Das Deutsche Handelsrecht: Ein kurzgefaßtes Lehrbuch des im Deutschen Reiche geltenden Handels-, Wechsel- und Seerechts [7., umgearb. Aufl. Reprint 2020] 9783111650098, 9783111266633


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Table of contents :
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Vorwort zur dritten Auflage
Vorwort zur vierten Auflage
Vorwort zur funften Auflage
Vorwort zur sechsten Auflage
Vorwort zur siebenten Auflage
Erklärung der Abkurzungen
Inhaltsubersicht
Einleitung
Erstes Kapitel. Nie dem Handelsrecht unterworfenen Lebensverhältnisse: Der Handel
Zweites Kapitel. Die Personen im Handelsrecht
Drittes Kapitel. Nie Handelsgeschäfte
Viertes Kapitel. Das Wechselrecht
Fünftes Kapitel. Das Seehandelsrecht
Alphabetisches Sachregister
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Das Deutsche Handelsrecht: Ein kurzgefaßtes Lehrbuch des im Deutschen Reiche geltenden Handels-, Wechsel- und Seerechts [7., umgearb. Aufl. Reprint 2020]
 9783111650098, 9783111266633

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Guttentag'sche Sammlung von

Lehrbüchern de? Deutschen Neich?rechte?.

IV.

Das

Deutsche Handelsrecht. Von

Dr. Karl Kareis.

Siebente Auflage.

Berlin 1903. I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H.

Das

Deutsche Handelsrecht. Ein kurzgefaßtes Lehrbuch des

im Teutschen Reiche geltenden

Handels-, Wechsel- und Seerechts Von

Dr. Kart Kareis, Geh. Iustizrat u. ord. Professor der Rechte in München.

Liebente, umgearbeitete Auflage.

Berlin 1903. I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. ui. v. H.

Uormort zttr erste« Auflage. Die Aufgabe, welche die Verlagsbuchhandlung und dann ich selbst mir gestellt, als es sich um die Abfassung dieses Merkchens handelte, ist nach Ziel und Methode im wesentlichen dieselbe, welche sich meine verehrten Herren Kollegen Fitting und Do­ ch o w stellten, als sie demselben Verleger die von ihnen verfaßten Lehrbücher des Zivilprozeßrechts und beziehungsweise des StrafProzeßrechts lieferten, hier natürlich angewandt auf die Ver­ breitung der Kenntnis des deutschen Handelsrechts. Menn meine Kraft nicht ausreichte, es diesen Vorbildern gleich zu tun, so war doch mein Mille, dem Handelsrecht denselben Dienst zu leisten, welchen Fitting dem Zivilprozeßrecht und Dochow dem Straf­ prozeßrecht erwiesen, ernstlich genug, um vor der Ausführung des geplanten Unternehmens nicht zurückzuschrecken; ich unternahm die Ausführung, obwohl ich nicht verkannte — und jetzt nach Voll­ endung des Versuchs noch weniger verkenne —, daß derselben außerordentliche Schwierigkeiten im Wege stehen, die hauptsächlich in dem Materialüberflusse ihren Grund haben, der die Erreichung der Aufgabe hier in gewiß viel größerem Maße erschwerte als da, wo es sich um die Darstellung des mit dem 1. Oktober 1879 erst in Wirksamkeit tretenden Prozeßrechts handelte; denn der von mir behandelte Stoff ist bekanntlich in einer überaus reichen Literatur längst ausführlich bearbeitet, eine langjährige Recht­ sprechung hat zur Klärung derselben wesentlich beigetragen, und neben den umfangreichen und verschiedenartigen Gesetzen hat sich das Gewohnheitsrecht ordnend und sichtend Rechtsregeln geschaffen. Lehrbücher, Monographien, Präjudizien, verschiedenartige Gesetze, Usancen — welche Fülle des Stoffes bieten sie nicht ins­ gesamt dar! Eben diese Fülle, diese Überfülle macht die Bearbeitung eines

VI

Vorwort zur ersten Auflage.

„kurzgefaßten Lehrbuches" einerseits schwierig, andererseits aber, wie ich glaube, erwünscht, wenn nicht gar notwendig. Als kurzgefaßtes Lehrbuch hat dieses Merkchen eine ganz andere Bestimmung, als diejenige der Werke Thöls und Gold­ schmidts und auch Endemanns ist; meine Absicht geht an» gesichts dieser Werke dahin, deren Studium zu fördern; denn mein Merkchen beabsichtigt lediglich die Einführung in das Reich des wissenschaftlichen Handelsrechts und soll demnach nur die Einleitung zum wissenschaftlichen Studium der größeren handels­ rechtlichen Werke selbst bilden; es ist darum in erster Linie den das Handelsrecht zum erstenmal studierenden Rechtskandi­ daten, den auf die Kenntnis des geltenden Handelsrechts an­ gewiesenen Kaufleuten und solchen praktischen Juristen gewidmet, welche sich in das ihnen bisher etwa aus Berufs­ gründen ferner liegende Handelsrecht einen Einblick und Über­ blick verschaffen wollen. Dazu kommen zwei Umstände, welche vielleicht auch den Blick älterer Juristen auf mein Merkchen lenken: ich habe mich bemüht, auch diejenigen handelsrechtlichen Stoffe, deren Recht zur Zeit noch der eingehenden Kodifikation entbehrt (wie das Bersicherungsrecht, das Recht einer großen An­ zahl von Bank- und Börsengeschäften u. s. w.), nach dem Stande der heutigen Doktrin und Rechtsprechung in Kürze darzustellen, und ich war ferner bestrebt, auf die Entscheidungen des ReichsOberhandelsgerichts überall, wo es mir nur irgend mög­ lich war, geziemende Rücksicht zu nehmen und die aus den Ent­ scheidungen abzunehmenden und für das System wesentlichen Rechtsgrundsätze an geeigneter Stelle systematisch cinzureihen. (Die Entscheidungen der ersten vier Bände sind nach der zweiten Auflage derselben zitiert.) Gar nicht verhehle ich mir, daß mein Merkchen im ganzen, wie in einzelnen Teilen Mißverständnisien ausgesetzt sein wird, daß der Praktiker vielleicht mehr Präjudizien oder ausführlichere Mitteilungen der Entscheidungen, der Theoretiker mehr Historisches, mehr Dogmatisches, mehr Literaturnotizen u. s. w. überhaupt oder an einzelnen Stellen gewünscht hätte; angesichts der etwaigen nicht befriedigten Wünsche bitte ich, den eben geschilderten Zweck des Buches im Auge zu behalten; allerdings macht meine Arbeit — und das muß sie tun — Anspruch auf eine gewisse Voll­ ständigkeit in der Beherrschung des Stoffes, aber doch nur in dem Maße, in welchem dies bei der Aufgabe eines „kurzgefaßten Lehrbuches" möglich und nötig ist.

Vorwort zur ersten Auslage.

vn

Das bisher Gesagte ist auf das Handelsrecht im engeren Sinne zunächst zu beziehen; es gilt aber analog auch vom Wechselrecht und vom Seerecht. Meine Arbeit ist weit davon entfernt, die Präjudiziensammlungen, die Kommentare, die großen Handbücher und wechselrechtlichen Spezialwerke, wie die von Thöl, Renaud, O. v. Wächter, Kuntze, Hart­ mann u. a., oder die seerechtlichen Werke (s. unten S. 558) *) irgend zu ersetzen, wo es sich um eingehende und motivierte Be­ handlung der Streitfragen handelt. Ich verweise deshalb auch hierin stets und ausdrücklich auf die Spezialliteratur. Aber da­ vorliegende Werkchen soll auch auf den Gebieten des Wechsel- und des Seehandelsrechts einleitend und einführend wirken, wie auf dem des engeren Handelsrechts. Und gerade auf diesen Gebieten scheint mir den nicht seltenen Erfahrungen nach ein einleitendes, die Grundbegriffe und Grundregeln klar und auch dem Laien verständlich darstellendes Werk durchaus nötig; denn an dem Mangel der in den größeren Werken regelmäßig vorausgesetzten elementaren und merkantilen Kenntnisse — hauptsächlich auch int Gebiete des Börsen-, Wechsel- und Seerechts — scheitert häufig das Studium der größeren Werke und Fachschriften. Selbstverständlich ist nicht bloß der in den Hauptquellen unseres Stoffes, nämlich dem Allgemeinen deutschen Handels­ gesetzbuch und der Allgemeinen deutschen Wechselordnung ent­ haltene Stoff systematisch verarbeitet, sondern ebenso auch daMaterial dargestellt, welches die zahlreichen übrigen einschlägigen Reichsgesetze bieten, z. B. das Genossenschaftsgesetz, die Aktien­ novelle, das Postgesetz, die Gewerbeordnung, die Seemannsord­ nung u. s. w. Auch damit hoffe ich, Studierenden, wie juristischen und kaufmännischen Praktikern einen guten Dienst zu tun, wenigstens ist dies mein Wunsch und mein Streben. Gießen, November 1878.

Karl Harris. VI. Ausl. S. 930 ff., VII. Ausl. S. 658 ff.

vm

Vorwort zur zweiten Auflage.

Norwort zur Metten Anflage. Gegenüber der freundlichen Aufnahme, deren sich die erste Auflage dieses kurzgefaßten Lehrbuches erfreute, hielt ich mich verpflichtet, alles zu tun, was in meinen Kräften stand, um den von verschiedenen Seiten an mich gelangten Wünschen nach ein­ zelnen Verbefferungen oder Ergänzungen zu entsprechen; nicht in allen Punkten war es mir möglich, diesen Wünschen nach­ zukommen: so vor allem nicht dem von einer Seite erhobenen Verlangen nach einleitenden historischen Abschnitten; durch diese würde nämlich, selbst wenn sie noch so summarisch gehalten wären, das Lehrbuch eine Ausdehnung erhalten, welche es des Prädikates „kurzgefaßt" — und das will es ja sein und bleiben — unwürdig machen müßte; auch liegt eine solche Erweiterung nicht im Plane der Verlagsbuchhandlung, und die übrigen Lehr­ bücher dieser Ausgabe (Fitting, Dochow, Liszt) entbehren der­ selben ebenfalls. Dies hinderte mich jedoch nicht, da, wo ich eine geschichtliche und insbesondere rechtsgeschichtliche Bemerkung für absolut nötig zuni Verständnis des geltenden Rechts hielt, dieselbe voranzustellen. Andererseits habe ich in dieser Auflage mich bemüht, das Buch für Lernende, wie für Praktiker in höherem Grade brauchbar zu machen durch Vermehrung der Literaturangaben und durch Einschiebung einer Anzahl erläutern­ der Anmerkungen; daß die Rechtsprechung des Reichsgerichts (zitiert mit RGer.) allerorten und vollständig berücksichtigt wurde, darf ich als ebenso selbstverständlich bezeichnen, wie die Ver­ flechtung des seit 1880 durch die Reichsgesetzgebung geschaffenen Rechtsstoffs im System dieses Lehrbuchs; dadurch und infolge des Fortschritts der Wiffenschaft wurde die radikale Abänderung einzelner Partien des Buches, ja auch die Einschiebung einiger neuen Paragraphen erforderlich. Dies gilt namentlich von der ausgedehnten Berücksichtigung des Rechts des Bankverkehrs und ganz besonders von der eingehenden Darstellung des Geschäfts­ verkehrs der Reichsbank, von der Berücksichtigung des Abrech­ nungswesens (Clearing) u. bergt Möge das kurzgefaßte Lehr­ buch des Handels-, Wechsel- und Seerechts auch in dieser etwas veränderten — ich hoffe zu seinem Vorteil veränderten — Gc-

Vorwort zur dritten Auflage.

IX

statt Beifall in den Kreisen der Rechts- und Handelsbeflissenen, der Studierenden und der juristischen wie der kaufmännischen Praktiker finden.

Gießen im März 1884.

Kart Harris.

Vorwort ;«r dritten Auflage. Bei der Bearbeitung der dritten Auflage glaubte ich, an den Grundsätzen festhalten zu sollen, welche mich in der Her­ stellung der zweiten Auflage leiteten: die Literatur suchte ich auch hier in einer Weise zu berücksichtigen, daß cs jedem Be­ nutzer meines Merkchens ein Leichtes werden soll, jeweilig die neuesten, die wichtigsten und von da aus die überhaupt vor­ handenen Bearbeitungen des Stoffes kennen zu lernen und be­ ziehungsweise ausfindig zu machen, und die Rechtsprechung ist insoweit zur Kenntnis gebracht, als nach der Intention eines derartigen Lehrbuchs meines Dafürhaltens möglich und nötig ist. Hiedurch und bei dem Umstande, daß die Darstellung des Aktien­ gesellschaftsrechts nach der Novelle vom 18. Juli 1884, welche der zweiten Auflage nur als Anhang beigegeben werden konnte, nun selbstverständlich in das Lehrbuch eingefügt ist, hat sich der Umfang des letzteren gegenüber der vorigen Auflage verändert, — abgesehen auch von anderweiten räumlichen Neuerungen, die im einzelnen durch Neuredaktionen, Einschiebungen und Streichungen bewirkt wurden. Da ich alle mir seit dem Er­ scheinen der zweiten Auflage kund gewordenen Besserungsvor­ schläge in dieser Bearbeitung nach Kräften berücksichtigt .habe, darf ich mir gestatten, mich hier auf die Wiederholung des am Schluffe des Vorworts der vorigen Auflage ausgesprochenen Wunsches zu beschränken.

Tegernsee im August 1888.

Kart Harris.

X

Vorwort zur vierten Auflage.

Uorwort zur vierte« Auflage. Die vorliegende, wie man sieht, nicht volle 4 Jahre nach dem Erscheinen der dritten Auflage notwendig gewordene neue Auflage darf als eine neu durchgearbeitete, in vielen Be­ ziehungen veränderte bezeichnet werden. Die Veränderungen liegen nicht bloß in der Berücksichtigung der seit dem Erscheinen der vorigen Ausgabe veröffentlichten Entscheidungen des Reichs­ gerichts an den einschlägigen Stellen und in einer ausgedehnteren Verweisung auf die neuere und neueste Literatur, sondern es haben ganze Abschnitte eine völlige Neubearbeitung, veranlaßt durch Änderung der Gesetzgebung und — mehr noch — durch Fortschritte in der wissenschaftlichen Ergründung dogmatischer und geschichtlicher Verhältnisse des Handelsrechts, erfahren müssen. War ersteres z. B. auf Grund des Genossenschaftsgesetzes vom 1. Mai 1889 erforderlich, vermöge dessen die einschlägigen Para­ graphen (früher §§ 31—34, jetzt §§ 37—40) vollständig neu redigiert werden mußten, auch wegen Änderung der Geschäfts­

normen der Reichsbank u. a. notwendig, so hat von Werken der Literatur namentlich Goldschmidts hervorragend wichtige und großartig gefaßte Universalgeschichte des HR. Bd. I umgestaltend einwirken müssen; infolge hievon haben z. B. die Erörterungen über Geschichte der Handelsgesellschaften und über die des Wechselrechts bedeutende Veränderungen erfahren. Freilich konnte die geschichtliche Entwicklung nur andeutungsweise dargestellt werden, — Zweck, Umfang und Anlage dieser Lehrbücher machten manche starke Beschränkung zur Pflicht. Aber anregen, zum Weiter­ forschen auffordern kann auch eine kurze Notiz, und die Aufgabe war vielfach, durch die Verweisung auf ein Hauptwerk einen Fingerzeig für die weitere Beschäftigung und in das eingehendere Material zu gewähren. Diese Bemerkung gilt natürlich nicht bloß von den historischen Angaben, sondern auch von den für die Erkenntnis des geltenden Rechts wichtigen Darstellungen und Verweisungen. Im übrigen darf ich auf die Vorreden zu den vorausgehenden Auflagen verweisen. Königsberg im April 1892.

Kart Harris.

Vorwort zur fünften Auflage.

XI

Uorwort zur ffinftrn Auflage. Gesetzgebung, Rechtsprechung, internationaler Verkehr und wissenschaftliche Schriften haben in den drei Jahren, die seit dem Erscheinen der vorigen Auflage verflossen sind, manches zu Tage gefördert, das in einem Lehrbuche des deutschen Handels­ rechts, und suchte dieses auch noch so sorgfältig die ursprüngliche Eigenschaft eines kurzgefaßten Lehrbuchs festzuhalten, not­ wendig berücksichtigt werden muß. Schon wenige Wochen nach dem Erscheinen der vierten Auflage trat ein für das Handels­ recht wichtiges Reichsgesetz in Kraft, das Gesetz über die Gesell­ schaften mit beschränkter Haftung; ein Anhang zum eben er­ schienenen Lehrbuche suchte zunächst der hierdurch cingetretenen Unvollständigkeit des Buchs abzuhelfen, in der vorliegenden fünften Auslage fand der durch jenes Gesetz gebotene Stoff seine systematische Stellung (S. 345—382). Das Eisenbahn­ frachtrecht hat durch den internationalen Vertrag vom 14. Oktoter 1890 (nebst den Vereinbarungen vom 15. November 1892 und vom 18. Januar 1893) wichtige Änderungen erfahren, die in der neuen Verkehrsordnung (vom 15. November 1892, mit Wirkung vom 1. Januar 1893) für die Eisenbahnen Deutsch­ lands und in dem neuen Betriebsreglement eben dieser Bahnen entsprechende Berücksichtigung fanden (s. S. 557—568). Die Rechtsgeschäfte des Postverkehrs sind in Verbindung mit inter­ nationalen Verträgen durch die neue Postordnung (vom 11. Juni 1892 s. S. 569—574) normiert, für den Telegraphen- und Fernsprechverkehr ist ein Reichsgesetz von Wichtigkeit ergangen (s. S. 574—579); ganz neu, aber den Grundsätzen des See­ handelsrechts teilweise entsprechend ist die Binnenschiffahrt nun reichsrechtlich geregelt, RGes. vom 15. Juni 1895 (s. S. 533 ff., 820 ff.). Der Bankverkehr erhält durch die „allgemeinen Be­ stimmungen" der Reichsbank (jetzt diejenigen vom Oktober 1894) eine immer detailliertere Regelung, die nicht bloß für die mit dieser Bank geschlossenen Geschäfte, sondern, wie z. B. der Scheck­ verkehr zeigt, auch für den Verkehr mit Geldinstituten überhaupt von Bedeutung ist (s. S. 59—61, 508, 510, 512, 643 ff. u. a.). Auf das Recht der Börsengeschäfte hat das Börsenstempelsteuer-

XII

Vorwort zur fünften Auflage.

gesetz vom 27. April 1894 Einfluß gewonnen, z. B. durch die gesetzliche Aufstellung deS Begriffs der Arbitragegeschäfte (s. S. 485 ff. und Formulare daselbst) u. s. w.

Was die in diesem Lehrbuche überhaupt gestellte Aufgabe und die Art und Weise des Versuchs, diese zu erfüllen, anlangt, namentlich das sich hieraus ergebende Verhältnis des­ selben zur weiten juristischen Spezialliteratur und zu der fort­ während in ihren wichtigsten Entscheidungen berücksichtigten Recht­ sprechung des Reichsgerichts u. s. w., so darf ich mich damit be­ gnügen, auf die Vorreden der vorausgehenden Auflagen, nament­ lich der vierten zu verweisen. Inzwischen ist dieses Lehrbuch von, dem Vizepräsidenten des Handelsgerichts in Moskau, Herrn Nikolai Rzondkowski, unter Mitwirkung meines Herrn Kollegen an der Universität Moskau, Professor N. O. Neissesow, in das Russische über­ setzt herausgcgeben worden (Moskau, Mamontow & Cie.), während das VI. Kapitel, das Seerecht, von dem Florentiner Advokaten Herrn Torquato Giannini in das Italienische übersetzt wurde (Firenze, Civelli). Ich benutze gerne das Erscheinen der vor­ liegenden Auflage als Anlaß dazu, den genannten Herren dank­ bar anerkennend zu bezeugen, daß sie, wenigstens soweit ich dies — die russische Übersetzung insbesondere mit Hilfe Königsberger sprachkundiger Kollegen — zu beurteilen vermag, mit klarem Verständnis treu und sachgemäß übersetzt haben.

Ruhpolding, August 1895.

Karl Harris.

Nsrrvort;«r sechste« Anflage. Was innerhalb der drei Jahre, welche seit dem Erscheinen der vorigen Auflage dieses Lehrbuchs verflossen sind, von der Deutschen Gesetzgebung geschaffen wurde, ist so bedeutend, daß eine völlige Umarbeitung des ersten Teiles dieses Buchs, des eigentlichen Handelsrechts, notwendig geworden ist; entstand ja doch in dieser Zeit das Bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche

Vorwort zur siebenten Auflage.

xin

Reich, zweifellos das imposanteste Gesetzgebungswerk der Neu­ zeit, und im Anschlüsse daran eine Umgestaltung deS Handels­ gesetzbuchs selbst! Selbstverständlich sind diese beiden Vorgänge leitend gewesen für die Umarbeitung auch dieses Lehrbuchs; nicht minder selbstverständlich darf ich es nennen, daß auch die übrigen das Handelsrecht berührenden Neuerungen unserer Gesetzgebung, z. B. auf dem Gebiete deS Börsenrechts, der Persönlichkeitsrechte und des Gesellschaftsrechts, die ihnen gebührende Berücksichtigung hier gefunden haben.

In Bezug auf die Methode der Darstellung, insbesondere die Heranziehung und Erwähnung der Literatur und der Recht­ sprechung, unterscheidet sich die vorliegende Ausgabe nicht von den vorhergehenden, auf deren Vorworte ich mir auch im übrigen zu verweisen gestatte. Königsberg i. Pr., Herbst 1898.

Kart Harris.

Kormort zur firbenten Auflage. Die von Auflage zu Auflage zunehmende Dickleibigkeit dieses Lehrbuchs, das in seiner vorigen Erscheinung (6. Stuft.) bereits an 1000 Seiten umfaßte, ist, wie mehrfach geäußert wurde, unangenehm empfunden worden; auf Kosten des Inhalts konnte ihr selbstverständlich nicht abgeholfen werden, daher be­ ruht die Veränderung der äußeren Erscheinung dieses Werkes in der vorliegenden siebenten Auflage nur zum geringsten Teile auf Kürzungen deS Textes oder der Anmerkungen, sondern viel­ mehr wesentlich auf der Änderung des Formats dieses „kurz­ gefaßten Lehrbuchs". Zweck und Methode der Darstellung sind in diesem Buche selbstverständlich nicht geändert worden, so sei denn hinsichtlich dieser auf die Vorreden der vorigen Auflagen verwiesen. Literatur, neue Gesetzgebung und neue Rechtsprechung sind wie seither berücksichtigt und nachgetragen; tiefgehende Änderung hat zufolge gesetzlicher Neugestaltung das

XIV

Borwort zur siebenten Auflage.

Verlagsrecht (§ 59) und ein erheblicher Teil des Verficherungsrechts (§§ 62, 64), auch des Gesellschaftsrechts (§ 39 a) erfahren müssen. In der Darstellung des vielumstrittenen Börsenrechts hat die neuere Rechtsprechung selbstverständlich ge­ bührende Beachtung gefunden (§ 49 VI). Möge auch die neue Auflage sich der Sympathie der Handelsrecht-beflissenen erfreuen, deren die vorigen Auflagen gewürdigt worden find. Abwinkel am Tegernsee, 16. August 1903.

Karl Harris.

Erklärung der Abk«r;«ngen. A. a. C. — am angegebenen Orte. Abs. = Absatz.

Rechtsanwendnng.

!

ADHGB.—Allgemeines deutsches Handels­

BörsenGes. — Börsengesetz v. 22. Juni

i

gesetzbuch von 1861. AfbR. — Archiv für bürgerliches Recht. Herausgegeben von I. Kohler und V. Ring. Berlin, Carl Heymanns Berlag 1888 ff.

1896. I. Guttentag'sche Sammlung DRG. Nr. 41. GEA. 203—204, 211. ; ! I

AG. — Ausführungsgesetz. Anm. — Anmerkung.

j

i |

Art. = Artikel.

| — Gesetz über das Aus-

!

Wanderungswesen vom 9. Juni 1897. I Guttentag'sche Sammlung DRG. Nr.

' I

44.

Bolze — Die Praxis des Reichsgerichts in Zivilsachen v. RSerRat Bolze.

BSchG.

— Reichsgesetz,

betreffend

die

privatrechtlichen Verhältnisse der Binnen­

Arch. f. ziv. Prax. — Archiv für zivilistische (zivil.) Praxis.

Auswand.Ges.

Erlangen, Palm &

Enke.

schiffahrt vom 15. Juni 1895. I. Gutten­ tag'sche Sammlung DRG. 9tr. 36. GEA. 246—247.

Cosack, Lehrbuch — Lehrbuch des Handels­ rechts von Konrad Cosack. 6. Auflage. Stuttgart, Ferd. Enke, 1903.

Denkschr. — Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs und eines Ein­

GEA. 213.

BA. — Busch, Archiv für Theorie und Praxis des allgemeinen deutschenHandelS-

und Wechselrechts.

führungsgesetzes in der Fassung der dem Reichstage gemachten Vorlage; erschienen auch Berlin I. Guttentag, Verlagsbuch­

Berlin, Carl Hev-

handlung, 1897; hier zitiert nach den

1. Band 1863, letzter

Anlagen zu den Stenographischen Be­

BankG. = Bankgesetz v. 16. März 1875,

DepotGes. — Reichsgesetz, betreffend die

manns Verlag. (48.) 1888.

richten des Teutschen Reichstags.

GEA. 166, 260. DArch., BankArch. --- Bankarchiv, Zeitschr.

f. Bank und Börsenwesen.

Redakt. Dr.

jur. Hatscheck, Frankfurt a. M. Bd. — Band.

BlfRAnw. — Blätter für RechtSanwen«

auch — Ceufferts

1896.

I.

Guttentag'sche

DRG. Nr. 40.

Sammlung

GEA. 203-204.

DIZ. — Deutsche Juristenzeitung, Verlag

BGB. — Bürgerliches Gesetzbuch für das Teutsche Reich vom 18. August 1896 auch GEA. düng,

Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Wertpapiere, vom 5. Juli

Blätter für

von Otto Liebmann, herausgegeben von Laband, Stenglein u. Staub.

(Eins®. — Einführungsgesetz zum Handels­

gesetzbuch von 1897. Entw.

1903



Entwurf

eines

RGes.

XVI

Abkürzungen.

über den Versicherungsvertrag. 1903.

Berlin

FlG. — Flößereigesetz v. 15. Juni 1895. I. Guttentag'sche Sammlung DRG. Nr. 36.

GEA. 246—247.

Auflage.

München 1901.

6. H. Beck'­

sche Verlagsbuchhandlung (Oskar Beck); auch GGA. 240-242.

GB. — Gesetzbuch.

G. L F. — Das ADHGB. ...

FreiwGerG. — Reichsgesetz über die An­ gelegenheiten der freiwilligen Gerichts­ barkeit, v. 17. Mai 1898. I. Sutten*

tag'sche Sammlung DRG. Nr. 46. GEA. 225-226.

Fuchsberger — Das Handelsrecht. Sämt­ liche Entscheidungen des Reichsober­ handelsgerichts und Reichsgerichts mit besonderer Berücksichtigung der in- und

ausländischen Landesgesetze u. s. w. nach dem System des HGB. von £tto

Fuchsberger. Dritte vollständig um­ gearbeitete und bis auf die Gegenwart

erläutert

von Karl Gareis und Otto Fuchsberger. Berlin, I. Guttentag 1891. --- Gareis, Einzelabdrucke der Deutschen Reichsgesetze, Gießen, Verlag von Emil Roth, Gießen. Die röm. Zahl

GEA

hinter GEA.

bedeutet

die

Abteilung

(Staatsrecht, Privatrecht u. s. w >, die daranf folgende arabische Zahl bedeutet das Heft in dieser Abteilung und die

hierauf folgende oder die alleinstehende arabische Zahl die Nummer in der Reihenfolge des Erscheinendieser

Gießen, Emil Roth,

Einzelabdrucke überhaupt; z. B. GEA. II 16 [208] ist die Grundbuchordnung

Gareis BGB. — Bürgerliches Gesetzbuch

GenG. — Genossenschaftsgesetz. I. Guttentag'sche Sammlung TRG. Nr. 29. GEA.

ergänzte Auflage. 1899.

Gewerbeordnung GEA. 183—190.

G. — Gesetz. vom 18. August 1896 nebst Einführungs­

gesetz v. 18. Aug. 1896. Mit Einleitung, kurzen erläuternden Anmerkungen und

ausführlichem

Sachregister,

herausge­

geben von Dr. Karl Gareis. Gießen, Emil Roth. Zweite Auflage 1902.

Gareis, Encykl. — Encyklopädie und Me­ thodologie der Rechtswisienschaft von Ä. Gareis, 2. Aust. Roth 1900.

Gießen, Emil

244-245, 275.

Ger. — Gericht.

GerBG. — Gerichtsverfassung-gesetz I. Guttentag'sche Sammlung TRG. Nr. 14.

«d.

I

Bd. II

Gareis HGB. — Handelsgesetzbuch vom

10. Mai 1897 nebst dem Einführungsge­

setze vom 10. Mai 1897. Unter Aus­ schluß des Seerechts. Handausgabe mit Einleitung, erläuternden Anmer­

kungen und Sachregister herausgegeben von Dr. Karl Gareis. Zweite Auflage. München 1900, C. H. Beck'sche Verlags­

buchhandlung (Oskar Beck»; auch GEA 214—218, 219-222. Gareis WO. — Tie allgemeine deutsche Wechselordnung nebst den Nürnberger Novellen und dem Wechselstempelsteuer, gesetz. Textausgabe mit Einleitung über

GEA. 261—262.

Goldschmidt HB. — Handbuch des Handelsrechts von L. Goldschmidt, 1. Aust. 1864,

2. Aufl. 1875,

1. Lief. 1883, Bd. I 3. Aufl.

1891. GSvst. Goldschmidt, Svstem — System des Handelsrechts mit Einschluß des Wechsel-,

See- und Bersicherungsrechts im Grund­

von L. Goldschmidt. Vierte verbesierte und durch Einzelausführungen vermehrte Auflage. Stuttgart, F. Enke

riß

1892. Grünhut Z. — Zeitschrift für das Privat-

und öffentliche Recht der Gegenwart, herausgegeben von E. Grünhut, Wien

1874 ff.

GUGesch. — Universalgeschichte des Han­ delsrechts von L. Goldschmidt (Bd. I

mit erläuternden Noten u. s. w., heraus-

der dritten Auflage des Handbuchs des Handelsrechts von L. Goldschmidt).

gegeben von Dr. Karl Gareis.

Stuttgart, F. Enke 1891.

das Wechielrechr samt Formularen und Dritte

Abkürzungen. GZ. --- (Soldschmidt) Zeitschrift für da­ gesamte Handelsrecht, herausgegeben von L. Soldschmidt, Ar. v. Hahn, H. Keyßner, P. Laband und M. Pappenheim. Stutt­

gart, F. Enke 1858 ff.

Hdbck. — Handbuch des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts. Unter Mit­ wirkung von Brunner. Cohn u. s. w. Herausgegeben von W. Endemann. Leip­ zig, Fues Berlag (?Ji. Reisland) 1881 ff. HGB. — Handelsgesetzbuch von 1897. GEA. 214- 218, Leerecht: GEA. 219 bis

222.

Holdheim

|

OLG. — Oberlandesgericht.

!

RBkS. — Reichsbankgesetz vom 14. März 1875. I. Guttentag'sche Sammlung DRS. Rr. 26. SEA. 166, 260. „Recht" — Das Recht, Rundschau für den

1

Deutschen Juristenstand, herausgegebcn von Dr. H. Sörgel, München. RGBl. = ReichsGesetzblatt. RGer. — Reichsgericht. Die Zahlen hinter

j |

i

MonatSschr. — Monatsschrift

für Handelsrecht u. s. w., herausgegeben

RGer. bedeuten Band- und Seitenzahl der Entscheidungen des RGer. in Zivil

sachen, herausgegeben von gliedern des Gerichtshofs. Berlag von Beit & Comp.)

den Mit­ (Leipzig,

RGes. — Reichsgesetz (auch RG.).

von Dr. Paul Holdheim.

RLex. — v. Holtzendorff, Rechts-Lexikon.

HR. — Handelsrecht.

JÜ. — Berner internationaler Bertrag — Internationale- Übereinkommen über

den Lisenbahnfrachtverkehr vom 14. Ok­ (RGBl. 1892 S. 793—920).

tober 1890.

XVII

ROHG. — Reichsoberhandelsgericht; die

I

!

Ziffern nach ROHG. bedeuten Band und Seiten der Entscheidungen des Reichs-

i

oberhandelsgerichts, herausgegeben von den Räten des Gerichtshofs (25 Bände).

GLA. 160—164.

RBf. — Reichsverfaffung.

KGer. — Kammergericht.

KO. — Konkursordnung. GEA. 235—237.

s. — siehe.

Koch, M. & R. = R. «och, Präsident des ReichsbankdirektoriumS. Reichsgesetz­

SA. — (Siebenhaars) Archiv für deutsches

gebung über das Münz- und Rotenbank­ wesen, Papiergeld, Prämtenpapiere und Reichsanleihen. Textausgabe mit An­ merkungen

und Sachregister, 4. Aufl. I. Guttentag'sche Samm­

Berlin, 1901.

lung DRG. Rr. 26.

KB. — Kritische Bierteljahrsschrist. Mün­

chen 1859 ff. LimitG.



S. — Seite.

Wechsel- und Handelsrecht. LeemannsR. — Leemannsrecht, GEA. 315-318.

StrafGB.

Strafgesetzbuch



für

neues das

Deutsche Reich. I. Guttentag'sche Sammlung DRG. Rr. 2. GEA. 143 -146.

StrS. — Entscheidungen in Strafsachen. UB. — Übergangsvorschriften.

Reichsgesetz, betreffend die

Sesellschaften mit beschränkter Haftung (S. m. b. H. — Limitierte Sesellschaften) vom 20. April 1892. I. Gurtentagsche Sammlung DRG. Rr. 32. GEA. 258—259.

LUS. — RS. betr. das Urheberrecht an

BG. — RG. über das Verlagsrecht vom 19. Juni 1901. I. Guttentag'sche Samm­ lung DRG. Rr. 61. GEA. 310-312.

BersG. — RGes. über die privaten Bersicherungsunternehmungen vom 12. Mai

1901.

I.

Guttentag'sche

DRG. Rr. 62.

Sammlung

GEA. 308-309.

Werken der Literatur und der Tonkunst, vom 19. Juni 1901. I. Suttentag'-

BO. — BerkehrSordnung für die Eisen­

SEA.

bahnen Deutschlands vom 26. Oktober 1899.

sche Sammlung DRG. Rr. 60. 310—312.

Marquardsen Hdbch. — Handbuch des öffentlichen Rechts, Freiburg 1883 ff.

Gare iS, Handel-recht.

7. Aust.

«R. -- Völkerrecht.

WBStW. — Handwörterbuch der StaatsII

xvm

Abkürzungen.

wiffenschasten, herausgegeben v. Lonrad, Elfter, LexiS, Loening. L Aufl. 1898. (Verlag von 9. Fischer, Jena.)

WO., ADWO. = Wechselordnung (Allge­ meine deutsche Wechselordnung), auch er­ schienen in der Guttentag'schen Samm­ lung DRS. Bd. 5.

STA. 240—212.

Z. -- Zeitschrift.

ZVlfRW.



Zeutralblatt

ZBl. = Zentralblatt für das Deutsche

Reich.

Ziff. --- Ziffer. ZO. — Zentralorgan für

das

deutsche

Handels- und Wechselrecht. HerauSgegeben von G. Löhr, dann W. Hartmann.

ZPO. für RecbtS-

Herausgegeben vom Reichsamt

des Innern.



Zivilprozeßordnung,

Fassung

Wissenschaft. Herausgegeben von Kirchen­

vom 20. Mai 1898. «EA. 227—234. I Guttentag'sche Sammlung DRG.

heim 1881 ff.

Rr. 11.

Inhaltsiiberftcht.

Einleitung. 1. 2. 3.

§ §

4. 5.

überhaupt und des deutschen Handelsrechts insbesondere Die Gerichtsbarkeit in Handelssachen Literatur des Handelsrechts

.

.

»o

§ § §

Seite1 wissenschaft Das Handelsrecht und Stellung System der Rechts Begriff und Zweige desseine Handels und im seines Rechts. ...­ 3 Überblick über die geschichtliche Entwickelung des Handelsrecht-

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Erstes Napitel.

Nie -em Handelsrecht unterworfenen Lebensverhältniffe: -er Handel.

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03 03 00

§ 6. Begriff der Handelssachen und Grundlage der Systematik derselben § 7. Das System der Handelssachen im einzelnen § 8. (Fortsetzung.) A) Die Grundgeschäste § 9. (Fortsetzung.) B) Die Nebengeschäste § 10. (Fortsetzung.) C) Nebengewerbebetriebe, insbesondere bei Land-

und Forstwirtschaft......................................................................................37

Zweites Lapttel. Nir Personen im Handelsrecht. A) Der Kaufmann. 8 11. Begriff § 12. Arten

39 43

XX

Inhaltsübersicht.

Seite B)

Persönlichkeilsrechte im Handelsrecht.

§ 13. Im allgemeinen......................................................................................53

Persönlichkeitsrechte im einzelnen: 1. Das Recht der kaufmännischen Betätigung im allgemeinen 2.Das Recht auf einen individuell gestalteten Gewerbebetrieb und an diesem................................................................60

CO» co» oo» 00»

Insbesondere: Namen- und Firmenrecht............................................. 66 Das Warenzeichen..............................................................72 Das Recht an der eigenartigen Betriebsweise .... Urheberrecht im Handelsrecht........................................78

16. 17. 18. 19.

00» 00» 20»

3. 4. 5. 6.

54

20. Im allgemeinen.................................................................................. 81 21. Die Handlungsgehilfen........................................................................89 22. Die Handlungsbevollmächtigten..................................................... 103

CO» 00»

§ 14. § 15.

23. Geschichtliche Borbetrachtung...........................................................110 24. Übereinstimmendes und Vergleichendes von den Handelsasso-

76

C) Die Hilfspersonen im Handel.

D) Die Handelsassoziationen.

ziationen.................................................................................................114 Bon den einzelnen Handelsassoziationen, insbesondere: CO» CO» 00» CO»

25. 26. 27. 28.

CO» CO»

1.

29. 2. 30. 3.

Die offene Handelsgesellschaft. Wesen und Errichtung....................................... 137 Innere Rechtsverhältnisse....................................... 139 Äußere Rechtsverhältnisse....................................... 145 Auflösung der Gesellschaft, Ausscheiden einzelner, Li­ quidation und Klagenverjährung....................... 153 Die stille Gesellschaft. ......................................... 164 Die Kommanditgesellschaft......................172

I. II. III. IV.

Die Aktiengesellschaft. I. Das Wesen der Aktiengesellschaft.......................180 II. Die Errichtung der Aktiengesellschaft..................193 III. Die Verfassung und Geschäftsführung der Aktien­ gesellschaft ................................................................................ 209 § 34.IV. Die Herstellung und Erhaltung des realen Substrats der Aktiengesellschaft.............................................231 § 35.V. Die Rechtstellung der Aktionäre innerhalb der Aktien­ gesellschaft. . ' 243 COOQOCOO

4.

31. 32. 33.

Inhaltsübersicht.

XXI

Seite § 36. VI. Die Endigung der Aktiengesellschaft................................ 250 § 37. 5. Die Kommandi tgesellschaft auf Aktien . . . 257 § 38. 6. Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften........................................................................................... 266 § 39. 7. Die Gesellschaften mit beschränkter Haftung 289 § 39a.8. Die Versicherung vereine auf Gegenseitig­ keit .................................................................................................314 § 40. 9. Verschiedene andere Gesellschaftsformen . . 318

Drittes Kapitel.

Nie Handelsgeschäfte. A) Allgemeine Grundsätze über Handelsgeschäfte. § 41.

§ 42.

§ 43. § 44.

I. Verhältnis zwischen dem allgemeinen bürgerlichen Recht und dem Handelsrecht in Bezug auf Handelsgeschäfte im allgemeinen...........................................................................321 II. Einzelne Eigentümlichkeiten der Handelsgeschäfte überhaupt 326 I. Abschluß der Handelsgeschäfte..................................... 326 II. Auslegung und Beweis................................................ 329 III. Kaufmännische Sorgfalt................................................ 330 IV. Beschränkte Vermögenshastung..................................... 331 V. Schadensersatz und Vertragsstrafe.......................... 331 VI. Bürgschaft...........................................................................332 VII. Preisbildung und insbesondereZinsen .... 332 VIII. Provision ohne Verabredung..................................... 334 IX. Erfüllung der Handelsgeschäfte...................................... 335 X. Die dinglichen Wirkungen............................................. 341 B) Bon einzelnen Handelsgeschäften.

I. W a r e n u m s a tz v e r 1 r ä g e. § 45. § 46.

§ 47.

§ 48. § 49.

§ 50.

Vom Handelskäufe..................................................................... 357 Besondere Arten des Kaufs: a) nach Maßgabe der Zahlungszeit................................................................................ 369 (Fortsetzung) nach Maßgabe der Lieferungszeit und nach Maßgabe des Lieserungsorts...........................................370 Fix-, Differenz-, Prämien-, Report- und Promesjengeschäfte............................................................................................374 Die Börsentermingeschäste insbesondere................................ 384 II. Arbeitsgeschäste. Allgemeine Grundsätze über Arbeitsgeschäste

....

394

XXII

Inhaltsübersicht Seite Von einzelnen Arbeilsgeschäften des Handels:

§ § § § § § §

Vom Kommissionsgeschäfte.................................... 398 Bom Speditionsgeschäfte......................................... 414 Bon den Geschäften der HandelSmäkler.............. 422 Von den Geschäften der Handlungsagenten ... 431 Vom Lagergeschäfte...............................................436 Bom Frachtgeschäfte.............................................. 441 Bon der Beförderung von Gütern undPersonen auf den Eisenbahnen........................................................... 457 8. Vom Binnenschiffahrtsrecht................................................ 470 9. Bon den Verlagsgeschästen und den sonstigen Ge­ schäften des Buch- und Kunsthandels.......................... 476 10. Besondere Arbeitsgeschäste desBankverkehrs ... 485

51. 52. 53. 54. 55. 56. 57.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

§ 58. § 59. § 60.

III. § 61. § 62.

Gesellschaftsvcrträge. Die handelsrechtlichen Besonderheiten inBezug aus den Gesellschastsvertrag......................................................................488

IV. Berjicherungsgeschäfte...............................................490

V. § § § § § §

§ § § § §

63. 64. 65. 66. 67. 68.

69. 70. 71. 72. 73.

Kreditgeschäfte. Das Darlehen im Handelsverkehr.........................................506 Die Lebens- und die Rentenversicherung .... 513 Der Lotterievertrag....................................................................516 Der Kontokurrentvertrag und der Giroverkehr. . . 520 Die Akkreditierung.................................................................... 526 VI. ZahlungSgeschäste......................................................... 529 I. Geldzahlung......................................................................529 II. Zahlungsausttag................................................................ 530 III. Einziehungsaufttag...........................................................532 IV. Anweisung, insbesondere Bankanweisung (Scheck). 532 V. Schuldübernahme und Forderungsabtretung . . 537 VI. Skonttation und Abrechnungsstellen (Clearing) . 538 VII. Deckungsgeschäft................................................................ 541

VII. Die Schaffung und Verwendung von Wert­ papieren. Wesen der Wertpapiere............................................................544 Arten der Wertpapiere................................................................. 550 Entstehung, Umlauf und Untergang der Wertpapiere . 552 Jnhaberpapiere............................................................................ 553 Orderpapiere................................................. -.............................561

Inhaltsübersicht.

xxin Seite

viertes Lapttel.

Das Wechselrecht. 74. 75.

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A) Einleitung.

§ §

76. 77. 78. 79. 80. 81. 82.

I. Allgemeines vom Wechsel....................................................... 564 II. Begriff und Stellungdes Wechselrechts im Rechts­ system 566 III. Quellen, Geschichte und Literatur des Wechselrechts . 567 IV. Der Wechsel, ein Wert- und Handelspapier.... 573 V. Arten des Wechsels.................................................................. 574 VI. Die im Wechselverkehr vorkommenden Summen . . 575 VII. Die Wechselstrenge und der. Wechselprozeß .... 577 VIII Das juristische Wesen des Wechsels.................................580 IX. Die Wechselsähigkeit.................................................................. 584

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II. Das Indossament (Giro der Tratte). Begriff, Form und Funktionen des Indossaments . 596 Arten deS Indossaments.............................................. 600

90. 91. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98.

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88. 89.

coocooeoaeoa

84. 85. 86. 87.

I. Die Tratte selbst. 1. Der Zweck der Trassierung............................................ 586 2. Die Bestandteile der Tratte............................................ 587 Im allgemeinen.................................................................. 587 Die Erfordernisse der Tratte............................................ 589 3. Unvollständigkett einer Tratte.............................. 593 4. Verpflichtung des Ausstellers................................... 594

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83.

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B) Vom gezogenen Wechsel.

99. 100.

III. Das Akzept der Tratte.......................................... 605 IV. Die Zahlung der Tratte..................................... 613 V. Die Regresse. Von der Regreßnahme im allgemeinen. Übersicht . 617 Der Protest.....................................................................619 1. Regreß auf Sicherstellung mangels Annahme . . 624 2. Regreß aus Sicherstellung wegen UnsicherheitdeS Akzeptanten..................................................................... 626 3. Zahlungsregreß des Inhabers.............................. 627 4. Remboursregreß......................................................... 628 5. Besonderheiten der Zahlungsregreffe...................631 VI. Interventionen........................................................... 635 VII. Wechselverjährung................................................ 640

101. VIII. Wechselfälschung und mangelhafte Unter­ schriften .................................................................................. 642

XXIV

Inhaltsübersicht.

§ 102. § 103.

Seite IX. Amortisation und Vindikation des Wechsels 644 X. Vervielfältigung des Wechsels.................. 647

§ 104. § 105. § 106.

I. Vom eigenen Wechsel im allgemeinen....................... 650 II. Erfordernisse des eigenen Wechsels............................. 651 III. Unterschiede gegenüber dem gezogenen Wechsel . . . 652

§ 107.

D) Internationales Wechselrecht............................................654

C) Vom eigenen Wechsel.

Fünftes Lapttel. Nas Serhandelsrecht.

§ 108. Begriff, Quellen und Literatur des Seehandelsrechts . . 657 § 109. I. Bon den Schiffen......................................................... 660 § 110. II. Bon den Reedern und der Reederei.......................... 662 8 Hl. III. Bon dem Schiff und der Schiffsmannschaft.... 668 8 112. IV. Vom Seesrachtgeschäfte..................................................... 673 8 113. V. Von dem Geschäft zur Beförderung vonReisenden . 680 8 114. VI. Von der Bodmerei.......................................................... 683 8 115. VII. Bonden Seeschäden, insbesondere derHaverei . . 686 8 116. Vin. Von der Bergung und Hilfsleistungin Seenot . . 691 8 117. IX. Bon den Schiffsgläubigen,......................................... 694 8 118. X Bon der Seeversicherung............................................... 696 8 119. XL Bonder Verjährung im Seerechte.................................702

Einleitung. § i. Nos Handelsrecht and seine Stellung im Systeme der Rechtswissenschaft. Das Handelsrecht ist daS Sonderrecht des Handelsstandes, es ist ein Teil jener unter den Menschen bestehenden Friedens­ ordnung, welche man das Recht im objektiven Sinne nennt, und zwar ist es jener Teil dieser Friedensordnung, welcher für die­ jenige menschliche Tätigkeit, die unter Handel verstanden wird, dem Bedürfnisse nach Ruhe und äußerer Sicherheit gerecht zu werden hat, soweit zur Befriedigung dieses Bedürfnisse- besondere Normen notwendig sind. Jene Friedensordnung, die man daS Recht im objektiven Sinne nennt, wird von der Unterscheidung der Interessen aus, welche durch die Gebote und Verbote des Rechts geschützt werden sollen, unterschieden in Privatrecht und öffentliches Recht und letztere-.in Staats» und Völkerrecht?) In den sich hieraus er­ gebenden drei großen Gruppen von Rechtsvorschriften: Privat­ recht, Staatsrecht und Völkerrecht, finden sich überall auch Be­ stimmungen, die den Handel — nämlich die auf den Umsatz von Waren gerichtete menschliche Tätigkeit — betreffen; aller­ dings beziehen sich auf diesen Kreis menschlicher Tätigkeit und seine Angehörigen auch zahlreiche der einen oder anderen jener drei Gruppen angehörigen Rechtsnormen, die nicht nur den Handel, sondern auch Landwirtschaft, Fabrikbetrieb u. s. w. betreffen, ja 1 Die Gegenüberstellung von össentlichem und Prtvatrecht s. bei Gareis, Allgemeines Staatsrecht, in v. Marquardsens Hdbch. d. öff. Rechts, §§ 1, 3 (Sb. I 1 Gareis, Handelsrecht.

7. Aufl.

S. 7ff., 11 ff.) und Gareis, Ency­ klopädie und Methodologie der Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 1900, § 14.

1

2

Einleitung.

gar nicht eine besondere Art von Berufstätigkeit zur Voraussetzung haben oder regeln wollen, sondern sich nur auf daS Leben und Treiben der Menschen und ihrer Gesellschaften im allgemeinen beziehen; unter solchen allgemeinen Rechtsnormen, wie z. B. unter den Normen deS Eherechts und des Erbrechts, unter dem Verbote des Diebstahls und des Mordes, unter dem Gebote der Einkommensteuer u. s. w. stehen natürlich auch die Handelsbefliffenen, aber es gibt andererseits, wie in jedem anderen Berufe, so auch in dem der Handel­ treibenden besondere Jnteresien, Beziehungen, welche dem Handel eigenartig sind, sich nur im Handel, so wie sie sind, finden und demnach auch besondere Regelung, mit andern Worten: ein eigene- Handelsrecht verlangen. Unter diesem wird gewöhnlich Handels-Privatrecht verstanden. Normen des HandelsStaatSrechts, zu welchem man eine Anzahl von — den Handel als solchen berührenden — Steuer-, Straf- und Polizei­ vorschriften zu rechnen hat/) und des Handels-Völkerrechts, z. B. Konsularrecht/) Zollverträge/) Prisenrecht/) sind zwar in der Darstellung des Handelsrechts im üblichen Sinne zu streifen, aber den Hauptinhalt des letzteren bilden doch die für den Handel geltenden besonderen Privatrechtssätze; diese gelten ent­ weder nur als Lokalrecht (partikulares Recht, z. B. Lokalusance, eines einzelnen Orts oder Gebietes) oder für sehr weite, mög­ licherweise sogar mehrere Staaten und Reiche umfasiende Ge­ biete; letzteres ist namentlich dann der Fall, wenn die Gleichheit der Ursachen und Voraussetzungen zu denselben Rechtsbedürf­ nissen und zu der international gleichen Beftnedigung dieser Be­ dürfnisse führt, also zu einem allgemeinen Handelsrechte mehrerer oder aller auf derselben Kulturhöhe und miteinander in Verkehr stehenden Völker. Gerade unter dem Einflusie dieses Zusammen­ wirkens hat sich die Entstehung eines Spezialrechts für den Handel in vielen Beziehungen häufig als Neubildung des bürger-

1 Vgl. z. B. HGB. 88 4, 7, 81 Abs. 2, 82, 312—319, 363 (Abs. 2) mit 424, auch BGB. § 795, BankG. v. 14. März 1875, insb. in s. 88 1-11, 42 ff., BörsenG. v. 22. Juni 1896 insbes. in s. 88 29 bis 47, 75—82, und seerechtliche Normen, die unten 8 108 angeführt sind. Staatsverwaltungsrecht in Sachen der Aktiengesellschaften s. HGB. 88 180, 195 Ziff. 6.

8 Vgl. z. B. HGB. 88 530, 685. Gareis, Institutionen des Völker­ rechts (2. Ausl. 1901) § 46 S. 133 Anm. 7—10, 134 Anm. 1—5. 3 Vgl. z. B. HGB. 88 515, 563, 564. 4 Vgl. z. B. HGB. 88 820 Nr. 2, 848, 849. Gareis, Institu­ tionen d. VR. 8 81 S. 227 Anm. 7, 8.

Begriff und Zweige des Handels.

§ 2.

3

lichen Rechts überhaupt und als bahnbrechend für die Weiter» entwickelung des allgemeinen bürgerlichen Rechts eines Volkevorteilhaft bewährt. *) § 2.

Srgriff und Iwetgr de? Handel? «nd seine- kirchtx.

I. Wenn für einen bestimmten Kreis menschlicher Tätigkeit andere Rechtssätze gelten sollen als für die übrigen Gebiete und Richtungen unserer Betätigung, so ist eine scharfe Abgrenzung des ersteren Kreises notwendig. Kann man nun auch füglich sagen, das Handelsrecht gelte für den „Handel", und dieser sei die den Umsatz von Waren vermittelnde Tätigkeit, so ist mit dieser zweifellos richtigen Feststellung doch daS Bedürfnis nach scharfer Abgrenzung nicht hinreichend befriedigt. Das positive Recht muß selbst die Grenzen ziehen und tut dies auch überall da, wo es ein besonderes Handelsrecht gibt, durch die positive Feststellung des Begriffs der Handelssache (causa mercantilis) (hiervon s. unten § 4 und §§ 6—10). II. Innerhalb des folglich an dieser Stelle nur ganz all­ gemein begrenzten Handelsbegriffs kaffen sich verschiedene Zweige und Arten deS Handels unterscheiden. Vor allem ist wichtig die Unterscheidung des gewerblich betriebenen Handels, also des Handelsgewerbes, von den nur gelegentlich vorgenommenen Handels­ geschäften eines Nichtkaufmanns (hiervon s. unten § 6); nur im Handelsgewerbe und, der heutigen Auffaffung nach, nur für dieses hat sich ein besonderes Handelsrecht als Teil des bürger­ lichen Rechts entwickelt und bewährt, obgleich zeitweilig mitunter auch Geschäfte und Beziehungen von Nichtkaufleuten dem Handels» recht unterstellt wurden (s. unten § 7). Die Unterscheidung von Land» und Seehandel hat sowohl für das Privatrecht, wie für das öffentliche Recht wichtige Konsequenzen (über den See­ handel s. unten §§ 108 ff.). Privatrechtlich ist auch der Unter­ schied zwischen Distanz- und Platzhandel von Bedeutung (s. z. B. unten § 45), und auch der Umstand, daß der Handel als Groß­ oder als Kleinhandel (Engroßgeschäft oder Detailgeschäft) be-

1 Hierüber s. besonders: I. Rieß er, Der Einfluß Handelsrechtlicher Ideen aus den Entw. eines BGB. f. d. Deutsche Reich (Stutt-

I gart 1894). Vgl. auch Gareis in ' Busch's Archiv Bd. 29 (NF. Bd. j 4, 1874) S. 1—11. ;

trieben wird, hat nicht selten eine juristische Bedeutung (f. unten § 12 II). Wechselrecht (f. unten §§ 75—107) und Seerecht (See­ handelsrecht, s. unten 88 108—119) sind Zweige des Handels­ rechts im weiteren Sinne, welche eine besonders reiche Ent­ wickelung und namentlich eine feine juristische Durchbildung ihrer Institute gewonnen haben; diesen beiden Zweigen gegenüber steht da- Handelsrecht im engeren Sinne, dessen Mittelpunkt die den sogenannten eigentlichen Handel (nämlich die Warenumsatzgeschäfte, insbesondere den Kauf) regelnden Vorschriften bilden; neben diesen stehen die Regeln von den Hilfsunternehmungen des Handels, von Kommission, Spedition, Lagergeschäft, Transportunter­ nehmungen, Assekuranz u. s. w., kurz die Rechtsregeln vom sog. uneigentlichen Handel (s. unten §§ 50—73). III. Von einem anderen Standpunkt aus betrachtet, zerfällt das Handelsrecht in Gewohnbeitsrecht des Handels und Gesetzesrecht desselben. In Bezug auf das Gewohnheitsrecht, seine Bildung und Geltung/) namentlich im Verhältnis zum Gesetzesrecht enthält das heutzutage geltende geschriebene Recht Deutschlands keinerlei Regeln/) abgesehen von der für Konsular­ gerichtsbezirke und Schutzgebiete geltenden Vorschrift,-^ daß daselbst in Handelssachen^) die Reichsgesetze u. s. w. nur soweit An­ wendung finden, als nicht das dort geltende Handelsgewohnheits­ recht ein anderes bestimmt. Der Richter und der Handeltreibende haben die eine wie die andere Gruppe von Rechtssätzen zu beobachtens) die Auslegung und die An­ wendung von Rechtssätzen stehen in Handelssachen unter den nämlichen Regeln wie im übrigen bürgerlichen Verkehr. Die Frage der Rück­ wirkung neu entstandener Rechtssätze aus bestehende ältere Rechtsverhält-

1 Über die Entstehung und ge­ schichtliche Bedeutung des kommer­ ziellen Gewohnheitsrechts s. unten 8 3 S. 6 u. 7. Über die künftige Geltung des Gewohnheitsrechts überhaupt neben dem BGB. und dem SGB. s. Gareis BGB. Gießen, milRoth, 1896, S. XXII ff., ferner Gareis in seinem Kommentar zum Allg. T. d. BGB. (Berlin, Carl Heymanns Verlag 1900) S. XXXVI ff. u. Gareis, Deutsches Kolonialrecht (2. Ausl. 1902) S. 76 Anm. 1. 8 RG. betr. die Konsulargerichts­

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barkeil v. 7. April 1900 § 40 Abs. 1 u. 2; RG. betr. die Rechtsver­ hältnisse der deutschen Schutzgebiete v. 10. Sept. 1900 (nach dem RG. v. 25. Juli 1900) § 3. 31 **Handelssachen ***8 in diesem Sinne sind die von einem Kansmanne vor­ genommenen Rechtsgeschäfte der im § 1 Abs. 2 d. HGB. bezeichneten Art, sowie die Angelegenheiten, die eines der im § 101 Nr. 3 », ä, e, k d. GVG. ausgesührten Rechtsverhältnisse zum Gegenstände haben. (Vgl. S. 22.) * Vgl. ZPO. 8 293.

Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts.

§ 3.

5

nisse wird in modernen Gesetzen durch besondere Bestimmungen für die einzelnen Fälle beantwortet.1)* § 3.

Überblick über die geschichtliche Entwickelung des Handelsrechts überhaupt und de? Deutschen Handelsrechts insbesondere.9)

I. Das Bedürfnis nach einem besonderen Handelsrechte, namentlich nach einem besonderen Handelsprivatrechte neben dem übrigen bürgerlichen Rechte, sowie die Befriedigung dieses Be­ dürfnisses ist geschichtlich von drei Umständen abhängig und beeinflußt, nämlich: von der Einwirkung der Rechtszustände aller Völker, die durch Handelsbeziehungen miteinander verbunden sind (inter­ nationaler Faktor zur Entstehung des HR.), von dem Zustande des sich langsamer entwickelnden all­ gemeinen bürgerlichen Rechts (nationaler Faktor), und von der Sitte und Anschauung eines besonderen Handels­ standes (kommerzieller Faktor). Was den ersten dieser drei Umstände anlangt, so macht sich geltend, das; der Handel keineswegs eine eigenartige Beschäftigung einzelner sich abschließender Völker ist, und daß zugleich mit den Waren, die der Handel begriffsmäßig umsetzt und über die Länder und Meere hin bringt, Rechts­ anschauungen von Volk zu Volk getragen werden: infolge der Berührung der Handel treibenden Völker in Waren-, Geld- und Kreditverkehr machen sich Rechtsbedürfnisse gellend, welche nach gemeinsamer Befriedigung ver­ langen, und es gelangen so Anschauungen zum Siege und Rechtssätze zur Anwendung, die das internationale Element im Handelsrecht eines jeden Volkes bilden und in steter Wechselwirkung die Rechtsentwickelung sämtlicher direkt oder mittelbar miteinander in Verkehr stehenden und am internationalen Waren-, Geld- und Kreditaustausch mehr oder weniger stark beteiligten Völker beeinflussen;3)* *einer * solchen Einwirkung fremder Kulturen, vor allem der althellenischen, verdankt Rom sein jus gentium und jene Elastizität seines Rechts, vermöge deren dieses befähigt war, den Tatbeständen und Bedürfnissen des römischen Handels zu dienen; ohne die Entstehung eines besonderen Handelsrechts bewußt oder unbe­ wußt anzustreben, blühte der römische Handel einige Jahrhunderte,

1 Man vgl. die Überganasvorschriften im EinsG. z. HGB. v. 10. Mai 1897 Art.l, 22—26 Ferner: KarlLehmann, Die zeitliche An­ wendbarkeit der Bestimmungen des neuen HGB., GZ. 48 (1899) S. 1 ff. I

9 Bgl. Karl Lehmann GZ. 52 (1902) S. 1 ff. 3 Über den Zusammenhang hellenischerRechtseinrichtungen mit römi­ schen s. GUGesch. S. 78 ff., 239, 344, auch folgende Anm.

6

Einleitung.

namentlich als Unternehmung des Großkapitals, und zwar ursprünglich und vorzugsweise als überseeische Unternehmung betrieben; die auf diesem Gebiete entstandenen Rechtsinstitute sind vom gemeinen Verkehrsrecht übernommen worden und bilden zum Teil heute noch die wichtigsten Elemente des Obligationenrechts im Handelsverkehrs) Vom Ende des 11. Jahrhunderts an machten sich die beiden anderen die Entwicklung des Handelsrechts beeinflussenden Umstände geltend: von da an trat nämlich neben die teils literarisch gepflegte, teils im Vulgar­ recht praktisch erhaltene Tradition des römischen Rechts *) als neuer Fak­ tor die Handelssitte des Handelsstandes,3) das neue frische Leben, welches der Handel in die durch ihn zur herrlichen Blüte und Macht emporgehobenen Städte Italiens und Deutschlands brachte, verlangte nach neuen Rechtsnormen und schuf sich diese selbst im Wege der Bil­ dung neuen kaufmännischen Gewohnheitsrechts, der Usance; schon vom 11. Jahrhundert an wurde die Handelssitte mächtig in den romanischen, aber auch in den deutschen und skandinavischen Emporien und trat dort wie hier zu Tage sowohl in den Stadtrechten, wie in den Korporations­ satzungen der kaufmännischen Schutzgilden und der späteren Innungen ; durch Süd- und Mitteleuropa zog mit den Warenzügen das neu ent­ standene, immer mehr aus lokaler zu universeller Geltung strebende Recht, großenteils von der Lombardei aus, sich überall einbürgernd, wo Handel getrieben ward; so ist auch in Deutschland ein Handelsrecht der Kaufleute schon im Anfänge des 11. Jahrhunderts wohlbekannt und als beson-

1 So namentlich die Obligationen des Bankverkehrs — die SkripturObligationen, Grundlagen des Rechts der Inhaber- und Orderpapiere, — das Seedarlehen, die große Havarei, das Stellvertretungsprinzip in den adjektizischen Klagen u. s. w., s. GUGesch. S. 69, 77 ff., 239 ff., 344. GH. 23, 380ff. Baron ebb. 27, 119 ff. u. a. Andere Entlehnungen finden sich im westgotischen Rechte (Dahn in GZ. 16, 404 ff., hiezu s. GUGesch. >2. 111); in mitteleuropäischen Rechtsquellen und Handelseinrichtungen bürgerten sich zahlreiche Lehnworte aus dem Arabischen ein, s. GUGesch. S. 97ff.; die Elemente des Rechts der Wertvapiere finden sich im spätrömischen Urkundenwesen, traditio cartae u. s. w., s. Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I S. 392, 397 ff. und die dort angegeb. Liter., auch

|

GUGesch. S. 387, auch GZ. 36 ! S. 124. 2 Über das Vulgarrecht s. H. i ’ Brunner a.a.O. 1 S. 225, GU­ ; Gesch, S. 90 ff. 3 Über die Entstehung der Kauf­ , mannschaft als Stand s. L. v. Maurer, Geschichte der Städtever­ fassung Bd. Iff. (1869) S. 315 ff., : (Recht der freien Kaufleute) Bd. II ; (1870) S. 257 ff. (gildae mercato; riae). — Ernst Mayer in den i Germanist. Abhandlungen zum 70. Geburtstage Konrad v. Maurers unter der Überschrift: Zoll, i Mannschaft und Markt zwischen Rhein und Loire bis in oas 13. Jahrhundert, insbes. S. 460 ff. — Felix Dahn, Kge. d. Germ. VIII 1 * 4 S. 238 ff. Das Cap. d. villis v. Jahre 812 erwähnt bereits Märkte, eine Abgabe de mercatis (c. 62) u. s. w. s. Gareis, LandgüterO. (1895) S. 53, 57.

Q

Überblick über d. geschichtl. Entwickelung d. Handelsrechts.

§ 3.

7

-eres, auf der Gewohnheit der Kaufleute beruhendes Recht von dem •sonst geltenden Recht unterschieden?) In den Stadtrechten des Mittelalters,1 2) auf deren Gestaltung der wohlorganisierte Kaufmannsstand Einfluß gewann, und in den eigenen Standesgerichten3) des Handelsstandes und seiner im Inland und im Auslande geschaffenen Korporationen, Landsmannschaften und Gilden kam das Handelsgewohnheitsrecht zur Aufzeichnung und zur praktischen, es wieder weiter entwickelnden Geltung: nicht minder in dem Rechte und Verkehre der zuerst in Frankreich, dann auch in Deutschland, Brabant und Flandern blühenden Wechsel- und Warenmärkte und Messen. Je höher emporblühend sich der Handelsstand in den mittelalter­ lichen Städten und die Handelssitte in ihnen und im internationalen Ver­ mehr entwickelte, desto mehr war zur selben Zeit die Rechtsentwickelung im übrigen zurückgeblieben. Und so gesellte sich denn auch der dritte zur Entstehung des Sonderrechts der Handeltreibenden gehörende Faktor hin­ zu, der Zustand eines zurückgebliebenen, vielfach in erstorbenen Formen versumpften oder in meist mißverstandenen Normen eines fremden Volks und einer entlegenen Zeit gefesselten allgemeinen bürgerlichen Rechts: je zurückgebliebener, je weniger praktisch das allgemeine bürgerliche Recht, desto mehr schreit der Handel nach einem Sonderrecht und desto mehr schreitet die Bildung dieses Sonderrechts vor, wenn ein kräftiger, solider Handelsstand fest gebaut hinter ihr steht.

II. DaS allerorten in Mitteleuropa gleiche Rechtsbedürfnis der miteinander in Handelsverbindung tretenden Kaufleute führte, da gleiche Ursachen gleiche Wirkungen hervorrufen, zu einem vom kosmopolitischen Hauche durchwehten, in den Grundzügen über­ einstimmenden Rechte, teils auf dem Wege der einheitlichen Ge­ wohnheitsrechtsbildung (stylus mercatorum, usance), teil- auf dem der Entlehnung oder Übertragung. Aber die Übereinstimmung beschränkte sich doch^ nur auf die Grundzüge, die Grundbegriffe im allgemeinen (etwa wie den Begriff der Tratte, des Eigen­ wechsels, des Giros, der Aktie, der Kollektivhandelsgesellschaft, 1 Dies geht aus einer hochinter­ essanten Anmerkung Notkers (bc8 St. Galler Mönchs f 1022) hervor, Grimm, Rechtsaltertümer S. 610; Goldschmidt a. a. O. S. 125; Siegfr. Rietschel, Markt und Stadt, Leipzig 1897 S. 191 u. a. 2 Vgl. Lästig, Enttvickelungswege und Quellen des Handelsrechts (1878): Derselbe in GZ. 23 S. 138; 24 S. 387. Al ess. Lattes, diritto commerciale nella legis-

lazione statutaria delle citta Italiane. Milano 1883. Derselbe, studij di diritto statutario. 1887. Marghieri,il diritto commerciale italiano 1882 seq. pag. 13 seq. GUtzjesch. S. 112 ff., 153 ff., 237 ff. • Über Jnnungsgerichte der Kauf­ leute, so in Pisa, Florenz n. a. s. GUGesch. S. 170ff.; in Deutschland s. W. S i l b e r s ch m i d 1, Die Ent­ stehung der deutschen Handelsge­ richte (1894).

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Einleitung.

des Mäklergeschäfts u. bergt) — im einzelnen, in den Modali­ täten der Rechtsgeschäfte, in Frist- und Formbestimmungen u. bergt, wichen die Rechtsnormen der verschiedenen Handels­ plätze innerhalb und außerhalb Deutschlands recht erheblich von­ einander ab; in den verschiedenen Platzusancen und Stadtrechten, auch innerhalb Deutschlands selbst, in Markt- und Wechselord­ nungen, in Gildestatuten und Merkantilgerichtsnormen zeigten die einzelnen Rechtsinstitute eine sehr verschiedenartige Ausgestaltung; diese Zerklüftung und Zersplitterung des Handelsrechts in zahl­ lose Partikularrechte, Lokalusancen und Statutarrechte aller Art währte in Italien, in dem Maße der politischen Zersplitterung dieser Halbinsel, bis in das 19. Jahrhundert, in Frankreich aber nur bis zur sogenannten Ordonnance du comtnerce („Code Savary“) von 1673 und Ordonnance de la marine von 1681; unter Zugrundelegung dieser beiden Dekrete Ludwigs XIV. wurde unter Napoleon I. der Code de commerce (in Kraft seit 1. Januar 1808) geschaffen, ein Handelsgesetzbuch (in 648 Artikeln zugleich mit dem Handelsrecht int engeren Sinne das Wechselrecht, See-, Konkurs- und Handelsprozeßrecht umfasiend), welches teils ver­ möge direkter gesetzgeberischer Einführung, teils auf dem Wege indirekter Verwertung seines Inhalts die weiteste Verbreitung gewann. Das französische Handelsgesetzbuch wirkte auch auf die Rechtsentwickelung in Deutschland ein; hier war nur für das im Jahre 1794 der Krone Preußens gehörige Gebiet durch die Ein­ führung des „Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten" *) eine wohltuende Rechtseinheit wenigstens hinsichtlich einer Reihe von handelsrechtlichen Verhältnissen erreicht. Sowohl die im Preußischen Landrechte, wie die im Code de coin-

merce ausgesprochenen handelsrechtlichen Nonnen sind Resultate der Be­ rührung der großen romanischen und^ germanischen Handelsgruppen vom 12. bis 19. Jahrhundert?)

Im übrigen Deutschland — außerhalb des preußischen Gebiets von 1794 und desjenigen, in welchem die französische Handelsgesetzgebung Eingang gefunden — herrschte in Handels­ sachen eine immer zunehmende chaotische Rechtszersplitterung; dem 1 Teil II Tit.' 8 Absch. 7—15. 2 Dies gilt namentlich auch.von den seerechtlichen Bestimmungen des Preuß. Landrechts, in welchen Entlehnungen und Anlehnungen an ältere und auch an fremde Rechte,

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an das hanseatische Seerecht z. B. „der Ehrsamen Hansestädte ScdiftsOrdnung und Seerecht" (vom 23. Mai 1614) und an das Landrecht des Herzogtums Preußen (von 1620) u. s. w. nachgewiesen werden können.

Überblick über die geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts.

§ 3.

