemeinsamen Gefahr von dem Schiffer oder auf dessen Geheiß von Anderen vorsätzlich zugefügt werden, die durch derartige Maßregeln ferner verursachten Schäden und die zu gleichem Zwecke aufgewandten Kosten; d) besondere H., d. h. alle nicht zur großenH. gehörenden Schäden. Beide Gesetze zählen eine Reihe von Schäden auf, die stets zur großen H., das HGB auch solche, die stets zur be­ sonderen H. zu rechnen sind. Die große H. wird von Schiff, Fracht und Ladung gemein­ schaftlich, die besondere H. vom Eigenthümer des Schiffs und von den Eigenthümern der Ladung, von jedem für sich allein, getragen.

378 Die Vertheilung der großen H. setzt voraus, daß das Scbiff und die Ladung und zwar jeder dieser Gegenstände ganz oder zum Theil gerettet sind, und richtet sich nach dem Verhältnisse des Werthes des Schiffes und der Ladung und nach dem Be­ trage der Fracht. Die Urkunde, welche die Feststellung des Schadens enthält und seine Vertheilung ausspricht, heißt Dis­ pache und erfolgt innerhalb des Deutschen Reiches durch ge­ richtlich bestellte Sachverständige (Dispacheurs). Im Auslande ist es Sache der Konsuln, die Vertheilung herbeizuführen. Die Grundsätze von der Havarie sind im Wesentlichen römisches Recht, das in dieser Beziehung das rhodische Recht übernommen hat. Daher lex Rhodia de jactu. Nach diesem Recht aber war für die geopferten Waaren der Einkaufspreis, für die geretteten der Verkaufswerth maßgebend, während nach HGB der Verkaufswerth, den die geopferten und die geretteten Sachen am Bestimmungsorte haben, entscheidet.

§ 131.

Da- Speditionsgeschäft.

„Spediteur ist, wer es gewerbsmäßig übernimmt, Güterversendungen durch Frachtführer oder durch Ver­ frachter von Seeschiffen für Rechnung eines Anderen (des Versenders) in eigenem Namen zu besorgen" (8 407 HGB). Die Spedition ist hiernach eine Art Kommission, unter­ scheidet sich von dieser jetzt aber dadurch, daß die Kommission grundsätzlich nur den Ein- und Verkauf, die Spedition nur die Besorgung der Güterversendung zum Gegenstände hat. Es waren deshalb für die Spedition eine Reihe besonderer Vorschriften ge­ boten, im Uebrigen unterliegt sie den Grundsätzen vom Kom­ missionsgeschäft. Regelmäßig tritt der Spediteur dem Fracht­ führer oder Verfrachter gegenüber an die Stelle des Absenders, führt er den Transport selbst aus, so ist er zugleich Frachtführer (oder Verfrachter). Er ist berechtigt, Ersatz der baaren Auslagen (insbesondere der Fracht) und eine Provision zu verlangen, welche mit der Uebergabe des Gutes an den F. oder Verfrachter fällig ist, und hat ein Pfandrecht am Gute, so lange es seiner Verfügung unter­ liegt. Das Pfandrecht besteht aber nur wegen der Forderungen aus demjenigen Vertrage, der sich gerade auf dieses Gut bezieht, während das Pfandrecht des Kommissionärs auch wegen aller Forderungen aus laufender Rechnung in Kommissionsgeschäften überhaupt besteht. Der Spediteur haftet für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und trägt nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen die Beweislast dafür, daß er diese Sorgfalt angewendet habe. Hin-

sichtlich der von ihm angenommenenZwischenspediteure und Fracht­ führer oder Verfrachter hastet er für culpa in eligendo, darüber hinaus haftet er für die von diesen Personen begangenen Hand­ lungen nicht. Der sog. Annoncenspediteur ist nicht Spediteur im Sinne des HGB, nach neuem Recht auch nicht Kommissionär. Die von ihm geschlossenen Geschäfte können jedoch zu den Geschäften des Buchhandels gerechnet werden und bilden jedenfalls nach neuem Recht regelmäßig ein Handelsgewerbe im Sinne des § 2 des HGB. Er ist demnach Kaufmann. § 132.

Da- KommisstonSgeschäft.

1. Nach früherem Rechte war Kommissionär derjenige, welcher gewerbemäßlg in eigenem Namen für Rechnung eines Auftrag­ gebers Handelsgeschäfte schloß (Art. 360 HGB), nach jetzigem Recht (§ 383 HGB) ist es derjenige, der „es gewerbsmäßig übernimmt, Waaren oder Werthpapiere für Rechnung eineAnderen (des Kommittenten) in eigenem Namen zu kaufen oder zu verkaufen. Es wird sich regelmäßig um vertretbare Sachen handeln, aber auch die Lieferung einer nicht vertretbaren Sache kann Gegenstand eines Kommissionsgeschäftes sein, wenn sie aus einem vom Unternehmer zu beschaffenden Stoffe herzustellen ist (8 406HGB, 8 651 BGB). Nach neuem Recht also braucht das aufgetragene Geschäft nicht Handelsgeschäft zu sein, und giebt es n'ur noch eine Einkaufs-und eine Verkaufs­ kommission. Uebernimmt aber ein Kommissionär oder ein Kauf­ mann, der nicht Kommissionär ist, die Schließung eines anderen Geschäftes für fremde Rechnung, aber in eigenem Namen, so kommen die Bestimmungen des HGB über das Kommissions­ geschäft zur Anwendung, Kommissionär aber wird der Kaufmann dadurch nicht. Die Eigenthümlichkeit des Kommissionsgeschäftes besteht darin, daß der Kommissionär zwar in Folge Auftrages und für Rech­ nung einesAndern, aber doch im eigenen Namen handelt, daß das von ihm geschlossene Geschäft wirthschaftlich ein fremdes, juristisch sein eigenes Geschäft ist. Er ist demnach nicht Stellvertreter des Kommittenten, die Wirkung der von ihm ge­ schlossenen Geschäfte tritt daher in seiner Person ein und muß durch einen besonderen Rechtsakt auf den Kommittenten über­ tragen werden. Da er zu dieser Uebertragung verpflichtet ist und die Uebertragung in jeder Form geschehen kann, gelten die vom K. erworbenen Forderungen, obwohl ihre Geltendmachung vor der Abtretung nur dem K. zusteht, sowohl im Verhältnisse von Kommittent und Kommissionär, als auch im Verhältnisse

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dieses zu seinen Gläubigern als Forderungen des Kommittenten. Ob der K. Besitz und Eigenthum für sich oder für den Kom­ mittenten erwirbt, war nach bisherigem Rechte streitig (RG 24, 314; 30, 142), nach neuem Recht vollzieht sich auch dieser Er­ werb zunächst für den Kommissionär (§§ 164, 929 BGB), durch das für den Regelfall an keine Form gebundene constitutum possessorium aber geht Besitz und Eigenthum auf sehr einfache Weise auf den Kommittenten über, und nur in den dem Depot­ gesetz unterliegenden Fällen ist hierfür die dort (§ 7) verlangte Form erforderlich (s. oben S. 317). Nach früherem Recht war das der Kommission zu Grunde liegende Geschäft Mandat, nach neuem Recht ist es ein Dienst­ vertrag, da der K. eine Belohnung erhält (§§ 662, 675, 611 BGB). Aber auch jetzt ist es ein Akt des Vertrauens. 2. Die Pflichten des Kommissionärs bestehen in der den Weisungen des Kommittenten entsprechenden Ausführung des Geschäfts, wobei er die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns änzuwenden und das Interesse des Kommittenten zu wahren hat, *) in der Benachrichtigungs- und Rechenschaftspflicht und in der Verpflichtung, das, was er durch die Geschäftsbesorgung er­ langt hat, an seinen Auftraggeber herauszugeben, also Besitz und Eigenthum zu übertragen, die Forderungen abzutreten. Ab­ weichungen von den Weisungen des Auftraggebers verpflichten zum Schadensersatz, sind jedoch unter Umständen gestattet (§ 385 HGB, 665 BGB). Jeder Vortheil aus dem Geschäft gebührt dem Kommittenten, also auch der Gewinn, der dadurch erzielt wird, daß der K. zu günstigeren Bedingungen abschließt, als ihm der Kommittent gesetzt hatte. Hat der K. unter ungünstigeren Bedingungen abaeschloffen, also theurer eingekauft oder billiger verkauft, so ist der Kommittent berechtigt, das Geschäft als nicht für seine Rechnung geschlossen zurückzuweisen, es sei denn, daß der K. mit der An­ zeige vom Geschäftsabschlüsse auch seine Bereitwilligkeit zur Deckung des Unterschiedes erklärt. Von dem Zurückweisungs­ rechte kann aber der Kommittent nur dann Gebrauch machen, wenn er sich auf die Anzeige des K. sofort in diesem Sinne erllärt, andernfalls muß er das ungünstigere Geschäft als das seinige gelten lassen (§§ 387, 386 HGB). Der K. hat die Pflicht, die Rechte des Kommittenten gegen­ über dem Absender des Gutes, dem Frachtführer oder dem Schiffer auszuüben und das Gut zu verwahren. Die Verwahrungs» macht ihn für jeden Schaden, der das Gut trifft, und der , die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes abgewendet

>) Interessante Entscheidung in RG 43, 108.

werden konnte, haftbar; für die Unabwendbarkeit des Schadens hat er die Beweislast (§§ 388, 389, 390). Zur Kreditgewährung ist der K. nicht berechtigt, falls sie nicht der Handelsbrauch am Orte des Geschäfts gestattet. Das unter Kreditgewährung geschlossene Geschäft ist gleichwohl für Rechnung des Kommittenten geschlossen, aoer der K. handelt auf eigeneGefahr, d. h. er haftet subsidiär für die Verbind­ lichkeit des Kreditempfängers und ist sogar verpflichtet, an den Kommittenten den dem Dritten kreditirten Kaufpreis sofort zu zahlen (§ 393). Von diesem Falle abgesehen, haftet er für den Dritten nur, wenn dies dem Handelsbräuche entspricht oder er die Verpflichtung des Dritten übernommen hat, d. i. wenn er Delcredere steht. In diesem Falle ist seine Haftung nicht eine subsidiäre, sondern eine Principale, er hat dafür das Recht, eine besondere Provision vom Kommittenten zu verlangen, da er dessen Forderungen Sicherheit gewährt (§ 394). 3. Der K. hat das Recht, die vertragsmäßige oder handels­ übliche Provision zu verlangen, wenn das aufgetragene Ge­ schäft zu Stande gekommen oder aus einem nur in der Person des Kommittenten liegenden Grunde nicht zu Stande gekommen ist, er hat ferner Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen (§§ 396 HGB, 675 BGB). Der Sicherung dieser Ansprüche des K. dient das ihm am Kommissionsgute zustehende gesetzliche Pfandrecht, das im Konkurse des Kommittenten ein Recht auf abgesonderte Befrie­ digung gewährt. Das Pfandrecht ist an den Besitz geknüpft, erlischt also mit dem Verlust des Besitzes ohne Weiteres, Besitz aber ist auch die Möglichkeit, durch Dispositionspapiere (Kon­ nossemente, Lager-, Ladescheine) über das Gut zu verfügen. An den gegen Dritte zustehenden Forderungen kann der K. ein Pfand­ recht nicht haben, weil diese bis zur Abtretung ihm selbst zu­ stehen, nach der Abtretung aber nicht mehr seiner Verfügung unter­ liegen. Das Gesetz gewährt ihm deshalb das Recht, sich aus diesen Forderungen vorzugsweise zu befriedigen, und zwar vor dem Kommittenten, indem er die Abtretung verweigert, und vor dessen Gläubigern, indem er gegenüber dem Zugriffe dieser ein Jnterventionsrecht geltend macht (§ 399). Steht das Kom­ missionsgut im Eigenthum des K., so besteht zwar kein Pfand­ recht, der K. darf aber seine Befriedigung aus dem Gute nur wie ein Pfandgläubiger suchen (§ 398). Ein besonderes Recht des Kommissionärs ist das Selbstein­ trittsrecht, d. h. er darf die zu verkaufendeWaare selbst kaufen, die zu kaufende Waare selbst verkaufen. Der Kommittent ertheilt keinen alternativen Auftrag, sondern er ertheilt ausschließlich die Weisung,

382 ihm eine bestimmte ÜBaare zu beschaffen oder eine bestimmte Waare zu veräußern; daß derKommissionärzudieseinZweckemiteinem Dritten kontrahirt, ist für den Kommittenten regelmäßig gleichgültig und ist daher nur selten Inhalt des Auftrages. Der K. handelt also nicht, wie man künstlich zu konstruiren gesucht hat, gleichzeitig alieno und ßuo nomine, sondern er führt den Kommissionsauftrag da­ durch aus, daß er die Waare selbst beschafft oder selbst erwirbt. Da er hiernach im Dienste des Kommittenten handelt, ist er be­ rechtigt, die Provision zu fordern. Voraussetzung des Selbst­ eintrittsrechtes ist, daß die Waare einen Börsen- oder Markt­ preis hat und daß der Kurs der Werthpapiere amtlich festgestellt ist. Der Kauf- oder Verkaufspreis darf kein für den Kommit­ tenten ungünstigerer sein als der Markt- oder Börsenpreis. Die Rechenschaftspflicht fällt fort, der K. hat nur nachzuweisen, daß er den Markt- oder Börsenpreis eingehalten. Zeigt er aber schlechthin an, daß das Geschäft ausgeführt sei, so ist darin die Erklärung zu finden, daß das Geschäft mit einem Dritten ab­ geschlossen sei. Das Selbsteintrittsrecht geht verloren, wenn der Kommittent die Kommission widerruft und der Widerruf dem Kommittenten zugeht, bevor die Ausführungsnachricht zur Ab­ sendung abgegeben ist (§§ 400—405 HGB). Datz der K. auch im Falle des Selbsteintritts das gesetzliche Pfandrecht und die Befugniß der Veräußerung des ihm gehörigen Kommissionsgutcs hat, folgt daraus, daß ihm auch der Provisionsanspruch zusteht. § 133.

Der Trödelvertrag.

Der Trödelvertrag besteht darin, daß Jemand einem An­ deren eine Sache unter Bestimmung ihres Preises übergiebt, wogegen der Empfänger sich verpflichtet, dem Geber entweder die Sache zurückzugeben oder den Preis zu zahlen. Dem Geber bietet dieser Vertrag die Möglichkeit gewinnbringender Veräußerung, dem Empfänger Gelegenheit, aus dem Verkaufe einer fremden Sache Gewinn zu ziehen. Denn der Mehrerlös verblieb nach bisherigem Recht dem Empfänger, Gefahr des Untergangs uno der Verschlechterung dem Gebers. Das Geschäft galt' im römischen Recht als Innominatkontrakt, die Hingabe der Sache war der rechtsbegründende Akt. Diese Rechte wurden mit der a. aestimatoria (oder de aestimato) geltend gemacht. Das gemeine Recht behandelte den T. als selbständigen Vertrag. Das BGB hat jedoch davon Abstand genommen, Bestimmungen über ihn zu treffen. Rechte und Pflichten aus Verträgen mit dem Inhalt des ehemaligen Trödelvertrages werden daher nur nach den Vertragsbestimmungen

*) Letztere» war nicht unbestritten.

selbst beurtheilt werden müssen, sofern sie nicht unter den Be­ griff des bedingten Kaufes, des Auftrages, des Dienst- oder Werkvertrages fallen. Ein dem Trödelvertrag verwandtes Geschäft ist das buch­ händlerische Sortimentsgeschäft. Der Sortimentsbuchhändler, d. h. derjenige, welcher Verlagsartikel unmittelbar an das Publi­ kum absetzt, erwirbt vom Verleger entweder ä condition, d. h. unter der Abrede, daß er die unverkauften Exemplare zurückgeben darf und für die verkauften Exemplare den Buchhändlerpreis zu zahlen hat, oder auf feste Bestellung, d. h. in der Weise, daß er die ihm vom Verleger übersandten Exemplare unbedingt zu behalten hat. Im ersten Falle bleibt der Verleger, im letzteren Falle wird der Sortimenter Eigenthümer der ihm zugesandten Exemplare.

§ 134.

Der Mäkleroertrag.

Nach römischem Rechte war der mit dem proxeneta ge­ schlossene Vertrag ein klagloses pactum, war aber der versprochene Dienst geleistet, so gab man eine extraordinaria pereecutio auf das proxeneticum (den Maklerlohn). Das gemeine Recht fußte auf diesen Grundsätzen, wendete jedoch vielfach die Grundsätze des Dienst- oder Werkvertrages oder des Mandates an. Der Mäklervertrag ist indessen ein eigenartiger Vertrag. Er ist nicht Dienstvertrag, weil er eine Verpflichtung des Mäklers zur Vermittlerthätigkeit nicht begründet, er ist nicht Mandat (Auftrag), weil der Mäkler das Geschäft nicht Namens oder für Rechnung des Auftraggebers abschließt, sondern nur bewirkt, daß das Geschäft vom Auftraggeber selbst mit dem Dritten geschlossen wird. Der Mäkler ist aber endlich nicht bloß Bote, weil er seine Thätigkeit nicht auf die bloße Ueberbringung der vorbereitenden Erklärungen beschränkt, sondern selbstthätig das Zustandekommen des beabsichtigten Geschäftes anstrebt. Der Vertrag besteht ent­ weder darin, daß der Mäkler es übernimmt, eine Gelegenheit zum Abschlüsse eines bestimmten Vertrages nachzuweisen, oder den Abschluß des beabsichtigten Vertrages selbst herbeizuführen (zu vermitteln). Das BGB hat in den §§ 652—656 einige allgemeine Grundsätze aufgestellt, das neue HGB hat in den §§ 93—104 die Rechtsverhältnisse der Handelsmäkler und in den §§ 84 bis 92 die der Handlungsagenten geregelt. Beide sind Kaufleute. Handelsmäkler ist, wer gewerbsmäßig für andere Per­ sonen, ohne von ihnen auf Grund eines VertragsverhältmsseS ständig damit betraut zu sein, die Vermittelung von Verträgen über Anschaffung oder Veräußerung von Waaren oder Werth-

384 papieren, über Versicherungen, Güterbeförderungen, Bodmerei, Schiffsmiethe oder sonstige Gegenstände des Handelsverkehrs übernimmt. Die Grundstücks- und Hypothekenmäkler sind dem­ nach keine Handelsmäkler. Handlungsahent ist, wer, ohne als Handelsgehülfe angestellt zu sein, ständig damit betraut ist, für das Handelsgewerbe eines Anderen Geschäfte zu vermitteln oder im Namen des Anderen abzuschließen. Er ist ständig für das Handelsgewerbe einer bestimmten Person thätig und zwar auf Grund eines Vertrages, den er durch die Vermittlung ein­ zelner Geschäfte ausführt. Der Handelsmäkler geht mit einem Jeden, der sich seiner Hülfe bedienen will, einen auf Abschließung eines bestimmten Geschäftes gerichteten Vertrag ein. 1. Wie nach bisherigem, so hat auch nach neuem Recht (§ 652 BGB) der Mäkler, der Handelsmäkler, der Handlungs­ agent einen Anspruch auf die bedungene, taxmäßige oder übliche Belohnung (Provision) nur dann, wenn durch seine Thätig­ keit ein rechtsgültiges Geschäft zu Stande gekommen ist; daher geht er seiner Belohnung auch dann verlustig, wenn das von ihm wohl vorbereitete Geschäft durch freien Entschluß des Auftraggebers vereitelt wird; hat der Auftraggeber dabei aber arglistig gehandelt, so steht dem Mäkler der Anspruch auf die Pro­ vision als Schadensersatzanspruch zu. Der Handlungsagent kann auch von denjenigen Geschäften Provision verlangen, die durch ein ungerechtfertigtes Verhalten des Geschäftsherrn vereitelt worden sind (§§ 88 HGB). — Diese Eigenthümlichkeit des Mäkler­ vertrages charakterisirt ihn als einen Realkontrakt. 2. Der Mäkler hat nur Anspruch auf die Provision, nicht auch auf Ersatz derjenigen Aufwendungen, die er im Interesse der Geschäftsvermittlung gemacht hat. Der Handlungsagent kann die Provision von jedem einzelnen Geschäfte verlangen, und ist er ausdrücklich für einen bestimmten Bezirk bestellt, so hat er ein Recht auf Provision auch für diejenigen Geschäfte, die in dem Bezirk ohne seine Mitwirkung vom Geschäftsherrn oder für diesen geschlossen werden. Für Verkäufe kann er Provision erst fordern, wenn die Zahlung eingegangen ist. 3. Der Mäkler hat die Pflicht, ausschließlich die Inter­ essen seines Geschäftsherrn wahrzunehmen. Ist er von dieser Pflicht nicht durch seinen Auftraggeber befreit, so ist er seiner Ansprüche verlustig, falls er auch für den anderen Theil thätig ist. Dieselbe Pflicht folgt für den Handlungsagenten schon aus dem, einen Akt des Vertrauens bildenden, Vertrage, durch den er vom Geschäftsherrn bestellt wird. Der Handelsmäkler aber handelt nach der Auffassung des Gesetzes für beide Parteien, er hat daher im Zweifel von jeder Partei die Hälfte der Provision zu fordern.

4. Die Thätigkeit des Mäklers und des Handelsmäklers ist mit dem Vertragsschlusse beendet, er schließt aber nicht selbst den Vertrag, sondern er führt nur die Kontrahenten zum Vertrags­ schlüsse zusammen, er ist also nicht Stellvertreter seines Auftrag­ gebers. Der Handlungsagent steht in einem Vertragsverhältnisse von gewöhnlich unbestimmter Dauer zum Geschäftsherrn, das außer tietm Vordensein wichtiger Gründe von jedem Theile unter Wahrung einer sechswöchigen Frist zum Schluffe jedes Kalender­ vierteljahres gekündigt werden kann. 5. Der Handelsmäller hat die besondere Pflicht, ein Tage­ buch zu führen und sogleich nach Abschluß des Geschäftes jeder Partei eine sog. Schlußnote zuzustellen, welche die Parteien, den Gegenstand des Geschäftes und die Vertragsbedingungen enthält. Er hat ferner die Pflicht, die dem Geschäft zu Grunde gelegte Waarenprobe aufzubewahren. 6. Endlich kennt das Börsengesetz vom 22. Juni 1896 Kur-mäkler. Sie sind Hülfspersonen des Börsenvorstandes und wirken neben diesem mit bei der amtlichen Feststellung des Börsenpreises von Waaren und Werthpapieren. Sie müssen, so lange sie Kursmäkler sind, die Vermittelung von Börsenge­ schäften in den betreffenden Waaren oder Werthpapieren betreiben, also Handelsmäller sein, werden aber von der Landesregierung bestellt und entlassen und leisten vor Antritt ihrer Stellung einen Eid (88 29—34 angef. Ges., Art. 141 Eins. Ges. zum neuen HGB). 7. Ein HeirathsvermittelungSauftrag begründet, was nach altem Rechte zweifelhaft war, nur eine Naturalobligation. (§ 656 HGB). 8 135.

Der Verlag-vertrag.

Durch den Verlagsvertrag überträgt der eine Theil die Ausübung eines Urheberrechts an einem Schrift- oder Kunstwerke auf den andern Theil (den Verleger), welcher die Verpflichtung übernimmt, das Werk auf eigene Rech­ nung zu vervielfältigen und zu verbreiten. Das Urheber­ recht selbst bleibt beim Urheber, der Verleger erwirbt es nur der Ausübung nach, aber er hat innerhalb der durch den Verlags­ vertrag gezogenen Grenzen ein selbständiges, auch gegen den Ur­ heber wirkendes Recht. Erfolgt der Verlag auf den Namen und für Rechnung des Urhebers, so spricht man von Selbstverlag, geschieht er auf den Namen des Verlegers, aber für Rechnung de- Urhebers, so spricht man von Kommissionsverlag. Engelmann, d. bürgerliche Recht Deutschland».

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386 Dem römischen Recht unbekannt, ist das Rechtsinstitut deS Verlagsvertrages vom modernen Rechte ausgebildet worden, und zwar in Deutschland durch Gewohnheitsrecht und Partikulargesetze. Obwohl die gewerbsmäßige Vornahme von Verlagsge­ schäften nach altem und neuem Handelsrecht (Art. 272°, § 1’ HGB) ein Handelsgewerbe bildet, den Verleger also zum Kauf­ mann macht, hat sich das HGB der gesetzlichen Regelung des Institutes enthalten, und auch das BGB läßt die landesgesetz­ lichen Vorschriften über das Verlagsrecht unberührt (Art. 76 Einf.-Ges.). Es bleibt daher nicht nur das Landesgesetz, sondern auch das gemeine deutsche Gewohnheitsrecht als Landesrecht be­ stehen. Daß der Verleger an den Urheber ein Honorar zahlt, ist dem Verlagsvertrage nicht wesentlich. Schon aus diesem Grunde

darf man den V. nicht als Kauf bezeichnen. Da er regelmäßig auch nicht auf eine Theilung von Gewinn und Verlust gerichtet ist, bildet er keinen Gesellschaftsvertrag. Er ist ein dem Werk­ verträge am nächsten stehendes eigenartiges Geschäft. Der Urheber ist zur Herstellung und Uebergabe deS zu verlegenden Werkes verpflichtet. Die Verpflichtung auf Her­ stellung des Werkes ist eine höchstpersönliche, die Erben haben nur die Pflicht, das etwa schon fertiggestellte Werk zu übergeben. Unverschuldete Hindernisse befreien den Autor von der Herstellungs­ pflicht. Das Werk ist rechtzeitig, d. h. in der im Vertrage oder durch die Umstände bestimmten Zeit, abzuliefern, der Verzug giebt nach altem und neuem Recht (§§ 286, 326 BGB) dem Verleger die Befugniß, zurückzutreten und Schadensersatz zu ver­ langen. Der Verleger ist zur Vervielfältigung und buchhänd­ lerischen Verbreitung des Werkes verpflichtet. Etwaige andere Verpflichtungen, wie insbesondere die Zahlung eines Honorars, können nur durch besondere Vereinbarung begründet werden. Diese Vereinbarung braucht keine ausdrückliche zu sein. Im Zweifel ist anzunehmen, daß der Vertrag nur eine Auflage zum Gegenstände hat. Sind mehrere oder alle Auflagen in Verlag gegeben, so ist der Verfasser berechtigt, bei jeder Auf­ lage Veränderungen vorzunehmen, der Verleger aber hat ein Rücktrittsrecht, wenn durch diese Aenderungen sein Interesse ver­ letzt wird. Ist die Zahl der Exemplare einer jeden Auflage nicht durch Vertrag bestimmt, so ist zwar der Verleger verpflichtet, so viele Exemplare herzustellen, als zu einer ordnungsmäßigen Verbrei­ tung des Werkes erforderlich sind, er kann aber auch so viele Exemplare herstellen, als dies seinem Interesse entspricht.

Die Gesellschaft. §136. Uebersicht. 1. Unter Gesellschaften im weiteren Sinne versteht man die durch Vertrag entstandenen und daher in ihrem Bestände von dem Willen der Betheiligten abhängigen Personengemeinschaften, auch wenn sie, entstanden, die Natur von Körperschaften haben. Im engeren Sinne sind Gesellschaften nur diejenigen durch Vertrag begründeten Personenverbindungen, die nur in einem Rechts­ verhältnisse unter den verbundenen Personen bestehen, nicht zugleich ein von den Mitgliedern verschiedenes Rechtssubjekt bilden. In der Auffassung dieses Rechtsverhältnisses besteht ein Gegensatz zwischen römischem und deutschem Rechte. Das römische Recht läßt nichts weiter als ein Kontraktsverhältniß, das deutsche Recht eine die Genossen enger ver­ knüpfende Gemeinschaft entstehen, ein Gegensatz, dessen praktische Bedeutung in dem Rechtsverhältnisse des den Gesellschaftszwecken dienenden Vermögens hervortritt. Die römische soeietas nämlich hat kein geschlossenes Gesellschaftsvermögen: die von oen Genossen dem Gesellschaftszwecke gewidmeten und die im Betriebe der gesellschaftlichen Thätigkeit erworbenen Gegenstände werden Miteigenthum der socii zu bestimmten ideellen Antheilen, der Antheil bildet einen frei veräußerlichen, daher auch dem Zu­ griffsrechte der Gläubiger ausgesetzten Vermögensgegenstand des Einzelnen. Daher giebt es keine Gesellschaftsforderungen, denn hat eine Allen zustehende Forderung einen untheilbaren Gegen­ stand, so tritt eine solidarische Berechtigung ein, ist ihr Gegen­ stand theilbar, so bestehen nach dem Grundsätze nomina sunt ipso jure divisa so viele einzelne Theilforderungen als socii vor­ handen sind. Es giebt auch keine Gesellschaftsschulden: selbst die im Interesse der Gesellschaft kontrahirten Schulden sind Obligationen der einzelnen Gesellschafter; der Gläubiger kann den einzelnen socius oder alle Gesellschafter verklagen, und hat er einen vollstreck­ baren Schuldtitel erlangt, so kann er sich nur an das Vermögen desjenigen Gesellschafters halten, gegen den dieser Titel lautet. Weniger durchsichtig und einfach ist das in sehr zahlreichen Abstufungen erscheinende deutschrechtuche Prinzip der „gesammten Hand". Seine praktische Bedeutung zeigt sich darin, daß es nach ihm ein Gesellschaftsvermögen giebt, d. h. ein Vermögen, das zwar nicht einem von den Genossen verschiedenen Rechts­ subjekte, sondern den Genossen gehört, das aber an den Gesellschaftszweck gebunden und daher der freien Verfügung, mithin auch dem Zugriffsrechte der Gläubiger des Einzelnen entrückt ist.

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388 Denn der dem Einzelnen gebührende Antheil ist regelmäßig ein unbestimmter, nur durch eine Theilung zu ermittelnder, jeden­ falls ein unlösbarer, er bildet nicht einen in Geld schätzbaren Vermögensgegenstand, sondern das Rechtsverhältniß der Theil­ haberschaft. Gesellschaftsforderungen stehen weder dem Einzelnen zu einem Theile noch Jedem solidarisch zu, sie können daher nur von allen Gesellschaftern geltend gemacht werden. Gesellschafts­ schulden vermindern das Gesellschaftsvermögen, sie können gegen alle socii geltend gemacht werden, und für ihre Befriedigung hastet jedenfalls zunächst daS Gesellschaftsvermögen. Die Rezeption des römischen Rechts hat zuerst nicht ver­ mocht, das deutschrechtliche Prinzip zu verdrängen, das vielmehr noch am Ende des 18. Jahrh, im preußischen Allgemeinen Land­ recht zur Geltung gelangte. Dagegen war die individualistische Richtung des 19. Jahrhunderts dem römischen Rechte günstig, das denn auch im sächsischen Gesetzbuchs des Jahres 1863 und im ersten Entwürfe des BGB vom Jahre 1888 beinahe unge­ trübt zum Ausdruck kam. Indessen hatte sich im Handelsrecht das wirthschaftlich zweck­ mäßigere deutschrechtliche Prinzip erhalten und im HGB von 1861 bei Normirung der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft gesetzliche Anerkennung gesunden. Das BGB hat sich vom römischen Recht nicht vollständig losgesagt, sich aber im Wesentlichen an deutschrechtliche Grundsätze ange­ schlossen, so daß zwischen der Gesellschaft des neuen bürgerlichen Rechts und der Handelsgesellschaft weniger Unterschiede bestehen, als zwischen dieser und der societaa des römischen Rechts. 2. Das BGB kennt nur eine einzige Gesellschafts­ form, seine Bestimmungen mußten daher auf Gesellschaften der verschiedensten Art berechnet werden. Das HGB dagegen enthält Normen für die verschiedensten Gesellschaftsgebilde. Alle Handelsgesellschaften sind Erwerbsgesellschasten, daher ist für sie die Kreditgrundlage von entscheidender Wichtigkeit. Diese Grund­ lage wird gebildet entweder ourch die persönlichen Eigenschaften der Mitglieder oder durch ein Kapital: die offene Handelsgesell­ schaft ist ausschließlich auf die persönliche Haftung sämmtlicher, die Kommanditgesellschaft auf die persönliche und unbegrenzte Haftung einzelner und die beschränkte Haftung anderer Gesell­ schafter, die Aktiengesellschaft, welche übrigens die Eigenschaft einer juristischen Person hat, ausschließlich auf die Haftung eines Kapitales und damit auf die begrenzte Haftung aller Mitglieder gegründet. Eine Art der Kommanditgesellschaft, doch mehr ähnlich der Aktiengesellschaft, ist die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Eine Kapitalgesellschaft ist ferner die G. mit beschränkter Haftung.

Endlich kann die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaft auf persönliche oder auf Kapitalhaftung gegründet sein. Im Folgenden werden die ganz oder im Wesentlichen auf unbeschränkter persönlicher Haftung beruhenden Gesellschaften des bürgerlichen und des Handelsrechts gleichzeitig, darauf die Kapital­ gesellschaften und die sog. eingetragenen Genossenschaften be­ handelt werden. Aehnlichkeit mit der Kommanditgesellschaft hat die stille Gesellschaft. Letztere tritt aber nach außen nicht als Gesell­ schaft auf. Beide Gesellschaftsformen fanden ihre geschichtliche Grundlage in der schon im Alterthum vorkommenden, im Mittel­ alter entwickelten commenda, d. h. einem „sozietätsmäßigen Kreditgeschäft"*), das in der Kapitalbetheiligung an einer von einem Andern betriebenen Erwerbsthätigkeit bestand und in sehr verschiedenen Formen und zu sehr verschiedenen Zwecken vorkam.

Die Gesellschaft des bürgerlichen Recht- «nd die Sozietäten de- Handelsrecht-. 1. Entstehung und Arten. Die Gesellschaft kann nur durch

§ 137.

Vertrag entstehen. Nach altem und neuem Recht grundsätzlich formfrei, ist der Vertrag nach neuem Recht (§ 313 BGB, 105 Abs. 2, 161 HGB) der gerichtlichen oder notariellen Beurkun­ dung dann unterworfen, wenn sich ein Gesellschafter zur Ein­ bringung eines Grundstücks verpflichtet. Daß die offene G. und die Kommandit-G. in das Handelsregister einzutragen sind (§§ 106—108, 161, 162 HGB), ist nur eine Ordnungsvorschrift und hat zur Folge, daß die Wirksamkeit des Gesellschaftsver­ trages Dritten gegenüber, sofern die Gesellschaft nicht schon vor­ her ihre Geschäfte begonnen hat, spätestens mit der Einttagung eintritt (§ 123 HGB), und nur in dem Falle, daß die Eigen­ schaft eines Unternehmens als eines Handelsgewerbes von der Einttagung einer Firma abhängt, erlangt das etwa schon vor­ handene civilrechtliche Gesellschaftsverhältniß die Eigenschaft der offenen Handelsgesellschaft mit der Einttagung. In Uebereinstimmung mit dem bisherigen Rechte bezeichnet das BGB § 705 den Gesellschaftsvertrag als denjemgen Vertrag, durch welchen sich „die Gesellschafter gegen­ seitig verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten". Diese Begriffsbestimmung ist allgemein und enthält daher auch die wesentlichen Merkmale eines jeden Handelsaesellschastsverttages. Der Zweck muß ein erlaubter und möglicher >) Goldschmidt: Universalgeschichte de» Handelsrecht». 1891. S. 262.

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(§§ 138, 306, 309 BGB), er braucht nicht nothwendig ein vermögenSrechtlicher zu sein, der Zweck einer Handelsgesellschaft aber ist immer Vermögenserwerb. Durch den Vertrag wird jeder Ge­ sellschafter gegenüber jedem andern Gesellschafter verpflichtet; Gegenstand der Verpflichtung kann jede mögliche Leistung sein, selbst bei der Handelsgesellschaft in bloßen Diensten oder in der Verwerthung besonderer persönlicher Eigenschaften (Kenntnisse, Geschäftserfahrung) bestehen. Daher beruht das Wesen der Ge­ sellschaft auf gegenseitigem Vertrauen, wenngleich bei den Er­ werbsgesellschaften zuweilen nur auf dem Vertrauen in die Vermögenskräfte deS Andern. Eine offene Handelsgesellschaft ist eine solche G., deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet und bei welcher die Haf­ tung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschastsgläubigern nicht beschränkt ist (§ 105 HGB). Auch die Kommanditge« sellschaft bezweckt den Betrieb eines Handelsgewerbes unter ge­ meinschaftlicher Firma, aber sie hat die Eigenthümlichkeit, daß bei einem oder einigen Gesellschaftern die Haftung auf eine bestimmte Vermögenseinlage beschränkt (Komman­ ditisten). bei den anderen Gesellschaftern (persönlich haftenden G., sog. Komplementären) eine unbeschränkte ist (8 161 HGB). Ist das Kapital der Kommanditisten in Aktien zerlegt, so ist eine KG auf Aktien vorhanden (§ 320 HGB *). Hiernach ist eine Vereinigung zum Betriebe eines einzelnen Handelsgeschäftes, sowie jede Vereinigung zum Betriebe eines Handelsgewerbes, doch ohne gemeinschaftliche Firma nie eine Handelsgesellschaft; auch die Vereinigungen von Handwerkern und Kleinkaufleuten zum Betriebe eines Gewerbes sind nur Ge­ sellschaften des bürgerlichen Rechts (§ 4 HGB). Schon durch seine Begriffsbestimmung lehnt das HGB n. F. die übrigens jetzt fast allgemein verworfene Auffassung der Handels­ gesellschaften als juristischerPersonen, und durch seinen Hinweis auf das BGB, also auch den § 705, die Auffassung ab, als bestehe die Handelsgesellschaft nicht in einem gegenseitigen Verpflichtungs­ verhältniß, sondern nur in der Haftung für die Schulden eines unter gemeinschaftlicher Firma betriebenen Handelsgewerbes.

Gesellschaft ist ferner auch die stille Gesellschaft. Sie besteht darin, daß sich Jemand an dem von einem Andern be­ triebenen Handelsgewerbe mit einer Vermögenseinlage „als stiller Gesellschafter" d. h. mitAntheil am Gewinne und regelmäßig auch mitAntheil am Verluste betheiligt (8 335 HGB). Ihr fehlt die gemeinschaftliche Firma, das

i) Tie ist nach neuem Recht mehr Aktiengesellschaft al« Kommanditgesellschaft.

Gesellschaftsverhältniß tritt nach außen nicht hervor, das Handelsgewerbe wird von dessen Inhaber allein und unter seiner Firma betrieben, daher wird er allein berechtigt und verpflichtet, die

Mitwirkung des stillen Gesellschafters besteht nur in der Ein­ zahlung der Einlage. Das Rechtsverhältniß der füllen G. hat danach Aehnlichkeit mit dem Darlehn. Aber während der An­ spruch auf Rückzahlung des Darlehns sich gleich bleibt, auch wenn der Darlehnsempfänger Verluste erleidet, nimmt der fülle Gesellschafter am Risiko des Unternehmens Theil, er kann also seine Einlage ganz oder theilweise verlieren, wenn er am Ver­ luste betheiligt ist (§ 336 HGB). Ist er, was nach dem neuen HGB zulässig ist, *) nur am Gewinn betheiligt, so ist das Rechts­ verhältniß allerdings nur das eines qualifizirten Darlehns, da. es sich in diesem Falle vom einfachen Darlehn nur dadurch unterscheidet, daß der stille Gesellschafter nicht festbesümmte Zinsen, sondern Dividende (Gewinnantheil) zu fordern hat. Die Folge ist, daß die stille G. immer nur zwischen dem Inhaber des Geschäfts und einem stillen Gesellschafter bestehen kann. Derselbe Kaufmann kann aber mit mehreren Personen je eine fülle G. eingehen, ein Rechtsverhältniß unter den mehreren füllen Genossen entsteht nicht. Hierin liegt ein Unterschied zwischen der stillen G. und der Kommandit-G. Der oder die Komple­ mentäre können sich mit mehreren Kommanditisten verbinden, die Kommanditisten treten dann auch untereinander in das Gesell­ schaftsverhältniß. 2. Das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander beginnt mit dem Abschluß des Gesellschaftsvertrages oder dem darin festgesetzten Ereignisse oder Zeitpunkte und richtet sich nach diesem Vertrage. Die mit der a. pro socio geltend zu machenden Gesell­ schaftspflichten bestehen nach altem und neuem Recht in der durch den Vertrag selbst bestimmten oder aus dem Zwecke der G. sich bestimmenden Förderung des Gesellschaftszweckes, insbe­ sondere in der Leistung der bedungenen Beiträge. Denn diese bilden die regelmäßige, sehr häufig die einzige gesellschaftliche Leistung. Hieraus folgt, daß die Befreiung eines Gesellschafters von der Leistungspflicht, also auch vom Verluste, den Vertrag der Eigenschaft eines Gesellschaftsvertrages entkleidet. Aber auch, wenn ein Gesellschafter von den Vortheilen der gemein­ samen Leistungen ausgeschlossen und nur am Verluste betheiligt ist (soc. leonina), ist ein Gesellschaftsvertrag nicht vorhanden. Die Beiträge können ungleich sein, im Zweifel sind sie nach altem und neuem Recht gleich (§ 706 BGB, 105 Abs. 2 HGB). *) Sergi, übrigen» R) Nicht ein solcher, auf den die Borschristen oom Erwerb durch den Richtberechtigten blos „entsprechende Anwendung" finden z. B. § 185 BGB. 2) Windscheid: Zwei Fragen au» der Lehre von der Beipflichtung jur Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. 1878.

neuen Rechts geht aber auch gegen Denjenigen, welcher vom ursprünglich Bereicherten das Erlangte unentgeltlich erworben hat (§ 822). Denn durch den Liberalitätsakt begiebt sich dieser oer Regel nach der Bereicherung und damit der dem Geschädigten gegenüber bestehenden Herausgabepflicht. Die Erstattung geschieht nach altem und neuem Recht (§ 818) grundsätzlich durch Herausgabe des Erlangten selbst, und nur, wenn dies nicht ausführbar, durch Erstattung des Werthes. § 160. c. Die Geschäftsbesorgung ohne Auftrag.

Wenn Jemand („der Geschäftsführer") die Angelegenheiten eines Andern („des Geschäftsherrn") besorgt, ohne von diesem einen Auftrag erhalten zu haben oder sonst z. B. als Vormund, gerichtlich bestellter Verwalter, zur Vornahme der Geschäfte des Andern berechtigt zu sein (Geschäftsführung ohne Auftrag, nego­ tiorum gestio, § 677 BGB), so können auf beiden Seiten Ver­ bindlichkeiten entstehen. Die Ansprüche des Geschäftsherrn werden mit der a. nego­ tiorum gestorum directa, die des Geschäftsführers mit der a. neg. gest, contraria geltend gemacht. Die Voraussetzungen der negotiorum gestio sind nach altem und neuem Recht: 1. Der Mangel eines dem Geschäftsführer zustehenden Rechtes-zur Geschäftsbesorgung, insbesondere also eines vom Ge­ schäftsherrn ertheilten Auftrages (§677); danach ist eine Geschäfts­ führung ohne Auftrag gegenüber dem dominus negotii auch dann vorhanden, wenn ein Anderer den Auftrag gegeben hatte. 2. Die Geschäfte müssen für den Geschäftsführer fremde sein, mag er sich auch in der Person des Geschäftsherrn irren (§686). Hält der Gestor die Geschäfte irrig für seine eigenen, so ist nach der herrschenden Meinung des gemeinen Rechts (RG 25, 136) und nach neuem Recht (§ 687 Abs. 1) keine negotiorum gestio

vorhanden. Es können daher nur Ansprüche aus grundloser Be­ reicherung (§ 812) oder aus Delikt (§ 823) entstehen. 3. Es muß ein Geschäft besorgt worden sein, das auch der Geschäftsherr selbst voraussichtlich würde vorgenommen haben. Das bisherige Recht verlangte ein utiliter gestum, und man stritt, ob das utile nach einem objektiven Maßstabe oder nach dem subjektiven Meinen des dominus zu bemessen sein. Das BGB (88 677, 678) hat sich der herrschenden subjektivistischen Auf­ fassung angeschlossen, indem es den wirklichen oder muthmaßlichen Willen des Geschäftsherrn zur Richtschnur nimmt. Es kommt also auf die besonderen Anschauungen gerade dieses dominus negotii an, selbst wenn sie vom Standpunkte des verständigen Menschen nicht zu billigen sind. Was hierüber

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hinausgeht, ist nicht negotiorum gestio, sondern unbefugtes Ein­ mischen in fremde Angelegenheiten, das nach altem und neuem Recht (§ 678) den Gestor schadensersatzpflichtig macht, selbst wenn er bei Ausführung des Geschäftes mit aller Sorgfalt gehandelt hat. Von diesem subjektiven Standpunkte weicht das BGB (§ 679) in zwei Fällen, in denen der entgegengesetzte Wille des dominus vom Gesetz nicht gebilligt wird, ab: wenn es sich um die Erfüllung einer Pflicht, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, oder um die Erfüllung einerfälligen gesetzlichen Unterhaltspflicht handelt'). 4. Das alte und das neue Recht (§ 685) erfordern die Ab­ sicht des Geschäftsführers, vom Geschäftsherrn Ersatz zu verlangen (den animus obligandi). Das Fehlen dieser Absicht hat der Geschäftsherr zu beweisen; sie fehlt aber dann, wenn der Gestor mit jener Dienstleistung eine Verpflichtung tilgen oder sich gefällig erweisen wollte. Das BGB (§ 685 Abs. 2) erhebt die faktische Vermuthung, daß die Gewährung von Unterhalt von Seiten der Eltern oder Voreltern an ihre Abkömmlinge ohne Verpflichtungs­ absicht geschehe, zur gesetzlichen. Liegen diese Voraussetzungen und mit ihnen eine negotiorum gestio vor, so ist der Geschäftsführer nach altem und neuem Recht zur Anwendung aller Sorgfalt verpflichtet, und nur bei Abwendung dringender Gefahren ist vom BGB die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers auf die Vertretung von Vorsatz und grober Fahr­ lässigkeit beschränkt (§§ 677, 680). Der Geschäftsführer ist ferner nach altem und neuem Recht (§ 681) zur sofortigen Anzeige von dem Beginn der gestio, zur Rechenschaftsablegung und zur Heraus­ gabe alles dessen verpflichtet, was er aus der Geschästsbesorgung erlangt hat. Denn andernfalls würde er den Geschäfsherrn schädigen. Der Geschäftsherr aber ist nach altem und neuem Recht (88 683, 984) verpflichtet, dem Gestor Ersatz seiner Aufwendungen zu leisten, und, liegt eine wahre neg. gestio nicht vor, ihm die Bereicherung herauszugeben. Denn andernfalls läge eine Schädigung des Geschäftsführers vor. Unter „Geschäft" (negotium) fällt jede erlaubte Thätig­ keit. Nimmt der Geschäftsführer ein Rechtsgeschäft für den Geschäftsherrn vor, so wird es nach altem und neuem Recht für den Geschäftsherrn erst mit der von ihm ertheilten Genehmigung verbindlich. Da die Geschäftsführung einen auf den Eintritt von Rechts­ folgen gerichteten Willen verlangt, ist sie nach BGB Rechtsgeschäft (88 677, 685), eine Eigenschaft, die ihr natürlich dann fehlt, wenn der Gestor geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt T) Nach römischem Recht galt Gleiches im Falle der Beerdigung eineLeichnams durch Jemand, der hierzu nicht verpflichtet war (a. fimeriria).

ist. Daher haftet ein solcher Geschäftsführer nicht auf Grund der negotiorum gestio, sondern auf Schadensersatz, wenn er eine unerlaubte Handlung begangen hat, oder auf die Bereicherung (§ 682). Die Folge ist, daß auch einem solchen Geschäftsführer gegenüber der Geschäftsherr nur auf die Bereicherung haftet. 4. Obligationen aus thatsächlichen Zuständen.

§ 161. a. Die Gemeinschaft. Die Thatsache allein, daß ein Recht Mehreren gemein­ schaftlich zusteht, begründet unter den Theilhabern Rechte und Pflichten. Eine solche Gemeinschaft kann durch ein zufälliges Ereignitz oder durch Verfügung eines Dritten entstehen (sog. com» munio incidens). Entsteht die Gemeinschaft durch einen Vertrag, so ist damit zugleich ein gemeinsamer Zweck gesetzt, die bloße Gemeinschaft also zur Gesellschaft gesteigert. Das bloße Gemeinschafts-Verhältniß setzt einen Vermögensgegenstand voraus, der Allen gemein sein kann, daher trat im römischen Recht bei dem Erwerb einer auf einen theilbaren Gegenstand gerichteten Forderung durch Mehrere keine communio ein, da die Forderung ohne Weiteres in mehrere Theilforderungen auseinander ging. Nach neuem Recht aber kann nicht nur eine Eigenthumsgemeinschaft oder eine Gemeinschaft an anderen dinglichen Rechten oder eine Erbengemeinschaft, sondern auch eine Forderungsgemeinschaft be­ stehen (8 432 BGB). Das BGB kennt sowohl die römischrechtliche Gemein­ schaft nach Bruch theilen (Quoten, ideellen Antheilen) als auch die deutschrechtliche Gemeinschaft zur gesammten Hand. Die letztere tritt aber nur in den vom Gesetz besonders be­ stimmten Fällen, nämlich im Falle der Gemeinschaft der Ge­ sellschafter, des Gesammtgutes bei der ehelichen Gütergemeinschaft und des Gesammteigenthums der Miterben (§§ 718 ff., 143bff., 1519ff., 1549ff., 2032ff. BGB), sowie im Falle der Rhederei (88 489 ff. HGB) ein. In allen anderen Fällen besteht eine Ge­ meinschaft nach Bruchtheilen (8 741 BGB), insbesondere also im Falle des Miteigenthums (8 1008ff). Der Antheil ist Gegenstand des Sonderrechtes des Einzelnen und unterliegt seiner freien Verfügung. Die Antheile sind im Zweifel gleiche. Verfügungen über den gemeinschaftlichen Gegen­ stand aber können nur von allen Gemeinern, also nur mit Stimmen­ einhelligkeit getroffen werden. Doch kann jeder Einzelne Maßregeln treffen, die zur Erhaltung des Gegenstandes nothwendig sind. Auch kann nach neuem Recht durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des Gegenstandes entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschlossen werden, und ein derartiger

464 Beschluß wirkt wie eine Vereinbarung für und gegen die Sonder­ nachfolger der Gemeiner (§§ 742, 745—748). Nach altem und neuem Recht sind die Theilhaber verpflichtet, die Früchte des Gegenstandes nach Maßgabe der Größe der den Einzelnen zustehendenQuoten zu theilen und einander den Gebrauch des Gegenstandes so weit zu gestatten, daß dadurch den andern Theilhabern der Mitgebrauch nicht beeinträchtigt wird (743). Jedem Theilhaber steht das sich unaufhörlich erneuernde und daher unverjährbare Recht zu, Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen. Die Theilung kann in jedem Falle durch Vertrag bewirkt werden, daS Recht auf Theilung aber muß auch gegen den widerstrebenden Theilhaber durchgesetzt werden können. Diesem Zwecke diente im römischen und früheren gemeinen Rechte die actio communi dividundo, d. h. eine Klage, die den Richter veranlaßte, die Theilung in angemessener Weise selbst vorzu­ nehmen. Die Klage war deshalb eine actio duplex, da sie nicht blos die Verurtheilung des Gegners, sondern regelmäßig auch die des Klägers selbst veranlaßte, und das Urtheil hatte rechtsbegrün­ dende Wirkung. Ein solches Verfahren ist dem heutigen Prozeß­ recht fremd. Widerstrebt ein Theilhaber der verlangten Theilung, so kann er zwar durch Klage gezwungen werden, sich die Thei­ lung überhaupt oder eine bestimmte Art der Theilung gefallen zu lassen (Theilungsklage im Sinne des § 24 CPO), der Richter entscheidet dann aber nur darüber, ob der Anspruch begründet ist, er nimmt die Theilung nicht selbst vor, und sein Urtheil hat nur feststellende Wirkung (§§ 749 ff.). Nach neuem Recht ist ferner die Zwangsversteigerung eines gemeinschaftlichen Grundstücks zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft zulässig. Das Antragsrecht steht nur dem ein­ getragenen Miteigenthümer oder seinen Erben zu. Der Antrag wird, ohne daß es eines Prozesses und eines vollstreckbaren Titels bedarf, beim Amtsgericht der belegenen Sache gestellt. Der Verkauf kann nur erfolgen, wenn das geringste Gebot erreicht wird. Dieses Gebot muß diejenigen Lasten decken, welche auf dem Antheile des Antragstellers ausschließlich oder miteingetragen sind, weil diese Rechte durch den Theilungsantrag nicht gefährdet werden dürfen. Daher müssen bei Feststellung des Mindestgebotes aber auch die auf andern Antheilen haftenden Rechte berücksichtigt werden, sofern sie jenen Rechten im Range gleiwstehen oder vor­ gehen, denn sonst würden sie das aus diesem Rangverhältnisse sich ergebende Recht verlieren. Andere, später eingetragene Rechte werden beim Mindestgebot nicht berücksichtigt, sie müssen aus dem Erlöse befriedigt werden und laufen also Gefahr, auszufallen. Denn durch die spätere Belastung von Antheilen kann das mit dem

Eintritt der Gemeinschaft von selbst gegebene Recht, Theilung zu verlangen, nicht beeinträchtigt werden (§§ 180—184 ZwstG). Das Recht auf Theilung wird vom Gesetz begünstigt. Nach altem Recht konnte es durch Vertrag nicht für alle Zeiten be­ seitigt werden, und nach neuem Recht kann aus einem wichtigen Grunde Theilung auch dann verlangt werden, wenn die Thei­ lung für immer oder auf Zeit durch Vertrag ausgeschlossen oder eine Kündigungsfrist vereinbart ist; ferner erlischt der auf Zeit beschränkte Ausschluß der Theilung mit dem Tode eines Theilhabers ohne weiteres. Alle derartigen Vereinbarungen wirken für und gegen die Sondernachfolger. Hat aber ein Gläubiger die Pfändung eines Antheils erwirkt und gegen den Gemeiner einen endgültig vollstreckbaren Titel erlangt, so ist er, ohne an eine Vereinbarung der Theilhaber gebunden zu sein, berechtigt, die Theilung zu verlangen (§§ 749 ff.). Die Theilung erfolgt nach altem und neuem Recht in Natur, wenn nach der Beschaffenheit des Gegenstandes diese Art der Thei­ lung möglich ist, andernfalls durch Verkauf des gemeinschaftlichen Gegenstandes nach den Vorschriften über den Pfandverkauf und bei Grundstücken im Wege der Zwangsversteigerung (§§ 752ff.). § 162.

b. Die Pflicht zur Unterhaltsgewährung.

1. Diese Pflicht kann ihren Grund in der Verwandtschaft haben. In diesem Falle knüpft das Gesetz an die Thatsache der Verwandtschaft die Unterhaltsobligation. Alimentationspflichtig sind nach altem und neuem Recht (§ 1601) die Verwandten in gerader Linie gegenseitig. Gegenüber unehelichen Kindern beschränkt sich Recht und Pflicht auf die Mutter und die mütter­ lichen Ascendenten. Nach römischem und gemeinem Recht wird der Alimentationsanspruch eines Kindes gegen seinen Ascendenten durch grobe Verletzung der Kindespflichten gänzlich verwirktZ; hierüber entscheidet richterliches Ermessens. Nach neuem Recht tritt niemals der gänzliche Verlust, sondern nur eine Beschränkung des Unterhaltsanspruches auf den nothdürftigen Unterhalt ein, aber für jeden Unterhaltsberechtigten, und zwar dann, wenn Um­ stände vorliegen, die zu einer Pflichttheilsentziehung berechtigen würden (§ 1611). Nach altem Recht ist der Vater vor der Mutter, die Groß­ eltern sind nach den Eltern verpflichtet. Das neue Recht läßt 1) L. 5 §§ 11 D. agn. et al. lib. 26, 3; c. 4 Cod. de al. lib. 5,25. RG 5, 154. 2) Borliegen eines Enterbungsgrundes berechtigt zur Verweigerung der Alimentation RG 5, 164. Engelmann, d. bürgerliche Recht Deutschlands.

