Das deutsche Handelsrecht: Ein kurzgefaßtes Lehrbuch des im Deutschen Reiche geltenden Handels-, Wechsel- und Seerechts [6., umgearb. Aufl. Reprint 2020] 9783111539690, 9783111171593


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German Pages 1037 [1040] Year 1899

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Table of contents :
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Vorwort zur dritten Auslage
Vorwort zur vierten Auflage
Vorwort zur fünften Auflage
Vorwort zur sechsten Auflage
Abkürzungen
Inhaltsübersicht
Einleitung
Erstes Kapitel. Die dem Kandelsrecht unterworfenen Lebensverhältnisse: Der Kandel
Zweites Kapitel. Die Personen im Handelsrecht
A. Der Kaufmann
B. Die Persönlichkeitsrechte im Handelsrecht
C. Die Hilfspersonen im Handel
D. Die Handelsassoriationen
Drittes Kapitel. Die Kandelsgeschäste
Viertes Buch. Das Wechsetrecht
Fünftes Kapitel. Das Seehandetsrecht
Alphabetisches Sachregister
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Das deutsche Handelsrecht: Ein kurzgefaßtes Lehrbuch des im Deutschen Reiche geltenden Handels-, Wechsel- und Seerechts [6., umgearb. Aufl. Reprint 2020]
 9783111539690, 9783111171593

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Guttentag'sche Sammlung von

Lehrbüchern des Deutschen Reichsrechtes. IV.

Das

Deutsche Handelsrecht. Von

Dr. Lari Sarets.

Sechste Auflage.

ZterN« SW« Wllhtlmstraße 119/120.

I. Gatteatag, BerlagSbuchhaadlaag, s. m. 6. H.

1899.

DaS

Deutsche Handelsrecht. Ein kurzgefaßte- Lehrbuch de« tm Deutschen Reiche geltenden .

Handels-, Wechsel- und Seerechts. Systematisch dargestellt auf Grund der deutschen Reich »gesetzt, insbesondere

des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs und der deutsche« Handels­ gesetzgebung vom 10. Mai 1897, unter Serückstchtigrmg der einschlägigen Litteratur uud-der Rechtsprechung,

von

Dr. Kart Kareis, Seh. Justt-rat u. ord. Professor der Rechte in Königsberg t. Pr.

Sechste, ««gearbeitete Auflage.

Stätte BW«, »ilhelmstratze 119/120.

I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, S. m. b. H.

1899.

Borwort zur ersten Auflage.

Die Aufgabe, welche die Verlagsbuchhandlung und dann

ich selbst mir gestellt,

als es sich um die Abfasiung dieses

Merkchens handelte, ist nach Ziel und Methode im wesent­ lichen dieselbe, welche sich meine verehrten Herren Kollegen

Fitting und D o ch o w stellten, als sie demselben Verleger die von ihnen verfaßten Lehrbücher des Civilprozeßrechts

und beziehungsweise des Strafprozeßrechts

lieferten, hier

natürlich angewandt auf die Verbreitung der Kenntnis des

deutschen Handelsrechts.

Wenn meine Kraft nicht ausreichte,

es diesen Vorbildern gleich zu thun, so war doch mein Wille,

dem Handelsrecht denselben Dienst zu leisten, welchen Fitting

dem Civilprozeßrecht und Dochow dem Strafprozeßrecht er­ wiesen, ernstlich genug, um vor der Ausführung des ge­

planten Unternehmens nicht zurückzuschrecken; ich unternahm die Ausführung, obwohl ich

nicht verkannte — und jetzt

nach Vollendung des Versuchs daß

derselben

noch weniger verkenne —,

außerordentliche Schwierigkeiten

stehen, die hauptsächlich

im

Wege

in dem Materialüberflusie

ihren

Grund haben, der die Erreichung der Aufgabe hier in gewiß viel größerem Maße

erschwerte als da, wo es sich

um die Darstellung des mit dem 1. Oktober 1879 erst in Wirksamkeit tretenden Prozeßrechts handelte; denn der von mir behandelte Stoff ist bekanntlich in einer überaus reichen

VI

Vorwort zur ersten Auflage.

bearbeitet,

Litteratur längst ausführlich

eine langjährige

Rechtsprechung hat zur Klärung derselben wesentlich

bei­

getragen, und neben den umfangreichen und verschieden­

artigen Gesetzen

hat sich

das

Gewohnheitsrecht ordnmd

und sichtend Rechtsregeln ^geschaffen.

Lehrbücher, Mono­

graphien, Präjudizien, verschiedenartige Gesetze, Usancen — welche Fülle des Stoffes bieten sie nicht insgesamt dar! Eben diese Fülle, diese Überfülle macht die Bearbeitung

eines „kurzgefaßten Lehrbuches" einerseits schwierig, anderer­ seits aber, wie ich glaube, erwünscht, wenn nicht gar not­

wendig. Als kurzgefaßtes Lehrbuch hat dieses Merkchen eine ganz andere Bestimmung, als diejenige der Werke Thöls

und Goldschmidts und auch Endemanns ist; meine Absicht geht angesichts dieser Werke dahin, deren Studium zu fördern; denn mein Merkchen beabsichtigt lediglich die

Einführung in das Reich des wiffenschastlichen Handels­

rechts und soll demnach nur die Einleitung zum wifsenschaftlichen Studium der größeren handelsrechtlichm Werke selbst

bilden; es ist darum in erster Linie den das Handelsrecht zum erstenmale

studierendm

Rechtskandidaten, dm

auf die Kenntnis des gellenden Handelsrechts angewiesmen

Kaufleuten und solchen praktischen Juristen ge­

widmet, welche sich in das ihnen bisher etwa aus Berufs­ gründen ferner liegende Handelsrecht einen Einblick und Überblick verschaffm wollen. Dazu kommen zwei Umstände,

welche vielleicht auch dm Blick älterer Juristen auf mein Werkchm lenkm: ich habe mich bemüht, auch diejenigm handelsrechtlichm Stoffe, derm Recht zur Zeit noch der ein­

gehenden Kodifikation entbehrt (wie das Versicherungsrecht,

vn

Vorwort zur ersten Auflage.

einer großen Anzahl von Bank- und Börsen­

das Recht

geschäften u. s. w.), nach dem Stande der heutigen Doktrin

und Rechtsprechung in Kürze darzustellen, und ich war ferner bestrebt,

auf

die

Entscheidungen

des

Reichs-Ober-

Handelsgerichts überall, wo es mir nur irgend möglich war, geziemende Rücksicht zu nehmen und die aus den Ent­ scheidungen abzunehmenden und für das System wesentlichen

Rechtsgrundsätze an geeigneter Stelle systematisch einzureihen.

(Die Entscheidungen der ersten vier Bände

sind nach der zweiten Auflage derselben citiert.) Gar nicht verhehle ich mir, daß mein Merkchen im ganzen, wie in einzelnen Teilen Mißverständniffen ausgesetzt

sein wird, daß der Praktiker vielleicht mehr Präjudizien

oder ausführlichere Mitteilungen der Entscheidungen, der Theoretiker mehr Historisches,

mehr Dogmatisches, mehr

Litteraturnotizen u. s. w. überhaupt oder an einzelnen Stellen

gewünscht hätte; angesichts der etwaigen nicht befriedigten

Wünsche bitte ich, den ebm geschilderten Zweck des Buches im Auge zu behalten; allerdings macht meine Arbeit —

und das muß sie thun — Anspruch auf eine gewisse Voll­

ständigkeit in der Beherrschung des Stoffes, aber doch nur

in dem Maße, in welchem dies bei der Aufgabe eines

„kurzgefaßten Lehrbuches" möglich und nötig ist. Das bisher Gesagte ist auf das Handelsrecht im engerm

Sinne zunächst zu beziehm; es gilt aber analog auch vom Wechselrecht und vom Seerecht. weit

davon

entfernt,

die

Meine Arbeit ist

Präjudizimsammlungen,

die

Kommmtare, die großm Handbücher und wechselrechtlichm

Specialwerke, wie die von Thöl, Renaud, O. v. Wäch­ ter, Kuntze, Hartmann u. a., oder die seerechtlichm

Vlü

Vorwort zur ersten Auflage.

Werke (s. unten S. 558)T) irgend zu ersetzen, wo es sich um eingehende und motivierte Behandlung der Streitfragen handelt. Ich verweise deshalb auch hierin stets und aus­ drücklich auf die Speciallitteratur. Aber das vorliegende Merkchen soll auch auf den Gebieten des Wechsel- und des Seehandelsrechts einleitend und einführend wirken, wie auf dem des engeren Handelsrechts. Und gerade auf diesen Gebieten scheint mir den nicht seltenen Erfahrungen nach ein einleitendes, die Grundbegriffe und Grundregeln klar und auch dem Laien verständlich darstellendes Werk durch­ aus nötig; denn an dem Mangel der in den größeren Werken regelmäßig vorausgesetzten elementaren und mer­ kantilen Kenntnisse — hauptsächlich auch im Gebiete des Börsen-, Wechsel- und Seerechts — scheitert häufig das Studium der größeren Werke und Fachschriften. Selbstverständlich ist nicht bloß der in den Hauptquellen unseres Stoffes, nämlich dem Allgemeinen deutschen Handels­ gesetzbuch und der Allgemeinen deutschen Wechselordnung enthaltene Stoff systematisch verarbeitet, sondern ebenso auch das Material dargestellt, welches die zahlreichen übrigen ein­ schlägigen Reichsgesetze bieten, z. B. das Genossenschafts­ gesetz, die Aktiennovelle, das Postgesetz, die Gewerbeordnung, die Seemannsordnung u. s. w. Auch damit hoffe ich, Studierenden, wie juristischen und kaufmännischen Praktikern einen guten Dienst zu thun, wenigstens ist dies mein Wunsch und mein Streben. Gießen, November 1879.

Kart Hareis. 1 VI. Aufl. S. 930 ff.

Vorwort zur zweiten Auflage.

IX

Vorwort zur zweiten Auflage. Gegenüber der freundlichen Aufnahme, deren sich die erste Auflage dieses kurzgefaßten Lehrbuches erfreute, hielt

ich mich verpflichtet, alles zu thun, was in meinen Kräften stand, um den von verschiedenen Seilen an mich gelangten

Wünschen nach einzelnen Verbesserungen oder Ergänzungen zu entsprechen; nicht in allen Punkten war es mir möglich, diesen Wünschen nachzukommen: so vor allem nicht dem von

einer Seite erhobenen Verlangen nach einleitenden historischen

Abschnitten; durch diese würde nämlich, selbst wenn sie noch so summarisch gehalten wären, das Lehrbuch

dehnung erhalten, welche es des Prädikates

eine Aus­

„kurzgefaßt"

— und das will es ja sein und bleiben — unwürdig machen müßte; auch liegt eine solche Erweiterung nicht im

Plane der Verlagsbuchhandlung, und die übrigen Lehrbücher

dieser Ausgabe (Fitting, Dochow, Liszt) entbehren derselben ebenfalls.

Dies hinderte mich jedoch nicht, da, wo ich eine

geschichtliche und insbesondere rechtsgeschichtliche Bemerkung für absolut nötig zum Verständnis des geltenden Rechts

hielt,

dieselbe voranzustellen.

Andererseits habe ich

in

dieser Auflage mich bemüht, das Buch für Lernende, wie für Praktiker in höherem Grade brauchbar zu machen durch

Vermehmng der Litteraturangaben und durch Einschiebung einer Anzahl erläuternder Anmerkungen; daß 'die Recht­ sprechung des Reichsgerichts (citiert mit RGer.) allerorten und

X

Vorwort zur dritten Auflage.

vollständig berücksichtigt wurde, darf ich als ebenso selbst­

verständlich bezeichnen, wie die Verflechtung des seit 1880 durch

die Reichsgesetzgebung

geschaffenen

System dieses Lehrbuchs; dadurch

schritts der Wiffenschaft

wurde

Rechtsstoffs

im

und infolge des Fort­

die radikale Abänderung

einzelner Partien des Buches, ja auch die Einschiebung einiger

neuen Paragraphen erforderlich. Dies gilt namentlich von der ausgedehnten Berücksichtigung des Rechts des Bankverkehrs und

ganz besonders von

der eingehenden Darstellung des Ge­

schäftsverkehrs der Reichsbank, von der Berücksichtigung des

Abrechnungswesens (Clearing) u. dergl.

Möge das kurz­

gefaßte Lehrbuch des Handels-, Wechsel- und Seerechts auch in dieser etwas veränderten — ich hoffe zu seinem Vorteil veränderten — Gestalt Beifall in den Kreisen der Rechts­ und Handelsbefliffenen, der Studierenden und der juristischen, wie der kaufmännischen Praktiker finden.

Gießen im März 1884.

Kart Hareis.

Borwort zur dritten Auslage. Bei

der Bearbeitung der dritten Auflage glaubte ich,

an den Grundsätzen festhalten zu

sollen, welche mich

in

der Herstellung der zweiten Auflage leiteten: die Litteratur

suchte ich auch hier

in einer Weise zu berücksichtigen, daß

es jedem Benutzer meines Merkchens ein Leichtes werden

soll, jeweilig die neuesten, die wichtigsten und von da aus

die überhaupt vorhandenen Bearbeitungen des Stoffes kennen

XI

Vorwort zur vierten Auflage.

zu lernen und beziehungsweise ausfindig zu machen, und die Rechtsprechung

ist insoweit zur Kenntnis gebracht, als

nach der Intention eines derartigen Lehrbuchs meines Da­

fürhaltens möglich und nötig ist.

Hiedurch

und

bei dem

Umstande, daß die Darstellung des Aktiengesellschastsrechts nach der Novelle vom 18. Juli 1884, welche der zweiten Auslage nur als Anhang beigegeben werden konnte, nun

selbstverständlich in das Lehrbuch eingefügt ist, hat sich der Umfang des letzteren

ändert ,



Neuerungen,

abgesehen

gegenüber der vorigen Auflage ver­

auch

von

anderweiten

räumlichen

die im einzelnen durch Neuredaktionen, Ein­

schiebungen und Streichungen bewirkt wurden. Da ich alle mir seit dem Erscheinen der zweiten Auflage kund gewordenen Befierungsoorschläge in dieser Bearbeitung nach Kräften be­ rücksichtigt habe, darf ich mir gestalten, mich hier auf die

Wiederholung des am Schluffe des Vorworts der vorigen Auflage ausgesprochenen Wunsches zu beschränken.

Tegernsee im August 1888.

Kart Hareis. Vorwort zur vierten Auflage. Die vorliegende, wie man sieht, nicht volle 4 Jahre nach

dem Erscheinen der dritten Auflage notwendig gewordene neue Auflage darf als eine neu durchgearbeitete, in vielen

Beziehungen veränderte bezeichnet werden.

Die Verände­

rungen liegen nicht bloß in der Berücksichtigung der seit

dem Erscheinen der vorigen

Ausgabe veröffentlichten Ent­

scheidungen des Reichsgerichts an den einschlägigen Stellen

xn

Vorwort zur vierten Auflage.

und in einer ausgedehnteren Verweisung auf die neuere und neueste Litteratur, sondern es haben ganze Abschnitte eine völlige Neubearbeitung, veranlaßt durch Änderung der

Gesetzgebung und — mehr noch —

durch Fortschritte in

der wissenschaftlichen Ergründung dogmatischer und geschicht­ licher Verhältnisse des Handelsrechts, erfahren muffen.

War

ersteresz. B. auf Grund des Genoffenschaftsgesetzes voml.Mai

1889 erforderlich, vermöge beffen die

einschlägigen Para­

graphen (ftüher 31—34, jetzt §§. 37—40) vollständig neu redigiert werden mußten, auch wegen Änderung der Geschäfts­

normen der Reichsbank u. a. notwendig, so hat von Werken der Litteratur namentlich Goldschmidts hervorragend wichtige

und

großartig

gefaßte Universalgeschichte des HR. Bd. I

umgestaltend einwirken muffen; infolge hievon haben z. B. die Erörterungen über Geschichte der Handelsgesellschaften

und über die des Wechselrechts erfahren.

bedeutende Veränderungen

Freilich konnte die geschichtliche Entwicklung nur

andeutungsweise dargestellt werden, — Zweck, Umfang und

Anlage dieser Lehrbücher machten manche starke Beschränkung zur Pflicht.

kann

auch

Aber anregen, zum Weiterforschen auffordern

eine

kurze

Notiz,

vielfach, durch die Verweisung

und

die

Fingerzeig für die weitere Beschäftigung und

gehendere Material zu

Aufgabe

war

auf ein Hauptwerk einen

gewähren.

in das ein­

Diese Bemerkung gilt

natürlich nicht bloß von den historischen Angaben, sondern auch von den für die Erkenntnis des geltenden Rechts wichtigen

Darstellungen und Verweisungen.

Im übrigen darf ich auf

die Vorreden zu den vorausgehenden Auflagen verweisen.

Königsberg im April 1892.

Kart Hareis.

Vorwort zur fünften Auflage.

XNI

Borwort zur fünften Auflage. Gesetzgebung, Rechtsprechung, internationaler Verkehr und wissenschaftliche Schriften habm in dm drei.Jahren,

die seit dem Erscheinm der vorigen Auflage verflossen sind, manches zu Tage gefördert, das in einem Lehrbuche des

deutschm Handelsrechts,

und suchte dieses auch noch so

sorgfältig die ursprüngliche Eigenschaft eines kurzgefaßten

Lehrbuchs festzuhaltm, notwmdig berücksichtigt werden muß. Schon wmige Wochen nach dem Erscheinen der vierten

Auflage trat ein für das Handelsrecht wichtiges Reichs­ gesetz in Kraft, das Gesetz über die Gesellschaften mit

beschränkter Haftung; ein Anhang zum ebm erschienmm

Lehrbuche suchte zunächst der hierdurch eingetretmm Un­ vollständigkeit des Buchs abzuhelfm, in der vorliegmdm

fünften Auflage fand der durch jmes Gesetz gebotme Stoff seine systematische Stellung (S. 345—382).

Das

Eisenbahnfrachtrecht hat durch den intemationalm Vertrag

vom 14. Oktober 1890 (nebst dm Vereinbarungen vom 15. November 1892 und vom 18. Januar 1898) wich­ tige Änderungen erfahren, die in der neuen Verkehrs­ ordnung (vom 15. November 1892, mit Wirkung vom

I. Januar 1893) für die Eismbahnm Dmtschlands und in dem neuen Betriebsreglemmt eben dieser Bahnm mtsprechmde Berücksichtigung fandm (s. S. 557—568).

Die

Rechtsgeschäfte des Postverkehrs sind in Verbindung mit

internationalen Verträgm durch die neue Postordnung (vom II. Juni 1892 s. S. 569—574) normiert, für dm Tele-

graphen- und Fernsprechverkehr ist ein Reichsgesetz von Wichtigkeit ergangen (s. S. 574—579); ganz neu, aber den Grundsätzen des Seehandelsrechts teilweise entsprechend ist die Binnenschiffahrt nun reichsrechtlich geregelt, RGes. vom 15. Juni 1895 (f. S. 533 ff., 820 ff.). Der Bankverkehr erhält durch die „allgemeinen Bestimmungen" der Reichsbank (jetzt diejenigen vom Oktober 1894) eine immer detailliertere Regelung, die nicht bloß für die mit dieser Bank geschloffenen Geschäfte, sondern, wie z. B. der Checkverkehr zeigt, auch für den Verkehr mit Geldinstituten überhaupt von Bedeutung ist (f. S. 59—61, 508, 510, 512, 643 ff. u. a.). Auf das Recht der Börsengeschäfte hat das Börsenstempelsteuergesetz vom 27. April 1894 Einfluß gewonnen, z. B. durch die gesetzliche Ausstellung des Begriffs der Arbittagegeschäfte (f. S. 485 ff. und Formulare daselbst) u. s. w. Was die in diesem Lehrbuche überhaupt gestellte Auf­ gabe und die Art und Weise des Versuchs, diese zu er­ füllen, anlangt, namentlich das sich hieraus ergebende Ver­ hältnis desselben zur weiten juristischen Speciallitteratur und zu der fortwährend in ihren wichtigsten Entschei­ dungen berücksichtigten Rechtsprechung des Reichsgerichts u. s. w., so darf ich mich damit begnügen, auf die Vor­ reden der vorausgehendm Auflagen, namentlich der vierten, zu verweisen. Inzwischen ist dieses Lehrbuch von dem Vizepräsidenten des Handelsgerichts in Moskau, Herrn Nikolai Rzondkowski, unter Mitwirkung meines Herrn Kollegen an der Universität Moskau, Profeffor N. O. Nerssesow, in das Russische übersetzt herausgegeben worden (Moskau,

Mamontow & Cie.), während das VI. Kapitel, das See­ recht, von dem Florentiner Advokaten Herrn Torquato Giannini in das Italienische übersetzt wurde (Firenze, Civelli). Ich benutze gerne das Erscheinen der vorliegenden Auflage als Anlaß dazu, den genannten Herren dankbar anerkmnend zu bezeugen, daß sie, wenigstens soweit ich dies — die russische Übersetzung insbesondere mit Hilfe Königsberger sprachkundiger Kollegen — zu beurteilen ver­ mag, mit klarem Verständnis treu und sachgemäß über­ setzt haben.

Ruhpolding, August 1895.

Kart Hareis.

Vorwort zur sechsten Auflage. Was innerhalb der drei Jahre, welche seit dem Er­ scheinen der vorigen Auflage dieses Lehrbuchs verflossen sind, von der Deutschen Gesetzgebung geschaffen wurde, ist so bedeutend, daß eine völlige Umarbeitung des ersten Teiles dieses Buchs, des eigentlichen Handelsrechts, not­ wendig geworden ist; entstand ja doch in dieser Zeit daS Bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich, zweifellos das imposanteste Gesetzgebungswerk der Neuzeit, und im Anschlüsse daran eine Umgestaltung des Handelsgesetzbuchs selbst! Selbstverständlich sind diese beidm Vorgänge leitend gewesen für die Umarbeitung auch dieses Lehrbuchs; nicht minder selbstverständlich darf ich es nennen, daß auch die übrigen das Handelsrecht berührenden Neuerungen

XVI

Dorwort zur sechsten Auflage,

unserer Gesetzgebung, z. B. auf dem Gebiete des Börsen­ rechts, der Persönlichkeitsrechte und des Gesellschaftsrechts, die ihnen gebührende Berücksichtigung hier gefunden haben. In Bezug auf die Methode der Darstellung, ins­ besondere die Heranziehung und Erwähnung der Litteratur und der Rechtsprechung, unterscheidet sich die vorliegende Ausgabe nicht von den vorhergehenden, auf deren Vor­ worte ich mir auch im übrigen zu verweisen gestatte. Königsberg i. Pr., Herbst 1898. Kart Hareis.

Abkürzungen. A. a. O. — am angegebenen Orte, »bs. = Absatz. ADHSB. = Allgemeiner deutsches Handelsgesetzbuch von 1861. AfbR. = Archiv für bürgerliche» Recht. HerauSgegeben von I. Kohler und B. Ring. Berlin, Earl Hcymanns «erlag 1888 ff. Anm. — Anmerkung. Arch. s. cio. Prax. — Archiv für civi­ listische Praxi». AuSwand.Gcs. — Gesetz über da» AuswanderungSwesen vom 9. Juni 1897. BL. — Busch, Archiv für Theorie und Praxi» de» allgemeinen deutschen Handel»- und Wechselrecht». Berlin,

Earl Heymann» Verlag. 1. Band 1863, letzter (48.) 1888. Bd. — Band. BGB. = Bürgerliche» Gesetzbuch für da» Deutsche Reich vom 18. August 1896. (Reichs-Gesetzblatt 1896 Nr. 21

Sette 195). BlsRL. --- Blätter für RechtSanwendung, auch — Seuffert» Blätter für Rechtsanwendung zunächst in Bayern, herausgegeben von I. Staudinger. BörsenGes. — Bürsengesetz v. 22. Juni

Reich.

HerauSgegeben vom Reichs­

amt de» Innern. CO. — Lentralorgan für da» deutsche

Handel»- und Wechselrecht. gegeben von G. Hartmann.

Löhr,

Heraus­

dann

W.

Cosack, Lehrbuch ---- Lehrbuch de» Han­ delsrecht» von Konrad Cosack. Vierte

umgearbeitete Auflage. Ferd. Enke, 1898.

Stuttgart,

CPO. — Cioilprozeßordnung, Fassung vom 20. Mai 1898.

Denkschr. — Denkschrift zu dem Ent­ wurf eine» Handelsgesetzbuch» und eines Einführungsgesetze- in der Faffung

der

dem

Reichstage

ge­

machten Vorlage; erschienen auch Berlin I. Guttentag, Verlagsbuch­

handlung, 1897; hier citiert nach den Anlagen zu den Stenographischen Berichten des Deutschen Reichstag». DepotGes. — Reichsgesetz, betreffend

die Pflichten der Kaufleute bei Auf­ bewahrung fremder Wertpapiere, vom 5. Juli 1896; auch erschienen in der Guttentag'schen Sammlung deutscher Reich-gesetze Bd. 40.

1896. BSchG. — Reichsgesetz, betreffend die

Einf.G. --- Sinführung»gesetz zum Han­

privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt vom 15. Juni 1895.

FltSes. — Flösserei-Gesetz vom 15. Juni 1895; auch erschienen in der Gutten­

EBlfRW. = Eentralblatt für Rechts­

tag'schen Sammlung deutscher Reichs­ gesetze Bd. 36.

wissenschaft. HerauSgegeben von Kirchenheim 1881 ff. 681. = Eentralblatt für da» Deutsche

SareiS, Handelsrecht.

6. Lust.

delsgesetzbuch von 1897.

FreiwGerS. = Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Ge­ ll

XVIII

A-kürzungen.

richtSbarkeit, vom 17. Mai 1898; auch erschienen in der Guttentag'schen

das Heft in dieser Abteilung und

Reich-gesetze

die Rümmer in der Reihenfolge deS

Bd. 46. Fuch-berger — Da- Handelsrecht. Sämtliche Entscheidungen de-ReichsoberhandelSgerichtS und Reichsge­

SrscheinenS dieser Etnzelabdrucke überhaupt; z. B. GSA. II 16 (208) ist die Grund buch ordnung.

Sammlung

deutscher

richt- mit besonderer Berücksichtigung der in- und ausländischen Landes­ gesetze und den Bestimmungen des

gemeinen CivilrechtS in ausführ­ licher Darstellung nach dem System

des HGB. . . . von Otto Fuchs­ berger. Zweite vollständig um­ gearbeitete und biS auf die Gegen­ wart ergänzte Auflage. Gießen, Emil Roth, 1891 ff. Garels BGB. = Bürgerliches Gesetz­ buch vom 18. August 1896 nebst EinsührungSgesetz. Mit Einleitung,

die hierauf folgende arabische Zahl

GenG. — Genossenschaftsgesetz, Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschafts gen oft en schäften vom 20. Mai 1898; auch erschienen in der Gutten-

tag'schenSammlung deutscherReichS­

gefetze Bd. 29. GerLerfGes. —

Gerichtsverfassungs­

gesetz vom 17. Mai 1898. Ges. — Gesetz. Goldschmidt HR. = L. Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts. Bd. I 1. Aust. 1864, 2. Aust. 1875. Bd. II 1. Liefg. 1. Aust. 1883. Bd. I 3. Aufl. 1891.

erläuternden

Anmerkungen

GSyft. Goldschmidt, System — System

und ausführlichem herausgegeben von

Sachregister, jt. Gare io.

deS Handelsrechts mit Einschluß des

kurzen

Gießen, Emil Roth 1897.

GareiS HGB. — HandelSgefetzbuch vom 10. Mat 1897 nebst dem Einführungs­

gesetze vom 10. Mai 1897. Hand­ ausgabe mit Einleitung, erläutern­ den Anmerkungen und Sachregister herausgegeben v. K.G. reis. München, C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung

Wechsel-, See- und Versicherungs­ rechts im Grundriß von L. Gold­ schmidt. Vierte verbefferte und durch Einzelausführungen vermehrte Auf­

lage.

Stuttgart, F. Enke 1892.

GrünhutZ.

Privat-



Zeitschrift

und

öffentliche

für

das

Recht der

Gegenwart, herausgegeben von C. Grünhut, Wien 1874 ff.

OSkar Beck 1898. SB. — Gesetzbuch. S. L F. — Gareis und Fuchs­ berger — Tas allgemeine Deutsche

GVG. — Gerichtsverfassungsgesetz. GUGefch. — Universalgeschichte deS

HandelSgefetzbuch .... erläutert von Aarl GareiS und Ltto Fuchs­ berger. Berlin, F. Guttcntag 1891.

buchs des Handelsrechts von L. Gold­ schmidt). Stuttgart, gerb. Enke 1891.

SEA. — Die von Äarl GareiS heraus gegebenen Deutschen ReichSgefetze in

Einzelabdrucken (Verlag

von

Emil

Roth, Gießen). Die röm. Zahl hinter SSL. bedeutet die Abteilung

(Staatsrecht, Privatrecht u. f.

w.)

die darauf folgende arabische Zahl

Handelsrechts von L. Goldschmidt (Bd. I der dritten Auflage deS Hand­

GZ. — (Goldschmidt)

Zeitschrift für

das gesamte Handelsrecht, heraus­ gegeben von L. Goldschmidt, Fr. o. Hahn, H. lleyßner, P. Laband und M. Pappenheim. Stuttgart,

F. Enke 1856 ff. Hdbch. — Handbuch

Handels-,

See-

deS

deutschen

und DechselrechtS.

XIX

Abkürzungen. Unter Mitwirkung von Brunner. Cohn u. s. w. Herausgegeben von SB. Endemann. Leipzig, Fue- Ler. lag (9t. ReiSland) 1881 ff.

HGB. — Handelsgesetzbuch von 1897. HR. — Handelsrecht. )ü. = Berner internationaler Vertrag = Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom

14. Oktober 1890. (RGBl. 1892 S. 793-920). ÄD. — Konkursordnung. Noch M. L 9t. = R. Noch, Präsident deS ReichsbankdirektoriumS. Reichs­ gesetzgebung über das Münz- und

Notenbankwesen, Papiergeld, Prä. mienpapiere und ReichSanleihen.

TextauSgade mit Anmerkungen und Sachregister, 3. Aufl. Berlin, Guttentag'fche Sammlung deutscher Reichsgesetze Bd. 26. NB. — Kritische BierteftahrSschnft von Pözl, dann A. Bechmann und M. Seydel, München 1859 ff.

de»

Reichsgericht»

in

Ctvilsachen,

herausgegeben von den Mitgliedern de» Gerichtshof» (Leipzig, Verlag

von Bett & Comp. 8b. 40 1898). RGes. = Reichsgesetz.

RLex. = Lexikon.

v.

vd. 1 1880.

Recht»-

Holtzendorff,

ROHG. Reichsoberhandelsgericht. ROHG.

Bd. . . S. . .

Entschei­

dungen deS ReichSoberhandelSgerichtS, herausgegeben von den Räten

des Gerichtshof» (25 Bände). RBf. — ReichSverfaffung. f. = siehe. S. = Seite.

SA.



(Siebenhaars)

deutsches StrafGB. Deutsche StrS. —

Archiv

für

Wechsel- und Handelsrecht.

— Strafgesetzbuch für da» Reich. Entscheidungen in Straf­

sachen. üv. — Übergangsvorschriften.

CD. — Verkehr-ordnung für die Eisen­

bahnen Deutschland- vom 15. Nov. Vtmtt@®. — Limit. Gesellschaftsgesetz, j 1892. (RGBl. 1892 S. 923 ff.). da» ist Reichsgesetz, betreffend die i WVStW. = Handwörterbuch der Gesellschaft mit beschränkter Haftung StaatSwiffenschaften, herausgegeben vom 20. April 1892; auch erschienen von Conrad Elster, Lext», Loening. in der Guttentag'schen Sammlung 2. Aufl. 1898. (Verlag von S. deutscher Reichsgesetze Bd. 32. Fischer, Jena). Marquardsen, Hdbch. — Handbuch deS öffentlichen Recht». Freiburg 1883 ff. RBkiS. — ReichSbankgesetz vom 14. März

WO., »DWO. — Wechselordnung (Allgemeine deutsche Wechselordnung),

1875. RGBl. — ReichSgesetzblatt. RGer. — Reichsgericht. RGer. Bd. .. S.. . — Entscheidungen

schen Sammlung gesetze Bd. 5. Z. -- Zeitschrift.

auch erschienen

Ziff. = Ziffer.

in der Guttentag-

deutscher Reichs­

Inyatts-Averstcht.

Einleitung.

§. 1. g. 2. §. 3. §. 4. §. 5.

Seite Das Handelsrecht und seine Stellung im System der Rechtswissenschaft..................................................... 1 Begriff und Zweige des Handels und seines Rechts . 4 Überblick über die geschichtliche Entwickelung des Han­ delsrechts überhaupt und des deutschen Handelsrechts insbesondere........................................................... 7 Die Gerichtsbarkeit in Handelssachen......................... 31 Litteratur des Handelsrechts....................................... 39 Erstes Lapttel.

Pie beut Kandetsrecht unterworfenen /eöerrsver-Lttnlsse: der Kandel.

§. 6.

§. §. §. §.

7. 8. 9. 10.

Begriff der Handelssachen und Grundlage der Syste­ matik derselben............................................................. 43 Das System der Handelssachen im einzelnen .... 47 (Fortsetzung.) A) Die Grundgeschäfte......................... 50 (Fortsetzung.) B) Die Rebengeschäste......................... 59 (Fortsetzung.) C) Rebengewerbebetnebe, insbesondere bei Land- und Forstwirtschaft................................... 61 Zweites Lapttel. Pie Personen i« Handelsrecht.

A) Der Kaufmann. §. 11. §. 12.

Begriff........................................................................... Arten...............................................................................

64 70

Inhalt.

§. 13.

§. 14. §. 15. §. §. §. §.

16. 17. 18. 19.

20. §. 21. §. 22. §. 23. §. 24.

XXI

Sette B) Persönlichkeitsrechte im Handelsrecht. Im allgemeinen.................................................. 84 Persönlichkeitsrechte im einzelnen: 1. Das Recht der kaufmännischen Bethätigung im all­ gemeinen 86 2. Das Recht auf einen individuell gestalteten Ge­ werbebetrieb und an diesem..................... 94 Insbesondere: 3. Namen- und Firmenrecht.............................. 104 4.Das Warenzeichen......................................... 113 5. Das Recht an der eigenartigen Betriebsweise . 119 6.Urheberrecht im Handelsrecht........................ 121 C) Die Hilfspersonen im Handel. Im allgemeinen ....................................................... 126 Die Handlungsgehülfen............................................. 138 Die Handlungsbevollmächtigten................................... 158 D) Die Handelsassociationen. Geschichtliche Vorbetrachtung..................................... 169 Übereinstimmendes und Vergleichendes von den Handelsassociationen............................................... 174

Von den einzelnen Handelsafsociationen, insbesondere: 1. Die offene Handelsgesellschaft. §. 25. I. Wesen und Errichtung................................ 207 §. 26. II. Innere Rechtsverhältnisse............................. 210 §. 27. III. Äußere Rechtsverhältnisse............................. 218 §. 28. IV. Auflösung der Gesellschaft,Ausscheiden ein­ zelner, Liquidation und Klagenverjährung 229 8.29. 2. Die stille Gesellschaft......................... 246 §. 30. 3. Die Kommanditgesellschaft.............. 257 4. Die Aktiengesellschaft. §. 31. I. Das Wesen der Aktiengesellschaft.......... 268 §. 32. II. Die Errichtung der Aktiengesellschaft ... 286 §. 33. III. Die Verfassung und Geschäftsführung der Aktiengesellschaft........................................... 311

xxn

Inhalt. Sette

§. 34.

IV. Die Herstellung und Erhaltung des realen

§. 35.

V. Die Rechtstellung der Aktionäre innerhalb

Substrats der Aktiengesellschaft........................ 344

der Aktiengesellschaft............................................... 361

VI. Die Endigung der Aktiengesellschaft

§. 36.

.

.

.

371

§. 37.

5. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien

381

§.38.

6. Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen­

§.39.

7. Die

schaften ................................................................................ 394

Gesellschaften

mit

beschränkter

Haftung........................................................................... 430

§.40.

8.

Verschiedene andere Gesellschaftsformen

467

Drittes Lapttel. Nie Kandeksgeschäfte. A) Allgemeine Grundsätze über Handelsgeschäfte. I. Verhältnis zwischen dein allgemeinen bürgerlichen

§. 41.

Recht und dem Handelsrecht in Bezug auf Han­

delsgeschäfte im allgemeinen...........................................470 §. 42.

II. Einzelne Eigentümlichkeiten der Handelsgeschäfte überhaupt............................................................................... 477

I. Abschluß der Handelsgeschäfte........................ 477 II. Auslegung und Beweis...................................... 481

III. Kaufmännische Sorgfalt...................................... 483

IV. Beschränkte Vermögenshaftung........................ 484 V. Schadensersatz und Vertragsstrafe .

.

.

VI. Bürgschaft................................ VII. Preisbildung und insbesondere Zinsen

484 485

485

VIII. Provision ohne Verabredung............................ 489 §. 43.

IX. Erfüllung der Handelsgeschäfte.........................489

§. 44.

X. Die dinglichen Wirkungen..........................

499

B) Von einzelnen Handelsgeschäften. I. §. 45.

Warenumsatzverträge.

Vom Handelskäufe............................................................. 521

Inhalt. §. 46. §. 47.

§. 48.

§. 49. §. 50.

xxin

Seite Besondere Arten deS Kaufs: a) nach Maßgabe der Zahlungszeit................................................................ 536 (Fortsetzung) b) nach Maßgabe der Lieferungszeit und nach Maßgabe des Lieferungsorts .... 539 Fix-, Differenz-, Prämien-, Report- und Promeffengeschäfte ............................................................... 544 Die Börsentermingeschäfte insbesondere .... 560 II. Arbeitsgeschäste. Allgemeine Grundsätze über Arbeitsgeschäfte. .

571

Von einzelnen Arbeitsgeschäften des Handels: §. §. §. §. §. §. §.

51. 52. 53. 54. 55. 56. 57.

§. 58. §. 59. §. 60. §. 61.

Vom Kommissionsgeschäfte........................... 576 Vom Speditionsgeschäfte............................... 599 Von den Geschäften der Handelsmäkler. . . 610 Von den Geschäften der Handlungsagenten . 622 Vom Lagergeschäfte........................................ 630 Vom Frachtgeschäfte......................................... 637 Von der Beförderung von Gütern und Per­ sonen aus den Eisenbahnen.................................... 661 8. Vom Binnenschiffahrtsrecht...................................... 681 9. Von den Verlagsgeschäften...................................... 688 10. Besondere Arbeitsgeschäfte des Bankverkehrs 694

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

III. Gesellschaftsverträge. Die handelsrechtlichen Besonderheiten in Bezug auf den Gesellschaftsvertrag................................698

§. 62.

IV. Versicherungsgeschäfte.............................. 701

§. §. §. 8. §.

V. Kreditgeschäfte. Das Darlehen im Handelsverkehr.................... 713 Die Lebens- und die Rentenversicherung . . . 722 Der Lotterievertrag............................................... 731 Der Kontokurrentvertrag und der Giroverkehr. 737 Die Accreditierung................................................... 744

63. 64. 65. 66. 67.

8. 68.

VI. Zahlungsgeschäfte:...................................... 750 I. Geldzahlung........................................................... 750 II. Zahlungsauftrag.................................................. 751

XXIV

Inhalt. Seite

HI. Einziehungsauftrag............................................... 754 IV. Anweisung, insbesondere Bankanweisung (Check)......................................................................... 755 V. Schuldübernahme und Forderungsabtretung 760 VI. Skontration und Abrechnungsstellen (Clearing)................................................................ 761 VII. Deckungsgeschäft.................................................. 764

§. §. §. §. §.

VII. Die Schaffung und Verwendung von Wertp apieren. 69. Wesen der Wertpapiere................................................... 770 70. Arten der Wertpapiere................................................... 777 71. Entstehung, Umlauf und Untergang der Wert­ papiere ...................................................................................780 72. Jnhaberpapiere.................................................................. 782 73. Orderpapiere...................................................................... 792

Viertes Lapttel.

Aas Mechsetrecht. A) Einleitung.

§. 77. §. 78. §.79. §. 80. §. 81. §. 82.

I. Allgemeines vom Wechsel.................................. 797 II. Begriff und Stellung des Wechselrechts im Rechtssystem....................................................... 800 III. Quellen, Geschichte und Litteratur des Wechsel­ rechts .............................................................................. 801 IV. Der Wechsel, ein Wert- und Handelspapier. 809 V. Arten des Wechsels...........................................810 VI. Die im Wechselverkehr vorkommenden Summen 812 VII. Die Wechselstrenge und der Wechselprozeß . 815 VIII. Das juristische Wesen des Wechsels .... 820 IX. Die Wechselfähigkeit.................................................... 825

§. 83.

B) Vom gezogenen Wechsel. I. Die Tratte selbst. 1. Der Zweck der Trassierung......................................827

§. 74. §. 75.

76.

Inhalt.

XXV Sette

2. Die Bestandteile der Tratte................................. 829 §. §. §. §.

84. 85. 86. 87.

Im allgemeinen............................................................829 Die Erfordernisse der Tratte................................. 832 3. Unvollständigkeit einer Tratte................................ 837 4. Verpflichtung des Ausstellers................................ 839

§. 89.

II. Das Indossament (Giro der Tratte). Begriff. Form und Funktionen des Indossa­ ments ............................................................................840 Arten des Indossaments........................................ 846

§. 90. §. 91.

III. Das Accept der Tratte.................................... 85z IV. Die Zahlung der Tratte................................865

§. 88.

§. 92.

8- 93. 8- 94. §. 95.

§. 96. 8. 97. 8- 98.

V. Die Regresse. Von der Regreßnahmc im allgemeinen.

Über­

sicht ................................................ 871 Der Protest................................................................... 873 1. Regreß auf Sicherstellung mangels Annahme 881 2. Regreß auf Sicherstellung wegen Unsicher­ heit des Acceptanten........................................... 883 3. Zahlungsregreß des Inhabers........................... 885 4. Remboursregreß..................................................... 887 5. Besonderheiten der Zahlungsregresse . . . 890

§. 99. VI. Interventionen..................................................... 896 8- 100. VII. Wechselverjährung............................................ 904 8- 101. VIII. Wechselsälschung u ab mangelhas te

8- 102.

Unter schriften......................................................907 IX. Amortisation und Vindikation des

§. 103.

Wechsels...................................................................909 X. Vervielfältigung des Wechsels.... 913

8- 104. 8- 105. §. 106.

C) Vom eigenen Wechsel. I. Vom eigenen Wechsel im allgemeinen.... 918 II. Erfordernisse des eigenen Wechsels.............. 919 III. Unterschiede gegenüber dem gezogenen Wechsel 921

ß. 107.

D) Internationales Wechselrecht........................... 923

XXVI

Inhalt.

Fünftes Lapttel. Pas Keeharrbetsrecht.

§. 108. §. §. §. §. §.

109. 110. 111. 112. 113.

§. 114. §. 115.

§. 116. §. 117. §. 118. §. 119.

Seite Begriff, Quellen und Litteratur des Seehandels­ rechts ...................................................................................... 927 I. Von den Schiffen........................................ 931 II. Von den Reedern und der Reederei.... 935 III. Von dem Schiff und der Schiffsmannschaft 943 IV. Vom Seefrachtgeschäfte................................ 950 V. Von dem Geschäft zur Beförderung von Reisenden................................................................... 959 VI. Von der Bodmerei................................................. 963 VII. Von den Seeschäden, insbesondere der Haverei........................................................................ 967 VIII. Von der Bergung und Hülfsleistung in Seenot........................................................................ 975 IX. Von den Schiffsgläubigern................................ 979 X. Von der Seeversicherung.....................................982 XI. Von der Verjährung imSeerechte .... 990

Einleitung. §. 1. Das Handelsrecht und feint Stellung im System »er Rechtswissenschaft. Das Handelsrecht es

standes,

ist

Sonderrecht des Handels­

das

ist ein Teil jener unter

stehenden Friedensordnung,')

den Menschen be­

welche man das Recht im

objektivm Sinne nennt, und zwar ist es jenet Teil dieser

Friedensordnung, welcher für diejenige menschliche Thätig­ keit, die unter Handel verstanden wird, dem Bedürfnisse

nach Ruhe und äußerer Sicherheit gerecht zu werdm hat, soweit

zur

Befriedigung

dieses

besondere

Bedürfnisses

Normm notwendig sind.

Jme Friedensordnung, die man das Recht im objek­ tiven Sinne nennt, wird von der Unterscheidung der Jntereffm

aus, welche durch die Gebote und Verbote des

Rechts

geschützt

recht und

werden sollen,

öffentliches Recht

unterschiedm in Privat­

und letzteres in Staats- und

1 An diesem Begriffe muß : 3. Ausl, erfuhr, noch sestgehalten auch nach der Bemängelung, I werden, s. meine Bemerkung in welche er durch H. O. Lehmann der Deutschen Juristenzeitung in Stobbe's Hdbch. d. D.PrivR. 11897, Nr. 13, S. 263. Gareis, Handelsrecht. 6. Aufl.

1

Einleitung.

2 Völkerrecht. *)

In dm sich hieraus ergebmdm drei großen

Gruppen von Rechtsvorschriften, nämlich im: 1.

Privatrecht,

2.

Staatsrecht,

3. Völkerrecht,

finden sich überall auch Bestimmungm, die dm Handel be-

dieser aber ist die auf dm Umsatz von Warm

treffm, gerichtete

mmschliche Thätigkeit;

und nimmt man nun

wahr, daß sich in jeder der drei Gruppen von Rechts­ normen Gebote und Verbote finden, welche nur in Rück­

sicht auf die ebm erwähnte Art von mmschlicher Thätig­ keit entstanden und in Anwmdung zu bringen sind, so ergiebt sich hieraus die Möglichkeit, zu unterscheidm:

1. ein Handels-Privatrecht, 2. ein Handels-Staatsrecht,

3.

ein Handels-Völkerrecht.

Freilich enthält Privatrecht und öffentliches Recht eine große

Menge von Rechtsnormen, die sich nicht nur auf dm Handel,

sondern auch auf Landwirtschaft, Fabrikbetrieb u. s. w. beziehen, ja gar nicht eine besondere Art von Berufsthätig­ keit zur Voraussetzung haben oder regeln wollm, sondem

sich nur auf das Lebm und Treibm der Menschen und ihrer Gesellschaften im allgemeinen beziehm; unter solchm

allgemeinen Rechtsnormen, wie z. B. unter den Normen

des Eherechts und des Erbrechts, unter dem Verbote des Diebstahls und des Mordes, unter dem Gebote der Ein1 Die Gegenüberstellung von öffentlichem undPrivatrccht s. bei GareiS, Allgemeines StoatSr. in v. MarquardsenS Hdbch. b. 6ff. Rechts, 1883, §§. 1, 3

(Bd. I 1. 6. 7 ff., 11 ff.) und Gareis, Encyklopädie und Methodologie der Rechtswissen­ schaft, 188), §. 14.

DaS Handelsrecht.

g. 1.

3

kommensteuer u. f. w. stehen natürlich auch die Handelsbefliffmm, aber es giebt andererseits, wie in jedem anderen Bemfe, so auch in dem der Handeltreibenden Interessen und Beziehungm, welche dem Handel eigenartig sind, sich nur im Handel, so wie sie sind, findm und demnach auch besondere Regelung, mit andern Worten: ein eigenes Handelsrecht verlangen. Im gewöhnlichm Sinne des Wortes wird unter Handels­ recht Handels-Privatrecht verstanden. Normen des öffent­ lichen Handelsrechts, sei es des Handels-Staatsrechts, zu welchem man eine Anzahl von — dm Handel als solchen berührendm — Steuer- und Polizeigesetzen zu rechnen hat,') sei es des Handels-Völkerrechts, z. B. Konsularrecht,2) Zollverträge,8) Prisenrecht,4) sind zwar in der Darstellung des Handelsrechts im üblichen Sinne zu streifen, aber den Hauptinhalt des letzterm bilden doch die für dm Handel geltmden besonderen Privatrechtssätze. Die Bildung eines solchen Spezialrechts für den Handel vollzieht sich, wie jede andere Privatrechtsbildung teils auf dem Wege der Gesetzgebung, teils auf dem der G e w o h n h e i t.6) Auf dem einen, wie auf dem anderm Wege mtsteht das Spezialrecht für den Handel mtweder für ein mges Gebiet, so daß einzelne Sätze desselben nur als Lokalrecht (Lokalusance, partikulares Recht) eines ein­ zelnen Orts oder Gebietes zur Geltung kommt, oder für 1 Vgl. z. B. HGB. §§. 4 Ms. 3), 7, 81 Abs. 2. » Vgl. z.B. HGB. 88-530,685. 8 Vgl. z. B- die nach HGB. 88- 515 , 563, 564 in Betracht kommenden Zollvorschriften.

4 Vgl. z. B. HGB. 88- 820 Nr. 2, 848, 849. 1 Über die Entstehung und geschichtliche Bedeutung deS kom­ merziellen Gewohnheitsrechts s. unten 8- 2 S. 6, §. 3 S. 9, 1*

4 sehr

Einleitung.

möglicherweise

weite,

Reiche

umfassende

sogar mehrere

Staaten

und

Gebiete; letzteres ist namentlich dann

der Fall, wenn die Gleichheit der Ursachen und Voraus-

setzungm zu denselben Rechtsbedürfnifsen und zu der inter­

national

gleichen Befriedigung

also

einem

zu

allgemeinen

dieser Bedürfnisse

führt,

Handelsrechte mehrerer

oder

aller auf derselben Kulturhöhe und miteinander in Verkehr

stehenden Völker.

Gerade unter dem Einflüsse dieses Zu­

sammenwirkens hat sich die Entstehung eines Spezialrechts

für ben Handel in vielen Beziehungen häufig als Neu­

bürgerlichen Rechts überhaupt und als bahn­

bildung des

brechend für die Weiterentwickelung des allgemeinen bürger­ lichen Rechts eines Volkes vorteilhaft bewährt. *)

§. 2. Vegrlff und Iwelge des Handels und seines Rechts. I. Wenn Thätigkeit

für

einen

Kreis

bestimmten

andere Nechtssätze

gelten

sollen

menschlicher als

für

die

übrigen Gebiete und Richtungen unserer Bethätigung, so ist eine scharfe Abgrenzung des ersteren Kreises notwendig.

Kann man nun auch füglich sagen, das Handelsrecht gelte

für den „Handel", und

dieser

Waren vermittelnde Thätigkeit,

sei

die

den Umsatz

von

so ist mit dieser Zweifel-

11, 13. Über die künftige Gel- | 1 Hierüber s. besonders: I. hing des Gewohnheitsrechts . Ri eß er, Der Einfluß handels­ überhaupt neben dem BGB. rechtlicher Ideen auf den Entw. und dem HGB. unten §. 2 III eines BGB. f. b. Deutsche Reich S. 6, ferner s. Gareis BGB. (Stuttgart 1894). Vgl. auch Roth, Gießen 1896, S. XXII ff. Gareis in BA. Bd. 29. (NF. und Endemann-Gareis, a. Bd. 4, 1874) S. 1—11. b. dort angegeb. O.

5

g. 8.

Begriff und Zweige des Handels,

los richtigen Feststellung doch das Bedürfnis nach scharfer

nicht

Abgrenzung

hinreichend

Das

befriedigt.

positive

Recht muß selbst die Grenzen ziehen und thut dies auch

überall da, wo es ein besonderes Handelsrecht giebt, durch

positive Feststellung

die

des Begriffs

der Handelssache

(causa mercantilis) (hiervon siehe unten § 4). II. Innerhalb des folglich an dieser Stelle nur ganz

allgemein begrenzten Handelsbegriffs lassen sich verschiedene

Zweige und Arten des Handels unterscheiden. Bor allem die Unterscheidung des gewerblich betriebenen

ist wichtig

Handels, also des Handelsgewerbes, von den nur gelegent­

lich vorgenommenen Handelsgeschäften eines Nichtkaufmanns (hievon siehe unten §. 6); nur im Handelsgewerbe und, der heutigen Auffassung nach, nur für dieses hat sich ein

besonderes Handelsrecht als Teil des bürgerlichen Rechts entwickelt und bewährt, obgleich zeitweilig mitunter auch

Geschäfte und Beziehungen von Nichtkaufleuten dem Handels­

rechte unterstellt wurdm (siehe unten §. 7). liche Handelsrecht

Einfuhr-,

Für das öffent­

ist vor allem die Unterscheidung von

Ausfuhr-

und

Durchfuhrhandel,

diesen

drei

Zweigen gegenüber der Binnen- oder Jnlandshandel als Gegensatz gedacht, von Bedeutung, während die Unterschei­

dung

von Land-

und

Seehandel

ebensowohl

für das

Privatrecht, wie für das öffentliche Recht wichtige Konse­ quenzen hat (über den Seehandel siehe unten §§. 108 ff.). Privatrechtlich

ist auch der Unterschied zwischen Distanz-

und Platzhandel von Bedeutung (siehe z. B. unten §. 45), und auch der Umstand, daß der Handel als Groß- oder

als Kleinhandel (Engrosgeschäft oder Detailgeschäft) trieben wird, hat nicht selten eine juristische Bedeutung.

be­

6

Einleitung.

Wechselrecht (siehe unten §§.

74—107) und Seerecht

(Seehandelsrecht, siehe unten §§. 108—119) sind Zweige des Handelsrechts im weiteren Sinne, welche eine besonders

reiche Entwickelung

und

namentlich

eine feine

juristische

Durchbildung ihrer Institute gewonnen haben; diesen beiden

Zweigen gegenüber steht das Handelsrecht im engerm Sinne, desim Mittelpunkt die dm sogenannten eigentlichen Handel

(nämlich die Warmumsatzgeschäfte, insbesondere den Kauf) regelnden

Dorschriften

bilden;

neben

diesen

stehm

die

Regeln von dm Hilfsuntemehmungen des Handels, von Kommission,

Spedition,

Lagergeschäft,

Transportunter­

nehmungen, Assekuranz u. s. w., kurz die Rechtsregeln vom

uneigentlichen Handel (siehe unten §. 50 — 73). m.

Von

einem anderen Standpunkt aus betrachtet,

zerfällt das Handelsrecht in Gewohnheitsrecht des Handels

und Gesetzesrecht desselben.

In Bezug auf das Gewohn­

heitsrecht, seine Bildung und Geltung, namentlich im Ver­

hältnis zum Gesetzesrecht mthält das

heutzutage geltende

geschriebene Recht Deutschlands, abgesehen von einer für

Konsulargerichtsbezirke

und

Schutzgebiete

geltendm

Vor­

schrift/) keinerlei Regeln/)

Der Richter und der Handeltreibende habm die eine wie die andere Gruppe von Rechtssätzm zu beobachten/) 1 RGes. betr. die Konsular­ gerichtsbarkeit v. 10. Juli 1879 ß. 3 Abs. 2; RGes. betr. die Rechts­ verhältnisse der deutschen Schutz­ gebiete v. 17. April 1886 (15. März 1888) §. 2. In Be­ treff Deutsch-Ostafrikas s. RGBl. 1891 Nr. 1 S. 1.

8 Hierüber s. Anm. 5 bei §. 1)

• Vgl' (revid.) CPrO. §. 293 („Gewohnheitsrecht"), s. auch die Kommentare zu (revid.) CPrO. § 550 („Rechtsnorm"), EinsG. z. CPrO. §. 12, EinsG. z. BGB. Art. 2; auch zum GBG. H. 118 („Handelsgebräuche").

Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts. §. 3. 7

die Auslegung und die Anwmdung von Rechtssätzen stehen

in

Handelssachen

unter

den

übrigen bürgerlichen Verkehr.

nämlichen

wie im

Regeln

Die Frage der Rückwirkung

neu entstandener Rechtssätze auf bestehende ältere Rechts­

verhältnisse

wird

in modernen

Gesetzen

durch

besondere

Bestimmungen für die einzelnen Fälle beantwortet. *)

§. 3.

Überblick über die geschichtliche Entwickelung des Handelsrechte überhaupt uud des Deutschen Handelsrechts insbesondere.

Das Bedürfnis nach einem besonderen Handelsrechte,

namentlich nach einem besonderen Handelsprivatrechte neben dem übrigen bürgerlichen Rechte, sowie die Befriedigung dieses Bedürfnisses

ist

geschichtlich

von drei Umständen

abhängig und beeinflußt, nämlich:

von der Einwirkung der Rechtszustände aller Völker, die durch Handelsbeziehungen miteinander verbunden sind (internationaler Faktor zur Entstehung des HR.),

von dem Zustande des sich langsamer entwickelnden allgemeinen bürgerlichen Rechts (nationaler Faktor), und

von der

Sitte

und

Anschauung

eines

besonderen

Handelsstandes (kommerzieller Faktor). Was den ersten dieser drei Umstände anlangt, so macht sich

geltend,

Beschäftigung

daß der Handel keineswegs eine eigenartige einzelner sich

abschließender Völker ist, und

daß zugleich mit den Warm, die der Handel begriffsmäßig

.unsetzt

und

über

die Länder

und

Meere

hin

bringt,

1 Man vgl. die Ue. D. im EinfG. j. HGB. v. 10. Mai 1897 Art. 1, 22—28.

8

Einleitung.

Rechtsanschauungen

den:

von

Volk

zu

Volk

getragen

wer­

infolge der Berührung der Handel treibenden Völker

im Waren-, Geld- und Kreditverkehr machen sich Rechtsbedürfniffe geltend, welche nach gemeinsamer Befriedigung

verlangen, und es gelangen so Anschauungen zum Siege und Rechtssätze zur Anwendung, die das internationale

Elemmt im Handelsrecht eines jeden Volkes bilden und in steter

Wechselwirkung

die Rechtsentwickelung

sämtlicher

direkt oder mittelbar miteinander in Verkehr stehenden und

am

internationalen

Waren-, Geld-

und Kreditaustausch

mehr oder weniger stark Beteiligten Völker beeinflussen; *)

einer solchen Einwirkung fremder Kulturen, vor allem der althellenischen, verdankt Rom sein jus gentium und jene

Elastizität seines Rechts, vermöge deren dieses befähigt war, den Thatbeständen und Bedürfnissen des römischen Handels

zu dienen; ohne die Entstehung eines besonderen Handels­

rechts bewußt oder unbewußt anzustreben, blühte der römische Handel einige Jahrhunderte, namentlich als Unternehmung

des Großkapitals, und zwar ursprünglich und vorzugsweise als überseeische Unternehmung betrieben; die auf diesem

Gebiete entstandenen Rechtsinstitute sind vom gemeinen Ver­

kehrsrecht übernommen worden und bilden zum Teil heute noch die wichtigsten Elemente des Obligationenrechts im

Handelsverkehr. ?)

1 Über den Zusammenhang hellenischer Rechtseinrichtungen mit römischens. GUGesch.S. 78 ff., 239, 344, auch folgende Anm. 8 So namentlich die Obliaationen des Bankverkehrs — die Skripturobligationen, Grund­

lagen des Rechts der Inhaberu no Orderpapiere, — daS Seedar­ lehen, die große Havarei, das Stellvertretunasprinzip in den adjektizischen Klagen u. s. w., s. GUGesch. S. 69; 77 ff., 239 ff., 344. GZ. Bd. 23 S. 380 ff.

Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts, g. 3. 9 Vom Ende des 11. Jahrhunderts an machten sich die

beiden anderen die Entwickelung des Handelsrechts beeilt«

fluflenden Umstände geltend: von da an trat nämlich neben die teils

litterarisch gepflegte, teils int Vulgarrecht prak­

tisch erhaltene Tradition des römischen Rechts *) als neuer

Faktor die Handelssitte des Handelsstandes; das neue frische Lebm,

welches der Handel in die durch ihn zur

herrlichen Blüte und Macht emporgehobmen Städte Italiens und Deutschlands brachte, verlangte nach neuen Rechtsnormen und schuf sich diese selbst im Wege der Bildung neuen kaufmännischen Gewohnheitsrechts, der Usance; schon vom 11. Jahrhundert an wurde die Handelssitte mächtig in dm

romanischm, aber auch in den deutschen und skandinavischm

Emporien und trat dort wie hier zu Tage sowohl in den Stadtrechtm, wie in dm Korporationssatzungm der kaufmännischm Schutzgildm und der späteren Jnnungm; durch

Süd- und Mittelmropa zog mit den Warenzügen das neu

entstandene, immer mehr aus lokaler zu universeller Geltung strebende Recht, großmteils von der Lombardei aus, sich

überall einbürgemd, wo Handel getrieben ward; so ist auch

in Deutschland ein Handelsrecht der Kaufleute schon im Baron ebb. Bd. 27 S. 119 ff. u. A- Andere — spätere Ent­ lehnungen finden sich im west­ gotischen Rechte (Dahn in GZ. 58b. 16 S. 404ff., hiezu f. GtlGesch. S. 111); in allen mitteleuropäischen Rechtsquellen und HandelSterininologieen find zahlreiche Lehnworte aus dem Arabischen, f. GNGesch. S. 97 ff.; die Elemente des Rechts der Wertpapiere finden

sich im spätrömischen Urkundenwesen, traditio cartae u. f. w., f. Brunner, Deutsche Rechtsyeschichte I S. 392, 397 ff. und btt dort angegeb. Litter., auch GUGesch. S. 387, auch GZ... Bd. 36 S. 124. * Über das Bulgarrecht siehe H. Brunner, Deutsche Rechts­ geschichte I S. 225, GUGesch. S. 90 ff.

Einleitung.

10

Anfänge des 11. Jahrhunderts wohlbekannt und als be­

sonderes, auf der Gewohnheit der Kaufleute beruhendes Recht von dem sonst geltendm Recht unterschieden. *)

In den Stadtrechten

des

Mittelalters, ^)

auf deren

Gestaltung der wohlorganisierte Kaufmannsstand Einfluß ge­

wann, und in den eigenen Standesgerichten 8 1)* *des * * *Handels * ­

standes und seiner im Jnlande und im Auslande geschaffenen Korporationen,

Landsmannschaften und

Gilden kam das

Handelsgewohnheitsrecht zur Aufzeichnung und zur prakti­ schen, es wieder weiter entwickelnden Geltung; nicht minder

in dem Rechte und Verkehre der zuerst in Frankreich, dann auch in Deutschland,

Brabant und Flandem

blühenden

Wechsel- und Warmmärkte und Messen. Je höher emporblühend

sich der Handelsstand in den

mittelalterlichen Städten und die Handelssitte in ihnm und im internationalm Verkehr mtwickelte, desto mehr war zur

selbm Zeit blieben. stehung

die Rechtsentwickelung

im übrigm

zurückge­

Und so gesellte sich denn auch der dritte zur Ent­

des Sonderrechts der Handeltreibenden

1 Dies geht auS einer hoch­ interessanten Anmerkung Notkers (des St. Galler Mönchs f 1022) hervor. Grimm, Rechtsalter­ tümer S.610; Goldschmidta. a. O. S. 125; Siegfr. Rietschel, Markt und Stadt, Leipzig 1897 S. 191 u. a. 8 Vgl. Lästig, Entwicke­ lungswege und Quellen des Han­ delsrechts (1878); Derselbe in GZ. Bd. 23 S. 138, Bd. 24 S. 387. Mess LatteS, diritto commerciale Milano 1883.

gehörmde

GUGesch. S. 112 ff., 153 ff. 237 ff... 8 Uber Jnnunasgerichte der Kaufleute, so in Pisa, Florenz u. a. s. GUGesch. S. 170 ff.; in Deutschland s. W. Silberschmidt, Die Entstehung der deutschen Handelsgerichte (1894); vgl. auch R.Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte 2. Auff.S. 17ff., und Frommer, Anfänge der Handelsgerichtsbarkeit in Kö­ nigsberg i. Pr. (1891).

Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts, g. 3. H Faktor hinzu, der Zustand eines zurückgebliebenen, vielfach in erstorbmen Formen versumpften oder in meist mißverstandmm Normen

eines

fremden Volks und einer ent­

legenen Zeit gefesselten allgemeinen bürgerlichen. Rechts: je zurückgebliebener, je weniger praktisch das allgemeine bürger­

liche Recht, desto mehr schreit der Handel nach einem Sonder­ recht und desto mehr schreitet die Bildung dieses Sonder­ rechts vor, wenn ein kräftiger, solider Handelsstand fest ge­

baut hinter ihr steht.

Das allerorten in Mitteleuropa gleiche Rechtsbedürfnis der miteinander in Handelsverbindung tretenden Kaufleute

führte, da gleiche Ursachen gleiche Wirkungen hervorrufen,

zu einem vom kosmopolitischen Hauche durchwehten, in den Grundzügen

übereinstimmenden

Wege der einheitlichen

Rechte,

teils

auf dem

Gewohnheitsrechtsbildung (stylus

mercatorum, usance), teils auf dem der Entlehnung oder Übertragung. Aber die Übereinstimmung beschränkte

sich doch nur auf die Grundzüge, die Grundbegriffe im allgemeinen (etwa wie'den Begriff der Tratte, des Eigen­ wechsels, des Giros, der Aktie> der Kollektivhandelsgesell­ schaft, des Mäklergeschäfts u. bergt) — im einzelnen, in

den Modalitäten der Rechtsgeschäfte, in Frist- und Form­ bestimmungen u. bergt, wichen die Rechtsnormen der ver­

schiedenen Handelsplätze innerhalb und außerhalb Deutsch­ lands recht erheblich voneinander ab; in dm verschiedenm

Platzusancen und Stadtrechten, auch innerhalb Dmtschlands selbst, in Markt- und Wechselordnungm, in Gildestatutm

und Merkantilgerichtsnormm geigten die einzelnm Rechts­ institute eine sehr verschiedmartige Ausgestaltung;

diese

Zerklüftung und Zersplitterung des Handelsrechts in zahl-

Einleitung.

12

lose Partikularrechte, Lokalusancen und Statutarrechte aller Art währte

in

Italien,

in dem Maße der politischen Zer­

splitterung dieser Halbinsel, bis in das 19. Jahrhundert, in Frankreich aber nur bis zur sogenannten Ordonnance

du commerce („Code Savary“) von 1673 und Ordonnance

de la marine von

1681;

unter Zugrundelegung dieser

beiden Dekrete Ludwigs XIV. wurde unter Napoleon I. der

Code de commerce (in Kraft

seit 1. Januar 1808) ge­

schaffen, ein Handelsgesetzbuch (in

648 Artikeln zugleich

mit dem Handelsrecht im engeren Sinne das Wechselrecht,

See-, Konkurs- und Handelsprozeßrecht umfaffend), welches

teils

vermöge

direkter gesetzgeberischer Einführung, teils

auf dem Wege indirekter Verwertung seines Inhalts die weiteste Verbreitung gewann.

Das französische Handels­

gesetzbuch wirkte auch auf die Rechtsentwickelung in Deutsch­

land

ein;

hier war

nur für das

im Jahre 1794 der

Krone Preußens gehörige Gebiet durch die Einführung des

Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten eine wohl­ thuende Rechtseinheit wenigstens hinsichtlich einer Reihe von

handelsrechtlichen Verhältniffen erreicht. *)

Sowohl die im Preußischen Landrechte, wie die im Code

de

commerce

ausgesprochenen handelsrechtlichen Normen

sind Resultate der Berührung der großen romanischen und

1 Seines zweiten Teiles achter Titel handelt im siebenten Ab­ schnitt von Kaufleuten, im achten von Wechseln, im neunten von HandelSbillets und Assignationen, im zehnten von Mäklern, im elften von Reedern, Schiffern

und Befrachtern, im zwölften von Havarei und Seeschäden, im dreizehnten von Versiche­ rungen (Assekuranz), im vier­ zehnten von der Bodmerei und im fünfzehnten von den Fuhr­ leuten.

Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts,

g. 3.

13

germanischen Handelsgruppen vom 12. bis 19. Jahr­ hundert 1). Im übrigen Deutschland — außerhalb des preußischen Gebiets von 1794 und desjenigen, in welchem die franzö­ sische Handelsgesetzgebung Eingang gefunden — herrschte in Handelssachen eine immer zunehmende chaotische Rechtszersplitterung; dem römischen und kanonischen Rechte, wie der oft unbestimmten allgemeinen Handelsusance — der einzigen Quelle eines gemeinen Handelsrechts auf deutscher Erde — hatten sich seit dem Ende des 15. Jahrhunderts einige Reichsgesetze zugesellt,2) aber diese Spezialgesetze waren an sich von geringer Bedeutung und meist nur polizeirechtlichen Inhalts; in Bayern gab es seit 1785 eine Wechsel- und Merkantilgerichtsordnung, jedoch hatte diese nur subsidiäre Geltung und ließ in erster Linie die Buntheit divergierender Rechtsnormen gelten. Und in der That, groß war diese Rechtsverschiedenheit, die in zahlreichen Usancen deutscher Einzelstaaten und Handelsplätze zu Tage trat, in fast unübersehbaren Markt-, Meß-, Merkantil-, Wechsel-, Börsen-, Bank-, Firmen-, Prokuren-, Assekuranz-, Fallit-, Schiffsordnungen u. s. w. Schier unerträglich ward diese Rechtszersplitterung dem deutschen Kaufmannsstande im 19. Jahrhundert, „und weil das Interesse des Handels und die Natur des Handelsrechts 1 Dies gilt namentlich auch von den in vorig. Anm. er­ wähnten seerechtlichen Be­ stimmungen des Preuß. Land­ rechts, in welchen Entlehnungen und Anlehnungen an ältere und auch an fremde Rechte, an das hanseatische Seerecht z. B. »der

Ehrsamen Hansestädte Schiffsordnuna und Seerecht" (vom 23. Mai 1614) und an das Land­ recht des Herzogtums Preußen (von 1620) u. s. w. nachgewiesen werden können. 2 Siehe Goldschmidt, HR. 2. Aust. §. 8b.

14

Einleitung.

mächtig zu einheitlicher Gestaltung krängen, hat die materielle Gemeinsamkeit der Bedürfnisse und Rechtsanschauungen unter den deutschen Stämmen auf diesem Felde eher als auf anderen durch Codification ihren Ausdruck auch in formaler Einheit gesucht und gesunken". *) Wichtige Anregungen zur Beseitigung jmer Rechts­ zersplitterung verdankt Deutschland zunächst dm Gmeralkonfermzm des deutschen Zollvereins; aufdererstm dieser Konfermzen stellte im Jahre 1836 der württembergische Bertreter dm Antrag, die Hauptgesichtspunkte zu vereinbarm, von welchen die Handelsgesetzgebung der ein­ zelnen Staatm auszugehen hätte. Man dachte also zunächst nur an ein getrenntes Vorgehen der Einzelstaaten innerhalb des Zollvereins, aber nach vereinbarten gemeinsamen Prin­ zipien; aber auch daß dieses möglich sei, bezweifelte man damals, man war von der unüberwindlichm Verschiedmheit der Partikularrechte zu sehr überzeugt, als daß man auch nur hinsichtlich einzelner Punkte eine Einigung für dmkbar hielt! Jedoch ganz ohne Folge blieb jene Anregung nicht. Die Unrichtigkeit der erwähnten partikularistischen Über­ zeugung aber ergab sich bald aus der Thatsache, daß die in mehreren zum Zollverein gehörenden Staatm wenige Jahre nachher hergestelltm Entwürfe von Handelsgesetz­ büchern und Wechselordnungen in der That sehr vieles Übereinstimmende hatten und sich teilweise sehr stark an­ einander, d. h. wohl an das hergebrachte oder gemein­ sam festzuhaltende Recht anlehnten; dies bewiesm Gesetz­ entwürfe in Preußm, Sachsm, Württemberg (1839—1840 ' Dahn S. 359—360.

in

Bluntschli'S

Deutschem

Privatrecht,

1864,

Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts, g. 3. 15

HofackerS

Entwurf),

Braunschweig und Nassau.

Dabei

drängte sich immer mehr die Notwendigkeit eines gemein-

samm Vorgehens auf, und als — allerdings zehn Jahre nach jener ersten Anregung — wiederum auf einer Zoll­

vereinskonferenz (der achten, im Jahre 1846) und wiederum

von württembergischer Seite — der Antrag gestellt wurde, behufs

Beratung

eines

gemeinsamen deutschen Wechsel­

rechts eine Kommission zu bemfm, da fand er Annahme.

Die Kommission trat am 20. Oktober 1847 in Leipzig zusammm, am 9. Dezember desselbm Jahres schon war

der Entwurf fertig und gelangte sodann allmählich in den einzelnen deutschen Staatm auf dem Wege der Partikular­ gesetzgebung (zwischen 1848 und 1862) zur Einführung *)

einheitlichen

Inhalts:

die Allgemeine Deutsche Wechsel­

ordnung; dieses Gesetz ist dann durch Gesetz des Nord­

deutschen Bundes vom 5. Juni 1869 und hierauf durch die Versailler Verträge von 1870 Bundesgesetz und schließ­

lich infolge der Reichsverfassung Reichsgesetz geworden. Das übrige, das eigentliche Handelsrecht in Deutschland zur Rechtseinheit zu bringen, ward nach den Zwischenfällen

der Jahre 1848 und 1849, welche übrigens auch zu einer kommissionellen Beratung eines Entwurfs eines gemeinsamen deutschen Handelsgesetzbuchs (Frankfurt a. Main, Dezember

1848 bis März 1849), ja zur Fertigstellung des Ent­ wurfs für einen großen Teil des Handelsrechts führten,

wiederum

auf

einer

Zollvereinskonferenz

1 In Preußen durch Gesetz vom 15. Februar 1850, in Bayern durch Gesetz vom25.Juli 1850, im Königreich Sachsen

angeregt

und

durch Gesetz vom 25. April 1849, im Königreich Württemberg durch Gesetz vom 6. Mai 1849 u. s. w.

Einleitung.

16

wiederum von dem Württembergischen Bertteter (20. Februar 1854).

Jetzt sonnten die partikularistischen Befürchtungen

nicht mehr vorgewendet werden, man erklärte einmütig die Berechtigung der Forderung und die

ihrer

mitzuwirken,

Verwirklichung

Diese

Regierungen.

vertretenen

Konferenz

zu

Bereitwilligkeit,

seitens aller

auf der

wandten

die

Angelegenheit nun dem verfassungsmäßigen Zmtralorgan des

damaligen Deutschen Bundes zu; bei der Bundesversammlung zu Frankfurt a. Main

brachte Sayern am

21. Februar

1856 folgenden Antrag ein: Die Bundesversammlung wolle

beschließen, eine Kommission zur Entwerfung und Vorlage für die Deutschen

eines „Allgemeinen Handelsgesetzbuchs Bundesstaaten"

niederzusetzen u. s. w.

Die Bundesver­

sammlung nahm diesen Anttag am 17. April 1856 an

und berief, nach den erforderlichen Zwischenverhandlungen

Beschluß vom

und Anzeigen, durch

18. Dezember 1856

die Kommission zum 15. Januar 1857 nach Nürnberg. Als

Grundlage

der Beratung

warm der Konferenz

zwei Entwürfe von Handelsgesetzbüchern vorgelegt worden, einer

von

der

k.

k.

österreichischm

Regierung

in zwei

Redaktionen (eine zu 212, die andere zu 218 §§., beide

1 An diesem Tage und £rk trat sie auch wirklich zusammen, konstituierte sich unter dem Vor­ sitz des bayerischen Justizminrsters von Ringelmann, er­ wählte zum zweiten Präsidenten den österreichischen Kommissar Ritter von Raule, und zum Referenten den preußisch. Kom­ missar Geheimen Obermstizrat Dr. Bischoff, Vortragenden Rat im preußisch. Justizministerium,

und nach dessen Tode den Senats­ präsidenten des Avpellationsaerichts zu Köln GOJR. Heim« soeth; die Beratungen, über welche ausführliche Protokolle geführt wurden, welche von einem der Schriftführer der Kommission, Dr. Lutz, dem spä­ tern bayerischen Minister, heraus­ gegeben worden sind, wurden am 21. Januar 1857 eröffnet.

Überblick über b. geschichtl. Entwickel, b. Handelsrechts,

§. 3.

17

Wim 1857) und einer von der k. prmßischm Regierung

(Berlin 1857,

Motive).

Teil:

Erster

Entwurf,

Zweiter Teil:

Die Konferenz, zu der 21 deutsche Bundesstaaten

Vertreter gesandt

hattm, welche teils

dem Kaufmanns­

stande angehörtm, teils Rechtsgelehrte warm, legte ihrm

Beratungen den prmßischm Entwurf zu Grunde, wandte

aber auch dem österreichischm fortwährmd volle Beachtung zu; zunächst nahm fie in Nümberg, bis zum 2. Juli 1857 tagend, eine erste Lesung des Entwurfs (ausschließlich des Seerechts)

vor

(in

15. September 1857

98

Sitzungen),

dann

ebenda vom

bis 18. Januar 1858 eine zweite

(in 78 Sitzungm); hierauf siedelte sie, um über das fünfte

(ursprünglich

vierte) Buch

des Entwurfs,

welches vom

Seerecht handelte, zu beratm, nach Hamburg über.') Die erste Lesung des Seerechts fand auf der Grundlage

des prmßischm Entwurfs (in 245 Sitzungm vom 26. April 1858 bis 25. Oktober 1859) statt, eine zweite auf Gmnd

des

von

der Versammlung festgestelltm Entwurfs erster

Lesung (in 126 Sitzungm vom 9. Januar bis 22, August 1860).

Schon

war auf diesem

Wege das

bedmtmde

Gcsehgebungswerk dem Abschlüsse nahe, ja das Seerecht

definitiv festgestellt, da türmten sich der Fortsetzung Hinder­ nisse entgegen, welche, wie es scheint, teils von partikula-

ristischer, teils von vermeintlich nicht genug berücksichtigter theoretischer Seite in der Form von mehr als 500 „Er1 Dm Vorsitz führte der österr. Kommissar Ritter von Raule, baS Referat der preußische Kom­ missar Obertribunalsrat Pape von Königsberg i. Pr. — btt«

Gareis, Handelsrecht. 6. Anst.

selbe Jurist, unter dessen Vorfitz vom September 1884—1888 der Entwurf des Bürgerlichen Gesetz­ buchs für das Deutsche Reich hergestellt wurde.

Einleitung.

18

innerungen" gegen die vorgeschlagenen Bestimmungm des

Entwurfs aufgebaut wurden. Es ist der zielbewußten Energie der Regierungen von Österreich, Preußm und

Bayern zu danken, daß nicht noch in letzter Stunde das Werk scheiterte. *) Infolge der Haltung der genannten drei Regierungen,

welcher sich eine Anzahl der übrigen vertretenen Staaten an­

schloß, wurde demnach die dritte Lesung bedeutend abgekürzt; sie begann wieder in Nürnberg, und zwar am 19. November

1860,

erledigte

und

ihre

Aufgabe, nämlich den Teil

materieller und formeller „Erinnerungen", auf welche die

nach Beschluß der genannten Regierungen eingeschränkt werden sollte, und die Herstellung eines Ent­

dritte Lesung

wurfs des besonderen Eisenbahnfrachtrechts in 33 Sitzungen; am 14. März 1861 zeigte die Kommission der Bundes­

versammlung an, daß sie den von ihr zu fertigenden Ent­ wurf nunmehr in dritter Lesung vollendet habe, und legte ihr Werk abgeschlossen vor; es war in fünf Bücher ge­

teilt,

von

denen

das

erste

die Rechtsverhältnisse des

Handelsstandes als solchen (Kaufleute, Handels-Register,

-Firmen

und

-Bücher,

Handlungs-Bevollmächtigte

und

-Gehülfen und Handelsmäkler) regelt, das zweite von den Handelsgesellschaften, das dritte von zwei anderen Arten der Handelsassociation, das vierte von dm Handelsgeschäften 1 In wesentlich identischen Noten erklärten diese drei Reaierungen den übrigen deutschen Regierungen, daß sie an dem vorliegenden Entwürfe, wie ihn die Kommission in Nürnberg und Hamburg ausgearbeitet hatte, möglichst festhalten und demnach

auf diejenigen „Erinnerungen", welche Veränderungen der Prin­ cipien oder Ansichten und Vor­ schläge betreffen, welche bereits in der Kommission durchberaten worden seien, nicht eingehen werden.

Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts.

§. 3.

19

handelt — diese vier Bücher sind in drei Lesungen festgestellt worden

—, das fünfte Buch handelt vom Seerecht nach

den Beschlüsien der zweiten Lesung.

Die Bundesversamm­

lung lud hierauf mit Beschluß vom 8. Mai 1861 sämt­

liche Bundesregierungen ein, 16. März

1861

„dem in der Sitzung vom

vorgelegten Entwurf

eines Allgemeinm

Deutschen Handelsgesetzbuchs baldmöglichst und unverändert im geeigneten Wege Gesetzeskraft in ihren Landen zu ver­

schaffen." Letzteres geschah denn auch; auf dem Wege der Partikular­

gesetzgebung

(Landesgesetzgebung)

wurde

das Allgemeine

Deutsche Handelsgesetzbuch in den einzelnen deutschen Bundes­ staaten — Ausnahme siehe unten Seite 20, Anm. 1 — mittels

sogenannter Einführungsgesetze, welche zwischen dem Oktober

1861

und dem Dezember 1865 erlassen worden sind, in

Gesetzeskraft gesetzt. *)

In dem nämlichen Jahre, in welchem das Handels­ gesetzbuch auch in denjenigen Staaten, welche sich zuletzt zur

Einführung

des

gemeinsamen

Handelsrechts

entschließen

konnten, im Kurfürstentum Heffen und in Hamburg, zur Wirksamkeit gelangte, brach der Deutsche Bund zusammen,

ihm folgte als kräftigere Einigung der Norddeutsche Bund. Dieser erhob in seiner Verfaffung vom 25. Juni 1867

die gemeinsame Gesetzgebung über das Handels- und Wechsel1 So für Preußen durch WürttemberaGeseh vom 13. Aug. EinfG. vom 24. Juni 1861, in 1865, in Kraft seit 15. Dez. Kraft seit 1. März 1862; für 1865; für Baden Gesetz vom Bayern Gesetz vom 10. Nov. 6. Aug. 1862, in Kraft seit 1861, in Kraft seit 1. Juli 1. Jan. 1863; für das Groß­ 1862; für das KönigreichSachsen herzogtum Hessen Gesetz vom Gesetz vom 30. Oktober 1861, in 1. Aug. 1862, in Kraft seit Kraft seit 1. März 1862; für 1. Jan. 1863 u. s. w.

20

Einleitung.

recht zur Bundessache

und mittels Gesetz vom 5. Juni

1869 das ADHGB. zum Bundesgesetz des Norddeutschen

Bundes. Und in dem nämlichm Jahre, an dessen erstem Tage

das ADHGB. als Bundesgesetz des Norddeutschm Bundes in Kraft getreten, 1870, vollzog sich der Abschluß jener Verträge (Versailler Verträge), welche der formellen Gründung

des Deutschen Reiches unmittelbar vorangingen; mit der Verfassung des Deutschen Reiches (vom 16. April 1871) ward das Handelsgesetzbuch Reichsgesetz, absolutes gemeines

Recht für ben ganzen Umfang des Reichsgebiets: das oben erwähnte Einführungsgesetz des Norddeutschen Bundes vom

5. Juni 1869 ist für diesen Bund am 1. Januar 1870, für Württemberg, Baden und Südhessen kraft jener Ver­

träge am 1. Januar 1871, für Bayern kraft der Reichs­

verfassung am 13. Mai 1871 in Kraft und Wirksamkeit

als Reichsgesetz getreten. Die Erhebung des ADHGB. zum Bundes-, bezw. Reichs­ gesetz hatte vor allem drei juristische Folgen:

1. Das HGB. gilt hiemit auch in denjenigen Teilen des Reichsgebiets, in welchen es nicht zu einer pattikularen, landesgesetzlichen Einführung gekommen war, nämlich in

Schaumburg-Lippe und im preußischen Jahdegebiet.')

1 Nachdem in letzterem das HGB. durch daS Bundeseinfuhrunasgesetz eingeführt wurde, wurde für dasselbe Gebiet durch ein preußisches Gesetz vom 9. März 1870 bas hannöversche EinsG. vom 11. Mai 1864 nebst den dieses abändernden und ergän­

zenden Bestimmungen eingesührt; tm Fürstentum SchaumburgLippe trat daS HGB. durch das Bundes-EinfG. in Kraft, hiezu erschien eine Ausführungsverord­ nung vom 11. Dezember 1869 (siehe Busch, Archiv Bd. 18 S. 372 ff.).

Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts, g. 3. In

den

Herzogtümern Holstein

21

und Schleswig gilt

das HGB. auf Gmnd einer k. preußischen Einführungs­

verordnung vom 5. Juli 1867 seit 80. September 1867,

im Herzogtum Lauenburg auf

Gmnd des EinfG.

vom

21. Oktober 1868 seit 1. Januar 1869, in Elsaß-Loth­ ringen auf Gmnd des NGes. vom 19. Juni 1872, auf der

Insel Helgoland gemäß dem RGes. vom 15. Dezember 1890 nach Kaiserlicher Verordnung vom 22. März 1891, Art. I Ziff. X (RGBl.

1891, Seite 21, 22), in den deutschen

Schutzgebieten auf Gmnd des Reichsgesetzes betr. die Rechts­

verhältnisse derselben vom 17. April 1886 (15. März 1888) §. 2 und das RGes. betr. die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 §. 8 Abs. 2.

Hinsichtlich der Rechtsver­

hältnisse in Deutsch-Ostafrika siehe auch die Kaiserliche Ver­

ordnung vom 1. Januar 1891, RGBl. S. 1.

2.

Da

reichsverfassungsmäßig

die Reichsgesetze

den

Landesgesetzm vorgehen (Art. 2 der Reichsverfaffung), so sind

alle partikularrechtlichen Einführungsgesetze insoweit

aufgehoben, als sie von den Bestimmungen des HGB. oder

des Reichseinfühmngsgesetzes abweichen, es sei denn, daß die Geltung der Abweichung ausdrücklich vorbehalten ist. l) 8. Zufolge der angeführten Bestimmung der Reichs­ verfassung ist jede Ändemng des HGB. auf dem Wege

der Landesgesetzgebung ausgeschlossen, das deutsche Handels1 Letzteres ist in der That der Fall hinsichtlich einiger Be­ stimmungen der EinfG. von Mecklenburg-Schwerin, Bremen und Hamburg (§. 4d, EinfG. vom 5. Juni 1869), welche, wie gleich hier bemerkt werden soll, auch durch das neueste Recht

(Art. 19 des EinfG. vom 10. Mai 1897) in straft erhalten werden, sowie in den weiterreichenden Aorbehalten der §§. 2B, 5 des EinfG. vom 5. Juni 1869, welche durch das neueste Recht nicht aufrecht erhalten sind.

Einleitung.

22 recht also,

solange die Reichsverfassung es festhSlt, der

partikularistischen Zerstückelung entrückt.

Es kann nicht bezweifelt werden, daß sich die weitaus meisten Bestimmungen des ADHGB. in der Praxis be­ währt haben; der Handelsverkehr hat sich in sie gefunden,

hat er ja doch in dm meisten Prinzipim des HGB. alte Bekannte gefunden.

Die Gerichte haben ganz vorwiegmd

den Vorschriften dieses klar geschriebenen Gesetzbuchs eine dem Sinne und Willen des Gesetzgebers entsprechmde, auch

und

den Bedürfnissen

Anschauungen des

Handelsstandes

zumeist sich anfügende Auslegung und Anwendung zu Teil werden

taffen;

daran

und

an

der Einheit der Recht­

sprechung hat wohl das Hauptverdienst das am 5. August

1870 eröffnete Bundes-Oberhandelsgericht zu Leipzig, welches

auf Grund des Gesetzes des Norddeutschen Bundes vom 12. Juni 1869 von jenem Tage an für das ganze Gebiet

des Norddeutschm Bundes, dann aber, als auch das oben erwähnte Gesetz zum Reichsgesetz

erhoben war,

für das

ganze Reichsgebiet — vom 2. September 1871 an unter

dem

Namm

Reichs-Oberhandelsgericht



als

oberster

Gerichtshof in Handelssachen Recht sprach; seine in guten

Sammlungen veröffentlichten Entscheidungen sind verlässige

Wegweiser auf den von der Gesetzgebung gebahnten Wegen

geworden; an seine Stelle ist zufolge der deutschen Gerichts­ verfassung mit dem

1. Oktober 1879 das noch heute als

oberster Gerichtshof

in Handelssachen fungierende Reichs­

gericht in Leipzig getreten.

Nicht in seinem ganzem Bestände hat sich das Handels­ gesetzbuch, seit es Gesetz des Norddeutschen Bundes und

dann

des Reiches

geworden,

unverändert

erhalten;

die

Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts.

§. 3.

Bundes- und Reichsgesetzgebung selbst hat Hand

23

an das

Gesetzbuch gelegt, um es, wo es notwendig schien,

Er-

Die Abänderungm,

fahmngen entsprechend, zu verbessern.

welche sich unser Handelsgesetzbuch von 1861 seit 1869 ge­

fallen lassen mußte, sind in vier Gruppen zu überschaum.

1.

In

Bezug

auf

Aktiengesellschaften

(siehe

unten

§§. 81 ff.) und Kommanditgesellschaften auf Aktien (siehe unten §. 37) hat schon ein Gesetz vom 11. Juni 1870

Abänderungen

gebracht,

hauptsächlich

indem

es

an die

Stelle des, wie vom älteren Handelsrechte, so auch vom HGB. von 1861 aufgestellten Erfordernisses der speciellen Staatsgenehmigung (Privilegierung oder Konzessioniemng)

ein System von sogenannten „Normativbestimmungen" setzte, durch deren Beobachtung die Unternehmer, die die Gesell­

schaft errichten wollen, den Richter (das HandelsregisterGericht)

veranlassen,

die

Gesellschaft

in

ein öffentliches

Register einzutragen und dadurch ipso jure in die gewollte

Rechtsform

zu

versetzen.

Vierzehn

Jahre später wurde

dieses System zwar nicht fallen gelassen, aber abgeandert durch das RGes. vom 18. Juli 1884, welches die Normativ­

bestimmungen, von deren Erfüllung jene konstituierende Ein­ tragung abhängt, verschärfte, hauptsächlich durch die Einfühmng einer mit strenger Haftung verknüpften gesetzlichen Prüfung gewisser rechtlicher und wirtschaftlicher Vorgänge,

welche zur Entstehung der Gesellschaft führen. 2. Der vierte Titel des fünften Buchs des ADHGB. (Art. 528—556)

ist

aufgehoben

durch

die Seemanns­

ordnung, ein RGes. vom 27. Dezember 1872.

3. Infolge der seit 1. Oktober 1879 in Wirksamkeit befindlichen Deutschen Justizgesetzgebung, namentlich wegen der

Einleitung.

24

Einführung des Prinzips der materiellen Beweiswürdigung

(CPO. §. 259) — im Gegensatz zu den früher herrschenden sog. formellen Beweistheorieen — sind aus dem Handelsgesetz­

buche aufgehoben die Artikel 34—36 (betr. die Beweiskraft der Handelsbücher — an Stelle derselben trat CPO. §. 259, jetzt §. 286), Art. 37 Satz 2 und Art. 39 (Edition der Handels­

bücher betr., — CPO. §§. 259, 399, jetzt §§. 286, 434) Art. 77 und 78 (Beweiskraft

des

Tagebuchs und der

Schlußnoten der Handelsmäkler betr. — CPO. §. 259, jetzt §. 286), Art. 79 Abs. 2 (Edition des Mäklertagebuchs betr.— CPO. §. 399, jetzt §. 434), Art. 488 und Art. 889 (betr.

die Beweiskraft des Schiffsjournals und anderer Schiffs­ papiere) und Art. 494 (betr. Beweis durch Berklarung — CPO. §§. 259, 260, jetzt 286, 287), siehe über all dies

Einführungsgesetz zur Civil-Prozeß-Ordnung §. 13 Ziff. 2. 4. Nicht eigentlich Abänderungen, aber direkt in das

Recht

des

HGB. eingreifende Ergänzungen

finden sich

in einer Anzahl von neueren Reichsgesetzen. *)

Eine viel weiter gehende Abändemng des ADHGB., ja 1 Hier ist zu erwähnen: das RGes. betr. die Löschung nicht mehr bestehender Firmen und Prokuren im Handelsregister, vom 80. März 1888 (RGBl. S. 129), die Reichsgesetze betr. die Binnenschiffahrt und betr. die Flößerei, beide vom 15. Juni 1895, das Reichsbankgesetz vom 14. März 1875, die Konkurs­ ordnung z. B. §§. 109, 201, 209, 210, jetzt 88- 119, 212, 239, 240, das Börsengesetz vom 22. Juni 1896, durch dessen §. 81 übrigens eine Bestimmung

des HGB - nämlich Art. 249 d. Ziff. 2, direkt aufgehoben ist, — es ersetzten sie die §§. 75 bis 80 des Börse naesetzes (auch das durch Art. 39 des EinsG. zum BGB. aufgehobene Reichs­ gesetz betr. die vertragsmäßigen Zinsen vom 14. Nov. 1867, zu Art. 292); die Gewerbeord­ nung; die Reichsgesetze betr. die Nationalität der Kauffahrtei­ schiffe, vom 25. Oktober 1867, 2§. Dezember 1888, 15. April

1885 u. s. w.

Überblick über b. geschichtl. Entwickel, b. Handelsrechts, g. 3.

25

eine völlige Revision, Umarbeitung und Ergänzung des

Rechts dieses Gesetzbuchs ist schon im Jahre 1874 für die Zeit unmittelbar nach dem Zustandekommm eines einheit­

lichen Bürgerlichen Gesetzbuchs ins Auge gefaßt rootben; die mit der Entwerfung eines Planes für die Herstellung

eines

Entwurfs des Deutschen Bürgerlichm Gesetzbuchs

betraute Kommission schlug nämlich dem Bundesrate schon

am 15. April 1874 vor, alsbald von einem oder mehreren von ihm zu entennenben

Spezialredaktoren Teilentwürfe

für die im HGB. fehlendm Zweige des Versicherungsrechts, ferner für das Recht der Binnenschiffahrt und endlich für

das Verlagsrecht

anfertigen

und unter Zuziehung von

technischen und juristischen Sachverständigen vorläufig fest-

stellen zu laffen; nach beendigter erster Lesung des Ent­

wurfs eines Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs sollten dann

diese Teilentwürfe unter Zuziehung von Mitgliedern der Kommission für das BGB. einer kommissionellm Beratung und eventuell Revision unterzogen, von derselben Kommission

aber zugleich auch der Entwurf des ganzen neuen HGB. in erster Lesung festgestellt werden; dieser Gesamtentwurf

sollte alsdann veröffmtlicht und den verbündetm Regierungen übergeben werden; wenn dann der Entwurf des BGB. in zweiter Lesung durchberaten worden,

sollte der Entwurf

des HGB. ebenfalls einer zweitm Lesung unterzogen werden.

Diese Vorschläge, benot zufolge schon im Jahre 1888 eine

erste Lesung des Gesamtentwurfs eines neuen HGB. hätte erfolgen sollen, jedenfalls vor der zweitm Lesung des Ent­

wurfs des BGB., sind zwar gemäß dem Berichte des Ausschuffes für Justizwesen vom 9. Juni 1874 durch Beschluß

des Bundesrats am 22. Juni 1874 im allgemeinen ge-

Einleitung. billigt, aber nicht in der angegebenen Weise ausgeführt worden.

Es ergab sich nämlich in dieser Hinsicht vor allem als zweckmäßig,

ja notwendig, die privatrechtlichen Verhält-

nisie der Binnenschiffahrt und die der Flößerei vorweg und

selbständig zu regeln. *)

Und wie man diese beiden Rechts­

stoffe der Stückgesetzgebung

des Reiches

zugewiesen

hat,

welche inzwischen auch das Börsenwesen (RGes. vom 22. Juni

1896)

und

den Handelsgesellschaften

die

Gesellschaftsformen der Reichsgesetze

vom

nahestehenden

1. Mai 1889

(„Eingetragene Genossenschaften") und vom 20. April 1892 („Gesellschaften mitbeschränkter Haftung") regelte, und diese

Gegenstände

absichtlich

verleibt hat, so

nicht dem Handelsgesetzbuche ein­

soll es nach der Absicht der verbündeten

Regierungen auch mit dem Versicherungsrecht und dem Ver­

lagsrecht

gehalten

Reichskanzler am

werden;

die

Denkschrift,

welche

der

22. Januar 1897 dem Reichstage vor­

legte (Drucksache zu Nr. 632), spricht sich darüber unzwei­

deutig aus; ein Bedürfnis, jene durch Stückgesetze geregelten Stoffe dem Handelsgesetzbuche einzuverleiben, sei nicht an­

zuerkennen,

bei einer solchen

Einführung ließe sich

eine

weitergehende Umgestaltung der betreffenden, erst in neuester

Zeit zu stände gekommenen Gesetze nicht vermeiden, was jedenfalls nicht als wünschenswert betrachtet werden könne.

Es sind also

nicht jene im Jahre 1874 vorgesehenen

Teilentwürfe aufgestellt

worden;

es ist aber auch nicht

der damals ins Auge gefaßte Weg beschritten worden, um

1 Und dies geschah durch die beiden Reichsgesetze vom 15. Juni 1895 (RGBl. 1895,

S. 301 ff., 341 ff., Anm. S. 24).

f.

oben

Überblick über d- geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts, g. 3.

27

zu einer Revision des ganzen Handelsgesetzbuchs zu gelangen, sondern das Reichsjustizamt war es, welches den Entwurf

des neuen Handelsgesetzbuchs

herstellte; an neuen Rechts­

stoffen nahm das Reichsjustizamt,

welches

liefen seinen

Entwurf im Herbste des Jahres 1895 aufstellte, nur das

Recht der

Handlungsagenten und das des Lagergeschäfts

auf, so daß der Bestand des Handelsgesetzbuchs, was die

allgemeine Begrenzung der darin behandelten Gegenstände anlangt, im großen und ganzen unverändert blieb.

Das

Reichsjustizamt unterbreitete seinen Entwurf vor seiner ab­ schließenden Feststellung einer Beratung mit Vertretern des Handels,

der

Industrie,

der Rechtswissenschaft und der

Landwirtschaft, einer Beratung, welche vom 21. November bis

18. Dezember 1895 stattfand; auch außerdem hatten,

durch die vom Reichsjustizamt bewirkte Veröffentlichung des Entwurfs, alle beteiligten Kreise Gelegenheit zur Äußemng, zur Prüfung und zur Anregung. Den hiedurch veranlaßten Äußerungen ist

sodann bei

Herstellung des dem Reichstage vorgelegten Entwurfs eines HGB. nach Möglichkeit Rechnung getragen worden, und so

kam, nachdem inzwischen das größte Gesetzgebungswerk der deutschen Nation, das Deutsche Bürgerliche Gesetzbuch, durch Kaiserliche Unterschrift

am

18.

August

1896

vollendet

worden war (RGBl. 1896 Nr. 21 Seite 195—650), der Entwurf des neuen Handelsgesetzbuchs, sowie der zugehörige

Entwurf

eines Einfühmngsgesetzes zu stände, wie solche

vom Bundesrate Reichstage,

beschloffen und

zusamt

einer

vom Reichskanzler dem

erläuternden

Denkschrift

im

Namen des Kaisers am 22. Januar 1897 vorgelegt roorben. (Deutscher

Reichstag

9.

Legislaturperiode

IV.

Session

28

Einleitung.

1895/97, Drucksache Nr. 632.) umfaßte 897 Paragraphen,

Der Entwurf des HGB.

der des Einführungsgesetzes

hiezu 28 Artikel.

Die erste Beratung im Reichstage fand am 8., 9. und 10. Februar 1897 statt (170—172. Sitzung, Stenograph. Berichte Seite 4546—4551, 4557—4577, 4580—4601)

und endigte mit dem Beschluffe, dm Entwurf einer einundzwanziggliedrigen Kommission, entsprechmd dem Anträge

Roer en, zu überweisen.*)

Die Kommission

erledigte die

Beratung

der

ersten

Lesung in zehn Sitzungen, die der zweitm in sechs Sitzun­ gen und erstattete ihrm Bericht dem Reichstage unterm

1 (Sitzung vom 10. Febr. 1897, Stenogr. Bericht S. 4601.) Diese Kommission konstituierte sich am 11. Febr. 1897, indem sie zu ihrem Vorsitzenden den Abgeordneten Dr. Spahn, zu dessen Stellvertreter den Ab­ geordneten Freiherrn von Gül­ tingen und zu Berichterstattern für oas erste und zweite Buch (vom Handelsstand, von den Handelsgesellschaften und der stillen Gesellschaft) den Abgeord­ neten Bassermann, für das dritte und vierte Buch (von den Handelsgeschäften, vom Seehandeljuno für das Einführungs­ gesetz den Abgeordneten Well­ stein bestimmte. An den Be­ ratungen dieser Kommission nahmen als Bertreter der ver­ bündeten Regierungen teil: die Bevollmächtigten zum Bundes­ rat: der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieber-

ding, der bayerische Ministerial­ rat von Heller, der Württem­ bergische Ministerialdirektor von Schicker, der badische Gesandte Geheimrat von Jagemann, der Bevollmächtigte von Mecklen­ burg - Schwerin, Ministerialrat Dr. Langfeld, der Lübecksche Bevollmächtigte, Dr. Klügmann, die Bevollmächtigten der freien Hansestadt Bremen Bürger­ meister Dr. Pauli und Senator Dr. Marcus, und der Bevoll­ mächtigte der freien und Hanse­ stadt Hamburg, Senator Dr. Burchard; an den Kommissions­ beratungen nahmen aber auch besondere Kommissarien teil, die vom Bundesrat auf Grund des Art. 16 der Reichsversassung dazu berufen worden waren, nämlich bie Kaiserlichen Ge­ heimen Oberregierungsräte Dr. Gerstner, Dr. Hoffmann, Wer­ muth und Dr. Wilhelmi.

Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts. 8« 3.

1. April 1897. *)

29

Die zweite Beratung des Entwurfs

im Plmum des Reichstags *) fand am 5. und 6. April 1897 statt (206. Sitzung S. 5515—5549, 207. Sitzung

S. 5551—5583), die dritte Beratung, welche mit der einstimmigen en bloe-Annahme des Handelsgesetzbuchs endigte,

am

7. April

1897

(208. Sitzung,

Stenogr. Bericht

S. 5585—5586).

Das Handelsgesetzbuch, nun

905 Paragraphm

um­

fassend, und das Einführungsgesetz hiezu (28 Attikel) er­

hielten die Kaiserliche Sanktion und Unterschrift am 10. Mai 1897 und sind im Reichsgesetzblatte 1897 Nr. 23 S. 219 bis 436, 437—454 verkündigt (ausgegeben zu Berlin am

21. Mai 1897). Hinsichtlich seines Inkrafttretens ist zu unterscheiden:

1. Der sechste Abschnitt des ersten Buchs, nämlich das Recht der Handlungsgehülfen und Handlungs­

lehrlinge (88- 59—88, außer 8- 65), tritt schon am

1. Januar 1898 in Kraft. 2. Hievon ausgenommen ist aber die Anwendung des

Rechts der Handlungsagentm im Falle des 8- 65; wenn nämlich

zwischen dem Prinzipal und einem Handlungs­

gehülfen vereinbart ist, daß letzterer für Geschäfte, die von ihm geschloffen oder vermittelt werden, Provision erhalten solle, so sollen nach dem Gesetze die für Handlungsagenten 1 (Drucksache Nr. 735.) Der gedruckte Bericht umfaßt außer i>er.Zusammenstellung' derBeBder Kommission mit der ungSvorlage (Drucksache ,ad Nr. 735' 42 Seiten zählend) 147 Seiten.

1 Hu diesem wurden von verschiedenen Seiten einzelne Ab­ änderungsanträge gestellt, siehe Drucksachen Nr. 743, 748—750, 751—752, 753, 754, 755, 763, 764.

Einleitung.

30

geltenden Vorschristm des §. 88 und des §. 91

Anwendung finden;

schristm

Satz 1

da nun die oben angeführten Vor­ mit dem

überhaupt erst

ganzen Gesetzbuch

am

1. Januar 1900 in Kraft treten, so ist die in Absatz 2 des Artikels 1 des Einführungsgesetzes erwähnte Ausnahme gebotm.

3. Das Eismbahntransportrecht kann durch Kaiserliche des Bundesrats

vor dem

1. Januar 1900 bereits in Kraft gesetzt werden.

Der die

Verordnung

mit Zustimmung

Beförderung von Gütem und Personm auf bett Eisenbahnen

regelnde 7. Abschnitt des dritten Buchs des HGB. über­ trägt nämlich, was vollen Beifall verdient, die nach dem Bemer Übereinkommen vom 14. Oktober 1890 und der Pariser

Eismbahnkonferenz

vom

Jahre

1895

für

den

internationalen Verkehr getroffenen Vorschriften thunlichst auf den innern Verkehr der Eismbahnen; würde

man

mit der Einführung dieses Modem gestalteten Ab­

schnitts bis zum Inkrafttreten des ganzen HGB. und des BGB. wartm, so würden die durch jene völkerrechtlichen

Abkommen herbeigeführtm Erleichtemngen zwar im inter­

nationalen Verkehr gelten, nicht zu gute kommen;

aber dem internen Verkehr noch

aus dieser Erwägung und weil der

Zeitpunkt der Einfühmng vor dem 1. Januar 1900 anderer­ seits mit der noch zu treffenden Ändemng der Verkehrs­

ordnung zusammenhängt, wurde die im Abs. 3 des Art. 1

des Einführungsgesetzes enthaltene Ermächtigung beschlossen

und sanktioniert.

4. Im übrigen (nämlich soweit nicht nach 1—3 bezüglich

zweier Abschnitte Besonderes verfügt ist) tritt das HGB. — nämlich die in Obigem nicht berührten neunundzwanzig

Die Gerichtsbarkeit in Handelssachen. §. 4.

31

Abschnitte desselben (sieben im ersten Buch, fünf im zweiten,

sechs im dritten und elf im eierten Buche) — mit dem

BGB- in Kraft.

Einführungsgesetzes

Dieses aber geschieht laut Art. 1 des

hierzu

vom

18.

August

1896

am

1. Januar 1900. Die erforderlichen Übergangsbestimmungen enthält das

EinfG. zum HGB. vom 10. Mai 1897 insbesondere in dm Artikeln 22—28; dieses Gesetz hat nach der Bestim­

mung der Reichsverfasiung Art. 2 verbindliche Kraft seit

dem vierzehntm Tage nach dem Tage der Ausgabe des RGBl, in Berlin erlangt, mithin seit dem 4. Juni 1897, da das dasselbe enthaltmde Stück des RGBl. (Nr. 23) am

21. Mai 1897 in Berlin ausgegebm worben ist.1)

§ 4. DU Gerichtsbarkeit In Handelssachen. Die Betrachtung des geschichtlichm Entwickelungsganges

des Handelsrechts zeigt, wie die Existmz und die Thätig­ keit eigener Standesgerichte der Kaufleute von günstigem Einfluß war für die Entwickelung des besonderm Rechts

für Handelssachm (vergl. S. 10).

Und nicht minder hat

sich gezeigt, wie verdimstooll die Rechtsprechung eines obersten

Gerichtshofs in Handelssachm auf die Rechtsmtwickelung

Dmtschlands eingewirkt hat (siehe oben S. 22).

An­

gesichts dieser Thatsachen ist die Frage nicht unberechtigt,

1 Hiezu siehe jedoch die Pappenheim in GZ. Bd. 46 Litteratur und Bemerkung bei S.377 undm Gruchots Beitr. GareiS HGB. S. 77 Sinnt. 4 S" 'lut. d. D- Rechts 6. Folge zu § 67 und S. 410, 411 Anm. 1 . 2 S. 310 ff. zu Art. 1 des EinfG. Ferner

32

Einleitung.

ob es sich nicht empfehle, für HandelSsachm in allen oder

wmigstms in bett oberen Instanzen besondere Gerichte einzusetzen.

Die gerichtliche Thätigkeit kommt

hiebei

in

zweierlei Richtungen in Betracht: I. als Ausübung der freiwilligen Gerichtsbarkeit und

II. zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten, mithin in

Ausübung der sogenannten streitigen Civilgerichtsbarkeit. Zu I. Bon dm verschiedmm Zweigm der sogen, frei­

willigen

Gerichtsbarkeit

kommen

für

dm

Handelsstand

nammtlich zwei zur Bedmtung:

1. Die Beurkundungen, seien dieselbm von Gerichten ’)

oder anderen Behörden des allgemeinm Verkehrs oder von besonderm Organen des Handelsstandes vorzunehmen; eigen­

artig ist dem Handel in dieser Beziehung nur die Ver­

wendung von Mäklem zu Feststellungen oder Bescheini-

gungm,2) während sich der Handelsstand im übrigen der für

das Bmrkundungswesm überhaupt bestehmden Einrichtungen bedimt. 2. Die Registrierung: Eintragungen von handelsrechtlich

wichtigm Thatsachm in Register, die mehr oder weniger

allgemein zugänglich warm, kannte bereits das mittelalter­ liche Recht; sie hängm, wie sich wmigstms teilweise quellen­

mäßig nachweism läßt,2) mit dm Matrikeln der Zünfte zusammm und haben demnach ihren Ursprung auf dem Gebiete des öffmtlichen Rechts, dmn die Zunftmatrikeln

warm dazu bestimmt, im öffmtlichm Interesse die Mit196 A^s

§§" 182' 188'

* SflL HGB. §§. 94 ff. 3 Lästig, Florentiner Han­ delsregister deS Mittelalters,

Halle 1883, hatdiefenZusammenhang wenigstens für Florenz nachgewiesen. Dal. die von Lästig S. 10 angeführten Quellen, nun auch GUGefch. S. 241.

Die Gerichtsbarkeit in Handelssachen.

§. 4.

33

gliedschaft der Zunstgmossm darzuthun, namentlich auch

um

hiedurch

dm

Umkreis

derjmigm Personm fest zu

bestimmen, auf welche sich die Jurisdiktion der Zunft, die

der

Gerichtsbarkeit

Kaufmannsgilde

erstreckte;

deshalb

wurdm diese Register von öffmtlichm Behördm geführt

und mit öffentlichem Glaubm versehm; indem die Zunft­ matrikeln diejmigm Personm (zunächst Blutsverwandte und

Verschwägerte, dann aber auch andere) als Haus- und Wirt-

schaftsgenoffm

nebm einander stellten und dieselben als

zusammmgehörig vortrugen, welche im

Gewerbe gemein­

schaftlich, und zwar meistens unter Solidarhaft, betrieben,

übemahmen sie auch die Rolle von Gesellschaftsregistem, zu dmm sie sich allmählich erweiterten.**)

Im Anschluß an ältere Rechte also führte das ADHGB. die Handelsregister als öffentliche Register ein und übertrug die Führung derselben Gerichtm, welche es als Handels­

gerichte bezeichnete; diese Gerichte sollen nicht bloß die Ein­

tragungen, die das Gesetz als registerpflichtig vorschreibt, a) sondern auch die Bekanntmachungm bewirkm, durch welche der Inhalt der Register in öffentlichen Slottern8) weiter ver­ breitet wird.

Die Eintragung (beziehungsweise auch die

Nichteintragung)

bestimmter Thatsachen in jene Register,

289, 293, 296, 304, 311 (Aktiengesellschast); 320, 323-325, 330, 333 (Kommanditgesellschaft auf Aktien). 8 HGB. §. 10. Obligatorisch ist die Bekanntmachung int Deutschen Reichsanzeiger und in mindestens noch emem andern Blatte, welches im Dezember bestimmt wird (HGB. §. 11). Gareis, Handelsrecht. 6. Aufl. 3

' Lästig a. a. O. insbes. S. 4, 14 ff. * HGB. §§. 2 (formelle Han­ delsgewerbe); 13 (Zweignieder­ lassung); 29 (Firma); 33 (jurist. Person); 53 (Prokura); 106, 125 143,144, 148, 157 (offene Han­ delsgesellschaft); 162, 175 (Kom­ manditgesellschaft); 195, 198 bis 201, 234, 273 , 277 , 280, 284,

34

Einleitung.

welche übrigens in mehreren von einander getrennten Büchem nach Maßgabe näherer Bestimmungen der Einführungs­ gesetze (Firmen-, Prokuren-, Gesellschaftsregister), sowie be­ sonderer Reichsgesetze (Genossenschafts- *) und Register für Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht)2) zu führen sind, hat teils (I) eine deklaratorische, prozessual wichtige, teils (II) sogar eine konstitutive, in das materielle Recht direkt eingreifende Bedeutung; ersteres (I), die dekla­ ratorische Bedeutung der Eintragung, ist entweder (a) so vor­ handen , daß die Eintragung nur zum einfachen Beweise der Thatsache dient, daß die der Registrierung zu Grunde liegende Anmeldung wirklich mit dem eingetragenen Inhalte stattgefunden habe,?) oder (d) die Eintragung liefert quali1 GenG. §§ 10—16, s. unten §. 38 u. Freiw.Ger.G. ß. 147. 8 LimitGG. §§ 7—12 s. unten §. 39 u. Freiw.Ger.G. §. 148. 8 Daß die bei der Anmeldung gemachten Angaben thatsächlich wahr seien, wird durch die Ein­ tragung nicht bewiesen (ROHG. Bd. 23 S. 288, RGer. Bd. 1 S. 243, 244), denn der Register­ richter hat nicht die Möglichkeit und nicht die Ausgabe, die Wahr­ heit der zur Eintragung an­ gemeldeten Thatsachen objektiv festzustellen. Damit ist aber nicht gesagt, daß der Register­ richter ein Phonograph sei und unter allen Umständen auf dem Standpunkte blinder Kritiklosigkeit stehen bleiben müsse. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß der Richter eine Erklärung, deren Unrichtigkeit er kennt, oder an

deren Möglichkeit er zu zweifeln gerechte Veranlassung hat, nicht registrieren darf. Hierüber und über die Pflicht der Nachweisung gewisser Thatsachen durch öffent­ liche Urkunoen s. Gareis HGB. Anm. 4 zu §. 12 S. 32, 33. Positiv ist zudem bestimmt, datz, wer sich vor dem Registerrichter bei oder gegenüber einer Ein­ tragung darauf stützt, daß er Rechtsnachfolger eines Beteiligten fentwederUniversalsuccessor(Erbe) oder Singularsuccessor (Ver­ mächtnisnehmer , Käufer einer Handelsniederlassung oder bctgl.] sei, diese Rechtsnachfolge soweit thunlich durch öffentliche Ur­ kunden beweisen muß. HGB. §. 12 Abs. 2, s. hiezu Gareis a. a. O. S. 33.

fizierten Beweis *) derart, daß einerseits (a) solange eine in das Handelsregister einzutragende Thatsache nicht einge­ tragen und nicht bekannt gemacht ist, sie von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie eingetragen war, einem Dritten1 2)* nicht entgegengesetzt werden kann, es sei denn, daß sie diesem bekannt war, und daß andererseits (ß), wenn die Thatsache eingetragen und bekannt gemacht ist, ein Dritter sie gegen sich gelten lasten muß, es sei denn, daß er sie weder kannte, noch kennen mußte.8) Noch weiter geht (II) die konstitutive Bedeutung des Registers, die dann vorliegt, wenn ein Rechtsvorgang gar nicht anders als durch die Eintragung zur Existenz gelangen fann.4)* Das HGB. vom 10. Mai 1897 ist dem ADHGB. in der Anordnung der Anmeldungen und Eintragungen im wesentlichen gefolgt,8) aber es nennt die mit der Führung der Register betrauten Gerichte nicht Handelsgerichte, sondern Gerichte schlechthin oder Registergerichte; 6) die Register sind ebenso wie die dazu eingereichtm Aktenstücke öffentlich, also jedermann zugänglich; ein besonderes berechtigtes Jntereffe 1 Qualifiziertes Registerrecht GenG. § 13. LimitGG. §. 11. 6 HGB. v. 1897 §§. 8-16; nennt dies Co sack a. a. O. über die Form der Anmeldungen §. 10 S. 46. 8 Vorausgesetzt, daß ein ju­ f. HGB. §. 12. Anmeldung ristisch relevanter Zusammen­ der Zweigniederlassung §. 13. hang zwischen der Unkenntniß Freiw.Ger.G. §. 131. dieses Dritten und der zur Ver­ 6 Rach dem RGes. über die änderung in der Rechtssphäre Angelegenheiten der freiwilligen desselben führenden Thatsache Gerichtsbarkeit (§§. 125 ff.) find vorliegt; s. Denkschrift S. 3154 die Amtsgerichte für die Führung der Handelsregister zuständig. (Reichstagsdrucks. KV). Weitere Zuständigkeit der Amts­ 8 HGB. §. 15 4 Vgl. HGB. §. 200 (Ent­ gerichte in Handelssachen s. stehung der Aktiengesellschaft), Freiw.Ger.G. §§. 145 ff. im gewissen Sinne auch §. 172,

Einleitung.

36

hat nur der glaubhaft zu machen, der eine Abschrift eines

zum Handelsregister eingereichten Schriftstücks verlangt?) Das Registergericht hat eine Zwangsgewalt: wer verpflichtet ist, eine Anmeldung,8) die Zeichnung einer Unterschrift oder eine Einreichung vorzunehmen, ist hiezu vom Registergericht durch Ordnungsstrafen anzuhalten; sobald es von einem

sein Einschreiten rechtfertigenden8) Sachverhalte glaubhafte Kenntnis erhält, hat es dem Beteiligten unter Androhung

einer

angemessenen Ordnungsstrafe aufzugeben, innerhalb

einer bestimmten Frist der gesetzlichen Verpflichtung nach­ zukommen

oder die Unterlassung mittels

Einspruchs zu

rechtfertigen.*4)* 6Die unterlassene Anmeldung eines Anmelde­

pflichtigen wird aber unter Umständen ersetzt durch die richtige Anmeldung Mitbeteiligter?)

Den Gerichten, welche zur Führung des Handelsregisters zuständig sind, kommt auch die Führung des Börsen­ registers zu?)

Das ADHGB. betraute die Handelsgerichte auch mit der Ernennung von Sachverständigen, welche in verschiedenen

gesetzlich bestimmten Fällen den Zustand von Waren fest­ stellen sollen, ferner mit der Anordnung von Verkäufen,

Hinterlegungen u. bgl.;7) hinsichtlich der Feststellung des Zustandes von Warm durch Sachverständige enthält nun 1 HGB. §. 9 Abs. 2. 2 ö. Anm. 3 vorige Seite. 8 HGB. §§. 14, 319, 325 Nr. 9. 4 Freiw.Ger.G. §. 132. Die einzelne Ordnungsstrafe darf nicht übersteigen. HGB. 800 Mk. r| -------. 1». Uber iioer den oen öinjpnicy Einspruch j. f. ;i Freiw.Ger.G. §§. 134 ff. Wieder-1

einsehung in den vorigen Stand ebenda §§. 137, 22 Beschwerde §. 139. 6 HGB. §. 16. ^b_Mrsengeseh- v. 22. Juni 1896, §§. 54—65. 7 Vgl. ADHGB.. Art. 348, v. 1897 407; anoers anders nun HGB. H6 §§. 388, 417, 371, 379.

37

Die Gerichtsbarkeit in Handelssachen- §. 4die Civilprozeßordnung Vorschriftm. *)

Handelsstandes

kammern)

(kaufmännische

Die Organe des

Korporationm,

Handels­

sind gesetzlich^) verpflichtet, die Registergerichte

behufs der Verhütung unrichtiger Eintragungen, sowie be­ hufs der Berichtigung und Vervollständigung des Handels­ registers zu unterstützen. Über die formellen Voraussetzun­ gen einer auf die Handelsregister bezüglichen gerichtlichen

Verfügung, über dm Einspruch hiegegen (nicht Beschwerde), ferner über dm Beschluß, durch welchen eine Ordnungs­

strafe festgesetzt oder der Einspruch verworfm wird, sowie

über die Beschwerde hiegegen, ferner über Löschungen und

über das Verfahren bei diesm Maßnahmen der Gerichte mthält das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligm Gerichtsbarkeit die erforderlichm Bestimmungen.8) Zu II.

Neben dm Geschäften jener freiwilligm Ge­

richtsbarkeit in Handelssachm

war auch die Entscheidung

handelsrechtlicher Streitigkeiten, also die streitige Civilgerichtsbarkeit in Handelssachm besonderm Gerichten zugewiesm, allein der Rechtszustand war in Dmtschland in dieser Beziehung sowohl vor, als nach der Einführung des

ADHGB. kein einheitlicher, sondem verschiedm:

in dm

meisten Ländern wurden, größtenteils im Anschluß an ältere

Institutionen,

besondere Handelsgerichte errichtet,

Bayern, im Königreich Sachsm,

so .in

in Hamburg, Bremen,

Lübeck, in der preußischm Rheinprovinz, meist nach fran­

zösischem Muster, außerdem die Kommerz- und Admiralitäts-

1 CPO. jj. 488 (neu) Gareis 8 Freiw Ger.G. v. 17. Mai HGB. S. 345 Anm. 6 zu 1898 §§. 132-143. 379. 2 Frciw.Ger.G. §. 126.

Einleitung.

38

kollegial zu Danzig und Königsberg u. s. w. *), unter ver­ schiedener

Ausdehnung

ihrer

Zuständigkeit;

eigentümlich

war die Einrichtung in Württemberg: dort wurden statt besonderer Gerichte für Handelssachen Abteilungen der be-

stehendm gewöhnlichen Civilgerichte errichtet (Senate oder Kammern für Handelssachen), benot die Ausübung der

streitigen Gerichtsbarkeit in Handelssachen zukam.

Wieder

in anderen Gebieten fand sich weder die letztere Einrichtung noch die besonderer Handelsgerichte, und für diese Gebiete

bestimmte der Artikel 5 des Handelsgesetzbuchs von 1863, daß das gewöhnliche Gericht an die Stelle des vom Gesetz ge­

nannten Handelsgerichts zu treten habe; und dieser letztere Satz gewann die ausgedehnteste praktische Bedeutung mit der Einführung der deutschen Gerichtsverfasiung, welche seit dem 1. Oktober 1879 in Wirksamkeit ist, denn nach dieser reichsgesetzlichen Ordnung der deutschen bürgerlichen Gerichte

giebt es überhaupt keine besonderen Handelsgerichte; es ge­ hören hienach jetzt im ganzen Deutschen Reiche alle handels­

rechtlichen Streitigkeiten vor die ordentlichen Gerichte und werden von diesen nach den Grundsätzen des gewöhnlichen Civilprozeßrechts behandelt.

Nur in einigen Beziehungen

sind

Eigentümlichkeiten

hinsichtlich der Gerichtsbarkeit in Handelssachen noch an­

erkannt, nämlich: 1. Die vorhin erwähnte württembergische Einrichtung

eigener Kammern für Handelssachen kann nach dem Er­ messen der Justizverwaltung in den

einzelnen

deutschen

Bundesstaatm eingeführt werdm; es können also Kammern für Handelssachen errichtet werdm, und zwar als besondere 1 S. oben §. 3 Sinnt. 3 S. 10.

Abteilungen der Landgerichte an irgmd einem Orte im Sprengel des betreffenden Landgerichts.*) 2. Der Prozeß für handelsrechtliche Streitigkeiten richtet sich nach dm Grundsätzen des gewöhnlichm Civilprozeßrechts, jedoch mit zwei Eigentümlichkeiten: die Einlaffungsfrist muß statt mindestens einem Monat im Verfahrm vor Kammem für Handelssachm mindestms zwei Wochen, in Meß- oder Marktsachm aber, gleichviel wo dieselbm verhandelt roerben, mindestens 24 Stunden umfassen; und es besteht ein besonderer Gerichtsstand des Meß- und Marktorts für die daselbst geschloffenen Handels­ geschäfte. 1 2) 3. Der Wechselprozeß ist im allgemeinm als eine be­ sondere Art des Urkundmprozesses im heutigen Rechte aus­ gebildet, hievon unten §. 80. §. 5.

Die Litteratur des Handelsrechts.

Als ein Zweig der Rechtswiffenschaft nimmt die Wiffmschaft des Handelsrechts, einwirkend und beein­ flußt, Anteil an den Erlebniffm und Errungenschaftm der Lehre vom Recht überhaupt, so war es zur Zeit der Alleinherrschaft der romanistischm Konstruktion, so zur Zeit 1 Die Zuständigkeit dieser Kammern, welche regelmäßig mit einem Mitglied des Land­ gerichts als Vorsitzendem und zwei kaufmännischen Beisitzern besetzt sind, wirb durch das Gerrchtsverfasiungsgesetz §§. 100 bis 118 (§. 101 neue Fassung) bestimmt und ist zuletzt noch da­ durch ausgedehnt worden, daß jmen Kammern auch Streitig­

keiten der Binnenschiffahrt und der Flößerei zugewresen worden sind, RGes. vom 15. Juni 1895 §. 138 RGBl. S. 339 bez. §. 131 RGBl. S. 348. 8 CPO. §30; Beschleunigung des Verfahrens in diesen Sachen s. CPO. §i 217, 262, 498, 520, 555 (neuer Fassung) u.GerVerfG. §. 202 Nr. 3, 203 (Feriensache), vgl. unten §. 11 III a.

Einleitung.

40

einer unfruchtbaren Reaktion hiegegen, und so ist es auch

heutzutage, da jene Gegensätze zu harmonischer Ausgleichung

gelangt sind. Aber neben jener Teilnahme an der Entwicklung der

Rechtswiffenschaft

im

gangen

steht die Ausbildung einer

eigenen Fachlitteratur des Handelsrechts, diese entwickelt sich nach drei Richtungen:

1. in Monographieen, einzelnen Abhandlungen, Auf-

sätzm und Zeitschriften.

Unter den Zeitschriften über das

Handelsrecht nimmt die von L. Goldschmidt 1851 ge­ gründete Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht den ersten Rang ein; sie bietet einen zuverlässigen Überblick

über die Entwickelung des inländischen und ausländischen

Handelsrechts

und seiner Lehre.

An sie reiht

sich nun

die Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Steuer-

und

Stempelfragen

(neue

Aktienrecht und Bankwesen).

Folge

der Monatsschrift für

Herausgegebm von Justizrat

vr. Paul Hold heim in Frankfurt a. M., Carl Heymanns Verlag, Berlin;

2.

in Lehr-

und Handbüchern.

Von

älteren Dar-

stellungen abgesehen, sind als Hauptwerke in dieser Richtung

zu bezeichnen: das Handbuch des Handelsrechts von Heinr.

Thöl, t 1884 (welches in erster Auflage 1841, in sechster

Auflage 1878

erschien)

und die von W. Endemann

(4. Auflage 1887), dann Cosack (4. Auflage 1898) und Behrend (leider noch immer nicht vollendet).

Spitze der

modernm

Handelsrechtslitteratur

An der

stehen

un­

zweifelhaft die Arbeiten von L. Goldschmidt (f Juli

1897);

von

seinem

auf breitester juristischer Basis an­

gelegten Handbuche des Handelsrechts ist im Jahre 1864

Die Litteratur des Handelsrechts,

§. 5.

