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German Pages 1037 [1040] Year 1899
Guttentag'sche Sammlung von
Lehrbüchern des Deutschen Reichsrechtes. IV.
Das
Deutsche Handelsrecht. Von
Dr. Lari Sarets.
Sechste Auflage.
ZterN« SW« Wllhtlmstraße 119/120.
I. Gatteatag, BerlagSbuchhaadlaag, s. m. 6. H.
1899.
DaS
Deutsche Handelsrecht. Ein kurzgefaßte- Lehrbuch de« tm Deutschen Reiche geltenden .
Handels-, Wechsel- und Seerechts. Systematisch dargestellt auf Grund der deutschen Reich »gesetzt, insbesondere
des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs und der deutsche« Handels gesetzgebung vom 10. Mai 1897, unter Serückstchtigrmg der einschlägigen Litteratur uud-der Rechtsprechung,
von
Dr. Kart Kareis, Seh. Justt-rat u. ord. Professor der Rechte in Königsberg t. Pr.
Sechste, ««gearbeitete Auflage.
Stätte BW«, »ilhelmstratze 119/120.
I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, S. m. b. H.
1899.
Borwort zur ersten Auflage.
Die Aufgabe, welche die Verlagsbuchhandlung und dann
ich selbst mir gestellt,
als es sich um die Abfasiung dieses
Merkchens handelte, ist nach Ziel und Methode im wesent lichen dieselbe, welche sich meine verehrten Herren Kollegen
Fitting und D o ch o w stellten, als sie demselben Verleger die von ihnen verfaßten Lehrbücher des Civilprozeßrechts
und beziehungsweise des Strafprozeßrechts
lieferten, hier
natürlich angewandt auf die Verbreitung der Kenntnis des
deutschen Handelsrechts.
Wenn meine Kraft nicht ausreichte,
es diesen Vorbildern gleich zu thun, so war doch mein Wille,
dem Handelsrecht denselben Dienst zu leisten, welchen Fitting
dem Civilprozeßrecht und Dochow dem Strafprozeßrecht er wiesen, ernstlich genug, um vor der Ausführung des ge
planten Unternehmens nicht zurückzuschrecken; ich unternahm die Ausführung, obwohl ich
nicht verkannte — und jetzt
nach Vollendung des Versuchs daß
derselben
noch weniger verkenne —,
außerordentliche Schwierigkeiten
stehen, die hauptsächlich
im
Wege
in dem Materialüberflusie
ihren
Grund haben, der die Erreichung der Aufgabe hier in gewiß viel größerem Maße
erschwerte als da, wo es sich
um die Darstellung des mit dem 1. Oktober 1879 erst in Wirksamkeit tretenden Prozeßrechts handelte; denn der von mir behandelte Stoff ist bekanntlich in einer überaus reichen
VI
Vorwort zur ersten Auflage.
bearbeitet,
Litteratur längst ausführlich
eine langjährige
Rechtsprechung hat zur Klärung derselben wesentlich
bei
getragen, und neben den umfangreichen und verschieden
artigen Gesetzen
hat sich
das
Gewohnheitsrecht ordnmd
und sichtend Rechtsregeln ^geschaffen.
Lehrbücher, Mono
graphien, Präjudizien, verschiedenartige Gesetze, Usancen — welche Fülle des Stoffes bieten sie nicht insgesamt dar! Eben diese Fülle, diese Überfülle macht die Bearbeitung
eines „kurzgefaßten Lehrbuches" einerseits schwierig, anderer seits aber, wie ich glaube, erwünscht, wenn nicht gar not
wendig. Als kurzgefaßtes Lehrbuch hat dieses Merkchen eine ganz andere Bestimmung, als diejenige der Werke Thöls
und Goldschmidts und auch Endemanns ist; meine Absicht geht angesichts dieser Werke dahin, deren Studium zu fördern; denn mein Merkchen beabsichtigt lediglich die
Einführung in das Reich des wiffenschastlichen Handels
rechts und soll demnach nur die Einleitung zum wifsenschaftlichen Studium der größeren handelsrechtlichm Werke selbst
bilden; es ist darum in erster Linie den das Handelsrecht zum erstenmale
studierendm
Rechtskandidaten, dm
auf die Kenntnis des gellenden Handelsrechts angewiesmen
Kaufleuten und solchen praktischen Juristen ge
widmet, welche sich in das ihnen bisher etwa aus Berufs gründen ferner liegende Handelsrecht einen Einblick und Überblick verschaffm wollen. Dazu kommen zwei Umstände,
welche vielleicht auch dm Blick älterer Juristen auf mein Werkchm lenkm: ich habe mich bemüht, auch diejenigm handelsrechtlichm Stoffe, derm Recht zur Zeit noch der ein
gehenden Kodifikation entbehrt (wie das Versicherungsrecht,
vn
Vorwort zur ersten Auflage.
einer großen Anzahl von Bank- und Börsen
das Recht
geschäften u. s. w.), nach dem Stande der heutigen Doktrin
und Rechtsprechung in Kürze darzustellen, und ich war ferner bestrebt,
auf
die
Entscheidungen
des
Reichs-Ober-
Handelsgerichts überall, wo es mir nur irgend möglich war, geziemende Rücksicht zu nehmen und die aus den Ent scheidungen abzunehmenden und für das System wesentlichen
Rechtsgrundsätze an geeigneter Stelle systematisch einzureihen.
(Die Entscheidungen der ersten vier Bände
sind nach der zweiten Auflage derselben citiert.) Gar nicht verhehle ich mir, daß mein Merkchen im ganzen, wie in einzelnen Teilen Mißverständniffen ausgesetzt
sein wird, daß der Praktiker vielleicht mehr Präjudizien
oder ausführlichere Mitteilungen der Entscheidungen, der Theoretiker mehr Historisches,
mehr Dogmatisches, mehr
Litteraturnotizen u. s. w. überhaupt oder an einzelnen Stellen
gewünscht hätte; angesichts der etwaigen nicht befriedigten
Wünsche bitte ich, den ebm geschilderten Zweck des Buches im Auge zu behalten; allerdings macht meine Arbeit —
und das muß sie thun — Anspruch auf eine gewisse Voll
ständigkeit in der Beherrschung des Stoffes, aber doch nur
in dem Maße, in welchem dies bei der Aufgabe eines
„kurzgefaßten Lehrbuches" möglich und nötig ist. Das bisher Gesagte ist auf das Handelsrecht im engerm
Sinne zunächst zu beziehm; es gilt aber analog auch vom Wechselrecht und vom Seerecht. weit
davon
entfernt,
die
Meine Arbeit ist
Präjudizimsammlungen,
die
Kommmtare, die großm Handbücher und wechselrechtlichm
Specialwerke, wie die von Thöl, Renaud, O. v. Wäch ter, Kuntze, Hartmann u. a., oder die seerechtlichm
Vlü
Vorwort zur ersten Auflage.
Werke (s. unten S. 558)T) irgend zu ersetzen, wo es sich um eingehende und motivierte Behandlung der Streitfragen handelt. Ich verweise deshalb auch hierin stets und aus drücklich auf die Speciallitteratur. Aber das vorliegende Merkchen soll auch auf den Gebieten des Wechsel- und des Seehandelsrechts einleitend und einführend wirken, wie auf dem des engeren Handelsrechts. Und gerade auf diesen Gebieten scheint mir den nicht seltenen Erfahrungen nach ein einleitendes, die Grundbegriffe und Grundregeln klar und auch dem Laien verständlich darstellendes Werk durch aus nötig; denn an dem Mangel der in den größeren Werken regelmäßig vorausgesetzten elementaren und mer kantilen Kenntnisse — hauptsächlich auch im Gebiete des Börsen-, Wechsel- und Seerechts — scheitert häufig das Studium der größeren Werke und Fachschriften. Selbstverständlich ist nicht bloß der in den Hauptquellen unseres Stoffes, nämlich dem Allgemeinen deutschen Handels gesetzbuch und der Allgemeinen deutschen Wechselordnung enthaltene Stoff systematisch verarbeitet, sondern ebenso auch das Material dargestellt, welches die zahlreichen übrigen ein schlägigen Reichsgesetze bieten, z. B. das Genossenschafts gesetz, die Aktiennovelle, das Postgesetz, die Gewerbeordnung, die Seemannsordnung u. s. w. Auch damit hoffe ich, Studierenden, wie juristischen und kaufmännischen Praktikern einen guten Dienst zu thun, wenigstens ist dies mein Wunsch und mein Streben. Gießen, November 1879.
Kart Hareis. 1 VI. Aufl. S. 930 ff.
Vorwort zur zweiten Auflage.
IX
Vorwort zur zweiten Auflage. Gegenüber der freundlichen Aufnahme, deren sich die erste Auflage dieses kurzgefaßten Lehrbuches erfreute, hielt
ich mich verpflichtet, alles zu thun, was in meinen Kräften stand, um den von verschiedenen Seilen an mich gelangten
Wünschen nach einzelnen Verbesserungen oder Ergänzungen zu entsprechen; nicht in allen Punkten war es mir möglich, diesen Wünschen nachzukommen: so vor allem nicht dem von
einer Seite erhobenen Verlangen nach einleitenden historischen
Abschnitten; durch diese würde nämlich, selbst wenn sie noch so summarisch gehalten wären, das Lehrbuch
dehnung erhalten, welche es des Prädikates
eine Aus
„kurzgefaßt"
— und das will es ja sein und bleiben — unwürdig machen müßte; auch liegt eine solche Erweiterung nicht im
Plane der Verlagsbuchhandlung, und die übrigen Lehrbücher
dieser Ausgabe (Fitting, Dochow, Liszt) entbehren derselben ebenfalls.
Dies hinderte mich jedoch nicht, da, wo ich eine
geschichtliche und insbesondere rechtsgeschichtliche Bemerkung für absolut nötig zum Verständnis des geltenden Rechts
hielt,
dieselbe voranzustellen.
Andererseits habe ich
in
dieser Auflage mich bemüht, das Buch für Lernende, wie für Praktiker in höherem Grade brauchbar zu machen durch
Vermehmng der Litteraturangaben und durch Einschiebung einer Anzahl erläuternder Anmerkungen; daß 'die Recht sprechung des Reichsgerichts (citiert mit RGer.) allerorten und
X
Vorwort zur dritten Auflage.
vollständig berücksichtigt wurde, darf ich als ebenso selbst
verständlich bezeichnen, wie die Verflechtung des seit 1880 durch
die Reichsgesetzgebung
geschaffenen
System dieses Lehrbuchs; dadurch
schritts der Wiffenschaft
wurde
Rechtsstoffs
im
und infolge des Fort
die radikale Abänderung
einzelner Partien des Buches, ja auch die Einschiebung einiger
neuen Paragraphen erforderlich. Dies gilt namentlich von der ausgedehnten Berücksichtigung des Rechts des Bankverkehrs und
ganz besonders von
der eingehenden Darstellung des Ge
schäftsverkehrs der Reichsbank, von der Berücksichtigung des
Abrechnungswesens (Clearing) u. dergl.
Möge das kurz
gefaßte Lehrbuch des Handels-, Wechsel- und Seerechts auch in dieser etwas veränderten — ich hoffe zu seinem Vorteil veränderten — Gestalt Beifall in den Kreisen der Rechts und Handelsbefliffenen, der Studierenden und der juristischen, wie der kaufmännischen Praktiker finden.
Gießen im März 1884.
Kart Hareis.
Borwort zur dritten Auslage. Bei
der Bearbeitung der dritten Auflage glaubte ich,
an den Grundsätzen festhalten zu
sollen, welche mich
in
der Herstellung der zweiten Auflage leiteten: die Litteratur
suchte ich auch hier
in einer Weise zu berücksichtigen, daß
es jedem Benutzer meines Merkchens ein Leichtes werden
soll, jeweilig die neuesten, die wichtigsten und von da aus
die überhaupt vorhandenen Bearbeitungen des Stoffes kennen
XI
Vorwort zur vierten Auflage.
zu lernen und beziehungsweise ausfindig zu machen, und die Rechtsprechung
ist insoweit zur Kenntnis gebracht, als
nach der Intention eines derartigen Lehrbuchs meines Da
fürhaltens möglich und nötig ist.
Hiedurch
und
bei dem
Umstande, daß die Darstellung des Aktiengesellschastsrechts nach der Novelle vom 18. Juli 1884, welche der zweiten Auslage nur als Anhang beigegeben werden konnte, nun
selbstverständlich in das Lehrbuch eingefügt ist, hat sich der Umfang des letzteren
ändert ,
—
Neuerungen,
abgesehen
gegenüber der vorigen Auflage ver
auch
von
anderweiten
räumlichen
die im einzelnen durch Neuredaktionen, Ein
schiebungen und Streichungen bewirkt wurden. Da ich alle mir seit dem Erscheinen der zweiten Auflage kund gewordenen Befierungsoorschläge in dieser Bearbeitung nach Kräften be rücksichtigt habe, darf ich mir gestalten, mich hier auf die
Wiederholung des am Schluffe des Vorworts der vorigen Auflage ausgesprochenen Wunsches zu beschränken.
Tegernsee im August 1888.
Kart Hareis. Vorwort zur vierten Auflage. Die vorliegende, wie man sieht, nicht volle 4 Jahre nach
dem Erscheinen der dritten Auflage notwendig gewordene neue Auflage darf als eine neu durchgearbeitete, in vielen
Beziehungen veränderte bezeichnet werden.
Die Verände
rungen liegen nicht bloß in der Berücksichtigung der seit
dem Erscheinen der vorigen
Ausgabe veröffentlichten Ent
scheidungen des Reichsgerichts an den einschlägigen Stellen
xn
Vorwort zur vierten Auflage.
und in einer ausgedehnteren Verweisung auf die neuere und neueste Litteratur, sondern es haben ganze Abschnitte eine völlige Neubearbeitung, veranlaßt durch Änderung der
Gesetzgebung und — mehr noch —
durch Fortschritte in
der wissenschaftlichen Ergründung dogmatischer und geschicht licher Verhältnisse des Handelsrechts, erfahren muffen.
War
ersteresz. B. auf Grund des Genoffenschaftsgesetzes voml.Mai
1889 erforderlich, vermöge beffen die
einschlägigen Para
graphen (ftüher 31—34, jetzt §§. 37—40) vollständig neu redigiert werden mußten, auch wegen Änderung der Geschäfts
normen der Reichsbank u. a. notwendig, so hat von Werken der Litteratur namentlich Goldschmidts hervorragend wichtige
und
großartig
gefaßte Universalgeschichte des HR. Bd. I
umgestaltend einwirken muffen; infolge hievon haben z. B. die Erörterungen über Geschichte der Handelsgesellschaften
und über die des Wechselrechts erfahren.
bedeutende Veränderungen
Freilich konnte die geschichtliche Entwicklung nur
andeutungsweise dargestellt werden, — Zweck, Umfang und
Anlage dieser Lehrbücher machten manche starke Beschränkung zur Pflicht.
kann
auch
Aber anregen, zum Weiterforschen auffordern
eine
kurze
Notiz,
vielfach, durch die Verweisung
und
die
Fingerzeig für die weitere Beschäftigung und
gehendere Material zu
Aufgabe
war
auf ein Hauptwerk einen
gewähren.
in das ein
Diese Bemerkung gilt
natürlich nicht bloß von den historischen Angaben, sondern auch von den für die Erkenntnis des geltenden Rechts wichtigen
Darstellungen und Verweisungen.
Im übrigen darf ich auf
die Vorreden zu den vorausgehenden Auflagen verweisen.
Königsberg im April 1892.
Kart Hareis.
Vorwort zur fünften Auflage.
XNI
Borwort zur fünften Auflage. Gesetzgebung, Rechtsprechung, internationaler Verkehr und wissenschaftliche Schriften habm in dm drei.Jahren,
die seit dem Erscheinm der vorigen Auflage verflossen sind, manches zu Tage gefördert, das in einem Lehrbuche des
deutschm Handelsrechts,
und suchte dieses auch noch so
sorgfältig die ursprüngliche Eigenschaft eines kurzgefaßten
Lehrbuchs festzuhaltm, notwmdig berücksichtigt werden muß. Schon wmige Wochen nach dem Erscheinen der vierten
Auflage trat ein für das Handelsrecht wichtiges Reichs gesetz in Kraft, das Gesetz über die Gesellschaften mit
beschränkter Haftung; ein Anhang zum ebm erschienmm
Lehrbuche suchte zunächst der hierdurch eingetretmm Un vollständigkeit des Buchs abzuhelfm, in der vorliegmdm
fünften Auflage fand der durch jmes Gesetz gebotme Stoff seine systematische Stellung (S. 345—382).
Das
Eisenbahnfrachtrecht hat durch den intemationalm Vertrag
vom 14. Oktober 1890 (nebst dm Vereinbarungen vom 15. November 1892 und vom 18. Januar 1898) wich tige Änderungen erfahren, die in der neuen Verkehrs ordnung (vom 15. November 1892, mit Wirkung vom
I. Januar 1893) für die Eismbahnm Dmtschlands und in dem neuen Betriebsreglemmt eben dieser Bahnm mtsprechmde Berücksichtigung fandm (s. S. 557—568).
Die
Rechtsgeschäfte des Postverkehrs sind in Verbindung mit
internationalen Verträgm durch die neue Postordnung (vom II. Juni 1892 s. S. 569—574) normiert, für dm Tele-
graphen- und Fernsprechverkehr ist ein Reichsgesetz von Wichtigkeit ergangen (s. S. 574—579); ganz neu, aber den Grundsätzen des Seehandelsrechts teilweise entsprechend ist die Binnenschiffahrt nun reichsrechtlich geregelt, RGes. vom 15. Juni 1895 (f. S. 533 ff., 820 ff.). Der Bankverkehr erhält durch die „allgemeinen Bestimmungen" der Reichsbank (jetzt diejenigen vom Oktober 1894) eine immer detailliertere Regelung, die nicht bloß für die mit dieser Bank geschloffenen Geschäfte, sondern, wie z. B. der Checkverkehr zeigt, auch für den Verkehr mit Geldinstituten überhaupt von Bedeutung ist (f. S. 59—61, 508, 510, 512, 643 ff. u. a.). Auf das Recht der Börsengeschäfte hat das Börsenstempelsteuergesetz vom 27. April 1894 Einfluß gewonnen, z. B. durch die gesetzliche Ausstellung des Begriffs der Arbittagegeschäfte (f. S. 485 ff. und Formulare daselbst) u. s. w. Was die in diesem Lehrbuche überhaupt gestellte Auf gabe und die Art und Weise des Versuchs, diese zu er füllen, anlangt, namentlich das sich hieraus ergebende Ver hältnis desselben zur weiten juristischen Speciallitteratur und zu der fortwährend in ihren wichtigsten Entschei dungen berücksichtigten Rechtsprechung des Reichsgerichts u. s. w., so darf ich mich damit begnügen, auf die Vor reden der vorausgehendm Auflagen, namentlich der vierten, zu verweisen. Inzwischen ist dieses Lehrbuch von dem Vizepräsidenten des Handelsgerichts in Moskau, Herrn Nikolai Rzondkowski, unter Mitwirkung meines Herrn Kollegen an der Universität Moskau, Profeffor N. O. Nerssesow, in das Russische übersetzt herausgegeben worden (Moskau,
Mamontow & Cie.), während das VI. Kapitel, das See recht, von dem Florentiner Advokaten Herrn Torquato Giannini in das Italienische übersetzt wurde (Firenze, Civelli). Ich benutze gerne das Erscheinen der vorliegenden Auflage als Anlaß dazu, den genannten Herren dankbar anerkmnend zu bezeugen, daß sie, wenigstens soweit ich dies — die russische Übersetzung insbesondere mit Hilfe Königsberger sprachkundiger Kollegen — zu beurteilen ver mag, mit klarem Verständnis treu und sachgemäß über setzt haben.
Ruhpolding, August 1895.
Kart Hareis.
Vorwort zur sechsten Auflage. Was innerhalb der drei Jahre, welche seit dem Er scheinen der vorigen Auflage dieses Lehrbuchs verflossen sind, von der Deutschen Gesetzgebung geschaffen wurde, ist so bedeutend, daß eine völlige Umarbeitung des ersten Teiles dieses Buchs, des eigentlichen Handelsrechts, not wendig geworden ist; entstand ja doch in dieser Zeit daS Bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich, zweifellos das imposanteste Gesetzgebungswerk der Neuzeit, und im Anschlüsse daran eine Umgestaltung des Handelsgesetzbuchs selbst! Selbstverständlich sind diese beidm Vorgänge leitend gewesen für die Umarbeitung auch dieses Lehrbuchs; nicht minder selbstverständlich darf ich es nennen, daß auch die übrigen das Handelsrecht berührenden Neuerungen
XVI
Dorwort zur sechsten Auflage,
unserer Gesetzgebung, z. B. auf dem Gebiete des Börsen rechts, der Persönlichkeitsrechte und des Gesellschaftsrechts, die ihnen gebührende Berücksichtigung hier gefunden haben. In Bezug auf die Methode der Darstellung, ins besondere die Heranziehung und Erwähnung der Litteratur und der Rechtsprechung, unterscheidet sich die vorliegende Ausgabe nicht von den vorhergehenden, auf deren Vor worte ich mir auch im übrigen zu verweisen gestatte. Königsberg i. Pr., Herbst 1898. Kart Hareis.
Abkürzungen. A. a. O. — am angegebenen Orte, »bs. = Absatz. ADHSB. = Allgemeiner deutsches Handelsgesetzbuch von 1861. AfbR. = Archiv für bürgerliche» Recht. HerauSgegeben von I. Kohler und B. Ring. Berlin, Earl Hcymanns «erlag 1888 ff. Anm. — Anmerkung. Arch. s. cio. Prax. — Archiv für civi listische Praxi». AuSwand.Gcs. — Gesetz über da» AuswanderungSwesen vom 9. Juni 1897. BL. — Busch, Archiv für Theorie und Praxi» de» allgemeinen deutschen Handel»- und Wechselrecht». Berlin,
Earl Heymann» Verlag. 1. Band 1863, letzter (48.) 1888. Bd. — Band. BGB. = Bürgerliche» Gesetzbuch für da» Deutsche Reich vom 18. August 1896. (Reichs-Gesetzblatt 1896 Nr. 21
Sette 195). BlsRL. --- Blätter für RechtSanwendung, auch — Seuffert» Blätter für Rechtsanwendung zunächst in Bayern, herausgegeben von I. Staudinger. BörsenGes. — Bürsengesetz v. 22. Juni
Reich.
HerauSgegeben vom Reichs
amt de» Innern. CO. — Lentralorgan für da» deutsche
Handel»- und Wechselrecht. gegeben von G. Hartmann.
Löhr,
Heraus
dann
W.
Cosack, Lehrbuch ---- Lehrbuch de» Han delsrecht» von Konrad Cosack. Vierte
umgearbeitete Auflage. Ferd. Enke, 1898.
Stuttgart,
CPO. — Cioilprozeßordnung, Fassung vom 20. Mai 1898.
Denkschr. — Denkschrift zu dem Ent wurf eine» Handelsgesetzbuch» und eines Einführungsgesetze- in der Faffung
der
dem
Reichstage
ge
machten Vorlage; erschienen auch Berlin I. Guttentag, Verlagsbuch
handlung, 1897; hier citiert nach den Anlagen zu den Stenographischen Berichten des Deutschen Reichstag». DepotGes. — Reichsgesetz, betreffend
die Pflichten der Kaufleute bei Auf bewahrung fremder Wertpapiere, vom 5. Juli 1896; auch erschienen in der Guttentag'schen Sammlung deutscher Reich-gesetze Bd. 40.
1896. BSchG. — Reichsgesetz, betreffend die
Einf.G. --- Sinführung»gesetz zum Han
privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt vom 15. Juni 1895.
FltSes. — Flösserei-Gesetz vom 15. Juni 1895; auch erschienen in der Gutten
EBlfRW. = Eentralblatt für Rechts
tag'schen Sammlung deutscher Reichs gesetze Bd. 36.
wissenschaft. HerauSgegeben von Kirchenheim 1881 ff. 681. = Eentralblatt für da» Deutsche
SareiS, Handelsrecht.
6. Lust.
delsgesetzbuch von 1897.
FreiwGerS. = Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Ge ll
XVIII
A-kürzungen.
richtSbarkeit, vom 17. Mai 1898; auch erschienen in der Guttentag'schen
das Heft in dieser Abteilung und
Reich-gesetze
die Rümmer in der Reihenfolge deS
Bd. 46. Fuch-berger — Da- Handelsrecht. Sämtliche Entscheidungen de-ReichsoberhandelSgerichtS und Reichsge
SrscheinenS dieser Etnzelabdrucke überhaupt; z. B. GSA. II 16 (208) ist die Grund buch ordnung.
Sammlung
deutscher
richt- mit besonderer Berücksichtigung der in- und ausländischen Landes gesetze und den Bestimmungen des
gemeinen CivilrechtS in ausführ licher Darstellung nach dem System
des HGB. . . . von Otto Fuchs berger. Zweite vollständig um gearbeitete und biS auf die Gegen wart ergänzte Auflage. Gießen, Emil Roth, 1891 ff. Garels BGB. = Bürgerliches Gesetz buch vom 18. August 1896 nebst EinsührungSgesetz. Mit Einleitung,
die hierauf folgende arabische Zahl
GenG. — Genossenschaftsgesetz, Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschafts gen oft en schäften vom 20. Mai 1898; auch erschienen in der Gutten-
tag'schenSammlung deutscherReichS
gefetze Bd. 29. GerLerfGes. —
Gerichtsverfassungs
gesetz vom 17. Mai 1898. Ges. — Gesetz. Goldschmidt HR. = L. Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts. Bd. I 1. Aust. 1864, 2. Aust. 1875. Bd. II 1. Liefg. 1. Aust. 1883. Bd. I 3. Aufl. 1891.
erläuternden
Anmerkungen
GSyft. Goldschmidt, System — System
und ausführlichem herausgegeben von
Sachregister, jt. Gare io.
deS Handelsrechts mit Einschluß des
kurzen
Gießen, Emil Roth 1897.
GareiS HGB. — HandelSgefetzbuch vom 10. Mat 1897 nebst dem Einführungs
gesetze vom 10. Mai 1897. Hand ausgabe mit Einleitung, erläutern den Anmerkungen und Sachregister herausgegeben v. K.G. reis. München, C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung
Wechsel-, See- und Versicherungs rechts im Grundriß von L. Gold schmidt. Vierte verbefferte und durch Einzelausführungen vermehrte Auf
lage.
Stuttgart, F. Enke 1892.
GrünhutZ.
Privat-
—
Zeitschrift
und
öffentliche
für
das
Recht der
Gegenwart, herausgegeben von C. Grünhut, Wien 1874 ff.
OSkar Beck 1898. SB. — Gesetzbuch. S. L F. — Gareis und Fuchs berger — Tas allgemeine Deutsche
GVG. — Gerichtsverfassungsgesetz. GUGefch. — Universalgeschichte deS
HandelSgefetzbuch .... erläutert von Aarl GareiS und Ltto Fuchs berger. Berlin, F. Guttcntag 1891.
buchs des Handelsrechts von L. Gold schmidt). Stuttgart, gerb. Enke 1891.
SEA. — Die von Äarl GareiS heraus gegebenen Deutschen ReichSgefetze in
Einzelabdrucken (Verlag
von
Emil
Roth, Gießen). Die röm. Zahl hinter SSL. bedeutet die Abteilung
(Staatsrecht, Privatrecht u. f.
w.)
die darauf folgende arabische Zahl
Handelsrechts von L. Goldschmidt (Bd. I der dritten Auflage deS Hand
GZ. — (Goldschmidt)
Zeitschrift für
das gesamte Handelsrecht, heraus gegeben von L. Goldschmidt, Fr. o. Hahn, H. lleyßner, P. Laband und M. Pappenheim. Stuttgart,
F. Enke 1856 ff. Hdbch. — Handbuch
Handels-,
See-
deS
deutschen
und DechselrechtS.
XIX
Abkürzungen. Unter Mitwirkung von Brunner. Cohn u. s. w. Herausgegeben von SB. Endemann. Leipzig, Fue- Ler. lag (9t. ReiSland) 1881 ff.
HGB. — Handelsgesetzbuch von 1897. HR. — Handelsrecht. )ü. = Berner internationaler Vertrag = Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom
14. Oktober 1890. (RGBl. 1892 S. 793-920). ÄD. — Konkursordnung. Noch M. L 9t. = R. Noch, Präsident deS ReichsbankdirektoriumS. Reichs gesetzgebung über das Münz- und
Notenbankwesen, Papiergeld, Prä. mienpapiere und ReichSanleihen.
TextauSgade mit Anmerkungen und Sachregister, 3. Aufl. Berlin, Guttentag'fche Sammlung deutscher Reichsgesetze Bd. 26. NB. — Kritische BierteftahrSschnft von Pözl, dann A. Bechmann und M. Seydel, München 1859 ff.
de»
Reichsgericht»
in
Ctvilsachen,
herausgegeben von den Mitgliedern de» Gerichtshof» (Leipzig, Verlag
von Bett & Comp. 8b. 40 1898). RGes. = Reichsgesetz.
RLex. = Lexikon.
v.
vd. 1 1880.
Recht»-
Holtzendorff,
ROHG. Reichsoberhandelsgericht. ROHG.
Bd. . . S. . .
Entschei
dungen deS ReichSoberhandelSgerichtS, herausgegeben von den Räten
des Gerichtshof» (25 Bände). RBf. — ReichSverfaffung. f. = siehe. S. = Seite.
SA.
—
(Siebenhaars)
deutsches StrafGB. Deutsche StrS. —
Archiv
für
Wechsel- und Handelsrecht.
— Strafgesetzbuch für da» Reich. Entscheidungen in Straf
sachen. üv. — Übergangsvorschriften.
CD. — Verkehr-ordnung für die Eisen
bahnen Deutschland- vom 15. Nov. Vtmtt@®. — Limit. Gesellschaftsgesetz, j 1892. (RGBl. 1892 S. 923 ff.). da» ist Reichsgesetz, betreffend die i WVStW. = Handwörterbuch der Gesellschaft mit beschränkter Haftung StaatSwiffenschaften, herausgegeben vom 20. April 1892; auch erschienen von Conrad Elster, Lext», Loening. in der Guttentag'schen Sammlung 2. Aufl. 1898. (Verlag von S. deutscher Reichsgesetze Bd. 32. Fischer, Jena). Marquardsen, Hdbch. — Handbuch deS öffentlichen Recht». Freiburg 1883 ff. RBkiS. — ReichSbankgesetz vom 14. März
WO., »DWO. — Wechselordnung (Allgemeine deutsche Wechselordnung),
1875. RGBl. — ReichSgesetzblatt. RGer. — Reichsgericht. RGer. Bd. .. S.. . — Entscheidungen
schen Sammlung gesetze Bd. 5. Z. -- Zeitschrift.
auch erschienen
Ziff. = Ziffer.
in der Guttentag-
deutscher Reichs
Inyatts-Averstcht.
Einleitung.
§. 1. g. 2. §. 3. §. 4. §. 5.
Seite Das Handelsrecht und seine Stellung im System der Rechtswissenschaft..................................................... 1 Begriff und Zweige des Handels und seines Rechts . 4 Überblick über die geschichtliche Entwickelung des Han delsrechts überhaupt und des deutschen Handelsrechts insbesondere........................................................... 7 Die Gerichtsbarkeit in Handelssachen......................... 31 Litteratur des Handelsrechts....................................... 39 Erstes Lapttel.
Pie beut Kandetsrecht unterworfenen /eöerrsver-Lttnlsse: der Kandel.
§. 6.
§. §. §. §.
7. 8. 9. 10.
Begriff der Handelssachen und Grundlage der Syste matik derselben............................................................. 43 Das System der Handelssachen im einzelnen .... 47 (Fortsetzung.) A) Die Grundgeschäfte......................... 50 (Fortsetzung.) B) Die Rebengeschäste......................... 59 (Fortsetzung.) C) Rebengewerbebetnebe, insbesondere bei Land- und Forstwirtschaft................................... 61 Zweites Lapttel. Pie Personen i« Handelsrecht.
A) Der Kaufmann. §. 11. §. 12.
Begriff........................................................................... Arten...............................................................................
64 70
Inhalt.
§. 13.
§. 14. §. 15. §. §. §. §.
16. 17. 18. 19.
20. §. 21. §. 22. §. 23. §. 24.