9

römischen und kanonischen Rechte, wie der oft unbestimmten all­ gemeinen Handelsusance — der einzigen Quelle eines gemeinen Handelsrechts auf deutscher Erde — hatten sich seit dem Ende des 15. Jahrhunderts einige Reichsgesetze zugesellt/) aber diese Spezialgesetze waren an sich von geringer Bedeutung und meist nur polizeirechtlichen Inhalts; in Bayern gab es seit 1785 eine Wechsel- und Merkantilgerichtsordnung, jedoch hatte diese nur subsidiäre Geltung und ließ in erster Linie die Buntheit diver­ gierender Rechtsnormen gelten. Und in der Tat, groß war diese Rechtsverschiedenheit, die in zahlreichen Usancen deutscher Einzel­ staaten und Handelsplätze zu Tage trat, in fast unübersehbaren Markt-, Meß-, Merkantil-, Wechsel-, Börsen, Bank-, Firmen-, Prokuren-, Assekuranz-, Fallit-, Schiffsordnungen u. s. w. Schier unerträglich ward diese Rechtszersplitterung dem deutschen Kaufmannsstande im 19. Jahrhundert, und „weil das Interesse des Handelsrechts und die Natur des Handels mächtig zu einheitlicher Gestaltung drängen, hat die materielle Gemeinsamkeit der Bedürfnisse und Rechtsanschauungen unter den deutschen Stämmen auf diesem Felde eher als auf anderen durch Kodi­ fikation ihren Ausdruck auch in formaler Einheit gesucht und gefunden".-) III. Wichtige Anregungen zur Beseitigung jener RechtSzersplitterung verdankt Deutschland zunächst den Generalkon­ ferenzen des deutschen Zollvereins; auf der ersten dieser Kon­ ferenzen stellte im Jahre 1836 der württembergische Vertreter den An­ trag, die Hauptgesichtspunkte zu vereinbaren, von welchen die Handels­ gesetzgebung der einzelnen Staaten auszugehen hätte. Man dachte also zunächst nur an ein getrenntes Vorgehen der Einzelstaaten innerhalb-des Zollvereins, aber nach vereinbarten gemeinsamen Prinzipien; aber auch daß dieses möglich sei, bezweifelte man damals, man war von der un­ überwindlichen Verschiedenheit der Partikularrechte zu sehr überzeugt, als daß man auch nur hinsichtlich einzelner Punkte eine Einigung für denk­ bar hielt! Jedoch ganz ohne Folge blieb jene Anregung nicht. Die Un­ richtigkeit der erwähnten partikularistischen Überzeugung aber ergab sich

bald aus der Tatsache, daß die in mehreren zum Zollverein gehörenden Staaten wenige Jahre nachher hergestellten Entwürfe von Handelsgesetz­ büchern und Wechselordnungen in der Tat sehr vieles Übereinstimmende hatten und sich teilweise sehr stark aneinander, d. h. wohl an das her­ gebrachte oder gemeinsam festzuhallende Recht anlehnten; dies bewiesen 1 Siehe Goldschmidt, 2. Aufl. § 8b.

HR. I Dahn in Bluntschlis DeutI schein Privatrecht,1864, S.359—360.

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Einleitung.

Gesetzentwürfe in Preußen, Sachsen, Württemberg (1839—1840 HosackerS Entwurf), Braunschweig und Nassau. Dabei drängte sich immer mehr

die Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens auf, und als — allerdings zehn Jahre nach jener ersten Anregung — wiederum auf einer Zollvereinskonferenz (der achten im Jahre 1846) und wiederum von württembergischer Sette — der Antrag gestellt wurde, behufs Beratung eines gemeinsamen deutschen Wechselrechts eine Kommission zu berufen, da fand er Annahme. Die Kom­ mission trat am 20. Oktober 1847 in Leipzig zusammen, am 9. Dezember desselben Jahres schon war der Entwurf fertig und gelangte sodann allmählich in den einzelnen deutschen Staaten auf dem Wege der Partikulargesetzgebung (zwischen 1848 und 1862) zur Einführung ’) einheitlichen Inhalts: die Allgemeine Deutsche Wechselordnung; dieses Gesetz ist dann durch Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 5. Juni 1869 und hieraus durch die Versailler Verträge von 1870 Bundesgesetz und schließlich infolge der Reichsverfassung Reichsgesetz geworden. Das übrige, das eigentliche Handelsrecht in Deutschland zur Rechtseinheit zu bringen, ward nach den Zwischenfällen der Jahre 1848 und 1849, welche übrigens auch zu einer kommissionellen Beratung eines Entwurfs eines gemeinsamen deutschen Handelsgesetzbuchs (Frankfurt a. Main, Dezember 1848 bis März 1849), ja zur Fertigstellung des Entwurfs für einen großen Teil des Handelsrechts führten, wiederum auf einer Zollvereins­ konferenz angeregt und wiederum von dem Württembergischen Vertreter (20. Februar 1854). Jetzt konnten die partikularistischen Befürchtungen nicht mehr vorgewendet werden, man erklärte einmittig die Berechtigung der Forderung und di« Bereitwilligkeit, zu ihrer Verwirklichung mitzuwirken, seitens aller auf der Kon­ ferenz vertretenen Regierungen. Diese wandten die Angelegenheit nun dem verfaffungSmäßigen Zentralorgan des damaligen Deutschen Bundes zu; bei der Bundesversammlung zu Frankfurt a. Main brachte Bayern am 21. Februar 1856 folgenden Antrag ein: Die Bundesversammlung wolle beschließen, eine Kommission zur Entwerfung und Vorlage eines „Allgemeinen Handelsgesetzbuchs für die Deutschen Bundesstaaten" niederzusetzen u. s. w. Die Bundesversammlung nahm diesen Antrag am 17. April 1856 an und berief, nach den erforderlichen Zwischenverhandlungen und 1 In Preußen durch Ges. v. 15. Februar 1850, in Bayern durch Ges. v. 25. Juli 1850 u. s. w. s. Gareis, WO. 3. Aufl. S. 51 ff.

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§ 3.

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Anzeigen, durch Beschluß vom 18. Dezember 1856 die Kom­ mission zum 15. Januar 1857 nach Nürnberg.') Als Grundlage der Beratung waren der Konferenz zwei Entwürfe von Handelsgesetzbüchern vorgelegt worden, einer von der k. k. öster­ reichischen Regierung in zwei Redaktionen (eine zu 212, die andere zu 218 §§, beide Wien 1857) und einer von der k. preußischen Regierung (Berlin 1857, Erster Teil: Entwurf, Zweiter Teil: Motive). Die Kon­ ferenz, zu der 21 deutsche Bundesstaaten Vertreter gesandt halten, welche teils dem Kaustnannsstande angehörten, teils Rechtsgelehrte waren, legte ihren Beratungen den preußischen Entwurf zu Grunde, wandte aber auch dem österreichischen fortwährend volle Beachtung zu; zunächst nahm sie in Nürnberg, bis zum 2. Juli 1857 tagend, eine erste Lesung des Ent­ wurfs (ausschließlich des Seerechts) vor, dann ebenda vom 15. Sept. 1857 bis 18. Jan. 1858 eine zweite: hierauf siedelte sie, um über das fünfte Buch, welches vom Seerecht handelte, zu beraten, nach Hamburg über?) Die erste Lesung des Seerechts fand auf der Grundlage des preu­ ßischen Entwurfs vom 26. April 1858 bis 25. Oktober 1859) statt, eine zweite aus Grund des von der Versammlung sestgestellten Entwurfs erster Lesung (vom 9. Jan. bis 22. Aug. 1860). Die dritte Lesung, bedeutend abgekürzt, begann wieder in Nürn­ berg, (am 19. Nov. 1860) und erledigte ihre Aufgabe, nämlich gegen den Entwurf erhobene „Erinnerungen", auf welche die dritte Lesung nach Beschluß der Regierungen von Österreich, Preußen und Bayern einge­

schränkt werden sollte, und die Herstellung eines Entwurfs des besonderen Eisenbahnfrachtrechts in 33 Sitzungen; am 14. März 1861 legte die Kom­ mission der Bundesversammlung ihr Werk in dritter Lesung abgeschlossen vor; es war in fünf Bücher geteilt, von denen das erste die Rechtsver­ hältnisse des Handelsstandes als solchen (Kaufleute, Handels-Register, -Firmen und -Bücher, Handlungs-Bevollmächtigte und -Gehülfen und Handelsmäkler) regelt, das zweite von den Handelsgesellschaften, das dritte 1 An diesem Tage und Orte trat sie auch wirklich zusammen, konsti­ tuierte sich unter dem Vorsitz des bayerischen Justizministers von Ringelmann, erwählte zum zweiten Präsidenten den österreichischenKommissar Ritter von Raule, und zum Referenten den preußisch. Kommissar Geheimen Oberjustizrat Dr. Bischoff, vortragenden Rat^ im preußisch. Justizministerium, und nach dessen Tode den Senatspräsidenten 'des Appellationsgerichts zu KölnGOJR. Heimsoeth; die Beratungen, über welche ausführliche Protokolle ge­

führt wurden, welche von einem der Schriftführer der Kommission, Dr. Lutz,dem spätern bayerischenMinister herausgegeben worden sind, wurden am 21. Januar 1857 eröffnet. 2 Den Vorsitz führte der offen. Kommissar Ritter von Raule, das Referat der preußischeKommissar Obertribunalsrat Pape vonKönigsberg i. Pr. — derselbe Jurist, unter dessen Vorsitz vom September 1874 bis '1888 der erste Entwurf t des Bürgerlichen 'Gesetzbuchs für '»das Deutsche Reich hergestellt wurde.

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Einleitung.

von zwei anderen Arten der Handelsassoziation, das vierte von den Handelsgeschäften handelt — diese vier Bücher sind in drei Lesungen fest­ gestellt worden —, das fünfte Buch handelt vom Seerecht nach den Be­ schlüssen der zweiten Lesung. Die Bundesversammlung lud hierauf mit Beschluß vom 8. Mai 1861 sämtliche Bundesregierungen ein, „dem in der Sitzung vom 16. März 1861 vorgelegten Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs baldmöglichst und unverändert im geeigneten Wege Gesetzeskraft in ihren Landen zu verschaffen."

Der zu Nürnberg und Hamburg hergestellte Entwurf wurde sodann auf dem Wege der Partikulargesetzgebung (Landesgesetz­ gebung) als „Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch" in den einzelnen deutschen Bundesstaaten — Ausnahme s. unten S. 13, Anm. 1 — mittels sogenannter Einsührungsgejetze, welche zwischen dem Oktober 1861 und dem Dezember 1865 erlassen worden sind, in Gesetzeskraft gesetzt?) IV. In dem nämlichen Jahre, in welchem das Handels­ gesetzbuch auch in denjenigen Staaten, welche sich zuletzt zur Ein­ führung des gemeinsamen Handelsrechts entschließen konnten, im Kurfürstentum Hessen und in Hamburg, zur Wirksamkeit gelangte, brach der Deutsche Bund zusammen, ihm folgte als kräftigere Einigung der Norddeutsche Bund. Dieser erhob in seiner Ver­ fassung vom 25. Juni 1867 die gemeinsame Gesetzgebung über das Handels- und Wechselrecht zur Bundessache und mittels Gesetz vom 5. Juni 1869 das ADHGB. zum Bundesgesetz des Norddeutschen Bundes. Und in dem nämlichen Jahre, an dessen erstem Tage das ADHGB. als Bundesgesetz des Norddeutschen Bundes in Kraft getreten, 1870, vollzog sich der Abschluß jener Verträge (Versailler Verträge), welche der formellen Gründung des Deutschen Reiches unmittelbar vorangingen; mit der Verfassung des Deutschen Reiches (vom 16. April 1871) ward das Handelsgesetzbuch Reichs­ gesetz, absolutes gemeines Recht für den ganzen Umfang des Reichsgebiets: das oben erwähnte EinführungSgesetz des Nord­ deutschen Bundes vom 5. Juni 1869 ist für diesen Bund am 1. Januar 1870, für Württemberg, Baden und Südheffen kraft 1 So für Preußen durch EinfG. I für Württemberg Gesetz vom 13. Aug. vom 24. Juni 1861, in Kraft feit 1865, in Kraft seit 15. Dez. 1865; 1. März 1862; für Bayern Gesetz für Baden Gesetz vom 6. Aug. 1862, in Kraft seit 1. Jan. 1863; für das vom 10. Nov. 1861, in Kraft seit 1. Juli 1862; für das Königreich Großherzogtum Hessen Gesetz vom Sachsen Gesetz vom 30. Oktober 1. Aug. 1862, in Kraft seit 1. Jan. 1861, in Kraft seit 1. März 1862: 1863 u. s. w.

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§ 3.

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jener Verträge am 1. Januar 1871, für Bayern kraft der Reichs­ verfassung am 13. Mai 1871 in Kraft und Wirksamkeit als Reichsgesetz getreten. Die Erhebung des ADHGB. zum Bundes-, bezw. Reichsgesetz hatte vor allem drei juristische Folgen: 1. Das HGB. gilt hiemit auch in denjenigen Teilen des Reichs­ gebiets, in welchen es nicht zu einer partikularen, landesgesetzlichen Ein­ führung gekommen nmr.1) 2. Da die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen (RV. Art. 2), so sind alle partikularrechttichen Einsührungsgesetze insoweit aufgehoben, als sie von den Bestimmungen des HGB. oder des ReichseinsührungSgesetzes abweichen, es sei denn, daß die Geltung der Abweichung aus­ drücklich Vorbehalten ist?) 3. Zufolge der angeführten Bestimmung der Reichsverfassung ist jede Änderung des HGB. auf dem Wege der Landesgesetzgebung ausge­ schlossen, das deutsche Handelsrecht also, solange die Reichsverfassung es festhält, der partikularistischen Zerstückelung entrückt.

V. Nicht in seinem ganzen Bestände hat sich das Handels­ gesetzbuch, seit es Gesetz des Norddeutschen Bundes und dann des Reiches geworden, unverändert erhalten; die Bundes- und Neichsgesetzgebung selbst hat Hand an das Gesetzbuch gelegt, um es, wo es notwendig schien, Erfahrungen entsprechend, zu ver­ bessern. Die Abänderungen, welche sich unser Handelsgesetzbuch von 1861 seit 1869 gefallen lassen mußte, sind in vier Gruppen zu überschauen. 1. In Bezug auf Aktiengesellschaften (s. unten §§ 31 ff.) 1 Nachdem im preußischen Jade­ gebiet das HGB. durch das Bundeseinführungsgesetz eingeführt wurde, wurde für dasselbe Gebiet durch ein preußisches Gesetz vom 9. Mürz 1870 das hannöversche EinfG. vomIl.Mai 1864 nebst den dieses abändernden und ergänzenden Bestimmungen einert; im Fürstentum SchaumLippe trat das HGB. durch das^Bundes-EinsG. in Kraft, hiezu erschien eine Ausführungsverord­ nung vom 11. Dezember 18f>9 (s. Busch's Archiv Bd. 18 S. 372ff.). In den Herzogtümern Holstein und Schleswig gilt das HGB. aus Grund einer k. preußischen Einführungs­ verordnung vom 5. Juli 1867 seit

I 30. September 1867, im Herzogtum Lauenburg auf Grund des EinfG. vom 21. Oktober 1868 seit 1. Januar i 1869, inElsaß-Lothringen auf Grund i des RGes. vom 19. Juni 1872. 2 Letzteres ist in der Tat der Fall hinsichtlich einiaer Bestimmungen der EinsG. von Mecklenburg-Schwerin, Bremen u. Hamburg (§ 4 des EinsG. vom 5. Juni 1869), welche, wie gleich hier bemerkt werden soll, auch durch i das neueste Recht (Art. 19 des EinfG. j vom 10. Mai 1897) in Kraft erhalten ; werden, sowie in den weiterreichen! den Vorbehalten der §§ 3B, 5 des EinfG. vom ö. Juni 1869, welche durch das neueste Recht nicht auf­ recht erhalten sind.

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Einleitung.

und Kommanditgesellschaften auf Aktien (s. unten § 37) hat schon ein Gesetz vom 11. Juni 1870 Abänderungen gebracht, haupt­ sächlich indem es an die Stelle des, wie vom älteren Handels­ rechte, so auch vom HGB. von 1861 aufgestellten Erfordernisses der speziellen Staatsgenehmigung (Privilegierung oder Sonzessionierung) ein System von sogenannten „Normativbestimmungen" setzte. Vierzehn Jahre später wurde dieses System zwar nicht fallen gelüsten, aber abgeändert durch dasRGes. vom 18. Juli 1884, welches die Normativbestimmungen verschärfte. 2. Der vierte Titel des fünften Buchs des ADHGB. lArt. 528—556) ist aufgehoben durch die Seemannsordnung, ein RGes. vom 27. Dezember 1872, an dessen Stelle seit 1. April

1903 die Seemannsordnung vom 2. Juni 1902 getreten ist (s. unten §§ 108, 111). 3. Infolge der seit 1. Oktober 1879 in Wirksamkeit be­ findlichen Deutschen Justizgesetzgebung, namentlich wegen der Einführung des Prinzips der materiellen Beweiswürdigung — im Gegensatz zu den früher herrschenden sog. formalen Beweis­ theorien — sind aus dem Handelsgesetzbuche einige Vorschriften weggefallen?) 4. Nicht eigentlich Abänderungen, aber direkt in das Recht des HGB. eingreifende Ergänzungen finden sich in einer Anzahl von neueren Reichsgesetzen?) VI. Eine viel weiter gehende Abänderung des ADHGB.,

1 So sind ausgehoben die Artikel 34—36 (betr. die Beweiskraft der Handelsbücher—an Stelle derselben trat ZPO. § 259, jetzt § 286), Art. 37 Satz 2 und Art. 39 (Edition der Handetsbücher betr. — ZPO.88 259, 399, jetzt §§ 286, 434) Art. 77 und 78 (Beweiskraft des Tagebuchs und der Schlußnoten der Handelsmäkler betr. — ZPO. § 259, jetzt § 286), Art. 79 Abs. 2 (Edition des Mäkler­ tagebuchs betr. — ZPO. § 399, jetzt § 434), Art. 488 und Art. 889 (betr. die Beweiskraft des Schiffs­ journals und anderer Schiffspapiere) und Art. 494 (betr. Beweis durch Verklarung — ZPO. §§ 259, 260, jetzt 286, 287), siehe über all dies EinsG. zur ZPO. § 13 Ziff. 2.

-) So in folg. RGesetzen: im Ges. betr. die Löschung nicht mehr be­ stehender Firmen und Prokuren im Handelsregister, vom 30. März 1888 (RGBl. S. 129), in den G. betr. die Binnenschiffahrt und betr. die Flößerei, beide vom 15. Juni 1895, im Reichsbankgesetz vom 14. März 1875, in der Konkursordnung z. B. §§ 109, 201, 209, 210, jetzt §§ 119, 212, 239, 240, im Börsengesetz vom 22. Juni 1896, in der Gewerbeord­ nung; in den Gesetzen betr. die Nationalität der Kauffahrteischiffe vom 25. Oktober 1867, 23. Dezember 1888, 15. April 1885, 22. Juni 1899 (Flaggenrecht der Kauffahrtei­ schiffe), 29. Mai 1901 u. s. w.

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§ 3.

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ja eine völlige Revision, Umarbeitung und Ergänzung des Rechts dieses Gesetzbuchs ist schon im Jahre 1874 für die Zeit un­ mittelbar nach dem Zustandekommen eines einheitlichen Bürger­ lichen Gesetzbuchs ins Auge gefaßt worden; aber bevor es hiezu kam, ergab sich als zweckmäßig, ja notwendig, die privatrecht­ lichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt und die der Flößerei vorweg und selbständig zu regeln?) Und wie man diese beiden Rechtsstoffe der Stückgesetzgebung des Reiches zugewiesen hat, welche inzwischen auch das Börsenwesen1 2)* und die den Handels­ gesellschaften nahestehenden Gesellschaftsformen: die „eingetragenen Genossenschaften"/) und die „Gesellschaften mit beschränkter Haf­ tung" 4)5 regelte, und diese Gegenstände absichtlich nicht dem Handelsgesetzbuche einverleibt hat, so wurde es auch mit dem Verlagsrecht6) und so wird es auch mit Verficherungsrecht °) ge­ halten. Zur Revision des Handelsgesetzbuchs selbst aber stellte das Reichsjustizamt im Herbste das Jahres 1895 einen Entwurf auf, in welchem es an neuen Rechtsstoffen nur da- Recht der Handlungsagenten und das des Lagergeschäfts aufnahm, so daß der Bestand des Handelsgesetzbuchs, was die allgemeine Begrenzung der darin behandelten Gegenstände anlangt, im großen und ganzen unverändert blieb. Nach verschiedenen kommissionellen Vorberatungen gelangte, nachdem das größte Gesetzgebungswerk der deutschen Nation, das Deutsche Bürger­ liche Gesetzbuch, durch Kaiserliche Unterschrift am 18. August 1896 vollendet worden war, der Entwurf des neuen Handelsgesetzbuchs, sowie der zu­ gehörige Entwurf eines Einführungsgesetzes, zusamt einer erläuternden Denkschrift am 22. Januar 1897 an den Reichstags) Die erste Beratung im Reichstage fand am 8., 9. und 10. Februar 1897 statt und endigte mit dem Beschlusse, den Entwurf einer einund-

1 Und dies geschah durch die beiden Reichsgesetze v. 15. Juni 1895 RGBl. 1895 S. 301 bzw. 341), s. unten § 58. 2 RG. v. 21. Juni 1896 (RGBl. 1896 S. 157), s. unten § 49. 8 RG. v. 1. Mai 1889 (RGBl. 1889 S. 55), s. unten § 38. 4 RG. v. 20. April 1892 (RGBl. 1892 S. 477), s. unten § 39. 5 RG. v. 19. Juni 1901 (RGBl. 1901 S. 217), s. unten § 59. 6 Das RG. v. 12. Mai 1901 über

die privaten Versicherungsunter­ nehmungen regelt die privatrecht­ liche Seite dieser Geschäfte nicht, der Entwurf eines diese letztere Seite normierenden RGesetzeS ist z. Z. in Vorbereitung. 7 Drucksachen d. D. Reichstags, 9. Legislaturperiode, IV. Session 1895—97, Drucksachen Nr. 632. Der Entwurf d. HGB. umfaßte 897 §§, der des EinsG. hiezu 28 Artikel.

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Einleitung.

zwanziggliedrigen Kommission zu überweisens) diese erledigte eine erste Lesung in zehn Sitzungen, eine zweite in sechs Sitzungen und erstattete ihren Bericht dem Reichstage unterm 1. April 1897?) Die zweite Beratung des Entwurfs im Plenum des Reichstags^) fand am 5. und 6. April 1897 statt, die dritte Beratung, am 7. April dess. I., endigte mit der einstimmigen en dloe-Annahme des Handelsgesetzbuchs. Das neue Handelsgesetzbuch, 905 Paragraphen umfassend, und das Einführungsgesetz hierzu (28 Artikel) erhielten die kaiser­ liche Sanktion und Unterschrift am 10. Mai 1897 und sind im Reichsgesetzblatte 1897 Nr. 23 S. 219ff. verkündigt.**)

Ausführungsvorschriften zum HEB. (oder zum BGB. und dem HGB.) sind ergangen in Preußen unterm 24. Sept. 1898, in Bayern unterm 24. Dez. 1899, im K önigr. Sachsen unterm 10 Nov. 1898, Württemberg unterm 28. Juli 1899, Baden unterm 11. Nov. 1899, Hessen unterm 20. Juli 1899, Mecklenburg-Schwerin unterm 9. April 1899, Sachsen-Weimar unterm 10. April 1899, Mecklenburg - Strelitz unterm 9. April 1899, Oldenburg unterm 15. Mai 1899, Braunschweig unterm 12. Juni 1899, Sachsen-Meiningen unterm 13. Aug. 1899, Sachsen-Altenburg unterm 24. Juni 1899, Sachsen - Koburg - Gotha unterm 23. Okt. 1899, Anhalt unterm 20. April 1899, SchwarzburgRudolstadt unterm 11. Juli 1899, Schwarzburg-Sondershausen unterm 29. Juli 1899, Waldeck unterm 11. Dez. 1899, Reuß älterer Linie unterm 4. Nov. 1899, Reuß jüngerer Linie unterm 10. Aug. 1899, Lippe unterm 27. Nov. 1899, Lübeck Gesetz v. 30. Okt. 1899, Bremen unterm 18. Juli 1899, Hamburg unterm 29. Dez. 1899, Elsaß-Lothringen unterm 6. Nov. 1899 (Els. GBl. S. 127).

rungsgesetzes; die des HGB. selbst 1 (Sitzung vom 10. Febr. 1897, begann nach dem Art. 1 Abs. 1 des Stenogr. Bericht S. 4601.) Die letzteren gleichzeitig mit der des Kommission konstituierte sich bereits BGB., also am 1. Januar 1900, am 11. Febr. 1897. nur der 6. Absch. des 1. Buches des 2 Drucksache Nr. 735. HGB., nämlich das Recht der Hand­ * Zu dieser wurden von verschie­ lungsgehilfen und Handlungslehr­ denen Seiten Abänderungsanträge linge trat — mit Ausnahme des gestellt, s. Drucksachen Nr. 743, 748 § 65 — schon am 1. Januar 1898 biS 750, 751—752, 753, 754, 755, in Kraft. Über den Beginn der 763, 764. Wirksamkeit der angef. Gesetze s. 4 Diese Nr. 23 ist in Berlin am Gareis, HGB. 2. Aufl. S. 421, 21. Mai 1897 ausgegeben worden; mit dem 14. Tage nach diesem Tage, l 422 Anm. 1 zu Art. 1 des EinsG. also mit dem 4. Juni 1897 begann i und die dort angegebene Lit., auch die verbindliche Kraft des Einsüh- ! oben S. 5 Anm. i.

8 4. Sie Gerichtsbarkeit in Handelssachen.

Die Betrachtung des geschichtlichen Entwickelungsganges des Handelsrechts zeigt, wie die Existenz und die Tätigkeit eigener Standesgerichte der Kaufleute von günstigem Einflüsse war für die Entwickelung des besonderen Rechts für Handelssachen. Und nicht minder hat sich gezeigt, wie verdienstvoll die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs in Handelssachen (Bundes- bezw. Reichs-Obcrhandelsgericht in Leipzig 1870 bis Okt. 1879) auf die Rechtsentwickelung Deutschlands eingewirkt hat. Angesichts dieser Tatsachen ist die Frage nicht unberechtigt, ob es sich nicht empfehle, für Handelssachen in allen oder wenigstens in der obersten Instanz besondere Gerichte einzusetzen. Die gerichtliche Tätig­ keit kann hiebei sein: I. Ausübung der freiwilligen Gerichtsbarkeit und II. Entscheidung von Rechtsstrcitigkeiten, mithin Ausübung der sogenannten streitigen Zivilgerichtsbarkeit. Zu I. Bon den verschiedenen Zweigen der sogen, freiwilligen Gerichtsbarkeit kommen für den Handelsstand namentlich x) zwei in Betracht: 1. Die Beurkundungen, seien dieselben von Gerichten 1 2) oder anderen Behörden des allgemeinen Verkehrs oder von besonderen Organen des Handelsstandes vorzunehmen; eigenartig ist dem Handel in dieser Beziehung nur die Verwendung von Mäklern zu Feststellungen oder Bescheinigungen/) während sich der Handels­ stand im übrigen der für das Beurkundungswesen überhaupt*) bestehenden Einrichtungen bedient. 2. Die Registrierung: Eintragungen von handelsrechtlich wichtigen Tatsachen in Register, die mehr oder weniger allge­ mein zugänglich waren, kannte bereits daS mittelalterliche Recht; sie hängen, wie sich wenigstens teilweise quellenmäßig nachweisen läßt^) mit

1 Außerdem: Verrichtungen, wel­ che den Gerichten in Ansehung der nach dem HGB. oder nach dem BinnenschtsfahrtSG. aufzumachenden Dispache (s. unten § 115) obliegen, s. Freiw.Ger.G. §§ 149—158. Er­ nennung von Sachverständigen zur Sicherung deS Beweises ZPO. §§ 485-494, tnsbes. § 488 d. ZPO. GareiS, Handelsrecht.

7. Aufl.

8 Vgl. HGB. §§ 182, 188, 196 Abs. 2. ' Bal. HGB. 88 94 ff. 4 BGB. §8 128,129,154; EinfG. Art. 141; Formen der gerichtlichen Beurkundung s. Freiw.Ger.G. §§ 167 biS 184, 198, 200. 6 Lästig, Florentiner Handels­ register deS Mittelalters, Halle 1883, 2

18

Einleitung.

den Matrikeln der Zünfte zusammen und haben demnach ihren Ursprung auf dem Gebiete deS öffentlichen RechtS, denn die Zunftmatrikeln waren dazu bestimmt, im öffentlichen Interesse die Mitgliedschaft der Zunftgenossen darzutun, namentlich auch um hiedurch den Umkreis derjenigen Personen fest zu bestimmen, auf welche sich die Jurisdiktion der Zunft, die Gerichts­ barkeit der Kaufmannsgilde erstreckte; deshalb wurden diese Register von öffentlichen Behörden geführt und mit öffentlichem Glauben versehen; in­ dem die Zunftmatrikeln diejenigen Personen (zunächst Blutsverwandte und Verschwägerte, dann aber auch andere) als Haus- und Wirtschastsgenoffen nebeneinander stellten und dieselben als zusammengehörig vor­ trugen, welche ein Gewerbe gemeinschaftlich, und zwar meistens unter Solidarhast, betrieben, übernahmen sie auch die Rolle von Gesellschafts­ registern, zu denen sie sich allmählich erweiterten?) Im Anschluß an ältere Rechte also führte das ADHGB. die Handelsregister als öffentliche Register ein und übertrug die Führung derselben Gerichten, welche es als Handelsgerichte bezeichnete; diese Gerichte sollen nicht bloß die Eintragungen, die das Gesetz als registerpflichtig vorschreibt,-) sondern auch Be­ kanntmachungen bewirken, durch welche der Inhalt der Register in öffentlichen Blättern8) weiter verbreitet wird. Die Ein­ tragung (beziehungsweise auch die Nichteintragung) bestimmter Tatsachen in jene Register, welche übrigens in mehreren von einander getrennten Büchern nach Maßgabe näherer Bestimmungen der Einführungsgesetze (Firmen-, Prokuren-, Gesellschaftsregister), sowie besonderer Reichsgesetze (Genoffenschasts-') und Register für Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht) °) zu führen find, hat teils (I) eine deklaratorische, prozessual wichtige, teils (II)

hat diesen Zusammenhang, wenig- | lung des Registerrechts bietet Theodor stens für Florenz nachgewiesen. Cohn, Das Handels- und GenossenVgl. die von Lästig S. 10 ange- \ schastsregister sowie das Verfahren in führten Quellen, nun auch GUGesch. Vereins-, Muster- und GüterrechtSS. 241. Registersachen. Mit Mustern. (Ber­ lin 1901.) 1 Lästig a. a. O. S. 4, 14ff. 2 Wie jetzt HGB. 2 (formelle 3 Jetzt HGB. § 10. Obligatorisch Handelsgewerbe); 13 (Zweignieder- ist die Bekanntmachung im Deutschen lassuna); 29 (Jyirma); 33 (Jurist. Per­ Reichsanzeiger und in mindestens son); 53 (Prokura); 106, 125, 143, noch einem andern Blatte, welches 144, 148, 157 (offene Handelsgesell­ im Dezember bestimmt wird (HGB. schaft); 162, 175 (Kommanditgesell­ § 11). schaft) ; 195,198—201,234,273,277, 4 GenG. 88 10-16, s. unten 8 38 280, 284, 289, 293, 296, 304, 311 u. Freiw.Ger.G 8 147. (Aktiengesellschaft); 320, 323-325, 6 Limit.GG. 88 7—12 s. unten 330, 333 (Kommanditgesellschaft auf 8 39 (vgl. auch 8 39 a, Bers.G. Aktien). Eine systematische Darstel­ 8 30) u. Freiw.Ger.G. § 148.

Die Gerichtsbarkeit in Handelssachen.

§ 4

19

sogar eine konstitutive, in das materielle Recht direkt ein­ greifende Bedeutung; ersteres (I), die deklaratorische Bedeutung der Eintragung, ist entweder (a) so vorhanden, daß die Ein­ tragung nur zum einfachen Beweise der Tatsache dient, daß die der Registrierung zu Grunde liegende Anmeldung wirklich mit dem eingetragenen Inhalte stattgesunden habe,') oder (b) die Eintragung liefert qualifizierten Beweis derart, daß einerseits (a) solange eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache nicht eingetragen und nicht bekannt gemacht ist, sie von dem­ jenigen, in dessen Angelegenheiten sie eingetragen war, einem Dritten *2)* nicht entgegengesetzt werden kann, es sei denn, daß sie diesem bekannt war, und daß andererseits (£), wenn die Tatsache eingetragen und bekannt gemacht ist, ein Dritter sie gegen sich gelten lasten muß, es sei denn, daß er sie weder kannte, noch kennen mußte.8) Noch weiter geht (II) die konstitutive Bedeutung des Registers, die dann vorliegt, wenn ein Rechtsvorgang gar nicht anders als durch die Eintragung zur Existenz gelangen sann.4)S. * * Das HGB. vom 10. Mai 1897 ist dem ADHGB. in der 1 Daß die bei der Anmeldung gemachten Angaben tatsächlich wahr seien, wird durch die Eintragung nicht bewiesen (RLHG. Bd. 23 S. 288, RGer. Bd. 1 S. 243, 244), denn der Registerrichter hat nicht die Möglichkeit und nicht die Ausgabe, die "Wahrheit der zur Eintragung angemeldeten Tatsachen objektiv festzustellen. Damit ist aber nicht ge81, daß der Registerrichter ein onograph sei und unter allen Umständen aus dem Standpunkte blinder Kritiklosigkeit stehen bleiben müsse. Es ist vielmehr davon aus­ zugehen, daß der Richter eine Er­ klärung, deren Unrichtigkeit er kennt, oder an deren Möglichkeit er zu zweifeln gerechte Veranlassung hat, nicht registrieren darf. Hierüber und über die Pflicht der Nachweisung gewisser Tatsachen durch öffentliche Urkunden s. Gareis, HGB. Anm. 4 zu § 12 S. 34 u. 35. Positiv ist rüdem bestimmt, daß, wer sich vor dem Registerrichter bei oder gegen­

über einer Eintragung darauf stützt, daß er Rechtsnachfolger eines Be­ teiligten sentweder Universalsukzessor (Erbe) oder Singularsukzessor (Ver­ mächtnisnehmer, Käufer einer Han­ delsniederlassung oder bergt] sei, diese Rechtsnachfolge soweit tunlich durch öffentliche Urkunden beweisen muß. HGB. 812 Abs. 2, s. hiezu Gareis a.a. O.S.34. Die Folgen der falschen Eintragungen in daS Handelsregister behandelt unter diesem Titel Hermann LührS (Dissert.) Leipzig 1898. 8 Vorausgesetzt, daß ein juristisch relevanter Zusammenhang zwischen der Unkenntnis dieses Dritten und der zur Veränderung in der Rechts­ sphäre desselben führenden Tatsache vorliegt; s. Denkschrift S. 3154. ’ HGB. § 15. 4 Vgl. HGB. § 200 (Entstehung der Aktiengesellschaft), im gewissen Sinne auch § 5 u. § 172, ferner Gen.G. § 13, Limit.GG. § 11.

20

Einleitung.

Anordnung der Anmeldungen und Eintragungen im wesentlichen gefolgt,1)* *aber 4 * 6 eS nennt die mit der Führung der Register be­ trauten Gerichte nicht Handelsgerichte, sondern Gerichte schlecht­ hin oder Registergerichte;*) die Register sind ebenso wie die dazu eingereichten Aktenstücke öffentlich, also jedermann zugänglich; ein besonderes berechtigtes Interesse hat nur der glaubhaft zu machen, der eine Abschrift eines zum Handelsregister eingereichten Schriftstücks verlangt?) DaS Registergericht hat eine ZwangSgewalt: wer verpflichtet ist, eine Anmeldung?) die Zeichnung einer Unterschrift oder eine Einreichung vorzunehmen, ist hiezu vom Registergericht durch Ordnungsstrafen anzuhalten; sobald es von einem sein Einschreiten rechtfertigenden ö) Sachverhalte glaub­ hafte Kenntnis erhält, hat es dem Beteiligten unter Androhung einer angemeffenen Ordnungsstrafe aufzugeben, innerhalb einer bestimmten Frist der gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen oder die Unterlassung mittels Einspruchs zu rechtfertigen?) Die unterlaffene Anmeldung eines Anmeldepflichtigen wird aber unter Umständen ersetzt durch die richtige Anmeldung Mitbeteiligter?) Den Gerichten, welche zur Führung des Handelsregisters zuständig sind, kommt auch die Führung der Börsenregister zu?) Die Organe des Handelsstandes (kaufmännische Korporationen, Handelskammern) sind gesetzlich •) verpflichtet, die Registergerichte behufs der Verhütung unrichtiger Eintragungen, sowie behufs der Berichtigung und Vervollständigung des Handelsregisters zu unterstützen. Über die 1 HGB. v. 1897 §§ 8-16; über die Form der Anmeldungen s. HGB. § 12. Anmeldung der Zweignieder­ lassung § 13 u. Freiw.Ger.Ä. § 131. 8 Nach dem RGes. über die An­ gelegenheiten der freiwilligen Ge­ richtsbarkeit (§§ 125 ff.) sind die Amtsgerichte für dieFührung der Handelsregister zuständig. Weitere Zuständigkeit der Amtsgerichte in Handelssachen s. Freiw.Ger.G. 88 145ff. 8 HGB. § 9 Abs. 2. 4 S. Seite 18 Anm. 2. 6 HGB. 88 14, 319, 325 Nr. 9. 6 Freiw.Ger.G.8132. Die einzelne Ordnungsstrafe darf 300 Mk. nicht übersteigen. HGB. § 14. Jbcr den Einspruch s. Freiw.Ger.G. §§ 134 ff. Wiedereinsetzung in den

vorigen Stand ebenda §§ 137, 22; Beschwerde — Freiw.Ger.G. §§ 139 bis 144; über die Beschwerde gegen das Amtsgericht als Registerge­ richt (s. vorige Anm 2) entscheidet das Landgericht durch eine Zivil­ kammer; ist bei einem Landgericht eine Kammer für Handelssachen (s. unten II) gebildet, so tritt für Handelssachen diese Kammer an die Stelle derZivilkammer. Freiw.Ger.G. § 30. Über Ordnungsstrafen in

Handelssachen s. Fritz Keidel in Bl. f. RAnw. 66 (1901) S. 481, 505 ff. 7 HGB. § 16. 8 Börsengesetz v. 22. Juni 1896, §§ 54—65, s. unten § 49. 9 Freiw.Ger.G. § 126.

Die Gerichtsbarkeit in Handelssachen.

§ 4.

21

formellen Voraussetzungen einer auf die Handelsregister bezüglichen ge­ richtlichen Verfügung, über den Einspruch hiegegen (nicht Beschwerde), ferner über den Beschluß, durch welchen eine Ordnungsstrafe festgesetzt oder der Einspruch verworfen wird, sowie über die Beschwerde hiegegen, ferner über Löschungen und über das Verfahren bei diesen Maßnahmen der Gerichte enthält das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit die erforderlichen Bestimmungen.')

Zu II. Neben den Geschäften jener freiwilligen Gerichts­ barkeit in Handelssachen war auch die Entscheidung handelsrecht­ licher Streitigkeiten, also die streitige Zivilgerichtsbarkeit in Handelssachen besonderen Gerichten zugewiesen, allein der Rechtszustand war in Deutschland in dieser Beziehung sowohl vor, als nach der Einführung des ADHGB. kein einheitlicher, sondern verschieden: in den meisten Ländern wurden, größtenteils im Anschluß an ältere Institutionen,1 2) besondere Handelsgerichte errichtet, so in Bayern, im Königreich Sachsen, in Hamburg, Bremen, Lübeck, in der preußischen Rheinprovinz, meist nach französischem Muster, außerdem die Kommerz- und Admiralitätskollegien zu Danzig und Königsberg u. s. w., unter verschiedener Ausdehnung ihrer Zuständigkeit; eigentümlich war die Einrichtung in Württemberg: dort wurden statt besonderer Gerichte für Handelssachen Abteilungen der bestehenden gewöhnlichen Zivilgerichte er­ richtet (Senate oder Kammern für Handelssachen), denen die Ausübung der streitigen Gerichtsbarkeit in Handelssachen zukam. Wieder in anderen Gebieten fand sich weder die letztere Einrichtung noch die besonderer Handelsgerichte, und für diese Gebiete bestimmte der Artikel 5 des Handels­ gesetzbuchs von 1861, daß das gewöhnliche Gericht an die Stelle des vom Gesetz genannten Handelsgerichts zu treten habe; und dieser letztere Satz gewann die ausgedehnteste praktische Bedeutung mit der Einführung der deutschen Gerichtsverfassung, welche seit dem 1. Oktober 1879 in Wirk­ samkeit ist, denn nach dieser reichsgesetzlichen Ordnung der deutschen bürgerlichen Gerichte gibt es überhaupt keine besonderen Handelsgerichte;

es gehören hienach jetzt im ganzen Deutschen Reiche alle handels­ rechtlichen Streitigkeiten vor die ordentlichen Gerichte und werden von diesen nach den Grundsätzen des gewöhnlichen Zivilprozeß­ rechts behandelt. Nur in einigen Beziehungen sind Eigentümlichkeiten hin­ sichtlich der Gerichtsbarkeit in Handelssachen noch anerkannt, nämlich: 1 Freiw.Gcr.G. v. 17. Mai 1898 §§ 132—143; über Beschwerden in Handelssachen der freiwilligen Ge­ richtsbarkeit, Zuständigkeit der Zivil­ kammern der Landgerichte bezw. der

Kammern für Handelssachen, GBG. §§ 100 ff., s. Freiw.Ger.G. § 30 u. unten zu II. bei und in Anm. 1 auf S. 22. 2 S. oben S. 7 Anm. 3

Einleitung.

1. Die vorhin erwähnte Württembergische Einrichtung eigener Kammern für Handelssachen kann nach dem Ermessen der Justiz­ verwaltung in den einzelnen deutschen Bundesstaaten eingeführt werden; es können also Kammern für Handelssachen errichtet werden, und zwar als besondere Abteilungen der Landgerichte an irgend einem Orte im Sprengel des betreffenden Landgerichts?) 2. Der Prozeß für handelsrechtliche Streitigkeiten richtet sich nach den Grundsätzen des gewöhnlichen Zivilprozeßrechts, jedoch mit Eigentümlichkeiten für diejenigen Handelssachen, welche Meß­ oder Marktsachen sind: die Frist, welche in einer anhängigen Sache zwischen der Zustellung der Ladung und dem Terminstage liegen soll (Ladungsfrist), kann, während sie in Anwaltsprozessen mindestens eine Woche, in anderen Prozessen mindestens drei Tage beträgt, in Meß- und Marktsachen bis auf 24 Stunden herabgesetzt werden?) und während sonst zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termin zur mündlichen Verhandlung im landgerichtlichen Verfahren ein Zeitraum von mindestens 2 Wochen, im amtsgerichtlichen Verfahren ein Zeitraum von drei Tagen oder bei auswärtigen Zustellungen ein solcher von mindestens einer Woche liegen muß (Einlassungsfrist), beträgt diese Frist in Meß- oder Marktsachen, gleichviel wo dieselben verhandelt werden, nur mindestens 24 Stunden?) auch besteht ein besonderer Gerichts­ stand des Meß- und Marktorts für die daselbst geschlossenen Handelsgeschäfte?) und sie sind Feriensachen im Sinne des Gerichtsverfassungsgesetzes?) 3. Der Wechselprozeß ist im allgemeinen als eine besondere Art des Urkundenprozesses im heutigen Rechte ausgebildet, hievon unten § 80. 1 Die Zuständigkeit dieser Kam­ mern, welche regelmäßig mit einem Mitglied des Landgerichts als Vor­ sitzendem und zwei kaufmännischen Beisitzern besetzt sind, wird durch daS GerichtsversassungSgesetz (Fas­ sung vom 17./20. Mai 1898) 88 100 biS 118. Vgl. unten § 11 UI a. Die Kammer für Handelssachen entscheidet auch über Beschwerden in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soferne die Ent­ scheidung einem Landgerichte zu- i

kommt und bei diesem eine solche Kammer gebildet ist. Freiw.Ger.G. § 30. 1 ZPO. § 217 in der Fassung v. 17.|20. Mai 1898. 3 ZPO. 88 262, 498, bei Be­ rufung § 520, bei Revision § 555; besondere Frist ist bei Zustellung im Auslande vorgesehen. * ZPO. 8 30 (ausgenommen Jahr- und Wochenmärkte). 6 GVG. § 202 Nr. 3, § 203.

Die Literatur des deutschen Handelsrechts.

§ 5.

23

§ 5. Nie Eiteratrrr des deutschen Handelsrechts.

Als ein Zweig der Rechtswissenschaft nimmt die Wissenschaft des Handelsrechts, einwirkend und beeinflußt, Anteil an den Erlebnissen und Errungenschaften der Lehre vom Recht überhaupt; so war es zur Zeit der Alleinherrschaft der romanistischen Kon­ struktion, so zur Zeit einer unfruchtbaren Reaktion hiegegen, und so ist es auch heutzutage, da jene Gegensätze zu harmonischer Ausgleichung gelangt sind. Aber neben jener Teilnahme an der Entwickelung der Rechts­ wissenschaft im ganzen steht die Ausbildung einer eigenen Fach­ literatur des Handelsrechts,') diese entwickelt sich nach drei Richtungen: 1. in Monographien, einzelnen Abhandlungen und Auf­ sätzen in Zeitschriften. Unter den Zeitschriften über das Handelsrecht nimmt die von L. Goldschmidt 1858 gegründete „Zeitschrift für daS gesamte Handelsrecht" den ersten Rang ein;8) sie bietet einen zuverlässigen Überblick über die Entwickelung des inländischen und ausländischen Handelsrechts und seiner Lehre. An sie reiht sich nun die „Monats­ schrift für Handelsrecht und Bankwesen, Steuer- und Stempelsragen" (neue Folge der Monatsschrift für Aktienrecht und Bankwesen).s) Ferner das „Bankarchiv", Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen, Organ des Zentralverbandes des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes.4) 2. in Lehr- und Handbüchern. Von älteren Darstellungen ab­ gesehen, sind als Hauptwerke in dieser Richtung zu bezeichnen: das Hand­ buch des Handelsrechts von Heinr. Thöl, f 1884 (welches in erster Auslage 1841, in sechster Auflage 1879 erschien) und die von W. Ende­ mann (4. Auflage 1887), dann Cosack (6. Auflage 1903) und Behrend (leider noch immer nicht vollendet). Von L. Goldschmidts (f Juli 1897)5) auf breitester juristischer Basis angelegten Handbuche des Handels­ rechts ist im Jahre 1864 eine erste Abteilung von Band I erschienen,

1 Tie Entwickelung des Handels­ rechts in den Jahren 1874—1884, sowie dann die von 1884—1894 ist vom Verfasser dieses Lehrbuchs in den von Kirchenheim herausge­ gebenen Literaturberichten in syste­ matischer Anordnung daraestellt, s. Zentralblatt f. Rechtswissenschaft, Ergänzungsbände zu 1884 u. 1894 auch unter dem besonderen Titel „Literaturberichte" erschienen. 2 Jetzt herausgegeben vonKammer-

gerichtsrat Dr. H. Keyßner und Prof. Dr. K. Lehmann. 3 Herausgegeben von Justizrat Dr. Paul Holdheim in Frank­ furt a. M., Carl HeymannS Verlag, Berlin. 4 Verantwortlicher Redakteur: Dr. jur. Hätschel, Frankfurt a. M. (eig. Verlag) II. Jahrgang 1903. 8 Ihn würdigt M. Pappen­ heim in GZ. Bd. 47 (1898) S. 1—49.

24

Einleitung.

welche nach einer geschichtlich-literarischen Einleitung Regeln und Quellen deS Handelsrechts und die Begriffe Handel, Handelsgeschäfte und Ware erläutert (§§ 1—109); im Jahre 1875 erschien hierauf eine zweite Auf­ lage der ersten Hälfte dieser Erörterungen; eine hiezu gehörige Lieferung, die 1883 kam, enthält noch den Anfang der Lehre von der Ware; in dritter Auflage erschien 1891, als Band I 1. Abteilung bezeichnet: „Uni­ versalgeschichte deS Handels". Zu nennen ist ferner das große von W. Endemann herausgegebene Handbuch des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts (Leipzig 1882/83), an welchem außer dem genannten Herausgeber noch Brunner, Gg. Cohn, Grünhut, Brach mann, Kunze, König, Klostermann, Lästig, Lewis, Primker, Reatz, Regelsberger, Schröder, Schott, von Völderndorff, Wendt, Wolff, Westerkamp und der Verfasser dieses Lehrbuchs gearbeitet haben. Österr. Handelsrecht

behandeln v. Canstein und Pollitzer. Eine kurze vergleichende Darstellung des alten und neuen deutschen Handelsgesetzbuches bietet Karl Lehmann in der bei Otto Liebmann, Berlin 1899, erschienenen Sammlung: Zivilprozeßordnung, Konk.Lrd. und HGB. in alter und neuer Gestalt", herausgegeben von H. v. Buchka, Fr. Oetker und K. Lehmann; ebendasselbe bringen der Hauptsache nach die unter dem Titel: Die all­ gemeinen Lehren des Handelsrechts von Karl Ritter herausgegebenen Borträge (Berlin 1900). Eine summarische Übersicht über das Handels-, See- und Wechselrecht hat H. O. Lehmann der von Karl Birkmeyer herausgegebenen Encyklopädie der Rechtswissenschaft eingesügt (Berlin 1901) S. 599-709.

3. in Kommentaren des Handelsgesetzbuchs und der zur Ergänzung desselben erschienenen übrigen Reichsgesetze, auf welche an den einzelnen Stellen der Darstellung dieses Lehrbuchs hin­ gewiesen werden wird. Der Interpretation deS neuen Handelsgesetzbuchs dient die Denk­ schrift, mit welcher der vom Bundesrat ausgehende Entwurf des HGB. dem Reichstage vorgelegt wurde (I. Guttentag 1897); ferner der Kommentar von F. Makower, d. i. die 12. Auflage des Kommentars von H. Makower (I. Guttentag Verlag) Frühjahr 1903; es sind hievon bis jetzt erschienen: ErsterBand, erster Teil: enthaltend Buch I u. II und von Buchlll §§ 342—382, ferner zweiter Band: enthaltend Buch IV (Seehandel) herausgegeben von LGR. E. Loewe und als dritter Band: Handelsrechtliche Nebengesetze, neu bearbeitet von F. Makower; dann die Kommentare von Staub (6. u. 7. Aufl. 2 Bde. 1900), Karl Lehmann und V. Ring (1899— 1901), Düringer u. Hachenburg (1900ff.), S. Goldmann (Bd I, 1901), Rudorfs (1898) — diese sämtlich ohne Seerecht. Die wechsel­ rechtliche Literatur s. unten § 76, die seerechUiche unten § 108. Ausgaben des Textes desHGB. mit Anmerkungen sind von dem Verfasser d i e s es Lehrbuchs (Verlag von C. H. Beck, München, 2. Aufl. 1900, Litthauer (I. GuNentag, Berlin, 12. Aufl. 1901, Frankenburger (München, 2 Aufl. 1902), Basch (H. W. Müller, Berlin, 5. Aufl. 1902), Könige, Danziger u. a. veranstaltet worden.

Srftts Kipitkl. Die dem Kandelsrecht unterworfenen LeVensverhättnisse: Der Kandel.

8 6. Legriff der Handelssachen und Grundlage der Systematik derselben.

Das Handelsrecht soll in „Handelssachen" zur Anwendung gebracht werden, während die Vorschriften des BGB. und deS übrigen bürgerlichen Rechts erst an zweiter Stelle in Handels­ sachen zur Anwendung gelangen, darum ist der Begriff „Handels­ sachen" möglichst genau festzustellen; er ist zuerst prozeßrechtlich entwickelt, heutzutage aber fast ausschließlich für daS materielle Recht von Bedeutung; für dieses sind als Handelssachen nur diejenigen Lebensverhältnisse des bürgerlichen Verkehrs zu be­ trachten, welche dem Handels stände als solchem eigentümlich sind, und diejenigen, welche durch Handelsgeschäfte begründet werden. Der Handelsstand umfaßt diejenigen Personen, welche ein Handelsgewerbe betreiben, diesen werden die Handelsgesellschaften handelsrechtlich gleichgestellt; in beiden Beziehungen, sowie auch bei der Feststellung des Begriffs der Handelsgeschäfte kommt es darauf an, festzustellen, was „Handel", ist. Der Gesetzgeber kann von dem objektiven volkswirtschaftlichen Begriff des gewerbsmäßig betriebenen Handels ausgehen und kann dann alle diejenigen Rechtsverhältniffe, welche sachlich zusammengehören und entweder „die den Güterumlauf vermittelnde Erwerbstätigkeit" selbst bilden oder, als sie ermöglichend, stützend und fördernd, zu ihr gehören,

26

Kap. I.

Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. rc.

dem Handelsrechte unterwerfen. Der Gesetzgeber kann aber auch von dem Begriff des Kaufmanns ausgehen und jedes Berufs­ geschäft desselben, vermöge der persönlichen Standeseigenschaft des dasselbe Betreibenden, den Regeln des Handelsrechts unterwerfen, und er kann diese Unterwerfung auch auf solche Geschäfte, welche nicht gerade zum Berufe des sie abschließenden Kaufmanns mit Notwendigkeit, wohl aber zum Berufe anderer Kaufleute gehören, ausdehnen. Das System des DHGB. ist sowohl in der Fassung, die das Ge­ setzbuch früher, vom Jahre 1861, hatte, als auch nach der neuesten, ein subjektives, aber mit objektivem Ausgangspunkte, wobei der Unterschied zu bemerken ist, daß das Gesetzbuch von 1861 die Wahl des objektiven Ausgangspunkts über die subjektive Begrenzung seiner Systematik hinaus­ wirken läßt, was nach dem HGB. von 1897 nicht mehr der Fall ist; nach dem letzteren, wie nach dem ersteren ist der Kausmannsbegrifs auf den des Handelsgeschäfts, nämlich des gewerbsmäßig betriebenen Handels­ geschäfts, gebaut: Kaufmann ist, wer gewerbsmäßig Handelsgeschäfte betreibt, oter, was ganz dasselbe bedeutet, ein Handelsgewerbe betreibt (f. unten § 11); welche Geschäfte aber hierunter fallen, hat der Gesetzgeber aus­ drücklich zu bestimmen, letzteres geschieht durch eine möglichst genaue Aufzählung. Aber alle so charakterisierten Geschäfte unterliegen dem Handelsrechte nur, wenn sie entweder unmittelbar zum Betriebe des Handelsgewerbes des sie abschließenden Kaufmanns gehören (Grundgeschäste, s. unten §§ 8, 10), oder von einem Kaufmann im Betriebe seines gewöhnlich aus andere Geschäfte gerichteten Handelsgewerbes ge­ schlossen werden (Nebengeschäfte, s. unten § 9). Fehlt jede Beziehung des Geschäfts zum Handelsgewerbe eines Kaufmanns, so fällt das Ge­ schäft nicht unter das Handelsrecht. Die vom HGB. von 1861 vorge­ nommene Erweiterung, welche, wie erwähnt, vom objektiven Begriff des Handelsrechts aus vorgenommen wurde, ist nach dem HGB. von 1897 nicht mehr Rechtens, mit a. W, die Kategorie der sogen, objektiven oder absoluten Handelsgeschäfte ist gefallen, Geschäfte von Nichtkausleuten sind nach dem neuen Rechte niemals Handelsgeschäfte; es kann allerdings Vor­ kommen, daß auch auf einen Nichtkausmann Regeln des Handelsrechts in Anwendung kommen, aber nur dann, wenn es sich um ein Geschäft handelt, das für den andern Kontrahenten ein Handelsgeschäft ist, und dies kann nur dann eintreten, wenn dieser andere Kontrahent, also wenigstens der eine Teil der zwei das Geschäft Abschließenden, ein Kauf­ mann ist.

Die Systematik ist also folgende: I. Der Handelsstand, für deffen Rechtsverhältnisse in erster Linie das Handelsrecht bestimmt ist, besteht aus den Kaufleuten und den ihnen gleichgestellten Gesellschaften.

Begriff der Handelssachen rc.

§ 6.

27

n. Kaufleute sind diejenigen, welche Handelsgewerbe betreiben (s. unten § 11). III. Handelsgewerbe aber sind diejenigen Unternehmungen, welche eines der vom Gesetz ausdrücklich bezeichneten Handels­ geschäfte zum Gegenstände haben: das Gesetz zählt die sogen. Grundgeschäfte des Handels ouf.1)2 IV. Außer den Grundgeschäften sind aber auch die Neben­ geschäfte eines Handelsgewerbebetriebs dem Handelsrechte unter­ stellt.-) V. Erweitert wird der bisher festgehaltene Begriff des Handelsgewerbes im materiellen Sinne (s. III., IV.) durch die Anerkennung sogen, formeller Handelsgewerbe, nämlich derjenigen gewerblichen Unternehmungen, welche nicht um ihres Gegenstandes willen, wie die unter III. und auch unter IV. aufgezählten, sondern lediglich aus formalen Gründen dem Handelsrechte sich unterordnen.3) VI. Ausgeschieden sind nicht die Geschäfte über unbewegliche Sachen, die das Handelsgesetzbuch früher ohne weitere Unter­ scheidung unberührt ließ, während nach dem neuen Handelsrechte ein gewerbliches Unternehmen, welches sich mit Immobilien be­ schäftigt, wenigstens ein formelles Handelsgewerbe (s. V.) sein kann; dagegen sind ausgeschieden selbstverständlich alle diejenigen Produktionszweige, welche gar nicht mit dem gewerbsmäßigen Umsatz von Waren zu tun haben, vor allem und ausdrücklich der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, doch können Neben­ gewerbe dieser Wirtschaften unter Umständen (s. unten § 10) den Handelscharakter annehmen. In diesen Sätzen I.—VI. sind die Grundpfeiler zu erblicken, auf denen die Systematik der Handelssachen nach dem neuen Rechte aufgebaut ist.

§ 7. Las System der Handelssachen im einzelnen. I. Der Handelsstand umfaßt gewisse Gewerbetreibende; ein Gewerbe aber ist jede wirtschaftliche Tätigkeit, welche in der kraft eines zusammenfassenden Willensentschlusses gewollten Bor-

1 HGB. 8 1 Abs. 2 Ziffer 1-9 s. unten §§ 8, 10. 2 HGB. §§ 343, 344.

§§ 2, 3 s. unten § 8

Ziffer 10.

28

Kap. I.

Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. rc.

nähme einer Reihe von wirtschaftlich zusammenhängenden Ge­ schäften und Arbeiten besteht; der Willensentschluß wird durch zwei hier notwendig vorausgesetzte Absichten als eigenartig gekenn­ zeichnet, nämlich: 1. durch die Absicht, ein bestimmtes wirtschaftliches Ziel zu erreichen, z. B. ein gewisses Naturprodukt zu gewinnen, ein Fabrikat herzustellen, kurz, die Mittel der Bedürfnisbefriedigung zu vermehren oder zu verbessern, ihre Benützung oder Ver­ wendung zu ermöglichen, zu fördern und dergl.; 2. in der Absicht, hievon Gewinn zu machen, d. h. daS eigene Einkommen, die Mittel zur Befriedigung der eigenen Be­ dürfnisse zu vermehrens) und zwar dadurch, daß das unter 1. erwähnte wirtschaftliche Ziel für Andere gegen Entgelt erstrebt wird (s. unten § 11). II. Unter den verschiedenen menschlichen Tätigkeiten, welche nach dem eben Gesagten als Gewerbe in Betracht kommen können, ist durch das positive Recht eine zusammengehörige Gruppe unter besondere Regeln gestellt, und zwar sowohl dann, wenn diese Tätigkeit das Hauptgewerbe, als auch dann, wenn sie ein Neben­ gewerbe des sie Betreibenden bilden. Haupigewerbe ist nicht not­ wendig dasjenige, bei welchem die zweite der vorhin als zum Gewerbe­ begriff zugehörig vorausgesetzten Absichten am vollkommensten erreicht wird, es ist vielmehr denkbar, daß ein Nebengewerbe eines Gewerbetreibenden rentabler ist alS sein Haupigewerbe; letzteres wird gegenüber ersterem durch die vorwiegend objektiv wirtschaftliche Absicht (I. 1.) charakterisiert, und es kommt hierbei auf die Wichtigkeit, Intensität und Ausdehnung an, welche der Betreibende selbst seinem Gewerbebetriebe beilegt; so kann ein Buchdrucker die Druckerei als Hauptgewerbe, einen Buchhandel als Neben­ gewerbe betreiben, während ein anderer die beiden Gewerbe in umgekehrter Rangordnung ausübt. Diejenigen gewerblichen Unternehmungen nun, welche wegen ihres objektiven wirtschaftlichen Zieles als „Handelsgewerbe" vom positiven Rechtes ausgezeichnet werden (f. unten § 8), sind auch dann Handelsgewerbe, wenn sie von einem ein Nichthandelsgewerbe als Hauptgewerbe Betreibenden nur nebenbei, aber gewerbsmäßig, d. h. in den beiden hiezu Vorausgesetzen Absichten, jedoch nur als Nebengewerbe, betrieben werden?) Dies trifft nicht nur gegenüber dem Handwerk- und

1 HGB. § 1 Abs. 2 Nr. 1—9. j macher, welcher neben der hauptge­ 2 4)er Buchbinder, welcher neben : werblichen Anfertigung und Repa­ seinem Hauptgewerbe, der Buch- ! ratur von Uhren Zeitmeßapparate binderei, Papierwaren aus Fabriken j aus Fabriken zum Verkauf bezieht, bezieht und an das Publikum un- : der Klempner, der nebenbei mit verändert veräußert, ebenso der Uhr­ fertig bezogenen Blechwaren handelt,

Fabrikwesen, sondern auch gegenüber den Urproduktionen zu, jedoch in Bezug aus Land- und Forstwirtschaft mit einer eigentümlichen Be­ schränkung: das positive Recht schreibt nämlich vor, daß dem Unternehmer eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs das Recht zustehl, nach seinem Belieben ein Nebengewerbe jenes Betriebs entweder als Handelsgewerbe oder als Nichthandelsgewerbe zu bezeichnen und als dieses oder jenes gelten zu lassen (hievon ausführlich unten § 10); dieses Recht steht ihm selbst dann zu, wenn jenes Nebengewerbe die Einrichtung eines kauf­ männischen Betriebs wegen seines Umfangs oder seiner Betriebsart er­ fordert, mithin ein sogen, formelles Handelsgewerbe (nach § 2 des HGB., siehe oben § 6 V., Seite 27) wäre, wenn es eben nicht gerade von einem Forst- oder Landwirte als Nebengewerbe betrieben würde. (S. unten § 10.)

III. Verschieden von dem Begriff „Handelsgewerbe" ist der Begriff „Handelsgeschäft". Der letztere Ausdruck wird nach unserem positiven Rechte in zwei verschiedenen Bedeutungen ge­ braucht, und zwar: 1. zur Bezeichnung einer Handelsniederlassung x) (hievon unten § 15); 2. zur Bezeichnung eines einzelnen Rechtsgeschäfts (Vertrags), in diesem Sinne wird der Ausdruck in der Überschrift des dritten Buchs des HGB?) (s. unten drittes Kapitel) gebraucht. IV. Die Rechtsgeschäfte, deren Abschluß und Vollzug im Gewerbebetriebe eines Kaufmanns als zu diesem gehörig vorkommen und deshalb als Handelsgeschäfte bezeichnet werden (HGB. §§ 343f.), bilden entweder das Fundament des Handelsbetriebs, den Gegen­ stand des Gewerbebetriebs im eigentlichen Sinne als eines be­ sonderen gewerblichen Unternehmens, und dies sind die Grund­ geschäfte des Handels, der darauf gerichtete Betrieb mag Haupt­ oder Nebengewerbe eines Kaufmanns, eines Landwirts oder eines sonstigen Unternehmers sein — von den Grundgeschäften wird in §§ 8, 10 gesprochen —, oder sie sind nur Zusatz zum Handel oder zum besonderen handelsgewerblichen Betriebe, und dies sind die Nebengeschäfte eines Handelsbetriebs; von diesen wird in § 9 gesprochen. — alle diese und ähnliche Gewerbe­ treibende sind bezüglich deS Neben­ gewerbes (wegen HGB. § 1, Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1) Kaufleute (s. aber

HGB. § 4). Hinsichtlich der.Töpferei s. unten S. 44 Anm. 4. 1 HGB. §§ 22-28. 1 Jnsbes. s. HGB. §§ 343—372.

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Kap. I.

Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. rc.

8 8. Sas System -er Handelssachen im einzelnen (Fortsetzung): A. Sie GruudgrschSste.

Nach der positiven Bestimmung des HGB. sind folgende Arten von Geschäften Grundgeschäfte des Handels, d. h. geeignet, den Gegenstand eines Gewerbebetriebs zu bilden, der dadurch, daß dies der Fall ist, als Handelsgewerbe gilt: 1. Der Spekulationskauf und -verkauft) und die diesen Spekulationsunternehmungen entsprechenden Realisationen. Jede Handelsoperation, welche in der Absicht, Gewinn zu machen, vorgenommen wird, setzt sich aus mindestens zwei Rechtsgeschäften zusammen, von denen das zeitlich vorangehende das Spekulationsgeschäft, das nachfolgende das Realisationsgeschäst ist; ist das erstere ein Einkauf, die nachfolgende Reali­ sation ein Verkauf seitens des nämlichen Spekulanten, so ist die Speku­ lation darauf gerichtet, den Betrag zu gewinnen, um welchen der durch den Realisationsverkauf zu erreichende Kaufpreis den Einkaufspreis über­ steigt, dies ist der Fall beim billigeren Engroseinkauf behufs teureren Detailverkaufs, im Börsenverkehr bei der Spekulation ä la hausse.1 2)3 Ist das Spekulationsgeschäft ein Verkauf, nämlich die Übernahme einer Liefe­ rung von Waren, welche der Übernehmer, um sie liefern zu können, erst selbst noch anschaffen muß, so ist die Spekulation darauf gerichtet, den Betrag zu gewinnen, um welchen der in Lieferung genommene Gegenstand später billiger eingekaust werden wird, als er vorher bet der Lieferungs­ übernahme von dem nämlichen verkauft ward; z. B. ein Armeelieferant spekuliert darauf, die Gegenstände, deren Lieferung an die Armee er zu einem bestimmten Preise übernommen hat, sich selbst billiger liefern zu lassen; an der Börse heißt dieses Geschäft das Fixen oder die Spekulation ä la baisse. Alle vier in diesem Zusammenhang denkbaren Geschäfte (Spekulationsein- und -verkauf, Realisationsein- und -verkauf) sind unter den Namen Anschaffung und Weiterveräußerung im Gesetze zusammen­ gefaßt, jedes derselben ist aber auch einzeln für sich allein Handelsgeschäft, wenn und weil es zum Gewerbebetrieb des Kaufmanns gehört; die Ab­ sicht, Gewinn zu machen, liegt in der Gewerblichkeit der Anschaffung und der Weiterveräußerung. Auch die Weiterveräußerungen, welche von Handwerkern vorgenommen werden, sind Handelsgeschäfte, vor­ ausgesetzt, daß der Handwerker Kaufmann ist2) und die Weiterveräußerung im Gewerbebetriebe, wenn auch des Nebengewerbes, gelegen ist. Zur Anschaffung im Sinne des Gesetzes gehört außer dem Kauf*) auch der Tausch,*) ferner die sogenannte uneigentliche Leihe

1 HGB. § 1 Abs. 2 Nr. 1. 8 Börsengeschäfte s. unten §§48,49. 3 Wenn auch minderen Rechts s. HGB. § 4.

4 HGB. §§ 373-382. BGB. 433—514. 6 BGB. § 515. Mitunter wird der Tausch auch Baratto-Geschäst

Das System der Handelssachen im einzelnen :c.

§ 8.

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und die sorlimentsbuchhändlerische oder kommissionsweise Anschaffung?)

Der Gegenstand dieser Geschäfte besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes in „beweglichen Sachen (Waren)", das sind materielle Wertträger, z. B. Kolonialwaren, Getreide (s. unten § 42), und „Wertpapiere", das sind die sogenannten formalen Wertträger, Effekten, z. B. Aktien, Staatsobligationen, Pfandbriefe, Bank­ noten, Wechsel und dergl., vorausgesetzt, daß sich diese Wert­ zeichen für den Handelsverkehr eignen. Bei den Gegenständen der ersteren Art kommt noch die wichtige Ausdehnung des Handelsbegriffs auf die stoffumgestaltende Handwerk- und Fabrik­ arbeit in Betracht; da es keinen Unterschied in Bezug aus die Handelsnatur des Geschäfts ausmacht, ob die Waren unverändert oder nach einer Be- oder Verarbeitung weiter veräußert werden, so fallen auch die gewerblichen Anschaffungen von Fabrikanten, Apothekern, Gastwirten und Handwerkern unter den Begriff dieser Handelsgeschäfte.

2. Die fabrikmäßige oder wenigstens nicht handwerksmäßige Be- und Verarbeitung von beweglichen Sachen für andere, nämlich für Rechnung von Bestellern, welche den Stoff zur Scober Verarbeitung selbst liefern, so daß der die Be- oder Ver­ arbeitung übernehmende Geschäftsmann lediglich die Arbeit liefert. Erzeugt der Fabrikant selbst den von ihm der Bearbeitung zu unter­ ziehenden Rohstoff, so 'gehört der Geschäftsbetrieb, soweit er es nur mit diesem Rohstoff zu tun hat, nicht hieher; *) dagegen gehören hieher die im großen betriebenen Spinnereien, Färbereien, Zeugdruckereien, Mühlen­ werke, Holzsägen u. dergl., immer vorausgesetzt, daß die dem Appretur­ verfahren oder der Aufbereitung zu unterwerfenden Stoffe von den Be­ stellern geliefert oder für Rechnung der letzteren von dem Fabrikanten angeschafft werden.') Die lediglich im Umfang eines Handwerks vor­ genommene Bearbeitung oder Verarbeitung fremder Stoffe bildet nicht den Gegenstand, eines Handelsgewerbebetriebs.

3. Die Übernahme von Versicherungen gegen Prämie/) 4. Die Bankier- und Geldwechslergeschäfte:ö) die gewerbliche genannt; s. Gareis, Hdbch. tz 258 > Gar eis, HGB. Anm. 10 hiezu; zu Anm. 26 ff. von den Versicherungsgeschäften 1 Über das buchhändlerische Konhandeln unten §§ 62, 64, 118, nun ditionsgeschäft s. aber Buhl in auch § 39 a (Bersich.V. a. G.). GZ. Bd. 25 S. 142 ff. (f. unten § 59). 6 Durch den gewerbsmäßigen Be­ * Es ist aber möglicherweise auf trieb von Bankgeschäften werden alle Grund der §§ 2 u. 3 des HGB. Banken, auch die sog. öffentlichen, ein Handelsgewerbe. gleichviel wer ihr Inhaber ist, zu 3 HGB. 1 Nr. 2; hiezu s. Kaufleuten. S. Gar eis, HGB G a r e i s, HGB. 1900, Anm. 9 au § 1. S. 9. 4 HGB. § 1 Abs. 2 Nr. 3; s.

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Kap. I.

Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. rc.