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466 Abkömmlinge nach der gesetzlichen Erbfolgeordnung und den Ver­ hältnissen der Erbtheile, unter den nach ihnenberufenenAscendenten die näheren vor den entfernteren und mehrere gleich nahe zu gleichen Theilen haften (§ 1606). Voraussetzung der Unterhaltsberechtigung ist Hülfsbedürftiakeit des Berechtigten und Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Hilfsbedürftig aber ist, wer außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602). Diese Thatsache hat der Unter­ haltsberechtigte zu beweisen, der in Anspruch Genommene aber hat sein Unvermögen darzuthun. Die für den Umfang der Unter­ stützungspflicht maßgebende Leistungsfähigkeit des Pflichtigen be­ mißt sich nicht blos nach seinem Einkommen, sondern es kommt dabei sein Vermögen in Betracht (RG 5, 154). Unvermögend ist er nur dann, wenn er hiernach bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, ohne Gefährdung seines standesmäßigen Unterhaltes den Unterhalt zu gewähren (88 1603 — 1605). Der Anspruch geht auf standesmäßigen d. h. nach der Lebensstellung des Berechtigten zu bemessenden Un te r h a lt (81610). Der Unterhalt wird in Gestalt einer Rente und nur, wenn be­ sondere Gründe vorliegen, auf Verlangen des Berechtigten in anderer Weise gewährt (1612). Der Unterhaltsanspruch als solcher erlischt sowohl mit dem Tode des Berechtigten, als mit dem Tode des Verpflichteten. Ver­ erblich aber ist der Anspruch auf die fällig gewordenen Alimente (8 1615). Allen Unterhaltspflichtigen geht der Ehegatte des Hülfsbedürftigen vor (darüber im Eherecht). 2. Unterhaltspflichtig ist nach altem und neuem Recht auch der Erzeuger eines unehelichen Kindes. Ueber den Rechtsgrund dieser Verpflichtung wurde ge­ stritten. Die eine Auffassung erklärte den außerehelichen Beischlaf als Delikt und verpflichtete daher den Delinquenten zur Ent­ schädigung der Mutter, d. h. zur Zahlung der Entbindungs- und Sechswochenkosten, sowie zur Alimentirung des Kindes. Dieser Ansicht steht entgegen, daß der Beischlaf von der Mutter nicht als unerlaubte Handlung gerügt werden kann, weil sie Theilnehmerin dieser Handlung war, und daß dem Kinde gegenüber nicht diejenige Handlung, der es sein Leben verdankt, eine un­ erlaubte sein kann. Die zweite Ansicht (RG 7, 340; 40, 179) gründete den Anspruch des Kindes auf dessen natürliche Verwandt­ schaft mit seinem Erzeuger, den Anspruch der Mutter auf die Billigkeit, oder, was richtiger ist, auf eine nicht-deliktische Schädi­ gung. Das BGB hat sich in beiden Beziehungen der zweiten

Ansicht angeschlossen. Die Folge der ersten Ansicht ist die, daß alle Diejenigen, welche das Delikt begangen haben und die also das Kind erzeugt haben können, solidarisch haften, die Folge der zweiten Ansicht die, daß nur Derjenige verpflichtet ist, der als Erzeuger festgestellt ist. Haben Mehrere innerhalb der Empfängnißzeit mit der Mutter den Beischlaf vollzogen, so kann jeder von ihnen der Vater sein, folglich haftet in diesem Falle Keiner (§§ 1708, 1715, 1717 BGB). Als Erzeuger eines unehelichen Kindes galt nach altem Recht Derjenige, der mit der Mutter in der Zeit vom 182.—300. Tage, gilt nach neuem Recht (§ 1717) Der, welcher mit ihr in der Zeit vom 181.—302. Tage vor der Geburt des Kindes (Empfängnißzeit) den Beischlaf vollzogen hat. Der Anspruch kann nur durch die e. plurium constupratorum beseitigt werden, die Thatsache, daß die Mutter leicht zu gewinnen ist, hat nur die Bedeutung eines Beweisgrundes. Wer aber nach der Geburt seine Vaterschaft in einer öffentlichen Urkunde anerkennt, verliert jenen Ein­ wand (§ 1718). Die Unterhaltspflicht erreicht ihr Ende mit dem vollendeten 16. Lebensjahre des Kindes, sie geht ausnahmsweise über diesen Zeitpunkt hinaus, wenn das Kind in diesem Alter in Folge geistiger oder körperlicher Gebrechen erwerbsunfähig ist (§ 1708). Der Unterhalt umfaßt den gesummten Lebensbedarf nach der Lebensstellung der Mutter und erstreckt sich auch auf die Erziehungs- und Bekleidungskosten.

§ 163.

c. Die Ausstattungspflicht.

Nach römischem und gemeinem Recht hat die Tochter, gleich­ viel ob sie noch oder nicht mehr unter väterlicher Gewalt steht, das Recht, von ihrem Vater oder väterlichen Großvater die Ge­ währung einer dos zu verlangen. Die Größe der dos bestimmt sich nach dem Vermögen des Verpflichteten und der Lebensstellung des Ehemannes der Tochter. Die Mutter ist, abgesehen von dem nicht in das gemeine Recht übergegangenen Falle, daß die Tochter rechtgläubig, die Mutter aber nicht rechtgläubig ist, dota­ tionspflichtig nur ex magna et probabili causa, wohin gehört, daß die Tochter arm, die Mutter aber sehr vermögend ist. Das neue Recht kennt nur eine Pflicht zur Gewährung einer Aussteuer, d. h. solcher Vermögensgegenstände, die der Ein­ richtung des Haushaltes einer heirathenden Tochter dienen (§1620). Die Pflicht ruht auf dem Vater, aber auch auf der Mutter, wenn der Vater todt oder unvermögend ist. Die Aussteuer soll an­ gemessen sein. Die Pflicht zu ihrer Gewährung besteht aber nur

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468 dann oder nur insoweit, als der Verpflichtete bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen ohne Gefährdung seines standesmäßigen Unterhalts dazu im Stande ist und nicht die Tochter selbst ausreichendes Vermögen hat. Der Anspruch fällt weg, wenn die Tochter ohne die erforderliche (§ 1304ff.) Einwilligung der Eltern heirathet oder wenn sie sich einer Verfehlung schuldig macht, welche die Eltern zur Pflichttheilsentziehung berechtigt (§ 1621). Entgegen dem gemeinen Recht befreit das neue Recht den Verpflichteten, wenn die Tochter für eine frühere Ehe eine Aussteuer erhalten hat. Die Verjährung des (nicht übertragbaren) Anspruches tritt nach Ablauf eines Jahres seit Eingehung der Ehe ein (§§ 1622, 1623). Die durch Verführung begründete Dotationspflicht des bis­ herigen Rechts ist dem neuen Recht unbekannt.

§ 164.

d. Verpflichtung zum Vorzeigen.

1. Nach römischem und gemeinem Recht kann Derjenige, welcher einen Anspruch zu haben glaubt, die Vorzeigung der Sachen verlangen, ohne deren Besichtigung er den Anspruch nicht begründen kann. Im älteren römischen Recht durfte Der, der eine mit einer anderen verbundene Sache vindiciren wollte, sogar die Trennung der Sache begehren (actio ad exhibendum). Dieses Trennungsrecht ist später weggefallen und vom BGB nicht wieder ausgenommen worden, da der Anspruch auf Trennung in dem auf Herausgabe enthalten ist. Das neue Recht hat auch die Vorweisungspflicht eingeschränkt (§ 809). Es setzt voraus, 1) daß gegen den Besitzer einer— beweglichen oder unbeweglichen — Sache ein Anspruch in Ansehung der Sache besteht oder daß der Berechtigte sich erst Gewißheit verschaffen will, ob ihm ein solcher Anspruch zusteht, und 2) daß er aus diesem Grunde ein Interesse an der Besichtigung der Sache hat. Der Anspruch ist also insbesondere dann unbegründet, wenn das Verlangen ein chikanöses ist (§ 226) oder nur auf Verrath eines Geschäfts­ geheimnisses abzielt (§ 10 Ges. über d. unlauteren Wettbewerb). 2. Ueber die Vorlegung von Urkunden hatte das römische Recht zahlreiche ins Einzelne gehende Bestimmungen (a. de edendo u. a. de tabulis exhibendis). Das moderne Recht hat die Zahl der Fälle einer Urkundenvorlegungspflicht erweitert, insbesondere den Mitgliedern von Handelsgesellschaften das Recht eingeräumt, die Bücher und Papiere der Gesellschaft einzusehen. Die CPO hat alle diese Sonderbestimmungen aufrechterhalten und die sog. Editionspflicht einer alsBeweismittel wichtigen Urkunde außerdem im Falle der Gemeinschaftlichkeit der Urkunde anerkannt (§ 387).

Das BGB giebt eine allgemeine und einzelne Sonderbestimmungen. Allgemein ist angeordnet (§ 810), daß die Vor­ weisung einer Urkunde begehren kann ein Jeder, der ein recht­ liches Interesse an der Kenntniß des Inhalts der Urkunde hat, dann wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet oder in der Urkunde ein zwischen ihm und einem Anderen bestehendes Rechts­ verhältniß beurkundet ist oder wenn die Urkunde auch nur Ver­ handlungen über ein Rechtsgeschäft enthält, die zwischen ihm und einem Andern oder zwischen einem von Beiden und einem gemein­ schaftlichen Vermittler gepflogen worden sind. Besondere Be­ stimmungen enthalten § 716 (Gesellschafter), § 2010 (NachlaßInventar), § 2264 (Testament). Die CPO hatte daher in ihrer neuen Fassung (§ 422) nur nöthig, auf das bürgerliche Recht Bezug zu nehmen. Jnteressirt die Urkunde nicht als Beweismittel, sondern als Rechtsobjekt, so kommen die Vorschriften über die Vorlegung von Sachen (§ 809 BGB) zur Anwendung.

Viertes Buch: Das Sachenrecht. A. Der Lefitz. 8 165.

Der Begriff des Besitze-.

Besitz ist die thatsächliche Möglichkeit, mit Ausschlie­ ßung Anderer über eine Sache zu verfügen. Diese Mög­ lichkeit kann bestehen ohne Recht, der Besitz ist also an sich eine vom Rechte unabhängige, zuweilen im Gegensatze zum Recht stehende Thatsache. Aber er ist eine rechtlich bedeutsame That­ sache und darum ein Rechtsverhältniß. Denn in zahlreichen Fällen ist der Erwerb des Besitzes Voraussetzung für den Erwerb eines Rechtes, insbesondere des Eigenthums und des Pfandrechts; die Ausübung von Rechten hängt in vielen Fällen von der Erlangung des Besitzes ab; der Besitz giebt ferner bei dem Streit um Rechte eine Vortheilhafte Stellung. Das objektive Recht muß deshalb bestimmen, wie das thatsächliche Verhältniß einer Person zu einer Sache beschaffen sein muß, damit es mit den Rechtsfolgen des Besitzes ausgestattet werden könne, es muß also auch bestimmen, wie der Besitz erworben und verloren wird. Der Besitz genießt ferner Rechtsschutz. Wie das positive Recht dazu kommt, eine Thatsache, die zuweilen der Ausdruck groben Unrechtes ist, zu schützen, während der gerichtliche Schutz sonst nur Rechten ge­ währt wird, ist Gegenstand zahlreicher Erklärungsversuche gewesen. Man unterscheidet absolute Theorien, die den Besitz um seiner selbst willen, und relative Theorien, die ein außerhalb des Besitzes liegendes Gut schützen wollen, und hat insbesondere den Grund des Besitzschutzes in der gegen den Besitzer verübten Gewalt (v. Savigny), in dem im Besitz realisirten Willen des Besitzers (Puchta, Bruns, Windscheid), in der Eigenschaft des Besitzes als ver „Thatsächlichkeit und Sichtbarkeit des Eigenthums" (v.Jhering) erblickt. Das Richtige dürfte wohl sein, daß die Rechtsordnung im Interesse der Rechtssicherheit jede eigenmächtige Aenderung in der thatsächlichen Vertheilung der Sachgüter, eben weil sie sich nicht auf dem Wetze Rechtens vollzieht, als Rechtswidrigkeit behandeln muß *). Diese Auffassung dürfte erklären, daß der *) Ich glaube, daß dies mit Dernburg Pand. I§ 170 übereinstimmt.

Dieb gegen den Bestohlenen nicht geschützt werden darf, gegen jeden Andern aber geschützt werden muß. Sie führt aber zu einer Er­ weiterung des Besitzschutzes gegenüber dem römischen Recht. Diese Anschauungen beherrschten das gemeine Recht, sie waren herübergenommen aus dem römischen Recht, das die rechtliche Bedeutung des Besitzes erkannt und ihn zu einem besonderen Rechtsinstitut entwickelt hatte. Nach römischem Recht ist Besitz nur da vorhanden, wo die Herrschaft eine ausschließliche ist. Bedarf es zur Aus­ übung oer Herrschaft der Willenserklärung oder der Verdrängung eines Andern, so ist vor der Erklärung oder Verdrängung Besitz nicht vorhanden. Deshalb enthält eine Thätigkeit, welche die Herrschaft des Andern brechen soll, noch keinen Besitzerwerb. Besitz ist aber schon dann vorhanden, wenn nur die thatsächliche

Möglichkeit einer Einwirkung auf die Sache besteht. Es bedarf nicht der unausgesetzten Einwirkung auf die Sache, sie ist möglich, wenngleich ihr augenblicklich Schwierigkeiten entgegen­ stehen, wie bei schwimmenden Baumstämmen. Daher enthält eine Thätigkeit, die zum Zwecke des Besitzerwerbs die Besitzergreifung eines Andern verhindern soll, einen Besitzerwerb noch nicht. Besitz hat Der nicht, der nicht besitzen will. Besteht die Möglichkeit einer Einwirkung auf die Sache ohne den Willen, so besteht nur ein räumliches Verhältniß der Person zur Sache. Deshalb lehrte das römische und gemeine Recht, daß zum Besitz corpua (das Raumverhältniß) und animus (Besitzwille) gehören. Der deutschrechtliche Begriff der Gewere bezeichnet gleich­

falls stets ein Machtverhältniß der Person zur Sache. Man sah in diesem Machtverhältnisse aber nur die äußere Erscheinung eines Rechtes. Die Folge war erstens, daß die Gewere nicht um ihrer selbst willen, sondern nur so lange Schutz genoß, als die durch sie begründete Vermuthung für das Dasein eines Rechts nicht beseitigt war, und zweitens, daß man so lange an ein Recht glaubte, als die Gewere bestand'). Man sah denn auch in der Gewere nicht bloß eine Thatsache, sondern ein Rechtsverhältniß. Der Begriff der Gewere war dem deutschen Rechte namentlich seit Savigny verloren gegangen, und auch das neue Recht stimmt wesentlich mit dem römischen Recht überein. Der Besitz ist auch nach ihm eine vom Rechte zum Besitz unabhängige, aber eine rechtlich bedeutsame Thatsache und daher an sich ein Rechtsverhältnis. Das BGB enthält keine Begriffs­ bestimmung vom Besitz. Nothwendig ist nach ihm jedenfalls die, Erlangung der „thatsächlichen Gewalt" über dieSache. Soweit *) Sirrte: Dir Brdrutung de» FahrniSbrfltze». 1897. Huber: Die Bedeutung der Grwcre im deutschen Sachenrecht. 1894.

472 stimmt das neue Recht gleichfalls mit dem alten überein. Das BGB weicht vom gemeinen Recht aber darin ab, daß es den Besitz­ willen absichtlich mit Stillschweigen übergeht und damit das Erforderniß des Besitzwillens beseitigt. Aber abgesehen davon, daß die Fälle, in denen eine schutzwürdige Gewalt über eine Sache ohne Besitzwillen besteht, äußerst selten vorkommen, weicht das BGB für den Eigenbesitz von seinem Standpunkte ab, da zum Eigenbesitz stets der animus dornini gehört (§§ 854, 872). Besitz ist also nach neuem Recht nichts weiter als die thatsächliche Gewalt über eine Sache. Gleichwohl ist Besitzer nicht der sog. Besitzdiener, d. h. Derjenige, der die Gewalt für einen Andern auf Grund eines Verhältnisses ausübt, vermöge dessen er den in Beziehung auf die Sache ertheilten Weisungen jenes Andern Folge zu leisten hat, insbesondere also der im Haushalt oder Erwerbsgeschäft des Andern Angestellte (§ 855). Denn dieses Abhängigkeitsverhältniß bewirkt, daß der Herr durch den seinem Willen Unterworfenen die thatsächliche Gewalt ausüot.

§ 166.

Eintheiluug des Besitzes.

1. Das römische Recht nannte possessio den vom Recht ge­ schützten, in possessione esse den nicht geschützten Besitz.J) Der Besitzschutz war ein prätorischer und wurde gewährt in den sog. Interdikten. Den Römern war demnach possessio und Jnterdiktenschutz gleichbedeutend. Der Schutz wurde aber in einzelnen Fällen eines Besitzverhältnisses gewährt, die von andern gleich­ falls geschützten Besitzverhältnissen wesentlich verschieden waren. In seinem Werke: „Das Recht des Besitzes" hat v. Savigny") innere begriffliche Merkmale des geschützten und des nicht geschützten Besitzes aufgestellt und ist zu folgender Lehre gelangt, die bis zuletzt die herrschende geblieben ist. Der Besitz einer Sache sei der Zustand, „in welchem nicht nur die eigene Einwirkung auf die Sache Physisch möglich, sondern auch jede fremde Einwirkung unmöglich sei." Damit dieser natür­ liche Zustand der Detention zum juristischen Besitz werde, müsse der animus possidendi oder animus domini hinzutreten, d. h. der Wille, die Sache so zu behandeln, wie sie der Eigenthümer behandelt. Juristischer Besitzer ist also: *) Dernburg: Entwicklung und Begriff des juristischen Besitzes der römischen Rechts. 1883. JnSdes. §§ 13, 14. s) Die erste Auflage erschien 1803. Dar Verdienst der Werke- bestand darin, daß e» in die römische Besitzlehre Klarheit brachte. Ob e» aus die gemeinrechtliche Praxis günstig wirkte, mag jetzt unerörtert bleiben. Jedenfalls halte die Lefitzlehre des prruß. Landrechts einen erheblichen Fortschritt gegenüber dem von Savigny gelehrten Befitzrrchte enthalten.

a) der Eigenthümer, denn er weiß, daß er als Eigenthümer das unbeschränkte Verfügungsrecht hat, b) der redliche Besitzer (bonae fidei possessor), denn er glaubt, Eigenthümer zu sein, e) der unredliche Besitzer (malae fidei possessor), denn er legt sich die Rechte des Eigenthümers bei. Jeder andere Besitzer hat die bloße Detention, er weiß, daß die Sache einem Andern gehört, und erkennt dieses Recht an, er übt also nur Namens und für den juristischen Besitzer dessen Besitz aus, er hat die Sache mit dem animus rem alieno nomine poesidendi. Hierher gehören der Mandatar, der Depositar, der Kommodatar sowie alle Diejenigen, die ein vom juristischen Be­ sitzer abgeleites Recht zum Besitz haben: der Miether, der Pächter, der Nießbraucher, der Superficiar, der Emphyteuta, der Faust­ pfandgläubiger. Savigny selbst mußte aber anerkennen, daß eine Reihe von Besitzern, die nach seiner Lehre nur Detention haben, nach römischem Rechte Besitzschutz genießen: es waren dies der Pfandgläubiger, der Prekarist, oer Superficiar'), der Emphyteuta, der Sequester. Um diese Erscheinung zu erklären, griff er zu dem Nothbehelf eines „abgeleiteten Besitzes," indem er darauf hinwies, daß in allen jenen Fällen der Detentor ein vom juristischen Besitzer übertragenes Besitzrecht habe. Als diese Lehre verkündet wurde, bestanden in Anlehnung an die deutschrechtliche Behandlung des Besitzes vielfach andere Auf­ fassungen, und die gemeinrechtliche Lehre war unklar. Das wenige Jahre vorher publizirte preußische Landrecht hatte die damalige deutschrechtliche Auffassung zum Gesetz erhoben und jedem Inhaber Besitz beigelegt, der nur, wenngleich Unter Anerkennung fremden Eigenthums, in seinem Interesse über die Sache verfügen will. Das Savignysche Werk klärte zwar die gemeinrechtliche Besitzlehre, ver­ hinderte aber die Entwicklung der deutschrechtlichen Anschauung. Die Savignysche Lehre läßt bei der Frage, ob Besitz oder Detention vorliegt, den Willen des Inhabers entscheiden und kann daher Subjektivitäts- oder Willenstheorie genannt werden, nachdem ihr Jhering eine von ihm als Objektivitätstheorie bezeichnete Auffassung gegenübergesteüt hat. Jhering^) erkennt den Gegensatz von Besitz und Detention als von selbst gegeben an, er weist aber mit Recht darauf hin, daß in der praktischen Anwen­ dung des Rechts der Besitzwille im Sinne der herrschenden Lehre niemals zum Vorschein komme, daß weder jemals der Beweis geführt werde, daß der Inhaber den animus domini habe, noch der, daß er nur den Willen, die Sache für sich zu haben, den Besitz aber für einen Andern auszuüben, habe. Er faßt (S. 8) i) Bei diesem bestritten. 2) Der Besttzwille. 1889.

474 seine Lehre in den Satz zusammen: „Wenn die beiden Voraus­ setzungen, die zur Annahme des Besitzverhältnisses überhaupt er­ forderlich sind: corpus und animus vorliegen, so entsteht stets Besitz, soweit nicht eine gesetzliche Bestimmung nachweisbar ist, welche mit demselben ausnahmsweise lediglich Detention ver­ bindet." Diese Auffassung allein entsprach der Praxis. Die römische Besitzlehre war weder konsequent, noch genügte sie den Bedürfnissen des Lebens: denn es fehlte an einem Prinzip, nach dem sich die Frage des Besitzschutzes beantwortete. Warum der Dieb, der Prekarist, der Sequester geschützt wird,, während man dem Verwahrer, dem Verwalter, ja sogar dem Nießbraucher, dem Kommodatar, dem Miether und Pächter den Besitzschutz ver­ sagt und sie nicht bloß bei einer Besitzstörung, sondern sogar bei gewaltthätiger Besitzentsetzung auf die Hülfe dessen anweist, in dessen Namen sie besitzen, eine Hülfe, die gerade in dem Falle, daß die Störung oder Gewaltthat vom juristischen Besitzer selbst aus­ geht, versagt, dafür fehlte es an einer befriedigenden Erklärung. 2. Anders das deutsche Recht. Es stimmte zwar darin mit dem römischen Recht überein, daß es in der Gewere eine that­ sächliche Herrschaft über Grundstücke und deren bewegliches Zubehör kannte, es wich aber insofern vom römischen Recht ab, als ihm Alles auf den thatsächlichen Genuß der Vortheile ankam, die das Grundstück gewährte. Es hatte demnach Derjenige die Gewere, der den Genuß der Sache hatte. Hieraus folgt, daß es keine blos animo fortgesetzte, durch einen Andern ausgeübte Gewere gab, daß aber zwei Personen an derselben ganzen Sache die Gewere haben konnten, indem der eine den Gebrauch oder den Fruchtgenuß selbst, der Andere im Pacht- oder Miethszins oder in andern Leistungen den mittelbaren Genuß der Sache hatte: die Gewere hatte: „wer das Gut in Nutz oder Gelde hat"'). Je nachdem die Gewere sich auf eine zur Begründung des betreffenden Rechts an sich geeignete Erwerbsart stützte oder von einem solchen Titel unabhängig bestand, unterschied man die egenlike, Satzungs-, Lehns-, Zinsgewere auf der einen Seite und die hebbende (d. i. habende) Gewere auf der andern Seite. Die rechte Gewere hatte, wer Jahr und Tag (d. i. ein Jahr sechs Wochen und drei Tage) die Gewere gehabt hatte. Wer der öffentlichen Uebertragung der Gewere beiwohnte, ohne zu widersprechen, „verschwieg" sich und verlor damit sofort den besseren Anspruch auf das Gut; wer nicht anwesend war, konnte innerhalb der oben angegebenen Frist sein Recht gegen den Besitzer im Wege der Klage geltend machen. Nach Ablauf der Frist war der Be-

') A. M. Heusler: Institutionen dc« deutschen PrivatrechtS. 1885/86. Sb. 2 6. 25 ff.

sitzer gegen die Anfechtung gesichert, die rechte Gewere war daher das Ergebniß nicht einer erwerbenden, sondern einer erlöschenden Verjährung. Der deutsche Besitzbegriff, der nach Vorstehendem Besitz schon dann annahm, wenn die thatsächliche Herrschaft mit dem Willen verbunden war, die Sache für sich zu haben (animus rem sibi habendi), während das römische Recht den animus domini forderte, hatte sich nach der Aufnahme des fremden Rechts in Partikular­ rechten erhalten und war in einzelne neuere Kodifikationen über­ gegangen. Gemeines Recht wurde aber die römische Besitzlehre. 3. Das BGB hat die römisch-rechtliche Eintheilung des Be­ sitzes aufgegeben und sich der natürlichen Anschauung des prak­ tischen Lebens angeschlossen, sich damit aber dem deutschen Rechte, wie es sich im bayerischen und preußischen Landrechte erhalten hatte, genähert. Besitzer ist nach ihm (§ 854) Jeder, der die thatsächliche Gewalt über eine Sache ausübt, gleichviel ob er das Eigenthum eines Andern anerkennt oder nicht. Damit ist der Unterschied zwischen Detention und juristischem Besitz ge­ fallen. Nicht blos der Eigenthümer und Derjenige, der sich für den Eigenthümer hält oder den Eigenthümer verdrängen will, sondern auch der Nießbraucher, der Verwahrer, der Miether, der Pächter, der Entleiher, der Beauftragte haben Besitz. Da jeder Besitzer Rechtsschutz genießt, ist der Savignysche Begriff des ab­ geleiteten Besitzes überflüssig geworden. Da sich die rechtliche Bedeutung des Besitzes aber nicht im Besitzschutz erschöpft, der Besitz vielmehr auch nach neuem Recht in mehreren Fällen die Grundlage für den Eigenthumserwerb bildet, hat das BGB den hierzu erforderlichen Besitz als Eigenbesitz bezeichnet. Eigen­ besitzer istG 872), wer eineSache als ihm gehörend besitzt, gleichviel ob er an sein Eigenthum glaubt oder bösgläubiger Be­ sitzer ist (vgl. § 937 Abs. 2). Eigenbesitzer ist also, wer den animus domini hat; jeden anderen Besitz kann man diesem Besitz gegen­ über als Fremd besitz bezeichnen (so Dernburg). Besitzer ist nach neuem Rechte aber nicht blos Derjenige, der die Sache unmittelbar in seinerGewalt hat, sondern auch Derjenige, für den ein Anderer den Besitz auf Zeit ausübt, denn auch er übt die Gewalt über die Sache aus, und zwar indem er einen Andern an seine Stelle setzt. Es giebt also nach dem BGB (§ 868) einen unmittelbaren und einen mittelbaren Besitz. Den unmittel­ baren Besitz hat der Nießbraucher, Pfandgläubiger, Pächter, Miether, Verwahrer, sowie überhaupt Jeder, der gegenüber einem Anderen auf Zeit zum Besitze berechtigt oder verpflichtet ist, den mittelbaren Besitz aber hat dieser Andere. Hinter dem mittel­ baren Besitzer kann ein anderer mittelbarer Besitzer stehen (§ 871),

476 z. B. wenn der Pfandgläubiger die Pfandsache einem Andern in Verwahrung giebt. Ob und in wie weit der mittelbare Besitzer zu einer unmittelbaren Einwirkung auf die Sache befugt ist, be­ stimmt sich nach dem Rechtsverhältnisse, auf dem der unmittelbare Besitz beruht, Dritten gegenüber aber kann sowohl der unmittel­ bare, als auch der mittelbare Besitzer die Besitzrechte ausüben, und dem mittelbaren Besitzer gegenüber ist auch der unmittelbare hierzu befugt. Vom Besitzdiener unterscheidet sich der hier behandelte „Besitz­ mittler" durch die Selbständigkeit seiner Stellung. Denn obwohl er dem mittelbaren Besitzer vielleicht zur Aufgabe des Besitzes persönlich verpflichtet ist, unterliegt er doch, so lange sein Besitz dauert, nicht den Befehlen des Gläubigers. 4. Außer den hier besprochenen kennt das alte und das neue Reckt noch fernere Eintheilungen des Besitzes. Man unterscheidet nämlich: 1) rechtmäßigen und unrechtmäßigen Besitz; je nachdem ein Recht auf den Besitz besteht oder nicht. Besitzer ist auch der unrechtmäßige Besitzer, auch er hat Besitzschutz; 2) fehlerfreien und fehlerhaften, je nachdem die Besitz­ ergreifung sich fehlerfrei oder fehlerhaft vollzog. Fehlerhaft war nach altem Recht der clam, vi oder precario erworbene Besitz. Heimlich war die Besitzausübung dann, wenn sie nicht nur that­ sächlich ohne Wissen des Andern, sondern in der Absicht erfolgte, daß sie ihm verborgen bliebe. Vi war der Besitz erworben, wenn der Erwerb gegen den Willen des bisherigen Besitzers vor sich ging. Precario erworben war nicht der auf Widerruf überlassene, sondern der unter Verletzung des Vertrauens behaltene Besitz. Das neue Recht stimmt hiermit im wesentlichen überein: fehlerhaft ist nach ihm der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz, ver­ botene Eigenmacht aber ist eine ohne den Willen des Besitzers verübte Besitzentziehung (§ 858). Hierunter fällt die vi, clam, pre­ cario bewirkte Besitzentziehung; 3) gutgläubigen (bonae fidei)unb bösgläubigen (malae f. possessio, gewöhnlich redlichen und unredlichen) Besitz, je nach­ dem man im Rechte zu sein glaubt oder weiß oder doch wissen mußte, daß man nicht im Rechte ist.

§ 167. Der Befitzerwerb. Erworben wurde der Besitz nach altem Rechte dadurch, daß seine beiden Elemente hergestellt wurden. Apiscimur possessionem corpore et animo neque per se animo aut per se cor­ pore’). Es mußte sich also mit der Möglichkeit, auf die Sache iJlTT§ 1 D. h. t. 41, 2.

einzuwirken, der Wille, sie zu haben, verbinden. Mehr war nicht erforderlich; der Besitzerwerb war also insbesondere von dem Willen des bisherigen Besitzers unabhängig, es gab keine Succession in den Besitz, der Besitzerwerb war stets originär. Daher wurde Besitzer auch Derjenige, der dem Andern die Sache wegnahm, während der Erbe zwar Eigenthümer der Nachlaßsachen durch den Erbschaftsantritt, Besitzer aber erst durch die Besitzergreifung wurde. Eine Bethätigung des auf Uebertragung des Besitzes ge­ richteten Willens des bisherigen Besitzers hatte, da dieser meist allein im Stande ist, die Besitzergreifung eines Andern zu hindern, nur die Bedeutung, daß sie die Besitzergreifung des Andern ermöglichte. Man sprach daher von Okkupation, wenn die Besitzergreifung ausschließlich durch die einseitige Thätigkeit des Erwerbers, von Tradition, wenn sie zugleich durch die Thätigkeit des bisherigen Besitzers herbeigeführt wurde. Nach neuem Recht dagegen bedarf es zum Erwerbe des Besitzes blos der Erlangung der thatsächlichen Gewalt (§ 854), nicht auch eines Besitzwillens. Das BGB kennt aber eine Succession in den Besitz im Falle des Erbganges (§ 857). Der Erbe braucht also die thatsächliche Gewalt nicht besonders zu ergreifen; er hat sie dadurch erlangt, daß er Erbe geworden ist, vorausgesetzt, daß der Ausübung der Gewalt nicht ein Hinderniß im Wege steht. Wird also vor der Kenntniß des Erben vom Erbfalle an einer zum Nachlasse ge­ hörigen Sache verbotene Eigenmacht verübt, so hat der Erbe Besitzschutz, denn der Besitz ist ein Rechtsverhältniß, in das der Erbe mit dem Erbfall eintritt. Daraus folgt zugleich, daß der Besitz, den der Erblasser hatte, übergeht, daß also auch der Erbe fehler­ haft besitzt, wenn der Erblasser fehlerhaft besessen hatte. Die Okkupation ergreift nach altem und neuem Recht (§ 854) den Besitz: 1) an Sachen, an denen Niemand den Besitz hat, z. B. an wilden Thieren, noch nicht geförderten Mineralien, am nicht gehobenen Schatze. Da aber die Okkupationsmöglichkeit für Alle besteht, so ist der Besitz erworben erst, wenn der Erwerber jedem Andern die Möglichkeit der Okkupation genommen hat, daher nicht schon dann, wenn das Thier verwundet, das Mineral, der Schatz entdeckt, sondern erst dann, wenn die Sache der Gewalt des Okkupanten wirklich unterworfen ist; 2) an Sachen, die ein Anderer im Besitz hat, indem man diesen gewaltsam des Besitzes entsetzt, ihm die Sache heimlich wegnimmt, sie ihm in der Meinung entzieht, man habe ein Recht auf den Besitz. Wer gegenüber der Gewaltthat eines Andern aus dem von ihm besessenen Grundstücke weicht, hat den Besitz ver-

478 loten (dejectus est); ist die Gewaltthat in seiner Abwesenheit geschehen, so weicht er ihr nach römischer Anschauung nur dann, wenn er auf erhaltene Kunde den Eindringling nicht vertreibt, bis dahin behält er den Besitz; nach neuem Recht (§§ 854, 856) ist auch in diesem Falle der Besitz mit der Erlangung der Gewalt erworben. Die Tradition besteht in der Einräumung des Besitzes von der einen und der Ergreifung des Besitzes auf der andern Seite. Da der Besitz nur in der Möglichkeit besteht, über eine Sache mit Ausschließung Anderer zu verfügen, so erfordert auch die Tradition nicht in allen Fällen ein physisches Ergreifen der hin­ gegebenen Sache, sondern ist schon dann vollzogen, wenn der Erwerber die Möglichkeit hat, über die Sache zu verfügen. Deshalb ist die Uebergabe verschlossener Sachen mit der Uebergabe des Schlüssels, die Uebergabe auf dem Transport befindlicher Waaren durch Einhändigung des Ladescheines, Konnossementes, vollzogen. Auch nach neuem Recht wird der Besitz nicht nur durch Uebergabe aus Hand in Hand (§§ 854, 929), sondern auch schon dann erworben, wenn der bisherige und der neue Besitzer über den Besitzübergang einig sind und der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben (§ 854 Abs. 2), also z. B. das Grundstück zu betreten, oder auf Grund eines sog. Dispositions­ papieres rechtlich wirksame Verfügungen über die (bewegliche) Sache zu treffen. Ohne Uebergabe, durch bloße Willenseinigung, voll­ zieht sich der Uebergaug des Besitzes: 1) wenn sich der Erwerber bereits in der Detention, nach neuem Recht im unmittelbaren Besitz der Sache befindet (brevi manu traditio), 2) wenn der bisherige Besitzer die von dem Andern angenommene Erklärung abgiebt, fortan im Namen jenes Andern besitzen au wollen (constitutum possessorium), nach neuem Recht, wenn der bisherige Eigen- und Alleinbesitzer fortan unmittelbarer, der Erwerber der Sache aber mittelbarer Be­ sitzer der Sache wird (§ 930). 3) wenn der bisherige Besitzer den, der in seinem Namen besitzt, anweist, die Sache fortan für einen Andern zu detiniren, und der Inhaber erklärt, von jetzt an im Namen dieses Andern besitzen zu wollen (Anweisung), nach neuem Recht (§§ 870, 931), indem der mittelbare Besitzer den ihm gegen den unmittelbaren Besitzer zustehenden Herausgabe-An­ spruch dem Erwerber abtritt. Bei der brevi m. t, dem constitutum und der Anweisung wird das Hin- und Wiedergeben durch die Willenserklärung der

Betheiligten vertreten und unnöthig gemacht. Zur Gültigkeit des häufig unlauteren Zwecken dienenden Konstitutum verlangte eine weit verbreitete Auffassung des alten Rechts und das neue Recht (§ 930) neben dem Veräußerungsgeschäft, in dessen Ausführung die Besitzübertragung erfolgt, ein zweites Geschäft, das den bisherigen Besitzer zur Detention berechtigt und verpflichtet *). Lag die zu übergebende Sache für Jedermann offen, so genügte schon nach römischem Rechte die Willenseinigung des bisherigen und des neuen Besitzers, weil jedenfalls ein allgemein zugängliches Grundstück gar nicht Gegenstand einer körperlichen Uebergabe sein tann*2). Man glaubte aber im Anschluß an 1. 18 § 2 D. 41, 2 eine gewisse Nähe des zu übergebenden Grundstücks fordern zu müssen und nannte diese Art der Uebergabe longa manu traditio. In Wahrheit war damit nichts anderes gemeint, als was jetzt § 854 Abs. 2 BGB für ausreichend erklärt: Willens­ einigung über den Uebergang des Besitzes einer Sache, deren körperlicher Beherrschung durch den Erwerber ein Hinderniß nicht entgegensteht.

§ 168.

Der Vesttzerwerb durch Stellvertreter.

Der Besitz kann durch einen Stellvertreter erworben werden, und zwar sowohl durch den gesetzlichen, als auch durch einen freiwilligen Vertreter. 1. Früheres Recht. Handelte ein freiwilliger Vertreter, so wurde der Besitz erworben nur, wenn der Vertretene den Besitz­ willen hatte: Possessionem acquirimua et animo et corpore, animo utique noatro, corpore vel nostro vel alieno (Paul, sent. V 2,1). Hatte der Vertreter keine Vollmacht, so vollendete sich der Besitzerwerb demnach erst mit der vom Vertretenen er­ klärten Genehmigung. Wurde dem Stellvertreter übergeben, so entschied über die Person des Besitzerwerbers der überein­ stimmende Wille des Tradenten und des Empfängers. Wußte der Tradent nicht, daß der Empfänger für einen Andern erwerben wollte und war ihm die Person des Erwerbers gleichgültig, so ent­ schied der nicht kundgegebene Wille des Empfängers, so daß er dem Vertretenen erwarb, wenn dies sein Wille war, dagegen für sich erwarb, wenn er dies beabsichtigtes) 2. Nach neuem Recht ist zwischen dem Erwerbe des Be­ sitzes durch einen sog. Besitzdiener und dem Erwerbe des mittel­ baren Besitzes durch einen sog. Besitzmittler zu unterscheiden. *) So auch RG Bd. 5 S. 181. 2) Bähr. Urtheile des Reichsgerichts S. 69. ») RG in Straff. 19, 438; 20, 440. RG 24, 314; 30, 142. Celle bei Seuff. 49, 898.

OLG

480

a) Ergreift ein Besitzdiener (§ 855) innerhalb des ihm übertragenen Geschäftskreises die thatsächliche Gewalt über eine ihm von einem Andern übergebene Sache, so kommt es weder darauf an, ob der Besitzdiener diese seine Stellung dem Tradenten kundgiebt, noch darauf, ob sein Herr ihm den besonderen Auftrag zum Erwerbe gerade dieser Sache gegeben hatte. In jedem Fall erwirbt der Herr den Besitz. b) Durch einen Besitzmittler wird der mittelbare Besitz dadurch erworben, daß der Mittler den Besitz für den Andern ergreifen will und ihn thatsächlich ergreift.

§ 169.

Der Verlust des Besitze-.

1. Verloren wird nach altem Recht der Besitz nicht schon dadurch, daß das Raumverhältniß oder gar die körperliche Be­ rührung der Sache vorübergehend unterbrochen wird, auch nicht dadurch, daß vorübergehend der Gedanke an die Sache nicht mehr wachgehalten ist, der Besitz ist vielmehr erst dann verloren, wenn sich das Raumverhältniß oder der Besitzwille in sein Gegen­ theil umgewandelt hat, wenn also entweder die Unmöglichkeit der Verfügung oder der Wille, nicht zu besitzen, eingetreten ist. Daher bleibt der Bauer, der seinen Pflug Nachts auf dem Felde stehen läßt, Besitzer, bis ein Anderer sich des Pfluges bemächtigt oder der Bauer den Entschluß faßt, den Pflug nicht mehr haben zu wollen. Daher ist die Sache, die nur verlegt und die, die an dem Orte liegen geblieben, an dem sie vergessen worden ist, nicht verloren. Ergreift aber ein Anderer den Besitz für sich, so ist damit der Besitz verloren. Es gilt daher der Satz: posaessionem amittimua corpore vel animo in contrarium acto. Der durch einen Stellvertreter ausgeübte Besitz kann durch den Vertreter verloren gehen, wenn er dem Vertreter durch ein Ereigniß entzogen wird, das auch dem Vertretenen den selbst aus­ geübten Besitz entzogen haben würde. An den Stellvertreter geht der Besitz einer beweglichen Sache verloren, wenn dieser seinen Willen kundgiebt, nicht mehr für den bisherigen Besitzer, sondern für sich selbst oder einen Dritten zu besitzen. Daher kann Derjenige, der den Besitz durch conatitutum p. übertragen hat, dem Erwerber den Besitz dadurch wieder ent­ ziehen, daß er den Besitz durch conatitutum p. einem Andern ein­ räumt'). Der Satz nemo sibi ipae causam possessionis mutare poteat2) steht dem nicht entgegen, da er nur die Bedeutung hat, daß Niemand sich für seinen Besitz einen Rechtsgrund verschaffen *) RG 19, 239. *) L. 3 § 19. 1.19 § 1 D. 41, 2 und die in ') angeführte Entscheidung.

kann. Dagegen war eine solche Willensbethätigung des Vertreters nach römischem Rechte nicht geeignet, dem Vertretenen den Besitz einer unbeweglichen Sache zu entziehen. Auch in diesem Falle ging der Besitz nur verloren, wenn der Vertretene auf die Kunde von dem Verhalten des Vertreters den drohenden Eingriff nicht abwehrte. Da es nach früherem Recht keine Nachfolge in den Besitz gab, fand auch keine Vererbung des Besitzes statt. 2. Das BGB (§ 856) läßt den Besitz dadurch untergehen, daß der Besitzer die thatsächliche Gewalt der Sache aufgiebt oder in anderer Weise verliert. Also auch nach ihm muß das corpus in contrarium actum sein. Eine ihrer Natur nach nur vorüber­ gehende Verhinderung in der Ausübung der Gewalt ist auf den Fortbestand des Besitzes ohne Einfluß. Da der Besitzwille kein Erforderniß des Besitzerwerbes ist, kann auch die Aufgabe dieses Willens den Besitz nicht enden. Insoweit also weicht das neue vom alten Recht ab. Doch darin herrscht Uebereinstimmung, daß der Besitz mit dem Eintritt eines Endtermins oder einer auflösenden Bedingung nicht aufhört. Der mittelbare Besitz geht durch den Besitzmittler verloren, wenn dieser die Gewalt über die Sache in einer Weise verliert, daß sie auch für den mittelbaren Besitzer aufgehoben ist, und er geht an den unmittelbaren Besitzer verloren, wenn dieser den Entschluß bethätigt, die Sache als ihm gehörend zu besitzen (§ 872), denn übt der unmittelbare Besitzer die Gewalt nicht mehr zugleich für den mittelbaren Besitzer aus, so hat dieser die Gewalt über die Sache verloren (§ 856). § 170.

Subjekt des Besitzes.

Nach altem Recht kann den Besitz haben jedes Rechtssubjekt, erwerben nur der Willensfähige, daher nicht Kinder und Geistes­ kranke. Nach neuem Recht können auch geschäftsunfähige Personen Besitz haben und Besitz erwerben, da zum Erwerbe nichts weiter gehört, als Erlangung der thatsächlichen Gewalt, auch der Geschäfts­ unfähige aber im Stande ist, eine thatsächliche Gewalt auszuüben. § 171.

Gegenstand des Besitzest

Gegenstand des Besitzes sind vor Allem Sachen. An einer und derselben Sache können mehrere den Besitz haben, aber stets nur nach reellen oder ideellen Theilen. Im letzteren Falle spricht man von compossessio. Dagegen können nach altem Recht nicht Mehrere an derselben ganzen Sache Besitz haben, da der Besitz des Einen den des Andern nothwendig ausschließt (plurea eandem rem in solidum possidere non possunt), nach neuem Engelmann, d. bürgerliche Recht Deutschlands. 31

482 Recht aber ist, ebenso wie nach allerem deutschen Recht für ver­ schiedene Personen eine verschiedenartige Gewere, an derselben Sache unmittelbarer und mittelbarer Besitz möglich (§ 868). Der Besitz der Sache ergreift alle ihre Theile. Wird daher eine Sache in mehrere Theile zerlegt, so besteht an jedem Theile der Besitz fort. Wer mehrere von ihm besessene Sachen zu einer ganzen verbindet, verliert damit nicht den Besitz der einzelnen Sachen. Ob Theile oder Bestandtheile einer Sache eines selbständigen Besitzes fähig sind, läßt daS BGB unerörtert, es wird deshalb die natürliche Auffassung maßgebend sein. Zweifellos sind danach abgegrenzte reelle Theile einer Sache dann Gegenstand des Be­ sitzes, wenn sie, wie abgesonderte Wohnräume, eine selbständige thatsächliche Herrschaft zulassen (§ 865). § 172.

Insbesondere der Besitz an Rechte«.

Wer eine körperliche Sache besitzt, übt damit die wichtigste Befugniß des Eigenthümers aus, mag er Eigenthümer oder blos Besitzer sein. Wer Handlungen vornimmt, die sich äußerlich als Bethätigungen eines Rechts darstellen, der befindet sich in der Ausübung des Rechts, mag er dieses Recht haben oder nicht haben. Wie dort die Ausübung des Eigenthums den Besitz der Sache bildet, so ist hier die Ausübung des Rechts Besitz des Rechts. 1. Das römische Recht kannte einen Rechts- oder Quasi­ besitz nur bei Servituten. So war der Nießbraucher Detentor der Sache, aber Besitzer des Rechts. Wer ohne das Recht zu bestreiten, nur der Ausübung des Nießbrauchs Hindernisse bereitete, störte den Berechtigten im Rechtsbesitze. Wer sich irrig für den Nießbraucher hält, ist gleichfalls Besitzer des Rechts, denn auch er übt aus, wozu der Nießbrauch berechtigt. Das kanonische Recht dehnte den Rechtsbesitz erheblich aus, das gemeine Recht ging nicht ganz soweit, nahm aber einen Rechts­ besitz überall da an, wo, wie beim Sachbesitz, eine gewisse Dauer der Ausübung möglich war, unter dieser Voraussetzung auch bei Forderungsrechten, daher bei solchen Obligationen, die wie Nentenbezugsrechte nicht mit einmaliger Ausübung erlöschen (RG 26, 144 u. 171). ' Erworben wurde der Rechtsbesitz durch Vornahme von Hand­ lungen, zu denen das Recht befugt macht, mit der Absicht der Rechtsausübung. Der Erwerb kann rechtmäßig oder unrechtmäßig, fehlerftei oder fehlerhaft vor sich gehen, die Ausübung bona oder mala fide erfolgen. Duldung der Rechtsausübung galt als jurisquasi-traditio. Verloren wurde der Rechtsbesitz durch Umstände, welche die Rechtsausübung unmöglich machten, oder durch den Willen, das

Recht nicht ferner auszuüben. Die bloße Weigerung des Belasteten, sich ferner so zu verhalten, wie das ausgeübte Recht es erfordern würde, z. B. das Betreten einer Wiese ferner zu dulden, ist Besitz­ störung, und wenn der Besitzer in Folge des Verhaltens des Be­ lasteten von der Rechtsausübung Abstand nimmt, Besitzentziehung. Zum Schutze des Besitzes dienten die possessorischen Rechtsmittel, das int. uti possidetis oder die Spolienklage. Fortgesetzter Rechts­ besitz konnte zur Ersitzung des Rechtes führen. 2. Dem neuen Rechte wird es leider an Einheitlichkeit fehlen. Denn da eine große Anzahl von Rechten nach wie vor den Landes­ gesetzen unterliegt, so wird auch der Besitz dieser Rechte da, wo er bisher anerkannt war, anerkannt bleiben. Hierher zählen die dem Wasserrechte angehörigen, ferner die Zwangsrechte, Bann­ rechte, Realgewerbeberechtigungen, die Rechte auf Kirchenstühle und Erbbegräbnisse (Artt. 65, 74, 133 Einf.-G. z. BGB). Im Gebiete des bisherigen gemeinen Rechtes wird es also auch künftig einen Besitz an Rechten der bezeichneten Art geben. Das BGB selbst kennt nur einen Besitz von Sachen und läßt nur bei Grunddienstbarkeiten (§ 1029) und beschränkten per­ sönlichen Dienstbarkeiten (§ 1090) die entsprechende Anwendung der für den Besitzschutz gegebenen Vorschriften zu. Diese Be­ schränkung hat darin ihren Grund, daß alle diejenigen Rechte, die nicht ausgeübt werden können ohne den Besitz der Sache, eben mit dem Sachbesitz verknüpft sind. Hierher gehört insbesondere der Nießbrauch und das Erbbaurecht. Mit dem Besitz der dienenden Sache nicht oder wenigstens nicht nothwendig verbunden ist die Ausübung der Grunddienstbarkeiten und der beschränkten persön­ lichen Dienstbarkeiten. Daher waren für diese Rechte Bestimmungen erforderlich. Ihnen liegt der Gedanke zu Grunde, daß nicht, wie nach altem Recht, die Ausübung allein, sondern nur die Ausübung eines nach dem BGB vermuthlich bestehenden Rechtes über den Besitzschutz entscheidet. Da nun dingliche Rechte an Grundstücken dem Eintragungsprinzip unterliegen, so genießt Besitz­ schutz nur das eingetragene Recht (§§ 873, 1029, 1090). Die Besitzstörungsklage steht bei Grunddienstbarkeiten jedem Besitzer des herrschenden Grundstücks, also vor Allem dem besitzenden Eigenthümer, aber auch dem Nießbraucher, Miether, Pächter dieses Grundstücks, bei den beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten dem eingetragenen Berechtigten, und jedem Anderen zu, der das Recht für den eingetragenen Berechtigten ausübt. Vorausgesetzt ist ferner, daß das Recht innerhalb des letzten Jahres vor der Störung, wenngleich nur ein Mal, ausgeübt worden ist. Da aber nicht alle Grundstücke im Grundbuche eingetragen 31'

484

sein müssen, die an diesen bestehenden Rechte also von der Ein­ tragung nicht abhängen, so ist bei ihnen auch der Besitzschutz von der Eintragung nicht abhängig (Art. 128 Einf.-G. z. BGB § 90 GBO). So lange fitr ein Grundstück, das im Grundbuch eingetragen werden muß, ein Grundbuchblatt noch nicht angelegt ist, können für Rechte an ihm nicht die Bestimmungen des neuen, sondern nur die des alten Rechts maßgebend sein. Deshalb richtet sich so lange auch der Besitzschutz nach altem Rechte (Art. 128Einf.-Ges. z.BGB). Andere Bestimmungen als über den Besitzschutz brauchte das neue Recht für den Besitz an Rechten nicht zu geben. Denn dieser Besitz kann bei den erwähnten Rechten nicht zur Ersitzung führen, er hat also im Gegensatze zum alten Rechte rechtliche Bedeutung nur für die Frage des Besitzschutzes.

per Besitzschutz. § 173.

1. Das bisherige Recht.

In Rom wurde der Besitz in der Weise geschützt, daß der Prätor auf Antrag Desjenigen, dessen Besitz gestört oder genommen war, einen Befehl, ein interdictum, erließ, die Störung zu lassen oder den Besitz wiederherzustellen'). Wurde dem Befehle Folge geleistet, so war die Sache erledigt. Wurde ihm wider­ sprochen, so kam es zu einem Prozesse in den gewöhnlichen Formen und damit zu einer Entscheidung der Frage, ob das Interdikt zu Recht erlassen sei oder nicht. Zum Schutze des Besitzes gab es interdicta retinendae, recuperandae und auch adipiscendae possessionis. Die letzteren verlangten Einweisung in einen Besitz, den der Antragsteller noch nicht gehabt hatte. In allen Fällen aber wurde der Besitz um des Besitzes willen geschützt und die Frage nach dem Rechte zum Besitze unbeantwortet gelassen. Das eigenthümliche Jnterdiktenverfahren fiel schon mit der Umgestaltung des Civilprozesses in der späteren Kaisetzeit fort. Statt Erlaß eines Interdikts zu beanttagen, wurde Klage er­ hoben, aber die privattechtlichen Grundsätze des römischen Jnterdiktenrechts erhielten sich. Das frühere gemeine und partikulare Prozeßrecht kannte einen abgekürzten besonderen Besitzprozeß, wäh­ rend das Petitorium (der Streit um das Recht zum Besitze) sich in den Formen des ordentlichen Prozesses bewegte. Schon aus diesem Grunde war eine Verbindung von Possessorium und Petitorium nicht gestattet. Da die CVO einen Besitzprozeß als be­ sondere Prozeßart nicht kennt, würbe die Verbindung der possessorischen und der petttorischen Klage an sich zulässig gewesen sein, *) Mein römischer Eioilprozeß. 1891. 6. 72ff.

§ 232 CPO a. F. verbot diese Klagenhäufung aber im Interesse der Aufrechterhaltung eines verbreiteten Rechtszustandes. I. Zum Schutze bestehenden Besitzes gab das ältere römische Recht zwei interd. retinendae p., das i. uti possidetia für un­ bewegliche, das i. utrubi für bewegliche Sachen'). Das letztere schützte nicht den gegenwärtigen Besitzer, sondern denjenigen, welcher im letztverflossenen Jahre länger als sein Gegner im fehlerfreien Besitze der Sache gewesen war. Das Interdikt hatte also auch rekuperatorische Kraft. Es wurden jedoch schon in der späteren Kaiserzeit die Grundsätze des uti possidetia auch auf bewegliche Sachen ausgedehnt, und jedenfalls seit Justinian gab es nur ein int. retinendae possessionis. Dieses i. wird verwendet: a) wenn der Besitz unstreitig, aber vom Beklagten gestört worden ist; es ist dann gerichtet auf Abwehr der Störung und Schadensersatz wegen der bereits eingetretenen Beunruhigung; b) wenn der Besitz streitig ist; es ist dann gerichtet auf die Feststellung, wer Besitzer sei. In beiden Fällen siegt derjenige ob, der zur Zeit der Klage­ erhebung juristischer Besitzer ist, es sei denn, daß er dem Gegner gegenüber fehlerhaft besäße. Beklagter ist derjenige, der den Besitz des Klägers wörtlich oder durch Handlungen in Frage gestellt oder den Besitz des Klägers gestört hat. Der Kläger hat dies und seinen Besitz zu beweisen. Da er aber den Besitzwillen nicht beweisen kann, so genügt der Beweis der thatsächlichen Jnhabung, und Sache des Beklagten ist der Gegenbeweis, daß der Kläger

die Sache auf Grund eines Rechtsverhältnisses habe, das seiner Jnhabung den Charakter bloßer Detention giebt'). Dem Beklagten steht nach obigem die exceptio vitiosae possessionis zu. Die Zulassung dieser Einrede macht den Besitzschutz zu einem relativen: der Besitzer wird geschützt, mag er juste oder injuste, als Dieb oder Räuber, besitzen, gegen jeden, der nicht besitzt, nur nicht gegen den, dem er den Besitz durch fehlerhafte Besitzergreifung entzogen hat. Ob der Kläger oder der Beklagte ein Recht aus den Besitz hat, ist für die Entscheidung im Besitzprozesse belanglos. Daher wird der Besitzer, der sich fehlerhaft in den Besitz gesetzt, auch mit der Behauptung, daß er Eigenthümer sei, nicht gehört. Wird eine bloße Besitzstörung gerügt, so entgeht der Beklagte der

*) Dir im Edikt ausgestellte Norm lautet für da» int nti p.: Uti eas aedes quibua de agitur, nee vi nec clam nec precario alter ab altere possidetia, quo minus ita poaaideatia vim fieri veto, für da» i. utrubi: Utrubi hie homo, quo de agitur, majore parte hujuace anni fuit, quo minus ia eum ducat, vim neri veto. ') o. Jhering: Befihwillr. 6. 162ff.

486 Verurtheilung zwar nicht dadurch, daß er die Störungsabsicht leugnet, wohl aber dadurch, daß er ein Recht auf die äußerlich als Turbation erscheinende Handlung nachweist. Denn dadurch wird dieser Handlung der Charakter der Besitzstörung genommen. Die Klage geht auf Anerkennung des Besitzes. Streiten beide um den Besitz, und zeigt sich, daß nicht der Kläger, sondern der Beklagte besitzt, so darf nicht die Abweisung der Klage, es muß vielmehr die Feststellung erfolgen, daß der Beklagte besitzt. Das i. ist ein duplex in diesem Sinne. Die Klage geht auch auf Schadensersatz, wenn an dem bis zur Klageerhebung entstandenen Schaden dem Beklagten eine Schuld nachgewiesen werden kann; für die Zeit nach der Klage­ erhebung bedarf es eines solchen Beweises nicht (RG 31,181). Sie geht ferner auf Wiederherstellung des Besitzes (ist unter Umständen rekuperatorisch), auf Beseitigung der begangenen und Unterlassung künftiger Störung. Diese Grundsätze wurden gemeines Recht. Zwar neigte die Praxis dahin, die Besitzklage demjenigen zu gewähren, der älteren Besitz hatte als sein Gegner, die Klage also zu einer petitorischen auf Wiedererlangung verlorengegangenen Besitzes zu machen und diesem possessorium ordinarium ein poss. summarissimum zum Schutze gegenwärtigen, jüngsten Besitzes an die Seite zu setzens. Doch haben diese Anschauungen nur partikularrechtliche Geltung erlangt (z. B. im preuß. ALR)'). Die Entscheidung auf die Besitzklage war für die Besitzfrage eine endgültige, und, folgte ihr die Entscheidung über das Recht zum Besitz nach, dieser gegenüber nur eine provisorische. Wer aber als Besitzer anerkannt war, hatte gegenüber der Vindi­ kation die günstigere Rolle des Beklagten. II. Auf Wiedererlangung verlorenen Besitzes gab das rö­ mische Recht dem juristischen Besitzer eines Grundstücks gegen den Dejicienten selbst das interdictum unde vi. Die Gewalt mußte gegen den Besitzer persönlich gerichtet sein. Auf Wiederherstellung hxs Besitzes und Schadensersatz war die Klage nur innerhalb Jahresfrist gestattet, nachher ging sie nur auf die Bereicherung. Das kanonische Recht dehnte den Schutz des gewaltsam Ent­ setzten erheblich aus und kam damit nicht nur deutsch-rechtlichen Anschauungen, sondern einem Rechtsschutzbedürfnisse entgegen. Rach manchen Schwankungen befestigte sich die gemeinrechtliche Parxis dahin, daß sie die actio spolii Jedem gab, der aus einer !) Delbrück: Die Dingi, -läge deS Deutschen Rechts. 1857. Der­ selbe in JheringS Jahrb. s. Dogm. Bd. 10. Ziebarth: Real-Exekution und Obligation. 1866. S. 257. 3) Gegen sie schon Savigny S. 528 (7. Aufl.), BrunS in BckkerS Jahrb. BD. 4 S. I ff. u. Verklagen S. 212. Dergl. DinDscheib u. Dernburg.

im eigenen Interesse ausgeübten Detention durch Eigenmacht ver­ trieben war. und zwar auch dem Detentor beweglicher Sachen, und gegen Jeden, der die Eigenmacht verübt, sowie gegen den Dritten, der die genommene Sache vom Spolianten geerbt oder unter Kenntniß des Spoliums erworben hat**). Die Klage stand daher auch dem Pächter und dem Miether gegen den Eigenthümer zu. Sie stützte sich lediglich auf den Besitz und die verbotene Eigenmacht, daher? war nach gemeinem Recht die e. vitiosae p., b. h. die Einrede, daß der Kläger selbst durch einen gegen den Beklagten verübten Besitzfehler in den Besitz gelangt fei, sowie jede Einrede aus dem Recht zum Besitze, ausgeschlossen. Sie unterlag der Verjährung von 30 Jahren. Eigenmacht war aber nicht blos die gewaltsame Wegnahme, sondern jede gegen den Willen des Besitzers verübte Besitzentziehung (daher auch eine ungesetzliche Pfändung). Der Kläger hatte die eigenmächtige Besitzentziehung zu beweisen. Wer eine Sache gegen seinen Willen verloren hatte, dem gegenwärtigen Besitzer aber Verübung oder Begünstigung einer eigenmächtigen Handlung nicht nachweisen konnte, war auf die rei vindicatio, die actio Publiciana oder allenfalls eine condictio possessionis angewiesen. Dieser letztere auf Herausgabe gerichtete Anspruch war dann begründet, wenn dem Einen ohne seinen Willen der Besitz entzogen war und der Andere ihn ohne recht­ fertigenden Grund ergriffen hatte?)

