Das alte und das neue burgerliche Recht Deutschlands mit Einschluss des Handelsrecht [Reprint 2020 ed.] 9783112383506, 9783112383490


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German Pages 869 [878] Year 1899

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Das alte und das neue burgerliche Recht Deutschlands mit Einschluss des Handelsrecht [Reprint 2020 ed.]
 9783112383506, 9783112383490

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Das

alle und das neue

bürgerliche Recht Deutschlands mit Einschluß des

Handelsrechts historisch und dogmatisch dargestellt von

A. Engelmann, Oberlandesgerichtsrath.

Berlin 1899.

I. I. Heines Verlag.

Borwort. Das vorliegende Werk enthält eine Darstellung des gestimmten Privatrechts, wie es vom 1. Januar 1900 ab in Deutschland gelten wird, und zwar unter besonderer Berücksichtigung seiner geschichtlichen Entwicklung. Es geht daher überall vom älteren oder neueren römischen oder vom deutschen Rechte der Zeit vor der Reception aus und dann zur Darstellung des gemeinen und des neuen d. h. des künftigen Rechtes über. Die deutschen Parti­ kulargesetzgebungen sind nur an einzelnen Stellen, und zwar als Phasen der geschichtlichen Entwicklung, berücksichtigt, nirgends ist ein einzelnes bestimmtes Landesrecht vergleichsweise neben dem neuen Rechte zur Darstellung gekommen. Ich bin genöthigt, dies be­ sonders hervorzuheben, weil selbst Verfasser von Literaturübersichten aus dem Umstande, daß ich früher eine kurzgefaßte Darstellung des Preußischen Privatrechts geschrieben habe, nach dem Erscheinen der ersten Hefte des vorliegenden Werkes ohne weiteres geschlossen haben, daß diese Arbeit eine Nebeneinanderstellung des neuen Rechts und des preußischen Landrechts enthalten müsse. Da |ebe systematische Behandlung unseres Privatrechtes lücken­ haft bleiben muß, wenn sie nicht auch diejenigen Rechtsinstitute umfaßt, welche außerhalb des BGB oder des Pandektenrechtes stehen, ist auch im vorliegenden Werke das Handels-, Wechsel- und Seerecht, wie überhaupt das auf Reichsgesetzen beruhende Privat­ recht, es ist aber auch dasjenige bürgerliche Recht behandelt worden, welches künftig als Landrecht fortbestehen wird. Bei der Bear­ beitung dieser letzteren Materie ist in ähnlicher Weise verfahren worden, wie bisher das auf Landesrecht beruhende deutsche Privatrecht behandelt worden ist, d. h. es sind meist nur allgemeine und besonders wichtige Grundsätze hervorgehoben worden. Dieser Anlage gemäß soll das Werk nicht nur dem Anfänger einen ihn durch das gesummte Privatrecht führenden Leitfaden geben, sondern auch dem Kenner des alten, insbesondere des ge­ meinen Rechtes das Einleben in das neue Recht erleichtern. Nur um Raum für die eigene Darstellung zu sparen, habe ich auf Literaturanführungen fast ganz verzichtet, obwohl ich sehr wohl weiß, daß solche Citate auf Viele Eindruck machen. Zum Schluffe will ich noch Herrn Amtsgerichtsrath Berger in Grottkau meinen Dank für die Unterstützung aussprechen, die er mir bei Abfassung des Vormundschaftsrechtes gewährt hat.

Breslau, 31. Juli 1899. Engelmann.

Abkürzungen. BGB --- Bürgerliches Gesetzbuch. HGB = Hanoelsgesetzbuch. Ist Art... HGB angeführt, so ist eine Besttmnmng deS HGB alter Fassung (a. F.), ist § . . HGB angeführt, so ist eine Bestimmung deS HGB neuer Fassung (n. F.) gemeint. WO --- Wechselordnung. KO = Konkursordnung ) Ist KO oder CPO ohne Zusatz (a. F. oder CPO --- Civilprozeßordnung / n. F.) angeführt, so ist in den ersten Theilen des Werkes die alte, in den späteren Theilen die neue Fassung gemeint. GBO --- Grundbuchordnung für das deutsche Reich. ZwstG = Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung. GfreiwG = Gesetz über die fteiwillige Gerichtsbarkeit. GBG --- Gerichtsverfassungsgesetz. StGB = Strafgesetzbuch. StPO = Strafprozeßordnung. Andere Abkürzungen betreffen regelmäßig das in demselben § am häufigsten vorkommenoe Wort. Wo ein § ohne Zusatz angeführt wird, ist ein § des BGB gemeint.

Inhalt. Einleitung. Das § 1. § 2. II. § 3. I.

jetzige Privatrecht Deutschlands. Die Bestandtheile des bisherigm Rechts.................................... 1 Gemeines, allgemeines, partikuläres Recht................................... 6 DaS künftige Privatrecht Deutschlands................................................ 10

A.

Die Quellen des objektiven Rechts. § 4. Das Gesetzesrecht........................................................................................ 16 § 5. Das Gewohnheitsrecht...................................................................................19 § 6. Anwendung des RechtS...............................................................................23 § 7. Die EintheUungen der Rechtssätze............................................................. 26 § 8. Zeitliche Grenzen der Gesetze .................................................................. 27 § 9. Oertliche Grenzen der Gesetze .................................................................. 29 § 10. Die Autonomie............................................................................................... 33

Erster Abschnitt: Das objektive Recht.

B. C. D. E. F.

Zweiter Abschnitt: Das subjektive Recht.

§ § § §

11. Begriff des subjektivenRechts......................................................................... 34 12. Die Einteilung derRechte............................................................................... 35 13. Das Rechtssystem............................................................................................... 38 14. Recht und Anspruch.......................................................................................... 39 Dritter Abschnitt:

Die Rechtssubjekte.

§ 15. Rechtsfähigkeit......................................................................................................43 A. Die natürliche Person. § 16. Beginn und Ende der Rechtsfähigkeit......................................... 43 8 17. Die natürlichen Eigenschaften der Person.................................... 46 § 18. Die rechtlichen Eigenschaften der Person.................................... 51 § 19. Insbesondere: Der Kaufmann........................................................... 65 B. Die juristische Person. 8 20. Der Begriff der juristischen Person............................................... 69 8 21. Die Köcherschasten............................................................................. 61 8 22. Die Arten der Kürperschaftm........................................................... 71 8 23. Die nicht rechtsfähigen Vereine..................................................... 72 8 24. Die Anstalten und Stiftungen ..................................................... 73 8 26. Einzelne juristische Personen: Der Fiskus, die Gemeinden 75

VI Vierter Abschnitt: Die Rechtsobjekte. § § § § § §

26. 27. 28. 29. 30. 31.

Der Begriff der Sacke und des Vermögens.........................................77 A. Die natürlichen Eigenschaften der Sachen........................................ 80 B. Die wirtschaftlichen Eigenschaften der Sachen............................. 82 C. Die rechtlichen Eigenschaften der Sachen........................................ 85 DaS Geld....................................................................................................... 87 Die Werthpapiere.................................................................................... 89

Fünfter Abschnitt: Die juristischen Thatsachen. § 32. Einleitung.......................................................................................................91 I. Die Handlungen. A. Die Rechtsgeschäfte. § 33. Begriff des Rechtsgeschäfts..................................... 91 § 34. Eintheilung der Rechtsgeschäfte................................ 92 § 35. Der Vertrag................................................................. 94 § 36. Versteigerung. Kreation. Gesammtakt.... 98 § 37. Die allgemeinen Voraussetzungen der Gültigkeit des Rechtsgeschästes.......................................................... 100 § 38. Das Verhältniß von Wille und Erklärung . . . 102 § 39. Die Freiheit der Willenserklärung......................... 108 § 40. Die Form der Rechtsgeschäfte...............................110 § 41. Die Bestandtheile der Rechtsgeschäfte................... 114 § 42. Das bedingte Rechtsgeschäft.................................... 115 § 43. Das befristete Rechtsgeschäft.................................... 119 § 44. Willenserklärungen durch Stellvertreter.... 120 § 45. Das ungültige Rechtsgeschäft.................................... 127 § 46. B. Die unerlaubte Handlung.............................. 128 II. Anderere rechtserhebliche Ereignisse. § 47. Allgemeines......................................................................... 130 § 48. Der Zeitablauf..................................................................... 130 § 49. Die Verjährung.................................................................... 132 § 50. Der Rechiserwerb............................................................... 136

Sechster Abschnitt: Der Rechtsschutz. I.

II.

Vorbeugender Schutz (Sichenmgsmittel). § 51. 1. Die Sicherheitsleistung lCaution)............................................. 137 2. Die Rechtsverwahrung. 3. Die Vormerkung. 4. Aufnahme von Vermögensverzeichnissen, Rechnungslegung. 5. Der Arrest und die einstweiligeVerfügung. 6. Der Sperrvermerk. 7. Die Sequestration. Wiederherstellender Schutz. § 52. 1. Die Selbsthülfe......................................................................... 140 § 53. 2. Die gerichtliche Hülfe....................................................................142

Zweites Buch: Die PersönlichkeitSrechte. § 54. Begriff................................................................................................................ 151 A. Die Rechte auf den Genuß persönlicher Güter. § 55. I. Im Allgemeinen. n. Die Namen- und Zeichenrechte im Besonderen. § 56. Der Name........................................................................................ 153 § 57. Marken und Zeichen....................................................................... 156

VII B.

Die § § § § §

Rechte auf Bechätigung. 58. Ueberblick............................................................................ 157 59. Der Rechtsschutz gegen unlauteren Wettbewerb ... 160 60. Das Urheberrecht.............................................................................. 163 61. Das Erfinderrecht.............................................................................. 167 62. Mitgliedschastsrechte........................................................................ 168

Drittes Buch: Das Recht der Schuldverhiiltniffe (Obligatioueurecht). A. Allgemeiner Theil.

Von der Obligation überhaupt.

§ 63. Begriff der Obligation...................................................................... 169 Gegenstand der Obligation. § 64. Der Schuldgegenstand überhaupt................................................. 174 § 65. Bestimmtheit des Gegenstandes................................................. 175 § 66. DieLeistung von Geld.................................................................... 178 § 67. Die Leistung von Zinsen.............................................................. 179 § 68. Die Leistung von Renten.............................................................. 183 § 69. Die Leistung von Alimenten......................................................... 183 § 70. Die Pflicht zur Jntereffeleistung..................................................185 §71. Andere Leistungsgegenstände....................................................... 190 III. Inhalt der Obligation. § 72. Allgemeines............................................................................ 192 § 73. Der Ort der Leistung...................................................................192 § 74. Die Zeit der Leistung.................................................................. 193 § 75. Der Verzug.................................................................................... 195 § 76. Hastung für Verschulden undfür den Zufall............................. 199 § 77. Treue und Glauben........................................................................ 204 IV. Entstehungsgründe der Schuldverhältnisse. § 78. Uebersicht........................................................................... 205 § 79. Die Handelsgeschäfte........................................................................ 205 § 80. Das römische Kontraktsystemund die altdeutschen Verträge 209 § 81. Das gemeinrechtliche Vertragssystem........................................... 212 § 82. Der abstrakte Vertrag.................................................................. 213 § 83. Der zweiseitig verpflichtende Vertrag...................................... 216 § 84. Die Gültigkeit der Verträge....................................................... 218 § 85. Inhalt der Schuldverträge............................................................ 221 § 86. Der Vertrag zu Lasten und der Vertrag zu Gunsten eines Dritten............................................................................................... 222 § 87. Bestärkung der Verträge............................................................. 224 § 88. Die Aufhebung der Verträge....................................................... 229 V. Die Subjekte des Schuldvechältnifies. § 89. I. Bestimmtheit und Unbestimmtheit des Subjektes . . 236 § 90. II. Mehrheit von Subjekten....................................................... 237 A. Mehrheit von Schuldnern (passives Gesammtschuldverhältniß)................................................................................... 241 B. Mehrheit von Gläubigem (aktives Zusammenschuldverhältnist)................................................................................... 242 III. Wechsel des Subjektes. A. Die Uebertragung der Fordemng. § 91. I. Die Session oder Abtretung.................................................. 244 § 92. DE. Das Indossament................................................................... 249 § 93. B. Die Schuldübernahme............................................................. 252 VE. Das Erlöschen der Schuldverhältnifie. § 94.Die Erfüllung.......................................................................... 255

I. II.

vni § | § § § § § § §

95. 96. 97. 98. 99. 100. 101. 102. 103.

Die Hingabe an Ersüllungsstatt....................................................259 Zahlungsweigerung wegen Zurückbehaltungsrechts . . . 260 Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.................................. 262 Unmöglichwerden der Leistung............................................... 266 Die Hinterlegung........................................................................... 268 Die Aufrechnung (Kompensation)..............................................270 Der Erlaß............................................................................................ 275 Der Zwangsvergleich..................................................................... 276 Andere AufhebungSgründe..................................................... 278

B* Besonderer Theil. Die einzelnen Schuldverhältnisse. Die Obligationen aus Rechtsgeschäften. 1. Die einseitigen Rechtsgeschäfte. A. § 104. Die Auslobung................................................................... 280 B. Die Ausstellung von Werthpapieren. § 105. a) der Wechsel..................................................................... 281 § 106. b) Das Jnhaberpapier................................................................287 2. Die Verträge. A. Die einseitig verpflichtenden Verträge. §107. Das Darlehn....................................................................... 291 § 108. Die öffentliche Anleihe................................................................ 295 § 109. Die Schenkung........................................................................... 296 § 110. Spiel und Wette...................................................................... 302 B. Die unvollkommen zweiseitigen Verträge. § 111. Die Leihe................................................................................ 305 § 112. Der Verwahrungsvertrag ......................................................307 § 113. Das Lagergeschäft........................................................................ 310 § 114. Der Faustpsandvertrag........................................................... 312 § 115. Das Depositen- und Depotgeschäft ................................... 312 § 116. Einbringung von Sachenbei Gastwirthen .... 314 § 117. Der Auftrag..................................................................................315 § 118. Die Anweisung............................................................................ 319 C. Die zweiseitigen Verträge. § 119. Der Kauf ...........................................................................324 § 120. Besondere Arten des Kaufes.............................................. 337 § 121. Die Abzahlungsgeschäfte.......................................................... 340 § 122. Börsengeschäfte............................................................................ 341 § 123. Der Tauschverlrag......................................................................344 8 12 4. Miethe....................................................................................... 345 § 125. Die Pacht........................................................................................354 § 126. Der Dienswertrag....................................................................... 356 § 127. Der Gesindedienswerlrag........................................................... 360 § 128. Der Lehrvertrag........................................................................ 362 § 129. Der Werkvertrag....................................................................... 363 § 130. Der Frachtvertrag....................................................................... 366 § 131. DaSSpeditionsgeschäft............................................................ 373 § 132. Das Kommissionsgeschäft.......................................................... 374 § 133. Der Trödelvertrag....................................................................... 377 § 134. Der Mäklervertrag........................................................................378 § 135. Der Verlagsvertrag.................................................................. 380 Die Gesellschaft. § 136. Uebersicht................................................................................. 382 § 137. Die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und die Sozietät des Handelsrechts..............384

IX Die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft aus Aktien und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung 395 § 139. Die Erwerbs- und Wirthschaftsgenosienschaften . . . 408 § 140. Die Rhederei............................................................................... 412 § 141. Der Versicherungsvertrag ................................................... 413 § 142. Die Arbeiterversicherung........................................................ 415 § 143. Der Leibrentenvertrag.............................................................. 417 § 144. Der Vergleich......................................................................... 417 § 145. Der Schiedsverlrag .............................................................. 419 § 146. Die Bürgschast......................................................................... 421 II. Die Obligationen aus Nicht-Rechtsgeschäften. 1. Die Obligationen aus unerlaubten Handlungen. § 147. Ueberblrck........................................................... 427 § 148. Geschichtliche Entwickelung.........................................428 § 149. DaS neue Recht. Standpunkt des BGB.... 431 § 160. Die unerlaubte Handlung......................................... 432 § 151. Haftung für andere und für Thiere........................ 436 § 152. Besondere Grundsätze für einzelne Deliktsfälle . . . 438 2. Schadensersatzansprüche aus erlaubten Handlungm. § 153. Allgemeines . . . . ........................................................... 443 § 154. Die Enteignung............................................................... 444 § 155. Gefährdende Unternehmungen................................... 445 § 156. Andere Fälle nichtdeliktischer Schadenshaftung . . . 447 3. Ungerechtfertigte Benachteiligung. § 157. a) Die Verkürzung der Gläubiger.............. 447 b) Die ungerechtfertigte Bereicherung................................. 451 § 158. Die Bereicherung im Allgemeinen ................................ 451 § 159. Die Bereicherungsansprüche im Einzelnen.... 453 § 160. c) Die Geschäftsbesorgung ohne Auftrag.... 456 4. Obligationen aus thatsächlichen Zuständen. § 161. a) Die Gemeinschaft....................................... 458 § 162. b) Die Pflicht zur Unlerhaltsgewährung.................. 460 § 163. c) Die AuSstaltungspflicht......................................... 462 § 164. d) Verpflichtung zum Vorzeigen.............................. 463

§ 138.

Drittes Buch: Das Sachmrecht. A. Der Besitz. § § § 8 § § § § § § § § §

165. Der Begriff deS Besitzes..........................................................................465 166. Eintheilung des Besitzes ......................................................................... 467 167. Der Besitzmverb.......................................................................................... 472 168. Der Besitzerwerb durch Stellvertreter.................................................. 475 169. Der Verlust des Besitzes......................................................................... 476 170. Subjekt des Besitzes.................................................................................... 477 171. Gegenstand des Besitzes....................................... 477 172. Insbesondere der Besitz an Rechten........................................................478 Der Besitzschutz. 173. 1. Das bisherige Recht.............................................................................. 480 174. 2. Das neue Recht....................................................................................484 B. Die Sachenrechte. 175. Allgemeine Grundsätze.............................................................................. 488 176. Bedeutung des Besitzes für das Sachenrecht........................... • • 490 177. Die Bedeutung der öffentlichen Bücher für das Jmmobiliarsachenrecht...................................................................... 491

L

§ §

178. DaS Schiffsregister................................................................................ 500 179. Das Agrarrecht..................................................................................... 500

§ § § § §

180. I. Begriff und Inhalt deS Eigenthums........................................... 502 181. n. Einschränkungen des Eigenthums................................................ 505 182. Die Wege und das Waffer ................................................................511 183. Das Beräußerungsverbot..................................................................... 512 184. Das Familienfideikommiß..................................................................... 514 in. Der Erwerb und der Verlust des Eigenthums. 185. Einleitung...............................................................................................516 A. Die beweglichen Sachen. 186. I. Der abgeleitete Eigenthumserwerb............................................... 517 187. Die Uebereignung.................................................................................... 518 II. Der ursprüngliche Enverb. 188. Einleitung............................................................................................... 520 189. Erwerb auf Grund guten Glaubens............................................... 520 190. Die Ersitzung..........................................................................................524 191. Verbindung, Vermischung, Verarbeitung.......................................... 528 192. Erwerb von Erzeugnissen und Bestandtheilen..................................... 531 193. Aneignung (Okkupation)......................................................................... 532 194. Das Jaadrecht......................................................................................... 534 195. Die Fischerei..........................................................................................536 196. Fund, Schatz, Strandgut.................................................................... 536 B. Unbewegliche Sachen. 197. Erwerb im Falle freiwilliger Veräußenmg..................................... 539 198. Andere Fälle des Eigenthumsenverbes /.......................................... 541 199. Das Eigenthum Mehrerer.................................................................... 542 IV. Der Schutz des Eiaenthums. I. Der Herausgabeanspruch. 200. Das bisherige Recht.............................................................................. 544 201. DaS neue Recht................................................................................... 549 202. H. Der Abwehranspruch (actio negatoria)......................................... 554

A.

§ § § § § § § § § § § §

§ 8 § § § §

Das Eigenthum.

B. Das Bergrecht.

203. 204. 205. 206. 207. 208. 209.

Begriff und Geschichte......................................................................... 556 Die Bergbauberechtigung....................................................................558 Die Betheiligung Mehrerer am Bergwerke.................................... 560 Die Knappschaften.............................................................................. 561 C. Das Lehnrecht................................................................................... 562 D. Emphyteusis und Erbpachtrecht....................................................564 E. Das Erbbaurecht, Superficiar- oderPlatzrecht............................ 565

§ 210.

Allgemeines.............................................................................................. 567 I. Die Personalservituten. Die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten..................................... 568 Der Nießbrauch.................................................................................... 569 II. Die Realservituten oder Grunddienstbarkeiten.......................... 573 Begründung und Endigung der Dienstbarkeiten............................... 576 Der Schutz der Dienstbarkeiten.......................................................... 578 in. Die Reallast.................................................................................... 580

§ § § § § 8 8

F. Die Servituten oder Dienstbarkeiten.

§ § § § § §

211. 212. 213. 214. 215. 216.

XI G. § 217.

§ § § § § § § § § §

218. 219. 220. 221. 222. 223. 224. 225. 226. 227.

Das Pfandrecht.

Begriff und G eschichte des Pfandrechts................................................. 584 A. Das Pfandrecht im engeren Sinne. Der Begriff des Pfandrechts................................................................... 587 Die Voraussetzungen des Pfandrechts.................................................. 588 Mehrheit von Pfandrechten.................................................................... 594 Die Rechte des Pfandgläubigers.............................................................. 595 Die Pflichten des Pfandgläubigers und des Verpfänders . . . 600 Der Schutz des Pfandrechts.................................................................... 601 Erlöschen des Pfandrechts......................................................................... 603 Das Pfandrecht an Rechten....................................................................604 Das Pfandrecht an Schiffen....................................................................606 Das Zurückbehaltungsrecht......................................................................... 607 B. Das Hypothekenrecht.

§ 228. Geschichtliche Entwickelung......................................................................... 607 § 229. Ueberblick über das neue Hypothekenrecht............................................ 609 § 230. Die rechtliche Natur der Grundschuld und der Hypothek ... 611 § 231. Entstehung der Hypothek und der Grundschuld................................. 612 § 232. Umfang und Gegenstand der Haftung.................................................. 614 § 233. Die Gesammthypothek und die Gesammtgrundschuld........................... 616 § 234. Die Eigenthümerhypothek und die Eigenthümergrundschuld . . 618 § 235. Die Befriedigung des Gläubigers.............................................................. 619 § 236. Der Uebergang oer Hypothek und der Grundschuld............................621 § 237. Der Hypotheken- und der Gmndschuldbrief....................................... 623 § 238. Die besonderen Verpsändungsformen........................................................ 624 § 239. Die Aufhebung der Hypothek und der Grundschuld........................... 625 § 240. Die Zwangsvollstreckung in das Gmndstück.......................................627 H. § 241. Das Vorkaufsrecht.............................................................................. 629

Fünftes Buch: DaS Familiemecht. § 242. § 243.

Ueberblick..................................................................................................... 631 Familie, Verwandtschaft, Schwägerschaft........................................... 632

Erster Abschnitt: Das Eherecht.

A. § 244.

§ § § § § §

245. 246. 247. 248. 249. 250.

I.

II.

Das Verlöbniß

Das persönliche Eherecht. ..........................................................................................635

Die Ehe. Geschichtliche Entwickelung deS Eherechts............................................ 636 Begriff und Voraussetzungen der Ehe.................................................. 638 Die Schließung der Ehe......................................................................... 641 Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe.................................................. 643 Die persönliche Stellung der Ehegattenzu einander .... 644 Die Auflösung der Ehe............................................................................... 647

B. Das eheliche Güterrecht. Geschichte des ehelichen Güterrechts. § 251. Das römische Recht............................................................. 651 § 252. DaS deutsche Recht ............................................................. 654 DaS Recht deS BGB. § 253. Allgemeines.............................................................................. 657 § 254. A. Das gesetzliche Güterrecht............................................659 § 255. Die Gütertrennung................................................................... 663

§ § § §

256. 257. 258. 259.

B. Das vertragsmäßige Güterrecht. Die allgemeine Gütergemeinschaft.................................... 664 Die beschränkte Gütergemeinschaft.................................... 670 Einzelne Güterrechtsverhältniffe......................................... 672 Das Güterrechtsregister....................................................673

§ § § § § § 8 § §

Zweiter Abschnitt: Das Eltern- und Kindesverhättniß. I. Die Rechtsstellung des ehelichen Kindes. 260. Vorbemerkung........................................................................................ 674 A. Entstehung des Rechtsstellung des ehelichen Kindes. 261. Eheliche Abstammung......................................................................... 674 262. Legitimation und Annahme an Kindesstatt.................................... 677 263. B. Der Inhalt der elterlichen Gewalt.............................................. 681 264. Die persönliche Stellung des Hauskindes......................................... 683 265. Die vermögensrechtliche Stellung des Hauskindes.......................... 684 266. Die elterliche Gewalt der Mutter.........................................................688 267. Beendigung und Einschränkung der elterlichen Gewalt .... 689 268. n. Kinder aus nichtigen Ehen........................................................ 691 269. HL Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder...............................692

§ § § § § § § § §

270. 271. 272. 273. 274. 275. 276. 277. 278.

Dritter Abschnitt: Das Vormundschaftsrecht. Begriff und geschichtlicher Ueberblick.................................................... 693 Die Vormundschaft überMinderjährige................................................. 696 Das Vormundschaftsgericht..................................................................... 699 Der Gemeindewaisenrath.................................................................... 701 Der Familienrath.....................................................................................701 Befreite Vormundschaft......................................................................... 702 Beendigung der Vormundschaft......................................................... 702 Die Vormundschaft über Volljährige............................................... 703 Die Pflegschaft......................................................................................... 704

§ 279. § 280. § 281.

Erster Abschnitt: Allgemeine Lehren. Begriff und Uebersicht........................................................................ 707 Die Erbfolge als Universalsuccession.............................................. 709 Die allgemeinen Voraussetzungen der Erbfolge............................... 711

§ § § § §

282. 283. 284. 285. 286.

Zweiter Abschnitt: Die gesetzliche Erbfolge. Die gesetzliche Erbfolge im Allgemeinen......................................... 715 A. Das römische Recht................................ 718 B. Das deutsche Recht..........................................................................722 C. Das gemeine Recht.......................................................................... 723 D. Das neue Recht............................................................................... 723

§ § § § §

Dritter Abschnitt: Die Erbfolge auf Grund einer Verfügung von Todeswegen. A. Das Testament. I. Die Testamentsform. 287. Geschichte............................................................................................. 728 288. Das gemeine Recht..............................................................................730 289. Die Testamentsform nach neuemRecht............................................ 731 290. Die Verwahrung des Testamentes.................................................... 735 291. Eröffnung des Testamentes.............................................................. 736

§

Sechstes Buch: Das Erbrecht.

xin 293. 294. 295. 296. 297. 298. 299. 300. 301. 302.

II. Die TestamentSfLhigkeit.................................................................... 737 m. Der Inhalt deS Testamentes. Die Erbeinsetzung..........................................................................................738 Die Einsetzung Mehrerer........................................................................ 741 Der heres ex re certa.............................................................................. 744 Die Substitution......................................................................................... 744 Die Einsetzung eines Nacherben............................................................. 747 Nebenbestimmungen des Testamentes.................................................. 750 IV. Die Ungültigkeit des Testamentes.................................................. 762 V. Die Anfechtung des Testamentes ................................................. 754 VI. Gemeinschaftliche Testamente............................................................. 766 Testamentsvollstrecker.................................................................................... 758

§ 303. § 304.

Der allgemeine Erbvertrag ................................................................... 761 Besondere Arten des Erbvertrages........................................................ 766

§ § § §

305. 306. 307. 308.

Die geschichtliche Entwickelung und dasgemeineRecht . . . 767 DaS neue Recht................................................................................. 771 Pflichttheilsrecht gegenüber Rechtsgeschäften unterLebenden . . 776 Die Entziehung des Pflichttheils..................................................... 778

§ § § §

309. 310. 311. 312.

§ 292.

§ § § § § § § § § §

B. Der Erbvertrag.

(Notherbrecht).

Fünfter Abschnitt: Die Erbfolge in besondere Güterarlen.

Allgemeines............................................................................................ 780 Die Lehnserbfolge................................................................................ 780 Die Fideilommißerbfolge ................................................................ 781 Das bäuerliche Erbrecht ........................................................................ 782 Sechster Abschnitt: Rechtstellung des Erben.

§ § § §

313. 314. 316. 316.

§ 317. § 318. § § § § § § § §

319. 320. 321. 322. 323. 324. 325. 326.

§ 327. § 328. § 329.

I. Enverb deS Erbrechts. Römisches und gemeines Recht............................................................. 785 Das neue Recht......................................................................................... 786 Fürsorge für den Nachlaß.........................................................................788 Einweisungen in den Erbschastsbesitz und Erbschein .... 790 IL Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten. Allgemeines ............................................................................................... 792 Römisches und gemeines Recht. Die RechtSwohlthat des Inventars.......................................................................... 792 Das neue Recht. Uebersicht................................................................... 794 Vorübergehende Befreiung von der Haftpflicht................................. 795 Beschränkte Haftung gegenüber einzelnen Gläubigem .... 796 Beschränkte Haftung gegenüber allen Gläubigem...................................797 Die Jnventarerrichrung.............................................................................. 799 Handelsrechtliche Erbenhaftung............................................................. 801 Die prozessuale Geltendmachung der beschränktenHaftung ... 801 HI. Die Rechtsmittel des Erben............................................................. 802 IV. Mehrheit von Erben. 1. Das Rechtsverhältniß der Erben untereinander........................... 805 2. Die Schuldenhastung der Miterben................................................. 808 3. Die Allsgleichung (Kollation)............................................................. 809

XIV

§ § § § § | § § § §

Siebenter Abschnitt: Vermächtnisse, Schenkungen von Todeswegen und Auflagen. A. Das Vermächtnis 330. Begriff und Geschichte........................................................................ 812 331. SrEjekte der Bermächtniffe................................................................... 814 332. Gegenstand de8 Vermächtnisses........................................................ 815 333. Ungültigkeit und Aushebung derVermächtniffe................................ 818 334. Erwerb der Vermächtniffe................................................................... 819 335. Substitution bei Vermächtniffen.........................................................820 336. Die Rechtsmittel des Bermächtnißnehmers ................................... 820 337. Kürzung der Vermächtniffe .............................................................. 821 338. B. Die Schenkung von Todeswegen undder Vermächtnißverttag 822 339. C. Auflage............................................................................................. 822 Verlust des Erbrechts und Veräußerung der Erbschast.

§ 340. 1. Der Erbverzicht............................................................................... 823 § 341. 2. Die Erbunwürdigkeit.......................................................................... 824 § 342. 3. Der Erbschastskauf.......................................................................... 825 Alphabetisches Sachregister................................................................................... 827

Lin lei tung. I. Das jetzige Privatrrcht Deutschlands. § 1.

Die Bestandtheile des bisherige« Recht-.

Das gegenwärtig in Deutschland geltende Privatrecht hat fremde und einheimisch-deutsche Bestandtheile. 1. Fremd ist das recipirte römische Recht. Die Reception ist seit dem Beginne deS IG. Jahrhunderts vollendete That fache. Sie erllärt sich aus der Zersplittemng des deutschen Rechts im späteren Mittelalter und dem Bedürfnisse deS deutschen Verkehrslebens nach einem einheitlichen, wissenschaftlich durch­ gebildeten Rechte, aus dem damaligen Mangel eines deutschen Nationalbewußtseins und der Auffassung, daß Justinian nur ein Vorgänger der römischen Kaisen deutscher Nation gewesen, das von ihm erlassene Gesetzbuch deshalb im deutschen Reiche geltendes Recht sei. Die Aufnahme des fremden Rechts vollzog sich durch die Geltung, die ihm die in Italien juristisch gebildete», nachher in Deutschland zu Ehren und Aemtem gelangten Deutschen zunächst als Schiedsrichter, dann als Mitglieder einflußreicher Gerichte, insbesondere deS Reichskammergerichts, des ReichShofraths und der territorialen Hofgerichte verschafften, ferner durch die Schriften der italienischen, fpäter auch deutscher Juristen, insbesondere durch die zahlreichen populären Darstellungen deS römischen Rechts, wie es sich in Italien unter dem Einflüsse der Glossatoren und der Postglossatoren gebildet hatte. Die Thatsache der Reception fand schueßlich gesetzliche Anerkennung, indem zuerst die Reichskammer gerichtSordnung von 1495 und später eine Anzahl unter dem Ein­ fluß der reichskammergerichtlichen Praxis entstandener Partikulargesetzbücher die Anwendung „des kaiserlichen und gemeinen *) AuS der umfangreiche» Literatur über diesen Begmstand heb« ich hervor: Stobbe: Geschichte der drutschm RechtSquellm, Vd. 1 u. 2, 1860, 1864. Stintzing: Geschichte der deutschen RechtStvissmschast 11880. Gierke: Deutsches Privatrrcht I S. 8 ff. RegelSberger: Pandtttm I & 3 ff. Bgl. auch mrtnen Etvilprozch II, Heft 3 S. 07 ff. Engelmann, d. alte u. d. neue dürgerNche Recht.

1

Rechts", d. h. des bereits recipirten fremden Rechts als sub­ sidiärer Rechtsquelle anordneten. Damit ist aber das römische Recht nicht zum Gesetzesrechte geworden. Wie eS im Wege des Gewohnheitsrechtes ausgenommen worden ist, wenngleich gefördert durch die Borstellund, die deutschen Könige seien Nachfolger der römischen Kaiser, so ist es auch trotz jener gesetzlichen Anerkennung Gewohnheitsrecht geblieben ^). ES sind daher in unser Recht nur diejenigen römischen Rechtsinstitute übergegangen, deren Anwendbarkeit der Rechtsüberzeugung in Dmtschland entsprach. ES kann also römisches Recht durch entgegenstehende Rechts­ überzeugung auch wieder aufgehoben werden. Recipirt ist nur dasjenige römische Recht, das in die Samm­ lung Justinians Aufnahme gefundm hat. Hiervon sind eine An­ zahl Stellen, welche von den Glosiatoren nicht mit der Glosse versehen worden sind, auSgeschlossm (Quidquid non agnoscit glossa nec agnoscit curia). Recipirt sind ferner nicht diejenigen Theile des corpus juris civilis, welche das StaatSrecht des römi­ schen Reiches behandeln. Im übrigen ist das corpus juris civilis im Ganzen in unser Recht übergegangen. Man sagte deshalb früher: Qui jus Romanum allegat, habet fundatam intentionem, in Dem Sinne, daß die Geltung deS angerufenen römischen RechtssatzeS ohne weiteres auzunehmen sei, wenn nicht nachgewiesen werde, daß gerade er nicht recipirt sei. Jetzt nimmt man dagegen an, daß der Richter in keinem Falle der Prüfung überhoben sei, ob der von ihm anzuwendende Satz des fremden Rechts in Deutschland Geltung erlangt habe. Das justinianische Recht besteht aus vier Theilens: a. Die Institutiones, ein auf der Gmndlage der In­ stitutionen des GajuS verfaßtes Lehrbuch des geltenden Rechtes. Seiner Antheilung liegt der Gedanke zu Grunde: Omne autem jus quo uthnur, vel ad personas vel ad res vel ad actiones pertinet. Danach werden im ersten Theile die RechtSfubjekte und damit auch das sog. Personemecht, im zweiten die Vermögensrechte, im dritten die Klagerechte erörtert. Dieser Stoff ist in vier Bücher eingecheilt. Ciürt wird z. B. 8 12 I. de jure nat 1, 2 (Stelle, an der der oben mitgetheilte Satz steht), indem I. Institutionen bedeutet, die dahinter stehende 1 das Buch, die ') H. M. Schulpenstein in Zischs. Mr b. Civilprorch Bd. 20 S. 510 argen Sie herrschende Meinung. Tas fremde Prozeßrecht ist allerdings schließ­ lich im Wege der Gesetzgebung ausgenommen worden. und tritt in 5krast mit der Mittheilung des Beschlusses an die Vormundschastsbehörde (§ 603 das.). Das BGB. stimmt insofern mit dem gemeinen Rechte über­ ein, als nach ihm (§ 104) die Personen, welche sich in einem die freie Mllensbesnmmung ausschlietzenden Zustande krankhafter Störung der Geistesthätigkeit befinden, geschäftsunfähig sind, natürlich aber nur so lange, als dieser Zustand dauert; es weicht jedoch vom gemeinen Recht insoweit ab, als nach ihm die wegen Geisteskrankheit Ent­ mündigten fo lange geschäftsunfähig sind, bis die Entmündigung wieder aufgehoben ist, gleichviel ob sie im einzelnen Falle mit Ein­ sicht gehandelt haben oder nicht. DaS BBG. unterscheidet ferner eine Entmündigung wegen Geisteskrankheit, welche geschäftsunfähig macht, und eine Entmündigung wegen Geistesschwäche, welche Die Geschäftsfähigkeit nur beschränk (§§ 104, 114), Als geistiger Defekt gift auch die Verschwendungssucht, wenn sie die Gefahr eines Nothstandes für den Verschwender oder seine Familie begründet (6 Nr. 2 BGB.) *). Der Verschwender kann auf Antrag seiner Verwandten oder seines Ehegatten durch amtsgerichtlichen Beschluß entmündigt werden (§§ 621 ff. CPO.). Die Entmündigung tritt mit der Zustellung des Beschlusses an den Entmündigten in Wirksamkeit und hat hier konstitutive Wirkung, indem sie den Entmündigten auf die Stellung eines Minderjährigen •) L. 1 pr. D. 27, 10; 1. 12 § 2 D. 26, 5. RG. 7, 350: wenn Jemand

bei seinen Ausgaben weder Matz noch Zitl zu halten weiß, wenn er über­ mäßige, zu seinem Vermögen in keinem Verhältnisse strhmde unniipe Ausgaben macht und eine solche Lebensweise sührt, welche bei femerer Fortsetzung zu seiner Bemrmung führen muß. RG. 21, 167: Unthätiateit, unwirthschastliches Ver­ halten, Trunksucht, die zu unsinnigen, unwirthschastlichen Handlungen hinreißt.

herabdrückt und ihn der Fähigkeit zu letztwilligen Verfügungen beraubt. Nach, BGB. § 6 Nr. 3 ist Trunksucht selbständiger Entmündigungsgrund, wenn sie zur Folge hat, daß der Trunk­ süchtige seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag oder sich oder seine Familie der Gefahr des Nothstandes aussetzt oder die Sicherheit Anderer gefährdet. Der wegen Trunksucht Entmündigte ist beschränkt geschäftsfähig, gleichviel ob er im einzelnen Falle int Zustande der Trunkenheit handelt oder nicht. Der wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht Entmündigte ist unfähig, Vormund oder Pfleger oder Mitglied des Familienrathes zu sein (§§ 1780, 1915, 1865) und ist testtrunfähig nd als den Obersatz ihres Schlusses anfstellt, hat iejenigen Thatsachen (den Untersatz) iu beweisen, von eren Vorhandensein die Anwendbarkeit des Rechtssatzes bhängt. Es folgt hieraus, daß, wer ein Recht für sich geltend liacht, die rechtserzeugenden, wer die Auchebuag eines vom Pegner geltend gemachten Rechte- behauptet, die rechtsvernichenden Thatsachen zu behaupten und gegebenen Falls zu beweisen at. Streit herrscht über die rechtshindernden Thatsachen. Kan lehrt gewöhnlich, daß derjenige, welcher ein Recht behauset,

ur die für die Entstehung gerade dieses Rechts erforderlichen (speifischen) Thatsachen, nicht aber zugleich die Abwesenheit derjenigen Tatsachen, welche die Entstehung eines Rechtes überhaupt hindern, it beweisen habe; bfttn eine solche Thatsache bilde die Ausnahme )as ist nicht richtig. Auch die allgemeinen Voraussetzungen für ie Entstehung eines Rechtes überhaupt sind rechtserzeugende That^ ichen z. B. bei Verträgen Uebereinstimmung von Wille und irklämng, Handlungsfähigkeit der Parteien, Verkehrsfähigkeit der Sache. Ist eine rechtshindernde Thatsache vorgebracht uno damit ie Entstehung des geltend gemachten Rechtes bestritten, so umfaßt ie Beweislast auch daS Vorhandensein dieser allgemeinen Vorausrtzung, und wer ihr Dasein leugnet, kann gegen den Beweis ihreVorhandenseins einen Gegenbeweis erbringen. Die an sich beweispflichtige Partei kann im einzelnen Falle es Beweises überhoben sein durch eine vom Gesetz aufgestellte Vermuthung. Es ist jedoch zu unterscheiden: Die thatsächliche Vermuthung (praesumtio facti oder hominis) st die vom Richter im einzelnen Falle auf Gmnd der LebenSrfahrung gezogene Schlußfolgemng von einer Thatsache auf eine nbere. Eine Rechtsvermuthung (pr. juris) aber ist bie vom Gesetz ufgestellte Schlußfolgerung^). Sie überhebt bie beweispflichtige Par­ ti bes Beweises ber gefolgerten, befreit sie aber nicht von betn Be­ reise bet vorausgesetzten Thatsache. Die RechtSvermuchung finbet jte Berechtigung nur in ber Erfahrung, daß bie gefolgerte Thatiche bie regelmäßige Folge ber vorausgesetzten sei, sie läßt baher en Beweis offen, baß bie Folgerung bes Gesetzes im konkret« falle nicht zutreffe (Gegmbeweis). Dies« Beweis hat ber Gegner essen zu führen, ber sich auf bie Vermuthung beruft DaS Gesetz eschränkt zuwellen ben Gegenbeweis (wie Art. 274 Abs. 3 HGB-X ') So v. Bethmann-Hollweg: Versuche über einzelne Thelle der cheorie deS CP. V. Reinhold, die Lehre ven dem Klagrgrunde, Ei. 36 ff. kegelSberger § 195. *) §S 10, 19, 891, 1362, 1527, 1591, 2009, 2365 BGB.

148 Schließt es ihn ganz aus, so spricht man von einer praesumtio juris et de jure. Verordnet aber das Gesetz, es soll etwas nicht vorhandenes als vorhanden angesehen werden, so stellt es eine Fiktion auf. In der Fiktion sowohl wie in der unwiderlegbaren Vermuthung verhüllen sich Rechtssätze, die auch in anderer Fonn hätten gegeben werden können, deren Ggenthümlichkeit also nur in der Fassung liegt. Ueber thatsächliche Vermuthungen lassen sich natürlich Rechtsregeln nicht aufstellen, denn sie gchören in das Gebiet der dem Richter überlassenen Beweiswürdignng (Z259CPO). Die Rechtsvermuthungen aber sind Privatrechtssätze und durch § 16 Z. l EG. z. CPO. aufrecht erhalten roorben. D. Von Einfluß auf das den Gegenstand eines Rechtsstreites bildende Rechtsverhältniß ist der Akt, welcher den Prozeß beginnt, und derjenige, welcher ihn beendet. Prozeßeröffnungsakt ist die Erhebung der Klage d. h. die Zustellung des die Klage enthaltenden Schriftsatzes oder Protokolles an den Beklagten (§§ 230,460 CPO.) oder die Stellung eines Klageantrages in der mündlichen Verhandlung (§§ 253, 254, 461, 471 CPO.); beendet wird der Prozeß durch das Urtheil. 1) Die privatrechtlicheu Wirkungen des Prozeßbeginnes sind nach altem und neuem Recht: a) die Unterbrechung der Anspruchsverjährung § 209 BGBb) die Unterbrechung der Ersitzung § 941 BGB. c) die Fiktion des Verzuges oder der Unredlichkeit. §§ 284, 987 BGB. Dagegen ist die Klageerhebung nicht mehr wie nach römischem Recht maßgebend fiir die Frage nach dem Dasein des kläge­ rischen Rechts. Vielmehr entscheidet hierüber der Zeitpunkt deS Urthells: danach wird die Klage abgewiesen, wenn der Kläger während der RtthtShängigkeit den Klageanspruch verliert (nicht jedoch bei Veräußerung), und der Bellagte verurtheilt, wenn der Klage­ anspruch erst während der Rechtshängigkeit entsteht oder fällig wird (RG. 1, 425; 8, 415). Ferner hatte nach römischem und ge­ meinem Recht die Litiskvntestation die Wirkung, daß durch sie jede actio aktiv und passiv vererblich wurde. Diese Folge der NovationSwirkung der litiscontestatio tritt jedenfalls schon seit dem Inkraft­ treten der CPO. nicht mehr ein, denn eS giebt im heutigen Prozesse feinen Akt, der die Kraft hätte, daS geltend gemachte Klagerecht zu konsumire«.. Entscheidend allein ist die Vererblichkeit oder Richtvekerblichkeit des geltend gemachten Anspruches. 1 Ist dieser un­ vererblich, so hört mit dem Tode der Partei der begonnene Prozeß auf. Mit der Rechtshängigkeit verband daS frühere gemeine Recht das Verbot, die im Streite befangene Sache öder den im Streite

befangenen Anspruch zu veräußern. Dieses Verbot wurde durch § 236 CPO. aufgehoben. Nach dieser Vorschrift treten alle privatrecht­ lichen Wirkungen der Veräußening ebenso ein, als ob eS sich um einen nicht litigiösen Gegenstand oder Anspmch handelte, nur prozessualisch hat die Veräußerung keine Wirkung: der Prozeß wird Mangels Einwilligung der Gegenpartei in daS Eintreten des Nachfolgers unter den Parteien, die ihn begonnen haben, weitergeführt, aber jene civilrecht­ liche Wirkung der Veräußerung hat zur Folge, daß das in der Sache selbst (nicht über die Kosten) erlassene Urtheil auch gegen den Rechtsnachfolger wirksam und vollstreckbar ist. Dieser letztere Grundsatz (§ 236 Abs. 3, 293) leidet aber nach § 238 eine Ein­ schränkung in allen denjenigen Fällen, in denen nach Vorschriften deS bürgerlichen Rechts dem Rechtsnachfolger eine von dem Rechte des Vorgängers unabhängige Rechtsstellung gewährt wird. Denn in solchen Fällen würde dem Nachfolger die ihm durch das Civllrecht eingeräumte gesicherte Stellung dadurch genommen toerben, daß die Veräußerung zufällig während deS Prozesses erfolgte, und daß also daS gegen dm Veräußerer erlassene Urtheil auch gegen ihn wirkte. Daher hat § 238 dm Grundsatz von der auSgedehntm Wirksamkeit deS Urtheils (§ 236 Abs. 3) überall da ausgeschlossen,

wo ihm Vorschriften des bürgerlichen Rechts über den Erwerb eines Rechtes von einem Nichtberechtigten entgegenstehen. Ist ein solcher Fall gegeben, so kann dem Kläger, welcher veräußert oder cedirt hat, der Einwand der nunmehr mangelnden Sachlegitimation ent­ gegengesetzt werden, da die Fortsetzung des Prozesses mit ihm keinen Zweck hatl). Das llrtheil ist auch für den Rechtsnachfolger wirksam und gemäß § 665 CPO. vollstreckbar. 2. Privatrechtliche Wirkung äußert nicht jedes, sondern nur dasjenige Urtheil, daS die (formelle) Rechtskraft erlangt hat, d. h. durch Rechtsmittel oder Einspmch nicht oder nicht mehr angefochtm werden kann. Diese daS Dasein des Urtheils gegen einen Angriff in dem­ selben Prozesse schützmde Sicherung giebt auch dem Inhalt des Urtheils eine jede spätere widersprechende Entscheidung ausschließmde Unanfechtbarkeit. Hierin besteht die materielle Rechtskraft. Ihre Wirkungen können ftcilich, soweit das festgestellte Rechtsverhältniß der Parteidispvsitton unterliegt, durch Pnvatwlllmserklärung aus­ geschlossen toerben, bie materielle Rechtskraft wirb also in diesem ’) Nach bisherigem Rechte handelte eS sich hauptsächlich um Len Fak des Art. 306 HGB. DaS neue Recht hat den Satz dieses Artikels verallgemeinert (§§ 932 ff. BGB.) und Läßt den Erwerb eines RechiS von einem Mchtberechtigten zu, wenn dieser im Grundbuch als Berechtigter eingetragm ist

150 Falle nur m Folge einer dahmgchenden exe. rei judicatas (relative Rechtskraftwirkung), in anderm FSllm von Amtswegeu berücksichtigt (absolute RechtSkrastwirkung)'). Die Wirkung hängt, wie angedeutet, nicht b^oon ab, daß entschiedm (negative Funktion der exc. rei jud.), sondern davon, was mtschieden ist (positive Funktion der exc. rei jud.). Aber nicht der gesaannte Urtheilsinhalt geht in Rechtskraft über, sondern nur der AuSspmch über das, worüber die Parteim eine Entscheidung verlangt habm, also nur die über den Klage- oder Widerklageanspmch getroffene Entscheidung. Wird im Wege der Kompensationseinrede eine Gegenforderung geltend ge­ macht, so wich eine Entscheidung über die Gegenforderung zu dem Zweck verlangt, die festgestellte Gegenfocheruna als Zahlungsmittel zu verwendm. Das Urtheil über die Gegensordemng geht daher insoweit in Rechtskraft über, als die Gegmfochemng zur Kompen­ sation verwendet »erben soll, so daß also auch daS die Gegmfocherung verneinende Urtheil nur bis zu dem Betrage rechtskräftig wird, mit welchem kompenfirt werden sollte (§ 293 CPO.). Diejenigen Thatsachen und Rechtsverhältnisse, die der Richter feststellm muß, um zu einem Urtheile über den erhobenen Anspruch zu gelangen, bilden nur Elemente der Entscheidung und gehen nicht in Rechtskraft über. Wollen die Parteien auch über solche präjudicielle Rechtsverhältnisse eine rechtskräftige Entscheidung, so habm sie daS Mittel, sie zum Gegenstände einer sog. JncidentfeftstellungSklage zu machm (§ 253.) Ueberhaupt wird auch das auf eine FeststellungSklage erlassene Urtheil materiell rechtskräftig: es ist dann nicht nur ent Anspruch, sondern das Vorhandensein oder Richtvorhandmsein eines Rechtsverhältnisses festgestellt. Thatbestand und EntschetdüngSgründe des Urtheils erläutern nur die meist knappe Urtheilsformel, indem sie anzeigm, über welchen Anspruch die Parteim ein Urtheil verlangten und über welchen Anspmch daS

Gericht mtschiedm hat. Die Rechtskraft wirkt grundsätzlich nur unter dm Prozeßparteien und deren Universalsuccessorm. Andere Rechtsnachfolger werben von ihr betroffen, wenn die Rechtsnachfolge währenb des Prozesses eintrat. Dmn wer einen ^echtshängigm Anspruch erwirbt, unterwirft sich beut werbenben Urtheil (§ 236, 665 CPO.). Eine Ausnahme von obigem Gmnbsatze stellt § 237 CPO. auf. Fan« Wirkt bie rechtskräftige Feststellung von ZustmibSrechtm gegm Jedm iittb bie eines Erbrechts gegen bie Legatare und bie RachlaßglLckiger. Sowell Wirb Me AuSfllhrwig von RegelSberger I S. 702 und Bülow, Sich. f. c. Praxis, Bd. 83 S. 1 ff. arbMigt, darüber hinaus aber abgr» lehnt werden müssen.

Das Urtheil bewirkt nach heutigem Recht nicht mehr eine Novation. Da aber her Widerspruch deS Beklagten gegen daS der Klage ftattgebmde Urtheil ausgeschlossm ist, so kann der Kläger feinen Anspruch aus das Urthell stützm und auS diesem klagen (actio judicatiL sofern er ein rechtliches Interesse an abermaligem Urcheil nachwnst. Ist nach dem Urtheil ein den festgestellten An­ spruch berührende- Ereigniß eingetreten, so kann eS der Beklagte gegen die a. judicati im Wege der Einrede, gegen die Zwangs­ vollstreckung im Wege der Klage nach § 686 CPO. geltend machen.. E. Ein außerordentliches Rechtsmittel bildete int römischen Recht die restitutio in integrum. Sie war ein Mittel deprätorischen Rechtes und wurde da angewendet, wo eine Rechts­ verletzung durch die strenge Anwendung des Rechts selbst heroei­ geführt war, wo also die Mittel deS Civilrechtes versagten. Die Restitution entwickelte sich aber zu einem Institut deS gemeinen Rechtes. Man handhabte sie materiell nach den vom römischeit Recht aufgestellten Gmndsätzen, gab sie also bei Irrthum, Betrug und in anderen Fällm, wo eS dre Billigkeit forderte. Sie wurde aber in bett Formen des Prozesses durchgeführt und wurde nach und nach zu einem rein prozessualischen Rechtsbehelf gegen formell unanfechtbare, aber materiell falsche UrtheUe. Als solches dient sie auch in der Restitutionsklage nach der CPO. (§§ 541, 543 ff.) und wird sie auch nach dem Inkrafttreten deS BGB dienen, welchem das materiellrechtltche Institut der Wiedereiftsetzung unbekannt ist.

Zweites Buch: Die Persönlichkeit-rechte. § 54. Begriff.

Persönlichkeitsrechte sind die Rechte auf den Genuß persönlicher Güter und auf freie Bethätigung der eigenen Kraft. Sie haben chrm Grund in der persönlichen Freiheit, sind aber zu selbständigen Rechten geworden, wal und insoweit daS Gesetz ihnm Schutz gewährt. Da dieser Schutz im wesenllichen darin besteht, daß auf den Willen dessen, der sich jenen Rechten widersetzt, ein Druck auSgeübt wird, so ist er bisher fast ausschließlich vom BerwaltungS- und Strafrechte ausgegangen. Diese Rechte sind aber Privatrechte und müssen daher auch privatrechtlichen Schütz genießen.

Das Urtheil bewirkt nach heutigem Recht nicht mehr eine Novation. Da aber her Widerspruch deS Beklagten gegen daS der Klage ftattgebmde Urtheil ausgeschlossm ist, so kann der Kläger feinen Anspruch aus das Urthell stützm und auS diesem klagen (actio judicatiL sofern er ein rechtliches Interesse an abermaligem Urcheil nachwnst. Ist nach dem Urtheil ein den festgestellten An­ spruch berührende- Ereigniß eingetreten, so kann eS der Beklagte gegen die a. judicati im Wege der Einrede, gegen die Zwangs­ vollstreckung im Wege der Klage nach § 686 CPO. geltend machen.. E. Ein außerordentliches Rechtsmittel bildete int römischen Recht die restitutio in integrum. Sie war ein Mittel deprätorischen Rechtes und wurde da angewendet, wo eine Rechts­ verletzung durch die strenge Anwendung des Rechts selbst heroei­ geführt war, wo also die Mittel deS Civilrechtes versagten. Die Restitution entwickelte sich aber zu einem Institut deS gemeinen Rechtes. Man handhabte sie materiell nach den vom römischeit Recht aufgestellten Gmndsätzen, gab sie also bei Irrthum, Betrug und in anderen Fällm, wo eS dre Billigkeit forderte. Sie wurde aber in bett Formen des Prozesses durchgeführt und wurde nach und nach zu einem rein prozessualischen Rechtsbehelf gegen formell unanfechtbare, aber materiell falsche UrtheUe. Als solches dient sie auch in der Restitutionsklage nach der CPO. (§§ 541, 543 ff.) und wird sie auch nach dem Inkrafttreten deS BGB dienen, welchem das materiellrechtltche Institut der Wiedereiftsetzung unbekannt ist.

Zweites Buch: Die Persönlichkeit-rechte. § 54. Begriff.