Vermittelung des Geld- und Kreditverkehrs ist von jeher ein Handelsgewerbe gewesen; die hieher gehörigen Geschäfte sind sämtlich in der Absicht unternommen, Gewinn daraus zu ziehen, daß Geld und Kredit, welche dem Bankier angeboten werden, dahin geleitet werden, wo sie gesucht sind. Die wichtigsten Bank­ geschäfte ergeben sich aus der Betrachtung des Geschäftsverkehrs des wichtigsten Bankinstituts, nämlich der Reichsban k.*) a) Das Diskontogeschäft, das ist der Ankauf von noch nicht fälligen Wechseln, auch von Checks und von Schuldverschreibungen des Reich-, eine- deutschen Staats oder inländischer kommunaler Korporationen, welche binnen kurzer Frist nach dem Ankäufe mit ihrem Nennwert fällig werdens) über dieses Geschäft siehe unten § 88. b) Das Einziehungsgeschäft, das ist keine Unterart des Kommissions­ geschäfts mehr, sondern als sogenannte Jnkassokommission eine besondere Art kaufmännischen Arbeitsvertrags?) c) Das Lombardgeschäft. Siehe unten § 63.*) d) Der Giroverkehr und das Geschäft der Abrechnung (Clearing) an den sogen. Abrechnungsstellen, siehe unten § 68 VI?) 1 Diese ist eine Reichsanstall, in deren Verwaltung die höchsten Oraane des Reiches einzugreifen haben. Ihre Leitung steht dem Reichskanzler und unter diesem dem auS Reichs­ beamten gebildeten Bankdirektorium zu. Privatrechtlich ist die Reichs­ bank eine aus Grund des deutschen Bankgesetzes vom 14. März 1875 (RGBl. 1875 S. 177) zur Existenz gelangte juristische Person mir dem Hauptsitze zu Berlin und mit einem durch Zeichnung von Anteilscheinen (zu je 3000 Mk.) aufgebrachten Grundkapital von 120 Millionen Mk., welches durch RG. v. 7. Juni 1899 aus 180 Millionen Mk. (60000 Anteile zu 1000 Mk.) erhöht worden ist. Über den Reichsbankanteilschein s. Ernst Jacobi, Die Wertpapiere (1901) § 67. Die hierauf bezüg­ lichen Gesetze, Verordnungen und Reglement- sind zusammengestellt und mit einer höchst lehrreichen Einleitung (von 46 S.) versehen von R. K o ch (Präsident des Reichs­ bankdirektoriums) in „ReichSaesetzgebung über das Münz- und Noten­

bankwesen, Papiergeld, Prämien­ papiere und Reichsanleihen", Text­ ausgabe mit Anm. u. Sachregister. 4. Ausl. (Hier angeführt: Koch, St.LN.) Berlin, I. Guttentag 1900. der die Verwendung des Reinge­ winns der Reichsbank s. RGes. vom 18. Dez. 1889 (RGBl. 1889 S. 201). Koch, M. & N. S. 122-124. * S Koch, M. L N. (s. vorige Anm.)S.254fs.; Reichsbankgesetz vom 14. März 1875 §§ 13 Nr. 2, 15. Über alle Einzelheiten des ReichSbankoerkehrs mit dem Publikum s. die bei den Bankstellen erhältlichen „Allgemeine Bestimmungen über den Geschäftsverkehr mit der ReichSbank", abgedruckt auch bei Koch, M. & N. S. 254 u. ff. Hierüber s. ROHG. 2 S. 137, 221. ’ S. RBkG. 8 13 Nr. 5 und die in voriger Anm. angegebenen allgem. Bestimmungen V &. 27, 28. Koch, M. & N. S. 262. Vgl. unten § 60. * RBkG. § 13 Nr. 3. Koch, M. & N. S. 264 ff. 6 RBkG. § 13 Nr. 7. VI S. 42—50. Koch, M.LN. S. 279ff.

Das System der Handelssachen im einzelnen ?c.

§ 8.

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e) Der Ein- und Auszahlungs-, Anweisungs-, Scheckverkehr, siehe unten § 66 II, IV?) f) Das Efsektenkommissionsgeschäst, ein Kommissionsgeschäft im Sinne des HGB. Siehe unten § 51?) g) Das Depotgeschäft, und zwar aa) Verwahrung offener Depots, siehe unten § 60; bb) Verwahrung verschlossener Depositen, § 60?) h) Der Ankauf und Verkauf von edlen Metallen, Gold und Silber in Barren und Münzen?) i) Die Emission von Banknoten, Pfandbriefen und anderen Wert­ papieren, s. unten § 72 III.61) * 3 4 * k) Der gewerbliche Betrieb des Darlehnsgeschäfts nach seiner aktiven und passiven Seite hin, insbesondere das Sparkassengeschäst und Bankdepositengeschäst einerseits 6)* und das Vorschuffgeschäst andererseits; unter letzterem kann auch das Darleihen gegen Verbodmung') und das Hypothekengeschäst im Bankgewerbebetriebe vorkommen.9)

5. Die Übernahme der Beförderung von Gütern (s. unten § 112)0) oder Reisenden (s. unten § 113)10) zur See, die Ge­ schäfte der Frachtführer (s. unten §§ 56 bis 58) nj oder der zur Beförderung von Personen zu Lande oder auf Binnengewässern bestimmten Anstalten (d. h. größeren Unternehmungen, wie etwa städtische Pferdebahnen, elektrische Straßenbahnen u. bcrßl.),12) sowie die Geschäfte der Schleppschiffahrtsunternehmer.") 6. Die Geschäfte der Kommissionäre (f. unten § 51),") der Spediteure (f. unten § 52)") oder der Lagerhalter (s. unten § 55).") 1 RBkG. § 13 Nr. 5. Koch, M. & N. S. 289 ff. - RBkG. § 13 Nr. 6. HGB. §§383ff. Koch, M. L N. S. 291 ff. 3 RBkG. § 13 Nr. 8. Koch, M. & N. S. 292 ff, 309 ff, 260 ff. Vgl. hiezu auch das RGes. vom 5. Juli 1896 betr. die Pflichten der Kaufleute bei Verwahrung fremder Wertpapiere vom 5. Juli 1896.

4 RBkG. § 13 Nr. 1, 14. Koch, M. & N. S. 103. 6 RBkG. §16. BGB. §§ 793 ff. Koch, M. & N. (5.109. * Vgl. RBkG. § 13 Nr. 7. S. Koch, M. & N. S. 308. Vgl. RGer. 23 S. 99 ff. 7 HGB. § 679 s. unten § 114. 9 Über alle diese Bankgeschäfte s. Gar eis, Handelsrecht. 7. Aufl.

Gareis, HGB § 1 Anm. 11, über das zuletzt erwähnte s. Hypo­ thekenbank. Gesetz v. 13. Juli 1899. v HGB. § 1 Abs. 2 Ziffer 3 §§ 556—663. 10 HGB. § 1 a. a.O. u. §§664—678. 11 HGB. §§ 425 - 452, auch §§ 453 bis 473 (Eisenbahnen). 12 Die Transportgeschäste derPostverwaltunaen des Deutschen Reichs und der Deutschen Bundesstaaten fallen nach der ausdrücklichen Bestimmuno des HGB. §§ 452, 663 nicht mehr unter das Handelsrecht. Gareis, HGB. S. 10. 19 HGB. § 1 Abs. 2 Ziffer 5 u. hiezu Anm. 13 bei Gar eis, HGB. 1X HGB. §§ 383—406.

16 HGB. §§ 407—415. 16 HGB. §§ 416-424.

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Kap. I.

Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. rc.

7. Die Geschäfte der Handlungsagenten (f. unten § 54)x) oder der Handelsmäkler (s. unten § 53)/) nämlich die Über­ nahme von Geschäftsaufträgen seitens dieser Personen. 8. Die Berlagsgeschäfte, sowie die sonstigen Geschäfte des Buch- und Kunsthandels (f. unten § 59)?) 9. Die Geschäfte der Buch-, Stein-, Stahl-, Kupfer-, Photographieen-, Photogravuren- und anderer Druckereien, sofern ihr Betrieb über den Umfang des Handwerks hinausgeht/) 10. Grundgeschäft eines als Handelsgewerbe geltenden ge­ werblichen Unternehmens kann aber auch — außer den unter 1—9 aufgezählten Geschäften — jedes andere Rechtsgeschäft sein, welches wesentlich zu einem sogen, formellen Handelsgewerbe gehört; das Deutsche HGB. stellt nämlich, wie bereits oben § 6 V angedeutet worden ist, neben die in § 1 des HGB. auf­ gezählten sogen, materiellen Grundgeschäfte Unternehmungen, welche man als formelle Handelsgewerbsgeschäfte bezeichnen kann, das sind diejenigen gewerblichen Unternehmungen, welche nicht durch den Gegenstand des Betriebs, wie die materiellen Grund­ geschäfte, sondern durch die Form desselben handelsmäßig werden: wenn ein Unternehmen tatsächlich der Art ist, daß notwendig, um Ordnung darin in eigenem und fremdem Interesse zu halten, Bücher nach Kaufmannsart geführt, die einlaufenden Briefe auf­ bewahrt, die ausgehenden kopiert, die Geschäfte eines jeden ein­ zelnen Kunden zusammengestellt und von denen der übrigen ge­ trennt gebucht, auch die Geldgeschäfte und die auf die Materialien bezüglichen Aufzeichnungen auseinandergehaltcn werden müssen, so gilt ein solches Unternehmen als Handelsgewerbe (formelles Handelsgewerbe), sofern die Firma des Unternehmers in das Handelsregister eingetragen ist; die Anmeldung hiezu kann das Gericht, welches das Handelsregister zu führen hat, mit Ordnungs­ strafen erzwingen, wenn es zu der Überzeugung gelangt ist, daß zu dem ordentlichen Betriebe des fraglichen Unternehmens nach Art und Umfang desselben eine kaufmännische Betriebseinrichtung objektiv erforderlich ist; *) darauf, ob der Unternehmer selbst einen 1 HGB. 8§ 84—92. 2 HGB. 88 93-104. 8 HGB. 8 1 Abs. 2 Ziffer 8 und die Anm. 16 u. 17 hiezu, bei G a r e i s HGB. S. 11 u. 12. Über Verlags­ geschäfte als Handelsgeschäfte s. Ur­ teil des bayr. Obersten LG. vom

10. Juni 1901 Bl. s. RAnw. 66 (1901) S. 496. 4 HGB. 8 1 Abs. 2 Nr. 9 und die Anm. 18 u. 19 hiezu bei G a r e i s HGB. S. 12 u. 13. 6 Auch Standesherrn gegenüber ausgesprochen vom K.Ger. Berlin

Das System der Handelssachen im einzelnen ?c.

§§ 8, 9.

35

in kaufmännischer Weise eingerichteten Betrieb für erforderlich hält oder eingerichtet hat oder nicht, kommt es nicht an, sondern lediglich auf die objektive, durch technische und andere Zweckmäßigkeitserwägungen sich aus der Art und Ausdehnung des Be­ triebs ergebende Notwendigkeit, von welcher sich das Gericht über­ zeugen muß. Für das Publikum ist ein solches Unternehmen erst dann wenigstens vermutungsweise ein Handelsgewerbe, wenn die Firma desselben in das Handelsregister eingetragen worden ist. Unternehmungen dieser Art können sein die Betriebe von Bergwerken, Salinen, Steinbrüchen, Tonwarenfabriken, Ziegeleien, Leihbibliotheken, Annoncenexpeditionen, Patent- und Auskunftsbureaux, Gas-, Wasser­ leitungs-, Elektrizitäts-Jnstallationsgeschäfte, Anstalten für Tiefbohrungen, Brunnenanlage und bergt, auch die Geschäfte von Grundstücksmäklern, Bauunternehmern, Häuser- und Bauplatzspekulanten und ähnlichen, immer vorausgesetzt, daß der Geschäftsbetrieb ein gewerblicher ist und nach Art und Umfang die kaufmännische Einrichtung (Buchführung, Geschästslokal, Geschästsstunden, kaufmännisches Personal) erfordert?) Land- und forstwirtschastliche Betriebe der angegebenen Art werden nur dann ins Handels­ register eingetragen, wenn der Unternehmer sie als Nebengeschäft zum Handelsregister anmeldet, wozu er berechtigt, aber nicht verpflichtet ist (siehe oben § 7 II).

§ 9. Las System der Handelssachen im einzelnen (Fortsetzung): B. Nebengeschästr.

Wenn ein Geschäft nicht den Gegenstand des Gewerbebetriebs eines Kaufmanns bildet, wohl aber von diesem im Betriebe seines gewöhnlich auf andere Geschäfte gerichteten Handelsgewerbes vor­ genommen wird, so fällt es als sogen. Nebengeschäft unter das Handelsrecht; hiebei kommen folgende verschiedene Verhältnisse in Betracht: 1. Es kann sein, daß von einem Kaufmann als Neben­ geschäft ein Geschäft betrieben wird, welches eines der vor­ erwähnten (§ 8 Ziffer 1—9) Grundgeschäfte ist, insofern es den Gegenstand eines eigenen Handelsgewerbebetriebs bilden kann, welchen es aber, weil und wenn als Nebengeschäft betrieben, eben nicht bildet. 2. Zahlreiche Verträge sind derart, daß sie nicht Gegenstand

23. September 1901 s. Recht 1902 | 1 HGB. §2. Gareis, HGB. S. 17. I S. XXXIV u. S. 13—15.

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Kap. I.

Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. rc.

eines Handelsgewerbes sein können, wohl aber für ein solches notwendig oder wenigstens nützlich sind, eS sind dies die sogen. Hilfsgeschäfte des Handels; zu diesen gehören die Gesellschafts­ verträge (BGB. §§ 704—711, HGB. §§ 105—342), Dienstverträge (BGB. 88 611—634, HGB. §§ 48—83), Bersicherungsgeschäste, welche von einem Kaufmann als Versicherungsnehmer gegen Prämie oder auf Gegenseitigkeit abgeschlossen werden (anders die Übernahme von Ver­ sicherungen gegen Prämie, HGB. § 1 Nr. 3 und oben § 8 (s. 53), die Materialanschaffungsverträge (betr. Kontoreinrichtungen, Heizungs- und Beleuchtungsmittel, Fuhrwerke und dergl.); die Weiterveräußerungen (s. HGB. § 1 Abs. 2 Nr. 1 und oben S. 30-31) sind ohne Zweifel Handels­ geschäfte, insofern sie sich als Realisationen an Spekulationsanschaffungen anschließen.J)

3. Abgeschlossen wird der Bereich der Geltung des Handels­ rechts in sachlicher Hinsicht durch zwei Rechtsvermutungen, welche den Schluß auf die Handelsnatur von Geschäften gesetzlich erleichtern: die einfache Rechtsvermutung, daß alle von einem Kaufmanne vorgenommenen Rechtsgeschäfte (nicht bloß die zweiseitigen) im Zweifel als zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörig gelten2) (und darum folgeweise als Handelsgeschäfte anzusehen sind), und die verstärkte Rechtsvermutung in betreff der von einem Kaufmanne gezeichneten Schuldscheine: diese gelten nämlich als im Betriebe des Handelsgewerbes gezeichnet, sofern nicht aus der Urkunde selbst sich das Gegenteil ergibt?) 4. Alle als Nebengeschäste in Betracht kommenden Handels­ geschäfte setzen ebenso wie die Grundgeschäfte, um Handelsgeschäfte zu sein, voraus, daß sie von einem Kaufmanne, sei es in seinem Haupt-, sei es in einem Nebengewerbe, vorgenommen werden; doch wird die Handelsqualität ebensowenig wie die Gültigkeit des betreffenden Geschäfts dadurch berührt, daß der es Vor­ nehmende in seinem Persönlichkeitsrechte der freien Betätigung (s. unten 8 14 S. 54 ff.) aus Gründen des öffentlichen Rechts eingeschränkt ist. 5. Sowohl bei den Grundgeschäften, als bei den Nebengeschäften ist es möglich, daß die Voraussetzung, unter welcher das Geschäft ein Handelsgeschäft ist, nur auf Seite des einen der daran Beteiligten zutrifft; die Vorschriften über Handelsgeschäfte kommen 1 Wegen derWeiterveräußerungen durch Handwerker s. unten § 12 S. 44. ' HGB. § 344 Abs. 1. 8 tz 343 Abs. 1.

* HGB. 8 344 Abs. 2. Hiezu s. Martin Wolfs in GZ. Bd. 47 S. 247 ff.

Das System der Handelssachen im einzelnen ?c. § 10.

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aber auch in diesem Falle in der Regel für beide Teile gleich­ mäßig zur Anwendung?) § 10. Las System der Handelssachen im einzelnen (Fortsetzung): Nebengewrrbebetrirde, insbesondere bei Land- und Forstwirtschaft.

Land- und Forstwirtschaft1 2) sind wirtschaftliche Unter­ nehmungen, welche sich vom Handel derart unterscheiden, daß die für letzteren geltenden besonderen Rechtsnormen auf sie prinzipiell keine Anwendung finden können;3)4 dennoch ist eine Verbindung eines Betriebs, der sich dem Handelsrecht unterstellen läßt, mit einem land- und forstwirtschaftlichen Betriebe denkbar: dies kann entweder so vorkommen, daß durch die Erweiterung des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs die Unternehmung einen industriellen oder kommerziellen Charakter annimmt/) oder so, daß letzteres nicht bloß die Folge der Ausdehnung eines an fich land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs ist, sondern eine ihrem Wesen nach (nicht land- oder forstwirtschaftliche, sondern) in­ dustrielle oder kommerzielle Unternehmung bildet?) Im einen wie

im anderen Falle können die Betriebsverhältnisse außerordentlich ver­ schieden und namentlich die Beziehungen zu dem land- oder forstwirt­ schaftlichen Hauptbetriebe mehr oder weniger enge, weitergehende oder dauernde sein: daraus ergibt sich, daß eine objektive Grenzenziehung zwischen dem Landwirtschaftlichen (ober Forstwirtschaftlichen) und dem Handelsmäßigen (oder Industriellen) jener Betriebe nicht möglich oder im 1 HGB. § 345, Ausnahmen s. unten tz 11 III S- 40—43. 2 Über diese Begriffe s. Gareis, HGB. S. 15 u. 16 und die dort angegebene Fachliteratur. S tzGB. § 3 Abs. 1. 4 Z. B. ein Landwirt kaust Mager­ vieh an, um es auf seiner Weide fett werden zu lassen und dann wieder zu verkaufen, oder er ver­ äußert das von ihm selbst geerntete Getreide, nachdem er es mit fremdem von ihm getauftem vermischt hat, oder er stellt die Butter, welche er zum Verkaufe bringt, nicht aus­ schließlich aus der Milch seiner eigenen Kühe, sondern unter Ver­ wendung von hiezu angekauster

Milch her (s. Denkschr. S. 3147 Gareis, HGB. S. 16ff.). 5 Z. B. ein Landwirt betreibt eine Branntweinbrennerei, in welcher er sowohl die auf seinem eigenen Boden gezogenen, wie auch die hiezu gekauften Kartoffeln verarbeitet; oder er betreibt eine Ziegelei, in welcher er außer der auf feinem Grund und Boden gestochenen auch fremde Ziegelerde verwendet; ein Forstwirt läßt auf seinem Säge­ werke außer eigenem Holze regel­ mäßig auch das Holz einiger Nach­ barn gegen Vergütung schneiden (s. Denkschrift S. 3147, Gareis, HGB. S. 17).

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Kap. I.

Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. x.

einzelnen Falle wenigstens äußerst schwierig wäre, daher läßt der Gesetzgeber den Land- oder Forstwirt selbst entscheiden, ob er als Kaufmann behandelt

Der Land- oder Forstwirt ist demnach berechtigt, aber nicht verpflichtet, bezüglich des sich nur als Nebengewerbe seines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs darstellenden Unternehmens die Eintragung in das Handelsregister herbeizuführen. Ist die Eintragung erfolgt, so gilt der Unternehmer in Bezug auf das ein­ getragene Unternehmen als Kaufmann mit allen Standesrechten und -Pflichten *) eines solchen, und zwar solange die Eintragung besteht; einem Dritten gegenüber, der sich auf die Eintragung beruft, kann nicht gellend gemacht werden, daß das unter der Firma betriebene Gewerbe kein Handelsgewerbe sei, also nicht hätte eingetragen werden sollen; eine Löschung der eingetragenen Firma eines Land- oder Forstwirts findet nur nach den all­ gemeinen Vorschriften statt, welche für die Löschung kaufmännischer Firmen gelten, also nicht nach Willkür des Unternehmers, wenn dieser den registrierten Betrieb fortsetzt, sondern nur, wenn er ihn aufgibt oder von der Wurzel aus verändert.-) sein will oder nicht.

1 Die Rechtsstellung des Kauf­ manns ist unten in $ 11 III aus­ führlich erörtert. Der Landwirt wird es sich hienach überlegen müssen, ob er durch die Kommerziali­ sierung sich verbessert oder mehr be­ lastet.

2 Hierüber s. Gareis, HGB. S. 19, 20; ebenda s. auch noch andere Beispiele landwirtschaftlicher Jndustrieen.

Awritks Kapitel.

Aie Uersonen im .Handelsrecht. (Personenrecht des Handelsrechts.)

A. Der Kaufmann.

§ 11. Äegriff, Nechte und pflichten des Kaufmanns. I. Das deutsche Recht faßt den Begriff Kaufmann anders als der gewöhnliche Sprachgebrauch, vor allem enger, nämlich insoferne nur derjenige, der ein eigenes Handelsgewerbe betreibt, nicht derjenige, der nur in dem Gewerbe eines anderen kauf­ männisch arbeitet, technisch Kaufmann heißt, andererseits aber weiter, nämlich insoferne nicht bloß derjenige Handeltreibende, der seine Spekulation durch Einkäufe einleitet und durch Verkäufe realisiert, sondern jeder, der irgend ein Handelsgewerbe betreibt, Kaufmann im Sinne des Gesetzbuchs ist.1) WaS ein Gewerbe sei, wird vom Gesetz nicht gesagt, wohl aber, welche Gewerbe Handelsgewerbe sind: als Handelsgewerbe ist gesetzlich jeder Gewerbebetrieb anzusehen, welcher eine der (neun — bezw. mit den formellen HGewerben: zehn —) Arten von Geschäften zum Gegenstände hat, die oben (§ 8 S. 30—55) als „Grundgeschäfte" des Handels bezeichnet worden sind, oder welcher wegen seiner notwendig kaufmännischen Einrichtung ein sogen, formelles Handelsgewerbe bildet (s. oben § 8 ®. 34, 35). „Ge­ werbe" aber ist eine wirtschaftliche Tätigkeit, welche aus einer Reihe

1 HGB. § 1 Abs. 1. Über den Kausmannsbegriff s. Gustav Schirr­ meister in GZ. 48 (1899) S. 418 ff.

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

einzelner, infolge eines zusammenfassenden Willensentschluffes, zu einem wirtschaftlichen Zwecke geeinter Handlungen besteht und auf Erzielung eines Einkommens gerichtet ist, welch letzterer Umstand jedoch keineswegs verlangt, daß wirklich Gewinn gemacht werden oder dieser ziffernmäßig zu ermitteln sein müsse.1) Als ein Gewerbe „betreibend" aber ist derjenige anzusehen, der den Namen zu jener wirtschaftlichen Tätigkeit gibt, in dessen Namen also jene Handlungen vorgenommen, insbesondere die bezügl. Geschäfte abgeschloffen werden, nicht aber derjenige, der nur die Arbeit loder nur das Kapital oder dieses beides, jedoch ohne den Namen zum Betriebe gibt. II. Treffen in irgend einer Person jene drei Requisite: das Betreiben eines Handels-(Grund-)Geschäfts als Ge­ werbe, zusammen, so ist diese Person Kaufmann im Sinne des Handelsrechts, selbst dann, wenn Polizei- oder Finanzgesetze andere Requisite aufstellen,2)* und 4 * 6gleichviel, ob jene Person eine juristische8) oder eine physische, voll- oder minderjährig/) männ­ lichen oder weiblichen Geschlechts") ist; insbesondere auch auf Handelsgesellschaften finden die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften Anwendung, ja einige Gesellschaften gehören — um ihrer Form willen — so sehr zum Handelsrecht, daß sie selbst dann als Handelsgesellschaften gelten und unter die für Kaufleute gegebenen Vorschriften fallen, wenn der Gegenstand ihres Unter­ nehmens nicht in dem Betriebe eines Handelsgewerbes besteht/) III. Die besondere Rechtsstellung der Kaufleute als solcher zeigt fich hauptsächlich in folgenden Beziehungen: a) prozeßrechtlich 1. in der Unterwerfung ihrer Streitsachen unter die Gerichts­ barkeit der „Kammern für Handelssachen" nach Maßgabe der gesetzlichen Zuständigkeit dieser; 7) 1 Über den Gewerbebegriff u. seine 1 210, eingetragene Genossenschaften Gegensätze s. oben S. 27, 28, und nach Gen.G. § 17 und Gesellschaften GareiS, HGB. § 1 Anm. 3. ' mit beschränkter Haftung LimitGG. 8 HGB. § 7. § 13 Abs. 3 s. unten §§ 24, 31 ff., 37 38 39 8 HGB. § 6. 4 Vgl. hierüber unten § 12 V. 7 Ger.Verf.G.ZZlOO ff.; vgl. oben §§ 3 (S. 7), 4 (S. 21, 22). 6 Vgl. hierüber unten § 12 IV u. V. In der Unterwerfung der Meß- u. 6 So Aktiengesellschaften noch Marktsachen unter besondere Ver­ HGB. § 210,Kommanditgesellschaften fahrensregeln (abgesehen vom Zu­ aus Aktien nach HGB. § 320 mit sammenhänge mit der Unterordnung

Begriff, Rechte und Pflichten des Kaufmanns.

§ 11.

41

2. In der Teilnahme an der Gerichtsbarkeit als Beisitzer in den Kammern für Handelssachen;*) b) materiellrechtlich im allgemeinen in der Unterwerfung ihrer berufsmäßigen Angelegenheiten unter das materielle Handels­ recht. in der Ausgestaltung besonderer Rechtsinstitute für den Bollkaufmann und in der Beschränkung einer Reihe von handels­ rechtlichen Einzelbestimmungen auf Kaufleute — während anderer­ seits eine Anzahl nichthandelsrechtlicher Normen gegenüber Kauf­ leuten zessiert.-) Im einzelnen gehört hieher: 1. das Firmenrecht; hievon handelt § 16; 2. das Recht und die Pflicht der kaufmännischen Buch­ führung; das deutsche Handelsrecht schreibt nicht so ausführlich, wie andere Rechte vor, welche Bücher und wie diese geführt werden müssen; aber es entbehrt doch auch derjenigen Rechtssätze nicht, welche von der Sicherheit des Verkehrs vorausgesetzt werden. Vor allem wird als Prin­ zip aufgestellt, daß jeder Kaufmann Bücher führen und in diesen seine Handelsgeschäfte (d. h. die infolge derselben eintretenden Bermögensveränderungen) und die Lage seines Geschäfts nach den Grundsätzen ord­ nungsmäßiger Buchführung ersichtlich machen muß. Im besonderen wird sodann die Errichtung eines Inventars und die Ausstellung von regel­ mäßigen Bilanzen nach Maßgabe näherer gesetzlicher Bestimmungen,3*)1 * die 2 Führung der Bücher u. s. w. in einer lebenden Sprache und Schrift und in vorschriftsmäßiger Ausfüllung/) dann die (zehnjährige) Aufbewahrung der Bücher und aller bestimmt vorgeschriebenen5)* Brieftopieen und Briese, auch der Bilanzen und Inventare gesetzlich verlangt, sowie die Pflicht der Vorlegung der Bücher und das Recht der gerichtlichen Einsichtnahme ge­ nau geregelt?) Den Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft ist die Führung der erforderlichen Bücher noch besonders zur Pflicht ge­ macht,') ebenso den Handelsmäklern (abgesehen von denen des Kleinvertehrs)8) die Ausstellung der Schlußnoten und die Führung und Aufbe­ wahrung der Tagebücher, letzteres sogar unter besonderer Strafandrohung?) Ferner bestehen Einzelvorschriften in Bezug auf die Buchung der Arbi-

unter die Kammern für Handels­ sachen, j. oben 1) liegt keine Be­ sonderheit für den Hand'elsstand; Be­ schleunigung des Verfahrens in diesen Sachen s. oben § 4 am Ende mit Anm. 2—5 S. 22. 1 Ger.Verf.G. 8 113. 2 Z. B. beim Abzahlungsgeschäft, nach RGes. vom 16. Mai 1894 § 8; hierüber s. Gareis in Bl. f. RAnw. NF. Bd. 39 (1894) S. 277, 278 (auch Separat S. 7,8); Fuld,

Das RG. u s. w. v. 16. Mai 1894 S. 45. — WucherGes. vom 19. Juni 1893 Art. 4 Ziffer 2 u. 3. 3 HGB. §§ 39—42. 4 HGB. 8 43. 5 HGB. 8 38 Abs. 2. 6 HGB. §§ 45—47 und hiezu bezügl. der einzelnen Fragen die An­ merkungen bei G a r e i s, HGB. S.63. 7 HGB. § 239. 8 HGB. § 104. 9 HGB. §§ 94, 95, 100-103.

42

Kap. n.

Die Personen im Handelsrecht.

tragegeschäste*) und der Effektendepots,1 2) sowie in Bezug auf das von den Kursmaklern zu führende Tagebuch,3) und für den Fall der Zahlungs­ einstellung macht der Mangel gehöriger Buchführung die dazu ver­ pflichteten Kaufleute überhaupt strafbar;4)* Sonderbestimmungen bestehen auch in betreff des Rechnungsabschlusses der gewerbsmäßigen Geldver­ leiher 6)7 und der Bilanzpublikation von Bankgeschäfte betreibenden Gesell­ schaften mit beschränkter Haftung.8)*

3. Das Recht der Prokura und der (sonstigen) Handlungs­ vollmacht nach Handelsrecht (hievon § 22). 4. Das Recht der Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge (hievon § 21). 5. Das Recht des Kontokurrentverkehrs?) 6. Das Recht der besonderen Handelsassoziationen (s. §§ 23 ff.), einschließlich des Rechts der stillen Gesellschaft (s. unten § 29). 7. Einzelne erweiterte Pflichten: bezüglich der kaufmännischen Sorgfalt,3) der Konventionalstrafe/) der Bürgschaft und anderer Obligoübernahme;10) Antwortpflicht bei Geschäftsverbindung; * *) Jndossabilität kaufmännischer Verpflichtungsscheine und von An­ weisungen auf Kaufleute;") Bankierspflicht bezügl. Erwerbs ab­ handen gekommener Jnhaberpapiere;13) abgekürzte Pfandverkaussfrist;") Pflicht der Aufbewahrung beanstandeter Ware (nur bei beiderseitigen Handelsgeschäften);") auch einzelne erweiterte Rechte und zweischneidige Sonderbestimmungen: Rechtsgeschäfte der Kaufleute als Handelsgeschäfte/3) Vermutung der Zugehörigkeit zum Handelsgewerbe und hinsichtlich der Schuldscheine,") die merkantile Auslegung,") die besondere Behandlung des An1 Reichsstempelgesetz v. 27. April 1894, Tarif Nr.4, hiezu s. Gareis, HGB. S. 58, s. unten § 47 a. E. 2 RGes. betr. die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung frem­ der Wertpapiere v. 5. Juli 1896 §§ 1, 10; hiezu Gareis, HGB. S. 58. 3 BörsenG. v. 22. Juni 1896 § 33, EinsG. zu HGB. Art. 14 Gareis, HGB. S. 59, 445. 4 KonkursOrd. §§ 239, 240 (neu). 6 Wuchergesetz v. 19. Juni 1893 Art. 4. 8 LimitGG. § 42 s. unten § 39. 7 HGB. §§ 355—357; mindestens einer der am Kontokurrenwerkehr Beteiligten muß Kaufmann sein; wegen des Kontokurrents gehört

hieher auch der Giro- und der Ab­ rechnungsverkehr. S. 88 66, 67. 8 HGB. 88 347, 203, 384, 390, 408, 417, 429 (s. § 42). 9 HGB. 8 348; hiezu jedoch 8 351 (s. § 42). 10 HGB. 88 349, 350; hiezu je­ doch 8 351 (s. § 42). 11 HGB. § 362 (s. § 421). 12 HGB. 8 363 (f. 8 68). 13 HGB. 8 367 (s. 8 72). 14 HGB. 8 368 (f. 8 44). 16 HGB. 8 379 (s. 8 45). 18 HGB.8343(hiezus.89S.35ff.). 17 HGB.8 344(hiezu s. 89S.36). 18 HGB. 8 346 (nur unter Kauf­ leuten), hiezu s. unten § 42II.

Arien von Kaufleuten.

§ 12

43

nahmeverzugs *) und das Recht der Dispositionsstellung: Pflicht der sofortigen Untersuchung und Beanstandung nur bei zwei­ seitigen Handelsgeschäften;1 2)3unter 4 * 6 letzterer Voraussetzung gesetzliche Verzinsung (Höhe der Zinsen 5°/o), Zinsen ohne Abrede; 8) unter der nämlichen Voraussetzung das besondere kaufmännische Zurückbehaltungsrecht/) während das kaufmännische Recht der Entgeltlichkeit auch einseitig zu Gunsten der Kaufleute besteht/) An Veräußerungen und Verpfändungen von hiezu nicht berech­ tigten Kaufleuten knüpft sich ein gutgläubiger Erwerb unter noch weiteren Bedingungen, als an Veräußerungen und Verpfändungen von Nichtkaufleuten/) Besondere Pflichten übernehmen Kaufleute, welche im Betriebe ihres Handelsgewerbes, Aktien, Kuxe, Jnterimsscheine, Erneuerungsscheine und Inhaber- oder Lrderpapiere oder andere vertretbare Wertpapiere mit Ausnahme von Banknoten unverschlossen zur Verwahrung oder als Pfand übernehmen, Pflichten, welche nicht bloß in der besonderen Buchung be­ stehen, von welcher bereits oben S. 42 gesprochen wurde, ferner Kom­ missionäre beim Einkauf von Wertpapieren u. s. iv.7)

§ 12.

Arten von Kaufleuten.

Innerhalb des gesetzlichen Begriffs Kaufmann stehen ver­ schiedene Arten. I. Man kann vor allem nach dem Gegenstände des Gewerbebetriebs — etwa unter Zugrundelegung der vom Gesetze8) selbst aufgestellten Gruppierung — zahlreiche Arten unterscheiden, im Gegensatze hiezu aber solche Geschäftsleute, welche nicht wegen des Gegenstands ihres Gewerbebetriebs, sondern wegen der kauf­ männischen Art und Weise der Einrichtung ihres Ge1 HGB. § 373. 2 HGB. § 377. 3 HGB. §§ 352, 353. 4 HGB. 88 369—372. 6 HGB. § 354; hiezu s. unten § 42 VIII, 50. 6 HGB. §366. Wegen derBankiers s. aber die Anm. 13 auf voriger Seite. Keine besondere Rechtsstellung neh­ men die Kaufleute als solche in Bentg aus den Börsenbesuch und das Börsenrecht ein. Vgl. Börsengesetz v. 22. Juni 1896 §§ 5ff., und in

betreff des Börsenregisters s. ebenda 88 54 ff. ‘ Reichsgesetz betr. die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Wertpapiere vom 5. Juli 1896. Dieses sogen. Depotgesetz 1896 ist erläutert von W. v. Pech mann in Bl. f. Rechtsanw. Bd. 62 (1897) S. 1, 17, 81, 241, 257, 273. Über die Pflichten der Kommissionäre s. unten § 51 II. 9 HGB. § 1 Abs. 2 Nr. 1-9.

44

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

schäftsbetriebs juristisch zu Kaufleuten werden (sog. formelle Kaufmannsbetriebe; *) hievon f. § 8 oben Seite 34). II. Das Gesetz unterscheidet — freilich ohne die Be­ zeichnungen, welche die Theorie für diese Arten bereits längst anzuwenden pflegt, selbst zu gebrauchen — Bollkaufleute (b. s. Kaufleute optimi Juris) und „Kaufleute minderen Rechts" („Minderkaufleute", Kaufleute minoris Juris) und stellt in die letztere Kategorie zwei Gruppen von Geschäftsleuten/) den Handelsgewerbebetrieb derselben vorausgesetzt: a) die Handwerker und b) die Kleingewerbebetreibenden. Erstere sind von anderen Geschäftsleuten unterschieden durch den geringeren Umfang ihres Betriebs, durch die persönliche Handarbeit des Meisters und Prinzipals, durch das vorherrschende Arbeiten auf Bestellung, nicht auf Vorrat, durch die überragende persönliche und in­ dividuelle Arbeitsleistung nach Handwerksbrauch im Gegensatze zur mechanischen Maschinenarbeit, sämtlich unterscheidende Merk­ male, von denen keinem für sich allein oder absolut und stets ein entscheidendes Gewicht zukommt. Unter die Kleingewerbebetreibenden — oder, wie das Gesetz sagt: „Personen, deren Gewerbebetrieb nicht über den Umfang des Kleingewerbes hinausgeht" — können selbstverständlich auch Handwerker fallen, ohne daß es angesichts der gleichen Behandlung derselben seitens des Gesetzes geboten wäre, das Verhältnis dieser Be­ griffe zueinander sestzustellen. Es gehören hieher — stets unter der Voraussetzung des Kleinbetriebs ') ihres Handelsgewerbes — die Höker, Trödler, Hausierer, gewöhnlichen Schifter, gewöhnlichen Fuhrleute, die Inhaber kleiner Gasthäuser, Schenken oder Destillationen/) 1 HGB. § 2. 2 HGB. § 4 Abs. 1. Das Gesetz unterscheidet nunmehr viel klarer als das HGB. v. 1861 Art. 10. Die Landesregierungen können überdies noch genauere Bestimmungen zur Grenzenziehung zwischen Vollkausleuten und Kaufleuten minderen Rechts erlassen, nämlich auf der Grundlage der nach demGeschästsumsange bemessenen Steuerpflicht oder sonstwie. S. Abs. 3 8 4 d HGB. und hiezu Gareis, HGB.Anm.il S. 24. G r ol e f e n d t, Vollkausmann und Mindertaufmann lBreslau, Diss. 1899. 3 Auf den Gegenstand des Be­

triebs kommt es hier nicht an; ein Unternehmer, der im großen den Hande! mit Abfällen betreibt, wie dies z. B. beim sog. Lumpengeschäst oder beim Borstenhandel vorkommt, ist Vollkaufmann. 4 Wirte, nach dem HGB. v. 1861 stets als solche Kaufleute minderen Rechts, sind jetzt nur dann Kauf­ leute minderen Rechts, wenn ihr Gewerbebetrieb nicht über den Um­ fang „des Kleingewerbes hinaus­ geht. Uber dieKaufmannseigenschast eines Töpfers s. RGesch.Entr. vom 23. Lkt. 1901, Bl. f. RAnw. 67 (1902) S. 111. Uber die Registerpflichtigkeit der Wirte s. A. v. Botz

Arten von Kaufleuten.

§ 12

45

Die Bedeutung der Unterscheidung von „Kaufleuten min­ deren Rechts" und „Bollkaufleuten" — eine Unterscheidung, welche übrigens ausschließend ist*1)* *— liegt darin, daß auf erstere die gesetzlichen Normen über: 1. das Firmenrecht') (s. unten § 16), 2. die Handelsbücher ^) (s. oben § 11 III b 2), und 3. die Prokura4)* (s. 6 * unten § 22) keine Anwendung findens) denn diese Einrichtungen setzen eine Höhe kaufmännischer Bildung und Verhältniße voraus, welche der Gesetzgeber bei Kaufleuten minderen Rechts nicht als der Regel nach vorhanden voraussetzen darf. Die Unterscheidung der „Kaufleute minderen Rechts" hat aber aus demselben Grunde auch noch andere Folgen, nämlich: 4. Eine Bereinigung zum Betriebe eines Handwerks oder eines Kleingewerbes kann niemals zu einer offenen Handels­ gesellschaft oder Kommanditgesellschaft werden/) 5. Auf Kaufleute minderen Rechts finden die handelsrecht­ lichen Vorschriften über die Unzulässigkeit richterlicher Ermäßigung einer Konventionalstrafe,?) die über den Ausschluß der Einrede der Vorausklage8)* und die über die Gültigkeit formlos geleisteter Bürgschaften, Schuldversprechen und Schuldanerkenntnisse •) keine Anwendung, sondern statt deren die Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts.10) 6. Hat ein Gewerbebetrieb die Übernahme der Bearbeitung oder Verarbeitung von Waren für andere zum Gegenstand, und u. DIZ. 1903 S. 44 f. Grotefenbt a. a. •£. S. 41. 1 Über die Streitfrage, ob es mög­ lich ist, daß jemand zugleich Bollkausmann und Kaufmann minderen Rechts sei, s. Gar eis, HGB. S. 24 Anm. 12 zu § 4. 9 HGB. 88 17-37. 8 HGB. §8 38—47. 4 HGB. 88 48—53. 6 HGB. 8 4 Abs. 1. 6 HGB. 8 4 Abs. 2. Einen stillen Gesellschafter (s. HGB. §8335—342) kann der Kaufmann minderen Rechts haben; Aktiengesellschaften und Kom­ manditgesellschaften aus Aktien aber sind ohne Rücksicht auf den Gegen­ stand des Unternehmens als Han­ delsgesellschaften anzusehen und dem

' Rechte der Bolltaufleute unterstellt. Das Gleiche gilt von den einge­ tragenen Genossenschaften nach dem j GenG. v. 1. Mai 1889 § 17 und von denGesellschasten mit beschränkter ; Haftung nach dem RGes. v. 20. April | 1892 8 13, s. HGB. § 6 Abs. 1 u 2. Es gibt keine Vereine, welche gesetz­ ! lich wie Kaufleute zu behandeln und ; dabei Kaufleute minderen Rechts wären. 7 HGB. 8 348 s. § 42. * HGB. § 349 s. § 42. 9 HGB. § 350 s. § 42. 10 HGB. §351; mithin statt HGB. § 348: BGB. § 343; statt HGB. § 349: BGB. § 771 u. statt HGB. § 350: BGB. §§ 766 (Satz 1), 780, i 781 (Satz 1).

46

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

erstreckt er sich dabei nicht über den Umfang des Handwerks hinaus, so fällt er gar nicht unter das Handelsrecht (s. oben § 8 A 2 Seite 31). 7. Der Kleinbetrieb der Personenbeförderung zu Lande oder auf Binnengewäfiern fällt gleichfalls nicht unter das Handels­ recht, denn es sind nur die zu diesen Beförderungen bestimmten „Anstalten" dem Handelsrecht unterstellt, und unter einer „Anstalt" in diesem Sinne muß „ein auf dauernden Großbetrieb ein­ gerichtetes Unternehmen" *) verstanden werden. 8. Zu erwähnen ist hier auch eine Einschränkung des Mäklerrechts: auf Personen, welche nur die Vermittelung von Warengeschäften im Kleinverkehr besorgen (d. s. die sogen. Krämermäkler), sind, selbst wenn ihr Geschäftsbetrieb recht aus­ gedehnt sein sollte, die Vorschriften über die Schlußnoten und Tagebücher der Handelsmäkler nicht anwendbar.') III. Man kann innerhalb des gesetzlichen Begriffs „Kauf­ mann" unterscheiden: a) Kaufleute, welche physische Personen (Einzelkaufleute) und entweder nur alleinstehend oder in einer Gesellschaft8) stehend, also mit anderen ein Handelsgewerbe betreiben; und b) Kaufleute, welche juristische Personen sind. In Be­ tracht kommen hier: Handelsgesellschaften und die ihnen gesetzlich gleichgeachteten Assoziationen?) (hiezu s. unten §§ 38, 39), sowie die anerkannten Kolonialgesellschaften5) und auch die handel­ treibenden Innungen und Jnnungsverbände, die auf Grund der Gewerbeordnung mit einer gewissen Persönlichkeit ausgerüstet er­ scheinen. Alle handeltreibenden Vereine sind wie Vollkaufleute zu behandeln?) Zu den handeltreibenden juristischen Personen gehören möglicherweise auch Banken, die sogen, öffentlichen Banken. Die Unterstellung der Bankinstitute unter das Handels­ recht, gleichviel, ob sie einer Gesellschaft oder einer einzelnen (physischen oder juristischen) Person gehören, ist selbstverständlich. 1 Goldschmidt, Hdbch. d. HR. (1. Aufl.) Bd. I S. 617 Anm. 23; Cosack, Lehrbuch S. 454; s. auch oben K 8 S. 33. 2 HGB. § 104 mit §§ 100-103 verglichen; s. unten § 22. 3 Nach BGB. §§ 705—740 oder nach HGB. §§ 335—342. 4 Wegen den Bergwerksgesell-

! schäften s. EinsG. Art. 5 mit Anm. bei Gareis, HGB. S. 424. Die modernen Gewerkschaften sind juristi­ sche Personen und registerfähig, nicht ! aber die meisten älteren Gewerk­ I schaften,Gesellenbauvereine,Gesellen : schäften u. dgl. | 5 Vgl. unten § 40. | 6 S. oben S. 45 Anm. 6.

Arten von Kaufleuten.

§ 12.

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Landesgesetze können dem auch nicht zu Gunsten der öffentlichen Banken widersprechen, die Vorschriften des Reichsbankgesetzes aber werden durch das HGB. nicht berührt?) Die privatrechtliche juristische Person (der Fiskus) eines der deutschen Bundes­ staaten oder des Deutschen Reiches kann ebenso wie eine jede andere privatrechtliche Person ein Handelsgewerbe betreiben und untersteht dann ebenso wie andere Handeltreibende dem Handels­ recht. Es ist jedoch folgendes hiebei festzuhallen: 1. Jede auf die Ausübung eines Hoheitsrechts1 2)3 gerichtete 4 oder in einer solchen bestehende Tätigkeit scheidet — wegen des Mangels der dem Gewerbe charakteristischen Absicht') — vollständig aus dem Handels­ rechte aus: hier ist auch der ausdrücklichen Bestimmungen des HGB. zu gedenken, wonach die P o st v e r w a l 1 u n g e n des Reichs und von Bundes­ staaten nicht als Kaufleute gelten und ihre Gütertransporte nicht nach dem Handelstransportrechte beurteilt werden?) 2. Unternimmt aber das Reich oder ein Bundesstaat nicht in der Absicht, ein Hoheitsrecht auszuüben, sondern in einer dem Gewerbe eigentümlichen Absicht (siehe oben § 7 ©. 27, 28, § 11 S. 40) einen wirt­ schaftlichen Betrieb (Staatsgewerbebetrieb)?) so treten, wenn auch die sonstigen Noraussetzungen hiesür vorliegen (s. oben §§ 7—9), die Normen des Handelsrechts auch gegenüber diesen Staatswesen in Kraft; unter diesen Voraussetzungen finden aus diese Staatswesen und unter gleichen Voraussetzungen ebenso auch aus die inländischen Kommunalverbände (wie politische Gemeinden, Kreisverbände und dergl.) die Regeln des Handels­ rechts, z. B. die über Hilfspersonen, Handelsgeschäfte u. s. w. vollständig ebenso wie auf Privatpersonen, die Handel gewerbsmäßig betreiben, An­ wendung, mit zwei Ausnahmen: diese öfsentlichrechtlichen Personen find nicht registerpslichtig") und können ihre Rechnungsabschlüsse in einer

Wie z. B. Bayern das Hofbrau­ 1 EinsG. Art. 2 Abs. 2 ; über die haus München s. M. Sendel, Reichsbank s. oben Z 8 S. 32. Es Bayer. Staatsrecht Bd. IV S. 45 gilt also insbes. auch 8 66 des Deutschen Bankgesepes. Anm. 5. In betreff der öffentlichen Eisenbahnen, auch der S t a a ts2 Uber den Begriff der Hoheits­ eisenbahnen gilt Sonderrecht, rechte s. Gareis, AUg. Staatsrecht §§ 9, 10 in v. Marquardsens ; HGB. §§ 453-473. “ HGB. § 36. Erfolgt dennoch Handbuch d. öffentlichen Rechts Bd.I eine AnmeldunA zum Handelsregister S. 26 ff. seitens einer solchen Staats- oder 3 S. oben § 11 S. 40 auch § 7 S. 27,28. In betreff der Reichsbank Gemeindeanstalt, so ist die Eintra­ gung aus die Angabe der Firma, s. Anm. 1 auf dieser Seite und oben 8 8 S. 32. sowie des Sitzes und des Gegen­ standes des Unternehmens zu be­ 4 HGB. §§ 452, 663, Gareis, schränken. HGB. § 1 Anm. 3 S. 5, ß 1 Anm. 12 S. 10: ebenda s. über die Privatpostanstalten.

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

von den Vorschriften der kaufmännischen Jnventarerrichtung und Bilanzenaufftellung abweichenden Weise verwaltungsrechtlich einrichten. ’)

IV. Das Geschlecht der handeltreibenden Personen ist für deren Rechtsverhältnisse nach Handelsrecht zunächst ohne Be­ deutung ; die unverheiratete Frau (auch die Witwe wie die Braut) steht handelsrechtlich dem Manne vollkommen gleich. Es ist dies das Resultat einer jahrhundertelangen Entwickelung, während welcher die Frau die Geschlechtsvormundschaft abstreifte, nach­ dem sie schon durch das Zunftrecht - in beschränktem Maße wenigstens — zu einzelnen Gewerbebetrieben zugelassen worden war. Bon Einfluß aber ist — auch handelsrechtlich — und zwar auch nach dem neuesten Handelsrechte, die Ehe: ') die ver­ heiratete Frau, die ja als Gattin oder Mutter oder in beiden Eigenschaften besondere Pflichten gegenüber ihrer Familie zu übernehmen hat und erfüllen muß, wenn das Familienleben nicht leiden soll, ist insofern gebunden, als ihr der Ehemann den Betrieb eines Handelsgewerbes untersagen kann; er kann dies entweder deshalb, weil durch einen solchen Betrieb das gemein­ schaftliche eheliche Leben berührt wird und somit eine derjenigen Angelegenheiten vorliegt, in denen dem Manne die Entscheidung zusteht/) oder aus dem Grunde, weil der konkrete Handels­ gewerbebetrieb nach Lage der Sache die Frau hindern würde, ihrer Pflicht zur Leitung des gemeinschaftlichen Hauswesens *) nachzukommen oder auch ihrer etwaigen Pflicht, im Hauswesen oder im Geschäft des Mannes") zu arbeiten, entgegen stände. Macht der Ehemann von der Befugnis, der Frau den Betrieb eines Handelsgewerbes zu untersagen, Gebrauch, und zwar ohne daß in diesem Verbot ein Mißbrauch seines Rechts läge/) so bewirkt ein solches Verbot zunächst nur die Verpflichtung der Frau, sich dieser Entscheidung zu fügen und den Handelsbetrieb aufzugeben oder zu unterlassen, — nach außen zu aber, Dritten gegenüber, hat ein solches Verbot zunächst keine Wirkung: wenn die Ehefrau trotz jener privaten Untersagung ein Handelsgewerbe betreibt, so gilt (Dritten gegenüber) des Mannes Einwilligung als erteilt und es ist die Zustimmung des Mannes, welche sonst 1 HGB. §42; die §§33, 43 bis 47 gelten aber auch für die ein Handelsgewerbe betreibendenStaats anftalten. 2 Zschimmer, Einfluß des gesetzt. Güterstands auf Handels-

! gewerbe der Ehefrau GZ.52, S.485ff. . 3 BGB. § 1354. i 4 BGB. § 1356 Abs 1. 5 BGB. § 1356 Abs. 2. j 6 Worüber nötigenfalls das Ge­ | richt entscheiden würde.

Arien von Kaufleuten.

§ 12

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stets zu Verfügungen der Frau über das Ehegut wie zu allen einzelnen Rechtsgeschäften der Frau - abgesehen von den Fällen der Gütertrennung, des Borbehaltsguts und der Betätigung der Schlüsselgewalt *) — erforderlich ist,?) zu solchen Rechtsgeschäften nicht erforderlich, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt; dies gilt nicht bloß vom Betriebe eines Handelsgewerbes, sondern vom selbständigen Betriebe eines jeden Erwerbsgeschäfts überhaupt, welches von einer Ehefrau unternommen wird?) Ist die ehemännische Einwilligung erteilt oder gilt sie als erteilt, so können die Gläubiger der Frau sich nicht bloß an das Borbehaltsgut oder getrennte Vermögen der Frau halten (persönliche Haftung der Frau), sondern auch an das von der Frau eingebrachte Ver­ mögen?) und wenn Gütergemeinschaft besteht, auch an das Ge­ samtgut?) Die ehemännische Einwilligung gilt — nach außen zu — immer als erteilt, wenn die Frau tatsächlich ein Gewerbe selbständig betreibt und im Güterrechtsregister 6) nicht ein Ein­ spruch des Mannes oder der Widerruf seiner Gnwilligung ein­ getragen ist.7) Betreibt die Ehefrau ein Handelsgewerbe, obgleich der Mann ihr dieses nicht bloß privatim untersagt hat, sondern dieses Verbot auch in das Güterrechtsregister eingetragen worden ist, so haftet die Frau zunächst vermöge der ihr zustehenden unbeschränkten Handelsfreiheit und Geschäftsfähigkeit ihren Gläu­ bigern vollkommen mit ihrem etwaigen getrennten Vermögen und mit ihrem etwaigen Vorbehaltsgute, zu welch letzterem auch das durch einen selbständigen Erwerbsgeschäftsbetrieb von der Frau Erworbene gehört;") der Mann aber kann, sofern die Voraus­ setzungen hiezu") vorliegen, das ihm eingeräumte Kündigungs­ recht ausüben und damit vielleicht tatsächlich schon die Beendigung des Geschäftsbetriebs herbeiführen, z. B. wenn die Frau wider seinen Willen eine Handlungsagentur10) übernahm. Auf keinen Fall jedoch sind, solange des Manne- Einspruch im Güterrechts1 BGB. §§ 1426 ff, 1365 ff, 1357. 2 BGB. 88 1395—1399, 1405, 1412, 1442, 1443, 1452, 1459 bis 1462, 1530-1533, 1549. 3 Das erwähnte GenehmiaungSprinzip deS § 1405 des BÄB. ist eine Verallgemeinerung des im Art.7 des HGB.von 1861 für den Handels­ gewerbebetrieb allein ausgesproche­ nen Gedankens.

* 5 6 7 8 9 10

BGB. BGB. BGB. BGB. BGB. BGB. HGB.

§ 1363. 88 1438, 1452. 88 1558 ff. 88 1405, 1435. 8 1367. § 1358. § 84.

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

register eingetragen ist, die Gläubiger der Frau berechtigt, die Nutznießung und Verwaltung zu beeinträchtigen, welche dem Manne am eingebrachten Gute !) gesetzlich zustehen. Betreibt eine Ehefrau ein Handelsgewerbe an einem anderen Ort als an dem Wohnsitze des Mannes und hat der Ehemann sein Verbot zwar in das Güterrechtsregister seines Wohnsitzes, nicht aber in das des Ortes der Handelsniederlassung der Frau eintragen lassen, so haftet den Handelsgläubigern der Frau trotz jenes Eintrags das eingebrachte Gut; die Eintragung des ehemännischen Widerspruchs hätte, um dem Zugriffe der Handelsgläubiger der Frau das eingebrachte Vermögen zu entziehen, auch in das Güter­ rechtsregister des für den Ort der Handelsniederlassung zuständigen Gerichts bewirkt werden müssen.2) V. Das Lebensalter begründet Unterschiede, welche nach dem bürgerlichen Rechte auch in Bezug auf die Rechtsstellung handeltreibender Personen von Bedeutung sind. Es sind in dieser Beziehung vier verschiedene Verhältnisse zu unterscheiden: 1. Ein Kind (d. i. ein Mensch unter 7 Jahren) betreibt ein Handelsgewerbe. Dies ist insofern möglich, als ja zum Begriff des Betreibens (eines Gewerbes als Kaufmann) nichts anderes als das Geben des Namens gehört (f. oben S. 40); aber da das Kind vollkommen geschäftsunfähig ist, kann es weder das Händelsgewerbe (das „Geschäft" im Sinne der Handels­ siedlung) begründen, noch eine einzelne Geschäftshandlung (Willens­ erklärung) vornehmen/) sondern wird in einem wie im anderen Falle vollständig vertreten durch seinen gesetzlichenVertreter (Vater, Mutter, Vormund);^) dem Vater bezw. der Mutter des Kindes gebührt der sich aus dem Betriebe ergebende jährliche Reingewinn/) sofern das Geschäft nicht kraft anderer Bestimmung zum freien Vermögen gehört;6) der gesetzliche Vertreter des — als Kaufmann, Geschäftsinhaber geltenden — Kindes muß

' HGB. $ 1363. 2 Art. 4 des EinsG. zum HGB. 3 BGB. 104, 105. 4 BGB. M 164, 1630, 1686 (s. aber 1696, 1707), 1793; zur Be­ gründung eines neuen Erwerbsge­ schäfts, nicht aber zur Auslösung eines solchen für das Kind bedarf der Vater (bezw. die Mutter) der Genehmigung des Vormundschafts­

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gerichts (Ordnungsvorschrift), der Vormund bedarf dieser in beiden Fällen. BGB. §§ 1645, 1823. 5 BGB. §§ 1655, 1686. Ergibt sich in einem Jahre ein Verlust, so verbleibt der Gewinn späterer Jahre bis zur Deckung des Verlustes dem Kinde. 6 BGB. §§ 1650, 1651.

Arten von Kaufleuten.

§ 12.

51

bei der ihm hienach allein zustehenden Leitung (Oberleitung) des Handelsunternehmens die ihm durch das bürgerliche Recht auf­ erlegten Pflichten erfüllen?) 2. Ein Minderjähriger (im engeren Sinne ein Mensch, der dos siebente Lebensjahr, aber noch nicht das einundzwanzigste vollendet hat) „betreibt" möglicherweise ein Handelsgewerbe genau ebenso wie ein Kind, d. h. also nur dem Namen nach?) nicht selbständig, nicht mit Abgeben eigener Willenserklärungen; in diesem Falle liegt die Sache ebenso wie im vorigen (unter 1), die Rechtsgeschäfte des Handelsverkehrs werden dann durch den gesetzlichen Vertreter (oder die von diesem angenommenen Vertreter) vorgenommen, und die unter Umständen erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, Gegenvormundes oder Beistandes ist dann ebenso wie im ersten Falle einzuholen. Nur die Eigen­ tümlichkeit besteht hier im Unterschiede vom ersten Falle, daß, wenn der Minderjährige bereits das achtzehnte Lebensjahr voll­ endet hat, das Vormundschastsgericht ihn in bestimmten Fällen gutachtlich hören soll?) so vor der Entscheidung über die Ge­ nehmigung des Beginns oder der Auflösung eines ErwerbTgeschäfts, also z. B. auch einer Handelsniederlassung. 3. Ein Minderjähriger (im engeren Sinne wie oben) betreibt möglicherweise ein Handelsgewerbe „selbständig", d. h. nicht bloß dem Namen nach, wie es zum handelsgesetzlichen Be­ griff des Kaufmanns gehört, sondern unter eigenem geschäftlich­ tätigen Eingreifen; hiezu bedarf er aber nicht bloß der Er­ mächtigung seitens eines gesetzlichen Vertreters?) sondern auch der Genehmigung seitens des Bormundschaftsgerichts;5 1)6* 3dann 4 aber ist er auch unbeschränkt geschäfts- (und prozeß-)fähig für alle diejenigen Rechtsgeschäfte, welche der Geschäftsbetrieb mit sich bringt, ausgenommen diejenigen Rechtsgeschäfte, zu denen selbst der gesetzliche Vertreter der Genehmigung des Vormundschafts1 BGB. §§ 1643, 1821, 1822, 1812, 1825, 1852 u. a. 8 S. oben § 11 S. 40 (Begriff des Kaufmanns). 3 BGB. § 1827 Abs. 2. 4 BGB. 8 112 Abs. 1. Zurück­ genommen kann die Ermächtigung nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts werden. BGB. § 112 Abs. 2. 6 Ohne diese Genehmigung und

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jene Ermächtigung kann ein Minderjähriger nicht Kaufmann sein und darf, selbst wenn er tatsächlich ein Handelsgewerbe beginnt, weder vom Registergericht, noch von einem andern Gerichte als Kaufmann be­ handelt, mit den Standesvorrechten eines solchen ausgestaltet oder mit Standespflichten belastet werden. Vgl. Co sack, Lehrbuch S. 44.

52

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

gerichtS bebarf;1)* der in manchen mittelalterlichen Rechten zum Ausdruck gelangte Grundsatz: „Handel macht mündig" gilt also nur mit zwei Einschränkungen und immer nur unter der BorauSsetzung der erwähnten Ermächtigungen;-) aber das Resultat de- so vom Minderjährigen betriebenen Handelsgewerbes unter­ liegt nicht der elterlichen Nutznießung, denn was daS Kind durch seine Arbeit oder durch den ihm ausdrücklich3) gestatteten selb­ ständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts erwirbt, gehört zum freien Vermögen des Kindes. 4. Ein Minderjähriger ist möglicherweise zwar Kaufmann in dem an zweiter Stelle erörterten Sinne, also nur dem Namen nach und ohne die Ermächtigung zum selbsteingreifenden Betreiben des Handelsgewerbes, aber er nimmt dann und wann eine einzelne Rechtshandlung vor, welche im Betriebe des Gewerbes liegt oder liegen kann, — dann ist eine solche nur wirksam, wenn: a) entweder die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zu der einzelnen Willenserklärung4) speziell gegeben ist, b) oder nachträglich, aber rechtzeitig die Genehmigung, sei eS vom gesetzlichen Vertreter, sei eS vom unbeschränkt geschäfts­ fähig gewordenen Minderjährigen, erflärt wird, c) oder wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, welche ihm zu diesem Zwecke ober zur freien Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind?) Durch den einem Minderjährigen von seinem gesetzlichen Vertreter gestatteten Eintritt in den Dienst eines Kaufmanns wird der Minderjährige nicht selbst Kaufmann, da letztere- nur der ein eigene- Gewerbe Betreibende sein kann (s. oben § 11 I S. 40). Ist ein Minderjähriger für volljährig erklärt, so erlangt er auch in handelsrechtlicher Beziehung die rechtliche Stellung eines Volljährigen?)

1 BGB. 88 112, 1814 ff. • Bal. Cosack, Lehrbuch S- 46. » BGB. § 112 mit § 1651. 4 Es wäre denn, daß durch jene WtllenShandlung lediglich ein recht­

licher Vorteil erlangt wird, s. BGB. § 107. 6 BGB. § 110. 6 BGB. 88 3-5.

Bon d. Handelsrecht!. Persönlichkeilsrechten i. allgem.

§ 13.

63

B. Die PersöulichkeitSrechte im Handelsrecht.

8 13. von den handelsrechtlichen persönlichkeitsrechten im allgemeinen.

Bon den handelsrechtlichen Persönlichkeitsrechten gilt zu­ nächst und im allgemeinen alles das, was von den Persönlich­ keitsrechten (Jndividualitätsrechten) überhaupt gilt?) Insbesondere ist auch hier die Anerkennung dieser Rechte durch daS positive Recht in den drei bekannten Richtungen geschaffen, nämlich: a. in der positiv-rechtlichen zur Feststellung, Konstatierung mittelbar dabei wohl auch zum (z. B. Firmenregister, Zeichenrolle

Anordnung von Maßnahmen, welche oder gar Konstituierung des RechtS, präventiven Schutze desselben dienen u. dgl.);

b. in der Gewährung deS Schutzes dieser Rechte im bedrohten oder verletzten Zustande, nämlich in der Androhung von Strafen für diese Fälle und in der Statuierung der Pflicht zur Entschädigung oder der Bußeleistung, sowie auch in der Zulassung der ausnahmSweisen Selbst­ hilfe zu deren Schutz in den Fällen der Notwehr und des Notstandes; endlich c. in der Anerkennung von Rechtsgeschäften über den Inhalt dieser Rechte oder eines Teils derselben, Negoziabilttät, Übertragbarkeit, Ver­

erblichkeit und Einschränkbarkeit derselben. In allen diesen Beziehungen sind die einzelnen Arten dieser Rechte auch im Handelsrecht nicht gleich gestaltet, wie auch hier daS Verhältnis der Entfaltung eines vermögenSrechtlichen Inhalts zu dem stets vorhandenen personenrechtlichen Kerne *) bei den einzelnen Gruppen ein verschiedenes ist, — all dies wird durch die folgende Einzelbetrachtung dieser handelsrechtlichen Persönlichkeits­ rechte im einzelnen nachgewiesen.

1 Über diese s. Gareis, Grund­

riß zu Vorlesungen über das deutsche bürgerliche Recht (Gießen 1877) 8ß 40ff.: Gareis, in BA. 35 S. 196 ff.; Gareis, Encyklop. 88 17ff. — Gierke, PrivatR. S§ 81 ff. und die dort angegebene Literatur. Ferner: GareiS, Das

: Recht am menschlichen Körper, Königsberg 1900, und GareiS, ; Das Recht am eigenen Bilde (Gut| achten für den Deutschen Juristeni tag) 1901, und DIZ 1902 S. ! 412 ff. 1 « Gierke, PrivatR. S. 706.

54

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Die handelsrechtlichen Persönlichkeitsrechte im einzelnen?)

§ 14. L Na- Necht der kaufmännischen Setätigung im allgemeinen.

Das Recht kaufmännischer Betätigung zeigt sich als Recht, einzelne Handelsgeschäfte in dem oben (§ 7 III 2 S. 29, auch § 9) erörterten Sinne abzuschlietzen, und als Recht, ein Handelsgewerbe zu betreiben, und in beiden Richtungen ist es nichts anderes, als das allgemeine Per­ sönlichkeitsrecht der Betätigung?) es steht daher unter den allgemeinen Regeln und Voraussetzungen dieses letzteren überhaupt.')

Das Recht, ein einzelnes Handelsgeschäft abzuschließen — also ein Geschäft, welches, wenn es den Gegenstand eines Gewerbebetriebes bilden würde, dieses zum Handelsgewerbe machen würde, oder ein Geschäft, welches dadurch zum Handelsgeschäft wird, daß es von einem Kaufmann im Betriebe seines Handels­ gewerbes abgeschloffen wird oder zu diesem gehört, — das Recht, ein solches Geschäft als vereinzeltes abzuschließen, steht jeder­ mann, der sich durch Verträge überhaupt verpflichten kann, un­ beschränkt zu. Aber auch das Recht, ein Handelsgewerbe zu betreiben, steht heutzutage, im Gegensatz zur früheren Gebunden­ heit an die Jnnungsmitgliedschaft (Zunftzwang), prinzipiell jeder­ mann zu, insoweit die Gewerbefreiheit, welche, wie jedes Gewerbe­ recht, auch die Konzession und das Monopol, unzweifelhaft auch eine privatrechtliche Seite hat, nämlich die Anerkennung des Be­ tätigungsrechts als subjektives Privatrecht?) zu Recht besteht und maßgebend ist. Einschränkungen dieses Rechts sind teils durch öffentliches Recht, teils durch Privatrecht geschaffen worden; durch Normen des öffentlichen Rechts vor allem, insofern der Betrieb gewiffer Arten von Gewerben, zu denen auch einige Zweige des Handels gehören, von einer ausdrücklichen obrigkeitlichen Genehmigung 1 Viele hier einschlägigen Er­ örterungen bringt die von A. Oster rieth unter Mitwirkung v. Paul Schmidt u. Jos. Kohler herausgeg. Zeitschr. d. Deutsch. Vereins für Schutz des gewerbl. Eigentums, gewerbl. Rechtsschutz u. Urheber­ recht (8. Jahrgang Berlin 1903). * Gar eis, Grundriß(1877) §41. ; Gierke, PrivatR. § 82V S. 713. >

3 Diese f. bei Gier ke, PrivatR. a. a. O. 4 Hierüber s. Gierke. PrivatR. S. 260, 713—716; Rehm, Die rechtliche Natur der Gewerbs-Kon­ zession 1889 3. 22ff.; Joh. Bier­ mann, Privatrecht und Polizei (Berlin 1897) S. 30 ff. u. die dort angegebene Literatur.

Das Recht der kaufmänn. Betätigung im allgem.

§ 14.

55

(Konzession) abhängig gemacht ist/) deren Versagung zum Teil nur aus bestimmten gesetzlichen Gründen verfügt werden kann;1 2)* als öffentlich-rechtlich muß auch bezeichnet werden, daß den An­ gehörigen einiger Berufsstände der Betrieb von Handelsgewerben untersagt ist, so nach Reichsrecht: den Militärpersonen des Friedensstandes und den in Dienstgebäuden bei ihnen wohnenden Hausgenossen, vorbehaltlich der Erlaubnis der Vorgesetzten?) so­ wie den Reichsbeamten;4)* öffentlich-rechtlich 67 ist auch, daß einzelnen Personen durch Strafurteil oder infolge eines solchen untersagt wird, gewisse Gewerbe, z. B. das Trödlergewerbe, zu betreiben?) Zu den vom öffentlichen Recht ausgehenden, weil wegen des öffentlichen Interesses aufgestellten, Beschränkungen muß auch die Vorschrift des Reichs-Bankgesetzes zugerechnet werden, durch welche solchen Banken, welche Noten ausgeben, der Abschluß einer Reihe von Handelsgeschäften untersagt *) oder nur innerhalb bestimmter Grenzen gestattet ist/) Hieher gehört auch die gesetzliche Be­ grenzung des Geschäftsbetriebs der Hypothekenbanken?) Die Übertretung einer dieser oder anderer öffentlich-rechtlicher Ein­ schränkungen hat weder die Ungültigkeit des abgeschloffenen Ge­ schäfts?) noch die Aufhebung seiner etwa vorhandenen Eigenschaft als Handelsgeschäft zur Folge, jene öffentlich-rechtlichen Verbote sind also privatrechtlich in der Regel wirkungslos?") Anders verhält es sich mit den privat- (nämlich Handels-) rechtlichen Einschränkungen des Grundrechts auf kaufmännische Betätigung; es gibt fünf Gruppen von Einschränkungen, die kraft Gesetz bestehen: 1. Das strenge Verbot des Handelsbetriebs: Handlungsgehilfen") und Mitglieder des Vorstands 1 GewerbeOrd. §§ 16, 29, 31, 33, 43, 44, 55—64 u. a. 2 GewerbeOrd. § 57. Ferner Hypothekenbank^ v. 13. Juli 1899 §§ 1, 2 u. NG. über die privaten Versicherungsunternehmungen vom 12. Mai 1901, §§ 3-7, 21, 54, s. auch unten § 39 a und § 62. 8 Reichs-MilitärG. § 43. 4 ReichsbeamtenG. § 16. 6 GewerbeOrd. § 35. 6 BankG. 88 5, 7, 42. 7 BankG. §8 13, 43, 44.