XXI
Sette B) Persönlichkeitsrechte im Handelsrecht. Im allgemeinen.................................................. 84 Persönlichkeitsrechte im einzelnen: 1. Das Recht der kaufmännischen Bethätigung im all gemeinen 86 2. Das Recht auf einen individuell gestalteten Ge werbebetrieb und an diesem..................... 94 Insbesondere: 3. Namen- und Firmenrecht.............................. 104 4.Das Warenzeichen......................................... 113 5. Das Recht an der eigenartigen Betriebsweise . 119 6.Urheberrecht im Handelsrecht........................ 121 C) Die Hilfspersonen im Handel. Im allgemeinen ....................................................... 126 Die Handlungsgehülfen............................................. 138 Die Handlungsbevollmächtigten................................... 158 D) Die Handelsassociationen. Geschichtliche Vorbetrachtung..................................... 169 Übereinstimmendes und Vergleichendes von den Handelsassociationen............................................... 174
Von den einzelnen Handelsafsociationen, insbesondere: 1. Die offene Handelsgesellschaft. §. 25. I. Wesen und Errichtung................................ 207 §. 26. II. Innere Rechtsverhältnisse............................. 210 §. 27. III. Äußere Rechtsverhältnisse............................. 218 §. 28. IV. Auflösung der Gesellschaft,Ausscheiden ein zelner, Liquidation und Klagenverjährung 229 8.29. 2. Die stille Gesellschaft......................... 246 §. 30. 3. Die Kommanditgesellschaft.............. 257 4. Die Aktiengesellschaft. §. 31. I. Das Wesen der Aktiengesellschaft.......... 268 §. 32. II. Die Errichtung der Aktiengesellschaft ... 286 §. 33. III. Die Verfassung und Geschäftsführung der Aktiengesellschaft........................................... 311
xxn
Inhalt. Sette
§. 34.
IV. Die Herstellung und Erhaltung des realen
§. 35.
V. Die Rechtstellung der Aktionäre innerhalb
Substrats der Aktiengesellschaft........................ 344
der Aktiengesellschaft............................................... 361
VI. Die Endigung der Aktiengesellschaft
§. 36.
.
.
.
371
§. 37.
5. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien
381
§.38.
6. Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen
§.39.
7. Die
schaften ................................................................................ 394
Gesellschaften
mit
beschränkter
Haftung........................................................................... 430
§.40.
8.
Verschiedene andere Gesellschaftsformen
467
Drittes Lapttel. Nie Kandeksgeschäfte. A) Allgemeine Grundsätze über Handelsgeschäfte. I. Verhältnis zwischen dein allgemeinen bürgerlichen
§. 41.
Recht und dem Handelsrecht in Bezug auf Han
delsgeschäfte im allgemeinen...........................................470 §. 42.
II. Einzelne Eigentümlichkeiten der Handelsgeschäfte überhaupt............................................................................... 477
I. Abschluß der Handelsgeschäfte........................ 477 II. Auslegung und Beweis...................................... 481
III. Kaufmännische Sorgfalt...................................... 483
IV. Beschränkte Vermögenshaftung........................ 484 V. Schadensersatz und Vertragsstrafe .
.
.
VI. Bürgschaft................................ VII. Preisbildung und insbesondere Zinsen
484 485
485
VIII. Provision ohne Verabredung............................ 489 §. 43.
IX. Erfüllung der Handelsgeschäfte.........................489
§. 44.
X. Die dinglichen Wirkungen..........................
499
B) Von einzelnen Handelsgeschäften. I. §. 45.
Warenumsatzverträge.
Vom Handelskäufe............................................................. 521
Inhalt. §. 46. §. 47.
§. 48.
§. 49. §. 50.
xxin
Seite Besondere Arten deS Kaufs: a) nach Maßgabe der Zahlungszeit................................................................ 536 (Fortsetzung) b) nach Maßgabe der Lieferungszeit und nach Maßgabe des Lieferungsorts .... 539 Fix-, Differenz-, Prämien-, Report- und Promeffengeschäfte ............................................................... 544 Die Börsentermingeschäfte insbesondere .... 560 II. Arbeitsgeschäste. Allgemeine Grundsätze über Arbeitsgeschäfte. .
571
Von einzelnen Arbeitsgeschäften des Handels: §. §. §. §. §. §. §.
51. 52. 53. 54. 55. 56. 57.
§. 58. §. 59. §. 60. §. 61.
Vom Kommissionsgeschäfte........................... 576 Vom Speditionsgeschäfte............................... 599 Von den Geschäften der Handelsmäkler. . . 610 Von den Geschäften der Handlungsagenten . 622 Vom Lagergeschäfte........................................ 630 Vom Frachtgeschäfte......................................... 637 Von der Beförderung von Gütern und Per sonen aus den Eisenbahnen.................................... 661 8. Vom Binnenschiffahrtsrecht...................................... 681 9. Von den Verlagsgeschäften...................................... 688 10. Besondere Arbeitsgeschäfte des Bankverkehrs 694
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
III. Gesellschaftsverträge. Die handelsrechtlichen Besonderheiten in Bezug auf den Gesellschaftsvertrag................................698
§. 62.
IV. Versicherungsgeschäfte.............................. 701
§. §. §. 8. §.
V. Kreditgeschäfte. Das Darlehen im Handelsverkehr.................... 713 Die Lebens- und die Rentenversicherung . . . 722 Der Lotterievertrag............................................... 731 Der Kontokurrentvertrag und der Giroverkehr. 737 Die Accreditierung................................................... 744
63. 64. 65. 66. 67.
8. 68.
VI. Zahlungsgeschäfte:...................................... 750 I. Geldzahlung........................................................... 750 II. Zahlungsauftrag.................................................. 751
XXIV
Inhalt. Seite
HI. Einziehungsauftrag............................................... 754 IV. Anweisung, insbesondere Bankanweisung (Check)......................................................................... 755 V. Schuldübernahme und Forderungsabtretung 760 VI. Skontration und Abrechnungsstellen (Clearing)................................................................ 761 VII. Deckungsgeschäft.................................................. 764
§. §. §. §. §.
VII. Die Schaffung und Verwendung von Wertp apieren. 69. Wesen der Wertpapiere................................................... 770 70. Arten der Wertpapiere................................................... 777 71. Entstehung, Umlauf und Untergang der Wert papiere ...................................................................................780 72. Jnhaberpapiere.................................................................. 782 73. Orderpapiere...................................................................... 792
Viertes Lapttel.
Aas Mechsetrecht. A) Einleitung.
§. 77. §. 78. §.79. §. 80. §. 81. §. 82.
I. Allgemeines vom Wechsel.................................. 797 II. Begriff und Stellung des Wechselrechts im Rechtssystem....................................................... 800 III. Quellen, Geschichte und Litteratur des Wechsel rechts .............................................................................. 801 IV. Der Wechsel, ein Wert- und Handelspapier. 809 V. Arten des Wechsels...........................................810 VI. Die im Wechselverkehr vorkommenden Summen 812 VII. Die Wechselstrenge und der Wechselprozeß . 815 VIII. Das juristische Wesen des Wechsels .... 820 IX. Die Wechselfähigkeit.................................................... 825
§. 83.
B) Vom gezogenen Wechsel. I. Die Tratte selbst. 1. Der Zweck der Trassierung......................................827
§. 74. §. 75.
76.
Inhalt.
XXV Sette
2. Die Bestandteile der Tratte................................. 829 §. §. §. §.
84. 85. 86. 87.
Im allgemeinen............................................................829 Die Erfordernisse der Tratte................................. 832 3. Unvollständigkeit einer Tratte................................ 837 4. Verpflichtung des Ausstellers................................ 839
§. 89.
II. Das Indossament (Giro der Tratte). Begriff. Form und Funktionen des Indossa ments ............................................................................840 Arten des Indossaments........................................ 846
§. 90. §. 91.
III. Das Accept der Tratte.................................... 85z IV. Die Zahlung der Tratte................................865
§. 88.
§. 92.
8- 93. 8- 94. §. 95.
§. 96. 8. 97. 8- 98.
V. Die Regresse. Von der Regreßnahmc im allgemeinen.
Über
sicht ................................................ 871 Der Protest................................................................... 873 1. Regreß auf Sicherstellung mangels Annahme 881 2. Regreß auf Sicherstellung wegen Unsicher heit des Acceptanten........................................... 883 3. Zahlungsregreß des Inhabers........................... 885 4. Remboursregreß..................................................... 887 5. Besonderheiten der Zahlungsregresse . . . 890
§. 99. VI. Interventionen..................................................... 896 8- 100. VII. Wechselverjährung............................................ 904 8- 101. VIII. Wechselsälschung u ab mangelhas te
8- 102.
Unter schriften......................................................907 IX. Amortisation und Vindikation des
§. 103.
Wechsels...................................................................909 X. Vervielfältigung des Wechsels.... 913
8- 104. 8- 105. §. 106.
C) Vom eigenen Wechsel. I. Vom eigenen Wechsel im allgemeinen.... 918 II. Erfordernisse des eigenen Wechsels.............. 919 III. Unterschiede gegenüber dem gezogenen Wechsel 921
ß. 107.
D) Internationales Wechselrecht........................... 923
XXVI
Inhalt.
Fünftes Lapttel. Pas Keeharrbetsrecht.
§. 108. §. §. §. §. §.
109. 110. 111. 112. 113.
§. 114. §. 115.
§. 116. §. 117. §. 118. §. 119.
Seite Begriff, Quellen und Litteratur des Seehandels rechts ...................................................................................... 927 I. Von den Schiffen........................................ 931 II. Von den Reedern und der Reederei.... 935 III. Von dem Schiff und der Schiffsmannschaft 943 IV. Vom Seefrachtgeschäfte................................ 950 V. Von dem Geschäft zur Beförderung von Reisenden................................................................... 959 VI. Von der Bodmerei................................................. 963 VII. Von den Seeschäden, insbesondere der Haverei........................................................................ 967 VIII. Von der Bergung und Hülfsleistung in Seenot........................................................................ 975 IX. Von den Schiffsgläubigern................................ 979 X. Von der Seeversicherung.....................................982 XI. Von der Verjährung imSeerechte .... 990
Einleitung. §. 1. Das Handelsrecht und feint Stellung im System »er Rechtswissenschaft. Das Handelsrecht es
standes,
ist
Sonderrecht des Handels
das
ist ein Teil jener unter
stehenden Friedensordnung,')
den Menschen be
welche man das Recht im
objektivm Sinne nennt, und zwar ist es jenet Teil dieser
Friedensordnung, welcher für diejenige menschliche Thätig keit, die unter Handel verstanden wird, dem Bedürfnisse
nach Ruhe und äußerer Sicherheit gerecht zu werdm hat, soweit
zur
Befriedigung
dieses
besondere
Bedürfnisses
Normm notwendig sind.
Jme Friedensordnung, die man das Recht im objek tiven Sinne nennt, wird von der Unterscheidung der Jntereffm
aus, welche durch die Gebote und Verbote des
Rechts
geschützt
recht und
werden sollen,
öffentliches Recht
unterschiedm in Privat
und letzteres in Staats- und
1 An diesem Begriffe muß : 3. Ausl, erfuhr, noch sestgehalten auch nach der Bemängelung, I werden, s. meine Bemerkung in welche er durch H. O. Lehmann der Deutschen Juristenzeitung in Stobbe's Hdbch. d. D.PrivR. 11897, Nr. 13, S. 263. Gareis, Handelsrecht. 6. Aufl.
1
Einleitung.
2 Völkerrecht. *)
In dm sich hieraus ergebmdm drei großen
Gruppen von Rechtsvorschriften, nämlich im: 1.
Privatrecht,
2.
Staatsrecht,
3. Völkerrecht,
finden sich überall auch Bestimmungm, die dm Handel be-
dieser aber ist die auf dm Umsatz von Warm
treffm, gerichtete
mmschliche Thätigkeit;
und nimmt man nun
wahr, daß sich in jeder der drei Gruppen von Rechts normen Gebote und Verbote finden, welche nur in Rück
sicht auf die ebm erwähnte Art von mmschlicher Thätig keit entstanden und in Anwmdung zu bringen sind, so ergiebt sich hieraus die Möglichkeit, zu unterscheidm:
1. ein Handels-Privatrecht, 2. ein Handels-Staatsrecht,
3.
ein Handels-Völkerrecht.
Freilich enthält Privatrecht und öffentliches Recht eine große
Menge von Rechtsnormen, die sich nicht nur auf dm Handel,
sondern auch auf Landwirtschaft, Fabrikbetrieb u. s. w. beziehen, ja gar nicht eine besondere Art von Berufsthätig keit zur Voraussetzung haben oder regeln wollm, sondem
sich nur auf das Lebm und Treibm der Menschen und ihrer Gesellschaften im allgemeinen beziehm; unter solchm
allgemeinen Rechtsnormen, wie z. B. unter den Normen
des Eherechts und des Erbrechts, unter dem Verbote des Diebstahls und des Mordes, unter dem Gebote der Ein1 Die Gegenüberstellung von öffentlichem undPrivatrccht s. bei GareiS, Allgemeines StoatSr. in v. MarquardsenS Hdbch. b. 6ff. Rechts, 1883, §§. 1, 3
(Bd. I 1. 6. 7 ff., 11 ff.) und Gareis, Encyklopädie und Methodologie der Rechtswissen schaft, 188), §. 14.
DaS Handelsrecht.
g. 1.
3
kommensteuer u. f. w. stehen natürlich auch die Handelsbefliffmm, aber es giebt andererseits, wie in jedem anderen Bemfe, so auch in dem der Handeltreibenden Interessen und Beziehungm, welche dem Handel eigenartig sind, sich nur im Handel, so wie sie sind, findm und demnach auch besondere Regelung, mit andern Worten: ein eigenes Handelsrecht verlangen. Im gewöhnlichm Sinne des Wortes wird unter Handels recht Handels-Privatrecht verstanden. Normen des öffent lichen Handelsrechts, sei es des Handels-Staatsrechts, zu welchem man eine Anzahl von — dm Handel als solchen berührendm — Steuer- und Polizeigesetzen zu rechnen hat,') sei es des Handels-Völkerrechts, z. B. Konsularrecht,2) Zollverträge,8) Prisenrecht,4) sind zwar in der Darstellung des Handelsrechts im üblichen Sinne zu streifen, aber den Hauptinhalt des letzterm bilden doch die für dm Handel geltmden besonderen Privatrechtssätze. Die Bildung eines solchen Spezialrechts für den Handel vollzieht sich, wie jede andere Privatrechtsbildung teils auf dem Wege der Gesetzgebung, teils auf dem der G e w o h n h e i t.6) Auf dem einen, wie auf dem anderm Wege mtsteht das Spezialrecht für den Handel mtweder für ein mges Gebiet, so daß einzelne Sätze desselben nur als Lokalrecht (Lokalusance, partikulares Recht) eines ein zelnen Orts oder Gebietes zur Geltung kommt, oder für 1 Vgl. z. B. HGB. §§. 4 Ms. 3), 7, 81 Abs. 2. » Vgl. z.B. HGB. 88-530,685. 8 Vgl. z. B- die nach HGB. 88- 515 , 563, 564 in Betracht kommenden Zollvorschriften.
4 Vgl. z. B. HGB. 88- 820 Nr. 2, 848, 849. 1 Über die Entstehung und geschichtliche Bedeutung deS kom merziellen Gewohnheitsrechts s. unten 8- 2 S. 6, §. 3 S. 9, 1*
4 sehr
Einleitung.
möglicherweise
weite,
Reiche
umfassende
sogar mehrere
Staaten
und
Gebiete; letzteres ist namentlich dann
der Fall, wenn die Gleichheit der Ursachen und Voraus-
setzungm zu denselben Rechtsbedürfnifsen und zu der inter
national
gleichen Befriedigung
also
einem
zu
allgemeinen
dieser Bedürfnisse
führt,
Handelsrechte mehrerer
oder
aller auf derselben Kulturhöhe und miteinander in Verkehr
stehenden Völker.
Gerade unter dem Einflüsse dieses Zu
sammenwirkens hat sich die Entstehung eines Spezialrechts
für ben Handel in vielen Beziehungen häufig als Neu
bürgerlichen Rechts überhaupt und als bahn
bildung des
brechend für die Weiterentwickelung des allgemeinen bürger lichen Rechts eines Volkes vorteilhaft bewährt. *)
§. 2. Vegrlff und Iwelge des Handels und seines Rechts. I. Wenn Thätigkeit
für
einen
Kreis
bestimmten
andere Nechtssätze
gelten
sollen
menschlicher als
für
die
übrigen Gebiete und Richtungen unserer Bethätigung, so ist eine scharfe Abgrenzung des ersteren Kreises notwendig.
Kann man nun auch füglich sagen, das Handelsrecht gelte
für den „Handel", und
dieser
Waren vermittelnde Thätigkeit,
sei
die
den Umsatz
von
so ist mit dieser Zweifel-
11, 13. Über die künftige Gel- | 1 Hierüber s. besonders: I. hing des Gewohnheitsrechts . Ri eß er, Der Einfluß handels überhaupt neben dem BGB. rechtlicher Ideen auf den Entw. und dem HGB. unten §. 2 III eines BGB. f. b. Deutsche Reich S. 6, ferner s. Gareis BGB. (Stuttgart 1894). Vgl. auch Roth, Gießen 1896, S. XXII ff. Gareis in BA. Bd. 29. (NF. und Endemann-Gareis, a. Bd. 4, 1874) S. 1—11. b. dort angegeb. O.
5
g. 8.
Begriff und Zweige des Handels,
los richtigen Feststellung doch das Bedürfnis nach scharfer
nicht
Abgrenzung
hinreichend
Das
befriedigt.
positive
Recht muß selbst die Grenzen ziehen und thut dies auch
überall da, wo es ein besonderes Handelsrecht giebt, durch
positive Feststellung
die
des Begriffs
der Handelssache
(causa mercantilis) (hiervon siehe unten § 4). II. Innerhalb des folglich an dieser Stelle nur ganz
allgemein begrenzten Handelsbegriffs lassen sich verschiedene
Zweige und Arten des Handels unterscheiden. Bor allem die Unterscheidung des gewerblich betriebenen
ist wichtig
Handels, also des Handelsgewerbes, von den nur gelegent
lich vorgenommenen Handelsgeschäften eines Nichtkaufmanns (hievon siehe unten §. 6); nur im Handelsgewerbe und, der heutigen Auffassung nach, nur für dieses hat sich ein
besonderes Handelsrecht als Teil des bürgerlichen Rechts entwickelt und bewährt, obgleich zeitweilig mitunter auch
Geschäfte und Beziehungen von Nichtkaufleuten dem Handels
rechte unterstellt wurdm (siehe unten §. 7). liche Handelsrecht
Einfuhr-,
Für das öffent
ist vor allem die Unterscheidung von
Ausfuhr-
und
Durchfuhrhandel,
diesen
drei
Zweigen gegenüber der Binnen- oder Jnlandshandel als Gegensatz gedacht, von Bedeutung, während die Unterschei
dung
von Land-
und
Seehandel
ebensowohl
für das
Privatrecht, wie für das öffentliche Recht wichtige Konse quenzen hat (über den Seehandel siehe unten §§. 108 ff.). Privatrechtlich
ist auch der Unterschied zwischen Distanz-
und Platzhandel von Bedeutung (siehe z. B. unten §. 45), und auch der Umstand, daß der Handel als Groß- oder
als Kleinhandel (Engrosgeschäft oder Detailgeschäft) trieben wird, hat nicht selten eine juristische Bedeutung.
be
6
Einleitung.
Wechselrecht (siehe unten §§.
74—107) und Seerecht
(Seehandelsrecht, siehe unten §§. 108—119) sind Zweige des Handelsrechts im weiteren Sinne, welche eine besonders
reiche Entwickelung
und
namentlich
eine feine
juristische
Durchbildung ihrer Institute gewonnen haben; diesen beiden
Zweigen gegenüber steht das Handelsrecht im engerm Sinne, desim Mittelpunkt die dm sogenannten eigentlichen Handel
(nämlich die Warmumsatzgeschäfte, insbesondere den Kauf) regelnden
Dorschriften
bilden;
neben
diesen
stehm
die
Regeln von dm Hilfsuntemehmungen des Handels, von Kommission,
Spedition,
Lagergeschäft,
Transportunter
nehmungen, Assekuranz u. s. w., kurz die Rechtsregeln vom
uneigentlichen Handel (siehe unten §. 50 — 73). m.
Von
einem anderen Standpunkt aus betrachtet,
zerfällt das Handelsrecht in Gewohnheitsrecht des Handels
und Gesetzesrecht desselben.
In Bezug auf das Gewohn
heitsrecht, seine Bildung und Geltung, namentlich im Ver
hältnis zum Gesetzesrecht mthält das
heutzutage geltende
geschriebene Recht Deutschlands, abgesehen von einer für
Konsulargerichtsbezirke
und
Schutzgebiete
geltendm
Vor
schrift/) keinerlei Regeln/)
Der Richter und der Handeltreibende habm die eine wie die andere Gruppe von Rechtssätzm zu beobachten/) 1 RGes. betr. die Konsular gerichtsbarkeit v. 10. Juli 1879 ß. 3 Abs. 2; RGes. betr. die Rechts verhältnisse der deutschen Schutz gebiete v. 17. April 1886 (15. März 1888) §. 2. In Be treff Deutsch-Ostafrikas s. RGBl. 1891 Nr. 1 S. 1.
8 Hierüber s. Anm. 5 bei §. 1)
• Vgl' (revid.) CPrO. §. 293 („Gewohnheitsrecht"), s. auch die Kommentare zu (revid.) CPrO. § 550 („Rechtsnorm"), EinsG. z. CPrO. §. 12, EinsG. z. BGB. Art. 2; auch zum GBG. H. 118 („Handelsgebräuche").
Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts. §. 3. 7
die Auslegung und die Anwmdung von Rechtssätzen stehen
in
Handelssachen
unter
den
übrigen bürgerlichen Verkehr.
nämlichen
wie im
Regeln
Die Frage der Rückwirkung
neu entstandener Rechtssätze auf bestehende ältere Rechts
verhältnisse
wird
in modernen
Gesetzen
durch
besondere
Bestimmungen für die einzelnen Fälle beantwortet. *)
§. 3.
Überblick über die geschichtliche Entwickelung des Handelsrechte überhaupt uud des Deutschen Handelsrechts insbesondere.
Das Bedürfnis nach einem besonderen Handelsrechte,
namentlich nach einem besonderen Handelsprivatrechte neben dem übrigen bürgerlichen Rechte, sowie die Befriedigung dieses Bedürfnisses
ist
geschichtlich
von drei Umständen
abhängig und beeinflußt, nämlich:
von der Einwirkung der Rechtszustände aller Völker, die durch Handelsbeziehungen miteinander verbunden sind (internationaler Faktor zur Entstehung des HR.),
von dem Zustande des sich langsamer entwickelnden allgemeinen bürgerlichen Rechts (nationaler Faktor), und
von der
Sitte
und
Anschauung
eines
besonderen
Handelsstandes (kommerzieller Faktor). Was den ersten dieser drei Umstände anlangt, so macht sich
geltend,
Beschäftigung
daß der Handel keineswegs eine eigenartige einzelner sich
abschließender Völker ist, und
daß zugleich mit den Warm, die der Handel begriffsmäßig
.unsetzt
und
über
die Länder
und
Meere
hin
bringt,
1 Man vgl. die Ue. D. im EinfG. j. HGB. v. 10. Mai 1897 Art. 1, 22—28.
8
Einleitung.
Rechtsanschauungen
den:
von
Volk
zu
Volk
getragen
wer
infolge der Berührung der Handel treibenden Völker
im Waren-, Geld- und Kreditverkehr machen sich Rechtsbedürfniffe geltend, welche nach gemeinsamer Befriedigung
verlangen, und es gelangen so Anschauungen zum Siege und Rechtssätze zur Anwendung, die das internationale
Elemmt im Handelsrecht eines jeden Volkes bilden und in steter
Wechselwirkung
die Rechtsentwickelung
sämtlicher
direkt oder mittelbar miteinander in Verkehr stehenden und
am
internationalen
Waren-, Geld-
und Kreditaustausch
mehr oder weniger stark Beteiligten Völker beeinflussen; *)
einer solchen Einwirkung fremder Kulturen, vor allem der althellenischen, verdankt Rom sein jus gentium und jene
Elastizität seines Rechts, vermöge deren dieses befähigt war, den Thatbeständen und Bedürfnissen des römischen Handels
zu dienen; ohne die Entstehung eines besonderen Handels
rechts bewußt oder unbewußt anzustreben, blühte der römische Handel einige Jahrhunderte, namentlich als Unternehmung
des Großkapitals, und zwar ursprünglich und vorzugsweise als überseeische Unternehmung betrieben; die auf diesem
Gebiete entstandenen Rechtsinstitute sind vom gemeinen Ver
kehrsrecht übernommen worden und bilden zum Teil heute noch die wichtigsten Elemente des Obligationenrechts im
Handelsverkehr. ?)
1 Über den Zusammenhang hellenischer Rechtseinrichtungen mit römischens. GUGesch.S. 78 ff., 239, 344, auch folgende Anm. 8 So namentlich die Obliaationen des Bankverkehrs — die Skripturobligationen, Grund
lagen des Rechts der Inhaberu no Orderpapiere, — daS Seedar lehen, die große Havarei, das Stellvertretunasprinzip in den adjektizischen Klagen u. s. w., s. GUGesch. S. 69; 77 ff., 239 ff., 344. GZ. Bd. 23 S. 380 ff.
Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts, g. 3. 9 Vom Ende des 11. Jahrhunderts an machten sich die
beiden anderen die Entwickelung des Handelsrechts beeilt«
fluflenden Umstände geltend: von da an trat nämlich neben die teils
litterarisch gepflegte, teils int Vulgarrecht prak
tisch erhaltene Tradition des römischen Rechts *) als neuer
Faktor die Handelssitte des Handelsstandes; das neue frische Lebm,
welches der Handel in die durch ihn zur
herrlichen Blüte und Macht emporgehobmen Städte Italiens und Deutschlands brachte, verlangte nach neuen Rechtsnormen und schuf sich diese selbst im Wege der Bildung neuen kaufmännischen Gewohnheitsrechts, der Usance; schon vom 11. Jahrhundert an wurde die Handelssitte mächtig in dm
romanischm, aber auch in den deutschen und skandinavischm
Emporien und trat dort wie hier zu Tage sowohl in den Stadtrechtm, wie in dm Korporationssatzungm der kaufmännischm Schutzgildm und der späteren Jnnungm; durch
Süd- und Mittelmropa zog mit den Warenzügen das neu
entstandene, immer mehr aus lokaler zu universeller Geltung strebende Recht, großmteils von der Lombardei aus, sich
überall einbürgemd, wo Handel getrieben ward; so ist auch
in Deutschland ein Handelsrecht der Kaufleute schon im Baron ebb. Bd. 27 S. 119 ff. u. A- Andere — spätere Ent lehnungen finden sich im west gotischen Rechte (Dahn in GZ. 58b. 16 S. 404ff., hiezu f. GtlGesch. S. 111); in allen mitteleuropäischen Rechtsquellen und HandelSterininologieen find zahlreiche Lehnworte aus dem Arabischen, f. GNGesch. S. 97 ff.; die Elemente des Rechts der Wertpapiere finden
sich im spätrömischen Urkundenwesen, traditio cartae u. f. w., f. Brunner, Deutsche Rechtsyeschichte I S. 392, 397 ff. und btt dort angegeb. Litter., auch GUGesch. S. 387, auch GZ... Bd. 36 S. 124. * Über das Bulgarrecht siehe H. Brunner, Deutsche Rechts geschichte I S. 225, GUGesch. S. 90 ff.
Einleitung.
10
Anfänge des 11. Jahrhunderts wohlbekannt und als be
sonderes, auf der Gewohnheit der Kaufleute beruhendes Recht von dem sonst geltendm Recht unterschieden. *)
In den Stadtrechten
des
Mittelalters, ^)
auf deren
Gestaltung der wohlorganisierte Kaufmannsstand Einfluß ge
wann, und in den eigenen Standesgerichten 8 1)* *des * * *Handels *
standes und seiner im Jnlande und im Auslande geschaffenen Korporationen,
Landsmannschaften und
Gilden kam das
Handelsgewohnheitsrecht zur Aufzeichnung und zur prakti schen, es wieder weiter entwickelnden Geltung; nicht minder
in dem Rechte und Verkehre der zuerst in Frankreich, dann auch in Deutschland,
Brabant und Flandem
blühenden
Wechsel- und Warmmärkte und Messen. Je höher emporblühend
sich der Handelsstand in den
mittelalterlichen Städten und die Handelssitte in ihnm und im internationalm Verkehr mtwickelte, desto mehr war zur
selbm Zeit blieben. stehung
die Rechtsentwickelung
im übrigm
zurückge
Und so gesellte sich denn auch der dritte zur Ent
des Sonderrechts der Handeltreibenden
1 Dies geht auS einer hoch interessanten Anmerkung Notkers (des St. Galler Mönchs f 1022) hervor. Grimm, Rechtsalter tümer S.610; Goldschmidta. a. O. S. 125; Siegfr. Rietschel, Markt und Stadt, Leipzig 1897 S. 191 u. a. 8 Vgl. Lästig, Entwicke lungswege und Quellen des Han delsrechts (1878); Derselbe in GZ. Bd. 23 S. 138, Bd. 24 S. 387. Mess LatteS, diritto commerciale Milano 1883.
gehörmde
GUGesch. S. 112 ff., 153 ff. 237 ff... 8 Uber Jnnunasgerichte der Kaufleute, so in Pisa, Florenz u. a. s. GUGesch. S. 170 ff.; in Deutschland s. W. Silberschmidt, Die Entstehung der deutschen Handelsgerichte (1894); vgl. auch R.Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte 2. Auff.S. 17ff., und Frommer, Anfänge der Handelsgerichtsbarkeit in Kö nigsberg i. Pr. (1891).
Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts, g. 3. H Faktor hinzu, der Zustand eines zurückgebliebenen, vielfach in erstorbmen Formen versumpften oder in meist mißverstandmm Normen
eines
fremden Volks und einer ent
legenen Zeit gefesselten allgemeinen bürgerlichen. Rechts: je zurückgebliebener, je weniger praktisch das allgemeine bürger
liche Recht, desto mehr schreit der Handel nach einem Sonder recht und desto mehr schreitet die Bildung dieses Sonder rechts vor, wenn ein kräftiger, solider Handelsstand fest ge
baut hinter ihr steht.
Das allerorten in Mitteleuropa gleiche Rechtsbedürfnis der miteinander in Handelsverbindung tretenden Kaufleute
führte, da gleiche Ursachen gleiche Wirkungen hervorrufen,
zu einem vom kosmopolitischen Hauche durchwehten, in den Grundzügen
übereinstimmenden
Wege der einheitlichen
Rechte,
teils
auf dem
Gewohnheitsrechtsbildung (stylus
mercatorum, usance), teils auf dem der Entlehnung oder Übertragung. Aber die Übereinstimmung beschränkte
sich doch nur auf die Grundzüge, die Grundbegriffe im allgemeinen (etwa wie'den Begriff der Tratte, des Eigen wechsels, des Giros, der Aktie> der Kollektivhandelsgesell schaft, des Mäklergeschäfts u. bergt) — im einzelnen, in
den Modalitäten der Rechtsgeschäfte, in Frist- und Form bestimmungen u. bergt, wichen die Rechtsnormen der ver
schiedenen Handelsplätze innerhalb und außerhalb Deutsch lands recht erheblich voneinander ab; in dm verschiedenm
Platzusancen und Stadtrechten, auch innerhalb Dmtschlands selbst, in Markt- und Wechselordnungm, in Gildestatutm
und Merkantilgerichtsnormm geigten die einzelnm Rechts institute eine sehr verschiedmartige Ausgestaltung;
diese
Zerklüftung und Zersplitterung des Handelsrechts in zahl-
Einleitung.
12
lose Partikularrechte, Lokalusancen und Statutarrechte aller Art währte
in
Italien,
in dem Maße der politischen Zer
splitterung dieser Halbinsel, bis in das 19. Jahrhundert, in Frankreich aber nur bis zur sogenannten Ordonnance
du commerce („Code Savary“) von 1673 und Ordonnance
de la marine von
1681;
unter Zugrundelegung dieser
beiden Dekrete Ludwigs XIV. wurde unter Napoleon I. der
Code de commerce (in Kraft
seit 1. Januar 1808) ge
schaffen, ein Handelsgesetzbuch (in
648 Artikeln zugleich
mit dem Handelsrecht im engeren Sinne das Wechselrecht,
See-, Konkurs- und Handelsprozeßrecht umfaffend), welches
teils
vermöge
direkter gesetzgeberischer Einführung, teils
auf dem Wege indirekter Verwertung seines Inhalts die weiteste Verbreitung gewann.
Das französische Handels
gesetzbuch wirkte auch auf die Rechtsentwickelung in Deutsch
land
ein;
hier war
nur für das
im Jahre 1794 der
Krone Preußens gehörige Gebiet durch die Einführung des
Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten eine wohl thuende Rechtseinheit wenigstens hinsichtlich einer Reihe von
handelsrechtlichen Verhältniffen erreicht. *)
Sowohl die im Preußischen Landrechte, wie die im Code
de
commerce
ausgesprochenen handelsrechtlichen Normen
sind Resultate der Berührung der großen romanischen und
1 Seines zweiten Teiles achter Titel handelt im siebenten Ab schnitt von Kaufleuten, im achten von Wechseln, im neunten von HandelSbillets und Assignationen, im zehnten von Mäklern, im elften von Reedern, Schiffern
und Befrachtern, im zwölften von Havarei und Seeschäden, im dreizehnten von Versiche rungen (Assekuranz), im vier zehnten von der Bodmerei und im fünfzehnten von den Fuhr leuten.
Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts,
g. 3.