§ 174. 2. Das neue Recht. I. Das BGB räumt dem Besitzer vor allem ein weitgehendes Recht der Selbsthülfe ein. Der Besitzer (und der Besitzdiener für ihn vgl. § 860) kann sich nicht blos, wie nach altem Recht, verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren, d. h. den bestehenden Besitz vertheidigen, sondern er darf sich sogar den durch ver­ botene Eigenmacht genommenen Besitz mit Gewalt wieder­ verschaffen. Aber dieses Wiederverschaffungsrecht erleidet zwei Beschränkungen (§§ 859, 860, 858 Abs. 2): 1) Die Selbsthülfe ist bei Wegnahme beweglicher Sachen nur gestattet, wenn sie auf frischer That geschieht, und bei Entziehung des Besitzes einer unbeweglichen Sache nur sofort nach der Entziehung, nicht erst nach der vielleicht später er­ langten Kenntniß von der Entziehung. Die Verfolgung der weg­ genommenen beweglichen Sache braucht auch vor der Behausung des Thäters nicht stehen zu bleiben. *) Also nicht gegen den Dritten als solchen, daher § 73 LPO a. F. nicht anwendbar. RG 80, 137 *) Bruns: Besitzklagen S. 27 - 33. Windschetd I § 161.

488 2) Die Selbsthülfe darf nur gegen den Thäter selbst, gegen seinen Erben, sowie gegen denjenigen, der die Fehler­ haftigkeit deS Besitzes seines Vorgängers bei dem Erwerbe kennt, gerichtet werden. Dieses Selbsthülferecht wird seine praktische Bedeutung haupt­ sächlich auf dem Gebiete des Strafrechts äußern, indem es z. B. den Handlungen, die sich äußerlich als thätliche Beleidigung, Körperverletzung, Nöthigung, Hausfriedensbruch darstellen, im Falle des Vorliegens berechtigter Selbsthülfe das Thatbestands­ merkmal der Widerrechtlichkeit entziehen wird. Jede Maßnahme der Selbsthülfe aber, welche die ihr vom Gesetze gezogenen Grenzen über­ schreitet, verpflichtet als unerlaubte Handlung zum Schadensersatz, wenn die Ueberschreitung auch nur auf Fahrlässigkeit beruht (§823). Dem mittelbaren Besitzer steht das Selbsthülferecht nicht zu. II. Ueber die zum Schutze des Besitzes gegebenen Rechts­ mittel bestimmt nicht das BGB allein, sondern auch die CPO. In allen Fällen ist der Schutz ein rein possessorischer, d. h. er schützt nur die Thatsache des Besitzes, mag diese Thatsache auf einem Rechte beruhen oder nicht. 1. Die vom BGB (§§ 861—867) gewährten Rechtsmittel sind, wie nach gemeinem Recht, die Besitzentziehungs- und die Besitzstörungsllage. Beide setzen voraus: a) Besitz des Klägers. Der possessorische Schutz steht — und darin zeigt sich praktisch die wichtigste Abweichung des neuen Rechts vom alten — also auch dem unmittelbaren Besitzer, und nicht nur gegen Dritte, sondern auch gegen den mittelbaren Besitzer zu. Zur Klage berechtigt ist aber auch der mittelbare Besitzer wegen einer gegen den unmittelbaren Besitzer verübten Eigen­ macht, und zwar im Falle der Besitzentziehung mit der Wirkung, daß der Besitz des unmittelbaren Besitzers wiederhergestellt wird (§ 869). Possessorischen Schutz haben nicht die Mitbesitzer der gemeinschaftlich besessenen Sache gegeneinander, insoweit es sich um die Grenzen des dem Einzelnen zustehenden Gebrauches handelt, denn diese Frage ist nicht auf Grund der Besiwthatsache, sondern

auf Grund des unter den Gemeinern obwaltenden Rechtsverhältnisses zu entscheiden (§ 866). b) Verbotene Eigenmacht des Beklagten. Verbotene Eigenmacht ist nicht blos die gegen den Willen, sondern schon die ohne den Willen des Besitzers verübte Störung oder Ent­ ziehung des Besitzes, mag dem Beklagten ein Verschulden zur Last fallen oder nicht. Nur der auf die verbotene Eigenmacht gegründete Schadensersatzanspruch setzt ein Verschulden des Thäters voraus. Gestattet das Gesetz den Eingriff in fremden Besitz (z. B. dem mit der Pfändung beauftragten Gerichtsvollzieher, in zahlreichen

Fällen der Polizeibehörde), so fehlt dem Eingriff die Eigenschaft der Widerrechtlichkeit und damit die der verbotenen Eigenmacht (§ 858). Die verbotene Eigenmacht kann nur in einem thätlichen Eingriff in fremden Besitz bestehen, die bloße Behauptung, daß der Andere nicht Besitzer sei, ist nicht geeignet, den Besitzer in der Ausübung der thatsächlichen Gewalt zu beeinträchtigen, dagegen kann in der Erregung übermäßigen Lärms, üblen Geruches sehr wohl eine Besitzstörung liegen. Beklagter ist aber nicht blos derjenige, der die verbotene Eigenmacht verübt hat, sondern auch sein Erbe, sowie derjenige Nachfolger im Besitz, der den Besitzfehler seines Vorgängers beim Erwerbe kannte (§ 858 Abs. 2). Gegen alle anderen Personen versagt der possessorische Schutz, gegen sie kann nur ein Recht auf den Besitz geltend gemacht werden. Der Beklagte kann sich vertheidigen: a) durch die exceptio vitiosae possessionis d. h. durch den Nachweis, daß der Kläger ihm, dem Beklagten, oder seinem Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt (§§ 861, 862), daß also der Kläger den Besitz, dessen Schutz er mit der Klage be­ gehrt, vom Beklagten oder dessen Rechtsvorgänger durch verbotene Eigenmacht, und zwar innerhalb des letzten Jahres vor dem jetzt gegebenen Klageanlaß, erlangt habe. Wer den Besitz durch verbotene Eigenmacht erworben, muß sich also gefallen lassen, daß ihm dieser Besitz von der Gegenseite verleidet oder wieder abgenommen wird; b) durch den Nachweis, daß der Kläger gar nicht Besitzer sei oder daß der Eingriff in seinen Besitz nicht verbotene Eigen­ macht sei. Beide Einwendungen enthalten nur ein sog. mott» virtes Bestreiten. Der possessorischen Natur der Klage gegenüber kann nicht ein Recht auf den Besitz eingewendet werden. Daher ist denn auch das stärffte Recht auf den Besitz, das Eigenthum, nicht ge­ eignet, die vom Besitzer gegen den Eigenthümer erhobene, an sich begründete Besitz klage zu beseitigen. Nur um den Nachweis zu erbringen, daß die sich äußerlich als Störung oder Besitzentsetzung darstellende Handlung nicht die Eigenschaft der verbotenen Eigen­ macht habe (s. oben unter b), kann der Beklagte ein Recht zu seinem Verhalten einwenden, z. B. ein Wegerecht gegenüber der Klage, die in dem Hinübergehen über das Grundstück des Klägers eine Besitzstörung erblickte. Die Klage wird dann nicht deshalb abgewiesen, weil der Beklagte ein Recht zur Betretung des Grund­ stückes hat, sondern deshalb, weil der an sich geschehene Ein­ griff in fremden Besitz nicht verbotene Eigenmacht ist. An dem Satze: petitorium absorbet possessorium konnte auch das neue

490 Recht nichts ändern, denn er gründet sich auf das Wesen des Besitzstreites im Gegensatz zum Streite um das Recht. Wird also nach Verübung der verbotenen Eigenmacht durch rechtskräftiges Urtheil festgestellt, daß dem Thäter ein den Eingriff in den Besitzstand des Andern gestattendes Recht an der Sache zusteht, so ist die Besitzklage ausgeschlossen, aber nicht etwa nur deshalb, weil damit die Annahme einer verbotenen Eigenmacht widerlegt ist, sondern vielmehr deshalb, weil die im Besitzprozesse zu erlassende Entscheidung als bloße Feststellung einer vielleicht dem Rechte widersprechenden Thatsache gegenüber dem das Recht an der Sache feststellenden Urtheile stets eine vorläufige ist und nur die An« nähme eines mit dem Besitze zusammenfallenden Rechtes be­ gründet. Das BGB setzt dabei die Feststellung eines Rechtes an der Sache voraus, es genügt also nicht, daß dem im Besitzprozesse Beklagten ein persönlicher Anspruch auf den Besitz zuerkannt ist, denn daS persönliche Recht befugt nicht zu eigenmächtigem Eingriff in den Besitz eines Andern, sondern bindet den Willen des Ver­ pflichteten, seinerseits das zu thun, was dem Forderungsrechte des Gläubigers entspricht. Trotz dieses aufrecht erhaltenen Gegen­ satzes von petitorium und possessorium hat die neue Fassung der CPO (§ 260) das Verbot einer Verbindung von Besitzklage und Klage aus dem Recht fallen gelassen. Daher kann der Beklagte der Besitzklage eine auf das Recht zum Besitze gestützte Wider­ klage entgegensetzen. Auch dieser Ausschluß der Besitzklage wegen Vorliegens eines das Recht feststellenden Urtheils gewährt eine Einwendung

gegen die Besitzklage (§ 864 Abs. 2). Die Besitzklage ist auch dann ausgeschlossen, wenn seit der Verübung der Eigenmacht ein Jahr verstrichen ist. Es handelt sich hierbei nicht um eine Verjährung, sondern um eine von Amtswegen wahrzunehmendeKlagevoraussetzung(§864Abs. i). Rach so langer Zeit soll die Verübung verbotener Eigenmacht nicht mehr als so grobe Verletzung des Rechtsfriedens behandelt werden, oaß sich die Rechtsordnung mit einer vorläufigen Ent­ scheidung begnügen könnte. Ziel der Besitzentziehungsklage ist die Wiedereinräumung des Besitzes (§ 861), der Besitzstörungsklage Beseitigung der Störung, und wenn weitere Störungen zu besorgen sind, Unter­ lassung der Störung (§ 862). Die Besitzstörungsklage setzt ein auf fortgesetzte Beunruhigung gerichteres Handeln voraus. Daher kann z. B. einmaliges Betreten eines Grundstückes durch einen Fremden, der sich nur den Weg abkürzen will, zur Be­ gründung derBesitzklage nicht ausreichen; anders, wenn derNachbar des Besitzers das Gleiche thut.

Das gemeinrechtliche possessorium summarissimum ist vom BGB nicht ausgenommen. Der einstweiligen Regelung des Besitz­ standes für die Dauer des Besitzprozesses genügt die einstweilige Verfügung (§ 940 CPO). Als Recht zum Eingriff in fremden Besitz wird vom BGB (§ 867) die Befugniß bezeichnet, eine Sache abzuholen, die aus der Gewalt des Besitzers auf ein im Besitz eines Anderen be­ findliches Grundstück gelangt ist. Der Abholer hat den durch die Aufsuchung und Abholung verursachten Schaden zu ersetzen, über das Abholen enthält keine Besitzstörung. 2. Von der CPO gewährt ist nicht nur die Möglichkeit der einstweiligen Verfügung, sondern auch die Feststellungs­ klage. Da der Besitz nach dem BGB ein Rechtsverhältniß ist, kann auf Feststellung des bestehenden oder des nicht bestehenden Besitzes geklagt werden (§ 256 CPO). Diese Besitzfeststellungs­ klage wird insbesondere dann am Platze sein, wenn es sich darum handelt, für den künftigen Eigenthumsstreit eine Entscheidung darüber zu erlangen, welche der hierüber streitenden Parteien im Besitze sei. Auch diese Klage ist eine rein possessorische, sie kann daher durch die Einwendung eines Rechtes zum Besitze nicht geschlagen werden.

B. vte Sachenrechte. § 175. Allgemeine Grundsätze. 1. Begriff. Die Sachenrechte oder dinglichen Rechte sind Rechte an Sachen, d. h. sie gewähren der Person eine Macht über die Sache. Bezeichnet man sie als Rechte, welche der Person unmittelbar an einer Sache zustehen, so deutet man an, daß das dingliche Recht des Einen unabhängig ist von dem Willen eines Andern, man bringt also den Gegensatz von dinglichem und persönlichem Rechte zum Ausdruck. Aus dieser Eigenschaft der Sachenrechte folgt, daß sie, einmal entstanden, an der Sache be­ stehen, gleichviel wo und bei wem sich die Sache befindet, d. h. alle Sachenrechte sind absolute Rechte, sie wirken nicht gegen eine bestimmte einzelne Person, sondern gegen Alle und verlangen nur, daß man sie nicht störe. 2. Zahl der dinglichen Rechte. Die ausgedehnteste Macht, welche die Person über eine Sache haben kann, gewährt das Eigenthum: es ist deshalb das umfassendste dingliche Recht. Nimmt man dem Eigenthümer einzelne im Eigenthum liegende Befugnisse und gewährt man sie einem Andern, so entsteht ein dingliches Recht an fremder Sache (jus in re aliena). Diese im Gegensatz zum Eigenthum begrenzten dinglichen Rechte gewähren entweder den Gebrauch oder die Nutzung oder das Recht der Veräußerung.

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DaS entwickelte römische Recht kannte nur vier solcher Rechte: die Servituten, die Superficies, die Emphyteusis und das Pfand­ recht. Das deutsche Recht kannte nicht blos eine größere Anzahl dinglicher Rechte, sondern erkannte überhaupt auch eine Beschrän­ kung dieser Zahl nicht an. Die letztere Auffassung erhielt sich im preußischen Landrecht, das jedes persönliche Recht auf Ge­ währung einer bestimmten Sache (Recht zur Sache) mit der Ein­ tragung im Grundbuch oder mit dem Besitzerwerb in ein dingliches Recht übergehen ließ. Das BGB ist zwar grundsätzlich zum römischen Rechte, d. h. zur Anerkennung einer geschlossenen Zahl dinglicher Rechte, zurückgekehrt, indem es als begrenzte dingliche Rechte an beweglichen Sachen nur Nießbrauch und Pfand­ recht, als Rechte an Grundstücken nur das Erbbaurecht, die Dienstbarkeiten, das Vorkaufsrecht, die Hypothek, die Grundschuld und die Rentenschuld anerkennt, aber auch nach ihm kann dem persönlichen Rechte durch Eintragung im Grundbuch absolute Wirkung verliehen werden. 3. Gegensatz von Mobiliar- und Jmmobiliarsachenrecht. Das römische Recht machte grundsätzlich keinen Unterschied zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen, das deutsche Recht aber unterwarf die Rechte an beweglichen Sachen so völlig anderen Grundsätzen als die Rechte an unbeweglichen Sachen, daß nach ihm die Aufftellung des Gegen,satzes von Mobiliar- und Jmmobiliarsachenrecht geradezu geboten ist. Diese abweichende Behandlung hatte ursprünglich ihren Grund in der erhöhten wirthschaftlichen und politischen Bedeutung des Grundbesitzes. Wenn für das BGB derselbe Gegensatz besteht, so ist er in der natür­ lichen Verschiedenheit der Sachen selbst begründet. Denn die bewegliche Sache ist der Herrschaft des Menschen stärker unter­ worfen als die unbewegliche, und daß dies das römische Recht nicht beachtete, hat der Brauchbarkeit seiner Sätze schwer ge­ schadet. Das spätere und das neueste deutsche Recht hat jenem Gegensatze dadurck Rechnung zu tragen und den Mängeln des römischen Rechtes dadurch abzuhelfen gesucht, daß es für die Rechte an Grundstücken das Institut der öffentlichen Bücher einführte. An diese Einrichtung knüpfen sich zahlreiche eigenartige Rechts­ sätze; sie bilden das moderne Jmmobiliarsachenrecht. 4. Dinglicher Vertrag. Die ältere Lehre des gemeinen Rechts erblickte in der Vornahme derjenigen Rechtsgeschäfte, welche die Begründung oder Uebertragung eines Sachenrechts bezweckten, nur den Akt der Erfüllung des ihm zu Grunde liegenden obliga­ tionenrechtlichen Geschäftes, brachte also das sachenrechtliche Ge­ schäft (z. B. die Tradition) in Abhängigkeit von dem persönlichen Rechtsgrunde (z. B. dem Kaufverträge). Diese Lehre ist z. B.

in das preußische Landrecht übergegangen; sie hat jedenfalls das für sich, daß beide Geschäfte wie wirthschaftlich so juristisch eine Einheit bilden. Nach der neueren gemeinrechtlichen Lehre (ge­ stützt vorzugsweise auf 1. 36 D 41, 1) ist das sachenrechtliche Geschäft gegenüber seinem persönlichen Rechtsgrunde selbständig. Die Folge ist, daß das sackenrechtliche Geschäft die mit ihm beabsichtigte Wirkung (z. B. oie Eigenthumsüber­ tragung) auch dann herbeiführt, wenn jener Rechtsgrund in Wirk­ lichkeit nicht besteht, weil das betreffende Geschäft (z. B. der Kaufvertrag) ungültig ist. Das sachenrechtliche Geschäft ist also ein abstrakter Vertrag; man nennt ihn auch dinglichen Vertrag, um auszudrücken, daß die beabsichtigte Rechtsänderung unabhängig von einer persönlichen Verpflichtung eintritt. Aber diese Un­ abhängigkeit ist nur eine juristische, wirthschaftlich bilden beide Verträge eine Einheit (so wird z. B. der Eigenthumsübergang nur gewollt, weil der Kaufvertrag gewollt ist). Der AusOung der juristischen Verschiedenheit zwischen dem persönlichen sgrunde (dem sog. Kausalgeschäfte) und dem dinglichen Vertrage dienen die Kondiktionen (s. oben S. 455ff.), denn hat der dingliche Vertrag seine Wirkung geäußert, fehlte es aber am persönlichen Rechtsgrunde, so ist die Aenderung int dinglichen Rechte ohne Grund eingetreten und kann mit einer condictio rückgängig gemacht werden.

§ 176.

Bedeutung des Besitzes für das Sachenrecht.

Daß die Thatsache des Besitzes Rechtsschutz genießt, ist oben (§§ 173, 174) erörtert. Dieser Schutz wird nach altem und neuem Recht dem Besitze beweglicher wie dem unbeweglicher Sachen gewährt. Für die Rechte an Sachen hat der Besitz die Be­ deutung, daß der Besitzerwerb die Vermittelung des Rechts­ erwerbes und der Zustand des Besitzes die Erscheinungsform für die Rechte an Sachen bildet. 1. Nach gemeinem und neuem Recht ist Besitz nothwendige Voraussetzung der Ersitzung, aber während das bisherige Recht in dieser Beziehung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen keinen Unterschied macht, hat der Besitz nach neuem Recht diese Bedeutung nur bei der Ersitzung beweglicher Sachen (§ 937) und bei der Ersitzung des Nießbrauchs an be­ weglichen Sachen (§ 1033); bei der nur sehr beschränkt zu­ gelassenen Ersitzung von Grundstücken hat der Besitz nur neben­ sächliche Bedeutung (§ 900). Der Eigenthumserwerb, der sich an die Aneignung (Okku­ pation) und an die Uebereignung knüpft, wird nach altem und neuem Recht, nach letzterem aber nur bei beweglichen Sachen

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(§§ 958, 929ff.), durch den Besitzerwerb vermittelt. Nach neuem Recht kann auch das Pfandrecht an einer beweglichen Sache nur durch Besitzübergaoe begründet werden (§ 1205). 2. Da der Besitzer so lange als berechtigt gilt, als er die Sache hat, bestimmt sich gegenüber der Eigenthumsklage (rei vindicatio) und den dieser nachgebildeten Klagen schon nach rö­ mischem Recht die vortheilhaftere, den Nichtbesitzer zum Beweise feines Rechtes zwingende Rolle nach dem Besitze (§§ 985, 1227). Der Besitz einer beweglichen Sache aber begründet, ebenso wie einst die Gewere des deutschen Rechts, eine Vermuthung dafür, daß mit ihm das dingliche Recht, insbesondere also das Eigenthum, übereinstimme (§§ 1006, 1007). Während also das gemeine Recht, hierin dem römischen folgend, auch hier zwischen dem Besitze beweglicher und dem unbeweg­ licher Sachen nicht unterscheidet, tritt nach neuem Recht, das hierin dem deutschen Rechte folgt, der Besitz bei unbeweglichen Sachen anBedeutung zurück, während derBesitz beweglicher Sachen gesteigerte Bedeutung hat. Was für bewegliche Sachen der Besitz, ist nach neuem Recht für unbewegliche Sachen der Bucheintrag. § 177.

Die Bedeutung der Sffeutlicheu Bücher für daJmmobiliarsacheurecht.

I. Die Gruudbucheiurichtung selbst. Die Einrichtung öffent­ licher Bücher, die zur Aufnahme urkundlicher Erklärungen über die Rechte an Liegenschaften bestimmt sind, hat in Deutschland in allerdings noch unentwickelter Form lange vor Aufnahme des römischen Rechtes bestanden, ist durch dieses aber im größten Theile Deutschlands verdrängt worden. Erst seit dem Ende des 17. Jahrhunderts begann man mit der Wiedereinführung jener Einrichtung und gestaltete das Buchwesen zu einem den gesummten Rechtsverkehr mit unbeweglichen Sachen beherrschenden Institute. Daß die Grundsätze des Liegenschaftsrechtes heute im wesentlichen deutschrechtlich sind und daß heute ebenso wie im deutschen Recht vor der Reception der fremden Rechte ein Gegensatz zwischen Mobiliar- und Jmmobiliarsachenrecht besteht, ist gerade auf die Einrichtung öffentlicher Bücher zurückzuführen. Denn mit ihrer Einführung war ein prinzipieller Bruch mit dem römischen Rechte unvermeidlich. Man pflegt heut die Rechtsgrundsätze, welche das Bestehen eines öffentlichen Buches zur Voraussetzung haben, als „Grundbuchrecht" zu bezeichnen. Das neue deutsche Grund­ buchrecht, das die Einrichtung der öffentlichen Bücher ausgenommen hat, ist imBGB und in der Reichsgrundbuchordnung vom 24.März 1897 (GBO), übrigens auch in dem Gesetze über die Zwangs­ versteigerung und Zwangsverwaltung vom 24.März 1897 (ZwstG)

enthalten. Der Stoff ist in der Weise vertheilt, daß BGB und 3tost® materielles, die GBO formelles Recht enthält. Es bestehen zwei Systeme der Einrichtung öffentlicher Bücher, das Pfandbuch- und das Grundbuchsystem. Nach dem ersteren ist das Buch nur den Bedürfnissen des Realkredits dienstbar, daher nur zur Aufnahme der Pfand- oder Hypothekenrechte be­ stimmt und deshalb mit dem Namen Hypothekenbuch bezeichnet, nach dem Grundbuchsystem ist das Buch dazu bestimmt, mit dem Ansprüche auf öffentlichen Glauben Auskunft über alle Rechte am Grundstück, namentlich über das Eigenthum zu geben. Während nun aber das Pfandbuchsystem durchführbar wird durch die Be­ stimmung, daß Pfandrechte an Grundstücken nur durch Eintragung im Hypothekenbuche entstehen und nur durch Löschung endigen können, scheitert die Durchführbarkeit des Grundbuchsystems daran, daß sich in zahlreichen Fällen der Eigenthumserwerb vollzieht ohne rechtsgeschäftliche Erklärung, daher ohne Eintragung im Grund­ buch. Wenngleich die Eintragung eines Eigenthumswechsels nach­ geholt werden kann und nachgeholt werden muß, so ist doch ein Zustand, während dessen der Inhalt des Buches mit der wirk­ lichen Rechtslage nicht mehr übereinstimmt, nicht zu vermeiden. Trotz dieses Mangels verdient das Grundbuchsystem den Vor­ zug. Es bestand in zahlreichen Partikularrechten neuerer Zeit und ist auch in das neue Recht übergegangen. Während man ursprünglich alle, die Grundstücke des Gerichts­ bezirks betreffenden, Urkunden chronologisch aneinanderreihte, ging man später dazu über, für jeden kleineren (Stadt-) Bezirk ein besonderes Buch anzulegen. Das moderne Grundbuchrecht ist zu größerer Spezialisirung fortgeschritten; es verlangt entweder für jedes Grundstück oder für jeden Eigenthümer ein besonderes Blatt. Das erstere heißt Realfolium, das letztere Personalfolium. Jedes „Blatr" (das aber in Wirklichkeit mehrere Blätter Papier umfaßt) zerfällt wieder in Abtheilungen, deren jede der Ein­ tragung einer bestimmten Art von Rechten oder Vermerken ge­ widmet ist. Das neue Recht verlangt grundsätzlich die Anlegung von Realfolien, nur ausnahmsweise kann über die mehreren Grundstücke desselben Eigenthümers ein gemeinschaftliches Blatt geführt werden (ein Personalfolium), wenn hiervon Verwirrung nicht zu besorgen ist (§§ 3, 4 GBO); in diesem Falle behält jedes Grundstück seine Selbständigkeit. Anders, wenn ein Grundstück mit einem andern vereinigt oder diesem als Bestandtheil zu­ geschrieben wird (§ 890 BGB § 5 GBO); denn in diesem Falle verlieren die einzelnen Theile ihre Selbständigkeit. Grundbuch­ blätter werden nicht nur für Grundstücke, sondern auch für Erb-

496 baurechte angelegt, für erstere von Amtswegen, für letztere auf Antrag, im Falle der Veräußerung oder Belastung des Erbbau­ rechts von Amtswegen (§§ 3, 7 GBO). Die Grundbücher werden von „Grundbuchämtern") ge­ führt, die nicht nothwendig mit den Amtsgerichten verbunden zu sein brauchen. Hierüber sowohl als auch über die Einrichtung der Grundbücher» also insbesondere darüber, ob die einzelnen Be­ lastungen chronologisch auf dem Grundbuchblatt niederzuschreiben oder systematisch einzutheilen sind, Bestimmen die Landesjustiz­ verwaltungen?) Der Anlegung neuer Bücher bedarf es nur da, wo entweder öffentliche Bücher im Sinne des neuen Rechtes über­ haupt nicht oder nur Pfandbücher bestehen, während überall da, wo schon bisher eigentliche Grundbücher bestanden, die bisherige Einrichtung oeibehalten werden kann (§§ 1, 2, 87—89 GBO). Das materielle Grundbuchrecht des BGB setzt aber das Vor­ handensein von Grundbüchern voraus, daher tritt die GBO, so­ weit sie die Anleguug der Grundbücher betrifft, gleichzeitig mit dem BGB, in allen übrigen Beziehungen aber, insbesondere also hinsichtlich des Verfahrens in Grundbuchsachen, für jeden Grundvuchbezirk, d. h. für jeden Bezirk, für den ein Grundbuch an­ gelegt wird, immer erst mit dem Zeitpunkt in Kraft, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist (§ 82 GBO). Dieser Zeitpunkt wird durch landesherrliche Verordnung bestimmt(Art.186 EG z. BGB). Die Grundbncheinrichtung ermöglicht eine Auskunft über alle das Grundstück betreffenden Rechtsverhältnisse, denn das Buch dient nicht nur der Aufnahme derjenigen Eintragungen, nach welchen Rechte am Grundstücke bestehen, sondern auch solcher Vermerke, die eine Beschränkung eingetragener Rechte, insbesondere des Eigenthümers, aussprechen. Denn es werden auch Veräußerungs­ verbote, Arreste, Sperrvermerke, Vormerkungen, Widersprüche und insbesondere auch Löschungen, d. h. Löschvermerke, eingetragen. II. Der Grundbucheinrichtung wesentlich sind eine Reihe von Rechtsprinzipien. Sie alle sind bereits in der preußischen Gesetzgebung, die dem neuen Recht als Vorbild gedient hat, insbesondere in den Gesetzen vom b. Mai 1872, ausgeprägt. Es sind das Eintragungs-, das Publizitäts-, das Prioritäts- und das Konsensprinzip. J) Außer in Baben, den beiden Mecklenburg und Württemberg find tl die Amtsgerichte. 8) In Preußen hat da» Grundbuchblait eine Aufschrift (Bezeichnung des Grundstück») und 3 Abtheilungen. Die erste A. enthüll den Eigen­ thümer, die drttte die Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden, die zweite alle anderen Belastungen und die BersügungSbeschrünkungen.

1. Das Eintragungsprinzip ist der Grundsatz, daß jede Grundbucheintragung eine Rechtsänderung nach sich zieht. Dieser Grundsatz hat in der heutigen Gesetzgebung aber eine ungleiche Auffassung erfahren. Nach der einen Auffassung wird die Rechts­ änderung— Eigenthumsübertragung, Begründung und Aufhebung dinglicher Rechte — durch die Thatsache der Eintragung ohne Rücksicht auf deren Voraussetzung bewirkt, nach der andern Auf­ fassung wirkt die Eintragung nicht durch sich selbst, sondern ist nur ein zu der außerhalb des Buchs enfftandenen Voraussetzung hinzutretendes und mit dieser zusammenwirkendes Erforderniß der beabsichtigten Rechtsänderung. Beide Auffassungen stimmen aber darin überein, daß der Eintritt der Rechtsänderung von der Ein­ tragung abhängig ist. Es können also Rechte an Grund­ stücken nur durch Eintragung entstehen und nur durch die Löschung des Eintragungsvermerks untergehen. Die Rechtstitel, welche nach gemeinem Rechte das dingliche Recht selbst entstehen lassen, begründen, insoweit das Eintragungsprinzip gilt, nur einen persönlichen Anspruch gegen den Verpflichteten auf Vornahme der Eintragung und damit auf Herstellung des Rechts. Daher unterliegt z. B. der Verkäufer eines Grundstücks nur der persönlichen a. emti auf Uebertragung des Eigenthums, dieses selbst aber erlangt er erst mit der Eintragung. Das Eintragungsprinzip ist auch vom BGB als Regel angenommen, und zwar in der Gestalt, daß die Eintragung nicht formale, sondern nur dann Rechtskraft hat, wenn sie sich auf einen Rechtsgrund stützt. Die Eintragung hat gleichwohl rechts­ begründende Wirkung. Diesem Grundsätze entsprechend, hängt a) die Uebertragung des Eigenthums an einem Grundstücke, b) die Belastung eines Grundstücks mit einem Rechte, sowie die Belastung und Uebertragung eines solchen Rechtes, c) die Aenderung des Inhalts eines an einem Grundstücke bestehenden eingetragenen Rechtes, d) die Aenderung des Rangverhältnisses unter mehreren eingetragenen Rechten von der Einigung der Betheiligten und djer Eintragung der Rechtsänderung, e) die Aufhebung eines eingetragenen Rechtes von der Er­ klärung des Berechtigten, daß er das Recht aufgebe, und der Löschung des Rechts im Grundbuche ab (§§ 873, 875, 877, 880 BGB), so daß weder die Eintragung allein, noch die Erklärung der oder des Betheiligten allein ausreicht. Engelmann, b» bürgerliche Recht Deutschlands.

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498 Die Einigung d. i. der dingliche Vertrag, wird durch ein rechtskräftiges Urtheil, das den Einen zur Abgabe der erforder­ lichen Willenserklärung verurtheilt, und den auf dieses Urtheil gestützten Eintragungsantrag des Andern ersetzt (§ 894 CPO). War die Einigung wegen mangelnder Verfügungsfähigkeit des einen Thelles unwirksam (z. B. § 7 KO), so ist auch die sich anschließende Eintragung unwirksam; verliert aber der Theil, der über ein Recht verfügt, erst nach eingetretener Einigung und nach Stellung des Eintragungsantrages die Verfügungsfähigkeit, so bleibt die Einigung-- wirksam und die Eintragung muß er­ folgen (§ 878 BGB, § 15 KO). 2. Das Publizitätsprinzip ist der Grundsatz, daß das Grundbuch öffentlichen Glauben genießt, d. h. daß die Ein­ tragungen als wahr gelten, auch wenn sie der Wahrheit widerprechen, und daß sowohl die einzelne Eintragung, als der ge« ämmte Inhalt des Buches als vollständig gelten, selbst wenn ie unvollständig sind (materielle Publizität). Auf den öffentichen Glauben des Buches aber kann sich der nicht berufen, der weiß, daß eine bestimmte Eintragung unrichtig oder daß der Buchinhalt unvollständig ist. Die praktische Bedeutung des Publi­ zitätsprinzips besteht demnach darin, daß der Rechtserwerb des­ jenigen, der im redlichen Glauben an die Richtigkeit und Voll­ ständigkeit des Buches, sei es durch translativen oder durch konstitutiven Titel, ein Recht am Grundstück erwirbt, unanfechtbar ist, auch wenn sein Rechtsurheber in Folge eines Mangels in seinem eigenen Rechte zur Einräumung des betreffenden Rechtes nicht befugt war. Daher kann z. B. derjenige, der noch als Hypothekengläubiger eingetragen steht, obwohl die Hypotheken­ forderung getilgt ist, die Forderung abtreten mit der Wirkung, daß, während ihm die Tilgung entgegengesetzt werden konnte, dem Cessionar, der von der Tilgung keine Kenntniß hat, die erfolgte Tilgung nicht entgegengesetzt werden kann. Dasselbe Prinzip mit denselben Folgen ist vom BGB (§§ 892, 893) anerkannt. Geschützt ist durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs Derjenige, der durch Rechtsgeschäft ein Recht an einem Grundstück oder ein Recht an einem solchen Rechte in gutem Glauben erwirbt, gleichviel ob der Erwerb ohne oder gegen Entgelt erfolgt, ob durch das Geschäft ein Recht neu begründet oder ein bestehendes Recht übertragen wird. Aber indem das P. den redlichen Erwerber schützt, schädigt es Denjenigen, dem ein Recht auf Eintragung seines Rechtes zusteht, dessen Recht aber nicht eingetragen ist und nicht sofort eingetragen werden kann; denn dieses Recht kann gegen den redlichen Erwerber nicht geltend gemacht werden; z. B. der Eigen-

thümer, der an A. verkauft hat, läßt das Grundstück an B. auf, der von dem Rechte des A. nichts weiß. Die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit des Grundbuchs ist daher ein gefahrdrohender Zustand, dessen Beseitigung oder Entkräftung Aufgabe der Gesetz­ gebung ist. Dieser Aufgabe sucht das BGB auf verschiedenen Wegen zu entsprechen: a) Es giebt Demjenigen, dessen Recht nicht oder nicht richtig eingetragen oder durch die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist, einen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuches gegen Den, dessen Recht durch die Berichtigung betroffen wird (§§ 894—897); der An­ spruch ist dinglicher Natur, er unterliegt nicht der Verjährung (§ 898) und ist gerichtet auf Abgabe der Willenserklärung, daß die Berichtigung erfolge; diese Erklärung kann durch ein rechts­ kräftiges Urtheil ersetzt werden (§ 894 CPO). Solche Fälle treten z. B. ein, wenn die Auflassung nichtig ist oder wenn die Ein­ tragung des Erwerbers auf einem andern Grundbuchblatt er­ folgte, oder wenn ein eingetragenes Recht erloschen, aber nicht gelöscht ist (vgl. übrigens §§ 22 -24 GBO). In den Fällen, in denen ein Berichtigungsanspruch besteht, kann ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grund­ buchs eingetragen werden. Der Widerspruch zerstört, soweit er reicht, den öffentlichen Glauben des Grundbuchs (§ 892). Seine Eintragung erfolgt entweder mit dem Willen des Anspruchs­ gegners, indem dieser vor dem Grundbuchamt die Eintragung des W. bewilligt, oder gegen seinen Willen im Wege der einst­ weiligen Verfügung (§ 899). b) Die im Publizitätsprinzip liegende Gefahr wird endlich durch Vormerkung des gefährdeten Rechtes abgewendet. Die Vormerkung hat nicht zur Voraussetzung, daß das Grundbuch unrichtig ist, sie unterscheidet sich also vom Widerspruche dadurch, daß sie nicht einem vorhandenen dinglichen Rechte gegen den Inhalt des Grundbuchs Geltung verschafft, sondern einen per­ sönlichen Anspruch gegenüber benachtheiligenden Verfügungen sichern will. Es können (nach § 883) vorgemerkt werden: An­ sprüche auf Einräumung oder Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstücke (z. B. der persönliche Anspruch des Käufers auf Uebertragung des Eigenthums) oder an einem das Grundstück belastenden Rechte oder auf Aenderung des Inhalts oder des Ranges eines solchen Rechts, gleichviel ob der Anspruch betagt oder unbetagt, bedingt oder unbedingt ist. Die Vormerkung ist eine vorläufige Eintragung des Rechtes am Grundstück oder an einem eingetragenen Recht oder eines 32*

600 Anspruches auf Löschung eines eingetragenen Rechts und bewirkt eine dingliche Belastung des Grundstücks oder eingetragenen Rechtes. Denn Derjenige, der das Grundstück oder das ein­ getragene Recht erwirbt, muß nach dem Grundsätze res transit cum sua causa das vorgemerkte Recht wider sich gelten lassen. Ließe 5. B. der zahlende Schuldner bei der Hypothek sein Recht auf Löschung vormerken, so würde der Cessionar dieses Recht gegen sich gelten, sich also die Zahlung entgegensetzen lassen müssen. Wem ein persönlicher Anspruch auf Uebertragung des Eigen­ thums zusteht, würde diesen Anspruch verlieren, wenn der bisherige Eigenthümer das Grundstück an einen Anderen aufließe, denn der Erwerber wäre jenem Ansprüche nicht unterworfen. Die Vor­ merkung zur Sicherung dieses Anspruches bewirkt aber, daß der Erwerber dem Ansprüche auf Eigenthumsübertragung unter­ worfen ist. Aus diesem Grunde durchbricht das Institut der Vormerkung die Geschlossenheit der Zahl der vom BGB anerkannten dinglichen Rechte. Die Eintragung der Vormerkung setzt entweder die Be­ willigung dessen, gegen den sie wirkt, oder eine einstweilige Ver­ fügung voraus. Sowohl wenn eine Vormerkung, als auch, wenn die Eintragung eines Widerspruches verlangt wird, braucht der Antrag nicht eine Glaubhaftmachung der Gefahr zu enthalten (§§ 885, 899), denn die Gefährdung ist schon damit gegeben, daß der Gegenstand des Rechtes veräußert und auf diese Weise dem Berechtigten entzogen werden kann. Soll das Publizitätsprinzip durchführbar werden, so muß das Grundbuch öffentlich d. h. zugänglich sein (formelle Publizität). Die GBO (§ 11) gestattet deshalb einem Jeden, der ein berech­ tigtes Interesse darlegt, die Einsicht des Grundbuchs, der darin zur Ergänzung der Eintragungen in Bezug genommenen Urkunden und der noch nicht erledigten Eintragungsanträge, giebt auch ein Recht auf Ertheilung von Abschriften der hiernach zugänglichen Urkunden. 3. Das Grundbuchamt hat dafür zu sorgen, daß nur rechtse begründete Rechte eingetragen werden, es hat alsö dasjenige , Sgeschäft, das der Eintragung zu Grunde liegt, auf seine Gültigkeit hinzu prüfen. Man hat dieses Prinzip der Lega­ lität früher meist dahin verstanden, daß die Behörde nur dann einzutragen hat, wenn sie bei jener Prüfung findet, daß der per­ sönliche Anspruch desjenigen, zu dessen Gunsten die Eintragung erfolgen soll, wirklich besteht. In der neueren Zeit hat man auf den oben erörterten Unterschied zwischen dem dinglichen Vertrage und dem persönlichen Rechtsgrunde hingewiesen, für den dinglichen Vertrag die bloße Einigung der Betheiligten über die beabsichtigte Rechtsänderung für genügend erklärt und deshalb der Grundbuch-

behörde nur die Prüfung der Rechtsgültigkeit dieser Einigung auf­ erlegt. Auf diesem Standpunkte steht auch das neue Recht (§§ 873, 975, 877 BGB), man bezeichnet ihn als das Konsensprinzip; ihm gegenüber ist das Legalitätsprinzip eingeschränkt: der Prü­ fung des Grundbuchamtes unterliegt nur die Rechts­ gültigkeit der für die Eintragung erforderlichen Willens­ erklärung. Entscheidend für das Grundbuchamt ist aber grund­ sätzlich nur die Eintragungsbewilligung desjenigen, dessen Recht von der Eintragung betroffen wird (§ 19 GBO). Für Eintragung von Eigenthumsbelastungen genügt daher die einseitige Eintragungsbewilligung des Eigenthümers, zur Umschreibung einer Hypothek die Bewilligung des eingetragenenHypothekengläubigers. Das Grundbuchamt hat demnach nur die Rechtsgültigkeit dieser einseitigen Erklärung zu prüfen, und nur ausnahmsweise, nämlich wenn es sich um die Auflassung eines Grundstücks oder um die Bestellung oder Uebertragung eines Erbbaurechts handelt, muß die Erklärung beider Theile erfolgen (§ 20 das.). 4. Das Prioritätsprinzip besteht darin, daß das Rang­ verhältniß der eingetragenen Rechte sich nach der Reihenfolge der Eintragungen bestimmt. Denselben Grundsatz stellt das BGB (§ 879) auf. Da aber die Eintheilung des Grundbuchblattes in verschiedene Abtheilungen, die zur Aufnahme verschiedenartiger Rechte dienen, vorgesehen ist, kann das Prinzip nur für die inner» Halo derselben Abtheilung eingetragenen Rechte zur Anwendung kommen. Das Rangverhältniß derjenigen Rechte, die in ver­ schiedenen Abtheilungen eingetragen sind, bestimmt sich nach dem Datum der Eintragung, und sind sie an demselben Tage ein­ getragen, so haben sie gleichen Rang (§ 879). Das hiernach bestehende Rangverhältniß kann nachträglich geändert werden. Auch hierzu ist ein dinglicher Vertrag und die Eintragung der Aenderung erforderlich. Die Wirkung der Vor­ rechtseinräumung war von jeher bestritten. Die eine Meinung erblickte in dem Range nichts weiter als eine vom Rechte selbst untrennbare Eigenschaft des Rechtes und deshalb in der Vorrechts­ einräumung nur die persönliche Verpflichtung des zurücktretenden Berechtigten, von seinem Vorrange gegenüber dem vortretenden Berechtigten keinen Gebrauch zu machen; eine andere Auffassung verleiht dem Range die Eigenschaft eines selbständigen, daher vom Rechte selbst lösbaren, wirthschaftlichen Gutes und legt der Rang­ abtretung absolute (dingliche) Wirkung bei'). Derletzteren Auffassung hat sich das BGB (§ 880) angeschlossen. Die Folge ist die, daß das vortretende Recht selbst an die Stelle des

*) Dies nur die Hauptrichtungen der in der Rechtslehre vertretenen Anfichten.

502 zurücktretenden tritt, seinen neu erworbenen Rang also auch in dem Falle behält, daß das zurücktretende Recht (durch Rechtsgeschäft) aufgehoben wird. Die zwischen beiden stehenden Rechte werden durch die Borrechtseinräumung nicht berührt: sie erleiden keine Ver­ schlechterung, also kann das vortretende Recht, auch wenn es einen höheren Werth hat. nicht zu einem den Werth des Zwischenrechtes übersteigenden Betrage geltend gemacht werden; sie erfahren auch keine Verbesserung, sie rücken also bei einem Wegfalle des vor­ tretenden Rechtes nicht vor, vielmehr erlangt in diesem Falle das zurücktretende Reckt seinen ursprünglichen Rang wieder. Eine Rangänoerung eingetragener Rechte wird ferner durch die Löschung eines voreingctcagenen Rechtes von selbst herbei­ geführt; in diesem Falle rücken die nacheingetragenen Rechte vor. Denn jedes Recht ergreift das ganze Grundstück, nicht wie es nach dem sog. absoluten Lokussystem der Fall ist, einen vorher bestimmten Theil seines Werthes. Der Eigenthümer kann daher über freie Stellen des Grundbuchblattes nicht verfügen, er kann sich aber (§ 881 BGB) bei der Eintragung eines Rechtes die Befugniß Vorbehalten, ein anderes dem Umfange nach bestimmtes Recht mit dem Range vor jenem Rechte eintragen zu lassen (Rangvorbehalt). Der Vorbehalt bedarf der Eintragung bei dem Rechte, das zurücktreten soll, und ist rei cohaerena, da das vorbehaltene Recht auf jeden späteren Eigenthümer des Grundstücks übergeht. III. Wirkimgei» der Eintragung. Die Einrichtung des Grund­ buches als eines öffentlichen, für den Rechtsverkehr mit Grund­ stücken maßgebenden und nach dem Publizitätsprinzip zuverlässigen Auskunftsmittels hat weitere wichtige Folgen. 1. Durch die Eintragung erhält jedes Recht ein gegenüber dem Eigenthum am Grundstück selbständiges Dasein. Während nämlich nach römischem und gemeinem Rechte die dinglichen Rechte an fremden Sachen durch Konfusion d. h. dadurch untergehen, daß jenes Recht und das Eigenthum sich in derselben Person vereinigen, läßt der Eintragungsvermerk das eingetragene Recht trotz jener Vereinigung fortbestehen (§ 889 BGB). Dieser Grund­ satz findet besondere Anwendung im Falle der unten zu behandelnden Eigenthümerhypothek, findet aber nicht Anwendung auf Rechte an eingetragenen Rechten (§§ 1072,1063, 1273, 1256 BGB Art. 189 Abs. 3 EG zum BGB). 2. Soll ein Recht gegen Dritte wirken, so muß es für den Dritten erkennbar sein. Bei beweglichen Sachen bildet der Besitz ein Mittel der Erkennbarkeit des in ihm zum Ausdruck gelangenden dinglichen Rechtes, aber auch dieses Zeichen trügt, und bei un­ beweglichen Sachen kann es überhaupt nicht in Frage kommen. Daher giebt bei diesen der Besitz nach neuem Recht nicht

mehr, wie die Gewere, ein Legitimationsmittel, vielmehr ist diese Legitimationskraft auf die Eintragung im Grundbuche übergegangen1); der Bucheintrag begründet die Rechtsvermuthung, daß er mit der wirklichen Rechtslage übereinstimme (§ 891); wer also als Berechtigter eingetragen steht, für den ist der Beweis geführt, daß ihm das Recht zustehe, und wessen Recht im Grund­ buche gelöscht ist, gegen den ist der Beweis geführt, daß sein Recht nicht bestehe. Die Vermuthung ist zwar keine unwider­ legliche, aber sie gewährt im Prozesse die Vortheile, welche ehedem die Gewere verlieh. 3. Die Rechtsvermuthung steigert sich nach BGB (§ 900) zu einem Rechtszustande, wenn 30 Jahre hindurch das ein­ getragene Recht auch thatsächlich ausgeübt worden ist. Denn in diesem Falle tritt zum Bucheintrag das zweite m ögliche Legitimations­ mittel, der Besitz, und die Fortdauer dieses Zustandes durch einen beträchtlichen Zeitraum. Man spricht dabei von Tabular­ ersitzung (weil die tabula für den Besitzer spricht), denn es ent­ steh t beim Vorhandensein der angegebenen Voraussetzungen das eingetragene Recht. Man sollte diesen Fall statt Tabularersitzung vielmehr Buch-Ersitzung nennen. Von der gewöhnlichen Er­ sitzung des bisherigen und des neuen Rechts unterscheidet sich die Buch-Ersitzung dadurch, daß diese guten Glauben nicht voraussetzt. 4. Da das eingetragene Recht als bestehend angesehen wird, sind die aus dem Rechte entstandenen Ansprüche der Verjährung entzogen (§ 902). Nur Ansprüche auf Rückstände wiederkehrender Leistungen (z. B. Zinsen der eingetragenen Hypothek, Altentheils­ prästationen) und Schadensersatzansprüche unterliegen der Ver­ jährung.

§ 178.

Das Schiffsregister.

Ein öffentliches Auskunftsmittel über die Rechte an Schiffen ist das Schiffsregister. Dieses Register wird geführt 1. über die zur Führung der Bundesflagge befugten Kauf­ fahrteischiffe nach § 3 Ges. über die Nationalität der Kauffahrtei­ schiffe vom 25. Oktober 1867, 2. über Dampfschiffe und andere Schiffe mit eigner Trieb­ kraft, deren Tragfähigkeit mehr als 15000 kg beträgt, sowie über sonstige Schiffe mit einer Tragfähigkeit von mehr als 20000 kg nach § 119 des Binnenschifffahrtsges. vom 15. Juni 1895. Die ersteren werden geführt von der durch Landesgesetz be­ zeichneten Behörde, die letzteren von dem zur Führung desHandelsregisters zuständigen Gerichte. Ueber die Führung des Registers *) Gierke a. a. O. S. 17.

504 und das dabei zu beobachtende Verfahren geben die §§ 100—124 Ges. über die freiwillige Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898 aus­ führliche Vorschriften. Das BGB knüpft eine Reihe von Bestimmungen an das Vorhandensein des Schiffsregisters (§§ 1260—1271). Das Register unterscheidet sich aber in sehr wesentlichen Punkten vorn Grundbuch. Denn die Einträge haben für eine Reihe thatsächlicher Angaben, für das Eigenthum am Schiff und für den Rechtsgrund des Eigenthums nur beurkundende Wirkung, das Eintragungsirinzip und das Prioritätsprinzip gelten nur hinsichtlich derSchiffsifandrechte, das Register gleicht also nicht einem Grund-, ondern einem Pfand- oder Hypotheken buche. Das Register ge­ nießt ferner nicht öffentlichen Glauben.

8 179.

DaS Agrarrecht.

Im ftüheren deutschen Recht hatte der Unterschied zwischen Ritter- und Bauergütern eine Bedeutung, die nicht ausschließlich dem öffentlichen Rechte angehörte. Unter einem Rittergute verstand man ein ländliches Grundstück größeren Umfangs, dessen Besitz mit besonderen Rechten, regelmäßig mit der Vogtei (Polizei­ gewalt) und der Gerichtsherrschaft über dieumwohnendenPersonen, mit der Landstandschaft und ferner mit privatrechtlichen Befug­ nissen, insbesondere mit dem Recht der Jagd, der Fischerei, und Reallastberechtigungen gegenüber den Besitzern kleinerer Güter ausgestattet war. Diese kleineren Güter sind die Bauergüter, d. h. ländliche Grundstücke kleineren Umfanges, welche gegenüber dem Guts- oder Grundherren mit einer Reihe von besonderen Lasten, namentlich mit der Verpflichtung zur Leistung von Hand- und Spanndiensten belastet waren. Unter den Bauer­ gütern aber unterschied man solche, welche im Eigenthum des Besitzers, solche, welche dem erblichen Nutzungsrechte (als Erb­ güter, Erbpacht-, Erbgutsgüter oder unter anderen Namen) und endlich solche, welche einem nichterblichen Nutzungsrechte des Bauern unterlagen. Ueberall, wo der Bauer nur ein Nutzungsrecht hat, steht dem Rittergutsbesitzer als dem Grundherrn das Eigenthum am Gute zu. Diese Unterschiede bestehen nicht mehr, wenn sich auch ihr Name erhalten hat. Politische Bedeutung hat nicht mehr das Rittergut als solches, sondern der Großgrundbesitz. Die Privatgerichtsbarkeit ist in den meisten Staaten im Laufe des Jahrhunderts und jedenfalls durch § 15 GVG auf­ gehoben, diePolizeigewalt öffentlichen Behörden übertragen worden. Während derErwerb von Rittergütern regelmäßig nuradeligen Personen gestattet war, hat jedenfalls zuletzt das Reichsgesetz vom

1. November 1867 diesen Erwerb da freigegeben, wo sich jene Erwerbsbeschränkung noch erhalten hatte. Die Bauergüter sind überall im Laufe des 19. Jahrhunderts in freies Eigenthum umgewandelt, die auf ihnen lastenden, auf dem Gutsverbande beruhenden und also gegenüber dem Guts­ herrn bestehenden Reallasten sind theils ohne Entschädigung theils gegen Zahlung einer Ablösungssumme aufgehoben worden. Die Landeskulturgesetzgebung der Neuzeit hat ferner nach zwei anderen Richtungen hin im Interesse der Landwirthschaft in bestehende Privatrechtsverhältnisse eingegriffen. 1. Sie hat die sog. Gemeinheitstheilung angebahnt und in dem größten Theile Deutschlands auch durchgeführt. Unter Gemeinheiten versteht man gemeinsame Nutzungsrechte Mehrerer, hauptsächlich an Weideland und Wäldern. Sie sind Ueberreste der sog. gemeinen Mark (der Almenden). Die Gemeinschaft konnte darin bestehen, daß allen oder vielen Gemeindegenossen das Gefammteigenthum oder darin, daß einzelnen Gemeindegliedern das besondere Eigenthum, anderen an demselben Grundstücke eine Wald- oder Weideservitut zustand, und die Theilung ist in der Weise vorgenommen worden, daß die Nutzungsrechte aufgehoben und die bisher Berechtigten in Land abgefunden wurden oder daß die int Gesammteigenthum stehenden Ländereien nach reellen Theilen unter den bisher Berechtigten aufgetheilt wurden. In neuester Zeit hat sich eine Gegenströmung gegen die Durchführung der Gemeinheitstheilungen geltend gemacht, die den Erfolg gehabt hat, daß namentlich die Auftheilung von Waldungen unterblieb. 2. Sie hat ferner die Zusammenlegung (Verkoppelung) zersplitterten Grundbesitzes und damit die Abrundung des dem Einzelnen zustehenden Besitzes angestrebt. Dabei wird ein Zwang gegen die einzelnen Grundeigenthümer ausgeübt, indem man sie nöthigt, Stücke ihres Grundbesitzes abzutreten und andere Grund­ stücke dafür zu empfangen. Reichsgesetzliche Vorschriften fehlen, aber die zahlreichen landesgesetzlichen Bestimmungen bleiben in Kraft (Art. 113—115 EG z. BGB), daher auch die mit den bezeichneten Maßnahmen verknüpften Arten des Rechtserwerbes und Rechtsverlustes. Die moderne Gesetzgebung hat ferner den Erwerb von Grund­ eigenthum dadurch erleichtert, daß sie die Uebereignung von Grund­ stücken gegen Uebernahme einer festen Rente gestattet. Damit soll die Besiedelung von Landgütern in den polnischen Landestheilen durch Deutsche und ferner die Wiederherstellung eines seßhaften Landarbeiterstandes begünstigt werden. Die Güter heißenRentengüter, sie gehen aber in das volle Eigenthum des Erwerbers über. Das BGB giebt über sie keine Vorschriften, hält aber die

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landesgesetzlichen Vorschriften über Rentengüter aufrecht (Art. 62 EG z. BGB). Der Zersplitterung bestehenden Grundbesitzes wirken Bestim­ mungen entgegen, welche die Theilung von Grundstücken oder die Veräußerung von Grundstückstheilen verbieten oder beschränken. Man spricht in solchen Fällen von geschlossenen Gütern im Gegensatze zu den sog. fliegenden oder walzenden Gütern. Das BGB läßt die landesgesetzlichen Vorschriften dieses Inhalts be­ stehen (Art. 119 EG z. BGB). Der durch Erbtheilung möglichen Zersplitterung des Grundbesitzes wirken die im Erbrecht zu be­ handelnden Bestimmungen über das Anerbenrecht entgegen (Art. 64 EG z. BGB). Erster Abschnitt.

§ 180.

Aas Kigenthum.

Begriff und Inhalt des Eigenthums.