41

eine erste Abteilung von Band I erschienen, welche nach einer

geschichtlich-litterarischen

des

Quellen

Handelsrechts

Einleitung

und

die

Regeln

Begriffe

und

Handel,

Handelsgeschäfte und Ware erläutert (§§. 1—109); im

Jahre 1875 erschien hierauf eine zweite Auflage der ersten Hälfte dieser Erörterungm; eine hiezu gehörige Lieferung,

die 1883 kam, enthält noch dm Anfang der Lehre von der Ware;

in

dritter Auflage erschim

1891, als Band I

1. Abtheilung bezeichnet: „Universalgeschichte des Handels",

eine Welthandelsrechtsgeschichte großartigstm

Stiles,

in

welcher die Resultate der geschichtlichen Forschung über das Handelsrecht des Altertums und des Mittelalters zu einem

imposantm Bilde verarbeitet sind; es ist auf das Schmerz­ lichste zu beklagm, daß Krankheit und Tod des gelehrtesten

Forschers die Vollmdung, ja, auch die Fortsetzung dieses

kühnm Werkes verhindert haben. Zu nennen ist ferner das große von W. Endemann

herausgegebene Handbuch des deutschm Handels-,

See-

und Wechselrechts (Leipzig 1882/88), an welchem außer

dem genanntm Herausgeber noch Brunner, Gg. Cohn, Grünhut, Brachmann, Kunze, König, Kloster­ mann,Lästig, Lewis, Primker, Reatz, Regels­

berger, Schröder, Schott, von Völderndorff, Wendt, Wolff, Westerkamp und der Verfaffer dieses Lehrbuchs gearbeitet haben (Österr. Handelsrecht

behandeln v. Canstein und Pollitzer, s. unten);

3. in Kommentaren des Handelsgesetzbuchs und der zur Ergänzung desselben erschienmm übrigm Reichsgesetze, auf welche

an

den einzelnen Stellen der Darstellung dieses

Lehrbuchs hingewiesm werdm wird.

Einleitung.

42

Die Entwickelung des Handelsrechts in den Jahren

1874—1884, sowie dann die von 1884—1894 ist vom in den von Kirchenheim

dieses Lehrbuchs

Verfasser

herausgegebenen Litteraturberichten in systematischer Anord­

nung dargestellt. *)

Arbeit

Es sei daraus besonders die bedeutende

des RGRats F. Behrend, das Lehrbuch des

Handelsrechts (I. Guttentag Verlag,

wovon

1880 bis 1896),

bisher der erste Band, umfassend dm allgemeinm

Teil und das Gesellschaftsrecht, erschimm ist, hervorgehobm.

Der Interpretation des neuen Handelsgesetzbuchs bient

die Denkschrift,

mit welcher

gehmde Entwurf des HEB.

der vom Bundesrat aus-

dem

Reichstage

vorgelegt

wurde (I. Guttentag 1897); ferner der Kommentar von F. Makower, d. i. die 12. Auflage des Kommentars von

H. Makower (I. Guttmtag Verlag) — es sind hievon bis jetzt Lieferungen 1 und 2 erschienen, welche bis §. 177

reichen. sind

Ausgaben des Textes des HEB. mit Anmerkungm

von

dem Verfasser

dieses

Lehrbuchs

(Verlag von

C. H. Beck, München), Litthauer (I. Guttentag, Verlag),

Frankenburger (Münchm),

Danziger

u.

a.

veranstaltet

worden. 1 Centralblatt f. Rcchtswissenschast, Ergänzungsbände zu 1884 u. 1894 auch unter dem be-

sonderenTitel, Litteraturberichte' erschienen,

Erstes Kapitel.

Die dem Kandelsrecht unterworfenen Leöensveryättnisse: Der Kandel.

§• 6. Vegriff drr Handelssachen und (Srunllage drr Systematik derselben. DaS Handelsrecht soll in „Handelssachm" zur An­

wendung gebracht werdm, während die Vorschriften des BGB. und des übrigen bürgerlichen Rechts erst an zweiter

Stelle in Handelssachen zur Anwendung gelangen, darum ist der Begriff „Handelssachen" möglichst genau festzustellen;

er ist zuerst prozeßrechtlich entwickelt, heutzutage aber fast ausschließlich für das materielle Recht von Bedeutung; für

dieses sind als Handelssachen nur diejmigm Lebmsverhält-

nifle des bürgerlichen Verkehrs zu betrachten, welche dem Handels stände

als

solchem

eigentümlich sind,

und

diejmigm, welche durch Handelsgeschäfte begründet werdm.

Der Handelsstand umfaßt diejenigen Personm, welche

ein Handelsgewerbe betreiben, diesm werdm die Handels-

44

Kap. I.

Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. ic.

gesellschaften handelsrechtlich gleichgestellt;

in beiden Be­

ziehungen, sowie auch bei der Feststellung des Begriffs der

Handelsgeschäfte kommt es darauf an, festzustellen, was

„Handel"

ist.

Der Gesetzgeber kann von dem objektiven

volkswirtschaftlichen Begriff des gewerbsmäßig betriebenen

Handels ausgehen und kann dann alle diejenigen Rechts-

verhältniffe, welche sachlich zusammengehörm und entweder

„die den Güterumlauf vermittelnde Erwerbsthätigkeit" selbst bilden oder, als sie ermöglichend, stützend und fördernd, zu

ihr gehören, dem Handelsrechte unterwerfen.

Der Gesetz­

geber kann aber auch von dem Begriff des Kaufmanns

ausgehen und jedes Berufsgeschäft desselben, vermöge der persönlichen Standeseigenschaft des dasselbe Betreibenden,

den Regeln des Handelsrechts unterwerfen, und

er kann

diese Unterwerfung auch auf solche Geschäfte, welche nicht

gerade zum Berufe des sie abschließenden Kaufmanns mit

Notwendigkeit, wohl aber zum Berufe anderer Kaufleute gehören, ausdehnen. Das System des DHGB. ist sowohl in der Fassung,

die das Gesetzbuch früher, vom Jahre 1861, hatte, als auch

nach der neuesten, ein subjektives, aber mit objektivem Aus­ gangspunkte, wobei der Unterschied zu bemerken ist, daß

das Gesetzbuch von 1861 die Wahl des objektiven Aus­ gangspunkts über die subjektive Begrenzung seiner Systematik hinauswirken läßt, was nach dem HGB. von 1897 nicht

mehr der Fall ist; nach dem letzteren, wie nach dem ersteren

ist

der Kaufmannsbegriff

nämlich

des

gewerbsmäßig

auf den des Handelsgeschäfts, betriebenen

Handelsgeschäfts,

gebaut: Kaufmann ist, wer gewerbsmäßig Handelsgeschäfte betreibt, oder, was ganz dasselbe bedmtet, ein Handels-

Begriff der Handelssachen re. §. 6.

45

gewerbe betreibt (s. unten §. 11); welche Geschäfte aber

hierunter fallen, hat der Gesetzgeber ausdrücklich zu be­

stimmen, letzteres geschieht durch eine möglichst genaue Auf­ zählung. Aber alle so charakterisiertm Geschäfte unterliegen

dem Handelsrechte nur, wenn sie entweder unmittelbar zum Betriebe des Handelsgewerbes des sie abschließenden Kauf­

manns gehören (Grundgeschäfte, s. unten §§. 8, 10), oder

von einem Kaufmann im Betriebe seines gewöhnlich auf andere

Geschäfte

gerichteten

Handelsgewerbes

werden (Nebengeschäfte, s. unten §. 9). ziehung

geschloffen

Fehlt jede Be­

des Geschäfts zum Handelsgewerbe eines Kauf­

manns, so fällt das Geschäft nicht unter das Handelsrecht. Die vom HGB. von

1861 vorgenommene Erweiterung,

welche, wie erwähnt, vom objektiven Begriff des Handels­ rechts

aus

vorgenommen wurde,

ist nach

dem

HGB.

von 1897 nicht mehr Rechtens, mit a. SB., die Kategorie

der

sogen,

objektiven

oder absoluten Handelsgeschäfte ist

gefallen, Geschäfte von Nichtkaufleuten sind nach dem neuen

Rechte niemals Handelsgeschäfte; es kann allerdings vor­ kommen, daß auch

auf einen Nichtkaufmann Regeln des

Handelsrechts in Anwendung kommen, aber nur dann, wenn es sich um ein Geschäft handelt, das für dm andem Kon-

trahentm ein Handelsgeschäft ist, und dies kann nur dann eintreten, wenn dieser andere Kontrahmt, also wenigstens

der eine Teil der zwei das Geschäft Abschließmden, ein

Kaufmann ist. Die Systematik ist also folgmde: I. Der Handelsstand, für deffm Rechtsverhältniffe in

erster Linie das Handelsrecht bestimmt ist, besteht aus den Kaufleuten und den ihnm gleichgestelltm Gesellschaften.

46

Kap. I.

Die bem Handelsrecht unterm. LebenSverh. rc.

n. Kaufleute sind diejenigen,

welche Handelsgewerbe

betreiben (s. unten §. 11).

m.

Handelsgewerbe

sind

aber

Unter­

diejenigen

nehmungen, welche eines der vom Gesetz ausdrücklich be-

zeichneten Handelsgeschäfte zum Gegenstände haben:

das

Gesetz zählt die sogen. Grundgeschäfte des Handels auf?) IV. Außer den

Grundgeschäften

sind

aber

auch

die

Nebengeschäfte eines Handelsgewerbebetriebs dem Handels­ rechte unterstellt?) V. Erweitert wird der bisher festgehaltene Begriff des

Handelsgewerbes

durch

int

materiellen Sinne (siehe

die Anerkennung

nämlich

III., IV.)

sogen, formeller Handelsgewerbe,

derjenigen gewerblichen

Unternehmungen,

welche

nicht um ihres Gegenstandes willen, wie die unter III. und auch unter IV. aufgezählten,

sondern lediglich aus

formalen Gründen dem Handelsrechte sich unterordnen?)

VI. Ausgeschieden sind nicht die Geschäfte über un­ bewegliche Sachen, die das Handelsgesetzbuch früher ohne

weitere Unterscheidung unberührt ließ, während nach dem

neuen Handelsrechte ein gewerbliches Unternehmen, welches

sich mit Immobilien beschäftigt, wenigstens ein formelles Handelsgewerbe

geschieden

(s. V.)

sein

selbstverständlich

kann;

alle

dagegen

btejentgen

sind

aus­

Produktions­

zweige, welche gar nicht mit dem gewerbsmäßigen Umsatz

von Waren zu thun haben,

vor allem und ausdrücklich

der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, doch können

1 HGB. §. 1 Abs. 2 Ziffer 1 bis 9 s. unten §§. 8, 10. * HGB. §§. 343, 344.

8 HGB. §§. 2, 31. unten §. 8 Ziffer 10.

DaS System der Handelssachen im einzelnen. g. 7.

47

Nebengewerbe dieser Wirtschaften unter Umständen (s. unten §. 10) dm Handelscharakter annehmen. In diesen Sätzm I.—VI. sind die Grundpfeiler zu erblickm, auf benen die Systematik der Handelssachm nach dem neuen Rechte aufgebaut ist. §. 7. Da« System der Handelssachen im einzelnen.

I. Der Handelsstand umfaßt gewisse Gewerbetreibmde; eine Gewerbe aber ist jede wirthschaftliche Thätigkeit, welche in der kraft eines zusammenfassmden Willens­ entschlusses gewolltm Vornahme einer Reihe von wirt­ schaftlich zusammenhängmden Geschäftm und Arbeitm be­ steht; der Willmsmtschluß wird durch zwei hier noth­ wendig vorausgesetzte Absichten als eigenartig gekennzeichnet, nämlich: 1. durch die Absicht, ein bestimmtes wirtschaftliches Ziel zu erreichen, z. B. ein gewisses Naturprodukt zu gewinnen, ein Fabrikat herzustellen, kurz, die Mittel der Bedürfnisbefriedigung zu vermehrm oder zu verbeffem, ihre Benützung oder Berwmdung zu ermöglichm, zu fördern und bergt; 2. in der Absicht, hievon Gewinn zu machm, d. h. das eigene Einkommm, die Mittel zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse zu vermehren, *) und zwar dadurch, daß das unter 1. erwähnte wirtschaftliche Ziel für andere gegen Entgelt erstrebt wird (s. unten §. 11). 1 Dgl. P. Winter, Gewinn­ Breslau 1894; G. u. F. HGB. absicht als wesentliches Merkmal S. 16 f. des Begriffs Handelsgeschäst

48

Kap. I.

Die dem Handelsrecht unterw. Lebensverh.

k.

II. Unter den verschiedenen menschlichen Thätigkeiten, welche nach dem eben Gesagten als Gewerbe in Betracht

kommen können, ist durch das positive Recht eine zusammm-

gehörige Gruppe unter besondere Regeln gestellt, und zwar sowohl dann, wenn diese Thätigkeit das Hauptgewerbe, als

auch dann, wenn sie ein Nebengewerbe des sie Betreibmden bilden.

Hauptgewerbe ist nicht notwendig dasjenige, bei

welchem die zweite der

vorhin

als zum Gewerbebegriff

zugehörig vorausgesetztm Absichten am vollkommensten er­ reicht wird, es ist vielmehr denkbar, daß ein Nebengewerbe

eines Gewerbetreibenden rentabler ist als sein Hauptgewerbe; letzteres

wird

gegenüber

durch

ersterem

die

vorwiegend

objektiv wirtschaftliche Absicht (I. 1.) charakterisiert, und es

kommt hierbei auf die Wichtigkeit,

Intensität und Aus­

dehnung an, welche der Betreibende selbst seinem Gewerbe­ betriebe beilegt; so kann ein Buchdrucker die Druckerei als

Hauptgewerbe, gekehrter

Buchhandel

einen

treiben, während ein

als

Nebengewerbe

be­

anderer die beidm Gewerbe in um­

Rangordnung

ausübt.

Diejenigen

gewerblichen

Unternehmungen nun, welche wegm ihres objektiven wirt­

schaftlichen

Zieles

als

„Handelsgewerbe"

vom

positiven

Rechtes ausgezeichnet werden (f. unten §. 8), sind auch dann Handelsgewerbe, roenn sie von einem ein Nichthandels­

gewerbe als Hauptgewerbe Betreibmden nur nebenbei, aber

gewerbsmäßig, d. h. in den beiden hiezu vorausgesetzten Absichtm, jedoch nur als Nebengewerbe, betrieben werden?) 1 HGB. S. 1 Abs. 2 Nr. 1-9. 1 Der Buchbinder, welcher neben seinem Hauptgcwerbe, der Buchbinderei, Papierwaren aus Fabriken bezieht und an das

Publikum unverändert veräußert, ebenso der Uhrmacher, welcher neben der hauptgewcrblichen An­ fertigung und Reparatur von Uhren Zeitmeßapparate aus

DaS System der Handelssachen im einzelnen.

§. 7.

49

Dies trifft nicht nur gegenüber dem Handwerk- und Fabrikroefen, sondern auch gegenüber den Urproduktionen zu, jedoch in Bezug

auf Land- und Forstwirtschaft mit einer eigen«

tümlichen Beschränkung: das positive Recht schreibt nämlich

vor, daß dem Unternehmer eines land- oder forstwirtschaft­ lichen Betriebs das Recht zusteht, nach seinem Belieben ein

Nebengewerbe jenes Betriebs entweder als Handelsgewerbe

oder als Nichthandelsgewerbe zu bezeichnen und als dieses oder jenes gelten zu lasten (hievon ausführlich unten §. 10); dieses Recht steht ihm selbst dann zu, wenn jenes Nebengewerbe

die Einrichtung eines kaufmännischen Betriebs wegen seines

Umfangs oder seiner Betriebsart erfordert, mithin ein sogen, formelles Handelsgewerbe (nach §. 2 des HGB., siehe obm

§. 6 V., Seite 46) wäre, wenn es eben nicht gerade von einem Forst- oder Landwirte als Nebengewerbe betriebm

würde.

in. Verschieden von dem Begriff „Handelsgewerbe" ist

der Begriff „Handelsgeschäft".

Der letztere Ausdmck

wird nach unserem positiven Rechte in zwei verschiedenen Be­

deutungen gebraucht, und zwar: 1. zur Bezeichnung einer Handelsniederlaffung *) (hievon

unten §. 15);

2. zur Bezeichnung eines einzelnen Rechtsgeschäfts (Ver­ trags), in diesem Sinne wird der Ausdmck in der Über-

Fabriken zum Berkaus bezieht, der Klempner, der nebenbei mit fertig bezogenen Blechwaren handelt, — alle diese und ähn­ liche Gewerbetreibende find be­

Sarets, Handelsrecht. 6. Hust.

züglich des NebcngewerbeS (wegen HGB. §. 1, Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1) Kausleute (f. aber HGB. §. 4). 1 HGB. §§. 22-28.

4

50

Die dem Handelsrecht unterm. LebenSverh. rc.

Kap. l.

schrist des dritten Buchs des HGB?) (s. unten dritte- Kapitel) gebraucht.

IV. Die Rechtsgeschäfte, deren Abschluß und Vollzug

im Gewerbebetriebe eines Kaufmanns als zu diesem gehörig

vorkommen

und

deshalb

als Handelsgeschäfte

bezeichnet

werdm (HGB. §§. 343 f.), fitsten entweder das Fundament

des Handelsbetriebs, den Gegenstand des Gewerbebetriebs

im

eigentlichen Sinne

Unternehmens,

und

als

dies

eines sind

besonderen gewerblichen die

Grundgeschäfte

des

Handels, der darauf gerichtete Betrieb mag Haupt- oder Nebengewerbe

eines

eines

sonstigen

Kaufmanns,

eines Landwirts oder

fein —

Unternehmers

von

den Grund­

geschäften wird in §§. 8, 10 gesprochen —, oder sie sind

nur Zusatz zum Handel oder zum besonderen handelsgewerb­ lichen Betriebe,

und

dies

sind die Nebengeschäfte eines

Handelsbetriebs; von diesen wird in §. 9 gesprochen.

§• 8. Das System der Handelssachen Im einzelnen (Fortsetzung): A. Dir SrundgrschSfte.

Nach der positiven Bestimmung des HGB. sind folgende Arten von Geschäften Grundgeschäfte des Handels, d. h.

geeignet, den Gegenstand eines Gewerbebetriebs zu bilden, der dadurch, daß dies der Fall ist, als Handelsgewerbe gilt:

1. Der Spekulationskauf und -verkauft) und die diesm Spekulationsunternehmungen

entsprechenden Realisationen.

Jede Handelsoperation, welche in der Absicht, Gewinn zu

machm, vorgenommm wird, setzt sich aus mindestens zwei 1 Insbes. f. HGB. §§. 343 bis 372.

* HGB. §. 1 Abs. 2 Nr. 1.

DaS System der Handelssachen im einzelnen ic. §. 8.

51

Rechtsgeschäften zusammen, von denen das zeitlich voran­ gehende das

Spekulationsgeschäft, das nachfolgende das

Realisationsgeschäft ist; ist das erstere ein Einkauf, die nachfolgende Realisation

ein Verkauf

seitens

des

näm-

lichm Spekulanten, so ist die Spekulation darauf gerichtet, den Betrag zu gewinnen, um welchm der durch ben Reali-

ationsverkauf zu

erreichende Kaufpreis dm Einkaufspreis

übersteigt, dies ist der Fall beim billigeren Engroseinkauf behufs teureren Detailverkaufs, im Börsmverkehr bei

Spekulation ä la Hausse. *)

der

Ist das Spekulationsgeschäft

ein Verkauf, nämlich die Übernahme einer Lieferung von

Warm, welche der übemehmer, um sie liefern zu können, erst selbst noch anschaffen muß, so ist die Spekulation dar­

auf gerichtet, den Betrag zu gewinnm, um welchen der in Lieferung genommene Gegenstand später billiger eingekauft werben wird, als er vorher bei der Lieferungsübernahme von

dem

nämlichen verkauft ward;

z. B. ein Armeelieferant

spekuliert darauf, die Gegenstände, deren Lieferung an die

Armee er zu einem bestimmten Preise übernommen hat, sich selbst billiger liefem zu lassen; an der Börse heißt dieses

Geschäft das Fixen oder die Spekulation & la baisse.

Alle

vier in diesem Zusammenhang denkbaren Geschäfte (Speku­

lationsein- und -verkauf, Realisationsein- und -verkauf)

sind unter dm Namm Anschaffung und Weiterveräußerung im Gesetze zusammengefaßt, jedes derselben ist aber auch einzeln

für sich allein Handelsgeschäft, wmn und weil es

zum Gewerbebetrieb des Kaufmanns gehört; die Absicht,

Gewinn zu machm, liegt in der Gewerblichkeit der An1 Börsengeschäfte siche unten §§. 48, 49.

52

Kap. I.

Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. rc.

schaffung und der Weiterveräußerung.

Auch die Weiter­

veräußerungen, welche von Handwerkern vorgenommm werden,

sind Handelsgeschäfte, vorausgesetzt, daß der Handwerker

Kaufmann ist1) und die Weiterveräußerung im Gewerbe­ betrieb, wenn auch des Nebengewerbes, gelegen ist.

Zur

Anschaffung im Sinne des Gesetzes gehört außer dem Äcmf2)3

auch der Tausch, und

die

ferner die sogenannte uneigentliche Leihe

sortimentsbuchhändlerische oder

kommissionsweise

Anschaffung.*) Der Gegenstand dieser Geschäfte besteht nach

dem Wortlaut des Gesetzes in „beweglichen Sachen (Waren)", das sind materielle Wertträger, z. B. Kolonialwaren, Ge­ treide (s. unten §. 42) und „Wertpapiere", das sind die soge­

nannten

formalen

Wertträger,

Effekten,

z.

B.

Aktien,

Staatsobligationen, Pfandbriefe, Banknoten, Wechsel und bergt,

vorausgesetzt, daß sich diese Wertzeichen für den

Handelsverkehr eignen.

Bei den Gegenständen der ersteren

Art kommt noch die wichtige Ausdehnung des Handels­

begriffs auf die stoffumgestaltende Handwerk- und Fabrik­

arbeit in Betracht; da es keinen Unterschied in Bezug auf die Handelsnatur des Geschäfts ausmacht,

unverändert oder nach einer Be-

ob die Waren

oder Verarbeitung weiter

veräußert werden, so fallen auch die gewerblichen Anschaffun­ gen von Fabrikanten, Apothekern, Gastwirten und Hand­

werkern unter den Begriff dieser Handelsgeschäfte.

2.

Die fabrikmäßige oder wenigstens nicht handwerks-

1 Wenn auch minderen Rechts s. HGB. §. 4. rHGB. §§. 373-382. BGB.

433-514. 3 BGB. §. 515. Mitunter wird der Tausch auch Baratto-

Geschäst genannt; s. Gar eis Hdbch. §. 258 zu Anm. 26 ff. 4 Über das buchhändlerische Konditionsgcschäst s. aber Buhl in GZ. Bd. 25 S. 142 ff.

Das System der Handelssachen im einzelnen re. 8- 8.

53

mäßige Be- und Verarbeitung von beweglichen Sachen für andere, nämlich für Rechnung von Bestellen, welche dm Stoff zur Be- oder Verarbeitung selbst liefern, so daß der

die Be-

oder Verarbeitung

lediglich die Arbeit liefert.

übernehmmde Geschäftsmann Erzeugt der Fabrikant selbst

den von ihm der Bearbeitung zu unterziehmden Rohstoff,

so gehört der Geschäftsbetrieb, soweit er es nur mit diesem Rohstoff zu thun hat, nicht hieher;*) dagegen gehören hie-

her die

im großen betriebenen Spinnereien, Färbereim,

Zeugdruckereien, Mühlenwerke, Holzsägen u. dergl., immer vorausgesetzt, daß die dem Appreturverfahren oder der Auf­

bereitung zu unterwerfendm Stoffe von den Bestellem ge­

liefert oder für Rechnung der letzteren von dem Fabrikantm angeschafft werden.1 2)

Die lediglich im Umfang eines Hand­

werks vorgenommme Bearbeitung oder Verarbeitung frem­ der Stoffe

bildet

nicht den

Gegmstand

eines

Handels­

gewerbebetriebs. 3.

Die übemahme von Versicherungen gegen Prämie:

wer, wie z. B. Versicherungsgesellschaften, die spekulativ auf

Aktien gegründet sind, gegen festes Entgelt die Verpflichtung

zum

Ersatz

eines

künftigm

schadm, Hagelschlag,

Bruch,

Vermögensschadcns

(Brand-

Transportverlust u. dergl.)

übernimmt, richtet seine Spekulation darauf, daß das ihm

fest zustehende, nicht nach dem jeweiligen wirklich eingetretenen Schaden erst zu berechnende Entgelt von den wirklich zu

leistenden Schadensersetzungen

im ganzen nicht vollständig

aufgezehrt wird; er rechnet also auf den Gewinn des Über1 Es ist aber möglicherweise ans Grnnd der §§. 2 u. 3 des HGB- ein Handelsgewerbe.

' HGB. §. l Nr. 2; hiezu s. Gareis, HGB. 1898 Sinnt. 9 zu §• 1.

54

Kap. I.

Die dem Handelsrecht unterw. Lebensverh. rc.

schusies der Prämien und ist darum als Spekulant, als Kaufmann behandelt. *) 4. Die Bankier- und Geldwechslergeschäfte:1 2)* * die *** gewerbliche Bermittelung des Geld- und Kreditverkehrs ist von jeher ein Handelsgewerbe gewesen; die hieher gehörigen Geschäfte sind sämtlich in der Absicht unternommen, Ge­ winn daraus zu ziehen, daß Geld und Kredit, welche dem Banquier angeboten werden, dahin geleitet werden, wo sie gesucht sind. Die wichtigsten Bankgeschäfte ergeben sich aus der Betrachtung des Geschäftsverkehrs des wichtigsten Bank­ instituts, nämlich der Reich < bank.8) a) Das Diskontogeschäft, das ist der Ankauf von noch 1 HGB. §. 1 Abs. 2 Nr. 3: s. Gareis HGB. Anm. 10 hiezu; von den Dersicherungsgeschähen handeln unten §§. 62, 64, 118. Der Eintritt eines Kaufmanns in eine Gesellschaft zur Versicherung auf Gegenseitig­ keit fällt möglicherweise unter die Handelsgeschäfte nach §§.343, 344; s. unten §. 9. 2 Durch den gewerbsmäßigen Betrieb von Bankgeschäften werden alle Banken, auch die sog. öffentlichen, gleichviel wer ihr Inhaber ist, zu Kaufleuten. S. Gareis HGB. S. 9. 8 Diese ist eine Reichsanstalt, in deren Verwaltung die höchsten Organe des Reiches einzugrcisen haben. Ihre Leitung steht dem Reichskanzler und unter diesem dem aus Reichsbeamten gebildeten Bankdirektorium zu. Privat­ rechtlich ist die Reichsbank eine auf Grund des deutschen Bank-

gesetzeS vom 14. März 1875 (RGBl. 1875 S. 177) zur Existenz «e juristische Person mit ^auptsitze zu Berlin und mit einem durch Zeichnung von Anteilscheinen (zu je 3000 Mk.) aufgebrachten Grundkapital von 120 Millionen Mk. Dw hieraus bezüglichen Gesetze. Verordnungen und Reglements sind zusammen­ gestellt und mit einer höchst lehr­ reichen Einleitung (von 42 S.) versehen von R. Koch (Präsident des Reichsbankdirektoriums) in „Reichsgesetzaebung über das Münzund Notenbankwesen, Papiergeld, Prämienpapiere und Reichsanleihen",Textausaabe mit Anm. u. Sachregister. 5. Aust. (Hier angeführt. Koch, M. LN.) Berlin, I. Guttentag. 1898. Über die Verwendung des Rein­ gewinns der Reichsbank s. RGes. vom 18. Dez. 1889 (RGBl. 1889 S. 201).

nicht fälligen Wechseln, auch von Checks und von Schuldverschreibungm des Reichs, eines deutschen Staats oder in­ ländischer kommunaler Korporationen, welche binnen kurzer Frist nach dem Ankäufe mit ihrem Nennwert fällig wer­ dens) über dieses Geschäft siehe unten §. 88. b) Das Einziehungsgeschäst, das ist keine Unterart des Kommissionsgeschäfts mehr, fonbem als sogenannte Inkasso­ kommission eine besondere Art kaufmännischm Arbeits­ vertrags. 1 2)* c) Das Lombardgeschäft. Siehe unten §. 63?) d) Der Giroverkehr und das Geschäft der Abrechnung (Clearing) an den sogen. Abrechnungsstellen, siehe unten §. 68 VI.4)* e) Der Ein- und Auszahlungs-, Anweisungs-, Check­ verkehr, siehe unten §. 68 II, IV.6) f) Das Effektenkommissionsgeschäft, ein Kommissions­ geschäft im Sinne des HGB. Siehe unten §. 51.6) g) Das Depotgeschäft, und zwar aa) Verwahrung offener Depots, siehe unten §. 60; bb) Verwahrung verschlossener Depositen, §. 60.7) 1 S. KochM. LN. (f. vorige Anm.) S. 200 ReichSbankgeseh vom 14. März 1875 §§. 13 Nr. 2, 15, »Allgemeine Bestimmungen über den' Geschäftsverkehr mit der Reichsbank (auSgegeden im Oktober 1896)" Nr. III S. 14 dis 25. Hierüber s. ROHG. 2 S. 137, 221. 2 S. RBkG. §. 13 Nr. 5 und die in voriger Anm. an­ gegebenen allgem. Bestimmungen V S. 27. 28. Kock M. & N.

8 RBkG. §. 13 Nr. 8. Allg. Bestimmungen VI S. 28—41. Koch M. L N. S. 212. 4 RBkG. §. 13 Nr. 7. Alla. Bestimmungen VII S. 42—50. Koch M. & N. S. 229. 6 RBkG. §. 13 Nr. 5. Alla. Bestimmungen VIII—IX S. 50, 51. Koch M. L N. S. 242. 6 RBkG. §. 13 Nr. 6. Allg. Bestimmungen X S. 54 HGB. §§. 383 ff. Koch M. L N. S. 245.

56

Kap. I.

Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. rc.

h) Der Ankauf und Verkauf von edlen Metallen, Gold und Silber in Barren und Münzend)

i)

Die Emission von Banknoten,

Pfandbriefen

und

anderen Wertpapieren, sie unten §.72 III.2* )1* 4 * k) Der gewerbliche Betrieb des Darlehnsgeschästs nach

seiner

aktiven und passiven Seite hin,

insbesondere das

Sparkaffengeschäft und Bankdepositengeschäft einerseits 8) und das Vorschußgeschäft andererseits; unter letzterem kann auch

das Darleihen gegen Verbodmung^) und das Hypotheken­

geschäft im Bankgewerbebetriebe vorkommen.8) 5. Die Übernahme der Beförderung von Gütern (siehe unten

§. 112)8) oder Reisenden (siehe unten §. 113)7)

zur See, die Geschäfte der Frachtführer (siehe unten §. 56

bis 58)8)

oder der zur Beförderung

von

Personen

zu

Lande oder auf Binnengewäffern bestimmten Anstalten (d. h. größeren Unternehmungen, wie etwa städtische Pferdebahnen,

elektrische Straßenbahnen u. bergl.)9), sowie die Geschäfte

der Schleppschiffahrtsunternehmer. 10) Bestimmungen IX S. 55—65, XII S. 65-68. KochM. L N. S. 247 ff., 260 ff. Vgl. hiezu auch dasRGes. vom 5. Juli 1896 betr. die Pflichten der Kaufleute bei Verwahrung fremder Wert­ papiere vom 5. Juli 1896. 1 RBkG. 13 Nr. 1, 14. Koch M. L N. S. 86. 8 RBkG. §. 16 BGB. §§. 793 ff. Koch M. L N. S. 92. 8 Vgl. RBkG. §. 13 Nr. 7. S. Koch M. L N. S. 90. Vgl. RGer. 23 S. 99 ff. 4 KGB. Z. 679 s. unten Z. 114. 6 Uber alle diese Bankgeschäfte

s. Gareis, HGB. Anm. 11 zu §. 1 S. 8, 9. 6 HGB. 8- 1 Abs. 2 Ziffer 3 88- 556-663. 7 HGB. 8- 1 a. a. O. u. 88- 664—678. 8 HGB. §8- 425-452 auch 88- 453—473 (Eisenbahnen). 9 Die Transportgeschüste der Postverwaltungen des Deutschen Reichs undderTeutschenBundesstaatcn fallen nach der aus­ drücklichen Bestimmung der HGB. §3- 452, 663 niryt mehr unter das Handelsrecht. S. Gareis HGB. S. 10. 10 HGB. 8- 1. Abs. 2 Ziffer 5

Das System der Handelssachen im einzelnen rc.

§. 8.

57

Die Geschäfte der Kommissionäre (s. unten §. 51) *),

6.

der Speditmre (siehe unten §. 52)2) oder der Lagerhalter (siehe unten §. 55).8) Die Geschäfte der Handlungsagenten (siehe unten

7.

54)4) oder der Handelsmäkler (s. unten §. 53)6), näm­

die Übernahme von Geschäftsaufträgen seitens dieser

lich

Personen. 8.

Die Verlagsgeschäfte, sowie die sonstigen Geschäfte

des Buch- und Kunsthandels (s. unten §. 59).6) Die Geschäfte der Buch-, Stein-, Stahl-, Kupfer-,

9.

Photographieen-, Photogravuren- und anderer Druckereien,

sofern ihr Betrieb über den Umfang des Handwerks hinaus­ geht. T)

10.

Grundgeschäft eines als Handelsgewerbe geltenden

gewerblichen Unternehmens kann aber auch — außer den

unter 1—9 aufgezählten Geschäften — jedes andere Rechts­ geschäft sein, welches wesentlich zu einem sogen, formellen

Handelsgewerbe gehört; das Deutsche HGB. stellt nämlich,

wie bereits oben §. 6 V angedeutet worden ist, neben die in §. 1 des HGB. aufgezählten sogen, materiellen Grund­

geschäfte Unternehmungen, welche man als formelle Handels­ gewerbsgeschäfte bezeichnen kann, das sind diejenigen ge­

lverblichen Unternehmungen, welche nicht durch den Gegen­

stand

des Betriebs,

wie die materiellen Grundgeschäfte,

sondern durch die Form desselben handelsmäßig roerben:

u. hiezu Anm. HGB. S. 10. 1 HGB. §§• - HGB. §§. 3 HGB. §§. 4 HGB. §§. 8 HGB. §§.

13 bei Gareis

383—406. 407-415. 416—424. 84—92. 93—104.

• HGB. §. 1 Abs. 2 Ziffer 8 und die Anm. 16 u. 17 hiezu bei Gareis HGB. S. 11 u. 12. 1 HGB. §. 1 Abs. 2 Nr. 9 und die Anm. 18 u. 19 hiezu bei Gareis HGB. S. 12.

58

Kap. I.

Die dem Handelsrecht unterw. LebenSverh. rc.

wenn ein Unternehmen thatsächlich der Art ist, daß not­ wendig, um Ordnung darin in eigenem und fremdem In­

teresse zu halten, Bücher nach Kaufmannsart geführt, die

einlaufenden Briefe aufbewahrt, die ausgehenden kopiert, die Geschäfte eines und von

jeden

einzelnen Kunden zusammengestellt

denen der übrigen getrennt gebucht,

Geldgeschäfte

und

die

auf

Materalien

die

auch die bezüglichen

Aufzeichnungen auseinandergehalten werden müssen, so

gilt ein solches Unternehmen als Handelsgewerbe (formelles Handelsgewerbe), sofern die Firma des Unternehmers in das Handelsregister eingetragen ist; die Anmeldung hiezu

kann das Gericht, welches das Handelsregister zu führm hat, mit Ordnungsstrafen erzwingen, wenn es zu der Über­ zeugung gelangt ist, daß zu dem ordentlichen Betriebe des fraglichen Unternehmens nach Art und Umfang desselben

eine kaufmännische Betriebseinrichtung objektiv erforderlich

ist; darauf, ob der Unternehmer selbst einen in kaufmänni­ scher Weise eingerichteten Betrieb für erforderlich hält oder

eingerichtet hat oder nicht, lediglich

auf die objektive,

kommt es nicht an,

durch

Zweckmäßigkeitserwägungen sich

technische und

sondern andere

aus der Art und Aus­

dehnung des Betriebs ergebende Notwendigkeit, von welcher

sich das Gericht überzeugen muß.

Für das Publikum ist

ein solches Unternehmen erst dann wenigstens vermutungs­ weise ein Handelsgewerbe, wenn die Firma desselben in

das Handelsregister eingetragen worden ist.

Unternehmun­

gen dieser Art können sein die Betriebe von Bergwerken,

Salinen,

Steinbrüchen,

Thonwarenfabriken,

Ziegeleien,

Leihbibliotheken, Annoncenexpeditionen, Patent- und Aus­

kunftsbureaux, Gas-, Wasserleitungs-, Elektricitäts-Jnstalla-

DaS System der Handelssachen im einzelnen rc. 88- 8, 9.

59

tionsgeschäfte, Anstalten für Tiefbohmngm, Bmnnmanlage und dergl., auch die Geschäfte von Grundstücksmäklem, Bauunternehmem, Häuser- und Bauplatzspekulanten und ähnlichen, immer vorausgesetzt, daß der Geschäftsbetrieb ein gewerblicher ist und nach Art und Umfang die kaufmän­ nische Einrichtung (Buchführung, Geschästslokal, Geschäfts­ stunden, kaufmännisches Personal) erfordert. *) Land- und forstwirtschaftliche Betriebe der angegebmen Art werden nur dann ins Handelsregister eingetragen, wenn der Unter­ nehmer sie als Nebengeschäft zum Handelsregister an­ meldet, wozu er berechtigt, aber nicht verpflichtet ist (siehe oben 8- 7 II). §. 9.

Vas Sy Kem der Handelssache» im einzelnen f^orisehung): B. UebengeschSfte.

Wenn ein Geschäft nicht den Gegenstand des Gewerbe­ betriebs eines Kaufmanns bildet, wohl aber von diesem im Betriebe seines gewöhnlich auf andere Geschäfte gerichte­ ten Handelsgewerbes vorgenommen wird, so fällt es als sogen. Nebengeschäft unter das Handelsrecht; hiebei kommen folgende verschiedene Berhältnisie in Betracht: 1. Es kann sein, daß von einem Kaufmann als Neben­ geschäft ein Geschäft betrieben wird, welches eines der vorerwähnten (§. 8 Ziffer 1—9) Grundgeschäfte ist, inso­ fern es dm Gegenstand eines eigenen Handelsgewerbe­ betriebs bilden kann, welchm es aber, weil und wmn als Nebengeschäft betrieben, ebm nicht bildet. 1 HGB. §. 2. S. Gareis HEB. Einleitung S. XXXIV u. S. 14.

Kap. 1.

60

Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. rc.

2. Zahlreiche Verträge sind derart, daß sie nicht Gegen­ stand eines Handelsgewerbes sein können, wohl aber für

nützlich sind,

es

sind dies die sogen. Hilfsgeschäfte des Handels;

zu

ein solches notwendig oder wenigstens

diesen gehören die Gesellschaftsverträge (BGB. §§. 704 bis

711, HGB. §§. 105—342), Dienstverträge (BGB. §§.

611—634, HGB. §§.

48—83), Versicherungsgeschäfte,

welche von einem Kaufmann als Versicherungsnehmer gegen

Prämie oder auf Gegenseitigkeit abgeschlosien werden (anders die Übernahme von Versicherungen gegen Prämie, HGB. §. 1 Nr. 3 und oben §. 8 S. 53), die Materialanschaffungsverträge (z. B. Kontoreinrichtungen, Heizungs- und Be­

die Weiterver­

leuchtungsmittel, Fuhrwerke und bergt.);

äußerungen (s. HGB. §. 1 Abs.2 Nr. 1 und oben S. 50—52) sind ohne Zweifel Handelsgeschäfte,

insofern sie sich als

Realisationen an Spekulationsanschaffungen anschließend)

Abgeschloffen wird der Bereich der Geltung des Handels­ rechts

in

sachlicher

mutungen,

Hinsicht

durch

zwei

Rechtsver­

welche den Schluß auf die

Handelsnatur

von Geschäften gesetzlich erleichtern: die einfache Nechtsver-

mutung, daß alle von einem Kaufmanne vorgenommenen Rechtsgeschäfte (nicht bloß die zweiseitigen) im Zweifel als

zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörig gelten1 2) (und

darum folgeweise 3) als Handelsgeschäfte anzusehen sind), und

die

verstärkte

Rechtsvennutung in

betreff der von

einem Kaufmanne gezeichneten Schuldscheine:

diese gelten

nämlich als im Betriebe des Handelsgewerbes gezeichnet, 1 Wegen der Weiterveräußcrungen durch Handwerker s. unten §. 12 S. 71.

2 HGB. §. 344 Abs. 1. 3 tz. 343 Abs. 1.

DaZ System der Handelssachen im einzelnen re. g§. 9, 10. 61

sofern nicht aus

der Urkunde

selbst sich

das Gegenteil

ergiebt *). * Alle als Nebengeschäfte in Betracht kommenden Handels­ geschäfte setzen ebenso wie die Grundgeschäfte, um Handels­

geschäfte zu sein, voraus, daß sie von einem Kaufmanne,

sei es in seinem Haupt-, sei es in einem Nebengewerbe, vorgenommen werden; doch wird die Handelsqualität ebmso-

wenig wie die Gültigkeit des betreffenden Geschäfts dadurch berührt, daß der es Vornehmende in seinem Persönlichkeits­

rechte der freien Bethätigung (s. unten §. 14 S. 86) aus

Gründen des öffmtlichen Rechts eingeschränkt ist.

Sowohl bei den Grundgeschäften, als bei den Neben­ geschäften ist es möglich, daß die Voraussetzung, unter welcher das Geschäft ein Handelsgeschäft ist, nur auf Seite

des

einen der daran Beteiligten zutrifft; die Vorschriftm

über Handelsgeschäfte kommen aber auch in diesem Falle

in

der Regel

für

beide

Teile

gleichmäßig

zur

An­

wendung?)

§. 10. Das System der Handelssachen im einzelnen (Fortsetzung): Uebengewerbebetriebe, insbesondere bei Landuad Forstwirtschaft.

Land- und Forstwirtschaft^) sind wirtschaftliche Unter­ nehmungen, welche sich

vom Handel derart unterscheiden,

daß die für letzteren geltmden besonderen Rechtsnormm auf

sie prinzipiell keine Anwendung finden können;4) dennoch 1 HGB. 6. 344 Abs. 2. 2 HGB. §. 345, Ausnahmen s. unken §. 11 III S. 66 ff. • Über diese Begriffe f.

Gareis HGB. S. 15 u. 16 und die dort angegebene Fach­ litteratur. 4 HGB. §. 3 Abs. 1.

62 Kap. I. Die dem Handelsrecht unterm. LebenSverh. rc. ist eine Verbindung eines Betriebs, der sich dem Handels­ rechte unterstellen läßt, mit einem land- oder forstwirt­ schaftlichen Betriebe denkbar: dies kann entweder so vor­ kommen, daß durch die Erweiterung des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs die Unternehmung einen in­ dustriellen oder kommerziellen Charakter annimmt/) oder s o, daß letzteres nicht bloß die Folge der Ausdehnung eines an sich land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs ist, sondern eine ihrem Wesen nach (nicht land- oder forstwirtschaft­ liche, fonbem) industrielle oder kommerzielle Unternehmung bildet. ?) Im einen wie im anderen Falle können dieBetriebsverhältnisse außerordentlich verschieden und namentlich die Beziehungen zu dem land- oder forstwirtschaftlichen Hauptbetriebe mehr oder weniger enge, weitergehende oder dauernde sein; daraus ergiebt sich, daß eine objektive Grenzenziehung zwischen dem Landwirtschaftlichen (oder Forstwirtschaftlichen) und dem Handelsmäßigen (oder In­ dustriellen) jener Betriebe nicht möglich oder im einzelnen

1 Z. B. ein Landwirt kaust Maaervieh an, um es auf seiner Weide fett werden zu lassen und dann wieder zu verkaufen, oder er veräußert das von ihm selbst geerntete Getreide, nachdem er es mit fremdem von ihm gekauftem vermischt hat, oder er stellt die Butter, welche er zum Verkaufe bringt, nickt ausschließlich aus der Milch seiner eigenen Kühe, sondern unter Verwendung von hiezu angekaufter Milch her (s. Denkschr. S. 3147, Gareis HGB. S. 16). * Z. B. ein Landwirt be­

treibt eine Branntweinbrennerei, in welcher er sowohl dieausseinem eigenen Boden gezogenen, wle auch die hiezu gekauften Kartoffeln verarbeitet: oder er betreibt eine Ziegelei, in welcher er außer der auf seinem Grund und Boden gestochenen auch fremde Ziegel­ erde verwendet; ein Forstwirt läßt auf seinem Sägewerke außer eigenem Holze regelmäßig auch das Holz einiger Nachbarn gegen Vergütung schneiden (s. Denk­ schrift S. 8147, Gareis HGB. S. 17).

Das System der Handelssachen im einzelnen rc. g. 10* 63 Falle wenigstens äußerst schwierig wäre, daher läßt der Gesetzgeber den Land- oder Forstwirt selbst entscheiden, ob er als Kaufmann behandelt sein will oder nicht. Der Land- oder Forstwirt ist demnach berechtigt, aber nicht verpflichtet, bezüglich des sich nur als Nebengewerbe seines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs darstellenden Unternehmms die Eintragung in das Handelsregister herbeizu­ führen. Ist die Eintragung erfolgt, so gilt der Unter­ nehmer in Bezug auf das eingetragene Unternehmen als Kaufmann mit allen Standesrechten und -Pflichten *) eines solchen, und zwar so lange die Eintragung besteht; einem Dritten gegenüber, der sich auf die Eintragung beruft, kann nicht geltend gemacht werden, daß das unter der Firma betriebene Gewerbe kein Handelsgewerbe sei, also nicht hätte eingetragen werden sollen; eine Löschung der eingetragenen Firma eines Land- oder Forstwirts findet nur nach den allgemeinen Vorschriften statt, welche für die Löschung kauf­ männischer Firmen gelten, also nicht nach Willkür des Unternehmers, wenn dieser den registrierten Betrieb fortsetzt, sondern nur, wenn er ihn aufgiebt oder von der Wurzel aus verändert.

1 Die Rechtsstellung des Kauf­ 1 Hierüber s. Gareis HGB. manns ist unten in §. 11 III S. 19, 20; ebenda s. auch noch ausführlich erörtert. Der Land­ andere Beispiele landwirtschaft­ wirt wird es sich hiernach über­ licher Industrien. legen müssen, ob er durch die Kommerzialisierung sich verbessert oder mehr belastet.

Zmitrs Kapitel.

Die Personen im Handelsrecht. (Personenrecht des Handelsrechts.)

A. Der Kaufmann. §. 11. Begriff, Rechte und Pflichten des Kaufmanns.

I. Das deutsche

Recht faßt den Begriff Kaufmann

anders als der gewöhnliche Sprachgebrauch, vor allem

enger, nämlich insofeme nur derjenige, der ein eigenes

Handelsgewerbe betreibt, nicht derjenige, der nur in dem Gewerbe

eines

anderen kaufmännisch

arbeitet,

technisch

Kaufmann heißt, andererseits aber weiter, nämlich insofeme

nicht bloß derjenige Handeltreibende, der seine Spekulation durch Einkäufe einleitet und durch Verkäufe realisiert, sondern

jeder,

der

irgend ein Handelsgewerbe betreibt,

Kaufmann im Sinne des Gesetzbuchs ist.1)

Was ein

Gewerbe sei, wird vom Gesetz nicht gesagt, wohl aber,

welche Gewerbe Handelsgewerbe sind:

' HGB. §. 1 Abs. 1.

als Handels-

§♦ 11.

Begriff, Rechte und Pflichten des Kaufmanns.

65

gewerbe ist gesetzlich jeder Gewerbebetrieb anzusehen, welcher

eine der (neun — bezw. mit den formellen HGewerbm:

zehn —) Arten von Geschäften zum Gegenstände hat, die

obm (§. 8 S. 50—59) als „Grundgeschäfte" des Handels

bezeichnet wendig

wordm

sind, oder welcher wegen seiner not­

kaufmännischen

Einrichtung

ein

formelles

sogen,

Handelsgewerbe bildet (s. oben §. 8 S. 57).

„Gewerbe"

ist eine wirtschaftliche Thätigkeit, welche aus einer

aber

Reihe einzelner, infolge eines zusammenfaffenden Willensentschlufles, zu einem wirtschaftlichen Zwecke geeinter Hand-

lungen

besteht und auf Erzielung eines Einkommens ge­

richtet ist, welch' letzterer Umstand jedoch keineswegs ver­ langt,

daß wirklich Gewinn gemacht werden oder dieser

ziffemmäßig zu ermitteln sein müsse?) „betreibend"

aber

ist

derjenige

Als ein Gewerbe

anzusehen,

der den

N a m e n zu jener wirtschaftlichm Thätigkeit giebt, indessen

Namen also jene Handlungen vorgenommen, insbesondere die bezügl. Geschäfte abgeschlossen werden, nicht aber der­ jenige, der nur die Arbeit oder nur das Kapital oder dieses beides, jedoch ohne den Namen zum Betriebe giebt.

n. Treffen in irgend einer Person jene drei Requisite: das Betreiben eines Handels-(Grund-)Geschäfts als Gewerbe, zusammen, so ist diese Person Kaufmann

im Sinne des Handelsrechts, selbst dann, roenn Polizei­

oder Finanzgesetze andere Requisite aufstellen/) und gleich­ viel,

ob jene Person eine juristische 8) oder eine physische,

voll- oder minderjährig?) männlichen oder weiblichm Ge1 Über den Gewerbebegriff u. I seine Gegensätze s. oben S. 47 u. Gareis HGB. §. 1 Anm. 3.1

Bareir, Handelsrecht. 6. Aufl.

1 HGB. §. 7. • HGB. §. 6. * Vgl. hierüber unten §. 12 V.

5

schlecht- *) ist; insbesondere auch auf Handelsgesellschaften finden die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften Anwendung, ja einige Gesellschaften gehörm — um ihrer Form willen — so sehr zum Handelsrecht, daß sie selbst dann als Handelsgesellschaften gelten und unter die für Kaufleute gegebenen Vorschriftm fallen, wenn der Gegmstand ihres Unternehmens nicht in dem Betriebe eines Handelsgewerbes besteht?) UI. Die besondere Rechtsstellung der Kaufleute als solcher zeigt sich hauptsächlich in folgenden Beziehungen: a. prozeßrechtlich 1. in der Unterwerfung ihrer Streitsachen unter die Gerichtsbarkeit der „Kammern für Handelssachen" nach Maßgabe der gesetzlichen Zuständigkeit dieser;^) 2. In der Teilnahme an der Gerichtsbarkeit als Bei­ sitzer in den Kammern für Handelssachen;^) b) materiellrechtlich im allgemeinen in der Unterwerfung ihrer berufsmäßigen Angelegenheiten unter das materielle Handelsrecht, in der Ausgestaltung besonderer Rechtsinstitute für dm Vollkaufmann und in der Beschränkung einer Reihe Meß- und Marktsachen unter be­ sondere Verfahrensregeln (ab­ 2 So Aktiengesellschaften nach gesehen vom Zusammenhänge HGB. §. 210, Kommandit­ mit der Unterordnung unter tue gesellschaften auf Aktien nach Kammern für Handelssachen, s. HGB. §. 320 mit 210, ein­ oben 1) liegt feine Besonderheit getragene Genossenschaften nach für den Handelsstand, vgl. GenG. §. 17 und Gesellschaften mit Lothar Seuffert CPO. Bem.2 beschränkter Haftung LimitGG. zu §. 80; Beschleunigung des diesen öuiuni Sachen s. §. 13 Abs. 3 s. unten §§• 24, ' Verfahrens in viqcii j. 31 ff., 37, 88, 39. oben §. 4 am Ende mit Sinnt. 2 8 GerVerfG. §§. 100 ff.; val. S. 39. oben §§. 3 (S. 10), 4 (S. 38, 41 *2GerVerfG. *** 8 §. 113. 39). — In der Unterwerfung der I 1 Vgl. hierüber unten §. 12

IV u. V.

Begriff, Rechte und Pflichten des Kaufmanns,

g. 11.

67

von handelsrechtlichen Einzelbestimmungen auf Kaufleute —

eine Anzahl

andererseits

während

gegenüber Kaufleuten

Normen

nichthandelsrechtlicher

Im

ceffiert.1)

einzelnen

gehört hierher: 1. das Firmenrecht; hievon handelt § 16; 2. das Recht und die Pflicht der kaufmännischen Buch­

führung; das deutsche Handelsrecht schreibt nicht so aus­ führlich, wie andere Rechte vor, welche Bücher und wie

diese geführt »erben müssen; aber es entbehrt doch auch derjenigen Rechtssätze nicht, welche von der Sicherheit des

Verkehrs vorausgesetzt werden.

Vor allem wird als Prinzip

aufgestellt, daß jeder Kaufmann Bücher führen und in diesen seine Handelsgeschäfte (d. h. die infolge derselben

eintretendm Vermögensveränderungen) und die Lage seines Geschäfts

sodann

nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buch­

ersichtlich

führung

machen muß.

die Errichtung

Im

eines Inventars

besonderm

wird

die Auf­

und

stellung von regelmäßigen Bilanzen nach Maßgabe näherer

gesetzlicher u. s. w.

Bestimmungen/) in

die Führung

einer lebendm Sprache und

der

Bücher

Schrift und

in vorschriftsmäßiger Ausfüllung/) dann die (zehnjährige)

Aufbewahrung

der

Bücher

und

aller

bestimmt

vor-

geschriebenen^) Briefkopieen und Briefe, auch der Bilanzm

und Jnvmtare gesetzlich verlangt,

1 Z. B. beim Abzahlungs­ geschäft, nach RGes. vom 16. Mai 1894 §. 8; hierüber s. Gareis in Bl. f. RAnw. NF. Bd. 39 (1894) S. 277,278 (auch Separat S. 7, 8); Fuld Das RG.u.s.w.

sowie die Pflicht der

v. 16. Mai 1894 S. 45. WucherGes. vom 19. Juni 1893 Art. 4 Ziffer 2 u. 3. 2 HGB. §§. 39-42. 8 HGB. §. 43. 4 HGB. §. 38 Abs. 2. 5*

68

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Vorlegung der Bücher und das Recht der gerichtlichen Ein­ sichtnahme genau geregelt?)

Den Mitgliedern

des Vor­

stands einer Aktiengesellschaft ist die Führung der erforder­

lichen Bücher noch besonders zur Pflicht gemacht?) ebenso den Handelsmäklern

(abgesehen von denen des Kleinver­

kehrs) 3 1)2 die Ausstellung der Schlußnoten und die Führung

und Aufbewahrung der Tagebücher,

letzteres sogar unter

besonderer Strafandrohung.4)5 6 Ferner * bestehen Einzelvor­

schriften in Bezug auf die Buchung der Arbitragegeschäfte3) und der Effektendepots?) sowie in Bezug auf das von den

Kursmaklern zu führende Tagebuch?) und für den Fall der Zahlungseinstellung macht der Mangel gehöriger Buch­

führung die dazu verpflichteten Kaufleute überhaupt straf­

bar;3) Sonderbestimmungen bestehen auch in betreff des Rechnungsabschlusses der gewerbsmäßigen Geldverleiher9) und der Bilanzpublikation von Bankgeschäfte betreibenden Gesell­

schaften mit beschränkter Rastung10). 3. Das Recht der Prokura und der (sonstigen) Hand­

lungsvollmacht nach Handelsrecht (hievon §. 22).

4. Das Recht der Handlungsgehülfen und Handlungs­ lehrlinge (hievon §. 21). 1 HGB. §§. 45—47 und hiezu bezügl. der einzelnen Fragen die Anmerkungen bei Gareis HGB. S. 60, 61. 2 HGB. §. 239. 3 HGB. §. 104. 4 HGB. §§. 94,95,100-103. 5 Reichsstempelgesetz vom 27. April 1894, Taris Nr. 4, hiezu s. Gareis HGB. S. 55. 6 RGes. betr. die Pflichten der Kaufleute 6ei£ Aufbewahrung

fremder Wertpapiere v. 5. Juli 1896 §§. 1, 10; hiezu Gareis HGB. S. 55. 7 BörsenG. v. 22. Juni 1896 §. 33, Gins®, zu HGB. Art. 14 Gareis HGB. S. 56, 434. 8 KonkursOrd. §§. 239 , 240 (neu). 9 Wuchergesetz v. 19. Juni 1893 Art. 4. 10 Limit®®. §. 42 s. unten §. 39.

Begriff, Rechte und Pflichten des Kaufmanns.

§. 11.

69

5. Das Recht des Kontokurrentverkehrs. ')

6. Das Recht der besonderen Handelsaffociationen (s. §§. 23 ff.), einschließlich des Rechts der stillen Gesellschaft (s. unten §. 29).

7.

Einzelne

erweiterte Pflichten:

bezüglich der kauf­

männischen Sorgfalt,*2)3 der Konventionalstrafe,") der Bürg­

schaft und anderer Obligoübernahme;4)* 6Antwortpflicht * bei

Geschäftsverbindung; ") Jndossabilität kaufmännischer Ver­ pflichtungsscheine und von Anweisungen auf Kaufleute;")

Bankierspflicht

bezügl.

Erwerbs

gekommener

abhanden

Jnhaberpapiere;2) abgekürzte Pfandverkaufsfrist;") Pflicht der Aufbewahrung beanstandeter Ware (nur bei beider­ seitigen Handelsgeschäften);9) auch einzelne erweiterte

Rechte

und

zweischneidige Sonderbestimmungen:

Rechts­

geschäfte der Kaufleute als Handelsgeschäfte/") Vermutung der

Zugehörigkeit

zum

der Schuldscheine,")

besondere

Handelsgewerbe

die

und

hinsichtlich

merkantile Auslegung,'9) die

Behandlung des Annahmeverzugs'") und das

Recht der Dispositionsstellung: Pflicht der sofortigen Unter' HGB. §§. 355-357; mindestens einer der am Kontokurrentverkehr Beteiligten muß Kaufmann sein; wegen desKontokurrents gehört hierher auch der Giro- und der Abrechnungs­ verkehr. S. unten §. 66, 67. 2 HGB. 88 347 , 203 , 384, 390,408,417,429 (s. unten §. 42). 3 HGB. §. 348; hiezu jedoch §. 351 ([. unten §. 42). 4 HGB. §§. 349, 350; hiezu jedoch §. 351 (s. unten §. 42). 6 HGB. §. 362 (f. unten §. 42 I).

6 HGB. '^HGB.

§. §.

363 (f. 367 (s.

unten unten

§. 72). 8 HGB- §. 368 (f. unten §• 44). 9 HGB. §. 379 (s. unten §• 45). 10 HGB. §. 343 (hiezu s. oben §• 9 6. 59 ff.). 11 HGB. §. 344 (hiezu s. oben §. 9 6. 60). 12 HGB. §. 346 (nur unter Kclufleutcn)hiezu s. unten §. 42II. 18 HGB. §. 373.

70

Die Personen im Handelsrecht.

Kap. II.

suchung und Beanstandung nur bei zweiseitigen Handels-

geschäften;*) unter letzterer Voraussetzung gesetzliche Ver­ zinsung (Höhe der Zinsen 5°/o), Zinsm ohne Abrede;^)

unter der nämlichen Voraussetzung das besondere kaufmännische Zurückbehaltungsrecht,") während das kaufmännische Recht der Entgeltlichkeit auch einseitig zu Gunsten der Kaufleute

besteht.41)*263An hiezu nicht

Veräußerungen

berechtigtm

und

Kaufleuten

Verpfändungen von

knüpft sich ein gut­

gläubiger Erwerb unter noch weiteren Bedingungen, als an

Veräußerungen

und

Verpfändungen

von

Nichtkauf­

leuten/) §. 12.

Arten von Kaufleuten. Innerhalb

des gesetzlichen

Begriffs Kaufmann stehen

verschiedene Arten.

I. Man kann vor allem nach dem Gegenstände des Gewerbebetriebs — etwa unter Zugrundelegung der vom Gesetze °)

selbst

aufgestellten

Gruppierung —

zahlreiche

Arten unterscheiden, im Gegensatze hiezu aber solche Geschäfts­ leute, welche nicht wegen des Gegenstands ihres Gewerbe­

betriebs, sondern wegen Weise

der

der kaufmännischen Art und

Einrichtung

1 HEB. §. 377. 2 HGB. §§. 352, 353. 3 HGB. §§. 369-372. 4 HGB. §. 354; hiezu s. unten 8. 42 VIII, 50. 6 HGB- §. 366. Wegen der Banners s. aber die Anm. 7 auf voriger Seite. Keine be­

ihres

Geschäftsbetriebs

sondere Rechtsstellung nehmen die Kausleute als solche in Bezug auf den Börsenbesuch und bas Börsenrecht ein. Bql. Börsen­ gesetz v. 22. Juni 1806 §§. 5 ff., und in betreff des Börsenregisters s. ebenda §§. 54 ff. «HGB. §. 1 Abs. 2 Nr. 1-9.

Arten von Kaufleuten,

g. 12.

71

juristisch zu Kaufleuten werden (sog. formelle Kaufmanns­

betriebe;') hievon s. §. 8 oben Seite 57).

II. Das Gesetz unterscheidet — freilich ohne die Be­

zeichnungen,

welche die Theorie für diese Arten bereits

längst anzuwenden pflegt, selbst zu gebrauchen — Voll­ kaufleute (d. s. Kaufleute optimi Juris) und „Kauf­ leute minderen Rechts" („Minderkaufleute", Kaufleute

minoris Juris)

und stellt in die letztere Kategorie zwei

Gruppen von Geschäftsleuten,*) den Handelsgewerbebetrieb

derselben vorausgesetzt:

a) die Handwerker und b) die Kleingewerbebetreibenden. Erstere sind von anderen Geschäftsleuten unterschieden durch den geringeren Umfang ihres Betriebs, durch die persönliche Handarbeit des Meisters und Prinzipals, durch das vorherrschende Arbeitm auf

Bestellung, nicht auf Vorrat, durch die überragende persön­ liche und individuelle Arbeitsleistung nach Handwerksbrauch

im Gegensatze zur mechanischm Maschinenarbeit, sämtlich unterscheidende Merkmale, von denen keinem für sich allein

oder absolut und stets ein entscheidendes Gewicht zukommt. Unter die Kleingewerbebetreibenden — oder, wie das Gesetz sagt: „Personen, beten Gewerbebetrieb nicht über den Umfang

des Kleingewerbes hinausgeht" — können selbstverständlich auch Handwerker fallen, ohne daß es angesichts der gleichen Be1 HGB. §. 2. -- HGB. §. 4 Abs. 1. Das Gesetz unterscheidet nunmehr viel klarer als daS HGB. v. 1861 Art. 10. Die Landesre­ gierungen können überdies noch genauere Bestimmungen zur Grenzenziehung zwischen Boll­

kaufleuten und Kaufleuten min­ deren Rechts erlaffen, nämlich auf der Grundlage der nach dem Geschästsumfange bemeßenen Steuerpflicht oder sonstwie. S. Abs. 3 Mb. HGB. und hiezu Garcis HGB.Anm.il S. 23.

72

Kap. II.

DieZPersonen im Handelsrecht.

Handlung derselben seitens des Gesetzes geboten wäre, das

Verhältnis

dieser Begriffe zu

einander

festzustellen.

Es

gehören hieher — stets unter der Voraussetzung des Klein­ betriebs^ ihres Handelsgewerbes — die Höker, Trödler,

Hausierer, gewöhnlichen Schiffer, gewöhnlichen Fuhrleute, die Inhaber kleiner Gasthäuser, Schenken oder Destillationen?)

Die Bedeutung

minderen Rechts"

der Unterscheidung von „Kaufleuten und „Vollkaufleuten"

— eine Unter­

scheidung, welche übrigens ausschließend ist31)* — liegt darin, daß auf erstere die gesetzlichen Normen über:

1. das Firmenrecht 4) (s. unten §. 16),

2. die Handelsbücher5) (s. oben §.11 III b 2), und 3. die Prokura6)* 8(s. unten §. 22) keine Anwendung findens) denn diese Einrichtungen setzen eine Höhe kauf­ männischer Bildung und Verhältniffe voraus, welche der Gesetzgeber bei Kaufleuten minderen Rechts nicht als der

Regel nach vorhanden voraussetzen darf.

Die Unterscheidung

der „Kaufleute minderen Rechts" hat aber aus demselben

Grunde auch noch andere Folgen, nämlich: 4. Eine Vereinigung zum Betriebe eines Handwerks

1 Auf den Gegenstand des Betriebs kommt es hier nicht an; ein Unternehmer, der im Großen den Handel mit Abfällen be­ treibt, wie dies z. B. beim sog. Lumpengesckäft oder beim Borstenhandel vorkommt, ist Vollkaufmann. 8 Wirte, nach dem HGB. v. 1861 stets als solche Kaufleute minderen Rechts, sind jetzt nur dann Kaufleute minderen Rechts,

wenn ihr Gewerbebetrieb nicht über den Umfang des Klein­ gewerbes hinausgeht. 8 Über die Streitfrage, ob es möglich ist, daß jemand zugleich Aollkaufmann und Kaufmann minderen Rechts sei, s. Gar cis HGB. S. 24 Sinnt. 12 zu §. 4. 4 HGB. §§. 17-37. 6 HGB. §§. 38-47. 6 HGB. §§. 48-53. 7 HGB. §. 4 Abs. 1.

Arten von Kaufleuten.

§♦ 12.

73

oder eines Kleingewerbes kann niemals zu einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft werden?) 5. Auf Kaufleute minderen Rechts finden die handels-

rechtlichen Vorschriften über die Unzulässigkeit richterlicher Ermäßigung einer Konventionalstrafe,?) die über den Aus­ schluß der Einrede der Vorausklage

und die über die

Gültigkeit formlos geleisteter Bürgschaften, Schuldversprechen und Schuldanerkenntnisse ^) keine Anwendung, sondern statt deren die Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts?) 6. Hat ein Gewerbebetrieb die Übernahme der Bearbeitung oder Verarbeitung von Waren für andere zum Gegenstand, und erstreckt er sich dabei nicht über den Umfang des Hand­

werks hinaus, so fällt er gar nicht unter das Handelsrecht (s. oben §. 8 A 2 Seite 52, 53).

7. Der Kleinbetrieb der Personenbeförderung zu Lande

oder auf Binnengewässern fällt gleichfalls nicht unter das

Handelsrecht, denn es sind nur die zu diesen Beförderungen bestimmten „Anstalten" dem Handelsrecht unterstellt, und unter 1 HGB. §. 4 Abs. 2. Einen stillen Gesellschafter (f. HGB. §§. 335-342) kann der Kauf­ mann minderen Rechts haben; Aktiengesellschaften und Kom­ manditgesellschaften auf Aktien aber ftnb ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unter­ nehmens als Handelsgesellschaften anzusehen und dem Rechte der Bollkaufleute unterstellt. Das Gleiche gilt von den eingetragenen Genossenschaften nach dem GenG, v. 1. Mai 1889 §. 17 und von den Gesellschaften mit beschränkterHastungnach demRGes. v. 20. April 1892 §. 13, s. HGB.

§. 6 Abs. 1 u. 2. Es giebt keine Vereine, welche gesetzlich wie Kaufleute zu behandeln und daber Kaufleute minderen Rechts wären. a HGB. §. 348 s. unten §. 42. 8 HGB. §. 349 s. unten §. 42. * HGB. §. 350 s. unten §. 42. 6 HGB. §.351; mithin statt HGB. §. 348: BGB. §. 343; statt HGB. §. 349: BGB. §. 771 u. statt HGB. §. 350: BGB. §§. 766 (Satz 1), 780, 781 (Satz 1).

74

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

einer „Anstalt" in diesem Sinne muß „ein auf dauernden Großbetrieb eingerichtetes Unternehmen" *) verstanden werden. 8. Zu erwähnm ist hier auch eine Einschränkung des Mäklerrechts: auf Personm, welche nur die Vermittelung von Warengeschäften im Kleinverkehr besorgen (b. s. die sog. Krämermäkler), sind, selbst wenn ihr Geschäftsbetrieb recht ausgedehnt sein sollte, die Vorschriftm über die Schluß­ noten und Tagebücher der Handelsmäkler nicht anwendbar?) III. Man kann innerhalb des gesetzlichm Begriffs „Kaufmann" unterscheiden: a) Kaufleute, welche physische Personen (Einzelkauf­ leute) und entweder nur alleinstehend oder in einer Gesell­ schaft °) stehmd, also mit anderen ein Handelsgewerbe betreiben; und b) Kaufleute, welche juristische Personm sind. In Be­ tracht kommm hier: Handelsgesellschaftm und die ihnm ge­ setzlich gleichgeachteten Associationen,^ (hiezu siehe unten §§. 38, 89), sowie die auf Grund der Kolonialgesell­ schaftmund auch die handeltreibenden Innungen und Innungs­ verbände, die auf Grund der Gewerbeordnung mit einer gewiffm Persönlichkeit ausgerüstet erscheinen. Alle handeltreibmdm Vereine sind wie Vollkauflmte zu behandeln.") Zu 1 Goldschmidt, Hdbch. gesellschaften s. EinsG. Art. 5 d. HR. (1. Aust.) Bd. I S. 617 mit Anm. bei Gareis HGB. Anm. 23; Cosack Lehrbuch S. 413. Die modernen Gewerk­ S. 514; f. auch oben §. 8 S. 56. schaften sind juristische Personen » HGB. §. 104 mit §§. 100 und registerfähig, nicht aber die bis 103 verglichen; s. unten meisten älteren Gewerkschaften, Gesellenbauvereine, Gesellen­ §• 22. 8 Nach BGB. SS. 705-740 schäften u. dgl. oder nach HGB. §§. 335-342. 6 S. oben Anm. 5 zu diesem 4 Wegen den Bergwerks­ §. bei II 4 S. 72, 73.

Sitten von Kaufleuten. §. 12.

75

den handeltreibenden juristischen Personen gehören möglicher­

weise auch Sanseit, die sogen, öffentlichen Sanfen. Unterstellung gleichviel,

der

Sankinstitute unter

ob sie einer Gesellschaft

das

Die

Handelsrecht,

oder einer einzelnen

(physischen oder juristischen) Person gehören, ist selbstver­

ständlich.

Landesgesetze sönnen dem auch nicht zu Gunsten

der öffentlichen Sanfen widersprechen, die Vorschriften des

Reichsbankgesetzes aber werdm durch das HGS. nicht be­

rührt. *)

Die privatrechtliche juristische Person (der Fis­

kus) eines der deutschen Sundesstaaten oder des Deutschen Reiches kann ebenso wie eine jede

andere privatrechtliche

Person ein Handelsgewerbe betreiben und untersteht dann

ebenso wie andere Handeltreibende dem Handelsrecht. Es ist jedoch folgendes hiebei festzuhaltm: 1.

Jede auf die Ausübung eines Hoheitsrechts^)

gerichtete oder in einer solchen bestehende Thätigkeit scheidet — wegen des Mangels der dem Gewerbe charakteristischen

Absicht b) — vollständig aus dem Handelsrechte aus; hier ist auch der ausdrücklichen Sestimmungen des HGS. zu ge­

denken, wonach die Postverwaltungen des Reichs und

von Sundesstaaten

nicht

als Kaufleute

gelten und ihre

Gütertransporte nicht nach dem Handelstransportrechte be­ urteilt roetben.4) 1 EinsG. Art. 2 Abs. 2; über die Reichsbanl s. oben §. 8 S. 54. Es gilt also inSbes. auch §. 66 des Deutschen Bankgesetzes. 1 Über den Begriff der Hoheitsrechte s. Gareis, Allg. Staatsrecht §§. 9, 10 in v. Marquardsens Handbuch d. öffentlichen Rechts Bd. I S. 26 ff.

1 S. oben §. 11 S. 65 auch §. 7 S. 47. In betreff der Reichsbant s. Sinnt. *1 aus dieser Seite und oben §. 8 S. 54. 4HGB. 88-452,663, GareiS HGB. §. 1 Anm. 3 S. 7, §. 1 Sinnt. 12 S. 10; ebenda s. über die Privatpostanstalten.

Kap. II.

76

2.

Die Personen im Handelsrecht.

Unternimmt aber das Reich oder ein Bundesstaat

nicht in der Absicht, ein Hoheitsrecht auszuüben, sondern

in einer dem Gewerbe eigentümlichen Absicht (siehe oben Z. 7 S. 47, §. 11 S. 64) einen wirtschaftlichen Betrieb

(Staatsgewerbebetrieb), *) so treten, wenn auch die sonstigen Voraussetzungen hiefür vorliegen (siehe

oben §§. 7—9),

die Normen des Handelsrechts auch gegenüber diesm Staats­ wesen in Kraft; unter diesen Voraussetzungen finden auf

diese Staatswesen und unter gleichen Voraussetzungen ebenso auch auf die inländischen Kommunalverbände (wie politische Gemeinden,

Kreisverbände

Handelsrechts,

z. B.

und

dergl.)

die

Regeln

die über Hilfspersonen,

des

Handels­

geschäfte u. s. w. vollständig ebenso wie auf Privatpersonen,

die Handel gewerbsmäßig betreiben, Anwendung, mit zwei Ausnahmen: diese öffentlichrechtlichen Personen sind nicht registerpflichtig1 2) und können ihre Rechnungsabschlüffe in

einer von den Vorschriften der kaufmännischen Inventar­ errichtung und Bilanzenausstellung abweichenden Weise ter

waltungsrechtlich einrichten.2) IV.

Das Geschlecht der handeltreibenden Personen

ist für deren Rechtsverhältnisse nach Handelsrecht zunächst 1 Z. B.: Hofbrauhaus, Porzellanmanufaktur, Glas­ malerei s. v. S e y d e l. In betreff der öffentlichen Eisenbahnen, auch der Staatseis en bahnen gilt Sonderrecht, HGB. §§. 453 vis 473, wobei namentlich die Bedeutung der EisenbahnVerkehrsordnung nach HGB. §§. 471, 472 nicht aus dem Auge zu verlieren ist. 2 HGB. §. 36. Erfolgt

dennoch eine Anmeldung zum Handelsregister seitens emer solchen Staats- oder GemeindeAnstalt, so ist die Eintragung auf die Angabe der Firma, sowie des Sihes und des Gegenstandes des Unternehmen- zu beschränken. 3 HGB. §. 42: die §§. 33, 43—47 gelten aber auch für handelgewerbebetreibendeStaatsanstalten.

Arten von Kaufleuten.

8- 12.

77

ohne Bedeutung; die unverheiratete Frau (auch die Witwe

wie die Braut)

steht

handelsrechtlich dem Manne voll-

kommm gleich. Es ist dies das Resultat einer jahrhunderte-

langm Entwickelung, während welcher die Frau die Ge­ schlechtsvormundschaft abstreiste, nachdem sie schon durch das

Zunftrecht —

in

beschränktem

Maße wenigstms — zu

einzelnen Gewerbebetrieben zugelassen worden war. *) Von Einfluß

aber ist — auch handelsrechtlich — und

zwar auch nach dem neuesten Handelsrechte, die Ehe: die

verheiratete Frau,

die ja als

Gattin

oder Mutter

oder in beiden Eigenschaften besondere Pflichten gegmüber

ihrer Familie zu übernehmen hat und erfüllen muß, wenn das Familienleben nicht leiben soll, ist insofern gebunden, als

ihr der Ehemann den Betrieb eines Handelsgewerbes

untersagen kann; er kann dies entweder deshalb, weil durch einen solchen Betrieb das gemeinschaftliche eheliche Lebm

berührt

wird

und somit eine derjenigen Angelegenheiten

vorliegt, in denen dem Manne die Entscheidung zusteht, *) oder aus dem Grunde, weil der konkrete Handelsgewerbe­

betrieb nach Lage der Sache die Frau hindem würde, ihrer Pflicht

zur Leitung des gemeinschaftlichen Hauswesens8)

nachzukommen oder auch ihrer etwaigm Pflicht, im Haus­ wesen oder im Geschäft des Mannes4) zu arbeiten, entgegen stände.

Macht der Ehemann von der Befugnis, der Frau den

Betrieb eines Handelsgewerbes zu untersagen, Gebrauch, und

zwar ohne daß in diesem Verbot ein Mißbrauch seines Rechts läge,6) so bewirkt ein solches Verbot zunächst nur die Ver' Beseler, Deutsch. PrivatR. j. 129 548. Dahn-Blunschli DPrivatR. §. 40 S. 94. - BGB. §. 1354.

8 BGB. §. 1356 Abs. 1. 4 BGB. §. 1356 Abs. 2. 8 Worüber nötigenfalls das Gericht entscheiden würde.

Kap. II.

78

Die Personen im Handelsrecht.

pflichtung der Frau, sich dieser Entscheidung zu fügen und

den Handelsbetrieb aufzugeben oder zu unterlaffen, — nach außen zu aber, Dritten gegenüber,

zunächst keine Wirkung:

hat ein solches Verbot

wenn die Ehefrau

trotz jener

privaten Untersagung ein Handelsgewerbe betreibt, so gilt (Dritten gegenüber) des Mannes Einwilligung als erteilt

und es ist die Zustimmung des Mannes, welche sonst stets zu Verfügungen der Frau über das Ehegut wie zu allen

einzelnm Rechtsgeschäften der Frau — abgesehen von den Fällen der Gütertrennung, des

Bethätigung

zu

solchen

Vorbehaltsguts und

der Schlüsselgewalt')

Rechtsgeschäften



nicht

der

erforderlich ist/)

erforderlich,

die

der

Geschäftsbetrieb mit sich bringt; dies gilt nicht bloß vom Betriebe eines Handelsgewerbes, sondern vom selbständigen

Betriebe eines jeden Erwerbsgeschäfts überhaupt, welches von einer Ehefrau unternommen wird.")

männische

Einwilligung erteilt

oder

Ist

die ehe-

gilt sie als erteilt,

so tonnen die Gläubiger der Frau sich nicht bloß an das Vorbehaltsgut oder getrennte Vermögen der Frau halten (persönliche Haftung der Frau), sondern auch an das von

der Frau

eingebrachte

gemeinschaft

besteht,

Vermögen/) auch

an das

und

wenn

Güter­

Gesamtgut.")

Die

ehemännische Einwilligung gilt — nach außen zu — immer

* BGV. §§. 1356, 1357. 2 BGB. SS. 1395-1399, 1405, 1412, 1442, 1443, 1452, 1459-1462, 1530-1533, 1549. • Das erwähnte Genehmiaunasprinzip des §. 1405 des BGB. ist eine Berallgemeinc-

rung des im Art. 7 des HGB. von 1861 für den Handelsge» werbcbetrieb allein ausgespro­ chenen Gedankens. * BGB. §. 1363. 15 BGB. §§ 1438, 1452.

Arten von Kaufleuten.

§. 12.

79

als erteilt, wenn die Frau thatsächlich ein Gewerbe selb­

ständig betreibt

und im Güterrechtsregister *l)

nicht ein

Einspruch des Mannes oder der Widerruf seiner Einwilli­ gung eingetragen ist.2) Betreibt die Ehefrau ein Handels­

gewerbe, obgleich der Mann ihr dieses nicht bloß privatim untersagt hat, sondern dieses Verbot auch in das Güter­ rechtsregister eingetragen worden ist, so hastet die Frau zu­ nächst vermöge der ihr zustehenden unbeschränkten Handels­

freiheit und Geschäftsfähigkeit ihrm Gläubigem volflommen mit ihrem etwaigm getrennten Vermögen und mit ihrem

etwaigm Vorbehaltsgute, zu welch' letzterem auch das durch

einen selbstständigm Erwerbsgeschäftsbetrieb von der Frau Erworbme gehört;8) der Mann aber kann, sofern die Vor­ aussetzungen hiezu*) vorliegen, das ihm eingeräumte KündigungSrecht ausüben und damit vielleicht thatsächlich schon

die Bemdigung des Geschäftsbetriebs herbeiführen, z. B. wenn die Frau wider seinen Willen eine Handlungsagentur8) übemahm.

Auf leinen Fall

jedoch sind,

solange des

Mannes Einspruch im Güterrechtsregister eingetragen ist, die Gläubiger der Frau berechtigt, die Nutznießung und Verwaltung zu beeinträchtigen, welche dem Manne am ein« gebrachten Gute6) gesetzlich zustehen.

Betreibt eine Eheftau

ein Handelsgewerbe an einem anderm Ort als an dem Wohnsitze des Mannes und hat der Ehemann sein Verbot

zwar in das Güterrechtsregister seines Wohnsitzes, nicht aber in das des Ortes der Handelsniederlassung der Frau eintragen lassen, so haftet den Handelsgläubigem der Frau trotz jenes 1 BGB. §§. 1558 ff. 1 BGB. §§. 1405, 1435. » BGB. §. 1367.

4 BGB. §. 1358. 8 HGB. §. 84. * BGB. §. 1363.

Die Personen im Handelsrecht.

80

Kap. 1L

Eintrags

das eingebrachte Gut; die Eintragung des ehe-

männischen Widerspruchs hätte, um dem Zugriffe der Handels­ gläubiger der Frau das eingebrachte Vermögen zu entziehen, auch in das Güterrechtsregister des für den Ort der Handels-

niederlaffung zuständigen Gerichts bewirkt werden müffen.x) V.

Das Lebensalter begründet Unterschiede, welche

nach dem bürgerlichen Rechte auch in Bezug auf die Rechts­

stellung

Personen

handeltreibender

von

Bedeutung sind.

Es sind in dieser Beziehung vier verschiedene Verhältnisse

zu unterscheiden: 1.

Ein Kind (d. i. ein Mensch unter 7 Jahren) be­ Dies ist insofern möglich, als

treibt ein Handelsgewerbe.

ja zum Begriff des Betreibens (eines Gewerbes als Kauf­

mann) nichts anderes als das Geben des Namens gehört

(s. oben S. 65); aber da das Kind vollkommen geschäfts­ unfähig ist, kann es weder das Handelsgewerbe (das „Ge­

schäft" im Sinne der Handelssiedlung) begründen, noch eine einzelne Geschäftshandlung (Willenserklärung) vornehmen,1 2)3 sondern wird in

einem wie im anderm Falle vollständig

vertreten durch seinen gesetzlichen

Mutter, Vormund) ;^) dem Kindes

gebührt

der

sich

jährliche Reingewinn,4)

aus

dem

sofern das

1 Art. 4 des EinfG. zum HGB. 3 BGB. §§. 104, 105. 8 BGB. §§. 164, 1630, 1686 (s. aber 1696, 1707), 1793; zur Begründung eines neuen Erwerbsgeschästs, nicht aber zur Auslösung eines solchen für das Kind bedarf der Vater (bezw. die Mutter) der Genehmigung

Vertreter (Vater,

Vater bezw. der Mutter des

Betriebe Geschäft

ergebende nicht kraft

des Vormundschastsgerichts (Ord­ nungsvorschrift), der Vormund bedarf dieser in beiden Fällen. S. BGB. §§. 1645, 1823. 4 BGB. §§. 1655, 1686. Ergiebt sich in einem Jahre ein Verlust, so verbleibt der Ge­ winn späterer Jahre bis zur Deckung des Verlustes dem Kinde.

Arten von Kaufleuten.

§. 12.

81

anderer Bestimmung zum freien Vermögen gehört;') der gesetzliche Vertreter des — als Kaufmann, Geschäftsinhaber zweifellos geltenden — Kindes muß bei der ihm himach allein zustehenden Leitung (Oberleitung) des Handelsunter­ nehmens die ihm durch das bürgerliche Recht auferlegten Pflichten erfüllen.2) 2. Ein Minderjähriger (im engerm Sinne ein Mensch, der das siebente Lebmsjahr, aber noch nicht das einundzwanzigste vollmdet hat) „betreibt" möglicherweise ein Handelsgewerbe genau ebenso wie ein Kind, d. h. also nur dem Namm nach,2) nicht selbständig, nicht mit Ab­ geben eigener Willenserklärungen; in diesem Falle liegt die Sache ebmso wie im »origen (unter 1), die Rechtsgeschäfte des Handelsverkehrs werdm dann durch den gesetzlichen Vertreter (oder die von diesem angenommenen Vertreter) vorgenommen, und die unter Umständm erforderliche Ge­ nehmigung des Vormundschaftsgerichts, Gegmvormundes oder Beistandes ist dann ebenso wie im ersten Falle ein­ zuholen. Nur die Eigmtümlichkeit besteht hier im Unter­ schiede vom ersten Falle, daß, wenn der Minderjährige bereits das achtzehnte Lebmsjahr vollmdet hat, das Vor­ mundschaftsgericht ihn in bestimmten Fällm gutachtlich hören soll/) so vor der Entscheidung über die Gmehmigung des Beginns oder der Auflösung eines Erwerbs­ geschäfts, also z. B. auch einer Handelsniederlassung. 3. Ein Minderjähriger (im engerm Sinne also 7—21 Jahre alt) betreibt möglicherweise ein Handels8 S.obenZ.N S.64fs.(Begriff ' BGB. §§. 1650, 1651. 3 BGB. 8ß. 1643,1821,1822, des Kaufmanns). 1812, 1825, 1852 u. a. 4 BGB. §. 1827 Abs. 2. GareiS, Handelsrecht. 6. Aufl.

82

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

gerverbe „selbständig", d. h. nicht bloß dem Namen nach, wie'es zum handelsgesetzlichen Begriff des Kaufmanns gehört, sondern unter eigenem geschäftlichthätigen Eingreifen; hiezu bedarf er aber nicht bloß der Ermächtigung seitens eines gesetzlichen Vertreters/) sondern auch der Genehmi­ gung seitens des Vormundschaftsgerichts/) dann aber ist er auch unbeschränkt geschäfts- (und prozeß-)fähig für alle diejenigen Rechtsgeschäfte, welche der Geschäftsbetrieb mit fich bringt, ausgenommen diejenigm Rechtsgeschäfte, zu dmen selbst der gesetzliche Vertreter der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf/) der in manchen mittel­ alterlichen Rechten zum Ausdruck gelangte Grundsatz: „Handel macht mündig" gilt also nur mit zwei Einschrän­ kungen und immer nur unter der Voraussetzung der er­ wähnten Ermächtigungen;4) aber das Resultat des so vom Minderjährigen betriebenen Handelsgewerbes unterliegt nicht der elterlichen Nutznießung, denn was das Kind durch seine Arbeit oder durch den ihm ausdrücklich^) gestatteten selb­ ständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts erwirbt, gehört zum freien Vermögen des Kindes.

1 BGB. §. 112 Abs. 1. Zu­ rückgenommen kann die Ermäch­ tigung nur mit Genehmigung des Bormundschaftsgerichts wer­ den. BGB. §. 112 Abs. 2. 8 Ohne diese Genehmigung und jene Ermächtigung kann ein ! Minoer)ühriger nicht Kaufmann sein und darf, selbst wenn er thatsächlich ein Handclsgewerbe beginnt, weder vom Register­

gericht, noch von einem andern Gerichte als Kaufmann behan­ delt, mit den Standesvorrechten eines solchen ausgestattet oder mit Standespflichten belastet werden. Vgl. Co sack Lehrbuch S. 57. 8 BGB. §§. 112, 1814 ff. 4 Vgl.CosackLehrbuchS.56. 6 BGB. §. 112 mit §. 1651.

Arten von Kaufleuten,

4.

§. 12.

83

Ein Minderjähriger ist möglicherweise zwar Kauf­

mann in dem an zweiter Stelle erörterten Sinne, also nur

dem Namen nach und ohne die Ermächtigung zum selb­ ständigen Betriebe eines Handelsgewerbes, aber er nimmt

dann und wann eine einzelne Rechtshandlung vor, welche

im Betriebe des Gewerbes liegt oder liegen kann, — dann

ist eine solche nur wirksam, wenn: a) entweder die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters

zu der einzelnen Willenserklärung') spyiell gegeben ist, b) oder nachträglich, aber rechtzeitig die Genehmigung,

sei es vom gesetzlichen Vertreter, sei es vom unbeschränkt geschäftsfähig gewordenen Minderjährigen, erklärt wird,

c)

oder wenn der Minderjährige die vertragsmäßige

Leistung mit Mitteln bewirkt, welche ihm zu diesem Zwecke oder zur freien Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen

Zustimmung von einem Dritten überlassen wordm sind.') Durch dm einem Minderjährigen von seinem gesetzlichm Vertreter gestattetm Eintritt in dm Dimst eines Kaufmanns

wird der Minderjährige nicht selbst Kaufmann, da letzteres nur der ein eigenes Gewerbe Betreibmde sein kann (f. obm

8 11 I S. 64 f.).

Ist ein Minderjähriger für volljährig erklärt, so erlangt er auch in handelsrechtlicher Beziehung die rechtliche Stel­ lung eines Volljährigen.')

1 ES wäre denn, daß durch jene WillenShandluNg lediglich ein rechtlicher Borteil erlangt

wird, s. BGB. §. 107. 1 BGB. §. HO. 8 BGB. §§. 2-5.

84

Kap. IL Die Personen im Handelsrecht.

B. Die PersöulichkeitSrechte im Handelsrecht.

§. 13. Von den haudelsrechtticherr persöulichkeltsrechteu im allgemeinen.

Ebenso wie im System des Privatrechts überhaupt müssen auch in dem des Handelsrechts jene Rechte (im subjektiven Sinne) unterschieden und besonders hervor­ gehoben roerben, deren Gegenstand das Interesse an der eigenen Person, nämlich an der privatrechtlichen Geltend­ machung und Bethätigung als Person ist, wobei letztere selbst hier als Subjekt vorausgesetzt*) und das Persönliche zum Gegenstand der Betrachtung als Bestandteil des objektiven Thatbestandes der Rechtsverhältnisse gemacht wird; insoweit zum Wesen einer bürgerlich-rechtlichen Be­ fugnis die rechtliche Garantie einer Herrschaft gehört, ist eine solche auch hier vorhanden, nämlich die durch das positive Handels- oder allgemeine bürgerliche Recht gewähr­ leistete Herrschaft über ein Stück der eigenen Persönlichkeits­ sphäre, d. h. über die Bethätigung des Individuums auf dem Felde des Handels als lebendiges Eigenwesen, das „sich zur Geltung bringen" mit der vom objektiven Recht anerkannten Persönlichkeit. Bon diesem handelsrechtlichen Persönlichkeitsrechte gilt zunächst und im allgemeinen alles das, was von dm Persönlichkeitsrechten (Individualitäts­ rechten) überhaupt gilt?) Insbesondere ist auch hier die 1 Da die Existenz der Person als Subjekt hier vorausgesetzt wird, gehört die Lehre von der Entstehung der juristischen Personen des Handelsrechts nicht

hieher; hievon handeln die 88. 23, 24. 1 über diese s. GareiS, Grundriß zu Vorlesungen über das deutsche bürgerliche Recht

Von d. Handelsrecht!. Persönlichkeitsrcchten i. allgem. §. 13. 85

Anerkmnung dieser Rechte durch das positive Recht in den drei bekannten Richtungen geschaffen, nämlich:

a. in der positiv-rechtlichen Anordnung von Maßnahmen, welche zur Feststellung, Konstatierung oder gar Konstituierung

des Rechts, mittelbar dabei wohl auch zum präventiven

Schutze desselben dienen (z. B. Firmenregister, Zeichmrolle u. dgl.); b. in der Gewähmng des Schutzes dieser Rechte im

bedrohten oder verletzten Zustande, nämlich in der Androhung von Strafen für diese Fälle und in der Statuierung

der Pflicht zur Entschädigung oder der Bußeleistung, sowie

auch in der Zulassung der ausnahmsweisen Selbsthilfe zu deren Schutz in den Fällen der Notwehr und des Not­ standes; endlich

c. in

der Anerkennung von Rechtsgeschäften über dm

Inhalt dieser Rechte oder eines Teils derselben, Negocia-

bilität, Übertragbarkeit, Vererblichkeit und Einschränkbarkeit derselben. zelnen

Arten

In allm diesen Beziehungen sind die ein­ dieser Rechte

auch

im Handelsrecht nicht

gleich gestaltet, wie auch hier das Verhältnis der Entfaltung eines vermögensrechtlichm Inhalts zu dem stets vorhandmen personmrechtlichm Kerner) bei dm einzelnen Gruppm ein

verschiedmes ist, — all dies wird durch die folgende Einzel­

betrachtung dieser handelsrechtlichm Persönlichkeitsrechte im einzelnen nachgewiesm.

(Gießen 1877) §§.40ff.; derselbe, in»«. 35 S. 196 ff.; Gareis, Rechts-Encyklop. §§. 20ff. — Gierke, PrivatR. §§. 81 ff.

und die dort sorgfältig an­ gegebene Litteratur. 1 Gierke PrivatR. S. 706.

86

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Die handelsrechtlichen Persönlichkeitsrechte im einzelnen.

§. 14. 1. 8m Recht der kaufmännischen Bethätigung Im allgemeinen. Das Recht kaufmännischer Bethätigung zeigt sich als

Recht, einzelne Handelsgeschäfte in dem oben (§. 6 Seite 43, auch §. 9 Seite 59) erörterten Sinne abzuschließen, und als Recht, ein Handelsgewerbe zu betreiben, und in beiden

Richtungen

ist

es

nichts

anderes,

als

das

allgemeine

Persönlichkeitsrecht der Bethätigung; *) es steht daher unter

beit allgemeinen Regeln und Voraussetzungen dieses letzteren überhaupt?) Das Recht, ein einzelnes Handelsgeschäft abzuschließen

— also ein Geschäft, welches, wenn es den Gegenstand

eines Gewerbebetriebes bilden würde, dieses zum Handels­ gewerbe machen würde, oder ein Geschäft, welches dadurch zum Handelsgeschäft wird, daß es von einem Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbs abgeschlossen wird oder

zu diesem gehört, — das Recht, ein solches Geschäft als vereinzeltes abzuschließen, steht jedermann, der sich durch

Verträge überhaupt verpflichten kann, unbeschränkt zu.

Aber

auch das Recht, ein Handelsgewerbe zu betreiben, steht

heutzutage,

im Gegensatz

zur früheren Gebundenheit

an

die Jnnungsmitgliedschaft (Zunftzwang), prinzipiell jeder­

mann zu, insoweit die Gewerbefreiheit, welche, wie jedes Gewerberecht, auch die Konzession und das Monopol, un­

zweifelhaft auch eine privatrechtliche Seite hat, nämlich die 1 Gareis, Grundriß §. 41.1 8 Diese s. bei G i c r k ePrivatR. Gierke, PrivatR. 82V S. 713. | n. a. O.

Das Recht der kaufmänn. Bethätigung im allgem. §. 14. 87 Anerkennung des Bethätigungsrechts als subjektives Privatrecht,') zu Recht besteht und maßgebend ist. Einschränkungen dieses Rechts sind teils durch

liches

teils

Recht,

durch Privatrecht

öffent­

geschaffen worden;

durch Normen des öffentlichen Rechts vor allem, insofern

der Betrieb gewiffer Artm von Gewerben, zu denen auch

einige Zweige des Handels gehören, von einer ausdrück­ ist,2)

stimmten als

abhängig

obrigkeitlichen Genehmigung (Konzession)

lichen gemacht

deren Versagung

gesetzlichen

Gründen

zum Teil nur aus be­ verfügt

werden

fonn;8 * )S. * *

öffentlich - rechtlich muß auch bezeichnet werden, daß

dm Angehörigen

einiger

Militärpersonen

der Betrieb

von

nach Reichsrecht:

den

Berufsstände

Handelsgewerben untersagt ist,

so

des Friedensstandes und den in Dimst-

gebäuden bei ihnm wohnendm Hausgmoffm, vorbehaltlich der Erlaubnis der Vorgesetzten,8) sowie den Reichsbeamten;8)

öffmtlich rechtlich ist auch, daß einzelnen Personm durch

Strafurteil

oder infolge

eines

solchm

untersagt

wird,

gewisse Gewerbe, z. B. das Trödlergewerbe, zu betreibm.8)

Zu beit vom öffentlichen Recht ausgehendm, weil wegm des öffentlichm Interesses aufgestelltm, Beschränkungen muß

auch

die

Vorschrift

des

Reichs-Bankgesetzes

zugerechnet

werdm, durch welche solchen Bankm, welche Roten aus­ geben,

der

Abschluß

einer Reihe von Handelsgeschäften

1 Hierüber s.Gierke PrivatR. S. 260, 713—716; Rehm, die rechtliche Natur der GewerbsKonzession 1889 S. 22 ff.; Joh. Biermann, Privatrecht und Polizei (Berlin 1897)6.30 ff. u. die dort angegebene Litteratur.

1 33, • 4 6 •

GewerbeOrd. §§. 16,29,31, 43, 44, 55-64 u. a. GewerbeOrd. §. 57. Reichs-MilitärG. §. 43. ReichsbcamtenG. §. 16. GewerbeOrd. §. 35.

untersagt *) oder nur innerhalb bestimmter Grenzm gestattet ist?) Die Überttetung einer dieser oder anderer öffentlichrechtlicher Einschränkungen hat weder die Ungültigkeit des abgeschlosienen Geschäfts?) noch die Aufhebung seiner etwa vorhandenen Eigenschaft als Handelsgeschäft zur Folge, jene öffentlich-rechtlichen Verbote sind also privattechtlich in der Regel wirkungslos. Anders verhält es sich mit den privat- (nämlich Handels-) rechtlichen Einschränkungen des Grundrechts auf kaufmännische Bethätigung; es giebt fünf Gruppen von Einschränkungen, die kraft Gesetz bestehen: 1. Das strenge Verbot des Handelsbetriebs: Handlungsgehülfen*) und Mitglieder des Vor­ stands einer Aktiengesellschaft8) dürfen ohne Ein­ willigung^) des Prinzipals, letzterenfalls der Gesellschaft, weder ein materielles, noch ein formelles Handelsgewerbe betteiben (Gewerbeverbot), noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen?) Was unter Handelsgewerbe zu denken ist, ergiebt sich aus den Erörterungen über die Systematik der Handelssachen (oben §. 8);8) in einem bestimmten Handels­ zweige (nämlich dem des Prinzipals) „Geschäfte machen" 1 BankG. §§. 5, 7, 42. 2 BankG. §§. 13, 43, 44. 3 Dies ist auch angesichts des BGB.. §. 134 zu sagen. 4 Uber diesen Begriff s. unten §. 21. Darauf, ob tuest Personen jum Abschluß vonRechtsgeschäften für ihren Prinzipal bevoll­ mächtigt sind, kommt es hier nicht an. * Hierüber s. unten §. 33.

8 Diese, sowie die nachstehend unter Nr. 2—4 aufgezählten Einschränkungen können mrthin durch Privatvertrag aufgehoben werden, ebenso die unter Nr. 6, nicht aber,. die unter Nr. 5 er­ wähnte. Über den Begriff Ein­ willigung s. BGB §§. 182-184. 7 HGB. §§. 60, 236. 8 HGB. §§. 1, 2.

Das Recht der kaufmänn. Bethätigung im allgem. 8* 14*

89

bedeutet ein Mittelding zwischen einem Handelsgewerbe­ betriebe einerseits und der Vornahme eines einzelnen Handelsgeschäfts andererseits, es ist mehr als dies, aber weniger als jenes j1)* * ob * * *das * „Geschäfte machen" im Handelszweige des Prinzipals gelegen und daher als verboten anzusehen ist, muß als Thatfrage behandelt und unter Zugrundelegung der im Handelsverkehr geltenden Anschauungen, Gewohnheiten und Gebräuche beantwortet werden?) Die zur Beseitigung dieser Einschränkung erforderliche Einwilligung des Prinzipals, welcher, sofern er eine Aktien­ gesellschaft ist und es sich um die Ermächtigung von Vorstandsmitgliedern zum eigenen Handelsgewerbebetriebe handelt, hier durch das den Vorstand bestellende Organ vertreten rottb,8) kann auch stillschweigend erteilt werden, und sie gilt gewerbetreibenden*) Handlungsgehülfen gegenüber als 1 Das Verbot des „Geschäftemachens*, wie es in den §§. 60, 236 enthalten ist, ist also weniger »als das des Art. 59 deS . v. 1861, welches an sich schon jeden gelegentlichen, dem Handelszweige oes Prinzipals fremden Ankauf eines Gegen­ standes zum Zwecke der Weiter­ veräußerung verbot (s. G a r e i s, HGB. Anm. 3 zu §. 60), während jetzt neben dem Betrieb eines beliebigen, aber wirklichen Handelsgewerbes jenen Personen nur das eigentliche Spekulieren, das mit einer gewissen Kon­ sequenz betriebene, untersagt ist, und zwar nur im Handelszweige des Prinzipals.

2 HGB. §. 346. Es ist dabei nicht bloß die Zusammenstellung der Geschäfte im HGB. §. 1, sondern jedenfalls vor allem die Verschiedenheit der Waren zu erwägen; s. Gareis HGB. S. 74. 8 HGB. §. 236 Abs. 1 Sah 2. 4 Eigene »Geschäfte zu machen* ohne besonderen Gewerbebetrieb kann der Principal dem Gehülfen wie ausdrücklich so auch still­ schweigend gestatten; die Ver­ mutung des Abs. 2 deS §. 60 bezieht' sich jedoch darauf nicht. S. Gareis HGB. Anm. 6 zu §. 60.

90

Kap. n.

Die Personen im Handelsrecht,

erteilt, wenn dem Prinzipal bei der Anstellung des Ge-

hülfm bekannt war, daß er ein Gewerbe betreibt, und der Prinzipal das Fallmlaffen jenes Betriebs nicht ausdrück­ lich

vereinbart

hat?)

Wird

das

strenge Verbot des

Handelsbetriebs verletzt, so kann der Prinzipal Schadmsersatz fordern oder statt bessen verlangen,

daß der dem

Verbot zuwider Handelnde die für eigene Rechnung ge­ machten Geschäfte als für seine, des Prinzipals, Rechnung

eingegangen gelten lasse und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogme Vergütung herausgebe oder feinen An­

spruch auf die Vergütung abtrete: diese Ansprüche verjähren

in drei Monaten von der Kenntnisnahme des Prinzipals (bezw. der zuständigen Gesellschaftsorgane) an, spätestens

aber

absolut in fünf Jahren?)

Dieses strenge Verbot

des Handelsbetriebes bindet auch die Stellvertreter

von Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft, nicht aber die Aufsichtsratsmitglieder, welche nur für einen im voraus begrenztm Zeitraum als Stellvertreter behinderter

Vorstandsmitglieder fungieren, noch auch die Liquidatoren einer Aktiengesellschaft?) 2. Das einfache Konkurrenzverbot.

Dieses

trifft, abgesehen davon, daß es die vorerwähnten (unter 1) Personen



Handlungsgehülfen und

Aktiengesellschafts­

vorstände — neben dem Gewerbeverbote (s. oben) trifft,

nur die Mitglieder einer offenen Handelsgesellschaft und 1 Vereinbart, nicht etwa nur einseitig zu verbieten gesucht hat; s. Garels HGB. Anm. 7 zu §. 60. » HGB. §§. 61, 236 Ms. 2 mit den Anm. hiezu bei Gareis

HGBÜber das Eintreten des Prinzipals s. Gar eis, Die Verträge zu Gunsten Dritter (1873) S. 19-22. 3 HGB. §§. 242 , 248 , 298.

DaS Recht der kaufmänn. Bethätigung im allgem. §. 14. 91

die persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommandit­ gesellschaft, mag diese mit oder ohne Aktienausgabe er­ richtet sein;') die Reaktion gegen eine Überschreitung dieses Verbots richtet sich nach analogm Gmndsätzen, wie die gegen die Verletzung des Gewerbeverbots (s. oben unter 1), ebenso auch der Verbotserlaß und die Verjährung; eigenartig ist aber hier, daß die Geltendmachung der Reaktionsansprüche gegen das rechtswidrig konkurrierende Mitglied nur auf Beschluß der übrigen Gesellschafter und unbeschadet des Rechts, die Auflösung der Gesellschaft wegm jener verbotenen Konkurrenz zu verlangens) eintritt. 3. Das Verbot konkurrierender Vergesell­ schaftung: Mitglieder einer offenen Handelsgesellschaft, persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (auf oder ohne Aktien), sowie Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft dürfen ohne Einwilligung der übrigen Mitglieder (bezw. im letzteren Falle: der Gesellschaft) nicht einer anderm Handelsgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafter angehörm; dieses Verbot bezieht sich bei offenen Handels-, sowie bei Kommanditgesellschaften nur auf die Teilnahme an einer anderen gleichartigen Gesellschaft, d. h. einer Gesellschaft, welche der gleichen Unternehmung, demselben merkantilen Zwecke bient, wie die auf dem Ver­ bote bestehende. In Bezug auf Verbotserlaß und Er­ hebung der Reaktionsansprüche und deren Verjähmng gilt analog das oben (unter 1 und bezw. 2) Gesagte. ' HGB. §§. 112, 113, 161 Abs. 2 , 326. Kommanditisten (|. unten §§. 80, 37) alS solche

unterliegen dem Konkurrenzver­ bote nicht; s. HGB. §. 165. 8 HGB. §. 183, |. aber auch §. 140.

Kap. II. Die Personen im Handelsrecht.

92

4. Dem Schiffer (Schiffsführer) ist gesetzlich »erboten, ohne Einwilligung

seines

für eigene

Reeders

Rechnung

Güter zu verladen, widrigenfalls er dem letzteren die höchste am Abladungsorte zur Abladungszeit für solche Reisen und und

Güter bedungene Fracht zu erstatten hat, unbeschadet

des Anspruchs auf höheren Schadensersatz?)

5. Den Gewerbebetreibenden ist gesetzlich verboten, mit ihrm Arbeitern, dmen sie prinzipiell die Löhne in Reichswährung zu berechnen und bar auszuzahlen haben, Warenkreditierungs-

verträge abzuschließen, und somit, da diese Berträge mög­ licherweise Handelsgeschäfte wären, in einer gereiften Rich­ tung die kaufmännische Bethätigungsfreiheit beschränkt, und

zwar bei Vermeidung der Nichtigkeit solcher Verträge?) 6. Außer biefen verschiedenen kraft des Gesetzes be­ stehenden

Einschränkungen

können

mit

privatrechtlicher

Wirksamkeit noch andere Einschränkungen gedacht werden,

nämlich solche, welche durch Vertrag der Beteiligten aus­ gestellt re erben; ein solcher Vertrag ist im allgemeinen bis an die durch die guten Sitten gezogene Grenze wirksam; für einen bestimmten Fall jedoch zieht der Gesetzgeber die

Grenze schärfer, nämlich für den Fall, daß ein Prinzipal

mit

einem

Handlungsgehülfen

eine Vereinbarung

trifft,

durch welche der letztere für die Zeit nach der Beendigung des

Dienstverhältniffes

in

seiner

gewerblichen Thätigkeit

beschränkt wird; eine solche Verabredung ist nämlich für den

Handlungsgehülfen nur insoweit verbindlich, als die Be­

schränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Erschwerung des Fort-

1 HGB. §. 544. 2 GewerbeOrd. §§. 115—119 b.

DaS Recht der kaufmänn. Bethätigung im allgem. §. 14. 93 kommens des Handlungsgehilfen ausgeschloffm wird (Ein­ schränkung der sog. Konkurrenzklausel); als unbillig faßt das Gesetz ausdrücklich vor allem1) eine Beschränkung auf, welche auf einen Zeitraum von mehr als drei Jahren von der Beendigung des Dienstverhältnisses an erstreckt roirb;2) auch abgesehen hievon unterliegt eine solche Vereinbarung gesetzlich mehreren Erschwerungen im Interesse des wirtschaftlich schwächeren Handlungsgehülfen: sie ist nichtig, wenn sie der letztere minderjährig abschließt;s) sie bindet den Gehülfen ferner nicht, wenn ihm der Prin­ zipal durch vertragswidriges Verhalten Anlaß giebt, aus einem gesetzlichen Grunde das Dienstverhältnis sofort4) zu lösen, oder wmn der Prinzipal das Dienstverhältnis kündigt, ohne daß für die Kündigung ein erheblicher Anlaß vorliegt, den er nicht verschuldet hat, und ohne daß dem Handlungsgehülfen während der Dauer der Freiheits­ beschränkung das zuletzt von ihm bezogene Gehalt fort­ gezahlt wird. Ist jene Vereinbarung auf die Leistung einer Strafe zugespitzt, und tritt der Fall ein, daß diese Strafe in der That vom gewesenen Handlungsgehülfen be­ zahlt werden muß, so hat es hiebei sein Bewenden, und es kann der Gläubiger weder die Erfüllung der Verein­ barung neben der Strafe, noch einen über diese hinaus1 Welche Anhaltspunkte sonst dem Richter bei Ermessen, ob die Klausel Billiges oder Un­ billiges verlange, dienen, s. Gareis HGB. S. 84—85, Anm. 1 zu §. 74. 8 HGB. §. 74 Abs. 1 u. 2; Analoges gilt nun auch für Gewerbegehülsen nach GewerbeOrd.

§. 133 f., gemäß EinfG. zu HGB. Art. 9 II. 8 HGB. §. 74 Abs. 3, auch dies ins Gewerberecht über­ nommen ; s. vorige Anm. GewerbeOrdnung §. 13a f. Abs. 2. * Gemäß HGB. §§. 70, 71, auch §. 75.

94

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

gehenden Schadmsersatz t)erlangen;l) ist die für ben Fall des Bruchs der Klausel vom Handlungsgehülfen versprochene

Strafe unverhältnismäßig

hoch,

so kann sie auf seinen

Antrag vom Richter auf einen angemessenen Betrag herab­

gesetzt werden?) Dem Persönlichkeitsrechte auf kaufmännische Bethätigung im allgemeinen haften die besonderen

Befugnisse des Kauf­

manns als solchen, sowie seine besonderen Standespflichten

eh.

Hiervon oben §. 11 II. Seite 66 f.

§. 15. 8. Pas Recht auf einen individuell gestalteten Sewerdebetried und an diesem. (Recht der HandelSniederlaflung.)

I.

In

einer

besonderen

Richtung

weiter entwickelt

gestaltet sich das Recht der kaufmännischen Bethätigung zu

dem Rechte auf einen individuell gestalteten Gewerbebetrieb und, sofern er geschaffen ist, an diesem.

Bethätigung

Dmn durch die

der körperlichen und geistigen Kräfte in einer

bestimmten Weise schafft der Kaufmann eine Verbindung

von

wirtschaftlichen

Elementen,

welche

zu einer eigen­

artigen, zunächst von seiner Persönlichkeit ausgehenden und von ihm getragenen Unternehmung wird und als solche — äußerlich wenigstens — ein objektives Dasein führt. „Indem vermöge der thatsächlichen Verknüpfung von geschäftlichen

Beziehungen, Kundschaft, Ruf und Vertrauen mit einem

bestimmten Betriebe und seinen materiellen Unterlagen ein

gewerbliches Unternehmen sich zu einem individualisierten 1 Abweichendes bestimmt BGB. §. 340. » Nach HGB. §. 75 Abs. 2

l. Sah hat BGB. §. 343, nicht HGB. §. 348 Anwendung zu sinden.

Das Recht a. einen individ. gestaltet. Gewerbebetr. §. 15.

95

Inbegriff ständiger Lebensverhältnisse verfestigt, besitzt darin

sein

werthvolle

(Gierke)?) er

oder

Schöpfer

nomisch

eine

Rechtsnachfolger

fernerer

öko­

Erwerbsthätigkeit

Dies

gilt ganz besonders vom Kaufmann;

und

besitzt in seiner „Handelsnieder­

schafft sich

lassung",

dessen

Grundlage

dem

(mitunter

Etablissement

auch

„Handelsgeschäft" oder geradezu „Geschäft" genannt) einen solchen Inbegriff

und

von ständigen Lebensverhältniffm,

man versteht darunter

das

reale Substrat

seines

kauf­

männischen Geschäftsbetriebs, den „Komplex aller zu einem

kommerziellen

bestimmten

Zwecke

ver­

eine Zusammenfaffung

von

oder

Produktionsmittel",

einigten

industriellen

Sachen (eine Universitas bonorum, wie die altrömische taberna), von Kräften, Beziehungen (barunter auch z. B.

die Kundschaft, chalandise), Forderungen und Schulden. Die Frage, welche dieser Dinge zur Errichtung oder zum Bestände eines Etabliffements gehören, ist nicht allgemein,

sondern

nur

merkantile beantworten.

mit Rücksicht

oder

industrielle

wickelt, und

die

Absicht

einzeln

und

vorliegmde

Sachlage

Auch die Eigenart oder Besonderheit,

Individualisierung, mehr, bald

auf

kann

möglicherweise

der Verwendung

sein,

ist

bald

nicht selten stark

ent­

verschieden

weniger ausgeprägt,

zu

die

schon wegm

des

sie

Vorhandenseins

oder Ausübung von

eigenartigen

Rechten, wie z. B. von Monopol- und Banmechten, oder

von ausschließlichen Aneignungsrechten oder von Urheber-

rechten/) im konkreten Unternehmen;^) aber sie ist, auch 1 Deutsches Privatrecht I S. 713. 1 Über all dies s. Gierke PrivatR. S. 715—717.

8 Man denke daran, welche hochgradige Individualisierung eine Buchhandlung durch den Berlag der Werke bestimmter

96

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

abgesehen hievon, bei jedem Handelsunternehmen, das unter einer bestimmten Firma betrieben wird, wenigstens bis zu einem gewissen Grade faßbar vorhanden. Von juristischer Bedeutung ist der Ort der Handelsniederlassung — hauptsächlich wegen des Gerichtsstandes — und der Umfang derselben — hauptsächlich wegen der Möglichkeit des Rechtsübergangs der Handelsniederlassung als solcher, n. Als Ort des Etablissements, keineswegs immer mit dem Wohnsitz des das Handelsgewerbe Betreibenden zu­ sammenfallend, ist der Platz anzunehmen, von welchem aus die kaufmännische Leitung des Handelsgewerbes thatsächlich, nicht bloß der Idee nach, sondern praktisch wirksamerfolgt; es ist dies möglicherweise der Sitz des Kontors, der Sitz der Kasse, nicht gerade der Ort der Warenmagazine oder der Fabrikanlage. Ein Kaufmann besitzt möglicherweise mehrere Etablissements zugleich, welche in verschiedenen Ver­ hältnissen zu einander stehen können: entweder sind sie voll­ kommen selbständig, koordiniert nebeneinander; für den Verkehr dieser Etablissements untereinander sind die trassierteigenen Wechsel, die domizilierten Eigenwechsel und die Tratten an eigene Ordre von besonderer praktischer Bedeutung (s. unten Wechselrecht, § 85); oder sie sind einander sub­ ordiniert (Filialen, auch mitunter Kommanditen genannt), und in diesem Falle ist die Unterordnung entweder nur eine technische, nicht eine juristisch hervortretende — so das Verhältnis der „Nebenetablissements" zum „HauptSchriftsteller aewinnen kann. sonders eigenartig unter III die Andere Fälle der Individuali­ nach §. 2 des RGes. v. 11. Ja­ sierung des Betriebs s. unten nuar 1876 wirksame. §§. 18,19, in letzterem §. siehe be­

Das Recht a. einen individ. gestaltet. Gewerbebetr. §. 15.

97

etablissement" —, wenn die Mehrheit der Niederlassungm nach außen zu nicht hervortritt, sondern juristisch und ins­

besondere

Ein

nur

rechtsverbindlich

Hauptetablissement, auftritt,

Etablissement,

das

oder es liegt der Fall einer

Abzweigung vor, durch welche ein mit einer gewissen juristi­ schen Selbständigkeit operierendes „Zweigetablissement"

ins Leben gerufen wird,

so daß dann von dieser Nieder­

lassung aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden?)

Die Zweigniederlassung kann eine besondere Firma haben, die Nebenniederlassung nicht;

hat die Zweigniederlassung

keine besondere Firma, so muß, wenn sie an einem anderen Orte

in

oder

einer anderen Gemeinde errichtet ist,

Firma der Hauptniederlassung

die

für sie bei dem für sie zu­

ständigen Handelsgerichte eingetragen werden?)

Der Ort

der Niederlassung bestimmt überhaupt den Ort der Firmen­ eintragung?)

Die wichtigste Bedeutung hat der Ort des Etablissements für die Bestimmung des Gerichtsstandes; hat jemand ein Etablissement,

geschloffen

etablissement

welchem

von

werden, (nicht

gleichviel,

aus ob

unmittelbar Haupt-

Geschäfte

oder

aber Nebenetabliffement),

so

Zweig­

sönnen

gegen ihn alle Klagen, welche auf den Geschäftsbetrieb der

Niederlassung (und zwar gerade der konkreten Niederlassung, nicht einer andern desselben Kaufmanns) Bezug haben, bei

dem Gerichte

des Orts

erhoben

werden,

wo

sich diese

Niederlassung befindet?) es giebt demnach ein formn domi-

3 HGB. §. 29. 4 CPrO. §. 21.

1 CPrO. §. 21. 2 HGB. §§. 13, 15. Gareis, Handelsrecht.

6. Aufl.

7

98

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

cilii des Etablissements, welches mit andem Gerichtsständen des Kaufmanns elektiv konkurriert?)

Keine Bedeutung hat die Unterscheidung verschiedener Etablisiements für das Konkursrecht?) kennt

weder ein

Die Konkursordnung

Absonderungsrecht der Handelsgläubiger

eines bestimmten Etablisiements gegenüber Gläubigem eines andem Etablisiements desselben Kaufmanns, noch ein Sepa­ rationsrecht der Handelsgläubiger eines Kaufmanns gegen­

über den Privatgläubigern desselben.

Wohl aber ist das

Etablissement einer Handelsgesellschaft von den Etablisiements der einzelnen Mitglieder einer solchen zu trennen?)

HI.

Abgesehen vom Falle des Konkurses, erfreut sich

das Etabliffement einer juristischen selbständigen Existenz, welche die Frage nahe legt, ob dasselbe nicht eine juristische

Person sei; diese Frage ist, wenn man auch zugeben muß, daß das Etablissement seinen eigenen, von ihm nicht zu

trennenden^) Namen führen, seine eigenen, nicht davon zu trennenben

Warenzeichen

eigenen Gerichtsstand,

(f.

§. 17

Seite 113),

seinen

sein eigenes Personal, seine eigenen

Handelsverbindungen haben kann und in diesen Richtungen

sogar vom Leben des Etablisiements-Jnhabers unabhängig ist?) zu vemeinen, und ebenso ist die Frage zu vemeinen,

ob es eine wirkliche „Universalsuccession" in ein Etablissement

unter Lebenden giebt; aber es

giebt einen Rechtsübergang

eines ganzen Handelsetablisiements unter Zusammenfassung aller zu

demselben gehöriger Aktiva und Passiva, ja es

1 Loth. Seuffert, Komm. z. 31 *2KontO. §§. 207, 209—213 CPrO. 6. Stuft. S. 24-26. HGB. §. 131 Nr. 3 u. 5. 2 KonkO. §. 4 vgl. mit §§. 47 * HGB. §. 23 bis 52. 6 BGB. §§. 672, 675, auch 168, 170—173.

Das Recht a. einen individ. gestaltet. Gewerbebetr. g. 15.

99

wird ein solcher Übergang — auch der Schulden, nämlich

eine kumulative Schuldübernahme — sogar gesetzlich ver­ mutet, wenn jemand ein bestehendes Handelsetablifsement samt dem bisherigen Namen, der Firma (s. folg. §.), erwirbt

und unter derselben Firma — wenn auch mit einem das

Nachfolgeverhältnis andeutenden Firmenzusatze — fortführt. Die Geschäftswelt und nun1)2 auch der Gesetzgeber erblicken in der unter derselben Firma unternommenen Fortführung eines Handelsgeschäfts (Etablissements) die Kundgebung der

bestimmten und als bindend angenommenen Absicht dieses Unternehmers (Nachfolgers, Erwerbers), in alle Geschäfts­ beziehungen

des

früheren Geschäftsinhabers (Vorgängers,

bisherigen Inhabers, Veräußerers) soweit als möglich ein­ zutreten: das Publikum hat das Recht, anzunehmen, daß

der Nachfolger für • die Geschäftsschulden des Vorgängers hafte, sofern nicht das Gegenteil in gehöriger Weise be­ kannt gemacht ist.

Regelmäßig ist diese Annahme unter

zwei alternativen Voraussetzungen gesetzlich gerechtfertigt,?) 1 HGB. §§. 25-27. 2 Es ist schon seither (vgl. RGer. Bd. 2 S. 55, 56) die Ausfassuna des Handelsstandes und des Publikums überhaupt, aber im Gesetzbuche noch nicht ausgesprochen gewesen, daß, wer ein Geschäft samt der Firma er­ wirbt und — wenn auch mit dem das Nachfolgeverhältnis an­ deutenden Firmenzusahe — fort­ führt, dadurch die ihn bindende Absicht kundgiebt, in die Ge­ schäftsbeziehungen des früheren Geschäftsinhabers so weit als möglich einzutreten: das Publi­ kum hat ein Recht, anzunehmen,

daß der (neue) Firmeninhaber für die (alten) Firmenschulden hafte, sofern nichts anderes ent­ gegenstehend rite bekannt gemacht ist. Und cs ist und bleibt ein geltender Handelsgewohnheits­ rechtssatz, daß in der handels­ üblichen Bekanntmachung der Übernahme der Geschästspassiva seitens des Erwerbers des Ge­ schäfts ein solcher „besonderer Berpflichtungsgrund" erblickt werden muß. Agl. schon ROHG. Bd. 1 S. 67, Bd. 3 S. 182, Bd. 8 S. 383, Bd. 12 S. 160, Bd. 16 S. 172. - Passiva­ übernahme als Vertrag zu 7*

100

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

nämlich dann, wenn entweder die Thatsache vorliegt, daß

der Nachfolger die Firma (s. unten §. 16 Seite 108) fort­

führt, oder wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vor­

liegt, wozu namentlich der Fall gehört, daß der Nachfolger die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher

Weise

bekannt

gemacht

hat:

die

unter

der

einen

oder

anderen dieser beiden Voraussetzungen demnach anzunehmende

Schuldübernahme ist zunächst eine kumulative, der Geschäfts­ vorgänger bleibt trotz des Eintritts der Haftung des Nach­

folgers zunächst er aufhört,

(s. vorige Seite) noch

haftbar, obgleich

Gläubiger der Geschästsforderungen zu sein,

wenn er in die Fortführung der Firma eingewilligt hat. Ein dritter

hieher

gehöriger Fall ist aber

auch die

Konstituierung einer Gesellschaft auf der Basis des bis­ herigen Alleinbetriebs: tritt jemand als persönlich haftender

Gesellschafter oder als Kommanditist in das Geschäft eines Einzelkaufmanns

ein,

so

haftet die

dadurch

geschaffene

Gesellschaft, auch wenn sie die frühere Firma nicht fort­

führt, für

alle im Geschäftsbetriebe entstandenen Verbind­

lichkeiten des früheren Geschäftsinhabers, während die Aktiva

des Geschäfts den Schuldnern gegenüber als auf die Gesell­ schaft

übergegangen

gegenüber nur,

gelten.

wenn es

Abweichendes

gilt

dritten

im Handelsregister eingetragen

Gunsten dritter, f. ROHG. tung des bisherigen Schuldners. Bd. 21 S. 232, RGer. Bd. 2 \—Demnach giebt es zwei Gründe S. 54. Gareis, Verträge zu der Haftbarkeit für Die früheren Gunsten Dritter S. 289 ff.; GeMftsschuldner: Fortführung Schuldübernahme in BGB. der Firma und besonderer Ber§§. 414 ff., insbesondere bei pflichtungsgrund, insbesondere Übernahme eines ganzen Der- i Bekanntmachung nach §. 25 mögens §. 419, — auch hier un-. Abs. 3. beschadet der Fortdauer der Has-j

Das Recht a. einen individ. gestaltet. Gewerbebetr. g. 15.

und

101

bekannt gemacht oder dem dritten von einem Gesell­

schafter mitgeteilt wurde?)

abgesehen

Auch

von diesem (dritten) Falle ist bei der

Fortführung des Geschäfts mit der Firma eine von der

Regel des Aktiva- und Passivaübergangs abweichende Ver­ einbarung

dritten

einem

gegenüber

nur dann

wirksam,

wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekannt

gemacht dritten

oder von

dem Nachfolger

oder Vorgänger dem

besonders mitgeteilt worden ist.

unter

Geschäftsübergang

Die bei einem

einer der beiden ersten

der an­

gegebenen Voraussetzungen anzunehmende Schuldübernahme ist aber, wie gesagt, nur zunächst eine kumulative, sie wird

mit der Zeit zu einer liberierenden, denn es verjähren die

Ansprüche der Geschäftsgläubiger gegen den Vorgänger mit dem

Ablaufe von

fünf Jahren, falls nicht nach den all-

gemeinen Vorschriften die Verjährung schon früher eintritt;1 2)

die Verjährung

beginnt

im Falle

des Firmenübergangs

mit dem Ende des Tages, an dem der Nachfolger in dem

Handelsregister

des Gerichts der Hauptniederlassung ein­

getragen worden ist, im Falle des Vorhandenseins eines

besonderen Verpflichtungsgrundes

aber mit dem Ende des

Tags, an dem die Kundmachung der Uebernahme statt­

gefunden hat; konnte aber der Gläubiger die Leistung erst an einem späteren Zeitpunkte verlangen, so beginnt die Ver­ jährung mit diesem Zeitpunkte.

Dasselbe, was bei der Ver­

äußerung eines

im ganzen durch Vertrag

Etablissements

unter Lebenden gilt, ist auch Rechtens, wenn der Übergang

von Todeswegen stattfand, also Erben ein zu einem Nachlasse 1 HGB. §. 28. 2 HGB. §. 26 mit Amn. bei Gareis HGB. S. 47.

102

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

gehörendes Handelsgeschäft fortführen; nur besteht zu gunsten der Erben eine dreimonatliche Überlegungsfrist, so daß die

unbeschränkte Haftung der Erbm für die Geschäftsschulden

des Vorgängers nicht eintritt,1) wenn die Fortführung des

Geschäfts vor dem Ablaufe von drei Monaten wieder ein­ gestellt ist; diese drei Monate beginnen mit dem Zeitpunkt,

in welchem der Erbe von dem Anfalle der Erbschaft Kennt­

nis erlangt hat;?) ist bei dem Ablaufe der drei Monate

aber das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft noch nicht verloren,^) so endigt die Frist nicht vor dem Ablaufe der Ausschlagungsftist. Was den Übergang der Aktiva auf den Geschäftsnach­

folger anlangt, so muß dabei, sofern es sich um die Über­ tragung des Geschäfts unter Lebenden handelt, die nach dem Gegenstände der Übertragung erforderliche Form gewahrt wer-

1 HGB. §. 27. > 2 Auf den Lauf der Frist findet! BGB. §. 206 Anwendung: .Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so wird die gegen sie lausende Verjährung nicht oot! dem Abläufe von sechs Monaten, nach dem Zeitpunkte vollendet, in j welchem die Person unbeschränkt geschästssähig' wird oder der Mangel der Vertretung aufhört, i Zst die Verjährungsfrist kürzer j als seHs Monate, so tritt der; für die Verjährung bestimmte ' Zeitraum an bte Stelle der sechs i Monate. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, soweit eine in der :

Geschäftsfähigkeit beschränktePerson prozeßsähig ist." Letzteres ist der Fall, wenn die Ermächtigung zum selbständigen Betriebe eines Erwerbsaeschästs erteilt ist; f. oben 8. 12 V S. 81. Vgl. auch BGB. §§. 112, 1651 Abs. 1, CPrO. §. 54. 2 Es handelt sich dabei wesentlich um den Fall, daß die Ausschlagungsfrist statt der reaelmäßigen sechs Wochen sechs Monate beträgt, nämlich wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Auslande gehabt hatte oder wenn sich der Erbe beim Beginn der Frist im Auslande aufhält. BGB. §. 1944 Abs. 3.