8 HypothekenbankG. v. 13. Juli 1899 §§ 5 ff. v Dies ist auch angesichts desBGB. 8 134 zu sagen, wie bei GareiS, Komm. z. AUg. d. RGB. S. 166 bis 167 dargelegt ist. 10 Anders die Einschränkungen des Börsenverkehrs durch die Ein­ richtung des Börsenregisters und die Vorschrift der Zulassung oder Nicht­ zulassung gewisser Gegenstände zu demselben, s. unten § 49. 11 Uber diesen Begriff s. unten

56

Kap. II. Die Personen im Handelsrecht.

einer Aktiengesellschaft *) dürfen ohne Einwilligung?) des Prin­ zipals, letzterenfallS der Gesellschaft, weder ein materielle-, noch ein formelle- Handel-gewerbe betreiben (Gewerbeverbot), noch in dem Handelszweige de- Prinzipal- für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen?) Was unter Handelsgewerbe zu denken ist, ergibt sich aus den Erörterungen über die Systematik der Handelssachen (oben § 8);4*)*in 6 * *einem bestimmten Handelszweige (nämlich dem deS Prinzipals) „Geschäfte machen" bedeutet ein Mittel­ ding zwischen einem Handelsgewerbebetriebe einerseits und der Vornahme eines einzelnen Handelsgeschäfts andererseits, es ist mehr alS dies, aber weniger als jenes?) ob das „Geschäfte machen" im Handelszweige des Prinzipals gelegen und daher als verboten anzusehen ist, muß als Tat­ srage behandelt und unter Zugrundelegung der im Handelsverkehr geltenden Anschauungen, Gewohnheiten und Gebräuche beantwortet werden?) Die zur Beseitigung dieser Einschränkung erforderliche Ein­ willigung des Prinzipals, welcher, sofern er eine Aktiengesell­ schaft ist und es sich um die Ermächtigung von Vorstandsmit­ gliedern zum eigenen Handelsgewerbebetriebe handelt, hier durch das den Vorstand bestellende Organ vertreten wird/) kann auch stillschweigend erteilt werden, und sie gilt gewerbebetreibenden8) Handlungsgehilfen gegenüber als erteilt, wenn dem Prinzipal bei der Anstellung des Gehilfen bekannt war, daß er ein Ge­ werbe betreibt, und der Prinzipal das Fallenlasien jenes Be­ trieb- nicht ausdrücklich vereinbart hat?) Wird das strenge

§ 21. Daraus, ob diese Personen rum Abschluß von Rechtsgeschäften für ihren Prinzipal bevollmächtigt sind, kommt es hier nickt an. 1 Hierüber s. unten § 33. 2 Diese,sowie die nachstehend unter Nr. 2—4 ausgezählten Einschrän­ kungen können mithin durch Privat­ vertrag aufgehoben werden, ebenso die unter Nr. 6, nicht aber die unter Nr. 5 erwähnte. Über den Begriff Einwilligung s. BGB. §§ 182—184. 3 HGB. 88 60, 236. 4 HGB. 88 1, 2. 6 DaS Verbot des „Geschäfte­ mächens", wie es in den 88 60, 236 enthalten ist, ist weniger streng als das des Art. 59 des HGB. v. 1861 (s. Gareis, HGB. Anm. 3 zu 8 60). i

" HGB. § 346. Es ist dabei nicht bloß die Zusammenstellung der Ge­ schäfte im HGB. 8 1, sondern jeden­ falls vor allem die Verschiedenheit der Waren zu erwägen; s. Gareis, HGB. S. 77. 7 HGB. § 236 Abs. 1 Satz 2. 8 Eigene „Geschäfte zu machen" ohne besonderen Gewerbebetrieb kann der Prinzipal dem Gehilfen wie aus­ drücklich so auch stillschweigend ge­ statten: die Vermutung des Abs. 2 des 8 60 bezieht sich jedoch darauf nicht. Gareis, HGB. Anm. 6 zu 8 60. 9 Vereinbart, nicht etwa nur ein­ seitig zu verbieten gesucht hat: s. Gareis, HGB. Anm. 7 zu § 60.

Verbot des Handelsbetriebs verletzt, so kann der Prinzipal Schadensersatz fordern oder statt besten verlangen, daß der dem Verbot zuwider Handelnde die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte al- für seine, des Prinzipals, Rechnung eingegangen gelten laste und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgebe oder seinen Anspruch auf die Vergütung ab­ trete : diese Ansprüche verjähren in drei Monaten von der Kennt­ nisnahme des Prinzipals (bezw. der zuständigen Gesellschafts­ organe) an, spätestens aber absolut in fünf Jahren?) Diesestrenge Verbot des Handelsbetriebs bindet auch die Stell v e r t r e t e r von Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft, nicht aber die Aufsichtsratsmitglieder, welche nur für einen im voraus begrenzten Zeitraum als Stellvertreter behinderter Vor­ standsmitglieder fungieren, noch auch die Liquidatoren einer Aktiengesellschaft/') 2. Das einfache Konkurrenzverbot. Dieses trifft, abgesehen davon, daß es die vorerwähnten (unter 1) Personen — Handlungsgehilfen und Aktiengesellschaftsvorstände — neben dem Gewerbeverbote (s. oben) trifft, nur die Mitglieder einer offenen Handelsgesellschaft und die persönlich haftenden Gesell­ schafter einer Kommanditgesellschaft, mag diese mit oder ohne Aktienausgabe errichtet fein;31) * die Reaktion gegen eine Über­ schreitung dieses Verbots richtet sich nach analogen Grundsätzen, wie die gegen die Verletzung des Gewerbeverbots (s. oben unter 1), ebenso auch der Verbotserlaß und die Verjährung; eigenartig ist aber hier, daß die Geltendmachung der Reaktionsansprüche gegen das rechtswidrig konkurrierende Mitglied nur auf Beschluß der übrigen Gesellschafter und unbeschadet des Rechts, die Auflösung der Gesellschaft wegen jener verbotenen Konkurrenz zu verlangen?) eintritt. 3. Das Verbot konkurrierender Vergesell­ schaftung: Mitglieder einer offenen Handelsgesellschaft, per1 HGB. §§ 61, 236 Abs. 2 mit ! Uber das Eintreten des Prinzipals s. G a r e i s, Die Verträge zu Gunsten den Anm. hiezu bei G a r e i s, HGB. Dritter (1873) S. 19—22. Der Prinzipal, mit dem sein Hand­ 2 HGB. 88 242, 248, 298. lungsgehilfe unter den Namen eines 3 HGB. 88 112,113,161 Abs. 2, andernBörsentermingeschäfte machte, 326. Kommanditisten (s. unten 88 30, kann die Herausgabe der Gewinne 37) als solche unterliegen dem Kon­ verlangen, die der Handlungsgehilfe kurrenzverbote nicht; s. HGB. 8 165. erzielt und aus der Kasse des Prin­ 4 HGB. 8133, s. aber auch 8 140. zipals erhalten hat. RG. 45, 31.

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

sönlich hastende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (auf oder ohne Aktien), sowie Mitglieder des Vorstands einer Aktien­ gesellschaft dürfen ohne Einwilligung der übrigen Mitglieder (bezw. im letzteren Falle: der Gesellschaft) nicht einer anderen Handelsgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafter angehören; dieses Verbot bezieht sich bei offenen Handels-, sowie bei Kommandit­ gesellschaften nur auf die Teilnahme an einer anderen gleichartigen Gesellschaft, d. h. einer Gesellschaft, welche der gleichen Unter­ nehmung, demselben merkantilen Zwecke dient, wie die auf dem Verbote bestehende. In Bezug auf Verbotserlaß und Erhebung der Reaktionsansprüche und deren Verzährung gilt analog das oben (unter 1 und bezw. 2) Gesagte. 4. Dem Schiffer (Schiffsführer) ist gesetzlich verboten, ohne Einwilligung seines Reeders für eigene Rechnung Güter zu ver­ laden, widrigenfalls er dem letzteren die höchste am Abladungs­ orte zur Abladungszeit für solche Reisen und Güter bedungene Fracht zu erstatten hat, unbeschadet des Anspruchs auf höheren Schadensersatz?) 5. Den Gewerbetreibenden ist gesetzlich verboten, mit ihren Arbeitern, denen sie prinzipiell die Löhne in Reichswährung zu berechnen und bar auszuzahlen haben, Warenkreditierungsverträge abzuschließen, und somit, da diese Verträge möglicherweise Handels­ geschäfte wären, in einer gewissen Richtung die kaufmännische Betätigungsfreiheit beschränkt, und zwar bei Vermeidung der Nichtigkeit solcher Verträge?) 6. Außer diesen verschiedenen kraft des Gesetzes bestehenden Einschränkungen können mit privatrechtlicher Wirksamkeit noch andere Einschränkungen gedacht werden, nämlich solche, welche durch Vertrag der Beteiligten aufgestellt werden; ein solcher Vertrag ist im allgemeinen bis an die durch die guten Sitten gezogene Grenze wirksam; für einen bestimmten Fall jedoch zieht der Gesetzgeber die Grenze schärfer, nämlich für den Fall, daß ein Prinzipal mit einem Handlungsgehilfen eine Vereinbarung trifft, durch welche der letztere für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt wird; eine solche Verabredung ist nämlich für den Handlungs­ gehilfen nur insoweit verbindlich, als die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch welche 1 HGB. § 544. 2 GewerbeOrd. §§ 115—119 b.

Das Recht der kaufmänn. Betätigung im allgem.

§ 14.

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eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Handlungs­ gehilfen ausgeschlossen wird (Einschränkung der sog. Konkurrenz­ klausel) ; als unbillig faßt das Gesetz ausdrücklich vor allem *) eine Beschränkung auf, welche auf einen Zeitraum von mehr als drei Jahren von der Beendigung des Dienstverhältnisses an er­ streckt wird;1 2) auch abgesehen hievon unterliegt eine solche Ver­ einbarung gesetzlich mehreren Erschwerungen im Interesse des wirtschaftlich schwächeren Handlungsgehilfen: sie ist nichtig, wenn sie der letztere minderjährig abschließt;3) sie bindet den Gehilfen ferner nicht, wenn ihm der Prinzipal durch vertrags­ widriges Verhalten Anlaß gibt, aus einem gesetzlichen Grunde das Dienstverhältnis sofort4) zu lösen, oder wenn der Prinzipal das Dienstverhältnis kündigt, ohne daß für die Kündigung ein erheblicher Anlaß vorliegt, den er nicht verschuldet hat, und ohne daß dem Handlungsgehilfen während der Dauer der Freiheits­ beschränkung das zuletzt von ihm bezogene Gehalt fortgezahlt wird. Ist jene Vereinbarung auf die Leistung einer Strafe zu­ gespitzt und tritt der Fall ein, daß diese Strafe in der Tat vom gewesenen Handlungsgehilfen bezahlt werden muß, so hat es hiebei sein Bewenden, und es kann der Prinzipal weder die Er­ füllung der Vereinbarung neben der Strafe, noch einen über diese hinausgehenden Schadensersatz verlangen;5) ist die für den Fall des Bruchs der Klausel vom Handlungsgehilfen versprochene Strafe unverhältnismäßig hoch, so kann sie auf seinen Antrag vom Richter auf einen angemessenen Betrag herabgesetzt werden. 6) Dem Persönlichkeitsrechte aus kaufmännische Betätigung im allge­ meinen haften die besonderen Befugnisse des Kaufmanns als solchen, sowie seine besonderen Standespflichren an. Hiervon oben § 11 III. S. 40—43.

1 Welche Anhaltspunkte sonst dem Richter bei Ermessen, ob die Klausel Billiges oder Unbilliges verlange, dienen, s. Gareis, HGB. S. 87 bis 88, Anm. 1 zu § 74. 2 HGB. § 74 Abs. 1 u. 2; Analoges gilt nun auch für Gewerbegehilfen nach GewerbeOrd. §§ 133t, gemäß EinfG. zu HGB. Art. 9II. Ueber die Frage der Rückwirkung der Vorschrift des § 74 HGB. s. Bl. s. Rechtsanw. Bd. 66 (1901) S. 178-182.

’ 3 HGB. § 74 Abs. 3, auch dies I ins Gewerberecht übernommen: f. vorige Anm. Gewerbe-Ord. § 133 f ! Abs. 2. i 4 Gemäß HGB. §§ 70, 71, auch i § 75. : 6 HGB. § 75 Abs. 2, 3. Ab­ weichendes bestimmt BGB § 340. 6 Nach HGB. § 75 Abs. 2 l. Satz hat BGB. § 343, nicht HGB. § 348 Anwendung zu finden.

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

8 15. 2. Vas Nrcht auf einen inLivi-ueli gestalteten Gewerbebetrieb unb an diesem. (Recht der Handelsniederlassung.)

I. In einer besonderen Richtung weiter entwickelt gestaltet sich das Recht der kaufmännischen Betätigung zu dem Rechte auf einen individuell gestalteten Gewerbebetrieb und, sofern er ge­ schaffen ist, an diesem. Denn durch die Betätigung der körperlichen und geistigen Kräfte in einer bestimmten Weise schasst der Kaufmann eine Verbindung von wirtschaftlichen Elementen, welche zu einer eigen­ artigen, zunächst von seiner Persönlichkeit ausgehenden und von ihm ge­ tragenen Unternehmung wird und als solche — äußerlich wenigstens — ein objektives Dasein führt. „Indem vermöge der tatsächlichen Ver­ knüpfung von geschäftlichen Beziehungen, Kundschaft, Ruf und Vertrauen mit einem bestimmten Betriebe und seinen materiellen Unterlagen ein gewerbliches Unternehmen sich zu einem individualisierten Inbegriff stän­ diger Lebensverhältnisse verfestigt, besitzt darin sein Schöpfer oder dessen Rechtsnachfolger eine ökonomisch wertvolle Grundlage fernerer Erwerbs­ tätigkeit" (Gierke)?) Dies gilt ganz besonder- vom Kaufmann; er schafft sich und besitzt in seiner „Handelsniederlassung", dem Etablissement (mitunter auch „Handelsgeschäft" oder geradezu „Geschäft" genannt) einen solchen Inbegriff von stän­ digen Lebensverhältnissen, und man versteht darunter das reale Substrat seines kaufmännischen Geschäftsbetriebs, den „Komplex aller zu einem bestimmten kommerziellen oder industriellen Zwecke vereinigten Produktionsmittel", eine Zusammenfassung von Sachen (eine Universitas bonorum, wie die altrömische taberna), von Kräften, Beziehungen (darunter auch z. B. die Kundschaft, chalandise), Forderungen und Schulden. Die Frage, welche dieser Dinge zur Errichtung oder zum Bestände eines Etablissements gehören, ist nicht allgemein, sondern nur mit Rücksicht auf die einzeln vorliegende merkantile oder industrielle Absicht und Sach­ lage zu beantworten. Auch die Eigenart oder Besonderheit, die In­

dividualisierung, kann verschieden sein, sie ist bald mehr, bald weniger ausgeprägt, nickt selten stark entwickelt, möglicherweise schon wegen des Vorhandenseins und der Verwendung oder Ausübung von eigenartigen Rechten, wie z. B. von Monopol- und Bannrechten, oder von ausschließ­ lichen Aneignungsrechten oder von Urheberrechten,1 2) im konkreten Unter1 Deutsches Privatrecht I S. 713. 2 Uber all dies s. Gierke, PrivatR. S. 715—717.

Das Recht auf einen individ. gestaltet. Gewerbebetr.

§ 15.

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nehmen;1) aber sie ist, auch abgesehen hievon, bei jedem Handelsunter­ nehmen, daS unter einer bestimmten Firma betrieben wird, wenigstens bis zu einem gewissen Grade faßbar vorhanden. Bon juristischer Be­ deutung ist der Ort der Handelsniederlassung — Hauptsächlichwegendes Gerichtsstandes — und der Umfang derselben — hauptsächlich wegen der Möglichkeit des Rechlsübergangs der Handelsniederlassung als solcher.

II. Als Ort des Etablissements, keineswegs immer mit dem Wohnsitz des das Handelsgewerbe Betreibenden zusammenfallend, ist der Platz anzunehmen, von welchem aus die kaufmännische Leitung des Handelsgewerbes tatsächlich, nicht bloß der Idee nach, sondern praktisch wirksam erfolgt; es ist dies möglicher­ weise der Sitz deS Kontors, der Sitz der Kaste, nicht gerade der Ort der Warenmagazine oder der Fabrikanlage. Ein Kaufmann besitzt möglicherweise mehrere Etablistements zugleich, welche in verschiedenen Berhältniffen zu einander stehen können: entweder sind sie vollkommen selbständig, koordiniert nebeneinander; für den Verkehr dieser Etablistements untereinander sind die trassiert­ eigenen Wechsel, die domizilierten Eigenwechsel und die Tratten an eigene Ordre von besonderer praktischer Bedeutung (f. unten Wechselrecht, § 85); oder sie sind einander subordiniert (Filialen, auch mitunter Kommanditen genannt), und in diesem Falle ist die Unterordnung entweder nur eine technische, nicht eine juristisch hervortretende — so das Verhältnis der „Neben­ etablissements" zum „Hauptetablissement" —, wenn die Mehrheit der Niederlaffungen nach außen zu nicht hervortritt, sondern juristisch und insbesondere rechtsverbindlich nur Ein Etablissement, das Hauptetablissement, auftritt, oder es liegt der Fall einer Abzweigung vor, durch welche ein mit einer gewissen juristischen Selbständigkeit operierendes „Zweigetablissement" ins Leben gerufen wird, so das dann von dieser Niederlassung aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden.-) Die Zweig­ niederlassung kann eine besondere Firma haben, die Nebennieder­ lassung nicht; hat die Zweigniederlassung keine besondere Firma, so muß, wenn sie an einem anderen Orte oder in einer anderen Gemeinde errichtet ist, die Firma der Hauptniederlassung für sie 1 Man denke daran, welche hoch­ gradige Individualisierung eine Buchhandlung durch den Verlag der Werke bestimmter Schriftsteller ge­ winnen kann. Andere Fälle der Individualisierung des Betriebs s.

unten §§ 18, 19, in letzterem § s. besonders eigenartig unter IQ die nach § 2 des RGes. v. 11. Januar 1876 wirksame (unten S. 80). 2 ZPO. § 21.

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

bei dem für sie zuständigen Handelsgericht eingetragen werden?) Der Ort der Niederlassung bestimmt überhaupt den Ort der Firmeneintragung?) Die wichtigste Bedeutung hat der Ort des Etablissements für die Bestimmung des Gerichtsstandes; hat jemand ein Etablissement, von welchem aus unmittelbar Geschäfte geschloffen werden, gleichviel, ob Haupt- oder Zweigetabliffement (nicht aber Nebenetabliffement), so können gegen ihn alle Klagen, welche auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung (und zwar gerade der konkreten Niederlassung, nicht einer anderen desselben Kaufmanns) Bezug haben, bei dem Gerichte des Orts erhoben werden, wo sich diese Niederlassung befindet,^ es gibt demnach ein forum domi­ cilii des Etablissements, welches mit anderen Gerichtsständen des Kaufmanns elektiv konkurriert. Keine Bedeutung hat die Unterscheidung verschiedener Etablissements für das Konkursrecht. 41) 2 3 Die Konkursordnung kennt weder ein Ab­ sonderungsrecht der Handelsgläubiger eines bestimmten Etablissements gegenüber Gläubigern eines anderen Etablissements desselben Kaufmanns, noch ein Separationsrecht der Handelsgläubigcr eines Kaufmanns gegen­ über den Privatgläubigern desselben. Wohl aber ist das Etablissement einer Handelsgesellschaft von den Etablissements der einzelnen Mitglieder einer solchen zu trennen?)

III. Abgesehen vom Falle des Konkurses, erfreut sich das Etablissement einer juristischen selbständigen Existenz, welche die Frage nahe legt, ob dasselbe nicht eine juristische Person sei; diese Frage ist, wenn man auch zugeben muß, daß das Etablisse­ ment seinen eigenen, von ihm nicht zu trennenden«) Namen führen, seine eigenen, nicht davon zu trennenden Warenzeichen (s. § 17 S. 72 ff.), seinen eigenen Gerichtsstand, sein eigenes Per­ sonal, seine eigenen Handelsverbindungen haben kann und in diesen Richtungen sogar vom Leben des Etablissementsinhabers unabhängig ist,7) zu verneinen, und ebenso ist die Frage zu ver­ neinen, ob es eine wirkliche „Universalsukzession" in ein Etablisse­ ment unter Lebenden gibt; aber es gibt einen Rechtsüber­ gang eines ganzen Handelsetablissements unter Zusammenfassung aller zu demselben gehöriger Aktiva und Passiva, ja es wird 1 2 3 4

HGB. §§ 13, 15. HGB. 8 29. ZPO. § 21. KontO. § 4 vgl. mit §§ 47—52.

5 KonkO. 88207,209-213,HGB. § 131 Nr. 3 u. 5. 6 HGB. § 23. 7 BGB. §§ 672, 675, auch 168 170—173.

Tas Rech: auf einen individ. gestaltet. Gewerbebetr.

§ 15.

63

ein solcher Übergang — auch der Schulden, nämlich eine kumu­ lative Schuldübernahme — sogar gesetzlich vermutet, wenn jemand ein bestehendes Handelsetablissement samt dem bisherigen Namen, der Firma (s. folg. §), erwirbt und unter derselben Firma — wenn auch mit einem das Nachfolgeverhältnis an­ deutenden Firmenzusatze — fortführt. Die Geschäftswelt und nun *) auch der Gesetzgeber erblicken in der unter derselben Firma unternommenen Fortführung eines Handelsgeschäfts (Etablissements) die Kundgebung der bestimmten und als bindend ange­ nommenen Absicht dieses Unternehmers (Nachfolgers, Erwerbers), in alle Geschäftsbeziehungen des früheren Geschäftsinhabers (Vor­ gängers, bisherigen Inhabers, Veräußerers) soweit als möglich einzutreten: das Publikum hat das Recht, anzunehmen, daß der Nachfolger für die Geschäftsschulden des Vorgängers hafte, sofern nicht das Gegenteil in gehöriger Weise bekannt gemacht ist. Regelmäßig ist diese Annahme unter zwei alternativen Voraus­ setzungen gesetzlich gerechtfertigt,1 2) nämlich dann, wenn entweder die Tatsache vorliegt, daß der Nachfolger die Firma (s. unten § 16 Seite 69) fortführt, oder wenn ein besonderer Verpflich­ tungsgrund vorliegt, wozu namentlich der Fall gehört, daß der Nachfolger die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher

Weise bekannt gemacht hat: die unter der einen oder anderen 1HGB. v. lO.Mai 1897 §§ 25-27. - Es ist schon seither (vgl. RGer. Bd. 2 S. 55, 56) die Auffassung des Handelsstandes und des Publi­ kums überhaupt, aber im Gesetz­ buche noch nicht ausgesprochen ge­ wesen, daß, wer ein Geschäft samt der Firma erwirbt und — wenn auch mit dem das Nachsolgeverhältnis andeutenden Firmenzusatze — fortführt, dadurch die ihn bindende Absicht kundgibt, in die Geschäfts­ beziehungen des früheren Geschäfts­ inhabers so weit als möglich einzu­ treten : das Publikum hat ein Recht, anzunehmen, daß der (neue) Firmen­ inhaber für die (alten) Firmenschul­ den haste, sofern nichts anderes ent­ gegenstehend rite bekannt gemacht ist. Und es ist und bleibt ein gel­ tender Handelsgewohnheitsrechtssatz, daß in der handelsüblichen Bekannt­

machung der Übernahme der Ge­ schäftspassiva seitens des Erwerbers des Geschäfts ein solcher „besonderer Verpflichtungsgrund" erblickt werden muß. Vgl. schon RQHG.Bd. 1 S.67, Bd. 3 L 182, Bd. 8 S. 383, Bd. 12 S. 160, Bd. 16 S. 172. — Passivaübernahme als Vertrag zu Gunsten Dritter, s. ROHG. Bo. 21 S.232,RGer. Bd.2S.54.Gareis, Verträge zu Gunsten Dritter S. 289 ff.; Schuldübernahme in PGB. §§ 414 ff., insbesondere bei Über­ nahme eines ganzen Vermögens § 419, — auch hier unbeschadet der Fortdauer der Haftung des bisherigen Schuldners. — Demnach gibt eS zwei Gründe der Haftbarkeit für die früheren Geschäftsschulden: Fort­ führung der Firma und besonderer Verpflichtungsgrund, insbesondere Bekanntmachung nach § 25 Abs. 3

64

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

dieser beiden Voraussetzungen demnach anzunehmende Schuld­ übernahme ist zunächst eine kumulative, der Geschäftsvorgänger bleibt trotz des Eintritts der Haftung des Nachfolgers zunächst (f. vorige Seite) noch haftbar, obgleich er aufhört, Gläubiger der Geschäftsforderungen zu sein, wenn er in die Fortführung der Firma eingewilligt hat. Ein dritter hieher gehöriger Fall ist die Konstituierung einer Gesellschaft auf der Basis des bisherigen Allein­ betriebs: tritt jemand als persönlich haftender Gesellschafter oder als Kommanditist in das Geschäft eines Einzelkaufmanns ein, so haftet die dadurch geschaffene Gesellschaft, auch wenn sie die frühere Firma nicht fortführt, für alle im Geschäftsbetriebe ent­ standenen Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers, während die Aktiva des Geschäfts den Schuldnern gegenüber als auf die Gesellschaft übergegangen gelten. Abweichendes gilt Dritten gegen­ über nur, wenn es im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder dem Dritten von einem Gesellschafter mitgeteilt wurde. *) Auch abgesehen von diesem (dritten) Falle ist bei der Fort­ führung des Geschäfts mit der Firma eine von der Regel des Aktiva- und Pasfivaübergangs abweichende Vereinbarung einem Dritten gegenüber nur dann wirksani, wenn sie in das Handels­ register eingetragen und bekannt gemacht oder von dem Nachfolger oder Vorgänger dem Dritten besonders mitgeteilt worden ist. Die bei einem Geschäftsübergang unter einer der beiden ersten der angegebenen Voraussetzungen anzunehmende Schuld­ übernahme ist aber, wie gesagt, nur zunächst eine kumulative, sie wird mit der Zeit zu einer liberierenden, denn es verjähren die Ansprüche der Geschäftsgläubiger gegen den Vorgänger mit dem Ablaufe von fünf Jahren, falls nicht nach den allgemeinen Vorschristen die Verjährung schon früher Eintritt;2) die Verjährung beginnt im Falle des Firmenübergangs mit dem Ende des TageS, an dem der Nachfolger in das Handelsregister des Gerichts der Hauptniederlaffung eingetragen worden ist, im Falle des Vor­ handenseins eines besonoeren Verpflichtungsgrundes aber mit dem Ende des TagS, an dem die Kundmachung der Übernahme statt­ gefunden hat; konnte aber der Gläubiger die Leistung erst an einem späteren Zeitpunkte verlangen, so beginnt die Verjährung 1 HGB. 8 28. 1 HGB. § 26 mit Anrn. bei Gareis, HGB. S. 49.

Das Recht an einen individ. gestaltet. Gewerbebetr.

§ 15.

65

mit diesem Zeitpunkte. Dasselbe, was bei der Veräußerung eines Etablissements im ganzen durch Vertrag unter Lebenden gilt, ist auch Rechtens, wenn der Übergang von Todes wegen stattfand, also Erben ein zu einem Nachlasse gehörendes Handelsgeschäft fortführen; nur besteht zu gunsten der Erben eine dreimonat­ liche Überlegungsfrist, so daß die unbeschränkte Haftung der Erben für die Geschäftsschulden des Vorgängers nicht eintntt,1) wenn die Fortführung des Geschäfts vor dem Ablaufe von drei Monaten wieder eingestellt ist; iiese drei Monate beginnen mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfalle der Erb­ schaft Kenntnis erlangt hat;2)* *ist * bei dem Ablaufe der drei Monate aber das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft noch nicht verloren,^) so endigt die Frist nicht vor dem Ablaufe der Ausschlagungsfrist. Was den Übergang der Aktiva aus den Geschäftsnachfolger an­ langt, so muß dabei, sofern es sich um die Übertragung des Geschäfts unter Lebenden handelt, die nach dem Gegenstände der Übertragung er­ forderliche Form gewahrt werden, also z. B., wenn es sich um die Über­ tragung des Eigentums an einem Grundstücke handelt, die Vorschrift der Auflassung beobachtet werdens) die Forderungsübertragung (Cession) ist derartig vollständig, daß der bisherige Inhaber aufhört, Gläubiger der Geschästsforderungen zu sein, eine Abweichung hievon kann mit Wirksam­ keit dritten gegenüber nur verabredet werden, wenn sie entweder in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder von dem Vor­ gänger oder Nachfolger dem dritten mitgeteilt worden ist. Im Falle des

1 HGB. 8 27. Hiezu s. Bolte in GZ. 51 S. 413 ff. a Auf den Laus der Frist findet BGB. 8 206 Anwendung: „Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so wird die gegen sie laufende Verjähruna nicht vor dem Ablaufe von sechs Monaten nach dem Zeitpunkte vollendet, in welchem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung auf­ hört. Ist die Berjährungsftist kürzer als sechs Monate, so tritt der für die Verjährung bestimmte Zeitraum an die Stelle der sechs Monate. Diese Vorschriften finden keine An­ wendung, soweit eine in der GeGareis, Handelsrecht.

7. Aufl.

schäftssähigkeit beschränkte Person prozeßfähig ist." Letzteres ist der Fall, wenn die Ermächtigung zum selbständigen Betriebe eines Erwerbsgeschäfts er­ teilt ist; s. oben § 12 V 51. Vgl. auch BGB. §§ 112, 1651 Abs. 1, ZPrO. § 54. 3 Es handelt sich dabei wesentlich um den Fall, daß die AuSschlagungSsrist statt der regelmäßigen sechs Wochen sechs Monate beträgt, näm­ lich wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im AuSlande gehabt hat oder wenn sich der Erbe beim Beginn der Frist im Ausland auf­ hält. BGB. 8 1944 Abs. 3. 4 BGB. 88 873, 925 u. a. 5

66

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

erbrechtlichen Übergangs eines Handelsetablissements versteht sich der Übergang der Geschästsforderungen auf den Erben von selbst. IV. So kann durch die individuelle und individualisierende Ge­ schäftstätigkeit eines Kaufmanns ein Komplex von Beziehungen, Rechten und Pflichten, Aktiven und Passiven geschaffen werden, der seinen Schöpfer zu überleben imstande ist. Äußerlich tritt das Eigenartige und Zu­ sammengehörige des Etablissements im Namen desselben, in der Firma und auch in den von dem Geschäft gebrauchten Warenzeichen hervor, macht sich aber juristisch auch da geltend, wo es durch Nachahmung der Eigenart des Betriebs, durch Anmaßung der Unterscheidungszeichen oder der Unterscheidungsmittel oder sonst durch unlauteren Wettbewerb beein­ trächtigt und hiegegen gesetzlich geschützt rotrb.1)* 3

§ 16. 3. Las Recht am Namen und an der Firma.

I. Wie jedes Wesen, welches Rechtssubjekt sein kann, durch seinen Namen individualisiert wird, ein Persönlichkeitsrecht auf seinen Namen und an demselben hat, so steht selbstverständlich auch der Kaufmann unter den Regeln des Namenrechts?) Sein Handelsgewerbe kann der Kaufmann entweder unter seinem bürgerlichen (Vor- und Familien-) oder unter einem dem Handels­ unternehmen (Etablissement, s. § 15 III und IV) eigenen Namen betreiben; in beiden Fällen heißt der Name, unter welchem im Handel das Geschäft betrieben und insbesondere die Unterschrift abgegeben wird, Firma?) Die Firma ist weder eine Sache, noch besitzbar oder ersitzbar*), sondern — sie mag eine Personal(oder Namenfirma, z. B. August Müller) oder eine Real(d. i. Sachfirma, z. B. „Versicherungsgesellschaft Phönix") oder

1 Insofern sind die Erörterungen der drei folgenden Paragraphen trotz der äußerlichen Koordination der­ selben in Unterordnung unter den § 15 zu denken. 8 Vgl. Gareis, Grundriß (1877) § 42; Gierke, Deutsch. Privat­ recht 8 83; BGB. 8§ 12, 1355, 1577,1616, 1706, 1719,1736,1758, 1772, auch 823. 3 Geschichtliches über die Firma ital. ragione, ditta, franz, raison — und das firmare s. GUGesch. S. 243. Beiträge zum Firmenrecht

von £ tto £pet in GZ Bd. 49 S. 51 ff. £ lshausen, Verhält­ nis des Namenrechts zum Firmen­ recht 1900. Unter seiner Firma kann der Kaufmann auch Klagen erheben und verklagt werden; HGB. 8 17 u. hiezu Gareis , HGB. S.43 Anm. 5. Aber nur Kaufleute, und zwar nur Vollkausleute (f. oben S. 45) haben Firmenrecht. R£HG. 21 S. 27, RGer. 14 S. 19, RGer. 24 S. 28. 4 RGer. 7 S. 283; 25 S. 6.

Das Recht am Namen und an der Firma.

§ 16.

67

eine gemischte Firma (z. B. Warenhaus von Rudolf Herzog) sein — wie jeder andere Personenname der Gegenstand eines Persönlichkeitsrechts physischer und juristischer Personen/) in deren Interesse es ebenso wie in dem des Publikum- liegt, daß die seitens der Firma bewirkte Individualisierung zuverlässig und die Firma vor unberechtigter Nachahmung geschützt sei, daher stellt die Gesetzgebung eine Anzahl von Rechtssätzen fest, welche zwar als Prinzipien gelten, sich aber gegenseitig modifizierend durch­ kreuzen.

1. Der Grundsatz von der Wahrheit der Firma: diesem entsprechend darf ein Kaufmann, der sein Geschäft ohne Gesell­ schafter oder nur mit einem stillen Gesellschafter betreibt, nur seinen Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen?) und mit oder ohne nähere zusätzliche Bezeichnung des Etablissements oder der Person als Firma führen; er darf durch die Firma nicht den Schein hervorrufen wollen, daß eine Gesellschaft für die Verbindlichkeiten des Geschäfts hafte; auf Grund eben dieses Grundsatzes müssen auch die Firmen der Handelsgesellschaften den realen Verhältnissen entsprechen und insbesondere die gesetzlich verlangten Zusätze („Aktiengesellschaft", „Kommanditgesellschaft auf Aktien" u. s. w.) enthalten;3* )* eben­ deshalb ist auch die Teilung der Firma4)S. und jede mit einer Veräußerung des Etablissements verbundene Veräußerung der Firma verboten") und eine durch vorgeschobene Namen erschlichene Firma nicht geschützt; 6) diesem Grundsätze der Wahrheit schließt sich

1 Trotz des zwischen dem Eta­ blissement und der Firma bestehen­ den Rechtsbandes (f. HGB. § 23, auch die Erörterungen oben § 15 S. 62 ff., unten § 16 S. 69) muh doch obiges sestgehalten und sowohl der Gedanke, daß die Firma eine Personifikation des Geschäfts bedeute, als auch der, daß sie ein selbständiger Wertgegenstand, Ver­ mögensrecht, Zwangsvollstreckungs­ objekt sei, vollständig fern gehalten werden, RGer. 9 'S. 106. Das Wesen der Firma erörtert durchaus zutreffend B. Ehrenberg in GZ. 28 S. 25 ff. — Uber Firmenrecht u. Etablissementsnamen siehe AR.

Eonrades (Meppen) in Recht, Jahrgang 6 (1902) S. 9 ff. 8 HGB. §§ 18, 24 Abs. 2. 3 HGB. §§ 19, 20, 24 Abs. 2. GenG. v. 1. Mai 1889 § 3, LimitGG. v. 20.. April 1892 §§ 3, 4, s. unten §24. Übergangsbestimmungen für dieFirmen derAktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften aus Aktien s. EinsG. zum HGB. Art. 22 Abs. 2. Ferner: Versich.G. § 18 Abs. 2. 4 ROHG. 4 S. 261. 5 HGB. § 23. RGer. 9 S. 1. 6 ROHG. 4 S. 259, 10 S. 292, 11S. 246, vgl. hiemit RGer. 3 S.120, wo die Eintragung einer Firma, die

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Kap. n.

Die Personen im Handelsrecht.

die Vorschrift der Gewerbeordnung an, wonach Gewerbebeireibende, welche einen offenen Laden lhaben oder Gast- und Schankwirtschaft betreiben, ihren Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen an der Außenseite oder am Eingänge des Ladens oder der Wirtschaft in deutlich lesbarer Schrift anbringen müssen (Firmentafel, Ladenschild); dieser Vorschrift unterliegen auch die Kaufleute, welche eine Handels­ firma *) führen, es sei denn, daß aus der Firma schon der Familienname des Geschäftsinhabers zu ersehen ist, ein Fall, in welchem die obliga­ torische Anbringung der Firma selbst schon 'genügt. Bei offenen Laden­ geschäften (ober Wirtschaften) der offenen Handelsgesellschaften und der Kommanditgesellschaften (mit oder ohne Aktien) müssen die Namen der persönlich haftenden Gesellschafter (s. unten §§ 25, 30, 37) oder wenigstens von zweien derselben (wenn die Polizei nicht alle anzugeben verlangt) aus den Ladenschildern, wie bei den vorenvähnten Gewerbebetrieben an­ gegeben werden.') 2. Der Grundsatz der Ausschließlichkeit der Firma: eine neu errichtete Firma muß sich von allen älteren Firmen desselben Orts oder Gemeindebezirks, vorausgesetzt, daß diese ein­ getragen sind (f. unten 5 S. 70), deutlich unterscheiden;-*)

das Ermessen des Richters und die Handelssitte entscheiden darüber, ob die Unterscheidung deutlich genug ist, um Verwechslungen vor­ zubeugen, und die Priorität des erlangten Rechtsschutzes ent­ scheidet für das Recht, die Firma, mit welcher eine andere gleich­ lautend ist, führen zu dürfen. 3. Der Grundsatz der freien Wahl der Firma: dieser ist, wenn eS sich um die Errichtung einer neuen Firma handelt, nur innerhalb der durch den unter 1 erwähnten Grundsatz gezogenen Grenzen anwendbar/) also in Bezug auf die Abkürzungen der (zweiten oder folgenden, nicht des ersten) Vornamen, der Sach­ oder Ortsbezeichnung, der Gesellschaftsbezeichnung/) jedoch so, daß mehrere Firmen (z. B. Übersetzungen) für ein und dasselbe

Geschäft/) sowie eine oder mehrere Firmen für mehrere EtablisiementS desselben Inhabers geführt werden können;7) weiter reicht die Wahlfreiheit, wenn ein Etablissement auf einen neuen Erwerber übergeht; dieser kann zwischen einer neuen Firma (wie unter 1) und der Erhaltung des bisherigen Namens (s. unter 4) mit oder keinem Etablissement, keinem Ge­ schäftsbetriebe entspricht, als unzuläsfig erklärt ist. 1 Die Firma im Sinne der HGB. 88 17 ff. 9 EinfG. zum HGB. Art. 9. 'HGB. 8 30. GenG. 8 3 Abs. 2.

4 HGB. § 18 Abs. 2. — Beiaiing des Namens der Ehefrau er. 16 S. 60. 6 HGB. 8 19. 6 Keyßner in GZ.21S.410 ff. 7 ROHG. 20 S. 35, 36.

Das Recht am Namen und an der Firma.

§ 16.

69

ohne Zusatz wählen, wenn Einverständnis der Beteiligten vor­ liegt;') wird ohne Änderung der Person des Geschäftsinhabers der Name desselben oder der in der Firma enthaltene Name eines Gesellschafters geändert (z. B. durch Verheiratung der Geschäfts­ inhaberin -) oder Ehelichkeitserklärung31)42oder 5 Annahme an Kindes­ statt)/) so kann — aber nicht: muß — die bisherige Firma fortgeführt werden, es besteht also auch hierbei Wahlfreiheit;st) und ebenso verhält es sich beim Eintritt oder Austritt eines Ges ellschaftsmitglieds.6) 4. Der Grundsatz der Übertragbarkeit der Firma: Die Firma kann zugleich mit dem Etablissement veräußert7) oder vererbt und dann von dem neuen Erwerber fortgeführt werden, jedoch nicht ohne die ausdrückliche Bewilligung des bisherigen Geschäftsinhabers oder der Erben desselben und nie ohne das Etablissement;8) zulässig erscheint, daß der bisherige Geschäfts­ inhaber das Geschäft verkauft, ohne die Fortführung der seinen bürgerlichen Namen enthaltenden Firma zu gestatten, und als­ dann ein neues Geschäft wiederum unter seinem Namen beginnt;9) die Übertragung des Etablisiements verleiht dem neuen Erwerber noch nicht das Recht, die bisherige Firma fortzuführen, aber mit dem Firmen- und Geschästsübergang ist der Übergang aller Aktiva und Passiva nun regelmäßig verbunden (s. oben § 15 in S. 63 ff.); die Regel der Übertragbarkeit mit den angegebenen Beschränkungen gilt auch von Gesellschaftsfirmen; der Wechsel im Subjekt des Geschäftsinhabers unter Fortführung des Geschäfts muß nur dann eine Firmenänderung bewirken, wenn entweder der bisherige Inhaber die Einwilligung zu verweigern das Recht hat und sie verweigert, oder soweit es sich um Formalzusätze10) der bisherigen Firma handelt: die Formalbezeichnungen gehen 1 HGB. 88 22, 24, ROHG. 10 S. 291. 2 BGB. 8 1355; bei Ehescheidung BGB. § 1577. 3 BGB. 88 1736, 1616. 4 BGB. 8 1758. 5 HGB. 8 21 Kommiss.Ber. S. 17. 6 HGB. 8 24. Wenn aber ein GeseUschaflsmitglied ausscheidet, dessen Name bisher in der Gesellschaftsfirma enthalten war, so kann (aber wiederum nicht: muß) diese ; zwar fortgeführt werden, aber nicht i

ohne die ausdrückliche Einwilligung des Ausscheidenden oder seinerErben. HGB. 8 24 Abs. 2. 7 Dabei ist nicht bloß an Verkauf zu denken, sondern auch an Nießorauch, Pacht und ähnliche Über­ nahmeverhältnisse. S. die ausdrück­ liche Bestimmung des Abs. 2 b. § 22 des HGB. 8 HGB. 88 22, 23. RGer. Bd. 25 S. 5. 9 RGer. Bd. 9 S. 104. 10 HGB. 8 20. S. auch § 24.

70

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

nicht auf Inhaber über, auf die sie nicht paffen, und können, wenn fie auf den Nachfolger paffen, von diesem nicht umgangen werden?) 5. Der Grundsatz der Eintragungspflicht: Jeder Kaufmann muß seine Firma und den Ort seiner Handelsniederlaflung bei dem Handelsgerichte (Amtsgerichte), in dessen Bezirk die letztere sich befindet, zum Zwecke der Eintragung in das Handelsregister anmelden?) Das Gesetz bestimmt die Art der Anmeldung und Eintragung (auch der Zweigetabliffements, wenn solche örtlich vom Hauptetablissement getrennt ftnb);8) auch die Anmeldung der juristischen Personen, welche Handel treiben?) ferner die Führung und Veröffentlichung der Register?) Die Registerpflichtigkeit erstreckt sich auch auf die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Kaufmanns — diese ist von Amts wegen einzutragen — *), auf alle Änderungen und auf das Erlöschen der Firma;71) * *die 4 * Tatsache 6 der Eintragung und Ver­ öffentlichung, sowie die der Nichteintragung von Firmenänderungen u. s. w. ist von den bekannten Wirkungen begleitet, welche sich an die Registrierung überhaupt knüpfen (s. oben § 4 Seite 18 ff.). Ordnungsstrafen können übrigens nicht bloß zur Erzwingung einer Anmeldung (wie oben ebenfalls § 4) erörtert ist, sondern auch zur Erzwingung der Unterlassung des Gebrauchs einer Firma gegen Unberechtigte angewandt werden?) — DaS durch diese Rechtsgrundsätze geschaffene feste Firmen­ recht ist privatrechtlich, abgesehen von Feststellungsklagen, durch zweierlei Klagen geschützt: die Klage auf Unterlaffung der weiteren unbefugten Firmenführung und ferner die Klage auf Ersatz des Schadens, welcher aus der unbefugten Firmenführung dem ver­ letzten Berechtigten entstand. Die erstgenannte Klage stützt fich auf daS Handelsrecht?) fie fetzt keinerlei Schuld, Vorsatz, Arglist 1 HGB. § 22 mit den Anin, bei GareiS, HGB ,S. 46. * HGB. § 29. Uber das Handelsregister s. oben § 4 ®. 18 ff. 1 HGB. 88 12, 13, 15, 30, 37. Bgl. auch oben 8 15 S. 96 ff. 4 HGB. 88 33—35. Staatliche Unternehmungen sind ausgenom­ men. HGB. 8 36. 6 HGB. 88 8—11. S. oben 8 4 S. 32 ff. • HGB. 8 32.

'

7 HGB. §§ 31, 34. (Hierzu Freiw.Ger.G. 8 131) Das RGes. ; v. 30. März 1888 ist aufgehoben; : Gins®. Art. 8, s. GareiS, HGB. i S. 53, 425. 9 HGB. § 37; hiezu Freiw.Ger.G. §§ 132—139, 140. 9 HGB. § 37 Abs. 2 Satz 1. Ein Anspruch auf Unterlassung besteht aber auch im Falle des § 8 des Weltbewerbsgesetzes v. 27. Mai 1896 (hievon unten § 18 S. 77 s.).

Das Recht am Namen und an der Firma.

§ 16.

71

oder Fahrlässigkeit voraus, sondern ist schlechthin gegeben, wenn eine Firma in irgend einer Hinsicht den Vorschriften des Handels­ gesetzbuchs (Buch I Abschnitt 3) nicht entspricht?) Dagegen kann eine Schadensersatzklage auf die Vorschriften des Handelsrechts allein nicht gebaut werden; es wird nämlich für jeden Schadensersatzanspruch irgend ein Grad des Verschuldens vorausgesetzt, und unter dieser Voraussetzung steht einem durch widerrechtlichen Firmen­ gebrauch oder Namensgebrauch Beschädigten ein Schadensersatzanspruch sowohl aus Grund des Bürgerlichen Gesetzbuchs?) als auch aus Grund des Reichsgesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs?) bezw. auf Grund des Reichsgesetzes zum Schutz der Warenbezeichnungen **) zu.

Auch strafbar ist der widerrechtliche Gebrauch eines Namens oder einer Firma, wie der eines gesetzlich geschützten Warenzeichens, aber nur unter der Voraussetzung, daß der Gebrauch entweder einen Teil des Tatbestandes des strafrechtlichen Bettugs bildet oder in der wissentlichen, d. h. im Bewußtsein der Rechtswidrigkeit vorgenommenen Anbringung auf Waren, Emballagen oder Geschäftspapieren6) besteht. II. Der Kaufmann hat jedoch nicht bloß ein Recht auf seinen Namen und an demselben und das besondere Recht der Firma (s. I), sondern, sofern er unbescholten ist, auch ein Recht der Firma (und des Warenzeichens) 1 Z. B. weil sie sich nicht deut­ lich genug von einer andern einge­ jur Anbringung auf Waren, Em­ tragenen Firma desselben Orts ballagen und Geschästspapieren § 14 unterscheidet (HGB. § 30), oder weil des RGes. v. 12. Mai 1894), son­ sie einen nach § 18 Abs. 2 ver­ dern jede Art der im geschäftlichen botenen Zusatz enthält, durch den die Verkehr unternommenen widerrecht­ berechtigten Interessen eines andern lichen Benutzung eines nicht zu­ stehenden Namens oder einer solchen verletzt werden. 2 BGB. § 823 („ein sonstiges Firma, ja auch den einer beson­ Recht eines andern"). deren Bezeichnung eines ErwerbS3 RGes. v. 27. Mai 1896 § 8. geschäfts, eines gewerblichen Unter­ S. hierüber unten S. 77 u. G a r e i s nehmens oder einer Druckschrift trifft, andererseits setzt aber dieser in Bl. f. RAnw. 1896 S. 41 ff. letztere § 8 stets den doppelten Vgl. auch folgende Anm. (nämlich ein subjektives und ein ob* RGes. v. 12. Mai 1894 § 14. S. hierüber unten S. 75 ff. Der in I jektives Moment darlegenden) Nach§ 14 des RGes. v. 12. Mai 1894 I weiS voraus, daß die widerrechtliche vorausgesetzte Tatbestand der uner­ Benutzung subjektiv darauf berechnet und objektiv dazu geeignet sei, Ver­ laubten Handlung deckt sich nicht wechslungen mit Namen, Firma ganz mit dem in 8 8 des RGes. v. 27. Mai 1896 (s. vorige Anm.) vor­ oder Bezeichnungsweise eines andern ausgesetzten : letzterer überragt inso­ hervorzurufen. 6 S. Wortlaut des angef. § 14 fern den ersteren, als er nicht bloß den Mißbrauch des Namens und des RGes. v. 12. Mai 1894.

72

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

auf einen guten Namen, ein Recht an seinem guten Namen; es gibt eine kaufmännische Ehre (Standesehre) und eine Ehre der Firma. *) Der rechtliche Schutz der kaufmännischen Standesehre ergibt sich zunächst aus den allgemeinen Normen zum Schutze der Ehre überhaupt. 2) Hervorzuheben sind aber wegen des Zu­ sammenhangs mit dem Handel und Handelsrechte folgende besondere Rechtsnormen: 1. die Vorschriften des Börsenrechts über die Ausschließung bescholtener Personen vom Börsenbesuche und über die Bildung und Auf­ gabe der Ehrengerichte und Berufungskammern der Börsen;31) 22. der be­ sondere Schutz des Kredits und der Möglichkeit des Erwerbs und des Fortkommens, welchen das (neue) bürgerliche Recht gewährt;4)* 3. das be­ sondere Verbot der geschäftlichen Anschwärzung (denigrement) oder die Herabsetzung des Geschäfts im RGes. zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs;^) 4. der handelsrechtliche Schutz der Ehre von und gegen Handlungsgehilfen;6) 5. die handelsrechtliche Bezeugung der (ehrenhaften) Führung auf Verlangen der Handlungsgehilfen7)* und im obligatorischen Zeugnis der Lehrlinge;^) 6. die handelsrechtliche Ausschließung derjenigen Personen, welche nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte sich be­ finden, von der Befugnis zur Haltung oder Unterweisung und Anleitung von Lehrlingen;9) 7. die Möglichkeit der Ausschließung eines Mitglied­ einer — als Kaufmann geltenden — Genossenschaft wegen des Verlusts der bürgerlichen Ehrenrechte?9)

§ 17. 4. Las Nrcht am Warenzeichen. I. Zu den Äußerungen und Wirkungen der individuell be­ sonderen Gestaltung eines Geschäftsbetriebs gehört es auch, daß das in demselben hergestellte Produkt oder die von demselben aus in den Handel gebrachte Ware mit dem Namen oder der Firma des Produzenten oder des gewerblichen Veräußerers derselben bezeichnet werden;^) aber viel älter als dieser Gebrauch ist die Sitte, 1 Vgl. Gareis, Grundriß § 42. I 6 HGB. §§ 70-72. Gierke, Deutsches PrivatR. H 84. 7 HGB. § 73. I b HGB. § 80. 2 Vgl. StrasGB. §§ 185 ff. 3 Börsengesetz v. 22. Juni 1896 9 HGB. § 81 mit Anm. 1 u. 2 bei Gareis, HGB. S- 91 u. 92. §§ 7, 9—27. (S. unten § 49 in u. IV). 10 GenG. § 68. 4 BGB. § 824. Der Schutz geaen 11 Die Ausschließlichkeit auch dieses illoyale Handlungen ebenda § 826 Gebrauchs des Namens oder der und gegen Chikane § 226. Firma ist geschützt durch RGes. v. 6 RGes. v. 27. Mai 1896 §§ 6, 12. Mai 1894 § 14; f. oben § 16 7, 11,13; hiezu s. Gareis in Bl. S. 71. f. RAnw. 61 (1896) S. 371 ff.

Das Recht am Warenzeichen.

§ 17.

73

solche Gegenstände mit einem Zeichen (Handwerkszeichen, Handelsmarke) zu versehen; es reicht diese Sitte wohl bis zu dem uralten Gebrauche der Hausmarken oder Handmale zurück, den wir noch in den Steinmetzzeichen an Gebäuden wie in den Schmiedezeichen an Waffen vergangener Jahr­ hunderte nachweisen sönnen.1)* Reichsrechtlich ist die Anwendung und der Schutz der Ausschließ­ lichkeit dieser Zeichen gesetzlich zunächst im Anschluß an das Firmenrecht geordnet worden,3) ein Anschluß, von welchem das neuere Reckt in Deutschland absieht, indem nach diesem nun nicht mehr nur solche Personen, die eine in ein Handelsregister eingetragene Firma besitzen, sondern alle, die einen „Geschäftsbetrieb mit Waren" haben, also außer firmenbesitzenden Kaufleuten (unter diesen natürlich auch Fabrikanten und registrierte Land­ wirte, s. oben §§ 10, 12, I) auch Kaufleute minderen Rechts, die keine Firma haben (s. oben § 12, II), Rohproduzenten aller Art, darunter natürlich auch die nichtregistrierten Land- und Forstwirte, den Schutz des Gesetzes für den ausschließlichen Gebrauch ihrer Zeichen erlangen können.

II. Materielles Recht des Warenzeichenschutzes. Zweck des Gesetzes ist, eine Garantie der Ausschließlichkeit des zur Individualisierung der Waren gebrauchten Zeichens zu bieten: dem Geschäftstreibenden (nicht mehr bloß dem eine Firma be­ sitzenden, s. oben I a. E.), welcher unter Beobachtung der gesetzlich aufgestellten Regeln (s. unten III) die Eintragung eines Waren­ zeichens zur Unterscheidung seiner Waren von denen anderer für sich durchgesetzt hat,^) steht ausschließlich das Recht zu, Waren der angemeldeten Art oder deren Umhüllung mit eben diesem Warenzeichen zu versehen, die so bezeichneten Waren in Verkehr zu bringen, und auf Ankündigungen, Preislisten, Geschäftsbriefen, 1 Geschichtliches hierüber s. GUGesch. S. 242, GSyst. § 29 S. 97 ff.: Lästig, Markenrecht und Zeichen­ register (1889); s. hierüber Kohler in GZ. 38 S. 585 ff. 3 RGes. über den Markenschutz v. 30. November 1874; s. GLF. S. 74—116; dieses RGes. trat so außer Wirksamkeit, daß vom 1. Okt. 1894 an Anmeldungen nicht mehr aus Grund dieses, sondern aus Grund des mit diesem Tage in Kraft tretenden „RGes. zum Schutze der Warenbezeichnungen" v. 12. Mai 1894 (mit kaiserlicherAusführungsB. v. 30. Juni 1894, s. RGBl. 1894 Nr. 22 S. 441, Nr. 30 S. 495) angenommen und mit Rechtswirkung

versehen wurden; auf die noch nach | dem RGes. v. 30. Nov. 1874 in die I Zeichenregister einaetragenenWaren1 zeichen fand das RGes. v. 30. Nov. i 1874 noch bis zum 1. Okt. 1898 I Anwendung; s. §§ 24, 26 d. RGes. v. 12. Mai 1894. Kommentare zum ' RGes. v. 12. Mai 1894: I. Land! graf (Stuttgart 1894), Allseld (München 1894), W. Gent sch, A. Seligsohn, C. Gronert, R. Stephan, O. Mewes, Finger (Berlin 1895), P.Schmid, Waren­ zeichenrecht 1899; vgl. auch Gierke, Deutsches Privatrecht § 84. Vgl. Carl Heymanns Jurist. Lit.-Blatt Nr. 63 S. 50 ff. 3 Der Schutz einer individuali-

74

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Empfehlungen, Rechnungen oder dergl. das Zeichen anzubringen?) Die materielle2*)*1Voraussetzung *****9 ist nur, daß derjenige, der den Schutz des Gesetzes für seine Zeichen genießen will, einen Geschäfts­ betrieb mit unterscheidbaren Waren besitzt, sei es in Deutschland, sei es in einem Staate, in welchem nach einer im RGBl, ent­ haltenen Bekanntmachung deutsche Warenbezeichnungen in gleichem Umfange wie (dortige) inländische Warenbezeichnungen gesetzlichen Schutz genießen?). Gewisse Zeichen sind als gesetzlich unzulässig von der schützenden Eintragung ausgeschloffen, von vornherein Freizeichen, auch Staatswappen, Zahlen, Gewichtsangaben, Ärgernis oder Täuschung erregende Darstellungen u. dergl.?) ferner kollidierende Zeichens und Zeichen, welche nun zwar gelöscht find, aber vor noch nicht mehr als zwei Jahren für dieselben oder gleichartige Waren eines anderen eingetragen waren (zweijährige Sperrfrist). fierten Ausstallung besteht übrigens ! 3 Diese Reziprozitätsbekanntunabhängig von der Eintragung | machunq, welche vom § 20 des RGes. eines Zeichens; s. RGes. v. 12. Mai i v. 30. Rov. 1874 ebenso wie vom 1894 8 la und RGes. v. 27. Mai | neuen RGes. v. 12. Mai 1894 § 23 1896 8 8; hierüber s. unten 818 S. 78. i vorausgesetzt wird, ist in Bezug aus 1 RGes. v. 12. Mai 1894 8 12 die meisten mit dem Deutschen Reiche Abs. 1. Begrenzung dieses Schutzes: in Handelsverbindung stehenden 1. im Fall der Löschung Rückwirkung Staaten erfolgt; s. Bekanntmachung der Schutzlosigkeit; 2. die Wahrheit deS Reichskanzlers v. 22. Sept. 1894 besteht unanfechtbar neben dem, RGBl. 1894 S. 441. wenn auch gesetzlich geschützten 4 RGes. v. 12. Mai 1894 § 4. Zeichen: keine Eintragung eines Auch die Verwendung des Genfer andern kann mir meinen Namen NeutralitätSzeichens in Warenzeichen rauben oder mir das Recht nehmen, ist wenigstens vom 1. Juli 1906 diesen und meine Firma und An­ an allgemein untersagt nach dem gaben über die Eigenschaften der RGes. v. 22. März 1902(6 6) RGBl. 1902 S. 125, 126. Waren u. s. w. auf meinen Waren anzubrtngen; s. RGes. § 13. Anderer­ 6 RGes. v. 12. Mai 1894 §§ 5, 20. Interessant ist, datz dem An­ seits konnte, wenn ein nach dem RGes. v. 30. Nov. 1874 ausge­ melder eines Zeichens eine zivilrecht­ schlossenes Warenzeichen bis zum liche Klage gewährt wird für den 12. Mai 1894 innerhalb beteiligter Fall, daß dieser trotz der durch die Berkehrskreise als Kennzeichen der Eintragungsbehörde (das ..Kaiserl. Patentamt) sestgestellten Überein­ Waren eines bestimmten Geschäfts­ betriebes gegolten hatte, der In­ stimmung seines Zeichens mit einem haber dieses letzteren die Löschung bereits geschützten eines anderen (nämlich nunWidersprechenden)einen der zu Gunsten eines andern erAnspruch auf Eintragung zu besitzen folaten Eintragung bis zum 1. Okt. behauptet; hierüber s. 8 6 Abs. 2 1895 beantragen. 9 Die formellen Voraussetzungen des enges. G. s. unten III S. 75.

Das Recht am Warenzeichen.

§ 17.

75

Daß das Zeichenrecht nach unserem geltenden Rechte systematisch nur als eine Äußerung oder Konsequenz des Rechts an einem individuell ge­ stalteten Gewerbebetriebe (f. oben § 15) aufgesaßt werden darf, ergibt sich aus der notwendigen Bindung desselben an den Gewerbebetrieb, „zu welchem das Warenzeichen gehört," nur mit diesem zugleich ist das Zeichenrecht negoziabel (siehe oben § 13 S. 53), vererblich und überhaupt übertragbar;') und wenn eben dieser Geschäftsbetrieb von dem einge­ tragenen Inhaber aufgegeben wird, so kann jeder Dritte die Löschung des Zeichens beantragen und dadurch die Beendigung des Rechtsschutzes für dasselbe herbeiführen; abgesehen von diesen und anderen formellen Löschungsgründen (s. unten III) ist ein zu dem Geschäftsbetriebe ge­ hörendes Zeichen für ungemessene Dauer des Schutzes fähig, doch ist die Anmeldung von 10 zu 10 Jahren unter Zahlung bestimmter Gebühren zu erneuern?)

UI. Formelles Recht des Warenzeichenschutzes. Formell setzt die Erlangung des Zeichenschutzes eine gehörige An­ meldung zur Eintragung in die öffentliche Zeichenrolle des Kaiser­ lichen Patentamts voraus;8) ein sich um diesen Schutz bewerbender Ausländer muß einen Vertreter im Jnlande bestellt haben/) Die erwähnte Zeichenrolle muß dem Gesetz gemäß geführt werden/) hat insofern eine Ähnlichkeit mit einem Grundbuche, als bei einem Übergang des Zeichens der Rechtsnachfolger sein Recht der Eintragung des Warenzeichens solange nicht geltend machen kann, als der Übergang nicht in die Zeichenrolle vermerkt ist/) Das Verfahren sowohl der Erteilung, als der Löschung ist gesetzlich geregelt/) es ist eine Art verwaltungsrechtlichen Verfahrens. IV. Die Gegenwirkung gegen Verletzung des Warenzeichenrechts besteht in der Gewährung bürgerlichrechtlicher Entschädigungsansprüche und in der Möglichkeit straf­ rechtlichen Einschreitens (aber nur auf Antrag);8) letzteres setzt Wissentlichkeit der Rechtsverletzung voraus, während die Ent­ schädigungsklagen auch bei einer infolge grober Fahrlässigkeit begangenen Verletzung des Zeichenrechts gegeben sind: ent1 RGes. v. 12. Mai 1894 § 7. 2 RGes. v. 12. Mai 1894 § 8. 3 RGes. v. 12. Mai 1894 §§ 1, 20 u. Kaiser!. B. v. 30. Juni 1894, RGBl. 1894 S. 495. Gebühren bei der Anmeldung 30, bei Erneue­ rungen 10 Mk.; s. 8 2 dess. Ges. 4 Angef.G. § 23 Abs. 2.

5 Angef.G. § 3. 6 Angef.G. § 7 Abs. 2. 7 Angef.G. 88 5—10. 8 Zudem Anspruch auf Beseiti­ gung der widerrechtlichen Bezeich­ nung oder aus Vernichtung der gesetz­ widrigen Ware; s. RGes. v. 12. Mai 1894 8 19.

76

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

schädigungspflichtig ist jeder, der wisientlich oder aus grober Fahrlässigkeit Waren oder deren Umhüllung oder Geschäftspapiere irgend welcher Art mit dem Namen oder der Firma eines anderen oder mit einem nach dem RGes. vom 12. Mai 1894 geschützten Warenzeichen versieht oder dergleichen widerrechtlich gekennzeichnete Waren in Verkehr bringt oder feilhält; tut er dies wissentlich, d. h. im Bewußtsein der Rechtswidrigkeit der Handlung, so wird er auf — zurücknehmbaren — Antrag außerdem mit Geldstrafe von 150 bis 5000 Mk. oder mit Gefängnis bis zu 6 Monaten bestraft; *) im Strafverfahren — also nur bei wisientlicher Zeichen-, Namen- oder Firmenrechtsverletzung — kann auf Verlangen des Beschädigten statt der — zivilprozessual zu verlangenden — Ent­ schädigung auf eine Buße bis zu 10000 Mk. erkannt werden?) und dem Verletzten ist im Strafverfahren die Befugnis der — auf Kosten des Verurteilten erfolgenden — Bekanntmachung des Urteils zuzusprechen?) Ausländische Waren, die mit einer deutschen Firma und Ortsbezeichnung oder mit einem in die Zeichenrolle einge­ tragenen Warenzeichen versehen sind, unterliegen bei ihrem Eingänge nach Deutschland zur Einfuhr oder Durchfuhr auf Antrag des Verletzten und gegen Sicherheitsleistung der Beschlagnahme oder Einziehung/)

§ 18.

5. Das ttrdjt an drr eigenartigen Betriebsweise. I. Die ausgeprägteste Eigenart des Betriebs liegt vor, wenn derselbe auf einer neuen Erfindung beruht und dafür dem Be­ triebsunternehmer ein Patent erteilt worden ist (hievon, sowie von anderen Fällen der Individualisierung des Betriebs auf Grund von Urheberrechten s. unten § 19), oder wenn die Aus­ nützung einer Erfindung im Wege des Geheimbetriebs stattfindet; und zwar wird der Geheimbetrieb sogar dem Inhaber eines daraus be­ züglichen Patents gegenüber geschützt, denn die Wirkung des Patents tritt gegen denjenigen nicht ein, welcher zur Zeit der Anmeldung der durch dieses Patent geschützten Erfindung diese bereits im Jnlande in Benutzung genommen oder die zur Benutzung erforderlichen Veranstal­ tungen getroffen hatte?) ein solcher Erfindungsvorbesitzer ist befugt, die

1 RGes. v. 12. Mai 1894; hiezu RGer. Strass. Bd. 29 (1897) S. 353. 2 Angef.G. 818; Gesamtschuldner s. BGB. 88 421 ff. ' Angef.G. § 19 Abs. 2.

4 Angef.G. § 17 u. StrafprozO. § 459. 6 PatentG. v. 7. April 1891 § 5; vgl. Gareis, PatentG. v. 25. Mai 1877 (Berlin, Carl Heymann) S.

Das Recht an der eigenartigen Betriebsweise.

H 18.

77

Erfindung für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen; diese Befugnis kann nur zusammen mit dem Betriebe vererbt oder veräußert werden; es ist also auch die Negoziabilität des Erfindungsvorbesitzes, wie die der Firma und des Warenzeichens beschränkt und die Veräußerung nur dann gültig, wenn sie zugleich mit der des Etablissements erfolgt?) Daß der auf solche Weise bedingt veräußerliche Betrieb aber Geheimbetrieb sei, geht aus der Existenz des neben demselben bestehenden Patents hervor, das dem Patentinhaber nicht hätte erteilt werden können, wenn die Erfindung ofsenkundigt benutzt, also nicht mehr neu gewesen wäre?) Der Schutz des Geheimbetriebs einer gewerblichen Unternehmung ist übrigens nicht dem Handel oder Handelsrecht als solchem eigentümlich und ist daher hier nur vorübergehend zu erwähnen. Aber es ist hervor­ zuheben, daß der gesetzliche Schutz, soweit er überhaupt für Geheimnisse besteht,3) auch für kaufmännische Geheimnisse — nicht bloß sog. Geschäfts-, sondern auch Betriebsgeheimnisse — gewährt wird, daß auch dem Kauf­ manne und dem Handelsstande überhaupt zu gute kommt, was das RGes. zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs zum Schutz gegen den Verrat von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen bestimmt?)

II. Aber auch abgesehen vom Verrat von Geschäftsgeheimnissen kann die Eigenart eines Geschäftsbetriebs als solche durch Unternehmungen des unlauteren Wettbewerbs gestört und geschädigt werden und wird daher unter gesetzlichen Schutz gestellt, indem das Gesetz neben der Bekämpfung der SchwindelreklameB) und 101—107 „Erfindungsbesitz oder -vorbxsitz". 1 Übrigens darf man Firma, Namen, Warenzeichen und Erfin­ dungsvorbesitz darum doch nicht als „Zubehör" deS Etablissements im gesetzlichen Sinn ausfasfen; denn nach BGB. § 97 sind Zubehör „bewegliche Sachen", Sachen aber nur körperliche Gegenstände, und dies sind, wie erwähnt, jene Objekte von Dersönlichkeitsrechten nicht; diese Objekte stehen auch nicht unter der Herrschaft der auf daS Zubehör im gesetzlichen Sinne bezüglichen zwingenden oder dispositiven Rechts­ sätze, also z. B. nicht unter BGB. § 314, sondern die Veräußerung bedarf, um sich auf jene Objekte zu erstrecken, der ausdrücklichen Er­ streckungserklärung.

1 PatentG. 8 2. Vgl. Schanze (Dresden) im Arch. f. b. R. Bd. 11 (1896) S. 26 ff. 3 StrafGB. §§ 299, 300. 4 RGes. v. 27. Mai 1896 §§ 9, 10; hiezu Ed. Rosenthal, Un­ lauterer Wettbewerb, im Hand­ wörterbuch der Staatswissenschaften. 2. Aufl. Bd. VII, auch Separat­ abdruck. (Jena, Gustav Fischer,1901), ferner Gareis in Bl. f. RAnw. 61 S. 321, 337, 353,369, Finaer, Unlauterer Wettbewerb, 1897; RGer.Strafs. 29 S. 427. Vgl. auch Kohler, Arch. f. ziv. Pr. 1888, S. 251, Wolff im Arch. f. bürgert Recht, Bd. 13 S. 13. 6 RGes. v. 27. Mai 1896 §§ 1 bis 4; hiezu Gareis in Bl. f. RAnw. 61 S. 343 ff.

78

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Ouantitätsverschleierung *) auch die Anmaßung fremder Unter­ scheidungsmittel 1 2)3 und auch die Anmaßung einer eigenen Aus­ stattung, sofern eine solche innerhalb der beteiligten BerkehrSkreise als Kennzeichen gleichartiger Waren eines anderen gilt, mittels Statuierung der privatrechtlichen Entschädigungspflicht und in besttmmten Fällen sogar mittels Strafandrohung-^) bekämpft. III. Bis zu einem gewissen Grade wird ein Schutz des Rechts an der eigenartigen Betriebsweise eines Unternehmers auch durch die gesetz­ lichen oder vertragsmäßigen Einschränkungen des Rechts anderer auf ge­ werbliche Betätigung, die Handels- und Konkurrenzverbote, welche Hand­ lungsgehilfen, Gesellschaftsmitgliedern u. s. w. auserlegt sind, bewirkt; hievon s. oben 14 Seite 55 ff.4)

8 19. 6. Sie Urheberrechte im Handelsrecht. I. Urheber von literarischen oder von künstlerischen Werken oder Erfinder auf dem Gebiete der chemischen oder mechanischen Technik oder origineller Schöpfer im Bereiche des Kunstgewerbes zu sein, ist sowenig Sache des Kaufmanns als solchen, wie die Urproduktionen (Bergbau, Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei u. dgl.) es sind. Aber wie die Erzeugnisse der Ur* Produktionen an den Kaufmann gelangen und dann in seiner — der zweiten Hand — zu Waren werden, so kommen auch die Produkte der literarischen, der künstlerischen und kunstgewerblichen Tätigkeit und der technischen Erfindungskraft an den Kaufmann und werden von ihm in den Handel gebracht. Unter dem, was man sich als Produkt der literarischen oder künstlerischen oder sonst originell schassenden Tätigkeit vorstellen kann, ist jedoch zu unterscheiden: das Geistesprodukt als solches, die eigenartige Idee in irgend welcher sie zum Ausdruck und zu äußerlicher Wahrnehmbarkeit bringender Dar­ stellung einer-, und die körperliche Sache, welche dem Geistesprodukte, der Idee, entsprechend geschaffen oder beschaffen ist, andererseits. Tas Geiftesprodukt der Erfindertätigkeit, die chemische oder mecha­ nische oder chemisch-mechanische Erfindung selbst5) eignet sich nicht für den

1 RGes. v. 27. Mai 1896 § 5; Gareis in Bl. f. RAnw. 61 (1896) S. 370 ff. 2 RGes. v. 27. Mai 1896 § 8, Gareis a. a. O. S. 377ff. 3 RGes. v. 12. Mai 1894 § 15.

4 HGB. §§ 60, 236, 112, 113, 161, 326, 74. 6 PatentG. v. 7. April 1891 1 ff. Aber hinsichtlich der Patentbureaux s. oben § 8 (S. 35) u. Gareis, HGB. S. 11, 14.

Die Urheberrechte im Handelsrecht.

§ 19.

79

Handel, ebensowenig das Gebrauchsmuster 1 2)* an sich oder das Geschmacks­ muster 2) an sich, obgleich auch das Recht auf diese negoziabel ist2) und zweifellos auch die Inhaber von Patentbureaux und ähnlichen der Ver­ mittlung von technischen Urheberrechten dienenden Anstalten als Kauf­ leute in Betracht kommen können, dann nämlich, wenn sie um der Form ihres Betriebs willen4)5 (s. oben § 8 ©. 35) unter das Handelsrecht fallen. Werden die körperlichen Gegenstände, welche auf dem Wege patentierter Erfindung hergestellt sind oder die Idee des geschützten Gebrauchs- oder Geschmacksmusters an sich tragen, in den Verkehr gebracht, so sind die hiezu verwandten Rechtsgeschäfte, wenn auch mitunter der Ausdruck „in Verlag geben" daraus angewandt wird, wie man auch von Bier-, Milch-, Wein-, Zigarrenverlag u. dgl. spricht, keine Verlagsgeschäfte im juristischen und technischen Sinne, sondern entweder gewöhnliche Sachkaufverträge6)7 oder Kommissions-«) oder Agenturverträge?)