Das Eigenthum ist nach altem und neuem Recht (§ 903) der Inbegriff der möglichen Herrschaftsbefugnisse über eine Sache. Hieraus folgt, daß das Eigenthum sich nicht in eine Reihe einzelner Rechte zerlegen läßt und daß es als solches bestehen bleibt, wenn ihm eine oder auch mehrere Herrschafts­ befugnisse genommen sind. Wenn das BGB dem Eigenthümer die Befugniß beilegt, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, so will es damit ausdrücken, daß dem Eigenthümer das Recht zu positivem Thun in weitestem Maße, also auch das Recht der Vernichtung zusteht, und wenn es ihm das Recht gewährt, Andere von jeder Einwirkung auf die Sache auszuschließen, so bezeichnet es damit das Eigenthum als das Recht der Negation fremder Herrschaftsbefugnisse. Allein die Unbeschränktheit wurde nur im alten römischen Recht als Kennzeichen wahren Eigenthums an­ gesehen, schon früh erklärte man Beschränkungen der Rechte des Eigenthümers als vereinbar mit dem Begriffe des Eigenthums­ rechts, und mit der Entwicklung des Verkehrs haben sich auch die Beschränkungen des Eigenthums vermehrt. Dem ältesten deutschen Rechte fehlte zwar ein Wort zur Bezeichnung des ab­ strakten Begriffes des Eigenthums, denn das Wort Eigenschaft oder Eigenthum ist erst im 14. Jahrhundert entstanden, der Begriff selbst aber war auch dem ältesten deutschen Rechte geläufig. Die Rechtsgeschichte kennt jedoch Rechtsverhältnisse, die dem Eigenthum nahestanden und deshalb wie Eigenthum behandelt wurden. Hieraus erklärt sich 1. für das römische Recht der Gegensatz von quiritarischem und bonitarischem Eigenthum; das dominium exjureQuiritium war das volle Eigenthum des altnationalen römischen Rechtes,

an sog. res mancipii konnte es nur durch mancipatio oder in jure cessio übertragen, übrigens auch durch usucapio erworben werden. Wer zur Üebertragung des Eigenthums sich der bloßen Tradition bediente, behielt das Eigenthum und gewährte dem Erwerber nur Besitz. Das prätorische Recht nahm sich indessen dieses Besitzes (des in bonis esse) an, schützte ihn gegen die rei vindicatio des Eigenthümers durch die exceptio rei venditae et traditae, Dritten gegenüber durch die actio Publiciana und gab schließlich diese Klage auch gegen den Eigenthümer, dessen e. dominii der Besitzer durch die replicatio rei venditae et traditae schlug. Als schließlich durch die Jurisprudenz dem Besitzer auch den Singularsuccessoren des Eigenthümers gegenüber die e. rei v. et traditae gewährt wurde, war die Stellung des Besitzers zu wahrem Eigenthum gesteigert, und die des Eigenthümers zu einem nudum jus Quiritium abgeschwächt worden. Das justinianische Recht beseitigte den Unterschied. 2. Ein gleichfalls zuletzt völlig beseitigter, aber ähnlicher Unterschied bestand zwischen römischem und provinziellem Eigenthum. 3. Einen ähnlichen Gegensatz zeitigten die deutschrechtlichen Bestimmungen über die Nothwendigkeit eines öffentlichen Aktes oder der Eintragung in einem öffentlichen Buche zur Üebertragung von Grundeigenthum. Nur wer diese Form beachtete, übertrug das wahre Eigenthum; die bloße Tradition begründete nur den­ jenigen Rechtszustand, den man in Rom als in bonis esse be­ zeichnet hatte. Man übertrug deshalb die römischen Sätze vom bonitarischen Eigenthum auf das sog. dominium naturale des deutschen Rechts. Den Gegensatz bildete das dominium civile oder Bucheigenthum. Der Gegensatz bestand in weiten Gebieten Deutschlands bis zum 1. Januar 1900. Der Bucheigenthümer, d. h. der im öffentlichen Buche als Eigenthümer Eingetragene, war allein in der Lage, das Gut zu vindiziren, vor Gericht zu veräußern und zu belasten, wogegen der nicht eingetragene Er­ werber befugt war, die a. Publiciana, die e. rei venditae et tra­ ditae für sich geltend zu machen, das Gut zu besitzen, zu nutzen und durch bloße Tradition zu veräußern, gegen den Bucheigen­ thümer auch auf Nachholung der Form zu klagen. Diesen Dua­ lismus des Eigenthums möglichst zu beseitigen, strebten einzelne deutsche Landesgesetze dadurch an, daß sie gegen den Erwerber eines Grundstücks zurHerbeiführung seiner Eintragung einen rechts­ polizeilichen Zwang ausübten, andere, indem sie den Eigenthums­ übergang bei freiwilliger Veräußerung au die Eintragung im Buche knüpften. Letzteren ist das BGB (§§ 873, 925) gefolgt. 4. Den Gegensatz von dominium directum (später Ober-

508 eigenthum) und dominium utile (später Nutzeigenthum) haben die Glossatoren aufgestellt. Sie fanden, daß das römische Recht dem Superfiziar und dem Emphyteuta eine utilis rei vindicatio gewährte; unter Anwendung derselben Analogie gaben sie auch dem Lehnshmann eine utilis r. v. neben der directa rei vindicatio des Lehnsherrn. Man bezeichnete deshalb die Rechtsstellung des Vasallen als dominium utile, die des Lehnsherrn als dominium directum. Es lag nahe, auch dem Erbzinsmanne, schon wegen der Aehnlichkeit seiner Stellung mit der des Emphyteuta, domi­ nium naturale beizulegen. Der Gegensatz von zwei verschiedenen Eigenthumsrechten an derselben Sache führte zur Aufstellung des Begriffs des getheilten Eigenthums, d. i. eines qualitativ verschiedenen Eigenthums: der Ooereigenthümer hat das wahre Eigenthum, daher steht ihm die Vindikation gegen Dritte zu, der Nutzeigenthümer hat weitgehende dingliche und vererbliche Nutzungs­ befugnisse. Man ist so weit gegangen, die Lehre vom getheilten Eigenthum auf das Familienfideikommiß anzuwenden und der Familie das Obereigenthum, dem einzelnen Fideikommißbesitzer das nutzbare Eigenthum beizulegen. Die Lehre ist aber überhaupt zu ver­ werfen, denn nur der Lehnsherr oder Gutsherr hat das, wenngleich beschränkte, Eigenthum, dem Vasallen oder Erbzinsmanne steht nur ein, wenngleich weitgehendes, dingliches Recht an fremder Sache zu. Nach römischem Recht giebt es kein Sondereigenthum an Sachen, die mit dem Grundstücke eines Andern fest Zusammen­ hängen, das deutsche Recht aber ließ ein selbständiges Eigenthum an Gebäuden, Gebäudetheilen und auch an Pflanzen zu, die mit dem Grund und Boden Zusammenhängen. Das BGB folgt dem römischen Recht (§§ 93—95), vgl. dazu Art 181,182 EG z. BGB. Das Eigenthum an einem Grundstück umfaßt den Raum über der Oberfläche und denErdkörper unter der Ober­ fläche. Ueber die Durchführbarkeit dieses dem alten und dem neuen Rechte (§ 905) angehörenden Satzes war Streit. Das BGB stimmt jedoch mit der herrschenden Lehre überein, wenn es das Recht des Eigenthümers zur Untersagung von Einwirkungen auf die Luftsäule und auf den Erdkörper durch das Interesse des Eigen­ thümers begrenzt. Es entzieht ihm deshalb das Untersagungs­ recht ganz, wenn die Einwirkung in solcher Höhe oder Tiefe vor­ genommen wird, daß er an ihrer Ausschließung kein Interesse hat.

§ 181.

Einschränkungen de» Eigenthum».

Das Eigenthum unterliegt gesetzlichen und willkürlichen Ein­ schränkungen, je nachdem die Beschränkung kraft Gesetzes ohne weiteres gegeben ist oder durch eine Willenserklärung des Eigen­ thümers begründet wird.

Die gesetzlichen Einschränkungen dienen entweder dem öffent­ lichen Interesse oder dem privaten Interesse der Nachbarn. I. Oeffentliche Eigenthumsbeschränkungen bestanden schon nach römischem Recht, insbesondere gehörte hierher die Verpflichtung der Eigenthümer von Ufergrundstücken zur Gestattung des sog. Lein­ pfades und eine Anzahl baupolizeilicher Beschränkungen. In neuerer Zeit sind deren mehrere hinzugetreten, namentlich Be­ schränkungen des Eigenthums an Waldungen und an Flüssen sowie Beschränkungen des Baurechts. Die Gesetze, auf denen sie be­ ruhen, werden vom BGB (Art. 109—111 EG z. BGB) aufrecht­ erhalten, weil sie öffentliches Recht enthalten. Reichsgesetzliche Beschränkungen sind die Belastungen des Grundeigenthums in der Umgebung von Festungen, die sog. Rayonbeschränkungen, nach dem Ges. v. 21. Dezember 1871 und die Verpflichtung der Grundeigenthümer zur Duldung von Truppenübungen, zur Duldung der Mitbenutzung von Brunnen und Schmieden durch die Truppen und von Schiffen durch die Marine nach dem Ges. v. 13. Februar 1875. II. Die zu Gunsten von Privaten bestehenden Eigen­ thumsbeschränkungen werden zuweilen als Legalservituten bezeichnet. Dieser Name ist indessen ungenau und irreführend, richtiger ist es, sie unter der Bezeichnung Nachbarrecht zusammenzufassen. 1. Das römische Recht gewährte in bestimmten Fällen Schutz gegen ungebührliche Immissionen, und die heutige Praxis er­ weiterte und verallgemeinerte diesen Schutz (a. negatoria). Ihr schließt sich § 906 BGB an, indem er den Grundeigenthümer ver­ pflichtet, solche von einem anderen, nicht nothwendig benachbarten, Grundstücke ausgehende Einwirkungen zu dulden, die ihn in der Benutzung seines Grundstückes nicht oder unwesentlich beein­ trächtigen oder die durch eine Benutzung des anderen Grund­ stücks herbeigeführt werden, welche nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage gewöhnlich ist. Hiernach gehört zur Begründung der Eigenthumsfreiheitsklage der Nachweis einer nicht ganz unbedeutenden Beeinträchtigung; Sache des Beklagten ist es, den Gegenbeweis zu erbringen, daß die Beeinträchtigung das erlaubte Maß einhalte. Unerlaubt aber ist jede über die be­ zeichneten Grenzen hinausgehende und jede, noch so unbeträchtliche, Einwirkung, die mittels besonderer Leitung zugeführt wird (z. B. durch ein Rohr). 2. Das römische Recht gab gegenüber unvollendeten, einem Untersagungsrechte widersprechenden baulichen Anlagen in der operis novi nuntiatio ein Bauverbot. Das Verbot mußte von dem hierzu Berechtigten dem Eigenthümer der Anlage an Ort und Stelle erklärt werden, es verpflichtete zu sofortiger Einstellung

öio des Baues, wenn nicht der Nuntiat Sicherheit leistete. Setzte er den Bau fort, so konnte der Nuntiant mit dem interdictum demolitorium, zu dessen Begründung nur der Nachweis gehörte, daß der Einspruch äußerlich zu Recht erfolgt sei, Niederreißung des Baues verlangen; das Recht zum Bau konnte nicht in diesem, sondern nur in einem petitorischen Prozeß durchgeführt werden. Dieses Rechtsinstitut wurde nicht gemeines Recht. Wer ein Verbietungsrecht glaubhaft machen kann, bedient sich einer einst­ weiligen richterlichen Verfügung zu vorläufiger Verhinderung des Baues. Dagegen wurde das interdictum quod vi aut clam ausgenommen. Es ist gegeben, wenn Jemand eine Veränderung an einem Grundstücke gegen das Verbot oder hinter dem Rücken Desjenigen vornimmt, der an der Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes ein Interesse hat. Man erblickte in einem derartigen Verhalten eine Mißachtung des Interessenten und erzwang von Jenem die vorläufige Einstellung der begonnenen Veränderung, bis über das Recht zur Vornahme der Aenderung entschieden war. Das BGB (§ 907) gewährt dem Grundeigenthümer an Stelle dieser Rechtsmittel ein Verbietungsrecht gegen die Herstellung oder das Halten von Anlagen, von Venen mit Sicherheit zu erwarten ist, daß ihr Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück zur Folge haben wird. Das Verbietungsrecht kann wie jedes Privatrecht im Wege der Klage durchgeführt, und es kann durch einstweilige Ver­ fügung gesichert werden. Aber von einem vorangegangenen Ein­ spruch des Berechtigten oder einem mißachtenden Verhalten des Belasteten ist eS nicht abhängig. Die landesgesetzlichen Vor­ schriften über das Einhalten eines bestimmten Abstandes von der Grenze behalten insofern ihre verbindliche Kraft, als bei Wahrung dieses Abstandes das Verbietungsrecht nicht schon gegenüber der drohenden Gefahr, sondern erst dann geltend gemacht werden kann, wenn die unzulässige Einwirkung thatsächlich hervortritt. Gesichert gegen das Verbietungsrecht sind auch künftig (nach § 26 Gew.-O.) die polizeilich konzessionirten gewerblichen Anlagen (s. oben S. 450) *). Als eine in jedem Falle unzulässige bauliche Veränderung bezeichnet das neue Recht (§ 909) die so erhebliche Vertiefung des einen Grundstücks, daß der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert. 3. Die römisch-rechtliche cautio damni infecti (). oben S. 445) bot einen Umweg, die aus der mangelhaften baulichen Beschaffenheit eines Grundstücks drohende Gefahr zu beseitigen. Das BGB (§ 908) giebt dem Nachbar das Recht, die Ergreifung *) Bäum« und Sträucher sind keine Anlagen. § 907 Abs. 2.

der die Gefahr beseitigenden Borkehrungsmaßregeln zu verlangen. 4. Nach römischem Recht gehören die auf das Nachbar­ grundstück überfallenden Früchte dem Eigenthümer des Baumes oder Strauches, und er durfte sie einen um den andern Tag auf­ lesen (interd. de glande legenda). Das deutsche sog. Ueberfallsrecht spricht solche Früchte dem zu, auf dessen Grundstück sie gefallen sind. Das BGB (§ 911) folgt dem deutschen Recht, es behandelt jedoch derartige Früchte so, als wären sie Früchte desjenigen Grundes, auf den sie gefallen sind, sie unter­ liegen daher auch dem Nutzungsberechtigten (Ausnahme, wenn das Grundstück dem öffentlichen Gebrauche dient). 5. Pflanzen, die an der Grenze stehen, gehören nach altem und neuem Recht dem Eigenthümer desjenigen Grundstücks, auf welchem der Stamm aus der Erde hervorwächst. Ragen seine Wurzeln in das Nachbargrundstück hinein und schaden sie diesem, so hat sie der Pflanzeneigenthümer zu beseitigen. Der Eigenthümer eines Gebäudes braucht nach römischem Recht weder einen herüberragenden Baum, noch herüberragende Aeste, und der Eigenthümer eines Ackergrundstücks braucht nur diejenigen Aeste zu dulden, die sich mehr als 15 Fuß über dem Boden befinden. Kommt der Baumeigenthümer dem Verlangen des Nachbars, die hinüberragenden Aeste zu beseitigen, nicht nach, so kann sie der Nachbar selbst entfernen und das Holz behalten, er wird dabei durch das int. de arboribus caedendis geschützt. Deutsche Partikularrechte gewähren dem Nachbar nur das Recht, diejenigen Zweige zu beseitigen, die ihm schaden. Das BGB ist auch in diesem sog. Ueberhangsrecht deutschrechtlichen An­ schauungen gefolgt, indem es (§ 910) dem Nachbar die Beseitigung nur derjenigen Wurzeln und Zweige gestattet, die ihn beeinträch­ tigen; unter dieser Voraussetzung kann er Wurzeln ohne weiteres abschneiden, herüberragende Zweige aber nur dann, wenn der Besitzer (nicht nothwendig der Eigenthümer) der Zweige eine ihm vom Nachbar gesetzte angemessene Frist unbeachtet gelassen hat. Der Nachbar darf das Abgeschnittene behalten. 6. Nach dem römischen Grundsätze superficies solo cedit gehört der sog. Ueberbau, d. h. das über die Grenze gesetzte Gebäude, dem Eigenthümer des bebauten fremden Grundstücks, steht das Gebäude aber nur zum Theil auf fremdem Boden, so kann dessen Zurückrückung gefordert werden. Deutsche Partikular­ rechte gewähren umgekehrt unter gewissen Voraussetzungen dem Bauenden das Eigenthum des bebauten Bodens. Das BGB (§ 912) verpflichtet in diesem Falle den Nachbar zur Dul­ dung des Ueberbaues, wenn der Gebäudeeigenthümer ohne

512 Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit über die Grenze gebaut hat, der Nachbar ist jedoch durch Zahlung einer Geldrente zu ent­ schädigen. Diese Rente ist subjektiv- und objektiv-dinglich, d. h. sie ist dem jeweiligen Eigenthümer des belasteten Grundstückes von dem jeweiligen Eigenthümer des Gebäudes zu zahlen, sie bedarf nicht der Eintragung im Grundbuch, ist jährlich im Voraus zahlbar, und geht allen anderen Lasten des beschwerten Grundstücks, selbst den älteren, vor (§§ 912—914). Der Renten­ berechtigte kann aber vom Rentenpflichtigen jederzeit gegen Ab­ tretung des Eigenthums des überbauten Grundstückstheiles ein­ malige Zahlung des Werthes dieses Theiles verlangen. Auch dieser Anspruch ist subjektiv- und objektiv-dinglich (§ 915). Hat der Bauende vorsätzlich oder grobfahrlässig gehandelt oder der Grundeigenthümer vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben, so kann dieser Entfernung des Ueberbaues verlangen. 7. Das römische Recht ließ die Einräumung eines Nothweges nur zum Zwecke der Erreichung einer sonst nicht zu­ gänglichen Begräbnißstätte, das deutsche Recht jedoch zu wirthschaftlichen Zwecken zu. Ihm folgt das BGB (§§ 917, 918); es legt die Pflicht zur Einräumung eines Nothweges gegen Ge­ währung einer Geldrente den Nachbarn auf, wenn einem Grund­ stücke die zur ordnungsmäßigen Benutzung nothwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege fehlt, es sei denn, daß diese bisher vorhanden gewesene Verbindung durch eine willkürliche Handlung des Eigenthümers aufgehoben wird. 8. Die Nothwendigkeit einer unzweifelhaften Grenzlinie legt den Nachbarn gewisse Verpflichtungen auf: a) Sind die Nachbarn über den Grenzzug einig, fehlt es aber an sicheren Grenzzeichen, so kann nach der Praxis des gemeinen Reckts und nach neuem Recht (§ 919) jeder Theil die Herstellung oder Wiederherstellung solcher Zeichen verlangen. b) Ist die Grenze streitig, eine sog. Grenzverwirrung vor­ handen, so kann nach altem und neuem Recht der Eigenthümer die Grenzfeststellungsklage (a. finium regundorum) erheben. Sie unterscheidet sich von der Eigenthumsklage dadurch, daß letztere ans das Eigenthum, jene aber auf die Behauptung der Grenz­ ungewißheit gestützt ist; sie verlangt Feststellung der Grenze und legt daher sowohl nach altem, als nach neuem Recht dem Richter die Befugniß auf, zu einem positiven Ergebniß zu gelangen, selbst wenn dies dem Kläger nachtheilig sein sollte (s. S. 44). Um zur Feststellung der vorhandenen, aber verwirrten Grenze zu gelangen, hat der Richter zunächst die von jedem Theile über die Grenze aufgestellte Behauptung zu prüfen, und führt diese Prüfung nicht

zu einem Ergebnisse, nach dem Besitzstände zu entscheiden, läßt sich der Besitzstand nicht feststellen, die streitige Fläche zu theilen, endlich aber, wenn die so gefundene Grenze mit den ermittelten Umständen, insbesondere mit der Größe der Grundstücke nicht über­ einstimmt, die Grenze der Billigkeit gemäß zu ziehen (§ 920)'). 9. Zwischenräume (Raine, Winkel, Gräben u. s. w.), die dem Vortheile beider Grundstücke dienen, stehen nach neuem Recht (§ 921), das sich in Uebereinstimmung mit zahlreichen deutschen Landesrechten befindet, kraft gesetzlicher Vermuthung in gemein­ samem Nutzungsrecht der Nachbarn. Die Vermuthung kann nur durch äußere Merkmale, welche auf das ausschließliche Recht eines der Nachbarn Hinweisen, widerlegt werden (§ 922). Ein auf der Grenze stehender Baum oder Strauch gehört

nach altem (1. 19 pr. D. 10. 3) und neuem Recht (§§ 94, 923) als wesentlicher Bestandtheil beider Grundstücke den Nachbarn nach reellen und wenn er durch Zufall oder Menschenhand ge­ fällt, also selbständige Sache geworden ist, nach ideellen, und zwar nach neuem Recht zu gleichen Theilen. Nach neuem Recht kann jeder Nachbar die Beseitigung des Baumes verlangen. 10. Baubeschränkungen kannte das römische Recht nur wenige, und auch diese sind bei uns nicht rezipiert. Das deutsche Recht kennt jedoch namentlich ein sog. Licht- oder Fensterrecht, wo­ nach Neubauten eine gewisse Entfernung von vorhandenen Fenstern einhalten müssen. Das BGB giebt hierüber keine Bestimmungen. 11. Partikularrechtlich besteht das Hammerschlags- oder Leiterrecht, d. h. die Befugniß, das benachbarte Grundstück zum Zwecke der Wiederherstellung des eigenen oder zur Aufftellung eines Gerüstes am eigenen Gebäude zu betreten, und das An­ wender, Umwende-, Tret-, Kehr- oder Pflugrecht, d. h. das Recht, das benachbarte Grundstück zum Zwecke der Umkehrung des Pfluges zu betreten. Das BGB enthält hierüber nichts. 12. Gemeinrechtlich ist die (nicht dem Nachbarrecht entsprin­ gende) Verpflichtung des Grundeigenthümers, Schürfarbeiten zum Zwecke der Aufsuchung von Fossilien zu gestatten. Das BGB giebt, wie gezeigt, nur einzelne nachbarrechtliche Bestimmungen, aber es läßt diejenigen Bestimmungen, welche das Eigenthum noch anderen Beschränkungen im Interesse der Nach­ barn unterwerfen, bestehen (Art. 124, 123 EG), bei den von ihm selbst angeordneten Einschränkungen sind jedoch in Zukunft aus­ schließlich seine eigenen Vorschriften maßgebend (vgl. jedoch Art. 122 EG). Ferner giebt das BGB in § 907 (s. oben Nr. 2) eine so ausgedehnte Eigenthumsbeschränkung zum Nachtheil von An*) Gerichtsstand forum rei sitae § 24 CPO. Lngelmann, d. bürgerliche Recht Deutschland». 33

514 lagen, daß zahlreiche partikularrechtliche Beschränkungen von ihr umfaßt werden. III. Nicht dem Nachbarrecht angehörig und neu ist die Bestim­ mung des § 904 BGB über die sog. Nothhülfe. Nach ihr hat der Eigenthümer einer beweglichen oder unbeweglichen Sache die Ein­ wirkung eines Andern auf die Sache zu dulden a) wenn die Einwirkung zur Abwendung einer gegenwärtigen, der körperlichen Unversehrtheit oder dem Vermögen eines Andern thatsächlich drohenden Gefahr objektiv nothwendig und b) der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigenthümer entstehenden Schaden unverhältnißmäßig groß ist. Der Eigenthümer kann aber Ersatz des ihm entstehenden Schadens verlangen; ob von dem, der ihn verursacht, oder von dem, dem die Einwirkung zum Vortheil gereichen sollte, ist streitig. Die Antwort kann nur im Sinne der ersten Alternative lauten, denn andernfalls fehlte es an einem Rcchtsgrunde für den Anspruch. § 182.

Die Wege und da- Wasser.

I. Die Bedeutung des Gegensatzes von öffentlichen und Privatwegen ist©. 89 erörtert. Danach stehen Privatwege im Eigenthum einer Privatperson und dienen nur bestimmten Personen kraft privatrechtlichen Titels (WeHegerechtigkeit). Die Gesetzgebung hinsichtlich der öffentlichen Wege ist partikulär und bleibt Landes­ sache, weil sie einen Bestandtheil des öffentlichen Rechtes bildet. Das römische und gemeine Recht gab jedoch einem Jeden, der hieran ein Interesse hat, ein aufAbwehr von Störungen undBehinderungen, Wiederherstellung des früheren Zustandes und Schadens­ ersatz gerichtetes privatrechtliches Klagerecht (f. oben S. 89, 87. RG 1, 158; 3, 173; 6, 160). Dieses Recht hatte zwar das Vor­ handensein einer öffentlichen Straße zur Voraussetzung, dagegen bestand ein Recht auf Erhaltung des öffentlichen Weges nicht. Auch hieran wird durch das BGB nichts geändert. II. Der Gegensatz von öffentlichen und Privatflüssen ist oben S. 89 erörtert. Private Gewässer, welche von einem Grundstück umschlossen sind, stehen im alleinigen Eigenthum dessen, dem dieses gehört. Das Bett von Privatflüssen gehört dem Eigenthümer des Grund­ stücks, und bildet der Fluß die Grenze zweier Grundstücke, so steht jedem Anlieger das Eigenthum bis zur Mittellinie zu. An der fließenden Wasserwelle dagegen haben die Anlieger nur ein Recht auf Benutzung, aber dieses Recht ist durch das gleiche Recht der anderen Flußanlieger gemeinrechtlich und im öffentlichen Interesse partikularrechtlich beschränkt, insbesondere ist der Ufereigenthümer, der auf seinem Grundstück Wasser aus dem Flusse ableitet, ver-

pflichtet, das von ihm nicht verbrauchte Wasser dem Flusse wieder zuzuführen, bevor dieser ein unterhalb liegendes Grundstück erreicht. Stauanlagen unterliegen im Interesse des Mühlenbetriebes mannig­ faltigen landesrechtlichen Einschränkungen und nach § 16 GewO der obrigkeitlichen Genehmigung. Quellen sind nach römischem Recht (1. 11 D. 43, 24) pars agri und unterliegen der freien Verfügung des Eigenthümers, doch ist nach deutschen Landesgesetzen auch dieses Recht beschränkt. Bei öffentlichen Gewässern steht den Anliegern nur das Recht des Gemeingebrauchs des Wassers zu. Aber auch hier be­ stehen die durch das gleiche Recht Aller bedingten Beschränkungen des dem Einzelnen zustehenden Nutzungsrechtes. Zum Schutze gegen Überschwemmungen dienen die Deiche, d. h. am Meer, an Seen und Flüssen angebrachte Erddämme. Der Herstellung und Unterhaltung der Deiche dienen die Deich­ verbände, d. h. Körperschaften, welche aus den Eigenthümern der gefährdeten Grundstücke gebildet werden und durch sog. Deich­ geschworene und den Deichgrafen oder Deichhauptmann vertreten werden. Sie regeln die sog. Deichlast durch Deichordnungen, welche wegen der hohen wirtschaftlichen Bedeutung des gesammten Deichwesens meist obrigkeitlicher Bestätigung bedürfen und dann gesetzesgleiche Wirkung haben (RG 25, 274). Deichordnungen kommen schon im 13. Jahrhundert vor. Sie gestatten gegen die Eigenthümer der Ufergrundstücke die Ausübung eines Zwanges. Dieser Zwang ging in den älteren Deichordnungen so weit, daß Derjenige, der die Deichlast nicht tragen wollte, zur Aufgabe seines Eigenthums genöthigt wurde (Rechtssprüchwort „wer nicht will deichen, muß weichen"), nach heutigem Recht besteht nur das Recht des Verwaltungszwangsverfahrens wegen rückständiger Deichlasten, die das Wesen öffentlicher Lasten haben. Daher ist auch das sog. Spatenrecht nicht mehr in Brauch, das in der Aufgabe des Grundstückes durch die symbolische Handlung der Einsetzung eines Spatens bestand und Demjenigen das Eigenthum des Grundstückes gab, der den Spaten herauszog. Wasserdurch­ lässe, welche in den Deichen angebracht werden, heißen Sielen. Das gesammte Deich- und Sielrecht wird vom BGB nicht berührt (Art. 66 EG). Im Gegensatze zu dem aus dem Innern der Erde hervor­ quellenden steht das Tag es wasser d. i. das aus den Nieder­ schlägen herrührende Wasser. Der Ablauf dieses Wassers bildet die Vorfluth. Ueber sie enthält schon das römische Recht eingehende Bestimmungen, die auf dem Grundsätze beruhen, daß dem Tageswasser sein natürlicher Ablauf belassen werden müsse.

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Deshalb hat der Nachbar gegen den Nachbar, wenn Anlagen hergestellt werden, durch welche der natürliche Ablauf geändert wird, die a. aquae pluviae arcendae auf Wiederherstellung des früheren Zustandes. Der Anspruch ist ein persönlicher. Das deutsche Recht hat die gemeinrechtlichen Vorschriften vielfach ab­ geändert, insbesondere die Herstellung einer geregelten Borfluth als Aufgabe der Landeskultur aufgefaßt und deshalb den Be­ hörden eine weitgehende Befugniß zum Eingreifen gestattet. Das BGB läßt das Wasserrecht unberührt (Art. 65 EG). § 183.

DaS VeräußeruugSverbot.

Ein Veräußerungsverbot enthält nicht eigentlich eine Be­ schränkung des Eigenthums, sondern eine Beschränkung des Eigenthümers, und nicht das Eigenthum allein, sondern jedes an sich veräußerliche Recht kann von einem Verfügungsverbote betroffen werden. Das Veräußerungsverbot kann beruhen: 1. Auf Gesetz. Die diesem Verbote widersprechende Ver­ fügung ist nach altem und neuem Rechte stets dann nichtig, wenn das Verbot im allgemeinen Interesse erlassen ist (§ 134 BGB). Bezweckt das Verbot nur den Schutz bestimmter Personen, so ist die Veräußerung nur diesen Personen gegenüber „unwirksam", d. h. sie kann durch deren Zusümmung vollwirksam werden (§ 135). Eine nach der Konkurseröffnung vom Gemeinschuldner bewirkte Veräußerung ist nur gegenüber den Konkursgläubigern unwirksam (§§ 6, 7 KO). Ob die Veräußerung durch Rechtsgeschäft oder im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung erfolgt, ist gleichgültig. 2. Auf richterlicher Verfügung. Die gegen ein solches Verbot bewirkte Veräußerung ist nach altem Recht nichtig, nach neuem Recht (§ 136) nur gegenüber bestimmten Personen un­ wirksam. Die nur zu Gunsten bestimmter Personen erlassenen gesetz­ lichen und die richterlichen Veräußerungsverbote können aber ein vorher enfftandenes Recht auf Veräußerung nicht aufheben, daher bleibt ein vorher begründetes Pfandrecht bestehen. Die Folge ist, daß zum Zwecke der Durchführung eines solchen Rechtes die Sache auch im Wege der Zwangsvollstreckung gültig veräußert werden kann. Wird aber die Zwangsvollstreckung betrieben wegen eines nur persönlichen Anspruches, gleichviel wann er entstanden, oder wegen eines Rechts, das gerade in Folge des Verbotes keine Wirkung hat, so soll die Veräußerung nicht erfolgen, d. h. der Gerichtsvollzieher soll die Veräußerung nicht vornehmen, der Richter das von dem Verbote belastete Recht nicht überweisen; erfolgt sie gleichwohl, so kann sie der durch das Verbot Geschützte

nicht rückgängig machen; er kann aber durch die sog. Interventions­ klage die beabsichtigte Veräußerung verhindern (§§ 772, 771 CPO). Kommt es aber zum Konkurse des mit dem Verbote Belasteten, so versagt das Verbot gegenüber dem Zugriffsrechte der Gläu­ biger. Der durch das Verbot Begünstigte muß also die Ver­ werthung der Sache geschehen lassen (§ 13 KO). Die Nichtigkeit der Veräußerung wirkte nach altem Recht absolut, d. h. gegenüber je demErwerber, nach neuem Recht wirkt sie nur gegenüber Demjenigen, der sich nicht in gutem Glauben be­ findet: wer also in unverschuldeter Unkenntniß von dem Verbote erwirbt, hat ein unanfechtbares Recht erworben. Eine Ausnahme macht das mit der Konkurseröffnung verknüpfte Veräußerungs­ verbot: es hindert die Veräußerung eines zur Masse gehörigen Grundstücks nur, wenn die Konkurseröffnung in das Grund­ buch eingetragen ist, dagegen wirkt es gegen den Erwerber einer zur Masse gehörigen beweglichen Sache selbst dann, wenn der Erwerber in gutem Glauben ist (§ 7 KO §§ 892, 893 BGB). Dagegen ist der zweite gutgläubige Erwerber geschützt. 3. Ein auf Privatwillenserklärung beruhendes Verbot begründet nach altem und neuem Recht (§ 137) nur eine per­ sönliche Verpflichtung und daher einen Schadensersatzanspruch des durch die Veräußerung Verletzten. Gegenüber der Veräußerung von Grundstücken oder ein­ getragenen Rechten wirkt nach neuem Rechte (§ 888) ein gesetz­ liches oder richterliches Veräußerungsverbot wie eine Vormerkung, wenn das Verbot eingetragen oder dem Erwerber bekannt ist (§§ 135 Abs. 2, 136). Während das römische Recht volle Verkehrsfreiheit gestattete und nur ausnahmsweise Veräußerungsverbote aussprach, unterlag nach deutschem Rechte einem solchen Verbote die Veräußerung von Grundstücken, und zwar zu Gunsten der nächsten Erben, häufig jedoch nur zu Gunsten der Kinder. Denn auf dem Grundbesitze beruhte die wirthschaftliche Sicherheit der Familie und ihre Stellung im öffentlichen Leben. Die Veräußerung war daher von der Zustimmung der nächsten Erben abhängig, die Zustimmung konnte jedoch auch in der Weise erfolgen, daß der bei der Veräußerung anwesende Berechtigte nicht widersprach (sich „verschwieg"). War die Zustimmung nicht ertheilt, so konnte der nächste Berechtigte die Veräußerung kraft seines Beispruch-rechtes in der Weise an­ fechten, daß er das Gut mit der a. revocatoria, einer a. in rem scripta, vom Erwerber zurückverlangte. Das Recht wirkte nicht gegenüber in echter Noth vorgenommenen Veräußerungen und erlosch nach Ablauf von Jahr und Tag. Diese Verjährung des Anfechtungsrechtes gab dem Erwerber die rechte Gewere. In

den Städten beschränkte sich das Beispruchsrecht auf das sog. Erbgut, d. h. diejenigen Grundstücke, die der Veräußerer durch Erbgang erworben hatte, im Gegensatze zu den sog. wohl­ gewonnenen, d. h. durch andere Rechtstitel erworbenen Gütern, welche der Erwerber frei veräußern durfte. Das Beispruchsrecht der Erben wurde später zu einem Näher-, Retrakt- oder Vor­ kaufsrechte (s. dieses). In der früheren Gestalt erhielt es sich nur bei oen sog. Stammgütern des Adels, d. h. denjenigen Gütern, die entweder (beim hohen Adel) kraft Hausgesetzes hierzu erklärt worden, oder die (beim niederen Adel) durch Erbgang erworben (daher bona aviatica, auch stemmatica) und durch ge­ setzliche Bestimmung zum Erbgut erklärt sind, aber auch hier ist das Institut, welches das BGB (Art. 59 EG) auftecht erhält, im Verschwinden begriffen, da auf andere Weise Vorsorge ge­ troffen werden kann, ein Gut für eine bestimmte Familie zu erhalten (s. folgenden §).

§ 184.

Da- Familienfideikommiß.

Ein Familienfideikommiß ist ein Vermögensgegen­ stand, der kraft Willensbestimmung des Stifters sich innerhalb einer bestimmten Familie vererben und un­ veräußerlich sein soll. Ansätze zur Bildung dieses Rechts­ institutes waren in Deutschland schon vor der Aufnahme des ftemden Rechts vorhanden, es entwickelte sich jedoch erst nach der Rezeption in Anlehnung an das römische Familienfideikommiß (fideic. successivum), von dem es sich insbesondere dadurch unter­ scheidet, daß es nicht schon bei einem bestimmten Successtonsfall als solches aufhört und daß es nicht dem Abzug der sog. Falcidischen Quart (darüber im Erbrecht) unterliegt. In neuerer Zeit hat sich das deutschrechliche F. vom römischen mehr und met)r entfernt und zu einem selbständigen Rechtsinstitute gestaltet. Seme Quellen sind seitdem nur zum geringen Theil gemeines Gewohnheitsrecht, zum größeren Theile Partikulargesetze. Diese Normen werden vom BGB (Art. 59 EG) aufrechterhalten. Das F. unterscheidet sich dadurch vom Stammgute, daß letzteres auf gesetzlicher Vorschrift, ersteres auf einer Privatwillenserllärung (der Stiftung) des Eigenthümers beruht. Die Stiftung kann in einem Erbvertrage, einem Testamente oder einer sonstigen einseitigen Erklärung enthalten sein, häufig bedarf sie der Beftätigung des Landesherrn oder einer Behörde; sie hat bindende Kraft nicht nur für den Erben, sondern für alle künftigen Mit­ glieder der Familie des Stifters und für Dritte; sie bedarf daher regelmäßig der Bekanntmachung und der Eintragung ins Grundbuch. Berechtigt zur Stiftung eines F. ist grundsätzlich ein Jeder,

dem die freie Verfügung über den Gegenstand der Stiftung zusteht. Gegenstand des F. kann jedes Vermögensobjekt sein, das einen dauernden Genuß zuläßt, namentlich Grundstücke, den Grundstücken gleichbehandelte Rechte und Kapitalien. Der Stiftung wesentlich ist die Anordnung der Unver­ äußerlichkeit, diese Anordnung braucht keine ausdrückliche (RG 18, 207) und nicht für alle Zeiten gegeben zu sein, der Stifter kann sie vielmehr zeitlich beschränken. Ist eine solche Einschränkung nicht erklärt, so erlischt das F. grundsätzlich erst mit dem Aus­ sterben der berechtigten Familie, denn auch ein Beschluß aller gegen­ wärtigen Familienmitglieder ist an sich nicht geeignet, den Stif­ tungswillen zu beseitigen. Die neuere Gesetzgebung aber, die dem Institut des F. vorübergehend ungünstig war (namentlich der code civil und die Gesetze von 1848), läßt regelmäßig sowohl die Ver­ äußerung als die Abänderung und Aufhebung der Stiftung mit Zustimmung aller lebenden Familienmitglieder (Familienschluß) beim Vorhandensein gewisser Voraussetzungen und Beobachtung gewisser Formen zu. Die Stiftung kann wohlerworbene Rechte nicht verletzen. Sie unterliegt daher der querela inotflciosi testamenti oder einer dieser nachgebildeten Klage, wenn sie ein Pflichttheilsrecht verletzt, und sie kann die Rechte derjenigen Gläubiger, welche entweder schon ein dingliches Recht auf Befriedigung aus der Sache (Pfand- oder Hypothekenrecht) oder doch die Aussicht auf Befriedigung aus der Sache haben, nicht schmälern; daher können letztere die Stiftung mit der a. Pauliana anfechten. Regelmäßig wird mit der Stiftung die Festsetzung einer be­ sonderen Successionsordnung verbunden, denn die allgemeine Erbfolgeordnung ist für das F. ungeeignet, weil sie zur Berufung zahlreicherPersonen und daherzu einer wenigstens ideellen Theilung des F. führt. Eine reelle Theilung ist mit dem Zwecke des In­ stitutes unvereinbar und daher unzulässig. Das F. geht nicht, wie früher häufig angenommen wurde, in das Eigenthum der Familie über, es wird vielmehr beschränktes Eigenthum des F.-Folgers. Die Beschränkung besteht in der be­ reits erwähnten Unveräußerlichkeit und in dem Mangel des Rechts, das Gut mit Schulden zu belasten. Die gleichwohl auf das Gut gelegten Schulden können nur aus dem befriedigt werden, was der freien Verfügung des F.-Besitzers unterliegt, d. i. aus den Ein­ künften (daher die sog. Revenüen-Hypothek). Die vom Stifter und die vom F.-Besitzer zu Gunsten des Fideikommisses selbst auf dieses gelegten sog. Fideikommißschulden gehen nicht auf die Gesammtnachfolger des ursprünglichen Schuldners, sondern mit dem F. auf den F.-Nachfolger über und können nach einzelnen

520 Partikularrechten auch durch Zwangsversteigerung des F. beige­ trieben werden. Weitere Beschränkungen bestehen im Interesse der Unversehrtheit des F. (z. B. Abholzung, Veränderung der wirthschaftlichen Bestimmung des Gutes) zu Gunsten der Fideikommißanwärter d. h. der eventuell successionsberechtigten Personen. Nicht schon mit der Stiftung, sondern beim ersten Successions­ fall scheidet das F. aus dem übrigen, dem sog. Allodialvermögen des Stifters aus.

Der Knverö «nd der Verlust des Eigenthums. A. Die beweglichen Sachen. 8 185. I. Der abgeleitete EigenthumSerwerb. Der abgeleitete (derivative) Eigenthumserwerb ist eine Succession des Erwerbers in das Eigenthum eines Andern, des Auktors, Rechtsurhebers, Rechtsvorgängers. Der Rechtsnachfolger erwirbt also die Sache mit den ihr anhaftenden Lasten (Eigenthumsbeschränkungen, dinglichen Belastungen) und den mit ihr verbundenen Rechten (Reallastberechtigungen, Grund­ gerechtigkeiten u. a., den sog. subjektiv-dinglichen Rechten). 1. Bon Todeswegen geschieht die Succession nach altem und neuem Recht durch Erbfolge, durch Vermächtniß, durch Schen­ kung von Todeswegen. Wie der Erbe in alle Rechtsverhältnisse des Erblassers eintritt, so erwirbt er auch das Eigenthum derSachen, die in dessen Eigenthum gestanden hatten. Der Universalfideikommissar (jetzt Nacherbe) erwirbt das Eigenthum mit der Erlan­ gung der Erbschaft. Hiervon das Nähere im Erbrecht. 2. Durch adjudicatio d. i. das im Theilungsprozeß er­ lassene Urtheil geht das Eigenthum an der etwa zugeschlagenen Sache oder dem zugeschlagenen Stücke nach altem und neuem Recht (§ 920 BGB) über. Verschieden hiervon ist der Zuschlag, der auf Grund einer Versteigerung zu Gunsten des Erstehers erfolgt(8156); denn der Zuschlag ist eine den Vertrag vollendende Willenserklärung und fällt daher unter den unten zu behandelnden Begriff der Hebet» eignung. Erfolgt die Versteigerung durch einen Beamten (z. B. den Gerichtsvollzieher 88 814—818 CPO), so ertheilt dieser den Zuschlag kraft seines Amtes, nicht als Vertreter des Schuldners; ein Anspruch auf Ueberlassung der Sache entsteht aber auch hier nur durch den Zuschlag, und das Eigenthum geht erst mit dem Besitzerwerb über. Nach bisherigem Recht ging durch das auf die dominii impetratio erlassene Urtheil das Eigenthum an der Pfandsache auf den Pfandgläubiger, durch das die restitutio in integrum aus­ führende Urtheil das Eigenthum auf den Restitutionskläger

über, ohne daß es in allen diesen Fällen noch eines weiteren Aktes bedurfte. Dominii impetratio und restitutio i. integrum sind dem neuen Recht fremd. 3. In einigen Fällen geht das Eigenthum über, indem es der bisherige Eigenthümer verwirkt: a) nach altem Recht, wenn er zur zweiten Ehe schritt; es erwarben dann die Kinder erster Ehe ipso jure an gewissen Gütern des binubus das Eigenthum; ferner wenn der Miteigenthümer eines reparaturbedürftigen Hauses dem Gemeinschafter die Reparaturkosten nicht erstattete; beide Fälle des Eigenthumserwerbs sind dem neuen Rechte fremd; b) nach gel­ tendem Recht zur Strafe wegen einer strafbaren Handlung; in diesen Fällen geschieht ein Zuschlag an den Fiskus durch Ur­ theil des Strafrichters (§§ 40, 152, 295 StGB u. a. Gesetze). Nach herrschender Auffassung bedarf es jedoch der Besitzergreifung durch den Fiskus (RG in Strass. 21, 5). Dieser Erwerb ist nicht immer ein derivativer, da er in einigen Fällen vom Eigenthum des Verurtheilten nicht abhängt (z. B. §§ 295, 367 letzter Abs. StGB; § 15 Ges. vom 14. Mai 1879 betr. d. Verkehr mit Nahrungsmitteln rc.). Hieran wird durch das BGB nichts geändert*). 4. Die missio ex secundo decreto übertrug das Eigenthum im Falle der cautio damni infecti (f. oben S. 445) nach rö­ mischem Recht. 5. Bei Auflösung der Ehe fielen nach römischem Recht die Dotalsachen ipso jure an die Frau (f. hierüber im Familienrecht). § 186.

Die Uebereignuug.

Der Hauptfall derivativen Eigenthumserwerbs ist der der Uebereignung d. h. der freiwilligen Veräußerung. Dieser Erwerb vollzog sich nach älterem römischen Recht durch manci­ patio ober in jure cessio. Die erstere war nur römischen Bürgern und nur bei res mancipii gestattet, sie bildete einen privaten sym­ bolischen Akt, zu dem 5 Zeugen und ein Waagehalter zugezogen und ein Stück Erz als Symbol des Kaufpreises in die Wagschale gelegt, und der übrigens auch dann angewendet wurde, wenn der Uebereignung nicht ein Kauf, sondern eine Schenkung zu Grunde lag. Die in jure cessio war auch bei res nec mancipii an­ wendbar, sie bestand in einem Scheinprozeß, bei welchem der Er­ werber als vindicirender Eigenthümer austrat, der Veräußerer als Beklagter nicht widersprach, und der damit endete, daß der Prätor die Sache dem Erwerber zusprach. Diese Formen sind durch die traditio verdrängt worden, d. h. durch die mit dem Uebereignungswillen erfolgte Besitzübergabe,

b Hierüber Axel Borberg: die Einziehung der Produkte und Werkzeuge eines Delikt-. Rostock 1895.

522 Diese Uebergabe erfolgt zwar regelmäßig in Erfüllung einer obligatorischen Rechtspflicht, um dem Käufer die verkaufte, dem Beschenkten die geschenkte Sache, dem Darlehnssucher das ver­ sprochene Geld, dem Gläubiger die geschuldete Geldsumme zu ver­ schaffen. Aber dieses Geschäft ist juristisch nur ein Zeichen dafür, daß der Wille, die hingegebene Sache zu übereignen, und die Ab­ sicht, das Eigenthum zu erwerben, vorhanden ist, denn die Ueber­ gabe an sich überträgt nur den Besitz; ein Eigenthumswechsel ist nur dann beabsichtigt, wenn jenes Geschäft auf Veräußerung der Sache gerichtet ist. Dies ist der Sinn der 1. 31 pr. D. de acq. rer. dom. 41, 1: Nunquam nuda traditio transfert dominium, sed ita ei venditio vel aliqua juata causa praecesserit, propter quam traditio sequeretur. DieUebereignung oder Tradition ist also ein von jenem Verpflichtung sverhältniß losgelöster abstrakter dinglicher Vertrag: Denn auch wenn jenes Veräußerungsrecht nichtig ist und ein Verpflichtungsverhältniß nur in der Einbildung der Kon­ trahenten besteht, geht durch die Tradition nach altem und neuem Recht Eigenthum über, wenn nur derUebereignungswille auf beiden Seiten vorhanden ist (vgl. die wichtige Stelle 1. 36 D. 41, 1). Es kann umgekehrt der obligatorische Vertrag gültig und un­ bedingt, die Tradition aber ungültig oder bedingt sein. Auch hat das pactum reservati dominii, d. h. die (zur Sicherstellung des Verkäufers wegen des Kaufpreises getroffene) Vereinbarung, daß die übergebene Sache im Eigenthum des Verkäufers bleiben solle (8 455 BGB) nur die Wirkung, daß sie die Tradition, nicht auch zugleich den Kauf bedingt (RG 7, 147)'). Im Falle des Verkaufs war die Tradition nach bisherigem Recht übrigens stets durch die Zahlung des Preises bedingt, das Eigenthum ging daher erst mit diesem Akte auf den Käufer über, es sei denn, daß der Verkäufer die Sache unter Kreditirung des Preises übergäbe"). Diese nur für den Kauf geltende Bestimmung fällt nach dem BGB (§ 929) weg. Die Besitzübergabe vollzieht sich nach den für diese maßge­ benden Grundsätzen. Wo also zum Besitzübergange die Willens­ erklärung der Betheiligten ausretcht, da geschieht auch der Eigenthumsübergang ohne wirkliche Tradition. Nach § 474 HGB kann bei Veräußerung eines Seeschiffes oder einer Schiftspart die Ueber»

l) Ob suspensiv ober resoluten, hängt von bet Abficht bet Parteien ab. Im Zweifel ist ble Bedingung eine aufschiebende. *) Der Satz ist burdj entgcgcnstchendeS deutsches Gewohnheitsrecht nicht beseitigt, wie Dernburg Pand. 1 § 215 annimmt. Rissen: Kauf­ rechtliche Trabition. 1869.

gäbe durch die Vereinbarung der Kontrahenten ersetzt werden, daß das Eigenthum sofort auf den Erwerber übergehen solle, wodurch die Veräußerung eines auf der Fahrt befindlichen Schiffes er­ möglicht ist. Da die Tradition Succession ist, kann grundsätzlich das Eigen­ thum nur übergehen, wenn der Tradent Eigenthümer ist. Von diesem Erforderniß sieht das römische und das moderne Recht in einzelnen Fällen ab, dadurch werden diese Fälle aber zu originären Erwerbsarten und sind daher dort zu behandeln. Das BGB erklärt in Uebereinstimmung mit dem alten Recht den abstrakten dinglichen Vertrag, der in der Einigung der Kontrahenten über den Eigenthumsübergang besteht, und die Uebergabe der Sache für erforderlich (§ 929). Es steht also im Gegensatze zum französischen Rechte, nach welchem die Einigung ausreicht, auf dem gemeinrechtlichen Traditionsprinzip. Die Uebergabe kann körperlich, sie kann durch brevi manu traditio oder constitutum possessorium erfolgen (§§ 929, 930), sie wird aber auch durch Abtretung des Herausgabeanspruches ersetzt, wenn sich die Sache im Besitze eines Dritten befindet (§ 931), während nach gemeinem Rechte im Falle der Abtretung der Vindikation das Eigenthum erst dann auf den Erwerber überging, wenn er den Besitz der Sache erlangte. Das BGB weicht aber darin sehr erheblich vom bisherigen Rechte ab, daß es beim Vorhandensein des guten Glaubons beim Erwerber das Eigenthum unabhängig vom Eigenthumsrecht des Veräußeres übergehen läßt, die Ueber­ gabe also ihrer bisherigen Eigenschaft als einer Rechtsnachfolge entkleidet. Sie gehört demnach zu den ursprünglichen Erwerbsarten.

II. Der ursprüngliche Erwerb.

8 187. Einleitung. Durch ursprünglichen Erwerb kann sowohl an Sachen, die schon einen Eigenthümer haben, als auch an solchen, die noch in Niemandes Eigenthum stehen, Eigenthum begründet werden. Im ersten Falle hat zwar der Eigenthumserwerb nothwendig für den bisherigen Eigenthümer den Eigenthumsverlust zur Folge, aber eine Rechtsnachfolge findet nicht statt. Aeußerlich stellt sich der Echenthumserwerb kraft guten Glaubens als eine Rechtsnachfolge d. i. als Tradition dar, daher soll dieser Fall vorangestellt werden. § 188. Erwerb auf Grund gute« Glaubens. Während das römische Recht (mit nur einer Ausnahme s. d. Anm. zu diesem §) an dem Grundsätze festhielt: nemo plus Juris transferre potest quam ipse habet, denjenigen also, der eine Sache vom Nichteigenthümer erlangt hatte, dem Eigenthümer

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gegenüber rücksichtsloszur Herausgabe zwang, gelangte das deutsche Recht zu dem zwar nicht überall geltenden, aber weitverbreiteten Grundsätze, daß derjenige vor der Herausgabe geschützt werden müsse, der eine Sache im guten Glauben d. h. in der Mar irrigen» aber durch die Lage der Umstände gerechtfertigten Meinung er­ worben hat, daß der Veräußerer zur Veräußerung auch befugt sei. Doch hat daö rezipirte römische Recht jenen deutschrecht­ lichen Satz zu einem partikulären Satze von beschränktem An­ wendungsgebiet herabgedrückt. Im Interesse der Sicherheit des Handelsverkehrs hat dann das moderne Recht jenen deutschrecht­ lichen Grundsatz wiederausgenommen und ist so weit gegangen, demjenigen, der eine der Cirkulation bestimmte Sache im Vertrauen auf das EigenthumSrecht des Veräußerers im Wege des gewöhn­ lichen Geschäftsverkehrs erwarb, nichtblos Schutz vor der Vindikation des Eigenthümers, sondern das Eigenthum selbst zu gewähren, auch wenn der Veräußerer nicht Eigenthümer war. Dieser Satz war in den Artt. 306, 307 HGB a. F. enthalten. Wer ein Ordre­ papier durch formell gültiges Indossament (nicht durch Cession RG 33, 147) von dem zum Besitze des Papieres Legitimirten in gutem Glauben erwarb, erlangte nach Art. 36, 74 WO. Art. 305 HGB das Eigenthum des Papieres. Der Eigenthumsübergang an Namenspapieren unterliegt den Grundsätzen derivativen Erwerbes. In den oben genannten Fällen originären Erwerbes wird der gute Glaube durck Rechts­ irrthum sowie durch einen auf grobem Versehen beruhenden that­ sächlichen Irrthum ausgeschlossen'). Ferner ließen deutschePartikularrechte das Eigenthum an öffent­ lich versteigertenSachen aufdenErwerber übergehen, auch wenn der, in dessen Interesse die Versteigerung erfolgte, nicht Eigenthümer war. Das BGB hat den in diesen einzelnen Fällen zur An­ wendung kommenden deutsch- oder besser modern-rechtlichen Grundsatz verallgemeinert, indem es in jedem Falle der Veräußerung beweglicher Sachen von dem Erfordernisse des Eiaenthumsrechtes des Veräußerers absieht. Der Eigenthumserwerb an beweglichen Sachen im Falle eines auf Uebertragung gerichteten Rechtsgeschäftes ist also nach ihm ein ursprünglicher Erwerb. Die Folge davon ist das Erlöschen von Rechten Dritter an der ver­ äußerten Sache, falls der Erwerber das Recht nicht kannte oder kennen mußte (§ 936). *) Btt vom Fiskus, btm Regenten ober bet Regentin erwarb, wurde nach römischem Recht Eigenthümer, auch wenn bet Beräufeerer nicht Eigen­ thümer war. Guter Glaube war nicht erforberlid). — Der Psanbgläubiger ist befugt, da« Recht zu übertragen, da» ber Psanbschulbner an der Sache hatte, also unter biefer Voraussetzung Eigenthum. Dieser Fall ist keine Ausnahme und bildet eine originäre Erwerbsart nicht.

Voraussetzungen des Eigenthumserwerbs sind hier­ nach (§§ 929-935): 1. Uebergabe; der körperlichen Uebergabe aber steht die brevi manu traditio (§ 929) in dem Falle, daß der Erwerber den Besitz vom Veräußerer erlangt hatte, sowie die Abtretung des Herausgabeanspruches gegen den Besitzer (§ 931) gleich (§§ 932, 934), nicht aber auch das constitutum possessorium (§ 933). Das BGB verlangt also stets einen wirllichen Besitzwechsel. 2. Einverstänoniß der Parteien darüber, daß das Eigenthum übergehen soll, also der abstrakte dingliche Uebereignungsvertrag. 3. Guter Glaube des Erwerbers zur Zeit des Erwerbes. Wer Eigenthum auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes er­ worben zu haben behauptet, braucht jedoch nur den eingetretenen Besitzwechsel und daS Vorhandensein des Uebereignungswillens zu beweisen. Sache des Gegenbeweises ist es, darzuthun, daß der Erwerber zur Zeit des Erwerbes sich nicht in gutem Glauben befunden habe, daß ihm also bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen sei, daß die Sache nicht dem Veräußerer gehörte (§ 932). Das Vorhandensein des Ueber­ eignungswillens wird durch Darlegung des der Tradition zu Grunde liegenden, auf Eigenthumsgewährung gerichteten Rechts­ geschäftes bewiesen. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen findet nur beim Erwerb solcher Sachen statt, deren Besitz der Eigenthümer oder, falls dieser nur mittelbar besaß, der Besitzer ohne seinen Willen verloren hat (§ 935). Jedoch ohne Rücksicht darauf, ob der bis­ herige Eigenthümer den Besitz freiwillig, oder unfreiwillig ver­ loren hatte, gehen in das Eigenthum des redlichen Erwerbers mit der Uebergabe über a) Geld und Jnhaberpapiere (also nicht die in §§ 807, 808 BGB bezeichneten Urkunden). Wird aber ein gestohlenes, verloren gegangenes oder sonst abhanden gekommenes Inhaber­ papier an einen Kaufmann, der Bankier» oder Geldwechsler­ geschäfte betreibt, veräußert, so gilt dessen guter Glaube als ausgeschlossen, wenn zur Zeit der Veräußerung der Verlust im „Deutschen ReichSanzeiger" bekannt gemacht und seit dem Ende deS Jahres, in dem die Veröffentlichung erfolgt ist, nicht mehr als ein Jahr verstrichen war. Der Bankier kann diese Vermuthung durch den Nachweis besonderer Umstände entkräften (§ 367 HGB); b) die im Wege öffentlicher Versteigerung veräußerten Sachen (§§ 156, 935 BGB). Das neue HGB hat mit Rücksicht darauf, daß zuweilen Waaren durch Kommissionäre veräußert werden, die zur Ver­ äußerung nicht befugt sind, den Schutz des redlichen Erwerbers

526 gegenüber dem BGB noch ausgedehnt. Nach letzterem (§ 932 Abs. 2) erlangt der Erwerber nämlich nur dann Eigenthum, wenn er den Veräußerer für den Eigenthümer hält, nach dem HGB (§ 366) aber auch dann, wenn er zwar weiß, daß der Veräußerer nicht Eigenthümer ist, den Veräußerer aber für berechtigt hält, über die Sache zu verfügen. Diese Vorschrift des HGB kommt zur Anwendung, wenn die Sache von einem Kaufmann im Be­ triebe seines Handelsgewerbes veräußert wird, die des BGB in allen andern Fällen der Veräußerung. Jedoch auch das BGB selbst dehnt den von ihm gegebenen Schutz aus. Nach seinen allgemeinen Vorschriften wird nämlich durch den guten Glauben des Erwerbers nur das mangelnde Eigenthum des Veräußerers ersetzt, in besonderen Fällen aber ersetzt der gute Glaube des Erwerbers auch das mangelnde Verfügungsrecht des Eigenthümers. Diese Fälle sind: die Veräußerung trotz eines zu Gunsten bestimmter Personen wirkenden Veräußerungsverbotes (§§ 135, 136, § 23 ZwstG), die Veräußerung trotz Anfechtbarkeit des dem Veräußerer zustehenden Eigenthums (§ 142), die Veräußerung während des Schwebens einer Bedingung (§ 161), Veräußerungen, die der Vorerbe und solche, die der Erbe vörnimmt, obwohl die Verfügungsmacht nur dem Testamentsvollstrecker zusteht (§§ 2113, 2211).

8 189.

Die Ersitzung.

1. Der redliche, aber irrige Glaube, Eigenthum erworben zu haben, führte schon nach älterem römischen Recht zum Eigenthum, wenn eine längere Zei.t ungestörten Besitzes hinzukam. Das Recht der zwölf Tafeln gestattete den Eigenthumserwerb an unbeweglichen Sachen bei zweijährigem, an beweglichen Sachen bei einjährigem Besitz. Diese usucapio setzte Sachen voraus, die des quiritischen Eigenthums fähig waren, und galt nur für römische Bürger. Daneben entwickelte das prätoriscbe Recht eine longi temporis praescriptio d. h. eine die Vindikation aus­ schließende Einrede, wie der Name besagt, welche Demjenigen, der ein Provinzialgrundstück 10 (inter absentes 20) Jahre besessen hatte, gegeben wurde. Justinian vereinigte beide Institute, indem er dem Präskribenten Eigenthum gewährte. Ferner verordnete er, daß der gutgläubige Erwerber, gegen den in Folge dreißig­ jährigen Besitzes die Eigenthumsklage verjährt war, seinerseits die Eigenthumsklage sollte anstellen können, wenn er den Besitz verlor. Das gemeine Recht untersckied im Anschluß an diese Veränderungen eine ordentliche und eine außerordentliche Er­ sitzung, d. i. einen Eigenthumserwerb durch fortgesetzten Besitz. Das ältere deutsche Recht hatte eine Ersitzung nicht gekannt.