Persönlichkeitsrechte sind die Rechte auf den Genuß persönlicher Güter und auf freie Bethätigung der eigenen Kraft. Sie haben chrm Grund in der persönlichen Freiheit, sind aber zu selbständigen Rechten geworden, wal und insoweit daS Gesetz ihnm Schutz gewährt. Da dieser Schutz im wesenllichen darin besteht, daß auf den Willen dessen, der sich jenen Rechten widersetzt, ein Druck auSgeübt wird, so ist er bisher fast ausschließlich vom BerwaltungS- und Strafrechte ausgegangen. Diese Rechte sind aber Privatrechte und müssen daher auch privatrechtlichen Schütz genießen.

152 A.

Die Rechte auf Len Genuß persönlicher Güter./

§ 55. 1. Im Allgemeinen. Jene persönlichen Güter, bereit ungetrübter Genuß den Gegen­ stand eines besonderen, meist unverzichtbaren und unübertragbaren Rechtes bildet, sind vor Allem Leib, Leben, Freiheit und Ehre, sowie das Unterscheidungszeichen des Individuums, der Name, die Firme, die Marke, das Waarenzeichen. Das römische Recht gewährte den Perfönlichkeitsrechten einen umfassenden Rechtsschutz in der actio injuriarum.') Injuria aber war ihm nicht blos die Beleidigung im eigentlichen Sinne des Wortes, sondern jede bewußt widerrechtliche Darlegung der Miß­ achtung fremder Persönlichkeit, daher z. B- auch die unbefugte injus vocatio, das unbefugte Betreten eines fremden Grundstücks. Sie gehörte zu den Privatdelikten und hatte eine vom Richter nach freiem Ermessen zu bestimmende, dem Verletzten zufließende Strafe, alse eine Privatstrafe zur Folge. Die a. injuriarum war also eine aestimatoria; sie war aktiv und passiv unvererblich und verjährte in einem annus utilis. Ursprünglich in das gemeine Recht übergegangen, wurde die a. injuriarum durch das StGB, beseitigt, da dieses nar noch öffentliche Strafe kennt und daher das ganze Rechtsinstünt der Privatdelikt beseitigt.*2) Seitdem konnte wegen injuriöser Rechts­ verletzungen ein privatrechtlicher Anspruch nur dann erhoben werden, wenn die Rechtsverletzung einen Bermögensschaden hervorgerusen hatte. Denn in diesem Falle war der Thäter schadensersatzpftichtig. Dasselbe galt im Falle einer Körperverletzung. Auch hier gad das römische Recht etwa seit Hadrian die a. legis Aquiliae utilis auf Schadensersatz und Privatstrafe. Das gemeine Recht gab einer Anspruch auf Geldentschädigung wegen der erlittenen Schwerzer (Schmerzensgelder). Das StGB, näherte sich dem römischen Recht aber insofern wieder an, als es das Institut der an den Verletzten zu zahlenden vom Strafrichter zu verhängenden Buße einführte, und zwar in allen Fällen der Körperverletzung (§ 231), sowie der üblen Nachrehe (§ 186) und der Verleumdung (§ 187), wenn die Beleidigung nach­ theilige Folgen für die Vermögensverhältnisfe, den Erwerb oder des Fortkommen des Beleidigten mit sich bringt (§ 188). Denn wemrgleich die Buße die Eigenschaft des Schadensersatzes hat und ihre Verhängung daher von einem besonderen Anträge des Verletzten ab*) Vgl. besonders Jhering: Rechtsschutz gegen injurwse Rechtsverletzungen in den Jnyrb. f. Dogmatik ?c. Bd. 23 S. 155 ff. 2) So die herrschende Meinung gegen Jhering a. a. O. S. 267 ff, und Dernburg P. H § 137.

hängt, so ist doch der Richter nicht an das Ergebniß eines auf das Dasein eines Schadens gerichteten Beweises gebundm und ist bis zu der vom Gesetze gezogenen Grmze von 6000 Mark auch in der Bemessung der Höhe der Buße frei, die Buße kann also das Maß des zugesügten Schadens überschreiten und ist dann insoweit Privatstrafe. Das BGB. ändert nichts an den Bestimmungen des StGB, über die Buße, und es giebt bei schuldhafter Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Ehre nur einen Schadensersatz­ anspruch (§§ 823—825), es hebt aber (§ 847) hervor, daß der an seinem Körper oder an seiner Gesundheit oder Freiheit Geschädigte und daß die Frauensperson, gegen die ein Verbrechen oder Vergehen wider die Sittlichkeit verübt worden, oder die durch Hinterlist, durch Drohung oder unter Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung bestimmt worden ist, auch wegen des Schadens, der nicht Bermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen kann. Hierdurch ist gegen Ver­ letzung von Persönlichkeitsrechten ein ausgedehnterer Rechtsschutz eingefithrt als ihn das bisherige Recht gewährte. Der Anspruch ist aber ein höchstpersönlicher, er ist übertragbar und vererblich nur dann, wenn er durch Vertrag anerkannt oder Weint er rechts­ hängig geworden ist.

II. Die Namen- und Zeichemechte im Besonderen. § 56.

Der Name.

1. Der bürgerliche Name. Name ist das Wort, mit welchem man int Verkehr den einzelnen Menschen bezeichnet. Die Römer hatten regelmäßig drei Ramen, das nomen, d. t. der die gens, das cognonien, d. i. der die Familie und das praenomen, d. i. der das Jdividuum bezeichnende Name. Cognomen und nomen warm erblich, daS praenomen wurde jedem Kinde besonders beigekegt. Die Germanen hattm ursprünglich wie die Griechen nur einen einzigm, besonders beigelegten Namen. Erst seit dem 14. Jahrhundert wurde es in Deutschland allgemein Brauch, daß jeder Mensch außer einem vererblichen Familiennamen einen beigelegten Vornamen führte. Mit diesem Brauche rechnet auch das moberne Recht, insbesondere das RGcs. über die Beurkundung deS Personmstandes u. s. w. vom 6. Februar 1875. Der Familien­ name wird durch die Geburt erworben, das eheliche Kiyh, erhält den Namen deS Vaters, das uneheliche dm der Mutfer. Purch

154 ben Eintritt in eine andere Familie vird auch ein Wechsel im Familiennamen herbeigeführt. Findelkindenr wird von der Behörde ein Name beigelegt, wenn die Abstammung deS Kindes nicht zu ermitteln ist. Alles dies gilt nach altem wie neuem Recht (§§ 1616,1706,1355, 1577, 1758 BGB. § 24 angef. Ges). Der Vorname wird dem Kinde beigelegt und zwar von demjenigen, der daS Erziehungsrecht hat. Auch er wird im standesamtlichen Geburtsregister eingettagen, entweder sofort bei der Anzeige deS Geburtsfalles, oder wenn zu dieser Zeit der Vorname noch nicht seststeht, längstens zwei Monate nach der Geburt (§22 des angef. Ges ). Der in dieser Zeit ein­ getragene Name bleibt einem etwa bei der Taufe oder sonst gegebenen anderen Namm gegmüber der im bürgerlichen Leben maßgebende.

Ein Recht auf dm Namm und auf die bei Adligm mit dem Namen verbundmm AdelSprädikate und das Familimwappen hatte die Praxis des bisherigen Rechts längst anenannt, als § 12 BGB- in Uebereinstimmung mit dieser Praxis nicht nur ein Recht auf Führung deS Namens sondem cm Verbietungsreckt gegen Denjenigen gewäbrte, der unbefugt den gleichen Namen führt als der Berechttgte und dadurch das Jnteresie Dieses verletzt. DaS Interesse braucht kein vermögensrechtliches zu sein. Das Recht der ausschließlichen Namensführung wird im Wege der FeststellungSllage, das VerbietungSrecht durch eine auf Beseitigung der Beeinträchttgung ge­ richtete Klage geschützt werden. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann auf deren Unterlassung geklagt werden. Rach allaemeincn Grundsätzen hat der Berechtigte aber auch einen SchadenSersahanspruch, wenn die Beeinträchtigung (also auch das bloße Bestreiten) zu einer Bermögensschädigung geführt hat und auf einem Verschulden beruht (§ 823 BGB.). Das BGB. handelt überall aber nur voni Namm, nicht auch vom Rechte des etwa mit dem Namen verbundenen Adels, von der Annahme ausgehend, daß der Adel ein Institut des öffentlichen Rechtes bilde. Diese Annahme hat zur Folge, daß die daS Adels­ recht betreffenden Landesgesetze bestehen bleiben (Art. 55 EG. z. BGB ). Der Adel gilt aber als gesellschaftlicher Vorzug und da­ her alS ein persönliches Gut, und daS AdelSprädikat gehört zum Namen. DaS Recht auf den Adel muß daher denfewm Schutz genießen, den ß 12 BGB. dem Rechte auf den Namen gewährt. Der tzleiche Schich gebührt eMich auch dem angenommenen Namen (Pseudonym), denn auch dieser Name kann zu einem werth­ vollen persönlichen Gute werden. **)

*) Fischer tat Archiv f. bürg. Recht Bd. 5 S. 306 ff. *) A. M. Planck: BGB. § 12 Anm. 5 gegen die herrschende Meinung.

2. Dxr kaufmännische Name, die Firma. Die Führung einer Firma und deren Anmeldung zum Handelsregister gehört zu den Pflichten der Vollkaufleute und der ihnen gleichgestellten Personenvereinigungend. i .der Handelsgesellschaften, der Gesellschaften mit beschränkter Haftung und der eingctragmen Genoffenschasten. Ueber die Beschaffenheit der Firma geben daS alte (Art. 16—25) und das neue HGB. (§§ 18 ff.) eingehende Vorschriften, zu denen §3 R.-G. vom 1. Mai 1889 und § 4 RGes. vom 20. April 1892 hinzu­ treten. Der Grundsatz der absoluten Firmenwahrheit ist zwar abgelehnt, denn eS ist zugelaffen, daß ein Geschäft unter der bis­ herigen Firma fortyeführt werde, auch wenn sie den Ramen deS oder der gegenwärtigen Geschäftsinhaber nicht wiedergiebt, so daß sogar darüber Zweifel bestehen können, ob hinter der Firma ein Einzelkaufmann oder eine Handelsgesellschaft steht. Beide HGB. suchen aber den Grundsatz ver Firmenwahrheit dadurch zur Geltung zu bringen, daß sie die Uebereinstimmung einer neuen, bei Er­ richtung des Geschäftes gebildeten Firma mit den thatsächlichen Verhältrnssen verlangen. Daher hat der Einzelkaufmann seinen Familiennamen (nach neuem Recht: mit mindestens einem aus­ geschriebenen Vornamen) als Firma zu führen und sich jedes ein GeseÜschaftsvcrhältniß andeutenden Zusatzes, nach neuem Recht über­ haupt jedes Zusatzes zu enthalten, der geeignet ist, eine Täuschung über die Art oder den Umfang des Geschäftes oder die Verhältniffe des Geschäftsinhabers herveizuführen. Dagegen sind Zusätze, die nur zur Unterscheidung der Person oder des Geschäfts dienen, gestattet. Die Firma der offenen Handelsgesellschaft muß den Namen wenigstens eines der Gesellschafter mit einem daS Vorhandensein der Gesell­ schaft andeuteuden Zusatze oder die Ramen aller Gesellschafter, die Firma einer Kommanditgesellschaft den. Ramen wenigstens eines persönlich hastenden Gesellschafters mit einem das Gesellschastsverhältniß andeutenden Zusatze enthalten, ferner sind die Zusätze „Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien," nach neuem Recht und die Zusätze „Gesellschaft mit beschräntter Haftung," „ein­ getragene Genossenschaft" mit Beifügung der HaftungSart auch schon nach altem Recht obligatorisch. Eine neue Firma muß sich von allen a:. demselben Orte oder in derselben Gemeinde bestehendm und eingetragenen Firmen unterscheiden. Die Firma ist kein selbständiges RechtSgut, sie kann nicht ohne daS Handelsgeschäft, für daS sie gefiihrt wird, veräußert werden. Sie genießt einen doppelten Rechtsschutz, indem der Gebrauch einer nicht gestatteten Firma dem OrdnungSstraftecht deS Register-

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gerichts unterliegt, und das Firmenrecht wie das Namenrecht im Wege der FeststellungsKage durch eine auf Unterlassung unbefugter Führung gerichtete und bei verschuldeter Rechtsverletzung durch Schadensersatzklage geltend gemacht werden kann.

§ 57.

Mackn und Zeichens)

_ Dem römischen Rechte unbekannt, hatte sich die Marke, d. h. ein figürliches, gewöhnlich nur aus geraden oder krummen Strichen bestehendes Zeichen int deutschen Rechte zu einem Rechtsgute, das häufig nur der bestimmten Person, oft der Familie zustand, zuweilen auch mit einem Grundstücke verbunden war, entwickelt. Sie diente als persönliches Unterscheidungszeichen, als Zeichen geschehener BeMergreifung, endlich als Ursprungszeichen für gewerbliche Erzeugmsse. An seine Stelle ist das Wappen, insbesondere als Farnilimabzeichen, wohl auch das Siegel getreten.

Das Wappenrecht hat sich nur beim Adel erhalten. Der Gebrauch anderer Zeichen ist aus dem Rechtslebett der neueren Zeit mehr und mehr verschwunden, mit Ausnahme der Ursprungs­ zeichen, die als Waarenzeichen gerade in der neueren Zeit fast überall gesetzliche Anerkennung gefunden haben.

Das Recht an Waarenzeichen hat in Deutschland gesetz­ liche Anerkennung gefunden zuerst durch Rges. v. 30. 11. 74 und dann durch Rges. vom 12. 5. 94. Während das filtere Gesetz nur den in das Handelsregister eingetragenen Kaufleuten ein Markenschutzrecht gewährte, wird durch das neue G. jedem, der das Interesse hat, seine Waaren von denen anderer Gewerbetreibmder durch ein in die Augen fallendes Zeichen zu unter­ scheiden, die Möglichkeit gewährt, daS Markenschutzreckt zu erwerben; daS Recht besteht in der ausschließlichen Befugniß, ein selbstgewählteS, in die Zeichenrolle des Reichs-Patentamts eingetragenes Zeichen auf der Waare, der Verpackung oder Umhüllung, sowie auf Rech­ nungen, Preislisten, Ankündigungen als Mittel der Unterscheidung eigener Waare von fremder Waare zu verwenden. Es ist ein absolutes Privatrecht, daS mit einer auf Anerkennung, Beseitigung unbefugter Störung, Verbot künftiger Störung gerichteten, der a. negatoria vergleichbaren Klage geschützt wird und auch einen Anspruch auf Schadensersatz gewährt, wenn das Zeichen wifientlich ober aus grober Fahrlässigkeit widerrechtlich gebraucht oder eine mit ihm versehene Waare widerrechtlich in Verkehr gebracht oder *) Insbesondere Homeyer: Die HnnS- und Hofmarken, 1870. DaS Recht deS Markenschutzes. 1884. Gierke I § 84.

Lohler:

feilgehalten wird. Ferner kann die Beseitigung der Zeichen und falls dies nicht ausführbar, die Vernichtung der Waare verlangt werden. Die wissentliche Verletzung des Zeichenrechts zieht auf Antrag des Verletzten Bestrafung (150 bis 5000 Mk. oder Gefgß. bis 6 Mon.) nach sich, mit welcher die Verurtheilung zu einer Buße (bis 10 000 Mk.) verbunden werden kann. Das Recht auf diesen Schutz genießt nur das eingetragene Zeichen. Die Ein­ tragung erfolgt durch das Patentamt nach vorausgegangener Prüfung der Tauglichkeit und Neuheit des Zeichens. Ihr geht oie Annahme des Zeichens durch den Berechtigten und die An­ meldung voran. Entspricht die Anmeldung den gesetzlichen Er­ fordernissen, so gewährt sie (hierin der Muthung vergleichbar) einen Anspruch auf die Eintragung und schließt gleichzeitig jeden Andern vom Erwerbe desselben Zeichens aus. DaS erworbene Zeichenrecht ist Zubehör eines bestimmten Geschäftsbetriebes und kann nur mit diesem auf andere Personen übertragen werden. Es erlischt mit Aufgabe deS Geschäftsbetriebes, durch Ablauf von zehn Jahren (Unterbrechung möglich) und durch eine solche Aenderung der Verhältnisse, die das Zeichen als unwahr erscheinen lassen. Der Rechtsschutz dauert aber fort bis zur Löschung der Marke aus der Zeichenrvlle, die auf Antrag deS Berechtigten oder eines Dritten oder auch von AmtSwegeu erfolge« kann.

B. Die Hechte ans Bethätigung. . § 58. Urberblick. Die Bethätigung der Geistes- und Körperkräfte ist an sich nichts weiter als ein Ausfluß der menschlichen Freiheit, die zwar vom Gesetze und der Sitte beschränkt wird, deren dem Menschen verbleibender Rest aber nicht zu einem besonderen Rechte deS In­ dividuums gestaltet ist. Ein solcher Akt freier Entschließung isi z. B. die Wahl des Wohnsitzes. Sie ist eine Rechtshandlung, denn sie hat dem öffentlichen wie dem Privatrechte unterliegende Folgen (Wohnsitz als Erfüllungsort, das Recht deS Wohnsitzes in manchen Fällen entscheidend, Gerichtsstand), -sie kann daher nach altem wie nach neuem Recht (§ 8 BGB.) nur von einer voll kommen geschäftsfähigen Person selbständig, von andern Personen nur mit Genehmigung deS gesetzlichen Vertreters getroffen werden. Die Freiheit der Wühnsitzwahl war nach früherem deutschem Recht beschränkt, wohl auch ganz ausgeschlossen, und wo sie bestand, durch pollzeiliche Vorschriften erschwert. Das frühere Gewerbe(Zunst-) und Agrarrecht (Hörigkeit, Gutsunterthänigkeit) enthielt zahlreiche Beschränkungen. DaS Reichsgesetz über die Freizügig-

158 leit vom 2. November 1867 beseitigte diese Schranken und ge­ währte allen Reichsangehörigen die Freiheit in der Wahl des Wohnsitzes. Zahlreiche Personen über haben einen von ihrem Willeu unabhängigen Wohnsitz, weshalb man von domicilium vohmtarium und necessarium spricht. Nach altem und neuem Recht theilt die Ehefrau den Wohnsitz des Mannes. So lange aber der Mann keinen Wohnsitz hat oder die Frau den Wohnsitz des Mannes mit Recht oder Unrecht nicht theilt, kann sie einen selbständigen Wohnsitz haben. Eheliche Kinder theilen den Wohnsitz des Vaters, uneheliche den der Mutter. Das Kind behält diesen Wohnsitz, bis es in rechtsgültiger Weise einen andern Wohnsitz begälndet. Militärpersonen, die nur zur Erfüllung der Wehr­ pflicht dienen oder noch nicht selbständig einen Wohnsitz begründen

können, behalten ihren bisherigen, andere Militärpersonen aber haben ihren Wohnsitz am Garnisonorte (§ 9—11 BGB.). — Der Wohnsitz ist im Gegensatze zum bloßen Aufenthaltsorte der Ort, den Jemand zum Mittelpunkte seines rechtlichen Verkehres macht, nach 8 1 BGB. der Ort, an welchem sich Jemand ständig niederläßt. Daher kann Jemand einen doppelten Wohnsitz, und ein Geschäfts­ mann kann mehrere gewerbliche Niederlassungen haben, von denen auS er selbständig Geschäfte treibt, er braucht aber an keinem dieser Orte seinen Wohnsitz zu haben. Die Ausübung einer Erwerbsthätigkeit ist nur dann Gegen­ stand eines besonderen Rechtes, wenn die Befugniß' zur Ausübung dieser Thätigkeit von besonderen Voraussetzungen (Erfüllung be­ stimmter Vorbedingungen, staatliche Verleihung, Konzessionirung) abhängt und also zu einer ausschließlichen gestattet ist. Denn damit ist die Befugniß gegeben, einen unberechtigten Gewerbebetrieb zu untersagen, eine Befugniß, die zwar regelmäßig im öffentlichen Interesse vom Staate ausgeübt wird, aber auch durch oie Rechts­ mittel des Privatrechts von dem in seinem ausschließlichen Gewerberechte Verletzten geltend gemacht werden kann. Das Recht des Gewerbebetriebes hing Jett der Entwicklung des Zunft­ wesens, d. h. seit dem frühen Mittelalter, von der Zugehörigkeit zur Zunft ab. Zunft aber war die Bereinigung der Personen, welche an demselben Orte dasselbe Gewerbe betneben (Innung, Gilde). Die Zünfte waren mit Rechtspersönlichkeit und mit dem sog. Zunstzwange ausgestattet, d. h. mit der Befugniß, jedem nicht zur Zunft Gehörigen (Pfuscher, Bönhasen) die Ausübung des Gewerbe­ betriebes zu untersagen. Die neuere Zeit war dem Zunftzwange ungünstig gesinnt. Die Gesetzgebung dieses Jahrhunderts ließ eine immer größere Zahl von Ausnahmen vom Zunftzwange zu und ging schließlich zu dem Grundsätze der Gewerbefreiheit über.

Auf demselben Grundsätze beruht die Reichsgewerbeordnung vom 21. Jam 1869. Sie gestattet (§ 1) den Betrieb eines Gewerbes einem Jeden, soweit sie nicht selbst Ausnahmen ober Beschrän­ kungen aufstellt, sie hebt im Gegensatze zu dem früheren Gewerberechte (§ 2) den Unterschied zwischen Stadt und Land in Bezug auf den Gewerbebetrieb, das häufig aufgestellte Verbot, mehrere Gewerbe gleichzeitig oder dasselbe Gewerbe an mehreren Stellen zu betreiben oder andere als selbstverfertigte Waare zu verkaufen, auf (§ 3) und entzieht den Zünften das Recht des Zunftzwanges (§ 4). Damit ist den Innungen des heutigen Rechts die besondere Eigenthümlichkeit der ehemaligen Zünfte genommen. Die heutigen Innungen haben nur noch den Zweck, „der Pflege des GemeingeisteS, der Aufrechthaltung und Stärkung der Standesehre unter den Mitgliedern; der Förderung eines gedeihlichen Verhältnisses zwischen Meistern und Gesellen; der Fürsorge für das Herbergswesen der Gesellen und des Nachweises von Gesellenarbeit", ferner der Für­ sorge für das Lehrlingswesen (§ 97 Gew.-O. nach der Novelle vom 18. Juli 1881). Die Gew.-O. läßt auch die Bildung neuer Innungen zu. Sie find Bereinigungen von Personen, welche gleiche oder ver­ wandte Gewerbe selbständig betrerben. Die JnnungSstatuten bedtzrsek der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. Die Genehmigung darf nur auS bestimmten, im Gesetze angeführten Gründen versagt werden; ist sie erfolgt, so besteht die Innung und hat von RechtSwegm Korporationseigenschaft. Es gilt also hier daS System der Normaüvbedingungen(§8 97—104g der RGew.O. in der Fassung des Ges. vom 1. Juli 1883). Auf demselben Standpunkte steht die neueste Aenderung derRGew.O. in dem Ges. v. 26. Juli 1897.

Eine Reihe von Gewerbebetrieben bedarf der staatlichen Ap­ probation oder Erlaubniß (§§ 29 ff.), die nur aus den vom Gesetze angeführten Gründen versagt werden darf. DaS damit erlangte besondere Recht auf den Gewerbebetrieb ist zwar kein ausschließliches, gleichwohl aber ein durch daS öffentliche und das Privatrecht ge­ schütztes absolutes Persönlichkeitsrecht.

Ausschließliche Gewerbeberechtigungen waren die jetzt der (deutschen) RechtSgeschichte angehörenden sog. Zwangs- oder Bann­ rechte. Unter einer Zwang-gerechtigkeit verstand man die Befugniß, besttmmten Personen die Beftredigung gewiffer Lebensbe­ dürfnisse bei anderen Personen als dem Berechtigten zu untersagen; Bannrechte heißen sie dann, wenn ihnen alle Einwohner eines be­ stimmten Bezirks unterworfen waren. Hierher gehörte der Mühlen­ zwang (die Verpflichtung, daS Getreide in einer bestimmten Mühle mahlen zu lasten), der Bierzwavg, der Backofenzwang, der Wein-

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kelterbann. Sie entstanden regelmäßig durch Privileg oder un­ vordenkliche Verjährung. Die RGew. O. aber hat sie aufgehoben (88 7, 6). Verschieden von ihnen sind die Realgewerbercchte d. h. die mit einem Grundstücke verknüpften Rechte, ein bestimmtes Gewerbe zu betreiben. Die RGew.O. läßt sie bestehen, verbietet aber die Begründung neuer Rechte. dieser Art. Daß Verträge, welche auf die Herstellung ausschließlicher Gewerbeberechtigungen abzielen, nach altem wie neuem Recht nichtig sind, folgt daraus, daß sie gegen das Gesetz verstoßen würden (§§ 1 ff. RGew.O. 8 134 BGB ). Die sog. Konkurrenzausschließunysverträge d. h. die Verträge, die nur einer bestimmten Person die Ausübung eines Gewerbes untersagen, sind nicht ohne weiteres, sondern nur dann nichtig, tvcnn sie die persönliche Freiheit über das Maß einschränken und deshalb gegen die guten Sitten verstoßen (§ 138 BGB.). Eine feMehende Praxis sieht derartige Verträge aber insbesondere dann als gültig an, wenn die Verpflichtung sich auf eine bestimmte Zeit oder einen engbegrenzten Bezirk beschränkt. In Uebereinstimmung hiermit erklärt § 74 HGB. n. F. für den besonderen fjoß, daß ein Handlungsgehülfe sich dem Prinzipal gegenüber in seiner gewerblichen Thätigkeit für die Zeit nach Be­ endigung des Dienstverhältnisses Beschränkungen unterwirft, die Vereinbarung nur insoweit für verbindliih, als die Beschränkung nach Zeit, Ott und GeHenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Erschwerung deS Fottkommens des Handlungsgehülfen ausgeschlossen wird; er erklätt gleichzeittg eine Beschränkung auf einen Zeitraum von mehr als drei Jahren als zu weitgehend. Dieser Gmndsatz wird in andern Fällen analoge Anwendung finden müssen.

§ 59.

Der Rechtsschutz gegm unlauterm

Wettbewerb

Wo der Freiheit des Einen in der Ausübung einer wirthschastlichen Thätigkeit nicht eine Einschränkung deS Andern ent­ spricht, die Freiheit jenes also nicht zu einem Untersagungsrechte gestattet ist, muß ein jeder die Ausübung derselben Erwerbsthätig­ keit durch einen Andern (bte freie Konkurrenz) dulden. Dagegen ist er nach den durch Mißbräuche der Gewerbefreiheit gezeitigten lnodernen Anschauungen, die zuerst in der Praxis französischer und englisch-amettkanischer Gettchte Ausdruck gestünden haben, befugt, unlauterem Wettbewerbe entgegenzutreten. DaS RGes. vom 27. Mai 1896 trägt diesen Anschauungen Rechnung und macht damit die Befugniß, eine unlautere Konkurrenz mit den Mitteln des Privatrechts zu bekämpfen, zu einem besonderen, absoluten Per-

sönlichkeitsrechte. Das Gesetz schützt deshalb nicht das kaufende Publikum, sondern die verkaufenden Gewerbetreibenden; es schützt nicht gegen rechtswidrige, sondern gegen unlautere Handlungen, denn gegen Rechtswidrigkeiten gewährte das bestehende Recht genügenden Schutz. Das Gesetz erhebt damit den Begriff des unlauteren Wettbewerbes zu einem Rechtsbegriffe, giebt aber keine Defini­ tton, sondern hebt in kasuistischer Weise die am häufigsten vorkommenden Fälle unlauteren Wettbewerbes hervor. Diese er­ geben, daß das Gesetz unter unlauterem Wettbewerbe jedes gegen Treu und Glauben verstoßende Unternehmen gegen die Absatzver­ hältnisse von andern Gewerbetreibenden verstanden wissen will. Es stellt nur die Fälle von größerer Gemeingefährlichkeit unter Strafe, im übrigen sucht es den erforderlichen Schutz mit den Mitteln des Privatrechts zu gewähren, indem es überall einen An­ spruch auf Ersatz des eingetretenen Schadens und einen Anspruch auf Unterlassung der schädigenden Handlung gewährt. Diese An­ sprüche bestehen auch in den unter Strafe gestellten Fällen, auch kann bei ihnen auf eine Buße bis zum Bettage von 10000 Mk. erkannt werden (§ 14.) Vom Thatbestände des Betruges unter­ scheidet sich der unlautere Wettbewerb dadurch, daß zum letzteren die Möglichkeit der Schädigung ausreicht, ersterer die Thatsache des eingettetenen Schadens voranssetzt. Das Gesetz geht davon aus, daß ein Unternehmen gegen die Absatzverhältnisse Anderer dadurch verübt werden kann, daß man das eigene Angebot günstiger oder das fremde Angebot ungünstiger darstellt, als es in Wahrheit ist. Es richtet sich daher gegen das Reklameunwesen (§§ 1—4) und die Quantitätsverschleierung (§ 5), sowie gegen die Schädigung fremden Kredits (§§ 6, 7.) Die Unlauterkeit kann aber auch in der Ausbeutung der gewerblichen Bortheile eines Anderen bestehen. Das Gesetz greift heraus den Mißbrauch der Firma ober der sonstigen Bezeichnung des Geschäfts eines Andern und die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen (§§ 8 --10.)

I. Ler ersteren Richtung gehört an: 1. Die Täuschung über das eigene Angebot, wenn sie da­ durch begangen wird, daß in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mittheilungen, die für einen größeren. Kreis von Personen bestinunt sind, über geschäftliche Verhältmsse unrichtige Angaben that­ sächlicher Art gemacht werden, welche geeignet sind, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen. Geschäftliche Verhältnisse sind z. B. die Beschaffenheit, die Herstellungsart oder die Preisbemessung von Waaren oder gewerblichen Leistungen, die Engennauu, d. alte u. d. neue bürtzerlichc Recht. jj

162 Art des Bezuges oder die Bezugsquelle von Waaren, der Besitz von Auszeichnungen, der Anlaß oder der Zweck deS Verkaufs. Da das Unternehmen gegen alle Konkurrenten gerichtet ist, so steht die Verfolgung der vom Gesetze gewährten Rechte jedem Gewerbetreibenden zu, der Waaren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellt oder in den Verkehr bringt, und Ver­ bänden zur Forderung gewerblicher Interessen, soweit diese Ver­ bände Prozeßfähigkeit besitzen. Ein weitergehendes Interesse braucht der Kläger nicht nachzuweisen, die Klage ist daher eine auf be­ stimmte Personenkreise beschränkte Popularklage. Der Anspruch rst schon dann begründet, wenn der Beklagte die Unrichügkeit der Angaben kmnen mußte, gegen Redakteure, Verleger, Drucker oder Verbreiter von periodischen Druckschriften aber nur dann, wenn sie die Unrichügkeit der Angaben kannten. Der Erlaß enistweiliger Verfügungen ist nicht von den in §§ 814, 819 CPO. aufgestellten Voraussetzungen abhängig. Erlaubt ist die Anwendung von Ramen, die nach Handelsbrauch zur Benennung gewisser Waaren dienen, ohne deren Herkunft bezeichnen zu sollen (z. B. bairisches Bier). Als unerlaubte Quanütätsverschleierung behandelt dar Gesetz die Zuwiderhandlung gegen die vom Bunvesrath zu erlassenden Abordnungen, wonach bestimmte Waaren int Einzelverkehr nur in vorgeschriebenen Einheiten der Zahl, der Länge und deS Gewichts oder mit einer auf der Waare oder ihrer Aufmachung anzu­ bringenden Angabe über Zahl, Länge oder Gewicht gewerbsmäßig verkauft oder feilgeboten werden dürfen. 2. Eine Herabsetzung fremden Angebots begeht derjenige, der über das Erwerbsgeschäst eines Anderen, über die Person des Jnbabers oder Leiters des Geschäfts, über die Waaren oder gewerb­ lichen Leistungen eines Anderen Behauptungen thatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, welche nicht erweislich wahr, aber geeignet {mb, den Betrieb des Geschäfts oder den Kredit des Inhabers zu chädigen. Zur Begründung des Anspruches, der nur dem Ge­ kränkten zusteht, genügt die Thatsache der verletzenden Behauptung. Aber es wird erfordert, daß die Behauptung zum Zwecke des Wettbewerbes gemacht fei. Der Beklagte kann sich durch den Be­ weis der Wahrheit oder eines berechügten Jnteresie, das der Mittheilende oder der Empfänger der Mittheilung an dieser hatte, schützen. n Ausbeutung fremder Vortheile begeht: 1. Derjenige, der int geschäftlichen Verkehr einen Namen, eine Firma oder die besondere Bezeichnung eines ErwerbSgeschäftes lz. B. Gasthaus zum grauen Bären), eines gewerblichen Unternehmens ober einer Druckschrift in einer Weise benutzt, welche barauf be-

rechnet und geeignet ist, Verwechselungen, mit dem Namen, der Firma oder der besonderen Bezeichnung, deren sich ein Anderer befugterweise bedient, hervorzurufen, 2. derjenige, der als Angestellter, Arbeiter oder Lehrling eines Geschäftsbetriebes Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die ihm vermöge des Dienstverhältnisses anvertraut oder sonst zugäng­ lich geworben sind, während der Geltungsdauer des Dienstver­ hältnisses unbefugt an Andere zu Zwecken des Wettbewerbes oder, um dem Inhaber des Betriebes zu schaden, mittheilt. In beiden Fällen also hängt der Anspruch von vorsätzlichem Handeln ab. Die privatrechtlichen Ansprüche unterliegen einer Verjährung von sechs Monaten, welche mit dem Zeitpunkt der Kenntniß von der Handlung und dem Verpflichteten beginnt, einer Verjährung von drei Jahren aber von der Begehung der Handlung an ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Kenntniß. Die Schadensanspriiche beginnen nicht vor dem Zeitpunkte zu verjähren, in welchem ein Schaden entstanden ist. Das BGB. enthält eine Reihe von Sätzen allgemeiner Natur, welche geeignet sind, diejenigen Fälle des vielgestaltigen unlauteren Wettbewerbes zu trefsen, welche nicht unter die Vorschriften des oben besprochenen Spezialgesetzes fallen. Hierhin gehört insbe­ sondere 8 826, indem er denjenigen zum Schadensersätze ver­ pflichtet, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem Anderen vorsätzlich Schaden zufügt; fexner § 823, ter eine Ersatzpflicht dem auferlegt, der schuldhafter Weise und widerrechtlich einen Andern schädigt, da ein Persönlichkeit recht auf Unterlassung unlauterer Konkurrenzmittel besteht; ferner § 824, der inhaltlich mit der Bestimmung des Spezialgesetzes über die Kreditschädigung übereinstimmtl). 8 60. Das Urheberrecht. Dem römischen Rechte waren die von der neueren Gesetz­ gebung als Urheberrechte bezeichneten Rechte unbekannt. Als daher mit Erfindung der Buchdruckerkunst die Gefahr unbefugter Vervielfältigung fremder Schriftwerke wuchs, pflegte man durch Privilegien zu helfen. Daneben mehrten sich allgemeine Nachdrucks­ verbote. Das preußische Landrecht behandelte nur das Verlags­ recht d. h. „die Befugmß, eine Schrift durch den Druck zu ver­ vielfältigen und sie . . . ausschließend abzüsetzen" (8 996 ff. 111), nicht auch das Urheberrecht, von dem das Verlagsrecht nur abgeleitet ist ') Ferner § 12 (NamenSmißbrauch).

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(§ 998 das.), den Nachdruck aber stellte es unter Strafe (§§1024—1036 vas.). Eine vollständigere Behandlung erfuhr der Nachdruck durch das preußische Gesetz vom 11. Juni 1837, das dem späteren Reichsgesetze vom 11. Juni 1870 zum Vorbilde diente. Dieses Gesetz behandelt das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und. dramatischen Werken, das RGes. vom 9. Januar 1876 das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste mit Ausnahme der Baukunst, vas RGes. vom 10. Januar 1876 das Urheberrecht an Photographien, das vom 11. Januar 1876 die Muster und Modelle und das vom 1. Juni 1891 die Gebrauchsmuster. Von diesen Gesetzen wird dem Urheberrechte nicht nur strafrechtlicher Schutz gewährt, sondern es wird seine Eigenschaft als Privatrecht dadurch ausdrücklich anerkannt, daß dem Urheber die Befugnitz, eine Beeinträchtigung seines Rechter zu verbieten und zu verhindern, und ein Anspruch auf Schadens­ ersatz zugestanden wird. Das Urheberrecht ist „das ausschließliche Recht des Schöpfers eines Geisteswerkes, über dessen Veröffentlichung und Wiedergabe zu verfügen."x) Diese Ausschließlichkeit und der daraus folgende absolute Charakter des Rechtes haben früher zur Uebertragung sachenrechtlicher Grundsätze auf das Urheberrecht und zu der Be­ zeichnung „geistiges Eigenthum" verleitet, eine Vorstellung, die mit Recht gänzlich aufgegeben ist, wenngleich jener Name sich erhalten hat. Es herrscht aber die Auffassung des Urheberrechtes als einer Vermögensrechtes (Rechtes an einer unkörperlichen Sache, JmmaterialgüterrechteS) vor, eine Auffaffung, die sich auf den neben­ sächlichen Umstand stützt, daß das Urheberrecht eine gewerbliche Verwerthung möglich macht, die dabei aber übersieht, daß daS Urheberrecht von dieser Verwerthbarkeit unabhängig ist. Das Ur­ heberrecht ist vielmehr'ein absolutes Persönlichkeusrecht.'^

Das Geisteserzeugniß kann sich in einer- Sache verkörpern; in dieienl Falle ist daS Urheberrecht unabhängig von dem Eigen­ thum an der Sache (dem Manuskript, dem Bude vgl. § 8 Ges. v 9. Januar 1876, § 5 Ges. v. 11 Juni 1870). Aber auch an frei gesprochenen Vorträgen, welche dem Zwecke der Erbauung, der Belehrung oder der Unterhaltung dienen, besteht ein Ur­ heberrecht.

I. Gegenstand deS vom Ges. v. 11. Juni 1870 Schutzes sind

0 Giert« I § 85. ’) Gierke I § 85 Nr. 7 S. 764 ff.

gewährten

1. Schriftwerke d. h. Geisteswerke, die sich des Wortes als Ausdrucksmittel bedienen. Mcht erfordert ist, daß ihr Inhalt einen neuen Gedanken enthalte, es genügt, daß das Werk, sei es im Inhalt, sei es in der Form oder der Anordnung oder der Wahl des Stoffes eine selbständige Geistesthätigkeit seines Urhebers bekundet, so daß auch ein Adreßbuch oder ein Fahrplanbuch ein schutzwürdiges Schriftwerk sein kann. Briefe unterliegen dem Urheberrecht des Briefschreibers, auch wenn oer Empfänger das Eigenthum daran erworben hat. Die Verletzung des Urheberrechts (Nachdruck) geschicht durch die ohne Genehmigung des Berechtigten vorsätzlich oder fahr­ lässig vorgenommene mechanische Vervielfältigung des Werkes. Er kann auch durch Abdruck eines noch nicht veröffentlichten Schrift­ werks, durch Abdruck der oben bezeichneten Vorträge, durch einen neuen, vom Verleger oder auch vom Urheber selbst gegen den unter ihnen bestehenden Vertrag oder gegen das Gesetz geschehenden Abdruck wie durch Herstellung die vertragsmäßige oder gesetzliche Zahl überschreitender Exemplare Seitens des Verlegers begangen werden. Auch die ungenehmigte Uebersetzung ist regelmäßig Nach­ druck (§ 6 Ges. 11. 6. 70). Nachdruck aber ist nicht die Herübernahme einzelner Stellen oder kleiner Theile eines dem Urheber fremden Schriftwerkes in ein anderes Werk, sofern der Urheber oder die benutzte Qnelle an­ gegeben wird, ferner nicht der Abdruck solcher Werke, die für die Oeffentlichkeit bestimmt sind und daher eine möglichst große Berbreituny finden wollen. Hierher gehören einzelne Arttkel aus Zeitschnften und anderen öffentlichen Blättern, Gesetzbücher, Ge­ setze, amtliche Erlasse, öffentliche Menstücke und Verhandlungen aller Art, Reden, die bei den Verhandlungen der Gerichte, ver poliüschen, kommunalen und kirchlichen Vertretungen sowie in politischen und ähnlichen Versammlungen gehalten werden (§ 7 angef. Ges.). Das Urheberrecht ist ein zeitlich begrenztes: es besteht nur während der Lebensdauer und dreißig Jahre nach dem Tode des Berechügten; wird ein Werk erst nach dem Tode des Urhebers herauSgegrbeil, so dauert das Recht 30 Jahre vom Tode des Urhebers ab gerechnet (vgl. das nähere in §§ 8—17 angef. Ges.). Der Schuh ist ein strafrechtlicher und ein privatrechtlicher. Der Letztere wird gewährt durch die Feststellungsklage, durch eine Klage auf Unterlassung der Nachdrucks, durch eine Klage auf Schadensersatz und auf die Bereichemng. Diese privatrechtlichen An­ sprüche verjähren in drei Jahren, welche mit dem Tage beginnen, an welchem die Verbreitung der Nachdrucksexemplare zuerst statt-

166 gefunden hat. Der Strafrichter kann auf Antrag des Verletzten auf eine den Entschädigungsanspruch ausschließende Buße im Höchst­ betrage von 6000 Mark erkennen. 2. Dem Urheberrecht unterliegen geographische, topographische naturwissenschaftliche, architektonische, technische und ähnliche Zeich­ nungen und Abbildungen, die nach ihrem Hauptzwecke nicht als Kunstwerke zu betrachten sind (§§ 43, 44). 3. Das Urheberrecht an einer musikalischen Komposition wird verletzt durch eine ohne Genehmigung des Urhebers heraus­ gegebene Bearbeitung, welche nicht als eigenthümliche Komposition betrachtet werden kann •(§ 46). 4. DaS, Urheberrecht an einem dramatischen, musikalischen oder dramatisch-musikalischen Werke besteht außerdem in dem aus­ schließlichen Rechte der öffentlichen Aufführung (sog. Bühnen­ eigenthum). Ist aber ein musikalisches Werk durch den Druck ver­ öffentlicht worden, so kann es ohne Genehmigung des Urhebers öffentlich aufgeführt werden, wenn dieser sich nicht das Aufführungs­ recht auf dem Titelblatte oder an der Spitze des Werkes Vor­ behalten hat. Dagegen sind dramatische und dramatisch-musikalische Werke geschützt, auch wenn sie durch den Druck oder in anderer Weise veröffentlicht worden sind (§§ 50—56). II. Werke der bildenden Künste (Malerei und Bildhauerei, nicht auch der Baukunst) genießen Schutz gegen unbefugte Nach­ bildung. Dieses Recht steht dem Urheber zu, kann aber durch "Ver­ trag oder durch Verfügung von Todeswegen beschränkt oder unbe­ schränkt auf Andere übertragen werden und ist vererblich. Unbe­ fugt ist die Nachbildung, wenn sie obne Genehmigung des Urhebers und in der Absicht, das nachgebildete Werk zu verbreiten, her­ gestellt wird, dagegen ist die freie Benutzung eines Werkes der bildenden Künste zur Hervorbringung eines neuen (eigenartigen) Werks gestattet. Im Einzelnen s. §§ 5, 6, Ges. v. 9. 1. 76. In Bezug auf die Art und die Dauer des Schutzes gelten im wesent­ lichen dieselben Bestimmungen wie nach dem Ges. v. 11. 6. 70. III. Das Urheberrecht an einem durch Photographie her­ gestellten Werke steht dem Verfertiger der photographische» Auf­ nahme zu und besteht in der Besugniß mechanischer Nachbildung. Verletzt wird das Recht durch die ohne Genehmigung des Be­ rechtigten und mit der Verbreitungsabsicht hergestellte Nachbildung. Das Urheberrecht dauert fünf Jahre, es ist vererblich und ver­ äußerlich, bei photographischen Bildnissm (Porträts) geht das Urheberrecht auch ohne besonderen Vertrag auf den Besteller über. IV. Das Gesetz vom 11. Januar 1876 schützt das Urheber­ recht an Mustern und Modellen d. h. Vprbildem für gewerb-

liche Erzeugnisse. Man versteht darunter zur Nachbildung geeignete Formen, welche sich an den Formensinn wenden (RG. 14, 46), und das Gesetz vom 1. Ium 1891 schützt das Urheberrecht an Gebrauchsmustern (im Gegensatz zu den Geschmacksmustem deoben angeführten Gesetzes). Das Gebrauchsmuster enthält eine für Gebrauchsgegenstände und Arbeitsgeräth anwendbare neue Gestaltung. Beide Arten von Mustern genießen den gesetzlichen Schutz aber nur dann, wenn das Geschmacksmuster im Musterregister des zuständigen Amtsberichts, das Gebrauchsmuster in der Musterrolle des Patentamts eingetragen ist. Das Urheberrecht am Geschinacksmüster gewährt die aus­ schließliche Befugniß, das geschützte Vorbild gewerblich zu be­ nutzen. Verletzt wird es nicht blos durch mechanische Neuherstellung, sondern schon durch die in der Absicht der Verbreitung und Ver­ werthung vorgenommene Nachbildung. Das Urheberrecht am Gebrauchsmuster giebt die Befugniß der gewerbsmäßigen Nachbildung, der Verwerthung der nach ihm hergestellten Gegenstände und deS gewerbsmäßigen Gebrauches dieser Gegenstände.

§. 61. Das Erfinderrecht. Das Erfinderrecht ist „das ausschließliche Recht des Schöpfers einer Erfindung, über deren Veröffentlichung und gewerbliche Be­

nutzung zu verfügen." *) Es unterscheidet sich in mehr als einer Hinsicht vom Urheberrechte. Denn während den Gegenstand des Erfinderrechtes der bloße Gedanke bildet, kann das Urheberrecht nur an einem sinnlich wahrnehmbaren Dinge bestehen, das dem Gedanken des Urhebers als Ausdrucksform dient; während das Urheberrecht durch die geistige Schöpfung von selbst' entsteht, er­ wacht ein rechtlich geschütztes Erfinderrecht erst mit der staatlichen Patentertheilung; ferner setzt das Erfinderrecht, nicht aber das Urheberrecht die Möglichkeit gewerblicher 'Berwerthbarkeit voraus. Das Patent ist die Verleihung des Rechtsschutzes von Seiten des Staates (des Reichspatentamtes); das Patent ist kein Privilegium, denn es hängt nicht von dem freien Belieben der ertheilenden Be­ hörde ab, sondern muß ertheilt werden, wenn seine Voraussetzungen gegeben sind. Das Erfinderrecht genießt wie das Urheberrecht strafrechtlichen und privatrechtlichen Schutz, und zwar seit dem Patentgesetz vom 25. Mai 1877, an dessen Stelle das Gesetz vom 7. April 1891 getreten ist. Den Rechtsschutz genießt aber nicht der Erfinder als

•). Gierke 1 § 194 S- 848.

168 solcher, sondern derjenige, der die Erfindung zuerst beim Patentamt angemelvet hat, der Erfinder hat aber ein Einspmchsrecht gegen die Ertheilung des Patents, wenn der Patentsucher sich gegen seinen Willen in die Möglichkeit der Patentanmeldung gesetzt hat. Das deutsche Patentrecht hat das sog. Borprüfungssystem angeiwmmey, indem das Patent nicht einem jeden, der eine Erfindung anmeldet, sondem nur demjenigen ertheilt wird, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt d. h. dem, der darthut, daß seine Erfindung die gewerbliche Verwerthung zuläßt und neu ist, und dessen An­ meldung nicht durch einen begründeten Einspruch entkräftet wird. Die PÄfung steht dem Patentamt, einer Reichsbehörde, zu. Die Patentertheilung ist ein rechtschaffender Staatsakt: er giebt dem Patentsucher daS oben definirte ausschließliche Erfinderrecht und damit daS Recht ausschließlicher gewerblicher BerwerthunH. DaS Patent kann aber zurückgenommen werden, wenn der Erfinder eS unterläßt, die patenürte Erfindung auszuführen oder wenn er sich weigert, eine vom öffentlichen Interesse geforderte Ausbeutmrg der Erfindung einem Andern gegen Vergütung zu überlassen. Der Vertrag, durch welchen der Erfinder die Benutzung der Erfindung einem Andern, sei es mit sei es ohne Vergütung überläßt, heißt Licenzvertrag. § 62.

Mitgliedschastsrechte.

Persönlichkeitsrechte sind ferner die durch Vereinsmitgliedschaft begründeten Rechte auf Bethätigung der Persönlichkeit innerhalb des Vereins (s. oben S. 67), insbesondere auf Mitwirkung bei der BereinSwillensbildung, auf Bekleidung von Aemtern innerhalb deS Vereins und auf Genuß der den Mitgliedern zugesicherten Vorcheilc.

Drittes Buch: Das Recht der Schuldverhältuiffe

(Obligationeurecht.) A. Allgemeiner Theil.

I. § 63.

Von der Obligation überhaupt.

Begriff der Obligatio«.