13
germanischen Handelsgruppen vom 12. bis 19. Jahr hundert 1). Im übrigen Deutschland — außerhalb des preußischen Gebiets von 1794 und desjenigen, in welchem die franzö sische Handelsgesetzgebung Eingang gefunden — herrschte in Handelssachen eine immer zunehmende chaotische Rechtszersplitterung; dem römischen und kanonischen Rechte, wie der oft unbestimmten allgemeinen Handelsusance — der einzigen Quelle eines gemeinen Handelsrechts auf deutscher Erde — hatten sich seit dem Ende des 15. Jahrhunderts einige Reichsgesetze zugesellt,2) aber diese Spezialgesetze waren an sich von geringer Bedeutung und meist nur polizeirechtlichen Inhalts; in Bayern gab es seit 1785 eine Wechsel- und Merkantilgerichtsordnung, jedoch hatte diese nur subsidiäre Geltung und ließ in erster Linie die Buntheit divergierender Rechtsnormen gelten. Und in der That, groß war diese Rechtsverschiedenheit, die in zahlreichen Usancen deutscher Einzelstaaten und Handelsplätze zu Tage trat, in fast unübersehbaren Markt-, Meß-, Merkantil-, Wechsel-, Börsen-, Bank-, Firmen-, Prokuren-, Assekuranz-, Fallit-, Schiffsordnungen u. s. w. Schier unerträglich ward diese Rechtszersplitterung dem deutschen Kaufmannsstande im 19. Jahrhundert, „und weil das Interesse des Handels und die Natur des Handelsrechts 1 Dies gilt namentlich auch von den in vorig. Anm. er wähnten seerechtlichen Be stimmungen des Preuß. Land rechts, in welchen Entlehnungen und Anlehnungen an ältere und auch an fremde Rechte, an das hanseatische Seerecht z. B. »der
Ehrsamen Hansestädte Schiffsordnuna und Seerecht" (vom 23. Mai 1614) und an das Land recht des Herzogtums Preußen (von 1620) u. s. w. nachgewiesen werden können. 2 Siehe Goldschmidt, HR. 2. Aust. §. 8b.
14
Einleitung.
mächtig zu einheitlicher Gestaltung krängen, hat die materielle Gemeinsamkeit der Bedürfnisse und Rechtsanschauungen unter den deutschen Stämmen auf diesem Felde eher als auf anderen durch Codification ihren Ausdruck auch in formaler Einheit gesucht und gesunken". *) Wichtige Anregungen zur Beseitigung jmer Rechts zersplitterung verdankt Deutschland zunächst dm Gmeralkonfermzm des deutschen Zollvereins; aufdererstm dieser Konfermzen stellte im Jahre 1836 der württembergische Bertreter dm Antrag, die Hauptgesichtspunkte zu vereinbarm, von welchen die Handelsgesetzgebung der ein zelnen Staatm auszugehen hätte. Man dachte also zunächst nur an ein getrenntes Vorgehen der Einzelstaaten innerhalb des Zollvereins, aber nach vereinbarten gemeinsamen Prin zipien; aber auch daß dieses möglich sei, bezweifelte man damals, man war von der unüberwindlichm Verschiedmheit der Partikularrechte zu sehr überzeugt, als daß man auch nur hinsichtlich einzelner Punkte eine Einigung für dmkbar hielt! Jedoch ganz ohne Folge blieb jene Anregung nicht. Die Unrichtigkeit der erwähnten partikularistischen Über zeugung aber ergab sich bald aus der Thatsache, daß die in mehreren zum Zollverein gehörenden Staatm wenige Jahre nachher hergestelltm Entwürfe von Handelsgesetz büchern und Wechselordnungen in der That sehr vieles Übereinstimmende hatten und sich teilweise sehr stark an einander, d. h. wohl an das hergebrachte oder gemein sam festzuhaltende Recht anlehnten; dies bewiesm Gesetz entwürfe in Preußm, Sachsm, Württemberg (1839—1840 ' Dahn S. 359—360.
in
Bluntschli'S
Deutschem
Privatrecht,
1864,
Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts, g. 3. 15
HofackerS
Entwurf),
Braunschweig und Nassau.
Dabei
drängte sich immer mehr die Notwendigkeit eines gemein-
samm Vorgehens auf, und als — allerdings zehn Jahre nach jener ersten Anregung — wiederum auf einer Zoll
vereinskonferenz (der achten, im Jahre 1846) und wiederum
von württembergischer Seite — der Antrag gestellt wurde, behufs
Beratung
eines
gemeinsamen deutschen Wechsel
rechts eine Kommission zu bemfm, da fand er Annahme.
Die Kommission trat am 20. Oktober 1847 in Leipzig zusammm, am 9. Dezember desselbm Jahres schon war
der Entwurf fertig und gelangte sodann allmählich in den einzelnen deutschen Staatm auf dem Wege der Partikular gesetzgebung (zwischen 1848 und 1862) zur Einführung *)
einheitlichen
Inhalts:
die Allgemeine Deutsche Wechsel
ordnung; dieses Gesetz ist dann durch Gesetz des Nord
deutschen Bundes vom 5. Juni 1869 und hierauf durch die Versailler Verträge von 1870 Bundesgesetz und schließ
lich infolge der Reichsverfassung Reichsgesetz geworden. Das übrige, das eigentliche Handelsrecht in Deutschland zur Rechtseinheit zu bringen, ward nach den Zwischenfällen
der Jahre 1848 und 1849, welche übrigens auch zu einer kommissionellen Beratung eines Entwurfs eines gemeinsamen deutschen Handelsgesetzbuchs (Frankfurt a. Main, Dezember
1848 bis März 1849), ja zur Fertigstellung des Ent wurfs für einen großen Teil des Handelsrechts führten,
wiederum
auf
einer
Zollvereinskonferenz
1 In Preußen durch Gesetz vom 15. Februar 1850, in Bayern durch Gesetz vom25.Juli 1850, im Königreich Sachsen
angeregt
und
durch Gesetz vom 25. April 1849, im Königreich Württemberg durch Gesetz vom 6. Mai 1849 u. s. w.
Einleitung.
16
wiederum von dem Württembergischen Bertteter (20. Februar 1854).
Jetzt sonnten die partikularistischen Befürchtungen
nicht mehr vorgewendet werden, man erklärte einmütig die Berechtigung der Forderung und die
ihrer
mitzuwirken,
Verwirklichung
Diese
Regierungen.
vertretenen
Konferenz
zu
Bereitwilligkeit,
seitens aller
auf der
wandten
die
Angelegenheit nun dem verfassungsmäßigen Zmtralorgan des
damaligen Deutschen Bundes zu; bei der Bundesversammlung zu Frankfurt a. Main
brachte Sayern am
21. Februar
1856 folgenden Antrag ein: Die Bundesversammlung wolle
beschließen, eine Kommission zur Entwerfung und Vorlage für die Deutschen
eines „Allgemeinen Handelsgesetzbuchs Bundesstaaten"
niederzusetzen u. s. w.
Die Bundesver
sammlung nahm diesen Anttag am 17. April 1856 an
und berief, nach den erforderlichen Zwischenverhandlungen
Beschluß vom
und Anzeigen, durch
18. Dezember 1856
die Kommission zum 15. Januar 1857 nach Nürnberg. Als
Grundlage
der Beratung
warm der Konferenz
zwei Entwürfe von Handelsgesetzbüchern vorgelegt worden, einer
von
der
k.
k.
österreichischm
Regierung
in zwei
Redaktionen (eine zu 212, die andere zu 218 §§., beide
1 An diesem Tage und £rk trat sie auch wirklich zusammen, konstituierte sich unter dem Vor sitz des bayerischen Justizminrsters von Ringelmann, er wählte zum zweiten Präsidenten den österreichischen Kommissar Ritter von Raule, und zum Referenten den preußisch. Kom missar Geheimen Obermstizrat Dr. Bischoff, Vortragenden Rat im preußisch. Justizministerium,
und nach dessen Tode den Senats präsidenten des Avpellationsaerichts zu Köln GOJR. Heim« soeth; die Beratungen, über welche ausführliche Protokolle geführt wurden, welche von einem der Schriftführer der Kommission, Dr. Lutz, dem spä tern bayerischen Minister, heraus gegeben worden sind, wurden am 21. Januar 1857 eröffnet.
Überblick über b. geschichtl. Entwickel, b. Handelsrechts,
§. 3.
17
Wim 1857) und einer von der k. prmßischm Regierung
(Berlin 1857,
Motive).
Teil:
Erster
Entwurf,
Zweiter Teil:
Die Konferenz, zu der 21 deutsche Bundesstaaten
Vertreter gesandt
hattm, welche teils
dem Kaufmanns
stande angehörtm, teils Rechtsgelehrte warm, legte ihrm
Beratungen den prmßischm Entwurf zu Grunde, wandte
aber auch dem österreichischm fortwährmd volle Beachtung zu; zunächst nahm fie in Nümberg, bis zum 2. Juli 1857 tagend, eine erste Lesung des Entwurfs (ausschließlich des Seerechts)
vor
(in
15. September 1857
98
Sitzungen),
dann
ebenda vom
bis 18. Januar 1858 eine zweite
(in 78 Sitzungm); hierauf siedelte sie, um über das fünfte
(ursprünglich
vierte) Buch
des Entwurfs,
welches vom
Seerecht handelte, zu beratm, nach Hamburg über.') Die erste Lesung des Seerechts fand auf der Grundlage
des prmßischm Entwurfs (in 245 Sitzungm vom 26. April 1858 bis 25. Oktober 1859) statt, eine zweite auf Gmnd
des
von
der Versammlung festgestelltm Entwurfs erster
Lesung (in 126 Sitzungm vom 9. Januar bis 22, August 1860).
Schon
war auf diesem
Wege das
bedmtmde
Gcsehgebungswerk dem Abschlüsse nahe, ja das Seerecht
definitiv festgestellt, da türmten sich der Fortsetzung Hinder nisse entgegen, welche, wie es scheint, teils von partikula-
ristischer, teils von vermeintlich nicht genug berücksichtigter theoretischer Seite in der Form von mehr als 500 „Er1 Dm Vorsitz führte der österr. Kommissar Ritter von Raule, baS Referat der preußische Kom missar Obertribunalsrat Pape von Königsberg i. Pr. — btt«
Gareis, Handelsrecht. 6. Anst.
selbe Jurist, unter dessen Vorfitz vom September 1884—1888 der Entwurf des Bürgerlichen Gesetz buchs für das Deutsche Reich hergestellt wurde.
Einleitung.
18
innerungen" gegen die vorgeschlagenen Bestimmungm des
Entwurfs aufgebaut wurden. Es ist der zielbewußten Energie der Regierungen von Österreich, Preußm und
Bayern zu danken, daß nicht noch in letzter Stunde das Werk scheiterte. *) Infolge der Haltung der genannten drei Regierungen,
welcher sich eine Anzahl der übrigen vertretenen Staaten an
schloß, wurde demnach die dritte Lesung bedeutend abgekürzt; sie begann wieder in Nürnberg, und zwar am 19. November
1860,
erledigte
und
ihre
Aufgabe, nämlich den Teil
materieller und formeller „Erinnerungen", auf welche die
nach Beschluß der genannten Regierungen eingeschränkt werden sollte, und die Herstellung eines Ent
dritte Lesung
wurfs des besonderen Eisenbahnfrachtrechts in 33 Sitzungen; am 14. März 1861 zeigte die Kommission der Bundes
versammlung an, daß sie den von ihr zu fertigenden Ent wurf nunmehr in dritter Lesung vollendet habe, und legte ihr Werk abgeschlossen vor; es war in fünf Bücher ge
teilt,
von
denen
das
erste
die Rechtsverhältnisse des
Handelsstandes als solchen (Kaufleute, Handels-Register,
-Firmen
und
-Bücher,
Handlungs-Bevollmächtigte
und
-Gehülfen und Handelsmäkler) regelt, das zweite von den Handelsgesellschaften, das dritte von zwei anderen Arten der Handelsassociation, das vierte von dm Handelsgeschäften 1 In wesentlich identischen Noten erklärten diese drei Reaierungen den übrigen deutschen Regierungen, daß sie an dem vorliegenden Entwürfe, wie ihn die Kommission in Nürnberg und Hamburg ausgearbeitet hatte, möglichst festhalten und demnach
auf diejenigen „Erinnerungen", welche Veränderungen der Prin cipien oder Ansichten und Vor schläge betreffen, welche bereits in der Kommission durchberaten worden seien, nicht eingehen werden.
Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts.
§. 3.
19
handelt — diese vier Bücher sind in drei Lesungen festgestellt worden
—, das fünfte Buch handelt vom Seerecht nach
den Beschlüsien der zweiten Lesung.
Die Bundesversamm
lung lud hierauf mit Beschluß vom 8. Mai 1861 sämt
liche Bundesregierungen ein, 16. März
1861
„dem in der Sitzung vom
vorgelegten Entwurf
eines Allgemeinm
Deutschen Handelsgesetzbuchs baldmöglichst und unverändert im geeigneten Wege Gesetzeskraft in ihren Landen zu ver
schaffen." Letzteres geschah denn auch; auf dem Wege der Partikular
gesetzgebung
(Landesgesetzgebung)
wurde
das Allgemeine
Deutsche Handelsgesetzbuch in den einzelnen deutschen Bundes staaten — Ausnahme siehe unten Seite 20, Anm. 1 — mittels
sogenannter Einführungsgesetze, welche zwischen dem Oktober
1861
und dem Dezember 1865 erlassen worden sind, in
Gesetzeskraft gesetzt. *)
In dem nämlichen Jahre, in welchem das Handels gesetzbuch auch in denjenigen Staaten, welche sich zuletzt zur
Einführung
des
gemeinsamen
Handelsrechts
entschließen
konnten, im Kurfürstentum Heffen und in Hamburg, zur Wirksamkeit gelangte, brach der Deutsche Bund zusammen,
ihm folgte als kräftigere Einigung der Norddeutsche Bund. Dieser erhob in seiner Verfaffung vom 25. Juni 1867
die gemeinsame Gesetzgebung über das Handels- und Wechsel1 So für Preußen durch WürttemberaGeseh vom 13. Aug. EinfG. vom 24. Juni 1861, in 1865, in Kraft seit 15. Dez. Kraft seit 1. März 1862; für 1865; für Baden Gesetz vom Bayern Gesetz vom 10. Nov. 6. Aug. 1862, in Kraft seit 1861, in Kraft seit 1. Juli 1. Jan. 1863; für das Groß 1862; für das KönigreichSachsen herzogtum Hessen Gesetz vom Gesetz vom 30. Oktober 1861, in 1. Aug. 1862, in Kraft seit Kraft seit 1. März 1862; für 1. Jan. 1863 u. s. w.
20
Einleitung.
recht zur Bundessache
und mittels Gesetz vom 5. Juni
1869 das ADHGB. zum Bundesgesetz des Norddeutschen
Bundes. Und in dem nämlichm Jahre, an dessen erstem Tage
das ADHGB. als Bundesgesetz des Norddeutschm Bundes in Kraft getreten, 1870, vollzog sich der Abschluß jener Verträge (Versailler Verträge), welche der formellen Gründung
des Deutschen Reiches unmittelbar vorangingen; mit der Verfassung des Deutschen Reiches (vom 16. April 1871) ward das Handelsgesetzbuch Reichsgesetz, absolutes gemeines
Recht für ben ganzen Umfang des Reichsgebiets: das oben erwähnte Einführungsgesetz des Norddeutschen Bundes vom
5. Juni 1869 ist für diesen Bund am 1. Januar 1870, für Württemberg, Baden und Südhessen kraft jener Ver
träge am 1. Januar 1871, für Bayern kraft der Reichs
verfassung am 13. Mai 1871 in Kraft und Wirksamkeit
als Reichsgesetz getreten. Die Erhebung des ADHGB. zum Bundes-, bezw. Reichs gesetz hatte vor allem drei juristische Folgen:
1. Das HGB. gilt hiemit auch in denjenigen Teilen des Reichsgebiets, in welchen es nicht zu einer pattikularen, landesgesetzlichen Einführung gekommen war, nämlich in
Schaumburg-Lippe und im preußischen Jahdegebiet.')
1 Nachdem in letzterem das HGB. durch daS Bundeseinfuhrunasgesetz eingeführt wurde, wurde für dasselbe Gebiet durch ein preußisches Gesetz vom 9. März 1870 bas hannöversche EinsG. vom 11. Mai 1864 nebst den dieses abändernden und ergän
zenden Bestimmungen eingesührt; tm Fürstentum SchaumburgLippe trat daS HGB. durch das Bundes-EinfG. in Kraft, hiezu erschien eine Ausführungsverord nung vom 11. Dezember 1869 (siehe Busch, Archiv Bd. 18 S. 372 ff.).
Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts, g. 3. In
den
Herzogtümern Holstein
21
und Schleswig gilt
das HGB. auf Gmnd einer k. preußischen Einführungs
verordnung vom 5. Juli 1867 seit 80. September 1867,
im Herzogtum Lauenburg auf
Gmnd des EinfG.
vom
21. Oktober 1868 seit 1. Januar 1869, in Elsaß-Loth ringen auf Gmnd des NGes. vom 19. Juni 1872, auf der
Insel Helgoland gemäß dem RGes. vom 15. Dezember 1890 nach Kaiserlicher Verordnung vom 22. März 1891, Art. I Ziff. X (RGBl.
1891, Seite 21, 22), in den deutschen
Schutzgebieten auf Gmnd des Reichsgesetzes betr. die Rechts
verhältnisse derselben vom 17. April 1886 (15. März 1888) §. 2 und das RGes. betr. die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 §. 8 Abs. 2.
Hinsichtlich der Rechtsver
hältnisse in Deutsch-Ostafrika siehe auch die Kaiserliche Ver
ordnung vom 1. Januar 1891, RGBl. S. 1.
2.
Da
reichsverfassungsmäßig
die Reichsgesetze
den
Landesgesetzm vorgehen (Art. 2 der Reichsverfaffung), so sind
alle partikularrechtlichen Einführungsgesetze insoweit
aufgehoben, als sie von den Bestimmungen des HGB. oder
des Reichseinfühmngsgesetzes abweichen, es sei denn, daß die Geltung der Abweichung ausdrücklich vorbehalten ist. l) 8. Zufolge der angeführten Bestimmung der Reichs verfassung ist jede Ändemng des HGB. auf dem Wege
der Landesgesetzgebung ausgeschlossen, das deutsche Handels1 Letzteres ist in der That der Fall hinsichtlich einiger Be stimmungen der EinfG. von Mecklenburg-Schwerin, Bremen und Hamburg (§. 4d, EinfG. vom 5. Juni 1869), welche, wie gleich hier bemerkt werden soll, auch durch das neueste Recht
(Art. 19 des EinfG. vom 10. Mai 1897) in straft erhalten werden, sowie in den weiterreichenden Aorbehalten der §§. 2B, 5 des EinfG. vom 5. Juni 1869, welche durch das neueste Recht nicht aufrecht erhalten sind.
Einleitung.
22 recht also,
solange die Reichsverfassung es festhSlt, der
partikularistischen Zerstückelung entrückt.
Es kann nicht bezweifelt werden, daß sich die weitaus meisten Bestimmungen des ADHGB. in der Praxis be währt haben; der Handelsverkehr hat sich in sie gefunden,
hat er ja doch in dm meisten Prinzipim des HGB. alte Bekannte gefunden.
Die Gerichte haben ganz vorwiegmd
den Vorschriften dieses klar geschriebenen Gesetzbuchs eine dem Sinne und Willen des Gesetzgebers entsprechmde, auch
und
den Bedürfnissen
Anschauungen des
Handelsstandes
zumeist sich anfügende Auslegung und Anwendung zu Teil werden
taffen;
daran
und
an
der Einheit der Recht
sprechung hat wohl das Hauptverdienst das am 5. August
1870 eröffnete Bundes-Oberhandelsgericht zu Leipzig, welches
auf Grund des Gesetzes des Norddeutschen Bundes vom 12. Juni 1869 von jenem Tage an für das ganze Gebiet
des Norddeutschm Bundes, dann aber, als auch das oben erwähnte Gesetz zum Reichsgesetz
erhoben war,
für das
ganze Reichsgebiet — vom 2. September 1871 an unter
dem
Namm
Reichs-Oberhandelsgericht
—
als
oberster
Gerichtshof in Handelssachen Recht sprach; seine in guten
Sammlungen veröffentlichten Entscheidungen sind verlässige
Wegweiser auf den von der Gesetzgebung gebahnten Wegen
geworden; an seine Stelle ist zufolge der deutschen Gerichts verfassung mit dem
1. Oktober 1879 das noch heute als
oberster Gerichtshof
in Handelssachen fungierende Reichs
gericht in Leipzig getreten.
Nicht in seinem ganzem Bestände hat sich das Handels gesetzbuch, seit es Gesetz des Norddeutschen Bundes und
dann
des Reiches
geworden,
unverändert
erhalten;
die
Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts.
§. 3.
Bundes- und Reichsgesetzgebung selbst hat Hand
23
an das
Gesetzbuch gelegt, um es, wo es notwendig schien,
Er-
Die Abänderungm,
fahmngen entsprechend, zu verbessern.
welche sich unser Handelsgesetzbuch von 1861 seit 1869 ge
fallen lassen mußte, sind in vier Gruppen zu überschaum.
1.
In
Bezug
auf
Aktiengesellschaften
(siehe
unten
§§. 81 ff.) und Kommanditgesellschaften auf Aktien (siehe unten §. 37) hat schon ein Gesetz vom 11. Juni 1870
Abänderungen
gebracht,
hauptsächlich
indem
es
an die
Stelle des, wie vom älteren Handelsrechte, so auch vom HGB. von 1861 aufgestellten Erfordernisses der speciellen Staatsgenehmigung (Privilegierung oder Konzessioniemng)
ein System von sogenannten „Normativbestimmungen" setzte, durch deren Beobachtung die Unternehmer, die die Gesell
schaft errichten wollen, den Richter (das HandelsregisterGericht)
veranlassen,
die
Gesellschaft
in
ein öffentliches
Register einzutragen und dadurch ipso jure in die gewollte
Rechtsform
zu
versetzen.
Vierzehn
Jahre später wurde
dieses System zwar nicht fallen gelassen, aber abgeandert durch das RGes. vom 18. Juli 1884, welches die Normativ
bestimmungen, von deren Erfüllung jene konstituierende Ein tragung abhängt, verschärfte, hauptsächlich durch die Einfühmng einer mit strenger Haftung verknüpften gesetzlichen Prüfung gewisser rechtlicher und wirtschaftlicher Vorgänge,
welche zur Entstehung der Gesellschaft führen. 2. Der vierte Titel des fünften Buchs des ADHGB. (Art. 528—556)
ist
aufgehoben
durch
die Seemanns
ordnung, ein RGes. vom 27. Dezember 1872.
3. Infolge der seit 1. Oktober 1879 in Wirksamkeit befindlichen Deutschen Justizgesetzgebung, namentlich wegen der
Einleitung.
24
Einführung des Prinzips der materiellen Beweiswürdigung
(CPO. §. 259) — im Gegensatz zu den früher herrschenden sog. formellen Beweistheorieen — sind aus dem Handelsgesetz
buche aufgehoben die Artikel 34—36 (betr. die Beweiskraft der Handelsbücher — an Stelle derselben trat CPO. §. 259, jetzt §. 286), Art. 37 Satz 2 und Art. 39 (Edition der Handels
bücher betr., — CPO. §§. 259, 399, jetzt §§. 286, 434) Art. 77 und 78 (Beweiskraft
des
Tagebuchs und der
Schlußnoten der Handelsmäkler betr. — CPO. §. 259, jetzt §. 286), Art. 79 Abs. 2 (Edition des Mäklertagebuchs betr.— CPO. §. 399, jetzt §. 434), Art. 488 und Art. 889 (betr.
die Beweiskraft des Schiffsjournals und anderer Schiffs papiere) und Art. 494 (betr. Beweis durch Berklarung — CPO. §§. 259, 260, jetzt 286, 287), siehe über all dies
Einführungsgesetz zur Civil-Prozeß-Ordnung §. 13 Ziff. 2. 4. Nicht eigentlich Abänderungen, aber direkt in das
Recht
des
HGB. eingreifende Ergänzungen
finden sich
in einer Anzahl von neueren Reichsgesetzen. *)
Eine viel weiter gehende Abändemng des ADHGB., ja 1 Hier ist zu erwähnen: das RGes. betr. die Löschung nicht mehr bestehender Firmen und Prokuren im Handelsregister, vom 80. März 1888 (RGBl. S. 129), die Reichsgesetze betr. die Binnenschiffahrt und betr. die Flößerei, beide vom 15. Juni 1895, das Reichsbankgesetz vom 14. März 1875, die Konkurs ordnung z. B. §§. 109, 201, 209, 210, jetzt 88- 119, 212, 239, 240, das Börsengesetz vom 22. Juni 1896, durch dessen §. 81 übrigens eine Bestimmung
des HGB - nämlich Art. 249 d. Ziff. 2, direkt aufgehoben ist, — es ersetzten sie die §§. 75 bis 80 des Börse naesetzes (auch das durch Art. 39 des EinsG. zum BGB. aufgehobene Reichs gesetz betr. die vertragsmäßigen Zinsen vom 14. Nov. 1867, zu Art. 292); die Gewerbeord nung; die Reichsgesetze betr. die Nationalität der Kauffahrtei schiffe, vom 25. Oktober 1867, 2§. Dezember 1888, 15. April
1885 u. s. w.
Überblick über b. geschichtl. Entwickel, b. Handelsrechts, g. 3.
25
eine völlige Revision, Umarbeitung und Ergänzung des
Rechts dieses Gesetzbuchs ist schon im Jahre 1874 für die Zeit unmittelbar nach dem Zustandekommm eines einheit
lichen Bürgerlichen Gesetzbuchs ins Auge gefaßt rootben; die mit der Entwerfung eines Planes für die Herstellung
eines
Entwurfs des Deutschen Bürgerlichm Gesetzbuchs
betraute Kommission schlug nämlich dem Bundesrate schon
am 15. April 1874 vor, alsbald von einem oder mehreren von ihm zu entennenben
Spezialredaktoren Teilentwürfe
für die im HGB. fehlendm Zweige des Versicherungsrechts, ferner für das Recht der Binnenschiffahrt und endlich für
das Verlagsrecht
anfertigen
und unter Zuziehung von
technischen und juristischen Sachverständigen vorläufig fest-
stellen zu laffen; nach beendigter erster Lesung des Ent
wurfs eines Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs sollten dann
diese Teilentwürfe unter Zuziehung von Mitgliedern der Kommission für das BGB. einer kommissionellm Beratung und eventuell Revision unterzogen, von derselben Kommission
aber zugleich auch der Entwurf des ganzen neuen HGB. in erster Lesung festgestellt werden; dieser Gesamtentwurf
sollte alsdann veröffmtlicht und den verbündetm Regierungen übergeben werden; wenn dann der Entwurf des BGB. in zweiter Lesung durchberaten worden,
sollte der Entwurf
des HGB. ebenfalls einer zweitm Lesung unterzogen werden.
Diese Vorschläge, benot zufolge schon im Jahre 1888 eine
erste Lesung des Gesamtentwurfs eines neuen HGB. hätte erfolgen sollen, jedenfalls vor der zweitm Lesung des Ent
wurfs des BGB., sind zwar gemäß dem Berichte des Ausschuffes für Justizwesen vom 9. Juni 1874 durch Beschluß
des Bundesrats am 22. Juni 1874 im allgemeinen ge-
Einleitung. billigt, aber nicht in der angegebenen Weise ausgeführt worden.
Es ergab sich nämlich in dieser Hinsicht vor allem als zweckmäßig,
ja notwendig, die privatrechtlichen Verhält-
nisie der Binnenschiffahrt und die der Flößerei vorweg und
selbständig zu regeln. *)
Und wie man diese beiden Rechts
stoffe der Stückgesetzgebung
des Reiches
zugewiesen
hat,
welche inzwischen auch das Börsenwesen (RGes. vom 22. Juni
1896)
und
den Handelsgesellschaften
die
Gesellschaftsformen der Reichsgesetze
vom
nahestehenden
1. Mai 1889
(„Eingetragene Genossenschaften") und vom 20. April 1892 („Gesellschaften mitbeschränkter Haftung") regelte, und diese
Gegenstände
absichtlich
verleibt hat, so
nicht dem Handelsgesetzbuche ein
soll es nach der Absicht der verbündeten
Regierungen auch mit dem Versicherungsrecht und dem Ver
lagsrecht
gehalten
Reichskanzler am
werden;
die
Denkschrift,
welche
der
22. Januar 1897 dem Reichstage vor
legte (Drucksache zu Nr. 632), spricht sich darüber unzwei
deutig aus; ein Bedürfnis, jene durch Stückgesetze geregelten Stoffe dem Handelsgesetzbuche einzuverleiben, sei nicht an
zuerkennen,
bei einer solchen
Einführung ließe sich
eine
weitergehende Umgestaltung der betreffenden, erst in neuester
Zeit zu stände gekommenen Gesetze nicht vermeiden, was jedenfalls nicht als wünschenswert betrachtet werden könne.
Es sind also
nicht jene im Jahre 1874 vorgesehenen
Teilentwürfe aufgestellt
worden;
es ist aber auch nicht
der damals ins Auge gefaßte Weg beschritten worden, um
1 Und dies geschah durch die beiden Reichsgesetze vom 15. Juni 1895 (RGBl. 1895,
S. 301 ff., 341 ff., Anm. S. 24).
f.
oben
Überblick über d- geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts, g. 3.
27
zu einer Revision des ganzen Handelsgesetzbuchs zu gelangen, sondern das Reichsjustizamt war es, welches den Entwurf
des neuen Handelsgesetzbuchs
herstellte; an neuen Rechts
stoffen nahm das Reichsjustizamt,
welches
liefen seinen
Entwurf im Herbste des Jahres 1895 aufstellte, nur das
Recht der
Handlungsagenten und das des Lagergeschäfts
auf, so daß der Bestand des Handelsgesetzbuchs, was die
allgemeine Begrenzung der darin behandelten Gegenstände anlangt, im großen und ganzen unverändert blieb.
Das
Reichsjustizamt unterbreitete seinen Entwurf vor seiner ab schließenden Feststellung einer Beratung mit Vertretern des Handels,
der
Industrie,
der Rechtswissenschaft und der
Landwirtschaft, einer Beratung, welche vom 21. November bis
18. Dezember 1895 stattfand; auch außerdem hatten,
durch die vom Reichsjustizamt bewirkte Veröffentlichung des Entwurfs, alle beteiligten Kreise Gelegenheit zur Äußemng, zur Prüfung und zur Anregung. Den hiedurch veranlaßten Äußerungen ist
sodann bei
Herstellung des dem Reichstage vorgelegten Entwurfs eines HGB. nach Möglichkeit Rechnung getragen worden, und so
kam, nachdem inzwischen das größte Gesetzgebungswerk der deutschen Nation, das Deutsche Bürgerliche Gesetzbuch, durch Kaiserliche Unterschrift
am
18.
August
1896
vollendet
worden war (RGBl. 1896 Nr. 21 Seite 195—650), der Entwurf des neuen Handelsgesetzbuchs, sowie der zugehörige
Entwurf
eines Einfühmngsgesetzes zu stände, wie solche
vom Bundesrate Reichstage,
beschloffen und
zusamt
einer
vom Reichskanzler dem
erläuternden
Denkschrift
im
Namen des Kaisers am 22. Januar 1897 vorgelegt roorben. (Deutscher
Reichstag
9.
Legislaturperiode
IV.
Session
28
Einleitung.
1895/97, Drucksache Nr. 632.) umfaßte 897 Paragraphen,
Der Entwurf des HGB.
der des Einführungsgesetzes
hiezu 28 Artikel.
Die erste Beratung im Reichstage fand am 8., 9. und 10. Februar 1897 statt (170—172. Sitzung, Stenograph. Berichte Seite 4546—4551, 4557—4577, 4580—4601)
und endigte mit dem Beschluffe, dm Entwurf einer einundzwanziggliedrigen Kommission, entsprechmd dem Anträge
Roer en, zu überweisen.*)
Die Kommission
erledigte die
Beratung
der
ersten
Lesung in zehn Sitzungen, die der zweitm in sechs Sitzun gen und erstattete ihrm Bericht dem Reichstage unterm
1 (Sitzung vom 10. Febr. 1897, Stenogr. Bericht S. 4601.) Diese Kommission konstituierte sich am 11. Febr. 1897, indem sie zu ihrem Vorsitzenden den Abgeordneten Dr. Spahn, zu dessen Stellvertreter den Ab geordneten Freiherrn von Gül tingen und zu Berichterstattern für oas erste und zweite Buch (vom Handelsstand, von den Handelsgesellschaften und der stillen Gesellschaft) den Abgeord neten Bassermann, für das dritte und vierte Buch (von den Handelsgeschäften, vom Seehandeljuno für das Einführungs gesetz den Abgeordneten Well stein bestimmte. An den Be ratungen dieser Kommission nahmen als Bertreter der ver bündeten Regierungen teil: die Bevollmächtigten zum Bundes rat: der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieber-
ding, der bayerische Ministerial rat von Heller, der Württem bergische Ministerialdirektor von Schicker, der badische Gesandte Geheimrat von Jagemann, der Bevollmächtigte von Mecklen burg - Schwerin, Ministerialrat Dr. Langfeld, der Lübecksche Bevollmächtigte, Dr. Klügmann, die Bevollmächtigten der freien Hansestadt Bremen Bürger meister Dr. Pauli und Senator Dr. Marcus, und der Bevoll mächtigte der freien und Hanse stadt Hamburg, Senator Dr. Burchard; an den Kommissions beratungen nahmen aber auch besondere Kommissarien teil, die vom Bundesrat auf Grund des Art. 16 der Reichsversassung dazu berufen worden waren, nämlich bie Kaiserlichen Ge heimen Oberregierungsräte Dr. Gerstner, Dr. Hoffmann, Wer muth und Dr. Wilhelmi.