Die ordentliche Ersitzung hing nach altem Recht davon ab, daß der Erwerber einen Titel für seinen Erwerb hatte, d. h. daß er den Besitz der Sache durch ein Rechtsgeschäft erlangt hatte, das an sich geeignet war, Eigenthum zu begründen, diese Wirkung nur im vorliegenden Falle nicht haben konnte, weil dem Veräußerer das Eigenthum fehlte. Beim Vorhandensein eines Titels begnügte sich.das Recht mit dem kurzen Zeitraume von drei Jahren. Die außerordentliche Ersitzung sieht von dem Erfordernisse des Titels ab, verlangt dafür aber zur Vollendung der Ersitzung einen langen Zeitraum (30 Jahre). 2. Bisher war die Ersitzung ein praktisch wichtiges Institut, denn sie diente dem Schutze des guten Glaubens: ein thatsäch­ licher Zustand, der aus gutem Grunde, wenngleich irrig, als ein dem Rechte entsprechender Zustand angesehen worden ist, soll nach Ablauf eines gewissen Zeitraums zu einem Rechte werden und also der Anfechtung entzogen sein. Da nun das BGB den redlichen Erwerb viel wirksamer dadurch schützt, daß es an ihn unmittelbar den Erwerb des Eigenthums knüpft und von einem Zeitablaufe absieht, hat die Ersitzung für das neue Recht eine untergeordnete Bedeutung. Sie wird praktisch nur noch in Fällen des Besitzerwerbs an abhanden gekommenen Sachen (§ 935), an Sachen, die der Besitzer nicht durch ein Veräußerungsgeschäft erlangt hat (§ 929), und bei Erwerbungen, die in Folge eines anderen Mangels als desjenigen des Eigen­ thums des Veräußerers Eigenthum nicht übertragen. Dafür er­ leichtert das BGB die Ersitzung, denn es sieht vom Titel ab, die heutige Ersitzung gleicht daher hierin der außerordentlichen Er­ sitzung des gemeinen Rechts, ohne doch einen so langen Zeitraum zu erfordern, wie diese. Das gemeine Recht stellte für die ordentliche Ersitzung eine Reihe Erfordernisse auf, die in dem Denkverse: res habilis, titulus, fides, possessio, tempus zusammengefaßt wurden. Danach war erforderlich a. eine fähige Sache. Nach der endgültigen Gleichstellung der usucapio und der longi temporis praeseriptio waren grund­ sätzlich alle Sachen der Ersitzung fähig. Doch bestanden einige Ausnahmen. Zu ihnen gehörte das Verbot der Ersitzung von res furtivae und res vi possessae (nach den XII Tafeln, der lex Atinia und der 1. Plautia, Art. 209 der Carolina): dem Be­ stohlenen sollte die Möglichkeit, seine Sache wiederzuerlangen, für immer offengehalten werden. Das BGB macht keine Ausnahme von der Ersitzbarkeit, der Bestohlene wird dadurch geschützt, daß der redliche Erwerb einer dem Eigenthümer durch Diebstahl ent­ fremdeten Sache nicht sofort Eigenthum begründet (§ 935).

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d. Der Titel. Der gute Glaube muß seine Rechtfertigung finden in einem Vorgänge, der geeignet ist, in dem Erwerber die Meinung, er habe Eigenthum erworben, zu begründen. Zu diesen Vorgängen gehören natürlich diejenigen Rechtshandlungen, die an sich fähig sind, Eigenthum zu geben. Diese Rechtsgeschäfte nennt man die Ersitzungsmittel. Daher unterscheiden die römischen Quellen einen titulus pro emptore, wenn der Erwerber die Sache durch Kauf, pro donato, wenn er sie durch Schenkung, pro dote, wenn er sie als Mitgift, pro eoluto, wenn er sie als Gegenstand der Erfüllung einer Verpflichtung erhielt, pro derelicto, wenn er sie in der Meinung in Besitz nahm, sie sei vom bisherigen Eigen­ thümer preisgegeben. In allen diesen Fällen wurde der sofortige Eigenthunrserwerb nur durch einen Mangel im Rechte des Ver­ äußerers verhindert. Ob nicht neben dem wirklich vorhandenen Titel (titulus verus) die irrige Annahme eines Titels (em titulus jutativus) ausreiche, war schon unter den römischen Juristen treitig, und die herrschende Lehre des gemeinen Rechts begnügte ich mit dem Putativtitel, wenn jene Annahme durch die Thatächen gerechtfertigt würde»). Der in den Quellen (Dig. 41, 10) gebrauchte Ausdruck titulus pro suo diente als allgemeine Be­ zeichnung für jeden Titel und ferner zur Bezeichnung derjenigen Titel, die keinen eignen Namen hatten. Das BGB (§ 937) hat das Erforderniß des Titels beseitigt, die Unterscheidung von wahrem und putativem Titel hat also keine Bedeutung mehr. c. Der gute Glaube, d. i. die irrige, aber nach Lage der Umstände gerechtfertigte Annahme, das Eigenthum erworben zu haben, brauchte nach römischem Recht nur beim Erwerbe vor­ handen zu sein; die später erlangte Ueberzeugung, nicht im Rechte zu sein, war kein Hinderniß für die Ersitzung. Das gemeine und das neue Recht (§ 937) haben sich indessen dem kanonischen Grund­ sätze (cap. 20 X de praescr. 2, 26) angeschlossen, wonach die später erworbene Kenntniß des Besitzers, daß ihm das Eigenthum nicht zustehe, die Ersitzung hindert (mala fides superveniens nocet). d. Der Besitz und zwar nach bisherigem und neuem Recht (§ 937) Eigenbesitz d. h. Besitz mit dem animus domini (§ 872). e. Der Besitz muß die vom Gesetze bestimmte Zeit hindurch bestanden haben d. h. nach gemeinem Rechte 3 Jahre bei einer beweglichen, 10 Jahre bei einer unbeweglichen Sache, nach neuem Recht (8 937) 10 Jahre. Der Rechtsnachfolger kann sich aber *) Z. B. Jemand beauftragt einen Änderen mit dem Ankauf einer Sache und erhält die Sache von dem Beauftragten mit der falschen Lersicherung, daß er fie gekauft habe. 68 kauft Jemand eine Sache von einem Wahnsinnigen, den er für vernünftig hält. Im letzteren Falle war der Kauf nichtig, also rin Titel nicht vorhanden.

nach altem und neuem Recht (§ 943) den Ersitzungsbesitz seines Rechtsvorgängersanrechnen. $)iefe accessio possessionis ist zu unterscheiden von der successio in usucapionem d. h. von dem Eintritt des Erben in die vom Erblasser begonnene Ersitzung: war nämlich der Erbe in mala fide, so setzte er nach römischem Rechte die vom Erblasser begonnene Ersitzung gleichwohl fort, weil er in alle Rechtsverhältnisse des Erblassers eintrat und bona fides nur beim Beginne der Ersitzung vorhanden zu sein brauchte. Nach kanonischem, gemeinem und neuem Rechte (§§ 937, 943) kann die Ersitzung durch den Erben nur dann fortgesetzt werden, wenn auch er in bona fide ist. Während aber der Erbe auch nach römischem Recht nicht ersitzen konnte, wenn der Erblasser in mala fide war, kann nach neuem Recht der Erbe in diesem Falle die Ersitzung beginnen. Nach neuem Recht (§ 944) kommt dem Erben auch diejenige Zeit zu statten, die zu Gunsten eines Erbschaftsbesitzers verstrichen ist, h. h. während welcher dieser den Ersitzungsbesitz gehabt hat. — Der hie und da in der gemeinrechtlichen Lehre ver­ tretene Satz: olim et bodie possessor, semper possessor ist vom BGB (§ 938) zu einer Rechtsvermuthung gemacht worden, daher hat der Besitzer nur zu beweisen, daß er am Anfang und am Ende eines Zeitraums besessen habe. Die Ersitzung kann unterbrochen werden. Tritt eine Unter­ brechung ein, so kommt nach altem und neuem Recht (§ 942) der bisher abgelaufene Zeitraum nicht mehr in Anschlag. Sobald aber der Grund der Unterbrechung wegfällt, kann eine neue Er­ sitzung beginnen, wenn in diesem Zeitpunkte die Voraussetzungen der Ersitzung vorhanden sind. Die Unterbrechung wird herbeigeführt aa) durch den Verlust des Besitzes, und zwar nach altem Rechte des juristischen Besitzes, nach neuem Rechte des Eigenbe­ sitzes (§ 940); aber während nach bisherigem Rechte selbst die wider Willen des Besitzers und auf nur ganz kurze Zeit eingetretene Besitzentziehung unterbrechend wirkte, tritt nach neuem Recht eine Unterbrechung nicht ein, wenn der Besitzer den ohne seinen Willen verlorenen Besitz innerhalb Jahresfrist oder mittels einer in dieser Frist erhobenen Klage wiedererlangt hat; bb) nicht nach römischem, wohl aber nach kanonischem, ge­ meinem und neuem Recht (§ 937Abs. 2) durch mala fides superveniens; in diesem Falle hört mit der Unterbrechung die Er­ sitzung ganz auf. ec) Nicht unterbrochen wurde die Ersitzung nach römischem Rechte durch Erhebung der Eigenthumsklage gegen den Be­ sitzer. Vollendete aber der Besitzer die Usukapion während des für Sngelmann, d. bürgerliche Recht Deutschlands.

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630 den Kläger erfolgreichen Prozesses, so konnte er sich gegenüber dem Kläger auf sein Eigenthum nicht berufen, er mußte vielmehr die Sache dem Kläger zu Eigenthum zurückgeben. Darin äußerte sich im älteren Recht die obligatorische Kraft der Litiskontestation. Im Ergebniß stimmt hiermit das gemeine und das neue Recht (§ 941) überein, denn sie geben der Erhebung der Klage nur eine relative, d. h. nur zu Gunsten des Klägers wirkende Kraft. Der Besitzer vollendet also nach dem Prozeßbeginn den Eigenthumserwerb, er kann diese seine Stellung auch gegenüber jedem Dritten, nur nicht gegen den Kläger, geltend machen. Die Unterbrechung wirkt bis zur rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Erledigung des Prozesses, und sie gilt als nicht erfolgt, wenn die Klage zurück­ genommen oder durch ein nicht über den Anspruch selbst ent­ scheidendes Urtheil abgewiesen wird (§§ 941, 209—212, 216, 219, 220). Die gleiche Wirkung wie die Klageerhebung hatte nach ge­ meinem Rechte eine Protestation, wenn die Klage nicht erhoben werden konnte. Dieses UnterbrechungSmirtel ist vom BGB be­ seitigt worden. 3. Die Ersitzung fällt nicht zusammen mit der Ver­ jährung des Herausgabeanspruchs des Eigenthümers. Wer den Besitz verliert und durch 30 Jahre hindurch die Erhebung der Eigenthumsklage (rei vindicatio) unterläßt, kann vom Be­ sitzer die Herausgabe nicht mehr erzwingen, auch wenn der Besitzer die Sache nicht ersessen hat. Diese Möglichkeit tritt für den Eigen­ thümer erst dann wieder ein, wenn die Sache in den Besitz einer Person gelangt, die nicht Rechtsnachfolger des bisherigen Besitzers ist, denn dann ist von neuem actio nata. Ersitzt aber der Be­ sitzer die Sache, so verliert der bisherige Eigenthümer das Eigen­ thum und aus diesem Grunde den Herausgabeanspruch, auch wenn die Verjährungszeit noch nicht abgelaufen ist. Nach altem und neuem Recht (§ 939) ist indeß die Ersitzung so lange gehemmt und wird, wenn sie begonnen hatte, so lange unterbrochen, als die Ver­ jährung des Eigenthumsanspruches gehemmt ist oder ihrer Voll­ endung die besonderen in §§ 206, 207 BGB bezeichneten Hinder­ nisse entgegenstehen. Andere nur subjektive Hindernisse der Er­ sitzung kennt das neue Recht nicht. § 190.

Verbindung, Vermischung, Verarbeitung.

Durch Verbindung, Vermischung, Verarbeitung kann ein Eigenthumserwerb bewirkt werden. 1. Die Verbindung von Sachen wirktnicht in allen Fällen gleich, a) Wurde eine bewegliche Sache mit einer unbeweg­ lichen fest verbunden, so verlor die bewegliche Sache ihr selb-

ständiges Dasein als Rechtsobjekt, so daß neben dem Eigenthum am Grundstück ein besonderes Eigenthum an der beweglichen Sache nicht bestehen konnte (RG 33, 251), der Eigenthümer der unbeweg­ lichen Sache erwarb also nach altem Recht das Eigenthum der be­ weglichen durch die Thatsache der Verbindung. Der Boden­ eigenthümer erwarb daher das auf seinem Grundstück Gesäte und Gepflanzte (implantatio), das auf seinem Grundstück Gebaute und in sein Gebäude Verbaute (inaedificatio): implantatio vel inaedificatio solo cedit. Auf Redlichkeit oder Unredlichkeit dessen, der die Verbindung herstellte, kam es für den Eigenthums­ wechsel nicht an. Verbaute aberderGrundeigenthümerselbst stemdes Material (tignum), so konnte er nicht zur Trennung gezwungen, vielmehr nur (auf die actio de tigno juncto) auf den doppelten Werth des Materials belangt, und wenn er in bösem Glauben war, auch als fictus possessor, oder mit der condictio furtiva auf Schadensersatz und nach der Trennung auf Herausgabe des Materials belangt werden. Die Verbindung einer Pflanze mit dem Boden geschieht durch das Wurzelschlagen. Das DGB unterscheidet, ob die bewegliche Sache wesent­ licher Bestandtheil des Grundstücks geworden ist oder nicht, und stellt für den ersten Fall gleichfalls den Grundsatz superficies solo cedit auf, während es im zweiten Falle an die Verbindung an sich eine Aenderung der bisherigen Eigenthumsverhältnisse nicht knüpft. Dort also knüpft sich die Rechtsänderung mit Noth­ wendigkeit an die Thatsache der Verbindung, der gegenüber auch ein Eigenthumsvorbehalt (z. B. des Handwerkers an den in ein Haus verbauten Fenstern, Thüren, Treppen u. s. toj wirkungs­ los bleibt, hier aber ist die Verbindung allein eine restlich gleich­ gültige Thatsache. Tritt aber eine Eigenthumsänderung ein, so kommt es darauf nicht an, von wem die Verbindung vorgenommen ist und ob der Verbindende den Eigenthumswechsel gewollt hat oder nicht (§ 946). Ueber den Begriff des wesentlichen Bestanbtheils 88 93—95 BGB s. oben S. 81. b. Werden bewegliche Sachen verschiedener Eigen­ thümer mit einander verbunden, so entschied bisher über den Eigenthumserwerb an der ganzen Sache die praktische Bedeutung der Sachen: das Eigenthum der Hauptsache zog das der Neben­ sache nach sich. Unter den Begriff der Verbindung (accessio) brachte das römische Recht auch das Schreiben und Malen, es gab hier aber die bestimmte Vorschrift, daß beim Schreiben die Grundlage, auf welche die Schrift gesetzt wird, beim Malen daS Gemälde die Hauptsache sei. DaS BGB scheidet das Bearbeiten der Oberfläche eines 34*

532 Gegenstandes, daher auch das Schreiben und Malen, aus (vgl. § 950) und legt im übrigen wiederum das entscheidende Gewicht darauf, ob eine der verbundenen Sachen zum wesentlichen Bestandtheil der anderen geworden ist: nur in diesem Falle tritt eine Eigenthumsänderung ein, und zwar wird, wie im römischen Recht, der Eigenthümer der Haupt­ sache Eigenthümer der Nebensache; ist keine der Sachen als Hauptsache anzusehen, so tritt Miteigenthum Aller an der ganzen Sache ein, und zwar nach Verhältniß des Werthes der einzelnen Sachen. Welche Sache die Hauptsache ist, bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung (§ 947). 2. Im Falle einer Vermengung (commixtio) oder Ver­ mischung (confusio) unterschied das bisherige Recht trockene und flüssige Körper. Die Vermengung trockener Körper bewirkte eine Eigenchumsänderung selbst in dem Falle nicht, daß die Ver­ mengung eine unentwirrbare war, nicht das Eigenthum, sondern nur die Möglichkeit seiner Durchführung war aufgehoben (RG 4, 41); die Aenderung in den Eigenthumsverhältnissen erfolgte vielmehr erst durch die Theilung der Menge, die durch Vertrag und im Streitfälle durch Urtheil (adjudicatio) herbeigeführt wurde. Die Vermischung flüssiger oder flüssig gemachter Stoffe bewirkte Miteigenthum am Ganzen, sofern sich nicht die Mischung wieder auflösen ließ. Das BGB (§ 948) behandelt die untrennbare Verbindung und Vermischung ebenso wie die Verbindung beweg­ licher Sachen. Ist also der eine Stoff Hauptsache, so folgt ihr die Nebensache, und entsteht eine neue Sache, so erwarben die verschiedenen Stoffeigenthümer das Miteigenthum an der neuen Sache. Untrennbar ist die Verbindung schon dann, wenn die Trennung mit unverhältnißmäßigen Kosten verknüpft sein würde. Das römische Recht behandelte die Vermengung von Geld mit dem Gelde eines Andern als Verbrauch und ließ deshalb das Eigenthum am Gelde auf den Besitzer desjenigen Geldes über­ gehen, mit dem jenes vermengt wird (1. 78 D. 46, 3). Durch diese Sonderbestimmung wurde die Vindikation vermengten Geldes ausgeschlossen. Dem neuen Rechte fehlt es an einer solchen Be­ stimmung, da §§ 925 Abs. 2, 1006 BGB dasselbe Ziel erreichen. Geht hiernach auf den gutgläubigen Empfänger das Geld schon mit der Uebergabe über, und spricht die Vermuthung für das Eigenthum des Besitzers, so ist zwar die Vindikation unredlich empfangenen Geldes rechtlich zulässig, doch praktisch kaum durch­ führbar. 3. Spezifikation') ist die Verarbeitung vorhandenen Stoffes in eine neue Sache. Die römische Rechtsschule der *) Fischer: Da» Problem der Identität und der Neuheit.

1892.

Sabinianer sprach die neue Sache dem Stoffeigenthümer, die der Prokulianer dem Verfertiger zu. Justinian erhob eine Mittel­ meinung, die dem Stoffeigenthümer die neue Sache zusprach, wenn sie sich in ihre frühere Gestalt zurückführen ließ, dem Verfertiger, wenn die Rückbildung nicht möglich war, zum Gesetz (1. 7 § 7 D. 41, 1). Nur in diesem Falle ist in Wahrheit eine neue Sache vorhanden. Der Erwerb der neuen Sache erfolgte nicht durch Okkupation, denn dieser Erwerb hatte nicht den Willen des Ver­ fertigers, eine Rechtsänderung herbeizuführen, zur Voraussetzung, er war vielmehr die einfache Folge der Umgestaltungshandlung. Aus demselben Grunde war nach der herrschenden Lehre bona oder mala fides des Verfertigers nicht gleichgültig, der Erwerb hing vielmehr vom guten Glauben des Verfertigers ab. Die wissentliche Umgestaltung fremden Stoffes war furtum, die fahr­ lässige Verarbeitung unterlag der lex Aquilia, in jedem Falle haftete der Verfertiger auf die Bereicherung. Das BGB (§ 950) weicht von diesen Grundsätzen in mehreren Beziehungen ab. Es erweitert vor Allem den Begriff der Verarbeitung. Denn eine solche ist sowohl im Falle der Um­ bildung eines oder mehrerer Stoffe in eine neue Sache, als auch im Falle der bloßen Bearbeitung der Oberfläche einer Sache, also z. B. beim Zeichnen, Malen, Schreiben, Drucken, Graviren vorhanden. Ferner ist der Eigenthumserwerb von der bona oder mala fides des Verfertigers unabhängig, er tritt aber dann nicht ein, wenn die Arbeit erheblich weniger werth ist als der verarbeitete Stoff. Den Beweis des Minderwerths der Arbeit hat der Stoffeigenthümer zu führen. Das BGB belohnt dem­ nach durch den Eigenthumserwerb die nutzbringende Arbeit. Die Verkehrssicherheit verlangt, daß nicht blos das bisherige Eigenthum, sondern auch andere Rechte am Stoffe erlöschen. Wer durch Verbindung, Vermengung, Verarbeitung Schaden leidet, hat gegen den Urheber des Verlustes den Anspruch auf Schadensersatz (§ 823 Abs. 1), wenn diesem ein Verschulden zur Last fällt, in jedem Falle einen Anspruch auf die Bereicherung (§§ 812, 951). § 191.

Erwerb von Erzeugnissen und Bestandtheilen.

Gegenüber der gemeinrechtlichen Streitfrage, ob die Früchte einer Sache nur abgetrennte Theile der Hauptsache oder neue Sachen sind, nimmt das BGB im Sinne der ersten Alternative Stellung, indem es die getrennten Früchte dem Eigenthümer der Hauptsache ohne Weiteres, also ohne besonderen Besitzergreifungs­ akt einräumt (§ 953). An den Früchten einer fremden Sache war nach römischem

534 Recht ein Eigenthumserwerb erst mit der Trennung der Früchte möglich, denn bis dahin waren sie Bestandtheile der Hauptsache. Das deutsche Recht ließ zwar ein selbständiges Recht an stehenden und hängenden Früchten zu, das BGB (§§ 94, 954 ff.) hat sich aber an das römische Recht angeschlossen. Altes und neues Recht unterscheiden Trennung und Besitzergreifung der Früchte. Mit der Trennung (Separation) erwarb nach altem Recht das Eigen­ thum der Emphyteuta und der redliche Besitzer, mit der Besitzer­ greifung (Perzeption) der Nießbraucher und der Pächter, der letztere insbesondere auf Grund der im Pachtverträge liegenden Traditions­ offerte. Das BGB läßt regelmäßig das Eigenthum mit der Trennung übergehen, und zwar sowohl wenn der Erwerber der Frucht ein Recht auf den Fruchtgenuß hat,») als auch wenn er gut» gläuoiger Besitzer der Hauptsache ist, oder wenn der Eigenthümer oder sonst Fruchtziehungsberechtigte (z. B. der Nießbraucher) zur Ueberlassung der Früchte persönlich (z. B. durch einen Pachtvertrag) verpflichtet ist und der Berechtigte sich im Besitze der Hauptsache befindet. Mit der Besitzergreifung erwirbt das Eigenthum Der­ jenige, der nur ein persönuches Fruchtziehungsrecht hat, und sich nicht im Besitze der Hauptsache befindet (§§ 955, 956). Beim gutgläubigen Besitzer ist für das Vorhandensein des guten Glaubens der Zeitpunkt der Trennung maßgebend (§ 955). Den Früchten werden vom BGB die Bestandtheile gleichge­ stellt, welche wie Torf, Steine, Sand, Theile der Hauptsache sind und deren Ausbeutung die bestimmungsmäßige Verwendung der Hauptsache bildet (§ 99).

§ 192.

Aneignung (Okkupation).

Aneignung ist nach altem und neuem Recht (§§958, 872) die mit dem Aneignungswillen ausgeführte Besitzer­ greifung. Sie giebt dem Okkupanten Eigenthum, wenn die Sache eine aneignungsfähige ist. Aneignungsfähig aber sind nach altem und neuem Recht (§ 958) herrenlose Sachen, und zwar nach römischem Recht auch Grundstücke, nach neuem Recht nur bewegliche Sachen. Denn auf herrenlose Grundstücke hat nach neuem Recht der Fiskus des Bundesstaates, in welchem sie liegen, (§§ 928 Abs. 2 BGB Art. 190 Eins. G. z. BGB) ein ausschließliches Aneig­ nungsrecht. Nach römischem Recht wurde der Eigenthumserwerb nicht dadurch gehindert, daß durch die Okkupation in ein fremdes AneiHnungsrecht eingegriffen wurde. Die herrschende Lehre des gemeinen Rechts und mit ihr das neue Recht (§ 958 Abs. 2) ver­ neint dagegen in diesem Falle den Erwerb des Eigenthums. Daher erwirbt z. B. der Wilderer nicht Eigenthum an dem erlegten Thiere.

») Nießbrauch (§ 1030), Pfandrecht mit FruchtjichungSbesugniß (81213).

1. Unter den herrenlosen Sachen nehmen die wilden Thiere, d. h. die Nichthausthiere, eine wichtige Stelle ein. Diese Thiere sind nach altem und neuem Rechte herrenlos, so lange sie sich in Freiheit befinden (960). In Freiheit aber befinden sich nicht und es sind also herren­ los nicht diejenigen Thiere, die sich in Thiergärten, und die Fische, die sich in Teichen und anderen geschlossenen Privatgewässern be­ finden, denn sie unterliegen der Herrschaft des Menschen (§ 960). Das herrenlose Thier unterliegt nach römischem Recht, gleichviel ob es sich auf dem Grundstück des Okkupanten oder auf einem anderen Grundstück befindet, dem freien Thierfange (1. 3 pr. § 1 D. 41, 1, § 12 J. II, 1), während das deutsche Recht, von den Fischen abgesehen, zwischen jagdbaren und nicht-jagdbaren Thieren unterscheidet. Jagdbare Thiere sind diejenigen, welche dem aus­ schließlichen Okkupationsrechte des Jagdberechtigten unterliegen; es gehören zu ihnen nur einheimische Thiere, im Uebrigen bestimmen hierüber vom BGB aufrecht erhaltene, partikularrechtliche Normen (Art. 69 Eins. G. z. BGB). Das Eigenthum an diesen Thieren erwirbt durch Okkupation unzweifelhaft Derjenige, dem das Jagd­ recht zusteht. Streitig war nach gemeinem Recht, ob es nur dieser erwerben kann. Mit Recht jedoch erklärte die herrschende Lehre die Jagdberechtigung für ein ausschließliches Aneignungsrecht, sie ließ daher aus der Okkupation des Thieres durch einen Wilderer weder für diesen noch für den Jagdberechtigten Eigenthum ent­ stehen; ihr schließt sich das BGB an (§ 958 Abs. 2). Der Wilderer ist aber zur Herausgabe des erlegten Wildes verpflichtet, weil er schadensersatzpflichtig ist (§ 249 BGB), und erst durch diese Heraus­ gabe erwirbt der Jagdberechtigte das Eigenthum. Die Frage, ob und auf welche Weise ein lebendes wildes Thier, welches okkupirt und also Eigenthum einer Person geworden ist, wieder herrenlos wird, beantwortet das neue und das alte Recht in folgender Weise. Gefangene Thiere, d. h. solche, die der Mensch durch me­ chanische Mittel bei sich festhält, werden dadurch, daß sie in die Freiheit zurückkehren, gezähmte Thiere, d. h. solche, die der Mensch seelisch an sich gewöhnt hat'), dadurch, daß sie die Gewohnheit, an den ihnen bestimmten Ort zurückzukehren,(eonsuetucko revertencki) ablegen, herrenlos (§ 960). Aber während man nach bisherigem Recht die Rückkehr deS gefangenen Thieres in seine natürliche Freiheit verlangte, begnügt sich das neue Recht mit der Rückkehr des Thieres in die Freiheit, so daß jetzt auch ein ftemdländisches Thier herrenlos wird, wenn es bei uns ') v. Jhcring: Befitzwillt 1889 E. 292, 293.

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seinem Herrn entflieht und der Herr von der Verfolgung Ab­ stand nimmt1). Zu den wilden Thieren gehören die nicht eingefangenen, sog. wilden Bienen. Sie unterliegen daher nach aüern und neuern Recht der freien Okkupation. Nach römischem und älterem deutschen Rechte blieben die eingefangenen Bienen wilde Thiere, das neuere Recht behandelte sie als zahme Thiere, das BGB aber (§961) kehrt zu der alten und natürlichen Anschauung zurück, daß die Biene ein gefangenes wildes Thier sei, es läßt daher das Eigenthum an einem ausgezogenen Bienenschwärme aufhören, wenn der Eigenthümer ihn nicht unverzüglich verfolgt oder wenn er die Verfolgung aufgiebt. Die Verfolgung ist durch die Erlaubniß er­ leichtert, fremde Grundstücke zu betreten und die von dem Schwarme besetzte fremde Bienenwohnung zu öffnen (§ 962 vgl. auch §§ 963, 964). Tauben behandelte das römische und gemeine Recht als ge­ zähmte Thiere, deutsche Partikularrechte gestatten jedoch unter ge­ wissen Voraussetzungen die Okkupation im Freien angetroffener Tauben. Das BGB läßt das bisherige Recht unberührt (Art. 130 EG z. BGB). Fische sind nach altem und neuem Recht (§ 960) dem Privateigenthum unterworfen, wenn sie sich in Teichen oder anderen ge­ schlossenen Privatgewässern befinden, andernfalls sind sie herren­ los (s. § 194). 2. Nach römischem und früherem deutschen Recht gelten die Sachen des Feindes als herrenlos. Nach neuerem Rechte hängt die Befugniß, Beute zu machen, von der Genehmigung des Ober­ feldherrn ab und erstreckt sich nicht auf Sachen, die im Eigenthum der nicht zum feindlichen Heere gehörenden Privatpersonen stehen. 3. Der Aneignung unterliegen ferner die aufgegebenen (derelinquirten) Sachen nach altem und neuem Recht (§959). Es sind dies Sachen, deren Besitz der Eigenthümer in Der Absicht aufgiebt, auf das Eigenthum zu verzichten. § 193.

Da- Jagdrecht.

Das römische Recht kannte nach der herrschenden Auffassung kein eigentliches Jagdrecht. Die in ihrer natürlichen Freiheit be­ findlichen Thiere unterlagen dem freien Thierfange überall. Der Grundeigenthümer konnte sich die Jagd aber dadurch sichern, daß er das Betreten seines Grundstückes verbot, sei es, daß er das Verbot an jeden Einzelnen, der das Grundstück jagend betrat, oder an die Gesammtheit richtete. Wer gegen das Verbot handelte,

i) Orin au» einem zoologischen Garten entkommene» Rhinoceros unter­ liegt also jetzt dem freien Thiersange.

setzte sich der ainjuriarum des Grundeigenthümers, wer beim Jagen Feldfrüchte beschädigte, der a. legis Aquiliae, und wer den Besitz des Eigenthümers durch das Jagen störte, dem interdictum uti possidetis aus. Gegenüber dieser römischen Jagdfreiheit entwickelte sich in Deutschland schon früh ein mit dem Grundeigenthum verbundenes und geschütztes Jagd recht. Das in Freiheit befindliche Thier gilt zwar als herrenlos, aber die Verletzung des Jagdrechtes bildete ein Delikt. Seit dem 9. Jahrhundert nahmen die deutschen Könige in einzelnen ihnen nicht gehörigen Waldungen das Jagdrecht für sich in Anspruch und forsteten zu diesem Zwecke Wälder ein (Bannforsten), und auch sonst wurde das Jagdrecht mehr und mehr einZuvehör der größeren Grundstücke. Später unterschied man höhere und niedere Jagd und überließ die letztere dem Grund­ eigenthümer, während die erstere den Landesherrn oder anderen bevorzugten Personen eingeräumt wurde. Auf diese Weise ent­ wickelte sich seit dem Ende des Mittelalters das Jagdrecht über­ haupt oder wenigstens die höhere Jagd zu einem Regal, das der Ausübung nach an Privatpersonen verliehen wurde, und auch die niedere Jagd wurde zu einem Vorrecht der Rittergutsbesitzer. Das Ergebniß dieser Entwicklung war also, daß das Jagdrecht zu einem dinglichen Rechte an fremder Sache wurde. Die Landes­ gesetzgebung dieses Jahrhunderts, insbesondere seit 1848, gab das Jagdrecht dem Grundeigenthümer zurück, in­ dessen nur dem Grundsätze nach, denn aus polizeilichen und wirthschaftlichen Gründen ist den Besitzern kleinerer Grundstücke die Ausübung des ihnen an sich zustehenden Jagdrechts untersagt und nur der Gesammtheit dieser Besitzer, d. h. der Gemeinde oder einer besonderen Jagdgenossenschaft, gestattet. Der Staat hat damit das Jagdregal verloren und nur dieJagdhoheit behalten. Das BGB überläßt das Jagdrecht der Landesgesetzgebung (Art. 69 Einf.-Ges.). Nur über die Aneignung wilder Thiere und über den Ersatz des Wildschadens hat es Bestimmungen ge­ troffen (§§ 958, 960, 835). Das Jagdrecht ist ein ausschließliches Okkupations­ recht. Daher steht das einzelne jagdbare Thier zwar nicht im Eigenthum des Jagd berechtigten, es ist vielmehr, wie andere wilde Thiere, herrenlos, die Erlegung eines jagdbaren Thieres durch einen Nichtberechtigten ist daher nicht Diebstahl, sondern ein Delikt eigener Art, das schon durch die zum Zwecke der Erlegung von Thieren vorgenommenen Handlungen vollendet wird (§§ 292 ff. StGB), durch Okkupation erwirbt das Eigenthum aber nach altem und neuem Recht nur der Jagdberechiigte (§ 958 f. § 192 Nr. 1). Die Ausübung des Jagdrechts, nicht dieses Recht selbst, kann

538 durch Vertrag anderen Personen übertragen werden. Ist dieser Vertrag ein entgeltlicher, so fällt er nicht unter den Begriff des Hoffnungskaufes (emtio rei speratae), sondern unter den Begriff des Pachtvertrages, denn seinen Gegenstand bildet nicht die Jagd­ nutzung, sondern die Befugniß der Jagdausübung. Gegenstand des Pachtvertrages ist daher nicht das Grundstück, sondern das Jagdrecht (§§ 581, 595 BGB). Ist das Jagdrecht ein Recht des Grundeigenthümers, so steht es ihm auch nur innerhalb der Grenzen seines Grundstückes zu. Daher ist das Recht der Jagd- oder Wild folge d. h. die Be­ fugniß, die auf dem eigenen Grundstücke begonnene Okkupation auf einem fremden Grundstücke zu vollenden, von der neueren Gesetzgebung beseitigt. § 194. Die Fischerei. Der herrenlose Fisch unterliegt der Okkupation, aber nur der im offenen Meere und der an der Meeresküste befindliche Fisch der freien Okkupation (Küstenfischerei), der in anderen Gewässern befindliche Fisch derOkkupation durch den ausschließlichOkkupationsberechtigten (Binnenfischerei). Die Binnenfischerei in öffentlichen Gewässern hat sich im Mittelalter (vgl. Constitutio de regalibus v. 1158) zum Regal ausgebildet und ist bis heute Regal geblieben. Regalien aber sind ausschließlich dem Staate zustehende und daher nur der Ausübung nach auf Private übertragbare Rechte. An Gemeindegewässern stand bisher das Fischereirecht meist allen Mitgliedern der Gemeinde zu. In neueren Gesetzen ist den Gemeinden die Pflicht auferlegt, die Fischerei entweder zu ver­ pachten oder durch angestellte Fischer auszuüben. An Privatflüssen steht das Fischereirecht den angrenzenden Grundeigenthümern bis zur Mitte des Wasserlaufes zu. Wie das Jagdrecht, so unterliegt auch das Fischereirecht einer Reihe polizeilicher Vorschriften (z. B. über die Schonzeiten). Die Uebertretung eines Polizeigebotes hindert aber nicht den Eigenthumserwerb durch die gleichwohl vorgenommene Okkupation. Das BGB läßt die Bestimmungen über das Fischereirecht unberührt (Art. 69 EG z. BGB). § 195. Fund, Schatz, Strandgut. 1. Eine Sache ist verloren, wenn sie dem bisherigen Be­ sitzer ohne dessen Willen aus dem Besitze gekommen ist und er nicht weiß, wo sie sich befindet. Daher sind blos „verlegte" Sachen nicht verloren. Finder einer verlorenen Sache ist derjenige, der sie nicht nur sinnlich wahrnimmt, sondern auch an sich nimmt. Er hatte nach römischem Rechte nur die Detention der Sache,

-er Eigenthümer konnte sie ihm jederzeit abfordern, falls nicht der Herausgabeanspruch (rei vindicatio, a. Publiciana, neg. gestorum a. directa) verjährt war. Diese Grundsätze wurden durch deutsches Gewohnheitsrecht, das in zahlreichen Landesgesetzen Ausdruck fand, außer Anwendung gesetzt. Dieses Gewohnheits­ recht verpflichtete den Finder zur Anzeige, gab ihm die Möglichkeit des Eigenthumserwerbes, wenn der Eigenthümer sich nicht meldete, und gewährte ihm Anspruch auf ein Fundgeld, wenn der Eigen­ thümer sich meldete. Ihm schließt sich das BGB (§§ 965 ff.) an. Auch nach ihm ist a) der Finder zur unverzüglichen Anzeige des Fundes an den Verlierer, den Eigenthümer, den sonstigen Empfangs­ berechtigten oder an die Polizeibehörde verpflichtet (§ 965); er hat die Sache zu verwahren, gegebenen Falles öffentlich ver­ steigern zu lassen, Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten (§§ 966-969); b) der Finder hat das Recht, vom Empfangsberechtigten Er­ satz der Auslagen, die er für erforderlich halten durfte, und einen Finderlohn zu verlangen, der bei einem Werthe der Sache bis zu 300 Mark 5»/o, vom Mehrwerth 1%, und bei Thieren immer 1% beträgt, und verloren geht, wenn der Finder die Anzeige unterlassen oder den Fund auf Nachfrage verheimlicht hat; wegen dieser Ansprüche hat der Finder ein Zurückbehaltungs­ recht (§§ 970, 971, 1000 bis 1002); c) mit dem Ablauf eines Jahres seit der Anzeige des Fundes oder, wenn die Sache nicht mehr als 3 Mk. werth ist und daher eine Anzeigcpflicht nicht besteht (§ 965 Abs. 2), seit dem Funde selbst erwirbt der Finder das Eigenthum, ohne daß es eines Aufgebotsverfahrens oder eines Zuschlages bedarf (§ 973), ja der Eigenthumserwerb kann schon vor Ablauf des Jahres eintreten, wenn nämlich der Finder die bekannt gewordenen Empfangsberechtigten zur Erklärung über seine zu b bezeichneten Rechte auffordert und diese sich innerhalb der ihnen gestellten Frist

nicht erklären (§ 974). Gegenstand des Eigenthumserwerbs ist die Sache selbst oder ihr Versteigerungserlös (§§ 966, 975). In gotge Verzichts des Finders geht sein Recht auf den Eigenthumserwerb auf die Gemeinde des Fundorts über (§ 976). Der Uebergang des Eigenthums hat auch das Aufhören jedes anderen an der Sache bestehenden Rechtes zur Folge. Ein Jeder aber, der in Folge des Eigenthumsüberganges ein Recht (Eigen­ thum oder ein sonstiges dingliches Recht) verliert, hat gegen den Erwerber einen an eine dreijährige Ausschlußfrist gebundenen Bereicherungsanspruch (§ 977). Gleichfalls bisheriger Gepflogenheit entsprechend, wendet das

540 BGB die für den Fund gegebenen Bestimmungen auf diejenigen Sachen nicht an, die in den Geschäftsräumen oder den Be­ förderungsmitteln einer öffentlichen Behörde oder einer dem öffent­ lichen Verkehr dienenden Verkehrsanstalt gefunden werden. Diese Funde werden öffentlich bekannt gemacht und darauf versteigert; nach Ablauf von drei Jahren seit der Bekanntmachung fällt der Er­ lös an den Fiskus, die Gemeinde oder Privatperson, der jene Räume, Beförderungsmittel oder Anstalten gehören (§§ 978 vis 983). 2. Nach altem und neuem Recht (§ 984) ist ein Schatz eine Sache, die so lange verborgen gelegen hat, daß der Eigenthümer nicht mehr zu ermitteln ist; daß die Sache von Werth sei, verlangt das neue Recht im Gegensatze zum bisherigen Rechte nicht. Wird ein Eigenthümer ermittelt, so ist die Sache als Fund zu behandeln. Ob die Sache in einer beweg­ lichen oder einer unbeweglichen Sache verborgen war, ist gleich. Das Eigenthum am Schatze erwirbt nach altem und neuem Recht zur Hälfte der Entdecker, zur andern Hälfte der Eigenthümer der Sache, in welcher der Schatz verborgen war, und zwar kraft Gesetzes mit der Entdeckung, nicht auf Grund einer Okkupation, vorausgesetzt, daß der Schatz in Folge der Ent­ deckung in Besitz genommen worden ist. In Folge dessen erwirbt auch ein Geschäftsunfähiger. DierömischenSätze, daßder, der unbefugterWeise oder unter Anwendung von Zauberkünsten nach Schätzen sucht, seine Hälfte verwirkt, sind nicht in das BGB übergegangen. 3. Nach älterem deutschen Recht erwarben die Meeres- oder Flußanwohner das in Folge eines Unfalles im Wasser Schwimmende durch Okkupation, selbst wenn der Eigenthümer bekannt war. Dieses sog. Strandrecht erhielt sich bis in die neuere Zeit. Das jetzige deutsche Recht beruht auf der Neichs-Strandungsordnung v. 17. Mai 1874. Nach ihr haben diejenigen Personen, welche schiffbrüchiges Gut zu bergen geholfen haben, einen An­ spruch auf Bergelohn, wenn der Eigenthümer des Gutes be­ kannt ist. Die herrenlosen Güter sind entweder strand triftig, d. h. von der See an den Strand geworfen oder vom Strande aus geborgen, oder seetriftig, d. h. vom Seegrunde aufgebracht oder auf offener See treibend. Erstere gehören dem Staate, letztere werden, wenn sich der Eigenthümer nicht meldet, dem Berger zugewiesen. Doch behält der Eigenthümer sein Recht auf Heraus­ gabe oder auf die Bereicherung.

B. Unbewegliche Sachen. § 196. Erwerb im Falle freiwilliger Veräußerung. I. Geschichte. Die freiwillige Veräußerung von Grundstücken erfolgte im älteren römischen Recht durch mancipatio oder in jure cessio und erst später durch den formlosen Akt der traditio.

Ebenso war auch nach älterem deutschen Rechte') die Ver­ äußerung von Grunoeigenthum ein feierlicher Akt. Die Sala (traditio) d. h. die Uebereignung, vollzog sich nach den Volksrechten in Gegenwart von Zeugen auf dem Grundstücke selbst, indem der Veräußerer dem Erwerber zunächst einen Handschuh, das Zeichen der Herrschaft, und dann einen Zweig und ein Rasenstück überreichte und darauf das Grundstück vor den Augen der Zeugen verließ. Entsprechende Erklärungen begleiteten diese symbolischen Hand­ lungen. An anderen Orten vertrat namentlich bei der Vergabung an Kirchen die Uebergabe der carta d. i. der Vertragsurkunde die Stelle der feierlichen Uebergabe des Grundstücks. In dieser älteren Zeit war also die Uebereignung eine feierliche Besitzeinweisung. In der Zeit der Rechtsbücher schied man die in der Uebereignung enthaltenen beiden Momente: die Investitur d. h. die feierliche Uebergabe, und die Auflassung d. h. die Erklärung des Ver­ äußerers, daß er seine Rechte aufgebe. Beide Akte werden vor Gericht vollzogen und von diesem dadurch bestätigt, daß es dem Erwerber Bann und Friede wirkt d. h. daß es auf Verlangen des Erwerbers die Anwesenden über ihre etwaigen Widerspruchsrechte befragt und, wenn diese schweigen und sich also „verschweigen", dem Erwerber erklärt, daß er vor demWiderspruche der Anwesenden gesichert sei. Abwesende verloren ihr Wlderspruchsrecht nach Jahr und Tag, der Erwerber kam dann in den als „rechte Gewere" be­ zeichneten Zustand des Gesichertseins vor Widersprüchen. Die wirk­ liche Besitzübertragung trat diesem Akte gegenüber zurück, weshalb man die Auflassung mehr und mehr als das Entscheidende ansah. Als dann zunächst in den Städten der Auflassung die Ein­ tragung des Aktes in ein öffentliches Buch folgte, bildete sich die Anschauung, daß das Eigenthum mit der Eintragung übergehe. Durch das eindringende römische Recht wurde die deutschrecht­ liche Uebertragungsform fast überall beseitigt und das Eigenthum durch die formlose Tradition (s. oben § 186) übertragen; nur ver­ einzelt erhielt sich das Gebot gerichtlichen Abschlusses des Ver­ äußerungsvertrages oder nachträglicher Eintragung des Eigenthums­ wechsels. Neuere Landesgesetze erfordern wieder einen öffentlichen, formalen Akt der Uebertragung und daran sich schließende Ein­ tragung. Ihnen folgt das BGB. II. Heutiges Recht. Nach neuemRecht wird dasEigenthum übertragen durch Auflassung und Eintragung (§§ 873, 925). Die Auflassung besteht in der Einigung des Veräußerers und des Erwerbers, oaß das Eigenthum übergehen *) Heusler: Institutionen des deutschen PrioatrechtS II S. 66 ff. Stobbe-Lehmann: Deutsches Privatrecht II § 105 ff.

solle. Sie muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Theile vor dem Grundbuchamt erklärt werden; in ihr liegt der dingliche Vertrag, der die allgemeine unerläßliche Grundlage einer jeden Ein­ tragung bildet, sie ist vor anderen dinglichen Verträgen nur durch die Form ausgezeichnet, sowie dadurch, daß sie wirksam nur dann ist, wenn sie unbedingtund unbetagt erklärtwird. Sie kann nur vom Eigenthümer ausgehen und soll daher (§ 40 GBO) vom Grundbuchamt nur dann entgegengenommen werden, wenn der Veräußerer im Grundbuch als Eigenthümer des aufgelassenen Grund­ stücks eingetragen ist. Doch hängt die Rechtswirksamkeit der Auf­ lassung hiervon nicht ab. Sie kann übrigens auch dann erfolgen, wenn der Auflassende Erbe des eingetragenen Eigenthümers ist, ohne daß es der vorherigen Eintragung des Erben bedürfte (§ 41 GBO). Die Eintragung des Erwerbers vollendet den Eigenthums­ übergang, daher ist auch nach der Auflassung der Veräußerer so lange Eigenthümer, bis die Eintragung bewirkt ist. Die Auflassungserklärung kann, da sie eine Willenserklärung ist, (894 CPO) durch ein rechtskräftiges, die Abgabe der Er­ klärung gebietendes Urtheil ersetzt werden. Kann oder soll die Auflassung nicht sofort erfolgen, so kann der Erwerber seinen (z. B. durch einen Kaufvertrag begründeten) persönlichen Anspruch auf die Eigenthumsübertragung durch eine Vormerkung gegen eine zu Gunsten eines andern Erwerbers etwa geschehende Veräußerung sichern (§§ 885, 888). Auflassung und Eintragung übertragen das Eigenthum nur dann, wenn der Uebertragunasakt selbst gültig ist. a) Die Auf­ lassung als selbständiges Rechtsgeschäft unterliegt den all­ gemeinen Grundsätzen von Willenserklärungen; ist sie nach diesen nichtig (insbesondere in Folge Anfechtung § 142), so hat der ganze Akt keinen Erfolg. Der bisherige Eigenthümer bleibt demnach in diesem Falle Eigenthümer und ist als solcher befugt, die Berich­ tigung des Grundbuchs gegen den gegenwärtig als Eigenthümer Eingetragenen durchzusetzen, aber der jetzt Eingetragene ist durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs geschützt, wenn er im Vertrauen auf das Buch erwarb (§§ 894, 892). Es kann dem­ nach auch der Erwerb durch Auflassung wie der Erwerb durch Uebereignung ein originärer Erwerb sein, b) Der Eigenthumsübergang kann aber auch trotz Gültigkeit der Auflassung auf Grund des dieser zu Grunde liegenden Rechtsgeschäftes oder wegen Fraudulosität der Uebertragung angefochten werden. In einem solchen Falle kann, da Eigenthum übergegangen, und mit der An­ fechtung des zu Grunde liegenden Rechtsgeschäfts nur dieses, nicht auch der dingliche Vertrag vernichtet ist, von einer Berichtigung des

Grundbuchs nicht die Rede fein, es bedarf vielmehr der Rücküber­ tragung des Eigenthums, welche der Veräußerer durch Geltend­ machung seines persönlichen Anspruchs auf Wiederherstellung des früheren Zustandes erreicht (§ 894 CPO).

§ 197.

Andere Fälle des EigenthumserwerbeS.

1. Wer eine Ehe schließt, in welcher Gütergemeinschaft gilt, erwirbt nach altem und neuem Recht wie in allen Sachen, fo auch an den Grundstücken, deren Eigenthümer der andere Ehe­ gatte bereits ist oder während der Ehe wird, das Miteigenthum, ohne daß es einer Uebertragung durch Rechtsgeschäft, insbesondere also der Auflassung bedarf. Ist nur der eine Ehegatte im Grund­ buch eingetragen, so ist die Eintragung fortan eine unrichtige und kann mit Zustimmung dieses Ehegatten berichtigt werden (§§ 1438, vgl. auch 1519 ff.). Der Erwerb ist ein derivativer. 2. Das Eigenthum eines im Wege der Zwangsverstei­ gerung veräußerten Grundstücks geht mit dem Zuschläge d. i. mit der Verkündung des den Zuschlag aussprechenden gerichtlichen Beschlusses auf den Ersteher über (§§ 89, 90 ZwstG), und zwar im Gegensatze zum gemeinen Recht auch dann, wenn der Schuldner nicht Eigenthümer war (§§ 37 Nr. 5, 91 das.), der Erwerb ist also ein originärer. 3. Im Falle der Enteignung geht nach deutschem Landes­ recht das Eigenthum mit der Zustellung der die Enteignung aus­ sprechenden Verfügung der Behörde auf den Unternehmer über. 4. Das Recht der Aneignung eines herrenlosen Grundstücks stand nach römischem Recht Jedem, nach deutschem Recht dem Kö­ nige zu; Landesrechte räumen es dem Staate ein. Ihnen folgt das BGB (§ 928) betreffs des vom Eigenthümer aufgegebenen Grundstückes. Der Verzicht wird gegenüber dem Grundbuchamt erklärt und eingetragen, und die Aneignung erfolgt, indem sich der Fiskus des Bundesstaates, zu dem das Grundstück gehört, ein­ tragen läßt. 5. Nach altem Recht unterlagen Grundstücke der Ersitzung, das neue Recht läßt eine Ersitzung von Grundstücken nicht mehr zu, gleichviel ob das Grundstück im Grundbuch verzeichnet ist oder nicht. Eine früher begonnene Ersitzung hat daher mit dem 1. Ja­ nuar 1900 aufgehört. Das BGB hat jedoch zwei Mittel gewährt, einen thatsächlich bestehenden Zustand nach Ablauf eines Zeitraums zu Recht werden zu lassen: a) die Buch- (Tabular-) Ersitzung be8 § 900, wonach der­ jenige Eigenthum erwirbt, der, ohne Eigenthümer zu sein, durch 30 Jahre hindurch als Eigenthümer eingetragen steht und während derselben Zeit den Eigenbesitz hat;

544 b) die Eintragung auf Grund Ausschlußurtheils. Hat Jemand durch 30 Jahre, ob mit oder ohne Titel, in gutem oder bösem Glauben den Eitzenbesitz eines Grundstückes gehabt, so kann er das Aufgebot des Eigenthümers beantragen (§ 979 CPO) und sich auf Grund des Ausschlußurtheils eintragen lassen. Damit erwirbt er das Eigenthum. Ist der Eigenthümer eingetragen, so ist das Aufgebot nur zulässig, wenn er gestorben oder verschollen ist und seit 30 Jahren keine Eintragung erfolgt ist, die der Zustimmung des Eigenthümers bedürfte (§ 927 BGB). 6. Nach Art. 65 EG z BGB bleiben die landesgesetzlichen, also auch die gemeinrechtlichen Vorschriften über Anlandungen, entstehende Inseln und verlassene Flußbetten unberührt. a) Unter Anla ndungen wird sowohl die alluvio d. i. die allmähliche Anschwemmung, als avulsio d. i. ein von einem Ufer­ grundstück abgerissenes und an ein anderes Grundstück angesetztes Stück Land verstanden. Die alluvio fällt sogar in das Eigen­ thum dessen, an dessen Grundstück die Anschwemmung erfolgt, die avulsio dagegen erst, wenn das angesetzte Stück mit dem Ufer­ grundstück verwächst; bis dahin ändert sich das Eigenthum an der avulsio nicht. b) Die insula in flumine nata wird Eigenthum derjenitzen, denen die Ufergrundstücke gehören, gleichviel ob die Insel in einem Privatflusse oder in einem öffentlichen Flusse entstanden ist, und zwar nach einer durch die Mitte des Flusses gehenden Grenzlinie; c) das verlassene Flußbett (alveus derelictus) fällt den Ufereigenthümern zu. 8 198.

DaS Eigenthum Mehrerer.

. L Begriff. Da zum Begriffe des Eigenthums die Aus­ schließlichkeit der Herrschaft gehört, kann es kein Eigenthum Mehrerer an derselben ganzen Sache geben (duorum ejusdem rei dominium in solidum esse non potest. 1. 5 § 15 D. 13, 6). Wohl aber kann nach römischem, deutschem und neuem Recht das Eigenthum an einer Sache unter mehrere Personen in der Weise getheilt sein, daß Jedem ein gedachter (ideeller) Theil der Sache zusteht. In diesem Falle ist der ideelle Theil Gegenstand eines besonderen Rechtes des einzelnen Miteigenthümers, dieser kann über den Theil frei verfügen, ihn also ver­ äußern und verpfänden, ohne an die Zustimmung der anderen Miteigenthümer gebunden zu sein. Die Gemeinschaft kann jeder Zeit gelöst werden. Eine Reihe deutschrechtlicher Institute, insbesondere die Gan­ erbschaften, Gesammtbelehnungen, die eheliche Gütergemeinschaft

u. a. haben $ur Aufstellung des Begriffes Gesammteigenthum ober Eigenthum zur gesummten Hand geführt. Allen den Rechts­ verhältnissen, auf die man diesen Begriff anwendet, ist das Eine gemeinsam, daß der einzelne Gemeiner fester mit der Gesammtheit verbunden ist als im Falle des oben charakterisirten, kurzweg als römisch bezeichneten Miteigenthums. Diese Erscheinung hat dazu geführt, dem Gesammthänder das Sonderrecht an einem ein­ zelnen Theile abzusprechen und daher anzunehmen, daß Jedem Eigenthum an der ganzen Sache zustehe; Andere haben die Ge­ sammtheit zu einer Körperschafterhoben, Andere wiederum von einem Eigenthum der Gesammtheit neben dem Eigenthum der Einzelnen gesprochen. Als herrschende und in das BGBübergegangene Auffassung aber muß diejenige bezeichnet werden, die hier ein gemeinschaftliches Eigenthum ohne Quotentheilung und daher ohne Verfügungsrecht der Einzelnen über den Theil annimmt. II. Jetziges Recht. Das BGB kennt beide Formen ge­ meinschaftlichen Eigenthums, und zwar sieht es als die ge­ wöhnliche und normale Gestaltung des gemeinschaftlichen Eigenthums das sog. römische Miteigenthum mit fest be­ grenzten, der freien Verfügung des Einzelnen unterliegenden Quoten an. Nach dieser Grundauffassung ist die Lehre von der Gemeinschaft (§§ 741 ff., f. oben S. 463 ff.) gebildet: eine Ge­ meinschaft kann an jedem Vermögensgegenstande bestehen, insbe­ sondere an körperlichen Sachen; im letzteren Falle spricht das BGB von Miteigenthum, dieses ist also nur eine Art der Gemein­ schaft, weshalb auf sie die §§ 741 ff. und einige wenige, aus­ schließlich für das Miteigenthum verwendbare Grundsätze (§§ 1008 bis 1011) zur Anwendung kommen. Diese individualistische Gestaltung der Gemeinschaft ist aber wegen ihrer Beweglichkeit und Lösbarkeit nicht geeignet, den Anforoerungen zu genügen, welche auf die Dauer berechnete Gemein­ schaften an die Bindung des Einzelnen d. i. an die Aufgabe feiner Selbständigkeit stellen. Daher sind Gemeinschaften dieser Art (f. S. 464) als Gesammteigenthum gestaltet d. h. als Gemeinschaftsverhältnisse ohne festbestimmte Quoten. Der Antheil des Einzelnen unterliegt daher nicht der freien Verfügung des Einzelnen, und die Auflösung der Gemeinschaft ist erschwert. Während nach gemeinem Rechte Miteigenthum in jedem Falle einer Gemeinschaft um deswillen entsteht, weil das gemeine Recht nur die Form des römischen Miteigenthums kennt, entsteht nach neuem Recht Miteigenthum dann nicht, wenn seiner Entstehung ein Gesellschaftsvertrag zu Grunde liegt, denn in diesem Falle ent­ steht Gesammteigenthum. Engelmann, d. bürgerliche Recht Deutschlands.

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646 Die Veräußerung eines Miteigenthumsantheiles unterliegt nach altem und neuem Recht sachenrechtlichen Grundsätzen, sie be­ darf also der Besitzübertragung bezw. der Auflassung. Ueberträgt der bisherige Alleineigenthümer einer beweglichen Sache einen ideellen Antheil, so genügt der Vertragsschluß, um Besitz und damit Eigenthum zu übertragen (RG 13, 179, § 930 BGB). Da dem Einzelnen nur ein Antheil zusteht, so kann die g a nze Sache Gegenstand eines dinglichen Rechts eines einzelnen Miteigenthümers sein (§ 1009). Die Ansprüche aus dem Eigenthum kann Dritten gegenüber jeder einzelne Miteigenthümer geltend machen, die Herausgabe der Sache kann er aber nur in der Weise verlangen, daß die Sache an Alle herausgegeben oder für Alle hinterlegt oder einem gemein­ schaftlichen Verwalter übergeben wird (§§ 1011, 432).

