Das bürgerliche Recht Deutschlands: Mit Einschluß des Handels-, Wechsel- und Seerechts [5., verb. Aufl. Reprint 2018] 9783111605227, 9783111230047


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German Pages 887 [888] Year 1909

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Table of contents :
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur fünften Auflage
Berichtigung
Abkürzungen
Inhalt
Erstes Buch: Allgemeiner Teil
Einleitung
Erster Abschnitt: Das objektive Recht
Zweiter Abschnitt: Das subjektive Recht
Dritter Abschnitt: Die Rechtssubjekte
Vierter Abschnitt: Die Rechtsobjekte
Fünfter Abschnitt: Die juristischen Tatsachen
Sechster Abschnitt: Der Rechtsschuh
Zweites Buch: Das Recht der Schuldverhältniffe
Erster Abschnitt: Bon der Obligation überhaupt
Zweiter Abschnitt: Gegenstand der Obligation
Dritter Abschnitt: Inhalt der Obligation
Vierter Abschnitt: Entstehungsgründe der Schuldverhältnisse
Fünfter Abschnitt: Die Subjekte des Schuldverhältnisses
Sechster Abschnitt: Das Erlöschen der Schuldverhältnisse
Die Gesellschaft
Drittes Buch: Das Sachenrecht
A. Der Besitz
B. Die Sachenrechte
Erster Abschnitt: Das Eigentum
Zweiter Abschnitt: Das Bergrecht
Dritter Abschnitt: Das Lehnrecht
Vierter Abschnitt: Emphyteusis und Erbpachtrecht
Fünfter Abschnitt: Das Erbbaurecht, Superfiziar- oder Platzrecht
Sechster Abschnitt: Die Servituten oder Dienstbarkeiten
Siebenter Abschnitt: Die Reallast
Achter Abschnitt: Das Pfandrecht
Neunter Abschnitt: Das Vorkaufsrecht
Viertes Buch: Das Familienrecht
Erster Abschnitt: Das Eherecht
Zweiter Abschnitt: Das Eltern- und Kindesverhältnis
Dritter Abschnitt: Das Dormundschaftsrecht
Fünftes Buch: Das Erbrecht
Erster Abschnitt: Allgemeine Lehren
Zweiter Abschnitt: Die gesetzliche Erbfolge
Dritter Abschnitt: Die Erbfolge aus Grund einer Verfügung von Todeswegen
Vierter Abschnitt: Erfolge gegen den Willen des Erblassers (Noterbrecht)
Fünfter Abschnitt: Die Erbfolge in' besondere Güterarten
Sechster Abschnitt: Rechtsstellung des Erben
Siebenter Abschnitt: Vermächtnisse, Schenkungen von Todeswegen, und Auslagen
Achter Abschnitt: Verlust des Erbrechts und Veräußerung der Erbschaft
Sechstes Buch: Die Persönlichkeitsrechte
A. Die Rechte aus den Genuß persönlicher Güter
B. Die Rechte auf Betätigung
Sachregister
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Das bürgerliche Recht Deutschlands: Mit Einschluß des Handels-, Wechsel- und Seerechts [5., verb. Aufl. Reprint 2018]
 9783111605227, 9783111230047

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Das

Bürgerliche Recht Deutschlands mit «Einschluß des Handels-, Wechsel- «nd Seerechts historisch und dogmatisch dargestellt

Dr. A. Engelmann, Oberlandesgerichtr-Senatspräsidenten und ord. Honorarprofessor.

Fünfte, verbesserte Auflage.

Berlin 1909. I. Guttentag. Verlagsbuchhandlung. G. m.b. H.

Vorwort zur ersten Auflage. Das vorliegende Werl enthält eine Darstellung des gesamten Privatrechts, wie es vom 1. Januar 1900 ab in Deutschland gelten wird, und zwar unter besonderer Berücksichtigung seiner geschichtlichen Entwicklung. Es geht daher überall vom älteren oder neueren römischen oder vom deutschen Rechte der Zeit vor der Rezeption aus und dann zur Darstellung des gemeinen und des neuen, d. h. des künftigen Rechts über. Die deutschen Partikulargesetzgebungen sind nur an einzelnen Stellen, und zwar als Phasen der geschichtlichen Entwicklung, berücksichtigt, nirgends ist ein einzelnes bestimmtes Landesrecht vergleichsweise neben dem neuen Rechte zur Darstellung gekommen. Ich bin genötigt, dies besonders hervorzuheben, weil selbst Verfasser von Literaturübersichten aus dem Umstande, daß ich früher eine kurzgefaßte Darstellung des Preußischen Privatrechts geschrieben habe, nach dem Erscheinen der ersten Hefte des vor­ liegenden Werks ohne weiteres geschlossen haben, daß diese Arbeit eine Rebeneinanderstellung des neuen Rechts und des preußischen Landrechts enthalten müsse. Da jede systematische Behandlung unseres Privatrechts lücken­ haft bleiben muß, wenn sie nicht auch diejenigen Rechtsinstitute umfaßt, welche außerhalb des BGB oder des Pandektenrechts stehen, ist auch im vorliegenden Werke das Handels-, Wechsel- und Seerecht» wie überhaupt das auf Reichsgesetzen beruhende Privatrecht, es ist aber auch dasjenige bürgerliche Recht behandelt worden, welches künftig als Landesrecht fortbestehen wird. Bei der Bearbeitung dieser letzteren Materie ist in ähnlicher Weise verfahren worden, wie bisher das auf Landesrecht beruhende deutsch« Privatrecht be­ handelt worden ist, d. h. es sind meist nur allgemeine und be­ sonders wichtige Grundsätze hervorgehoben worden. Dieser Anlage gemäß soll das Werk nicht nur dem Anfänger einen ihn durch das gesamte Privatrecht führenden Leitfaden geben» sondern auch dem Kenner des alten, insbesondere des gemeinen Rechts das Einleben in das neue Recht erleichtern. Rur um Raum für die eigene Darstellung zu sparen, habe ich auf Literaturanführungen fast ganz verzichtet, obwohl ich sehr wohl weiß, daß solche Zitate auf Diele Eindruck machen. Zum Schlüsse will ich noch Herrn Amtsgerichtsrat Berger in Grottkau meinen Dank für die Unterstützung aussprechen, die er mir bei Abfassung des Dormundschaftsrechts gewährt hat. Breslau, 31. Juli 1899. Engelmann.

Vorwort zur fünften Auflage Die neue Auflage hat den zahlreichen Gesetzen aus dem Jahre 1908 Rechnung getragen. Breslau, 1. Januar 1909. Engelmann.

Berichtigung. Die jetzt geltende Seemannsordnung ist nicht vom 27. Dezember 1872, sondern vom 2. Juni 1902.

Abkürzungen. BGD = Bürgerliches Gesetzbuch. FG — Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit. GBO — Grundbuchordnung für das deutsche Reich. GDG — Gerichtsverfassungsgesetz. HGB = Handelsgesetzbuch. Ist Art. . . HGB angeführt, so ist eine Betimmung des HDD alter Fassung (a. F.), ist § . . HGB angeführt, o ist eine Bestimmung des HGB neuer Fassung (n. F.) gemeint. 5tD — Konkursordnung. (Ist KO oder ZPO ohne Zusatz (a. F. oder n. F.) angeführt, so ist in den ersten Teilen des Werkes die alte, in den spateren Teilen die neue Fassung gemeint.) StGB = Strafgesetzbuch. StPO = Strafprozeßordnung. WO = Wechselordnung. ZPO — Zivilprozeßordnung ([. Bemerkung zu KO.) ZwstG — Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung.

f

Andere Abkürzungen betreffen regelmäßig das in demselben § am häufigsten vorkommende Wort. Wo ein § ohne Zusatz angeführt wird, ist ein § des BGB gemeint.

Inhalt. Erstes Buch: Allgemeiner Teil. (Einleitung. Sette

I. II.

Das frühere Privalrecht Deutschlands. § 1. Die Bestandteile des bisherigen Rechts..................................... 1 § 2. Gemeines, allgemeines, partikuläres Recht ................................ 6 § 3. Das neue Privatrecht Deutschlands ...............................................9

Erster Abschnitt: Das objektive Recht. A. B. C. D. E. F.

Die Quellen des objektiven Rechts. § 4. Das Gesetzesrecht .................................................................... 16 § 5. Das Gewohnheitsrecht 18 | 6. Anwendung des Rechts ............................................................... 22 § 7. Die (Einteilungen der Rechtssähe 24 § 8. Zeitliche Grenzen der Gesetze ................................................... 26 | 9. örtliche Grenzen der Gesetze ......................................................... 28 § 10. Autonomie .................................................................... 32 Zweiter Abschnitt: Das subjektive Recht. § § | §

11. 12. 13. 14.

Begriff des subjektiven Rechts................................................. Die (Einteilung der Rechte ....................................................... Das Rechtssystem ........................................................ Recht und Anspruch ..................................................

33 34 37 38

Dritter Abschnitt: Die Rechtssubjekte. § 15. Rechtsfähigkeit................................................................ A. Die natürliche Person. § 16. Beginn und (Ende der Rechtsfähigkeit................... § 17. Die natürlichen Eigenschaften derPerson 8 16. Die rechtlichen Eigenschaften derPerson 8 19. Insbesondere: Der Kaufmann B. Die juristische Person. 8 20. Der Begriff der juristischen Person........................... 8 21. Die Körperschaften....................................................... 8 22. Die Arten der Körperschaften..................................

41 41 44 49 52 57 59 69

VI

Inhalt. Seite

§ 23. § 24. § 25.

Die nicht rechtsfähigen Vereine ....................................................... Die Anstalten und Stiftungen ....................................................... Einzelne juristische Personen. Der Fiskus. Die Gemeinden ....

§ § § § § §

Der Begriff der Sache und des Vermögens.................................... A. Die natürlichen Eigenschaften der Sachen .............................. B. Die wirtschaftlichen Eigenschaften derSachen ............... C. Die rechtlichen Eigenschaften der Sachen.................................... Das Geld ................... Urkunden und Wertpapiere ..............................................................

70 71 74

Vierter Abschnitt: Die Rechtsobjekte. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

75 78 80 83 85 87

Fünfter Abschnitt: Die juristischen Tatsachen. § 32.

Einleitung .............................................................................

90

I. Die Handlungen. § § § § §

33. 34. 35. 36. 37.

§ § § § § § § § §

38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46.

§ § § §

47. 48. 49. 50.

A. Die Rechtsgeschäfte. Begriff des Rechtsgeschäfts .............................................................. 91 Einteilung der Rechtsgeschäfte ....................................................... 92 Der Vertrag ................................................................................. 95 Versteigerung. Kreation. Gesamtakt ........................................... 99 Die allgemeinen Voraussetzungen der Giltigkeit des Rechts­ geschäfts ........................................ 101 Das Verhältnis von Wille und Erklärung .............................. 102 Die Freiheit der Willenserklärung ................................................. 109 Die Form der Rechtsgeschäfte ........................................................ 111 Die Bestandteile der Rechtsgeschäfte ................................ 116 Das bedingte Rechtsgeschäft ............................................................. .117 Das befristete Rechtsgeschäft........................................................... .120 Willenserklärungen durch Stellvertreter .......................... 121 Das unwirksame Rechtsgeschäft ....................................................... 128 B. Die unerlaubte Handlung ..... 130 II. Andere rechtserhebliche Ereignisse. Allgemeines ....................................................................................... Der Zeitablauf...................................................................................... Die Verjährung .................... Rechtserwerb und Verfügung ......

131 131 133 138

Sechster Abschnitt: Der Rechtsschutz. § 51.

1. 2. 3. 4. 5. 6.

I. Vorbeugender Schutz (Sicherungsmittel). Die Sicherheitsleistung (Kaution) ................................... Die Rechtsverwahrung...................................................................... Die Vormerkung ............................................................................ Ausnahme von Vermögensverzeichnissen, Rechnungslegung..... Arrest, einstweilige Verfügung, Beschlagnahme ..................... Der Sperrvermerk ........................

139 140 140 140 140 141

II. Wiederherstellender Schutz. § 52. § 53.

1. Die Selbsthilfe.................. 142 2. Die gerichtliche Hilfe ..................................................................... 144

Inhalt.

VII Seite

Zweites Buch: Das Recht der Schuldverhältuiffe. A. Allgemeiner Teil. Erster Abschnitt: Von der Obligation überhaupt. § 54.

Begriff der Obligation ...................................................................... 155 Zweiter Abschnitt: Gegenstand der Obligation.

§ § § § § § §

55. 56. 57. 58. 59. 60. 61.

Der Schuldgegenstand überhaupt ................................................... Bestimmtheit des Gegenstands ..... Die Leistung von Geld ........................................................ Die Leistung von Zinsen .................................................................... Wiederkehrende Leistungen .......... Die Pflicht zur Jnteresseleistung....................................................... Andere Leistungsgegenstände..............................................................

161 161 165 166 169 171 177

§ § § § § §

62. 63. 64. 65. 66. 67.

Mlgemeines .................................................. Der Ort der Leistung........................................................................... Die Zeit der Leistung..................................... Der Verzug ........................................................................................ Haftung für Verschulden und für den Zufall .............................. Treu und Glauben ...........................................................................!

§ § § § | | § § § § | §

Vierter Abschnitt: Entstehungsgründe der Schuldverhältnisse. 68. Übersicht ........ 192 69. Die Handelsgeschäfte ....................................... 193 70. Das römische Kontraktssystemund die altdeutschen Verträge 196 71. Das Vertragssystem des modernenRechts ..... ................................. 199 72. Der abstrakte Vertrag ................. 200 73. Der zweiseitig verpflichtende Vertrag .......................................... 203 74. Die Gültigkeit der Verträge.............................................................. 205 75. Inhalt der Schuldverträge .............................................................. 208 76. Der Vertrag zu Lasten und derVertrag zugunsten eines dritten 209 77. Bestärkung der Verträge .................................................................... 212 78. Die Aufhebung der Verträge ..................................................... 216 79. Der Einfluß des Konkurses auf denBestand derVerträge ....... 219

Dritter Abschnitt: Inhalt der Obligation. 178 178 179 181 186 191

Fünfter Abschnitt: Die Subjekte des Schuldverhältnisses. § §

60. I. Bestimmtheit und Unbestimmtheit desSubjekts ..................... 81. II. Mehrheit von Subjekten................................................. III. Wechsel des Subjekts. A. Die Übertragung der Forderung. § 62. Die Zession oder Abtretung .............................................................. § 63. Das Indossament.............................................................. % 64. B. Die Schuldübernahme.................................

223 224 231 236 239

Sechster Abschnitt: Das Erlöschen der Schuldverhältnisse. § 85. § 86.

Die Erfüllung ............................................................. Die Hingabe an Erfüllungsstatt................................

243 246

Inhalt.

yra

Seite

§ § § § § § § § §

87. 88. 89. 90. 91. 92. 93. 94, 95.

Verweigerung der Leistung wegen Zurückbehaltungsrechts ...... Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ............. Ünmöglichwerden der Leistung ....... Die Hinterlegung .............................................................................. Die Aufrechnung (Kompensation) ;........... Der Erlaß .............................................. Der Zwangsvergleich ....................................................................... Andere Aushebungsgründe ................................................. Die positiven Vertragsverletzungen .................

B. Besonderer Teil.

247 250 254 257 259 265 266 267 269

Die einzelnen Schuldverhältnisse.

I. Die Obligationen aus Rechtsgeschäften. 1. Die einseitigen Rechtsgeschäfte. §

96.

§ §

97. 99.

A. B. a) b)

Die Auslobung ........................................................................... 271 Die Ausstellung von Wertpapieren. Der Wechsel ................................................................................. 272 Das Jnhaberpapier .................................................................... 282 2. Die Verträge.

§ 99. § 100. § 101. § 102. § § § § § § § §

103. 104. 105. 106. 107. 108. 109. 110.

§ § § § § § § § § § § § § § §

111. 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118. 119. 120. 121. 122. 123, 124. 125.

A. Die einseitig verpflichtenden Verträge. Das Darlehn........................................................................................ 286 Die öffentliche Anleihe ......................... 289 Die Schenkung ................................................. 291 Spiel und Wette...... ........................................................................... 297 B. Die unvollkommen zweiseitigen Verträge. Die Leihe.............................................................................................. 300 Der Verwahrungsvertrag ....................... 303 Das Lagergeschäft ....... 305 Der Faustpfandvertrag ......................................... 307 Das Depositen- und Depotgeschäft ............................... 303 Einbringung von Sachen bei Gastwirten .................................... 310 Der Auftrag ................................ 311 Die Anweisung ................ 315 C. Die zweiseitigen Verträge. Der Kauf ......................... 321 Besondere Arten des Kaufes ............................. 334 Die Abzahlungsgeschäfte........................................... 338 Börsengeschäfte ..... 339 Der Tauschvertrag ..............................................................................342 Miete ..................................................................................................... 343 Die Pacht .............. 352 Der Dienstvertrag 355 Der Gesindedienstvertrag ......... 360 Der Lehrvertrag .................................................................................. 362 Der Werkvertrag ............. 363 Der Frachtvertrag ........................................................................... 366 Das Speditionsgeschäft............. 374 Das Kommissionsgeschäft .............................................................. 375 Der Trödelvertrag ........... 379

Inhalt. § §

IX

Seite 126. Der Mäklervertrag ......................................................................... 380 127. Der Verlagsvertrag ....................................................................... 382 Die Gesellschaft.

§ §

§ § § § § § § §

126. Übersicht ........................... 384 129. Die Gesellschaft desbürgerlichen Rechts und dieSozietäten des Handelsrechts ........................................ 387 130. Die Aktiengesellschaft, dieKommanditgesellschaft aus Aktien und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung......................... 398 131. Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ....................... 413 132. Die Reederei ..................................... 418 133. Der Versicherungsvertrag ............. 419 134. Die Arbeiterversicherung ............................................................ 422 135. Der Leibrentenvertrag .......................................................... 423 136. Der Vergleich..................................................................................... 424 137. Der Schiedsvertrag ........................................................................ 426 138. Die Bürgschaft ........................................................................... 427

§ § § § § §

1. Die Obligationen aus unerlaubten Handlungen. 139. Überblick ..................... 140. Geschichtliche Entwicklung .... 141. Das neue Recht. Standpunkt des BGB .................................... 142. Die unerlaubte Handlung ...................................... 143. Haftung für andere und für Tiere .......................................... 144. Besondere Grundsätze für einzelne Deliktsfälle ........................

§ § § §

145. Allgemeines ................................................... 146. Die Enteignung ..................... 147. Gefährdende Unternehmungen .......... 148. Andere Fälle nichtdelittischer Schadenshaftung ...........

§

II. Die Obligationen aus Nicht-Rechtsgeschäften. 434 345 438 439 443 446

2. Schadensersatzansprüche aus erlaubten Handlungen. 450 451 452 454

3. Ungerechtfertigte Benachteiligung. § § § §

149. a) Die Verkürzung der Gläubiger ................ b) Die ungerechtfertigte Bereicherung. 150. Die Bereicherung im allgemeinen ........................... 151. Die Bereicherungsansprüche im einzelnen ........................... 152. c) Die Geschäftsbesorgung ohne Auftrag ....................................

§ § § §

153. a) 154. b) 155. c) 156. d)

454 459 461 462

4. Obligationen aus tatsächlichen Zuständen. Die Gemeinschaft .......................... Die Pflicht zur Unterhallsgewährung........ .......... Die Ausstattungspflicht........................ Verpflichtung zum Vorzeigen ..........

466 469 471 472

Drittes Buch: Das Sachenrecht. A. Der Besitz. § 157. Der Begriff des Besitzes ............................... §158. Einteilung des Besitzes .........................................................

474 476

X

Inhalt. Seite

§ H § § H §

159. 160. 161. 162. 163. 164.

Der Besiherwerb............................ ................................................ . Der Besitzerwerb durch Stellvertreter ................................... Der Verlust des Besitzes...................................................................... Subjekt des Besitzes ............................................................................. Gegenstand des Besitzes...................................................................... Insbesondere der Besitz an Rechten ......... Der Rechtsschutz. H 165. Das frühere Recht ............................................................................ § 166. Das neue Recht ...................................................................................

481 484 485 486 486 487 489 492

B. Die Sachenrechte. § 167. *§ 168. H 169. § 170. *§ 171.

Allgemeine Grundsätze ..................................................................... Bedeutung des Besitzes für das Sachenrecht .............................. Die Bedeutung der öffentlichen Bücher für das Jmmobiliarsachenrecht ......................................................................................... Das Schiffsregister ........................................................................... Das Agrarrecht .........................................

§ § | H %

Begriff und Inhalt des Eigentums ........................................... Einschränkungen des Eigentums ................................................. Die Wege und das Wasser.............................................................. Das Veräutzerungsverbot und das Beispruchsrecht ................. Das Familienfideikommiß ..............................................................

495 498 499 509 509

Erster Abschnitt: Das Eigentum. 172. 173. 174. 175. 176.

511 514 519 521 523

Der Erwerb und der Verlust des Eigentums. A. Die beweglichen Sachen. % 177. H 178.

I. Der abgeleitete Eigentumserwerb ........................................ Die Übereignung........................ II. Der ursprüngliche Erwerb. ^ 179. Einleitung ....................... § 180. Erwerb auf Grund guten Glaubens ........................................... 5 181. Die Ersitzung ........................................................................................ H 182. Verbindung, Vermischung, Verarbeitung ..................................... § 183. Erwerb von Zeugnissen und Bestandteilen ............. | 184. Aneignung (Okkupation) .............................................................. ü 185. Das Jagdrecht .................................................................................. § 186. Die Fischerei ........................................................................................ § 187. Fund, Schatz, Strandgut ...............................................................

525 526 528 528 531 535 538 539 541 543 543

B. Unbewegliche Sachen. 5 188. § 189. § 190.

Erwerb im Falle freiwilliger Veräußerung................................. 546 Andere Fälle des Ligentumserwerbs .......................................... 548 Das Eigentum mehrerer .............................................................. 549

§ 191. § 192. 5 193.

A. Der Kerausgabeanspruch. Das frühere Recht .............. Das neue Recht ............................. B. Der Abwehranspruch (actio negatoria) ................

Der Schutz des Eigentums. 551 555 560

Inhalt.

XI Seite

Zweiter Abschnitt: Das Bergrecht. § § | §

194.Begriff und Geschichte ................................................................... 195. DieBergbauberechtigung .............................................................. 196. Die Beteiligung mehrerer am Bergwerk ...................................t 197. Die Knappschaften .......................................................................

§ 198

561 563 566 567

Dritter Abschnitt: Das Lehnrecht. ............................................................................. ........................... 568

Vierter Abschnitt: Emphyteusis und Erbpachtrechl. § 199................................................................................................. 570 Fünfter Abschnitt: Das Erbbaurecht, Superfiziar- oder Platzrecht. § 200..................................................................... 572 Sechster Abschnitt: Die Servituten oder Dienstbarkeiten. § 201. Allgemeines .................................................................................... 573 § | § § §

202. 203. 204. 205. 206.

§ 207. § 208. § § § § § § § § § §

209. 210. 211. 212. 213. 215. 214. 216. 217. 218.

§ § § § § | §

219. 220. 221. 222. 223. 224. 225.

I. Die Personalservituten. Die beschränkten persönlichen Dienstbarkeilen ....................... Der Nießbrauch .............................................................................. II. Grunddienstbarkeiten im allgemeinen ................................... Begründung und Endigung der Dienstbarkeiten ....................... Der Schutz der Dienstbarkeiten ................................................

575 576 579 582 585

Siebenter Abschnitt: Die Reallast. ......................................................................................................... 566 Achter Abschnitt: Das Pfandrecht. Begriff und Geschichte des Pfandrechts ................................... 590 A. Das Pfandrecht im engern Sinne. Der Begriff des Pfandrechts ..................................................... 595 Die Voraussetzungen des Pfandrechts ................................... 595 Mehrheit von Pfandrechten ..................................................... 601 Die Rechte des Pfandgläubigers ............................................... 602 Die Pflichten des Pfandgläubigers und des Verpfänders 607 Erlöschen des Pfandrechts ............................................................ 609 Der Schutz des Pfandrechts........................................................... 608 Das Pfandrecht an Rechten ..................................................... 611 Das Pfandrecht an Schiffen ..................................................... 613 Das Zurückbehaltungsrecht ........................................................... 614 B. Das Hypothekenrecht. Überblick über Ws neue Hypothekenrecht ................................... 615 Die rechtliche Natur der Grundschuld und der Hypothek .... 617 Entstehung der Hypothek und der Grundschuld ................ 618 Umfang und Gegenstand der Haftung......................................... 620 Die Gesamthypothek und die Gesamtgrundschuld ................ 622 Die Eigentümerhypothek und die Eigentümergrundschuld .... 624 Die Befriedigung des Gläubigers............................................... 626

Inhalt.

XII

Seite

629 § 226. Der Übergang der Hypothek und der Grundschuld § 227. Der Hypotheken- und der Grundschuldbries .............................. 631 631 § 228. Die besonderen Verpsändungsformen ............... § 229. Die Aufhebung der Hypothek und der Grundschuld ................... 634 § 230. Die Zwangsvollstreckung in das Grundstück ........................... ... 635 ................... .................................... 637 § 231. Das Hypothekenkreditwesen Neunter Abschnitt: Das Vorkaufsrecht. 640

§ 232.

Viertes Buch: Das Familienrecht. § 233. § 234.

Überblick................................................................................. Familie, Verwandtschaft, Schwägerschaft

642 643

§ 235.

Erster Abschnitt: Das Eherecht. A. Das persönliche Eherech 1. Das Verlöbnis .................. .............................................

646

§ § § § § §

Geschichtliche Entwicklung des Eherechts ............ Begriff und Voraussetzungen der Ehe Die Schließung der Ehe .......... ................................... Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe ...... Die persönliche Stellung der Ehegatten zu einander Die Auslösung der Ehe ..........................................

Die Che. 236. 237. 238. 239. 240. 241.

647 649 652 653 655 658

B. Das eheliche Güterrecht. § 242. § 243. § 244. § 245. § 246. § § § §

247. 248. 249. 250.

I. Geschichte des ehelichen Güterrechts. Das römische Recht ...... 662 Das deutsche Recht ..................................... 664 II. Das Recht des BGB. Allgemeines ................................................................................. 667 1. Das gesetzliche Güterrecht ................................ 669 Die Gütertrennung ...................... 673 2. Das vertragsmäßige Güterrecht. Die allgemeine Gütergemeinschaft .............................. 674 Die beschränkte Gütergemeinschaft ....... 680 Einzelne Güterrechtsverhältnisse ......................... 682 Das Güterrechtsregister ................................................................. 683

Zweiter Abschnitt: Das Eltern- und Kindesverhältnis. I. Die Rechtsstellung des ehelichen Kindes. § 251. Vorbemerkung .... ....................................... 684 § § § §

A. Begründung der Rechtsstellung des ehelichen Kindes. 252. Eheliche Abstammung ................................................................... 253. Legitimation und Annahme an Kindesstatt ..................... 254. B. Der Inhalt der elterlichen Gewalt .......................................... 255. Die persönliche Stellung des Hauskindes ..........................

684 686 690 692

Inhalt.

XIII Sette

§ § | § §

256. Die vermögensrechtliche Stellung derHauskinder .................... 257. Die elterliche Gewalt der Mutter ................................................ 258. Beendigung und Einschränkung derelterlichen Gewalt ........ 259. II. Kinder aus nichtigen Ehen .......................... 260. III. Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder .......................

693 697 698 700 701

Dritter Abschnitt: Das Dormundschaftsrecht. § 261. Begriff und geschichtlicher Überblick .............................. § 262. Die Vormundschaft über Minderjährige ..................... § 263. Das Vormundschaftsgericht .................................... § 264. Der Gemeindewaisenrat................................................................... § 265. Der Familienrat.................. § 266. Befreite Vormundschaft.......................................................... § 267. Beendigung der Vormundschaft ................................................ § 268. Die Vormundschaft über Volljährige .............................. § 269. Die Pflegschaft ........................ .................................................. .

702 705 709 710 711 711 712 713 714

Fünftes Buch: Das Erbrecht. Erster Abschnitt: Allgemeine Lehren. § § §

270. Begriff und Übersicht ................................................................... 716 271. Die Erbfolge als Universalsukzession ................................ 718 272. Die allgemeinen Voraussetzungen der Erbfolge ......................... 720 Z weiter Abschnitt: Die gesetzliche Erbfolge.

§ § § §

273. Die gesetzliche Erbfolge im allgemeinen ............................... 274. A. Das römische und gemeine Recht ..................................... 275. B. Das deutsche Recht ............................................................. 276. C. Das neue Recht

724 728 731 732

Dritter Abschnitt: Die Erbfolge aus Grund einer Verfügung von Todeswegen. A. § § § § § § § § § § § § §

Das Testament.

I. Die Testamentsform. 277. Geschichte ...................................................... 278. Das gemeine Recht ......................................................................... 279. Die Testamentsform nach neuemRechte .................................... 280. Verwahrung des Testaments ............................................ 281. Eröffnung des Testaments ............................. 282. II. Die Testamentsfähigkeit ........................................ III. Der Inhalt des Testaments. 283. Die Erbeinsetzu-ig ...................... 284. Die Einsetzung mehrerer............ ....... ..... ... 285. 2>et heres ex re certä ................................................... 286. Die Substitution....................... ........ ...... ................... 287. Die Einsetzung eines Nacherben.............................................. 286. Besondere Bestimmungen desTestaments .... 289. IV. Die Ungültigkeit des Testaments .....................

737 738 739 744 745 746 747 749 752 753 755 759 761

Inhalt.

XIV

Sette

§ 290. § 291. § 292.

V. Die Anfechtung des Testaments......................... ............... 763 VI. Gemeinschaftliche Testamente ............................................ 764 Testamentsvollstrecker ........................................................ 767 B. Der Erbvertrag.

§ 293. § 294.

Der allgemeine Erbvertrag .............................................. Besondere Arten des Erbvertrags ....

770 775

Vierter Abschnitt: Erfolge gegen den Willen des Erblassers (Noterbrecht). § § § §

295. 296. 297. 298.

Die geschichtliche Entwicklung und dasgemeine Recht ............ Das neue Recht .............................................................. Pflichtteilsrecht gegenüber Rechtsgeschäften unterLebenden ........ Die Entziehung des Pflichtteils.................... ....... ....................

777 780 786 787

§ § § §

Fünfter Abschnitt: Die Erbfolge in' besondere Güterarten. 299. Allgemeines ........................................................ 300. Die Lehnserbfolge ........................................................................ 301. Die Fideikommisterbfolge ........................................................... 302. Das bäuerliche Erbrecht ..................................................................

769 789 790 791

Sechster Abschnitt: Rechtsstellung des Erben. I. Erwerb des Erbrechts. § § § §

303. 304. 305. 306.

Römisches und gemeines Recht ..................................................... Das neue Recht .............................................................................. Fürsorge für den Nachlast ......................... Einweisungen in den Erbschastsbesitz und Erbschein .................

783 795 797 799

§ 307. § 308.

II. Haftung des Erben für die Nachlastverbindlichkeiten Allgemeines .................................................................................... 801 Römisches und gemeines Recht ...................................................... 801

§ § § § § § § §

Übersicht ........................................................... Vorübergehende Befreiung von der Haftpflicht ....................... Beschränkte Haftung gegenüber einzelnen Gläubigern ........... Beschränkte Haftung gegenüber allen Gläubigern .......... Die Jnventarerrichtung ................................................................... Handelsrechtliche Erbenhaftung......................................... Die prozessuale Geltendmachung der beschränkten Haftung ..... III. Die Rechtsmittel des Erben .............................................

Das neue Recht. 309. 310. 311. 312. 313. 314. 315. 316.

803 805 805 806 808 810 811 812

IV. Mehrheit von Erben. § 317. 1. Das Rechtsverhältnis der Erben untereinander .................. 815 § 318. 2. Die Schuldenhaftung der Miterben ........................................... 817 § 319. Die Ausgleichung (Kollation) ...................................................... 819

Inhalt.

XV Seite

Siebenter Abschnitt: Vermächtnisse, Schenkungen von Todeswegen, und Auslagen. A. Das Vermächtnis. § § § § § § § § § §

320. 321. 322. 323. 324. 325. 326. 327. 328. 329.

Begriff und Geschichte ........ 821 Subjekte der Vermächtnisse ........................................................... 823Gegenstand des Vermächtnisses ..................................................... 825 Ungültigkeit und Aushebung derVermächtnisse ........................ 827 Erwerb der Vermächtnisse ........................................................... 823 Substitution bei Vermächtnissen ............................................. 823 Die Rechtsmittel des Vermächtnisnehmers ............................ 829 Die Kürzung der Vermächtnisse ......................... 839 B. Die Schenkung von Todeswegen und derVermächtnisvertrag 831 C. Auflage ................................................................................... 831

Achter Abschnitt: Verlust des Erbrechts und Ver­ äußerung der Erbschaft. § 330. § 331. § 332.

I. Der Erbverzicht....................................................................... 832: II. Die Erbunwürdigkeit ........................................................... 833 III. Der Erbschastskaus .................................................. 834

Sechstes Buch: Die Persöulichkeitsrechte. § 333.

Begriff

.......................................................................................... 836

A. Die Rechte aus den Genuß persönlicher Güter. § 334. I. Im allgemeinen ......................................................................... II. Die Namen und Zeichenrechte im besonderen ................. § 335. Der Name .................................................................................... § 336. Marken und Zeichen ........................

836 837 837 839

B. Die Rechte aus Betätigung. Überblick .......................................................................................... Der Rechtsschutz gegen unlauteren Wettbewerb ...................... Das Urheberrecht ........................................................................ Das Erfinderrecht ........................................................................ Mitgliedschaftsrechte ........................................................................

849 843 846 85L 853

§ § § § §

337. 338. 339. 340. 341.

Sachregister ....................................................................................................... 854

Erstes Buch: Allgemeiner Teil.

Smlettung. I. Dae frühere Prlvatrccht Deutschlande. § 1.

Die Bestandteil« des bisherigen Rechts.

Das Privatrecht, das bis zum 1. Januar 1900 in Deutschland galt, hatte sich aus fremden und einheimisch-deutschen Be­ standteilen entwickelt. I. 1. Fremd war das aufgenommene römische Recht. Die „Rezeption"') war seit dem Beginne des 16. Jahrhunderts vollendete Tatsache. Ihre Erklärung findet sie in der Zersplitterung des deutschen Rechts im späteren Mittelalter und dem Bedürfnisse des deutschen Derkehrslebens nach einem einheitlichen, wissenschaftlich durchgebildeten Recht, unterstützt wurde sie bei dem Fehlen eines deutschen Nationalbewußtseins durch die irrige Auffassung, daß Justinian ein Vorgänger der römischen Kaiser deutscher Ration gewesen, sein Gesetzbuch deshalb im Deutschen Reiche geltendes Recht sei. Vollzogen aber wurde diese Aufnahme durch die Geltung, welche die in Italien juristisch gebildeten, nachher in Deutschland zu Ehren und Ämtern gelangten Deutschen zunächst als Schiedsrichter, dann als Mitglieder einflußreicher Gerichte, insbesondere des Reichs­ kammergerichts, des Reichshofrats und der territorialen Hofgerichte dem fremden Rechte verschafften, ferner durch die Schriften der italienischen, später auch deutscher Juristen, insbesondere durch die zahlreichen populären Darstellungen des römischen Rechts, wie es sich in Italien unter dem Einflüsse der Glossatoren und der Postglossatoren gebildet hatte. Die Tatsache der Rezeption fand schließlich ge­ setzliche Anerkennung, indem zuerst die Reichskammergerichtsordnung ') Aus der umfangreichen Literatur über diesen Gegenstand hebe ich hervor: Stobbe: Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Bd. 1 u. 2, 1860, 1864. Stintzing: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft I 1880. Gierte: Deutsches Privatrecht I 6. 8ff. Regelsberger: Pandekten! S. 3 ff. Dgl. auch meinen Zivilprozetz II, Heft 3 3. 97 ff. Engelmann. Bürgerliches Recht.