Obligation oder Schuldverhältniß ist dasjenige Rechtsverhältniß, kraft dessen der eine Theil (der Gläubiger) befugt ist, von dem anbent Theile (dem Schuldner) eine Leistung zu fordern. Obwohl in der Begriffsbestimmung römisches und modemeRecht (vgl. § 241 (BGB.) übereinstimmen und das heutige Obligaüonenrecht mehr als andere Theile des Rechtes auf römischen Grundlagen bericht, bestehen in der Auffassung des Begriffes der Obligationen zwischen römischem und hmtigem Recht doch prinzipielle Gegensätze. Indem die Römer die obligatio als juris vinculum, quo necossitate adstringimur alicujus rei solvendae (pr. J. 3,13) bezeichnen, bringen sie zum AuSdmck, daß für sie die Obligation ein unlösbares Verhältniß zwischen bestimmten Personm bildet, das einer Uebertraguug auf andere Personen widerstrebt. Der Erfolg einer Uebertragung konnte daher nach römischem Recht nur in der Weise erreicht werdm, daß das bisherige Schuldverhältniß aufge­ hoben und daß unter anderen Personen ein neues Schuldverhältniß begründet wmde. Nachdem man aber schon im Mittelalter dazu übergegangen war, Forderungen sowohl als Schuldm an den Besitz eines Gmndstückes zu knüpfen und die Fordemng sogar in einem übertragbaren Papiere zu verkörpem, hat sich int modernen Rechte die Anschauung entwickelt, daß die Obligation ein von den jewelligen Sudjektm unabhängiges Verhältniß bilde, das wie körperliche Sachen nur einen „Werth" bilde und däs der Anwendung fachenrechtlicher Gmndsätze zugänglich sei. Diese Anschauung hat sogar dahin ge­ führt, daß dann, wenn der Gläubiger oder der Schuldner durch bett Besitz einer Sache bestimmt wirb, bie Gläubiger- unb bie Schulbnerrolle vorübergehenb in einer unb berselbm Person ver­ einigt sein können, ohne vaß baS Schulbverhältniß endgültig aufgehobm würbe, baß vielmehr mit ber Übertragung bes SachbesiheS auf eine anbere Person das Schulbverhältniß roieber wirffam wirb

170 So kann z. B. der Schuldner das von ihm selbst kreirte Werth­ papier erwerben, sich durch Begebung des Papieres aber wiedemm einen Gläubiger schossen. Wenn ferner die 1. 3 pr. D. de 0. e. A. 44,7 sagt: obligationum substantia non in eo consistit ut aliquot! corpua nostrum aut servitutem nostram faciat sed ut alium nobis obsthngat ad dandum aliquid vel faciendum vel praestandum, so ist damit das Wesen der Obligation dahin bezeichnet, daß sie die Befriedigung eines beim Gläubiger vorhandenen Interesses durch eine vom Schuldner zu bewirkende Leistung anstrebt, während das dingliche Recht die erfolgte Befriedigung voraussetzt und den Genuß der vollzogmm Leistung sichert. Die Folge davon ist, daß dem dinglichen Rechte immer die Sache unterworfen bleibt, gleichviel wo sie sich befindet, daß das Forderungsrecht aber den Willm der verpflichtete» Person bindet. Darüber, ob Gegenstand der Obligation nur eine in Geld schätzbare Leistung sein kann, besteht im bisherigen Rechte eine Streitfrage, welche das BGB. dadurch erledigt, daß es nur die Leistung, nicht auch deren Geldeswerth in die Begriffsbestimmung des Schuldverhältuisses aufnimmt (§ 241.) Danach kann jedes ernstliche Interesse Inhalt einer Obligation sein. Die römischen Worte dare (b. h. die Verschaffung des quirittschen Eigenthums oder eines civilrechtlichen Rechts an fremder Sache), facere und praestare werden von dem Ausdruck Leistung umfaßt, der auch die Unterlassung einschließt (§ 241 BGB ). Die Leistung ist aber ent weder eine vertretbare d. h. eine solche, die auch von einem Anden», oder eine unvertretbare d. h. eine solche, die nur vom Verpflichteten bewirkt werden kann. Die letztere kann zu einer Geldleistung führen, da diese aber dem Gläubiger nicht den entsprechenden Ersatz bietet, hängt sie regelmäßig von dem Willm des Schuldners ab, auf dm zwar eine EinwÄung möglich, gegen dm physischer Zwang aber nicht möglich ist. Zu bett vertretbaren gehören diejenigen, die sich in der Zufübmng eines Vermögensgegenstandes erschöpfm. Da hier das Interesse des Gläubigers in dem Erwerbe jmes Gegeitstandes aufgeht, so ist feine Forderung getilgt, wenn irgmd Jemand jmes Interesse befriedigt (§ 267); die Leistungspflicht bleibt gleichwohl eine persönliche, weil eben die Verpflichtung nur Die Person des Schuldners ergreift. Für diejenigen Leistungen, an benen ber Gläubiger ein bloßes Geldinteresse hat, hastet der Schuldner mit seinem ganzen Vermögm, d. h. es kann der Geld­ werth der dem Schuldner gegenwärtig gehörigm und aller von ihm später noch erworbenen Vermbgmsgegmstände zur Befriedigung des Gläubigers herangezogen »erben. Da eine so weitgehenbe Haftung aber bie wirthschastliche Selbständigkeit des Schuldners gefährdet

so hat die GesetzgebMg von jeher auf eine Beschränkung der Haftung Bedacht genommen. Dem römischen Recht gehört das beneficium competentiae (Rechtswohlthat des Nothbedarfs) an. Sie bestand darin, daß der Schuldner gewissen Forderungen gegenüber Anspruch darauf hatte, daß ihm das zum Lebensunterhalt nothwendige be­ lassen werde. Dieses Recht machte er im Prozesse selbst durch eine Einrede geltmd, welche bewirkte, daß er nur auf den Betrag verurtheilt wurde, den zu leisteu er im Stande war, während der Gläubiger denAnspnich auf den weitergehendeu Betrag behielt, und nach Erlaß des Urtheils übte er es mit einer ausnahmsweise noch jetzt zu­ lässigen Einrede aus, die dahin führte, daß sich die Zwangs­ vollstreckung auf jmen Betrag beschränkte. Die CPO. änderte an der Zulässigkeit der vor dem Urtheil vorzubringenden Einrede nichts, ließ sie aber, wenn sie hier versäumt war, in der Exekutionsinstanz nicht mehr zu, und verwies sie, wenn ihre thatsächlichen Grundlagen erst nach dem Urtheil entstanden waren, zu besonderer Klage (§ 686). Das BGB. beschränkt die Rechtswohlthat auf den Fall der Geltend­ machung eines Schenkungsversprechens (§ 519). Die CPO. und dieKO. stellen aber für jeden Schuldner und gegenüber allen Fordemngm wirkende ExekutionSbeschränkungen auf, die darin bestehen, daß gewisse Bermögensgegenstände der Psändung bezw. der Konkursmasse deS Schuldners entzogen sind (§§ 715, 749 CPO. Ges vom 29. März 1897. § 1 KO ). Da diese Beschränkungen nicht zu einer Herabminderung der Schuld führen, Werben sie nicht im Wege des § 686, sondern als bloße Erinnerung gemäß § 685 CPO. geltend gemacht. Zahlreiche Rechtsverhältnisse begründen zwar persönliche Verpflichtungen, aber von vornherein beschränkte Haftungen, indem der Gläubiger nur bestimmte Vermögensobjekte oder nur begrenzte Theile des schuldnerischen Vermögens zu seiner Befriedigung ver­ wenden darf. Nach römischem Rechte hastete der Gewalthaber aus Geschäften seines HauSkindeS oder Sklaven nur bis zum Betrage des diesen gegebenen Pekuliums; daS justinianeische Recht hat eine Be­ schränkung der Haftung des Erben für Schulden des Erblassers eingeführt (Rechtswohlthat des Nachlaßverzeichnisses, beneficium inventarii), ein Rechtsinstitut, das sich im gemeinen Recht erhalten hat und tn das BGB. (§§ 1975 ff), wenngleich in veränderter Gestalt, übergegangen ist. Nach deutschem Rechte haftet für Lehns­ und Fideikommißschülden daS Lehns- oder Fideikommißvermögen (vgl. § 45 KO.). Von Altersher aber ist eS zulässig, sich an gewissen Unternehmungen mit einem bestimmten Kapitale zu betheiligen. In solchen Fällen haftet für die durch den Betrieb des Unternehmend entstandenen Schulden der Bethelligte zwar persönlich, aber nur mit dem bestimmten Kapitale. DaS moderne Recht kennt solche be-

172

schränkte Haftungen bei der Kommanditgesellschaft, der Miengesellschast, der stillen Gesellschaft, der Genossenschaft mit beschränkter Haftung und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Endlich kann die Vermögensleistung in der Hingabe einer einzelnen Sache bestehen, wie z. B. die Leistung des Verkäufers, des Bermiethers. Dieser Fall steht dem dinglichm Rechte nahe, da es hier dem Gläubiger nur auf die Sache ankommt und die persön­ liche Thätigkeit des Schuldners an Bedeutung zurücktritt. Das unterscheidmde Merkmal des Sachenrechtes aber besteht darin, daß es gegen jeden wirkt und also absolut ist (f. oben § 12 Nr. 2), ein per­ sönliches oder relatives Recht ist daher auch dann vorhanden, wenn dem Rechte außer dem ursprünglich Verpflichteten auch derjenige unterworfen ist, der das Recht auf die Sache kennt; denn wollte dieser dem Rechte zuwiderhandeln, so würde er aus seinem Dolus haftm. Man hat diese Rechte früher relativ-dingliche Rechte ober jura ad rem genannt im Gegensatze zu den jura in re (ben Sachenrechten). Die neuere Rechtsentwicklung sucht aber ben Gegen­ satz zwischen dinglichem und persönlichem Rechte wieder scharf durch­ zuführen und hat daher die folgewidrige Blldung des Begriffs blos relattvdinglicher Rechte Beseitigt. Dieser Entwicklung ist das BGB. gefolgt. Durch daS necessitete adstringimur der oben angeführten Stelle wird endlich Die Möglichkeit gerichtlichen Zwanges als wesmtliche Eigenschaft der Obligation bezeichnet. DaS. römische Recht aber kannte Schuldverhältnisse, die mit einer actio nicht ausgestattet waren, d. h. zu deren Geltendmachung der Jurisdiktionsmagistrat eine actio nicht gab. Sie hießen im Gegensatze zu den Obligationen civiles Obligationen tantum naturalen. Doch verstand mau darunter keineswegs Liebespflichten, sondern wirkliche Schuldver­ haltnisse, d'ie fteiwMg gültig getilgt, durch Pfand ober Bürgschaft sichergestellt, im Wege bes constitutum debiti klagbar gemacht unb durch Aufrechnung als Zahlungsmittel verwandt, nur mit Klage nicht geltmd gemacht werden tonnten. Einige Fälle, in denen das römische Recht eine Naturalobligation annahm, haben im gemeinen Recht chre praktische Bedeutung verloren, daS Institut selbst aber hat sich erhalten, und auch das BGB. kennt klaglose Obligationen. Der wichtigste Fall ist hier der der Anspruchsverjähmng, denn diese bewirkt nur, daß der Schuldner zur Leistung nicht mehr gezwungen werden kann; im übrigen bleibt seine Leistungspflicht eine Rechtspfticht, daher kann er daS Geleistete nicht zurückftrrdern, er kann die Schuld durch Anerkmntniß llagbar machen und sie durch Sicherheitsleistuug sichem (§ 222), das für sie bestellte Pfandrecht bleibt bestehen, und es kann die Mckübertragung eines zur Sicherung des Anspruches übertragenen

Rechtes nicht auf Grund der eingetretenen Verjährung des An­ spruches verlangt werdm (§ 223); eine verjährte Forderung kann zwc Auftechnung verwendet werden, wenn sie zu der Zeit als die Möglichkeit der Aufrechnung eintrat, noch nicht verjährt war (§ 390, vgl. aber §§ 479, 490). Die für eine HeirathSvermittlung gezahlte Mäklergebühr kann nicht zurückgefordert weroen (§ 666). Ferner ist die Mckfordemng des auf Grund eines Spiels oder einer Wette oder eines nicht gmehmigten Lotterie- oder AusspielverttageS Geleisteten ausgeschlossm (§§ 762—764). Auf Gewährung einer Ausstattung besteht zum mindesten eine natürliche BerbiMichkett, soweit die Ausstattung die dm Umständm mtsprechende Grenze innehält (§ 1624). Endlich läßt der Zwangsvergleich eine natür­ liche Verbindlichkett des früherm Gemeinschuldners zur Erstattung des Ausfalles der Gläubiger insofern übrig, als das auf dm Ausfall Geleistete nicht zurückgefordert werden kann (ROHG. 8, 279). Der Zwang besteht in der Anwendung staatlicher Machtmittel zum Zwecke der Herstellung desjmigm Zustandes, auf den das Recht des Gläubigers gerichtet ist. Der Anwmduug des Zwanges geht die Feststellung des durchzusetzmdm Anspruches voraus. Während aber daS römische Recht zu dem Mittel einer Umgestaltung des Anspruches griff, um ihn mit dm ihm zu Gebote stehmdm Zwangsmitteln zu verwirllichm, hat daS heuttge Recht dm Grundsatz, daß die Berpflicbttmg des Schuldners dadurch, daß er es zu Verurtheilung und Exekution kommm läßt, zwar eine Steigerung (z. B. durch Verzugszinsen), nicht aber eine Aendemng erfahren dürfe. Das ältere römische Recht kannte nämlich nur die Ver­ urtheilung auf Geld, und nur bei actiones arbitrariae erging ein abitriiun judicis de restituendo, exhibendo oder solvendo d. h. ein auf dm eigmllichm Schuldgegenstand lautmder Zwischmbescheid, der nicht vollstreckbar war, und nur wenn der Beklagte diesem arbitratus nicht gehorchte, folgte die auf das Geldinteresse lautende vollstteckbare sententia (bo8 Urtheil) nachx). Hiervon ging schon das spätere römische Recht ab, und das heuttge Recht gebietet eine dem Inhalt des Schuldverhältnisses sich sttmg anpassmde Feststellung im Urtheil. Wmn also der Schuldner die Befugniß hat, unter mehreren Leistungsgegenständen zu wählen, so darf auch daS Urtheil nur sogen, daß der Beklagte schuldig sei, die Sache a oder die Sache b zu geben; wmn der Schuldner nur gegen eine Zug um Zug vom Gläubiger zu machende Leistung oder nur nach der Ent­ gegennahme der Stiftung des Gläubigers seinerseits zu leisten hat, so ist auch dies im Urtheil genau zum Ausdntck zu bringen, damit ’) Mein Civilpwzeß II. 2 S. 54, 56.

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auch im Stadium der ZwangSvollstreckuug die Verpflichtung des Schuldners nicht erschwert werde (§§ 664, 672 CPO, zu Denen die Novelle zur CPO. eine Reihe ähnlicher Bestimmungen hinzu­ fügen wird). Ist das Recht auf den Zwang, eine Eigenschaft des privaten Rechtes, so gehören die Zwangsmittel dem öffentliche» Rechte an. Das älteste römische Recht kannte nur die strengste Personalexekution, die zu einer Vernichtung der Persönlichkeit führte und sogar zu einer Vernichtung des Lebens führen durfte. An ihre Stelle trat später die Zwangsvollstreckung in das gesammte Vermögen sUniversalexekution), und noch später wurde es zulässig, zur Deckung einer einzelnen Fordemng einzelne Vermögmsstücke des Schuldners ru verwenden (Specialexekution) *). Im deutschen Recht trat die Personalexekution als äußerstes und letztes Zwangsmittel ein. Das heutige Recht hat verschiedene Zwangsmittel, je nachdem es sich um eine vertretbare oder eine unvertretbare Leistung handelt. Handelt es sich um eine vertretbare Leistung, so tritt ein unmittelbarer Zwang ein, der dem Kläger den Gegenstand des Anspruchs selbst ver­ schafft (88 708, 716, 720, 769, 770, 771, 773 CPO.); handelt es sich um eine unvertretbare Leistung, so tritt ein mittelbarer Zwang ein, der durch Einwirkung auf den Willen des Schuldners dahin zu wirken sucht, daß der Schuldner selbst leiste (§§ 774, 775 CPO). Diese Willensbeugungsmittel bestehen in Geld- oder Haststrafen. Unmittelbaren Zwang stellt das Gesetz auch dem auf Abgabe einer Willenserklärung gerichteten Ansprüche zur Verfügung, indem es dem Urtheile diejenige Wirkung beilegt, welche die Willenserklärung habm würde (§ 779 CPO.)2). Eine Personalexekution kennt das heutige Recht nicht mehr, nachdem das Gesetz vom 29. Mai 1868 die Schuldhaft d. h. die Einsperrung des Schuldners zur Erzwin­ gung der Leistung von Geld oder anderen vertretbarm Sachen auf­ gehoben hat. Die Haft kommt nur noch als Willensbeugungs­ mittel bei Ansprüchen auf unvertretbare Handlungen oder Unter­ lassungen, ferner als Mittel zur Erzwingung des Offenbarungs­ eides und endlich als Sicherungsmittel (Personalarrest) in An­ wendung (88 774, 775, 782, 798 CPO).

H. Gegenstand der Hbkigalion. § 64.

Der Schuldgegenstand überhaupt.

Gegenstand der Obligation ist stets eine Handlung oder Unter­ lassung des Schuldners. Diese Handlung heißt Leistung (§ 241 x) Mein Civilprozesz. II. 2 S- 123sf. *) Dgl. hierüber meinen Civilpwzeft. 1. S. 109f.

BGB ). Gegenstand der Leistung aber kann alles sein, worauf ein rechtliches, nicht blos ein wirthschaftliches Interesse des Gläubigers gerichtet sein kann. Zahlreiche Obligationen erschöpfm sich nicht in einer einzelnen bestimmten Handlung des Schuldners, sondern verlangen eine Mehrheit durch einen einheitlichen Zweck verbundmer Handlungen (z. B- § 536 BGB).

8 65. Bestimmtheit des Grgmstandes. Ist die Leistung ganz unbestimmt gelassen, so entsteht eine Verpflichtung ebensowenig wie in dem Falle, wenn das Seiften überhaupt in das Belieben des Schuldners gestellt ist. Denn jede Unbestimnltheit wirkt zu Gunsten des Schuldners. Unbestimmt aber ist die Leistung nur dann, wenn sie vom subjektiven Ermessen des Gläubigers oder des Schuldners abhängt. Ist für ihre Be­ stimmung ein objektiver Maßstab yegebm, so ist sie bestimmbar und und damit genügend bestimmt. Eln objektiver Maßstab aber ist vor Allem dann vorhanden, wenn ein Dritter die Leistung bestimmen soll. Der Dritte kann die Bestimmung nach freiem ooer nach bllligem Ermessen treffen, im Zweifel ist nach altem wie neuem Recht (§ 317) das letztere anzunehmen. Der Dritte entscheidet durch eine gegen­ über den Betheiligten abgegebene Erklärung, welche von diesen wegen Irrthums, Drohung oder arglistiger Täuschung des Dritten • an­ gefochten werden kann (§ 318) und ohne weiteres unverbiildlich ist, wenn sie unbillig ist. Trifft der Dritte eine m>billige oder über­ haupt keine Bestimmung oder verzögert er sie, so erfolgt die Be­ stimmung durch Urtheil (§ 319). Entscheidet aber das freie Be­ lieben des Dritten, so ist der dieses Ermessen zur Mchtschnur machende Vertrag nach altem und neuem Recht unwirksam, wenn der Dritte die Bestinunung nicht treffen kann oder will oder wenn er die Besttmmung verzögert (8 319 Abs. 2), weil dann jeder Maß­ stab für die Bestimmung fehlt. Bestimmbar ist ferner die Leistung nach altem (RG. 30, 149) und neuem Recht (§ 315) wenn sie von der Bestimmung des Gläubigers ober des Schuldners abhängt und nicht anzunehtnm ist, daß er freies Belieben haben solle. Denn dann ist sein billiges Er­ messen (arbitriiun boni viri) entscheidend. Das billige Ermessen aber bildet einen objekttven Maßstab, daher tritt richterliche Entscheidung ein, wenn die von der Partei getroffene Bestimmung unbillig ist ober wenn bie Bestimmung verzögert wirb. Einen vbjettiven Maßstab gewährt ferner bie Bezugnahme auf bie Verkehrssitte ober bett Handelsbrauch ober das allgemein übliche (vgl. §§ 453, 612, 632, 653 BGB). In gewissen Fällen (Ver­ sprechen einer Dps im römischen Recht, Unterhaltsgewährung) sittd

176 die Verhältnisse des Berpslichtetm oder des Berechtigten (§ 1610 DGB) maßgebend. Bestimmbar ist dxr Gegenstand der alternativen Obligaüon, d. h. desjenigen SchüldverhältnisseS, das zur Leistung des einen oder des anderen Gegenstandes verpflichtet. DaS BGB. (§ 262) schließt sich der herrschmden Lehre des gemeinen Rechts an, indem es erklärt, daß die sämmtlichm Leistungen geschuldet werdm (in obligatione sunt), daß aber nur eine von chnm zu bewirken (in solutione) ist. Ungewißheit besteht nicht darüber, ob, sondem nur darüber, was zu leisten ist. Daher ist die alternative Obligation ver­ schieden von der bedingten. Die Ungewißheit wird beseitigt d. h. die alter» native Schuld wird zu einer einfachen durch Wahl und durch Un­ möglichkeit der einen Leistung. Im Zweifel steht die Befugniß, zu wählm nach alten: wie neuem Recht (§ 262) dem Schuldner zu. Während aber nach römischem und gemeinem Rechts der Wahlberechtigte der von ihm einseitig erklärte:: Wahl gegenüber das Recht des Mcktritts (das jus variandi) hatte, bindet nach neuem Recht (§ 263) den Wahlberechtigten die einseitig von ihm dem andern Theile gegenüber getroffene Wahl. Die Erklärung ist an keine Form gebunden, sie kann sich daher durch eine schlüssige Handlung, z. B. toenn das Wahlrecht dem Gläubiger eingeräumt ist, durch Klageerhebung auf eine der Leistungen, äußern. Das Wahlrecht ist nicht eine höchstpersönliche Befugniß, sondem eine Eigmschast des Schuld­ verhältnisses und geht daher mit diesem auf die Rechtsnachfolger über. Von Anfang an bestehende ober später eintretende Unmöglichkeit einer Leistung beschränkt, nach dem :m gemeinen und im neuen Rechte herrschenden Konzentrationsprinzipe (§ 265) die Obligation auf die möglich bleibmdm Leistungen, so daß, toenn nur eine Leistung möglich bleibt, die Wahl sich erledigt. Daß der Schuldner nur im Falle zufälliger Unmöglichkeit befreit wird, im Falle schuld­ hafter Unmöglichkeit aber verpflichtet bleibt, ist eine Folge des

Gmndsatzes, daß alle Leistungen geschuldet werben (§§ 265, 262). Hat ber Schuldner die Wahl und hat er vor Zusteltung der Klage noch nicht gewählt, so kann der Gläubiger nur altemativ Nagen. Dmn in der auf eine der Leistungen gerüsteten Klage läge die Anmaßung des Wahlrechts durch ben Gläubiger, und in einer Verurtheilung des Beklagten zu einer der Leistungen läge eiire.unzulässige Aberkennung des Wahlrechts. Ist aber im Urthell zutreffend ausgesprochm, daß der Beklagte die eine oder die andere Leistung machen solle, so verliert er nach gemeinen: Rechte daL Wahlrecht

*) ?l. M. insbesondere IHering.

zu Gunftm des Gläubigers (RG. 12, 184). Das neue Recht aber steht auf dem jedenfalls richtigeren Standpunkte, daß auch durch den Beginn der Zwangsvollstreckung das Wahlrecht des Schuldnernoch nicht verloren geht, daß daher zwar der Gläubiger die Zwangs­ vollstreckung in eine der Leistungen betreiben, der Schuldner sich aber, solange der Gläubiger die gewählte Leistung nicht ganz oder San Theil empfangen hat, durch die andere Leistung von seiner erbindlichkeit testeten kann (§ 264 Abs. 1 BGB) Hat der Gläubiger daS Wahlrecht, so liegt in der auf eine der Leistungen gerichteten Klage die Ausübung dieses Rechtes; der Gläubiger kann aber auch allernativ llagen und das Wahlrecht dadurch auSüben, daß er die Zwangsvollstreckung auf eine der Leistungen richtet. Während nach gemeinem Rechte auch der Verzug deS Gläubigers fein Wahlrecht nicht aufhob,, gcht es chm nach neuem Rechte zu Gunsten des Schuldners (§ 264 Abs. 2) bann verloren, wenn er sich im Verzüge befindet und eine ihm vom Schuldner zur Aus­ übung des Wahlrechts gestellte Frist ablaufen läßt.

Steht die Wahl einem Dnttm zu, so ist das Schuldverhältniß selbst durch die Wahl deS Dritten bringt; der Schuldner ist also nach altem und neuem Recht (§ 319 Abs. 2) nicht verpflichtet, Wenn der Dritte nicht wählen kann oder nicht wählen will.

Verschieden von der alternaüven Obligatton ist der Fall, in welchem der Schuldner zu einer bestimmtm Leistung verpflichtet ist, aber das Recht hat, sich durch eine andere Leistung zu besteien (sog- facultas alternativa1). Da hier nur eine Leistung geschuldet ist, wird der Schuldner durch zufällige Unmöglichkeit dieser Leistung frei. Ein alternattves Schuldverhältniß liegt ferner dann nicht vor, wenn dem einen Theile die Wahl gestellt ist, dieses oder jenes Rechtsgeschäft mit dem anbem Theile zu schließen. Besttmmbar ist ferner ber Gegenstand der generischen Ob­ ligation (Gattungsschulb) d. h. des auf Leistung einer nur ber Gattung nach bestimmten Sache gerichtetm Schuldverhältnisses (§ 243 Abs. 1 BGB.). Die Leistung besttmmt sich hier nur baburch, baß sie ein Merkmal hat, baS auch anbere Gegenstände haben. Je zahlreicher die maßgebenden Merkmale sind, je enger also der Kreis von Sachen ist, aus benen ausgeschieden werben darf, desto mehr nähert sich die generische Obligatton der alternativen und sie wird zu einer solchen, wenn nur die Wahl zwischm individuell be-

l) Z. B.

die Noxalklagm

des

römischen Rechts.

Vgl. auch § 251

Abs. 2 BGB. Engelmann, d. alte u. d. neue bürgerliche Recht.

12

178 stimmten Gegenständen gelassen ist1). Gegenstand der Schuld (in obligatione) ist die Gattung, Gegenstand der Leistung ein bestimmteIndividuum. Folglich ist die Leistung so lange möglich, als Sachen derselben Gattung vorhanden sind oder noch entstehen können; vor­ her kann der Schuldner weder nach altem noch nach neuem Recht (§ 279) Befreiung von seiner Schuld wegen Unmöglichkeit der Er­ füllung geltend machm (genus perire non censetur). Aber auch hier muß das Schuldverhältnitz zum Zwecke der Leistung in eine sog. Speciesschuld umgewandelt („konzentrirt" oder „konkretisirt") werden. Durch welchen Akt diese Umwandelung erfolgt, war nach gemeinem Rechte streitig. Die Ausscheidungstheorie erachtete ben einseitigen Akt der Ausscheidung der zu leistenden Sache aus der Gattung für ausreichend, sobau» der Gläubiger von der erfolgten Ausscheidung Kenntniß erlangt habe (Thöl), die JndividualisirungStheorie (Bekker) verlangt Eimgung der Parteien über das zu leistmde Individuum, daher Annahme der zugesandten Sache durch den Gläichiger, die Lieferungstheorie sieht die Konzentration in der Lieferung, bezeichnet diese aber als vollendet mit der Avsendung der Sache. Auf dem Standpunkte der Lieferungstheorie steht § 243 BGB., indem er zur Beschränkung des Schuldverhältnisses auf eine bestimmte Sache für nochwendig erachtet, daß der Schuldner das zur Leistung der bestimmten Sache Erforderliche gethan habe. Danach genügt nicht die bloße Ausscheidung der Sache aus der Menge, es reicht aber aus die Absendung oder das Angebot der auSgeschiedenm Sache. Die Umwandlung hat zur Folge, daß nun­ mehr nur jene besümmte Sache geschuldet, der Schuldner also durch zufAligeu Untergang dieser Sache befreit wird. Während aber nach gemeinem Rechte der Schuldner die schlechteste Sache wäblm durste, ist nach neuem Rechte (§ 243 BGB.) eine Sache von mittlerer Art und Güte, im Handelsverkehr Handelsgut mittlerer Art und Güte zu leisten (§ 360 HGB).

8 66.

Die Leistung von Geld.

Werdm einzelne bestimmte Geldstücke zum Gegenstände eines Schuldverhältnisses gemacht, so ist eine Speciesschuld bemündet. Soll eine bestimmte Geldsorte geleistet werben betört, baß sie nach dem Willen ber Parteien nicht durch eine onbere Geldsorte vertreten werden kann, so ist eine Gattungsschuld der bestimmten Gelbsorte vorhanben. Eine eigenüiche Geldschuld aber ist ein auf Leistung ‘) „24 Stück Hammel" = tzeneüjche Bestimmtheit; 24 Hammel einer be­ stimmten Heerde gleichfalls genensche Bestimmchett; „einer von meinen sieben Hammeln" alternative Obligation. ROHG. 24, 30.

von Geld schlechthin gerichtetes Schuldverhältniß. Eine Geldschuld ist daher auch dann vorhanden, wenn die Parteien eine bestimmte Münzsorte bedungm, damit aber nur die Art und Weise der Zah­ lung festgesetzt haben (RG. 6, 127). Denn in diesem Falle kann die bedungene Sorte durch anderes Geld vertreten werden, wenn sie zur Zeit der Zahlung nicht mehr im Umlauf ist. WaS Geld ist, waS also als Gegenstand der Geldschuld zu leisten und anzunehmm ist, bestimmt der Staat. Eine Geldschuld ist daher in der am Orte und zur Zeit der Zahlung anerkanntm Währung zu leisten, selbst wenn die im Jnlande zu tilgmde Geldschuld in ausländischer Währung auSgedrückt ist. In diesem Falle ist der zu zahlende Geldbetrag nach dem Kurswerthe zu berechnen, der zur Zeit- der Zahlung für dm Zahlungsort maßgebend ist (§§ 244, 245 BGB). Im Konkurse gehen die Verpslicht»lngen des Schuldners in Geldschulden über (§ 62 KO). § 67. Die Leistung von Zinsen. Binsen sind die Vergütung für den eutbehrtm Gmnß einer QnaUtität vertretbarer Sachen, bestehend in einer Quote von Sachen gleicher Art. Die wichtigsten sind die Geldzinsen. Sie würdm in Rom monatlich^), heutzutage werden sie im Zweifel nach Ablauf se eine- Jahres enttichtet. Zu unterscheiden ist das Zinsrecht und der Zinsenanspruch. Das Zinsrecht ist unselbständig (accessorisch), denn es kann ohne Kapitalsschnld weder entstehen noch fortbestehen; der Zinsenanspruch aber, als Forderung auf fällig gewordme Zinsen, ist selbständig und kann daher Gegmstand selbständiger Rechtshandlungen sein, z. B. ohne die Kapitalfordenmg abgetreten werden. Die Zinspslicht unter­ liegt daher derselbm Verjährung wie die Hauptschuld, der Zinsm­ anspruch kann einer' besonderen Verjährung unterworfen sein und unterliegt nach § 197 BGB- einer vierjährigen Verjährung. Die Zinspflicht bembt auf Vertrag oder Gesetz.

1. Nach römischem Recht konnten Darlehnszinseu nur durch Stipulation, bei negotia bona fidei konnten Zinsen auch durch bloßes pactum versprochen werden. Nach jetzigem Recht unterliegt das Zinsversprechen der für den Hauptvertrag etwa erforderlichen Form. Die Höhe der Zinsm unterlag seit ältester Zeit manchen Be­ schränkungen. Die zwölf Tafeln gestatteten als Höchstmaß das ') Daher werben die Zinsen in Den römischen NechtSquellen nach Monaten berechnet. Centesimae itsurae — 1%, semisses — *4%, trientes usurae --- l/a%i besses usurae -■= */3% monatlich, also 12, 6, 4, 8% jährlich.

180

foenus unciarium (Vh des Kapitals — S1/^0/»), ein Gesetz auK dem Jahre 347 v. Chr. das foenus semiunciarium (41/6%), die lex Genucia von 342 verbot das Zinsennehmen. Durch Ge­ wohnheitsrecht kam dieses Gesetz außer Gebrauch und wurde das Zinsennehmen Mich, seitdem bilvetm bis Justinian 12% das Ma. pmum. Dieser setzte daS Höchstmaß auf 6% herab, gestattete aber Fabrikanten und Kaufleuten 8% zu nehmen, verbot den Personen aus der Klasse der illustres mehr als 4%, und von Bauern mehr als 4%% zu nehmen. Das kanonische Recht behandelte daS Zinsen­ nehmen als Wucher und gestattete nur Inden 5%. Der jüngste Reichsabschied von 1654 ließ allgemein 5% zu. Seitdem hat der zulässige Höchstbettag in den Partikularrechten geschwankt, bis daS ReichSgesch vom 14. November 1867 die Höhe der Zinsen der freien Vereinbarung der Parteim überließ. Eine Beschränkung führte das Reichsgesetz bett, den Wucher vom 24. Mai 1880 nebst dem Ergänzungsgejetze vom 19. Juni 1893 insofern wieder ein, als zwar

nicht ein besttmmtes ZmSmaximum festgesetzt, -dagegen ein Zinsen­ nehmen, das sich nach Lage der Umstände als übermäßiges und da­ her als Wucher charakterisirt, unter Sttafe gestellt, der wucherische Berttag für ungültig erklärt und- dem Schuldner die Befugniß der Mckforderung der wucherischen Vorthelle unter solidarischer Ver­ haftung der Schuldigen gewährt wurde. Auch dqS BGB. steht auf dem Standpunkte der Verttagsfreiheit, eS ist daher daS Gesetz vom 14. November 1867 als nicht mehr nöchig aufgehoben worden (Art. 39 EG. z. BGB). Ist' über die Höhe der Zinsen im Berttage nichts bedungen, so tritt nach bis­ herigem Recht der übliche Zinssatz, nach § 246 BGB. ein Zin­ sen 4%, nach § 352 HGB. bei Schulden auS beidersettigen. Handelsgeschäften ein Zins von 5% ein. Sind mehr als 6% be­ dungen, so kann der Schuldner nach Ablauf von sechs Monaten das Kapttal mit sechsmonatiger Frist aufkündigen, und dieses Kündigungsrecht kann burcfi Vertrag weder ausgeschlossen noch be­ schränkt werden. Das Künvigungsrecht besteht nicht für Schuldver­ schreibungen auf den Inhaber, dagegen besteht eS im Handels­ verkehr (§ 247 BGB. Art. 2 EG- z. HGB. n. F). Das BGB. steht auch insofern auf dem Standpunkte des bisherigeil Rechts, als es wucherische Rechtsgeschäfte als nichtig be­ handelt, weil sie gegen die guten Sitten verstoßen (§ 138), und als es ferner die Umstände des einzelnm Falles darüber entscheiden läßt, ob übermäßige Vortheile bedungen sind. ES behandelt in § 138 nicht bloß den Kreditwucher d. h. die Stipulinmg unverhältnißmäßiger Vortheile für gewährtm Kredit, sondern auch dm Sachwucher d. h. die Berembamng oder Annahme übermäßiger Bermögmsvortheile

für andere Leistungen, indem es zmn Thatbestände die Ausbeulung der Nothlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns eines Andem, und ferner die Annahme von Vermögensvortheilen oder auch nur die Annahme deS Verfprechms von Vermögensvorthellen verlangt, die den Werth der Leistung dergestalt übersteigen, daß die Borcheile den Umständen , nach in auffälligem Mßverhältnisse zu der Leistung stehen. ES ist gleichgültig, ob das Versprechen dem Leistenden oder einem Drittm gegeben wird. Aus der Nichtigkeit deS Geschäftes folgt da- Recht auf Rückforderung des bereits Geleistetm und auf Verweigerung der Leistung der übermäßigen Vortheile. Dieses Recht verjährt nicht, wie nach dem aufgehobenen Art. 3 Ges. v. 24. Mai 1880 (vgl. Art. 47 EG. z. BGB ) in fünf Jahren, sondem unter­ liegt der ordentlichen Verjährung von 30 Jahren (§ 195 BGB). Wer aus dem Betriebe von Gew- oder Kreditgeschäften ein Gewerbe macht, hat die Rechnung des Geschäftsjahres für jeden seiner -Schuldner abzuschlie^en unb ihm binnen drei Monaten mitzutheilen. Die Verletzung dieser Vorschrift hat für ihn den privatrechtlichen Nach­ theil, daß er den Zinsenanspruch auS denjmigm Geschäften für das verflossene Jahr verliert, die in den Rechnungsauszug aufzunehmen waren. Diese auftechterhaltene Bestimmung des Art. II Ges. v. 19. Juni 1893 (Art. 47 EG. z. BGB.) hat jedoch mehrere Aus­ nahmen. Nach römischem und gemeinem Recht ist der Anatocismus verboten d. h. das Zinsnehmen von Zinsen, sei eS, daß die rückftändigm Zinsen zum Kapitale geschlagm werden (a. conjunctus) oder daß aus chnen eine neue Kapitalschuld gebildet wird. Dieses Verbot wurde zuerst durch Art. 291HGB. a. F. insoweit beseitigt, daß Kaufleute, welche mit einander in laufender Rechnung ftefien, von

dem RechnungSüberschussc (Saldo) Zinsm forbetn dürfen, selbst wenn in dem Ueberschusse schon Zinsen enthalten sind. Diese Bestimmung wird durch § 355 HGB. n. F. auf den Fall der laufenden Rechnung zwischen einem Kaufmann und einem Nichtkaufmann ausgedchnt. DaS BGB. (§ 248) erklärt nur die im voraus ge­ troffene Vereinbarung, daß fällige Zinsen wieder Zinsen tragen sollen, für nichtig, und auch von dieser Bestimmung sind zu Gunsten von Sparkassen, Kreditanstalten und Jnhabem von Bankgeschäften, sowie zu Gunsten solcher Kreditanstalten, die befugt sind, für dm Betrag der von ihnm gewährten Darlehen verzinsliche Schuldvcrschreibungen auf den Inhaber auszugeben, Ausnahmen gemacht, indem jene vereinbaren können, daß nicht erhobene Zinsm von Ein­ lagen als neue Einlagen gelten sollen, und indem diese sich die Verzinsung rückständiger Zinsm im voraus bedingen dürfen (wegm der möglichm Ausfällt an Zinsen).

182 Das gemeine Recht stellte ferner das Gebot auf, daß der Zinsen­ lauf stillstehen solle, sobald die rückständigen Zinsen die Hohe deS Kapitales erreicht haben (ultra alterum tantum). Dieses Gebot war durch Art. 293 HGB. für Handelsgeschäfte beseitigt worden, und das BGB. hat es überhaupt nicht ausgesprochen, so daß die Wiederholung des Art. 293 im neuen HGB. überflüssig gewesen wäre. Vorthelle, die dem Gläubiger für die Gewährung von Kredit zugesichert werden, aber nicht in einer Quote des Kapitales bestehen, sind nicht Zinsen, doch kommen sie bei der Frage nach wucherischer Ausbeutung in Anschlag. 2. Gesetzliche Zinsen sind diejenigen, welche beim Eintritt eines gewissen Thatbestandes kraft Rechtsvorschrift zu entrichten sind. Hierhin gehört nach altem und neuem Recht (§ 452) die Verpflichtung des Käufers, den nicht gestundeten Kaufpreis von dem Tage an zu verzinsen, von welchem ihm die Nutzungen der Kaufsache gebühren; ferner nach altem und neuem Recht (§ 068) die Pflicht des Man­ datars, Güd des Mandanten, das er für sich verwendet, zu verzinsen. Nach dem HGB (§§ 353, 354) sind a) Kaufleute unter einander berechtigt, für ihre Forderungen aus beiderseitigm Handelsgeschäften vom Tage der Fälligkeit Zinsen zu fordern, doch nicht Zinsm von Zinsen, und ist b) ein jeder der in Ausübung seines Handelsgewerbes Darlehen giebt, Vorschüsse, Auslagen und andere Verwendungen macht, befugt vom Tage der Leistung an Zinsen zu berechnen, gleichviel ob der Schuldner Kaufmann ist oder nicht. Bon besonderer Wichttgkeit sind die Verzugszinsen; sie sind zu leisten, wenn und so lange der Schuldner einer Geldschuld in Verzug ist, und bilden den Ersatz des dem Gläubiger dmch den Verzug vermuthlich verursachten Schadens. Daher ist nach altem und neuem Recht (§§ 288, 289) die Geltendmachung eines höherm Schadms nicht ausgeschlossen. Nicht zu den Verzugszinsen gchören die Prozeßzinsen, die nach bisherigem und künftigem Recht von der Rechtshängigkeit an zu entrichten sind, auch toenn sich der Schuldner nicht im Verzüge befindet (§ 291 BGB. 239 CPO) *). Die Höhe der gesetzlichen Zinsen bestimmte sich bisher nach Landesbrauch, sie ist aber vom künftigen Recht auf 4°/0, für den Handelsverkehr auf 5 % festgesetzt (§§ 246, 288 BGB. 352 HGB.). War der Schuldner vor Eintritt des Verzuges zu einem höheren Zinssätze verpflichtet, so hat er Verzugszinsen zu diesem höheren Betrage zu zahlen (bisher § 3 G. v. 14. 11. 67., künftig § 288 BGB ). ') Andere Fälle gesetzlicher Zinsen §§ 256, 347, 641, 675, 820, 849, 1834 BGB. §§ 110, 111 HGB.

Gesetzliche Zinsen konnten nach römischem Recht nur mit der auf die Hauptschuld gerichteten Klage gefordert werden, well sie officio judicis praestantur. Nach heutigem Recht dagegen könnm sie selbständig und selbst nach Tilgung der Hauptschuld eingellagt werden (ROHG- 9, 230; 21, 320. RG. 1, 349). § 68.

Die Leistung von Rmteu.

Die Stente hat mit den Zinsm die periodische Wiederkehr der Leistungspflicht gemein, sie unterscheidet sich von den Zinsen aber dadurch, daß die Zinspflicht von einer Kapitalschuld abhängig ist, die Rentenpflicht aber daS Vorhandensein einer Kapitalschuld aus­ schließt. Darum hat in den Fällen der Rentenpflicht die Zahlung eines Kapitals an den Rentenberechügten nicht die Bedeutung einer Schuldtilgung, sondern die einer Befreiung von der Rentenschuld (Ablösung). Die Rente besteht gewöhnlich in Geld, sie kann aber auch in anderen körperlichen Sachen bestehen. Auch hier ist zu unterscheiden zwischen dem Rechten recht und der einzelnen Rente. Jenes ist das Recht auf Rentenzahlung, ein Recht, das eine obligatio certa sein kann, wenn sowohl die Dauer als die Berfallzeit der Rente gewiß ist, andernfalls ist es eine incerta. Der Anspruch auf die einzelne künftig fällig werdende Rente ist ein betagter, dessen Verjährung nach dem BGB- § 197 in vier Jahren seit der Berfallzeit eintritt. Im Konkurse des Schuldners werden Rentmschulden kapitalisirt. Der Gläubiger wird dann bei den Abstimmungen und bei Vertheilung der Masse nach Maßgabe des Kapitalbetrages so berücksichtigt, wie wenn er das Kapital zu fordern hätte (§ 62, 63 KO). Die Rente ist nach Höhe und Dauer regelmäßig unabänderlich. Dimt sie aber dem Zwecke der Unterhaltsgewährung und ist ihre Höhe oder Dauer nach den Umständen, insbesondere nach den Ver­ mögensverhältnissen des Einen oder des Andcm bemessen, so kann bei einer Aenderung dieser Verhältnisse eine Aenderung der Rente begehrt werden. Dieser Fall wird regelmäßig dann vorliegen, wenn die Rente Schadmsei^atz bildet ober auf gesetzlicher Verpflichtung

beruht').

§ 69. Die Leistung von Alimenten. Alimente sind Leistungen zum Zwecke des Lebensunterhaltes. Sie gewähren entweder nur einen Unterhaltsbeitrag oder den vollen Unterhalt. Im letzteren Falle umfassen sie nach altem und neuem *) Bergs, den in Aussicht genommenen § 1580 58®®.

293 a CPO. und §§ 843,

184 Recht den gestimmten Lebensbedarf des Berechtigten. Der Unterhalt kann aber ein notdürftiger sein, wenn er nur der Erhaltung deS Lebens dient, ober ein standesmäßiger, wenn er der Lebensstellung des Berechtigten entspricht. In diesem Falle umfaßt er bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erzichung und der Ausbildung zu einem Berufe (§§ 1610, 1708 BGB). Die Unterhaltspflicht beruht auf Willenserklärung, Gesetz ober unerlaubter Handlung. Wird der Unterhalt in Gestalt einer Rente gewährt, so thtilt die Verpflichtung zur Alimentation die Eigen­ thümlichkeiten der Rentenpflicht. ftuf Gesetz beruhende Alimente können dem Berechtigten nicht im Wege der Zwangsvollstreckung entzogen werden (§ 749 Nr. 2 EDO). Im Konkurse des Unterhältspflichtigen können aus Willens­ erklärung ober Gesetz beruhende Alimentenforderungen als Konkursforderungen geltend gemacht »erben, bagegen hört bie auf Gesetz beruhende Unterhaltspflicht bis zu dem Zeitpunkte auf, in welchem der Pflichtige wieder in bessere Bermvgensumstände kommt. Denn diese Pflicht hängt, außer bei unehelichm Kindern (§ 1708 BGB), nach altem und neuem Recht (§ 1603, 1579 BGB) nicht blos vom Bedürfnisse deS Berechtigten, fonbem auch von beut Können deS Verpflichteten ab (concursus non alit infantes)1). Der Anspruch auf Alimentation als folche erlischt, toenn der Zeitraum, für den Alimente zu gewähren waren, verflossen ist (in praeteritum non vivitur. RG 17, 226). Es kann für diese Zeit aber statt der SUimente Schadensersatz wegen Nichtgewährung des Unterhalts verlangt werden, und der Dritte, welcher den Unter­ halt gewährt hat, kann einen Anspruch aus unbeauftragter Geschäfts­ führung erhebe». Diesm Sätzen des bisherigen Rechtes trügt das BGB (88 1613, 1580) dadurch Rechnung, daß es dem Berechtigtm für die Vergangenheit Anspmch auf Erfüllung ober auf Schabens­ ersatz wegen Nichterfüllung nur von der Zeit an gewährt, zu welcher

der Verpflichtete in Verzug gekommen ober ber Unterhaltsanspruch rechtshängig geworben ist, so daß betreffs dieser Zeit der Berechtigte von dem Nachweise befreit ist, daß er zum Zwecke seines Unterhaltes habe Aufwmdungen machen müssen. Wenn das BGB in § 1711 unehelichen Kindern den Alimentenanspruch auch für die Vergangen­ heit gewährt, so stellt es mit dieser Ausnahme nur eine Beweiserleichterung aus. Der Anspruch aus rückständige Alimente verjährt nach § 197 BGB. in vier Jahren. *) Für die Nichtbetheiligten pflegt im Wege der §§ 118, 120, 51’ KO. gesorgt zu werden.

§ 70 Die Pflicht zur Jutereffeleistung. 1. Unter Interesse versteht man die Nachtheile, die der Eine durch daS Verhalten eines Andem erleidet, im engerm und gewöhn­ lichen Sinne bedmtet daS Wort nur die Vermögenseinbuße. Nach römischem Prozeßrecht konnte nur auf Geld verurtheilt werdm. Es mußte daher ein jedes Interesse (quanti ea res est) in Geld geschätzt, es konnte also nur der Ersatz von VermögmSschäden eingeklagt werden. Die immateriellen Rechtsgüter fanden Schutz nur durch das Strafrecht und durch die actiones poenales, d. i. die zur Verfolgung von Privatdelikten gegebenen Privatklagcn; aber auch die letzteren gingen auf Geld. DaS gemeine Recht stand gleich­ falls auf dem Standpunkte, daß nur Vermögmsschädm ersatzfähig seim. Der Schutz der imniateriellen Lebensgüter wird dem Strafund dem Berwaltungsrecht überlassen. Daneben ließ die Praxis einen Anspruch auf sog. Schmerzensgelder zu d. h. auf eine Geldentschädigung, die unabhängig ist von einem Bermögensschaden und nur gezahlt wird als Aequivalmt für die durch eine Körper­ verletzung verursachten Schmerzen. Auch die Buße, auf wäche nach mehreren Reichsgesetzen nebm der Strafe erkannt werdm kann, sann im einzelnen Falle der Sühne für die Verletzung idmler Jntereffm dienen, sofern sie über dm Betrag des eingetretmm Ver­ mögensschadens hinausgcht, ihr Zweck aber ist, eine Vermögens­ einbuße auszugleichm, und auch sie wird in Geld gewährt. Dieser Standpunkt des gemeinen Rechts ist vom BGB. nicht festgehalten morden. Dmn dieses stellt in § 249 ff den Grundsatz auf, daß möglichst jeder Schade durch Beseitigung des rechtsverletzenden Zu­ standes zu ersetzen sei, und fügt in § 253 den Satz hinzu, daß wegen eines Schadens, der nicht Vermögmsschädm ist, eine Ent­ schädigung in Geld nur in dm gesetzlich bestimmten Fällen gefordert werden könne *). Hiernach kann also nach, künftigem Recht eine Geldmtschädigung nur für eingetretenen Bermögensschaden gewährt, dagegen kann da, wo sich die Schädigung an einem immateriellm Gute durch die Wiederherstellung in Natur beseitigm und mit dm .Zwangsmitteln des Prozeßrechts erzwingen läßt, auch für Schäden dieser Art Ersatz begehrt werden. 2. Das Vermögensinteresse ist entweder nur positiver Schaden (danmuin emergens) d. h. Entziehung eines Bermögenswerthes, in bessert Genuß der Beschädigte sich befand, oder entgangener Gewinn (hierum cessans) d. h. Entziehung eines Vermögensvortheils, in dessen Genuß der Geschädigte gelangt sein würde oder, wie daS BGB. in § 252 sagt: „Der Gewinn, welcher nach dem gewöhn-

*) §§ 847, 1300 BGB.

186 Uchen Laufe der Dinge oder nach den besonderen Umständen, ins­ besondere nach den getroffenen Anstalten oder Borkehnmgen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte." Das Wort Schaden oder Interesse aber umfaßt nach altem und neuem Recht (§ 252) beides. In allen Fällen also, in denen eine Ersatzpflicht überhaupt besteht, umfaßt diese nach gemeinem wie neuem Recht, das hierin im Art. HGB. a. F. einen Vorläufer hatte, sich aber in Gegensatz zu einigen Partikularrechten setzt, das gesammte oder „volle Inter­ esse." Für die richterliche Festsetzung der Höhe des Schadens sind und bleiben die §§ 259, 260 CPO. maßgebend. Hat derselbe Um­ stand, der einen Schaden zufügte, zugleich einen Vermögensvorcheil für den Geschädigten zur Folge, so vermindert sich der zu ersetzende Schaden um jenen Vortheil (compensatio damni cum lucro, vgl. 88 324, 615, 649 BGB). Für einzelne Fälle bestehen Hastungsbeschränkungm. So war nach einer Vorschrift Justinians (1. un. C. 7, 47) der Richter gebunden, nicht über das Doppelte des tbesUmmbaren) Werthes der Sache, die in Frage war, hinaus zu erkennen, eine BesUmmung, die in das gemeine Recht übergegangen, als privatrechtlicher Satz durch die CPO. nicht aufgehoben worden ist (RG. 10, 194), aber vom BGB. beseitigt wird; der Frachtführer und die Eisenbahnen hasten nach §§ 430, 457 HGB. auf Grund des Frachtvertrages nur für den gemeinen Handelswerth oder dm gemeinen Werth verlorenen oder beschädigten Frachtgutes, und nur im Falle von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit tritt Haftung auf dm vollen Schaden ein (vgl. jedoch § 461 das.); die Post haftet nach 88 6 ff. des Reichspostgesetzes vorn 28. Oktober 1871 für verloren gegangene gewöhnliche Briefe überhaupt nicht unb für andere Sendungen nur in beschränktem Maaße.

3. Nachdem schon im Prozeßrecht der späteren römischm Kaiser­ zeit die Naturälexekution (neben der Beitreibung von Geldsummen) zulässig geworden war1), war jedenfalls im gemeinen Recht die Möglichkeit gegeben, dadurch Schadensersatz zu leisten, daß der Zu­ stand wiederhergestellt wurde, welcher vor dem schädigmdm Er­ eignisse bestanden hatte. Allein die Regel blieb, daß der Schadm in Geld geschätzt und durch Zahlung von Geld ersetzt wurde (ROHG. 22, 198. RG. 17, 112). Das BGB. aber hat die Wiederherstellungspflicht zum Grundsatz erhobm (Restitutionsprin­ zip § 249). Indem es indessen eine Pflicht zur Wiederherstellung „des Zustandes ausspricht, der bestehm würde, wenn der zum Er­ sätze verpflichtende Umstand nicht cingetreten wäre", versagt es zugleichoem Beschädigtm die Befugniß, statt der Wiederherstellung Geld ’) Mein Civilprozeß.

II.

2. S. 120 ff.

zu verlangen. Es giebt aber im Falle der Verletzung einer Persou oder der Beschädigung einer Sache dem Geschädigten die'Wahl zwischen Herstellung oder Geldersatz (§ 249), und es beschränkt de» Geschädigtm auf den Geldersatz a) wenn die Herstellung nicht möglich ist oder zur Entschädigung nicht genügt (§ 251 Abs. 1), b) wenn die Herstellung nur mit unverhältnißmäßigm Auf­ wendungen möglich ist (§ 251 Abs. 2), c) wenn der Gläubiger, wozu er befugt, dem Ersatzpflichtige» zur Herstellung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmt hat, daß er die Herstellung nach dem Ablaufe der Frist ablehne; denn in dresem Falle geht mit dem Ablaufe der Frist der Anspruch auf Herstellung verloren, und es bleibt nur der Anspmch auf Geldersatz (§ 250). 4. Die Leistung auf Schadensersatz kann Gegenstand eines besonderen Vertrages (des Versicherungsvertrages) sein. Dieser Fall gehört nicht in die Lehre vom Interesse, weil bei ihm nicht derjenige, der den Schaden verursacht, sondem derjenige, der sich besonders ver­ pflichtet hat, zum Schadensersätze verbundm ist. Die eigenlliche oder allgemeine Schadms«satzpflicht trifft, denjenigen, der durch einen Eingriff in ftemde Rechte den Schaden eines Andem verursacht.

Der (Eingriff kann geschehen, 1) indem die durch ein besonderes Rechtsverhältniß begründeten Pflichten, 2) indem die durch allgemeines Gebot gesicherten Rechtsgüter verletzt »erben. Den ersten Fall bezeichnet man regelmäßig mit dem Worte „kontraktlicher" ober „Vertrags-Schaden", weil er meistens in der RichterMung ober nicht gehörigen Erfüllung vertragsmäßig begrün­ deter Verpstichtungen bestcht; indessen kann auch eine aus einem anderen Rechtsgrunde entstandene Verpflichtung verletzt und dadurch eine Schadensersatzpflicht begründet werden. Die Fälle der zweiten Art werden geblldet durch Ueberschreitung von Geboten, sei eS des Gesetze- oder der Sitte, oie sich an alle Menschen wenden. Man verwendet bei ihnen daS Wort „außerkontraktlicher Schadm". Ein solcher kann vemrsacht sein durch eine unerlaubte Handlung (DeliktSschuld) oder durch ein an sich erlaubtes Verhalten, mit oem das Gesetz eine Entschädigungspflicht verbindet (gesetzliche SchadmSersatzpflicht). Da im ersten Falle die Pflicht nur auferlegt ist durch Vertrag, so erschöpft sich der Eingriff in die Befugniß des Berechtigten in der Vertragsverletzung; der Geschädigte chat demnach nur einen

Anspruch ans dem Vertrage,

und

dieser Anspmch

steht nur dem

188 andern Vertragschelle zu Liegt aber in der Vertragsverletzung zugleich ein unberechtigter Eingriff in die Rechte eines Dritten, so ist diesem gegenüber die Vertragsverletzung eine „unerlaubte Handlung." Vertragsschadm ist aber nur das sog. positive Vertragsinteresse oder ErsAlungsinteresse d. i. derjenige VermögenSnachtheil, der durch Richt- oder nicht gehörige Erfüllung eines Vertrages, negatives Vertragsinteresse dagegen ist der Schaden, der durch das Ver­ trauen auf die Gültigkeü einer in Wahrheit nicht rechtsbeständigen Willenserklämng verursacht wird. Der Anspmch auf das positive Interesse setzt also einen Vertrag voraus, der ersüllt werden sollte, der Anspruch auf das negative Interesse aber einen solchen, dessen Erfüllung nicht verlangt werden kann, gleichviel ob er von vornherein nichtig oder mit Erfotz angefochten ist (§§ 118, 119, 120, 122, 179, 307 BGB ). Das negative Interesse ist demnach außerkontraktlicher Schade. Es soll nach neuem Recht (vgl. die angef. §§) nicht höher sein, als das posiüve Interesse gewesm sein würde. 5. Eilte weitere Voraussetzung der Schadensersatzpflicht ist der ursächliche Zusammenhang zwischen dem eingetreteneu Schaden und dem Eingreifen in fremdes Recht. Ein solcher Zusammenhang ist schon daun vorhanden, wenn das Verhaltm einer Person auch nur eine Bedingung für den Eintritt des Schadens gegebm hak, der schädigende Erfolg aber nur durch das Zusammenwirken mehrerer .Bedingungen verursacht worden ist. Demnach ist nicht nur der un­ mittelbare, sondem auch der mittelbare Schaven zu ersetzen. Die Anwendung dieses Grundsatzes macht Schwierigkeiten, wenn an der Enfftehung des Schadens der Beschädigte selbst mitgewirtt hat. Die 1. 203 D. 50,17: quod quis ex culpa sua damnum sentit, non intelligitur damnum sentire vermischte Verursachung und Verschuldung, die gemeinrechtliche Lehre gelangte daher zu dem Er­ gebnisse, daß, wenn der Beschädigte die Abwmdung oder Minderung des Schadens versäume (d. i. schuldhast unterlasse), Ersatz deS Schadens nicht gefordert werden dürfe. Das BGB (§ 254) ändert zunächst nichts an dem selbstverständlichen Gmndsatze, daß ein Jü>er den Schaden zu tragen hat, den er verursachte, es läßt aber in allen dm Fällen, in denen die Feststellung des von jedem Einzelnen verursachtm Schadms nicht möglich ist, die Umstände, insbesondere die überwiegende Ursache entscheiden, und zwar nicht nur bei der Frage nach der Höhe, sondem auch bei der Frage nach der Pflicht zum Schadens­ ersätze überhaupt. Aus § 254 Abs. 2 folgt aber, daß der Beschädiger nur dann ganz oder theilweise stet wird, wenn dem Beschädigten ein Verschulden zur Last fällt. Dieses Verschulden kann darin bestehm, daß er es versäumt, dm Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadms aufmerksam zu machen, die dieser

weder kannte noch kennen mußte, sowie darin, daß er eS versäumt, den Schaden abzuwenden oder zu vermindern.

6. Ob außer der Verursachung auch noch Verschuldung zur Begründung einer Schadensersatzpflicht gehört, ist nicht stets in gleichem Sinne beantwortet worden.

DaS älteste römische und das älteste dmtsche Recht ruhen auf dem bloßen Berursachungsprinzip. Die lex Aquilia aber führte in das römische Recht daS Verschuldungsprinzip ein, indem sie die Verantwortlichkeit für eine Sachbeschädigung vom Verschuldm des Thäters abhängig machte und allerdings schon eine levissima culpa für ausreichend erklärte. Auf dem VerschuldungsPrinzip ruht auch das gemeine Recht, nach welchem die Haftung nicht nur für außerküntraktlichen, sondem auch für Bertragsschadm von einein Verschrlldm abhängig ist. Auch daS neue Recht hat das DerschuldungSprinzip angenommen (§§ 276, 823), Da «wer in der Nicht- oder nicht gehörigen Erfüllung eines Vertrages an sich ein Verschuldm liegt, so genügt zur Begründung eines SchüdenSersatzanspruches auS einem Vertrage regelmäßig die Thatsache der Nichterfüllung. Sache des Verpfiichtetm ist eS, einen Umstand an­ zuführen, der im gegebenen Falle eine Entlastung vom Vorwurfe deS Verschuldens bewirkt. Zur Begründung eines außerkontraktlichen Schadensersatzanspruches aber gehört der Nathweis desjenigen Maßes von Verschuldm, daS nach oem Gesetz die Voraussetzung der Haftung bildet. Das mvdeme Recht ist jedoch in zahlreichm Fällm auf daS Berursachungsprinzip zurückgegangm. ES macht vor allem die Haftung für einen dem Grundeigenthümer durch dm Betrieb eines Bergwerks, ferner die Haftung für einen durch die Ent­ eignung einer Sache verursachten Schaden unabhängig von einem Verschuldm; hier wird SchadmSersatzpflicht durch die Vornahme einer gesetzlich erlaubtm Handlung herbeigeführt. Diese und andere Fälle gehören vornehmlich dem Landesrechte an. DaS Reichshaftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 begründet eine Pflicht zum Ersätze von BennögmSschädm, welche durch die gewissen Be­ trieben eigenthümlichen Gefahrm vemrsacht werben, und daS Unfall­ versicherungsgesetz vom 6. Juli 1884 erreicht eine Haftung für alle Betriebsunfälle aus dem Wege einer gesetzlich gebotenen Versicherung gegen die Gefahrm des Betriebes. In Wissmschast und Praxis macht sich daS Bestrebm geltmd, die Haftpflicht für unverschuldetm Schadm von jmen als Ausnahmen zu behandelndm Fällm aus alle diejmigm Fälle auszudehnm, in benen zum Vortheile eines einzelnm Rechtssubjektes ungewöhnliche Gefahrm für die Rechts-,

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güter anderer Personen entfesselt werdens. Indessen hat auch das BGB- ein Prinzip nicht aufgestellt, vielmehr läßt es eine gesetzliche Schadensersatzpflicht nur in bestimmten Fällen außerÄntmktlichen Schadens (§§ 231, 904, 833, 835) eintreten und nach § 829 Personen, die an sich nicht verantwortlich sind, unter gewissen Voraussetzungen hasten, wenn dies der Billigkeit entspricht. Ob auch der Anspruch auf das negative VertragSinteresse von einem Verschulden abhängt, war in der Lehre des gemeinen Rechtes streitig. Die herrschende Meinung stellte diese Voraussetzung auf, man sprach deshalb von einer culpa in contrahendo. Das BGB. unterscheidet: sowohl in dem Falle, wenn eine nicht ernstliche Willenserklärung abgegeben wich, als auch dann, wenn die Richtigkest des Vertrages in der Unmöglichkeit der Leistung ihrm Grund hat (§§ 118, 307), ist das Recht oeS Ge­ täuschten auf daS negative Interesse von einem Berschuldm deS anderen Theiles abhängig, daS im ersten Falle eben darin liegt, daß eine nicht ernstliche Willenserklärung abgegeben wird. Ist aber ein auf einem Irrthum bmihendes Geschäft mit Erfolg angefochten oder der Vertrag in Folge mangelnder Vertretungsmacht des Ver­ treters unwirksam, so ist daS Recht des Getäuschten auf das negative Interesse von einem Verschulden des anderen Theiles nicht abhängig (88 122, 179). In wesentlicher Uebereinstimmung mit dem römischen und ge­ meinen Rechte verleiht 8 255 BGB demjenigen, der für den Ver­ lust einer Sache oder eines Rechts Schadensersatz $u leisten hat, die Befuguiß, von dem Geschädigten Abtretung derjenigen Ansprüche zu erlangen, die diesem auf Grund deS Eigenthums an der Sache oder auf Gmnd deS Rechts gegen Dritte zustehen. Denn behielte der Geschädigte diese Ansprüche, so würde er durch, chre Gelteudmachmg daS erlangen, wofür ihm bereits Ersatz gewährt ist. '

§ 71.