II. Übergehend zu den einzelnen Gruppen der Urheber­ rechte, ist zunächst in Betreff des literarischen und des künstlerischen Urheberrechts festzustellen, daß das positive Handelsrecht eine bedeutende Gruppe von Geschäften, welche sich mit den Erzeugnissen einer literarischen oder einer künstlerischen Tätigkeit beschäftigen, als geeignet erklärt, den Gegenstand eines Handelsgewerbs zu bilden, nämlich „die Verlagsgeschäfte, sowie die sonstigen Geschäfte des Buch- oder Kunsthandels" 8) (f. oben 8 8 S. 34); die Verlagsgeschäfte sind: a) Berlagsverträge — diese sind gerichtet nicht auf den vollständigen Erwerb des Autorrechts, denn in feinem höchstpersönlichen Teile") ist dieses gar nicht übertragbar, aber auf den Erwerb und Gebrauch eines mehr oder weniger ausgedehnten Vervielfältigungs- und Berbreitungsrechts, auf den Erwerb und die Verwertung des sog. „Verlagsrechts" (f. unten § 59); b) Geschäfte zur Erreichung der Vervielfältigung — Vervielfältigungsverträge, die z. B. mit Buchdruckereien, xylographischen Anstalten, Clichesfabriken u. s. w. geschlossen werden; und c) Verbreitungsverträge, das sind Geschäfte, die auf die kaufmännische Verwertung der durch die Verviel1 RGes. v. 1. Juni 1891 §§ 1 ff. 2 RGes. v. 11. Januar 1876 ^^PatentG. v. 7. April 1891 § 6;

RGes. v. 1. Juni 1891 § 7; RGes. v. 11. Januar 1876 § 3. 4 HGB. § 2. 5 BGB. 88 433 ff., HGB. 88 373ff. 6 HGB. 88 383 ff. 7 HGB. 88 84 ff.

8 HGB. 8 1 Abs. 2 Nr. 8. 9 Nämlich der unveräußerlichen geistigen Vaterschaft und den an diese gebundenen persönlichen Aus­ zeichnungen , Anerkennungen und andere ähnliche rein individuelle Konsequenzen der Urheberschaft eines literarischen oder künstlerischen Werkes.

80

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

fältigung gewonnenen Exemplare abzielen. In ähnlicher Weise werden auch die Produkte des photographischen Autorrechts ver­ wertet. *) III. Die handelsmäßige Verwertung der durch Geschmacksmuster ausgezeichneten und unter Geichinacksmusterschutz stehenden Waren der geschützten kunstgewerblichen Produkte zeigt handelsrechtlich *) nichts Be­ sonderes : dagegen ist die Überleitung der Urheberschaft vom angestellten Urheber auf den Geschästsherrn eigentümlich,31) * und man kann darin eine Konsequenz der Eigenart des Geschäftsbetriebs erblicken: der Geschäfts­ herr gestaltet seinen Geschäftsbetrieb u. a. auch dadurch eigenartig, daß er einen Künstler darin beschäftigt, der originelle Muster herstellt, und das Gesetz saßt dann den den Künstler so anstellenden Fabrikherrn als den Urheber jener originellen Muster: er ist es, weil er der Herr des originell gestalteten Etablissements ist.4) IV. Auch die handelsmäßige Verwertung der unter Gebrauchs­ musterschutz^) stehenden Gegenstände zeigt handelsrechtlich keine Eigen­ tümlichkeiten ; verboten ist die ohne Genehmigung des Berechtigten unter­ nommene gewerbsmäßige Verbreitung der durch Nachbildung hervor­ gebrachten Gerätschaften und Gegenstände, wobei nicht in Betracht kommt, ob die Nachbildung selbst rechtswidrig war oder nicht; es ist also auch verboten — und ein darauf gerichteter Vertrag nichtig — °), Gegenstände, welche durch erlaubte Nachbildung — etwa weil sie nicht gewerbsmäßig oder weil sie im Auslande hergestellt worden sind und etwa dem Be­ rechtigten entwendet wurden, gewerbsmäßig in Verkehr zu bringen oder feilzuhalten.')

1 Über die Verlagsgeschäfte s. unten § 59; Gareis, HGB. (1900) S. 11, 12 Anm. 16, 17 zu § 1. Hinsichtlich der Photographieen s. RGes. v. 10. Januar 1876 betr. den Schutz der Photographieen gegen unbefugte Nachahmung und hiezu Gierke, PrivatR. § 91. 8 Ein Vertrag über Inverkehr­ bringen widerrechtlicher Bervielfältioungen ist nichtig nach BGB. § 134. Die Verletzung des Urheberrechts zieht möglicherweise noch andere Rechtsfolgen nach sich. 3 RGes., betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen, v.ll.Jan. 1876, § 2 (f. auch unten § 21 S. 91), § 14, welcher auf §§ 18-36, 38 des Urheberrechtsgesetzes v. 11. Juni 1870 Bezug nimmt; jedoch

werden die vorrätigen widerrechtlichen Nachbildungen und die zur widerrechtlichen Vervielfältigung be­ stimmten Vorrichtungen nicht ver­ nichtet , sondern auf Kosten des Eigentümers und nach Wahl des­ selben entweder ihrer gefährdenden Form entkleidet, oder bis zum Ab­ lauf der Schutzfrist amtlich aufbe­ wahrt. Zuerkennung an den Be­ rechtigten kennt das G., betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst, vom 19. Juni 1901 § 43. 4 Gareis, REncyklop. (1900) § 18, IV 5. 5 RGes. v.l.Juni 1891; Gierke, PrivatR. § 93. 6 BGB. § 134. 7 Gierke, PrivatR.§93Anm.37.

Von den Hilsspersonen des Handels im allgemeinen.

§ 20.

81

V. Was von dem Handel mit unter Gebrauchsmusterschutz stehen­ den Gegenständen gesagt wurde (s. IV), gilt entsprechend auch von dem Handel mit Gegenständen, welche unter Patentschutz *) stehen; verboten ist, ohne Genehmigung des Berechtigten den Gegenstand der Erfindung im Jnlande gewerbsmäßig herzustellen, in Verkehr zu bringen oder seil­ zuhalten ;2) dieses Verbot, welches die Nichtigkeit der auf eine solche Ver­ breitung abzielenden Verträge zur Folge hat, bezieht sich, wenn ein körperlicher Gegenstand patentiert ist, auf jeden irgendwie hergestellten Gegenstand, der die patentierte Eigenart zeigt, andererseits aber, wenn ein Verfahren patentiert ist, nur auf die unmittelbar durch eben dieses Verfahren hergestellten körperlichen Gegenstände.3) Für den Handel wichtig sind zwei singuläre Vorschriften des deutschen Patentrechts: die Privilegierung von nur vorübergehend in das Inland gelangten Fahr­ zeugen 4) und die Rechtsvermutung, daß, wenn es sich um eine ein Ver­ fahren zur Herstellung eines neuen Stoffs zum Gegenstand habende Er­ findung handelt, bis zum Beweis des Gegenteils jeder Stoff von gleicher Beschaffenheit als nach dem patentierten Verfahren hergestellt gilt?)

C. Die Hilfspersonen im Handel. § 20. Von den Hilfspersonrn des Handels im allgemeinen.

I. Kein einigermaßen ausgedehntes Handelsgewerbe kann ohne fremde Unterstützung betrieben werden. Diese Unterstützung wird entweder von solchen Personen gewährt, welche ein eigenes Gewerbe daraus machen, die Unternehmungen anderer zu fördern (Hilfsgewerbe im Gegensatze zur Gewerbshilfe), oder von solchen Personen, welche im Gewerbe desjenigen, dem sie helfen, angestellt, also besten Bedienstete sind. In dem ersteren Sinne erscheinen zahlreiche gewerbliche Unter­ nehmungen als Hilfsgewerbe des Handels und zahlreiche Personen, die außerhalb des Gewerbes desjenigen, dem sie helfen, stehen, als Hilfs-

1 PatentG. v. 7. April 1891, Giexte, PrivatR. §§ 94—99. 2 Uber diese Begriffe s. Gareis, PatentG. v. 25. Mai 1877 § 4. 3 Gierke, PrivatR.§95S.866 Anm. 28, 8 W S. 883. 4 PatentG. § 5 Abs. 3, hiezu Gierke a. ö. D. § 96 S. 885, Vareis, Handelsrecht.

7. Aust.

Gareis, PatentG. v. 1877, S. 112, 113. 6 PatentG. §35 Abs. 2; hierüber Gierke a. a. O. § 98, S. 894 und hiezu Gareis in den „Jahrbüchern s. Nationalökonomie u. Statistik" (von Conrad u. Elster) 2.Folge Bd. XVI (1887-88) S. 68, 69, 3. Folge Bd. III (1891-92) S. 107. 6

82

Kap. n.

Die Personen im Handelsrecht.

Personen de-selben;l) so ist der Bankier und Geldwechsler als Vermittler von Geld und Kredit eine HilsSperson des Warenhändlers, nicht minder jeder Frachtführers und vor allem jede Eisenbahn,') die dem öffentlichen Güterverkehre dient; ebenso sind Hilfspersonen des Handels die Kom­ missionäres) die Spediteure, °) die Lagerhalters) die Handlungsagenten’) und die Handelsmäkler 8) — alle diese Personen machen aus der ihrem Geschäftsbetriebe eigenartigen Unterstützung ein eigenes Gewerbe und sind daher selbst Kaufleute (Prinzipale), deren Geschäfte den Gegenstand be­ sonderer Darstellung in dem Kapitel über Handelsgeschäfte bilden müssen (s. unten §§ 51—58, 60, 63).

Im Gegensatze zu den genannten Hilfspersonen des Handels, welche die angeführten Hilfsgewerbe als Prinzipale betreiben, stehen die Hilfspersonen, welche Gewerbsgehilfen find und sich im Dienste des Handelsgewerbs eines Prinzipals als dessen Handlungsgehilfen oder Gewerbsgehilfen im weitesten Sinne an­ gestellt befinden. n. Diese letzteren, die Handlungsgehilfen im weitesten Sinne, kann man nach der A r t der zu leistenden Dienste unter­ scheiden in folgende Kategorieen: 1. wissenschaftlich (akademisch) Gebildete, deren Dienste in einem, nach eigenem wissenschaftlichen Ermessen sich leitenden, Arbeiten bestehen, so arbeiten Juristen und Nationalökonomen als Direktoren, Syndici oder Konsulenten von Handelsgesell­ schaften, so forschen gelehrte Chemiker im Dienste von Farben­ fabriken u. s. w.; 1 Zu den Hilfspersonen des Han­ dels im weitesten Sinne können selbst solche Personen gerechnet werden, deren Geschäfte und dem Handel ge­ leistete Dienste weder zu einem HandelSgewerbe gehören, noch HanoelsÖ sind, noch nach Handelsrecht t werden; in diesem Sinne sind z. B. die Postvenvaltungen des Reichs und der Bundesstaaten Hilfs­ personen des Handels, ohne daß sie als Kaufleute angesehen werden, noch auch bei der von ihnen be­ wirkten Güterbeförderung nach Han­ delsrecht zu beurteilen sind. HGB. §§ 452, 663. Uber die Stellung der Reichs- und Staatspostanstalten s. auch oben 8 12 S. 47. Das Gleiche gilt von den öffentlichen TelegraphenundFernsprechanstalten; im gewissen

Sinne sind auch Gerichte u. Notare Hilfspersonen des Handels, z. B. erstere, wenn sie die in einem be­ stimmten Falle (HGB. § 196) vor­ geschriebene Generalversammlung von Aktionären berufen und leiten, und die Notare, wenn sie Beur­ kundungen von Beschlüssen einer Generalversammlung vornehmen (HGB. 8 259). 2 HGB. 88 425—452. 3 HGB. 88 453-473. 4 HGB. 88 383—406. 6 HGB. 88 407—415. 6 HGB. 88 416—424. 7 HGB. 88 84—92. 8 HGB. 88 93—104. So nennt das BörsenG. v. 22. Juni 1896 (§ 30) die Kursmakler („Hilfs­ personen".

Bon den Hilfspersonen des Handels im allgemeinen.

§ 20.

83

2. technische Gehilfen, deren Dienste zwar nicht im freien wissenschaftlichen Forschen und Studieren, Begutachten u. dgl. bestehen, wohl aber doch eine gewiffe technische Vorbildung vor» aussetzen: es gehören hierher die Gehilfen der chemischen Technik und der mechanischen Technik, sowie die der chemisch-mechanischen Handwerke; 3. kaufmännische Gehilfen, deren Dienste merkantil-technischer Art find und eine mehr oder weniger weitgehende kaufmännische Bildung voraussetzen, mag dieselbe nun vorherrschend in Waren« künde und der ihr entsprechenden Bedürfniskunde, Kundschafts­ kunde, oder mag sie in der Kenntnis der Buchführung und der Fähigkeit der Korrespondenz oder der Kasseführung oder bergt bestehen; wegen dieser notwendigen Vorbildung ist tatsächlich die Ausfüllung einer gewiffen Lehrzeit erforderlich, und so kommt es, daß in diese Kategorie nicht bloß die Angestellten, welche sich im Dienste eines HandelsgcwerbS zur Leistung merkantil-technischer Arbeiten („kaufmännischer Dienste") gegen Entgelt verpflichten, sondern auch diejenigen gehören, welche kaufmännische Dienste erst lernen, Handlungslehrlinge; 4. Gesindedienste, welche ohne irgend welche merkantile Vor­ bildung geleistet werden können und in rein mechanischen Arbeiten, wie die der Hausknechte, Kutscher, Ausgeher u. bergt, bestehen.*) Handelsrechtliche Normen eigener Art bestehen nur für die dritte der aufgezählten Kategorieen,1 2) hievon sowie von den Rechtsverhältnissen der Handlungslehrlinge wird im nächst­ folgenden Paragraphen (unten § 21) gesprochen. III. Die Hilfe, welche dem Prinzipal von Hilfspersonen im Handel geleistet wird, kann in einer Einwirkung auf Sachen oder auf Personen bestehen; eine Hilfeleistung, die in Einwirkungen auf eine Person besteht, ist in jedem Falle eine Art von Stell­ vertretung im weitesten Sinne, nämlich in dem Sinne, in welchem Stellvertreter des Prinzipals jedermann ist, der seinen Willen dritten Personen gegenüber mit der Rechtswirkung geltend machen kann, als habe der Prinzipal selbst seinen Willen in gleicher Richtung geäußert. Die Stellvertretung im weitesten Sinne um­ faßt a) die Repräsentation des Prinzipals in einseitigen Hand1 Vgl. HGB. v. 1861 Art. 65; HGB. § 83 u. hiezu Gareis, HGB. S. 92, (Sins®, zum BGB. Art. 95 in allen drei Absätzen: Gesinde­

ordnungen und BGB. im Verhält­ nis zueinander. 2 HGB. §§ 59-83.

84

Kap. n.

Die Personen int Handelsrecht.

Imtgeit, in Dispositionen über Sachen des Prinzipals (z. B. in der Bornahme chemischer Mischungen, Magazinierung, Handlungen, wie sie z. B. §§ 418, 419 des HGB- vorsehen) und gegenüber Dritten, welche zu letzterem in einem vertragsmäßigen Verhältnis stehen, sowie solchen Personen gegenüber, welche ohne solches Vertragsverhältnis sich in Widerspruch setzen mit rechtlich an­ erkannten Jnteresien des Prinzipals, welche der Bedienstete oder sonstige Stellvertreter zu vertreten hat?) Eine solche StellVertretung umfaßt aber ß) auch die juristische Vertretung, nämlich die Vertretung in Rechtsgeschäften,") d. h. bei Abgabe oder Annahme von einer oder mehreren Willenserklärungen (im Sinne des BGB. §§ lieft.), durch deren Inhalt die eintretende Rechts­ folge zunächst bestimmt wird, mithin in echten oder eigentlichen

1 In diesem Sinne vertritt den Prinzipal z. B. ein Buchhalter, ein Werkmeister oder Schichtmeister, dem der Prinjival Lehrlinge behufs An­ leitung üverweist und unterstellt: ein Verhältnis, an welches in Satz 2 des Abs. 1 des § 81 des HGB. ge­ dacht ist; es vertritt in diesem Sinne den Prinzipal ein Fabrikaufseher, welcher einem unberufen die Fabrik­ räume Betretenden gegenüber das Hausrecht des Prinzipals wahrt; in eben diesem Sinne ist Stellvertreter deS Prinzipals der sog. Besitzdiener oderprokuratorische Detentor, welcher die tatsächliche Gewalt über eine Sache für den Prinzipal in dessen ErwerbSgeschäst im Sinne des BGB. § 855 ausübt; vgl. auch die aus­ drückliche Vorschrift des BGB. § 860. Die Wahrung der Interessen des Prinzipals mittels autoritativen Auftretens eines Repräsentanten in diesen oder ähnlichen Fällen ist un­ zweifelhaft eine Stellvertretung, ihre Hauptwirkung äußert sie da, wo die vertragsmäßig bindende Hausord­ nung oder das vertragsmäßig zu wahrende Gesamtinteresse des Etablissements einerseits ein Befehls­ recht des Repräsentanten und andererseits eine Subordination des

übrigen Personals oder eines Teils desselben zur Folge hat: solches liegt vor im Rechte des Schiffs­ befehls sowohl den Reisenden gegen­ über (s. HGB. 8 665), als auch der Schiffsmannschaft gegenüber; s. See­ mannsordnung v. 2. Juni 1902 88 84, 91 u. a. Eine solche Gewalt und Stellvertretung setzt daS RGes., betr. die Verbindlichkeit zum Scha­ densersätze für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken u. s. w. herbeigeführten Tötungen und Körperverletzungen (v. 7. Juni 1871), in seinem § 2 voraus: wenn dort von einem „Bevollmächtigten oder Repräsentanten oder einer zur Lei­ tung oder Beaufsichtigung des Be­ triebes oder der Arbeiter angenom­ menen Person" die Rede ist, so ist darunter keineswegs ein zur juristi­ schen Stellvertretung in Rechtsge­ schäften berufener Vertreter zu ver­ stehen, aber ein Stellvertreter im Besehlsrecht oder in der Aufsicht, und ebenso verhält eS sich mit dem Begriff Vertreter des Prinzipals im HGB. § 72 Abs. 1 Nr. 4; s. unten 8 21..S. 92 Anm. 1. 2 Uber den Begriff Rechtsgeschäft nach dem BGB. s. Fischer-Henle, BGB. (5. Aust.) S. 48 ff.

Von den Hilfspersonen des Handels im allgemeinen.

Rechtsgeschäften, wie sie die BGB. (§ 164) im Auge hat.

§ 20.

85

„Vertretung" im Sinne des

Auf der Grenze zwischen jener sog. tatsächlichen Stellvertretung («) und dieser juristischen, nämlich rechtsgeschäftlichen Stellvertretung (ß) steht die Vertretung in solchen Handlungen, bei denen die Rechtsfolge nicht oder wenigstens nicht in erster Linie von dem Inhalte einer Willenserklärung bestimmt wird oder davon abhängt, sondern von der in erster Linie ins Auge gefaßten Herstellung eines rein tatsächlichen Zustandes, dessen Erzielung als das Wesentliche betrachtet wird (sogen. Realgeschäste).*)

Die Vertretung in (eigentlichen) Rechtsgeschäften hat die ihr charakteristische Wirkung, nämlich daß die (ausdrücklich oder nicht ausdrücklich) im Namen des Vertretenen abgegebene Willens­ erklärung unmittelbar für und gegen den Vertretenen wirkt, nur dann, wenn der diese Willenserklärung Abgebende innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht diese Erklärung abgibt;2) die Bertretungsmacht ist aber entweder der Ausfluß eines Rechts­ geschäfts — der Vollmacht — oder einer sie unmittelbar erzeugenden gesetzlichen Bestimmung, kraft welcher ein sog. „gesetzlicher Vertreter" für den Vertretenen, diesen berechtigend und verpflichtend, zu handeln hat; zwischen der bloß durch Rechts­ geschäft begründeten Vertretungsmacht, also der Bevollmächtigung, wie sie z. B. dem Prokuristen oder dem „Handlungsbevoll­ mächtigten" (s. unten § 22 S. 103) begrifflich zu teil wird, und der bloß auf dem Gesetz beruhenden „gesetzlichen Vertreterschaft", wie sie z. B. dem Vater kraft der elterlichen Gewalt oder dem Vormunde für den Mündel gesetzlich zukommt,3) aber auch den nicht durch Vertrag berufenen Vertretern von juristischen Personen und Stiftungen nach dem Gesetze zusteht/) kann man sich einen mittleren Fall oder eine Kombination denken; die Vertretungs-

1 Als Beispiele hiefür nennt Fischer-Henle, BGB. ö. Ausl. S. 48 einseitigen Erwerb des Be­ sitzes (§ 854), Verarbeitung (§ 946), Aneignung i§ 958), Fund (g 965), Verbindung,Vermischung(HH 946 ff j. EineStellvertretung, nämlich mittels Vornahme der die tatsächliche Wir­ kung erzeugenden Handlung für einen Geschäftsherrn, ist auch bei allen diesen aus der Grenze zwischen den eigentlichen Rechtsgeschäften

und den sog. tatsächlichen Dispo­ sitionen evenso wie bei den rechts und links von dieser Grenze liegen­ den Vorgängen möglich. 2 BGB. § 164. 3 S. oben § 12 V 50 ff. die gesetzliche Vertretung des minder­ jährigen Kaufmanns. Im übrigen vgl.: BGB. §§ 1630, 1684,1793ff., 1915. * BGB. §§ 26, 30, 86.

86

Kap. n.

Die Personen im Handelsrecht.

befugnis der zur Vertretung von Handelsgesellschaften') nach dem Gesetze berufenen Personen, welche durch Vertrag (Gesellschaft--**) oder Dienstvertrag)8) in die Stellung gelangt find, an welche dann daS Gesetz die Bertretungsbefugnis als gesetzliche BertretungSmacht knüpft; hievon unten § 24 II S. 116. IV. Die zur eigentlichen juristischen Stellvertretung, nämlich zur „Vertretung" deS Prinzipals in Rechtsgeschäften (s. oben HI ß S. 84) nicht durch das Gesetz, sondern durch Rechtsgeschäft, nämlich durch Erteilung der Vollmacht,4) berufenen Personen heißen, wenn sie zum Betriebe eines Handelsgewerbes oder zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörenden Art von Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handel-gewerbe gehörigen Geschäfte ermächtigt sind, Handlungsbevollmächtigte. Die- Wort in dem sprachlich naheliegenden umfasienden Sinne verstanden, muß auch den Prokuristen (hievon s. unten § 22 I ®. 103) bezeichnen, in einem engeren und technischen Sinne aber nicht, denn im Sprach­ gebrauche de- Gesetzes wird der Prokurist neben dem Handlungs­ bevollmächtigten koordiniert genannt. Die Erteilung einer Handlungsvollmacht (im weiteren Sinne) und die Anstellung im Dienste eine- Kaufmann- al- Handlungs­ gehilfe müflen keineswegs stets verbunden, noch auch stet- getrennt sein; eS find vielmehr dreierlei Fälle denkbar: a) ES ist jemand im Handelsgewerbe eine- Kaufmanns (Prinzipals) zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt — also Handlungsgehilfe — und zur Vornahme von zum Handelsgewerbe gehörigen Geschäften — in den oben an­ geführten engeren oder weiteren Umfängen — ermächtigt, also zur Vertretung deS Kaufmanns (Geschäftsherrn) bevollmächtigt, Handlungsbevollmächtigter.8) b) Es ist jemand im Handelsgewerbe eine- Kaufmanns (Prinzipal-) zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt 1 Über diesen Begriff s. unten § 24 S. 114. * BGB. § 706. HGB. §§ 105 (hiezu GareiS, HGB. Vorbemer­ kung S. 109, 110), 162, 182. ' BGB. 88 61Ist., 675. ‘ Bei Fischer-Henle, BGB. 5. Ausi. S. 88 Anm. ♦♦ wird die Vollmacht (soll wohl heißen: die

Erteilung der Vollmacht, wie sich auch § 167 deS BGB. ausdrückt) als «in einseitiges empfangsbedürf­ tiges Rechtsgeschäft (s. FischerHenle a. a. O. S. 49 Anm. * bezeichnet. * Vgl. z. B. den im HGB. § 56 geregelten Fall.

Bon den Hilfspersonen deS Handels im allgemeinen.

§ 20.

87

angestellt — also Handlungsgehilfe —, jedoch nicht zur Ver­ tretung ermächtigt, also nicht Handlungsbevollmächtigter. c) Es ist jemand zur Vertretung im engeren oder weiteren Umfange ermächtigt — also Handlungsbevollmächtigter, aber nicht im Handelsgewerbe des Geschäftsherrn als Handlungs­ gehilfe angestellt, also nicht Handlungsgehilfe. Das zuletzt erwähnte Verhältnis liegt z. B. vor, wenn ein Kauf­ mann seiner Ehefrau Vertretungsbefugnis erteilt, eine Handelsfrau (s. oben § 12 IV Seite 48 ff.) ihrem Manne Prokura gibt, ein Handel­ treibender für die Zeit seiner Erholungsreise seinen Sohn oder Freund mit einer Prokura ausrüstet, oder wenn er ebenso vorübergehend etwa einen bloß im Gesindeverhältnis (s. oben § 20 n 4 S. 83) zu ihm stehenden Markthelfer mit einer Handlungsvollmacht versieht; dasselbe ist der Fall, wenn etwa ein mit dem Geschäftsherrn befreundeter selb­ ständiger Kaufmann eine Vertretung desselben übernimmt. In allen diesen Fällen (c) fallen die unter den geschilderten besonderen Umständen bevollmächtigten Personen nicht unter den Begriff der Handlungsgehilfen (f. oben II 3 S. 83 f. und unten § 21), denn sie sind sämtlich nicht durch einen auf entgeltliche Leistung von kaufmännischen Diensten gerichteten handelsrechtlichen Dienstvertrag in das Geschäft desjenigen, den sie vertreten können oder wollen, ausgenommen; sie können aber zum vertretungsbedürstigen Kausmanne in einem bestimmten, auf die mit der Vertretung zu leistenden Arbeit bezüglichen besonderen Rechtsverhältniffe stehen, z. B. einem Auftragsverhältnisse,') einem beliebigen Dienstverhältnisses) einem Werkverträge,8* )6 7einer Gesellschaft/) irgend einem GeschästsbesorgungSverhältnisse/) und dieses zwischen dem Voll­ machtgeber und dem Bevollmächtigten bestehende Rechtsverhältnis ist scharf zu trennen von dem Bollmachtsverhältnifle, dessen Inhalt — der Umfang der Vollmacht — von dem Inhalte des bestehenden Dienst­ oder Auftrags- oder dgl. SchuldverhältniffeS keineswegs notwendig oder vollständig abhängt. Eben dieses gilt aber auch von dem unter a vorangestellten ersten Falle: auch in diesem Falle ist das HandlungSvollmachtSverhältnis etwas anderes als das Handlungsdienstverhältnis; eS kann sein, daß die Voll­ macht — Dritten gegenüber wenigstens — zu einem bestimmten Geschäfts­ abschlüsse berechtigt, welchen der Prinzipal in concreto dienstlich verboten hat,«) und es kann sein, daß daS Vollmachtsverhältnis, auf dem die Bertretungsmacht beruht, beendigt ist, obwohl das vielleicht gleichzeitig mit dem Bollmachtsverhältnis begründete DienswerhältniS noch sortbesteht; *) von dem letzteren wird in § 21, von dem ersteren tu § 22 gesprochen?)

1 4 8 4

BGB. BGB. BGB. BGB.

8 662. § 611. 8 631. 88 705, 709, 710.

8 6 7 8

BGB. § 675. Vgl. HGB. § 60. Vgl. HGB. §§ 52, 66. DaS HGB. v. 1861 hatte, ob-

88

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

V. Die Namen, welche im gewöhnlichen Leben zur Be­ zeichnung der in Handelsgewerben angestellten kaufmännischen Hilfspersonen, sowie der mit merkantiler Bertretungsmacht aus­ gestatteten Angestellten oder Ntchtangestellten verwendet werden, lassen in der Regel nicht erkennen, ob der mit dem Namen Be­ zeichnete der einen oder der anderen Kategorie angehört, zu welchen Diensten er berufen sei, und, wenn er eine Bertretungs­ macht hat, wie weit sie reiche, ja, es kommen int kommerziellen Verkehr Titel vor, denen häufig nicht zu entnehmen ist, ob die sie Führenden zur juristischen Vertretung der Firma oder nur zu ganz mechanischen Diensten angestellt sind. So sind Direktor, Disponent, Kommis, Kassierer, Geschäftsreisender der Firma, Cargadeur, ja selbst der Lehrling: Handlungsbevollmächtigte, nämlich wenn und so­ weit sie als ermächtigt gelten, Rechtsgeschäfte für den ^Prinzipal (abzuschlietzen, z. B. Verkäufe; dagegen sind der Buchhalter, der Korrespondent, der Markthelfer, der Küfer, auch der Kommis und der Lehrling keine Handlungsbevollmächtigten, sondern Handlungsgehilfen, snämlich wenn und soweit sie nur zur Vornahme kommerziell-technischer Dienstleistungen, nicht zur juristischen Vertretung der Firma beauftragt und ermächtigt sind. Die rechtlichen Folgen der einen und der anderen Stellung er­ geben sich aus den Erörterungen der beiden folgenden, hierdurch unter­ schiedenen Paragraphen.

Die Unsicherheit, welche aus dem Mangel feststehender Namen und Bezeichnungen der einzelnen Arten von Angestellten im Handel für das Publikum entspringt, wird durch das deutsche T) tunlichst durch folgende Bestimmungen beseitigt: 1. durch die Schaffung des Rechtsbegriffs der Prokura als einer weitgehenden und nach außen zu unbeschränkbaren Handlungsvollmacht (s. § 22 I); 2. durch die gesetzliche Umgrenzung der Vertretungsbefugnis der Korrespondent-Reeder*) und der Schiffer3) (Schiffs­ führer, Kapitän); *) 3. durch die Unterscheidung der übrigen Arten von Handlungs­

gleich sich seine Verfasser über den Unterschied der beiden jeweilig aus­ einander zu hallenden Rechtsverhält­ nisse klar waren, doch nicht ganz scharf das zu Trennende getrennt; s. Gareis, HGB. S. 64-66. 1 Schon durch das HGB. v. 1861, besser noch durch das vom 10. Mai 1897.

2 HGB. § 493 s. unten § 110. 3 HGB. §§ 526 ff., s. unten § 111. 4 Hierüber und über Schiffs­ offiziere im techn. Sinne s. See­ mannsordnung v. 2. Juni 1902 §§ 2, 3, 84 ff., HGB. 8 481 (Fassung v. 2. Juni 1902).

Bon den Handlungsgehilfen.

§ 21.

89

vollmachten durch deren inhaltliche Ausstattung mittels Bezugnahme auf das im Verkehr Übliche („Gewöhnliche") und durch deren Abmarkung gegenüber den eine besondere Ermächtigung fordernden Rechtshandlungen/) 4. durch die Einreihung der „Handlungsreisenden" unter die „Handlungsbevollmächtigten" mit der näheren Angabe, daß dieselben insbesondere für ermächtigt gelten/1 2) den Kaufpreis aus den von ihnen abgeschlossenen Verkäufen einzuziehen und dafür Zahlungsfristen zu bewilligen, sowie die Er­ klärung von Dispositionsstellung entgegenzunehmen; 3) 5. durch die Rechtsvermutung, daß, wer in einem Laden oder offenen Warenlager angestellt ist, für ermächtigt gilt zu Verkäufen und Empfangnahmen, welche in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen?)

§ 21. Von den Handlungsgehilfen. >)

I. Handlungsgehilfen im weiteren Sinne sind alle die­ jenigen Personen, welche sich in einer merkantil-dienstlichen Stellung im Handelsgewerbe eines Prinzipals befinden (s. oben 8 20 I am Ende und ebenda II 3); nach dem Zweck dieser dienstlichen Stellung sind zu unterscheiden die Handlungsgehilfen im engeren Sinne und die Handlungslehrlinge. Die Handlungsgehilfen im engeren Sinne sind diejenigen Personen, gleichviel ob männlichen oder weiblichen Geschlechts, welche sich im Dienste eines Handelsgewerbes zum Zwecke der Leistung merkantil-technischer Arbeit gegen Entgelt angestellt be­ finden. Die Grundlage des rechtlichen Verhältnisses zwischen diesen Personen und dem Prinzipal ist der Dienstvertrag im Sinne des bürgerlichen Rechts/) deffen gesetzliche Regelung — in ihrem zwingenden, wie in ihrem dispositiven Teile — im allgemeinen, d. h. soweit nicht besondere Normen handelsgesetzlich maßgebend 1 HGB. § 54, s. unten § 2211. 2 HGB. § 55. Diese Bestimmung ist auf „Stadtreisende" nicht anwend­ bar. RGer. Bd. 6 S. 83. 8 HGB. § 55 Abs. 3. Gareis, Das Stellen zur Disposition (1870)

S. 90, 92 und Gareis, HGB. (1900) S. 73. 4 HGB. § 56. Blätter f. RAnw. 65 (1900) S. 15. 6 Horwitz, Recht ^Handlungs­ gehilfen, 1898. 6 BGB. §§ 611-630.

90

Kap. n.

Die Personen im Handelsrecht.

oder vereinbart sind, auch für die Dienstverhältnisse der Handlungs­ gehilfen maßgebend ist. Für den Abschluß des Dienstvertrags ist keine besondere Form vorgeschrieben, er ist für den Prinzipal unzweifelhaft ein Handelsgeschäft?) Auch Kaufleute minderen Rechts können Handlungsgehilfen anstellen. II. Die Pflichtens des Handlungsgehilfen, denen selbstverständlich die Rechte des Prinzipals entsprechen, ergeben sich in erster Linie aus dem abgeschlossenen, — möglicher­ weise in einer, vom Prinzipal aufgestellten und vom Gehilfen als lex contractus angenommenen, Geschäfts- oder Hausordnung zum Ausdruck gelangten, — gültigen Vertrage, sodann aus dem Handelsrechte und endlich aus dem allgemeinen bürgerlichen Rechte;^ im einzelnen bestehen sie in folgenden Verbindlichkeiten: 1. Der Handlungsgehilfe hat die vereinbarten merkantilen Dienste und, soweit nicht besondere Vereinbarungen über die Art und den Umfang seiner Dienstleistungen getroffen sind, die dem Ortsgebrauche entsprechenden Dienste, und sofern auch der Ortsgebrauch schweigt, die den Umständen nach angemessenen, vom Richter nötigenfalls an der Hand von Sachverständigen-Gutachten als angemessen festzustellenden Dienste zu feisten;4) in Zweifelsfällen entscheidet die Berkehrsauffaffung darüber, waS unter kaufmän­ nischen Diensten zu verstehen sei; darauf, ob dem Angestellten eine Vertretungsmacht ft) zustehl oder nicht, kommt es nicht an: der Handlungs­ gehilfe kann Prokura oder eine andere Art von Handlungsvollmacht haben, und in den meisten Fällen sind die Prokuristen und (sonstigen) Handlungsbevollmächtigten in der Tat Handlungsgehilfen, d. h. im Ge­ werbe des Geschäftsherrn als Bedienstete zur Vornahme merkantiler Arbeit angestellt, aber notwendig ist weder daS eine, noch daS andere: eS gibt Prokuristen und (andere) Handlungsbevollmächtigte, welche nicht im Gewerbe deS Geschäftsherrn zu kaufmännischer Arbeit angeftellt sind, und umgekehrt: eS gibt zahllose Handlungsgehilfen (z. B. Kontoristen), welche keinerlei BertretungSmacht besitzen; aber kaufmännische Dienste müssen eS sein, zu deren Leistung der Handlungsgehilfe, um ein solcher

1 HGB. § 343. 1 Die öffentlich-rechtlichen sowie die aus dem allgemeinen bürger­ lichen Rechte sich ergebendenPflichten derHandlungSgehilsen gehören selbst­ verständlich nicht in die Darstellung des Handelsrechts. Wegen Nicht­ anrechnung der öffentl.-rechtl.Bersich. Rente s. HGB. § 63 Abs. 2. Uber

die Haftung der Handlungsgehilfen aus unerlaubten Handlungen ent­ scheidet selbstverständlich daS allg. bürgerliche Recht. Vgl. aber auch unten Anm. 8 S. 93 zu § 21 III. 3 EinfG. zu HGB. An. 2 Abs. 1. 4 HGB. g 59. 6 BGB. § 164 u. oben § 20 m S. 85.

Bon den Handlungsgehilfen.

§ 21.

91

zu sein, angestellt sein muß; die Dienste des chemisch- oder mechanisch­ technischen Personals,*) ferner die der sog. Gewerbegehilfen, 2) z. B. im be- und verarbeitenden Handwerk, sowie die des Gesindes3) sind keine kaufmännischen Dienste, die hiezu gehörenden Personen sind also keine Handlungsgehilfen. Aber der Umstand, daß ein in einem kaufmännischen Etablissement — und sei es auch nur das eines formellen Handels­ gewerbes^) — Angestellter außer seinen kaufmännischen Diensten neben­ bei noch andere, z. B. gewisse technische Arbeiten zur Erhaltung leicht verderblicher Waren erforderliche, zu verrichten hat, schließt den Begriff Handlungsgehilfe nicht auS,3) und andererseits, wie folgeweise, kann sich ein Handlungsgehilfe nicht etwa unter Berufung auf seine Eigenschaft als Handlungsgehilfe weigern, solche zwar nicht rein kaufmännische, aber doch unmittelbar mit dem Absatz der Waren zusammenhängende, im Rahmen seines Dienstverhältnisses (nach Ortsgebrauch u. s. w.) gelegene Arbeiten auszuführen. — Beharrliche Weigerung eines Handlungs­ gehilfen, seinen Dienstverpflichtungen nachzukommen, können den Prin­ zipal unter Umständen zur sofortigen Entlassung berechtigen.3) Zu den gewöhnlichen kaufmännischen Diensten gehört Buchführung, Korrespondenz, Kasseführung, Magazinverwaltung u. dgl., aber auch die geschäftliche Be­ dienung des Publikums im offenen Laden, auch daS Abschlüßen von

1 So sind die Dienste, welche Chemiker, Ingenieure oder Maschinentechniker in einem Handelsetabliffement, in dem sie angestellt sind, ju leisten haben, so wenig wie die künstlerischen Arbeiten der in kunstgewerblichen Anstalten angestellten Maler. Zeichner und Bild­ hauer (f. RGes., betr. den Schutz der Muster und Modelle v. 11. Jan. 1876 § 2 u. vgl. oben § 19 S. 124) kaufmännisch; vgl.ROHG 9S.306, 11 S. 387, 17 S. 307, 18 S. 232, 21 S. 18 u. a.; für den Dienstver­ trag dieser Angestellten ist regel­ mäßig BGB. 88 611-630 maß­ gebend. 2 Diese, aber nicht die Handlungs­ gehilfen unterstehen der Gerichtsbar­ keit des Gewerbegerichts in ihren gewerblichen Streitigkeiten. S. RGes., betr. die Gewerbegerichte v. 29. Juli 1890 §§ I ff. Köche und Kellner von Restaurants und Gast­ höfen sind regelmäßig keine Hand­ lungsgehilfen. S. ROHG. Bd. 7

S. 300, Bd. 24 S. 270, RGer. Bd. 1 S. 268. 3 Für das Gesinde, auch das des Kaufmanns, gilt Gesinderecht. S. tGB. 8 83. EinsG. zum BGB. rt. 95. 4 HGB. 8 2. S. oben 8 8 S. 34—35. 5 Denkschrift S. 3167. — Treibt ein Land- oder Forstwirt ein kauf­ männisches Nebenaewerbe, dessen Firma gemäß HGB. 8 3 Abs. 2 in daS Handelsregister eingetragen ist, so sind die in Diesem Nebengewerbe Angestellten deshalb allein keines­ wegs schon Handlungsgehilfen, jelüst wenn sie neben ihren landwirt­ schaftlichen oder technischen Diensten nebenbei auch Arbeiten für das kom­ merzialisierte Nebengewerbe (z. B. Gutsinspektoren die Korrespondenz) besorgen, — entscheidend muß, wie in dem oben angedeuteten umge­ kehrten Falle, die Hauptbeschäftigung, dienHau^tberufsaufgabe deS Ange£©&*§ 72 Abs. 1 Nr. 2 u. 3.

92

Kap. n.

Die Personen im Handelsrecht.

Geschäften für den Prinzipal ^und auch das Aussuchen der Gelegenheit, Geschäfte abzuschließen, oder das Vermitteln derselben (d. i. das Zu­ sammenbringen von Vertragsbedürstigen, die dann abschließen können).

2. Jeder Handlungsgehilfe ist seinem Prinzipal und dessen Vertreters gegenüber zu anständigem Benehmen verpflichtet, selbstverständlich schon nach dem allgemeinen bürgerlichen Recht, aber mit der handelsrechtlichen Besonderheit, daß Vertrauens­ mißbrauch, die Untreue im Dienst und nicht ganz unbedeutende Ehrverletzungen, deren sich der Handlungsgehilfe gegen den Prinzipal oder dessen Vertreter schuldig macht, den Dienstherr» regelmäßig zur sofortigen Entlassung des Handlungsgehilfen be­ rechtigen können.'") 3. Der Handlungsgehilfe hat sich des Betriebs eines eigenen Handelsgewerbes, sowie des Geschäftemachens im Handelszweige des Prinzipals (ohne dessen Einwilligung) — bei Meidung der Schadensersatzpflicht u. s. w., möglicherweise auch sofortiger Ent­ lassung — zu enthaltens) hievon wurde oben § 14^S. 55, 56 gesprochen. 4. Der Handlungsgehilfe muß im Dienste, welchen er über­ nommen hat, während der vertragsmäßigen Dauer desselben treu ausharren/) auch während der verabredeten oder gesetzlich anzu­ nehmenden Verlängerung derselben?) unbeschadet der gesetzlichen oder vertragsmäßigen Kündbarkeit °) und auch unbeschadet des in besonderen Ausnahmefällen bestehenden Rechts, den Dienst sofort zu ^erfassen.7) Über das Recht der Kündigung»: s. unten IV S. 98, 99. 5. Er hat aber auf Verlangen des Prinzipals den Dienst sofort zu verlaffen, wenn der letztere aus einem ihm hiezu be­ rechtigenden Grunde?) wofür das Gesetz — nicht bindende — Beispiele aufstellt?) das Dienstverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist kündigt.

1 Über diesen Begriff s. oben § 20 III u. Anm. 1 S. 84. 2 HGB. 8 72 Nr. 4. 3 HGB. §§ 60, 61, 174. 4 HGB. § 72 A.bs. 1 Nr. 2. 5 BGB. § 625. Überhaupt finden die Vorschriften des BGB. über den Dienstvertrag auch aus Handlungs­ gehilfen Anwendung, soweit nicht

das Spezialrccht des Handels ihnen derogiert. 6 HGB. §§ 66—69. 7 HGB. 88 70, 71, 75. 8 HGB. § 70. 9 HGB. 872; des Richterspruches bedarf es hiezu nicht von vornherein (s. Gareis, HGB. Anm. 2 zu L 70 S. 84 u. 85) — anders in Fällen des § 117.

Von den Handlungsgehilfen.

§ 21.

93

6. Den Handlungsgehilfen trifft eine besonders ausgesprochene Schadensersatzpflicht für den Fall, daß er durch hervorragend rechts- und insbesondere vertragswidriges Benehmen den Prinzipal zur objektiv berechtigten sofortigen Entlassung veranlaßtes) 7. Der Handlungsgehilfe hat die in Bezug auf seine gewerb­ liche Tätigkeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses über­ nommene Verpflichtung, sich gewisser Konkurrenzunternehmungen und dgl. zu enthaltens) zu erfüllen, sofern sie gesetzlich zulässig ist,») und insbesondere eventuell die für den Fall der Nicht­ erfüllung versprochene Strafe zu leisten;41)** 3jedoch kommt ihm hiebei zu gute, daß mit der Leistung der Strafe der Anspruch auf Erfüllung der Verpflichtung, sowie der Ersatz weiteren Schadens ausgeschlossen ist,6)7 8 daß auch daS richterliche Strasherabsetzungsrecht besteht") und diese Pri­ vilegien nicht durch Vertrag beseitigt werden können?) III. Die Pflichten des Prinzipals, deren Inhalt sich selbstverständlich deckt mit den entsprechenden Rechten des Handlungsgehilfen, ergeben sich ebenso wie die des Hand­ lungsgehilfen (s. oben II S. 90) in erster Linie aus dem den gesetzlichen Zwangsvorschriften nicht widersprechenden Vertrage (f. oben S. 89), sodann aus dem Handelsrechte und schließlich aus dem allgemeinen bürgerlichen Rechte; handelsgesetzlich ®) treffen den Prinzipal folgende Verbindlichkeiten: 1. Der Handlungsgehilfe kann verlangen, vom Prinzipal persönlich anständig, wenigstens nicht unanständig behandelt zu werden; würde sich der Prinzipal Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen oder unsittliche Zumutungen gegen den Handlungs­ gehilfen (gleichviel ob männlichen oder weiblichen9) Geschlechts) zu 1 HGB. 8 70 Abs. 2. BGB. 8 628 Abs. 2, mit BGB. §§ 249 ff. 3S. oben §8.. 13, 14 S. 53, 55 ff. (HGB. §74). Über Geschäftsgeheim­ nisse und deren Bewahrung durch Handlungsgehilfen s. Gareis in Bl. s. RAnw. 1896 S. 379, auch oben S. 77 Anm. 4. 3 HGB. 8 74 Abs. 1-3. 4 HGB. 8 75 Abs. 2. 6 HGB. 8 75 Abf. 2 Satz 2. Vgl. auch BGB. § 340 im Gegen­ satze zu BGB. § 341 Abs. 1. 6 BGB. 8 343. 7 HGB. 8 75 Abs. 3. 8 Bezug auf sonstige gesetzliche

Pflichten des Prinzipals vgl. ent­ sprechend die Anm. 2 zu oben II S. 90. Hinsichtlich der Haftung des Prinzipals aus dem Ver­ schulden seines Handlungsgehilfen ist das allgemeine bürgerliche Recht maßgebend, insbesondere nun BGB. 88 278, 276, 831 (auch 701—703 Gastwirte), außerdem aber auch be­ sonderes Handelsrecht in den Fällen der §8 431, 457, 458, 459, 606, auch 413 d. HGB. (d. s. Fälle des Land- und Seefrachtrechts) und in Fällen des Haftpflichtgesetzes

Hiezu vgl. auch BGB. § 825.

94

Kap. n.

Die Personen im Handelsrecht,

schulden kommen lassen, oder sich weigern, den Handlungsgehilfen gegen derartige Handlungen eines anderen Angestellten oder eines Familienmitglieds deS Prinzipals zu schützen, so würde die- den Handlungsgehilfen in der Regel zum sofortigen Austritte aus dem Geschäfte berechtigen?) 2. Der Prinzipal ist aber auch zur positiven Sorge für das körperliche und sittliche Wohl seiner Handlungsgehilfen ver­ pflichtet, insofern er nach der ausdrücklichen Vorschrift des Gesetzes sowohl die Geschäftsräume, als auch die für den Geschäftsbetrieb bestimmten Vorrichtungen und Geräte so einzurichten und zu unterhalten, auch den Geschäftsbetrieb selbst und die Arbeits­ zeit so zu regeln hat, daß der Handlungsgehilfe gegen Gefährdung seiner Gesundheit möglichst geschützt und die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstands — diese Regelungsweisen des menschlichen Handelns namentlich in Rücksicht auf das Geschlecht und das Alter der Angestellten als maßgebend ge­ nommen — gesichert ist; diese sozial überaus wichtige Verpflichtung steigert sich noch bei den gebrödeten Angestellten, d. h. denjenigen Handlungsgehilfen, welche in die häusliche Gemeinschaft aus­ genommen worden sind, denn diesen gegenüber hat der Prinzipal auch für gesunde Wohn- und Schlafräume, passende Verpflegung, Erholungszeit und wenigstens für die Möglichkeit zu sorgen, daß der Handlungsgehilfe auch seinen religiösen Verpflichtungen nach­ kommen kann. Alle diese Verpflichtungen können nicht durch Vertrag im voraus aufgehoben oder beschränkt werden, ihre Nichterfüllung berechtigt den Handlungsgehilfen regelmäßig (b. h. sofern nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen), sofort aus dem Dienste auszu­ treten?) hat die Nichterfüllung der Pflicht der Sorge für Leben und Ge­ sundheit des Handlungsgehilfen eine Schädigung des letzteren zur Folge, so ist der Prinzipal schadensersatzpflichtig nach den Regeln des bürger­ lichen Rechts über den Ersatz des durch unerlaubte Handlungen verur­ sachten Schadens?)

3. Der Prinzipal muß dem Handlungsgehilfen den ihm nach Verabredung oder Ortsgebrauch oder Gesetz als angemessen zu­ kommenden Entgelt leisten;41) * man 3 kann in Bezug auf den Entgelt,

1 bei 1 3 bis *

HGB. § 71 mit Anm. 2 u. 3 Gareis, HGB. S. 85. HGB. 88 62, 71 Nr. 3. HGB. § 62 mit BGB. §§ 842 846. Ist der Handlungsgehilfe durch

unverschuldetes Unglück an der Leistung der Dienste verhindert, und bezieht er für die Zeit dieser Verhinderung Beträge auf Grund einer Kranken- oder Unfallversiche­ rung, so braucht er sich unter keinen

Bon den Handlungsgehilfen.

§ 21.

95

welcher Handlungsgehilfen zu leisten ist, verschiedene Arten von Hand­ lungsgehilfen unterscheiden, nämlich solche, welche Tantiemen (Anteile am Reingewinn) und solche, welche Provision (Entgelt für die einzeln ge­ machten Geschäfte, aber ohne Rücksicht auf den Reingewinn) erhalten (s. unten), in beiden Fällen entweder mit oder ohne festes Gehalt, ferner solche, die auf festes Gehalt, mit oder ohne Kost und Wohnung, gestellt sind, solche, die nur Kost und Wohnung vom Prinzipal erhalten, und solche, welche nach Tarifen zu honorieren sind, während diejenigen, welche vollkommen unentgeltlich (etwa als Volontärs, mit sehr verschiedenem Range und Tun) im Geschäfte des Prinzipals arbeiten, oder nur ganz willkürliche Gegenleistungen vom Prinzipal für ihre Arbeit im Geschäft erhalten (etwa nur Neujahrsremunerationen ohne alle Vereinbarung), oder gar selbst an den Prinzipal dafür, daß sie im Geschäft arbeiten (oder lernen) dürfen, Lehrgeld zahlen, nicht zu den Handlungsgehilfen im Sinne des Gesetzes ’) gehören; um den Handlungsgehilfen vor einer für

ihn möglicherweise recht unangenehmen Verzögerung der Ent­ lohnung zu schützen, schreibt das Gesetz unabänderlich bindend vor, daß der Prinzipal da- Gehalt am Schluffe jedes (im Dienst ver­ brachten) Monats zu zahlen hat, und zwar nicht bloß dann, wenn die Vergütung nach diesem Zeitabschnitte (Monat) bemeffen ist, sondern auch, wenn ein Jahresgehalt vereinbart wurde.-) Die Höhe des Entgelts richtet sich nach der Vereinbarung, eventuell nach dem Ortsgebrauche und in Ermangelung eines solchen nach der nötigenfalls mittels Sachverständigengutachtens festzustellenden Angemeffenheit. Die Vereinbarung, daß dem Handlungsgehilfen für Geschäfte, die von ihm abgeschlossen oder vermittelt3) werden, eine Provision vom Prin­ zipal zu zahlen ist, hat zur Folge, daß einzelne auf den Handlungs­ agenten bezügliche Vorschriften auch auf einen solchen Handlungsgehilfen anwendbar sind; letzterer kann dann die Provision, wenn nichts anderes vereinbart ist, immer erst fordern, wenn die im Zweifel am Schlüsse eines jeden Kalenderhalbjahrs vorzun^hmende Abrechnung stattgefunden hat, und bei dieser Abrechnung, bei welcher der Handlungsgehilfe auch die Mitteilung eines Buchauszugs über die durch seine Tätigkeit zu stände gekommenen Geschäfte fordern kann, sind nur diejenigen Geschäfte zu be­ rücksichtigen, welche bis dahin zur Ausführung gelangt sind; Verkäufe,

Umständen (— auch wenn er es vorher versprochen haben sollte —) diese Beträge auf den Gehalt oder Unterhalt anrechnen zu lassen, die ihm gesetzlich — nach HGB. § 63 — zukommen. 1 S. den Wortlaut des HGB.

§59; f. auch oben S. 86,87 u. unten (Lehrlinge) S. 99, 100. 2 Vgl. HGB. § 64 mit dem anderes voraussetzenden BGB. § 614 Satz.2. 3 Über diesen Begriff s. unten § 54 und oben II l am Ende.

96

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

die der Handlungsgehilfe vermittelte oder für den Prinzipal abschloß, im Zweifel erst dann und nur so weit, wenn und wieweit Zahlung darauf eingegangen ist?) Auch die Höhe der Provision richtet sich nach der Vereinbarung und in Ermanglung dieser nach der Ortsüblichkeit; sie richtet sich aber nicht nach dem wirklichen Gewinne des Prinzipals, denn sie ist ein fester Satz, den der Prinzipal auch dann zu zahlen hat, wenn er aus dem zu stände gekommenen Geschäfte keinen Gewinn macht; es wird also ein Handlungsgehilfe dadurch, daß Provision bedungen ist, noch nicht zum Commis interessö; denn letzterer nimmt nur am Gewinn Anteil, und dies ist der Fall, wenn dem Handlungsgehilfen eine Tantieme, ein verhältnismäßiger Anteil am Reingewinn zugesichert ist; auch in diesem letzteren Falle ist und bleibt der Prinzipal ausschließlich der Ge­ schäftsherr,") und es wird durch eine solche Zusicherung nicht etwa das Handelsunternehmen des Prinzipals zu einem diesem und dem Commis interesse gemeinsamen Gesellschastsunternehmen; es liegt auch nicht eine stille Gesellschaft vor, denn diese setzt Vermögenseinlage des stillen Gesell­ schafters voraus;Ä) nur betreffs der Beteiligung des Commis interesse am Reingewinne des Prinzipals liegt ein nach Grundsätzen des Gesellschaftsrechts zu beurteilendes Gesellschastsverhältnis vor?) Es enthält das Gesetz keine besonderen Vorschriften in Bezug auf die letzteren,") es ist insbesondere die Beschränkung, welche das Gesetz bei der Berechnung der Tantieme für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften ausstellt, hier nicht maßgebend; unmöglich kann aber die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, in Bezug aus Vorlegung der Bücher dem Commis interesse mehr Rechte als dem stillen Gesell­ schafter einzuräumen?)

4. Der Prinzipal muß den Handlungsgehilfen während der ganzen Dauer des Dienstvertrages, selbst wenn er ihn nicht be­ schäftigen kann, im Dienste belassen, und insbesondere dem Ver­ trage entsprechend besolden, sofern nicht ein gesetzlicher Grund des Weg- oder Ausfalls der Vergütung7) vorliegt; über die 1 HGB. § 88 mit § 91 Satz 1 aus Grund des § 65. Hinsichtlich der Verhinderung der Ausführung von eingeleiteten Geschäften s. HGB. § 88 Abs. 3. 2 DaS Dienstverhältnis wiegt vor, s. bayr. Oberstes Lg., Bl. f. RAnw. 62 (1897) S. 153 u. 154. 8 HGB. § 335. 4 ROHG. Bd. 17 S. 275 ff. Hienach nun BGB. §§ 705 ff., insbes. BGB. § 706 Abs. 3. 6 Denkschrift S. 3169. 6 Vgl. HGB. § 338 Abs. 2 u. 3

mit BGB. § 716 u. s. Entsch. d. ROHG. Bd. 1 Nr. 58 S. 195, Bd. 17 Nr. 59 S. 277. 7 Der Handlungsgehilfe wird des Anspruches auf das Gehalt nicht dadurch verlustig, daß er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person lieaenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird; so nach BGB. § 616, wozu noch die Sondervorschrift des HGÄ. § 63 kommt, s. unten S. 98 Ziff. 4 und Gareis,HGB.Anm.2,3S.80,81.

Von den Handlungsgehilfen.

§ 21

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Kündigung und sonstige Gründe der Endigung des Dienstver­ hältnisses s. unten IV. 5. Er hat dem Handlungsgehilfen sofort den Austritt zu gestatten, wenn einer der Gründe vorliegt, aus denen vom letzteren das Dienstverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist ge­ kündigt werden kann, und der Handlungsgehilfe auf Grund hievon in der Tat gekündigt hat?) 6. Den Prinzipal trifft die Pflicht, dem Handlungsgehilfen denjenigen Schaden zu ersetzen, welcher letzterem daraus erwächst, daß ihn der Prinzipal durch vertragswidriges Verhalten zur Kündigung des Dienstverhältnisses veranlaßte und daß dieses Verhältnis folgeweise aufgehoben wurde?) 7. Bei der Beendigung des Dienstverhältnisses muß der Prinzipal dem Handlungsgehilfen auf dessen Verlangen hin, gleichviel aus welchem Grunde der Dienst beendigt wird, ein schriftliches Zeugnis ausstellen; dieses Zeugnis hat sich nur über die Art und Dauer der Beschäftigung des Gehilfen auszusprechen, es sei denn, daß der letztere die Ausdehnung des Zeugnisses auf die Führung (z. B. anständiges und moralisches Verhallen) imb die Leistungen (näm­ lich die handelsgewerblichen) ausdrücklich verlange: der Handlungsgehilfe kann auch verlangen, daß die Lrtspolizeibehörde das Zeugnis (nämlich die Authentizität desselben, nicht den Inhalt des Führungs- oder Leistungsattests) beglaubige, und zwar kosten- und stempelfrei?)

8. Diese Pflicht, ein wahrheitsgetreues Zeugnis dem Hand­ lungsgehilfen auszustellen, hängt mit der allgemeineren Pflicht des Prinzipals zusammen, das weitere Fortkommen des Hand­ lungsgehilfen wenigstens insoweit sich angelegen sein zu lasten, als dieses dem letzteren nicht unbilligerweise erschwert werden darf;41)*2 3 daher muß der Prinzipal dem Handlungsgehilfen nach der Kündigung eines dauernden Dienstverhältnistes auf Verlangen an­ gemessene Zeit zum Aufsuchen eines anderen Dienstverhältnisses gewährens) und deshalb ist auch die sog. Konkurrenzklausel, durch welche der Gehilfe für die Zeit nach dem Ende des Dienstes in seiner gewerblichen Tätigkeit vertragsweise beschränkt werden soll, nur zeitlich und sachlich eingeengt und bedingt zulässig?) IV. Das Dienstverhältnis wird beendigt:?) 1 2 3 4 4

HGB. §§ 70 Abs. 1, 71. | 6 HGB. 88 74, 75 u. s. oben 8 14 HGB. § 70 Abs. 2. Ziff. 6 S. 58, 59. HGB. § 73. 7 Abgesehen von anderen Gründen, Vgl. auch BGB. §§ 824, 826. die zur Beendigung von VertragsBGB. 8 629, Denkschr. S. 3170. 1 obltgationsverhältnissen überhaupt 7 Gareis, Handelsrecht. 7. Aufl.

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Kap. II.

Tie Personen im Handelsrecht.

1. durch die vollständige Leistung der Arbeit, wenn dasselbe nur für diese eingegangen war; 2. durch Ablauf der vorbedungenen Zeit, sofern nicht etwa eine stillschweigende Verlängerung aus der vom anderen Teile nicht mit Widerspruch belegten Dienstfortsetzung zu folgern ist;]) die Verlängerung gilt dann als für unbestimmte Zeit vereinbart, unterliegt aber der gesetzlichen Kündbarkeit; 3. durch den Tod des Handlungsgehilfen, der Anspruch auf die Dienste geht nicht gegen die Erben;2) 4. durch den von dem Kontrahenten nicht verschuldeten Verlust derjenigen körperlichen oder geistigen Kraft, welche dem Handlungsgehilfen zur Erfüllung seiner Dienstpflicht nötig ist;3) aber mindestens sechs Wochen lang muß, wenn nicht noch länger vereinbart ist, der Prinzipal dem Handlungsgehilfen, der durch unverschuldetes Unglück an der Leistung seiner Dienste verhindert wird, Gehalt und Unterhalt gewähren;4) 5. durch den Ablauf der Kündigungsfrist im Falle der ordentlichen Kündigung: jedes für unbestimmte Zeit ein­ gegangene Dienstverhältnis kann sowohl vom Prinzipal, als auch vom Handlungsgehilfen für den Schluß eines Kalenderviertel­ jahrs unter Einhaltung einer sechswöchentlichen Kündigungsfrist gekündigt werden/) sofern nicht eine kürzere (aber niemals unter einen Monat herabzusetzende) oder längere, stets für beide Teile gleiche Kündigungsfrist vereinbart worden ist;3) dies gilt unab­ änderlich, und zwar auch dann, wenn das Dienstverhältnis für bestimmte Zeit so vereinbart worden ist, daß es in Ermangelung einer vor dem Ablaufe der Bertragszeit erfolgten Kündigung als verlängert gelten soll. Diese gesetzlichen Beschränkungen der Vcrtragsfreiheit bleiben jedoch in drei Ausnahmefällen außer Anwendung, nämlich: a) wenn der Gehilfe ein Jahresgehalt von mindestens 5000 M. bezieht; führen können, wie z. B. contra­ rius consensus. 1 BGB. 8 62a. ■ BGB. 88 673, 675. Ties geht auch aus BGB. § 613 hervor. Durch den Tod des Prinzipals erlischt das Dienstverhältnis im Zweifel nicht, BGB. §§ 672, 675, Gareis, HGB. § 52 Anin. 3, bezüglich

des Lehrherrn s. aber HGB. 8 77 Abs. 4. 3 BGB. 88 275, 323. 4 HGB. 8 63; über das Verhält nis dieses 8 zu BGB. 88 616, 617, s. Gareis, HGB. Anm. 2—6 zu HGB. § 63 S. 80, 81. 6 HGB. 8 66. 6 HGB. 8 67.

Von den Handlungsgehilfen.

§ 21

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b) wenn er für eine außereuropäische Handelsniederlassung angenommen ist, und der Prinzipal vertragsmäßig für den Fall, daß er kündigt, die Kosten der Heimreise des Gehilfen zu tragen hat - den Prinzipal werden in einem solchen Falle die ihm zur Last fallenden Kosten der Rückbeförderung des entlassenen Gehilfen von nicht wirklich gerechtfertigten Entlassungen regel­ mäßig abhalten; *) und c) wenn der Handlungsgehilfe nur zu einer vorübergehenden, nicht über drei Monate hinausreichenden Aushilfe1 2) angenommen war, ein Fall, für welchen jedoch das Erfordernis, daß die Kündigungsfrist für beide Teile gleich sei, ausdrücklich festzu­ halten ist; 6. durch die außerordentliche Kündigung, d. i. die augen­ blickliche Entlassung oder den augenblicklichen Austritt aus dem Dienste wegen eines die außerordentliche Endigung rechtfertigenden wichtigen Grundes; das Gesetz spricht das Prinzip qu3,3)4 knüpft an die außerordentliche Veranlassung auch eine außerordentliche Schadensersatzpflicht/) zählt erläuternd aber weder zwingend, noch erschöpfend eine Anzahl von Fällen auf, in denen eine so­ fortige Entlassung 5) oder bezw. ein sofortiger Austritt6) gerecht­ fertigt sein kann, und setzt die vertragsmäßigen Konkurrenzverbote') für den Fall außer Wirksamkeit, daß der Prinzipal durch rechts­ widriges Verhalten dem Gehilfen zum sofortigen Austritt be­ gründeten Anlaß gab; sowie auch für den, daß der Prinzipal den Dienst kündigte, es sei denn, daß für diese Kündigung ein erheblicher von ihm nicht verschuldeter Grund vorlag oder daß während der Dauer der Beschränkung dem Handlungsgehilfen das zuletzt von ihm bezogene Gehalt fortbezahlt toirb.8) 7. durch die besondere Kündigung im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Prinzipals?) V. Die Handlungslehrlinge io) unterscheiden sich ihrer 1 Über das nicht ganz Zutreffende oer Motivierung des § 68 Abs. 2 in der Denkschr. S. 3170 s. Gareis, HGB. S. 83, 84 Sinnt. 2 zu 8 68. 1 Uber die Anstellung auf Probe s. G a r e i s, HGB. Anm. u. § 69 S. 84. 3 HGB. § 70 Abs. 1. 4 HGB. § 70 Abs. 2 neben § 75 Abs. 2.

5 HGB. g 72. 6 HGB. § 71. 7 HGB. § 74. ' HGB. § 75. 9 KonkursOrd. §§ 22, 23 mit BGB. §§ 673-675. FischerHenle, BGB. (5. Aufl.) S. 319 Anm. 7. 10 Vgl. Bloch, Der kaufmännische Lehrvertrag. 1898.

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Aufgabe nach von den Handlungsgehilfen im engeren Sinne da­ durch, daß sie kaufmännische Dienste nicht zu leisten, sondern zu lernen haben; da man aber, wie das Schwimmen nur im Wasser, so auch den Dienst nur im Dienste lernt, so steht auch der Handlungslehrling im Dienste seines Prinzipals, der ihm gegen­ über Lehrherr heißt, und gehört zu den Handlungsgehilfen im weiteren Sinne (s. oben I S. 89), wenngleich ihm ein Anspruch auf Entgelt, der dem Handlungsgehilfen (im engeren Sinne) be­ grifflich zusteht, nicht (oder wenigstens nicht begrifflich) zukommt. Maßgebend für das Verhältnis zwischen dem Prinzipal als Lehr­ herrn und dem Handlungslehrlinge ist in erster Linie der Lehr­ vertrag. Dieser Vertrag ist juristisch verschieden zu qualifizieren: er kann als Auftragsvertrag *) bezeichnet werden, wenn der Lehrherr sich verpflichtete, die Ausbildung des Lehrlings unentgeltlich zu besorgen; er kann als Dienstvertrag1 2)3 bezeichnet werden, wenn der Lehrherr ein Lehr­ geld beanspruchen kann; ein Werkvertrag ist er nicht, am besten dürfte er als ein Vertrag eigener Art bezeichnet werden, der seinen Inhalt wesentlich dem, von den beiden Teilen vernünftigerweise gewollten, Zwecke entnimmt. Abgesehen hiervon ist dem Lehrvertrag folgendes eigentümlich:

1. er setzt auf feiten des Lehrenden den Besitz der bürger­ lichen Ehrenrechte voraus — bei Meidung polizeilichen und straf­ rechtlichen Einschreitens und der Nichtverbindlichkeit des Vertrags für den Lehrling.'') 2. er muß, um vollwirksam zu sein, schriftlich errichtet sein — andernfalls kann der Lehrherr die ihm laut Gesetzt) oder Vertrag gegen den Lehrling wegen unbefugten Austritts zu­ stehenden Ansprüche gerichtlich nicht geltend machen?) 3. Das Gesetz gibt für das Lehrverhältnis insofern zwingen­ des Recht, als die gesetzlich den ersten Monat der Lehrzeit be­ tragende Probezeit, während welcher der Lehrvertrag von jedem der beiden Teile ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann, durch Vertrag auf höchstens drei Monate verlängert werden kann — die eine längere Probezeit setzende Vereinbarung wäre nichtig?) 1 BGB. 88 661 ff. 2 BGB. § 611. 3 HGB. § 81 Abs. 1. BGB. § 134; polizeiliche Erzwingung s. Abs. 2 des § 81 des HGB.; straf­

rechtliche Verfolgung s. HGB. § 82 Abs. 2. 4 HGB. § 78 Abs. 2. 6 HGB. § 79; über die gesetzliche Schriftlichkeit s. BGB. § 126. 6 HGB. § 77 Abs. 2.

Von den Handlungsgehilfen.

§ 21.

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4. Ist die Probezeit ohne Beendigung des Lehrverhältnisses abgelaufen, so besteht das Lehrverhältnis für die im Lehrvertrage festgesetzte, nötigenfalls aus dem Ortsrechte sich ergebende „Lehr­ zeit" fort; jedoch läßt das Gesetz alsdann die außerordentliche Kündigung nicht bloß in den gesetzlichen Fällen zu (f. oben IV S. 99), die für das Dienstverhältnis der Handlungsgehilfen als Fülle außerordentlicher Kündigung anerkannt sind/) sondern hebt noch drei besondere Fälle des außerordentlichen Kündigungsrechts der Lehrlinge hervor: a) Vernachlässigung der Lehrherrpflichten in Bezug auf Gesundheit, Sittlichkeit oder Ausbildung des Lehrlings/) b) Tod des Lehrherrn (einmonatliche Kündigungsfrist) und c) schriftlich erklärter Berufswechsel des Lehrlings (Endigung des Lehrverhältnisses nach Ablauf eines Monats). 5. Die aus dem Lehrvertrage begrifflich entspringenden Pflichten liegen wesentlich auf feiten des Lehrherrn; sie bestehen in der Pflicht entsprechender Unterweisung/) in der Sorge für das leibliche, geistige und sittliche Wohl des Lehrlings/) Pflege des durch unverschuldetes Unglück an der von ihm erwarteten Betätigung eines Lern- und Arbeitsbetriebs verhinderten Lehrlings^) und Ausstellung des stets auch über Kenntnisse, Fähigkeiten und Betragen sich aussprechen müssenden Zeugnisses am Ende des Lehrverhältnisses. 0) 6. Die Rolle, welche dem Lehrling inhaltlich des Lehr­ vertrags zukommt, ist mehr passiv (er muß sich belehren lassen), aber das Lernen setzt doch auch Eigenarbeit voraus, und zwar, 1 HGB. § 77 Abs. 3 mit §§ 70 bis 72. S. oben S. 99. 2 HGB. § 77 Abs. 3. 3 Ausbildungspflicht s. HGB. § 76, Vertretung des Prinzipals hiebei s. § 76 Abs. 2 und § 81; Gottesdienst s. § 76 Abs. 3: Fort­ bildungsschule s. § 76 Abs. 4 und GewerbeOrd. § 120; strafrechtliches Einschreiten gegen nachlässige Lehr­ herrn s. HGB. § 82 Abs. 1. 4 HGB. 88 62 Abs. 1, 2, 76 Abs. 1—4, 77 Abs. 3, 82; strafrechtliches Einschreiten gegen den Lehrherrn bei Vernachlässigungen, s. HGB. § 82 Abs. 1. Hiezu siehe Edwin Katz, Die strafrechtlichen Bestim-

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mungen des HGB. (Berlin, I. Guttentag 1902) S. 1 ff. 5 Obligatorisch 6 Wochen, s.HGB. 8 63 (mit § 76 Abs. 1); so auch oben IV S. 99. Hinsichtlich der Kranken- u. Unfallversicherung s. oben S. 94 Anm. und Abs. 2 des HGB. § 63. e HGB. § 80; polizeiliche Beglaubigung Abs. 2 dess. §; nicht erst am Ende der ganzen, etwa bei einem anderen Prinzipal beendigten Lehrzeit. Das Zeugnis über das Betragen wird erörtert vom OLG. Dresden in Entsch. v. 22. Jan. 1902. DIZ. 1903 S. 35.