5. 9(ufl

2

Erstes Buch:

Allgemeiner Teil.

von 1495 und später eine Anzahl unter dem Einflüsse der reichs­ kammergerichtlichen Praris entstandener Partikulargesehbücher die Anwendung „des kaiserlichen und gemeinen Rechts", d. h. des bereits rezipierten fremden Rechts als subsidiärer Rechtsquelle anordneten. Damit ist aber das römische Recht nicht zum Gesetzesrechte geworden. Wie es im Wege des Gewohnheitsrechtes aufgenommen wurde, so ist es trotz jener gesetzlichen Anerkennung Gewohnheitsrecht geblieben. Rezipiert ist nur das in die Sammlung Justinians aufge­ nommene römische Recht, aber auch von diesem ttiuyt diejenigen Stellen, welche von den Glossatoren nicht mit der Glosse versehen worden sind (quidquid non agnoscit glossa nec agnoscit curia). Rezipiert sind ferner nicht diejenigen Teile des Corpus juris civilis, welche das Staatsrecht des römischen Reiches behandeln. Gleichwohl war und blieb streitig, ob das römische Recht im Ganzen (in complexu) oder nur in seinen einzelnen Sätzen aufgenommen sei; die herrschende Meinung war für die Rezeption in complexu, man sagte deshalb früher: qui jus Romanum allegat, habet fundatam intentionem, in dem Sinne, daß die Geltung des angerufenen römischen Rechtssatzes ohne weiteres anzunehmen sei, wenn nicht nachgewiesen werde, daß gerade er nicht rezipiert sei. Das justinianische Gesetzbuch, das nicht eine Kodifikation, sondern eine Kompilation des Rechts darstellt, besteht aus vier Teilenl): a) den Institutiones, einem auf der Grundlage der In­ stitutionen des Gajus verfaßten Lehrbuche des gellenden Rechtes. Seiner Einteilung liegt der Gedanke zugrunde: Omne autem jus, quo utimur, vel ad personas vel ad res vel ad actiones pertinet. Danach werden im ersten Teile die Rechtssubjelte und damit auch das sog. Personenrecht, im zweiten die Vermögensrechte, im dritten die Klagerechte erörtert. Dieser Stoff ist in vier Bücher eingeteilt. Zitiert wird z. B. § 12 I. de jure nat. 1, 2 (Stelle, an der der oben mitgeteilte Satz steht), indem I. Institutionen bedeutet, die dahinter stehende 1 das Buch, die 2 den Titel (Unterabteilung des Buchs) und § 12 den. § (Unterabteilung der Titel) angibt. b) Die Digesta oder Pandectae enthalten in 50 Büchern, die wieder in Titel und leges oder fragmenta zerfallen, eine Samm­ lung von Aussprüchen (39) römischer Juristen. Die Aus­ sprüche sind wissenschaftlichen Werken entnommen und werden daher als Fragmente bezeichnet. Die Stoffanordnung ist die des Edikts. Man zitiert gewöhnlich 1. 11 pr. D. de rebus cred. 12, 1. (D. — *) S. darüber jetzt vorzugsweise ftrüger: Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts. 1888 (Bindingsche Sammlung). 3. 322 ff.

Das frühere Privatrecht Deutschlands. § 1.

3

Digeslen, 12. Buch, 1. Titel, daneben die abgekürzte Titelüberschrift hinter dem D. [3. B. R. V. — de rei vindicatione]; die 11 bedeutet die lex (1.) d. i. die Unterabteilung der Titel). Die meisten leges zerfallen in Paragraphen, denen noch ein einleitender Satz (pr. = principium) vorangeht, häufig zitiert fr. 13 § 2 de tut. et cur. 26, 5; bezeichnet man nämlich die lex mit fr. — fragmentum, so erübrigt sich das D., da nur die Digesten fragmenta enthalten. Zuweilen läßt man im Vertrauen auf die Kenntnis des Lesers die Zahl des Buchs und des Titels weg. Die Bücher 30, 31, 32, welche de legatis handeln, haben keine Titel, man zitiert daher 1. 68 de leg. II, d. h. die 1. 68 des zweiten von den Legaten handelnden, also des 31. Buchs der Digesten. Durch die Konstitutionen Tanta uni) Atöcoxtv 00m 16. Dezember 533 verkündet, traten die Digeslen am 30. Dezember 533 mit den Institutionen in Kraft. c) Der Codex enthält eine Sammlung der für die da­ malige Praris noch brauchbaren Verordnungen römischer Kaiser. Diese auf uns gekommene, durch die constitutio „Cordi nobis“ verkündete und mit dem 29. Dezember 534 in Kraft gesetzte Sammlung ist eine Überarbeitung einer im Jahre 529 verkündeten Sammlung. Hinzugetreten waren namentlich 50 von Justinian ge­ troffene Entscheidungen von Streitfragen klassischer Juristen, die sog. quinquaginta decisiones, die neue Sammlung führt daher im Gegen­ satze zur älteren den Namen codex repetitae praelectionis. Der Koder zerfällt in 12 Bücher, diese in Titel und diese wieder in leges. Die Zitierweise ist die gleiche wie bei den Digesten (1. 1 pr. C. si pignus pignori 8,23 heitzt achtes Buch des oder [C] Titel 23, im principium der lex 1). Da der Koder nur aus constitutiones besteht, so wird häufig zitiert: c. 1 pr. si pignus pignori 8,23, wobei das c. constitutio bedeutet. Diese Konstitutionen sind nur zu einem geringen Teile allgemeine Gesetze (leges edictales), die meisten sind Reskripte, d. h. Entscheidungen von Rechtsfällen. Dadurch aber, datz auch Aussprüche dieses Inhalts in den Koder aufgenommen sind, haben die in ihnen zur Anwendung gelangten Rechtssätze die Eigen­ schaft von Gesetzen erlangt. d) Die Novellen (novellae constitutiones) sind von Iusti nian nach der Verkündung des Koder erlassene Gesetze. Praktische Bedeutung für das gemeine Recht hatten nur wenige von ihnen, insbesondere die Nov. 4, 99, 115, 116 und 127. Glossiert sind 96. Die Novellen sind nicht, wie die Konstitutionen, von Justinian selbst in eine Sammlung gebracht worden. Private Samm­ lungen sind drei bekannt. Das epitome Juliani ist ein gegen 556 von dem Rechtslehrer Julian zu Konstantinopel verfertigter latei-

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Erstes Buch: Allgemeiner Teil.

nifcher Auszug von 125 Novellen; das authenticum ober die Vulgata ist eine vermutlich um dieselbe Zeit in Italien aus An­ ordnung des Kaisers veranstaltete Sammlung von 134 Novellen. Sie gibt die lateinischen Novellen lateinisch und die in griechischer Sprache erlassenen Novellen in lateinischer Übersetzung wieder. End­ lich ist eine griechische Sammlung von 168 Novellen aus der Zeit Tiberius II. (698—705) vorhanden.

Die drei ersten Teile dieser Gesetzsammlung, des Corpus juris civilis, sind von Justinian als ein Ganzes betrachtet worden. Daher gingen die Konstitutionen des Koder widersprechenden Stellen der andern Teile nicht vor, doch hatten die Novellen als neuere Gesetze den Vorzug vor den andern drei Teilen. 2. Fremd war ferner das kanonische Recht. Kanonisches Recht ist das auf der Gesehgebungsgewalt des Papstes b-e ruhende Recht (canon — kirchliche Rechtsvorschrift). Diese im Mittelalter allgemein anerkannte Gewalt beschränkte sich nicht auf das rein kirchliche Gebiet, sondern hatte allmählich einen ausge­ dehnten Bereich erlangt. Das kanonische Recht ist daher nicht identisch mit Kirchenrecht, es erstreckt sich außer auf dieses auf Zivilprozeß, Strafrecht, Strafprozeß und, wenngleich zum kleinsten Teile, auch auf Privatrecht, während das gellende Kirchenrecht, auch das der katholischen Kirche, nicht ausschließlich auf kanonischen Satzungen beruht. Enthalten ist das kanonische Recht im Corpus juris cano­ nici. Das c. jur. can. clausum umfaßt vier Teile: a) Das Decretum Gratiani ist eine Privatarbeit des Mönches Gratian und zwischen 1139 und 1142 als Grundriß zu Vorlesungen entstanden. Gratian gibt Quellenstellen und einen Kommentar zu diesen, die sog. Dicta Gratiani, in der Absicht, das gesamte kanonische Recht unter Ausscheidung der Widersprüche zur Darstellung zu bringen, weshalb er seine Arbeit concordia discordantium canonum nannte. Das D. hat drei Teile; der erste zerfällt in 101 distinctiones, und diese bestehen aus canones. Die Zitierart ist c. 3 Bist. XX. Der zweite Teil erörtert 36 causae (Rechtfälle), wobei quaestiones aufgeworfen und durch canones beantwortet werden. Zitiert wird c. (— canon) 1, C. (— causa) XII, qu. (— quaestio) 1. Die qu. 3 der causa 33 bildet eine längere Ab­ handlung de poenitentia und zerfällt in Distinktionen. Zitierart c. 7 d. 2 de poenit. Den dritten Teil bilden fünf Distinktionen, welche in canones zerfallen. Der ganze dritte Teil führt die Bezeichnung de consecratione. Zitiert wird c. 1 Bist. III de consecrat. b) Die im Jahre 1234 von Gregor XI. publizierten Dekretalen (= päpstlichen Verordnungen). Man bezeichnet sie

Das frühere Privatrecht Deutschlands, § 1.

5

kurz mit (Eitra (X) — extra decretum Gratiani vagantes. Sie zerfallen in 5 Bücher, diese in Titel (mit Überschrift) und diese wieder in capita. Die Zitierart ist ganz die des Koder, c. (= caput) 1 X, (de elect.) I, 6. c) Die im Jahre 1298 durch Bonifatius VIII. verkündete Sammlung von Dekretalen der Päpste von Innozenz IV. bis Bonifatius VIII. Sie wird über sextus (VI.) genannt, als ob sie nur das sechste Buch der Sammlung Ertra bildete, sie enthält aber selbst 5 Bücher. Zitiert wird c. 2 in VI0 de renunciatione I 7. d) Die 1313 von Clemens V. verkündete Sammlung von Dekretalen der Jahre 1298—1313, genannt Clementinae. Auch sie enthält 5 Bücher, die wie in den Teilen 2 und 3 die Reihen­ folge judex, judicium, clerus, connubia, crimen (Eedenkvers) ein­ halten. Zitiert wird c. 1 Giern, de summa trin. I. 1. Hierzu traten zwei das corp. jur. can. non clausum bildende private Sammlungen, die extravagantes Johannis XXII. und die extravagantes communes. Für das Eherecht von besonderer Wichtigkeit waren die Beschlüsse des Concilium Tridentinum. Das kanonische Recht wurde gleichzeitig mit dem römischen in Deutschland aufgenommen, und seine Geltung erhielt sich trotz des anfänglichen Widerspruchs der Reformatoren auch in protestantischen Ländern. Seine Sätze gingen als jüngere Quelle dem römischen Rechte vor und fanden in Deutschland bereitwilligere Aufnahme, da sie den mittelalterlichen und neueren Anschauungen mehr entsprachen, als das antike römische Recht (z. B. in der Lehre vom Besitzschutz). Die Aufnahme des kanonischen Rechts findet ihre Erklärung darin, datz die Kirche innerhalb ihres ausgedehnten Machtbereiches im Mittelalter eine der weltlichen gleichstehende Gesetzgebungsgewalt er­ langte. x) 3. AIs fremd galt endlich das sog. langobardische Lehn­ recht. Die beiden libri feudorum, aus Prioatarbeiten des 11. und 12. Jahrhunderts hervorgegangen, sind Erzeugnisse der langobarbischen Rechtsschule. II. Reben diesem geschlossenen Systeme des fremden Rechts stand das deutsche Privatrecht.-) Damit bezeichnete man nicht etwa da» in Deutschland gellende Recht, sondern nur denjenigen Teil unseres Rechts, der deutschen Ursprungs ist. Hierher gehörten sowohl diejenigen Rechtsinstitute, die vor der Rezeption des fremden Rechts in Deutschland in Geltung standen und sich x) Vgl. auch hierüber meinen Zioilprozeh a. a. O. eit Irrenden von Bedeutung ist, läßt ihn die letztere unbeachtet, wenn der andere Teil berechtigter­ weise zu der Meinung kommen konnte, daß die Erklärung dem Willen des Erklärenden entspreche. Eine der vermittelnden Ansichten unterscheidet zwischen Verkehrs- und Nichtverkehrsgeschäften und be­ achtet den wesentlichen Irrtum nur bei den letzteren. Das neue Recht gibt für Nichtverkehrsgeschäfte einige Sonder­ bestimmungen (§§ 1332, 1333, 1949); für alle andern Geschäfte gibt es eine allgemeine Vorschrift. Diese vermeidet es, bestimmte Bestandteile des beabsichtigten Eeschästsinhaltes für unbedingt wesentlich zu erklären, stellt (§ 119) vielmehr für die Wesentlichkeit des Irrtums a) bei allen Rechtsgeschäften (§§ 119, 2078) den subjektiven Maßstab aus, daß der Irrtum nur dann zu beachten sei, wenn der Erklärende bei Kenntnis der Sachlage anders gehandelt und b) bei Rechtsgeschäften unter Lebenden daneben den objek­ tiven Maßstab, nach welchem der Irrtum nur dann Berücksichtigung findet, wenn der Erklärende bei verständiger Würdigung des Falles anders gehandelt haben würde. Bei letztwilligen Verfügungen wird also lediglich den persön­ lichen, wenngleich vielleicht wunderlichen Anschauungen des Erb­ lassers, bei Rechtsgeschäften unter Lebenden aber auch allgemeinen Anschauungen Rechnung getragen. Indem so das BGB die Be­ deutung des Irrtums für den Irrenden berücksichtigt, folgt es der Willenstheorie, und soweit es den Erklärenden an die Erklärung dann bindet, wenn sein abweichender Wille nach der Annahme eines verständigen Menschen belanglos ist, folgt es der Erklärungstheorie. Es wird also auch bei einem Irrtum über die Art und den Gegen­ stand des Geschäfts jener Maßstab anzulegen sein. Was Inhalt der Willenserklärung ist, muß in jedem besondern Falle durch Auslegung ermittelt werden. Das BGB rechnet kraft ausdrücklicher Vorschrift (§ 119 Abs. 2) hierzu auch die Eigen­ schaften der Person oder der Sache dann, wenn sie im Verkehr als

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Erstes Buch: Allgemeiner Teil.

wesentlich angesehen werden, darin der herrschenden Lehre des ge­ meinen Rechts folgend. Wie oben hervorgehoben, verlangt, wie jede, so auch die Erklärungshandlung einen gerade auf sie gerichteten, von der Geschäftsabsicht verschiedenen Entschluß. Es kann aber geschehen, daß eine Erklärung gewollt ist, die tatsächlich das wahre Wollen zum Ausdrucke bringen würde, daß aber die Erklärungshandlung, die bloße Willensäußerung, fehlgeht. Dies geschieht, wenn der Erklärende sich verspricht, verschreibt, vergreift. Dann hat der Er­ klärende eine Erklärung dieses Inhalts nicht abgeben wollen und deshalb die Befugnis, die fehlgegangene Erklärung anzufechten. Gleichgestellt ist diesem Irrtum vom BGB der Fall, daß mit der Übermittlung einer Erklärung ein Bote oder eine Anstalt betraut, tmfe von dieser aber die Erklärung unrichtig übermittelt worden ist. Dieser sog. Übermittlungsirrtum mußte von der Willenstheorie anders behandelt werden als von der Erklärungstheorie (RG 28, 16). Das BGB hat in § 120 den Streit entschieden, indem es ein An­ fechtungsrecht gewährt und dies an dieselben Voraussetzungen knüpft, von denen die Anfechtung einer Willenserklärung wegen Irrtums abhängt (§ 119). Es kommt dabei weder darauf an, ob die Mittels­ person arglistig oder fahrlässig gehandelt, noch ob höhere Gewalt an der Unrichtigkeit die Schuld trägt; entscheidend allein ist die Unrichtigkeit der an den Empfänger gelangten Mitteilung. Das auf wesentlichem Irrtum beruhende Geschäft war nach altem Recht ohne weiteres nichtig, nach neuem Recht ist es nur anfechtbar, d. h. der Irrende hat die Wahl, das Geschäft so wie es geschlossen bestehen zu lassen oder es unter Berufung auf den Irrtum zu entkräften. Macht er von dem Anfechtungsrechte Ge­ brauch, so ist das Geschäft von Anfang an und gegenüber allen nichtig. Die Anfechtung muß unverzüglich nach der Entdeckung des Irrtums, d. h. ohne schuldhaftes Zögern erfolgen, mit dem Ablaufe von 30 Jahren seit Abgabe der Willenserklärung aber er­ lischt das Anfechtungsrecht ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt jener Entdeckung (§ 121). Anfechtungsberechtigt ist gegenüber Rechts­ geschäften unter Lebenden der Irrende, gegenüber letziwilligen Ver­ fügungen der, dem die irrende Verfügung zum Nachteil gereicht. Die Anfechtung erfolgt gegenüber dem andern Teile und kann außer­ halb wie innerhalb eines Prozesses (auch durch Schriftsatz) geschehen. Weder nach gemeinem Rechte noch nach BGB kommt es auf Entschuldbarkeil oder Unentschuldbarkeit des Irrtums an. Der Irrende, der das Geschäft mit Erfolg angefochten, ist sogar ohne Rücksicht auf sein Verschulden zum Schadensersätze verpflichtet, und zwar bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen dem andern Teile,

Fünfter Abschnitt: Die juristischen Tatsachen. § 39.

109

bei nicht empfangsbedürftigen jedem Geschädigten. Zu ersetzen ist, weil das Geschäft durch die Anfechtung nichtig wird, der andere Teil also keinen Anspruch auf Erfüllung hat, das sog. negative In­ teresse, d. h. das, was der andere oder der Dritte dadurch ver­ liert, daß er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut, nur nicht über das sog. Ersüllungsinteresse hinaus (§ 122). Die Schaden­ ersatzpflicht wird nur durch des Geschädigten Kenntnis oder seine schuldhafte Unkenntnis von dem Irrtum ausgeschlossen (§ 122 Abs. 2) und besteht überhaupt nicht bei letztwilligen Verfügungen (§ 2078 Abs. 3). Ist bei einem Vertrage die Willenserklärung auch nur eines Teils von Anfang an oder infolge Anfechtung nichtig, so ist der ganze Vertrag nichtig, weil es in diesem Fall an der überein­ stimmenden Willenserklärung fehlt, ebenso wenn der eine Teil den andern nicht versteht und daher irrtümlich annimmt, dasselbe zu meinen, was jener erklärt (3. B. A. erklärt nach seiner Sprech­ weise den Unterstock mieten zu wollen, während B. mit demselben Worte den Oberstock bezeichnet). In diesem Fall ist jeder Teil frei von einem Irrtum über den Inhalt seiner Erklärung. Daher finden die §§ 119, 121, 122 feine Anwendung (sog. Dissens). § 39. Die freikeil der Willenserklärung. Das Recht schützt den Erklärenden gegen die auf seinen Willen von außen einwirkenden nachteiligen Einflüsse, welche die Freiheit der Willensentschlietzung beeinträchtigen. Hierher gehört insbesondere die arglistige Täuschung und die Drohung. 1. Wer in böslicher Absicht durch Angabe falscher oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen in einem andern einen Irrtum erregt oder seiner Verpflichtung zuwider ihn in einem Irrtum erhält, der begeht einen (zivilrechtlichen) Betrug, und wird verantwortlich, wenn er sein Ziel erreicht. Der Begriff des Betruges im zivilrecht­ lichen und im strafrechtlichen Sinn (§ 263 StGB) ist daher nicht der gleiche: zum Tatbestände des ersteren, der arglistigen Täuschung, gehört weder die Absicht, einen Vorteil zu erlangen, noch die, einen andern zu schädigen; eine Täuschungsabsicht ist schon in dem Bewutztsein enthalten, daß die Täuschung eine Schädigung verursachen kann. ROHE 9, 153; RG 23, 137. Das durch arglistige Täuschung veranlagte Rechtsgeschäft ist für den Betrogenen anfechtbar, 1. wenn er selbst durch den Betrug zum Abschlüsse des Geschäfts bestimmt worden ist, Willenserklärung und Täuschung also in ursächlichem Zusammenhange stehen und 2. wenn derjenige, der aus dem Geschäft ein Recht erlangt hat, die Täuschung selbst begangen hat oder die Täuschung kannte oder kennen mutzte

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Erstes Buch: Allgemeiner Teil.

(§ 123). Grund des Anfechtungsrechts ist also nicht der Irrtum des Getäuschten, sondern das arglistige Berhalten des aus dem Geschäfte Berechtigten. Ist also ein Geschäft durch Täuschung her­ beigeführt worden, aber ohne daß der aus ihm Berechtigte von dem Betrüge Kenntnis hat oder haben mutz (3. 93. der Makler hat ohne Wissen seines Auftraggebers den Kauflustigen über Eigenschaften der Sache betrogen), so kann die Anfechtung sich nur auf wesentlichen Irrtum stützen (§ 119). Ficht der Betrogene das Geschäft an, so kann er nur das negative Vertragsinteresse, bleibt er bei dem Geschäfte stehen, so kann er vollen Schadensersatz verlangen (§§ 249, 823, 626. RG 59, 155; 63, 110). 2. Der in körperlicher Überwältigung bestehende Zwang (vis absoluta) schließt den Willen des Überwältigten aus. Die bloße Androhung eines Übels, die Drohung (vis compulsiva), beein­ trächtigt nur die Freiheit des Willens, indem sie einen Beweggrund schafft, der andernfalls für den Erklärenden nicht bestimmend ge­ wesen wäre (etsi coactus tarnen voluit). Es bedarf daher des An­ fechtungsrechts, um die erzwungene Erklärung zu beseitigen. Ein solches Anfechtungsrecht fehlte dem altrömischen Zivilrecht, das prätorische Recht aber half durch Gewährung der actio quod metus causa, durch exceptio, durch restitutio in integrum. Ihm folgte das gemeine Recht und diesem folgt das BGB (§ 123). Rach altem wie neuem Recht ist Grund des Anfechtungsrechts aber nicht das rechtswidrige Verhalten des einen, sondern die Willensunfreiheit des andern Teils. Daher richtet es sich nicht bloß gegen den Ur­ heber der Drohung, sondern gegen jeden, der aus dem erzwungenen Geschäft einen Vorteil hat: die a. quod metus causa ist also nach beiden Rechten eine a. in rem scripta. Willensunfrei war der Bedrohte nur, wenn er durch die Drohung bestimmt worden ist. Während aber das römische Recht bei Beurteilung der Frage, ob der Bedrohte bestimmt werden konnte, einen objektiven Maßstab anlegte und dabei nur dasjenige Übel berücksichtigte, durch das ein constantissimus homo (1. 6 D. 4, 2) eingeschüchtert werden konnte, begnügt sich das BGB mit der Tatsache, daß der Erklärende sich hat bestimmen lassen, ohne Rücksicht auf die Möglichkeit, daß vielleicht ein anderer dieselbe Drohung unbeachtet gelassen haben würde. Rur die widerrechtliche Bestimmung durch Drohung gibt ein Anfechtungsrecht. Widerrechtlich aber ist die Drohung sowohl dann, wenn der Drohende zur Vollziehung des angedrohten Übels nach Lage der Verhältnisse nicht befugt ist, d. h. wenn er ein un­ erlaubtes, regelmäßig auch, wenn er ein unsittliches Handeln androht.

Fünfter Abschnitt: Die juristischen Tatsachen. § 40.

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als auch dann, wenn er auf den durch die Drohung erzielten Erfolg kein Recht hat. Widerrechtlich ist alles, was auch nur objektiv gegen das Recht verstößt, daher greift das Anfechtungsrecht auch dann Platz, wenn ein Geschäftsunfähiger gedroht hat. 3. Das BGB knüpft bei Betrug und Drohung das Anfechtungs­ recht an eine doppelte Ausschlußfrist, nämlich a) von einem Jahre, welches mit der Beseitigung der Willens­ unfreiheil beginnt; b) von 30 Jahren, welche mit der Abgabe der Willens­ erklärung beginnen und ablausen, auch wenn der Zustand der Un­ freiheit nicht beseitigt wird (vgl. § 124). Wird aus dem durch Täuschung oder Drohung herbeigeführten Rechtsgeschäft eine Forderung geltend gemacht, so kann sie auch nach dem Erlöschen des Anfechtungsrechts durch Einrede ge­ schlagen werden (§ 853). § 40. Die form der Rechtsgeschäfte. Unter Form versteht man nicht nur das Mittel, das dem Ge­ danken überhaupt Ausdruck gibt, sondern insbesondere auch die Einkleidung des Gedankens in eine bestimmte Gestalt der münd­ lichen oder schriftlichen Rede. Nur in diesem letzteren Sinne wird das Wort verwertet, wenn man von der Form der Rechtsgeschäfte spricht, denn nur dann unterliegt die Willensäutzerung einer Form, wenn für sie ein bestimmtes Ausdrucksmittel vorgeschrieben ist. Diese Vorschrift kann auf Gesetz oder Rechtsgeschäft beruhen, man spricht deshalb von gesetzlicher und von gewillkürter Form. In den Anfängen der Rechtsentwicklung bewegt sich der ge­ schäftliche Verkehr in strengen, solennen, mit Symbolen verknüpften Formen. Alle nicht in die sakrale Form gekleideten Erklärungen sind für das Recht gleichgültige Vorgänge. Mit der Entwicklung des Verkehrs aber lockern sich die Formen, weil die vorhandenen ein­ fachen Geschäftstypen den neuen wirtschaftlichen Bedürfnissen nicht mehr genügen. Der Gang der Rechtsentwicklung im römischen und im deutschen Rechte war daher ein langsamer Übergang von äußerster Formenstrenge zu immer größerer Formfreiheit. Im altrömischen Rechte kam für mehrere Rechtsgeschäfte die Anwendung von Erz und Wage (per aes et libram) vor, so für die Eigentumsübertragung an sog. res mancipi die mancipatio und für das Darlehn das nexum, ferner die Anwendung solenner Worte bei der stipulatio, acceptilatio, heredis institutio, beim legatum, die An­ wendung der Schrift bei der literarum obligatio, endlich hier wie im deutschen Rechte die Anwendung eines Scheinprozesses zur Einkleidung rechtsgeschäftlicher Erklärungen (in jure cessio, Auflassung). Einen

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Erstes Buch: Allgemeiner Teil.

besonders reichen Formenschatz *) besah das deutsche Recht, die Rechts­ geschäfte vollzogen sich „mit Hand und Mund", d. h. mit der Vor­ nahme einer symbolischen Handlung und dem Gebrauch einer Wortformel;^) zahlreiche Geschäfte konnten nur in der Gerichtsversamm­ lung vorgenommen werden und verlangten eine feierliche Einführung des Erwerbers in das erworbene Recht (die investitura). Daneben entwickelte sich die Gepflogenheit, wichtigere Erklärungen in „Brief und Siegel" zu geben, und der Handelsverkehr schuf in der Schriftform ein für zahlreiche Geldgeschäfte unumgängliches Ausdrucksmittel. Bei der Aufnahme des römischen Rechts wurden dessen Formen, soweit sie im justinianischen Gesetzbuch überhaupt noch Anerkennung gefunden hatten, nicht überall mit übernommen, insbesondere wider­ sprach die Stipulationsform (Frage und Antwort) deutscher Gewohn­ heit. Vielmehr entwickelte sich für das gemeine Recht der Grundsatz der Formfreiheit. Daneben blieben als Aus­ nahmen eine Reihe von Formbestimmungen stehen (z. B. für grohe Schenkungen). Partikularrechtlich aber erhielt sich eine große Zahl deutschrechtlicher Formen. Man hatte bei ihnen stets zu prüfen, ob die Form nur ein Beweismittel schaffen, ob sie die Klagbarkeit oder die Gültigkeit des Geschäfts begründen sollte. Das alte HGB schloß sich in Art. 317 dem gemeinrechtlichen Grundsätze der Formfreiheit an, und ihm ist das BGB ge­ folgt. Zum Ausdrucke gebracht ist dieser Grundsatz dadurch, daß nur für einzelne Geschäfte eine Form vorgeschrieben ist. Diese aber hat stets die Bedeutung eines die Gültigkeit begründenden Er­ fordernisses, m. a. W. die Nichtbeobachtung der vom Ge­ setze verlangten Form hat die Nichtigkeit des Geschäfts zur Folge (§ 125), so daß auch nicht auf Nachholung der Form geklagt werden kann. Welche Bedeutung der gewillkürten Form beizumessen, ist Sache der Auslegung, doch ist nach BGB (§ 125) im Zweifel anzunehmen, daß Nichtbeachtung der Form auch hier Nichtigkeit des Geschäfts nach sich ziehen soll. Diese Grundsätze gellen jetzt auch für das Handelsrecht. Das BGB und das HGB kennen folgende Formen: I. Schriftlichkeit. Diese Form besteht darin, daß die Erklärung niedergeschrieben und daß diese Schrift von dem Erklärenden ent­ weder mit der eigenhändigen Namensunterschrift (seines oder des Namens seines Vollmachtgebers RG 50, 51) oder mit einem gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichen unterzeichnet wird (§ 126). Doch braucht der Zeit weder von dem *) Heusler: Institutionen des deutschen Privatrechts I §§ 17, 18. 2) Schröder: Deutsche Rechtsgeschichte § 11.

Fünfter Abschnitt: Die juristischen Tatsachen. § 40.

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Aussteller noch vor der Unterschrift geschrieben zu sein (9t© 57, 67). Ein Bertrag mutz von beiden Parteien unterzeichnet werden und zwar auf derselben Urkunde. Werden über den Bertrag aber mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Da die gerichtliche und die notarielle Form eine Steigerung der Schristform bilden, so wird die Schristform durch diese gesteigerte Form ersetzt (§ 126). Schristform ist vorgeschrieben: 1. für das Stiftungsgeschäft unter Lebenden (81), 2. für die Mitteilung von der Schuldübernahme an den ©laubiger im Falle des § 416, 3. für das Leibrentenversprechen (§ 761), 4. für die Bürgschaftserklärung (§ 766), 5. für das selbständige Schuldversprechen (§§ 780, 782), 6. für das Schuldanerkenntnis (§§ 761, 762), 7. für die Anweisung, deren Annahme und Übertragung (§§ 783, 764, 792), 6. für das auf den Inhaber lautende Schuldversprechen (§ 793), 9. für den auf länger als ein Jahr geschlossenen Miet- oder Pacht­ vertrag (88 566, 581), 10. für die Abtretung der Briefhypothek (§§ 1154, 1192), 11. für das Testament wahlweise mit anderen Formen (§ 2231). Das neue H©B entbindet die unter 4, 5, 6 genannten Geschäfte von der Schristform, wenn die Bürgschaft auf seiten des Bürgen, das Versprechen oder das Anerkenntnis auf seiten des Schuldners ein Handelsgeschäft und dort der Bürge, hier der Schuldner Soll* kaufmann ist (§ 350). Hieraus folgt zugleich, datz alle andern Ge­ schäfte, für welche das BGB eine Form verlangt, dieser Form auch dann unterliegen, wenn sie Handelsgeschäfte sind. Außerdem verlangt das HGB Schristform 1. für die Erklärung, daß der Lehrling zu einem andern Gewerbe oder einem andern Beruf übergehen werde (§ 78), 2. für die Ausgabe von Aktien (§§ 179, 320, Unterschrift § 181), 3. für Ke Zeichnung von Aktien (§§ 189, 281, 320), 4. für die übrigen Skripturobligationen, die Anweisung, den Frachtbrief, den Ladeschein, den Lagerschein, die Versicherungs­ police, die Verbodmung. Daß die Schaffung eines Wertpapiers nur in Schriftform er­ folgen kann, versieht sich von selbst. Nur der schriftlich abgeschlossene Lehrvertrag begründet ein Recht, die Zurückführung des entlaufenen Lehrlings zu verlangen (§ 130 GewO, ähnlich § 79 HEB). (Engelmann, Bürgerliche» Recht. 5. Aufl.

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Auf die Vereinbarung über die Vertragsdauer beschränkt ist die Nichtigkeit beim formlosen Mietvertrag (§ 566). Heilbare Nichtigkeit im Falle des § 766. Für die gewillkürte Schriftform gilt dasselbe, was für die gesetz­ liche Schriftform bestimmt ist, mit zwei Abweichungen: a) datz für alle Erklärungen im Zweifel die telegraphische Über­ mittlung genügt, b) datz Verträge im Zweifel durch Briefwechsel geschlossen werden können. Doch kann in jedem Falle Nachholung der gesetzlichen (ordentlichen) Schriftform verlangt werden (§ 127 BGB). II. Die gerichtliche oder notarielle Beurkundung. Diese Form besteht (§§ 168—182 FGG) darin, datz der Richter ober der Notar (die Urkundsperson) die mündlich abgegebene Willensäußerung ent­ gegennimmt und in ein von ihm abgefaßtes Protokoll bringt; das Protokoll ist in deutscher Sprache abzufassen, es hat Ort und Tag der Verhandlung, die Beteiligten und die mitwirkenden Personen anzugeben, es ist den Beteiligten vorzulesen, von ihnen zu genehmigen und eigenhändig zu unterschreiben, ferner aber auch von allen mit­ wirkenden Personen zu unterzeichnen. Die Zuziehung eines Ge­ richtsschreibers oder zweier Zeugen (bei gerichtlicher Beurkun­ dung), oder eines zweiten Notars oder zweier Zeugen (bei notarieller Beurkundung) ist grundsätzlich nicht notwendig, vielmehr nur für die gerichtliche oder notarielle Beurkundung von Testamenten und Erbverträgen vorgeschrieben (§§ 2233, 2276 BGB)?) Ist ein einseitiges Rechtsgeschäft zu beurkunden, so ist die Er­ klärung mit der Fertigstellung des Protokolls vollendet, bei Auf­ nahme von Verträgen genügt es, datz zunächst der Antrag und sodann die Annahme des Vertragsantrags beurkundet wird (§ 128). Jene Form ist vorgeschrieben insbesondere für das Schenkungsver­ sprechen (§ 518) und zwar ohne Rücksicht auf das Matz der Schenkung, für das Testament (§§ 2231, 2238), und ferner in den Fällen der §§ 1516, 1517, 1730, 1748, 2291, 2296, 311, 312, 313, 873, 876, 1501, 2033, 2348, 2352, 2371. Ausnahmsweise wird verlangt, datz beide Kontrahenten gleichzeitig anwesend seien. Diese letztere Form ist insbesondere vorgeschrieben für die Auflassung (§ 925), welche vor dem zuständigen Grundbuchami erfolgt, -) für die Be­ stellung des Erbbaurechts (Grundbuchamt, § 1015), für den Ehe­ vertrag (Gericht oder Notar § 1434), den Adoptionsvertrag (Gericht oder Notar § 1750), den Erbvertrag (Gericht oder Notar § 2276), *) Über erschwerte Förmlichkeiten §§ 169, 178, 179 FGG. 2) Vgl. aber den Vorbehalt für die Landesgesehe in Art. 143 EG

z. BGB.