Das Recht a. einen individ. gestaltet. Gewerbebetr. g. 15.

103

also z. B., wenn es sich um die Übertragung des

den,

Eigentums an einem Grundstücke handelt, die Vorschrift der

Auflassung beobachtet werdens) die Forderungsübertragung (Session) ist derartig vollständig, daß der bisherige Inhaber aufhört, Gläubiger der Geschäftsforderungen zu sein, eine

Abweichung hievon kann mit Wirksamkeit dritten gegenüber nur verabredet werden, wenn sie entweder in das Handels­

register eingetragen und bekannt gemacht oder von dem Vor­ gänger oder Nachfolger dem dritten mitgeteilt worden ist.

Im Falle des erbrechtlichen Übergangs eines Handelsetablisse­ ments versteht sich der Übergang der Geschäftsforderungen

auf den Erben von selbst.

IV. So kann durch die individuelle und individuali­ sierende Geschäftsthätigkeit eines Kaufmanns ein Komplex von

Beziehungen,

und

Rechten

Pflichten,

Aktiven

und

Passiven geschaffen werden, der seinen Schöpfer zu über­ leben imstande ist. Äußerlich tritt das Eigenartige und Zusammengehörige des Etablissements im Namen desselben,

in der Firma und auch in den von dem Geschäft gebrauchten

Warenzeichen

geltend, wo triebs,

hervor, es

macht

sich aber juristisch

auch da

durch Nachahmung der Eigenart des Be­

durch Anmaßung

der Unterscheidungszeichen oder

der Unterscheidungsmittel oder sonst durch unlauteren Wett­ bewerb beeinträchtigt und hiegegen gesetzlich geschützt wird?)

1 BGB. §§. 873, 925 u. a. 2 Insofern sind die Erörte­ rungen der drei folgenden Para­ graphen trotz der äußerlichen Ko­

ordination derselben in Unter­ ordnung unter den §. 15 zu denken.

104

Die Personen int Handelsrecht.

Kap. II.

§. 16.

3. Das Recht am Namen und au der Firma. I. Wie jedes Wesen, welches Rechtssubjekt sein kann,

durch seinen Namen individualisiert wird, ein Persönlichkeits­

recht auf seinen Namen und

an demselben hat,

so steht

selbstverständlich auch der Kaufmann unter den Regeln des Namenrechts?)

Sein Handelsgewerbe kann der Kaufmann

entweder unter seinem bürgerlichen (Vor-

und Familien-)

oder unter einem dem Handelsunternehmen (Etablissement,

s. §.15 III und IV) eigenen Namen betreiben; in beiden Fällen heißt der Name, Geschäft betrieben

gegeben wird, Firma?)

noch

unter

welchem im Handel das

und insbesondere die Unterschrift

ab"

Die Firma ist weder eine Sache,

besitzbar oder ersitzbar^),

sondern — sie mag eine

Personal- (oder Namenfirma, z. B. August Müller)

oder eine Neal- (d. i. Sachfirma, z. B. „Versicherungs­ gesellschaft Phönix")

oder eine gemischte Firma (z. B.

Warenhaus von Rudolf Herzog) Personenname, der Gegenstand

sein — wie jeder andere eines Persönlichkeitsrechts

physischer und juristischer Personen?) in deren Interesse es 1 Vgl. Gareis, Grundriß (1877) §. 42; Gierke, Deutsch. Privatrecht §. 83; BGB. §8 12, 1355, 1577, 1616, 1706, 1719, 1736, 1758, 1772, auch 823. 2 GeschichtlichesüberdieFirma ital. ragione, ditta, franz, raison — und das firmare s. GUGesch. S. 243. Unter seiner Firma kann der Kaufmann auch Klagen erheben und verklagt werden: HGB. §. 17 u. hiezu Gareis,

HGB. S. 41 Anm. 5. Aber nur Kaufleute, und zwar nur Vollkausleute haben Firmenrecht, ROHG. Bd. 21 S. 27, RGer. Bd. 14 S 19, RGer. Bd. 24 S. 28. 3 RGer. Bd. 7 S. 283: Bd.25 S. 6. 4 Trotz des zwischen dem Eta­ blissement und der Firma be­ stehenden Rechtsbandes (s. HGB. §. 23, auch die Erörterungen

Das Recht am Namen und an der Firma.

§.

16.

105

ebenso wie in dem des Publikums liegt, daß die seitens der Firma bewirkte Individualisierung zuverlässig und die Firma vor unberechtigter Nachahmung geschützt sei, daher stellt die Gesetzgebung eine Anzahl von Rechtssätzen fest, welche zwar als Prinzipien gelten, sich aber gegenseitig modifizierend durchkreuzen. 1. Der Grundsatz von der Wahrheit der Firma: diesem entsprechend darf ein Kaufmann, der sein Geschäft ohne Gesellschafter oder nur mit einem stillen Gesellschafter betreibt, nur seinen Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen *) und mit oder ohne nähere zu­ sätzliche Bezeichnung des Etablissements oder der Person als Firma führen; er darf durch die Firma nicht den Schein Hervorrufen wollen, daß eine Gesellschaft für die Verbind­ lichkeiten des Geschäfts hafte: auf Grund eben dieses Grund­ satzes müssen auch die Firmen der Handelsgesellschaften den realen Verhältnissen entsprechen und insbesondere die gesetz­ lich verlangten Zusätze („Aktiengesellschaft", „Kommandit­ gesellschaft auf Aktien" u. s. w.) enthalten;2) ebendeshalb ist auch die Teilung der Firma3) und jede mit einer Ver­ 1 HGB. §§. 18, 24 Abs. 2. öden §. 15 a. E. S. 103 und I 2 HGB. §§. 19, 20, 24 Abs. 2. 8. 16 S.lllf.) muß doch Obiges festgehalten und sowohl der Ge­ GenG. v. 1. Mai 1889 §. 3, danke, daß die Firma eine Per­ LimitGG. v. 20. April .1892 sonifikation des Geschäfts be­ §§. 3, 4, s. unten §. 24. Überfür die deute, als auch der, dah sie ein gangsbestimmungen selbständiger Wertgegenstand, Firmen der Aktiengesellschaften Vermögensrecht, Zwangsvoll­ und der Kommanditgesellschaften streckungsobjekt sei, vollständig aus Aktien s. EinfG. zum HGB. fern gehalten werden, RGer. Art. 22 Abs. 2. 3 ROHG. Bd. 4 S. 261. 9, S. 10o. Das Wesen der Firma erörtert durchaus zutreffend A. Ehrenberg in GH. Bd. 2s S. 25 ff.

Kap. II.

106

äußerung des

Die Personen im Handelsrecht.

Etablissements verbundene Veräußerung der

Firma verbotenT) und eine durch vorgeschobene Namm er­ schlichene Firma nicht geschützt;^)

diesem Grundsätze

der

Wahrheit schließt sich die Vorschrift der Gewerbeordnung an,

wonach Gewerbebetreibende, welche einen offenen Ladm habm oder Gast- oder Schankwirtschaft betreiben, ihren Familien­

namen

mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen

an der Außenseite oder am Eingang des Ladens oder der

Wirtschaft in deutlich lesbarer Schrift anbringen müssen (Firmmtafel,

Ladenschild);

dieser

Vorschrift

unterliegm

auch die Kaufleute, welche eine Handelsfirma8) führen, es

sei denn, daß aus der Firma schon der Familienname des Geschäftsinhabers zu ersehen ist, ein Fall, in welchem die

obligatorische Anbringung der

Firma selbst schon genügt.

Bei offenen Ladengeschäften (oder Wirtschaften) der offenen

Handelsgesellschaften und der Kommanditgesellschaften (mit oder ohne Aktien) müssen die Namen der persönlich haften­

den

Gesellschafter

(s.

unten

§§.

wenigstens von zweien derselben alle

25,

30,

37)

oder

(wenn die Polizei nicht

anzugeben verlangt- auf den Ladenschildern, wie bei

den vorerwähnten Gewerbebetrieben angegeben werden/) 2. Der Grundsatz der A u s s ch l i e ß l i ch ke i t der Firma: eine neu errichtete Firma muß sich von allen älterm Firmen

desselben Orts oder Gemeindebezirks, vorausgesetzt, daß diese

eingetragen sind(s. unten 5 S. 109), deutlich unterscheiden;8) ' HGB. §. 23. RGer. 9 S. 1. j Geschäftsbetriebe entspricht, als 2 RLHG.Bd.4S.259,Bd. 10 unzulässig erklärt ist. 3 Die Firma im Sinne der S. 292, Bd. 11 S. 246, vgl. hiemit RGer. Bd. 3 S. 1Ü0, HGB. §§. 17 ff. * EinsG. zum HGB. Art. 9. wo die Eintragung einer Firma, 6 HGB. §. 30. GenG. §. 3 die keinem Etablissement, keinem Abs.2.

Tas Recht am Namen und an der Firma.

K. 16.

107

das Ermessen des Richters und die Handelssitte entscheiden

darüber, ob die Unterscheidung deutlich genug ist, um Ver­

wechslungen vorzubeugen, und die Priorität des erlangten

Rechtsschutzes entscheidet für das Recht, die Firma, mit welcher eine andere gleichlautend ist, führen zu dürfen.

3. Der Grundsatz der freien Wahl der Firma: dieser ist, wenn es sich um die Errichtung einer neuen Firma handelt, nur innerhalb der durch den unter 1 erwähnten

Grundsatz gezogenen Grenzen anwendbar/) also in Bezug

auf die Abkürzungen der (zweiten oder folgenden, nicht deK ersten) Vornamen, der Sach- oder Ortsbezeichnung, der Gesell­ schaftsbezeichnung/) jedoch so, daß mehrere Firmen (z. 9.

Übersetzungen) für ein und dasselbe Geschäft/) sowie eine

oder mehrere Firmen für mehrere Etablisiements desselben Inhabers geführt werden können;4 * )2 3weiter reicht die Wahl­

freiheit, wenn ein Etablissement auf einen neuen Erwerber

übergeht;

dieser kann

zwischen einer neuen Firma (wie

unter 1) und der Erhaltung des bisherigen

Namens (s.

unter 4) mit oder ohne Zusatz wählen, wmn Einverständ­ nis der Beteiligten vorliegt;°) wird ohne Ändemng der Person des Geschäftsinhabers der Name desselben oder der

in

der Firma enthaltene Name eines Gesellschafters ge­

ändert (z. B. durch Verheiratung der Geschäftsinhaberin«)

oder Ehelichkeitserklärung7) oder Annahme an Kindesstatt)/) so kann — aber nicht: muß — die bisherige Firma fort-

' HGB. §. 18 Abs. 2. - Bei6 HGB. §S. 22, 24, ROHG. Tilgung des Namens der Ehefrau Bd. 10 S. 291. Mer. Bd. 16 S. 60. ■ 8 BGB. §. 1355; bei Ehe2 HGB. §. 19. fcheiduna BGB. §. 1577. 3 Keyßner in GZ. Bd. 21' ’ BGB. §§. 1736, 1616. L. 410 ff. | 8 BGB. §. 1758. 4 ROHG. Bd. 20 S. 35, 36. |

108

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

geführt werden, es besteht also auch hierbei Wahlfreiheit;x) und

ebenso

verhält

es

beim Eintritt oder Austritt

sich

eines Gesellschaftsmitglieds?) 4. Der Grundsatz der Übertragbarkeit der Firma: Die Firma kann zugleich mit dem Etablisiemmt veräußerta)

oder vererbt und dann von dem neuen Erwerber fortgeführt

werden, jedoch nicht ohne die ausdrückliche Bewilligung des

bisherigen Geschäftsinhabers oder der Erben desselben und nie ohne das Etabliffement;4) zulässig erscheint, daß der bisherige Geschäftsinhaber das Geschäft verkauft, ohne die

Fortführung

der seinen

bürgerlichen Namen enthaltenden

Firma zu gestatten, und alsdann ein neues Geschäft wiederum unter seinem Namen beginnt;5) die Übertragung des Etabliffements verleiht

Recht,

noch

dem neuen Erwerber

die bisherige Firma fortzuführen,

Firmen-

und

Geschäftsübergang

ist

nicht

das

aber mit dem

der Übergang

aller

Aktiva und Passiva nun regelmäßig verbunden (s. oben §. 15 III Seite 98ff.); die Regel der Übertragbarkeit mit

den angegebenen Beschränkungen gilt auch von Gesellschafts

firmen;

unter

der

Wechsel

Fortführung

Firmenänderung

im

des

Subjekt des

Geschäfts

bewirken,

wenn

muß

Geschäftsinhabers nur dann

entweder der

eine

bisherige

Das Recht am Namen und an der Firma.

§♦

16.

109

Inhaber die Einwilligung zu verweigern das Recht hat und sie verweigert, oder soweit es sich um gormalgufäfcc *)

der bisherigen Firma handelt:

die

Formalbezeichnungen

gehen nicht auf Inhaber über, auf die sie nicht passen, und

können, wenn sie auf dm Nachfolger paffen, von diesem nicht

umgangen werben.1 2)*

5. Der Grundsatz der Eintragungspflicht: Jeder Kaufmann muß seine Firma und dm Ort seiner Handels­

niederlassung bei dem Handelsgerichte (Amtsgerichte),

in

dessen Bezirk die letztere sich befindet, zum Zwecke der Ein­ tragung in das Handelsregister anmelden?)

Das Gesetz be­

stimmt die Art der Anmeldung und Eintragung (auch der Zweigetablissements, wenn solche örtlich vom Hauptetabliffe-

ment getrennt finb);4)* auch die Anmeldung der juristischen Personen, welche Handel treibens) ferner die Führung und Veröffentlichung der Register?)

Die Registerpflichtigkeit er­

streckt sich auch auf die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Kaufmanns — diese ist von Amtswegen einzutragm —-7), auf alle Änderungen und auf das Er­

löschen der Firma;8) die Thatsache der Eintragung und Veröffentlichung, sowie die der Nichteintragung von Firmen­

änderungen u. s. w. ist

von

dm bekannten Wirkungm

begleitet, welche sich an die Registrierung überhaupt knüpfen 1 HGB. §. 20. S. auch.unten §. 24. 2 HGB. §. 22 mit den Anm. bei Gareis HGB. S. 44. 8 HGB. §. 29. Über das Handelsregister s. oben 8 4 S. 32ff. 4 HGB. §§. 12, 13, 15, 30, 37. Vgl. auch oben 8-15 S. 96ff. " HGB. 88- 33-35. Staat-

j ! ! ! i , '

liche Unternehmungen sind ausgenommen. HGB. §. 36. 6 HGB. §§. 8-11. S. oben §. 4S. 32ff.- 7 HGB. §. 32, 8 HGB. §§. 31, 34. (Hierzu Freiw.Ger.G. §. 131.) Das RGes. v. 30. März 1888 ist aufgehoben; EinfG- Art. 8, s. Gareis HGB. S. 51, 415.

110

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

(f. oben §. 4

Seite 32 ff.).

übrigens

bloß

nicht

(roie oben

ebenfalls

zur Erzwingung

der

Erzwingung

zur

§.

-Ordnungsstrafen

4)

erörtert

Unterlassung

des

können

einer Anmeldung

sondern

auch

Gebrauchs

einer

ist,

Firma gegen Unberechtigte angewandt werden?)

Das durch diese Nechtsgrundsätze geschaffene feste Firmen­ recht ist privatrechtlich, abgesehen von Feststellungsklagen, durch zweierlei Klagen geschützt: die Klage auf Unterlaffung

der weiteren unbefugten Firmenführung und ferner Klagen auf

Ersatz

des

Schadens,

welcher aus der unbefugten

Firmenführung dem verletzten Berechtigten entstand.

erstgenannte Klage stützt sich auf das Handelsrechts)

Die

sie

setzt keinerlei Schuld, Vorsatz, Arglist oder Fahrlässigkeit

voraus, sondern ist schlechthin gegeben, wenn eine Firma in irgend einer Hinsicht den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs

(Buch I Abschnitt 3) nicht entspricht?) Dagegen

kann

eine Schadensersatzklage auf die Vor­

schriften des Handelsrechts allein nicht gebaut werden; es

wird nämlich für jeden Schadensersatzanspruch irgend ein

Grad des Verschuldens vorausgesetzt, und unter dieser Voraus­ setzung steht einem durch widerrechtlichen Firmengebrauch oder

Namensgebrauch Beschädigten ein Schadensersatzanspruch so­

wohl auf Grund des Bürgerlichen Gesetzbuchs/) als auch 1 HGB. §. 37; hiezu Freiw. Ger.G. §§. 132—139, 140. 3 HGB. §. 37 Abs. 2 Satz 1. Ein Anspruch auf Unterlassung besteht aber auch im Falle des §. 8 des Wettbewerbsgesetzes v. 27. Mai 1896 (hievon unten §. 18 S. 119 s.). 8 Z. B. weit sie sich nicht

deutlich genug von einer andern eingetragenen Firma desselben Orts unterscheidet (HGB. §. 30), oder weil sie einen nach §. 13 Abs. 2 verbotenen Zusatz enthalt, durch den die berechtigten Inter­ essen eines andern verletzt werden. 4 BGB. §. 823 („ein sonstiges Recht eines Andern").

Das Recht am Namen und an der Firma.

auf

A. 16.

Grund des Reichsgesetzes zur Bekämpfung des

Hl

un­

lauteren Wettbewerbs/) bezw. auf Grund des Reichsgesetzes zum Schutz der Warmbezeichnungen2) zu.

Auch strafbar ist der widerrechtliche Gebrauch eines

Namens oder einer Firma, wie der eines gesetzlich geschützten

Warenzeichens, aber nur unter der Voraussetzung, daß der Gebrauch mtweder einen Teil des Thatbestandes des straf­

rechtlichen Betrugs bildet oder in der wissentlichen, d. h. im

Bewußtsein der Rechtswidrigkeit vorgenommenen Anbringung auf Waren, Emballagen oder Geschäftspapieren8) besteht. II.

Der Kaufmann

auf seinen Namen und

hat jedoch

nicht

bloß

an demselben und das

ein Recht besondere

Recht der Firma (s. I), sondern, sofern er unbescholten

ist, auch ein Recht auf einen guten Namen, an

seinem

guten

Namen;

es

giebt

eine

ein Recht

kaufmännische

1 RGes. v. 27. Mai 1896 §. 8. Art der im geschäftlichen Ver­ unternommenen wider­ S. hierüber unten S. 119 u. kehr Gareis, in Bl. f. RAnw. 1896 rechtlichen Benutzung eines nicht S. 41 ff. Vgl. auch folgende Anstehenden Namens oder einer solchen Firma, ja auch den einer Anm. 9 RGes. v. 12. Mai 1894 Z. 14. besonderen Bezeichnung eines S. hierüber unten S. 113. Der Erwerbsgeschäfts, eines gewerbin §. 14 des RGes. v. 12. Mai Uchen Unternehmens oder einer 1894 vorausgesetzte Thatbestand Druckschrift trifft, andererseits setzt der unerlaubten Handlung deckt aber dieser letztere §. 8 stets den sich nicht ganz mit dem in §. 8 doppelten (nämlich eui subjektives deS RGes. v. 27. Mai 1896 (s. und ein objektives Moment darvorige Anm.) vorausgesetzten: ! legenden) Nachweis voraus, daß letzterer überragt insofern den die widerrechtliche Benutzung ersteren, als er nicht bloß den subjektiv darauf berechnet und Mißbrauch des Namens und der objektiv dazu geeignet sei, VerFirma (und des Warenzeichens) ' Wechslungen mit Namen, Firma aut Anbringung auf Waren, oder Bezeichnungsweise eines Emballagen und Geschäfts­ andern Hervorzurüfen. 3 S. Wortlaut des angef. §. 14 papieren (§. 14 des RGes. u. 12. Mai 1894), sondern jede des RGes. v. 12. Mai 1894.

112

Kap. II.

Tie Personen im Handelsrecht.

Ehre (Standesehre) und eine Ehre der Firma?) Der recht­ liche Schutz

der kaufmännischen Standesehre ergiebt sich

zunächst aus den Ehre überhaupt?)

allgemeinen Normen zum Schutze der Hervorzuheben sind

aber wegen des

Zusammenhangs mit dem Handel und Handelsrechte folgende besondere Rechtsnormen:

1. die Vorschriften des Börsenrechts schließung über die

über die Aus­

beschoßener Personen vom Börsenbesuche und Bildung und

Aufgabe der Ehrengerichte und

Berufungskammern der Börsen;8)

2. der besondere Schutz des Kredits und der Mög­ lichkeit des Erwerbs und des Fortkommens, welchen das

(neue) bürgerliche Recht gewährt?) 3. das besondere Verbot der geschäftlichen Anschwärzung (denigrement) oder die Herabsetzung des Geschäfts im RGes. zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs?)

4. der handelsrechtliche Schutz der Ehre von und gegen Handlungsgehülfen;6)

5. die

handelsrechtliche Bezeugung

der (ehrenhaften)

Führung auf Verlangen der Handlungsgehülfen 7) und im obligatorischen Zeugnis der Lehrlinge;8)

6. die handelsrechtliche Ausschließung derjenigen Per­

sonen, welche nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte

1 Vgl. Gareis, Grundriß 826 und gegen Chikane §. 226. 31 4RGes. 2 v. 27. Mai 1896. 6, §. 42. Gierke, Deutsches ■ ! 7, 11, 13; hiezu s. Gareis in Privat.R. §. 84. 2 Vgl. StrafGB. §§. 185 ff. Bl. f. RAnw. 1896 S. 38 ff. 6 HGB. §§. 70-72. 3 Börsengeseh v. 22. Juni 1896 §§. 7, 9-27. 7 HGB. §. 73. 8 HGB. §. 80. 4 BGB. §. 824. Der Schuh gegen illoyale Handlungen ebenda

Das Recht am Warenzeichen.

113

§• 17.

sich befinden, von der Befugnis zur Haltung oder Unter­ weisung und Anleitung von Lehrlingen; *) 7. die Möglichkeit der Ausschließung eines Mitglieds einer — als Kaufmann geltenden — Genossenschaft wegen des Verlusts der bürgerlichen Ehrenrechte.1 2)3

17. 4. Das Recht am Warenzeichen.

I. Zu den Äußerungen und Wirkungen der individuell Besonderen Gestaltung eines Geschäftsbetriebs gehört es auch, daß das in demselben hergestellte Produkt oder die von demselben aus in den Handel gebrachte Ware mit dem Namen oder der Firma des Produzenten oder des ge­ werblichen Veräußerers derselben bezeichnet roerben;8) aber viel älter als dieser Gebrauch ist die Sitte, solche Gegenstände mit einem Zeichen (Handwerkszeichen, Handelsmarke) zu versehen; es reicht diese Sitte wohl bis zu dem uralten Gebrauch der Hausmarken oder Handmale zurück, den wir noch in den Steinmetzzeichen an Gebäuden wie in dm Schmiedezeichen an Waffen vergangmer Jahrhunderte nach­ weisen können. Reichsrechtlich ist die Anwendung und der Schutz der Ausschließlichkeit dieser Zeichen gesetzlich zunächst im An1 HGB. §. 81 mit Anm. 1 I 4 * *Geschichtliches * hierüber s. u. 2 bei Gareis HGB. S. 89. GUGesch. S. 242, GSyst. §. 29 8 GenG. §.68. , S. 97 ff.; Lästig, Marten3 Die Ausschließlichkeit auch recht und Zeichenregifier; f. dieses Gebrauchs des Namens hierüber Kohler in GZ. 38 oder der Firma ist geschützt S. 585 ff. durch RGes. v. 12. Mm 1894 §. 14; s. oben §. 16 S. 110 ff. GareiS, Handelsrecht.

€». Aufl.

8

114

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

schluß an das Firmenrecht geordnet worden/) ein Anschluß,

von welchem das neuere Recht in Deutschland absieht, in­

dem nach diesem nun nicht mehr nur solche Personen, die eine in ein Handelsregister eingetragene Firma besitzen, sondern

alle, die einen „Geschäftsbetrieb mit Waren" haben, außer firmenbcsitzenden Kaufleuten

also

(unter diesen natürlich

auch Fabrikanten und registrierte Landwirte, s. oben §§. 10,

12, I)

auch Kaufleute minderen Rechts, die keine Firma

haben (s. oben § 12, II), Rohproduzenten aller Art, dar­

unter natürlich auch die nichtregistrierten Land- und Forst­ wirte, den Schutz des Gesetzes für den ausschließlichen Ge­ brauch ihrer Zeichen erlangen können.

II.

Materielles

Recht

des

Warenzeichen

s chutz es. Zweck des Gesetzes ist, eine Garantie der Ausschließ

lichkeit des zur Individualisierung der Waren gebrauchten

Zeichens zu bieten:

dem Geschäftstreibenden

1 RGes. über den Markenschutz ti. 30. November 1874; s. GLF. S. 74—116; dieses RGes. trat so außer Wirksamkeit, daß vom 1. Okt. 1894 an Anmeldungen nicht mehr auf Grund dieses, sondern auf Grund des mit diesem Tage in Kraft tretenden „RGes. zum Schutze der Warenbezeichnungen" v. 12. Mai 1894 (mit kaiserlicher AusführungsV. ti. 30. Juni 1894, s. RGBl. 1894 Nr. 22 S. 441, Nr. 30 S. 495) angenommen und mit Rechtswirkung versehen wurden; auf die noch nach dem RGes. v. 30. Nov. 1874 in die Zeichenregister eingetragenen Warenzerchen, welche übrigens bis zum

, ; > ‘ . ; ; | 1 , ! i !

i I

(nicht mehr

1. Ott. 1898 jederzeit zur (Sin­ traaung in die Zercbenrolle des Kaiserl. Patentamts nach dem neuen RGes. v. 12. Mai 1894 angemeldet werden tonnten, findet das RGes. v. 30. Nov. 1874 noch fcis$um 1.£ft. 1898SlnttcnbinuK s. §§. 24, 26 d. RGes. v. 12. Mar 1894. Kommentare mm RGes. v. 12. Mai 1894: J.Landgraf (Stuttgart 1894), Allfeld (München 1894), W. Gentsch, A. Seligsohn, C. Gronert, 91. Stephan, O. Mewes (sämtlich Berlin 1894), Finger (Berlin 1895) u. a. Vgl. Üarl Heymanns Jurist. Litt.-Blatt Nr. 63 S. 50 ff.

Das Recht am Warenzeichen,

g. 17.

115

bloß dem eine Firma besitzenden, s. oben I a. E.), welcher unter Beobachtung der gesetzlich aufgestellten Regeln (siehe unten III) die Eintragung eines Warenzeichens zur Unter­ scheidung seiner Waren von denen Anderer für sich durch­ gesetzt hat/) steht ausschließlich das Recht zu, Waren

der angemeldeten Art oder deren Umhüllung mit eben diesem Warenzeichen zu versehen, die so bezeichneten Waren in Ver­

kehr zu bringen und auf Ankündigungen, Preislisten, Ge­

schäftsbriefen, Empfehlungen, zubringen/)

Rechnungen oder dergl. an­

Die materielles) Voraussetzung ist nur, daß

derjenige, der den Schutz des Gesetzes für seine Zeichen genießen will, einen Geschäftsbetrieb mit unterscheidbaren

Waren besitzt, sei es in Deutschland, sei es in einem Staate, in welchem nach einer im RGBl, enthaltenen Bekanntmachung

deutsche Warenbezeichnungm

in

gleichem

Umfange

wie

(dortige) inländische Warenbezeichnungen gesetzlichen Schutz genießen.41)2 * 1 Der Schutz einer individuali­ sierten Ausstattung besteht übrigens unabhängig von der Eintragung eines Zeichens; s. RGes.v. 12. Mai 1894 §. 15 und RGes. v. 27. Mai 1896 §. 8; hierüber f. unten §. 18 S. 121. 2 RGes. v. 12. Mai 1894 §. 12 Abs. 1. Begrenzung dieses Schutzes: 1. im Fall der Löschung Rückwirkung der Schutzlosigkeit; 2. die Wahrheit besteht un­ anfechtbar neben dem, wenn auch gesetzlich geschützten Zeichen: keine Eintragung eines andern kann mir meinen Namen rauben oder mir das Recht nehmen, diesen und meine Firma und Angaben

über die Eigenschaften der Waren u. s. w. auf meinen Waren anzubringen; s. RGes. §. 13. Andererseits konnte, wenn ein nach dem RGes. v. 30. Nov. 1874 ausgeschlossenes Waren­ zeichen bis zum 12. Mai 1894 innerhalb beteiligter Verkehrs­ kreise als Kennzeichen der Waren eines bestimmten Geschäfts­ betriebes gegolten hatte, der In­ haber dieses letzteren die Löschung der zu Gunsten eines andern er­ folgten Eintragung bis zum 1. Okt. 1895 beantragen. 3 Die formellen Voraus­ setzungen s. unten III S. 117. 4 Diese Reciprocitätsbekannt-

116

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Gewisse Zeichen sind als gesetzlich unzulässig von der schützenden Eintragung ausgeschlossen, von vornherein Frei­ zeichen, auch Staatswappen, Zahlen, Gewichtsangaben, Ärgernis oder Täuschung erregende Darstellungen u. bgl.,1) ferner kollidierende Zeichen2) und Zeichen, welche nun zwar gelöscht sind, aber vor noch nicht mehr als zwei Jahren für dieselben oder gleichartige Waren eines Anderen eingetragen waren (zweijährige Sperrfrist). Daß das Zeichenrecht nach unserem geltenden Rechte systematisch nur als eine Äußerung oder Konsequenz des Rechts an einen individuell gestalteten Gewerbebetriebe (s. oben §. 15) aufgefaßt werden darf, ergiebt sich aus der notwendigen Bindung desselben an den Gewerbebetrieb, „zu welchem das Warenzeichen gehört," nur mit diesem zugleich ist das Zeichenrecht negoziabel (siehe oben §. 13 S. 85), vererblich und überhaupt übertragbar;8) und wenn eben dieser Geschäftsbetrieb von dem eingetragenen Inhaber auf­ gegeben wird, so kann jeder Dritte die Löschung des Zei­ chens beantragen und dadurch die Beendigung des Rechts­ schutzes für dasselbe herbeiführen; abgesehen von diesen machung, welche vom §. 20 des Anmelder eines Zeichens eine RGes. v. 30. Rov. 1874 ebenso civilrechtliche Klage gewährt wie vom neuen RGes. v. 12. Mai wird für den Fall, daß >tz dieser 1894 §. 23 vorausgesetzt wird, trotz der durch die Eintragungs­ ist in Bezug auf die meisten mit I behörde (das Kaiser!. Patentamt) ^^?busschen^Rnche in Handels- | festgestellten Übereinstimmung stehenden Staaten "Verbindung~ n - l seines Zeichens mit einem bereits erfolgt: s. Bekanntmachung des geschützten eines anderen (nämlich Reichskanzlers v. 22. Sept. 1894 nun Widersprechenden) einen An­ RGBl. 1894 S. 441. spruch auf Eintragung zu besitzen 1 RGes. v. 12. Mai 1894 §. 4. behauptet; hierüber s. 8- 6 Abs. 2 2 RGes. v. 12. Mai 1894 88. 5, des angef. G. 20. Interessant ist, daß dem 8 RGes. v. 12. Mai 1894 8- 7.

Tas Recht am Warenzeichen,

§. 17.

117

und anderen formellen Löschungsgründen (s. unten III) ist ein zu dem Geschäftsbetriebe gehörendes Zeichen für unge-

meffene Dauer des Schutzes fähig, doch ist die Anmeldung

von 10 zu 10 Jahren unter Zahlung bestimmter Gebührm zu erneuern. *) III.

Formelles

Recht

des

Warenzeichen­

schutzes. Formell setzt die Erlangung des Zeichenschutzes eine gehörige Anmeldung zur Eintragung in die öffentliche Zeichenrolle

des Kaiserlichen Patentamts

voraus;^) ein

sich um diesen Schutz bewerbender Ausländer muß einen Bertreter im Jnlande bestellt habend) Die erwähnte

Zeichenrolle muß dem Gesetz gemäß geführt werden,6) hat insofern eine Ähnlichkeit mit einem Grundbuche, als bei einem Übergang des Zeichms der Rechtsnachfolger sein Recht der Eintragung des Warenzeichens so lange nicht geltend machen kann, als der Übergang nicht in die Zeichen­

rolle vermerkt ist.6) als der Löschung

Das Verfahren sowohl der Erteilung,

ist gesetzlich geregelt,6) es ist eine Art

verwaltungsrechtlichen Verfahrens. IV.

Die

Gegenwirkung

gegen

Verletzung

besteht in der Gewährung

des Warenzeichenrechts

bürgerlichrechtlicher Entschädigungsansprüche

und

in

der

Möglichkeit strafrechtlichen Einschreitens (aber nur auf An­

trag);^)

letzteres setzt Wissentlichkeit der Rechtsverletzung

1 RGes. v. 12. Mai 1894 S. 8. - RGes. v. 12. Mai 1894 §§. 1, 20 n. kaiserl. B. v. 30. Juni! 1894, RGBl. 1894 S. 495. Gc- | bühren bei der Anmeldung 30, ; bei Erneuerungen 10 Mk.: s. §. 2. i 8 AngesG. §. 23 Abs. 2. * AngesG. §. 3. 1

6 AngesG. §. 7 Abs. 2. 6 AngesG. §§. 5-10. 7 Zudem Anspruch auf Beseitigung der widerrechtlichen Bezeichnung oderaus Vernichtung der gesetzwidrigen Ware; s. RGes. v. 12. Mai 1894 §. 19. I '

Kap. II.

118

Die Personen im Handelsrecht.

voraus, während die Entschädigungsklagen auch

infolge

grober Fahrlässigkeit

begangenen

bei einer

Verletzung

des

Zeichenrechts gegeben sind: entschädigungspflichtig ist jeder, der wisientlich oder aus grober Fahrlässigkeit Warm oder derm Umhüllung oder Geschäftspapiere irgmd welcher Art

mit dem Namm oder der Firma eines Anderm oder mit einem nach dem RGes. vom 12. Mai

1894

geschützten

Warenzeichen versieht oder dergleichen widerrechtlich gekmn-

zeichnete Warm in Verkehr bringt oder feilhält; thut er dies wisimtlich, d. h. im Bewußtsein der Rechtswidrigkeit der Handlung, so wird er auf — zurücknehmbaren — An­

trag außerdem mit Geldstrafe von 150 bis 5000 Mk. oder

mit Gefängnis bis zu 6 Monaten bestraft; ’) im Straf­

verfahren — also nur bei wiffentlicher Zeichen-, Namen­ oder Firmmrechtsverletzung



kann

auf Verlangen

des

Beschädigten statt der — civilprozessual zu verlangenden —

Entschädigung

auf eine Buße bis zu 10 000 Mk. erkannt

werden, ?) und

dem Verletztm ist im Strafverfahren die

Befugnis der — auf Kosten des Verurteilten erfolgenden —

Bekanntmachung

des

Urteils

zuzusprechen. 8)

Aus­

ländische Waren, die mit einer dmtschen Firma und Orts­ bezeichnung oder mit einem in die Zeichenrolle eingetrage­

nen Warmzeichm versehm sind, unterliegen bei ihrem Ein­ gänge nach Deutschland zur Einfuhr oder Durchfuhr auf

Antrag

des Verletzten und gegen Sicherheitsleistung

der

Beschlagnahme oder Einziehung.'') 1 RGes. v. 12. Mai 1894; hiezu, ' AngefG. §. 19 Abs. 2. RGer. Strass. Bd. 29 (1897) 4 AngesG. §• 17 u. StrasprozO. S. 353. i §. 459. 2 AngesG. §. 18; Gesamt-: schuldner s. BGB. §§. 421 ff.'

Das Recht an der eigenartigen Betriebsweise.

§♦ 18. 119

§. 18. 5. Vas Necht an der eigenartigen Betriebsweise. I. Die ausgeprägteste Eigenart des Betriebs liegt vor,

wenn derselbe auf einer neuen Erfindung beruht und dafür dem

Betriebsunternehmer

ein Patent erteilt worden

ist

(hievon, sowie von anderen Fällen der Individualisierung

des Betriebs auf Grund von Urheberrechten s. unten §. 19), oder wenn die Ausnützung einer Erfindung im Wege des

Geheimbetriebs

und zwar wird der Geheim­

stattfindet;

betrieb sogar dem Inhaber eines darauf bezüglichen Patents gegenüber geschützt, denn die Wirkung des Patents tritt

gegen denjenigen nicht ein, welcher zur Zeit der Anmeldung der durch dieses Patent geschützten Erfindung diese bereits im Jnlande in Benutzung genommen oder die zur Benutzung

erforderlichen Veranstaltungen getroffen hattet) ein solcher Erfindungsvorbesitzer

ist

befugt,

die Erfindung für

die

Bedürfniffe seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen; diese Befugnis kann nur zusammen

mit dem Betriebe vererbt oder veräußert werden; es ist also auch die Negoziabilität des Erfindungsvorbesitzes, wie die der Firma und des Warenzeichens beschränkt und die

Veräußerung

nur

dann

gültig, wenn sie zugleich

der des Etabliffements erfolgt.1 2) 1 PatentG. v. 7. April 1891 §. 5; vgl. Gareis, PatentG. v. 25. Mai 1877 (Berlin, Carl Heymann) S. 101—107 „Erstndungsbesitz oder -vorbesitz". 2 Übrigens darf man Firma, Namen, Warenzeichen und Er­

mit

Daß der auf solche Weise

findungsvorbesitz darum doch nicht als „Zubehör* des Eta­ blissements im gesetzlichen Sinne auffassen; denn nach BGB. §. 97 sind Zubehör „bewegliche Sachen", Sachen aber nur körper­ liche Gegenstände, und dies find,

120

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht,

bedingt veräußerliche Betrieb aber Geheimbetrieb sei, geht aus der Existenz des neben demselben bestehenden Patents hervor, das dem Patentinhaber nicht hätte erteilt werden können, roenn die Erfindung offenkundig benutzt, also nicht mehr neu gewesen roäre.1) Der Schutz des Geheimbetriebs einer gewerblichen Unternehmung ist übrigens nicht dem Handel oder Handelsrecht als solchem eigentümlich und ist daher hier nur vorübergehend zu erwähnen. Aber es ist hervorzuheben, daß der gesetzliche Schutz, soweit er überhaupt für Geheimniffe besteht, ?) auch für kaufmännische Geheimniffe — nicht bloß sog. Geschäfts-, sondern auch Betriebsgeheimniffe — gewährt wird, daß auch dem Kaufmanne und dem Handelsstande überhaupt zu gute kommt, was das RGes. zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs zum Schutz gegen den Verrat von Geschäftsoder Betriebsgeheimniffen bestimmt?) II. Aber auch abgesehen vom Verrat von Geschäftsgeheimniffen kann die Eigenart eines Geschäftsbetriebs als solche durch Unternehmungen des unlauteren Wettbewerbs gestört und geschädigt werden und wird daher unter gesetz­ lichen Schutz gestellt, indem das Gesetz neben der Bekämpfung wie erwähnt, jene Objekte von Persönlichkeitsrechten nicht; diese Objekte stehen auch nickt unter der Herrschaft der aus das Zu­ behör im gesetzlichen Sinne be­ züglichen zwingenden oder dis­ positiven Rechtssätze, also z. B. nicht unter BGB. §. 814, sondern die Veräußerung bedarf, um sich auf jene Objekte zu erstrecken, der ausdrücklichen Erstreckungs­ erklärung.

1 PatentG. §. 2. Vgl. die eingehende Abhandlung von Schande (Dresden) über „die offenkundige Vorbenuhung von Erfindungen und Gebrauchs­ mustern" im Arch. Bd. 11 (1896) S. 26-108. 2 StrasGB. §§. 299, 300. 3 RGes. v. 27. Mai 1896 §§.9, 10; hiezu Gareis in Bl. f. RAnw. (1896) S. 43 ff.; auch RGer.Strafs.Bd. 29(1897) S. 427.

Die Urheberrechte im Handelsrecht.

der

Schwindelreklame*)

und

§. 19.

121

Quantitätsverschleierung2)

auch die Anmaßung fremder Unterscheidungsmittel

und auch

die Anmaßung einer eigenen Ausstattung, sofern eine solche innerhalb

der

beteiligten Berkehrskreise als Kennzeichen

gleichartiger Waren eines Anderen gilt, mittels Statuierung

der privatrechllichen Entschädigungspflicht und in bestimmten Fällen sogar mittels Strafandrohung*) bekämpft.

III. Bis zu einem gewissen Grade wird ein Schutz des Rechts an der eigenartigen Betriebsweise eines Unter­ nehmers auch durch die gesetzlichen oder vertragsmäßigen

Einschränkungen des Rechts Anderer auf gewerbliche Be­ thätigung, die Handels- und Konkurrenzverbote, welche Handlungsgehülfen, Gesellschaftsmitgliedern u. s. w. auf­ erlegt sind, bewirkt; hievon s. oben §. 14 Seite 88 ff?) §. 19. 6. Vie Urheberrechte im Handelsrecht. I. Urheber von litterarischen oder von künstlerischen Werken

oder Erfinder auf dem Gebiete der chemischen oder mecha­ nischen Technik oder origineller Schöpfer im Bereiche des

Kunstgewerbes zu sein, ist sowenig Sache des Kaufmanns als solchen, wie die Urproduktionen (Bergbau, Land- und

Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei u. dgl.) es sind.

Aber

wie die Erzeugnisse der Urproduktionen an den Kaufmann gelangen und dann in seiner — der zweiten Hand — zu 1 RGes. v. 27. Mai 1896 88- 1 bis 4; hiezu Gareis in Bl. f. RAnw. (1896) S. 17 ff. 8 RGes. v. 27. Mai 1896 § 5; Gareis in Bl. f. RAnw.(1896) S. 34.

3 S. oben 8 161 S. 104 und §. 17 S. 114. 4 RGes. v. 12. Mai 1894 8-15. 6 HGB. 88- 60, 236, 112,113, 161, 326, 74.

Kap. II.

122

Die Personen im Handelsrecht.

Waren werden, so kommen auch die Produkte der litterarischen,

der künstlerischen und kunstgewerblichen Thätigkeit und der technischen Erfindungskraft an den Kaufmann und werden

von ihm in den Handel gebracht.

Unter dem, was man

sich als Produkt der litterarischen

oder künstlerischen oder

sonst

originell schaffenden Thätigkeit vorstellen kann,

ist

jedoch zu unterscheiden: das Geistesprodukt als solches, die eigenartige Idee in irgend welcher sie zum Ausdruck und zu

äußerlicher Wahmehmbarkeit bringender Darstellung einer-,

und die körperliche Sache, welche dem Geistesprodukte, der Idee, entsprechend geschaffen oder beschaffen ist, andererseits.

Das Geistesprodukt der Erfinderthätigkeit, die chemische oder mechanische oder chemisch-mechanische Erfindung selbst *)

eignet sich nicht für den Handel, ebensowenig das Gebrauchs­

muster^) an sich oder das Geschmacksmusters) an sich, ob­ gleich auch das Recht auf diese negoziabel ist4) und zweifel­ los

auch die Inhaber von Patentbureaux und

ähnlichen

der Vermittlung von technischen Urheberrechten dienenden Anstalten als Kaufleute in Betracht kommen können, dann

nämlich, wenn sie um der Form ihres Betriebs willen (s. oben §. 8

Seite 57) unter das Handelsrecht fallen.

Werden die körperlichen Gegenstände, welche auf dem Wege

patentierter

Erfindung hergestellt sind oder die Idee des

geschützten Gebrauchs- oder Geschmacksmusters an sich tragen,

in

den

Verkehr gebracht,

so sind

1 PatentG. v. 7. April 1891 i§. 1 ff. Aber hinsichtlich der IZatentbureaux s. oben §. 8 u. ijareis HGB. S. 11, 14. - RGes.v. 1. Juni 189188-1 ff.

die hiezu verwandten

3 RGes. v. 11. Januar 1876 §§i PatentG. v. 7. April 1891 8.6; RGes. v. 1. Juni 1891 §.7: RGes. ti. 11. Januar §. 3. 6 HGB. §. 2.

Tie Urheberrechte im Handelsrecht.

§• 19.

123

Rechtsgeschäfte, wenn auch mitunter der Ausdruck „in Ver­ lag geben" darauf angewandt wird, wie man auch von

Bier-, Milch-, Wein-, Cigarrenverlag u. dgl. spricht, keine Berlagsgeschäste

juristischen

im

und

technischen

Sinne,

sondern entweder gewöhnliche Sachkaufverträge!) oder Korn­ missions- 2) oder Agenturverträge?)

II. Übergehend

zu den einzelnen ®nippen der Ur­

heberrechte, ist zunächst in betreff des litterarischen und des künstlerischen Urheberrechts festzustellen, daß das

positive Handelsrecht eine bedeutende Gruppe von Geschäften,

welche sich mit den Erzeugniffen einer litterarischen oder einer künstlerischen Thätigkeit beschäftigen, als geeignet erklärt,

den Gegenstand eines Handelsgewerbs zu bilden, nämlich

„die

Verlagsgeschäfte,

sowie die

sonstigen

Geschäfte

des

Buch- oder Kunsthandels"4 1)2 3 (s. oben §. 8 Seite 57); die

sind:

Verlagsgeschäfte

a) Verlagsverträge — diese sind

gerichtet nicht auf den vollständigen Erwerb des

Autor­

rechts, denn in seinem höchstpersönlichen Teile °) ist dieses

gar nicht übertragbar, aber auf den Erwerb und Gebrauch eines mehr oder weniger ausgedehnten Vervielfältigungs­

und Verbreitungsrechts,

wertung des sog.

auf den Erwerb und die

„Verlagsrechts";

Ver­

b) Geschäfte zur Er­

reichung der Vervielfältigung — Vervielfältigungsverträge, die z. B. mit

Buchdruckereien, xylographischen Anstalten,

Clicht'sfabriken u. s. w. geschloffen werden; 1 HGB. §§. 373 ff. 2 HGB. §§. 383 ff. 3 HGB. §§. 84 ff. 4 HGB. §. 1 Abs. 2 Nr. 8. 6 Nämlich der unveräußerlichen geistigen Vaterschaft und den an

und

c) Ver-

diese gebundenen persönlichen Auszeichnungen, Anerkennungen und andere ähnliche rein in­ dividuelle Konsequenzen der Ur­ heberschaft eines litterarischen oder künstlerischen Werkes.

124

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

breitungsverträge, das sind Geschäfte, die auf die kauf­ männische Verwertung der durch die Vervielfältigung ge­ wonnenen Exemplare abzielen. In ähnlicher Weise werden auch die Produkte des photographischen Autorrechts ver­ wertet?)

III. Die handelsmäßige Verwertung der durch Ge­ schmacksmuster ausgezeichneten und unter Geschmacks­ musterschutz stehenden Waren der geschützten kunstgewerb­ lichen Produkte zeigt handelsrechtlich?) nichts Besonderes; dagegen ist die Überleitung der Urheberschaft vom angestellten Urheber auf den Geschäftsherrn eigentümlich,^) und man kann darin eine Konsequenz der Eigenart des Geschäfts­ betriebs erblicken; der Geschäftsherr gestaltet seinen Ge schäftsbetrieb u. a. auch dadurch eigenartig, daß er einen Künstler darin beschäftigt, der originelle Muster herstellt, und das Gesetz faßt dann den den Künstler so anstellenden 1 Über die Verlagsgeschüfte s. unten §. 59; auch Goldschmidt,.^^ HR. 1. 1 Auflage 1864 1 S. 478 ff.;, v. Hahn HGB. von 1861 zu "* Art' Art. 272 Nr. 5; Gareis, HGB., (1898) S. 11, 12 Anm. 16, 17 zu §. 1. Hin­ sichtlich der Photographieen s. RGes. v. 10. Januar 1876 betr. den Schuh der Photographieen gegen unbefugte Nachahmung und hiezu Gierke, PrwatR. 8- 91. 8 Ein Vertrag über Inverkehr­ bringen widerrechtlicher Verviel­ fältigungen ist nichtig nach BGB. §. 134. Die Verletzung des Ur­ heberrechts zieht möglicherweise noch andere Rechtsfolgen nach sich.

|

31 **RGes., * * * 8 *betr. * das Urheberrecht an Mustern und Modellen, v. ! 11 11. Jan. 1OFn? 1876, 0§. ° 2 (f. auch unten §. 21 S. 140), §. 14, welcher aus. §§. 18—36,», 38 des Urheberrechtsgesetzes v. 11. Juni 1870Bezug nimmt; jedoch werden die vorrätigen widerrechtlichen Nachbildungen und die zurwiderrechtlichen Vervielfältigung be­ stimmten Vorrichtungen ' nicht vernichtet, sondern auf Kosten des Eigentümers und nach Wahl desselben entweder ihrer gesährdenden Form entkleidet, oder bis zum Ablauf der Schutzfrist amtlich aufbewahrt. j |

Die Urheberrechte im Handelsrechte-

125

8» 19«

Fabrikherrn als dm Urheber jener originellen Muster; er ist es, weil er der Herr des originell gestalteten Etablissements ist.1)* IV. Auch

die

handelsmäßige Verwertung

der

unter

Gebrauchsmusterschutz^) stehmdm Gegmstände zeigt

handelsrechtlich

keine Eigentümlichkeiten;

verboten ist die

ohne Genehmigung des Berechtigten unternommene gewerbs­

mäßige Verbreitung der durch Nachbildung hervorgebrachten Gerätschaften und Gegmstände,

wobei

nicht

in Betracht

kommt, ob die Nachbildung selbst rechtswidrig war oder

nicht; es ist also auch verboten — und ein darauf gerichteter Vertrag nichtig —3),* Gegenstände, welche durch Nachbildung — etwa

erlaubte

weil sie nicht gewerbsmäßig oder

weil sie im Auslande hergestellt worden sind und etwa dem

Berechtigten entwendet wurden, gewerbsmäßig in Verkehr zu bringen oder feilzuhalten/)

V. Was von dem Handel mit unter Gebrauchsmuster­ schutz stehenden Gegenständen gesagt wurde (s. IV),

gilt

entsprechend auch von dem Handel mit Gegenständen, welche unter Patentschutz5) stehen; verbotm ist, ohne Gmehmigung

des Berechtigtm dm Gegmstand der Erfindung im Inlands

gewerbsmäßig herzustellen, in Verkehr zu bringen oder feil-

zuhalten;3) dieses Verbot, welches die Nichtigkeit der auf 1 Andere Konstruktionen des im 8- 2 des RGes. v. 11. Januar 1876 diktierten Rechtsvorganges: die durch den Eintritt in ein Geschäft begründete personen­ rechtliche Gemeinschaft (Gierke PrivatR. S. 833); Übergang der

Ausübung (Dahn, D. Rechts­ buch S. 125); gesetzt. Fiktion lWächter, UrheberR. S. 307 ff., Gareis, REncyklop. §. 21 V).

8 RGes. v. 1. Juni 1891; Gierke, PrivatR. §. 93. 8 BGB. §. 134.

4 Gierke, Anm. 37.

PrivatR.

§.

93

6 PatentG. v. 7. April 1891, Gierke, PrivatR. §§. 94—99. 6 Über diese Begriffe s. G a r e i S,

PatentG. v. 25. Mai 1877 §. 4.

126

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht,

eine solche Verbreitung abzielenden Verträge zur Folge hat, bezieht sich, wenn ein körperlicher Gegenstand patentiert ist,

auf jeben irgendwie hergestellten Gegenstand, der die

patentierte Eigenart zeigt, andererseits aber, wenn ein Ver­ fahren patentiert ist, nur auf die unmittelbar durch eben

dieses

Verfahren

hergestellten

körperlichen

Gegenstände?)

Für den Handel wichtig sind zwei singuläre Vorschriften des

deutschen Patentrechts: die Privilegierung von nur vorüber­ gehend

in das Inland gelangten Fahrzeugen?) und die

Rechtsvermutung, daß, wenn es sich um eine ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Stoffs zum Gegenstand habende

Erfindung handelt, bis zum Beweis des Gegenteils jeder Stoff von gleicher Beschaffenheit als nach dem patentierten Verfahren hergestellt gilt.31)2

C. Die Hilfspersonen im Handel. §. 20. von den Hilfspersonen des Handels im allgemeinen. I. Kein einigermaßen ausgedehntes Handelsgewerbe kann ohne fremde Unterstützung betrieben werden.

Diese Unter­

stützung wird entweder von solchen Personen gewährt, welche ein eigenes Gewerbe daraus machen, die Unternehmungen Anderer zu fördern (Hilfsgewerbe im Gegensatze zur Gewerbs1 Gierke PrivatR. §. 95 S. 866 Anm. 28, §. 96 S. 883. 2 PatentG. §. 5 Abs. 3, hiezu Gierke a. a. O. §. 96 S. 885, Gareis, PatentG. v. 1877, S. 112, 113. 3 PatentG. §. 35 Abs. 2; hierüber Gierke a. a. C. §. 98,

S. 894 und hiezu Gar eis in den „Jahrbüchern f. National­ ökonomie u. Statistik" (von Conrad und Elster) 2. Folge Bd. XVI (1887-88) S. 68, 69, 3. Folge Bd. III (1891—92) S. 107.

Von den Hilfspersonen des Handels im allgem. g. 20.

127

Hilfe), oder von solchen Personen, welche i m Gewerbe des­ jenigen, dem sie helfen, angestellt, also dessen Bedienstete sind.

In dem ersteren Sinne erscheinen zahlreiche gewerbliche

Unternehmungen

als Hilfsgewerbe

des Handels und zahl­

reiche Personen, die außerhalb des Gewerbes desjenigen, dem sie helfen, stehen, als Hilfspersonen desselben;l) so ist

der Bankier und Geldwechsler als Vermittler von Geld und Kredit

eine Hilfsperson

jeder Frachtführer2)* * und **

dem öffentlichen

des Warenhändlers,

nicht minder

vor allem jede Eisenbahn/)

Güterverkehre dient;

ebenso sind

die

Hilfs-

pkrsonen des Handels die Kommissionäre/) die Spediteure/) die Lagerhalter/) die Handlungsagenten 7) und die Handels­ mäkler b) —-

alle diese Personen machen

Geschäftsbetriebe

eigenartigen

1 Zu den Hilfspersonen des Handels im weitesten Sinne können selbst solche Personen ge­ rechnet werden, deren Geschäfte und dem Handel geleistete Dienste weder zu einem Handelsgewerbe gehören, noch Handelsgeschäft sind, noch nach Handelsrecht be­ urteilt werden; in diesem Sinne sind j. B. die Postverwaltungen des Reichs und der Bundes­ staaten Hilfspersonen des Handels, ohne daß sie als Kauf­ leute angesehen werden, noch auch bei der von ihnen bewirkten Güterbeförderung nach Handels­ recht zu beurteilen sind. HGB. §§. 452, 663. Über die Stellung

der Reichs- und Staatspostanftalten s. auch oben §. 12 S. 75. DaS Gleiche gilt von den öffent­ lichen Telegraphen- und Fern­

aus der ihrem

Unterstützung

ein

eigenes

sprechanstalten; im gewissen Sinne sind auch Gerichte und Notare Hilfspersonen des Handels, z. B. erstere, wenn sie die in einem bestimmten Falle lHGB. §. 196) vorgeschriebene Generalversammlung von Aktio­ nären berufen und leiten, und die Notare, wenn sie Be­ urkundungen von Beschlüffen einer Generalversammlung vor­ nehmen (HGB. §. 259). 2 HGB. §§. 425-452. 8 HGB. §§. 453-473. 4 HGB. §§. 383-406. 6 HGB. §§. 407-415. 6 HGB. §§. 416 -424. 7 HGB. §§. 84-92. 8 HGB. §§. 93-104. So nennt das BörsenG. v. 22. Juni 1896 (§. 32) die Kursmakler „Hilfspersonen".

128

Kap. II.

Gewerbe

und

Die Personen im Handelsrecht.

sind

daher

selbst

Kaufleute

(Prinzipale),

deren Geschäfte bett Gegenstand besonderer Darstellung in

dem Kapitel über Handelsgeschäfte bilden müssen (f. unten

§§. 51—58, 60, 63). Im Gegensatze

zu

den

genannten

Hilfspersonen des

Handels, welche die angeführten Hilfsgewerbe als Prin­

zipale betreibm, stehen die Hilfspersonen, welche Gewerbs­

gehilfen sind und sich im Dienste des Handelsgewerbs eines Prinzipals als dessen Handlungsgehülfen oder Gewerbs-

gehülfen im weitesten Sinne angestellt befinden. II. Diese letzteren, die Handlungsgehülfen im weitesten Sinne,

kann man nach der Art der zu leisttnben Dienste

unterscheiden in folgende Kategorieen: 1. wissenschaftlich (akademisch) Gebildete, deren Dienste in

einem,

leitenden,

nach

wiffenschaftlichen Ermessen

eigenem

Arbeiten

bestehen, so

arbeiten

Juristen

sich und

Nationalökonomen als Direkwren, Syndici oder Konsulenten von Handelsgesellschaften, so forschen gelehrte Chemiker im Dienste von Farbenfabriken u. f. ro.;

2. technische

Gehülfen,

deren Dienste zwar nicht im

freien wiffenschaftlichen Forschen und Studieren, Begutachten u. dgl.

bestehen,

wohl

aber doch eine gewiffe technische

Vorbildung voraussetzen: es gehören hierher die Gehülfen der chemischen Technik und der mechanischen Technik, sowie

die der chemisch-mechanischen Handwerke;

3.

kaufmännische Gehülfen,

deren Dienste

merkantil­

technischer Art sind und eine mehr oder weniger weitgehende

kaufmännische Bildung voraussetzen, mag dieselbe nun vorherrschend in Warenkunde und der ihr entsprechenden Be­

dürfniskunde, Kundschaktskunde, oder mag sie in der Kennt-

Aon den Hilssprrsonen des Handels im allgem. §. 20. 129

nis der Buchführung und der Fähigkeit der Korrespondenz oder der Kafseführung oder dergl. bestehen; wegen dieser not­ wendigen Vorbildung ist thatsächlich die Ausfüllung einer

gereiften Lehrzeit erforderlich, und so kommt es, daß in

diese Kategorie nicht bloß die Angestellten, welche sich im

Dienste

eines

Handelsgereerbs

zur

Leistung

merkantil­

technischer Arbeiten („kaufmännischer Dienste") gegen Ent­ gelt verpflichten,

sondem auch diejenigen gehören,

welche

kaufmännische Dienste erst lernen, Handlungslehrlinge; 4. Gesindedienste, welche ohne irgend welche merkantile

Vorbildung geleistet werden können und in rein mechanischen Arbeiten, wie die der Hausknechte, Kutscher, Ausgeher u. dergl., bestehen?) Handelsrechtliche Normen eigener Art bestehen

nur für die dritte der aufgezählten Kategorieen?) hievon

sowie von dm Rechtsverhältnissen der Handlungslehrlinge wird im nächstfolgenden Paragraphm (unten

§. 21) ge­

sprochen.

III. Die Hilfe, welche dem Prinzipal von Hilfspersonm im Handel geleistet wird, kann in einer Einwirkung auf

Sachen oder auf Personen bestehen;

eine Hilfeleistung, die

in Einwirkungen auf eine Person besteht, ist in jedem Falle eine Art von Stellvertretung im weitesten Sinne, nämlich in dem Sinne, in welchem Stellvertreter des Prinzipals

jedermann

ist, der seinen Willen brüten Personen gegen­

über mit der Rechtswirkung geltend machm kann, als habe 'Dgl. HGB. v. 1861 Art. 65; HGB- S- 83 u. hiezu GareiS, pGB- S. 89; eins®, zum BGB. Art. 95 in allen drei AbGareis, Handelsrecht.

6. Aufl.

sätzen: Gefindeordnungen und BGB. im Verhältnis zu einander. 8 HGB. §§. 59—83. 9

130

Kap. IL

der Prinzipal geäußert.

selbst

Die Personen im Handelsrecht.

seinen

Willen in

Die Stellvertretung

gleicher Richtung

im weitesten Sinne um­

faßt «) die Repräsentation des Prinzipals in einseitigen

Handlungen, in Dispositionen über Sachen des Prinzipals (z. B. in der Vornahme chemischer Mischungen, Magazi­ nierung, Handlungen, wie sie z. B. §§. 418, 419 des HGB.

vorsehen) und gegenüber dritten, welche zu letzterem in einem vertragsmäßigen Verhältnis stehen, sowie solchen Personen gegenüber, welche ohne solches Vertragsverhältnis sich in Widerspmch setzen mit rechtlich anerkannten Interessen des

Prinzipals, welche der Bedienstete oder sonstige Stellver­ treter zu vertreten hat?)

Eine solche Stellvertretung umfaßt

1 In diesem Sinne vertritt den Prinzipal z. B- ein Buch­ halter, ein Werkmeister oder Schichtmeister, dem der Prinzipal Lehrlinge behufs Anleitung überwerst und unterstellt; ein Ver­ hältnis, an welches in Sah 2 des Abs. 1 des §. 81 des HGB. gedacht ist; es vertritt in diesem Sinne den Prinzipal ein Fabrik­ ausseher, welcher einem unberufen die Fabrikräume Betretenden gegenüber das Hausrccht des Prinzipals wahrt; in eben diesem Sinne ist Stellvertreter des Prinzipals der sog. Besitzdiener oder prokuratorische Detentor, welcher die thatsächliche Gewalt über eine Sache für den Prinzipal in dessen Erwerbsaeschäst im Sinne des BGB. §. 855 aus­ übt; vgl. auch die ausdrückliche Vorschrift des BGB. §. 860. Die Wahrung der Interessen des Prinzipals mittels autori­ tativen Auftretens eines Re­

präsentanten in diesen oder ähnlichen Fällen ist unzweifel­ haft eine Stellvertretung, ihre Hauptwirkung äußert sie da, wo dievertragSmäßigbindendeHausordnung oder das vertragsmäßig zu wahrende Gesamtinteresse des Etablissements einerseits ein Bcfehlsrecht des Repräsentanten und andererseits eine Sub­ ordination des übrigen Personals oder eines Teils desselben zur Folge hat; solches liegt vor im Rechte des Schiffsbesehls sowohl den Reisenden gegenüber (s. HGB. §. 665), als auch der Schiffs­ mannschaft gegenüber: s. Seemannsordnung v. 27. Dez. 1872 §§. 72, 79 it. a. Eine solche Gewalt und Stellvertretung setzt das RGes., betr. die Verbindlich­ keit zum Schadensersätze für die bei dem Betriebe von Eisen­ bahnen, Bergwerken u. s. w. herbeigeführten Tötungen und Körperverletzungen (v. 7. Juni

Von den Hilfspersonen des Handels im allgem.

aber

g. 20.

131

fl) auch die juristische Vertretung, nämlich die Ver­

tretung inRechtsgeschäften/) d. h. bei Abgabe oder An­

nahme von einer oder mehrerer Willenserklärungen (im Sinne

des BGB. §§. 116 ff.), durch deren Inhalt die eintretende Rechtsfolge zunächst bestimmt wird, mithin, in echten oder eigentlichen

Rechtsgeschäften*),

wie

sie

die

„Ver­

tretung" im Sinne des BGB. (§. 164) im Auge hat.

Auf der Grenze zwischen jener sog. thatsächlichen Stell­ vertretung («) und dieser juristischen, nämlich rechtsgeschäft­

lichen Stellvertretung (/?) steht die

Vertretung in solchen

Handlungen, bei denen die Rechtsfolge nicht oder wenigstens

nicht

in erster

Linie von

dem

Inhalte

einer

Willens­

erklärung bestimmt wird oder davon abhängt, sondern von

der in erster Linie ins Auge gefaßten Herstellung eines rein thatsächlichen Zustandes, deffen Erzielung als das Wesent-

liche betrachtet wird (sogen. Realgeschäfte)?) 1871), in seinem §. 2 voraus: wenn dort von einem „Bevoll­ mächtigten oder Repräsentanten oder einer zur Leitung oder Be­ aufsichtigung des Betriebes oder der Arbeiter angenommenen Person" die Rede ist, so ist darunter keineswegs ein zur juristischen Stellvertretung in Rechtsgeschäften berufener Ver­ treter zu verstehen, aber ein Stellvertreter im Befehlsrecht oder in der Aufsicht, und ebenso verhält es sich mit dem Begriff Vertreter des Prinzipals im HGB. §. 72 Abs. 1 Nr. 4; s. unten §. 21 S. 142 Anm. 2. 1 Über den Begriff Rechts­ geschäft nach dem BGB. s. !

Fischer-Henle,BGB.(2.Aufl.) S. 45 ff. 2 Als Beispiele hiefür nennt Fischer-Henle BGB. S.45: einseitigen Erwerb des Besitzes (§. 854), Verarbeitung (§. 950), Aneignung (§. 958), Fund (§. 965), Dereliktion von Fahrniß (§. 959). Eine Stell­

vertretung, nämlich mittels Vor­ nahme der die thatsächliche Wirkung erzeugenden Handlung für einen Geschäftsherrn, ist auch bei allen diesen auf der Grenze zwischen den eigentlichen Rechtsgeschäften und den sog. thatsächlichen Dispositionen eben­ so wie bei den rechts und links von dieser Grenze liegenden Vor­ gängen möglich.

132

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

in (eigentlichen) Rechtsgeschäften

Die Vertretung

die ihr charakteristische

hat

nämlich daß die (aus­

Wirkung,

drücklich oder nicht ausdrücklich) im Namm des Vertretmm abgegebene Willenserklärung

unmittelbar

dm Vertretenen wirkt, nur dann, erklärung Abgebende innerhalb

tretungsmacht

diese

für und

gegm

wenn der diese Willens­

der ihm zustehmdm Ver»

Erklärung

öbgiebt;1)

die Ver-

tretungsmacht ist aber entweder der Ausfluß eines Rechts­

geschäfts — der Vollmacht — oder einer sie unmittel­ bar erzmgmden gesetzlichm Bestimmung, kraft welcher ein

sog. „gesetzlicher Vertreter" für den Vertretenen, diesen berechtigend

und verpflichtend, zu handeln

hat; zwischen

der bloß durch Rechtsgeschäft begründetm Vertretungsmacht, also der Bevollmächtigung, wie sie z. B. dem Prokuristen

oder S.

dem

158)

„Handlungsbevollmächtigten" (s.

begrifflich

zu

dem Gesetz beruhenden

teil

wird,

und

unten

der

§. 22

bloß auf

„gesetzlichm Vertreterschaft",

wie

sie z. B. dem Vater kraft der elterlichen Gewalt oder dem Vormunde für den Mündel gesetzlich zukommt,2)3 aber auch

dm nicht durch Vertrag berufenen Vertretern von juristischen Personm und Stiftungen nach dem Gesetze zusteht,^) kann

man sich einen mittleren Fall oder eine Kombination denken;

die Dertretungsbefugnis der zur Vertretung von Handels­

gesellschaften^) nach dem Gesetze berufenen Personen, welche durch Vertrag (Gesellschafts- 5) oder Dienstvertrag) §) 1 BGB. §. 164. ! 4 Über diesen Begriff s. unten 2 S. oben §. 12 V S. 80 ff. §. 28 S. 169. die gesetzliche Vertretung des i 6 BGB. §. 705. HGB. §§. 105 minderjährigen Kaufmanns. Im I thiezn Gareis, HGB. Dor­ übrigen vgl.: BGB. §§. 1630,1 bemertungS.106,107), 162,182. 1684, 1793 ff., 1915. ; 6 BGB. §§. 611 ff., 675. 3 BGB. §§. 26, 30, 86. I

133

Don den Hilfspersonen des Handels im allgem. g. 2V.

in die Stellung gelangt sind,

die

Vertretungsbefugnis

als

an welche dann das Gesetz

Vertretungsmacht

gesetzliche

knüpft; hievon unten §. 24 II Seite 178.

IV.

eigentlichen

Die zur

juristischen

Stellvertretung,

nämlich zur „Vertretung" des Prinzipals in Rechts­ geschäften (s. oben III ß Seite 131) nicht durch das

Gesetz, sondern durch Rechtsgeschäft, nämlich durch Erteilung

der Vollmacht/) berufenen Personen heißen, wenn sie zum Betriebe eines Handelsgewerbes

oder zur Vornahme einer

bestimmten zu einem Handelsgewerbe

gehörenden Art von

Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handels­ gewerbe gehörigen Geschäfte ermächtigt sind, Handlungs­

Dies Wort in

bevollmächtigte.

liegenden

umfasienden

Prokuristen zeichnen , nicht,

Prokurist

s.

(hievon

in

denn

Sinne

einem

unten

dem sprachlich

§.

22

I

S.

158)

den

be­

engeren und technischen Sinne aber

im Sprachgebrauche des

neben

nahe­

verstanden, muß auch

Gesetzes

wird

der

dem Handlungsbevollmächtigten koordi­

niert genannt. Die Erteilung

einer Handlungsvollmacht (im weiteren

Sinne) und die Anstellung

im Dienste eines Kaufmanns

als Handlungsgehülfe müssen keineswegs stets verbunden, noch

auch stets getrennt sein;

es sind

vielmehr dreierlei

Fälle denkbar: a) Es ist jemand im Handelsgewerbe eines Kaufmanns (Prinzipals)

zur

Leistung

kaufmännischer

Dimste

gegen

* Bei Fischer-Henle BGB. , als ein einseitiges empfangsS. 81 Anm. ** wird die Voll- ! bedürftiges Rechtsgeschäft (s. macht (soll wohl heißen: die Er- ! Fischer-Henle a. a. O. S. 45 teilung der Vollmacht, wie sich Anm. *) bezeichnet, auch §. 167 des BGB. ausdrückt)

134

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Entgelt angestellt — also Handlungsgehülfe — und zur Vornahme von zum Handelsgewerbe gehörigm Geschäften —

in den oben angeführten engeren oder weiteren Umfängen — ermächtigt, also zur Vertretung des Kaufmanns (Geschäfts­ herrn) bevollmächtigt, Handlungsbevollmächtigter?)

b) Es ist jemand im Handelsgewerbe eines Kaufmanns (Prinzipals) zur Leistung kaufmännischer Dimste gegen Ent­ gelt angestellt — also Handlungsgehülfe —, jedoch nicht

zur

Vertretung

also

ermächtigt,

nicht Handlungsbevoll­

mächtigter.

c) Es

ist

jemand

weiteren Umfange mächtigter ,

zur Vertretung

ermächtigt



also

im

engeren oder

Handlungsbevoll­

aber nicht im Handelsgewerbe des Geschäfts­

herrn als Handlungsgehülfe angestellt, also nicht Handlungs­ gehülfe.

Das zuletzt erwähnte Verhältnis liegt z. B. vor, wenn ein Kaufmann seiner Ehefrau Vertretungsbefugnis erteilt,

eine Handelsfrau (s. oben §. 12 IV Seite 76ff.)' ihrem Manne Prokura giebt, ein Handeltreibender für die Zeit

seiner Erholungsreise seinen Sohn oder Freund mit einer Prokura ausrüstet, oder wenn er ebenso vorübergehend etwa einen bloß im Gesindeverhältnis (s. oben §. 20 n 4 S. 129) zu

ihm stehenden Markthelfer

macht versieht;

mit einer Handlungsvoll­

dasselbe ist der Fall, wenn

etwa ein mit

dem Geschäftsherrn befreundeter selbständiger Kaufmann eine Vertretung desselben übernimmt.

In allen diesen Fällen

(c) fallen die unter dm geschilderten besonderen Umständen

bwollmächtigten

Personen

nicht

unter

den

Begriff

1 Vgl. z. B. den im HGB. §. 56 geregelten Fall.

der

Handlungsgehülfen (s. oben II 3 Seite 128 f. und unten §. 21), denn sie sind sämtlich nicht durch einen auf ent­ geltliche Leistung von kaufmännischen Diensten gerichteten handelsrechtlichen Dienstvertrag in das Geschäft desjenigen, den sie vertreten können oder wollen, ausgenommen; sie können aber zum vertretungsbedürftigen Kaufmanne in einem bestimmten, auf die mit der Vertretung zu leistenden Arbeit bezüglichen besonderen Rechtsverhältnisie stehen, z. B. einem Auftragsverhältnifse^) einem beliebigen Dienstverhältnisse,?) einem Werkverträge,8) einer Gesellschaft,^) irgend einem Geschäftsbesorgungsverhältnisie,^) und dieses zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten bestehende Rechts­ verhältnis ist scharf zu trennen von dem Vollmachtsverhältniffe, dessen Inhalt — der Umfang der Vollmacht — von dem Inhalte des bestehenden Dienst- oder Auftrags­ oder dgl. Schuldverhältnisies keineswegs notwendig oder vollständig abhängt. Eben dieses gilt aber auch von dem unter a voran­ gestellten ersten Falle: auch in diesem Falle ist das Hand­ lungsvollmachtsverhältnis etwas anderes als das Handlungs­ dienstverhältnis; es kann sein, daß die Vollmacht — dritten gegenüber wenigstens — zu einem bestimmtenGeschäftsabschlufse berechtigt, welchen der Prinzipal in concreto dienstlich ver­ boten hat,o) und es kann sein, daß das Vollmachtsverhältnis, auf dem die Vertretungsmacht beruht, beendigt ist, obwohl das vielleicht gleichzeitig mit dem Vollmachtsverhältnis 1 BGB. §. 662. 2 BGB. §. 611. 3 BGB. §. 631.

I I

4 BGB. §§. 705, 709, 710. 6 BGB. §. 675. 6 Vgl. HGB. §. 50.

Kap. II.

136

Die Personen im Handelsrecht.

begründete Dienstverhältnis

noch

von dem

fortbesteht; *)

letzteren wird in §. 21, von dem ersteren in §. 22 ge­

sprochen?) V. Die Namen,

Bezeichnung männischen

der

in

welche im gewöhnlichen Leben zur

Handelsgewerben

Hilfspersonen,

Vertretungsmacht

sowie

ausgestatteten

mit

Angestellten

angestellten verwendet werden, lasten

kauf­

Angestellten

der

merkantiler

oder

Nicht-

in der Regel nicht

erkennen, ob der mit dem Namen Bezeichnete der einen oder der anderen Kategorie angehört, zu welchen Diensten er berufen sei, und, wenn er eine Vertretungsmacht hat,

wie weit sie reiche, ja, es kommen im kommerziellen Ver­ kehr Titel vor, denen häufig nicht zu entnehmen ist, ob die

ihn Führenden zur juristischen Vertretung der Firma oder nur zu ganz mechanischen Diensten angestellt sind.

So sind

Direktor, Disponent, Kommis, Kassierer, Geschäftsreisender der Firma, Cargadeur, ja selbst der Lehrling: Handlungs­ bevollmächtigte, nämlich wenn und soweit sie als ermächtigt

gelten, Rechtsgeschäfte für den Prinzipal abzuschließen, z. B. Verkäufe; dagegen sind der Buchhalter, der Korrespondent, der Markthelfer, der Küfer,

auch der Kommis und der

Lehrling keine Handlungsbevollmächtigten, sondern Hand­ lungsgehülfen, nämlich wenn und soweit sie nur zur Vor­

nahme kommerziell-technischer Dienstleistungen,

nicht

zur

juristischen Vertretung der Firma beauftragt und ermächtigt

sind.

Die rechtlichere Folgen

der einen und der anderen

1 Vgl. HGB. §§. 52, 66. Rechtsverhältnisse klar waren, a Das HGB. v. 1861 hatte, doch nicht ganz scharf das zu obgleich sich seine Verfasser über Trennende getrennt; s. Gareis, den Unterschied der beiden je- HGB. S. 62—63. weilig auseinander zu haltenden

Von den Hilsspersonen des Handels im allgem.

Stellung ergeben

sich

aus

den

Erörtemngen

20. 137

der beiden

folgendm, hierdurch unterschiedenen Paragraphen.

Die Unsicherheit, welche aus dem Mangel feststehender

Namm und Bezeichnungm der einzelnm Arten von An-

gestellten im Handel für das Publikum entspringt, wird durch das dmtsche Handelsrecht *) thunlichst durch folgende Bestimmungen beseitigt:

1.

durch die Schaffung des Rechtsbegriffs der Prokura einer

als

weitgehenden

und

nach

außen

zu

un-

beschränkbarm Handlungsvollmacht (f. §. 22 I);

2.

durch

gesetzliche

die

Umgrmzung

der Vertretungs­

befugnis der Korrespondent-Reeder?) und der Schiffer?) (Schiffsführer);

3.

durch

die

Unterscheidung

Handlungsvollmachten stattung

übrigen

der

Arten

von

durch deren inhaltliche Aus­

mittels Bezugnahme auf das im Verkehr

übliche („Gewöhnliche")

und durch deren Abmarkung

gegenüber den eine besondere Ermächtigung fordernden Rechtshandlungen;4)

4.

durch die Einreihung der „Handlungsreisendm" unter die

„Handlungsbevollmächtigten"

mit

der

näheren

Angabe, daß dieselben insbesondere für ermächtigt gelten,6)

den

geschlossenen

Kaufpreis

aus

den

von

ihnm

ab­

Verkäufen einzuziehm und dafür Zah-

«HGB. §. 54, s. unten §.2211. 1 Schon durch das HGB. v.! 6 HÄB. §. 55. Diese Be­ 1861, besser noch durch das vom 10. Mai 1897. stimmung ist auf „Stad tretende * 2HGB.8.493, s. unten 8-110. nicht anwendbar. RGer. Bd. 6 *114 526 ff' *’ Unkn S. 83.

138

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

lungsfristen zu bewilligen, sowie die Erklärung von Dispositionsstellung entgegenzunehmen;2) 5.

durch die Rechtsvermutung, daß, wer in einem Laden

oder offenen Warenlager angestellt ist, für ermächtigt gilt zu Verkäufen

und Empfangnahmen,

welche in

einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen?) §. 21.

von den Haudlungsgehülsen.

I. Handlungsgehülfen im weiteren Sinne sind alle die­

jenigen Personen, welche sich in einer merkantil-dienstlichen

Stellung

im

Handelsgewerbe

eines

Prinzipals

befinden

(s. oben §. 20 I am Ende und ebenda II 3); nach dem Zweck

dieser dienstlichen Stellung sind zu unterscheiden die Hand­ lungsgehülfen

im engeren Sinne und die Handlungslehr­

linge.

Die Handlungsgehülfen jenigen Personen,

im

engeren

Sinne

sind die­

gleichviel ob männlichen oder weiblichen

Geschlechts, welche sich

im Dienste eines Handelsgewerbes

zum Zwecke der Leistung merkantil-technischer Arbeit gegen Entgelt angestellt befinden?) Die Grundlage des

rechtlichen

Verhältniffes

zwischen

diesen Personen und dem Prinzipal ist der Dienstvertrag 'HGB. 8.55Abs.3. Gareis, I betreffenden sechsten Abschnitts Das Stellen zur Disposition des ersten Buches des HGB. (1870) S. 90—92 und Gareis, (1. Januar 1898) mit Ausnahme des HGB. §. 65 s. EinfG. zum HGB. (1898) S. 70. 2 ..HGB. §. 56. tGB. Art. 1 Abs. 2; vgl. oben 3 Uber das Inkrafttreten des . 29,1 und S. 31 Anm., ferner die Rechtsverhältnisse der Hand­ S. 146 Anm. 2 und S. 154 V. lungsgehülfen und -lehrlinge

im Sinne des bürgerlichen Rechts, *) dessen gesetzliche Regelung — in ihrem zwingenden, wie in ihrem dispositiven Teile — im allgemeinen, d. h. soweit nicht besondere Normen handelsgesetzlich maßgebend oder vereinbart sind, auch für die Dienstverhältnisse der Handlungsgehülfen maß­ gebend ist. Mr den Abschluß des Dienstvertrags ist keine besondere Form vorgeschrieben, er ist für den Prinzipal unzweifelhaft ein Handelsgeschäft?) Auch Kaufleute minderen Rechts können Handlungsgehülfen anstellen. II. Die Pflichten des Handlungsgehülfen, denen selbstverständlich die Rechte des Prinzipals entsprechen, ergeben sich in erster Linie aus dem ab­ geschlossenen, — möglicherweise in einer, vom Prinzipal aufgestellten und vom Gehülfen als lex contractus an­ genommenen , Geschäfts- oder Hausordnung zum Ausdruck gelangten, — giltigen Vertrage, sodann aus dem Handels­ rechte und endlich aus dem allgemeinen bürgerlichen Rechte;4) im einzelnen bestehen sie in folgenden Verbindlichkeiten: 1. Der Handlungsgehülfe hat die vereinbarten merkan­ tilen Dienste und, soweit nicht besondere Vereinbamngen 1 BGB. §§. 611-630. : (Leipzig 1894) S. 109, 903, nach 8 HGB. §. 343. ! dem Rechte der Jnvaliditäts8 Die öffentlich-rechtlichen sowie u. Altersversicherung s. R.Weyl die aus bem allgemeinen bürger-! ebenda S. 622. Wegen Richtlichen Rechte sich ergebenden j anrechnung der..Rente s. HGB. Pflichten der HandlungSgehülfen ' §. 63 Abs. 2. Über die Haftu Haftung gehören selbstverständlich nicht der HandlungSgehülfen aus unin die Darstellung des Handels- erlaubten Handlungen entscheidet rechts; über die beschränkte Der- selbstverständlich daS allg. bürger­ sicherungspflicht der Handlungs- liche Recht. Vgl. aber auch unten gehülfen (und-lehrlinge) nach dem Anm. 2 S. 144 zu §. 21 III. Rechte der Krankenversicherung 4 EinfG. zu HGB. Art. 2 siehe übrigens R. Weyl, Lehr- Abs. 1. buch d. Reichsversicherungsrecyts

Kap. IL

140 über

die

Art

und

Die Personen im Handelsrecht. den

Umfang

seiner Dienstleistungen

getroffen sind, die dem Ortsgebrauche entsprechenden Dienste, und sofern auch der Ortsgebrauch schweigt, die den Umständen

nach angemessenen, vom Richter nötigenfalls an der Hand von Sachverständigen-Gutachten

als angemessen festzustellenden

Dienste zu leisten;1) in Zweifelsfällen entscheidet die Verkehrsauffaffung darüber, was unter kaufmännischen Diensten

zu verstehen sei; darauf, ob dem Angestellten eine Ver­ tretungsmacht 2) zusteht oder nicht, kommt es nicht an: der Handlungsgehülfe kann Prokura oder eine andere Art von

Handlungsvollmacht haben, und in den meisten Fällen sind die Prokuristen und

(sonstigen) Handlungsbevollmächtigten

in der That Handlungsgehülfen, d. Geschäftsherrn

h. im Gewerbe des

als Bedienstete zur Vornahme merkantiler

Arbeit angestellt, aber notwendig ist weder das eine, noch das andere: es giebt Prokuristen und (andere) Handlungs­

bevollmächtigte,

welche nicht im Gewerbe des Geschäfts­

Arbeit angestellt sind, und um­

herrn zu kaufmännischer

gekehrt : es giebt zahllose Handlungsgehülfen (z. B. Konto­ risten),

welche

Vertretungsmacht

keinerlei

besitzen;

aber

kaufmännische Dienste müssen es sein, zu deren Leistung der Handlungsgehülfe, sein

muß;

technischen

die

um ein solcher zu sein, angestellt

Dienste

Personals, 3)

des

chemisch-

ferner

die

der

oder

sog.

mechanisch­

Gewerbe-

so wenig wie die künstlerischen Arbeiten der in kunstgewerblichen Anstalten angestellten Maler, 3 So sind die Dienste, welche Zeichnerund Bildhauer (s. RGes. Chemiker, Ingenieure oder betr. den Schutz der Muster und Maschinentechniker in einem ; Modelle v. 11. Januar 1876 Handelsetablissement, in dem sie H. 2 u. vgl. oben §. 19 S. 124) angestellt sind, zu leisten haben, j kaufmännisch; vgl. ROHG. Bd. 9.

Von den Handlungsgehülfen,

g. 21.

141

gehülfm/) z. B. tm be- und verarbeitenden Handwerk, sowie die des Gesindes9) sind keine kaufmännischm Dienste, die hiezu gehörenden Personen sind also keine Handlungsgehülfen. Aber der Umstand, daß ein in einem kaufmännischm Eta­ blissement — und sei es auch nur das eines formellen Handelsgewerbesb) — Angestellter außer seinen kaufmännischen Dienstm nebenbei noch andere, z. B. gewisse technische Arbeitm zur Erhaltung leicht verderblicher Waren' erforder­ liche, zu verrichten hat, schließt den Begriff Handlungs­ gehülfe nicht aus/) und andererseits, wie folgeweise, kann sich ein Handlungsgehülfe nicht etwa unter Berufung auf seine Eigenschaft als Handlungsgehülfe weigern, solche zwar nicht rein kaufmännische, aber doch unmittelbar mit dem

S. 306, Bd. 11 S. 387, Bd. 17 S. 307, Bd. 18 S. 232, Bd. 21 S. 18 u. a.; für den Dienst­ vertrag dieser Angestellten ist regelmäßig BGB. §§. 611-630 maßgebend. 1 Diese, aber nicht die Handlungsgehülsen unterstehen der Gerichtsbarkeit des Gewerbeaerichts in ihren gewerblichen Streitigkeiten, ö. RGes. betr. die Gewerbegerichte v. 29. Juli 1890 §§. 1 ff. Köche u. Kellner von Restaurants und Gasthöfen sind regelmäßig keine Handlungsaehülfen. S. ROHG. Bd. 7 S. 300, Bd. 24 S. 270, RGer. Bd. 1 S. 268. 9 Für das Gesinde, auch das des Kaufmanns, gilt Gesinderecht. S. HGB. §. 83. tzinfG. zum BGB- Art. 95.

8 ^GB^ §. 2.

! , , i , I

' j ,

S. oben §. 8

Denkschrift S. 3167). — Treibt ein Land- oder Forstwirt ein kaufmännisches Nebengewerbe, dessen Firma gemäß HGB. §. 3 Abs. 2 in das Handelsregister eingetragen ist, so find dre in diesem Nebengewerbe Angestellten deshalb allein keineswegs schon Handlungsgehilfen, selbst wenn sie neben ihren landwirtschaft­ lichen oder technischen Diensten nebenbei auch Arbeiten für das kommerzialisierte Nebengewerbe fz. B. Gutsinspektoren dre Kor­ respondenz) besorgen — ent­ scheidend muß, wie in dem oben angedeuteten umgekehrten Falle, die Hauptbeschäftigung, die Hauptberufsaufgabe des Ange­ stellten sein.

142

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Absatz der Waren zusammenhängende,

Dienstverhältnisses (nach Ortsgebrauch Arbeiten

auszuführen.

Handlungsgehülfen,



im Rahmen seines u. s. w.)

Beharrliche

Dienstverpflichtungen

seinen

gelegene

Weigerung

eines

nachzu­

kommen, können den Prinzipal unter Umständen zur sofor­ tigen Entlassung berechtigen?)

Zu den gewöhnlichen kauf­

männischen Diensten gehört Buchführung,

Korrespondenz,

Kasseführung, Magazinverwaltung u. dgl., aber auch die geschäftliche Bedienung des Publikums im offenen Laden,

auch das Abschließen von Geschäften für den Prinzipal und auch das Aufsuchen der Gelegenheit, Geschäfte abzuschließen,

oder das Vermitteln derselben (d. i. das Zusammenbringen von Vetragsbedürstigen, die dann abschließen können). 2.

Jeder Handlungsgehülfe ist seinem Prinzipal und

dessen Vertreter1 2)3 gegenüber zu anständigem Benehmen ver­ pflichtet, selbstverständlich schon nach dem allgemeinen bürger­

lichen Recht, aber

mit der handelsrechtlichen Besonderheit,

daß Vertrauensmißbrauch, die Untreue im Dienst und nicht ganz unbedeutende

lungsgehülfe

gegen

Ehrverletzungen, deren sich der Hand­ den

Prinzipal

oder

dessen

Vertreter

schuldig macht, den Dienstherrn regelmäßig zur sofortigen Entlassung des Handlungsgehülfen berechtigen können?) 3. Der Handlungsgehülfe hat sich des Betriebs eines

eigenen Handelsgewerbes,

sowie des Geschäftemachens

im

Handelszweige des Prinzipals (ohne dessen Einwilligung) — bei Meidung der Schudensersatzpflicht u. s. w., möglicher-

1 HGB. §. 72 Abs. 1 Nr. 2 n. 3.

8 Uber diesen Begriff f. oben §. 20 III u. Anm. 1 S. 130. 3 HGB. §. 72 Nr. 4.

Bon den Handlungsgehülfen,

g. 21.

143

weise auch sofortiger Entlassung — zu enthalten/) hievon

wurde oben §. 14 Seite 88 gesprochen.

4. Der Handlungsgehülfe muß im Dienste, welchen er übernommen hat, während der vertragsmäßigm Dauer des­

selben

oder

ausharren/) auch

treu

anzunehmenden

gesetzlich

während

der verabredeten

Verlängerung

derselben/)

unbeschadet der gesetzlichen oder vertragsmäßigm Kündbar­ keit^)

und auch unbeschadet des in besonderm Ausnahme-

fällm bestehmdm Rechts, den Dimst sofort zu verlassen?) Über das Recht der Kündigung s. unten IV Seite 152.

5. Er

hat

aber auf Verlangen des Prinzipals den

Dienst sofort zu verlassen, wenn der letztere aus einem ihn hiezu berechtigenden Grunde,8 * )* wofür das Gesetz — nicht

bindende — Beispiele aufstellt,') das Dienstverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist kündigt. 6. Den Handlungsgehülfm trifft eine besonders aus­

gesprochene Schadensersatzpflicht für dm Fall, daß er durch Hervorragmd

rechts-

und

insbesondere

vertragswidriges

Benehmm den Prinzipal zur objektiv berechtigtm sofortigen

Entlassung veranlaßte?)

7. Der Handlungsgehülfe hat die in Bezug auf seine gewerbliche Thätigkeit

nach

* HGB. §§. 60, 61, 174. - HGB. |. 72 Abs.„ 1 Nr. 2. . 8 BGB. §. 625. Überhaupt . finden die Vorschriften des BGB^ über den Dienstvertrag auch auf j Handlungsgehülsen Anwendung, \ soweit nicht das Spezialrecht \ des Handels ihnen derogiert. ' 4 HGB. §§. 66-69. 1 6 HGB. §§. 70, 71, 75. '

der Beendigung des Dimst-

8 HGB. §. 70. 1 HGB. §. 72; des Richterspruches bedarf es hiezu nicht von vornherein (s. GareiS, HGB. Anm. 2 zu §. 70 S. 81—82), — anders in Fällen des §. 117. 8 HGB. §. 70 Abs. 2. BGB. §. 628 Abs. 2, mit BGB. §8. 249 ff.

Kap. II.

144

Tie Personen im Handelsrecht.

Verhältnisses übernommene Verpflichtung, sich gewisser Kon-

kurrenzunternehrnungen und dgl. zu enthalten,') zu erfüllen,

sofern sie gesetzlich zulässig ist,2) und insbesondere eventuell die für den Fall

der

Nichterfüllung versprochene Strafe

zu leisten;8) jedoch kommt ihm hiebei zu gute, daß mit der

Leistung der Strafe der Anspruch auf Erfüllung der Ver­

pflichtung, sowie der Ersatz weiteren Schadens ausgeschlossm

ist,4) daß auch das richterliche Strafherabsetzungsrecht besteht6) und diese Privilegien nicht durch Vertrag beseitigt werden sönnen.6)

III. Die Pflichten des Prinzipals, deren Inhalt

sich selbstverständlich deckt mit den entsprechenden Rechten des Handlungsgehülfen, ergeben sich ebenso wie die oben II Seite 139) in

erster

dem den gesetzlichen Zwangsvorschriften

nicht

des Handlungsgehülfen (s.

Linie

aus

widersprechenden Vertrage (s. oben Seite 138), sodann aus dem

Handelsrechte

und

schließlich

aus

dem

allgemeinen

bürgerlichen Rechte; handelsgesetzlich7) treffen den Prinzipal

folgende Verbindlichkeiten:

88 (HGB. 8- 74). Uber Ge­ schäftsgeheimnisse und deren Be­ wahrung durch Handlungs«Ilsen s. Gareis in Bl. f. ^nw^1896^auch oben S. 119 f. HGB. §. 74 Abs. 1-3. 8 ^GB. §. 75 Abs. 2. HGB. §. 75 Abs. 2 Sah 2. Berg5. auch" BGB. §. 340 340'im jl. auch im _ Ansätze zu BGB. 8- 341 Abs. 1 8 BGB. §. 343. 6 HGB. 8- 75 Abs. 3. 7 Zn Bezug auf sonstige ge­ setzliche Pflichten des Prinzipals

vgl. entsprechend die Anm. 3 zu oben II S. 139. Hinsichtlich Der Haftung des Prinzipals aus dem Verschulden seines Handlunasgehülsen ist das all­ gemeine bürgerliche Recht maß­ gebend, insbesondere nun BGB. §§. 278, 276, 831 (auch 701-703 Gastwirte), außerdem aber auch besonderes Handelsrecht in den Fällen der 88- 431, 457, 458, 459,606, auch 413 d. HGB. (d. s. Fälle des Land- und See­ frachtrechts) und in Fällen des Hastpflichtgesetzes 88- V 2-

Von den Handlungsgehülfen,

g. 21.

145

1. Der Handlungsgehülfe kann verlangen, vom Prinzipal

persönlich anständig, wenigstens nicht unanständig behandelt

zu werden; würde sich der Prinzipal Thätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen oder unsittliche Zumutungen gegen

dm Handlungsgehülfen (gleichviel ob männlichen oder weiblichm^) Geschlechts) zu Schulden kommm lasten, oder sich

weigem, den Handlungsgehülfm gegen derattige Handlungm

eines andern Angestellten oder eines Familimmitglieds des Prinzipals zu

schützen,

so

würde dies dm Handlungs­

gehülfen in der Regel zum sofortigen Austritte aus dem

Geschäfte berechtigen?) 2. Der Prinzipal ist aber auch zur positiven Sorge für das körperliche und sittliche Wohl seiner Handlungs­

gehülfen verpflichtet,

insofem

er nach der ausdrücklichen

Vorschrift des Gesetzes sowohl die Geschäftsräume, als auch

die für den Geschäftsbetrieb bestimmten Vorrichtungen und

Geräte so einzurichten und zu unterhalten hat, auch den

Geschäftsbetrieb selbst und die Arbeitszeit so zu regeln hat,

daß der Handlungsgehülfe gegen Gefährdung seiner Gesund­

heit möglichst geschützt und die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstands menschlichen Handelns

— diese Regelungsweisen des

namentlich

in Rücksicht auf

das

Geschlecht und das Alter der Angestellten als maßgebmd genommen — gesichert ist; diese social überaus wichtige

Verpflichtung steigert sich noch bei den gebrödetm An­

gestellten, d. h. denjmigm Handlungsgehülfm, welche in

1 Hiezu vgl. auch BGB. §. 825. s HGB. §. 71 mit Anm. 2 u. 3 bei Gareis HGB. S. 82. Gar eis, Handelsrecht. s. Anst. 10

Kap. II.

146

Tie Personen im Handelsrecht.

die häusliche Gemeinschaft ausgenommen worden sind, denn diesen gegenüber hat der Prinzipal auch für gesunde Wohn-

und Schlafräume, paffende Verpflegung, Erholungszeit und wenigstens für die Möglichkeit zu sorgen, daß der Hand­

lungsgehülfe kommen

auch

seinen religiösen Verpflichtungen nach­

Alle

kann.

diese

Verpflichtungen

nicht

können

durch Vertrag im voraus aufgehoben oder beschränkt werden, ihre Nichterfüllung berechtigt den Handlungsgehülfen regel­ mäßig (d. h. sofern nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen), sofort aus dem Dienste auSju»

taten;1)2 hat

für

Leben

die Nichterfüllung

und

Gesundheit

des

der Pflicht

der

Sorge

Handlungsgehülfen

eine

Schädigung des letzteren zur Folge, so ist der Prinzipal schadensersatzpflichtig nach den Regeln des bürgerlichen Rechts über den Ersatz

des

durch

unerlaubte Handlungen ver­

ursachten Schadens.?)

3. Der Prinzipal muß dem Handlungsgehülfen den ihm

nach Verabredung oder Ortsgebrauch oder Gesetz

gemeffm

zukommenden

Entgelt

leisten;3)

als an-

man kann

in

Bezug auf den Entgelt, welcher Handlungsgehülfen zu leisten ist, verschiedene Arten von Handlungsgehülfen unterscheiden. 1 HGB. §§. 62, 71 Nr. 3. 2 HGB. §. „62 mit BGB. §§. 842—846. Uber die Streitfrage wegen des Inkrafttretens dieser Bestimmungen s. v. Specht in d. D. Jur.-Zeitung 1897 Nr. 13 S. 261 u. Gareis, HGB. Anm. 4 zu §. 62 S. 77, auch ebenda Anm. 1 u. 2 zu Art. 1-des YinsG. v. 10. Mai 1897 S. 410 f.; s. auch oben S. 31 Anm. 3 Ist der Handlungsgehülfe

durch unverschuldetes Unglück I an der Leistung der Dienste ver; hindert, und bezieht er für die Zeit dieser Verhinderung Beträge ! auf Grund einer Kranken- oder 1 Unfallversicherung, so braucht er ! sich unter keinen Umständen ' (— auch wenn er es vorher versprachen haben sollte —) diese Beträge auf den Gehalt oder Unterhalt chalt anrechnen zu lassen, die ihm gesetzlich „ , „ , — nach HGB. §. 63 — zukommen.

Von den Handlung-gehülfen.

§. 21.

147

nämlich solche, welche Tantiemen (Anteile am Reingewinn)

und solche, welche Provision (Entgelt für die einzeln ge­

machten Geschäfte, aber ohne Rücksicht auf den Reingewinn)

erhalten (s. unten), in beiden Fällen entweder mit oder

ohne festes Gehalt, ferner solche, die auf festes Gehalt, mit oder ohne Kost und Wohnung, gestellt sind, solche, die nur

Kost und Wohnung vom Prinzipal erhalten, und solche, welche nach Tarifen zu honorieren sind, während diejenigen, welche vollkommen unentgeltlich (etwa als Volontärs, mit sehr verschiedenem Range und Thun) im Geschäfte des

Prinzipals arbeiten, oder nur

ganz

willkürliche Gegen­

leistungen vom Prinzipal für ihre Arbeit im Geschäft er­

halten (etwa nur Neujahrsremunerationen ohne alle Vereinbamng), oder gar selbst an den Prinzipal dafür, daß

sie im Geschäft arbeiten (oder lernen) dürfen, Lehrgeld zahlen, nicht zu den Handlungsgehülfen im Sinne des Gesetzes *) gehören; um den Handlungsgehülfen vor einer

für ihn möglicherweise recht unangenehmen Verzögemng der

Entlohnung zu schützen, schreibt das Gesetz unabänderlich

bindmd vor, daß der Prinzipal das Gehalt am Schluffe jedes (im Dimst verbrachten) Monats zu zahlen hat, und

zwar nicht bloß dann, wenn die Vergütung nach diesem Zeitabschnitte (Monat) bemeffm ist, sondern auch, wenn ein Jahresgehalt vereinbart wurde?)

Die Höhe des Ent­

gelts richtet sich nach der Vereinbarung, eventuell nach dem

Ortsgebrauche und in Ermangelung eines solchen nach der nötigenfalls mittels Sachverständigengutachtens festzustellen1 S. den Wortlaut des HGB. §. 59; f. auch oben S. 134 u. unten (Lehrlinge) S. 154.

2 Vgl. HGB. §. 64 mit dem anderes voraussetzenden BGB. §. 614 Sah 2.

Kap. II.

148

Die Personen im Handelsrecht.

den Angemessenheit.

Die Vereinbarung, daß dem Hand­

lungsgehülfen für Geschäfte, die von ihm abgeschlossen oder öcrmittclt1) werden, eine Provision vom Prinzipal zu zahlen

ist, hat zur Folge, daß einzelne auf den Handlungsagenten be­

zügliche Vorschriften auch auf einen solchen Handlungsgehülfen

anwendbar sind; letzterer kann dann die Provision, wenn nichts anderes vereinbart ist, immer erst fordern, wenn die

im Zweifel am Schlusie eines jeden Kalenderhalbjahrs vor­ hat, und bei dieser

zunehmende Abrechnung stattgefunden

Abrechnung, bei welcher der Handlungsgehülfe auch die Mit­

teilung eines Buchauszugs

über die durch seine Thätigkeit

zustande gekommenen Geschäfte fordern kann, sind nur die­

jenigen

Geschäfte zu berücksichtigen, welche bis dahin zur Verkäufe, die der Handlungs­

Ausführung gelangt sind;

gehülfe vermittelte oder für den Prinzipal abschloß, im

Zweifel erst dann und nur so weit,

Zahlung darauf

eingegangen ist?)

wenn und wieweit

Auch die Höhe der

Provision richtet sich nach der Vereinbarung und in Er­

manglung dieser nach der Ortsüblichkeit; sie richtet sich aber

nicht nach dem wirklichen Gewinne des Prinzipals, denn

sie

ist ein fester Satz, den der Prinzipal auch dann zu

zahlen hat, wenn er aus dem zustande gekommenen Geschäfte keinen Gewinn macht; es wird also ein Handlungsgehülfe

dadurch,

daß Provision

bedungen

ist,

noch

nicht zum

Commis int6ress6; denn letzterer nimmt nur am Gewinn

1 Über diesen Begriff s. unten §. 64 und oben II 1 am Ende. *HGB. 8-68 mit 8.91 Satz 1 auf Grund des §. 65, letzterer tritt erst mit 1. Januar 1900

in Wirksamkeit, s. oben S. 138 Sinnt. 3. Hinsichtlich der Ver­ hinderung der Aussüorung von eingeleiteten Geschäften siehe HGB. §. 88 Abs. 3.

Von den Handlungsgehülfen.

149

8- 21.

Anteil, und dies ist der Fall, wenn dem Handlungsgehülfen

eine Tantieme,

Anteil

ein verhältnismäßiger

am Rein­

gewinn zugesichert ist; auch in diesem letzteren Falle ist

und bleibt der Prinzipal ausschließlich der Geschästsherr, und es wird durch eine solche Zusicherung nicht etwa das

Handelsunternehmen des Prinzipals zu einem diesem und dem

Commis

nehmen ;

es

Interesse

liegt

gemeinsamen

Gesellschaftsunter­

auch nicht eine stille Gesellschaft vor,

denn diese setzt Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters voraus; *)

nur

betreffs

der

Beteiligung

des

Commis

Interesse am Reingewinne des Prinzipals liegt ein nach

Grundsätzen des Gesellschaftsrechts zu beurteilendes Gesell­ schaftsverhältnis vor?)

Es enthält das Gesetz keine besonderen Vorschriften in

Bezug auf die letzteren^) es ist insbesondere die Beschrän­ kung, welche das Gesetz bei der Berechnung der Tantieme für

Vorstands-

und

Aufsichtsratsmitglieder

von Aktien­

gesellschaften aufstellt, hier nicht maßgebend; unmöglich kann aber die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, in Bezug auf Vorlegung der Bücher dem Commis int6ress6 mehr

Rechte als dem stillen Gesellschafter einzuräumen?)

4. Der Prinzipal muß den Handlungsgehülfen während der ganzen Dauer des Dienstvertrages, selbst wenn er ihn

nicht

beschäftigen

kann,

im Dienste

belaffen,

und

ins­

besondere dem Vertrage entsprechend besolden, sofern nicht

ein gesetzlicher Endigungsgrund vorliegt; über die Kündi1 HGB. §. 335. 2 ROHG. Bd. 17 S. 275 ff. Hienach nun BGB. §§. 705 ff., msbes. BGB. §. 706 Abs. 3. 3 S. Denkschr. S. 3169.

4 Vgl. HGB. §. 338 Abs. 2 u. 3 mit BGB. §. 716 u. s. Entsch. b. ROHG. Bd. 1 Nr. 58 S. 195, Bd. 17 Nr. 59 S. 277.

Kap. II. Tie Personen im Handelsrecht.

150

gung und sonstige Gründe der Endigung des Dienstver-

hältnifles siehe unten IV.

5. Er hat dem Handlungsgehülfen sofort den Austritt

zu gestatten, wenn einer der Gründe vorliegt, aus denen vom

letzteren das Dienstverhältnis ohne Einhaltung der

Kündigungsfrist gekündigt werden kann, und der Hand­ lungsgehülfe auf Grund hievon in der That gekündigt hat?)

6. Den Prinzipal trifft die Pflicht, dem Handlungs­ gehülfen denjenigen Schaden

zu ersetzen, welcher letzterem

daraus erwächst, daß ihn der Prinzipal durch vertrags­

widriges Verhalten zur Kündigung des Dienstverhältnisses

veranlaßte, und daß dieses Verhältnis folgeweise aufgehoben wurde?) 7. Bei der Beendigung des Dienstverhältniffes muß der

Prinzipal

dem Handlungsgehülfen auf dessen Verlangen

hin, gleichviel aus welchem Grunde der Dienst beendigt

wird, ein schriftliches Zeugnis ausstellen; dieses Zeugnis

hat sich nur über die Art und Dauer der Beschäftigung des Gehülfen auszusprechen, es sei denn, daß der letztere die Ausdehnung des Zeugnisses auf die Führung (z. B. anständiges und moralisches Verhalten) und die Leistungen

(nämlich

die

handelsgewerblichen)

ausdrücklich

verlange;

der Handlungsgehülfe kann auch verlangen, daß die Orts­

polizeibehörde das Zeugnis (nämlich die Authenticität des­ selben, nicht den Inhalt des Führungs-

oder Leistungs­

attests) beglaubige, und zwar kosten- und stempelfrei. 8. Diese Pflicht, ein wahrheitsgetreues Zeugnis dem

Handlungsgehülfen auszustellen, hängt mit der allgemeineren

1 HGB. §§. 70 Abs. 1, 71.

|

- HGB.

70 Abs. 2.

Von den Handlungsgehülsen.

§. 21.

151

Pflicht des Prinzipals zusammen, das weitere Fortkommen des Handlungsgehülfen wenigstens insoweit sich angelegen

sein zu lassen,,als dieses dem letzteren nicht unbilligerweise

erschwert werden soll; *)

daher

muß der Prinzipal

dem

Handlungsgehülfen nach der Kündigung eines dauernden

auf

Dienstverhältnisies Aufsuchen

und

eines

deshalb

ist

Verlangen

anderen auch

angemessene Zeit zum

Dienstverhältniffes

die

gewährens)

sog. Konkurrenzklausel,

durch

welche der Gehülfe für die Zeit nach dem Ende des Dimstes

in seiner gewerblichen Thätigkeit

vertragsweise beschränkt

werden soll, nur zeitlich und sachlich eingeengt und bedingt

zulässig.8) IV. Das Dienstverhältnis wird beendigt:4) 1. durch die vollständige

Leistung der Arbeit,

wenn

dasselbe nur für diese eingegangen war; 2. durch Ablauf der vorbedungenen Zeit,

etwa

eine

stillschweigende

andern Teile

setzung zu

Verlängerung

nicht mit Widerspruch

sofern nicht

aus

der vom

belegten Dienstfort­

folgern ist;8) die Verlängerung gilt dann als

für unbestimmte Zeit vereinbart, unterliegt aber der gesetz­

lichen Kündbarkeit;

3. durch den Tod des Handlungsgehülfen, der Anspmch auf die Dienste geht nicht gegen die Erben;8) 1 Vgl. auch BGB. 824,826. 2 BGB. §. 629 u. Tenkschr. §. 72 S. 3170. 3 HGB. §§. 74, 75 u. s. oben ■ 14 S. 92 r. : 4 Abgesehen von andern: Gründen, die zur Beendigung ! von Vertragsobligationsverhält- i nissen überhaupt führen können,

wie z. B. contrarius consensus.

6 BGB. 625. 6 BGB. |§. 673, 675. Dies geht auch aus BGB. §. 613 hervor. Durch den Tod des Prinzipals erlischt das TienstVerhältnis im Zweifel nicht. S. BGB. 672, 675, bezüglich des Lehrherrn s. aber HGB. §. 77 Abs. 4.

Kap. II.

152

Die Personen im Handelsrecht.

4. durch den von dem Kontrahenten nicht verschuldeten Verlust derjenigen körperlichen oder geistigen Kraft, welche dem Handlungsgehülfen zur Erfüllung seiner Dienstpflicht nötig

ist;1) aber mindestens sechs Wochm lang muß, wenn nicht

noch länger vereinbart ist, der Prinzipal dem Handlungs­

gehülfen, der durch unverschuldetes Unglück an der Leistung seiner Dienste verhindert wird, Gehalt und Unterhalt ge­

währen ;2) 5. durch den Ablauf der Kündigungsfrist im Falle der

ordentlichen Kündigung: jedes für unbestimmte Zeit ein­

gegangene Dienstverhältnis kann sowohl vom Prinzipal, als auch vom Handlungsgehülfen für den Schluß eines Kalender-

vierteljahrs

unter Einhaltung

einer

sechswöchentlichen

Kündigungsfrist gekündigt roerben,3) sofern nicht eine kürzere (aber niemals unter einen Monat herabzusetzende) oder längere,

stets

für

beide Teile

gleiche Kündigungsfrist vereinbart

worden ist;4) dies gilt unabänderlich, und zwar auch dann,

wenn das Dienstverhältnis für bestimmte Zeit so verein­ bart worden ist, daß es in Ermangelung einer vor dem

Ablaufe der Vertragszeit erfolgten Kündigung als verlängert

gellen soll. Diese gesetzlichen Beschränkungen der Vertrags­ freiheit bleiben jedoch in drei Ausnahmefällen außer An­

wendung, nämlich: a) wenn der Gehülfe ein Jahresgehalt von mindestens

5000 M. bezieht; b) wenn er für eine außereuropäische Handelsnieder 1 BGB. §§. 275, 323. Anm. 2 bis 6 zu HGD. g. 63 2 HGB. §. 63; über das S. 78. Verhältnis dieses §. zu BGB. 3 HGB. §. 66. S§. 616, 617, s. Gareis, HGB. 4 HGB. tz. 67.

Bon den Handlungsgehülfen,

§. 21.

158

lassung angenommen ist, und der Prinzipal vertragsmäßig

für dm Fall, daß er kündigt, die Soften der Heimreise des

Gehülfm zu fragen hat — den Prinzipal werden in einem solchen Falle die ihm zur Last fallmden Soften der Rück­

beförderung des entlassenen Gehülfm von nicht wirklich gerechtfertigtm Entlassungen regelmäßig abhaltm —;*) und

c) wenn der Handlungsgehülfe nur zu einer vorüber-

gehendm, nicht über drei Monate hinausreichmden Aus­

hilfe^) angenommen war, ein Fall, für welchm jedoch das Erfordernis, daß die Sündigungsfrist für beide Teile gleich

sei, ausdrücklich festzuhaltm ist; 6. durch die außerordentliche Kündigung,

d. i. die

augmblickliche Entlassung oder den augmblicklichm Austritt aus dem Dienste wegen eines die außerordentliche Endigung

rechtfertigendm wichtigen Gmndes; das Gesetz spricht das

Prinzip aus,8) knüpft an die außerordentliche Veranlassung auch eine außerordentliche Schadensersatzpflicht/) zählt er­

läuternd aber weder zwingend, noch erschöpfend eine Anzahl von Fällen auf, in dmm eine sofortige Entlassung8) oder bezw. ein sofortiger Austritt6) gerechtfertigt sein kann, und setzt die vertragsmäßigen Sonkurrmzverbote T) für dm Fall

außer Wirksamkeit, daß der Prinzipal durch rechtswidriges Verhalten dem Gehülfen zum sofortigen Austritt begründetm

Anlaß gab;8)

1 Über das nicht ganz Zutreftenbe der Motivierung des 8. 68 Abs. 2 in der Tenkschr. S. 3170 V Gareis, HGB. S. 81. Sinnt. 2 zu §. 68. 2 Über die Anstellung aus Probe f Gareis, HGB. Amn. n §• 69 S. 81.

3 4 6 6 1 8

HGB. HGB. HGB. HGB. HGB. HGB.

§. §. tz. §. §. tz.

70 Abs. 1. 70 Abs. 2. 72. 71. 74. 75.

Kap. II.

154

Die Personen im Handelsrecht.

7. durch die Eröffnung des Konkurses über das Ver­ mögen des Prinzipals?) V.

Die

Handlungslehrlinge

unterscheiden

sich

ihrer Aufgabe nach von den Handlungsgehülfen im engern Sinne

daß

dadurch,

sie

kaufmännische Dienste nicht zu

leisten, fonbem zu lernen haben;

so

Schwimmen nur im Waffer,

da man aber, wie das auch den Dienst nur im

Dienste lernt, so steht auch der Handlungslehrling im Dienste

seines Prinzipals, gehört zu den

der ihm gegenüber Lehrherr heißt, und

Handlungsgehülfen im weitern Sinne (s.

oben I Seite 138), wenngleich ihm ein Anspruch auf Ent­ gelt, der dem Handlungsgehülfen (im engern Sinne) be­

grifflich zusteht, nicht (oder wenigstens nicht begrifflich) zu­

kommt.

Maßgebend

Prinzipal als

für

das

Verhältnis

zwischen

dem

Lehrherrn und dem Handlungslehrlinge ist

in erster Linie der Lehrvertrag.

Dieser Vertrag ist juristisch

verschieden zu qualifizieren: er kann als Auftragsvertrag2) bezeichnet werden, wenn der Lehrherr sich verpflichtete, die Ausbildung des Lehrlings unentgeltlich zu besorgen; er kann

als Dienstvertrag 3) bezeichnet werden, wenn der Lehrherr ein Lehrgeld

am

beanspruchen kann:

ein Werkvertrag ist er nicht,

besten dürfte er als ein Vertrag eigener Art*) be­

zeichnet werden, der seinen Inhalt wesentlich dem, von den beiden Teilen vernünftigerweise gewollten, nimmt.

Abgesehen

hievon

Zwecke

ist dem Lehrvertrag

ent­

folgendes

eigentümlich: ' Konturs-t7rd. §. 23 mit. BGB. §§. 673, 675. FischerHenle, BGB. S. 283. ! 2 BGB. §§. 661 ff. i 3 BGB. tz. 611.

4 Die im siebenten Abschnitte des zweiten Buchs des BGB. geregelten „einzelnen SchuldVerhältnisse" sind ja keineswegs die einzigen denkbaren.

Don den Handlungsgehülsen.

1. er setzt auf

feiten

§. 21.

155

des Lehrenden den Besitz der

bürgerlichen Ehrenrechte voraus — bei Meidung polizeilichen

und strafrechtlichen Einschreitens und der Nichtverbindlichleit des Vertrags für den Lehrling?)

2. er muß, um vollwirksam zu fein, schriftlich errichtet sein — andererseits kann der Lehrherr die ihm laut Gesetz1 2) oder Vertrag gegen den Lehrling wegen unbefugten Austritts zustehenden Ansprüche gerichtlich nicht geltend machen?)

3. Das Gesetz giebt für das Lehrverhältnis

insofern

zwingendes Recht, als die gesetzlich den ersten Monat der

Lehrzeit betragende Probezeit, während welcher der Lehr­ vertrag von jedem der beiden Teile ohne Einhaltung einer

Kündigungsfrist gekündigt werden kann, durch Vertrag auf

höchstens drei Monate verlängert werden kann — die eine längere Probezeit setzende Vereinbarung wäre nichtig?)

4. Ist die Probezeit ohne Beendigung des Lehrverhält-

nisies abgelaufen, so besteht das Lehrverhältnis für die im Lehrvertrage festgesetzte, nötigenfalls aus dem Ortsrechte sich ergebende „Lehrzeit"

fort; jedoch läßt das Gesetz alsdann

die außerordentliche Kündigung nicht bloß in den gesetzlichen

Fällen zu (s. oben IV Seite 151), die für das Dienstver­ hältnis der Handlungsgehülfen als Fälle außerordentlicher

Kündigung anerkannt sind?) fonbetn hebt noch

drei be­

sondere Fälle des außerordentlichen Kündigungsrechts der Lehrlinge hervor: 1 HGB. §. 81 Abi. 1. BGB. | 3 HGB. §. 79; über die ge§. 134; polizeiliche Erzwingung \ fetzliche Schriftlichkeit f. BGB. s. Abs. 2 des §. 81 des HGB.:, g. 126. strafrechtliche Verfolgung s.HGB.! 4 HGB. §. 77 Abs. 2. 82 Abs. 2. | '• tzGB. §. 77 Abf. 3 mit 2 HGB. §. 78 Abs. 2. i 70-72. S. oben S. 151 ff.

156

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

a) Vernachlässigung der Lehrherrpstichten in Bezug auf Gesundheit, Sittlichkeit oder Ausbildung des Lehrlings/) b)

Tod

des

Lehrherrn

(einmonatliche

Kündigungs­

frist) und

c)

schriftlich

erklärter

Berufswechsel

des

Lehrlings

(Endigung des Lehrverhältniffes nach Ablauf eines Monats).

5. Die aus dem Lehrvertrage begrifflich entspringenden Pflichten liegen

wesentlich auf feiten des Lehrherrn;

sie

bestehen in der Pflicht entsprechender Unterweisung/) in

der Sorge für das leibliche, geistige und sittliche Wohl des

Lehrlings/) Pflege des durch unverschuldetes Unglück an der von ihm erwarteten Bethätigung eines Lern- und Arbeits­

betriebs verhinderten Lehrlings *) und Ausstellung des stets auch über Kenntnisse, Fähigkeiten und Betragen sich aus­

sprechen müssenden Zeugnisses am Ende des Lehrverhält­ nisses?)

6. Die Rolle, welche dem Lehrlinge inhaltlich des Lehr­ vertrags zukommt, ist mehr passiv (er muß sich belehren lassen), aber das Lernen setzt doch auch Eigenarbeit vor­

aus, und zwar, da der Handlungslehrling nicht, etwa wie

I Lehrherrn bei Bernachläsfigungen, s. HGB. §. 82 Abs. 1. 4 Obligatorisch 6 Wochen, s. HGB. §. 63 (mit §. 76 Abs. 1); so auch oben IV S. 151. Hin­ sichtlich der Kranken- u. Unfall­ versicherung s. oben S. 146 Anrn. und Äbs. 2 des HGB. §. 63. 6 HGB. §. 80; polizeiliche Beglaubigung Abs. 2 dess. §.; nicht erst am Ende der ganzen, Abs. 1-4, 77 Abs. 3, 82; straf- etwa bei einem andern Prrnzipal rechtliches Einschreiten gegen den beendigten Lehrzeit.

1 HGB. §. 77 Abs. 3. 2 Ausbildungspflicht s. HGB. §. 76, Vertretung des Prinzipals hiebei s. §. 76 Abs. 2 u. §. 81; Gottesdienst s. §. 76 Abs. 3; Fortbildungsschule s. §. 76 Abs. 4 u. GewerbeOrd. §. 120; straf­ rechtliches Einschreiten gegen nachlässige Lehrherrn s. HGB. §' ^HGB. §§. 62 Abs. 1, 2, 76

Bon den Handlungsgehülfen.

ein Schüler,

157

§. 21.

nur theoretisch lernen soll, Eigenarbeit im

Geschäfte des Lehrherrn, welcher den Lehrling zur Arbeit­ samkeit anzuhaltm hat?)

Das Nähere über die vom Lehrlinge zum Zweck des Lernens zu leistmde Arbeit ergiebt sich aus der Natur der

Sache

und

häufig

werden

aus

den

etwaigen

nebm dem

besonderen

eigentlichen

Festsetzungen;

Lehrvertrage noch

andere Vereinbamngen getroffen, so z. B. in betreff der Aufnahme des Lehrlings in die häusliche Gemeinschaft?)

wegen Zahlung eines Lehrgelds oder eines Kostgelds oder

Lehr- und Kostgelds, ja selbst wegm Zahlung eines Gehalts

für den Fall, daß der Lehrling sich als brauchbar erweist

Teile seiner Lehrzeit

zweiten

und

im

wie

man sieht,

stehe;

es

kann,

ein wirklicher Dienstvertrag als Neben­

verabredung neben dem Lehrvertrage abgeschlossen werden, dann ist aber, dem Lehrzwecke entsprechend, der Lehrvertrag

doch vorherrschmd zu erfüllen und der Dienstvertrag in zweiter Linie maßgebend. nebm

Mag nun aber auch ein Dienstvertrag

dem Lehrvertrage vorliegm oder nicht — in jedem

Falle steht der Lehrling unter dem gesetzlichm Handels­ betriebs- und Konkurrenzverbote, wie der Handlungsgehülfe (s. oben H 3 Seite 142a), und unter der Pflicht, die ver­

einbarte oder

ortsrechtliche Lehrzeit bei seinem Lehrherm

auszuhaltm, sofern nicht ein Grund vorliegt, der zu außer­

ordentlicher Kündigung berechtigt (s. obm Ziff. 4 insbes.

a—c vorige Seite); für dm Fall des Austritts aus dem Geschäft

kann

die

sog. Konkurrmzklausel zu

Soften des

1 HGB. §. 76 Abs. 3, letzter S. auch v. Canstein Lehrbuch I S. 320. Satz. 8 Vgl. HGB. §. 62 Abs. 2. 8 HGB. §§. 76 Abs. 1,60, 61.

158

Kap. II.

Lehrlings

bis an die Grenzen, durch welche eine unbillige

Die Personen im Handelsrecht.

Erschwerung des Fortkommens des Lehrlings ausgeschlossen

wird/) zur Anwendung kommen, ja im Fall des Austritts wegen — Lehrling

formell erklärten

Berufswechsels1 2) ist der



gesetzlich einer eigentümlichen Beschränkung unter­

worfen: mindestens neun Monate lang darf er nicht in ein anderes Geschäft als Handlungslehrling

oder -gehülfe ein­

treten, andernfalls wäre er dem verlassenen Lehrherrn zum Ersätze des diesem durch den Austritt entstandenen Schadens

verpflichtet, eine

Ersatzpflicht, für deren

Erfüllung jenem

auch der neue Lehrherr oder Prinzipal haftet, sofern er von dem Austritt und der schriftlichen Erklärung des Berufs­ wechsels Kenntnis hatte?)

§. 22.

von den Handlungsbevollmächtigten. Die geschäfts

zur in

abschlüssen in durch

Vertretung

des

Rechtsgeschäften, seinem

Erteilung

der

Namen,

Inhabers

eines

Handels­

insbesondere zu Vertrags­ rechtsgeschäftlich,

Vertretungsmacht

nämlich

(Vollmacht)

be­

rufenen Personen heißen, wie erwähnt (s. oben §. 20 IV

Seite 133), Handlungsbevollmächtigte im weiteren Sinne; zu

ihnen

gehören

die

Prokuristen

und

die Handlungs­

bevollmächtigten im engeren Sinne.

I. DieProkura ist diejenige Handlungsvollmacht, welche 1 HGB. §. 76 Abs. 1 mit §§. 74, 75. 2 S. oben Ziffer 4 c., HGB. §. 78. 8 HGB. §. 75 Abs. 2. Haftung als Gesamtschuldner s. BGB. §. 421. Gegen den Lehrling

| kann der Ersatzanspruch wegen unbefugten Austritts nur geltend i gemacht werden, wenn der Lehri vertrag schriftlich abgeschlossen 1 war. S. HGB. §. 76 u. oben Ziffer 2 S. 155.

§. 22.

159

umschränkt,

nicht

Von den Handlungsbevollmächtigten.

a) registerpflichtig, b) dritten

gegenüber nur

aber vertragsmäßig

gesetzlich

mit Wirkung gegen

dritte beschränk­

bar und

eine nur hier zugelassene Formalbezeichnung

c) durch

kenntlich gemacht ist.

Ihre Geschichte reicht nicht weit zurück; sie war noch dem preußischen

Entwürfe

denn

in

die

diesem

zum HGB- von gesetzlich

1861

normierte

unbekannt,

Großvollmacht

des sog. „Faktors" im Sinne dieses Entwurfs war ver­ tragsmäßig

mit Wirkung

gegen

dritte beschränkbar,

die

prinzipielle Unbeschränkbarkeit ist aber der, mit Recht auch vom neuen HGB. festgehaltenen, l)* Prokura im Sinne des

HGB. eigentümlich?) Diese Art von Vollmacht, die bei weitem wichtigste

Vollmacht des Handelsverkehrs, kann nur von Vollkauf­ leuten ,

nicht

von

Kaufleuten

minderen

Rechts

erteilt

werden;3)4 auch eingetragene Genossenschaften (s. unten §. 38)

dürfen

Prokura

nicht erteilen?)

und

Aktiengesellschaften

sollen regelmäßig3) nur mit Zustimmung des

Aufsichts­

rats3) Prokuristen bestellen?) Außer der hiermit festgestellten persönlichen Qualität des Geschäftsinhabers gehört zur vollwirksamen Bestellung eines

Prokuristen: 1 Vgl. Gareis, HGB. Anm. 1 zu §. 48 S. 63-64. 8 Nürnb. Prot. Sitzung v. 4. u. 5. Februar 1857, Prot. 5. 74, 75, 86, 87. 3 HGB. §. 4. S. oben §. 12 S. 72. 4 GenG. §. 40 Abs. 2.

5 Gesellschaftsvertrag oder Generalversammlung kann an­ deres beschließen. 6 HGB. §. 238. 7 Sollen, — die Vorschrift wirkt nur intern. S. letzten Satz des §. 238 d. HGB.

Kap. II.

160

Die Personen im Handelsrecht.

1. die rechtsgeschäftliche Erteilung der Prokura, die eigen­

artige Bevollmächtigung, welche sowohl unter der ausdrücklichen Bezeichnung der Vollmacht als Prokura, als auch unter ausdrücklicher Benennung des Bevollmächtigten als Prokuristen

oder auch unter Angabe der Art und Weise, wie die Firma geführt werden soll/) nämlich per procura,1 2) oder aber

auch sonstwie mündlich oder schriftlich, stets jedoch aus­ drücklich

(nicht stillschweigend) erfolgt;

diese Erteilungs­

erklärung kann, wie die einer jeden andern Vollmacht, gegen­

über dem zu Bevollmächtigenden oder auch einem dritten gegenüber, dem gegenüber die Vertretung durch dm Proku­

risten stattfinden soll, erfolgen;2) eine vorhergehende, gleich­

zeitige oder

nachfolgende Anstellung des

Prokuristen im

Geschäfte des Geschäftsinhabers ist zwar häufig, aber keines­ wegs notwendig; der Prokurist ist nicht notwendig Hand­

lungsgehülfe, das Vollmachtsverhältnis ist von dem Dienst­ oder Anstellungsverhältnis zu trennen, s.

hierüber obm

§§. 20, 21 Seite 134 ff. und 140; 2. die Anmeldung und Eintragung in das Handels­ register ; die Prokura ist registerpflichtig, an die Eintragung und bezw. an die Nichteintragung der Prokura knüpfen sich

alle die Rechtswirkungen und insbesondere Rechtsvermutungen, welche sich an die Registrierung, bezw. Nichtregistrierung im

Handelsrechte überhaupt knüpfen/) Ihrem Inhalte nach ist die Prokura eine Groß- oder

Generalvollmacht,

die

gesetzlich

zu

allen

Arten

von

gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechts1 HGB. §. 51. 3 BGB. §. 167. 4 S. oben 8-4 S. 33 ff. HGB. 2 Diese drei Arten der Willens­ erklärung hebt das HGB. v. 88. 8-16, insbes. 8. 15. 1861 in Art. 41 hervor.

Von den Handlungsbevollmächtigten.

§♦

22.