Überblick über d. geschichtl. Entwickel, d. Handelsrechts. 8« 3.
1. April 1897. *)
29
Die zweite Beratung des Entwurfs
im Plmum des Reichstags *) fand am 5. und 6. April 1897 statt (206. Sitzung S. 5515—5549, 207. Sitzung
S. 5551—5583), die dritte Beratung, welche mit der einstimmigen en bloe-Annahme des Handelsgesetzbuchs endigte,
am
7. April
1897
(208. Sitzung,
Stenogr. Bericht
S. 5585—5586).
Das Handelsgesetzbuch, nun
905 Paragraphm
um
fassend, und das Einführungsgesetz hiezu (28 Attikel) er
hielten die Kaiserliche Sanktion und Unterschrift am 10. Mai 1897 und sind im Reichsgesetzblatte 1897 Nr. 23 S. 219 bis 436, 437—454 verkündigt (ausgegeben zu Berlin am
21. Mai 1897). Hinsichtlich seines Inkrafttretens ist zu unterscheiden:
1. Der sechste Abschnitt des ersten Buchs, nämlich das Recht der Handlungsgehülfen und Handlungs
lehrlinge (88- 59—88, außer 8- 65), tritt schon am
1. Januar 1898 in Kraft. 2. Hievon ausgenommen ist aber die Anwendung des
Rechts der Handlungsagentm im Falle des 8- 65; wenn nämlich
zwischen dem Prinzipal und einem Handlungs
gehülfen vereinbart ist, daß letzterer für Geschäfte, die von ihm geschloffen oder vermittelt werden, Provision erhalten solle, so sollen nach dem Gesetze die für Handlungsagenten 1 (Drucksache Nr. 735.) Der gedruckte Bericht umfaßt außer i>er.Zusammenstellung' derBeBder Kommission mit der ungSvorlage (Drucksache ,ad Nr. 735' 42 Seiten zählend) 147 Seiten.
1 Hu diesem wurden von verschiedenen Seiten einzelne Ab änderungsanträge gestellt, siehe Drucksachen Nr. 743, 748—750, 751—752, 753, 754, 755, 763, 764.
Einleitung.
30
geltenden Vorschristm des §. 88 und des §. 91
Anwendung finden;
schristm
Satz 1
da nun die oben angeführten Vor mit dem
überhaupt erst
ganzen Gesetzbuch
am
1. Januar 1900 in Kraft treten, so ist die in Absatz 2 des Artikels 1 des Einführungsgesetzes erwähnte Ausnahme gebotm.
3. Das Eismbahntransportrecht kann durch Kaiserliche des Bundesrats
vor dem
1. Januar 1900 bereits in Kraft gesetzt werden.
Der die
Verordnung
mit Zustimmung
Beförderung von Gütem und Personm auf bett Eisenbahnen
regelnde 7. Abschnitt des dritten Buchs des HGB. über trägt nämlich, was vollen Beifall verdient, die nach dem Bemer Übereinkommen vom 14. Oktober 1890 und der Pariser
Eismbahnkonferenz
vom
Jahre
1895
für
den
internationalen Verkehr getroffenen Vorschriften thunlichst auf den innern Verkehr der Eismbahnen; würde
man
mit der Einführung dieses Modem gestalteten Ab
schnitts bis zum Inkrafttreten des ganzen HGB. und des BGB. wartm, so würden die durch jene völkerrechtlichen
Abkommen herbeigeführtm Erleichtemngen zwar im inter
nationalen Verkehr gelten, nicht zu gute kommen;
aber dem internen Verkehr noch
aus dieser Erwägung und weil der
Zeitpunkt der Einfühmng vor dem 1. Januar 1900 anderer seits mit der noch zu treffenden Ändemng der Verkehrs
ordnung zusammenhängt, wurde die im Abs. 3 des Art. 1
des Einführungsgesetzes enthaltene Ermächtigung beschlossen
und sanktioniert.
4. Im übrigen (nämlich soweit nicht nach 1—3 bezüglich
zweier Abschnitte Besonderes verfügt ist) tritt das HGB. — nämlich die in Obigem nicht berührten neunundzwanzig
Die Gerichtsbarkeit in Handelssachen. §. 4.
31
Abschnitte desselben (sieben im ersten Buch, fünf im zweiten,
sechs im dritten und elf im eierten Buche) — mit dem
BGB- in Kraft.
Einführungsgesetzes
Dieses aber geschieht laut Art. 1 des
hierzu
vom
18.
August
1896
am
1. Januar 1900. Die erforderlichen Übergangsbestimmungen enthält das
EinfG. zum HGB. vom 10. Mai 1897 insbesondere in dm Artikeln 22—28; dieses Gesetz hat nach der Bestim
mung der Reichsverfasiung Art. 2 verbindliche Kraft seit
dem vierzehntm Tage nach dem Tage der Ausgabe des RGBl, in Berlin erlangt, mithin seit dem 4. Juni 1897, da das dasselbe enthaltmde Stück des RGBl. (Nr. 23) am
21. Mai 1897 in Berlin ausgegebm worben ist.1)
§ 4. DU Gerichtsbarkeit In Handelssachen. Die Betrachtung des geschichtlichm Entwickelungsganges
des Handelsrechts zeigt, wie die Existmz und die Thätig keit eigener Standesgerichte der Kaufleute von günstigem Einfluß war für die Entwickelung des besonderm Rechts
für Handelssachm (vergl. S. 10).
Und nicht minder hat
sich gezeigt, wie verdimstooll die Rechtsprechung eines obersten
Gerichtshofs in Handelssachm auf die Rechtsmtwickelung
Dmtschlands eingewirkt hat (siehe oben S. 22).
An
gesichts dieser Thatsachen ist die Frage nicht unberechtigt,
1 Hiezu siehe jedoch die Pappenheim in GZ. Bd. 46 Litteratur und Bemerkung bei S.377 undm Gruchots Beitr. GareiS HGB. S. 77 Sinnt. 4 S" 'lut. d. D- Rechts 6. Folge zu § 67 und S. 410, 411 Anm. 1 . 2 S. 310 ff. zu Art. 1 des EinfG. Ferner
32
Einleitung.
ob es sich nicht empfehle, für HandelSsachm in allen oder
wmigstms in bett oberen Instanzen besondere Gerichte einzusetzen.
Die gerichtliche Thätigkeit kommt
hiebei
in
zweierlei Richtungen in Betracht: I. als Ausübung der freiwilligen Gerichtsbarkeit und
II. zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten, mithin in
Ausübung der sogenannten streitigen Civilgerichtsbarkeit. Zu I. Bon dm verschiedmm Zweigm der sogen, frei
willigen
Gerichtsbarkeit
kommen
für
dm
Handelsstand
nammtlich zwei zur Bedmtung:
1. Die Beurkundungen, seien dieselbm von Gerichten ’)
oder anderen Behörden des allgemeinm Verkehrs oder von besonderm Organen des Handelsstandes vorzunehmen; eigen
artig ist dem Handel in dieser Beziehung nur die Ver
wendung von Mäklem zu Feststellungen oder Bescheini-
gungm,2) während sich der Handelsstand im übrigen der für
das Bmrkundungswesm überhaupt bestehmden Einrichtungen bedimt. 2. Die Registrierung: Eintragungen von handelsrechtlich
wichtigm Thatsachm in Register, die mehr oder weniger
allgemein zugänglich warm, kannte bereits das mittelalter liche Recht; sie hängm, wie sich wmigstms teilweise quellen
mäßig nachweism läßt,2) mit dm Matrikeln der Zünfte zusammm und haben demnach ihren Ursprung auf dem Gebiete des öffmtlichen Rechts, dmn die Zunftmatrikeln
warm dazu bestimmt, im öffmtlichm Interesse die Mit196 A^s
§§" 182' 188'
* SflL HGB. §§. 94 ff. 3 Lästig, Florentiner Han delsregister deS Mittelalters,
Halle 1883, hatdiefenZusammenhang wenigstens für Florenz nachgewiesen. Dal. die von Lästig S. 10 angeführten Quellen, nun auch GUGefch. S. 241.
Die Gerichtsbarkeit in Handelssachen.
§. 4.
33
gliedschaft der Zunstgmossm darzuthun, namentlich auch
um
hiedurch
dm
Umkreis
derjmigm Personm fest zu
bestimmen, auf welche sich die Jurisdiktion der Zunft, die
der
Gerichtsbarkeit
Kaufmannsgilde
erstreckte;
deshalb
wurdm diese Register von öffmtlichm Behördm geführt
und mit öffentlichem Glaubm versehm; indem die Zunft matrikeln diejmigm Personm (zunächst Blutsverwandte und
Verschwägerte, dann aber auch andere) als Haus- und Wirt-
schaftsgenoffm
nebm einander stellten und dieselben als
zusammmgehörig vortrugen, welche im
Gewerbe gemein
schaftlich, und zwar meistens unter Solidarhaft, betrieben,
übemahmen sie auch die Rolle von Gesellschaftsregistem, zu dmm sie sich allmählich erweiterten.**)
Im Anschluß an ältere Rechte also führte das ADHGB. die Handelsregister als öffentliche Register ein und übertrug die Führung derselben Gerichtm, welche es als Handels
gerichte bezeichnete; diese Gerichte sollen nicht bloß die Ein
tragungen, die das Gesetz als registerpflichtig vorschreibt, a) sondern auch die Bekanntmachungm bewirkm, durch welche der Inhalt der Register in öffentlichen Slottern8) weiter ver breitet wird.
Die Eintragung (beziehungsweise auch die
Nichteintragung)
bestimmter Thatsachen in jene Register,
289, 293, 296, 304, 311 (Aktiengesellschast); 320, 323-325, 330, 333 (Kommanditgesellschaft auf Aktien). 8 HGB. §. 10. Obligatorisch ist die Bekanntmachung int Deutschen Reichsanzeiger und in mindestens noch emem andern Blatte, welches im Dezember bestimmt wird (HGB. §. 11). Gareis, Handelsrecht. 6. Aufl. 3
' Lästig a. a. O. insbes. S. 4, 14 ff. * HGB. §§. 2 (formelle Han delsgewerbe); 13 (Zweignieder lassung); 29 (Firma); 33 (jurist. Person); 53 (Prokura); 106, 125 143,144, 148, 157 (offene Han delsgesellschaft); 162, 175 (Kom manditgesellschaft); 195, 198 bis 201, 234, 273 , 277 , 280, 284,
34
Einleitung.
welche übrigens in mehreren von einander getrennten Büchem nach Maßgabe näherer Bestimmungen der Einführungs gesetze (Firmen-, Prokuren-, Gesellschaftsregister), sowie be sonderer Reichsgesetze (Genossenschafts- *) und Register für Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht)2) zu führen sind, hat teils (I) eine deklaratorische, prozessual wichtige, teils (II) sogar eine konstitutive, in das materielle Recht direkt eingreifende Bedeutung; ersteres (I), die dekla ratorische Bedeutung der Eintragung, ist entweder (a) so vor handen , daß die Eintragung nur zum einfachen Beweise der Thatsache dient, daß die der Registrierung zu Grunde liegende Anmeldung wirklich mit dem eingetragenen Inhalte stattgefunden habe,?) oder (d) die Eintragung liefert quali1 GenG. §§ 10—16, s. unten §. 38 u. Freiw.Ger.G. ß. 147. 8 LimitGG. §§ 7—12 s. unten §. 39 u. Freiw.Ger.G. §. 148. 8 Daß die bei der Anmeldung gemachten Angaben thatsächlich wahr seien, wird durch die Ein tragung nicht bewiesen (ROHG. Bd. 23 S. 288, RGer. Bd. 1 S. 243, 244), denn der Register richter hat nicht die Möglichkeit und nicht die Ausgabe, die Wahr heit der zur Eintragung an gemeldeten Thatsachen objektiv festzustellen. Damit ist aber nicht gesagt, daß der Register richter ein Phonograph sei und unter allen Umständen auf dem Standpunkte blinder Kritiklosigkeit stehen bleiben müsse. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß der Richter eine Erklärung, deren Unrichtigkeit er kennt, oder an
deren Möglichkeit er zu zweifeln gerechte Veranlassung hat, nicht registrieren darf. Hierüber und über die Pflicht der Nachweisung gewisser Thatsachen durch öffent liche Urkunoen s. Gareis HGB. Anm. 4 zu §. 12 S. 32, 33. Positiv ist zudem bestimmt, datz, wer sich vor dem Registerrichter bei oder gegenüber einer Ein tragung darauf stützt, daß er Rechtsnachfolger eines Beteiligten fentwederUniversalsuccessor(Erbe) oder Singularsuccessor (Ver mächtnisnehmer , Käufer einer Handelsniederlassung oder bctgl.] sei, diese Rechtsnachfolge soweit thunlich durch öffentliche Ur kunden beweisen muß. HGB. §. 12 Abs. 2, s. hiezu Gareis a. a. O. S. 33.
fizierten Beweis *) derart, daß einerseits (a) solange eine in das Handelsregister einzutragende Thatsache nicht einge tragen und nicht bekannt gemacht ist, sie von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie eingetragen war, einem Dritten1 2)* nicht entgegengesetzt werden kann, es sei denn, daß sie diesem bekannt war, und daß andererseits (ß), wenn die Thatsache eingetragen und bekannt gemacht ist, ein Dritter sie gegen sich gelten lasten muß, es sei denn, daß er sie weder kannte, noch kennen mußte.8) Noch weiter geht (II) die konstitutive Bedeutung des Registers, die dann vorliegt, wenn ein Rechtsvorgang gar nicht anders als durch die Eintragung zur Existenz gelangen fann.4)* Das HGB. vom 10. Mai 1897 ist dem ADHGB. in der Anordnung der Anmeldungen und Eintragungen im wesentlichen gefolgt,8) aber es nennt die mit der Führung der Register betrauten Gerichte nicht Handelsgerichte, sondern Gerichte schlechthin oder Registergerichte; 6) die Register sind ebenso wie die dazu eingereichtm Aktenstücke öffentlich, also jedermann zugänglich; ein besonderes berechtigtes Jntereffe 1 Qualifiziertes Registerrecht GenG. § 13. LimitGG. §. 11. 6 HGB. v. 1897 §§. 8-16; nennt dies Co sack a. a. O. über die Form der Anmeldungen §. 10 S. 46. 8 Vorausgesetzt, daß ein ju f. HGB. §. 12. Anmeldung ristisch relevanter Zusammen der Zweigniederlassung §. 13. hang zwischen der Unkenntniß Freiw.Ger.G. §. 131. dieses Dritten und der zur Ver 6 Rach dem RGes. über die änderung in der Rechtssphäre Angelegenheiten der freiwilligen desselben führenden Thatsache Gerichtsbarkeit (§§. 125 ff.) find vorliegt; s. Denkschrift S. 3154 die Amtsgerichte für die Führung der Handelsregister zuständig. (Reichstagsdrucks. KV). Weitere Zuständigkeit der Amts 8 HGB. §. 15 4 Vgl. HGB. §. 200 (Ent gerichte in Handelssachen s. stehung der Aktiengesellschaft), Freiw.Ger.G. §§. 145 ff. im gewissen Sinne auch §. 172,
Einleitung.
36
hat nur der glaubhaft zu machen, der eine Abschrift eines
zum Handelsregister eingereichten Schriftstücks verlangt?) Das Registergericht hat eine Zwangsgewalt: wer verpflichtet ist, eine Anmeldung,8) die Zeichnung einer Unterschrift oder eine Einreichung vorzunehmen, ist hiezu vom Registergericht durch Ordnungsstrafen anzuhalten; sobald es von einem
sein Einschreiten rechtfertigenden8) Sachverhalte glaubhafte Kenntnis erhält, hat es dem Beteiligten unter Androhung
einer
angemessenen Ordnungsstrafe aufzugeben, innerhalb
einer bestimmten Frist der gesetzlichen Verpflichtung nach zukommen
oder die Unterlassung mittels
Einspruchs zu
rechtfertigen.*4)* 6Die unterlassene Anmeldung eines Anmelde
pflichtigen wird aber unter Umständen ersetzt durch die richtige Anmeldung Mitbeteiligter?)
Den Gerichten, welche zur Führung des Handelsregisters zuständig sind, kommt auch die Führung des Börsen registers zu?)
Das ADHGB. betraute die Handelsgerichte auch mit der Ernennung von Sachverständigen, welche in verschiedenen
gesetzlich bestimmten Fällen den Zustand von Waren fest stellen sollen, ferner mit der Anordnung von Verkäufen,
Hinterlegungen u. bgl.;7) hinsichtlich der Feststellung des Zustandes von Warm durch Sachverständige enthält nun 1 HGB. §. 9 Abs. 2. 2 ö. Anm. 3 vorige Seite. 8 HGB. §§. 14, 319, 325 Nr. 9. 4 Freiw.Ger.G. §. 132. Die einzelne Ordnungsstrafe darf nicht übersteigen. HGB. 800 Mk. r| -------. 1». Uber iioer den oen öinjpnicy Einspruch j. f. ;i Freiw.Ger.G. §§. 134 ff. Wieder-1
einsehung in den vorigen Stand ebenda §§. 137, 22 Beschwerde §. 139. 6 HGB. §. 16. ^b_Mrsengeseh- v. 22. Juni 1896, §§. 54—65. 7 Vgl. ADHGB.. Art. 348, v. 1897 407; anoers anders nun HGB. H6 §§. 388, 417, 371, 379.
37
Die Gerichtsbarkeit in Handelssachen- §. 4die Civilprozeßordnung Vorschriftm. *)
Handelsstandes
kammern)
(kaufmännische
Die Organe des
Korporationm,
Handels
sind gesetzlich^) verpflichtet, die Registergerichte
behufs der Verhütung unrichtiger Eintragungen, sowie be hufs der Berichtigung und Vervollständigung des Handels registers zu unterstützen. Über die formellen Voraussetzun gen einer auf die Handelsregister bezüglichen gerichtlichen
Verfügung, über dm Einspruch hiegegen (nicht Beschwerde), ferner über dm Beschluß, durch welchen eine Ordnungs
strafe festgesetzt oder der Einspruch verworfm wird, sowie
über die Beschwerde hiegegen, ferner über Löschungen und
über das Verfahren bei diesm Maßnahmen der Gerichte mthält das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligm Gerichtsbarkeit die erforderlichm Bestimmungen.8) Zu II.
Neben dm Geschäften jener freiwilligm Ge
richtsbarkeit in Handelssachm
war auch die Entscheidung
handelsrechtlicher Streitigkeiten, also die streitige Civilgerichtsbarkeit in Handelssachm besonderm Gerichten zugewiesm, allein der Rechtszustand war in Dmtschland in dieser Beziehung sowohl vor, als nach der Einführung des
ADHGB. kein einheitlicher, sondem verschiedm:
in dm
meisten Ländern wurden, größtenteils im Anschluß an ältere
Institutionen,
besondere Handelsgerichte errichtet,
Bayern, im Königreich Sachsm,
so .in
in Hamburg, Bremen,
Lübeck, in der preußischm Rheinprovinz, meist nach fran
zösischem Muster, außerdem die Kommerz- und Admiralitäts-
1 CPO. jj. 488 (neu) Gareis 8 Freiw Ger.G. v. 17. Mai HGB. S. 345 Anm. 6 zu 1898 §§. 132-143. 379. 2 Frciw.Ger.G. §. 126.
Einleitung.
38
kollegial zu Danzig und Königsberg u. s. w. *), unter ver schiedener
Ausdehnung
ihrer
Zuständigkeit;
eigentümlich
war die Einrichtung in Württemberg: dort wurden statt besonderer Gerichte für Handelssachen Abteilungen der be-
stehendm gewöhnlichen Civilgerichte errichtet (Senate oder Kammern für Handelssachen), benot die Ausübung der
streitigen Gerichtsbarkeit in Handelssachen zukam.
Wieder
in anderen Gebieten fand sich weder die letztere Einrichtung noch die besonderer Handelsgerichte, und für diese Gebiete
bestimmte der Artikel 5 des Handelsgesetzbuchs von 1863, daß das gewöhnliche Gericht an die Stelle des vom Gesetz ge
nannten Handelsgerichts zu treten habe; und dieser letztere Satz gewann die ausgedehnteste praktische Bedeutung mit der Einführung der deutschen Gerichtsverfasiung, welche seit dem 1. Oktober 1879 in Wirksamkeit ist, denn nach dieser reichsgesetzlichen Ordnung der deutschen bürgerlichen Gerichte
giebt es überhaupt keine besonderen Handelsgerichte; es ge hören hienach jetzt im ganzen Deutschen Reiche alle handels
rechtlichen Streitigkeiten vor die ordentlichen Gerichte und werden von diesen nach den Grundsätzen des gewöhnlichen Civilprozeßrechts behandelt.
Nur in einigen Beziehungen
sind
Eigentümlichkeiten
hinsichtlich der Gerichtsbarkeit in Handelssachen noch an
erkannt, nämlich: 1. Die vorhin erwähnte württembergische Einrichtung
eigener Kammern für Handelssachen kann nach dem Er messen der Justizverwaltung in den
einzelnen
deutschen
Bundesstaatm eingeführt werdm; es können also Kammern für Handelssachen errichtet werdm, und zwar als besondere 1 S. oben §. 3 Sinnt. 3 S. 10.
Abteilungen der Landgerichte an irgmd einem Orte im Sprengel des betreffenden Landgerichts.*) 2. Der Prozeß für handelsrechtliche Streitigkeiten richtet sich nach dm Grundsätzen des gewöhnlichm Civilprozeßrechts, jedoch mit zwei Eigentümlichkeiten: die Einlaffungsfrist muß statt mindestens einem Monat im Verfahrm vor Kammem für Handelssachm mindestms zwei Wochen, in Meß- oder Marktsachm aber, gleichviel wo dieselbm verhandelt roerben, mindestens 24 Stunden umfassen; und es besteht ein besonderer Gerichtsstand des Meß- und Marktorts für die daselbst geschloffenen Handels geschäfte. 1 2) 3. Der Wechselprozeß ist im allgemeinm als eine be sondere Art des Urkundmprozesses im heutigen Rechte aus gebildet, hievon unten §. 80. §. 5.
Die Litteratur des Handelsrechts.
Als ein Zweig der Rechtswiffenschaft nimmt die Wiffmschaft des Handelsrechts, einwirkend und beein flußt, Anteil an den Erlebniffm und Errungenschaftm der Lehre vom Recht überhaupt, so war es zur Zeit der Alleinherrschaft der romanistischm Konstruktion, so zur Zeit 1 Die Zuständigkeit dieser Kammern, welche regelmäßig mit einem Mitglied des Land gerichts als Vorsitzendem und zwei kaufmännischen Beisitzern besetzt sind, wirb durch das Gerrchtsverfasiungsgesetz §§. 100 bis 118 (§. 101 neue Fassung) bestimmt und ist zuletzt noch da durch ausgedehnt worden, daß jmen Kammern auch Streitig
keiten der Binnenschiffahrt und der Flößerei zugewresen worden sind, RGes. vom 15. Juni 1895 §. 138 RGBl. S. 339 bez. §. 131 RGBl. S. 348. 8 CPO. §30; Beschleunigung des Verfahrens in diesen Sachen s. CPO. §i 217, 262, 498, 520, 555 (neuer Fassung) u.GerVerfG. §. 202 Nr. 3, 203 (Feriensache), vgl. unten §. 11 III a.
Einleitung.
40
einer unfruchtbaren Reaktion hiegegen, und so ist es auch
heutzutage, da jene Gegensätze zu harmonischer Ausgleichung
gelangt sind. Aber neben jener Teilnahme an der Entwicklung der
Rechtswiffenschaft
im
gangen
steht die Ausbildung einer
eigenen Fachlitteratur des Handelsrechts, diese entwickelt sich nach drei Richtungen:
1. in Monographieen, einzelnen Abhandlungen, Auf-
sätzm und Zeitschriften.
Unter den Zeitschriften über das
Handelsrecht nimmt die von L. Goldschmidt 1851 ge gründete Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht den ersten Rang ein; sie bietet einen zuverlässigen Überblick
über die Entwickelung des inländischen und ausländischen
Handelsrechts
und seiner Lehre.
An sie reiht
sich nun
die Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Steuer-
und
Stempelfragen
(neue
Aktienrecht und Bankwesen).
Folge
der Monatsschrift für
Herausgegebm von Justizrat
vr. Paul Hold heim in Frankfurt a. M., Carl Heymanns Verlag, Berlin;
2.
in Lehr-
und Handbüchern.
Von
älteren Dar-
stellungen abgesehen, sind als Hauptwerke in dieser Richtung
zu bezeichnen: das Handbuch des Handelsrechts von Heinr.
Thöl, t 1884 (welches in erster Auflage 1841, in sechster
Auflage 1878
erschien)
und die von W. Endemann
(4. Auflage 1887), dann Cosack (4. Auflage 1898) und Behrend (leider noch immer nicht vollendet).
Spitze der
modernm
Handelsrechtslitteratur
An der
stehen
un
zweifelhaft die Arbeiten von L. Goldschmidt (f Juli
1897);
von
seinem
auf breitester juristischer Basis an
gelegten Handbuche des Handelsrechts ist im Jahre 1864
Die Litteratur des Handelsrechts,
§. 5.
41
eine erste Abteilung von Band I erschienen, welche nach einer
geschichtlich-litterarischen
des
Quellen
Handelsrechts
Einleitung
und
die
Regeln
Begriffe
und
Handel,
Handelsgeschäfte und Ware erläutert (§§. 1—109); im
Jahre 1875 erschien hierauf eine zweite Auflage der ersten Hälfte dieser Erörterungm; eine hiezu gehörige Lieferung,
die 1883 kam, enthält noch dm Anfang der Lehre von der Ware;
in
dritter Auflage erschim
1891, als Band I
1. Abtheilung bezeichnet: „Universalgeschichte des Handels",
eine Welthandelsrechtsgeschichte großartigstm
Stiles,
in
welcher die Resultate der geschichtlichen Forschung über das Handelsrecht des Altertums und des Mittelalters zu einem
imposantm Bilde verarbeitet sind; es ist auf das Schmerz lichste zu beklagm, daß Krankheit und Tod des gelehrtesten
Forschers die Vollmdung, ja, auch die Fortsetzung dieses
kühnm Werkes verhindert haben. Zu nennen ist ferner das große von W. Endemann
herausgegebene Handbuch des deutschm Handels-,
See-
und Wechselrechts (Leipzig 1882/88), an welchem außer
dem genanntm Herausgeber noch Brunner, Gg. Cohn, Grünhut, Brachmann, Kunze, König, Kloster mann,Lästig, Lewis, Primker, Reatz, Regels
berger, Schröder, Schott, von Völderndorff, Wendt, Wolff, Westerkamp und der Verfaffer dieses Lehrbuchs gearbeitet haben (Österr. Handelsrecht
behandeln v. Canstein und Pollitzer, s. unten);
3. in Kommentaren des Handelsgesetzbuchs und der zur Ergänzung desselben erschienmm übrigm Reichsgesetze, auf welche
an
den einzelnen Stellen der Darstellung dieses
Lehrbuchs hingewiesm werdm wird.
Einleitung.
42
Die Entwickelung des Handelsrechts in den Jahren
1874—1884, sowie dann die von 1884—1894 ist vom in den von Kirchenheim
dieses Lehrbuchs
Verfasser
herausgegebenen Litteraturberichten in systematischer Anord
nung dargestellt. *)
Arbeit
Es sei daraus besonders die bedeutende
des RGRats F. Behrend, das Lehrbuch des
Handelsrechts (I. Guttentag Verlag,
wovon
1880 bis 1896),
bisher der erste Band, umfassend dm allgemeinm
Teil und das Gesellschaftsrecht, erschimm ist, hervorgehobm.
Der Interpretation des neuen Handelsgesetzbuchs bient
die Denkschrift,
mit welcher
gehmde Entwurf des HEB.
der vom Bundesrat aus-
dem
Reichstage
vorgelegt
wurde (I. Guttentag 1897); ferner der Kommentar von F. Makower, d. i. die 12. Auflage des Kommentars von
H. Makower (I. Guttmtag Verlag) — es sind hievon bis jetzt Lieferungen 1 und 2 erschienen, welche bis §. 177
reichen. sind
Ausgaben des Textes des HEB. mit Anmerkungm
von
dem Verfasser
dieses
Lehrbuchs
(Verlag von
C. H. Beck, München), Litthauer (I. Guttentag, Verlag),
Frankenburger (Münchm),
Danziger
u.
a.
veranstaltet
worden. 1 Centralblatt f. Rcchtswissenschast, Ergänzungsbände zu 1884 u. 1894 auch unter dem be-
sonderenTitel, Litteraturberichte' erschienen,
Erstes Kapitel.
Die dem Kandelsrecht unterworfenen Leöensveryättnisse: Der Kandel.
§• 6. Vegriff drr Handelssachen und (Srunllage drr Systematik derselben. DaS Handelsrecht soll in „Handelssachm" zur An
wendung gebracht werdm, während die Vorschriften des BGB. und des übrigen bürgerlichen Rechts erst an zweiter
Stelle in Handelssachen zur Anwendung gelangen, darum ist der Begriff „Handelssachen" möglichst genau festzustellen;
er ist zuerst prozeßrechtlich entwickelt, heutzutage aber fast ausschließlich für das materielle Recht von Bedeutung; für
dieses sind als Handelssachen nur diejmigm Lebmsverhält-
nifle des bürgerlichen Verkehrs zu betrachten, welche dem Handels stände
als
solchem
eigentümlich sind,
und
diejmigm, welche durch Handelsgeschäfte begründet werdm.
Der Handelsstand umfaßt diejenigen Personm, welche
ein Handelsgewerbe betreiben, diesm werdm die Handels-
44
Kap. I.
Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. ic.
gesellschaften handelsrechtlich gleichgestellt;
in beiden Be
ziehungen, sowie auch bei der Feststellung des Begriffs der
Handelsgeschäfte kommt es darauf an, festzustellen, was
„Handel"
ist.
Der Gesetzgeber kann von dem objektiven
volkswirtschaftlichen Begriff des gewerbsmäßig betriebenen
Handels ausgehen und kann dann alle diejenigen Rechts-
verhältniffe, welche sachlich zusammengehörm und entweder
„die den Güterumlauf vermittelnde Erwerbsthätigkeit" selbst bilden oder, als sie ermöglichend, stützend und fördernd, zu
ihr gehören, dem Handelsrechte unterwerfen.
Der Gesetz
geber kann aber auch von dem Begriff des Kaufmanns
ausgehen und jedes Berufsgeschäft desselben, vermöge der persönlichen Standeseigenschaft des dasselbe Betreibenden,
den Regeln des Handelsrechts unterwerfen, und
er kann
diese Unterwerfung auch auf solche Geschäfte, welche nicht
gerade zum Berufe des sie abschließenden Kaufmanns mit
Notwendigkeit, wohl aber zum Berufe anderer Kaufleute gehören, ausdehnen. Das System des DHGB. ist sowohl in der Fassung,
die das Gesetzbuch früher, vom Jahre 1861, hatte, als auch
nach der neuesten, ein subjektives, aber mit objektivem Aus gangspunkte, wobei der Unterschied zu bemerken ist, daß
das Gesetzbuch von 1861 die Wahl des objektiven Aus gangspunkts über die subjektive Begrenzung seiner Systematik hinauswirken läßt, was nach dem HGB. von 1897 nicht
mehr der Fall ist; nach dem letzteren, wie nach dem ersteren
ist
der Kaufmannsbegriff
nämlich
des
gewerbsmäßig
auf den des Handelsgeschäfts, betriebenen
Handelsgeschäfts,
gebaut: Kaufmann ist, wer gewerbsmäßig Handelsgeschäfte betreibt, oder, was ganz dasselbe bedmtet, ein Handels-
Begriff der Handelssachen re. §. 6.