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Fünfter Abschnitt: Die juristischen Tatsachen. § 40.

und den Vertrag, durch den eine vertragsmäßige letztwillige Ver­ fügung aufgehoben wird (§ 2290), sowie für die Errichtung der Aktiengesellschaft (§ 182 HEB). Eine nur für die Eheschließung zugelassene Form ist die Erklärung vor dem Standesbeamten und die daran geknüpfte Erklärung des Standesbeamten. III. Die öffentliche Beglaubigung einer Erklärung besteht darin, daß die Willenserklärung schriftlich abgefaßt und die Unter­ schrift des Erklärenden vor der Urkundsperson vollzogen oder an­ erkannt und darauf von der Urkundsperson unter die Unterschrift oder das Handzeichen ein Vermerk gesetzt wird, inhalts welcher die Unterschrift oder das Handzeichen als von dem Erklärenden her­ rührend beglaubigt wird (§ 183 FGG). Hier wird also die Erklärung nicht vor der Urkundsperson ab­ gegeben, sondern sie wird ihr fertig vorgelegt. Diese Form wird aber durch die notarielle oder gerichtliche Beurkundung ersetzt. Sie ist vorgeschrieben für die Fälle der §§ 371, 403, 411, 1035, 1155, 1342, 1372, 1491, 1528, 1577, 1597, 1662, 1706, 1945. Eine von der neuesten Reichsgesehgebung herübergenommene Einrichtung des deutschen Rechts sind die öffentlichen Bücher. Sie sind bestimmt, gewisse für Dritte besonders wichtige Vorgänge in sich aufzunehmen; sie genießen öffentlichen Glauben, d. h. die in ihnen enthaltenen Eintragungen gelten als wahr und als vollständig, sie sind ferner einem jeden oder doch dem, der ein Interesse an der Ein­ sichtnahme glaubhaft macht, zugänglich. Die in ihnen vorgenommenen Eintragungen haben entweder a) eine bloß beurkundende Wirkung, indem sie einen recht­ lich wichtigen Vorgang zur Kenntnis dessen bringen, der das Buch eingesehen hat, und gelten deshalb regelmäßig als demjenigen be­ kannt, der das Buch hätte einsehen sollen; oder b) rechtsbegründende Wirkung, indem sie einen Rechts­ vorgang vollenden und mit einer Rechtsfolge versehen, die er an sich nicht hat. Hierhin gehören die meisten Eintragungen im Grundbuch und z. B. die Eintragung einer Attiengesellschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eines einzutragenden Vereins. Der Gegenscttz wird an den betreffenden Stellen hervorgehoben werden. Das einer Form unterworfene Rechtsgeschäft ist nicht ohne weiteres ein sog. Formalgeschäft. Von einem solchen spricht man nur dann, wenn die Willenserklärung zugleich eine sog. ab­ strakte ist, d. h. von ihrem Rechtsgrunde nicht abhängt, das Gesetz sie aber nur deshalb zuläßt, weil sie einer festbestimmten Form entspricht. Hierher gehörten im römischen Recht das nexum, die stipulatio, 8*

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der Literalkontrakt, heute namentlich der Wechsel, das auf den In» Haber lautend« Schuldoersprechen, die Auflassung, die Bestellung einer Grundschuld. Bei ihnen «rsetz 1 die Form den Rechtsgrund, während bei anderen Geschäften die Form zum Rechtsgrunde hinzutritt. § 41. Die Bestandteile der Rechtsgeschäfte. Man unterscheidet: 1. die wesentlichen Bestandteile eines Rechtsgeschäfts, die essentialia, d. h. die Erfordernisse, ohne welche das erklärte Rechtsgeschäft nicht als solches bestehen kann, als welches es die Parteien bezeichnen. Hierhin gehört z. B. beim Darlehn die Pflicht zur Rückgabe, beim Kauf eine Vereinbarung über Gegenstand und Preis; 2. die auherwesentlichen Bestandteile, die accidentalia, d. h. die Festsetzungen, durch welche die gesetzlichen Folgen des Ge­ schäfts in Nebenpunkten ausgeschlossen oder geändert werden. Diese gesetzlichen, also natürlichen Folgen bezeichnet man mit dem Ausdruck naturalia negotii. So übernimmt der Verkäufer ohne weiteres die Haftung für Fehler und Mängel der Kaufsache; das ist naturale negotii, daher die Abrede, daß der Verkäufer nicht haften solle, ein accidentale, eine Nebenabrede. Wesentliche Bestandteile sind aber nicht allein diejenigen, welche das Gesetz, sondern auch die, welche auch nur eine Partei für wesent­ lich ansieht, d. h. von deren Festsetzung die Partei ihre Willens­ erklärung abhängig macht. Es kann z. B. geschehen, datz der Ver­ käufer sich nur unter der Bedingung zum Dertragsschlusse versteht, datz ein bestimmter Ort als Erfüllungsort festgesetzt werde. Ist eine Einigung noch nicht über alle wesentlichen Erfordernisse erzielt, oder ist die Abrede über ein solches Erfordernis nichtig, so ist der Vertrag nicht geschlossen. Daher ist ein Rechtsgeschäft, das die Parteien als Kauf bezeichnen, bei dem aber ein Preis nur zum Scheine verabredet ist, kein Kaufvertrag (§ 154 BEB). Wird die für das Rechtsgeschäft vorgeschriebene Form zwar beobachtet, aber eine wesentliche Bestimmung nicht in dieser Form getroffen, so ist das ganze Rechtsgeschäft formlos, also (BGB § 125) nichtig. Wird eine Nebenbestimmung in formloser Weise getroffen, so ist nur diese ungültig. Es gilt also in diesem Nebenpunkte das, was das Gesetz bestimmt. Ist z. B. schriftliche Form vorgeschrieben, von den Parteien aber nur mündlich eine bestimmte Erfüllungszeit vereinbart, so kann der Gläubiger sofortige Leistung verlangen, weil das Gesetz (§ 271 BGB) ihn hierzu berechtigt. Besonders wichtige Bestandteile der Rechtsgeschäfte bilden die Bedingungen und die Zeitbestimmungen.

Fünfter Abschnitt: Di« juristischen Tatsachen. § 42.

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§ 42. Das bedingte Rechtsgeschäft. I. Begriff. Bedingung ist nach altem und neuem Recht (§§ 158ff. BGB) ein ungewisser Umstand, von dessen Eintritt oder Nichteintritt durch den Parteiwillen die Wirkung eines Rechtsgeschäfts abhängig gemacht ist. 1. Der Umstand mutz ein ungewisser sein. Daraus folgt, daß nach altem und neuem Rechte keine Bedingungen sind a) die sog. unmögliche Bedingung, d. h. ein Ereignis, dessen Nichteintritt beim Geschästsschluß objektiv gewiß ist. Ob den Be­ teiligten die Unmöglichkeit bewußt ist oder nicht, macht keinen Unter­ schied. Nachträglich eintretende Unmöglichkeit bedeutet den Ausfall der Bedingung; b) die sog. notwendige Bedingung, d. h. ein Ereignis, dessen Eintritt beim Geschäftsabschluß sicher ist. Hierher gehört auch ein unmöglicher Umstand, dessen Nichteintritt zur Bedingung gemacht ist; c) die auf vergangene oder gegenwärtige Tatsachen gestellte Bedingung (conditio in praeteritum — in praesens collata). Daß für die Beteiligten eine Ungewißheit vorhanden ist, macht das Ereignis nicht zu einem objektiv ungewissen, das Rechtsgeschäft also nicht zu einem bedingten. Doch ist der Rücktritt möglich, wenn die vorausgesetzte Tatsache nicht eingetreten ist, z. B. wenn ein Hund unter der „Bedingung" gekauft ist, daß er auf der vorigen Preis­ suche den ersten Preis erhalten hat (§ 459 BGB). In diesen Fällen ist das Rechtsgeschäft nur scheinbar ein be­ dingtes, unterliegt aber nicht den besonderen Bestimmungen über bedingte Geschäfte. Im Falle der Unmöglichkeit der Bedingung ist das Rechtsgeschäft nichtig, weil etwas Unmögliches gewollt ist. Das römische Recht behandelte bei letztwilligen Verfügungen die unmög­ liche Bedingung als nicht geschrieben, aber das BGB kennt diese Ausnahme nicht. Als unsittliche Bedingung bezeichnet man diejenige, durch welche eine Rechtswirkung von der Vornahme einer gegen das Gesetz oder gegen die guten Sitten verstoßenden Handlung abhängig ge­ macht wird. Das römische Recht behandelte diese Bedingung ebenso wie die unmöglichen, weshalb man sie als juristisch oder moralisch unmöglich bezeichnete. Das BGB spricht nur von gesetzlich ver­ botenen und gegen die guten Sitten verstoßenden Rechtsgeschäf­ ten. Da diese nichtig sind (§§ 134, 138), sind auch die von un­ sittlichen Bedingungen abhängigen Rechtsgeschäfte nichtig. 2. Die Parteiwillenserklärung ist es, die eine Bedingung setzt. Daher sind Ereignisse, welche die selbstverständliche Voraus-

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Erstes Buch: Allgemeiner Teil.

setzung einer bestimmten Rechtswirkung sind, keine wahren Bedin­ gungen. Man pflegt sie conditiones juris (Rechtsbedingungen, stillschweigende 23.) zu nennen, weil sie ihren Grund in Rechtsvor­ schriften haben. So ist z. 23. das Mitgiftversprechen vom Lheabschluß abhängig. Richt notwendig ist ausdrückliche Erklärung der Bedingung, es gibt auch stillschweigend erklärte Bedingungen. II. Das Schweben der Bedingung, d. h. der Zustand der Un­ gewißheit. Soll nach dem Willen der Parteien die beabsichtigte Wirkung des Rechtsgeschäfts erst mit der Erfüllung der Bedingung eintreten, so heißt die Bedingung eine aufschiebende (suspensive). Soll die beabsichtigte und sofort eintretende Wirkung des Geschäfts mit der Erfüllung der Bedingung aufhören, so heißt die Bedingung eine auflösende (resolutive). Im zweiten Fall ist das Geschäft selbst unbedingt geschlossen und nur seine Wiederaufhebung aufschiebend bedingt (§ 158). Während des Schwedens ist der aufschiebend-bedingt Berechtigte noch nicht berechtigt, der bedingt Berpflichtete noch nicht verpflichtet. Aber es besteht für den bedingt Berechtigten eine Anwartschaft auf Erwerb des Rechts (eine sog. spes), die auf seinen Rechtsnach­ folger dann übergeht, wenn das bedingt zugesagte Recht selbst aus den Nachfolger übergehen würde (vgl. jedoch § 2074), und die gewisse Rechtswirkungen äußert gegenüber Gefährdungen desRechtszustandes, der mit Eintritt der Bedingung entstehen soll. Die Gefährdung kann geschehen: a) dadurch, daß der Eintritt der Bedingung von dem bedingt Verpflichteten wider Treu und Glauben verhindert, von dem bedingt Berechtigten wider Treu und Glauben herbeigeführt wird; altes wie neues Recht (§ 162 BGB) sichern gegen diesen Nachteil nicht bloß durch Gewährung eines Schadensersatzanspruchs, sondern dadurch, daß in jenem Falle der Eintritt, in diesem der Nichteintritt fingiert wird. Dolus pro impleta conditione; b) dadurch, daß das bedingt eingeräumte Recht schuldhaft vereitelt oder beeinträchtigt wird; in diesem Falle gewähren altes wie neues Recht (§ 160) dem Berechtigten einen Schadens­ ersatzanspruch, vorausgesetzt, daß beim Eintritt der Bedingung das Rc^t entstanden sein u)ürt):; c) dadurch, daß über den Gegenstand, über den eine bedingte Verfügung getroffen ist, eine weitere Verfügung getroffen wird, die den bedingt Berechtigten schädigt. Denn wer bedingt verkauft, aber nicht übergeben hat, ist in der Lage, die Sache an einen andern zu veräußern oder zu verpfänden; wer unter einer auflösenden Be­ dingung erworben, kann einem Dritten Rechte an der Sache ein-

Fünfter Abschnitt: Die juristischen Tatsachen. § 42.

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raumen. Das alte und das neue Recht (§ 161) erklären die zweite Verfügung für soweit unwirksam, als |ie das Recht des bedingt Berechtigten beeinträchtigt (resolute jure dantis resolvitur jus coneessum). Das neue Recht schützt aber den aus der zweiten Verfügung Berechtigten, wenn er in gutem Glauben; d) dadurch, daß die Lage des bedingt Verpflichteten sich ver­ schlechtert, kann Anlaß zu Arrest oder einstweiliger Verfügung ge­ geben sein (§8 917, 935, 940 ZPO). Daß kein Zwang zur Erfüllung der Bedingung besteht, folgt aus ihrem Wesen (1. 41 pr. D 18, 1). III. Tritt Die Bedingung ein. so wird die vorherige Ungewißheit beseitigt. Eine sog. negative Bedingung, d. i. diejenige, welche das Nichteintreten eines Ereignisses setzt, wird erst existent, wenn das Nicht-mehr-Eintreten gewiß ist. Die affirmative Bedingung schlägt fehl (defiziert), wenn Gewißheit besieht, daß das Ereignis nicht mehr eintreten kann. Mit dem Eintritt der Bedingung entstehen die beabsichtigten Rechtsfolgen: der suspensiv-bedingt Berechtigte erwirbt das Recht, der bedingt Verpflichtete wird verpflichtet. Die gemeinrechtliche Streitfrage, ob die Wirkung der einge­ tretenen Suspensivbedingung auf den Zeitpunkt des Geschäftsab­ schlusses zurückbezogen werde, ist vom BGB durch eine dispositive Bestimmung gegen die rückwirkende Kraft entschieden worden (88 158, 159). Auch der Eintritt der Resolutivbedingung wirkt nach BEB wie nach gemeinem Recht, „ex nunc“. Nach der herrschenden Auffassung des gemeinen Rechts und nach neuem Recht (8 1582) hat der Eintritt der Resolutivbedingung nicht obligatorische, sondern dingliche Wirkung, d. h. es ent­ steht nicht eine persönliche Verpflichtung, den früheren Zustand wiederherzustellen, sondern dieser Zustand tritt von selbst wieder ein, ohne daß es also bei zurückfallendem Eigentum einer Übergabe oder Auflassung bedürfte (Fall des 8 694). IV. Zum Gegenstand einer Bedingung können sowohl zufällige Ereignisse als Handlungen der Beteiligten gemacht werden. Die ersteren heißen zufällige (kasuelle), letztere Potestativbedingungen, wenn sie vom Willen des Berechtigten abhängen. Zur Bedingung kann aber auch ein Ereignis gemacht werden, das in der Macht des bedingt Verpflichteten steht, z. B. es kauft jemand Möbel unter der Bedingung, daß er im Mai seine Villa beziehen sollte. In diesem Falle kann der Verpflichtete zwar den Eintritt der Bedingung ver­ eiteln, gleichwohl macht eine solche Bedingung das Rechtsgeschäft nicht ungültig. Um den bedingt Verpflichteten an der Vereitelung zu hindern, kann eine Vertragsstrafe vereinbart werden. Ist aber der Eintritt der Verpflichtung von dem bloßen Willen des Be-

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rechtigten oder Verpflichteten abhängig gemacht (si velis), so fehlt es an einem bindenden Willensentschluß, ein Rechtsgeschäft ist also nicht zustande gekommen (Ausnahme: der Kauf auf Probe)?) V. Nach altem und neuem Recht bildet die Zulässigkeit einer Bedingung die Regel. Eine Ausnahme machen im römischen Rechte die Akzeptilation, die Adoption, der Antritt und die Ausschlagung der Erbschaft, nach neuem Rechte die Aufrechnungserklärung (§ 388), die Auflassung (§ 925), die Eheschließung (§ 1317), die Aner­ kennung der Ehelichkeil des Kindes (§ 1598), die Annahme an Kindes Statt (§ 1742) und deren Wiederaufhebung (§ 1768), die Ehelichkeitserklärung (§ 1724), die Annahme und die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses (§§ 1947, 2180), die Annahme des Testamentsvollstreckeramtes. Wirtschaftliche oder sittliche Gründe sind es, welche Bestimmtheit der Erklärung verlangen und daher einen Zustand der Ungewißheit verbieten?) Die Festsetzung einer Bedingung ist daher überall aus­ geschlossen, wo sie sich, wie bei der Kündigung, mit jener Rücksicht nicht verträgt. Wird einem „bedingungsfeindlichen" Geschäft eine (wahre) Bedingung beigefügt, so ist es unwirksam. VI. Die herrschende Meinung nimmt an, daß derjenige, der aus dem unbedingten Rechtsgeschäft einen Anspruch herleitet, die Bcweislast für die Unbedingtheit hat, und daß die Behauptung der Bedingtheit motiviertes Leugnen, daher im Wege des Gegen­ beweises darzutun ist.

§ 13. Das befristete Rechtsgeschäft. Wird der Eintritt einer Rechtswirkung oder deren Aufhören an einen Zeitpunkt (dies) geknüpft, so hat diese Bestimmung die Natur einer Bedingung dann, wenn cs ungewiß ist, ob der Zeitpunkt eintreten wird, sog. dies incertus an; denn hier hängt die Wirkung des Geschäfts von einem künftigen ungewissen Ereignis ab. Ist der Zeitpunkt dagegen ein solcher, der gewiß eintritt (dies certus an), so liegt eine Befristung auch dann vor, wenn der Zeitpunkt sich nicht berechnen läßt (incertus quando), z. B. der Tod eines Men­ schen. Es ist jedoch zu unterscheiden: a) Die Parteien wollen die Rechtswirkung des Geschäfts sofort eintreten lassen und nur die Geltendmachung dieser Wirkung hinausschieben, das Rechtsgeschäft ist ein betagtes (§ 813 Abs.2); 0 Windscheid I § 93. Regelsberger I S. 566. 1. 17, 1. 27. § 1, 1. 99 § 1, 1. 115 § 1 V. 0. 45,1. Motive z. BGB I 6. 266. 2) Bruck: Bedingungsfeindliche Rechtsgeschäfte. 1904.

Zweiter Abschnitt: Die juristischen Tatsachen. § 43, 44.

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in diesem Fall ist Recht oder Verpflichtung mit dem Geschäftsschluß entstanden, aber der Berechtigte darf nicht die Leistung verlangen,b) die Parteien wollen auch die Rechts Wirkung des Ge­ schäfts hinausschieben oder einschränken, das Rechtsgeschäft ist ein befristetes. Das BGB (§ 163) unterwirft zwar die betagten Geschäfte den Grundsätzen von bedingten, aber es ist damit nur der Satz zur An­ wendung gebracht, daß ein solches Geschäft auch schon vor Eintritt des Termins Wirkungen hat und nur die vollen Wirkungen erst mit dem Termin eintreten. Zweifellos ist das betagte Recht schon vor dem Anfangstermine vorhanden (§§ 271 Abs. 2, 813 Abs. 2). Geschäfte, die keine Bedingung vertragen, können auch nicht be­ tagt oder befristet werden. § 44. Willenserklärungen durch Stellvertreter. I. Begriff. Die Stellvertretung besteht in der Vornahme einer Rechtshandlung an Stelle und im Namen eines andern, also mit der vom Handelnden beabsichtigten Folge, daß die Wirkung der Rechtshandlung in der Person jenes andern entstehe. Verschieden vom Stellvertreter ist namentlich 1. der Bote. Während der Vertreter den zum Geschäftsabschluß erforderlichen Willen selbst bildet, dient der Bote nur der Über­ mittlung des von einem andern gefaßten und erklärten Ent­ schlusses. Es ist daher irreführend, ihn „Vertreter" in der Abgabe der Willenserklärung zu nennen. Er ist nur Transport- oder Er­ klärungswerkzeug. Nicht der Vertreter, wohl aber der Bote kann geschäftsunfähig sein (§ 165). Da nur die dem andern Teile zu­ gegangene Erklärung rechtliche Bedeutung hat (§ 130), steht eine unrichtig übermittelte Erklärung einer solchen gleich, welche der Erklärende so nicht abgeben wollte (§ 120). 2. Derselbe Unterschied waltet zwischen dem Stellvertreter und dem Mäkler ob, da auch der letztere nicht das Geschäft durch eigene Willensbildung schließt, sondern als Bote beider Kontrahenten deren Willenserklärungen überbringt und den Geschäftsabschluß fördert. Die Parteien können den Mäkler zum Vertreter machen. 3. Der Ersatzmann oder „mittelbare Vertreter" schließt das Geschäft zwar in fremdem Interesse, aber in eigenem Namen, also als sein Geschäft ab, so daß es ihn berechtigt oder verpflichtet und ein besonderer Rechtsakt nötig ist, um die Rechtsfolge des Geschäfts auf den an seinem Abschluß Interessierten zu übertragen. Ein solcher mittelbarer Vertreter ist z. B. der Kommissionär. In Wahr­ heit aber ist die mittelbare Vertretung keine Stellvertretung.

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II. Geschichte. Das römische Recht kannte eine wahre Stellver­ tretung nur für den Besitzerwerb und den durch Besitzerwerb ver­ mittelten Eigentumserwerb, für das Darlehn, für das zur Sicherheit dieses bestellte Pfandrecht und für den Erbschaftserwerb. Im übrigen kannte es nur den Geschäftsschlutz durch Ersatzmänner. Das präto­ rische Recht schuf durch die Zulassung der actiones exercitoria und institoria, sowie der actiones adjectitiae qualitatis eine M i 1 Haftung des Geschäftsherrn?) Völlig umbildend auf das römische Recht wirkte alsdann ein im Mittelalter beginnendes, vom kanonischen Recht gefördertes12)3 gemeines deutsches Gewohnheitsrecht, das für alle Geschäfte, für welche eine Stellvertretung nicht ausgeschlossen ist, die eigentliche unmittelbar wirkende Stellvertretung zuließ (Prinzip der unmittelbaren Stellvertretung). Dieses gemeine deutsche Recht ist in die modernen Gesetzbücher, namentlich auch in das alte HGB (Artt. 52, 298) und in das BGB (§ 164) übergegangen. Danach i\t eine Stellvertretung dann vor­ handen, wenn der Handelnde zur Abgabe einer Erklärung namens einer andern Person befugt ist und die Erklärung tatsächlich im Namen jenes andern abgibt. Das Geschäft ist aber dann namens des andern geschlossen, wenn dies der Vertreter ausdrücklich kund­ gibt oder wenn die Umstände ergeben, daß es im Namen des Geschäftsherrn geschlossen sein soll. Es kommt also im letzteren Falle nicht auf das Wissen des Erklärungsempfängers von der Stell* vertretereigenschaft des Erklärenden, sondern darauf an, ob Um­ stände vorliegen, die objektiv geeignet sind, dem Empfänger diese Kenntnis zu verschaffen?) Fehlt es an einer Kundgebung des Ver­ tretungswillens, so ist der Handelnde Selbstkontrahent und kann sich nicht darauf berufen, daß er nicht für sich habe handeln wollen (§ 164 Abs. 2). Da Kontrahieren in eigenem Namen und Kontrahieren in fremdem Namen verschiedene Dinge sind, so ist die Behauptung, der Gegner habe nicht in eignem, sondern in fremdem Namen gehandelt, motiviertes Leugnen (RG 2, 194; 3, 122). III. Umstritten blieb das Wesen der Stellvertretung. Denn der von Savigny ausgestellten (sog. Geschäftsherrn-Theorie), nach welcher der Wille des Vertretenen das Geschäft zustande bringt und 1) Hierüber wird im Obligationen- und im Familienrecht gesprochen werden. 2) Potest quis per alium, quod potest facere per se ipsum; qui facit per alium, est perinde ac si faciat per se ipsum (c. 68. e. 72 in VIo. de reg. jur. 5, 12). 3) Z. B. der dem Verkäufer bekannte Gutsverwalter A. kaust eine größere Anzahl Ackerpferde. Hier ergeben die Umstände, daß der Kauf namens des Gutseigentümers geschlossen ist.

Fünfter Abschnitt: Die juristischen Tatsachen. §44.

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der Vertreter nur wie ein Bote als Werkzeug fremden Willens tätig ist, stellte sich die Repräsentationstheorie entgegen, nach welcher der Geschäftsschluß eine Handlung des Vertreters ist, die Wirkung dieser Handlung aber den Vertretenen ergreift. Mitlelmeinungen erblicken in der Stellvertretung ein Zusammenwirken beider. Das BGB folgt der Repräsentationstheorie. Da nämlich der Vertreter den zum Geschäftsschluß erforderlichen Willen selbst bildet, so werden die Erfordernisse gültiger Willens­ bildung und Erklärung nur nach der Person des Vertreters beurteilt, insbesondere wird das Zustandekommen des Geschäfts nur durch Willensfehler des Vertreters beeinflußt. Dasselbe gilt von dem Einflüsse, den die Kenntnis oder das Kennenmüssen von gewissen Umständen nach sich zieht. Das BGB (§ 166 Abs. 2) stellt nur die Ausnahme auf, daß, wenn der Vollmachtgeber dem Bevollmächtigten eine bestimmte Weisung erteilt, gewisse Umstände aber selbst gekannt hat, er sich nicht darauf berufen darf, daß sein Vertreter diese Umstände nicht gekannt habe. Denn hier war die Willensbildung nicht ausschließlich Sache des Vertreters, sondern auch die des Vertretenen. Da aber die Wirkung des Geschäfts in der Person des Vertretenen eintritt, so wird das Geschäft in allen seinen Rechtsfolgen nach der Person des Vertretenen be­ urteilt (z. B. ob ein Handelsgeschäft vorliegt). Eine Folge ist, datz der Vertreter nicht geschäftsunfähig sein darf, denn sonst würde er einen gültigen Entschluß nicht fassen können, daß er aber beschränkt geschäftsfähig fein kann, denn die von ihm begründeten Verpflich­ tungen sind nicht f*e i n e Verpflichtungen (§ 165). Die unmittelbare Beziehung der Rechtsfolgen des Geschäfts auf den Vertretenen bewirkt, daß der Vertreter ein Geschäft für sich und zugleich im Namen eines andern, ja daß er als Vertreter verschiedener Personen zwischen diesen einen Vertrag schließen kann (RG 4, 302 ; 6, 11; 7, 119). Das BGB nimmt grundsätzlich denselben Stand­ punkt ein. Denn es läßt ein solches Kontrahieren des Vertreters sowohl im Falle besonderer Gestattung als auch dann zu, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht (§ 181). Daher kann insbesondere der Vor­ mund und der Konkursverwalter gültig Zahlung leisten und erheben, indem »er einen Geldbetrag aus der einen in die andere Kasse legt, ein Rechtsvorgang, den schon das römische Recht in Abweichung von seiner grundsätzlichen Auffassung zuließ (1. 9 §§ 5, 7 D. de adm. et peric. 26, 7). Natürlich aber reicht zum Selbstkontrahieren der bloße Willensentschluß des Vertreters nicht aus, es bedarf auch hier der Betätigung des Entschlusses. In allen andern Fällen ist das Selbstkontrahieren des Vertreters nach dem BGB unzulässig (§ 181).

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IV. Voraussetzung der Wirksamkeit des vom Vertreter vorge­ nommenen Geschäfts ist Vertretungsmacht des Stellvertreters. Ohne sie ist das vom Vertreter vorgenommene Geschäft für den Ver­ tretenen unverbindlich. Dies gilt nach altem und neuem Recht un­ beschränkt nur für die rein einseitigen Geschäfte; Verträge und solche empfangsbedürftige Willenserklärungen ($. B. Kündigungen), welche der andere Teil nicht zurückweist, werden für diesen bindend durch die Genehmigung des Geschäftsherrn; bis diese erfolgt, kann der andere Teil eine einseitige Erklärung des Vollmachtlosen durch Beanstandung noch zu Falle bringen, einen Vertrag noch widerrufen (§§ 180, 178). Weiß der andere um den Mangel der Vollmacht, so sind Beanstandung und Widerruf ausgeschlossen. Das Geschäft wird nach altem und neuem Recht (§§ 177, 184) des Vertretenen Geschäft erst dadurch, dah er es genehmigt (ratihabiert). Die Ge­ nehmigung ersetzt die Vollmacht: sie stellt die Verbindung zwischen dem Geschäftsbesorger und dem Geschäftsherrn her. Dadurch aber, dah der Geschäftsherr nicht mitkontrahiert, unterscheidet er sich von dem, der sich dem Gegenkontrahenten gegenüber zu einem nicht gültigen Vertrage bekennt. Daher genügt es, dah die Genehmigung dem Geschäftsbesorger gegenüber erklärt wird (§ 182).^ Aus der Rechtsnatur der Genehmigung folgt zugleich, dah sie auf den Zeit­ punkt der Vornahme des Geschäfts zurückwirkt (§ 184 BGB). Der unbefugte Vertreter haftete nach der herrschenden Auf­ fassung des bisherigen Rechts nur auf Schadensersatz, und zwar auf das negative Interesse, denn da er nicht den Willen hatte, für sich ein Geschäft zu schließen, so konnte ein ihn bindendes Geschäft nicht zustande kommen. Von diesem Grundsätze wich schon Art. 55 des alten HGB sowie Art. 95 WO ab, und das BGB geht noch weiter. Die Tatsache nämlich, dah mit dem Willen des Vertreters ein Geschäftsschluh erfolgt, der kein Geschäft des Vertretenen bewirkt, begründet die Haftung des Vertreters nicht bloß dann, wenn es ihm an der Vertretungsmacht fehlte, sondern auch dann, wenn er seine Vertretungsmacht nicht nachweist. Die Haftung selbst ist nicht auf einen möglicherweise wertlosen Schadensersatzanspruch be­ schränkt, sondern besteht nach Wahl des andern Teils entweder in Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder in Erfüllung des ge­ schlossenen Geschäfts. Wird Schadensersatz gewählt, so haftet der Vertreter auf das Erfüllungsinteresse, wenn er den Mangel der Vertretungsmacht kannte, auf das negative Interesse, wenn er selbst den Mangel der Vertretungsmacht nicht kannte, und ist von der !) Seuffert, Lehre von der Ratihabition 1868. 15, 260.

S. 3 ff. ROHG

Fünfter Abschnitt: Die juristischen Tatsachen, § 44.

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Haftung befreit, wenn der Gegner den Mangel der Vertretungsrnacht kannte (§ 179). Die Vertretungsmacht beruht entweder auf Gesetz oder Privatwillenserklärung (Vollmacht). Auf Gesetz beruht sie, wenn sie vom Gesetz angeordnet und begrenzt ist. Ins Leben tritt sie aber auch hier nur mit dem Ein­ tritt einer Tatsache, welche die gesetzliche Vertretungsbefugnis zur unmittelbaren Folge hat oder welche den öffentlichen Akt der Be­ stellung eines Vertreters gebietet. Zu den gesetzlichen Vertretern der ersteren Gruppe gehören der Vater, der Ehemann, die Mitglieder der offenen Handelsgesellschaft, zu den letzteren der Vormund, der Eüterpfleger, der Liquidator. Die Vollmacht ist nicht identisch mit dem Aufträge. Letzterer begründet, wenn angenommen, eine vertragsmätzige Verpflichtung des Beauftragten gegenüber dem Auftraggeber, ein Ge­ schäft vorzunehmen, erstere gibt dem Bevollmächtigten das Recht, für den Vollmachtgeber zu handeln. Daher ist der Auftrag nur an den Beauftragten, die Vollmacht an den Dritten gerichtet, mit dem der Bevollmächtigte in Verkehr treten soll (§§ 662 ff., 167). Eine Vollmacht kann ohne Auftrag, ein Auftrag ohne Vollmacht bestehn. Wer innerhalb der Vollmacht, aber gegen den Auftrag handelt, verpflichtet den Machtgeber, macht sich ihm aber wegen Verletzung des Auftrags schadensersatzpflichtig. Die Vollmachtserklärung erfolgt nach dem BGB (§ 167) ent­ weder durch Erklärung gegenüber dem Dritten oder gegenüber dem Mandatar, aber in diesem Falle mit der Absicht der Mitteilung an den Dritten. Ersetzt wird diese Vollmacht — die keiner Form be­ darf — durch jede gegenüber dem Dritten erfolgte oder durch eine öffentliche Kundgebung (§ 171) oder durch Übergabe einer Bollmachtsurkunde an den Mandatar und Vorlegung der Urkunde an den Dritten (§ 172). Die Vollmacht erlischt mit dem Rechtsverhältnisse, das ihr zugrunde liegt, sie ist regelmäßig nicht ein abstraktes Geschäft (§ 168). Sie ist indes Sache des persönlichen Vertrauens und kann darum auch erlöschen, wenn jenes Rechtsverhältnis fortdauert. Da­ her besteht das zwischen dem Kaufmann und seinem Handlungs­ gehilfen begründete Dienstvertragsverhältnis fort, wenn der Kauf­ mann die dem Gehilfen erteilte Handelsvollmacht widerruft. Nach bisherigem Recht erlosch die auf einem Aufträge beruhende Vollmacht mit dem Tode des Auftraggebers. Von diesem Grundsätze bestanden schon nach dem bisherigen Reichsrecht Ausnahmen für die Hand­ lungsvollmacht (Artt. 297, 52) und die Prozetzvollmacht (§82 ZPO a. F.). Nach BGB (§ 672) erlischt im Zweifel auch das Auftrags-

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Erstes Buch: Allgemeiner Teil.