Andere LeistungSgegeustäude.

Das BGB uormirt im allgemeinen Theile des Obligattonenrechts einige bei verschiedenen Rechtsverhältnissen vorkommeude Leistungspflichten.

1. Die Pflicht zum Ersätze von Aufwendungen hat die Pflicht zur Verzinsung der aufgewendeten Geldwerthe im Gefolge. Die Frage ist trotz der verdienstlichen Arbeiten von Steinbach: Die Gmndsätze des heutigen RechtS über den Ersatz von Bermvgensschäden, 1888, Unger: DaS Handeln aus eigene Gefahr und das Handeln auf fremde Gefahr, 1893, 1894, Merkel: Ueber die KoMsion rechtmäßiger Interessen, 189.5, Rümelin: Die Gründe der Schadenszurechmmg, 1896, noch nicht gelöst.

Sind diese Aufwendungen aber auf einen Gegenstand gemocht worden, ben der Aufwendende herauszugeben hat, so steht die Zmspflkcht so lange still, als der Ersatzberechtigte die Nutzungen oder die Früchte des Gegenstandes ohne Vergütung genießt^. Besteht eine Pflicht

zum Ersatz von Aufwendungen, die für einen bestimmten Zweck ge­ macht sind, und geht der Berechtigte für diesm Zweck eine Ver­ bindlichkeit ein, so kann er Befreiung von der fälligen und Sicher­ heit wegen der noch nicht fälligen Verbindlichkeit verlangen (§§ 256, 257 BGB, § 354 HGB).

2. Wer berechtigt ist, von einer von ihm herauszugebenden Sache, eine Einrichtung wegzunchmen (jus tollendi), ist nach altem und neuem Recht verpflichtet, im Falle der Wegnahme die Sache auf seine Kosten in den vorigen Stand setzen zu lassen, und der andere Theil hat, sofern er sich im Besitze befindet, die Weg­ nahme event, gegen Sicherheitsleistung zu gestatten (§ 258 BGB). 3. Wer zur Rechnungslegung verpflichtet ist3), hat dem

Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzutheilen und die Beläge vorzulegen, soweit solche ertheilt zu »erben pflegen. 4. Wer zur Herausgabe eines Inbegriffes^) von Sachen oder zur Ertheilung von Auskunft über den Bestand eines solchm Inbegriffes verpflichtet ist, hat dem Berechtigten ein Ber­ zeichniß des Bestandes vorzulegen. Besteht in den Fällen zu 3 und 4 Grund zu der Annahme, daß die Rechnung oder der Bestand nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden, so entsteht, außer in Angelegenheiten von geringer Bedeutung, die Pflicht zur Leistung des OffenbarungSeides. Das Vorhandensein des Berdachtsgrundes hgt der Berechtigte zu beweisen, und die Zwangsvollstreckung erfolgt nach den Vorschriften über die ExekuÜon zur Erzwingung von Handlungm (§§ 773, 774 CPO). Hieraus folgt, daß die Leistung des OffenbarungSeideS vor dem Prozeßgericht zu geschehen hat, wenn eine Verurthellung zur Eidesleistung erfolgt ist; ist dies nicht geschehen, so bleibt eS bei den allgemeinen Vorschriften über den Erfüllungsort, so zwar daß der Eid vor dem Amtsgericht geleistet werden muß, in dessen Bezirk * ) §§ 304, 347, 450, 500, 526, 638, 547, 592, 601, 633, 670, 683 ff., 693, 850, 970, "994, 1049, 1216, 1390, 1429, 1618,1648, 1835, 1978, 2022, 2124, 2125, 2185, 2381 BGB. * ) §§ 500, 547, 601, 1049, 1216, 2125 BGB. • ) §§ 666, 675, 681, 713, 740, 1214, 1421, 1546, 1550, 1667, 1681, 1686, 1840, 1841, 1890, 1897, 1915, 1978, 2130, 2218 BGB. 4) §§ 1374, 1421, 1546, 1550, 1881, 1686, 1799, 1890, 1897, 1915, 2003, 2011, 2027, 2314, 2362 BGB. §§ 91, 338 HGB.

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die Pflicht zur Rechnungslegung oder zur Vorlegung deS Verzeich­ nisses zu erfüllen ist (§ 259—261 BGB). .

HL Znhakt der Höttgation. § 72. Allgemeines.

Während Gegenstand der Obligation eine Leistung ist, bildet eine Verpflichtung und die dieser entsprechende Berechtigung ihrm Inhalt. Die Verpflichtung erschöpft sich aber nicht in ihrem Ziele, der Leistung. Der Schuldner wird daher nicht stets von seiner Verpflichtung frei, wenn er dem Gläubiger das verschafft, waS dieser zu fordern hat. Denn die Fordemng kann darauf gerichtet sein, daß die Leistung zu einer besümmten Zeit, an bestimmtem Orte, unter bestimmten Umständm erfolge. Femer liegt dem Schuldner die Sorge dafür ob, daß die Leistung überhaupt geschehen könne, d. h. er bat alles zu vermeiden, was die Leistung unmöglich machen könnte, und er hat endlich die Leistung so zu machen, daß ihr Gmuß nicht durch Einflüsse gestört werde, die da- Recht der Gläubigers beeiuträchtigen. Utoer die letztere Verpflichtung, das Einstehm für Mängel und Rechte Dritter, wird im befondem Theile des Obligationenrechts gesprochen werden. § 73. Der Ort der Leistung.

Nach römischem Rechte konnte der Schuldner nur verurtheilt werden, am Gerichtsorte zu tosten, die Erhebung einer Klage an einem anderm Orte als dem Leistungsorte mchielt daher eine pluspetitio und hatte die Abweisung der Klage zur Folge. Das präto­ rische Recht gestattete aber dem Richter, bei der Vemrtbeilung das Interesse, das der Schuldner an der Leistung am Erfüllungsorte hatte (boS Interesse loci) zu berücksichtigen. Nach heutigem Rechte kann beim zuständigen Gerichte auf Leistung am Erfüllungsorte geklagt »erben. Der Ort der Leistung bestimmt sich nach altem und neuem Recht (§ 269 BGB) nach dem Willm der Parteim oder nach den Umständen, insbesondere nach der Natm des Schuldverhältnisses. Fehlt es an einem AnhaÜ für die Bestimmung des Erfüllungsortes, so kann nach gemeinem Recht der Schuldner an jedem passendm Orte leisten, der Gläubiger aber im Falle der Nichtleistung denjenigen

Ort zum ErsüllungSorte machen, an dem er Klage erhebt. Klage erhebm aber kann er nur beim zuständigen Gerichte. Das BGB folgt dem bisherigen HGB, indem es zum subfidlären ErMlungsorte bementgen Ort bestimmt, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung bei Schuldverhältuisses seinen Wohnsitz, und wenn die Verbindlichkeit im Gewerbebetricke des Schuldners entstanden

ist, seine gewerbliche Niederlassung hatte. Damit ist die besondere Vorschrift des gemeinen und des bisherigen Handelsrechts, daß die Uebergabe bestimmter Sachm an dem Orte erfolgen solle, wo diese Sache sich befindet, zwar beseitigt, doch wird dieser Erfiillungsort meistens der von ben Parteien gewollte sein oder sich aus der Natur der Schuld ergeben. Eine Ausnahme besteht auch nicht für Geldschulden; das BGB. (§ 270) bestimmt vielmehr aus­ drücklich, daß auch für sie die allgemeinen Borschristm über ben Leistungsort gelten, baß ber Schuldner aber das zu zahlende Geld auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessm Wohnort zu übermitteln hat. Nur in dieser Beziehung ist die Geldschuld eine Bringschuld. Handelt es sich dagegm um die Frage nach dem Gerichtsstände des Erfüllungsortes (§ 29 CPO) oder nach dem auf das Schuldverbältniß anzuwendendm örllichm Rechte, so ist der all­ gemeine Satz, oer alle Schulden für Holschuloen erklärt, maßackend1). Er hat zur Folge, daß der Gläubrger an einem anderm Orte die Leistung, der Schuldner die Annahme der Leistung nicht fordem darf und daß bei wechselseittg verpflichtenden Verträgm für dre eine Leistung ein anderer Erfüllungsort besteht als für die andere Leistung.

Verschieden vom ErsüllungSorte ist der Bestimmungsort d. h. derjenige Ort, an welchem eine Sache abzuliefern ist. 8 74.

Die Zeit der Leistung.

Ist die Zeit der Leistung weder durch Gesetz oder WlllmSerklärung noch durch die Umstande, insbesondere durch die Natur des Schuldverhältnisses bestimmt, so ist die Leistung nach altem wie neuem Recht (§ 271 BGB) mit der Entstchung des SchuldverhältnisseS fällig, d. h. es kann ihre sofortige Vornahme gefordert werdm (quod sine die debetur, statim debetur).

Die Fälligkeit der Schuld kann dadurch hinausgeschoben sein, daß die Leistungszeit bestimmt oder daß die Schuld auf Kündigung gestellt ist. Bestimmung der Zahlungszeit gehört zu den wesenllrchm Erfordernissen des Wechsels (Art. 4 Nr. 4, Art. 96 Nr. 4 WO), und zwar darf beim Wechsel, im Gegensatze zu anderm Schuldverhälmissen, die Zahlungszeit für die gesammte Wechselsumme nur eine und dieselbe sein (Ungültigkeit des sog. RatmwechselS); sie kann nur festgesetzt werdm auf einen bestimmten Tag (Präcise-, Tagwechsel), auf Sicht (b. h. Vorzeigung, a vista) ober auf eine bestimmte Zeit nach Sicht (Sichtwechsel), auf eine bestimmte Zeit *) An. 92 Zins. Gej. läßt die landeSoesetzlichm Borschristm unberührt, nach benot Zahlungen ans öffentlichen Kassen an der Kaffe in Empfang zu nchmm sind.

Engelmann, d. alle u. d. neue bürgerliche Recht.

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nach dem Tage der Ausstellung (imch dato, Datowechsel) oder auf eine Messe oder einen Markt (Meß- oder Marktwechsel). Hiernach maß beim Wechsel die Zahlung-zeit so genau bestimmt fern, daß über sie und daher über die Zeit, zu welcher die zur Erhaltung des Wechselrechts nochwendigm Handlungm vorzunehmm sind, kein Zweifel obwalten kann. Bei anderen Schuldverhältnissen genügt es, wenn die Leistungszeit nur überhaupt besümmbar ist. Die Zeitbestimmung wirkt nach gemeinem und neuem Recht (§ 271 BGB) im Zweifel nur zu Gunsten des Schuldners, indem vor dieser Zeit der Gläubiger die Leistung nicht fordern, der Schuldner aber sie bewirk« kann. Die Zahlungszeit der Wechselschuld aber wirkt zu Gunsten beider Thelle. Bezahlt der Schuldner eine unverzinsliche Schuld vor der Fälligkeit, so gavährt er dem Gläubiger die Möglichkeit zinsbarer Anlegung, gleichwohl ist er weder nach gemeinem noch nach neuem Recht (§ 272 BGB) zu einem Abzüge wegen der Zwischenzinsen berechtigt (Jnterusurium, Diskont, Skonto). Nur wenn im Falle des Konkurses des Schuldners der Gläubiger vor der Zeit Zahlung erhält, wird der Zwischenzins nach der Hoffmannschen Methode ab­ gerechnet (§ 58 SD)1), weil in der unverkürzt« Zahlung eine Un­ billigkeit gegen die ander« Gläubiger liegen würde1). In zahbceichm Fäll« bestimmt das Gesetz die Leistungszeit durch dispositive Vorschrift (z. B. §§ 551, 584, 608, 614, 641, 699, 721, 760, 1361, 1612, 1710 BGB. 64, 88 HGB.). Im Falle deS Konkurse deS Schuldners werd« die betagt« Schuld« Mig (§ 58 SD). Eine Hinausschiebung der Fälligkeit be­ reits vochandmer Verbindlichkeit« (Stundung, Prolongattön) kmmte nach römischem und früherem gemeinem Recht auch durch Reskript des Regent« (Moratorium, Jndult, Quinqumnell) und durch Mehr­ heitsbeschluß der Gläubiger gewährt werden. Die dahin gehmdm Bestimmung« sind jedoch als wirchschastlich schädlich durch § 4 EG. z. SD tz 14 Nr 4 EG. z. CPD aufgehobm worden. Und nur bei Zustimmung sämmllicher Gläubiger kann ein schweb«des Sonkur-verfahrm eingestelll werd« (§ 188 SD). *) Dir Forderung wird nur zu dem Bettage angesetzt, welcher mit Hinzu­ rechnung der gesetzlichen Binsen des Betrages für die Zeit von der Eröffnung deS BerfahrmS bis zur Fülligkeit dem vollen Bettage der Fordenmg ^leichkommt. Wird also ein Zinsfuß von 4% zu Grunde gelegt und die Schuld von 1000 M. zwei Jahre vor der Berfallzeit zurückgezahlt, so setzt man: 100 + 8 : 100 — 1000 : X X - «®S. *) Ueber Diskont im Wechselverkchr s. unten bei den Bankgeschäften.

Die von den Parteien festgesetzte Leistungszeit kann Neben­ bestimmung oder wesentlicher Geschäftsinhalt sein. Wesentlich ist sie nur dann, wenn nach dem Willen der Parteien die Leistung uur in dem festgesetzten Zeitpunkte oder innerhalb der gestellten Frist, später aber nicht mehr erfolgen kann. Solche Geschäfte heißen Fixgeschäfte. Sie unterscheiden sich von den einfach betagten dadurch, daß bei letzteren verspätete Leistung Erfüllung, bei ersteren aber eine nachträgliche Erfüllung unmöglich ist (vgl. § 361 BGB und § 376 HGB. die Lehre vom Handelskauf). Kündigung ist die einseitige, aber empfaugsbedürftige Willenserllärung, die Lösung eines bestimmten Rechtsverhältnisses herbei­ zuführen. Sie ist nur in den gesetzlich oder vertragsmäßig bestimmten Fällen zulässig und bestimmt bei der Sachmiethe dm Zeitpunft der Rückgewähr, beim Darlehn den Zeitpunkt der Rückzahlung.

§ 75.

Der Verzug.

Sowohl der Schuldner als der Gläubiger kann in Verzug kommen, ersterer, indem er nicht rechtzeitig leistet, letzterer, indem er die Leistung nicht rechtzeitig annimmt. A. Der Verzug des Schuldners (mota solvendi) setzt nach gemeinem und künftigem Recht (§ 284 BGB) Fälligkeit der Schuld und eine Dom Gläubiger ausgehende Mahnung (interpell atio) voraus. Die Mahnung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserllärung und besteht in der Aufforderung, zu leisten. Daher ist in der bloßm Uebersendung einer Rechnung eine Mahnung nicht enthalten. Sie ist formfrei und wird nach altem und neuem Recht durch Klageerhebung wie durch Zustellung eines Zahlungs­ befehles ersetzt (§ 284 BGB. §§ 230, 239, 633 CPO). Der Mahnung bedarf es nach gemeinem deutschem Gewohnheitsrechte und nach neuem Rechte (§ 284 Abs. 2. BGB) nicht, wenn von den Parteien ein Leistungstermin festgesetzt ist. Es gilt also im Gegen­ satze zum römischen Rechte jetzt und in Zukunft der Satz: dies interpellat pro homine, nach neuem Rechte indessen nur dann, wenn sich der von vornherein oder nach einer Kündigung bestimmte Leistungstermin nach dem Kalender berechnen läßt. Nach römischem Recht trat Verzug ohne Mahnung (ex re) ein bei Deliktsschulden und gegenüber Forderungen Minderjähriger. Letzteres ist vom BGB nicht ausgenommen, und die DeMsschuld ist selbständig normirt (§§ 848, 849 BGB). Der Verzug besteht nicht in der einfachen Thatsache der Nichlleistung, sondern näch dem vom neuen in Uebereinstimmung mit dem bisherigen Rechte angenommenen Verschuldungsprinzipe (§ 285 BGB) in schuldhafter Nichtleistung. Verschulden aber muß

196 beim Vorhandensein der oben angegebenen Vorausschungen angenommm werden, wenn nicht der Schuldner einen Ditschuldigungsgrund beweist (§ 285 BGB ). Die Folgen des Verzuges bestehen nach allem und neuem Recht (88 286—288) 1. darin, daß der Schuldner für den dem Gläubiger durch den Verzug verursachten Schaden einzustehen hat, 2. darin, daß das Schuldverhältniß sich perpetuirt. War eine Geldsumme zu leisten, so hat der Schuldner vom Eintritt des Verzuges oder von der Rechtshängigkeit an Verzugszinfm zu zahlen, weil der Schaden vermuthlich in dern entbehrten ZinSgenusse besteht; doch ist die Geltendmachung eines höheren Schadens nicht ausgeschlossen *). Perpetuatio obligatiouis ist die Bezeichnung dafür, daß der säumige Schuldner während des Verzuges für jeden Grad der Fahrläfsiawit und auch für die durch Zufall eintretende Unmöglichkeit der Leistung hastet. Sie ist nur eine Folge der Schadensersatzpflicht des Schuldners. Daher kann sich dieser von der Haftung für dm Zufall dadurch besteim, daß er beweist, der Schade würde auch bei rechtzeiüger Leistung eingetreten sein. 3. Nach gemeinem Rechte giebt der Verzug deS Schuldners dem Gläubiger nicht das Recht zurückzutretm. Der Gläubiger hat, wie im neuen Recht, nur die. Befugniß, die verspätete Leistung zurückzuweism, wenn sie für ihn kein Interesse mehr hat, dafür aber SchadmSersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen.

DaS BGB unterscheidet: a) Die Leistuüg hat für den Gläubiger in Folge des Verzuges kein Interesse mehr. In diesem Falle kann der Gläubiger die Leistung ablehnen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Daß der Gläubiger ein Interesse an der Leistung nicht mehr, hat, muß aber dann angmommm werben, wenn ein Fixgeschäft vorliegt (§ 361). Daher giebt § 376 HGB beim Borliegen eines Handelskaufes mit der Natur des Fixgeschäftes dem nichtsäumigm Kontrahenten daS Recht, vom Vertrage sofort zurückzutreten oder SchadmSersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen; ein Recht auf Erfüllung hat er nur bann, wenn er betn säumigen Kontrahenten erklärt, baß er auf Erfüllung bestehe, und damit beweist, daß er trotz des Verzuges doch noch ein Interesse an der Leistung habe. b. Die Leistung hat für den Gläubiger noch Interesse. Hier hat der Gläubiger in allen Fällen das Recht auf nach') Bergt, noch die Spezialvorschristen des BGB §§ 290, 292.

trägliche Erfüllung und auf Schadmsersatz wegen verspäteter Erfüllung. In bett besonderen Fällen aber, daß aa) der Schuldner zur Leistung bereits rechtskräftig verurtheilt ist (§ 383), bb) der eine Kontrahent eines zweiseitig verpflichtendm Ver­ trages mit der ihm obliegendm Leistung in Verzug geräth (§ 326), hat der nichtsäumige Theil das Recht, dem säumigen ytr nachträglichen Vornahme der Leistung eine Frist mit der Er­ klärung zu bestimmen, daß er die Annahme der Leistung nach Ablauf der Frist ablehne. Leistet dann der Schuldner inner­ halb der Nachfrist, so ist der Gläubiger zur Annahme der Leistung verpflichtet, er behält aber das Recht, Schadmsersatz wegen verspäteter Erfüllung zu verlangm. Leistet der Schuldner innerhalb der Nachfrist nicht, so kann der Gläubiger im Falle bb) pom Vertrage zurücktreten, in beiden Fällen aber Schadens­ ersatz wegen Nichterfüllung verlangm, wogegen der Anspruch auf Erfüllung nunmchr ausgeschlossen ist. Trotzdem kann der Gläubiger natürlich die chm nach Ablauf auch der Nachfrist noch angebotene Leistung annehmm und Schadensersatz wegen verspäteter Erfüllung verlangm.

Da aber auch der säumige Schuldner ein berechtigtes Interesse hat, bald zu erfahren, ob der Gläubiger die Leistung ablehne oder von feinem Rücktrittsrechte Gebrauch machen werde, ist ihm die Befugniß eingeräumt, dem Gläubiger für die Ausübung des Ablchnungs- oder Rücktrittsrechtes eine Frist zu setzm (§§ 286, 326, 327, 355 BGB). Diese Befugniß steht nur dem rechtskräftig verurtheiltm Schuldner nicht zu (vgl. § 283 mit 286 und 327). B. Der Verzug des Gläubigers (mora accipiendi). Altes und neues Recht stimmen jedenfalls darin überein, daß der Gläubiger durch Nichtannahme der ihm angebotmen Leistung in Verzug kommt (§ 293). Das neue Recht stellt aber weitere Boraussetzungm für dm Eintritt des Gläubigerverzuges nicht auf. Während nach der herrschmden Lehre deS gemeinen Rechts nach dem auch hier geltmden VerschuldungSprinzip Wider­ rechtliche, also verschuldete Nichtannahme verlangt wucd. Indem daS BGB die einfache Thatsache der Nichtannahme für auSreichmd erttärt, folgt es der auch im gemeinen Recht vielfach vertretenen objektiven Theorie. Hieraus folgt, daß der Gläubiger sich nach neuem Recht auch durch dm Nachweis zufälliger Unmöglichkett der An­ nahme vor dm Folgen deS Verzuges nicht schützm kann. DaS BGB verlangt demnach vom Gläubiger stetige Annahmebereitschaft. Die Annahmebereitschast setzt aber die FäÜ'tgkett der Schuld voran-. Ist

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also fftr die Leistung eine Zeit nicht bestimmt oder ist der Schuldner berechtigt, vor der Bestimmten Zeit zu leisten, so kann vom Gläubiger eine immerwährende Annahmebereitschast nicht verlangt werden. Er tpmmt deshalb in diesen Fällen nicht in Verzug, wenn er an der Annahme der angebotenen Leistung vorübergehend verhindert war (z. B. durch Nichtbeschasfung von Lagerräumen), es sei denn, daß der Schuldner die Leistung eine angemessene Zeit vorher angekündigt hatte (§ 299). Zur Voraussetzung des Gläubigerverzuges gehört aber nach beiden Rechten Angebot der Leistung, und zwar bildet hier wie dort die sogenannte Realoblation die Regel (§ 294). Es genügt also nicht wörlliche Erklärung der Erfüllungsbereitschast (Berbaloblation), erfordert wird vielmehr, daß der Schuldner AlleS thue, was von seiner Seite zur Leistung nöthig ist, so daß der Gläubiger in der Lage ist, die Tilgung der Obligation zu vollenden. Ausnahmen von diesem Grundsätze: 1. Trotz Angebotes kommt der Gläubiger nach allem und neuem Recht nicht in Verzug, wenn der Schuldner außer Stande ist, die Leistung zu bewirken. In ben meisten hierher gehörenden Fälleii wird es sich um ein Scheinanbebot handeln (§§ 297, 296). 2. Berbaloblation reicht nach beiden Rechten aus a) wenn der Gläubiger dem Schuldner erklärt hat, daß er die Leistung nicht annehmen werde, b) wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, z. B. wenn der Schuldner ein Bildniß des Gläubigers herzustelle« ober wenn. ber Gläubiger bie geschulbete Sache abzuholen hat. In diesem Falle reicht zu einem wirksamen Angebote die Auffordemug aus, bie erforderliche Handlung vorzunehmen (§ 295). 3. Weder wörtliches noch thatsächüches Angebot ist erforderlich, wenn für bie vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit festgesetzt ist, die sich nach dem Kalender bestimmt oder berechnen läßt. DeS Angebotes bedarf es hier nur in dem Falle, wenn der Gläubiger die HaMung rechtzeitig vornimmt. Denn nur in diesem Falle erklärt er feine Annahmebereitschaft unter Umständen, unter welchen er auf Erfüllungsbereitschaft rechnen darf. Dies gilt ins­ besondere für Schulden aus Inhaber- und Ordrepapieren (§ 296). Trotz Annahmebereitschaft kommt btt Gläubiger in Verzug, wenn der Schuldner nur gegen eine Leistung des Gläubigers zu leisten verMchtet ist, der Schuldner die dem Gläubiger obliegmoe Leistung auch verlangt, der Gläubiger aber diese Leistung nicht an­ bietet (§ 298). Hierher gehören nicht blos die zweiseitig ver­ pflichtenden, sondern auch diejenigen Verträge', bei denen eine Ver-

iss pflichtung nur eines Kontrahenten wesentlich ist (Fälle der actio contraria). Die Wirkung deS Verzuges bestcht nicht in einer Befreiung des Schuldners, sondern nur in einer Erleichterung seiner Ver­ pflichtungen. Hierher gchört a) daß der Schuldner nach gemeinem und künftigem Recht (§ 300) nur noch Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vertritt, b) daß bei einer Gattungsschuld nach neuem Recht, daS hiermit eine gemeinrechtliche Streitfrage entscheidet (§ 300 Abs. 2), die Gefahr auf den Gläubiger übergeht, wenn er die angebotene Sache nicht annimmt, c) daß nach gemeinem Recht nur die Pflicht zur Zahlung von BerzugSzinsm, nach neuem Recht (§ 301) aber jegliche ZinSzahlungSpflicht des Schuldners aufhört, d) nach neuem Recht wandelt sich die Pflicht des Schuldners zur Herausgabe oder zum Ersah von Rutzungm in die Pflicht um, nur die von ihm thatsächuch gezogenen Rutzungm zu gewährm (§ 302).

Eine Schadensersatzpflicht begründet der Gläubigerverzug wenigstmS nach neuem Recht nicht, well der Verzug ein VÄchuldm

des Gläubigers nicht voraussetzt. Nur die dmch das erfolglose An­ gebot vemrsachtm Kosten und die dutch die Aufbewahrung deS Leistungsgegenstandes veranlaßtm Mehraufwmdungen kann der Schuldner ersetzt verlangen (K 304), ohne die durch daS gemeine Recht gewährte Befugniß zur Preisgebung des LeistungSgegmstandeS zu habm. Nur wmn die Verpflichtung auf Herausgabe eines Grundstückes geht, kann der Schuldner dm Besitz aufgmm, vorausgesetzt, daß er dies dem Gläubiger vorher angedroht hat (§ 303). Das BGB giebt dem Schuldner aber in der Hinterlegmig ein Mittel an die Hand, sich von der Sorge der Obhut deS geschuldetm GegmstandeS und zugleich.von der Schuld selbst zu befreim, hierin im wesmllichen mit dem gemeinen Recht übereinsttmmmd (§§ 372, 383 BGB Att. 40 W O). 8 76.

Haftung für Berschuldm und für dm Zufall.

1. Auf die Entstehung, Verändemng und Aufhckuna von Schuldverhällnissm Nimm ttmftänbe einwirkm, bereu Fmibleibm erwünscht ist und die mit ihrem Eintritt eine Schädigung, einen Verlust herbeiführen. Diese Umstände sind unabwendbare, wenn sie mit oett dem Menschen zu Gebote stehmdm Mitteln nicht ver­ hütet werdm könnm, andemfalls sind sie abwmdbar. Für daS Ein­ treten jener kann Niemand verantwortlich gemacht, sie müssm von dem, den sie treffen, als Unglücksfälle hingmommen werdm.' Unter

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Den abwendbaren Ereignissen muß vom Recht dis Unterscheidung gemacht werben in solche, die vorausgesehen, und solche, die nicht vorauSgesehm werden können, denn im Recht ist nur die Frage von Mchtigkeit, ob für ein bestimmtes Ereigniß eine Person verant­ wortlich gemacht werden kann, und für unvorhersehbare Ereignisse tritt nach allgemeinen Grundsätzen eine Verantwortung nicht ein. Unvorherschbare Umstände werden vom Recht als Zufall (casus) und der durch sie herbeigeführte Verlust als Gefahr (periciüum) bezeichnet. ES kommt aber nicht darauf an, ob irgend Jemand, sondern darauf, ob eine bestimmte Person sie vorhersehen konnte. Es kann daher ein von A. ausgeführter Diebstahl, für welchen diesen die volle Verantwortung trifft, für den B., der die nachher gestohlme Sache zu verwahreil hatte, ein Zufall sein. Für Ereignisse, die vorausgeschen werden können, kann das Recht eine Verantwortung auferlegen. Und zwar wird derjmige, der die rechtsverletzende Wirkung seiner Handlung vorhergesehen hat, wegen Vorsatzes (dolus), derjenige, der jene Wirkung bei größerer Aufmerksamkeit hätte vorhersehen können, wegen Fahrlässigkeit (culpa) verantwortlich gemacht. In zahlreichen Fällen aber tritt eine Haftung nicht ein, obwohl eine Fahrlässigkeit geringen Grades vorlag, in anderen Fällen dagegen tritt eine Haftung ein, obwohl ein unvor­ hersehbares Ereigniß, ein Zufall vorlag. Das BGB spricht des­ halb (§§ 275, 280, 282) von Umständen, die Jemand zu vertreten, und von solchen, die er nicht zu vertreten hat. Vorsatz ist nach römischem, gemeinem und neuem Recht (§ 276) stets zu vertreten. Eine Hafdmg für unerlaubte Handlungen aber trat nach dem entwickelten römischen und gemeinen Rechte, abgeschm von ben Fällen, in betten nicht Vorsatz zum Wesen bes Deliktes gehört (wie z. B. beim Diebstahl), schon im Falle einer Fahrlässigkeit «in. Dem ist das BGB grundsätzlich gefolgt (§§ 276, 823, 824, 827, 831, 832, 834, 836—839), gleichviel welchen Grad das Verseh« hat. In Bertragsverhältnissen hastet nach römischem und gemeinem Recht der Schuldner immer für Vorsatz und grobes Ber­ sch«, und diese Haftung kann ihm nicht im Voraus erlassen werden. Für geringes Verseh« haftet derjenige Schuldner, in dess« Interesse der Bertma geschlossm ist. Das BGB stellt die Regel auf, daß schlechthin fitr Fahrlässigkeit d. i für jeden Grad des Versehens einzusteym sei (§ 276). Gewisse Personen hasten nach gemeinem wie neuern Recht für diligentia in concreto (s. oben § 46), d. h. sie könn« sich gegmü6er der an und für sich begründeten Haftung für jedes Bersch« daraus Berufen, daß sie in eigen« Angelegenheiten eine geringere Sorgfalt anwenden, nach BGB aber bleiben sie in jedem Falle für grobe Fahrlässigkeit haftbar (§ 277).

Nach neuem Recht kann dem Schuldner mir die Haftung für Vorsatz nicht im Voraus erlassen werden (§ 276, Ausnahme § 278;. Das bisherige Recht legte, von den Fällen der Haftung für diligentia quam suis abgesehen, den von dem Verhalten eines bonus paterfamilias hergenommenen objektiven Maßstab an, das BGB (8 278! aber verlangt die Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt und nennt Fahrlässigkeit die Verletzung dieses Maßes von Sorgfalt. Als Fahrlässigkeit ist nach beiden Rechten auch die mangelnde Geschicklichkeit (imperitia) zu behandeln, denn wer eine gefahrdrohende Handlung vornimmt, ohne die dazu erforderliche Geschicklichkeit zu besitzen, verletzt sowohl die Sorgfalt des ordent­ lichen Hausvaters als auch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt Auch das HGB legt für die Regel einen objektiven Maßstab an, indem es (Art. 282 HGB a. F. § 347 HGB n. F.j für die Fälle, in denen Jemand aus einem Geschäfte, das auf seiner Seite Handelsgeschäfr, überhaupt zur Sorgfalt verpflichtet ist, für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns verantwortlich macht, im Uebrigen kommen in Zukunft die Vorschriften des BGB. zur An­ wendung. Das HGB will also in den angegebenen Fällen nur einen strengeren Maßstab angelegt wissen. 2. Grundsätzlich haftet ein Jeder nur für sein eigenes Verhalten. Von diesem Grundsätze wich sowobl das ältere römische als das ältere deutsche Recht insofern ab, als hier der Hausherr für uner­ laubte Handlungen seiner Kinder und Sklaven haftete und sich durch deren Preisgebuug (noxae deditio) von seiner Verpflichtung befreien konnte Im übrigen war das römische Recht von jenem allgemeinen Grundsätze beherrscht. Die Folge war, daß eine Hä' hing für das Verhalten Anderer nur dann eintrat, wenn bei -der Auswahl (culpa in eligendo) oder bei der Beaufsichtigung des Vertreters ober Gehülfen (culpa in custodiendo oder inspiciendo) ein eigenes Versehen begangen wurde. Eine Haftung für fremde Schuld trat ausnahmsweise ein, wenn durch Wersen oder Gießen aus einem Hauie ein Schaden angerichtet wurde, in welchem Falle der Inhaber der Wohmmg oder des Gebäudes ohne Rücksicht ans eigene Schuld haftete (actio de effusis et dejectis), und wenn an den Sachen von Reisenden Entwendungen oder Beschädigungen ver­ übt wurden, in welchem Fall der Gastwirth, Stallwirth oder Schiffer gleichfalls ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden haftete (a. de receptc caupon. re.). Im späteren Recht entwickelte sich der Grundsatz, daß der institor (Geschäftsgehülfe) den Principal durch Verträge und daher auch durch Vertragswidrigkeiten unnütrelbar verpflichte. Das justinianeische Recht beseitigte die Haftung des Vaters für Delikte der Hauskinder, im übrigen sind die römisch-rechtlichen Grundsätze

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gemeines Recht geworden. Hier entstand aber, zumal das deutsche Recht in der Haftung für Drüte weiter ging, die Streitfrage, ob nicht wenigstens bei Bertragsverhältnissen die Haftung für Gehülfm ju­ ristisch zu begründm sei, und da- RG. 10,65 und 23,91 bejcchte die Haftung wenigsten- deS conductor operis für seine Gehülfen. Noch weiter geht das Reichshaftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871, indem es in 8 2 Denjenigen, welcher ein Bergwerk, einen Steinbruch, eine Gräberei oder eine Fabrik betreibt, für haftbar erklärt, wenn durch Verschulden seines Bevollmächtigten oder der zur Leitung oder Beaufsichtigung deS Betriebes oder der Arbeiter angenommenen Person der Tod oder die Körperverlchung eines Menschm verur­ sacht wird.

DaS BGB (8 278) hat den bisher nur für den Werkvertrag aufgestMen Grundsatz zum allgemeinen Prinzip erhobm. Nach chm haftet der Schuldner für ein Verschulden seines gesetzlichm Ver­ treters und der Personm, deren er sich zur Erfilllung seiner Berbindlichkeit bedient. Die Anwendung diese- Satzes hat das Bestehm eines Schuldverhältnisses zur Voraussetzung. In Frage stehen also nur Handlungen, welche die Erfüllung von Verpflichtungen enthalten, vorbereiten oder möglich machm. Die ErMlunwthandluna des gesetzliche» Vertreters aber ist in jedem Falle ErMlungshandlung des Vertretenen, die de- Gehülfen nur dann, wenn der Schuldner berechtigt ist, sich anderer Personen zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit zu bedienen. Dmn ist da- nicht der Fall, so ist ihre Thätigkeit nicht Erfüllung und der Schuldner also schon in Folge Nichterfüllung verantwortlich. Der beauftragte Vertreter ist Vertreter nur beim Geschäftsabschluß, bei Bopnahme der Ersüllung ist er nur GehAfe.

Die Haftung ist die gleiche wie wenn der Schuldner selbst handelte. Hastet also der Schuldner nur für grobes Berseben, so hastet er auch nur für ein grobes Berschen des Dritten. Die Haf­ tung für vorsätzliches Handeln des Dritten kann dem Schuldner im Voraus erlassen werden (§§ 276, 278 BGB). Auch der Frachtführer, die Eisenbahn, der Rheder und der Schiffseigner hasten für das Verschulden ihrer Leute und der Per­ sonen, deren sie sich zur Ausführung des Transports bedienen, bezw. für das Verschulden der SchiffSbefatzung (§§ 429, 431, 458, 485 HGB. § 3 Ges. v. 15. Juni 1895). Ob durch die Handlungen eines Dritten ein SchuldverhAtniß begründet werden kann, entscheidet § 278 nicht. Diese Frage ist für den recht-geschäftlichen Verkehr durch § 164 BGB bejaht und hat hier mit der Verhaftung für das Verschulden Anderer nichts zu

thun. Eine Verpflichtung aus unerlaubten Handlungen eines Dnttm tritt nach § 831 nur im Falle eines Verschuldens dessen ein, der den Dritten zu einer Verrichtung bestM. Das BGB steht hier also auf dem Standpunkte des gemeinen Rechts und weicht von ibm nur darin ab, daß nach altem Recht der Geschädigte das Verschulden,

nach neuem Recht der Geschäftsherr seine Sorgfalt zu beweisen hat. 3. Für unvorhersehbare Ereignisse tritt eine Haftung grundsätzlich nicht ein. Das römische Recht kannte nur die erwähnten Fälle der Haftung von Gastwirthen etc. und des Gebärcheinhabers für die durch Herauswerfen oder Gießen vermsachten Schäden. DaS deutsche und daS modeme Recht gehen, wie unter 2 gezeigt ist, weiter, denn jede Haftung für daS Vnschulden eines Drittm ist Haftung für Zufall, sofern sie ohne Rücksicht auf ein eigenes Verschulden eintritt. Hierher gehört insbesondere auch der Fall deS § 1 des Reichshaftpflicht­ gesetzes, da nach ihm die Eisenbahn für jebc im Betriebe der Bahn geschchene Tödtung oder Körperverletzung haftet- sofern sie nicht durch höhere Gewalt oder durch eigene Schuld des Geschädigte»» vemrsacht ist, DaS BGB (§ 701) hat die verstärkte Hastmlg der Gastwirthe übernommen, imd es hat in. mehreren Fällen eine Haftung aus unerlaubter Handlung ausgesprochm, ohne daß ben Haftpflichtigen ein Verschulden trifft. So kann eine nicht zurechnungsfähige Person fiir einen von ihr verursachten Schaden verantwortlich gemacht »erben, wenn dies der Billigkeit entspricht und dem Beschädiger nicht die Mittel rum standesmäßigeu Unterhalt entzogen werden ( § 820) ; wer ein Thier hält, wird ohne weiteres für den Schaden haftbar gemacht, den da- Thier anrichtet (§ 834), und die Verpflichtung zum WildschadenSersatze ist von einem Verschulden umbhängig (§ 835).

Die Hastuna für den Zufall findet aber ihre Grenze an der höheren Gewalt (vis major). Man verficht hierunter nicht etwa unvorherschbare, sondern solche Ereignisse, die auch durch die größte Sorgfalt und die besten Borkchmngm nicht abgewenvet werden könnens. Daher hastet der Gastwirth nach altem und neuem Recht (§ 701 BGB) nicht für höhere Gewalt. Dasselbe gilt von der Haftung der Eisenbahnen (§ 1 Ges. v. 7. Juni 1871) und der Post (§ 11 Ges. v. 28. Oktober 1871). Auch der Frachtführer *) Ueber den Begriff der höherer: Gewalt herrscht lebhafter Streit. Die eine Meinung (welche auch hier vertreten ist) bezeichnet damit Ereignisse, weiche sich durch die äußerste Sorgfalt nicht abwenden lassen, die andere Meintmg sieht darin nur festbestinmUe, überwältigmde Unfälle. Die Sprache der Gesetze schwankt (vgl. mit dm oben anaeführtm Geschesvorschriften 8 211 LPO), tittb leider wird der Äusdnrck im BGB, wie e- pheint, in versÄedenem Htzue

gibnvtcht (§§ 203, 701).

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hastete nach Art. 395 HGB a. F. bis zur Grenze der höheren Gewalt, während § 429 HGB. n. F. seine Haftung insofern mildert, als er ihn nur für die Umstände verantwortlich macht, welche durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers abgewendet werden formten, während die strengere Haftung der Eisenbahnen aus Transportgeschästen bestehen bleibt 456, 466, 471 HGB).

8 77.

Treu und Glauben.

DaS römische Recht unterschied negotia stricti Juris und negotia bonae fidei. Die ersteren begründeten eine fest bmrmzte, von vorn­ herein bestimmbare und nicht veränderliche Verpflichtung, die letzteren eine nicht fest begrenzte, nicht sofort bestimmbare, veränderliche Ver­ pflichtung. Denn jene verpflichteten den Schuldner nur zu dem, waS versprochen, die letzteren zu dem, was nach Treu und Glaubm zu leisten war (quidquid dare facere oportet ex fide bona). Das konnte mehr, es konnte aber auch weniger sein, als waS bedungen war. Die älteste Zeit war die Zeit des engen Anschlusses an die Bestimmungen des Civilrechts wie an den Buchstaben des Vertrages. Daher gab es ursprünglich nur negotia stricti Juris, doch unter dem Einflüsse des prätorischen Rechtes entstanden und vermehrten sich die neg. bonae fidei. Dieselbe Wandlung vollzog sich int deutschen Recht. Das gemeine Recht faßte als negotia stricti Juris nur die sog. Skripturobligationen, insbesondere den Wechsel auf. Das BGB verlangt nicht nur in § 157 eine Auslegung der Verträge, wie Treu und Glauben mit Mcksicht auf die Berkehrs­ sitte es erfordem, sondern in § 242 die Erfüllung jedweder Obligation, wie Treu und Glauben mit Mcksicht auf die Berkehrs­ sitte es erfordem. Dadurch find nicht blos die Verträge zu negotia bonae fidei, sondern alle Schuldverhältnisse zu obligationes bonae fidei gemacht. Die Verpflichtung soll aber nicht nach subjekttven, aus den Personen der Betheiligten geschöpften Mcksichtm, bestimmt werden. Treu und Glauben und Berkehrssitte sollen vielmehr einen objektiven Maßstab abgeben. Durch die angeführten Bestimmungen soll das erreicht werden, was im römischen Recht die exceptio doli generalis leistete. Und so wie es dort bei neg. bonae fidei der Vorschützung der e. doli nicht bedurfte, so wird auch künstixs der Richter von Amtswegen den Inhalt der Verpflichtung fo zu bestimmen habm, wie die bona fides und die Anschauungen des Verkehrs es erfordem.

Die Skripturobligationen aber bleiben auch künftig obligationes stricti Juris.

IV.

Entstehungsgründe der Schuldverhältnisse. § 78. Uebersicht.

Die Römer erklärte«: aut obligationes ex contractu sunt aut quasi ex contractu aut ex maleficio aut quasi ex maleficio. Diese Eintheilung reicht für das heutige Recht um so weniger aus, als die Begriffe von Quasikontrakten und Quasidelikten zu unbe­ stimmt sind, und der dem römischen Recht eigenchümliche contractu» in Deutschland dem einfacheren Begriffe' des Vertrages gewicheir ist. Das heutige Recht kann nur dm Gegensatz zwischen Rechtsgeschäften und Nichtrechtsgeschäftm machen. Die Rechtsgeschäfte sind einseitige oder zweiseitige (Verträge). Das römische Recht ließ in der pollicitatio (dem Versprechen zu Gunsten einer Stadtgemeinde) und dem votum (dem Versprechen zu Gunstm einer Kirche oder milden Stiftung) ausnahmsweise einseitige verbindliche Willenserklärungm zu. Diese Rechtsinstitute sind zwar in das gemeine Recht übergegangen, im übrigm aber hält das römische und gemeine Recht an dem Satze fest, daß unter Lebmdm Schuld­ verhältnisse nur aus Verträgen enfftehm können. Dmselbm Gmndsatz hat das BGB (§ 305) ausgenommen, aber nur als Regel. Einseitige Rechtsgeschäfte sind auch nach dem BGB die Auslobung (§ 657) und die Kreation von Werthpapierm (§ 793. S. oben § 34) sowie das Stiftungsgeschäst (§ 81). Von Todeswegen ent stehen nach altem und neuem Recht Schuldverhältnisse durch Auf­ lagen des Erblassers. Die weitaus zahlreichsten Schuldverhältuisse enfftehm durch Vertrag. Daher bedarf dieser der besonderen Bchandlung. Unter den Rechtsgeschäften ist hmt der Gegmsatz zwischen Handelsgeschästm und Nicht-Handelsgeschäften wichtig. Daickber stehe dm folgendm Paragraphen. Die zweite große Gruppe von Schuldverhältnissm, die aus Mcht - Rechtsgeschäften mfftandenen Obligationen, zerfällt in die Obligationm aus unerlaubtm Handlungen und in die Obligationen aus andern Thaffachen, an welche das Gesetz eine Verpflichtung knüpft (z. B. die grundlose Bereicherung).

§ 79. Die Handelsgeschäfte. Auf Handelsgeschäfte kommm die vielfach vom allgemeinen bürgerlichm Recht cwweichmdm Borschristm des HGB zur Anwmdung. Es bedarf daher einer Begrmzung des BegriffeHandelsgeschäft. DaS alte HGB unterschied Gmndhandelsgeschäfte d. h. solche, welche dem Handel unmittelbar, und NebenhändelLgeschäste, d. h.

206 solche, welche dem Handel mittelbar dienen d. h. den Handelsbetrieb fördern. Man nannte letztere daher mich Betriebsgeschäste. Die Gmndhandelsgeschäste waren entweder absolute oder relative. Die absoluten hatten die Eigmschast von Handelsgeschäften um ihrer sckbst willen, gleichviel also von wem sie vorgenommen und ob sie vereinzelt oder gewerbemäßig betrieben wmden. Die relativen sind Handäsgeschäfte nur dann, wenn sie gewerbeniäßig betrieben werden.

Die absoluten Handelsgeschäfte waren in Art. 271, die relativen in Art. 272 aufgeführt, und der gewerbsmäßige Betrieb von Handels­ geschäften, mochten sie dieser oder jener Kategorie angehören, machte zum Kaufmann (Art. 4). Das neue HGB gcht ebenso wie das alte von dem Begriff Kaufmann aus. Nach ihm aber (§ 1) ist Kaufmann nicht, wer gewerbemaßig Handelsgeschäfte, sondvm wer ein Handelsgewerbe betreibt. Handelsgewerbe ist

1) der gewerbsmäßige Betrieb bestimmter Arten von Handels­ geschäften,

2) jedes gewerbliche Unternehmen, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sofern die Firma des Unternehmers im Handelsregister eingetragen ist. Es giebt demnach keine absoluten Handelsgeschäfte, folglich auch nicht mehr einen Gegmsatz zwischen absoluten und relativm Handels­ geschäften. Dagegen besteht nach wie vor der Gegmsatz von Grundgeschäften und Nebengeschästen des HandelSgewerbeS. Grundgeschäfte sind diejenigm, welche den Gewerbebetrieb zum Handels­ gewerbe machen, Nebengeschäfte diejenigm, welche den Betrieb des HandelSgewerbeS fördem (§ 343 HGB). Grundgeschäfte sind also sowohl diejmigm besümmten, im HGB § 1 aufgeführten Geschäfte, deren gewerbsmäßiger Betrieb in jebetn Falle ein Handelsgewerbe ouSmacht, als auch diejmigm, im .HGB nicht aufgeführten und über­ haupt nicht besttmmbaren Geschäfte, welche den Gegmstand eines kauf­ männisch betriebenen gewerblichen Untemehmens bildm. Man kann

die ersteren (nach Staub) reine, die letzteren hypochetische Gmndgeschäste nennen.

Die bestimmtm GrundhandelSgeschäste sind: 1) die Anschaffung und Weiterveräußemng von beweglichm Sachen (Waaren) oder Werthpapierm, ohne Unterschied, ob die Waarm unverändert oder nach einer Dmrbeitung oder Verarbeitung weiter veräußert werden. Unter Anschaffung versteht man dm Erwerb einer beim Veräußerer bereits vorhandmen Sache dmch Rechtsgeschäft. Sie bildet dm Gegmsatz zur Ur-

Produktion. Letztere ist danach cm sich nicht Gegenstand eine? Handelsgewerbes. Die Anschaffung allein reicht nicht auS, ein Handelsgewerbe zu begründen, erfordert ist die An­ schaffung und Weirerveräußemng, d. h. die zum Zwecke der Weiterveräußemng bewirkte Anschaffung und die Weiterveräußerung der angeschafsten Waaren. HandelSgewerbe ist nicht nur der reine Umsatz der unveränderten Waare, sondern auch daS Handwerk, wenn es auf Veräußerung der aus angeschafstem Rohstoff hergestellten Waaren gerichtet ist (also namentlich daS Fleischer-, Bäcker- und GastwirchSgewerbe);

2) hie Uebernahme der Bearbeitung oder Verarbeitung von Stauen für Andere, sofern der Betrieb über ben Umfang des Handwerks hinausgeht; vorausgesetzt ist hier, daß der Andere daS Material liefert; ob der Betrieb über den Umfang eines bloßm Handwerks hmauSgeht, ist Thatfrage: 3) die Uebernahme von Versicherungen gegen Prämien;

4) die Banquier- und Geldwechslergeschäste; 6) die Uebernahme der Befördemng von Gütem oder Reisendm zur See, die Geschäfte der Frachtführer oder der zur Be­ fördemng von Personal zu Lande oder auf Binnengewässem bestimmten Anstallm sowie die Geschäfte der Schleppschiffahrtsuntemehmer; 6) die Geschäfte der Kommissionäre, der Spediteure und der Lagerhalter; 7) die Geschäfte der Handlungsagenten und der Handelsmäller; 8) die BerlagSgeschäste, sowie die sonstigen Geschäfte des Buchund Kunsthandels;

9) die Geschäfte der Dmckereien, sofern ihr Betrieb über den Umfang des Handüerks hmauSgeht.