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Die Personen im Handelsrecht.

da der Handlungslehrling nicht, etwa wie ein Schüler, nur theoretisch lernen soll, Eigenarbeit im Geschäfte des Lehrherrn, welcher den Lehrling zur Arbeitsamkeit anzuhalten hat?) Das Nähere über die vom Lehrlinge zum Zweck des Lernens zu leistende Arbeit ergibt sich aus der Natur der Sache und aus den etwaigen besonderen Festsetzungen; häufig werden neben dem eigentlichen Lehrver­ trage noch andere Vereinbarungen getroffen, so z. B. in betreff der Auf­ nahme des Lehrlings in die häusliche Gemeinschaft,1 2) wegen Zahlung eines Lehrgelds oder eines Kostgelds oder Lehr- und Kostgelds, ja selbst wegen Zahlung eines Gehalts für den Fall, daß der Lehrling sich als brauchbar erweise und im zweiten Teile seiner Lehrzeit stehe; es kann, wie man sieht, ein wirklicher Dienstvertrag als Nebenverabredung neben dem Lehrvertrage abgeschlossen werden, dann ist aber, dem Lehrzwecke entsprechend, der Lehrvertrag doch vorherrschend zu erfüllen und der Dienstvertrag in zweiter Linie maßgebend. Mag nun aber auch ein Dienstvertrag neben dem Lehrvertrage vorliegen oder nicht, — in jedem Falle steht der Lehrling unter dem gesetzlichen Handelsbetriebs- und Konkurreuzverbote, wie der Handlungsgehilfe (s. oben II 3 S. 923),4 *und 6 unter der Pflicht, die vereinbarte oder ortsrechtliche Lehrzeit bei seinem Lehrherrn auszuhalten, sofern nicht ein Grund vorliegt, der zu außer­ ordentlicher Kündigung berechtigt (s. oben Ziff. 4 insbes. a—c vorige Seite); für den Fall des Austritts aus dem Geschäft kann die sog. Kon­ kurrenzklausel zu Lasten des Lehrlings bis an die Grenzen, durch welche eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Lehrlings ausgeschlossen wird/) zur Anwendung kommen, ja im Fall des Austritts wegen — formell erklärten — Berufswechsels^) ist der Lehrling gesetzlich einer eigentümlichen Beschränkung unterworfen: mindestens neun Monate lang darf er nicht in ein anderes Geschäft als Handlungslehrling oder -gehilfe eintreten, anderenfalls wäre er dem verlassenen Lehrherrn zum Ersätze des diesem durch den Austritt entstandenen Schadens verpflichtet, eine .Ersatzpflicht, für deren Erfüllung jenem auch der neue Lehrherr oder Prinzipal haftet, sofern er von dem Austritt und der schriftlichen Er­ klärung des Berufswechsels Kenntnis hatte?)

1 HGB. § 76 Abs. 3, l. Satz. 2 Vgl. HGB. § 62 Abs. 2. 8 HGB. §§ 76 Abs. 1, 60, 61. 4 HGB. 8 76 Abs. 1 mit 88 74,75. 6 S. oben Ziffer 4 c., HGB. 8 78. 6 HGB. 8 78 Abs. 2. Haftung als Gesamtschuldner s. BGB. 8 421.

Gegen den Lehrling kann der Ersatz­ anspruch wegen unbefugten Aus­ tritts nur geltend gemacht werden, wenn der Lehrvertrag schriftlich ab­ geschlossen war. S. HGB. 8 76 u. oben Ziffer 2 S. 100.

Von den Handlungsbevollmächtigten. § 22

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§ 22. von den HandlungSbrvollmiichtigten.

Die zur Vertretung des Inhabers eines Handelsgeschäfts in Rechtsgeschäften, insbesondere zu Vertragsabschlüssen in seinem Namen, rcchtsgeschäftlich, nämlich durch Erteilung der Vertretungs­ macht (Vollmacht) berufenen Personen heißen, wie erwähnt (s. oben § 20 IV S- 86), Handlungsbevollmächtigte im weiteren Sinne; zu ihnen gehören die Prokuristen und die Handlungsbevoll­ mächtigten im engeren Sinne. I. Die Prokura ist diejenige Handlungsvollmacht, welche a) registcrpflichtig, b) dritten gegenüber nur gesetzlich umschränkt, nicht abervertragsmäßig mit Wirkung gegen Dritte beschränkbar und c) durch eine nur hier zugelassene Formalbezeichnung kenntlich gemacht ist.

Ilne 6jc schichte reicht nicht weit zurück: sie war noch dem preußischen Entwürfe zum HGB. von 1861 unbekannt, denn die in diesem gesetzlich normierte GroßvollmackN des sog. „Faktors" im 3inne dieses Entwurf) war vertragsmäßig mit Wirkung gegen Dritte beschränkbar, die prinzi­ pielle Unbeschränkbarkeit ist aber der, mit Recht auch vom neuen HGB. sestgehaltenen,') Prokura im Zinne des HGB. eigentümlich.-) Diese Art von Vollmacht, die bei weitem wichtigste Vollmacht des Handelsverkehrs, kann nur von Vollkaufleuten, nicht von Kaufleuten minderen Rechts erteilt werden;-') auch eingetragene Genossenschaften (s. unten § 38) dürfen Prokura nicht erteilen/) und Aktiengesellschaften sollen regelmäßignur mit Zustimmung des Aufsichtsrats o) Prokuristen bestellen/) Außer der hiermit festgestellten persönlichen Qualität des Geschäftsinhabers gehört zur vollwirksamen Bestellung eines Prokuristen: 1. die rechtsgeschäftliche Erteilung der Prokura, die eigen­ artige Bevollmächtigung, welche sowohl unter der ausdrücklichen Bezeichnung der Vollmacht als Prokura, als auch unter aus­ drücklicher Benennung des Bevollmächtigten als Prokuristen oder

Gesellschastsvertrag oderGeneral1 Vgl. Gareis, HGB. Anm. 1 ' zu § 48 S. 66-67. ! Versammlung kann anderes be2 Nürnb. Prot. Sitzung v. 4. u. i schließen. 5. Februar 1857, Prot. S. 74, 75, 6 HGB. § 238. 86, 87. 7 Sollen, — die Vorschrift wirkt 3 HGB- § 4. S. oben §12 S. 45. nur intern. HGB. § 238 I. Satz, 4 GenG. § 40 Abs. 2. Garei s, HGB. ebenda Anm. 3.

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

auch unter Angabe der Art und Weise, wie die Firma geführtt werden foH,3)4 5 nämlich per proc1 ura,2) oder aber auch sonstwie^ mündlich oder schriftlich, stets jedoch ausdrücklich (nicht still­ schweigend) erfolgt; diese Erteilungserklärung kann, wie die einer jeden anderen Vollmacht, gegenüber dem zu Bevollmächtigendem oder auch einem Dritten gegenüber, dem gegenüber die Vertretung durch den Prokuristen stattfinden soll, erfolgen;^) eine vorher­ gehende, gleichzeitige oder nachfolgende Anstellung des Prokuristen im Geschäfte des Geschäftsinhabers ist zwar häufig, aber keines­ wegs notwendig; der Prokurist ist nicht notwendig Handlungs­ gehilfe, das Vollmachtsverhältnis ist von dem Dienst- oder An­ stellungsverhältnis zu trennen, s. hierüber oben §§ 20, 21 S. 86 ff. und 90; 2. die Anmeldung und Eintragung in das Handelsregister; die Prokura ist registerpflichtig, an die Eintragung und bezw. an die Nichteintragung der Prokura knüpfen sich alle die Rechts­ wirkungen und insbesondere Rechtsvermutungen, welche sich an die Registrierung, bezw. Nichtregistrierung im Handelsrecht über­ haupt knüpfend) Ihrem Inhalte nach ist die Prokura eine Groß- oder Generalvollmacht, die gesetzlich zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen ermächtigt, welche der Betrieb des Handelsgewerbes ft) des Geschäftsinhabers mit sich bringt; in dieser ganzen, nur durch das Gesetz selbst ab­ gemarkten (s. unten) Ausdehnung ist die Vollmacht des Prokuristen extern uneinschränkbar: im Verhältnis zu Dritten gilt dem Proku­ risten ein Verbot des Geschäftsinhabers höchstens wie ein gut­ gemeinter Rat, den er befolgen, aber auch unbefolgt lasten kann, jedenfalls verpflichtet und berechtigt der Prokurist seinen Geschäfts­ inhaber extern, auch wenn er verbotswidrig handelt, nach den Grundsätzen der echten und direkten Stellvertretung«) in allen jenen Geschäften;?) dabei darf der Prokurist zwar Gehilfen und

| triebs des Bevollmächtigenden s. 1 HGB. 8 51. einerseits Thöl, HR. § 56 I S. 2 Diese drei Arten der Willens­ erklärung hebt das HGB. v. 1861 I 192 (6.Aufl.) u. Behrend, Lehr­ buch d. HR. I S. 364 Anm. 11, in Art. 41 hervor. andererseits Gareis, HGB. § 49 3 BGB. § 167. Anm. 1 u. 4, S. 68, 69. 4 S. oben § 4 S. 18 ff. HGB. • BGB. 8 164. §§ 8-16, inSbes. § 15. - HGB. § 49 Abs. 1, § 50. 5 Uber die Bedeutung der Her­ vorhebung des Handelsgewerbebe-

Von den Handlungsbevollmächtigten.

§ 22

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teilweise Vertreter bestellen, nicht aber seine ganze Prokura selbst übertragen/) er muß die Firma in der gesetzlichen Weise zeichnen/-) ohne sie ändern oder den Betrieb einstellen oder auf ihm fremde andere Unternehmungen lenken zu dürfen?) Nach Maßgabe der extern unabänderlichen Abmarkung der Prokura bestehen gesetzlich nach drei Richtungen hin Schranken der Prokura: 1. die Jmmobiliarklausel: zur Veräußerung und Be­ lastung von Grundstücken ist der Prokurist nur dann ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist;41)2 3 2. die Kollektivklausel: die Prokuraerteilung kann an mehrere Personen gemeinschaftlich erfolgen (Gesamtprokura),5) dann kann keine derselben sie allein ausüben, dies muß sich aus dem Handelsregister ergebens) 3. die Etablissementsklausel: es kann die Prokura auf den Betrieb einer von mehreren Niederlaffungen desselben Geschäftsinhabers (z. B. des von demselben gegründeten Bank­ geschäfts neben der ererbten Weinhandlung) mit nicht bloß interner, sondern auch mit externer Wirkung, also gegen Dritte wirksam, beschränkt werden, vorausgesetzt, daß diese Niederlassungen unter verschiedenen Firmen betrieben werden?) Im übrigen ist die Prokura, wie erwähnt, extern, d. h. mit Wir­ kung gegen Dritte nicht beschränkbar, mit Wirkung gegen den Prokuristen aber kann sie durch Weisungen des Geschäftsinhabers allerdings einge­ schränkt werden, aber der Prokurist ist sowohl dein Tritten gegenüber, wie auch dem Geschäftsinhaber gegenüber berechtigt, von den Weisungen ab­ zuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, daß der letztere bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde, und wenn die Abweichung innerhalb der vom Prokuristen zu bewährenden Sorgfalt liegt;") schädigt der Prokurist durch Überschreiten der Instruktion seinen Geschäftsherrn, so ist er letzterem, sofern die Überschreitungshandlung auf

Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruht, die er zu vertreten hat, zum Schadens­ ersätze verpflichtet; das io mit dem Dritten abgeschlossene Geschäft gilt aber,

1 HGB. § 52 Abs. 2. 2 Per procura, p. pr. oder dgl.' (nebst Firma und Eigennamen), i. HGB. § 51 mit Anm. 1 bei Gareis a. a. O. S. 70 und HGB. § 53 Abs. 2. 3 S. Anm. 5 auf voriger Seite. 4 HGB. 8 49 Abs. 2. 6 HGB. 8 48 Abs. 2.

" HGB. § 53 Abs. 1 Satz 2. 7 HGB. 8 50 Abs. 3; eine Ver­ schiedenheit der Firmen im Sinne dieser Vorschrift wird auch dadurch begründet, daß für eine Zweig­ niederlassung der Firma ein Zusatz beigefügt wird, der sie als Firma der Zweigniederlassung bezeichnet. 3 BGB. 88 276, 6'65, 675.

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

und zwar selbst dann, wenn der Tritte wußte, das; der Prokurist hierin eigenmächtig handelte.

Die Prokura kann in jedem Augenblick und ohne Angabe eines Grundes, also ganz willkürlich vom Geschäftsinhaber wider­ rufen werden/) gleichviel in welchem Verhältnis der Prokurist sonst zu dem letzteren steht, denn dieses Verhältnis, z. B. der Dienstvertrag oder das Gesellschaftsverhättnis oder dgl.,-) wird durch den Widerruf nicht berührt, und deshalb besteht auch möglicherweise der Anspruch auf die für den Fall plötzlicher und nicht objektiv und gesetzlich begründeter Entlassung vorher verein­ barte Vergütung. Der Tod des Geschäftsinhabers hebt die Prokura nicht auf31)2 (andere Vollmachtsverhältnisse ebenfalls nickt mit Notwendigkeit, s. S. 98 Anm. 2, S. 110). Das Erlöschen der Prokura ist registerpflichtig unter dem Rechtsnachteile der sich an die Eintragung und Bekanntmachung des Eingetragenen, bezw. an die Nichteintragung knüpfenden Vermutnng; ist die Firma erloschen, aber aus Mangel einer anmelde­ pflichtigen Person nicht gelöscht, so kann sowohl die Firma, als auch mit ihr die für sie eingetragene Prokura vom Amts wegen gelöscht werden/) II. Für alle übrigen Arten von Handlungsbevollmächtigten, also für die Handlungsbevollmächtigten im engeren oder eigent­ lichen Sinne, besteht weder ein bestimmter Name — sie führen die verschiedensten Bezeichnungen und sind im Geschäftsleben häufig gar nicht nach einem Vollmachts-, sondern nach einem Dienstverhältnis bezeichnet —, noch auch eine Anmeldung oder Eintragung;si) negativ ist ihnen gemeinsam, daß sie keine Prokura haben und folgeweise sich bei der Firmenzeichnung jedes eine Prokura andeutenden Zusatzes enthalten müssen. Positiv ist allen den nicht mit Prokura ausgerüsteten Hand­ lungsbevollmächtigten gemeinsam, daß solche von allen Arten von Kaufleuten, auch von solchen minderen Rechts, bestellt werden 1 HGB. § 52. 2 Vgl. oben § 21 III S. 96 (Commis Interesse): möglicherweise besteht auch nur ein einfaches Auf­ trags- oder Gesälligkeitsverhältnis, z. B. wenn der Geschäftsin­ haber vorübergehend seiner Ehefrau oder einem Freunde Prokura gab. G a r e i s, HGB. Vorbemerkung" vor § 48 S. 64—66 u. s. oben S- 87ff.

3 HGB. § 52 Abs. 3. 4 HGB. 8 31 Abs. 2 (statt des RGes. v. 30. März 1888), s. EinfG. zum HGB. Art. 8 Nr. 1. 5 Sie dürfen gar nicht eingetragen werden, früher hievon abweichende Patrikularrcchte sind aufgehoben. G a r e i s, HGB. Vorbemerkung vor § 8 S. 27—29.

Bon den Handlungsbevollmächtigten.

§ 22

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können, daß ihre Vollmacht dem Umfange nach im Zweifel stets durch das im Verkehr gewöhnlich Übliche bestimmt wird (s. unten), daß die Vollmacht von dem Handlungsbevollmächtigten selbst, so wie sie ihm übertragen wurde, regelmäßig ausgeübt werden muß, also ohne Zustimmung des Geschäftsinhabers nicht einem anderen übertragen werden darf?) und daß, wenn von einem Handlungs­ bevollmächtigten die Firma gezeichnet wird, dies mit einem das Vollmachtsverhältnis andeutenden Zusatze (jedoch nicht per procura oder dgl., s. oben) geschehen muß?) Inhaltlich ist die Vollmacht eines nicht mit Prokura ver­ sehenen Handlungsbevollmächtigten entweder: a) Generalvollmacht, d. i. Vollmacht zum Betriebe des Handelsgewerbes (im ganzen), oder b) Artvollmacht, d. i. Vertretungsmacht zur Vornahme einerbestimmten zum Handelsgewerbe des Geschäftsinhabers gehörigen Art von Geschäften, oder c) Einzelgeschäfts-Vollmacht, d. i. Vertretungsmacht zur Vornahme einzelner zu jenem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte. Für alle drei Gruppen gelten dieselben gesetzlichen Be­ schränkungen 31)42 (s. unten) und ist im übrigen und einzelnen der Umfang der Vollmacht durch den ausdrücklichen Hinweis auf das „Gewöhnliche" vom Gesetzgeber abgemarkt. Die Voll­ macht erstreckt sich — dies ist die Regel — auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handels­ gewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt?) Diese Regel gilt sowohl intern (Verhältnis zwischen Geschäfts­ inhaber und Bevollmächtigten), als auch extern (Verhältnis zum Publikum) stets als Rechtsvermutung, sie gilt aber nicht, wenn ihr «) eine gesetzlich oder ft) eine vertragsmäßig errichtete Schranke entgegensteht: a) Die vom Gesetze selbst errichtete Schranke der Vertretungs­ macht eines nicht mit Prokura versehenen Handlungsbevollmächtigten besteht darin, daß ein solcher zur Veräußerung oder Belastung von 1 HGB. § 58. 2 HGB. 8 57 Satz 2. •3 HGB. 8 54 Abs. 2. 4 Dieses sehr zweckmäßigen Hin­ weises, der im Bedürfnisfalle durch geeignete Sachverständigenverneh­ mung seinen deutlichen materiellen

Inhalt gewinnt, bedient sich der Gesetzgeber auch in anderen Fällen. Vgl. z. B. BGB. §8 1041-1043, 1356 u. a.; vgl. auch HGB. §§ 56, 59,116,164, auch 346; über Gegen­ beweis s. ROHG. Bd. 6 S. 401, Bd. 16 S. 127 ff.

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Grundstücken/) zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten,') ferner zur Aufnahme von Darlehen8) oder zur Prozeßführung4*)2 3 nur dann und nur insoweit ermächtigt ist, als ihm eine solche Befugnis besonders erteilt ist; diese Beschränkung besteht objektiv mit Wirksamkeit nach außen und innen; würde ein solcher Hand­ lungsbevollmächtigter ohne besondere Ermächtigung einen GrundstückSveräußerungsvertrag im Namen des Grundstückinhabers ein­ gehen, so hängt die Wirksamkeit desselben von der Genehmigung des Vertretenen ab, aber im Falle diese nicht zu erlangen ist, haftet auch der Handlungsbevollmächtigte nicht, denn der Dritte mußte wissen, daß der Handlungsbevollmächtigte nicht ohne be­ sondere Ermächtigung den Eigentümer in der angegebenen Weise obligieren konnte.8) ß) Eine vertragsmäßige Schranke besteht dann, wenn von dem „gewöhnlichen" Umkreise der Vertretungsmacht der einzelnen Gruppen (f. oben) einengend abgewichen wird; eine solche vom „Gewöhnlichen", „Üblichen" abweichende Einengung ist zunächst nur intern wirksam, den Bevollmächtigten dem Geschäftsinhaber gegenüber verpflichtend, extern aber dann, wenn der Dritte die exorbitante Beschränkung kannte (etwa zufolge besonderen Benach­ richtigungsschreibens oder Zirkulars) oder kennen mußte (etwa weil dieselbe stadtkundig und ortsüblich publiziert war oder dgl.). Was die Art der Erteilung der Vollmacht8) anlangt, so finden in dieser Hinsicht die gewöhnlichen Regeln des bürgerlichen Rechts An-

' BGB. 88 313, 873, 925, 1012, 1018,1090,1093,1094,1105,1113, 1191, 1199, möglicherweise auch BGB. 88 1030, 1068, 1085. 2 Nämlich Verbindlichkeiten: des Ausstellers eines gezogenen Wechsels (f. DWO. Art. 8, 41 fr., 51 ff, 81 ff.) oder eigenen Wechsels (s. DWO. Art. 96ff.), des Indossanten (f. DWO. Art. 14 ff.), des Akzeptanten (j. DWO. Art. 23 ff.), des EhrenÖtonten (f. DWO. Art. 60 u. a.). chtlich der Haftung der Nicht­ bevollmächtigten im Wechselrecht s. DWO. Art. 95. 3 BGB. 88 607—610 (möglicher­ weise auch BGB. 8 700, depositum irreguläre, Depositengelder und Spareinlagen): hierher kann auch

die Eröffnung eines Bankkredits ge­ hören, Behrend, Lehrb. 8 o3 Anm. 9. 4 ZPO. 88 50 ff. * Mach BGB. 8 179. " Übrigens sind zur Beurteilung eines jeden der denkbaren Fälle des Handelns des unbevollmächtigten Vertreters andere Normen heran­ zuziehen: in Sachen des Grund­ buchrechts die Grundbuchordnung: in Sachen des Wechselrechts die DWO. Art. 95, bei Darlehnsaufnahmen möglicherweise BGB. 88 812ff.: in Sachen des Zivilprozeßrechts ZPO. 88 89 ff. u. a. 7 HGB. 8 54 Abs. 3. 8 BGB. 8 166.

Von den Handlungsbevollmächtigten.

§ 22

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Wendung;') die Bevollmächtigung kann demnach auch ganz formlos er­ folgen; in zwei Gruppen von Fällen wird sie nach ausdrücklicher Ge­ setzesbestimmung aus einer konkludenten Tatsache geschlossen, nämlich in der einen Gruppe von Fällen aus der Tatsache der Anstellung in einem Laden, in der anderen Gruppe aus der Verwendung als Handlungsreisender: ersteres setzt voraus, daß der zur Vertretung Berufene im Laden oder offenen Warenlager des Geschäftsinhabers angestellt ist, mit­ hin Handlungsgehilfe mit einer im Laden auszuübenden Dienstesfunk­ tion ist; die Folge hiervon ist, daß das Publikum anzunehmen das Recht hat, er sei ermächtigt zu allen jenen Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich1 2)* geschehen; bei dieser Bestimmung ist keineswegs vorausgesetzt, daß das Publikum den Anstellungsvertrag des sich als Vertreter Gerierenden etwa auf seine Rechtsbeständigkeit prüfen oder wenigstens einsehen müsse, sondern es ge­ nügt regelmäßig, wenn der Augenschein (das Äußere der Persönlichkeit der Aufenthaltsort, Stand am Ladentisch oder an der Kasse u. dgl.) er­ gibt, daß man es nicht mit einem unbeteiligten Dritten, einem Kunden, einem Dienstboten aus dem Gesinde oder sonst einem Unbefugten zu tun hat;8) aus jenem äußeren Scheine wird die Anstellung und ans dieser die Vertretungsmacht in den angegebenen Grenzen des dort Üblichen ge­ folgert, aber nur als Rechtsvermutung („gilt"), die durch einen deutlich wahrnehmbaren Anschlag (ctnm ein großes Plakat) im Geschäftslokal4)* * * oder durch andere die Zweifel beseitigende Umstände ausgeschlossen sein kann. Tie Verwendung als Handlungsreisender läßt darauf schließen, daß der so Fungierende jedenfalls ein Handlungsbevollmächtigter sei, mindestens eine Einzelgeschästsvollmacht besitze, vorausgesetzt, daß er nicht „Stadtreisender" ist, sondern als Handlungsreisender zur Vornahme von Geschäften an solchen Erteil verwendet wird, an denen sich keine Nieder­ lassung des Geschäftsinhabers befindet; ist diese Voraussetzung ge­ geben, so tritt im Zweifel die rechtliche Vermutung ein, daß der Hand­ lungsreisende insbesondere ermächtigt , fei, den Kaufpreis 8) aus den von ihm abgeschlossenen Verkäufen einzuziehen und dafür Zahlungs­ fristen zu bewilligen;-) auch können unter jener Voraussetzung Re­ klamationen wegen Mängeln an Waren, Erklärungen, daß eine Ware zur Verfügung gestellt werde/) sowie andere Erklärungen solcher Art dem Handlungsreisendens) gegenüber, wenn er gerade anwesend ist,") ab­ gegeben werden, ohne daß jedoch durch die Entgegennahme solcher Er-

1 BGB. 8 167. 2 Vgl. oben S. 107 Anm. 4. 8 Vgl. Behrend, Lehrb. § 53 Anm. 26. 4 Vgl.Laband inGZ.10S.222, Behrend, Lehrb. § 53 Anm. 29; vgl. aber auch v. Bölderndorff, HGB. S. 379.

' BGB. §§ 433ff.; hiezu s. Gareis, HGB. § 55 Anm. 2. 6 HGB. § 55 Abs. 2. 7 HGB. § 377. " Ebenso an Handlungsagenten. S. HGB. § 87, unten § 54. 9 HGB. § 55, hiezu Gareis, HGB. Anm. 4 S. 73.

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

klärungen ein Präjudiz der Anerkennung ihres Inhalts, der Mangel­ haftigkeit oder dgl. geschaffen würde,') und ohne daß durch das Warten aus die etwa nahe bevorstehende Ankunft des Reisenden die gesetzliche oder vertragsmäßige Reklamationssrist2) überschritten werden dürfte.

Das Erlöschen der Vollmacht eines Handlungsbevollmächtigten richtet sich nach den Grundsätzen des gewöhnlichen bürgerlichen Rechts?) Dies gilt namentlich auch von der Frage, welchen Einfluß das zwischen dem Vollmachtgeber und Bevollmächtigten bestehende innere Rechtsverhältnis, nach welchem sich die Vollmacht richtet, in dieser Beziehung auszuüben hat. Der Tod des Prinzipals hebt den Dienstvertrag im Zweifel nicht auf, also auch das Voll­ machtsverhältnis in einem solchen Falle nicht. Doch ist die Voll­ macht auch beim Fortbestehen des Rechtsverhältnisses widerruflich, sofern nicht aus diesem sich ein anderes ergibt. Die in Bezug auf das Erlöschen der Prokura geltenden Grundsätze sind oben S. 106 erwähnt. D. Die Handelsassoziationen.

§ 23. Geschichtliche vorbetrachtung. I. Selbstverständlich nicht eigentümlich dem Handel, aber außerordentlich wichtig für ihn ist die Betätigung des menschlichen Assoziationsbetriebs: seit und wo nur immer der Handel gewerbs­ mäßig betrieben wird, betätigt sich dieser Trieb in mannigfaltiger Weise und in ausgedehntem Maße zur Zuweisung von Arbeit und Kapital an Handelsunternehmungen. A) Möglicherweise nur zu einem einzelnen Handelsgeschäfte, also zu einem vorübergehenden Zwecke, möglicherweise aber auch für längere Dauer und für eine Reihe von Unternehmungen zieht ein arbeitstüchtiger Kaufmann, dessen Kapitalvermögen für sich allein zu klein wäre, um jene Spekulationen zu tragen, die sein Geist erfindet und sein Wille kühn durchzusetzen wagen möchte, einen ihm vertrauenden Kapitalisten in sein Interesse und in seine Spekulation hinein, er verbündet sich mit einem Manne, der Kapital besitzt und davon Gewinn ziehen möchte, ohne selbst HGB. insbesondere Anm. 5, 15 1 Hierüber s. ausführlich Gareis, Das Stellen zur Disposition (1870) S. 350, 352. S 90—92 3 Vgl. BGB. §§ 168 sf. ’2 HGB. § 377 und hiezu Gareis, '

Geschichtliche Vorbetrachtung.

§ 23.

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täglich arbeiten zu müssen. — Auf solche wirtschaftliche Er­ wägungen und Verhältnisse wurden schon im Altertum und Mittel­ alter Assoziationen gegründet, in denen der mit dem fremden Kapital ausgerüstete Kaufmann die Leitung des Unternehmens in seiner Hand behält und die volle Verantwortung trägt; als typisch für die hierher zu stellenden verschiedenen Arten von Partizipationen mag die Commenda bezeichnet werden/) ein zuerst für den See-, dann für den Landhandel sozietätsmäßig umgestaltetes depositum irreguläre,1 2) welches, gewachsen auf dem Boden des antiken römischen Vulgarrechts, im Mittelalter auf italienischem Boden zahlreiche Gebilde von spekulierenden Gesell­ schaften hervorrief;3)* *auf * * 8dieser Basis steht noch heute die stille Gesellschaft (s. unten § 29) und auch die Kommandit­ gesellschaft (s. unten § 30), insofern in diesen Gesellschafts­ formen von kapitalistischer Seite zu einem fremden kaufmän­ nischen Unternehmen in spekulativer Absicht eine Vermögensein­ lage gemacht wird. B) Möglicherweise aber vereinigen sich mehrere, Kapital oder Arbeit oder beides mitbringend, zu einem Unternehmen, welches keinem von ihnen ein eigenes, aber auch keinem von ihnen ein fremdes, sondern allen zusammen ein ge­ meinsames Unternehmen ist; so beschließen z. B. die Söhne oder sonstigen Erben eines Kaufmanns, das erfolgreich bestehende Handelsunternehmen ihres Erblassers nicht durch Erbteilung aus­ einander zu reißen, sondern als ihr gemeinsames Unternehmen unter gemeinschaftlicher Firma fortzusetzen, und die Geschichte des Handels kennt großartige Beispiele, wie bedeutende Handels­ familien in den italienischen (namentlich lombardischen)^) und den deutschen Handelsstädten des Mittelalters das Familienband 1 Silberschmidt, Die Com­ I in Venedig die Collegantia, in Genua u. a. and. O. die Colonna, tn menda. 1883. Vgl. GUGesch. S. Florenz u. a. and. O. die Accoman245,253 u. die dort angef. Literatur; dita, societas per viam accomanLästig in GZ. 24 S. 430 ff. und ditae. im Hdbch. § 78 Bd. 1 S. 329; 4 GUGesch. S. 284 ff. Max Gierke, Genossenschaftsrecht Bd. 1 Weber, Zur Geschichte der Han­ S. 981 ff., Bd. 2 S. 916 ff., Bd. 3 delsgesellschaften im Mittelaller S. 423 ff., 818 ff. (Stuttg. 1889); hiezu s. aber auch * Analog ist das norwegische M. Pappenheim in GZ. Bd.37 hjäfelag des Mittelalters, s. M. S. 255ff. u. V. Ring im A.f.b.R. Pappenheim, Altnordische Han­ Bd. 4 S. 394 ff. delsgesellschaften, GZ. 36 S. 85 ff. 8 Schon vom 10. Jahrh, an; so

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

dazu benutzten, die nötigen Kapitalien und Arbeitskräfte zusammenzufaffen und zusammenzuhalten zur blühenden Entfaltung ihres Handelsunternehmens, auf dessen Besitz die Kaufmannsfamilie mit so viel Stolz blickt wie die adelige auf den Besitz ihrer altersgrauen Stammburgen; und wenn im späteren Verlaufe das Band der Verwandtschaft, auf der jene Erwerbsgesellschaften ursprünglich beruhten, seine schaffende oder zusammenhaltende Kraft verliert oder ganz wegfällt, so kann es durch künstliche Verwandtschaftsbegründung (analog der Blutsbrüderschaft),') durch Fiktion der Verwandtschaft und schließlich durch Gesellschafts­ vertrag ersetzt werden. Das letztgenannte Ersatzmittel gewährt natürlich die verschiedensten Möglichkeiten; davon dürfte die ein­ fachste die sein, daß die gemeinsamen Unternehmer den zur Er­ reichung ihres Handelszwecks erforderlichen Grundstock des Ver­ mögens, z. B. wenn es sich um Erwerb durch Seefahrt handelt, das Schiff, gemeinsam anschaffen oder sonst gemeinsam machen, ein Verhältnis, aus welchem zunächst und unmittelbar die Reederei hervorgeht (hierüber s. unten § HO). In der Weiterentwicklung dieser Verhältnisse gewinnen besonders zwei juristische Elemente eine hervorragende Wirksamkeit: der die Ge­ meinschaftäußerlich zusammenfassende einheitliche Name, die Firma, und die weitgehende Stellvertretungsbefugnis der Be­ teiligten. Unter der Herrschaft dieser Elemente entstand schon vom 11. Jahrhundert an in romanischen Ländern und bald darauf auch auf germanischen Boden eine allgemein als compagnia1 2) (d. i. Wirtschaftsgemeinschaft) bezeichnete Erwerbsgesellschaft, welche schließlich durch Ausbildung des Rechts jener beiden Elemente und der Haftung der Mitglieder zur sog. „Kollektiv- oder offenen Handelsgesellschaft" (hievon unten § 25) wurde. C) In gewissen Fällen führte der einigende Gedanke, welcher in jenen beiden Elementen, nämlich in der Firma und in der

1 Vgl. Goldschmidtin GZ. 35 (1889) S. 344 ff. 2 Das Wort ist das mittellat. companium (s. pact. leg. sal. tit. 66 § 2, nach Du Gange II 461), zusammengesetzt auS coin (— cum, welches dem althochd. gi entspricht) und panis (Brot, dem sahd.s maz sSpeise, Mahlzeits oder [got.] hlaifs, sahd.j leip sBrot), daher Compagnon

— gimazo, gileip — Brotgenosse, ähnlich niederdeutsch maskopei (maatschappij, niederländisch) für Trinkgesellschaft, dann für Erwerbs­ und insbes. Handelsvereinigunaen gebraucht; vgl. Diez, Etymol.WB. (5. Ausg. 1887) S. 106. S. auch Gareis in Behrends Zeitichr. Bd. 5 L. 591 Anm. 30.

Geschichtliche Vorbetrachtung.

§ 23.

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Stellvertretung, wirksam wird, bis zu einer korporativen Existenz; dies konnte jedoch nicht ohne die direkte Mitwirkung des S t a a t e s geschehen, welche in der Verleihung von Korporations­ rechten und anderen Privilegien bestand; aus solche Weise ent­ wickelte sich geschichtlich die Aktiengesellschaft (hievon unten § 31) in germanischen Ländern aus der Reederei (s. vorige Seite) oder ähnlichen Erwerbsgemeinschaften vermittelst der Ver­ leihung des Octroi,*1) in romanischen Ländern in ähnlicher Weise oder aus der mit korporativen Rechten und Privilegien 2)* aus­ gestatteten Gemeinschaft von Staatsgläubigern, welche dem Fiskus zu bestimmten Unternehmungen Darlehen gegeben hatten?) War dem Gemeinwesen der korporative Charakter zu teil geworden, so verstand sich einerseits die Einheit unter der Firma und die Stellvertretung seitens der Vereinsorgane von selbst (s. oben unter B), andererseits konnte (aber nicht mußte) die Beschränkung der Haftung aller Beteiligten auf Anteile eintreten, wie sie bei der Kommenda und ähnlichen Partizipationen auf feiten der dem Geschäftsführenden Beiträge anvertrauenden Kapitalisten vor­ handen war (s. oben unter A), und diese Anteile konnten schließlich leicht übertragbar, negoziabel werden. Die bisher dargestellten Entwicklungen vollzogen sich im wesentlichen ziemlich gleichmäßig in deutschen wie in romanischen Landen;4) ebendaselbst bürgerte sich auch, wenngleich in geringer Ausdehnung, eine Kombination von Kollektiv- und Aktiengesell­ schaft, nämlich die Kommanditgesellschaft auf Aktien (hievon unten § 37), ein; neueren Datums sind in Deutschland die aus besonderen sozialpolitischen Verhältnissen und Bestrebungen entsprungenen sog. eingetragenen Erwerbs- und Wirt­ schaftsgenossenschaften (hievon unten § 38), die um eigenartiger wirtschaftlicher Verhältnisse willen rechtlich geregelte sog.

1 Dies nachgewiesen zu haben, ist (mahona, von arabisch ma’ühna — das Verdienst Karl Lehmanns Bubsidium, auxilium, cojlecta) f. in seiner Schrift „Die geschichtliche 1 GUGesch. S. 292—298. Uber den Zusammenhang zwischen StaatsEntwicklung des Aktienrechts bis finanzunternehmungen u. Aktien­ zum Code de commerce* (Berlin wesen s. auch Gareis in Behrends 1895), insbes. S. 49 ff. 1 Z. B. Überlassung von Zöllen Zeitschr. Bd. 5 S. 627. 4 Über das englische Gesellschafts­ und anderen Abgaben, so bei der recht f.aberGüterbock, GZ.Bd.l compera, worüber GUGesch. S. S. 360 und Gareis in Behrends 254, 291. Zeitschr. Bd. 5 a. a. O. 1 Entwicklung aus der maona Garei-, Handelsrecht.

7. Aufl.

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Kap. II.

Die Personen int Handelsrecht.

„Gesellschaft mit beschränkter Haftung" (hievon s. unten § 39) • und die im Zusammenhang mit der Regelung deS privaten Versicherungswesens zur Anerkennung gelangten „BersicherungSvereine auf Gegenseitigkeit" (hievon s. unten § 39 a u. §§ 62, 63).

§ 24. Kberriuftimmendes und vergleichendes von den Handelsgesellschaften.

Nicht alle im Handelsverkehr auftretenden oder Handels­ geschäfte abschließenden Gesellschaften sind „Handelsgesellschaften" im technischen Sinne und insbesondere im Sinne des HGB. von 1897, sondern nur diejenigen Gesellschaften sind es, auf welche nach der positiven Bestimmung die in betreff der Kaufleute ge­ gebenen Vorschriften Anwendung sinken,1)* *oder 4 5 * *die als Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuchs gelten?) oder die als Handels­ gesellschaften im Sinne des Handelsgesetzbuchs gelten?) Daher sind nicht hierher zu stellen: die stille Gesellschaft?) die frühere Gelegenheitsgesellschaft *) und jede andere nur unter die Regeln deS gewöhnlichen, nicht merkantilen Gesellschafts­ rechts") fallende Affoziation. ES find demnach als „Handelsgesellschaften" im obigen technischen Sinne anzusehen und hier zu erörtern: 1. die offene Handelsgesellschaft?) 2. die Kommanditgesellschaft,8)* * 3. die Aktiengesellschaft?) 4. die Kommanditgesellschaft auf Aktien,1") 5. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenoffenschaft, 11)

1 HGB.86Abs.1u.2. BersichG. 8 16. * GenG. § 17 Abs. 2. ' LimitGG. § 13 Abs. 3. 4 HGB. §8 335—342; hievon handelt 8 29 S. 164-172. 5 Im früheren HGB. in Art. 266—270 geregelt, nach Inkraft­ treten deS BGB. aber nicht mehr einer besonderenRegelung bedürfend. Gareis, HGB. Vorbemerkung vor 8 335 ®. 306 u. 307.

8 BGB. 88 705-740. ’ HGB. 88 105-160 (vgl. oben 8 23 S. 112, unten 88 25 -28 S. 137—164). • HGB. 88 161-177 (vgl. oben 8 23 S. 111, unten 8 30). • HGB. 88 178—319 (vgl. oben 8 23 S. 113, unten 88 31-36). 10 HGB. 88 320-334 (vgl. oben 8 23 S. 113, unten 8 37). 11 GenG. s. unten 8 38 (vgl. oben 8 23 S. 113).

Übereinstimmendes und Vergleichendes re.

8 24.

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6. die Gesellschaft mit beschränkter HaftungT) und 7. der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit.-) I. Gemeinsam ist allen diesen sieben Gesellschaften die (mindestens relative) juristische Persönlichkeit, die Rechts­ fähigkeit und Berpflichtungsfähigkeit;8) die Rechtsfähigkeit umfaßt nicht bloß die Fähigkeit, Vermögensrechte nach Handels­ recht zu erwerben, sondern auch alle bürgerlichen Rechte, mit Ausnahme solcher, welche ihrer Natur nach auf die physischen Personen beschränkt sein müssen, wie die Familienrechte; die Fähigkeit, Grundstücke zu erwerben, ist ausdrücklich erwähnt, die Fähigkeit, Erbe zu werden, ergibt sich aus der Rechtsfähigkeit ohne weiteres/) kommt aber doch denjenigen Gesellschaften, welche nur „unter ihrer Firma" Rechte erwerben können, nicht zu/) denn die Firma ist der Name, unter dem der Kaufmann „im Handel seine Geschäfte betreibt"/) und so wenig ein Einzel­ kaufmann „unter seiner Firma" heiraten oder ein Testament er­ richten kann, so wenig kann z. B. eine offene Handelsgesellschaft als solche eine Erbschaft annehmen oder ausschlagen?) Die Verpflichtungsfähigkeit umfaßt nicht bloß die Fähigkeit, aus Rechtsgeschäften verpflichtet zu werden, sondern auch die Möglichkeit, aus unerlaubten Handlungen verpflichtet zu sein, nämlich soweit es sich um die Verantwortlichkeit für einen Schaden handelt, den ein verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen 1 LimilGG. s. unten § 39, oben § 23 S. 114. 2 VersichG. §§ 6, 15 ff. S. unten § 39 a. 3 Dieses ergibt sich für 1. aus HGB. § 124; für 2. aus HGB. §161 mit §124; für 3. aus HGB. § 210 Abs. 1; für 4. aus HGB. § 320 mit § 210; für 5. aus GenG. § 17 Abs. 1; für 6. aus LimilGG. § 13; für 7. aus VersichG. §§ 15,19. Gegen Meurer, Die jurist. Per­ sonen nach deutschem Reichsrecht (Stuttgart 1901) siehe durchschlagend Staub, Komm. z. G., betr. d. G. m. b. H. 1903 S. 94 (Anm. 3 zu § 13). 4 Vgl. BGB. § 2101 Abs. 2.

EinfG. z. BGB. Art. 86. Hell­ mann, Vorträae, Allg. T. S. 17. ,ß Also der offenen Handelsgesell­ schaft und der Kommanditgesellschaft nicht; aber Aktiengesellschaften sind nach der Fassung des § 210 des HGB. ohne jene Beschränkung rechts­ fähig, daher auch erbfähig, und das­ selbe wird man konsequentermaßen nach der Fassung der einschlägigen §§ (s. vorige Anm. 3) auch von den eingetragenen Genossenschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung sagen müssen, ebenso wie von den Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit. 6 HGB. § 17. 7 BGB.§§1946ff.;vgl.Gareis, HGB. S. 124.

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

begangene, zum Schadensersätze verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt?) Den Zweck haben jene sieben Gesellschaftsformen nicht gemeinsam, drei davon haben überhaupt keinen für sie charakte­ ristischen Zweck zu verfolgen, nämlich die Aktiengesellschaft,-) die Kommanditgesellschaft auf Aktien 8) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung;41) * *— diese Gesellschaften können zu jedem gesetzlich zulässigen Zwecke errichtet werden; eine — nämlich die Erwerbs- und Wirtschaftsgenoffenschaft — ist charakterisiert durch den Doppelzweck: Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder (dies ist der Endzweck) und Herstellung eines gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs (dies ist das Mittel zur Erreichung jenes Endzwecks);8) zwei aber: die offene Handels­ gesellschaft und die Kommanditgesellschaft, dienen begriffsmäßig dem Handel: ihr Zweck muß auf den Betrieb eines Handels­ gewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet sein;") es kann dies nur eines der gesetzlich') als solche anerkannten Handels­ gewerbes sein (s. oben §§ 7, 8 S. 27—28), möglicherweise auch nur ein formelles Handelsgewerbe (s. oben § 8 ©. 34 f.),8) nicht aber ein Kleingewerbe (s. oben § 12 ©. 44ff.);”) der Zweck der „Bersicherungsvereine auf Gegenseitigkeit" endlich ergibt sich aus dieser Bezeichnung. II. Gemeinsam ist allen Handelsgesellschaften, daß sie geschäftsfähig sind, d. h. die menschliche Handlungsfähigkeit kommt selbstverständlich keiner von ihnen zu, aber juristisch wird und ist die Handelsgesellschaft geschäftsfähig wegen des Vorhandenseins von Organen, Menschen, welche die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich vertreten;") was diese Vertretung in ihrer Richtung und Wirkung nach außen zu, d. h. Dritten gegen­ über, anlangt, so wirtt eine Willenserklärung — welche von einem Gesellschaftsorgan innerhalb der ihm zustehenden Bertretungsmacht im Namen der Gesellschaft, wenn auch nicht aus­ drücklich in diesem Namen, aber doch unter Umständen abgegeben wurde, welche ergeben, daß sie in deren Namen erfolgen soll —

1 BGB. § 31. ' HGB. § 210 Abs. 2. ' HGB. § 320 Abs. 3 mit § 210 Abs. 2. 4 LimitGG. § 1. * GenG. 8 1 « HGB. §§ 105, 161.

7 HGB. § 1 Abs. 2 Riff. 1-0, 8 Vgl. Gareis, HGB. S. 13. 14, 111. '' HGB. 8 4 Abs. 2. Gareis, HGB. S. 21—24. 10 Bgl. BGB. 88 26, 164.

Übereinstimmendes und Vergleichendes 2c. "§

24.

117

unmittelbar für und gegen die vertretene Gesellschaft, und es wird die Wirksamkeit dadurch nicht beeinträchtigt, daß der Ver­ treter in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist?)

III. Die den Handelsgesellschaften (nach der Erörterung unter II) gemeinsam zukommende Geschäftsfähigkeit kann und muß aber nicht bloß nach außen zu (d. i. Dritten gegenüber) betätigt werden, nämlich in der Vertretung der Gesellschaft kraft der dem Vertreter zustehenden Vertretungsmacht, sondern sie kann und muß auch nach innen zu in Verwendung gebracht werden, nämlich mittels der zweckentsprechenden Verfügung über die der Gesellschaft zustehenden Mittel, menschlichen Kräfte und Sachen, sohin in der geeigneten Anwendung von Arbeit und Kapital zur Erreichung des Gesellschaftszwecks innerhalb der Rechtssphäre der Gesellschaft selbst; diese Verwendung der Geschäftsfähigkeit heißt „Geschäftsführung" und im Gegensatz zu der im weiteren Sinne ebenfalls zur Geschäftsführung zu rechnenden Vertretung nach außen (s. oben unter II) wird sie noch genauer innere Ge­ schäftsführung genannt. Gemeinsam ist allen Arten von Handels­ gesellschaften, daß sie Organe zur Geschäftsführung haben und haben müssen, und zwar sind dies in der Regel dieselben Organe, welche zur Vertretung (nach außen zu) berufen sind?) Die Mehrzahl der angegebenen Arten von Gesellschaften — nämlich die Aktiengesellschaften, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die e. Ge­ nossenschaften und die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit — müssen — die Gesellschaften mit beschränkter Haftung können zur Überwachung der Geschäftsführung der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung ein besonderes Organ, den Aufsichtsrat, habens; in der offenen Handelsgesellschaft und in der Kommanditgesellschaft ohne Aktien ist für

1 BGB. §§ 164, 165 mit HGB. §§ 125 (Vertretung der offenen HGesellschaft); 161 Abs. 2 mit 125 u. 170 (Vertretung der Kommandit­ gesellschaft); 231'mit 247 u. 272 (Vertretung der Aktiengesellschaft u. der VersV. a. G.); 320 mit 161, 125, 170, 325 (Vertretung der Komm. - Gesellschaft auf Aktien); GenG. §§ 24, 39, 51 Abs. 2 (Ver­ tretung d. Genossenschaft); LimitGG. §§ 35, 36, 52 Vertretung der G. m. b. H.; VersichG. § 34.' 2 HGB. §§ 114-117 (Geschäfts­

führung der offenen Handelsgesell­ schaft); §§ 161,163,164 (Geschäfts­ führung der Kommanditgesellschaft); §§ 231, 235, 241, 247 (Geschäfts­ führung der Aktiengesellschaft); §§ 320 Abs. 2, 325 mit 161,163, 164 (Geschäftsführung derKomm.-Gesellschaft auf Aktien); GenG. §§ 24, 27, 34, LimitGG. §§ 35, 37, 41. 3 HGB. §§ 190, 192, 199, 243 bis 249 (für die AktG.), 328 (f. die Komm.G.a.A.); GenG. §§36—41; LimitGG. § 52. VersichG. § 35.

118

Kap. DE.

Die Personen im Handelsrecht,

ein solches Organ kein Raum, die Kontrolle kann von den nichtgeschäfts­ führenden Mitgliedern selbst*) ausgeübt werden.

IV. Gemeinsam ist allen Arten von Handelsgesellschaften, daß deren Organe sowohl in der rechtsgeschäftlichen Vertretung (nach außen zu), als auch in der internen Disposition über die Gesellschaftsmittel (sog. innere Geschäftsführung) die Beschrän­ kungen einhalten müssen, welche ihnen von höheren Organen der betreffenden Gesellschaft, insbesondere von dem Gesamtwillen derselben auferlegt sind; aber die trotzdem erfolgte Verletzung der Pflicht, solche Beschränkungen zu beobachten, hat, wenn sie nur im Rahmen der dem Dritten gegenüber feststehenden Ver­ tretungsmacht erfolgte, nur der Gesellschaft gegenüber Wirkungen (Schadensersatz oder andere Repressionen gegen den Vertrauens­ mißbrauch oder die satzungswidrige Willkür des Organs), nicht aber jenem Dritten gegenüber, welcher sich auf die objektiv fest­ stehende Bertretungsmacht verlassen konnte;1 2)* *in* * diesen *8 Fällen ist mithin die Beschränkung der Vertretungsmacht nach außen zu wirkungslos, das verbotswidrige Überschreiten der Beschränkung

also nur der Gesellschaft gegenüber ein Unrecht des Organs?)

V. Gemeinsam ist den Handelsgesellschaften, daß sie einen eigenen geschäftlichen Namen haben müssen; dieser wird bei der offenen Handelsgesellschaft und bei der Kommanditgesellschaft (ohne Aktien) als „gemeinschaftliche Firma" bezeichnet und besteht bei diesen Gesellschaften aus dem Namen wenigstens eines der persönlich haftenden Gesellschafter nebst einem das Vorhandensein einer Gesellschaft andeutendem Zusatze (wie z. B. „& Ciet< oder „und Komp.") oder — bei der offenen Handelsgesellschaft —

1 HGB. § 118 f. die Mitglieder der off. HGesellschaft und § 166 f. die Kommanditisten. 2 Es verhält sich hinsichtlich der Nichtbeachtung der internen Be­ schränkungen seitens eines vertrags­ berechtigten Gesellschaftsorqanes ebenso wie hinsichtlich der Nicht­ beachtung einer internen Beschrän­ kung seitens eines Prokuristen. S. oben § 22 S. 105 (HGB. § 50 Abs. 1). 8 Dies ergibt sich aus HGB. §§ 114—117 verglichen mit 126 (für die offene Handelsgesellschaft, auch

für die Kommanditgesellschaft gemäß 8 161 Abs. 2 und für die Kom­ manditgesellschaft auf Äktien gemäß 8 320 Abs. 2); ferner aus 88 231, 235 Abs. 2 verglichen mit 235 Abs. 1 (für die AG. u. Vers.V. a. G.); ferner aus GenG. 88 24, 27 Abs. 2 verglichen mit 27 Abs. 1 S die e. G.) und endlich aus ütGG. 88 35, 37 Abs. 2 ver­ glichen mit 37 Abs. 1 (für die G. m. b. H. findet auf die durch obige Spezialvorschriften geregelten Han­ delsgesellschaften keine Anwendung.

Übereinstimmendes und Vergleichendes rc.

§ 24

119

aus den Namen aller persönlich haftenden Gesellschafters) eine Formvorschrist, wonach die Art der Gesellschaft in dem Namen oder neben diesem kenntlich gemacht werden soll, besteht bei diesen beiden Gesellschaften nicht, wohl aber für die anderen Gruppen von Handelsgesellschaften: die Aktiengesellschaft und die Kommandit­ gesellschaft auf Aktien müssen eine „Firma", und zwar in der Regel eine Realfirma (s. oben § 16 S. 66 f.) habens) und es muß bei diesen beiden Gesellschaftsarten die Art derselben aus­ drücklich durch den formellen Zusatz „Aktiengesellschaft", bezw. „Kommanditgesellschaft auf Aktien" bezeichnet sein;31)** und 5 formal ist auch die Firma der Genoffenschaft und die einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gesetzlich gestaltet, bei beiden sind die die Haftung der Mitglieder bezeichnenden Zusätze obligatorisch und streng formell: die Firma der Genossenschaft muß vom Gegenstände des Unter­ nehmens entlehnt sein und entsprechend der Art der Haftung der Mit­ glieder die dafür gesetzlich bestimmte Bezeichnung: „eingetragene Ge­ nossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht", bezw. „eingetragene Genossenschast mit unbeschränkter Nachschubpflicht", bezw. „eingetragene Genossen­ schaft mit beschränkter Haftpflicht",^) enthalten; so muß auch die Firma einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in allen Fällen diesen ihr charakteristischen eben genannten Zusatz enthalten, wenn auch im übrigen das Firmenrecht dieser Gesellschaftsart mehr Freiheit einräumt: die Firma kann nicht bloß eine Realfirma sein, sondern sie kann auch die Namen der Gesellschafter oder den Namen wenigstens eines derselben nebst einem das Vorhandensein des Gesellschastsverhältnisses andeutenden Zusatze ent­ halten, während in die Genossenschastsfirma niemals der Name von Ge­ nossen ausgenommen werden darf; die Namen fremder, d. h. der Asso­ ziation nicht angehörender Personen dürfen weder in die GenossenschaftS-, noch in die Firma einer G. m. b. H. ausgenommen werben.6) In der Firma eines Versicherungsvereins aus Gegenseitigkeit oder in einem Zuatz zu derselben ist auszudrücken, daß Versicherung auf Gegenseitigkeit betrieben wirb.6)

VI. Die Entstehung einer jeden Handelsgesellschaft setzt zwei Akte voraus, die man in ihrem Verhältnis zueinander als Zeugungsakt7) (A) und als Geburisakt8) (B) bezeichnen kann: 1 HGB. § 19 Abs. 1 u. 2. 8 HGB. 8 182 Abs. 2 Nr. 1, § 320 Abs. 3. 3 HGB. § 20. Übergangsbestim­ mung s. EinfG. Art. 22. * GenG. § 3 Abs. 1 nach § 2. Vgl. unten §381. 5 GenG. §3 Abs 2. LimitGG.§4.

6 BersG. § 18. 7 Vgl. BGB. §§ 1923 Abs. 2,1912. * Vgl. BGB. §§ 1, 1923 Abs. 2, 1918 Abs. 2. Die Analogie kann noch weiter fortgesetzt werden: in der Zeit zwischen der Zeugung und der Geburt entstehen die Organe des werdenden Wesens. S. HGB.

120

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

A) Der erstere dieser beiden Akte besteht bei allen Handels­ gesellschaften ausnahmslos in der Schließung eines Vertrags,*) nämlich eines Gesellschaftsvertrags;2) man kann in diesem Akte wiederum zwei Vorgänge unterscheiden: a) die Feststellung des Bertragsinhalts und b) den Beitritt zum Vertrage, oder (mit anderen Worten) a) die Schaffung des Inhalts der — wie zu jedem Vertragsabschlüsse, so auch zu dem des Gesellschaftsvertrags gehörenden — Willenserklärung und b) die Bindung eben dieser Willenserklärung. Die Feststellung des Inhalts des Vertrags (a) kann bei denjenigen Gesellschaften, welche ihrer Natur nach nur auf eine geschloffene und geringe Mitgliederzahl berechnet sind, nämlich bei der offenen Handelsgesellschaft und bei der gewöhnlichen Kommanditgesellschaft, in beliebiger, auch ganz formloser Weise erfolgen und tatsächlich ohne weiteres mit dem Akte des Beitritt(b) zusammenfließen. Dagegen muß bei Gesellschaften mit nicht geschloffener Mitgliederzahl oder solchen, die auf den Beitritt sehr vieler Mitglieder berechnet sind, oder wenigstens sein können, wie die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und wie die nicht im HGB. geregelten Gesellschaften3) es sind, ein besonderes Gewicht auf die exakte formelle Feststellung des Bertragsinhalts gelegt werden; daher ist bei der Aktiengesellschaft und bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien die formelle Fest­ stellung des Inhalts des Gesellschaftsvertrags („Statuts") als da- Werk bestimmt auftretender Personen (nämlich von wenigstens fünf „Gründern") und in gerichtlicher oder notarieller „Ver­ handlung" (nicht bloß Beurkundung)*) ausdrücklich vorgeschrieben;6) auch bei der Limitgesellschaft und dem Bersicherungsverein auf Gegenseitigkeit bedarf der Gesellschastsvertrag des Abschlusses in gerichtlicher oder notarieller Form,3) und das Statut einer ein­ getragenen Genoffenschaft muß wenigstens schriftlich abgefaßt und unterzeichnet fein.7) b) Auch der von der Statutenfeststellung zu unterscheidende 88 192, 196 u. a. GenG. §§ LimitGG. §§ 6, 7, 8. 1 BGB. §§ 145 ff. 8 BGB. 88 705, HGB. 88 109 ff., 161, 163, 182 ff., 188, 274 ff., 320, 321; GenG. §§ 18ff.; LimitGG. 88 2ff.

9ff.,

105, 189, 5 ff.,

8 E. G., G. m. b. H. u. Versich. B. a. G. * Gareis, HGB. Anm. 5 zu § 182. 6 HGB. 88 182, 320 Abs. 3, 321 322 8'LimitGG. § 2. VersichG. § 17.

7 GenG. 88 5 ff., 11.

Akt des Beitritts unterliegt in Bezug auf die Form Vorschriften in einer ähnlichen Gradation: ganz formlos ist der Beitritt zur offenen Handelsgesellschaft und zur gewöhnlichen Kommandit­ gesellschaft möglich; ’) der Aktiengesellschaft tritt man bei ent­ weder durch Übernahme eines oder mehrerer Geschäftsanteile (Aktien)1 2)* oder (wenigstens bedingt)8) durch Zeichnung eines Zeichnungsscheins;4)* *dies gilt auch von dem Beitritt von Aktionären zur Kommanditgesellschaft auf Aktien;^) der Beitritt zu einer eingetragenen Genossenschaft setzt die unbedingte Unter­ zeichnung des Statuts, bezw. die Eintragung in die Genossenschafts­ liste voraus,8) und ebenso wird zum Beitritt zur Limitgesellschaft die Unterzeichnung des gerichtlich oder notariell abgeschlossenen Gesellschaftsvertrags verlangt,7) zur Abtretung eines Gesellscbaftsanteils aber, sowie bei Erhöhung des Stammkapitals zur Über­ nahme einer auf das erhöhte Kapital zu leistenden Stammeinlage ein in gerichtlicher oder notarieller Form geschloffener Vertrag oder bezw. eine in dieser Form abgegebene Erklärung?) Der Erwerb der Mitgliedschaft eines Versicherungsoereins auf Gegen­ seitigkeit setzt die Begründung eines Bersicherungsverhältnisscs mit dem Verein voraus?) B) Als „Vollendung der Geburt" (vgl. BGB. § 1) einer Handelsgesellschaft ist der Akt zu bezeichnen, mit welchem sie als solche „in Wirksamkeit tritt", und letzteres ist von dem Augen­ blick an der Fall, in welchem sie die rechtliche Fähigkeit hat, sich selbst zu berechtigen^) und zu verpflichten,") und durch die Handlungen ihrer Vertreter auch ihre Mitglieder in der nach der 1 Gareis, HGB. S. lllAnm.6 ! nehmunq. So z. B. HGB. § 189 ui § 105; dort ist auch aus die I Abs. 3 Wr. 4. 4 HGB. 88 189 (Fall der Suk­ Ausnahmen von der Formlosig­ zessivgründung), 196; bei späteren keit hingewiesen, die eintritt, wenn Emissionen (Erhöhung des Grund­ ein Grundstück eingebracht werden soll. BGB. § 313. kapitals) 88 281—283, EinsG. 2 HGB. §§ 188 (Fall der SjwulArt. 28. 5 HGB. 88 320—324. tangründung), 190spätere Über­ nahme je nach der Übertragbarkeit 6 GenG. 88 11 Abs. 2 Nr. 1, der Aktien. HGB. §§ 179, 221 ff. 15 Abs. 1, 3. 7 LimitGG. 8 2. 8 Vgl. hinsichtlich der Bedingtheit * LimitGG. § 55 ff. die Vorschriften des HGB. § 196 9 VersichG. § 20. und..die Möglichkeit der Reduktion bei Überzeichnung, sowie die Mög­ 10 S. oben unter I S. 115. 11 S. oben unter 1 S. 115—116. lichkeit des Scheiterns der Unter-

122

Kap. n.

Die Personen im Handelsrecht.

besonderen Art der Gesellschaftsform möglichen Weise zu ver­ pflichten vermag?) a) Diesen Augenblick kann bei der offenen Handelsgesellschaft die Gesellschaft insofern selbst für sich wählen und bestimmen, als mit dem tatsächlichen Beginnen ihrer Geschäfte schon vor der Eintragung der Gesellschaft in da- Handelsregister8) die Wirksamkeit der Gesellschaft im Verhältnis zu Dritten voll­ ständig gemäß der dieser Gesellschaftsart überhaupt zukommenden Eigenheit: der Bertretungsbefugnis jedes Mitglieds8) und der persönlichen Haftung jedes Mitglieds als Gesamtschuldner,41)5* * gesetzlich 6) eintritt.6) b) Bei den anderen Handelsgesellschaften ist der Geburtsakt lediglich ein gerichtlicher Vorgang, die Eintragung in das Handels­ register (Gesellschaftsregister, bezw. Genoffenschaftsregister) beim BersicherungSverein auf Gegenseitigkeit die von der Aufsichts­ behörde erteilte Erlaubnis zum Geschäftsbetriebe, welche nur unter gesetzlich bestimmten Voraussetzungen erteilt und versagt werden darf;') auch die offene Handelsgesellschaft und der BersicherungSverein auf Gegenseitigkeit wird in das Handels­ register eingetragen, auch bei ersterer hat die Eintragung die Bedeutung, daß damit die Wirksamkeit der Gesellschaft im Ver­ hältnis zu Dritten beginnt, aber bei ihr hat nicht dieser Vorgang allein die angegebene Bedeutung, sondern dieselbe kommt, wie erwähnt, auch einem anderen Vorgänge zu, nämlich dem tatsächlichen Geschäftsansange vor der Eintragung.6) Auch bei anderen Gesellschaften kann vor der — obligatorischen — Ein­ tragung der Geschäftsbeginn tatsächlich eröffnet werden; aber bei ihnen hat diese Eröffnung nicht die Bedeutung deS Beginns der Wirksamkeit der Gesellschaft als solcher, d. h. mit den ihr eigentümlichen HaftungS- und Vollmachtsabgrenzungen, sondern wenn vor der Eintragung der Gesellschaft im Namen derselben gehandelt wird, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch

1 Vgl. Gareis, HAB. S. 121 Amn. 1 zu ß 123. ’ S. oben § 4 6. 17 ff. » HGB. §§ 125, 126. 4 HGB. §§ 128-130. 5 Aufschub der Wirksamkeit ist ausgeschlossen nach Abs. 3 des HGB. § 123. • Ausgenommen, wenn der Ge-

schästsbetrieb nur ein formelles

7 VersichG. §§ 6, 7, 15, 73; Rekurs gegen die Entscheidung s. VersichG. § 74, hierüber s. unten § 39 a. “ HGB. § 123 Abs. 2.

Übereinstimmendes und Vergleichendes.

§ 24.

123

(als Gesamtschuldner)/) und in der Kommanditgesellschaft haftet -) jeder Koulmanditist, der dem vorzeitigen Geschäftsbeginn zugestimmt hat, für die bis zur Eintragung begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter?) Die Eintragung ist ein Rechtsakt, das Gericht muß sie vor­ nehmen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, und muß sie verweigern, wenn sie nicht erfüllt sind, ein drittes gibt es nicht. Die Voraussetzungen sind gesetzlich ausgestellt, mit anderen Worten: jede Gesellschaft muß, wenn sie die bestimmte Handels­ gesellschaftsform erlangen will, diejenigen Voraussetzungen er­ füllen, welche gerade für diese bestimmte Form gesetzlich aufge­ stellt sind (sog. System der Normativbestimmungen). Am ausgebildetsten ist dieses System im Rechte der Aktiengesell­ schaften: vor der Eintragung in das Handelsregister ihres Sitzes be­ steht die Gesellschaft als solche nicht, wie bereits erwähnt wurde?) die Eintragung aber ist nur dann rechtlich zulässig (dann aber auch nicht verweigerbar), wenn dem zuständigen Gerichte erbracht ist:6) 1. der Nachweis des gesetzlichen Vertragsabschlusses, welcher seiner­ seits in zwei Nachweisungen besteht, nämlich in dem der „Gründung" im eigentlichen Sinne, d. i. der richtigen Feststellung des Vertrags­ inhalts (s. oben A a S. 120)6) und in dem des richtig erfolgten Bei­ tritts zu diesem Bertragsinhalte (s. oben A d S. 120, 121), d. i. der obligatorischen Aktienübernahme; 2. der Nachweis der gesetzlich richtigen Organisation (Konstituierung der Gesellschaftsorgane);s) 1 So bei der Aktiengesellschast HGB. § 200, bei der Limitgesell schast, Ges. v. 20. April 1892 § 11 Abs. 2. Vgl. das GenG. § 13. 2 Zwei Ausnahmen vorbehalten: der Fall, daß die beschränkte Haf­ tung des einzelnen Kommanditisten den einzelnen Gläubigern bekannt war, und der Fall, datz das von der Gesellschaft betriebene Gewerbe nur ein formelles Handelsgewerbe nach 8 2 d. HGB. ist, die Eintra­ gung also formell zur Handelsnatur vorausgesetzt werden muß: HGB. 8 176. 3 HGB. § 176. Daß es hiebei daraus ankommt, ob der Komman­ ditist dem Geschäftsbeginne zuge­ stimmt habe oder nicht, ist neu im

HGB. v. 1897 angeordnet. S. hierüber Gareis, HGB. S. 152 (Anm. 1 zu 8 162) u. S. 161 (Anm. 1 zu § 176). 4 HGB. § 200. S. oben vorige Seite. 5 HGB. § 195. 6 HGB. 88 182-187. 7 HGB. 88 188-190,195 Abs. 2 Nr. 3, 196. " HGB. 88 182, 187, 191, 193, 202 („Gründung"); 88 182 Abs. 2 Nr. 4, 190 Abs 3, 192, 195, 201, 231-242, u. a. (Vorstand); 88 190, 192, 195, 243-249; u. a. (Aus­ sichtsrat) ; 88 182 Abs. 2 Nr. 5,196, 197, 250 ff. (Generalversammlung): 88 192 Abs. 2, 193, 194, 266, 267 (Revisoren).

124

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

3. der Nachweis der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfung des Grün­ dungshergangs ; *) 4. der Nackweis der gesetzlichen Einzahlung1 2)* 4 und 56 5. wenn der Gegenstand des Unternehmens der staatlichen Ge­ nehmigung bedarf, der Nachweis dieser?) Bei der Errichtung einer Kommanditgesellschaft auf Aktien sind analoge Nachweise, wie bei der Aktiengesellschaft, dem Gerichte zu er­ bringen?) Ebenso ist die Errichtung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung von der Eintragung und diese von der Erfüllung von Normativbestimmungen abhängig gemacht, nämlich von den bei der An­ meldung zu erbringenden Nachweisen, welche den bei der Aktiengesell­ schaft geforderten entsprechen?) Auch die Erwerbs- und Wirtschafts­ genossenschaft kann nur dann eingetragen werden, wenn bei der An­ meldung die Erfüllung der Normativbestimmungen nachgewiesen wird.8) Weit geringer sind die Ansprüche, welche das Gericht bei der Anmeldung von offenen Handelsgesellschaften und von gewöhnlichen Kommandit­ gesellschaften erhebt, es handelt sich in diesen Fällen nur um die Schaffung der Grundlagen, auf welchen das für das Publikum wichtige System von Rechtsvermutungen in betreff der Schuldenhastung aufgebaut werden kann und muß:') demnach muß die Anmeldung jeder dieser beiden Ge­ sellschaften die Persönlichkeit der Mitglieder feststellen und Firma, Sitz und Zeit des Geschäftsbeginns enthalten, und in diesen Beziehungen muß das Handelsregister stets der Wahrheit entsprechend klar gehalten werden;8) die Verabredung, daß die Gesellschaft erst mit einem späteren Zeitpunkt als dem der Eintragung ihren Anfang nehmen solle, ist dritten gegenüber unwirksam, weil sonst die Gesellschaft zum Nachteile des Publi­ kums ganz willkürlich beschließen könnte, auf welche ihrer Schulden sich die persönliche Gesamtschuldhast ihrer Mitglieder erstrecke und auf welche nicht. Rechtlich wie der Geburtsakt ist die Eintragung in das Handels­ register erfolgreich: a) bei jener offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft, deren Gewerbe erst durch die Eintragung zum Handelsgewerbe wird, also ein nur formelles Handelsgewerbe ist?) dann tritt nämlich die Ge­ samtschuldhaftung, bezw. die beschränkte Haftung der Mitglieder mit der Eintragung handelsrechtlich ein,10) und b) bei der Kommanditgesellschaft, hier wird nämlich die begrenzte Haftung des Kommanditisten nur dann auf den gewollten Einlagebetrag

1 HGB. §§ 192—194. 2 HGB. 88 195 Abs. 2 Nr. 3 und Äbs. 3. 8 HGB. 88 180 Abs. 2, 195 Abs. 2 Nr. 6. 4 HGB. 88 320 Abs. 3,321—324. 5 LimitGG. 88 8,9, mit 88 3—7. 6 GenG. 88 H, 12, mit 88 2-9.

7 HGB. 8 15; zudem kann die Anmeldung mittels Ordnungsstrafe erzwungen^ werden. HGB. 8 14. Freiw.GerG. 8 123. 8 HGB. 88 106, 107, 108, bez. 88 162, 172. 9 HGB. 8 2. " S.Gareis, HGB. S. 14—15.

Übereinstimmendes und Vergleichendes rc.

§ 24

125

eingeschränkt und demnach diese Gesellschaft das, was sie sein will, wenn die Eintragung vollzogen ist; beginnt sie aber ihre Geschäfte vor diesem Zeitpunkte, so hastet jeder Kommanditist, der dem Geschästsbeginne zu­ gestimmt hat — Ausnahmen Vorbehalten, s. oben S. 123 Anm. 2 —, wie ein persönlich hastender Gesellschafter (Komplementär), die Gesellschaft ist also dann, den Konsens aller bei der Geschäftseröffnung vorausgesetzt, dritten gegenüber keine Kommanditgesellschaft, sondern eine offene Handelsgesellschaft.

VII. Wie die Entstehung einer jeden Handelsgesellschaft, so muß auch deren Endigung in das Handelsregister eingetragen werden, aber die Eintragung dieser letzteren Tatsache hat nirgends jene konstitutive (oder hier: ausschließend destruktive) Bedeutung, welche der Wirkung der Eintragung bei jenen Gesellschaften analog wäre, die vor der Eintragung ihrer Entstehung nicht als solche bestehen können, sondern hier entspricht die Eintragung analog nur der der Eintragung der offenen Handelsgesellschaft: die Anmeldung zur Eintragung kann durch Ordnungsstrafe er­ zwungen werdens und die Unterlassung der Anmeldung und der Eintragung hat die Wirkung, daß die Endigung des Gesellschaftsverhältniffes (also auch der auf demselben beruhenden Bertretungsmacht der einzelnen Gesellschafter, Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer u. s. w.) von demjenigen, in besten Angelegen­ heiten die Endigung einzutragen war (also vor allem sämtlicher Gesellschaftsmitglieder), einem dritten nicht entgegengesetzt werden kann, es sei denn, daß die Endigung diesem bekannt war. Die Handelsgesellschaften sterben an den wirksam gewordenen Auf­ lösungsgründen, nicht an der Registrierung ihrer Auf­ lösung. Unter den denkbaren Auflösung-gründen gibt es drei, welche bei jeder der sieben Formen der Handelsgesellschaft tödlich ein­ greifen können: 1. der Ablauf der im Gesellschaftsvertrage bestimmten Seit,1 2) 2. der Auflösungsbeschluß der Gesellschaft^) (die sog. Dissoziation) und 1 S. oben S. 124 Anm. 7. 2 HGB. §§ 292 Nr. 1 (AttienG. u. nach § 320 Abs. 3 auch KommanditG. auf Aktien); 131 Nr. 1 (Offene HandelsG. und nach § 161 Abs. 2 auch KommanditG.); GenG. § 79; LimitGG § 60 Nr. 1. BersG. § 42.