161

Handlungen ermächtigt, welche der Betrieb des ^anbelagerocrbcddes Geschäftsinhabers mit sich bringt; in dieser ganzen, nur durch das Gesetz selbst abgemarkten (s. unten) Ausdehnung ist die Vollmacht des Prokuristen extern uneinschränkbar, im Verhältnis zu dritten gilt dem Prokuristen ein Verbot des Geschäftsinhabers höchstens wie ein gutgemeinter Rat, den er befolgen, aber auch unbefolgt lassen kann, jedenfalls verpflichtet und berechtigt der Prokurist seinen Geschäftsinhaber extern, auch wenn er verbotswidrig handelt, nach den Grundsätzen der echten und direkten Stell­ vertretung^) in allen jenen Geschäften; dabei darf der Prokurist zwar Gehülfen und teilweise Vertreter bestellen, nicht aber seine ganze Prokura mitübertragen/) er muß die Firma in der gesetzlichen Weise zeichnens) ohne sie ändem oder den Betrieb einstellen oder auf ihm fremde andere Untemehmungen lenken zu dürfen?) Nach Maßgabe der extern unabänderlichen Abmarkung der Prokura bestehen gesetzlich nach drei Richtungen hin Schranken der Prokura: 1. die Jmmobiliarklausel: zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur dann ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist;7) 1 Über die Bedeutung der 31 HGB. 2 §. 49 Abs. 1, §. 50. Hervorhebung des Handels- 4 HGB. §. 52 Abs. 2. gewerbeoetriebs des Bevoll- 6 Per procura, p. pr. oder dgl. mächtigenden s. einerseits Thöl,(nebst Firma und Eigennamen), HR. §. 56 I S. 192 (6. Ausl.): s. HGB. §. 51 mit Anm. 1 bei u. Behrend, Lehrbuch d. HR. Gar eis a. a. O. S. 67 und I S. 364 Anm. 11, andererseits HGB. §. 53 Abs. 2. Gareis, HGB. §. 49 Anm. 1 3 S. Anm. 1 auf dieser Seite, u. 4 S. 65, 66. 7 HGB. §. 49 Abs. 2. 2 BGB. §. 164. Gareis, Handelsrecht. 6. Aufl. 11

Kap. II.

162

Die Personen int Handelsrecht.

2. die Kollektivklausel: die Prokuraerteilung kann an mehrere Personm gemeinschaftlich erfolgen (Gesamtpro­ kura)/) dann kann keine derselben sie allein ausüben, dies

muß sich aus dem Handelsregister ergeben;1 2)3 3.

die

Etablissementsklausel:

es

kann

die

Prokura auf den Betrieb einer von mehreren Niederlassungen desselben Geschäftsinhabers

(z. B. des von demselben ge­

gründeten Bankgeschäfts neben der ererbten Weinhandlung) mit nicht bloß interner, sondern auch mit externer Wirkung,

also gegen dritte wirksam, beschränkt werden, vorausgesetzt,

daß diese Niederlassungen unter verschiedenen Firmen be­ trieben werden?) Im übrigen ist die Prokura, wie erwähnt, extern, d. h.

mit Wirkung gegen dritte nicht beschränkbar, mit Wirkung

gegen den Prokuristen

aber kann sie durch Weisungen des

Geschäftsinhabers allerdings

eingeschränkt werden, aber der

Prokurist ist sowohl dem dritten gegenüber,

wie auch dem

Geschäftsinhaber gegenüber berechtigt, von den Weisungen abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf,

daß der letztere bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung

billigen würde, und wenn die Abweichung innerhalb der vom Prokuristen zu bewährenden Sorgfalt liegt;4) schädigt der

Prokurist

durch

Überschreiten

der Instruktion

seinen

Geschäftsherrn, so ist er letzterem, sofern die Überschreitungs1 HGB. §. 48 Abs. 2. Über I den Ausdruck Gesamtprotura im | Verhältnis zum sonstigen Sprach- i gebrauch der neuen Gesetze s.< Gareis HGB. Anm. 5 zu §. 48 j S. 64—65. ! 2 HGB. §• 53 Abs. 1 Sah 2., 3 HGB. §. 50 Abs. 3; eine

Verschiedenheit der Firmen im Sinne dieser Vorschrift wird auch dadurch begründet, daß für eine Zweigniederlassung der Firma ein Zusatz beigefügt wird, der sie als Firma der Zweigniederlassung oezeichnet. 4 BGB. §§. 276, 665, 675.

Von den Handlungsbevollmächtigten,

§. 22.

163

Handlung auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruht, die er zu vertreten hat, zum Schadensersatz verpflichtet; das so mit

dem dritten abgeschloffene Geschäft gilt aber und zwar selbst

dann, wenn der dritte wußte, daß

der Prokurist hierin

eigenmächtig handelte.

Die

Prokura

kann

in

jedem

Augenblick

und

ohne

Angabe eines Grundes, also ganz willkürlich vom Geschäfts­

inhaber widerrufen werden/) hältnis

gleichviel, in welchem Ver­

der Prokurist sonst zu dem letzteren steht, denn

dieses Verhältnis, z. B. der Dienstvertrag oder das Gesell­ schaftsverhältnis oder dgl./) wird durch den Widerruf nicht berührt, und deshalb besteht auch möglicherweise der An­

auf die für den Fall plötzlicher und nicht objektiv

spruch

und

gesetzlich

begründeter

Entlastung

vorher vereinbarte

Vergütung. Der Tod des Geschäftsinhabers hebt die Prokura

ebensowenig wie ein anderes Vollmachtsverhältnis stets3 1)2 mit Notwendigkeit auf.4)

Das Erlöschen

der Prokura ist registerpflichtig

unter

dem Rechtsnachteile der sich an die Eintragung und Be­

kanntmachung des Eingetragenen, bezw. an die Nichtein­ tragung

knüpfenden

Vermutung;

ist

die

Firma

er­

loschen, aber aus Mangel einer anmeldepflichtigen Person

nicht gelöscht,

so

kann sowohl die Firma, als auch mit

1 HGB. §. 52. i 2 Vgl. oben §. 21III S. 146 f. j (Commis Interesse); möglicher-! weise besteht auch nur cm ein- I faches Auftrags- oder Gefällig- > keitsverhältnis, z. B. wenn der Geschäftsinhaber vorübergehend; seiner Ehefrau oder einem:

FreundeProkuragab.S.Gareis, HGB. Vorbemerkung vor §. 48 S. 62 u. s. oben S. 133ff. 3 Vgl. aber BGB. §§. 727, 170 —173. Gareis, HGB. §. 52 Anm. 3. 4 HGB. §. 52 Abs. 3.

Kap. IL

164

die

ihr

Die Personen im Handelsrecht,

für sie eingetragene Prokura von Amts wegen

gelöscht werden?) n. Für alle übrigen Arten von Handlungsbevollmächtigten,

also

für die Handlungsbevollmächtigten im engeren oder

eigentlichen Sinne, besteht weder ein bestimmter Name —

sie führen die

verschiedensten Bezeichnungen

Geschäftsleben häufig gar nicht nach sondern nach

und sind im

einem Vollmachts-,

einem Dienstverhältnis bezeichnet

—,

noch

auch eine Anmeldung oder Eintragung;1 2)3 negativ 4 ist ihnen gemeinsam, daß sie keine Prokura haben und folgeweise sich bei der Firmenzeichnung jedes eine Prokura andeutenden

Zusatzes enthalten müssen. Positiv ist allen den nicht mit Prokura ausgerüsteten

Handlungsbevollmächtigten gemeinsam, daß solche von allen

Arten von Kaufleuten, auch von solchen minderen Rechts, bestellt werden können, daß ihre Vollmacht dem Umfange nach im Zweifel stets durch das im Verkehr gewöhnlich Übliche bestimmt wird (f. unten), daß die Vollmacht von

dem Handlungsbevollmächtigten selbst, so wie sie ihm über­ tragen wurde, regelmäßig ausgeübt werden muß, also ohne Zustimmung

des

Geschäftsinhabers

nicht

einem

andern

übertragen werden bars,8) und daß, wenn von einem Hand­ lungsbevollmächtigten die Firma gezeichnet wird, dies mit

einem das Vollmachtsverhältnis andeutenden Zusatze (jedoch nicht per procura oder dgl., s. oben) geschehen muß?) 1 HGB. §. 31 2l6f. 2 (statt I aufgehoben. S. Gar eis, des RGes. v. 30. März 1888), s. SoTbemetfung vor §. 8 EinfG. zum HGB. Art. 8 Nr. 1. bis 28. 8 Sie dürfen gar nicht ein* 3 HGB. §. 58. getragn werden, früher hievon 4 HGB. §. 57 Sah 2. abweichende Patritularrechte sind

Bon den Handlungsbevollmächtigten,

Inhaltlich

g. 22.

165

ist die Vollmacht eines nicht mit Prokura

versehenen Handlungsbevollmächtigten entweder: a) Generalvollmacht, d. i. Vollmacht zum Betriebe des Handelsgewerbes (im gangen), oder b) Artvollmacht, d. i. Vertretungsmacht zur Vomahme einer bestimmten zum Handelsgewerbe des Geschäftsinhabers

gehörigen Art von Geschäften, oder

c) Einzelgeschäfts-Vollmacht, d. i. Vertretungsmacht zur Vomahme

einzelner

zu

jenem Handelsgewerbe gehöriger

Geschäfte.

Für alle drei Gmppen gelten dieselben gesetzlichen Beschränkungen') (f. unten) und ist im übrigen und ein«

zelnen der Umfang der Vollmacht durch den ausdrücklichm Hinweis auf das „Gewöhnliche" vom Gesetzgeber ab­ gemarkt.

Die Vollmacht erstreckt sich — dies ist die Regel —

auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb

eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vomahme der­ artiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt?)

Diese Regel Geschäftsinhaber (Verhältnis

gilt sowohl intern (Verhältnis zwischen

und Bevollmächtigtm),

zum Publikum)

stets

als auch extem

als Rechtsvermutung,

sie gilt aber nicht, roenn ihr «) eine gesetzlich oder ß)

eine vertragsmäßig errichtete Schranke entgegmsteht:

«) Die vom Gesetze selbst errichtete Schranke der Ver­

tretungsmacht eines nicht mit Prokura versehmm Hand1 HGB. §. 54 Abs. 2. 1 Dieses sehr zweckmäßigen Hinweises, der im Bedürsnissalle durch geeignete SachverständigenVernehmung seinen deutlichen materiellen Inhalt gewinnt, bedient sich der Gesetzgeber auch in

| anderen Fällen, Fällen. s.' Bal. z. B. ----------- 1041—löte ---3( 1356 BGB. §§. vgl. auch auch HGB. HGB. 56, u. a.;. vgl. 59, 5 “. 116, 164, auch ' 346; über Gegenbeweis s. ROHG. Bd. 6 S. 401, Bd. 16 S. 127 ff.

166

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

lungsbevollmächtigten

besteht darin,

daß

ein solcher zur

Veräußerung oder Belastung von Grundstücken,*) zur Ein­

gehung von Wechselverbindlichkeiten,?) ferner zur Aufnahme von Darlehen 3) oder zur Prozeßführung 4) nur dann und nur insoweit ermächtigt ist, als ihm

besonders

erteilt

ist;

eine solche Befugnis

diese Beschränkung

besteht objektiv

mit Wirksamkeit nach außen und innen; würde ein solcher Handlungsbevollmächtigter ohne besondere Ermächtigung einen

Grundstücksveräußerungsvertrag im Namm des Grundstück­ inhabers eingehen, so hängt die Wirksamkeit desselben von der

Gmehmigung des Dertretmen ab, aber im Falle diese nicht zu erlangen ist, haftet auch der Handlungsbevollmächtigte

nicht, denn

der dritte mußte misten, daß der Handlungs­

bevollmächtigte nicht ohne besondere Ermächtigung den Ei­ gentümer in der

angegebenen Weise obligieren

konnte.")

1 BGB. §§• 313, 873, 925,, gelber und Spareinlagen); die 1012, 1018, 1090, 1093, 1094, | Erweiterung eines Bankkredits 1105,1113,1191,1199, möglicher- kann auch hierher gehören. S. weise auch BGB. §. 1030, 1068, Behrend, Lehrb. d. HR. §. 53 1085. j Anm. 9. 2 Nämlich Verbindlichkeiten:; 4 CPO. §§. 50 ff. des Ausstellers eines gezogenen 5 Nach BGB. §. 179. Wechsels (s. DWO. Art. 8, 41 ff., ; 6 Übrigens sind zur Beurteilung 51 ff., 81 ff.) oder eigenen eines jeden der denkbaren Fälle Wechsels (s. DWO. Art. 96 ff.), des Handelns des unbevolldes Indossanten (f. DWO.1 2mächtigten Vertreters andere Art. 14 ff.), des Acceptanten , Normen heranzuziehen: in Sachen (s. DWO. Art. 23 ff.), des Ehren- des Grundbuchrechts die Grundacceptanten (f. DWD. Art. 60 buchordnung; in Sachen des u. a.). Hinsichtlich der Haftung j Wechselrechts die DWO. Art. 95, der Nichtbevollmächtigten im bei Darlehnsaufnahmen mögWechselrecht s. DWO. Art. 95. licherweise BGB. §§. 812 ff.; 3 BGB. §§. 607—610 (mög- in Sachen des Civilprozeßrechts licherweise auch BGB. §. 700, CPO. §§. 89 ff. u. a. depositum irreguläre, Depositen-

§♦ 22.

Von den Handlungsbevollmächtigten.

167

vertragsmäßige Schranke besteht dann, wmn

/-) Eine

von dem „gewöhnlichen" Umkreise der Vertretungsmacht der

Gruppen (s. oben) einengend abgewichen wird;

einzelnen

eine solche vom

„Üblichen" abweichende

„Gewöhnlichen",

Einengung ist zunächst nur intern

mächtigten

Geschäftsinhaber

dem

wirksam, den Bevoll­

gegenüber

verpflichtend,

extern aber dann, wenn der dritte die exorbitante Beschränkung kannte (etwa zufolge besonderm Benachrichtigungsschreibens

oder Cirkulars) oder kennen mufcteT) (etwa weil dieselbe stadtkundig und ortsüblich publiziert war oder dgl.).

Was die Art der Erteilung der Vollmacht?) anlangt,

so finden in dieser Hinsicht die gewöhnlichen Regeln des bürgerlichen Rechts Anwendung^)

die

Bevollmächtigung

kann demnach auch ganz formlos erfolgen; in zwei Gruppen von Fällen wird sie nach ausdrücklicher Gesetzesbestimmung aus einer konkludierten Thatsache geschlossen,

nämlich in

der einen Gruppe von Fällen aus der Thatsache der An­

stellung in einem Laden, in der anderen Gruppe aus der Verwendung

aus, offenen

daß

als

Handlungsreisender:

ersteres

der zur Vertretung Berufene

Warenlager

des

setzt vor­

im Laden

Geschäftsinhabers

angestellt

oder ist,

mithin Handlungsgehülfe mit einer im Laden auszuübenden

Dienstesfunktion ist; die Folge hiervon ist, daß das Publi­

kum anzunehmen das Recht hat, er sei ermächtigt zu allen jenen Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem der­

artigen Laden oder Warenlager gewöhnlich^) geschehen; bei

dieser Bestimmung Publikum

den

ist keineswegs vorausgesetzt, daß das

Anstellungsvertrag

1 HGB. §. 54 Abs. B. 2 BGB. §. 166.

3 BGB. §. 167.

des

sich

als Vertreter

4 Wegen dieses Wortes s. oben S. 165 Sinnt. 2.

Kap. II.

168

Die Personen im Handelsrecht.

Gerierenden etwa auf seine Rechtsbeständigkeit prüfen oder wenigstens einsehm müsse, sondem es genügt regelmäßig, wmn der Augenschein (das Äußere der Persönlichkeit, der

Aufenthaltsort, Stand am Ladmtisch oder an der Kasse u. dgl.) «giebt, daß man es nicht mit einem unbeteiligten dritten, einem Kundm, einem Dimstboten aus dem Gesinde oder sonst einem Unbefugten zu thun hat; *) aus jenem äußeren Schein

wird die Anstellung und aus dieser die Vertretungsmacht

in dm angegebenen Grenzen des dort Üblichm gefolgert, aber nur als Rechtsvermuttmg („gilt"),

die durch einen

deutlich wahmehmbaren Anschlag (etwa ein großes Plakat) im Geschäftslokal2) oder durch andere die Zweifel beseitigmde

Umstände ausgeschlossen sein kann.

Die Verwendung als

Handlungsreisender läßt darauf schließen, daß der so Fun-

giermde jedenfalls ein Handlungsbevollmächtigter sei, min­ destens eine Einzelgeschäfts-Vollmacht besitze, vorausgesetzt, daß er nicht „Stadtreisender" ist, sondem als Handlungsreisender

zur Vomahme von Geschäften an solchm Ortm verwmdet wird,

an

denm

sich keine Niederlassung des Geschäftsinhabers

befindet; ist diese Voraussetzung gegeben, so tritt im Zweifel

die rechtliche Vermutung ein, daß der Handlungsreisende insbesondere von

ermächtigt sei,

den Kaufpreis2)

aus

den

ihm abgeschlossenm Verkäufen einzuziehm und dafür

Zahlungsfristm

zu

bewilligen;4) auch können unter jener

Voraussetzung Reklamationen wegen Mängeln an Waren, 4 Dgl. Behrend, Lehrb. 8-53 v. Bölderndorff, HGB. Anm. 26. | S. 379. 3 BGB. §§. 433 ff.; hiezu s. -Dgl.LabandinGZ.Bd. 10 i Gareis, HGB- 8- 55 Änm. 2. S- 222, Behrend, Lchrb. §. 531 4 HGB. 8- 55 Abs. 2. Anm. 29; vgl. aber auch

Geschichtliche Vorbetrachtung.

§. 23.

169

Erklärungen, daß eine Ware zur Verfügung gestellt werde,') sowie andere

Erklämngen

Art dem Handlungs­

solcher

reisendm 1 2) gegenüber, roettn er gerade anwesend ist,2) ab-

gegebm werden, ohne daß jedoch durch die Entgegmnahme

solcher Erklärungm ein Präjudiz

der Anerkmnung ihres

Inhalts, der Mangelhaftigkeit oder dgl. geschaffen würde/)

und ohne daß durch das Wartm auf die etwa nahe bevor-

stehmde Ankunft des Reismdm die gesetzliche oder vertrags­ mäßige Reklamationsfrist2)4 überschrittm werdm dürste.

Das Erlöschen der Vollmacht mächtigten

und

insbesondere

auch

eines Handlungsbevoll­ die Kraftloserklärung

einer solchm richtet sich nach den Grundsätzm des gewöhnlichm bürgerlichen Rechts;2) die stete Widerruflichkeit jeder

Vollmacht, unbeschadet des etwaigen Fortbestehms des ihrer Erteilung zu Gmnde liegenden Rechtsverhältniffes (z. B.

des Dienstvertrags, wenn der Handlungsbevollmächtigte ein Handlungsgehülfe ist) ist auch für den Handelsverkehr fest­

zuhalten. — D. Die Handclsassoriationen.

§. 23. SrschtchtUche vordetrachtuug.

I. Selbstverständlich nicht eigentümlich dem Handel, aber

außerordmtlich

wichtig

für ihn ist die Bethätigung des

1 HGB. §. 377. § Gareis, Das Stellen zur Dis2 EbensoanHandlungsagenten/Position (1870) S. 90—92. S. HGB. §. 87, unten §. 54. 6 HGB- §. 377 und hiezu 2 HGB- 8. 55, hiezu Gareis, Gareis, HGB. insbesondere HGB. Anm. 4 S. 70. I Anm. 5, 15 S. 340, 341. 4 Hierüber s. ausführlich 6 Sgl. BGB. §§. 168 ff.

170

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

menschlichen Associationstriebs:

seit und wo nur

immer

der Handel gewerbsmäßig betrieben wird, bethätigt sich dieser Trieb in mannigfaltiger Weise und in ausgedehntem Maße zur Zuweisung von Arbeit und Kapital an Handelsunter­

nehmungen. A) Möglicherweise nur zu einem einzelnen Handels­ geschäfte, also zu einem vorübergehenden Zwecke, möglicher­

weise aber auch für längere Dauer und für eine Reihe von

Unternehmungen zieht ein arbeitstüchtiger Kaufmann, dessen Kapitalvermögen für sich allein zu klein wäre, um jene Spekulationen zu tragen, die sein Geist erfindet und sein

Wille kühn durchzusetzen wagen möchte,

trauenden Kapitalisten

in

sein

einen ihm ver­

Interesse

und

in

seine

Spekulation hinein, er verbündet sich mit einem Manne,

der Kapital besitzt und davon Gewinn ziehen möchte, ohne selbst täglich arbeiten zu müssen. — Auf solche wirtschaft­

liche

Erwägungen

und

Verhältnisse

wurden

schon

im

Altertum und Mittelalter Associationen gegründet, in denen

der mit dem fremden Kapital ausgerüstete Kaufmann die Leitung des Unternehmens in seiner Hand behält und die volle Verantwortung trägt;

als typisch für die hierher zu

stellenden verschiedenen Arten von Partizipationen mag die

Commenda bezeichnet werden/) ein zuerst für den See-, dann

für

den Landhandel

societätsmäßig

umgestaltetes

(lepositum irreguläre,2) welches, gewachsen auf dem Boden 1 ei(bcrfrf)mibt,£ie (5om- lBd.2S. 916ff., Bd. 3S.423ff., menda. 1883. Lgl. GUGesch. * 818 ff. S. 245 , 253 u. die dort nngef., 2 Analog ist das norwegische Litteratur; Lästig in GZ. 241 hjäfölag des Mittelalters, s. S. 430 ff. und im Hdbch. §. 78! M. Pappenheim, Altnordische Bd. 1 S. 329; Gierte, Genossen-; Handelsgesellschaften, GZ. 36 schaftsrecht Bd. 1 S. 981 ff., | 6. 85 ff.

Geschichtliche Vorbetrachtung.

§♦ 23.

171

des antiken römischen Vulgarrechts, im Mittelalter auf italienischem Boden zahlreiche Gebilde von spekulierenden Gesellschaften hervorrief;’) auf dieser Basis steht noch heute die stille Gesellschaft (f. unten §. 29) und auch die Kommanditgesellschaft (f. unten Z. 30), insofern in diesen Gesellschaftsformen von kapitalistischer Seite zu einem fremden kaufmännischen Unternehmen in spekulativer Absicht eine Vermögenseinlage gemacht wird. B) Möglicherweise aber vereinigen sich Mehrere, Kapital oder Arbeit oder beides milbringend, zu einem Unternehmen, welches keinem von ihnen eineigenes, aber auch keinem von ihnen ein fremdes, sondern allen zusammen ein gemeinsames Unternehmen ist; so beschließen z. B. die Söhne oder sonstigen Erben eines Kaufmanns, das erfolg­ reich bestehende Handelsunternehmen ihres Erblassers nicht durch Erbteilung auseinander zu reißen, sondern als ihr gemeinsames Unternehmen unter gemeinschaftlicher Firma fortzusetzen, und die Geschichte des Handels kennt großartige Beispiele, wie bedeutende Handelsfamilien in den italienischen (namentlich lombardischen)1 2) und deutschen Handelsstädten des Mittelalters das Familienband dazu benutzten, die nötigen Kapitalien und Arbeitskräfte zusammenzufassen und zusammenzuhalten zur blühenden Entfaltung ihres Handels­ unternehmens, auf dessen Besitz die Kaufmannsfamilie mit so viel Stolz blickt wie die adelige auf den Besitz ihrer 1 Schon vom 10. Jahrh, an: so in Venedig die Collegantia, m Genua u. a. a. C. die Colonna, in Florenz u. a. a. C. die Accomandita, societas per viam accomanditae. 2 GUGesch. S. 284 ff. Max

j Weber, Zur Geschichte der I Handelsgesellschaften im Mittelalter (Stuttg. 1889); hiezu s. aber auch M. Pappenheim in GZ. Bd. 37 S. 255 ff. u. V. Ring im A.t.b.R. Bd. 4 S. 394 ff.

172

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

altersgrauen Stammburgen; und wenn im späteren Ver­ laufe das Band der Verwandtschaft, auf der jene Erwerbs­ gesellschaften ursprünglich beruhten, seine schaffende oder zusammenhaltende Kraft verliert oder ganz wegfällt, so kann es durch künstliche Verwandtschaftsbegründung (analog der Blutsbrüderschaft)/) durch Fiktion der Verwandtschaft und schließlich durch Gesellschaftsvertrag ersetzt werden. Das letzt­ genannte Ersatzmittel gewährt natürlich die verschiedensten Möglichkeiten; davon dürfte die einfachste die sein, daß die gemeinsamen Unternehmer den zur Erreichung ihres Handels­ zwecks erforderlichen Grundstock des Vermögens, z. B. wenn es sich um Erwerb durch Seefahrt handelt, das Schiff, gemeinsam anschaffen oder sonst gemeinsam machen, ein Verhältnis, aus welchem zunächst und unmittelbar die Reederei hervorgeht (hierüber s. unten §. 110). In der Weiterentwicklung dieser Verhältniffe gewinnen besonders zwei juristische Elemente eine hervorragende Wirksamkeit: der die Gemeinschaft äußerlich zusammenfaffende einheitliche Name, die Firma, und die weitgehende Stellver­ tretungsbefugnis der Beteiligten. Unter der Herr­ schaft dieser Elemente entstand schon vom 11. Jahrhundert an in romanischen Ländern und bald darauf auch auf germanischem Boden eine allgemein als compagnia1 2) (d. i. Wirtschafts1 Val. Goldschmidt in GZ. 35 (1889) S. 344 ff. 2 Das Wort ist das mittelalt, companium (s. pact leg. Bal. tit. 66 §. 2 nach Du Gange II461), zusammengesetzt aus com (—cum, welches dem althochd. gi entspricht) und panis (Brot, dem althochd. mazo speise, Mahlzeit) oder leip, hlaifs sBrot, Wecken), daher Com­

pagnon — gimazo.gileip — Brot­ genosse, ähnlich niederdeutsch rna8> kopei (maatschappiy, niederlän­ disch) für Trintgesellschaft, dann für Erwerbs- und insbes. Han­ delsvereinigungen gebraucht; vgl. Diez, Etymol. WB. (5. Ausg. 1887) S. 106. S. auch Gareis in Behrends Zeitschr. Bd. 5 S. 591 Sinnt. 30.

Geschichtliche Vorbetrachtung.

§• 23.

173

gemeinschaft) bezeichnete Erwerbsgesellschaft, welche schließ­ lich durch Ausbildung des Rechts jener beiden Elemente und der Haftung der Mitglieder zur sog. „Kollektivoder offenen Handelsgesellschaft" (hievon unten tz. 25) wurde. C) In gewissen Fällen führte der einigende Gedanke, welcher in jenen beiden Elementen, nämlich in der Firma und in der Stellvertretung, wirksam wird, bis zu einer korporcrtiven Existenz; dies konnte jedoch nicht ohne die direkte Mitwirkung des Staates geschehen, welche in der Verleihung von Korporationsrechten und anderen Privilegien bestand; auf solche Weise entwickelte sich ge­ schichtlich die Aktiengesellschaft (hievon unten §. 31) in germanischen Ländern aus der Reederei (s. vorige Seite) oder ähnlichen Erwerbsgemeinschaften vermittelst der Verleihung des Dctroi,1) in romanischen Ländern in ähnlicher Weise oder aus der mit korporativen Rechten und Privilegien2) ausgestatteten Gemeinschaft von Staats­ gläubigern, welche dem Fiskus zu bestimmtm Unternehmungen Darlehen gegeben hatten?) War dem Gemeinwesen der korporative Charakter zu teil geworden, so verstand sich einerseits die Einheit unter der Firma und die Stellver* Dies nachgewiesen zu haben, ist das Verdienst Karl Lehmanns in seiner Schrist „Die geschicht-. liche Entwicklung des Aktienrechts , bis zum Code de Commerce" (Berlin 1895), insbes. S. 49 ff. 8 Z. B. Überlassung von Zöllen und anderen Abgaben, so bei der compera, worüber GUGesch. S. 254, 291.

8 Entwicklung aus ber maona tmabova, von arabisch ma’ühna — subsidium, auxilium, collecta) s. GUGesch. S. 292—298. Uber den Zusammenhang zwischen Staatsfinanzunterneymungen u. Aktienwesen s. auch Gar eis in Behrends Zeitschr. Bd. 5 S. 627.

174

Kap. II.

Tie Personen im Handelsrecht.

tretung seitens der Vereinsorgane von selbst (s. oben unter

B), andererseits konnte (aber nicht mußte) die Beschränkung der Haftung aller Beteiligten auf Anteile eintreten, wie

sie bei der Commenda und ähnlichen Partizipationen auf feiten der dem Geschäftsführenden Beiträge anvertrauenden

Kapitalisten vorhanden war (s. oben unter A), und diese Anteile konnten schließlich

leicht

übertragbar,

negoziabel

werden. Die bisher dargestellten Entwicklungen vollzogen sich im wesentlichen ziemlich gleichmäßig in deutschen wie in roma­

nischen Landen;^ ebendaselbst bürgerte sich auch, wenngleich

in geringer Ausdehnung, eine Kombination von Kollektivund Aktiengesellschaft, nämlich die Kommanditgesell­

schaft auf Aktien (hievon unten §. 37), ein; neueren Datums sind in Deutschland die aus besonderen social­

politischen

Verhältnissen und

Bestrebungen entsprungenen

sog. eingetragenen Erwerbs- und Wirtschafts­

genossenschaften (hiervon unten §. 38) und die um eigenartiger wirtschaftlicher Verhältnisie willen rechtlich ge­

regelte sog. „Gesellschaft

mit beschränkter Haf­

tung" (hievon s. unten §. 39). §. 24.

Übereinstimmendes und vergießendes von den Handelsgesellschaften. Nicht alle im Handelsverkehr auftretenden oder Handels­

geschäfte abschließenden Gesellschaften sind „Handelsgesell1 Über das englische Gesellschastsrecht s. aber Güter bock, GZ. Bd. 1 S. 360 und Gareiö

in Behrends a. a. O.

Zeitschr. Bd.

5

Übereinstimmendes und Vergleichendes rc.

§♦ 24.

175

schäften" im technischen Sinne und insbesondere im Sinne des HGB. von 1897, sondern nur diejenigen Gesellschaften sind es, auf welche nach der positiven Bestimmung die in

betreff der Kaufleute

gegebenen

finden/) oder die als Kaufleute

Vorschriften

Anwendung

im Sinne des Handels­

gesetzbuchs gelten,1 2)3 4oder die als Handelsgesellschaften im

Sinne des Handelsgesetzbuchs gelten?) Daher sind nicht hierher zu stellen: die stille Gesell­

schaft/) die frühere Gelegenheitsgesellschaft 5) und jede andere nur unter die Regeln des gewöhnlichen, nicht merkantilen

Gesellschaftsrechts6)* *fallende * Association. Es sind demnach als „Handelsgesellschaften" im obigen technischen Sinne anzusehen und hier zu erörtern:

1. die offene Handelsgesellschaft/) 2. die Kommanditgesellschast?) 3. die Aktiengesellschaft?)

4. die Kommanditgesellschaft auf Aktien/o)

5. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenoffenschaft") und 6. die Gesellschaft mit beschränkter Rastung.12)18) 1 HGB. §. 6 Abs. 1 u. 2. 2 GenG. §. 17 Abs. 2. 3 LimitGG. §. 13 Abs. 3. 4 HGB. §§. 335 —342; hievon ! handelt §. 29. | 6 Im früheren HGB. in! Art. 260—270 geregelt, nach ' Inkrafttreten des BGB. aber■ nicht mehr einer besonderen Re-; gelung bedürfend. S. Gareis/ SGB. Vorbemerkung vor §. 335 j . 299. 6 BGB. §§. j. 705—740. i§. 105—160 (vgl. . 173, unten §§. 25

8 HGB. §§. 161-177 (vgl. oben §. 23 S. 171, unten §. 30. 9 HGB. §§. 178-319 (vgl. oben ien §. §. 23 23 S. S. 173, 173, unten unten §§. §§. 31 31 bis 36. 10 HGB. §§. 320-334 (vgl. oben §. 23 S. 174, unten §. 37). 11 GenG. s. unten Z. 38; vgl. oben H. 23 S. 174. 12 LimitGG. s. unten §. 39, oben §. 23 S. 174. 13 (Einteilung nach Maßgabe Maßga der Kreditbasis). Je nach D( oem äußersten Falls — einerseits — für die Schulden der Gesellschaft

176

Kap. II.

Tie Personen im Handelsrecht.

I. Gemeinsam ist allen biefen sechs Gesellschaften die (mindestens relative) juristische Persönlichkeit, die Rechts­ fähigkeit und Verpflichtungsfähigkeit;*) die Rechtsfähig­ keit umfaßt nicht bloß die Fähigkeit, Vermögensrechte nach Handelsrecht zu erwerben, sondern auch alle bürgerlichen Rechte, mit Ausnahme solcher, welche ihrer Natur nach auf die physischen Personen beschränkt sein müssen, wie die Familienrechte; die Fähigkeit, Grundstücke zu erwerben, ist ausdrücklich erwähnt, die Fähigkeit, Erbe zu werden, ergiebt sich aus der Rechtsfähigkeit ohne weiteres,3) kommt aber doch denjenigen Gesellschaften, welche nur „unter ihrer Firma" Rechte erwerben können, nicht $u,3) denn die Firma eine oder mehrere physische Per­ sonen nach Gesellschaftsrecht per­ sönlich, d. h. mit ihrem ganzen Vermögen, haften müssen, ober — andererseits — im Falle der Insolvenz der Gesellschaft nur ein Vermögenskomplex, ein realer Fonds (res) allein, nicht aber ein Mensch mit seinem Vermögen für dre GesellschastsSHulden gesellschaftsrechtlich Hast­ ar ist,' kann man Personalund Realassociationen unter­ scheiden ; der Typus der ersteren im Handelsrecht ist die offene Handelsgesellschaft, der Typus des Realassociationen die Aktlenaesellschaft; Genossenschaften lehnen sich, wenn sie un­ beschränkte Haftung nicht aus­ geschlossen haben, systematisch an die offene Handelsgesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. aber an die Aktienaesellschasten an; Kombinationen stellen die Kommanditgesell­

schaften (ohne und aus Aktien) dar. Näheres in betreff der Haftung s. unten §. 40. 1 Dieses ergiebt sich für 1. aus HGB. §. 124; für 2. aus HGB. §. 161 mit §. 124; für 3. aus HGB. §. 210 Abs. 1; für 4. aus HGB. §. 320 mit §. 210; für 5. aus GenG. §. 17 Abs. 1; für 6. aus LimitGG. §. 13. 8 Vgl. BGB. §. 2101 Abs. 2. EinsG. z. BGB. Art. 86. Hell­ mann, Vorträge, Allg. T. S. 17. 3 Also der offenen Handels­ gesellschaft und der Kommandit­ gesellschaft nicht; aber Aktien­ gesellschaften find nach der Fassung des §. 210 des HGB. ohne jene Beschränkung rechtsfähig, daher auch erbfähig, und dasselbe wird man konsequentermaßen nach der Fassung der einschlägigen §§. (s. vorige Anm. ’) auch von den eingetragenen Genossenschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung sagen müssen.

Übereinstimmendes und Vergleichendes ic.

g. 24.

177

ist oer Name, unter dem der Kaufmann „im Handel seine Geschäfte betreibt",1) und so wenig ein Einzelkaufmann „unter seiner Firma" heiraten oder ein Testament errichten kann, so wenig kann z. B. eine offene Handelsgesellschaft als solche eine Erbschaft annehmen oder ausschlagen?) Die Verpflichtungsfähigkeit umfaßt nicht bloß die Fähig­ keit, aus Rechtsgeschäften verpflichtet zu werden, sondern auch die Möglichkeit, aus unerlaubten Handlungen ver­ pflichtet zu sein, nämlich soweit es sich um die Verant­ wortlichkeit für einen Schaden handelt, den ein verfaffungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausfühmng der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadens­ ersätze verpflichtende Handlung einem dritten zufügt?) Den Zweck haben jene sechs Gesellschaftsformen nicht gemeinsam, drei davon haben überhaupt keinen für sie charakteristischen Zweck zu verfolgen, nämlich die Aktien­ gesellschaft?) die Kommanditgesellschaft auf Aktien8) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung;8) — diese Gesell­ schaften können zu jeden, gesetzlich zulässigen Zwecke er­ richtet werden; eine — nämlich die Erwerbs- und Wirt­ schaftsgenoffenschaft — ist charakterisiert durch dm Doppel­ zweck: Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder (dies ist der Endzweck) und Herstellung eines gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs (dies ist das Mittel zur Erreichung jmes Endzwecks);1) zwei aber: die offene 1 HGB. §. 17. , - BGB. SS. 1946 ff.; vgl? Gareis HGB. S. 120, 121. §. ’ BGB. §. 31. Hiezu f.! Eosack, Lchrb. §. 33 S. 107, auch Gareis, HGB. S. 121. Gareis, Handelsrecht. 6. ?lufl.

* HEB. §. 210 Abs. 2. 6 HGB. §. 320 Abs. 3 mit 210 Abs. 2. 6 LimitGG1. 1 GenG. §. 1. Io

178

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft, bienen be­

griffsmäßig dem Handel: ihr Zweck muß auf den Betrieb eines

Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet fein;1) es kann dies nur eines der gesetzlich 2)3 als solche anerkannten Handelsgewerbe sein (s. oben §§. 7, 8 Seite 47—59), mög­

licherweise auch nur ein formelles Handelsgewerbe (f. oben §. 8 S. 57f.),s)nicht aber ein Kleingewerbes, oben §. 12 ) und b) wenn die Gesellschafter die ihnen obliegende obliga­ torische Anmeldung zum Handelsregister nicht persönlich bei

dem Gerichte bewirken — dann müssen sie sämtlich2) die

Anmeldung mit dem gesetzlich vorgeschriebenm Inhalte a) schriftlich errichten und in einer öffentlich beglaubigtm Form ebmso dem Gerichte einreichm, wie diejenigen Gesellschafter,

welche die Gesellschaft vertretm sollen, mangels persönlichen Erscheinens vor Gericht, die Firmmzeichnung in öffmtlich

beglaubigter Form einzureichen haben?) 1 BGB. §. 313 mit §. 128,1 2 HGB. §. 108. und mit EinfG. Art. 141,„142.1 3 HGB. §. 106. Ebenso ist der Fall der Uber-, 4 HGB. §§. 108, 12, und was tragung des gegenwärtigen Ber- die Beglaubigung anlangt, mögens odereines Bruchteiles des- EinfG. zum BGB. Art. 141; selben nach BGB. §. 311 zu bc- Gareis, HGB. §. 12 Anm. 2. handeln. i Gareis, Handelsrecht. 6. Aufl. 14

210

Kap. n.

Die Personen im Handelsrecht.

Über die Vorschrift und Bedeutung der Registrierung *) der offenen Handelsgesellschaft und über deren Entstehung überhaupt s. oben §. 24 VI A und B Seite 182 f. und 185 f.

§. 26. II. Innere Rechtsverhältnisse.

Welche Rechte und Pflichten das einzelne Mitglied einer offenen Handelsgesellschaft gegenüber den andem Mitgliedern derselben haben soll, richtet sich in erster Linie nach dem Gesellschastsvertrage;2)3 dieser * * * ist bis an die Grenze der Gültigkeit der Verträge überhaupt und bis an die Grenze der Sittlichkeit insbesondere8) souverän: so können z. B. über die Arbeitsbeteiligung der Gesellschafter, sowie über Nichtmittragen von Verlust oder über verschiedenes Maß des Verlusttragens etwa zu Gunsten der vorzugsweise mit Arbeit beteiligten Mitglieder in durchaus wirksamer Weise Vereinbarungen im Gesellschastsvertrage getroffen sein. Nur muß der Gesellschaftsvertrag das Wesen eines solchen fest­ halten und darf nicht, wenn er eine Gesellschaft begründen soll, eine dem Wesen der Gesellschaft widersprechende 1 HGB. S§. §§. 106-108, 12 C (Form d.Anmeldung), ' ~ 13 (Zweig-1! —r-rr—x , 14 n (Ordnungs -------- ­ Niederlassung) strafen), 15 (Wirkung der Be­ kanntmachung) und hiem noch die besondere Wirkung der Re­ gistrierung eines formellen Handelsgewerbebetriebes nach 8- 2 d. HGB. S. Gareis, Anm. 4 hiezu, S. 14—15 und oben 8- 8 S. 57-59 und 8- 24 V S. 186.

2 HGB. 8. 109; in zweiter Linie stehen sodann die dispositiven Vorschriften der 88-100 bis 122 d. HGB. und in dritter Linie die des gewöhnlichen bürger­ lichen Rechts. 3 BGB. 8§- 134, 138; un­ zulässig ist auch ein Berstosi gegen bas öffentliche Recht. S. Staub HGB. (v. 1861) Art. 103 8- 5.

Bestimmung enthalten; demnach kann zwar einerseits ver­ einbart werden, daß, wenn ein bestimmtes Mitglied infolge der extern nicht zu beseitigenden persönlichen Haftung einen Vermögensnachteil über eine bestimmte Höhe hinaus erleiben sollte, die übrigen Mitglieder ihm diesen ersetzen; ja es kann auch die gänzliche Befreiung eines Mitglieds von jedem finanziellen Verluste intern verabredet werden, und es ist eine solche konventionelle Privilegierung eines Mitglieds keineswegs notwendig eine Schenkung, sondern möglicherweise die wirtschaftlich ganz angemessene Gegenleistung für wichtige Dienste, die das so ausgezeichnete Mitglied der Gesellschaft etwa vermöge besonderer Kenntnisse, technischer Erfahrungen, patentfähiger Erfindungen und dgl. geleistet hat oder ver­ tragsmäßig zu leisten hat; aber es ist andererseits mit dem Wesen der Gesellschaft nicht zu vereinigen, daß ein Mitglied von jedem Gewinne ausgeschlossen sein soll, und ebenso­ wenig, daß ein Mitglied gar keinen Betrag, auch nicht einen Dienst also/) an die Gesellschaft zu leisten haben soll?) Wird, was demnach vollkommen zulässig ist, vereinbart, daß ein Gesellschafter nicht über seine Einlage hinaus intern haften soll, so nimmt dieser Gesellschafter im Innern der Gesellschaft die Stellung eines Kommanditisten ein,8) wenigstens was jene Haftung anlangt, während im übrigen 1 BGB. §. 706 Abs. 3. 8 Der „Löwenvertrag" (die societas leonina) ist also in dem Sinne zulässig, daß einem Mitgliede die Verlustgefahr intern abgenommen werden kann, nicht aber in dem Sinne, daß ein Mitglied, wie in der Fadel der

Esel, von jedem Gewinn aus­ geschlossen ist, der „Esel* wäre vielleicht Schenker, der Schen­ kungsvertrag ist aber kein Gesellschaftsvertrag und ist regel­ mäßig an eine Form gebunden. BGB. §. 518. 8 HGB. §• 161. 14*

212

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

seine Rechte im Gesellschaftsleben verschieden geregelt sein können, wie denn überhaupt die Geschäftsführung durch Vertrag einem oder mehreren der Mitglieder zugewiesen und diese darin an vereinbarte Grenzen in örtlicher, zeit­ licher und sachlicher Hinsicht gebunden sein sönnen, freilich, ohne daß dieser Bindung nach außen hin volle Wirkung zukommen kann?) A) Ist im Gesellschaftsvertrage nichts anderes bestimmt, so hat das Mitglied einer offenen Handelsgesellschaft folgende Pflichten gesellschaftsrechtlich zu erfüllen: 1. Jeder Gesellschafter hat seinen vereinbarten Beitrag rechtzeitig zu leisten;1 2) handelsrechtlich ist bei Geldeinlagen die von Rechts wegm vom Tage der Pflichtigkeit der Ein­ zahlung an laufende Verzinsungspflicht eigentümlich?) Entsteht durch die Saumseligkeit weiterer Schaden, so ist auch dieser von ihm zu ersetzen?) 1 HGB. 8- 125 mit tz.126 einer- Bedeutung der Inventarisierung und §8. 114-119 andererseits. (HGB. v. 1861 Art. 91 Abs. 2) 2 BGB. §. 706. Vertretbare ist nach CPil. §. 286 Sache der oder verbrauchbare Sachen (vgl. richterlichen Würdigung. HGB. v. 1861 Art. 91) sind 3 HGB. §. 111. Zinsfuß genach BGB. im Zweifel in das schlich 5 °/o; s. HGB. 9.352, auch gemeinschaftliche Eigentum der im Falle des §. 121 Abs. 2 Sah 2 Gesellschafter einzubringen, nach mit Anm. 4 bei Gareis HGB. HÄB. 8-124aber in das Eigentum S. 117. Zur Erhöhung seiner der Gesellschaft. Es bedarf jedoch, Einlage oder zur Ergänzung um dies zu erreichen, immer ! der durch Verlust verminderten noch desjenigen Übertragungs- ■ Einlage ist ein Gesellschafter weder altes, welcher nach der Natur! nach BGB., noch nach HGB. des Gegenstandes zur Rechts-! (ohne besonderen Vertrag) verübertragung erforderlich..ist, also ! pflichtet. BGB. 8- 707. bei Fahrhabe der Übergabe j 4 HGB. 8- Hl, mit Anm. 3 (BGB. 8§- 929 ff.) und bei 1 u. 4 hiezu bei Gareis, HGB. Grundstücken der Auflassung , S. 111. (BGB. 88- 925 ff., 873 ff.). Die!

Innere Rechtsverhältnisse.

§. 26.

213

2. Bei Erfüllung der gesellschaftlichen Verpflichtungen hat der Gesellschafter für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt?) 3. Hat ein Gesellschafter Geld für die Gesellschaft ein­ genommen, und liefert er dies nicht rechtzeitig an die Gesellschaftskasse ab, oder entnimmt er unbefugt Geld aus dieser Kasse, so tritt die gesetzliche Verzinsungspflicht eben­ falls von Rechtswegen und ohne Mahnung von dem Tage an ein, an dem die Ablieferung hätte geschehen sollen oder das Geld entnommen worden ist.1 2) 4. Jeder Gesellschafter hat das gesetzliche oder vertrags­ mäßige — erweiterte oder eingeschränkte — Konkurrenz­ verbot zu beobachten,3) hievon s. oben §. 14 2 Seite 90 f.; von dieser Verpflichtung, welche mit dem Beginne der Liquidation der Gesellschaft erlischt?) kann ein Beschluß der Gesellschafter entbinden?) 1 BGB. §. 708; dies ist hier deshalb hervorzuheben, weil es zweifelhaft sein könnte, ob der geschäftssührende Gesellschafter nicht vielleicht nach HGB. §. 347 für die Sorgfalt eines ordent­ lichen Kaufmanns einzustehen habe; die obige Regel, von der freilich der Vertrag abweichen rann, eraiebt sich aus Abs. 2 des angef. §. 347. S. Gareis, HGB. Anm. 3 hiezu, S. 310 und Denkschr. S. 3180. Ter prä­ sumtive Ausschluß der Kom­ pensation von günstigen und ungünstigen Folgen deS Handelns eines Gesellschafters versteht sich auch ohne besondere gesetzliche

Vorschrift wie sie Art. 94 des HGB. v. 1861 enthielt. S. Denkschr. a. a. O. 2 HGB. §. 111 und wegen des weiteren Schadens s. auf voriger Seite Anm. 4. 3 HGB. §. 112. Wegen des Begriffs .Handelszweig" und .gleichartig" s. Gar eis, HGB. Anm. 1 u. 2 zu §. 112 S. 112. 4 ROHG. Bd. 21 S. 145. 6 Hinsichtlich der Reaktion gegen das Überschreiten jenes Verbots, welche nur auf Be­ schluß der Gesellschafter eintreten kann (HGB. §. 113 Abs. 2), s. oben §. 14 S. 91. Mög­ licherweise tritt auch Auflösung

214

Kap. n.

Die Personen im Handelsrecht.

5. Jeder Gesellschafter hat sich, soweit der Gesellschafts­ vertrag nichts anderes bestimmt, mit der Führung der Geschäfte der Gesellschaft sorgfältig zu befassens) sich aber auch aller derjenigen Geschäftsführungshandlungen zu enthalten, zu denen er nicht zuständig ist,2)3 und * * insbesondere derer, gegen welche mit Fug von anderen Gesellschaftern Widerspruch erhoben ist.8) 6. Kein Gesellschafter darf feinen Gesellschaftsanteil ohne Zustimmung der anderen an einen dritten abtreten oder einen brüten ohne jenen Konsens in die Gesellschaft aus­ nehmend) 7. Im Falle des ungünstigen Abschlusies der Rechnung eines Geschäftsjahrs hat jeder Gesellschafter den auf seinen Anteil entfallenden Verlust zu tragen.8) B) Vorbehaltlich anderer Vertragsfestsetzung stehen jedem Mitgliede einer offenen Handelsgesellschaft folgende Rechte gesellschaftsrechtlich zu: 1. Jeder Gesellschafter hat, rechtzeitige Rechnungsablage vorausgesetzt,8) gegen die Gesellschaft Anspruch auf: der Gesellschaft oder Ausschließung des ungetreuen Gesellschafters ein. HGB. §. 113 Abs. 4 mit §§. 133, 140. 1 HGB. §. 114 Abs. 1 mit dem oben unter Nr. 2 u. Anm. 1 S. 213 hiezu besagten. 2 HGB. §. V* 114" Abs. " 2 mit §§; 115, llf.

3 HGB. §. 115 Abs. 1 u. 2, auch Z. 116"u. 117. " 4 Es gilt auch für ................. die offene Handelsgesellschaft vollständig das, was BGB. §. 717 bestimmt, bestimmt.

, Verschieden von dem hiemit Verbotenen ist die Heranziehung * eines Unterbeteiligten oder stillen i Gesellschafters, welcher keine ei1* gelten feiten Rechte gegen die dir Ge| sellschast selbst gewinnt. ' '. S. i ROHG. Bd. 23 S. 121, 122* 1I RGer. — Bd. — 1 S. — 76 ff., Bd. 25 I S. 88. Hinsichtlich des Beitritts von Erben eines Gesellschafters s. nun HGB. §. 139. 6 *HGB. §. 120. 6 Vgl. ROHG. Bd. 16 S. 48 u. Bd. 22 S. 180, 183.

Innere Rechtsverhältnisse. §♦ 26.

215

a) Ersatz der Aufwendungen und Auslagen, die er in Gesellschastsangelegenheiten machte, und die er nach seinem sorgfältigen Ermeßen den Umständen nach für erforderlich halten durfte — hiezu gehört den Umständen nach auch die Abnahme von Verbindlichkeiten, die er unter denselben Voraussetzungen übernahm; b) Ersatz der Verluste, welche er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, die mit ihr untrenn­ bar verknüpft sind, erlitten hat, und c) Zahlung von Zinsen (5 0 o, wenn nichts anderes ver­ einbart ist) aus den der Gesellschaft vorgeschosienen oder für sie von ihm aufgewendeten Geldern vom Tage des Vorschusses, bezw. der Aufwendung an?) Diese Ansprüche richten sich gegen die Gesellschaft, können aber auch, wie jede andere Gesellschastsschuld, gegen jeden einzelnen Gesellschafter geltend gemacht werden?) 2. Jeder Gesellschafter hat Anspruch auf Vergütung (Honorierung) für seine für die Gesellschaft vorgenommenen Arbeiten, Dienstleistungen und Bemühungen, vorausgesetzt, daß eine solche Vergütung ausdrücklich vereinbart oder den Umständen nach die Dienstleistung nur gegen eine Ver­ gütung zu erwarten roar,3) namentlich wenn und weil sie

1 HGB. §. 110. ' HGB. §.128, anders RLHG. Bd. 13 S. 144; hiezu s. jedoch wegen des Ausschlusses des Rückgriffs während der Tauer der Gesellschaft, das mit Rücksicht auf den hier nicht anwendbaren §. 426 des BGB. (f. auch oben S. 124 Nr. 7) bei Gareis, HGB. Anm. 1 zu §. 128 S. 124

' bis 125 Gesagte. Ter Geltendmachung des Regresses eines exequierten Gesellschafters gegen «meine andere Mitglieder der Gesellschaft während der Dauer ■ der letzteren dürste übrigens in der Regel auch BGB. §. 707 , (--HGB. v. 1861 Art. 92) entgegenstehen. * BGB. §. 612.

216

Kap. IL

Die Personen im Handelsrecht.

nicht kaufmännischer Art und nicht ohne besondere Berufs­

bildung auszuführen war?) 3. Jeder Gesellschafter hat einen Dividenvenanspruch,

der sich richtet: a) auf Kapitaldividende3) (4° o3) oder weniger) ^) und

b) auf

Personal-

oder

Arbeitsdividende?) verteilbar

nach Köpfen, der aber stets (d. h. bei a und b) voraussetzt, daß ein wirklicher Gewinn sich am Schluffe des Geschäfts­

jahrs ergiebt?) und der nicht auf sofortige und vollständige Auszahlung, sondern, zunächst wenigstens, nur auf Gut­ schrift^) des ermittelten Jahresgewinnanteils gerichtet ist8)

4. Jeder Gesellschafter hat ein gewiffes begrenztes Geld­

erhebungsrecht,'-') nämlich bis zu 4 0 o seines für das letzte

Kalenderjahr festgestellten Kapitalanteils, sowie das Recht, die

Auszahlung seines den bezeichneten Betrag (jene 4° o) über­ steigenden Anteils am Gewinne des letzten Geschäftsjahres zu verlangen, sofern die Ausübung dieses Rechts nicht zum offenbaren Schaden der Gesellschaft gereicht.

5. Jeder

Gesellschafter

ist,

sofern nichts anderes

im

Gesellschaftsvertrage bestimmt ist,10) zur Führung der Ge-

1 Der präsumtive radikale Aus»der Honorierung, welchen 3 des Art. 93 des HGB. v. 1861 ausgesprochen hatte, findet sich im neuen HGB. nicht. S. hiezuGareis, HGB. ©.110 dis 111. 2 HGB. §. 121 Abs. 1 Sah 1, Abs. 2 mit §. 120 Abs. 1. 8 Abweichend vom BGB. s. vorige Anm.; diese 4% belasten jedoch nicht das Konto der Ge­ sellschaft, wenn kein Gewinn ge­ macht wurde (im Gegensatze zu

Art. 106 des HGB. v. 1861); i val. HGB. §. 215 Abs. 1. ' HGB. 8. 121 Abs. 1 Sah 2. I 5 HGB. §. 121 Abs. 3; vgl. | = BGB. §. 722 Abs. 2. ; 6 Geschäftsjahr, nicht not! wendig Kalenderjahr. I 7 HGB. §. 120 Abs. 2 Sah 1. 8 GelderhebungSrecht s. HGB. §. 122. S. Text auf dieser Seite. Nr. 4. 9 HGB. §. 122. 10 HGB. §§. 114 Abs. 2, 125 Absah 1, letzter Halbsah.

Innere Rechtsverhältnisse,

g. 26.

217

schäfte der Gesellschaft nach innen und außen zu be­ rechtigt;^) ein Recht, welches mit voller Wirkung gegen dritte nur unter Eintragung in das Handelsregister ein­ geengt oder ausgeschlossen,?) gegen den Willen des einzelnen Gesellschafters diesem nur durch eine auf Antrag aller übrigen Gesellschafter erlassene gerichtliche Entscheidung aus einem wichtigen Grunde, insbesondere wegen grober Pflicht­ verletzung oder wegen Unfähigkeit, entzogen werden kann?) Näheres über die Ausübung und Einschränkung dieses Rechts s. oben §. 24 II und III Seite 178 f. 6. Jeder Gesellschafter hat Stimmrecht: es ist ein mit dem Wesen der offenen Handelsgesellschaft zusammen­ hängendes, aber immerhin bis zu einem gewissen Grade durch Vertrag modifizierbares Prinzip, daß es für die von den Gesellschaftern zu fassenden Beschlüsse der Zustimmung 1 Dgl. oben S. 179 f. und HGB88-114 Abs. 1.125 Abs. 1; und zwar ist es im Zweifel nicht Kollektivberechtigung, sondern Einzelberechtigung, jedoch mit Vetorecht eines jeden (§. 115 Abs. 1); ist Gesamtvertretuna ver­ einbart, so gilt im Zweifel das Einhelligteitsprinzip (§§. 115 Abs. 2, 119 Abs. 1), jedoch mit Abs. 2 l. Halbsatz)^: ^Unterschied

zwischen gewöhnlichem Betrieb undk außergewöhnlichen r“ —r"— Hand­ lungen, s. §. 116 Abs. 1 u. 2. hingen, ~ 9 ' " ~ *) Prokuristenbeftellung und --ab-berusung §. 116 Abs. 3. 2 HGB. §. 125. 3 HGB. §§. 117, 127. Es besteht aber hierin ein wichtiger Unterschied zwischen dem (neuen)

Handelsrechte und dem BGB. insofern, als nach dem ersteren die Vertretungsbefuanis nicht durch einfachen Beschluß der übrigen Gesellschafter (wie nach BGB. §. 712 Abs. 1), sondern nur durch Richterspruch entzogen werden kann. S. Denkschr. S. 3185. Auch insofern.besteht ein Unterschied, als nach dem BGB. §. 715 die Vertretungs­ macht, wenn sie in Verbindung mit der Befugnis zur (internen) Geschäftsführung erteilt worden ist, nur mit dieser entzogen werden kann, während dieser Zusammenhang nach HR. nicht besteht. S. Denkschr. a. a. O. Der Gesellschafter kann seiner­ seits die Geschäftsführung kün­ digen nach BGB. Z. 712 Abs. 2.

218

Kap. II.

Die Personen im Handelsrecht.

aller zur Mitwirkung bei der Beschlußfassung berufenen’) Gesellschafter bedarf; es kann aber das Einhelligkeitsprinzip statutarisch durch das Majoritätsprinzip ersetzt fein.12)* 7. Jeder Gesellschafter hat das Recht ständiger persön­ licher Kontrolle?) 8- 27. 111. Außere Rechtsverhältnisse.

I. Die offene Handelsgesellschaft ist wie alle andern (echten) Handelsgesellschaften rechtsfähig *) (s. oben §. 24 I, S. 176), aber diese Rechtsfähigkeit ist (wie eben­ falls oben, S. 177 erwähnt) beschränkt auf den Umkreis der Rechtsverhältnisse, für welche oder innerhalb deren Handlungen unter der Firma^) vorgenommen werden, eine Einschränkung, welche ihren Ausdruck in der Bezeichnung der offenen Handelsgesellschaft als einer „relativen (d. h. nur in gewissen Beziehungen anzunehmenden) °) juristischen Person" findet. „Unter ihrer Firma" kann sie auch ding4 HGB. 8- 124; über die Kon1 Also wenn die Befugnis j Iur Geschäftsführung nicht allen, i troverse wegen der Persönlichkeit ondern nur einigen der Ge- I s. Gareis, HGB. Aum. 1 zu ellschafter kollektiv zustebt, nur 8. 124 S. 119-120 und die der geschäftsführenden, sofern die dort.angegebene Litteratur. 6 Uber die Firma der offenen Handlung im gewöhnlichen Be­ triebe liegt, andernfalls aber HGesellschast s. HGB. §. 19 u. oben §. 16 S. 105, §. 24 V aller (§§. 115 Abf. 2, 119). 2 HGB. 8- 119 Abs. 2 wie S. 180 f. BGB. §. 709 Abf. 2. 6 So schon F. Dahn, Handels­ 8 Nach Maßgabe näherer ge­ rechtliche Vortrage, 1875 S.67 ff. setzlicher Bestimmung, die nicht Gareis, HGB. Anm. 2—7 zu dem Handelsrechte eigentümlich, §. 124 S. 120-121, und oben sondern allgemein besteht: BGB. Z. 24 I S. 176, mit Anm. 1-3 L. 716 -- HGB. §. 118, mit daselbst und S. 177 Anm. 1-2. Sinnt. 3 hiezu bei Gareis HGB. S. 115.

Äußere Rechtsverhältnisse. §♦ 27
alte 12 . . immen .

.

xlte 4a, ist Spalte 11a gemäß Spalte 6a auszufüllen, anderenfalls ist Spalte 11 a

Fix-, Differenz-, Prämien- u. Promeffengeschäfte. festbestimmten Frist Leistungszeit

wird

bewirkt werde?)

zwar

§. 48.

545

Die Festsetzung der

in der Regel ausgedrückt durch

bestimmte Worte, wie: zu liefern „fix", „präzise", „prompt", „spätestens am . . .",

„nicht später als . . ." oder durch

die sog. kassatorische oder Erlöschungsklausel („am... oder um . . . Uhr ist das Engagement erloschen") oder durch Verweisung auf feststehende Usancen oder Statuten, sofern sie einen ganz präzisen Leistungstermin ersehen lassen; die

juristische Eigentümlichkeit des Fixgeschäfts liegt nicht in

den Worten, sondern in der Absicht der Parteien, nämlich

darin, daß es ein unter der ausdrücklichen Bedingung, es sei zu erfüllen innerhalb der festgesetzten Frist

oder zur festgesetzten Zeit, abgeschloffenes Lieferungs­ oder Zahlungsgeschäft?) ist, ein Geschäft, in welchem die Innehaltung dieser Zeit oder Frist einen wesentlichen

Bestandteil

der

Leistung

des

Leistungspflichtigen

bildet,

welches demnach, wenn jene Bedingung nicht eingehaltm ist, eigenartige Wirkungen erzeugt: Gerät bei einem gewöhn-

lichen gegenseitigen Vertrage, der kein Fixgeschäft ist, der eine Teil mit der ihm obliegenden Leistung in Verzug, so kann ihm der andere Teil zur nachträglichen Bewirkung

der Leistung eine angemessene Frist (sog. Nachfrist) mit der u. HGB. 1 BGB.. §. 361 ii. §.376. ZIn ‘der Regel' wird ein bestimmter Tag 'festgesetzt, an der Börse ist es meistens der Ultimo des lausenden oder nächsten Atonats. " Das HGB. v. 1861 (Art. 357) schränkte seiner Definition des Fixgeschäfts nach dieses Geschast auf den Fall ein, daß der, GareiS, Handelsrecht. 6. Aufl.

welcher die Leistung fix erwarten durste, der Käufer war; das HGB. v. 1897 definiert das Geschäft so, daß auch die fixe Leistung des Käufers vereinbart , sein fum kann; unui i bei uci x?cicuivuiuiiy Vereinbarung urt der j Leistung Zug um Zug ~ ia (s. oben j §. 46 I) zieht der erst rstere — Fall " den zweiten ohnehin nach sich. |

35

546

Kap. III.

Die Handelsgeschäfte.

Erklärung setzen, daß er die Annahme der Leistung

mit

dem Ablaufe der Frist ablehne; benutzt dann der andere Kontrahent die Nachfrist nicht, so kann die Gegenpartei

Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordem oder von dem Vertrage zurücktreten, der Anspruch auf Erfüllung ist aber

dann ausgeschlossen; hat aber die nachträgliche Erfüllung des Vertrags infolge des Verzugs für den anderen Teil

kein Interesse, was er zu beweism haben würde, so kann er Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder den

Rücktritt vom

Vertrage wählen,

Nachfrist

ohne

daß

es der Be-

Recht

stimmung

einer

Rücktritts

ohne Setzung einer Nachfrist besteht also nur

dann,

wenn

bedürfte; *)

das

des

die Nachleistung beweisbar für dm Nicht-

säumigm kein Interesse mehr haben würde, oder wenn die

Zulässigkeit

des Rücktritts im voraus vereinbart wurde.

Anders beim Fixgeschäft, hier gilt das Rücktrittsrecht als vereinbart, und zwar auch im gewöhnlichen, nicht handels­

mäßigen Verkehre:

wenn in einem gegenseitigen Vertrage

laut Verabredung die Leistung des einen Teils genau zu einer festbestimmten Zeit oder innerhalb einer festbestimmten

Frist — also „fix" — bewirkt werden soll, aber nicht fix be­ wirkt roirb,2) so ist im Zweifel anzunehmen, daß der andere

Teil zum Rücktritt berechtigt ist; auf den Grund,

aus

welchem die Leistung unterblieb, ob aus Verzug, Schuld des

Leistungspflichtigen oder Zufall, kommt es, wenn nur der Rücktritt gewählt wird, nicht an. 1 BGB. §. 326; hinsichtlich teilweiser Erfüllung s. BGB. §. 325 Abs. 1 Satz 1. 1 Die Feststellung der Nicht-

| I , |

Dies gilt auch beim Fix-

leistung oder des Verzugs durch eine Protesturkunde ist im HGB. v. 1897 nicht vorgesehen, anders HGB. v. 1861 Art. 358.

Fix-, Differenz-, Prämien- u. Promeffengeschäste.

§. 48.

547

geschäste des'Handelsrechts, auch hier kann bei nicht recht­ zeitiger Erfüllung seitens des einen Teils der andere vom

Vertrage zurücktreten, gleichviel, warum die Leistung nicht

erfolgte;

aber

Schadensersatz

statt

der

Erfüllung

kann

wegen der Nichterfüllung nur dann verlangt werden, wenn der Schuldner in Verzug ist, und nachträgliche Erfüllung kann nur verlangt werden, wenn der, dem erfüllt werden

soll, sofort nach dem Ablaufe der Zeit oder Frist dem Gegner anzeigt, daß er auf Erfüllung bestehe.

Letzteres

ist beim nichthandelsmäßigen Fixgeschäfte anders: nachdem

BGB. ist der Teil, der die nachträgliche Erfüllung verlangm darf und will, nicht verpflichtet, dies sofort dem

anderen zu erklären, sondern es ist sein Recht, zwischen

Erfüllung und Rücktritt zu wählen, nur insofern zeitlich begrenzt, als der Gegner ihm nach BGB. §. 355 für die

Ausübung des

Rücktrittsrechts eine angemeflene Frist be­

stimmen kann,

mit

deren fruchtlosem Ablaufe aber das

Rücktrittsrecht erlischt; nach dem Handelsrechte *) aber muß

der Gläubiger, der — gewissermaßen ausnahms- und auf­ fallenderweise — nach dem fixen Leistungstermine nachträg­

liche Erfüllung wünscht, dies sofort dem Schuldner dieser Leistung anzeigen, und zwar ohne von ihm eine Aufforderung

abzuwarten. einen Markt-

Der Schadensersatz besteht bei Waren, welche oder Börsenpreis haben — und nur solche

bilden dm regelmäßigen

in der Differenz Markt-

oder

Börsenpreise

geschuldetm Leistung;

Gegenstand

zwischen

zur

der Fixgeschäfte —

dem Kaufpreise

Zeit

die Befugnis

und

am

und dem Orte der

zu der himach zu-

1 HGB. v. 1897 §. 376 und HGB. v. 1861 Art. 357 Abs. 1. 35*

Die Handelsgeschäfte.

Kap. HI.

548

nämlich nach dem System

gelassenen Differenzberechnung,

des fingierten Nealisationsverkaufs,

bezw. des fingierten

Deckungskaufs, steht sowohl dem Verkäufer, als dem Käufer gegebenen Falles zu;

das Ergebnis

eines

bezw.

genommenen Realisationsverkaufs,

wirklich

vor­

eines Deckungs­

kaufs kann, falls die Ware einen Börsen- oder Marktpreis hat, dem Schadenersatzansprüche nur zu Grunde gelegt werden,

wenn der Verkauf

oder Kauf sofort nach dem Ablaufe der

bedungenen Leistungszeit oder Leistungsfrist bewirkt wird; der Verkauf, bezw. Kauf muß, wenn er nicht in öffentlicher

Versteigerung

geschieht,

durch

einen

hiezu

öffentlich

er­

mächtigten Handelsmäkler oder eine andere zur öffentlichen

Versteigerung folgen.

befugte Person

(s. oben Seite 525)

zum

laufenden Preise er­

Grundsätze vom Selbsthilfeverkauf

Es finden die

darauf

Anwendung;

ist

die

vor­

geschriebene Benachrichtigung des Gegners unterblieben und daraus Schaden entstanden, so muß diesen der Benachrich­

tigungspflichtige

ersetzen?)

Ist

der zur Erfüllung

aus

einem Fixgeschäfte Verpflichtete vor Eintritt des Lieferungs­ termins oder Ablauf der Lieferfrist in Konkurs

geraten,

und hat die zur Lieferung übernommene Ware einen Marktoder Börsenpreis, so

kann nicht die Erfüllung verlangt,

sondern nur eine Forderung wegen Nichterfüllung geltend

gemacht werben. sich

Der Betrag dieser Forderung bestimmt

durch den Unterschied zwischen

dem Kaufpreise und

demjenigen Markt- oder Börsenpreise, welcher an dem Orte der Erfüllung

oder

an

dem

für denselben maßgebenden

Handelsplätze sich für die am zweiten Werktage nach Er

1 HGB. §. 376 Abs. 2-4.

Fix-, Differenz-, Prämien- u. Promessengeschäste.

Öffnung des

Konkursverfahrens

§♦ 48»

549

mit der bedungmen Er­

füllungszeit geschlossenen Geschäfte ergießt.1) II. Differenzgeschäft ist ein Fixgeschäft (also ein

Zeit- oder Termingeschäft), dessen Erfüllung von feiten des

Verkäufers sondern

in

nicht in der Lieferung der Ware selbst besteht,

der der Differenz

Kaufpreise der Ware

zwischen dem vereinbartm

und dem Markt- oder Börsenpreise

lKurswert), welchen dieselbe Ware zur Zeit und am Orte der vereinbarten, aber nicht durch Warenübergabe selbst zu leistenden Erfüllung hat.

Das Differenzgeschäft ist weder

eine Wette, noch ein Spiel;2) aber das positive bürgerliche Recht bestimmt, daß,

wenn ein auf Lieferung von Waren

oder Wertpapieren lautender Vertrag in der Absicht ge­ schlossen wird, daß der Unterschied zwischen dem vereinbartm Preise und dem Börsen- oder Marktpreise der Lieferungs­

zeit von dem verlierenden Teile an den gewinnenden gezahlt

werden soll, so

ist der Vertrag als Spiel anzusehen?)

Dem gegenüber hat auch das Handelsrecht keine Ausnahme­

bestimmung, sondern nur das Börsenrecht?)

Es ist jedoch

hier schon hervorzuheben, daß der Börsenverkehr das sog.

reine Differenzgeschäft nicht kennt, um deswillen nicht, weil

1 Die Bestimmung, daß nicht i die Erfüllung, sondern nur eine! Forderung wegen Nichterfüllung, : sei es die des Schadensersatzes, sei cs die des Rücktritts, erhoben werden könne, darf nicht ! zur Anwendung kommen, wenn 1 ein solcher Börsen- oder Marktpreis nicht zu ermitteln ist. KonkOrd. §. 18. ! 2 Vgl. Grünhnt im Hdbch. :

5. 279 (Bd. 3 S. 9, 10), insbes. Anm. 4; Gareis, Die Klagbarkeit der Differenzgeschäfte, (Bert. 1882.) 3 BGB. §. 764; sonach er­ zeugt der Vertrag keine Verbindlichkeiten, das aus Grund desselben aber Geleistete kann nicht zurückgesordert werden. 4 Hievon unten §. 49.

Kap. ni. Die Handelsgeschäfte.

550

die Abwickelung nicht direkt, sondern durch Substitutionen *)

anderer Kontrahenten auf dem Wege des Börsenarrangements am Liquidationstermin erfolgt oder wenigstens regelmäßig

erfolgen

kann?)

Die

Geschäftsabschlüsse

sind

durchweg

von vornherein auf wirkliche Lieferung und wirkliche Ab­ nahme gerichtet, so daß sich keineswegs aus dem Äußeren der Vereinbarung die Absicht, das Geschäft durch ein ent­

gegengesetztes Geschäft zu

„kompensieren"

und die beiden

Geschäfte mittels Empfang oder Bezahlung der Differenz

zu „regulieren", ergiebt, sondern dies erst aus dem bei der Erfüllung auftretenden Parteiinteresse hervorgeht?)

Aber eine Nebenverabredung, daß es so gehalten werden soll, wie wenn ein Zeitgeschäft in entgegengesetzter Richtung von dem einen und von dem andern Kontrahenten neben

dem ausdrücklich vereinbarten Kaufe abgeschlossen worden wäre, ergiebt sich regelmäßig aus dem Orte des Abschlusses

(nämlich

der

Börse)

oder der

1 ES geschieht dies durch den Mechanismus der sogenannten „Börsenliquidation", d. i. eines gleichzeitigen „Arrange­ ments" der verschiedenen gleich­ zeitig fälligen Differenzgeschäste mittels Überweisungen der ein­ zelnen Käufer und Verkäufer, mittels Skontration (Ab­ gleichung) der innerhalb des Kompensationskurses („Liqui­ dationskurs") sich bewegenden Preise und mittels Bardeckung des für die einzelnen Beteiligten sich dann noch — als mchtskontrierbar — ergebenden Agios oder Disagios über oder unter

örtlichen

Beziehung

der

dem vom Börsenvorstande aus­ gestellten Liquidationskurse am Ultimo. Hierüber s. Grünhut int Hdbch. §. 279 S. 12 ff. Uber Liguidationskurse s. auch Siegfried a. dem S. 492 angegeb. Orte S. 120 ff. uud unten §. 49. 2 Stenograph. Vernehmungs­ protokolle der deutschen Börsenenquöte-Kommission d. I. 1892 bis 1893, Frage 7,7 a, namentlich die völlig zutreffenden Äuße­ rungen von L e x i s S. 3559—3563 u. Fuchs, S. 3571, 3572 8 R. Siegfried a. a. O. S. 114.

Fix-, Differenz-, Prämien- u. Promessengeschäfte.

§. 48»

551

Realisation der Geschäfte, nämlich der Realisation auf der Börse; damit ist dann als stillschweigend paktiert anzu­ sehen, daß das Geschäft nach den Regeln der börsenmäßigen Liquidation (d. i. Abwickelung mittels Skontration auf Grund der Kompensationskurse, sog. „Börsenarrangements") zu Ende gebracht werde. in. Das Prolongations-, Report- oderKostgeschäft?) Man bezeichnet mit diesem Namen Geschäfte, welche darin bestehen, daß zwei Geschäfte, Einkauf und Verkauf, ?) gleichzeitig und durch einen Willensentschluß seitens des einen Kontrahenten abgeschlossen werden, von denen das eine Geschäft ein Verkauf gegen bar (Kassa­ geschäft) und das andere ein Lieferungseinkauf (oben §. 47) oder: das eine ein Tageseinkauf und das andere Verkauf auf Zeit ist (die Ausdrücke Ein- und Verkauf vom Stand­ punkte ein und desselben Kontrahenten aus gebraucht)?) Bedarf jemand rasch einer bestimmten Gattung von Wert­ papieren, so kauft er sie gegen bar („er nimmt sie zu leihen") ^) und verspricht, sie (oder: ebenso viele derselben iGSyst. S. 192-194. Sieg­ fried a.a.O. S. 142ff.; Grün­ hut im Hdbch. §. 287. Litt. f. insbef. Anm. 8 9b. 3, Bd. 1 S. 33; H. Müller, Report­ geschäft 1896; Cosack, Lehrb. ä. 80. — Entscheidungen über oas Reportgeschäft sind zusammengestellt in GZ. Bd. 26 (1881) S. 248 ff. Haezu RGer. Bd. 19 S. 145. K. Adler (Wien) in GZ. 9b.35S.418ff.; I. Ofner (Wien) ebenda Bd. 37 S. 438 ff. 8 Die Auffassung der Kost­

geschäfte als Kombination von Einkauf und Verkauf ist juristisch festzuhalten troh des entgegen­ stehenden Sprachgebrauchs von Börsenusancen; vgl. die tu GZ. Bd. 26 (1881) S. 254-257 mit­ geteilten österreichischen Erkennt­ nisse und die treffende Bemerkung Keyßners hiezu S. 256. 3 ROHG. Bd. 22 S. 191 ff., Bd. 19 S. 308 ff., Bd. 5 S. 184. Reichsstempelabgaben-Ges. vom 27. April 1894 §. 12. 4 Über das sogen. „Herein­ nehmen" im Reportgeschäft s.GZ.

552

Kap. III.

Die Handelsgeschäfte.

Gattung) in bestimmter Frist wieder (zurück) zu liefern;

die Spekulation kann dabei eine a la baisse-SpelulQtion der

sein,

Spekulant

„fixt"

spekulierend

alsdann

Deport, die Gegenpartei auf Report,

auf

Steigen; oder die

Veranlassung ist nicht Stückemangel, sondern Geldmangel: ein Spekulant, welcher in einem vorausgegangenen Geschäft als Käufer operierte und nun die gekaufte Ware beziehen

und auch bezahlen soll, ist hiezu außer stände; er schließt

demnach einen Verkauf gegen bar ab, verschafft sich dadurch

Geld und kaust auf Lieferung, indem er die erste Speku­

lation „prolongiert".

(mithin

in

(repartiert,

der

daher

Der Kapitalist,

Regel

billiger

Reporteur

als

welcher gegen bar auf

genannt)

Kredit) sofort

und

kauft

auf

Lieferung verkauft, benutzt das Geschäft, um sein Kapital

kurz

und sicher fruchttragend

anzulegen,

und

zieht

be»

Gewinn aus den Zinsen der Zwischenzeit, sowie aus dem

Kursunterschiede.

(Denn

je nach dem Lieferungstermine

hat ein Wertpapier an ein und demselben Tage verschiedene Kurswerte, der Unterschied zwischen diesen heißt Report

s „Kostgeld "s, wenn der Kurs für den späteren Lieferungstermin höher, Deport s„Leihgeld"s, wenn er niedriger ist als der Kurs für den früheren Termin.)*1)

Den Aktien­

gesellschaften ist das Repartieren ihrer eigenen Aktien nicht

Bd. 26 (1881) S. 249, 250 und Privat- u. öffentliche Recht der RGer. Bd. 19 S. 156; Bd. 28 Gegenwart 1875); Gareis in Meyers Deutschem Jahrbuche S. 25. 1 Thöl, HR. §.285; Ende­ Bd. 2 (1873) S. 362-363; mann, HR. 4. Aufl. §. 145; James Moser, Die ZeitGrünhut, Das Börsen- und [ geschäste. (Berlin 1875.) GSyst. Müklerrecht, 1875, S. 72-79 i a. a. O. (auch in seiner Zeitschrift f. d.

Fix-, Differenz-, Prämien- u. Promessengeschäste.

§. 48»

553

gestattet;T) aus der juristischen Natur des Reportgeschäfts

als eines

mit einem Wiederverkäufe verbundenen Kauf­

vertrags aber folgt

auch die Stempelpflichtigkeit der Ge­

schäfte nach Tarifnummer 4 A des Reichsstempelgesetzes vom 29. Mai 18852) und 27. April 1894. IV. Prämiengeschäfte.^)

Wenn der Spekulant,

welcher kauft, um wieder zu verkaufen (Hausiespekulant),

sich in seiner Spekulation dadurch getäuscht sieht, daß der Kurs, anstatt zu steigen, gefallen ist, so könnte er den

ihn deshalb treffenden Schaden vermindern, wenn er von dem Spekulationskaufe hinterher noch zurücktreten könnte; das Recht, zurückzutreten, kann aber von vornherein verein­

bart sein und dadurch die Gefahr und der eventuelle Ver­ lust für den Spekulanten bedeutend vermindert werden;

er bezahlt an die Gegenpartei für die Einräumung dieses Rücktrittsrechts einen kleinen, gewöhnlich in Prozenten oder im Preise selbst ausgedrückten Betrag („Prämie") und hat dann am Stichtage die Wahl, ob er zurücktreten oder den

Vertrag aufrecht erhalten wolle.

Dieses Rechtsverhältnis

bildet einen der zahlreichen Fälle, welche unter dem Namen oben §.34(5.3539111111.4. Bd. 19 S. 145 ff. Litt. s. ebenda Abweichend ROHG. Bd. 22 S. 150. Reichsstempel-Ges. vom S. 193, 194. —Eine Konsequenz 27. April 1894 §. 12 Abs. 3. obiger Ausfassung ist, daß der 3 Grünhut im Hdbch. §§. Reportnchmer, solange er im 281 ff., ebenda s. Litt. Ferner Besitze repartierter 9lktien ist, Gold sch m idt-Syst. §. 103 S. beim Mangel entgegenstehender 175 ff.: R. Siegfried a. dem Statuten zur Teilnahme an S. 492 angegeb. Orte S. 130 ff.: den Generalversammlungen der : Die Gesetzgebungsfragen s. die Aktiengesellschaft berechtigt ist. oben Amn. 2 S. 550 auVgl. das Pariser Erkenntnis in gegebene Borsenenquete, unter GZ. Bd. 26 S. 252, 254. Frage 7 c. Diese Folgerung u. zugleich 4 ROHG. Bd. 15 S. 393, die Natur der Neportgcschäste ist 399, Bd. 19 S. 4. ausführlich erörtert in RGer.

554

Kap. IIL

Die Handelsgeschäfte.

„Prämiengeschäfte" zusammengefaßt werden.

Wie in dem

eben geschildertm Rechtsverhältnisse dem spekulierenden Käufer

ein Wahlrecht gegen Prämie eingeräumt wird, und zwar das

Recht, zu wählen zwischen Rücktritt und Verttag, so kann dasselbe Recht gegen Prämie auch dem Verkäufer vom Käufer

eingeräumt werden; zudem kann der Inhalt des Wahlrechts

sehr mannigfaltig gestaltet sein. Im allgemeinen ist das Prämiengeschäft ein Vertrag, inhaltlich beffen von einem Kontrahenten, Prämiennehmer,

dem anderen, Prämimgeber, gegen Versprechm einer bestimmtm Geldsumme, Prämie genannt, ein an einem ver­ einbarten späteren Zeitpunkt

auszuübendes Wahlrecht zu­

gestanden wird, welches mit Bezug auf einen bereits ab-

geschlossmm oder erst noch abzuschließendm Vertrag einen Eingriff in die Rechtssphäre des Prämimnehmers enthält;') der Verttag, auf welchm das Prämimgeschäft Bezug nimmt,

ist in die Vereinbarung über das Wahlrecht und über das Äquivalent hiefür, die Prämie, — mithin in das Prämien­

geschäft — wesentlich, aber noch unfertig eingeschlossen, so daß erst nach Endigung des Prämiengeschäfts entschieden

ist, ob oder wmigstms in welchem Umfange er bindend

sein oder zur Ausfühmng kommm soll, und ist int kauf­ männischen Verkehre regelmäßig ein Lieferungsgeschäft (Fix­ geschäft) ,

dessen

Papiere bilden.

Gegmstand

gewöhnlich

börsengängige

Ist der Käufer der Prämienzahler,

so

heißt die Prämie „Dor-" oder „Lieferungsprämie"3) und

» Thöl, HR. 88. 286, 287; Gareis in SA. f. deutsches Wechsel- u. Handelsrecht Dd. 18 (1869)©. 123ff. Bielschowski,

' Die recht!. Natur der Prämien ! geschäste. Brest. 1892. (Dissertat.) I ' Grünhut im Hdbch.Bd.3, 11 S. 18, ROHG. Bd. 15S.893.

Fix-, Differenz-, Prämien- u. Promeffengeschäste.

§. 48.

555

erscheint häufig als Zuschlag zum Kaufpreise; ist der Ver­ käufer wahlberechtigt, so wird der Kaufpreis um den Betrag der Prämie, welche „Rück-" oder „Empfangsprämie" heißt, vermindert; im einen, wie im anderen Falle heißt die Entfernung

des

Prämienkurses

aber

sind diese

von

dem

gewöhnlichen

Nach dem Inhalte des Wahlrechts

Kurswert „Ecart".

Prämimgeschäfte

folgendermaßm

teilen : 1. Das einfache Prämiengeschäft.

einzu­

Hiebei be­

rechtigt das Wahlrecht, für welches die Prämie gegeben wird, dm Prämimgeber, an einem bestimmten späteren

Zeitpunkte (Tag der Prämienerklärung) zu wählen, ob er den gleichzeitig verabredeten Lieferungsvertrag ab­ geschlossen wissen wolle oder nicht. Die Prämie wird hiebei bezahlt: entweder wenn das Wollen dieses

Lieferungsgeschäfts,

oder

wenn

das

Nichtwollen*)

gewählt wird, oder auch schon für das bloße Wahl­

recht, ohne Rücksicht auf diese oder jene Ausübung der Wahl;") das letztere wird präsumiert.

2. Das Wahlrecht kann aber auch derart vereinbart sein, daß der Prämimgeber nicht zwischen dem bestimmten Wollen

und

Nichtwollen,

sondern

zwischm

So-

und

Anders-Wollen wählen kann: „zusammengesetzte

Prämiengeschäfte".

Zu diesen gehört:^)

' R OHG. Bd. 15S.398—402. 4 ROHG. Bd. 19 S. 4.; G a r e i s in SA. Bd. 18 S. 128 ff. : 8 Hierher wird von manchen , (Thöl, HR. §. 294; Grünhut ! im Hdbch. tz. 286) das Wandel-i geschäst oder Escomvtegcschäst . (wobei der Wähler (Prämien-!

gebcrf die Erfüllung des Vertrags an einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb einer enger oder weiter fixierten Frist fix verlangen kann) gestellt; dieses Geschäft kommt heutzutage mit und (z. B. in Berlin) ohne Ecart gebräuchlich vor und heißt »Kauf mit An-

Kap. III.

556 a)

der

„Schluß

Die Handelsgeschäfte.

auf

fest

und

offen"/)

bei

welchem der Prämiengeber das Recht hat, an einem be­

stimmten Zeitpunkte hinsichtlich eines bestimmten Teils der Ware von der Erfüllung zurücktreten zu dürfen;

b) die Nochgeschäfte?) oder Nachgeschäfte sind Prämiengeschäfte, bei denen der Prämimgeber das Recht

hat, am Erklärungstage zu verlangen, daß die Zahl der behandelten Wertpapiere um eine bestimmte Zahl vermehrt werde; ein Teil dieser Papiere ist alsdann fest gekauft,

ein anderer nach Wahl („in Option") des Prämiengebers; je nachdem der Käufer oder der Verkäufer Prämiengeber

ist, unterscheidet man „Geschäfte mit Noch" und „Geschäfte

mit Ankündigung";

bei letzteren hat der Verkäufer das

Recht der Nachlieferung nach seiner Wahl als Prämien­ geber.

c) Das Stellgeschäft, auch „Schluß auf Geben und Nehmen", „Stellage" genannt, ist ein Prämiengeschäft,

bei welchem der „Wähler" am Erklämngstage die Wahl hat, ob er ein bestimmtes Lieferungsgeschäft als liefernder

oder als beziehender Teil abgeschlosien und erfüllt wissen wolle, mit anderen Worten: das Recht hat, nach freier Wahl,

welche

er

an einem bestimmten Zeitpunkte oder

innerhalb einer festgesetzten Frist treffen muß, die behandelte kündiguug fix und tag lich", wenn der Verkäufer, und „Kauf auf fi xe und tägliche Lieserun g", wenn der Käufer die Wahl hinsichtlich der Zeit der Effektenlieferunghat. GSyst. S. 191. R. Siegfried a. dem S. 492 angegeb. Orte, S. 131; Cosack, Lehrbuch S. 403. 'Thöl, HR. ß. 292; Grün-

"Hut im HdLch. §. 285: GSyst. S. 191: Siegfried a. a. O. , S. 141 ff. 52 Ü5riint)ut im§.285; James Mosera. a.O.S. 11 ff.; j Thöl, HR. §. 293; GSyst. i S. 191; Siegfried a. a. 0., S. 140 ff. Wachtel, Stellage ; und Rachgeschäst 1897. I

Fix-. Differenz-. Prämien- u. Promeffengeschäfte.

§. 48.

557

Ware (meistens Effekten) dem Prämiennehmer („Steller", auch „Stillhalter" genannt) zu liefern oder sie von diesem zu beziehen.

Vom zweischneidigen Prämiengeschäft (s. unten

Ziff. 3) unterscheidet sich das Stellgeschäft dadurch, daß

die Wahl des absoluten Nichtwollens (d. i. der Rücktritt)

bei

dem

Stellgeschäft

ausgeschloffen ist;

da

bei

diesem

demnach jedenfalls eine Erfüllung des je nach Entscheidung des Wählers

im Stellgeschäft

abzuschließenden

Vertrags

einzutreten hat, so wird die Prämie zweckmäßig und ge­

wöhnlich in der Vereinbarung von zwei verschiedenen Kauf­ ausgedrückt, — eines niedrigeren für den Fall,

preisen

daß der Wähler zu liefern wählt, und eines höheren für

den Fall, daß sich dieser liefern läßt.

Der Umstand, daß

die Prämie — das Stellgeld — nicht selbständig sichtbar

und in den Schlußbriefen nicht besonders genannt wird,

giebt mitunter, jedoch mit Unrecht, Veranlaffung, das Stell­ geschäft nicht zu den Prämiengeschäften zu rechnen; doch

gehört

es

seinem

inneren

Wesen nach unzweifelhaft zu

diesen?) 3. Das Wahlrecht des Prämiengebers kann endlich der­

art vereinbart

sein,

daß

zwischen Nichtwollen,

dem

Prämiengeber

So wollen

und

die

Wahl

Anders wollen

zusteht; dies ist der Fall beim sog. „zweischneidigen

Prämiengeschäft", ?)

welches darin besteht, daß der

Prämiengeber an bestimmten Terminen wählen kann, ob er

(als

Käufer)

die

behandelte Ware

vom Prämiennehmer

' GSyst.S. 191. Thöl HR. Orte S. 137 ff.; Wachtel tz. 291 Anm. 3; Grünhut im l a. a. L). Hdbch. 283; R. Siegfried - Thöl, HR. 8- 290; Grüna. dem oben S. 492 angegeb. I Hut im Hdbch. 8- 284.

558

Kap. HI.

beziehen,

oder

sie

Die Handelsgeschäfte.

'(als Verkäufer) dem Prämiennehmcr

liefern oder weder das eine, noch das

andere,

sondern

auch

Doppel­

Abstand vom (Lieferungs-)Verlrage wolle. 4.

Zweiprämiengeschäft,

Das

prämiengeschäft, geschäfte

in

ist

eine Kombination

der Spekulation

zweier

Prämien­

eines Prämiengebers

oder

Prämiennehmers?) Die juristische Natur der Prämiengeschäfte im allgemeinen

und

im

einzelnen

bestritten.

ist

ebenso

wie

ihre Klagbarkeit sehr

Man hat verschiedene Rechtsinstitute: Reugeld,

Konventionalstrafe, Spiel, Wette, gewagte Verträge, Ver­

sicherungsgeschäfte u. s. w. zur Erklärung derselben heran-

gezogm; die Prämie ist aber nichts anderes als ein vollkommen berechtigtes Geldäquivalent, welches für die

Gewährung

(oder Ausübung)

gegeben wird?)

eines

gewiffen Wahlrechts

Auch den Ansprüchen aus Prämiengeschäften

kann, wenn ihre Kontrahenten nicht in das Börsenregister ein­

getragen sind, möglicherweise die Einrede des Spiels entgegen­ gesetzt werden; s. oben II und unten §. 49 VI 2 und 8.

V. Das Promessen- oder Heuergeschäft ist ein Kaufvertrag, bei

welchem der Verkäufer (Verheuerer) dem

Käufer (Heuerer) gegen einen bestimmtm Preis (Heuergeld,

Prämie) verspricht, Los

ihm den auf ein speciell bezeichnetes

fallenden Gewinn

zu

bezahlen;

unter Los ist

ein

Kreditpapier zu verstehen, welches einen infolge künftiger

Auslosung möglichm

Gewinn

1 Thöl HR. 8. 289; GrünHut im Hdbch. §. 282; GareiS in SA. Bd. 18 a. a. O.; Gold schmidt-Syst. S. 191, 192. 2 Gareis in SA. Bd. 18

verheißt.

Gegenstand des

S. 123—170 und die dort cit. Litt. Ferner Thöl, HR. §.288 und Gar eis im RLcx. unter den einzelnen Namen der Prämiengeschäste. GSyfi. S. 190ff.

Fix-, Differenz-, Prämien- u. Promeffengeschäste.

Kaufs

ist

hiebei

der

ungewisse,

559

§. 48.

mögliche Gewinn, als

bloße Möglichkeit gedacht, weshalb das Promefsengeschäst

eine

Art

des

Hoffnungskaufs (emptio

spei,

nicht

rei

speratae) ist; als solcher ist es aber vollkommen klagbar, und zwar ohne Unterschied, ob der Verheuerer Eigentum

oder ein Forderungsrecht in betreff des verheuerten Loses

hat oder

nicht,

und ob

letzterenfalls

der Hmerer

den

Mangel eines die Realliefemng möglich machenden Rechts

oder nicht,

kennt

die Realliefemng überhaupt intendiert

oder nicht, vielmehr der Verheuerer bloß verpflichtet ist,

den

wirklich

treffenden Gewinn an ben Hmerer

auszu­

bezahlen. — Das Geschäft wird dadurch abgeschloffen, daß

der Verheuerer dem konsmtiermden Hmerer dm Schlußbrief („Heuerbrief",

„Promeffe",

„Promeffmlos" genannt), der

notwendig die genaue Beschreibung des verheuertm Loses, sowie regelmäßig die Klausel „fix" (oder dergl.) mthält,

übergiebt.

Die Promeffe ist nicht das Los selbst, wenn«

gleich sie oft „Los" genannt wird, sondern nur der die

Verpflichtung

des

Verheuerers

feststellende

Schlußbrief.

Wmn die Realliefemng des Loses nicht ausdrücklich be-

bungen

oder ortsgebräuchlich

ausgeschlossen

ist,

hat der

Heuerer nur das Recht, die Auszahlung des auf die be­

treffende Nummer fallenden Gewinns zu verlangen.

Sind

mehrere Lose gleichzeitig verheuert und in einer Promeffe

behandelt,

so wird mitunter vereinbart,

heuerer gegen Zahlung der Gewinnste

daß dem Ver­

eine

Anzahl noch

nicht gezogener Lose zurückzuliefern fei.1) 1 GareiS im RLex. (»Proinessengcschäft') und die dort angeführte Litteratur; ferner G.

Cohn im Hdbch. §. 301 (vgl. unten S.65); GSyst. 186—187.

Kap. III.

560

Tie Handelsgeschäfte.

Eine durchaus andere Bedeutung von „Heuervertrag"

s. Seerecht?)

Den Los- und Gewinnverkauf gegen Teilzahlung bedroht

daS Reichsrecht mit Strafe?)

§. 49. Die DörsentermingeschLfte insbesondere. I. Eine Unterart der Zeit-

oder Termingeschäfte (siehe

§. 47 I) bilden die Börsen termingeschäfte; 8) Kauf- und

sonstige Anschaffungsgeschäfte in Waren oder Wertpapieren gelten als Börsentermingeschäfte dann, wenn sie a) auf eine festbestimmte Lieferungszeit oder mit einer

festbestimmten Lieferungsfrist (s. Wesen des Fixgeschäfts)/)

b) nach Geschäftsbedingungen geschloffen sind, die von

dem Börsenvorstande6) für den Terminhandel festgesetzt sind, und — all dies kumulativ verstanden — c) wenn für die an der betreffenden Börse geschloffenen

Geschäfte solcher Art eine amtliche Feststellung c) von Termin­ preisen erfolgt?) n.

Die

unter Zusammentreffen dieser drei Momente

geschloffenen Geschäfte heißen auch offizielle Termingeschäfte8)

(offizielle Börsentermingeschäfte)

und

stehen im Gegensatze

1 S. unten §. 111. I heim in Salings Börsen­ 2 §. 7 b. NGcs. v. 16. Mai 1 2papieren S. 533ff.; Freund 1894, s. Gareis a. dem oben ; in Holdheims Archiv Bd. 6 S. 539 Anm. 2 angeaeb. Orte. ; S. 37: Bondi ebenda S. 133; Preußische Strafandrohungen s. ; Mar Weber in D. Jur. Ztg. GShst. §. 93 Hiff. 3 S. 187. Bd. 1 S. 207. 8 Deutsches Börsengeseh vom 4 S. oben §. 48 I. 22. Juni 1896; hiezu die Kom­ 6 BörsenGes. §. 8 mit H. 5. mentare vonM.Abt, Brendel, 6 BörsenGes. §§. 29, 35. Cahn, Hoffmann, Kun-! 7 BörsenGes. §. 48. s Cosack, Lehrt). S. 388ff. reuther. Vgl. ferner Sand-

Die Börsentermingeschäfte insbesondere. g. 49.

561

zu jenen „freien Termingeschäften, welche mit der Börse gar keinen Zusammenhang haben, d. s. Zeitgeschäfte, deren Kontrahentm sich nicht den Usancm irgend einer Börse bei ihrem Abschlufle unterwerfen, ja diese Nichtunterwerfung ausdrücklich bekundens) dagegen nehmen eine Mittelstellung ein jene ebenfalls „freie Termingeschäfte" genannten Zeit­ geschäfte, welche zwar nicht alle drei angegebene Begriffs­ momente der offiziellen Börsentermingeschäfte an sich tragen, aber doch zwei davon, nämlich die Eigenschaft von Fixgeschäften haben und nach den von einem Börsenvorstande erlaffenen Usancen geschloffen und als so gewollt zu be­ urteilen sind; man kann einen solchen Handel einen börsenmäßigen freien Terminhandel nennen, er bewegt sich in den für Börsentermingeschäfte üblichen Formen, ist aber von der Börse ausgeschloffen?) Die Unterscheidungen sind öffentlich-rechtlich, in einigen Vgl. 1 Für diesen „freien Termin- gemäß BGB. §. 764. Handes giebt eS weder eine offi­ Cosack Lehrbuch S. 397. 8 Der börsenmäßige „freie zielle Zulassung von Wert­ papieren, noch ein Verbot ein­ Terminhandel" ist als Börsen­ zelner Arten von solchen; es ist terminhandel zu betrachten und aber auch jede offizielle Preis­ ju behandeln, sobald ferne Kon­ notierung und jede Vermittelung trahenten den Versuch machen, von Kursmaklern, also jede Ein­ durch ihre Geschäfte Einfluß auf wirkung auf die durch die Kurs­ die für den Markt der betreffenden zettel bekannt zu machende Preis­ Produkte oder Effekten wichtige bildung ausgeschlossen. Darauf, Preisbildung m gewinnen, dem­ ob dieKontrahenten in daSBörsen- nach einen Kompensationskurs register(s. oben S. 36,549 u. unten herzustellen und danach ihre S. 568 f.) eingetragen sind oder i Geschäfte abzuwickeln suchen; nicht, kommt im freien Termin­ dann sind auf diese Geschäfte handel nichts an, den Schuh des auch dre besonderen privatrecht­ §. 69 des BörsengeseheS genießt lichen Vorschriften für Börsen­ der freie Terminhandel nrcht. er termingeschäfte anwendbar; s. steht fortwährend unter dem unten VI S. 566. Damoklesschwett der Spieleinrede 36 VareiS, Handelsrecht. 6. Aust.

562

Kap. HI.

Die Handelsgeschäfte.

Beziehungen auch privatrechtlich von Bedeutung (s. unten S. 566 ff.); um ihretwillen ist die Feststellung des Begriffs Börse um so mehr erforderlich, als von ihr die Auf­ stellung von Usancen ausgeht und die Rechtsstellung der Kursmakler zu charakterisierm ist. HL Man versteht unter einer Börse eine marktartige und organisierte Versammlung von Kaufleuten und andern zum Handel in Beziehung stehenden Personen, mittels welcher die Preisbildung a) in Abwesenheit des Gegenstandes des Geschäfts sich durch Angebot und Nachfrage vollzieht und b) nicht bloß vermöge der korporativen, gesellschaftlichen oder autoritativen Organisationen so kontrolliert und fest­ gestellt wird, sondern c) auch wirtschaftlich so bedeutend wird, daß eine Rück­ wirkung der festgestellten Preise auf die an dem Angebote und an der Nachfrage beteiligten Jntereffenten und Jnterefsentenkreise unvermeidlich ist?) 1 Die öffentlichrechtlichen Vor­ schriften des Börsengesetzes stellt Zorn in seinem Staatsrechte des Deutschen Reiches Vd. 2 zweite Aust. (Berlin, Gutt. 1897) S. 380—409 systematisch dar; das Derwaltungs- und Privat­ recht der Börsen behandelt ein­ gehend Co sack, Lehrb. (4. Aufl. 1898) S. 363—409; das Börsen­ strafrecht wird von Co sack a. a. O. S. 365 gestreift, von Zorn a. a. O. S. 405—409 auch dargestellt. 8 So möchte ich die Resultate der Darlegungen Wieners (in d. Deutsch. Aur.-Ztg. Bd. 2 S. 149

bis 154) und Cosacks (Lehrb. S. 362 ff.) ohne mich wesent­ lich von ihnen zu entfernen, zusammenfaffen. Das Gesetz defi­ niert die Börse nicht; die staat­ liche Genehmigung oder An­ erkennung macht einen Markt oder eine Jntereffentenversammlung nicht zur Börse, letztere ist vielmehr gerade deshalb zu definieren, damit klar sei, welche Jntereffentenvereinigung oder Marktveranstaltung bei ihrer Errichtung der staatlichen Ge­ nehmigung bedarf u. s. w. Es ist vollkommen richtig, daß den Börsen, welche ohne staatliche

Die Börsentermingeschäfte insbesondere, g. 49.

563

IV. Die staatlich anerkannten Börsen sind teils Effekten-

(Fonds-), teils Waren-(Produkten-)Börsen, Staatsaufsicht*) und

sind

auf Grund

stehen

unter

einer Börsen-

ordnung organisiert und thätig, welche an jeder Börse

als ihr Statut mit einem gesetzlich obligatorischen Inhalte

aufgestellt wird und der Genehmigung durch die LandesGenehmigung gegründet werden, der Charakter von Börsen, wenn die oben entwickelten Requisite, die sich sämtlich um die Bedentung derPreisbildung drehen, Zusammentreffen, keineswegs fehlt; !die privatrechtlich wichtig{ten Normen des Börsengesehes, owie die strafrechtlichen Bor­ christen desselben seüen die staat­ liche Genehmigung Der dort als Börse bezeichneten Vereinigung oder Anstalt nicht voraus, sondern gelte« auch für sogen. Winkel­ börsen. Über diese s. Co sack a. a. O. S. 375. In einem andern, weiteren und uneigentlichen Sinne heißen auch andere Arten von Zusammenkünften oder Ver­ einigungen »Börsen", Zusammen­ künfte z. B., bei denen gar keine Geschäfte gemacht werden oder die Ware anwesend ist oder die Preisbildung nicht die oben an­ gedeutete Rolle und insbesondere Reflerwirkung hat; auf solche sog. »Börsen", wie z. B. die Leipziger »Buchhänolerbörse", oder eine sog. Briefmarkenbörse beziehen sich Normen des Börsenaesehes überhaupt nicht. 1 Die Aufsicht über die staatlich anerkannten Börsen wird ausgeüvt: a) durch Organe des!

Reichs (Bundesrat — s. BörsenGes. §§. 2, 3, 6, 17, 35, 38,42, 56—, Zulafsungsbeschluß zu §. 42 vom 11. Dez. 1896, RGBl. S.763-,Börsenausschuß, ein Sachverständigen­ organ des Bundesrats, welches auch bei der Bildung der Berufungskammer, des Börsenehren­ gerichts zweiter Instanz be­ teiligt ist, — s. BörsenGes. §§. 3, 17 —, Reichskanzler — s. BörsenGes. §§. 35, 42, 49); b) durch Organe der Einzel­ staaten (Landesregierung — s. BörsenG. §§. 1, 2, 4, 9,30,32, 35,38,39,42,54,57 —, Staats­ kommissare, ein Aufsichtsorgan der Landesregierung bei jeder Börse, welches auch im Ver­ fahren des Börsenehrengerichts mitwirkt, BörsenGes. §§. 2, 11, 17,29,30); und c) durch Handels­ organe (Handelskammern, kauf­ männische Korporationen), denen die Landesregierung die un­ mittelbare Aussicht über die ein­ zelnen Börsen übertragen hat tz. B. in Königsberg i. Pr. dem Vorsteheramte der Kausmannschast, s. Börsenordnung für Königsberg i. Pr. v. 19. Mai 1897, genehmigt 1. Juni 1897 §• !)•

Kap. III.

564 regierung

Die Handelsgeschäfte.

Zur Leitung und Verwaltung

bedarf?)

der

Börseneinrichtungen,*8) wie zur Handhabung der Ordnung in den Börsenräumen ist ein Börsenvorstand nötig;8) die Thätigkeit des Börsenvorstandes ist privatrechtlich insofern

unmittelbar wirksam, als er — gewöhnlich vorbehaltlich

der Genehmigung des von der Landesregierung mit der un­

mittelbaren Aufsicht über die betreffende Börse betrauten Handelsorgans *)— die sogenannten Geschäftsbedingungen oder

Usancen (Börsenusancen) festsetzt; diese werden weder Ge­ wohnheitsrecht, noch autonomes Recht,8) sondern Vertrags­ recht, und soweit es sich um Verwaltungseinrichtungen darin handelt, Hausrecht der Börse; es wird für die Beteiligten

bindend, weil sie sich ihm entweder als Korporations- oder Ver­

einsmitglieder der Börsenassociation, oder als Benutzer der Börseneinrichtungen

oder

als Kontrahenten von

Börsen­

geschäften unterwerfen. V. Eine gewisse privatrechtliche Wichtigkeit hat auch das

Institut der Kursmakler, wenn auch der Schwerpunkt der Thätigkeit dieser von den Landesregierungen bestellten

und beeidigten, an den einzelnen Börsen, bei denen amt­

liche Börsenpreise festgestellt werden, regelmäßig hiezu be­ stellten Hilfspersonen nicht auf dem Gebiete des Privatrechts 1 BörsenGes. §§. 4—8. Seiten- und Blütterzahl) zu be­ 8 Zu den Einrichtungen einer glaubigen und beim Ausscheiden Börse muß ein Ehrengericht und des Maklers aufzubewahren; s. kann ein Schiedsgericht und Einf.G. zu HGB. Art. 14 I und eine Begutachtungskommission Anm. 1 auf folg. S. gehören; s. Cosack Lehrbuch 4 S.Anm. 1 auf vorig. S. a. E. S. 371—374. 6 Hierüber in ersterer Be 3 BörsenG. §§. 5, 8; Cosack ; Ziehung übereinstimmend, in a. a. O. S. 368; der Börsen­ j letzterer abweichend Cosack a. vorstand hat daS Kursmakler- ■ a. O. S. 364-865. Tagebuch (hinsichtlich seiner

Die BörsentermingeschSfte insbesondere.

§. 49.

565

liegt;') die Kursmakler sind einerseits wirkliche Mäkler, wie die übrigm Handelsmäkler auch, von deren gewerblicher Thätigkeit unten (§. 53) besonders gesprochen wird, anderer­ seits aber amtliche Gehülfen des Börsenvorstandes bei der

Feststellung der Börsenpreise;

dürfm sie nicht bloß,

in der

ersteren

Eigenschaft

sondern müssen sie, solange sie die

Thätigkeit als Kursmakler ausüben, die Vermittelung von

Börsengeschäften

in den Waren oder Wertpapieren ihrer

Branche ausüben, jedoch dürfen sie — um ihrer zweiten Eigmschaft willm — in den Geschäftszweigen, für welche

sie

bei der

amtlichen Feststellung der Börsenpreise

mit­

wirken, nur insoweit für eigene Rechnung oder im eigenen

Namen Handelsgeschäfte schließen oder sich hiebei verbürgen, als dies zur Ausführung der ihnen erteilten Vermittelungs­

aufträge nötig ist;2) um der Amtseigenschaft willm es den Kursmaklern auch

Landesregierung davon Mäklergewerbe

ein

gesetzlich,

entbindet,

sofern

verboten,

anderes Handelsgewerbe

ist

sie nicht die

außer zu

dem

betreibm

oder an einem solchm als Kommanditist oder stiller Gesell­

schafter beteiligt oder in einem solchm als Prokurist, sonstiger Handlungsbevollmächtigter oder Handlungsgehülfe thätig zu

sein.

Ein ausschließendes Privileg der Geschäftsvermitte­

lung genießen die Kursmakler auch an der Börse nicht, hier

können vielmehr noch zahlreiche andere Mäkler das Ver­ mittelungsgeschäft ausüben, aber ein Anspruch auf Berück­

sichtigung eines Geschäftsabschluffes bei Kursfeststellung kann 1 Über die Kursmakler siehe Kursmakler findet im Falle der BörsGes. §§• 30—34, wovon sog. »Spitzen",bei überschießenden §§. 33, 34 nach dem Gins.®, z. Verkaufs- oder Kaufsausträge» HGB.v. 10. Mai 1897 Art. 141. : statt, worüber eingehend Co sack 8 Ein solches Eingreifen der ' Lehrbuch S. 385, 386.

Kap. HI. Die Handelsgeschäfte.

566

von irgend einem Kontrahenten oder Mäkler an der Fonds-, wie

an der Produktenbörse nur dann erhoben werden, wenn das betr. Geschäft durch Vermittelung eines Kursmaklers ge­ schlossen worden ist, unbeschadet des Rechts und auch der

Pflicht des Börsenvorstands, um ein richtiges Bild von

der Lage des Marktes zu gewinnen, greifen.

darüber hinaus zu

Gesetzlich gehören die Kursmakler

zu denjenigen

Personen, welche zur Vornahme solcher Verkäufe (z. B. der Selbsthilfeverkäufe) befugt sind, die nur durch einen dazu

öffentlich bestellten Handelsmäkler zu bewirken sind.') Der

Amtscharakter der Kursmakler macht sich auch dadurch be­ merklich, daß ihnen verboten ist, Geschäfte in solchen Wert­ papieren an der Börse zu vermitteln, deren Zulasiung zum

Börsenhandel verweigert oder nicht nachgesucht ist?)

Auf

die Gültigkeit der in solchen Papieren gemachten Geschäfte hat jedoch der Mangel jener Zulassung keinen Einfluß.

VI.

Die privatrechtliche

Bedeutung

der Eigenschaft

eines Geschäfts als Börsentermingeschäft in dem oben er­ wähnten technischen Sinne besteht in folgenden drei Eigen-

tümlichkeiten:31)2 1. Beim Börsenterminhandel von Waren gerät der Ver­ käufer nicht bloß, wenn er nach erfolgter Kündigung4) nichts 1 Vgl. oben §. 45 II S. 525 f., Einf.G. z. HOB. Art. 14 I §. 34. 2 BörsenGes. §. 41. 3 Keine privatrechtliche Be­ deutung — auch nicht angesichts des BGB. 8- 134 — haben die Verbote d. Börsenterminhandels, welche §. 50 des BörsenGes. ent­ hält, bit Verbote des Börsenod.börsenmaßigen Terminhandels

in Anteilen an Bergwerks- oder Fabrikunternehmungen, in Ge­ treide- und Mühlenfabrikaten und in bundesrätlich ausgenommenen Waren und Wert­ papieren u. s. w., denn das Gesetz verknüpft eigene und andere Wirkungen nut dem Verbote in seinen §§. 51, 52; s. Zorn Staatsrecht S. 383. 4 Man versteht unter dieser

Die Börsentermingeschäfte insbesondere.

§.

49.

567

liefert, sondern auch, wenn er nach Kündigung eine un­ kontraktliche Ware liefert, in Erfüllungsverzug, auch wenn

die Lieferungsfrist noch nicht abgelaufen war; es hat folg­

lich der Käufer schon im Zeitpunkte dieses vertragswidrigen Erfüllungsversuchs die ihm gegen einen säumigen Kontra­ henten zustehenden Rechte;*) eine entgegenstehende Verein-

banmg ist nichtig?) 2. Durch ein Börsentermingeschäst in einem Geschäfts­ zweige, für welches nicht beide Parteien zur Zeit des Ge­

schäftsabschluffes in einem Börsenregister 8) eingetragen sind, wird kein Schuldverhältnis begründet; dies gilt auch von der Erteilung und Übernahme von Aufträgen (Kommissions-,

Agenten- und Mäkleraufträgen), sowie von der Vereinigung Kündigung die nach Börsen­ usancen übliche Erklärung über die Art der gewollten Erfüllung:

im Sprachgebrauche der Pro­ duktenbörse bedeutet „kündigen" die schriftliche (mittels „Kündigungsscheins") vom Verkäufer an den Käufer innerhalb des Erfüllungsmonats gerichtete Mit­ teilung über das Bereitliegen der Ware, so daß dieser sie ab­ nehmen kann, was dann inner­ halb der üblichen Abnehmeftist (von 2 bis 8 Tagen) zu geschehen pflegt. C o s a ck Lehrbuch S. 407. 1 HGB. §. 376, s. oben §. 48 I, S. 544 f. 2 Der Grund dieser Vor­ schriften ist: es soll verhindert werden, daß durch daS Aufden-Markt-werten von un­ kontraktlichen Produkten der Schein hervorgerufen werde, als sei das Angebot sehr groß, und

daß dadurch die Preise herabaedrückt werden. Auf die Ge­ schäfte d. „freien Terminhandels" (s. oben S. 561), welche auf die Preisnotierung keinen Einfluß haben, finden die obigen Vor­ schriften keine Anwendung, eben weil bei ihnen die Gefahr des Preisdrückens nicht besteht. 8 Das Börsenregister wird von dem zur Führung des Handels­ registers (f- oben §. 4 S. 36 Anm. 6) zuständigen Gerichte «rt; über die Eintragung, itng und Veröffentlichung s.Bö'rsenGes. §§. 54—65, 67, 68; die privatrechtliche Bedeutung der Eintraguna oder Nichtein­ tragung im Börsenregister be­ schränkt sich auf die unter 2 u. 3 oben angegebenen Eigentümlich­ keiten des Börsentermingeschäfts (BörsenGes. §§. 66, 69).

zum Abschluffe von Börsentermingeschäften (Gesellschafts­ vertrag für Börsenerrichtung, Liquidationsverein). Die Unwirksamkeit der angeführten Warenumsatz-, Arbeits- und Gesellschastsverträge erstreckt sich auch auf die bestellten Sicherheiten*) und die abgegebenen Schuldanerkmntniffe;^) auch ist eine Rückforderung deffen, was bei oder nach völliger Abwickelung des Geschäfts zu seiner Erfüllung geleistet wordm ist, ausgeschlossen?) 3. Gegen Ansprüche aus Börsentermingeschäften, sowie auS der Erteilung und Übernahme von Aufträgen oder aus der Vereinigung zum Abschluffe von Börsentermingeschäften kann von demjenigen, welcher zur Zeit der Eingehung des Geschäfts in dem Börsenregister für den betreffenden Ge­ schäftszweigs) eingetragen war, ein Einwand nicht darauf ge­ gründet werden, daß die Erfüllung durch Lieferung der Waren oder Wertpapiere vertragsmäßig ausgeschloffen war?) Durch diese gesetzliche Vorschrift wird nicht etwa eine Einrede ge­ schaffen, sondem unter der Voraussetzung, daß der angegebene Einwand nach dem sonstigen Rechte bestehen würdet) ist er für börsenregistrierte Kontrahenten von Börsentermingeschäften 1 BGB. §§. 232 ff. 8 BGB. |§. 781, 782. 8 BörsenGes. §. 66. Die Be­ deutung der Eintragung beider Kontrahenten eines Börsen­ termingeschäfts ergiebt sich aus dem Positiven der angegebenen Negatron: Wirksamkeit oeS Ge­ schäfts. 4 Sowie — führt das Gesetz fort — von demjenigen, deffen Eintragung nach §. 68 Abs. 2 nicht erforderlich war, weil er im Jnlande weder einen Wohn­

sitz, noch eine gewerbliche Nieder­ lassung hat. ® BörscnGes. §. 69. 6 Die Voraussctzuna trifft zu nach dem preußischen Rechte und nach dem bürgerlichen Gesetzbuche für das Königreich Sachsen, da­ gegen kennt das gemeine Recht und insbesondere das in Frank­ furt a. M. und Hamburg gel­ tende Recht jenen Einwand nicht; über das seitherige Recht siehe G a r e i s, HR., Lehrbuch, 5. Äufl. S. 494-495.

Die Bösentermingeschäste insbesondere. §♦ 49.

569

ausgeschlossen. Die angegebene Vorschrift des Börsengesetzes, also die Ausschließung jenes Einwandes, wirb1) durch die Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wonach Differenz­ geschäfte als Spiel anzusehen sind, „nicht berührt"?) VII. Hier ist auch der Börsensteuer zu gedenken. Um die Börsengeschäfte zu besteuern, führte die deutsche Reichs­ gesetzgebung dm Schlußnotenzwang ein; der zur Entrichtung der Reichsstempel-Abgabe zunächst Verpflichtete hat über das abgabepflichtige Geschäft eine Schlußnote auszustellen, 1 — sagt das Einf.G. zum schristen des §. 69 des BörsenGes. HGB. v. 10. Mai 1897 Art. 14 V auch nach der Einführung des als Abs. 2 zum BörsenGes. §. 69. §. 764 des BGB. in Geltung 9 Dunkel ist der Rede Sinn: bleiben (s. Kommissions-Bericht Die Borschrist des BörsenGes.ß.69 Reichstagsakten Nr. 735 S. 39). wird durch BGB. §. 764 aller­ Doch deckt sich, woraus Cosack dings .berührt", denn erstere (Lehrbuch S. 400,401) mit Recht erhält durch letzteren — für die aufmerksam macht, der That­ Länder des gemeinen Rechts bestand des durch BörsenGes. §. 69 wenigstens und für die Zukunft ausgeschlossenen Einwands mit — überhaupt erst einen Sinn u. dem Thatbestände des durch BGB. Inhalt: Stande nämlich §. 764 8-764 geschaffenen Einwands nach nicht im BGB., so bestände den einer Seite hin nicht, denn es Differenzgeschäften gegenüber die kann sein,daßdie Effektiverfüllung Einrede des Spiels nicht, und nicht durch den Vertrag ausge­ gegenüber dem Einwande, „daß schlossen ist und doch gespielt die Erfüllung durch Lieferung wird, daß mit anderen Worten der Waren oder Wertpapiere die Effektiversüllung und eine vertragsmäßig ausgeschlossen Differenzenzahlung, wie sie DGB. war", würde die Gegenpartei §. 764 im Auge hat, gewollt ist; und der Richter zu sagen haben: und folglich wären Fälle denk­ »Zugegeben, eben darum hast bar, in denen der §. 69 des Börsendu statt dessen das zu leisten, Ges. die registrierten Börsen­ was vertragsgemäß nicht aus­ spekulanten nicht gegen die Spiel­ geschlossen war, sondern vertrags­ einrede des §. 764 BGB. schützt. mäßig gewollt ist." Gemeint soll Hierüber s. Kohler, DaS mit diesem erst auf Vorschlag der Börsenspiel, S. 9ff. und Biron Reichstagskommission eingesügten j im A.f.b. R. Bd.9 S. 235 bei Vorbehalt sein, daß die Äor- : Anm. 21, S. 237 ff.

570

Kap. HI.

Die Handelsgeschäfte.

d. i. eine auf einem vorher gestempelten

oder mit beit er­

forderlichen Stempelmarken zu versehenden Formulare herzustellmde Beurkundung, welche in üblichem Lakonismus ge­

setzlich dm Inhalt des abgeschlossenen Geschäfts angiebt; die Schlußnote ist doppelt auf dem erwähntm Formular

auözustellm, von welchem je eine Hälfte für jedm der beiden

Kontrahenten bestimmt ist; spätestens am dritten Tage nach dem Tage des Geschäftsabschlusses hat der Aussteller der Schlußnote die nicht für ihn bestimmte Hälfte der letzteren,

wenn derselbe die Schlußnote aber als Vermittler') aus­

gestellt hat, berat beide Hälften abzusenden; die hieher gehörigen stempelpflichtigen Geschäfte sind Kauf- und sonstige Anschasfungsgeschäfte, welche a) entweder ausländische Bank­

noten, ausländisches Papiergeld oder ausländische Geldwerte

ferner Aktien, Staats- oder andere für dm Handelsverkehr

bestimmte Wertpapiere zum Gegmstande haben, oder b) welche unter Zugrundelegung von Usancen einer Börse — sei sie Fonds- oder Produktmbörse —

geschlossen werden (Loko-,

Zeit-, Fix-, Termin-, Prämien- u. s. w. -Geschäfte) über Mengm von Waren, die börsmmäßig gehandelt werden; als börsmmäßig gehandelt gelten

diejenigen Waren,

für

welche an der Börse, deren Usancen für das Geschäft maßgebmd sind, Terminpreise notiert werden?)

Doch hat die

Unterlassung der richtigen oder überhaupt der Stempelab­

gabe nicht die Ungültigkeit des Geschäfts, sondem die Ver­ wirkung einer Geldstrafe zur Folge, welche dem fünfzigfachen

Bettag der hinterzogenen Abgabe gleichkommt (mindestms 1 Über die Handelsmätler s. ! 1 RStempelGcs. v. 27. April unten §. 53, und vgl. Reichs- i 1894 Taris Nr. 4 a, b. stempelGes. §. 9 Ziff. 1.

Allgemeine Grundsätze über ArbeitSgeschäste. §. 50.

571

aber 20 Mark beträgt), einer Geldstrafe, welche gegen Rück­ fällige oder Mäkler unter Umständen noch höher bemessen

wird. n.

Arbeitsgeschäfte.

§. 50. Allgemeine Grundsätze über ArbeitSgeschäste.

Weder

noch das deutsche Mittelalter

das Altertum,

kannte in großer Ausdehnung die auf Grund von Ver­ einbarungen

gegen

Entgelt

zu

leistende

Arbeit

freier

Menschen; erst die Wirtschaft der neueren Zeit ist vorzugs­ weise auf diese Arbeit gebaut, und der Handelsstand hat zu dieser Veränderung nicht wenig beigetragen; trotzdem

im Handelsverkehr eigenartige,

haben

sich

Recht

abweichende

verträge

bezüglich

Vorschriften

vom übrigen

der

Arbeits­

nur in geringer Ausdehnung entwickelt, sondern

es fügt sich der kaufmännische Verkehr hierin regelmäßig

den Normen des gewöhnlichen bürgerlichen Rechts. entsprechend

für

die

zunächst

die

gelten

Arbeitsgeschäfte

im

Handel

Grundsätze

Diesem

vorkommenden

vom

Dienst­

verträge/) ferner gegebenen Falles die vom Werkvertrages und, sofern es sich um eine Geschäftsbesorgung handelt,

welche

inhaltlich

trags auszuführen

eines

Dienst-

und

eines

Werkver­

ist, auch die entsprechenden Grundsätze

1 BGB. §§. 611—630. 2 BGB. §§. 631 ff.; die fabrikmäßige Be- oder Verarbeitung von Waren für andere — der Fall des §. 2 Nr. 2 des HGB. kann Gegenstand eines solchen sein (f. oben §. 8 Nr. 2 S. 52 f., das

I | ! ;

HGB. enthält keine besonderen Grundsätze über diesen Arbeits­ vertrag); über das dem Werkvertrag eigentümliche Wandelunasu. Kündiaungsrecht s. BGB. ; §§. 634—636, 649. j

Kap. m.

572

Die Handelsgeschäfte.

Als Besonderheit des Handelsrechts ist

vom Auftrage?)

nur folgendes hervorzuheben: I.

Die wichtigsten gewerbsmäßig betriebenen Arbeits­

geschäfte des Handelsverkehrs sind in besonderen Abschnitten des HGB. geregelt, nämlich die Geschäfte der Handlungs­

agenten und der Handelsmäkler, ferner das Kommissions-, das Speditions-, das Lager- und das Frachtgeschäft; das Güter- und Personen-Beförderungsgeschäft der öffentlichen

Eisenbahnen, das Personen- und Warenbefördemngsgeschäft der Binnenschiffahrtsuntemehmer und ebmso das Arbeits­

geschäft der Seeleute unterliegt der Regelung durch besondere Gesetze;8) nicht durch besondere gesetzliche Normm, sondern



abgesehen von allgemeinen Grundsätzen des gewöhn­

lichen

bürgerlichen

Rechts —

nur

durch

Vertrag

und

Gewohnheitsrecht geregelt sind die Verlagsgeschäfte8) und

die Arbeitsgeschäfte des Bankverkehrs,

unter denen

das

Geschäft der Übernahme sog. offener Depots*) eine hervor­ ragende Rolle spielt.

II.

Die

wichtigsten

aber innerhalb

nicht

gewerbsmäßig betriebenen,

der Handelsgewerbebetriebe vorkommenden

Arbeitsgeschäfte des Handelsverkehrs sind die der Handlungs­

bevollmächtigten und der Handlungsgehülfen (f. oben §§. 20 bis 22 Seite 126 ff.); wie diese, so sind auch die Arbeits­

verträge der Organe von Handelsaffociationen (Vorstands­ mitglieder, Direktoren, Geschäftsführer u. s. w.) in einem

anderen Zusammenhangs

vom Gesetze

geregelt und hier

(§§. 24 ff. Seite 174 ff.) erörtert.

1 BGB. §§. 663, 665-674 gemäß BGB. §. 675. 3 Bi nnenschiffahrtsgeseh vom 15. Juni 1895, Seemanns­

ordnung v. 27. Dez. 1872. 3 S. unten 59. 4 S. unten §. 60.

Allgemeine Grundsätze über Arbeitsgeschäfte. in.

Die Arbeit wird

nicht ohne Entgelt

des

der

Preises

g. 50.

573

im Handelsverkehre regelmäßig

geleistet,

Arbeit

Die Höhe

sondern bezahlt.

des

i.

(d.

Lohns,

Gehalts

oder bergt) hängt regelmäßig von der Vereinbarung, unter Umständen von der Ortsüblichkeit oder von veröffentlichten Während das gewöhnliche bürgerliche Recht

Tarifen ab?)

an

nur

bestimmte Umstände die Vermutung

knüpft, daß

eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gelte, nämlich dann, wenn die Dienstleistung „den Umständen nach" nur

gegen

eine Vergütung zu erwarten

Handelsrecht diese Ausübung des

ja

es

Umstände

ist,1 2)

geradezu:

Handelsgewerbes durch

spricht das

Handelsrecht,

so

nennt das

sie liegen

in der

einen Kaufmann;

wenigstens

wörtlich

ge­

nommen, gar nicht von einer Vermutung, sondern gewisser­ maßen

von

einer gesetzlichen Pflicht,

denn wer

in der

Ausübung seines Handelsgewerbes — also stets ein Kauf­

mann2)

einem

oder nicht)

andern

(es

Geschäfte besorgt

sei

dieser

ein

oder Dienste

Kaufmann

leistet,

kann

dafür auch ohne Verabredung Provision, und wenn es sich um Aufbewahrung — gleichviel ob Lagerhause

in

einem öffentlichen

oder bei einem Dritten oder beim Geschäfts-

1 Über Taxen und Tarife bez. der Vergütung s. Abs. 2 des BGB. 8-612, ferner GewerbeOrd. §§. 37, 76, 79. Eisenbahnsrachtsätze sind amtlich limitiert und überwacht. Die Löhne der gewerblichen Arbeiter sind in Reichswährung bar auszuzahlen (Verbot des Trucksystems, GewerbeOrd.ZZ.l 15 bis 119). Ein während einer Seegefahr vereinbarter Berge-

und Hilsslohn kann wegen er­ heblichen Übermaßes angefochten werden; überhaupt unterliegt die Vereinbarung dieser Art von Arbeitsbelohnung besonderen aesehlichenBeschränkungen; s.HGB. §§. 741, 745-747. 2 BGB. §. 612. 3 Auch Kommissionäre und Spediteure; s. Gareis, HGB. §. 354 Anm. 6.