Verhältnis nicht durch den Tod des Auftraggebers. Dagegen erlischt die Vollmacht durch den Tod des Bevollmächtigten, sowie durch Widerruf seitens des Vollmachtgebers und durch Kündigung, falls sich ihre Unwiderruflichkeit nicht aus dem zugrunde liegenden Rechts­ verhältnis ergibt (vgl. §§ 27, 715). V. Nur Privatgeschäfte können Gegenstand der Vollmacht sein. Alle diejenigen Personen also, welche dem Staate zustehende Hoheitsrechte ausüben, können nicht Bevollmächtigte im Sinne des Zivil­ rechts sein. Die Berufung des Staatsbeamten zu seinem Amt ist ein Akt der Ausübung der Ämterhoheit, nicht ein privatrechtlicher Ver­ trag. Wenn auch der Beamte im Privatinteresse einzelner Personen und daher auf deren Antrag oder Auftrag tätig wird, so übt er doch in seiner Tätigkeit öffentlichrechtliche, allein dem Staate zu­ stehende Rechte aus (Auftrag an den Gerichtsvollzieher zur Vornahme der Zwangsvollstreckung, Anträge auf Zwangsversteigerung von Immobilien, Antrag auf Enteignung im Interesse des Bergbautreibenden). Die Gemeindebeamten sind, soweit sie private Interessen der Gemeinwesen wahrnehmen, Bevollmächtigte, und ihre Berufung geschieht durch Vertrag; soweit sie öffentlich-rechtliche Funktionen versehen, sind sie mittelbare Staatsbeamte. Insbesondere handeln auch die Gerichtsvollzieher als Beamte, denn ihre Berufstätigkeit besteht in der Ausführung von Akten, die nach dem Gesetze nur dann wirksam sind, wenn sie der Gerichtsvollzieher vornimmt. Soweit der Gerichtsvollzieher aber in Ausübung seines Amtes privatrechtlich wirksame Handlungen vornimmt (Besitz ergreift, Pfandrecht erwirbt, Zahlung erhebt), handelt er innerhalb einer ihm vom Gesetz erteilten Vollmacht, und ist er also Stellvertreter seines Auftraggebers.') VI. Das BGB kennt eine unabänderliche und eine abänderliche Handlungsvollmacht. 1. Eine unabänderliche Vollmacht hat der Prokurist (88 48—53 HGB). Man bezeichnet so denjenigen, der von dem Inhaber des Handelsgeschäfts (dem Prinzipal) oder seinem gesetz­ lichen Vertreter ermächtigt ist, in dessen Namen und für dessen Rechnung das Handelsgeschäft zu betreiben und per procura die Firma zu zeichnen. Obwohl hiernach die Vollmacht gerichtet ist auf den Betrieb des Handelsgeschäfts (d. i. dieses Prinzipals), ermächtigt sie zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, welche der Betrieb eines (d. i. irgendeines) Handelsgewerbes mit sich bringt. Sie ersetzt jede bel) Vgl. die zum Teil abweichenden Entscheidungen RG 10, 233; 9, 361; 11, 289, insbesondere aber die Entsch. der verein. Zivilsenate 16, 396 und Hahn bei Gruchot Bd. 31, 330 ff. Vgl. auch RG 39, 160.

Fünfter Abschnitt: Die juristischen Tatsachen.

§ 44

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sondere Vollmacht, und eine Beschränkung ihres Umfangs hat Dritten gegenüber keine rechtliche Wirkung, selbst wenn der Dritte die Beschränkung kennt. Überschreitet der Prokurist aber seinen Auftrag, so ist er aus diesem dem Prinzipal haftbar (9t© 30, 21). Die Zeichnung der Firma geschieht in der Weise, daß der Prokurist der Firma einen die Prokura andeutenden Zusatz und seinen Namen beifügt. Die Prokura kann einer oder mehreren Personen gemeinschaftlich erteilt werden; im letzteren Falle (der Gesamtprokura) können die mehreren Prokuristen mit verbindlicher Kraft nur gemeinschaftlich handeln, während jeder der besonders bestellten Prokuristen infolge der Unbeschränkbarkeit der Prokura selbständig zur unbegrenzten Vertretung des Prinzipals befugt ist. Nicht ohne weiteres befugt ist der Prokurist zur Veräuße­ rung und Belastung von Grundstücken. 2. Eine beschränkbare Vollmacht ist a) die des Handlungsbevollmächtigten (§§ 54ff. HEB) und b) die des zu einzelnen Handelsgeschäften Bevollmächtigten. Gemeinsam ist beiden eine Vollmacht zu Handelsgeschäften, deren Umfang der Machtgeber begrenzen kann. Der Unterschied liegt aber darin, daß der Umfang jener durch Gesetz, der Umfang dieser allein von dem Willen des Vollmachtgebers be­ stimmt wird. Jene ermächtigt zu allen Geschäften und Rechts­ handlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt; nur die Veräußerung und Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Dar­ lehen und die Prozeßsührung sind ausgeschlossen. Der Prinzipal kann die Vollmacht aber einschränken, doch wirken Beschränkungen gegen den Dritten nur dann, wenn er sie kennt oder kennen muß. Handlungsbevollmächtigter ist auch aa) der Handlungs­ reisende, wenn er zur Vornahme von Geschäften an Orten ver­ wendet wird, an denen sich eine Niederlassung des Geschäftsinhabers nicht befindet. Er ist befugt, den Kaufpreis aus den von ihm ab­ geschlossenen Verkäufen einzuziehen und dafür Zahlungsfristen zu gewähren, sowie Mängelrügen und Erklärungen, daß eine Ware zur Verfügung stehe, entgegenzunehmen; bb) der in einem offenen Warenlager oder in einem LadenAnge stellte, denn er ist zu Verkäufen und Empfangnahmen ermächtigt, die in einem derartigen Warenlager oder Laden gewöhn­ lich geschehen. Die Vollmacht zu einzelnen Handelsgeschäften unterliegt aus­ schließlich, jede andere Handelsvollmacht dem BGB insoweit, als Bestimmungen des HEB nicht entgegenstehen.

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Erstes Buch: Allgemeiner Teil.

Prokura und Handlungsvollmacht sind nicht übertragbar (§§52, 58 HGB). Die Prokura erlischt nicht durch den Tod des Prinzipals, weil der Geschäftsbetrieb von der Person des Geschäftsinhabers regelmäßig unabhängig ist; ob der Tod des Prinzipals die einfache Handlungsvollmacht beendet, bestimmt sich nach allgemeinen Grund­ sätzen. § 45. Das unwirksame Rechtsgeschäft, Der Grund der nicht seltenen Erscheinung, dah ein Rechtsgeschäft die von den Parteien beabsichtigte Rechtswirkung nicht erreicht, liegt entweder darin, daß nicht alle Tatumstände eingetreten sind, die nach dem Willen der Parteien eintreten sollten (unvollständige Geschäfte), oder darin, dah dem fertigen Tatbestand ein Mangel anhaftet (mangelhafte Geschäfte). Zu den ersteren gehört das Geschäft, das vom Eintritt einer Bedingung oder der Willenskund­ gebung eines Dritten abhängig gemacht ist, zu den letzteren das gegen eine Form, ein Verbot verstoßende oder auf einem Willens­ fehler beruhende. Die mangelhaften Geschäfte sind nach dem in das BGB übergegangenen Sprachgebrauche nichtig oder anfechtbar. Nichtig ist ein Geschäft, dessen beabsichtigte Wirkung nicht eintritt, anfechtbar ein Geschäft, dessen Rechtswirksamkeit auf­ gehoben werden kann. Die Nichtigkeit ist also beim Vorhandensein des Mangels von selbst gegeben, die Anfechtung dagegen ist ein Willensakt. Die Folge ist, daß die Wirkungen des anfechtbaren Geschäfts bis zur Anfechtung bestehen, und daß das Geschäft un­ anfechtbar wird, wenn das Anfechtungsrecht verloren geht. Das Anfechtungsrecht steht nur einem am Rechtsgeschäft Beteiligten, aus­ nahmsweise einem Dritten, durch das Geschäft Benachteiligten zu. Die Nichtigkeit wird nicht herbeigeführt, sie kann nur festgestellt werden (insbesondere auch im Wege der Feststellungsklage nach § 256 ZPO); sie geltend zu machen, ist ein jeder befugt, dessen Interessen durch das Geschäft berührt .werden (RG 24, 177), die Geltend­ machung der Nichtigkeit ist daher nicht Gegenstand eines besonderen Rechts, und der Richter hat die ihm erkennbar gewordene Nichtigkeit von Amts wegen zu beachten. Die Anfechtung hatte nach altem Recht in vielen Fällen nur mittelbare Wirkung, d. h. sie begründete die Pflicht zur Wiederher­ stellung des früheren Zustands, nach dem BGB (§ 142) aber hat sie immer unmittelbare Wirkung, d. h. sie bewirkt, daß das Geschäft als von Anfang an nichtig behandelt wird, sie ist also eine bedingte, d. h. von der Anfechtungserklärung abhängige Nichtigkeit. Es ist also der frühere Rechtszustand bestehen geblieben. Die An-

Fünfter Abschnitt: Die juristischen Tatsachen. § 46.

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fechttmg selbst erfolgt nicht wie regelmäßig nach bisherigem Rechte durch die Mittel des Prozeßrechts, die Aufhebung geschieht also nicht durch Urteil, sondern durch bloße Erklärung des Anfechtungsberechtigten gegenüber dem Gegner (§§ 143, 2081). Natürlich kann die Erklärung durch Erhebung der Klage oder einer Einrede abgegeben werden, aber aufhebende Wirkung hat auch in diesem Falle nicht das Urteil, sondern die Erklärung. Nichtigkeit eines Teils des Rechtsgeschäfts hat nach altem und neuem Rechte die Nichtigkeit des ganzen Geschäfts zur Folge, es sei denn, daß es auch ohne den nichtigen Teil würde vorgenommen worden sein (§§ 139, 2085). Entspricht ein Geschäft nicht den Erfordernissen des beabsichtigten, wohl aber denen eines andern Geschäfts, so kann es als Geschäft der letzteren Art (im Wege der Umwandlung, Konversion) aufrecht erhalten werden, wenn an­ zunehmen ist, daß die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit das Geschäft als ein solches anderer Art gewollt haben würden (z. B. einen eigenen Wechsel, dem das Wort „Wechsel" fehlt, als Ver­ pflichtungsschein im Sinne des § 363 HGB). Das BGB spricht an mehreren Stellen von unwirksamen Geschäften und umfaßt damit entweder alle mangelhaften Ge­ schäfte (§§ 344, 2085) ober stellt sie zu den nichtigen Geschäften in einen Gegensatz. Wo das letztere geschieht, nennt es unwirksam diejenigen Geschäfte, welche so wie sie vorliegen, keine oder nur beschränkte Wirkung haben, die aber wirksam werden können, wenn ein Tatumstand, den das Gesetz oder der Wille der Parteien zur Wirksamkeit verlangt, hinzutritt. (Ein solcher Tatumstand ist insbesondere die Einwilligung eines Dritten oder die Genehmigung einer Behörde. Darum ist nicht nur das aufschiebend-bedingte, also unvollständige Geschäft, sondern auch das ohne Vollmacht oder von einem beschränkt Geschäftsfähigen vorgenommene und das von der oormundschaftsgerichtlichen Genehmigung abhängige Geschäft wäh­ rend des vor dem Eintritt dieser Tatsachen bestehenden Schwebezu­ standes unwirksam, nach der Entscheidung entweder vollwirksam oder wirkungslos. Ein nichtiges Geschäft dagegen kann nicht wirksam werden, denn bestätigen es die Parteien nach Hebung des Mangels, so schließen sie ein neues Geschäft (§ 141). Ein Rechtsgeschäft kann eine beschränkte Wirksamkeit haben, insbesondere bestimmten Personen gegenüber unwirksam sein (§ 135). Hierher gehören namentlich die vom Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung geschlossenen, die Konkursmasse betreffenden Ge­ schäfte. Diese sind (§ 7 KO) nur den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. Während das anfechtbare Geschäft durch die Anfechtung mit absoluter Wirkung außer Kraft tritt, ist und bleibt ein solches Engelmann. Bürgerliche« Recht.

l>. Ausl.

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relativ-unwirksames Geschäft für die Kontrahenten bindend, für die geschützten Personen (3. B. die Konkursgläubiger) ist es, auch ohne Anfechtung, nicht vorhanden, aber es kann auch gegen sie wirken, wenn sie auch nur stillschweigend ihre Zustimmung dazu geben. § 46.

B.

Die unerlaubte Handlung«

Im Gegensatze zu den Rechtsgeschäften sind unerlaubte Hand­ lungen diejenigen, deren Rechtsfolge gegen den Willen des Handeln­ den eintritt. Eine Anzahl dieser Handlungen sind vom Gesetze mit Strafe bedroht, weil sie das allgemeine Wohl schädigen. Dadurch, datz das Gesetz sie bestraft wissen will, nimmt es das durch sie ge­ fährdete Gut unter seinen Schutz, macht es zum Rechtsgut. Aber nicht alle unerlaubten Handlungen sind strafbar; unerlaubt oder rechtswidrig sind vielmehr auch diejenigen Handlungen, welche das Recht eines andern verletzen, ihn also schädigen. Mit diesen hat es das Privatrecht zu tun. Datz sie daneben auch strafbar sein können, ändert nichts an ihrer zivilrechtlichen Folge. Die Rechtswidrigkeit auf dem Gebiete des Privatrechts kann in einem Tun oder in einem Unterlassen bestehn. Soll ein Unter­ lassen eine Rechtswidrigkeil enthalten, so mutz es in der Verletzung einer Rechtspflicht bestehen. Daher ist die Nichterfüllung einer Ver­ bindlichkeit überhaupt oder zur festgesetzten Zeit eine Rechtswidrigkeit. Die an die Rechtswidrigkeit geknüpften Folgen treten regelmätzig nur ein, wenn die Rechtsverletzung verschuldet ist. Die Schuld ist entweder Vorsatz, d. h. das bewutzte Wollen der Rechtswidrigkeit, oder Fahrlässigkeit (Versehen), d. h. der Mangel der erforderlichen Sorgfalt. Der Vorsatz (dolus) zieht die Rechtsfolge, die an die Pflicht­ verletzung geknüpft ist, immer nach sich, und eine Vereinbarung, durch die jemand von vornherein sich gegen die ihm. aus vorsätzlichem Handeln drohenden Nachteile zu sichern sucht, ist nichtig. Die Fahrlässigkeit aber kann eine verschieden starke sein, und nicht immer macht schon der geringste Grad des Versehens verant­ wortlich. Um den Grad des Versehens festzustellen, legt man einen verschiedenen Matzstab an, und zwar a) einen abstrakten, von den Eigenschaften eines vorge­ stellten Menschen entnommenen; dieser Matzstab hat zur Auf­ stellung von zwei Graden der Schuld geführt, nämlich aa) des groben Versehens (culpa lata), welches in der Verletzung desjenigen Matzes von Sorgfalt besteht, das jeder ge­ wöhnliche Mensch anwendet,

Fünfter Abschnitt: Dir juristischen Tatsachen. § 46—48.

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bb) des geringen Versehens (culpa levis), welches in der Verletzung der Sorgfalt eines umsichtigen Menschen (eines diligens pater familias) besteht. b) Ein konkreter Maßstab wird angelegt, wenn man die Sorgfalt desjenigen bestimmten Menschen zugrunde legt, dessen Handlungen beurteilt werden sollen (culpa in concreto — Ver­ letzung der diligentia, quam suis rebus adhibere solet). Dieser Maßstab wird nur da angelegt, wo es sich Um Akte des Vertrauens handelt. Hier verlangt, da ein jeder mit seinem Vertrauen vor­ sichtig umgehen mag, das Gesetz nur, daß in fremden Angelegen­ heiten diejenige Sorgfalt angewendet werde, die man auf seine eigenen Angelegenheiten zu verwenden pflegt. Darüber, welches Maß von Sorgfalt anzuwenden ist, gibt es sowohl im alten wie im neuen Rechte nur eine allgemeine Regel, d. i. die, daß, wenn überhaupt, stets grob« Fahrlässigkeit zu ver­ treten ist. Culpa in concreto vertritt nach römischem Recht« der Gesellschafter, der Miteigentümer bei Verwaltung der gemeinschaft­ lichen Sache, und der Ehemann bei Verwaltung der Dos und der Paraphernalgüter. Das BGB läßt für diese Art der Sorgfalt ein­ stehen den Verwahrer, wenn er die Verwahrung unentgeltlich über­ nommen hat (§ 690), den Gesellschafter (§ 708), die Ehegatten (§ 1359) und die Eltern bei Ausübung der elterlichen Gewalt dem Kinde gegenüber (§§ 1664, 1686). Die Einzelheiten gehören in das Obligationenrecht und in die Erörterung der einzelnen Rechtsverhältnisse.

II. Andere rechtserhebliche Ereignisse. § 47.

Allgemeines.

Über den Einfluß derjenigen Tatsachen, welch« außer den Willenserklärungen und den unerlaubten Handlungen privatrecht­ liche Folgen haben, lassen sich allgemeine Grundsätze nicht aufstellen. Don besonderer Wichtigkett sind die Verfügungen der Staatsgewalt, da sie wie die Enteignung, die Vermögensentziehung Rechte geben und Rechte nehmen. Einer besonderen Behandlung bedarf 1. der Zeitablauf, und 2. die Verjährung. § 48. Der Zeitablauf. Der Zeitablauf ist insofern von Einfluß auf Entstehung und Endigung der Rechte, als

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Erstes Buch: Allgemeiner Teil.

1. der Zeitablauf an sich die Möglichkeit ausschließen kann, eine Rechtshandlung vorzunehmen, 2. der Zeilablauf in Verbindung mit der Ausübung eines Rechts einen Rechtserwerb und in Verbindung mit der Nicht­ ausübung des Rechts einen Rechtsverlust herbeiführen kann. Jrn ersteren Falle kann die Zeit in Betracht kommen als Zeit­ punkt (Termin) wie als Zeitraum (Frist). Termine können bestimmt werden durch Privatwillenserklärung oder durch richter­ liche Verfügung, Fristen durch Gesetz, private oder richterliche Ver­ fügung. Die Zeitberechnung geschieht entweder durch Hinweis auf den Kalender, d. h. auf die Zeit, wie sie im Kalender bezeichnet ist. Dies geschieht 3. B., wenn der 21. August 1900 als Tag der Fälligkeit einer Schuld angegeben oder wenn bestimmt wird, daß eine Handlung nur in der Zeit vom 1. April bis 1. Juli 1900 vor­ genommen werden dürfe. Im Gegensatze zu dieser unbeweglichen Zeit gibt es eine bewegliche Zeit. Darunter versieht man den mit einem gewissen Ereignisse beginnenden Zeitraum, 3. B. ,,sechs Monate nach Übergabe der Ware". Die BerechnungderFristen kann a momento ad momentum erfolgen, wenn kleinere Zeitteile als Tage in Berechnung gezogen werden. Diese „Naturalkomputation" fand im römischen Recht und findet auch heute nur ausnahmsweise und regelmäßig nur kraft Parteiwillens Anwendung. Die gewöhnliche Fristberechnung bildet nach altem und neuem Rechte (§§ 187, 188) die sog. Zivil­ komputation, die den Tag als kleinsten, nicht weiter zerlegbaren Zeitteil ansieht. Aber während das römische Recht den Tag, in welchen das die Frist in Lauf setzende Ereignis fiel, mitrechnete, zählt das deutsche Recht und mit ihm das BGB (§ 187 Abs. 1) und Art. 32 Nr. 1 WO ihn nicht mit. Anders wenn der Beginn des Tages für den Anfang einer Frist bestim­ mend sein soll; dann wird dieser Tag mitgerechnet (miete ich z. B. vom 1. April 1900 ab auf 3 Jahre, so enbet das Bertragsverhältnis mit Ablauf des 31. März 1903). Ebenso wird bei Berechnung des Lebensalters der Tag der Geburt mitgezählt. Eine nach Tagen bestimmte Frist endet nach BGB (§ 186 Abs. 1) mit dem Ablaufe des letzten Tages der Frist, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist endet, wenn der Anfangstag nicht mitgezählt wird, mit dem Ablause desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, in welchen das die Frist in Lauf setzende Ereignis fiel; wenn aber der erste Tag mitgezählt wird, so endet die Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten.

Fünfter Abschnitt: Die juristischen Tatsachen, g 49.

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Monats, welcher dem durch Benennung ober Zahl dem Anfangstage entsprechenden Tage vorhergeht. Eine Frist von einem halben Zähre ist --- 6 Monaten, eine solche von einem Dierteljahre — 3 Monaten, ein halber Monat beträgt 15 Tage (§ 189). Das HEB sieht eine vereinbarte Frist von acht Tagen als volle acht Tage an (§ 359), dem BGB fehlt eine gleiche Bestimmung, es wird hier also aus den Willen der Parteien und damit auf den Sprachgebrauch ankommen. Nach HGB (§ 359) entscheidet ferner, wenn als Leistungszeit das Frühjahr oder der Herbst oder ein in ähnlicher Weise bestimmter Zeitpunkt vereinbart ist, im Zweifel der Handelsgebrauch des Leistungsorts. Ist für die Abgabe einer Willenserklärung oder für die Vor­ nahme einer Leistung eine Frist bestimmt, so tritt an Stelle des letzten Tages der Frist der nächste Werktag, wenn der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag oder allgemeinen Feiertag fällt (§ 193 BGB, Art. 92 WO). Das römische Recht machte einen Gegensatz von tempus continuum und tempus utile; in jenen Zeitraum wurden alle, in diesen nur diejenigen Tage «inbezogen, an welchen die Vornahme des Ge­ schäfts möglich war. Im heutigen Recht ist nur noch die Wechsel­ protestfrist tempus utile (Art. 41, 92 WO). Das ältere deutsche Recht kannte Fristen von Jahr und Tag und verstand darunter ein Jahr sechs Wochen und drei Tage. Dem BEB ist diese Frist unbekannt. § 49. Die Verjährung. 1. Begriff. Im weiteren Sinne bedeutet Verjährung die durch Ausübung oder Nichtausübung von Rechten während eines gewissen Zeitraums bewirkte Änderung dieser Rechte, im engeren, hier allein gebrauchten Sinne nur diejenige Änderung» die durch Nichtgeltend­ machung eines Anspruchs während eines bestimmten Zeitraums herbeigeführt wird. 2. Geschichte. Dem ältesten römischen Rechte war (erlöschend«) Verjährung unbekannt: alle actiones waren perpetuae. Das prä­ torische Edikt führte zunächst für die von ihm gegebenen actiones poenales eine Verjährungsfrist von einem Jahre ein; sie hießen infolgedessen actiones annales. Erst Theodosius II. bestimmte (424 n. Chr.), daß alle actiones, die nicht schon einer kürzeren Ver­ jährung unterlagen, in 30 Jahren verjähren sollten. Die Wirkung der Verjährung bestand darin, daß nur die Klagbarkeit des Rechts, nur die actio erlosch, das Recht selbst aber bestehen blieb. Man sagte daher, daß nach Verjährung der actio eine obligatio naturalis übrig bleibe.

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Erstes Vuch: Allgemeiner Teil.

Auch das ältere deutsche Recht fannte das Institut nicht. Wer aber befugt war, einen dem Rechte nicht entsprechenden Zustand an­ zufechten, und die Anfechtung innerhalb einer gewissen Frist, meist von Jahr und Tag, welche mit der Möglichkeit der Anfechtung be­ gann, unterließ, der verlor diese Befugnis durch „Verschweigung". Das gemeine Recht beruhte auf dem römischen Recht, und auf dem gemeinen Rechte fußt das BGB. 3. Gegenstand der Verjährung sind nach gemeinem und neuem Recht Ansprüche. Anspruch aber ist (nach § 194) „das Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen". Die Folge ist, daß die Verjährung das Forderungsrecht selbst er­ greift. Dagegen bleibt bei Verjährung des aus einem absoluten Rechte entstandenen Anspruchs das absolute Recht selbst bestehen. Denn aus einem absoluten Recht (3. B. dem Eigentum) entsteht ein Anspruch erst mit dem Eintritt eines dem Rechte widersprechenden Zustandes. Es kann daher der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den Besitzer verjähren, ohne daß das Eigentum selbst damit aufgehoben würde. Aber nicht alle Ansprüche unterliegen der Ver­ jährung. Das BGB schließt von der Verjährung aus: a) die aus familienrechtlichen Verhältnissen entstehenden Ansprüche, soweit sie auf die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustandes für die Zukunft gerichtet sind (§ 194), also 3. B. das Recht auf Unterhaltsgewährung, b) die Ansprüche aus den im Grundbuch eingetragenen Rechten, es handle sich denn um Rückstände wieder­ kehrender Leistungen oder um Schadensersatzansprüche (§ 902), c) gewisse aus dem Eigentum fließende Ansprüche (§ 924), d) die Ansprüche auf Teilung einer Gemeinschaft (§§ 758, 2042), e) die Ansprüche auf Berichtigung des Grundbuchs (§ 898). 4. Die regelmäßige Verjährungsfrist sowohl des gemeinen als des neuen Rechts beträgt 30 Jahre. Doch kannte schon das römische Recht eine Reihe kürzerer Verjährungsfristen, und das moderne Recht hat die Neigung, immer mehr Ansprüche von der Regel auszunehmen und aus rechtspolitischen Gründen kurzen Verjährungsfristen zu unterwerfen. Das BGB selbst steckt die Frist für eine große Zahl von Ansprüchen aus dem Gebiete des täglichen Geschäftsverkehrs auf zwei bzw. vier Jahre ab (§§ 196, 197)?) 5. Zum Beginn der Verjährung gehört actio nata, d. h. das Recht zu klagen; nach BGB § 198: der Anspruch muß ent­ standen sein. Dieser Zeitpunkt ist dann eingetreten, wenn der i) Außerdem: §§ 477, 481, 490—492, 638, 766, 601, 804, 852, 1302, 1715, 558, 581, 1057, 1093, 1226, 1623, 2287, 2266, 2332 BGB.

Fünft«! Abschnitt: Dir juristischen Tatsachen. 8 49.

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Anspruchsberechtigte befugt ist, die Leistung zu verlangen. Die Verjährung einer Darlehnsforderung beginnt also nicht mit der Mahnung, sondern mit der Darlehnshingabe. Muh der Leistung eine Kündi­ gung vorangehen, so beginnt die Verjährung mit der Kündigung, und ist nach Ablauf einer Kündigungsfrist zu leisten, so ist actio nata erst mit Ablauf dieser Frist (§ 199); für einen bedingten An­ spruch ist a. nata mit Eintritt der Bedingung (§ 158), für einen betagten mit Eintritt des Termins (§ 163). Die Verjährung der Ansprüche, die nach dem BGB in zwei oder vier Jahren verjähren, beginnt erst mit dem Schlüsse des Jahres, in welchem der Anspruch entsteht (§ 201). Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so kann seine Verjährung erst beginnen mit der Zuwiderhandlung, denn der Zustand bis dahin entspricht dem Recht (§ 198). Der aus einem absoluten Recht entstehende Anspruch beginnt zu verjähren erst mit der Verletzung des Rechts. Eine Hemmung der Verjährung tritt ein» sobald der Geltend­ machung des Anspruchs ein Hindernis entgegensteht. Das Hindernis kann ein tatsächliches oder ein rechtliches sein. Die Hemmung be­ wirkt, dah der Laus der Verjährung nicht beginnt oder, wenn er begonnen, daß er so lange stillsteht» als das Hindernis wirkt (die Verjährung ruht). Rach Beseitigung des Hindernisses setzt sich der Lauf der Verjährung fort, die Zeit des Rühens wird in die Verjährungsfrist nicht mit eingerechnet. Rach dem BGB sind Gründe, welch« den Verpflichteten zur Verweigerung der Leistung berechtigten, ferner Stillstand der Rechtspflege, das Bestehen der Ehe, das Eltern- und Kindesverhältnis (während der Minderjährig­ keit der Kinder) und das Vormundschaftsverhältnis Wischen Gläubiger und Schuldner Hindernisse der Verjährung (§§ 202—207). 6. Die Unterbrechung der Verjährung bewirkt, dah die bisher abgelaufene Derjährungszeit nicht in Betracht kommt und dah nach der Unterbrechung eine neue Verjährung beginnt. Unterbrochen wird die Verjährung a) nach altem (RG 15, 178) und neuem Rechte (§ 208) dadurch, dah der Schuldner dem Gläubiger gegenüber, wenn auch nur still­ schweigend z. B. durch Zins- oder Abschlagszahlung, Sicherheits­ leistung, Bürgschafts- oder Pfandbestellung die Schuld anerkennt; b) durch Erhebung der Klage. Im älteren römischen Rechte wurden alle oerjährbaren actiones (a. temporales) durch die Litiskontestation a. perpetuae. Nach justinianischem Rechte wurde die Verjährung durch die Ladung des Beklagten unterbrochen so

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Erstes Buch: Allgemeiner Teil.

zwar, daß, wenn der Prozeß liegen blieb, von der letzten Prozeßhandlung ab für alle Klagen eine neue Verjährung von 40 Jahren lief. Im gegenwärtigen Recht erfolgt die Unterbrechung durch Er­ hebung der Klage nach Maßgabe der ZPO (§§ 253, 267, 281, 499, 500, 510). Es ist gleich, ob auf Befriedigung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Dollstreckungsklausel oder auf Erlassung des Vollstreckungsurteils geklagt wird (§§ 253, 256, 731, 722 ZPO). Der Klageerhebung steht gleich (§ 209 BGB) a) die Zustellung eines Zahlungsbefehls im Mahnverfahren (§ 693 ZPO); b) die Anmeldung des Anspruchs im Konkurse (§ 139 KO): c) die Erklärung der Aufrechnung im Prozesse (§ 281 ZPO); d) die Streitverkündung in dem Prozesse, von dessen Ausgange der Anspruch abhängt (§ 73 ZPO): e) die Vornahme einer Vollstreckungshandlung oder die Stellung des Antrags auf Vornahme einer dem Gericht oder einer anderen Behörde obliegenden Zwangsvollstreckung. Das BGB steht hierin in Übereinstimmung mit dem bisherigen Rechte, doch sind durch die Bestimmungen zu c und d Zweifel des bisherigen Rechts entschieden. Die Grundsätze des BGB finden auch auf die Wechselverjährung Anwendung?) Da in allen hier angeführten Fällen die. Unterbrechung durch gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs herbeigeführt wird, kann die neue Verjährung erst nach Beendigung der vom Berechtigten ver­ anlaßten gerichtlichen Tätigkeit beginnen. Daher beginnt mit der Rechtskraft des Urteils sowie mit der Feststellung des Anspruchs durch vollstreckbaren Vergleich, vollstreckbare Urkunde oder im Kon­ kurse eine neue Verjährung von 30 Jahren auch dann, wenn der Anspruch selbst einer kürzeren Verjährung unterlag (§§ 218—220). Denn der Berechtigte kann in jedem Falle seinen Anspruch nunmehr aus jene Feststellung gründen. Ist der Prozeß in anderer Weise erledigt, so beginnt die neue Verjährung mit dem Ereignis, das ihn erledigt. Geschieht dies aber durch Zurücknahme der Klage oder durch ein nicht in der Sache selbst entscheidendes, auf Abweisung lautendes Urteil, so ist eine Unter­ brechung nicht eingetreten. Denn in jenem Falle hat der Kläger von der gerichtlichen Verfolgung Abstand genommen, in diesem aber hat sich herausgestellt, daß der Kläger den Anspruch nicht ordnungs*) Art. 80 WO ist durch Art. 8 Nr. 2 EG z. HGB aufgehoben.

Sechster Abschnitt: Der Rechtsschutz. § 49.

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mäßig geltend gemacht hat. Und ruht das Verfahren, so beginnt die neue Verjährung mit der letztenProzeßhandlung (§§211,212).*) 7. Die Wirkung der Verjährung besteht nach altem und neuem Rechte (§§ 222, 223) darin, daß der Berechtigte den verjährten An­ spruch nicht gegen den Willen des Verpflichteten geltend machen bars,*) weder durch Klage noch durch Einrede. Der Schuldner kann also die Schuld als fortbestehend behandeln, sie anerkennen, sichern, be­ friedigen, aber er kann hierzu nicht gezwungen werden, vielmehr steht ihm das Recht zu, die Leistung zu verweigern, dem Anspruch eine (wahre) Einrede entgegenzusetzen. Die condictio indebiti auf (Erstattung des Gezahlten ist folgerichtig ausgeschlossen. Pfand und Bürge bleiben verhaftet. Als Anspruch unterliegt auch die rei vindicatio der Verjährung, während das (Eigentum bestehen bleibt. Der Eigentümer hat damit die Befugnis verloren, seine Sache von demjenigen Besitzer zurückzufordern, gegen den sein Herausgabe­ anspruch ursprünglich entstanden war; gelangt die Sache aber in die Hand eines andern Besitzers, der nicht Rechtsnachfolger des vorigen ist, so ist ein neuer Anspruch begründet. 8. Rach gemeinem und neuem Recht sind Verträge über eine Verlängerung oder Erschwerung der Verjährung grundsätzlich*) un­ zulässig (§ 225). Denn das Institut der Verjährung dient allge­ meinen Interessen. Dagegen dient die Abkürzung oder Erleichterung der Verjährung nur dem Prioatinteresse der Beteiligten, sie kann also auch Gegenstand eines gültigen Vertrags sein (§ 225). 9. Zu unterscheiden von der Verjährungsfrist ist die Ausschlutz(Präklusiv-)Frist. Die Verjährung trifft nur Ansprüche, also Rechte, welche gegen eine bestimmte Person gerichtet sind, der Ablauf der Frist gibt daher dem Verpflichteten das Recht, die Leistung zu ver­ weigern, das nur berücksichtigt wird, wenn der Schuldner es (im Wege der Einrede) geltend macht. Die Ausschluhfrist trifft Be­ fugnisse, denen eine Verpflichtung nicht gegenübersteht (z. B. die Frist zur Errichtung des Rachlahinventars). Da also die Frist hier die Bedeutung hat, daß eine Rechtshandlung nur während des Laufes der Frist vorgenommen werden kann, so hat derjenige, der aus dieser Handlung ein Recht herleitet, die Wahrung der Frist zu beweisen, und der Richter hat die Frage nach der Einhaltung der Frist von Amts wegen zu prüfen. *) S. die analogen Vorschriften in §§ 213—216. *) Für diese beschränktere Wirkung, die der natürlichen Auffassung ent­ sprach, war auch bisher die herrschend« Meinung. Dernburg l § 150. Regelsberger I § 186. Celle in Seuff. Archiv 50, 258. ) Ausnahmen z. B. § 477 BGB.

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Erstes Buch : Allgemeiner Teil.