45
gewerbe betreibt (s. unten §. 11); welche Geschäfte aber
hierunter fallen, hat der Gesetzgeber ausdrücklich zu be
stimmen, letzteres geschieht durch eine möglichst genaue Auf zählung. Aber alle so charakterisiertm Geschäfte unterliegen
dem Handelsrechte nur, wenn sie entweder unmittelbar zum Betriebe des Handelsgewerbes des sie abschließenden Kauf
manns gehören (Grundgeschäfte, s. unten §§. 8, 10), oder
von einem Kaufmann im Betriebe seines gewöhnlich auf andere
Geschäfte
gerichteten
Handelsgewerbes
werden (Nebengeschäfte, s. unten §. 9). ziehung
geschloffen
Fehlt jede Be
des Geschäfts zum Handelsgewerbe eines Kauf
manns, so fällt das Geschäft nicht unter das Handelsrecht. Die vom HGB. von
1861 vorgenommene Erweiterung,
welche, wie erwähnt, vom objektiven Begriff des Handels rechts
aus
vorgenommen wurde,
ist nach
dem
HGB.
von 1897 nicht mehr Rechtens, mit a. SB., die Kategorie
der
sogen,
objektiven
oder absoluten Handelsgeschäfte ist
gefallen, Geschäfte von Nichtkaufleuten sind nach dem neuen
Rechte niemals Handelsgeschäfte; es kann allerdings vor kommen, daß auch
auf einen Nichtkaufmann Regeln des
Handelsrechts in Anwendung kommen, aber nur dann, wenn es sich um ein Geschäft handelt, das für dm andem Kon-
trahentm ein Handelsgeschäft ist, und dies kann nur dann eintreten, wenn dieser andere Kontrahmt, also wenigstens
der eine Teil der zwei das Geschäft Abschließmden, ein
Kaufmann ist. Die Systematik ist also folgmde: I. Der Handelsstand, für deffm Rechtsverhältniffe in
erster Linie das Handelsrecht bestimmt ist, besteht aus den Kaufleuten und den ihnm gleichgestelltm Gesellschaften.
46
Kap. I.
Die bem Handelsrecht unterm. LebenSverh. rc.
n. Kaufleute sind diejenigen,
welche Handelsgewerbe
betreiben (s. unten §. 11).
m.
Handelsgewerbe
sind
aber
Unter
diejenigen
nehmungen, welche eines der vom Gesetz ausdrücklich be-
zeichneten Handelsgeschäfte zum Gegenstände haben:
das
Gesetz zählt die sogen. Grundgeschäfte des Handels auf?) IV. Außer den
Grundgeschäften
sind
aber
auch
die
Nebengeschäfte eines Handelsgewerbebetriebs dem Handels rechte unterstellt?) V. Erweitert wird der bisher festgehaltene Begriff des
Handelsgewerbes
durch
int
materiellen Sinne (siehe
die Anerkennung
nämlich
III., IV.)
sogen, formeller Handelsgewerbe,
derjenigen gewerblichen
Unternehmungen,
welche
nicht um ihres Gegenstandes willen, wie die unter III. und auch unter IV. aufgezählten,
sondern lediglich aus
formalen Gründen dem Handelsrechte sich unterordnen?)
VI. Ausgeschieden sind nicht die Geschäfte über un bewegliche Sachen, die das Handelsgesetzbuch früher ohne
weitere Unterscheidung unberührt ließ, während nach dem
neuen Handelsrechte ein gewerbliches Unternehmen, welches
sich mit Immobilien beschäftigt, wenigstens ein formelles Handelsgewerbe
geschieden
(s. V.)
sein
selbstverständlich
kann;
alle
dagegen
btejentgen
sind
aus
Produktions
zweige, welche gar nicht mit dem gewerbsmäßigen Umsatz
von Waren zu thun haben,
vor allem und ausdrücklich
der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, doch können
1 HGB. §. 1 Abs. 2 Ziffer 1 bis 9 s. unten §§. 8, 10. * HGB. §§. 343, 344.
8 HGB. §§. 2, 31. unten §. 8 Ziffer 10.
DaS System der Handelssachen im einzelnen. g. 7.
47
Nebengewerbe dieser Wirtschaften unter Umständen (s. unten §. 10) dm Handelscharakter annehmen. In diesen Sätzm I.—VI. sind die Grundpfeiler zu erblickm, auf benen die Systematik der Handelssachm nach dem neuen Rechte aufgebaut ist. §. 7. Da« System der Handelssachen im einzelnen.
I. Der Handelsstand umfaßt gewisse Gewerbetreibmde; eine Gewerbe aber ist jede wirthschaftliche Thätigkeit, welche in der kraft eines zusammenfassmden Willens entschlusses gewolltm Vornahme einer Reihe von wirt schaftlich zusammenhängmden Geschäftm und Arbeitm be steht; der Willmsmtschluß wird durch zwei hier noth wendig vorausgesetzte Absichten als eigenartig gekennzeichnet, nämlich: 1. durch die Absicht, ein bestimmtes wirtschaftliches Ziel zu erreichen, z. B. ein gewisses Naturprodukt zu gewinnen, ein Fabrikat herzustellen, kurz, die Mittel der Bedürfnisbefriedigung zu vermehrm oder zu verbeffem, ihre Benützung oder Berwmdung zu ermöglichm, zu fördern und bergt; 2. in der Absicht, hievon Gewinn zu machm, d. h. das eigene Einkommm, die Mittel zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse zu vermehren, *) und zwar dadurch, daß das unter 1. erwähnte wirtschaftliche Ziel für andere gegen Entgelt erstrebt wird (s. unten §. 11). 1 Dgl. P. Winter, Gewinn Breslau 1894; G. u. F. HGB. absicht als wesentliches Merkmal S. 16 f. des Begriffs Handelsgeschäst
48
Kap. I.
Die dem Handelsrecht unterw. Lebensverh.
k.
II. Unter den verschiedenen menschlichen Thätigkeiten, welche nach dem eben Gesagten als Gewerbe in Betracht
kommen können, ist durch das positive Recht eine zusammm-
gehörige Gruppe unter besondere Regeln gestellt, und zwar sowohl dann, wenn diese Thätigkeit das Hauptgewerbe, als
auch dann, wenn sie ein Nebengewerbe des sie Betreibmden bilden.
Hauptgewerbe ist nicht notwendig dasjenige, bei
welchem die zweite der
vorhin
als zum Gewerbebegriff
zugehörig vorausgesetztm Absichten am vollkommensten er reicht wird, es ist vielmehr denkbar, daß ein Nebengewerbe
eines Gewerbetreibenden rentabler ist als sein Hauptgewerbe; letzteres
wird
gegenüber
durch
ersterem
die
vorwiegend
objektiv wirtschaftliche Absicht (I. 1.) charakterisiert, und es
kommt hierbei auf die Wichtigkeit,
Intensität und Aus
dehnung an, welche der Betreibende selbst seinem Gewerbe betriebe beilegt; so kann ein Buchdrucker die Druckerei als
Hauptgewerbe, gekehrter
Buchhandel
einen
treiben, während ein
als
Nebengewerbe
be
anderer die beidm Gewerbe in um
Rangordnung
ausübt.
Diejenigen
gewerblichen
Unternehmungen nun, welche wegm ihres objektiven wirt
schaftlichen
Zieles
als
„Handelsgewerbe"
vom
positiven
Rechtes ausgezeichnet werden (f. unten §. 8), sind auch dann Handelsgewerbe, roenn sie von einem ein Nichthandels
gewerbe als Hauptgewerbe Betreibmden nur nebenbei, aber
gewerbsmäßig, d. h. in den beiden hiezu vorausgesetzten Absichtm, jedoch nur als Nebengewerbe, betrieben werden?) 1 HGB. S. 1 Abs. 2 Nr. 1-9. 1 Der Buchbinder, welcher neben seinem Hauptgcwerbe, der Buchbinderei, Papierwaren aus Fabriken bezieht und an das
Publikum unverändert veräußert, ebenso der Uhrmacher, welcher neben der hauptgewcrblichen An fertigung und Reparatur von Uhren Zeitmeßapparate aus
DaS System der Handelssachen im einzelnen.
§. 7.
49
Dies trifft nicht nur gegenüber dem Handwerk- und Fabrikroefen, sondern auch gegenüber den Urproduktionen zu, jedoch in Bezug
auf Land- und Forstwirtschaft mit einer eigen«
tümlichen Beschränkung: das positive Recht schreibt nämlich
vor, daß dem Unternehmer eines land- oder forstwirtschaft lichen Betriebs das Recht zusteht, nach seinem Belieben ein
Nebengewerbe jenes Betriebs entweder als Handelsgewerbe
oder als Nichthandelsgewerbe zu bezeichnen und als dieses oder jenes gelten zu lasten (hievon ausführlich unten §. 10); dieses Recht steht ihm selbst dann zu, wenn jenes Nebengewerbe
die Einrichtung eines kaufmännischen Betriebs wegen seines
Umfangs oder seiner Betriebsart erfordert, mithin ein sogen, formelles Handelsgewerbe (nach §. 2 des HGB., siehe obm
§. 6 V., Seite 46) wäre, wenn es eben nicht gerade von einem Forst- oder Landwirte als Nebengewerbe betriebm
würde.
in. Verschieden von dem Begriff „Handelsgewerbe" ist
der Begriff „Handelsgeschäft".
Der letztere Ausdmck
wird nach unserem positiven Rechte in zwei verschiedenen Be
deutungen gebraucht, und zwar: 1. zur Bezeichnung einer Handelsniederlaffung *) (hievon
unten §. 15);
2. zur Bezeichnung eines einzelnen Rechtsgeschäfts (Ver trags), in diesem Sinne wird der Ausdmck in der Über-
Fabriken zum Berkaus bezieht, der Klempner, der nebenbei mit fertig bezogenen Blechwaren handelt, — alle diese und ähn liche Gewerbetreibende find be
Sarets, Handelsrecht. 6. Hust.
züglich des NebcngewerbeS (wegen HGB. §. 1, Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1) Kausleute (f. aber HGB. §. 4). 1 HGB. §§. 22-28.
4
50
Die dem Handelsrecht unterm. LebenSverh. rc.
Kap. l.
schrist des dritten Buchs des HGB?) (s. unten dritte- Kapitel) gebraucht.
IV. Die Rechtsgeschäfte, deren Abschluß und Vollzug
im Gewerbebetriebe eines Kaufmanns als zu diesem gehörig
vorkommen
und
deshalb
als Handelsgeschäfte
bezeichnet
werdm (HGB. §§. 343 f.), fitsten entweder das Fundament
des Handelsbetriebs, den Gegenstand des Gewerbebetriebs
im
eigentlichen Sinne
Unternehmens,
und
als
dies
eines sind
besonderen gewerblichen die
Grundgeschäfte
des
Handels, der darauf gerichtete Betrieb mag Haupt- oder Nebengewerbe
eines
eines
sonstigen
Kaufmanns,
eines Landwirts oder
fein —
Unternehmers
von
den Grund
geschäften wird in §§. 8, 10 gesprochen —, oder sie sind
nur Zusatz zum Handel oder zum besonderen handelsgewerb lichen Betriebe,
und
dies
sind die Nebengeschäfte eines
Handelsbetriebs; von diesen wird in §. 9 gesprochen.
§• 8. Das System der Handelssachen Im einzelnen (Fortsetzung): A. Dir SrundgrschSfte.
Nach der positiven Bestimmung des HGB. sind folgende Arten von Geschäften Grundgeschäfte des Handels, d. h.
geeignet, den Gegenstand eines Gewerbebetriebs zu bilden, der dadurch, daß dies der Fall ist, als Handelsgewerbe gilt:
1. Der Spekulationskauf und -verkauft) und die diesm Spekulationsunternehmungen
entsprechenden Realisationen.
Jede Handelsoperation, welche in der Absicht, Gewinn zu
machm, vorgenommm wird, setzt sich aus mindestens zwei 1 Insbes. f. HGB. §§. 343 bis 372.
* HGB. §. 1 Abs. 2 Nr. 1.
DaS System der Handelssachen im einzelnen ic. §. 8.
51
Rechtsgeschäften zusammen, von denen das zeitlich voran gehende das
Spekulationsgeschäft, das nachfolgende das
Realisationsgeschäft ist; ist das erstere ein Einkauf, die nachfolgende Realisation
ein Verkauf
seitens
des
näm-
lichm Spekulanten, so ist die Spekulation darauf gerichtet, den Betrag zu gewinnen, um welchm der durch ben Reali-
ationsverkauf zu
erreichende Kaufpreis dm Einkaufspreis
übersteigt, dies ist der Fall beim billigeren Engroseinkauf behufs teureren Detailverkaufs, im Börsmverkehr bei
Spekulation ä la Hausse. *)
der
Ist das Spekulationsgeschäft
ein Verkauf, nämlich die Übernahme einer Lieferung von
Warm, welche der übemehmer, um sie liefern zu können, erst selbst noch anschaffen muß, so ist die Spekulation dar
auf gerichtet, den Betrag zu gewinnm, um welchen der in Lieferung genommene Gegenstand später billiger eingekauft werben wird, als er vorher bei der Lieferungsübernahme von
dem
nämlichen verkauft ward;
z. B. ein Armeelieferant
spekuliert darauf, die Gegenstände, deren Lieferung an die
Armee er zu einem bestimmten Preise übernommen hat, sich selbst billiger liefem zu lassen; an der Börse heißt dieses
Geschäft das Fixen oder die Spekulation & la baisse.
Alle
vier in diesem Zusammenhang denkbaren Geschäfte (Speku
lationsein- und -verkauf, Realisationsein- und -verkauf)
sind unter dm Namm Anschaffung und Weiterveräußerung im Gesetze zusammengefaßt, jedes derselben ist aber auch einzeln
für sich allein Handelsgeschäft, wmn und weil es
zum Gewerbebetrieb des Kaufmanns gehört; die Absicht,
Gewinn zu machm, liegt in der Gewerblichkeit der An1 Börsengeschäfte siche unten §§. 48, 49.
52
Kap. I.
Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. rc.
schaffung und der Weiterveräußerung.
Auch die Weiter
veräußerungen, welche von Handwerkern vorgenommm werden,
sind Handelsgeschäfte, vorausgesetzt, daß der Handwerker
Kaufmann ist1) und die Weiterveräußerung im Gewerbe betrieb, wenn auch des Nebengewerbes, gelegen ist.
Zur
Anschaffung im Sinne des Gesetzes gehört außer dem Äcmf2)3
auch der Tausch, und
die
ferner die sogenannte uneigentliche Leihe
sortimentsbuchhändlerische oder
kommissionsweise
Anschaffung.*) Der Gegenstand dieser Geschäfte besteht nach
dem Wortlaut des Gesetzes in „beweglichen Sachen (Waren)", das sind materielle Wertträger, z. B. Kolonialwaren, Ge treide (s. unten §. 42) und „Wertpapiere", das sind die soge
nannten
formalen
Wertträger,
Effekten,
z.
B.
Aktien,
Staatsobligationen, Pfandbriefe, Banknoten, Wechsel und bergt,
vorausgesetzt, daß sich diese Wertzeichen für den
Handelsverkehr eignen.
Bei den Gegenständen der ersteren
Art kommt noch die wichtige Ausdehnung des Handels
begriffs auf die stoffumgestaltende Handwerk- und Fabrik
arbeit in Betracht; da es keinen Unterschied in Bezug auf die Handelsnatur des Geschäfts ausmacht,
unverändert oder nach einer Be-
ob die Waren
oder Verarbeitung weiter
veräußert werden, so fallen auch die gewerblichen Anschaffun gen von Fabrikanten, Apothekern, Gastwirten und Hand
werkern unter den Begriff dieser Handelsgeschäfte.
2.
Die fabrikmäßige oder wenigstens nicht handwerks-
1 Wenn auch minderen Rechts s. HGB. §. 4. rHGB. §§. 373-382. BGB.
433-514. 3 BGB. §. 515. Mitunter wird der Tausch auch Baratto-
Geschäst genannt; s. Gar eis Hdbch. §. 258 zu Anm. 26 ff. 4 Über das buchhändlerische Konditionsgcschäst s. aber Buhl in GZ. Bd. 25 S. 142 ff.
Das System der Handelssachen im einzelnen re. 8- 8.
53
mäßige Be- und Verarbeitung von beweglichen Sachen für andere, nämlich für Rechnung von Bestellen, welche dm Stoff zur Be- oder Verarbeitung selbst liefern, so daß der
die Be-
oder Verarbeitung
lediglich die Arbeit liefert.
übernehmmde Geschäftsmann Erzeugt der Fabrikant selbst
den von ihm der Bearbeitung zu unterziehmden Rohstoff,
so gehört der Geschäftsbetrieb, soweit er es nur mit diesem Rohstoff zu thun hat, nicht hieher;*) dagegen gehören hie-
her die
im großen betriebenen Spinnereien, Färbereim,
Zeugdruckereien, Mühlenwerke, Holzsägen u. dergl., immer vorausgesetzt, daß die dem Appreturverfahren oder der Auf
bereitung zu unterwerfendm Stoffe von den Bestellem ge
liefert oder für Rechnung der letzteren von dem Fabrikantm angeschafft werden.1 2)
Die lediglich im Umfang eines Hand
werks vorgenommme Bearbeitung oder Verarbeitung frem der Stoffe
bildet
nicht den
Gegmstand
eines
Handels
gewerbebetriebs. 3.
Die übemahme von Versicherungen gegen Prämie:
wer, wie z. B. Versicherungsgesellschaften, die spekulativ auf
Aktien gegründet sind, gegen festes Entgelt die Verpflichtung
zum
Ersatz
eines
künftigm
schadm, Hagelschlag,
Bruch,
Vermögensschadcns
(Brand-
Transportverlust u. dergl.)
übernimmt, richtet seine Spekulation darauf, daß das ihm
fest zustehende, nicht nach dem jeweiligen wirklich eingetretenen Schaden erst zu berechnende Entgelt von den wirklich zu
leistenden Schadensersetzungen
im ganzen nicht vollständig
aufgezehrt wird; er rechnet also auf den Gewinn des Über1 Es ist aber möglicherweise ans Grnnd der §§. 2 u. 3 des HGB- ein Handelsgewerbe.
' HGB. §. l Nr. 2; hiezu s. Gareis, HGB. 1898 Sinnt. 9 zu §• 1.
54
Kap. I.
Die dem Handelsrecht unterw. Lebensverh. rc.
schusies der Prämien und ist darum als Spekulant, als Kaufmann behandelt. *) 4. Die Bankier- und Geldwechslergeschäfte:1 2)* * die *** gewerbliche Bermittelung des Geld- und Kreditverkehrs ist von jeher ein Handelsgewerbe gewesen; die hieher gehörigen Geschäfte sind sämtlich in der Absicht unternommen, Ge winn daraus zu ziehen, daß Geld und Kredit, welche dem Banquier angeboten werden, dahin geleitet werden, wo sie gesucht sind. Die wichtigsten Bankgeschäfte ergeben sich aus der Betrachtung des Geschäftsverkehrs des wichtigsten Bank instituts, nämlich der Reich < bank.8) a) Das Diskontogeschäft, das ist der Ankauf von noch 1 HGB. §. 1 Abs. 2 Nr. 3: s. Gareis HGB. Anm. 10 hiezu; von den Dersicherungsgeschähen handeln unten §§. 62, 64, 118. Der Eintritt eines Kaufmanns in eine Gesellschaft zur Versicherung auf Gegenseitig keit fällt möglicherweise unter die Handelsgeschäfte nach §§.343, 344; s. unten §. 9. 2 Durch den gewerbsmäßigen Betrieb von Bankgeschäften werden alle Banken, auch die sog. öffentlichen, gleichviel wer ihr Inhaber ist, zu Kaufleuten. S. Gareis HGB. S. 9. 8 Diese ist eine Reichsanstalt, in deren Verwaltung die höchsten Organe des Reiches einzugrcisen haben. Ihre Leitung steht dem Reichskanzler und unter diesem dem aus Reichsbeamten gebildeten Bankdirektorium zu. Privat rechtlich ist die Reichsbank eine auf Grund des deutschen Bank-
gesetzeS vom 14. März 1875 (RGBl. 1875 S. 177) zur Existenz «e juristische Person mit ^auptsitze zu Berlin und mit einem durch Zeichnung von Anteilscheinen (zu je 3000 Mk.) aufgebrachten Grundkapital von 120 Millionen Mk. Dw hieraus bezüglichen Gesetze. Verordnungen und Reglements sind zusammen gestellt und mit einer höchst lehr reichen Einleitung (von 42 S.) versehen von R. Koch (Präsident des Reichsbankdirektoriums) in „Reichsgesetzaebung über das Münzund Notenbankwesen, Papiergeld, Prämienpapiere und Reichsanleihen",Textausaabe mit Anm. u. Sachregister. 5. Aust. (Hier angeführt. Koch, M. LN.) Berlin, I. Guttentag. 1898. Über die Verwendung des Rein gewinns der Reichsbank s. RGes. vom 18. Dez. 1889 (RGBl. 1889 S. 201).
nicht fälligen Wechseln, auch von Checks und von Schuldverschreibungm des Reichs, eines deutschen Staats oder in ländischer kommunaler Korporationen, welche binnen kurzer Frist nach dem Ankäufe mit ihrem Nennwert fällig wer dens) über dieses Geschäft siehe unten §. 88. b) Das Einziehungsgeschäst, das ist keine Unterart des Kommissionsgeschäfts mehr, fonbem als sogenannte Inkasso kommission eine besondere Art kaufmännischm Arbeits vertrags. 1 2)* c) Das Lombardgeschäft. Siehe unten §. 63?) d) Der Giroverkehr und das Geschäft der Abrechnung (Clearing) an den sogen. Abrechnungsstellen, siehe unten §. 68 VI.4)* e) Der Ein- und Auszahlungs-, Anweisungs-, Check verkehr, siehe unten §. 68 II, IV.6) f) Das Effektenkommissionsgeschäft, ein Kommissions geschäft im Sinne des HGB. Siehe unten §. 51.6) g) Das Depotgeschäft, und zwar aa) Verwahrung offener Depots, siehe unten §. 60; bb) Verwahrung verschlossener Depositen, §. 60.7) 1 S. KochM. LN. (f. vorige Anm.) S. 200 ReichSbankgeseh vom 14. März 1875 §§. 13 Nr. 2, 15, »Allgemeine Bestimmungen über den' Geschäftsverkehr mit der Reichsbank (auSgegeden im Oktober 1896)" Nr. III S. 14 dis 25. Hierüber s. ROHG. 2 S. 137, 221. 2 S. RBkG. §. 13 Nr. 5 und die in voriger Anm. an gegebenen allgem. Bestimmungen V S. 27. 28. Kock M. & N.
8 RBkG. §. 13 Nr. 8. Allg. Bestimmungen VI S. 28—41. Koch M. L N. S. 212. 4 RBkG. §. 13 Nr. 7. Alla. Bestimmungen VII S. 42—50. Koch M. & N. S. 229. 6 RBkG. §. 13 Nr. 5. Alla. Bestimmungen VIII—IX S. 50, 51. Koch M. L N. S. 242. 6 RBkG. §. 13 Nr. 6. Allg. Bestimmungen X S. 54 HGB. §§. 383 ff. Koch M. L N. S. 245.
56
Kap. I.
Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. rc.
h) Der Ankauf und Verkauf von edlen Metallen, Gold und Silber in Barren und Münzend)
i)
Die Emission von Banknoten,
Pfandbriefen
und
anderen Wertpapieren, sie unten §.72 III.2* )1* 4 * k) Der gewerbliche Betrieb des Darlehnsgeschästs nach
seiner
aktiven und passiven Seite hin,
insbesondere das
Sparkaffengeschäft und Bankdepositengeschäft einerseits 8) und das Vorschußgeschäft andererseits; unter letzterem kann auch
das Darleihen gegen Verbodmung^) und das Hypotheken
geschäft im Bankgewerbebetriebe vorkommen.8) 5. Die Übernahme der Beförderung von Gütern (siehe unten
§. 112)8) oder Reisenden (siehe unten §. 113)7)
zur See, die Geschäfte der Frachtführer (siehe unten §. 56
bis 58)8)
oder der zur Beförderung
von
Personen
zu
Lande oder auf Binnengewäffern bestimmten Anstalten (d. h. größeren Unternehmungen, wie etwa städtische Pferdebahnen,
elektrische Straßenbahnen u. bergl.)9), sowie die Geschäfte
der Schleppschiffahrtsunternehmer. 10) Bestimmungen IX S. 55—65, XII S. 65-68. KochM. L N. S. 247 ff., 260 ff. Vgl. hiezu auch dasRGes. vom 5. Juli 1896 betr. die Pflichten der Kaufleute bei Verwahrung fremder Wert papiere vom 5. Juli 1896. 1 RBkG. 13 Nr. 1, 14. Koch M. L N. S. 86. 8 RBkG. §. 16 BGB. §§. 793 ff. Koch M. L N. S. 92. 8 Vgl. RBkG. §. 13 Nr. 7. S. Koch M. L N. S. 90. Vgl. RGer. 23 S. 99 ff. 4 KGB. Z. 679 s. unten Z. 114. 6 Uber alle diese Bankgeschäfte
s. Gareis, HGB. Anm. 11 zu §. 1 S. 8, 9. 6 HGB. 8- 1 Abs. 2 Ziffer 3 88- 556-663. 7 HGB. 8- 1 a. a. O. u. 88- 664—678. 8 HGB. §8- 425-452 auch 88- 453—473 (Eisenbahnen). 9 Die Transportgeschüste der Postverwaltungen des Deutschen Reichs undderTeutschenBundesstaatcn fallen nach der aus drücklichen Bestimmung der HGB. §3- 452, 663 niryt mehr unter das Handelsrecht. S. Gareis HGB. S. 10. 10 HGB. 8- 1. Abs. 2 Ziffer 5
Das System der Handelssachen im einzelnen rc.
§. 8.
57
Die Geschäfte der Kommissionäre (s. unten §. 51) *),
6.
der Speditmre (siehe unten §. 52)2) oder der Lagerhalter (siehe unten §. 55).8) Die Geschäfte der Handlungsagenten (siehe unten
7.
54)4) oder der Handelsmäkler (s. unten §. 53)6), näm
die Übernahme von Geschäftsaufträgen seitens dieser
lich
Personen. 8.
Die Verlagsgeschäfte, sowie die sonstigen Geschäfte
des Buch- und Kunsthandels (s. unten §. 59).6) Die Geschäfte der Buch-, Stein-, Stahl-, Kupfer-,
9.
Photographieen-, Photogravuren- und anderer Druckereien,
sofern ihr Betrieb über den Umfang des Handwerks hinaus geht. T)
10.
Grundgeschäft eines als Handelsgewerbe geltenden
gewerblichen Unternehmens kann aber auch — außer den
unter 1—9 aufgezählten Geschäften — jedes andere Rechts geschäft sein, welches wesentlich zu einem sogen, formellen
Handelsgewerbe gehört; das Deutsche HGB. stellt nämlich,
wie bereits oben §. 6 V angedeutet worden ist, neben die in §. 1 des HGB. aufgezählten sogen, materiellen Grund
geschäfte Unternehmungen, welche man als formelle Handels gewerbsgeschäfte bezeichnen kann, das sind diejenigen ge
lverblichen Unternehmungen, welche nicht durch den Gegen
stand
des Betriebs,
wie die materiellen Grundgeschäfte,
sondern durch die Form desselben handelsmäßig roerben:
u. hiezu Anm. HGB. S. 10. 1 HGB. §§• - HGB. §§. 3 HGB. §§. 4 HGB. §§. 8 HGB. §§.
13 bei Gareis
383—406. 407-415. 416—424. 84—92. 93—104.
• HGB. §. 1 Abs. 2 Ziffer 8 und die Anm. 16 u. 17 hiezu bei Gareis HGB. S. 11 u. 12. 1 HGB. §. 1 Abs. 2 Nr. 9 und die Anm. 18 u. 19 hiezu bei Gareis HGB. S. 12.
58
Kap. I.
Die dem Handelsrecht unterw. LebenSverh. rc.
wenn ein Unternehmen thatsächlich der Art ist, daß not wendig, um Ordnung darin in eigenem und fremdem In
teresse zu halten, Bücher nach Kaufmannsart geführt, die
einlaufenden Briefe aufbewahrt, die ausgehenden kopiert, die Geschäfte eines und von
jeden
einzelnen Kunden zusammengestellt
denen der übrigen getrennt gebucht,
Geldgeschäfte
und
die
auf
Materalien
die
auch die bezüglichen
Aufzeichnungen auseinandergehalten werden müssen, so
gilt ein solches Unternehmen als Handelsgewerbe (formelles Handelsgewerbe), sofern die Firma des Unternehmers in das Handelsregister eingetragen ist; die Anmeldung hiezu
kann das Gericht, welches das Handelsregister zu führm hat, mit Ordnungsstrafen erzwingen, wenn es zu der Über zeugung gelangt ist, daß zu dem ordentlichen Betriebe des fraglichen Unternehmens nach Art und Umfang desselben
eine kaufmännische Betriebseinrichtung objektiv erforderlich
ist; darauf, ob der Unternehmer selbst einen in kaufmänni scher Weise eingerichteten Betrieb für erforderlich hält oder
eingerichtet hat oder nicht, lediglich
auf die objektive,
kommt es nicht an,
durch
Zweckmäßigkeitserwägungen sich
technische und
sondern andere
aus der Art und Aus
dehnung des Betriebs ergebende Notwendigkeit, von welcher
sich das Gericht überzeugen muß.
Für das Publikum ist
ein solches Unternehmen erst dann wenigstens vermutungs weise ein Handelsgewerbe, wenn die Firma desselben in
das Handelsregister eingetragen worden ist.
Unternehmun
gen dieser Art können sein die Betriebe von Bergwerken,
Salinen,
Steinbrüchen,
Thonwarenfabriken,
Ziegeleien,
Leihbibliotheken, Annoncenexpeditionen, Patent- und Aus
kunftsbureaux, Gas-, Wasserleitungs-, Elektricitäts-Jnstalla-
DaS System der Handelssachen im einzelnen rc. 88- 8, 9.
59
tionsgeschäfte, Anstalten für Tiefbohmngm, Bmnnmanlage und dergl., auch die Geschäfte von Grundstücksmäklem, Bauunternehmem, Häuser- und Bauplatzspekulanten und ähnlichen, immer vorausgesetzt, daß der Geschäftsbetrieb ein gewerblicher ist und nach Art und Umfang die kaufmän nische Einrichtung (Buchführung, Geschästslokal, Geschäfts stunden, kaufmännisches Personal) erfordert. *) Land- und forstwirtschaftliche Betriebe der angegebmen Art werden nur dann ins Handelsregister eingetragen, wenn der Unter nehmer sie als Nebengeschäft zum Handelsregister an meldet, wozu er berechtigt, aber nicht verpflichtet ist (siehe oben 8- 7 II). §. 9.
Vas Sy Kem der Handelssache» im einzelnen f^orisehung): B. UebengeschSfte.
Wenn ein Geschäft nicht den Gegenstand des Gewerbe betriebs eines Kaufmanns bildet, wohl aber von diesem im Betriebe seines gewöhnlich auf andere Geschäfte gerichte ten Handelsgewerbes vorgenommen wird, so fällt es als sogen. Nebengeschäft unter das Handelsrecht; hiebei kommen folgende verschiedene Berhältnisie in Betracht: 1. Es kann sein, daß von einem Kaufmann als Neben geschäft ein Geschäft betrieben wird, welches eines der vorerwähnten (§. 8 Ziffer 1—9) Grundgeschäfte ist, inso fern es dm Gegenstand eines eigenen Handelsgewerbe betriebs bilden kann, welchm es aber, weil und wmn als Nebengeschäft betrieben, ebm nicht bildet. 1 HGB. §. 2. S. Gareis HEB. Einleitung S. XXXIV u. S. 14.
Kap. 1.
60
Die dem Handelsrecht unterm. Lebensverh. rc.
2. Zahlreiche Verträge sind derart, daß sie nicht Gegen stand eines Handelsgewerbes sein können, wohl aber für
nützlich sind,
es
sind dies die sogen. Hilfsgeschäfte des Handels;
zu
ein solches notwendig oder wenigstens
diesen gehören die Gesellschaftsverträge (BGB. §§. 704 bis
711, HGB. §§. 105—342), Dienstverträge (BGB. §§.
611—634, HGB. §§.
48—83), Versicherungsgeschäfte,
welche von einem Kaufmann als Versicherungsnehmer gegen
Prämie oder auf Gegenseitigkeit abgeschlosien werden (anders die Übernahme von Versicherungen gegen Prämie, HGB. §. 1 Nr. 3 und oben §. 8 S. 53), die Materialanschaffungsverträge (z. B. Kontoreinrichtungen, Heizungs- und Be
die Weiterver
leuchtungsmittel, Fuhrwerke und bergt.);
äußerungen (s. HGB. §. 1 Abs.2 Nr. 1 und oben S. 50—52) sind ohne Zweifel Handelsgeschäfte,
insofern sie sich als
Realisationen an Spekulationsanschaffungen anschließend)
Abgeschloffen wird der Bereich der Geltung des Handels rechts
in
sachlicher
mutungen,
Hinsicht
durch
zwei
Rechtsver
welche den Schluß auf die
Handelsnatur
von Geschäften gesetzlich erleichtern: die einfache Nechtsver-
mutung, daß alle von einem Kaufmanne vorgenommenen Rechtsgeschäfte (nicht bloß die zweiseitigen) im Zweifel als
zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörig gelten1 2) (und
darum folgeweise 3) als Handelsgeschäfte anzusehen sind), und
die
verstärkte
Rechtsvennutung in
betreff der von
einem Kaufmanne gezeichneten Schuldscheine:
diese gelten
nämlich als im Betriebe des Handelsgewerbes gezeichnet, 1 Wegen der Weiterveräußcrungen durch Handwerker s. unten §. 12 S. 71.