Der Schutz des Eigenthums. A. Der Herausgabeaufpruch. § 199. Das bisherige Recht. 1. Nach römischem und gemeinem Recht stand der Her­ ausgabeanspruch oder die Vindikation (rei vindicatio) dem Eigen­ thümer, dem der Besitz seiner Sache fehlte, gegen denjenigen zu, der die Sache hatte; gerichtet war der Anspruch auf Erlangung des Besitzes der Sache. Hatte der gegenwärtige Besitzer die Sache vom Kläger selbst, aber in einer Weise erhalten, daß er nicht Eigen­ thümer wurde, so bedurfte es der Anstellung der Vindikation mit ihrem schwierigen Beweise regelmäßig nicht, es genügte vielmehr die condictio possessionis (s. S. 489) oder eine andere persön­ liche Klage. Die praktische Bedeutung der Vindikation lag daher in dem Schutze, den sie dem Eigenthümer gegen Dritte gewährte. Begründet wurde sie damit, daß der Kläger sein Eigenthum und den Besitz des Beklagten bewies. DerEigenthumsbeweis konnte nur in der Weise geführt werden, daß die Thatsachen dargethan wurden, durch welche der Kläger das Eigenthum erworben hatte. Hatte er derivativ erworben, so mußte er auch nachweisen, daß sein Rechtsvorgänger Eigenthum gehabt, also einst erworben hatte. Lag auch diesem Erwerbe ein derivativer Titel zu Grunde, so konnte der Beweis ein recht schwie­ riger werden: der Kläger war dann genöthigt, entweder bis auf denjenigen Rechtsurheber zurückzugehen, der die Sache originär erworben hatte, und dann natürlich die Voraussetzungen dieses Er­ werbes darzuthun oder durch Zusammenrechnung seiner eigenen mit der Besitzzeit seiner Vorgänger die vollendete Ersitzung nach­ zuweisen. In der accessio possessionis lag bei der Kürze der

Ersitzungszeit für das ältere römische Recht ein sehr einfaches Mittel, sich den Eigenthumsbeweis zu erleichtern. Verklagt konnte nur werden, wer die Sache hatte (qui tenet et habet restituendi facultatem). Wie er zum Besitze gelangt, und wie der Besitz beschaffen war, hatte auf die Herausgabepflicht des Beklagten keinen Einfluß. Wer im Namen eines Anderen besaß, konnte dem Kläger den juristischen Besitzer nennen (laudatio oder nominatio auctoris) und diesen selbst von dem Prozesse benach­ richtigen; trat der juristische Besitzer in den Prozeß ein, so wurde der Detentor von der Klage entbunden; trat er nicht ein, so nahm der Prozeß seinen Fortgang gegen den Detentor. In zwei Fällen wurde derjenige, der nicht besaß, so behandelt, als ob er besäße (fictus possessor). Wenn der Beklagte dolo desiit possidere d. h. die Sache veräußert, verzehrt, vernichtet hatte, obwohl er wußte, daß er nicht Eigenthümer, so haftete er dem Kläger auf den vollen Werth der Sache; und wenn er dolo liti se obtulit, sich fälschlich für den Besitzer ausgegeben hatte, so war er dem Kläger zum Werthersatz verpflichtet, obwohl dieser die Sache selbst vom wahren Besitzer fordern konnte. In beiden Fällen war die Klage die Vindikation. Leugnete der Beklagte fälschlich seinen Besitz, so wurde er mit der Behauptung eines Rechtes auf den Besitz in diesem Prozesse nicht gehört. Einreden konnten für jetzt oder für immer die Abweisung der Klage zur Folge haben. Wenn er Aufwendungen für die Sache gemacht hatte, war der Beklagte von der Herausgabepflicht frei (er hatte eine Retentionseinrede, exc. doli generalis), bis derKläger den Aufwand ersetzte. Der unredliche Besitzer hatte das Recht auf Ersatz nothwendiger, der redliche auch auf Ersatz nützlicher Aus­ lagen, er mußte sich aber die vor dem Prozeßbeginn gezogenen Früchte abrechnen lassen. Nur wenn die Sache dem Eigenthümer erhalten, und nur wenn und insoweit der Eigenthümer einen Vor­ theil hatte, war er ersatzpflichtig. Aufwand, der nicht ersetzt wurde, konnte vom Beklagten ohne Schädigung der Sache weggenommen werden (jus tollendi). Aber auch soweit er ein Ersatzrecht hatte, konnte er es nur im Wege der Retention geltend machen. Endgültig befreit war der Beklagte, wenn er nachwies, daß er das Eigenthum oder ein anderes Recht auf den Besitz der Sache erlangt oder daß er oder sein Vorgänger durch ein Veräußerungs­ geschäft, das der Kläger selbst geschloffen oder das er gegen sich gelten lassen mußtet, das aber nicht schon selbst den Eigenthumserwerb des Beklagten, sondern nur die Erlangung eines persön*) Z. B. weil cS sein Erblasser geschloffen.

548 lichen Rechtes auf Eigenthumsverschaffung begründete, die Sache in seinen Besitz bekommen hatte (exc. rei venditae et traditae). Die Verurtheilung des Beklagten ging immer auf Heraus­ gabe der Sache mit Allem, was zu ihr gehörte (cum omni causa), sie konnte auf Verlangen des Klägers dem Beklagten auch Anerkennung des klägerischen Eigenthums auferlegen. Im älteren römischen Recht ging nur das arbitrium de restituendo auf Herausgabe der Sache, die sententia dagegen auf die Summe, die der Kläger durch das juramentum in litem als Werth der Sache dargethan hatte*). Der Umfang der omnis causa richtete sich nach der Redlichkeit oder Unredlichkeit des Besitzers. Der unredliche haftete aus seinem Delikt auf allen Schaden, der dem Eigenthümer dadurch entstand, daß er die Sache nicht hatte und daß der Beklagte die Sache nicht tote eine ihm anvertraute behütete. Daher haftete er vor dem Prozeß­ beginn für omnis culpa, nach dem Prozeßbeginn auch für Zufall, wenn nicht etwa der Zufall die Sache auch beim Kläger getroffen haben würde; er hatte ferner allen Gewinn herauszugeben, den er gezogen hatte oder hätte ziehen können, denn dieser Gewinn war dem Kläger entgangen. Der redliche Besitzer wurde verant­ wortlich erst mit dem Prozeß beginne, nach diesem Zeitpunkte hastete auch er für omnis culpa. Die Früchte, die in diesem Augenblick noch vorhanden waren, mußte er zwar herausgeben, für diejenigen aber, die nicht mehr da waren, brauchte er keinen Ersatz zu leisten; nach dem Prozeßbeginn war er nur Verwalter der Sache für den Eigenthümer. 2. Es konnte geschehen, daß ein unredlicher Besitzer im Besitze belassen werden mußte, weil der Eigenthümer den schwierigen Eigen­ thumsbeweis nickt führen, der Usukapionsbesitzer aber vor voll­ endeter Ersitzung diesen Beweis überhaupt nicht unternehmen konnte. Das prätorische Recht stellte indessen in der actio Publiciana, die an bestehendes Recht anknüpfen mußte und dies in der Weise that, daß sie die begonnene Usukapion als vollendet fingirte, Dem­ jenigen ein Rechtsmittel zur Verfügung, der die Voraussetzungen einer begonnenen Ersitzung, also namentlich eines Titels, nach­ weisen konnte. Auch diese Klage ging gegen den, der die Sache hatte, gleichviel ob er Detentor, redlicher oder unredlicher Besitzer war. Sie ging aber nicht gegen den Eigenthümer, es sei denn, daß seine Eigenthumseinrede mit der replicatio rei venditae et traditae geschlagen werden konnte, sie ging aber auch nicht gegen den Usukapionsbesitzer, denn in pari causa potior est possessor, es sei denn, daß Kläger und Beklagter von demselben Rechtsvorgänger redlich erworben hatten und der Kläger den Besitz zuerst *) S. meinen römischen Livilprozeh. 1891. S. 56.

erhalten hatte. Die Klage konnte also nur gegen einen Schlechter­ berechtigten Erfolg haben. Das Urtheil ging auch hier auf Her­ ausgabe der Sache cum omni causa. 3. Das deutsche Recht') erblickte in der Gewere eine Ver­ muthung für das Recht an der Sache. Daher trat Derjenige, welcher Herausgabe der Sache von dem gegenwärtigen Inhaber der Gewere verlangte, mit der Behauptung auf, daß ihm die Gewere gebühre, dem Beklagten aber nicht gebühre. Bestritt der Beklagte einfach das vom Kläger behauptete Recht, so kam der Kläger zum Be­ weise; behauptete der Beklagte aber eine bessere (stärkere) Gewere, so hatte er diese seine Behauptung zu beweisen. Der Streit be­ wegte sich also nicht, wie im römischen Recht, um den Nachweis des absoluten Eigenthums, sondern um das relativ bessere Recht. Handelte es sich um eine unbewegliche Sache, so war der Beweis erleichtert durch die Oeffentlichkeit derjenigen Rechtshandlungen, welche Rechte an Immobilien begründeten. Daher kam früh der Grundsatz auf, daß es genüge, sich auf seine Eintragung im öffent­ lichen Buche zu berufen, um damit sein Recht und den Mangel eines Rechts des Gegners zu beweisen. Auf Wiedererlangung beweglicher Sachen gab das deutsche Recht zwei Rechtsmittel, aber nicht dem Eigenthümer als solchem, sondern dem, Der sie in der Gewere gehabt hatte. a) Wer den Besitz wider seinen Willen verloren hatte, konnte die Sache vom gegenwärtigen Besitzer zurückverlangen. Der Kläger bewies, daß er dieselbe Sache gehabt habe, die jetzt der Be­ klagte habe, und daß er nichts gethan habe, den Besitz der Sache aufzugeben. Der Beklagte konnte bei der Eigenthümlichkeit des deutschrechtlichen Beweissystems nicht den Gegenbeweis führen, daß der Kläger die Sache nicht gehabt, er konnte nur einwenden, daß der Kläger die Sache nicht unfreiwillig verloren habe. Er konnte insbesondere seinen Gewährsmann benennen nnd diesem die weitere Prozeßführung überlassen. Konnte dieser oder der Beklagte selbst die klägerische Behauptung von der Unfreiwilligkeit des Besitzver­ lustes nicht widerlegen, so wurde der Beklagte zur Herausgabe verurtheilt. Nach manchen Rechten konnte der Beklagte Erstattung des Kaufpreises vom Kläger verlangen, wenn er die Sache auf dem Markte gekauft hatte. b) Wer seine Sache einem Andern überlassen oder an­ vertrauthatte, konnte sie nur von diesem, nicht vom dritten Be­ sitzer zurückverlangen. „Hand muß Hand wahren". „Wo du deinen Glauben gelassen hast, da sollst du ihn wiedersuchen". 4. Das neuere deutsche Recht machte die Verfolgung des Eigenthums im Interesse der Sicherheit des Verkehrs in einzelnen *) Dergl. meinen mittelalterlich deutschen Civilprozetz 1890.

S. 56.

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Fällen unmöglich oder erschwerte sie, in andern Fällen aber er­ leichterte es diese Verfolgung. a) Die Vindikation war ausgeschlossen in den oben (S. 526) bezeichneten Fällen eines Rechtserwerbs auf Grund guten Glaubens, denn in diesem Falle hatte der redliche Erwerber das Eigenthum erlangt (Art. 306, 307 HGB a. F.). Der bisherige Eigenthümer behielt das Eigenthum und mit ihm den Eigenthums­ schutz, wenn der Erwerber unredlich, oder die Sache gestohlen oder verloren war. Aber der Ausschluß der Vindikation erfolgte nur zum Schutze von Erwerbungen beweglicher Sachen im Han­ delsverkehr. b) Die Vindikation eines Wechsels oder anderen Ordre-Papieres war nur dann statthaft, wenn der Besitzer sich vorsätzlich oder in Folge grober Fahrlässigkeit in den Besitz eines fremden Wechsels gesetzt hatte (Art. 36, 74 WO Art. 305 HGB a. F.). c) Nach manchen Landesgesetzen war die Vindikation ausge­ schlossen gegen den, der in einer öffentlichen Versteigerung den Zuschlag erhalten, oder im Vertrauen auf das öffentliche Buch gehandelt hatte. d) Erschwert war partikularrechtlich die Vindikation gegen den, der durch lästigen Titel redlich erworben hatte, dadurch, daß sie nur gegen Erstattung dessen zulässig war, was der Beklagte für die Sache gegeben hatte. Indessen bewirkte der Ausschluß der Vindikation des Einen eine Erleichterung der Rechtsverfolgung des Andern. Denn wer Eigenthum selbst dann erworben hat, wenn der Veräußerer nicht Eigenthümer war, hat nur seinen Erwerbstitel und den Besitzerwerb nachzuweisen, um nicht, wie nach römischem Recht, nur gegen den SchlechterberechtiAten(a.PubIieiana), sondern gegenJeden zu siegen. Eine fernere Erleichterung der Vindikation bestand darin, daß man bei unbeweglichen Sachen dem Bucheintrag diejenige Legitimations­ kraft beilegte, die im älteren deutschen Recht die Gewere hatte, d. h. daß man dem eingetragenen Eigenthümer eines Grundstücks als solchem alle Klagerechte des Eigenthümers gewährte. Endlich hatte man die a. Publiciana partikularrechtlich zu einem Rechts­ mittel umgestaltet, das dem auf den Besitz besser Berechtigten gegen den schlechter Berechtigten zustand, so daß sie selbst dem Inhaber gegen denjenigen gegeben war, der überhaupt kein Besitzrecht hatte. Die Klage verfolgte also nicht mehr ein absolut gegen alle, sondern nur ein relativ gegen bestimmte Personen wirkendes Recht.

§ 200.

Da- neue Recht.

Das BGB gewährt gleich dem alten Rechte eine Eigenthums­ klage und eine Klage aus früherem Besitze.

I. Die NgeathrrmSklage ist der gemeinrechtlichen rei viudicatio nachgebildet, hat aber die Anschauung von der durch den Besitz begründeten Eigenthumsvermuthung dem deutschen Recht entlehnt. Sie steht dem nicht besitzenden Eigenthümer gegen den Besitzer zu und verlangt Herausgabe der Sache (§ 985). Der Klageantrag braucht also nur auf Herausgabe gerichtet zu werden, doch kann mit diesem Leistungsanspruche der Anspruch auf Fest­ stellung des klägerischen Eigenthums verbunden werden. Die Klage kann nur gegen den Besitzer gerichtet werden, der fictus possessor ist dem BGB unbekannt. Besitzer ist nach § 868 auch der mittelbare Besitzers; da der unmittelbare Besitzer seinen Weisungen unterworfen ist, übt er eine Herrschaft über die Sache aus und kann sowohl zur Abtretung seines gegen den unmittel­ baren Besitzer bestehenden Herausgabeanspruches als auch un­ mittelbar zur Herausgabe der Sache verurtheilt werden. Wird der unmittelbare Besitzer verklagt, so kann er diejenigen Verthei­ digungsrechte gebrauchen, die dem mittelbaren Besitzer zur Ver­ fügung gestanden haben würden, er kann ferner den mittelbaren Besitzer benennen, ihm die Prozeßführung überlassen und, falls dieser die Prozeßführung nicht übernimmt, dem Klageantrags ge­ nügen. Hat er den Prozeß übernommen, so wirkt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des gegen den mittelbaren Besitzer erlassenen Urtheils auch gegen den unmittelbaren Besitzer (§ 76 CPO). Die Herausgabepflicht erstreckt sich aufdie omniscausa. Daher hat der Besitzer dem Eigenthümer den Schaden zu ersetzen, den dieser dadurch erleidet, daß er die Sache in Folge eines Ver­ schuldens des Besitzers nicht oder nicht m dem Zustande erlangt, in dem sich die Sache vorher befand. Diese Haftung tritt beim unredlichen Besitzer mit der Besitzergreifung, beim redlichen Be­ sitzer mit der Rechtshängigkeit der Eigenthumsklage ein (§§ !j89, 990). Hat sich der Besitzer aber die Sache durch verbotene Eigen­ macht oder durch eine strafbare Handlung verschafft, so haftet er nach den Grundsätzen von unerlaubten Handlungen, also auch für den Zufall (§§ 992, 848). Die Nutzungen der Sache sind 1. Gegenstand der Vindikation, soweit sie der Besitzer nach der Rechtshängigkeit gezogen hat (fructus percepti) oder hätte ziehen können, aber zu ziehen schuldhaft unterlassen hat (§ 987), 2. Gegenstand eines Bereicherunasanspruches, und zwar a) soweit der Besitzer, welcher die Sache unentgeltlich er­ worben, vor der Rechtshängigkeit Nutzungen gezogen hat (§988), b) soweit der Besitzer, der nicht aus anderem Rechtsgrunde zur Herausgabe oder Erstattung der Nutzungen verbunden ist, *) Hierüber ist Streit. Im Text ist die herrschende Ansicht wiedergegeben.

552 Nutzungen, welche über den Ertrag der Sache hinausgehen (also z. B. durch einen Windbruch veranlaßt sind), thatsächlich gezogen hat (88 993, 99); 3. Gegenstand eines Schadensersatzanspruches, soweit der u n re d li ch eBesitzer sie gezogen hat oder hätte ziehen können (8 990). Der Bereicherungs- oder Schadensersatzanspruch kann mit der Vindikation verbunden werden. Der Besitzer hat Anspruch auf Ersatz von Verwendungen. Doch weicht das BGB in einigen Punkten vom gemeinen Rechte ab. Nothwendige d. h. der Erhaltung der Sache dienende Ver­ wendungen sind dem redlichen Besitzer stets, dem unredlichen aber und dem redlichen Besitzer nach der Rechtshängigkeit nach den Grund­ sätzen von der unbeauftragten Geschäftsführung, nicht nothwen­ dige Verwendungen sind nur dem redlichen Besitzer und auch nur insoweit zu ersetzen, als der Werth der Sache noch zu der Zeit erhöht ist, zu welcher der Eigenthümer die Sache wiedererlangt. Der Besitzer hat wie bisher ein Zurückbehaltungsrecht, das ihm nur dann fehlt, wenn er die Sache durch eine unerlaubte Handlung erlangt hat, das aber zu einem Pfandrechte gesteigert ist und im Konkurse des Eigenthümers ein Recht auf abgesonderte Beftiedigung gewährt. Der Besitzer hat ferner, abweichend vom gemeinen Recht, ein Klagerecht. Dieses Klagerecht ist für den Fall, daß der Besitzer die Sache dem Eigenthümer herausgiebt, an eine Frist von einem Monat bei beweglichen, von sechs Monaten bei unbeweglichen Sachen gebunden. Voraussetzung des Ersatz­ anspruches ist jedoch entweder Wiedererlangung der Sache durch den Eigenthümer, oder Genehmigung der Verwendungen durch den Eigenthümer. Als Genehmigung gilt die Annahme der Sache trotz des vom Besitzer ausgesprochenen Vorbehalts seines Ersatz­ anspruches. Nach altem und neuem Recht kann der Besitzer auch für die von seinem Rechtsvorgänger gemachten Aufwendungen Ersatz beanspruchen (§§ 994—1003 BGB 49 Nr. 3 KO). Ein Abtrennungsrecht (jus tollendi) hat der Besitzer nach neuem Rechte (8 997) dann, wenn er mit der Sache eine andere Sache als wesentlichen Bestandtheil verbunden hat, es sei denn, daß die Verbindung zur Erhaltung der Sacke erforderlich war und dem Besitzer die Nutzungen zufielen, oder oaß die Trennung für ihn keinen Werth hat oder endlich, daß ihm der Werth, den der abgelöste Bestandtheil für ihn haben würde, ersetzt wird. Besonders wichtig sind die Abweichungen des BGB vom bis­ herigen Recht betreffs der Begründung der Eigenthumsklage. Zwar hat auch nach ihm, mag es sich um eine bewegliche oder um eine unbewegliche Sache handeln, der Kläger sein Eigen­ thum und den Besitz des Beklagten zu beweisen. Dieser

Beweis kann trotz der Verallgemeinerung des Rechtsgrundsatzes, daß der Erwerber Eigenthum erlangt, wenn er in redlichem Glauben bezw. im Vertrauen auf das Grundbuch erwarb, schwierig werden. DasBGB verschiebt aber die Beweislast durch seineEigenthumsvermuthungen und erleichtert oder erschwerthiernach die Rechtsverfolgung. A. Ist Gegenstand der Klage eine unbewegliche Sache, so greift die (in § 891 aufgestellte) Vermuthung Platz: daß Der­ jenige als Eigenthümer eines Grundstücks gilt, der im Grundbuche als solcher eingetragen ist. Die Legitimations­ kraft der Gewere ist also nach neuem Recht für Immobilien vom Besitze losgelöst und vollständig auf den Bucheintrag übergegangen. Der Kläger braucht sich demnach zur Begründung der Eigenthums­ klage nur auf seine Eintragung zu berufen, der Beklagte kann die Unrichtigkeit der Eintragung, ein ihn zum Festhalten des Besitzes befugendes dingliches oder persönliches Recht (z. B. Miethe) oder einen vom Kläger oder dessen allgemeinem Rechtsvorgänger her­ geleiteten Anspruch auf Eigenthumsübertragung (e. rei venditae et traditae) darthun. Macht er die Unrichtigkeit der Eintragung oder den Anspruch auf Auflassung nicht im Wege der Widerklage, sondern durch Einrede geltend, so erzielt er zwar die Abweisung der Klage, dagegen nicht auch seine eigene Eintragung. B. JstGegcnstand der Klage eine bewegliche Sache, sokommt die Eigenthumsvermuthung aus gegenwärtigem und aus früherem Besitze in Betracht. 1. Der gegenwärtige Besitzer der Sache gilt als deren Eigen­ thümer (§ 1006). Indem der Kläger behauptet, daß der Be­ klagte besitze, schafft er sich also selbst die Grundlage für die seinem Gegner zustehendeexceptio dominii. Diese Vermuthung erschwert demnach dem Kläger die Rechtsverfolgung. Denn er kann sich ihr gegenüber nicht mehr, wie nach gemeinem Recht, auf den Beweis beschränken, daß er das Eigenthum erworben habe, er muß vielmehr außerdem jene Vermuthung widerlegen, d. h. entweder a) nachweisen, daß der Beklagte den Besitz in einer Weise erlangt habe, daß er nicht Eigenthümer geworden sein kann, oder b) nachweisen, daß er selbst die Sache früher besessen, aber wider Willen verloren habe; denn damit beweist er, daß er selbst mit dem Besitze nicht auch das Eigenthum verloren und der Be­ klagte die Sache nicht auf dem Wege der Uebergabe und des guten Glaubens erworben haben kann (§§ 1006, 935). Daher ist dieser Beweis ohne Belang und nur der Beweis zu a möglich, wenn Geld oder Jnhaberpapiere vindicirt werden (§ 935). 2. Von einem frühere« Besitzer wird vermuthet, daß er während der Dauer seines Besitzes Eigenthümer ge-

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Weser» sei (§ 1006 Abs. 2). Diese Vermuthung erleichtert dem Kläger die Rechtsverfolgung. Denn indem er nachweist, daß er Besitzer gewesen, führt er den Nachweis, daß er jedenfalls bis zu seinem Besitzverluste auch Eigenthümer gewesen sei. Er hat also den nach gemeinem Recht häufig so schwierigen Eigenthumsbeweis nur dann zu erbringen, wenn der Beklagte darthut, daß er selbst früher besessen und den Besitz wider Willen verloren habe (vergl. jedoch § 935). Auch der Vindikation beweglicher Sachen kann der Beklagte ein dingliches oder persönliches Besitzrecht entgegensetzen (§ 986). Die e. rei venditae et traditae fällt bei beweglichen Sachen mit der e. dominii zusammen. Hatte der Kläger das Eigenthum durch Abtretung des Herausgabeanspruchs erworben (§ 931), so stehen dem Bellagten die Einreden, die er gegen den bisherigen Eigen­ thümer hatte, auch gegenüber dem neuen zu, denn seine Lage darf durch die Session nicht verschlechtert werden (§ 986). II. Die Klage ans älterem Besitze (§ 1007) bildet einen Ersatz für die fehlende a. Publiciana, beruht aber auf deutschrecht­ licher Grundlage, denn das deutsche Recht gab einen Anspruch aus älterer Gewere auf Wiederherstellung der Gewere. Das BGB beschränkt die Klage auf bewegliche Sachen, sie verwirklicht denAnspruch des früheren gutgläubigen Besitzers gegen den schlechter­ berechtigten gegenwärtigen Besitzer und unterscheidet sich^ von der Besitzklage (f. oben S. 488) dadurch, daß sie nicht die Thatsache des Besitzes, sondern ein Recht auf den Besitz schützt. Dieses Recht folgt ausschließlich daraus, daß der Kläger früher gutgläu­ bigen Besitz gehabt hat und der Beklagte ein schlechteres Recht auf den Besitz hat als der Kläger; es liegt der Klage also weder ein dingliches noch ein persönlichesRecht, sondern ein nur aus dem Besitze folgendes Recht zu Grunde. Es wird mithin nie um Eigen­ thum, sondern nur um das relativ bessere Besitzrecht gestritten. Zur Begründung der Klage gehört also in jedem Falle der Nach­ weis, daß der Kläger früher besessen hat und ferner a) entweder der Beweis, daß der Beklagte beim Erwerbe der Sache nicht in gutem Glauben war, denn in diesem Falle steht dem gutgläubigen Kläger der böswillige Beklagte gegenüber, der letztere hat also ein schlechteres Recht auf den Besitz als der Kläger; die so begründete Klage schlägt der Be­ klagte, indem er nachweist, daß der Kläger unredlicher Besitzer gewesen sei, denn in diesem Falle ist die Lage des Klägers jedenfalls keine bessere, als die des Beklagten, es fehlt ihm daher die Befugniß, den Beklagten aus dem Besitze zu verdrängen; dasselbe gilt, wenn der Kläger den Besitz aufgegeben hat; b) oder der Beweis, daß der Kläger den Besitz wider

seinen Willen verloren hat; denn diese Art des Besitzverlustes rechtfertigt die Pflicht des gegenwärtigen Besitzers, den früheren redlichen Besitzer wieder in den Besitz einzusetzen. Diese Pflicht ist eine schlechthin unbedingte, wenn der gegenwärtige Besitzer in bösem Glauben ist; beflndet er sich aber in gutem Glauben, so reicht diese Rechtslage hier nicht aus, den Anspruch des gleichberechtigten Klägers zu beseitigen, weil der Kläger sich bei dieser Art des Besitzverlustes als der stärkere erweist. Daher muß der Beklagte entweder Eigenthum nachweisen oder darthun, daß ihm selbst die Sache wider Willen verloren gegangen sei, bevor der Kläger den Besitz erworben hatte. Denn im ersten Falle muß auch der gutgläubige Besitzer unbedingt weichen, im zweiten Falle hat sich der Beklagte als der stärkere redliche Besitzer er­ wiesen. Ferner wird die Klage wie zu a. entkräftet durch den Nachweis, daß der Kläger malae fidei poBsessor gewesen sei, oder daß er den Besitz aufgegeben habe. Da im Uebrigen auf diese Klage die Grundsätze von der Vindikation zur Anwendung kommen, kann der Beklagte natürlich «inwenden, daß er vom Kläger oder seinem Erblasser ein Recht auf den Besitz (Pfandrecht, Miethe) eingeräumt erhalten habe. III. Das BGB giebt dem Eigenthümer einen Abholungs­ anspruch, wenn sich seine Sache auf dem Grundstücke eines Andern befindet (§§ 1005, 867). § 201.

B. Der Abwehravspruch (actio negatoria).

Die actio negatoria oder Eigenthumfreiheitsklage macht die Freiheit des Eigenthums geltend; sie wurde im römischen Recht dem Eigenthümer dann gegeben, wenn Jemand Handlungen vor­ nahm, die sich als Ausübung einer Servitut darstellten. Das gemeine Recht ist über diese Beschränkung hinausgegangen, es gewährt den negatorischen Anspruch schon dann, wenn mit dem Willen eines Andern ein thatsächlicher Zustand besteht, der die Ausübung des Eigenthums beeinträchtigt. Ihm folgt das BGB. In dieser Ausdehnung trifft die negatoria alle Fälle einer Eigenthumsverletzung, die nicht mit derVindikation beseitigt werden können, oder, wie § 1004 BGB sich ausdrückt, alle Beeinträch­ tigungen des Eigenthums, die nicht in Entziehung oder Vorent­ haltung des Besitzes bestehen, insbesondere alle Fälle nachbar­ licher Uebergriffe, zu denen auch die Einflüsse eines die Nachbarn störenden Gewerbebetriebes gehören. Nach § 26 Gew.O. ist aber die negatoria gegenüber einem polizeilich konzessionirten Gewerbe­ betriebe insofern eingeschränkt, als nicht Einstellung des Betriebes, sondern nur Schadensersatz oder die Anwendung von Schutz­ maßregeln verlangt werden kann.

556 Als negatorische Klage ist ferner anzusehen a) die Widerspruchsklage des § 771 CPO, insofern sie sich auf Eigenthum des „Intervenienten" stützt, denn der Gläubiger macht dadurch, daß er eine seinem Schuldner nicht gehörige Sache zu seiner Befriedigung zu verwenden unternimmt, ein Recht geltend, das eine Beeinträchtigung des Eigenthums enthält und dessen Durchführung zur Aufhebung fremden Eigenthums führen würde. Die Vindikation würde nur im Falle der Pfändung be­ weglicher Sachen denkbar sein, die hier behandelte Klage geht aber nicht auf Herausgabe des Besitzes, sondern auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung; b) die Klage auf Berichtigung des Grundbuchs. Wenn der wahre Eigenthümer von dem, der als solcher fälschlich im Grundbuch eingetragen steht, die Richtigstellung des Grund­ buchs verlangt, so macht er die Freiheit seines Eigenthums gegen« über einem Zustande geltend, der seine Verfügungsoefugnlß be­ schränkt. Denn der als Eigenthümer Eingetragene ist in der Lage, über das Grundstück rechtlich wirksame Verfügungen zu treffen (§§ 894—897 BGB); c) auch die Klage auf Löschung eines nicht mehr be­ stehenden, aber im Grundbuch noch eingetragenen Rechts kann sich als a. negatoria darstellen. Ist eine eingetragene Schuld durch Zahlung getilgt, so kann die Löschung auf Grund des Rechtsgeschäftes der Zahlung verlangt werden. Negatorisch aber ist die Klage dessen, der das Grundstück im Wege der Singular­ succession erworben, nicht selbst gezahlt hat. Die negatorische Klage kann überflüssig sein, wenn die Besitz­ störungsklage ausreicht; sie ist aber dann geboten, wenn die Störung sich nicht bloß gegen den Besitz richtet, sondern als Be­ thätigung eines behaupteten Rechts auftritt; denn der im Besitz­ prozeß Unterlegene würde in diesem Falle die a. confessoria auf Anerkennung seines Rechtes erheben können. Nach der herrschenden Lehre des gemeinen Rechts und nach neuem Recht (1004 BGB) hat der Kläger nur sein Eigenthum, der Bellagte dagegen die Pflicht des Klägers zur Duldung der vorgenommenen Beeinträchtigung zu beweisen. Nach neuem Recht kommen dem Kläger die oben S. 353 besprochenen Eigenthums­ vermuthungen zu statten. Die Klage kann nach altem Rechte auch als sog. publicianische angestellt werden, wenn der Kläger nicht sein Eigenthum, sondern nur Ersitzungsbesitz beweisen kann. Nach neuem Recht ist hierzu keine Veranlassung mehr; die Klage steht nur dem Eigenthümer zu. Der Klageantrag geht nach altem und neuem Recht auf Beseitigung der Beeinträchtigung, und wenn weitere Beeinträch-

tigungen zu besorgen sind, auf Unterlassung. Damit kann die Feststellungsklage auf Anerkennung der Freiheit des klägerischen Eigenthums, sowie eine Bereicherungsklage verbunden werden. Wenn gelehrt wird, daß die Negatoria nach gemeinem Rechte auch auf Schadensersatz gehe, so ist daran nur so viel richtig, daß aus der Eigenthumsverletzung eine Forderung auf Schadens­ ersatz entstehen kann. Diese Forderung gehört dem Obligationen­ rechte an und unterliegt den allgemeinen Grundsätzen über Schadenshaftung, sie setzt also regelmäßig ein Verschulden voraus und unterliegt einer selbständigen Verjährung. Auf demselben Standpunkte steht das BGB, denn § 1004 giebt dem Eigen­ thümer nur den Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung und nur unter Umständen den weiteren Anspruch auf Unterlassung. DerSckadensersatzanspruch unterliegt also den allgemeinen Grund­ sätzen (§ 823)i). Die Verurtheilung zur Unterlassung kann mit einer Strafandrohung für den Fall des Zuwiderhandelns ver­ bunden werden (§ 890 CPO).

Zweiter Abschnitt.

Das Bergrecht.

§ 202. Begriff und Geschichte. Das Bergrecht umfaßt die Rechtsgrundsätze, denen die Auf­ suchung und Gewinnung von Mineralien unterliegt. Es handelt sich dabei um den. Erwerb des Eigenthums an den Mineralien; dieser Erwerb hängt von dem Vorhandensein eines besonderen ausschließlichen Okkupationsrechts ab, das selbst wieder den Gegen­ stand von Jmmobiliarsachenrechten bildet; die Ausübung dieses Rechtes aber ist nicht ohne Einschränkung des Grundeigenthums möglich. Das Bergrecht findet daher seinen Platz am besten im Anschluß an die Lehre vom Eigenthum und vor den begrenzten dinglichen Rechten. Ein besonderes Bergrecht kann nur da bestehen, wo die Mineralien oder wenigstens einige von ihnen nicht als Bestand­ theile des Grundstücks, sondern als Gegenstände besonderen Rechtes behandelt werden.' Daher kennt das römische Recht kein selbständiges Bergrecht. Denn grundsätzlich bildeten sowohl nach altem als nach neuestem römischen Rechte die im Grund und Boden liegenden Fossilien nichts weiter als Theile des Grundstückes und gehörten mithin dem Eigenthümer dieses. Gleichwohl enthält schon das römische Recht die ersten Ansätze eines besonderen Bergrechtes, da nach

*) Verjährung in 3 Jahren (§852), während der negatorische An­ spruch in 30 Jahren verjährt.

558

lokalen Gewohnheiten der Grundeigenthümer Anderen die Auf­ suchung von Mineralien gegen eine Abgabe gestatten mußte und in den Provinzen der Staat ein ausschließliches Reckt auf gewisse Mineralien in Anspruch nahm. Diese Ansätze Haven sich nicht entwickelt, und die wenigen einschlagenden Sätze des römischen Rechtes (1. 77 D. 50, 16; 1. 7 § 14 D. 24, 3; 1. 13 § 1 D. 8, 4; 1. 3 C. 11, 7) sind nicht gemeines Recht geworden. Auch nach älterem deutschen Recht war das Mineral Zubehör des Grundstücks, eine Auffassung, die sich in manchen Gegenden bis ins 13. Jahrhundert erhielt (Sachsenspiegel I 35 § 2). Aber früh entwickelte sich die Regalität des Bergbaues. Sie fand, zu­ nächst für Italien und mit der Beschränkung auf Silber, gesetzliche Anerkennung in der Constitutio de regalibus Friedrichs I. von 1158, wurde aber in Deutschland selbst damit bethätigt, daß zahl­ reiche Verleihungen erfolgten und durch Hinweis auf ein angeblich altes Gewohnheitsrecht gerechtfertigt wurden. Diese Verleihungen geschahen vorzugsweise zu Gunsten der Landesherrn, in der goldenen Bulle von 1356 wurde das Bergregal als ein Recht der Kurfürsten anerkannt und im westfälischen Frieden von 1648 jedem Reichsstande zugesprochen. Gegenstand des Regals waren regelmäßig die Metalle und das Steinsalz, an manchen Orten auch die Salzquellen. Kraft des Regals waren die Landesherren befugt, das Bergbaurecht nach freiem Belieben zu verleihen und zwar für ein einzelnes Bergwerk wie überhaupt für einen eng­ begrenzten Raum oder für ein größeres Gebiet (sog. Distrikts­ verleihung). Von demjenigen, der auf Grund der Verleihung Bergbau trieb, wurde eine Abgabe (der sog. Bergzehnte) erhoben und in vielen Ländern betrieb der Staat durch seine Behörden den Bergbau für den Beliehenen (Direktionsprinzip). Die Regalität bildete den Uebergang zur Bergbaufreiheit. Zuerst in Frankreich am Ende des 18. Jahrhunderts verkündet, wurde sie auch in Deutschland zum herrschenden Grundsatz. Wie bei der Regalität, so ist auch nach dem Prinzipe der Bergbau­ freiheit das Recht, Bergbau zu treiben, nickt mit dem Grundeigen­ thum verbunden, sondern kann von Jedem erworben werden; während aber das Bergregal ein dem Staate zustehendes und ver­ bleibendes, dem Privaten nur der Ausübung nach übertragbares Privatrecht bildet, steht nach dem Prinzip der Bergbaufreiheit dem Staate kein eigenes Berabaurecht, sondern nur die Berghoheit zu, kraft deren er das Bergbaurecht in der Person des Privaten durch „Verleihung" originär zur Entstehung bringt, aber auch verleihen muß, wenn der Private die gesetzlichen Erfordernisse erfüllt hat. Die Quellen des Bergrechts waren und sind noch gegen­ wärtig fast ausschließlich partikuläre Gesetze und nur zum geringen

Theile gemeines Gewohnheitsrecht. Eine besonders umfassende und glückliche Regelung enthielt oaS preußische Landrecht (II, 16), auch das auf dem Grundsätze derBergbaufreiheit stehende preußische Berggesetz vom 24. Juni 1865 hat eine besonders weitreichende Bedeutung erlangt, da es in einzelnen Staaten unverändert eingeführt worden ist, den Berggesetzen anderer Staaten aber zum Vorbilde gedient hat. Das BGB läßt das Bergrecht un­ berührt (Art. 67 EG z. BGB). § 203.

Die Bergbauberechtigung.

Das Bergbaurecht wurde zur Zeit der Regalität durch eine dem Ermessen der Behörde überlassene Verleihung begründet. Gegenwärtig, unter der Herrschaft des Grundsatzes der Bergbau­ freiheit, wird zwar die Bergbauberechtigung gleichfalls durch einen staatlichen Verleihungsakt begründet, aber er bildete dort ein privatrechtliches Geschäft, hier einen Verwaltungsakt, eine Aus­ übung der Berghoheit. Ferner bedarf es nach gegenwärtigem Recht der Erfüllung gewisser Voraussetzungen. Hierher gehört vor Allem die Auffindung eines Minerals in bauwürdiger Menge. Die Auffindung kann auf einem Zufalle beruhen oder das Ergebniß auf die Auffindung gerichteter Arbeit sein. Diese Arbeit nennt man Schürfen. Zu ihrer Vornahme war nach früherem Rechte derSchürflustige ohne weiteres berechtigt, und der Grundeigenthümer durste sich ihm nicht widersetzen, später bedurfte es der Lösung eines sog. Schürfzettels bei der Berg­ behörde, während nach dem preußischen BG die vom Grundeigen­ thümer zu gewährende Genehmigung zum Schürfen im Falle der Verweigerung durch einen Beschluß der Bergbehörde ersetzt wird. Der Schürfer ist an gewisse gesetzliche Beschränkungen gebunden und hat den Grundeigenthümer zu entschädigen. Dieser selbst ist zum Schürfen kraft seines Eigenthums befugt. Das Schürf­ recht an fremder Sache ist ein dingliches Nutzungsrecht. Die Auffindung allein gewährt ein Bergbaurecht noch nicht, vielmehr hat der Finder eine Muthung vorzunehmen, d. h. den Antrag auf Verleihung bei der Bergbehörde zu stellen. Die Priorität unter mehreren dasselbe Mineral und dasselbe Feld betreffenden Muthungen kommt dem zuerst eingeganaenen Gesuche zu. Durch die Verleihung wird das Bergbaurecht begründet. Dieses Recht, obwohl vielfach Bergwerkseigenthum genannt, ist nicht Eigenthum an der Lagerstätte des Fossils, denn diese steht nach altem und neuem Recht (§ 905) dem Eigenthümer der Oberfläche zu; das Bergbaurecht giebt auch nicht unmittelbar das Eigenthum an dem verliehenen Mineral, denn dieses ist nach wie vor herrenlos. Das Bergwerkseigenthum giebt vielmehr

560 ein ausschließliches Okkupationsrecht. Das gewonnene Mineral geht also erst mit der Besitzergreifung in das Eigenthum des Okkupanten über, und betreffs der Okkupation durch einen Nichtberechtigten gilt das, was bei der Erlegung jagdbarer Thiere durch den Wilderer Rechtens ist (§ 958 Abs. 2 BGB). Das Bergwerkseigenthum wird aber nach früherem und jetzigem Recht einem Grundstücke gleichgestellt. Es finden daher betreffs der Veräußerung, Belastung und Zwangsvollstreckung die Grundsätze des Jmmobiliarsachenrechts Anwendung. Das Bergwerkseigenthuin umfaßt außer dem Okkupationsrechte diejenigen Anlagen, welche der Bergbauberechtigte unter oder über Tage errichtet hat, und sog. Hülfsbaue. Der Grundeigenthümer hatte nach früherem Recht entweder das Recht des Mitbaues, d. h. die Befugniß, sich am Bergbau zur Hälfte zu betheiligen, oder er erhielt eine Quote des Ertrages, o. h. eine Anzahl sog. Erb- oder Grundkuxe. Das neuere Recht versagt ihm diese Vortheile und giebt ihm nur das Recht auf Ersatz der ihm durch den Bergbau, insbesondere durch solche Anlagen entzogenen Nutzungen, welche auf der Erdoberfläche errichtet sind, und auf Ersatz der sog. Bergschäden, d. h. der dem Grundstücke selbst zugefügten Nachtheile. Die Bergbauberechtigung beschränkt sich auf dasjenige Mineral, auf welches die Verleihung lautet. Aber nicht alle Mineralien sind dem Bergrecht unterworfen, sondern nur diejenigen. welche das Gesetz bezeichnet (regelmäßig gehören zu ihnen die Metalle). Alle anderen Mineralien sind und bleiben Bestandtheil des Grund­ stückes und gehören also dem Eigenthümer dieses. Die Bergbau­ berechtigung wurde früher regelmäßig auf Gänge oder Flötze verliehen. Beide Ausdrücke bezeichnen die Lagerstätte des ver­ liehenen Minerals, und zwar durchbricht der Gang das sog. Gebirge quer, während der Flötz den Gebirgsschichten parallel läuft; in jedem Falle war die ganze Mächtigkeit (d. i. Dicke) des Ganges oder Flötzes verliehen, während die Länge des Feldes entweder durch die Lagerstätte selbst oder nach einem bestimmten Maaße abgegrenzt wurde; in letzterem Falle umfaßte sie die sog. Fundgrube (= 42 Lachter vom Fundpunkte, 1 Lachter --- rund 2 m) und eine Anzabl sog. Maßen (je 28 Lachter). Nach neuerem Recht werden regelmäßig größere und zwar Geviertfelder ver­ liehen. Diese werden auf der Erdoberfläche vermessen und seit­ lich durch senkrechte Ebenen bis zur ewigen Teufe begrenzt. Eine besondere Art des Bergwerkseigenthums bildeten früher die sog. Stollenrechte. Ein Stollen ist ein in horizontaler Richtung in das Gebirge geführter Gang, der den Zweck hat, einem vorhandenen Bergwerke sog. gute Wetter, d. h. Luft zu- und

Wasser abzuleiten. Der Stöllner hat nämlich das Recht auf Ge­ winnung derjenigenMineralien, die er bei Einführung des Stollens in einem nicht verliehenen, sog. freien Felde findet, und wenn er in dem vorhandenen Bergwerke in einer bestimmten Tiefe (der sog. Erbteufe) anlangt, das Recht auf den Stollenhieb, d. h. auf diejenigen verleihbaren Mineralien, die er in dem fremden Bergwerksfelde findet (sog. Erbstollengerechtigkeit). Das neuere Recht gestattet die Verleihung von Erbstollenrechten nicht mehr. Hülfsbaue sind Anlagen, welche der Bergbauberechtigte außerhalb seines Feldes zum Vortheile seines Bergwerks ausführt; sie werden als Zubehör des Bergwerks behandelt. § 204.

Die Betheiligung Mehrerer am Bergwerkes

Das ältere Recht machte einen Gegensatz von Gesellenbau und Gewerkschaft. Der Gesellenbau tritt ein, wenn mehrere Miteigenthümer desselben Bergwerks den Bergbau nach den Grund­ sätzen der aocietas betreiben; in diesem Falle werden die Ge­ sellen (Eigenlehner, Eigenlöhner) nach Verhältniß berechtigt und verpflichtet. Voraussetzung für dieses Rechtsverhältniß aber ist, daß die Zahl der Miteigenthümer eine geringe (nicht über 8) ist und daß wenigstens ein Theil von ihnen den Bergbau mit eigener Hand betreibt. In allen andern Fällen bildet die Vereinigung der Mit­ eigenthümer eine Gewerkschaft. Die Gewerkschaft des älteren Rechtes war zwar gleichfalls nichts weiter als eine Vereinigung von Miteigenthümern, aber sie war keine reine Sozietät, sondern enthielt korporative Elemente. Das den Gewerken gehörige Bergvermögen war in eine bestimmte Zahl (gewöhnlich 128) von Antheilen, Kuxen, zerlegt, welche dem freien Verfügungsrechte des einzelnen Miteigenthümers unter­ lagen und die Eigenschaft unbeweglicher Sachen hatten, daher auch den Grundsätzen des Jmmobiliarsachenrechts unterstanden. Für gewisse Berechtigte wurden Freikuxe gebaut, welche von der Zubußepflicht frei waren. Die Gewerkschaft des neueren Rechts ist eine Körperschaft. Das Bergvermögen gehört daher nicht den einzelnen Gewerken, sondern der Korporation; daher wird auch nur diese aus den Handlungen ihrer Organe berechtigt und verpflichtet; nur sie darf das Bergwerk veräußern oder dinglich belasten, daher wird auch nur sie im Grundbuch als Eigenthümerin eingetragen. Die Antheile am Bergvermögen, die Kuxe, haben daher nach neuerem Recht die Eigenschaft beweglicher Sachen. Denn der Kux ist, wie die Aktie, das übertragbare Mitgliedschaftsrecht des Engelmann, d. bürgerliche Recht Deutschlands.



562 Gewerken, ein Rechtsverhältniß, mit welchem Personenrechte (Stimmrecht, Berufung zu Aemtern) verbunden sind, und aus welchem dingliche Rechte und persönliche Ansprüche entstehen können. Wie das Wort Aktie auch den Aktienschein, so bezeichnet das Wort Kux auch den von der Gewerkschaft ausgestellten Kux­ schein. Aber während die Pflichten des Aktionärs mit der Ein­ zahlung des Aktienbetrages regelmäßig erschöpft sind, ist der Gewerke zur Zahlung einer sog. Zubuße nach den Beschlüssen der Gewerkenversammlung verpflichtet. Die Folge ist, daß die Kuxscheine auf den Namen des Gewerken lauten müssen und daß der Gewerkschaft gegenüber nur derjenige als Mitglied gilt, der im Gewerkenbuche als Kuxinhaber eingetragen ist. Die Uebertragung deö Kuxes erfolgt im Wege des schriftlichen Vertrages. Dieser Vertrag fällt nicht unter den Begriff der Cession, da er nicht eine Forderung, auch nicht ein einzelnes Recht (vergl. § 413 BGB) überträgt; geschieht die Uebertragung gegen Entgelt, so muß sie nach altem und neuem Recht (§ 445 BGB) als Kauf angesehen werden, denn ein Mitgliedschaftsrecht ist ein verkäuf­ licher Gegenstand. Diese Eigenschaften des Kuxes bewirken eine festere Bindung des Gewerken an die Gewerkschaft, als sie beim Aktienverein stattsindet, und bringen die Gewerkschaft der Ge­ sellschaft mit beschränkter Haftung näher als der Aktiengesellschaft. Uebrigens können die mehreren Miteigenthümer eines Bergwerks jede Art von Gesellschaftsform unter sich begründen, und nur, wenn sie eine abweichende Vereinbarung nicht getroffen haben, bildet ihre Vereinigung ohne Weiteres eine Gewerkschaft.

Wer mit der Zahlung der Zubuße in Verzug geräth, kann seines Kuxes verlustig erflärt werden (Kaduzirung des Kuxes). Obwohl die Verpflichtung zur Leistung der Zubuße eine persönliche und unbeschränkte ist, kann der Gewerke sich von seiner Pflicht dadurch befreien, daß er der Gewerkschaft seinen Kux überläßt. Die Gewerkschaft muß einen sog. Repräsentanten oder Gruben­ vorstand haben, der die Korporation gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Hauptwillensorgan ist die Gewerkenversammlung. DemBergrecht unterliegt jetztauch die Salzgewinnung. Früher galten manche abweichende Grundsätze. Die Vereinigung mehrerer Unternehmer hieß Pfännerschaft, und die Antheile (meist 111) hießen Pfannen.

§ 205.

Die Knappschaften.

Unter einer Knappschaft „versteht man den Inbegriff der auf einem Bergwerke oder auf einer Mehrzahl von Bergwerken be­ schäftigten Arbeiter" (RG 30, 210). Schon vor Jahrhunderten bildeten sie Körperschaften zum Zwecke der Unterstützung von er-

werbsunfähigen Bergleuten und von Angehörigen verstorbener Berg­ leute. Diesem Zwecke dienen auch die heutigen Knappschaftsvereine, und auch jetzt bilden sie öffentliche Korporationen, denen alle Berg­ arbeiter der in ihrem Bezirke belegenen Bergwerke beizutreten ver­ pflichtet sind. Ihr Vermögen wird gebildet durch Beiträge der Arbeiter und der Bergwerkseigenthümer. Sie unterscheiden voll­ berechtigte und minderberechtigte Mitglieder und besorgen auch die Krankenversicherung wie die Jnvaliditätsversicherung der Berg­ arbeiter.

Triller Abschnitt: Aas Lehnrecht. § 206. Das Lehnrecht beherrschte im späteren Mittelalter und noch in die Neuzeit hinein das gejammte öffentliche Recht. An sich ein Rechtsgeschäft des Privatrechts, suchte die Belehnung durch Her­ stellung eines die Person erfassenden Treue- und Verpflichtungs­ verhältnisses diejenigeAbhängigkeit zu begründen, die in der neueren Zeit einfache Folge der Ueberordnung der Staatsgewalt über den Einzelnen ist. Seitdem daS Lehnswesen nicht mehr die Grundlage des Staates bildet, ist das Lehnrecht mehr und mehr zu einem rein privatrechtlichen Institut geworden. Aber auch als solches mußte es seine Bedeutung verlieren, als der Lehnsherr der Dienste des Vasallen und der Lehnsmann des Schutzes seines Lehnsherrn nicht mehr bedurfte. Seit dieser Zeit bestand das Lehnsverhältniß auf der einen Seite in einem ausgedehnten, dem Eigenthum nahe­ stehenden Nutzungsrechte am Lehngut und auf der anderen Seite in dem Rechte auf unwichtige Ehrendienste oder geringe Abgaben. Die Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts hat in Deutschland (mit geringer Ausnahme) diesen bloßen Schein eines Lehnsverhältnisses beseitigt und die sog. Allodifikation der Lehen herbeigeführt, d. h. die Aufhebung der Rechte des Lehnsherrn und die Steigerung der Rechte des Vasallen zu Eigenthum. Durch die Modifikation ist aber nur die eine Seite der lehnsrechtlichen Verhältnisse auf­ gehoben worden, die rechtliche Stellung des früheren Lehnsmannes zu seiner successionsberechtigten Familie, d. i. der Lehnsverband, ist damit an sich nicht beseitigt worden. Gehört nun auch das Lehnrecht im Ganzen der Rechtsgeschichte an, so haben sich doch im geltenden Rechte noch Ueberreste des Lehnsrechts erhalten, die einer kurzen Erörterung bedürfen, da sie vom BGB (Art. 59 EG) unberührt gelassen werden. Das subjektive Lehnrecht war und ist da, wo das Lehnsver­ hältniß noch besteht, ein mit der Verpflichtung zu wechsel-

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664 fettiger Treue verbundenes, vererbliches, dingliches Nutzungsrecht an fremder Sache. Man wendete besonders auf das Lehn die Lehre vom getheilten Eigenthum an (). oben S. 508), indem man dem Herrn dominium directum (richtiger: Eigenthum), dem Lehnsmanne das dominium utile (richtiger: Nutzungsrecht) beilegte. Das allodificirte Lehn ist Eigenthum des Lehnsmannes. Dieses Eigenthum unterscheidet sich da, wo der Lehnsverband aufgehoben ist, in nichts mehr von anderem Eigen­ thum, da aber, wo der Lehnsverband noch besteht, ähnelt es dem Eigenthum desFideikommißbesitzers. Denn esist, wiedieses, Gegen­ stand von Anwartschaftsrechten und daher der Veräußerung durch den jeweiligen Eigenthümer entzogen. Jene Anwartschaftsrechte beruhen entweder auf einer Gesammrbelehnung oder auf der Lehnsfolgeordnung. Die Gesammtbelehnung gewährt Mehreren ein Lehn in der Weise, daß zunächst nur der Eine in den Genuß des Lehns tritt, der Andere aber das Lehn erst erwirbt, nachdem der Erste und dessen lehnsfähige Nachkommen gestorben sind. DieLehnsfolgeordnung beruft die Nachkommen des Lehnsmannes in einer bestimmten Reihenfolge. Dabei werden regelmäßig nur Männer berufen (Mannlehen), das sog. Weiberlehn bildet die Ausnahme nnd gehört zu den uneigentlichen Lehen. Aber auch hiervon ab­ gesehen geht die Lehnserbfolge nicht Hand in Hand mit der all­ gemeinen gesetzlichen Erbfolge. Das longobardische Lehnrecht beruft nämlich diejenigen Personen zur Lehnsfolge, welche vom ersten Lehnsmanne durch den Mannesstamm abstammen, das sächsische Lehnrecht dagegen die männlichen, agnatischen (d. h. durch den Mannesstamm verwandten) Abkömmlinge des letzten Lehnsmannes. Ueber die Natur des Anwartschaftsrechts herrscht Streit. Nach der Modifikation der Lehen muß aber die Anschauung, als stände das Lehn im Gesammteigenthum des Lehnsbesitzers und der Anwärter abgelehnt werden. Dagegen kann es als "in dingliches Recht auf den Anfall oder, was richtiger ist, als ein bloßes eventuellesSuccessionsrecht aufgefäßt werden. Der Anwärter darf einer Veräußerung des Lehns widersprechen und das veräußerte Lehn zurückfordern, sich insbesondere aber als Anwärter im Grund­ buche des Lehns eintragen lassen, um die Berufung des Erwerbers auf das Grundbuch zu verhindern. Der Anfall des Lehns an den Successionsberechtigten vollzieht sich ipso jure mit dem Tode des Vorgängers. Gegenstand des Lehns sind gewöhnliche Grundstücke. Geld­ lehen bestehen in der Nutzung eines Kapitales; bei ihnen hat die Allodifikation zwar gleichfalls eine Umwandlung des Nutzungs­ rechts in Eigenthum herbeigeführt, aber nicht in freies Eigenthum,

denn der Lehnsberechtigte darf nur die Zinsen, nicht auch das Kapital für sich verwenden. Die Lehnsschulden gehen nicht auf den Erben des Lehns­ mannes, sondern vermöge des besonderen Lehnserbrechtes auf den Lehnsfolger über. Dieser haftet nicht mit dem Allodial-, sondern nur mit dem Lehnsvermögen. Die Lehnsschulden werden nach verschiedenen Gesichtspunkten eingetheilt, immer beruhen sie ent­ weder auf dem Willen des ersten Lehnsmannes oder auf einer Nach­ stiftung späterer Lehnsbesitzer; ferner wird unterschieden, ob die Substanz oder nur die Einkünfte des Lehns als Mittel der Be­ friedigung verwendet werden dürfen, im ersten Falle ist die Zwangs­ versteigerung, im zweiten nur die Zwangsverwaltung des Lehns gestattet. Lehensstamm ist eine Lehnsschuld, für die entweder das Lehngut selbst haftet und die im Grundbuche des Lehns ein­ getragen oder anderweitig sichergestellt wird und deren Zinsen an Personen zu zahlen sind, die sich nach lehnrechtlichen Grund­ sätzen bestimmen. Gewöhnlich dient diese Summe als Abfindung der Lehnsberechtigten im Falle der Veräußerung des Lehns oder als Abfindung eines zurücktretenden Mitbelehnten. Der Lehnsstamm ist aber nicht selbst Lehn, sondern Allod, denn es fehlt der Lehnsherr.

Vierter Abschnitt:

ßmpyyteusts mtb HrSpachtrecht?) § 207.

Im römischen Reiche entstand das Bedürfniß, Ländereien, die der Eigenthümer nicht bewirthschaften konnte, oder solche Grundstücke, die noch nicht kultivirt waren, auf längere Dauer zu verpachten. Diesem Bedürfnisse entsprach aber die locatioconductio aus dem Grunde nicht, weil sie dem Pächter bloß Detention gewährte, ihm ein von der Kündigung des Verpächters abhängiges und bei jedem Eigentyumswechsel in Frage gestelltes Recht gab. Man sagte sich deshalb in solchen Fällen von den Pachtgrundsätzen los, gab dem PächterBesitz und dinglichen Rechts­ schutz und erkannte die Vererblichkeit seines Rechtes an. So ent­ stand in Westrom das Rechtsinstitut des ager vectigalis, die Hin­ gabe städtischer Grundstücke und in Ostrom die emphyteusis, die Überweisung von Ländereien zur Urbarmachung, in Erbpacht. Beide Institute verschmolzen in ein einziges, das der Emphyteuse. Die Emphyteuse ist ein vererbliches und veräußerliches dingliches Nutzungsrecht an einem Grundstücke; sie entsteht durch Vertrag, den contractus emphyteuticarius, der als Konsensualkontrakt anerkannt wurde, weil er auch den ») Sergi. Jhering: Besitzwille 1889, S. 370 ff.