§ 50. Rccbteerwerb und Verfügung« 1. Der Rechtserwerb ist ein ursprünglicher (originärer), wenn er von dem Recht einer andern Person unabhängig ist, ein abgeleiteter (derivativer), wenn er von dem Recht eines andern abhängt. Der abgeleitete Erwerb stand im gemeinen Recht unter dem Grundsätze: Nemo plus juris in alium transferre polest, quam ipse habet. Dieser Grundsatz beherrscht zwar auch das neueste Recht. Dieses läßt aber in zahlreichen Fällen den Erwerb eines Rechts zu, das der andere nicht hatte, es findet in diesen Fällen also ein ur­ sprünglicher Erwerb statt, auch wenn eine als Rechtsübertragung er­ scheinende Handlung vorgenommen wird. Der Übergang eines gleichen Rechts heißt Sukzession: sie besteht nur in einem Wechsel des Rechtssubjekts. Ist das übertragene Recht nicht dasselbe, das dem Übertragenden zustand, begründet z. B. der Eigentümer ein Pfandrecht an seiner Sache, so nennt man diesen abgeleiteten Erwerb konstitutive Rechtsübertragung. Die Sukzession oder Rechtsnachfolge ist Singularsukzession (Sondernachfolge), wenn der Nachfolger in ein einzelnes Recht oder in eine einzelne Verpflichtung seines Rechtsvorgängers, eine Gesamtnachfolge oder Universalsukzession, wenn er in eine Gesamtheit von Rechten und Pflichten eintritt. 2. Früher stellte man dem Begriffe Rechtserwerb den der Ver­ äußerung gegenüber. Die Veräußerung bildet eine Art der Ver­ fügung. Sie ist dasjenige Rechtsgeschäft unter Lebenden, das für den Erklärenden den Verlust, die Umgestaltung oder die Einschränkung eines Rechts unmittelbar bewirkt und steht im Gegensatze zum Verpflichtungsgeschüft; letzteres begründet für den Erklärenden die Verpflichtung zu fünftiger Verfügung. Wer einen Kaufvertrag schließt oder dem andern die hypothekarische Sicherstellung verspricht, erklärt ein Verpflichtungsgeschäft; indem er das Eigentum der ver­ kauften Sache oder der den Kaufpreis bildenden Geldsumme über­ trägt, die Hypothekeneintragung bewilligt, trifft er eine Verfügung. Der Gegensatz tritt besonders scharf in den §§ 1395 und 1399 her­ vor. Dort wird die Rechtslage eines Gegenstandes, hier die einer Person verändert. Eine Art der Verfügung ist der Verzicht, d. h. die Aufgabe eines rechtlichen Vorteils ohne gleichzeitige Übertragung des Rechts. Dieses einseitige Geschäft kann zum Gegenstände haben sowohl erworbene Rechte als Erwerbsmöglichkeiten (§ 2346). Aber wer auf ein noch nicht erworbenes Recht verzichtet, verhindert nur den Erwerb, ohne aus seinem Vermögen etwas aufzugeben, der Verzicht auf ein solches Recht ist daher keine Schenkung (§ 517). Auch der Verzicht zugunsten einer bestimmten Person ist kein Ver-

Sechster Abschnitt: Der Rechtsschutz. § 51.

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trag und keine Rechtsübertragung. Ein Verzicht kann durch «ine schlüssige Handlung betätigt werden (§ 959). Erlatz ist die durch Vertrag mit dem Schuldner erklärte Ausgabe eines Forderungsrechts (§ 397). Wo von Veräuherungsverboten die Red« ist (§§ 135, 136), bedeutet Deräuherung jede Verfügung.

Sechster Abschnitt: Per Wechts schuh. I. Vorbeugender 6d>utz (ötcbcrungsmittel). § 51. i. Die Sicberbeiteleiftung (Kaution). Die Sicherheitsleistung hat den Zweck: a) Sicherung der künftigen Erfüllung einer Verbindlichkeit, b) Sicherung gegen künftige Beeinträchtigung zu ge­ währen. Sie ist cautio necessaria, wenn das Gesetz, voluntaria, wenn eine Willenserklärung zur Kautionsstellung verpflichtet. Was die Sicherungsmittel anlangt, so genügte dem römischen Rechte gewöhnlich die Einkleidung eines Versprechens in die Stipulationsform, weil hierdurch eine klagbare Verpflichtung begründet wurde. Man nannte diese Art der Sicherstellung Verbalkaution und gab prätorischen Zwang zur Vornahme der Stipulation, weshalb sie stipulatio praetoria hieß. Im heutigen Recht ist die Verbalkaution des römischen Rechts unpraktisch, weil heut ein Bedürfnis, einen an sich zu Recht bestehenden Anspruch klagbar zu machen, nicht mehr vorhanden ist. Das gemeine Recht lieh nur zu a) juratorische Kaution, bestehend in einer eidlichen Bekräftigung des Versprechens, aber auch nur ausnahmsweise, b) Realkaution durch Pfand oder Bürgschaft. Das BGB läßt nur die letztere zu, und zwar in Gestalt der Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren oder mittels Verpfändung von beweglichen Sachen, Forderungen und inländischen Grundstücken und nur im äußersten Falle durch Bürgenstellung, und gibt Vor­ schriften über das geringste Matz der Sicherheit, das der Berechtigte anzunehmen verpflichtet ist (§§ 232—240). An hinterlegtem Geld oder Wertpapieren entsteht ein Pfandrecht für den Berechtigten.

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Erstes Buch: Allgemeiner Teil.

2 Die Rechtsverwabrung. Die Rechlsverwahrung ist ein Schutzmittel gegen die nachteilige Auslegung von Handlungen und zwar von fremden (Protestation) oder von eigenen Handlungen (Reservation). Der Wechselprotest (wie der Seeprotest) bezeichnet eine Beweisurkunde über eine Handlung, welche die Geltendmachung des Wechselrechts gegen den Hauptverpflichteten enthält und das Recht gegen die Subsidiärverpflichteten wahrt. 3, Die Vormerkung. Vormerkungen sind vorläufige Grundbucheinträge und sichern die endgültige Rechtseintragung. Das Nähere im Sachenrecht. 4. Hufnähme von Vermögensverzeicbniffen. Rechnungslegung. Die Aufnahme von Inventarien dient in erster Reihe dem Zweck, ein Beweismittel für den jeweiligen Umfang eines Vermögens­ inbegriffs zu schaffen, und dadurch mittelbar dem Zwecke der Sicherung (z. B. §§ 1802, 2215 BGB). Dieser Gesichtspunkt war auch bei Gewährung der Rechtswohltal des Inventars und ist auch bei der Nachlatz-Jnventarerrichtung des neuen Rechts (§ 2009) ent­ scheidend. Auch die Rechnungslegung dient einem ähnlichen Zweck. 5. Hrreft, einstweilige Verfügung, Beschlagnahme. A. Der Arrest ist eine richterliche Anordnung, welche den Zweck hat, eine künftige Zwangsvollstreckung wegen einer Geld­ forderung oder wegen eines Anspruchs, der in eine Geldforderung übergehen kann, zu sichern. Er erreicht diesen Zweck: a) durch Beschlagnahme der Person; b) durch Beschlagnahme von Vermögensgegenständen des Schuldners und durch die in beiden Fällen herbeigeführte Beschrän­ kung des Schuldners, über sein Vermögen zu verfügen; er setzt nur voraus, datz jener Anspruch (der nicht einer der gesetzlichen Kautions­ ansprüche zu sein braucht) sowie seine Gefährdung dem Richter glaub­ haft gemacht wird (§§ 916ff. ZPO). Der Personalarrest hat demnach heute nur den Zweck, Sicherheit zu gewähren. Durch ihn wird der Schuldner in seiner Freiheit beschränkt und dadurch an Verfügungen, die dem Gläubiger nachteilig sein könnten, tatsächlich verhindert. Zu unterscheiden ist die durch Rges. v. 29. Mai 1868 aufgehobene Schuldhaft, welche selbst ein Zwangsmittel war. Der dingliche oder Realarrest will dem Schuldner die Verfügung über sein gesamtes Vermögen oder

Sechster Abschnitt: Der Rechtsschutz. § 62.

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über einzelne Vermögensgegenstände rechtlich unmöglich oder doch wenigstens für den Gläubiger unschädlich machen. Er sucht dies dadurch zu erreichen, dah 1. durch die Pfändung beweglichen Vermögens (§§ 930, 931 ZPO) ein Pfandrecht für den Gläubiger entsteht. Denn das Pfandrecht hat die Wirkung, daß eine Verfügung des Schuldners über die gepfändete Sache zwar gültig bleibt, dagegen das einmal begründete Pfandrecht des Gläubigers nicht aufhebt oder schmälert; 2. dah die Vollziehung des Arrestes in unbewegliches Ver­ mögen dieses mit einer Sicherungshypothek belastet (§ 932 ZPO). B. Die einstweilige Verfügung soll nicht den Gegenstand, der durch seinen Geldwert Befriedigungsmittel für den Gläubiger werden soll, sondern den Streitgegenstand selbst sichern, sie kann auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes erlassen werden und beugt dann Störungen dieses Zustandes oor (§§ 935, 940 ZPO, RG 4, 400; 9, 334). Beide Anordnungen sind vorläufige Maßregeln, sie sollen die Durchführung des Rechts des Antragstellers nur sichern, nicht schon selbst die Befriedigung gewähren. C. Der Sicherstellung von Rechten dient ferner die bei Ein­ leitung der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung ausge­ sprochene Beschlagnahme des Grundstücks, die zugunsten des Gläu­ bigers, welcher die Zwangsvollstreckung beantragt hat, ein Veräußerungsverbot herbeiführt (§§ 20ff., 148, 151 ZwstG). Das Nähere im Sachenrecht.

6. Der Sperrvermerk, Unter Sperrvermerk versteht man die Einschreibung im Grund­ buch, daß der Konkurs über das Vermögen des Grundstückseigen­ tümers eröffnet oder die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung angeordnet sei (§ 113 KO, §§ 19, 146 ZwstG). Er hat den Zweck, diesen Tatsachen öffentlichen Glauben beizulegen: sie stehen dann dem redlichen Erwerb entgegen. Das Nähere im Sachenrecht.

II. ÖUcdcrberftellendcr Schutz. § 52.

i. Die Selbsthilfe.

Selbsthilfe ist eigenmächtige Durchsetzung eines Rechts gegen den Willen des Verpflichteten. Den Gegensatz bildet die Rechts­ hilfe, welche in der Anwendung der vom Staate gewährten Schutz­ mittel (daher Rechtsmittel im weiteren Sinne) zur Durchführung des Rechts besteht.

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Die Selbsthilfe kann Selbstverteidigung oder Selbst­ befriedigung (Selbsthilfe im engeren Sinne) sein. Erstere war vom römischen, deutschen und gemeinen Rechte gestattet, die letztere aber war regelmäßig nicht erlaubt. 1. Im ältesten römischen Rechte war die Selbsthilfe wahrschein­ lich unter gewissen Voraussetzungen gestattet, die manus injectio und die pignoris capio sind Überreste eines Selbsthilferechts. Die Kaiserzeit aber trat der Selbsthilfe mit der öffentlichen Strafe des crimen vis und mit den Privatstrafen des Decretum Divi Marci (1. 7 D. ad legem Juliam de vi privata 48, 7 und 1. 13 D. quod met. causa 4, 2) und der 1. 7 C. unde vi 8, 4 entgegen. Nach diesen Gesetzen verlor der Gläubiger, der eigenmächtig den Gegenstand seiner Forderung wegnahm, seine Forderung, und derjenige, der den Eigentumsanspruch durch gewaltsame Wegnahme der Sache durch­ setzte, sein Eigentum; war er nicht Eigentümer, so hatte er außer der Sache deren Wert zu erstatten. 2. Das älteste deutsche Recht ließ die Selbsthilfe zu (Fehderecht), das spätere Recht beschränkte sie immer mehr, bis der ewige Land­ friede von 1495 sie endgültig verbot. Doch hat sich darüber hinaus im Pfändungsrecht eine Gestalt der Selbsthilfe erhalten. Pfändung ist die eigenmächtige Wegnahme beweglicher Sachen zum Zwecke der Befriedigung oder der Sicherung. Sie war gestattet, wenn sich der Aussteller einer sog. „kundlichen, unlogenbaren" Urkunde, d. h. eines einfachen Schuldbekennt­ nisses mittels der sog. Pfandklausel (durch die Worte ,,mit odxr ohne Recht", d. h. Gericht) der Pfändung unterwarf. Doch verschwand diese Art des Pfändungsrechts, als die Geltendmachung der An­ sprüche aus solchen Urkunden auf den sog. Erekutivprozeß, den Borgänger des heutigen Urkundenprozesses, verwiesen wurde. Die voll­ streckbare Urkunde des § 794 Nr. 5 ZPO ist keine Erneuerung jenes Pfändungsrechts, da sie nur die Verurteilung des Schuldners, nicht auch die staatliche Zwangsvollstreckung erübrigt. Verschwunden aus dem Rechtsleben ist ferner das Pfändungs­ recht des Zinsherrn gegen den Zinsmann. Erhalten aber hat sich als bloßes Sicherungsmittel das auf gemeinem deutschen Gewohnheitsrechte beruhende Recht der Viehpfändung und das der Personalpfändung. Es dient zum Schutze der Rechte an Grundstücken gegen Beschädigung oder Besitzstörung und richtet sich daher gegen Tiere, die auf fremde Grund­ stücke übertreten, und gegen Personen, die fremden Grund und Boden betreten. Die Pfändung soll auf dem Grundstücke, mit Maß und ohne unnötige Gewalt ausgeübt werden. Die Person, gegen die das Recht ausgeübt wird, darf keinen Widerstand leisten (Pfandweh-

Sechster Abschnitt: Der Rechtsschutz, g 62.

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tutifl), die gepfändet« Sache nicht wegnehmen (Pfandkehrung), auch nicht ihrerseits die Pfändung von Sachen des Pfändenden (Gegenpfändung) vornehmen. Die Pfändung dient der Siche­ rung des Beweises und des Anspruchs auf Schadensersatz und Er­ stattung der durch Wartung und Fütterung von Tieren entstehenden Auslagen. 3. Das gemeine Recht gestattete die Selbsthilfe, wenn die Rechtshilfe zur Beseitigung eines unwiederbringlichen Schadens zu spät kommen würd«. In andern Fällen bestand eine Schadensersatzpflicht, strafbar aber war die Selbsthilfehandlung nicht deshalb, weil sie ein Akt verbotener Eigenmacht gewesen wäre, sondern nur dann, wenn sie den Tatbestand eines besonderen Deliktes enthielt ($. B. Nötigung, Hausfriedensbruch). Die römischen, ursprünglich mitübernommenen Privatstrafen sind durch das StGB beseitigt worden. 4. Das BGB hat das Selbsthilferecht selbständig geregelt. Es unterscheidet Abwehr- und Angriffshandlungen. a) Abwehrhandlungen sind die Rotwehr, d. h. „diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechts­ widrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden" (über­ einstimmend mit § 53 StGB), also eine gegen menschliche Hand­ lungen gerichtete Verteidigung, und die Selbstverteidigung, d. h. die­ jenige Handlung, welche erforderlich ist, um eine von einer fremden Sache drohend« Gefahr abzuwenden (§§ 227, 228). Die Notwehr berechtigt zu jeder Handlung, die Selbstverteidigung nur zur Be­ schädigung oder Zerstörung der gefahrdrohenden Sach«. Die Not­ wehr und die Selbstverteidigungshandlung sind nicht widerrechtlich, verpflichten also nicht zum Schadensersatz (§ 823). Die in Über­ schreitung der Notwehr begangene, und diejenige Selbstverteidigungs­ handlung, welche über das gebotene Matz hinausgeht und deren beschädigend« Wirkung nicht im Verhältnis zu der abgewendeten Gefahr steht, oder die den Handelnden aus einer selbstverschuldeten Gefahr befreit, sind widerrechtlich und verpflichten zum Schadensersatz. b) Die Angriffshandlung, welche vorgenommen wird, um die Verwirklichung eines Anspruchs zu sichern, wird vom BGB (§ 229) Selbsthilfe genannt. Die Selbsthilfe ist nicht an sich wider­ rechtlich; eine erlaubte Handlung wird nicht dadurch, datz sie zum Zwecke der Selbsthilfe geschieht, zu einer unerlaubten, und eine an sich widerrechtliche Handlung wird nicht dadurch zu einer erlaubten, datz sie im Interesse der Selbsthilfe begangen wird. Ausnahms­ weise wird aber die an und für sich widerrechtliche Handlung zu einer nicht widerrechtlichen, wenn aa) obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und

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bb) bei nicht sofortigem Eingreifen die Gefahr besieht, bah die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Unter diesen Voraussetzungen ist die Wegnahme, Zerstörung oder Beschädigung einer Sache, die Festnahme einer Person und die Beseitigung des Widerstandes gegen eine Handlung, die der andere zu dulden verpflichtet ist, gestattet. Die Selbsthilfe nimmt das vor­ weg, was der Handelnde durch einen Arrestbefehl oder eine einst­ weilige Verfügung erlangt haben würde. Daher ist bei Wegnahme einer Sache der dingliche oder bei Festnahme der Person der Sicherheitsarrest sofort zu beantragen, und Verzögerung oder Ablehnung des Antrags begründen die Pflicht sofortiger Aufgabe der durch die Selbsthilfe erlangten Vorteile (§ 230). Die Selbsthilfe ist insoweit widerrechtlich, als sie über das gebotene Matz hinausgeht, und liegen ihre Voraussetzungen nicht vor, so ist sie auch dann eine unberechtigte, wenn der Handelnde in einem (auf Fahrlässigkeit beruhenden) Irrtum sie für berechtigt hielt (§ 231). Gegenüber einer eigenmächtigen Besitzentziehung ist der ver­ triebene Besitzer sogar befugt, sich den Besitz mit Gewalt wieder zu verschaffen (§§ 859, 860). Von der Selbsthilfe ist zu unterscheiden die Not Hilfe (§905). Sie bildet einen Eingriff in das Eigentum, dient aber nicht der Erlangung des geschuldeten Gegenstandes, sondern der Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr. Ist sie hierzu notwendig, und steht das Matz des Eingriffs im Verhältnis zur drohenden Gefahr, so darf ihr der Eigentümer nicht entgegentreten, d. h. er darf weder die Besitzstörungs- noch die Eigentumsfreiheitsklage erheben, noch Gewalt anwenden, die Handlung bleibt aber eine widerrechtliche und verpflichtet zum Schadensersatz. Das Pfändungsrecht wird vom BGB nicht behandelt, aber es wird, soweit es landesgesetzlich besteht, durch Art. 69 EG z. BGB aufrecht erhallen. § 53. 2, Die gerichtliche F)üfe.l) A. Die gerichtliche Hilfe (Rechtshilfe) wird angerufen durch Klage. Das Wort Klage wird zuweilen in gleichem Sinne gebraucht wie Klage recht und Klageschrift. Dem Sprachgebrauch der ZPO entspricht allein diejenige Verwendung des Wortes, nach welcher *) Hierüber das Nähere Engelmann: Der deutsche Zivilprozetz. 1901. Hellwig: Anspruch und Klagerecht. 1900.

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es gleichbedeutend ist mit Klage Handlung und also denjenigen prozessualischen Akt bezeichnet, durch welchen der Richter angegangen wird, über einen zum Schutze von Prioatrechten gestellten Antrag durch Urteil zu entscheiden. Die Klageschrift ist nur die von der ZPO § 253 für die Klagehandlung verlangte Form. Obligatorisch wie die Klageschrift selbst ist ihr in § 253 vor­ geschriebener Inhalt. Darüber, was als Grund des erhobenen Anspruchs in die Klageschrift aufzunehmen ist, besteht ein Meinungsstreit, der durch die Worte Individualisierung und Substantiierung be­ zeichnet wird. Nach der einen Wnftdjt*) genügt die Bezeichnung desjenigen Rechtsverhältnisses, aus welchem der mit der Klage verfolgte Anspruch hervorgegangen ist» wenn die Bezeichnung nur so genau ist, datz die Individualität des erhobenen Anspruchs er­ kennbar wird. Nach der andern, durch die Motive zur ZPO ge­ stützten und insbesondere vom RG (10, 434; 11, 242) vertretenen Auffassung gehört zum Klagegrunde die Angabe derjenigen Tat­ sachen, durch die der klägerische Anspruch entstanden ist. Die Frage hat praftische Bedeutung fast ausschließlich bei dinglichen Klagen, da das Eigentum, das Servitutrecht usw. dasselbe bleibt, mag es durch Vertrag oder durch Ersitzung oder in anderer Weise entstanden sein, wogegen die Natur der persönlichen Rechte von der Entstehungstatsache (Darlehn, Kauf, Bereicherung» Delikt) in einer Weise abhängt, datz bei ihnen die Individualisierung mit der Sub­ stantiierung regelmäßig zusammenfällt. Ist die Klage abgewiesen, so ist nach der Substantiierungstheorie nur der auf die bestimmte Entstehungstatsache gegründete, nach der Jndividualisierungstheoriel der Anspruch überhaupt aberkannt (§ 322 ZPO); ferner hängt die Frage, was Änderung des Klagegrundes sei (§ 268), in vielen Fällen davon ab, ob diese oder jene Theorie für die richtige gehalten wird. Überwiegende Gründe sprechen für die Jndividualisierungstheorie.*) Zu der aber jedenfalls in der mündlichen Verhandlung und zum Erlaß eines Dersäumnisurteils gegen den Beklagten (§ 331 ZPO) erforderlichen Substantiierung gehört die Sachlegitimation, d. h. der Nachweis, daß der erhobene Anspruch gerade dem Kläger (Aktivlegitimation) und gerade gegen den Beklagten (Passiv­ legitimation) zusieht. In den meisten Fällen deckt sich dieser Berechtigungsnachweis mit der Klagebegründung überhaupt, er ver­ langt die Anführung besonderer Tatsachen nur dann, wenn Anspruch

') Vertreten hauptsächlich von Wach. 2) Hierüber und über die Zweckmäßigkeit vollständiger Substantiierung Engelmann: Der deutsch« Zivilprozeß. 1901. S. 223ff. Engelmann, Bürgerliche» Recht. 6. Hu fl.

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ober Schuld auf einen Rechtsnachfolger übergegangen ist. Die Schlüssigkeil der Silage und damit auch die Sachlegitimation ist vom Gerichte dann zu prüfen, wenn der Beklagte das Entstandensein des klägerischen Anspruchs in irgendeiner Weise, wenngleich nicht durch ausdrücklichen Hinweis auf den Mangel der Legitimation, bestreitet. Zu einer Einteilung der Klagen gibt die ZPO selbst in § 256 den entscheidenden Gesichtspunkt an. Einen Anspruch auf richterliches Urteil hat nur der, dem ein rechtliches Interesse an diesem Staatsakte zur Seite steht. Das rechtliche Interesse hängt aber von dem Bedürfnis eines Rechts­ schutzes ab und ist so verschieden, als es dieses Rechtsschutzbedürfnis sein kann. 1. Daher ist ein rechtliches Interesse stets dann vorhanden, wenn ein Anspruch vorhanden ist. Denn jeder Anspruch (f. oben 3.38) verlangt jetzt oder künftig Leistung, also Befriedigung. Daraus folgt, dah mit Eintritt der Fälligkeit einer Forderung ohne weiteres ein befriedigungsbedürftiger Anspruch vorhanden ist, dah aber das Befriedigungsinteresse bei einer nicht fälligen Forderung (§§ 257 bis 259 ZPO) der besonderen Begründung bedarf und dah aus einem absoluten Recht ein Anspruch und damit das Befriedigungs­ interesse erst mit dem Eintritt eines dem Rechte nicht entsprechenden Zustandes entsteht. 2. Ein rechtliches Interesse ist ferner dann vorhanden, wenn die Rechtsstellung des einzelnen zweifelhaft und also gefährdet ist und die Gefahr nur durch ein Urteil über diese Rechtsstellung beseitigt werden kann. Im ersten Falle hat das Urteil den Zweck, die Befriedigung des klägerischen Anspruchs nötigenfalls im Wege des Zwanges herbei­ zuführen, im zweiten den, ihn zu sichern. Im ersten Falle ist wieder zu unterscheiden, ob das Urteil selbst die Befriedigung gewährt, oder ob es dem Verurteilten die Befriedigung gebietet; im zweiten Falle wird unterschieden, ob die Gefahr darin besteht, dah ein dem Kläger zustehendes Recht verkümmert, oder ob von der andern Seite ein Recht gegen ihn behauptet wird, das nicht besteht. Nach diesem Gesichtspunkt unterscheidet man Leipungs(Verurteilungs-, Anspruchs-) klagen, wenn ein Anspruch ver­ folgt wird (Fall 1), und Feststellungsklagen, wenn nur ein Urteil dahin verlangt wird, dah ein Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht (Fall 2). I. Die Leistungsklagt setzt einen befriedigungsbedürftigen An­ spruch voraus, gleichviel, ob die Befriedigung sofort oder erst später verlangt werden kann. Daher gibt die ZPO in ihrer neuen Fassung (§§ 257—259) für gewisse Fälle von Ansprüchen auf künftige

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Leistungen die Leistungsklage und damit die Möglichkeit der Er­ langung eines vollstreckbaren Urteils (vgl. dazu auch §§ 726, 751 ZPO). II. Die Feststellungsklage hängt von der Voraussetzung ob, daß ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung besteht. Nach dem Gegenstände der Feststellung unterscheidet man a) die positive Feststellungsklage, welch« auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Echtheit einer Urkunde, b) die negative F.-Klage, welche auf Feststellung des Nicht­ bestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Unechtheit einer Urkunde gerichtet ist. Das Wort Rechtsverhältnis schließt nur Tatsachen aus dem Gebiete feststellbarer Gegenstände aus, dagegen die absoluten Rechte ein: aus ihnen können wie aus jedem Rechtsverhältnis be­ friedigungsbedürftige Ansprüche hervorgehend) Da es also der Beziehung von Person zu Person nicht bedarf, so kann Gegenstand der Feststellungsklage auch das von jedem von mehreren Forderungs­ prätendenten an "ber Forderung geltend gemachte Gläubigerrecht sein (vgl. 88 75, 878 ZPO, RG 7. 419). III. Auch in dem Falle wird kein Anspruch verfolgt, wenn der Äläget Herstellung eines von dem gegenwärtigen verschiedenen Rechtszustandes verlangt, aber nur der Richter diesen Zustand schaffen kann. Man sprach in diesen Fällen früher nur von kon­ stitutiver Urteilswirkung im Gegensatze zu deklarativer Wirkung anderer Urteile. Solche Fälle sind gegeben, wenn aus Ehescheidung Aufhebung eines Generalversammlungsbeschlusses, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel usw. geklagt wird. Richtiger nennt man das begehrte Urteil jetzt Rechtsbewirkungs- oder Rechtsgestaltungsurteil und die Klage Rechtsbewirkungs- oder Rechtsgestaltungsklage, weil nicht der Beklagte leisten, sondern nur der Richter den Zustand des Unrechts in den des Rechts umgestalten kann. B. Der Beklagte kann eine Widerklage, also einen Anspruch gegen den Kläger, erheben und somit angriffsweise die Ver­ urteilung des Klägers verlangen. Die Erhebung der W. erfolgt durch den mündlichen Dortrag (§ 281 ZPO). Rur dem Zwecke der Verteidigung dienen die Einwendungen und die Einreden?) Keiner dieser Begriffe ist identisch mit exceptio. Exceptio war der in der formula gemachte Vorbehalt; da aber der judex zu kondemnieren hatte, wenn er feststellte, dah der Kläger den Anspruch zur *) Daher Festst, von der Vergangenheit angehörigen Rechtsverhältnissen prinzipiell unzulässig. RG 27, 204. *) Über dies« Begriffe Friedenthal: Einwendung und Einrede in der ZPO und im BGB 1898 und Hellroig a.a.O.

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Zeit der Litiskontestation hatte, so mutzte er solche von dem Be­ klagten geltend gemachte Tatsachen, welche den Anspruch aufgehoben hatten, berücksichtigen, obwohl ihretwegen ein Borbehalt nicht ge­ macht war. Der Hinweis des Beklagten auf erfolgte Aufhebung des klägerischen Anspruchs war demnach keine exceptio. Auch fehlte es an allgemeinen Grundsätzen darüber, welche Verteidigungsbehelfe zu einer exceptio führten. Einwendungen sind alle Widerspruchs­ behauptungen, insbesondere also diejenigen, welche das Richtentstandensein und diejenigen, welche das Erloschensein des klägerischen Anspruchs behaupten. Es macht also sowohl derjenige, welcher die Geschäftsunfähigkeit des Schuldners oder einen Willensmangel eines Kontrahenten und damit die Ungültigkeit des dem Ansprüche zu­ grunde liegenden Rechtsgeschäfts, als auch derjenige, der Zahlung, Crlatz, Vergleich behauptet, eine Einwendung gellend. Das Wort „Einrede" wird vom BGB nur in dem Sinn eines Rechts auf Verweigerung einer geschuldeten Leistung verwendet. Daher gewähren die Verjährung, das Zurückbehaltungsrecht, die noch nicht erfolgte Gegenleistung, die noch nicht erfolgte Ausklagung des Hauptschuldners wirkliche Einreden (§§ 222, 273, 320, 771), und es kann einem dinglichen Rechte (z. B. dem Eigentum) keine Einrede in diesem Sinn entgegenstehen, wohl aber dem auf diesem dinglichen Rechte futzenden Anspruch, z. B. auf Herausgabe der Sache, da dieser, obwohl dinglicher Anspruch genannt, dem Forderungsrecht darin gleicht, datz er eine Leistung verlangt (vgl. § 986 BGB). Die ZPO umsaht mit dem Wort „Einrede" auch die Klotzen Einwendungen. Die Einrede kann eine aufschiebende („dilatorische") sein, wenn sie zur Leistungsweigerung nur vorübergehend (z. B. § 770), oder eine ausschliehende („peremtorische"), wenn sie zur Leistungs­ weigerung für immer berechtigt. Durch Geltendmachung des ausschlietzenden Einrederechts wird der Anspruch aufgehoben. Daher kann der Einredeberechtigte das auf die Forderung Gezahlte zurück­ fordern (tz 813) und das zu ihrer Sicherung bestehende Pfandrecht beseitigen (§§ 666, 1169, 1254). Wer eine sog. rechtshindernde Einwendung vorbringt, bestteitet. Denn das Bestreiten kann in der einfachen Erklärung bestehen, datz die gegnerischen Behauptungen unwahr seien, es kann aber auch in einer Darstellung des Sachverhalts bestehen, die mit der Wahrheit der gegnerischen Behauptungen unvereinbar ist („substantiiertes", „motiviertes" Bestreiten). C. Das Urteil kann der Berhandlungsmarime entsprechend nur über die von den Parteien gestellten Anträge entscheiden und nur die von den Parteien vorgetragenen Tatsachen zur Grundlage nehmen. Als Urteilsgrundlage können indessen nur die Tatsachen dienen, die

Sechster Abschnitt: Der Rechtsschutz.

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für den Richter feststehen. Das sind a) die ausdrücklich zugestandenen . 6. Steht dem Pfandrecht eine ausschließende Einrede entgegen, so kann sowohl der Verpfänder als auch der Eigentümer Heraus­ gabe des Pfands verlangen. Mit der Herausgabe erlischt das Pfandrecht (§ 1254).

Achter Abschnitt: Das Pfandrecht. § 216. §

216.

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Das Pfandrecht an Rechten.

Im Gegensatze zum bisherigen Rechte gibt das BGB (§ 1273) unter Verweisung auf die Vorschriften vom Sachenpfandrecht all­ gemeine Grundsätze für alle Pfandrechte an Rechten. Darauf folgen die Grundsätze über das Pfandrecht an Forderungen insbesondere. 1. 1. Nur übertragbare Rechte können Gegenstand eines Pfandrechts sein (§ 1274 Abs. 2), daher gibt es kein Pfandrecht am Pfandrecht, denn dieses ist nur mit der versicherten Forderung übertragbar. Das sog. subpignus, von dem es nach altem Rechte zweifelhaft war, ob es ein Pfandrecht an der verpfändeten Sache, an der Forderung oder an dem Pfandrechte begründete, kann daher nach neuem Rechte nur in einem Pfandrecht an der durch Pfand gesicherten Forderung bestehen. 2. Die Verpfändung geschieht in der zur Übertragung des Rechts erforderlichen Form (f. § 210 Nr. 3a). Ist die Verpfändung des Rechts nicht ohne Übergabe einer Sache möglich ($. B. bei Ver­ pfändung eines Orderpapiers oder einer Briefhypothek), so bildet der Besitz der Sache das für die Erkennbarkeit des Pfandrechts erforderliche Mittel, daher hat die Rückgabe der Sache das Erlöschen des Pfandrechts zur Folge (§§ 1278, 1253). 3. Ein anderes an dem Rechte bereits haftendes Recht geht dem Pfandrechte selbst dann vor, wenn der Erwerber des Pfandrechts jenes andere Recht nicht kennt. 4. Dem Pfandgläubiger steht nicht ohne weiteres ein Recht auf die Nutzungen des verpfändeten Rechts zu, der Fruchtbezug ver­ bleibt also dem Verpfänder (§§ 1273, 1208, 1213 Abs. 2). 5. Besonders wichtig ist die für das Forderungspfandrecht durchbrochene Vorschrift (§ 1277), datz der Pfandgläubiger seine Befriedigung nur auf Grund eines vollstreckbaren Titels im Wege der Zwangsvollstreckung erlangen kann. Der Pfandgläubiger mutz also gegen seinen persönlichen Schuldner einen vollstreckbaren Titel erlangen und dann, je nach der Natur des verpfändeten Rechts, die geeigneten Dollstreckungsmatzregeln, ge­ gebenen Falls also Überweisung beantragen. Pfändung ist in diesem Falle nicht mehr nötig. Dagegen kann durch Pfändung ein Pfandrecht an Rechten begründet werden (§§ 804, 857ff. ZPO). II. Das Pfandrecht an Forderungen. Es ist nicht richtig, die Verpfändung einer Forderung als be­ schränkte Zession (im modernen Sinne dieses Worts) zu bezeichnen. Der Pfandschuldner bleibt nach wie vor Gläubiger, er ist nur, so lange das Sicherungsrecht seines Gläubigers dauert, in der Ver­ fügung über seine Forderung zugunsten seines Gläubigers beschränkt. Übt der Pfandgläubiger die ihm eingeräumten Rechte aus, so übt er 39*

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Drittes Buch: Das Sachenrecht.

damit ein ihm fremdes Gläubigerrecht aus, wie derjenige, dem ein Pfandrecht an einer Sache zusteht, fremden Besitz und beim Verkaufe fremdes Eigentum ausübt. Es ist auch nicht richtig, das Pfandrecht an einer Forderung als Pfandrecht am Gegenstände der Forderung zu behandeln ((Einer). Dem steht namentlich § 1287 entgegen. Erblickt man in dem Pfandrechte nichts weiter als ein absolutes Recht an einem Gegenstände des Vermögens, so ist das Pfandrecht an einer Forderung ein wirkliches Pfandrecht. Der Pfandgläubiger erlangte nach altem Rechte nach Analogie des Sachenpfandrechts die Befugnisse, die dem Gläubiger selbst zu­ standen, also das Einziehungsrecht und wohl auch (?) das Ver­ kaufsrecht. Das neue Recht gibt ihm nur das Einziehungsrecht und versagt, um die Gefahr der Verschleuderung zu beseitigen, ins­ besondere das Verkaufsrecht (§ 1282). Auch die Einziehungsbe­ fugnis reicht bei einer Geldforderung nur soweit als das Befriedi­ gungsbedürfnis des Pfandgläubigers. Ist die gesicherte Forderung vollstreckbar, so stehen dem Gläubiger auch die Mittel der Zwangs­ vollstreckung zu Gebote (Überweisung der verpfändeten Forderung). Zieht der Pfandgläubiger die verpfändete Forderung ein, so erlangt er nach altem und neuem Recht (§ 1287) an eingezogenem Geld Eigentum und ist, wenn die gesicherte Forderung auf Geld ging, in Höhe der eingezogenen Summe befriedigt. An andern Gegenständen erlangt er nach altem und neuem Recht ein Pfand­ recht (1. 18 pr. D. de pign. actione 13, 7; § 1287). Gerät der Drittschuldner in Konkurs, so kann die verpfändete Forderung, auch wenn sie die gesicherte Forderung übersteigt, in voller Höhe an­ gemeldet, Zahlung aber nur in Höhe der gesicherten Forderung er­ hoben werden (§ 1282). Zur Begründung des Pfandrechts genügte nach römischem Rechte formloser Vertrag. Nach neuem Rechte mutz, wenn zur Abtretung der Vertrag ausreicht, zu dem formlosen Vertrage die vom Pfand­ gläubiger ausgehende Anzeige an den Drittschuldner (§ 1280), und wenn der Übertragungsvertrag nicht ausreicht (z. B. bei Wechseln, Briefhypotheken, Buchhypotheken), das hinzutreten, was zur Voll­ endung der Rechtsübertragung noch erforderlich ist (z. B. Übergabe des Wechsels, Übergabe des Hypothekenbriefs, Eintragung im Grund­ buche § 1154). Daher konnte der Drittschuldner nach altem Recht an seinen Gläubiger zahlen und sich selbst damit befreien, dem Pfand­ gläubiger also auf diese Weise den Gegenstand seiner Befriedigung entziehen, der Pfandgläubiger sich hiergegen aber durch eine Benach­ richtigung (denuntiatio) des Drittschuldners von der Verpfändung sichern. Nach neuem Rechte (§ 1281) kann der Drittschuldner vor Fälligkeit der gesicherten Forderung nur an den Gläubiger und den

Acht« Abschnitt: Das Pfandrecht. § 217.