3 Nämlich qualifizierter Generalversammlungsbeschluß (Dreiviertelsmajorität u. s. w.) bei der AktienG. u. KommanditG. auf Aktien nach HGB. §§ 292 Nr. 2, 320, sowie bei der eingetragenen Genossenschaft GenG. § 78 und bei der Limit­ gesellschaft § 60 Nr. 2; bei der

126

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

3. die Eröffnung des Konkurses über daS Vermögen der Gesellschaft?) Diese drei Gründe, welche übrigens nicht die ausschließ­ lichen Todesursachen der Handelsgesellschaften sind,-) heben die Gesellschaft unmittelbar von Rechts wegen auf, ohne daß ein gerichtlicher Ausspruch oder eine gerichtliche Entscheidung dazu — abgesehen von Fällen der prozessualen Bestreitung deS tat­ sächlichen Bestehens des Auflösungsgrundes — nötig wäre; andere Auflösungsgründe aber verlangen stets eine gerichtliche Ein­ mischung, in deren Ermangelung die Gesellschaft — wenigstens formell — fortbesteht, selbst wenn die Endigungsursache objektiv vorliegt, so die Kündigung einer offenen Handelsgesellschaft durch einen Gesellschafter ®) und die völlige Erreichung oder Vereitelung des Gesellschastszwecks;') wegen gesetzwidriger, das Gemeinwohl gefährdender Beschlüsse oder Handlungen können zwei Arten der Handelsgesellschaften, nämlich die Erwerbs- und Wirtschafts­ genossenschaft und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, gerichtlich oder verwaltungsgerichtlich zur Auflösung gebracht werden?) Der Tod eines einzelnen Mitglieds ist nur bei der offenen Handelsgesellschaft als unmittelbar wirkende Endigungs­ ursache gesetzlich erwähnt und kann auch da als solche durch Ver­ trag auSgeschloffen sein;') einer Genoffenschaft kann der Tod eines Mitglieds verhängnisvoll werden, wenn dadurch die Zahl der Genoffen unter sieben herabsinkt, weil dann das Gericht die offenen Handelsgesellschaft ein Be­ schluß nach HGÄ. §§ 116 Abs. 2, 119 Abs. 1 oder 2 mit BGB. § 709 und ebenso auch bei der gewöhn­ lichen Kommanditgesellschaft. BersG. § 43. ' HGB. 88 292 Nr. 3 (mit 320), 131 Nr. 3 (mit 161); GenG. 88 101, 98, 99; LimitGG. 8 60 Nr. 4 nach dem ©ins®, zum HGB. Art. 11 XVI. BersG. §§ 49—52. Vgl. Manes, Konkurs d. privat.Versich.Unternehmungen; GZ. 52, 105. Registerpflichtigkeit der Konkurs­ eröffnung s. HGB. § 32 mit 8 6 und hiezu s. G a r e i s, HGB. Stirn. 2 zu 8 159 S. 147 u. 148. Hiezu t. KonkursO. (Fassung v. 20. Mai 1898) 88 207—212.

2 HGB. 88 292 Abs. 2, 131 Nr. 4-6, 133; GenG. §§ 80, 81; LimitGG. §§ 61, 62. 3 HGB. 88 131 Nr. 6, 133 (ebenso wie HGB. 88 117, 127; s. Gareis, HGB Anm. 2 zu § 117 S. 117—118, Anm. 1 zu § 127 S. 127. ‘ Vgl. aber BGB. 8 726, hiezu die in voriger Anm. angegebenen §§; das LimitGG. § 61 setzt hier einen qualifizierten Klagantrag und gerichtliche Entscheidung voraus. i 6 Nach näherer Besnmmunc deS I GenG. § 81 (mit Preuß.B. vom 28. Mai 1890, Ges.S. S. 135), I LimitG. § 62. 6 HGB. 88 131 Nr. 4, 137,140.

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Übereinstimmendes und Vergleichendes rc.

§ 24.

127

Auflösung aussprechen kann?) Macht sich ein Auflösungsgrund nur in der Person eines einzelnen Mitglieds geltend, so kann die Gesellschaft gerettet werden, selbst wenn der Grund derart ist, daß er die Gesellschaft ihrer Art nach zu vernichten drohte?) Die Fortsetzung einer einmal in den Zustand der Auf­ lösung, d. i. in die Wirksamkeit eines Auflösungsgrundes ge­ ratenen Handelsgesellschaft ist — abgesehen von den nur individuell wirkenden Gründen der Endigung des Gesellschaftsverhältnisses —31)42 nur ausnahmsweise möglich?) die Totalveräußerung des Ver­ mögens einer Aktiengesellschaft im ganzen wird vom Gesetzgeber nicht als Fortsetzung aufgefaßt?) wie die Umwandlung einer Kommanditgesellschaft auf Aktien in eine reine Aktien­ gesellschaft?) sondern wie die Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Genossenschaft mit beschränkter Haftung,?) auf die Vor­ aussetzung gestellt, daß die Gesellschaft aufgelöst sei, jedoch unter gesetzlicher Abänderung der sonst eintretenden Konsequenzen dieser Tatsache: bei jener Totalvermögensveräußerung?) ins1 GenG. § 80. 2 So der Konkurs über das Ver­ mögen eines offenen Handelsgesell­ schafters HGB. § 131 Nr. 5, die Ausschließung eines solchen nach HGB. § 133, die einseitigeKündigung nach HGB. §§ 133-135; - Ret­ tung der Gesellschaft s. HGB. §§ 140, 141. 8 Diese wenigstens möglicherweise auf das Individuum eingeschränkt wirkenden Gründe bei der offenen Handelsgesellschaft s. vorige Anm. 2; bei der Kommanditgesellsch. HGB. § 161 Abs. 2 mit § 177 (Tod eines Kommanditisten hat die Auslösung der Gesellschaft nicht zur Folge). 4 Die offene Handelsgesellschaft und die Gesellschaft mit beschr. Haf­ tung können von den Gesellschaftern selbst nach Eröffnung des Konkurs­ verfahrens noch fortgesetzt werden, nämlich dann, wenn das Verfahren nachAbschluß einesZwangsvergleichs aufgehoben oder auf Antrag des Gemeinschuldners eingestellt wird, s. HGB. § 144 u. §60 Abs. 1 Nr. 4 d. LimitGG. nach der Fassung des

EinfG. z. HGB. Art. 11 XVI. Von der Kommanditgesellsch. gilt in dieser Hinsicht dasselbe wie von der offenen Handelsgesellschaft. Aber der über eine eingetragene Genossen­ schaft eröffnete Konkurs kann nicht durch Zwangsvergleich aufgehoben und erst, wenn mit dem Vollzüge der Schluß Verteilung begonnen wurde, eingestellt werden, wozu die Zustimmung der bei letzterer berück­ sichtigten, möglicherweise auch noch anderer Gläubiger erforderlich ist. GenG. § 116. 6 Wenn aber zum Zwecke der Totalvermögensveräußerung oder der Fusion eine Aktiengesellschaft aufgelöst, dieser Zweck aber nicht er­ reicht worden ist, so kann die Fort­ setzung der Gesellschaft beschlossen werden, s. HGB. § 307 mit Anm. 1, hiezu bei Gareis, HGB. S. 280, 281. 6 HGB. §§ 332—334. 7 LimitGG. §§ 80, 81. 8 MB. §§ 303 ff. Hinsichtlich eines Übereinkommens, wodurch der Versicherungsbestand eines Unter-

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

besondere in den Fällen der Verstaatlichung oder der Kommu­ nalisierung *) des Unternehmens und in denen der Gesellschafts­ fusionierungs) kann nämlich der Wegfall der Liquidation (s. unten VIII) vereinbart werden, die Firma einer solchen Gesell­ schaft erlischt in solchen Fällen nur dann sofort, wenn keine Liquidation, vielmehr der sofortige Totalübergang des ganzen Unternehmens an Staat, Gemeinde oder dgl. eintritt;3) abgesehen von derartigen Vereinbarungen kann sogar eine Übertragung der Firma, jedoch ohne den für Aktiengesellschaften charakteristischen Formalzusatz „Aktiengesellschaft"^) stattfinden. Die Veränderung der Haftungsart der Mitglieder einer Genossenschaft 5) setzt eben­ sowenig wie die Umwandlung einer Kommanditgesellschaft auf Aktien in eine Aktiengesellschaft") die Annahme einer Auflösung der Gesellschaft voraus, wenn auch in den Fällen, wo die Haftung der Genossen reduziert wird, der Sicherheit der Gäubiger wegen, die bei einer Verteilung des Genoffenschaftsvermögens im Falle der Auflösung maßgebenden Vorschriften beobachtet werden müssen. VIII. Die Auflösung einer jeden Handelsgesellschaft führt naturgemäß zu der Auseinandersetzung der Gesellschafter in Ansehung ihrer Ansprüche an das Gesellschaftsvermögen;7) doch kann diese Folge der Auflösung erst dann eintreten, wenn die laufenden Geschäfte der Gesellschaft beendigt, ihre Schulden berichtigt und ihre Forderungen eingezogen worden sind, daAktivvermögen der Gesellschaft festgestellt und, soweit möglich, in bare- Geld umgewandelt ist. Dieses zu erreichen, ist der Zweck dnc6 Zwischenaktes, der sich zwischen die Auflösung der Gesellschaft und die Auseinandersetzung der Gesellschafter — regelmäßig, aber nicht immer — drängt,9) gewissermaßen ein begrenztes „Leben nach dem lobe" 9) bildet und Liquidation heißt. Der Laie spricht von „Liquidation" vorzugsweise dann, wenn die Gesellschaft 3 HGB. §304, Gareis, HGB. nehmens — also auch eines Versiche- I rungsvereins auf Gegenseitigkeit \ Anm. 6 zu diesem §. — in seiner Gesamtheit oder in * HGB. 8 20 s. oben S. 119. einzelnen Zweigen mit den darauf I 6 GenGei. §§ 143—145. 6 S. vorige Seite Anm. 6. bezüglichen Reserven und Prämienüberträgen aus ein anderes Unter­ 7 Vgl. BGB. §§ 730 ff. * RGer. Bd. 31 S. 47, f. unten nehmen übertragen werden soll, s. BersichG. §§ 14, 43, 44. § 6 Vgl. HGB. 88 145 (161 Abl. 2), 1 HGB. § 304. 2 HGB. 88 305, 306. 294 Abs. 2, GenG. 8 87, LimilGG. 8 69.

Übereinstimmendes und Vergleichendes 2c.

§ 24.

129

durch die Eröffnung des Konkurses aufgelöst worden ist, der Gesetzgeber aber nennt die konkursrechtliche Beendigung der Ge­ schäfte n i e Liquidation, sondern läßt letztere im technischen Sinne gerade nur außer dem Falle des Konkurses eintreten?) Die Liquidation besteht in der Umsetzung des reinen Aktiv­ vermögens der Gesellschaft in Geld und umfaßt alle rechts­ geschäftlichen Handlungen, welche nach der Auflösung der Gesell­ schaft zur Herbeiführung dieser Umsetzung notwendig oder zweck­ dienlich sind, also nicht bloß die Befriedigung der Gesellschafts­ gläubiger, die Einziehung der Gesellschaftsforderungen und die Bezahlung der Gesellschaftsschulden, sondern auch den Abschluß neuer Geschäfte (z. B. nicht bloß Realisationsveräußerungen, sondern auch Deckungseinkäufe), soweit solche zur Beendigung der schwebenden Geschäfte (z. B. einer Handelsoperation in dem oben § 8 A S. 30 ff. erörterten Sinne, zur Erfüllung von über­ nommenen Aufträgen u. s. w.) erforderlich sind.-) Die l handelsrechtliche) Liquidation tritt nicht nur dann nicht ein, wenn über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs er­ öffnet ist (f. oben), sondern auch dann nicht, wenn die Gesell­ schafter eine andere Art der Auseinandersetzung rechtsgültig ver­ einbart haben; eine solche „andere Art der Auseinandersetzung" wäre z. B. der Totalverkauf des ganzen Gesellschaftsunternehmens als ganzes (mit Übergang aller Aktiva und Passiva und Teilung des Erlöses dieses Verkaufs unter den Gesellschaftern), ferner die Übertragung des Gesellschaftsvermögens an eine andere Gesellschaft, oder die Naturalteilung des Vermögens, oder die Umwandlung der Gesellschaft in eine andere Gesellschaftsart?) £b ein Ersatz der Liquidation durch eine solche andere Art der Aus­ einandersetzung rechtlich zulässig ist, hängt von der Art der in der Aus­ lösung begriffenen Gesellschaft ab: bei der offenen Handelsgesellschaft und bei der Kommanditgesellschaft ist ein derartiger Ersatz zulässig, setzt aber immer einen einstimmigen Beschluß sämtlicher bei der Auflösung der Gesellschaft vorhandenen Gesellschafter, bezw. deren Erben voraus, denn es ist ein unentziehbares Mitgliedschaftsrecht eines jeden Gesellschafters, zu verlangen, daß — abgesehen vom Falle des Konkurses — die ord­ nungsmäßige handelsrechtliche Liquidation eintrete; dieses Mitgliedschafts­ recht auszuüben, steht, wenn die Gesellschaft durch Kündigung 4) seitens des 1 Vgl. HGB. 88 145 Abs. 1, 294 Abs. 1; LimitGG. 8 66. 8 RGer. 4 S.61 („neueGeschäste"), RGer. 5 S. 8 („laufende Geschäfte"), RGer. 7 S. 119. Gar eis, Handelsrecht.

7. Aufl.

3 RGer. Bd. 31 S. 47. Vgl. Gareis, HGB. Anm. 1 zu § 145. 4 HGB. 88 135, 141, 145. 9

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Gläubigers eines Gesellschafters oder durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst worden ist, jenem Gläubiger­ oder bezw. dem Konkursverwalter des zuletzt erwähnten Gesellschafters an Stelle der betr. Schuldner zu; deshalb kann in diesen Fällen der Ersatz der Liquidation durch eine andere Art der Auseinandersetzung nur mit Zustimmung dieses kündigenden Einzelgläubigers, bezw. dieses Kon­ kursverwalters beschlossen werden?) Auch bei der Auflösung einer Aktien­ gesellschaft (sowie einer Kommanditgesellschaft auf Aktien) ist die handels­ rechtliche Liquidation — abgesehen vom Falle des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft — die Regel; jedoch gestattet das Gesetz auch hier eine Ausnahme: wenn nämlich von der Generalversammlung die Verwertung des Geselljchaftsvermögens durch Veräußerung im ganzen beschlossen worden ist, wozu mindestens eine Dreiviertelsmajorität des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals gehört,1 2)3 4jo* * kann (nicht muß) in gesetzlich bestimmten Fällen — aber nur in diesen — zugleich beschlossen werden, daß die Liquidation unterbleiben, die Geschäfte also ununterbrochen von dem das Gesellschaftsvermögen Übernehmenden fort­

gesetzt werden sollen: diese Fälle sind: 1. die Verstaatlichung oder die Kommunalisierung des Gesellschafts­ unternehmens :8) 2. die Fusion der Gesellschaft mit einer anderen Aktien- oder Kom­ manditgesellschaft auf Aktien, d. i. die Veräußerung des Gesellschafts­ vermögens an eine der letzteren Gesellschaften gegen Gewährung von Aktien der übernehmenden Gesellschaft?)

Bei Auflösung einer eingetr. Genossenschaft, einer G. m. b. H. und einer Versich.G. a. G. kann — außer im Falle des Konkurses — die handelsrechtliche Liquidation nicht umgangen werden. Wer zur Besorgung der Liquidation und demnach während des Liquidationsstadiums zur Vertretung der in der Auflösung begriffenen Gesellschaft berufen sei, hängt von der Art der Ge­ sellschaft ab; im allgemeinen läßt sich nur folgendes feststellen: je nachdem bei einer Handelsgesellschaft mehr die Eigenart eines Vereins oder die einer Gesellschaft, beide Begriffe im Sinne des BGB. genommen?) vorherrscht, find zur Liquidation

Gareis, HGB. § 307 Anm 1 1 HGB. § 145 Abs. 2 u. für d. S. 280 u. 281. Anfechtung des Kommanditgesellsch. § 161 Abs. 2 Generalversammlungsbeschlusses in mit § 145. Fällen der §§ 303—306 s. HGB. 2 HGB. § 303. § 308. 3 HGB. § 304. 6 Einerseits BGB. §§ 21 ff., 48 4 HGB. §§ 305—317. Die merk­ würdige Fortsetzung trotz der Auf­ i bis 53 und andererseits 705 ff., 730 lösung s. oben bei Anm. 2 S. 128 u. ! bis 735.

Übereinstimmendes und Vergleichendes rc.

§ 24

131

entweder die normalen Handlungs- oder Bertretungsorgane (der Vorstand *) oder andernfalls die sämtlichen Gesellschafter)1 2)3 regel­ mäßig berufen („geborne Liquidatoren"). Ersteres ist der Fall bei der Aktiengesellschaft,8) der eingetragenen Genossenschaft4) und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung;5)* letzteres bei der offenen Handelsgesellschaft8) und, soweit es sich um die persön­ lich haftenden Gesellschafter handelt, zweifellos auch bei den Kommanditgesellschaften auf und ohne Aktien; bezüglich der Kommanditisten ist so viel sicher, daß sie bei der Liquidation durch einen von ihnen gewählten Vertreter mitwirken, wenn sie Aktionäre sind,7) andernfalls könnte man zweifelhaft werden infolge der Vorschrift des Gesetzes, wonach sie nicht zur Ver­ tretung der Gesellschaft ermächtigt finb;8; allein diese Vorschrift schließt doch nicht aus, daß den Kommanditisten im Liquidations­ stadium umfangreichere Rechte zuwachsen, als sie während des normalen Lebens der Kommanditgesellschaft hatten,9)* und daß es bei der Gleichstellung mit der offenen Handelsgesellschaft in dieser Hinsicht sein Bewenden hat?9) Anstatt der hienach gesetzlich berufenen LimitGG. § 66. ö HGB. § 146. 7 HGB. § 331, wie die Erben eines verstorbenen Gesellschafters s. HGB. 8 146 Abs. 1 S. 2. ' HGB. § 170.

" v. Canstein, Lehrb. d. österr. HR. Bd. 1 S. 595 Anm. 31. 10 Denkschrift z. RBorl. (§§ 170 bis 175 mit 159 Abs. 2 ders.) S. 3197. 11 HGB. §§ 146 (mit 161 Abs. 2), 295, 320, GenG. § 83, LimitGG. § 66. 12 v. Canstein a. a. O. S- 594.

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Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

von mindestens dem zwanzigsten Teile des Grundkapitals be­ sitzen und zwar schon seit mindestens sechs Monaten;*) dasselbe gilt von den Liquidatoren einer Genoffenschaft und einer Ge­ sellschaft mit beschränkter Haftung, nur daß bei letzterer Gefiellschast die Geschäftsanteile der Antragsteller mindestens den zehnten Teil des Stammkapitals bilden müssen, und bei der Ge­ nossenschaft der Antrag, wenn nicht vom Aufsichtsrate, von mindestens dem zehnten Teile der Genossen ausgehen muß. Kommen und Gehen der Liquidatoren ist registerpslichtig: die ersten Liquidatoren einer Aktiengesellschaft sind durch den Vorstand, die späteren Änderungen in den Personen der Liquidatoren durch die Liquidatoren anzumetden:2*)1 bei der offenen Handelsgesellschaft haben sämtliche Gesell­ schafter die Pflicht, die Liquidatoren und jede Änderung in dem Bestände

derselben zum Handelsregister anzumelden;3)* *der * * 8bisherigen Finna der Gesellschaft ist (als „Liquidarions-" oder „StralzierungSfirma") ein das Vorhandensein des Liquidationszustandes anzeigender Zusatz beizufügen?)

Die Zuständigkeit der Liquidatoren richtet sich sachlich nach dem Zwecke der Liquidation, wie er oben (S. 128 f.) geschildert wurde/) und das Publikum ist berechtigt, anzunehmen, daß die Liquidatoren zur Vornahme aller einschlägigen gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretungshandlungen berechtigt sind, und zwar im Zweifel (b. h. wenn nichts anderes registriert ist) kollektiv:0) eine Beschränkung des Umfangs der Befugnisse der Liquidatoren ist Dritten gegenüber nicht wirksam, wohl aber den Liquidatoren selbst gegenüber, wenn die Beschränkung von den

1 HGB. 88 146 (Abs. 2, 3), 147, 295 (Abs. 2, 3), Zuständigkeit des Amtsgerichts s. Freiw.Ger.G. § 145 Abs. 1; über das Verfahren s. eben­ falls Freiw.Ger.G. 8 146 und Makower (12. Ausl.) S. 286. 1 HGB. § 296 (nähere Formvorsckristen s. Abs. 2, 3, 4); analog nun § 82 des GenG, (nach der Fassung des EinfG. zum HGB. v. 10. Mai 1897 Art. 10 VIII), § 67 des LimitGG. (nach der Fassung des Art. 11 XIX desselben EinfG. und BersichGG. § 447. 8 HGB. § 148. 4 HGB. S 153 z. B. „Aug. Müller & Cie. in Liquidation". HGB. § 298 Abs. 1: „Maschinen­

bauqesellschast Herkules, Aktiengesell­ schast in Liquidation". 6 Neben den sich hieraus ergeben­ den allgemeinen Pflichten stehen die unten (s. nächste Seite) hervorzu­ hebenden besonderen Pflichten: I. Bilanzausstellung (und zwar An­ fangs-, Wahres- und Schlußbilanz). II. Firmenzeichnung (Liquidations­ firma). III. Gläubigeraufforderung (3 mal). 6 HGB. 88149—151,298, GenG. § 85. LimitGG. § 68. Die Zahl der Liquidatoren ist bei der Ge­ nossenschaft nach einer Seite hin begrenzt : es müssen hier wenigstens zwei Liquidatoren bestellt werden, GenG. 8 83 Abs. 2, § 85.

Übereinstimmendes und Vergleichendes?c.

§ 24.

133

Gesellschaftern (im Konkursfalle von den Gläubigern) einstimmig beschlossen worden ist?) Als besondere Pflichten der Liquidatoren sind hervor­ zuheben : 1. Die Verpflichtung der richtigen und rechtzeitigen Auf­ stellung der Bilanzen, und zwar der Eröffnungs-, Jahres- und Schlußbilanzen;1 2) die strengeren Grundsätze der Aktiengesellschafts­ bilanzen kommen bei der Liquidation nicht zur Anwendung;3) 2. die Pflicht der Firmenzeichnung nach Maßgabe besonderer Formalvorschriften;4)5 und 3. die Gläubigeraufforderung.'') Wo ein Aufsichtsrat besteht, hat er auch die Tätigkeit der Liquidatoren zu überwachen, wie denn überhaupt die Organisation einer jeden Handelsgesellschaft während der Liquidation fortbesteht, sofern nicht der Zweck der letzteren und das Vorhandensein be­ sonderer Liquidatoren ein anderes ergibt?) Grundstücke, welche sich im Vermögen der liquidierenden Gesellschaft befinden, können von den Liquidatoren nunmehr aus freier Hand veräußert werden, es wäre denn, daß die Personen, deren Anweisungen die Liqui­ datoren zu befolgen haben, die — früher gesetzlich vorgeschriebene — öffentliche Versteigerung des Jmmobiliars verlangen?) Zur Liquidation (wenigstens im weiteren Sinne) gehört auch die schließliche Vermögensverteilung: bei der offenen Handels­ gesellschaft, sowie bei der Kommanditgesellschaft kann diese sofort, nachdem sich das zur Verteilung zu bringende Aktivum herauSgestellt hat, tatsächlich vorgenommen werden, ja es kann schon während der Liquidation das sich als entbehrlich ergebende Geld

1 HGB. § 152 mit § 146, für Liquidatoren der Aktiengesellschaft s. HGB. §§ 298 Abs. 2 u. 3, 235 (jedoch kein Konkurrenzverbot §§ 236, 298 L Satz und keine Prokura, t 298 l. Absatz^, GenG. §§ 26, 27, 29, 89, LimitGG. §§ 36, 37, 71. 3 HGB. §§ 154, 299, GenG. § 89 (mit EinfG. z.HGB.), LimitGG. § 71. 3 HGB. § 299 Abs. 2 l. Satz mit Gareis Anm. 3 u. 4 hiezu; vgl. auch unten § 36 II 1. 4 S. Anm. 4 auf vorig. Seite. 5 HGB. § 297 (= BGB. § 50

Abs. 1), GenG. § 82, LimitGG. § 65. Vgl. unten § 36 II 3. 6 HGB. §§ 156, 294 Abs. 2; hiezu Gareis, HGB. Anm. 6 zu 8 266 S. 246 u. Anm. 1 u. 3 zu § 294 S. 268 u. 268, GenG. §§ 87, 90; LimitGG. §8 69, 73. 7 HGB. §§ 149, 152 (GareiS, HGB. S. 141 Anm. 2), GenG. § 89 (nach dem EinfG. z. HGB. Art. 10 IX im Gegensatz zu dem seither. Abs. 2 des § 87), LimitGG. § 70, vgl. auch schon BGB. § 49.

134

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

vorläufig verteilt werdens) nicht so bei den anderen Handels­ gesellschaften, welche sich dem Typus der Vereine nähern und daher, wie dieses) nicht eher zur Verteilung des Vermögens schreiten können, als bis das sog. Sperrjahr (gesperrtes Jahr) abgelaufen ist; demnach darf die Verteilung des Vermögens einer Aktiengesellschaft?) einer Kommanditgesellschaft auf Aktien?) einer eingetragenen Genossenschaft^) und einer Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung °) nur erfolgen, wenn seit dem Tage, an welchem die gesetzlich vorgeschriebene7) öffentliche Aufforderung an die Gläubiger zunr drittenmal stattgefunden hat, ein Jahr verstrichen ist; meldet sich ein bekannter Gläubiger nicht, so ist der geschuldete Betrag, wenn die Berechtigung zur Hinterlegung vorhanden ist, für den Gläubiger zu hinterlegen; ist die Berich­ tigung einer Verbindlichkeit zur Zeit nicht ausführbar, oder ist eine Verbindlichkeit streitig, so darf die Verteilung des Vermögens nur erfolgen, wenn dem Gläubiger Sicherheit geleistet ist?) Unter Umständen können mehrere Verteilungen nacheinander not­ wendig werden?) Das Verhältnis, in welchem das Vermögen unter den Gesellschaftern schließlich zu verteilen ist, bestimmt sich nach der Gesellschaftsart und dem Vertrage; so bei der offenen Handels­ gesellschaft nach dem Verhältnis der Kapitalanteile, wie sie sich auf Grund der Schlußbilanz10) ergeben?') bei der Aktiengesellschaft nach dem Verhältnis der Aktienbeträge,") sofern nicht mehrere Gattungen18) von Aktien mit verschiedener Berechtigung vorhanden sind; sind die Einzahlungen nicht auf alle Aktien in demselben Verhältniffe geleistet, so werden die auf das Grundkapital ge­ leisteten Anzahlungen erstattet und ein Überschuß nach dem Ber-

hältniffe der Aktienbeträge verteilt; reicht das vorhandene Ver­ mögen zur Erstattung der Einzahlungen nicht aus, so haben die 1 HGB. § 155; im Streitfälle aber ist die Verteilung auszusetzen, Abs. 3 desselben §. 8 BGB. § 51. 3 HGB. § 301. 4 HGB. § 320 Abs. 3 mit § 301. 5 GenG. § 90 Abs. 1. 6 LimitGG. § 73. 7 S. oben S. 132 Anm. 5 III und aus Seite 133 Anm. 5. " HGB. § 301 (mit 320 Abs. 2), GenG. § 90 Abs. 2 und LimitGG.

8 73 Abs. 2, letztere beiden Gesetzesvorschristen nach dem EinfG. z. HGB. Art. 10 X bezw. Art.11 XXL " HGB. 8 302 Abs. 4. 10 S. oben S. 133 Anm. 2. 11 HGB. § 155; bezügl. der Kom­ manditgesellschaft ebenso nach HGB. § 161 Abs. 2. 12 HGB. 8 300, ebenso auch be;ügl. der Kommanditgesellsch. auf Aktien nach HGB. § 320 Abs. 3. 11 HGB. § 214.

Übereinstimmendes und Vergleichendes ?c.

§ 24.

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Aktionäre den Verlust nach dem Verhältnisse der Aktienbeträge zu tragen, die noch ausstehenden Einzahlungen sind, soweit eS hiezu erforderlich ist, einzuziehen?) Bei der eingetragenen Ge­ nossenschaft sind Überschüsse, welche sich über den Gesamtbetrag der Guthaben der Genossen hinaus ergeben, nach Köpfen zu ver­ teilen, sofern der Grundvertrag nichts anderes bestimmt?) Bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bildet in Ermangelung anderer Vereinbarung der Geschäftsanteil den Maßstab der schließ­ lichen Vermögensverteilung?) Ist die Liquidation beendigt, so muß das Erlöschen der (Liquidations-)Firma von den Liquidatoren zur Eintragung in das Handels­ register angemeldet werden?) findet eine Auslösung der Gesellschaft ohne handelsrechtliche Liquidation statt, so obliegt die Anmeldung des Er­ löschens der Firma entweder den Gesellschaftern, bezw. bei den sich dem Vereinstypus nähernden Handelsgesellschaften den Vorstandsmitgliedern?) oder es findet Konkursrecht6) Anwendung. Die Bücher und Geschäftspapiere einer aufgelösten Handelsgesellschaft werden einem der Gesellschafter oder einem Dritten in Verwahrung ge­ geben: dieser wird in Ermangelung einer Verständigung durch das Ge­ richt bestimmt, in dessen Bezirke die Gesellschaft ihren Sitz hatte?) Die Dauer der obligatorischen Aufbewahrung (10 Jahre) ist für die Aktien­ gesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien besonders bestimmt?) im übrigen ergibt sie sich aus der allgemeinen Regel?) Bei der offenen HGesellschaft behalten die Gesellschafter (und Kommanditisten) und deren Erben (nicht aber andere Rechtsnachfolger) das Recht aus Einsicht und auf Benutzung der Geschäftspapiere und Bucher;10) Aktionäre und Gläubiger von Aktiengesellschaften haben dieses Recht nicht, es wäre denn, daß ihnen das Gericht Einsicht besonders gestattet.") Vereinbaren die Gesellschafter statt der Liquidation eine andere Art der Auseinandersetzung, z. B. Ver­ kauf des ganzen Gesellschaftsunternehmens und Teilung des Erlöses des Verkaufs oder Naturalteilung oder Übertragung des ganzen Unternehmens

1 HGB. 8 300 Abs. 3. 2 GenG. § 91. 3 LimitGG. § 72. 4 HGB. § 157 Abs. 1 (mit § 161 Abs. 2), 302 Abs. 1 (mit § 320). Analog GenG. § 87 u. LimitGG. § 73. 5 HGB. 88 304 Abs. 3, 305, 306, Fortsetzungsanmeldung § 307 Abs. 2. 6 KonkO. §§ 207, 208, HGB.

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7 HGB. § 157 Abs. 2 (mit § 161). Hiezu Gesetz über die Angeleaenheiten der freiwilligen Gerichtsbar­ keit vom 17. Mai 1898 § 145 (Amts­ gericht). * HGB. § 302 Abs. 2. Hiezu Freiw.Ger.G. § 145 (Amtsgericht). 9 HGB. § 44 Abs. 1 u. 2. 10 HGB. § 157 Abs. 3, auch Limit­ GG. § 62. 11 HGB. § 302 Abs. 3 (Amts­ gericht) nach dem Freiw.Ger.G.

136

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

an eine andere Gesellschaft oder Umwandlung in eine solches) so finden, solange ungeteiltes Vermögen vorhanden ist, stets im Verhältnis zu Dritten die für die Liquidatton maßgebenden Vorschriften entsprechende Anwendung?)

IX. Ist eine Handelsgesellschaft zufolge fehlerhafter Errichtung und durch unzulässige Eintragung in das Handelsregister zu einer Scheinexistenz gelangt, so tritt deren Beseitigung entweder von Amts wegen oder auf Antrag Beteiligter ein. Jede Eintragung im Handelsregister, welche wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig war, kann und soll dem Registergerichte Veranlaffung geben, die Löschung zu bewirken?) Daneben besteht selbstverständlich die Möglichkeit der nach dem bürgerlichen Rechte sich richtenden Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts der Errichtung der Gesellschaft;41) * zudem * stellt das positive Recht noch besondere Fälle auf, in denen gewisse Rechtsakte, welche mit der Errichtung einer Gesellschaft zusammenhängen, nichtig sind?) Bei denjenigen Handelsgesellschaften, welche sich dem Typus des Vereins nähern, ist jedem Gesellschafter, sowie jedem Mitglieds seines obersten geschäftsführenden, sowie seines beaufsichtigenden Organs für den Fall, daß der Gesellschaftsvertrag nicht die nach dem Gesetze wesentlichen Bestimmungen enthält, oder daß eine derselben nichtig ist, eine Nichtigkeitsklage gegeben; mit anderen Worten, jede der eben erwähnten Personen kann alsdann im Wege der Klage beantragen, daß die Gesellschaft für nichtig erklärt werde?) 1 Zu Auseinandersetzungen ohne Liquidation ist die Zustimmung des Privatgläubigers, bezw. desKonkursverwalters eines Gesellschafters in zwei bestimmten Fällen erforderlich: f. HGB 8 145 Abs. 2 s unten § 28 C 161. 8 HGB. 88 158, 302 Abs. 4 (mit Freiw.Ger.G. 8 145 Abs. 1), 303, 307. Über Konkurseröffnung bei noch vorhandenem ungeteiltem Ver­ mögen s. KonkOrd. 88 207 Abs. 2, 209 Abs. 2. 8 Freiw.Ger.G. 88 132,142,144, u. ebenda 8 143, s. das Verfahren dieser Löschung. 4 BGB. 88 117—144. Über den Begriff und die Arten der Fehlerhasttgkeit eines Rechtsgeschäfts nach

dem BGB. s. Hellmann a. a. O. I S. 113 ff. 5 S. z. B. HGB. § 209. Andere fehlerhafte Ereignisse imGesellschastsleben s. HGB. 271 u. Freiw.Ger.G. 8 144 Abs. 2. " Hinsichtlich einer Aktiengesell­ schaft s. HGB. 88 309, 311. Freiw. Ger.G. §144 Abs. 1 u. 3, hinsichtlich Kommanditgesellschaften aus Aktien dieselben §§ gemäß HGB. § 320 Abs. 3; hinsichtlich der Genossen­ schaften s. EinfG. z. HGB. Art. 10 XI, die neuen §§ 94—97 des GenG.; hinsichtlich der G. m. b. H. ebenfalls nach dem EinfG. z. HGB. u. zwar nach Art. 11XXII: die dem GG. m. b. H. neu hinzugefügten §§ 75—77.

Effene Handelsgesellschaft. Wesen und Errichtung.

§ 25.

137

Bei gewissen — zwar an sich die Nichtigkeit der Gesellschaft nach sich ziehenden, aber doch geringfügigeren — Fehlern der Er­ richtung einer sich dem Typus des Vereins nähernden Gesellschaft, z. B. bei Verletzung des Firmenrechts oder der Vorschriften über den Sitz der Gesellschaft und dergl., kann aber eine Heilung auf einem außerordentlichen Wege herbeigeführt werden, nämlich auf dem Wege eines Generalversammlungsbeschlusses, wie wenn es sich um eine gewöhnliche Statutenänderung handelte?) Von den einzelnen Handelsgesellschaften insbesondere: 1. Die offene Handelsgesellschaft.

§ 25. I. Wesen und Errichtung.

Der rechtsgeschichtlich durch Ausbildung des Firmenrechts und des Stellvertretungsprinzips möglich gewordenen und schon seit dem 11. Jahrhundert nachweisbaren?) offenen Handels­ gesellschaft^) ist dreierlei (kumulativ) charakteristisch: 1. daß zwei oder mehrere Personen ein Handelsgewerbe41) 2 3 (über diesen Begriff s. oben §§ 7 (S. 27, 28), 11, S. 39, 40) eines Vollkausmanns/) wenn auch nur ein formelles/) betreiben, und zwar 2. unter einer gemeinschaftlichen Firma,7) und 3. daß nach Maßgabe der hierin als zwingendes Recht an­ zusehenden Norm des Gesellschaftsvertrags8) bei keinem der 1 Über die Begründung dieses Auswegs s. Gareis, Anm. 1 zu HGB. § 310; für Aktiengesellschaften s. HGB. § 310, für Kommandit­ gesellschaften § 320 Abs 3, für ein­ getragene Genossenschaften s. EinsG. z. HGB. Art. 10 XI § 95 Abs. 2, für G. m. b. H. s. EinsG. z. HGB. Art. 11 XXII § 76. 2 Vgl. Lästig im Hdbch. Bd. 1 §§ 75,78,80 ff. (compagnia palese); Behrend, Lehrb. § 63 Anm. 1. GUGesch. S. 271 ff. Vgl. auch oben § 23 S. 112 und Anm. 2 auf der­ selben Seite. 3 Auch Kollekrivgesellschaft, fran­ zösisch societe en nom collectif

(Code de commerce art. 20), mit­ unter auch kurzweg Handelskom­ pagnie oder dergl. genannt. 1 HGB. § 1 Abs. 2 Nr. 1—9, §§ 2,105 mit Anm. 2 bei G a r e i s, HGB. Über den hier obligatorischen Zweck des Unternehmens s. a. oben § 24 I S. 116. HGB. § 4. S. oben §1211 S. 45. 6 HGB. § 2. S. oben § 8 S. 34__ 35 7 HGB. § 19 Abs. 1, § 105. S. auch oben § 16 S. 66 ff. u. § 24 V S. 118 ff. s Gareis, HGB. Vorbemerkung von § 105 S. 109, 110.

138

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern r) irgendwie beschränkt ist, vielmehr extern jeder Gesellschafter für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Gesamtschuldner ^solidarisch) *) und persönlich (d. i. mit seinem ganzen Vermögen) haftet — eine Bestimmung, welche durch eine entgegengesetzte Verabredung nicht mit Wirkung gegen Dritte ausgeschlossen werden kann. Die offene Handelsgesellschaft entspringt stets auS einem Vertrage, nämlich dem Gesellschaftsvertrage, und die für diesen geltenden Regeln des gewöhnlichen bürgerlichen Rechts-^) finden auch auf die offene Handelsgesellschaft Anwendung, soweit nicht das positive Handelsrecht Abweichungen vorschreibt;4) letztere haben ihren Grund in der größeren Geschlossenheit lFirmenrecht, relative juristische Persönlichkeit) und in der regelmäßig durch das wirtschaftliche Bedürfnis geforderten längeren Dauer dieser Gesellschastsart im Vergleich mit den nichthandeltreibenden Gesellschaften. Aus der prinzipiellen Unterordnung des die offene Handels­ gesellschaft begründenden Vertrags unter das allgemeine bürgerliche Recht ergibt sich vor allem, daß für den Abschluß des Vertrags keine besondere Form vorgeschrieben ist. Die Notwendigkeit, von der sonst für genügend erachteten Formlosigkeit abzuweichen und eine gesetzlich bestimmte Form zu wählen, liegt vor: a) wenn ein Gesellschafter sich in jenem Vertrage verpflichtet, ein Grundstück in die Gesellschaft einzubringen — dann muß, wenn dieser Gesellschafter verpflichtet sein soll, daS Eigentum an dem Grundstück auf die Gesellschaft zu übertragen, der Vertrag gerichtlich oder notariell beurkundet werden;^) und b) wenn die Gesellschafter die ihnen obliegende obligatorische Anmeldung zum Handelsregister nicht persönlich bei dem Gerichte bewirken — dann müssen sie sämtlich6) die Anmeldung mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Inhalte7) schriftlich errichten und in

1 Gegenüber denMitgesellschaftern kann die Haftung vertragsmäßig be­ schränkt werden, s. unten S. 139,140. 2 HGB. §§ 105, 128. BGB. §§ 421 ff. 8 BGB. §§ 705-740. Die Ge­ sellschaft ist hienach auch als ein Gesamthandverhältnis zu konstruieren. S. auch unten § 27 S. 146, 147.

4 HGB. § 105 Abs. 2. 5 BGB. § 313 mit § 128, und mit EinfG. Art. 141,142. Ebenso ist der Fall der Übertragung des gegenwärtigen Vermögens oder eines Bruchteiles desselben nach BGB. § 311 zu behandeln. " HGB. § 108. I 7 HGB. § 106.

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Offene Handelsgesellschaft.

Innere Rechtsverhältnisse.

§ 26.

139

einer öffentlich beglaubigten Form ebenso dem Gerichte einreichen, wie diejenigen Gesellschafter, welche die Gesellschaft vertreten sollen, mangels persönlichen Erscheinens vor Gericht, die Firmen­ zeichnung in öffentlich beglaubigter Form einzureichen haben?) Über die Vorschrift und Bedeutung der Registrierung 1 2) der

offenen Handelsgesellschaft und über deren Entstehung überhaupt f. oben § 24 VI A und B Seite 120 und 122.

§ 26. II. Innere NechtSverhältnisse.

Welche Rechte und Pflichten das einzelne Mitglied einer offenen Handelsgesellschaft gegenüber den andern Mitgliedern der­ selben haben soll, richtet sich in erster Linie nach dem Gesellschaftsvertrage;3) dieser ist bis an die Grenze der Gültigkeit der Verträge überhaupt und bis an die Grenze der Sittlichkeit ins­ besondere^) souverän: so können z. B. über die Arbeits­ beteiligung der Gesellschafter, sowie über Nichtmittragen von Verlust oder über verschiedenes Maß des Verlusttragens etwa zu Gunsten der vorzugsweise mit Arbeit beteiligten Mitglieder in durchaus wirksamer Weise Vereinbarungen im Gesellschafts­ verträge getroffen sein. Nur muß der Gesellschaftsvertrag das Wesen eines solchen festhalten und darf nicht, wenn er eine Ge­ sellschaft begründen soll, eine dem Wesen der Gesellschaft widersprechende Bestimmung enthalten; demnach kann zwar einer­ seits vereinbart werden, daß, wenn ein bestimmtes Mitglied in­ folge der extern nicht zu beseitigenden persönlichen Haftung einen Vermögensnachteil über eine bestimmte Höhe hinaus erleiden sollte, die übrigen Mitglieder ihm diesen ersetzen; ja es kann 1 HGB. §§ 108, 12, und was die Beglaubigung anlangt, EinfG. zum BGB. Art. 141; Gareis, HGB. § 12 Anm. 2. 2 HGB. 88 106—108, 12 (Form d. Anmeldung), 13 (Zweignieder­ lassung), 14 (Ordnungsstrafen), 15 (Wirkung der Bekanntmachung) und hiezu noch die besondere Wirkung der Registrierung eines formellen Handelsgewerbebetriebes nach § 2 d. HGB. Gareis, HGB. Anm. 4

! hiezu, S. 15 und oben 8 8 S. 34 bis 35 und 8 24 VI S. 124. | 3 HGB. § 109; in zweiter Linie stehen sodann die dispositiven Vor; schristen der 88 100 -122 d. HGB. | und in dritter Linie die des ge| wohnlichen bürgerlichen Rechts. 4 BGB. 88 134, 138; unzulässig ist auch ein Verstoß gegen das öffentlicheRecht z.B. willkürlicherAusschluß (anderss.unt.S.155,158). Staub, HGB. (v. 1861) Art. 103 § 5. 5. Aufl. S. 185.

140

Kap. H.

Die Personen im Handelsrecht.

auch die gänzliche Befreiung eines Mitglieds von jedem finanziellen Verlust intern verabredet werden, und es ist eine solche kon­ ventionelle Privilegierung eines Mitglieds keineswegs notwendig eine Schenkung, sondern möglicherweise die wirtschaftlich ganz angemessene Gegenleistung für wichtige Dienste, die das so aus­ gezeichnete Mitglied der Gesellschaft etwa vermöge besonderer Kenntnisse, technischer Erfahrungen, patentfähiger Erfindungen und dgl. geleistet oder vertragsmäßig zu leisten hat; aber es ist andererseits mit dem Wesen der Gesellschaft nicht zu ver­ einigen, daß ein Mitglied von jedem Gewinne ausgeschlossen sein soll, und ebensowenig, daß ein Mitglied gar keinen Betrag, auch nicht einen Dienst also/) an die Gesellschaft zu leisten haben soll?) Wird, was demnach vollkommen zulässig ist, vereinbart, daß ein Gesellschafter nicht über seine Einlage hinaus intern haften soll, so nimmt dieser Gesellschafter im Innern der Gesell­ schaft die Stellung eines Kommanditisten ein,31)2 wenigstens was jene Haftung anlangt, während im übrigen seine Rechte im Gesell­ schaftsleben verschieden geregelt sein können, wie denn überhaupt die Geschäftsführung durch Vertrag einem oder mehreren der Mit­ glieder zugewiesen und diese darin an vereinbarte Grenzen in örtlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht gebunden sein können, freilich, ohne daß dieser Bindung nach außen hin volle Wirkung zukommen kann?)

A) Ist im Gesellschaftsvertrage nichts anderes bestimmt, so hat das Mitglied einer offenen Handelsgesellschaft folgende Pflichten gesellschaftsrechtlich zu erfüllen:

1. Jeder Gesellschafter hat seinen vereinbarten Beitrag recht­ zeitig zu leisten;6) handelsrechtlich ist bei Geldeinlagen die von Rechts wegen vom Tage der Wichtigkeit der Einzahlung an 1 BGB. § 706 Abs. 3. 4 HGB. § 125 mit § 126 einer­ 2 Der „Löwenvertrag" (die socieund §§ 114—119 andererseits. tas leonina) ist also in dem Sinne 5 BGB. § 706. Vertretbare oder tg, daß einem Mitgliede die verbrauchbare Sachen (vgl. HGB. stgesahr intern abgenommen v. 1861 Art. 91) sind nach BGB. werden kann, nicht aber in dem im Zweifel in das gemeinschaftliche Sinne, daß ein Mitglied, wie in Eigentum der Gesellschafter einzu­ der Fabel der Esel, von jedem Ge­ bringen, nach HGB. § 124 aber in winn ausgeschlossen ist, der „Esel" das Eigentum der Gesellschaft. Es bedarf jedoch, um dies zu erreichen, wäre vielleicht Schenker, der Schen­ kungsvertrag ist aber kein Gesellimmer noch desjenigen Ubertraschaftsvertrag. gungsaktes, welcher nach der Natur 3 HGB. § 161. des Gegenstandes zur Rechtsüber-

S

Offene Handelsgesellschaft.

Innere Rechtsverhältnisse.

§ 26.

141

laufende Verzinsungspflicht eigentümlich?) Entsteht durch die Saumseligkeit weiterer Schaden, so ist auch dieser von ihm zu ersetzen?) 2. Bei Erfüllung der gesellschaftlichen Verpflichtungen hat der Gesellschafter für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt?) 3. Hat ein Gesellschafter Geld für die Gesellschaft ein­ genommen, und liefert er dies nicht rechtzeitig an die Gesellschafts­ kaffe ab, oder entnimmt er unbefugt Geld aus dieser Kaffe, so tritt die gesetzliche Verzinsungspflicht ebenfalls von Rechts wegen und ohne Mahnung von dem Tag an ein, an dem die Ablieferung hätte geschehen sollen oder das Geld entnommen worden ist?) 4. Jeder Gesellschafter hat das gesetzliche oder vertrags­ mäßige — erweiterte oder eingeschränkte — Konkurrenzverbot zu beobachten?) hievon s. oben 8 14 2 S. 57; von dieser Ver­ pflichtung, welche mit dem Beginne der Liquidation der Gesell­ schaft erlischt?) kann ein Beschluß der Gesellschafter entbinden?) tragmuj erforderlich ist, also bei Fayrhabe der Übergabe (BGB. 929 ff.) und bei Grundstücken der Auflassung (BGB. §§ 925 ff., 873 ff.). Die Bedeutung der Inventarisierung (HGB. v. 1861 Art. 91 Abs. 2) ist nach ZPO. § 286 Sache der richter­ lichen Würdigung. 1 HGB. § 111. Zinssus; gesetz­ lich 5 °/0; s. HGB. § 352, auch im Falle des § 121 Abs. 2 Satz 2 mit Anm. 4 beiGareis, HGB. S. 120. Zur Erhöhung seiner Einlage oder zur Ergänzung der durch Verlust verminderten Einlage ist ein Gesell­ schafter weder nach BGB., noch nach HGB. (ohne besonderen Vertrag) verpflichtet. BGB. § 707. 2 HGB. § 111, mit Anm. 3 u. 4 hiezu bei Gareis, HGB. S. 114. • BGB. § 708; dies ist hier des­ halb hervorzuheben, weil es zweifel­ haft sein könnte, ob der geschäfts­ führende Gesellschafter nicht vielleicht nach HGB. § 347 für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ein­ zustehen habe; die obige Regel, von

der freilich der Vertrag abweichen kann, ergibt sich aus Abs. 2 des angef. £ 347. Gareis, HGB. Anm. 3 hiezu, S. 319 und Denkschr. S- 3180. (D. II S. 82). Der präsumtive Ausschluß der Kom­ pensation von günstigen und un­ günstigen Folgen des Handelns eines Gesellschafters versteht sich auch ohne besondere gesetzliche Vor­ schrift wie sie Art. 94 des HGB. v. 1861 enthielt. S. Denkschr. a.a.O. 4 HGB. H 111 und weaen des weiteren Schadens s. oben Anm. 2. 5 HGB. § 112. Wegen des Be­ griffs „Handelszweig" und „gleich­ artig" s. G a r e i s, HGB. Anm. 1 u. 2 zu § 112 S. 112. 6 ROHG. 21 S. 145. 7 Hinsichtlich der Reaktion gegen das Überschreiten jene- Verbots, welche nur auf Beschluß der Gesell­ schafter eintreten kann (HGB. § 113 Abs. 2), s. oben § 14 S. 57,58. Mög­ licherweise tritt auch Auflösung der Gesellschaft oder Ausschließung des

142

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

5. Jeder Gesellschafter hat sich, soweit der Gesellschaftsver­ trag nichts anderes bestimmt, mit der Führung der Geschäfte der Gesellschaft sorgfältig zu befassen/) sich aber auch aller der­ jenigen Geschäftsführungshandlungen zu enthalten, zu denen er nicht zuständig ist,2* )1 und insbesondere derer, gegen welche mit Fug von anderen Gesellschaftern Widerspruch erhoben ist.3)4 6. Kein Gesellschafter darf seinen Gesellschaftsanteil ohne Zustimmung der anderen an einen Dritten abtreten oder einen Dritten ohne jenen Konsens in die Gesellschaft aufnehmen/) 7. Im Falle des ungünstigen Abschlusses der Rechnung eines Geschäftsjahrs hat jeder Gesellschafter den auf seinen An­ teil entfallenden Verlust zu tragen?) B) Vorbehaltlich anderer Vertragsfestsetzung stehen jedem Mitgliede einer offenen Handelsgesellschaft folgende Rechte ge­ sellschaftsrechtlich zu:

1. Jeder Gesellschafter hat, rechtzeitige Rechnungsablage vor­ ausgesetzt?) gegen die Gesellschaft Anspruch auf: a) Ersatz der Aufwendungen und Auslagen, die er in Ge­ sellschaftsangelegenheiten machte, und die er nach seinem sorg­ fältigen Ermessen den Umständen nach für erforderlich halten durste, — hiezu gehört den Umständen nach auch die Abnahme von Verbindlichkeiten, die er unter denselben Voraussetzungen übernahm; b) Ersatz der Verluste, welche er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, die mit ihr untrennbar verknüpft sind, erlitten hat, und c) Zahlung von Zinsen (5 °/0, wenn nichts anderes verein­ bart ist) aus den der Gesellschaft vorgeschossenen oder für sie ungetreuen Gesellschafters ein. HGB. § 113 Abs. 4 mit §§ 133, 140. 1 HGB. § 114 Abs. 1 mit dem oben unter Nr. 2 u. Anm. 3 S. 141 hiezu Gesagten. 2 HGB. § 114 Abs. 2 mit §§ 115, 117. 3 HGB. § 115 Abs. 1 u. 2, auch §§ 116 u. 117. 4 Es gilt auch für die offene Handelsgesellschaft vollständig das, was BGB. § 717 bestimmt. Ver­ schieden von dem hiemit Verbotenen ist die Heranziehung eines Unter­

beteiligten oder stillen Gesellschafters, welcher keine eigenen Rechte gegen die Gesellschaft selbst gewinnt. S. ROHG. Bd. 23 S. 121, 122; RGer. Bd. 1 S. 76 ff., Bd. 25 S. 88. Hinsichtlich des Beitritts von Erben eines Gesellschafters s. nun HGB. § 139. 6 HGB. 8120. Die Auseinander­ setzung unter den Gesellschaftern ist ausgeschoben s. unten S. 143 Anm. 2. 6 Vgl. ROHG. Bd. 16 S. 48 u. Bd. 22 S. 180, 183.

Offene Handelsgesellschaft.

Innere Rechtsverhältnisse.

§ 26.

143

von ihm aufgewendeten Geldern vom Tage des Vorschusses, bezw. der Aufwendung an.1)2 Diese Ansprüche richten sich gegen die Gesellschaft, können aber auch, wie jede andere Gesellschaftsschuld, gegen jeden ein­ zelnen Gesellschafter geltend gemacht werden?) 2. Jeder Gesellschafter hat Anspruch auf Vergütung (Hono­ rierung) für seine für die Gesellschaft vorgenommenen Arbeiten, Dienstleistungen und Bemühungen, vorausgesetzt, daß eine solche Vergütung ausdrücklich vereinbart oder den Umständen nach die Dienstleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten war,3)4 namentlich wenn und weil sie nicht kaufmännischer Art und nicht ohne besondere Berufsbildung auszuführen war?) 3. Jeder Gesellschafter hat einen Dividendenanspruch, der sich richtet: a) auf Kapitaldividende5) (4 °/0 6) oder weniger)7) und b) auf Personal- oder Arbeitsdividende,s) verteilbar nach Köpfen, der aber stets (d. h. bei a und b) voraussetzt, daß ein wirklicher Gewinn sich am Schlüsse des Geschäftsjahrs ergibt,0) und der nicht auf sofortige und vollständige Auszahlung, sondern, zunächst wenigstens, nur auf Gutschrift des ermittelten Jahres­ gewinnanteils gerichtet ist.10) 4. Jeder Gesellschafter hat ein gewisses begrenztes Geld­ erhebungsrecht,11) nämlich bis zu 4 % seines für das letzte

Abs. 3 des Art. 93 des HGB. v. 1 HGB. 8 HO. 2 HGB. 8 128, anders NLHG. j 1861 ausgesprochen hatte, findet sich im neuen HGB. nicht. S. hiezu Bd. 13 S. 144; hiezu s. jedoch wegen des Ausschlusses des Rückgriffs Gareis, HGB. S. 110—111. 5 HGB. § 121 Abs. 1 Satz 1, während der Dauer der GesellAbs. 2 mit tz 120 Abs. 1. fchaft das mir Rücksicht aus den hier " Abweichend vom BGB. s. vorige nicht anwendbaren § 426 des BGB. Anm.; diese 4% belasten jedoch in D. II Seite 94 und bei nicht das Konto der Gesellschaft, Gareis, HGB. Anm. 1 zu 8 128 S. 128 Gesagte. Der Geltend­ | wenn kein Gewinn gemacht wurde machung des Regresses eines exe- i (im Gegensatze zu Art. 106 deS HGB. v. 1861); vgl. HGB. § 215 quierten Gesellschafters gegen ein­ zelne andere Mitglieder der Gesell­ Ab,. 1. 7 HGB. § 121 Abs. 1 Satz 2. schaft während der Dauer der letzteren dürste übrigens in der ' HGB. 8 121 Abs. 3. 0 Geschäftsjahr, nicht notwendig Regel auch BGB. § 707 (= HGB. v. 1861 Art. 92) entgegenstehen. Kalenderjahr. 10 HGB. § 120 Abs. 2 Satz 1. 8 BGB. 8 612. 4 Der präsumtive radikale Aus­ 11 HGB. § 122. schluß der Honorierung, welchen

144

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Kalenderjahr festgestellten Kapitalanteils, sowie das Recht, die Auszahlung seines den bezeichneten Betrag (jene 4 °/0) übersteigen­ den Anteils am Gewinne des letzten Geschäftsjahres zu ver­ langen, sofern die Ausübung dieses Rechts nicht zum offenbaren Schaden der Gesellschaft gereicht. 5. Jeder Gesellschafter ist, sofern nichts anderes im Gesellschaftsvenrage bestimmt ist,1)2 zur 3 4 Führung der Geschäfte der Ge­ sellschaft nach innen und außen zu berechtigt;?) ein Recht, welches mit voller Wirkung gegen Dritte nur unter Eintragung in das Handelsregister eingeengt oder ausgeschlossen,^) gegen den Willen des einzelnen Gesellschafters diesem nur durch eine auf Antrag aller übrigen Gesellschafter erlassene gerichtliche Ent­ scheidung aus einem wichtigen Grunde, insbesondere wegen grober Pflichtverletzung oder wegen Unfähigkeit, entzogen werden kann?) Näheres über die Ausübung und Einschränkung dieses Rechts s. oben § 24 II und III S. 116 ff. 6. Jeder Gesellschafter hat Stimmrecht: es ist ein mit dem Wesen der offenen Handelsgesellschaft zusammenhängendes, aber immerhin bis zu einem gewissen Grade durch Vertrag modifizier­ bares Prinzip, daß es für die von den Gesellschaftern zu fassen­ den Beschlüsse der Zustimmung aller zur Mitwirkung bei der Beschlußfassung berufenen Gesellschafter bedarf; es kann aber

1 HGB. §§ 114 Abs. 2,125 Abs.1, letzter Halbsatz. 2 Vgl. oben S. 117 f. und HGB. §§ 114 Abs. 1, 125 Abs. 1; und zwar ist es im Zweifel nicht Kollektiv­ berechtigung, sondern Einzelberechti­ gung, jedoch mit Vetorecht eines jeden (§ 115 Abs.. 1); ist Gesamt­ vertretung vereinbart, so gilt im weifet das Einhelligkeitsprinzip i§ 115 Abs. 2, 119 Abs. 1), jedoch mit Ausnahme des Gefahrfalles {§ 115 Abs. 2 l. Halbsatz); Unter­ schied zwischen gewöhnlichem Betrieb und außergewöhnlichen Handlungen, s. § 116 Äbs. 1 u. 2. Prokuristen­ bestellung und -abberufung § 116 Abs. 3. 3 HGB. § 125. 4 HGB. §§ 117,127. Es besteht aber hierin ein wichtiger Unterschied

«

zwischen dem (neuen) Handelsrechte und dem BGB. insofern, als nach dem ersteren die Vertretungsbefugnis nicht durch einfachen Beschluß der übrigen Gesellschafter (wie nach BGB. § 712 Abs. 1), sondern nur durch Richterspruch entzogen werden kann. Denkschr.S.3185. (D. IIS. 93.) Auch insofern besteht ein Unter­ schied, als nach dem BGB. § 715 die Vertretungsmacht, wenn sie in Ver­ bindung mit der Befugnis zur (internen) Geschäftsführung erteilt worden ist, nur mit dieser entzogen werden kann, während dieser Zu­ sammenhang nach HR. nicht besteht. Denkschr. a. a. O. Der Gesell­ schafter kann seinerseits die Ge­ schäftsführung kündigen nach BGB. § 712 Abs. 2. 6 Also wenn die Befugnis zur

Offene Handelsgesellschaft.

Äußere Rechtsverhältnisse.

§ 27.

145

das Einhelligkeitsprinzip statutarisch durch das Majoritätsprinzip ersetzt sein?) 7. Jeder Gesellschafter hat das Recht ständiger persönlicher Äontrolle.'-)

§ 27. III. äußere Nechtsvrrhaltnisse.

L Die offene Handelsgesellschaft ist wie alle andern (echten) Handelsgesellschaften rechtsfähig^) (s. oben § 24 I, S. 115), aber diese Rechtsfähigkeit ist (wie ebenfalls oben, S. 116 erwähnt) beschränkt auf den Umkreis der Rechtsverhältnisse, für welche oder innerhalb deren Handlungen unter der Firma4) vorgenommen werden, eine Einschränkung, welche ihren Ausdruck in der Be­ zeichnung der offenen Handelsgesellschaft als einer „relativen (ö. h. nur in gewissen Beziehungen anzunehmenden) 6) juristischen Person" findet. „Unter ihrer Firma" kann fie auch dingliche Rechte an Grundstücken erwerben/) vor Gericht klagen (die (Gesellschaft des gewöhnlichen bürgerlichen Rechts — BGB. Geschäftsführung nicht allen, sondern nur einigen der Gesellschafter kollektiv zusteht, nur der geschäftsführenden, sofern die Handlung im gewöhnlichen Betriebe liegt, andernfalls aber aller (§§ 115 Abs. 2,119). 1 HGB. § 119 Abs. 2 wie BGB. § 709 Abs. 2. 1 Nach Maßgabe näherer gesetz­ licher Bestimmung, die nicht dem Handelsrechte eigentümlich, sondern allgemein besteht: BGB. § 716 — HGB. 8 118, mit Anm. 3 hiezu bei Gareis, HGB. S. 118. 3 HGB. § 124; über die Kon­ troverse wegen der Persönlichkeit s. Gareis, HGB. Anm. 1 zu 8 124 S. 122, 123 und die dort ange­ gebene Literatur. 4 Über die Firma der offenen HGesellschaft s. HGB. 8 19 u. oben 8 16 S. 167, 8 24VS. 118f. Die Gareis, Handelsrecht.

7. Aufl.

{ ! | 1 1 I

geschichtliche Bedeutung der Firma für diese Gesellschaftsform s. oben 8 23 I L S. 111, 112 und die praktische s. u. a. unten 8 106 Ziff. 5 Anm. 5 So schon F. Dahn, Handels­ rechtliche Borträge, 1875 S. 67 ff. Gareis, HGB. Anm. 2—7 zu 8124 S. 123—125 und oben 8 241 S. 115 mit Anm. 3—5 daselbst u. S. 115 Anm. 6—7. 6 Vgl. Grundbuchordnung vom 24. März 1897 8 33 Abs. 2. Gesell­ schaften, die nicht rechtsfähig sind, können nicht unter ihrem Namen Grundstücke erwerben; letztere können niemals auf den Namen eines nicht rechtsfähigen Vereins oder einer nicht wenigstens alS relative juristi­ sche Person geltenden Gesellschaft eingetragen werden, sondern nur auf den Namen der Mitglieder oder einzelner derselben. 10

146

Kap. II. Die Personen im Handelsrecht.

§ 705 — kann letzteres nicht) *) und verklagt werden, ') und es kann eine Zwangsvollstreckung gegen das Gesellschaftsvermögen direkt gerichtet werden, vorausgesetzt, daß ein vollstreckbarer Schuldtitel, der gegen die Gesellschaft selbst gerichtet ist,8) vorliegt. Die relative juristische Persönlichkeit und die damit zusammenhängende Selbständigkeit des Gesellschastsvermögens beginnt schon mit der tatsächlichen Geschästseröffnung41) *2 vor ** * 8 der Eintragung, sofern nicht letztere wegen des nur formell-handelsrechtlichen Charakters des vorliegen­ den Gesellschastsunternehmens notwendig vorausgehen muß, damit die Gesellschaft überhaupt als Handelsgesellschaft gellen kann?) Dieselbe Eigenschaft der Gesellschaft und die sich daran anschließende Selbständig1 Nicht rechtsfähige Gesellschafter sind als solche prinzipiell nicht parteisähig im Prozesse (FischerHenle, BGB. Anm. 2 zu § 54), eine Ausnahme s. aber folgende Anmerkung. 2 Verklagt werden kann übrigens auch ein nicht rechtsfähiger Verein des gewöhnlichen bürgerlichen Rechts unter seinem Namen, wie wenn er rechtsfähig märe, und ebenso kann aus Gründ eines gegen einen nicht­ rechtsfähigen Verein ergangenen Ur­ teils die Zwangsvollstreckung in das Bereinsvermögen erfolgen, kraft neuerer Bestimmungen der revi­ dierten ZPO. §§ 50, 735 und der KonkO. § 213. Vgl. FischerHenle, BGB. Anm. 2 zu § 54. 8 Gegen die Gesellschaft selbst: — damit ist ein wichtiger Unterschied gegenüber der Haftung des Ver­ mögens einer Gesellschaft des ge­ wöhnlichen bürgerlichen RechtS fest­ gestellt; bei der letzteren ist die Zwangsvollstreckung in daS Gesell schastSvermögen (nämlich das unge­ teilte gemeinsame Vermögen der Genossen, BGB. §§ 718, 728 u. a.) auf Grund eines gegen sämtliche Gesellschafter vollstreckbaren Schuld­ titels möglich, auch wenn nicht eine Gesellschaftsschuld, sondern eine andere Gesamtschuld dieser Gesell­ schafter, z. B. eine Bürgschaft der­ selben nach BGB. § 769, — zu

Grunde liegt. Das Gesellschaftsver­ mögen einer offenen Handelsgesell­ schaft aber kann wegen einer solchen Privatschuld der einzelnen Gesell­ schafter, und sollten sie sich diese auch alle zusammen gemeinsam aus­ geladen, jedoch nicht als Gesellschafts­ schuld zu tragen haben, nicht in Anspruch genommen werden. „Der nach außen wirksamen Selbständig­ keit des Gesellschastsvermögens, ins­ besondere der Zulassung eines be­ sonderen Gesellschastskonkurses (KO. § 209), welcher nur zur Befriedi­ gung der Gesellschaftsgläubiger dient, entspricht es, daß das Gesellschafts­ vermögen überhaupt dem unmittel­ baren Zugriffe der Privatgläubiger der Gesellschafter entzogen wird, selbst wenn für die Schuld alle Ge­ sellschafter hasten. Bilden z. B. dieselben Personen mehrere offene Handelsgesellschaften oder Komman­ ditgesellschaften, so dürfen nicht die Gläubiger der einen Gesellschaft das Vermögen der andern in Anspruch nehmen." Denkschr. S. 3183 bis 3184;, 4 Uber Eröffnungshandlungen s. ROHG. Bd. 1 S. 132, 261, Bd. 7 S. 431, Bd. 12 S. 407-413, Bd. 13 S. 375, Bd. 15 S. 426 ff. 6 HGB. §§ 2, 123 Abs. 2. Hiezu s. ausführlich oben Z 8 S. 34 und § 24 VI S. 121 ff.

Offene Handelsgesellschaft.

Äußere Rechtsverhältnisse.

§ 27.

147

feit des Vermögens, welches vollkommen von der Rechtssphäre der einzelnen Gesellschafter getrennt gehalten wird, tritt in zahlreichen Vorschriften des Gesetzes hervor;*) daß eine Verfügung deS einzelnen Gesellschafters über seinen Anteil an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen und der Zugriff der Privatgläubiger eines Mitglieds auf solche Gegen­ stände unzulässig sein muß, ergibt sich übrigens auch aus dem dem neuen Gesellschaftsrecht überhaupt zu Grunde liegenden Prinzipe der gesamten Hand und hat eine Reihe von praktischen Folgen.")

II. Damit ein Rechtsgeschäft die direkt die Gesellschaft berechtigende und verpflichtende Wirkung erzeugen kann, ist, ab­ gesehen davon, daß dasselbe notwendig unter der Firma ab­ geschlossen sei und in das Bereich der unter der Firma abschließ­ baren Geschäfte fallen muß, notwendig, daß es von einem zur Vertretung der Gesellschaft Berechtigten, sei dieser nun ein „ge­ borener Vertreter" — präsumtiv find dies alle Gesell­ schafter — oder ein „bestellter Vertreter", d. i. ein Prokurist oder sonstiger Handlungsbevollmächtigter, abgeschlossen wird/) Im Gesellschaftsvertrage ist die Anordnung einer Ge­ samtvertretung, ferner die einer Arbeitsteilung neben der Gesamt­ vertretung, ferner die der gleichzeitigen Mitwirkung eines bestellten Vertreters, nämlich eines Prokuristen, neben einem oder mehreren geborenen Gesellschaftern möglich;6) aber alles dieses, sowie ins­ besondere die Ausschließung eines Gesellschafters von der Ver­ tretung^) ist registerpflichtig und kann von der Gesellschaft Dritten nicht entgegengesetzt werden, wenn es nicht in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht ist oder dem 1 BGB. §§ 718-722, 725; s. auch oben § 25 Anm. 4 S. 138. Vgl. Gareis, HGB. 8 124 Anm. 1-8 (S. 119—121 u. § 129 Anm. 1—4; s. auch unten S. 149 s. 2 Vgl. vorige Anm., auch Denkschr. L. 3184 (D. II S. 90) u. s. unten S. 150 ff. Durch die in Konsequenz des genannten Prinzip- ausgestellten Vorschriften des Gesellschcistsrechls des allgemeinen bürgerlichen Rechts wurde eine Reihe von besonderen Regeln des seitherigen Handels­ rechts, insbesondere die Art. 119 bis 121, überflüssig. 3 Von der Fähigkeit, aus uner­ laubten Handlungen verpflichtet zu

werden, ist oben § 24 I S. 115 f. gesprochen worden. 4 Von der Vertretung und Bertretungsmacht, sowie von den be­ schränkten Wirkungen der Beschrän­ kungen ist oben 8 24II bis IV S. 116—118 gesprochen worden. 5 HGB. 8 125 mit Anm. 1—7; hiezu bei Gareis, HGB. S. 122 dis 123. 0 Über die (nur gerichtlich mög­ liche) Ausschließung eines Mitgliedes von der Vertretung der Gesellschaft s. HGB. 88 117, 127 mit der Anm. bei Gareis, HGB. S. 114, 115, 124, u. s. oben 8 26 L 5 S. 144 mit Anm. 4.