566 Emphyteuta zu Leistungen, nämlich zu einer Abgabe (canon, vectigal) verpflichtete. Der Emphyteuta hat Besitzschutz und eine utilis rei vindicatio; er darf sein Recht veräußern und mit seinem Tode geht das Recht auf seine Erben über. Das Grundstück kann ihm aber wegen wiederholter Nichtzahlung des Zinses ent­ zogen werden (Privation). In Deutschland wurden die Grundsätze von der Emphyteuse hauptsächlich auf die Verleihung von Kirchengütern angewendet, doch unterwarf man ihnen auch die bäuerlichen Nutzungsrechte. Die letzteren Rechte hatten den gleichen wirtschaftlichen Ursprung wie die Emphyteuse: Großgrundbesitzer, insbesondere Klöster, siedelten Unfreie und Freie an, um durch sie Wald- und Moorland in Acker zu verwandeln') und einen seßhaften Arbeiter­ stand zu haben. Diesen Bedürfnissen entsprach zuweilen ein bloßes Pachtverhältniß, meistens" aber eine Leihe auf einen längeren Zeitraum, in sehr vielen Fällen nur die Erbleihe. Häufig wendete man auf diese Leiheverhältnisse die Grundsätze des Lehnrechts an und es entstanden dann als uneigentliche Lehne die Bauern­ lehne, daneben aber sowohl Zeitpacht- als auch Erbpacht- oder Erbzinsverhältnisse. In jedem Falle erlangte der Bauer ein weitgehendes dingliches Nutzungsrecht, das beim Bauernlehn und beim Erbpacht- oder Erbzinsgute auf die Erben des Bauern überging. Auch hier war er zu Abgaben und andern Leistungen, insbesondere zu Arbeiten und zur Hingabe von werthvollen Gegenständen des Wirthschafts-Jnventars beim Erbübergang (mortuarium, Besthaupt, namentlich an Thieren) verpflichtet. Diese Leistungen wurden im Gegensatz zum römischen Recht, das nur die persönliche Haftung des Emphyteuta kannte, zu Reallasten, d. h. auf dem Gute dinglich lastenden Verpflichtungen. Ein weiterer Gegensatz zum römischen Recht lag darin, daß nach diesem die Emphyteusis ein rein privatrechtliches Verhältniß begründete, jene deutschrechtlichen Verhältnisse aber mit einer öffentlich-rechtlichen Unterwerfung des Bauern unter den Grundherrn verbunden waren. Die neuere Zeit hat hier öffentliches und Privatrecht ge­ schieden, die publizistischen Rechte des Grundherrn auf den Staat üvertragen und privatrechtlich den Bauern unabhängig gemacht, indem man jene Reallasten aufhob oder ihre Ablösung ermöglichte und dem Bauern Eigenthum an seiner Stelle gab. Die Erbzins­ verhältnisse gehören in Folge dessen in Deutschland (fast) überall der Rechtsgeschichte an, werden aber da, wo sich Reste von ihnen erhalten haben, vom BGB nicht berührt (Art. 63 EG z. BGB). h Heusler: Institutionen II, S. 167 ff.

Das Krvvaurecht, Superstciaroder I'latzrecht?)

Fünfter Abschnitt:

§ 208. Während nach deutschen Partikularrechten ein vom Eigen­ thum am Grund und Boden getrenntes Eigenthum an stehenden Pflanzen und Gebäuden möglich ist, gilt nach römischem und gemeinem Recht der Grundsatz superficies solo cedit. Hiernach wird jedes auf fremdem Boden errichtete Gebäude und jede Pflanzung auf fremdem Boden ohneWeiteresEigenthum desBodeneigenthümers, und auch ein auf Einräumung einer superficies gerichteter Vertrag hat nicht die gewollte Wirkung der Eigen­ thumsbegründung. Die Servituten sind an eine bestimmte Person oder an den Besitz eines bestimmten Grundstücks gebunden und der Miethvertrag giebt ein der Kündigung unterliegendes, nach gemeinem Recht überdies nicht den jedesmaligen Eigenthümer, sondern nur die Kontrahenten verpflichtendes persönliches Schuld­ verhältniß. Das römische Recht hat indessen ein veräußerliches und vererbliches dingliches Recht an der superficies, d. h. an einer mit dem Boden zusammenhängenden Sache, geschaffen, ver­ möge dessen man die Sache wie ein Eigenthümer haben, benutzen und über sie verfügen darf (Wächter). Gegenstand des Rechts können bauliche Anlagen jeder Art, selbst einzelne Stockwerke, Brücken, Monumente, Keller (Kellerrecht) und auch Pflanzen sein. Der Superficiar ist abgeleiteter Besitzer der Sache und Besitzer des dinglichen Rechts. Er hat zu seinem Schutze also possessorische Rechtsmittel und zwar ein besonderes Interdikt (de superficiebus, D. de superf. 43, 18) und petitorische Rechtsmittel, nämlich die vom prätorischen Recht eingeführte vindicatio utilis, die Publiciana und die negatoria. Das Recht entsteht durch Vertrag, Vermächtniß, nach richtiger Praxis auch durch eine dreißigjährigen Rechtsbesitz voraussetzende Ersitzung. . Auch nach dem BGB ist das „Erbbaurecht" ein ver­ erbliches und veräußerliches dingliches Recht an fremder Sache, das die Befugniß gewährt, ein — vorhandenes oder noch zu errichtendes — Bauwerk auf oder unter der Oberfläche eines Grundstücks zu haben. Damit ist die Pflanzungssuperficies ausgeschlossen, Bauwerk aber ist im weitesten Sinne zu nehmen, so daß hierher auch Denkmäler, Schienen, Gerüste für Telegraphen- und Fernsprechleitungen und selbst Keller gehören (§§ 1012—1014). Das Erbbaurecht als Recht an einem fremden Grundstücke u. Wächter: Das Superficiar« oder Platzrecht. 1868.

568 unterliegt den allgemeinen Grundsätzen des Jmmobiliarsachenrechts. Zu seiner Entstehung ist Auflassung, d. i. hier die Einigung des Grundstückseigenthümers und des Erwerbers, und Eintragung erforderlich (§§ 1015, 873). Das Erbbaurecht erlischt nicht durch Vereinigung mit dem Eigenthum (§ 889), auch nicht durch Untergang des Bauwerks (1016). Das Erbbaurecht ist aber nicht nur Recht an einem Rechts­ objekte, sondern selbst Rechtsobjekt, und zwar wird es als Grund­ stück behandelt. Der Erwerb eines bestehenden Erbbaurechts geschieht daher auf dieselbe Weise wie der Erwerb des Eigen­ thums an einem Grundstücke, also durch Auflassung oder BuchErsitzung (§§ 1017, 925, 900). Das Erbbaurecht kann ferner Gegenstand einer Dienstbarkeit, eines Vorkaufsrechts, einer Hypo­ thek, Grundschuld oder Rentenschuld sein, es kann ein selb­ ständiges Grundbuchblatt erhalten (§ 7 GBO) und unterliegt der Jmmobiliarzwangsvollstreckung (ZwstG. v. 24. März 1897). Der Erbbauberechtigte genießt Besitzschutz, da er Besitzer nicht des Rechts, sondern der «Sache ist, zum Schutze seines Rechts hat er die Vindikation, wenn ihm der Besitz der Sache und damit die Ausübung seines Rechts vorenthalten wird, und die a. negatoria, wenn sein Recht in anderer Weise beeinträchtigt wird (§§ 1017).

Sechster Abschnitt: Die Servituten oder Dienstbarkeiten. § 209.

Allgemeine-.

Die verschiedenen Arten der hierher gehörigen Rechte haben das Gemeinsame, daß sie eine Sache Interessen, die denen des Eigenthümers fremd sind, dienstbar machen und deshalb dem Eigenthümer Befugnisse nehmen, die er ohne jenes Recht haben würde. Aber jenes fremde Interesse ist ein individuelles. Man kann die Dienstbarkeiten daher definiren als unveräußerliche und unvererbliche Rechte auf Benutzung einer fremden Sache. Jedes Servitutrecht steht selbstverständlich einer Person zu, aber die berechtigte Person kann individuell oder durch den Besitz eines Grundstückes bestimmt sein. Im ersten Falle spricht man von Personal-Servituten oder persönlichen Dienstbar­ keiten, im zweiten von Prädialservituten, Grundgerechtig­ keiten oder(nach dem Sprachgebrauch des BGB) von Grunddienst­ barkeiten. Die ersteren dienen den Interessen dieser bestimmten Person, die letzteren, wie man sich ausdrücken darf'), den Bedürf­ nissen des Grundstücks, d. i. den Interessen des Eigenthümers an der wirthschaftlichen Ausnutzung jenes Grundstücks. Nach altem *) Ä. M. die Motive zum BGB III S. 481, dir sich ängstlich vor dieser.Personifikation" hüten.

und neuem Recht (§ 1018) können Realservituten, wie man durch das Wort Grunddienstbarkeiten andeutet, nur Grundstücke zum Gegenstand haben. Dasselbe gilt nach neuem Recht (§ 1090) nur von denjenigen Personalservituten, welche dasBGB als beschränkte persönliche Dienstbarkeiten bezeichnet, dagegen kann der Nießbrauch nach beiden Rechten bewegliche und unbewegliche Sachen, Rechte, ja ganze Vermögen zum Gegenstände haben. Die Verschiedenheit der Interessen bewirkt eine große Mannigfaltigkeit der Rechte. Für alle aber haben sich gemeinsame Grundsätze entwickelt. Diese sind: 1. Servitus in faciendo consistere nequit. Der Eigenthümer der dienenden Sache ist zu einem Nichtthun oder zu einem Dulden verpflichtet, während er als Eigenthümer der un­ belasteten Sache zum Handeln oder zum Untersagen berechtigt sein würde. Zu einer Leistung ist der Eigenthümer nicht verpflichtet, doch hat schon das römische Recht die Unterhaltungspflicht des be­ lasteten Eigenthümers bei der s. oneris ferendi anerkannt (1.15 § 1 D. 8, 1; 1. 33 D. 8, 2). Das Gleiche gilt nach neuem Recht (§§ 1018, 1021, 1022), doch bildet die dem Grundeigenthümer obliegendePflicht, eineAnlagezuunterhalten, nachihmeine Reallast. 2. Servitus servitutis esse non potest: eine bestehende Servitut kann nicht selbst Gegenstand einer anderen Servitut sein. Wohl aber kann nach altem und neuem Recht ein Erbbaurecht mit einer Dienstbarkeit belastet werden (§ 1017). 3. Ne mini res sua servit. Die Servitut ist ein Recht an fremder Sache, an der eigenen Sache übt man das alle Rechte umfassende Eigenthum aus. Erwirbt der Berechtigte das Eigen­ thum der dienenden Sache, so geht die Servitut grundsätzlich durch Konfusion unter. Nach neuem Recht dagegen erhält sich die ein­ getragene Servitut; sie ruht während der Vereinigung mit dem Eigenthum, lebt aber bei der Veräußerung der belasteten Sache wieder auf, denn der Eigenthümer ist nicht gezwungen, die auf seinem Grundstück haftenden Lasten löschen zu lassen (§§ 1063, 1072, 889). Nach neuem Recht aber wird sogar der Nießbrauch an einer beweglichen Sache oder einem Recht als fortbestehend fingirt, wenn der Eigenthümer ein rechtliches Interesse an dem Fortbestände hat. 4. Die Ser vitut m uß nach altem und neuem Recht (§§ 1020, 1090) schonend, d. h. ohne unnöthige Belästigung des Eigen­ thümers ausgeübt werden.

8 210.

I. Die Personalservituten. Die beschränkte» persönlichen Dienstbarkeiten.

Nach römischem Rechte waren außer dem Nießbrauch Per­ sonalservituten der usus, die habitatio und die operae servorum

570 et animalium. Die operae aervorum sind in Wegfall gekommen, über die operae animalium sind wir nicht näher unterrichtet, und die habitatio stand im neueren Rechte nicht mehr unter besonderen Grundsätzen. Es verblieb für das gemeine Recht danach nur der usus, der außer an andern Gegenständen insbesondere an Woh­ nungen und Thieren bestehen konnte. Der usus (das Gebrauchs­ recht) war nach altem Recht das einer bestimmten Person zustehende, auf eine andere Person nicht einmal der Ausübung nach über­ tragbare Recht auf den Gebrauch einer fremden (beweglichen oder unbeweglichen) Sache. Jeder ordnungsmäßige Gebrauch der Sache, nur nicht die Fruchtziehung war gestattet, sollte auch der Gebrauch zu einem Verbrauche führen. Der Berechtigte (Usuar) durste die Sache nicht im Ganzen vermiethen, auch nicht unentgeltlich Andern überlassen. Als Wohnungsrecht, insbesondere als Theil des Amts­ einkommens, findet dieses Recht in der Gegenwart seine häufigste Anwendung. Eine Personalservitut kann aber auch in der Weise bestellt werden, daß ein Recht, das regelmäßig den Inhalt einer Grund­ gerechtigkeit bildet, einer bestimmten Person eingeräumt wird (eervitus pereonalis irregularis). Das BGB setzt die beschränkten persönlichen Servituten in Gegensatz zum Nießbrauch, zählt aber zu jenen a) nicht blos die gemeinrechtliche irreguläre Servitut, sondern b) alle Fälle, in denen nur überhaupt ein Recht besteht, ein Grundstück') in einzelnen Be­ ziehungen zu benutzen, indem es so der Mannigfaltigkeit der Ge­ brauchsbedürfnisse Rechnung trägt. Denn der Gebrauch kann ein weitgehender (z. B. im Falle der Dienstwohnung) und ein sehr beschränkter sein (z. B. im Falle der Befugniß, einen Platz auf einem Grundstück bei bestimmten Gelegenheiten einzunehmen). Es entscheidet hierüber der ausgesprochene Wille der Betheiligten, im Zweifel das persönliche Bedürfniß des Berechtigten (§§ 1090,1091). Auch nach neuem Recht ist diese Art der Dienstbarkeit nicht über­ tragbar, doch kann wenigstens ihre Ausübung einem Anderen über­ lassen werden, wenn dies vom Besteller des Rechts gestattet ist. Wie der usus, so sind auch diese Rechte unvererblich (§§ 1092, 1090, 1061). Besonders hervorgehoben wird vom BGB das (dem Eigen­ thümer gegenüber) ausschließliche Wohnungsrecht (im Gegensatz zum Mitwohnungsrecht). Auf diesesWohnungsrecht finden einzelne für den Nießbrauch gegebene Bestimmungen entsprechende An­ wendung. Der Berechtigte ist ferner befugt, seine Familie und sein Dienstpersonal in die Wohnung mit aufzunehmen (§ 1093).

1) Gin usus animalium kann also nicht mehr vorkommen, Miethe und Leihe müssen au-reichen.

§ 211.

Der Nießbrauch.

1. Begriff. Der Nießbrauch ist nach der römischen Legal­ definition 1.1 D. 7,1 ba§ jus alienis rebus utendi fruendi salva rerum substantia, das an die Person des Berechtigten ge­ bundene Recht, von einer fremden Sache, ohne deren Wesen aufzuheben, jeden ordnungsmäßigen Gebrauch zu machen und ihre Nutzungen zu ziehen. Das BGB (8 1030) bezeichnet den Nießbrauch zwar nur als das Recht, die Nutzungen d. h. alle Nutzungen, welche die Sache gewährt, zu ziehen, es holt aber in § 1037 das „salva substantia“ nach. Der Nießbraucher ist also a) berechtigt, die Früchte zu gewinnen und die sonstigen Nutzungen zu ziehen; die Fruchtgewinnung ist nach gemeinem Recht erst mit der Besitzergreifung, nach neuem Recht (8 954) schon mit der Trennung der Frucht vollendet. Die bei Endigung des Nießbrauchs noch nicht geernteten, nach neuem Recht die zu dieser Zeit noch stehenden Früchte verbleiben also dem Eigenthümer oder dem nachfolgenden Nießbraucher. Bei den sog. fructus civiles entscheidet der Zeitpunkt der Fälligkeit. Der Nießbraucher hat nach den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Wirthschaft zu ver­ fahren, nach neuem Recht (8 1038) kann dem Nießbrauch eines Waldes, eines Bergwerks oder einer anderen auf Gewinnung von Bodenbestandtheilen gerichteten Anlage ein mit dem Eigenthümer vereinbarter Wirthschaftsplan zu Grunde gelegt werden. b) Der Nießbraucher ist aber nicht berechtigt, das Wesen der Sache zu ändern, er hat nur die Nutzung der Sache, die der Eigenthümer haben würde, und zu der sie von diesem bestimmt ist (so auch § 1036 BGB). Der Nießbraucher darf also z. B. einen Wald nicht in einen Weinberg, einen Park nicht in einen Gemüsegarten umwandeln. Eine Wesensänderung liegt auch in der Verringerung, dem Verbrauch der Sache; besteht aber die bestimmungsmäßige Verwendung der Sache in der Entnahme von Bestandtheilen, wie bei einem Steinbruch, einem Bergwerk, so ist der Nießbraucher auch zur Substanzverringerung berechtigt, denn dann sind diese Bestandtheile Früchte (8 99). Dem Nießbraucher steht auch nach neuem Recht immer auch der Gebrauch der Sache zu (§8 1030, 99, 100). 2. Gegenstand des Nießbrauchs können nach bisherigem wie jetzigem Recht (881068,1069) bewegliche undunbeweglicheSachen und übertragbare Rechte sein. Der Nießbrauch an einem Rechte besteht in der Gewinnung der Erträge, welche das Recht seiner Bestimmung gemäß oder auf Grund eines Rechtsverhältnisses (z. B. der Verpachtung) gewährt (8 99), insbesondere gebühren dem Nieß-

572 braucher eines auf fortlaufende Leistungen gehenden Rechts die einzelnen Leistungen (§ 1073). Der Nießbraucher einer Forderung hat außerdem das Recht der Einziehung und in Folge dessen auch das Recht der Kündigung, nicht aber ein Recht, über die For­ derung in anderer Weise z. B. durch Abtretung oder Verpfändung zu verfügen. Mit der Einziehung übt er ein fremdes Recht, aber tn eigenem Namen aus (actio utilis), daher erwirbt durch sie der Gläubiger den geleisteten Gegenstand und der Nießbraucher den Nießbrauch an diesem Gegenstände; war die Forderung auf Geld oder andere verbrauchbare Sachen gerichtet, so erwirbt der Nieß­ braucher den uneigentlichen Nießbrauch am Kapital (§§ 1074, 1075). Ist die Forderung eine verzinsliche, so steht dem Nieß­ braucher der Anspruch auf die einzelnen Zinsraten als eigenes Recht zu, zur Einziehung und Kündigung aber ist er nur in Ge­ meinschaft mit dem Gläubiger befugt, daher kann auch derSchuldner nur beiden gemeinsam kündigen und zahlen (§§ 1076—1079). Auch verbrauchbare Sachen können Gegenstand des Nieß­ brauchs fein, und zwar sowohl für sich allein als auch als Theile eines mit einem Nießbrauch belasteten Vermögens. Es entsteht dann in diesen Sachen ein sog. quasi-ususfructue oder uneigent­ licher Nießbrauch. Denn sowohl nach altem als nach neuem Recht (§ 1067) erlangt der Nießbraucher in diesem Falle nicht ein Nutzungsrecht an fremder Sache, sondern Eigenthum und Gefahr, er wird Schuldner des betreffenden genug und unterliegt nach Endigung desNießbrauchs der condictio eine causa aufErstattung, wenn nicht ein Anspruch aus dem Vertrage vorhanden ist. Vom unverzinslichen Darlehn unterscheidet sich das Rechtsverhältniß dadurch, daß es nach den Nießbrauchsgrundsätzen endet. Jnhaberpapiere und mit Blankoindossament versehene Orderpapiere sind entweder verbrauchbare Sachen (§§ 1084, 92) und in diesem Falle Gegenstand des uneigentlichen Nießbrauchs (§ 1067) oder unverbrauchbare Sachen undstehen alsdann im Eigen­ thum des Gläubigers, aber im Mitbesitz des Gläubigers und des Nießbrauchers. Die Zins-, Renten- und Gewinnantheilscheine ge­ bühren als Urkunden über die dem Nießbraucher zustehenden eigenen Forderungen allein dem Nießbraucher (§§ 1081—1083, 1079). Der Nießbrauch an einem Vermögen oder einer Erbschaft ist ein Nießbrauch an den einzelnen zu dem Vermögen gehörigen Gegenständen und kann daher nur in der Weise begründet werden, daß er an den einzelnen Vermögensgegenständen bestellt wird. Da aber das dem Nießbrauch unterliegende Vermögen durch die auf ihm lastenden Schulden vermindert wird, kann der Nießbraucher keine günstigere Stellung erlangen als der Besteller hatte. Die Folge ist, daß für das Kapital solcher Schulden, die vor Begründung

-es Nießbrauchs entstanden waren, der Besteller zwar persönlich verpflichtet bleibt, daß aber der Nießbraucher sich die Befriedigung dieserSchulden aus den seinem Rechte unterworfenen Gegenständen gefallen lassen muß; die Befriedigung geschieht entweder dadurch, daß der Nießbraucher unmittelbar an den Gläubiger leistet, wozu er berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, oder dadurch, daß er dem Besteller die erforderlichen Gegenstände überläßt, wozu er verpflichtet ist, und daß der Besteller aus ihnen den Gläubiger befriedigt. Die Zwangsvollstreckung kann gegen den Nießbraucher unmittelbar nur dann erfolgen, wenn der Schuldner zur Leistung, der Nießbraucher zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurtheilt ist (§§ 1086, 1087 BGB 737—739 CPO). Für die Zinsen und andere wieder­ kehrende Leistungen dem Nießbrauch vorgehender Schulden haftet der Nießbraucher neben dem Besteller persönlich (§ 1088). Nach der Bestellung des Nießbrauchs entstandene Schulden des Bestellers können die Stellung des Nießbrauchers nicht ver­ schlechtern, daher unterliegen die Nießbrauchsgegenstände gegen den Willen des Nießbrauchers nicht der Zwangsvollstreckung wegen solcher Schulden. 3. a. Rechtsstellung. Der Nießbraucher ist nach altem Recht Detentor, nach neuem Recht Besitzer der Sache, der Eigenthümer der Sache ist mittelbarer Besitzer (§ 868 BGB). b. Der Nießbraucher hat nach altem und neuem Recht die auf der Sache ruhenden öffentlichen und privaten Lasten zu tragen. Dies gilt nach neuem Recht (§ 1047) insbesondere auch betreffs der Zinsen der schon vor Begründung des Nieß­ brauchs auf der Sache ruhenden Hypotheken und Grundschulden, sowie der auf Grund einer Rentenschuld zu entrichtenden Leistungen. Denn alle diese periodisch wiederkehrenden Leistungen pflegen aus den Erträgen der belasteten Sache gedeckt zu werden. Der Nieß­ braucher darf abernicht durch spätere Handlungen des Eigenthümers beeinträchtigt werden. Uebrigens besteht jene Pflicht des Nieß­ brauchers nur dem Eigenthümer gegenüber, der Gläubiger kann sich nur an feinen persönlichen Schuldner oder den Eigen­ thümer der Sache halten (§ 1047). c. Nach altem und neuem Recht (§ 1041) hat der Nießbraucher die Sache in wirthschaftlichem Stande zu halten und nach der Beendigung desNießbrauchs dem Eigenthümer zurückzugeben (§ 1055). Die Folge ist, daß er für Erhaltungskosten keinen Ersatz beanspruchen darf. Zur Erhaltung der Sache gehört regelmäßig auch ihre Versicherung gegen Brandschaden und andere Unfälle (§§ 1C45, 1046). Weitergehende Aufwendungen stehen unter den Grundsätzen von der negotiorum gestio (§§ 1041—1045, 1049), jedoch hat der Nießbraucher das Wegnahmerecht.

574 d. Der Nießbraucher haftet nach altem (1.65 pr. D. 7, 1) und neuem Recht (§276) für jeden Grad von Fahrlässigkeit. Während nach bisherigem Rechte der Eigenthümer ohne weiteres verlangen konnte, daß der Nießbraucher wegen aller seiner 83er« pflichtungen durch Realkaution (cautio usufructuaria) Sicher­ heit leiste, und dem Nießbraucher die Sache vorenthalten oder wieder abnehmen durfte, bis die Kaution gestellt war, giebt das neue Recht (§ 1051) dem Eigenthümer ein Recht auf Sicherstellung nur, wenn durch das Verhalten des Nießbrauchers die Besorgniß einer erheblichen Gefährdung der Rechte des Eigenthümers begründet wird. Das neue Recht giebt dem Eigen­ thümer aber ein weitergehendes Schutzmittel in der Befugniß, die Einsetzung eines Verwalters zu verlangen. Dieses Recht be­ steht sowohl dann, wenn der Nießbraucher zur Sicherheitsleistung rechtskräftig verurtheilt ist und eine ihm vom Gericht auf Antrag des Eigenthümers gestellte Frist hat verstreichen lassen (§ 1052), als auch dann, wenn der Nießbraucher die Rechte des Eigenthümers in erheblichem Maße verletzt und trotz Abmahnung sein Verhalten fortsetzt (§ 1054). Der Eigenthümer kann selbst zum Verwalter bestellt werden, dieser steht in jedem Falle unter der Aufsicht des Gerichtes nach den bei derZwangsverwaltung maßgebenden Grund­ sätzen (§§ 1052, 1054). Der Eigenthümer kann ferner auf Unter« lassung klagen, wenn der Nießbraucher einen ihm nicht zu­ stehenden Gebrauch von der Sache macht (§ 1053). 4. Uebertragung. Der Nießbrauch ist ein höchstpersön­ liches Recht. Nach altem und neuem Recht (§ 1059 BGB, 857 CPO) ist daher nicht das Recht selbst, wohl aber die Ausübung des Rechts (z. B. durch Verpachtung) übertragbar.

§ 212.

Gruuddienstbarkeite« im Allgemeiue«.

Die vom BGB (§ 1018) gegebene Definition der Grund­ dienstbarkeit: „Ein Grundstück kann zu Gunsten des jeweiligen Eigenthümers eines anderen Grundstückes in der Weise belastet werden, daß dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen be­ nutzen darf, oder daß auf dem Grundstücke gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder daß die Ausübung eines Rechtes ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigenthum an dem belasteten Grundstücke dem anderen Grundstücke gegenüber ergiebt", stimmt mit dem bisherigen Rechte überein. Zu der erstgenannten Art gehört z. B. das Gehen, Fahren, Wasserholen, zu der zweiten Art das Recht, das Bauen oder Höherbauen zu verbieten, die dritte Art besteht in dem Ausschluß der sog. Legalservituten. Die G. bilden eine Eigenschaft des „herrschenden" Grundstücks und setzen eine Eigenschaft des „dienenden" Grundstücks voraus.

Letztere soll, wie für das römische Recht angenommen wird, eine causa perpetua et naturalis sein, die Servitut fällt danach ohne Weiteres fort, wenn die dienende Sache jene natürliche Eigenschaft (z. B. fließendes Wasser) verliert, ohne daß der Eigenthümer die Pflicht hätte, die natürliche Eigenschaft durch eine künstliche Anlage zu ersetzen. Das neue Recht hat dieses Erforderniß nicht übernommen, es können demnach vorübergehende Eigenschaften des dienenden Grundstücks sowie auf ihm befindliche künstliche Anlagen Grundlage einer Realservitut werden (§ 1018). Aus dem Wesen des Rechts als eines dinglichen Rechts an fremder Sache folgt, daß der Eigenthümer, der einen Theil seines Grundbesitzes zum Dienste für den andern Theil bestimmt, nur sein Eigenthum ausübt (nemini res sua servil). Veräußert er den einen Theil und wollen die Kontrahenten den Fortbestand der bisherigen Benutzung des abgetretenen Theiles, so wird aus dem thatsächlichen Zustande das Recht einer Realservitut für den herrschenden Theil. Ein weiterer Grundsatz: praedia debent esse vicina soll nur besagen, daß die beiden Grundstücke in einem solchen räumlicken Verhältniß zu einander liegen müssen, daß eine Eigenschaft des einen Grundstücks den Bedürfnissen des andern, wenngleich unter Anwendung künstlicher Anlagen, dienen kann'). In derselben Einschränkung besteht das Erforderniß auch nach neuem Recht. Ein Recht, das im Uebrigen den Inhalt einer Realservitut hat, aber zum persönlichen Vortheil eines Grundeigenthümers oder einer bestimmten Person bestellt ist, unterliegt nach altem und neuem Recht (§ 1019) nicht den Grundsätzen von Real­ servituten. Dem persönlichen Vortheile des Berechtigten aber dient das Recht dann, wenn das Maß der Berechtigung über die Bedürfnisse des Grundstücks hinausgeht. Das Recht, aus einem Walde Holz zu entnehmen, ist daher dann keine Grundgerechtig­ keit, wenn der Eigenthümer des herrschenden Grundstücks nicht auf die Menge und die Art des Holzes beschränkt ist, deren er zur Erhaltung der Gebäude und zur Bewirthschaftung des herr­ schenden Grundstücks bedarf?) Man nannte solche Rechte bisher irreguläre Servituten, fortab heißen sie beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, was sie in Wahrheit sind (§ 1090). Um die große Fülle der Prädialservituten einzutheilen, hat man verschiedene Eintheilungsgründe gesucht. Am gebräuchlichsten wurde die Eintheilung in s. urbanae und s. rusticae. Ent*) Späterer Wegfall der Dtcinität RG 26, 167. 3) Bgl. die auch in Zukunft wichtige Entsch. RG 8, 207; auch RG 1, 829 (1. 5 § 1, 1. 6, 24, 29, 38 § 1 D. 8, 3, 1. 44 D. 19, 2, 1. 12 Cod. 8, 31).

676 scheidend war dabei die Eigenschaft des herrschenden Grundstücks als eines bebauten (praedium urbanum) oder als eines nicht überbauten (p. rusticum). Urbanalservituten waren z. B. die Aussichtsgerechtigkeiten (a. ne altius tollatur, ne prospeetui, luminibus officiatur) und die Baugerechtigkeiten (s. projiciendi [einen Balkon, Erker u. s. w. zu habens, s. tigni immittendi, oneria terendi, atillicidii recipiendi). Rustikalservituten sind der iter (Fußweg), via (Fahrweg), actus (Viehtrieb), aquaeductus. Da­ neben bestehen aber noch die a. aquaehaustua, das jus cretae eximendae, ailvae caeduae und viele andere. Zu diesen dem römischen Recht bekannten sind deutschrechtliche Servituten hinzu­ getreten. In großer Mannigfaltigkeit bestanden Wald- und Weide­ gerechtigkeiten (Beholzungsrecht, Mastgerechtigkeit). Viele dieser Rechte sind durch die Agrargesetzgebung des 19. Jahrhunderts auf­ gehoben oder für ablösbar erklärt worden. Wirkliche Grund­ gerechtigkeiten sind sie nur dann, wenn sie sich den Verhältnissen eines herrschenden Grundstücks anpassen. Die römischen Eintheilungen sind veraltet, § 1018 BGB giebt eine neue Eintheilung nach dem Inhalte des Rechts, ohne daran praktische Folgen zu knüpfen. Die Servituten sind in dem Sinne untheilbar, daß sie weder für noch gegen einen Bruchtheil des Grundstücks noch zu einem bloßen Bruchtheil des Rechts selbst bestellt werden können. Ihre vertragsmäßige Begründung kann nur von allen Miteigenthümern des herrschenden oder dienenden Grundstücks ausgehen, sofern nicht ein Vertretungsverhältniß des einen zu den andern Miteigentümern obwaltet. Wird nach Bestellung der Servitut das herrschende Grundstück getheilt, so dauert nach altem und neuem Recht (§ 1025) die Grunddienstbarkeit fort und zwar, sofern sie nicht an eine Eigenschaft eines bestimmten Theiles (z. B. ein Recht auf freie Aussicht an die einen kleinen Theil des Grundstücks einnehmende Villa) geknüpft war, für die einzelnen Theile. Es kann also jeder Theileigenthümer die volle Servitut ausüben, doch darf sie damit nicht beschwerlicher für das dienende Grundstück werden. Wird das dienende Grundstück getheilt, so besteht nach altem und neuem Recht die Servitut an jedem Theile des belasteten Grundstücks; war sie aber auf einen be­ stimmten Theil des belasteten Grundstücks beschränkt, so werden die anderen Theile frei (§ 1026). Daraus, daß die Servitut schonend (civiliter) ausgeübt werden soll, folgt, daß der Eigenthümer des herrschenden Grund­ stücks die Servitut für spätere Erweiterungen seines Grundstücks nicht in Anspruch nehmen *) kann. Ferner muß er sich gegebenen Falles eine Einschränkung seines Rechts auf einen Theil des Modificirt für Gebäudrserottuten RG 27, 164.

an sich unbeschränkt belasteten Grundstücks gefallen lassen (RG 2, 159 und § 1023 BGB). Für den Schaden aber, den das dienende Grundstück in Folge rechtmäßiger Ausübung der Servitut erleidet, steht der Berechtigte nicht ein (RG 1, 337).

§ 213.

Begründung und Endigung der Dienstbarkeiten.

A. Die Dienstbarkeiten wurden nach bisherigem Recht begründet: 1) Durch Rechtsgeschäft (letztwillige Verfügung oder bloßen Vertrag ohne Uebergabe). Die Bestellung muß vom veräußerungs­ berechtigten Eigenthümer bewirkt werden. 2) Durch Ersitzung, die sich durch eine zwanzig Jahre unter Abwesenden, zehn Jahre unter Anwesenden mit dem animus Juris exercendi, non vi nee clam nee precario fortgesetzte Aus­ übung des Servitutrechts vollendet und eines Titels nicht bedarf. Es genügt zum animus Juris e. der Glaube, ein Recht auf die fragliche Benutzung zu haben, wenngleich diesem Glauben der Irrthum zu Grunde liegt, das Recht sei ein umfassenderes, ins­ besondere Eigenthum. Dieser Art der Entstehung entspricht es, daß die Servitut nur in dem Umfange erworben wird, in dem sie ausgeübt toorben (quantum possessum, tantum praeseriptum). Denn es kann nicht durch fortgesetzten Besitz ein umfassenderes Recht erworben werden als die Betheiligten haben ausüben und dulden wollen (RG. 1, 335). Die Erhaltung einer einmal er­ worbenen Servitut setzt aber nicht nothwendig voraus, daß sie stets bis zur äußersten Grenze des Rechts ausgeübt werde (L 18 D. 8, 3, 1. 8 § 1, 1. 9 D. 8, 6). Ferner kann nach altem und neuem Recht der Nießbrauch auch 3) durch Gesetz entstehen, so der Nießbrauch des Ehemannes am Vermögen der Frau, des Vaters bezw. jetzt auch der der Mutter am Vermögen des Kindes. Das neue Recht weicht hiervon in mehreren Beziehungen ab. Es unterscheidet zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen. An unbeweglichen Sachen sind alle Dienstbarkeiten, an beweglichen ist nur der Nießbrauch möglich. 1. Zur Entstehung einer Servitut an einer unbeweglichen Sache ist entweder a) der formale dingliche Vertrag und die Eintragung im Grundbuche erforderlich; eine letztwillige Verfügung giebt demnach dem Bedachten nur einen persönlichen Anspruch gegen den Erben auf Bestellung der Servitut (§ 873 BGB); b) oder die sog. Buch- oder Tabularersitzung noth­ wendig, die hier darin besteht, daß Jemand das für ihn einEngelmann, d. bürgerliche Recht Deutschlands.

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678 getragene, aber ihm in Wahrheit nicht zustehende Servitutrecht Lurch 30 Jahre ausübt (§ 900 Abs. 2). Die eigentliche Ersitzung ist für alle Servituten an unbeweg­ lichen Sachen als Erwerbsgrund beseitigt. 2. Der Nießbrauch an beweglichen Sachen kann erworben werden: a) durch Uebergabe der Sache auf Grund dinglichen Vertrages (also sog. traditio ex justa causa); betreffs des Besitzerwerbes und des Rechtserwerbes vom Nichtberechtigten gilt hier das, was für den Eigenthumserwerb an beweglichen Sachen Rechtens ist (§ 1032); die körperliche Uebergabe kann durch brevi manu traditio (einen Vorbehalt), durch constitutum possessorium sowie durch Abtretung des Herausgabeanspruches ersetzt werden. Der Nießbrauch an beweglichen Sachen kann auch durch Er­ sitzung entstehen. b) durch Ersitzung, und zwar kommen auch hier die Grund­ sätze von der Ersitzung des Eigenthums an beweglichen Sachen zur Anwendung (§ 1033). 3. Der Nießbrauch an einem Rechte kann nicht durch Er­ sitzung, sondern nur durch Bestellung begründet werden. Die Bestellung geschieht in derselben Weise, wie die Uebertragung des Rechtes erfolgt (§ 1069). B. Eine Servitut wurde nach bisherigem Recht aufgehoben: 1) durch Verzicht, durch Wiederaufhebung desjenigen Rechts, das den Besteller der Servitut zu ihrer Begründung befugt machte, durch Eintritt des Endtermins, der Resolutiv­ bedingung. 2) durch Untergang der belasteten Sache. Wird sie wiederhergestellt, so lebt das Recht wieder auf, der Nießbrauch dagegen dann nicht, wenn die neue Sache sich als eine andere darstellt, als die ursprünglich belastete war. Die Personal­ servituten gehen denn auch schon dann unter, wenn eine wesent­ liche Veränderung der belasteten Sache erfolgt; 3) durch Konfusion; der Erwerb des Eigenthums durch den Nießbraucher wird Konsolidation genannt (§3 I. 2, 4), ist aber nur eine Art der Konfusion. 4) Durch Verjährung, d. h. dadurch, daß der Berechtigte unter Anwesenden zehn, unter Abwesenden zwanzig Jahre hin­ durch die Servitut nicht ausübte (non usus). Bei den ständigen Servituten kann der bloße Zeitablauf nicht ausreichen, weil der bloße Zustand, auf den die Servitut ein Recht giebt, an sich schon eine Ausübung enthält. Daher bedarf es des Eintritts eines der Servitut widersprechenden Zustandes und des Ablaufs der damit in Lauf gesetzten Verjährungsfrist (sog. usucapio libertatis). Der

rechtswidrige Zustand darf aber nicht vi, clam oder precario entstanden sein. Bleibt daneben die Ausübung der Servitut möglich, so bewirkt die usucapio libertatis nur eine Einschränkung des Rechts (RG 14, 211). 5) Personalservituten gehen unter durch den Tod des Berechtigten, bei juristischen Personen nach Ablauf von 100 Jahren, der gesetzliche Nießbrauch durch Endigung des Zustandes, an den das Gesetz seine Entstehung knüpft, Realservituten durch den Untergang der herrschenden Sache. Da aber Gebäudeservi­ tuten nicht dem Gebäude (da dies nur Accession), sondern dem Grundstücke selbst zustehen, so gehen sie auch mit dem Wegfall des Gebäudes nicht unter (RG 27. 164). Nach neuem Recht enden alle Dienstbarkeiten mit dem Unter­ gänge der belasteten Sache. Ein Untergang der Sache liegt in ihrer Verarbeitung oder Umbildung (§ 950 Abs. 2). Grund­ dienstbarkeiten fallen weg mit dem Untergange des herrschenden Grundstücks, persönliche Dienstbarkeiten mit dem Tode der be­ rechtigten Person oder dem Aufhören der berechtigten juristischen Person, ohne daß in diesem Falle eine bestimmte Zeitgrenze gesetzt (§§ 1061, 1090) oder ein Unterschied zwischen eingetragenen und nicht eingetragenen Rechten gemacht würde. Der Eigen­ thümer des mit einer eingetragenen persönlichen Dienstbarkeit belasteten Grundstücks kann also die Löschung herbeiführen, wenn er dem Grundbuchamt den Tod des Berechtigten durch eine öffentliche Urkunde nachweist (§ 29 GBO, vgl. jedoch § 23 das.). Im Uebrigen wird auch hier zwischen beweglichen Sachen, also uneingetragenen Servituten und unbeweglichen Sachen, also eingetragenen Dienstbarkeiten unterschieden. Der Nießbrauch an einer beweglichen Sache endet demnach durch Konfusion, es sei denn, daß der Eigenthümer ein rechtliches Interesse am Fort­ bestände des Nießbrauches hätte, und durch einen dem Eigenthümer gegenüber erklärten Verzicht (§§ 1063, 1064, 1072). Er muß ferner durch Eintritt des Endtermins, der auflösenden Bedingung untergehen und endet mit der Pfandveräußerung der belasteten Sache (1242). Die eingetragenen Dienstbarkeiten erlöschen weder durch Kon­ fusion, noch durch Verjährung, sondern nur durch die auf Grund der formellen Verzichtserklärung erfolgende Löschung deS Rechtim Grundbuche (§ 875). Die Verzichtserklärung muß vom Be­ rechtigten selbst und bei Grundgerechtigkeiten auch von denjenigen abgegeben werden, die Rechte am herrschenden Grundstücke haben (§ 876 BGB vgl. § 21 GBO). Ist also ein zeitlich begrenztes oder auflösend-bedingtes Wohnungsrecht eingetragen, so erlischt

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680 daS Recht nicht mit dem Eintritt des Ereignisses, der Eigen­ thümer hat vielmehr nur den persönlichen Anspruch auf Abgabe der Löschungsbewilligung.

§ 214.

Der Schutz der Dienstbarkeiten.

1. Früheres Recht. Aus dem Rechtsgeschäft, durch das die Servitut begründet wurde, steht dem Berechtigten ein persönlicher Anspruch zur Seite (z. B. die actio venditi, ex teatamento), wenn Derjenige die Servitut stört oder bestreitet, der durch das Rechtsge­ schäft verpflichtet ist. Aber auch in diesem Fallesteht dem Berechtigten, ebenso wie dann, wenn ein Dritter sich der Servitut widersetzt, die dingliche vindicatio servitutis oder a. confessoria zu. Klagegrund ist die Servitut, der Kläger hat also die Entstehung der Servitut und damit auch nachzuweisen, daß der Besteller des Rechts Eigenthümer der belasteten Sache war, und bei Prädial­ servituten, daß er selbstEigenthümer des herrschenden Grundstücks ist. Eine Erleichterung gewährte der publicianische Rechts­ schutz, der auf die Servituten ausgedehnt war. Danach bedurfte es nur des Nachweises, daß der Besteller sich im Usukapionsbesitz der belasteten Sache oder daß der Kläger sich im Usukapions­ besitze der herrschenden Sache befand. Die a. confessoria Publiciana konnte aber nur gegen den Schlechterberechtigten, d. i. gegen denjenigen, der ohne Titel oder unredlich besaß, gerichtet werden. Endlich genoß der Besitz der Servituten possessorischen Sch utz. 2. Das neue Recht giebt Rechts- und Besitzschutz. a. Kommt es dem Berechtigten nur darauf an, eine An­ erkennung seines in Frage gestellten Rechtes d. i. den Haupt­ zweck der a. confessoria, zu erzielen, so dient ihm die Fest­ stellungsklage (§ 25t» CPO). Die vom BGB zum Schutze von Grundgerechtigkeiten und beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (§§ 1027, 1090) gewährte Leistungsklage setzt eine Beeinträchtigung des Rechtes, d. h. einen Zustand voraus, der im Widerspruch steht zu dem Rechte des Klägers (§ 1004), sie gleicht also der gemeinrechtlichen a. negatoria und geht auf Beseitigung der Störung uno, falls weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind, auf Unterlassung. Kläger ist der Servitut­ berechtigte, Beklagter Derjenige, mit dessen Willen die Beeinträch­ tigung erfolgt. Bei beiden Klagen hat der Kläger sein Recht zu beweisen; diesen Beweis führt er der in § 891 aufgestellten Bermuthung gemäß durch Hinweis auf die Grundbucheintragung des geltend gemachten Rechts und, bei Grunddienstbarkeiten, auch seines Eigenthums am herrschenden Grundstücke. Bei derLeistungSklage hat der Kläger ferner die Beeinträchtigung, bei der Fest-

stellungsklage sein Interesse an alsbaldiger Feststellung zu be­ weisen. Die zum Schutze des Nießbrauches anzustellende Klage kann eine Vindikation oder eine Negatoria sein (§ 1065), die erstere dann, wenn dem Nießbraucher der Besitz entzogen ist (§§ 985, 1036), die letztere dann, wenn die Beeinträchtigung in anderer Weise geschieht (§ 1004). Auch hier wird der Beweis des klägerischen Rechtes durch die vom Gesetz aufgestellten Ver­ muthungen erleichtert: dem Nießbraucher einer beweglichen Sache kommt die in § 1006 aufgestellte Vermuthung insofern zu statten, als der Kläger mit dem Nachweise früheren Besitzes auch gleich­ zeitig den Beweis führt, daß er während dieses Besitzes Nieß­ braucher gewesen sei, und daß er mit dem Nachweise gegen­ wärtigen Besitzes auch den Nachweis gegenwärtigen Nießbrauchs führt. Der Nießbraucher hat ferner die Klage aus früherem Besitze gegen den Schlechterberechtigten (§ 1007). Feststellungs- und Leistungsklage können verbunden werden, b. Der Besitzschutz ist entweder Schutz im Besitze der Sache oder Schutz im Besitze des Rechts. Wo Sachbesitz vor­ handen, ist auch Sachbesitzschutz gegeben. Der Schutz im Rechts­ besitze ist beschränkt (f. oben S. 483).

Siebenter Abschnitt. § 215.

Die Reallast.

1. Geschichte. Die Reallast war dem römischen Recht fremd (vergl. 1. 81 § 1 D. 18, 1), sie hat sich im Mittelalter aus den zahlreichen Herrschaftsverhältnissen, welche mit der Unterwerfung der Person auch die Belastung des Grundbesitzes mit der Ver­ pflichtung zu Leistungen verschiedenster Art gegenüber dem Grund­ herrn, der Kirche und anderen Berechtigten verband, entwickelt. Ihre Quellen sind zwar vorzugsweise partikulares deutsches Recht, doch war sie kraft allgemeinen Gewohnheitsrechtes zu einem In­ stitute des gemeinen Rechtes geworden. Mit der Aufhebung jener Herrschaftsverhältnisse wurden in der neueren Zeit allerdings auch die mit ihnen verknüpften Reallasten beseitigt, indessen be­ friedigt das Institut doch auch jetzt noch vorhandene wirthschaftliche Verhältnisse. Das BGB läßt daher nicht nur die vorhandenen Reallasten unberührt, es widmet dem Institute sogar einen be­ sonderen Abschnitt (Art. 184 EG §§ 1105—1112). 2. Begriff. In Uebereinstimmung mit dem bisherigen Rechte definirt das BGB die Reallast in § 1105 in folgender Weise: „Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, daß an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung

582 erfolgt, wiederkehrende Leistungen aus dem Grund­ stücke zu entrichten sind. Die Last kann zu Gunsten einer einzelnen bestimmten Person oder zu Gunsten deS je­ weiligen Eigenthümers eines anderen Grundstücke-be­ stellt werden" (subjektiv-persönliche — subjektiv-dingliche Lasten). Sie sind nicht Servituten, denn sie verpflichten zu einem Leisten, sie sind nicht Hypotheken, denn sie haben nicht den Zweck der Sicherstellung, sie enthalten überdies die Pflicht zu wieder­ kehrenden Leistungen, nicht zu einer einmaligen Kapitalleistung. Ueber ihre rechtliche Natur hat von jeher Streit geherrscht. Eine Reihe von Konstruktionen hat keinen Anklang gefunden.') In der Gegenwart bewegt sich der Streit um die Frage, ob die Reallast eine reine Obligation, ein reines dingliches Recht oder ein mit einer Realobligation verbundenes dingliches Recht ist. Nach der ersten, von v. Gerber, v. Savignv und Stobbe vertretenen Auf­ fassung besteht die Eigenthümlichkeit der Obligation nur darin, daß der Verpflichtete durch den jedesmaligen Eigenthümer einer Sache bestimmt wird, nach der Auffassung, welche eine Verbindung zweier Rechte konstruirt, ist die Belastung als Ganzes dinglicher Natur, die einzelne Leistung aber Gegenstand einer Obligation. Der modernen Gesetzgebung entspricht am meisten die Annahme eines reinen dinglichen Rechts. Die Berechtigung belastet das Grundstück und deshalb den einzelnen Eigenthümer, daher haftet der Eigenthümer nur mit dem Grundstück für die einzelne Leistung, mithin auch für rückständige Leistungen aus der Besitzzeit des früheren Eigenthümers. Das BGB schließt sich dieser Auffassung insofern an, als es die Reallastberechtigung als dingliches Recht und ebenso die Haftung für die einzelnen Leistungen als dingliche Belastung aufsaßt (§§ 1105, 1107 BGB, § 10 Nr. 4 ZwstG), daneben aber den Eigenthümer für die während seiner Besitzzeit fällig werdenden Leistungen auch persönlich haftbar macht und daher bei einer Theilung des Grundstücks dieMiteigenthümer als Gesammtschuldner behandelt (§ 1108). Mit dieser persönlichen Haftung ist nicht zu verwechseln die etwa persönliche Verpflichtung des Begründers der Reallast aus dem ihrer Begründung zu Grunde liegenden Rechtsgeschäfte. Die Reallast kann einen Theil des für ein Grundstück versprochenen

Kaufpreises darstellen, der Käufer haftet dann neben dem Grund­ stückseigenthümer persönlich (a. venditi). 3. Arten. Die Reallast kann dem öffentlichen wie dem Privatrecht angehören, a. Zu den ersteren gehören z. B. die Verpflichtungen von Grundeigenthümern zur Leistung von Deichl) S. ihre Zusammenstellung bet v. Gerber § 169 und StobbrL § 101.

lastbeiträgen, zuKirchen- undSchulabgaben. DieGrundsteuer dagegen ist einereineSteuer, eine allgemeine Abgabe, welche von den Personen der Grundbesitzer geleistet und deren Höhe nur nach dem Werthe des Grundvermögens bestimmt wird. Die öffentlich-rechtlichen Reallasten werden auch in Zukunft ausschließlich dem Landesrecht unterliegen, b. Die privatrechtlichen Lasten konnten stüher durch Gesetz, Willenserklärung oder Ersitzung, können nach dem vom BGB auch für sie eingeführten Eintragungsprinzipe jetzt aber nur durch die auf Grund dinglichen Vertrages erfolgende Ein­ tragung im Grundbuche entstehen (§ 873). Aufgehoben wird die Reallast nach altem und neuem Recht durch Wegfall des berechtigenden oder belasteten Grundstücks, nach früherem Recht auch durch Verzicht, Konfusion und Verjährung (d. h. non Usus während 30 oder 40 Jahren), während nach neuem Recht nur die Löschung der Last im Grundbuche auf Grund formaler Löschungsbewilligung dieLast beseitigt, selbst dann, wenn das Recht an eine bestimmte Person gebunden ist und diese wegrällt, oder die Last sonst zeitlich beschränkt ist und das beendende Ereigniß eintritt (§ 875). Dagegen unterliegt der Anspruch auf die einzelne Leistung nach'altem und neuemRecht derVerjährung, und zwar nach neuem Recht (§§ 1107, 197) einer solchen von 4 Jahren. Die Reallast endet durch den Zuschlag des belasteten Grund­ stücks, wenn sie nicht bei Fesfftellung des geringsten Gebots be­ rücksichtigt ist (§ 52 ZwstG mit dem Vorbehalt in § 9 EG hierzu). Eine eigenthümliche Beendigungsart bildete bisher dieAblösung. Im Laufe des 19. Jahrhunderts aus volkswirthschaftlichen Gründen öfter durch Gesetz angeordnct, besteht sie in der Zahlung des Kapitalwerthes der Last an den Berechtigten. Ob das Kapital, das nach Feststellung des Geldwerthes der einzelnen Leistung und entsprechender Vervielfältigung dieses Werthes be­ rechnet wird, durch einmalige Zahlung getilgt oder im Wege der Amortisation abgetragen wird, ist gleichgültig, da die Reallast in jedem Falle aufgehoben wird. Diese Art der Aufhebung kann jetzt nur noch bei denjenigen Lasten vorkommen, welche dem Landes­ recht unterworfen bleiben. Denn nach dem BGB würde die Ablösung dem Eigenthümer des belasteten Grundstücks nur einen Anspruch auf Löschungsbewilligung geben. Wird das berechtigende Grundstück getheilt, so entstehen bei Theilbarkeit des Rechts so viele einzelne Realberechtigungen als Theile vorhanden sind, während bei Untheilbarkeit des Rechts eine gemeinschaftliche Berechtigung enffteht (§§ 1109, 432 BGB). Die Realberechtigung ist regelmäßig an eine bestimmte Person oder an ein bestimmtes Grundstück gebunden, sie ist daher nach altem und neuemRecht (§§ 1110,1111) regelmäßig unübertragbar.

684 4. Rechtsschutz, a. Zum Schutz der privatrechtlichen Real­ last gab das alte Recht petitorische und possessorische Rechtsmittel. War das Recht streitig, so konnte eine Feststellungsklage ausreichen, andernfalls eine Klage nach Analogie der a. con­ fessoria zum Ziele führen. Die einzelne Leistung war Gegen­ stand einer dinglichen Klage nach Art der a. hypotheearia, sie ging auf Verurtheilung des Beklagten zur Vermeidung derZwangsvollstreckung ins Grundstück. War so die Beitreibbarkeit der Leistung aus dem Grundstück festgestellt, so konnte auf Antrag des Klägers sowohl die Zwanasverwaltung als die Zwangsver­ steigerung des belasteten Grundstücks erfolgen. Der Besitz einer Reallast entstand durch Entgegennahme der animo solvendi, wenngleich nur ein Mal, gemachten Leistung. Zum Schutze eines so entstandenen Besitzes konnte die Besitzklage erhoben werden, dem verurtheilten Eigenthümer stand aber die a. negatoria offen. Auch wegen Unterlassung oder Verweigerung der einzelnen Leistung konnte possessorisch geklagt werden, b. Nach neuem Recht kann auf Feststellung des Rechts selbst nur dinglich, auf die einzelne Leistung dinglich oder persönlich geklagt werden (§§ 1107, 1108). Einen Besitzschutz gewährt das BGB nicht, denn er ist überflüssig. Die öffentlich-rechtlichen Reallastleistungen werden im Wege der Verwaltungsexekution beigetrieben. Ueber das Bestehen der Last entscheidet regelmäßig die Verwaltungsbehörde. 5. Der Rentenkauf. Ein im Mittelalter häufig vorkommendes Institut war die in Folge Nentenkaufs begründete Rentenschuld. Sie kam insbesondere in den Städten in der Weise vor, daß ein Kapitalbesitzer einem Hausbesitzer eine Summe Geldes gab und dieser dafür die Zahlung einer Rente an jenen übernahm. Der Ren­ tengläubiger konnte das Kapital selbst nicht zurückfordern, die Rente war Gegenleistung für das unwiderruflich hingegebene Kapital, man sah daher in dem Geschäfte den Kauf einer Rente, in dem Rentenberechtigten den Käufer. Der Verkäufer belastete nur das Grundstück, nicht sein übriges Vermögen, er erlangte, abgesehen von vertragsmäßiger Vereinbarung, früh durch Gesetz das Recht, die Rente durch ein Kapital abzulösen. Erfolgte die Renten­ zahlung nicht, so konnte der Rentenkäufer sich im Wege der Exe­ kution das Grundstück übereignen lassen. Der Gläubiger erhielt eine Urkunde, den Rentenbrief, die häufig auf den Inhaber gestellt wurde. Seit dem 17. Jahrhundert wurde das Geschäft durch die moderne Hypothek fast völlig verdrängt. Denn diefe gewährte beiden Theilen das Kündigungsrecht und verhaftete außer dem Grundstücke das gesammte Vermögen des ursprüng­ lichen Schuldners.

Die Rentenschuld kommt noch in einer andern, durch wirthschaftliche Bedürfnisse der Gegenwart begünstigten Gestalt vor. Der Erwerber eines Grundstücks zahlt statt des Kaufpreises eine Rente, oder der frühere Reallastpflichtige zahlt an Stelle des Ablösungskapitals eine Rente; sie dient also zur Erleichte­ rung einer Verpflichtung, im ersten Falle zugleich zur Erleichterung des Grunderwerbs, und man bezeichnet die in dieser Weise er­ worbenen Güter gewöhnlich als Rentengüter. Das BGB läßt die Rentenschuld als dingliche Belastung sowohl in Form der Reallast als in der der Grundschuld zu. Die Reallast kann zur Leistung sowohl von Geldrenten als von anderen Renten, die Rentengrundschuld immer nur zu Geldlei­ tungen verpflichten. Die Rentengrundschuld begründet aus­ schließlich dingliche, die Reallast eine auch persönliche Haftung ür die einzelne Leistung. 6. Eme andere in der Gegenwart sehr häufig vorkommende Reallast bildet das Leibgedinge (der Altentheil oder Auszug). Es bildet stets eine Gegenleistung für die Ueberlassung eines kleineren (bäuerlichen) Landgutes und kann sich auf Gewährung eines Wohnungsrechtes beschränken, auch in der Einräumung des Nießbrauchs am ganzen Gute oder an einem Theile des Gutes bestehen. Reallast ist der Auszug nur dann, wenn der Altsitzer das Recht erlangt, fortlaufende Leistungen zu verlangen. Das Rechtsinstitut zeigt starke partikulare Verschiedenheiten, welche das BGB aufrecht erhält (Art. 96 EG u. Art. 15 des preuß. Ausführungsgesetzes vom 20. September 1899).

Achter Abschnitt. § 216.

Das Pfandrecht.

Begriff und Geschichte der Pfandrecht-.