Die unbestimmten (hvpothettschm) Handelsgeschäfte können außerordentlich mannigfaltig sein. Vorausgesetzt ist nur gewerbliches Untemehusm und kaufmännischer Betrieb. Da sie in Gegensatz gestellt sind zu den bestimmten Hmtdelsaeschästm, so toerben in Zukunft pnter sie alle bitienigen gewerblichen Betriebe gehören, bie nicht schon eines jener bestimmten Geschäfte zum Gegeüstanbe habm, inSbesoubere also der Ziegeleibetrieb, der Bergbau, bie Geschäfte der Auskunftsbureaux. Da aber das Publikum nicht wissen und häufig nicht beurtheilen kann, ob bei diesm Untemehmunaen bie Erfordernisse eines kaufmännischen Betriebes vorliegen, so ist ein äußerlich er­ kennbares Zeichen erfordert: bie Eintragung bet Firma. Jene Unter-

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nehmungen sind also Handelsgewerbe nur dann, wenn ihre Firma eingetragen ist. ES besteht für sie aber eine Pflicht zur Firmen­ eintragung, während für die mit Land- oder Forstwirthschast verbundenm Nebengewerbe, auch wenn sie kaufmännisch betrieben werden (Brennereien, Zuckerfabriken), nur ein Recht auf Finneneintragung bestcht. Man wird daher in Zukunft selbständige Gewerbe und landwirthschaftliche Nebengewerbe zu unterscheiden haben. Wer ein solches Nebengewerbe betreibt, vom Eintragungsrechte aber keinen Gebrauch macht, betreibt ein Handelsgewerbe, ohne Kaufmann zu sein, und beqcnige, der das Handelsgewerbe noch nicht oder nicht mehr betreibt, dessen Firma aber schon oder noch eingetragen ist, kann gegenüber dem, der sich auf die Eintragung bemst, nicht einwenden, daß er kein Handelsgewerbe betreibt, auch wenn Jener von dieser Thatsache Kmntniß hat (§§ 3, 5 HGB). Aus dem Begriffe Kaufmann folgt der Begriff Handelsgeschäft. Handelsgeschäfte sind nämlich alle Geschäfte eines Kauf­ manns, die zum Betriebe seines HandelsgewerbeS ge­ hören, (§ 343) mag es sich um ein Gmnd- oder um ein Nebengeschäst handeln. Die bestimmten Grundhandelsgeschäste (8 1 Abs. 2 HGB) habm die Eigenschaft von Handelsgeschäftm auch dann, wenn sie von einem Kaustnann im Betriebe seines ge­ wöhnlich auf andere Geschäfte gerichtetm Handelsgewerbes geschlossen werden (§ 343 Abs. 2 HGB). Nach gesetzlicher Vermuthung (8 344 Abs. 1) wird von jedem von einem Kaufmann geschlossenm Geschäfte angenommen, daß es zum Betn'ebe seines Handelsgewerbes gehöre. Diese Vermuthung kann in jeder Weise widerlegt werden. Ferner gilt die Vermuthung, daß die von einem Kaufmanne ge­ zeichneten Schuldscheine im Betriebe seines HandelsgewerbeS gezeichnet seien. Diese letztere Vermuthung kann nur durch dm Inhalt des Schuldscheins selbst entkräftet werden (§ 344 Abs. 2). In keinem Falle bevarf es zur Widerlegung einer ausdrücklichen Gegenbeweis­ antretung, vielmehr hat das Gericht die jene Vermuthungen ent­ kräftenden Thatsachen von Amtswegm zu berücksichtigm. Obwohl diese zuletzt mitgetheiltm Grundsätze schon dem bis­ herigen Handelsrecht angehftrtm, vereinfacht sich doch durch die oben mitgetheilten Aenderungen die Lchre von den HandelSgefchästm erheblich. ES kann jetzt der Satz aufgestM »erben: Alle Ge­ schäfte eines Kaufmanns find Handelsgeschäfte, alle Geschäfte eines Nichtkaufmanns sind Nicht-Handels­

geschäfte. Ist ein Geschäft nur für bett einen Theil Handels­ geschäft, für dm andem nicht, so kommm doch die Grundsätze des Handelsrechts zur Anwmdung (§ 345 HGB). Gewisse RechtSsätze des Handelsrechts kommen jedoch nur dann zur Anwendung, wmn

es ein sog. beiderseitiges d. h. wenn es für beide Kontrahenten Handelsgeschäft ist (vergl. 88 353, 368, 369, 377, 379 HGB). Einzelne Rechtssätze des Handelsrechts kommen hingegen nicht zur Anwendung auf Kleinkaufleute (§§ 348—351 HGB). Nach dem bisherigen Rechte (Art. 275) waren Verträge über unbewegliche Sachen niemals Handelsgeschäfte. Diesen Satz hat das neue HGB gestrichen. Es können also nach neuem Recht die Gewerbe der Bauunternehmer und der Grundstücksmäkler Handelsgewerbe sein (§ 2 HGB), und das von einem Kaufmann geschlossene Rechtsgeschäft über den Erwerb oder die Miethe eines zu Geschäftszwecken benöthigten Grundstücks i st nach neuem Recht Handelsgeschäft (§ 343 Abs. 1). § 80. Das römische Koutraktssystem und die altdeutschm Verträge. I. Nach römischem Recht war nicht jedes von der andern Seite angenommene Schuldversprechen klagbar. Nur der mit einer causa civilis ausgestattete Vertrag erzeugte klagbare Ansprüche. Er hieß contractus im Gegensatz zum pactum, dem klaglosen Vertrage, der nur Natmalobligationen begründete. Das ausgebildete römische Recht kannte vier causae civiles d. h. besondere, die Klagbarkeit bedingende Rechtsgründe: die literae, die verba, die res und ausnahmsweise den consensus. Die drei erstgenannten traten zu der jedem Vertrage wesentlichen Willenseinigung hinzu, im letzten Falle reichte die formlos erklärte Willenseinigung als causa civilis aus. Man unterschied daher Literalkontrakte, Verbal­ kontrakte, Realkontrakte und Konsensualkontrakte. 1. Der Literalkontrakt besteht in der auf Mllenseiniguna beruhenden Eintragung eines Schuldverhältnisses in das Hausbuch eines römischen Bürgers (den codex accepti et expensi). Er be­ gründete nur Geldschulden, diente aber nicht nur der Entstehung, sondern auch der Umwandlung einer schon bestehenden, auf anderem Rechtsgrunde beruhendm Schuld und bestand darin, daß der römische Bürger das, was er von einem Andem zu fordern hatte, als Ausgabe (expensilatio) und was er schuldete, als Einnahme eintrug. In das jusüniamsche Recht ist der L. nicht übergegangen. 2. Der Verbalkontrakt wird dmch Anwendung bestimmter Wortformen geschlossen. Der wichügste Vertrag dieser Art war und blieb die stipulatio. Sie kam durch Frage und Antwort zu Stande (spondesne mihi centum dare? spondeo; promittisne mihi Stichum servum dare? promitto). Wie der Literalkontrakt, so begründete auch die Stipulation eine einseitige Verpflichtung stricti juris des Versprechenden (Antwortenden, reus promittendi) gegenüber dem Versprechensempfänger (Fragenden, reus stipulandi, denn stipulari heißt: sich versprechen lassen), doch kann die StipuEngelmann, d. alte u. d. neue bürgerliche Recht. 14

210 lation jede zulässige Leistung zum Gegenstände haben. Die Verpflichtung wird begründet nur durch den Gebrauch der Wortform, auf das zu Grunde liegende Verpflichtungsverhältniß kommt es nicht an, die St. ist daher wie der L. ein Formalvertrag. Sie erforderte Gegenwart der Parteien, doch war es von altersher üblich, über die St. eine Urkunde (cautio) aufzunehmen, und seit dem Ende des 2. Jahrh, nach Chr. ließ man gegen die cautio nur den Gegenbeweis zu, daß die Parteien nicht an demselbm Orte gewesen seien. Da mithin das, was in der Urkunde ge­ schrieben war, unwiderleglich feststand, so verwandelte sich die @t in einen schriftlichen Vertrag. Die Leichtigkeit ihrer Anwendung und.Geltendmachung verschaffte ihr eine Bedeutung, welche über die des heutigen Wechsels noch hinausging und haupt­ sächlich darin bestand, daß durch sie jedes Versprechen zu einer klagbaren Verpflichtung erhoben wurde. — Sie ist in das justinianische Recht übergegangen. 3. Die Realkontrakte werden geschlossen durch Hingabe einer Sache und begründen eine Verpflichtung zur Zurückgabe der Sache. Entwickelt haben sie sich aus dem nexum, dem alten formellen und unmittelbar vollstreckbaren Darlehnsvertrage, der per aes et libram, in Gegenwart von 5 Zeugen und unter Ge­ brauch der Worte dare damnas esto zu Stande kam, und aus der mancipatio d. i. der Eigenthumsübertragung, mit. dem pactum fiduciae d. i. der Verpflichtung zur Rückgabe. Realkontrakte kennt das römische Recht vier: das mutuum (Darlehn), das depositum (der Verwahrungsvertrag), commodatum (Leihvertrag) und pignus (Pfandvertrag). Sie sind sämmtlich in das justinianische Recht übergegangen.

4. Die Konsensualkontrakte werden yeschloflen durch form­ lose Willenserklärung. Sie unterscheiden sich also äußerlich in nichts von dem klaglosen pactum. Der nudus consensus reicht aber auch nur ausnahmsweise, bei den vier wichtigsten Geschäften deS täglichen Lebens aus. Dies sind die emtio-venditio (Kauf), die loeatio-conductio (Miethe), die societas (Gesellschaftsvertrag) und das mandatum (Auftrag). Alle Schuldverträge, die nicht unter den Begriff eines dieser Kontrakte fielen, waren pacta. Es wurden aber immer mehr pacta klagbar gemacht, und zwar durch die Praxis die p. adjecta, d.h. bie einem bonae-ndei-negotium gleich beim Abschluß beigefügten Nutznabreden; ferner durch das prätorische Recht (daher p. praetoria), insbesondere das constitutum debiti, endlich durch Kaisergesetze ldaher p. legitime) das formlose Dotalversprechen und das form-

kose Schenkungsversprechen. Man nennt heut die klagbaren pacta vestita, die klaglosen p. nuda. Bei einer großen Zahl von Schuldverträgen, welche auf Leistung um Gegenleistung gerichtet waren, griff man zu dem eigenthümlichen Mittel, die von dem einen Theile gemachte Leistung der res der Realkontrakte gleichzustellen. Da nun auf die zuerst gemachte Leistung ein klagbarer Anspruch nicht gegeben war, der Leistungsempfänger auf sie also auch kein Recht hatte, so gab man dem, der geleistet hatte, das Recht, entweder das Geleistete zurück­ zufordern (condictio ob causam datorum, jus poenitendi) oder auf die Gegenleistung zu klagen (mit einer a. praescriptis verbis). Denn lag in der Leistung die res, so entstand mit der Annahme der Leistung die Verpflichtung zur Gegenleistung. Diese Verträge wurden also den Realkontrakten gleich behandelt, und zwar bezeichnet man sie im Gegensatz zu den oben aufgeführten vier benannten als die unbenannten Rcalkontrakte oder Innominatkontrakte. Denn jeder Vertrag auf Leistung um Gegenleistung konnte hierunter fallen, bestimmte Namen aber hatten nur jene vier Verträge. Man theilte sie deshalb in vier Klassen ein nach den Formeln: do ut des, do ut facias, facto ut des, facio ut facias. Sowohl die Konsensual- als die Innominatkontrakte sind in das justinianische Recht übergegangen. II. DaS deutsche Recht hat eine ähnliche Entwicklung durch­ gemacht und ähnliche Erscheinungen hervorgerufen wie das römische Recht.

Zwar machte daS deutsche Recht nicht einen Gegensatz zwischen klagbaren und klaglosen, sondern nur einen solchen zwischen gAtigen uno ungültigen Verträgen. Gültig aber war der Vertrag nur dann, wenn er in feierlicher Form, vor Zeugen oder mit Brief und Siegel d. h. schriftlich geschlossen war. In manchen Fällen wurde der Vertrag erst durch ein in Gegenwart von Zeugm ein­ genommenes Mahl oder durch einen gemeinschaftlichen Trunk oder

durch Hingabe eines Handgeldes (Launegild) perfeft, so zwar daß man alle Vereinbarungen, die diesen Handlungen vorangingen, als bloße Vertragsberedungen ansah. Da diese Grundsätze dem regeren Geschäftsverkehr unbequem waren, gelangte man zu der Anschauung, daß die Ungülügkeit eines zweiseitig verpflichtenden Vertrages durch Leistung von der einen und Annahme der Leistung von der anderen Seite geheilt werde. Auf diese Weise kam man zur Umbildung einfacher Schuldverträge in Jnnominat-Kontrakte, man gewährte aber nicht das Reuerecht, sondern aus­ schließlich einen Anspruch auf Erfüllung von der Gegenseite.

212 § 81.

Das gemeinrechtliche Vertragssystem.

Die römische Unterscheidung von klagbaren und klaglosen Verträgen, also von pactum und contractus, wurde in Deutschland nicht anerkannt. Vielmehr wurde der deutschrechtliche Satz, daß jeder Vertrag, wenn er nur gültig sei, auch mit Klage geltend Ö werden könne, gemeines Recht. Dadurch wurde dem jen, übrigens im justinianischen Recht schon durchbrochenen römischen Kontraktssystem die Grundlage entzogen: es giebt im gemeinen Recht nur noch schlechthin Verträge. Die Folge ist, daß es insbesondere Jnnominatverträge nicht mehr giebt. Ihre Schöpfung war ein Nothbehelf, der in Deutschland nicht mehr nothwendig war. Denn da jetzt die Verpflichtungskraft der Verträge nicht mehr von dem Vorhandensein einer causa civilis abhängig war, so lag kein Hinderniß vor, in allen den Fällen, in denen das römische Recht einen Innominatkontrakt annahm, die verpflichtende Kraft in die übereinstimmende Willenserklärung zu verlegen. Die ungenannten Verträge sind demnach Konsensual­ verträge geworden. Die Leistung desjenigen Kontrahenten, der zuerst leistet, hat also nicht mehr den Charakter der Vertrags­ begründung, sondern den der Erfüllung. Ferner ist die Form der stipulatio nicht in das gemeine Recht übergegangen. Da aber die Verpflichtungskraft der Stipulation n ihrer Form lag, so ist der wichtigste Formalvertrag des römichen Rechts dem deutschen Rechtsleben fremd geblieben. Man iedurste dieser Vertragsform auch nicht. Denn das Bedürfniß, klagose Ansprüche durch Einkleidung in die Stipulationsform zu klag­ baren Ansprüchen zu machen, lag in Deutschland nicht vor. Dem Bedürfnisse des modemen Verkehres aber, leicht realisirbare Ver­ pflichtungen zu schaffen und deshalb die Schuld von dem materiellen Schuldgrunde zu befreien, trägt vor allem der Wechsel und tragen andere sog. Smpturobligationen Rechnung.

Bestehen geblieben aber ist der Gegensatz von Konfensualund Realverträgen, denn er ist keine nationalrömische Erfindung, sondern liegt in der Natur der Sache. Von vielen Seiten wird zwar der Satz verfochten, daß es hmtzutage nur noch Konsensual­ verträge gebe und daß die verpflichtende Kraft der römischen Realkontrakte in der Willenseinigung der Parteien liege. Man muß jedoch zwischen dem auf Abschluß eines Realvertrages ge­ richteten Vorverträge (pactum de contrahendo), der stets Konsensual­ vertrag ist, und dem Abschlusse des Realvertrages selbst unter­ scheiden. Sein Mschluß ist die Erfüllung des Vorvertrages, der Hauptvertrag kann aber nur durch Hingabe einer Sache geschlossen

werden, denn ohne diese Hingabe kann keine Verpflichtung zur Rückgabe entstehen. Von den Real- und den Formalkontrakten abgesehen, kennt also das heutige Recht nur noch Konsensualverträge. Jndeffen hat der Gegensatz heut geringere Bedeutung als in Rom. Wichtiger für das heutige und auch für das künftige Recht sind die Eintheilungen in 1. abstrakte (Formalverträge) und materielle, individualisirte Kontrakte, 2. in einseitig und zweiseitig verpflichtende Verträge.

§ 82.

Der abstrakte Vertrag.

Kein Schuldversprechen wird abgegeben, ohne daß ein juristischer Grund hierzu vorhanden wäre. Denn wer 100 Mark zu zahlen verspricht, wird vazu bestimmt von der Mficht, dem Andern eine reine Vermögen-zuwendung zu machen (donandi causa) oder den Andern zu einer Leistung zu verpflichten (contrahendi causa) oder einen bereits empfangenm oder versprochenen Gegenwerth abzugelten (solvendi causa). Dieses dem Versprechen zu Grunde liegende Schuldverhältniß ist sein Rechtsgrund oder seine causa debendi, die nicht zu verwechseln ist mit der oben § 80 besprochenen causa civilis. Nicht jedes Schuldversprechen aber ist von der causa debendi abhängig. Freilich bildet otefe Abhängigkeit die Regel, und es besteht demnach eine Verpflichtung aus dem Versprechen nur dann, wenn, uno nur dämm, weil eine causa debendi vor­ handen ist. Diese Regelfälle bilden die sog. materiellen, individualisirten, auch konkreten Verträge, denn es giebt in diesen Fällen nicht eine Verpflichümg schlechthin, sondem eine Darlehns-, eine Kauf-, eine Mrech- rc. Schuld. Die Betheiligten

können aber das Versprechen von der causa debendi unabhängig machen, loslösen, abstrahiren. Alsdann ist eine Verpflichtung nur dann, wenn, und nur dämm, weil die Behelligten

eine Verpflichtung gewollt haben, vorhanden. In diesen Fällen spricht man von abstrakten oder reinen Verträgen. Sie haben im Verkehr vor den materiellen Verträgen das voraus, daß sie eine einfache, klare, leicht zu beweisende Verpflichtung begründen, die nicht entkräftet werden kann durch Mängel, welche dem zu Gmnde liegenden Schuldverhältnifle anhasten: sie dienen oeshalb besonders als Einlleidungsform für jede Art von Schuldverpflichtung. Abstrakte Verträge des römischen Rechts waren oer Literal­ kontrakt und die Stipulation. Wer sich dieser Vertragsformen

214 bediente, befreite damit ohne weiteres das abgegebene Versprechen von der causa debendi. Das altdeutsche Recht machte diese strenge Scheidung nicht, es ließ aber abstratte Schuldversprechen zu.

Das gemeine Recht war Anfangs, da weder der Literalnoch der Berbalkontrakt des römischen Rechts rezipirt wurde, gegen die allgemeine Zulassung abstrakter Verträge, man erklärte sogar S^uldscheine, in welchen die Angabe der causa debendi fehlte (die sog. cautio indiscreta oder quae indiscrete loquitur) für nicht beweiskräftig. Diese Auffassung wurde auf das lebhafteste bekämpft, und es kann als gegenwärttg herrschende Lehre des gemeinen Rechts der Satz hingestellt werden, daß die Parteien jedes Schuldversprechen von der causa debendi loslösen können. Daneben aber hatte sich der Handelsverkehr im Wechsel und in der kauf­ männischen Assignation abstrakte Versprechen, die dem Geldumlauf dienten, gaschaffen. Dazu traten die Jnhaberpapiere und in neuester Zeit die Gruichschulden. Nachdem dann Art. 1 WO. einem jeden, der ffch durch Verträge verpflichten kann, auch die Fähigkeit, fich durch Wechsel zu verpflichten, gegeben hatte, war das moderne Berkehrsleben ebenso wie das römische mit einer Recht-einrichtung auSgestattet, die wenigstens jeder Geldschuld die Möglichkeit ge­ währte, ein abstrMer „Werth" zu werden. Das HGB fügte noch den kaufmännischen Verpflichtungsschein (Art. 301) und die Anerkennung des Rechnungssaldo (Art. 291) hinzu

Das neue Recht enthält 1. allgemeine Bestimmungen über abstratte Schuldvers^rechen und Schuldanerkenntnisse (§§ 780 -782 BGB). Sie find einseitig verpflichtende Verträge und stehen unter gleichen Grund­ sätzen, va das Anerkenntnis ein Lcistungsversprechen in sich enthält^). DaS BGB erkennt also in Uebereinstimmung mit der jetzt herrschenden Lehre des gemeinen Rechts oas abstrakte Versprechen als rechtsverbindlich an und weicht vom bisherigen Rechte nur darin ab, daß eS sowohl für das Versprechen als für das An­ erkenntnis die schriftliche Form fordert. Diese Form ist nicht nochwendig a) wenn daS Versprechen oder Anerkenntniß auf Grund einer Abrechnung oder eines Vergleiches gegeben wird (§ 782), b) wenn das Versprechen oder Anerkenntniß auf Seite des Schuldners ein Handelsgeschäft ist (§ 350 HGB).

Ist aber für das Versprechen selbst oder für diejenige Ver­ pflichtung, welche anerkannt wird, durch besondere Bestimmung *) Bähr

Anerkennung als Verpflichtungsgmnd. S. 243 ff. (2. Ausl. 1867)

eine andere Form vorgeschrieben, so ist diese Form erforderlich (§§ 780, 781, 518, 311, 313 BGB). Ob die Erklärung eine abstrakte sein soll oder nicht, hängt von dem Willen der Parteien ab. Wird auf den Verpflichtungs­ grund Bezug genommen, so wird angenommen werden müssen, baß das Versprechen von diesem Grunde abhängen soll. 2. Ferner läßt das neue Recht durch besondere Be­ stimmungen abstrakte Versprechen in besonderen Fällen zu. a) Hierher gehört vor allem der Wechsel, nach der bestehenden, vom BGB nicht berührten Wechselordnung; b) die Grundschuld d. h. eine Gmndstücksbelastung in der Weise, daß eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist (§ 1191, 1199 BGB), c) die Ausstellung einer Schuldverschreibung auf den Inhaber (§§ 793, 796 BGB). Ueber die Anerkennung des Saldo und dm kauf­ männischen Verpflichtungsschein fehlen dem neuen Rechte Bestimmungen, weil ihre Zulässigkeit als abstrakte Versprechen schon aus den allgemeinen Bestimmungen des BGB folgt. In allen diesen Fällen schöpft das abstrakte Bersprechm seine BerpflichtungSkraft nicht aus dem materiellen Verpflichtungsgrunde, sondem aus dem reinen Verpflichtungswillen des Schuldners. Hieraus folgt, daß der Schuldner sich nicht durch Berufung aus das zu Grunde liegende Schuldverhältnis von seiner Leistungrpflicht befreien, daß er vielmehr daS abstrakte Versprechen nur auS dem Grunde anfechten kann, daß ihm der BerpflichtungSwille (z.B. wegen JrrthumS,Zwanges, Simulation) fehlte oderweil das Ver­ sprechen einem Berbotsaesetze widerspricht. Aus dem letzteren Grunde ist die Erllärung, welche das Anerkenntniß eines ungültigen Börsentermingeschäftes enthält, nichtig (§§ 66, 68 des Börsen­ gesetzes vom 22. Juni 1896). Wenn durch Art. 82 WO und § 796 BGB dem Wechsel­ schuldner und dem Aussteller eines JnhaberpcpriereS außer den aus dem Wechselrecht oder der Urkunde selbst sich ergebmdm oder die Gültigkeit des Versprechens in Frage stellenden auch die­ jenigen Einwendungen gegeben sind, die dem Schuldner gegen dm jedesmaligen Gläubiger unmittelbar zustehen, so ist damit keineswegS ein Zurückgehen auf das zu Grunde liegende VerpflichtungSverhältniß, selbst nicht zur Begründung einer exceptio doli gene­ ralis, gestattet. Dagegen ist dem Promtttentm erlaubt, das abstrakte Ver­ sprechen wie einen in das Vermögen des Promissars übergegangenen Vermögenswerth nach den Grundsätzen von der ungerechtfertigtm

216 Bereicherung zu kondizieren d. h. zurückzunehmen (vgl. § 812 Abs. 2 BGB), und natürlich kann dieses Zurückforderungsrecht auch im Wege der Einrede geltend gemacht werden. Der römische Literalkontrakt, die stipulatio und der Wechsel schöpfen ihre verbindliche Kraft aus der Beobachtung der gesetzlich vorgeschriäenen bestimmten Form, sie heißen deshalb auch Formal­ kontrakte. Die vom BGB vorgeschriebene Schristform hat diese Bedeutung nicht, das Schuldversprechen des BGB ist daher zwar ein abstrakter, aber nicht ein Formalkontrakt.

§ 83. Der zweiseitig verpflichtende Vertrag. Jeder Schuldvertrag begründet wenigstens eine Verpflichtung, und die abstrakten Versprechen begründen stets nur eine einseitige Verpflichtung. Andere Verträge wollen zwar von vornherein nur die Verpflichtung eines Vertragstheiles begründen, sie können aber auch dre Verpflichtung des andern Vertragstheiles herbei­ führen. Man nennt sie contractus bilaterales inaequales, un­ wesentlich - zweiseitige Verträge. Der Anspruch auf Erfüllung der wesenüichen oder Hauptverpflichtung z. B. auf Rückgabe der in Verwahrung gegebenen Sache, heißt nach römischer Sprechweise actio directa, der Anspruch auf Erfüllung der möglicherweise ent­ standenen unwesentlichen Verpflichtung z. B. auf Erstattung der auf die verwahrte Sache gemachten Aufwendungen actio contraria. Die beiden in einem solchen Falle vorhandenen Verpflichtungen entstehen zprar aus demselben Vertrage, aber die eine Leistung bildet nicht den Gegenwerth der andern Leistung, die Erfüllung der einen Verpflichtung ist daher nicht von der ErMung der anderen Leistung abhängig. Vielmehr kann jede Verpflichttmg selbständig und außerdem nach altem und neuem Recht (§ 273 Abs. 2 BGB) die Nebenverpflichtung im Wege des Zurück­ behaltungsrechtes gegenüber der Hauptverpflichtung geltend gemacht werden. Zweiseitig verpflichtende (zweiseitige) Verträge (c. bila­ terales aequales) sind diejenigen Verträge, durch welche sich jeder Kontrahent zu einer Leistung, welche die Gegenleistung für die vom andern Konttahenten gemachte Leistung bildet, verpflichtet. Hieraus folgt, daß ein zweiseittger Berttag dann nicht vorhanden ist, wenn die von dem einen Konttahenten eingegangene Ver­ pflichtung nur den Beweggrund bildet für den andern Kontra­ henten, sich seinerseits zu verpflichten. Zum Wesen des zweiseitigen Verttages gehört vielmehr, daß die eine Leistung den Gegenwerch (das Aequivalent) der andern Leistung wenigstens nach dem Willen der Parteien bilde. Leistung und Gegenleistung stehen

also in einem Abhängigkeitsverhältniß zu einander. Das BGB drückt dieses Verhältniß durch das Wort „gegenseitiger Vertrag" aus. Aus dem Wesen der gegenseitigen Verträge folgt, und es gilt daher nach altem und neuem Recht (§ 320) der Grundsatz, daß kein Kontrahent Erfüllung verlangen kann, wenn er ni angeführte Entscheidung.

kann. Dagegen ist eine solche Willensbethätigung des Vertreters nach römischem Rechte nicht geeignet, dem Vertretenen dm Besitz einer unbeweglichen Sache zu entziehen. Auch in diesem Falle geht der Besitz nur verloren, wenn der Vertretene auf die Kunde von dem Verhalten des Vertreters den drohenden Eingriff nicht abwehrt. Da es nach bisherigem Recht keine Nachfolge in den Besitz giebt, so findet auch keine Vererbung des Besitzes statt. Der Erbe muß den Besitz ergreifen und erwirbt trotz des Erbschaftsantrittes den Besitz nicht, wenn ein Dritter besitzt. 2. Das BGB i§ 856) läßt den Besitz dadurch untergehen, daß der Besitzer die thatsächliche Gewalt der Sache aufgiebt oder in anderer Weise verliert. Also auch nach ihm muß das corpus in contr a Hum actum sein. Eine ihrer Natur nach nur vorüber­ gehende Verhinderung in der Ausübung der Gewalt ist auf den Fortbestand des Besitzes ohne Einfluß. Da der Besitzwille kein Erfordemiß des Besitzerwerbes ist, kann auch die Aufgabe dieses Willens den Besitz nicht enden. Insoweit also weicht das neue vom alten Recht ab. Doch darin herrscht Uebereinstimmung, daß der Besitz mit dem Eintritt eines Endtermins oder einer auflösenden Bedingung nicht aufhört. Der mittelbare Besitz geht durch den Besitzmittler verloren, wenn dieser die Gewalt über die Sache in einer Weise verliert, daß sie auch für den mittelbaren Besitzer aufgehoben ist, und er geht an den unmittelbaren Besitzer verloren, wenn dieser den Entschluß bethätigt, die Sache als ihm gehörend zu besitzen (§ 892), denn übt der unmittelbare Besitzer die Gewalt nicht mehr zugleich für den mittelbaren Besitzer aus, so hat dieser die Gewalt über die Sache verloren (§ 856). Daß der beim Erblasser vorhandene Besitz auf den Erben übergeht (§ 857), ist bereits erörtert.

ß 170.

Subjekt des Besitzes.

Nach altem Recht kann den Besitz baben jedes Rechts­ subjekt, erwerben nur der Willensfähige, daher nicht Kinder und Geisteskranke. Nach neuem Recht können auch geschäftsunfähige Personen Besitz haben und Besitz erwerben, sofern zu dem Erwerbs­ atte nichts weiter gehört, als die Erlangung der thatsächlichen Gewalt und der Geschäftsunfähige nur überhaupt im Stande ist, eine thatsächliche Gewalt auszuüben.

§ 171.

Gegenstand des Besitzes.

Gegenstand des Besitzes sind vor Allem Sachen.

An einer

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und derselben Sache können mehrere den Besitz haben, aber stets nur nach reellen oder ideellen Theilen. Im letzteren Falle spricht man von compossessio. Dagegen können nach altem Recht nicht Mehrere an de^elben ganzen Sache Besitz haben, da der Besitz des Einen den des Andem nothwendig ausschließt (plures eandem rem in solidum possidere non possunt), nach neuem Recht aber ist, ebenso wie nach älterem deutschen Recht für ver­ schiedene Personen eine verschiedenartige Gewere, an derselben Sache unmittelbarer und mittelbarer Besitz möglich (§ 868). Der Besitz der Sache ergreift alle ihre Theile. Wird daher eine Sache in mehrere Theile zerlegt, so besteht an jedem Theile der Besitz fort. Wer mehrere von ihm beseffene Sachen zu einer ganzen verbindet, verliert damit nicht den Besitz der einzelnm Sachen, denn er hat das corpus und faßt jedenfalls nicht den anirnus non possidendi. Ob Theile oder Bestandtheile einer Sache eines selbständigen Besitzes fähig sind, läßt das BGB unerörtert, es wird deshalb die natürliche Auffassung maßgebend sein. Zweifellos sind danach abgegrenzte reelle Theile eines Gmudstücks (eine Wohnung) Geben­ stand des Besitzes. Ebenso wird man die Möglichkeit des Besitzes von stehenden Bäumen sowie von Bestandtheilen einer zusammen­ gesetzten beweglichen Sache grundsätzlich anerkennen dürfen.

§ 172.

Insbesondere der Besitz an Rechten.

Wer eine körperliche Sache besitzt, übt damit die wichtigste Befugniß des Eigenthümers aus, mag er EiAenthümer oder blos Besitzer sein. Wer Handlungen vornimmt, die sich äußerlich als Bethätigungen eines Rechts darstellen, der befindet sich in der Ausübung des Rechts, mag er dieses Recht haben ober nicht haben. Wie dort die Ausübung des Eigenthums den Besitz der Sache bildet, so ist hier die Ausübung des Rechts Besitz des Rechts. 1. Das römische Recht kannte einen Rechts- oder Quasibesitz nur bei Servituten. So war der Nießbraucher Detentor der Sache, aber Besitzer des Rechts. Wer ohne das Recht zu bestreiten, nur der Ausübung des Nießbrauchs Hindernisse bereitete, störte den Berechtigten im Rechtsbesitze. Wer sich irrig für den Nießbraucher hält, ist gleichfalls Besitzer des Rechts, denn auch er übt aus, wozu der Nießbrauch berechtigt. Das kanonische Recht dehnte den Rechtsbesitz erheblich aus, das jetzige Recht geht nicht ganz soweit, nimmt aber einen Rechts­ besitz überall da an, wo wie beim Sachbesitz eine gewisse Tauer der Ausübung möglich ist, unter dieser Voraussetzung auch bei

Forderungsrechten, daher bei solchen Obligationen, die wie Rentenbezugsrechte nicht mit einmaliger Ausübung erlöschm (RG. 26, 144 u. 171). Erworben wird der Rechtsbesitz durch Vornahme von Hand­ lungen, zu denen das Recht befugt macht, mit der Absicht der Rechtsausübung. Der Erwerb kann rechtmäßig oder unrechtmäßig, fehlerfrei oder fehlerhaft vor sich gehen, die Ausübung bona oder mala fide erfolgen. Duldung der Rechtsausübung gilt als jurisquasi-traditio. Verloren wird der Rechtsbesitz durch Umstände, welche die Rechtsausübung unmöglich machen, oder durch den Willen, das Recht nicht ferner auszuüben. Die bloße Weigemng des Be­ lasteten, sich ferner so zu verhalten, wie das ausgeübte Recht es erfordern würde, z. B. das Betreten einer Wiese ferner zu dulden, ist Besitzstörung, und wenn der Besitzer infolge des Verhaltens des Belasteten von der Rechtsausübung Abstand nimmt, Besitz­ entziehung. Zum Schutze des Besitzes dienen die possessorischen Rechtsmittel, das int uti possidetis oder die Spolienklage. Fort­ gesetzter Rechtsbesitz kann zur Ersitzung des Rechtes führen. 2. Dem neuen Rechte wird es leider an Einheitlichkeit fehlen. Denn da eine große Anzahl von Rechten nach wie vor den Landesgesetzen unterliegt, so wird auch der Besitz dieser Rechte da, wo er bisher anerkannt war, anerkannt bleiben. Hierher zählen die dem Wasserrechte angehören, ferner die Zwangsrechte, Bannrechte, Realgewerbeberechtigungen, die Rechte auf Kirchen­ stühle und Erbbegräbnisse (Artt. 65, 74, 133 Einf.-G. z. BGB). Im Gebiete des bisherigen gemeinen Rechtes wird es also auch künftig einen Besitz an Rechten der bezeichneten Art geben. Das BGB selbst kennt nur einen Besitz von Sachen und äßt nur bei Grunddienstbarkeiten (§ 1029) und beschränkten perönlichen Dienstbarkeiten (§ 1090) die entsprechende Anwendung )er für den Besitzschutz gegebenen Vorschriften zu. Diese Bechränkung hat darin ihren Grund, daß alle diejenigen Rechte, die nicht ausgeübt werden können ohne den Besitz der Sache, eben mit dem Sachbesitz verknüpft sind. Hierher gehört insbesondere der Nießbrauch und das Erbbaurecht. Mit dem Besitz der dienenden Sache nicht oder wenigstens nicht nothwendig verbunden ist die Ausübung der Gmnddienstbarkeiten und der beschränkten persön­ lichen Dienstbarkeiten. Daher waren für diese Rechte Bestimmungen erforderlich. Ihnen liegt der Gedanke zu Grunde, daß nicht, wie nach altem Recht, die Ausübung allein, sondem nur die Aus­ übung eines nach dem BGB vermuthlich bestehenden Rechtes über den Besitzschutz entscheidet. Da nun dingliche Rechte an

480 Grundstücken dem Eintragungsprinzip unterliegen, so genießt Besitz­ schutz nur das eingetragene Recht (§§ 873, 1029, 1090). Die Besitzstörungsklage steht bei Gmnddienstbarkeiten jedem Be­ sitzer des herrschendm Grundstücks, also vor Allem dem besitzenden Eigenthümer, aber auch dem Nießbraucher, Miether, Pachter dieses Grundstücks, bei den beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten dem eingetragenen Berechtigten, und jedem Anderen zu, der daS Recht für den eingetragenen Berechtigten ausübt. Vorausgesetzt ist ferner, daß das Recht innerhalb des letzten Jahres vor der Störung, wenngleich nur ein Mal, ausgeübt worden ist. Da aber nicht alle Grundstücke im Grundbuche eingetragen sein müssen, die an diesen bestehenden Rechte also von der Ein­ tragung nicht abhängen, so ist bei ihnen auch der Besitzschutz von der Eintragung nicht abhängig (Art. 128 Einf.-G. z. BGB § 90 GBO). So lange für ein Grundstück, das im Grundbuch eingetragen werden muß, ein Grundbuchblatt noch nicht angelegt ist, können für Rechte an ihm nicht die Bestimmungen des neuen, sondern nur die des alten Rechts maßgebend sein. Deshalb richtet sich so lange auch der Besitzschutz nach altem Rechte (Slrt. 128 Einf.Ges. z. BGB). Andere Bestimmungen als über den Besitzschutz brauchte das neue Recht für den Besitz an Rechten nicht zu geben. Denn dieser Besitz kann bei den erwähnten Rechten nicht zur Ersitzung führen, er hat also im Gegensatze zum alten Rechte rechtliche Be­ deutung nur für die Frage des Besitzschutzes.

Der Besitzschutz. § 173.

1. Das bisherige Recht.

In Rom wurde der Besitz in der Weise geschützt, daß der Prätor auf Antrag Desjenigen, dessen Besitz gestört ooer genommen war, einen Befehl, ein interdictum, erließ, die Störung zu lasten oder den Besitz wiederherzustellen'). Wurde dem Besehle Folge geleistet, so war die Sache erledigt. Wurde ihm wider­ sprochen, so kam es zu einem Prozesse in den gewöhnlichen Formen und damit zu einer Entscheidung der Frage, ob das Interdikt zu Recht erlassen sei oder nicht. Zum Schutze des Besitzes gab es interdicta retinendae, recuperandae und auch adipiscendae pos­ sessionis. Die letzteren verlangten Einweisung in einen Besitz, den der Antragsteller noch nicht gehabt hatte. In allen Fällen *) Mein römischer Civilprozeh.

1891.

S. 72 ff.

aber wurde der Besitz um des Besitzes willen geschützt und die Frage nach dem Rechte zum Besitze unbeantwortet gelaffen. Das eigenthümliche Jnterdiktenverfahren fiel schon mit der Umgestaltung des Civilprozesses in der späterm Kaiserzeit fort. Statt des Antrages auf Erlaß eines Interdikts wird Klage erboben, aber die privattechtlichen Gmndsätze des römischen Jnteroiktenrechts haben sich im wesentlichen erhalten. Insbesondere wird auch heutzutage tm Besitzprozeß, dem Possessorium, eine Ent­ scheidung nur über die Besitzfrage getroffen, die Entscheidung über das Recht zum Besitze aber dem Petitorium Vorbehalten. DaS frühere gemeine und partikulare Prozeßrecht kannte einen abge­ kürzten besonderen Besihprozeß, während das Petitorium sich in den Formen des ordentlichen Prozesses bewegte. Schon aus diesem Grunde war eine Verbindung von Possefforium und Petitorium nicht gestattet. Da die CPO einen Besitzprozeß als besondere Prozeßatt nicht kennt, so würde die Verbindung der poffefforischen und der petitorischen Klage an sich zulässig fein, § 232 CPO st. F. verbietet aber im Interesse der Aufrecht­ erhaltung eines verbreiteten Rechtszuftandes die Verbindung der Besitzklage mit der Klage, durch die das Recht selbst geltend gemacht wird. Das gegenwärtige Recht kennt eine Klage zum Schutze be­ stehenden und zum Schutze entzogenen Besitzes. Die interdicta adipiscendae possessionis sind nicht possessorische Klagen, denn sie schützen nicht den Besitz, sondem erstreben ihn: sie bezeichnen persönliche Ansprüche auf die Erlangung des Besitzes.

I. Zum Schutze bestehenden Besitzes gab das ältere römische Recht zwei interd. retinendae p., das i. uti possidetis für unbe­ wegliche, das i. utrubi für bewegliche Sachen'). Das letztere schützte nicht den gegenwättigen Besitzer, sondern denjenigen, welcher im letztverflossenen Jahre länger als sein Gegner im fehlerfrerm Besitze der Sache gewesen war. DaS Interdikt hatte also auch rekuperatorische Kraft. Es wurden jedoch schon in der späteren Kaiserzeit die Grundsätze des uti possidetis auch auf bewegliche Sachen ausgedehnt, und jedenfalls seit Justinian gab es nur ein int retinendae possessionis.

*) Die im Edikt aufgestellte Norm lautet für das int uti p.: Uti eas aedes quibus de agitur, neo vi nec dam neo precario alter ab altere possi­ detis, qno minus ita possideatis vim fieri veto, für das i. utrubi: Utrubi hie homo, em Könige zu: Landesrechte räumen es dem Staate ein. Ihnen folgt das BGB (§ 928) betreffs des vom Eigenthümer, aufge­ gebenen Grundstückes. Der Verzicht wird gegenüber dem Grund­ buchamt erklärt und eingetragen, und die Aneignung erfolgt, in­ dem sich der Fiskus des Bundesstaates, zu dem das Grundstück gehört, eintragen läßt. 5. Nach altem Recht unterlagen Grundstücke der Ersitzung, das neue Recht läßt eine Ersitzung von Grundstücken nicht mehr zu, und zwar weder der eingetrogenen noch der nicht eingetragenen. Eine begonnene Ersitzung muß daher mit dem 1. Januar 1900 aufhören. Das BGB hat jedoch zwei Mittel gewährt, einen thatsächlich bestehenden Zustand nach Ablauf eines Zeittaumes zu Recht werden zu lassen: a) die Buch- (Tabular-) Ersitzung des § 900, wonach der­ jenige Eigenthum erwirbt, der, ohne Eigenthümer zu sein, durch

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30 Jahre hindurch als Eigenthümer eingetragen steht und während derselben Zeit den Eigenbesitz hat; b) die Eintragung auf Grund Ausschlußurtheils. Hat Jemand durch 30 Jahre, ob mit oder ohne Titel, in gutem oder bösem Glauben dm Eigenbesitz eines Gmndstückes gehabt, so kann er das Aufgebot des Eigenthümers beantragen (§ 979 CPO) und sich auf Grund des Ausschlußurtheils eintragen lasten. Damit erwirbt er das Eigenthum. Ist der Eigenthümer eingetragen, so ist daS Aufgebot nur zulässig, wenn er gestorben oder verschollen ist und seit 30 Jahren keine Eintragung erfolgt ist, die der Zu­ stimmung des Eigenthümers bedürfte (§ 927 BGB). 6. Nach Art. 65 EG. z. BGB bleiben die landesgesetzlichen, also auch die gemeinrechtlichen Vorschriften über Anlandungen, entstehende Inseln und verlassene Flußbetten unberührt. a) Unter Anlandungen wird sowohl die alluvio d. i. die allmähliche Anschwemmung, als die avnlsio d. i. ein von einem Ufergrundstück abgerissenes und an ein anderes Grundstück ange­ setztes Stück Land verstanden. Die alluvio fällt sofort in das Eigenthum dessen, an dessen Grundstück die Anschwemmung erfolgt, die avulsio dagegen erst, wenn das angesetzte Stück mit dem Ufergrundstück verwächst; bis dahin ändert sich das Eigenthum an der avulsio nicht. b) Die insula in flumine nata wird Eigenthum der­ jenigen, denen die Ufergmndstücke gehören, gleichviel ob die Insel in einem Privatflusse ober in einem öffentlichen Flusse entstanden ist, und zwar nach einer durch die Mitte des Flusses gehenden Grenzlinie; c) das verlassene Flußbett (alveus derelictus) fällt den Ufereigenthümern zu. § 199.

Das Eigenthum Mehrerer.

Da zum Begriffe des Eigenthums die Ausschließlicbkeit der Herrschaft gehört, kann es kein Eigenthum Mehrerer an Derselben ganzen Sache geben (duonim ejusdem rei dominium in solidum esse non potest. 1. 5 § 15 D. 13, 6). Wohl aber kann nach römischem, deutschem und neuem Recht das Eigenthum an einer Sache unter mehrere Personen in der Weise getheilt sein, daß Jedem ein gedachter (ideeller) Theil der Sache znsteht. In diesem Falle ist der ideelle Theil Gegenstand eines besonderen Rechtes des einzelnen Miteigenthümers, dieser kann über ihn frei verfügen, ihn also vemnßem und verpfänden, ohne daß er hierbei an die Zustimmung der anbem Miteigenthümer gebunden wäre. Die Gemeinschait kann jederzeit gelöst werden.

Eine Reihe deutschrechtlicher Institute, insbesondere die Gan­ erbschaften, Gesammtbelehnungen, die eheliche Gütergemeinschaft u. a. haben zur Aufstellung des Begriffes Gesammteigenthum oder Eigenthum zur gesummten Hand geführt. Allen den Rechts­ verhältnissen, auf die man diesen Begriff anwendet, ist das eine gemeinsam, daß der einzelne Gemeiner fester mit der Gesammtheit verbunden ist als im Falle des oben charakterisirten, kurzweg als römisch bezeichneten Miteigenthums. Diese Erscheinung hat dazu geführt, dem Gesammthänder das Sonderrecht an einem einzelnen Theile abzusprechen und daher die Ansicht aufzustellen, daß Jedem Eigenthum an der ganzen Sache zustehe; Andere haben die Gesammtheit zu einer Körperschaft erhoben, Andere wiederum von einem Eigenthum der Gesammtheit neben dem Eigenthum der Einzelnen gesprochen. Als herrschende und in das BGB übergegangene Auffassung aber muß diejenige bezeichnet werden, die hier ein gemeinschaftliches Eigenthum ohne Quotentheilung und daher ohne Verfügungsrecht der Einzelnen über den Theil annimmt. Das BGB nämlich sieht als die gewöhnliche und normale Gestaltung des gemeinschaftlichen Eigenthums das sog. römische Miteigenthum mit fest begrenzten, der freien Verfügung des Ein­ zelnen unterliegenden Quoten an. Nach dieser Grundauffassung rst die Lehre von der Gemeinschaft (§§ 741 ff., s. oben S. 458 ff.) gebildet: eine Gemeinschaft kann an jedem Bermögensgegenstande bestehen, insbesondere an körperlichen Sachen; im letzteren Falle spricht das BGB von Miteigenthum, dieses ist also nur eine be­ sondere Art der Gemeinschaft, weshalb auf sie die §§ 741 ff. und einige wenige, ausschließliche für das Miteigenthum verwendbare Grundsätze (§§ 1008—1011) zur Anwendung kommen. Diese individualistische Gestaltung der Gemeinschaft ist aber wegen ihrer Beweglichkeit und Lösbarkeit nicht geeignet, den An­ forderungen zu genügen, welche auf die Dauer berechnete Gemein­ schaften an die Bindung des Einzelnen d. i. an die Aufgabe seiner Selbständigkeit stellen. Daher sind Gemeinschaften dieser Art (f. s. 459) als Gesammteigenthum gestaltet d. h. als Gemeinschafts­ verhältnisse ohne festbestimmte Quoten. Der Antheil des Einzelnen unterliegt daher nicht der freien Verfügung des Einzelnen, und die Auflösung der Gemeinschaft ist erschwert. Während nach gemeinem Rechte Miteigenthum in jedem Falle der Begründung einer Gemeinschaft um deswillen entsteht, weil das gemeine Recht nur die Form des römischen Miteiaenthums kennt, entsteht nach neuem Recht Miteigenthum dann nicht, wenn

544 seiner Entstehung ein Gesellschastsvertrag zu Grunde liegt, denn in diesem Falle entsteht Gesammteigenthum. Die Veräußerung eines Miteigenthumsantheiles unterliegt nach allem und neuem Recht sachenrechtlichen Grundsätzen, sie be­ darf also der Besitzübertragung bezw. der Auflassung. Ueberträgt der bisherige Alleineigenthümer einer Sache einen ideellen An­ theil, so genügt der Vertragsschluß, um Besitz und damit Eigen­ thum zu übertragm (RG 13, 179, § 930 BGB). Da dem Einzelnen nur ein Antheil zusteht, so kann die ganze Sache Gegenstand eines dinglichen Rechts eines einzelnen Miteigenthümers sein (§ 1009). Die Ansprüche aus dem Eigenthum kann Dritten gegenüber jeder einzelne Miteigenthümer geltens machen, die Herausgabe der Sache kann er aber nur in der Weise verlangen, daß die Sache an Alle herausgegeben oder für Alle hinterlegt oder einem gemein­ schaftlichen Verwalter übergeben wird (§ 1011, 432).

IV. Der Schutz des Eigenthums. I. Der Herausgabeanspruch. § 200.

DaS bisherige Recht.

1. Nach römischem Recht steht der Herausgabeanspruch oder die Vindikation (rei vindicatio) dem Eigenthümer, dem der Besitz seiner Sache fehlt, gegen denjenigen zu, der die Sache hat; ge­ richtet ist der Anspruch auf Erlangung des Besitzes der Sache. Hat der gegenwärtige Besitzer die Sache vom Kläger selbst, aber in einer Weise erhalten, daß er nicht Eigenthümer wurde, so bedarf es der Anstellung der Vindikation mit ihrem schwierigen Beweise regelmäßig nicht, vielmehr wird die condictio possessionis (f. S. 484) oder eine andere persönliche Klage genügen. Die praktische Bedeutung der Vindikation liegt daher in dem Schutze, den sie dem Eigenthümer gegen Dritte gewährt. Begründet wird sie damit, daß der Kläger sein Eigenthum und den Besitz des Beklagten beweist. Der Eigenthumsbeweis kann nur in der Weise geführt werden, daß die Thatsachen dargethan werden, durch welche der Kläger das Eigenthum erworben hat. Hat er derivativ erworben, so muß er auch nachweisen, daß sein Rechtsvorgänger Eigenthum gehabt hat, also einst erworben hatte. Lag auch diesem Erwerbe ein derivattver Titel zu Gmnde, so kann der Beweis ein recht schwieriger werden: der Kläger ist dann genöthigt, entweder bis auf denzenigen Rechtsurheber zurückzugehm, der die Sache originär

erworben hat, und dann natürlich die VorauLsetzungm dieses Erwerbes darzuthun oder durch Zusammenrechnung seiner eigenen mit der Besitzzeit seiner Vorgänger die vollendete Ersitzung nachzuweisen. In der accessio possessionis lag bei der Kürze der Ersitzungsreit für das ältere römische Recht ein sehr einfaches Mittel, sich den Eigenthumsbeweis zu erleichtern. Verllagt kann nur werden, wer die Sache hat (qui tonet et habet restituendi facultatem). Wie er zum Besitze gelangt, und wie der Besitz beschaffen ist, hat auf die Herausgabepflicht des Beklagten keinen Gnfluß. Wer im Namen eines Anderen besitzt, kann dem Kläger den juristischen Besitzer nennen (laudatio oder nominatio auctoris) und diesen selbst von dem Prozesse benachrichttgen; tritt der juristische Besitzer in den Prozeß ein, so wird der Detentor von der Klage entbunden; tritt er nicht ein, so nimmt der Prozeß feinen Fortgang gegen den Detentor. In zwei Fällm wird derjenige, der nicht besitzt, so behandelt, als ob er besäße (fictus possessor). Wenn der Beklagte dolo desiit possidere d. h. die Sache veräußert, verzehrt, vemichtet hat, obwohl er wußte, daß er nicht Eigenthümer, so hastet er dem Kläger auf den vollen Werth der Sache; und wenn er dolo litt so obtulit, sich fälschlich für ben Besitzer ausgegeben hat, so ist er dem Kläger zum Werthersatz verpflichtet, obwohl dieser die Sache selbst vom wahren Besitzer fordern kann. In beiden Fällen ist die Klage die Vindikatton. Leugnet der Bellagte fälschlich seinen Besitz, so wird er mit der Behauptung eines Rechtes auf den Besitz in diesem Prozesse nicht gehört. Einreden können für jetzt oder für immer die Abweisung der Klage zur Folge haben. Wenn er Aufwendungen für die Sache gemacht hat, ist der Bellagte von der Herausgabepflicht frei (er hat eine Retentionseinrede, exc. doli generalis), bis der Kläger ben Aufwanb ersetzt. Der unrebliche Besitzer hat baS Recht auf Ersatz nothwenbiger, der redliche auch auf Ersatz nützlicher Auslagen, er muß sich aber die vor dem Prozeßbeginn gezogenen Früchte ab­ rechnen lassen. Nur wenn die Sache dem Eigenthümer erhalten, und nur wenn und insoweit der Eigmthümer einen Vortheil hat, ist er ersatzpflichtig. Aufwand, der nicht ersetzt wird, kann vom Bellagten ohne Schädigung der Sache weggenommm werden (jus tollendi). Aber auch soweit er ein Ersatzrecht hat, kann er es nur im Wege der Retention geltend machen. Endgülttg Befreit ist der Bellagte, wenn er nachweist, daß er das Eigenthum oder ein anderes Recht auf den Besitz der Sache erlangt oder daß er oder sein Vorgänger durch ein Ver(Engelmann, d. alte u. d. neue bürgerliche Recht. 35 »

546 äußerungsgeschäst, das der Kläger selbst geschlossen oder das er gegen sich gelten lasien mußT), das aber nicht schon selbst den Eigenchumserwerb des Beklagten, sondem nur die Erlangung eines persönlichen Rechtes auf Eigenthumsverschaffung begründete, die Sache in seinen Besitz bekommen hat (exc. rei venditae et traditae). Die Berurcheilung des BeNagten geht immer auf Herausgabe der Sache mit allem, was zu ihr gehört (cum omni causa), sie kann auf Verlangen des Klägers dem Beklagten auch Anerkennung des klägerischen Eigenthums auferlegen. Im älteren römischen Recht ging nur das arbitrium de restituendo auf Herausgabe der Sache, die sententia dagegen auf die Summe, die der Kläger durch das juramentum in litem als Werth der Sache dar­ gethan hattet. Der Umfang der omnis causa richtet sich nach der Redlichkeit oder Unredlichkeit des Besitzers. Der unredliche haftet aus seinem Delikt auf allen Schaden, der dem Eigentbümer dadurch entstand, daß er die Sache nicht hatte und daß der Beklagte die Sache nicht wie eine ihm anvertraute behütete. Daher haftet er vor dem Prozeßbeginn für omnis culpa, nach dem Prozeßbeginn auch für Zufall, wenn nicht etwa der Zufall die Sache auch beim Kläger getroffen haben würde; er hat ferner allen Gewinn herauszugeben, den er gezogen hat oder hätte ziehen können, denn dieser Gewinn ist dem Kläger entgangen. Der redliche Besitzer wird verantwort­ lich erst mit dem Prozeßbeginne, nach diesem Zeitpunkte haftet auch er für omnis culpa. Die Früchte, die in diesem Augenblick noch vorhanden sind, muß er zwar herausgeben, für diejenigen aber, die nicht mehr da sind, braucht er keinen Ersatz zu leisten; nach dem Prozeßbeginn ist er nur Verwalter der Sache für den Eigen­ thümer. 2. Es konnte geschehen, daß ein unredlicher Besitzer im Besitze belassen werden mußte, weil der Eigenthümer den schwierigen Eigenthumsbeweis nicht führen, der Usukapionsbesitzer aber vor vollendeter Ersitzung diesen Beweis überhaupt nicht unternehmen konnte. Das prätorische Recht stellte indessen in der actio Publiciana, die an bestehendes Recht anknüpfen mußte und dies in der Weise that, daß sie die begonnene Usukapion als vollendet fingirte, Demjenigen ein Rechtsmittel zur Verfügung, der die Voraussetzungen einer begonnenen Ersitzung, also namentlich eines Titels, nachweisen konnte. Auch diese Klage geht gegen den, der die Sache hat, gleichviel ob er Detentor, redlicher oder un-

Z. B. weil es sein Erblasser geschlossen. ’) S. meinen römischen Civilprozeß. 1891. S. 56.

redlicher Besitzer ist. Sie geht aber nicht gegen den Eigenthümer, es sei denn, daß seine Eigenthumseinrede mit der replicatio rei venditae et traditae geschlagen werden kann; sie geht aber auch nicht gegen den Usukapionsbesitzer, denn in pari causa potior est possessor, es sei denn, daß Kläger und Beklagter von demselben Rechtsvorgänger redlich erworben haben und der Kläger den Besitz zuerst erhalten hat. Die Klage kann also nur gegen einen Schlechterberechtigten Erfolg haben. Das Urtheil geht auch hier auf Heraus­ gabe der Sache enm omni causa. Soweit das römische und mit ihm das gemeine Recht. 3. Das deutsche Rechts erblickte in der Gewere eine Ver­ muthung für das Recht an der Sache. Daher trat Derjenige, welcher Herausgabe der Sache von dem gegenwärtigen Inhaber der Gewere verlangte, mit der Behauptung auf, daß ihm die Gewere gebühre, dem Beklagten aber nicht gebühre. Bestritt der Beklagte einfach das vom Kläger behauptete Recht, so kam der Kläger zum Beweise; behauptete der Beklagte aber eine besiere (stärkere) Gewere, so hatte er diese seine Behauptung zu beweisen. Der Streit bewegte sich also nicht, wie im römischen Recht, um

den Nachweis des absoluten Eigenthums, sondern um das relativ bessere Recht. Handelte es sich um eine unbewegliche Sache, so war der Beweis erleichtert durch die Oeffentlichkeit derjenigen Rechtshandlungen, welche Rechte an Immobilien begründeten. Daher kam früh der Grundsatz auf, daß es genüge, sich auf seine Eintragung im öffentlichen Buche zu berufen, um damit sein Recht und den Mangel eines Rechts des Gegners zu beweisen. Auf Wiedererlangung beweglicher Sachen gab das deutsche Recht zwei Rechtsmittel, aber nicht dem Eigenthümer als solchem, sondern dem, der sie in der Gewere gehabt hatte. a) Wer den Besitz wider seinen Willen verloren hat, kann die Sache vom gegenwärtigen Besitzer zurückverlangen. Der Kläger beweist, daß er dieselbe Sache gehabt hat, die jetzt der Beklagte hat, und daß er nichts gethan hat, den Besitz der Sache aufzugeben. Der Beklagte kann bei der Eigenthümlichkeit des deutschrechtlichen Beweissystems nicht den Gegenbeweis führen, daß der Kläger die Sache nicht gehabt, er kann nur einwenden, daß der Kläger die Sache nicht unfreiwillig verloren habe. Er kann ins­ besondere seinen Gewährsmann benennen und diesem die weitere Prozeßfühmng überlassen. Kann dieser oder der Beklagte selbst die llägerische Behauptung von der Unfreiwilligkeit des Besitz­ verlustes nicht widerlegen, so wird der Beklagte zur Herausgabe *) Vergl. meinen niittelülterlich-deutichen Civilprozetz 1890.