148

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Dritten trotz des Mangels dieser Bekanntmachung doch bekannt ttmr.1)* 3Hat 4 eine offene Handelsgesellschaft mehrere Haupt- oder Zweig-Niederlassungen, die unter verschiedenen Firmen betrieben werden, so ist eine Beschränkung der Bertretungsmacht der ein­ zelnen Mitglieder auf den Betrieb der einen oder anderen dieser Niederlassungen ebenso wie in dem analogen Falle diese Ein­ schränkung der Prokura rechtlich zulässig?) HI. Die Gesellschaftsschulden lasten auf dem Gesellschafts­ vermögens) aber es hastet, wie erwähnt/) auch jeder einzelne Gesellschafter den Gläubigern5) rechtsnotwendig6)* als Gesamt­ schuldner ') persönlich8) und zwar nicht etwa bloß subsidiär, sondern ganz nach Wahl des Gläubigers auch in erster Linie, und diese Prinzipale Gesamtschuldnerhaftung des einzelnen Gesell­ schafters wird nach der Konkursordnung9) erst dann zur nur subsidiären Haftung, wenn sowohl über das Vermögen der Gesellschaft, als auch über das des betreffenden Gesellschafters der Konkurs eröffnet ist. Folglich sind die Ansprüche der Gesellschastsgläubiger gegen diejenigen Gesellschafter, über deren Ver­ mögen nicht gleichfalls der Konkurs eröffnet ist, nicht auf den Ausfall beschränkt, den die Gesellschaftsgläubiger im Konkurse erleiden, und es wird die Geltendmachung der vollen Ansprüche von Gesellschaftsgläubigern gegen zahlungsfähige Gesellschafter keineswegs durch die Eröffnung des Gesellschaftskonkurses gehindert oder beschränkt? 0) Ist aber der Konkurs über das Privat­ vermögen eines Gesellschafters eröffnet, so können darin die Gesellschastsgläubiger, wenn das Konkursverfahren über das Gesellschaft-vermögen eröffnet ist, Befriedigung nur wegen des­ jenigen Betrags suchen, für welchen sie in dem letzteren Ver­ fahren keine Befriedigung erhalten haben; bei den Verteilungen im Konkursverfahren über das Privatvermögen sind die Anteile 1 HGB. § 125 Abs. 4 mit HGB. 8 15. 8 HGB. 88126 Abs. 3, 50 Abs. 3; vgl. oben 8 22 S. 105. 3 HGB. 8 124. 4 S. oben 8 25 S. 138 ff., § 26 S. 142. 6 Auch wenn sie selbst Gesell­ schafter sind; s. Gareis, HGB. 8 128 u. oben § 26 S. 143. 6 HGB. 88 128,130, auch 8 28.

7 BGB. 88 421 ff. s D. h. mit feinem ganzen Ver­ mögen BGB. 8 241 (nicht „in Per­ son" im Sinne des 8 267 d. BGB.). 9 KonkursOrd. § 212. 10 Vgl. Denkschr. S. 3186 (D. II S. 96). Aber es steht möglicher­ weise die Verjährungseinrede den Gläubigern entgegen; s. HGB. 8 159, Gareis, HGB. Anm. 2 hiezu S. 147.

Offene Handelsgesellschaft.

Äußere Rechtsverhältnisse.

§ 27.

149

auf den vollen Betrag der Gesellschaftsforderungen zurückbehalten, bis der Ausfall bei dem Gesellschaftsvermögen feststeht. x) Die Gesellschaft hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gerichte, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat;1 2) das Gericht, bei welchem ein einzelner Gesellschafter wegen einer Gesellschaftsschuld auf Grund der Gesamtschuldhaft verklagt werden kann, wird nach den für den Gerichtsstand dieses Beklagten maßgebenden Vorschriften bestimmt;3)4 und 5 6 wie zur Zwangsvollstreckung gegen das Gesellschaftsvermögen — wie erwähnt — ein gegen die Gesellschaft^) gerichteter vollstreckbarer Schuldtitel erforderlich ist, und ein gegen einen einzelnen Gesellschafter gerichteter nicht genügt, so ist zur Zwangsvollstreckung gegen das Vermögen eines einzelnen Gesellschafters ein gegen diesen gerichteter Schuldtitel erforderlich und ein gegen die Gesellschaft als solcher gerichteter Titel hiezu nicht geeignet?) Der Klage aus einer Gesellschafts­ schuld kann der damit belangte Gesellschafter diejenigen Gnwendungen entgegensetzen, welche in seiner Person begründet find, andere Einwendungen aber nur insoweit, als sie von der Gesell­ schaft selbst erhoben werden sönnen;tt) kann die Gesellschaft das Rechtsgeschäft, aus welchem ein Mitglied derselben nun vermöge des Gesamtschuldverhältnisses in Anspruch genommen wird, an­ fechten , z. B. wegen Irrtums oder wegen unrichtiger Über­ mittlung 8) oder wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung/) so kann der beklagte Gesellschafter zwar nicht selbst die Anfechtung vornehmen, wohl aber eine dilatorische Einrede geltend machen, er darf nämlich die Erfüllung solange verweigern, als der Gesellschaft da- Recht zusteht, das ihrer Verbindlichkeit zu Grunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten;10) ebenso gewährt

1 ftonfCrb. § 212 (neu). Im übrigen finden aus die bezeichneten Forderungen die Vorschriften der 8§ 64, 65 der KonkursOrd. entsprechende Anwendung. *3 HGB. § 106. ZPO. § 17. 3 ZPO. § 22. 4 HGB. § 124 Abs. 2 u. s. oben S. 146. 5 HGB. § 129 Abs. 4. Vgl. Gareis, HGB. Anm. 4 hiezu, S. 129. 6 Andererseits hat sowohl ein

; rechtsverbindliches Anerkenntnis der Gesellschaft als auch ein gegen sie ! ergangenes rechtskräftiges Urteil | die Wirkung, daß die Gesellschafts­ schuld als solche nicht bloß der Ge­ sellschaft gegenüber, sondern auch I deneinzelnenGesellschaftsmitgliedern ! gegenüber sestgesiellt ist; so Denkschr. S. 3184. ; 7 BGB. 88 119, 121, 122. * BGB. §8 120, 121, 122. ! \ 9 BGB. §§ 123, 124. ; 10 HGB. § 129 Abs. 2. Der Ge-

150

Kap. II. Die Personen im Handelsrecht.

daS Gesetz dem wegen einer Gesellschaftsschuld als Gesamtschuldner in Anspruch genommenen Mitgliede eine aufschiebende Nnrede in dem Falle, daß der Gesellschaft ihrerseits eine Forderung gegen den klagenden Gesellschaftsgläubiger zusteht, welche von der Ge­ sellschaft zur Auftechnung *) geltend gemacht werden könnte, wenn sie beklagt wäre; auch in diesem Falle kann der beklagte Gesell­ schafter die Beftiedigung des klagenden Gesellschaftsgläubigers in* solange verweigern, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung der Gesellschaft befriedigen kann; hat die Gesellschaft bereits vor der Inanspruchnahme des Gesell­ schafters seitens des Gesellschaftsgläubigers über die ihr gegen letzteren zustehende Forderung verfügt, so hat der beklagte Gesell­ schafter kein Recht mehr, die Befriedigung zu verweigern, vorher aber hat er die erwähnte aufschiebende Einrede.-) Auch im übrigen wird die Frage nach der Aufrechenbarkeit von Forde­ rungen der und gegen die Gesellschaft und von Forderungen der und gegen die Gesellschafter durch die von dem Prinzip der gesamten Hand geleiteten Vorschriften des gewöhnlichen bürger­ lichen Rechts beantwortet?) IV. Der Gesellschaftsvertrag bindet auch die außerhalb der Gesellschaft stehenden Personen und insbesondere auch die Privat­ gläubiger der einzelnen Gesellschaftsmitglieder, nämlich insofern, als sie die zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Sachen und Forderungen oder Anteile der Mitglieder am Gesellschaftsver­ mögen 4) nicht ohne weiteres zum Zwecke ihrer Befriedigung oder Sicherstellung in Anspruch nehmen können; aber um zu ihrer Deckung zu gelangen, können sie das fie hindernde gesellschaftliche

sellschaster wird also in dieser Be­ ziehung so gestellt wie nach BGB. § 770 Abs. 1 der Bürge: s. Denkschr. S. 3185 s. (D. II S. 94, 95). 1 BGB. §§ 387—396. 2 HGB. 8 129 Abs. 3. Auch in dieser Beziehung (vgl. obige Anm. 10) ist die Rechtsstellung des Gesell­ schafters so geregelt, wie es im BGB. § 770 für die Bürgschaft vorgesehen ist. Denkschr. S. 3186. Weg­ fall von Beschränkungen der Auf­ rechnung bei Auflösung der Gesell­ schaft s. unten Anm. 1 S. 151.

3 Das Ausrechnungsrecht ergibt sich aus dem Schema aus folgender Seite (in welchem G. die Gesell­ schaft, M. das Mitglied derselben, D. den Dritten bedeutet). 4 Ausgenommen sind Ansprüche aus der Geschäftsführung sowe.r deren Befriedigung vor der Aus­ einandersetzung verlangt werden kann (BGB. § 717) und Ansprüche auf einen Gewinnanteil nah allg. bürgerlichen Rechte (BGB. § 725). ‘

Offene Handelsgesellschaft.

Äußere Rechtsverhältnisse.

§ 27

151

Band zerreißen,*) das Mittel hiezu bietet ihnen das außer­ ordentliche Kündigungsrecht, welches ihnen wie vom allgemeinen bürgerlichen Rechte,-) so auch vom Handelsrecht, von letzterem allerdings unter erschwerenderen Bedingungen, zugestanden wird?) Hat ein Privatgläubiger eines Gesellschafters, nachdem innerhalb Schema.

«. klagt gegen D. wegen G. Forderung: ausrechenbar ist hiegegen: «Schuld D. g. G. (BGB. § 387). Nicht ausrechenbar ist hiegegen: Privatforderung D. g. M. (BGB. § 719 Abs. 2).

D. klagt gegen «. wegen «Schuld; ausrechenbar ist hiegegen: «Forderung «. g. D.

Nicht ausrechenbar ist hiegegen: Privatsord. M. g. D.

D. klagt gegen M. wegen «Schuld; ausrechenbar ist hiegegen: Privatsorderung M. g. D. Nicht ausrechenbar ist hiegeaen: «Forderung «. g. D., aber ausschieb. Einrede (HGB. § 129 Abs. 3).

Nicht ausrechenbar ist hiegegen: Privatsorderung anderer M. g. D. (BGB. § 422 Abs. 2).

D. klagt gegen M. wegen Privatforderung: ausrechenbar ist hie­ gegen: Privatsorderung M. g. D. Nicht ausrechenbar ist hiegegen: «Forderung «. g. D., auch nicht pro rata (BGB. § 719 Abs. 1). M. klagt gegen D. wegen Privatforderung; ausrechenbar ist hie­ gegen: Privatsorderung D. g. M.

Und ausrechenbar ist hiegegen: «Schuld D. g. G. (weil auch g. M., wegen HGB. § 128 und BGB. § 387). 1 Da mit dem Wegfall dieses Bandes, also mit der Auflösung der Gesellschaft, jene hindernde Zusammenschließung weafällt, ist dann auch Aufrechnung zwischen Forderungen der Gesellschaft und Privatforoerungen des Gesellschaftsschuldners gegen ein (gewesenes) Gesellschastsmüglied nicht mehr unzulässig, nämlich soweit die Gesellschastssorderung dem Mitgliede bei der Aus­

einandersetzung überwiesen worden ist, denn damit hört sie ja auf, eine Gesellschaftssorderung zu sein. 2 BGB. 8 725. 8 HGB. § 135, welcher das Kün­ digungsrecht zwar zeitlich doppelt einschränkt (zweimal 6 Monate), im übrigen aber die Kündigung im Vergleich mit Art. 126 d. HGB. v. 1861 in doppelter Hinsicht (s. die beiden folgenden Anm.) erleichtert.

152

Kap. n.

Die Personen im Handelsrecht.

der letzten sechs Monate eine Zwangsvollstreckung in das beweg­ liche Vermögen *) des Gesellschafters — gleichviel von wem1 2) — ohne zufriedenstellenden Erfolg versucht worden ist, die Pfändung und Überweisung des Anspruchs auf dasjenige erwirkt, was dem

Gesellschafter bei der Auseinandersetzung zukommt, so kann er (jener Privatgläubiger) die Gesellschaft sechs Monate vor dem Ablaufe des Geschäftsjahrs3)4 5für * diesen Zeitpunkt kündigen;^) vorausgesetzt wird dabei, ebenso wie nach allgemeinem bürger­ lichen Rechte, daß jene Pfändung und Überweisung auf Grund

eines nicht bloß vorläufig vollstreckbaren Schuldtitels B) erlangt werde, und gleichgültig ist, ob die Gesellschaft die sich übrigens ihren Fortbestand durch besonders beschlossene Ausscheidung jenes schuldnerischen Mitglieds retten kann,3) für bestimmte oder für unbestimmte Zeit eingegangen ist.7)8 * V. Jeder Neueintretende haftet für die Schulden und Vor­ schulden der Gesellschaft, und zwar ist hiebei zu unterscheiden: wird durch den Eintritt des Associes die Gesellschaft erst ge­ schaffen, so kann die Haftung des Neueintretenden mit Wirkung gegen Dritte abweichend geregelt werden, wenn die abweichende Vereinbarung in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder von einem Gesellschafter dem Dritten mitgeteilt worden ist.3) Tritt aber in eine bereits bestehende offene Handels­ gesellschaft ein neuer Associe ein, so kann die Haftung, welche gesetzlich von dem letzteren für alle vor seinem Eintritte be­ gründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft — ohne Unterschied, ob die Firma ö) eine Änderung erleiden muß, erleidet oder nicht — übernommen werden muß, Dritten gegenüber nicht durch ent­ gegenstehende Vereinbarung (auch nicht, wenn diese registriert oder mitgeteilt würde) ausgeschlossen oder eingeengt toerbcn.10) 1 Gareis, HGB. 8135 Anm. 3. 2 Gareis, ebenda Anm. 4. 3 Keine Kündigungsfrist s. BGB. 8 725. 4 HGB. § 135. 5 ZPO. §§ 700, 708—710, 794 u. 8o8. « HGB. § 141. 7 HGB. §§ 131 Nr. 1,132,134. 8 HGB. § 28 mit Anm. 1—6, bei Gareis, HGB. S. öl; vgl. auch oben § 15 S. 64, 65.

9 Vgl. oben § 16 (Firmenrecht) S. 69. 10 HGB § 130. Dies ist nicht bloß dann der Fall, wenn der Neu­ eintretende als offener Gesellschafter (nach dem Ausdrucke oder der sonst festgestellten Willensmeinung der Beteiligten) eintreten soll, sondern auch dann, wenn er als Komman­ ditist (s. unten §8 30, 37) eintritt, in welch letzterem Falle die Haftung aus den Betrag seiner Einlage be­ schränkt ist. S. HGB. §§ 28,171.

Auslösung der offenen Handelsgesellschaft ?c.

§ 28.

153

§ 28. IV. Auflösung der Gesellschaft, Ausscheiden einzelner, Liquidation und LlagrverjLhrung.

A. Auflösung. I. Bon den Gründen, aus denen das Gesellschastsverhältnis endigt, von der Verschiedenheit ihrer Wirkungsweise und der sich daraus ergebenden Einteilung der Auslösungsgründe ist bereits im allgemeinen gesprochen worden, s. oben § 24 VII S. 125 bis 128. In Anschluß daran und in Ergänzung der für alle Handelsgesellschaften aufgestellten Erörterungen ist von der Auf­ lösung der offenen Handelsgesellschaft insbesondere zu sagen: Die Auflösungsgründe sind: a) gesetzliche und b) richterliche. Alle gesetzlichen wirken so, daß durch sie die Gesellschaft aufgelöst wird, tatsächlich und von Rechts wegen (ipso jure); eine richterliche Entscheidung kann und bezw. muß dies auf An­ trag in jedem Falle des Eintritts eines solchen Auflösungsgrundes feststellen. Die sog. richterlichen (manchmal auch willkürliche genannt) aber bedürfen zu ihrer rechtlichen Wirksamkeit, nämlich zur Auf­ lösung der Gesellschaft stets einer gerichtlichen Entscheidung, sie wirken nur mit Hilfe dieser (ope judicis), weshalb man sie auch richterliche Auflösungsgründe nennen kann. Zu a) Die gesetzlichen Auflösungsgründe sind die drei bereits oben S. 125 ff. erörterten, als absolut tödlich wirkend bezeichneten Tatsachen — Zeitablauf?) Dissoziation-beschluß und Gesellschaftskonkurs2) — und ferner als eigenartige Endigungs­ gründe dieser Gesellschaftsform: der Tod eines einzelnen Gesell­ schafters und die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines solchen;^) der Tod eines Gesellschafters bewirkt aber nur

1 S. aber stillschweigende Fort­ setzung der Gesellschaft BGB. 724, HGB. § 134. Denkschr. S. 3189 s. 9 Zwangsvergleich nicht, s. KonkO. 88 173 ff. ..u. vgl. RGer. Bd. 16 S. 2 ff. Uber die Fortsetzung der Gesellschaft nach Abschluß eines

Zwangsvergleichs, sowie nach bean­ tragter Einstellung des Konkurs­ verfahrens s. HGB. § 144 u. oben § 24 vn S. 127-128. 3 Vgl. BGB. §§ 727, 728. Andere in der Person eines Gesell­ schaftsmitglieds auftretende Ereig-

.154

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

dann den Untergang der Gesellschaft von selbst, wenn nicht aus dem Gesellschaftsvertrage ein anderes sich ergibt;1) ist letzteres nicht der Fall, wird also die Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst, so hat der Erbe2) des verstorbenen den übrigen Gesellschaftern den Todesfall ohne Verzug anzuzeigen, und bei Gefahr auf Verzug die von dem Erblasser bei Lebzeiten dieses, sei es kraft gesetzlicher,8) sei es kraft vertragsmäßiger1) Geschäftsführungspflicht zu besorgenden Geschäfte solange fort­ zuführen, bis die übrigen Gesellschafter in Gemeinschaft mit ihm anderweit Fürsorge treffen können. Zunächst und insoweit noch Geschäfte in gemeinschaftlichem Interesse zu besorgen sind, gilt also die Gesellschaft als noch bestehend, und dasselbe ist der Fall, wenn die Gesellschaft durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst wird; in dem einen, wie in dem anderen dieser beiden Fälle sind übrigens auch die übrigen Gesellschafter in gleicher Weise zur Fortführung der von ihnen zu besorgenden Geschäfte verpflichtet?) Als befugt, die Geschäfte fortzuführen, gilt übrigens in allen Fällen gesetzlicher Auflösungsgründe vermutungsweise jeder nicht von der Geschäfts­ führung ausgeschlossene Gesellschafter zu seinen Gunsten solange bis er von der Auflösung Kenntnis erlangt hat oder erlangt haben muß, und zwar wird die gesetzliche Geschäftsführungs­ befugnis ®) hierin ebenso behandelt wie die vertragsmäßige.1) Zu b) Die Fälle der richterlichen Auflösung der offenen Handelsgesellschaft setzen sämtlich eine Kündigung oder einen An­ trag (eine Kündigungsklage) voraus. Was die Kündigung an­ langt, so besteht das im römischen Recht anerkannte willkürliche Kündigungsrecht eines jeden Gesellschafters für die Mitglieder der offenen Handelsgesellschaft nicht;8) nach dem Handelsrecht ist Nisse, wie z. B. Dispositionsunfähigteit (s. HGB. v. 1861 Art. 123 Ziffer 3), können nun nur zu einer richterlichen Auflösung Anlaß geben (hievon s. unten und HGB. §§ 132, 133, BGB. § 723 Abs. 1 Satz 2), ebenso die Tatsache, daß der verein­ barte Zweck erreicht oder dessen Er­ reichung unmöglich geworden ist; anders BGB. § 726? 1 HGB. § 131 Nr. 4, BGB. § 727.

2 Sind mehrere Erben vorhanden, s. BGB. § 2038. 8 HGB. §§ 114, 115. 4 Nur diese nach BGB. §§ 727, 729. 5 HGB. § 137. In betreff der Registrierung s. HGB. § 32. 6 HGB. §§ 114, 115. 7 BGB. §§ 727, 729. 8 Übereinstimmend Cosack,Lehr­ buch S. 514, § 109,1. Hinsichtlich der Gesellschaft des gewöhnlichen bürgerlichen Rechts s. BGB. § 723.

Auflösung der offenen Handelsgesellschaft :c.

§ 28.

155

jeder Gesellschafter zunächst verpflichtet, die volle vertragsmäßige Dauer — vielleicht eine Reihe von Jahrzehnten — bei der Ge­ sellschaft auszuhalten, es müßte denn sein, daß ein wichtiger Grund, über dessen Vorhandensein oder Triftigkeit — wenn nicht alle Gesellschafter darüber einig sind und somit die Auf­ lösung gemeinsam beschließen, Nr. 2 b. § 131 d. HGB. — nur eine richterliche Entscheidung Klarheit und Sicherheit schaffen kann, den Gesellschafter zum Verlassen der Gesellschaft im Wege der Kündigung berechtigt. Im einzelnen ist dabei folgendes im Auge zu behalten: 1. Ist die Dauer der Gesellschaft nicht durch den Vertrag bestimmt, oder ist sie aus die Lebenszeit eines der Gesellschafter gestellt oder nach dem Ablauf der vertragsmäßig bestimmten Zeit durch stillschweigende Fortsetzung der Gesellschaft verlängert worden, so kann die Kündigung nur für den Schluß eines Kalenderjahrs erfolgen und muß mindestens sechs Monate vor diesem Zeitpunkt erfolgen?) 2. Ist über die Zulässigkeit der Kündigung, insbesondere über die Tragweite des von einem Mitgliede gellend gemachten Kündigungsgrundes Streit ausgebrochen — und dies kann nicht bloß in den unter 1 er­ wähnten Fällen, sondern auch dann der Fall sein, wenn die Gesellschaft für eine bestimmte Zeit eingegangen worden ist, und ein grundloses Kündigungsrecht kennt das Handelsrecht, wie erwähnt, nicht —, so kann in Ermangelung einer friedlichen Einigung aller Gesellschaftsmilglieder nur die gerichtliche Entscheidung den Streit heben und gegebenenfalls die Auslösung der Gesellschaft aussprechen: das Gesetz verlangt den Richter­ spruch zum Schutze der übrigen Gesellschafter und im Interesse der Ver­ kehrssicherheit, wie in den Fällen der Entziehung der Geschäftsführungs­ und Bertretungsbefugnis.2) 3. Neben den Fällen, in denen eine vertragsmäßig verabredete ')

J HGB. 3 132. 2 HGB. § 131 Nr. 6, Denkschr. S. 3187, verglichen mit HGB. §§ 117,127 (hiezu s. Denkschr. S. 3181, D. II S. 97, verglichen mit S. 86). Das Gericht hat in diesem Falle zu prüfen, ob „die wesentlichen Voraussetzungen, unter tvelchen der Geselljchastsvertrag abge­ schlossen wurde", vorhanden oder noch vorhanden sind; es wird die Auflösung aussprechen, wenn es findet, daß dies nicht oder nicht mehr der Fall ist (vgl. v. Hahn, Komm. z. HGB. Bo. 1 S. 427), sei es, daß die Erreichung des Zweckes

oder Rentabilität unmöglich gewor­ ; den ist (RLHG. Bd. 12 S. 102), i sei es, daß das Zusammenarbeiten der Gesellschaster wegen Unverträg­ ; lichkeit einzelner bis an die Grenze ; der Unmöglichkeit schwer geworden, ' weil Vertrauensmißbrauch, grobe i Jnjllrien u. dergl. vorkamen. RGer. Bd. 24 S. 127, ROHG. Bd. 9 S. 30, Bd. 4 S. 381, Bd. 11 S. 265. 3 Vertragsmäßige Verabredung der Kündigung und Kündigungs­ modalitäten bleiben der Gesellschaft freigestellt; s. Cosack, Lehrbuch S. 516 bei u. mit Anm. 10 u. 11 zu § 109; aber Ausschließung der

156

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Kündigungsfrist und -zeit, oder in denen die vom ©efefce2*)31 angeordnete Kündigungsfrist und -zeit beobachtet und eingehalten werden mutz, gibt es auch Fälle, in denen, wie das Gesetz sagt, „ohne Kündigung" die Auf­ lösung der Gesellschaft gerichtlich ausgesprochen wird. Der Unterschied zwischen diesen letzteren Fällen, die man im Gegensatz zu den übrigen — den Fällen der ordentlichen Kündigung — die der außerordent­ lichen Kündigung nennen kann, besteht nicht darin, daß für letztere ein „wichtiger Grund" vorliegen muß, denn ohne solchen gibt es im Handels­ recht überhaupt keine Kündigung, auch nicht darin, daß für letztere die richterliche Entscheidung unentbehrlich ist — denn diese gehört auch zur ordentlichen Kündigung —2) sondern darin, daß Kündigungszeit und -frist nicht eingehalten zu werden brauchen, und der „wichtige Grund" nicht bloß dazu ausreichen muß, die Auflösung der Gesellschaft zu moti­ vieren, sondern auch dazu, die sofortige Auflösung zu begründen, d. L, wie das Gesetz sich ausdrückt, die Auslösung „ohne Kündigung". Ein solcher Grund ist insbesondere vorhanden, wenn ein anderer Gesellschafter (nicht der Antragsteller selbst) eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag ob­ liegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder grobfahrlässig verletzt, oder wenn die Erfüllung einer solchen Pflicht unmöglich wird. Das Gericht kann aber auch aus anderen zwingenden Gründens aus Antrag die Auslösung aussprechen. Das außerordentliche Kündigungsrecht eines jeden Gesellschafters kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder dem Gesetze zuwider eingeschränkt werden/) 4. Ein besonderer Fall von Kündigung ist der der Kündigung durch einen Privatgläubiger eines Gesellschafters °) — ein Fall, von welchem oben § 27 IV Seite 150 ff. gesprochen worden ist.

II. Die Auflösung der offenen Handelsgesellschaft muß in das Handelsregister eingetragen werden/) und zwar, wenn sie durch Konkurseröffnung über das Gesellschaftsvermögen herbei­ geführt ist, von Amtswegen/) in den anderen Fällen des Unter­ richterlichen Entscheidung kann nicht int voraus beschlossen werden: s. HGB. § 131 Nr. 6 und Sinnt. 2 auf voriger Seite. 1 HGB. 8 132. * And. Ausleg. Cosack, Lehr­ buch S- 515 bei Anm. 3; s. aber den Wortlaut des HGB. § 131 Nr. 6 u. die übrigen Angaben oben bei und in Anm. 2 voriger Seite. 3 HGB. § 133 Abs. 1 u. 2. Die Gründe der außerordentlichen Kün­ digung müssen in höherem Maße objektiv bestimmend sein als die Gründe der ordentlichen Kündigung,

in Bezug auf welche sich der Richter auch den subjektiven Anschauungen der Beteiligten nicht ganz ver­ schließen darf: vgl. z. B. ROHG. Bd. 11 S. 265 u. vgl. auch die übrigen Andeutungen in Anm. 2 S. 155. 4 HGB. § 133 Abs. 3. 5 HGB. 8 135. 6 Über die Bedeutung der Re­ gistrierung s. oben § 24 VII S. 125. ' HGB. § 32, KonkO. Zß7, 38; eine Art von Amts wegen eintretender Registrierung findet statt, wenn

Auflösung der offenen Handelsgesellschaft ?c.

§ 28.

gangs der Gesellschaft auf pflichtmäßige Anmeldung Gesellschafter?)

157

sämtlicher

B. Ausscheiden eines Gesellschafters.

I. In allen denjenigen Fällen, in welchen die Auflösung aus Gründen eintritt, welche nur die Person eines einzelnen Gesellschafters betreffen, kann die Stelle der Auflösung der ganzen Gesellschaft das Ausscheiden jenes einzelnen Gesellschafters unter Fortbestand des Gesellschaftsverhältnisses unter den übrigen Gesellschaftern unter bestimmten Voraussetzungen treten; diese Voraussetzungen des Fortbestandes der Gesellschaft unter Aus­ scheiden eines einzelnen sind je nach den einzelnen Gründen des letzteren verschieden: a) Ist die ordentliche Kündigung?) der Tod -') oder der Privatkonkurs 4) über das Vermögen des Gesellschafters der Grund der Auflösung der Gesellschaft, so ist Voraussetzung, daß im Gesellschaftsvertrage der Fortbestand der Gesellschaft für den Fall des Eintritts eines dieser Ereigniffe bereits vorgesehen ist;6) alsdann scheidet der Gesellschafter, in deffen Person jenes Er­ eignis eintrat, mit dem Zeitpunkt, in welchem mangels einer solchen Bestimmung des Gesellschaftsvertrags die Gesellschaft auf­ gelöst werden würde, aus der Gesellschaft aus, die, abgesehen etwa von einer in der Firma notwendig werdenden Änderung?) äußerlich unverändert fortbesteht?)

b) Ist eine außerordentliche Kündigung (s. oben S. 155, 156) sj der Grund der Auflösung, so ist Voraussetzung des Fort­

anzunehmen ist, daß der Tod eines Gesellschafters den Untergang der Gesellschaft herdeigesührt hat; s. HGB. § 143 Abs. 3. 1 HGB. § 143 Abs. 1 und hiezu Gareis, Anm. 2 S. 138. •J HGB. § 131 Nr. 6, § 132, s. oben S. 154 s. 3 HGB. § 131 Nr. 4, s. oben S. 153 f., hiezu s. aber auch HGB. § 139, unten S. 158. 4 HGB. § 131 Nr. 5, s. oben S. 153 Anm. 3. Wenn dies nicht der Fall ist, so bleibt den verbleibenden Gesell­

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schaftern, um das Gesellschaftsunter­ nehmen fortzusetzen, nichts anderes übrig, als einen neuen Gesellschafts­ vertrag und dadurch eine neue Ge­ sellschaft zu schließen; die Liquidation der alten Gesellschaft kann dabei durch ihren einstimmigen Beschluß umgangen werden. S. HGB. § 145 mit Anm. 1 u. 2 bei Gareis, HGB. S. 139 * HGB. 8 24 Abs. 2. 7 HGB. § 138. Vgl. analog BGB § 736. " HGB. § 133. Uber Ausschluß s. aber auch oben S. 139 Anm. 4.

158

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

bestandes der Gesellschaft ein Antrag der verbleiben wollenden übrigen Gesellschafter — die Ausschließungsklage — und der diesem entsprechende gerichtliche Ausspruch, daß das Mitglied, in dessen Person der die Auflösung objektiv rechtfertigen würdende Umstand eintrat, ausgeschlossen werde und sei, die Gesellschaft aber unter den übrigen Mitgliedern fortbestehe; für die Aus­ einandersetzung ’) zwischen letzterer und dem ausgeschlossenen Gesellschafter ist diejenige Vermögenslage der Gesellschaft ent­ scheidend, welche im Zeitpunkte der Erhebung der Ausschließungs­ klage bestand?) c) Ist die seitens eines Privatgläubigers eines Gesellschafters erwirkte Pfändung und Anteilsüberweisung der Grund der drohen­ den Auflösung?) so können die übrigen Gesellschafter, auch wenn dies im Gesellschaftsvertrage nicht vorgesehen ist, beschließen und demgemäß jenem Gläubiger erklären, daß die Gesellschaft unter ihnen fortbestehe; alsdann scheidet jener verschuldete Gesellschafter allein aus und zwar mit dem Ende des Geschäftsjahres, es müßte denn sein, daß über das Vermögen desselben bereits der Konkurs eröffnet ist, ein Fall, in welchem der Zeitpunkt dieser Tatsache als der des Ausscheidens gilt und die erwähnte Erklärung der beschlossenen Fortsetzung der Gesellschaft nicht dem Gläubiger, sondern dem Konkursverwalter gegenüber abzugeben ist41)*2— 3 Das Ausscheiden eines Gesellschafters muß zum Handels­ register angemeldet werden?) II. Die Mitgliedschaft innerhalb einer offenen Handels­ gesellschaft wird zwar vom Handelsrechte prinzipiell als eine höchst persönliche Rechtsstellung aufgefaßt, dennoch ist es möglich, daß der Gesellschaftsvertrag die Bestimmung enthält, es solle beim Ableben eines Gesellschafters die Gesellschaft mit dessen Erben fortgesetzt werden, und er darf dann die gesetzlichen Folgen dieser Fortsetzung nicht ausschließen; 6) unmöglich aber kann der Gesetzgeber den Erben eines Gesellschafters, die vielleicht nicht 1 Uber die Auseinandersetzung überhaupt s. oben § 24 VIIIS. 128 f. 2 HGB. § 140, BGB. §§ 737 ff. 3 HGB. § 135, s. oben S. 150 ff., 156 giss. 4. 4 HGB. § 141. Vgl. hiezu K. Lehmann i. Arch. f. ziv. Prax. Bd. 86 S. 315, Gareis, HGB. Anm. 2 zu 8 141.

5 HGB. §143 Abs. 2, und oben | j § 24 VII S. 125. ' 6 H. Staub, Die Vereinbarung der Fortsetzung der offenen Handels­ i gesellschaft mit den Erben eines . Gesellschafters (Gruchot, Beitr. ; Jahrg. 42 S. 611 ff.). S. auch : Anm. 3 aus folg. Seite.

Auflösung der offenen Handelsgesellschaft :c.

§ 28.

159

entfernt dessen Geschäftskenntnis und dgl. besitzen, zumuten, bei dieser Fortsetzung der Mitgliedschaft die volle Gesamtschuldhaftung ihres Erblassers, wie sie da- Gesetz den Mitgliedern der offenen Handelsgesellschaft auferlegt/) auf sich nehmen oder andererseits auf jegliche Anteilnahme an der Gesellschaft verzichten zu müssen; einen vortrefflichen 1 2) 3 *Ausweg 5 aus diesem Dilemma schlägt der Gesetzgeber ein: es kann in dem angegebenen Falle der Erbe sein Verbleiben in der Gesellschaft davon abhängig machen, daß ihm unter Belassung deS bisherigen^) Gewinnanteils die Stellung eines Kommanditisten, nämlich eines nur mit einer be­ stimmten Bermögenseinlage — also beschränkt — den Gesellschafts­ gläubigern gegenüber haftenden Mitglieds/) eingeräumt und als diese Bermögenseinlage (Kommanditeinlage) der auf diesen6) Erben fallende Teil der Einlage des Erblassers anerkannt und in An­ rechnung gebracht werde; sind die übrigen Gesellschafter damit nicht einverstanden, so kann der Erbe ohne Beobachtung einer Kündigungsfrist sein Ausscheiden aus der Gesellschaft erklären?) Cb ein Erbe in der Gesellschaft verbleiben will oder nicht, hat er7) innerhalb dreier Monate, vom Zeitpunkte der Kenntnis des Erbschafts­ anfalls an gerechnet, zu erklären?) Scheidet der Erbe innerhalb dieser")

1 HGB. § 128, s. oben S. 138,148. 3 Vgl. Staub, Krit. Betrach­ tungen, Vortrag 1896, S. 25, K. Lehmann in Arch. f. ziv. Prax. Bd. 86, 315, Gareis, HGB. S. 135 Anm. 1 zu 8 139. 3 In dieser Beziehung (nämlich rücksichtlich des Gewinnanteils), ist jedoch, während sonst, wie erwähnt, das Kommanditistenrecht des Erben nicht durch den Gesellschastsvertrag ausgeschlossen werden darf, eine anderweite Bestimmung durch den Vertrag möglich, da es sehr leicht möglich ist, daß der verstorbene Ge­ sellschafter eben nur wegen seiner persönlichen Tüchtigkeit oder Eigen­ schaft einen gewissen (höheren) Ge­ winnanteil erhielt. Auch der um­ gekehrte Fall ist denkbar. * HGB. § 161 s. unten § 30, auch oben § 23 S. 110 f., § 24 S. 115 f., auch § 37. 5 Bei Vorhandensein mehrerer Miterben hat jeder derselben sein

Verbleiben oder Ausscheiden für sich und seinen Anteil zu erklären und präjudiziert durch sein Verhalten der Rechtsstellung der übrigen Mit­ erben nicht. 6 Die Sprengung der Gesellschaft kann in diesem Falle eine wirtschaft­ liche Folge dieses Verhaltens sein, ist aber nicht juristisch notwendig. 7 S. obige Anm. 5. 8 Auf die Berechnung dieser Frist wird BGB. § 206 angewandt. Ist bei dem Ablaufe der drei Monate das Recht der Ausschlagung der Erbschaft noch nicht verloren, ein Fall, der auch bei der Erbenhaftung im Falle einer Geschäftsübernahme vorgesehen ist, s. HGB. § 27 mit Gareis, HGB. Anm. 4 hiezu, S. 51, BGB. § 1944 Abs. 3, so endigt jene Erklärunassrist nicht vor dem Ablaufe der Ausschlagungsfrist. 0 Oder der verlängerten —, s. vorige Anm.

160

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Frist aus der Gesellschaft aus, oder löst sich diese während dieser Zeit — aus irgend welchem Grunde — auf, oder wird dem Erben seinem Wunsche gemäß die Stellung eines Kommanditisten eingeräumt, so hastet er für die bis dahin entstandenen Gesellschaftsschulden nur nach Maßgabe der die Haftung der Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten betreffenden Vor­ schriften des bürgerlichen Rechts;*) macht er aber, ohne die Erbschaft des verstorbenen Gesellschafters auszuschlagen, von dem ihm handelsgesetz­ licht) zustehenden Rechte nicht oder wenigstens nicht rechtzeitig Gebrauch, so trifft ihn — wie jeden anderen neueintretenden Gesellschafter — eben unter der Voraussetzung des vertragsmäßigen Verbleibens in der Ge­ sellschaft^) — die unbeschränkte Haftung für alle Gesellschaftsschulden, gleichviel, ob sie vor oder nach dem Erbfalle41)*26 entstanden 3 sind?)

in. Dem Begriff einer Gesellschaft entsprechend, wurde bisher angenommen, daß von einem Fortbestehen einer Gesell­ schaft dann nicht die Rede sein könne, wenn nicht wenigstens zwei Gesellschafter beim Ausscheiden eines oder mehrerer Mit­ glieder (s. oben S. 157) übrig bleiben;^ dabei wird es, soweit es sicb um eine Forderung der Rechtslogik handelt, auch in Zu­ kunft sein Bewenden haben, aber eine davon verschiedene Frage ist die, ob die Gesetzgebung unter Umständen dem einen von zwei bisherigen Gesellschaftern gestatten kann, das Gesellschafts­ unternehmen, welches bisher von diesen zwei Gesellschaftern be­ trieben wurde, unter Ausschließung des andern, der sich pflicht­ widrig benommen hat, ohne Liquidation fortzusetzen; und diese Frage ist gesetzlich bejaht worden: *) besteht eine offene Handels­ gesellschaft, sei es von Anfang an, sei es infolge späteren Aus­ scheidens, nur aus zwei Mitgliedern, so kann das eine, wenn in der Person des anderen eine der Voraussetzungen vorliegt, unter denen bei einer größeren Anzahl von Gesellschaftern die Aus­ schließung von der Gesellschaft zulässig wäre, auf seinen Antrag vom Gerichte für berechtigt erklärt werden, das Gesellschafts­ unternehmen dadurch zu retten, daß es das Geschäft der (tat­ sächlich gewesenen) Gesellschaft mit Aktiven und Passiven über­ nimmt, ohne daß, abgesehen von dem Falle, daß der Name des ausgeschlossenen Gesellschafters in der Firma enthalten ist und 1 2 3 -es 4 6 6

BGB. 88 1967, 1975 ff. HGB. § 139 Abs. 1, 2, 3. HGB. § 139, Eingangsvermerk Abs. 1. BGB. § 1922. Denkschr. S. 3188 s. Protokolle der Nürnberger Kon­

ferenz S. 249 ff., 1009 ff., ROHG. Bd. 11 S. 160, RGer. Bd. 7 S. 121, Bayer. Oberst.LG. Bd. 10 S. 460. 7 HGB. § 142. Die gesetzgeberi­ schen Erwägungen, welche zu dieser Bejahung führten, s.G a r e i s, HGB. Anm. 1 zu 8 142 S. 137.

Auflösung der offenen Handelsgesellschaft rc.

§ 28.

161

die Einwilligung zur Fortführung desselben in diesem Falle verweigert wird, die Firma eine Änderung erfahren müßte. Auf die Auseinandersetzung finden die sür den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Gesellschaft geltenden Regeln entsprechende Anwendung. All dies, also die Rettung des Unternehmens durch Über­ nahme des einzigen Verbleibenden und die Vorschrift der Auseinander­ setzung , wie eben erwähnt, findet auch dann Anwendung, wenn ein Privatgläubiger des einen der zwei vorhandenen Gesellschafter durch Er­ wirkung der Pfändung und der Anteilsüberweisung die Aufhebung des Gesellschastsverhältnisses herbeiführt,*) und ferner auch dann, wenn über das Vermögen des einen der beiden Gesellschafter der Konkurs eröffnet wird: einer gerichtlichen Erklärung der Berechtigung deS Übernehmenden

bedarf es in den beiden zuletzt erwähnten Fällen nichts) C. Liquidation.

Nach der wirklich erfolgten, nicht durch eine unter Umständen zulässige posthume Fortsetzung wieder rückgängig gemachten Auf­ lösung der Gesellschaft findet regelmäßig die Liquidation statt; von ihren Voraussetzungen, Einzelheiten und Wirkungen ist oben § 24 VIII S. 128—136 gesprochen worden; sie fällt weg, wenn Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet ist;8) sie kann wegfallen, wenn die Gesellschafter dies durch die Wahl einer anderen Art von Auseinandersetzung (s. oben S. 129 bis 130 einstimmig beschließen,41) 2aber 3 dieser Beschluß bedarf —und dies ist neu — in dem Falle, daß die Gesellschaft zufolge Kün­ digung des Privatgläubigers eines Gesellschafters8) oder durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eine- solchen8) aufgelöst ist, stets der Zustimmung jene- Privatgläubigers, bezw. des Konkursverwalters.^ Über Schlußverteilung und über Auf­ bewahrung der Bücher und Geschäftspapiere der 'Gesellschaft s. ebenfalls oben § 24 VIII S. 135. 1 HGB. §§ 135, 142 Abs. 2, s. oben S. 150 ff. 2 HGB. §§ 131 Nr. 5, 138, § 142 Abs.2 u.3: s. auch oben S. 153 ff. 3 HGB. § 145. 4 HGB. §§ 145 Abs. 1, 158, u. hiezu Anm. 1 u. 2 bei Gareis, HGB. S. 146. Mit dem voll­ ständigen Aushören einer solchen Gesellschaft ohne Liquidation geht die Parteirolle derselben in einem Gare iS, Handelsrecht.

7. Aufl.

schwebenden Prozesse aus die sämt­ lichen früheren Gesellschafter als Streitgenossen über und der Prozess bleibt sür und gegen alle Streitqenossen anhängig. RGer. 46 S. 39. 6 HGB. §§ 135, 141 Abs. 1, s. oben S. 129—130. 6 HGB. §§ 131 Nr. 5, § 141. 7 HGB. 8 145 Abs. 2. 11

162

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

D. Verjährung von Klagen gegen Gesellschafter.

Gegenüber der strengen Gesamtschuldhaftung, welche die Mitglieder einer offenen Handelsgesellschaft, rechtsnotwendig Dritten gegenüber, trifft, einerseits und angesichts der durch die Registrierung der Auflösung des Gesellschaftsverhältniffes gesetzlich erstrebten und regelmäßig auch erreichten Öffentlichkeit der Gesellschaftsbeendigung

andererseits ist es billig, die Gesellschafter gesetzlich vor der Gefahr zu behüten, noch lange Jahre nach der Auflösung der Gesellschaft durch Klagen aus ihrer gesellschaftlichen Haftung belästigt zu werden; die Gesellschaftsgläubiger haben ja gerade vermöge jener Publizität Anlaß genug, rechtzeitig ihre Forderungen geltend »u machen, auch gegen die einzelnen Gesellschafter, und soweit verletzt es ihr verständig gewahrtes Interesse wohl nicht, daß das Gesetz die Frist der Verjährung der Klagen von Gesellschaftsgläubigern (gegen Gesellschafter aus Gesellschaftsschulden) — unter Ab­ kürzung der sonst etwa maßgebenden Fristen des allgemeinen bürgerlichen Rechts —*) auf fünf Jahre festsetzt, ohne hiedurch diejenigen Ansprüche gegen die Gesellschaft, welche schon in einer kürzeren2) Frist verjähren, (lediglich) der fünfjährigen Verjährung zu unterwerfen; der außerordentlichen fünfjährigen Verjährung unterliegen weder Klagen der Gesellschafter untereinander (auch nicht, wenn sie auf Regreßansprüchen aus Gesellschaftsverhältnissen beruhen), noch auch Klagen Dritter oder eines Gesellschafters gegen die Gesellschaft (sei es, daß eine solche Klage während des Geschäftsbetriebs dieser oder nach demselben, aber während noch ungeteiltes Vermögen vorhanden ist, erhoben wird), noch auch Klagen der Gesellschaft gegen einen ausgeschiedenen Gesellschafter, sondern nur, Klagen Dritter gegen ein Gesellschafts­ mitglied aus einer Gesellschaftsschuld;2) wird aus letzterer gegen die Gesellschaft selbst geklagt, so kann die hier in Rede stehende handelsrechtliche fünfjährige Verjährung^) nicht 1 Soweit das BGB. maßgebend ist, kommt nur die regelmäßige 30jährige Frist als hier ausgeschlossen in Betracht, denn im übrigen kennt das BGB. nur die kürzeren Fristen von 2 und 4 Jahren. 8 S. die vorige Anmerkung a. E.; BGB. §§ 196 Abs. 1 Nr. 1—17 (2 Jahre), 196 Abs. 2,197 (4 Jahre). Über die nicht glückliche Fassung

des § 159 (tote des Art. 146 des HGB. v. 1861) s. v. Hahn, HGB. S. 480, u.Gareis, HGB. Anm.4 zu § 159 S. 148. 3 Mithin nur Klagen aus der Gesamtschuldhaftung nach HGB. 88 128—130; s. oben 8 27 in S. 148—150. * Des HGB. 8 169. Ist die G esellschaft bereits aufgelöst, so

Auslösung der offenen Handelsgesellschaft rc.

§ 28.

163

entgegengehalten werden; die Einrede besteht nur zu Gunsten und im Interesse der Gesellschaftsmitglieder, und zwar nur solcher, deren Mitgliedschaft beendet ist, sei es, weil die Gesellschaft auf­ gelöst worden, sei es, weil der Gesellschafter ausgeschieden ist; — in beiden Fällen beginnt die fünfjährige Frist mit dem Ende des Tages, an welchem die eine, bezw. die andere Tatsache, die Auflösung, bezw. das Ausscheiden in das Handelsregister des für den Sitz der Gesellschaft zuständigen Gerichts eingetragen werden wird; wurde aber der eingeklagte Anspruch des Gläubigers gegen die Gesellschaft erst nach der Eintragung der einen, bezw. der anderen dieser Tatsachen fällig, so beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkte der Fälligkeit?) Die Einrede der (fünfjährigen) Verjährung steht auch den Mitgliedern einer durch Eröffnung des Konkurses über das Gesellschaftsvermögen aufgelösten Gesell­ schaft zu; dies war früher nicht der Fall, denn es fehlte an einer Bestimmung über den Beginn der fünfjährigen Verjährungsfrist, ein Mangel, dem nun durch die auch für Handelsgesellschaften eingeführte Registerpflichtigkeit der Konkurseröffnung abgeholfen ist;2) nun entspricht es der Billigkeit, auch wenn die Gesellschaft durch Konkurseröffnung aufgelöst wurde, den Gesellschaftern die außerordentliche Verjährungseinrede des Handelsrechts zu ge­ statten, da ja deren Haftung für die Gesellschaftsschulden insofern kann von Klagen gegen sie keine Rede mehr sein, weil der Beklagte nicht mehr vorhanden wäre; ist noch ungeteiltes Vermögen vorhan­ den, so können die Gesellschaftsgläubiger ihre Befriedigung aus diesem suchen und die Teilhaber jedenfalls nach BGB. § 755 ver­ klagen ; ob in einem solchen Falle die gewesenen Gesellschaftsmilglieder, welche als Teilhaber am noch vor­ handenen unverteilten Vermögen in Anspruch genommen werden, die außerordentliche fünfjährige Ver­ jährung des Handelsrechts entaegensetzen können, hängt von dem Rechts­ grunde des Anspruchs ab: ist dieser ein Geschäft der gewesenen Gesell­ schaft, z. B. eine von ihr s. Z. aus­ gegangene Bestellung einer nun noch vorhandenen Maschine, so kann der verklagte Teilhaber die Einrede der

Verjährung gemäß HGB. § 159 gellend machen; ist aber der An­ spruch aus der Verwaltung, Ver­ wendung oder Erhaltung oes ge­ meinschaftlichen Gegenstandes nach der Auslösung der Gesellschaft ent­ standen, z. B. wegen einer nach der Auflösung notwendig gewordenen Reparatur der erwähnten Maschine, so kann die Verjährung nicht nach § 159 geltend gemacht werden, denn es liegt alsdann keine Verbindlich­ keit der Gesellschaft vor; s. über die Motivierung dieser Auffassung und der Streichung des seitherigen Art. 147 des HGB. v. 1861 Gareis, HGB. Anm. 1 zu 8159 S. 146-147. 1 HGB. §§ 159 Abs. 3; BGB. §§ 198—200. 2 HGB. 88 32 mit 88 6 u. 159 Abs. 2.

164

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

verschärft ist, als sie nach dem neuen Rechte x) nur dann eine auf den Ausfall beschränkte, also subsidiäre Haftung wird, wenn auch über das Vermögen des betreffenden Gesellschafters der Konkurs eröffnet ist. Ist aber letzteres der Fall, so ist die Ver­ jährung gehemmt, bis der Ausfall im Gesellschaftskonkurs fest­ steht?) Für die Hemmung, Unterbrechung und Wirkung der Verjährung gelten überhaupt die Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts, auch im Falle der hier erörterten außer­ ordentlichen handelsrechtlichen Verjährung;8) nur das ist — ab­ weichend vom allgemeinen bürgerlichen Rechte — auS Billigkeits­ gründen besonders vorgeschrieben, daß die Unterbrechung der Verjährung gegenüber der aufgelösten Gesellschaft (z. B. durch Anerkennung seitens der Liquidatoren) *) auch gegenüber den­ jenigen Gesellschaftern wirke, welche der Gesellschaft zur Zeit der Auflösung angehört haben?) während die gegenüber einem ein­ zelnen Gesellschafter eingetretene Unterbrechung der Verjährung nicht auch eine Unterbrechung der Verjährung gegenüber einem anderen Mitgliede derselben Gesellschast ist?) 8 29.

2. Die stille Gesellschaft?) I. Auf demselben Grundgedanken, auf welchem das Gewohn­ heitsrecht die commenda in romanischen Ländern im Mittelalter ausgebaut hat — f. § 23 I A ®. 111 —, steht, wie erwähnt, 1 HGB. § 128 mit KonkO. £ 201 s. oben § 27 HI S. 148 f. und Gareis, HGB. Anm. 3 zu § 128 S. 128-129. - BGB. 88 202, 205. ’ Hemmung s. BGB. §§ 202 bis 207, Unterbrechung s. BGB. §§ 208-217, Wirkung s. BGB. 88 222 sf. Daher sind besondere handelsrechtliche Normen, wie sie Art. 148, 149 enthielten, nun, ab­ gesehen von obigen Schlußbemerkungen nicht mehr nötig; insbeson­ dere ist die Ausschließung der Privilegien von Minderjährigen, Bevormundeten und diesen gleich­ behandelten Personen nicht mehr

nötig, da das BGB. eine allge­ meine Hemmung der Verjährung ru Gunsten der bezeichneten Per­ sonen überhaupt nicht mehr kennt, sondern nur unter besonderen BorauSsepungen eine Hemmung oder Verlängerung der Verjährung bei Ansprüchen gegen Geschästsunsähige oder in der Geschäftsfähigkeit be­ schränkte Personen eintreten läßt (BGB. 88 204, 206, 207), was natürlich auch bei der oben erörterten fünfjährigen Verjährung gilt. 4 BGB. 8 208. 5 HGB. 8 160. 0 BGB. 8425, Denkschr.S.3193. 7 HGB. 88 335—342.

Die stille Gesellschaft. § 29.

165

auch die deutschrechtliche stille Gesellschaft; sie ist keine nach außen zu geschlossen und mit einem eigenen Namen auftretende Afsoziation?) sondern eine gewöhnliche Gesellschaft im Sinne des bürgerlichen Rechts; ■) Befugnisse und Berechtigungen im Innern dieser, nur ein sog. internes Vertragsverhältnis bildenden Afloziation ergeben sich zunächst aus dem Vertrage und dem gewöhn­ lichen bürgerlich-rechtlichen Gesellschaftsrechte;31) 2das Handelsrecht greift abweichend von dem letzteren nur in einzelnen, allerdings wesentlichen Punkten ein. Die stille Gesellschaft besteht immer nur aus zwei Vertragschließenden; davon ist der eine ein Kaufmann (selbständiger Inhaber eines Handelsgewerbes, auch „Komplementär" oder Geschäftsinhaber genannt)/) der zur Ver­ stärkung seines Betriebs- oder Anlagekapitals, zur Erweiterung seines Geschäfts und dgl. eine Vermögenseinlage, regelmäßig einen Geldbetrag, von einem anderen, nämlich „dem stillen Ge­ sellschafter", unter besonderen Eigentümlichkeiten annimmt; durch die letzteren unterscheidet sich die „stille Gesellschaft" von einem Darlehen, besten Vorhandensein hier zunächst angenommen werden könnte; es sind aber hauptsächlich folgende Unterschiede, welche die Stellung des stillen Gesellschafters von der eines Darlehens­ gläubigers unterscheiden: 1. der stille Gesellschafter erhält von dem eingezahlten Kapital, welches übrigens, wie beim Darlehen, in das Eigentum

1 Sie ist also keine „Handels­ gesellschaft" in dem oben § 24 er­ örterten technischen Sinne dieser Bezeichnung; trotzdem aber ist ihre Darstellung an dieser Stelle des Systems sowohl des geschichtlichen Werdegangs wegen, als auch um des Verständnisses des Rechts der Kommanditgesellschaft (f. folg. §) willen, gerechtfertigt, ja geboten. 2 BGB. Ä 705-740. Jedoch darf nicht übersehen werden, daß das Gesellschastsrecht deS BGB. zum Teil auf einer andern Grundlage steht als das Recht der stillen Ge­ sellschaft im Handel; denn das BGB. läßt im Zweifel eine Vermögens­ gemeinschaft, ein Gesellschaftsvermögen, gebunden nach den Grund­ sätzen der gesamten Hand, aus I

den Einlagen der Gesellschafter wer­ den (BGB. 8 718), während die Einlage des stillen Gesellschafters nur in das Vermögen des Geschäfts­ inhabers übergeht; auch gesteht das Handelsrecht die Befugnis zur Ge­ schäftsführung (im Gegensatz zum BGB. § 709) dem stillen Gesell­ schafter nicht zu, regelt das Kündi­ gungsrecht im Anschluss an die offene Handelsgesellschaft (s. HGB. § 339 Abs. 1) und nimmt (im Gegensatz zur Regel des BGB. § 127) dem Tode des stillen Gesell­ schafters die daS Gesellschaftsverhältnis auflösende Wirkung (HGB. 8339 Abs. 2). 8 S. vorige Anm. 4 Näheres s. unten bei Anm. 7 bis 9 S. 166.

166

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

des Empfängers, hier also des Kaufmanns, dem es der stille Gesellschafter gibt, übergeht/) nicht feste Zinsen, wie der Darlehens­ gläubiger gewöhnlich, sondern Gewinnanteile/) d. h. wenn der Komplementär Gewinn macht; 2. trägt der stille Gesellschafter in der Regel die Gefahr, sein hingegebenes Kapital ganz oder teilweise einzubüßen; er partizipiert auch am Verluste, vorausgesetzt, daß dies nicht aus­ geschlossen wird;8)

3. hat er auch Rechte der Kontrolle und dgl./) welche dem Darlehensgläubiger nicht zustehen. Zum Wesen des zwischen dem stillen Gesellschafter und dem Komplementär bestehenden Vertragsverhältniffes gehört außer dem Grundelemente des Gesellschaftsbegriffs®) — Verpflichtung zur Förderung der Erreichung eines gemeinsamen Zwecks —: a) daß die Einlage nicht etwa nur zu einem bestimmten einzelnen Geschäfte, wie bei einer sog. Gelegenheitsgesellschaft,") sondern zum Zwecke der Beteiligung an dem ganzen Handels­ gewerbe des Geschäftsinhabers, gegeben wurde und bestimmt sei; ferner b) daß der Geschäftsinhaber Kaufmann, wenn auch nur Kaufmann minderen Rechts ’) oder nur Inhaber eines formellen Handelsgewerbebetriebs ®) oder eine als Kaufmann geltende Handels­ gesellschaft/) sei, und

c) daß die Einlage nicht ein gemeinschaftliches Gesellschafts-

-1 HGB. § 335, s. auch Sinnt. 2 auf voriger Seite. 2 HGB. §§ 336, 337. 3 Der Ausschluß der Verlustbeteiligung ist jetzt gesetzlich (§ 336 Abs. 2) ausdrücklich zulässig; nach der Ansicht des Reichsoberhandelsgerichts und des Reichsgerichts war das sog. pactum capitis salvi schon nach dem HGB. v. 1861 mit dem Begriffe der stillen Gesellschaft nicht von vornherein unvereinbar. ROHG. Bd. 12 S. 100; RGer. Bd. 3 S. 8-9, Bd. 27 S. 16, 17. 4 HGB. § 338. 6 Die Unterschiede gegenüber dem

Gesellschaftswesen des BGB. s. Anm. 2 auf voriger Seite. 6 Diese, die sog. a conto metaGesellschaft wurde durch das HGB. v. 1861 Art. 266—270 besonders geregelt, unterliegt aber jetzt nur den allgemeinen Regeln des Gesell­ schaftsrechts; BGB. 88 705 ff., Gareis, HGB. S. 306 Abs. 2. 7 HGB. 84, s. oben 8 12 ©.44 ff. 8 HGB. 8 2, s. oben 8 8 S. 34 ff. 9 HGB. 8 5; s. oben 8 24 S. 114, also insbesondere auch eine offene Handelsgesellschaft. RGer. 30 S. 33.

Die stille Gesellschaft.

§ 29.

167

vermögen werde, sondern in das Vermögen des Geschäftsinhabers übergehet) II. Rechtsverhältnisse nach außen zu.

Es versteht fich nach dem Gesagten von selbst, daß die stille Gesellschaft keine eigene Firma hat, sondern daß der Ge­ schäftsinhaber das Unternehmen der stillen Gesellschaft unter seiner Firma betreibt, ja, dieser darf eine das Verhältnis einer Gesellschaft andeutende Firma oder Firmenbeifügung nicht um deS Vorhandenseins der stillen Gesellschaft willen — möglicher­ weise aber aus einem anderen Grundes annehmen und führen; auS den Geschäften, welche im Betriebe des Gesellschaftsunter­ nehmens von ihm geschloffen werden, wird nur er selbst berech­ tigt, bezw. verpflichtet. Zu einem Auftreten für das Handels­ gewerbe nach außen zu ist der stille Gesellschafter ebensowenig wie zu interner Führung der Geschäfte — ohne besondere Be­ vollmächtigung, bezw. Beauftragung, also kraft des GesellschastSverhältniffes an sich — berechtigt, noch auch verpflichtet; für die außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses stehenden Dritten, insbe­ sondere für die Gläubiger des Handelsgewerbes des (Komple­ mentärs) Geschäftsinhabers, ist der stille Gesellschafter zunächst soviel wie gar nicht vorhanden. Anders liegt die Sache, wenn daS Vorhandensein mit Wissen und Willen der Beteiligten kund­ gemacht wird, denn dann tritt unter Umständen wenigstens und namentlich wenn durch diese der Tatbestand eines KreditauftragS^) geschaffen oder die Gesellschaft in eine offene Handels1 HGB.Z335Abs.1mitGareis, HGB. Anm. 5 hiezu S. 307; s. auch oben Anm. 2 S. 165. 8 Z. B. weil die Firma über­ nommen (f. HGB. § 22, s. übrigens hiezu Gareis, HGB. Anm. 1 zu § 22 und oben § 16 S. 69), oder weil ein Kommanditist (s. HGB. §§ 19 Abs. 2,161 ff.) vorhanden ist. Möglich ist sogar, daß der Name des stillen Gesellschafters in der Firma deS Komplementärs enthalten ist, ohne daß dadurch die stille Ge­ sellschaft unter allen Umständen in eine offene umgewandelt und der

stille Gesellschafter den Gläubigern des Geschäfts als Gesamtschuldner haften müßte, denn es ist r. B. möglich, daß der seitherige Inhaber oder Mitinhaber, dessen persönlicher Name in der Firma enthalten ist, sich von der Führung der Geschäfte zurückzieht, jedoch als stiller Gesell­ schafter beteiligt bleibt. S. Denkschr. S. 3196 f., 3228 s. Aber die An­ deutung eines Gesellschaftsverhültnisses darf nicht beigefügt werden, wo nicht der Firmenübergang sie rechtfertigt. S. HGB. § 18. 8 BGB. § 778. Vgl. Denkschr.

168

Kap. n.

Die Personen im Handelsrecht.

gesellschast umgeschaffen ist, eine direkte Haftung des stillen Ge­ sellschafters den Geschäft-gläubigern gegenüber ein. Aber auch abgesehen von solchen umgestaltenden oder kündbar machenden Borkommniffen, hat da- den Geschäftsinhaber und den stillen Gesellschafter umschließende Band dvch auch für und gegen Dritte Bedeutung, nämlich vor allem: 1. insofern, als die in das Geschäft eingebrachte Einlage de- stillen Gesellschafters in das Vermögen des Inhaber- dieses Geschäft- übergeht und somit den Gläubigern desselben hastet, soweit ein solche- Vermögen diesen überhaupt haftet; *) ferner 2. insofern ein Privatgläubiger des stillen Gesellschafter­ unter derselben Voraussetzung, unter welcher ein solcher eine­ offenen Gesellschafter- die Gesellschaft sechs Monate vor Ablauf de- Geschäftsjahrs für diesen Zeitpunkt kündigen tarnt;*) und 3. insofern die Gläubiger im Konkurse des Geschäftsinhaber­ verlangen können, daß der stille Gesellschafter seine Einlage, soweit sie den Betrag des auf ihn fallenden Anteil- am Verlust nicht übersteigt, unberührt in dem Vermögen de- Konkursschuldners beläßt; soweit sie aber diesen seinen Berlustanteil übersteigt, lediglich al- gewöhnliche Konkursforderung geltend mache und nicht etwa vorweg nehme/) soweit sie aber bei Eröffnung des Konkurses noch rückständig ist, noch nachträglich bi- zum Betrage, welcher zur Deckung seine- Anteil- am Verlust erforderlich ist, zur KonkurSmaffe einzahle/) Man sieht hieraus, daß der Gesellschaft-vertrag doch kein reines Internum zwischen den zwei Beteiligten ist, sondern auch nach außen — den Gläubigern gegenüber — recht erhebliche Wirkungen zeigt.

III. Rechtsverhältnisse nach innen zu. Zwischen den beiden Gesellschaftern, nämlich dem Geschäfts­ inhaber und dem Men Associe, entscheidet der Vertrag, dessen charakteristischer Inhalt erörtert ist (s. oben unter I); er wird formlos abgeschloffen6) und bestimmt regelmäßig, wie hoch die arleynr 507.

Aliud pro allo geliefert 368.

Alonge 597. Altersunterschiede 50 ff. Attersverfichervng 497. Amortisation des Wechsels 644 ff.

Anatphaöeten 643. Anatozismus 333. — im Kontokurrent 521. Andienung des Schadens nach Seerecht 702. Anfechtung von Rechtsgeschäften 325.

Anleihe, öffentliche 507 ff. Anmeldang zum Handelsregister 18 f. Anmnsternng 672. Annahme des Wechsels 574, 605ff. Annahmeverzug des Käufers 359 ff.

Annuitles upon llres 515. Anschaffuugsgeschäst 30 f. Anschtlehende Kiseuöahnen 467. Anschwärzung 72. Anstatteu zur Personenbeförderung 46

Anstalten für Transport 33. Antrag für Verträge 326. Antwortepsttcht 396. Anvertrantes Hut 350 ff. Anweisung 532 ff. Anweisung, kaufmännische 533 ff.

AnweisungsverLehr 33. Apotheker 31. Appreturversayre« 31.

AraSisches Aecht 6, 113. Aröeit im Handel 394 f. ArSeiterverstchernngen 497. Arkeitsgeschäste 394 ff.

ArSeitsvertrag, Ende desf. 397 f. ArSitragegeschätte 373 f.

AröttrageLlansel 367.

Arrelierungsklausel 650. Arrha, s. Draufgabe.

Zahlungspflicht (ohne Kompensation) 235 f. Zahlungsunfähigkeit von Subskribenten der Aktiengesellschaft 210, 235.

Arten von Aaustenten 43 ff. ArtöevollmLchtigle 107 ff. Arzaeimiltelpreise 341.

708

Sachregister.

(Die Zahlen bedeuten die Seiten.)

im allgemeinen 490; — im Seerecht 696 ff. AsseLuraurvertrtge 499. Afstguation 532 f. >ffo|Uto«izit»,chset 574, 607 f. PoppettprLrniengeschäst 383. ^oppetverstchernng 495. Poppetverlichernng im Seerecht 699. Pranratisternngsrecht 478. Pransga-e 325 f. Drolt de suite 451. Druckereien 34. Prncksertigea fit. Werk 478. xnpttkate des Wechsels 647 ff. Ecart 381. Edetmetalk, Handel 33. Effektenkommisston 33. „Effektiv" 339. Eye, Einfluß im Handelsrecht 48 ff. Eyegüterrecht 48 ff. Ehre des Kaufmanns 71 f. Eyrenakzept 612. Eyrenannayme 636 ff. Ehrenrechte, bürgerliche 8f., 100. Eyrenraytnng 638 ff. Eigene Wechset 650 ff. Eigentnrntickkeiten der Handelsgeschäfte 326 ff. Eigentnmoermer- 350 ff.

710

Sachregister.

(Die Zahlen bedeuten die Seiten.)

tifmtnmfrrgt im Handelsrecht 349 f. Giteruvechfet ---- Eigener Wechsel 565,569.

Deckungspflicht 269. Eigentümlichkeiten 268 ff. Ehrenrechte, bürgerliche 284. Eingetragene Genossenschaft 266, 269. Eintragung 124 ff., 27uff. Ein^elangrrff 269, 288 f. Endrgung der Genossenschaft 281 ff. Erben eines Genossen 284. Errichtung 124, 270ff.

Ei-emvechfet, domizilierter 568. gtafftynmg des HGB. 12-13. Ki«fL-r«»g»gefetz zum HGB. 15, 16.

399, 409.

CinUgem 437 ff. OxLtssurrgrfrifi im Handelsprozeß 22. Einrede des Spiels 392 f.

Fakultative Organe 276. Firma 118 f., 267 f.

Citttragueg in das Handelsregister 17 f.

£in> ää> Au42 ff.



Wechserklauselu 568, 588 f., 590, 593.

Wechselkopien 647, 649 f., 652. Wechselkurs 628, 631 ff.

Wechsetmessen 7, 569 ff. Allgemeine

Wechselordnung, 10 ff., 571, 572.

Völkerrecht i, 2, 349, 680, 7ui. VollKaufleute 44 ff.

Wechselordnungen 571.

Vollmacht von Handlungsgehilfen 83ff., 86, 89, 103 ff.

Wechselprozeß 22, 578 ff., 617. Wechselrecht 4, io. 664 ff. —, Geschichte 567 ff. - -, internationales 654 ff. systematische Stellung 566. Wechsetregreß 617 ff.

Vollmatrosen 670, 672 f. Vollverlag 477. Vorauszahlung 369.

Vormund im Handelsrecht äi.'ff. Vormundschaftsgericht 51 f. Vorprämie 381. Vulgarrecht, römisches 6, 111.

Aus-

Wechsetformulare 564, 565. Wechsetktage 579 f.

Vitatitienvertrag 515.

Vollmacht im Wechselrecht 643.

von

Deutsche

Wechsetplähe 608.

Wechselregrehsumme 576. Wechselremvours 587. Wechselschutdner 577 f., 616 f. Wechselstempetsteuer 4, 597.

Wechselkrenge 577 ff. Wandlungsktage 367. Ware 335 ff.

Warenhandel 30 f. Warenpapiere 314 ff. Warenproöen 429.

Warenumsatzverträge 357 ff. Warenzeichen 66, 72 ff. Warrants 347. Warlefrist 677. — bei Pfandvertauf 353f. Welghtnotes 347.

Wechsel auf Schuld 587.

„Wechsel", Arten desselben 574 f. — an eigene Order 591. —, eigener 574, 651 f. —, Fvrmalbezeichnnng 589, 590. —, gezogener 564, 570, 574, 586 ff. —, Aegoziabilität 551, 573, 596 ff. —, träniert eigene 593. —, Wesen, juristisches 580 ff. —, zahlbar a piacere 591. Wechselamortisation 644, 645 f. Wechselanweisuug 590. Wechfelarrcst 577. Wechselaussteller 564 f., 592, 591 f.

Wechselsumme 575, 590, 651. Wechsettyeorien 580 ff. Wechselunterschrist 592. Wcchseturkunde 567, 590. Wechsetvervielsälliaung 647.

Wechselverjährung 640ff.

Wechselverüehr 564 ff., 586 ff. Wechselverschreiöuug 590. Wechsetvindikation 644 f. Wechselzahlung 613 ff. Weiterveräußerung 30. Weiterveräußerungen, auch 30, 31.

gewerbliche

36,

Werkverträge, literarische einseitige 477, 483, 484. Wertpapiere 31, 544 ff., 547 ff. —, Arten 550 ff. —, Begriff 547 ff. —, Entstehung 552. —, Kreation .',52. —, Umlauf 553. —, Untergang 553. Wertträger. formale 336. —, materielle 336. Westgotisches Wecht 6.

724

Sachregister.

(Die Zahlen bedeuten die Seiten.)

SBrtttewerf, unlauterer 66, 72, 77 f. Widerruf eines Auftrags 398. Widerruflichkeit von Aufträgen 398. Widerruf der Vollmacht 110. Wisöyfches Seerecht 658. Witrvenkassen 516.

Wucher 332 ff.

WSrttemöerg 9, 10, 12, 16. Tork-Antwerp-Bulei 691.

„Saklöar aller Hrteu" im Wechselrecht 579, 652. Zahlenlotto 518. Zahlung der Tratte 613 ff. Zahlungsauftrag 530 ff. ZahtuugsgefchLfte 529 ff. Zahlungsmandat 530.

Zahlungsort des Wechsels 574.

Zahlungsort im Wechselrecht 616. Za-tuu-sregress, 618. Zahlungs-ett 574. Zahlnugs-eit beim Wechsel 613 f.

Zeicheu 72 ff.

Zeichenrecht 72 ff. Zeichueu der Ware 343. — von Mustern 397. Zeitgeschäft 371 f.

Zettverstcherung 497.

Aefsto» der Mitgliedschaft 284. Zettel-aukeu 510. ZettelgefchLft 510. AeugdruLereien 31. Zeugnis der Handlungsgehilfen 97. — der Handlung-lehrlinge 101. Stufenwechsel 575. -infes-infeu 333, 521. Ainsfutz 332, 334. Ziusvorfchriften 332 ff. Sirkularkredtt-rief 528. Ziuilprorehordnuug 21 f. Zollpapiere 444 f. Zollverein, deutscher 9 s.

Sollvereinskonferenren 9, 10.

AollvertrLge 2. Aug nm Aug 369. Sunftmatrikel 18.

SurülLSeyattungsrecht 398 ff. Zufammenstoh von Schiffen 688 f. Zufchuheremptare 479.

Zwangslotfe 688. Zwangsversteigerung von Schiffen 684. ZweLe der Handelsgesellschaften 116. Iweige des Handels 3f. Zweigetavlissement 61 f. Zweiprärnieagefchaft 383. Zweiseitige Kandelsgefchäfte 323 ff. Zwifchenfpedtteur 421.

Serie 660.

Lippert & Co. (®. Pätz'sche Buchdruckerei), Aaumdurg a. S.