574

Kap. TU.

Die Handelsgeschäfte.

besorg« selbst — handelt,') Lagergeld nach den am Ort

üblichen Sätzen fordern?)

IV.

Auf Arbeitsgeschäfte

bezieht

sich

die

bedingte

Antwortepflicht unter dem Rechtsnachtcil der Annahme des Vertragsabschlusies: wenn einem Kaufmann, desien Gewerbe­

betrieb die Besorgung von Geschäften für andere mit sich bringt, wie z. B. einem Kommissionär, Spediteur, Hand­

lungsagenten u. s. ro.,8) ein Antrag4* )2 3auf Besorgung solcher

Geschäfte von jemand zugeht, mit dem er in Geschäfts­ verbindung steht,8) so ist er verpflichtet, unverzüglich zu

antworten, wenn er ablehnen

will, denn sein Schweigen

gilt gesetzlich als Annahme des Antrags; das Gleiche gilt,

wenn einem Kaufmann ein Antrag über die Besorgung von Geschäften von jemand zugeht, dem gegenüber er sich zur

Besorgung

solcher

Geschäfte

erboten

hat.

Treu

und

Glauben, und dementsprechend auch das Gesetz,8) verlangt, daß der Kaufmann, auch wenn er bett Antrag ablehnt,

die

mitgesandten Waren

auf Kosten

des

Antragstellers,

soweit er für diese Kosten gedeckt ist, und soweit es ohne

Nachteil für ihn geschehen kann, einstweilen vor Schaden

bewahre.

V. Für Arbeitsgeschäfte wird die Feststellung des Maßes der Sorgfalt, für welche ein Kaufmann einzustehen hat,

besonders wichtig?) Im Gefolge eines Arbeitsvertrags —

' RGer. Bd. 1 S. 236. 2 HGB. §§. 354, 420. 3 HGB. §. 1 Nr. 2, 6, 7. 4 Offerte, „Auftrag", siche Regelsberger in Endemanns Hdbch. Bd. 2 §. 247 Anm. 17; Gareis, HGB. §. 362 Anm. 3.

8 Z. B. von einem Landwirte, der den Kaufmann regelmäßig mit dem Verkaufe seiner Pro dukte betraut. HGB. §. 362. 8 HGB. §. 362 Abs. 2. 1 HGB. §§. 347 mit 203, 429, 653 und im Aergleich zum

Allgemeine Grundsätze über.Arbeitsgeschäfte.

§. 50.

575

auch eines handelsrechtlichen — finden sich femer eigen«

artige Haftungen

für

ftemde Handlungen

ein,

so

die

Haftung desjenigen, der eine Fabrik (oder ein Bergwerk, einen Steinbruch oder eine Gräberei) betreibt, wenn ein

Bevollmächtigter oder Repräsentant oder eine zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebs oder der Arbeiter an-

genommene Person durch ein Verschulden in Ausübung der

Dienstverrichtungen den Tod oder die Körperverletzung eines

Menschen herbeigeführt hat;') Fälle

des

Transportrechts,

hieher gehören ferner die

in

denen

der

Eisenbahn-

transportübernehmer bis an die Grenze der höherm Gewalt

und insbesondere für seine eigenen Leute zu haften hat?) VI. Eine eigentümliche Rechtsfolge hat jener Arbeits­

vertrag, zufolge dessen ein Künstler (Zeichner, Maler, Bild­ hauer oder bergt) in einem Kunstgewerbebetriebe mit der Herstellung

origineller

Geschmacksmuster

beschäftigt

ist,

nämlich die, daß das Urheberrecht an diesen Mustern und

Modellen, welche von jenem Künstler im Auftrage oder für Rechnung des Eigentümers der gewerblichen Anstalt an­ gefertigt «erben, diesem letzteren und nicht dem Künstler selbst zusteht, wenn nicht der Vertrag anderes bestimmt;")

s. oben §. 19 in Seite 124. BGB. §. 276; Herabsetzung der I Hastung, gesetzlich s. Abs. 2 dcS | S- 347 HGB. und Gareis,; Anm. 3 hiezu, S. 310. ! 1 Hastpfltchtgesetz v. 7. Juni 1871 ß. 1; hiezus.Eger, Reichs- , Hastpflichtgesetz (3. Ausl. 1886); ■ Hilfe, Haftpflicht der Eisenbahnen (1889). * Haftung der Eisenbahnen s. HGB. §§. 456, 458; weniger

streng, nämlich nur für die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtfichrers, haften andere Fracht« sichrer und btt Binnenschiffahrt?« Unternehmer, s. HGB. §. 429; Binnenschiffahrtsgesetz §. 58 f. Gareis, HGB. S. 377, 381 Anm. 3. » RGes. v. 11. Jan. 1876 §. 2, s. oben S. 124 f.

576

Kap. III.

Die Handelsgeschäfte.

des

VII. Die Beendigung

durch

den Arbeitsvertrag

geschaffenen Rechtsverhältnisses, die Aufhebung oder sonstige

Endigung des Arbeitsvertrags hat handelsrechtlich im all­ gemeinen nichts Eigenartiges; nur auf folgende Punkte ist

besonders aufmerksam zu machen: 1. Ist

mit dem Arbeitsvertrage die Erteilung einer

Vertretungsbefugnis, Vollmacht, verknüpft, so wird durch den einseitigen Widerruf dieser allein das Arbeitsverhältnis

regelmäßig nicht beendigt?)

2.

Die

Widerruflichkeit

eines

Auftrags

wird

im

Handelsverkehre nicht selten durch eigenartige Gewohnheiten und Gebräuche eingeschränkt oder ausgedehnt;

so können

z. B. die Verkäufer und Käufer die von ihnen den Börsen-

mäklern

erteilten Aufträge während der Börsengeschäftszeit

willkürlich widerrufen oder in den Preisfätzen abändern, jedoch mit Ablauf der Börsengeschäftszeit werden die Auf­

träge unwiderruflich?) Von einzelnen ArbeitSgeschäften des Handels. §. 51.

1.

vom Kommissionsgeschäfte. ^)

I. Begriff und Abschluß.

Auf der Grenze zwischen

den Warenumsatzgeschäften und den Arbeitsgeschäften stehend und

gewissermaßen

bildend,

ist das

den

Übergang von

jenen zu

diesen

gewerbliche Kommissionsgeschäft nach der

1 Vgl. HGB. §§. 52, 231 Abs. 8. - So Cosack, Lehrb. S. 386. ' Litt.: Grünhut.Das Recht des Kommissionshandels (Wien

1879) und Grünhut im Hdbch. Bd. 3 S. 157; Cosack Lehrbuch §. 43; Gareis, HGB. (1898) S. 346ff.; Denkfchr. S. 3251 ff.

Auffassung des neuesten 6anbeISrec$t31) der Arbeits­ vertrag, inhaltlich desien sich ein Kaufmann innerhalb seines Gewerbebetriebs verpflichtet, Warm oder Wert­ papiere im eigenen Namen, aber für Rechnung eines andern (Kommittentm, Auftraggebers — dieser mag Kauf­ mann oder Nichtkaufmann sein —) zu saufen oder zu ver­ lausen. Die Übernahme von Einkäufen und von Ver­ käufen bildet fortan allein die selbständige Grundlage des Kommissionsgewerbes, aber es ist damit doch nicht ausgeschloffm, daß ein Kommissionär auch andere Geschäfte kommissionsweise schließt, noch auch, daß ein anderer Kauf­ mann im Betriebe seines Handelsgewerbes dann und wann ein Geschäft in der bezeichneten Weise, nämlich als Kommissionär, abschließt;2) im letzteren Falle ist die Kommission ein Nebengeschäft des durch einen anderen Handelsgewerbebetrieb zum Kaufmanne gewordmen Über­ nehmers der Geschäftsbesorgung; mag die Kommission, wie im letzteren Falle, ein Nebengeschäft (s. oben §. 9 S. 59) oder, wie vorangestellt, ein Grundhandelsgeschäft (f. oben §. 8 Seite 57 Nr. 6) sein und in diesem Falle den i HGB. §. 383. DaS HGB. v. 1861 beschränkte die dem Kommissionär obliegende Geschästsbesorgung nicht auf Ein­ und Verkäufe, sondern dachte sich diese auf alle Arten von Ge­ schäften, die auftragsgemäß im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung geschloffen werden können, anwendbar, allerdings mit der nun nicht mehr be­ stehenden Beschränkung, daß diese Geschäfte, nämlich die aus­ getragenen Geschäfte (.AusGareis, Handelsrecht. 6. Aufl.

führungsaeschäfte*) „ Handels­ geschäfte seien. — Uber die Ge­ schichte des Kommissionsgeschäfts, insbesondere den geschichtlichen Zusammenhang desselben mit der commenda (s. oben §. 23 S. 170 f.) s. GUGesch. S. 259, 262, 331, auch Lepa in GZ. Bd. 26 S. 438 ff. Geschichtliches s. auch bei Louis Lewin, Kom­ missionsgeschäft im Hansagebiet (Berlin 1887). 8 HGB. §. 406. 37

578

Kap. III. Die Handelsgeschäfte.

Übernehmer zum Kaufmanne machen, in einem, wie im andern Falle lasten sich nach der Natur der aufgetragenen Geschäfte (sog. Ausführungsgeschäfte) echte (eigentliche) und unechte (uneigentliche) Kommissionsgeschäfte unter­ scheiden; die ersteren sind Einkäufe und Verkäufe, welche der Kommissionär „kommissionsweise", d. h. „im eignen Namm, aber für Rechnung seines Kommittenten" abzuschließm übernimmt/) sowie der kommissionsweise Abschluß eines Lieferungsvertrags (Werkvertrags) über eine nicht vertretbare bewegliche Sache, welche aus einem von dem Unter­ nehmer zu beschaffendm Stoffe herzustellm ist?) Die unechten (uneigmtlichen) Kommissionsgeschäfte können kommissionsweise übernommene Transportgeschäfte, Affekuranzgeschäste, einzelne Bankgeschäfte, z. B. das Einziehungs- (oder Inkasso-) Geschäft, u. s w. sein; allein die Einkaufs- und Verkaufs­ kommission bildet nicht bloß das bei weitem wichtigste aller Kommissionsgeschäfte, sondem es liegt in der That nur für diese ein gesetzgeberisches Bedürfnis vor, den Betrieb 1 Zu den echten Kommissions­ Anm. 13). Über den Unterschied geschäften gehört demnach die zwischen Verkauf und Verkaufs? „Konsignation", d. i. die ex­ kommission s. RGer. Bd. 5 S. 84; portierende Derkaufskommission, ebenda S. 85 s. auch das sogen. namentlich die überseeische (s. Indentgeschäft, einen im ROHG. Bd. 5 S. 11, Bd. 8 asiatisch - europäischen Verkehre S. 32, 119, Bd. 22 S. 77), sowie vorkommenden Vertrag, inhalt­ der Pakotillevertrag, d. i. lich deffen sich ein in Indien der Vertrag, in welchem sich bestehendes europäisches Hand­ Seeleute verpflichten, die in ihren lungshaus einem eingeborenen Koffern mitgenommenen Waren Händler europäische Waren zu für Rechnung von Auftraggebern einem in der Landesmünze auSan überseeischen, eischen, mehr oder gedrückten Preise zu liefern verweniger g ____ ....... i spricht (Jmportverkauf, Liefegenau angegebenen Orten zu verkaufen (s. Grünhut, ' rungsgeschäft.) Kommissionsgeschäft S. 47 : 2 HGB. §. 406 Abs. 2.

579

Dom Kommissionsgeschäfte. §. 51.

von Kommissionsgeschäften als selbständige Grundlage der Kaufmannseigenschaft anzuerkennen; *) dmn die Versicherungs­

kommission

existiert

kaum

wohl

als

ein

selbständiger

Geschäftszweig, und auf die Versicherung für fremde Rech­

nung

finden überdies die Rechtssätze vom Kommissions­

handel keineswegs ohne weiteres Anwendung, sondern z. B. seehandelsrechtliche

Vorschriften;8)

der

Hauptfall

der

Kommission im Gütertransporte wird gesetzlich als Spedi­

tion 8) bezeichnet und ist besonders geregelt (s. unten §. 52 Seite 599).

Der kommissionsweise Abschluß von Bankiergeschästen

wird regelmäßig selbst ein Bankiergeschäft im Sinne deS Gesetzes4i )* 3und ist überdies regelmäßig mit der gewerbs­ mäßigen Übernahme von Ein- und Verkaufskommission ver­

bunden?) Das buchhändlerische Kommissionsgeschäft gehört zu den Verlagsgeschäften (s. unten §. 59). Übrigens kann jede gewerbsmäßig betriebene

Übernahme

der Besorgung von

Geschäften in eigenem Namen, aber für Rechnung eines Auftraggebers

den

Charakter

eines

formellen

Handels­

gewerbes gewinnen, wenn das Unternehmen derart ist, daß es nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert?)

Der Kommissionär ist nicht der juristische Stellvertreter

i So Tenkschr. S. 3251. 3 S. unten §. 127 S. 868. »GB. §§. 781-783, 806-811. >. Denkschr. a. a. O. 3 HGB. §§■ 407—415. 4 HGB. §. 1 Nr. 4; hiezu

GareiS HGB. Anm. 11 S. 8-9. ° Bal. S. 581 ff. 6 HGB. §.2; hiezu Gareis, HGB. S. 13—15 und oben §. 8 S. 57 ff.

Kap. III.

580

Die Handelsgeschäfte.

seines Auftraggebers, denn er schließt das ihm übertragene (sog. Aussührungs-)Geschäft nicht im Namen des letzteren, sondern im eigenen Namen, als sein Geschäft ab1)2 *und

wird folgeweise aus demselben allein als Käufer, bezw. Verkäufer u. s. w. dem Dritten gegenüber verpflichtet und

berechtigt,?) aber er schließt nicht als sog. Proper- oder Eigenhändler, sondern auftraggemäß für fremde Rechnung,

nämlich für Rechnung seines Auftraggebers ab und deshalb

hat

diesem den

er

Nutzen des

Geschäfts

zuzuwenden,

kann ihn aber auch mit den Pflichten und Lasten aus dem

Geschäfte (s.

unten

belasten.

§.

53),

Der Kommissionär ist nicht

denn

er

vermittelt

sondern kontrahiert selbst, und zwar im hiedurch

sowohl

Mäkler

begrifflich

nicht,

eignen Namen;

unterscheidet er sich vom Handlungsagenten, der vermitteln,

als

im

Namen

des

Auftraggebers

abschließen kann und dabei zudem in einer regelmäßigen

und dauernden geschäftlichen Beziehung zu einem bestimmten oder

einigen

§. 54).

wenigen

Handlungshäusern

steht

(f. unten

Systematisch betrachtet ist im Sinne des BGB.

das Kommissionsgeschäft

ein Dienstvertrag,

welcher

eine

Geschäftsbesorgung zum Gegenstände hat.4) 1 Entscheidend ist die Absicht, I (vom Auftrage) gemäß §. 675 nicht der Ausdruck; s. ROHG. 1 des BGB. Anwendung; demBd. 2 S. 402, Bd. 20 S. 310. \ gemäß erledigen sich einige 2 HGB. §. 392, s. jedoch Fragen des Kommissionsrechts Abs. 2 dieses §. u. unten S. 583 nun auf der Basis des BGB., Anm. 2. ohne eine besondere Beant8 Was im Falle des §. 392 Wortung durch das HGB. zu Abs. 2 direkt von selbst erfolgt, fordern, so die Frage nach der 4 Folgeweise finden aus das Zulässigkeit eines Substituten, Kommissionsgeschäft bte§§.611fj. Unterkommissi lnterkommissionärs (BGB. (vom Dienstverträge) und die §§. 613, 614, — diese §§. gelten §§. 663, 665-670, 672-674 redoch nur im Zweifel, dagegen

Vom Kommissionsgeschäfte. §. 51

581

Der Abschluß des Kommissionsgeschäfts erfolgt in form­

loser Weise durch Annahme

des

auf den

Abschluß des

Kommissionsvertrags gerichteten bindenden Antrags;') in

Fällen des HGB. §. 362 ist das Stillschweigen des Kom­ missionärs als Übernahme des Auftrags anzusehen?)

II. Pflichten des Kommissionärs.

1. Dem Kommissionär obliegt die sorgfältige") Aus­ führung

des

ihm

gewordenen

Auftrags,

er

hat

dem

Kommittenten die erforderlichen Nachrichten zu geben, ins­ besondere sofort nach der Ausführung des Auftrags un-

können Vereinbarungen, ja auch die Umstände stillschweigend für die Substituierbarkeit sprechen; s. Dcnkschr.S.3252), ferner die Frage nach der Verwendbarkeit der An­ gestellten des Kommissionärs vom Standpunkte des Auftraggebers aus und der Haftung für das Verschulden der Hilfspersonen, worüber nun prinzipiell BGB. 8. 278 entscheidet, ferner die Frage nach der Widerruflichkeit des Kommissionsauftrags seitens der Kommittenten (BGB. §. 627, hiezu s. jedoch HGB. §. 396) lind dergl. 1 Die oben S. 55 Anm. 1 erwähnten allg. Bestimmungen der Reichsbank setzen für das Effektenkommissionsgeschäft fest, daß Ankanfsanträge erst dann ausgeführt werden, wenn der dazu erforderliche Geldbetrag bei der betreffenden Bankanstalt bar einbemhlt oder bankmäßig fichergestellt ist, Verkanfsanträge erst dann, wenn die zu verkaufenden

i Papiere eingeliesert und in Ord­ nung befunden sind.

An- und

I Verkäufe von Effekten besorgt die Reichsbank, auch im An­ schluß an ihr Depotgeschäft (s. oben §. 8, 4 g u. unten §. 60; die Anträge der Kommittenten müssen schriftlich eingereicht werden; befinden sich oie zu verkaufenden Effekten in offenem Depot der Reichsbank (s. S. 55 Anm. 7, unten §. 60 S. 696), so ist mit dem Verkaufsauftrage der betr. Depotschein quittiert einzureichen. Bestimmungen s. Koch, M. L N. S. 246. 2 S. oben §. 50 IV S. 574. 3 HGB. §. 384. Vgl. oben §. 50 V S. 574 f. Über die verschiedenen Anhaltspunkte bei Ausführung des Auftrags s. unten Ziff.3 und Anm. 4 S. 585. Modifikation der Pflichten beim Selbsteintritt des Kommissionärs s. unten III 7 S. 593.

Kap. HI. Die Handelsgeschäfte.

582 verzüglich

davon

Anzeige

zu

machens)

Meidung des Schadensersatzes;8)

und

zwar

bei

diese Verpflichtung zur

Anzeige der Ausführung des Auftrags ist gesteigert und

besonders streng auferlegt für den Fall, daß

ein Kom­

missionär, wenn er nicht Kaufmann minderen Rechts ist,8)

mit

dem

kommissionsweisen Einkäufe vertretbarer Wert­

papiere (außer Banknoten und Papiergeld) betraut ist;

diesem

Falle

zeichnis,

unter

muß

nämlich

Angabe

der

er41)* 3nämlich eine

ein

in

sog. Stückever­

Liste der eingekauftm Papiere

Gattung,

des

Nennwerts

und

der

Unterscheidungsmerkmale (Litera, Nummern u. bergt) der­

selben, binnen drei Tagens) von der an den Kommissionär erfolgten Übergabe der Papiere an gerechnet, seinem Auf­

traggeber übersenden;6) ist letzterer ein Bankier ober Geld­

wechsler, so kann formlos, auch mündlich, von ihm rechts­ wirksam auf die Zusendung des Stückeverzeichnisses ver­

zichtet werden, andernfalls

ist der Verzicht des Auftrag­

gebers nur dann gültig, wenn er schriftlich und für den einzelnen Auftrag ausdrücklich erklärt ist.7) 1 Über die Art der Anzeige s. I mentare hiezu von Apt, Kun­ reuther, Lusensky, I. i Riester (1897). I 6 Beim Auftrage zum Um! tausch (z. B. bei Auslosung oder

RGer. Bd. 5 S. Iss., Bd. 7 S. 99, Bd. 21 S. 80. Gareis, HGB. Anm. 3 zu §. 384. Die besondere Bedeutung der Aus­ führungsanzeige des selbstein­ tretenden Kommissionärs s. unten III 7 S. 593. 8 Schadensersatz siehe ROHG. Bd. 11 S. 43. 3 Kaufmann minderen Rechts s. oben §. 12 S. 71 ff. 4 RGes. v. 5. Juli 1896 betr. die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Wert­ papiere (sog. Depotgesetz). Kom-

Konvertierung) oder zur Aus­ übung eines Bezugsrechts binnen 14 Tagen. 0 Nachholung der versäumten Zustellung des Stückeverzeich­ nisses binnen drei Tagen und Geltendmachung der Rechte feiten > des Kommittenten binnen weite­ rer drei Tage; s. ang. RGes. §. 4. , 7 Rechtsfolge des Verzichtes: ' der Kommittent erlangt kein

Vom Kommissionsgeschäfte,

tz. kl.

583

Hat der Kommissionär die eingekauften Wertpapiere seinem Auftraggeber ausgehändigt oder dieselben austrag­ gemäß weiter veräußert, so besteht keine Verpflichtung zur Übersendung des Stückeverzeichniffes mehr?) In jedem Falle muß der Kommissionär dem Kommittenten über das Ge­ schäft Rechenschaft ablegen und ihm dasjenige herausgeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, insbesondere auch alle Rechte, die dem Kommissionär auf Grund des mit dem Dritten abgeschlossenen Ausführungsgeschäfts gegen diesen zustehm, dem Kommittenten abtreten?) Recht auf individuell bestimmte, im Besitze deS Kommissionärs befindliche Stücke, sondern nur ein Forderungsrecht auf nur der Gattung nach bestimmte, nicht auf .Depotkonto* sondern auf „Stückkonto* gebuchte Pa­ piere, s. Rieß er, Depotgesetz S. 34. Rechtsfolge der unge­ rechtfertigten Unterlassung der Zusendung des Stückever^eichnisses: Recht der Zurückweisung des Ausführungsaeschästs und Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung; in dem oben in Anm. 5 S. 582 ange­ führten Falle jedoch nur: Verlust oesProvlfionsansvruchs des Kom­ missionärs; im Falle des Kon­ kurses des Kommissionärs mög­ licherweise strafrechtliche Verant­ wortlichkeit desselben s.DepotGes. §§• 6, 10. 1 RGes. v. 5. Juli 1896 §. 3 Abs. 3. 8 HGB. §§. 384 Abs. 2, 391 l. Satz, BGB. §§. 276,665-668, 675. Vgl. auch ROHG. Bd. 22 S. 79, 80. In Betreff der oben

zuletzt erwähnten Ansprüche des Kommissionärs gegen Dritte ist, wie bereits S. 580 Anm. 2 an­ gedeutet, zunächst die Konsequenz 1 der Thatsache, daß der Kom­ missionär im eigenen Namen ab­ schließt, maßgebend: die auS diesen Abschlüssen entspringenden Forderungen find seine For­ derungen, aus ihnen kann fich der Kommisfionär für seine geR Ansprüche (HGB. , 399) vor dem Kom­ mittenten und dessen Gläubigern befriedigen (s. 111 6 S. 592), und sie können vom Kommittenten erst dann gegen den Dritten faltend gemacht werden, wenn ie vom Kommissionär dem Kom­ mittenten abgetreten worden find, ein Rechtsvorgang, der fich nach BGB. §§. 398 ff. richtet; um jedoch im Konkurse über das Vermögen des Kommissionärs eine solche, noch ausstehende und noch nicht abgetretene Forderung nicht in die Konkursmasse fallen au lassen und sie überhaupt vor Beschlagnahme seitens der Gläu-

Kap. III.

584

Die Handelsgeschäfte.

2. Werden dem Kommissionär im Zusammmhange mit

dem Auftrage Warm zugesandt, so hat er für derm Auf­

bewahrung, sowie für Konstatierung der etwa vorgefundmen Mängel und für Wahrung der Rechte gegen Frachtführer

und Schiffer Sorge zu tragm, nach Lage der Sache auch den Verkauf der dem Verderbm ausgesetzten Warm zu be­

wirken?)

Für Verlust oder Beschädigung des Guts ist der Kom­ missionär, während er Aufbewahrer desselben ist, verant­ wortlich, wmn er nicht beweist, daß der Verlust oder die

Beschädigung durch Umstände herbeigeführt ist, welche auch

biger des Kommissionärs, sowie gegen Auftechnung (f. aber RGer. Bö. 32 S. 40 und Rießer, Depotgeseh S. 52, andererseits Cosack, Lehrb. S. 223) zu sichern, ist m Be^ug auf das Verhältnis zwischen oem Kommittenten und oem Kommissionär oder dessen Gläubigern dieAbtretung finmert und bestimmt, daß jene For­ derungen, auch wenn sie nicht abgetreten sind, in Bezug auf dieses Verhältnis als Forde­ rungen des Kommittenten gelten (HGB. §. 392 Abs. 2, hiezu vgl. RGer. Sb. 1

1 HGB. §. 408. i 8 Vgl. unten §. 56; HOB. | §. 429 verglichen mit HGB. §. 456. | 3 Der Frachtführer hat und! so auch der Spediteur in diesen

Fällen zu beweisen, warum (aus welchen thatsächlichen Gründen) die angewandte Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht ausreichte, den Schaden abzuwenden.

Dom Speditionsgeschäfte.

605

§. 52.

diese Haftung tritt jedoch dann noch nicht ein, wenn der

Spediteur die Versendung zwar mittels von ihm für eigene Rechnung gemieteter Transportmittel, jedoch durch Fracht­

führer oder Schiffer besorgt; sie tritt aber nach dem neuen Handelsrechtes) dann schon ein, wenn ein Spediteur mit

dem Versender sich über bestimmte Sätze der Beförderungs­

kosten geeinigt

hat,

denn auch

dann

haftet

er,

in

mangelung einer entgegenstehenden Vereinbarung, wie

Er­

ein

Frachtführer?) 2. Die Sorge für Aufbewahrung zugesandter Waren,

Konstatierung ihres Zustandes u. s. w. obliegt dem Spediteur,

wie dem Kommissionär?) 3. Für den Schaden, welcher aus dem Überschreiten des

Auftrags erwächst, haftet der Spediteur nach Maßgabe des nach Vereinbarung in Anwendung zu bringenden Haftungs­ systems (s. oben la und b).

4. Die Haftung des Spediteurs für Erfüllung feiner41)2 * Pflichten und für Schadensersatz (1—3) ist, abgesehen von Fällen,

in benen der Spediteur

vorsätzlich den Verlust,

die Minderung, Beschädigung oder Verspätung herbeigeführt 1 HGB. §. 413. Gareis, HGB- S. 364, 368 Anm. 2. 2 Er hat aber dann auch die Rechte eines Frachtführers, das Recht nur Provision (als Spedi­ teur), jedoch nur kraft besonderer Vereinbarung (HGB. n. a. O ). Das in Art. 384 des HGB. v. 1861 in diesem Fall anerkannte dritte System (s. oben c) ist so­ mit in Deutschland aufgegeben. 2 HGB. §. 407 mit §.* A88, s. oben §. 51

S. 584.

Uber

Versicherung f. RGer. Bd. 6 S. 115. 4 Das ist der ihm als Spe­ diteur obliegenden Pflichten; aber Ansprüche, welche aus der Übernahme einer entgeltlichen Aufbewahrung von Gütern ent­ springen , verjähren nach dem bürgerlichen Rechte. ROHG. Bd. 24 S. 305, RGer. Bd. 6 S. 136. Die Ansprüche des Spediteurs gegen den Bersender verjähren in 2 Jahren. BGB. §. 196 Nr. 1.

Kap. HI.

606 hat, Fälle,

Die Handelsgeschäfte.

in welchen die gewöhnlichen Verjährungsfristen

laufen/) an eine kurze Verjährungsfrist gebunden; diese Bestimmung hat ihren Grund in dem Interesse rascher Ab­

wicklung, ferner darin, daß die meisten Haftungsgründe nach Ablauf längerer Zeit gar nicht mehr oder nur sehr schwer

nachzuweisen sind, und endlich darin, daß bei der Besorgung

eines Warmtransportes eine ganze Reihe von Personen: Speditmre, Frachtführer, Zwischmspediteure u. s. w., beteiligt

sind, deren Regreßrechte — sollm nicht endlose Prozeffe ent-

stehm — zeitlich begrenzt sein müssen.

Deshalb bestimmt

das Gesetz, daß die Ansprüche des Versenders gegen den Spe­

diteur wegen gänzlichen Verlustes oder wegen Minderung, Beschädigung

oder

verspäteter Ablieferung

des

Guts

in

einem Jahre verjähren;1 2) die Frist, welche übrigens durch

Vertrag verlängert werden kann/) 1 HGB. §. 414 Abs. 4. Grobe Fahrlässigkeit ist dem Vorsätze nicht gleichgestellt. 2 HGB. §. 414 Abs. 1, 3. Diese Ansprüche können nach der Vollendung der Verjährung nur aufgerechnet werden, wenn vorher der Verlust, die Minderung, die Beschädigung oder die verspätete Ablieferung dem Spediteur an­ gezeigt oder die Anzeige an ihn abaesendet worden ist. Die Zu­ lassung eines verjährten An­ spruchs zur Ausrechnung ent­ spricht dem Geiste des BGB. §.390 Satz 2: aber im Eisenbahn­ frachtverkehr ist nach dem Berner internationalen Vertrage vom; 14.Oktober 1890 Art.46, welcher i sonst auch das Speditionsrecht I

beginnt im Falle des

beeinflußte (s.Anm. laus folg.S.), die emredeweise Geltendmachung eines verjährten Anspruchs aus­ geschlossen (s. RGBl.1892 S.827). Ter Anzeige an den Spediteur steht es gleich, wenn gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises beantragt oder in einem zwischen dem Versender und dem Empfänger oder einem späteren Erwerber des Guts wegen des Verlustes, der Min­ derung, der Beschädigung oder der verspäteten Ablieferung an­ hängigen Rechtsstreite dem Spe­ diteure der Streit verkündet wird. 8 Kraft ausdrücklicher Zu­ lassung durch Sah 2 d. §. 414, entgegen BGB. §. 225.

Vom Speditionsgeschäfte.

§• 52.

607

gänzlichen Verlustes oder der verspäteten Ablieferungx) mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Ablieferung hätte bewirkt sein müssen; im Falle der Minderung oder Be­

schädigung mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die

Ablieferung geschehen ist.

III.

Rechte des Spediteurs.

1. Der Speditmr ist be­

rechtigt, von seinem Auftraggeber Ersatz der Kosten,

Aus­

lagen und aller nützlichen oder notwendigen Aufwendungen zu fordern, wie der Kommissionär?) 2. Der Spediteur ist ferner berechtigt, die vereinbarte

oder ortsübliche Provision zu fordern?) berechtigt,

Er ist aber nicht

eine höhere als die mit dem Frachtführer

oder

Schiffer bedungene Fracht zu berechnen, noch auch, wenn er sich mit dem Versender

über

einen

bestimmten Satz der

Beförderungskosten geeinigt hat, die Provision zu fordern, weiln dies nicht besonders vereinbart ist.4 1)* * Wenn *8 der Fracht­

führer dem Spediteur einen niedrigeren Frachtsatz als an­ deren berechnet, wie z. B. wenn die Eisenbahnverwaltung einen billigerm

Specialtarif oder Refaktien (d. h. hier:

Ersatz für den Mangel eines solchm Specialtarifs bezüglich des auf einer Anschlußbahn zu durchlaufmdm Wegs) be­

willigt, wie im sog. Sammelladeverkehre/) so kommt diese 1 Auch bei Verspätung be­ I sobald das Gut dem Fracht­ ginnt die Frist so, nicht mehr, führer oder dem Verfrachter zur wie nach HGB. v. 1861 Art. 386, , Beförderung übergeben ist (HGB. mit dem Tage der wirklichen §. 409 und hiezu Gareis, Ablieferung; maßgebend ist der HGB. Anm. 11 * HGB. §. 413 Abs. 1. in Anm.2 auf vor.S. angeführte 5 Bewirkt der Spediteur die Berner Vertrag vom 14. Oktober 1890 gewesen. Versendung des Gutes zusammen 8 HGB. §§. 407, 396 Abs. 2; mit den Gütern anderer Ver­ BGB. §§. 670, 675. sender aus Grund eines für seine 8 Die Provision ist fällig, Rechnung über eine Sammel-

608

Kap. HI.

Die Handelsgeschäfte.

Ermäßigung als solche — abgesehen von dem Falle der

Vereinbarung von Pauschal- oder Durchschnittsfrachtsätzen der Beförderungskosten

(s. oben II 1 S. 605) —

dem

Auftraggeber des Spediteurs, nicht direkt dem letzteren, zu

gute. Im übrigen finden auf die Speditonsprovisionen die beim Kommissionsgeschäft erörterten Grundsätze (§. 51 III Ziffer 2 oben S. 589 f.) entsprechende Anwendung?)

3. Zur Sicherung aller erwähnten Forderungen hat der Spediteur ein Pfand- und Retentionsrecht am Speditions­ gute, solange er dasselbe noch in seinem Besitze hat oder in

der Lage ist, darüber zu verfügen.

Im Konkurse des Ver­

senders giebt das Pfandrecht dem Spediteur ein Absonde­

rungsrecht, da

es das Zurückbehaltungsrecht einschließt?)

Der Pfandverkauf ist unter denselben Voraussetzungen ge­

stattet wie dem Kommissionär. Von dem dem Kommissionäre gesetzlich zustehenden Pfand­ rechte unterscheidet sich das des Spediteurs wesentlich durch

das Erfordernis der Konnexität; der Spediteur kann sich nur wegen solcher Forderungen an das einzelne Speditionsgut

halten, die gerade in Beziehung auf die Spedition dieses ladung geschlossenen Frachtver­ Fracht verlangen. Über die viel­ trags, so finden die Vorschriften ' umstrittene Frage derBehandlung des Abs. 1 des §. 413 (bei voriger des sog. Sammelladeverkehrs s. Anm.) Anwendung, auch wenn Gareis, HGB. S. 368 Anm. 4 eine Einigung über einen be­ und die dort angef. Schriften stimmten Sah der Beförderungs- , von Staub und Landgraf. 1 Fälligkeit der Provision kosten nicht stattgefunden hat. j Ter Spediteur kann in diesem NOHG. Bd. 8 S. 171. 2 HGB. §. 410. KonkOrd. Falle eine den Umständen nach angemessene Fracht, höchstens §. 49 Ziff. 4; vgl. oben §. 44 aber bie für die Beförderung S. 519 f., vgl. RGer. Bd. 8 des einzelnen Guts gewöhnliche S. 81.

Vom Speditionsgeschäfte.

Guts entstanden sind,

§♦ 52.

609

nicht aber zu Gunsten von Konto-

kurrentforderungen schlechthin,

wie der Kommissionär (siehe

oben S. 591).

Eigentümlich ist die Succession in dieses Pfandrecht,

welche eintritt, wenn das Speditionsgut, um an dm (auf­ tragsmäßigen) Bestimmungsort zu gelangen, durch die Hände mehrerer Spediteure geht;

dieselben heißen Zwischenspedi­

teure?) wenn sie von demjenigen Spediteur, welcher von dem Auftraggeber mit der Besorgung des ganzen bis an den

Bestimmungsort reichmden Transportes betraut ist,1 2) oder von einem solchen Zwischenspediteure selbst für bestimmte

Routen innerhalb der Strecke bis zum Destinationsotte zur Übernahme der Besorgung der Weiterbeförderung des Spe­

ditionsguts bestellt wurden.

Das Gesetz bestimmt, daß der

nachfolgende Spediteur jenes Pfandrecht nicht bloß für die

bei ihm entstandenen Spesen und sonstigen Beträge, sondem auch für die bereits vorher beim vorausgehendm Spediteur entstandenm Kosten u. s. w. geltend zu machm hat; demnach

obliegt dem letzten Speditmr (Abrollspediteur) die Geltend­

machung des Pfandrechts zu Gunsten aller während des ganzen Transpotts bei allen Speditmren, die mit dem Spe­ ditionsgute befaßt waren, entstandenen Kostm.

Diese Succession tritt entweder kraft eigenen Rechts ein,

(dann nämlich, wenn der succedierende Spediteur dem Vor­

mann die bisher entstandenen Spesen bezahlt hat und den Ersatz dafür vom Destinatär fordert) oder kraft des Rechts 1 Verschieden von einem Unter­ spediteur (b. i. Substitut des Spediteurs), dessen Bestellung in der Regel nicht dem Spediteur SareiS, Handelsrecht. 6. Ausi.

gestattet sein dürfte. VA. Bd. 3 S. 15. 2 ROHG. Bd. 12 S. 380-390, Bd. 19 S. 218.

Kap. III.

610

Die Handelsgeschäfte.

des Dormanns, bessen gesetzlich bestellter Vertreter der Nach­ mann ist.1)* * 4Der erstere Fall, Erhebung aller Spesen durch

Nachnahme seitens des letzten Spediteurs und vorgängige Abfindung der Vormänner, ist der häufigere?) und kann in

dem Umfange eintreten, daß der Spediteur auch die Fracht­

führer

abfindet

und

alsdann

auch

deren

Forderungen

geltend macht. §. 58.

von den Geschäften der Handel-mäkler. •)

I.

Personen, welche ein Gewerbe daraus machen,

Abschluß von Handels-

und

den

anderen Geschäften zu ver­

mitteln und dahin einschlagende Aufträge zu besorgen, kannte

schon

das hellenische

und

das römische Altertum;*)

im

1 HGB. §. 411. Uber die (von dem altarabischen Worte schwierige und bestrittene Kon­ simsar — Vermittler — und struktion dieser Rechtsverhältnisse dem persischen sipsar abstammend) s. Lab and in GZ. Bd. 11 S. in Zusammenhang steht mit dem 467ff.; Gareis im Centralorgan orientalisch-italienischen Verkehr Bd. 7 S. 271-274; Grünhut im frühen Mittelalter. Hiezu Kommiff.-Handel E. 558—565. f. nun GUGesch. S. 22 ff., 250 ff. Für den Zusammenhang von Vgl. ROHG. Bd. 12 S. 380, Bd. 19 S. 218, Bd. 20 S. 189. Maklerei und Dolmetschertum 8 E. Laband a. a. O. S. 467. (auch Kommission) bringt M. ROHG. Bd. 20 S. 190. Pappenheim in GZ. Bd. 29 8 Litt. s.Grünhut im Hdbch. S. 440 ff. interessante Belege auS Bd. 3 S. 132 Anm. 1 ff.: dem nordischen mittelalterlichen Behrend, Lehrb. §. 56 Anm. 1 Verkehre. Jene Art des Handel? er­ u. 2; Cosack, Lehrb. §. 45. 4 Dgl. Dig. tit. 50, 14: de zeugte auch, wie Goldschmidt a. proxeneticis. Geschichtliches über a. O. und GUGesch. S. 253 oaS Mäklerrecht s. Laband, andeutet, die mit dem Zollwesen Z. f. deutsch. Recht Bd. 20 S.l ff. I zusammenhängenden Kauf- und (1860), ferner Goldschmidt in Lagerhauseinrichtungen, das seiner Zeitschr. Bd. 28 S. 115 ff. Recht eines Fondaco (d. i. LagerGoldschmidt weist unter anderem ; oder Kaufhaus, aus dem Aranach, daß der Name »Sensal" : bischen fonduc und dem Grie-

Don den Geschäften der Handelsmäkler.

§♦

53.

611

Mittelalter und insbesondere vom 13. Jahrhunderte an in den romanischen Ländern ist das Mäklerrecht

bereits voll­

ständig entwickelt und der Handelsmäkler ein amtlich be­ stellter, in der Regel von der Kaufmannsinnung angestellter

oder autorisierter Vermittler (daher auch mediator, messeta

und ähnlich genannt) von Handelsgeschäften überhaupt oder von

solchen

eines

bestimmten Handelszweigs.

Als

ein

amtlich bestellter, vor Antritt seines Amts eidlich zu ver­

pflichtender Vermittler für Handelsgeschäfte, mithin als eine

1861

Art von Beamten faßte

auch das HEB. von

„Handelsmäkler" auf,1)

neben welchem es allerdings auch

rein

gewerbliche Privatmäkler

gab,

den

bereit Gewerbebetrieb

durch die Gewerbeordnung von 1869 für ganz Deutschland

frei gegeben wurde.

Der Handelsmäkler des neuesten deutschen Rechts hat

diesen Beamtencharakter abgestreift;2)

zwar giebt es auch

noch heute Mäkler mit einer öffentlichen Funktion, nämlich

die Kursmakler des Börsenrechts,^) chischen Tiavdoxo; stammend). Val. ferner R. Ehrenberg in GZ- 9b. 30 S. 403 ff.: Makler, Hosteliers und Börse in Brügge vom 13. bis zum 16. Jahrhundert (dort ging das Gewerbe der Hosteliers, d. s. Besitzer von hostels, zur Fremdenbeherberguna und zur Warenauf­ speicherung, auch von Kellern, woher sie auch celliere heißen, und Magazinen, fondachi, teil­ weise Hand in Hand mit dem Gewerbe der Mäkler, mit deren Iunft die Innung der ersteren im Jahre 1303 verschmolzen wurde). —

aber gerade in ihrer

Über das mittelalterliche Lagerhauswesen siehe „GUGesch. S. 98, 258, 254. Über den Fondaco dei Tedeschi in Sßettebig und die Deutsch-Venetianischen Handelsbeziehungen. H. Si­ monsfeld, 2 Bde. Stutt­ gart 1887. 1 HGB. v. 1861 Art. 66-84, hierüber s. G. & F. S. 178. Kritik s. ebenda Bemerkung 2—4 S. 178-179. 2 HGB. §§. 93-104. 3 Börsengesetz v. 22. Juni 1896 und Einf-G. z. HGB. Art. 14 I §• 34.

Kap. III.

612

Die Handelsgeschäfte.

öffentlichen Funktion sind

die Kursmakler keine Mäkler,

keine Vermittler, denn diese besteht in der Hauptsache in der Mitwirkung bei der Kursfeststellung und ferner in der Vor­

nahme von solchen Verkäufen und Käufen, welche nach dem Gesetz „durch einen dazu öffentlich ermächtigten Handels­ mäkler zu bewirken sind".

Allein abgesehen hievon ist die

Mäklerthätigkeit, die eigentliche Mäklerthätigkeit, das Ver­ mitteln von Geschäften, eine jedermann offenstehende Privatthätigkeit, für welche in erster Linie und allgemein

die

Regeln des bürgerlichen Rechts vom Mäklervertrage *) maß­ gebend sind. Überblickt man die verschiedenen Formen und Richtungen, in denen die dem Mäkler als solchem charakteristische Thätig­

keit ausgeübt wird, so sind vom Standpunkte des neuesten

Deutschen Rechtes aus fünf Arten von Mäklern zu unter­

scheiden: 1. Die Mäkler im Sinne des allgemeinen bürgerlichen Rechtes.

Zu diesen gehören nicht bloß solche Personen, die

ein Mäklergewerbe betreiben, sondern auch solche, welche nur vereinzelt gegen Lohn eine Vermittelung eines Vertrags übernehmen, und nicht bloß solche, welche vermitteln, son­

dern auch solche, welche gegen Lohn es übernehmen, die Ge-

legenheit zum Abschluß eines Vertrags nachzuweisen;2) das BGB. spricht die Verpflichtung zur Zahlung des Mäkler­ lohnes, sei es, daß dieser ausdrücklich, oder sei es, daß er

stillschweigend vereinbart ist, aus, die Bedingungen und den 1 BGB. §§. 652—656. 9 BGB. §. 652. Der Nach­ weis der Gelegenheit zum Ver­ tragsabschluß »st etwas anderes

als die Vermittlung (f. folgende Amn.). über den Begriff der .Vermittelung' s. Behrend, Lehrb.d. H. R. Anm. 2u.3S.393.

Von den Geschäften der Handelsmäkler.

Ausschluß dieser

g. 53.

613

und stellt die Möglichkeit

Verpflichtung

der richterlichen Herabsetzung eines übermäßigen, noch nicht

bezahlten Maklerlohnes fest.

2. Die Handelsmäkler im Sinne des HBG. von 1897. Diese sind Gewerbetreibende, aber nicht alle gewerbsmäßigen

Mäkler des bürgerlichen Rechtes, auch nicht alle gewerbs­

mäßigen Vermittler von Geschäften sind Handelsmäkler im

Sinne des neuen Rechts, sondem

letzteres sind nur die­

jenigen gewerblichen Vermittler, welche a) nicht Handlungs­ agenten, also nicht ständig mit der Vermittelung für be­

stimmte Firmen von diesen

betraut sind, und b) Ver­

träge über Gegenstände des vermitteln haben.

was der Handel umsetzt,

Anbietendm

Handelsverkehrs zu

Gegenstand des Handelsverkehrs ist nur, vertreibt,

vom Produzenten oder

zum Konsumenten oder Nachftagenden ganz

oder teilstreckenweise bringt oder bringen läßt, und dies ist

nur a) die Ware (bewegliche Sachen oder Wertpapiere, also materieller oder formaler beweglicher Wertträger), b) das

Geld, c) der Kredit und d) die rein kaufmännische Arbeit. Das ©efefc1) zählt vor der Generalklausel („sonstige Gegen­

stände

des

Handelsverkehrs")

vollkommen

zutreffend

nur

solche Verträge, welche einen der in die eben genannten vier

Gruppen fallenden Gegenstand zum Objekt haben, als Haupt­ fälle oder Beispiele der von Handelsmäklern als solchen ver1 HGB. §. 93. Wer nur und 1. ult. C. de sponsal. 5,1 Vertrage über Liegenschaften oder andererseits und über Annahme über Gesindedienste oder über an Kindesstatt, BGB. §. 1741) Herstellung von litterarischen, u. dergl. vermittelt, ist kein schriftlichen (nichtkaufmännischen) , Handelsmäkler, denn diese Dinge nicht Gegenstände des oder künstlerischen Arbeiten oder I sind über Familienverhältnisse (z. B. i Handelsverkehrs. Ehen, s. aber BGB. §. 656 einer­

Kap. HI.

614

Die Handelsgeschäfte.

mittelten Verträge auf: Verträge über Anschaffung oder Ver­

äußerung

von Warm

oder Wertpapieren,

über Versiche-

rungm (eine Art bedingter Geld- oder Kreditverwmdung), Güterbeförderungen,1)

Bodmerei2)* * *und **

Schiffsmiete;8)

auf die Vermittelung anderer als der so ausdrücklich oder

durch jene Generalklausel bezeichneten Geschäfte, insbesondere auf

die Vermittelung

von

Geschäften

über unbewegliche

Sachen/) finden, auch wenn die Vermittelung durch einen

Handelsmäkler

erfolgt,

die Vorschriften des von letzterem

handelndm Abschnittes des HGB. keine Anwendung.

Der

„Nachweis der Gelegenheit zum Abschluß eines Vertrags", welcher den Mäkler im Sinne des bürgerlichen Rechts

solchen und selbständig beschäftigen kann,

als

würde nicht ge­

nügen, den Mäkler als Handelsmäkler erscheinm zu lassen,

auch wenn der Vertrag, zu dem diese Gelegenheit nachgewiesen

wird, einen der Gegenstände des Handelsverkehrs zum Ob­ jekte hätte?) Auf die Vermittelung bestimmter Verträge 1 Hierüber, insbes. den Unter­ schied vom Spediteur, s. Gareis, HGB. §. 93 Anm. 7. -HGB. 8Z.679-699, j. unten §. 114. 2 HGB. §. 510, s. unten §• 110. 4 Siehe aber unten Nr. 3. 6 Deshalb gehören alle die­ jenigen Unternehmer, welche durch die von ihnen errichteten An­ stalten nur die Gelegenheit zum Abschlüsse von Beiträgen, Han­ delsgeschäften und Nichthandels­ geschäften bieten wollen, wie z. B. ourch die — wenn auch ge­ werblich betriebene — Ein­ richtung von Ausstellungen, Niederlagen, Docks u. dgl., nicht

zu den Handelsmäklern; auch die Herausgeber von Zeitungen nicht, denn wenngleich die von ihnen veröffentlichten Annoncen (Stellengesuche, Stellenangebote, Warenankündigungen u. oergl.) die Veranlassung zu Vertrags­ abschlüssen werden können, sie selbst „vermitteln" nicht; auch die Inhaber und Vermieter von Plakattaseln oder Plakatsäulen sind keine Handelsmäkler, sie lassen ermitteln, tragen wenig­ stens dazu bei, vermitteln aber nicht; es vermitteln auch nicht die Inhaber von Annoncen­ bureaux wirklich Verträge über Gegenstände des Handelsverkehrs,

Von den Geschäften der HandelSmäkler.

g. 53.

615

muß die Gewerbeabsicht des Handelsmäklers gerichtet sein, wenn er dies und dadurch Kaufmann im Sinne des HEB. sein will oder soll?)

3. Der kaufmännische Mäkler, der nicht Handelsmäkler ist, aber die Vermittelung von Verträgen oder die Nachweisung von Gelegenheiten zuVertragsabschlüfsen?) derartig unternimmt und betreibt, daß sein Geschäftsbetrieb in kaufmännischer Weise

eingerichtet sein muß und

somit ein Handelsgewerbe im

formellen Sinne vorliegt?)

Von diesem Gesichtspunkt aus

sind dem Handelsrecht eine Anzahl von Personen zu unter­ stellen, welche Gewerbe betreiben', die dem Geschäfte der Handelsmäkler nahe stehen oder verwandt ftnb;4) so fallen

wegen der Betriebsart oder wegen des Umfangs ihres Ge­ werbes Grundstücksmäkler

und

andere Nichthandelsmäkler

unter die Vorschriften des Handelsrechts für Kaufleute, wenn

die Firma ihres Unternehmens in das Handelsregister ein­

getragen ist, wozu sie das Handelsgericht gegebenen Fallenämlich nicht die Verträge, deren Offerten sie ankündigen lassen, sondern sie leisten die rein kauf­ männische Arbeit des Ab­ schließens mit dem Zeitungs­ verleger oder Druckereibesitzer und schließen, wenn auch für fremde Rechnuna, doch im eigenen Namen ab, sind also nicht Handelsmäkler, sondern Kom­ missionäre (im Sinne des HGB. S. 406 Abs. 1), wenn sie nicht Agenten sind (im Sinne des HGB. §. 84, s. unten); das nämliche gilt von sogen. Kommissions- oder Geschästsbureaux. Dagegen kann die gewerbsmäßige Entgegennahme von Subskrip­ tionen aus erscheinende litte­

rarische oder künstlerische Werke wohl auf leiten der Subskri­ bentensammler Agentenoder Mäklerthätigkeit sein (vgl. Gold­ schmidt, Hdbch. d. HR. Bd. 1 §. 48 Anm. 8 a. E); auch wer gewerbsmäßig Versteigerungen (s. BGB. §. 156) von Waren veranstaltet und abhält (der Auktionator), gehört hierher. 1 HGB. §. 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7, §. 93 Abs. 1; „gewerbs­ mäßig" — über diesen Begriff s. oben §. 11 S. 65 f. 8 BGB. 8. 652. 8 HGB. §. 2. 4 Vgl. Anm. 2, 3 S. 612, 5 S. 614.

Kap. III. Die Handelsgeschäfte.

616

wegen jener Eigentümlichkeit der Betriebsart oder Gewerbe­ ausdehnung anhalten leimt.1) 4. Der Kursmakler im Sinne des Börsengesetzes.

Dieser

verbindet mit der kaufmännischen gewerblichen Thätigkeit

eines Handelsmäklers die amtliche Stellung einer zur Mit­ wirkung bei der offiziellen Festsetzung der Börsenpreise von

Waren und Wertpapieren berufenen Hilfsperson des Börsen­ vorstandes; die Ausübung des gewerblichen Mäklergeschäfts,

nämlich die Vermittelung von Börsengeschäften in den be­

treffenden Waren oder Wertpapieren, deren Börsenpreis sie mit

festzustellen

hat, ist

ihm

nicht

nur

nicht verboten,

wie dies gegenüber dm Handelsmäklern des HGB. von 1861 der Fall war, sondern sogar eine der Voraussetzungen seiner amtlichm Stellung;^) die letztere verdankt er eineramtlichen Bestellung seitens der Landesregierung des Börsen­

ortes,von

welcher

er

auch entlaffen werden kann;

er

leistet vor dem Antritt seiner amtlichen Stellung einen Eid

1 Dann sind die Grundstücks­ makler u. s. w. Kaufleute nach HGB. §. 1 Abs. 1, §. 2, s. oben §. 8 S. 57 s.; sie müssen dann z. B. die Bücher sühren, deren Führung die §§. 38 ff. d. HGB. fordern, aber nicht Schlnffnoten ^ustellen, von denen die §§. 94 ff. sprechen; denn die Grundstücksmakler sind nicht Handelsmäkler, Grundstücke nicht Gegenstände des Handelsverkehrs. Uno wenngleich das Mieten von Kaufläden, Magazinen,Speichern u. dgl. seitens eines Kaufmanns Hülfsgeschäst desselben, also „Handelsgeschäft" im Sinne der

■ HGB. §§. 343, 344 ist, ist doch ! derjenige, der solche Mietverträge vermittelt, nicht Handelsmütler, 1 möglicherweise aber kaufmän­ nischer Mäkler, ein das Mäkler­ geschäft des gewöhnlichen bürger­ lichen Verkehrs kaufmännisch'be­ treibender Unternehmer, Kauf­ mann. 2 Börsengeseh v. 22. Juni 1896 §. 30 Abf. 1 Satz 2. 3 Bestimmungen über die Be­ stellung und Entlassung der Kursmakler s. Reichsanzeiger 1896 Nr. 275, 19. November, abgeI druckt bei Brendel, Börsengeseh I Anlage III S. 151.

Bon dm Geschäften der Handelsmäkler.

53.

617

darauf, daß sie die ihnen obliegmden Pflichtm getreu er­ füllen werde.

5. Es giebt Handelsmäkler, welche die Vermittelung von

Warengeschäften im Kleinverkehre besorgen, sie »erben mit­ unter KrämermLkler, auch Kleinmäkler genannt, sind aber

nicht notwendig Kaufleute minderm Rechts;') sind sie es,

so finden die Vorschriften über die Tagebücher auf sie schon deshalb keine Anwendung, aber möglicherweise ist der Ge-

schästsbettieb eines Krämermäklers sehr ausgedehnt, und doch eignet sich die für die Handelsmäkler sonst bestehende Ein­ richtung der Schlußnoten (siehe unten II 1) und der Tage­ bücher (siehe unten II 2) nicht für diese Art von Gewerbe­

betrieb, auch ist kein Bedürfnis nach diesen Einrichtungen

im Kleinverkehre vorhanden; daher bestimmt das Gesetz, daß

die Vorschriften über Schlußnoten der Tagebücher auf diese sogen. Krämermäkler keine Anwendung finden?)

II. Für das Recht der Handelsmäkler bilden, innerhalb der angebeuteten Beschränkung auf die Vermittelung der bezeichnetm Verträge, die Vorschriften des bürgerlichen Gesetz­

buchs über den Ausgangspunkt.

Mäklerverttag wie oben unter I

1 dm

Aber als besondere Pflichten des

Handelsmäklers sind durch das Handelsgesetzbuch fol­ gende aufgestellt: 1. Die Ausstellung der Schlußnoten. Die Schlußnotm

sind Geschäftspapiere, welche in möglichst lakonischer Sprechweise die Parteien, den Gegmstand und die Bedingungen des Geschäfts, insbesondere bei Verkäufm von Warm oder

von Wertpapierm, deren Gattung und Mmge, sowie dm 1 Im Sinne der HGB. §§. 4, 351. 3 HGB. §. 104.

618 Preis und

Kap. ITT.

Die Handelsgeschäfte.

die Zeit der Lieferung

enthalten; eine solche

Schlußnote muß der Handelsmäkler unverzüglich nach dem

Abschlüsse des Geschäfts jeder Partei mit seiner Unterschrift

versehen zustellen, sofern ihm dies nicht die Parteien er­ lassen haben oder ihn der Ortsgebrauch mit Rücksicht auf

die Gattung der Ware davon entbindet; ist aber das Ge­

schäft ein stempelpflichtiges Börsengeschäft, so kann von der

Ausstellung einer Schlußnote nicht abgesehen und müssen dafür die vorgeschriebenen Formulare

verwendet

werden,

denn die in diesem Fall obligatorischen Schlußnoten bilden

die Grundlage für die Besteuerung der Börsengeschäftes) Die Verpflichtung des Mäklers in Bezug auf Zustellung der

Schlußnote gewinnt eine besondere Bedeutung noch in den

Fällen, in denen es sich, wie z. B. bei Lieferungsgeschäften, um aufgeschobene Leistungen handelt,

denn bei Geschäften,

die nicht sofort erfüllt werden sollen,

muß die Schlußnote

den Parteien zur Unterschrift zugestellt und jeder Partei das von der anderen

unterschriebene Exemplar

übersandt

werden, und der Handelsmäkler muß, wenn eine Partei die

Annahme oder Unterschrift der Schlußnote verweigert, diese Thatsache unverzüglich

der

anderen Partei

anzeigen;

es

schließt ein solches Vorkommnis ja noch keineswegs die Ab­

sicht des Vertragsbruchs oder gar diesen selbst in sich, aber es werden doch Zweifel darüber rege, ob das Geschäft werde erfüllt werden, wie eine Partei wohl annehmen zu dürfen 1 Reichsstempelgesetz v. 1. Juli 1881, 29. Mai 1885 u. 27. April 1894. Tas Gesetz schreibt auch die Numerierung und fünf­ jährige Aufbewahrung der Schlußnoten vor (§. 14 d. ang.

Gesetzes); aus die civilrechtliche Gültigkeit des Geschäfts hat die UnterlassunA der Zustellung oder der Unterzeichnung der Schluß­ noten keinen Einfluß, zieht aber Strafe nach sich.

Don den Geschäften der Handelsmäkler.

§. 53.

619

glaubt, und es kann daher die Verantwortung für die unter­ lassene Anzeige jener Weigerung für den Mäkler sehr ver­ hängnisvoll werben.1)

Es giebt übrigens Schlußnoten, auf

denen nur eine Partei genannt ist, die Bezeichnung der

anderen Partei aber der Mäkler sich durch dm Vermerk:

„Aufgabe Vorbehalten" oder ähnliches einstweilen noch vor­ behalten hat; alsdann ist die zuerst genannte Partei, wenn

sie die mit einem solchm Vorbehalte versehme Schlußnote angenommen hat, an das Geschäft mit der Partei gebunden, welche ihr nachträglich bezeichnet wird, es sei denn, daß sie

gegen diese z. B.

fähigkeit

in Bezug auf ihre Solvmz, Leistungs­

und dergl.

heben hat.

eine begründete Einwmdung zu er­

Die Bezeichnung der zuerst nicht genannten

Vertragspartei muß innerhalb der ortsüblichen oder der an­ gemessenen Frist erfolgen, widrigenfalls oder wenn die bezeich­ nete Partei mit Grund zurückgewiesen wird, diejmige Vertrags­

seite, welche die Schlußnote zuerst mit jenem Vorbehalt an-

genommm hat, den Handelsmäkler selbst auf die Erfüllung des Geschäfts in Anspruch nehmm darf; der Mäkler hat also in diesem Falle die Pflicht des Selbsteintritts, nicht

aber ein Recht des Selbsteintritts gegen dm Willen der

Partei, wie es der Kommissionär unter bestimmten Voraus­ setzungen hat.^) Wenn sich aber die Partei auf die Aufforde­ rung des Handelsmäklers nicht unverzüglich darüber erklärt, ob sie vom Handelsmäkler die Erfüllung des Geschäfts ver­ lange oder nicht, so erlischt ihr Recht auf Selbsteintritt des

1 Wegen der unter Nr. 5 zu er- ; 2 S. oben §. 51 S. 593 f., »sühnenden Schadensersahpflicht ; HGB. §§. 400 ff. nach HGB. §. 98.

620

Kap. m.

Die Handelsgeschäfte.

letzteren, denn es ist unzulässig, daß sie mittels Aufschub dieser ihrer Entscheidung auf Risiko des Mäklers spekuliere. 2. Der Handelsmäkler muß ein Tagebuch führen, welches nach Art kaufmännischer Bücher ongekgtx) wird,

und in

welches alle abgeschlossenen Geschäfte täglich einzutragen sind, in chronologischer Reihenfolge und unter Angabe der Ver-

tragsmomente, welche die Schlußnote enthalten muß; täglich

muß dieses Tagebuch vom Handelsmäkler mit eigener Unter­ schrift abgeschlossen werden. Aus diesem Tagebuche muß der

Handelsmäkler den Parteien auf Verlangen jederzeit Aus­ züge geben, welche die gesetzlich vorgeschriebenen Eintragungen

enthalten, mit der Unterschrift des Handelsmäklers schließen

und durch Vergleichung mit dem Tagebuch ebenso wie die Schlußnote auf ihre Nichtigkeit kontrolliert werden können, daher ist der Mäkler verpflichtet, auf Anordnung des Gerichts im

Laufe eines Rechtsstreits auch ohne Antrag einer Pattei das

Tagebuch vorzulegen?)

Die Beobachtung der das Tage­

buch betteffenden Vorschriften

erscheint dem Gesetzgeber so

wichtig, daß er die Nichtbeobachtung derselben mit einer Ver­ gehensstrafe bedroht?)

Die

Verpflichtung

des

Mäklers,

auch noch andere Bücher zu führen, wenn diese nach dem Gesetze4) notwendig sind, wird durch die genannten Vorschriften nicht berührt.

3. Eine besondere Pflicht trifft den Mäkler im Falle des Kaufs nach Probe oder nach Muster, er muß nämlich6) | nach Strafgesetzbuch §§. 1 Abs. 2. 1 HGB. §§. 43, 44, 100. 27—30 mit HGB. §. 103. 2 Über dasVerhältnis des dies 4 HGB. §§. 38 ff. .. bestimmenden §. 102 des HGB. 6 HGB. §. 96. Uber den zu §.45 desselben siehe Gareis, Kauf nach Probe siehe BGB. Anm. 1 u. 2 HGB. §. 102. §. 494 und Art. 340 d. HGB. 3 Geldstrafe bis zu 1000 Mark, von 1861.

Don den Geschäften der Handelsmäkler. 8- 53.

621

von jeder durch seine Vermittelung nach Probe verkauften Ware die — von ihm durch ein Zeichen kenntlich ge­ machte — Probe, falls sie ihm übergeben ist, so lange aufbe­

wahren, bis die Ware ohne Einwendung gegen ihre Be­

schaffenheit angenommen Weise erledigt wird.

oder das

Geschäft

in

anderer

Die Parteien oder der Ortsgebrauch

können ihn von dieser Pflicht entbinden. 4. Eigenartig ist die Beschränkung des Handelsmäklers

in Bezug auf die Empfangnahme von Stiftungen. Er gilt nämlich nicht als ermächtigt, eine Zahlung oder eine andere

im Vertrage bedungene Leistung in Empfang zu nehmen, wenn eine solche Ermächtigung nicht ausdrücklich feststeht; *) das Gesetz will Zweifel, die in Bezug auf die gewerbliche

Thätigkeit des Handelsmäklers entstehen könnten, möglichst

wirksam beseitigen. 5. Die Verpflichtungen des Handelsmäklers gipfeln in

der eigentümlichen Haftung für den Ersatz des durch sein

Verschulden entstandenen Schadens; das Eigentümliche auch im Gegensatze zu der Haftung aus dem Mäklervertrage des allgemeinen bürgerlichen Rechtes1 2) liegt darin,

daß der

Handelsmäkler b eiden2) Parteien haftet; das Verschuldmkann

sowohl ein vorsätzliches, als auch ein fahrlässiges fein.4) III. Die Berechtigungen des Handelsmäklers ergebm sich

zunächst ebmfalls aus dem gewöhnlichen Mäklervertrage und

den gesetzlichen Regeln desselben, dies gilt namentlich auch

von dem Ansprüche des Handelsmäklers auf den Mäkler­ lohn (Sensarie, Courtage oder auch Maklerprovision genannt); auch für dm Handelsmäkler ist dieser Lohn erst dann fällig,

1 HGB. §. 97. 2 BGB. §§. 652 ff.

3 HGB. §. 98. 4 BGB. §. 276.

Kap. III.

622

Tie Handelsgeschäjte.

wenn der Vertrag zustande kommt oder die ihm beigefügte aufschiebende Bedingung eingetreten ist;l) das Gleiche ist in

Bezug auf die Höhe des Mäklerlohnes und das richterliche Minderungsrecht zu sagen, welch

letzteres keineswegs, wie

etwa gegenüber Strafversprechen von Vollkaufleuten, handels­ rechtlich ausgeschlossen ist;2) nur in einer Beziehung liegt

eine Abweichung des Handelsrechts vom allgemeinen bürgerlichen Rechte vor: während nach der Auffassung des letzteren der Mäkler nur mit dem einen der beiden Vertragsteile in

rechtlicher Beziehung steht, ist der Handelsmäkler möglicher­ weise wenigstens für beide Parteien thätig, und wie er beiden

Parteien haftet (siehe oben Nr. 5), so ist, wenn unter den Par­

teien darüber nichts vereinbart wurde, wer den Mäklerlohn bezahlen soll, der Handelsmäkler in Ermangelung eines ab­ weichenden Ortsgebrauchs berechtigt, von jeder Partei die

halbe Sensarie zu fordern.

IV. Dem Kursmakler ist durch das Börsenrecht eine be­

sondere Rechtsstellung eingeräumt, dem Börsengeschäfte ver­ mittelnden Mäkler sind durch das Reichsstempelgesetz be­

sondere Verpflichtungen auferlegt, und beides ist bei der Er-

örterung der Börsengeschäfte obm §. 47 II besprochen.

§. 54.

4. von den Geschäften der Handtuugsagenten. I. Das Wort Handlungsagent oder Agent schlechthin wurde

seither



nämlich

vor

1 BGB. §. 652, hiezu auch I §. 654. I

dem HGB. von

1 BGB. §§. 653, 655.

1897,

Don den Geschäften der Handlungsagenten.

§♦ 54»

623

welches zum erstenmal die Rechtsverhältnisse der Handlungs-

agenten als solcher regelt — in verschiedener Bedeutung gebraucht, ebenso

tant.

wie das Wort Vertreter oder Repräsen­

Wenn auch so viel feststand, daß mit jenen Worten

Personen bezeichnet werden sollen, welche für Andere (Auftrag­ geber, Geschäftsherren) geschäftliche Angelegenheiten besorgen

oder betreiben, so war doch die juristische Art und Weise, wie diese Besorgung oder dieser Betrieb fremder Geschäfte

stattfand, trotz der unterschiedslosen Anwendung jener Be­ zeichnung sehr verschieden?)

Die Gesetzgebung1 2)* sucht nun

für den Begriff Handlungsagent eine feste Umgrenzung zu

gewinnen und

erkennt darin einen selbständigen Gewerbe­

treibenden, der von einem Anderen ständig betraut ist, für deffen Handelsgewerbe das Zustandekommen von Geschäften zu veranlassen, sei es, Geschäfte zu vermitteln, sei es, sie

im Namen des Andern abzuschließen.

gehülfenb)

unterscheidet

der

Von dem Handlungs­

Handlungsagent

sich

also

dadurch, daß er nicht Angestellter eines Andern, sondern

ein selbständiger

Geschäftsmann

mit

eigenem

Geschäfts­

betriebe, eigener Firma u. s. w. ist, während er sich von

dem Mäkler4) durch die ständige Beziehung zu einem ihn mit dauernder Vertretung betrauenden Geschäftsmanne, so­

wie durch die Möglichkeit, nicht nur zu vermitteln, sondern

1 Die sieben verschiedenen, in­ ! zu einem oder einigen Auftrag­ einander übergehenden oder an­ gebern einerseits und das Fehlen einander angrenzenden Verhält­ I solcher Beziehungen andererseits, nisse bei der Vertretung in sind dargelegt bei Gareis, fremden Geschäften: Vermitte­ HGB. 1898 S. 90, 91. lung, echte Stellvertretung Com­ 2 HGB. §§. 84 ff. 8 HGB. ||. 59 ff. mission und dabei die Unterschei­ dung feststehender Beziehungen 4 HGB. §§ 93 ff.

Kap. III.

624

Die Handelsgeschäfte.

auch abzuschließen, unterscheidet; vom Kommissionär') aber scheidet dm Agmten sowohl jene dauernde, ständige Be­

trauung mit der Vertretung, als auch die Möglichkeit der Erledigung letzterer durch bloße Vermittelung,") statt durch dm im eigenen Namm vorgmommmen Abschluß der auf-

gegebmm Geschäfte. Vorausgesetzt wird, daß der Agent, welcher Handlungs­

agent im Sinne des Gesetzbuchs sein soll, für das Handels­ gewerbe eines anderm selbständig zu mitten betraut sei;

welcher Art die Geschäfte sind, für beten Zustandekommen

der Agent wirkm soll, ist gleichgültig, wmn sie nur im Handelsgewerbe jmes Betrauenden liegen; das Handels­

gewerbe des letzteren kann irgend einer der im Gesetze") aufgezähltm Handelsgewerbebetriebe sein, möglicherweise auch nur im Umfang eines Kleingewerbes, und möglicherweise ist auch ein Handlungsagmt

nur ein Kaufmann minderen

Rechts;8)

der Betriebe,

nach Maßgabe

für welche der

Agmt zu wirken hat, unterscheidet man folgeweise Waren­ agenten (Import-, Export-, Fabrik- und dergl.),") Agmten

für Versicherungm auf Prämie,") für Auswanderer und für Güterbeförderung,7) Bankagenturm,") Verlagsagenten") u. s. w.

II. Begründet wird das Agenturverhältnis durch den

Abschluß eines Arbeitsvertrags, des sog. Agenturvertrags,") 1 LGB. §§. 383—406. * Uber den Begriff Vermitte­ lung s. den vorausgehenden SKIS. 612 ff. » HGB. §. 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 9. * HGB. §. 4.

6 HGB. §. 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 2. • HGB. §.1 Abs. 2 Nr. 3. 7 HGB. §.1 Ab . 2 Nr. 5. 8 HGB. §.1 Ab . 2 Nr. 4. " HGB. §.1 Abs. 2 Nr. 8. "Lehrend, Lehrb. d. HR. E. 382, 383.

Don den Geschäften der Handlungsagenten,

§. 54.

625

er wird zwischen dem Inhaber eines Handelsgewerbes und dem Agenten formlos

abgeschlossen, bezieht

sich

begriff­

lich nicht auf ein einzelnes sich sofort abwickelndes Geschäft,

sondem auf eine Reihe solcher, und lann mtweder auf bestimmte

oder auf unbestimmte Zeit eingegangen werden, in jedem Falle liegt eine ständige Betrauung, im Interesse des Geschäfts­

betriebs des mit dem Agmtm abschließenden GeschästSherrn zu wirken, vor; aber trotz der länger andauernden Verbindung

der beiden vertragschließenden Teile, welche der Vertrags­ abschluß anbahnm soll, bewirkt er doch kein Anstellungs­

verhältnis, denn der Agent ist und bleibt als solcher ein

selbständiger Gewerbetreibender, ein Kaufmann, nicht ein Handlungsgehülfe, er trägt seine Geschäftsunkosten selbst,

hat regelmäßig wmigstens sein eigenes Geschäftslokal, kann

Bedienstete

anstellen,

die

seine Handlungsgehülfen sind,

kann, wenn der Umfang seines Gewerbebetriebes bedeutend

ist, auch Prokura erteilen. m. Pflichten

Die

aus

dem

Agenturvertrag

des Handlungsagenten

entspringenden

sind im einzelnen durch

dm Inhalt des Vertrags selbst, im allgemeinen aber durch die gesetzliche Regel bestimmt, daß der Handlungsagmt bei

feinen Verrichtungen das Interesse des Geschäftsherrn mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmm

hat-')

1. Dieser Sorgfalt entspringt auch die Verpflichtung des Agmtm, die Kreditwürdigkeit derjmigen Personen zu prüfen, mit dmm er abschließt oder vermittelt;2) zu einer unbedingten Haftung für die Zahlungsfähigkeit des Dritten

1 HGB. §. 84 Abs. 1. - Lehrend, Lehrbuch S. 383 Denkschr. S. 3173 f. «areir, H-ndelirecht. 6. Aufl. 40

Kap. III.

626

Die Handelsgeschäfte.

ist aber der Agent nur verpflichtet, wenn dies vereinbart oder dem Gewohnheitsrecht entsprechend ist.

2. Der Handlungsagent muß sich in seiner Geschäfts­ führung enthalten, seinen Auftraggebern eine sie unmittelbar schädigende Konkurrenz zu machen, es

ist ihm aber nicht

untersagt, für mehrere Geschäftsherren derselben Branche, möglicherweise

für

gerade

also

Konkurrenten,

die

Ver­

mittelung oder Vertretung zu übernehmm; die bestehenden Unterschiede in

den

Warm,

sowie

in

Lieferungs-

den

verhältniffen der verschiedenen mit dem nämlichm Agenten

in Verbindung stehenden Firmen und sein Taktgefühl müffen dm Agenten bei der pflichtmäßigen Wahrung der Jntereffen

seiner sämtlichen Auftraggeber leiten?)

3. Er hat dem Geschäftsherrn die erforderlichen Nachrichtm zu geben und ihm insbesondere von jedem Geschäfts­

abschluß unverzüglich Anzeige zu machen, und zwar auch ohne das

Verlangen

des

Auftraggebers

(anders

BGB.

§. 666)?) 4. Der Handlungsagent ist nicht berechtigt zur Annahme von Zahlungen für dm Geschäftsherm oder zur nachträg­

lichen Bewilligung

von Zahlungsfristen,

wenn ihm die

Ermächtigung hiezu nicht besonders erteilt ist?)

5. Er ist verpflichtet, seine im regelmäßigen Geschäfts­ betrieb mtstandmen Kosten und Auslagen selbst zu tragen, und kann nur für außerordenlliche Auslagen, oder wo Ver-

einbamng

oder

Handelsgebrauch

ihn

dazu

ermächtigen,

Ersatz der Kostm verlangen?)

1 Denkschr. S. 3174. 1 HGB. §. 84 Abs. 2. » HGB. §. 86 Abs. 1;

s.

jedoch unten IV §. 87). 4 HGB. §. 90.

4.

(HGB.

Don den Geschäften der Handlungsagmten. IV. Die

g. 54. 627

gegenüber stehenden Rechte

den Pflichten

des Handlungsagmten gipfeln darin, daß der Geschäfts­ herr

auftraggemäß

desselbm das

Lohn zu

abgeschloffene Geschäft

und dem Agmten dm verdimten

anzuerkennen

sich

für

gewährm hat; im einzelnen stehm dem Agmten

folgende Befugniffe zu:

1. Er kann verlangen, daß der Geschäftsherr das in

seinem Jntereffe abgeschloffme Geschäft anerkmne, und wmn ein nur mit

der Vermittelung von

Geschäften betrauter

Handlungsagent, statt das Geschäft nur zu vermitteln, das­

selbe im Namen des Geschäftsherrn mit einem Dritten ab­ geschloffen

hat,

so

es als

gilt

vom

Geschäftsherm

ge­

nehmigt, wenn dieser nicht unverzüglich nach der Kenntnis­

nahme des Abschlusses dem Dritten gegenüber erklärt hat,

er

daß

das

Publikums

Geschäft

die

Rechtssicherheit

nicht

erst

nach

ein

Zeitraums

längerm

ablehne; daß

verlangt,

Geschäft

mit

des

Ablauf eines

der Behauptung

seitens des Geschäftsherm zurückgewiesen werde, der Agent

sei nur mit der Vermittelung betraut gewesen, nicht mit dem Abschluß in Vertretung?)

2. Der Agmt ist berechtigt, die Anzeige von Mängeln einer Ware, die Erklämng, daß eine Ware zur Verfügung

gestellt werde, z.

B.

sowie

Vorschläge

in

andere Erklärungm ähnlicher

betreff

abgeänderter

Art,

Lieferungs-

modalitäten u. bergt, für den Geschäftsherm entgegen}«»

nehmen?) 3.

Gemäß

allgemeinem

Agenturrechte

gebührt

dem

1 HGB. §. 85 Dcnkschr. S. I Gareis, Das Stellen zur DiS3174. Position S. 91—95. 2 HGB. §. 86 Abs. 2. Vgl. |

Kap. HI. Die Handelsgeschäfte.

628

Handlungsagenten, wenn nichts anderes vereinbart ist, eine

Provision welches

für

jedes

zur Ausführung gelangte Geschäft,

durch seine Thätigkeit zustande kam, dabei ent­

scheidet im wesentlichen der Erfolg, nicht die aufgewandte

Mühe; kommt das Geschäft nicht zur Ausführung,

wenn­

gleich zum Abschlusie, so hat der Handlungsagent regel­ mäßig keinen Provisionsanspruch, es wäre denn, daß die

Ausführung

infolge

Verhaltens

des

des

Geschäftsherrn

ganz oder teilweise unterblieb, ohne daß hiefür wichtige

Gründe in der Person des Dritten vorlagen.

Hat der

Agent einen Verkauf vermittelt oder abgeschloffen, so ist im Zweifel der Anspruch auf die Provision erst nach dem

Eingang der Zahlung und

nur nach dem Verhältnis des

eingegangenen Betrags erworben; die Höhe der Provision

hängt von der Vereinbarung und in deren Ermangelung von dem

Gebrauche

ab und von

ersterer auch die Ab­

rechnung über die zu zahlenden Provisionen, welche andern­ falls

am Schluffe

eines

jeden Kalenderjahres stattfindet.

Eigenartig ist, daß ein Agent unter bestimmten Umständen im Zweifel auch für Geschäfte Provision verlangen kann, die er gar nicht abgeschloffen, nämlich dann, wenn er aus­

drücklich

für

einen

bestimmten

Bezirk

bestellt ist

(sog.

Bezirksagent) und in diesem Bezirk ohne seine Mitwirkung

solche Geschäfte durch den Geschäftsherrn selbst oder für diesen (sog. direkte Geschäfte) geschloffen sind?) 4. Wenn der Handlungsagent 1 HGB. §. 89. Der Bezirks­ agent kann im Zweifel vom Ge­ schäftsherrn sogar Schadensersatz fordern, wenn dieser ohne Kün­

als Handlungsreisender

digung des AgenturverhültnisseS die Geschäftsverbindungen mit dem betreffenden Bezirke ganz aufgiebt. (BGB. §. 324).

Don den Geschäften der Handlungsagenten.

54.

629

thätig ist, mithin geschäftlich an solchm Orten auftritt, an welchen sein Geschästsherr keine H andelsniederlassung hat,

so ist er dem Publikum gegenüber zu denselben Rechts­

handlungen für den Prinzipal ermächtigt, wie unter dm

Voraussetzungm

gleichen

ein

Handlungsbevollmächtigter,

insbesondere auch zur Einziehung des Kaufpreises aus dm

abgeschlossenen Verkäufm und zur Bewilligung von Zahlungs­ fristen hiefür?) 5. Dem Handlungsagenten steht zu, bei der Abrechnung

mit dem Geschäftsherm die Mitteilung eines Buchauszugs über die durch seine Thätigkeit zustande gekommmen Ge­ schäfte, sowie über die in seinem Bezirke (im Fall des

§.

89

des

HGB.)

direkt

geschlosienm

Geschäfte

des

Prinzipals zu verlangen; von den Handelsbüchern aber voll­ ständig Einsicht zu nehmen, steht ihm nicht zu, wohl aber kann

das Gericht im Laufe eines Rechtsstreits von Amts wegm

oder auf Antrag des Agentm die Vorlegung der Handels­ bücher anordnen und dm Buchauszug auf seine Richtigkeit prüfen?)

V. Das Vertragsverhältnis zwischen dem Geschäftsherm

endigt: 1. mit dem Ablaufe der Zeit, für welche es eingegangen

wurde, sofern nicht die Fortsetzung stillschweigmd oder aus­ drücklich vereinbart wird;

2. durch Kündigung, und zwar:

a) unter Einhaltung der vorher verabredetm Kündigungs-

ftist, ein Fall, welcher in Recht und Pflicht der beiden Teile von der Verabredung abhängt; 1 HGB. §. 87 mit,-§§. 54 « HGB. §. 91, auch §§. 45, u. 55. , 46.

Kap. IIL Die Handelsgeschäfte.

630

b) wenn der Vertrag für unbestimmte Zeit eingegangen ist, für den Schluß eines jeden Kalendervierteljahrs unter

Beobachtung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen;*) c) ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, in außer­ ordentlichen Fällen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt,

worüber

im

Streitfälle

das

richterliche

Ermessen

ent­

scheidet;^) 3. durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen

des

Geschäftsherrn;8)

Zahlung

der Provision

den Ansprüchen des

steht

der für

Agenten auf

Dienstbezüge ein­

geräumte Rang im Konkurse des Geschäftsherrn nicht zu, da man von dem Handlungsagenten nicht sagen kann, daß

er sich den: Geschäftsherrn verdungen habe.*)

§. 55. 5. Vom Lagergeschäfte. I. Das Lagergeschäft hat sich geschichtlich teils im Zu­ sammenhänge mit dem Maklergeschäfte, teils mit dem Gastwirtunternehmen entwickelt, vielfach haben auch kaufmännische

Korporationen in ihren Vereinshäusern, städtische und andere öffentliche Behörden in ihren Hafengebäuden und anderen

Anlagen, auch die Staaten selbst in Zoll, Entrepots und anderen dem Finanz- oder Verkehrswesen dienenden Räumen

die Lagerung und Aufbewahrung fremder Güter übernommen;

aber aus diesen und neben diesen Vorgängen hat sich längst auch ein besonderes -Gewerbe, das Gewerbe der Lagerhalter, entwickelt, auch sind in nicht wenigen Gesetzen des Aus-

1 HGB. §. 92 Abs. 1. 8 HGB. 8- 92 Abs. 2.

I |

3 KonkO. 23 (neue Fassung). * KonkO. §. 61 Nr. 1.

631

Dom Lagergeschäfte. g. 55.

landes bereits Sonderrechtssätze für dieses Gewerbe aufge­ stellt rootben,

in Deutschland jedoch erst durch das HGB.

von 1897; das letztere geht, entsprechend den thatsächlichen

Verhältnissen und dem Bedürfnisse, insbesondere bei der Re­ gelung des Lagergeschäfts von der Verwandtschaft desselben mit dem Speditionsgeschäft

aus,

und es kann daher, wo

dieses auf das Recht des Kommissionsgeschäfts gestellt ist,

ebenso auch die Rechtsstellung des Lagerhalters vorbehaltlich

einzelner Sonderbestimmungen im allgemeinen auf die näm­

lichen Vorschriften gegründet werden, welche für den Kom­ missionär in den analogen Beziehungen gelten?)

II.

Seinem Begriffe nach

ist

das Lagergeschäft

ein

Arbeitsvertrag, inhaltlich dessen ein Gewerbetreibender die Lagerung und Aufbewahrung von Gütern für andere (Ein­

lagerer) gegen Entgelt übernimmt. Die Pflichten des Lagerhalters sind vorbehaltlich be­

sonderer vertragsmäßiger Festsetzung gesetzlich folgende:

1.

Er hat

das

Lagergut

mit

der

Sorgfalt

eines

ordentlichen Kaufmanns1 2)3 in Empfang zu nehmen und auf­ zubewahren ; der Sorgfalt bei der Empfangnahme entspricht

es, daß der Lagerhalter das ihm übergebene Gut wenigstens

so weit untersucht, daß er solche Schäden und Mängel des­

selben, die äußerlich erkennbar sind, entdeckt, und wenn dies

bei der Ablieferung des Guts an ihn der Fall ist, so muß er die Rechte gegen den Frachtführer oder Schiffer wahren,^) für den Beweis des Zustandes des Lagergutes sorgen4)

1 Bal. HGB. §• 417 mit §§. 407, 423. 9 HGB. §. 347. 3 HGB. §§. 388 , 417, 434, 435.

4 HGB. §. 379 Anm. 6 bei Gareis, S. 344, 345. CPO. §. 449, Denkschr. S. 3249.

Kap. HI. Die Handelsgeschäfte.

632

und dem Einlagerer unverzüglich Nachricht geben;') unter­

läßt er die-, so ist er zum Schadensersätze verpflichtet;*) läßt der Einlagerer auf die Nachricht von dem mangelhaften Zustande der Ware den Lagerhalter ohne Verfügung, oder ist keine Zeit vorhanden, diese abzuwarten, da das Gut

raschem Verderben ausgesetzt ist, so

kann der Lagerhalter

den Verkauf des Guts nach gesetzlicher Vorschrift veran­ lassen?)

2. Der Lagerhalter ist verpflichtet zur sorgfältigen Auf­

bewahrung (Lagerung,

Stapelung) des ihm anvertrauten

Guts; daß hiezu besondere Lagerhäuser oder Speicher verwmdet werden, ist begrifflich nicht erforderlich; wo und wie

das Gut aufbewahrt werden soll, ergiebt in Ermangelung besonderer Vereinbarung lediglich die fachmännische und sorg­ fältige Erwägung des Lagerhalters, der erforderlichen Falles

zu beweisen hat, daß ein währmd der Aufbewahrung ent-

standener Schaden auch unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes seines Geschäftszweiges nicht

zu vermeiden gewesen wäre und daher von ihm nicht zu vertreten sei?)

8. Treten Veränderungen während der Lagerung an dem Gute ein, welche dessen Entwertung befürchten lassen, so

muß der Lagerhalter dm Einlagerer

hievon unverzüglich

— bei Meldung der Schadensersatzpflicht — benachrichtigen,

eine Pflicht, an welche sich die oben unter 1. erwähnten Folgm gegebmm Falles anschließen?)

Dom Lagergeschäfte.

633

§. 55.

4. Das Lagergut gegen Feuer oder andere Gefahren

zu versichern, ist der Lagerhalter nur dann verpflichtet, wenn ihm dieses vom Einlagerer aufgetragm war; im übrigen ist er verantwortlich für jeden Schaden, dm das Lagergut nimmt, während es in seiner Verwahrung ist, ausgenommen,

er könne beweisen, daß der Verlust ober die Beschädigung

aus Umständm hervorgingm, welche durch die Sorgfalt eines ordmtlichm Kaufmannes seines Geschäftszweiges nicht abgewmdet werden sonnten.

5. Der Lagerhalter muß dem Einlagerer die nach Ver­ abredung

oder, wo das Landesgesetz dies vorsieht, nach

Gesetzt) auszustellendm Papiere über die Einlagerung behändigm.

An die Ausstellung dieser Papiere kann sich ein

eigenartiger Verkehr knüpfen, in welchem das Lagergut bis

zu einem gewissen Grade durch die Papiere vertretm wird und cirkuliert, währmd es lagert.

Diese Vertretung der

Ware durch eine Dispositivurkunde kann denkbarerweise eine zweifache sein, nämlich Übertragung von Eigmtum an

der Ware — dazu bienen die sogen. Lagerscheine, mtsprechmd dm r6c6pi8s6s, wight Notes und c6dules des französischen, englischen und belgischen Rechts — und Verpfändung der

Ware behufs Aufnahme von Darlehen, mittels beten der Einlagerer

über

dm Wert

der

Ware

verfügen

kann,

ohne dieselbe sofort veräußern zu müssen — hiezu bienen die sogen. Lagerpfandscheine, Warrants —; reichsrechtlich 1 Nach dem in Bremen und in Elsatz-Lothringen geltenden Rechte find dem Einlagerer vom Lagerhalter zwei Papiere ausKstellen, nämlich 1. der Lager­ ein, 2. der Lagerpfandschein.

e Gesetze sind au ern durch das Ein zum »GB. Art. 16; s. Gareis, >GB. Anm. 1, 2 zu diesen Artikeln u. S. 371.)

634

Kap. III.

Die Handelsgeschäfte.

ist die letztere Art der Verwendung nicht geregelt,

sondern

nur die erstere, und zwar durch zwei Vorschriften: erstens die Zulassung der durch Indossament zu bewirkenden Über­

tragung solcher Lagerscheine, welche an Order lauten und von einer staatlich zur Ausstellung solcher Urkunden ermäch­

tigten Anstalt begeben finb;1) zweitens die Anerkennung einer dinglichen Wirkung der Übergabe eines indossablen

Lagerscheins — diese hat nämlich, vorausgesetzt, daß das Gut von dem Lagerhalter übernommen ist, hinsichtlich des Erwerbs von Rechten an diesem Gute dieselben Wirkungen wie die Übergabe des Gutes selbst —.2) Ist ein solcher

Lagerschein ausgestellt, so ist der Lagerhalter nur gegen

Aushändigung der quittierten Urkunde zur Auslieferung des Gutes verpflichtet

und

im Falle

der

Indossierung

des

Scheins an die dem Wechselrecht entnommenen Grundsätze

vom Indossament gebunden. 6. Zu den Pflichten des Lagerhalters gehört es in Er­ mangelung besonderer Verabredung nicht, diejenigen Han­

tierungen mit dem Gute vorzunehmen, welche, wie z. B.

das Umschaufeln, Umfüllen, Lüften, Wenden u. bergt, zur

Erhaltung des Guts oder seiner Beschaffenheit notwendig sind; eben darum muß er dem Einlagerer, wie die Besich­ tigung des Guts und die Entnahme von Proben, ebenso

1 HGB. §§. 363, 364. 2 §. 424. Auf die Errichtung eines Pfandrechts mittels Über­ gabe eines Lagerpapiers — sei dieses nun der Lagerschein, wie im Einscheinsysteme, fei e3 der Lagerpfandschein, wie im Zwei­ scheinsystem oder dem eigent­ lichen Warrantsvstem — hat die deutsche Gesetzgebung den

Gedanken einer sachenrechtlich wirksamen Vertretung der Ware durch das..Papier nicht aix* gedehnt. Über die in dieser Richtung entworfenen Versuche und Vorarbeiten siehe Denkschr. 3260; Gareis, HGB. S. 371 und die daselbst angegeb. Litt., auch Anm. 3 zu §. 424.

Vom Lagergeschäfte,

635

tz. 55.

auch jene, der Erhaltung des Guts dienenden Handlungen

dem Einlagerer während der Geschäftsstunden gestatten?)

7. Es ist Pflicht des Lagerhalters, das Gut während der bedungenen Lagerzeit auf dem Lager zu behalten; er kann nicht verlangen,

daß der Einlagerer dasselbe vorher

oder in Ermangelung einer Fristvereinbarung vor dem Ab­

(gesetzlich)

laufe von

3 Monaten

nach

der Einlieferung

Ist keine Lagerzeit bedungen oder eine solche

zurücknehme.

abgelaufen und die Lagerung stillschweigend fortgesetzt, so

kann der Lagerhalter die Rücknahme nur nach vorgängiger Kündigung unter Einhaltung

einer Kündigungsfrist

von

einem Monate verlangen III. Die Ansprüche, welche aus den dargestellten Pflichten

des Lagerhalters im Falle eines Verlustes oder der Ver­ minderung, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung des Guts entspringen, verjähren wie die analogen Ansprüche

gegen den Spediteur schon in einem Jahres) dieses Jahr beginnt im Falle des gänzlichen Verlustes mit dem Ablaufe des Tages,

an welchem die Verlustanzeige dem Einlagerer

vom Lagerhalter, wie er verpflichtet ist,8) erstattet wurde?) IV.

Aus

dem

Lagergeschäft

entspringen

folgende

Rechte des Lagerhalters: erstens der Anspruch auf Lager­

geld in der bedungenen oder ortsüblichen Höhe, Erstattung

sowie auf

der Auslagen für Fracht und Zölle und der

für das Gut gemachten Aufwmdungen, soweit der Lager­

halter diese den Umständen nach 1 HGB. §. 418. 2 HGB. §. 423 mit §. 414; es kommen auch sonst die Vor­ schriften des §. 414 hier zur

gemäß sorgfältiger kauf-

entsprechenden Anwendung, s. oben §. 52 II 4 S. 606. 8 HGB. 8- 417, s. oben II Nr. 3 S. 634. 4 HGB. §. 423.

Kap. HL

636

Die Handelsgeschäfte.

rnännischer Erwägung für erforderlich halten durfte;

die

baren Auslagen hat der Einlagerer sofort zu erstatten, die sonstigen Auslagen erst nach dem Ablauf von je 3 Monaten

seit der Einlieferung oder, wenn das Gut in der Zwischen­ zeit zurückgenommen wird, bei der Rücknahme;') zweitens das Pfandrecht

des

Lagerhalters —

er hat wegen des

Lagergeldes und der eben erwähnten sonstigen Lagerkosten ein Pfandrecht Gute,

(und zwar ein streng konnexes) an dem

solange er es

im thatsächlichen Besitze

hat oder

mittels Ladescheins, Konnossements oder Lagerscheins darüber verfügen kann; 2) drittens das Recht der Kündigung31)* und,

wenn ein wichtiger Grund vorliegt,4) sogar das Recht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist die Rücknahme des Gutes vor dem Ablaufe der Lagerzeit zu fordern; und viertens unter Umständen das Recht der Vermischung des Lagergutes mit anderen Sachen von gleicher Art und Güte; aber dieses

Recht steht dem Lagerhalter nur zu, wenn es ihm ausdrücklich eingeräumt ist,

wie dies jetzt bei Lagerung von Spiritus,

Petroleum und einigen anderen verttetbaren Sachen, die nach bestimmten Typen gehandelt werden, gebräuchlich ist; auch in

diesem Falle erwirbt der Lagerhalter durch die Vermischung nicht das Eigentum des Gutes,3) sondern der Einlagerer behält ein entsprechendes,

namentlich

im Konkurse des Lagerhalters

1 HGB. §. 420. Bei nur teilweiser Rücknahme ist nur ein entsprechender Teil der Lager­ kosten zu berichtigen, voraus­ gesetzt, daß der Lagerrest den Lagerhalter wegen seiner Restforoerung deckt. 9 HGB. §. 421.

3 S. oben II Nr. 7 aus voriger Seite, HGB. §. 422 Abs. 1. 4 Z. B. wenn sich ergiebt, daß durch das Gut die an­ stoßend lagernden Waren ge­ fährdet sind; vgl. BGB. §. 696 Sah 2. 6 HGB. §. 419 Abs. 2 Satz 1, abweichend vom BGB. §. 700.

Dom Frachtgeschäfte,

g. 56,

637

wertvolles dingliches Recht an dem Gesamtgemenge; aus

dem letzteren kann der Lagerhalter jedem Einlagerer den entsprechenden ihm gebührenden Anteil ausliefern, ohne daß

er der Genehmigung der übrigen beteiligten hiezu bedürfte?) Ist verabredet, daß der Lagerhalter Eigentümer des Gutes

werden und nur verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren, so liegt kein han­ delsrechtliches Lagergeschäft, sondern ein unregelmäßiger Ver-

wahmngsvertrag vor, auf welchen die Vorschriften über das Darlehen Anwendung finden?)

§ 56. vom Frachtgeschäfte?) I. Begriff und Abschluß des Frachtvertrags.

Der Frachtvertrag

vertrag,

ist der wesentlich zweiseitige Arbeits­

inhaltlich dessen sich der eine Teil verpflichtet,

einen bestimmten Transport von Gütern zu Lande oder auf Flüssen oder Binnengewässern auszuführen (oder für dessen

Ausführung

durch

andere

frachtführermäßig

zu

haften)/) und der andere Teil zu einer Gegenleistung, 1 HGB. §. 419 Abs. 2, ab­ weichend vom BGB. §. 749. » HGB. §. 419 Abs. 3. BGB. 88-709 (depositum irregolare), 607 ff. (Darlehen). 9 Litteratur: Thöl, HR. Bd. 8(1880): DaSTransportgewerbe. Litt. s. ebenda 8- 1, Schott i. Hdbch. 88- 335ff.; GSyst. S. 51-54, 221-236; R. v. Canstein, Lehrb. d. Sperr. HR. 8- 43; Co sack. Lehrb. d. HR. & «5 ff.

4 Es kann jemand Fracht­ führer sein, ohne selbst oder durch seine Leute den Transport aus­ zuführen; vielmehr genügt es zumBegriff des Frachtführers,daß jemand den Transport gegen bestimmte Frachtsätze gewerbs­ mäßig übernimmt, gleichviel, welcher Transportmittel er sich bei der Ausführung bedient. So ist nun auch tut Wortlaute deS Gesetzes (§. 425 des HGB. von 1897) ausgedrückt, aber so nahm

638

Kap. UI.

Die Handelsgeschäfte.

insbesondere Zahlung der Fracht verpflichtet wird.

Wer

gewerbsmäßig übernimmt, solche Transporte auszuführen, der

ist Frachtführer im Sinne unseres HGB.,*) und in diesem

z. B. auch schon das ROHG. be­ züglich der »Norddeutschen Paketbesörderungsgesellschast" die Frachtführereigenschast an. Vgl. RGer.Bd.25 S. 108ff.; ROHG. Bd. 9 S. 89 ff. 1 HGB. §§. 425-452. Es fallen unter den Frachtführer­ begriff auch die dem öffentlichen Güterverkehre dienenden Eisen­ bahnen u. die gewerbsmäßigen Üb ernehmer der Beförderung von Gütern auf Flüssen und sonstigen Binnengewässern: aber der Geschäftsverkehr dieser beiden Arten von Frachtführern ist gesetzlich besonders geregelt, die erstere durch HGB. §§. 452—473 (allerdings in direktem Anschluß an das Recht d. Fracht­ geschäfts überhaupt, s. HGB. §. 454), die letztere Art durch ein besonderes Reichsgesetz, das RGes. betr. die privatrechtlichen Aerhältnisse d. Binnenschiffahrt, vom 15. Juni 1895 (— auch dieses schließt sich inhaltlich be­ züglich des Gütertransportrechts fast ganz an das Recht des Frachtgeschäfts überhaupt an; s. §. 26 d. angeführten RGes. v. 15. Juni 1895 in der durch das Einf.G. z. HGB. v. 10. Mai 1897 Art. 12 I festgestellten Fassung), es empfiehlt sich die ge­ sonderte Behandlung dieser beiden Arten auch für das Lehrbuch (f. daher unten §§. 57, 58),

mit Ausnahme derjenigen Be­ ziehungen des Schiffahrtsrechts, welche nach Analogie des See­ frachtrechts behandeit, jo nament­ lich in Bezug auf Haftung des Schiffers und Schiffseigners, ferner in Bezug aus Ladezeit, Liegegeld, Überliegezeit, Lösch­ seit, Verklarung, Ladeschein (welcher dem Konnossement nach­ gebildet ist), Havarie, Dispache, Zusammenstoß, Bergung und Hilfeleistung, — Normen, welche des geschichtlichen Zusammen­ hanges wegen in den entsprechen­ den §§. des Seerechts, — s. unter Kap. 5 — erwähnt werden. — Auch die Flößerei ist als Transport von Gütern auf­ zufassen, Frachtführer im Sinne des HGB. ist aber nicht der Floß­ führer (diese ist vielmehr analog dem Schiffer behandelt und in vielen Beziehungen dem Gewerbe­ rechte, GewerbeÖ. §. 133a, unter­ stellt), sondern der Frachtflößer (s. FlG. §§. 1, 16 u. a.). - Der »Schleppvertrag" ist kein Frachtgeschüst (s. ROHG. Bd. 23 S. 320 ff., RGer. Bd. 10 S. 166), anders bei etwas veränderter Sachlage (RGer. Bd. 6 S. 99, aber Handelsgewerbegeschäst s. - HGB. §. 1 Nr. 5 a. E.). Da­ gegen finden aus die Post­ verwaltungen des Reiches und der Bundesstaaten handelsrecht­ liche Grundsätze keine Anwen-

Dom Frachtgeschäfte.

§. 56.

639

Sinne sind sowohl die in ein und derselben Ortschaft,*) auch die zwischen

als

verschiedenen Ortschaftm Trans­

portierendm, ferner auch gewisse Kleingewerbetreibende, wie Kärmer, Viehtreiber, Lastbotm, Kahnschiffer, Überführer (Fährmbesitzer), anzusehm u. dgl., diese sind ebm Kaufleute nunbeten Rechts/)

Die

das Frachtgeschäft

findm

handelsrechtlichen Normm über

jedoch

nicht

bloß dann An­

wendung, wenn dieses Geschäft gewerbsmäßig (als Grund­

geschäft) betrieben roitb,8) sondern auch dann, wmn ein Kaufmann,

dessen

gewöhnlicher Handelsbetrieb sich nicht

auf die Ausführung von Frachtgeschäften erstreckt, in einem einzelnen Falle

einen Transport

von Gütem zu Lande

oder auf Flüssen und Binnengewäflem auszuführm über­ nimmt/)

In allen diesen Geschäften bedeutet „Beförderung von

Gütem" das Verbringm von Warm, beide Worte im that­

sächlich gebräuchlichsten Sinne und weitestm angewandt, so daß z. B. auch das gewerbsmäßige Treibm von Stieren,6) sowie das

von Dienstmannsinstituten in einer Stadt besorgte Trans-

portierm von Waren unter den Begriff der Güterbefördemng

fällt;

gleichgültig

ist für dm Frachtvertrag, wem die

düng, die Geschäfte der Post- I 1 HGB. §§• 4, 351, s. oben Verwaltungen scheiden daher aus §. 12 S. 71. dem Bereiche des Handelsrechts I ' HGB. §. 1 Nr. 5, s. oben aus fi. HGB. §. 452, s. auch ' §. 8 S. 50. obeitj. 12 S. 75). 4 HGB. §. 451. 1 Möbeltransporteure, Roll­ ° ROHG. Bd. 13 S. 133; suhrleute ROHG. Bd. 2 S. 355, v. Hahn, Komm. Bd. 2 S. Bd. 11 S. 343, Bd. 12 S. 198. 411; BA. Bd. 3 S. 380: GBA. Bd. 3 S. 380. Bd. 5 S. u. F. S. 816, 817. Dagegen 286, Bd. 7 S. 311, Privat- Goldschmidt, HR. Bd. I S. briesbesörderungsanstalten.

Kap. HI.

640

Die Handelsgeschäfte.

Transportmittel (z. B. Wagen) gehören; *) dagegen fällt nicht darunter der Güterttansport zur See, es mag der­

selbe durch Küstenschiffahrt oder ozeanische Fahrt u. dergl., durch Dampf-

oder Segelschiffe betrieben werben;8)

die

Übernahme des Transpotts von Personen gehört gleichfalls nicht zum Frachtgeschäfte, wohl aber die des Transports

von Gepäck,

von Personentransportanstalten

welches die

beförderten Personen mit sich führen, gleichviel, ob dasselbe zum Transport aufgegeben ist („Paffagiergut")8) oder nicht („Handgepäck")?) Der gesamte Bettteb der Eisenbahnverwaltungen, wie

die gewerbsmäßigen Fuhrwerks-, Binnenschiffahtts-, Flößerei-, Prahm- und Fährbetriebe, sowie der Gewerbebetrieb des

Schiffsziehens

ferner

(Treidelei),

der

gewerbsmäßige

Speditions-, Speicher- und Kellereibetrieb und die Gewerbebetttebe

der

Güterpacker,

Güterlader,

Schaffer, Broker,

Wäger, Meffer, Schauer und Stauer gehören zu den der Unfall- und Krankenversicherungspflicht reichsgesetzlich unterstelltm Betrieben?)

Der Frachtvertrag wird vom Frachtführer mit einem

Auftraggeber

(Absender,

welcher

aber auch zugleich der

Empfänger sein, d. h. das Frachtgut an sich selbst adressieren

kann), es sei dieser ein Kaufmann oder nicht, in der Regel formlos abgeschloffen und durch den Konsens der Be' ROHG. Bd. 9 S. 89, Bd. 20 S. 342, RGer. Bd. 25 S. 108. 2 Hievon unten §. 112. RGer. Bd. fS S. 68. 3 Vgl. HGB. §. 465 Abs. 1 u. 2.

* Vql. HGB. §. 465 Abs. 3. 6 RÄes. v. 28. Mai 1885 §§. 2, 15; R. Weyl, Lehrbuch des Reichsverficherungsrechts, 1894, S. 345.

Dom Frachtgeschäfte. teiligten bereits

perfekt;

doch

641

§. 56.

lommen

im Frachtverkehr

viererlei Urkunden vor: Dieses vom Absender auf Ver-

1. Der Frachtbrief.

langen des Frachtführers auszustellende') und alsdann mit

einem bestimmten Inhalte, den das Gesetz im Falle jenes Verlangens

fordert/) zu versehende Schriftstück hat nicht

die Bedeutung eines wesentlichen Erfordernisses des Fracht­ vertrags, sondern bient nur zum Beweise über den Vertrag

dem Frachtführer und

zwischen

„Absender"

ist

der mit

dem

Absender.

Frachtführer

dem

(Unter

abschließende

Transport-Auftraggeber, z. B. ein Spediteur, nicht aber

der den Spediteur beauftragende „Versender" zu verstehm.) Die Absicht bei Ausstellung des Frachtbriefs kann neben der Absicht, ein Beweismittel zu gewinnen, auch die sein,

dem Destinatär (Adressaten der zum Transport übergebenen

Güter)

Nachricht

über

den

Vertragsabschluß zu

geben,

ferner auch die, den Eintritt anderer Frachtführer in das Vertragsverhältnis thatsächlich zu erleichtem oder überhaupt, wie dies beim „durchgehenden Frachtbrief" der Fall ist, zu

ermöglichen; es kann aber die Absicht der Parteien bindend auch dahin gehen, daß die Perfektion des Vertrags von

der Ausstellung und Annahme des

sein

soll.

sobald

das

Frachtbriefs abhängig

Der

Eisenbahnfrachtvertrag

Gut

mit

dem

Frachtbriefe,

ist

abgeschlossen,

welcher mithin

obligatorisch ist, von der Versandtstation zur Beförderung angenommen ist.

Als Zeichen

der Annahme wird dem

1 HGB., S. 426 (lettre,, de S. 733 ff.; Schott im Hdbch. voiture, bill of lading). Über 8 336; vgl. DO. §§. 51-58, den Frachtbrief s. Goldschmidt, JÜb. Art. 5-8. HR. 1. Ausl. §. 75 Bd. I 2 * RGer. Bd. 4 S. 75. Sa Teil, Handelsrecht. 6. Aufl. 41

Kap. III.

642

Die Handelsgeschäfte.

Frachtbriefe der Tagesstempel der Abfertigungsstelle auf­

gedrückt?)

Durch diese Vorschrift können die Eisenbahnen

jedoch die gesetzlich?) bestehende Haftung für den Schaden, welcher durch Verlust oder Beschädigung des Frachtguts seit der Annahme bis zur Abliefemng entstanden ist, nicht ausschließen

oder

aufschieben?)

In dem gesetzlich

vor­

geschriebenen Inhalte des Frachtbriefs befindet sich auch die

Bestimmung über die Fracht (d. i. der Transportlohn, Entgelt für die Übernahme der Befördemng), sowie im Falle ihrer Vorausbezahlung ein Vermerk über die Voraus­

bezahlung (Frankaturvermerk); die Unterschrift des Fracht­

briefs

kann

im Wege

der mechanischen

Vervielfältigung

hergestellt sein?) 2.

Die

zoll-

Polizeivorschrift

Begleitpapiere.

und

steueramtlich

besonders Diese Papiere

1 BO. §. 54 und überein­ stimmend JÜb Art. 8: vgl. ROHG. Bd. 9 S. 440, Sb. 13 6. 154; aber RGer. Bd. 2 S. 57, wo rin früherer Abschluß an­ genommen wird. Der Fracht­ brief als lex contractus s. RGer. Bd. 1 S. 3, Bd. 4 S. 75. Im internationalen Eisenbahnsrachtverkehr ist nicht bloß die Fracht­ briesausstellung, sondern auch das Frachtbriesduplikat obli­ gatorisch (s. JÜb. Art. 8 Abs. 5 u. 6). Der Inhalt des Fracht­ briefs ist sowohl durch den JÜb. (Art. 6, 7), als auch durch die DO. (§§. 51, 53) genau sestgesteüt, durch die letztere auch die Form desselben (§. 52 RGBl. 1892, S. 944); auch die Ver­

oder nach

erforderlichen muß

der Absender,

wendung der aus allen Stationen käuflichen Frachtbriesformulare ist obligatorisch; dieselben müssen für gewöhnliche Fracht auf weißem Papier, für Mfracht gleichfalls aus weißem Dapier, jedoch mit einem auf der Dorderund Rückseite oben und unten am Rande anzubringenden kar­ minroten Streifen gedruckt sein. Hierzu ist Schreibpapier zu ver­ wenden, welches die vom Reichs­ eisenbahnamte festgesetzte Be­ schaffenheit hat (f. Centralbl. f. d. Deutsche Reich 1892, S. 632). 2 HGB. §. 456. 3 RGer. Bd. 2 S. 56. 4 HGB. §. 426 und hiezu Gareis, Anm. 4—6 S. 379.

Dom Frachtgeschäfte,

wenn sie vor der Ablieferung an

lich

sind,

dem

§. 56.

643

den Empfänger erforder­

der Absender

Frachtführer übergeben; *)

haftet dem Frachtführer, sofern nicht diesem selbst ein Ver­ schulden zur Last

fällt,

für

und Schäden

alle Strafen

(z. B. Zeitverlust), welche denselbm wegen Unrichtigkeit oder

Unzulänglichkeit der Begleitpapiere treffen.

Doch erfordert

der gute Glaube des Geschäfts, daß der erfahrenere Fracht­ führer dm weniger erfahrenen Absender auf das Fehlm oder die Mängel der Begleitpapiere aufmerksam macht, und es

erscheint als Verschulden des Frachtführers, roenn er

dies gegen besseres Wissen nicht thut.

Dies muß nament­

lich auch gelten, wenn es sich um Begleitpapiere handelt, ivelche aus polizeilichen Gründen gefordert roerben, z. B. Leichenpäffe, Ursprungszeugniffe, veterinärärztliche Atteste in Fällen von Viehtransporten u. bergt.2)

3. Empfangsscheine.

führer dem

Solche giebt

der Fracht­

Absender teils lediglich in der Absicht, den

Empfang des zum Transport übergebmm Gegmstands zu bestätigen, teils zugleich auch in anderer Absicht, insbesondere

auch in der, über die

Zahlung der Fracht zu quittieren

oder den Empfänger zur Empfangnahme zu legitimieren.

Es gehörm hieher von Eisenbahnen ausgestellte Aufnahme­

scheine über Frachtgut,2) Gepäckscheine über Paffagiergut/) Transportscheine, „Viehzettel", Posteinlieferungsscheine u. a. 1 .MB. §. 427: JÜb. Art. i 1 v. Hahn, Komm. Bd. 2 10; SO. 8- 59:RGer Bd.26 S. S. 423; Keyßner, HGB. S. 104. Wegen der Ursprungs­ 441. zeugnisse für die aus meist« 3 BO. §. 54 Abs. 7 u. 8. begünstigten Ländern eingehenden 4 BO. §. 32 Abs. 3. Waren s. Centralbl- s- d. Deutsche Reich 1892, S. 71, 408.

Kap. III.

644 Als

Empfangsscheine

Frachtbriefduplikate.')

Dir Handelsgeschäfte.

fungieren

auch

die

abgestempelten

Die Ausstellung eines Frachtbrief­

duplikats oder eines Aufnahmescheins hat jedoch zur Folge,

daß dem Absender das Verfügungsrecht

in transitu nur

dann zusteht, wenn er jenes Duplikat oder den Aufnahme­

schein vorweist; würde in einem solchen Falle die Eismbahn die Anweisungen des Absenders befolgen, ohne sich

jenes Papier vorzeigen zu lassen, so ist sie für den daraus

entstehmden Schaden dem Empfänger haftbar, welchem der

Absender die Urkunde übergeben hat?) 4. Der Ladeschein.®)

Der Ladeschein ist eine Ur­

kunde, durch welche sich der Frachtführer zur Aushändigung

des Frachtguts verpflichtet; die Ausstellung des Ladescheins

erfolgt nur auf Grund einer Vereinbamng zwischen dem

Absender und dem Frachtführer, des Inhalts, daß letzterer dem ersteren einen Ladeschein ausstellen soll?)

Hat eine

solche (fakultative) Vereinbarung stattgefunden, so muß der

Ladeschein den gesetzlich ®) aufgestellten Inhalt haben, ins­ besondere die Unterschrift des Frachtführers tragen. Ladeschein

entscheidet für die Rechtsverhältnisse

Der

zwischen

dem Frachtführer und dem Empfänger des Guts; die nicht

in denselben

aufgenommenen Bestimmungen

des Fracht­

vertrags haben gegenüber dem Empfänger keine rechtliche

Wirkung,

sofern

nicht auf dieselben

' HGB. §. 455; VO. §. 54 i Abs. 5 u. 7. Hierüber f. die Ab- , Handlung: Der Abschluß des, internationalen Eifenbahnver- ' träges und die Bedeutung des | Frachtbriefs und Duplikats. Von Reg.-R. Dr. Gg. Eger, Breslau, im AfbR. Bd. 6 S. 127 ff. I

ausdrücklich

Bezug

« BL. §. 64 Abs. 2. 3 Schott im Hdbch. §. 348 und die dort Bd.3 S. 420 an­ gegebene Litt.; ferner GSyst. §. 125, S. 227 ff. 4 HGB. §. 444. 6 HGB. §. 445; vgl. ROHG. Bd. 17 S. 97.

Dom Frachtgeschäfte.

§• 56.

645

Für die Rechtsverhältnisse zwischen Fracht­

genommen ist.

führer und Absender bleiben die Bestimmungen des Fracht­

vertrags maßgebend, gleichviel, ob dieselben in einem Fracht­ briefe niedergelegt sind oder nicht?) Von den dinglichen Wirkungen, welche mit der Über« gäbe des Ladescheins verknüpft sind, ist an anderer Stelle

(f. oben §. 44 Seite 504, 505) gesprochen

wordm; der

Gewahrsam der Sache, welchen die Ausübung eines Pfand­ oder Zurückbehaltungsrechts voraussetzt, kann auf Grund

des rechtmäßigen Besitzes des Ladescheins ausgeübt werden; der

Ladeschein

kann

auf

den

Namen

des

Empfängers

lauten, aber auch an Order gestellt sein und ist letzterenfalls

durch Indossament übertragbar; ?) zum Empfang des Guts

legitimiert

an

ist derjenige,

welchen

das Gut nach

dem

Ladeschein abgeliefert werden soll, oder auf welchen der Ladeschein, wenn er an Order lautet, durch Indossament

ist;

übertragen

welcher

einen

weisungen

des

lieferung des

deshalb Absenders

Guts an

darf wegen

Frachtführer,

derjenige

ausgestellt

Ladeschein

hat,

späteren

Zurückgabe

oder

An­ Aus­

einen anderen als dm durch dm

Ladeschein legitimierten Empfänger nur dann Folge leisten,

wenn ihm der Ladeschein zurückgegeben wird; handelt er

dieser Bestimmung entgegen, Inhaber des

Ladescheins

so ist er dem rechtmäßigen

für das

Gut

ist der Frachtführer zur Ablieferung

haftbar;8)

auch

des Guts nur gegm

Rückgabe des Lagerscheins, auf welchem die Ablieferung des Guts zu bescheinigen ist, verpflichtet?)

8 HGB. §. 447. 4 HGB. §. 448.

Die Handelsgeschäfte.

Kap. III.

646

Abgesehen von diesen Eigentümlichkeiten, die aus der

wird durch den Um­

Natur des „Warenpapiers" folgen,

stand, daß der Frachtführer einen Ladeschein ausstellte, an den Rechten und Pflichten, welche aus den Frachtverträgen

Die Ausstellung von Lade­

entspringen, nichts geändert.

scheinen ist namentlich im Dampf- und Segelschiffs-Ver­ kehr auf den Strömen und größeren Flüffen Deutschlands

üblich

(Flußkonnoffements),

nicht

auf den

Eismbahnen,

welche früher') die Ausstellung von Ladescheinen ausdrück­ im Reglement ablehnten,

lich

was jetzt nicht mehr der

Fall ist. Rechte und Pflichten aus dem Frachtverträge hängen

dem

von

durch

den Vertragswillen der Beteiligten frei

gestalteten Inhalt desselben ab:

dm Frachtvertrag

Das Gesetz enthält über

nur sog. dispositive oder Auslegungs­

regeln, nicht zwingende

Vorschriften,

außer wo

es sich

ausdrücklich zwingmde Kraft beilegt (siehe folgende Para­ graphen).

II. Pflichten des Frachtführers.

führer

ist

im allgemeinen verpflichtet,

Der Fracht­

das Gut,

desien

Transport er übernahm, rechtzeitig und fehlerlos, immer

aber

dem

(Adreffaten)

auch

Vertrage

entsprechend,

an

den

Destinatär

abzuliefern, hat dabei für seine Leute und

für fremde Personen zu

haften und alle Aufträge

des Absenders, bis zur Übergabe des Frachtbriefs an dm Destinatär,

Maßnahmen

regelmäßig zu befolgen

bei

Beanstandung

und muß bestimmte

oder

Verweigerung

der

1 Betriebsrcglem. v. 10. Juni I Eisrnbahnsrachtrecht (Jena 1894), 1870. B §. 5, Zifs.6; s. hier- | S. 125, 126, 70. über Rosenth al, Jnternation. !

Dom Frachtgeschäfte,

g. 56.

647

Abnahme treffen; die Pflichten können durch Vertrag —

abgesehen von Eisenbahnen



alteriert werden und ob­

liegen dem Frachtführer gegenüber dem Absender, von einem bestimmtm Momente an gegenüber dem Destinatär, immer

jedoch

nur innerhalb einer kurzen Verjährungsfrist.

Im

einzelnen ist hinsichtlich der Verpflichtung des Frachtführers

folgendes zu bemerken:

1.

Rechtzeitige Lieferung obliegt dem Fracht­

führer in der Art, daß er — in Ermangelung anderweiter, bei Eisenbahnen teilweise ausgeschloffener Verabredung —

für den Schaden

haftet, welcher durch Versäumung der

bedungenen oder üblichen Lieferungszeit entstanden ist, sofern

er nicht beweist, daß er die Verspätung durch Anwendung

eines ordentlichen Frachtführers nicht habe

der Sorgfalt

abwenden können?)

Die Lieferungszeit kann bedungen sein, und dies ist

auch dann der Fall, wenn die Lieferzeit durch Reglement bestimmt wird;

ist sie nicht ausdrücklich bedungen, so ent«

scheidet der Ortsgebrauch; durch

ihn wird alsdann auch

die Frist, innerhalb welcher die Reise angetreten werden muß, bestimmt; besteht kein Ortsgebrauch, so ist die Reise

binnen einer den Umständen des Falls angemeffenen Frist anzutreten;2)

wird der Antritt oder die Fortsetzung der

Reise durch Naturereigniffe oder sonstige Zufälle zeitweilig verhindert, so

braucht der Absender die Aufhebung des

' HGB. §. 429. 8 HGB. §. 428 Abs. I. Schadensersatz weg. Verspätung des Rciseantritts s. ROHG. Bd. 3 S. 136, 187: zu obigem vgl. Ullmann, Die

Handelsgebränche über Ladeund LSschzeit, Überlieaezeit und die Liegegelder bei Transport von Gütern auf Flüffen und Binnengewäfferni. preuß. Staate (Berlin 1888).

Kap. HI.

648

Die Handelsgeschäfte.

Hindernisses nicht abzuwarten, er kann vielmehr von dem

Vertrage zurücktreten, muß aber den Frachtführer, sofern demselben kein Verschuldm zur Last fällt, wegen der Kosten

zur Vorbereitung der Reise, der Soften der Wiederausladung und der Ansprüche in Beziehung auf die bereits zurückgelegte Reise entschädigen; über die Höhe der Entschädigung ent­

scheidet der Ortsgebrauch und in dessen Ermangelung das

richterliche Ermessen?) Die Höhe jener Entschädigung, welche der Frachtführer

wegen Versäumung der Lieferzeit zu leisten hat, kann durch Vereinbarung festgesetzt sein („Versicherung des Jnteresies

rechtzeitiger Lieferung", im Eisenbahnfrachtverkehr als Fest­

setzung des Maximums jenes Schadensersatzes durch eine

Deklaration in einer

besonderen Rubrik des Frachtbriefs

einzuleiten); eine solche Jnteresseversicherung hat nicht die Bedeutung einer Konventionalstrafe, es wird durch sie die

Schadensersatzforderung unausdehnbar auf den deklarierten „versicherten" Betrag eingeschränkt.

Ist aber für den Fall

verspäteter Abliefemng ein Abzug an der Fracht oder der

Verlust der Fracht oder sonst eine andere Konventional­

strafe bedungen, so kann im Zweifel außerdem auch noch der

Ersatz

des

diesen

Betrag

übersteigenden

Schadens

gefordert werden, welcher durch die verspätete Abliefemng entstandm ist?)

2. Viel strenger als die Haftung des Frachtführers in Bezug auf die Zeit der Liefemng war seither die Haftung des Landfrachtführers (nicht des Binnenschiffers)3) für den 1 HGB. §. 428 Abs. 2; vgl. I » BGB. §§. 339-341. aber BSchG. §§. 42, 69, 71. 3 BSchG. §. 58, Abs. 1 s. I oben S. 638.

Vom Frachtgeschäfte.

Vollzug des

Transports

649

g. 56.

überhaupt;

er hastete nämlich,

wenn nichts anderes vereinbart war (waS bei Eisenbahnen

meist nicht zulässig ist), nach dem HGB. von 1861 *) für allen Schaden,

welcher durch Verlust oder Beschädigung

des Frachtguts seit der Empfangnahme bis zur Abliefemng

entstanden ist,

der Waren

also in

schlechthin

für

die

Ankunft

unbeschädigtem Zustande beim

Destinatär, ohne daß dabei dem Absender oder dem ein

Destinatär gut

darüber,

Beweis

verletzt oder vernichtet

wodurch sei

worden

das

oder

Fracht­

inwieferne

der Frachtführer unsorgfältig gehandelt habe, irgend zu­ gemutet würde.

Dieser strengen Haftung gegenüber standm

seither dem Frachtführer nur zwei Entschuldigungen offen: der Nachweis, daß der Verlust oder die Beschädigung des Fracht­

guts durch höhere Gewalt (s. unten S. 669 Anm. 1, S. 670) herbeigeführt wurde, und der Nachweis, daß der Verlust

oder die Beschädigung des Frachtguts durch die natürliche

Beschaffenheit des Guts, namentlich durch inneren Verderb, Schwinden, äußerlich

gewöhnliche Leckage und

nicht

erkennbare

Mängel

der

dergl.

oder durch

Verpackung

ent-

standm ist. Diese strenge Haftung ist durch das HGB. von 1897

als

gesetzliche Haftung

beseitigt:

bis

auf den

Eisenbahnverkehr ^)

nach ihm haftet der Frachtführer auch für

den durch den Verlust oder die Beschädigung des Guts entstehenden Schaden nur so,

wie

für dm durch

Ver-

1 Art. 395 Abj. 1, Bd. 4 S. Haftung i. receptum nautarum 14, Bd. 4 S. 302, Bd. 14 S. etc. s. GUGesch. S. 77 u. a. 294; RGer. Bd. 22 S. 147. » Hievon unten §. 57. Geschichtlicher Ursprung dieser

650

Kap. III.

Die Handelsgeschäfte.

säurmmg der Lieferzeit *) entstandenm (s. oben Ziff. 1 Seite 647, 648). Für Kostbarkeiten, Kunstgegenstände, ?) Gelder und Wert­ papiere haftet der Frachtführer jedoch nur dann, wenn ihm diese Beschaffenheit oder der Wert des Guts bei der Über­ gabe zur Beförderung angegeben ist. Die Höhe der Entschädigung ist nach verschiedenen Gesichtspunkten zu berechnen: a) Es ist der volle Schaden (also die erlittene Ver­ mögensminderung, dazu aber auch jeder mit Wahrscheinlich­ keit zu erwartende, nun aber entgangene3)* Gewinn) zu ersetzen, wenn dem Frachtführer nachgewiesen wird, daß durch seinen Vorsatz oder seine grobe Fahrlässigkeit der Schaden herbeigeführt wurde/) b) Ist dieser Nachweis nicht erbracht, so ist «) im Falle des gänzlichen oder teilweisen Verlustes der gemeine Handelswert zu ersetzen, welchen das Gut derselben Art und Beschaffenheit am Orte der Ablieferungß) zu der Zeit hatte, in welcher das Gut hätte abgeliefert werden sollen; davon kommt in Abzug, was infolge des 1 Über die Gründe der gesetz­ lichen Minderung der Fracht­ führerhaftung s. Denkschr. S. 3264; dre deutsche Gesetzgebung hat den Standpunkt jener stren­ gen Frachtsührerhastung schon im Binnenschiffahrtsgeseh vom 15. Juni 1895 (§. 58) aus­ gegeben ; behält sie aber bei hin­ sichtlich der Eisenbahnen, in Übereinstimmung m. dem Berner internationalen Vertrage vom 14. Ltt. 1890.

j 2 Neu hinzugefügt durch HGB. 1 ! v. 1897; wertvolle Ölgemälde ' rechnete schon RGer. Bd. 13 S. I 37 zu den besonders anzuzeigenden Gütern. 3 BGB. §. 252. 4 HGB. §. 430 Abs. 3. Hiezu s.Gareis, HGB.8-430 Anm.3. . 5 HGB. 8- 430, anders bei | Eisenbahnen s. HGB. 8- 457 vgl. unten 8- 57 und Gareis, HGB. 8- 430 Anm. 1, §. 457 | Anm. 1.

Vom Frachtgeschäfte, g. 56. Verlustes

thatsächlich

an

651

und Unkosten

Zöllen

erspart

wurde; /?) im Falle der Beschädigung ist der Unterschied zwischen dem Verkaufswerte des Guts im beschädigten Zustande und dem gemeinen Handelswerte zu ersetzen, welchen

ohne die Beschädigung

das Gut

am Ort und zur Zeit der Ab­

lieferung gehabt haben würde, nach Abzug derjenigen Zölle

und

Unkosten,

welche

der

infolge

erspart

Beschädigung

worden sind?)

Hat das Gut keinen Handelswert, so ist der Berechnung des Schadens der gemeine Wert des Guts zu Gmnde zu

legen.

3. Haftung für Andere. a)

Der Frachtführer haftet: seine Angestellten, seine

„für seine Leute", d. s.

Bedienstetm, z. B. seine Kutscher, seine Packknechte, aber

auch für seine Kommis u. s. w., sowie für andere Personen,

deren er sich bei Ausführung des von ihm übernommenen Transports bedimt, im gleichen

Umfange wie im Falle

eigenen Verschuldens; b) für andere Frachtführer:

wenn der Frachtführer zur

gänzlichen oder teilweisen Ausführung des von ihm über­ nommenen Transports führer übergiebt,

das

Gut

einem

anderen

Fracht­

so haftet er für diesen und die etwa

folgenden Frachtführer bis zur Ablieferung des Guts an

den Empfänger.

Jeder Frachtführer,

welcher auf

einen

andem Frachtführer folgt, tritt dadurch, daß er das Gut

mit dem ursprünglichen Frachtbriefe annimmt, in den Fracht' HGB. §. 430 Abs. 2. Ver | 2 HGB. §. 431, abgeschwüchte tragsftrasen wegen Verspätung Haftung im Vergleich mit dem li. . w. j. BGB. §§. 340, 341, HGB. v. 1861 Art. 400. 339, 285.

Die Handelsgeschäfte.

Kap. HI.