2 HGB. §. 344 Abs. 1. 3 tz. 343 Abs. 1.
DaZ System der Handelssachen im einzelnen re. g§. 9, 10. 61
sofern nicht aus
der Urkunde
selbst sich
das Gegenteil
ergiebt *). * Alle als Nebengeschäfte in Betracht kommenden Handels geschäfte setzen ebenso wie die Grundgeschäfte, um Handels
geschäfte zu sein, voraus, daß sie von einem Kaufmanne,
sei es in seinem Haupt-, sei es in einem Nebengewerbe, vorgenommen werden; doch wird die Handelsqualität ebmso-
wenig wie die Gültigkeit des betreffenden Geschäfts dadurch berührt, daß der es Vornehmende in seinem Persönlichkeits
rechte der freien Bethätigung (s. unten §. 14 S. 86) aus
Gründen des öffmtlichen Rechts eingeschränkt ist.
Sowohl bei den Grundgeschäften, als bei den Neben geschäften ist es möglich, daß die Voraussetzung, unter welcher das Geschäft ein Handelsgeschäft ist, nur auf Seite
des
einen der daran Beteiligten zutrifft; die Vorschriftm
über Handelsgeschäfte kommen aber auch in diesem Falle
in
der Regel
für
beide
Teile
gleichmäßig
zur
An
wendung?)
§. 10. Das System der Handelssachen im einzelnen (Fortsetzung): Uebengewerbebetriebe, insbesondere bei Landuad Forstwirtschaft.
Land- und Forstwirtschaft^) sind wirtschaftliche Unter nehmungen, welche sich
vom Handel derart unterscheiden,
daß die für letzteren geltmden besonderen Rechtsnormm auf
sie prinzipiell keine Anwendung finden können;4) dennoch 1 HGB. 6. 344 Abs. 2. 2 HGB. §. 345, Ausnahmen s. unken §. 11 III S. 66 ff. • Über diese Begriffe f.
Gareis HGB. S. 15 u. 16 und die dort angegebene Fach litteratur. 4 HGB. §. 3 Abs. 1.
62 Kap. I. Die dem Handelsrecht unterm. LebenSverh. rc. ist eine Verbindung eines Betriebs, der sich dem Handels rechte unterstellen läßt, mit einem land- oder forstwirt schaftlichen Betriebe denkbar: dies kann entweder so vor kommen, daß durch die Erweiterung des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs die Unternehmung einen in dustriellen oder kommerziellen Charakter annimmt/) oder s o, daß letzteres nicht bloß die Folge der Ausdehnung eines an sich land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs ist, sondern eine ihrem Wesen nach (nicht land- oder forstwirtschaft liche, fonbem) industrielle oder kommerzielle Unternehmung bildet. ?) Im einen wie im anderen Falle können dieBetriebsverhältnisse außerordentlich verschieden und namentlich die Beziehungen zu dem land- oder forstwirtschaftlichen Hauptbetriebe mehr oder weniger enge, weitergehende oder dauernde sein; daraus ergiebt sich, daß eine objektive Grenzenziehung zwischen dem Landwirtschaftlichen (oder Forstwirtschaftlichen) und dem Handelsmäßigen (oder In dustriellen) jener Betriebe nicht möglich oder im einzelnen
1 Z. B. ein Landwirt kaust Maaervieh an, um es auf seiner Weide fett werden zu lassen und dann wieder zu verkaufen, oder er veräußert das von ihm selbst geerntete Getreide, nachdem er es mit fremdem von ihm gekauftem vermischt hat, oder er stellt die Butter, welche er zum Verkaufe bringt, nickt ausschließlich aus der Milch seiner eigenen Kühe, sondern unter Verwendung von hiezu angekaufter Milch her (s. Denkschr. S. 3147, Gareis HGB. S. 16). * Z. B. ein Landwirt be
treibt eine Branntweinbrennerei, in welcher er sowohl dieausseinem eigenen Boden gezogenen, wle auch die hiezu gekauften Kartoffeln verarbeitet: oder er betreibt eine Ziegelei, in welcher er außer der auf seinem Grund und Boden gestochenen auch fremde Ziegel erde verwendet; ein Forstwirt läßt auf seinem Sägewerke außer eigenem Holze regelmäßig auch das Holz einiger Nachbarn gegen Vergütung schneiden (s. Denk schrift S. 8147, Gareis HGB. S. 17).
Das System der Handelssachen im einzelnen rc. g. 10* 63 Falle wenigstens äußerst schwierig wäre, daher läßt der Gesetzgeber den Land- oder Forstwirt selbst entscheiden, ob er als Kaufmann behandelt sein will oder nicht. Der Land- oder Forstwirt ist demnach berechtigt, aber nicht verpflichtet, bezüglich des sich nur als Nebengewerbe seines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs darstellenden Unternehmms die Eintragung in das Handelsregister herbeizu führen. Ist die Eintragung erfolgt, so gilt der Unter nehmer in Bezug auf das eingetragene Unternehmen als Kaufmann mit allen Standesrechten und -Pflichten *) eines solchen, und zwar so lange die Eintragung besteht; einem Dritten gegenüber, der sich auf die Eintragung beruft, kann nicht geltend gemacht werden, daß das unter der Firma betriebene Gewerbe kein Handelsgewerbe sei, also nicht hätte eingetragen werden sollen; eine Löschung der eingetragenen Firma eines Land- oder Forstwirts findet nur nach den allgemeinen Vorschriften statt, welche für die Löschung kauf männischer Firmen gelten, also nicht nach Willkür des Unternehmers, wenn dieser den registrierten Betrieb fortsetzt, sondern nur, wenn er ihn aufgiebt oder von der Wurzel aus verändert.
1 Die Rechtsstellung des Kauf 1 Hierüber s. Gareis HGB. manns ist unten in §. 11 III S. 19, 20; ebenda s. auch noch ausführlich erörtert. Der Land andere Beispiele landwirtschaft wirt wird es sich hiernach über licher Industrien. legen müssen, ob er durch die Kommerzialisierung sich verbessert oder mehr belastet.
Zmitrs Kapitel.
Die Personen im Handelsrecht. (Personenrecht des Handelsrechts.)
A. Der Kaufmann. §. 11. Begriff, Rechte und Pflichten des Kaufmanns.
I. Das deutsche
Recht faßt den Begriff Kaufmann
anders als der gewöhnliche Sprachgebrauch, vor allem
enger, nämlich insofeme nur derjenige, der ein eigenes
Handelsgewerbe betreibt, nicht derjenige, der nur in dem Gewerbe
eines
anderen kaufmännisch
arbeitet,
technisch
Kaufmann heißt, andererseits aber weiter, nämlich insofeme
nicht bloß derjenige Handeltreibende, der seine Spekulation durch Einkäufe einleitet und durch Verkäufe realisiert, sondern
jeder,
der
irgend ein Handelsgewerbe betreibt,
Kaufmann im Sinne des Gesetzbuchs ist.1)
Was ein
Gewerbe sei, wird vom Gesetz nicht gesagt, wohl aber,
welche Gewerbe Handelsgewerbe sind:
' HGB. §. 1 Abs. 1.
als Handels-
§♦ 11.
Begriff, Rechte und Pflichten des Kaufmanns.
65
gewerbe ist gesetzlich jeder Gewerbebetrieb anzusehen, welcher
eine der (neun — bezw. mit den formellen HGewerbm:
zehn —) Arten von Geschäften zum Gegenstände hat, die
obm (§. 8 S. 50—59) als „Grundgeschäfte" des Handels
bezeichnet wendig
wordm
sind, oder welcher wegen seiner not
kaufmännischen
Einrichtung
ein
formelles
sogen,
Handelsgewerbe bildet (s. oben §. 8 S. 57).
„Gewerbe"
ist eine wirtschaftliche Thätigkeit, welche aus einer
aber
Reihe einzelner, infolge eines zusammenfaffenden Willensentschlufles, zu einem wirtschaftlichen Zwecke geeinter Hand-
lungen
besteht und auf Erzielung eines Einkommens ge
richtet ist, welch' letzterer Umstand jedoch keineswegs ver langt,
daß wirklich Gewinn gemacht werden oder dieser
ziffemmäßig zu ermitteln sein müsse?) „betreibend"
aber
ist
derjenige
Als ein Gewerbe
anzusehen,
der den
N a m e n zu jener wirtschaftlichm Thätigkeit giebt, indessen
Namen also jene Handlungen vorgenommen, insbesondere die bezügl. Geschäfte abgeschlossen werden, nicht aber der jenige, der nur die Arbeit oder nur das Kapital oder dieses beides, jedoch ohne den Namen zum Betriebe giebt.
n. Treffen in irgend einer Person jene drei Requisite: das Betreiben eines Handels-(Grund-)Geschäfts als Gewerbe, zusammen, so ist diese Person Kaufmann
im Sinne des Handelsrechts, selbst dann, roenn Polizei
oder Finanzgesetze andere Requisite aufstellen/) und gleich viel,
ob jene Person eine juristische 8) oder eine physische,
voll- oder minderjährig?) männlichen oder weiblichm Ge1 Über den Gewerbebegriff u. I seine Gegensätze s. oben S. 47 u. Gareis HGB. §. 1 Anm. 3.1
Bareir, Handelsrecht. 6. Aufl.
1 HGB. §. 7. • HGB. §. 6. * Vgl. hierüber unten §. 12 V.
5
schlecht- *) ist; insbesondere auch auf Handelsgesellschaften finden die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften Anwendung, ja einige Gesellschaften gehörm — um ihrer Form willen — so sehr zum Handelsrecht, daß sie selbst dann als Handelsgesellschaften gelten und unter die für Kaufleute gegebenen Vorschriftm fallen, wenn der Gegmstand ihres Unternehmens nicht in dem Betriebe eines Handelsgewerbes besteht?) UI. Die besondere Rechtsstellung der Kaufleute als solcher zeigt sich hauptsächlich in folgenden Beziehungen: a. prozeßrechtlich 1. in der Unterwerfung ihrer Streitsachen unter die Gerichtsbarkeit der „Kammern für Handelssachen" nach Maßgabe der gesetzlichen Zuständigkeit dieser;^) 2. In der Teilnahme an der Gerichtsbarkeit als Bei sitzer in den Kammern für Handelssachen;^) b) materiellrechtlich im allgemeinen in der Unterwerfung ihrer berufsmäßigen Angelegenheiten unter das materielle Handelsrecht, in der Ausgestaltung besonderer Rechtsinstitute für dm Vollkaufmann und in der Beschränkung einer Reihe Meß- und Marktsachen unter be sondere Verfahrensregeln (ab 2 So Aktiengesellschaften nach gesehen vom Zusammenhänge HGB. §. 210, Kommandit mit der Unterordnung unter tue gesellschaften auf Aktien nach Kammern für Handelssachen, s. HGB. §. 320 mit 210, ein oben 1) liegt feine Besonderheit getragene Genossenschaften nach für den Handelsstand, vgl. GenG. §. 17 und Gesellschaften mit Lothar Seuffert CPO. Bem.2 beschränkter Haftung LimitGG. zu §. 80; Beschleunigung des diesen öuiuni Sachen s. §. 13 Abs. 3 s. unten §§• 24, ' Verfahrens in viqcii j. 31 ff., 37, 88, 39. oben §. 4 am Ende mit Sinnt. 2 8 GerVerfG. §§. 100 ff.; val. S. 39. oben §§. 3 (S. 10), 4 (S. 38, 41 *2GerVerfG. *** 8 §. 113. 39). — In der Unterwerfung der I 1 Vgl. hierüber unten §. 12
IV u. V.
Begriff, Rechte und Pflichten des Kaufmanns,
g. 11.
67
von handelsrechtlichen Einzelbestimmungen auf Kaufleute —
eine Anzahl
andererseits
während
gegenüber Kaufleuten
Normen
nichthandelsrechtlicher
Im
ceffiert.1)
einzelnen
gehört hierher: 1. das Firmenrecht; hievon handelt § 16; 2. das Recht und die Pflicht der kaufmännischen Buch
führung; das deutsche Handelsrecht schreibt nicht so aus führlich, wie andere Rechte vor, welche Bücher und wie
diese geführt »erben müssen; aber es entbehrt doch auch derjenigen Rechtssätze nicht, welche von der Sicherheit des
Verkehrs vorausgesetzt werden.
Vor allem wird als Prinzip
aufgestellt, daß jeder Kaufmann Bücher führen und in diesen seine Handelsgeschäfte (d. h. die infolge derselben
eintretendm Vermögensveränderungen) und die Lage seines Geschäfts
sodann
nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buch
ersichtlich
führung
machen muß.
die Errichtung
Im
eines Inventars
besonderm
wird
die Auf
und
stellung von regelmäßigen Bilanzen nach Maßgabe näherer
gesetzlicher u. s. w.
Bestimmungen/) in
die Führung
einer lebendm Sprache und
der
Bücher
Schrift und
in vorschriftsmäßiger Ausfüllung/) dann die (zehnjährige)
Aufbewahrung
der
Bücher
und
aller
bestimmt
vor-
geschriebenen^) Briefkopieen und Briefe, auch der Bilanzm
und Jnvmtare gesetzlich verlangt,
1 Z. B. beim Abzahlungs geschäft, nach RGes. vom 16. Mai 1894 §. 8; hierüber s. Gareis in Bl. f. RAnw. NF. Bd. 39 (1894) S. 277,278 (auch Separat S. 7, 8); Fuld Das RG.u.s.w.
sowie die Pflicht der
v. 16. Mai 1894 S. 45. WucherGes. vom 19. Juni 1893 Art. 4 Ziffer 2 u. 3. 2 HGB. §§. 39-42. 8 HGB. §. 43. 4 HGB. §. 38 Abs. 2. 5*
68
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
Vorlegung der Bücher und das Recht der gerichtlichen Ein sichtnahme genau geregelt?)
Den Mitgliedern
des Vor
stands einer Aktiengesellschaft ist die Führung der erforder
lichen Bücher noch besonders zur Pflicht gemacht?) ebenso den Handelsmäklern
(abgesehen von denen des Kleinver
kehrs) 3 1)2 die Ausstellung der Schlußnoten und die Führung
und Aufbewahrung der Tagebücher,
letzteres sogar unter
besonderer Strafandrohung.4)5 6 Ferner * bestehen Einzelvor
schriften in Bezug auf die Buchung der Arbitragegeschäfte3) und der Effektendepots?) sowie in Bezug auf das von den
Kursmaklern zu führende Tagebuch?) und für den Fall der Zahlungseinstellung macht der Mangel gehöriger Buch
führung die dazu verpflichteten Kaufleute überhaupt straf
bar;3) Sonderbestimmungen bestehen auch in betreff des Rechnungsabschlusses der gewerbsmäßigen Geldverleiher9) und der Bilanzpublikation von Bankgeschäfte betreibenden Gesell
schaften mit beschränkter Rastung10). 3. Das Recht der Prokura und der (sonstigen) Hand
lungsvollmacht nach Handelsrecht (hievon §. 22).
4. Das Recht der Handlungsgehülfen und Handlungs lehrlinge (hievon §. 21). 1 HGB. §§. 45—47 und hiezu bezügl. der einzelnen Fragen die Anmerkungen bei Gareis HGB. S. 60, 61. 2 HGB. §. 239. 3 HGB. §. 104. 4 HGB. §§. 94,95,100-103. 5 Reichsstempelgesetz vom 27. April 1894, Taris Nr. 4, hiezu s. Gareis HGB. S. 55. 6 RGes. betr. die Pflichten der Kaufleute 6ei£ Aufbewahrung
fremder Wertpapiere v. 5. Juli 1896 §§. 1, 10; hiezu Gareis HGB. S. 55. 7 BörsenG. v. 22. Juni 1896 §. 33, Gins®, zu HGB. Art. 14 Gareis HGB. S. 56, 434. 8 KonkursOrd. §§. 239 , 240 (neu). 9 Wuchergesetz v. 19. Juni 1893 Art. 4. 10 Limit®®. §. 42 s. unten §. 39.
Begriff, Rechte und Pflichten des Kaufmanns.
§. 11.
69
5. Das Recht des Kontokurrentverkehrs. ')
6. Das Recht der besonderen Handelsaffociationen (s. §§. 23 ff.), einschließlich des Rechts der stillen Gesellschaft (s. unten §. 29).
7.
Einzelne
erweiterte Pflichten:
bezüglich der kauf
männischen Sorgfalt,*2)3 der Konventionalstrafe,") der Bürg
schaft und anderer Obligoübernahme;4)* 6Antwortpflicht * bei
Geschäftsverbindung; ") Jndossabilität kaufmännischer Ver pflichtungsscheine und von Anweisungen auf Kaufleute;")
Bankierspflicht
bezügl.
Erwerbs
gekommener
abhanden
Jnhaberpapiere;2) abgekürzte Pfandverkaufsfrist;") Pflicht der Aufbewahrung beanstandeter Ware (nur bei beider seitigen Handelsgeschäften);9) auch einzelne erweiterte
Rechte
und
zweischneidige Sonderbestimmungen:
Rechts
geschäfte der Kaufleute als Handelsgeschäfte/") Vermutung der
Zugehörigkeit
zum
der Schuldscheine,")
besondere
Handelsgewerbe
die
und
hinsichtlich
merkantile Auslegung,'9) die
Behandlung des Annahmeverzugs'") und das
Recht der Dispositionsstellung: Pflicht der sofortigen Unter' HGB. §§. 355-357; mindestens einer der am Kontokurrentverkehr Beteiligten muß Kaufmann sein; wegen desKontokurrents gehört hierher auch der Giro- und der Abrechnungs verkehr. S. unten §. 66, 67. 2 HGB. 88 347 , 203 , 384, 390,408,417,429 (s. unten §. 42). 3 HGB. §. 348; hiezu jedoch §. 351 ([. unten §. 42). 4 HGB. §§. 349, 350; hiezu jedoch §. 351 (s. unten §. 42). 6 HGB. §. 362 (f. unten §. 42 I).
6 HGB. '^HGB.
§. §.
363 (f. 367 (s.
unten unten
§. 72). 8 HGB- §. 368 (f. unten §• 44). 9 HGB. §. 379 (s. unten §• 45). 10 HGB. §. 343 (hiezu s. oben §• 9 6. 59 ff.). 11 HGB. §. 344 (hiezu s. oben §. 9 6. 60). 12 HGB. §. 346 (nur unter Kclufleutcn)hiezu s. unten §. 42II. 18 HGB. §. 373.
70
Die Personen im Handelsrecht.
Kap. II.
suchung und Beanstandung nur bei zweiseitigen Handels-
geschäften;*) unter letzterer Voraussetzung gesetzliche Ver zinsung (Höhe der Zinsen 5°/o), Zinsm ohne Abrede;^)
unter der nämlichen Voraussetzung das besondere kaufmännische Zurückbehaltungsrecht,") während das kaufmännische Recht der Entgeltlichkeit auch einseitig zu Gunsten der Kaufleute
besteht.41)*263An hiezu nicht
Veräußerungen
berechtigtm
und
Kaufleuten
Verpfändungen von
knüpft sich ein gut
gläubiger Erwerb unter noch weiteren Bedingungen, als an
Veräußerungen
und
Verpfändungen
von
Nichtkauf
leuten/) §. 12.
Arten von Kaufleuten. Innerhalb
des gesetzlichen
Begriffs Kaufmann stehen
verschiedene Arten.
I. Man kann vor allem nach dem Gegenstände des Gewerbebetriebs — etwa unter Zugrundelegung der vom Gesetze °)
selbst
aufgestellten
Gruppierung —
zahlreiche
Arten unterscheiden, im Gegensatze hiezu aber solche Geschäfts leute, welche nicht wegen des Gegenstands ihres Gewerbe
betriebs, sondern wegen Weise
der
der kaufmännischen Art und
Einrichtung
1 HEB. §. 377. 2 HGB. §§. 352, 353. 3 HGB. §§. 369-372. 4 HGB. §. 354; hiezu s. unten 8. 42 VIII, 50. 6 HGB- §. 366. Wegen der Banners s. aber die Anm. 7 auf voriger Seite. Keine be
ihres
Geschäftsbetriebs
sondere Rechtsstellung nehmen die Kausleute als solche in Bezug auf den Börsenbesuch und bas Börsenrecht ein. Bql. Börsen gesetz v. 22. Juni 1806 §§. 5 ff., und in betreff des Börsenregisters s. ebenda §§. 54 ff. «HGB. §. 1 Abs. 2 Nr. 1-9.
Arten von Kaufleuten,
g. 12.
71
juristisch zu Kaufleuten werden (sog. formelle Kaufmanns
betriebe;') hievon s. §. 8 oben Seite 57).
II. Das Gesetz unterscheidet — freilich ohne die Be
zeichnungen,
welche die Theorie für diese Arten bereits
längst anzuwenden pflegt, selbst zu gebrauchen — Voll kaufleute (d. s. Kaufleute optimi Juris) und „Kauf leute minderen Rechts" („Minderkaufleute", Kaufleute
minoris Juris)
und stellt in die letztere Kategorie zwei
Gruppen von Geschäftsleuten,*) den Handelsgewerbebetrieb
derselben vorausgesetzt:
a) die Handwerker und b) die Kleingewerbebetreibenden. Erstere sind von anderen Geschäftsleuten unterschieden durch den geringeren Umfang ihres Betriebs, durch die persönliche Handarbeit des Meisters und Prinzipals, durch das vorherrschende Arbeitm auf
Bestellung, nicht auf Vorrat, durch die überragende persön liche und individuelle Arbeitsleistung nach Handwerksbrauch
im Gegensatze zur mechanischm Maschinenarbeit, sämtlich unterscheidende Merkmale, von denen keinem für sich allein
oder absolut und stets ein entscheidendes Gewicht zukommt. Unter die Kleingewerbebetreibenden — oder, wie das Gesetz sagt: „Personen, beten Gewerbebetrieb nicht über den Umfang
des Kleingewerbes hinausgeht" — können selbstverständlich auch Handwerker fallen, ohne daß es angesichts der gleichen Be1 HGB. §. 2. -- HGB. §. 4 Abs. 1. Das Gesetz unterscheidet nunmehr viel klarer als daS HGB. v. 1861 Art. 10. Die Landesre gierungen können überdies noch genauere Bestimmungen zur Grenzenziehung zwischen Boll
kaufleuten und Kaufleuten min deren Rechts erlaffen, nämlich auf der Grundlage der nach dem Geschästsumfange bemeßenen Steuerpflicht oder sonstwie. S. Abs. 3 Mb. HGB. und hiezu Garcis HGB.Anm.il S. 23.
72
Kap. II.
DieZPersonen im Handelsrecht.
Handlung derselben seitens des Gesetzes geboten wäre, das
Verhältnis
dieser Begriffe zu
einander
festzustellen.
Es
gehören hieher — stets unter der Voraussetzung des Klein betriebs^ ihres Handelsgewerbes — die Höker, Trödler,
Hausierer, gewöhnlichen Schiffer, gewöhnlichen Fuhrleute, die Inhaber kleiner Gasthäuser, Schenken oder Destillationen?)
Die Bedeutung
minderen Rechts"
der Unterscheidung von „Kaufleuten und „Vollkaufleuten"
— eine Unter
scheidung, welche übrigens ausschließend ist31)* — liegt darin, daß auf erstere die gesetzlichen Normen über:
1. das Firmenrecht 4) (s. unten §. 16),
2. die Handelsbücher5) (s. oben §.11 III b 2), und 3. die Prokura6)* 8(s. unten §. 22) keine Anwendung findens) denn diese Einrichtungen setzen eine Höhe kauf männischer Bildung und Verhältniffe voraus, welche der Gesetzgeber bei Kaufleuten minderen Rechts nicht als der
Regel nach vorhanden voraussetzen darf.
Die Unterscheidung
der „Kaufleute minderen Rechts" hat aber aus demselben
Grunde auch noch andere Folgen, nämlich: 4. Eine Vereinigung zum Betriebe eines Handwerks
1 Auf den Gegenstand des Betriebs kommt es hier nicht an; ein Unternehmer, der im Großen den Handel mit Abfällen be treibt, wie dies z. B. beim sog. Lumpengesckäft oder beim Borstenhandel vorkommt, ist Vollkaufmann. 8 Wirte, nach dem HGB. v. 1861 stets als solche Kaufleute minderen Rechts, sind jetzt nur dann Kaufleute minderen Rechts,
wenn ihr Gewerbebetrieb nicht über den Umfang des Klein gewerbes hinausgeht. 8 Über die Streitfrage, ob es möglich ist, daß jemand zugleich Aollkaufmann und Kaufmann minderen Rechts sei, s. Gar cis HGB. S. 24 Sinnt. 12 zu §. 4. 4 HGB. §§. 17-37. 6 HGB. §§. 38-47. 6 HGB. §§. 48-53. 7 HGB. §. 4 Abs. 1.
Arten von Kaufleuten.
§♦ 12.
73
oder eines Kleingewerbes kann niemals zu einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft werden?) 5. Auf Kaufleute minderen Rechts finden die handels-
rechtlichen Vorschriften über die Unzulässigkeit richterlicher Ermäßigung einer Konventionalstrafe,?) die über den Aus schluß der Einrede der Vorausklage
und die über die
Gültigkeit formlos geleisteter Bürgschaften, Schuldversprechen und Schuldanerkenntnisse ^) keine Anwendung, sondern statt deren die Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts?) 6. Hat ein Gewerbebetrieb die Übernahme der Bearbeitung oder Verarbeitung von Waren für andere zum Gegenstand, und erstreckt er sich dabei nicht über den Umfang des Hand
werks hinaus, so fällt er gar nicht unter das Handelsrecht (s. oben §. 8 A 2 Seite 52, 53).
7. Der Kleinbetrieb der Personenbeförderung zu Lande
oder auf Binnengewässern fällt gleichfalls nicht unter das
Handelsrecht, denn es sind nur die zu diesen Beförderungen bestimmten „Anstalten" dem Handelsrecht unterstellt, und unter 1 HGB. §. 4 Abs. 2. Einen stillen Gesellschafter (f. HGB. §§. 335-342) kann der Kauf mann minderen Rechts haben; Aktiengesellschaften und Kom manditgesellschaften auf Aktien aber ftnb ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unter nehmens als Handelsgesellschaften anzusehen und dem Rechte der Bollkaufleute unterstellt. Das Gleiche gilt von den eingetragenen Genossenschaften nach dem GenG, v. 1. Mai 1889 §. 17 und von den Gesellschaften mit beschränkterHastungnach demRGes. v. 20. April 1892 §. 13, s. HGB.
§. 6 Abs. 1 u. 2. Es giebt keine Vereine, welche gesetzlich wie Kaufleute zu behandeln und daber Kaufleute minderen Rechts wären. a HGB. §. 348 s. unten §. 42. 8 HGB. §. 349 s. unten §. 42. * HGB. §. 350 s. unten §. 42. 6 HGB. §.351; mithin statt HGB. §. 348: BGB. §. 343; statt HGB. §. 349: BGB. §. 771 u. statt HGB. §. 350: BGB. §§. 766 (Satz 1), 780, 781 (Satz 1).
74
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
einer „Anstalt" in diesem Sinne muß „ein auf dauernden Großbetrieb eingerichtetes Unternehmen" *) verstanden werden. 8. Zu erwähnm ist hier auch eine Einschränkung des Mäklerrechts: auf Personm, welche nur die Vermittelung von Warengeschäften im Kleinverkehr besorgen (b. s. die sog. Krämermäkler), sind, selbst wenn ihr Geschäftsbetrieb recht ausgedehnt sein sollte, die Vorschriftm über die Schluß noten und Tagebücher der Handelsmäkler nicht anwendbar?) III. Man kann innerhalb des gesetzlichm Begriffs „Kaufmann" unterscheiden: a) Kaufleute, welche physische Personen (Einzelkauf leute) und entweder nur alleinstehend oder in einer Gesell schaft °) stehmd, also mit anderen ein Handelsgewerbe betreiben; und b) Kaufleute, welche juristische Personm sind. In Be tracht kommm hier: Handelsgesellschaftm und die ihnm ge setzlich gleichgeachteten Associationen,^ (hiezu siehe unten §§. 38, 89), sowie die auf Grund der Kolonialgesell schaftmund auch die handeltreibenden Innungen und Innungs verbände, die auf Grund der Gewerbeordnung mit einer gewiffm Persönlichkeit ausgerüstet erscheinen. Alle handeltreibmdm Vereine sind wie Vollkauflmte zu behandeln.") Zu 1 Goldschmidt, Hdbch. gesellschaften s. EinsG. Art. 5 d. HR. (1. Aust.) Bd. I S. 617 mit Anm. bei Gareis HGB. Anm. 23; Cosack Lehrbuch S. 413. Die modernen Gewerk S. 514; f. auch oben §. 8 S. 56. schaften sind juristische Personen » HGB. §. 104 mit §§. 100 und registerfähig, nicht aber die bis 103 verglichen; s. unten meisten älteren Gewerkschaften, Gesellenbauvereine, Gesellen §• 22. 8 Nach BGB. SS. 705-740 schäften u. dgl. oder nach HGB. §§. 335-342. 6 S. oben Anm. 5 zu diesem 4 Wegen den Bergwerks §. bei II 4 S. 72, 73.
Sitten von Kaufleuten. §. 12.
75
den handeltreibenden juristischen Personen gehören möglicher
weise auch Sanseit, die sogen, öffentlichen Sanfen. Unterstellung gleichviel,
der
Sankinstitute unter
ob sie einer Gesellschaft
das
Die
Handelsrecht,
oder einer einzelnen
(physischen oder juristischen) Person gehören, ist selbstver
ständlich.
Landesgesetze sönnen dem auch nicht zu Gunsten
der öffentlichen Sanfen widersprechen, die Vorschriften des
Reichsbankgesetzes aber werdm durch das HGS. nicht be
rührt. *)
Die privatrechtliche juristische Person (der Fis
kus) eines der deutschen Sundesstaaten oder des Deutschen Reiches kann ebenso wie eine jede
andere privatrechtliche
Person ein Handelsgewerbe betreiben und untersteht dann
ebenso wie andere Handeltreibende dem Handelsrecht. Es ist jedoch folgendes hiebei festzuhaltm: 1.
Jede auf die Ausübung eines Hoheitsrechts^)
gerichtete oder in einer solchen bestehende Thätigkeit scheidet — wegen des Mangels der dem Gewerbe charakteristischen
Absicht b) — vollständig aus dem Handelsrechte aus; hier ist auch der ausdrücklichen Sestimmungen des HGS. zu ge
denken, wonach die Postverwaltungen des Reichs und
von Sundesstaaten
nicht
als Kaufleute
gelten und ihre
Gütertransporte nicht nach dem Handelstransportrechte be urteilt roetben.4) 1 EinsG. Art. 2 Abs. 2; über die Reichsbanl s. oben §. 8 S. 54. Es gilt also inSbes. auch §. 66 des Deutschen Bankgesetzes. 1 Über den Begriff der Hoheitsrechte s. Gareis, Allg. Staatsrecht §§. 9, 10 in v. Marquardsens Handbuch d. öffentlichen Rechts Bd. I S. 26 ff.
1 S. oben §. 11 S. 65 auch §. 7 S. 47. In betreff der Reichsbant s. Sinnt. *1 aus dieser Seite und oben §. 8 S. 54. 4HGB. 88-452,663, GareiS HGB. §. 1 Anm. 3 S. 7, §. 1 Sinnt. 12 S. 10; ebenda s. über die Privatpostanstalten.
Kap. II.
76
2.
Die Personen im Handelsrecht.
Unternimmt aber das Reich oder ein Bundesstaat
nicht in der Absicht, ein Hoheitsrecht auszuüben, sondern
in einer dem Gewerbe eigentümlichen Absicht (siehe oben Z. 7 S. 47, §. 11 S. 64) einen wirtschaftlichen Betrieb
(Staatsgewerbebetrieb), *) so treten, wenn auch die sonstigen Voraussetzungen hiefür vorliegen (siehe
oben §§. 7—9),
die Normen des Handelsrechts auch gegenüber diesm Staats wesen in Kraft; unter diesen Voraussetzungen finden auf
diese Staatswesen und unter gleichen Voraussetzungen ebenso auch auf die inländischen Kommunalverbände (wie politische Gemeinden,
Kreisverbände
Handelsrechts,
z. B.
und
dergl.)
die
Regeln
die über Hilfspersonen,
des
Handels
geschäfte u. s. w. vollständig ebenso wie auf Privatpersonen,
die Handel gewerbsmäßig betreiben, Anwendung, mit zwei Ausnahmen: diese öffentlichrechtlichen Personen sind nicht registerpflichtig1 2) und können ihre Rechnungsabschlüffe in
einer von den Vorschriften der kaufmännischen Inventar errichtung und Bilanzenausstellung abweichenden Weise ter
waltungsrechtlich einrichten.2) IV.