Im allgemeinsten Sinne ist Pfandrecht das an einem Vermögensgegenstande bestehende Recht des Gläubi­ gers, den Gegenstand zum Zwecke der Befriedigung seiner Forderung zu verwerthen. Diese Verwerthung ist das Ziel, aber auch die am weitesten gehende Bethätigung des Pfandrechts. Sie geschieht regelmäßig durch Verkauf, kann aber auch in anderer Weise erfolgen, und nur weil das Pfandrecht diese Befugniß gewährt, bildet es schon vor ihrer Ausübung eine Sicherheit für die Befriedigung derjenigen Forderung, für die es besteht. Es gewährt im Gegensatze zur Bürgschaft, welche dem Gläubiger einen zweiten persönlichen Schuldner schafft und also immer auf dem Personalkredit des Schuldners und des Bürgen beruht, eine Realsicherheit, die von den persönlichen

586 Eigenlasten des Schuldners nicht abhängt und also auf dem Realkreoit, d. h. dem der Verwerthbarkeit der Sache geschenkten Vertrauen, beruht. I. Dem Zwecke der Sicherstellung diente im altrömischen Recht die mancipatio oder in jure cessio. Wer seinem Gläu­ biger Realsicherheit gewähren wollte, konnte das nur auf dem Wege erreichen, daß er seinem Gläubiger da- Eigenthum an einer Sache verschaffte; die Uebertragung geschah aber unter der Abrede der Rückübertragung nach Tilgung der Schuld (b. h. fidei, fiduciae causa). Der Gläubiger erlangte dadurch eine äußerst vortheilhafte Stellung gegenüber dem Schuldner, da dieser auf die — allerdings infamirende — persönliche actio fiduciae an­ gewiesen war. Dem nur auf Sicherstellung gerichteten Zwecke dieses Rechtsgeschäftes wurde dadurch Rechnung getragen, daß der Gläubiger den Werth der von ihm gezogenen Früchte vom Schuldbeträge abzuziehen hatte. Sicherstellung des Gläubigers glaubte der Verkehr auch da­ durch zu erreichen, daß man dem Gläubiger durch Vertrag den bloßen Besitz und die Verkaufsbefugniß einräumte (pactum de vendendo). Obwohl der Gläubiger damit nur die Detention der Pfandsache erlangte, schützte ihn der Prätor in der Detention, der Pfandbesitz wurde dadurch zum Interdikten- (abgeleiteten) Besitze. Man nannte diese Form der Sicherstellung pignus, ging aber in offenbarer Anlehnung an ein griechisches Vorbild so weit, dem Gläubiger ein Recht auf den Besitz einzuräumen, wenn der Schuldner ihm das bloße Verkaufsrecht, nicht auch zugleich den Besitz übertragen hatte (pactum hypothecae): Die letztere Verpfändungsform kam insbesondere im Anschluß an die Verpachtung ländlicher Grundstücke vor, indem der Pächter dem Verpächter das Zugriffsrecht an den sog. invecta et illata ein­ räumte. Denn um das Verkaufsrecht ausüben zu können, mußte der Gläubiger vorerst den Besitz der Sache haben. Das prä­ torische Recht half auch hier, indem es dem Verpächter das interd. Salvianum (ein int. adipiscendae possessionis) gegen den Pächter, gegen Dritte aber eine der Vindikation nachgebildete Klage, die actio Serviana, gab. Später wurde diese Klage in jedem Falle einer hypotheca als utilis oder quasi Serviana gewährt, worauf sie den Namen a. hypothecaria annahm. Diese dingliche Klage wurde nun auch beim pignus gegeben, wenn der Pfandgläubiger den Besitz aufgegeben oder sonst verloren hatte, ihn aber zum Zwecke des Verkaufes wiedererlangen wollte. So war das Pfandrecht selbst zu einem dinglichen Rechte geworden, man wandte die Grundsätze des Pfandrechts in ent­ sprechender Weise indessen auch da an, wo dem Gläubiger nicht

durch Hingabe einer körperlichen Sache, sondern durch Gewäh­ rung des Zugriffsrechts an einer Forderung Sicherheit gewährt wurde. Die beiden Verpfändungsformen, das pignua und die hypotheca, blieben nebeneinander bestehen, aber sie näherten sich in einer Weise, daß gesagt werden konnte, inter pignua et hypothecam tantum nominia aonua differt (Marcianua in 1. 5 § 1 D. 20, 1). Die Gleichstellung war in der That eine vollständige. Denn das römische Recht legte keinen Werth darauf, daß der Gläubiger den Besitz des pignua wirklich erhielt oder behielt, vielmehr konnte die Besitzübertragung durch conatitutum poaaeaaorium erfolgen, und auch die spätere Rückgabe der Sache an den Verpfänder hob das Pfandrecht nicht auf. Dazu kam, daß für Verpfändung beweglicher und unbeweglicher Sachen die gleichen Grundsätze galten und daß das römische Recht in vielen Fällen gesetzliche Pfandrechte am ganzen Vermögen des Schuldners zuließ. II. Das römische Pfandrecht konnte den Bedürfnissen des Verkehrs nicht genügen, da es nicht zur Anerkennung des Rechts­ gedankens gelangte, daß ein gegen Jeden wirkendes Recht auch erkennbar sein müsse. Es bestand daher für den gutgläubigen Käufer einer verpfändeten Sache die Gefahr, die Sache an den Pfandgläubiger herausgeben zu müssen, und ein jeder Kredit­ geber mußte mit der Möglichkeit rechnen, daß die ihm zu ver­ pfändende Sache schon mit älteren Pfandrechten belastet sei oder daß der Schuldner später ein Rechtsverhältniß eingehen könne, das die Entstehung eines bevorzugten Pfandrechtes zur Folge hatte. Auch die Verweisung des Gläubigers auf seinen persönlichen Schuldner, wenn er vom dritten Besitzer der Pfandsache Herausf;abe verlangte, nöthigte zu vorheriger Ausklagung des per« änlichen Schuldners und widersprach dem Zwecke der Pfand­ bestellung. Das deutsche Recht machte eine ähnliche Entwicklung durch. Denn auch das ältere deutsche Recht suchte den Zweck der Sicher­ heitsbestellung durch Eigenthumsübertragung zu erreichen. Später griff man in der sog. älteren Satzung zur Begrün­ dung eines Rechts an fremder Sache, aber mit Uebertragung der (Satzungs-) Gewere und Ueberlassung der Nutzungen an den Gläubiger zum Zwecke der Schuldtilgung, und in der neueren Satzung zur Begründung der Wirkungen einer bloßen Beschlag­ nahme, wobei der Schuldner Eigenthum und Besitz behielt. Aber das deutsche Recht sorgte insofern besser für den Realkredit, als es bei unbeweglichen Sachen die Eintragung der Verpfändung in ein öffentliches Buch verlangte, gesetzliche und bevorzugte Pfand­ rechte und auch ein Recht des Pfandsachenbesitzers, den Gläubiger

688 an den persönlichen Schuldner zu verweisen, nicht kannte, und als es bei Fahrhabe den Grundsatz: „Ohne Faust kein Pfand" befolgte, also Besi ^Übertragung verlangte. III. Merkwürdigerweise wurden diese in zahlreichen lokalen Gewohnheitsrechten und Statuten zersplitterten Grundsätze gegen­ über dem Ansturm des einheitlich geschlossenen römischen Rechts fast überall aufgegeben. Die neuere Zeit besann sich aber nach einiger Zeit der Ueberlegenheit ihrer heimischen Einrichtungen und knüpfte an sie an, als sie zur Beseitigung des römischen Rechtes schritt. Letzteres blieb allerdings als gemeines Recht überall da stehen, wo die modernen Partikulargesetze keine aus­ schließliche Geltung in Anspruch nahmen. Das neuere deutsche Recht wich vom gemeinen Rechte in vielen Punkten von grundsätzlicher Bedeutung ab (z. B. §§ 14, 15 EG z. KO) und auch das BGB enthält eine zeitgemäße Fortbildung der bewährten deutsch-rechtlichen Gedanken. Es unterscheidet streng zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen. An beweglichen Sachen kann nur ein „Pfandrecht", an unbeweg­ lichen Sachen nur eine Hypothek entstehen; beide Arten des Pfandrechts sollen Dritten erkennbar sein. Daher kann die Hypothek nur durch Eintragung im Grundbuch begründet werden, für das Pfandrecht an beweglichen Sachen (das Pfandrecht im engeren Sinne) bildet der Besitz des Pfandgläubigers ein aus­ reichendes Erkennungsmittel des Pfandrechtes, deshalb sucht das BGB, so weit als möglich, das Pfandrecht an den Sachbesitz zu knüpfen. Hier soll zunächst in Verbindung mit dem Pfandrecht an beweglichen Sachen das gemeine Recht dargestellt werden. In einem besonderen Abschnitte wird alsdann das Hypothekenrecht des BGB folgen/

A. vag Pfandrecht im engeren Sinne. § 217. Der Begriff des Pfandrecht». Die vom BGB in § 1204 gegebene Erklärung: „Eine bewegliche Sache kann zur Sicherung einer Forderung in der Weise belastet werden, daß der Gläubiger berechtigt ist, Befriedigung aus derSache zu suchen (Pfandrecht)," stimmt mit der vom bisherigen Rechte gegebenen Begriffsbestimmung überein (s. oben S. 585)'). Das Pfandrecht an körperlichen Sachen ist, was nicht unbestritten,') ein dingliches Recht, es überdauert demnach jeden Wechsel — *) Bgl. hierüber Ekonietzki in Ragow und Itüntzel, Beiträge zur Erläuterung de» deutschen Recht». 8b. 27 S. 412 ff. o. Schwind: Wesen und Inhalt de» Pfandrecht». 1899.

im Eigenthum der Sache, nach altem Recht unbedingt, nach neuem Recht aber nicht gegenüber einem gutgläubigen Erwerber (§§ 936, 932). Das Pfandrecht an Rechten hat zwar denselben Inhalt, wie das Pfandrecht an körperlichen Sachen, denn auch hier geht auf den Gläubiger das dem Pfandschuldner zustehende Ver­ werthungsrecht über. Daß es nicht als dingliches Recht bezeichnet werden kann, hat seinen Grund nur darin, daß man als dinglich nur die Rechte an Sachen zu bezeichnen pflegt; ein absolutes Recht ist es jedenfalls. Das Pfandrecht ist nach altem und neuem Recht ein accessorisches Recht, es setzt das Bestehen einer Forderung voraus. § 218.

Die Voraursetzunge« des Pfandrecht-.

Die Entstehung des Pfandrechts setzt voraus 1. eine Forderung; welchen Inhalt und welchen Gegen­ stand die Forderung hat, ist gleichgültig; bedingte und betagte, auch ihrem Umfang nach unbestimmte Forderungen können durch Pfand gesichert werden, aber der Verkauf des Pfandes ist vor Fälligkeit der Forderung nicht zulässig. Nach gemeinem Recht kann auch eine Naturalobligation Grundlage für ein Pfandrecht sein, dasselbe gilt nach neuem Recht für verjährte Forderungen (§ 223) und muß überall da gelten, wo nur der Klagezwang ausgeschlossen ist, nicht auch da, wo das Gesetz jede Verbindlich­ keit ausschließen will (§§ 656, 762, 764); nach altem und neuem Recht haftet das Pfand für den jeweiligen Umfang der Forde­ rung, jedenfalls also für die gesetzlichen Zinsen und die etwa durch den Verzug begründeten besonderen Verpflichtungen, es haftet ferner für die Vertragsstrafe, für die auf die Sache ge­ machten Verwendungen und für alle zum Zwecke der Ausübung des Pfandrechts aufgewendeten Kosten (§ 1210); es haftet nach altem Recht, wenn dies der Wille des Verpfänders war, nach neuem Recht unbedingt für die vertragsmäßigen Zinsen. Die pignoris causa est indiviaa, d. h. es haftet das ganze Pfand auch wegen des kleinsten Theiles der versicherten Forderung. 2. Vorausgesetzt ist ferner ein tauglicher Gegenstand; nach altem Recht kann jede Sache, nach neuem Recht jede bewegliche Sache, welche Vermögenswerth hat und veräußert werden kann, Gegenstand eines Pfandrechts sein, daher auch vertretbare und verbrauchbare Sachen, Jnbaber- und Ordrepapiere. Ob mit der Hauptsache auch ihre Zubehörstücke verpfändet sind, ist Frage der Auslegung; dasselbe galt nach altem Recht für die Früchte der Sache, doch galten sie im Zweifel als mitverpfändet, wenn sie mit der Trennung in das Eigenthum deS Verpfänders fielen, während nach neuem Recht (§ 1212) das Pfandrecht ohne Wei-

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tereS sich auf die Erzeugnisse miterstreckt, die von dem Pfande ge­ trennt werden. Ungetrennte Früchte können nicht selbständig Gegenstand einer Verpfändung sein, weil sie nicht selbständige Sachen sind. Die CPO (§ 810) gestattet jedoch ihre Pfän­ dung aus Zweckmäßigkeitsrücksichten. Ferner können nach altem und neuem Rechte (§§ 1273, 1274) Gegenstand eines Pfandrechts auch Rechte sein, sofern sie übertragbar sind, weshalb der Nießbrauch nur in der Weise zu Pfandzwecken verwendet werden kann, daß dem Gläubiger die Ausübung des Nießbrauchs überlassen wird. Rechte, welche die Eigenschaft unbeweglicher Sachen haben, können nach neuem Recht nur mit einer Hypothek belastet werden (§ 1017 BGB). Man behauptet auch die Zulässigkeit eines sog. Afterpfand­ rechts (eubpignus), aber es liegt in der Bestellung eines solchen Rechtes weder eine Verpfändung des Pfandrechtes, das für sich allein weder nach altem noch nach neuem Recht (§ 1250) über­ tragen werden kann, noch eine Verpfändung der Pfandsache, sondern eine Verpfändung der durch Pfand versicherten Forderung. 3. Das Pfandrecht verlangt einen Entstehungsgrund. Das Pfandrecht kann mit dem Willen, es kann ohne und es kann gegen den Willen des Pfandschuldners entstehen. a) Im Falle der Entstehung mit dem Willen des Ver­ pfänders spricht man von Pfandbestellung. Diese setzt nach altem uno neuem Recht eine Willenserklärung des Verpfänders voraus. Aber, während nach gemeinem Recht die bloße Willenserklärung ausreichte, ein Pfandrecht, eine hypotheca, zu begründen, muß nach neuem Recht (§§ 1205, 1274) zur Willenserklärung die Besitzeinräumung hinzutreten, das neue Pfandrecht ist also Besitzpfand; und während nach bisherigem Rechte der Ver­ pfändungswille sich in einem Vertrage (dem pactum hypothecae) oder einer letztwilligen Verfügung aussprechen konnte, kann er nach neuem Recht nur durch den formellen dinglichen Ver­ trag bethätigt werden. Eine letztwillige Verfügung giebt also dem Gläubiger nur einen Anspruch auf Vornahme des Pfand­ bestellungsaktes. Zur Bestellung eines gültigen Pfandrechts ist nach altem Recht nur der Eigenthümer befugt. Der Nichteigenthümer kann ein Pfandrecht unter der Voraussetzung begründen, daß er später das Eigenthum erwirbt, auch kann das unwirksam bestellte Pfandrecht gültig werden (konvalesciren), wenn der Eigenthümer zustimmt (§ 185), der Verpfänder Eigenthümer oder der Eigenthümer Erbe des Verpfänders wird. War der Ver­ pfänder Usukapionsbesitzer, so erlangte auch der Gläubiger nur publicianisches Pfandrecht, weshalb er auch auf den Käufer nur

Usukapionsbesitz übertrug. Nach neuem Recht gilt (§ 1207 BGB, §§ 366, 367 HGB) für den Erwerb des Pfandrechts dasselbe, was bei der uebergabe zu Eigenthum Rechtens ist. Danach erwirbt der gutgläubige Pfandnehmer auch vom Nichteigenthümer ein gültiges Pfandrecht, nur nicht an gestoh­ lenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen, es handle sich denn um Geld- oder Jnhaberpapiere (§§ 932, 934, 935 BGB), und im Handelsverkehre gilt als guter Glaube auch der Irrthum über die mangelnde Verfügungsbefugniß des Nichteigenthümers (§§ 366, 367 HGB). Wird eine Sache verpfändet, die schon mit dem Rechte eines Dritten belastet ist (Nießbrauch, Pfandrecht), so geht das Pfandrecht jenem älteren Rechte vor, wenn der Pfandnehmer von jenem Rechte ohne grobe Fahrlässig­ keit keine Kenntniß hat (§ 1208). Nach römischem Recht ist die Begründung eines Pfandrechtes ohne Besitzübertragung möglich. Im Falle der hypotheca reicht der bloße Vertragsschluß zur Bestellung des Pfandrechtes aus, und da das pignus Besitzübertragung nur nach den für diese maßgebenden allgemeinen Grundsätzen verlangt, reicht die Besitz­ übertragung durch Willenserklärung, insbesondere durch constitu­ tum possessorium, aus. Dies galt im römischen Rechte für bewegliche und unbewegliche Sachen. Im Gegensatze hierzu läßt das deutsche Recht ein Pfandrecht an Fahrniß nur durch Einräumung der Gewere entstehen („Ohne Besitz kein Pfand", „Ohne Faust kein Pfand"), jedenfalls war dem ohne Besitzt) bertraaung eingeräumten Pfandrechte die Wirkung gegen Dritte entzogen. Dem deutschen Rechte schlossen sich zahlreiche moderne Par­ tikulargesetze und die Reichsgesetzgebung an. Sie brachten den richtigen Gedanken zum Ausdruck, daß ein Allen gegenüber wirk­ sames Recht auch für Alle, insbesondere für andere Gläubiger desselben Schuldners, erkennbar sein müsse, und entzogen daher einem nicht erkennbaren Rechte die Wirksamkeit gegen Dritte, d. h. die Eigenschaft des dinglichen Rechtes: der Gläubiger hat vor Herstellung der Erkennbarkeit nur einen persönlichen An­ spruch auf Bestellung eines wirksamen Pfandrechtes. Die Er­ kennbarkeit des Pfandrechtes ist aber dadurch genügend gesichert, daß der Gläubiger die Gewahrsam der Pfandsache hat. Daher verlangt das heutige Recht, daß die Pfandsache wirklich über­ geben und im Besitze des Gläubigers belassen werde. Auf diesem Standpunkte stand insbesondere die bisherige KO (§§ 40, 41) und das zu ihr erlassene Einführungsgesetz vom 10. Februar 1877 (88 14, 15). Das BGB (§§ 1205, 1253) schließt sich dem deutschen

692 Recht und der modernen Gesetzgebung an. Auch nach ihm ge­ hört zur gültigen Bestellung eines Faustpfandes, daß der Gläu­ biger den Besitz der Sache erlange und behalte. Daher ist grundsätzlich Uebergabe der Sache an den Gläubiger er­ forderlich. Doch sind einige Ausnahmen zugelassen: a) die sog. traditio brevi manu reicht zur Pfandbestellung aus, denn sie bewirkt, daß dem Pfandgläubiger der Besitz, den er schon hat, verbleibt. Dagegen ist das constitutum possessorium nicht geeignet, Pfand besitz und Pfandrecht zu geben, weil es dem Ver­ pfänder den Besitz beläßt. Aus gleichem Grunde hebt eine spätere Rückgabe der Sache vom Pfandgläubiger an den Verpfänder oder Eigenthümer das vorhanden gewesene Pfandrecht auf. Zur Pfandbestellung reicht ferner aus die Uebertragung des mittel­ baren Besitzes vom Eigenthümer an den Pfandgläubiger, falls die Sache sich im unmittelbaren Besitze eines Dritten befindet und daher dem Pfandgläubiger nicht zu unmittelbarem Besitze übergeben werden kann. Zur Vollendung der Pfandbestellung gehört in diesem Falle aber Mittheilung von der Uebertragung des mittelbaren Besitzes an den unmittelbaren Besitzer, c) Endlich reicht die Einräumung des Mitbesitzes aus, sofern der Zutritt zu der Sache ein gemeinschaftliches Handeln des Gläubigers und des Eigenthümers nothwendig macht (Mitvcrschluß. § 1206). Das Bedürfniß, auch in diesen Fällen die Begründung eines Pfandrechts zu ermöglichen, nöthigt dazu, von der strengen Durchführung des Erkennbarkeitsprinzips abzulassen: cs genügt in diesen Fällen, daß dem Verpfänder die alleinige Verfügung über die Sache entzogen wird. Die Verpfändung eines Rechtes verlangte nach bisherigem Recht nur die formlose Willenseinigung der Kontrahenten oder letztwillige Verfügung, nach neuem Recht soll auch hier ein dem Besitze ähnlicher, nach außen wahrnehmbarer Zustand geschaffen und daher zur Verpfändung dieselbe Form gewählt werden, welcher die Uebertragung des Rechts bedarf, zur Verpfän­ dung von Forderungen ist in jedem Falle außer Ab­ tretungs-Erklärung die Benachrichtigung des Schuldners durch den Verpfänder erforderlich (§§ 1274,1280). Die Ueber­ gabe der Schuldurkunde reicht nicht aus, ist aber auch nicht nothwendig. Die Verpfändung einer Briefhypothek oder Brief­ grundschuld verlangt außer schriftlichem Vertrage oder Eintragung die Uebergabe des Briefes (§§ 1274, 1154, 1291). Die BerPfändung eines Ordrepapieres geschieht durch Uebergabe des auf oen Pfandgläubiger indossirten Papieres (§ 1292), der Pfand­ gläubiger wird damit fiduciarischer Gläubiger aus dem Papiere.

Jnhaberpapiere werden durch Uebergabe verpfändet, Papiere, in denen der Gläubiger benannt ist, die aber an jeden Inhaber gezahlt werden können, unterliegen den Bestimmungen über Ver­ pfändung von Forderungen. b. Ohne den Willen des Pfandschuldners tritt das gesetz­ liche Pfandrecht ein. Ein gesetzliches Pfandrecht ist dann vorhanden, wenn das -Gesetz mit einer Forderung ein Pfandrecht an Vermögensgegen­ ständen des Schuldners verbindet. Es bedarf dann keiner Be­ stellung des Pfandrechts, das Pfandrecht ist vielmehr mit der Forderung von selbst gegeben (daher auch pignua tacitum genannt). Das römische Recht kannte solcher Pfandrechte eine beträcht­ liche Zahl, und zwar auch solche, die das gesammte Vermögen des Schuldners ergriffen. Man theilte sie ein in spezielle, d. h. solche, denen nur einzelne Vermögensgegenstände unterworfen waren, und generelle, d. h. solche, denen das ganze Vermögen unterlag. Zu den ersteren fügte das HGB noch einige hinzu. Das neue Recht kennt zwar auch gesetzliche Pfandrechte, aber keine Generalhypotheken mehr, sondern nur noch Spezialpfandrechte. Von dem wichtigsten dieser Rechte, dem Pfandrechte des Ver­ miethers (und Verpächters) und Pächters ist oben S. 352 ge­ handelt, und auch die anderen Pfandrechte, das des Unternehmers (§ 647), des Gastwirths (§ 704), des Kommissionärs, Spedi­ teurs, Frachtführers, Verfrachters und Schiffseigners (§§ 397, 440, 623, 674 HGB § 66 des Binnenschiff.-Ges. v. 15. 6. 95), sind erwähnt worden. Ein gesetzliches Pfandrecht steht ferner demjenigen, der ein Recht auf Sicherheitsleistung hat, an den hinterlegten Gegenständen (§ 233 BGB), und demjenigen, der Anspruch auf Berge- und Hülfslohn, sowie auf Erstattung von Bergungs- und Hülfskosten hat, an den geretteten Sachen zu (§ 751 HGB). Das Pfandrecht, das der Vermächtnißnehmer an den ererbten Sachen des Belasteten und das Mündel an den mit seinem Gelde angeschafften Sachen des Vormundes hatte, ist vom BGB nicht ausgenommen worden. Während ferner nach altem Recht Derjenige, der zur Wiederherstellung eines Gebäudes ein Gelddarlehn gab, am Gebäude ein gesetzliches Pfandrecht hatte, hat nach neuem Recht (§ 49* KO) Derjenige, der etwas zum Nutzen einer Sache verwendet hat, ein Recht auf abgeson­ derte Befriedigung an der zurückbehaltenen beweglichen Sache. Gesetzliche Generalhyporheken hatten nach altem Recht: a) der Fiskus wegen direkter Abgaben und wegen Kontrakts­ forderungen. Davon hat sich nur das Recht der Reichskasse, der Staatskasse und der Gemeinden, Amts-, Kreis- und Provinzial•ngelwenn, b. bürgerlich« Recht

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verbände auf abgesonderte Befriedigung wegen öffentlicher Ab­ gaben auS den zurückgehaltenen oder in Beschlag genommenen zoll» und steuerpflichtigen Sachen erhalten (§ 491 KO); b) die Kirche am Vermögen ihres Emphyteuta und an dem des Verwalters, die Städte am Vermögen ihres Verwalter-; ob­ gleich das Rechtsinstitut der Emphyteuse in Zukunft den Landes­ gesetzen unterliegt (Art. 63 EG z. BGB), kann doch die damit zusammenhängende gesetzliche Generalhypothek als ein vom BGB nicht anerkanntes Rechtsverhältniß nicht mehr vorkommen; c) Minderjährige und Geisteskranke am Vermögen ihrer Vor­ münder; nach neuem Recht (§ 1844) kann jeder Vormund aus besonderen Gründen vom Vormundschaftsgericht zur Sicherheits­ leistung angehalten werden; d) Kinder am Vermögen des VaterS wegen des mütterlichen Erbtheils; nach neuem Recht besteht nur eine Jnventarisirungspslicht des Vaters und die Befugniß des Vormundschaftsgerichts, sicherstellende Maßnahmen zu treffen (§§ 1640, 1667, 1668); e) ein gesetzliches Pfandrecht am Vermögen des Mannes hatte die Ehefrau wegen Rückgabe der Dos und des in die Ver­ waltung des Mannes gelangten Paraphernalvermögens; auch von diesem Rechte ist nur der Anspruch der Frau auf Sicherheits­ leistung übrig geblieben, aber auch dieser Anspruch ist von der begründeten Besorgniß abhängig, daß die Rechte der Frau durch den Mann erheblich gefährdet werden (§ 1391). Das Pfandrecht des Mannes am Vermögen des Dos-Bestellers ist aufgehoben. Den Generalhypotheken war schon durch die KO v. 1877 ihre Wirkung für den Konkurs des Pfandschuldners entzogen worden, indem ihnen durch sie das Recht auf abgesonderte Be­ friedigung genommen wurde (§§ 40, 41 KO a. F. und §§ 14 bis 16 Einf.-Ges^. Das BGB kennt sie überhaupt nicht mehr. Denjenigen gesetzlichen Pfandrechten aber, die nach neuem Recht bestehen, ist für den Fall des Konkurses des Pfandschuldners die Wirksamkeit dadurch gesichert, daß mit ihnen ein Recht auf abgesonderte Befriedigung verknüpft ist (§ 49 2 KO n. F.). Außerhalb des Konkurses genügt gegenüber anderen Gläu­ bigern desselben Schuldners das dem Pfandgläubiger nach §§ 809, 805, 771 CPO zustehende Verbietungs- bezw. Widerspruchsrecht, c) Gegen den Willen des Pfanoschuldners tritt ein das sog. richterliche Pfandrecht. Das römische Recht kannte zwei For­ men dieses Pfandrechts, daS pignus praetorium und das p. in causa judicati captum. Das p. praetorium entstand in Folge Einweisung des Berechtigten in den Besitz einer dem Verpflich­ teten gehörigen Sache (missio rei servandae causa (Einleitung des Konkursverfahrens), m. legatorum servandorum causa, m.

ex primo decreto bei der cautio damni infecti, m. ventria nomine). Der nriaaus erhielt jedoch erst durch Justinian Schutz durch die a. hypothecaria, bis dahin wurde er nur durch Inter­ dikte geschützt. Als Mittel der Zwangsvollstreckung oder der Siche­ rung (des Arrestes) ist die m. durch die CPO beseitigt und, wo nach altem Recht eine m. sonst vorkam, wie zweifellos die m. ventria nomine (s. darüber im Erbrecht), da begründet sie kein Pfandrecht mehr. Dem neuen Recht ist das p. praetorium un­ bekannt. Das pignua in cauaa judicati captum1) entstand durch Pfändung von Sachen des Schuldners auf Grund voll­ streckbaren Titels, indessen ist es nicht zweifellos, ob ein wirk­ liches Pfandrecht entstand. Die CPO dagegen erklärt ausdrück­ lich, daß mit der Pfändung beweglicher Habe, sei es im Wege der Zwangsvollstreckung oder des Arrestes, ein Pfand­ recht für den Gläubiger entsteht. Die Pfändung körperlicher Sachen erfolgt dadurch, daß der Gerichtsvollzieher den Besitz der Sache ergreift und zwar entweder durch Wegnahme der Sachen oder durch Kenntlichmachung der Besitznahme der in Gewahrsam des Schuldners belassenen Sachen, die Pfändung von Rechten durch Zustellung eines vom Amtsgericht als Vollstreck­ ungsgericht erlassenen Pfändungsbeschlusses. Die Pfändung körperlicher Sachen ist nur dann wirksam, wenn sie Dritten er­ kennbar ist und wenn der Gerichtsvollzieher in dem guten Glau­ ben ist, daß die Sache dem Schuldner gehöre. Das Pfandrecht steht einem durch Vertrag begründeten gleich, und auch die im Wege des Arrestes geschehende Pfändung läßt das Pfandrecht sofort mit der Pfändung entstehen, vorausgesetzt, daß der Auf­ traggeber des Gerichtsvollziehers oder der Antragsteller in Wahr­ heit eine Forderung hat (§ 803 CPO). 8 219.

Mehrheit von Pfandrechten.

Da nach altem Recht zur Pfandbestellung das bloße pac­ tum hypothecae ausreichte und auch der Fortbestand des pignua nicht vom Besitze der Sache abhing, neben den bestellten Pfand­ rechten auch eine große Anzahl gesetzlicher einherging, konnten an derselben Sache leicht mehrere Pfandrechte bestehen. Ueber die Rangordnung dieser Rechte entschied der Grundsatz prior tem­ pore potior jure. Doch gab es unter den gesetzlichen Pfand­ rechten privilegirte, und nach einem Gesetz von Kaiser Leo sollte das in einem inatrumentum publicum (vor dem Richter) oder einem i. quaai publicum (vor 3 Zeugen) bestellte Pfand vor

*) Fleischmann: Da- p. i. c. jud. captum 1896 (nur römisches Recht).

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gleich alten und älteren Pfandrechten den Vorzug haben. Unter gleich alten Pfandrechten entschied der Besitz über den Vorrang. Trotz des vom neuen Recht angenommenen Erkennbarkeits­ prinzips ist doch auch nach ihm eine Mehrheit von Pfandrechten möglich. Denn erstens steht nichts entgegen, daß ein Pfand­ gläubiger oder ein Dritter den Besitz für mehrere Pfandgläu­ biger ausübe, zweitens können im Wege der sog. Anschlußpfän­ dung an derselben Sache mehrere Pfändungspfandrechte begrün­ det werden, endlich kann an einer im Besitze des Schuldners verbleibenden Sache ein gesetzliches Pfandrecht und ein Pfändungs- oder vertragsmäßiges Pfandrecht entstehen. Ueber den Rang der Pfandrechte entscheidet auch nach BGB (§§ 1209, 1257) sowie nach der CPO (§ 804 Abs. 3) der Zeitpunkt der Entstehung. Und zwar ist nach neuem Recht, das hiermit eine Streitfrage des gemeinen Rechtes entscheidet, der Zeitpunkt der Bestellung auch dann entscheidend, wenn das Pfandrecht für eine künftige oder eine bedingte Forderung bestellt ist. Der Rang giebt nach altem und neuem Recht ein Vorzugs­ recht auf den Verkaufserlös, nach altem Recht entschied der Rang auch über das Verkaufsrecht selbst (s. unten § 220 Nr. 2). § 220. Die Rechte des PfandglaublgerS. Das Pfandrecht enthält nur eine dingliche Belastung, ohne die Rechte des Eigenthümers aufzuheben. Der Eigenthümer kann also die Sache mit anderen Rechten belasten und auch'veräußern, alles das unbeschadet des schon an der Sache haftenden Pfand­ rechtes. Mindert der Eigenthümer den Werth der Sache schuld­ hafter Weise, so haftet er dem Pfandgläubiger nach altem Recht aus dem Verpfändungsvertrage (s. S. 316), nach neuem Recht aus der Unerlaubtheit der Handlung auf Schadensersatz (§ 823 Abs. 1 BGB). Schädigt ein Dritter die Sache, so kann auch der Pfandgläubiger den Schadensanspruch erheben, vorausgesetzt, daß er durch die Entwerthung der Sache einen Ausfall erleidet (vergl. 1. 30 § 1 D. 9, 2 § 823 BGB). Der Pfandgläubiger hat aber nach altem und neuem Recht I. ein Recht auf den Befttz. nach altem Recht erst vom Zeit­ punkte der Fälligkeit seiner Forderung ab, denn nur nach Eintritt dieses Zeitpunktes durfte er verkaufen, nach neuem Recht hat er das Recht auf den Besitz des bestellten Pfandes stets, die für ihn gepfändete und also in Besitz gekommene Sache unterliegt seinem mittelbaren Besitze, und auch auf diesen Besitz hat er ein Recht: seinem Rechte auf den Besitz unterliegen endlich auch die Sachen, an denen er ein gesetzliches Pfandrecht hat, die Sachen deS Miethers aber erst mit dem Zeltpunkte des Auszugs des Miethers (§ 561).

Dieser Besitz war nach altem Recht an sich nur Detention, aber er genoß Besitzschutz, gehörte also zu den Fällen des sog. abgeleiteten Besitzes, nach neuem Recht ist der Besitz ein un­ mittelbarer, an gepfändeten Sachen ein mittelbarer (§ 868). Trotz dieses Rechtes auf den Besitz behält der Pfandschuldner auch beim Faustpfande das alleinige Gebrauchsrecht. Maßt sich der Pfandgläubiger den Gebrauch der Sache an, so haftet er für den die Sache dabei treffenden Zufall, er beging damit nach römischem Rechte auch ein furtum usus. Nach heutigem Recht trifft Strafe nur den öffentlichen Pfandleiher, der die ihm ver­ pfändeten Sachen gebraucht (§ 290 StGB). Ist die Sache aber eine fruchttragende, so geht auf den Gläubiger nach altem und neuem Recht (§§ 1213, 1214) Befugniß und Pflicht über, die Früchte zu ziehen. Der Pfandgläubiger erwirbt das Eigen­ thum an ihnen, nach der herrschenden Lehre des bisherigen Rechts mit der Besitzergreifung, nach neuem Recht (§§ 954, 956) mit der Trennung; er hat gezogene Nutzungen zuerst auf Kosten und Zinsen, dann auf das Kapital abzurechnen; war die Pfandschuld unverzinslich, so erlangte der Gläubiger mit einer solchen Pfand­ bestellung nach altem, nicht aber mehr nach neuem Recht, ohne Weiteres das Recht auf landesübliche Zinsen (antichresis tacita). Wird, was auch nach neuem Recht zulässig (§1214 A bs. 3), bedungen, daß der Gläubiger die Früchte statt der Zinsen ziehen soll, so behält er den Ueberschuß, kann aber auch dann keine Zinsen fordern, wenn die Früchte den Betrag der Zinsen nicht erreichen (pactum antichreticum). Eine Rechnungs­ legung findet in diesem Falle nicht statt. Enthält der Vertrag einen Verstoß gegen das Wuchergesetz vom 24. Mai 1880, so ist er nichtig (§ 138 BGB) und der Gläubiger strafbar. II. Der Pfandgläubiger hat ferner ein Recht auf den Ber­ kaus der Sache. Die fiducia gab dem Fiduciar mit dem Eigenthum das Ver­ kaufsrecht. Um das Verkaufsrecht auch dem Faustpfandgläubiger ru gewähren, pflegte man ein pactum de vendendo pignore zu schließen. Dieses pactum wurde in richtiger Erkenntniß der Natur eines wirklichen Pfandrechts (int Gegensatze zum Zurückbehaltüngs­ rechte) so allgemein üblich, daß man es als stillschweigend ab­ geschlossen ansah, wenn nicht eine den Verkauf verbietende Ver­ einbarung (p. ne liceat vendere) getroffen war. Das justinianische und gemeine Recht sahen das Verkaufsrecht als einen wesentlichen Bestandtheil des Pfandrechts an und entzogen daher dem p. ne liceat vendere die beabsichtigte Wirkung, indem sie seine Wirkung dahin abschwächten, daß dem Verkaufe eine dreimalige Mahnung vorangehen sollte (1. 4 D. 13, 7). Das BGB geht hierin noch

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weiter: ist dem Gläubiger die Verkaufsbefugniß durch Vertrag entzogen, so hat er kein Pfandrecht (§§ 1204, 1228). Das Verkaufsrecht ist daher nach altem und neuem Recht eiu eigenes Recht des Pfandgläubrgers, das er in eigenem Namen und in eigenem Interesse, zugleich aber auch im Interesse des Pfand­ schuldners ausübt. Hieraus folgt die Befugniß des Pfandgläubigers, unter eigener Verantwortung über die Voraussetzungen und über die Art des Verkaufes selbst zu entscheiden. 1. Voraussetzung des Verkaufes ist nach altem und neuem Recht (§ 1228) Fälligkeit und Nichttilgung auch nur eines Theiles der Forderung, nach altem Recht einmalige oder im oben erwähnten Falle dreimalige Mahnung, also Verzug des Schuldners, ferner vorherige Anzeige des beabsichtigten Verkaufs an den Schuldner und Ablauf einer Frist von zwei Jahren seit dieser Anzeige. Es soll dem Schuldner die Möglichkeit des Widerspruchs gewährt werden: ist trotz Mahnung kein Wider­ spruch gegen das Vorhandensein der Forderung und trotz Anzeige in jener langen Frist kein Widerspruch gegen den Verkauf er­ folgt, so ist die Gefahr einer Verletzung der dem Verpfänder zu­ stehenden Rechte so gut wie ausgeschlossen. Dieselben Rücksichten führten dahin, daß Partikularrechte den Verkauf des Pfandes von dem Vorhandensein eines voll­ streckbaren Schuldtitels für die Forderung abhängig machten. Das HGB (Art. 310, 311) befreite aber unter gewissen Voraus­ setzungen den Gläubiger sowohl von der Wartefrist als von der Nothwendigkeit des vollstreckbaren Titels. Das BGB schließt sich im Wesentlichen dem römischen Rechte an; aber abgesehen davon, daß es die Umwandlung einer nicht auf Geld gerich­ teten Forderung in eine Geldforderung (§§ 1228, 280, 283, 286, 325) verlangt, erleichtert es den Verkauf und steigert es also die Verantwortlichkeit des Pfandgläubigers. Denn es ist nach ihm nicht nothwendig, daß der Schuldner gemahnt werde; die Wartefrist beträgt nur einen Monat (§ 1234), und ist die Verpfändung auf Seiten des Pfandgläubigers und des Ver­ pfänders ein Handelsgeschäft, sogar nur eine Woche (§ 368 HGB). 2. Der Verkauf selbst ist nach altem Recht Privatverkauf, d. h. der Pfandgläubiger ist der Verkäufer. Er kann freihän­ digen Verkauf oder öffentliche Versteigerung, Zeit und Ort des Verkaufs wählen und vereinbart die Kaufbedingungen. Waren mehrere Sachen verpfändet, so bestimmt er, welche Sache zu veräußern. Handelt er gegen die Verpflichtung, die Interessen des Pfandschuldners möglichst zu wahren, so wird er schadens­ ersatzpflichtig, aber nichtig ist der Verkauf nicht. Nach römischem

Recht war beim pignus in causa judicati captum gerichtlicher Verkauf die einzige Verkaufsart. Das BGB läßt mehrere Arten des Pfandverkaufs zu, und zwar: a) den Privatverkauf; dieser Verkauf muß im Wege der öffentlichen Versteigerung, er darf nur, wenn das Pfand einen Börsen- oder Marktpreis hat, freihändig, muß dann aber durch einen Handelsmakler oder eine zu öffentlichen Versteigerungen befugte Person geschehen (§§ 1235, 1221). Der Verkauf erfolgt regelmäßig am Aufbewahrungsorte, und nur gegen sofortige baare Zahlung des Preises (§§ 1236—1238); b) den öffentlichen Verkauf im Wege der Zwangsvoll­ streckung, wenn der Gläubiger aa) für sein Verkaufsrecht einen gegen den Eigenthümer gerichteten vollstreckbaren Titel erlangt hat, d. h. wenn der Eigenthümer der Sache zur Duldung des Verkaufes verurtheilt ist (§ 1233 Abs. 2); bb) für die Forderung einen gegen den Pfandschuldner wirkenden vollstreckbaren Titel erlangt hat und auf Grund dieses Titels die Zwangsvollstreckung in die Pfandsache betreibt. Eine von den Bestimmungen des BGB über den Privat­ verkauf abweichende Art des Verkaufs kann vom Pfandgläubiger und dem Eigenthümer verabredet, aber auch von jedem Theile verlangt und im Streitfälle vom Gericht angeordnet werden (§§ 1245, 1246). Aus dem Grundsätze, daß der Pfandgläubiger aus eigenem Rechte verkauft, folgerte das römische Recht, daß er selbst die Sache nicht kaufen kann, denn er könne nicht mit sich selbst kontrahiren. Fand sich kein Käufer, so konnte der Gläubiger beim Regenten beantragen, daß ihm das Eigenthum der Sache zum Taxwerthe zugeschlagen werde (impetratio dominii). Aber auch der Eigenthümer konnte nach bisherigem Recht nicht kaufen, denn ein Kauf der eigenen Sache ist nichtig. Das neue Recht (§ 1239) läßt als Bieter nicht nur den Pfandgläubiger, sondern auch den Eigenthümer und, falls das Pfand für eine fremde Schuld haftet, auch den Schuldner als Bieter zu. Der Eigenthümer kann zwar seine Sache nicht kaufen, er kann aber durch Zahlung des Meist­ gebotes seine Sache vom Pfandrechte befreien. Die dominii im­ petratio ist beseitigt. 3. Die Wirkung des Pfandverkaufes ist dieselbe, wie wenn der Verpfänder veräußert. Daher geht nach altem Recht mit dem Verkauf, der Uebergabe und der Zahlung das Eigen­ thum über, wenn der Verpfänder Eigenthümer, Usukapionsbesitz, wenn der Verpfänder Usukapionsbesitzer war. Aber auch wenn

600 vom Verpfänder wissentlich eine fremde Sache als Pfand gegeben, vom Gläubiger genommen war, erlangte der redliche Käufer Ersitzungs­ besitz. Das BGB läßt folgerecht auch hier den redlichen Käufer Eigenthum erwerben, auch wenn der Verpfänder nicht Eigenthümer war und der Veräußerer kein wirkliches Pfandrecht hatte (§§ 1242 bis 1244). Pfandrechte erlöschen, auch ein etwaiger Nießbrauch erlischt, wenn er nicht allen Pfandrechten im Range vorgeht. Eine fernere Wirkung des Pfandverkaufs ist nach altem und neuem Recht (§ 1247) die Tilgung der Forderung des Pfand­ gläubigers in Höhe des an ihn gelangenden Verkaufserlöses. Für den Rest bleibt der Pfandschuldner persönlich verpflichtet, ein etwaiger Ueberschuß (die hyperocha) gebührt dem nachstehenden Pfandgläubiger kraft seines dinglichen Rechts (also mit der a. hypothecaria) und in Ermangelung eines solchen dem Eigen­ thümer. Das Pfandrecht an der Sache erlischt aber selbst in dem Falle, daß der veräußernde Pfandgläubiger nicht voll befriedigt wird, und auch dann, wenn der Eigenthümer die Sache erwirbt. 4. Der Gläubiger hat nach altem und neuem Recht nur ein Recht, keine Pflicht zum Verkauf (RG 2, 36). Der Schuldner kann daher den Gläubiger nicht zwingen, durch den Verkauf Geldmittel zu beschaffen?) Das gemeine Recht liest jedoch die Möglichkeit, dem Pfandgläubiger die Sache für einen nach der Verfallzeit durch Schätzung festzustellenden Preis zu ver­ kaufen (1.16 § 9 D. 20, 1). Ein solches pactum de contrahendo siel nicht unter die Verwirkungsklausel (lex commissoria). Denn diese bestand in der vor Eintritt der Verkaufsberechtigung getroffenen Verabredung, daß im Falle der nicht pünktlichen Zahlung der Gläubiger das Eigenthum der Pfandsache statt der Forderung erwerben solle. Konstantin verbot die lex commissoria und erklärte sie für nichtig. Das Verbot ist durch das die Wucher­ gesetze aufhebende Gesetz vom 14. November 1867 nicht beseitigt worden (1. 3 C. 8, 34, RG 2, 333; 4, öl). Auf gleichem Stand­ punkte steht das BGB (§ 1229), auch nach ihm gilt die Ver­ wirkungsklausel nicht. Nichtig aber ist nach ihm nicht blos der oben angegebene Inhalt der Verwirkungsklausel, sondern auch die vor Eintritt der Verkaufsberechtigung getroffene Vereinbarung, daß dem Gläubiger das Eigenthum der Sache übertragen werden solle. Das BGB geht also in der Einschränkung der Vertragsfreiheit weiter als das gemeine Recht. Zugelassen aber ist nach altem und neuem Recht die nach Eintritt der Verkaufs­ berechtigung bewirkte Eigenthumsüberlassung. 5. Berechtigt zum Pfandverkaufe ist nach altem Recht nur der prior creditor, nach neuem Recht jeder Pfandgläubiger („der" *) Ausnahme $ 127 KO.

Pfandgläubiger §§ 1228, 1230, 1231), sofern er im Besitze ist. Der besitzende Pfandgläubiger ist daher nicht verpflichtet, einem nachstehenden Pfandgläubiger die Sache zum Zwecke des Verkaufes herauszugeben; der nicht besitzende Pfandgläubiger aber kann dem Verkaufe durch einen nachstehenden nicht widersprechen. Das römische Recht gewährte dem nachstehenden Pfand­ gläubiger im jus offerendi ein Mittel, erster Pfandgläubiger zu werden und damit das Verkaufsrecht zu erlangen. Der vor­ gehende Pfandgläubiger war nämlich verpflichtet, vom nachstehenden Zahlung anzunehmen; in diesem Falle trat der Nachstehende mit der Abfindungssumme an die Stelle des befriedigten Pfand­ gläubigers. Das BGB hat dieses Einlösungsrecht über­ nommen (§ 1249); es steht nach ihm einem Jeden zu, welcher durch die Veräußerung des Pfandes ein Recht verlieren würde; der Gläubiger muß die Zahlung annehmen, sobald der Schuldner zu zahlen befugt ist (§ 271). Die Folge ist, daß die getilgte Forderung und das Pfandrecht auf den Zahlenden über­ geht (§ 268 Abs. 3, 1250). Geriet!) der Pfandschuldner in Konkurs, so hatten schon nach römischem Recht die Faustpfandgläubiger und Diejenigen, denen eine Spezialhypothek zustand, ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus der Pfandsache, dagegen löste sich die General­

hypothek in ein bloßes Vorzugsrecht auf. Die KO gewährte den Faustpfandgläubigern, die sich im Besitze der Sache befinden, ein Recht auf abgesonderte Befriedigung (§ 40 KO und § 14 EG zu KO). In ihrer neuen Fassung gewährt die KO dieses Recht schlechthin dem Pfandgläubiger (§§ 48, 49 Nr. 2). § 221.

Die Pflichten des Pfandglimbigers «ud des Verpfänders.

Nach altem und neuem Recht (§§ 1215, 276) hat der Pfand­ gläubiger die Pflicht, das Pfand zu verwahren und für jeden Grad von Versehen einzustehen. Verletzt er die Rechte des Verpfänders in erheblichem Maße und setzt er dieses Verhalten trotz Abmahnung des Verpfänders fort, so hat er nach neuem Recht auf Verlangen des Letzteren das Pfand zu hinterlegen oder

einem gerichtlich bestellten Verwahrer zu übergeben, auch sich vorzeitige Befriedigung gefallen zu lassen und das Pfand heraus­ zugeben (§ 1217). Denn eine weitere Verpflichtung des Pfandgläubigers ist nach altem und neuem Recht (§ 1223) die Herausgabe der Pfandsache an den Verpfänder nach dem Erlöschen des Pfandrechts. Nach römischem Recht hatte der Pfandgläubiger aber ein Zurückbehaltungsrecht am Pfande wegen anderer For-

602 derungen gegen den Verpfänder (sog. pignus Gordianum). Dieses Recht ist gegenüber der Konkursmasse des Verpfänders jedenfalls durch die KO, vom BGB aber überhaupt beseitigt worden. Die Rückgabe des Pfandes hat Zug um Zug gegen die Befriedigung des Pfandgläubigers zu geschehen, die Be­ friedigung kann aber auch durch Hinterlegung oder Aufrechnung erfolgen (§§ 1223, 1224). Der Verpfänder erwirbt, tote der Bürge, wenn er nicht zugleich der persönliche Schuldner ist, durch Befriedigung des Pfandgläubigers, nach neuem Recht ipso jure, die getilgte Forderung (§§ 1225, 774). Der Verpfänder ist nach altem und neuem Recht dem Pfand­ gläubiger für jeden Grad des Versehens haftbar, eine Folge, die besonders dann eintritt, wenn die dem Verpfänder bekannten oder erkennbaren Eigenschaften der Pfandsache dem Gläubiger Schaden verursachen. Der Verpfänder ist ferner nach altem und neuem Recht ver­ pflichtet, dem Pfandgläubiger die auf die Sache gemachten Ver« Wendungen zu ersetzen. Diese gegenseitigen Rechte und Pflichten folgen nach bis­ herigem nnd neuem Recht aus dem Pfandvertrage (s. oben § 114 S. 316). Drohender Verderb oder Minderung des Werthes der Sache giebt das Recht, anderweitige Sicherheit zu verlangen oder die Sache zu versteigern (s. das einzelne in §§ 1218—1221). § 222.

Der Schutz de» Pfandrechts.

Die a. hypothecaria (pigneraticia in rem) des bisherigen Rechts war eine vindicatio pignoris, denn sie bezweckte Heraus­ gabe des Besitzes und war also gerichtet gegen den, qui tenet et habet restituendi facultatem, mochte der Beklagte zugleich der persönliche Schuldner oder ein „dritter" Besitzer sein. Zu beweisen hatte der Kläger sein Pfandrecht und den Besitz des Beklagten. Handelte eS sich um ein pignus, so konnte der Kläger zu jeder Zeit, handelte es sich um eine hypotheca, so konnte er regelmäßig erst nach der Fälligkeit seiner Forderung klagen. Das Pfandrecht konnte auch durch die a. negatoria geschützt werden. Das BGB (§ 1227) wendet gleichsalls die Grundsätze vom Eigenthumsschutze an; danach kann also nicht nur auf Herausgabe derPfandsache, sondern auch aufAbwehr andererBeeinträchtigungen geklagt werden. Es finden ferner die aus gegenwärtigem und früherem Besitze folgenden Vermuthungen Anwendung, hier natür­ lich in dem Sinne, daß sie nur für das Vorhandensein oder Borhandengewesensein eines Pfandrechtes sprechens 1227,1006). Verpfändete der Schuldner demselben Gläubiger eine Mehr-

heit von Sachen und außerdem einzelne Sachen aus dieser Mehr­ heit, so war nach römischer Auffassung durch den Vertrag der Wille erklärt, daß der Gläubiger sich zuerst an das Spezialpfand halten solle. Verlangte im Widerspruche hiermit der Gläubiger Herausgabe jener Mehrheit, so konnte ihn der Schuldner nach altem Recht einredeweise auf das Spezialpfand verweisen (deneficium excussionis realis). War der beklagte Besitzer der Pfandsache nicht zugleich persönlicher Schuldner, so konnte nach bisherigem Recht der Gläubiger zuerst an diesen und seine Bürgen verwiesen werden (b. exc. personalis), denn das Pfandrecht sei eben nur ein accessorisches Recht. Auch diese Rechtswohlthat der Vorausklage war eine wahre Einrede. Das neue Recht kennt jene Verweisung auf die speziell verpfändete Sache nicht, weil es nach ihm nur spezielle Verpfändungen giebt. Betreibt aber ein Gläubiger, der an einer in seinem Besitze befindlichen Sache des Schuldners ein Pfandrecht hat, die Zwangsvollstreckung in das übrige (nicht verpfändete) Vermögen des Schuldners, so kann dieser beim Voll­ streckungsgericht der Zwangsvollstreckung widersprechen, soweit die Forderung durch den Werth der Sache gedeckt ist (§ 777 CPO). Die Einrede der Vorausklage ist vom neuem Recht beseitigt, der Pfandgläubiger hat also freie Wahl, ob er seinen persönlichen Schuldner auf Leistung oder den dritten Besitzer der Pfandsache auf- Herausgabe dieser belangen will. Der Dritte hatte nach gemeinem Recht, wenn er den Pfandgläubiger be­ friedigte, das beneficium cedendarum actionum und also bei Weigerung des Pfandgläubigers, die Klage abzutreten, die e. doli, nach neuem Recht tritt der Uebergang der Forderung und des Pfandrechts von selbst ein, wenn der Dritte durch die Pfandveräußerung ein Recht verlieren würde, also ein Einlösungsrecht hat und von diesem Gebrauch macht (§§ 1249, 268, 1250). Da der Kläger nur dann durchdringt, wenn er ein Pfand­ recht, also eine durch das Pfand gesicherte Forderung hat, so kann nicht blos der Pfandschuldner, sondern jeder dritte Besitzer Einreden gegen die Forderung vorbringen. Da die Herausgabe der Pfandsache nur den beabsichtigten Pfandverkauf vorbereitet, kann nach altem Recht der Beklagte dem Ansprüche des Klägers durch Einwendung eines besseren oder gleichen, nach neuem Recht nur durch Einwendung eines besseren Pfandrechts begegnen (1. 12 pr. D. 20, 4. § 1232 BGB). Wie nach gemeinem Recht der Pfandgläubiger btea.Publiciana, so kann er nach neuem Recht die Klage aus früherem Besitz erheben (§§ 1227, 1007).

604 § 223.

Erlösche« de- Pfandrechts.

Das Pfandrecht endet nach altem und neuem Recht: 1. Mit dem Untergang der Sache (vgl. § 950 Abf. 2), ohne daß der Verpfänder an sich verpflichtet wäre, ein anderePfand zu geben und ohne daß die dem Verpfänder etwa zustehenden Ersatzansprüche (z. B. auf die Versicherungssumme) an Stelle der Pfandsache träten. 2. Mft dem Erlöschen der versicherten Forderung (§ 1252); verjährt diese, so bleibt nach römischem Recht eine obli­ gatio naturalis und mit dieser das Pfandrecht bestehen; auch nach neuem Recht erlischt mit der Verjährung nur die Befugniß, den Schuldner zur Zahlung zu zwingen, daher bleibt das Pfandrecht bestehen (§ 223). 3. Mit Eintritt des Endtermins oder der auflösenden Be­ dingung. 4. In Folge Verzichts des Pfandgläubigers (§ 1255). 5. Durch Konsolidation: d. i. Vereinigung von Pfandrecht und Eigenthum in einer Person (§ 1256). Nach altem Recht er­ hielt sich aber das Pfandrecht, wenn der vorstehende Pfandgläu­ biger das Eigenthum erwarb, gegenüber den Nachstehenden. Dasselbe gilt nach neuem Rechte (§ 1256), denn wenn der Gläu­ biger ein rechtliches Interesse am Fortbestände des Pfandrechts hat, so gilt es als fortbestehend, ein Fall, der vorzugsweise beim Vor­ handensein nachstehender Pfandgläubiger eintreten wird. 6. Durch den P f a n d v e r k a u f wird die Sache von allen Pfand­ rechten frei (§ 1242), nach altem Recht allerdings nur dann, wenn der prior creditor verlauste, andernfalls blieben die früheren Pfandrechte bestehen. 7. Nichtnachgemeinem, wohl aber nach neuemRecht(§1253) mit der Rückgabe der Sache an den Verpfänder oder den Eigen­ thümer. Dieser Endigungsgrund ist die Folge des vom BGB angenommenen Erkennbarkeitsprinzipes, daher ist der auch bei der Rückgabe der Sache erklärte Vorbehalt des Pfandrechts ohne Wir­

kung. Ist der Verpfänder oder der Eigenthümer der Sache im Besitze, so spricht die Vermuthung für erfolgte Rückgabe. Unfrei­ williger Besitzverlust hebt auch nach neuem Recht (§ 1253, 1227) das Pfandrecht nicht auf. Auch die gesetzlichen Pfand­ rechte erlöschen, sobald der Gläubiger nicht mehr in der Lage ist, eine Einwirkung auf die Sache auszuüben (§§ 560, 561 BGB vgl. jedoch §§ 440, 623 HGB). Steht dem Pfandrechte eine sog. peremptorische Einrede ent­ gegen, so kann der Verpfänder und der Eigenthümer Herausgabe des Pfandes verlangen. Mit der Herausgabe aber erlischt daPfandrecht.

8. Wird bei Uebertragung der Forderung der Mitübergang deS Pfandrechts ausgeschlossen, so erlischt eS (§ 1250).

8 224.

Das Pfandrecht a« Rechte«.

Dem bisherigen Rechte fehlten allgemeine Grundsätze über daS Pfandrecht an Rechten, nur über das Pfandrecht an Forderungen galten einzelne besondere Rechtssätze, im übrigen mußten die Grund­ sätze vom Sachenpfandrecht entsprechende Anwendung finden. Das BGB verweist (§ 1273) zwar gleichfalls auf die Vorschriften vom Sachenpfandrecht, giebt daneben aber einige, möglichst allgemein gehaltene Grundsätze. Man muß nach ihm unterscheiden zwischen dem Pfandrecht an Rechten überhaupt und dem Pfandrecht an Forderungen insbesondere. I. Für alle Pfandrechte an Rechten gilt der Satz, daß ein anderes an dem Rechte bereits haftendes Recht dem Pfandrechte selbst dann vorgeht, wenn der Erwerber des Pfandrechts jenes andere Recht nicht kennt. Es lag ferner kein Bedürfniß vor, dem Pfandgläubiger ohne weiteres ein Recht auf die Nutzungen deS verpfändeten Rechtes einzuräumen, der Fruchtbezug verbleibt also dem Verpfänder (§§ 1273, 1208, 1213 Abs. 2). Ist die Verpfändung des Rechtes nicht ohne Ueber^abe einer Sache möglich