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Pfandgläubiger gemeinschaftlich leisten, nach Eintritt" der Fälligkeit hat der Pfandgläubiger das selbständige Einziehungsrecht. Zur Einziehung der Forderung *) ist nach altem und neuem Rechte nur der prior creditor berechtigt (§ 1290). § 217. Das Pfandrecht an Schiffen. I. An Seeschiffen sowie an Binnenschiffen haben die Schiffsgläubiger ein gesetzliches Pfandrecht (§§ 754ff. HEB, §§ 102ff. Ges. betr. die prioatr. Verhältnisse der Binnenschiffahrt v. 15. 6. 1895). Wer Schiffsgläubiger ist, wird von beiden Gesetzen ausdrück­ lich bestimmt; bei einer Mehrheit besteht unter ihnen eine bestimmte Rangordnung. Dieses Pfandrecht weicht in mehreren Beziehungen vom gesetz­ lichen Pfandrecht an anderen Sachen ab. 'Insbesondere hat der Grundsatz der Erkennbarkeit, der für die gesetzlichen Pfandrechte an andern Sachen möglichst gewahrt ist, für dieses Pfandrecht fallen gelassen werden müssen, es ist vom Besitz unabhängig und kann daher der gesetzlichen Hypothek des gemeinen Rechts verglichen werden. Der Erwerber des Schiffs ist aber in der Lage, sich vor der Geltend­ machung ihm unbekannter Pfandrechte dadurch ju schützen, daß er im Wege des Aufgebotsverfahrens die Ausschließung unbekannter Schiffsgläubiger herbeiführt. Ferner geschieht die Befriedigung der Schisfsgläubiger nicht im Wege des Privatoer­ kaufs, sondern der Zwangsvollstreckung. Die Zwangs­ vollstreckung in die im Schiffsregister eingetragenen Schiffe (siehe oben S. 509) ist die Jmmobiliarzwangsvollstreckung (§ 864 ZPO, 88 162 ff. ZwstG), andere Schiffe unterliegen der Zwangsvoll­ streckung ins bewegliche Vermögen. (Es bedarf also in jedem Fall eines gegen den Schiffsschuldner gerichteten vollstreckbaren Schuld­ titels. Das Pfandrecht erlischt nicht nur durch die Zwangsver­ steigerung, sondern auch durch den vom Schiffer auf Grund seiner gesetzlichen Befugnisse im Fall« zwingender Notwendigkeit bewirkten Verkauf des Schiffs, in diesem Falle tritt anstelle des Schiffs für die Schisfsgläubiger das Äaufgelb. Das Pfandrecht ergreift das Schiff nebst Zubehör sowie die Bruttofracht derjenigen Reise, aus welcher die versicherte Forderung entstanden ist. Es genießt den Vorzug vor allen andern am Pfand­ gegenstand« bestehenden Pfandrechten. Ein gesetzliches Pfandrecht am Floss« gewährt ferner das *) Über die Mitwirkung von Pfandgläubiger und Pfandschuldner bei der Kündigung und Einziehung s. §§ 1281, 1283, 1285—1288.

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Gesetz betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Flößerei vom 15. Juni 1895 in gewissen Fällen. II. Das vertragsmäßige Pfandrecht an einem im Schiffs­ register eingetragenen Schiff ist eine Hypothek im Sinne des modernen Rechts und unterliegt daher auch nach dem BGB (§§ 1259ff.) im wesentlichen den Grundsätzen des Hypotheken­ rechts. Es kann nur durch die auf Grund des dinglichen Vertrags erfolgende Eintragung im Schiffsregister entstehen und nur durch Löschung enden. Allein das Schiffsregister genießt nicht den öffent­ lichen Glauben, der dem Grundbuche beiwohnt, und das Schiffs­ pfandrecht ist ein streng akzessorisches Recht. Der Pfandgläubiger gelangt nicht in den Besitz des Schiffs, der Eigentümer dieses bleibt also in ber Lage, das Schiff zum Erwerbe durch die Schiffahrt zu verwenden. Die Befriedigung des Gläubigers kann nur im Wege der Zwangsvollstreckung (§§ 162ff. ZwstG) geschehen und setzt demnach einen vollstreckbaren Schuldtitel voraus. Das Schiffspfandrecht gleicht der Sicherungshypothek des BGB, ist also wie diese ein abhängiges Recht. Es kann auch als sog. Höchstbetragshypothek eingetragen werden. Ein Schiffspfandrecht kann auch an einer Schiffspart bestehen. § 218.

Das Zurückbehaltungsrecht.

Das Zurückbehaltungsrecht besteht im Gegensatze zum Pfand­ rechte nur in der Befugnis, einem Schuldner eine Sache, auf die er ein Recht hat, vorzuenthalten. Dagegen ist das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht (§§ 369—372 HGB) zu einem dem Pfandrechte gleichenRechte gesteigert, denn es gewährt dem Gläubiger die Befugnis, sich aus der zurückbehaltenen Sache wegen seiner Forderung zu be­ friedigen. Diese Befriedigung erfolgt nach den Grundsätzen vom Pfandverkaufe, d. h. regelmäßig im Wege des privaten Verkaufs, aber nur auf Grund eines vollstreckbaren Schuldtitels. Denn da das Z. unabhängig vom Willen des Schuldners entsteht, muß diesem die Möglichkeit gegeben werden, Forderung und Befriedigungsrecht zu bestreiten. Die Befriedigung geschieht daher a) entweder im Wege der Zwangsvollstreckung, also nur nach­ dem der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel wegen seiner Forde­ rung erlangt hat, oder b) auf Grund eines das Befriedigungsrecht feststellenden, mithin auf Duldung des Verkaufs (ober Einziehung § 1282 BGB) gerichteten vollstreckbaren Schuldtitels. Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht gibt gleich einem Pfandrecht im Konkurse des Schuldners ein Recht auf abgesonderte

Achter Abschnitt: Das Pfandrecht. §§ 218, 219.

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Befriedigung (§ 49 Nr.4 ÄO). Aber es ist kein Pfandrecht. Daher wirkt es gegen dritte nur dann, wenn dem dritten die Ein­ wendungen entgegengesetzt werden können, die auch dem Ansprüche des Schuldners auf Herausgabe der Sache entgegenstanden, also nur wenn der dritte durch Abtretung dieses Herausgabeanspruchs erworben hat (§ 986 Abs. 2 BGB).

B. Das HypolheKrnrecht. § 219.

Überblick über dae neue fVypothehenrecht.

Das DGB unterscheidet die Belastung eines Grundstücks mit einer Rente von der Belastung mit einem Kapitale. A. Die Rentenschuld ist eine Art der Grundschuld, sie ist also von dem zugrunde liegenden Schuldverhältnis unabhängig (§ 1199). B. Die Belastung mit einem Kapitale geschieht entweder 1. in der Form der Grund schuld, d. h. einer vom persön­ lichen Schuldverhältnis unabhängigen sog. Summenschuld; 2. in der Form der Hypothek, d. h. einer vom persönlichen Schuldverhältnis abhängigen Belastung. Die Hypothek ist also wie das Pfandrecht des römischen Rechts, ein akzessorisches Recht.x) Aber diese Abhängigkeit kann eine größere oder eine geringere sein. Sie ist a) eine vollständige bei der „Sicherungshypothek"; diese setzt nicht nur zu ihrer Entstehung, sondern auch zu ihrem Fort­ bestände das Dasein einer Forderung voraus; die Folge ist, daß die Hypothek nur dann und nur in der Höhe geltend gemacht werden kann, wenn und insoweit die Forderung besteht (§ 1184); b) eine unvollständige bei der Berkehrshypothek; denn diese setzt zwar zu ihrer Entstehung eine Forderung voraus, wird von ihr aber unabhängig, wenn sie auf einen gutgläubigen Erwerber übergeht. Wer die Sicherungshypothek gellend macht, muß die Forderung besonders beweisen, wer die Verkehrshypothek geltend macht, führt den Beweis seiner Forderung durch Hinweis auf die Eintragung, denn das Gesetz vermutet hier den Fortbestand der Forderung so lange, als die Hypothek eingetragen ist (§ 1138). Die Sicherungs­ hypothek dient lediglich dem Zwecke der Sicherung, sie steht daher unter allen Psandbelastungen der gemeinrechtlichen H. am nächsten. Die gewöhnliche H. dient zwar zunächst auch der Sicherung, daneben *) Dies ist lebhaft bestritten. Aber trotz der erheblichen Ausnahmen, die das BGB macht, behandelt sie das Gesetz schon in seiner Definitive (§ 1113, dann insbesondere § 1153) als abhängiges Recht.

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aber auch dem Aapitalumlaufe, sie wird eben deshalb VerkehrsHypothek genannt. Sowohl die Grundschuld als auch die Berkehrshypothek kann sein eine Klotze Buch-Grundschuld oder -Hypothek oder eine BriefGrundschuld oder -Hypothek, je nachdem die Belastung nur im Grundbuch eingetragen oder über sie zugleich eine Urkunde, ein Brief, gebildet ist. Die Erundschuld dient dem Zwecke der Sicherung noch weniger als die Verkehrshypothek, sie dient fast ausschlietzlich der „Mobili­ sierung" des Grundbesitzes. Aber auch diesem Zweck entspricht die eine Form der Grundschuld besser als die andere. Es gibt nämlich a) eine Namensgrundschuld, d. h. eine auf den Namen eines bestimmten Gläubigers eingetragene, b) eine Jnhabergrundschuld, d. h. eine auf den Inhaber gestellte Grundschuld. Die letztere hat die beste Umlaufsfähigkeil, am nächsten kommt ihr darin die auf den Namen gestellte Brief­ grundschuld. Nach dem Eintragungsprinzipe kann die Hypothek oder Grundschuld nur durch Eintragung entstehen und nur durch Löschung untergehen. Es kann also grundsätzlich andere als eingetragene Hypotheken, folglich gesetzliche und Generalhypotheken nicht geben. Da, wo nach Gesetz eine Verpflichtung zur Sicherstellung besteht, hat der Berechtigte nur einen Anspruch (Xitel) darauf, datz eine H. durch Eintragung begründet werde. Das Publizitätsprinzip besteht auch hier darin, datz die einzelne Eintragung als richtig und das Grundbuch als vollständig gilt; aber während bei der Frage nach dem Bestehen einer Verkehrshypothek das Publizitätsprinzip auch die Forderung ergreift (§ 1138) und also die Wirkung hat, datz für den redlichen Erwerber auch diese als bestehend angesehen wird, ist es bei der Sicherungshypothek in der Weise abgeschwächt, daß die Hypothek auch vom redlichen Erwerber nicht geltend ge­ macht werden kann, wenn die Forderung nicht oder nicht mehr besteht. Das BGB verlangt deshalb (§ 1184 Abs. 2), datz die Sicherungs Hypothek im Grundbuch als solche bezeichnet werde. Das Hypotheken recht steht ferner unter dem Spezialitätsprinzip: es können nur einzelne bestimmte Grundstücke und diese nur für bestimmt zu bezeichnende Geldforderungen verpfändet werden (§§ 1113, 1191). Selbst wenn eine Hypothek für noch unbestimmte Forderungen be­ stellt wird, ist der Höchstbetrag in einer Geldsumme anzugeben und einzutragen (§ 1190, sog. Marimal- oder Ultimathypothek, für die hier aber das deutsche Wort „H ö chst bet rags- Hypothek" ge­ braucht werden wird). Die Gesamtbelastung eines Grundstücks lätzt sich daher aus dem Grundbuch annähernd genau feststellen.

Achter Abschnitt: Das Pfandrecht. § 320.

§ 220.

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Die rechtliche ffatur der ©rundfchuld und der Rypothek.

Die Grundschuld ist eine nur das Grundstück belastende, reine Summen- oder Rentenschuld. Sie setzt weder zu ihrer Begründung noch zu ihrem Fortbestand ein persönliches Schuldverhältnis vor­ aus; die Folge ist, dafe der Eigentümer von vornherein Grund­ schulden auf seinen Namen eintragen lassen kann. Wird eine Grund­ schuld für einen andern eingetragen, so wird das Bestehen eines persönlichen Schuldverhültnisses den Beweggrund hierzu bilden, aber eine Voraussetzung für die Entstehung der Grundschuld bildet das persönliche Derpflichtungsverhältnis nicht. Daher kann der Eigentümer, der in der Erwartung, dafe ein persönliches SchuldverhLltnis entstehen werde, für den künftigen Gläubiger eine Grundschuld eintragen liefe, klage- und einredeweise die ungerecht­ fertigte Bereicherung des Gläubigers diesem s e l b st gegenüber geltend machen, wenn das Schuldverhältnis nicht zustande kam, andere schützt der öffentliche Glaube des Grundbuchs. Die Grundschuld dient also zwar Pfandzwecken, aber sie ist juristisch kein Pfandrecht. Gin Pfandrecht aber ist die Hypothek. Denn sie diente nach römischem und dient nach heutigem Rechte der Sicherung eines persön­ lichen Schuldverhältnisses. Nach beiden Rechten ist der Schuldner, welcher seinem Gläubiger eine Sache verpfändet hat, zur Zahlung verpflichtet nach den Grundsätzen des Obligationenrechts, zur Herausgabe der Pfandsache aber verpflichtet nach den Grundsätzen des Pfand­ rechts. Der dritte, der den Besitz des Pfandgegenstands erlangt hat, ist kraft des Pfandnerus zur Herausgabe der Sache, da er aber nicht Schuldner des Pfandgläubigers ist, nicht zur Zahlung verpflichtet. Don diesen Grundsätzen weicht das neuere Hypothekenrecht mir insofern ab, als nicht mehr der Gläubiger, sondern das Gericht verkauft und dieser Verkauf nicht ein privates Rechtsgeschäft, sondern ein Mt der Zwangsvollstreckung ist (§ 1147). Wer für seine Schuld Pfand bestellt, tmife sich gefallen lassen, dafe der Gläubiger sich aus der verpfändeten Sache befriedigt — hierin besteht die dingliche Haftung — und er mufe ferner dulden, dafe der Gläubiger das gesamte gegenwärtige wie künftige schuldnerische Vermögen zu seiner Befriedigung in Anspruch nimmt — hierin besteht die persön­ liche Haftung. Der spätere Erwerber der belasteten Sache haftet an sich nur dinglich, und die persönliche Verpflichtung des Schuldners bleibt bestehen. Es kann also der Eigentümer nur dinglich, der Schuldner nur persönlich haften, und der Gläubiger kann sowohl in diesem als auch in dem Falle, dafe der Eigentümer auch persön-

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lich haftet, die Hypothek ober die Forderung oder die Hypothek und die Forderung geltend machen. Daß sowohl die Hypothek als auch die Grundschuld dingliche Rechte sind, darüber besteht jedenfalls nach neuem Rechte kein Zweifel mehr. Streit ist nur darüber noch, ob der Eigentümer mit der Sache nur haftet, also nur die Zwangsvollstreckung zu dulden hat, oder ob er auch schuldet, d. h. zu zahlen hat. Obwohl das BGB in § 1142 den Eigentümer zur Zahlung nicht für verpflichtet, sondern für berechtigt erklärt und damit zugunsten bloßer Haftung Stellung zu nehmen scheint, bezeichnet es doch in §§ 1113, 1191 und 1199, also gerade bei den Begriffsbestimmungen von Hypothek, Grundschuld und Rentenschuld das Wesen dieser Lasten dahin, daß „aus dem Grundstück" eine bestimmte Summe „zu zahlen" ist. Dies ist auch die Auffassung des praktischen Lebens. Man wird neben die dingliche Haftung eine dingliche Schuld stellen dürfen. Das Recht erlischt daher, wenn es „aus" dem Grundstücke (§ 1181), d. h. durch Verwertung des Grundstücks befriedigt wird; wird vom Eigen­ tümer, der das Grundstück behalten will, Zahlung angeboten, so darf der Gläubiger sie nicht zurückweisen (§ 1142). §

221. Gntftebung der fiypotbeh und der ©rundschuld.

Die Hypothek und die Grundschuld können nur durch Ein­ tragung im Grundbuch entstehen (§ 873).1) Sie können auf dem ganzen Grundstück oder auf dem ideellen Anteil eines Mit­ eigentümers, nicht auf einem reellen Teil und nicht auf einem ideellen Teil eines nur einem Eigentümer gehörenden Grundstücks lasten (§ 1114). Die Eintragung erfolgt 1. mit dem Willen des Eigentümers, d. h. wenn dieser sie in formell gültiger Weise bewilligt (§ 19 GBO). Denn wenngleich in diesem Falle die Entstehung des Hyppthekenrechts für den Gläubiger von dem dinglichen Vertrage, der „Einigung" abhängt (§ 873), so bedarf es doch nicht einer der Eintragung vorangehenden Einigung. Mit der Eintragung ist die Belastung des Grundstücks ge­ geben, bei der Buchhypothek und der Buchgrundschuld zugleich für den Gläubiger das dingliche Recht erworben, der Erwerb der Brief­ hypothek und der Briefgrundschuld vollzieht sich dagegen erst mit der Übergabe des Briefs an den Gläubiger oder mit der Derembarung, daß der Gläubiger berechtigt sein soll, sich den Brief vom Grundbuchamt aushändigen zu lassen (§§ 1116, 1117). Bis zur *) Ausnahme § 1287, wenn Gegenstand der Forderung ein Grund­ stück ist.

Achter Abschnitt: Das Pfandrecht. § 221.

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Übergabe des Briefs steht die Hypothek oder Grund­ schuld dem Eigentümer zu (§ 1163 Abs. 2). Der Erwerb der Hypothek für den eingetragenen Gläubiger hangt ferner von dem Vorhandensein der zu sichernden Forderung ab (§ 1113). Diese braucht nicht gegen den Eigentümer gerichtet zu sein. So lange die Forderung noch nicht vorhanden ist, steht die für den Gläubiger eingetragene Hypothek als Grundschuld dem Eigentümer zu (§§ 1163, 1177): er hat deshalb gegen den einge­ tragenen Gläubiger den Anspruch auf Berichtigung (§ 894), und dabei für die Tatsache des Nichtvorhandenseins der Forderung die Beweislast, denn bei der Derkehrshypothek besteht die Rechtsvermutung, datz die Forderung bestehe (§§ 1138, 891), bei der Sicherungshypothek aber wird die Tatsache, datz der Eigentümer die Eintragung bewilligt hat, einen Beweisgrund für das Da­ sein der Forderung bilden. Der bei nicht vorhandenem Forderungsrecht in der Eintragung für den Verpfänder liegenden Gefahr kann dieser bei der Briefhypothek dadurch begegnen, daß er dem einge­ tragenen Gläubiger den Brief vorenthält, bei der Buchhypothek, die zur Sicherung eines Darlehns eingetragen wird, dadurch, daß der Verpfänder innerhalb eines Monats einen Widerspruch gegen die Hypothek eintragen lätzt. Hierzu genügt der einseitige Antrag des Eigentümers (§ 1139). Die nachteilige Folge des Publizitätsprinzips wird dadurch beseitigt (§ 1138). Die Eintragungsbewilligung wird durch ein rechtskräftiges Urteil ersetzt, das den Eigentümer zur Bewilligung verurteilt (§§ 894—896 ZPO). Es bedarf dann also nur eines vom Gläubiger an das Grundbuchami gerichteten Antrags. Ob eine Sicherungs- oder eine Verkehrshypothek eingetragen wird, hängt grundsätzlich vom Belieben der Beteiligten ab. Dagegen kann für die Forderung aus einem Inhaber- oder Orderpapier nur eine Sicherungshypothek eingetragen werden (§§ 1187, 1138, 892, 796 BGB, Art. 82 WO). 2. Gegen den Willen des Eigentümers kann die Eintragung er­ folgen im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung, indem auf Antrag des Gläubigers eine vollstreck­ bare Geldforderung im Grundbuche des Schuldners eingetragen wird. Auch hier kann nur eine Sicherungshypothek eingetragen werden, weil sonst durch das materielle Recht dem Schuldner der prozessualische Vorteil, gegen die vollstreckbare Forderung noch Ein­ wendungen zu erheben, oder den Nachweis des Arrestanspruchs abzuwarten, entzogen würde. Auf Grund eines Vollstreckungsbefehls (§ 699 ZPO) ist die Eintragung dieser sog. Zwangshypothek über­ haupt unstatthaft, und auf Grund eines andern Schuldtitels ist die

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Eintragung nur zulässig für eine solche Forderung, die den Betrag von 300 Mk. übersteigt. Dabei ist die Zusammenrechnung der Be­ träge mehrerer Schuldtitel, deren jeder 300 Mt. nicht erreicht, un­ statthaft (9t© 48, 242). Verlangt der Gläubiger die Belastung von mehreren Grundstücken desselben Schuldners, so ist der Forde­ rungsbetrag nach der Bestimmung des Gläubigers zu verteilen (§§ 866—868, 932 ZPO). Die Eintragung ist aus dem vollstreck­ baren Titel zu vermerken. Sie dient zwar der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung, bleibt aber ein Akt der freiwilligen Gerichts­ barkeit. § 222. Umfang und Gegenstand der Rastung, 1. Die Forderung. Die Eintragung der Hypothek hat die zu­ grunde liegende Forderung, den Namen des Gläubigers, den Geld­ betrag der Forderung und, wenn sie verzinslich, den Zinssatz, sowie den Geldbetrag etwaiger anderer Nebenleistungen (Vertragsstrafen, Amortisationsquoten u. a.) anzugeben. Auch bei Eintragung einer Grundschuld mutz die Höhe der Belastung in Geld eingetragen, aber es kann nicht auf eine Forderung Bezug genommen werden (§§ 1115, 1192). Bei der Rentenschuld muh die Ablösungssumme mileinge­ lragen werden (§ 1199). Sowohl die Hypothek als die Grundschuld gibt nur das Recht der Beitreibung einer Geldsumme; Forderungen auf Leistung anderer Gegenstände müssen erst in Geldforderungen verwandelt werden, bevor sie grundbuchmähig sichergestellt werden können. Das Grundstück haftet nur für die eingetragenen L e i st u n g e n. Ist daher das Zinsrecht gar nicht oder nur zu einem geringeren Zinssatz eingetragen, so besteht ein Recht auf Beitreibung der nicht eingetragenen Zinsen aus dem Grundstücke nicht. Das Grundstück haftet aber auch für einzelne nicht eingetragene Beträge, nämlich für die gesetzlichen Zinsen, für die Kosten der hypothekarischen Klage und der Zwangsvollstreckung (§ 1118). Für vorbedungene und gesetzliche Zinsen haftet der persönliche Schuldner aus dem Verpflichtungsverhältnisse, der Eigentümer nur dinglich und zwar nehmen die Zinsen bei der Verteilung des Er­ löses denselben Rang ein wie das Kapital, sofern sie nicht seit mehr als 2 Jahren rückständig sind (§ 10 Nr. 4, 6, § 12 ZwstG). 2. Für die vorbezeichneten Leistungen haftet vor allem das Grundstück, wie es nach dem Grundbuch erscheint, oder der ideelle Anteil eines Miteigentümers (§ 1114); ein reeller Teil kann verpfändet werden, wenn er gleichzeitig vom Stammgrund­ stück abgeschrieben wird (§ 6 GBO). Zugeschriebene Grund­ stücke fallen unter die auf dem Hauptgrundstücke bestehenden Hypo-

Achter Abschnitt: Das Pfandrecht. § 222.

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theken und Grundschulden, die auf dem zugeschriebenen Grundstücke bestehenden Schulden gehen aber vor (§ 1131). Neben dem Grund­ stück haften aber auch Gegenstände des beweglichen Vermögens. Während das Grundstück so lange verhaftet bleibt, bis die Hypothek oder Grundschuld gelöscht ist, treten jene beweglichen Sachen schon vorher aus der Pfandhaftung heraus, weil ihre Veräußerung, Ent­ fernung oder Aufzehrung zum Betrieb einer ordnungsmäßigen Wirt­ schaft gehört. Diese Gegenstände sind: a) die vom Grundstücke getrennten Erzeugnisse und sonstigen Bestandteile, soweit sie mit der Trennung dem (Eigentümer oder Eigenbesiher des Grundstücks zufallen (§§ 1120, 954—957); b) das Zubehör des Grundstücks, sofern es dem Grundstücks­ eigentümer gehört (§ 1120). Es werden aber, falls nicht vorher die Beschlagnahme zugunsten des Gläubigers erfolgt ist, frei aa) die unter a, b genannten Sachen, mit der Veräußerung und Entfernung vom Grundstück, bb) Erzeugnisse und Bestandteile, deren Trennung in den Grenzen ordnungsmäßiger Wirtschaft erfolgt ist, mit der auf die Dauer berechneten Entfernung, cc) Zubehörstücke mit der im Wege ordnungsmäßiger Wirt­ schaft erfolgenden Aufhebung der Zubehöreigenschaft. c) Die Miets- und Pachtzinsen (§ 1123). Diese werden, falls nicht die Beschlagnahm« erfolgt ist, frei: aa) wenn die Forderung aus sie fällig ist, mit Ablauf eines Jahres feit der Fälligkeit; bb) mit der Verfügung über die Forderung, insbesondere mit ihrer Einziehung. Di« Verfügung ist aber, ohne daß die Voraus­ setzungen des paulianifchen Anfechtungsanspruchs vorzuliegen brauchen, dem Hypotheken- oder Grundfchuldgläubiger gegenüber ohne weiteres unwirksam, soweit sie sich auf den Zins für «ine später« Zeit als das zur Zeit der Beschlagnahme lausende und das folgende Kalenderoierteljahr erstreckt.') d) Die für einen Schaden am Grundstücke zu zahlend« Ver­ sicherungssumme (s. §§ 1127—1130). e) Falls mit dem Grundstück ein Recht auf wiederkehrende Leistungen verbunden ist, die Ansprüche auf diese Leistungen (§ 1126). Die Folge der Mit ha ft der hier aufgeführten beweglichen ') Tritt der Eigentümer am 2. Januar 1900 den Zins für die Zeit vom 1. Januar bis 1. Oktober 1900 ab und erfolgt die Beschlagnahme am 19. Januar, so ist die Abtretung für die Zeit vom 1. Januar bis 1. Juli wirksam; erfolgt die Beschlagnahme am 19. April, so ist die Abtretung des ganzen Betrags wirksam.

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Gegenstände ist, daß jeder Hypotheken- oder Grundschuld­ gläubiger mit der dinglichen Klage die Zurückschaffung der vom Grundstück entfernten Sache verlangen, auf Grund eines die Zwangs­ vollstreckung in das Grundstück zulassenden vollstreckbaren Titels die Mobiliarpfändung jener beweglichen Sachen betreiben und gegen­ über ihrer Pfändung durch einen persönlichen Gläubiger (gemäß §§ 771, 805 ZPO) sein besseres Recht klageweise geltend machen, der Beklagte aber nicht einwenden kann, daß er von dem Vor­ handensein der Hypothek nichts gewußt habe. Einerseits weiter, andererseits enger sind die Wirkungen der Beschlagnahme. Sie geschieht im Wege der Mobiliarzwangs­ vollstreckung oder des Arrests durch Pfändung und begründet ein allen späteren Rechtshandlungen (Pfändungen, Veräußerungen) gegenüber sich erhaltendes Pfandrecht an dem gepfändeten Gegen­ stand, oder im Wege der Jrnmobiliarzwangsvollstreckung durch den das Verfahren einleitenden gerichtlichen Beschluß und begründet dann die Unwirksamkeit aller die beschlagnahmten Sachen be­ treffenden Rechtshandlungen. Aber die Beschlagnahme wirkt nur zugunsten des betreibenden Gläubigers; dies kann ein Hypo­ theken- oder Grundschuldgläubiger, es kann aber auch ein persön­ licher Gläubiger sein (§§ 1120ff. BGB, 20-24 ZwstG). Im Konkurse des Grundstückseigentümers bildet das Grund­ stück nebst den mithaftenden Gegenständen die dem Recht auf ab­ gesonderte Befriedigung der Hypotheken- und Grundschuldgläubiger unterliegende sog. Jmmobiliarmasse (§ 47 KO). Mit Ausnahme des Zubehörs unterliegen die oben genannten beweglichen Sachen der Mobiliarpfändung nach der ZPO (§ 865), so lange nicht ihre Beschlagnahme im Wege der Jmmobiliarzwangsvollstreckung erfolgt ist. Das Zubehör aber ist der Zwangsvollstreckung ins bewegliche Vermögen ent­ zogen, weil andernfalls die Gefahr bestände, daß die Bewirtschaftung des Grundstücks unmöglich würde. § 223. Die ©efamtbypotbek und die Gefamtgrundfcbuld, I. Begriff. Eine Gesamt-Hypothek oder -Grundschuld ist eine ungeteilt auf mehreren Grundstücken lastende Hypothek oder Grundschuld. Sie entsteht dadurch, daß das mit der Hypothek belastete Grundstück später geteilt oder daß die Schuld von vornherein auf den Blättern mehrerer Grund­ stücke eingetragen wird. Letzteres kann nicht im Wege der Zwangs­ vollstreckung geschehen (§ 667 ZPO). Das Rechtsverhältnis der Gesamthypothek gleicht insofern der persönlichen Gesamtschuld, als bei ihr jedes Grundstück für den

Achter Abschnitt: Das Pfandrecht, § 228.

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vollen Betrag haftet, der Gläubiger also die freie Wahl hat, aus dem einen oder dem andern Grundstücke den vollen Betrag oder einen Teil seiner Forderung beizutreiben. Der Gläubiger kann aber auch die Belastung teilen; in diesem Falle hastet das einzelne Grundstück nur für den ihm aufgelegten Teil, es verwandelt sich dann also die Gesamthypothek in mehrere Einzelhypotheken (§ 1132). In den Fällen, in welchen von vornherein eine Eigentümerhypothek vorhanden ist (§ 1163), steht sie auch den Eigentümern der mehreren belasteten Grundstücke, und zwar als gemeinschaftliches Recht, zu, und verzichtet der Gläubiger auf die Hypothek, so erwerben die Eigentümer eine gemeinschaftliche Gesamthypothek (§ 1175). II. Rechtsverhältnisse. 1. Ein gesetzliches Regretzrecht, wie beim Gesamtschuldverhältnisse (§ 426), besteht unter den mehreren Eigentümern der belasteten Grundstücke nicht; ein solches kann aber durch das besondere unter ihnen bestehende Rechtsverhältnis (z. B. Gesellschaft, Bürgschaft) begründet sein. 2. Betreffs der Befriedigung des Gläubigers ist zu unterscheiden: a) Erfolgt die Befriedigung im Wege der Zwangsvoll­ streckung, so erlischt die Hypothek an allen Grundstücken und mutz auf den Blättern dieser Grundstücke von Amtswegen gelöscht werden (§ 1181). Kommen mehrere der belasteten Grundstücke in einem und demselben Verfahren zur Versteigerung, so hat der Gläu­ biger die Wahl, aus dem Erlöse des einen volle oder anteilige Befriedigung zu verlangen; gibt er keine Erklärung ab, so wird seine Forderung nach dem Verhältnisse der Erlöse aus die einzelnen Grund­ stücke verteilt (§ 122 ZwstG, § 1132 Abs. 1 BGB). b) Befriedigt der Eigentümer eines Grundstücks den Gläubiger freiwillig, so erwirbt er jedenfalls eine Hypothek an seinem Grundstücke; hat er aber gegen den Eigentümer eines milbelasteten Grundstücks einen Deckungsanspruch (z. B. weil er als Bürge gezahlt hat), so erwirbt er die Hypothek auch an dem Grundstücke dieses. Hat er also kein Regretzrecht, so hat er eine Einzelhypothek nur an seinem Grundstücke, denn die Hypothek an den andern Grundstücken erlischt; hat er dagegen ein Regretzrecht, so er­ wirbt er eine Gesamthypothek, denn die Hypothek an den Grund­ stücken des oder der Regretzschuldner bleibt in Höhe des Ersatz­ anspruchs bestehen (§ 1173). c) Befriedigt der persönliche Schuldner den Gläubiger, so erwirbt er die Hypothek an den Grundstücken derjenigen Eigen­ tümer, welche selbst oder deren Rechtsvorgänger ihm regrehpflichtig sind (§ 1174). Die Folgen zu b treten auch im Falle des Übergangs der Forde-

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rung auf einen (Eigentümer und bei Bereinigung der Schuld in der fyxnb eines (Eigentümers, die zu c auch als Folge der Vereinigung ein (§§ 1173, 1174). Bei der gemeinschaftlichen Gesamthypothek ist jeder Eigen­ tümer und Mithypothekar befugt, die Beschränkung der auf seinem Grundstück haftenden Hypothek auf den dem Werte dieses Grund­ stücks entsprechenden Teil und die Zuteilung dieses so beschrankten Hypothekenrechts zu einem ihm allein zustehenden Rechte zu ver­ langen (§ 1172); damit verliert diese Hypothek die Eigenschaft einer Gesamthypothek. (Es standen z. B. für A 6000 Mk. einge­ tragen auf x, y, z. A verzichtet. B als (Eigentümer von x kann nur verlangen, daß die Haftung feines Grundstücks, das nur V3 des Werts aller drei Grundstücke hat, auf 2000 Mk. beschrankt und dafe ihm diese Hypothek zugeteilt werde. § 224.

Du 6igentümerbypotbek und die 6igentiimcrgnmdfcbuld.