Das Geschlecht der handeltreibenden Personen
ist für deren Rechtsverhältnisse nach Handelsrecht zunächst 1 Z. B.: Hofbrauhaus, Porzellanmanufaktur, Glas malerei s. v. S e y d e l. In betreff der öffentlichen Eisenbahnen, auch der Staatseis en bahnen gilt Sonderrecht, HGB. §§. 453 vis 473, wobei namentlich die Bedeutung der EisenbahnVerkehrsordnung nach HGB. §§. 471, 472 nicht aus dem Auge zu verlieren ist. 2 HGB. §. 36. Erfolgt
dennoch eine Anmeldung zum Handelsregister seitens emer solchen Staats- oder GemeindeAnstalt, so ist die Eintragung auf die Angabe der Firma, sowie des Sihes und des Gegenstandes des Unternehmen- zu beschränken. 3 HGB. §. 42: die §§. 33, 43—47 gelten aber auch für handelgewerbebetreibendeStaatsanstalten.
Arten von Kaufleuten.
8- 12.
77
ohne Bedeutung; die unverheiratete Frau (auch die Witwe
wie die Braut)
steht
handelsrechtlich dem Manne voll-
kommm gleich. Es ist dies das Resultat einer jahrhunderte-
langm Entwickelung, während welcher die Frau die Ge schlechtsvormundschaft abstreiste, nachdem sie schon durch das
Zunftrecht —
in
beschränktem
Maße wenigstms — zu
einzelnen Gewerbebetrieben zugelassen worden war. *) Von Einfluß
aber ist — auch handelsrechtlich — und
zwar auch nach dem neuesten Handelsrechte, die Ehe: die
verheiratete Frau,
die ja als
Gattin
oder Mutter
oder in beiden Eigenschaften besondere Pflichten gegmüber
ihrer Familie zu übernehmen hat und erfüllen muß, wenn das Familienleben nicht leiben soll, ist insofern gebunden, als
ihr der Ehemann den Betrieb eines Handelsgewerbes
untersagen kann; er kann dies entweder deshalb, weil durch einen solchen Betrieb das gemeinschaftliche eheliche Lebm
berührt
wird
und somit eine derjenigen Angelegenheiten
vorliegt, in denen dem Manne die Entscheidung zusteht, *) oder aus dem Grunde, weil der konkrete Handelsgewerbe
betrieb nach Lage der Sache die Frau hindem würde, ihrer Pflicht
zur Leitung des gemeinschaftlichen Hauswesens8)
nachzukommen oder auch ihrer etwaigm Pflicht, im Haus wesen oder im Geschäft des Mannes4) zu arbeiten, entgegen stände.
Macht der Ehemann von der Befugnis, der Frau den
Betrieb eines Handelsgewerbes zu untersagen, Gebrauch, und
zwar ohne daß in diesem Verbot ein Mißbrauch seines Rechts läge,6) so bewirkt ein solches Verbot zunächst nur die Ver' Beseler, Deutsch. PrivatR. j. 129 548. Dahn-Blunschli DPrivatR. §. 40 S. 94. - BGB. §. 1354.
8 BGB. §. 1356 Abs. 1. 4 BGB. §. 1356 Abs. 2. 8 Worüber nötigenfalls das Gericht entscheiden würde.
Kap. II.
78
Die Personen im Handelsrecht.
pflichtung der Frau, sich dieser Entscheidung zu fügen und
den Handelsbetrieb aufzugeben oder zu unterlaffen, — nach außen zu aber, Dritten gegenüber,
zunächst keine Wirkung:
hat ein solches Verbot
wenn die Ehefrau
trotz jener
privaten Untersagung ein Handelsgewerbe betreibt, so gilt (Dritten gegenüber) des Mannes Einwilligung als erteilt
und es ist die Zustimmung des Mannes, welche sonst stets zu Verfügungen der Frau über das Ehegut wie zu allen
einzelnm Rechtsgeschäften der Frau — abgesehen von den Fällen der Gütertrennung, des
Bethätigung
zu
solchen
Vorbehaltsguts und
der Schlüsselgewalt')
Rechtsgeschäften
—
nicht
der
erforderlich ist/)
erforderlich,
die
der
Geschäftsbetrieb mit sich bringt; dies gilt nicht bloß vom Betriebe eines Handelsgewerbes, sondern vom selbständigen
Betriebe eines jeden Erwerbsgeschäfts überhaupt, welches von einer Ehefrau unternommen wird.")
männische
Einwilligung erteilt
oder
Ist
die ehe-
gilt sie als erteilt,
so tonnen die Gläubiger der Frau sich nicht bloß an das Vorbehaltsgut oder getrennte Vermögen der Frau halten (persönliche Haftung der Frau), sondern auch an das von
der Frau
eingebrachte
gemeinschaft
besteht,
Vermögen/) auch
an das
und
wenn
Güter
Gesamtgut.")
Die
ehemännische Einwilligung gilt — nach außen zu — immer
* BGV. §§. 1356, 1357. 2 BGB. SS. 1395-1399, 1405, 1412, 1442, 1443, 1452, 1459-1462, 1530-1533, 1549. • Das erwähnte Genehmiaunasprinzip des §. 1405 des BGB. ist eine Berallgemeinc-
rung des im Art. 7 des HGB. von 1861 für den Handelsge» werbcbetrieb allein ausgespro chenen Gedankens. * BGB. §. 1363. 15 BGB. §§ 1438, 1452.
Arten von Kaufleuten.
§. 12.
79
als erteilt, wenn die Frau thatsächlich ein Gewerbe selb
ständig betreibt
und im Güterrechtsregister *l)
nicht ein
Einspruch des Mannes oder der Widerruf seiner Einwilli gung eingetragen ist.2) Betreibt die Ehefrau ein Handels
gewerbe, obgleich der Mann ihr dieses nicht bloß privatim untersagt hat, sondern dieses Verbot auch in das Güter rechtsregister eingetragen worden ist, so hastet die Frau zu nächst vermöge der ihr zustehenden unbeschränkten Handels
freiheit und Geschäftsfähigkeit ihrm Gläubigem volflommen mit ihrem etwaigm getrennten Vermögen und mit ihrem
etwaigm Vorbehaltsgute, zu welch' letzterem auch das durch
einen selbstständigm Erwerbsgeschäftsbetrieb von der Frau Erworbme gehört;8) der Mann aber kann, sofern die Vor aussetzungen hiezu*) vorliegen, das ihm eingeräumte KündigungSrecht ausüben und damit vielleicht thatsächlich schon
die Bemdigung des Geschäftsbetriebs herbeiführen, z. B. wenn die Frau wider seinen Willen eine Handlungsagentur8) übemahm.
Auf leinen Fall
jedoch sind,
solange des
Mannes Einspruch im Güterrechtsregister eingetragen ist, die Gläubiger der Frau berechtigt, die Nutznießung und Verwaltung zu beeinträchtigen, welche dem Manne am ein« gebrachten Gute6) gesetzlich zustehen.
Betreibt eine Eheftau
ein Handelsgewerbe an einem anderm Ort als an dem Wohnsitze des Mannes und hat der Ehemann sein Verbot
zwar in das Güterrechtsregister seines Wohnsitzes, nicht aber in das des Ortes der Handelsniederlassung der Frau eintragen lassen, so haftet den Handelsgläubigem der Frau trotz jenes 1 BGB. §§. 1558 ff. 1 BGB. §§. 1405, 1435. » BGB. §. 1367.
4 BGB. §. 1358. 8 HGB. §. 84. * BGB. §. 1363.
Die Personen im Handelsrecht.
80
Kap. 1L
Eintrags
das eingebrachte Gut; die Eintragung des ehe-
männischen Widerspruchs hätte, um dem Zugriffe der Handels gläubiger der Frau das eingebrachte Vermögen zu entziehen, auch in das Güterrechtsregister des für den Ort der Handels-
niederlaffung zuständigen Gerichts bewirkt werden müffen.x) V.
Das Lebensalter begründet Unterschiede, welche
nach dem bürgerlichen Rechte auch in Bezug auf die Rechts
stellung
Personen
handeltreibender
von
Bedeutung sind.
Es sind in dieser Beziehung vier verschiedene Verhältnisse
zu unterscheiden: 1.
Ein Kind (d. i. ein Mensch unter 7 Jahren) be Dies ist insofern möglich, als
treibt ein Handelsgewerbe.
ja zum Begriff des Betreibens (eines Gewerbes als Kauf
mann) nichts anderes als das Geben des Namens gehört
(s. oben S. 65); aber da das Kind vollkommen geschäfts unfähig ist, kann es weder das Handelsgewerbe (das „Ge
schäft" im Sinne der Handelssiedlung) begründen, noch eine einzelne Geschäftshandlung (Willenserklärung) vornehmen,1 2)3 sondern wird in
einem wie im anderm Falle vollständig
vertreten durch seinen gesetzlichen
Mutter, Vormund) ;^) dem Kindes
gebührt
der
sich
jährliche Reingewinn,4)
aus
dem
sofern das
1 Art. 4 des EinfG. zum HGB. 3 BGB. §§. 104, 105. 8 BGB. §§. 164, 1630, 1686 (s. aber 1696, 1707), 1793; zur Begründung eines neuen Erwerbsgeschästs, nicht aber zur Auslösung eines solchen für das Kind bedarf der Vater (bezw. die Mutter) der Genehmigung
Vertreter (Vater,
Vater bezw. der Mutter des
Betriebe Geschäft
ergebende nicht kraft
des Vormundschastsgerichts (Ord nungsvorschrift), der Vormund bedarf dieser in beiden Fällen. S. BGB. §§. 1645, 1823. 4 BGB. §§. 1655, 1686. Ergiebt sich in einem Jahre ein Verlust, so verbleibt der Ge winn späterer Jahre bis zur Deckung des Verlustes dem Kinde.
Arten von Kaufleuten.
§. 12.
81
anderer Bestimmung zum freien Vermögen gehört;') der gesetzliche Vertreter des — als Kaufmann, Geschäftsinhaber zweifellos geltenden — Kindes muß bei der ihm himach allein zustehenden Leitung (Oberleitung) des Handelsunter nehmens die ihm durch das bürgerliche Recht auferlegten Pflichten erfüllen.2) 2. Ein Minderjähriger (im engerm Sinne ein Mensch, der das siebente Lebmsjahr, aber noch nicht das einundzwanzigste vollmdet hat) „betreibt" möglicherweise ein Handelsgewerbe genau ebenso wie ein Kind, d. h. also nur dem Namm nach,2) nicht selbständig, nicht mit Ab geben eigener Willenserklärungen; in diesem Falle liegt die Sache ebmso wie im »origen (unter 1), die Rechtsgeschäfte des Handelsverkehrs werdm dann durch den gesetzlichen Vertreter (oder die von diesem angenommenen Vertreter) vorgenommen, und die unter Umständm erforderliche Ge nehmigung des Vormundschaftsgerichts, Gegmvormundes oder Beistandes ist dann ebenso wie im ersten Falle ein zuholen. Nur die Eigmtümlichkeit besteht hier im Unter schiede vom ersten Falle, daß, wenn der Minderjährige bereits das achtzehnte Lebmsjahr vollmdet hat, das Vor mundschaftsgericht ihn in bestimmten Fällm gutachtlich hören soll/) so vor der Entscheidung über die Gmehmigung des Beginns oder der Auflösung eines Erwerbs geschäfts, also z. B. auch einer Handelsniederlassung. 3. Ein Minderjähriger (im engerm Sinne also 7—21 Jahre alt) betreibt möglicherweise ein Handels8 S.obenZ.N S.64fs.(Begriff ' BGB. §§. 1650, 1651. 3 BGB. 8ß. 1643,1821,1822, des Kaufmanns). 1812, 1825, 1852 u. a. 4 BGB. §. 1827 Abs. 2. GareiS, Handelsrecht. 6. Aufl.
82
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
gerverbe „selbständig", d. h. nicht bloß dem Namen nach, wie'es zum handelsgesetzlichen Begriff des Kaufmanns gehört, sondern unter eigenem geschäftlichthätigen Eingreifen; hiezu bedarf er aber nicht bloß der Ermächtigung seitens eines gesetzlichen Vertreters/) sondern auch der Genehmi gung seitens des Vormundschaftsgerichts/) dann aber ist er auch unbeschränkt geschäfts- (und prozeß-)fähig für alle diejenigen Rechtsgeschäfte, welche der Geschäftsbetrieb mit fich bringt, ausgenommen diejenigm Rechtsgeschäfte, zu dmen selbst der gesetzliche Vertreter der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf/) der in manchen mittel alterlichen Rechten zum Ausdruck gelangte Grundsatz: „Handel macht mündig" gilt also nur mit zwei Einschrän kungen und immer nur unter der Voraussetzung der er wähnten Ermächtigungen;4) aber das Resultat des so vom Minderjährigen betriebenen Handelsgewerbes unterliegt nicht der elterlichen Nutznießung, denn was das Kind durch seine Arbeit oder durch den ihm ausdrücklich^) gestatteten selb ständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts erwirbt, gehört zum freien Vermögen des Kindes.
1 BGB. §. 112 Abs. 1. Zu rückgenommen kann die Ermäch tigung nur mit Genehmigung des Bormundschaftsgerichts wer den. BGB. §. 112 Abs. 2. 8 Ohne diese Genehmigung und jene Ermächtigung kann ein ! Minoer)ühriger nicht Kaufmann sein und darf, selbst wenn er thatsächlich ein Handclsgewerbe beginnt, weder vom Register
gericht, noch von einem andern Gerichte als Kaufmann behan delt, mit den Standesvorrechten eines solchen ausgestattet oder mit Standespflichten belastet werden. Vgl. Co sack Lehrbuch S. 57. 8 BGB. §§. 112, 1814 ff. 4 Vgl.CosackLehrbuchS.56. 6 BGB. §. 112 mit §. 1651.
Arten von Kaufleuten,
4.
§. 12.
83
Ein Minderjähriger ist möglicherweise zwar Kauf
mann in dem an zweiter Stelle erörterten Sinne, also nur
dem Namen nach und ohne die Ermächtigung zum selb ständigen Betriebe eines Handelsgewerbes, aber er nimmt
dann und wann eine einzelne Rechtshandlung vor, welche
im Betriebe des Gewerbes liegt oder liegen kann, — dann
ist eine solche nur wirksam, wenn: a) entweder die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
zu der einzelnen Willenserklärung') spyiell gegeben ist, b) oder nachträglich, aber rechtzeitig die Genehmigung,
sei es vom gesetzlichen Vertreter, sei es vom unbeschränkt geschäftsfähig gewordenen Minderjährigen, erklärt wird,
c)
oder wenn der Minderjährige die vertragsmäßige
Leistung mit Mitteln bewirkt, welche ihm zu diesem Zwecke oder zur freien Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen
Zustimmung von einem Dritten überlassen wordm sind.') Durch dm einem Minderjährigen von seinem gesetzlichm Vertreter gestattetm Eintritt in dm Dimst eines Kaufmanns
wird der Minderjährige nicht selbst Kaufmann, da letzteres nur der ein eigenes Gewerbe Betreibmde sein kann (f. obm
8 11 I S. 64 f.).
Ist ein Minderjähriger für volljährig erklärt, so erlangt er auch in handelsrechtlicher Beziehung die rechtliche Stel lung eines Volljährigen.')
1 ES wäre denn, daß durch jene WillenShandluNg lediglich ein rechtlicher Borteil erlangt
wird, s. BGB. §. 107. 1 BGB. §. HO. 8 BGB. §§. 2-5.
84
Kap. IL Die Personen im Handelsrecht.
B. Die PersöulichkeitSrechte im Handelsrecht.
§. 13. Von den haudelsrechtticherr persöulichkeltsrechteu im allgemeinen.
Ebenso wie im System des Privatrechts überhaupt müssen auch in dem des Handelsrechts jene Rechte (im subjektiven Sinne) unterschieden und besonders hervor gehoben roerben, deren Gegenstand das Interesse an der eigenen Person, nämlich an der privatrechtlichen Geltend machung und Bethätigung als Person ist, wobei letztere selbst hier als Subjekt vorausgesetzt*) und das Persönliche zum Gegenstand der Betrachtung als Bestandteil des objektiven Thatbestandes der Rechtsverhältnisse gemacht wird; insoweit zum Wesen einer bürgerlich-rechtlichen Be fugnis die rechtliche Garantie einer Herrschaft gehört, ist eine solche auch hier vorhanden, nämlich die durch das positive Handels- oder allgemeine bürgerliche Recht gewähr leistete Herrschaft über ein Stück der eigenen Persönlichkeits sphäre, d. h. über die Bethätigung des Individuums auf dem Felde des Handels als lebendiges Eigenwesen, das „sich zur Geltung bringen" mit der vom objektiven Recht anerkannten Persönlichkeit. Bon diesem handelsrechtlichen Persönlichkeitsrechte gilt zunächst und im allgemeinen alles das, was von dm Persönlichkeitsrechten (Individualitäts rechten) überhaupt gilt?) Insbesondere ist auch hier die 1 Da die Existenz der Person als Subjekt hier vorausgesetzt wird, gehört die Lehre von der Entstehung der juristischen Personen des Handelsrechts nicht
hieher; hievon handeln die 88. 23, 24. 1 über diese s. GareiS, Grundriß zu Vorlesungen über das deutsche bürgerliche Recht
Von d. Handelsrecht!. Persönlichkeitsrcchten i. allgem. §. 13. 85
Anerkmnung dieser Rechte durch das positive Recht in den drei bekannten Richtungen geschaffen, nämlich:
a. in der positiv-rechtlichen Anordnung von Maßnahmen, welche zur Feststellung, Konstatierung oder gar Konstituierung
des Rechts, mittelbar dabei wohl auch zum präventiven
Schutze desselben dienen (z. B. Firmenregister, Zeichmrolle u. dgl.); b. in der Gewähmng des Schutzes dieser Rechte im
bedrohten oder verletzten Zustande, nämlich in der Androhung von Strafen für diese Fälle und in der Statuierung
der Pflicht zur Entschädigung oder der Bußeleistung, sowie
auch in der Zulassung der ausnahmsweisen Selbsthilfe zu deren Schutz in den Fällen der Notwehr und des Not standes; endlich
c. in
der Anerkennung von Rechtsgeschäften über dm
Inhalt dieser Rechte oder eines Teils derselben, Negocia-
bilität, Übertragbarkeit, Vererblichkeit und Einschränkbarkeit derselben. zelnen
Arten
In allm diesen Beziehungen sind die ein dieser Rechte
auch
im Handelsrecht nicht
gleich gestaltet, wie auch hier das Verhältnis der Entfaltung eines vermögensrechtlichm Inhalts zu dem stets vorhandmen personmrechtlichm Kerner) bei dm einzelnen Gruppm ein
verschiedmes ist, — all dies wird durch die folgende Einzel
betrachtung dieser handelsrechtlichm Persönlichkeitsrechte im einzelnen nachgewiesm.
(Gießen 1877) §§.40ff.; derselbe, in»«. 35 S. 196 ff.; Gareis, Rechts-Encyklop. §§. 20ff. — Gierke, PrivatR. §§. 81 ff.
und die dort sorgfältig an gegebene Litteratur. 1 Gierke PrivatR. S. 706.
86
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
Die handelsrechtlichen Persönlichkeitsrechte im einzelnen.
§. 14. 1. 8m Recht der kaufmännischen Bethätigung Im allgemeinen. Das Recht kaufmännischer Bethätigung zeigt sich als
Recht, einzelne Handelsgeschäfte in dem oben (§. 6 Seite 43, auch §. 9 Seite 59) erörterten Sinne abzuschließen, und als Recht, ein Handelsgewerbe zu betreiben, und in beiden
Richtungen
ist
es
nichts
anderes,
als
das
allgemeine
Persönlichkeitsrecht der Bethätigung; *) es steht daher unter
beit allgemeinen Regeln und Voraussetzungen dieses letzteren überhaupt?) Das Recht, ein einzelnes Handelsgeschäft abzuschließen
— also ein Geschäft, welches, wenn es den Gegenstand
eines Gewerbebetriebes bilden würde, dieses zum Handels gewerbe machen würde, oder ein Geschäft, welches dadurch zum Handelsgeschäft wird, daß es von einem Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbs abgeschlossen wird oder
zu diesem gehört, — das Recht, ein solches Geschäft als vereinzeltes abzuschließen, steht jedermann, der sich durch
Verträge überhaupt verpflichten kann, unbeschränkt zu.
Aber
auch das Recht, ein Handelsgewerbe zu betreiben, steht
heutzutage,
im Gegensatz
zur früheren Gebundenheit
an
die Jnnungsmitgliedschaft (Zunftzwang), prinzipiell jeder
mann zu, insoweit die Gewerbefreiheit, welche, wie jedes Gewerberecht, auch die Konzession und das Monopol, un
zweifelhaft auch eine privatrechtliche Seite hat, nämlich die 1 Gareis, Grundriß §. 41.1 8 Diese s. bei G i c r k ePrivatR. Gierke, PrivatR. 82V S. 713. | n. a. O.
Das Recht der kaufmänn. Bethätigung im allgem. §. 14. 87 Anerkennung des Bethätigungsrechts als subjektives Privatrecht,') zu Recht besteht und maßgebend ist. Einschränkungen dieses Rechts sind teils durch
liches
teils
Recht,
durch Privatrecht
öffent
geschaffen worden;
durch Normen des öffentlichen Rechts vor allem, insofern
der Betrieb gewiffer Artm von Gewerben, zu denen auch
einige Zweige des Handels gehören, von einer ausdrück ist,2)
stimmten als
abhängig
obrigkeitlichen Genehmigung (Konzession)
lichen gemacht
deren Versagung
gesetzlichen
Gründen
zum Teil nur aus be verfügt
werden
fonn;8 * )S. * *
öffentlich - rechtlich muß auch bezeichnet werden, daß
dm Angehörigen
einiger
Militärpersonen
der Betrieb
von
nach Reichsrecht:
den
Berufsstände
Handelsgewerben untersagt ist,
so
des Friedensstandes und den in Dimst-
gebäuden bei ihnm wohnendm Hausgmoffm, vorbehaltlich der Erlaubnis der Vorgesetzten,8) sowie den Reichsbeamten;8)
öffmtlich rechtlich ist auch, daß einzelnen Personm durch
Strafurteil
oder infolge
eines
solchm
untersagt
wird,
gewisse Gewerbe, z. B. das Trödlergewerbe, zu betreibm.8)
Zu beit vom öffentlichen Recht ausgehendm, weil wegm des öffentlichm Interesses aufgestelltm, Beschränkungen muß
auch
die
Vorschrift
des
Reichs-Bankgesetzes
zugerechnet
werdm, durch welche solchen Bankm, welche Roten aus geben,
der
Abschluß
einer Reihe von Handelsgeschäften
1 Hierüber s.Gierke PrivatR. S. 260, 713—716; Rehm, die rechtliche Natur der GewerbsKonzession 1889 S. 22 ff.; Joh. Biermann, Privatrecht und Polizei (Berlin 1897)6.30 ff. u. die dort angegebene Litteratur.
1 33, • 4 6 •
GewerbeOrd. §§. 16,29,31, 43, 44, 55-64 u. a. GewerbeOrd. §. 57. Reichs-MilitärG. §. 43. ReichsbcamtenG. §. 16. GewerbeOrd. §. 35.
untersagt *) oder nur innerhalb bestimmter Grenzm gestattet ist?) Die Überttetung einer dieser oder anderer öffentlichrechtlicher Einschränkungen hat weder die Ungültigkeit des abgeschlosienen Geschäfts?) noch die Aufhebung seiner etwa vorhandenen Eigenschaft als Handelsgeschäft zur Folge, jene öffentlich-rechtlichen Verbote sind also privattechtlich in der Regel wirkungslos. Anders verhält es sich mit den privat- (nämlich Handels-) rechtlichen Einschränkungen des Grundrechts auf kaufmännische Bethätigung; es giebt fünf Gruppen von Einschränkungen, die kraft Gesetz bestehen: 1. Das strenge Verbot des Handelsbetriebs: Handlungsgehülfen*) und Mitglieder des Vor stands einer Aktiengesellschaft8) dürfen ohne Ein willigung^) des Prinzipals, letzterenfalls der Gesellschaft, weder ein materielles, noch ein formelles Handelsgewerbe betteiben (Gewerbeverbot), noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen?) Was unter Handelsgewerbe zu denken ist, ergiebt sich aus den Erörterungen über die Systematik der Handelssachen (oben §. 8);8) in einem bestimmten Handels zweige (nämlich dem des Prinzipals) „Geschäfte machen" 1 BankG. §§. 5, 7, 42. 2 BankG. §§. 13, 43, 44. 3 Dies ist auch angesichts des BGB.. §. 134 zu sagen. 4 Uber diesen Begriff s. unten §. 21. Darauf, ob tuest Personen jum Abschluß vonRechtsgeschäften für ihren Prinzipal bevoll mächtigt sind, kommt es hier nicht an. * Hierüber s. unten §. 33.
8 Diese, sowie die nachstehend unter Nr. 2—4 aufgezählten Einschränkungen können mrthin durch Privatvertrag aufgehoben werden, ebenso die unter Nr. 6, nicht aber,. die unter Nr. 5 er wähnte. Über den Begriff Ein willigung s. BGB §§. 182-184. 7 HGB. §§. 60, 236. 8 HGB. §§. 1, 2.
Das Recht der kaufmänn. Bethätigung im allgem. 8* 14*
89
bedeutet ein Mittelding zwischen einem Handelsgewerbe betriebe einerseits und der Vornahme eines einzelnen Handelsgeschäfts andererseits, es ist mehr als dies, aber weniger als jenes j1)* * ob * * *das * „Geschäfte machen" im Handelszweige des Prinzipals gelegen und daher als verboten anzusehen ist, muß als Thatfrage behandelt und unter Zugrundelegung der im Handelsverkehr geltenden Anschauungen, Gewohnheiten und Gebräuche beantwortet werden?) Die zur Beseitigung dieser Einschränkung erforderliche Einwilligung des Prinzipals, welcher, sofern er eine Aktien gesellschaft ist und es sich um die Ermächtigung von Vorstandsmitgliedern zum eigenen Handelsgewerbebetriebe handelt, hier durch das den Vorstand bestellende Organ vertreten rottb,8) kann auch stillschweigend erteilt werden, und sie gilt gewerbetreibenden*) Handlungsgehülfen gegenüber als 1 Das Verbot des „Geschäftemachens*, wie es in den §§. 60, 236 enthalten ist, ist also weniger »als das des Art. 59 deS . v. 1861, welches an sich schon jeden gelegentlichen, dem Handelszweige oes Prinzipals fremden Ankauf eines Gegen standes zum Zwecke der Weiter veräußerung verbot (s. G a r e i s, HGB. Anm. 3 zu §. 60), während jetzt neben dem Betrieb eines beliebigen, aber wirklichen Handelsgewerbes jenen Personen nur das eigentliche Spekulieren, das mit einer gewissen Kon sequenz betriebene, untersagt ist, und zwar nur im Handelszweige des Prinzipals.
2 HGB. §. 346. Es ist dabei nicht bloß die Zusammenstellung der Geschäfte im HGB. §. 1, sondern jedenfalls vor allem die Verschiedenheit der Waren zu erwägen; s. Gareis HGB. S. 74. 8 HGB. §. 236 Abs. 1 Sah 2. 4 Eigene »Geschäfte zu machen* ohne besonderen Gewerbebetrieb kann der Principal dem Gehülfen wie ausdrücklich so auch still schweigend gestatten; die Ver mutung des Abs. 2 deS §. 60 bezieht' sich jedoch darauf nicht. S. Gareis HGB. Anm. 6 zu §. 60.
90
Kap. n.
Die Personen im Handelsrecht,
erteilt, wenn dem Prinzipal bei der Anstellung des Ge-
hülfm bekannt war, daß er ein Gewerbe betreibt, und der Prinzipal das Fallmlaffen jenes Betriebs nicht ausdrück lich
vereinbart
hat?)
Wird
das
strenge Verbot des
Handelsbetriebs verletzt, so kann der Prinzipal Schadmsersatz fordern oder statt bessen verlangen,
daß der dem
Verbot zuwider Handelnde die für eigene Rechnung ge machten Geschäfte als für seine, des Prinzipals, Rechnung
eingegangen gelten lasse und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogme Vergütung herausgebe oder feinen An
spruch auf die Vergütung abtrete: diese Ansprüche verjähren
in drei Monaten von der Kenntnisnahme des Prinzipals (bezw. der zuständigen Gesellschaftsorgane) an, spätestens
aber
absolut in fünf Jahren?)
Dieses strenge Verbot
des Handelsbetriebes bindet auch die Stellvertreter
von Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft, nicht aber die Aufsichtsratsmitglieder, welche nur für einen im voraus begrenztm Zeitraum als Stellvertreter behinderter
Vorstandsmitglieder fungieren, noch auch die Liquidatoren einer Aktiengesellschaft?) 2. Das einfache Konkurrenzverbot.
Dieses
trifft, abgesehen davon, daß es die vorerwähnten (unter 1) Personen
—
Handlungsgehülfen und
Aktiengesellschafts
vorstände — neben dem Gewerbeverbote (s. oben) trifft,
nur die Mitglieder einer offenen Handelsgesellschaft und 1 Vereinbart, nicht etwa nur einseitig zu verbieten gesucht hat; s. Garels HGB. Anm. 7 zu §. 60. » HGB. §§. 61, 236 Ms. 2 mit den Anm. hiezu bei Gareis
HGBÜber das Eintreten des Prinzipals s. Gar eis, Die Verträge zu Gunsten Dritter (1873) S. 19-22. 3 HGB. §§. 242 , 248 , 298.
DaS Recht der kaufmänn. Bethätigung im allgem. §. 14. 91
die persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommandit gesellschaft, mag diese mit oder ohne Aktienausgabe er richtet sein;') die Reaktion gegen eine Überschreitung dieses Verbots richtet sich nach analogm Gmndsätzen, wie die gegen die Verletzung des Gewerbeverbots (s. oben unter 1), ebenso auch der Verbotserlaß und die Verjährung; eigenartig ist aber hier, daß die Geltendmachung der Reaktionsansprüche gegen das rechtswidrig konkurrierende Mitglied nur auf Beschluß der übrigen Gesellschafter und unbeschadet des Rechts, die Auflösung der Gesellschaft wegm jener verbotenen Konkurrenz zu verlangens) eintritt. 3. Das Verbot konkurrierender Vergesell schaftung: Mitglieder einer offenen Handelsgesellschaft, persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (auf oder ohne Aktien), sowie Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft dürfen ohne Einwilligung der übrigen Mitglieder (bezw. im letzteren Falle: der Gesellschaft) nicht einer anderm Handelsgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafter angehörm; dieses Verbot bezieht sich bei offenen Handels-, sowie bei Kommanditgesellschaften nur auf die Teilnahme an einer anderen gleichartigen Gesellschaft, d. h. einer Gesellschaft, welche der gleichen Unternehmung, demselben merkantilen Zwecke bient, wie die auf dem Ver bote bestehende. In Bezug auf Verbotserlaß und Er hebung der Reaktionsansprüche und deren Verjähmng gilt analog das oben (unter 1 und bezw. 2) Gesagte. ' HGB. §§. 112, 113, 161 Abs. 2 , 326. Kommanditisten (|. unten §§. 80, 37) alS solche
unterliegen dem Konkurrenzver bote nicht; s. HGB. §. 165. 8 HGB. §. 183, |. aber auch §. 140.
Kap. II. Die Personen im Handelsrecht.
92
4. Dem Schiffer (Schiffsführer) ist gesetzlich »erboten, ohne Einwilligung
seines
für eigene
Reeders
Rechnung
Güter zu verladen, widrigenfalls er dem letzteren die höchste am Abladungsorte zur Abladungszeit für solche Reisen und und
Güter bedungene Fracht zu erstatten hat, unbeschadet
des Anspruchs auf höheren Schadensersatz?)