S. 56. 35*

548 verurtheilt. Rach manchen Rechten kann der Beklagte Erstattung des KaustreiseS vom Kläger verlangen, wenn er die Sache auf dem Markte gekauft hatte. b) Wer seine Sache einem Andern überlassen oder an­ vertraut hat, kmn sie nur von diesem, nicht vom dritten Besitzer zurückverlangen. „Hand muh Hand wahren". „Wo du deinen Glanbm gelassen hast, da sollst du ihn wiedersuchen". 4. Das neuere deutsche Recht hat die Verfolgung des Eigen­ thums im Interesse der Sicherheit des Verkehrs in einzelnen Fällm unmöglich gemacht oder erschwert, in andern Fällen aber erleichtert. a) Die Vindikation ist ausgeschlossen worden in den oben (S. 621) bezeichneten Fällen eines Rechtserwerbs auf Grund guten Glaubens, denn in diesem Falle hat der redliche Erwerber das Eigenthum erlangt (8trt. 306, 307 HGB a. F.). Der bisherige Eigenthümer behält das Eigenthum und mit ihm den Eigenthums­ schutz, wenn der Erwerber unredlich oder die Sache gestohlen oder verloren war. Aber der Ausschluß der Bindikation erfolgte nur zum Schutze von Erwerbungen beweglicher Sachen im Handelsverkehr. b) Die Vindikation eines Wechsels oder anderen OrdrePapieres ist nur dann statthaft, wenn der Besitzer sich vorsätzlich oder in Folge grober Fahrlässigkeit in den Besitz eines fremden Wechsels gesetzt hat lArt. 36, 74 WO Art. 305 HGB a. F.). c) Nach manchen Landesgesetzen ist die Vindikation ausge­ schlossen gegen den, der in einer öffentlichen Versteigerung den Zuschlag erhalten hat, mag es sich um eine bewegliche oder unbe­ wegliche Sache handeln. Ferner hat derjenige ein unanfechtbares Recht erworben, der beim Erwerbe im Berttauen auf das öffent­ liche Buch handelte. d) Erschwert ist partikularrechtlich die Bindikation gegen den, der durch lästigen Titel redlich erworben hat, dadurch, daß sie nur gegen Erstattung bessen zulässig ist, was der Beklagte für die Sache gegeben hat. Jndeffen erwirkt der Ausschluß der Bindikation des Einen eine Erleichtemng der Rechtsverfolgung des Andern. Denn wer Eigen­ thum selbst dann erworben hat, wenn der Veräußerer nicht Eigen­ thümer war, hat nur seinen Erwerbstttel und den Besitzerwerb nachzuweisen, um nicht, wie nach römischen Recht, nur gegen den Schlechterberechtigten (a. Publiciana), sondern gegen jeden zu siegen. Eine fernere Erleichtemng der Vindikation besteht darin, daß man bei unbeweglichen Sachen dem Bucheinttag diejenige Legitimattmskrast beilegt, die im älteren deuffchen Recht die Gewere hatte, d. h. daß man (landeSgesetzlich) dem eingettagenen Eigenthümer

eines Grundstücks als solchem alle Klagerechte des Eigenthümergewährt. Endlich hat man die a. Publiciana partikularrechtlich zu einem Rechtsmittel umgestaltet, das dem auf den Besitz besser Berechtigten gegen den schlechter Berechttgten zusteht, so daß sie selbst dem Inhaber gegen denjenigen gegeben ist, der überhaupt kein Besitzrecht hat. Die Klage verfotzt also nicht mehr ein absolut gegen alle, sondern nur ein relativ gegen bestimmte Per­ sonen wirkendes Recht.

DaS neue Recht. Das BGB gewährt gleich dem alten Rechte eine Eigenthums­ klage und eine Klage aus früherem Besitze. I. Die Eigenthumsklage ist der gemeinrechtlichen rei vindicatio nachgebildet, hat aber die Anschauung von der durch den Besitz begründeten Eigenthumsvermuthung aus dem deutschen Recht entlehnt. Sie steht dem nicht besitzenden Eigenthümer gegen bei} Besitzer zu und verlangt Herausgabe der Sache (§ 985). Der Klageanttag braucht also nur auf Herausgabe gerichtet zu werden, doch kann mit diesem Leistungsanspruche der Anspruch auf Fest­ stellung des kägerischen Eigenthums verbundm werden. Die Klage kann nur gegen den Besitzer gerichtet werden, der fictus possessor ist dem BGB unbekannt. Besitzer ist mch Z 868 auch der mittelbare Besitzer (s. oben S. 471)'); da der unmittel­ bare Besitzer seinen Weisungen unterworfen ist, übt er eine Herrschaft über die Sache aus und kann sowohl zur Abttetung seines gegen den unmittelbaren Besitzer ^bestehenden Herausgabe­ anspruches als auch unmittelbar zur Herausgabe der Sache verurtheilt werden. Wird der unmittelbare Besitzer verklagt, so kann er diejenigen Vertheidigungsrechte gebrauchen, die dem mittelbaren Besitzer zur Verfügung gestanden haben würden, er kann ferner den mittelbaren Besitzer benennen, ihm die Prozeßfühmng über­ lassen und, falls dieser die Prozeßführung nicht übernimmt, dem Klageanttage genügen. Die Rechtsttaft und die Vollstreckbarkeit des gegen den mittelbaren Besitzer erlassenen Urtheils wirkt auch gegen den unmittelbaren Besitzer (§ 76 CPO). Die Herausgabepflicht erstteckt sich auf die omnis causa. Daher hat der Besitzer dem Eigenthümer den Schaden zu er­ setzen, den dieser dadurch erleidet, daß er die Sache in Folge eines Verschuldens des Besitzers nicht oder nicht in dem Zustande erlangt, in dem sich die Sache vorher befand. Diese Haftung tritt beim unredlichen Besitzer mit der Besitzergreifung, beim § 201.

*) Hierüber ist Streit. Im Text ist die herrschmde Ansicht tviederArgrb«.

550 redlichen Besitzer mit der Rechtshängigkeit der Eigenthumsklage ein (§§ 989, 990). Hat sich der Besitzer aber die Sache durch verbotene Eigenmacht oder durch eine strafbare Handlung verschafft, so hastet er nach den Gmndsätzen von unerlaubten Handlungm, also auch für den Zufall (§§ 992, 848). Hinsichtlich der Herausgabe der Nutzungen zieht das BGB in 8 993 eine nothwendige Folgerung aus dem von ihm in § 99 aufgestellten Fruchtbegriffe. Da nämlich alle Erzeugnisse einer Sache Frucht sind, ist der Besitzer in jedem Falle durch die­ jenigen, chatfächlich bezogenen Früchte, die nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft nicht als Ertrag der Sache anzusehen, also z. B. durch einen Windbruch veranlaßt sind, grundlos be­ reichert. Der Anspruch auf diese Bereicherung kann mit der Eigenthumsklage verbunden, aber auch selbständig geltend gemacht werden (§ 993). Zur Herausgabe oder Erstattung aller anderen Nutzungen ist der Besitzer nur unter besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Es hat nämlich herauszugeben 1. der redliche Besitzer a) wenn er den Besitz entgeltlich erlangt hat, die nach Eintritt der Rechtshängigkeit, b) wenn er den Besitz unentgeltlich erlangt hat, die auch schon vor diesem Zeitpunkte gezogenen Nutzungen, im letzteren ^atte nach den Grundsätzen von der rechtlosen Bereicherung, und tn beiden Fällen hastet er für die Zeit nach der Rechtshängigkeit für fractus percipiendi (§§ 987, 988), 2. der unredliche Besitzer alle Früchte, die er vom Zeit­ punkte der Besitzerlangung an gezogen hat oder hätte ziehen können (§ 990). Der Besitzer hat Anspmch auf Ersatz von Verwendungen. Doch weicht das BGB in einigen Punkten vom gemeinen Re^te ab. Nothwendige d. h. zur Erhaltung der Sache unentbehrliche Verwendungen sind dem redlichen Besitzer stets, dem unredlichen aber und dem redlichen Besitzer nach Der Rechtshängigkeit nach den Grundsätzen von der unbeauftragten Geschäftsführung, nicht nothwendige Verwendungen sind nur dem redlichen Besitzer und auch nur insoweit zu ersetzen, als der Werth der Sache noch zu der Zeit erhöht ist, zu welcher der Eigenthümer die Sache wieder­ erlangt. Der Besitzer hat wie bisher ein Zurückbehaltungsrecht, das ihm nur dann fehlt, wenn er die Sache durch eine unerlaubte Handlung erlangt hat, das aber zu einem Pfandrechte gesteigert ist und im Konkurse des Eigenthümers ein Recht auf abgesonderte Befriedigung gewährt. Der Besitzer hat ferner, abweichend vom gemeinen Recht, ein Klaberecht. Dieses Klagerecht ist für den Fall, daß der Besitzer die Sache dem Eigenthümer herausgickt,

an eine Frist von einem Monat bei beweglichen, von sechs Monaten bei unbeweglichen Sachen gebunden. Voraussetzung des Ersatz­ anspruches ist jedoch entweder Wiedererlangung der Sache durch dm Eigenthümer oder Genehmigung der Verwendungen durch den Eigenthümer. Als Genehmigung gilt die Annahme der Sache trotz des vom Besitzer ausgesprochmen Vorbehalts seines Ersatz­ anspruches. Nach altem und neuem Recht kann der Besitzer auch für die von seinem Rechtsvorgänger gemachten Aufwendungen Ersatz beanspmchen (§§ 994—1003 BGB 49 Nr. 3 KO). Ein Abtrennungsrecht (jus tollendi) hat der Besitzer nach neuem Rechte (§ 997) dann, wenn er mit der Sache eine andere Sache als wesentlichen Bestandtheil verbunden hat, es sei denn, daß die Verbindung zur Erhaltung der Sache erforderlich war und dem Besitzer die Nutzungen zufielen, oder daß die Trennung für ihn keinen Werth hat oder endlich, daß ihm der Werth, den der ab­ gelöste Bestandtheil für ihn haben würde, ersetzt wird. Besonders wichtig sind die Abweichungen des BGB vom bisherigen Recht betreffs der Begründung Der Eigenthumsklage. Zwar hat auch nach ihm, mag es sich um eine bewegliche oder um eine unbewegliche Sache handeln, der Kläger sein Eigenthum und den Besitz des Beklagten zu beweisen. Dieser Beweis kann trotz der Verallgemeinerung des Rechtsgruudsatzes, daß der Er­ werber Eigenthum erlangt, wenn er in redlichem Glauben bezw. im Vertrauen auf das Grundbuch erwarb, schwierig werden. Das BGB verschiebt aber die Beweislast durch seine Eigen­ thumsvermuthungen und erleichtert oder erschwert hiernach die Rechtsverfolgung. A. Ist Gegenstand der Klage eine unbewegliche Sache, so greift die in § 891 aufgestellte Vermuthung Platz: nach ihr gilt der als Eigenthümer eines Grundstücks im Grundbuche Einge­ tragene als Eigenthümer. Die Legitimationskraft der Gewere ist also nach neuem Recht für Immobilien vom Besitze losgelöst und vollständig auf den Bucheintrag übergegangen. Der Kläger braucht sich demnach zur Begründung der Eigenthumsklage nur auf seine Eintragung zu berufen, der Beklagte kann die Unrichtigkeit der Eintragung, ein ihn zum Festhalten des Besitzes befugendes ding­ liches oder persönliches Recht (z. B. Miethe) oder einen vom Kläger oder dessen allgemeinen Rechtsvorgänger hergeleiteten An­ spruch auf Eigenthumsübertragung (e. rei venditae et traditae) darthun. Macht er die Unrichtigkeit der Eintragung oder den Anspruch auf Auflassung nicht im Wege der Widerklage, sondern durch Einrede geltend, so erzielt er zwar die Abweisung, der Klage, dagegen nicht auch seine eigene Eintragung. ! k t

552 B. Ist Gegenstand der Klage eine bewegliche Sache, so kommt die Eigenthumsvermuthung aus gegenwärtigem und aus früherem Besitze in Betracht. 1. Der gegenwärtige Besitzer der Sache gilt als deren Eigenthümer (§ 1006). Indem der Kläger behauptet, daß der Beklagte besitze, schasst er sich also selbst die Gmndlage für die seinem Gegner zustehende exceptio dominii. Diese Vermuthung erschwert demnach dem Kläger die Rechtsverfolgung. Denn er kann sich ihr gegenüber nicht mehr, wie nach gemeinem Recht, auf den Beweis beschränken, daß er das Eigenthum erworben habe, er muß vielmehr außerdem jene Vermuthung widerlegen, d. h. entweder a) nachweisen, daß der Beklagte den Besitz in einer Weise erlangt habe, daß er nicht Eigmthümer geworden sein kann, oder b) nachweisen, daß er selbst die Sache früher besesien, aber wider Willen verloren habe; denn damit beweist er, daß er selbst mit dem Besitze nicht auch das Eigenthum verloren und der Beklagte die Sache nicht auf dem Wege der Uebergabe und des guten Glaubens erworben haben kann (§§ 1006, 935). Daher ist dieser Beweis ohne Belang und nur der Beweis zu a möglich, wenn Geld oder Jnhaberpapiere vindicirt werden (§ 935). 2. Bon einem früheren Besitzer wird vermuthet, daß er während der Dauer seines Besitzes Eigenthümer gewesen sei ohne daß es einer Willenserklärung der Eheleute bedarf, eintritt 1) wenn die Frau in der Geschüstsfähigkeit beschränkt und die Ehe ohne Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters geschloffen ist (8 1364), 2) wenn der gesetzliche Güterstand der VerwaltungSgemeinschast ausgeschlossen, aber nicht bestimmt ist, welches andere Güterrrcht gelten solle (8 1436),

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3) wenn die Verwaltungsgemeinschast, Gütergemeinschaft oder Erruvgenschastsgemeinschast sich auflöst und durch Ehevertrag kein anderes Güterverhältniß vereinbart ist (§§ 1426, 1436). Bei diesem System erlangt der Mann keinerlei Rechte am Vermögen der Frau, die beiden Gütermaffen bleiben rechtlich und chatsächlich getrennt, und die Frau behAt die freie Verfügung über ihr Vermögen, doch soll sie dem Manne zum Zwecke der Be­ streitung des ehelichm Aufwandes aus den Einkünften ihres Ver­ mögens oder dem Ertrage ihrer Arbeit oder ihres Erwerbsgeschästes einen angemessenen Beitrag leisten. Dieser Beitrag wird, wie die DoS, Eigenthnm des Mannes. Die Frau kann dem Manne die Verwaltung ihres Vermögens übertragen. Dieses dem Dotalrecht sehr ähnliche Gütersystem tritt als etwas Außergewöhnliches gegen Dritte nur ein, nenn es int Güter­ rechtsregister eingetragen oder dem ©ritten bekannt ist (§§ 1426 bis 1431). B. DaS vertragsmäßige Güterrecht.

§ 256.

Die allgemeine Gütergemeinschaft.

Für den Eheverirag, der die a. GG einführt, gilt die Be­ sonderheit, daß er nicht dnrch einen gesetzlichen Vertreter, sondern von dem in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Ehegatten selbst, doch mit Zustimmung des gesetzlichen Verireters geschlossen werden kann und daß der Sertrag der Genehmigung des Vormundschafts­ gerichts bedarf, wenn es sich um eine bevormundete Person handelt (§ 1437). Die a. GG besteht darin, daß sowohl dasjenige Vermögen, welches die Eheleute bei Eingehung der Ehe haben, als auch das­ jenige, das sie während der Ehe erwerben, zu einer einzigen Masse vereinigt wird, welche den Eheleuten gemeinschaftlich gehört. Im Gegensatze zur BerwaltungSgemeinschast ändern sich also die Rechte der Ehegatten: daS Alleineigenthum hört auf, und' das gemeinschaftliche Eigenthum tritt an seine Stelle. Diese Aende­ rung tritt mit dem Abschluß der Ehe oder dem später erfolgenden Abschluß deS Berirages von selbst ein, ohne daß eS eines UeberttagungSakteS ober der Eintragung im Gnmdbuche bedarf. Da aber daS nur über das Alleineigenthum der Gatten lautende Grund­ buch nunmehr unrichttg ist, kann jeder Gatte vom andern die Be­ richtigung deS GmndbucheS verlangen (§ 1438). Der Streit über die Rechtsnatur der a. GG: ob die EheIciite eine societas oder gar eine juristische Person bilden, ob Miteigmthum zu bestimmten Antheilm oder zur gesammteu Hand

entsteht, ist durch das BGB in dem Sinne erledigt, daß Mit­ eigenthum zur gesummten Hand besteht; die Ehegatten haben da­ nach keine fest bestimmtm Ancheile weder am Ganzen noch an den einzelnen Stücken, sie können daher auch über derartige Antheile nicht verfügen, und gegen eine GesammtgutSforderung kann nur mit einer Gesammtgutsschuld aufgerechnet werden (88 1438,1442, 741 ff.). Auch die Theilungsbefugniß ist genommen (§ 1442).

Ausgeschlossen vom Gesammtgute sind

1) Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können (§ 1439) z. B. Lehne und Familienfideikommisse; derartige Gegenstände werden für Rechnung des Gesammtgutes in der Weise verwaltet, daß die Nutzungen, da diese der steien Ver­ fügung des Berechtigten unterliegen, in daS Gesammtgut fallen; 2) das Vorbehaltsgut beider Eheleute. V. aber ist das, was durch Ehevertrag hierzu erklärt ist, was an Stelle von Vorbehaltsgut tritt, und was der eine Ehegatte letztwillig oder un­ entgeltlich mit der Bestimmung erwirbt, daß es V. sein solle (§§ 1440,1369,1370 *)). Die Vorbehaltsgüter unterliegen den Gmndsätzen von der Gütertrennung, zu einer Beitragsleistung ist aber nur die Frau verpflichtet, weil der Mann ohnedies die ehelichen Lasten zu tragen hat (§ 1441). DaS Gesammtgut unterliegt der Verwaltung des Mannes, und zwar im wesentlichen nach den bei der Verwaltungsgemeinschaft maßgebenden Grundsätzen. Seine Reckte gehen hier aber insofern weiter, als er über die gemeinschaftliche Fahrhabe frei verfügen kann (§ 1443) und der Frau für feine Verwaltung nur dann verantwortlich ist, wenn er eine Verminderung des Gesammt­ gutes in der Absicht, die Frau zu schädigen, oder durch einseitige Vornahme eines der Zustimmung der Frau unterliegenden Rechtsgeschästes herbeiführt (§ 1456). Der Zustimmung der Frau be­ darf es zu Verfügungen des Mannes über daS Gesammtgut im Ganzen, und zu Verfügungen über Grundstücke, in welchen Fällen die ohne Grund versagte oder wegen Lkrankheit oder Abwesenheit nicht mögliche Genehmigung der Frau durch das Bonnundschastsgencht ersetzt werden kann, endlich zu Schenkungen auS dem Gesammt­ gute, für welche jene Ergänzung der Genehmigung auS dem Gmnde nicht auSreicht, weil Schenftingm regelmäßig zur Verwaltung nicht nothwendig sind (§§ 1444—1448). Die von dem Manne vorge­ nommenen Verwaltungshandlungen wirken aber nicht für beide Ehe­ gatten in gleicher Weise. Werden durch sie Rechte erworben, so *) ES giebt also weniger Fälle deS B. als bei der BerwaltungSgemeinschaft.

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gehören diese zum Gesammtgute und demnach beiden Eheleuten; werden durch sie Verpflichtungen begründet, so hastet für diese in jedem Falle das Gesammtgut und der Ehemann persönlich, dagegen wird die Frau weder dem Manne nocy einem Dritten gegenüber persönlich verpflichtet (§§ 1443, 1459). Durch das Verwaltungsrecht des Mannes wird das Recht der Frau, über das Gesammtgut zu verfügen, ausgeschlosien. Ausnahmen bilden diejenigen Rechtsgefchäste, welche die Frau kraft ihrer Schlüsselgewalt, ferner diejenigen, die sie bei Krankheit oder Abwesenheit des Mannes in dringenden Fällen schließt, end­ lich kann sie ein zum Gesammtgute gehörendes Recht, über das der Mann zu Unrecht einseitig verfügt hat, ohne Mitwirkung des Mannes gerichtlich geltend machen z. B. also ein vom Manne veräußertes Grundstück zum Gesammtgute zurückfordern (§ 1357, 1449, 1450), soweit den Dritten nicht der gute Glaube schützt. Betreibt die Frau mit Einwilligung des Mannes ein selbständiges Erwerbsgeschäft, so äußern die einzelnen von ihr vorgenommenen Betriebsgeschäfte ihre Wirkungen für und gegen das Gesammtgut (§§ 1452, 1405). Ueber Annahme ihr angefallener Erbschaften und Veriuächtnisse, über den Verzicht auf den Pflichttheil, über Ablehnung eines Vertragsantrages oder einer Schenkung ent­ scheidet die Frau allein, obwohl die daraus entstehenden Verpflich­ tungen das Gesammtgut Irrsten (§§ 1453, 1460). Rechtsgeschäfte, die über diese Ausnahmen hinaus von der Frau geschlossen werden, sind nicht ungültig, aber sie haben für das Gesammtgut keine verbindliche Kraft (§ 1460). Prozesse, welche das Gesammtgut betreffen, kann der Mann in eigenem Namen führen (§ 1443, vgl. aber §§ 1449, 1450). Schulden des Mannes, voreheliche wie eheliche, sind aus dem Gesammtgut zu beftiedigen; Gesammtgutsverbindlichkeiten sind aber auch die vor Eintritt der a. GG entstandenen Schulden der Frau und diejenigen ihrer nach diesem Zeitpunkt entstandenen Schulden, deren Begründung der Mann zugestimmt hat oder die auch ohne diese Zustimmung wirksam sind, ferner die aus der Annahme einer Erb­ schaft oder eines Vermächtnisses entstandenen Schulden, sofern der Erwerb nicht Vorbehaltsgut ist (§§ 1459—1462). Trotzdem ist nach § 740 CPO zur Zwangsvollstreckung in das Gesammtgut ein gegen den Mann lautender vollstreckbarer Schuldtitel erforder­ lich, aber auch genügend. Die Gläubiger der Frau müssen also, um das Gesammtgut angreifen zu können, den Mann allein oder mitverklagen, wenn auch nur auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus dem Gesammtyut. Nur wenn die Frau selbständig ein Erwerbsgeschäft betreibt, genügt ein gegen die Frau lautmder Schuld-

titel und zwar sogar für die Nicht - GeschästSgläubiger der Frau (§ 741 CPO). Geräth der Mann in Konkurs, so gehört das Gesammtgut zur Konkursmasse, denn alle Schulden des Mannes sind Gesammtgutsschulden, es bedarf daher keiner Auseinander­ setzung der Gatten betreffs des Gesammtgutes, und die Frau ver­ liert ihren Antheil am Gesammtgute. Geräth die Frau in Kon­ kurs, so gehört zur Konkursmasse nur ihr Sondewermögen, denn ihre Schulden sind nicht ohne weiteres Gesammtgutsschulden; es ge­ hört dahin auch nicht ihr Antheil am Gesammtgute. Sind aber die persönlichen Schulden der Frau zugleich Gesammtgutsverbindlichkeiten, so können sich die Konkursgläubiger zugleich an das Ge­ sammtgut halten und, falls auch dies nicht zureicht, Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Mannes verlangen (§ 2 KO 8 1459 BGB). Die Gütergemeinschaft wird weder durch den Konkurs des Mannes noch durch , den der Frau aufgehoben, doch kann jeder Ehegatte auf Aufhebung der Gemeinschaft klagen, wenn durch Schulden des anderen Theiles das Gesammtgut statt belastet, der Konkurs also zu befürchten ist (§§ 1468 Nr. 5, 1469). Wie die einzelne Gesammtgutsschuld entstanden ist, hat gegen­ über dem Gläubiger keine Bedeutung, doch sind im Verhältnisse der Eheleute untereinander d. h. für den Fall der Auseinandersetzung die einzelnen Schulden entweder solche, welche dem Gesammtgute oder solche, welche allein dem Mann oder allein der Frau zur Last fallen (§§ 1463—1467).

Die Gütergemeinschaft endet mit Auflösung der Ehe, durch Ehevertrag und durch Urtheil auf die von einem Ehegatten ange­ stellte Klage (§§ 1468, 1469). Endet die Ehe durch Scheidung, und ist ein Gatte für den allein schuldigen Theil erklärt, so kann der unschuldige Theil verlangen, daß aus dem Gesammtgute zuerst das von jedem Gatten in die Ehe Eingebrachte ausgeschieden und ausgeantwortet und der danach verbleibende Rest nach Quoten ge­ theilt werde (§ 1478). In diesem wie in den anderen Fällen geht der Theilung die Berichtigung der Gesammtgutsverbindlichkeiten voran, der Ueberschuß gehört den Eheleuten zu gleichen Theilen, gleichviel was und wie viel der einzelne Ehegatte eingebracht hatte. Die Theilung ist also immer eine Halbtheilung. Ist die Gemeinschaft durch Vertrag oder durch Urtheil aufgehoben, so tritt nach der Theilung Gütertrennung ein, doch kann dieses Güterrecht einem Dritten nur dann entgegengesetzt werden, wenn cs ihm bekannt oder im Register eingetragen ist (§§ 1470, 1435,1475, 1476). Bis zur Theilung besteht nicht eheliche Gütergemeinschaft, sondem das Rechtsverhältniß der Gemeinschaft (§§ 1471—1481).

668 Besonderes gilt im Falle der Auflösung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten. Ist in diesem Falle

a) ein gemeinschaftlicher Abkömmling nicht vorhanden, so übernimmt der überlebende Gatte die auf ihn fallende Hälfte. Die andere Hälfte bildet den Nachlaß des Verstorbenen und wird also Gegenstand der Beerbung nach oen allgemeinen Grundsähen (§ 1482), der überlebende Ehegatte kann also den Nachlaß deS verstorbenm ganz oder zum Theil als Erbe erwerben (§§ 1931 ff.); sind aber b) gemeinschaftliche Abkömmlinge vorhanden, die im Falle der gesetzlichen Erbfolge zu Erben berufen sind, so wird die Güter­ gemeinschaft fortgesetzt.

Das BGB hat sich demnach nicht den vom Konsolidations­ prinzip beherrschten Parttkularrechten, nach welchen das Gesammtgut Alleineigenthum deS Ueberlebenden wird und das Erbrecht der Kinder erst bei dessen Tode eintritt, auch nicht den Gesetzen an­ geschlossen, welche mit dem Tode des einen Gatten Miteigenthum an dem $u diesem Zeitpunkte vorhandenen Vermögen (Besitzver­ hältniß) eintteten lassen, nach ihm tritt vielmehr eine Aenderung des bisherigen Rechtsverhältnisses nur insofern ein, als die Sub­ jette der fortgesetzten Gütergemeinschast nicht mehr die Eheleute, sondem der Ueberlebende und die gemeinsamen Abkömmlinge sind. Aber auch diese Aenderung ist keine wesentliche, denn die Stellung, welche bisher der Mann einnahm, hat fortan der überlebende Gatte, und in die Stellung, welche bisher die Frau einnahm, treten die Kinder ein. Diese Aenderung ist keine Beerbung des Verstor­ benen'); eine Erbfolge tritt jetzt mir betreffs der Sondergüter des Verstorbenen ein, sein Antheil am bisherigen Gesammtgute bleibt ein Theil des Gesammtgntes, daher können letztwillige Verfügungm, sofern sie nichts anderes bestimmen, erst nach Beendigung der fort­ gesetzten GG wirksam weroen. AuS gleichem Grunde ist auch die fortgesetzte GG Miteigmthum zm gesummten Hand. Es versteht sich hiernach von selbst, daß das Rechtsverhältniß der f. GG von Rechtswegen eintritt und daß es daher des ausdrücklichen Ausschlusses bedarf, wenn es nicht eintreten soll. Dies kann ge­ schehen durch Eheverttag (§ 1508) und durch letztwillige Ver­ fügung (§ 1509). Da die Fortsetzung der GG hauvtsächlicb im Jntcreffe deS überlebenden Gatten liegt, kann die Ausschließung durch letztwillige Verfügung nur dann erfolgen, wenn der Ver­ storbene befugt war, dem Ueberlcbmdeu den Pflichttheil zu ent­ ziehen oder auf Aufhebung der GG zu ttagen; es kann ferner *) A. M. Schiffner: Pflichttheil, ErbenauSgleichuna und die sonstigen gesetzlichen Vermächtnisse nach dem BGB. 1897 S. 131 ff.

jeder Ehegatte letztwillig für den Fall seines TodeS die f. GG beschranken: er kann nämlich ein Kind von der f. GG ausschließen, aber er kann nicht alle Abkömmlinge ausschließen, weil damit der Eintritt der f. GG verhindert und damit ein Recht deS über­ lebenden Gatten verletzt würde. Endlich kann der überlebende Gatte die Fortsetzung der GG ablehnen (§§ 1508—1611, 1484) und, wenn sie eingetreten, jederzeit wieder aufheben (§ 1492). — Gesammtgut ist nur das bisherige eheliche Gesammtgut, ferner das, was der Ueberlebende aus dem Nachlasie d. h. dem erwor­ benen Sondervermögen des Verstorbenen oder nach dem Eintntt der f. GG erwirbt, nicht aber auch das, was ein Abkömmling zur Zeit des Eintritts der f. GG hat oder später erwirbt (§ 1485). Gesammtgutsschulden sind nur die Verbindlichkeiten des Ueberlebenden und diejenigen Verbindlichkeiten des Verstorbenen, welche Gesammtgutsschulden der ehelichen Gütergemeinschaft waren: für diese Schulden haftet der Ueberlebende auch persönlich, während die Abkömmlinge nur mit dem Gesammtgute haften, doch kann der Ueberlebende bei denjenigen Schulden, für die er nur aus dem Grunde persönlich hastet, weil er in die fortgesetzte GG eingetreten ist, für die er also nicht schon während der Ehe persönlich haftete, eine Beschränkung seiner Haftung auf das bei Eintritt der GG Vorhandene herbeiführen nach den für die Erbenhastnng maßAebenden Gmndsätzen (§§ 1488, 1489). Zur Zwangsvollstreckung in das Gesammtgut ist folgerecht ein gegen den Überlebenden gerichteter Schuldtttel erforderlich und genügend (§§ 745, 786 CPO). Das BGB hat auch den Grundsatz des bisherigen Rechts: „Was in der Were erstirbt, bleibt in der Were", übernommen, denn stirbt ein Abkömmling, so tritt keine Erbfolge in sein Ver­ mögen ein, vielmehr treten seine Abkömmlinge an seiner Stelle in die f. GG ein, und falls er solche nicht hinterläßt, wächst sein Antheil den onbem Abkömmlingen und beim Fehlen solcher dem überlebenden Ehegatten an (§ 1490). Die Verwaltung des Gesammtgutes steht dem Ueberlebenden zu (§ 1487). — Die f. GG endet mit dem Tode oder der Wiederverheirathung des überlebenden Ehegatten, mit besten vor dem Nachlaßgerichte abgegebenen Er­ klärung, sowie durch (gerichtlich oder notariell beurkundeten) Ver­ trag der Betheiligten (§§ 1492—1494), sowie durch Urtheil in Folge der von einem Abkömmlinge erhobenen Klage, die nur in bestimmten Fällen zulässig ist (§§ 1495, 1496). Die Masse zer­ fällt auch hier in zwei gleiche Theile in der Weise, daß der über­ lebende Gatte die eine, die Abkömmlinge zusammen die andere Hälfte nehmen, und zwar unter einander zu denjenigen Antheilen, nach

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welchen sie den Verstorbenen beerbt haben würden, wenn dieser bei Auslösung der f. GG gestorben wäre. Me Antheile der Abkömmlinge können durch letztwillige Ver­ fügung des Erstversterbenden ohne weiteres auf die Hälfte herab­ gesetzt und, wenn ein Grund zur Entziehung des Pflichttheils vor­ liegt, ihnen auch ganz entzogen werden (§§ 1512—1514), doch ge­ hört zu Anordnungen dieser Art die Zustimmung des anderen Ehegatten. Der Pflichttheil eines Abkömmlings ist hier der halbe Schichttheil (§ 1505). Die Auseinandersetzung selbst geschieht nach den Gmndsätzen, nach denen die Auseinandersetzung der a. GG erfolgt.

§ 257. Die beschränkte Gütergemeinschaft. Verwickelter als bei der allgemeinen liegen die Güterrechts­ verhältnisse bei der partiellen, der hier als beschränkt bezeichneten, Gütergemeinschaft. Denn neben dem Gesammtgnte stehen die Sondergüter beider Eheleute und das Vorbehaltsgut der Frau. Je nachdem zum Gesammtgute nur die Errungenschaft d. h. das, was der Mann oder die Fran während der Ehe erwirbt (§ 1519) oder neben dieser auch das gesammte bewegliche Vermögen der Eheleute gehört (§ 1549), unterscheidet man Errungenschafts- und Fahrnißgemeinschaft. Gleichwohl unterscheiden sich beide Systeme dadurch, daß die Fahrnißgemeinschaft eine Abwandlung der allge­ meinen GG ist und daher im wesentlichen den für diese maß­ gebenden Grundsätzen unterliegt, die Errungenschaftsgemeinschaft dagegen sich nur als eine Aenderung der Verwaltungsgemeinschaft darstellt und daher in der Hauptsache den für diese gegebenen Vorschriften unterworfen ist (§§ 1549, 1519, 1525). Der Grund liegt darin, daß die Errungenschafts-G. sich auf die Erwerbsthäügkeit der Eheleute gründet und daher nur dann und nur insoweit eintritt, als Erwerbungen gemacht und nicht sofort wieder veraus­ gabt werden, die Fahmißgemeinschaft aber ohne weiteres alle be­ wegliche Habe ergreift, welche die Eheleute bei Eingehung der Ehe besitzen oder später erwerben, und daher in allen Fällen, in denen kein Ehegatte Gmndstücke hat, mit der allgemeinen GG zu­ sammenfällt. Daher kann laut Ehevertrag die Fahrniß-G. nach dem Tode eines Ehegatten fortgesetzt werden, die Errungenschafts-G. (von besonderer Vertragsberedung abgesehen) wird nicht fortgesetzt. Die Sondergüter führen bei beiden Systemen die Bezeichnung „eingebrachtes Gut". Hierhin gehört bei der EG vor Mem das gesammte Vermögen beider Eheleute, das sie bei Eintritt der Gemeinschaft haben, ferner was durch Vertrag für eingebrachtes er­ klärt wird, was vermöge des Subrogationsprmzipes an Stelle von

Sondergut tritt, was jeder der Ehegatten während der Ehe von Todeswegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht (z. B. als Borausempfang), ferner was er durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt, endlich das, was nicht durch Rechtsgeschäft überiragen werden kann (z. B. Fideikommiß) und dasjenige, dessen Erwerb durch den Tod eines der Ehegatten bedingt ist (z. B. Lebens­ versicherungssummen). Gemeinschaftlich wird also nur der Thättgkeitserwerb und der Erirag des eingebrachten Vermögens. Ein­ gebrachtes Vermögen bei der Fahrnißgemeinschast sind nach Gesetz alle bei Eingehung der Ehe vorhandenen oder später durch Erb­ folge, mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung, Ausstattung oder Vermächtniß erworbenen Immobilien; hierzu werden auch dingliche Rechte an Grundstücken, mit Ausnahme der Hypotheken, Gmndschulden und Rentenschulden, ferner die persön­ lichen Rechte auf Grundstücke oder dingliche Rechte gezählt. Da­ nach sind Jmmobiliarrechte keineswegs von der Gemeinschaft aus­ geschlossen, denn da außer den beweglichen Sachen die Errungen­ schaft zum Gesammtgut gehört, bildet auch die Jmmobiliarermngenschaft einen Gegenstand der Gemeinschaft. Das Eingebrachte unterliegt bei beiden Systemen den gleichen Grundsätzen, es wird nämlich für Rechnung des Gesammtgutes in der Weise verwaltet, daß die Nutzungen, welche bei der Verwaltungsgemeinschaft dem Manne zufallen, zum Gesammtgute gehören; die Verwaltung der eingebrachten Güter beider Eheleute und die Verfügungsrechte der Gatten bestimmen sich nach den Grundsätzen von der Verwaltungs­ gemeinschaft (88 1525, 1550). Vorbehaltsgut des Mannes ist bei beiden Systemen ausgeschlossen (88 1526, 1555) und kann auch nicht durch Vertrag begründet werden (8 134), denn ein Bedürfniß, dem Manne Vermögensstücke vorzubehalten, liegt nicht vor. Gesetzliches Vorbehaltsgut der Frau kommt nur bei der Errungenschafts-G. vor, und zwar hat hier nur das von Dritten mit der Anordnung der Vorbehaltseigenschaft Zugewendete und das kraft des Subrogationsprinzipes an die Stelle von Bor­ behaltsgut tretende Vermögen die Eigenschaft von Borbehaltsgut; hier aber und bei der Fahrnißgemeinschast kann jeder andere Er­ werb der Frau,-insbesondere das Einkommen aus einem Erwerbs­ geschäfte, das bei der EG zum Gesammtgut gehört, durch Vertrag für Borbehaltsgut erfiärt werden (8 1526). Gesammtgutsschulden sind bei der Fahrnißgemeinschast die­ jenigen Schulden, die es auch bei der allgemeinen GG sind (8 1549), bei der Errungenschafts-G. aber sind Gesammtgutsschulden alle Verbindlichkeiten des Mannes, von Schulden der Frau dagegen nur die auf ihrem eingebrachten Gut ruhenden Lasten, die Der-

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Kindlichkeiten aus Rechtsgeschäften der Frau, welche für das Gesammtgut wirksam sind, die Prozeßkosten anS Rechtsstreitigkeiten der Fmu unter derselbm Voraussetzung, die gesetzlichm Unter­ haltspflichten der Frau und die in Folge eines Rechts oder des Besitzes einer Sache entstandenen Schulden, wenn Recht oder Sache zu einem mit Zustimmung deS Mannes von der Frau betriebenen ErwerbSgeschäste gehören (§§ 1530—1534). GesammtgutSschulden der Frau sind immer zugleich persönliche Schulden des Mannes, so daß eine Korrealhast beider Eheleute eintritt (§ 1530). Daher genügt zur Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut des Mannes oder in das Gesammtgut ein gegen den Mann lautender vollstreckbarer Schuldtitel, während die Zwangsvollstreckung in das Eingebrachte der Frau während des Bestehens der Ermngenschasts- oder Fahrniß-G. einen Schuldütel fordert, welcher der Frau die Leistnng, dem Manne die Duldung der Exekution auf­ erlegt (§§ 739, 740 CPO)»). Die Fahrniß-G. endet wie die allgemeine GG (§ 1549), die Errungenschaftsgemeinschaft endet mit Auflösung der Ehe, durch das auf die Klage eines Gatten erlassene, die Auflösung aussprechende Urtheil und durch Konkurs über das Vermögen des Mannes (§§ 1542—1544); endet die GG während der Ehe, so tritt Gütertrennung ein, und zwar auch hinsichtlich des Eingebrachten, doch kann die Güterttennung einem Dritten nur entgegengesetzt werden, wenn sie ihm bekannt oder in das Güterrechtsregister ein­ getragen ist (§ 1545). § 258.

Einzelne Güterrechtsverhältnisse.

1. Unter Aussteuer (Ausstattung) versteht man die von der Frau in die Ehe gebrachten, ihren persönlichen Bedürfnissen und die der Einrichtung des Hauswesens dienenden beweglichen Sachen. Sie nimmt keine Sonderstellung ein, sondern unterliegt den für das Güterrecht dieser Ehegatten maßgebenden allgemeinen Grundsätzen (vgl. §§ 1366, 1382). 2. Hochzeitsgeschenke werden Eigenthum entweder nur eines oder beider Ehegatten, je nach der Absicht des Schenkers. Auch sie unterliegen den allgemeinen Vorschriften. 3. Außer Gebrauch gekommen ist die Morgengabe, ein vom Manne am Morgen nach der Hochzeit der Frau gegebenes Geschenk: sie diente vorzugsweise der Mttwenversorgung und blieb deshalb bis zum Tode des Mannes in seinem Besitz und seiner Ver­ waltung. Das neue Recht steht einer derartigen Zuwendung nicht

*) Für den Fall des Konkurses gilt das bei der allg. GG Gesagte (§ 2 KO).

entgegen, doch entscheidet über sie ausschließlich die Vereinbarung der Eheleute. 4. Auch das Witthum (vidualitium) d. i. ein der Frau eingeräumter lebenslänglicher Nießbrauch, wie das Gegenvermächtniß (Widerlage, Kontrados, dotalitium) d. i. ein ver Frau vom Manne für den Fall seines TodeS ausgesetztes Vermögen, regelmäßig in einer Leibrente bestehend, ist gegenwärtig und wird auch künftig ausschließlich Gegenstand letztwilliger Verfügung sein, wie solche auch in Eheverträgen vorkommen.

5. Der Einkindschaftsvertrag ist ein deutschrechtliches Institut und findet sich vorzugsweise, keineswegs aber überall va, wo nach dem Tode des einen Ehegatten das Vermögen (in fort­ gesetzter Gütergemeinschaft oder bloßem Beisitz) zusammenbleibt *). Er wird geschlossen, wenn ein Ehegatte nach Auflösung seiner früheren Ehe zur zweiten Ehe schreitet, zwischen den Kindern jenes aus erster Ehe auf der einen Seite und den Ehegatten der zweiten Ehe auf der andern Seite, und hat den Zweck, die Theilung des aus der ersten Ehe herrührenden Vermögens zu vermeiden und den Kindem erster Ehe ihrem Stiefparens gegenüber dieselbe recht­ liche Stellung zu gewähren, welche sie als dessen leibliche Kinder haben würden. Wie weit diese rechtliche Stellung geht, ist parttkularrechtlich verschieden und in der Theorie bestritten. Nach der Erbverttagstheorie enthält der E.-Verttag einen Erbvertrag, der beiden Eltern die Testirfteiheit nimmt, nach der Filiationstheoric entsteht nur ein Kindesverhältniß und die Testirfteiheit wird nicht geschmälett. Das RG (6, 163; 17, 131) vertritt die Vertrags­ theorie, weil das Geschäft für die Kinder erster Ehe die Aufgabe eines gewissen Rechts gegen Gewährung eines Rechtes von un­ gewissem Werthe enthalte, diese Gefahr aber nicht noch durch die Möglichkeit der Entziehung des Erbrechts durch den Sttefparens gesteigert werden dürfe. Diese Gefahr macht besondere Kautelen nöthig: Aussetzung eines Präcipuum aus dem Vermögen der ersten Ehe, gerichtlicher Abschluß, richterliche Prüfung, vormundschastsrichterliche Genehmigung. Das BGB hat das Institut nicht ausgenommen, sein Ziel läßt sich auf dem Wege des Erbvertrages erreichen. § 259. Das Güterrechtsregister. Das Güterrechtsregister ist ein von den Amtsgerichten ge­ führtes, zur Aufnahme von Eintragungen, welche das Güterrecht der *) Stobbe IV §§ 243 , 244. Schröder: Eheliches Güterrecht H 2 S. 263 ff. Motive zum BGB IV 486 ff. Engelmann, d. alte u. d. neue bürgerliche Recht. 43

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Eheleute betreffen, bestimmtes öffentliches Register. Die Eintragungen haben beurkundende Wirkung wie die des Handelsregisters. Dritte haben sie gegen sich gelten zu lassen, bis sie die Unrichtigkeit der ein­ getragenen Thatsache nachgewiesen haben. Die Eintragung ist in zahlreichen Fällen geboten, sie erfolgt bei demjenigen Amtsgericht, in dessen Bezirk der Ehemann seinen Wohnsitz hat, und nur aus Antrag eines oder beider Ehegatten. Die Eintragungen sind öffentlich bekannt zn machen (§§ 1435, 1558—1563 BGB, §§ 161, 162, Ges. über die freiw. Gerichtsbarkeit. Bnndesrathsbeschluß vom 3. November 1898).

Zweiter Abschnitt: Das Eltem- und Kindesverhältniß. I. Die Rechtsstellung de» ehelichen Kindes. § 260. Borbemerkung. Die Stellung des ehelichen Kindes zu seinen Eltern ist ein Rechtsverhältniß, das auf beiden Seiten Rechte und Pflichten begründet. Dieses Rechtsverhältniß bestand im römischen Recht nur zwischen Kind und Vater und wurde daher einfach mit dem Namen patria potestas bezeichnet. Das BGB bildet insofern den Abschluß einer längeren Entwicklung, als es jene Einseitigkeit des römischen Rechtes vermeidend an Stelle der väterlichen Gewalt die elterliche Gewalt setzt und der Mutter im wesentlichen gleiche Rechte einräumt wie dem Vater. Die elterlichen Rechte (und damit die an sie geknüpften Pflichten) entstehen durch eheliche Abstammung des Kindes, durch Legitimation uno durch Adoption (Annahme an Kindesstatt). A. Entstehung der Rechtsstellung des ehelichen Kindes. § 261. Eheliche Abstammung. Ueber die Ehelichkeit eines Kindes entscheidet nach altem Recht die in dem Satze: Pater est quem nuptiae demonstrant aus­ gesprochene Rechtsvernmthung. Nach der herrschenden Lehre des gemeinen Rechts gelten nach diesem Satze aber als ehelich nur diejenigen Kinder, die während der Ehe der Mutter erzeugt sind. Ein von dem Manne mit seiner nachherigen Frau vor der Ehe erzeugtes Kind kann, auch wenn es erst nach Schließung der Ehe geboren ist, die Rechte eines ehelichen Kindes nur int Wege der Legitimation erlangen (RG 12, 166). Während der Ehe erzeugt aber ist das Kind dann, wenn es am 182. Tage nach der Eheschließung oder später während der Ehe oder spätestens am

300. Tage nach Auflösung der Ehe geboren ist. Nur diese That­ sache also hat zu beweisen, wer aus der ehelichen Abstammung eines Kindes Rechte herleitet. Dagegen hat derjenige, welcher dem Kinde die eheliche Abstammung streitig macht, den Gegenbeweis zu führen, daß das Kind nicht vom Ehemanne der Mutter erzeugt sei. Lebt der Mann von der Mutter getrennt, so genügt der Be­ weis, daß er seiner Frau während der Empfängnißzeit nicht beigewohnt habe, lebte er mit ihr zusammen, so verlangt man den Beweis, daß er ihr nicht habe beiwohnen können (RG 12, 165 u. 166). Das BGB schließt sich der in den bedeutendsten Partikular­ gesetzgebungen vertretenen Auffassung an, nach welcher es zur An­ nahme der Ehelichkeit eines Kindes genügt, wenn es nur nach Eingehung der Ehe geboren ist, und es erklärt den Umstand, daß es vor der Ehe erzeugt ist, ausdrücklich für gleichgültig (§ 1591). Danach hat derjenige, der die Ehelichkeit eines Kindes behauptet, nur zu beweisen, a) daß das Kind nach Eingehung und spätestens am 302. Tage nach Auflösung der Ehe geboren ist, ein Beweis, der durch die Standesamtsurkunden leicht zu führen ist, b) daß der Mann innerhalb der Empfängnißzeit d. i. in dem Zeitraum zwischen dem 181. und dem 302. Tage vor der Geburt des Kindes der Frau beigewohnt hat. Dieser Beweis wird für die Zeit, während welcher die Mutter des Kindes mit ihrem Manne verheirathet war, durch eine gesetz­ liche Vermuthung erleichtert, ist aber für die Zeit, während welcher die Ehe nicht bestand, besonders zu beweisen. Wer die Ehelichkeit des Kindes bestreitet, hat zu beweisen entweder a) die „offenbare Unmöglichkeit", daß die Mutter das Kind von ihrem Manne empfangen, oder b) daß der Mann der Mutter des Kindes in der Empfäng­ nißzeit nicht beigewohnt habe (§§ 1591, 1592)1). Durch Eideszuschiebung kann in einem Rechtsstreit über die Ehelichkeit eines Kindes ein Beweis nicht geführt werden, doch ist der Erfüllungseid zulässig (§§ 641, 617 CPO). Das Recht, die Ehelichkeit eines Kindes anzufechten, steht nach altem Recht an sich nur dem Manne der Mutter, anderen Personen nur dann zu, wenn die Unehelichkeit des Kindes die Voraussetzung eines anderen (namentlich erbrechtlichen) Anspmches bildet (RG 18, 38). Das Anfechtungsrecht steht daher nach herr­ schender, jetzt auch durch Hinweis auf § 231 CPO a. F. zu begründen*) Vgl. die Ausdehnung der im übrigen unverrückbaren gesetzlichen Em^pfängnißzeit in § 1592 Abs. 2.

676 der Ansicht dem Kinde selbst zu Filiationsklage). In einem erkennung deS Kindes durch den ein die Anfechtung ausschließendes Beweisgrund verwerthet werden.

(RG 18, 184, sog. negative solchen Prozesse kann die An­ Ehemann der Mutter nicht als Rechtsgeschäft, sondem nur als

Das BGB unterscheidet zwischen dem Anfechtungsrecht und der Geltendmachung der Unehelichkeit. Das Anfechtungs­ recht steht ausschließlich dem Manne zu (§ 1593); es ist ein höchst­ persönliches Recht (§ 1595), kann nur innerhalb einer Ausschluß« frist von einem Jahre vom Zeitpunkt der an den Mann gelangten Kunde von der Geburt des Kindes und bei Lebzeiten des Kindes nur durch eine gegen dieses gerichtete Klage (§ 1596), nach dem Tode des Kindes nur durch eine gegenüber dem Nachlaßgerichte in öffentlich beglaubigter Form abgegebene Erllämng ausgeübt werden (§ 1597); eS erlischt außer durch Zeitablauf durch eine vom Manne naiy der Geburt des Kindes in irgend welcher Form ausgedrückte Anerkennung deS Kindes, ein einseitiges, nicht em­ pfangsbedürftiges, Bedingung oder Zeitbestimmung nicht ver­ tragendes, Rechtsgeschäft (§ 1598). Ergeht auf die Klage ein die Unehelichkeit des Kindes aussprechendes Urteil, so ist damit ein Status- oder Personenrecht festgestellt, d. i. ein Rechtszustand, den ein Jeder anerkennen muß. Das Urtheil wirkt daher für und gegen Alle, nur gegenüber einem solchen Dritten nicht, welcher daS elterliche Verhältniß oder die elterliche Gewalt selbst in Anspruch nimmt, es fei denn, daß er an dem Prozesse Theil genommen hätte und dadurch selbst Partei geworden wäre (§ 643 CPO). Die Geltendmachung der Unehelichkeit ist eine Berufung auf die Thatsache der unehelichen Geburt, sofern diese Thatsache die Vor­ aussetzung für die Geltendmachung eines anderen Rechtes bildet. Sie kann im Wege der Klage oder der Einrede geschehen und kann natürlich den Gegenstand eines sog. Jncidentfeststellungsurtheiles bilden. Das Recht, die Unehelichkeit geltend zu machen, ist nach der Rechtskraft deS AnfechtungSurtheiles ein Jedem unbe­ schränkt, beim Fehlen eines solchen Urtheils aber nur unter der Voraussetzung zustehendeS Recht, daß der Mann gestorben ist, ohne sein Anfechtungsrecht durch Anerkenntniß oder Zeitablauf ver­ loren zu haben (§ 1593). Ist das Anfechtungsrecht des ver­ storbenen Mannes bestehen geblieben (f. auch § 1597), so ist die Geltendmachung der Unehelichkeit an keine AuSschlußftist mehr gebunden und kann durch keine Anerkennung des Kindes verloren gehen, denn das Anerkennungsrecht steht ausschließlich dem Manne der Mutter zu (§§ 1596, 1598).

Auch die Anerkennung der Ehelichkeit kann angefochten werden, und zwar auch nur vom Manne und nur durch Klage oder Er­ klärung vor dem Nachlaßgericht (§ 1599). Wird nach Auflösung der ersten Ehe und nach Eintritt der Frau in eine zweite Ehe ein Kind geboren, das sowohl als Kind des ersten als des zweiten Mannes gelten könnte (also, wenn eS vor Ablauf des 302. Tages nach Auflösung der ersten Ehe geboren wird), so ist der 270. Tag nach Auflösung der ersten Ehe ent­ scheidend (§ 1600).

§ 262.

Legitimation und Annahme au KiudeSstatt.

In außerordentlicher Weise wird die väterliche Gewalt be­ gründet 1) durch Legitimation. Dem deutschen Recht fremd, ist sie aus dem römischen Rechte herübergenommen als ein Mittel, dem unehelichen Kinde des Legittmirenden die Rechte eines ehe­ lichen Kindes zu geben. Sie erfolgt mit gleicher Wirkung nach jetzigem Recht entweder a) durch nachfolgende Ehe der Eltern des Kindes und be­ gründet die Rechte der ehelichen Gebutt, wenn die Abstammung des Kindes von den Eheleuten feststeht, kraft Gesetzes nach herrschender Meinung auch für solche Mnder, die im Ehebruch oder ourch Blut­ schande erzeugt sind. Das Anerkenntniß des Vaters wirtt als bloßer Beweisgrund, nicht als konstituttver Rechtsakt, da cs sich um ein Rechtsverhältniß handelt, das der freien Verfügung der Parteien entzogen ist1). Eine Berichtigung des Standesregisters kann nur erfolgen, wenn das Anerkenntniß gerichtlich, notariell oder vor dem Standesbeamten erklärt ist (§ 25 Ges. v. 6. 2. 75). Auch nach neuem Recht erlangt das bereits geborene uneheliche Kino durch die nachfolgende Ehe seiner Eltern ohne weiteres die recht­ liche Stellung eines ehelichen Kindes. Es muß also feststehen, daß das Kind von dem Manne der Mutter erzeugt ist. Diese Feststellung wird erleichtert durch die gesetzliche Vermuthung, daß der Mann der Mutter dann der Erzeuger des vorehelichen Kindes seiner Frau sei, wenn er ihr in dem Zeittaum vom 181. bis zum 302. Tage vor der Geburt deS Kindes beigewohnt bat, und der Beweis dafür, daß dies geschehen, wird, jalls der Eyemann seine Vaterschaft nach der Geburt des Kindes in einer öffentlichen Ur­ kunde anerkannt, durch eine Vermuthung ersetzt. Beide Ver­ muthungen sind einfache, widerlegbare Rechtsvermuthungen, aber jene erste (die Baterschastsvermuthung) kann nur durch den Rach') RG in Civils. 22, 223. — Vgl. über die Kollision von timation und Adoption RG 33, 196.