652

vertrag gemäß dem Frachtbrief ein und

übernimmt eine

selbständige Verpflichtung, den Transport nach Inhalt des

Frachtbriefs auszuführen. Es entsteht demnach eine zusammen­ hängende Reihe von Obligationen,

des ersten Frachtführers

und der Auftraggeber

(Absender)

oder — von einem

bestimmten Zeitpunkt an — der Empfänger kann sich nach

seiner freien Wahl wegen Beschädigung oder Verlust des Frachtguts

an

den

ersten

oder

letzten

Frachtführer

der

oder einen der Zwischenfrachtführer halten.

Hat aber auf

Grund dieser Vorschriften einer der beteiligten Frachtführer Schadensersatz geleistet, so steht ihm der Rückgriff auf den­ jenigen zu, welcher den

dieser

nicht

ermittelt

Schaden verschuldet hat.

werden,

so

haben

die

Kann

beteiligten

Frachtführer den Schaden nach dem Verhältnis ihrer Anteile an der Fracht gemeinsam zu tragen, soweit nicht sestgestellt wird, daß der Schaden nicht auf ihrer Beförderungsstrecke

entstauben ist?) 4.

Befolgung

senders

oder

des

der

Dispositionen des Ab­

Empfängers.

Das

Frachtgut

steht regelmäßig in der Dispositionsgewalt des Absenders; ist der Empfänger (Destinatär) des Frachtguts der Käufer

desselben, und hat dieser den Frachtvertrag mit dem Fracht­

führer

abgeschloffen, somit durch

Verkäufer abholen kaffen

und

an

letzteren das Gut beim

sich selbst adressiert, so

steht ihm die Dispositionsgewalt

über das Frachtgut von

vornherein zu —

ist dies

als Absender;

und der Frachtführer

Käufers und Destinatärs 1 HGB. §. 432.

nicht der Fall

auch nicht als ein Stellvertreter des

in einem Traditionsakte aufzu-

Vom Frachtgeschäfte.

§. 56.

653

fassen, so bleibt dem absendenden Verkäufer die Dispositions­ befugnis

über

das

auf dem Transporte

(en route,

in

transitu) befindliche Gut, und er kann dieselbe als Ver­

folgungsrecht

(droit de

suite,

right

of stoppagd

in

transitu) *) zum Zwecke des Anhaltens der Ware behufs anderweiter Verfügung darüber,

z. B. wegen inzwischen

eingetretener Insolvenz des Destinatärs, geltend machen?) Allein nicht bloß

in den Fällen des von einem Verkäufer

ausgeübten Derfolgungsrechts, sondern überhaupt3) hat der

Frachtführer, welcher keinen Ladeschein ausgestellt hat, ohne weiteres

dm

späteren

Absmders wegen

Anweisungen

(Konterorders)

des

Zurückgabe des Guts oder wegm Aus-

lieferung desselben an einen

anderen als dm im Fracht­

bezeichneten Empfänger

so lange Folge zu leisten,

brief

als er nicht letzterem nach Ankunft des Guts am Orte der

Abliefemng den Frachtbrief übergeben oder der Empfänger nach

Ankunft des

Frachtbriefs,

Klage

Guts,

jedoch

gegen

vor

Auslieferung

des

den Frachtführer auf Grund

des Frachtvertrags erhoben hat (s. unten Seite 656).

Hat der Frachtführer einen Ladeschein oder ein Fracht­ briefduplikat (wie es im intemationalm Eismbahnverkehre

nun stets erforderlich ist) ausgestellt, so hat er jenen späteren 1 Über dieses Berfolgungsrecht, | welches in verschiedenen Rechten i in einer strengeren und in einer milderen Form vorkommt, s. ! Goldschmidt HR. §. 82 g. ■ 858 ff.; Oetker, Tas Versolgungsrecht (Kassel 1883); Petersen und Kleinfeller, omi. zu h ov, Nr. jn. 2;. c.,, KonkO. Bem. §.. 36, Gareis im Hdbch. ' "8.269(Bd.2 " S. 633);; ®. u. F. S. 810,

834, 835; GZ. Bd. 28 S. 355; ROH®. Bd. 10 S. 70 ff., Bd. 12 S. 391, 394; RGer. Bd. 31 S. 134, Bd 32 S. 19. §. 44; '— RGer. "" Bd. r« KonkO. ~ 86., ov. Bd. 27 S. 84; G. u. 13 £. ov F. S. 834, 835. 2 88 HGB.'ß. 433; hiezu s.RGer. ob. 13 S. 168; auch 91D6®. Bd. Bd. 6 S. 273, Bd. 16 S. 196.

Kap. Hl. Die Handelsgeschäfte.

654

Anweisungen des Absenders nur dann Folge zu leisten, wenn

ihm der Ladeschein zurückgegeben, bezw. daS Frachtbrief­ duplikat vorgezeigt wird.')

Nach der Ankunft des Frachtguts am Bestimmungsort und mit der alsdann erfolgten Übergabe des Frachtbriefs,

nicht schon mit der Avisierung?) endet die Dispositions­ gewalt des Absenders als solchen (s. aber unten S. 656 f.)

und beginnt das volle Verfügungsrecht des Empfängers:

von da an hat der Frachtführer nur die Verfügungen des letzteren zu beobachten, widrigenfalls er diesem ebenso haftm

müßte, wie wenn das Gut verloren gegangen wäre. einer Richtung jedoch Destinatärs schon

In

entsteht das Verfügungsrecht des

vor Ankunft des Guts am Orte der

Abliefemng, nämlich in der Richtung auf solche Maßregeln, welche zur Sicherstellung des Guts

Frachtführer

hat

diesen

erforderlich sind; der

Anordnungen

Folge

zu

leisten,

jedoch im Falle sich die Anweisungen des Absenders und

des Empfängers widersprechen, denen des ersteren den Vor­

zug zu geben;

so kann der Empfänger insbesondere die

Ausliefemng des Guts vor dessen Ankunft am Orte der Abliefemng

wenn der Absender den

nur dann fordem,

Empfänger hiezu ermächtigt hat?)

5.

Verpflichtung

zur

Auslieferung.

Der

Frachtführer ist verpflichtet, das Frachtgut am Orte der Ablieferung dem durch den Frachtbrief genau bezeichneten

Empfänger auszuliefern, sofern nicht rechtzeitig Konterorder erfolgte; hat der Empfänger eine Handelsniederlassung, für

welche das Gut bestimmt ist, so hat der Frachtfiihrer an

Dom Frachtgeschäfte,

g. 56.

655

diese abzuliefern, auch dann, wenn der Inhaber derselben, der im Frachtbrief genannte Destinatär, während des Trans­

ports des Gutes starb. schein ausgestellt,

so

Hat der Frachtführer einen Lade­

ist die Empfangsberechtigung und

Auslieferungsverpflichtung durch den Inhalt desselben be­

stimmt?) Weigert sich der Destinatär, die Fracht zu bezahlen, so ist diese Thatsache als Ablehnung der Annahme anzu­

sehen?)

6. Ist der im Frachtbrief bezeichnete Empfänger nicht

zu ermitteln, oder entsteht Streit über die Annahme, so liegt es in der Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers,

dm Zustand des Guts amtlich feststellen zu lassen und für die Unterbringung der Ware provisorisch Sorge zu tragen, auch dm Absender von den erwähnten Vorfällen in Kmntnis zu setzm?)

7. Vertretung der Rechte der Vormänner,

sofern das Gut durch die Hände mehrerer Frachtführer geht.

Der

letzte

Frachtführer hat bei der Ablieferung,

sofern der Frachtbrief nichts anderes bestimmt, die Rechte

der vorhergehenden auszuüben.

Wenn er das Gut ohne

Bezahlung abliefert und das Pfandrecht nicht binnm drei

Tagen nach der Ablieferung gerichtlich geltend macht, so

wird er, sowie die vorhergehenden Frachtführer und die Spediteure des Transports des Rückgriffs gegen die Vor-

1 HGB. §§. 447—148. 1 HGB. §. 437; vgl. ROHG. Bd. 2 S. 417. 8 S. vorige Anin. (2) u. hiezu RLHG. Bd. 17 S. 181; die zur Feststellung des Zustands

. i \ '

des Gutes zuzuziehendcn Sachverständigen werden durch das Gericht ernannt (s. EDO. §§. 488 ff.). — Abweichend BSchG. §§. 49 bis 56; s. unten §. 58.

Kap. III. Die Handelsgeschäfte.

656

männer verlustig.

(Der Anspruch gegen den Empfänger

bleibt in Kraft.)')

Alle

erörterten Verpflichtungen

obliegm dem Fracht­

führer zunächst gegenüber dem Absender, so daß dieser die Klagen wegen Nichterfüllung derselben gegen den Fracht­

führer

erheben

kann;

dieses

Klagerecht

des

Absmders

währt, von besonderen Vereinbarungen abgesehen, so lange, als seine Dispositionsgewalt dauert, mithin

bis zur Ab­

lieferung des Frachtbriefs an den Destinatär und Ankunft des Frachtguts am Bestimmungsort; allein neben dem

so weit ausgedehntm Verfügungsrecht des Absmders besteht schon vor Ankunft des Gutes das erwähnte Sicherstellungs­

recht des Destinatärs,^) und schon vor der Übergabe des Frachtbriefs, jedoch nach der Ankunft des Guts an seinem

Bestimmungsort

der

hat

im

Frachtbriefe

bezeichnete

Destinatär das Recht, den Frachtführer zur Erfüllung seiner Verpflichtungm (Ziffer 1—6), wenn nötig, klageweise, in eigenem Namm, sei

es in eigenem, sei es in fremdem

Jntereffe anzuhalten; diese himach etwa anzustellende Klage

des Destinatärs kann auch auf Übergabe des Frachtbriefs

und Ausliefemng des Frachtguts gerichtet sein; da jedoch, wie erwähnt, dem Absender bis zur Übergabe des Fracht­ briefs das Recht zusteht, Konterorder zu erteilen, so ergiebt

sich

bis

dahin das Klagerecht des Empfängers als ein

schwächeres, untergeordnetes Recht; das Recht des Absenders, Konterorder zu gebm, endigt jedoch, sobald der Destinatär

Klage gegen dm Frachtführer nach Ankunft des Guts am

Bestimmungsorte wirklich erhoben hat; das Klagerecht auf

1 HGB. §§. 441, 442.

Dom Frachtgeschäfte, g. 56. Übergabe

deS

Frachtbriefs

und

657

Aushändigung deS

am

Bestimmungsort angekommenen Guts steht dem Destinatär (Adressaten des Frachtbriefs) gegm den Frachtführer nur mit der Beschränkung zu, Frachtführer

daß nicht der Absender dem

eine noch zulässige Gegemveisung vor An­

stellung der Klage gegeben hat.

Der Frachtführer ist seiner Verpflichtungen ledig, sobald

daS Gut angenommen und (sofern nicht Vorausbezahlung

(Frankatur) erfolgte) die Fracht bezahlt istT)

solcher Mängel,

welche

bei

der

Ablieferung

Nur wegen

der

Ware

äußerlich nicht erkennbar warm (z. B. Manko am Netto­ gewicht, Bruch u. dergl.), kann der Frachtführer auch nach

der Annahme des Gutes und nach Bezahlung der Fracht noch in Anspruch genommen roerben, vorausgesetzt,2) a) daß

der Mangel in der Zeit zwischm der Übernahme des Gutes durch den Frachtführer und der Ablieferung entstanbm ist

und die Feststellung des Mangels durch amtlich2) bestellte

Sachverständige unverzüglich nach der Entdeckung und spä1 HGB. §. 438 Abs. 1; erlöschen. — Ein einseitiger Vor­ (über das Genehmigungsprinzip behalt des Empfängers bei An­ s. RGer. Bd. 6 S. 104, Bd. 25 nahme des Gutes tfi wirkungs­ S. 32, vgl. auch ROHGB. Bd. los, ein mit Zustimmung des aber 13 S. 415); im Prinzip über­ Frachtführers gemachter einstimmend Art. 408 des HGB. e, ebenso wie ein Anervon 1861 und Berner Eisenbahn­ lis der gerügten Mängel vertrag vom 14. Oktober 1890 durch den Frachtführer (vgl. Art. 44 Abs. 1, aber abweichend Berner Vertrag Art. 44 Abs. 3); Binnenschiffahrtsgeseh §. 61 (und s. Denkschr. S. 3266, 3267. Seehandelsrecht, nämlich nun 2 Die Voraussetzungen der §§. 614ff.), wo schon mit der späteren Reklamation sind neu Annahme des Guts ohne Rück­ geordnet im HGB. von 1897; sicht aus die Zahlung der Fracht die Vergleichungen s. GareiS, die Ansprüche gegen den Ver- HGB. Anm. 3—7 S. 386—387. ftachter aus dem Frachtverträge 8 S. Anm. 3 S. 655. 42 Garet-, Handelsrecht. 6. Lust.

Kap. HI.

658

binnen einer Woche nach der Annahme beantragt

testens

wird.

Die Handelsgeschäfte.

Ist dem Frachtführer der Mangel unverzüglich nach

der Entdeckung und binnm der bezeichneten Frist angezeigt, so genügt es, wenn die Feststellung unverzüglich nach dem

Zeitpunkte beantragt wird, bis zu welchem der Eingang

einer Antwort des Frachtführers unter regelmäßigen Umfländm erwartet werden darf.

Die Kosten einer von dem Empfangsberechtigten be­ antragten Feststellung sind von dem Frachtführer zu tragen,

wenn ein Verlust oder eine Beschädigung ermittelt wird, für welche der Frachtführer Ersatz leisten muß.

Der Frachtführer kann sich auf diese Vorschriften nicht berufen, wenn er den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat?)

In Bezug auf die Verjährung der Klagen und Ein­ reden gegen dm Frachtführer wegen Verlust, Beschädigung oder Verspätung gelten im Frachtrechte die nämlichen Grund­

sätze wie im Rechte des Speditionsgeschäfts?)

(s.

oben

S. 593 bis 594).

Rechte des Frachtführers.

Hl.

1.

Der Frachtführer kann die zur zoll- und steueramt-

lichm Behandlung des Frachtguts

erforderlichen Begleit­

papiere fordem (s. oben S. 642 f.).

2.

Er hat hinsichtlich der Feststellung des Zustandes

der Ware, im Falle Streit über diesen oder über die An­ nahme entsteht, dieselben Rechte, wie der Adresiat (s. oben S. 655).

3.

Er hat das Recht, vom Empfänger die Zahlung

1 HGB. §. 438. ' HGB. §. 439.

Anders BSchG- §§. 61, 117.

Vom Frachtgeschäfte. der

ausdrücklich

vereinbarten

659

§. 56.

oder tarifmäßigen Fracht *)

zu fordern; diese Forderung kann erst nach Annahme des Frachtguts und des Frachtbriefes geltend gemacht werden,

und der Empfänger ist, sofern er nicht auch Absender ist,

dann und deshalb zur Zahlung verpflichtet, wenn und weil

er das Frachtgut nebst Frachtbrief angenommen hat; jedoch hat die Zahlung, wenn auch die Empfangnahme vorher­

geht, in der Regel sofort (Zug um Zug) zu erfolgen.2) Wurde das Frachtgut nicht bis an dm ursprünglich vereinbarten Bestimmungsort geliefert, z. B. weil der Ab-

fenber Konterorder erließ, oder

weil der Weitertransport

durch höhere Gewalt unmöglich wurde, so endet zwar der Frachtvertrag,2)

aber

der

Frachtführer

hat

das

Recht,

Distanzfracht4) zu fordern, vorausgesetzt, daß er daS Gut

überhaupt beförderte und in dieser Beförderung eine für den Absender nicht wertlose Leistung liegt. 4.

In ähnlicher

Ausdehnung

und

Wirksamkeit

wie

der Spediteur am Speditionsgute hat der Frachtführer am

Frachtgute ein Pfandrecht zur Sicherung aller durch

dm

konkreten Frachtvertrag begründeten Forderungm (also nicht wegen anderer gegenüber demselben Schuldner entstandenen

Forderungen); insbesondere besteht dieses Pfandrecht wegm der Fracht-, Liege- und Zollgelder und anderer Auslagen

des Transports.

Dieses gesetzliche Pfandrecht mtsteht, so­

bald dem Frachtführer eine Forderung erwachsen und das

Gut überliefert ist; es Gewahrsam

hat,

besteht, solange er es in seinem

oder das Gut bei einem Drittm, einer

i ROHG-Bd. 21 S.188,108. 8 ROHG. Bd. 2 S. 238, Bd. 20 S. 377.

8* ROHG. Bd. 8 S. 320. 4 ROHG. Bd. 3 S. 136.

660

Kap. UI.

Lagerhausverwaltung

Die Handelsgeschäfte.

u. bergt amtlich ober nichtamtlich

niüiergelegt ist, ja es bauert auch nach ber Ablieferung

fort, insofern ber Frachtführer es Binnen brei Tagen nach ber Ablieferung gerichtlich geltmb macht, vorausgesetzt, baß

bas Gut sich noch beim Empfänger ober bei einem biesen

im Besitz vertretenben Dritten befinbet. *) Die Geltenbmachung bes Pfanbrechts, insbesonbere bie

Verkaufsbefugnis, auch bie eigenartige Succession ber mit bem Transporte besselben Guts befaßtm mehrerm Fracht­

führer richtet sich nach bmselben Normen, welchen bas

Pfanbrecht bes Spebiteurs unterliegt.1 2)

Geht bas Fracht­

gut burch bie Hände mehrerer Frachtführer, so hat ber

letzte bei ber Ablieferung, sofern nicht ber Frachtbrief bas Gegenteil bestimmt, auch bie Forberungen ber Vormänner,

unb zwar (nach bem neuen Hanbelsrechte) nicht bloß bie aus

bem Frachtbriefe sich

ergebenben Rechte ber Vormänner,

fonbem alle burch ben Frachtvertrag begründeten Forde­ rungen berfelben einzuziehen unb beten Rechte, auch das

Pfandrecht,

auszuüben und zwar auch

für Spediteure.

Zur Geltmdmachung der Rechte ber Vormänner ist ber

nachfolgenbe Frachtführer nicht bloß berechtigt, fonbetn ver­ Gewohnheitsrechtlich ist festgestellt, baß bet

pflichtet2).

Klage bes letzten Frachtführers seitens bes Absenders ober

1 HGB. §. 440, vgl. auch BSchG. §. 67. » Die im BGB. §. 1234 Abs. 1 bezeichnete Androhung'des Pfandverkaufs, sowie die in den §§. 1237, 1241 desselben vor­ gesehenen Benachrichtigungen find an den Empfänger zu richten.

Ist dieser nicht zu ermitteln, oder verweigert er die Annahme des Gutes, so hat die Androhung und Benachrichtigung gegenüber dem Absender zu erfolgen. HGB. §. 440. 8 HGB. §§. 441, 442.

Von der Beförderung von (Sühnt ic.

8- 57.

661

Empfängers Einreden aus der Person eines Vor­

mannes des Klägers nicht entgegengesetzt werden bürfen.1)* Da sowohl dem Kommissionär, wie dem Spediteur und

dem Lagerhalter,

wie

Frachtführer gesetzliche

dem

auch

Pfandrechte an der von ihnm geschäftsmäßig behandelten Ware zustehen,*)

alle

teiligt sein können, so

Kollision

aber

an

gesetzlicher

mehrerer

einer Warensendung be­

ist der Fall einer Konkurrenz und Pfandrechte möglich;

das

Gesetz mtscheidet diesen Fall folgendermaßen:

a) unter denjenigen Pfandrechten, welche durch die Ver­

sendung oder durch

die Beförderung des Guts entstanden

sind, geht das später entstandene dem früher entstandenen vor; b) diese Pfandrechte haben sämtlich den Vorrang vor dem nicht aus der

Versendung entstandenen

Pfandrechte

des Kommissionärs und des Lagerhalters vor dem Pfand­

rechte

des

Spediteurs

und

des

Frachtführers

für Vor­

schüsse;

c) unter den

übrigen Pfandrechten

geht

das früher

entstandene dem später entstandenm vor.3)

(über die einjährige Verjährung zu Gunsten des Fracht­ führers s. obm II a. E. S. 658.) §. 57. 7. von der Beförderung von Gütern und Personen ans de«

Eisenbahnen.4)

A)

Von der Beförderung durch Eisenbahnen im all­

gemeinen.

i ROHGB. Bd. 20 S. 190; LabantirnGZ. Bd. 9 S. 467, 468; Keyßner HGB. S. 468 bir 469.

' HGB. 88.397,410,421,440. "HGB. §. 443; BGB. §§. 1209, 1257. 4 Litteratur s. bei Schott im

Kap. m.

662

Die Handelsgeschäfte.

Die Eisenbahnen sind, wie erwähnt (s. Anm. 3 S. 657),

Frachtführer

und

Anstalten

zur

Beförderung

von

Per­

sonen zu Lande; die von diesen wichtigstm Landverkehrsein­

richtungen gewerbsmäßig betriebenen Beförderungsgeschäfte müssen durch besondere Rechtsnormen geregelt sein, nicht bloß durch Normen des öffentlichen Rechts, wegen ihrer her­

vorragenden Bedeutung

für das staatliche und überhaupt

öffentliche Leben/) sondern auch durch besondere privatrechtliche Hdbch. Bd. 3 §. 352 ff. Ferner Internationales Eisenbahnfracht­ recht auf ..Grund des inter­ nationalen Übereinkommens vom 14. Okt. 1890 und der Konferenz­ beschlüsse von Mai und Sept. 1893, dargestellt von Eduard Rosen­ thal (Jena 1894). Eisenbahn­ rechtliche Entscheidungen und Ab­ handlungen, Zeitschrift für Eisen­ bahnrecht , herausgegeben von Georg Eger (Breslau, I. H. Kerns Verlag), seit 1885. Pappenheim, Transportae8äst nach dem Entw. d. HGB. 96; Co sack, Lehrb. §§. 86 ff. 1 Die öffentlich-recht­ lichen Verhältnisse der Eisen­ bahnen sind nicht zu erörtern, und zwar weder die staats­ rechtlichen (worüber nachge­ lesen werden kann bei La band, Staatsrecht d. Deutschen Reiches Bd. 2 S. 103 ff. und Zorn, Staatsrecht d. Deutschen Reiches Bd. 2 S. 292 ff.), noch auch die völkerrechtlichen (worüber orientiert Meili in v. Holtzendorffs Hdbch. d. VölkerR. Bd. 3 S. 257 ff., v. Liszt, VölkerR. (1898) S. 160 ff. und Ullmann, VölkerR. im Hdbch. d. öffentl. Rechts Bd. 11I 2, S. 293), noch

auch die prozeßrechtlichen Sonderbestimmungen, a. B. die über die Privilegierung des Fahr­ materials in Bezug aus Pfändung (f. RGBl. 1887 S. 153), sondern nur die handelsrechtlichen; von den nichthandels-, aber bür­ gerlich-rechtlichen Sonder-Vor­ schriften für Eisenbahnen sei aber hier wenigstens hingewiesen aus die unbedingte Haftung für Er­ sah des Schadens auS den beim Eisenbahnbetriebe herbeigeführten Tötungen und Körperver­ letzungen, wobei nur zwei Entlastungsbeweise offen stehen, näm­ lich der der höheren Gewalt und der des eigenen Verschuldens des Verletzten, s. Haftpflichtgesetz v. 7. Juni 1871 §. 1. In Bezug auf diese und ähnliche Haftungen s. Stobbe, D. PrivR. Bd. 3 S. 394 ff. Von den das Eisen­ bahntransportwesen berührenden völkerrechtlichen Vorgängen muß aber hier wenigstens so viel erwähnt werden, daß auf die internationalen Vereinbarungen aufmerksam gemacht wird, welche aus die Herbeiführung eines internationalen Frachtrechts ge­ richtet find. Nachdem schon seit ; 1873 es nicht an Anregungen

Von der Beförderung von Gütern re.

§• 57.

und insbesondere handelsrechtliche Grundsätze,

663

und zwar

letzteres aus wirtschaftlichen Gründen; denn die dem öffentzur Erreichung dieses Zweckes gefehlt hatte und die Regierungen fast sämtlicher europäischer Staa­ ten der von der Schweiz aus­ gegangenen Einladung zu einer Konferenz folgen zu wollen sich bereit erklärt und dieser auch durch Herstellung von Ent­ würfen vorgearbeitet war, trat zur Beratung derselben am 13. Mai 1878 zu Bern eine Konferenz zusammen, welche von neun Regierungen beschickt war (nämlich vom Deutschen Reiche, Österreich - Ungarn, Belgien, Frankreich, Italien. Luxemburg, Niederlande, Rußland, Schweiz), und unter Abänderung einzelner Punkte des daselbst entworfenen Übereinkommens ihre Fortsetzung im September und Oktober 1881, ihren Abschluß im Juli 1886 aus neuen Zusammenkünften in Bern fand; am 14. Oktober 1890 unterzeichneten die Delegierten der genannten neun Vertrags­ staaten (der österreichische De­ legierte auch für das Fürstentum Lichtenstein) den vereinbarten Entwurf des „Internationalen Übereinkommens über den Eisen­ bahnfrachtverkehr" (RGBl. 1892 S. 793-869) nebst dem Regle­ ment, bctr. die Errichtung eines Centralamtes (es ist errichtet in Bern), ferner Aussührunasbestimmungen mit vier Anlagen (s. nun RGBl. 1892 S. 874-917 und ein .Protokoll", RGBl. 1892 S. 918-920); die Volks­

vertretungen erteilten die er­ forderlichen Zustimmungen — der deutsche Reichstag am 9. März, 24. April und 2. Mai 1891 —, am 30. September 1892 fand in Bern der Austausch der Ratifikationsurkunden und am 29. Oktober 1892 in Berlin die Ausgabe des RGBl. (1892 Nr. 39) statt, welches die Grundlage des modernen Eisenbahnverkehrsrechts als deutsches Reichsgefetz proklamiert. Das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn haben die Bestimmungen des inter­ nationalen Übereinkommens vom 14. Oktober 1890 fast ganz auch für den internen Ver­ kehr jeder dieser Länder an­ genommen, ersteres in der „Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands" v. 15. November 1892, welche an die Stelle deS „Betriebsreglements für die Eisenbahnen Deutschlands" vom 11. Mai 1874 (Centralbl. f. b. Deutsche Reich 1874 S. 179) mit dem 1. Januar 1893 ge­ treten und im RGBl. 1892 S. 923-1014 veröffentlicht ist; auch der „Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen" nahm die Normen des internationalen Übereinkommens v. 14. Oktober 1890 in seinem neuen Vereins­ betriebsreglement an, so daß seit 1. Januar 1893 hienach ein neues und wesentlich einheitliches Eisenbahnfrachtrecht gilt für den internen Verkehr von 59 deut-

664

Kap. HL

Die Handelsgeschäfte.

lichen Verkehre dienenden Eismbahnm sind thatsächlich im

Genusse eines Monopols; auf ihren Linien schließen sie in ihrer Beförderungsweise

selbstverständlich jede Konkurrenz

aus und könnten diese thatsächlich privilegierte Stellung durch

ihnm besonders günstige, das Publikum aber benachteiligende Verträge ausnützen, wenn ihnm wie anderen Frachtführem (§§. 425 ff.) Vertragsfreiheit in vollem Maße

zustände.

Der Gesetzgeber sieht sich daher wie beim Erlasse des HGG.

von 1861 noch immer genötigt, im Interesse des Publikums die vertragsmäßige Festsetzung im Verkehre des letzteren mit dm Eisenbahnen auf ein gewisses Maß zu beschränken.

Die

Eisenbahnm aber können dies bei ihrer kapitalistischen Fundierung und Leistungsfähigkeit

sehr

wohl

vertragen, die

Tarife bieten die Möglichkeit, die Verpflichtungen zu

re-

partierm und im gewissen Sinne selbst auf das Publikum

überzuwälzen.

Und so ist es denn auch keine Unbilligkeit,

wmn den Eismbahnm nach wie vor strengere Haftungen

auferlegt roerben. Die Handelsgesetzgebung von 1861

suchte den Schutz

des Publikums dadurch zu erreichen, daß sie gewisse Grenzen

dm Verträgm zog und innerhalb dieser Grenzen Vertragsschen und 38 österreichisch-unga­ rischen Eisenbahnen und Zugleich für dm internationalen Verkehr zwischen den vorgenannten neun mitteleuropäischen Vertragsstaaten. Dre Liste der Eisenbahn­ strecken, aus welche das Jub. An­ wendung findet, ist in neuer (fünfter) Ausgabe (v. 1. Januar 1898) erschienen im RGBl. 1898 Nr. 4 S. 7—26; hiezu s.nun noch RGBl. 1898 S. 32, 177,

429, 441, 911, 1032, 1185. Dieses neue Eiscnbahnfrachtrccht, wie cs in der „Verkehrsord­ nung" (RGBl. 1892 S. 923 ff.) und im „Aereinsbetriebsreglement" niedergelegt ist, ist ge­ halten und getragen von dem völkerrechtlichen Vertrage vom 14. Oktober 1890, welcher in allen ihm beigetretenen Staaten Gesetzeskraft erlangt hat. So Rosenthal a. a. O. S. 5.

Von der Beförderung von Gütern rc.

§. 57.

665

freiheit gestattete; die Eisenbahnen nützten letztere stets bis dicht an diese Grenzen aus, und als die den Vertragsinhalt bildenden ^Bestimmungen zufolge der Ausbildung deS deutschen Eisenbahnrechts im Verordnungswege selbst fest­ gesetzt wurden, da gingen auch diese amtlichen Festsetzungen des Vettragsinhalts bis an die äußerste Grenze des den Eisenbahnen Erlaubten. Unter diesen Umständen ist eS wirklich, wie die Denkschrift, mit welcher der Entwurf deS neuen Handelsgesetzbuchs von 1897 dem Reichstage vor­ gelegt wurde, hervorhebt, einfacher, die Haftung der Eisen­ bahnen deratt zu regeln, daß die betreffenden Vorschriften unmittelbar, d. h. ohne den Umweg einer Aufnahme in den Frachtvertrag, zur Anwendung kommen. Dies geschieht teils dadurch, daß das Gesetz selbst die Hastungsregeln direkt ausspricht, teils dadurch, daß eine staatliche Verordnung, die Eisenbahnverkehrsordnung, mit Gesetzeskraft bekleidet und zum zwingenden Recht erhoben wird, soweit sie selbst dem über ihr stehenden Reichsgesetze (HGB.) nicht wider­ spricht; *) der Spielraum für Haftvereinbarungen im voraus ist sonach sehr beschränkt, und zwar, wie die Gründe zeigen, wohl mit Recht. Für die gesetzliche Regelung der Haftungen der Eisenbahnm muß selbstverständlich der auch vom Deutschen Reich unterzeichnete Berner internationaleVer™ len oder be1 HGB. §. 471. Die nach I ~ Verträge auSgeschlossei den Vorschriften der §.432 Abs. 1, schränkt werden. Besti . Kimmungen, 2 (s. oben S. 652), 439 (f. welche dieser Vorschrift zuwider­ oben S. 658), 453 (f. unten laufen, sind nichtig. DaS Gleiche S. 667—669), 455-470 (s. unten gilt von Vereinbarungen, dre S. 670—678) begründeten Ver­ mit den Vorschriften der Eisen­ pflichtungen der Eisenbahnen bahnverkehrsordnung im Wider­ können weder durch die Ersen­ sprüche stehen. bahnverkehrsordnung, noch durch

666

Kap. UI.

Die Handelsgeschäfte.

trag über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Oktober 1890 *) vor allem maßgebend

sein; diesem kann sich der deutsche

Gesetzgeber um so leichter anschließen, als derselbe in der Hauptsache ja

gerade auf dem

deutschen

Rechte

beruht,

dessen Bestimmungen zum Teil wörtlich in den Tenor des­ selben ausgenommen worden sind.

Zufolge der eben erwähnten

systematischen Änderung

sind nun aber die in der Eisenbahnverkehrsord­

nung enthaltenen Haftungsbestimmungen fortan nicht mehr als Vertragsnormen,

sondem als Regeln des objek­

tiven Rechts anzusehen und geltend, daher kann das Rechtsmittel der Revision nach §. 549

(früher 511) der

CPO. auf eine Verletzung dieser Regeln gestützt und der höchste

Gerichtshof mit der Nachprüfung der Anwendung

der Eisenbahnverkehrsordnung befaßt werden?) Auch die Personenbeförderung ist in den Bereich handelsrechtlicher Regelung gezogen; für den Seeverkehr ge­

schah dies bereits mit der Einführung des HGB. von 1861,

s. nun §§. 664—678; für den Eisenbahnverkehr geschieht es nun durch Verweisung auf die einschlägigen Bestimmun­ gen der Eisenbahnverkehrsordnung,

deren bindende Kraft

auch in dieser Beziehung das Gesetz, wie erwähnt, regelt?) Hievon s. unten C S. 678 ff. Kleinbahnen

finden die

1 über diesen Beitrag und sein Verhältnis zum Frachtrecht überhaupt und dieses zum Eisen­ bahnfrachtrecht s. dieAndeutungen in Anm. 1 S. 662 und in den Anmerkungen zum §. 56.

ihren

Verhältniffen ent-

3 Dies steht fortan außer Zweifel, während es bisher nur vereinzelt und, wie manche» scheint, nicht ganz zutreffend an­ genommen wurde. 3 HGB. §§. 471, 472.

Von der Beförderung von Gütern rc.

sprechende Berücksichtigung;

§. 57.

667

sie können insbesondere nicht

über ihre Bahnstrecken hinaus verpflichtet roetben.1) B) Von dem Frachtgeschäfte der Eisenbahnen insbesondere. I. Trotz aller Verschiedenheiten im einzelnen bleibt der Aus­

gangspunkt

für

die Regelung

des

EismbahnfrachtrechtS

doch das Recht des Frachtgeschäfts des HGB. (§§. 425 ff.); dieses, das gewöhnliche Frachtführerrecht des Handelsrechts (f. oben §. 56), gilt auch für das Frachtgeschäft der dem

öffentlichen Eisenbahnverkehre dienenden Eisenbahnen, nämlich insoweit nicht das HGB. selbst (Buch in, Abschnitt 7)

oder die Eisenbahnverkehrsordnung ein anderes

bestimmt.

II. Die erste handelsgesetzliche Einschränkung der Eisen­ bahnen besteht darin, daß dieselben, wmn sie überhaupt dem Publikum zur Benutzung für den Gütertransport eröffnet

ftnb,2) nicht beliebig Verfrachtungen ablehnen dürfen.

Es

muß vermieden werden, daß die Bahnverwaltungen nur solche

Transporte annehmm, welche besonders rentabel oder ohne besonderes Risiko u.dergl. zu vollziehen wären, demnach findet ein Zwang zum Vertragsabschluffe

Eisenbahnen für die Transporte

gegen die öffentlichen

auf

ihren Bahnstrecken

(„Transportzwang") statt, und nur ausnahmsweise dürfen 1 HGB. §. 473. Bei einer förderungsbedingungen derBahndem öffentlichen Verkehre dienen­ unternehmung maßgebend. Den den Bahnunternehmung, welche Vorschriften deS HGB. §. 453 der Eisenbahnverkehrsordnung unterliegt eine solche Bahn­ nicht unterliegt (Kleinbahn), sind unternehmung nur mit der Maß­ insoweit, als in den §§. 453, gabe, daß sie die Übernahme 459, 460, 462—466 (s. II auf von Gütern zur Beförderung aus dieser S., V S. 671, VII S. ihrer Bahnstrecke nicht verweigern 673, VIII—X S. 674—676) darf. (Vgl. Eger, Ges.über die auf die Vorschriften der Eisen- Kleinbahnen 1897.) bahnverkchrsordnung verwiesen 8 So nach HGB. v. 1861 ist, an deren Stelle die Be­ Art. 422.

668

Kap. UI.

Die HandelsgeschLste.

sie die Eingehung von Güterfrachtverträgen ablehnen; dem

Transportzwange unterliegen deutsche öffentliche Eisenbahnen fortan nicht mehr bloß für ihre Strecken/) sondem nach dem

HGB. von 1897 in Bezug aus die Befördemng nach jeder für den Güterverkehr eingerichteten Station innerhalb des

Deutschen Reiches, nach dem Berner Vertrag auch für den entsprechenden auswärtigen Verkehr, Kleinbahnm sind aus-

genommm (s. oben); die Ablehnung ist — bei Vermeidung

des Anspmches auf Ersatz des

aus der Ablehnung ent-

springendm Schadens — verboten, sofern

1.

der Absender

sich dm geltmden Beförderungsbe­

dingungen und den sonstigen allgemeinen Anordnungm der Bahnverwaltung unterwirft (JÜb. Art. 5 Ziff. 1),

2. die Beförderung

nicht

nach

gesetzlicher

Vorschrift

oder aus Gründm der öffmtlichen Ordnung verbotm ist (JÜb. Art. 2 Ziff. 8),2)

3. die Güter nach der Eisenbahnverkehrsordnung oder den gemäß der Verkehrsordnung erlassenen Vorschriften und, soweit diese keinen Anhalt gewähren, nach der Anlage und

dem Betrieb der beteiligten Bahnen sich zur Beförderung eignen (JÜb. Art. 2 Ziff. 2, VO. §§. 6, 50, 58), 1 HGB. von 1861 Art. 422. * Wegen der Explosivstoffe s. VO. §. 50 Ziff. 4; die Anlage B hiezu(S. 969ff.), 1895 S. 101 ff. e die zur Beförderung berngsweise nach demJUb. und den Ausführungsbestimmungen hiezu zugelassenen Gegenstände auf; auf diese Anlage B beziehen UIreiche Bekanntmachungen im RGBl., auch die Bekanntmachungen, betr. dre VereinbarungerleichternderVorschristen

| für den wechselseitigen Verkehr j zwischen den Eisenbahnen Deutsch1 landS einerseits und ÖsterreichUngarns (sowie der Niederlande, der Schweiz, Luxemburgs , und Belgiens) andererseits rückj sichtlich jener Gegenstände, in Gemäßheit des §. 1 Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen zum internationalen Übereinkommen über den Eisenbahnsrachtverkehr; wegen kranker Tiere s. VO. §. 44 j Abs. 2.

Don der Beförderung von Gütern ic.

§. 57.

669

4. die regelmäßigen Transportmittel der Bahn zur Ausfühmng des Transports genügen (Jüb. Art. 5 Ziff. 2), 5. die Befördemng

nicht

durch Umstände,

die als

höhere Gew alt *) zu betrachten sind, verhindert wird (JÜb. Art. 5 Ziff. 3). Die Eisenbahnen sind nicht verpflichtet, die Güter zum Transport eher anzunehmen, als bis die Befördemng der­ selben geschehen kann. (Jüb. Art. 5 Abs. 2 VO. §. 55.) In Ansehung der Zeit der Befördemng darf kein Ab­

sender vor dem andem ohne einen in den Einrichtungen der Bahn, in den Transportverhältniffen, oder im öffentlichen Interesse liegenden Gmnde begünstigt werden. (Jüb. Art. 5.) Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften begründen

den Anspmch auf Ersatz des daraus entstandenen SchadmS.

in. Was die Form des Abschlusses des Eisenbahn­ frachtvertrags anlangt, so ist der Frachtbrief hiebei, wie er­ wähnt (siehe oben S. 641), obligatorisch und in seiner Äußerlichkeit genau vorgeschrieben; die Eisenbahnen sind

verpflichtet, den Empfang des Guts auf dem Duplikat des

Frachtbriefs, wie erwähnt (siehe obm S. 642 Sinnt. 1), zu 1 Der in diesen Beziehungen, wie in den entsprechenden Be­ griffen „vis major“, „force majeure“ enthaltene Komparativ bedeutet »höher“ als die den Verhältnissen nach anwendbaren Mittel in Bekämpfung der Ge­ fahren zu reichen vermögen. Der Beariff »höhere Gewalt“ gehört auch dem neuen deutschen bürger­ lichen Rechte an, s. BGB. §§. 203 Abs. 2, 701, 1996; CPO. §. 233. Entscheidungen über die Be­ deutung dteses Begriffs, der

force majenre des französischen Rechts, s. RGer. Bd. 2 S. 425, 426, ROHG. Bd. 2 S. 259, Bd. 8 S. 27, 159 u. a.; s. G L F, HGB. S. 826, 807. Litteratur hierüber s. Exn er in Grünhuts Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart Bd. 10 S. 497; Schneider in GZ. Bd. 44 S. 75; Biermann inA.f.b.R. Bd. 10 S. 29; Eosack, Lehrb. S. 448 (Litt. Anm. 1).

Kap. III.

670

Die Handelsgeschäfte.

bescheinigen, was dann in Bezug auf das Verfügungsrecht die erwähnte (siehe oben S. 658 f.) Beschränkung zur Folge hat.')

IV. Strenger als alle anderen Frachtführer (einschließ­

lich des Binnenschiffers) haftet die Eisenbahn für die Ausführung des Transports gesetzlich, und zwar ohne daß die hierauf bezüglichm gesetzlichen Pflichten durch die Verkehrs­

ordnung oder durch Verträge eingeschränkt oder ausgeschloffen werden könnten;

dmn die Eisenbahn haftet unentlastbar

für den Schadm, der durch Verlust oder Beschädigung des

Guts in der Zeit von der Annahme zur Beförderung bis

zur Ablieferung entsteht, es sei denn — dies find die Ent­ schuldigungsbeweise, welche ihr gestattet sind —, daß der

Schaden durch ein Verschulden

oder eine nicht von der

Eisenbahn verschuldete Anweisung

des Verfügungsberech-

tigten, durch höhere Gewalt, durch äußerlich nicht erkennbare

Mängel der Verpackung oder durch die natürliche Beschaffen­

heit des Gutes, namentlich durch inneren Verderb, Schwinden, gewöhnliche Leckage, verursacht ist.

(Nur für verlorene oder

beschädigte Kostbarkeiten, Kunstgegenstände, Geld und Wert­ papiere braucht sie lediglich dann Ersatz

zu leisten, wenn

ihr diese Beschaffenheit oder der Wert des Guts bei der

Übergabe zur Beförderung angegeben worden ist.)2)

Auch

muß die Eisenbahn dabei für ihre Leute und andere Per­

sonen, deren sie sich bei der Ausführung des Transports bedient, schlechthin und wieder unentlastbar haften?)

Die

wie

beim

Höhe der

Schadensersatzsumme

wird

ebenso

Frachtführer überhaupt bemessen, also je nachdem Vorsatz

1 HGB. §§. 455, 471. I Sinnt. 2 zu §. 456 HEB. S. 8 HGB. §§. 456 , 471; Be- 398. ginn dieser Haftung s. Gareis, | 8* HGB. §§. 458, 471.

Don der Beförderung von Gütern rc. (oder grobe Fahrlässigkeit) nachgewiesen

§. 57. wird

671

oder nicht

(siehe oben S. 650 f.), jedoch mit einer wichtigen Abweichung

vom Frachtrechte: die Eisenbahn ersetzt nach Maßgabe des Werts am Orte und zur Zeit der Absendung, nicht nach

dem am Ablieferungsorte und zur Ablieferungszeit.') über die hienach zu berechnende Entschädigung hinaus kann das

Interesse an der Liefemng noch besonders „versichert" werden?) V. Die hiermit grundsätzlich der Eisenbahn auferlegte

Haftung ist so strenge, daß der Gesetzgeber selbst für ge­ wisse Fälle Ausnahmen anerkennt, und nach seiner eigenen Regelung ist demnach in gesetzlich ausdrücklich vorgesehenm

Fällen die Haftung ausgeschlossen:

für Schaden, welcher

seinen Grund hat in der tariflich oder frachtbrieflich ver­ einbarten Versendung auf unbedeckten Wagen b) oder in der

ausdrücklich, d. i. durch Vermerk auf dem Frachtbriefe bean­

standeten, aber doch zugelaflenen mangelhaftm Verpackung?) oder in dem vertragsmäßig durch den Absender, bezw. dm

Empfänger selbst besorgten Auf- und Abladen?) oder in der eigmtümlichen, besondere Gefahrm mit sich bringendm Natur des Guts?) oder in der mit dem Transport leben-

1 HGB. §§. 457 , 471. An­ ders HGB. §. 450, f. oben §. 56 S. 650. Hinsichtlich der Wert­ berechnung s. Tenkschr. S. 3265, 3271. BernerBertrag Art. 34,37: Wert am Versandtorte, „au lieu et ä. l’dpoque oü la marchandise a etö acceptde au transport“ «HGB. §. 463. JÜb. Art. 38. RGBl. 1892 S. 822. «Nr.lin(JÜb.Art.31Abs.l)

HGB. §. 459 Abs. 1; vgl. BSchG. §• 59 Nr. 1. «Nr.2in(JÜb.Art.31 Abs. 1) HGB. und BSchG. a. a. O. 6 Nr. 3 in (JÜb. a. a. O.) HGB. und BSchG. .a. a. O. «Nr. 4 in (JÜb.) HGB. und BSchG. a. a. O. (Gefahren des Bruchs, Rostes, inneren Verderbs, außergewöhnlicher Leckage u. dgl.).

Kap. ITT.

672

Die Handelsgeschäfte.

der Tiere für diese verbundenen Gefahr?) ober bei begleiteten

Gütern für Schaden, für dessen Abwmdung die Begleitung sorgen sollte?) Juristisch interessant ist dabei, daß für alle diese Fälle zugleich eine Rechtsvermutung gilt, nämlich

die, daß ein

eingetretener Schaden, wenn er aus der von der Eisenbahn nicht übernommenen Gefahr mtstehen konnte, aus derselben

wirklich entstanden ist.

Diese Vermutung schließt ben Be­

weis des Gegenteils seitens des Absenders jedoch nicht aus?) und es kann die bedungme Befreiung von der Haftpflicht insbesondere dann nicht geltend gemacht werden, wenn vom

Absender nachgewiesen ist, daß der Schaden

durch Ver­

schulden der Bahnverwaltung oder ihrer Leute verursacht wurde?)

VI. Auch daS von Passagieren im Personenverkehrs der

Eisenbahnen

mitgeführte Reisegepäck

gilt als

Frachtgut,

wenngleich nicht in offen Beziehungen; es ist zu unter­ scheiden zwischen dem von den Passagieren zum Transport

aufgegebenm Gute,

dessen Empfang

die Bahnverwaltung

durch einen Schein („Gepäckzettel") bestätigt, d. i. sogen. Paffagiergut, und

jenem Reisegepäck,

welches nicht zum

Transporte aufgegeben, sondern von dem Reisenden unter seiner persönlichen Obhut gehalten

1 Nr. 5 in (JÜb.) HGB. und BSchG. a. a. O.„ »Nr. 6 in (JÜb.) HGB. und BSchG« a. a. O. 'HGB. §.459 Abs.2, JÜb. Art. 31 Abs. 1; BO. §. 77 Abs. 2. Hiezu vgl. aber ROHG. Bd. 9 S. 338, Bd. 12 S. 24, Bd. 15

und im Personenwagen

S. 90. auch Bd.6S.176. Bd. 17 S. 302 ff. (Gegenbeweis). 4 HGB. §. 459 Abs. 3, JUb. Art. 29 ;VO. 8-77 Abs. 3. Vgl. ROHG. Bd. 12 S. 254, Bd. 13 S. 399, Bd. 15 S. 84, Bd. 20 S. 238.

Bon der Beförderung von Gütern ic.

§. 57.

673

mitgeführt wird, sogen. Handgepäck; ftir den Verlust oder die Beschädigung des letzteren (sowie von Gegenständm,

welche in beförderten Fahrzeugm, z. B. Chaisen, Fahrrad»

laschen, belasten sind, haftet die Eisenbahn nur, wenn ein

Verschulden der Bahnverwaltung

oder

ihrer Leute

als

Grund des Schadms oder Verlustes nachgewiesen wird?) In betreff des (zur Beförderung aufgegebenen) Pastagier­ guts aber hat die Eisenbahn die Haftung wie für andere Fracht­

güter zu tragen, und nur eine zeitliche Begrenzung kommt ihr zu

gute, nämlich die, daß sie für Verlust nicht zu haften braucht,

wenn das Gepäck nicht binnen 8 Tagen abgefordert wird;

zudem kann die Verkehrsordnung bestimmen, daß die zu leistende Entschädigung einen von ihr festzustellenden Höchstbetrag — abgesehen von Fällen vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Schädigung — nicht übersteigen soll?) VII. Die Haftung der Eisenbahnm für Gewichtsverlust

ist in betreff solcher Güter, welche nach ihrer natürlichen

Beschaffenheit bei dem Transporte regelmäßig einen Verlust an Gewicht erleiden, insofern beschränkt, als dafür bis zu einem gewiffen aus der Verkehrsordnung sich ergebenden

Normalsatze

gar nicht

gehaftet

Schadensursache vorbehalten.

wird,

Gegmbeweis

der

Bei gänzlichem Verluste des

Gutes findet ein Abzug für Gewichtsverlust nicht statt.") 1 HGB. §. 465 Abs. 3; BO. §. 34 Abs. 5. 1 HGB. §. 465 Abs. 1 u. 2: BO. §§. 30—37. 3 HGB. §. 460. Nach der BO. §. 78 Abs. 2 beträgt der Normalsah 2 Prozent bei flüssigen und feuchten, sowie bei nach­ stehenden trockenen Gütern: geGarei v, Handelsrecht.

6. Aufl.

raspelte und gemahlene Farb­ hölzer, Rinden, Wurzeln, Süß­ holz, geschnittenen Tabak, Fett­ waren, Seifen und harte Ole, frische Früchte, frische Tabak­ blätter, Schafwolle, Häute, Felle, Leder, getrocknetes und gebackenes Obst, Tierflechsen, Hörner und Klauen, Knochen, getrocknete 43

674

Kap. HI.

Die Handelsgeschäfte.

VUI. Die vertragsmäßige Einschränkung der Höhe deS

Schadensersatzes auf Maximalsätze im voraus ist den Eisen-

bahnm nur unter ganz besonderen Verhältnissen gestattet: sie können in besonderen Bedingungm (Ausnahmetarifen) einen im Falle des Verlustes oder der Beschädigung zu

erstattenden Höchstbetrag festsetzen, sofern diese Ausnahme­ tarife veröffentlicht werden, eine Preisermäßigung für die ganze Beförderung gegenüber dm gewöhnlichen Tarifen der

Eismbahn enthalten und der gleiche Höchstbetrag auf die ganze Beförderungsstrecke Anwendung

für den Fall des Verlustes

findet.

Inwieweit

oder der Beschädigung von

Kostbarkeiten, Kunstgegenständen, Geld und Wertpapieren *) die zu leistende Entschädigung auf einen Höchstbetrag be­ schränkt werdm kann, bestimmt die Eisenbahnverkehrsordnung.

Aber in keinem Falle kann die Beschränkung

auf einen

Maximalbetrag geltmd gemacht werden, wenn der Schaden

durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Eisenbahn her­ beigeführt ist?)

IX. Die Eisenbahnm müssen für rechtzeitige Ab­ lieferung, für Einhaltung der Lieferfrist haften; die Lieferlische, Hopfen, frische Kitte.! Zei allen übrigen trockenen ] Gütern, ~ welche ihrer -------natürlichen ’?fe Dinge Beschaffenheit nach GewichtsVerlust erleiden, beträgt der Normalsaü 1 Prozent (DO. a. a. O. Abs. 8). Der Normalsah wird, falls mehrere Stücke auf denselben Frachtbrief befördert werden, für jedes Stück besonders I berechnet, wenn das Gewicht der i einzelnen Stücke im Fracht- I Briefe verzeichnet ist oder sonst : festgestellt werden kann. !

1 Nach den Ausführunasbestimmungen jum Berner Hüb. sind von diese der BeFörderungj im internationalen r ", ausgeschlossen v ___ Verkehr (RGBl. 1892 S. 874); dagegen sind sie im inneren deutsche!: Verkehre bedingungsweise zur Beförderung zugelassen. BO. §. 50 (RGBl, 1892 S. 942). 2 HGB. §§.461,462. „Inter­ esseversicherung" ist in diesen Fällen ausgeschlossen (s. HGB. §. 463 Abs. 2).

Don der Beförderung von Gütern rc.

675

§. 57.

fristen sind durch die Tarife zu veröffentlichm und dürfen die von der Verkehrsordnung aufgestellten Maximalfristm

nicht überschreiten; diese sind a) für Eilgüter:

1 Tag

Expeditionsfrist und 1 Tag Transportfrist ftir je auch nut angefangene 300 Kilometer; b) für Frachtgüter: 2 Tage Expeditionsfristund 1 Tag bei einer Entfernung bis zu lOO Kilo­

meter und bei größeren Entfernungen für je auch nur ange­

fangene weitere 200 Kilometer; für die Einhaltung dieser Fristm haften die Eismbahnen nach dem von dem Berner Vertrag *) eingeführten Grundsätze, dm die Verkehrsordnung und nun auch das Gesetzt) als durch Vertrag unabänderbar ange-

nommm habm, schlechthin und habm nur dm Entlastungs-beweis, daß die Verspätung von einem Ereignisse herrührt,

welches sie weder herbeigeführt habm, noch abzuwendm vermochtm;

aber sie brauchm dm durch die Lieferfristver­

säumung verursachtm Schadm nur insoweit zu crsetzm, als

er den im Frachtbriefe, Gepäck- oder Beförderungsschein als Interesse an der Lieferung nach Maßgabe der Verkehrs­

ordnung angegebmm Betrag und in Ermangelung einer

solchm Angabe dm Betrag der Fracht nicht übersteigt.

Für

das Reisegepäck kann an Stelle der Fracht durch die Eism-

bahnverkehrsordnung

werden?)

ein

anderer Höchstbetrag

bestimmt

Inwieweit ohne dm Nachweis eines Schadms

eine Vergütung zu gewährm ist, bestimmt die Eismbahn-

verkehrsordnung?)

Der Ersatz des vollm Schadms kann

1 JÜb.Art. 39. ’ BO. §§. 63, 86; HEB. §. 466. 3 In der Regel höchstens 20 Pfennig für Tag, Versäum­ nis und Kilogramm Gepäck. BO. §. 36.

4 Nämlich DO. §. 87. Es find hienach nur Bruchteile der Fracht oder — äußerstenfalls — die ganze Fracht, welche als Schadensersatz zu gewähren find.

Kap. HL Die Handelsgeschäfte.

676

gefordert werdm, wenn die Versäumung der Lieferfrist durch

Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Eisenbahn herbeigeführt wordm ist, was ihr aber bewiesen werdm müßte. X. Zu Gunstm der Eismbahnen ist bestimmt, daß

wegm einer Beschädigung oder Mindemng, die bei der An­

nahme des Gutes durch dm Empfänger äußerlich nicht er-

kmnbar ist, Ansprüche nach HGB §. 438, Abs. 3 (siehe obm §• 56 II S. 657 bei Anm. 1, 2) nur geltend ge­

macht werden können, wenn binnen einer Woche nach der Annahme zur Feststellung des Mangels mtweder bei Ge­ wicht^) die Besichtigung des Gutes durch Sachverständige

oder schriftlich bei der Eisenbahn eine von liefen nach den Vorschriften der Eismbahnverkehrsordnung2) vorzunehmende Untersuchung beantragt wird; auf diese Vorschrift kann sich

aber die Eisenbahn nicht berufen, wenn sie dm Schaden durch Vorsatz oder grobfahrlässig herbeigeführt hat?) Ausgeschlosim ist jede Haftpflicht der Eismbahn auf Grund

eines Frachtvertrags, bei welchem Gegenstände, die von der Beförderung ausgeschloffen oder nur bedingungsweise zugelaffen sind, unter unrichtiger oder ungenauer Bezeichnung

eingeschmuggelt sehenen

solche Gegmstände vorge-

oder die für

Sicherheitsmaßregeln

vom

Absmder

unterlaffen

wurden?) XI.

Eigentümliche Normen

sind erforderlich für die

Fälle des Transports durch mehrere anschließmde Bahnen und des nur teilweise durch Eisenbahnen zu vollziehmden

Transports. 1 EPO. §. 488 (neu). 8 BO. §§. 71, 72, 90.

I '

8 HGB. §. 464. 4 HGB. §. 467.

Don der Beförderung von Gütern ic.

8- 57.

677

Im ersteren Falle hastm nicht sämtliche Eisen­ bahnen, welche das Gut auf Gmnd desselben Fracht­

briefs übernommen haben, als Frachtführer für den ganzen

Transport, sondern

es

sönnen

die Ansprüche aus

dem

Frachtvertrag, unbeschadet des Rückgriffs der Bahnm unter­

einander, im Wege der Klage nur gegen

die erste Bahn

und diejenige Bahn, welche das Gut mit dem Frachtbriefe

zuletzt übernommen hat, oder diejenige der übrigm in der

Mitte liegenden Eisenbahnen erhoben werden, welcher nach­

gewiesen wird, daß der Schaden auf ihr er Streckesich ereignet hat.

Dieses ist kraft des internationalen Über­

einkommens allgemeines Recht geworden für den ganzen Umkreis der nach dem Übereinkommen befördernden Bahnm;

in dieser Haftungsbeschränkung übemehmm

Centralamte in Bern

angemeldetm

alle bei dem

mropäischm Bahnen

Transporte auf Gmnd je eines durchgehenden Frachtbriefs (also mittels eines einzigen Vertragsabschlufles) und zwar,

wenn sie einmal beigetreten sind, obligatorisch. Unter den bezeichnetm Bahnen steht dem Kläger die

Wahl zu; das

Wahlrecht erlischt mit der Erhebung der

Klage. Im Wege der Widerklage

oder

mittels Aufrechnung

tönnen Ansprüche aus dem Frachtvertrag auch gegen eine andere als die bezeichneten Bahnm geltend gemacht werden,

wenn die Klage sich

auf denselben Frachtvertrag gründet.

Ist auf dem Frachtbrief als Ort der Abliefemng ein Ort bezeichnet, der nicht an der Eismbahn liegt,

kann be-

dungm roerben, daß die Haftpflicht der Eisenbahn oder der Eismbahnm als Frachtführer nicht für den ganzen Trans­

port bis zum Ort der Abliefemng, fonbent nur für den

Aap. HL Die Handelsgeschäfte.

678

Transport bis zu dem Orte bestehe, wo der Transport mittels der Eisenbahn enden soll,

auf die Weiterbeförderung

nur

und in Bezug

die Verpflichtungen

des

Spediteurs eintreten?)

XU. Die Ansprüche gegen die Eisenbahnen wegen Ver­

lust, Verminderung, Beschädigung oder verspäteter Abliefe­ rung

verjähren

wie die

einem Jahre?)

gegen

andere Frachtführer

in

Diese einjährige Verjährungsfrist wird

durch das neue HGB?) auf zwei andere Fälle in An­ wendung gebracht, den Fall

von Ansprüchen der Eisen­

bahnen auf Nachzahlung und auf den Fall von Ansprüchen

gegen die Eisenbahnen auf Rückerstattung; für den letzteren Fall ist gesetzlich eine eigentümliche Art der Hemmung der Verjährung angeordnet/)

6. Von der Personenbeförderung durch die Eisenbahnen. 1 So übereinstimmend JÜb. Art. 27, 28, 47; VO. §. 74; HGB. §. 469. * HGB. §§. 439, 414. 8 Ansprüche der Eisenbahn auf Nachzahlung zu wenig erhobener Fracht oder Gebühren, sowie Ansprüche gegen die Eisenbahn auf Rückerstattung zu viel er­ hobener Fracht oder Gebühren verjähren in einem Jahre, sofern der Anspruch auf eine unrichtige Anwendung der Tarife oder aus Fehler bei der Berechnung ge­ stützt wird. Die Verjährung be­ ginnt mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Zahlung erfolgt ist. HGB. §. 470 Abs. 1. 4 Die Verjährung des An­ spruchs auf Rückerstattung zu viel erhobener Fracht oder Ge­

bühren, sowie die Verjährung der imHGB. §.439 Sah 1 bezeichneten Ansprüche wird durch die schrift­ liche Anmeldung des Anspruchs bei der Eisenbahn gehemmt. Er­ geht auf die Anmeldung ein ab­ schlägiger Bescheid, so beginnt der Lauf der Verjährungsfrist wieder mit dem Tage, an wel­ chem die Eisenbahn ihre Ent­ scheidung dem Anmeldenden schriftlich bekannt macht und ihm die der Anmeldung etwa angeschlossenen Beweisstücke zu­ rückstellt. Weitere Gesuche, die an die Eisenbahn oder an die vorgesetzten Behörden gerichtet werden, bewirken keine Hemmung der Verjährung. HGB. ß. 470 Abs. 2.

Don der Beförderung von Gütern rc.

§. 67.

679

Die Übernahme der Beförderung von Personen kann

dm Gegmstand eines Handelsgewerbebetriebes bildm, wenn sie seitens einer hiezu bestimmten Anstalt erfolgt; die dem öffent­ lichen Verkehre dienenden Eisenbahnen sind solche Anstalten,

ihr in der gewerbsmäßigen Übernahme der Personenbeförderung

liegender Gewerbebetrieb ist Handelsgewerbebetrieb;

durch das Handelsgesetzbuch

wird

die Eisenbahnverkehrs­

ordnung delegationsweise hinsichtlich der Personenbefördemng zur Rechtsquelle, zum Gesetz erhoben, dergestalt, daß civilprozeffual die Revision gegen ein Endurteil auch darauf ge­ stützt werden

kann, daß die Entscheidung

auf

der Ver­

letzung einer Vorschrift der Eisenbahnverkehrsordnung beruhe.*) Die Übernahme der Befördemng geschieht im Abschlüsse

deS Beförderungsvertrages, welcher durch die Ausgabe der Fahrkarte einerseits und den Erwerb derselben andererseits

abgeschlossen wird. forderliche Fahrkarte

Die in den regelmäßigen Fällen er­ ist zunächst ein Jnhaberpapier, ein

Legitimationszeichen/) welches ersehen läßt, daß der Aus­ steller desselben, nämlich die Eisenbahn, dem Inhaber zu

einer Leistung, nämlich zur Einräumung eines Platzes in dem nach Gattung und Richtung näher bezeichneten Eism-

bahnzuge und zur zweckentsprechenden Fortbewegung dieses

Zuges, verpflichtet sein will; die Eisenbahn ist, wenn Natur­ ereignisse oder andere Umstände die Fahrt auf einer Strecke der Bahn verhindem, verpflichtet, für die Weiterbeförderung

1 CPO. §. 549 mit HGB. I gitimationszeichen f. BGB. ß.793 §. 472. ! Abs. 1, 807. S. unten S. 771, 1 DO- §§. 12—14; über Le- i 772.

680

Kap. in.

Die Handelsgeschäfte.

bis zur fahrbaren Strecke mittels anderer Fahrgelegenheiten

thunlichst zu sorgen; die hiedurch entstehenden Kosten sind aber der Eismbahn abzüglich des Fahrgeldes für die nicht­

durchfahrene Eisenbahnstrecke zu erstatten; bei gänzlichem oder teilweisem Ausfallen einer Fahrt sind die für diese mit Fahr­

karten versehenen Reisenden berechtigt, entweder das Fahrgeld für die nicht durchfahrene Strecke zurückzuverlangen oder die Befördemng mit dem nächsten auf der gleichen (oder auf

einer um nicht mehr als ein Vierteil weiteren) Strecke derselben Bahn nach dem Bestimmungsorte führenden Zuge ohne Preiszuschlag zu verlangen, sofern dies ohne Über­

lastung des Zuges und nach dm Betriebseinrichtungen mög­ lich ist und der Zug auf der betreffenden Unterwegsstation fahrplanmäßig hält.

Für den Ersatz des aus Verspätung

der Abfahrt oder der Ankunft

der

mtspringenden

Züge

Schadms haftet die Bahn — abgesehen von absichtlicher Schädigung — nicht; wird infolge der Verspätung ein Anschluß

an einen andern Zug versäumt, so findet unter Umständen *)

ein Ersatz von Fahrgeld statt. Die Gegenleistung

für die von der Eisenbahn

über­

nommene Personenbeförderung ist die gegen Verabfolgung

der erwähnten Fahrkarte zu leistende Zahlung des Fahr­ preises; doch sind Kinder

unter Umständen1 2)

Umständen zu ermäßigten Fahrpreisen

zu

frei, unter

befördern.

näheren Bedingungen der Beförderung läßt

Die

teils die Ver­

kehrsordnung,teils der Aufdruck der Fahrkarten, z. B. die Klausel der Nichtübertragbarkeit bei Rückfahrkarten, das Er­

fordernis der sog. Platzkarte in gewiffen Zügen, ersehen. Daß 1 DO. §. 26. 2 DO. §. 11 Abs. 2.

i I

3 BL. §§. 10-29.

Vom BinnenschiffahrtSrechte.

A. 58.

681

die Eisenbahn bei körperlicher Verletzung eines Reisenden im Betriebe ihres Beförderungsgewerbes haftpflichtig ist, folgt nicht aus dem Beförderungsvertrage, sondern aus dem Gesetze, welches die Schadensersatzverbindlichkeit ohne Rücksicht auf ein Dertragsverhältnis auferlegt?) Hinsichtlich des Reisegepäcks siehe oben VI S. 672 f.

§. 58. 8. Dom Vinnenschlffahrtsrechte. I. Der Begriff Frachtführer umfaßt auch denjenigen, der es gewerbsmäßig übernimmt, die Beförderung von Gütern auf Flüffen oder sonstigen Binnengewässern auszuführen; auf die bei einer solchen Güterbeförderung vorkommenden Verhältnisse finden daher auch die hauptsächlichsten Grund­ sätze des Frachtführerrechts Anwendung, daneben aber auch noch andere Vorschriften; letztere sind in Deutschland durch ein besonderes Gesetzt) aufgestellt worden, welches eine An­ zahl von seerechtlichen Grundsätzen auf das Binnenschiffahrts­ recht überträgt?) Dies gilt vor allem von dem Grundsätze 1 Ges. betr. die Verbindlichkeit zum Schadensersatz sür die beim Betriebe von Eisenbahnen u. s. w. berbeigesührten Tötungen und Körperverletzungen v. 7. Juni 1871 §§. 1, 3 ff. 2 RGes. betr. d.privatrechtlichen Verhältnisse d. Binnenschiffahrt, vom 15. Juni 1895 (RGBl. S. 301); dieses ist abgeändert durch das Eins.G. zum HGB. Art. 12 I—XXII, vom 10. Mai 1897; der hienach neu gefaßte Text ist unterm 20. Mar 1898 veröffentlicht im RGBl. 1898

Nr. 25 (S. 369 ff.) S. 868 bis 903. Kommentare zu diesem RGes.findvonFörtsch, Land­ graf, Mittelstein u. Gold­ man n (1896) herausgegeben. Dgl. Cosack, Lehrb. §§. 37, 94 (S. 180—184, 476—480); über die Binnenschiffahrt fiehe auch Stoerk im Handwörterbuch der Staatswissenschaften, herausaeg. von Conrad, Elster, Lexrs, Loening, II Supplementbd. S. 195 ff. 8 Da diese Grundsätze sich ge­ schichtlich im Seehandelsverkehr

682

Kap. m. Die HandrlSgeschäste.

der beschränktm Haftung deS Schiffseigners, analog dem Prinzip der Haftung deS Reeders mit der Fortune de mer,1) von der Vertretung der Schiffsmannschaft durch dm Reeder2)

(Schiffseigner) und des letzterm durch den Schiffers) von

der Haverei/) vom Zusammenstoß von Schiffm, Bergung und Hilfeleistung") und vom Schiffsgläubigerrecht.")

An

dieser Stelle ist nur auf die Besonderheiten des Fracht­

geschäfts der Binnmschiffahrt aufmerksam zu machm. n. Auf dm Abschluß des Frachtvertrags im Binnen­ schiffahrtsbetriebe wirkt sowohl die Regelung des gewöhn­ lichen (Land-)Frachtgeschäfts, wie die des SeefrachtgeschästS ein, ersteres — welches zunächst allgemein auf den Sinnen«

schiffahrtSftachtvertrag angewandt sein will7) —, insofern eS dm Frachtführer ermächtigt, die Ausstellung eines Fracht­

briefs vom Absmder zu verlangen/) letzteres, insofern eS dm Absender ermächtigt, die Ausstellung eines Ladescheins

(Flußkonnoffemmt) vom Absender zu verlangen;") ist ein Ladeschein ausgestellt, so richtm sich alle davon berührten

Verhältniffe entsprechend nach dem Rechte desKonnoffemmts ;10) entwickelt haben, ist ihrer syste­ matisch im Abschnitt über SeehandelSrecht zu gedenken; hier ist eine Übersicht des Inhalts an­ gebracht. 1 BSchG. §. 4, vgl. unten §. HO. 8 BSchG. 8.3, s. unten §.110. 8 BSchG. §§. 7 ff., s. unten §. 111. 4 BSchG. 88- 78-91, s. unten §. 115. 6 BSchG. 88- 92-101, siehe unten 8- 116. 8 BtzchG. 8- 102-116, siehe unten §. 117.

7 BSchG. 8-26 in der Fassung nach dem Einf.G. zum HGB. Art. 12 I. 8 BSchG. 8- 26 mit HGB. 8- 426, s. oben 8- 56 S. 641. 9 BSchG. 8- 72; vgl. HGB. 8- 642 (Konnossement), s. unten 8. 112. Aber es hängt von der Vereinbarung ab, ob das Fluß­ konnossement an die Order ge­ stellt, auch ob es in mehreren Exemplaren ausgestellt werden soll. 10 Auch die Berechtigung, über das Gut schon vor der Ankunft desselben am Ablieferungsorte

Dom BinnenschiffahrtSrechtr. andernfalls scheidend;

ist

das

gewöhnliche

ß. 58.

683

(Land-)Frachtrecht ent­

in beidm Fällen jedoch nicht ohne einzelne Ab­

weichungen.

in. Der Frachtvertrag ist auch hier wie im Seehandels­ verkehr entweder a) Charterung,

d. i. Befrachtung des

Schiffs im ganzen (Vollcharterung) oder eines verhältnis­ mäßigen Teiles desselbm (Teilcharterung) oder eines be­ stimmt bezeichneten Raumes des Schiffs (Raumcharterung) oder b) Stückgütervertrag (siehe unten § 112). Aber wenn

ein einziger Frachtvertrag der letztgenannten Art Stückgüter im Gewichte von 10000 Kilogramm oder mehr zumGegm-

stande hat, so finden in Bezug auf Ladezeit, Fautfracht, Wiederausladebegehr, Löschzeit und Überliegezeit die Grund­ sätze von der Chartemng Anwendung;') diese sind im all­

gemeinen die seehandelsrechtlichm, Bei Schiffen,

aber mit Ausnahmm.

welche nur zu Fahrten innerhalb desselbm

Ortes bestimmt sind, findm auf das Rechtsverhältnis des Schiffers, sowie auf die Beförderung von Gütem dieselben*) keine Anwmdung, und durch die Landesregiemngm kann

bestimmt werdm, daß Fahrtm zwischen bmachbarten Orten der Fahrt innerhalb desselben Ortes gleichstehen. zu verfügen, wie der berechtigte (BSchG. §.131 Abs. 1.) Jedoch auf Inhaber aller Exemplare des Schiffahrtsbetriebe, welche im Konnossements sie hat, steht dem Anschlüsse an den Eisenbahn­ legitimierten Inhaber des Lade­ verkehr geführt werden und der scheins nun zu, eine Neuerung, staatlichen Eisenbahnaussichts­ auf welche Co sa ck, Lehrb. S. 477 behörde unterstellt sind, finden bis 478, aufmerksam macht. die vorhergehendenBestimmungen HGB. §. 447, BSchG. §. 26. des BSchG. keine Anwendung. 1 BSchG. §§. 38 , 53 mit DaS Gleiche gilt bezüglich des Betriebes von Fähranstalten, so­ 47-52. * Nämlich die Bestimmungen weit nicht der Betrieb mittels frei in BSchG.Z. 8 Abs.4, §§. 15 bis schwimmender Schiffe stattfindet. 19, 27-57 und 72 Abs. 1. BSchG. §. 131 Abs. 2, 3.

Kap. HL

684

Die Handelsgeschäfte.

IV. Bei der Vollcharterung hat der Frachtführer, näm­

lich der Flußschiffer, das Schiff zur Einnahme der Ladung an dm vom Absmder ihm angewiesenm Platz hinzulegm;

weist der Absmder feinen Platz

an,

oder gestatten

die

Wafferverhältniffe oder Einrichtungen nicht die Befolgung

der Anweisung, so kann der Frachtführer, falls nicht der

Absmder unverzüglich einen geeigneten Ladeplatz bezeichnet,

an

einem der ortsüblichen Ladeplätze

anlegm;

an

ver-

schiedmm Ladeplätzm Verladungen vorzunehmen, ist der Frachtführer nur auf Grund besonderer Vereinbarung ver­

pflichtet ; *) mangels anderweiter Vereinbarung muß der Ab­

sender gepackte Güter nicht bloß an, sondem

auf das

Schiff liefern, lose Güter sogar i n das Schiff, wogegen dem Frachtführer die weitere Verladung (Verstauung) der Güter

zukommt?) V. Die Ladezeit, welche auch hiera) mit dm» auf die

Anzeige der Ladebereitschaft folgenden Tage beginnt, und die Löschzeit, welche mit dem auf die Anzeige der Lösch­

bereitschaft folgmden Tage ihren Anfang nimmt, sind bei der Charterung

in Ermangelung von Vertragsfestsetzungm

oder Regierungsanordnungen nicht durch den Ortsgebrauch,

sondem durch das Gesetz bemeffen, und zwar zwischm zwei

und achtzehn bezw. (Löschzeit) sechzehn Tagen je nach dem Gewichte der Güter?) ' mit 1 mit 1 mit 4

BSchG. §. 27, HGÄ. §. 560. BSchG. §. 41, HGB. §. 561. BSchG- §. 29, HGÄ. §. 567. BSchG. §§. 29,

Auch das Liegegeld wird in Er-

verglichen ! j verglichen \ j verglichen ; | 48. Mit |

dem„Ablause dcrsLadezeit beginnt die Uberliegezeit, wenn eine solche vereinbart ist; sie dauert im Zweifel so lange wie die Ladezeit, aber nicht länger als eine Woche, wenn nichts anderes vereinbart ist.

Vom BinnenschisfahrtSrechte.

g, 58.

685

mangelung vertragsmäßiger Festsetzung oder einer Regie­

rungsanordnung durch das Gesetz') bestimmt.

VI. Die Haftungspflichten des Flußschiffers sind 1. grundsätzlich wie die des (Land-)Frachtführers

be-

meffen, können aber 2. durch Vertrag reguliert werden. 3. Eigenartig ist,

daß in gesetzlich bestimmten Fällen,

welche denen ähnlich sind, in welchen die Eisenbahnm ge­

setzlich

für Verlust nicht zu haftm brauchen, der Fluß­

frachtführer ebenfalls nicht zu haften braucht;1 2)* *auch die im Eisenbahnfrachtrechte für diese Fälle bestehmde Vermutung der Schadensursache gilt entsprechend im Flußfrachtrecht;8)

aber ein als Ursache des Schadens nachgewiesmes Verschuldm

des Frachtführers oder seiner Leute schließt die Befreiung von der Haftung für den Ersatz aus.

4. Eigenartig ist ferner, daß die Centralbehördm der Bundesstaaten — und bei den die Gebiete mehrerer Bundes-

staatm berührenden Wafferstraßen der Bundesrat — befugt sind, für gewisse Güter zu bestimmen, daß für ein Minder­

gewicht oder ein Mindermaß,

das einhalb vom Hundert

nicht übersteigt, der Frachtführer nicht verantwortlich sein

soll, es sei denn, daß ihm nachweisbar ein Verschuldm zur Last fällt. Sind lose geladene Güter von gleichartiger Beschaffen-

heit für verschiedene Empfänger an Bord, ohne daß die einzelnen Partiem durch dichte Wände getrennt lagern, so ist 1 BSchG. §. 32. I » BSchG. §. 59 Abs. 2; vgl. ' BSchG. §. 59 Nr. 1—5,! mit HGB.ß. 459 Abs. 2; s. oben verglichen mit HGB. §. 459 §. 57 S. 672. Nr. 1-5, f. oben §. 57 S. 673.

686

Kap. HI.

Die Handelsgeschäfte.

das Mindergewicht oder das Mindermaß und ebenso etwaiges

Übergewicht oder Übermaß unter die einzelnen Empfänger nach dem Verhältnis der für sie bestimmten Mmgm zu verteilen?)

5. Ist ein Ladeschein ausgestellt, und übernimmt der Flußfrachtführer Güter, beren Beschädigung, schlechte Be­ schaffenheit oder mangelhafte Verpackung bei der Verladung

äußerlich erkennbar ist, so hat er dm Mangel im Lade­ schein zu vermerkm, widrigmfalls er dem Empfänger für

den aus dem Mangel sich ergebmdm Minderwert der Güter verantwortlich ist;

im übrigen haftet er für die Richtig­

keit der im Ladeschein mthaltenm Bezeichnung der Zahl,

des Maßes oder des Gewichts

der verladmm Güter, es

sei benn, daß durch dm Zusatz: „Zahl, Maß, Gewicht un­

bekannt" oder durch einen gleichbedeutenden Vermerk ersicht­ lich gemacht ist, daß die Güter dem Frachtführer nicht zu­

gezählt, zugemeffm oder zugewogen sind;1 2) er haftet für die Richtigkeit der im Ladeschein mthaltenm Bezeichnung der

Güter, sofern er nicht beweist, daß die Unrichtigkeit der Be­

zeichnung bei Anwendung der Sorgfalt eines gewöhnlichen Frachtführers nicht zu erkmnm war.

Sind dem Frachtführer die Güter in Verpackung oder

in geschloffmen Gefäßm übergebm, und ist dies aus dem

Ladescheine zu ersehm, so trifft dm Frachtführer keine Ver1 BSchG. §. 60. » BSchG. §. 73 Slbs. I. — Einen solchen Zusah darf er aber im Ladeschein nicht machen, wenn sich der Absender bereit erklärt, die Zumeffung, Zu­ zählung oder Zuwregung der Güter auf seine Kosten vornehmen zu laffen, und in jedem Falle

bleibt eS (nach §. 60 d. BSchG.) bis zum nachgewiesenen Der« schulden bei der von den Central­ behörden etwa zugestandenen Be­ freiung von der Haftung für gewifle Masi- und Gewichts­ verluste. BSchG. §. 73, Abs. 2 11. 3.

Dom Binnenschiffahrtsrechte.

§. 58.

687

antwortlichkeit für die richtige Bezeichnung des Inhalt-, eS

sei denn, daß

ihm eine bösliche Handlungsweise nachge­

wiesen wird?) VH. Der Anspruch des Flußfrachtführers auf Zahlung der Fracht richtet sich nach den entsprechenden seefrachtrecht-

lichen Grundsätzen,?)

das Frachtführerpfandrecht aber nach

Landfrachtrecht?)

VIII. Der Flußfrachtvertrag wird aufgelöst 1. durch willkürlichen Rücktritt des Absenders vor An­ tritt der Reise (bezw. vor Verladung), wobei der Absender entschädigungspflichtig roirb;41)* * * 8

2. durch einen aus einem gesetzlich, wie im Landfracht­

recht, anerkannten Grunde erfolgenden Rücktritt eines der Kontrahenten?) 3. Gesetzlich tritt, wenn der Antritt der Reise durch

Zufall dauernd verhindert wird, der Frachtvertrag außer Kraft, ohne daß der eine Teil zur Entschädigung des anderen verpflichtet ist?) 1 BSchG. §. 75. In den er­ wähnten Fällen (deS §. 73 Ab­ satz 1 und des §. 74) beschränkt sich die Haftung des Fracht­ führers auf den Ersatz des Minder­ werts, welcher aus der Nicht­ übereinstimmung der Güter mit der im Ladeschein enthaltenen Bezeichnung sich ergiebt. Fällt dem Frachtführer eine bösliche Handlungsweise zur Last, so hat er den vollen Schaden zu ersetzen. 8 So entspricht BSchG. §. 63 aung v. 20. Mai 1898) ). SS- 620, 656 (Berechnung ber Fracht); BSchG- §. 64 HGB. §. 630 (Distanzfracht);

BSchG. §. 65 HGB. §. 618 (Fracht für gestorbene Tiere u. dergl.); Abweichungen vom Seerecht hebt Co sack, Lehrbuch S. 480 Abs. 2, 6, 8, hervor. 8 Es gilt dafür nach BSchG. §. 26, HGB. §. 440, nicht HGB. 8§- 623 ff. 4 Fautfracht ist bei Doll­ charterung ein Drittel, bei anderer Befrachtungsart die Hälfte der bedungenen Fracht. BSchG. §§. Ql QÖ Ost 8 BSchG. §§. 34 ff., 71, ver­ glichen mit HGB. §. 428. • BSchG. 8- 68: Als dau­ ernde Verhinderung ist es ins-

Kap. III.

688

Die Handelsgeschäfte.

4. Wird nach dem Antritt der Reise die Fortsetzung

derselben durch Zufall dauernd verhindert, so tritt der Fracht­ vertrag ebenfalls gesetzlich außer Kraft, aber für den zurück­ gelegten Teil der Reise ist 2)iftanäfradjtx) zu entrichten.

5. Aus der Thatsache, daß der Frachtführer überwintern

muß,

folgt ein gesetzliches Rücktrittsrecht des

Absenders

nicht?) §• 59.

9.

Vas verlagsgeschLst.3)

I. Urheberrecht und Verlagsrecht.

Der Urheber

(Autor) eines litterarischen Werkes (d. i. eines Schriftwerkes

einer musikalischen Komposition, eines dramatischen Werkes), sowie der eines Werkes der bildenden Künste, sowie auch

der Verfertiger einer photographischen Aufnahme genießen in Bezug auf ihre Werke das sogen. Urheberrecht, ein Jndivi-

dualitäts- oder Persönlichkeitsrecht/) welches je nach dem

Gegenstände des dadurch geschützten Interesses besondere anzusehen: 1. wenn das Schiff, mit welchem die Be­ förderung zu erfolgen hatte, ver­ loren geht oder derart beschädigt wird, daß die Reise nicht ohne eine umfassende Ausbesserung des Schiffs angetreten werden kann; als Ausbesserung dieser Art gilt namentlich eine solche, welche die vollständiae Löschung der Ladung notwendig macht; 2. wenn Die zu befördernden Güter verloren gehen, voraus­ gesetzt, daß sie nicht bloß nach Art und Gattung, sondern speciell im Frachtverträge be­ zeichnet oder bereits verladen

einen ver-

oder doch von dem Frachtführer übernommen waren. 1 BSchG. §§. 64, 69. 2 In diesem Falle ist der Ab­ sender zur Zurücknahme der Güter nur nach den Bestim­ mungen der §§. 36 bis 39 des BSchG., — s. oben bei Anm. 4 vorig. S. — berechtigt. 3 Litt.s. Cosack, Lehrb. §.83 S. 410, insbes. O. Wächter, DasBerlagsrecht,1857; K l o ft e r mann, Das geistige Eigen­ tum 1868 u. Dambach, Das Urheberrecht 1871. 4 S. oben §. 13 S. 84 ff., §. 19 S. 121 ff.

schiedenen Inhalt und Umfang hat; zu diesem Inhalte ge­ hört auch das Recht, das litterarische oder künstlerische Werk auf mechanischem Wege zu vervielfältigm und zu verbreiten, sowie ferner die Befugnis, eben dieses Recht einem Andern zu übertragen, und diese Befugnis heißt Verlagsrecht. Der Autor eines der genannten Werke hat demnach das Verlagsrecht daran. Er kann dasselbe dadurch ausüben, daß er das Recht und die Pflicht der Vervielfältigung und Verbreitung einem Anderen (Verleger genannt) auf immer oder auf mehr oder weniger bestimmt begrenzte Zeit überträgt, und diese Übertragung ist der wesentliche Inhalt des Vollverlagsver­ trages (des Verlagsvertrags im engeren Sinne). überträgt der Urheber nur das Recht ohne Verpflichtung zur Vervielfältigung oder ohne Verpflichtung zur Ver­ breitung oder ohne beides, oder schließt der Verleger einen überhaupt nur die Beschaffung eines litterarischen oder künstlerischen Erzeugnisses bezweckenden Vertrag ab, so fällt ein solcher Vertrag unter die Bezeichnung Derlagsvertrag im weiteren Sinne?) Andererseits giebt es aber auch Verlagsverträge, bei denen es sich um die Herausgabe und Verbreitung eines 1 In allen diesen Fällen ist : das Verlagsrecht nur ein Teil des Urheberrechts, und der Ur- ; Heber bleibt, selbst wenn er durch ' einen eigentlichen Verlagsvertrag : sein Werk für immer einem Verleger übertragen haben sollte, i noch stets der Urheber desselben mit rechtlicher Bedeutung; er kann verlangen, daß das Werk \ seinen Namen allein trage, er. SareiS, Handelsrecht. 6. Aufl.

hat die mit dem Werke verbundenen Ehrenrechte, Preise, Prü­ mien, Titel u. dergl. für sich in Anspruch zu nehmen, und sein Leben — nicht das des Verlegers — entscheidet über die Dauer des Urheberrechts, welches auch nach Abschluß des Verlagsvertrages noch Individualrtätsrecht des Urhebers bleibt. 44

nicht mehr oder überhaupt nicht gegen Nachdruck geschützten litterarischen oder künstlerischen Werkes handelt;*) den In­ teressenten einer solchen Herausgabe steht der Schutz gegen Nachdruck nicht oder nur in geringem Maße zur Seite,81) * * * * * * während in den anderen Fällen der privatrechtliche Schutz gegen Nachdruck, sowie die straftechtliche Verfolgung des unbefugten Nachdrucks dem Interessenten zustehen, dessen Interesse verletzt ist,8) möglicherweise dem Autor selbst, möglicherweise nur dem Verleger, möglicherweise beiden.*) Alle Arten von Verlagsgeschäften, demnach sowohl die Verlagsverttäge im engeren, als auch die im weiteren Sinne, sowie die bloß aus Vervielfältigung, sowie die bloß auf Ver­ breitung gerichteten $ ertrage können den Gegenstand eines Gewerbebetriebs bilden, der nach gesetzlicher Bestimmung als Handelsgewerbebetrieb gilt und den ihn gewerblich Be­ treibenden zum Kaufmanne macht;8) die einzelnen hiezu gehörigen Vetträge sind auch formlos abgeschlossen gültig.8) 1 Man denke an Verträge über Herausgabe von Goethes Werken, von Bismarcks politi­ schen Reden, von Homerischen Texten (f. Gar eis, HGB. S. 11 Anm. 16; Cosack, Lehrb.S.411 Nr. 2 b). 8 Man kann nicht einmal sagen, daß hiebei der Schuh gegen Nachdruck insoweit zu­ stehe, als eine eigene individuelle Thätigkeit vorliegt: denn die Geistesarbeit, die jemand auf die Auffindung deS echten Textes eines bereits längst publizierten Werkes verlegt, wird im echten Texte »war geschätzt aber nicht geschützt, denn dieser wird Ge­ meingut.

3 ROHG. Bd. 20 S. 380, Bd. 22 S. 37, 338. 4 Über das Verbot d. Nach­ drucks, sowie über die Folgen desselben, sowie über die Dauer des Urheberrechts s. die ein­ schlägigen Reichsgesehe vom 11. Juni 1870, 9. Januar 1876,10. Januar 1876. ROHG. Bd. 16 S. 220 ff. 6 HGB. 8- 1 Abs. 2 Nr. 8, hiezu Gareis, HGB. S. 11 bis 12. 6 Trotz Einf G. zum BGB. Art. 76; s. Cosack, Lehrb. §.24 S. 132 u. hlezu oben §. 41 S. 471, Anm. 2.

Da» BerlägsgeschSst.

§. 59.

691

n. Der Vollverlag?) 1. Pflichten des Urhebers: Der Urheber eines litterarischen oder künstlerischen Werkes u. s. w. (s. oben), welcher das Verlagsrecht daran durch einen Verlagsvertrag (im engerm Sinne) einem Verleger übertrug, ist demgemäß zur vertragsmäßigm Herstellung und Lieferung des der Vervielfältigung zu unterwerfmdm Werkes (Manuskriptes, Originales) verpflichtet. Liefert der Urheber das vertragsmäßig versprochene Werk nicht oder nicht recht­ zeitig oder nicht richtig u. s. w., so kann der Verleger auf das Jnteresie klagen. Liefert er das Werk zwar dem Ver­ leger, zugleich aber auch einem anderen, einem zweitm Ver­ leger, zur Vervielfältigung und Verbreitung, so macht fich der letztere, sowie auch der Urheber selbst, des verbotmm Nachdmcks schuldig, sofern eine Jnteresimkollision besteht. Keine Jntereffmkolliston liegt vor, wenn der Autor eines dramatischen Werkes die Auffühmng desselbm verschiedmm Bühnen oder verschiedmm Theaterdirektorm gestattet; „Verleger" ist alsdann, je nach dem Vertragswillm, ent» weder der Eigentümer der Bühne oder der Theaterdirektor persönlich?) Keine Jntereflmkollision liegt vielleicht je nach den Umständm des Falls auch dann vor, wmn der Urheber dem erstm Verleger die Herstellung einer sehr kost1 Preuß. ALR, I 11 §§. 996 Sb. 20 S. 27 ff. Jnterefla santes bis 1032; Osten. BGB. Material für viele Details» ragen §§. 1164; Bad.LR. §. 577 d. s. Da mb ach, Fünfzig Gutai ichten und Fuchsberger"Entsch. Sächs. BGB. Z. 1139ff. i. ' 3 _____ " V. d. 1 S. Leipziger Theaterprozeß | ROHG. u. das RGer. in Ur­ in ROHG. Bd. 20 S. 319 bis! heberrechtssachen Sb. VI d. 366 und die dort citierte Littera- Entsch. mit Supplement (1892. tut. Ferner ROHG. Bd. 23 i Gießen. Roth.) Ferner Opet, S. 359 ff. Hiezu über (örtlich)*1 Deutsches Theaterrecht (Berlin, .geteiltes Verlagsrecht" ROHG. ‘ 1897).

Kap. III. Die Handelsgeschäfte.

692

baren Prachtausgabe, dem zweiten die einer sehr billigen Volksausgabe übertragen hat.

Das Recht auf neue Auf­

lage für den Fall, daß die Zahl der in erster Auflage u. s. w. hergestellten Exemplare »ergriffen ist, bleibt im

Zweifel dem Urheber zur freien Verfügung.

2. Pflichten des Verlegers. gegenüber verpflichtet,

Dieser ist dem Urheber

das Werk so zu vervielfältigen und

nach Möglichkeit zu verbreiten (zu vertreiben), wie der Ver­

trag und die Handelssitte

es

Er ist

vorschreiben.

ver­

pflichtet, die ganze vereinbarte Auflage veriragsmäßig her­ zustellen und in den Buchhandel zu bringen, aber er darf die Anzahl der vertragsmäßig oder nach Handelssitte herzustellenden Exemplare nicht ohne Zustimmung des Autors überschreiten.')

Ist die Stärke der Auflage nicht ausdrück,

lich vereinbart, so bestimmt die Handelssitte die je nach den

Umständen,

der

Größe,

Kostspieligkeit,

Nützlichkeit

u. f. w. des Werkes ungemein verschiedene Anzahl der eine Auflage

bildenden Exemplare.

Ist das Verlagsrecht auf

Zeit übertragen, so fordert der gute Glaube, daß der Ver­ leger nur so viel Exemplare herftelle, als in der vereinbarten

Zeit vernünftigerweise in Verkehr gebracht

roerben können.

und verkauft

Zur Substitution ist der Verleger

im

Zweifel nicht befugt, doch geht das erworbene Verlagsrecht

auf die Geschäftserben des Verlegers über und kann vom Verleger auch unter Lebenden auf einen anderen Verleger

übertragen werden, jedoch nur in der Weise und mit der

1 RGef. v. 11. Juni 1870, ROHG. Bd. 17 S. 34, Bd. 20 betr. die Urheberrechte an Schrift- S. 39. Werken u. f. w. §. 5d. Hiezu

DaS DerlagSgefchSft. g. 59.

693

Wirkung einer cefsionsartigen Rechtsübertragung und einer Schuldübemahme (s. oben

§. 16 I 4 und

§. 15 LEI,

vgl. BGB. §§. 414 ff.).

Nicht wesentlich ist dem Berlagsvertrage die Verpflichtung

des Verlegers, an dm Urheber Honorar zu bezahlm, Frei­ exemplare oder andere Leistungm zu gewährm; sind der­

gleichen Verpflichtungen vereinbart, so hat sie der Verleger

genau dem Vertrage entsprechend zu erfüllen. III.

Andere Verlagsgeschäfte.

Der

Kom­

missionsverlagsvertrag besteht darin, daß der Ver­ leger (Kommissionsverleger)

nicht die Vervielfältigung des

Werkes auf eigene Rechnung übernimmt, sondern die Ver­ vielfältigung auf Rechnung des Autors oder seines ander­

weiten Rechtsnachfolgers geschieht, der Verleger aber dm

Vertrieb (die Verbreitung) der fettigen Exemplare — in

der Regel gegen prozentmäßige Vergütung nach Maßgabe

des wirklichen Verkaufs — übernimmt.

Recht und Pflicht

aus dem Kommissionsverlag ist wesmtlich nach den Grundsätzm der Verkaufskommission/) wenn auch durch Buch­ händlereinrichtungen

und Handelssitte modifiziert, zu be-

meffen.2) — Vom „Selbstverlag" wird gesprochen, wenn

der Urheber selbst das Werk auf seine Rechnung herstellt

und verbreitet. — Sortimentshandel heißt das Ver­ tragsverhältnis zwischen dem Verleger und jenen Buch­

oder Kunsthändlern, welchen der Verleger das von ihm ver1 Endemann, HR.4. Aufl. l übrigens die nicht ausdrücklich §. 199 HI und die dort cit. Litt. ' Beigetretenen mit insoweit binHauptver-­ btt, als sie wirklich der Buch*’ Dgl. die in der Hauptver sammlung deS Börsenvereins händlerfitte entspricht,! Cosack deutscher Buchhändler zu Leipzig Lehrbuch S. 416 vgl. ROHG. am 26. April 1891 angenom­ Bd. 18 S. 57. mene .Verkehrsordnung", welche

694

Kap. FH.

Die Handelsgeschäfte.

legte Werk in einer Anzahl von auf eigene oder des Ur­ hebers Rechnung hergestellten Exemplaren

Verkaufs

überschickt.

Das

zum Zwecke des

VertragsverhLltnis

ist

ein

handelsrechtliches und im Detail sehr verschiedenartig ge­ staltet, je nachdem die Verlagsartikel mit oder ohne Be­

stellung, auf feste Rechnung oder ä condition,

mit oder

ohne Rabatt u. bergt vom Verleger dem „Sortimenter" zugesandt werden?) — Die

„Kommissionäre" der Buch­

händler (insbes. in Berlin, Leipzig und Stuttgart) sind nicht Kommissionäre im Sinne des HBG?) sondern als Stell­ vertreter oder als Agenten anzusehen.

§. 60. 10.

Besondere Arbeitsgeschäste des Bankverkehrs.

Der Bankverkehr untersteht einigen besonderen Grund­ sätzen hinsichtlich:

1.

des

Depotgeschäfts;b)

dieses

ist

ein

Ver­

wahrungsvertrag im Sinne des bürgerlichen Rechts?) aber eigentümlich gestaltet, nicht bloß insofern sich die Regel der

Entgeltlichkeit^) im Anschluß an die für den gewöhnlichen

bürgerlichen Verkehr nur unter Umständen zu vermutende

Vereinbarung der Vergütung6) geltend macht, sondern auch

insofern mit der Aufbewahrungspflicht noch andere Ver­ bindlichkeiten des Verwahrers verknüpft sein können, ja in

den wichtigsten Fällen gesetzlich verknüpft sind. 1 Vgl. GZ. Bd. 12 S. 323; Wächter a. a. O. S. 489 ff.; Endemann, HR. §. 199 a.E.; Weidling, Das buchhändlerische Konditionsgeschäft 1885. 2 S. oben §. 51.

Es giebt

8 Litt.: Gg. Cohn im Hdbch. Bd. 3 S. 931 ff. * BGB. §§. 688 ff. R HGB. §. 354, s. oben §. 42 VIII S. 489. 6 BGB. §. 89.

Besondere Arbeitsgeschäste des Bankverkehrs.

g. 60.

695

nämlich zwei Arten des Depotgeschästs, und zwar — nach

dem Sprachgebrauche der Reichsbank —:

a) „verschlossene Depositen" und b) „offene Depots" von Wertpapieren.

Zu a. Reichsbank

die

Zu den von den Bankiers und auch von bet gewerbsmäßig

entgeltliche

betriebenen

Verwahrung

von

Geschäften

gehört

verschloffenen Paketen,

von deren Inhalt der Verwahrer keine Kenntnis nimmt.

Recht und Pflicht des Verwahrers und des Hinterlegers richten sich nach dem Vertrages und nach dem Gesetze,

welch' letzteres dem Verwahrer nicht die Gefahr des zu­

fälligen Untergangs,

sondern nur die Haftung für den

1 Nach den für den Geschäfts­ verkehr der Reichsbank maßaebenden Bestimmungen haftet Diese Bank vertragsmäßig für verschlossene Depositen höchstens bis zum Wertbetrage von fünf­ tausend Mark, außer wenn die­ selben zu einem höheren Werte angegeben und die hiefür be­ stimmte Versicherungsgebühr neben dem Lagergelde entrichtet ist; für höhere Gewalt oder inneren Verderb ist die Reichs­ bank in keinem Falle verant­ wortlich. Das Lagergeld wird inhaltlich derselben Bestimmun­ gen nach der räumlichen Aus­ dehnung und nach dem Gewicht des Depositums und für das Jahr berechnet. Depositen von mehr als 100 oder weniger als 15 cm Länge, Breite uno Höhe werden nicht angenommen. Die Versicherungsgebühr beträgt für jedes angefangene Tausend des über fünftausend Mark hinaus

angegebenen Mehrwerts 25 Pfen­ nig für das Jahr. In beiden Fällen läuft das Jahr vom Ta^e der Niederleaung ab, diesen eingerechnet. Laaergeld und Verficherungsgebühr sind bei der Niederlegung und sodann alljährlich im voraus zu ent­ richten. Bei nachträglicher Ver­ sicherung im Laufe des Depositionsjahrs ist für das letztere die volle Versicherungsgebühr zu zahlen, über die in Ver­ wahrung genommenen ver­ schlossenen Depositen stellt die Reichsbank Depositalscheine aus, sie darf daS Depositum an jeden Vorzeiger des Scheins ohne wei­ tere Prüfung seiner Legitimation oder der Echtheit und Gültigkeit der Quittung ausliesern. S. allgemeine Bestimmungen über den Geschäftsverkehr mit der Reichsbank Nr. All; (1898: Nr. XIII); ,. Koch, M. §. 69 S. 275—286.

708 einem

Kap. III.

Die Handelsgeschäfte.

Singularsuccessor desselben übertragen werden; *)

doch kann die Forderung des Versicherten gegen dm Ver­

sicherer bei Sachversicherungm nicht übertragen werben,

ohne daß der Successor in irgend eine ding­ liche Rechtsbeziehung zur versicherten Sache tritt,8) bei Personenversicherungen nicht ohne Über­ tragung der Police und nur mit Zulaffung der aus

der Person des ursprünglich Berechtigten abgeleitetm Ein­

reden auch gegen den späteren Erwerber.

Lautet die Police

„an Order", so ist das Forderungsrccht des Versicherungs­

nehmers durch Indossament übertragbar, so namentlich nach

dem HGB.8) die Transportversicherungspolicen, andernfalls wird ein Übergang jenes Rechts, und zwar auch, wenn die Police auf ben Inhaber gestellt ist, nur durch eine wirkliche

Cession bewirkt/) es sei denn, daß es sich nur um unter­ geordnete Arten von Versichemngm handelt (z. B. Ver­

sicherungen von Eisenbahn-Passagiergut).8) Das Objekt des Versicherungsvertrags ist stets ein bestimmtes Interesse, welches der Versicherte wirklich oder vereinbartermaßen daran hat, daß eine gewisse Gefahr für

ihn unschädlich gemacht werde.

Dem Gegenstände nach, an welchen sich jenes Jnteresse knüpft, oder welcher von der in ihrem finanziellen

Erfolge abzuwendenden Gefahr

bedroht ist,

unterscheidet

man Sachversicherungen und Personenversiche­

rungen. - Wolff in GZ. Bd. 12 » HGB. §. 863. S. 169 ff. ■ « ROHG. Bd. 3 S. 76. 8 ROHG. Bd. 5 S. 1, Bd. 14 8 Malst in GZ. Bd. 13 S. S. 127,180,414; GShst. §. 161a 286 ff. S. 238-241.

DerficherungSgeschäste. g. 62.

709

II. Versicherung von Gütern. Sachversicherungen

sind

die

und

See»

Landtransportversichemngen, *)

die

Feuer-, Vieh«, Hagel-, Glas-Versicherungen, im weiteren

Sinne

auch

Versicherungen

die

gegen

die

Zahlungs.

Unfähigkeit eines Schuldners, die Hypothekenversicherungen*)

u. dergl.

Bei Sachversicherungen fordert die Gesetzgebung regel­ mäßig, daß das versicherte Jnteresie kein nur fingiertes, sondern wirkliches sei, so daß die Versicherungssumme (d. i. der im Falle des Eintritts der vollen Gefahr an den Ver-

sichertm zu zahlmde Betrag) dm wahren Wert des ver­

sicherten Objekts

(genauer: ein sofort ziffernmäßig festzu­

stellendes Jntereffe

am Nichteintritte der Gefahr)

nicht

übersteige (Verbot der Überversicherung)?) Aber

dieses

Maß

der

Versicherungssumme

(bei

Personenver­

sicherungen der Natur der Sache nach nicht anwendbar)

wird bei Seeversicherungm nach deutschem und holländischem Rechte (entgegen dem französischen und spanischen) so weit ausgedehnt, daß auch der zu erwartende (imaginäre) Ge­

winn in die Affekuranzsumme gerechnet werdm darf, und

scheint — wohl

zum Teil wegen der

Schwierigkeit der

Berechnung — mit der modernen freien Auffaffung spe-

1 über den geschichtlichen Zu- : -------- 1--------zwischen k— sammenhang dem Seedarlehen ldem „Affemranzgeschäft des Altertums" lJherinaj) und der Prämienassekuranz für den centransport s. ZeitWarentransport s. Adler, Adl fdjuft f. Reichs- u. Landesrecht Bd. 2 S. 49ff. Goldschmidt! in GUGesch. S. 362 ff. u. a. j

„ 9 Bal. ROHG. Bd. 5 S. 333. Hher bie folg Versicherung von Wert stcVa-1-­ Über papieren der ?n gegen gegen die Vachteile , Auslosung s. R. AlexanderKatz in GZ. Bd. 28 S. 552 ff. Vgl. ÄOHG. Bd. 15 S. 124.

Die Handelsgeschäfte.

Kap. UI.

710

kulativer Kapitalsverwendung in Widerspruch zu stehen und

mehr und mehr in Wegfall zu kommen. Mit dem Verbot der Überversichemng hängt das der

mehrfachm

Bersichemng

(Doppelversicherung)

zu-

sammm, welch' letztere bei nur teilweiser erster Verstchemng der Sache als Verstchemng des noch nicht verstcherten Wert­ teils zulässig ist.

Rückversicherung, d. i. eine Bersichemng, durch

welche sich der Versicherer seinerseits für die Gefahr deckt, die Versichemngssumme zahlen zu müssen,1) oder der Ver­ sicherte sich gegen Nichtersatz der Versichemngssumme seitens

des Versicherers durch

eine das Interesse am Nichteintritt

dieser Gefahr verfolgende neue Bersichemng schützt, ist auch nach der heutigen Gesetzgebung und Übung bereits

unbedenklich gestattet. Von allen privaten Zweigen der Bersichemng ist die Seeversicherung am ausführlichsten durch das heutige

positive Recht geregelt.

Hievon unten §. 118.

Zu dm Güterversicherungen (im weiteren Sinne) kann man

auch

womnter

Haftpflichtversicherung

die

zweierlei

verstanden

werdm

kann:

rechnen, der

Ver-

sichemngsnehmer versichert sich gegen die Haftung, welche ihm das Haftpflichtgesetz2) auferlegt, oder er versichert seine

Arbeiter gegen

Unfälle,

deren Eintritt ihn dm Arbeitem

gegenüber zu Schadmsersatz auf Gmnd des Gesetzes »er« 1 Hauptwerk hierüber: B. Ehrenberg, Die Rückversiche« rung" (1885). Über den »Ercedentenvertrag" s. ROH®. Bo. 5 S. 163, RGer. Bd. 4 S. 14. ’ RGes. v. 7. Juni 1871, betr.

die Verbindlichkeit zum Schadens­ ersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken u. s. w. herbeigeführtrn Tötungen und Körperverletzungen. Hiezu s. ©ins®, z. BGB. Art. 42.

711

VersicherungsgeschSste. 8- 62.

pflichten würde, in der Weise, daß die Leistung der Ver­

dm

sicherungsanstalt an

Ersatzberechtigten auf die

Ent­

schädigung einzurechnen ist, vorausgesetzt, daß die Mitleistung

versicherungnehmmden Arbeitgebers nicht unter einem

des

Drittel der Gesamtleistung beträgt?) Die Grundsätzeder Versicherung gegen Feuersgefahr

werdm

wesentlich

Gebäude

sehr

durch

polizeiliche

beeinflußt,

Normm

häufig durch staatliche Brandversicherungs-

anstaltm, und zwar unter Zwangspflicht der Besitzer, ver­

sichert.

Auf dem Gebiete der Mobiliarfeuerversicherung ist

Aktien-,

durch zahlreiche

Gegenseitigkeits-

und

gemischte

Gesellschaften eine nicht immer wohlthätig wirkende Kon­ kurrenz entstanden.

Die dem Versicherungswesen überhaupt

Verpflichtung

eigentümliche

beider

Teile

zu

besonderer

Wahrhaftigkeit und Vertragstreue erhält hier aus Gründen der öffentlichen Sicherheit eine gesteigerte Bedeutung?)

Viel weniger Aufmerksamkeit als der See- und Feuer­

versicherung Gütem

hat

gegen

die

Gesetzgebung

der Versicherung

des Fluß-

die Gefahren

von

und des Land­

transports?) ferner der von Bodenfrüchten gegen die Gefahr des Hagelschlags/) von Vieh gegm Seuchm, von Glas gegen

Bmch

bieten

hier die Usancen

Zur

zugewendet.

und

1 §. 4 des in vor. Sinnt, eil. RGes.; vgl. hiezu RGer. Bd. 3 S. 21. 1 ROHG. Bd. 6 S. 423, Bd. 17 S. 20. 8 Über die Frage nach der Anwendbarkeit der seerechtlichen Bestimmungen v. Abschn. 8, 11 d. 5. Buches d. HGB. auf Fluh-

rechtlichen

Beurteilung

Gesellschaftsstatutm neben

' und Landtransport s. Malß in i seiner Zeitschr. f. Bersicherungsrecht Bd. 1 S. 53 und in GZ. Bd. 6 S. 364, Bd. 12 S. 197. Über Transportversicherungen f. | ROHG- Bd. 2 S. 261, Bd. 5 ; S. 89, Bd. 10 S. 39. 4 ROHG. Bd. 8 S. 364I

712

Kap.

in.

Die Handelsgeschäfte,

allgemeinen Rechtsgrundsätzen

den

die nötigen

Anhalts­

punkte.

Dasselbe gilt mit wenigen unbedeutenden Ausnahmen

zu benen man

auch rücksichtlich der Kreditversicherungen,

die Hypotheken-

und Rückversicherungen')

und die Ver­

sicherungen von nicht hypothekarisch gedeckten Fordemngen rechnet.

HI.

Zu

den

Personenversicherungen2)

werden

die

Alters- und Lebensversicherungen, die Unfallversicherungen,

die Versicherungen der Arbeitskraft (früher auch Versiche-

tuttgen

gegen

Sklaverei,

Kriegsgefangenschaft



beide

auch zur „Türkengefahr" gerechnet —, Versicherungen gegen Rekrutierung) gezählt; allein echte Afsekuranzm,

nämlich

Versicherungsverträge im juristischm Sinne, sind alle diese

Personenversicherungen nur dann, wenn sie Sicherung

eines

bestimmten

Interesses

Verträge zur

gegen

künftigen

Schadm sind, und diese Charakterisiemng trifft beim echten Lebensversicherungsvertrage nicht zu (hievon unten §. 64),

wohl aber bei der Krankenversicherung und

bei der

Unfallversicherung. Die Krankenversicherung aber, sowie die Unfall­

versicherung und die Alters- und Invaliditäts­ versicherung sind, sofern sie Versicherungen von Arbeitern bestimmter Art sind, Gegenstand besonderer staatlicher Für­

sorge

(Staatsverwaltungssache,

nicht

Handelssache)

und

durch besondere Reichsgesetze8* )* *geregelt. ' Bal. oben Anm. 1 S. 710. ROHG. Bd. 9 S. .3 t • GSyst. §. 167 S. 256 ff. I 8 über Charakter und systema-; tische Stellung des Arbeitender«1

sicherungsrechts s. P. Köhne i» GZ. Bd. 37 S. 76ff.; Rehm in Arch. f. öff. R. Bd. 5 (1890) S. 529; Rosin, Recht d. Ar­ beiterversicherung Bd. 1 S.256 ff.;

Tas Darlehen im Handelsverkehr,

g. 63.

713

V. Kreditgeschäfte. §. 63. Vai Darlehen im Handelsverkehr. *)

I. Da alle Geschäfte des Handels eine Vermittelung zwischen mehreren Personen bewirken, der Handelsverkauf

z. B. Waren umfaßt, die eingekauft und wieder verkauft iverden, jedes Arbeitsgeschäft des Handels einer solchen Ver­

mittelung, Versendung, Zuwendung u. s. w. dient, so hat der Kredit (d. h. das

geldwerte

Vertrauen

in

das Leistenkönnen und Leistenwollen des An­ deren) eine höhere Bedeutung im Handel als im übrigen bürgerlichen Leben.

Es hat dies

seinen Grund zunächst

darin, daß der Kaufmann, wenn er Kredit genießt, diesen

bei seinen Anschaffungen dazu verwenden kann, die Leistung der Valuta derselben aufzuschieben, bis er durch Realisations­ verkäufe die Valuta gewonnen hat, folglich am Betriebs­

kapitale bedeutend ersparen kann; diese Art Kredit zu ver-

roenben, findet gleichmäßig bei den Warenumsatzgeschästen,

wie bei den Arbeitsgeschäften — modifiziert — Anwendung. Aber der Kredit wurde und wird selbst Handelsartikel.

Wenn der Kaufmann A mit dem ihm wenig bekannten Kaufmann B Geschäfte macht und bei letzterem Kredit braucht

und wünscht, B aber nicht geneigt ist, dem A Kredit zu ge­ währen, wohl aber dem C Kredit schenken würde, welcher Lewis, Lehrbuch d. BersichR. S. 18ff.; R. Weyl, Lehrb. d. Reichsversicherungsrechts (1894) 8. 167, insbes. S. 901 ff. u. die oort angegeb. neueste Litt.

1 Über Darlehen-, Borschußund Diskontogeschäft s.G. Cohn im Hdbch. 8.427 und die ebenda Bd. 3 S. 833 angegebene Litteratur. GShst. S. 198 ff.

Kap. HL Die Handelsgeschäfte.

714

seinerseits den A für durchaus kreditwürdig hält, so kann dieses letztere Verträum des 6 in dm A in das Geschäft des

A mit dem B eingeflochten werden; C „verkauft"

seinen

Kredit an A, der ihn dann dem B gegenüber verwertet (Kreditvermittelung). n. Die Art und Weise, in welcher jener „Kreditver­ kauf"

und diese Verwertung vor sich geht,

ist sehr ver­

schieden; die einfachste Art ist das Darlehm (A erhält von C

das Kapital

bar vorgeschosien, geliehen,

welches

er bei B braucht, von diesem aber nicht keditiert erhalten

kann).

DaS

Darlehm —

als Real-

oder

als

Konsensual­

vertrag möglich —l) richtet sich auch im Handelsverkehre

nach den Vorschriftm des allgemeinen bürgerlichen Rechts;2)

cs ist nur folgendes zu bemerken: 1. Ein Kaufmann, welcher in Ausübung des Handels­ gewerbes einem Kaufmann oder Nichtkaufmann kreditiert,

indem er für ihn Auslagm oder Verwendungen macht, oder

ihm Darlehm oder Vorschüsse gewährt, kann, vom Tage

der Leistung oder Beschaffung derselben an, auch ohne Ver­ einbarung, Zinsen in Ansatz bringen?) 2. Das Darlehen besteht keineswegs nur in der Über­

lassung einer Quantität von vertretbaren Sachen zum Zwecke der Restituierung einer gleichen Quantität von vertretbaren

Sachen derselbm Art, sondem es kann ebensogut

in der

Überlassung irgend welcher geldwerten Sache, bereit Wert als dargeliehen erscheint, bestehm, so daß der Geldwert restituiert werdm muß (Trödelvertrag und contractus wo-

DaS Darlehen im Handelsverkehr.

§. 63.

715

hadrae); *) ja eS kann daS Darlehen auch in solchen RechtSgeschäften liegen, welche ein später zu erfüllendes Versprechen

und daS Vertrauen in die Erfüllung dieses Versprechens zur wesentlichen Voraussetzung oder zum Inhalte haben?) 3. über Kreditsicherung durch dingliche Rechte s. obm

§. 44 (S. 515 ff). 4. Von der Bodmerei handelt unten §. 114, von ver­ schiedenen sogen, aleatorischen Darlehen §. 65. III. Die öffentliche Anleihe*) ist juristisch dadurch

charakterisiert, daß der Kreditsuchende (Darlehensuchende) an

alle diejenigen, welche ihm möglicherweise Kredit in bestimmter Form gewähren, zugleich sich wendet und danach das geld­ werte Vertrauen, welches er in der Öffentlichkeit genießt,

durch ebmsoviele Darlehensabschlüffe flüssig macht, als sich Kreditgewährende aus dem Publikum einfinden, bis die Höhe, bis zu welcher er Darlehen aufnehmm will, erreicht ist.

Siefen Weg, Kredit flüssig zu machen, beschreiten Staaten,

Gemeinden, Fürsten und Korporationen zumeist, und zwar in folgender Weise: 1. dadurch, daß durch eine öffentliche Bekanntmachung (Einladung an das Publikum) jeder Kapitalbesitzer von dm

Anlehensbedingungen in Kenntnis gesetzt

und eingeladm

wird, dem darlehenssuchenden Staate u. s. w. in bestimmter Weise zu kreditieren; wer dieser Einladung Folge leisten will,

erklärt dies 1 Mohadra kommt vom arab. tnuchftdare, d. i. Verkauf von unreifen Früchten und Gemüsen (chodra), ein Geschäft, welches in der auf dm Propheten zurück­ geführten Tradition (der Sunna) verboten war.

1 Endemann, HR. 4.Anst. §. 160; Thdl, §. 296, nun BGB. Abs. 2 d. §. 607. 8 S. hierüber G- Cohn im Hdbch. §. 428 und die dort Bd. 3 S. 858 angegebene Litteratur. GShst. §. 107 S. 49 ff., S. 198 ff.

716

Kap. III.

Die Handelsgeschäfte.

2. durch Subskription, d. h. er zeichnet einen bestimmten Betrag, welchen er als Darlehm unter dm proklamierten Bedingungen gewährm will, bei den in der Bekanntmachung

angegebmm Zeichnungsstellm; mittels dieser Subskription

wird ein bindender, jedoch mehrfach bedingter Vorvertrag, pactum de contrahendo, geschlossen; die Bedingungen, von

benen seine Wirksamkeit abhängt, sind die Gewährung der ver­

sprochenen Wertpapiere („Obligationen" s. unter 3), der Nichteintritt einer Reduktion, welche bei Überzeichnungen als

vorbehalten anzunehmen ist, u. dergl.; ist der vom kredit­ suchenden Staate u. s. w. gewünschte Anlehensbetrag durch Subskription gedeckt, so wird das Anlehen selbst kontrahiert

(das Darlehen ausgenommen) 3. durch Ausgabe (Emission) der Schuldscheine, d. i. der

Darlehensurkunden, häufig schlechthin „Obligationen" ge­ nannt ; die Ausgabe erfolgt an die Subskribmtm und deren Rechtsnachfolger gegen Zahlung der Valuta, d. i. gegen die vorpaktierte Darlehensgewährung; weigert sich der Subskri­

bent (oder dessen Nachfolger), die gezeichneten Obligationen zu übemehmm und den gezeichneten Betrag zu bezahlen, so kann gegen ihn aus bent Vorverträge (s. unter 2) geklagt

werden; die Schuldscheine sind zwar häufig als Darlehms-

urkundm bezeichnet, jedoch cirkulationsfähig wie Träger reiner Summenversprechen: dies ist insbesondere dann der Fall,

wenn sie auf dm Inhaber lauten (s. unten §.72); *) sie können

aber auch Wertpapiere (s. §. 71) anderer Art sein. 4. Da diese Anleihen in der Regel verzinslich sind, so

sind den „Obligationen" zum Zwecke der terminlichen Zins1 Staat!. Genehmigung BGB. §. 795.

Das Darlehen im Handelsverkehr.

erhebung Coupons

und Talons

§♦ 63.

beigegeben,

717

ähnlich wie

den Aktim zum Zwecke der Dividendenerhebung (vgl. oben

8- 32 ff.).

5. Der angedeutete Gantz des Zustandekommens öffentlicher Anleihen, sowie die Zurückzahlung derselben unterliegt

thatsächlich einer großen Menge von Modifikationen und

Variationm. So kann es vorkommen, daß die Subskription ausfällt und sofort auf die Proklamiemng die Emission selbst

folgt; diese kann der Darlehenskontrahent (Staat u. s. w.) selbst besorgen, aber auch durch einen anderen besorgen laffm

(s. unter IV); die Zurückzahlung kann in Serien, nach Kündigung, nach Auslosung *) (Lotterieanlehen u. s. ro.), in

Rentenabzahlungen u. s. ro. geschehen; das Darlehen kann

möglicherweise nur die Veranlaflung der Entstehung von

Wertpapieren sein, wobei alsdann auf die infolge (oder zum Zwecke) der öffentlichen Anleihe ausgegebenen „Schuld­ scheine" lediglich das Recht der Wertpapiere in Anwendung

zu kommm hat (s. unten §§. 69 ff.).

IV.

Das Emissionsgeschäft^) kommt im Zu­

sammenhänge mit der öffentlichen Anleihe und zum Zwecke des Kontrahierms einer solchen in mehrfacher Weise vor:

1. Es kann der Dahrlehensschuldner (Staat u. s. ro.)

selbst die Emission der Schuldurkunden („Obligationen" samt Coupons) besorgen (uneigentliches Emissionsgeschäft s. oben

III Ziff. 3 vorige S.). 2. Derselbe kann die Emission durch einen Anderen (in • Vgl. RGes., betr. die InhaberPapierem.Prämien. B. 8. Juni 1871. Hievon unten §. 65. 8 S. hierüber die unten §. 69

angegebene Litteratur und serner G. Cohn im Hdbch. Bd. 3 S. 869.

Kap. IBL Die Handelsgeschäfte.

718

der Regel einen Bankier, oder ein Konsortium von Dankhäusem und anderen Großkapitalisten) Besorgen lassen; dies

ist in so verschiedener Weise möglich, daß eine Aufzählung aller einzelnen Möglichkeiten 'hier zu weit führen würde. Doch lassen sich im allgemeinen folgende Hauptgesichtspunkte

festhalten:

entweder a) das die Emission besorgende Konsortium u. dgl. (kurz:

der Emittent) ist Darlehensgläubiger des Darlehenssuchers (d. i. des Staates u. dergl., der dem Emittenten eine Haupt-

schuldurkunde ausstellt) und Darlehensschuldner des die Schuldurkunden („Partialobligationen") nehmenden Publi­

kums ; dann negoziert der Emittent selbst das öffentliche An­

lehen für sich, und es liegen — was der seltenere Fall sein dürfte — zwei getrennte Kreise von Rechtsverhältniffen vor:

die Rechtsverhältniffe der Hauptobligationen zwischm Staat und

Emittenten und die Rechtsverhältniffe der Partial-

obligationm zwischm dem Emittmtm und den Inhabern

der Obligationen,') oder b) der Emittent ist nicht Darlehmsgläubiger, fonbetn

Verkaufskommissionär

des

das

Anlehen

konttahiermden

Staates (u. dgl. Personen): er hat vom Staate (oder dem anderweitm Kapitalsuchmden) die von diesem unterzeichneten Partialobligationm lediglich zur Vertreibung,

zur börsen­

mäßigen Verbreitung u. s. w. erhalten und verkauft dieselben nun als Schulden des Staates u. s. w., wobei er: «) dem Kapitalsuchendm den durch diesen Verttieb ge-

DaS Darlehen im Handelsverkehr,

g. 63.

719

hofften Erlös schon vorausbezahlt — kreditiert — haben kann oder nicht, auch ß) dem die Obligationen abnehmenden Publikum, ent»

weder als Garant für die Einlösung dieser Obligationen

oder bloß aus dem Verkauf der Obligationen, welche

je nach ihrer Natur unter verschiedmer Haftung übertragen roerben (s. §§. 69 ff.), haften kann. Die Rechtsgmndsätze, nach denen das Emisfionsgeschäft

in feinen verschiedenen Modifikationen beurteilt werden muß,

sind teils die allgemeinen vom Wesen der Verträge und der nicht zu beseitigenden Haftung für Arglist und grobe Fahr­

lässigkeit, teils die in Bezug auf Darlehen, Äauf,1) Kom­

mission und Bürgschaft geltenden, teils innerhalb der Grenze der ersteren allgemeinen Grundsätze die besonderm Vertrags­ vereinbarungen. Inhaltlich der letzteren ist zwischen tilgbaren

und sogen, untilgbaren (Rentmschuldm) Anleihen zu unter­

scheiden; letztere in der Regel auf feiten des Schuldners künd­ bar,

während

der Gläubiger

kein

Kündigungsrecht

hat.

Staatsschulden unterliegen mitunter der obligatorischen oder

(häufiger) fakultativen Eintragung in ein Staatsschuldbuch (Jnskriptionssystem)?) Zum Emissionsgeschäfte wird mitunter auch das Zettel­

geschäft gerechnet,

nämlich das

Emittieren

(Ausgeben)

von Zetteln, Noten, d. s. unverzinsliche reine Summenversprechen au porteur,

Zettelbanken.

durch hiezu ermächtigte Banken,

Dem öffentlichen Rechte gehören die Grund­

sätze an, nach welchen sich die Befugnis zur Ausgabe solcher ' RGer. Sb. 28 S. 29. * Preuß. Ges. v. 20. April 1883. RGes. 6.31. Mai 1891. (RGBl. 1891, S. 321.) über Konver-

tierung s. GSyst. S. 202; über Stempelpflicht ders. s. RGer. Sb. 27 S. 49.

720

Kap. TU.

Die Handelsgeschäfte.

Geldpapiere regelt (hievon unten §. 72 M Ziff. 5); in privatrechtlicher Beziehung steht die Verpflichtung der emit­ tierenden Bank, die von ihr emittierten Banknoten in Zahlung jederzeit anzunehmen, sowie auf Verlangen stets gegen bar einzulösen, unzweifelhaft fest?) V. Eine eigenartige Kombination von Darlehen und Pfand stellt das Lombardgeschäft81) *dar * *; *die * *Kombination ist dadurch eigenartig, daß, wie die Höhe des auf ein Wert­ papier zu gewährendm Darlehens von dem Kurswerte des lombardierten Papiers von vom herein abhängig ist,8) bei gesunkenem Kurse ein sofortiges Kündigungrecht mit darauf­ folgender Fälligkeit der Darlehensfordemng eintritt, sofern der Eigentümer des lombardierten Papiers (der Lombard­ schuldner, Darlehensschuldner) nicht rechtzeitig an den Lom­ bardgläubiger Nachschüsse in Geld oder Papier leistet, durch welche das ursprüngliche Verhältnis zwischen dem 1 RBkG. v. 14. März 1875 im Jnlande lagernden Kauf­ §. 4; Koch, M. u. N. S. 71. mannswaren, Wechseln und von Vgl. ferner G. Cohn i. Hdbch. solchen Wertpapieren, welche in §. 429 und die ebenda Bd. 3 dem 2 Klassen (I. zu 8/ wenigstens imBerkehr der Reichs­ anstalten angenommen; das die j bank — nicht vor. Koch, M. L Einzahlung in Empfang neh-! N. S. 242—245. Formular f. mente Bankinstitut (juristisch > unten S. 756 Anm. die Reichsbank selbst, hier ZahGarei s, Handelsrecht. 6. Aust. 48

Kap. III. Die Handelsgeschäfte.

754

Einzahlung annehmende und die Auszahlung vermittelnde

Bank wird nicht Schuldnerin desjenigen, an welchen aus­ bezahlt werden soll, sondern ist nur dem Einzahlenden (ex mandato) verpflichtet; ist der letztere Schuldner desjenigen,

dem die Bank auszahlen

soll,

so

liegt der Fall einer

Erfüllungsübernahme (Zahlungsübernahme, nicht Schuldübernahme im engeren und technischen ©inn)1) vor.

HI. Das Jnkassomandat, Einkassierungsmandat, ist der — im Handelsverkehr häufig schriftlich erteilte — Auf­ trag eines Mandanten an einen Beauftragten eine bestimmte Summe bei

einem Dritten einzuheben,

sich

einem

von

Dritten einen angewiesenen Betrag ausbezahlen zu lassen?)

Dabei kann vereinbart sein, daß der Jnkassomandatar die auftragsgemäß einzuziehende und eingezogene Summe für

sich behalten darf (z. B. als Vorschuß oder als Zahlung eines Darlehens); dann darf der Auftraggeber das Inkasso­

mandat nicht willkürlich widerrufen, er haftet alsdann für das Interesse, welches der Mandatar an dem Vollzüge des

Mandats hat, und der Mandatar wird Eigentümer des bei

einem

Geldes?)

los

erteilt,

Dritten

auftragsmäßig

für

sich

erhobenen

Das Jnkassomandat wird in der Regel form­

im Verkehr mit Orderpapieren aber hat sich

eine bestimmte Form für dasselbe eingebürgert,

das

„Jnkassoindoffament",

dessen Wirksamkeit

nämlich auf

dem

Jnkassomandat beruht und im Wechselrecht besonders ge­ regelt ist.4)

1 Regelsberger im Hdbch. Reichsbank insbes. s. oben 8- 60 §. 257 II A (Bd. 2 S. 532). II (S. 697 f.). * Über die Jnkassokommission ° Thöl, HR. §. 323. und das Einziehungsgeschäft der < WO. Art. 17, s. unten §.89.

Zahlungsgeschäste.

g. 68.