I. Begriff. Die Hypothek oder Grundschuld des (Eigentümers ist eine dem (Eigentümer an seinem eige­ nen Grund stücke zu stehende Hypothek oder Grundschuld. Sie ist ein Institut des modernen, die Schaffung selbständiger Werte begünstigenden Rechts und eine Folge davon, dafe der später eingetragene Gläubiger nicht an die Stelle des voreingetragenen nachrückt und also einen Vorteil nur deshalb erlangt, weil der (Eigentümer durch eine von ihm gemachte Leistung den ersten Hypo­ thekar befriedigt. Die Möglichkeit, diesen Vorteil dem (Eigentümer selbst zu gewähren, ist aber durch die Grundbucheinrichtung von selbst gegeben, denn nur, wenn die getilgte Hypothek oder Grund­ schuld gelöscht wird, verschwindet sie und räumt sie ihren Platz der späteren Belastung ein, die Löschung hängt aber vom Willen des Eigentümers ab, und bis sie gelöscht ist, führt sie ein formales Dasein, dem stets ein neuer Inhalt gegeben werden kann. Der juristischen Konstruktion hat die Hypothek des (Eigentümers von jeher Schwierigkeiten bereitet. Man hat sich das Grundstück in mehrere Wertteile zerlegt gedacht, man hat ferner gemeint, die H. sei ein biofees Recht auf eine bestimmte Stelle im Grundbuch. Um zur richtigen Auffassung zu gelangen, mufe man, zumal das moderne Recht in der Grundschuld eine von einer For­ derung unabhängige Schuldbelastung geschaffen hat, davon aus­ gehen, dafe in jedem hypothekarischen Rechte die Befugnis enthalten ist, aus dem Erlöse des Grundstücks eine bestimmte Geldsumme zu erheben, ein Recht, bas keineswegs nur gegen den (Eigentümer, sondern

Achter Abschnitt: Das Pfandrecht. § 224.

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auch gegen die andern Realberechtigten wirkt, gegen diese aber auch dann wirkt, wenn es dem Eigentümer zusteht. Die H. des Eigentümers ist daher ein ihm gegen die andern Realberechtigten zustehendes Recht darauf, daß sie ihm die Verfügung über einen Teil des Grundstückserlöses gestatten. Nach der Ausgestaltung, die das BGB der Hypothek des Eigen­ tümers gegeben hat, stehen denn auch dem Eigentümer alle Rechte eines fremden Hypothekars zu: er kann die Hypothek abtreten, löschen, verpfänden, gegen den Dersteigerungserlös geltend machen (vgl. RG 60, 254), nur ein Recht hat er natürlich nicht: er kann nicht die Zwangsvollstreckung in sein eigenes Grundstück, d. h. gegen sich betreiben. II. Entstehung. Eine Hypothek oder Grundschuld des Eigen­ tümers entsteht: 1. von vornherein dadurch, dah der Eigentümer eine Grundschuld auf seinen Namen eintragen läht (§ 1196); er er­ langt damit die Möglichkeit, die Grundschuld zu veräußern oder zu verpfänden und sich dadurch Geld zu beschaffen. Da die Hypothek das Dasein einer Forderung voraussetzt, kann sie nur für eine vom Eigentümer verschiedene Person eingetragen werden. Er­ wirbt aber dieser andere die H. nicht, so steht sie dem Eigentümer zu. Dies ist der Fall sowohl (§ 1163) dann, wenn die Forderung, für welche die H. bestellt ist, nicht zur Entstehung gelangt, als auch so lange nach Eintragung einer Briefhypothek oder Briefgrundschuld der Brief an den Gläubiger nicht ausgehändigt ist; 2. dadurch, daß das eingetragene Recht später auf den Eigen­ tümer übergeht. Dies ist der Fall: a) wenn die Forderung erlischt (§ 1163), b) wenn der unbekannte Gläubiger mit seinem Recht ausge­ schlossen wird, denn mit Erlaß des Ausschlußurteils gilt er als be­ friedigt (§§ 1170, 1171), c) wenn der Gläubiger auf die Hypothek verzichtet (§§ 1168, 1175). Das dingliche Recht der Eigentümerhypothek kann ohne Forde­ rung ober neben einer Forderung bestehen. Sie besteht ohne eine Forderung insbesondere dann, wenn die zu sichernde Forderung nicht zur Entstehung gelangt oder wenn die gesichert gewesene Forderung erlischt. Das BGB trägt in diesem Falle dem grundlegenden Gedanken, daß die Hypothek ein akzessori­ sches Recht ist, dadurch Rechnung, daß sich nach ihm (§ 1177) die Hypothek in eine Grundschuld verwandelt. Die gesicherte Forderung bleibt bestehen: (Engelmann, Bürgerlicher Recht. 5 Nufl.

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Drittes Buch: Das Sachenrecht.

a) wenn der Gläubiger die Forderung an den Eigentümer abtritt, b) wenn der Eigentümer den Gläubiger beerbt, c) wenn der Eigentümer, der nicht zugleich persönlicher Schuldner ist, den Gläubiger befriedigt (§ 1143). In diesen Fällen bleibt die Grundlage der Hypothek erhalten, und das BEB trägt (§ 1177 Abs.2) wiederum jenem grundlegenden Gedanken Rechnung, indem es hier die Hypothek als solche fort­ bestehen läßt. Da aber im Falle der Nichtbefriedigung des Gläu­ bigers nicht die Zwangsvollstreckung in das ihm gehörige Grundstück betrieben werden kann, unterliegt die Hypothek während der Dauer der Bereinigung des dinglichen Rechts mit dem Eigen­ tum der belasteten Sache den für die Grundschuld (bes Eigentümers) gegebenen Vorschriften. Wird die Forderung abgetreten oder das Grundstück veräußert, so lebt die Hypothek wieder auf. Der forderungs losen Eigentümerhypothek kann jederzeit die für die Hypothek erforderliche Grundlage gegeben werden, indem der Eigentümer ein Schuldverhältnis begründet, und der forderung­ habenden Hypothek kann eine andere Grundlage gegeben, nämlich an Stelle der Forderung, für welche sie besteht, eine andere Forde­ rung gesetzt werden. Eine solche Änderung bedarf der Einigung des Eigentümers und des Gläubigers und, falls der Gläubiger wechselt, auch des bisherigen Gläubigers sowie der Eintragung ins Grundbuch (§ 1180). § 225. Die Befriedigung des Gläubigers. I. Die Rechtsfolgen der Befriedigung des Gläubigers sind verschieden nach der Art der Befriedigung und nach der Person, welche sie bewirkt. 1. Die Hypothek oder Grundschuld erlischt, d. h. ihre Be­ endigung tritt von Rechtswegen ein, wenn und insoweit der Gläubiger „aus dem Grundstücke", d. h. durch Zwangsvollstreckung in das Grundstück oder die mithaftenden beweglichen Sachen befriedigt wird (§§ 1181, 1147). 2. Die H. oder G. geht über und es scheidet also nur der bisherige Gläubiger aus: a) wenn der Eigentümer, der nicht zugleich persönlicher Schuldner ist, den Gläubiger befriedigt; in diesem Fall erwirbt der Eigentümer Forderung und Hypothek (§§ 1143, 1153, 1192 und oben § 232); b) wenn der persönliche Schuldner den Gläubiger be­ friedigt; in diesem Falle kann er nicht die getilgte Forderung er­ werben, aber er erwirbt die Hypothek, wenn und insoweit er gegen

Achter Abschnitt: Das Pfandrecht. § 225.

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den Eigentümer einen Deckungsanspruch hat (§ 1164), denn dieser Deckungsanspruch bildet jetzt die Unterlage der Hypothek; c) wenn der Eigentümer, der zugleich persönlicher Schuldner ist, den Gläubiger befriedigt; die H. geht als Grundschuld auf ihn über (§ 1177). Verlangt der Gläubiger Befriedigung aus dem Grundstücke, d. h. betreibt er die Zmmobiliarzwangsoollstreckung, so ist ein jeder, der durch diese Maßregel gefährdet wird, befugt, den Gläubiger zu befriedigen und damit in Forderung und Hypothek bzw. in die Grundschuld einzutreten (§§ 1150, 268). II. Der Hypothekar hat weder ein Recht auf den Besitz noch ein solches auf die Nutzungen des Pfandgrundstücks. Auch jjt die Antichrese als dingliches Recht beseitigt, sie kann nur noch persön­ liche Wirkung ausüben, wenn sie nicht in die Form des Nießbrauchs gekleidet wird. Der Gläubiger hat also nur das Recht, im Wege der Zwangsvollstreckung Befriedigung wegen seines Geldanspruchs zu erlangen (§ 1147). Eine Abrede, daß die Befriedigung anders als im Wege der Eiekution oder daß sie durch Übereignung des Grundstücks an den Gläubiger erfolgen solle, kann gültig erst getroffen werden, nachdem die Forderung dem Eigentümer gegenüber fällig geworden ist (§ 1149). Geeignet zur Zwangsvollstreckung ist jeder nach Prozeßrecht zu­ gelassene vollstreckbare Titel, insbesondere also das im gewöhnlichen oder im Urkundenprozeß erlassene Urteil sowie der Dollstreckungsbefehl (§§ 592, 688, 794 ZPO). Die Klage kann sein «ine persönliche oder eine dingliche. 1. Da der Hypothek eine Forderung zugrunde liegt, kann der Hypothekengläubiger die persönliche Klage gegen seinen Schuldner auf Zahlung erheben, mag der Schuldner zugleich Eigentümer des Grundstücks sein oder nicht. Wie diese zu begründen und mit welchen Einwendungen sie zu schlagen ist, richtet sich nach dem persönlichen Schuldverhältnisse. 2. Die dingliche Klage (a. hypothecaria) kann nur gegen den eingetragenen Eigentümer oder denjenigen, der dem Gläubiger die Befriedigung aus dem Grundstücke (bei der Verteilung des Ver­ steigerungserlöses) streitig macht, erhoben werden. Für sie gelten besondere Grundsätze und nur von ihr ist hier die Rede. Sie kann mit der persönlichen Klage verbunden werden; dem Grundschuld­ gläubiger aber steht nur die dingliche Klage zu. Handelt es sich um eine Derkehrshypothek, so genügt zur Begründung der Klage der Hinweis darauf, daß der Beklagte als Eigentümer und der Kläger als Gläubiger eingetragen ist. Denn damit ist zugleich bewiesen, daß auch die der Hypothek zugrunde liegende Forderung besteht

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Drittes Buch: Das Sachenrecht.

(§§ 891, 1138), bei der Briefhypothek ist außerdem Vorlegung des Briefs und, ist der Kläger nicht selbst eingetragen, der Nachweis nötig, dah er Rechtsnachfolger des eingetragenen Gläubigers ist (§§ 1117, 1155, 1160). Die Klage aus der Sicherungshypothek aber bedarf des besonderen Nachweises des persönlichen Schuldverhältnisses (§ 1184). Der Antrag und das Urteil geht auf die Feststellung, dah die Befriedigung des Klägers wegen der For­ derung durch Zwangsvollstreckung in das Grundstück zulässig oder besser: dah der Beklagte ... „aus dem Grundstücke zu zahlen" verpflichtet ist (§§ 1113, 1191, 1199). Betreffs der Einwendungen, die dem beklagten Eigentümer zu­ stehen, ist zu unterscheiden zwischen dem Falle, daß der ursprüngliche oder ein solcher Gläubiger klagt, welcher kraft Gesetzes oder im Wege der Zwangsvollstreckung die Hypothek erworben und dem Falle, daß ein Gläubiger klagt, welcher durch Rechtsgeschäft Rechtsnachfolger des ursprünglichen Gläubigers geworden ist. a) Im crjten Falle sind alle Einwendungen zugelassen, welche den Bestand des dinglichen Rechts betreffen, z. B. daß die er­ forderliche Einigung, dem Besteller des Rechts die Geschäftsfähigkeit gefehlt habe; ferner diejenigen, welche aus einem persönlichen Rechtsverhältnisse hergenommen sind. Ein solches kann begründet sein durch Vorkommnisse, welche nur das Verhältnis zwischen diesem Gläubiger und dem Eigentümer betreffen (Stundungsabrede, pactum de non pedendo u. a.); ferner aber können sie entnommen sein aus dem der Hypothek zugrunde liegenden persönlichen Schuldverhältnisse. Denn auch die Verkehrshypothek ist ein abhängiges Recht. Da aber nach §§ 1138, 891 die Vermutung für das Bestehen des Rechts auch der Forderung zugute kommt, hat der Eigentümer die Beweislast, dah ein persönliches Schuldverhältnis nicht bestehe oder das; nicht das im Eintragungsvermerk angegebene, sondern ein anderes be­ stehe. Ist der Eigentümer nicht zugleich der persönliche Schuldner, so kann er au her dem wie der Bürge einwenden, dah das zu­ grunde liegende Rechtsgeschäft noch der Anfechtung unterliege, oder datz der Gläubiger sich durch Aufrechnung befriedigen könne (§ 770). Die Einrede der Vorausklage ist dem Eigentümer versagt und die beschränkte Haftung des Erben darf nicht geltend gemacht werden (§ 1137). b) Dem rechtsgeschäftlichen Rechtsnachfolger können nur diejenigen Einwendungen und Einreden entgegengestellt werden, die aus dem Grundbuch oder aus dem Briefe hervorgehen oder dem Rechtsnachfolger anderweitig bekannt sind. Dies gilt nicht nur von denjenigen Einwendungen, welche gegen das dingliche Recht (§ 1157), sondern auch von denjenigen, welche gegen die Forderung gerichtet

Achter Abschnitt: Das Pfandrecht. § 226.

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sind. Denn die Forderung nimmt am Publizitätsprinzip« teil. Ein­ wendungen, die gerade nur gegen diesen Gläubiger gerichtet sind, können natürlich auch hier erhoben werden (Erlatz, Stundung). Wird aus einer Sicherungshypothek geklagt, so wird jener Unterschied nicht gemacht, vielmehr stehen alle aus dem persönlichen Schuldverhältnisse hergenommenen Einwendungen auch gegenüber dem Rechtsnachfolger zu (88 1185, 1138, 1137). Deräutzert der Beklagte das belastete Grundstück nach Eintritt der Rechtshängigkeit, so nimmt der Prozetz zwar seinen Fortgang, aber das Urteil wirkt auch gegen den neuen Eigentümer (§§ 265, 325, 727 ZPO). Jedoch mutz der Gläubiger sich gegen diesen eine Dollstreckungsklausel verschaffen. Der Gläubiger kann schon vor dem Berfalltage klagen, wenn durch eine Derschlechterung des Grundstücks eine Ge­ fährdung der Hypothek eingetreten und vom Eigentümer nicht in der ihm gestellten Frist beseitigt ist (§§ 1133, 1135). Geht eine die Sicherheit gefährdende Derschlechterung vom Eigentümer oder einem dritten aus, so kann der Gläubiger auf Unterlassung klagen, auch kann durch einstweilige Derfügungen geholfen werden (§§ 1134, 1135). § 226. Der Übergang der ßypotbeh und der Grundscbuld. Die Abhängigkeit der Hypothek von einer Forderung hat zur Folge, datz Hypothek und Forderung sich nicht voneinander trennen können. Daher zieht der Übergang der Forderung ohne weiteres den Übergang der Hypothek nach sich, eine die Trennung beider aus­ sprechend« Parteiabrede ist nichtig. Die Hypothek kann nicht ohne die Forderung abgetreten werden (§ 1153). Bei einer Höchstbetrags­ hypothek kann ein Einzelanspruch nach den für die Zession von Forderungen matzgebenden Grundsätzen (b. i. ohne Eintragung) abgetreten werden, ohne datz die Hypothek mit überginge, denn diese dient zur Sicherung der aus einem Rechtsverhältnis ent­ stehenden Forderungen und kann demnach nur dann übergehen, wenn eine Rechtsnachfolge in dieses Rechts Verhältnis stattfindet (ß 1190). Die Unabhängigkeit der Grundschuld von einer etwa bestehenden Forderung lätzt die Trennung von Forderung und Erundschuld zu ie gesehkiche Erbfolge.') § 273. Die gesetzliche Erbfolge im allgemeinen. Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn nicht durch eine Ver­ fügung des Erblassers ein Erbe berufen ist, also wenn eine solche Verfügung überhaupt nicht vorhanden oder wenn die vorhandene nicht gültig ist. Während aber nach römischem und gemeinem Rechte testamentarische und Jntestaterbfolge nicht nebeneinander hergehn konnten, wird nach neuem Recht in den Teil des Nachlasses, über den der Erblasser nicht verfügt hat, die gesetzliche Erbfolge eröffnet. Nach römischem Rechte konnte auf Grund des Satzes semel heres semper heres ein Erbfall immer nur zu einmaliger Erb­ folge führen. Wenn also der Erblasser verfügte, daß der von ihm berufene Erbe nur von einem, nach dem Erbfalle liegenden Zeit­ punkt ab oder bis zu einem Ereignis oder Zeitpunkt Erbe sein 2) 6. besonders Heymann: Die Grundzüge des gesetzlichen Ver­ wandtenerbrechts nach dem BGB. 1896.

Zweiter Abschnitt: Die gesetzliche Erbfolge. § 273.

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solle, so ging die Erbschaft im ersten Fall auf die gesetzlichen Erben, und mit dem Eintritte des Zeitpunkts als Universalvermachtnis auf den Berufenen über, im zweiten Falle hatte wenigstens nach moderner Auffassung der ernannte Erbe mit Eintritt des Ereignisses oder des Zeitpunkts die Erbschaft an die gesetzlichen Erben heraus­ zugeben, und zwar wiederum als Universalvermächtnis. Nach neuem Recht aber treten die gesetzlichen Erben in jenem Fall als Borerben, im zweiten Fall als Nacherben ein, und der ernannte Erbe ist dort Nacherbe, hier Vorerbe (§§ 2104, 2105); es findet also auf Grund eines Erbfalls in denselben Nachlaß nach­ einander sowohl die gewillkürte als die gesetzliche Erbfolge statt. Regelmäßig ist der Erbfall zugleich der Berufungsfall; er ist es nicht bei der sukzessiven Delation, d. h. der Berufung einer andern als der nächstberechtigten Person, denn hier veranlaßt ein Erbfall mehrere aufeinander folgende Berufungen, nicht, wie oben, mehrere sukzessive Beerbungen. Die im Falle der sukzessiven Delation zum Erben berufene Person bestimmt sich nach römischem Rechte stets nach dem Zeitpunkte des Berufungs­ falls, d. i. dem Zeitpunkt, in welchem der später Berechtigte in die Möglichkeit, Erbe zu werden, gelangt. An diesem Grundsätze hielt das gemeine Recht auch für den Fall fest, daß der zuerst Berufene die Erbschaft ausschlug. Das BGB aber legt folge­ richtig der zweiten Berufung rückwirkende Kraft bei, der Anfall an den Ausschlagenden gilt als nicht erfolgt, die Erb­ schaft fällt daher —freilich wieder mit dem Rechte der Ausschlagung — demjenigen an, der von vornherein würde berufen worden sein, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (§ 1953). Dasselbe gilt in dem Falle, wenn der zuerst Berufene erbunwürdig ist (§ 2344). Das gesetzliche oder Jntestat-Er brecht beruhte in Rom wie in Deutschland und beruht auch nach neuem Recht auf der Familienangehörigkeit, als gesetzliche Erben sind daher be­ rufen die Verwandten und jedenfalls nach neuem Recht auch der Ehegatte des Erblassers. Verschieden ist nur die Reihenfolge der berufenen Personen und ihre Abgrenzung. Ausnahmsweise haben ein gesetzliches Erbrecht Personen, die nicht zu den Familienange­ hörigen zählen (sog. außerordentliches Erbrecht). Die Verwandten wurden entweder berufen nach dem Gradualsystem oder nach der Parentelenordnung (dem Lineal-Gradualsystem). Das Gradualsystem läßt die Nähe des Verwandt­ schaftsgrades zum Erblasser entscheiden, nach der Parentelen-

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Fünftes Buch: Das Erbrecht.

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Zweiter Abschnitt: Die gesetzliche Erbfolge.

§ 278.

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ordnung werden der Reihenfolge nach die einzelnen Parentelen berufen. (Eine Parentel bilden immer die von einem nächsten gemeinschaftlichen Borsahren Abstammenden, die erste Parentel ist danach die des (Erblassers selbst: sie wird gebildet durch die von ihm abstammenden Personen; die zweite Parentel ist die der Eltern des Erblassers; sie wird gebildet durch seine Eltern und deren Abkömmlinge; die dritte Parentel ist die der Großeltern des Erblassers: sie wird gebildet durch seine Großeltern und deren Abkömmlinge usw. In dem Verwandtschaftsbilde 6. 726 ist A der Erblasser. Da er sowohl mit seinen Kindern als auch mit seinen Eltern im ersten Grade verwandt ist, würde das reine Gradualsystem zu seinen Erben die Eltern und die Kinder berufen, die Eltern würden aber auch den Enkeln ccc, als im zweiten Grade Stehenden, vorgehen. Die erste Parentel wird gebildet von den Kindern des Erblassers und deren Kindern, also von B, b, C, ccc, D und E. Die zweite Parentel wird gebildet von den Eltern des Erblassers F, G und deren Abkömmlingen kl, h, m, J, i, i, und hatte die Mutter G aus ihrer früheren Ehe mit dem U ein Kind X, so gehört auch dieses nebst seinem Abkömmling y zur zweiten Parentel. H ist danach vollbürtiger, X halbbürtiger Bruder des A. Die dritte Parentel wird gebildet von den väterlichen Großeltern des A, nämlich K, L und deren Abkömmlingen 0 o o P und von den mütterlichen Großeltern des A, nämlich M, N und deren Abkömmlingen 0, R, rr. Jede Parentel kann in mehrere Stämme zerfallen» die erste Parentel in so viele, als der Erblasser Kinder hat, die zweite Parentel in so viele, als Eltern- oder Vorelternpaare (älteres deutsches Recht) oder einzelne Voreltern, Parentelenhäupter (modernes Recht), vorhanden sind. Jeder Stamm bildet eine Einheit, es erbt also der Stamm, nicht das einzelne zu ihm gehörend« Individuum. Die Parentel des A hat 4 Stämme, es kann danach geschehen, daß an Stelle des B nur der b, an Stelle des C die 3 ccc zusammen berufen werden. In der zweiten Parentel ist sowohl der F als die G ein Stammhaupt. Soweit dieses Paar gemeinschaftliche Abkömm­ linge hat (H, A, J), hat die Stammgliederung keine praktische Be­ deutung, weil der Stamm des F gleichzeitig der Stamm der G ist. Die G aber hat ihren besonderen Stamm, da aus ihrer Ehe mit dem U ein Kind X hervorgegangen ist, das natürlich nicht auch zum Stamme des F gehört. Mit „Linie" bezeichnet man regelmäßig eine Seite der auf­ steigenden Verwandtschaft, daher väterliche, mütterliche Linie.

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Fünftes Buch: Das Erbrecht.

§ 274.

A. Dae römische und gemeine Recht»

Das römische Erbfolgerecht hat vier Entwicklungsphasen durch­ gemacht: das alte Zivilrecht, das prätorische Recht, die Kaisergesetzgebung, die Gesetzgebung Justinians. I. Das alte Zivilrecht (der XII Tafeln) fußte auf der gamilienangehörigkeit im damaligen Sinne, zur Familie aber gehörten nur die Agnaten, daher wurden nur Agnaten berufen. In der ersten blasse erbten nur die Sui; waren solche nicht vorhanden, so erbte der dem Grade nach nächste Agnat, und nur, wenn auch ein Agnat nicht vorhanden war, so erbte die gens, aber es gab keine sukzessive Berufung (in legitimis hereditatibus successio non est), so daß also, wenn der einmal berufene Erbe nicht erwarb, die Erbschaft bonum vacans wurde. Die Folgen dieses einfachen Systems waren, daß zwar der Adoptierte, nicht aber der Emanzipierte erbte, daß ein Erbrecht des einen Ehegatten gegenüber dem andern und daß ein wechselseitiges Erbrecht von Mutter und ftinb nur bei der Manusehe bestehen konnte, und zwar weil hier die Frau als sua des Mannes galt. — Die Sui erbten nach Gradesnähe, aber nicht nach Köpfen, sondern nach Stämmen, denn es hatten die in der Gewalt des Erblassers verbliebenen Abkömmlinge eines verstorbenen suus ein (Eintrittsrecht, das ihnen zusammen dasselbe Erbrecht gab, das ihr ver­ storbener parens gehabt haben würde. II. Das prätorische Recht zeigt das Bestreben, der Blutsver wandtschaft den Vorzug vor der Agnation, und dem überlebenden Ehegatten, der bei der freien Ehe leer ausging, ein Erbrecht zu geben. Der Prätor konnte diese Ziele nur erreichen, indem er die bonorum possessio gewährte und hierfür folgende Reihenfolge aufstellte: 1. In der ersten Klasse waren berufen die liberi, d. h. neben den sui diejenigen Kinder des Erblassers, die aus der väterlichen Gewalt geschieden waren, 2. in der zweiten Klasse die 1 e g i t i in i, d. h. die nach Zivilrecht berufenen Personen, also nochmals die sui,1) 3. in der dritten Klasse die cognati, d. h. die Blutsver­ wandten des Erblassers bis zum 6. Grade einschließlich und aus dem 7. Grade noch der sobrino natus natave,2) so daß also der entfernteste Agnat der Erblasserin deren Kind ausschloß, 1) Das Erbrecht der Gentilen fiel m der Kaiserzeit weg. 2) Sobrino (sobrina) natus — Enkelkind eines Großonkels oder einer Großtante.

Zweiter Abschnitt. Die gesetzliche Erbfolge.

§

274.

729

4. der überlebende Ehegatte (b. p. unde vir et uxor). Das prätorische Recht ließ sukzessive Berufung eintreten (edictum successorium). III. Die Kaisergesetzgebung ging auf dem Wege weiter, den Rognaten ein gesetzliches Erbrecht zu gewähren; das prätorische blieb daneben stehen, so daß in der zweiten prätorischen Rlasse als legitimi berufen wurden alle diejenigen, die nach altem oder neuem Gesetzesrecht ein Erbrecht hatten. Es gewährte nämlich 1. das SC. Tertullianum unter Hadrian der Mutter, welche das jus liberorum hatte, ein hinter dem Erbrechte gewisser agna tischen Verwandten zurückstehendes Erbrecht gegen ihre Rinder, 2. das SC. Orphitianum unter Mark Aurel den Rindern ein Erbrecht gegen die Mutier, und zwar vor den Agnaten, 3. ein Gesetz von Valentinian, Theodosius und Arkadius von 389 den Enkeln ein Erbrecht gegen die Großmutter von väter­ licher und gegen die Großeltern von Mütterlicher Seite, 4. ein Gesetz von Anastasius den emanzipierten Geschwistern ein Erbrecht neben den agnatischen, während im übrigen in der Seitenlinie der Vorzug der Agnaten bestehen blieb. IV. Justinian änderte zunächst in den Jahren 528, 531 und 534 das Jntestaterbrecht in einzelnen Stücken zu Ungunsten der nicht mehr den Volksanschauungen entsprechenden agnatischen Erbfolge. Darauf stellte er in der Novelle 118 von 543 und in der Novells 127 von 547 eine völlig neue Erbfolgeordnung auf, in welcher jeder Vorzug der Agnation vor der Rognation beseitigt und das Erbfolgerecht ausschließlich auf die Blutsverwandtschaft gegründet wurde. Abgesehen von diesem Grundgedanken, entbehrt seine Erb­ folge eines bestimmten Systems, sie lätzt sich als Gradualerbfolge bezeichnen, enthält aber sehr starke Abweichungen von einer solchen. In der ersten Rlasse erben die Deszendenten des Erblassers nach Stämmen. Danach schließt der nähere den entfernteren, durch ihn verwandten Deszendenten aus, an Stelle eines weggefallenen Deszendenten aber treten feine Abkömmlinge. Ist C gestorben, so geht die Erbschaft derart in vier Teile, daß B, welcher den b aus­ schließt, der Stamm (stirps) des C (c, c, c), I) und E je einen Teil erben. Der Stamm des Weggefallenen (des C) erbt kraft eigenen Rechts, nicht etwa jure repraesentationis, es ist also nicht erforder­ lich, daß die Rinder (ccc) des weggefallenen Parens (C) diesen selbst beerbt haben. *) Vorrecht einer Frau, welche drei ober, wenn sie eine Freigelassene war, vier Rinder hatte (nach der lex Julia et Papia Poppaea gegen die Che- und Rinderlosigkeit).

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Fünftes Buch: Dos Erbrecht.

In der zweiten Klasse erben die Aszendenten des Erb­ lassers, seine vollbürtigen Geschwister und die Kinder, nicht aber auch die entfernteren Abkömmlinge, seiner verstorbenen vollbürtigen Geschwister. Unter den Aszendenten schließt der dem Grade nach nähere den entfernteren aus. Sind Aszendenten gleichen Grades vorhanden, so erben sie nach Linien (väterliche und mütterliche Linie), innerhalb der Linie aber nach Köpfen. Geschwister teilen nach Köpfen, ebenso teilen Geschwister und die nächsten Aszendenten nach Köpfen. Sobald Geschwisterkinder neben Aszendenten oder Ge­ schwistern oder beiden erben, wird nach Stämmen geteilt. Für den Fall, daß nur Geschwisterkinder erbten, ordnete der Reichsabschied von Speyer vom Jahre 1529 entgegen dem Sinne der Noo. 118 Teilung nach Köpfen an. Ist also auch nur F oder G vorhanden, so sind K L M N ausgeschlossen. Sind F, G und K nicht vorhanden, so erbt die L die Hälfte, M und N je ein Viertel. Sind F, G, H, J vorhanden, so erhält jeder ein Viertel. In der dritten Klasse erben die Halbgeschwister und deren Kinder, und zwar nach Köpfen, wenn nur Geschwister oder Geschwister­ kinder, nach Stämmen, wenn Geschwister und Geschwisterkinder vor­ handen sind. In der vierten Klasse sind die andern Verwandten des Erblassers berufen, und zwar entscheidet die Gradesnühe. Das justinianische Recht hat im Anschluß an das Zwölftafelgesetz die Erbrechtsgrenze wieder beseitigt. Ferner findet nach ihm successio ordinum et graduum (sukzessive Berufung) statt, so daß, wenn innerhalb einer ganzen Klasse (ordo) niemand zur Erbfolge gelangt, die nächste Klasse, und wenn innerhalb einer Klasse der nähere Grad nicht zur Erbfolge gelangt, der folgende Grad berufen wird. Doch geht das Anwachsungsrecht (jus accrescendi), d. h. der Anfall eines durch Ausschlagung oder Tod des Delaten frei werdenden Teils an die milberufenen Erben, jedenfalls der suc­ cessio ordinum vor. Sind also nur b, c, c, c, h, i, i vorhanden und es stirbt der b vor der Antretung, so bleibt sein Teil im ersten ordo, d. h. er wächst den drei c an, da h, i, i in der zweiten Klasse stehen. Sind B, C, D, E am Leben, so wird jeder zu x/4 berufen; schlägt B aus oder stirbt er vor der Antretung, so würde dem An­ wachsungsrechte nach C, D, E je 1/3 und der b nichts erhalten; geht aber, wie die herrschende Lehre mit Recht annimmt, die successio graduum vor, so tritt b an die Stelle seines Vaters, an der er auch dann gestanden haben würde, wenn sein Vater B vor der Delation gestorben wäre. Die Transmission aber geht sowohl der successio als dem Akkreszenzrechte vor, weil sie den Eintritt in die geschehene Delation bedeutet.

Zweiter Abschnitt: Di« gesetzlich« (Erbfolge.

§ 27b.

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Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten aus dem prStorischen Edikte blieb stehen, aber es behielt auch seine Stellung als letztes, nur beim Fehlen eines noch so weit entfernten Verwandten eintretendes Recht. (Ein außerordentliches Jntestaterbrecht hat: 1. die arme Witwe des Erblassers; sie erbt neben mehr als drei Deszendenten des Erblassers einen Kopfteil; andernfalls hat sie ein festbegrenztes Erbrecht auf V« des Nachlasses, das aber an Geld­ wert 100 Pfund Gold (= 67200 Mark) nicht übersteigen soll (Nv. 53 c. 6. Nv. 117 c. 5). „Arm" ist die Witwe nicht nur dann, wenn sie kein eigenes Vermögen hat (inops et indotata), sondern auch dann, wenn ihr beim Tode des Mannes vorhandenes Vermögen nicht ausreicht, ihr standesgemätzen Unterhalt zu gewähren (9t® 40, 191). 2. Ein solches haben ferner die liberi naturales zusammen mit ihrer Mutter gegen den Vater auf 1/e des Nachlasses, falls er keine Ehefrau oder eheliche Kinder hinterläßt. Der unmündige Arrogierte, der ohne Grund aus der Gewalt entlassen ist, hat Anspruch aus V« des Nachlasses seines Adoptivvaters, die Quarta divi Pii, aber dies ist kein wirkliches Erbrecht, sondern ein gesetzliches Vermächtnis. Durch die lex Papia Poppaea erhielt der Fiskus ein Recht auf erblose Nachlässe; ist dieses Recht, was bestritten, überhaupt ein Erbrecht, nicht ein privilegiertes Okkupationsrecht, so muß es als außerordentliches Erbrecht bezeichnet werden. Als gemeines Recht wurde das justinianische Recht rezipiert, und mit ihm das Eintrittsrecht der Stämme. Das letztere ist in der mittelalterlichen Jurisprudenz aber vielfach als ein den Abkömm­ lingen des verstorbenen Parens fremdes, nämlich als ein von diesem hergeleitetes Recht aufgefaßt worden (daher jus repraesentationis). Die neuere Jurisprudenz hat diesen Irrtum aufgegeben. § 275. B. Das deutsche Recht. Das deutsche Recht hat sich nicht einheitlich entwickelt, aber es kehren in den zahlreichen, in Einzelheiten voneinander abweichenden Partikularrechten doch gewisse Grundgedanken wieder. Zu diesen gehört das Erbfolgesystem der Parentelenordnung, doch sind die Ansichten, ob man überhaupt von einem bestimmten Systeme sprechen kann und ob man die Parentelenordnung als die deutschnationale bezeichnen darf, auch heute noch sehr geteilt. Ferner kennt das deutsche Recht, jedenfalls in der ersten Parentel nicht das Eintrittsrecht entfernterer Stämme, vielmehr erben zunächst nur die unmittelbaren Deszendenten.

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Fünftes Buch: Das Erbrecht.

Dem ältern deutschen Rechte war die Bevorzugung der Männer und der durch Männer vermittelten Verwandtschaft, des Mannesstamms, eigentümlich. Sie erhielt sich in dem besonderen Erbrechte des hohen Adels, im Lehnrecht und vielfach auch im Rechte der Familienfideikommisse, wahrend im allgemeinen Erbrecht die Gleichberechtigung der Geschlechter und der Mutter- und Vaterverwandtschaft herrschend wurde. Aber es bildete sich der Sah „paterna paternis, materna maternis“. ,,Erbgut geht wieder den Weg. daher es gekommen." Nach dem in dieser Weise charakterisierten Fall recht (jus recadentiae, jus revolutionis) fielen jedenfalls Grund­ stücke in Ermangelung von Deszendenten an diejenige Elternseite zurück, von der sie auf den Erblasser gekommen waren. Spater wandelte sich dieser Satz dahin, datz der Nachlatz in Quoten geteilt und datz zu jeder Quote eine Seite der Elternverwandtschaft berufen wurde, so datz die Eltern und wohl auch die weitern Aszendenten den Geschwistern vorgingen. Fast überall werden Lollbürtige Halbbürtigen vorgezogen Endlich hatte das deutsche Recht eine Erbrechtsgrenze, über welche hinaus Verwandte nicht berufen wurden. Für den überlebenden Ehegatten wurde in der Weise gesorgt, datz ihm autzer dem, was er auf Grund des ehelichen Güterrechts erlangte oder wiedererlangte, besondere Vorteile zukamen, die entweder in einem wirklichen Erbrecht, und zwar bei kinderloser (sog. unbeerbter) Ehe auf den ganzen Nachlatz („längst Leib, langst Gut"), sonst auf eine Quote, in der Zuwendung bestimmter Sachen, in einem Unterhaltungsrecht oder in einem Nietzbrauch am ganzen oder einem Teile des Nachlasses bestanden. Das Erbrecht des Ehe­ gatten war regelmäßig fest begrenzt und unentziehbar (sog. portio statutaria, so genannt, weil dieses auf Statuten be­ ruhende Recht neben dem gemeinen Rechte stand). § 276.