Legi-

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weis von Umständen widerlegt werden, nach denen es offenbar unmöglich ist, daß die Mutter daS Kind aus dieser Beiwohnung empfangen habe, während die zweite (bie Beiwohnungsvermuthung) jeder Art von Gegenbeweis zugänglich ist (§§ 1719, 1720). Die Bestimmung hinsichtlich der Berichtigung des Standesregisters bleibt bestehen. — Die Legitimation des Kindes wirkt auch zu Gunsten seiner eigenen Abkömmlinge, selbst dann, wenn das legitimirte Kind vor der Legitimation per subsequens matrimonium gestorben ist (§ 1722)'). b) Per rescriptum principis. Sie hängt von einem An­ träge des unehelichen Vaters ab und ist ein Gnadenakt des Landes­ herrn. Ex damnato coitu hervorgegangene Kinder sind auch hier von der Legiümationsfähigkeit nicht ausgeschlossen. Das BGB bezeichnet diese durch Verfügung der Staats­ gewalt und zwar desjenigen Bundesstaates, dem der Vater ange­ hört, geschehende Legitimaüonals Ehelichkeitserklärung. Sie ist auch nach ihm Gnadenakt, denn sie kann auch dann versagt werden, wenn alle ihre Vorbedingungen erfüllt sind (§§ 1723, 1734). Da sie dann unnöthig ist, wenn die L. durch nachfolgende Ehe geschehen ist oder geschehen kann, giebt sie unverheiratheten Männern oder demjenigen Manne, der mit einer Anderen als der Mutter des Kindes verheirathet ist, die Möglichkeit, einem unehelichm Kinde die Rechte eines ehelichen zu geben. Deshalb sind auch ihre Folgen andere als die derL. per subsequens matrimonium: es kann niemals ein Verwandtschaftsverhältniß zwischen dem Kinde und der Frau des Vaters entstehen. Das BGB geht aber noch weiter: es sieht in der Herstellung des ehelichen Kindesverhältnisses die Zwecke der L. erreicht und läßt daher zwar ein Verwandtschastsverhältniß zwischen dem Vater und den Abkömmlingen des Kindes, aber nicht zwischen dem Kinde und den Verwandten des Vaters enfftehen; es kann ferner kein Schwägerschaftsverhältniß Ä dem Vater und dem Ehegatten des Kindes und zwischen ide und der Frau des Vaters entstehen (§ 1737); die L. kann ihren Zweck nicht erreichen, wenn das Kind gestorben ist, und kann daher in diesem Falle nicht erfolgen (§ 1733); sie soll nicht der Umgehung von Eheverboten dienen, sie ist deshalb unzulässig, wenn zur Zeit der Erzeugung zwischen den Eltem des Kindes das Ehehinderniß der ehelichen Verwandtschaft oder Schwägerschaft bestand (§ 1732). — Die Ehelichkeitserklärung verlangt einen An­ trag des Vaters, die Einwilligung des 21 Jahre alten KindeS oder die Einwilligung der Mutter des unter diesem Alter stehenden,

') Ueber Nichtigkeit der nachfolgenden Ehe § 1721.

wenngleich für volljährig erllärten Kindes und die Einwilligung der ^rau des Vaters; alle diese Erklärungen bedürfen der ge­ richtlichen oder notariellen Beurkundung (§§ 1726—1731); der Antrag des Vaters muß zugleich die Erklärung enthalten, daß er das Kind als das seinige anerkenne; ob diese Erklärung richtig ist oder nicht, hat auf die Wirksamkeit der Ehelichkeitserklärung keinen Einfluß (§§ 1725, 1735). Die Ehelichkeitserklärung kann nicht an eine Bedingung oder Zeitbestimmung geknüpft werden (§ 1724), aber sie ist kein Rechtsgeschäft, sondern ein Verwaltungsakt, zu­ gleich ein Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit. 2) Durch Annahme an Kindesstatt. Dem älteren deutschen Recht fremd, im älteren römischen Recht dagegen aus­ schließlich ein Mittel zur Begründung der väterlichen Gewalt, ist sie im späteren und im heutigen Recht auch ein Mittel, ein bloßes Kindesverhältniß zu begründen. Daher ist heute die Adoption eines selbständig gewordenen Mannes wie einer verheiratheten Frau möglich, ohne daß diese in die väterliche Gewalt des Adoptirenden treten, und die Wirkungen der A. bleiben bestehen, auch wenn die väter­ liche Gewalt endet. Soweit jedoch die römischen Rechtssätze hierdurch nicht eine grundsätzliche Modifikation erfahren haben, gelten sie als gemeines Recht (RG 6, 171; 31, 187). Man unterscheidet daher zwischen Arrogation als der Annahme einer gewaltfreien und der Adoption im engeren Sinne als der Annahme einer gewaltunterworfenen Person. Letztere wird wieder unterschieden in a. plena und minus plena, je nachdem sie die väterliche Gewalt begründet oder nicht. Daher können eine Arrogation oder volle Adoption nur Männer, die mindere Adoption auch Frauen vornehmen. Die Arrogation und die Adoption durch eine Frau setzen Zustimmung des adoptandus voraus und geschehen durch landes­ herrliches Reskript, jede andere Adoption erfolgt durch Vertrag zwischen dem Annehmenden und dem Inhaber der väterlichen Ge­ walt über den Anzunehmenden und setzt nur voraus, daß der adoptandus nicht widerspricht. Die Arrogation und die volle Adoption geben dem Angegenommenen gegen den Annehmenden und dessen agnatische Ver­ wandte ein gesetzliches Erbrecht so, als ob er mit dem Adoptivvater blutsverwandt wäre, und dieses Erbrecht erlischt weder mit dem Tode des Adopttvvaters noch mit der Emancipation des Ange­ nommenen er Wirthschaft oder der Lebensstellung Zugewendete. Die Austattung umfaßt also mehr als die Aussteuer. Auf die Aussteuer jot die Tochter einen klagbaren Rechtsanspruch, Die Gewährung einer Ausstattung hängt vom Ermessen der Eltem ab, gleichwohl gilt die Ausstattung nur insoweit als Schenkung, als sie das ge­ wöhnliche Maß übersteigt, sie ist also bis dahin Tilgung einer

Naturalobligation (§§ 1620—1624). Die Ausstattung, nicht die Aussteuer, unterliegt der Erbenausgleichung (Kollation. § 2050).

Der väterlichen Gewalt unterstanden nach römischem Recht nicht blos die Kinder, sondem auch die entfernteren Descendenten des pater familias, gleichviel ob sie minderjährig oder volljährig waren. Diesen Grundsatz batte das gemeine Recht übernommen, er war aber in Deutschland dadurch gemildert, daß das Kind, sobald es wirthschastliche, Selbständigkeit erlangte, aus der Gewalt auch ohne ausdrückliche Erklämng ausschied. Das BGB (§ 1626) hat eine Vereinfachung des bisherigen Rechtes dadurch herbeigeführt, daß es das Kind der Gewalt unterwirft, so lange es minderjährig ist. Danach sind nur minderjährige Kinder, diese aber auch bis zur Volljährigkeit gewaltunterworfen, gleichviel ob das Kind schon vor diesem Zeitpunkt thatsächlich selbständig ist oder noch nach diesem Zeitpunkte thatsächlich unselbständig bleibt. Die Gewalt ergreift nach altem und neuem Recht (§ 1627) die Person und das Vermögen des Kindes (§§ 1528, 1629). Hierin ist zugleich die Vertretung des Kindes nach außen ent­ halten, m. a. W: der Inhaber der elterlichen Gewalt ist gesetz­ licher Vetreter des Kindes (§ 1630). § 264.

Die persönliche Stellung des Hauskindes.

Der Vater und nach gemeinem wie neuem Recht die Mutter haben Recht und Pflicht der Fürsorge für die Person des Kindes. Diese Sorge umfaßt die Erziehung, die Beaufsichtigung und die Bestimmung des Aufenthalts. Im Erziehungsrechte liegt die Befngniß zur Anwendung angemessener Zuchtmittel, die, wenn sie innerhalb dieser Grenzen bleiben, eine strafrechtliche Verantwortung (etwa wegen Beleidigung, Körperverletzung, Nöthigung, Freiheits­ entziehung) nicht zur Folge haben. Im Erziehungsrechte ist auch die Bestimmung über das Glaubensbekenntniß des Kindes enthalten. Die Eltern haben nach altem und neuem Recht die Befugniß, Herausgabe des Kindes zu verlangen von dem, der es ihnen widerrechtlich vorenthält, das früher sog. interdictum de übens exhibendis et ducendis (RG 10, 115; § 1632 BGB). In der Bethätigung dieser Fürsorge stehen auch während der Ehe die Eltem nach neuem Recht einander gleich, die Mutter hat aber nicht das Vertretungsrecht und steht bei einer Meinungs­ verschiedenheit dem Vater nach (§ 1634). Ist die Ehe geschieden, so verliert nach altem und neuem Recht der schuldige Theil das Fürsorgerecht, sind beide Ehegatten für schuldig erklärt, so ver­ bleibt die Fürsorge für eine Tochter immer und für einen Sohn

684 bis er das 6. Lebensjahr vollendet, der Mutter; mit diesem Zeit­ punkte geht sie auf den Vater über (§§ 1635—1637)1).

§ 265.

Die vermögenSrechüiche Stellung der HauSkiuder.

Den Hauskindern fehlte im älteren römischen Rechte die Fähigkeit, für sich Vermögen zu erwerben: alles, was sie erwarben, fiel ohne weiteres dem Vater zu. Sie konnten demnach, soweit es sich um reine Erwerbsgeschäste handelte, als Stellvertreter des Vaters austreten. Dagegen waren die Haussinder'fähig, sich zu verpflichten und konnten aus ihren Schulden verklagt werden. Da sie aber eigenes Vermögen nicht haben konnten, war die Exekution gegen sie von vomherein aussichtslos. Die regelmäßig lange Dauer der väterlichen Gewalt brachte es mit sich, daß der Vater dem Hauskinde Vermögen überließ, damit das Hauskind darüber wie über eigenes Vermögen verfüge. Ein solches thatsächlich unter dem Machtbereich des Kindes, recht­ lich nach wie vor dem Vater gehörendes Sondervermögen hieß peculium. Die Hingabe eines Pekuliums hatte die Wirkung, daß nunmehr die Gläubiger des Kindes aus dem P. Befriedigung erlangen konnten, vorausgesetzt, daß sie gegen das Kind und den Vater klagten und die Condemnation des Vaters auf denjenigen Betrag, den das Pekulium zur Zeit des Urtheils erreichte (peculio tenus), herbeiführten. Der Vater konnte dem Ansprüche des Gläu­ bigers gegenüber seine ihm selbst gegen das Kind zustehenden For­ derungen vom P. abziehen. Die Klage gegen den Vater hieß actio de peculio. War das P. zum Zwecke eines Gewerbe­ betriebes hingegeben, so konnten die Geschäftsgläubiger außer gegen das Kind gegen den Vater klagen, und zwar gegen letzteren oahin, daß er die Befriedigung aus dem zum Gewerbebetriebe ver­ wendeten Pekulium gestatte. Dieser Klage (der actio tributoria) gegenüber hat der Vater wegen seiner Forderungen gegen dar Kind kein Vorzugsrecht. Er muß vielmehr mit den Gläubigern des KindeS theilen (daher tributoria). War abgesehen hiervon der Vater (ober Herr) durch eine Handlung der gewaltunterworfenen Person bereichert, so hatte der Dritte gegen den Sohn den Ver­ tragsanspruch, gegen den Vater die a. de in rem verso, eine Klage, die später als utilis auch dann gegeben wurde, wenn die Bereichemng durch die Handlung einer gewaltsteien Person er­ folgte. Der Anspruch setzte aber stets die Handlung einer Mittels­ person und einen Thatbestand voraus, welcher der Mittelsperson die a. mandati oder negotiorum gestorum contraria gegen den

') Dies gilt nicht bei einer Scheidung wegen Geisteskrankheit.

Geschäftsherrn gewährte (vgl. S. 452). Handelte das Hauskind auf Geheiß des Vaters, so hastete erstere- aus dem mit dem Dritten geschlossenen Geschäft, letzterer aus seinem Auftrage (a. quod jussu), hatte das Hauskind aber einen allgemeinen Auftrag, so nannte man den gegen den Vater gegebenen Anspruch a. institoria, wenn das Kind als Vorsteher des väterlichen Erwerbsgeschästes, a. exercitoria, wenn das Kind als Schiffsführer des Vaters handelte. Auch diese Klagen wurden als utiles oder quasi später auch dann gegeben, wenn ein Gewaltfteier gehandelt hatte. Sie alle hatten die Eigenthümlichkeit, daß daneben die Haftung des Kindes bestand, man nannte sie daher actiones adjecticiae qualitatis. Das gemeine Recht kennt sie nicht mehr, denn wer als Stellvertreter eines Anderen auftritt, verpflichtet nicht sich, sondern den Vertretenen unmittelbar. Wenn also das Kind seine Vertretereigenschast kundgiebt, so haftet dem Dritten nur der Vater, aber nicht wegen der väterlichen Gewalt, sondern als Ge­ schäftsherr, und handelt das Kind in eigenem Namen, so ist es, wenn überhaupt, allein haftbar. Ferner aber hat schon im späteren römischen Recht das Pekulienrecht eine völlige Veränderung er­ fahren. Schon Augustus gewährte dem Sohne das Recht freier Verfügung unter Lebenden und von Todeswegen über das, was der Sohn durch seinen Militärdienst erwarb. Das Recht der Kaiser­ zeit entwickelte diese Ausnahme zu einem im Eigenthum des Sohnes stehenden Vermögen (peculium castrense), betreffs dessen er die selbständige Stellung eines pater familias erlangte. Der Vater hatte auf dieses Vermögen kein weiteres Recht, als daß er eS bei dem Fehlen einer testamentarischen Bestimmung des Sohnes nach dessen Tode in derselben Weise an sich zog, als wäre es stets ein gewöhnliches Pekulium gewesen. Seit Konstantin wurden die für die bona castrensia geltenden Grundsätze auf benjenigen Bermögenserwerb angewendet, den das Kino aus Anlaß einer amt­ lichen Stellung machte (bona quasi castrensia). Endlich ver­ ordneten Konstantin und dann Justinian, daß das Kind alles daS, was es von Dritten erwerbe, insbesondere durch Schenkung, Erbgang, aber auch durch eigene Arbeit, für sich erwerbe und daß dem Vater nur die Verwaltung und der Meßbrauch daran zustehe. Diese Güter, res, quae patri non acquiruntur, heißen bona adventicia und zwar regularia. Denn an einzelnen Adveuticien steht dem Vater nicht einmal der Meßbrauch zu, nämlich an dem, was das Kind von einem Dritten unter Ausschluß des väterlichen Nießbrauchs, an dem, was es wider Willen deS Vaters und an dem, waS das Kind durch Beerbung eines seiner Ge-

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schwister als Miterbe des Vaters erwirbt. heißen bona adventicia irregularia.

Diese Erwerbungen

Danach war der Grundsatz des römischen Rechtes, wonach das Kind nur für den Vater erwarb, in sein Gegentheil verkehrt, und es war damit auch das Prinzip der sogen. Personeneinheit zwischen Vater und Kind, wonach zwischen ihnen Rechtsverhältnisse und Rechtsstreitigkeiten nicht möglich waren, verlassen.

Das peculium profecticium wurde nicht gemeines Recht, denn es war eine Folge des römischrechtlichen Grundsatzes von der Bermögensunfähigkeit des Kindes und der gleichfalls dem römischen Recht eigenthümlichen langen Dauer der väterlichen Gewalt. Da­ gegen übernahm man die anderen Sätze des neuesten römischen Rechts, weil sie den deutschrechtlichen Anschauungen nicht widersprachen. Nach diesen war das Kind vollkommen erwerbsfähig, aber da der Vater das Kind auch in vermögensrechtlicher Beziehung zu schützen hatte, war er nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, das Ver­ mögen des Kindes zu verwalten. Der Pflicht der Fürsorge ent­ sprach das Recht der Nutznießung. Hiernach bestand im gemeinen Recht nur der Gegensatz zwischen dem den väterlichen Rechten unterliegenden und dem von diesen Rechten freien Vermögen der Hauskinder. Auch das BGB macht den Unterschied zwischen steiem und nicht freiem Vermögen, je nachdem die Nutznießung des Vaters ausgeschlossen ist oder nicht, aber das unfreie bildet die Regel (§§ 1649, 1650). Zum freien Vermögen gehören vor Allem diejenigen Gegenstände, welche ausschließlich dem persön­ lichen Gebrauche des Kindes bestimmt sind, ferner der gesummte Thätigkeitserwerb, insbesondere die Einkünfte aus einem von dem Kinde selbständig betriebenen Erwerdsgeschäfte, endlich das, was dem Kinde letztwillig unter Ausschluß der väterlichen Rechte zuge­ wendet wird (§§ 1650, 1651). Das BGB unterscheidet von der Nutznießung die Verwaltung.

Der Vermögensverwaltung des Vaters unterliegt freies und unfreies Vermögen des Kindes, denn, da das Kind minder­ jährig, ist die Verwaltung eine Bethätigung der väterlichen Für­ sorge, daher mehr eine Pflicht als ein Recht, sie wird Namens des Kindes und in dessen Interesse geführt, sie gleicht daher der vom Vormunde geführten Verwaltung des Mündelvermögens; zwar unterliegt die väterliche Verwaltung nicht der ständigen Auf­ sicht des Vormundschaftsgerichts, eine Reihe vom Vater für das Kind vorgenommener Rechtsgeschäfte bedarf aber der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Dies gilt insbesondere von Rechts­ geschäften über Gmndstücke (§§ 1643, 1821, 1822, 1644, 1645).

Der Vater unterliegt ferner gewissen Beschränkungen; wird dem Kinde von einem Dritten Vermögen zugewendet, so hat er die etwaigen Verwaltungsanordnungen des Dritten zu befolgen (§ 1639), er hat die Jnventarisirungspflicht (§ 1640), er darf grundsätzlich keine Schenkungen vornehmen (§ 1641), er hat baares Geld wie Mündelgeld zinsbar anzulegen (§ 1642). Als gesetz­ licher Vertreter des Kindes handelt der Vater bei der Vermögens­ verwaltung mit unmittelbarer Wirkung für das Kind, und selbst wenn er nicht im Namen des Kindes handelt, sondem nur mit dessen Mitteln und für dessen Rechnung bewegliche Sachen erwirbt, so geht mit dem Erwerbe das Eigenthum auf das Kind über, ohne daß es eines Uebertragungsaktes bedarf (§§ 1630, 1646). Im Konkurse des Vaters hat das Kind nicht blos ein Aussonderungs­ recht betreffs der ihm gehörigen Sachen, sondern auch ein Vorrecht wegen seiner Ansprüche aus der Verwaltung (§ 615 KO). Die Nutznießung, die im Allgemeinen den Grundsätzen vom Nießbrauch unterliegt, bildet ein eigenes Recht des Vaters; dieses Recht selbst ist unübertragbar und dem Zugriffe seiner Gläubiger entzogen, also unpfändbar und aus diesem Grunde auch nicht Theil der Konkursmasse des Vaters (§ 1658 BGB, § 862 CPO, § 1 Abs. 4 KO). Es bildet aber die Gmndlage zum Erwerbe von Rechten, die der freien Verfügung des Vaters unter­ liegen ; dieser Erwerb vollzieht sich in derselben Weise wie beim Nieß­ brauch; der Vater wird also Eigenthümer der Früchte mit deren Trennung (§ 954), er wird Gläubiger der zu den Nutzungen ge­ hörenden Fordemngen, z. B. der Zinsforderungen, daher unter­ liegen erworbene Nutzungen dem Zugriffe der Gläubiger, sofern sie nicht zur Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen des Vaters gegen seine Kinder und zur Bestreitung seines eigenen standesmäßigen Unterhalts erforderlich sind (§ 862 CPO). Von einem Erwerbsgeschäfte des Kindes gebührt dem Vater nur der Rein­ gewinn (§ 1655 BGB), der Anspruch auf diesen Gewinn ist pfändbar und also auch dem Konkurse mitunterworfen, wenn er fällig ist (§ 862 CPO, § 1 KO). Die Ausübung der väterlichen Nutznießung ist in der Weise von der väterlichen Verwaltung ab­ hängig, daß die erstere nicht erfolgen kann, wenn die letztere fehlt. Der Vater hat in diesem Falle nur Anspruch auf Herausgabe der die Verwaltungskosten übersteigenden Nutzungen (§ 1656); auch dieses Recht ist dem Zugriffe der Gläubiger unterworfen, sobald es fällig ist (8 862 CPO). Schulden des Kindes belasten nur das Kindesvermögen. Zu einer Zwangsvollstreckung in das unfreie Vermögen genügt ein das Kind zur Leistung verpflichtender Schuldtitel (§ 746 CPO),

688 der Vater muß dann die Zwangsvollstreckung ohne Widerspruch dulden (§ 1659 BGB).

Will der Vater (oder die Mutter) zu einer zweitm Ehe schreiten, so hat vorher eine Auseinandersetzung des Vaters (oder der Mutter) mit dem Kinde betreffs des Vermögens stattzufinden. § 266. Die elterliche Gewalt der Mutter. Die elterliche Gewalt der Mutter hat denselben Inhalt wie die des Vaters, sie umfaßt demnach die Fürsorge für die Person und für das Vermögen des Kindes, sie gewährt auch dieselben Rechte, insbesondere Verwaltung und Nutznießung am Vermögen des Kindes (§ 1686). Ein von der väterlichen Gewalt stetes, aber der mütterlichen Gewalt unterliegendes Kind bedarf demnach keines Vormundes. Die mütterliche Gewalt steht aber nur der ehelichen Mutter zu (§§ 1684, 1685, 1707), und auch dieser nicht neben, sondern an Stelle des Vaters in vollem Umfange nur dann, wenn die Ehe gelöst ist. Die elterliche Gewalt der Mutter tritt nämlich 1. dann ein, wenn der Vater gestorben oder für todt er­ klärt ist, oder wenn der Vater die elterliche Gewalt verwirkt hat und die Ehe aufgelöst ist; in diesen Fällen gehen auf die Mutter alle Rechte des Vaters über (§ 1684);

2. dann, wenn während der Ehe der Vater an der Aus­ übung der elterlichen Gewalt thatsächlich verhindert ist, oder wenn seine Gewalt ruht; in diesen Fällen verbleibt dem Vater die Nutz­ nießung (§ 1685). Die elterliche Gewalt der Mutter kann eine Beschränkung dadurch erleiden, daß der Mutter ein Beistand bestellt wird. Der Beistand muß bestellt werden, wenn dies der Vater an­ geordnet hatte, oder wenn die Mutter die Bestellung beanttagt; er kann auch nach freiem Ermessen des Vormundschaftsaerichts bestellt werden, doch soll diese Bestellung nur aus be­ sonderen Gründen erfolgen, also die Ausnahme bilden (§§ 1687, 1777). Sein Geschäftskreis kann groß oder klein sein, es ent­ scheidet darüber Die Bestellung; innerhalb seines Geschäftskreises unterstützt und überwacht er die Ausübung der mütterlichen Gewalt;

er hat tm Allgemeinen die Rechtsstellung des Gegenvormundes, doch bedarf es innerhalb seines Wirkungskreises seiner Genehmigung zu allen denjenigen Rechtsgeschäften, zu denen der Vormund der Genehmigung deS Gegenvormundes oder der des BormundschastSgerichts bedarf (§§ 1688—1695).

§ 267.

Beendigung und Einschränkung der elterlichm Gewalt.

1. Nach römischem und gemeinem Recht erlosch die väterliche Gewalt vor Allem durch den Tod des Vaters. Stand in seiner Gewalt aber nicht blos sein Sohn, sondern auch dessen Kinder, so traten die letzteren mit dem Tode des Großvaters ohne weiteres in die Gewalt ihres Vaters. Nach neuem Recht (§ 1684) tritt beim Tode oder der Todeserklärung des Vaters die elterliche Gewalt der Mutter ein. 2. Nach altem und neuem Recht (§ 1757) endet die väterliche bezw. elterliche Gewalt dadurch, daß das Kind von einem Andern an Kindesstait angenommen wird, nach bisherigem Recht aber nur durch die adoptio plena (§§ 1757, 1765). 3. Zur Strafe des Vaters endet die väterliche Gewalt schon nach römischem Recht in Folge gewisser Verbrechen des Vaters, nach neuem Recht (§§ 1680, 1686) wird die elterliche Gewalt verwirkt, wenn der Inhaber der Gewalt wegen eines am Kinde verübten Verbrechens oder vorsätzlich verübten Vergehens zu Zucht­ hausstrafe oder zu einer Gefängnißstrafe von mindestens sechs Monaten verurtheilt wird, mit der Rechtskraft des Urtheils. 4. Nach römischem Recht wurde das Kind mit der Erlangung gewisser Würden, später nur mit Erlangung der Bischofswürde gewaltfrei. Eine Befreiung von der väterlichen Gewalt tritt aber weder nach gemeinem noch nach neuem Recht in Folge der Erlangung dieser Würde, fonbent aus anderem Grunde (No. 6 und 7) ein.

5. Nach römischem und gemeinem, nicht aber mehr nach neuem Recht endet die väterliche Gewalt mit der vom Vater ausdrücklich erklärten Entlassung des Kindes. Sie geschieht entweder durch eine in Gegenwart und ohne Widerspruch des Kindes abgegebene gerichtliche Erklämng des Vaters («mancipatio Justinianea) oder durch ein vom Vater mit Zustimmung des Kindes beantragtes Reskript des Regenten (e. Anastasiana). Die Emancipationsform des älteren römischen Rechts war eine sehr verwickelte. Mit dieser Emancipation wurde der Agnationsverband zwischen dem Kinde und dem Vater sowie dessen Agnaten aufgehoben, im älteren römischen Recht erlosch also insbesondere das gegenseitige Jntestaterbrecht. Da ferner dem Vater des emancipirten Kindes das Vermögen, das von nun an das Kind erwarb, entging, so war es üblich, daß der Vater ein praemium emancipationis erhielt, und zwar bekam er gesetzlich die Hälfte des Nießbrauchs an den Adventicien des Kindes, im gemeinen Rechte ist indeß mit der Ver­ anlassung zu einem Prämium auch dieses selbst weggefallen. Engelmann, d. alte u. d. neue bürgerliche Recht. 44

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6. Nach deutscher, zum gemeinen Gewohnheitsrecht gewor­ dener Rechtsanschauung erlischt die väterliche Gewalt von selbst, indem das Kind dem Vater gegenüber wirthschaftliche Selbständig­ keit erlangt (emancipatio Germanica oder Saxonica), und zwar jedes Kind, das eine eigene Wirthschaft errichtet (separate oeconomia), also ein selbständiges Gewerbe betreibt, ein öffent­ liches Amt erlangt (s. oben unter 4) oder in eine den Lebensberuf des Kindes bildende dienende Stellung tritt; Töchter werden außer­ dem frei durch Heirach. Dem BGB ist auch diese Art der Emancipation fremd.

Das neue Recht nimmt gegenüber dem bisherigen Rechte eine gänzlich veränderte Stellung ein, denn nach ihm steht das Kind unter elterlicher Gewalt, so lange es minderjährig ist, so daß es weder durch ausdrückliche Entlassung noch durch Erlangung wirthschastlicher Selbständigkeit gewaltfrei werden kann. Die elterliche Gewalt erreicht aber mit der Volljährigkeit des Kindes ohne weiteres ihr Ende (§ 1626), während die Volljährigkeit nach bisherigem Rechte eine Befreiung von der väter­ lichen Gewalt nicht zur Folge hatte. Heirathet ein Kind, so er­ lischt die elterliche Nutznießung (§ 1661), heirathet eine minder­ jährige Tochter, so geht die Fürsorge für ihre Person und die Verwaltung ihres Vermögens auf den Mann über, und den Eltern verbleibt mit die Vertretung der Tochter in den ihre Person be­ treffenden Angelegenheiten (§ 1633). 7. Die Mutter verliert die elterliche Gewalt, wenn sie eine neue Ehe schließt, doch bleibt ihr die Fürsorge für die Person des Kindes (§ 1697). Nicht nach römischem, jedoch nach gemeinem Rechte ruhte die väterliche Gewalt, wenn der Vater an ihrer Ausübung ver­ hindert war. Nach neuem Recht ruht die elterliche Gewalt, wenn der Gewaltinhaber geschäftsunfähig, grundsätzlich auch, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, und ferner, wenn vorn Vor­ mundschaftsgerichte festgestellt wird, daß der Gewaltinhaber an der Ausübung der Gewalt auf längere Zeit verhindert ist (§§ 1676, 1677, 1696). Während der Ruhe ist nur die Ausübung der elterlichen Gewalt ausgeschlossen, die Nutznießung aber bleibt in der Weise bestehen, daß der Gewaltinhaber Herausgabe der Nutzun­ gen verlangen kann (§ 1678,1656). Ruht die Gewalt des Vaters, so tritt die der Mutter ein, fehlt aber auch dieser die elterliche Gewalt, so ist ein Vormund zu bestellen (§ 1773). Die elterliche Gewalt, die nur in Folge eines Ausübungshindernisses ruhte, tritt nicht mit der Beseitigung des Hindernisses von selbst, fonbem

erst mit der durch das Vormundschastsgericht getroffenen Fest­ stellung, daß das Hindemiß gehoben sei, wieder ein (§ 1677). Die Nutznießung allein endigt mit der Verheirathung des Kindes oder dem Verzicht des Gewalünhabers (§§ 1661, 1662). Die Vermögensverwaltung kann dem Gewaltinhaber durch das Vormundschastsgericht entzogen werden, eine äußerste Maß­ regel, die nur dann ergriffen werden darf, wenn der Gewalt­ inhaber die mit der Verwaltung ober der Nutznießung verbundenen Pflichten verletzt ober in Vermögensverfall geräth unb den vom Vormunbschastsgerichte zur Sicherung ber Kiuber getroffenen Anorbnungen nicht Folge leistet (§§ 1667—1670). Der Mutter kann auf ihren Anttag bie Vermögensverwaltung ganz ober theilweife genommen unb bem Beistände übertragen werben (§§ 1687, 1693). Vermögensverwaltung unb Nutznießung kann entzogen werben, wenn bie elterliche Unterhaltspflicht verletzt unb auch für bie Zu­ kunft eine erhebliche Gefährdung des bem Kinde gebührenden Unterhalts zu besorgen ist (§ 1666 Abs. 2). Auch bas Erziehungsrecht kann entzogen werben, wenn das geistige ober leibliche Wohl des Kindes dadurch gefährdet wird, daß der Gewaltinhaber das Recht der Fürsorge für die Person des Kindes mißbraucht, das Kind vernachlässigt ober sich eines ehrlosen ober unsittlichen Verhaltens schuldig macht (§ 1666J)).

§ 268. II. Kinder aus mutigen Ehen. Nach gemeinem Recht gelten Kinder, welche aus einer un­ gültigen ober nichtigen Ehe hervorgingen, nur bann als eheliche, wenn beibe Eltern, ober eines von ihnen eine formell geschlossene Ehe für gültig hielten. Auch nach neuem Recht finb Die Kinber aus einer nichtigen Ehe immer bann unehelich, wenn bie Nichtigkeit auf einem Formmangel beruht unb bie Ehe nicht ins Lerrathsregifter eingetragen ist, im übrigen gelten sie auch hier Dann als ehelich, wenn nur ein Ehegatte beim Eheabschluß bie Ehe für gültig gehalten hat (§ 1699). Ein hiernach eheliches Kinb hat dieselbe rechtliche Stellung wie ein Kind aus einer geschiedenen Ehe, wenn beide Theile für schuldig erklärt sind (§ 1700). Kannte der Vater die Nichttgkeit der Ehe, so hat er nicht die mit der elterlichen Gewalt verknüpften Rechte, und die elterliche Gewalt steht der Mutter zu; war der Mutter die Nichttgkeit der Ehe bekannt, so hat sie nur diejenigen Rechte, welche der allein schuldig *) Ueber das Vorgehen deS BonnundschaslSgerichlS (§§ 1671—1675 BGB, §§ 51-53 G. sreiw. G.).

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erklärten Frau zustehen und kann nicht die elterliche Gewalt er­ langen. Mer auch, wenn das Kind als uneheliches gilt, hat der Vater dieselbe Unterhaltspflicht wie der eheliche Vater (§§ 1701 bis 1704). § 269. III. Die Rechtsstellung der uuehelichm Kinder. Das römische Recht zeichnete die aus einem Konkubinat her­ vorgegangenen Ärnder, die liberi naturales, vor anderen unehe­ lichen Kindern (spurii oder vulgo quaesiti) dadurch aus, daß es ihnen gegen den Vater einen Unterhaltsanspruch, ein außerordent­ liches Erbrecht und die Möglichkeit, die Rechte eines ehelichen Kindes zu erlangen, gewährte. Dagegen galt der Satz spurii sine patre sunt. Nachdem aber der Konkubinat durch das kanonische Recht als ein unerlaubtes Verhältniß bezeichnet worden war, räumte die gemeinrechtliche Praxis die Rechte der liberi naturales allen unehelichen Kindern ein. Auf diesem Standpunkte steht auch das BGB. Dieses giebt in Uebereinstimmung mit dem gemeinen Rechte dem unehelichen Kinde gegenüber der Mutter und den Ver­ wandten der Mutter die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes (§ 1705), es besteht daher eine wechselseitige UnterhaltsMicht und ein gegenseitiges Jntestaterbrecht (§§ 1001 ff., 1924ff.); Die Mutter hat das Einwilligungsrecht zur Eheschließung und zur Legitimation des Kindes (§§ 1305, 1726), aber sie hat nicht die elterliche Gewalt, es ist ihr daher Verwaltung und Nutz­ nießung des Kindesvermögens und die Vertretung des Kindes ge­ nommen, es muß für das Kind also ein Vormund bestellt werden. Nur die Sorge für die Person des Kindes überläßt das BGB der Mutter, neben welcher in dieser Hinsicht der Vormund nur die Stellung eines Beistandes hat (§ 1707). Das Kind hat den Familiennamen der Mutter und zwar den ihr angeborenen, ihr Ehemann kann aber mit ihrer und des Kindes Zustimmung dem Kinde seinen Namen ertheilen (§ 1706). Mit seinem Vater ist das uneheliche Kind im Rechtssinne nicht verwandt (§ 1589 Abs. 2), die natürliche unter ihnen be­ stehende Verwandtschaft begründet aber ein Ehehinderniß (§ 1310). Es besteht zwischen Vater und Kind kein Jntestaterbrecht, vielmehr nur eine den Vater zur Gewährung von Unterhalt verpflichtende Obligation, die auch die Beerdigungskostenpflicht begründet (881708 ff., vgl. oben S. 462). Wer die Vaterschaft zu einem unehelichen Kinde in einer öffentlichen Urkunde anerkennt, gilt natürlich so lange als der Vater des Kindes, bis das Anerkenntniß widerlegt ist, das Anerkenntniß hat aber nicht rechtsbegründende, sondern nur beweisende Kraft (§ 1718).

Dritter Abschnitt: Das Bormundschastsrecht. § 270.

Begriff und geschichtlicher Ueberblick.

Vormundschaft ist die vom Gesetz angeordnete Fürsorge für Personen, welche nicht für sich selbst sorgen können und des elter­ lichen Schutzes entbehren. Sie ist deshalb ein Ersatz des fehlenden väterlichen oder überhaupt elterlichen Schutzes und daher eine Einrichtung des Familienrechts. Das römische Recht unterschied zwischen tutela und cura. Einen tutor erhielten die impuberes und im älteren Recht auch erwachsene, gewaltfreie Frauen, einen curator die puberes minores, die prodigi und die furiosi. Worin der Gegensatz zwischen tutela und cura gelegen, ist bestritten, es ist jedoch anzunehmen, daß man als tutor denjenigen Vormund bezeichnete, der bei ge­ wissen Rechtsgeschäften seines Schützlings mit zuwirken hatte (auctoritatis interpositio), curator aber denjenigen Vormund, der ent­ weder allein handelte oder der von seinem Schützlinge allein vor­ genommenen Rechtshandlung seine formlose Zusümmung ertheilte. Unter die Altersvormundschaft (tutela minorum) traten nur gewaltfreie impuberes. So lange sich ein solcher tuendus im Alter der Kindheit befand, hatte der Vormund statt seiner zu handeln (gestio tutoris); impuberes infantia majores konnten reine Erwerbsgeschäfte selbständig, Geschäfte, durch welche sie ver­ äußerten oder sich verpflichteten, nur in der Weise vornehmen, daß sie selbst die erforderliche Willenserklärung abgaben, während der anwesende tutor dabei seine Zustimmung ertheilte (auctoritatem interposuit). Der pubes minor (d. h. noch nicht 25 Jahre alte Mündige) war vollkommen handlungsfähig und bedurfte daher eines Vormundes nicht. Die lex Plaetoria Mitte des 6. Jahrh, a. u. c.) legte jedoch Demjenigen, der einen Minderjährigen übervor­ theilt hatte, eine (wahrscheinlich nur) civilrechtliche Haftung auf und gewährte dem Minderjährigen eine exceptio gegen den Anspruch aus dem für ihn nachtheiligen Geschäfte. Seit dieser Zeit konnte sich der minor die Bestellung eines curator erbitten. Hatte er einen curator, so hatte dieser das Vermögen des minor zu ver­ walten, doch durste der Minderjährige sich gültig verpflichten (?), und nur zu Veräußerungen bedurfte er der Zustimmung des Kurators.

Das ältere deutsche Recht unterwarf der Bevormundung (mundium) alle wehrlosen Personen, also nicht nur die Unmündigen, sondern auch die Frauenspersonen, sowie die Geistlichen. Daher konnte Vormund nie ein weiblicher Familiengenosse (Spillmagen) werden, die Vormundschaft gebührte vielmehr dem nächsten männ-

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lichen Verwandten (Schwertmagen). Er vertrat den Pflege­ befohlenen ohne Einschränkung, d. h. er hatte die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Schützlings zu sorgen. Zur Zeit der Rezepüon war die Geschlechtsvormundschaft zur bloßen Prozeßvormundschaft geworden und die Vormundschaft über Geistliche weggefallen. Ferner wurde bei der Altersvormundschaft der in Deutschland unverständliche Gegensatz von tutela und cura nicht mitaufgenommen, vielmehr erllärte die Reichsgesetzgebung des 16. Jahrhunderts alle Minderjährigen für unfähig, sich durch Rechtsgeschäfte zu verpflichten, oder zuveräußern, undverlangtedeshalb für alle gewaltfteien minores einen Vormund. Es wurden deshalb die Gmndsätze von der tutela mit der Einschränkung angewendet, daß der Vormund, wie der römische curator gethan, nur seine form­ lose Zustimmung zu den Geschäften ertheilte, die der Mündel vor­ nahm, oder daß der Vormund allein handelte. War so bei dem wichtigsten Falle der V. die tutela und die cura in eine einzige „Vormundschaft" über Minderjährige ver­ schmolzen, so wandte man jetzt die römischen Ausdrücke in anderem Sinne an. In der Annahme, daß der curator nur für die Ver­ mögensangelegenheiten des Schützlinges zu sorgen gehabt habe, nannte man jetzt curator oder Pfleger denjenigen Vormund, der nur für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten oder auch nur für eine einzelne bestimmte Angelegenheit bestellt war, tutor oder Vormund denjenigen, dem die gejammte Fürsorge für den Pflegebefohlenen oblag. Im älteren römischen Recht war die tutela und im älteren deutschen Recht die Vormundschaft eine Angelegenheit der Familie, es trat daher als Vormund ohne weiteres der nächste männliche Verwandte des Pflegebefohlenen ein; dieser aber übte die Vor­ mundschaft nicht blos int Interesse des Mündels, sondern vielleicht in seinem, als des nächsten Erben, persönlichen, jedenfalls im Interesse der Familie aus. In Rom rückte diese tutela legitima aber bald an die zweite Stelle, da es üblich wurde, daß der Vater seinen unmündigen Kindern int Testament einen Vormund bestellte (tutela testamentaria), und nun der gesetzliche Vormund nur beim Fehlen einer solchen Testamentsbestimmung eintrat. War weder ein tutor testamentarius noch ein t. legitimus vorhanden, so trat die Obrigkeit ein und bestellte einen Vormund (daher tutor dativus). Das Bestellungsrecht Übten die Konsuln, später der besondere praetor tutelaris und der praefectus urbi. Jeder nicht kraft eigenen Rechtes eintretende Vormund versieht ein in fremdem Interesse geübtes munus ober Amt, d. h. er nimmt eine Pflichtstellung ein. Die rein privatrechtlichen Schutzmittel

(die a. tutelae directa des Mündels auf Herausgabe des Ver­ mögens und Ersatz wegen mangelhafter VeMaltung, die a. rationibus distrahendis wegen Unterschlagungen) reichten deshalb nicht völlig aus, man griff daher in der Kaiserzeit zu dem Mittel, die Vomahme gewisser Berwaltungsakte des Vormundes von obrig­ keitlicher Genehmigung abhängig zu machen, insbesondere gehört hierher die oratio divi Severi (195 n. Chr.): ne praedia rustica vel suburbana distrahant Auf diese Weise bildeten sich die An­ fänge einer staatlichen Aufficht über die Vormünder. — AuH in Deutschland entwickelte sich früh das Recht des Vaters, einen Vormund zu ernennen, alle diejenigen Schutzbedüifftigen aber, welchen weder auf diese Weise ein V. ernannt, noch in einem ge­ eigneten Verwandten ein gesetzlicher Vormund gegeben war, standen unter Königsschutz und mußten von der Obrigkeit einen Vormund erhalten. Die Reichspolizeiordnungen von 1548 und 1577 verlangten, daß jedem V., auch dem vom Vater ernannten und dem gesetzlichen, ein obrigkeitliches Dekret ertheilt werde, und ließen erst von diesem Zeitpunkt ab sein Amt beginnen. Als das fremde Recht übemommen wurde, war die Vormundschaft mehr und mehr aus einer Familiensache eine Staats- oder Gemeindeangelegenheit geworden; man hatte die Anschauung, daß der Schützling zu einem nützlichen Staatsbürger erzogen werden müsse, und legte daher die eigentliche Führung der Vormundschaft in die Hand staatlicher Behörden, als deren bloßes Organ der vom Staate bestellte und von seinen Behörden aufs eingehendste be­ aufsichtigte Vormund handelte, man nannte deshalb die staatliche, meistens von den Gerichten geübte, Thättgkeit Obervormundschaft. In neuerer Zeit hat eine andere Anschauung Platz gegriffen, man hat den Vormund in der Vermögensverwaltung grundsätzlich wieder selbständig gemacht, ihn in manchen Fällen an die Zustimmung eines zweiten Vormundes, in anderen an die des BormundschastSgerichts gebunden, seine gesummte Thätigkeit aber der fortlaufenden Aufflcht des Gerichts unterworfen. Das BGB ist dieser neueren Auffassung gefolgt, ihm ist die Vormundschaft eine private Familien­ sache und zugleich eine öffentliche Angelegenheit, an der sowohl die Gemeinde als der Staat interessirt ist. Daher sind die Rechte der Familie gegenüber dem gemeinen Rechte erweitert, der Vor­ mund verwaltet das Vermögen grundsätzlich selbständig, er ist aber sowohl dem Mündel als dem durch das Vormundschaftsgericht vertretenen Staate fortlaufend zur Rechenschaft verpflichtet; gewisse Rechtsgeschäfte darf er nur mit Zustimmung eines Gegenvormundes, andere nur mit der des Gerichts vornehmen. Auch das neue Recht macht den oben bezeichneten Gegensatz von Vormundschaft

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und Pflegschaft, und es kennt eine Vormundschaft über Minder­ jährige, sowie eine solche über schutzbedürftige Großjährige. § 271.

Die Vormundschaft über Minderjährige.

I. Die Vormundschaft über einen Minderjährigen wird er­ forderlich nach altem Recht, wenn er nicht unter väterlicher, nach neuem Recht, wenn er nicht unter elterlicher Gewalt steht; dies ist der Fall, wenn er unehelich geboren ist, wenn er aus einer nichtigen Ehe stammt, deren Nichtigkeit beiden Eltern bekannt war, wenn beide Eltern oder seine etwaigen Adoptiveltern todt oder für todt erllärt sind, wenn das Adoptivverhältniß wieder aufge­ hoben ist, wenn der Vater die elterliche Gewalt verwirkt hat und die Ehe noch besteht, wenn auch der Mutter die elterliche Ge­ walt fehlt, oder wenn die Mutter zu einer neuen Ehe schreitet. Eine Vormundschaft ist ferner erforderlich, wenn die elterliche Ge­ walt zwar nicht aufgehoben ist, aber ruht, ohne daß beim Ruhen der väterlichen Gewalt die elterliche Gewalt auf die Mutter über­ geht, oder wenn den Eltern die Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes entzogen ist (§ 1166 BGB). n. Wie nach gemeinem so wird nach neuem Recht der Vormund von Amtswegen vom Gericht bestellt; sein Amt beginnt daher erst mit dem Augenblick, in welchem er vom Gericht auf treue und gewissenhafte Fühmng'der Vormundschaft verpflichtet worden ist. Unmittelbar kraft gesetzlicher Vorschrift kann der Vormund nur in dem dem Landesrecht überlassenen Falle ein­ treten, wenn sich das Mündel in einer unter staatlicher Verwal­ tung oder Aufsicht stehenden Erziehungs- oder Verpflegungsanstalt befindet, in welchem Falle die gesetzliche Vormundschaft des Vor­ standes oder anderer Beamten dieser Anstalt Platz greifen kann (Slrt 136 EG z. BGB). Voraussetzung der Bestellung ist die Berufung. Zur Vormundschaft berufen ist in nachstehender Reihenfolge 1. wer vom Vater (unter den Voraussetzungen des § 1777), 2. oder von der Mutter (unter denselben Voraussetzungen), in einer letztwilligen Verfügung benannt ist; 3. der Großvater des Mündels von väterlicher Seite hin­ sichtlich seiner ehelichen Enkel; 4. der Großvater von mütterlicher Seite (also auch der des unehelichen Kindes). Zur Vormundschaft über ein uneheliches Kind ist vor allen anderen Personen die Mutter berufen (§§ 1778 Abs. 3, 1776, 1777); die Berufung der ehelichen Mutter war nicht erforderlich, da auf sie die elterliche Gewalt übergeht und in den Fällen, in

denen dieser Uebergang nicht stattfinden kann, die Mutter auch als Vormund ungeeignet ist. Zum Vormunde über eine Frau ist vor allen Anderen der Mann berufen. Der berufene V. ist daher nicht identisch mit dem t. testamentarius des bisherigen Rechts, berufener V. ist vielmehr der­ jenige, der entweder vom Gesetze unmittelbar oder durch eine vom ehelichen Vater oder der ehelichen Mutter getroffene Bestimmung und aus diesem Grunde auch vom Gesetze vor anderen Personen bevorzugt ist. Ist ein solcher V. nicht vorhanden, so hat das Vormundschaftsgericht nach Anhömng des Waisenrathes einen Vor­ mund auszuwählen. Die Wahl soll auf eine nach Lage der Ver­ hältnisse geeignete Person, sie kann daher auf die nicht mit der elterlichen Gewalt ausgestattete Mutter (§ 1783), sie darf nicht auf eine nach § 1780 unfähige (geschäftsunfähige oder entmündigte) und sie soll nicht auf eine nach §§ 1781, 1782 untaugliche Person fallen. Ist eine unfähige Person ausgewählt, so ist die Bestellung nichtig, die Bestellung einer untauglichen Person aber bleibt gültig. Die Uebernahme der Vormundschaft ist eine öffent­ lich-rechtliche Pflicht, das Gericht kann deshalb den Ausgewählten durch Androhung und Verhängung von Ordnungsstrafen zur Ueber­ nahme anhalten, grundlose Weigemng begründet zugleich die privattechtliche Pflicht, dem Mündel Schadensersatz zu leisten, eine unter die Obligationen aus unerlaubten Handlungen fallende Verbindlichkeit (§§ 1787, 1788). Die Weigerung ist stets dann eine unbegründete, wenn sie sich nicht auf einen der von § 1786 aufgezählten Ablehnungsgründe stützt. — In der Regel wird für mehrere Geschwister (auch uneheliche, welche ver­ schiedene Väter haben) nur ein Vormund bestellt (§ 1775); doch können für ein oder mehrere Mündel mehrere V. bestellt werden.

III. Der Vormund ersetzt dem Mündel die elterliche Gewalt, aber sein Amt ist kein angeborenes, sondern ein überttagenes, er übt cs aus nicht in seinem, sondern im privaten Interesse des Mündels und im öffentlichen Interesse, das Amt des V. ist daher eine Pflichtstellung; es fehlt ihm vor allem die mit der elter­ lichen Gewalt verknüpfte Nutznießung, und die ihm eingeräumten Befugnisse dienen nur der wirffamen Ausübung seiner Pflichten: diese umfassen die Fürsorge für die Person und für das Vermögen des Mündels. Damit unttennbar verknüpft ist seine Stellung als gesetzlicher Vertreter des Mündels (§§ 1793, 1796, 1800, 1801). Der letzteren Eigenschaft wegen erhält der Vormund eine Be­ stallung (tutorium) d. h. ein öffentliches Zeugniß, daß er Vor­ mund sei (§ 1791).

698 Es kann in jedem Falle, es soll aber dann, wenn mit der Führung der V. eine nicht unerhebliche Vermögensverwaltung verknüpft ist, ein Gegenvormund bestellt werden. Dieser hat den Vormund in der gesammten Geschäftsführung, also auch in der Sorge für die Person des M. zu überwachen (§ 1799). Auf seine Berufung und Bestellung finden die für den Vormund gegebenen Vorschriften Anwendung (§ 1792). Die Vertretung des M. durch den Vormund ist in allen denjenigen Fällen ausgeschlofien, in welchen ein Widerstreit der Interessen Beider obwaltet (§ 1795), das Gericht kann dem V. aber auch noch die Vertretung in anderen Fällen entziehen. Ist in einem solchen Falle nicht ein Mitvormund vorhanden, so muß ein Pfleger bestellt werden (§§ 1794—1796, 1909).

In der Verwaltung des Vermögens ist der Vormund selb­ ständig. Doch ist dies nur der durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochene Grundsatz: A) Verboten sind dem Vormunde Schenkungen aus dem Mündelvermögen (ausgenommen solche, die üblich sind, wie z. B. Trink­ gelder, Weihnachtsgeschenke).

B)

Eingeschränkt ist der Vormund:

1. in der Anlegung von Mündelgeld (welche z. B. nur in sicheren inländischen Hypotheken, verbrieften Fordemngen gegen das Reich, einen Bundesstaat, eine hierzu für geeignet erklärte in­ ländische Körperschaft oder bei einer inländischen obrigkeitlich be­ stätigten und hierzu für geeignet erllärten Sparkasse erfolgen darf §§ 1807 ff.), ferner durch die Vorschrift, daß die Jnhaberpapiere des Mündels nebst Erneuerungsscheinen hinterlegt werden müssen

(§ 1814). Der Hinterlegung bedürfen nicht die Sparkassenbücher, denn sie sind keine Jnhaberpapiere (§ 793, 808); 2. durch die Mitwirkung des etwa vorhandenen vormundes.

Gegen­

a) Er soll die Anlegung von Mündelgeld bei Sparkassen oder der Reichsbank, einer Staatsbank oder einer durch Landesgesetz zugelassenen Bank oder einer Hinterlegungsstelle nur mit Geneh­ migung des Gegenvormundes vornehmen; er d) muß die Genehmigung des Gegenvormundes einholen, wenn es sich handelt um die Verfügung (durch Einziehung, Erlaß, Abtretung, Verpfändung, Verkauf) über eine Forderung oder ein. anderes Recht, kraft dessen der Mündel eine Leistung verlangen kann, oder um die Verfügung über ein Werthpapier des Mündels (88 1812, 1813);

3. durch die Mitwirkung des Vormundschaftsgerichts. Gänzlich uneingeschränkt, abgesehen von Schenkungen, ist der Vormund lediglich in der Verfügung über bewegliche Sachm. Der Vormund hat schon nach der Gesetzgebung des 16. Jahr­ hunderts und nach neuem Recht (§§ 1840 ff.) über seine Ver­ mögensverwaltung dem Vormundschaftsgerichte jährlich Rechnung zu legen und dem etwa vorhandenen Gegenvormunde den Ver­ mögensbestand nachzuweisen und die Rechnung vorzulegen. Der befreite Vormund hat nur eine Uebersicht des Bermögensbestandes einzureichen. Diese Uebersicht hat nur anzugeben, welches Vermö­ gen vorhanden und wie es angelegt ist, während die Rechnungs­ legung die Einnahmen anzuführen und die Ausgaben nachzuweisen hat (§ 259). Das Rechtsverhältniß zwischen Vormund und Mündel wurde im römischen Recht als Quasikontrakt und zwar nach Analogie des Mandats behandelt, daher dem Mündel die a. tutelae directa, dem V. die a. tutelae contraria gegeben. Nach neuem Recht entsteht zwischen beiden eine gesetzliche Obligation. Aus dieser ent­ springt für den M. der Anspruch auf Herausgabe des Vermögens nach dem Erlöschen der Vormundschaft und auf Schadensersatz wegen schuldhafter Pflichtverletzung mit dem Augenblick der Schadenszufügung. Soll der letztere Anspmch während der Dauer der Vormundschaft erhoben werden, so ist die Bestellung eines Pflegers erforderlich. Die Verjährung beginnt aber erst mit Auf­ hebung der Vormundschaft (§§ 1833, 204, 206, 1909). Mehrere Verpflichtete, also z. B. Vormund und Gegenvormund oder mehrere Mitvormünder haften als Gesammtschuldner. Verwendet der V. Geld des M. für sich, so unterliegt er der gesetzlichen Verzinsungspslicht (4%, § 246). Der Vormund hat Anspmch auf Quittungs­ leistung, nachdem er Schlußrechnung gelegt, auf Ersatz von Auf­ wendungen und, sofem ihm eine solche vom Vormundschastsgericht ausnahmsweise zugebilligt worden, auch auf Vergütung (§§ 1835, 1836, 368).

§ 272.

Das Vormundschaftsgericht.

Vormundschaftsgericht ist das Amtsgericht (vgl. jedoch Art. 147 EG. z. BGB), und zwar regelmäßig dasjenige, in dessen Bezirk der Mündel zu der Zeit, zu welcher die Vormundschaft nothwerü)ig wird, seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes seinen Aufenthalt hat (§§ 35, 36 GfteiwG). Es hat die Aufgabe dafür zu sorgen, daß schutzbedürftige Personen einen geeigneten Vormund haben und daß der bestellte Vormund pflichtgemäß handele; es hat also über die gesammte Thätigkeit

700 des Vormundes und des Gegenvormundes eine fortlaufende Auf­ sicht, es kann gegen Pflichtwidrigkeiten des V. oder Gegenvor­ mundes durch Gebote und Verbote einschreiten und seinen Anord­ nungen durch Androhung und Verhängung von Ordnungsstrafen Nachdmck verleihen (§ 1837). Es kann ferner jederzeit Auskunft verlangen. Dazu treten zwei wichtige Funktionen: 1) Für eine ordnungsmäßige Erziehung des M. kann es dadurch sorgen, daß es auch entgegen der Auffassung des Vormundes die Unterbrin­ gung des Mündels in einer geeigneten Familie oder in einer Erziehungs- oder Besserungsanstalt anordnet (§ 1838). 2) Die Auf­ sicht über die Vermögensverwaltung führt es besonders dadurch, daß es die vom Vormund und Gegenvormunde für bestimmte, höchstens dreijährige Zeitabschnitte einzureichenden Rechnungen nebst Belägen prüft. Soweit das Gericht nur Aufsichtsbefugnisse übt, bleibt es immer der Vormund oder Gegenvormund, welcher die einzelne vor­ mundschaftliche Thätigkeit ausübt, das Gericht hat außer dieser beaufsichtigenden und anordnenden Thätigkeit aber auch die Befugniß zu selbständiger Thätigkeit: es ertheilt oder verweigert die Genehmigung von Rechtsgeschäften, die der V. Namens des M. schließt, oder es ergänzt die Genehmigung des Gegen­ vormundes, sei es, daß dieser sie grundlos verweigert, oder daß ein Gegenvormund nicht bestellt ist. Der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedürfen eine Reihe vom Gesetz (§§ 1821, 1822) aufgeführte besonders wichtige Rechtsgeschäfte, z. B. die Verfügung über Grundstücke des Mündels, sowie die Begriindung einer Verpflichtung hierzu, Verträge, die auf den entgeltlichen Erwerb oder die Ver­ äußerung eines Erwerbsgeschäftes gerichtet sind, Pachtverträge über Landgüter, Lehrverträge, die für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden u. a. Ferner soll in ge­ wissen Fällen die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach­ gesucht werden (§§ 1823, 1824). Der Mangel der Genehmigung des Gegenvormundes oder des Vormundschaftsgerichts oder des volljährig gewordenen Mündels wirkt verschieden. Ist nämlich die Beibringung der Genehmigung dem Vormunde nur zur Pflicht gemacht („soll"), so ist das nicht genehmigte Geschäft doch wirk­ sam, aber der Vormund setzt sich mit der von ihm begangenen Pflicht­ widrigkeit einer Rüge von Seiten des Vormundschaftsgerichts und einem Schadensersatzanspruche von Seiten des Mündels aus. Ist aber die Genehmigung nothwendig („bedarf"), so ist das nicht genehmigte Geschäft unwirksam, d. h. es ist vorläufig nichtig , es kann aber durch nachträgliche Beibringung der Genehmigung gültig

werden. Dieser Grundsatz gilt unbedingt nur für einseitige Rechts­ geschäfte (§ 1831), ein nicht genehmigter, offensichtlich Namens des Mündels geschlossener Vertrag ist ein negotium claudicans, d. h. der andere Theil ist an den Vertrag gebunden und kann nicht widerrufen, er kann aber den für ihn lästigen Schwebezustand be­ seitigen, indem er den V. zur Beibringung der Genehmigung auf­ fordert. Denn ist die Aufforderung geschehen, so kann die Mittheilung von der Genehmigung nur bis zum Ablaufe von zwei Wochen geschehen. Erfolgt sie innerhalb der Frist, so ist auch der Mündel gebunden, also der Vertrag für beide Theile wirksam geschlossen; erfolgt sie nicht innerhalb der Frist, so ist auch der andere Theil frei, denn in diesem Falle gilt die Genehmigung als verweigert (§1829). Ein Widerrufsrecht hat der andere Theil nur dann, wenn ihm gegenüber fälschlich die Genehmigung behauptet worden ist und er die Unrichtigkeit dieser Behauptung nicht kennt (§ 1830). Die Genehmigung des Gerichts kann nur dem Vormunde gegenüber erklärt werden, dieser hat sie dem anderen Theile nach­ zuweisen (§§ 1828, 1829). Die Genehmigung gehört zwar zur Wirksamkeit des Rechts­ geschäftes, ist aber selbst kein Rechtsgeschäft, sondern ein obrigkeit­ licher Akt. § 273.