755

Assignation, besteht in

IV. Die Anweisung,

einer Verbindung von Zahlungs- und Jnkassomandat; ein

Mandant (der Assignant) weist einen andern (Zahlungs­

mandatar, Assi gnat genannt) an, einem Dritten (Jnkaffomandatar, Assignatar genannt) eine bestimmte Zahlung

zu

machen, und weist zugleich

diesen Dritten (Inkasso-

die Zahlung zu empfangen.

mandatar, Assignatar) an,

Eine solche Anweisung kann formlos, mündlich und schrift­

lich erteilt werden, die Rechtsverhältnisie sind dabei nach Maßgabe der kombiniert in Anwendung zu

bringenden

Regeln vom Zahlungs- und vom Jnkassomandat zu be­ urteilen, woraus sich z. B. ergiebt, daß eine vom Zahlungs­

mandatar (Assignaten) angenommene Anweisung vom As­ signanten nicht kontremandiert werdm darf, wenn das Mandat

im

Interesse des

gegeben ist,

Einkassierungsmandatars

ferner,

(Assignatars)

daß eine vom Schuldner (als As­

signanten) seinen Gläubigern (als Assignatar) gegebme An­ weisung auf einen Dritten nicht Zahlung (assignatio non

est solutio), auch nicht Novation des vorher bestehenden Schuldverhältnisses, sondern, wenn nicht ausdrücklich anderes vereinbart oder besonders gewollt erscheint, nur als Versuch

der Zahlung oder nur als bedingte Novation aufzufaflen ist.')

Außerdem ist hinsichtlich der Assignation dreierlei zu

bemerken: a) Die kaufmännische Anweisung«) hat be1 RGer. Bd. 31 S. 110. 8 Der Begriff und die Regelung der Anweisungen «m allgemeinen ergiebt sich aus dem allgemeinen bürgerliche» Rechte, BGB. §§. 783—792; dort ist

1 ! ' i !

zunächst der Schwerpunkt auf die Ermächtigung des legitimen Inhabers der Urkunde, die Leistung zu erheben (Inkasso­ Mandat u. dgl ), gelegt und das Recht der Annahme (Acceptation) 48*

Kap. III. Die Handelsgeschäfte.

756

sondere Ausbildung und Regelung erfahren;

sie hat stets

die Form eines schristlichm Zahlungsauftrags, welchen der Mandant (Assignant) an den Assignaten richtet zu Gunsten

des Assignatars und letzterem übergiebt;*) die Anweisung ist eine kaufmännische im älteren Sinne des Worts, wenn

entweder der Assignant oder der Assignat oder beide Kauf­ mannseigenschaft habens)

im Sinne des neuen Handels­

rechts aber nur, wenn der Assignat (Bezogene) Kaufmann

der Anweisung im Sinne der Entstehung einer Verpflichtung des die Anweisung Annehmenden (Acceptanten) festgestellt. BGB. §§. 784ff. Vgl. G. Cohn im Hdbch. §. 452.

1 Die im Ein- und Aus­ zahlungsverkehre der Reichsbank (,. oben S. 753) vorkommende Anweisung hat folgende Form:

Heichsbank. Zahlung» ~ Anweisung über Mark

No.

Am Tage der Vorzeigung beliebe die Summe von an die Ordre laut Advis zu zahlen und der Haupt-Bank *) in Rechnung zu stellen. Es wird vorbedungen. dass f)

, den

ia

Reichsbank-Hauptkasse. **) Eingetragen

♦ Bezw. .uns". ** Bei den Zweiganstalten: Reichsbank(haupt)stelle. f Unter dem Kontext der An­ weisung findet sich in kleinem Druck die Bestimmung: .Es wird vorbedungen, daß die Ein­ lösung nach Wahl der Zahlstelle in Metallgeld oder Banknoten

Eingetragen

jedoch nicht vor Eingang des Addises erfolgen darf, und daß die Reichsbank berechtigt, aber nicht verpflichtet sein soll, die Legitimation des Inhabers der Anweisung zu prüfen." 8 Art. 300, 301 d. HGB. v. 1861.

Zahlungsgeschäste.

757

§. 68.

ist1) Die eigenartigen Grundsätze des neuen Handelst rechts beziehen sich nur auf die Übertragung; nun können

zwar Anweisungen

aller

Art

auch

auf

einen

andern

übertragen werden, aber mittels Indossaments in

Zukunft nur die kaufmännischen Anweisungen, und zwar dies Wort nur im neuen Sinne (HGB. §. 363 Abs. 1) verstanden.

Die Bedeutung dieser Neuerung er-

giebt sich aus dem Wesen des Indossaments?)

b) Der Checks (die Bankanweisung)^) ist eine be­ sondere Art der kaufmännischen Anweisung, 1 Entscheidend für den moder­ nen Begriff der „kaufmännischen Anweisung" ist, daß die Leistung durch einen Kaufmann (Begriff s- HGB. 88- 1-6) erfolgen soll: nur ein Kaufmann, welcher acceptierte, wird kommenden Nehmern gegenüber in der for­ malen Werse verpflichtet, wie es aus der Jndossabilität folgt. 8 HGB. §§. 364, 365 und unten §. 73. Auf die ^kauf­ männische Anweisung", man mag dieselbe im alten Sinne (HGB. von 1861 Art. 301: von Kauf­ leuten ausgestellte Anweisungen) oder im neuen Sinne (neues HGB. §. 363: auf Kaufleute gezogene Anweisungen) aufsassen, finden, was das Accept (die Annahme im Sinne der Ent­ stehung der Lcistungsvcrbindlichkeit des den Leistungsaustrag an­ nehmenden Angewiesenen) an­ langt, einfach die Grundsätze des bürgerlichen Rechts, insbes.BGB. §. 784 Anwendung. 3 In Bezug auf Checks bleiben die Landesgesetze in Kraft s. Einf.G. zu HGB. Art. 17.

er ist eine

4 Die überaus umfangreiche Litteratur, welche sich aus drc volkswirtschaftliche Bedeutung und die juristische Natur des Checks bezieht, findet sich mit großer Sorgfalt zusammengestellt bei G. Cohn im Hdbch. §. 454 Anm. 1 (Bd. 3 S. 1135 bis 1137). Die Bedeutung des Check­ systems u. einer Checkgesetzgebung erhellt auch aus folgenden Schrif­ ten: R. Koch (z. Z. Präsident desReichsbankdirektoriums), Über Bedürfnis u. Inhalt eines Check­ gesetzes für das Deutsche Reich (Berlin 1883). Diese interessante Schrift enthält im Anhänge die Checkaesetze Englands, Italiens und der Schwerz. Ferner eben­ falls R. Koch in GZ. Bd. 29 S. 59 ff. und in BA. Bd. 37 S. 85 ff., Bd. 43 S. 128 ff., sowie in den Verhandlungen des XVII Deutschen Juristentages 1884, Gutachten Bd. IS. 1—31; an dem zuletzt erwähnten Orte (Bd.l S. 32-45) s. auch B eh r e n d s Gutachten. Abhandlungen über den Check s. ferner in GZ. Bd.30S.l—29(H. Birnbaum)

Kap. in.

758

Tie Handelsgeschäfte.

kaufmännische Anweisung, weil der Assignat stets Kauf­ mann, nämlich eine Bank, ein Bankier, ist; er ist diejenige und ebenda S. 325—102 (W. Kapp), sowie die daselbst weiter, hin angegebene Litteratur. Ferner A. Hoppenstedt. Zum Checkgesetz, (Berlin, Carl Heymann, 1892, Vortrag.) Über die neue­

j j . i

derselben Materie bringt L. Gallavresi unter dem Titel: L’ assegno bancario (Check), (Milano 1883). Über die Ver-

; i ren Checkgesetzgebungen und Check­ ; gesetzentwürfe verbreitet sich sehr i eingehend G. Cohn in d. Z. f. vergleichende Rechtswissenschaft 1 Bd. 11 u. 12. Hiezu nun noch : Paul Hammerschlag im ' »österr. S taa tswörter -

Wendung des Checks im Giroverkehr s. Koch, M. L R. S. XLIII und s. oben §. 66 III S. 742 f., ebenda Anm. 3 S. 743 ff., s. die Verwendung der Checks der Reichsbank. Die gebräuchlichen Formulare sind die unter A u. B folgenden. Die Bedeutung des gekreuzten Checks (crossed check) s. oben S. 745 in der Anm. 111. Die erwähnten Formulare siud:

buche" unter.Check" (1894). Eine universell angelegte und ebenfalls gründliche Behandlung A.

Formular der

zu baren Abhebungen bestimmten weißen Checks der Reichsbank:

500000 450000 400000 Die Reichsbank in Berlin Ausgehhndigt 350000 an M wolle zahlen gegen diesen Check ans 300000 250000 ly iDGinein /■< .1 1 200000 a------- Guthaben an unserm 150000 1100000 50000 .. oder Überbringers 40000 30000 o Mark. 20000 Datum 10000 5000 Ä 4000 18 . 3000 2000 Checks, in welchen der Zusatz »oder Überbringer* 1000 durchstrichen oder eine Zahlungsfrist angegeben 500 ist, werden nicht bezahlt. I

No.

No.

Jt

w............ 00 « w

...........

1 i

g. 68.

Zahlungsgeschäfte,

759

Anweisung, mit welcher ein Kunde die Bank über den ihm von dieser gedeckt oder

im Kontokurrent

ungedeckt,

oder

durch besondere Accreditierung eröffneten Kredit verfügt oder über ein bei der Bank liegendes, ihm gehöriges Guthaben

zu Gunsten eines Dritten oder seiner selbst (letzterenfalls:

Check

eigene

an

Order)

bedient

Man

disponiert.

sich

hiebei Vertrags- oder reglementsmäßig besonderer Formulare,

welche von der Bank (als Assignatin) ihren Kunden zur gestellt werden und besondere Kautelen gegen

Verfügung

bieten.

Fälschungen (die Checks

des Checks

ist

Der

Check

Reichsbank

der

sind

kann

Orderpapier

selbständig verpflichtend,

sein

das Accept

es nicht),

aber nicht mehr

gebräuchlich.

zwischen

c) Der Unterschied

dem gezogenen Wechsel.

der

Anweisung

und

Der letztere ist eine An­

weisung mit hinzutretendem Wechselversprechen: ’) äußerlich unterscheidet sich dieselbe von der Tratte durch dm Mangel B. Formulare der zu Übertragungen aus Konten (an demselben oder einem andern Bankplatze) bestimmten roten CheckS der Reichsbank: No.

den

i

Pf.

Betrag

No.

8 5 g von 18 g Mark

Die Reichsbank

wolle

dem

Conto

in ..............................................................

g gutscbreiben und dafür belasten das Conto von ß! .................................. (Ort)

1 Thöl HR. §. 331.

(Finnen-Stempel) den

(Dgl. unten §§. 81, 87.)

18

Kap. IH. Die Handelsgeschäfte.

760 des Worts

„Wechsel", innerlich dadurch, daß der Aus­

steller der Tratte

Bezogenen

für die Zahlung des

(für Annahme

und

Wechsels beim des

Zahlung

seitens des Trassaten) wechselmäßig haften

Wechsels

muß, folglich

bei Verweigerung der Annahme oder Zahlung nach dem

Wechselrechte regreßpflichtig ist, während der Assignant nicht

wechselrechtlich

die

für

Assignaten

vom

vorzunehmende

Zahlung haftet, nicht wechselrechtlich regreßpflichtig, sondern

nur eventuell schadensersatzpflichtig ist,

es wäre denn, daß

er eine besondere civilrechtliche Haftung übernommen habe.

Die Unterschiede werden sich

im einzelnen aus der Dar­

stellung des Wechselrechts ergeben, wenn erwogen wird, daß der Anweisung die prozesiualische und die materielle Wechsel-

sttenge, insbesondere das wechselmäßige Regreßnehmen fehlt (s. unten §§. 87, 94 ff.).

Dem angedeuteten Zwecke,

V.

möglichst zu umgehen, können

die

direkte

Zahlung

auch die Session und die

Schuldübernahme dienen, teils jede für sich allein, teils beide

in Verbindung

miteinander,

stets zu dem Zwecke,

schließlich Kompensationen herbeizuführen. Die

Session



Überweisung

des

Schuldners

an

einen neuen Gläubiger (Cessionar) durch Vereinbarung des

letzterm mit dem bisherigen

Gläubiger (Gebenten) unter­

liegt keinen dem neuen Handelsrecht eigentümlichen Grund­

sätzen?) Die Schuldübernahme ist:

a) entweder bloße Erfüllungsübernahme, oder

b) die

Entstehung

1 BGB. §. 398.

einer

Verpflichtung eines in ein

8-

Zahlungsgeschäfte.

Schuldverhältnis fortbestehendm

neu

des

(kumulative Schuldübernahme, möglicherweise

als

Schuldners neben der

eintretenden

Verpflichtung

bisherigen

Schuldners

Gläubiger gegenüber

dem

Vertrag zu

761

68.

Gunsten

Dritter aufzu­

fassen), oder

c) die nur mit Zustimmung des Gläubigers vollwirk­

sam

der

Übernahme

werdende

Verbindlichkeit

eines

Schuldners durch einen neuen, an dessen Stelle tretendm Schuldner (private Schuldübernahme durch Vertrag zwischm

dem bisherigen und dem neuen Schuldner und mit Zu­

stimmung der Gläubiger)?) Diese Fälle lassen sich auch als verschieden zu qualifi­ zierende „Überweisungen" (Schuldüberweisungen) bezeichnen, der letzte auch als Delegation,

ein schwankender Rechts­

begriff, der im heutigen Rechte nicht unter den der Novation fällt.-)

VI. Zahlung

Im

ausgedehntesten

Maße

wird

die

direkte

ersetzt durch ein zweckmäßig angelegtes System

von Cessionen, über» und Anweisungen und Kompensationm, wie es die sog. Skontration-) mit sich bringt;

man versteht unter Skontration ein mehrseitiges Rechts­ geschäft,

inhaltlich

deffen

sich

eine

aus

mehr

als zwei

Personen bestehende Anzahl von Personen verpflichtet, so 1 BGB. ß. 414. Vergl. Regelsberger imHdbch.ß.257 IIC (Bd. 2 S. 533). 1 Vgl. Windscheid, “ Pand. §. 352 a. E. — Regelsbcrqcr a. a. O. S. 538, 539. ‘ ' Thöl, HR. §S. 334-341; Endemann,HR.4.Aufl.§. 151; Koch in von Holtzendorsfs

, RLex. 3. Ausl, unter.Riskontro' und Koch,M.LR.3.Ausl. 1898 S. i XLIII, 85,209,235:G-Cohn | im Hdbch. Bd. 3 S. , 1056^ .... die ... l dort angegebene Litt. u. GSyst. §. 118 e. “ 203 Das Wort '------- ff. — -------------wird von scontro, scontrare — sich treffen, sich vergleichen laffen, abgeleitet.

Kap. III. Die Handelsgeschäfte.

762

viele und so gestaltete Cessionen, Überweisungen und Kom­

pensationen vorzunehmen, daß dadurch eine möglichst weit­

oder gewisser unter den Kon­

gehende Ausgleichung aller trahenten

vorhandenen Schuld- und Forderungsverhältniffe

Diese Ausgleichung

ohne Barzahlung herbeigeführt werde.

ist, sobald der formlos abzuschließende Vertrag unter den

Skontranten rechtskräftig und wirksam ist, sofort erzwingbar und kann auch einredeweise gellend

einzelnen

zu jenem

Zwecke

gemacht werden; die

erforderlichen

Überweisungen,

Kompensationen u. s. w. gelten als vertragsmäßig gewollt, wie der Zweck (die „Zahlung

mit geschlossenem Beutel")

sie erheischt, und die Handelsübung hat zuweilen besondere

Orte festgesetzt, an welchen die Skontranten sich persönlich oder durch persönlich

anwesende Bevollmächtigte treffen (so

früher auf Wechselmessen, im vorigen Jahrhundert auf be sonderen Skontroplätzen:

„am Perlach" in Augsburg, im

„deutschen Haus" in Venedig, auf dem „Römerberg" in

Frankfurt

a. M., nun im „Clearing house“ in London)

und die Skontration durch geeignete und usuell geordnete Notierungen bewerkstelligen.

Heutzutage bildet eine besondere Art der Skontration der Abrechnungsverkehr, des

Reichsbankdirektoriums

häuser

in

Berlin

Abrechnungsstelle

durch eröffnet

welchen auf Veranlassung

die

hervorragendsten

Einrichtung

haben,

und

einer

Bank­

gemeinsamen

der nun

(1898)

auch an neun anderen großen Handelsplätzen Deutschlands (Bremen, Breslau, Dresden, Elberfeld, Frankfurt a. M.,

Hamburg, Köln, Stuttgart und Leipzig) geübt wird.

Es

ist im wesentlichen das Londoner clearing-housc-©yftem,

Zahlungsgeschäfte, g. 68.

763

welches in obiger Einrichtung in Deutschland recipiert ist?) Ähnlich wirken die Saldiemngsvereine in Wien, Buda­

pest, Brünn und Prag.

Den thatsächlichen Vorgängen des Abrechnungsverkehrs

liegen folgende juristische Momente zu Grunde.

Die Basis

ist der Skontrationsvertrag (das Abkommen über die Er­ richtung einer Abrechnungsstelle und bezw. der Beitritt zu

letzterer), welcher sich einerseits als ein Gesellschaftsvertrag

(Vereinbarung des Abrechnungsvereins, einer Societas) und zugleich als pactum de cedendo et assignando et com-

pensando darstellt; kraft des einen Teils hat die Ab­ rechnungsstelle eine besondere Organisation (Vorsitzende, Ausschuß, Plenarversammlung und Geschäftsordnung), kraft

des andern Teils müssen die zur Abgleichung (Clearing)

1 Ausführlich berichtet hierüber — unter wörtlicher Mitteilung der Verhandlungsprototolle und Abdruck aller Formulare — R. Koch in seinem höchst be­ merkenswerten Aussatze: .Abre ch nung s stelle n(ClearingHäuser):. Deutschland und deren Vorgänge" in GZ. Bd. 29 S. 59—109; hiezu R. Koch in W. B. St. W. 2. Aufl. (1898) unter .Abrechnungsstellen". In Bezug auf Abrechnungsstellen in Österreich s. Paul Hammer­ schlag im Osterr. Staatswörtcrbuche (1894) unter diesem Worte. Die thatsächlichen geschäftlichen Vorgänge sind hiebei folgende: Die Mitglieder des zu dem Zwecke der Abrechnung gegründeten Skontrationsverems (oder deren

Vertreter) treffen sich täglich Idreimal zu präcise bestimmten Zeiten (in Berlin 9 Uhr, 12 Vr Uhr, | 4 Uhr) in dem Abrechnungs­ lokal und bringen die Papiere mit, deren Werte der Abrechnung zu unterwerfen sind; thatsächlich sind es nur Checks, Anweisungen und Wechsel (Accepte und Do­ mizile); jedes Mitglied, welches ein derartiges Papier beftbt, aus welchem em anderes Mitglied verpflichtet ist (z. B. einen von letzterem ausgestellten Check, einen von letzterem acceptierten Wechsel), übergiebt demzahlungsPflichtigen Mitglied das bett. Papier (mit Verzeichnis und gegen Empfangsbescheinigung) tfanasbescheinigung) — as bett. vetr. Papier rechts| damit ist das - gültig zur Zahlung präsentiert —

764

Kap. III.

Die Handelsgeschäfte.

erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen werden. die letzteren sind zwei

praktische Rechtssätze von

Für

größter

Bedeutung:

1. Die Einlieferung eines Papiers in die Abrechnungs­

stelle gilt als gehörige Präsentation zur Zahlung. 2. Die Ausgleichung im Abrechnungsverfahren gilt als

Zahlung im Sinne des bürgerlichen Rechts. Reben

diesen

beiden

Rechtssätzen

Abgleichungsvertrags;

Wirkungen des

stehen die

Unifikation der zur Skontration gelangenden Passiva

jedes Mitglieds,

ferner

die

besondere

kompensierende Aktiva und

Personifikation

der

Abrechnungsstelle, zunächst nur im Sinne kaufmännischer Auffasiung und Buchung, dann die Cession des durch die

Unifikation

nicht

rechnungsstelle

und

ausgeglichenen

Aktivrests

an

die

Ab­

die Schuldübernahme des durch jene

Unifikation nicht ausgeglichenen Passivrests seitens der Ab­

rechnungsstelle.

VII. Eine besondere Art von Zahlungsgeschäft ist das

und macht einen darauf be-! züglichen Eintrag in eine von | rhm, wie entsprechend von jedem | anderen Mitglieds geführte Liste (sog.,Abrechnungsblatt"); letztere hat drei Spalten, von denen die mittlere die Namen der an der ' Skontration beteiligten Mit- I alieder enthält, die linke die Forderungen nennt, welche dem Eintragenden gegen das in der mittleren Spalte genannte Mitalied zustehen, und die rechte die Forderungen aufzählt, welche der in der Mitte genannten Firma i

gegen den Eintragenden zustchen. In dieses sogen. Abrechnungsblatt kann und wird jedes Mit­ glied das, was es von der in der Mitte genannten Firma zu fordern hat, schon vorher ein­ tragen, in die Kreditkolonne des Blattes trägt jedes Mitglied in dem Augenblicke, in welchem ihm ein anderer Skontrant ein Papier übergiebt, aus welchem es ver­ pflichtet ist, die betr. Summe ein. Dem Abrechnungsblatte Abrechnung^ liegt st Ort v t v 9 * e. v * (in Berlin) folgendes FFormular zu Grunde.

Zahlungsgeschäfte.

§. 68.

765

Deckungsgeschäft. „Deckung" ist in des Worts all­ gemeinster Bedeutung zweierlei:

Abrechnungsstelle Berlin, den Stickzahl

Debet

1

Firma

Kredit

Bank des Bert Kassenverein

Bank für Handel u. Industrie

8. Bleichröder

Delbrück, Leo & Co.

Deutsche Bank

Totalsumme Saldo Vorstehendes Saldo von Mark wolle die Reichsbank dem Konto der Abrechnungsstelle

zu

des Giro-Konto von

Richtig Der Vorsteher der Abrechnungsstelle.

766

Kap. III.

Die Handelsgeschäfte.

a) die Sicherheit (Sicherheitsbestellung) für den Ersatz des Aufwands, welchen jemand im Namen oder für Rechnung eines anderen aus seinem eigenen Vermögen machen wird oder gemacht hat, und

Durch jene Einlieferungen und die ihnen entsprechenden Einträge i in dem Abrechnungsblatt entsteht ' ein Bild aller Forderungen, welche I den sämtlichen Skontranten gegen I' denjenigen, der dieses Blatt führt, zustehen, sowie aller der För­ derungen, welche diesem gegen die übrigen zustehen, und da jeder Skontrant ein solches Blatt führt, und da die einzelnen Blätter saldiert werden können, ist hiermit schon eine umsaffende Skontration eingeleitet. Aber das bisher geschilderte Verfahren ist nur provisorisch: nach der Einlieserung und Eintragung am ersten Termine begeben sich die | Mitglieder mit den empfangenen Papieren nach Hause, um dort die Prüfung derselben vorzu­ nehmen. (Beanstandete Papiere werden im nächsten Termine }u= rückgeliefert und durch Ein­ tragung in der entgegengesetzten Kolonne abgeschrieben.) Rach beendeter Ein- und Rücklieferung im zweiten Termine (12,/a Uhr) summiert jedes Mitglied sofort; die Debet- und Kredit-Kolumne i seines Abrechnungsblattes und ermittelt durch Saldieren des­ selben, was er der Gesamtheit der Abrechnenden schuldet und I

von ihnen zu fordern hat; über diesen Saldo stellt es eine An­ Weisung an das Girokontor der Reichsbank auf dem Abrechnungsblatt und wörtlich gleichlautend auf einem besonderen Zettel aus, welchen es dem Vorsteher der Abrechnungsstelle überaiebt; der Vorsteher »rsteher trägt die verschiedenen , , . ..... Saldi der ihm übergebenen Ab­ rechnungsblätter in das Bilanz­ buch, ,, vergleicht „ , und visiert die Anweisungen und übergiebt ein Duplikat des betreffenden Blattes des Bilanzbuchs chs dem Girokontor der: Reicksbank, welches erfordert. Buchungen danach die erforl ~ (Belastungen od oder Gutschriften) in den Girokonten der Mit­ glieder und der Abrechnungsstelle vornimmt: denn da die schließlicheAusgleichung vereinbarungs­ gemäß durch Zu- und Ab­ schreibungen auf dem Girokonto bei der Reichsbank stattfinden soll, so können sich nur Giro­ kunden dieser Bank an dem Ab­ rechnungsverkehre beteiligen. S. §. 66 III S. 742 ff. Den Vorgang der Abgleichung in ihren einzelnen Stadien soll nachstehendes Schema zur Ver­ anschaulichung bringen:'

ZahlungSgeschäste. g. 68.

767

Schema zur Veranschaulichung des Clearings. Stand der

I. II. Resul­ tat derEinIII. Resul» tat der Sal­ dierung auf den Abrechnungsbllttern

II. Resul­ tat der Ein-

Einlieferung.

Es hat zu fordern:

im ganzen

14

einzeln

Folglich schuldet:

einzeln

13

7

C: 3 von F C: 4 dem A 2 » D 4 „ G

6

3

D: 1 von B D: 5 dem A ___ 2„_C 6 „ G

11

3

E: 3 vonA E: 6demB

6

4

F: 4 von B F: 3 dem C

3

16

G: 6 vonD G: 7 dem B 10 „ A 4 , C

11

60

60

Dem Konto der Abrechnungs­ stelle gut­ geschrieben zu Lasten des D u. E. * Hierüber werden schließlich — vom Vorsteher der Abrechnung-stelle alrichtig erklärte - Anweisungen an das Girokontor der Reich-bank -u Gunsten der Girokonti von A. B, C, F und G ausgestellt ni Lasten der Giro­ konti von D und Ej infolge hiervon

60

UI. Resul­ tat der Sal­ dierung auf den Abrech­ nungs­ blättern.

Im ganzen Pasalvealdl

A: 5 von BI ;A: 3demE 10 „ G 4 n C 5 . D B: 6 von E! iß: 5dem A 1 „ D 7 „ G! ! ' 4 „ F

13

+ 11*

Forderungen bei Beginn

10

60

—11*

Das Konto der Abrechnungs­ stelle belastet zu Gunsten des A, v. C, F u. G. belastet die RetchSbank da- Girokonto des D mit 8 (Kreditor Abrechnungs­ stelle) und da- des E mit 3 (Kreditor Abrechnungsstelle) und schreibt dem Girokonto de- A 1 gut (Debitor Ab­ rechnungsstelle), dem des B 3 u. f. f.

768

Kap. HI.

Die Handelsgeschäfte.

b) dieser Ersatz (die Revalierung)') selbst; und Deckungsgeschäfte sind demnach

diejenigen Rechtsgeschäfte,

jene Sicherstellung oder diesen

welche

Es

zwecken.

ist

begreiflich,

daß

die

Ersatz

be­

Deckungsgeschäfte

gerade im Anschluß an Zahlungsanweisungen und Wechsel

besonders

häufig

vorkommen.

Die Deckung

im

engeren

Sinne, nämlich die Ersatzleistung (Revalierung) kommt in verschiedener Weise vor, je nachdem zur Deckung ein bereits der nun zu

vor

ersetzenden

Aufwendung

vorhandenes

Rechtsverhältnis zwischen dem Ersatzberechtigten und dem Deckungspflichtigen zur Deckung

diesem Zwecke

ein neues

verwendet wird oder zu

Geschäft (Deckungsgeschäft im

engsten Sinne) eingegangen werden muß.

Ein bereits vor dem zur Deckung berechtigenden Auf­ wande existierendes Rechtsverhältnis wird zur Deckung ver­ wendet, wenn „auf Schuld" mandiert ist, d. h. wenn der

Deckungsberechtigte vorher der Schuldner des

Deckungs­

pflichtigen (z. B. Zahlungsmandanten, Assignanten) war,

sowie dann, wenn der Deckungsberechtigte (z. B. Assignat) zwar zur Zeit des an ihn gerichteten Zahlungsmandats noch nicht Schuldner des Mandanten war, es aber noch vor

dem

Vollzüge

des

Zahlungsauftrags wurde:

in

beiden

Fällen erfolgt die Deckung einfach durch Abgleichung von

Schuld

und

Forderung

(Kompensation,

möglicherweise

Skontration); hat der Deckungsberechtigte bereits, ehe er

den Aufwand für den andern machte, „Deckung" erhalten,

1 Dgl. G. Cohn im Hdbch. Bd. 3 S. 1090 ff. und die dort angegebene Litteratur.

ZahlungSgeWfte.

§. 68.

769

Barfonds oder Effekten von dem Deckungspflichtigm in Empfang genommen, fei es mit Bezug auf eine bestimmte

einzeln vorzunehmende Auslage, fei es allgemein, wie bei dm „Depositen im Kontokurrent" (Deckung i conto f. §§. 63,

66 S. 721, 742), zum Zweck der Krediterlangung, so erfolgt

die Ausgleichung hinterher von selbst, kaufmännisch schon

durch die mtsprechende Buchung des Aufwands, der durch den vorher

gebuchtm Eingang

des

Barfonds u. f. w.

„gedeckt" ist, sofern die in Depot gegebnen Wertgegen­

stände nach dem Willm der Parteien oder wegen Verzug zur Zahlung verwendet werben.

Ist

kein

bereits

vorhandenes

Rechtsverhältnis

zur

Deckung zu verwendm, so muß gegebenenfalls ein neues

Geschäft zu diesem Zwecke abgeschlosien werben;1) dies ist

stets ein Zahlungsgeschäft, entweder eine direkte oder eine indirekte Zahlung enthaltend.

Die Notwendigkeit eines

neuen eigenen Deckungsgeschäfts macht sich geltenb, wenn der Deckungsberechtigte dm nun zu ersetzmden Aufwand für

dm Rmalierungspflichtigen rein auf Kredit (auf Borg, in blanco, ä dScouvert) machte, sowie auch dann, wenn der Revalierungspflichtige dem Deckungsberechtigtm zwar Sicher­

heit bestellte (gedeckter Kredit, z. B. durch Accepte, Ver­ pflichtungsscheine), aber nicht solche Wertgegmstände über­ gab, welche ohne weiteres zur Zahlung oder Ausgleichung

verwmdet werben konnten.

1 Bat. A. Ströll, Die WechselrevalierungSllagc. lingen 1873.) (Bareil, Handelsrecht. 6. Aufl.

49

(Nörd­

770

Kap. III.

VII.

Die Handelsgeschäfte.

Die Schaffung und Verwendung von Wertpapieren.

§. 69.

Wese« der Wertpapiere. Schriftliche Aufzeichnungen, durch welche irgend etwas

bekundet wird, sind, wie aus zahlreichen Abschnitten dieser

Darstellung zu ersehen ist, im Handelsverkehr in großer Menge gebräuchlich; sie lasten sich nach verschiedenen Ge­ sichtspunkten einteilen, unter anderem auch nach Maßgabe

der Stellung, welche sie zu einem bestimmten Rechtsgeschäft

oder Rechtsverhältnis einnehmen; hienach sind zu unterscheiden:

I.

II. III.

deklaratorische Dokumente, konstitutive Urkunden und

Wertpapiere,

ohne daß die Unterschiede in dem Sinne ausschließend zu

fasten sind, daß eine Urkunde nicht zugleich mehrere dieser Stellungen

zum

bekundeten

Rechtsverhältnis

einnehmen

könnte.

I. Die deklaratorischen Urkunden stehen völlig außer halb des durch sie deklarierten Rechtsgeschäfts oder -verhältnifles, welches ohne sie civilistisch entsteht und besteht; zu

ihnen gehören a) die Beweisurkunden, „Dokumente" im engeren

Sinne, welche entweder schlichte Beweisurkunden sind, die einen

rechtlichen Vorgang zu beweisen haben, der auch ohne sic nicht bloß rechtlich besteht, sondern

auch ohne sie be­

wiesen werden kann (und zwar auch abgesehen von dem

Wesen der Wertpapiere.

§♦ 69.

771

Falle einer Amortisation) durch andere Beweismittel, wie

Sengen u. dergl.;

hieher ist zu rechnen der gewöhnliche

Schuldschein, die Quittung, die Faktura, auch der Hypo­

thekenbrief, der Pfandschein, der Lombardschein, der Zeichnungs- und wohl auch der Jnterimsschein, —

oder qualifizierte Beweisurkunden sind, die einen rechtlichen Vorgang zwar nicht begründen (oder begründen

helfen), wohl aber ausschließlich zu beweisen im stände und berufen sind; wenn z. B. bestimmt ist, daß Rechts-

geschäfte über Liegenschaften nur gelten, sofern sie notariell verbrieft sind, so ist die notarielle Urkunde, welche über

einen Liegenschaftsverkauf errichtet ist, zwar auch nur eine Beweisurkunde, aber das einzig mögliche Beweismittel und

wird dämm als qualifizierte Beweisurkunde bezeichnet werden

dürfen; die qualifizierten Beweisurkunden stehen übrigens auf der Grenze der konstitutiven Urkunden (II), und sie

überschreiten diese Grenze dann, wenn die bürgerlichrechtliche Existenz (nicht bloß der Beweis) von der Errichtung oder

wesentlichen

Verwendung

der

Urkunden

abhängig

ge­

macht ist. b) die Legitimationszeichen; *) das sind Urkunden, 1 BGB. §. 807. Diese Zeichen sind nicht zu verwechseln mit „Legitimationspapieren, d. s. die­ jenigen Wertpapiere (im Sinne von III), bei denen der aus (ober aus) dem Papiere Ver­ pflichtete nicht die Pflicht hat. zu prüfen, ob der Vorzeiger des Papiers identisch sei mit dem­ jenigen, für welchen die Leistung dem Inhalte der Urkunde nach bestimmt ist (s. z. B. bei De­

positalscheinen der Reichsbank, s. oben S. 695, 697), oder bei welchen der Verpflichtete in der ihm obliegendenEchtheitsPrüfung wenigstens Erleichterungen ge­ nießt, welche von Gesellschafts­ statuten oder im Begebungs­ verträge genau bestimmt sind, oder bei welchen der Verpflichtete die Präsentation des einzulösen­ den Papiers durchweg als genügende Legitimation — laut 49*

Kap. III.

772

Die Handelsgeschäfte.

welche nur zur Ausübung einer Kontrolle, zur Prima-vista-

Bescheinigung einer als Vorbedingung zur Ausübung eines

Rechts geltenden Thatsache oder zur leichteren Orientierung über eine außerhalb der Begebung des Zeichens entstandene

Befugnis unter allen Umständen nur im Interesse einer gewissen Übersichtlichkeit oder aus sonstwelchm geschäftlich­ technischen Rücksichten gegeben, genommen, getragen oder

sonst verwendet werden, nicht aber als Dokumente zu be­

weisen/) noch auch als „Werte" zu cirkulierm bestimmt

sind; es gehören hierher Marken, Karlen, Billets verschiebener Art, wie Eintrittskarten u. bergt2) II.

Die konstitutiven Urkunden stehen nicht außerhalb,

sondern innerhalb des Rechtsgeschäfts, welches abgeschlossen

und

beurkundet wird;

das

Rechtsgeschäft

kann

alsdann

ohne die Urkunde nicht bloß nicht bewiesen werden, sondern ohne sie überhaupt nicht zur Existenz gelangen, so daß also Vertrag — betrachten darf, wie dies z. B. bei Sparkassenbüchern und Assekuranzvolicen vor­ kommt, Papiere der letzten Art werden — vorzugsweise — Legitimationspapiere — im engeren Sinne — genannt. Hier­ über s. die ausführliche Dar­ stellung Brunners im Hdbch. §. 196. Bei den Legitimattonszeichen ist, wenn man die eben erwähnten Gesichtspunkte darauf anwenden will, von einer Jdentitätsprüfung meist nicht die Rede, die Ecbtheitsprüfuna sehr erleichtert und die Präsentation als Legitimation zu erachten. Vgl. A. Ran da a. dem S. 773 angegebenen Orte S. 353 ff. Über die VersicherungS­

marke und Quittungskarte s. L. Latz, in den Rechtswissen­ schaftlichen Untersuchungen zur socialpolitischen Gesetzgebung, herausgeg. von demselben (Mar­ burg 1891). Überd. Briefmarke siehe Kohler in AsbR. Bd. 6. * So »beweist" z. B. eine Eisenbahnfahrkarte weder ein Recht, noch eine bestimmte That­ sache, sie ist aber Kontrollezeichen. 2 Über die Legitimations­ zeichen s. Gareis in BA. Bd. 34 (1876)©. 97 ff., insbes. S. 104 ff.; W. Fuchs, Die Karten und Marken des täglichen Verkehrs. (Wien 1881). Vgl. Selig­ sohn, Verzinsung aufgerufener Obligationen in GZ. Bd. 36 S. 49 ff. BGB. §. 807.

Wesen der Wertpapiere. §. 69.

778

die Urkunde nicht bloß zum Beweise, sondern auch zur Konstituierung de? Rechtsverhältnisses und des darin entstehenden Rechts — materiellrechtlich — erforderlich ist. Solche konstituierende — oder „dispositive" *) — Urkunden kannte bereits das Recht des Altertums und des frühen Mittelalters; es gab schon damals Rechtsgeschäfte, welche durch die Hingabe einer Urkunde („carta“, „cautio“) ab­ geschlossen, Rechtsverhältnisse, welche per cartam begründet wurden; daß die Urkunde natürlich auch deklaratorische und insbesondere beweisende Bedeutung hat, ist selbstver­ ständlich und ergiebt sich aus ihrem schriftlich ausgedrückten Inhalte; dies unterscheidet sie von einem beim Konsti­ tuierungsakte im übrigen ähnlich fungierenden Symbol.8) HI. Die Wertpapiere sind Urkunden, welche bei ge­ wissen Verwertungen (Ausnützung oder Überttagung) eines privattechtlichen Anspruchs privatrechtlich von wesentlicher Bedeutung sind, m. a. W. Urkunden über privat­ rechtliche Ansprüche, deren Verwertung (Eigenausnützung oder Überttagung) von einer Verfügung (Disposition) über die Urkunde bürgerlichrechtlich abhängt;8) da man mit 1 Brunner nennt.disposi­ tive* Urkunden solche, durch welche ein Rechtsgeschäft nicht bloß bewiesen, sondern zugleich vollzogen werden soll (Hdbch.Vd.2 S. 145); daS .Vollziehen" be­ deutet hiebei nicht die Erfüllung, sondern die formell vollendete Äbschließung, fällt demnach mit der rechtlichen Konstituierung des Rechtsverhältnisses zusammen. 2 Vgl. über solche rein kon­ stitutiven Urkunden Brunner

im Hdbch. S. 145, 146; GZ. Sb. 22 S. 64 ff. 8 Vgl. hiemit Brunner im tdbch. Sb. 2 S.* 147; GUGesch. . 386; GSyst. §. 83a; A. Randa, Das Eigentumsrecht mit besonderer Rücksicht auf bte Wertpapiere des Handelsrechts nach österr. Rechte mit Serücksichtiguug des gemeinen Rechts und der neueren Gesetzbücher. I.^Llfte (Leipzig 1893). S. 310 ff.,

774

Die Handelsgeschäfte.

Kap. IIL

der Disposition über die Urkunde zugleich über den darin bekundetm Anspruch disponiert, könnte man diese Papiere

auch dispositive Urkunden*) nennen; und da der wirt­ schaftliche Wert des Anspmchs — durch die Bindung der Disposition über den Anspruch an die Disposition über

die Urkunde

an die Urkunde selbst geknüpft oder in



das Papier gelegt (der Anspmch also im Papier ver­ körpert) erscheint/) so ist auch der Name „formelle Wert­ träger" auf sie anwmdbar (s. oben §. 43 S. 490 f.); sie

gelten als Sachen, die durch spruch

wertvoll

sind,

Wert

dm an sie geknüpftm An­

habm

und

zur

Verwertung

dieses Anspruches wesentlich sind.

Dadurch, daß sie seinm

gedruckt

aussprechen, können sie

Inhalt geschrieben

oder

natürlich auch beweisen und sind also auch Beweisurkundm,

schlichte oder qualifizierte.

Ist die zur Verwertung nötige

Urkunde schon zur Entstehung des Anspruchs erforderlich,

so ist das Wertpapier zugleich konstitutive Urkunde; aber nicht jedes Wertpapier (wohl aber die Mehrzahl derselben) ist auch zur Konstituierung des Rechtsverhältnisses, zur Er­

werbung des Anspmchs erforderlich; so ist z. B. die Aktie unzweifelhaft

ein

Wertpapier, man kann

aber Mitglied

einer Aktiengesellschaft eher sein, als man eine Aktie in

die Hand bekommt;

so im Gründungsstadium.

Je nach­

dem der Anspruch, zu dessen Verwertung die Urkunde er­ forderlich ist, nur obligationenrechtlich (mithin ein

Fordemngsrecht) oder auch ein s a ch e n r e ch t l i ch e r ist (folglich * Anders Brunner a. a. £)., | Gierke, Goldschmidt u. n., s. oben S. 773 Sinnt. 1. ; gegen diesen Gedanken Brunner) 1 über den .Verkörperung?- ; I- unten S. 777 Sinnt. 1.

gedanken' (Savigny, Kuntze,

Wesen der Wertpapiere.

§. 69.

775

dem Inhaber oder Erwerber des Papiers damit auch ein dingliches Recht zukommt u. s. ro.), kann man ForderuugS-

papiere (Skripturobligationen des modernen Rechts)

und sachenrechtliche Papiere unterscheiden.

Von dm sachen­

rechtlichen Wertpapieren wurde oben §. 44 S. 449 f. ge­

sprochen. Die weitaus wichtigstm Wertpapiere sind Forderungs­ papiere, die Skripturobligationm des modemen Verkehrs;x)

zu ihnen sind auch die Papiere zu rechnen, welche Gesell­

schaftsanteile 1 2) wertpapiermäßig verbriefm (so Aktie, Kux­ schein); zu ihnm gehören vor allem der Wechsel (s. unten §§. 74 ff.), sowie diejenigm Wertpapiere, welche man „Effekten" nennt, d. s. Wertpapiere, welche einen Markt­

oder Börsenpreis

haben, und

die man,

soweit sich der

Handel mit ihnen beschäftigt, auch als Handelspapiere zu bezeichnen pflegt.

Die meisten dieser Forderungspapiere

sind zugleich konstitutive Urkunden (s. oben II) und in der

Regel

auch Präsentationspapiere,

deren

Vorzeigung

(Präsentation)

d. h. Papiere,

der Leistungsberechtigte

bewirkm muß, wenn er die Leistung empfangen will, der­ gestalt, daß der Leistungspflichtige erst dann in Verzug ge­

rät, wenn er nach vorgängiger Präsentation des sättigen Papiers „gegen das Papier" nicht leistet8) 1 Gegen die von Brunner für die Skripturobligationen gebrauchte Bezeichnung: »WertPapiere öffentlichen Glaubens" und gegen die neue Konstruktion derselben im Hdbch. §. 195 haben sichGoldschmidtinGZ.Bd.28 S.71 ff., auch in GUGesch.S.389 Anm. 22, und Gierke in GZ.

i | j ! i

Ist ein For-

Bd. 29 S. 265 erklärt, gegen die Bezeichnung Skripturooligationen A. Randa a. a. O. (oben S. 773 Sinnt. 3) S. 313. 8 And. Ans. ist Brunner im Hdbch. a. a. O. S. 148, 150. , 3 * *Uber ** das Prasentations, Papier s. Brunner im Hdbch. 1 §. 193 Bd. 2 S. 145 ff.

776

Kap. III. Die Handelsgeschäfte.

derungspapier ein Wertpapier und zugleich eine konstitu­

tive Urkunde

und

ein Präsentationspapier, so

Skriptur eine dreifache Funktion *)

hat die

für die Obligation:

a) die sogen. Genitalfunktion, d. h. die Aufgabe, bei

der Entstehung der Obligation privatrechtlich wesentlich mit­

zuwirken, 2)* konstitutive Bedeutung der Urkunde; b) die sogen. Vitalfunktion, das bedeutet: die Übertragung der Obligation, die Verwertung derselben im Verkehr, sowie

jede nicht die Beendigung herbeiführende Verfügung darüber (z. B. Verpfändung, Verwendung der Obligation zur Legi­ timation) ist nur mit dem Papiere, nur durch die Dispo­ sition über das Papier möglich,8) und c) die sogen. Final­

funktion, d. h. die Urkunde, hat die Aufgabe, bei der Solution der Obligation mitzuwirken, insbesondere so, daß die Obligation regelmäßig

(d.

h. wenn nicht die Aus-

nahmshilfe der Amortisation zulässig ist) untergeht, sobald

das Papier untergeht, und die Erfüllung der im Wert­ papiere verbrieften Leistung nur „gegen das Papier", d. i.

demnach Präsentationspapier, gefordert werden sann.4)* * Die * Obligation liegt demnach gebunden im Papier: ihr Schicksal

hängt an dem der Skriptur („Skripturrechte");8) man drückt

1 91 oÄ Kuntze, Deutsches Wechselrecht §. 11 S. 46. 8 Ausstellung von Inhaberpapieren nach BGB. 8. 793 Abs. 2 (auch mechanische Bcrvttlsältrgung der Unterschrift ist Zulässig), §. 794. 8 Über die in dieser Bezie0 bedeutend werdende Unterung der sog. Legitimationspapiere im Gegensatze zu andern

! Urkunden s. oben S. 771 f. Anm. - Vgl. RGer. Bd. 13 S. 159. ; < Finalfuuktion der Inhaber­ . papiele BGB. §. 797. VorI (egungssrist, Verjährung (30 - Jahre bez. 4 Jahre), Hemmung , derselben s. BGB. §§.801, 802. i Für Coupons gelten besondere * Bestimmungen s. BGB. §§. 803 | bis 805. 1 " Vgl. GUGesch. S. 388, 389.

Arten der Wertpapiere.

§♦ 70*

777

dies mit der Bezeichnung aus: die Obligation ist verforpert1)2 im Forderungswertpapier, in der Skriptur, und

diese ist der Träger des Forderungs- und Schuldverhält­

nisses;

geht

der

sichtbare Körper

derungsrechts unter,

so

des unsichtbaren For­

endigt auch das letztere, sofern es

nicht — durch das Amortisationsverfahrena) — zu einem

Leben nach bem Tode des Körpers gerettet werden kann.

Alle Wertpapiere enthaltm Versprechen, sei es, daß die­

selben

verhüllt oder

darin ausgesprochen Träger von

unverhüllt,

Kredit,

oder unbedingt

aber nicht alle) sind

„reinen Summenversprechen",a) so

Angabe des Schuldgrundes

entbehrt

bedingt

sind, viele (—

werden

kann;*)

darin

das

geldwerte

welcher diesen Versprechen

daß

die

fehlt oder wmigstens

Vertrauen,

der

im Verkehre geschenkt

wird, rechtfertigt dm Namen Kreditpapier, welcher be­ sonders

für die bedeutendstm dieser Wertpapiere, die die

Leistung einer Geldsumme versprechenden, die Geldpapiere,

gebräuchlich ist. §. 70.

Arten der Wertpapiere. I. Abgesehen von den im vorigen Paragraphm erörterten, mit dem Gegensatz zwischen rein deklaratorischm und rein

1 Über diesen seit Savigny gebrauchten bildlichen Ausdruck s. G i er t e in GZ. Bd. 29 S. 255 ff. und Gold sch mid t in GUGesch. §. 12 Anm. 16 (s. oben S. 774 Anm. 2). 2 Über die Amortisation s. unten §. 71 III, §. 72 VI, §. 73 IV, §. 102. GUGesch.

S. 388 (Geschichtliches über die Amortisation s. ebenda Anm. 21, GSyst. S.168 ff.) und Brunner in GZ. Bd. 22 S. 80 ff. 8 Thöl, HR. §. 212: der­ selbe WR. §J 17, 55-62. 4 Die Cirkulationsfähigkeit kann auch bei Wertpapieren, welche individualisiert sind (die

778

Kap. III.

Die Handelsgeschäfte.

konstitutiven Urkunden zusammenhängenden Unterscheidungen lassen sich die Wertpapiere nach verschiedenen Gesichtspunkten

einteilen: nach dem Aussteller in Privat-, Korporations­

und Staatspapiere, nach dem Leistungsobjekte in Geld- und Warenpapiere (f. vor. Paragraphm a. E. und §. 44), nach der Stellung zur causa: individualisierte und nichtindividuali­ sierte (s. vorige Seite Anm. 3 und 4), nach der Art

des in der Urkunde verbriefte Anspruchs: in sachenrechtliche

und Forderungspapiere (s. vor. Paragraphen auf S. 774

zu 775) u. s. w. II. Für die Forderungspapiere (Skripturobligationen) ist von großer Wichtigkeit die Unterscheidung nach der Art

der Verpflichtung des Ausstellers: in einfache und in ge = zogene (trassierte)

Papiere; einfache Papiere sind die­

jenigen, durch deren Begebung der Aussteller direkt, in erster

Linie (primär) und nach Inhalt des Papiers ohne weiteres

verpflichtet wird; gezogene Papiere (trassierte Wertpapiere) sind jene Wertpapiere, deren Aussteller für die Erfüllung des im Papier gar nicht ausdrücklich enthaltenen Versprechens

nur unter der Bedingung haftet, daß die Erfüllung des Vercausa (lebendi nennen), erreicht | mente — wo diese gestattet sind werden, nämlich teils durch die — (s. unten §§. 88, 89), so bei streng formalistische Beschränkung der Versicherungspolice und dem der Gültigkeit ans den Wort­ Bodmereibrief (HGB. §§. 363, inhalt der Urkunde (Rechtszwang 364), Namenaktien(HGB. §§. 129 Abf. 2, 183). sccundum scripturam) 1 Die Worte „trassiert" und GUGesch. S. 135 u. GZ. Bd. 28 S. 71 —, zum Teil wohl auch Tratte, Trassant und Trassat durch den Ausschluß der ex- kommen vom roman. trassare = ceptiones ex persona cedentis, ziehen, das mit dem lat. tractus, der in der Anwendung des In- trahere zusammenhängt. Diez, Öaments liegt, sowie durch den Wörterbuch Bd. 1 S. 420. rauch des Blankoindossa-

Arten der Wertpapiere.

§. 70.

779

sprechens zuvor bei einem anderen (dem Bezogmm, Tras­ sierten, Trassaten) nachgesucht wurde, dort aber nicht erlangt werden konnte; die einfachen Wertpapiere (gubeiten z. B. der eigene Wechsel, der Verpflichtungsschein, die Police gehört) mthalten ein Leistungs-, bei Geldpapieren ein Zahlungsversprechen unmittelbar: z. B. „gegen dies Papier zahle ich"; die gezogenen Papiere enthalten äußerlich nur einen Zahlungs-(Leistungs-)Auftrag, den der Aussteller des Papiers an den Bezogenen richtet, innerlich aber das Versprechen des Ausstellers: für die Zahlung (Leistung) regreßmäßig zu haften, wenn der Bezogene den Auftrag nicht erfüllen sollte; dies ist wenigstens bei dem am vollständigsten entwickelten gezogenen Wertpapiere, nämlich dem gezogenen Wechsel, der Tratte, der Fall. HI. Nach der Art, wie der Gläubiger im Wertpapiere bezeichnet ist und — was gleichviel ist — nach der Negoziabilität *) werden die Wertpapiere eingeteilt in:

1. Rektapapiere ^) (auch „Namenpapiere"), d. s. jene Wertpapiere, in denen der Gläubiger einfach durch die in den Text des Papiers geschriebene oder gedruckte Nennung seines Namms direkt und ausschließlich genannt ist, und welche infolgedeffen nur durch gewöhnliche Cession auf 1 Die bis in das hellenische Altertum zurückreichende Ge­ schichte negoziabler Wertpapiere ist namentlich durch Brunner u. Goldschmidt neuerlich auf­ gehellt worden. Litt. s. GUGesch. ! S. 390-397. GZ. Bd. 22, S. : 1 ff., Bd.23 S.225ff.; Gold-! schmidt in der Zeltschrist der!

Savianhstiftung für Rechtsgesch. Bd. 10 2. S. 352 ff.; Gareis in GZ. Bd. 21 S. 349 ff., 59 ff. 2 Brunner im Hdbch. Bd. 2 S. 177 ff. (§. 197) und die dort cif. Lut., ferner GUGesch. S. 390 Sinnt. 28 u. Nanda a. a. O. S. 359 ff.

Kap. III.

780

einen

anbeten

als

Die Handelsgeschäfte,

neuen Gläubiger

übertragen werden

sönnen.1)

2.

Blankopapiere, b. s. Wertpapiere,

auf benen bet

Name des Gläubigers nicht angegeben ist, sondern sich statt

besten ein weißer (blanco), b. i. leerer Raum im Kontexte des Papiers befindet, auf welchen der Name eines Gläubigers

geschrieben werden kann;

ehe letzteres geschieht,

hat daS

Papier die Funktion eines JnhaberpapierS (f. §. 72), nach­ her aber die eines Rekta-, unter Umständen Orderpapiers.

3. Orderpapiere (f. §. 73) und 4. Jnhaberpapiere (s. §. 72).

§• 71. Entstehung, Umlauf und Untergang der Wertpapiere.

I. Die Wertpapiere entstehen durch die Ausstellung

derselben; es wird darüber gestritten, ob die Ausstellung ein einseitiges Rechtsgeschäft (eine Kreation) sei, welches der

Aussteller allein durch

das Schreiben

des Papiers,

wesmtlich also durch seine Unterschrift, allein und vollständig mit der Wirkung vollendet, daß hiedurch die Verbindlich­

keit und die Berechtigung aus dem Papier vollständig ge­

schaffen wird, oder ob die Ausstellung ein einseitiges Rechts­ geschäft des Ausstellers sei, welches in dem Schreiben

desselben und dem Geben (Ausgebm, Emittieren,Über­ geben des geschriebenm Papiers an den ersten Nehmer, der dadurch [erster] Gläubiger werden soll) — immerhin also

in Thätigkeitm des Ausstellers allein besteht, oder ob die 1 Möglicherweise ist auch die I der Reichsbank, s. oben §. 66 III Eession der Rektapapiere aus- S. 745 und §. 68 IV S. 759. geschlossen, so beim roten Check

Entstehung, Umlauf u. Untergang d. Wertpapiere. §. 71.

781

Ausstellung als der die Pflicht und das Recht aus dem

Papier erzeugende Akt ein zweiseitiges Rechtsgeschäft (ein Vertrag) sei, welches durch Schreiben, Geben und

Nehmen

des

ein

bestimmtes

Versprechm

enthaltenden

Papiers, d. i. durch den Ausstellungs- und Begebensvertrag, welchen der Aussteller und der Nehmer miteinander abschließm, perfekt und wirksam wird.

Über diese Streitfrage

s. §§. 72, 78, insbes. 81 unten. II.

Der Umlauf der Wertpapiere richtet sich danach,

wie der Gläubiger in dem Papiere bezeichnet ist; so laufen Blanko-

und Jnhaberpapiere dadurch rechtlich im Verkehr

um, daß sie unverändert von Hand zu Hand begeben werden,

Orderpapiere aber vermittels des Jndoffammts, Rektapapiere nur durch Sessionen.

Die Cirkulation ein und desselben

Papiers kann verschieden sein, je nachdem dasselbe vorüber­ gehend die eine oder andere Qualifikation annimmt, z. B.

ein Jnhaberpapier vinkuliert, ein Orderpapier in

blanko

giriert oder durch ein Rektaindoflament weiter begeben wirb. Das Nähere «giebt sich auch in dieser Beziehung aus den

folgenden Paragraphen, sowie aus der Hervorhebung des

Begriffs der Legitimationspapiere *) und der Präsentations­ papiere?) IH.

Da das Forderungsrecht an das Papier geknüpft

ist, geht dasselbe nur mit dem Papier unter — die End­ funktion besteht in der Kassation, Einziehung, Vernichtung oder Quittierung des Papiers, womit alsdann auch das daran geknüpfte Gläubigerrecht vemichtet ist; dieses Recht, wie auch die ihm entsprechende Pflicht geht unter, wenn das

1 S. oben §. 69 S.771 Anm. 1, | S. 776 Anm. 3.

1 6. oben §. 69 S. 775.

782

Kap. HL

Die Handelsgeschäfte.

Papier untergeht; hievon bildet eine Ausnahme der Fall der Amortisation (Mortifikation, Kraftloserklärung der Wert­

papiere); man versteht darunter die gerichtliche Kraftlos­ erklärung eines abhanden gekommenen Wertpapieres, welche von der Bescheinigung des Unterganges dieses Papieres und

von der präjudiziellen Aufbietung desselben abhängig ist und

die Wirkung erzeugt, daß nach ihr der Gläubiger die Er­

füllung des in dem Wertpapier enthaltenen Versprechens vom Schuldner fordern kann, ohne das Papier selbst zu besitzen, sei es mit oder ohne Kaution. Über die Amortisation der

Jnhaberpapiere s. §. 72 VI, der Orderpapiere §. 73 V, der Wechsel insbesondere §. 102.

§. 72. Jnhaberpapiere.')

I.

Wesen.

Die Jnhaberpapiere sind

Wertpapiere,

bereit Aussteller sich — dem Wortlaute nach — „dem In­ haber", „au porteur“, „dem Vorzeiger", „dem Überbringer", oder — schlechthin — ohne eine solche Andeutung, jedenfalls aber ohne einen Gläubiger mit Namen zu benennen, ver­

pflichtet, demjenigen, der ihm das Papier zur Einlösung 1 Über die Schuldverschreibung aus den Inhaber s. BGB. §§. 793-808. Ältere Litt. s.Brunner im Hdbch. §. 199; GSyst. a. a. O.; G. Salvioli: ititoli al portatore nel diritto longobardo (Roma 1882); J.Rietzer in GZ. Sb. 28 S. 56 ff.; KohlhaaS, Kritik z. 1. Entw. Arch. f. civ. Praxis, Bd. 78 (1888) S. 209—224. — Die historischen

I I : !

wie d. dogmatischen Erörterungen Brunners über das JnhaberPapier a. a. O. S. 196—242 müssen als höchst verdienstvoll und durchschlagend anerkannt werden. Vgl. auch G i e r k e in GZ. 29 S. 265, 266. GUGesch. S. 135. Vgl. auch GareiS, Ein Beitrag zum Handelsrecht des Mittelalters, in GZ. Bd. 21 S. 356 ff.

Jnhaberpapiere.

783

g. 72.

(Zahlung) nach Verfall präsentieren wird, das in dem Papier

enthaltene Leistungsversprechen „gegen das Papier"

füHen?)

zu er-

Ursprünglich durch die Verkehrssitte der altema-

tivm Inhaberklausel, nämlich durch die Beifügung der In­ haberklausel zum Namen des Gläubigers — schon in lango-

bardischen Urkunden des IX. Jahrhunderts — eingeführt,

ist die Verwendung derjenigen Papiere, welche vom Aus­ steller

in der Fassung und Absicht ausgegeben sind, daß

er augenscheinlich weder berechtigt, noch verpflichtet sein soll,

die Legitimation des Gläubigers

zu prüfen, daß vielmehr

der Inhaber — wenigstens der gutgläubige — schlechthin als

solcher Gläubiger sein

soll1 2),

heutzutage ein höchst

ausgedehntes und für Handel und Verkehr, für die Geld-

und Kreditwirtschaft

der Staaten wie der Privaten höchst

bedeutendes Rechtsinstitut geworden. Bei der Leichtigkeit der Übertragung des formalen For­ derungsrechts aus dem Jnhaberpapiere, welche durch ein­ fache Übergabe des Papiers geschieht, ist die Frage, wie es

juristisch konstruierbar sei, daß der Aussteller jedem späteren Nehmer (d. h. dem vorher meist unbekannten letzten In­

haber) gleich dem ersten Nehmer, jedoch selbständig, für die Leistung haftet,

ebenso

Renaud, Dahn

und

wichtig

als

schwierig.

Der von

anderen vertretenen Ansicht, daß

die späteren Inhaber insgesamt auf Grund von Singularfucceffionen in das Recht des Vorgängers berechtigt roerben, steht entgegen,

daß jeder

neue

Erwerber

des Inhaber­

papiers ein eigenes, von den etwaigen Mängeln des Rechts 1 ROHG. Bd. 14 S. 359,1 Auportcurstellung und damit das Bd. 22 S. 55. ' Wesen der Jnhaberpapiere. 2 TieS ist die Bedeutung der,

784

•Rap. III.

Die Handelsgeschäfte.

des Vorgängers unabhängiges Recht durch den Erwerb des Papiers

erlangt,

insbesondere

die

Anwmdung

des

Cessionsbegriffs, wie die Vertreter dieser Ansicht selbst an-

ernennen, ausgeschlossen ist, und durch jene Ansicht gerade daS nicht erklärt ist, was erklärt werdm soll: die Bindung

des Schuldnerwillens zu Gunstm aller späteren Nehmer und die Unabhängigkeit des Rechts der letzteren gegenüber dem

Rechte der Vorgänger.

Diese der Erklärung bedürftigen

Rechtsverhältniffe werden weder durch die Annahme eines

Vertrags

mit

einer

„incerta

persona1

(SanigNys

Theorie), noch auch durch die Supponierung einer Novation

(Unger, Kuntze, welche den völligen Mangel eines No-

vationswillms beim Aussteller und auch bei dm Nehmem übersehm), noch durch

eine Personifikation des Papiers

(B e k k e r), noch durch die Annahme einer Zustandsobligation (Gerber), noch durch die — allerdings durch ihre elemen­

tare Einfachheit überraschmde, aber freilich gerade das Obligationswesm der Jnhaberpapiere nicht berücksichtigmde —

Eigentumserwerbstheorie,') noch durch die Auf­ fassung erklärt, daß bis zur endgültigen Geltmdmachung nur ein schwebender Zustand, nur mögliche, nicht wirkliche Gläubigerschaft vorhanden sei (Jhering, Förster). Da-

gegm habm Goldschmidt, Brunner und Stobbe

die Idem ausgesprochen, welche zur dogmatisch und historisch richtigm Erklämng des Inhaberrechts und seines Ursprungs führm.

Mit Goldschmidt*) ist anzunehmm, daß jeder

1 Ausgestellt von A. Randa (schon 1873), s. Randa a. a. O. S. 312,313; ferner von Carlin ^@3. 36 S. 6 ff.; von .ein (1890)8091. §. 15 u. a.

1 GZ. 29 S. 111 ff. und mit geschichtlichem Nachweise — GUGesch. 6. 392-399.

785

§. 72.

Jnhaderpapiere.

spätere Erwerber ein selbständiges Recht hat, welches nicht

vom ersten Nehmer, sondern unmittelbar vom Aussteller ab­ zuleiten ist;

und

die

damit trifft

Ansicht

ROHG. Bd.3S.51,Bd.l9 von Stempeln statt wirklicher! S. 316. UnterschriftROHG. Bd.5 S. 271.

862

Kap. IV.

Das Wechselrecht.

anzusehen ist, daß das Accept geschrieben und in diesem Sinne „erfolgt" ist, aber nicht anzusehen ist, wann und von wem es durchstrichen wurde, da ferner an dem Dasein des Accepts — dem Wesen der Tratte nach — nicht ein einzelner Interessent (etwa der Remittent) allein, sondern eine Reihe von Interessenten (Aussteller, Indossatare, Indossanten, Notadressen u. s. w.) interessiert ist, so fordert die Rücksicht auf die Verkehrssicherheit und das allgemeine Interesse, daß in solchen Fällen — immer aber die Erkennbarkeit der durchstrichenen Unterschrift voraus­ gesetzt — von dem Zustandekommen oder Nichtzustande­ kommen des Wechselvertrags abgesehen und die bloße Nieder­ schrift der Annahme (Unterschrift des Bezogenen) allein schon als unwiderruflich und als bindendes Accept angesehen werde. Die Deutsche Wechselordnung (wie die meisten anderen) drückt diesen Gedanken nur undeutlich aus; sie sagt näm­ lich: „Die einmal erfolgte Annahme kann nicht zurück­ genommen werden;" deshalb ist die hier vertretene Ansicht außerordentlich bestritten.*) Ist die Durchstreichung oder Tilgung des Accepts in der Weise bewirkt, daß gar nicht erkennbar ist, ob eine Unterschrift des Bezogenen auf dem Wechsel stand, oder was sonst kassiert wurde, so liegt nach der Wechselordnung 1 Die zahlreichen abweichenden Ansichten, das gesamte Material dieser Kontroverse und die aus­ führliche Motivierung der hier im Text vertretenen Ansicht sind zu finden bei G r a w e i n, Die Per­ fektion des Accepts (Graz 1876). (Hierüber Gareis in GZ.Bd.24

S.309 ff. u. Goldschmidt in GZ. Bd. 28 S. 84 g.) Vgl. ROHG. Bd. IS. 274 ff.; RGer. Bd. 9 S. 59 und H. O. Leh­ mann WN. §. 115 Anm. 15 auchGrünhut, WR. 77 Bd. 2 S. 34 ff.

DaS Accept der Tratte, eine

Rechtsverletzung



Wechselvorvertrags — vor,

nicht

863

g. 90.

gerade

Verletzung

eines

auf Gmnd beten der Verletzte

eine neue Acceptunterschrist fordern kann. III. Wirkung des Accepts.

Der Acceptant haftet aus

seinem Accept (d. i. seiner möglicherweise nur in seiner

Unterschrift

bestehendm

Annahme)

wechselmäßig

für die

Zahlung der Wechselsumme zur Verfallzeit des Wechsels

(im Verzugsfalle samt Zinsm); *) er haftet nicht bloß dem

zur

Annahme

präsentierenden

Inhaber,

sondern

jedem

Indossatar, der den Wechsel innehat; er haftet auch dem

Aussteller aus dem Accepte wechselmäßig?)

Hiebei kann

das zwischen dem Aussteller und dem Acceptanten bestehende Deckungsverhältnis eine Einrede des letzteren erzeugen?)

(Dagegen steht dem Bezogenen kein Wechselrecht gegen dm

Aussteller zu.)

Der Inhalt der wechselmäßigm Haftung des

Acceptanten richtet sich nach dem Inhalte des in der Tratte an ihn gerichtetm Zahlungsauftrags; doch haftet der Acceptant aus seinem Accept selbst dann wechselmäßig, roenn die Unter­

schrift des Ausstellers sich als falsch oder verfälscht heraus­ stellt^) oder an ben Bestandteilen der Tratte Änderungen nach der Ausstellung bewirkt routben — all' dies jedoch nur

dem gutgläubigen Inhaber gegmüber und vorbehaltlich der

Einrede des

Betrugs,

welche der

Acceptant demjenigm

fordemden Inhaber gegenüber geltmd machm kann, welcher gegen ihn arglistig auftritt.

Gestritten ist die Wirksamkeit eines Accepts, in welchem ' ROHG. Bd. 1 S. 251, Bd. 14 S. 327. 2 WO. Art. 23. Hiezu jedoch ROHG. Bd. 7 S. 288-296.

8 Stegemann, Rechtsprech. d-S ROHG. Bd. 1 S. 198, Bd. 14 S. 225. « WO. Art. 75.

Kap. IV.

864

DaS Wechselrecht.

die Zahlung einer die Wechselsumme übersteigenden Summe

versprochen ist;1) nach richtiger Ansicht gilt es bis zum Betrag der Wechselsumme als Accept der Tratte, für den Überschuß aber, vorausgesetzt, daß es Orts- und Zeitdatum trägt, als eigener Wechsel?)

Das

Deutsche

Wechselrecht

erkennt

auch

ein

limi­

tiertes Accept an; der Wechselinhaber muß sich gefallen lassen, daß der Bezogene nur zum Teil aceeptiere; wegen

der Nichtacceptation des andern Teils der Wechselsumme

ist alsdann Protest zu erheben. des Accepts

völligen

Andere Einschränkungen

gegenüber dem Zahlungsaufträge stehen einer

Verweigerung

des

Accepts

gleich;

jedoch

bleibt

der Acceptant, soweit ein derartiges Accept einen für die Wechselinhaber interessanten Inhalt hat, hiefür wechselrecht­ lich haftbar?)

Eine Tratte kann

aber auch durch eine andere Person

als den Trassaten vollwirksam acceptiert werden (Inter­ vention durch Accept); ein derartiges sog. Ehren-

accept wird entweder von einem in einer Notadresse des Wechsels Genannten mit

den

bereits

oder von

einem völlig Unberufenen

genannten gewöhnlichen Wirkungen des

Accepts gegeben?) Über Accepte auf Domizilwechseln s. oben I Ziff. 2.

Das

Accept kommt auch außerhalb des Wechselrechts,

bei anderen (gezogenen) Handelspapieren, z. B. bei kauf-

1 Kunde, WR. §. 34 III; ! mann WR. §. 115 Anm. 12: Renaud, WR. 8- 35 Anm. 2; | Grünhut, WR.§. 101 Ziff. 6. Staub zu Art. 22 §. 2 * WO. Art. 22: hiezu siehe 8 Thöl WR. §. 78 S. 271, Grünhut, WR. Bd.2 5.218. §.81 S.281-282; H. O. Leh. 4 5. unten §. 99.

Zahlung der Tratte.

§. 91.

865

«mimischen Anweisungen, vor, und zwar, abgesehen vom

Wechselprozeß, mit ebendmselbm Wirkungen wie bei den Tratten?)

IV.

Zahlung der Tratte.

§. 91. Dem Zweck der Tratte entsprechend, soll die Zahlung

durch dm Bezogenen, und zwar nach Maßgabe der näherm, teils im Wechsel selbst, teils in der Wechselordnung ent­ haltenen Bestimmungen erfolgen.

Die Zahlung der Tratte

(Einlösung) wird beim Bezogenen durch die „Präsentation zur Zahlung"a) eingeleitet: die Wechselschuld ist eine Hol­ schuld ;*3) die Präsentation zur Zahlung ist der unter Vor­

zeigung des Wechsels geschehmde Antrag des Inhabers, der Bezogene möge den Wechsel cinlösen, d. i. die Wechselsumme

bezahlm; dieser Antrag muß zu der Zeit und an dem Orte geschehm, zu welcher und bezw. an welchem die Zahlung

geschehen soll.4)

1. Zahlungszeit.

Die Zahlungszeit wird zunächst

durch den Wortlaut der Tratte selbst, welche notwmdig Bestimmungen darüber enthalten muß/)

bestimmt.

Zur

Beseitigung von Zweifeln stellt die WO. eine ganze An­

zahl von Regeln auf, von benen als die wichtigsten zu erwähnm sind: 1 BGB. §. 789. 3 Grünhut, WR. §. 102: Hermann Ortlosf, Bl. kür Rechtspflege in Thüringen, N. F. Bd. 15 S. 1 ff. ' Dgl. BGB. §. 295. Be­ weis der Präsentation dem Sareis, Haudelirecht. 6. Ausl.

Acceptanten gegenüber beliebig ls. B o r ch a r d t a. a. O. Art. 40 Zusatz 488b; RGer. Bd. 27 S. 42). 4 Thöl WR. §§. 68, 69. 6 S. oben 8- 85Ziff.4S.884.

866

Kap. IV.

Tas Wechselrecht.

Ist die Zahlungszeit auf die Mitte eines Monats fest­ gesetzt worden, so ist der Wechsel am 15. dieses Monats

fällig.') Ist die Zahlungszeit auf Anfang oder ist sie auf Ende

eines Monats gestellt, so ist damnter der erste, bezw. letzte Tag des Monats zu verstehen?)

Ein auf Sicht gestellter Wechsel ist bei der Vorzeigung

fällig.

(Als Vorzeigung gilt auch die Einklagung.)b)

Ein solcher Wechsel muß, bei dem Verluste des wechsel­ mäßigen Anspruchs gegen die Jndosianten und den Aus­

steller,

nach

Maßgabe

der

besonderen

im Wechsel

ent«

haltenen Bestimmung und in Ermangelung derselbm binnen

zwei Jahren nach der Ausstellung zur Zahlung präsentiert werden.

Hat ein Jndoffant eines Jndosiamente eine

so

erlischt

Wechsels dieser Art seinem

besondere Präsentationsfrist

seine wechselmäßige

Verpflichtung,

beigefügt, wenn

der

Wechsel nicht innerhalb dieser bestimmten Frist präsentiert

wordm ist?) Bei Wechseln, welche mit dem Ablaufe einer bestimmten

Frist „nach Sicht" oder die

Verfallzeit

„nach Dato" zahlbar sind, tritt

entsprechend

den Regeln des bürgerlichen

Rechts ein?)

über den Verfalltag der Dießwechsel s. oben S. 834, 858, 859?) 1 WO. Art. 30; vgl. BGB. §. 192. 8 Nürnb. Novelle VII. » ROHG. Bd. 5 S. 315, 373, Bd. 14 S. 30; RGer. Bd. 8 S. 67.

4 WO. Art. 31; ROHG. Bd. 14 S. 30. 6 WO. Art. 32 --- BGB. 188—189. Dgl. RGer. Bd. 26 S. 5. • WO. Art. 35.

§. 91.

Zahlung der Tratte.

867

Fällt der auf eine dieser Bestimmungsarten') sich er­

gebende Verfalltag

auf einen Sonntag oder

allgemeinen

Feiertag, so ist der nachfolgende Werktag der Zahlungs­

tag.-) Respekttage, d. s. Fristen, durch welche der Verfalltag

um eine gewisse (in älteren Rechten häufig) gesetzliche oder gewohnheitsmäßige Zeit hinausgeschoben wird, sind durch

die neue Deutsche Wechselordnung aufgehoben,°) soweit es sich

um

inländische

Wechsel

handelt;

die

int

Auslande

geltenden Respekttage können jedoch bei im Auslande zahl­ baren

Wechseln

vom

Wechselschuldner

geltend

gemacht

werden/)

Dagegen

ist —

reichsrechtlich — ein

Aufschub

der

Zahlung noch zulässig da, wo sog. Kassiertage (d. s. all­ gemeine,

durch

Ortsrecht

eingeführte

Zahltage,

welche

mindestens wöchentlich wiederkehren) bestehen; solche Zahl­ tage fanden sich z. B. in Augsburg und Bremen; Wechsel,

welche zwischen den Zahltagen fällig wurden, brauchten erst am nächsten Zahltage bezahlt zu werden.

Die Kassiertage

sind nun partikularrechtlich aufgehoben/) Der Ablauf der Verfallzeit, welche nicht zur Präsen­ tation

behufs

Zahlung

benutzt

wurde,

ermächtigt

dm

Acceptanten ohne weiteres zur amtlichm Deponierung der Wechselsumme,

auf

Gefahr

und

Kosten

des

Wechsel­

inhabers, vorausgesetzt, daß auch die zur Erhebung des 1 Über die Verschiedenheit 3 WO. Art. 33. zwischen altem (z. B. russischem) * ROHG- Bd. 3 S. 124. und neuem Kalenderstil s. WO. 6 WO. Art. 93. Über BeArt. 84 und ROHG. Bd. 6 . deutung und Beseitigung der S. 128, Bd. 15 S- 242. Kasfiertage s. H.O. Lehman» • WO. Art. 92. , WR. S. 531, 532 Sinnt. 15.

Kap. IV.

868

mangels

Protestes

DaS Wechselrecht.

Zahlung

bestimmte

Frist

unbenutzt

verstrich?) 2. Zahlungsort.

Die Zahlung hat zu geschehen

an dem aus dem Wechsel selbst sich ergebendm Zahlungs­

am Wohnorte des Bezogenen oder an dem

orte, nämlich

besonderen

— vom

Aussteller



angegebenen Domizil

des Wechsels (s. obm §. 85 Ziff. 8 und §. 90 I Ziff. 2), und

zwar soll sie an dem

bezeichneten

Orte regelmäßig

im Geschästslokale, eventuell in der Wohnung desjmigen

nachgesucht werden und erfolgen, welcher die Zahlung zu

bewirken hat (Bezogener, Domiziliat)?) 3. Zahlungsempfänger.

für sich

Berechtigt, die Zahlung

aus dem Wechsel nachzusuchen und zu behalten,

ist der gehörig legitimierte Inhaber des Wechsels.

Dies

ist entweder der Remittent, welcher dm Wechsel noch inne­ hat, oder der Inhaber eines indossierten Wechsels, sofern

dieser Inhaber durch eine zusammmhängmde, bis auf ihn hinunterreichmde Kette von Jndoffamenten oder durch ein

unausgefülltes

Blankoindosiament,

welches

das

letzte

Indossament des konkreten Wechsels ist, gehörig legitimiert

ist.8* )* * *Ausgestrichene Indossamente werden bei der Prüfung

der Legitimation als nicht geschrieben angesehen; die Echt­ heit der Indossamente zu prüfen, ist der Zahlende nicht

verpflichtet.

Weist der legitimierte Inhaber des Wechsels

1 WO. Art. 40. Über die etwaige Zinsverbindlichkeit des Acceptanten s. H. Ortloff in BA. Bd. 46 S. 244. 8 WO. Art 91. Hiezu s. ROHG. Bd. 2 S. 216 (Sterbe­ haus), Bd. 14 S. 118, 261,

Bd. 21 S. 148, 357, Bd. 22 S. 401. 8 WO. Art. 36. Hiezu siehe H. O. Lehmann a. a. O. S. 532 ff., insbes. Anm.25; RGer. Bd. 27 S. 42.

Zahlung der Tratte.

869

§. 91.

die ihm richtig angebotene Zahlung zurück, oder unterläßt er die Präsmtation zur Zahlung, so verliert er den Regreß

an

Aussteller

und

Indossanten;

Zahlung nicht zurückweisen,

und

er

darf

demnach

die

zwar auch selbst dann

nicht, wenn ihm nur Teilzahlung angeboten wird, gleich­ viel,

ob

nur

auf

das

Accept auf die ganze Wechselsumme oder

einen

Teil

derselben

lautete

oder

verweigert

wurde?)

Der Wechselschuldner ist, abgesehen von den Fällen der Amortisation (f. unten §. 102), nur gegen Aushändigung

des quittierten Wechsels zur Zahlung verpflichtet; hat der Wechselschuldner

aber

nur

eine Teilzahlung geleistet,

so

kann er nur oerlangen, daß die Zahlung auf dem Wechsel abgeschrieben und ihm Quittung auf einer Abschrift des

Wechsels erteilt werde?)

Der zum Zahlungsempfange gehörig legitimierte Wechsel­ inhaber

den

ist jedem Wechselschuldner gegmüber verpflichtet,

quittierten

Wechsel

(und

die Protesturkunde)

gegen

Empfang der Wechselsumme samt Zinsen und Kosten aus-

zuliefern?) 4.

In Bezug

§. 43 Seite 494

auf die ff.;

Zahlungsmittel s. oben

fremde Münzen und Rechnungs­

währung sind nach dem Kurse des Verfalltags am Zahlungs­ orte zu berechnen; eine solche Umrechnung findet nicht statt,

wenn vom Aussteller die Zahlung der Wechselsumme aus­ drücklich

(durch

den Zusatz

„effektiv" oder einen gleich­

bedeutenden) in der im Wechsel benannten fremdm Münze

vorgeschrieben wurde?) 1 WO. Art. 38. 2 WO. Art. 39.

2 WO. Art. 48. 4 WO. Art. 37.

Entsch. bei

870

Kap. IV.

DaS Wechselrecht.

5. Zahlungspflicht und Befreiung hievon. Die Pflicht, den Wechsel einzulösen (b. i. die Wechsel­ summe an den richtigen Inhaber richtig zu bezahlen), lastet auf jedem, der den Wechsel acceptierte oder das Accept mit­ unterzeichnete (Acceptanten und Avalisten)?) Der Wechsel­ klage, welche der Eigentümer des Wechsels nach seiner Wahl gegen jeden dieser Verpflichteten anzustellen berechtigt ist, kann der Acceptant — ebenso wie jeder Wechselschuldner, welcher regreßpflichtig ist (s. §§. 92, 96) — nur entgegen­ stellen : a) die Einrede der Verjährung (hievon unten §. 100), b) überhaupt solche Einreden, welche aus dem Wechsel­ recht selbst hervorgehen (z. B. Mangel eines „wesent­ lichen Erfordernisses" der Tratte), c) solche Einreden, welche ihm unmittelbar gegen den jedesmaligen Kläger zustehen2) (unter letzterer Voraus­ setzung z. B. Einrede der Zahlung/) des Betrugs/) Einrede des Wuchers/) Einrede der mangelnden Valuta, Erlaßvertrag).*6)* 8 9 Ist hienach das Einrederecht des Wechselschuldners schon materiellrechtlich sehr eingeschränkt, so vermehrt das Prozeßrecht diese Einschränkung der Verteidigung des Schuldners noch ganz bedeutend. Der Wechselprozeß ROHG. bei St ege mann a. a. O. Bd. 1 S. 217. 1 WO. Art. 81. RGer. Bd. 8 S. 68, Bd. 10 S. 1. 9 WO. Art. 82. Die zahl­ reichen Präjudizien zu diesem vielumstrittenen Artikel s. Bor­ chardt 8. Aull. S. 783 ff. Hiezu Wilh. Mar Werner, Die exceptio doli im Wechsel­

recht (Jnaug.-Tiss.1882); GrünHut, WR.8Z. 86ff.; RGer. Bd. 4 S. 100, Bd. 8 S. 43, Bd. 11 S. 5, 9, Bd. 14 S. 23, Bd. 23 S. 110, 124; Bgl. HGB. §. 364 Abs. 2. 8 Grünhut, WR. §. 87. 4 Grünhut, WR. §. 88. 8 RGer. Bd. 8 S. 97. 6 BGB. §. 397. -

Von der Regreßnahme im allgemeinen ic. ist

nämlich

nach

dem

Dmtschen

A. 92.

871

Civilprozeßrechte

Art des Urkundenprozesses, und deshalb sind

eine alle

Einwendungen des Wechselschuldners, selbst wenn sie nach

der WO. (Art. 82) zulässig wären, als im Urkundenprozeffe

unstatthaft zurückzuweisen, wenn der dem beklagten Wechsel­

schuldner obliegende Beweis seiner Einwendungen nicht mit

den im Urkundenprozeffe zulässigen Beweismitteln angetreten oder mit solchen Beweismitteln nicht vollständig erbracht

wird.

Außerdem ist als Eigentümlichkeit des Wechselprozeffes

die eigenartige Freiheit in der Wahl des Fomms und die

Kürze

der Einlaffungsfrist

hier noch besonders hervorzu­

heben?) Das hier Gesagte gilt

auch von der Zahlungspflicht

und prozeßrechtlichen Stellung jener Wechselschuldner, welche Regreßschuldner

sind (§§.

92 ff.).

Über die Be­

reicherungsklage s. unten §. 100?)

V.

Regreß.

§. 92. Von der Vegreßuahme im allgemeinen.

Übersicht.

Wenn der Zweck der Tratte, daß der Bezogene eine Zahlung an dm rechtmäßigen Inhaber der Tratte leisten

solle, nicht erreicht werden kann, oder die Erreichung des­ selben wenigstens als unwahrscheinlich oder gefährdet er­

scheint, so jenigen

kann sich der Inhaber des Wechsels an den­

oder

an diejenigen,

von

denen er den

Wechsel

übergeben erhielt, zurückwenden, und dieses Sichzurück1 S. oben S. 80 Ziff. 3 S.

817-819.

" WO. Art. 83.

Kap. IV. Das Wechselrecht.

872

wenden (Zurückgreifen, Regreßnehmen, regredi) hat einen

je nach seiner Veranlassung verschiedenen Inhalt. Wenn der Bezogene, nachdem ihm der Wechsel zum

1.

Zwecke der Annahme (Acceptation) präsentiert wurde, die

Annahme verweigert oder nicht vollständig erteilt, oder gar

nicht

aufzufinden

ist

u. s. w.,

hat der Inhaber des

so

Wechsels Grund, zu befürchten, es werde auch die erhoffte

Zahlung am

Verfalltage verweigert

werden,

und

dieser

Befürchtung oder wenigstens Unsicherheit wegen kann er sich

an den Aussteller (oder die Indossanten) zurückwenden und

Dies ist

von ihm (ihnen) Sicherheitsbestellung fordern. der „Regreß mangels Annahme".

Ebendieselbe Befürchtung tritt aber auch dann ein,

2.

wenn der Bezogene zwar den Wechsel acceptierte, hinterher jedoch, bevor der Verfalltag eintrat, in eine derartig schlimme

Vermögenslage gerät, daß er am Verfalltage vielleicht nicht imstande sein dürfte, die Wechselsumme zu zahlen,

wenn er sie auch zahlm wollte.

in diesem Falle der Inhaber des Wechsels

u.

selbst

Deshalb kann sich auch an Aussteller

s. w. zurückwenden, indem er von ihnen Sicherheits­

bestellung fordert, und diese Forderung ist der

„Regreß

wegen Unsicherheit des Acceptanten". Dieser Regreß und der oben (unter 1) erwähnte „Regreß

mangels

Annahme"

bilden

die

„Sekuritätsregresses",

beiden

Fälle

„Regreß

des sogen.

auf Sicher­

stellung".

3. Dem Sicherheitsregreß stehen zwei Arten von Regreß gegmüber, Zahlungsregresse (§. 96): a)

Wenn bei Verfall des Wechsels die Zahlung des­ selben aus

irgend

welchem

Grunde

nicht

erfolgt

873

Der Protest. §. 93.

(gleichviel ob der Wechsel vom Bezogmm vorher an­ genommen worden war oder nicht), so tritt die (sub­

sidiäre) Haftpflicht des Ausstellers und der Indossanten, überhaupt der Wechselgaranten in den Vordergrund und gelangt zur wichtigstm Äußerung: der Inhaber des Wechsels

(d.

i. der Remittent oder, wenn der

Wechsel giriert wurde, der letzte Indossatar) wendet sich mit der Forderung der Regreßsumme zurück an

die Garanten des Wechsels.

„Regreß

der

des

Diese Forderung ist

Wechselinhabers

mangels

Zahlung". b)

Wenn der Wechselinhaber den ebenerwähnten Regreß mangels Zahlung genommen hat, und zwar indem er von einem Indossanten des Wechsels die Zahlung

der Regreßsumme forderte und gegen Aushändigung

auch wirklich erlangte,

des Wechsels

so

daß

nun

dieser Indossant in den Besitz des Wechsels gesetzt

so

ist,

machen

kann

sich

dieser

nun

seinerseits

bezahlt

einen Regreß an seine Vorgaranten

durch

(nämlich den Aussteller und die allmfallsigen Vor-

und

dieser

boursregreß",

auch

indossanten),

Regreß

heißt

„Regreß

deS

„Rem­ In­

dossanten ". §. 93. Der Protest.')

I.

Alle Regreßnahmen im Wechselrechte hängen regel­

mäßig^)



neben den besonderen Voraussetzungm jeder

1 GSyst. §. 183 S. 258 ff. — Geschichtliches über die Pro­ testaufnahmen seit d. 14. Jahrh, f.

GUGesch. S. 457, 458, Anm. 156. 2 Vgl. jedoch unten V

874

Kap. IV.

DaS Wechselrecht.

einzelnen Art des Regresses — von der Erfüllung einer ihnen gemeinsamen, formellen Voraussetzung ab, und diese ist: daß richtig Protest erhoben wurde (Protesterhebung, Protestlevierung, Protestierung). Protest ist eine öffentliche Urkunde, welche in einer ge­ setzlich genau bestimmten Form ausgenommen ist, die Kon­ statierung gewisser wechselrechtlich bedeutungsvoller, einen bestimmten Wechsel betreffender Handlungen, sowie des Er­ folgs derselben enthält und diese ausschließlich zu beweisen imstande ist. Die Handlungen, welche durch diese Urkunde ausschließ­ lich konstatiert und bewiesen werden, sind sehr verschiedenen Inhalts, wie denn auch die Bedeutung des Protestes eine mannigfaltige ist. II. Der Regreßnahme dienen direkt folgende Proteste: 1. Der Protest mangels Annahme. Diesermuß ersehen lassen, daß ein bestimmter Wechsel dem Trassaten (bezw. der Notadresse,*) bezw. dem Domiziliaten, wo dies vorgeschrieben ist),2) zur Annahme gehörig vorgelegt, von diesem aber nicht oder nicht vollständig acceptiert worden sei (persönlicher Protest, W eigerungsprotest, Un­ fähigkeitsprotest). Findet der die Annahme Suchende S. 880- 881. Über Versäumung \ heitsprotest in der Wohnung s. siehe unter VI. ' RGer. Bd. 2 S. 59; Wap l WO. Art. 56. I paeus, Tie Ortsrichtigkeit des 8 WO. Art. 24 Abs. 2; hiezu Wechselprotestes (1882): RGer. Bd. 32 S. 111. - Über die ROHG. Bd. 18 S. 146. 8 Über Geschäftslokal des in Proteststunden (nun die Geschäfts­ Konkurs befindlichen Adressaten stunden) s. Max Pappenheim und verschlossenes Geschüstslokal inGZ.Bd.34S.43lff.; Grün­ s. RGer. Bd. 2 S. 23. Abwesen­ hut, WR. §. 79 Anm. 66.

Der Protest. §. 93.

875

das Lokal des Bezogenen (bezw. der anderm gen. Personen)

verschlossen, so wird Protest gegen die Wand, — findet sich das angegebene Geschäftslokal oder die Wohnung gar

nicht, so wird Abwesenheits-, im Falle die

gesuchte

Person gar nicht an dem angegebenen Orte wohnt, noch

sonst zu treffen ist, allgemein Wind-

test erhoben. protestiert

oder Platz Pro­

Nur wenn mangels Annahme (rechtzeitig)

worden

ist,

sind Aussteller und Indossanten

des so protestierten Wechsels verpflichtet (und zwar wechsel­ mäßig), dem Remittenten, sowie jedem Jndoffatar, der den Wechsel vor der Protesterhebung erwarb, gegen Aushändi­

gung des Protestes

hinreichende Sicherheit

für Zahlung

der (ganzen) Wechselsumme und für Kostenersatz zu leisten,

sofern nicht der Verpflichtete die schuldige Summe bei einer zur Annahme von Depositen berechtigten Behörde oder An­ stalt hinterlegt?)

2. Der Protest mangels Zahlung. Dieser muß ersehen lassen, daß der Wechsel am gehörigen Orte der ge­ hörigen Person zur Zahlung präsentiert wurde, von dieser

jedoch vollständige und richtige Zahlung nicht zu erlangen

war?)

Domizilierte Wechsel müssen dem Domiziliaten am

Domizil des Wechsels, nicht domizilierte Tratten dem Be­

zogenen an seinem Wohnorte zur Zahlung präsentiert und

daselbst, wenn Zahlung nicht erfolgt, protestiert werden?) Nur wenn dieser Protest richtig und rechtzeitig (d. i.

am

Zahlungstage oder am ersten oder zweiten Werktage nach

dem Zahlungstage) erhoben ist, hat der Inhaber oder Jn-

' WO. Art. 18, 25 ff. ' WO. Art. 41; Thöl WR. §• 98.

1 WO. Art. 43.

Kap. IV.

876

DaS Wechselrecht.

dossatar des Wechsels ein Regreßrecht gegen Aussteller und

Auch dieser Protest kann

Indossanten.

als Platz-

Windprotest ausgenommen werden. Die Übergabe des Protestes mangels Zahlung

oder (samt

Wechsel und quittierter Retourrechnung) ist Voraussetzung des Regresses mangels Zahlung,

sowie des Remboursregreffes

gegen jeden Regreßverpflichteten?)

3.

Sicherheitsprotest

lichen Sinne) wird erhoben,

(im engeren

und eigent­

wenn eine Tratte ganz oder

teilweise angenommen, später aber über das Vermögen des

Acceptanten Konkurs eröffnet worden ist Zahlungen

eingestellt

hat?)

oder

nach

oder dieser seine Ausstellung

Wechsels eine gegen das Vermögen des Acceptanten

richtete Exekution fruchtlos

ausfiel

oder gegen

des ge­

denselben

wegen Erfüllung einer Zahlungsverbindlichkeit Personalarrest

verfügt routbe.3 1)2 Der Inhaber eines acceptierten Wechsels und ebenso jeder Jndoffatar kann in einem solchen Protest­

falle von dem Acceptanten

wechselmäßig Kaution

wenn ihm diese nicht geleistet wird, Protest

fordern,

erheben lassen

und dann, wenn von der auf dem Wechsel etwa genannten Notadresie die Annahme nicht zu erhalten war und des­

mangels

halb

händigung

Annahme

protestiert

wurde,

gegen

Aus­

des Protestes von seinen Vormännern Sicher­

heitsbestellung (wenn

nötig auf dem Wege des Wechsel­

prozesses) verlangen?) 4.

Interventionsprotest.

Der Protest mangels

Annahme ist Voraussetzung einer gültigen Ehrenannahme,

1 WO. Art. 54. 2 KontO. 88 102 ff. 3 WO. Art. 29.

4 WO. a. n. O. und Nürnb. Rov. VI.

877

Der Protest, g. 93.

Protest mangels Zahlung Voraussetzung einer vollwirksamen

Ehrenzahlung?) Ehrenzahlung muß in dem

Die Ehrenannahme und

Proteste besonders erwähnt werden, der Protest heißt als­

dann Jnterventionsprotest und ist dem Ehrenacceptanten, bezw. Ehrenzahler ausznhändigen. III. Indirekt hängen mit der Regreßnahme zusammen:

1.

Der

Protest

mangels

Herausgabe des Dieser hat zum In­

verwahrten Wechselduplikats. halte die Feststellung,

daß das zum

Accept

versandte

Exemplar dem (den Protest veranlassenden) Inhaber des

anderen

Exemplares

vom

Aufbewahrer

nicht verabfolgt

worden ist und auf das letztere die Annahme oder die

Zahlung nicht zu erlangen war, und ist damit die not­ wendige Voraussetzung sowohl des Regresses mangels An­

nahme, als auch bezw. des Regresses mangels Zahlung im

angegebmen Falle?) 2.

Der

verwahrten

Protest

mangels

Herausgabe

Originalwechsels.

des

Dieser hat zum

Inhalte die Feststellung, daß der Originalwechsel trotz berechtigter Aufforderung zur Überlieferung an den dm Protest veranlassenden Inhaber der Wechselkopie vom Auf­

bewahrer nicht verabfolgt worden ist, und ist damit die not-

wmdige Voraussetzung des wie (nach

falltags)

Eintritt des

des

Regresses

Regresses auf

Sicherstellung,

in der Kopie angegebmen Ver­ auf

Zahlung

Indossanten, derm Originalindossamente

gegen

diejenigen

auf der Kopie

stehen?) ' S. unten §. 99. (WO. Art. ; 57, 58, 62, 63.) |

2 WO. Art. 69, s. unten §. 103. » WO. Art. 72, s. unten §. 103.

878

Kap. IV.

Das Wechselrecht.

IV. Die Form des Protestes in allen erwähnten Funktionen ist genau vorgeschrieben: er muß durch einen Notar oder einen dazu kompetenten Gerichtsbeamten ausge­ nommen werdens und enthalten: 1. eine wörtliche Abschrift des Wechsels oder der Kopie und aller darauf befindlichen Indossamente und Bemerkungen?) Zweck der Genauigkeit der Abschrift ist die möglichst sichere Feststellung der Identität des präsentierten und protestierten Wechsels, und darin liegt auch das Maß jener Ge­ nauigkeit ; 2. den Namen oder die Firma der Personen, für welche (d. h. in deren Namen und Auftrag), und jener Person, gegen welche der Protest erhoben wird; letztere heißt Protestat und ist der Bezogene, Acceptant, Not­ adressat u. s. w. oder dessen Rechtsnachfolger (im Konkursfalle der Gemeinschuldner selbst, nicht der Masseverwalter) ;b) 3. das an die Person, gegen welche protestiert wird, ge­ stellte Begehren, deren Antwort41)**oder * die Bemerkung, daß sie keine gegeben habe oder nicht anzutreffen ge­ wesen sei; 4. die Angabe des Ortes6) sowie des Kalendertages, 1 Über Protestaufnahme nach j S. 41 ff.; vgl. RGer. Bd. 23 preuß., bezw. bayr. Rechte s. S. 121; Grünhut WR. §.79 Gare iS, WO. S. 56-58, 61. bei Anm. 39. 8 WO. Art. 88 Ziff. 1. 6 ROHG. Bd. 14 S. 118, 8 ROHG. Bd. 24 S. 22, vgl. 121, Bd. 21 S. 148; RGer. Bd. Bd. 10 S. 108. 14 S. 149. Auch ROHG. Bd. 4 R. Koch in BA. Bd. 45 14 S. 262: hiezu aber Thöl S. 63 ff., Bd. 46 S. 187 ff., a. a. O. ö. 359 Anm. 9. gegen Renaud s. BA. Bd. 46

Der Protest.

§. 93.

879

Monats und Jahres, an welchen jenes Begehrm ge­ stellt oder ohne Erfolg versucht wurde. Angabe

Die

des

Kalendertags

Annahme ist unerläßlich

mangels

dem Proteste

in

und wird von be­

sonderer Bedeutung:

a) bei Wechseln, welche auf eine bestimmte Zeit nach Sicht lauten, und

b) wenn

der Trassat die Datierung seines Acceptes

verweigert.

Der Protesttag gilt in beiden Fällen

als Tag der Präsentation, im letzteren Falle wird

die Verfallzeit des Wechsels vom letzten Tage der Präsmtationsfrist an gerechnet?) des Protesttags in den

ausdrückliche Angabe

Die

Protesten mangels Zahlung

ist

von

besonderer Be­

deutung : a) mit

diesem Tage ist der regelmäßige Lauf eines

Wechsels begrenzt;

wer denselben durch ein nach

dieser Protesterhebung ausgestelltes Indossament er­ hält (Nichtindossatar), der erlangt

hierdurch

nur

die Rechte seines Indossanten (Nachindoffanten, der selbst nicht wechselmäßig verpflichtet ist) gegen Aus­

steller, Acceptantm und Vorindoffanten;*) b) mit dem Protesttage beginnt die Verjährung

der

Regreßansprüche des Inhabers gegen Aussteller und

die übrigen Vormänner?) Ferner muß der Protest mthalten: 5. im Falle einer Ehrenannahme oder Ehrenzahlung die 1 WO. Art. 19, 20. 3 WO. Art. 16 s. oben §. 89.

« WO. Art. 78.

880

Kap. IV.

Das Wechfelrecht.

Erwähnung, von wem, für wen und wie sie angeboten und (d. h. „oder") geleistet wird; und

6. Unterschrift und Siegel des protestierenden Beamten?) Ist eine wechselmäßige Leistung von mehreren Personen zu verlangen, so ist über die mehrfache Aufforderung nur

eine Protesturkunde erforderlich?)

Die

aufgenommenen

Proteste sind in ein besonderes Register chronologisch ein-

zutragen?)

Die

früher

übliche

Protest Notierung

(Pränotation) ist nach der WO. überflüssig und wirkungs­ los?)

Mit der Zulaffung des springendm Regresses (jus

variandi)51)* *3ist4 die Notwendigkeit des Kontraprotestes

(in diesem Sinne)/) d. h. eines Protestes, der ersehen läßt, daß der Regreß per ordinem gesucht, aber einer oder mehrere

Zwischenindossanten vergebens angegangen wurden, hinweg­ gefallen?)

V. Protesterlaß.

Ist der Protest (mangels Zahlung) erlassen (durch die Bemerkung:

„ohne Protest"

oder

„ohne Kosten",

auch

„O. P.", „O. St.“ und bergt8) auf dem Wechsel), so ist damit keineswegs die Pflicht zur Präsentation nachgelassen; es ist hiedurch vielmehr nur der Übergang der Beweislast

hinsichtlich der Vornahme bezw. Nichtvornahme der Präsen­

tation

vom Präsentationspflichtigen auf den jene Klausel

1 WO. Art. 88. 1 WO. Art. 89. 3 WO. Art. 90. 4 Kunhe, WR. S. 118. 8 S. §. 98. • In einem andern Sinne so viel als Notifikation; s. unten §. 98. 1 Neumann in BA. Bd.32 ß. 183 ff. Über die Form der

| im Auslande ausgestellten Pro­ teste stehe Hofsmann, WR.S. 607 ff., und Swoboda in SA. ' Bd. 17 S. 380, ferner ROHG. Bd. 1 S. 188,. 243,. Bd. 3 S. 127, Bd. 21 S. 153, Bd. 23 : S. 7, auch unter §. 115. I -> ROHG. Bd. 27 S. 261, Bd. 19 S. 264, Bd.23 S. 217. |

Regreß auf Sicherstellung mangels Annahme,

§. 94.

881

einsetzenden Wechselpflichtigen (Regreßpflichtigen oder — bei domizilierten Wechseln

bewirkt.

Wenn



Acceptanten) diesem gegenüber

ein mit der Klausel „ohne Protest" und

bergt versehener Wechsel

trotzdem

protestiert wurde,

so

treffen die Soften der Protesterhebung die Regreßpflichtigen

trotz jenes Erlasses?)

VI. Unmöglichkeit der Protesterhebung.

Ist

die Präsentation und Protesterhebung durch höhere Gewalt unmöglich gemacht,

so trägt

den daraus

entspringenden

Nachteil nicht der Regreßpflichtige, sondern der Inhaber des

Wechsels?)

Vgl. unten §. 107.

§. 94. 1. Regreß auf Sicherstellung mangels Annahme. I. Verweigert der Bezogene die Annahme, oder giebt er eine Erklärung ab, welche der Verweigerung der Annahme wechselrechtlich gleichkommt, so kann der Inhaber des Wechsels

gegen Aushändigung des mangels Annahme aufgenommenen Protestes von dem Indossanten und dem Aussteller Sicher­

heitsbestellung dafür fordem, daß die Bezahlung der Wechsel­ summe oder des nicht angenommenen Betrags derselben,

sowie die Erstattung der durch die Nichtannahme veranlaßten Kosten am Verfalltage erfolgen werde; die demnach regreß­ pflichtigen Personen sind auch befugt, auf ihre Kosten die

schuldige Summe bei Gericht oder bei einer andern zur An­

nahme von Depositen ermächtigten Behörde oder Anstalt

niederzulegen?)

1 WO. Art.42. I. Braun in Ml. Bd. 37 S. 62ff.: Griinhut, WR. 8- 122. GareiS, Handelsrecht. 6. Aust.

2 R. Koch in AfbR. Bd. 4 S. 1 ff. 2 WO. Art. 25. 56

882

Kap. IV.

n.

Das Wechselrecht.

Was die Legitimation zu dieser Regreßforderung

anlangt, so wird der Remittent, oder wenn der Wechsel wurde,

giriert

jeder

Annahme

mangels

Indossatar

durch

Besitz

den

des

ermächtigt,

Protestes

aufgmommenen

von dem Aussteller und den übrigen Vormännern Sicher­ heit zu fordern und im Wege des Wechselprozeffes darauf zu klagen.

Der Regreßnehmer

ist

hierbei

die Folgeordnung

an

der Indossamente und die einmal getroffene Wahl nicht ge­

bunden.

Der Beibringung

des Wechsels

und des Nachweises,

daß der Regreßnehmer seinen Nachmännern selbst Sicherheit

bestellt habe, bedarf es nicht?)

III. Die Wirkung der erfolgten Sicherheitsbestellung er­ streckt welcher

sich

über

desjenigen

die Person

Wechselinhabers,

sie erwirkte, hinaus; die bestellte Kaution haftet

nämlich nicht bloß dem Regreßnehmer, sondem auch allen

übrigen Nachmännern des Bestellers, insofern sie gegen ihn

den Regreß auf Sicherstellung nehmen.

Dieselben sind weitere

Sicherheit zu verlangen nur in dem Falle berechtigt, wenn

sie gegen die Art und Größe der bestellten Sicherheit Ein­

wendungen zu begründen vermögen?) IV. Rückgabe der Kaution.

Derjenige,

welchem die

Sicherstellung mangels Annahme geleistet wurde, muß die bestellte Sicherheit zurückgeben:

1. sobald die wechselmäßige vollständige Annahme des

Wechsels nachträglich erfolgt; 2. wenn die Kaution verjährt ist: 1 WO. Art. 26.

!

nämlich wenn gegen

2 WO. Art. 27.

883

Regreß auf Sicherstellung wegen Unsicherheit rc. g. 95.

denjenigen Regreßpflichtigen, welcher die Sicherheit be­ stellt hat, nicht binnen Jahresfrist — vom Ver­

falltage des Wechsels an gerechnet —

auf Zahlung

aus dem Wechsel geklagt worden ist; 3. wenn

die Zahlung des Wechsels

erfolgt, oder die

Wechselkraft desselben erloschen ist?)

£. 95. 2.

Regreß auf Sicherstellung wegen Unsicherheit des Acceptanten.

Dieser Regreß kann genommen werden, wenn Sicher­

93

heitsprotest in einem der oben S.

876)2) aufgezählten

worden ist.

Ziff.

II

3

(siehe

gesetzlichen Fälle richtig erhoben

Dabei ist zu bemerken:

1. Der Besitzer des Wechsels Acceptanten Sicherheilsbestellung

Besitz des Wechsels

hat

zu

zunächst von

dem

verlangen; der bloße

vertritt hiebei die Stelle einer Voll­

macht, in den gesetzlich aufgezählten Fällen von dem Accep-

tanten Sicherheitsbestellung zu fordern und, wenn solche

nicht zu erhallen ist, Protest erheben zu lasten?) Diese gegen den Acceptanten gerichtete Kautionsforderung

ist

eine

wechselmäßige,

umfaßt

auch

die

Protest-

und

Prozeßkosten und kann unter der oben §. 80 angegebenen Voraussetzung im Wege des Wechselprozestes geltend gemacht

werden?)

Doch steht dem Acceptanten eine Einrede gegen

den Kautionsanspruch zu, wenn das zwischen ihm und dem Kautionskläger bestehende Rechtsverhältnis (z. B. Deckungs1 WO. Art. 28. 4 Rürnb. Rov. VI. Agl. oben 2 WO. Art. 29 Ziff. 1 mib 2. . S. 819 mit Anm. 3. n WO. Art. 29 letzter Absatz.

50 *

884

Kap. IV.

Das Wechselrecht.

Verhältnis) seinem Zwecke und Inhalte nach die Zulässig­

keit

des

Sicherstellungsanspruchs

ausschließt?)

voraus­

gesetzt, daß die Einrede im Urkundenprozeß prozeßrechtlich zulässig ist. 2. Um die Sicherstellun gvom Acceptanten zu verlangen,

bedarf es der Protestaufnahme nicht (auch bei domizilierten Tratten nicht) ;2) dieselbe wird erst nötig, wenn der Accep-

tant die Sicherheit nicht leistet; dann ist der Inhaber des

Wechsels nämlich nur unter der Voraussetzung in der Lage, Sekuritätsregreß gegen die Garanten des Wechsels zu nehmen,

daß durch eine Protesturkunde konstatiert ist:

a) die Unsicherheit des Acceptanten, nämlich das Vor­ handensein

eines

der

gesetzlichen

Gründe

jener

Protestaufnahme8) und b) die Verweigerung der Kautionsbestellung seitens des

Acceptanten. Wenn in

den beiden gesetzlich aufgezählten Unsicher­

heitsfällen die Sicherheit von dem Acceptanten nicht ge­

leistet und deshalb Protest

gegen denselben erhoben wird,

auch von den auf dem Wechsel etwa benannten Notadresien die Annahme nach Ausweis des Protestes nicht zu erhalten

ist, so kann der Inhaber des Wechsels und jeder Indossatar gegen Auslieferung des Protestes von seinen Vormännern

Sicherheit fordern?)

Durch die Bestimmungen

der WO.

ist

nicht

ausge-

schlossen, daß aus Gründen, die das Wechselrecht nicht nennt. 1 ROHG-, Entscheid, s. Bor­ chardt ö. 176 Zusatz 390. * ROHG. und Berliner Ober^ tribunal s. B o r ch a r d t a. a. O. S. 382, 397.

3 S. 840 ff. 4 WO. Art. 25, 28, 29, Nürn­ berger Nov. VI. 9jGer. Bd! 17 S. 26.

Zahlungsregretz deS Inhabers, g. 96. wohl aber das einschlägige Land-

885

oder gemeine Recht an­

erkennt, Arrest gegen einen Wechselschuldner zum Zwecke der Sicherstellung verfügt werdet) 8. 96.

3.

Iahluugsre-reß des Inhabers.

Zahlungsregreß des Remittenten oder des letzten In­ dossatars.

1. Während die älteren Wechselordnungen dem regreß­

nehmenden Wechselinhaber nur den Reihenregreß (regressus per ordinem) gestatteten, welcher darin bestand, daß jeder Wechselinhaber sich nur an seinen unmittelbaren Vormann, der letzte Indossatar sich demnach nur an seinen, den letzten

Jndosianten halten konnte — gleichwie etwa ein Cessionar

nur seinen Gebenten im Eviktionsfalle in Anspruch nehmen kann —, räumt die Deutsche Wechselordnung dem Wechsel­

inhaber, welcher Regreß nehmen will,

ein unbeschränktes

Wahlrecht unter den Regreßpflichtigen ein, insofern er nach seiner Wahl Regreß nehmen kann gegen den Aussteller, den

ersten, zweiten oder einen späteren Indossanten, einen Ava-

listen u. s. w. oder mehrere zugleich?) Die Deutsche Wechsel­ ordnung giebt dem Wechselinhaber das Recht des springenden

Regresses

(regressus per

saltum),

und

vollen Variationsrechte (jus variandi),

zwar

mit

dem

so daß die einmal

übersprungenen (d. h. nicht der Reihe nach in Anspruch ge­ nommenen, sondern einstweilen von dem Regreßanspruche ver­ schont gebliebenen) Regreßpflichtigen durch dieses Über­ springen nicht von dem Regresse befreit werden, der Regreß-

1 ROHG. Bd. 20 S. 112.

. 8 WO. Art. 49, RGer. Bd. 10 I S. 298.

Kap. IV. Das Wechselrecht.

886

nehmer vielmehr auf sie zurückgreifen kann, wenn ihm dies nötig erscheint?) 2. Was den Inhalt des Regreßanspruchs anlangt, so beschränken sich nach gesetzlicher Bestimmung?) die Regreß­

ansprüche des Inhabers, welcher den Wechsel mangels Zahlung

hat protestieren lassen, auf: a) die

nicht

bezahlte Wechselsumme nebst

6 Prozent

jährlicher Zinsen vom Verfalltag ob;8) b) die Protestkosten und andere Auslagen;

c) eine Provision von 1/a Prozent.

Die

vorstehenden

greßpflichtige an

einem

Beträge

müssen,

wenn

der

Re­

anderen Orte als dem Zahlungs­

orte wohnt, zu demjenigen Kurse bezahlt werden, welchen

ein vom Zahlungsorte auf den Wohnort des Re­

greßpflichtigen gezogener Wechsel auf Sicht hat. nennt diese Berechnungsart

das

„System

des

(Man

fingierten

Rückwechsels"; s. hiervon §. 98.)

Besteht am Zahlungsorte kein Kurs auf jenen Wohnort, so wird der Kurs nach demjenigen Orte genommen, welcher dem Wohnorte des Regreßpflichtigen am nächsten liegt. Der Kurs ist auf Verlangen des Regreßpflichtigen durch

einen unter öffentlicher Autorität ausgestellten Kurszettel oder 1 Wenn demnach der Regreß ganz beliebig die Wechselgaranten Herausgreisen kann, so ist die Reihenfolge derselben doch von wechselrechtl. Bedeutung: 1. der Remboursregreß (s. unten §. 97) kann nur gegen einen früheren Indossanten oder denAussteller(d. i. gegen einen Vormann)— wenn auch mit Überspringungen — ; gerichtet werden und 2. die Noti­ i

fikation der beim Bezogenen mangelnden Zahlung geht' not­ wendig der Reihe nach (s. §. 98). 2 WO. Art. 50. Hiezu s. RGer. Bd. 23 S. 304. 3 Hiezu s. Borchardt WO. Zus. 482 d. — Die Zinsverbind­ lichkeit der Regreßpflichtigen s. H. Lrtloff in BA. Bd. 46 e. 245 ff.

Rcmboursregreß. durch das Attest eines

887

A. 97.

vereideten Mäklers

oder

in Er­

mangelung desselben durch ein Attest zweier Kaufleute zu bescheinigen.

über die Kursberechnung und die Erhebung der Regreß­ summe mittels Rückwechsel s. unten §. 98 S. 891 ff.

§. 97. 4.

Nemboursregreß.

1. Wenn ein Indossant einen Wechsel, der mangels Zahlung protestiert wurde, freiroiHig \) oder durch die Re­

greßklage des Wechselinhabers gezwungen, eingelöst hat, in­

dem er die nach Art. 50 der WO. (f. oben S. 857 f.) zu­ sammengesetzte und berechnete Regreßsumme bezahlte, so wird er in den Besitz des quittierten Wechsels gesetzt und kann sich

dann für den Aufwand der Wechselsumme bezahlt machen („sich remboursieren") ?) dadurch, daß er gegen einen Vor­

mann den Remboursregreß nimmt.

Die Einlösung erfolgt

nämlich stets nur gegen Aushändigung des Wechsels, des

Protestes und einer quittierten Retourrechnung,^) und jeder

Indossant, der einen seiner Nachmänner befriedigt hat, kann

sein eigenes und seiner Nachmänner Indossament (insbesondere die

Unterschriften

derselben)

ausstreichen;4)

ein

ausge­

strichenes Indossament gilt aber nicht als geschrieben?)

Ob

die Einlösung mittels Barzahlung u. bergt oder wie immer

1 Z. B. nach WO. Art. 48. 2 Das Wort wird erklärt aus re — in — bursare. 3 WO. Art. 54: RGer. Bd. 34 S. 50. 4 WO. Art. 55; hiezu Bor-

! chardt a. a. O.: RGer. 29b. 12 i S. 131, Bd. 21 S. 401, 29b. 34 ! S. 52. 1 2 364 WO. Art. 36. Hiezu siehe Borchardt 451 d, auch oben 8- 91 Ziff. 3 S. 868.

888

Kap. IV.

Dai Wechselrecht.

stattgefunden hat, ist ohne Einfluß auf den Remboursregreß?) i. früherer Indossant), welcher

2. Ein Vormann (d.

auf dem Wege des Remboursregresses Regreß leisten mußte, kann, sofern er noch einen oder mehrere Vormänner hat,

gegen diese (d. i. Aussteller oder Vorindossanten) alsdann

seinerseits Regreß nehmen, Remboursregreß des ein­ lösenden Remboursregressaten, und so fort,

bis

kein

Die

regreßpflichtiger Bormann mehr vorhanden

ist.

beim Remboursregreß übersprungenen Indossanten werden durch das Überspringen frei, weil kein Remboursregreß­

nehmer zurückgreifen kann. 3. Ein Indossant, welcher Remboursregreß nimmt,

ist

nach gesetzlicher Bestimmung2) berechtigt, von einem früheren Indossanten oder von dem Aussteller zu fordern: a) die von ihm bezahlte oder durch Rimesse (s. folgende

Seite) berichtigte Summe nebst 6 Prozent jährlicher Zinsen vom Tage der Zahlung;

b) die ihm erstandenen Kosten;

c) eine Provision von Vs Prozent?) Die vorstehenden Beträge

müssen,

wenn

der Regreß­

pflichtige an einem anderen Ort als der Regreßnehmer wohnt, zu demjenigen Kurse gezahlt werden, welchen ein vom Wohn­

ort

des Regreßnehmers

auf

den

Wohnort

pflichtigen gezogener Wechsel auf Sicht hat

des

Regreß­

(d. i. System

des fingierten Rückwechsels).

Diese Berechnungen finden, wenn mehrere Rembours­

regreßnahmen nacheinander erfolgen (s. oben 2), jedesmal

Remboursregreß.

§• 97.

889

aufs neue statt — System der mehrfachen Retourrechnung

(s. unten §. 98).

Deswegen steigt die Regreßsumme mit

jeder neuen Regreßnahme (Kumulationssystem)?)

Besteht im Wohnorte des Regreßnehmers kein Kurs auf den Wohnort des Regreßpflichtigen, so wird der Kurs nach

demjenigen Platze genommen, welcher dem Wohnorte des Regreßpflichtigen am nächsten liegt.

Wegen der Bescheinigung des Kurses kommt die Be­

stimmung zur Anwendung, welche beim Regreß des Inhabers

maßgebend ist?)

4. Remboursregreß kann gegen einen früheren Indossanten oder den

Aussteller nicht

jener Indossant nehmen,

bloß

welcher den Wechsel8 * )* eingelöst hat, sondern auch derjenige,

Jndoffant,

hat?)

welcher

den

Wechsel

als Rimesse erhalten

Man versteht unter einer Rimesse einen gewöhnlichen

gezogenen Wechsel, der von einem Inhaber einem Garanten dieses Wechsels als Deckung oder Zahlung einer Forderung

zugesandt wird, welche der Garant gegen jenen Inhaber hat

oder haben wird.

(Doch wird das Wort Rimesse auch in

weiterer Bedeutung von Zusendung von Zahlungsmitteln

und Wertpapieren überhaupt gebraucht.)

Die Zusendung des Wechsels zum Zweck einer Zahlung oder Deckung (d. i. als Rimesse) an einen Wechselschuldner

kann mit oder ohne (neue) Indossierung geschehen.

durch, daß der Indossant

Da­

überhaupt rechtlich in den Besitz

des eine ihn verpflichtende Unterschrift 1 Oskar v. Wächter, En­ cyklopädie d. WR. (1880) S. 884. 8 WO. Art. 51 letzter Satz, vgl. oben S. 886, 887.

tragenden Wechsels

3 Gemäß WO. Art. 48 od. 50 4 WO. Art. 51.

890

Kap. IV.

Das Wechselrecht.

gelangte, ist er in der Lage, seinerseits Vormänner mit Regreß zu befangen.

§• 98.

Desonderheiteu der Iahlungsregresse. 1. Der Regreßnehmer, welcher auf Grund des Art. 50 der WO. Regreß gegen einen Wechselgaranten nimmt, hat

unbeschränktes Variationsrecht (jus variandi);1) auch der Remboursregredient hat die freie Wahl unter den Wechsel­ garanten (darauf beruht die Möglichkeit eines „Arbitrage­

geschäfts" 2) beim Regreß), doch werden durch die Ausübung

dieser Wahl die Übersprungenen frei?) 2. Die Berechnung der Regreßsumme erfolgt nach dem

Prinzip des fingierten (oder wirklichen) Rückwechsels und

nach

dem System

der mehrfachen Retourrechnung,

auch

Kumulationssystem;4) sie erfolgt nämlich sowohl im Falle des Regresses des Inhabers (nach Art. 50), als auch im

Falle des Remboursregresies (nach Art. 51 der WO.) auf der Grundlage des Wechselkurses. Wenn nämlich der Zahlungs­

ort oder —

beim Remboursregreß

— der Wohnort des

Regreßnehmers ein anderer Ort ist als der Wohnort des

Regreßpflichtigen, so

kommt der Marktpreis in Betracht,

welchen die geschuldete Summe an den beiden Orten hat;

dieser ist regelmäßig an dem einen Ort

ein anderer als

an dem anderen Orte; er heißt Wechselkurs und ist sowohl beim Diskontieren

der Wechsel (s.

1 WO. Art. 49. 3 Über „Arbitrage" siehe Gareis in v. Holtzendorfss RLex. 3. Aufl. und oben §. 47.

oben

§.

88

Ziff.

1

3 WO. Art. 51. 4 WO. Art. 50. 51, 52, 53.

Besonderheiten der Zahlungsregresse.

§♦ 9&

891

S. 843 ff.), als auch bei der Regreßnahme von Bedeutung.

Die Berechnung des gemäß Art. 50, 51 der WO. zu Grunde zu

legenden

Rechnung,

Wechselkurses

der

geschieht

in

einer

sogen. Retourrechnung,

besonderen

welche

vom

Regreßnehmer samt den Belegen über den Tageskurs, ver­

ausgabte Porti u. s. w.

(soweit diese Belege nicht durch

den Inhalt des Wechsels oder eines Protestes oder durch Notorietät überflüssig gemacht werden), dem Regreßpflichtigen

zugesandt wird.

Man geht bei der Berechnung davon aus,

daß der Regreßnehmer die ihm gebührende Regreßsumme

dadurch einziehen kann,

daß

(beim Remboursregresse von

er

vom Zahlungsorte

aus

seinem Wohnorte aus) einen

Sichtwechsel auf den Wohnort des Regreßpflichtigenl) zieht,

und legt den börsenmäßigen Preis

dieser Sichttratte

zu

Grunde, und zwar den Kurs jenes Tages, an welchem — im

Falle des Regreffes nach Art. 50 — der Wechsel verfallen ist (Kurs des Verfalltages), oder — nämlich im Falle eines

Remboursregreffes — den Kurs jenes Tags, an welchem der Regreßnehmer seinerseits den Wechsel eingelöst oder als

Rimesse erhalten hat, und nur wenn sich dieser Tag nicht konstatieren läßt,

den Kurs des Tages der Regreßnahme

(als präsumtiven oder fiktiven Tag der Einlösung)?) Diese 1 Denn die Reareßzahlung hat im Zweifel am Wohn- ober Geschästsorte des Regreßschuldners zu geschehen. ROHG. Bd. 23 -Thöl.WR. §. 100II1,3iff. 2 (bestritten s. ebenda Anm. 13 u. Gareis in v. Holtzendorffs RLex. „Kursberechnung"). Hier­ über überhaupt Schraut, Tie

Lehre von den auswärtigen Wechselkursen, unter bes. Berück­ sichtigung der deutschen Verhält­ nisse. (2. Ausl. 1882). Geschicht­ liches über die schon im Beginn des 13. Jahrh, nachweisbare Fest­ stellung von Wechselkursen siehe GUGesch. S. 459 ff. — Beispiele von Retourrechnungen s. Fried­ berg, Formelbuch S. 274, 276.

Kap. IV.

892 Regeln

werben

als

DaS Wechselrecht.

bas

„System

ber

fingierten

Rücktratte" zusammengefaßt. Wirb

aus

bemselben

Wechsel

mehrmals Regreß

ge­

nommen, so ist ber Kurs nach ber Deutschen Wechselorbnung

bei jeher Regreßnahme nach Maßgabe ber jeweiligen Ortsunb Tagesverhältnisse neuerbings

zu

berechnen

unb

bie

neue Berechnung bem Wechsel beizulegen (System ber mehrfachen Retourrechnung).

Auslänbisches Recht ist auf bie Berechnung ber Regreß­ summe beutscher Wechsel insofern von Einfluß, als bei bem Regreffe auf einen auslänbischen Platz bie Berechnung höherer,

nämlich hort zulässiger Sätze burch bie

Vorschriften

ber

Deutschen Wechselorbnung nicht ausgeschloffen wirb;1) es

sinb

hiefür bie Gesetze bes Zahlungsortes

ber einzelnen

Regreßansprüche maßgebend 3. Das „System bes fingierten Rückwechsels"

schließt

nicht aus, baß ber Regreßnehmer wirklich burch einen Rück­

wechsel

bie

Regreßsumme

einzieht.

Der

Rückwechsel

(auch Retour-, Rikors-, Gegenwechsel u. berg!., ricambio, ricorsa, rechange genannt)2) ist wechselrechtlich eine ge­

wöhnliche Tratte, eine Tratte, welche zur Einziehung einer

Regreßsumme verwenbet wirb; ber Regreßnehmer

stellt sie

aus, unb zwar inbem er auf ben Regreßpflichtigen

(als

Trassaten) zieht unb ben Wechsel einem am Wohnorte bes Regreßpflichtigen wohnenben Geschäftsfreunbe u. bergt (als

bem Remittenten bes Rückwechsels) zusenbet.

Als Wechsel­

summe wirb in biesen neuen Wechsel, ben Rückwechsel, bie

1 WO. Art. 52. 2 Geschichtliches üb.d.Rikorsawechsel s. Kuntze, WR. S. 154

u. n.: Grünhut, WR. Bd. 1 S. 81: GUGesch. S. 311, 402, 420 u. a.

Besonderheiten der Zahlungsregreffe.

des

893

welche der Regreßnehmer (Aus­

Regreßsumme eingesetzt,

steller

98.

Rückwechsels,

Retraffant)

dem

von

Regreß­

pflichtigen (Bezogenen des Rückwechsels, Retraffat) zu fordern Durch

hat.

Verkauf dieses

Rückwechsels

kann

sich

der

Regreßnehmer (vorläufig wenigstens) bezahlt machen. Die Deutsche Wechselordnung gestattet dem Regreßnehmer

ausdrücklich, über den Betrag seiner Regreßforderung einen Rückwechsel auf den Regreßpflichtigen

eine Be­

zu ziehen,

rechtigung, welche dadurch von Bedeutung wird, daß der Regreßnehmer in diesem Falle die Regreßsumme um den

Betrag der Mäklergebühr für Negociierung des Rückwechsels, sowie um

darf;

Stempelgebühr des Rückwechsels

die

doch muß

erhöhen

der Rückwechsel auf Sicht zahlbar und

unmittelbar (a drittura,

d. h. auf den

Regreßpflichtigen

als Bezogenen) gestellt sein/) um weitere Kosten zu ver­

meiden.

Der Rückwechsel läuft a) entweder so, daß er Dritten gar nicht als Rückwechsel

erkennbar ist, als gewöhnliche Tratte, oder b) so, daß der Nehmer desselben die Eigenschaft des

Wechsels

als

durch

Rückwechsels

eine

Avisierung

seitens des Regreßnehmers erfährt und zugleich Mit­

teilung

darüber

erhält,

wo

die

zur

Regreßklage

nötigen Papiere (nämlich der die Regreßnahme

ver-

die Protesturkunde

und

anlaffende

sVor-Mechsel,

die Retourrechnung samt Belegen) zu erhalten sind,

oder

1 WO. Art. 53.

894

Kap. IV.

Das Wechselrecht.

e) so, daß diese Papiere den Rückwechsel selbst begleiten

(„Rückwechsel mit Beilagen")?) In den beiden letzteren Fällen kann der Nehmer des

Rückwechsels,

zahlen will,

der Retrafsat

wenn

den

Rückwechsel nicht

gegen diesen sofort die Regreßklage aus dem

Vorwechsel erheben, vorausgesetzt, daß letzterer auf ihn gi­ riert ist; wegen der drohenden Regreßklage aus dem Vor­

wechsel (und einer Klage auf Jnterefseersatz wegen des nicht honorierten Rückwechsels) wird der Retrasiat den Rückwechset regelmäßig acceptieren.

4.

Jeder Wechselschuldner hat das Recht, gegen

Er­

stattung der Wechselsumme nebst Zinsen und Kosten die Aus­

lieferung des quittierten Wechsels und des wegen Nicht­ zahlung erhobenen Protestes von dem Inhaber zu fordern.

(Einlösungsbefugnis extra ordinem.) 5.

Notifikationspflich t?)

Die

verschiedenen

Wechselordnungen schreiben unter Androhung verschiedener Rechtsnachteile vor, daß der Inhaber eines mangels Zahlung protestierten Wechsels innerhalb bestimmter kurzer Frist das

Ereignis, daß der Wechsel am Verfalltage nicht bezahlt wurde, seinem Vormanne schriftlich anzeige, worauf sodann

dieser Vormann jene Kunde weiterhin seinem Vormanne un verzüglich mitteilen soll, und so fort, bis auch der Aus­

steller Kenntnis von der Nichtzahlung des Wechsels auf diese

Weise erlangt hat.

Während die Wechselordnungen darin

übereinstimmen, daß die Folge

bewirkten

Notifikation

des

1 Thöl WN. §. 100 I. 2 Vgl. Thöl a. a. O. tz. 105; I. Braun, Die Notifikation des

der richtig und rechtzeitig

Protestes

mangels

Zahlung

Protestes mangels Zahlung in CO. Bd. 8 S. 257-301. '

Besonderheiten der Zahlungsregresse.

Erhaltung

die

des

des

vollen

notifizierenden

895

§♦ 98.