C. Das neue Recht»

Das Erbfolgesystem des BGB ist die Parentelenordnung, denn die nacheinander berufenen „Ordnungen" sind das­ selbe, was man mit dem Worte Parentelen bezeichnet. Soll also entschieden werden, ob diese oder jene Person erbberechtigt ist. so kommt es nicht auf ihre Gradesnähe zum Erblasser, sondern darauf an, welche von beiden Personen die näheren Stammeltern mit dem Erblasser gemein hat. Neben der Verwandtenerbfolge steht das Erb­ recht des überlebenden Ehegatten und das des Fiskus. A. Die Verwandtenerbfolge. Es ist berufen in folgender Reihe: 1. die erste Ordnung: Sie wird gebildet von den Abkömmlingen des Erblassers, und zwar haben ein Erb-

Zweiter Abschnitt: Die gesehliche Erbfolge.

§ 276.

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recht gegen die Mutier auch uneheliche, gegen einen Mann nur eheliche Abkömmlinge: das autzerordentliche Erbrecht unehelicher Kinder gegen ihren Bater ist beseitigt. In dieser Ordnung ent­ scheidet Gradesnähe nur insofern, als entferntere Deszendenten durch ihren Parens ausgeschlossen werden, wenn dieser Parens selbst erbt; sofern er aber nicht erbt, haben seine Abkömmlinge das ihnen als eigenes Recht zukommende Eintrittsrecht. Das Eintrittsrecht ist also vorhanden, a) wenn der Parens zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebt (§ 1924), b) wenn er die Erbschaft ausschlägt (§ 1953), c) wenn er erbunwürdig ist (§ 2344), d) wenn er durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen ist (§§ 1938, 2309; RE 61, 14), nicht dagegen, wenn er auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet hat . Ferner haben alle diejenigen Personen, denen im Testament etwas zugedacht ist, den Anspruch auf Vorlegung und Ablieferung des T. an das Nachlahgericht (§ 810 BGB). 8 281.

Bröffmmg dee Ceftamente.

Das römische Recht sah die gerichtliche Eröffnung des Testa­ ments als Regel an und bedrohte daher mit schweren Strafen den­ jenigen, der ein in seinem Besitze befindliches T. nicht an das Gericht ablieferte. Das gemeine Recht kannte diese Strafen nicht, gleichwohl blieb die gerichtliche Testamentseröffnung die Regel. Das BGB bezeichnet als Eröffnung des Testaments nur die vom Gerichte vorgenommene Verkündung des Testamentsinhalts. Da aber nur das in gerichtlicher Ver­ wahrung befindliche T. vom Gericht eröffnet werden kann und das BGB die Testamentseröffnung begünstigt, verpflichtet es jeden Be­ sitzer des T., auch Notare und Behörden, das in ihrem Besitze be­ findliche Testament an das Nachlahgericht abzuliefern, sobald der Tod des Erblassers bekannt wird (§ 2259, s. vor. §), und es erklärt ferner ein gegen die alsbaldige Eröffnung seines T. gerichtetes Verbot des Testators, für nichtig (§ 2263). Das Gericht — d. i. immer dasjenige Gericht, welches das Testament in Verwahrung hat, sei es das Nachlahgericht ‘) oder ein anderes — hat auch nicht einen Antrag abzuwarten, sondern von Amtswegen Termin zur Eröffnung des Testaments anzuberaumen, sobald ihm der Tod des Erblassers bekannt geworden. Zu diesem Termine sollen, soweit tunlich, die gesetzlichen Erben geladen werden; vor ihnen erfolgt die Öffnung des etwa verschlossenen Testaments und die Verkündigung seines Inhalts; beide Handlungen zusammen machen die Eröffnung des T. aus (§ 2260). Diejenigen Beteiligten, welche bei der Er­ öffnung nicht zugegen waren, werden durch das Nachlahgericht von dem sie betreffenden Inhalte des Testaments von Amts wegen in Kenntnis gesetzt, und ein jeder, der ein rechtliches Interesse glaub­ haft macht, kann auf seinen Antrag von dem eröffneten Testament Einsicht nehmen, sowie die Abschrift des ganzen Testaments oder eines Teils davon erhalten (§§ 2262, 2264). ') Nachlahgericht ist immer das Amtsgericht. Örtliche Zuständigkeit ,. §§ 72ff. FG.

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Fünftes Buch: Das Erbrecht.

Ist das Testament nicht in amtlicher Verwahrung, so kann es zwar der Besitzer den Beteiligten verkünden, aber auch wenn das ge­ schehen ist, wird es nach der Ablieferung durch das Gericht eröffnet.

II. Die Ceftamentefäbigheit, § 282. Das Recht, zu testieren, stand in Rom nur den römischen Bürgern und auch nur den Gewaltfreien zu. Hauskinder konnten nur über bona castrensia und quasi castrensia verfügen, weil sie betreffs solcher als patres familias galten; über die bona adventicia konnten sie nicht testieren. Diese letztere Beschränkung ist in das gemeine, nicht in das neue Recht übergegangen. Vielmehr können Personen, die unter elterlicher Gewalt stehen, über ihr Ver­ mögen, mag es freies oder unfreies sein, letztwillig verfügen. Die Fähigkeit zur Testamentserrichtung fehlt: 1. nach altem Rechte den Unmündigen, nach neuem Recht allen Personen, welche das 16. Lebensjahr nicht vollendet haben (§ 2229). Doch können Minderjährige nach neuem Rechte nur öffentlich und nur durch mündliche Erklärung, nicht durch Übergabe einer Schrift und nicht schriftlich testieren (§§ 2238, 2247). Der Grund dieser fürsorglichen Bestimmung liegt nahe. Der Zustim­ mung des gesetzlichen Vertreters zur Testamentserrichtung bedarf es weder nach altem noch neuem Rechte; 2. nach altem Rechte Geisteskranken und entmündigten Verschwendern. Doch waren erstere in lichten Augenblicken testierfähig. Das BGB entzieht die Testierfähigkeil vor allem den Geschäftsunfähigen, also den wegen Geisteskrankheit Ent­ mündigten und denen, die sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden (§ 104), ferner allen wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht Entmündigten, und zwar schon von dem Zeitpunkte der Stellung des Entmündigungsantrags an, vorausgesetzt, daß die Entmündigung auf Grund dieses Antrags erfolgt (§ 2229). Der Entmündigte ist also künftig schlechthin un­ fähig, auch wenn er vorübergehend klaren Geistes ist oder sich ge­ bessert hat?) Die Testamentsfähigkeit mutz zur Zeit der Errichtung des T. vorhanden sein; wer in diesem Zeitpunkt unfähig ist, später aber die Fähigkeit erlangt hat, dessen Testament bleibt nichtig, wogegen das T. dessen, der nachher unfähig geworden, gültig bleibt (f. unten 8 289 II 1, vgl. auch 2230 BGB). *) § 2230 Schutz gegen übereilte Entmündigung.

3. Abschn.: Die (Erbfolge auf Grund einer Derf. v. Tod. weg. §§ 282,283. 747

3. Nach justinianischem Rechte fehlte die Testierfähigkeit bett Taubstummgeborenen; sie sind jedoch nach herrschender Ansicht, auch nach BGB, das keine Bestimmung gibt, fähig, wenn sie gelernt haben, sich verständlich zu machen. Dagegen fehlt die Fähigkeit nach altem und neuem Recht allen Personen, welche aus irgend einem Grunde sich weder mündlich noch schriftlich erklären können. Wer Geschrie­ benes nicht lesen kann, hat nach neuem Rechte nicht die Fähigkeit, schriftlich oder durch Übergabe einer Schrift zu testieren (§§ 2238, 2247); ist er obendrein stumm, so kann er überhaupt nicht testieren. III. Der Inhalt dee Cestamente. § 283.

Die Brbemfetzung.

1. Nach römischem Rechte war die Einsetzung eines Erben caput et fundamentum totius testamenti (Gai inst. II 229), d. h. sie war dem Testamente derart wesentlich, daß die letztwillige Verfügung, welche eine Erbeinsetzung nicht enthielt, nicht die Eigenschaft eines Testaments hatte, dah also die gesetzliche Erbfolge eintrat und auch der übrige Testamentsinhalt wegfiel. Im Gegensatze zum Testamente war ein Kodizill diejenige letztwillige Verfügung, welche eine Erbeseinsetzung nicht enthielt. Dieser Gegensatz war um so wichtiger, als für das Kodizill nicht die Testamentsform gefordert wurde. Obgleich ein Testament, das als solches nicht bestehen konnte, nicht ohne weiteres als Kodizill aufrecht erhallen wurde, hatte doch der Testator das Recht, seinem Testamente für den Fall der Ungültigkeit wenigstens die Kraft eines Kodizills zu wahren, indem er eine dahin gehende Erklärung abgab. Diese sog. Kodizillarklausel bewirkte, dah die in dem ungültigen Testament enthaltene Erbeseinsetzung zum Universalvermächtnis wurde und dah die andern Bestimmungen des Testaments aufrecht erhalten wurden. Natürlich muhte die letztwillige Verfügung wenigstens der Kodizillform genügen und nicht auch als solches hinfällig werden. Diese Sätze wurden zwar gemeines Recht, sind aber nicht in das neue Recht übergegangen. Die Erbeinsetzung ist nicht mehr begriffliches Merkmal des Testaments, daher ist der Gegensatz von Testament und Kodizill beseitigt und damit der Zweck einer Kodizillarklausel weggefallen. 2. Nach römischem Rechte konnte zum Erben eingesetzt werden nur wer sowohl zur Zeit der Testamentserrichtung als auch in dem Zeitraume von der Delation bis zur Antretung die Fähigkeit hierzu hatte. Diese sog. testamentifactio passiva fehlte einer Reihe von Personen, insbesondere den postumis, d. h. denjenigen, welche

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nach der Testamentserrichtung sui des Erblassers wurden, denn sie galten als personae incertae ebenso wie diejenigen Personen, welche erst durch einen künftigen Umstand bestimmt werden sollten.1) In­ dessen wurde die Einsetzungsfähigkeit der postumi nach und nach, die jener andern personae incertae durch Justinian anerkannt. Das neue Recht betrachtet die Einsetzungsfähigkeit nicht mehr als be­ sondere Eigenschaft: einsetzungsfähig ist, wer erbfähig ist. Daher können sehr wohl Personen eingesetzt werden, die der Erb­ lasser nicht kennt und die vielleicht nur durch einen zufälligen Um­ stand bestimmt werden (3. B. ich setze zum Erben den künftigen Mann meiner Nichte ein). 3. Der Wichtigkeit der Erbeinsetzung entsprach im römischen Rechte die Form, unter welcher sie zu erfolgen hatte: sie mutzte an der Spitze des Testaments stehen und verbis latinis directis imperativis erfolgen (Titius heres esto, Titium heredem esse jubeo). Daher galt namentlich der Satz: positus in condicione non est positus in dispositione, wonach die Bestimmung: „wenn Titius nicht mein Erbe sein will, so soll Mävius mein Erbe sein", eine gültige Ein­ setzung des Titius nicht enthielt. Diese Formbestimmungen wurden in der spätern Kaiserzeit beseitigt. Seitdem genügte jede Erklärung des Erblassers, aus welcher erhellte, datz der ganze Nachlatz oder eine Quote des Nachlasses auf eine bestimmte Person übergehen solle: es kam seitdem also und kommt auch nach neuem Rechte nicht auf den Gebrauch des Worts „Erbe" oder gar des Ausdrucks „Universalerbe" an. Auch ist weder nach gemeinem noch nc^ch neuem Rechte die Bezeichnung des Erben nach seinem Namen notwendig, es genügt jede andere Bezeichnung, wenn sie nur deutlich ist, selbst die falsa demonstratio schadet nicht, wenn kein Zweifel besteht, wen der Testator gemeint hat. Patzt die vom Testator gewählte Be­ zeichnung auf mehrere Personen,2) so ist folgerecht nach römischem Rechte die Bestimmung ungültig, während nach neuem Rechte (§2073) die mehreren zu gleichen Teilen bedacht sind. Diese Freiheit des Testators in der Wahl der Worte hat die Gefahr von Zweifeln über seinen wahren Willen nahegelegt und zahlreiche Auslegungsregeln notwendig gemacht. Diese wollen dem vermutlichen Willen des Testators Geltung verschaffen und kleiden sich daher regelmätzig in die Gestalt einer widerlegbaren Vermutung (§§ 2067—2076), lassen also den Gegenbeweis offen.

1) Beispiel der Quellen: quisquis primus ad sunus me um venerit (Gai inst. II, 238). 2) Der Testator hat mehrere Vettern, aber er verfügt: „Ich setze meinen Detter zum Erben ein."

з. Abschn.: Die Erbfolge auf Grund einer Derf. v. Tod. roeg. § 284.

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Der Testator konnte sich nach altem Rechte vorbehalten, die etwa in seinem schriftlichen Testament oder Kodizill offen gelassenen Erklärungen in einer anderen Urkunde zu geben (teat. mysticum). Vorausgesetzt war aber, datz die Verfügung selbst getroffen und nur die genauere Bestimmung (Person des Honorierten, Erbteil и. a.) vorbehalten war. Auch das neue Recht gestattet den Vorbehalt einer Ergänzung. Aber auch wenn di« Ergänzung unterbleibt, ist doch die Verfügung selbst wirksam, außer wenn anzunehmen ist, daß die Wirksamkeit von der Ergänzung abhängig sein soll (§ 2086). 4. Das Testament enthält den Willen des Erblassers. Daher ist ein Testament, dessen Geltung von einem andern abhängen soll» sowie diejenige letztwillige Verfügung, welche einem andern die Bestimmung der Person des Bedachten oder die Bestimmung des Gegenstands der Zuwendung überläßt, sowohl nach altem als nach neuem Recht ungültig (§ 2065). Während aber das römische Recht die Bestimmung dann aufrecht hielt, wenn jener andere unter bestimmten Personen wählen sollte, ist nach neuem Recht eine der­ artige Erbeinsetzung ungültig, dagegen ein in dieser Weise errichtetes Vermächtnis (ober Auflage) gültig (§§ 2065, 2151 ff.)1) § 284. Die Einsetzung Mehrerer. 1. Die Einsetzung selbst. 1. Wenn der Erblasser mehrere Erben beruft, ohne sie auf bestimmte Bruchteile einzusetzen, so erben sie nach altem und neuem Rechte (§ 2091) zu gleichen Teilen. Der Erblasser kann aber eine Verbindung mehrerer Erben dadurch herbeiführen, daß er sie zusammen auf denselben Bruchteil (einen „gemeinschaftlichen Erbteil") einseht (re conjuncti). In diesem Fall erhalten sie den gemeinschaftlichen Erbteil zu gleichen Teilen (z. B. meine beiden Enkel sollen eine Hälfte, mein Sohn die andere Hälfte haben. Hier erhält jeder der Enkel V*)2. Aus dem römischen Grundsätze von der Ausschließlichkeit der testamentarischen Berufung (nemo pro parte testatus pro parle intestatus decedere polest), folgte, daß, wenn der Erblasser mit den von ihm bezeichneten Bruchteilen das ganze nicht erschöpft«, nach altem Rechte der Rest unter die eingesetzten Erben nach Maßgabe ihrer Erbanteile verteilt wurde. Dasselbe Ergebnis tritt nach neuem Rechte nur dann ein, wenn erhellt, daß die eingesetzten Erben nach dem Willen des Erb‘) „Meine Frau soll bestimmen, welchem meiner Bereinsgenossen das letzte Drittel meines Nachlasses zufallen soll." (Ungültig nach neuem Recht.) — „Mein Erbe soll bestimmen, welchem meiner Stammgäste der große silberne Humpen zufallen soll." (Nach altem und neuem Recht gültig.)

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lassers die allgemeinen Erben sein sollen (§ 2098). Der Testator sagt: „Es hat mir niemand so nahe gestanden, als meine beiden Schwestern. Sie sollen daher auch nach meinem Tode alles haben, was ich besessen. Die A., die mich so treu gepflegt, soll die Hülste haben, die B. V4." Hier erhalt nach beiden Rechten A. */3, B. V3. Erhellt jener Wille nicht, so tritt nach neuem Recht ebenso wie in dem Falle, wenn der Erblasser nur einen Erben ernennt und diesen auf einen Bruchteil beschränkt, in Ansehung des Rests die gesetzliche Erbfolge ein (§ 2088). 3. Übersteigen die den einzelnen zugewiesenen Erbteile ein Ganzes, so tritt nach altem und neuem Rechte verhältnis­ mäßige Minderung der Bruchteile ein (§ 2090). 4. Sind einzelne Erben auf Bruchteile, die das Ganze nicht erschöpfen, und einer oder mehrere andere Erben ohne Beschränkung auf einen Bruchteil eingesetzt, so fällt der übriggebliebene Teil nach altem und neuem Recht (§ 2092 Abs. 1) auf die unbeschränkt be­ rufenen Erben zu gleichen Teilen. Ist aber das Ganze durch die bestimmten Bruchteile erschöpft oder überschritten, so findet nach römischem Recht eine Herabsetzung der angegebenen Bruchteile in der Weise statt, als hätte der Erblasser mehrere Ganze verteilt. Die bezeichneten Bruchteile müssen daher so weit herabgesetzt werden, dah sie zu­ sammen ein Ganzes ausmachen, so dah die unbeschränkt Berufenen das zweite Ganze erhalten. „A. soll zu y3, B. zu 2/3 Erbe sein und auch L. soll Erbe sein." A. und B. erhalten dann zusammen ein Ganzes, C. das zweite Ganze. Das Ergebnis ist, dah A. l/,;, B. V3, E. y2 erhält. Es kommt hier der Sah zur Anwendung ex aase fit dupondium, die Erbschaft wird also zu 24 Unzen berechnet (vgl. Dernburg Pandekten III § 86). Sind aber in einem solchen Falle die ohne Anteil Berufenen ausdrücklich auf den Rest eingesetzt, so sollen sie nach positiver Vorschrift (1. 17 § 3 D. 28,5) nichts erhalten. Anders das neue Recht (§ 2092 Abs. 2). Rach diesem werden die ohne Bruchteile eingesetzten Erben so angesetzt, wie der am wenigsten bedachte Erbe. In obigem Beispiele wird also C. zu Vs angesetzt, und da Vs verteilt sind, 4 zum Nenner gemacht, also:

(A) 1 +(33) 2+ ((5)1 _ 4. 4



4

II. Auch bei der testamentarischen Erbfolge kann das An­ wachsungsrecht zur Folge haben, dah der freigewordene Erbteil eines ausfallenden Erben von allen oder einzelnen eingesetzten Erben hinzuerworben wird.

A.Abschn.: Die Erbfolge auf Grund einer Verf. o. Tod. weg. § 284.

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1. Römisches Recht. Datz das Anwachsungsrecht von selbst und mit Rechtsnotwendigkeit eintrat, war «ine Folge des Grundsatzes nemo pro parte testatus etc. Denn wurde A, B und C eingesetzt, die Erbschaft aber von A ausgeschlagen, so konnte sein Teil nicht an die Jntestaterben, sondern er mutzte nach jenem Grundsatz an B und C fallen. Daher bildet die Anwachsung keine neue Berufung. Wie der Anfall geschah, richtete sich danach, wie vermutlich der Testator bestimmt haben würde, wenn er den Ausfall vorhergesehen hätte. Daher fiel der frei gewordene Teil allen andern Erben, und zwar nach Verhältnis ihrer Erbteile, an, wenn nicht mehrere der eingesetzten Personen durch die Testamentsbestimmung enger miteinander verbunden waren. Eine solche engere Verbindung bestand unter denjenigen Erben, welche auf den­ selben Teil eingesetzt waren (re conjuncti); unter den nur sprachlich zusammen Genannten (verbis conjuncti) bestand dagegen eine solche Verbindung nicht. Das Anwachsungsrecht wurde ausgeschlossen: a) nach dem Willen des Testators durch eine Substitution, b) nach dem Willen des Gesetzes durch die Transmission. 2. Da das neue Recht jenen Grundsatz von der Ausschlietzlichkeit der testamentarischen Erbfolge nicht kennt, so kann das An­ wachsungsrecht hier nur auf dem vermutlichen Willen des Erblassers beruhen. Es ist daher zu unterscheiden: a) Das Testament verfügt nicht über die ganze Erbschaft, und es tritt der Regel gemätz in Ansehung des übrigen Teils die gesetz­ liche Erbfolge ein: hier fällt der freigewordene Erbteil eines Testamentserben nicht an die andern Testamentserben, sondern an die Jntestaterben: denn der Wille des Testators geht dahin, datz fein Rachlatz nicht ausschliehlich an die eingesetzten Erben fallen soll. b) Das Testament hat über die ganze Erbschaft ver­ fügt, die gesetzliche Erbfolge ist also hinsichtlich aller Teile des Nachlasses ausgeschlossen: hier fällt der freigewordene Teil an die andern Testamentserben; denn der Wille des Testators geht dahin, datz sein Nachlah ausschlietzlich an die eingesetzten Erben fallen soll. Die Folge ist, datz auch dann, wenn das Testament nur über einen Teil der Erbschaft verfügt, der freigewordene Anteil eines Testa­ mentserben an den auf denselben gemeinschaftlichen Erbteil mit­ berufenen Testamentserben fällt; denn der Wille des Testators ging dahin, datz unter den Verbundenen nur die testamentarische Erbfolge Platz greifen solle. Ist also verfügt: „Ich setze meinen Bruder aus ein Drittel und meine beiden Schwestern auf ein weiteres Drittel ein”, und es fällt der Bruder fort, so gebührt sein Erbteil den gesetzlichen Erben, denn es kann nicht zweifelhaft sein, datz die i/3,

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Fünftes Buch: Das Erbrecht.

welche den Geschwistern zugedacht sind, nicht einen gemeinschaft­ lichen Erbteil bilden; fällt aber eine der Schwestern fort, so erhält die andere das freigewordene Sechstel; fallen beide Schwestern fort, so gebührt das freigewordene Drittel den Intestaterben (§ 2094). Die Anwachsung tritt auch nach neuem Rechte traft RechtsnotWendigkeit ein, es bedarf daher der Ausschließung durch den Testator, wenn sie nicht eintreten soll. Die Ausschließung des An­ wachsungsrechts liegt ohne weiteres in der Ernennung eines Ersatzerben (Substituten, § 2099). Das neue Recht kennt also bei der Testamentserbfolge ein An­ wachsungsrecht, und der anwachsende Erbteil gilt wie im Falle der Erhöhung des gesetzlichen Erbteils als besonderer Erbteil; Vermächtnisse, Auflagen und Ausgleichungsverpflichtungen finden daher ihre Grenze in diesem Erbteil und brauchen also nicht auch aus dem ursprünglichen Erbteile berichtigt zu werden (§§ 2095, 1935). § 285. Der heres ex re certa. I. Früheres Recht. War jemand zum Erben eingesetzt, aber auf eines oder mehrere bestimmte Rachlaßstücke angewiesen, so lag in der Verfügung des Testaments ein Widerspruch. Ihn zu be­ seitigen, gab das römische Recht eine Reihe Vorschriften, die nur als Auslegungsregeln gellen sonnten. 1. War nur ein Erbe oder waren mehrere Erben ernannt und jeder von ihnen auf ein bestimmtes Stück eingesetzt, so entschied das Wort Erbe, und die Beschränkung galt als nicht vorhanden. Der Berufene wurde also Erbe, und mehrere Berufene waren Erben zu gleichen Rechten; für sie galt dann die Zuweisung bestimmter Sachen nur als Teilungsordnung. Sollte die Beschränkung andern bestimmten Personen zum Vor­ teile gereichen, so war die Beschränkung entscheidend, und die Be­ zeichnung Erbe wurde gestrichen. Das geschah in der Weise, daß a) der dritte Universalfideikommissar wurde und also ver­ pflichtet war, dem sog. Erben die angewiesenen Sachen heraus­ zugeben ; b) wenn mehrere Personen eingesetzt waren und nur eine von ihnen als 'Erbe (oder als „Universalerbe") bezeichnet war, diese allein Erbe wurde und der heres ex re certa die angewiesene Sache als Legat erhielt (RG 4, 117). H. Jetziges Recht. Da es dem BGB nicht auf die Worte, sondern auf die Absicht des Testators ankommt, ist im Zweifel txr zwar als Erbe Bezeichnete, aber nur mit einer bestimmten Sache

3. Abschn.: Die Erbfolge auf Grund einer Derf. v. Tod. weg. § 266.

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Bedachte nicht Erbe, sondern Vermächtnisnehmer (§ 2087 Abs. 2). Doch wird der Wille des Testators, den so Bedachten zum Erben zu berufen, dann angenommen werden können, wenn die dem Bedachten zugewendeten Gegenständ« die wertvollsten des Nach­ lasses sind. § 286. Die Substitution. 1. Hat der Testa 1 or einen Erben für den Fall be­ rufen, daß der zuerst Eingesetzte nicht Erbe sein kann oder nicht erben will, so ist eine Substitution vorhanden. Auch wenn nur der Fall des Nicht-wollens vorgesehen ist, gilt die Berufung doch nach altem und neuem Recht (§ 2097) auch für den Fall des Richt-könnens und umgekehrt. Die Ernennung eines Substituten oder Ersatzerben hatte im älteren Recht« den Zweck, die sog. Kaduzität, im späteren und heutigen Rechte den Zweck, das Anwachsungsrecht der Miterben, oder falls nur «in einziger Erbe ernannt ist, die Vereitelung der testamenta­ rischen Erbfolge (Destitution des T.) auszuschlietzen. Die Substitution geht deshalb dem Anwachsungsrechte vor (§ 2099). Sie war nach altem Recht eine bedingte Erbeinsetzung, wurde daher wirksam nur dann, wenn der Ersatzerbe den Tod des Erblassers und den Eintritt der Bedingung, d. i. den Wegfall des zuerst Eingesetzten, erlebt. Das BGB erblickt in ihr eine zweite, aber von der selbstverständlichen Bedingung (cond. juris), datz der Erstberufene nicht erbt, abhängige Berufung. Die Folge ist die. datz der Ersaherbe nur den Tod des Erblassers zu erleben braucht, und datz, wenn er den Substitutionsfall nicht erlebt, seine Erben an seiner Stelle Ersatzerben werden (§§ 1953, 2344)?) Der Testator kann nach altem und neuem Rechte mehrere Ersatzerben nacheinander (verschiedene gradus institutiönum) berufen; es gilt dann der Grundsatz substitutua substituto est substitutua inatituto, d. h. der zweite Ersaherbe tritt an di« Stelle des ein­ gesetzten Erben, wenn der erste Ersatzerbe weggefallen ist. Hieraus folgt der fernere Satz substitutua substituto instituto substitutua huic quoque censetur qua instituto, d. h. ist einem eingesetzten. Erben ein Mit erbe substituiert und für diesen Miterben ein Ersah­ erbe berufen, so erhält dieser Ersatzerbe nicht blotz die Substitutions-, sondern auch die Jnstitutionsportion des ersten Ersatzerben. Sind die Erben gegenseitig oder sind für einen von ihnen die andern als Ersaherben berufen, so wird nach altem und neuem l) Herrschende, aber nicht unbestrittene (wegen § 2074) Meinung. (Engelmann, Bürgerliche» Recht

5. Aufl.

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Recht (§ 2098) angenommen, dah sie nach Derhältnis ihrer Erb­ anteile berufen seien. War also A zu V2, B und C zu je V4 be­ rufen und war im Testamente gesagt, dah beim Wegfalle des C die andern Eingesetzten seinen Erbteil erhallen sollen, so erwirbt A von dem ausgeschlagenen Viertel 2j3, B Vs- Sind aber bei wechselseitiger Substitution einzelne Erben auf einen gemeinschaft­ lichen Erbteil eingesetzt, so gehen sie beim Wegfall eines der Ver­ bundenen als Ersatzerben den andern vor. Sind also A auf Vs, B auf Vs und C D zusammen auf ein Drittel berufen mit der Bestimmung, dah, falls einer der Erben wegfällt, die andern Erben an seine Stelle treten sollen, und schlägt D aus, so fällt sein Sechstel nur dem E an (§ 2098). Zwischen dieser wechsel­ seitigen Substitution und dem Anwachsungsrechte be­ steht also, von der Schuldenhaftung für verschieden belastete Erb­ teile abgesehen (§ 2007), nur der Unterschied, dah diese auf dem Willen des Gesetzes, jene auf dem Willen des Erblassers beruht und also seinen besonderen Anordnungen unterliegt. 2. Nach römischem Rechte konnte der unmittelbare Gewalthaber, also regelmäßig der Vater, seinem Gewaltunterworfenen einen Erben für den Fall ernennen, dah der Unterworfene im Alter der Un­ mündigkeit sterben sollte (sog. Pupillarsubstitution). Diese Befugnis war eine Durchbrechung des Grundsatzes, dah ein jeder nur für sich selbst, nicht auch für einen andern ein Testament errichten dürfe, und lag in der väterlichen Gewalt. Die Ausübung der Befugnis war aber an die Voraussetzung geknüpft, dah der Vater auch für sich ein Testament machte (primae tabulae); das Testament, das er über den Nachlaß des lindes machte (secundae tabulae), war dann ein Bestandteil seines eigenen Testaments und daher un­ gültig, wenn auch das eigene Testament des Vaters ungültig war. Es war aber nicht notwendig, dah der Vater das Kind zu seinem Erben ernannte. Es wurden also durch einen Rechtsakt zwei Testamente errichtet: in dem einen verfügte der Vater über seinen, in dem andern über den Nachlaß des Kindes. Lieh der Vater in dem den Nachlaß des Kindes betreffenden Testamente die Bestim­ mungen des formellen oder materiellen Noterbrechts unbeachtet, so war doch eine Anfechtung der secundae tabulae nicht zulässig, da ja dem Kind eine Verfehlung nicht zur Last fiel. In Deutschland ist das Institut nicht heimisch geworden, und das BGB hat es durch den Sah (§ 2064) beseitigt, dah der Erblasser ein Testament nur persönlich errichten tonne.1) *) Das BGB hat dabei zunächst die Absicht, eine Stellvertretung bei dem Akte der Testamentserrichtung für unzulässig zu erklären.

Z.Abschn.: Die Erbfolge auf Grund einer Derf. v. Tod. weg. § 287.

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3. Nach römischem und gemeinem Rechte kann der Erblasser auch einem geisteskranken Deszendenten einen Substituten ernennen, wenn er ihm den Pflichtteil hinterlästt. Nach der herrschenden Meinung galt diese Quasipupillarsubstltution nicht nur für den vom Botet hinterlassenen Pflichtteil, mithin als sog. sideikommissarische, sondern für den gesamten Nachlast des Kindes, mithin als pupillarische Substitution. Dem neuen Recht ist auch dieses Institut unbekannt. § 287. Die Einsetzung eines fiaeberben. I. Geschichte. Das römische Recht hielt an dem Grundsätze seinel herea, semper heres fest, es liest deshalb den (Eintritt eines andern an die Stelle dessen, der einmal Erbe geworden war, nicht zu. Nur die sog. partitio legata, d. h. die Anordnung des Testators, dast der Erbe die Erbschaft mit einem andern teilen solle, war gestattet, denn in diesem Falle behielt der herea die Erbenqualität und hatte sich mit dem Partitionslegatar durch Ver­ trag (atipulationes partis et pro parte) dahin auseinander zu sehen, dast der Erbe dem Legatar den diesem zugedachten Teil der Nachlastaktiva übereignete, der Legatar aber den entsprechenden Teil der Nachlastschulden zu zahlen versprach. Durch Fideikommist konnte dem Erben die Herausgabe der ganzen Erbschaft auferlegt werden, aber auch dieses Universalsideikommitz überwies dem Fideikommissar nur die körperlichen Nachlastsachen, während Erbschastsforderungen und Erbschaftsschulden dem Erben (h. fiduciarius) verblieben. Das SC. Trebellianum (unter Nero, 62 n. Chr.) gab unter Aufrechterhaltung des Grundsatzes von der Unaufhebbarkeit der Erbeigenschaft dem U.-Fideikommissar die Stellung eines Erben (heredia loco eat): mit der Herausgabe der Erbschaft erwarb er die Erbschaftsforderungen und unterlag er den Nachlastverpflichtungen; seinem Schutze diente die hereditatis petitio fideicommisaaria. Da seine Rechte davon abhingen, dast der Fiduziar die Erbschaft antrat, ordnete das SC. Pegaaianum (unter Vespasian, 75 n. Chr.) an, daß der Erbe zum Antritte ge­ zwungen werden könne, aber das Recht habe, dem U.-F. gegenüber den vierten Teil des Nachlasses für sich abzuziehen. Zog er diese quarta Falcidia (die später den auch jetzt noch gebräuchlichen, aber nicht zutreffenden Namen quarta Trebellianica annahm) ab, so wurde der U.-F. entgegen dem SC. Trebellianum, wie früher, nur Singularsukzessor. Justinian lieh das SC. Pegaaianum soweit stehen, als es den Zwang und den Quartabzug zulieh, ordnete aber an, dast in jedem Fall ex SC. Trebelliano restituiert, der U.-F. also Universalsukzessor werden solle.

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Dieser Rechtszustand wurde gemeines Recht. Das Universalvermächtnis blieb Vermächtnis und konnte daher in der für dieses maßgebenden Form, also insbesondere durch Jntestatkodizill, er­ richtet werden. Da auch das gemeine Recht sich nicht von dem Grundsätze semel heres, semper heres lossagen konnte, hatten alle der Erbeinsetzung beigefügten Nebenbestimmungen, welche dieser eine zeitliche Grenze setzten (Anfangs- und Endtermin, auflösende Bedin­ gung), nicht die dem Willen des Testators, sondern die jenem Grundsatz entsprechende Wirkung, daß tier einmal zum Erben Be­ rufene Erbe blieb und meist nur die Pflicht hatte, den Nachlaß als Universalvermächtnis herauszugeben. II. Jetziges Recht. 1. Grundsatz. Neuere Gesetzgebungen und mit ihnen das BGB haben jenen Grundsatz von der llntilgbarkeit der Erbeneigenschaft beseitigt (§ 2139); es kann daher der Erblasser einen Erben in der Weise einsetzen, daß dieser erst Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe geworden ist (§ 2100). Der zuerst Berufene heißt Vorerbe, der zweite Nacherbe. Fügt der Erblasser der Erbeinsetzung einen Endtermin oder eine Resolutiv­ bedingung bei, ohne einen Nacherben zu nennen, so fällt sein Nach­ laß an seine Jntestaterben als Nacherben, und ist der Einsetzung ein Anfangstermin oder eine (noch nicht erfüllte) Suspensivbe­ dingung beigefügt, so treten die gesetzlichen Erben als Dorerben ein