Der Gemeindcwaisenrath.

Der Gemeindcwaisenrath, eine Einrichtung modernen Partikular­ rechts und des BGB (§§ 1849—1851), ist Organ des Vormund­ schaftsgerichts; er ist aber dem Gerichte nicht unter-, sondern bei­ geordnet, und seine Bestellung ist Gemeindeangelegenheit. Seine Aufgaben bestehen vornehmlich in der Erstattung von Anzeigen über diejenigen Fälle, welche die Einleitung einer Vormundschaft erforderlich machen, und in der Auswahl und Benennung der Vor­ münder sowie in fortlaufender Aufsicht über das persönliche Wohl des Mündels. Er ist aber auch verpflichtet, dem Vormund­ schaftsgericht von einer zu seiner Kenntniß gelangten Gefährdung des Mündelvermögens Anzeige zu machen. Ueberhaupt steht ihm kein eigenes Eingriffsrecht, sondern nur die Befugniß, aber auch die Pflicht zu, dem Vormundschaftsgerichte von Pflichtwidrigkeiten Mittheilung zu machen. § 274.

Der FamUienrath.

Schon nach römischem Recht war die Vormundschaftsbehörde befugt, bei wichtigen Angelegenheiten Familienangehörige des M. zu hören. Zu einer Rechtseinrichtung aber ist die Zuziehung der

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Familie erst durch das französische Recht und im Jahre 1875 durch das preußische Recht erhoben worden. Ihnen folgt das BGB durch Gestaltung des Familienrathes zu einer Vormundsihastsbehörde (§§ 1858—1881). Er hat die Rechte und Pflichten des Bormundschastsgerichts und setzt sich zusammen aus dem Bormundschastsrichter als Vor­ sitzendem und mehreren Mitgliedem (auch weiblichen), welche ent­ weder letztwillig vom Vater oder der ehelichen Mutter benannt sind oder vom Bormundschaftsrichter nach Anhörung des Gemeinde­ waisenraths und der Verwandten oder Verschwägerten des Mündels ausgewählt werden. Der F. wird nicht von Amtswegen, sondern zu­ folge letztwilliger Anordnung oder auf Antrag des Vormunds oder Gegenvormunds oder Verwandter oder Verschwägerter des Mündels gebildet.

§ 275. Befreite Vormundschaft. Voraussetzung einer Befreiung ist eine letztwillige Anordnung des Inhabers der elterlichen Gewalt. Sie stellt den Vormund selbstänoiger, als er nach dem Gesetze steht, indem sie bestimmte Einschränkungen beseitigt. Süigeorbnet wird sie entweder in der Weise, daß schlechthin die Beftemng ausgesprochen wird, in welchem Falle alle einzelnen Befreiungen eintreten, die das Gesetz überhaupt zuläßt, oder so, daß besondere Befreiungen gewährt werden. Als solche können nur bestimmt werden: 1. die Entbindung von der Verpflichtung, Rechnung zu legen (es tritt dann eine Nachweisung des jeweiligen Bestandes und der Art der Anlegung an ihre Stelle, s. oben § 271 S. 699); 2. die Befreiung von der Verpflichtung, Inhaber- und Ordre­ papiere zu hinterlegen, oder Sperrvermerke bei Buchforderungen gegen das Reich oder einen Bundesstaat herbeizuführen (§ 1806);

3. die Befreiung von der Beobachtung einer Reihe der für Anlegung von Mündelgeld (gemäß §§ 1809—1811) gegebenen Vorschriften. 4. Ist in der Anordnung ein Vormund benannt, so kann auch die Bestellung des Gegenvormundes ausgeschlossen werden. Diese Aus­ schließung hat die oben erwähnten Befreiungen ohne Weiteres zur Folge. § 276.

Beendigung der Vormundschaft.

Die Vormundschaft hört auf mit dem Wegfall ihrer Veranlassung (§§ 1882, 1773); also abgesehen davon, daß sie mit dem Tode (oder der Todeserklämng) des Mündels endigt, hört sie auf, sobald

der M. volljährig geworden oder für volljährig erklärt worden ist, ferner wenn er unter elterliche Gewalt tritt (f. oben § 2711). Sie endigt aber nicht mit der Verheirathung des Mündels. In jedem Falle kann die Vormundschaft nur aufhören mit dem Eintritt eines bestimmten, urkundlich nachweisbaren Ereignisses; sie endet daher nicht schon mit dem Abschluß der legittmirenden Ehe unter den Eltern des Mündels, sondern erst mit der Rechts­ kraft des Urtheils, das die Vaterschaft des Ehemannes zum Mündel feststellt, oder mit der vom Vormundschastsgerichte selbst auf Grund eigener Sachprüfung erlassenen Anordnung, insbesondere also, wenn der Ehemann die Vaterschaft zum M. anerkannt hat; die Vormundschaft über einen Entmündigten endet mit der Auf­ hebung der Entmündigung (§§ 1883, 1896). Nur das Amt dieses Vormundes endet mit seinem Tode (Todeserklärung), seiner Entmündigung oder seiner Entlassung, welche zu verfügen ist, wenn er sich pflichtwidrig erweist ober einer der oben angeführten Untauglichkeits-Gründe nachttäglich eintritt (§§ 1885, 1886). Eine Frau ist zu entlassen, wenn sie sich verheirathet und der Mann, der nicht der Vater des Mündels ist, seine Zustimmung zur Uebernahme nicht ertheilt ober sie roiberruft; von diesem Falle abgesehen, kann eine Frau mit ihrer Verheirathung entlassen werden (§ 1887)?) Der Vormund kann endlich auf seinen Anttag aus wichtigen Gründen entlassen werden (§ 1889). Nach Beendigung seines Amtes hat der Vormund Schluß­ rechnung zu legen und das von ihm verwaltete Vermögen dem Mündel herauszugeben. Soweit die Schlußrechnung anerkannt wird, hat das Vormundschaftsgericht dies zu beurkundm. Außerdem hat der Vormund gegen den früheren Mündel einen Anspruch auf Quittungsleistung (§ 368). § 277.

Die Vormundschaft über Volljährige.

Nur entmündigte Volljährige (Geistesttanke, Geistesschwache, Verschwender und Trunksüchtige) erhalten einen Vormund (§ 1896). Die Entmündigung wegen Geistesttankheit eines Volljährigen tritt aber erst mit der Bestellung des Vormundes, die Entmündigung eines Geistesschwachen, Verschwenders oder Trunksüchtigen schon mit der Zustellung des Entmündigungsbeschlusses an den Ent­ mündigten ein (§§ 661,684 CPO). In allen Fällen hat das mit der *) Ein Beamter oder Religionsdiener kann zwar ohne Genehmigung seiner vorgesetzten Dienstbehörde zum Vormund bestellt werden, er wird aber ent­ lassen, sobald diese Genehmigung versagt oder zurückgenommen wird (§ 1888).

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E. befaßte Prozeßgericht von feinem Beschlusse dem Vormundschastsgerichte Mittheilung zu machen. Diese Vormundschaft steht unter den für Vormundschaften über Minderjährige gegebenen Grundsätzen. Indessen fehlt hier das Berufungsrecht des Vaters oder der Mutter, und kraft Gesetzes ist vor den Großvätern be­ rufen zunächst der Vater des Entmündigten, dann die eheliche Mutter (vgl. die Ausnahmen § 1899 Absatz 2 und 3). Nur diese Personen sind berufene Vormünder (§ 1899). Bei der Auswahl eines anderen Vormundes ist das Gericht zwar frei, doch soll es auch hier nahestehende Personen bevorzugen. Daher kann eine Eheftau zum Vormunde ihres Mannes, selbst ohne dessen Zu­ stimmung und es darf der Ehegatte vor den Eltern und den Großvätern des Mündels, die uneheliche Mutter vor ihrem Vater zum Vormunde ihres Kindes bestellt werden (§ 1900). Die V. über Volljährige ist im Wesentlichen Vermögensverwaltung, eine Sorge für die Person des Mündels findet nur insoweit statt, als der Zweck der Vormundschaft es erfordett (Beaufsichtigung, Pflege u. s. w.), und auch innerhalb dieses Kreises wird der Vormund gut thun, sich mit dem Entmündigten zu verständigen und möglichst in seinem Sinne zu handeln. Ist der Vater oder die eheliche Mutter Vormund, so ist die Vormundschaft überdies eine befreite, und die Bestellung eines Gegenvormundes findet neben dem Vater überhaupt nicht, neben der Mutter nur auf deren Anttag statt (§§ 1903, 1904). Die Vormundschaft endigt ohne weiteres mit dem Tode (Todeserklämng) des Mündels oder mit der Aufhebung des die Ent­ mündigung aussprechenden Beschlusses (§§ 678, 685 CPO). Ein Volljähriger, dessen Entmündigung beanttagt ist, kann unter vorläufige Vormundschaft gestellt werden, sofern dies zur Abwendung einer erheblichen Gefährdung der Person oder des Vermögens des Volljährigen erforderlich erscheint (§§ 1906—1908). 8 278.

Die Pflegschaft.

Die Pflegschaft ist im Gegensatze zur Vormundschaft eine nur bestimmte einzelne oder einen bestimmten Kreis von Angelegen­ heiten betreffende staatliche Fürsorge für einen Schutzbedürftigen. Doch ist der Pfleger innerhalb dieser Grenzen gesetzlicher Ver­ treter des Pflegebefohlenen. Einen Pfleger erhalten hiernach: 1. unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft stehende Personen, für Angelegenheiten, an deren Besorgung der Gewalt­ haber oder Vormund verhindert ist, sei es, daß die Interessen des Gewalthabers oder Vormundes mit denen des Mündels wie z. B. bei einem Verttagsschluß unter ihnen, in Widerstreit

gerathen, oder daß der Gewalthaber oder Vormund wegen Ab­ wesenheit oder Krankheit an der Ausübung seiner Fürsorgethättgkeit thatsächlich verhindert ist (§ 1909). Ein besonderer Fall ist der, daß einer unter elterlicher Ge­ walt oder Vormundschaft stehenden Person durch einen D'rittm, sei es von Todeswegen oder schenkungsweise unter Lebenden, Ver­ mögen zugewendet wird mit der Anordnung, daß die Verwaltung dem Gewalthaber oder Vormunde nicht zustehen soll.

2. Von anderen Schutzbedürftigen erhalten einen Pfleger: a) Volljährige, welche in Folge körperlicher Gebrechen tz. B. Taubheit, Blindheit) ihre Angelegenheiten nicht zu besorgen vermögen, sei es nur für ihre Person oder nur für ihr Vermögen oder für beides; b) Volljährige, Gebrechen einzelne heiten nicht besorgen Die Pflegschaft mit ihm möglich ist,

welche in Folge körperlicher oder geistiger oder einen bestimmten Kreis von Angelegen­ können. zu a und b darf, falls eine Verständigung nur mit Einwilligung des Gebrechlichen ein­

gesetzt werden (§ 1910).

c) Volljährige Abwesende, deren Aufenthalt unbekannt ist oder die an der Rückkehr und der Besorgung ihrer Angelegen­ heiten verhindert sind, für ihre Bermögensangelegenheiten (§ 1911). In allen diesen Fällen ist die eigene Geschäftsfähigkeit des unter Pflegschaft Gestellten nicht beschränkt (ausgenommen im Prozeß § 53 CPO).

d) Die eheliche oder uneheliche Leibesfrucht (falls bei der schon erfolgten Geburt eine Vormundschaft oder Pflegschaft ein­ zuleiten sein würde) zum Zwecke der Wahrung ihrer Mnstigen Rechte (§ 844 ^Schadensersatz im Fall der Tödtung des Unter* haltspflichtigens § 1716 (Hinterlegung der Alimente eines unehe­ lichen Kindes schon vor der Geburt) und im Erbrecht sz. B. in den 88 1923 Abs. 2, 21781, sowie zur Erhaltung von Anwart­ schafts-Rechten bei Familienfideikommissen und Stiftungen. e) Unbekannte oder ungewisse Betheiligte, insbesondere Nacherben, die noch nicht erzeugt, ja noch nicht einmal empfangen sind oder deren Persönlichkeit durch eine zur Zeit des Erbfalls noch nicht eingetretenes Ereigniß bestimmt wird. Hierher gehört besonders der Fall der sogen. Descendenzpflegschaft. Diese Pflegschaften sind sämmtlich Personal-Pflegschaften. Eine Real-Pflegschaft oder eine Güterpflege wird eingeleitet, wenn ein durch öffentliche Sammlung zu einem voriibergehenden Zweck zusammengebrachtes Vermögen in Folge Wegfalls der zur Engelmann, d. alte u. d. neue bürgerliche Recht.

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Verwaltung und Verwendung des Vermögens berufenen Personen der natürlichen Verwaltung entbehrt, und im Falle der Bermögensbeschlagnahme (§§ 324, 480 StrPO). Die für die Vormundschaft geltenden Vorschriften gelten auch für die Pflegschaft; doch bestehen einzelne Abweichungen in­ sofern, als die Pflegschaft stets eine cura dativa ist; nur in dem Falle zu 1 kann eine Berufung durch den Zuwendenden stattfinden. Die Pflegschaft endigt von selbst nur: a) in dem Falle zu 1 (unter Gewalt oder Vormundschaft stehende Personen) mit Beendigung der elterlichen Gewalt oder der Vormundschaft, b) in dem Falle zu 2 d (Leibesfrucht) mit der Geburt des Kindes, c) in dem Falle zu 2 c (Abwesende), wenn der Abwesende für todt erklärt wird, mit der Erlassung des Urtheils, und natürlich mit der Rückkehr des Abwesenden. In allen anderen Fällen endet die Pflegschaft durch aus­ drückliche Aufhebung (durch Beschluß des Gerichts), es bleiben daher sämmtliche bis dahin vom Pfleger vorgenommenen Rechts­ handlungen wirksam, auch wenn der Grund zur Anordnung der

Pflegschaft vor dem Erlaß des Beschlusses weggefallen war. Ueber die Nachlaßpflegschast, welche vom Nachlaßgericht anzuordnen ist, wird im Erbrecht gehandelt werden.

Sechstes Buch: Das Erbrechts. Erster Abschnitt: Mgemeine Lehren. § 279.

Begriff und Uebersicht.

Unter Erbrecht im objektiven Sinne begreift man die Rechts­ regeln, nach denen sich der Uebergang des Vermögens eines Ver­ storbenen auf andere Personen bestimmt. Der Uebergang vollzieht sich auf Grund des Erbfolgerechts (Erbrechts im subjekttven Sinne, jus succedendi) und im Wege der Einzelvergabung. Zwischen beiden besteht der Unterschied, daß die Erbfolge den Eintritt in einen Inbegriff von Rechtsverhältnissen bedeutet, die Einzelver­ gabung (Vermächtniß, Schenkung von Todes wegen) den Erwerb eines einzelnen Rechtes begründet. Das Erbfolgerecht kann für den Erben einen Nachtheil zur Folge haben, die Einzelvergabung verschafft dem Bedachten stets einen Vermögensvortheil. Das gegenwättige gemeine Erbrecht beruht fast ausschließlich auf den Gmndsätzen des römischen Rechtes, die davon abweichenden deutschrechtlichen Gmndsätze haben sich nur im Partikularrecht er­ halten. Die Partikularrechte haben aber auf das BGB einen stärkeren Einfluß geübt als das gemeine Recht, es sind deshalb in das BGB so zahlreiche Sätze des deutschen Rechtes überge­ gangen, daß das neue Recht als eine Verschmelzung römisch­ rechtlicher und deutschrechtlicher Gedanken erscheint. Dem römischen Rechte war der Gegensatz von hereditas und bonorum possessio eigenthümlich. Jene war das altcivile Erb­ recht, diese bestand in einem vom Prätor ertheilten Erbschastsbesitz. Die b. p., anfangs gegeben adjuvandi Juris civilis gratia d. h. um dem Erben (dem heres) die Vortheile des Erb­ schaftsbesitzers zu verschaffen (insbesondere das interdictum quorum bonorum), wurde sie später auch supplendi Juris civilis gratia ertheilt, d. h. um den Nachlaß Personen zu verschaffen, die zwar *) Strohal: Das deutsche Erbrecht nach dem BGB. 1896. Dazu Küntzel in seinen und Rassows Beiträgen Bd. 41 S. 583 ff, 808sf.

708 nicht nach dem jus civile, wohl aber nach den veränderten An< schauungen der späteren Zeit Berücksichtigung verdienten und ohne deren Einweisung der Nachlaß der nach altrömischem Rechte möglichen Ausplünderung oder Ersitzung anheimgefallen wäre; endlich gab man sie corrigendi juris civilis gratis d. h. auch dann, wenn ein heres vorhanden war. Es konnte danach geschehen, daß der heres zugleich bonorum possessor war, aber auch, daß heres und bonorum possessor einander gegenüberstanden. Im letzteren Falle hatte der heres nicht unbedingt den Vorzug vor dem nur Eingewiesenen, denn da es vom Prätor abhing, im Prozesse die condetnnatio des bonorum possessor zu verhindern oder auf Klage des bonorum possessor die condemnatio des heres anzu­ ordnen, war den prätorischen Einweisungen mittelbar Geltung, auch gegen die Berufung auf das Civilrecht, gesichert. So kam es, daß der bonorum possessor ganz wie ein Erbe behandelt wurde, d. h., daß er die Erbschaftsansprüche des heres als utiles geltend machen durfte, daß er sich auf die Ansprüche der Nachlaßgläubiger einlassen mußte, und daß er sich selbst als Erbe (heredis loco) ansah; dies hatte weiter zur Folge, daß die Ein­ weisungen nicht Sache der Willkür des Prätors waren, sondern ein System bildeten und bestimmten Grundsätzen unterlagen. So konnte es kommen, daß der heres vorging (bonorum possessio sine re), daß der bonorum possessor vorging (b. p. cum re) oder daß beide den Nachlaß theilten (b. p. pro parte cum re, pro parte sine re). Dieses Nebeneinanderstehen zweier einander ergänzender Erbrechtssysteme, in welchen sich die historische Bedeutung des Gegensatzes von jus civile und jus honorarium zeigte, änderte sich in der späteren Kaiserzeit, insbesondere unter Justinian, da­ mit, daß man das jus civile durch Gesetz änderte und also auf dem Wege der lex den Anschauungen Rechnung trug, die bisher nur durch das prätorische Edikt vertreten waren. Die b. p. hat deshalb in der Gesetzgebung Justinians ihre Bedeutung fast ganz, im gemeinen Recht dagegen vollständig verloren. Denn im neueren Recht giebt es nur gesetzlich anerkannte Erbrechte; wenn also, wie es nach neueren Rechten und nach BGB zulässig ist, das Nachlaßgericht demjenigen, der ihm gegenüber ein Erbrecht in hohem Grade wahrscheinlich macht, einen sog. Erbschein und da­ mit die Befugniß ertheilt, die Stellung eines Erben einzunehmen, so erlangt der so Eingewiesene das Erbrecht doch nicht durch diese gerichtliche Anordnung, sondern nur dann und nur insoweit, als er nach dem Gesetze wirklicher Erbe ist.

§ 280.

Die Erbfolge als Nniversalsuccession.

Nach römischem Rechte bewirkte die Erbfolge eine Rechts­ nachfolge in die gesammten Vermögensrechtsverhältnisse des Ver­ storbenen, eine Gesammtnachfolge oder Universalsuccession. An diesem Grundsätze hat das römische Recht bis zuletzt festgehalten. Er hat zur Folge, daß der Nachlaß als eine Einheit behandelt wird und daß der Erbe auch für die Schulden des Erblassers in gleicher Weise einsteht, als wären es seine eigenen Schulden. Dem deutschen Rechte war der Gedanke einer Universal­ succession fremd. Nach ihm bildete der Nachlaß nicht eine Einheit, sondern nur einen durch die Person des Erblassers zusammen­ gehaltenen, mit seinem Tode sich auslösenden Inbegriff von Ver­ mögensrechten, und die Schulden waren aus dem Nachlasse zu berichtigen. Mit dem römischen Rechte ist auch der Grundsatz der Universal­ succession in Deutschland ausgenommen worden, aber in der Milde­ rung, die er durch Justinian erfahren, und mit den Einschränkungen, die einzelne partikular erhalten gebliebene deutschrechtliche Institute nothwendig machten. Aus dem gemeinen Rechte ist der Grundsatz der Universalsuccession in das BGB übergegangen, indem dieses in § 1922 bestimmt, daß das Vermögen des Verstorbenen „als Ganzes" auf einen oder mehrere Erben übergehe. Der Erbe tritt also vermögensrechtlich an die Stelle des Erblassers. Von dem Uebergange werden ergriffen nicht nur die bereits erworbenen Rechte und bereits begründeten Verpflichtungen, sondem auch die werdenden, also insbesondere die bedingten Rechtsverhält­ nisse, das durch den Beginn der Ersitzung (vgl. § 943 BGB), wie das durch einen Vertragsantrag begründete Verhältniß (§ 153 BGB). Vom Uebergange ausgeschlossen aber sind die an die Person des Erblassers gebundenen Rechte und Verpflichtungen. Das römische Recht faßte die Deliktsschuld als eine Strafe auf und behandelte sie daher als unvererblich, während auf Erstattung der durch das Delikt verursachten Bereicherung der Erbe ebenso haftete wie der Erblasser. Das kanonische Recht führte unbeschränkte Haftung des Erben auf den Schadensersatz ein, und das gemeine Recht beschränkte die Haftung auf den Betrag des Nachlasses. Das BGB aber macht zwischen Verpflichtungen aus unerlaubten Handlungen und anderen Schulden keinen Unterschied. Zur Zahlung einer Buße kann nur der Thäter verurtheilt werden. Stirbt dieser nach Eintritt der Rechtskraft des auf Zahlung einer Buße lauteuden Urtheils, so wird das Urtheil „in den Nachlaß" vollstreckt (§ 495 StPO, § 693 CPO). Der Anspruch auf eine Buße ist ein

710 höchstpersönliches Recht des Verletzten (§ 444 Abs. 4 StPO). Erlischt durch den Tod eines Theiles ein auf besonderem Vertrauen oder auf den besonderen Eigenschaften des Verstorbenen beruhendes Rechtsverhältniß, so gehen doch die durch dieses Rechtsverhältniß bereits begründeten Ansprüche auf die Erben über. Nach römischem und gemeinem Recht war der aus der Verletzung des Notherbrechts entstehende Anspruch unvererblich, nach neuem Recht (§ 2317) ist der Pflichttheilsanspruch vererblich; während ferner nach altem Recht der Besitz unvererblich war, hat ihn das neue Recht (§ 857) ausdrücklich für vererblich erklärt (s. darüber oben S. 472, 473)1). Sowohl nach römischem Recht als nach BGB (§ 1922) ist die Erbfolge in der Weise Universalsuccession, daß der Erbe in alle Rechtsverhältnisse des Erblassers eintritt. Auch wenn mehrere Erben bemfen sind, tritt ein jeder in alle Rechte ein, doch be­ schränken sie sich gegenseitig. Das deutsche Recht aber kennt sog. Specialsuccessionen, d. h. Fälle einer Nachfolge in besondere Arten von Gütern, Lehne, Familienfideikommisse, Erbpachtgüter. Das neue Recht hat ihnen die Rentengüter und die Anerbengüter hinzugefügt. Da in allen diesen Fällen der Nachfolger nicht in ein einzelnes Recht, sondern in einen Inbegriff von Rechtsverhältnissen (das Lehnsvermögen, das Fideikommißvermögen) eintritt, findet was allerdings nicht unbestritten, eine Gesammtnachfolge statt2). Der in diese Güterarten berufene Nachfolger ist an sich nicht identisch mit dem Erben, man scheidet daher den „Nachlaß", in den der „Erbe" eintritt (bei Lehnen und Fideikommissen auch Allodialnachlaß genannt) von dem Sondervermögen, in das der besonders bemfene Folger eintritt (Lehnsfolger, Fideikommißfolger)^). Das BGB behandelt nur die allgemeine Erbfolge und überläßt jene Fälle der Sondererbfolge den Landesgesetzen (Art. 59, 62—64 EG; hier werden sie am Anschlusse an die allgemeine Erbfolge besprochen werden). Die Erbfolge ist nach gemeinem und neuem Recht nicht nur eine successio in universitatem, sondern auch eine s. per Univer­ sitäten!. Der Uebergang der Rechtsverhältnisse des Verstorbenen vollzieht sich nicht nach den für die einzelnen Rechte und Ver­ bindlichkeiten maßgebenden besonderen Vorschriften (den sog. Spccial-

titeln wie Uebergabe, Auflassung, Cession u. a.), sondern durch das Erbrecht und also ohne weiteres mit dem Erwerbe der Erbschaft. *) Unvererbliche Rechte §§ 38, 514, 530, 847, 1061, 1090, 1098, 1300, 1502, 1584, 1615, 1713, unvererbliche Pflichten §§ 520, 1615, 1712 BGB. *) Stobbe, Handbuch d. deutschen Privatrechts V § 321. Gerber, System d. deutschen Privatrechts § 249. Ebenso Unger. ®) Aus diesem Grunde findet § 27 CPÖ n. F. keine Anwendung.

Der Erbe wird also ohne weiteres Eigenthümer der beweglichen und unbeweglichen Sachen, Gläubiger der Forderungen, Schuldner der Verpflichtungen des Erblassers. Das Gmndbuch, das Schiffs­ register und andere Urkunden werden demnach mit dem Tode des dort als berechtigt oder verpflichtet Bezeichneten unrichtig, der Erbe hat aber das Recht, sich selbst an Stelle des Erblassers eintragen zu lassen und auch sonst die Rechte des Erblassers geltend zu machen. § 281.

Die allgemeinen Voraussetzungen der Erbfolge.

Damit Jemand Erbe eines Anderen werde, ist nothwendig, daß er zum Erben Jenes bemfen ist. Die Berufung hat nach römischem Rechte grundsätzlich eine andere Bedeutung als im deutschen Recht: während sie dort nur die Möglichkeit gewährt, Erbe zu werden, macht sie hier den Berufenen zum Erben. Voraussetzungen der Berufung sind: 1. nach römischem und älterem deutschem Recht der Tod einer Person, des Erblassers, nach heutigem und neuem Recht (§§ 18, 1922, 2031) der Tod oder die Todeserklärung des Erb­ lassers (viventis nulla hereditas). Damit ist, wie das BGB (§ 1922) sich ausdrückt, der „Erbfall" gegeben. Die Todeserllärung begründet jedoch nur die Vermuthung, daß der Ver­ schollene zu dem im Urtherle angegebenen Zeitpunkte verstorben sei (§ 18); trifft die Vermuthung nicht zu, so kann der todt Geglaubte nach altem und neuem Recht Herausgabe seines Vermögens ver­ langen, und das BGB wendet auf seinen Anspmch die Grund­ sätze der hereditatis petitio an (§ 2031). Das Aufhören einer juristischen Person hat eine Beerbung nicht zur Folge, der Anfall des Vermögens einer aufgelösten juristischen Person bestimmt sich nach besonderen Gmndsätzen (s. oben S. 40). 2. Das Vorhandensein des Erben zur Zeit des Berufungsfalles. Dieser Zeitpunkt ist regelmäßig der Tod des Erblassers, also der Erbfall, er kann aber sowohl nach altem als nach neuem Recht auch ein späterer Zeitpunkt sein. Daß der Erbe zu dieser Zeit schon geboren sei, erfordert weder das alte noch das neue Recht, es ge­ nügt, daß er bereits erzeugt ist, ein solcher „gilt" nach der Sprech­ weise des BGB als vor dem Erbfalle geboren (nasciturus pro Jam nato habetur § 1923). Der Berufene muß erbfähig sein, eine Eigenschaft, die nach römischem Recht als ein Vorzug Aalt und zahlreichen Personen fehlte, nach gemeinem Recht aber mit der allgemeinen Rechtsfähig­ keit zusammenfällt und daher auch juristischen Personen zusteht. Eine Ausnahme machen Personen, welche das Klostergelübde ab­ gelegt haben, denn sei es, daß sie wie nach deutschem und

712 preußischem Recht als todt behandelt werden oder daß, wie nach kanonischem und gemeinem Recht, ihre Vermögensfähigkeit auf das Kloster übergeht, in jedem Falle sind sie für ihre Person ver­ mögens- und daher erbunfähig. Das BGB schließt sich dem ge­ meinen Rechte an; es kennt die Beschränkung der Mitglieder religiöser Orden nicht, daher sind auch sie künftig erbfähigx). Nach dem BGB sind insbesondere Stiftungen, die der Erblasser letzt­ willig errichtet, fähig, auf Grund derselben letztwilligen Verfügung zu erwerben (§§ 84, 2043). Vereine, die nicht rechtsfähig sind, können nicht erben (§ 54), es ist aber zu prüfen, ob nicht die einzelnen Mitglieder mit der Auflage berufen sind, das Zugewendete zu Vereins- oder Gesellschaftszwecken zu verwenden. Das römische Recht unterschied von der Erbfähigkeit die Erwerbsfähigkeit (capacitas), d. h. die Fähigkeit, etwas aus einem bestimmten Nachlasse zu erwerben. Weder das gemeine noch das neue Recht macht diesen Unterschied.

3) Es ist endlich erforderlich ein Berufungsgründ, d. h. eine Thatsache, welche gerade dieser Person die Erbberechtigung gewährt, also zwischen dem Erblasser und einer bestimmten erb­ fähigen Person vermittelt. Das römische Recht kannte zwei Berufungsgründe: Testament und Gesetz; in jenem sprach sich der Wille des Erblassers, in diesem der Wille der Allgemeinheit aus. Die gesetzliche Erbfolge galt als die subsidiäre, die nur dann eintrat, wenn ein gültiges Testament fehlte. Das Testament aber als einseitige, bis zum Tode frei widermfliche, also letztwillige Verfügung, galt dem Römer als eine Steigerung der Macht des pater familias, man legte ihm deshalb einen so hohen Werth bei, daß schon die That­ sache des Vorhandenseins eines Testamentes die gesetzliche Erbfolge auch dann ausschloß, wenn der Erblasser im Testamente nur über einen Theil seines Nachlasses verfügt hatte (nemo pro parte testatus pro parte intestatus decedere potest)'. Denn hatte der Testator seine Verfügungsmacht überhaupt bethätigt, so war sein Wille ausschließlich maßgebend und für die Anwendung des *) Doch kann die LandeSgesetzgcbung



1. den SchenkungS- und den mortis-causa=Grrocrb solcher Ordens­ mitglieder, welche ein Gelübde auf Lebenszeit oder auf unbestimmte Zeit abgelegt haben,

2. jedm Erwerb von Rechten durch juristische Personen, der einen Werth von mehr als 5000 M. zum Gegenstände hat, von staatlicher Genehmigung abhängig machen (9(rt. 86, 87 EG z. BGB). Solche Gesetze, welche den Erwerb der „todten Hand" beschränken, heißen Amortisationsgesetze.

Gesetzes kein Platz mefjr1). Einen Vertrag über die Erbfolge zu schließen, hielten die Römer für unsittlich, weil der Erblasser damit seine Tcstierfreiheit aufgab und in Abhängigkeit von seinem Erben gerathen konnte. Dem deutschen Rechte war das Testament unbekannt (null um testamentum. Tacitus Germania c. 20); wer Angehörige hatte, wurde von diesen beerbt, wer keine gesetzlichen Erben hatte, konnte bei Lebzeiten durch ein vor Gericht vorgenommenes Rechtsgeschäft (die affatomie des fränkischen Volksrechtes, die thinx oder garethinx des longobardischen Rechts) einem Mittelmanne (Treuhänder, salman) sein Gut ganz oder zu einem Theil mit der Weisung über­ geben, daß er es nach dem Tode des Erblassers dem von diesem bestimmten Erben aushändige. Diese adoptio in hereditatem beließ das Gut dem Erblasser, sie hatte nur den Zweck, die Erb­ losigkeit des Gutes und damit seinen Heimfall an Volk und König zu verhindern. Daneben gab es Vergabungen von Todeswegen (traditiones post obitum), d. h. Übertragungen von Eigenthum an einzelnen Sachen auf den Todesfall. Beide Institute ver­ schmolzen schon in früher Zeit zu einem einzigen, das darin bestand, daß auch bei der Affatomie eines ganzen Vermögens der Erwerber nicht Erbe, sondern Eigenthümer der einzelnen Stücke wurde. Kannte hiernach das deutsche Recht nur die gesetzliche Erbfolge, so galt doch diese nicht als Eintritt in ein dem Erben neues Vermögen, sondern als bloßer Wegfall des bisherigen Herrn und in Folge dessen als Übergang der Verfügungsmacht des Verstorbenen auf diejenigen, mit denen er bisher in Familien­ gemeinschaft gestanden hatte. Immerhin enthielten die Vergabungen oder Gemächde den Keim, aus dem sich später der Erbvertrag entwickelte. Das gemeine Recht übernahm die beiden Delationsgründe des römischen Rechts mit den sich an sie schließenden Rechtssätzen. Daneben entwickelte sich auf deutschrechtlicher Grundlage ein dritter Delationsgrund im Erbvertrage, indem man den römischen Satz von der Unsittlichkeit der Erbverträge verwarf und auf die Ver­ gabungen von Todeswegen und Gemächde, sofern sie ein ganzes Vermögen zum Gegenstände hatten, die römischen Grundsätze des testamentarischen Erbrechts analog anwandte. Immerhin blieb der Erbverttag ein Institut des Partikularrechts. Das BGB kennt zwei Berufungsgründe: die Verfügung *) So räthselhast wie Dernburg Pand. 3, § 57 meint, ist der Satz nicht. Viel rölhselhafter ist es, daß daS widersprechende dmtsche Rechtsbewußtsein sich nicht auf dem Wege der gemeinrechtlichen Praxis von jenem uns ganz fremden Satze befreit hak.

714 von Todeswegen und das Gesetz, aber in dem Sinne, daß die gesetzliche Erbfolge als die stets von selbst eintretende, durch Ver­ fügung von Todeswegen nur ausgeschlossene, an die Spitze gestellt (§§ 1924—1936) und erst alsdann die auf der Anordnung des Erblassers beruhende Erbfolge behandelt wird (§§ 1937 ff.). Die Verfügung von Todeswegen kann entweder ein Testament, d. h. ein einseitiges Rechtsgeschäft (§ 1937) oder ein Erbvertrag sein (8 1941). Zutreffend nennt das BGB nur das Testament eine letztwillige Verfügung, denn eben seiner Einseitigkeit wegen hat der Testator bis zu seinem Tode die Freiheit des Widerrufs, das Testament enthält also seinen letzten Willen, der Erbvertrag aber beraubt den Erblasser der Widerrufsfreiheit. Der römische Satz nemo pro parte etc. ist nach dem Vorgänge aller modernen Gesetzbücher verworfen, der Erblasser kann daher über einen Theil seines Nachlasses verfügen, die gesetzliche Erbfolge tritt dann insoweit ein, als über den Nachlaß nicht durch Testament oder Vertrag verfügt ist. Mit der Berufung (Delation) ist nach römischem und gemeinem Recht das Erbrecht noch nicht entstanden. Denn da die Erbfolge mit der Uebernahme von Verpflichtungen verknüpft ist, soll sie nach römischer Anschauung nicht gegen den Willen des Berufenen ein­ treten. Die Delation giebt nur ein höchstpersönliches Recht, durch Annahme Erbe zu werden. Will der Berufene (Delat) von diesem Rechte keinen Gebrauch machen, oder stirbt er vor der An­ nahme, so ist die ihm geschehene Delation erledigt, eine Beerbung kann daher nur noch erfolgen auf Grund einer neuen Delation. Diese neue (successive) Delation erfolgt bei der Jntestaterbschast an die nächste Klasse der intestaterbberechtigten Personen, bei testa­ mentarischer Erbschaft an die Substituten, d. h. an die für diesen Fall int Testamente besonders benannten Personen. Der Grundsatz der Unvererblichkeit des aus der Delation ent­ standenen Rechts (hereditas nondum adita non transmittitur ad heredes heredis) wurde durch das im späteren römischen Recht eingeführte und allmählich erweiterte Rechtsinstitut der Trans­ mission durchbrochen. Die Transmission besteht in einer successio in delationem, also in der Aufrechterhaltung der einmal geschehenen Delation, indem die Erben des Berufenen in das ihm deferirte Recht, Erbe zu werden, einrücken. Nur die sui et necessarii heredes, d. h. die der Gewalt des Erblassers Unterworfenen (auch die Sklaven, welche necessarii schlechthin heißen), erben ohne eine dahin gehende Willenserklärung. Alle anderen Personen (daher voluntarii heredes) erben nur, wenn sie die Erbschaft annehmen, d. h. ihren Willen kundgeben, Erbe

zu werden. Nach deutschem Recht und nach dem BGB genügt die Berufung. Es gilt hier der Grundsatz: der Todte erbt den Lebendigen, le mort saisit le vif, d. h. der Berufene wird mit dem Erbfalle, ohne daß es einer Willenserklärung von seiner Seite bedarf, Erbe (§§ 1922, 1942). Hieraus ergeben sich folgende Unterschiede zwischen gemeinem und neuem Recht: 1) Nach gemeinem Rechte besteht ein Zwischenzustand, während dessen es ungewiß ist, ob der Berufene erben wird; dieser Zustand (die hereditas jacens) hat der theoretischen Konstruktton Schwierigkeiten gemacht; man hat angenommen, daß der ruhende Nachlaß die Person des Erblassers in sich trage, man hat ihn auch selbst als juristische Person bezeichnet; nach neuem Recht kann es eine ruhende Erbschaft nicht geben, denn jede Erbschaft gehört vom Augenblicke des Todes an einem Erben, auch wenn dieser nicht bekannt und auch wenn ihm selbst der Erbfall noch nicht bekannt ist. 2) Während nach altem Rechte eine Transmission möglich ist, ist eine solche nach neuem Rechte ausgeschlossen; denn wenn der Berufene nach dem Erbfall stirbt, so geht nicht bloß sein Recht, die angefallene Erbschaft zu erwerben, sondern die erworbene Erb­ schaft als Theil seines eigenen Vermögens auf seine Erben über. 3) Nach altem Recht hat die Annahme der Erbschaft durch den Berufenen die Wirkung des Erbschasts erwerb es, sein Still­ schweigen hat also zur Folge, daß er nicht Erbe wird; nach neuem Recht frägt sich nur, ob der Erbe die Erbschaft behalten will, und sein Stillschweigen hat zur Folge, daß er Erbe bleibt.

Zweiter Abschnitt: Die gesetzliche Erbfolge?) § 282.

Die gesetzliche Erbfolge im Allgemeinen.

Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn nicht durch eine Ver­ fügung des Erblassers ein Erbe bemfen ist, also wenn eine solche Verfügung überhaupt nicht vorhanden oder wenn die vorhandene nicht gültig ist. Wie oben (§ 281) gezeigt, konnten nach römischem und gemeinem Recht nicht testamentarische und Jntestaterbfolge neben einander hergehen. Nach neuem Recht wird in den Theil des Nachlasses, über den der Erblasser nicht verfügt hat, die gesetz­ liche Erbfolge eröffnet. Nach römischem Recht konnte auf Gmnd des Satzes semel heres semper heres ein Erbfall immer nur zu *) S. besonders Heymann: Die Gmndzüge des gesetzlichen Venvandten^ erbrechts nach dem BGB. 1896.

716 einmaliger Erbfolge führen. Wenn also der Erblasser verfügte, daß der von ihm berufene Erbe nur von einem Zeitpunkte ab oder bis zu einem Ereignisse oder Zeitpunkte Erbe sein solle, so traten im ersten Falle seine gesetzlichen Erben ein, und mit dem Eintritt des Zeitpunktes ging die Erbschaft auf den Berufenen als Universalvermächtniß über, im zweiten Falle hat wenigstens nack> heutiger Auffassung der ernannte Erbe mit Eintritt des Ereignisses oder des Zeitpunktes die Erbschaft an die gesetzlichen Erben heraus­ zugeben, und zwar wiederum nur als Uuiversalvermächtniß. Nach neuem Recht aber treten in jenem Falle die gesetzlichen Erben als Vorerben, im zweiten Falle als Nacherben ein, und der er­ nannte Erbe ist dort Nacherbe, hier Vorerbe (§§ 2104, 2105); es findet also auf Grund eines Erbfalles in denselben Nachlaß nach einander sowohl die gewillkürte als die gesetzliche Erbfolge statt. Regelmäßig ist der Erbfall zugleich der Berufungsfall; er ist es nicht bei der successiven Delation, denn hier hat ein Erbfall mehrere auf einander folgende Berufungen veranlaßt?) Wer bei der successiven Delation zum Erben berufen wird, entscheidet sich nach römischem Recht stets nach dem Zeitpunkte des Berufungs­ falles. An diesem Grundsätze hielt das gemeine Recht auch für den Fall fest, daß der zuerst Berufene die Erbschaft ausschlug. Das BGB aber legt folgerichtig der zweiten Berufung rückwirkende Kraft bei, der Anfall an den Ausschlagenden gilt als nicht erfolgt, die Erbschaft fällt daher — freilich wieder mit dem Rechte der Ausschlagung — demjenigen an, der berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (§ 1953). Dasselbe gilt in dem Falle, wenn der zuerst Berufene erbunwürdig ist (§ 2344). Das gesetzliche oder Jntestat-Erbrecht beruhte in Rom wie in Deutschland und beruht auch nach neuem Recht auf der Familien­ angehörigkeit, als gesetzliche Erben sind daher berufen die Ver­ wandten, und jedenfalls nach neuem Recht auch der Ehegatte des Erblassers. Verschieden ist nur die Reihenfolge der berufenen Personen und ihre Abgrenzung. Ausnahmsweise haben ein gesetz­ liches Erbrecht Personen, die nicht zu den Familienangehörigen zählen (sog. außerordentliches Erbrecht). Die Verwandten werden entweder berufen nach dem Gradual­ system oder nach der Parentelenordnung (dem Lineal-Gradual­ system). Das Gradualsystem läßt die Nähe des Verwandtschafts­ grades zum Erblasser entscheiden, nach der Parentelenordnung werden der Reihenfolge nach die einzelnen Parentclen berufen.

Nicht, wie oben, mehrere successive Beerbungen.

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718 Eine Parentel bilden immer die von einem nächsten gemeinschaft­ lichen Borfahren Abstammendm (S. 633), die erste Parentel ist danach die des Erblassers selbst: sie wird gebildet durch die von ihm ab­ stammenden Personen; die zweite Parentel ist die der Eltern des Erblassers: sie wird gebildet durch seine Eltern und deren Ab­ kömmlinge; die dritte Parentel ist die der Großeltern des Erb­ lassers: sie wird gebildet durch seine Großeltern und deren Ab­ kömmlinge u. s. w. In umstehendem Verwandtschaftsbildc ist A der Erblasser. Er ist sowohl mit seinen Kindem als auch mit seinen Eltern im ersten Grade verwandt, das reine Gradualsystem würde also zu seinen Erben die Eltern und die Kinder berufen, die Eltern würden aber auch den Enkeln ccc, als im zweiten Grade Stehenden, vorgehen. Die erste Parentel wird gebildet von den Kindern des Erblassers und deren Kindern, also B, b, C, ccc, D und E. Die zweite Parentel wird gebildet von den beiden Eltern des Erblassers F G und deren Abkömmlingen H, h, J, i, i, und hatte die Muter G aus ihrer früheren Ehe mit dem U ein Kind X, so gehört auch dieses nebst seinem Abkömmling y zur zweiten Parentel. H ist danach vollbürtiger, X halbbürtiger Bruder des A. Die dritte Parentel wird gebildet von den väterlichen Groß­ eltern des A, nämlich K, L und deren Abkömmlingen 0 oo P und von den mütterlichen Großeltern des A, nämlich M, N und deren Abkömmlingen Q, B, r r. Jede Parentel kann in mehrere Stämme zerfallen, die erste Parentel in so viele, als der Erblasier Kinder hat, die zweite Parentel in so viele, als Eltern- oder Vorelternpaare (älteres deutsches Recht) oder einzelne Voreltern, Parentelenhäupter (modernes Recht) vorhanden sind. Jeder Stamm bildet eine Einheit, es erbt also der Stamm, nicht das einzelne zu ihm gehörende Individuum. Die Parentel des A hat also 4 Stämme, es kann danach geschehen, daß an Stelle des B nur der b, an Stelle des C die 3 ccc zusammen berufen werden. In der zweiten Parentel bildet sowohl der F als die G einen Stamm. Soweit dieses Paar gemeinschaftliche Abkömmlinge hat (H, A, J), hat die Stammgliederung keine praktische Bedeutung, weil der Stamm des F gleichzeitig der Stamm der G ist. Die G aber hat ihren besonderen Stamm, da aus ihrer Ehe mit dem U ein Kind X hervorgegangen ist, das natürlich nicht auch zum Stamme des F gehört. Mit „Linie" bezeichnet man immer eine Seite der aufsteigenden Verwandtschaft, daher väterliche, mütterliche Linie. § 283.

A. DaS römische Recht.

Das römische Erbfolgerecht hat vier Entwicklungsphasen durch-

gemacht: das alte Civilrecht, das prätorische Recht, die Kaiser­ gesetzgebung, die Gesetzgebung Justinians. I. Das alte Civilrecht (der XII Tafeln) mht auf der Familienangehörigfeit im damaligen Sinne, zur Familie aber ge­ hörten nur die Agnaten, daher wurden nur Agnaten berufen (s. oben S. 632 f.). In der ersten Klage erbten nur die Sui, waren solche nicht vorhanden, so erbte der dem Grade nach nächste Agnat, und nur wenn auch ein Agnat nicht vorhanden war, so erbte die gens, aber es gab keine successive Berufung (in legitimis hereditatibus successio non est), so daß also, wenn der einmal berufene Erbe nicht erwarb, die Erbschaft bonum vacans wurde. Die Folgen dieses einfachen Systemes waren, daß zwar der Adoptirte, nicht aber der Emancipirte erbte, daß ein Erbrecht des einen Ehegatten gegenüber dem andern und daß ein wechselseitiges Erbrecht von Mutter und Kind nur bei der Manusehe bestehen konnte, und zwar weil hier die Frau als sua des Mannes galt. — Die Sui erbten nach Gradesnähe, aber nicht nach Köpfen, sondern nach Stämmen, denn es hatten die in der Gewalt des Erblassers verbliebenen Abkömmlinge eines vorverstorbenen suus ein Eintrittsrecht, das ihnen zusammen dasselbe Erbrecht gab, das ihr verstorbener parens gehabt haben würde. II. Das prätorische Recht brachte geringe Aenderungen, aber in ihnen zeigt sich das Bestreben, der Blutsverwandtschaft den Vorzug vor der Agnation, und dem überlebenden Ehegatten, der bei der freien Ehe leer ausging, ein Erbrecht zu geben. Der Prätor konnte diese Ziele nur erreichen, indem er die bonorum possessio gewährte und hierfür folgende Reihenfolge aufstellte: 1) In der ersten Klasse waren berufen die liberi d. h. neben den sui diejenigen Kinder des Erblassers, die aus der väterlichen Gewalt geschieden waren, 2) in der zweiten Klasse die legitimi d. h. die nach Civil­ recht berufenen Personen, also nochmals die sui,1) 3) in der dritten Klasse die cognati d. h. die Blutsver­ wandten des Erblassers bis zum 6. Grade einschließlich und aus dem 7. Grade noch der sobrino natus natave,2) so daß also der entfernteste Agnat der Erblasserin deren Kind ausschloß, 4) der überlebende Ehegatte (b. p. unde vir et uxor). Das prätorische Recht ließ successive Berufung eintreten. III. Die Kaisergesetzgebung ging auf dem Wege weiter, den Kognaten ein gesetzliches Erbrecht zu gewähren; das

*) Das Erbrecht der Gentilen fiel in der Kaiserzeit weg. ’) Sobrino (sobrina) natu8-Enkelkind eines Großonkels oder einer Großtante.

720 prätorische blieb daneben stehen, so daß in der zweiten prütorischen Klasse als legitim! berufen wurden alle diejenigen, die nach altem oder neuem Gesetzesrechte ein Erbrecht hatten. Es gewährte nämlich 1) das SC. Tertullianum unter Hadrian der Mutter, welche das jus liberorum hatte/) ein hinter dem gewisser agnatischen Verwandten zurückstehendes Erbrecht gegen ihre Kinder, 2) das SC. Orphitianum unter Mark Aurel den Kindern ein Erbrecht gegen die Mutter, und zwar vor den Agnaten, 3) ein Gesetz von Valentinian, Theodosius und Arkadius von 389 den Enkeln ein Erbrecht gegen die Großmutter von väterlicher und gegen die Großeltern von mütterlicher Seite, 4) ein Gesetz von Anastasius den emancipirten Geschwistern ein Erbrecht neben den agnatischen, während im übrigen in der Seitenlinie der Vorzug der Agnaten bestehen blieb. IV. Justinian änderte zunächst in den Jahren 528, 531 und 534 das Jntestaterbrecht in einzelnen Stücken zu Ungunsten der nicht mehr den Volksanschauungen entsprechenden agnatischen Erb­ folge. Darauf stellte er in der Novelle 118 von 543 und der Novelle 127 von 547 eine völlig neue Erbfolgeordnung auf, in welcher jeder Vorzug der Agnation vor der Sognation beseitigt und das Erbfolgerecht ausschließlich auf die Blutsverwandtschaft gegründet wurde. Abgesehen von diesem Grundgedanken, entbehrt seine Erbfolge eines bestimmten Systems, sie läßt sich als Gradual­ erbfolge bezeichnen, enthält aber sehr starke Abweichungen von einer solchen. In der ersten Klasse erben die Descendenten des Erb­ lassers und zwar nach Stämmen. Danach schließt der nähere den entfernteren, durch ihn verwandten, Descendenten aus, an Stelle eines weggefallenen Descendenten aber treten seine Abkömmlinge. Ist C gestorben, so geht die Erbschaft derart in vier Theile, daß B, welcher den b ausschließt, der Stamm (stips) des C (c, c, c), D und E je einen Theil erben. Der Stamm des Weggefallenen (des C) erbt kraft eigenen Rechtes, nicht etwa jure repraesentationis, es ist also nicht erforderlich, daß die Kinder (ccc) des wegge­ fallenen Parens (C) diesen selbst beerbt haben. In der zweiten Klasse erben die Ascendenten des Erb­ lassers, seine vollbürtigen Geschwister und die Kinder, nicht aber

auch die entfernteren Abkömmlinge seiner verstorbenen vollbürügen Geschwister. Unter den Ascendenten schließt der dem Grade nach *) Borrecht einer Frau, welche 3 oder, wenn sie eine Freigelassene war, vier Kinder hatte (nach der lex Julia et Papia Poppaea gegen die Ehe- und Kinderlosigkeit).

nähere den entfernteren aus. Sind Ascendenten gleichen Grades vorhanden, so erben sie nach Linien (väterliche und mütterliche Linie), innerhalb der Linie aber nach Köpfen. Geschwister theilen nach Köpfen, ebenso theilen Geschwister und die nächsten Ascendenten nach Köpfen. Sobald Geschwistemnder neben Ascendenten oder Geschwistern oder beiden erben, wird nach Stämmen getheilt. Für den Fall, daß nur Geschwisterkinder erben, ordnet der Reichs­ abschied von Speyer vom Jahre 1529 entgegen dem Sinne der Nov. 118 Theilung nach Köpfen an. Ist also auch nur F oder G vorhanden, so sind K L M N ausgeschlossen. Sind F, G und K nicht vorhanden, so erbt die L die Hälfte, M und N je ein Viertel. Sind F, G, H, J vorhanden, so erhält jeder y4. In der dritten Klasse erben die Halbgeschwister und deren Kinder, und zwar nach Köpfen, wenn nur Geschwister oder Geschwisterkinder, nach Stämmen, wenn Geschwister und Geschwister­ kinder vorhanden sind. In der vierten Klasse sind die anderen Verwandten des Erblassers berufen, und zwar entscheidet die Gradesnähe. Das justinianische Recht hat im Anschluß an das Zwölstafelgesetz die Erbrechtsgrenze wieder beseitigt. Ferner findet nach ihm successio ordinum et graduum (successive Berufung) statt, so daß, wenn innerhalb einer ganzen Klasse (ordo) Niemand zur Erbfolge gelangt, die nächste Klasie, und wenn innerhalb der Klassen der nähere Grad nicht zur Erbfolge gelangt, der folgende Grad be­ rufen wird. Doch geht das Anwachsungsrecht (jus accrescendi) d. h. der Anfall eines durch Ausschlagung oder Tod des Delaten frei werdenden Theiles ay die mit ihm berufenen Erben, jedenfalls der successio ordinum vor. Sind also nur b, c, c, c, h, i, i vorhanden und es stirbt der b vor der Antretung, so bleibt sein Theil im ersten ordo, d. h. er wächst den drei c an, da b, i, i in der zweiten Klafie stchen. Dasselbe muß betreffs der successio graduum gelten. Sino B, C, D, E am Leben, so wird jeder zu y4 berufen, schlägt B aus oder stirbt er vor der Antretung, so würde dem Anwachsungsrechte nach C D E je Vs und der b nichts erhalten; geht aber, tote die herrschende Lehre mit Recht annimmt, die successio vor, so tritt b an die Stelle seines Vaters, an der er auch dann gestanden haben würde, wenn sein Vater B vor der Delation gestorben wäre. Die Transmission aber geht sowohl der successio als dem Akkrescenzrechte vor. Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten aus dem prätorischen Edikt blieb stehen, aber es behielt auch seine Stellung als letztes, nur beim Fehlen eines noch so weit entfernten Verwandten ein­ tretendes Recht. Engelmann, d. alte u. d. neue bürgerliche Recht.



722 Ein außerordentliches Jntestaterbrecht hat 1. die arme Wittwe des Erblassers; sie erbt neben mehr als drei Descendenten des Erblaffers einen Kopstheil; andernfalls hat sie ein festbegrenztes Erbrecht auf yt des Nachlasses, das aber an Geldwerth 100 Pfund Gold (— 67 200 Mark) nicht über­ steigen soll