Regreßanspruchs gegenüber

Inhabers

allen seinen Vormännern ist, weichen sie in der

Feststellung der Folgen der Unterlassung richtiger und recht­ zeitiger Notifikation sehr von einander ab. Ältere deutsche Wechselrechte knüpften an die Unterlassung oder Verspätung

der Notifikation den Verlust des gesamten Regreßanspruchs;

die ADWO. aber läßt den Regreßanspruch in Bezug auf die Wechselsumme unabhängig von der Notifikation bestehm,

erklärt jedoch den

Inhaber oder Indossatar,

Benachrichtigung unterläßt

oder dieselbe

welcher die

nicht

innerhalb

zweier Tage nach dem Tage der Protesterhebung (bezw. nach dem Empfange der Notifikation) an den unmittelbaren

Vormann ergehen läßt, hierdurch den sämtlichen oder den übersprungenen Vormännern zum Ersätze des aus der unter­

lassenen Benachrichtigung entstandenen Schadens verpflichtet.

Auch verliert derselbe gegen diese Personen den Anspruch auf Zinsen und Kosten, so daß er nur die Wechselsumme zu fordern berechtigt ist. Die Benachrichtigung muß

schriftlich

geschehen,

kann

durch Zusendung einer notariellen Urkunde des erforderlichen

Inhalts (sogen. „Kontraprotest"

auch durch

in diesem Sinne),') aber

einen gewöhnlichen Brief bewirkt werden; der

Notifikant muß im Bestreitungsfalle die Notifikation be­ weisen, der Beweis ist gesetzlich erleichtert und durch ein Postattest zulässig?)

Ist das vorhergehende Indossament ein unausgefülltes 1 Anders oben §. 93. 2 WO. Art. 46. Ob Noti­ fikationsbehauptung z. Klagsuir»

dierung gehöre, s. ROHG.Bd. 2 S. 125, 220, Bd. 16 S. 366; Thöl a. a. O. g. 105 Anm. 29.

Kap. IV.

896

Das Wechselrecht.

Blankogiro oder ohne Ortsdatum gegeben, so ist die Notifikation

an den Bormann solcher Indossamente zu richten?)

Die

Frage, ob der Inhaber eines mangels Zahlung protestierten sei, auch dem Acceptanten zu notifizieren, wird mitunter1 2)3 bejaht, ist aber

vollständigen Domizilwechsels verpflichtet

zu verneinen?)

Wer nicht selbst benachrichtigt wurde oder nicht benach­

richtigen konnte, wird in seinem vollen Regreßrechte durch die Unterlasiung der Notifikation nicht beeinträchtigt.

Der

Prokura-Jndofiatar gilt als ermächtigt zur Notifikation an den Vormann.

6. Verjährung der Regreßansprüche s. unten §. 100.

VI.

Intervention.4) 8. W.

I. Wenn die Erreichung des ursprünglichen Zwecks der

Tratte — Zahlung

beim Bezogenen — gefährdet

oder

vereitelt erscheint, wenn, mit anderen Worten, die Tratte

mangels Annahme oder mangels Zahlung protestiert ist

(„Not leidet"), so kann möglicherweise durch ein außer­ ordentliches Hilfsmittel die Gefährdung beseitigt oder ein dem ursprünglichen Zwecke möglichst nahekommender Zweck

erreicht werden.

Dies außerordentliche Hilfsmittel ist die

1 WO. Art. 47. — ROHG. Bd. 18 S. 140. 2 So von Braun in BA. Bd. 33 S. 154 ff., wo einschlagige Litteratur zu finden ist. 3 ROHG. Bd. 14 S. 327:

| RGer. Bd. 1 S. 45: H. O. Leh­ mann WR. 8- 137 Anm. 8. . 4 Tböl WR. §§. 131 bis i 153: G r ü nhut in seiner Z. ; Bd. 20 S. 1 ff., und in s. WR. §§. 133-137: Geschichtliches f. GUGesch. S. 457 Anm. 155.

Intervention.

§. 99.

897

Intervention, d. i. das Eintreten einer neuen Person

als Acceptant oder als Zahler. Das Eintreten

eines solchen Nothelfers ist entweder

auf dem Wechsel bereits vorgesehen: es ist ein eventueller Bezogener auf der Tratte genannt, und dieser heißt Not-

adressat, Notadresse (derjenige, welcher die Notadreffe

beifügte, nämlich der Aussteller oder ein Indossant, heißt Adressant); — oder es ist auf dem Wechsel nicht vor­ gesehen, sondern es erfolgt ein Eintreten einer bis dahin

im Wechsel noch gar nicht genannten Person als Zahler

oder Acceptant, dann wird von Ehreninterventionen (im engeren Sinne) gesprochen.

Die Intervention überhaupt geschieht demnach entweder

durch Annahme des Wechsels seitens eines Intervenienten oder

durch Zahlung

des

Wechsels seitens eines Inter­

venienten; der Intervenient (auch Honorant genannt) ist

entweder ein Notadressat oder eine bis zur Intervention

noch nicht (als Bezogener) im Wechsel genannte Person;

letztere

ist

demnach

entweder

Ehrenacceptant oder

Ehrenzahler.

Der Zweck einer jeden Intervention ist: den Regreß

womöglich zu vermeiden, wenigstens zu vereinfachen, und die Kosten desselben zu verringern; das Dazwischentreten

des Intervenienten erreicht diesen Zweck, indem es zugleich den Kredit des Wechsels oder den Kredit eines bestimmten Wechselgaranten (Ausstellers oder Indossanten) vor Gefähr­

dungen bewahrt. Derjenige Wechselgarant, zu dessen Gunsten („zu dessen Ehren"), aber auch für dessen Rechnung die

Intervention geschieht, heißt Honorat. GareiS, Handelsrecht. 6. Aufl.

57

Kap. IV.

898 II.

Tas Wechsclrecht.

durch

Intervention

Accept

(Ehrenannahme

im

weiteren Sinne).

1. Leidet eine Tratte dadurch Not, daß deren Annahme beim Bezogenen nicht erlangt werden kann, und

ist des­

so muß sich der

halb Protest mangels Annahme erhoben,

Inhaber dieses Wechsels und des Protests, bevor er Sicher­

heitsregreß mangels Annahme verlangen kann,

erst an die

etwa vorhandenen Notadrefsaten dieser Tratte, sofern sich dieselben

am

Ersuchen

dem

Zahlungsorte

wenden,

letzteren

der

den protestierten

befinden,

Wechsel

mit anzu­

nehmen?)

Die Notadreffen

sind (ohne daß eine Ortsangabe er­

forderlich ist)1 2) in der Regel mit den Worten unter den Namen des Bezogenen N. .

gesetzt:

„Im Notfälle bei Herrn

„Nötigenfalls bei Herrn N. N.", ..Im Falle bei

Herrn ..."

Es kann aber auch der Trassant Notadresse

sein („im Falle bei

mir selbst"),

wenigstens bei Platz­

tratten?) Sind mehrere Notadressen auf dem Wechsel genannt, so

muß der Inhaber des Wechsels vor allem das Accept

derjenigen Notadressen nachsuchen, durch deren Zahlung die meisten Verpflichteten befreit werden;^)

der Fall bei

dies ist zunächst

einer Intervention zu Ehren des Ausstellers

(„pour Phonneur de la lettre“), und als solche wird auch

diejenige

Intervention

erachtet,

1 WO. Art. 56 Abs. 1. 2 Die Notadresse darf nicht einen anderenZahlungsort haben, wohl aber einen anderen Adreßort: Grünhut, WR. Bd. 2

welche

der

Intervenient

S. 463. - ROHG. Bd. 11 S. 298. 3 ROHG. Bd. 6 S. 162. Bd. 10 S. 286, Bd. 20 S. 164. * WO. Art. 56 Abs. 2.

99.

Intervention.

durch Ehrenaccept

899

bewirkt, ohne daß er hiebei schriftlich

bemerkt, zu wessen Ehren er acceptiert.1) Die Form des Ehrenaccepts ist dieselbe, wie die des

gewöhnlichen Accepts, jedoch mit einem Zusatze, der es als „zu Ehren",

Ehrenaccept kenntlich macht, nämlich:

lionor“,

„für Rechnung

dem Namen

-

des Honoraten

„per

diese Zusätze meistens mit —

oder

„sopra protesto“,

„S. P/

2. Der Inhaber des Wechsels ist verpflichtet, den Wechsel

dem Notadressaten

zur Annahme zu

präsentieren und ihn

eventuell mangels Annahme daselbst protestieren zu lassen; die

Unterlasiung dieser Präsentation und Protestation hat nur

zur Folge, daß der Inhaber nicht Regreß auf Sicherstellung nehmen kann;

verzichtet

er auf diesen,

so kann er die

Präsentation zur Annahme bei der Notadresse, wie die zur

Annahme beim Trassaten,ohne Nachteil unterlasien. Zahlung

muß

der

Wechsel

dem

Notadressaten

Zur

vorgelegt

werden bei Meidung des Untergangs des Zahlungs-, bezw. Remboursregresses

gegen

denjenigen,

der

die

Notadresse

beifügte, und gegen die Nachmänner dieses Notadressanten;

dagegen ist die Remboursregreßpflicht der Vormänner dieses letzteren nicht von der Beachtung der Notadresse abhängig, da sie ja die Regreßpflicht vor der Anbringung der Not­

adresse auf sich nahmen?) 3. Der Inhaber muß, wenn mehrere Notadreffaten vor­ handen sind, den Vorzug derjenigen Notadresse geben, durch ' WO. Art. 59. | ' Grün Hut, WR. Bd. 2 S. - Abgesehen von den Fällen ; 461, 462. des Art. 20 und Art. 24 Abs. 2 ' d. WO. !

Kap. IV.

900

Das Wechselrecht.

deren Zahlung die meisten

er

Verpflichteten befreit werden;

ist auch berechtigt, das Accept einer unberufenen (auch

eventuell

nicht

Person

beauftragtm)

im

(Ehrenacceptant

engeren Sinne) zuzulassen; verpflichtet ist er jedoch hiezu nicht,

sondern

kann Regreß mangels Annahme nehmen,

obwohl eine Person, welche nicht Notadressat ist, ihr Accept anbietet?)

4. Die Wirkung der Ehrenannahme ist teils eine ver­ pflichtende, teils eine befreiende:

Verpflichtet wird der Ehrenacceptant, und zwar a) als Acceptant zur Zahlung der Wechselsumme nach Wechselrecht; jedoch besteht diese Verpflichtung des

Ehrenacceptanten

und

auch

nicht

nicht

gegenüber

gegenüber

den

dem

Honoraten

Vormännern

des­

selben, sondern nur gegenüber den Nachmännern des Honoraten.

Diese Verpflichtung

ist an

eine ganz

außerordentlich kurze Frist geknüpft, sie erlischt näm­ lich, wenn dem Ehrenacceptanten der Wechsel nicht

spätestens am zweiten Werktage nach dem Zahlungs­

tage des Wechsels zur Zahlung vorgelegt wird?) b) Außerdem wird der Ehrenacceptant durch sein Accept

verpflichtet, sich den Jnterventionsprotest aushändigen zu lassen und denselben dem Honoraten zuzusenden,

indem er diesen gleichzeitig von der geschehenen Inter­

vention benachrichtigt; diese Benachrichtigung muß er

mit dem Proteste innerhalb zweier Tage nach dem Tage der Protesterhebung zur Post geben,

WO. Art. 57.

|

2 WO. Art. 60.

widrigen-

Intervention. §♦ 99.

901

falls er für den durch die Unterlassung entstehenden Schaden haftet?) Befreiende Wirkung der Ehrenannahme:

Wenn

der Wechsel

von einer Notadresse oder einem

anderen Intervenienten zu Ehren angenommen wird,

so

haben der Inhaber und die Nachmänner des Honoraten keinen Regreß auf Sicherstellung.

Letzterer kann aber von

dem Honoraten und dessen Vormännern geltend gemacht

werden?) Provisionsanspruch des Intervenienten s. III 5.

in. Intervention durch Zahlung.

Die Ehrenzahlung (im weiteren Sinne) geschieht ent­ weder

durch

einen

Notadressaten,

gleichwie,

ob

dieser

acceptiert hat oder nicht, oder durch eine andere Person (Ehrenzahler im engeren Sinne), gleichviel, ob diese zuvor acceptiert hat (Ehrenacceptant war) oder nicht.

Zahlt jemand (wie z. B. regelmäßig der Domiziliat)

die Wechselsumme für Rechnung oder auch zu Ehren des

Bezogenen, des Acceptanten oder auch des Ausstellers eines eigenen Wechsels, so

ist er kein Ehrenzahler und erwirbt

weder Regreßrecht gegen den Indossanten, noch auch —

ohne (Session oder Giro — eine (wechselrechtliche) Forderung gegen den Acceptanten aus seiner Zahlung;

die Ehren­

zahlung geschieht stets zu Ehren (zu Gunsten) eines oder

mehrerer Regreßpflichtigen?) Zahlt

der

Domiziliat

1 WO. Art. 58. 2 WO. Art. Gl.

ausdrücklich

I -

zu

Ehren

eines

3 ROHG. Bd. 5 S. 125.

902

Kap. IV. Das Wechselrecht.

Regreßpflichtigen, so

ist

auch diese Zahlung eine Ehren­

zahlung?) Don der Ehrenzahlung überhaupt ist zu bemerken: 1. Verpflichtung zur Präsentation zur Zahlung.

Befinden sich auf dem von dem Bezogenen nicht eingelösten Wechsel oder auf der Kopie Notadresien oder ein

Ehrenaccept, welche auf den Zahlungsort lauten, so muß der Inhaber den Wechsel spätestens am zweiten Werktage

nach

dem Zahlungstage

den

sämtlichen

Noladressen und

dem Ehrenacceptanten zur Zahlung vorlegen und den Erfolg

im

Proteste

mangels

diesem Sinne) oder

in

Zahlung

(sog.

Kontraprotest

in

einem Anhänge zu demselben be­

merken lassen. Unterläßt er dies, so verliert er den Regreß gegen dm

Adressanten oder Honoranten und deren Nachmänner?) 2. Verpflichtung zur Entgegennahme der Ehrenzahlung. Während der Inhaber des Wechsels

ein nicht von einer

Notadreffe herrührendes Accept ohne Nachteil zurückweisen kann, verliert er, wenn er die von irgend jemandem (wenn auch von einer im Wechsel nicht als Notadresse oder Ehren-

acceptant

genannten Person) angeborene Ehrenzahlung zu­

rückweist, den Regreß gegen die Nachmänner desjenigen, zu dessen Ehren die Zahlung angeboten ward (behält ihn aber

jedenfalls gegen den Aussteller)?) 3.

Recht

aus

der

Ehrenzahlung.

Der

Ehrenzahler,

welcher sich den Wechsel und^) Protest mangels Zahlung

gegen Erstattung der Kosten aushändigen ließ, wird regreß-

1 ROHG. Bd. 5 S. 123, 127, | Bd. 12 S. 50. 8 WO. Art. 62: AOHG. Bd. 24 6. 167.

3 WO. Art. 62 lchter Sah. 4 NOHW. Bd. 20 S. 113 ff.

Intervention. berechtigt:

903

§. 99.

er tritt durch die Ehrenzahlung in die Rechte

des Inhabers (WO. Art. 50, 52)

gegen den Honoraten,

desien Vormänner und den Acceptanten?)

Ist der Notadressat und Ehrenzahler zugleich Aussteller des Wechsels, so tritt er durch die Ehrenzahlung nur wieder

in seine Rechtsstellung als Aussteller?)

4. Befreiende Wirkung der Ehrenzahlung.

Das positive

Recht wünscht, in Übereinstimmung mit der Tendenz des

Verkehrs, daß die Wirkung der Intervention eine möglichst weitgehende sei, bei der Ehrenzahlung, wie bei der Ehren­

annahme (s. oben II 1); deshalb muß der Wechselinhaber unter

welche

mehreren,

demjenigen den

sich zur Ehrenzahlung anbieten,

Vorzug geben, durch dessen Zahlung die

meisten

Wechselverpflichteten

venient,

welcher

Proteste ersichtlich

zahlt,

befreit

obgleich

aus

Inter­

werden;

ein

dem

Wechsel

oder

ist, daß ein anderer, dem er hienach

nachstehen müßte, den Wechsel einzulösen bereit war,

hat

keinen Regreß gegen diejenigen Indossanten, welche durch

Leistung der von dem anderen angebotenen Zahlung befreit worden wären?)

5.

Der

Ehrenzahler

kann

(aus

aufgetragener

oder

nichtaufgetragener Geschäftsführung) Deckung und Provision

fordern?)

Die

Provision,

welche

der

Ehrenzahler

be­

anspruchen kann, versteht sich nach Art. 63, 50 und 52; aber auch der Ehrenacceptant, welcher nicht zur Zahlungs­

leistung gelangt, weil der Bezogene oder ein anderer Inter­

venient bezahlt hat, hat Anspruch auf eine Provision; er

1 WO. Art. 63; RGer. Bd. ■ 12 S. 134. 3 ROHG. Bd. 6 S. 162.

3 WO. Art. 64. < Thöl WN. §. 135.

Kap. IV.

904

DaS Wechselrecht.

ist berechtigt, von dem Zahlenden eine Provision von ’/3° u

zu verlangen?) VII.

Wechselverjährung.

8- 100.2) Im

Verkehr mit

Wechseln

sind

eigentümliche kurze

„Verjährungsfristen" eingeführt.

1. Am kürzesten haftet der Ehrenacceptant; seine wechselmäßige Verpflichtung erlischt, wenn ihm der Wechsel nicht spätestens am zweiten Werktage nach dem Zahlungstage

des Wechsels zur Zahlung vorgelegt wird?)

Ehrenacceptant

spätestens

an

diesem

(Ist aber beim

zweiten

Werktage

Protest mangels Zahlung erhoben, so verjährt der Anspruch gegen ihn wie unter 3.)

2. Am längsten haftet hingegen der gewöhnliche Acceptant:

der wechselmäßige Anspnrch gegen ihn verjährt erst in drei Jahren, vom Verfalltage des Wechsels an gerechnet?) ohne

Rücksicht darauf, ob die Ansprüche gegen die Garanten ver­ jährt sind oder nicht?)

Dies gilt auch von Sichtwcchseln

und Nachsichtwechseln?)

Der Verfalltag selbst wird nicht

mitgerechnet?) 1 WO. Art. 65. ■ 6 ROHG. Bd. 7 S. 41. 2 Hierüber im allgemeinen: I 6 Unter Berücksichtigung der Alex. Grawein, Verjährung Art. 19, 20 und 31 der WO. und gesetzliche Befristung. T. 1. ROHG. Bd. 4 S. 344, Bd. 16 (Leipzig 1880). Geschichtliches s. S. 346. 7 ROHG Bd. 3 S. 417. Über GUGesch. S. 458. 3 WO. Art. 60; s. oben Zahlungsstundungen ROHG. §. 99 II. Bd. 4 S. 375; Einfluß des 4 WO. Art.77 (überStatuten­ Protesterlasses s. Bd. 4 S. 376. kollision ROHG. Bd. 14 S.258, Tod des Schuldners RGer. Bd. 18 S. 186; RGer. Bd. 2 Bd. 27 S. 78. S. 13, Bd. 6 S. 24.

905

§. 100.

Wechselverjährung.

3. Die Regreßansprüche des (letzten) Inhabers einer

Tratte (Art. 50) gegen

den Aussteller und die übrigen

Vormänner (Indossanten) verjähren, vorausgesetzt, daß der

in

konkret

Anspruch

Geltungsgebiet der

genommene

allgemeinm

Wechselverpflichtete

deutschen

im

Wechselordnung

domiziliert ist: a) in drei Monaten, wenn der Wechsel in Europa, mit Ausnahme von Island und dm Faröem,

zahlbar

war; b) in sechs Monaten, wenn der Wechsel in den Küstenländem von

Asien und Afrika

längs des Mittel­

ländischen und Schwarzen Meeres ober in den dazu

gehörigen Inseln dieser Meere zahlbar war; c) in achtzehn Monaten, wenn der Wechsel in

einem

andem außereuropäischen Lande oder in Island oder

den Faröem zahlbar war. Die Verjährung beginnt gegen den Inhaber mit dem Tage des erhobenm Protests.')

4. Die Regreßansprüche des Indossanten (Art. 51) gegen

den

Aussteller und

die übrigen

Vormänner ver­

jähren :2) a) in

drei

Monaten,

wenn

der

Regreßnehmer

in

Europa, mit Ausnahme von Island und dm Faröem,

wohnt; b) in sechs Monaten, wenn der Regreßnehmer in dm

Küstmländern von Asien und Afrika längs des Mittel* WO. Art. 78. Statuten- | " WO. Art. 79 (über Statuten kollision s. Anm. 4 vorige Seite ; kollision s. S. 904 Anm. 4). Erben des Ausstellers, Überlegungssrift RGer. 58b. 27 S. 78.

906

Kap. IV.

DaS Wechselrecht.

ländischen und Schwarzen Meeres oder in den dazu gehörigen Inseln dieser Meere wohnt;

c) in achtzehn Monaten,

wenn der

Regreßnehmer in

einem andern außereuropäischen Lande oder in Island oder den Färöern wohnt.

(Segen den Indossanten läuft die Frist, wenn er, ehe

eine Wechselklage gegen ihn angestellt worden, vom Tage der Zahlung/)

in

gezahlt hat,

allen übrigen Fällen aber

vom Tage der ihm geschehenen Behändigung der Klage oder der Ladung an.

Nach der Verjährung der Wechselklage kann gegen den Aussteller oder gegen den Acceptanten möglicherweise noch die (bürgerlichrechtliche) Bereicherungsklage fortbestehen,

nicht aber gegen die Indossanten, deren wechselmäßige Ver-

bindlichkeit erloschen ist;2) zur Erhebung der Bereicherungs­ klage erscheint derjenige berechtigt,

welcher zur Zeit

Verjährung oder Präjudizierung des Wechsels

tümer desselben gemäß Art.

der

als Eigen­

36 ff. der WO. legitimiert

war, und welchem die dem Vermögenszuwachs des Aus­ stellers

oder

Acceptanten

korrespondierende

mögensverringerung insoweit erseht werden

eigene

soll,

Ver­

als die

Beklagten eben dadurch, daß sie wegen der Ungültigkeit des

Wechsels keine Zahlung obgleich

sie

Valuta

ober

auf denselben Revalierung

zu

leisten haben,

empfingen,

einen

Vermögensvorteil erlangten?) Die Unterbrechung der Verjährung (in den 1 ROHG. Bd. 3 S. 129. | im Hdbch. Bd 4. T. 2 §. 92 9 WO. Art. 83. Über die ' und die dort Anm. 1 cit. Litt. BereicherungZtlage (nun hiezu Lehmann WA. §. 143. BGB. §. 812) s. Brachmann 3 Entsch. d. AGer. v. 24. Zuni

Wechselfälschung u. mangelhafte Unterschriften, g. 101. 907 Fällen unter Ziff. 2—3) richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts?)

Wechselfälschung-) und mangelhafte

VIII.

Unterschriften. 101. I. Das Wechselrecht faßt jede Unterschrift, wie sich aus

dem oben

Seite 827

Gesagten

ergiebt,

als

für

sich

selbständig^) existierend auf; eine Folge dieser Auffasiung ist

die Bestimmung, daß,

auch wenn die Unterschrift des

Ausstellers eines Wechsels falsch oder verfälscht ist, dennoch das echte Accept und die echten Indossamente die wechsel­ mäßige Wirkung behalten.")

Nicht minder konsequent ist

die weitere Bestimmung,

daß aus einem mit einem falschen oder verfälschten Accepte

oder Indossamente versehenen Wechsel sämtliche Jndoffanten und der Aussteller, deren Unterschriften echt sind, wechsel­ mäßig hiebei

verpflichtet

bleiben?)

(Möglicherweise

entsteht

eine Klage wegen ungerechtfertigter Bereicherung.)?)

Diese Bestimmungen gelten auch von sog. Kellerwechseln,

1881 in Gruchots Beiträgen - Thöl WR. S§. 168—174, Bd. 26 S. 825: GZ. Bd. 31 sehr ausführlich. S. 427 ff.; auch Brau n und 3 WO. Art. 3. Blum, Annalen Bd. 4 L. 158. 4 ROHG. Bd. 1 S. 60, 97, RGcr. Bd. 13 S. 4. , 290 ff. u. Anm. ebenda. 1 BGB. §§. 208—217, Art. 1 5 WO. Art. 75. 80 d. WO. ist aufgehoben durch 6 WO. Art. 76. Art. 8 Nr. 2 d. EinsG. z. HGB. 7 ROHG. Bd. 11 S. 59, Bd. v. 10. Mai 1897. 12 S. 438.

908

Kap. IV.

DaS Wechselrecht.

d. s. Wechsel, auf welchen sich (Schein-)Unterschriften nicht existierender Personen (neben echten) befinden. Behauptet der Acceptant, der Wechsel sei, nachdem er das Accept gegeben, zu seinem Nachteile (z. B. durch Er­

höhung der Wechselsumme) gefälscht worden, so hat der

Acceptant diese Fälschung

einredeweise zu

beweisen;

die

Vermutung spricht, wenn der Wechsel keine in die Augen

erkennen läßt,

gegen ihn und dafür,

(angebliche) Veränderung

bereits vor dem Accept

fallende Fälschung daß die

vorhanden war;

gelingt dem Acceptanten jener Beweis,

so ist das Accept, soweit

es nicht zugestanden ist, unver

kindlich.

Behauptet der Acceptant, jene Veränderung sei vor der Acceptation, aber nach der Ausstellung und Begebung, z. B.

durch einen

Indossatar, bewirkt,

so ist diese Behauptung

(bürgerlichrechtliche Klage vorbehalten) wegen der formalen

Natur auch des Accepts wechselrechtlich belanglos?) II. Unter der Überschrift „Mangelhafte Unterschriften" erörtert

keit

die

einer

Wechselordnung (während die Mangelhaftig­ Wechselunterschrift

kann, vergl. oben

85

eine

sehr

verschiedene

sein

Ziff. 5 S. 835—886, ferner

88 S. 845, §. 89 S. 851) lediglich zwei Fälle:

1. die Unterschriften

von

Analphabeten

und

diesen

gleichstehenden Personen.

Wechselerklärungen, welche statt des Namens mit Kreuzen

oder anderen Zeichen vollzogen sind, haben nur dann, wenn diese Zeichen gerichtlich oder notariell beglaubigt worden sind, Wechselkraft?)

1 Bestritten, s. Thöl WR. §. 173.

2 WO. Art. 94. §. 126.

Vgl. BGB.

Amortisation und Bindikation des Wechsels.

§. 102.

909

Eine in hebräischen Lettern oder mit anderen bekannten

Schriftzeichen einer lebenden oder toten Sprache geschriebene Namensunterschrift ist nicht hieher zu stellen, sondern ohne Beglaubigung gültig?)

2. Unterschriften von Nichtbevollmächtigten. Wer eine Wechselerklärung als Bevollmächtigter eines

anderen unterzeichnet, ohne dazu Vollmacht zu haben, haftet persönlich in gleicher Weise, wie der angebliche Vollmacht­

geber gehaftet haben würde, wenn die Vollmacht erteilt

gewesen wäre. Dasselbe gilt von Vormündern und anbeten Vertretern,

welche mit Überschreitung ihrer Befugnisse Wechselerklärungen ausstellen?)

IX.

Amortisation und Vindikation des Wechsels.

§. 102.

Alle

Wechselverpflichteten

haften

nur

„gegen

diesen

Wechsel", d. h. gegen Auslieferung (Einhändigung, Rück­

gabe) des Wechselbriefs, welcher ihre verpflichtmde Unter­ schrift trägt.

Ist das Wechselpapier zu Grunde gegangen (z. B. durch

Brand), so Wechsel

ist demnach normal auch das Recht aus dem

vernichtet (Finalfunktion

des Wertpapiers) und

jeder daraus vorher Verpflichtete frei.

Der Inhaber des

Wechsels hat sein Recht aus demselben zunächst aber auch dann verloren, wenn ihm das Papier, ohne unterzugehen. ' Bgl.Borchardt.WO.942: ' - WO. Art. 95. H. O. LehBrachmann im Hdbch. Bd. 4 | mann WR. §. 88. Bgl. BGB. T. 2, §. 32 Anm. 6. | §. 179.

910

Kap. IV. Das Wechsetrecht. B. gestohlen,

abhanden kam, z

geraubt, vom Winde oder

Wasser fortgetragen wurde und dergl.,

gleichviel, ob er

den neuen Besitzer des Wechselbriefs kennt oder nicht. aus

Wechsel

dem

Verpflichteten

sind

aus dem

Die

Grunde,

weil dem Inhaber das Papier — ohne unterzugehen -

abhanden kam, noch keineswegs von

ihrer Verbindlichkeit

befreit, denn der Zahlende braucht die Echtheit der auf den Besitzer reichenden Indossamente nicht zu prüfen, und

der

Wechselschuldner

dienen,

welche

oder ihm unmittelbar

stehen;

deshalb

kann

sich

nur solcher Einreden be­

aus dem Wechselrechte selbst hervorgehen

gegen den jedesmaligen Kläger zu-

kann sich

auch der Dieb u.

s.

w. des

Wechsels, wenn er nur äußerlich legitimiert ist, z. B. durch ein Blankogiro,

Zahlung

aus dem entwendeten Wechsel

verschaffen.

Diesen Nachteilen gegenüber hat der Eigentümer eines Wechsels, dem ein solcher abhanden kam, zwei Rettungs mittel.

I. Die Vindikation des Wechsels, die auf Wieder­ gewinnung des Wechselbriefs gerichtete Eigentumsklage. Diese

Klage, welche selbstverständlich nur dann denkbar ist, wenn der Eigentümer

des

Wechsels

den

Besitzer

des Papiers

kennt, setzt voraus: 1. auf feiten des Klägers: Legitimation als Eigentümer des Wechsels; diese Legitimation kann nur durch das

Papier (ingleichen auch durch ein Duplikat, eine Kopie) selbst, durch die vorliegende, zusammenhängende Reihe von Indossamenten u. s. ro.1) nachgewiesen werden; ferner Besitzverlust;

1 WO- Art. 36, 74; RGer. Bd. 33 S. 143.

102.

Amortisation und Vindikation des Wechsels.

2. auf feiten

des

Beklagten:

Besitz

911

des dem Kläger

abhanden gekommmm Wechsels, ferner: daß Besitzer

dm Wechsel

im bösen Glauben erworben hat oder

ihm bei der Erwerbung eine grobe Fahrlässigkeit zur

Last fällt; oder statt des bösgläubigen oder grob­ fahrlässigen Erwerbs: Mangel der formalen Legiti­ mation aus dem Wechsel als Wechseleigentümer, z B.

Fehlen des

Zusammenhangs der Indossamente und

dergl. Demnach

ist

der

gutgläubige,

nicht

fahrlässige und

formal legitimierte Erwerber gegen die Eigentumsklage des

früherm Inhabers geschützt?) Weiß der (frühere) Eigentümer dm Besitzer des ihm abhanden gekommenen Wechsels nicht, oder ist der Wechsel

gewiß oder vermutlich zu

Grunde gegangen (z. B. ver­

brannt)

anderen

oder

aus

einem

Grunde

die

Kläger nötige Legitimation nicht herzustellen,

für

dm

so ist die

Bindikation des Wechsels selbstverständlich unmöglich.

Für

solche Fälle kann die Amortisation Rettung bieten, sei es durch Erhaltung des Rechts

gegen die Wechselschuldner?)

sei es durch die Provozierung des Vindikationsprozeffes.

II. Die Amortisation?)

Der Eigentümer eines abhanden gekommenen Wechsels kann die Amortisation des Wechsels bei dem Gerichte des

Zahlungsorts beantragen?)

(Dieses Gericht ist auch dann

1 WO. Art. 74. Vgl. HGB. (S. 781 f.), 72 (S. 790 ff.), 73 (S. 795, 796). 8. 366; BGB. §.932. 4 Gerichtsstand s. WO. Art. 2 CPO. §. 1018 (früher 850). 73 Sah 1 und (5PO. §. 1005 8 S. hierüber oben §§. 71 III (früher 839). Rehbein WO,

Kap. IV.

912

DaS Wechselrecht.

zuständig, wenn nur noch der Bereicherungsanspruch nach Art. 83 in Frage kommt.) l)2 Der Antrag muß den prozeßrechtlichen Anforderungen entsprechen?)

Das

Gericht erläßt hierauf ein Aufgebot mit Fest­

setzung eines Aufgebotstermins und Androhung des Rechts­ nachteils der Kraftloserklärung;

der

Aufgebotstermin ist

so zu bestimmen, daß seit dem Verfalltage, sowie auch

seit dem Tage, an welchem die erste Einrückung des Auf­ gebots im Deutschen Reichsanzeiger erfolgt ist, sechs Monate

abgelaufen sind?)

Meldet

sich

infolge des

Aufgebots ein

Besitzer des

abhanden gekommenen Wechsels, so kann der Interessent,

welcher das Aufgebot veranlaßt

klage

gegen

diesen

hat, die Vindikations­

möglicherweise mit

Erfolg

anstellen

(s. oben I). Meldet sich kein Besitzer, so erfolgt nun nach Maßgabe der

näheren

Bestimmungen

der

Civilprozeßordnung die

Kraftloserklärung im Ausschlußurteil,

welches zur Folge

hat, daß derjenige, der dasselbe erwirkte, dem durch die

Urkunde Verpflichteten gegenüber berechtigt ist, die Rechte aus der Urkunde geltend zu machen?)

Aber schon vorher, nämlich schon sofort nach Einleitung

des Amortisationsversahrens (d. i. nach Verfügung des Auf­ gebots), kann der Eigentümer des abhanden gekommenen Wechsels vom Acceptanten Zahlung fordern, wenn er bis 1 ROHG. Bd. 6 S. 381. 2 CPO. §. 1007 (früher 840); Rehbein a. a. O. S. 76—79.

3 CPO. §§. 1014,1015 (früher 846, 847). * CPO-88.1017-1018 (früher 848-850).

Vervielfältigung des Wechsels.

§♦ 103.

913

zur Amortisation Sicherheit bestellt; ohne solche ist er nur die Deposition der aus dem Accept schuldigen Summe bei

einer Depositalbehörde zu fordern berechtigt?)

X.

Vervielfältigung des Wechsels. §. 103.

Die Vervielfältigung eines Wechsels kann bewirkt werden:

a) durch Ausstellung mehrerer Exemplare eines Wechsels

im Original, — sog. Wechselduplikate,

b) durch Anfertigung von Abschriften, — sogen. Wechsel­

kopien. Beide Institute sind gewohnheitsrechtlich geschaffen und die Verwendung derselben wesentlich von der Handelssille abhängig?) Das Gesetz enthält nur wenige Bestimmungen

darüber. I. Wechselduplikate.

Es liegt im Jnteresie eines Wechsel­

inhabers, den Wechsel zum Accept an dm Trasiatm ver­ wenden zu können, ohne dadurch die Möglichkeit zu ver­

lieren,

(zu beliebigem Zeitpunkte inzwischen) den Wechsel

zu verkaufen, durch Giro weiter zu übertragen, und diesem

Jnteresie wurde eine althergebrachte Handelsübung dadurch gerecht, daß der Remittent die Ausstellung von Duplikaten

verlangen kann; doch deutung

ist

die Be­

mit diesem Jnteresie

der Duplikate keineswegs

1 WO. Art. 73. 2 Bercsi. Borchardt, Tie Wechselduplikate und Kopien, (Berlin 1847); Jolly in SA. Bd. 3 S. 1—57, 241-296. Äareis, Handelsrecht. 6. Aufl.

erschöpft,

denn

die-

Grünhut, WR. §§. 114 ff. Geschichtliches über die Duplikate u. s. w. s. GUGesch. S. 457 Anm. 154.

58

Kap. IV. DaS Wechselrecht.

914

selben dienen auch zur Erhöhung der Sicherheit gegen Ver­

lust u. s. w.

Deshalb ist der Aussteller eines

gezogenen

Wechsels verpflichtet, dem Remittenten auf dessen Verlangen mehrere

gleichlautende Exemplare

desselbm

Wechsels

zu

überliefern.

Die

einzelnen Stücke müssen im Kontexte als Prima,

Sekunda, Tertia u. s. w. (premiere, seconde de change)

bezeichnet sein, widrigenfalls jedes Exemplar als ein für sich bestehender Wechsel (Solawechsel in diesem Sinne) er­

achtet wird. Auch ein Indossatar kann ein Duplikat des Wechsels ver­ langen.

Er muß sich

dieserhalb

an feinen unmittelbaren

Vormann wenden, welcher wieder an seinen Vormann zurück-

gehm muß, bis die Anforderung an den Aussteller gelangt. Jeder Indossatar kann von seinem Normanne verlangen,

daß die früheren Indossamente auf dem Duplikate wieder­

holt werden?) Trotz der Mehrheit der Duplikate liegt doch nur eine einzige Wechselobligation des Ausstellers, Acceptanten und

Indossanten vor; diesem Gedanken entspricht der Satz, daß durch die Bezahlung eines der mehreren Exemplare die

anderen ihre Kraft verlieren.

Doch

hat diese Regel zwei

Ausnahmen:2)

Ist eines der Duplikate bezahlt,

so bleiben aus den

übrigen Exemplaren trotz jener Zahlung verpflichtet 1. ein Indossant, welcher mehrere Exemplare desselbm

Wechsels an verschiedene Personen

indossiert hat, und

alle späteren Indossanten, deren Unterschriften sich auf den

1 WO. Art. 66.

j

WO. Art. 67.

Vervielfältigung des Wechsels.

915

§♦ 103.

bei der Zahlung nicht zurückgegebenen Exemplaren befinden,

aus

ihren Indossamenten — diese Ausnahme erklärt sich

aus

dem Vorhandensein der durch die von einander ab­

eingetretenen verschiedenen Gläubiger

weichenden Giri

und Schuldner —; 2. ein Acceptant, welcher mehrere Exemplare desselben

Wechsels acceptiert hat, aus den Accepten auf den bei der Zahlung nicht zurückgegebenen

mehrerer

ganz

Exemplaren.

gleichlautender Duplikate

Die Accepte

werden demnach

mehrfache, selbständige Wechselobligationen, wenn nicht alle Accepte zugleich bei der Zahlung eingezogen werden; diese

Ausnahme ist auf Grund der bestehenden Usance in der WO. anerkannt?)

Wer

eines von mehreren Exemplaren eines Wechsels

zur Annahme versandt hat (hiezu wird in der Regel die Prima verwendet, während die Sekunda zum Indossieren be­

nutzt wird),

muß auf den übrigen Exemplaren bemerken,

bei wem das von ihm zur Annahme versandte Exemplar

anzutreffen ist (Formel: „Prima zur Verfallzeit bei . . ." oder

„Prima zum Accept bei . . .").

dieser Bemerkung

entzieht

jedoch

Das

Unterlassen

dem Wechsel nicht

die

Wechselkraft.

Der Verwahrer des zum Accepte versandten Exemplars ist verpflichtet, dasselbe demjenigen auszuliefern, der sich als

Indossatar (Art. 36) oder auf andere Weise zur Empfang­

nahme legitimiert?)

Der Verwahrer, in der Regel ein am Zahlungsorte des Wechsels befindlicher Geschäftsfreund, welchem das zur Auf-

1 Grünhut, WR.Bd.2S. I 344—346. !

2 WO. Art. 68. 1

916

Kap. IV.

Tas Wechselrecht.

nähme des Acceptes bestimmte Exemplar an seinen Wohn­

ort, den Zahlungsort des Wechsels, dem

sich

als Wechseleigentümer

zugesandt wurde, hat

(gemäß

WO.

Art. 36)

legitimierenden Inhaber des anderen Exemplars (der Se­

kunda rc.) das verwahrte Exemplar (die Prima) auf Ver­ langen herauszugeben, widrigenfalls der Wechseleigentümer

Protest mangels Herausgabe des verwahrten Duplikats beim Verwahrer erheben würde (s. oben S. 877 III 1); denn

der Inhaber eines Duplikats, auf welchem angegeben ist,

bei wem das zum Accepte versandte Exemplar sich befindet, kann mangels Annahme desselben den Regreß auf Sicher­

stellung und mangels Zahlung den Regreß auf Zahlung nicht eher nehmen, als bis er durch Protest hat feststellen taffen: 1. daß das zum Accepte versandte Exemplar ihm vom

Verwahrer nicht verabfolgt worden ist, und 2. daß auch auf das Duplikat die Annahme oder die Zahlung nicht zu erlangen gewesen?) Giebt der Trassant (Mandant, Deponent, Hinterleger)

dem Depositar vorher Konterorder t verbietet er, mit andern Worten, die Herausgabe des deponierten den Inhaber

des cirkulierenden),

der Konterorder

so

Exemplars

an

hat der Depositar

zu folgen und die Herausgabe zu ver­

weigern?)

II. Wechselkopien. Die Wechselkopien sind nicht wie die

Duplikate Originalexemplare eines Wechsels, sondern sie sind nichts anderes als gleichlautende Abschriften eines Original1 WO. Art. 69. 1 2strichenesAccePt: ROHG. Bd. 21 2 Vgl. Grünhut, WA. Bd. , L. 135. 2 S. 357-361. - Durch-

Vervielfältigung des Wechsels,

917

g. 103.

Wechsels in dem Zustande, in welchem dieser sich zur Zeit, da die Abschrift genommen (und die gesonderte Versendung

einer Kopie begonnen) ward, befand. Die Funktionen der Wechselkopien sind weniger umfang­ reich als die der Duplikate; denn die Kopie ist nicht fähig, ein Originalaccept aufzunehmen;*) — die Versendung der

Kopie zur Acceptiemng ist somit ausgeschlossen, nicht aber

die Versendung zum Giro: die Kopie kann ebenso wie ein

Originalwechsel

(z.

B.

gebräuchlicherweise

die

Sekunda)

Originalindossamente (hinter dem Arretierungsvermerk: „bis hierher Abschrift") mit voller berechtigender und verpflichtender Wirkung aufnehmcn;2) die Kopie kann daher ein Surrogat

der Rückseite des Wechsels genannt werden?) Das Gesetz verlangt,

daß die Wechselkopien eine Ab­

schrift des Wechsels und der darauf befindlichen Indossamente mib Vermerke enthalten und mit der Erklärung: „bis hierher

Abschrift (Kopie)"

oder mit einer ähnlichen Bezeichnung

(„Arretierungsklausel") versehen seien.

Auf der Kopie ist zu bemerken, bei wem das zur An­

nahme versandte Original des Wechsels anzutreffen ist.

Das

Unterlassen dieses Vermerkes entzieht jedoch der indossierten Kopie ihre wechselmäßige Kraft nicht?)

Der legitimierte Inhaber einer Kopie kann auf Grund

dieser Legitimation (der Indossamente) von dem Depositar die Herausgabe des Originalwechsels (welcher vielleicht daS

Accept trägt) verlangen; verweigert der Depositar die Her1 Grünhut, WR. 8 118; | 2 WO. Art. 71. Hartmann, WR. §. 80: 0.1 3 0. v. Wächter a. a. O. v. Wächter, Encyklopädie des S 185. WR. (1880) S. 184, 185. j 4 WO. Art. 70.

•Qnp. IV.

918

Das Wechselrecht.

ausgabe des Originalwechsels, so

kann der Inhaber der

Wechselkopie nur nach Aufnahme eines dieses konstatierenden

Protestes (s. oben S. 877 III b) Regreß auf Sicherstellung

und nach Verfall Regreß auf Zahlung nehmen gegen die­ jenigen Indossanten, deren Originalindossamente

auf einer

Kopie stehen?)

C.

Bom eigenen Wechsel.

§• 104. 3m allgemeinen. Der eigene Wechsel,?)

auch trockener (cambium

siccum), toter, uneigentlicher, unechter Wechsel, „Sola­ wechsel", Depositowechsel genannt (in Frankreich das billet

a ordre),

ist

ein

wechselmäßiges Summen­

schriftliches,

versprechen, welches der Aussteller desselben dem Nehmer

giebt; es enthält außer der Unterschrift des Ausstellers und dem Namen der Person oder der Firma, an welche oder an

deren Order der erstere die Zahlung zu leisten sich verpflichtet,

die Angabe der Summe, der Zahlungszeit und des Zahlungs­ ortes, sowie die Wechselklausel, aber keinen Zahlungs­ auftrag; der Mangel dieses letzteren ergiebt die Unmr wendbarkeit

der

mit

bei

diesem

der Tratte

zusammen­

hängenden Vorschriften, während das Recht der Tratte im übrigen

auf den Eigenwechsel anzuwenden

ist;

der Be­

zogene fehlt, daher auch alles, was mit diesem und dem Accept

zusammenhängt.

Der

Aussteller

eines

eigenen

Wechsels ist selbst unmittelbar und direkt zur Zahlung oer

pflichtet, nicht unter der Bedingung, daß ein anderer nicht 1 WO. Art. 72.

j

- Formular s. oben S. 798.

Erfordernisse des eigenen Wechsels.

§. 105.

zahle und dieses wechselmäßig festgestellt sei;

919

der eigene

Wechsel ist ein einfaches, kein gezogenes Wertpapier.')

Er

kann ein Rektapapier sein, ist aber regelmäßig ein Order­

papier.

Seine Bedeutung für den großm Handelsverkehr

ist, abgesehen etwa von den in Depot gegebenen Sola­

wechseln,^) gering?)

Auch dem eigenen Wechsel liegt der durch Schreiben, Geben und Nehmen abgeschlossene Wechselvertrag zu Grunde;

das

Valutaverhältnis ist auch

hier wechselrechtlich

irrele­

vant?)

§. 105.

Erfordernisse des eigenen Wechsel«. Aus dem Gesagten ergiebt sich bereits, in welchen Be­ ziehungen der Eigenwechsel

mit der Tratte übereinstimmt;

dies geht auch aus den vom Gesetze ausdrücklich gefotbettcn®) sogen,

„wesentlichen" Erfordernissen

des eigenen Wechsels

hervor; diese sind:

1. die in den Wechsel selbst aufzunehmende Bezeichnung als Wechsel oder, wenn der Wechsel in einer fremdm

Sprache

ausgestellt ist, ein jener Bezeichnung ent­

sprechender Ausdruck in der fremden Sprache (es gilt

in dieser Hinsicht das bei der Tratte Gesagte; s. oben S. 832—833);®)

2. die Angabe der zu zahlenden Geldsumme;

3. der Name der Person oder der Firma, an welche oder an deren Order der Aussteller Zahlung leisten will;

1 ♦

S. oben S. 778—779. | ÜberSchenkungcnmittelSWechsel S. oben S. 721, 746 ff. ' s. RGer. Bd. 2 S. 5. Thöl WR. S. 605-606. 11 WO. Art. 96. Thöl o. a. O. §. 154. — - ROHG. Bd. 2 S. 147.

Kap. IV. Das Wechselrecht.

920

4. die Bestimmung der Zeit, zu welcher gezahlt werden soll (die Angabe kann

Tratten mannigfach

in derselben Weise wie bei

sein, also Tag-, Sicht-, Dato­

wechsel u. s. w.), nicht „auf fiünbigung";x)

5. die Unterschrift des oder

seiner

Firma,

Ausstellers mit seinem Namen und

zwar

wirkliche

Unter-

schrift;-)

6. die Angabe des Ortes, Monatstages und Jahres der Ausstellung. Letzterer Ort gilt für den eigenen Wechsel, insofern nicht

ein besonderer Zahlungsort angegeben ist, — „domizilierter Eigenwechsel", s. oben §. 76 I S. 801 f. und unten §. 106

Ziff.

7, S.

923,



als Zahlungsort und zugleich als

Wohnort des Ausstellers?)

(Aus­

Ein Eigenwechsel mit mehreren Zahlungsorten

stellungsorten) ist ungültig?)

Klauseln, wie „zahlbar aller Orten", hier und aller Orten angenommen",

und

aller Orten", — vom

„auf mich selbst

„zahlbar in ... .

Aussteller

auf

den

eigenen

Wechsel gesetzt — bewirken, daß er bei jedem sachlich zu­ ständigen Gerichte,

in dessen Bezirk er entweder persönlich

angetroffen wird oder exequierbare Vermögensobjekte besitzt,

ebenso wie am Zahlungsorte belangt werden kann?)

3 WO. Art. 97. Über domi­ 1 ROHG. Bd. 2S.360, Bd. 4 S. 214. Vgl. Goldschmidt! zilierte Eigenwechsel s. WO. in GZ. Bd. 14 S. 322: Thöl^ Art. 99. WR. S. 612, 613. I 2 ROHG. Bd. 9 2. 424 und 1 2 * ROHG. Bd. 21 2. 179. die dort cit. Litt, auch Bd. 25 5 Borchardt,WO.249. Vgl. S. 237. (Anderer Ansicht Thöl oben S. 818. S. 609 Anm. 17.) Vgl. BGB. §. 126.

Unterschiede gegenüber dem gezogenen Wechsel. §♦ 106.

921

Alle ihrer Natur nach von der Tratte auf den Eigen­

wechsel übertragbaren Bestimmungen über die erstere finden auch auf den letzteren Anwendung; das Gesetz zählt sie zu­ dem einzeln auf?)

So

sind namentlich die Regeln über

die Form des Wechsels (Art. 5 u. 7), über Indossament/) über Regreß auf Sicherstellung (hier wegen Unsicherheit des

Ausstellers), Regreß mangels Zahlung gegen die Indossan­

ten, über Ehrenzahlung, Kopien, Vindikation, Amortisation, Wechselstempel u. a. analog auf

den eigenen Wechsel an­

So ist auch das in einem eigenen Wechsel ent­

wendbar.

haltene Zinsversprechen als nicht geschrieben anzusehen?)

§. 106.

Unterschiede gegenüber dem gezogenen Wechsel. Der

eigene Wechsel

keinen Bezogenen,

nicht;

enthält

keinen

Zahlungsauftrag,

er duldet die Aufnahme eines Accepts

daraus folgt, daß das, was über Zahlungsauftrag

und Accept in der Darstellung des Rechts der Tratte gesagt ist, auf den Eigenwechsel nicht Anwendung finden kann. Hieraus ergiebt sich

1. die Unanwendbarkeit der auf die Annahme (das Accept) des gezogenen Wechsels sich beziehenden Regeln (WO.

Art.

8,

18-28, 44,

77;

s. oben S.

853 ff.)

gegenüber dem eigenen Wechsel; 2. die Unanwendbarkeil der Regeln

vom Ehrenaccept

(WO. Art. 56—71, S. 898 ff.); 1 WO. Art. 98 Ziff. 1—10. 3 Auch Nachindossament s. ROHG. Bd. 7 S. 316.

3 Nürnberger Novelle IV.

Tas Wechselrecht.

Kap. IV.

922

3. die Modifikation wegen des Sicherheitsregresies (s.

oben S. 872 ff., 883 ff. und oben §. 105 a. E.);

4. die Modifikation wegen Deponierung und Zahlung im Amortisationsverfahren (Verpflichtung des Aus­

stellers anstatt des Acceptanten; s. S. 911 f.).

Hinzuzufügen ist ferner

5. die Unzulässigkeit des

eigenen

Wechsels

an

eigene

Order; 6. die

Unzulässigkeit

von

Wechselduplikaten

eigener

Wechsel; 7. die Entbehrlichkeit der Präsentation zur Zahlung und der Protesterhebung

mangels

bei eigenen

Zahlung

Wechseln; *) dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn diese Wechsel

nicht domiziliert sind;

dagegen

sind

domizilierte eigene Wechsel dem Domiziliaten oder, wenn ein solcher

nicht benannt ist, dem Aussteller

selbst an demjenigen Orte, wohin der Wechsel domi­

ziliert ist, zur Zahlung zu präsentieren und, wenn die Zahlung unterbleibt, dort zu protestieren.

Wird die

rechtzeitige Protesterhebung beim Domiziliaten verab­ säumt, so geht dadurch der wechselmäßige Anspruch

gegen den Aussteller und die Jndoffanten verloren?) Hiebei ist zu bemerken:

die Erhebung der Klage aus

dem eigenen Wechsel ersetzt den Mangel einer Präsen­

tation zur Zahlung des fälligen Wechsels, jedoch ohne daß der Wechselschuldner,

dem nicht vor der Klage

präsentiert wurde, zur Zahlung von Verzugszinsen

verpflichtet roärc;8) ' Nürnberger Novelle VIII. i 3 ROHG- Bd. 5 L. 314, 373. 9 WO. Art. 99. «Vgl. hiezu Thöl WR. Z. 156.

Internationales Wechlelrecht.

§♦ 107.

923

8. die Verjährungsfrist zu Gunsten des Ausstellers: der wechselmäßige Anspruch

gegen den Aussteller eines

eigenen Wechsels verjährt in drei Jahren, vom Verfalltage des Wechsels an gerechnet?)

D.

Internationales Wechselrecht.s) §. 107.

Die Beantwortung der Frage, wie es sich mit der Geltung von im Auslande oder von Ausländern gegebenen Wechsel­

erklärungen verhalte, wird durch das internationale Privat-, hier Wechselrecht, gegeben; sie ist, da der Wechsel ein Welt­

handelspapier ist, von ungemeiner Bedeutung, aber zur Zeit keineswegs übereinstimmend. Es sind vier Grundsätze vom Standpunkte des deutschen

Rechts aus aufzustellen:

I. Über die Wechselfähigkeit der Ausländer ent­ scheidet deren Heimatsrecht: die Fähigkeit eines Ausländers,

wechselmäßige Verpflichtungen zu übernehmen, wird nach den

Gesetzen des Staates beurteilt, welchem derselbe angehört?) (Ausnahmen s. unten.)

II.

Über

die

objektiven

Erfordernisse

einer

Wechselerklärung entscheidet das Recht des Orts, wo die­ selbe abgegeben wird (lex contractus). Erfordernisse

eines

im

Auslande

Die wesentlichen

ausgestellten Wechsels,

1 WO. Art. 100. Anwendung 1 2Bd. 2 S. 150sf.; v. Bar, Lehrb. auf promis3or^n0te8 aus Nord- des internat. Privat- u. StrafR. amerika unzulässig; s. RGer. Bd. (1892) S. 132ff.; Lehmann, 2 S. 13 Bd. 7 S. 21. WR. §.39; v. Canstein, WR. 2 v. Bar, Theorie ».Praxis ! §• 8; Grünhut, WR. §. 142. des internat. PrivatR. (1889), 3 WO. Art. 84 Satz 1. Über

Kap. IV.

924 sowie

jeder anderen

DaS Wechselrecht.

im Auslande ausgestellten Wechsel­

erklärung werden nach den Gesetzen des Orts beurteilt, an

welchem die Erklärung erfolgt ist,1) ebenso die Höhe der

Regreßsumme, sofern höher als im Inlandes) (Ausnahmen s. unten.) III. Über die Form der mit einem Wechsel an einem ausländischen Platze zur

Ausübung

oder Erhaltung des

Wechselrechts vorzunehmenden Handlungen entscheidet das

Im Prozesse

dort geltende Recht (locus rogit actum).3 •

gilt als Prozeßrecht stets das Recht des Gerichts/) haben Ausländer als Kläger im Urkunden-

So

und Wechsel­

prozesse nach dem deutschen Rechte keine Prozeßkaution zu

stellen?) IV. Über die Notwendigkeit und Rechtzeitig­ keit

der

Vornahme

Wechselrechts

einer

entscheidet

Handlung zur Wahrung

des

Recht

des

im

einzelnen

das

Orts, an welchem derjenige, dessen wechselrechtliche Ver­ pflichtung in Frage ist, diese Verpflichtung auf sich nahm (lex contractus), d. i. das Recht des Ausstellungs-, bezw. des

Vertragsabschlußortes,

des

Orts

der

Indossierung

u. s. w.

Wenn

ein

ausländisches

Gesetz

die

Verfallzeit

oder

Protesterhebungsfrist für Wechsel hinausschiebt, so ist dies 1 WO. Art. 85 die Begriffe „Inland" und „Aus- i 2 WO. Art. 52. land" ui Bezug auf die deutschen ; Schutzgebiete: Laband, Staats­ 3 WO. Art. 86. recht, 3. Aufl. Bd. 1 S. 755: z. BGB. Art. 11. 4 Vgl. ROHG. Zorn, Staatsrecht, 2. Aust., Bd. 1 S. 579: Grünhut, Bd. 15 S. 9. WR. Bd. 2 S. 570. Vgl. EinfG. 6 (5PO. §. 110 zum BGB. Art. 7, vgl. auch Abs. 2 Ziff. 2. ROHG. Bd. 6 S. 35«; Bd. 21 S. 336.

Satz 1.

Vgl. EinsG.

Bd. 3 S. 64, (früher 102)

§♦ 107.

Internationales Wechselrecht. von

allen

Wechselverpflichteten

denjenigen

925

anzuerkennen,

welche diesem ausländischen Gesetze unterworfen sind; aber Wechselgaranten, welche außerhalb dieses Gesetzes stehen,

berufen sich mit Recht auf die Selbständigkeit ihrer Verpflichtung und auf das Recht des Orts, an welchem sie die

fragliche Verpflichtung übernahmen, das Jndoffament begaben u. s. w. von

Daher konnten die französischen Wechselmoratorien

1870 und 1871

der deutschen

die Haftfrist

In­

dossanten von in Frankreich zahlbaren Wechseln nicht

verlängern?)

Ausnahmen: Zu

I.

Deutschem Rechte wird ein

Nach

nach

den

Gesetzen seines Vaterlandes nicht wechselfähiger Ausländer durch Übernahme von Wechselverbindlichkeiten im Jnlande verpflichtet,

insofern er nach den Gesetzen des Inlandes (Hier überwindet das Recht des Aus­

wechselfähig ist2) stellungsorts



Vertragsorts — die

fremden Domizil­

rechte.)

Zu

II.

Entsprechen

die

den

Gesetzes,

daraus,

so

kann

im

Auslande

Anforderungen

Wechselerklärungen

daß

sie

des

nach

geschehenen

inländischen

ausländischen

Gesetzen mangelhaft sind, kein Einwand gegen die Rechts­

verbindlichkeit der später gesetzten Erklärungen

im

Jnlande

auf

entnommen werden.

den Ebenso

Wechsel haben

Wechselerklärungen, wodurch sich ein Inländer einem anderen 1 Val. Goldschmidt in GZ. 288, Bd. 11 3.74, Bd. 19 S. 203. Bd. 17 3. 294ff. und Bd. 18 - R. Koch in AfbR. Bd. 4 S. 625 ff. Ferner H. Fick in 3. 14. CO. Bd. 7 3. 167 ff., Bd. 8 3. i 2 WO. Art. 84 Satz 2. RGer. 129 u. die dort cit. Litt. d. Kontro- Bd. 15 S. 11. Vgl. EinsG. z. verfc; auch ROHG- Bd. 1 3. | BGB. Art. 7 Abs. 3 Sah 1.

926

Kap. IV.

Das Wechselrecht.

Inländer im Auslande verpflichtet, Wechselkraft, wenn sie auch nur dm Anforderungen der inländischm Gesetzgebung entsprechen.') (In beiden Fällen obsiegt das inländische Recht über die ausländischm Rechte zum Zwecke der Er­ haltung der Gültigkeit.) 1 WO. Art. 85 Satz 2 u. 3. RGer. Bd. 9 S. 437. Dgl.

Gins®, z. BGB. Art. 11 Abs. 1 Satz 2.

Fünftes Kapitel. Das Seehandetsrecht. §. 108.

Begriff, Duellen und Litteratur des Serhandelsrecht». I. Die Gesamtheit der Rechtsregeln, welche sich auf die

zweckentsprechende Verwendung der zum Erwerb durch die

Seefahrt

Bestimmten

Schiffe

beziehen

und

die

Rechts­

verhältnisse regeln, in denen sich diese Schiffe gemäß ihrer

Bestimmung befinden, und die diese in irgend einer Weise zum Gegenstand oder zur Grundlage haben, heißt See­

handelsrecht (mitunter auch Seerecht im engeren Sinne);

es

bildet

dies

einen

Teil des Seerechts

(im

weiterm

Sinne), welches nicht bloß die eigenartigen Rechtsverhält­ nisse der Seehandelsschiffe (Kauffahrteischiffe), sondern auch

die der übrigen Meerschiffe behandelt, wie z. B. die der

Kriegsschiffe, der zur Seefischerei bestimmten Schiffe, der Walfischfänger,

der Nordpolfahrer und andrer auf Ent-

deckungs- oder sonstigen wissenschaftlichen Exkursionen befind­ lichen Meerschiffe, ferner der nur zum speciellen Privat-

Kap. V.

928

Das Seehandelsrecht.

gebrauche des Eigentümers bestimmten Vergnügungsschiffe

u. s. w. Im Seerecht (in beiderlei Bedeutung) lasten sich öffent

liches und Privatrecht unterscheiden und

haben

sich eigen­

artige Rechtsinstitute entwickelt, die von großer Bedeutung für das Rechtsleben der Völker geworden sind

Teil auch Einfluß

auf das Binnenrecht/) vor

und zum

allem auf

das Binnenschiffahrtsrecht1 2) gewonnen haben?)

II.

Quellen des Seerechts.

Frühzeitig fanden

schon Aufzeichnungen von Seegebräuchen statt, häufig wurden

Privatarbeiten und seegerichtliche Urteile mit großer Autorität

umgeben, und sehr bedeutend wirkte auch die Entlehnung (Rezeption) fremden Rechts im internationalen Seeverkehr.

All dies gilt namentlich

von der Sammlung der Urteile

1 Die Wichtigkeit der In­ restre) dürfte seine charakte­ stitute des See-Privatrechts er­ ristischen Grundmerkmale ans der hellt u. a. auch daraus, daß ein Übertragung des Seedarlchensbeträchtlicher Teil der Handels­ briess (cambio trajettitio ma­ rechtsinstitute des Altertums, wie ritime) auf den Binnen-Gelddes Mittelalters im Seeverkehr verkchr empfangen haben." GUentstanden und — wenn über­ Gesch. a. a. O. Anm. 42. — haupt — nur allmählich auf den Den genetischen Zusammenhang Binnenverkehr übertragen wor­ zwischen Reederei und Aktien­ den ist. Goldschmidt (GU- gesellschaft weist Karl Leh­ Gesch. S. 28) verweist zum Be­ ma n n an dem oben §. 23 S. 173 lege dieser seiner Wahrnehmung angegebenen Orte nach. aus die actio exercitoria ((. - S. oben §. 58 S. 681 f. unten §. 110), das receptum 3 Auf Lebensverhältnisse im nautarum, das foenus nauti- Seeverkehr beziehen sich auch cum (l. 5 D. de naut. foen. einzelne dafür besonders geltende 22, 2), auf die commenda (f. Bestimmungen des allgemeinen oben §. 23 S. 170), die Prä­ bürgerlichen Rechts, so die über mienversicherung, den Aktien­ I Seeverschollenheit (BGB. §§. 16, verein (maona der Genuesen, 18), die über das Seetestament s. oben S. 170, 275 Anm. 2); (BGB. 8- 2251), die über das »sogar der heutige Wechsel­ Marinetestamettti(NnsG. z.BGB. brief (cambio trajettitio ter- I Art. 44).

Begriff, Quellen u. Litteratur d. Scchandelsrechts. g. 108. 929

des

(Weistümer)

Rochelle),

von

Seegerichtshofs

la charte d’Oleroun,

des jugements

de la mer,

Olöron

rolles

auch

(bei

La

(roulles)

in ihrem ältesten Teile viel­

leicht noch dem 12. Jahrhundert angehörig,*) vom Seerecht von Amalfi, vom Consolat del mar (eine Privatsammlung der Praxis der Seehandels­

seerechtlicher Weistümer aus

innung und bezw. des Seegerichts von Barcelona, Gewohn­ heitsrechte, die bis

hinausreichen,

Faffung,

in die

namentlich

Mitte des in

einer

13. Jahrhunderts

italienischen

späteren

mit hohem Ansehen weit verbreitet),?) vom sog.

Wisbyschen Seerecht (ebenfalls Privatsammlung verschiedener alter

Secrechte,

15.

Jahrhundert) ^)

schiedenen hanseatischen Seerechten

und

von

den

ver­

(Schiffsordnungen vom

13. bis 17. Jahrhundert).*) Größere formale

Einheit

durch Ludwigs XIV. von 1681,

1808

wurde

Ordonnance

zuerst

in Frankreich

touchant la

marine

welcher der Code de commerce (liv. II) von

folgte,6)

sodann

in Österreich (1774) und Preußen

(schon 1727, dann im Allg. Landrecht II. 8. §§. 1389 ff.),

1 GUGesch. S. 233. 2 Über die EntstehunaSaesch. des Konsulats der See s. R.W a g ner in GZ. Bd. 29 S. 413ff.: Goldschmidt in s. Zeitschrift Bd. 35 S. 352 ff. und GUGesch. S. 207 ff. über das Konsulat der See in Genua siehe Schaube in GZ. Bd. 32 S. 490: dasselbe in Pisa, s. Schaube in Schm ollers Forschungen Bd. 8 (1888).

Sa Teil, Handelsrecht. 6. Ausl.

3 Über die Quellen dieser Sammlung s. Wagner in GZ. Bd. 27 S. 393 ff. 4 Hierüber s.GSyst.S. 237 ff.; Lewis, Seerecht Bd. 1 S. lff.; derselbe im Hdbch. Bd. 4 I S. 10; Labano in GZ Bd. 7 S. 296ff., R. Wagner in Bd. 27 S. 393 ff.; GUGesch. S. 177 ff., u. a. a. O. 6 Vgl. ob. §. 3 insbes. S. 12. 59

930

Das Seehandelsrecht.

Kap. V.

endlich durch das ADHGB?) (V. Buch.

Bom Seehandel)

geschaffen.-)

HI.

Bon

seien hier

der ausgedehnten Litteratur des Seerechts

nur

die

neuesten,

das

deutsche Seerecht be­

handelnden Werke erwähnt: die Kommentare des 5. Buchs

des

ADHGB.

von

C.

F.

Koch

(2.

Auflage

1869),

Makower (11. Auflage 1893, die 12. ist im Erscheinen begriffen), William Lewis (2. Auflage 1884), G. LF.

(1891) Seite 869—1254; die systematischen Bearbeitungen

des Seerechts von Lewis,

Schröder und Neatz in

Endemanns Handbuch Bd. 4 (1884) und die in das System des gesamten Handelsrechts eingefügten seerechtlichen Erörterungen Cosacks

in seinem Lehrbuche des Handels­

rechts; ferner von Rudolf Wagner inBindings Hand­ buch der deutschen Rechtswissenschaft, 3. Abteilung, 3. Teil,

I. Bd?) 1 S. oben §. 3, S. 17 ff.

insbesondere I 31 2Seerechtliche Abhandlungen I in GSyst. §§. 140, 146, 149,

2 Das 5. Buch ist von der; Revision des HGB. im Jahre * 1897 wenig berührt worden; j in Österreich ist dieser Teil des ! Handelsgesetzbuchs nicht ein- ' gesührt worden. Aus die RechtsVerhältnisse des Seehandels be- , ziehen sich noch zahlreiche andere Reichsgesehe neben dem HGB.; ; s. Knitschky, Seegesehgebung ; des Deutschen Reichs, 2. Aust., (Berlin, I. Guttentag, 1894). ; Deutsches öffentliches Seerecht j v. L a b a n d StaatsR.8- 80 Bd. 2 S. 228—233; und Zorn StaatsR. 88- 51—54 Bd. 2 S. 822 bis 969, auch 977 (zu S. 837, 882).

154. — Hinsichtlich einzelner seerechtlicher Fragen sind noch besonders hervorzuheben: Fr. Voigt, die neuen Untersuchungen zum Zweck der Ausgleichung der Verschiedenheit der in den Seestaaten geltenden Havaricgrosse- und Seefrachtrechte. (Jena 1882) (vgl. hiezu GZ. Bd. 29 S. 327); R. Wagner, Beiträge zum Seerecht: 1. Zur Geschichte und Theorie des sogen. Sehungsrechts, 2. die privatrechtliche Stellung der deutschen Lotsen (Riga 1880); V. Ehrenberg, Beschränkte Haftung des Schuldners nach Lee-u.Hdlsr. (1880); Heck, Das

Don den Schiffen.

$. 109.

§. 109. I. von den Schiffen. I. Das HGB. faßt dm Begriff der Kauffahrteischiffe, für welche es Normm mthält, eng auf: es versteht darunter lediglich die zum Erwerb durch die Seefahrt be­ stimmten Schiffe. *) Die Erbauung eines solchen Schiffes ist regelmäßig Gegenstand eines besonders gestalteten Arbeitsvertrags, Recht der großen Haverei (1889): Burchard, Bergung u. Hülfsleistung in Seenot (1897): Litt.Übersicht s. ferner bei Lewis im Hdbch. ß. 4 Bd. 4 T. 1 S. 15 ff. und in dessen Kommentar Bd. 1 2. Ausl. S. IX ii. X: Ch. Lyon-Caen & L. Renault, Traitä de droit commercial (2e ddit.) Tome V (Paris 1894) p. 31 ss; V. Lanza: II Congresso internationale di diritto marittimo. (Napoli 1893.) Die aus das Seerecht bezüglichen Entscheidungen des ROHG. und des RGer., sowie die das 5. Buch d. ADHGB. abändernden und ergänzenden Gesetze stellt in der Legaloronung ausführlich zusammen O. Fuch sberger, das Seehandelsrecht (Gießen 1891). Die Fortent­ wickelung des internationalen Seerechts beschäftigte einen Kon­ greß in Genua im Jahre 1892. 1 HGB. §§. 474, 484. Sind Fischoampfer Seeschiffe? RGer. Bd. 32 S. 104. G. u. F. S. 882—884; Lewis, Komm. S. 10. Dgl. oben §. 116. Seerecht ist auf Flußschiffahrt nicht (auch

I nicht analog) anwendbar (vgl. ROHG. Bd. 6 S. 396ff.; RGer. Bd.5S. 81).— AberAusdehnuna durch landesrechtliche Einf.G. f. RGer. Bd. 34 S. 37 u a., und nun durch BSchG. v. 15. Juni 1895 in einzelnen Beziehungen, s. unten. Über den Begriff See­ fahrt s. RGer. Bd. 13 S. 69. Tie ausschließlich zur Fahrt auf Haffen (Kurisches, FriAes Haff u. s. w.), sowie zur Fahrt in Küstengewässern bestimmten Schiffe sind nicht Seeschiffe im Sinne des HGB.; allein es finden auf sie und bezw. auf die Fahrten innerhalb jener Gewässer eine Reihe von Normen des öffentl. Seerechts ebenso wie auf See­ schiffe, bezw. Seefahrten im Sinne des HGB. Anwendung; siehe G. u. F S. 882 ff. Dgl. z. B. Ges. zur Ausführung des internatio­ nalen Aertrages zum Schutze der unterseeischen Telegraphenkabel vom 14. März 1884, v. 21. Nov. 1887, RGBl. 1888, S. 169. Unsallversicherungsgesetz vom 13. Juli 1887 §. 2. RGBl. 1887, S. 330.

Kap. V.

932

Das Scehandelsrecht.

welchen der Bau- oder Schiffsherr (Besteller) mit einem Schiffsbaumeister (Annehmer) abschließt,

und über welchen

in der Regel eine besondere Urkunde, mitunter der Mähl-

brief oder die Zerte genannt,

ausgestellt wird;

für die

Verpfändung eines im Bau begriffenen Schiffs, sowie für

die Zwangsversteigerung eines solchen bleiben auch gegen­ über dem neuesten deutschen Reichsrechte die Landesgesetze

in Krafts) Das fertige Schiff wurde früher mit einem Zeugniffe (sog.

Beilbrief oder Bielbrief) seiner Größe, Heimat rc.

nach amtlich beschrieben, ein Zeugnis, an bessen Stelle nun

durch Reichsrecht die Ausstellung des Certifikats tritt, durch welches

die Eintragung

in das Schiffsregister und das

Flaggenrecht des Schiffs (s. unten II) bewiesen wird. II. Alle deutschen Kauffahrteischiffe haben als National­ flagge die deutsche Flagge zu führen; ?) zur Führung dieser Flagge wird jedoch vorausgesetzt, daß sich

das Schiff in

dem ausschließlichen Eigentume deutscher Staatsangehöriger*8) befinde,

amtliche)

sowie daß das Schiff in das (öffentlich geführte, Schiffsregister

seines

1 Eins.G. z. HGB. Art. 20. 8 RGes. v. 28. Okt. 1867, 28. Juni 1873 u. 23. Dez. 1888; hierüber s.Laband, Staatsrecht des Deutschen Reiches (3. Ausl.) §.80; Stoerk in v. Stengels Wörterbuch des deutschen Berwaltungsrechts, Ergänzungsbd. 3 S. 201 ff.; Zorn, Staats­ recht des Deutschen Reiches (2. Ausl.) §§. 51-53. 1 Den deutschen Staatsangehö­ rigen sind in dieser Beziehung

Heimatshafens

(Register-

gleich zu achten solche juristische Personen, eingetragene Genoffenschaften und Aktiengesellschaften, welche ihren Sitz im Reichsgebiet haben, sowie diejenigen Kom­ manditgesellschaften auf Aktien, welche im Reichsgebiet ihren Sitz haben und deren persön­ lich haftende Gesellschafter sich sämtlich im Besitz der Reichs­ angehörigkeit befinden. RGes. v. 23. Dez. 1888.

Von den Schiffen. §♦ 109. Hafens) sei.

933

eingetragen und darüber das Certifikat ausgestellt

Die Eintragung und das Certifikat muß die gesetzlich

geforderten Thatsachen angeben, darunter den Rechtsgrund,

auf

welchem die Erwerbung des Eigentums des ganzen

Schiffs

der

und

einzelnen Schiffsanteile

(Schiffsparten)

beruht. Die Eintragung der Schiffe in das Schiffsregister darf erst dann geschehen, wenn das Flaggenrecht und die zur

Eintragung gewiesen als

Thatsachen

erforderlichen

glaubhaft

nach­

jedoch sind solche Schiffe von nicht mehr

sind;

50 Kubikmeter Bruttoraumgehalt zur Ausübung des auch ohne Eintragung

Rechts, die Reichsflagge zu führen, in das Schiffsregister und

ohne Erteilung des Certifikats

berechtigt.

Auch

die

zur Schiffahrt

auf

Flüssen oder sonstigen

Binnengewässern bestimmten und hiezu verwendeten Schiffe

sind

in

Schiffsregister

einzutragen (welche

von dem zur

Fühmng des Handelsregisters zuständigen Gerichte geführt werden), und zwar Dampfschiffe und andere Schiffe mit

eigener Triebkraft dann, wenn ihre Tragfähigkeit mehr als 15 Tonnen, andere Schiffe, wenn ihre Tragfähigkeit mehr

als

20 Tonnen beträgt; *) über die Eintragung wird der

sog. Schiffsbrief ausgestellt. ?) III. Das Gesetz bestimmt ausdrücklich, was man unter

Schiffszubehör,8)

Schiffsbesatzung/)

Schiffsmannschaft,6)

seeuntüchtigen (entweder reparaturunfähigen oder reparatur-

1 BSchG. §§. 119-129. 5 SeemannS-O. §. 3, GEA. II 2 BSchG. §. 125 Abs. 2. 7 (62/631 BSchG. §§. 21-25, 3 HGB. §. 478. GGA. II 19 (196). 4 HGB. §. 481 und ent­ sprechend BSchG. 88 3, 5, 21.

934

Das Seehandelsrecht.

Kap. V.

unwürdigen) Schiffens zu verstehen hat; mit der Bezeich­ nung:

„europäische Häfen" will das Gesetzt) da, wo

es

dieselben den nichteuropäischen gegenüberstellt, auch die nicht­ europäischen Häfen des

Mittelländischen, Schwarzen und

Azowschen Meeres treffen. IV. Anteils

Bei

der

Veräußerung eines

Schiffs

oder

eines

am Schiff (Schiffspart) kann die nach den Vor­

schriften des bürgerlichen Rechts zum Eigentumsübergang erforderliche

Übergabe

durch die unter den Kontrahenten

getroffene Vereinbarung ersetzt werden, daß das Eigentum sofort auf den Erwerber derartige Vereinbarung

übergehen soll?) nicht

als Form

(Doch ist eine der Rechtsüber

tragung aufzufassen?)

Wird ein Schiff oder eine Schiffspart veräußert, während das Schiff auf der Reise sich befindet, so ist im Verhältnis

zwischen dem Veräußerer und Erwerber in Ermangelung einer anderen Vereinbarung anzunehmen, daß dem Erwerber

der Gewinn der laufenden Reise gebühre oder der Verlust

derselben zur Last fuße.5)

V. Ein segelfertiges Schiff kann wegen solcher Schulden, die nicht zum Behufe der anzutretenden Reise kontrahiert

1 HGB. §. 479. Agl. unten 41 2Sciviä * im Hdbch. Bd. 4 §. 111 Anin. 6 S. 946. Wertbe- 3. 38. Beurkundung der Ver­ rechnung im Falte des HGB. äns;erung s. HGB. §. 475 und 479 s. ROHG. Bd. 12 '3. 402. vgl. RLHG. Bd. 24 S. 45, 47. 2 HGB. §. 483. Vgl. auch G. u. F. zu diesem 2 HGB. §. 474; ROHG. Bd. Art. 440 des HGB. v 1861. 4 S.309,310. RGer. Bd. 7 3.11. ! HGB. §. 476. Voraus(Vgl. ebenda auch das hierin i gesetzt wird dabei, daß die Verwesentlich übereinstimmende eng- ; dufteruiici vollzogen wurde: lischt Recht, Erklärung des tran^- s. ROHG. Bd. 24 S. 47. fer in den bills of sale.i

Von den Reedern und der Reederei.

§♦ 110.

935

wurden, nicht mit Arrest belegt, noch auch im Wege der Zwangsvollstreckung versteigert werden?)

§. HO.

II.

von Len Reedern und der Reederei.

I. Der Reeder ist der Eigentümer eines ihm zum

Erwerbe

durch

dienenden

die Seefahrt

Schiffs.'")

Kein

Reeder ist demnach der Staat in Bezug auf seine Kriegs­

schiffe, ebensowenig ein Schiffseigentümer, welcher ein Schiff nur zum eigenen Gebrauche, zu wiffenschaftlichen Exkursionen,

zum Vergnügen und dergl. verwendet, ebensowenig, wer ein

die Seefahrt für

fremdes Schiff zum Erwerb durch

seine Rechnung verwendet; Ausrüster)

im

Verhältnis

doch

zu

soll

dieser letztere (sog.

Dritten

wie

ein

Reeder

haften?) II.

Eigentümlich ausgedehnt einerseits und eigen­

tümlich eingeschränkt andererseits ist die Haftung des

Reeders (und ebenso die dieser, wie erwähnt, gleichgestellte 1 HGB. §. 482. 2 HGB. §. 484. „Reeder" abgeleitet von niederdeutsch: reden, engl. road, altnord. rcidi = (reiten) bereiten, znrüsten, ausrüsten. Über den Begriff „Reeder" auf Grund der obigen aesehlichen Definition und ins­ besondere den Begriff „Seefahrt" siehe Rudolf Wagner in Bindiugs Hdbch. a. a. £).; ferner Richard Schröder in GZ. Bd. 32 S. 63, 81 ff.; Litt. s. GSyst. §. 143, S. 62. Vgl. ferner RGer. Bd. 13 L. 68 u. G. u. F. zu Art. 450 bc*

HGB. v. 1861. Dem Reeder entsprichtbei derBinnenschissahrtder „Schiffseigner" ;s. BSchG. §. 1. 3 HGB. §. 510. BSchG. §. 2. Ausrüster und Reeder heißen im röm. R. „exercitor na vis“ — über die actio exercitoria s. GUGesch. S. 77 u. a. — und sind auch dort gleichgestellt. Lewis. Ltomm. S. 101 ff. Gewerbsmäßigkeit jener Ver­ wendung verlangt Richard Schröder in GZ. Bd. 32 S. 81 ff. Hiegegen Cosack a. a. O. S. 34. Vgl. G. u. ff. zu Art. 477 d. HGB. v. 1861.

Kap. V. Das Seehandelsrecht.

936

Haftung des Ausrüsters); ausgedehnt: war schon nach

Rechte

römischem Reeders

juristische

die

eine weitreichende

des

Verantwortlichkeit

(nämlich

angesichts der actio

exercitoria und der actio in factum de recepto),

so

fügte das spätere (romanische) Seerecht noch die Haftung

des Reeders

mannschaft

für alle vom Schiffer oder von der Schiffs­ in

Ausübung

ihrer Dienstverrichtung (jedoch

nicht etwa bloß gelegentlich derselben) begangenen rechts­ widrigen Schädigungen hinzu;*) eingeschränkt aber ist jene Haftung, insofern der Reeder, wie schon in älteren

Seerechten,?) statuiert ist — und im Binnenschiffsverkehr der Schiffseigner —,

d.

h. nicht mit

in gewissen Fällen nicht persönlich,

seinem ganzen Vermögen (Privat-

Landvermögen, fortune de terre),

oder

sondern nur mit der

sortune de mer, d. i. seinem Schiffe (Schiffsanteil) und der durch die Seefahrt verdienten Fracht (bezw. dem

Frachtanteil haftet;8)

diese beschränkte Haftung tritt nach

deutschem Recht ein41): 2* 1. bei Ansprüchen

auf Ersatz des Schadens aus den,

1 GUGesch. S. 339, nun HGB. §. 485. 2 GUGesch. S. 340 Anm. 25. 8 Man nennt das vom deut­ schen HGB. (u. schwedischen See­ rechte) angenommene System der Hastung des der See anver­ trauten Vermögens das »Exekutionssystem"(Ehren b erg,Beschr. Haftung S. 13) im Gegensatz zu dem vom französisch., belgisch, und holländischen Rechte adop­ tierten »Abandonsystem" und zu den nach englischem u. spanischem Rechte geltenden gemischten

Systemen: s. Lewis im Hdbch. a. a. O. Z. 10 Anm. 5—11. G. u. F. a. a. C. — Bei der Verant­ wortlichkeit in Fällenvon Schisfszusammenstößen wirkte teilweise eine germanische Rechtsanschauuug nach; s. Brunner, Ber­ liner Akadem. Sitzungs-Berichte 1890 Bd.35 : GUGesch. S. 339, 345. 4 HGB. §. 486. BSchG. §§. 4, 5. RGcr. Bd. 10 S. 20; Bd. 13 S. 113. Litt. s. bei G. u. F. zu Art. 452 des HGB. v. 1861.

Bon den Reedern und der Reederei. §. 110. wie eben erwähnt,

937

vom Reeder zu vertretenden Deliktm

einer Person der Schiffsbesatzung;

2.

bei Ansprüchm

Schiffer innerhalb

aus

Rechtsgeschäftm, welche

der

seiner gesetzlichen Kompetenz als solcher

abgeschlossen hat, — eine Ausnahme findet hievon jedoch insofern statt, als der Reeder und bezw. der Schiffseigner für

die Forderungen der zur Schiffsbesatzung gehörigen Personen aus den Dienst- und Heuerverträgen nicht nur mit Schiff

und Fracht, sondern persönlich haftet;*) 3. bei Ansprüchen auf Vertragserfüllung,

Vertrag

vom

Reeder

eingegangen

worden

ist

wenn der und

vom

Schiffer als solchem zu erfüllen wäre, aber nicht oder nicht richtig erfüllt wurde.

Die Beschränkung

persönliche Haftung

der Haftung cessiert und die volle

tritt jedoch stets ein, wo den Reeder,

bezw. Schiffseigner bei einer Vertragserfüllung ein Ver­ schulden oder eine besonders übernommene Garantiehaftung

trifft. 1 Die Ausnahme (nun HGB. §. 487) ist aus Humamtätsrücksichten cingesührt worden, und zwar durch den jeht wegen §. 487 d. HGB. über­ flüssig gewordenen (s. Einf.G. z. HGÄ. v. 10. Mai 1897 Art. 8 Nr. 3) §. 68 d. Seemanns-O., welcher den Art. 453 des HGB. v. 1861 beseitigt hatte. Siehe Lewis im Hdbch. §. 10 Anm. 21. G. u. F. a. a. O. Derselbe humane Gedanke ist auch in BSchG. §. 5 durch­ gedrungen = HGB. §. 487. Auch

ür den nach dem Unfallvericherungsrechte zu leistenden Bei­ trag hasten Reeder und bezw. nach Verhältnis ihrer Schiffs­ parten die Mitreeder persönlich; R. Weyl, Lehrb. d. Reichsver­ sicherungsrechts Z. 90 S. 432, 433. Über die Einwirkung der Pflicht des Reeders, für daS Schiffspersonal zu sorgen, auf die reichsgesetzlich geregelte Ar­ beiterversicherung s. R. Weyl ebenda §. 171 III 2 S. 986 u. die ebenda Anm. 1—4 angegeb. Stellen.

f

938

Kap. V.

III. Reederei.

Das Seehandclsrecht.

An den zum Erwerbe durch Seefahrt

dienenden Schiffen besteht nicht selten ein mit eigenartigen

ausgestattetes

Rechtsfolgen

Eigentum

(Miteigentum)

Mehrerer, welche Mitreeder (früher auch „Schiffsfreunde") heißen

eine eigenartige Gesellschaft bilden, die sog.

und

Reederei?)

Das Schiff, welches einer Reederei gehört,

wird samt Zubehör (ähnlich wie das Grundkapital einer

Aktiengesellschaft in Aktien, das Bergwerk einer Gewerk­

Kuxe)

in

schaft

geteilt

gedacht,

so

daß Teilrechte

am

Schiffsvermögen (sog. Schiffsparten) entstehen, häufig

100,

auch 360 und

120,

mehr

Parten

eines

Schiffs,

größerer oder geringerer Anzahl (oder auch

in

welche sich

in Bruchteilen) in den Händen verschiedener Teilhaber be­ finden können.

Auf diese Art entsteht eine Affociation, welche in der

Grundlage eine Realassociation ist, sich aber in den Fällen, in welchen der Reeder (und entsprechend auch jedes Mit­

glied der Reederei)

persönlich — jedoch nicht notwendig

solidarisch einer für mehrere — für die durch das Schiffs­ vermögen

nicht

gedeckten Schulden

haften muß, als eine

Personalaffociation darstellt, und deren juristische Natur sehr bestritten ist.

IV. Form

Zur Errichtung

der Reederei ist

nicht vorgeschrieben;

anzunehmen,

wo

ein

eine Reederei

mehreren

eine ist

Personen

besondere

überall

da

gemein­

schaftlich^) zustehendes Schiff von diesen zum Erwerbe durch die Seefahrt für gemeinschaftliche Rechnung

1 Lewis iin Hdbch. 11 ff.; Nub. Wagner a. a. £ 3. 186 ff.; Co'jack a. a. £. Äe-

schichtliches s. bei GUGesch. S. 340. 2 1 Bd. 11 2. 194.

Von den Reedern und der Reederei,

Der Fall, daß das Schiff einer Handels­

verwendet wird?)

gesellschaft (z.

939

§. 110.

einer

B.

Handelsgesellschaft oder

offenen

einem Aktienverein) gehört, fällt nicht unter das Recht der Reederei.

Für die

Angelegenheiten

der Reederei

sind die Be­

stimmungen des Gesellschaftsvertrags, sowie die Beschlüffe

der Milreeder maßgebend?)

Abgesehen hievon gelten gesetz­

liche Dispositivbestimmungen: Bei

der

und

Größe

mehrheit

für

entscheidet

Beschlußfassung

der Stimmen. der

Die Stimmen

Schiffsparten

einen

Beschluß

nach der Zahl Die

Stimmen­

vorhanden,

wenn der

gezählt.

ist

Mehrheit

die

werden

Person oder den Personen, welche für den Beschluß ge­ stimmt haben, zusammen mehr als die Hälfte des ganzen

Schiffs gehört?)

Einstimmigkeit sämtlicher Mitreeder ist erforderlich zu

Beschlüffen,

vertrags

welche

bezwecken,

eine

Reedereivertrags entgegen

Abänderung

des

Reederei­

welche den Bestimmungen

oder

oder dem

des

Zwecke der Reederei

fremd sind?) In vielen Seerechten des Mittelalters und auch noch

der

neueren Zeit war der Minorität der Mitreeder das

Recht gesetzlich eingeräumt,

„das Schiff auf ein Geld zu

setzen", d. h. die in der Minderheit gebliebenen Milreeder

konnten

die

Majorität

zwingen,

die

Schiffsparten

der

1 HOB. §. 489. aus Grund eines Reedereibe2 HGB. g. 490. schlusses s. RGer. Bd. 9 S. 136. " HGB. §. 491. Reauisite HGB. 492. ROHG. Bd. eines gültigen Reedereibeschlusses, 8 S. 342, Bd. 15 S. 149. (5inBezahlung von Reedereischulden stimmigkeit s. HGB. g. 506.

Kap. V.

940 Minorität

zu

Das Seehandelsrecht.

einem bestimmten

Preise

zu

übernehmen

oder letzterer die ihrigen zu überlassen; dieses sog. „Setzungs­ recht" *) besteht partikularrechtlich nur noch in Mecklenburg-

Schwerin (ist aber hier durch außerdem aber nur dann, drücklich

Reichsrecht2)

Verschieden von

feststellt.

konserviert),

wenn der Vertrag dies aus­ dem Setzungsrecht ist

eine Abandonnierung des Teilrechts zur Vermeidung von Nachzahlungen:

durch

die

Mitreeder kann nämlich in gesetzlich

ein

bestimmten Fällen

(aber auch nur in diesen) sich von den

Majorität

beschlossenen

Einzahlungen

dadurch

befreien, daß er seine Schiffspart ohne Entgelt aufgiebt; diese Fälle sind: der Majoritätsbeschluß, daß eine neue

Reise unternommen, ferner der, daß nach Beendigung einer

Reise eine Reparatur des Schiffs vorgenommen,

endlich

der, daß ein Gläubiger voll befriedigt werde, welchem die

Reederei

nur

mit

Schiff und

Fracht

haftet



immer

vorausgesetzt, daß der von dieser Abandonnierungsbefugnis

Gebrauch

machende Mitreeder innerhalb dreier Tage nach

dem Tage des ihn majorisierenden Beschlusses oder (wenn

er bei der Beschlußfassung nicht anwesend und auch nicht vertreten war) innerhalb dreier Tage nach der Mitteilung dieses Beschlusses den Abandon den Mitreedern oder dem

Korrespondentreeder durch gerichtliche oder notarielle Urkunde anzeigt;

alsdann

fällt

übrigen Mitreedern zu,

die

aufgegebene

Schiffspart

den

im Zweifel nach Verhältnis ihrer

Schiffsparten?) 1 Lewis im Hdbch. Bd. 4 S. 61 ff. 8 RGes. v. 5. Juni 1869 §. 4 (RGBl. S. 379) und nun Einf.G. z. HGB. Art. 19.

3 HGB. §. 501. Agl. auch oben g. 44 S. 510. Lewis, Hdbch. Bd. 4 T. 1 §. 13 V. Das Abandonrecht steht nicht zu wegen Reparaturen, die

Aon den Reedern und der Reederei.

§. HO.

941

Die Verteilung des Gewinns und Verlusts geschieht,

wenn nichts anderes vereinbart ist,') nach der Größe der

Schiffsparten.

Jeder Mitreeder kann

seine Schiffspart jederzeit und

ohne Einwilligung der übrigen Mitreeder ganz oder teil­ weise veräußern, muß aber letzteren die Veräußerung anzeigen?)

V, Korrespondentreeder.

Durch

Beschluß

der

Mehrheit kann für den Reedereibetrieb ein Korrespon­ dentreeder, werden.

Schiffsdirektor,

Schiffsdisponent

bestellt

Zur Bestellung eines Korrespondentreeders, welcher

nicht zu den Mitreedern gehört, ist ein einstimmiger Beschluß

erforderlich. Die Bestellung des Korrespondentreeders kann zu jeder Zeit durch Stimmenmehrheit widerrufen werdm, unbeschadet der Rechte auf Entschädigung aus schon bestehenden Verträgen?)

Im Verhältnis zu Dritten ist der Korrespondentreeder kraft seiner Bestellung befugt, alle Geschäfte und Rechts­

handlungen vorzunehmm, welche der Geschäftsbetrieb einer Reederei gewöhnlich mit sich bringt.

Er ist befugt, den Schiffer anzustellen und zu entlassen;

der Schiffer hat sich nur an deffen Anweisungm und nicht auch an die etwaigen Anweisungm der einzelnen Mitreeder

zu haltm. Der Korrespondmtreeder ist in demselben Umfange be­ fugt?) die Reederei vor Gericht zu vertreten. während einer Reise vollzogen werden mußten; hierüber ».über Ausübung des Abandon überKf. ROHG. Bd. 22 S. 291 96. ' HGB. §. 502. 2 HGB. §§. 503, 504.

3 HGB. §. 492; Entlassung s. ROHG. Bd. 15 S. 161. 4 Ob auch verpflichtet? s. RGer. Bd. 1 S. 297, 298: vgl. CPO. §. 173. - Hinsichtlich der Liquidation s. RGer. Bd. 11 S. 196.

942

Tas Seehandelsrecht.

.Kap. V. In

allen

Fällen

haftet

ordentlichen Reeders?)

er

für die

Sorgfalt

eines

Es bedarf jedoch einer Special­

vollmacht, um das Schiff oder Schiffsparten zu veräußern

oder zu

verpfänden oder für dieselben Versicherungen zu

nehmen

oder Darlehen aufzunehmen oder Wechselverbind­

lichkeiten im Namen der Reeder oder einzelner Mitreeder einzugehen?)

VI. Haftung der Mitreeder nach außen.

Schulden

die

der Reederei

haftet

das

Für

Schiffsvermögen

(fortune de mer) der Reederei, in den gesetzlich bestimmten Fällen 0) aber auch

das (übrige) Vermögen (fortune de

terre) der einzelnen Mitreeder, jedoch (ohne besondere Ver­ abredung) nicht solidarisch, sondern, wenn ihre persönliche Haftung

eintritt,

nur nach

Verhältnis der Größe ihrer

Schiffsparten/)

Ist eine Schiffspart veräußert, so haften für die in der Zeit

zwischen der Veräußerung

Anzeige

an

und der vorgeschriebenen

die Mitreeder etwa begründeten persönlichen

Verbindlichkeiten rücksichtlich dieser Schiffspart sowohl der Veräußerer, als der Erwerber.

Die Mitreeder können wegen eines jeden gegen sie als Mitreeder gerichteten Anspruchs, sei es, daß dieser von einem Mitreeder oder von einem Dritten erhoben ist, vor dem Gerichte des Heimatshafens belangt werden?)

VII. Beendigt wird

die Reederei nicht durch Setzung,

' HGB. 497; ROHG. Bd. 13 S. 64, Bd. 15 S. 113, 118, 119, Bd. 17 S. 236. 2 HGB. §§. 493, 496, 498. 3 S- oben II iinb HGB.

4 3n betreff der Unsolidersichcrung s. oben S. 937 Anm. * HGB. §£. 507, 508; vgl. auch §. 476.

Bon dem Schiffer und der Schiffsmannschaft.

§♦ 111.

943

noch auch durch die zum Zwecke der Befreiung von Nach­ zahlungen vorgenommene Abandonnierung,') noch auch durch eine Änderung in den Personen der Mitreeder, mit­ hin auch nicht durch eine ohne Zustimmung der Mitreeder

vorgenommene Partveräußerung,

nicht

durch Tod

oder

Konkurs eines Mitreeders, fonbern nur durch Mehrheits­ beschluß , durch Untergang oder Veräußerung des ganzen Schiffs,?) sowie durch Konkurs über sämtliche Mitreeder(Ein selbständiges Konkursverfahren über das Vermögen einer Reederei kennt die geltende deutsche Konkursordnung

nicht.) In Streitigkeiten, welche sich auf das Rechtsverhältnis zwischen Reeder oder Schiffer und Schiffsmannschaft be­ ziehen, kann die Entscheidung durch den Vorsitzenden der

zuständigen Kammer für Handelssachen ohne Beisitzer er­ folgen?)

§. 111. 111. von dem Schiffer und der Schiffsmannschast?) A) Schiffsbesatzung: Schiffer, Schiffsmannschaft, sonstige

Angestellte.

I. Diejenige Person, welche das Schiff auf der zu Er1 Setzung und diese Abandonnierung bewirken nur das Ausscheiden eines oder mehrerer Mitreeder, deren Parten alsdann den die Reederei sortsehenden Mitrcedern verfallen; s. 501. 2 HGB. §. 506. Auch die Liquidation einer Reederei vollücht sich in einem besonderen, oas Leben dieser Association

' ; ! !

gewissermaßen prolongierenden Liquidationsstadium. RGer. Bd. 11 S. 196. 3 GBG. §. 109, Abs. 3. 4 Über die öffentlich-rechtlichen Verhältnisse dieser Personen s. Stoerk an dem. oben S. 932 angegeb. O. S. 208 ff.: Zorn, StaatsR. Bd. 2 S. 605 ff. Über Pflicht der Unfallversiche­ rung s. oben S. 937 Anm.

944

Kap. V.

Tas Seehandelsrccht.

werbszwecken unternommenen Seereise führt und während

derselben die Aufsicht über Schiff und Ladung zu üben hat, heißt Schiffer (Schiffsführer, Schiffskapitän, Kapitän, engl.

master, röm. R.: magister navis); es kann sein, daß der Alleineigentümer eines Schiffes dasselbe selbst führt, dann

kommt er nach außen zu als Reeder in Betracht, hat aber auch die Obliegenheiten eines Schiffers zu erfüllen; es kann

ferner sein, daß ein Mitreeder das Schiff führt, kommen die Rechtsgrundsätze

dann

der beiden Rechtsverhältniffe,

in denen diese Person steht, nebeneinander in Anwendung; das Gesetz regelt ausführlich die Rechte und Pflichten des

Schiffers, welcher nicht in einem Eigentumsverhältniffe zum

Schiffe steht, sondern lediglich zur Schiffsführung angestellt ist (beauftragter Schiffsfremder, sogen. Setzschiffer, Schiffer

im engeren Sinne).

II. Der Schiffer wird zwar zur Schiffsbesatzung gerechnet,

aber nicht zur Schiffsmannschaft; die letztere umfaßt auch die Schiffsoffiziere (außer dem Schiffer selbst). Schiffs­ offizier ist jeder, der ein Kommando auf dem Schiffe führt;’)

auf den Kauffahrteischiffen werden Kapitäne und Steuerleute mitunter auch der Bootsmann), auf Dampfschiffen außer­

dem auch die Ingenieure und Maschinisten zu den Schiffs­

offizieren gerechnet?)

Der (erste u. ff.) Steuermann ist der

in Verhinderungsfällen zur Vertretung des Kapitäns berufene Schiffsoffizier.

III. Außer den Schiffsoffizieren besteht die Schiffsmann­

schaft aus einzelnen Funktionären (wie Bootsmann, Zimmer1 Lewis, Komm. S. 180. I ordnung ß. 47 von Bedeutung. * Das ist z.B. weg. Seemanns- I Vgl. Stoerk a. a. O. S. 214.

Von' dem Schiffer und der Schiffsmannschaft,

§. 111. 945

mann, Koch, Segelmacher), ferner aus Vollmatrosen, Leicht­ matrosen und Schiffsjungen. IV. Zur Schiffsbesatzung (nicht aber zur Schiffsmann­ schaft) werden gerechnet die sonstigen auf dem Schiffe angestelltm Personen, wie: Ärzte, Kaffmbeamte, Proviant­ meister (diese auf größeren Dampfschiffen den Offizieren im

Range gleichstehend),

außerdem die an der Maschine be­

schäftigten Personen, die Aufwärter und die Köche (sofern nicht Matrosen), stets ohne Unterschied, ob der Schiffer oder der Reeder dieselben angestellt hat.

B) Vom Schiffer (Schiffskapitän). I. Der Schiffer wird durch einen zwischen ihm und dem Reeder

geschloffenen

Dienstvertrag')

zur

Führung

des

Schiffes berufen; er ist verpflichtet, bei allen Dienstverrich­ tungen, namentlich bei der Erfüllung der von ihm auszu­ führenden Verträge, die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers

anzuwenden.

Er haftet für jeden durch sein Verschulden

entstandenen Schaden, insbesondere für den Schaden, welcher aus der Verletzung der ihm gesetzlich obliegenden Pflichten

entsteht.

Diese Haftung hat er auch gegenüber dm übrigen

am Seetransporte Beteiligten, so auch gegenüber dem Be­ frachter, dem Reisendm, dem Bodmereigläubiger u. s. w. zu

tragen?)

II. Vertretungsbefugnis.

Der Schiffer ist, so­

bald das Schiff den Heimatshafen oerlassen fjat,8) in allen 1 BGB. §§. 611 ff. 2 HGB. 88.511,512. BSchG. 88- 7> 8. Die dem Schiffer ob­ liegende Sorgfalt hat sich auch auf die Prüfung der Geräte der Varel», Handelsrecht. 6. Aufl.

Stauer zu erstrecken; RGcr. Bd. 10 S. 21. Sorgfalt s. RGer. Bd. 15 S. 159. 8 Im Heimatshafen s. HGB. §• 526. 60

Kap. V.

946

DaS Seehandelsrecht.

Rechtshandlungen, welche die Seereise betreffen, der voll­ berechtigte juristische Vertreter des Reeders; *) der Reeder

kann für diese Fälle die Vertretungsbefugnis des Schiffers nicht mit Wirkung gegen Dritte

beschränken,

es müßte

denn sein, daß er beweist, daß dem Dritten die Beschrän­ kung bekannt war?)

Durch die innerhalb seiner gesetzlichen

Kompetenz vom Schiffer vorgenommenen Rechtshandlungen

wird

nicht

er,

sondern

Kompetenz erstreckt sich

sein

Reeder

verpflichtet.

auf die Ausrüstung,

Diese

Verprovian-

tierung, Bemannung (in dieser Beziehung schon im Heimats­

hafen), Erhaltung des Schiffs, auf die hiezu notwendige Aufnahme von Darlehm (event,

gegen Verbodmung

des

Schiffs),^) im äußersten Notfälle sogar auf den Verkauf des Schiffes41)* *(Specialvollmacht ist aber zur Eingehung

von

Wechselverbindlichkeiten und ähnlichen persönlich verpflichten­ den Kreditgeschäften erforderlich?) IU.

Pflichten des Schiffers.

Derselbe hat das

Interesse seines Reeders nach bestem sachverständigen Ermessm in allen mit seiner Anstellung, dem Schiffe und der

Reise zusammenhängenden Beziehungen zu wahren (s. oben unter I).

Im einzelnen ist er demgemäß verpflichtet, sich

rechtzeitig von der Seetüchtigkeit seines Schiffes zu über­

zeugens) das nötige Personal (soweit dies nicht der Reeder 1 HGB. 527 ff. und ent- u. gerichtliche Erlaubnis, wobei sprechend BSchG §. 15. nach FreiwGerG. v. 17. Mai a HGB. §. 531 und ent- ; 1898 §§. 145 ff. das Amts­ sprechend BSchG. §§. 17—19. geeicht zuständig ist. andernfalls 8 HGB. §. 528. BSchG. ! f- KonsularGes. v. 8. Nov. 1867 §. 16. Über Ausdehnung der §• 37. obigen Befugnisse s. RGer. Bd. i 6 HGB. §. 529; vgl. BSchG. 13 S. 83. §. 15 Abs. 2. 4 HGB. §. 530. Konsularische 0 HGB. 8Z.513-515; BSchG.

Von dem Schiffer und der Schiffsmannschaft.

§• 111. 947

besorgt) anzunehmen, die Ladung und Stauung der Güter zu überwachen/) das Schiff nicht zur Unzeit zu verlassen/)

das Tagebuch

(unter genauer Beobachtung der gesetzlichen

Detailvorschriften) führen zu lassen/)

„den guten Wind

nicht zu verliegen" (d. h. die Abreise nicht unnötig zu ver­ zögern) ;4) er darf keine Güter für eigene Rechnung laden 6)

und muß, wenn die Reise von Unfällen betroffen wird, eine ordnungsmäßige Verklarung ablegen.

unter „Verklarung"

oder

„Seeprotest"

(Man versteht

eine vom Schiffer

unter Zuziehung von Schiffsmannschaft vor Gericht — event,

vor dem Konsulat — abgegebene und von der zuständigen Behörde sofort aufzunehmende Aussage über Unfälle

auf

der Reise, eine Berichterstattung, welche neben dem Zwecke einer Rechenschaftsablage dem einer Art Beweisführung zum ewigen Gedächtnisse dient.)6)

IV. Rechte des Schiffers.

Dem Schiffer steht der

Anspruch auf die vertragsmäßige Gage (nicht aber auf sogen. Kaplaken, auf Primage oder Gratifikation seitens der Be­

frachter u. s. w.)i),

ferner

§. 8. Über die Seetüchtigkeit des Schiffes s. Cromc in GZ. Bd. 28 S. 1 ff. 1 HGB. §.514; BSchG. §.8; ROHG. Bd. 19 S. 263; RGer. Bd. 10 S. 21. 8 HGB. §. 517. 3 HGB. §§. 519-521. 4 HGB. §. 516 (BSchG. §.9). 5 HGB. §. 544; s. oben §. 14 S. 92 Konkurrenzverdot. „ » HGB. §§. 522, 525, 555. Überd.Schiffsgewalta.Seeschlffen s. Stoerk an dem oben S. 392 angegeb. O. S. 219. Die Verklarung ist auch bei der

die i ' \ |

'

angegebene Vertretungs-

Binnenschiffahrt vorgeschritten; s. BSchG. §§. 11—14. Über die Verklarung s. auch Freiw.GerG. §§. 145 ff. (Amtsgerichts — Öffentlichrechtlich obliegt dem Schiffer die Schiffsmeldung nach RGes. v. 25. März 1880 u. V. v. 29. Juli 1880. Seemanns-O. §§. 72 ff. mit den Bem. von G. u. F. hiezu. 7 HGB. §. 543. Kaplaken s. Lewis in v. Holhendorffs RLex. 3. Aufl. Bd. 2 S. 434. Primage siehe Gareis ebenda Bd. 3 S. 154.

Kap. V.

948

Das Seehandelsrecht.

befugnis (s. S. 945 f.) und nach Maßgabe der Seemanns­ ordnung die Handhabung

der Disciplin über die gesamte

Schiffsmannschaft zu.

Endigung

V.

Schifferverhältnisses.

des

Der Freidienstvertrag läuft seinem Inhalte entsprechend ab, außerdem

aber durch die Entlasiung,

welche kraft

eines

— durch Vertrag nicht zu beseitigenden — Rechtes vom Reeder

jederzeit

willkürlich,

jedoch

unbeschadet der

schädigungsansprüche verfügt werden kann.

Ent­

Das Gesetz ent­

hält Detailvorschriften über die Wirkung der Entlaffung je nach deren Veranlassung?) C. Von der Schiffsmannschaft?)

Der Schiffsmann tritt in den Dienst eines bestimmten Seeschiffes durch den gesetzlich

an eine Form nicht gebun­

denen Heuervertrag, einen Dienstvertrag, welchen der Schiffs­ mann mit dem Schiffer (mitunter auch mit dem Reeder) abschließt, und durch den er sich zum Schiffsdienste auf be­

stimmte Zeit, für eine gewisse Reise u. s. w. gegen Entgelt, nämlich Verpflegung, Zahlung des Lohnes (sogen. „Heuer",

Gage) u. s. w. verpflichtet. Reiche

heuern lassen

(d. h.

Niemand darf sich im Deutschen als

Schiffsmann

in

Dienst

treten), bevor er sich über Namen, Heimat und Alter vor

einem Seemannsamre ausgewiesen und von diesem ein See­ fahrtsbuch ausgefertigt erhallen hat. Ist diese Voraussetzung,

welche gesetzlich näher bestimmt ist, erfüllt und dann der

545 bis 555. | erseht durch die Seemanns-O. v. i 27. Dez. 1872. GEA. II 7 2 Begriff s. oben S. 933, 934 (62, 63). Hiezu Komm, von Gund Seemanns-O. §.3: Zorn u. F. nach Art. 528; Stoerk StaatsR. Bd. 2 S. 938ff.; die a. a. O. S. 214-216. BSchG. Art. 528-556 des HGB. von I §§. 21 bis 25. 1861 wurden aufgehoben und | 1 HGB.

Von dem Schiffer und der Schiffsmannschaft.

§♦ 111. 949

Heuervertrag zwischen dem Dienstherrn (Schiffer oder statt

dessen seinem Reeder)

und dem Schiffsmann abgeschloffen,

so hat der Schiffer die Musterung (Anmusterung) zu veranlaffen.

Man versteht unter dieser Musterung die amt­

liche Verlautbarung des mit dem Schiffsmann geschloffmen Heuervertrags vor einem Seemannsamte; die Verhandlung

hierüber wird von diesem Amte (welches im Auslande das Konsulat ist) als „Musterrolle" ausgefertigt; diese muß den

wesentlichen

Vertragsinhalt,

in gesetzlich bestimmter Form

buch,

Leistung

und

Gegenleistung,

angeben; in das Seefahrts­

welches der Schiffer während der Dauer des Dienst­

verhältnisses des Schiffsmanns aufzubewahren hat, wird vom.

Seemannsamt ein als Ausgangs- oder Seepaß dienender Vermerk über die Anmusterung eingetragen.

Das Gesetz

regelt genau die Rechte und Verpflichtungen der Schiffs­

mannschaft, namentlich der Voll-

und der Leichtmatrosen

und der Schiffsjungen mit Rücksicht auf die verschiedenen Eventualitäten

einer Seereise/) nicht ohne diese Bestim­

mungen durch Strafandrohungen zu

verschärfen?)

über

Pakotillevertrag s. oben S. 578 Anm?)

Die Heuer ist, sofern keine andere Vereinbarung ge­

troffen ist, in der Regel erst nach Beendigung der Reise zu

bezahlen.

Der Reeder haftet für die Heuer nicht bloß mit

Schiff und Fracht, sondern persönlich.4) Die Dienstleistungen

werden im einzelnen durch den Vertrag, die Natur der Sache

und die Notlage bestimmt?) 1 Seemanns-O. §§. 24—71. fl Disciplinar-Bestimmungen Seemanns-O. 8Z. 72—80, Strafbestimmungen ebenda 8§- Öl bis 103. Hiezu auch StrGB. 8-298.

3 Seemanns-O.^88- 75 bis 77 (Erlaubnisd.Schifferserforderl.). 4 Ebenda 8- 68. S. oben S. 937 Anm. 1. 6 Uber d. Versicherungspflicht

Kap. V.

950

Das Seehandelsrecht.

Wird das Dienstverhältnis beendigt, so muß der Schiffer abermals eine Musterung, nämlich die Abmusterung, veran-

laffen; diese besteht in der gesetzlich näher geregelten Ver­ lautbarung der Beendigung des Dienstverhältniffes seitens

des Schiffers und der aus dem Dienste scheidenden Mann­

schaft vor dem zuständigen Seemannsamte (in der Regel desjenigen Hafens, in welchem das Schiff liegt).

Auch die

Abmusterung wird im Seefahrtsbuche und in der Muster­ rolle vermerkt?) §. 112.

IV. vom Aeefrachtgeschäfte.2*) 1 1.

Der Seefrachtvertrag (Befrachtungsvertrag) ist der

wesentlich zweiseitige, formlos abgeschlossene Vertrag, durch

den sich der eine Teil, nämlich der Verfrachter (d. i. der

Reeder oder deffen Vertreter, der Schiffer) dem anderen Teile (d. i. dem Befrachter) gegenüber gegen Entgelt (nämlich gegen Zahlung der Seefracht, „Fracht") verpflichtet,

Güter, welche zum Transport übergeben werden, über See

nach näherer Bestimmung zu transportieren. Der Frachtvertrag zur Beförderung von Gütern bezieht

sich entweder a) auf das Schiff im ganzen oder einen verhältnismäßigen

Teil

oder einen

bestimmt

der Seeleute, bezw.Seeschissahrtsbetrieben nach Reichsversicherungsrecht s. R. Weyl a. a. O. S. 102, 112, 346, 349, 986. 1 Seemanns-O. §§. 16 ff. 2 Hiezu Lewis im Hdbch. Bd. 4 S. 123 ff. Vgl. auch Fr. V o i g t, Untersuchungen zum

bezeichneten

Raum

des

Zweck der Ausgleichung der Verschiedenheit der in den See­ staaten geltenden Havariegrossemit) Seefrachtrechte, (Jena 1882). (Vgl. GZ. Bd. 29 S. 327 ff.)— G.' ii. F. S. 985 ff. (Ebenda auch Rechtsgeschichtliches.)

Dom Seesrachtgeschäfte.

g. 112.

951

Schiffs — Befrachtung en bloc (diese Art wird als die

Regel angesehen) — oder b) auf einzelne Güter (Stück-Güter) — Befrachtung en

cueillette.1)2 * 4

Wird das Schiff im ganzen oder zu einem verhältnis­ mäßigen Teil oder wird ein bestimmt bezeichneter Raum

des Schiffs verfrachtet („gechartert"), so kann jede Partei

verlangen, daß über den Vertrag eine schriftliche Urkunde (sogen. Chartepartie, von carta partita) errichtet werde?)

2. Die Rechte und Pflichten des Verfrachters und des Befrachters richten sich

in erster Linie nach dem zwischen

beiden abgeschlossenen Frachtverträge.

Für den Fall man­

gelnder oder mangelhafter Vertragsbestimmungen ordnet das Gesetz die Rechtsverhältniffe wesentlich in Übereinstimmung

mit älteren Handelsgebräuchen.

Der Verfrachter hastet wie

im Landtransportrechte der Frachtführer, nämlich für den

Schaden, welcher durch Verlust oder Beschädigung der Güter in der Zeit von der Annahme bis zur Abliefemng entsteht,

es sei denn/) daß der Verlust oder die Beschädigung auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordent­

lichen Verstachters nicht abgewendet werden konnten.

(Vgl.

hiemit oben §. 56 S. 947, 649—650.)*)

1 HGB. §. 556; (das Wort, kommt v. colligere) Sammelgut. 2 HGB. §. 557 (nicht im BSchG.). 8 Über die Formel „cs sei denn" s. oben S. 264 Anm. 1 (Planck, BGB. I S. 44). 4 HGB. §. 606 (im Gegen­ satze zu Art. 607 des HGB.

von 1861. Der Entwickelungs­ gang war folgender: Die ur­ sprüngliche, sehr strenge Haf­ tung aus dem römischen receptum nautae wurde durch die mittelalterliche romanische Rechtsbildung allmälick be­ seitigt, man lieh den Verfrachter weniger streng haften, aber die neuere Rechtsbildung war zur

Kap. V.

952

Das Seehandelsrecht.

Verlust und Beschädigung, welche

aus einem mangel­

haften Zustande des Schiffs entstehen, der aller Sorgfalt

ungeachtet nicht

zu

war, müssen demnach vom

entdecken

Verfrachter nicht vertreten werden. Für Kostbarkeiten, Kunstgegenstände,

Geld und Wert­

papiere haftet der Verfrachter nur dann, wenn diese Be­ schaffenheit oder der Wert der Güter bei der Abladung dem Schiffer angegeben ist.1)

Der Hauptverpflichtung des Verfrachters entspricht dessen Anspruch auf Zahlung der Fracht; für diese Zahlung haftet zunächst der Befrachter, jedoch wird durch die Annahme

der Güter der Empfänger

verpflichtet, nach Maßgabe des

Frachtvertrages oder des Konnossements, die

Empfangnahme

Nebengebühren,

geschieht,

die

auf deren Grund

Fracht

nebst

sowie das etwaige Liegegeld zu

allen

bezahlen,

die ausgelegten Zölle und übrigen Auslagen zu erstatten und sonstige Verpflichtungen

aus

dem

Frachtverträge

zu

erfüllen.

strengen Haftung des römischen Rechts, welches dem römischen Großhandel zur See durchaus angemessen war, zurückgekehrt HGB. v. 1861 Art. 607? Vgl. GUGesch. S. 341 ff. Allein das neueste Recht ist — mit Aus­ nahme des Eisenbahnsrachtrechts — wieder weniger streng ge­ worden, zunächst für den Binnen­ schiffsverkehr, wo die Haftung oes Frachtführers bis zu der desKommissionärs(HGB. §. 390 s. oben S. 584 ff.) abgeschwächt

ist (s. BSchG. §. 58), und außer­ dem eine Reihe von Schäden gesetzlich aufgewühlt sind, für welche der Bmnenschiffsführer nicht zu hasten hat; s. BSchG. — G6A. II 19 (196 — §. 59 Ziff. 1—5 (analog nun HGB. v. 1897 §. 459 Ziff. 1-5), §. 60 (analog §. 460). Vgl. oben S. 558. 1 HGB. §. 607 = BSchG. §. 58 Abs. 4, nach der Fassung v.20. Mai 1898, EinfG. z. HGB. Art. 12 VI.

Vom Seefrachtgeschäfte. g. 112.

953

Der Verfrachter hat die Güter gegen Zahlung der Fracht und gegen Erfüllung der übrigen Verpflichtungen des Em­

pfängers auszuliefern?) Wenn die Fracht nach Maß, Gewicht oder Menge der

Güter bedungen ist, so ist im Zweifel1 2)* *anzunehmen, * daß

Maß, Gewicht oder Menge der abgelieferten und nicht der

eingelieferten Güter für die Höhe der Fracht entscheiden soll.

Außer der Fracht können Kaplaken, Prämien u. bergt nicht gefordert werden, sofern sie nicht ausbedungm sind. Die

gewöhnlichen

Schiffahrt,

als

und

Lotsengeld,

ungewöhnlichen Hafengeld,

Unkosten

der

Leuchtfeuergeld,

Schlepplohn, Quarantänegelder, Auseisungskosten u. bergt,

fallen in Ermangelung einer entgegenstehenden Abrede dem Verfrachter allein zur Last, selbst wenn derselbe zu

den

Maßregeln, welche die Auslagen verursacht haben, auf Grund des Frachtvertrags nicht verpflichtet war?)

Zur Sicherung der Forderung der Fracht, sowie der übrigen Gebühren hat der Verfrachter ein Pfandrecht an den Gütern, welches analog dem Pfandrechte des Fracht­ führers gestaltet ist?)

3. Eingehende Vorschriften enthält das HGB. in betreff der Rechte und Pflichten bei Einnahme der Ladung 6) (z. B.

Verbot

der Deckladung, mit Ausnahmen), in betreff der

1 HGB. 8- 614 Abs. 2. 2 Im Zweifel, nach HGB. §. 620 (wie BSchG. §.62), s. aber RGer. Bd. 14 S. 117. 8 HGB. §. 621; BSchG. §. 65; HGB. §. 440; BSchG. §§. 26 (mit 409), 66. — Absonde­ rungsrecht im Konkurse s. KonkO. §. 49 Ziff. 8.

4 HGB. §§. 623 ff. 5 HGB. §§. 560, 566, ent­ sprechend BSchG. §§. 28 ff. Irr­ tümliche Verladung auf ein an einen andern Bestimmungsort gehendes Schiff s. RGer. Bd. 1 S. 4.

954

Das Seehandelsrecht.

Kap. V.

und des Liegegeldes/) des

Lade- und bezw. Überliegezeit

Rücktritts

des

Befrachters

vor

Antritt

der Reise gegen

Zahlung der Fautfracht/) in betreff der Löschung3 1)4 2 und in betreff einer Reihe von Eventualitäten, von denen der See­

transport betroffen werden kann/)

Was die Ladezeit anlangt, so hat der Schiffer, wenn das Schiff im ganzen gechartert ist, sobald er zur Einnahme

der Ladung fertig und bereit ist,

dies dem Beftachter an­

zuzeigen. Mit dem auf die Anzeige folgenden Tag beginnt die Ladezeit. Über die Ladezeit hinaus hat der Verfrachter auf die Abladung noch länger zu warten, wenn es verein­ bart ist (Überliegezeit). Für die Ladezeit kann, sofern

nicht

das

Gegenteil

bedungen

gütung verlangt werden.

ist,

keine

besondere

Ver­

Dagegen muß der Beftachter dem

Verfrachter für die Überliegezeit eine Vergütung (Liege­

geld) gewähren, welche im Zweifel durch richterliches Ermeffen bestimmt wird?)

Ist die Dauer der Ladezeit durch Vertrag nicht fest­ gesetzt, so wird

sie durch die örtlichen Verordnungen des

Abladungshafens und in deren Ermangelung durch den da­ selbst bestehenden Ortsgebrauch bestimmt (— bei der Binnen-

1 HGB. 88.567 ff---BSchG. §. 28. 2 HGB. 8- 580ff.: BSchG. 88- 34 (Vs), 36. « HGB. 88- 592 ff. Hiezu s. ROHG. Bd. 5 S. 131 ff., 372, Bd. 15 S. 227 ff., Bd. 19 S. 282 ff.; RGer. Bd. 14 S. 9, 115. — BSchG. 8- 46. 4 S. z. B. HGB. 88- 628 ff., entsprechend BSchG. 8- 67.

"HGB. 88- 567, 568, entSend BSchG. 88- 29—34, in BSchG. feste Lade­ zeiten nach dem Ladungsgewicht (bis zu 30 000 Kilogr. zwei Tage, bis zu 50 000 drei, bis zu 100 000 vier u. f. f., jedoch ab­ ändernd Vereinbarung und Re­ gierungsverordnung Vorbehalten. ÄSchG. 8- 29.

Vom Seefrachtgeschäste. §♦ 11L schiffahrt

durch

das Gesetz)?)

Besteht auch

955 ein solcher

Ortsgebrauch nicht, so gilt als Ladezeit eine dm Umständm des Falls angemessene Frist. Ist eine Überliegezeit, nicht aber derm Dauer durch

Vertrag

bestimmt,

so

beträgt die Überliegezeit vierzehn

Tage^) — bei Binnenschiffahrt höchstens eine Woche?) Ist eine Warte fr ist, d. i. die Zeit, während welcher

der Verfrachter auf die Abladung (d. i. die Vollmdung der dem Befrachter obliegenden Berbringung des Frachtguts zur

Einladung) zu warten hat, vertragsmäßig vereinbart, so wird der Verfrachter durch die Verhinderung der Lieferung jeder Art von Ladung zum längeren Warten nicht verpflichtet, sondern ist gegebenen Falles befugt, die Reise ohne die volle

Ladung anzutreten, sofern der Befrachter nicht vom Vertrage zurücktritt, und es gebührt dem Verfrachter, ebmso wie im

Falle er auf Verlangen des Befrachters die Reise ohne die volle bedungene Ladung antritt, nicht allein die volle Fracht und das etwaige Liegegeld, fonbem er ist auch berechtigt,

insoweit ihm durch die Unvollständigkeit der Ladung die Sicherheit für die volle Fracht mtgeht, die Bestellung einer

anderweitigen Sicherheit zu forbem.

Außerdem sind ihm

die Mehrkosten, welche ihm infolge der Unvollständigkeit der Ladung etwa erwachsen, durch den Befrachter zu er­

statten?) Fautfracht^) ist der Frachtbetrag, welchm der vom

1 S. S. 954 Anm. 5. I * HGB. §§. 576 bis 578; 9 HGB. §§. 568, 569, Be- | BSchG. §. 33. rechnung der Frist s. 573 u. 6 Wahrscheinlich von „saute ROHG. Bd. 12 S. 130, Bd. 18 1 *de3 fret“ -- Mangel an SchiffsS. 363 ff. sracht; HGB. §. 580. (Dgl. 3 BSchG. §. 31. BSchG. §. 36.)

Kap. V.

956

Das Seehandelsrecht.

Vertrage zurücktretende Befrachter zu zahlen hat.

Der Be­

frachter ist nämlich berechtigt, vom Vertrage zurückzutreten,

und zwar a) vor Antritt

der Reise:

gegen Zahlung der halben

Fracht (d. i. die eigentliche Fautfracht) und gegen Erstattung der Kosten u. s. w.; d) nach Antritt der Reise:

Fracht

gegen Zahlung der ganzen

und Erstattung der Kosten.

unten Ziff. 5:

(Vergl.

jedoch

Endigung des Vertrages ohne Ent­

schädigung.) Bei

Stückgutfracht

kommt

keine

gesetzliche

Ladezeit,

nur vertragsmäßige oder ortsübliche Lade- (oder

sondern

vielleicht

sogar

auch

Überliege-)Frist

in

Betracht,

im

Zweifel wohl die Analogie der für den Chartervertrag gel­

tenden gesetzlichen Normen?) 4.

Außer der Chartepartie ist

dem Seefrachtverträge

noch eine andere Urkunde eigentümlich, nämlich das Kon­

nossement,^) ein Waren- und Orderpapier (selten Rekta­ papier), welches der Schiffer 8) nach Beendigung jeder ein­

zelnen Abladung dem Ablader ohne Verzug gegen Rückgabe 1 Lewis, Komm. S. 291; j bräuchlich gewordene, im HGB. ROHG. Bd. 12 S. 128 ff. Zeit­ aber nicht' normierte Art von bestimmung durch den Richter, Konnossementen bilden die sogen, s. HGB. §. 590 und hiezu durchgehenden (through bill of Freiw.GerG. §§. 145 ff. Istding), hierüber s. Schlodt 3 Bal. oben S. 504, 505, mann in 653. Bd. 21 g. 384ff.; 644, 646, 794. Ihm entspricht Lewis im Hdbch. a. a. O. S. im Binnenschisfahrtsverkehr idcr 184—186; RGer. Bd. 10 S. 31. 3 Oder ein anderer dazu er­ Schiffs-Ladeschein (BSchG. §. 71 ff.), der hier auf Verlangen mächtigter Vertreter des Reeders; RGer. Bd. 2 S. 128, des Absenders vom Frachtführer s. auszustellen ist. — Eine be­ Bd. 20 S. 53, nun aber HGB. sondere, in neuerer Zeit ge- ' §. 642 neuer Abs. 4.

Vom Seefrachtgeschäfte.

§. 112.

957

des etwa bei der Annahme der Güter erteilten vorläufigen Empfangscheins in so vielen Exemplaren auszustellen hat,

als der Ablader verlangt. Alle Exemplare des Konnossements müssen von gleichem

Inhalt sein, dasselbe Datum haben und ausdrücken, wie­ viele Exemplare ausgestellt sind.

Dem Schiffer ist auf sein Verlangen von dem Ablader eine mit der Unterschrift des letzteren versehene Abschrift

des Konnossements zu erteilen?) Mit Zustimmung des Abladers kann das Konnossement

auch über Güter ausgestellt werden,

die

zur Beförderung

übernommen, aber noch nicht abgeladen sind?) Auf Verlangen des Abladers ist das Konnossement, so­ fern nicht das Gegenteil vereinbart ist, an die Order des Empfängers oder lediglich an Order zu stellen.

Im letzteren

Falle ist unter der Order die Order des Abladers zu ver­

stehen.

(Das Konnossement kann auch auf den Namm des

Schiffers als Empfängers lauten.)1 2)* Das Konnossement muß enthalten:8)

1. den Namen des Schiffers;

2. den Namen und die

Nationalität des Schiffs (ähnlich auch im Ladeschein beim Binnenschiffahrtsverkehr;4)* 3. den Namen des Abladers; 4. den Namen des Empfängers (Destinatär, engl. con-

signatary);6) 5. den Abladungshafen; 6. den Löschungs­ hafen oder dm Ort, an welchem Order über denselbm ein8 HGB. §. 643. 1 HGB. §. 642, mit neuem 4 BSchG. §. 72 Abs. 2. Al'?. 5. 2 HGB. §. 644, ebenso Lade­ 6 Begriff des Empfängers; schein nach BSchG. §. 72 mög­ Prokuraindossament des Kon­ licherweise Meldeadresse (s. ebenda nossements s. Schaps in GZ. | 9b. 42