5. Den Gewerbebetreibenden ist gesetzlich verboten, mit ihrm Arbeitern, dmen sie prinzipiell die Löhne in Reichswährung zu berechnen und bar auszuzahlen haben, Warenkreditierungs-
verträge abzuschließen, und somit, da diese Berträge mög licherweise Handelsgeschäfte wären, in einer gereiften Rich tung die kaufmännische Bethätigungsfreiheit beschränkt, und
zwar bei Vermeidung der Nichtigkeit solcher Verträge?) 6. Außer biefen verschiedenen kraft des Gesetzes be stehenden
Einschränkungen
können
mit
privatrechtlicher
Wirksamkeit noch andere Einschränkungen gedacht werden,
nämlich solche, welche durch Vertrag der Beteiligten aus gestellt re erben; ein solcher Vertrag ist im allgemeinen bis an die durch die guten Sitten gezogene Grenze wirksam; für einen bestimmten Fall jedoch zieht der Gesetzgeber die
Grenze schärfer, nämlich für den Fall, daß ein Prinzipal
mit
einem
Handlungsgehülfen
eine Vereinbarung
trifft,
durch welche der letztere für die Zeit nach der Beendigung des
Dienstverhältniffes
in
seiner
gewerblichen Thätigkeit
beschränkt wird; eine solche Verabredung ist nämlich für den
Handlungsgehülfen nur insoweit verbindlich, als die Be
schränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Erschwerung des Fort-
1 HGB. §. 544. 2 GewerbeOrd. §§. 115—119 b.
DaS Recht der kaufmänn. Bethätigung im allgem. §. 14. 93 kommens des Handlungsgehilfen ausgeschloffm wird (Ein schränkung der sog. Konkurrenzklausel); als unbillig faßt das Gesetz ausdrücklich vor allem1) eine Beschränkung auf, welche auf einen Zeitraum von mehr als drei Jahren von der Beendigung des Dienstverhältnisses an erstreckt roirb;2) auch abgesehen hievon unterliegt eine solche Vereinbarung gesetzlich mehreren Erschwerungen im Interesse des wirtschaftlich schwächeren Handlungsgehülfen: sie ist nichtig, wenn sie der letztere minderjährig abschließt;s) sie bindet den Gehülfen ferner nicht, wenn ihm der Prin zipal durch vertragswidriges Verhalten Anlaß giebt, aus einem gesetzlichen Grunde das Dienstverhältnis sofort4) zu lösen, oder wmn der Prinzipal das Dienstverhältnis kündigt, ohne daß für die Kündigung ein erheblicher Anlaß vorliegt, den er nicht verschuldet hat, und ohne daß dem Handlungsgehülfen während der Dauer der Freiheits beschränkung das zuletzt von ihm bezogene Gehalt fort gezahlt wird. Ist jene Vereinbarung auf die Leistung einer Strafe zugespitzt, und tritt der Fall ein, daß diese Strafe in der That vom gewesenen Handlungsgehülfen be zahlt werden muß, so hat es hiebei sein Bewenden, und es kann der Gläubiger weder die Erfüllung der Verein barung neben der Strafe, noch einen über diese hinaus1 Welche Anhaltspunkte sonst dem Richter bei Ermessen, ob die Klausel Billiges oder Un billiges verlange, dienen, s. Gareis HGB. S. 84—85, Anm. 1 zu §. 74. 8 HGB. §. 74 Abs. 1 u. 2; Analoges gilt nun auch für Gewerbegehülsen nach GewerbeOrd.
§. 133 f., gemäß EinfG. zu HGB. Art. 9 II. 8 HGB. §. 74 Abs. 3, auch dies ins Gewerberecht über nommen ; s. vorige Anm. GewerbeOrdnung §. 13a f. Abs. 2. * Gemäß HGB. §§. 70, 71, auch §. 75.
94
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
gehenden Schadmsersatz t)erlangen;l) ist die für ben Fall des Bruchs der Klausel vom Handlungsgehülfen versprochene
Strafe unverhältnismäßig
hoch,
so kann sie auf seinen
Antrag vom Richter auf einen angemessenen Betrag herab
gesetzt werden?) Dem Persönlichkeitsrechte auf kaufmännische Bethätigung im allgemeinen haften die besonderen
Befugnisse des Kauf
manns als solchen, sowie seine besonderen Standespflichten
eh.
Hiervon oben §. 11 II. Seite 66 f.
§. 15. 8. Pas Recht auf einen individuell gestalteten Sewerdebetried und an diesem. (Recht der HandelSniederlaflung.)
I.
In
einer
besonderen
Richtung
weiter entwickelt
gestaltet sich das Recht der kaufmännischen Bethätigung zu
dem Rechte auf einen individuell gestalteten Gewerbebetrieb und, sofern er geschaffen ist, an diesem.
Bethätigung
Dmn durch die
der körperlichen und geistigen Kräfte in einer
bestimmten Weise schafft der Kaufmann eine Verbindung
von
wirtschaftlichen
Elementen,
welche
zu einer eigen
artigen, zunächst von seiner Persönlichkeit ausgehenden und von ihm getragenen Unternehmung wird und als solche — äußerlich wenigstens — ein objektives Dasein führt. „Indem vermöge der thatsächlichen Verknüpfung von geschäftlichen
Beziehungen, Kundschaft, Ruf und Vertrauen mit einem
bestimmten Betriebe und seinen materiellen Unterlagen ein
gewerbliches Unternehmen sich zu einem individualisierten 1 Abweichendes bestimmt BGB. §. 340. » Nach HGB. §. 75 Abs. 2
l. Sah hat BGB. §. 343, nicht HGB. §. 348 Anwendung zu sinden.
Das Recht a. einen individ. gestaltet. Gewerbebetr. §. 15.
95
Inbegriff ständiger Lebensverhältnisse verfestigt, besitzt darin
sein
werthvolle
(Gierke)?) er
oder
Schöpfer
nomisch
eine
Rechtsnachfolger
fernerer
öko
Erwerbsthätigkeit
Dies
gilt ganz besonders vom Kaufmann;
und
besitzt in seiner „Handelsnieder
schafft sich
lassung",
dessen
Grundlage
dem
(mitunter
Etablissement
auch
„Handelsgeschäft" oder geradezu „Geschäft" genannt) einen solchen Inbegriff
und
von ständigen Lebensverhältniffm,
man versteht darunter
das
reale Substrat
seines
kauf
männischen Geschäftsbetriebs, den „Komplex aller zu einem
kommerziellen
bestimmten
Zwecke
ver
eine Zusammenfaffung
von
oder
Produktionsmittel",
einigten
industriellen
Sachen (eine Universitas bonorum, wie die altrömische taberna), von Kräften, Beziehungen (barunter auch z. B.
die Kundschaft, chalandise), Forderungen und Schulden. Die Frage, welche dieser Dinge zur Errichtung oder zum Bestände eines Etabliffements gehören, ist nicht allgemein,
sondern
nur
merkantile beantworten.
mit Rücksicht
oder
industrielle
wickelt, und
die
Absicht
einzeln
und
vorliegmde
Sachlage
Auch die Eigenart oder Besonderheit,
Individualisierung, mehr, bald
auf
kann
möglicherweise
der Verwendung
sein,
ist
bald
nicht selten stark
ent
verschieden
weniger ausgeprägt,
zu
die
schon wegm
des
sie
Vorhandenseins
oder Ausübung von
eigenartigen
Rechten, wie z. B. von Monopol- und Banmechten, oder
von ausschließlichen Aneignungsrechten oder von Urheber-
rechten/) im konkreten Unternehmen;^) aber sie ist, auch 1 Deutsches Privatrecht I S. 713. 1 Über all dies s. Gierke PrivatR. S. 715—717.
8 Man denke daran, welche hochgradige Individualisierung eine Buchhandlung durch den Berlag der Werke bestimmter
96
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
abgesehen hievon, bei jedem Handelsunternehmen, das unter einer bestimmten Firma betrieben wird, wenigstens bis zu einem gewissen Grade faßbar vorhanden. Von juristischer Bedeutung ist der Ort der Handelsniederlassung — hauptsächlich wegen des Gerichtsstandes — und der Umfang derselben — hauptsächlich wegen der Möglichkeit des Rechtsübergangs der Handelsniederlassung als solcher, n. Als Ort des Etablissements, keineswegs immer mit dem Wohnsitz des das Handelsgewerbe Betreibenden zu sammenfallend, ist der Platz anzunehmen, von welchem aus die kaufmännische Leitung des Handelsgewerbes thatsächlich, nicht bloß der Idee nach, sondern praktisch wirksamerfolgt; es ist dies möglicherweise der Sitz des Kontors, der Sitz der Kasse, nicht gerade der Ort der Warenmagazine oder der Fabrikanlage. Ein Kaufmann besitzt möglicherweise mehrere Etablissements zugleich, welche in verschiedenen Ver hältnissen zu einander stehen können: entweder sind sie voll kommen selbständig, koordiniert nebeneinander; für den Verkehr dieser Etablissements untereinander sind die trassierteigenen Wechsel, die domizilierten Eigenwechsel und die Tratten an eigene Ordre von besonderer praktischer Bedeutung (s. unten Wechselrecht, § 85); oder sie sind einander sub ordiniert (Filialen, auch mitunter Kommanditen genannt), und in diesem Falle ist die Unterordnung entweder nur eine technische, nicht eine juristisch hervortretende — so das Verhältnis der „Nebenetablissements" zum „HauptSchriftsteller aewinnen kann. sonders eigenartig unter III die Andere Fälle der Individuali nach §. 2 des RGes. v. 11. Ja sierung des Betriebs s. unten nuar 1876 wirksame. §§. 18,19, in letzterem §. siehe be
Das Recht a. einen individ. gestaltet. Gewerbebetr. §. 15.
97
etablissement" —, wenn die Mehrheit der Niederlassungm nach außen zu nicht hervortritt, sondern juristisch und ins
besondere
Ein
nur
rechtsverbindlich
Hauptetablissement, auftritt,
Etablissement,
das
oder es liegt der Fall einer
Abzweigung vor, durch welche ein mit einer gewissen juristi schen Selbständigkeit operierendes „Zweigetablissement"
ins Leben gerufen wird,
so daß dann von dieser Nieder
lassung aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden?)
Die Zweigniederlassung kann eine besondere Firma haben, die Nebenniederlassung nicht;
hat die Zweigniederlassung
keine besondere Firma, so muß, wenn sie an einem anderen Orte
in
oder
einer anderen Gemeinde errichtet ist,
Firma der Hauptniederlassung
die
für sie bei dem für sie zu
ständigen Handelsgerichte eingetragen werden?)
Der Ort
der Niederlassung bestimmt überhaupt den Ort der Firmen eintragung?)
Die wichtigste Bedeutung hat der Ort des Etablissements für die Bestimmung des Gerichtsstandes; hat jemand ein Etablissement,
geschloffen
etablissement
welchem
von
werden, (nicht
gleichviel,
aus ob
unmittelbar Haupt-
Geschäfte
oder
aber Nebenetabliffement),
so
Zweig
sönnen
gegen ihn alle Klagen, welche auf den Geschäftsbetrieb der
Niederlassung (und zwar gerade der konkreten Niederlassung, nicht einer andern desselben Kaufmanns) Bezug haben, bei
dem Gerichte
des Orts
erhoben
werden,
wo
sich diese
Niederlassung befindet?) es giebt demnach ein formn domi-
3 HGB. §. 29. 4 CPrO. §. 21.
1 CPrO. §. 21. 2 HGB. §§. 13, 15. Gareis, Handelsrecht.
6. Aufl.
7
98
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
cilii des Etablissements, welches mit andem Gerichtsständen des Kaufmanns elektiv konkurriert?)
Keine Bedeutung hat die Unterscheidung verschiedener Etablisiements für das Konkursrecht?) kennt
weder ein
Die Konkursordnung
Absonderungsrecht der Handelsgläubiger
eines bestimmten Etablisiements gegenüber Gläubigem eines andem Etablisiements desselben Kaufmanns, noch ein Sepa rationsrecht der Handelsgläubiger eines Kaufmanns gegen
über den Privatgläubigern desselben.
Wohl aber ist das
Etablissement einer Handelsgesellschaft von den Etablisiements der einzelnen Mitglieder einer solchen zu trennen?)
HI.
Abgesehen vom Falle des Konkurses, erfreut sich
das Etabliffement einer juristischen selbständigen Existenz, welche die Frage nahe legt, ob dasselbe nicht eine juristische
Person sei; diese Frage ist, wenn man auch zugeben muß, daß das Etablissement seinen eigenen, von ihm nicht zu
trennenden^) Namen führen, seine eigenen, nicht davon zu trennenben
Warenzeichen
eigenen Gerichtsstand,
(f.
§. 17
Seite 113),
seinen
sein eigenes Personal, seine eigenen
Handelsverbindungen haben kann und in diesen Richtungen
sogar vom Leben des Etablisiements-Jnhabers unabhängig ist?) zu vemeinen, und ebenso ist die Frage zu vemeinen,
ob es eine wirkliche „Universalsuccession" in ein Etablissement
unter Lebenden giebt; aber es
giebt einen Rechtsübergang
eines ganzen Handelsetablisiements unter Zusammenfassung aller zu
demselben gehöriger Aktiva und Passiva, ja es
1 Loth. Seuffert, Komm. z. 31 *2KontO. §§. 207, 209—213 CPrO. 6. Stuft. S. 24-26. HGB. §. 131 Nr. 3 u. 5. 2 KonkO. §. 4 vgl. mit §§. 47 * HGB. §. 23 bis 52. 6 BGB. §§. 672, 675, auch 168, 170—173.
Das Recht a. einen individ. gestaltet. Gewerbebetr. g. 15.
99
wird ein solcher Übergang — auch der Schulden, nämlich
eine kumulative Schuldübernahme — sogar gesetzlich ver mutet, wenn jemand ein bestehendes Handelsetablifsement samt dem bisherigen Namen, der Firma (s. folg. §.), erwirbt
und unter derselben Firma — wenn auch mit einem das
Nachfolgeverhältnis andeutenden Firmenzusatze — fortführt. Die Geschäftswelt und nun1)2 auch der Gesetzgeber erblicken in der unter derselben Firma unternommenen Fortführung eines Handelsgeschäfts (Etablissements) die Kundgebung der
bestimmten und als bindend angenommenen Absicht dieses Unternehmers (Nachfolgers, Erwerbers), in alle Geschäfts beziehungen
des
früheren Geschäftsinhabers (Vorgängers,
bisherigen Inhabers, Veräußerers) soweit als möglich ein zutreten: das Publikum hat das Recht, anzunehmen, daß
der Nachfolger für • die Geschäftsschulden des Vorgängers hafte, sofern nicht das Gegenteil in gehöriger Weise be kannt gemacht ist.
Regelmäßig ist diese Annahme unter
zwei alternativen Voraussetzungen gesetzlich gerechtfertigt,?) 1 HGB. §§. 25-27. 2 Es ist schon seither (vgl. RGer. Bd. 2 S. 55, 56) die Ausfassuna des Handelsstandes und des Publikums überhaupt, aber im Gesetzbuche noch nicht ausgesprochen gewesen, daß, wer ein Geschäft samt der Firma er wirbt und — wenn auch mit dem das Nachfolgeverhältnis an deutenden Firmenzusahe — fort führt, dadurch die ihn bindende Absicht kundgiebt, in die Ge schäftsbeziehungen des früheren Geschäftsinhabers so weit als möglich einzutreten: das Publi kum hat ein Recht, anzunehmen,
daß der (neue) Firmeninhaber für die (alten) Firmenschulden hafte, sofern nichts anderes ent gegenstehend rite bekannt gemacht ist. Und cs ist und bleibt ein geltender Handelsgewohnheits rechtssatz, daß in der handels üblichen Bekanntmachung der Übernahme der Geschästspassiva seitens des Erwerbers des Ge schäfts ein solcher „besonderer Berpflichtungsgrund" erblickt werden muß. Agl. schon ROHG. Bd. 1 S. 67, Bd. 3 S. 182, Bd. 8 S. 383, Bd. 12 S. 160, Bd. 16 S. 172. - Passiva übernahme als Vertrag zu 7*
100
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
nämlich dann, wenn entweder die Thatsache vorliegt, daß
der Nachfolger die Firma (s. unten §. 16 Seite 108) fort
führt, oder wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vor
liegt, wozu namentlich der Fall gehört, daß der Nachfolger die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher
Weise
bekannt
gemacht
hat:
die
unter
der
einen
oder
anderen dieser beiden Voraussetzungen demnach anzunehmende
Schuldübernahme ist zunächst eine kumulative, der Geschäfts vorgänger bleibt trotz des Eintritts der Haftung des Nach
folgers zunächst er aufhört,
(s. vorige Seite) noch
haftbar, obgleich
Gläubiger der Geschästsforderungen zu sein,
wenn er in die Fortführung der Firma eingewilligt hat. Ein dritter
hieher
gehöriger Fall ist aber
auch die
Konstituierung einer Gesellschaft auf der Basis des bis herigen Alleinbetriebs: tritt jemand als persönlich haftender
Gesellschafter oder als Kommanditist in das Geschäft eines Einzelkaufmanns
ein,
so
haftet die
dadurch
geschaffene
Gesellschaft, auch wenn sie die frühere Firma nicht fort
führt, für
alle im Geschäftsbetriebe entstandenen Verbind
lichkeiten des früheren Geschäftsinhabers, während die Aktiva
des Geschäfts den Schuldnern gegenüber als auf die Gesell schaft
übergegangen
gegenüber nur,
gelten.
wenn es
Abweichendes
gilt
dritten
im Handelsregister eingetragen
Gunsten dritter, f. ROHG. tung des bisherigen Schuldners. Bd. 21 S. 232, RGer. Bd. 2 \—Demnach giebt es zwei Gründe S. 54. Gareis, Verträge zu der Haftbarkeit für Die früheren Gunsten Dritter S. 289 ff.; GeMftsschuldner: Fortführung Schuldübernahme in BGB. der Firma und besonderer Ber§§. 414 ff., insbesondere bei pflichtungsgrund, insbesondere Übernahme eines ganzen Der- i Bekanntmachung nach §. 25 mögens §. 419, — auch hier un-. Abs. 3. beschadet der Fortdauer der Has-j
Das Recht a. einen individ. gestaltet. Gewerbebetr. g. 15.
und
101
bekannt gemacht oder dem dritten von einem Gesell
schafter mitgeteilt wurde?)
abgesehen
Auch
von diesem (dritten) Falle ist bei der
Fortführung des Geschäfts mit der Firma eine von der
Regel des Aktiva- und Passivaübergangs abweichende Ver einbarung
dritten
einem
gegenüber
nur dann
wirksam,
wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekannt
gemacht dritten
oder von
dem Nachfolger
oder Vorgänger dem
besonders mitgeteilt worden ist.
unter
Geschäftsübergang
Die bei einem
einer der beiden ersten
der an
gegebenen Voraussetzungen anzunehmende Schuldübernahme ist aber, wie gesagt, nur zunächst eine kumulative, sie wird
mit der Zeit zu einer liberierenden, denn es verjähren die
Ansprüche der Geschäftsgläubiger gegen den Vorgänger mit dem
Ablaufe von
fünf Jahren, falls nicht nach den all-
gemeinen Vorschriften die Verjährung schon früher eintritt;1 2)
die Verjährung
beginnt
im Falle
des Firmenübergangs
mit dem Ende des Tages, an dem der Nachfolger in dem
Handelsregister
des Gerichts der Hauptniederlassung ein
getragen worden ist, im Falle des Vorhandenseins eines
besonderen Verpflichtungsgrundes
aber mit dem Ende des
Tags, an dem die Kundmachung der Uebernahme statt
gefunden hat; konnte aber der Gläubiger die Leistung erst an einem späteren Zeitpunkte verlangen, so beginnt die Ver jährung mit diesem Zeitpunkte.
Dasselbe, was bei der Ver
äußerung eines
im ganzen durch Vertrag
Etablissements
unter Lebenden gilt, ist auch Rechtens, wenn der Übergang
von Todeswegen stattfand, also Erben ein zu einem Nachlasse 1 HGB. §. 28. 2 HGB. §. 26 mit Amn. bei Gareis HGB. S. 47.
102
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
gehörendes Handelsgeschäft fortführen; nur besteht zu gunsten der Erben eine dreimonatliche Überlegungsfrist, so daß die
unbeschränkte Haftung der Erbm für die Geschäftsschulden
des Vorgängers nicht eintritt,1) wenn die Fortführung des
Geschäfts vor dem Ablaufe von drei Monaten wieder ein gestellt ist; diese drei Monate beginnen mit dem Zeitpunkt,
in welchem der Erbe von dem Anfalle der Erbschaft Kennt
nis erlangt hat;?) ist bei dem Ablaufe der drei Monate
aber das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft noch nicht verloren,^) so endigt die Frist nicht vor dem Ablaufe der Ausschlagungsftist. Was den Übergang der Aktiva auf den Geschäftsnach
folger anlangt, so muß dabei, sofern es sich um die Über tragung des Geschäfts unter Lebenden handelt, die nach dem Gegenstände der Übertragung erforderliche Form gewahrt wer-
1 HGB. §. 27. > 2 Auf den Lauf der Frist findet! BGB. §. 206 Anwendung: .Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so wird die gegen sie lausende Verjährung nicht oot! dem Abläufe von sechs Monaten, nach dem Zeitpunkte vollendet, in j welchem die Person unbeschränkt geschästssähig' wird oder der Mangel der Vertretung aufhört, i Zst die Verjährungsfrist kürzer j als seHs Monate, so tritt der; für die Verjährung bestimmte ' Zeitraum an bte Stelle der sechs i Monate. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, soweit eine in der :
Geschäftsfähigkeit beschränktePerson prozeßsähig ist." Letzteres ist der Fall, wenn die Ermächtigung zum selbständigen Betriebe eines Erwerbsaeschästs erteilt ist; f. oben 8. 12 V S. 81. Vgl. auch BGB. §§. 112, 1651 Abs. 1, CPrO. §. 54. 2 Es handelt sich dabei wesentlich um den Fall, daß die Ausschlagungsfrist statt der reaelmäßigen sechs Wochen sechs Monate beträgt, nämlich wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Auslande gehabt hatte oder wenn sich der Erbe beim Beginn der Frist im Auslande aufhält. BGB. §. 1944 Abs. 3.
Das Recht a. einen individ. gestaltet. Gewerbebetr. g. 15.
103
also z. B., wenn es sich um die Übertragung des
den,
Eigentums an einem Grundstücke handelt, die Vorschrift der
Auflassung beobachtet werdens) die Forderungsübertragung (Session) ist derartig vollständig, daß der bisherige Inhaber aufhört, Gläubiger der Geschäftsforderungen zu sein, eine
Abweichung hievon kann mit Wirksamkeit dritten gegenüber nur verabredet werden, wenn sie entweder in das Handels
register eingetragen und bekannt gemacht oder von dem Vor gänger oder Nachfolger dem dritten mitgeteilt worden ist.
Im Falle des erbrechtlichen Übergangs eines Handelsetablisse ments versteht sich der Übergang der Geschäftsforderungen
auf den Erben von selbst.
IV. So kann durch die individuelle und individuali sierende Geschäftsthätigkeit eines Kaufmanns ein Komplex von
Beziehungen,
und
Rechten
Pflichten,
Aktiven
und
Passiven geschaffen werden, der seinen Schöpfer zu über leben imstande ist. Äußerlich tritt das Eigenartige und Zusammengehörige des Etablissements im Namen desselben,
in der Firma und auch in den von dem Geschäft gebrauchten
Warenzeichen
geltend, wo triebs,
hervor, es
macht
sich aber juristisch
auch da
durch Nachahmung der Eigenart des Be
durch Anmaßung
der Unterscheidungszeichen oder
der Unterscheidungsmittel oder sonst durch unlauteren Wett bewerb beeinträchtigt und hiegegen gesetzlich geschützt wird?)
1 BGB. §§. 873, 925 u. a. 2 Insofern sind die Erörte rungen der drei folgenden Para graphen trotz der äußerlichen Ko
ordination derselben in Unter ordnung unter den §. 15 zu denken.
104
Die Personen int Handelsrecht.
Kap. II.
§. 16.
3. Das Recht am Namen und au der Firma. I. Wie jedes Wesen, welches Rechtssubjekt sein kann,
durch seinen Namen individualisiert wird, ein Persönlichkeits
recht auf seinen Namen und
an demselben hat,
so steht
selbstverständlich auch der Kaufmann unter den Regeln des Namenrechts?)
Sein Handelsgewerbe kann der Kaufmann
entweder unter seinem bürgerlichen (Vor-
und Familien-)
oder unter einem dem Handelsunternehmen (Etablissement,
s. §.15 III und IV) eigenen Namen betreiben; in beiden Fällen heißt der Name, Geschäft betrieben
gegeben wird, Firma?)
noch
unter
welchem im Handel das
und insbesondere die Unterschrift
ab"
Die Firma ist weder eine Sache,
besitzbar oder ersitzbar^),
sondern — sie mag eine
Personal- (oder Namenfirma, z. B. August Müller)
oder eine Neal- (d. i. Sachfirma, z. B. „Versicherungs gesellschaft Phönix")
oder eine gemischte Firma (z. B.
Warenhaus von Rudolf Herzog) Personenname, der Gegenstand
sein — wie jeder andere eines Persönlichkeitsrechts
physischer und juristischer Personen?) in deren Interesse es 1 Vgl. Gareis, Grundriß (1877) §. 42; Gierke, Deutsch. Privatrecht §. 83; BGB. §8 12, 1355, 1577, 1616, 1706, 1719, 1736, 1758, 1772, auch 823. 2 GeschichtlichesüberdieFirma ital. ragione, ditta, franz, raison — und das firmare s. GUGesch. S. 243. Unter seiner Firma kann der Kaufmann auch Klagen erheben und verklagt werden: HGB. §. 17 u. hiezu Gareis,
HGB. S. 41 Anm. 5. Aber nur Kaufleute, und zwar nur Vollkausleute haben Firmenrecht, ROHG. Bd. 21 S. 27, RGer. Bd. 14 S 19, RGer. Bd. 24 S. 28. 3 RGer. Bd. 7 S. 283: Bd.25 S. 6. 4 Trotz des zwischen dem Eta blissement und der Firma be stehenden Rechtsbandes (s. HGB. §. 23, auch die Erörterungen
Das Recht am Namen und an der Firma.
§.
16.
105
ebenso wie in dem des Publikums liegt, daß die seitens der Firma bewirkte Individualisierung zuverlässig und die Firma vor unberechtigter Nachahmung geschützt sei, daher stellt die Gesetzgebung eine Anzahl von Rechtssätzen fest, welche zwar als Prinzipien gelten, sich aber gegenseitig modifizierend durchkreuzen. 1. Der Grundsatz von der Wahrheit der Firma: diesem entsprechend darf ein Kaufmann, der sein Geschäft ohne Gesellschafter oder nur mit einem stillen Gesellschafter betreibt, nur seinen Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen *) und mit oder ohne nähere zu sätzliche Bezeichnung des Etablissements oder der Person als Firma führen; er darf durch die Firma nicht den Schein Hervorrufen wollen, daß eine Gesellschaft für die Verbind lichkeiten des Geschäfts hafte: auf Grund eben dieses Grund satzes müssen auch die Firmen der Handelsgesellschaften den realen Verhältnissen entsprechen und insbesondere die gesetz lich verlangten Zusätze („Aktiengesellschaft", „Kommandit gesellschaft auf Aktien" u. s. w.) enthalten;2) ebendeshalb ist auch die Teilung der Firma3) und jede mit einer Ver 1 HGB. §§. 18, 24 Abs. 2. öden §. 15 a. E. S. 103 und I 2 HGB. §§. 19, 20, 24 Abs. 2. 8. 16 S.lllf.) muß doch Obiges festgehalten und sowohl der Ge GenG. v. 1. Mai 1889 §. 3, danke, daß die Firma eine Per LimitGG. v. 20. April .1892 sonifikation des Geschäfts be §§. 3, 4, s. unten §. 24. Überfür die deute, als auch der, dah sie ein gangsbestimmungen selbständiger Wertgegenstand, Firmen der Aktiengesellschaften Vermögensrecht, Zwangsvoll und der Kommanditgesellschaften streckungsobjekt sei, vollständig aus Aktien s. EinfG. zum HGB. fern gehalten werden, RGer. Art. 22 Abs. 2. 3 ROHG. Bd. 4 S. 261. 9, S. 10o. Das Wesen der Firma erörtert durchaus zutreffend A. Ehrenberg in GH. Bd. 2s S. 25 ff.
Kap. II.
106
äußerung des
Die Personen im Handelsrecht.
Etablissements verbundene Veräußerung der
Firma verbotenT) und eine durch vorgeschobene Namm er schlichene Firma nicht geschützt;^)
diesem Grundsätze
der
Wahrheit schließt sich die Vorschrift der Gewerbeordnung an,
wonach Gewerbebetreibende, welche einen offenen Ladm habm oder Gast- oder Schankwirtschaft betreiben, ihren Familien
namen
mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen
an der Außenseite oder am Eingang des Ladens oder der
Wirtschaft in deutlich lesbarer Schrift anbringen müssen (Firmmtafel,
Ladenschild);
dieser
Vorschrift
unterliegm
auch die Kaufleute, welche eine Handelsfirma8) führen, es
sei denn, daß aus der Firma schon der Familienname des Geschäftsinhabers zu ersehen ist, ein Fall, in welchem die
obligatorische Anbringung der
Firma selbst schon genügt.
Bei offenen Ladengeschäften (oder Wirtschaften) der offenen
Handelsgesellschaften und der Kommanditgesellschaften (mit oder ohne Aktien) müssen die Namen der persönlich haften
den
Gesellschafter
(s.
unten
§§.
wenigstens von zweien derselben alle
25,
30,
37)
oder
(wenn die Polizei nicht
anzugeben verlangt- auf den Ladenschildern, wie bei
den vorerwähnten Gewerbebetrieben angegeben werden/) 2. Der Grundsatz der A u s s ch l i e ß l i ch ke i t der Firma: eine neu errichtete Firma muß sich von allen älterm Firmen
desselben Orts oder Gemeindebezirks, vorausgesetzt, daß diese
eingetragen sind(s. unten 5 S. 109), deutlich unterscheiden;8) ' HGB. §. 23. RGer. 9 S. 1. j Geschäftsbetriebe entspricht, als 2 RLHG.Bd.4S.259,Bd. 10 unzulässig erklärt ist. 3 Die Firma im Sinne der S. 292, Bd. 11 S. 246, vgl. hiemit RGer. Bd. 3 S. 1Ü0, HGB. §§. 17 ff. * EinsG. zum HGB. Art. 9. wo die Eintragung einer Firma, 6 HGB. §. 30. GenG. §. 3 die keinem Etablissement, keinem Abs.2.
Tas Recht am Namen und an der Firma.
K. 16.
107
das Ermessen des Richters und die Handelssitte entscheiden
darüber, ob die Unterscheidung deutlich genug ist, um Ver
wechslungen vorzubeugen, und die Priorität des erlangten
Rechtsschutzes entscheidet für das Recht, die Firma, mit welcher eine andere gleichlautend ist, führen zu dürfen.
3. Der Grundsatz der freien Wahl der Firma: dieser ist, wenn es sich um die Errichtung einer neuen Firma handelt, nur innerhalb der durch den unter 1 erwähnten
Grundsatz gezogenen Grenzen anwendbar/) also in Bezug
auf die Abkürzungen der (zweiten oder folgenden, nicht deK ersten) Vornamen, der Sach- oder Ortsbezeichnung, der Gesell schaftsbezeichnung/) jedoch so, daß mehrere Firmen (z. 9.
Übersetzungen) für ein und dasselbe Geschäft/) sowie eine
oder mehrere Firmen für mehrere Etablisiements desselben Inhabers geführt werden können;4 * )2 3weiter reicht die Wahl
freiheit, wenn ein Etablissement auf einen neuen Erwerber
übergeht;
dieser kann
zwischen einer neuen Firma (wie
unter 1) und der Erhaltung des bisherigen
Namens (s.
unter 4) mit oder ohne Zusatz wählen, wmn Einverständ nis der Beteiligten vorliegt;°) wird ohne Ändemng der Person des Geschäftsinhabers der Name desselben oder der
in
der Firma enthaltene Name eines Gesellschafters ge
ändert (z. B. durch Verheiratung der Geschäftsinhaberin«)
oder Ehelichkeitserklärung7) oder Annahme an Kindesstatt)/) so kann — aber nicht: muß — die bisherige Firma fort-
' HGB. §. 18 Abs. 2. - Bei6 HGB. §S. 22, 24, ROHG. Tilgung des Namens der Ehefrau Bd. 10 S. 291. Mer. Bd. 16 S. 60. ■ 8 BGB. §. 1355; bei Ehe2 HGB. §. 19. fcheiduna BGB. §. 1577. 3 Keyßner in GZ. Bd. 21' ’ BGB. §§. 1736, 1616. L. 410 ff. | 8 BGB. §. 1758. 4 ROHG. Bd. 20 S. 35, 36. |
108
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
geführt werden, es besteht also auch hierbei Wahlfreiheit;x) und
ebenso
verhält
es
beim Eintritt oder Austritt
sich
eines Gesellschaftsmitglieds?) 4. Der Grundsatz der Übertragbarkeit der Firma: Die Firma kann zugleich mit dem Etablisiemmt veräußerta)
oder vererbt und dann von dem neuen Erwerber fortgeführt
werden, jedoch nicht ohne die ausdrückliche Bewilligung des
bisherigen Geschäftsinhabers oder der Erben desselben und nie ohne das Etabliffement;4) zulässig erscheint, daß der bisherige Geschäftsinhaber das Geschäft verkauft, ohne die
Fortführung
der seinen
bürgerlichen Namen enthaltenden
Firma zu gestatten, und alsdann ein neues Geschäft wiederum unter seinem Namen beginnt;5) die Übertragung des Etabliffements verleiht
Recht,
noch
dem neuen Erwerber
die bisherige Firma fortzuführen,
Firmen-
und
Geschäftsübergang
ist
nicht
das
aber mit dem
der Übergang
aller
Aktiva und Passiva nun regelmäßig verbunden (s. oben §. 15 III Seite 98ff.); die Regel der Übertragbarkeit mit
den angegebenen Beschränkungen gilt auch von Gesellschafts
firmen;
unter
der
Wechsel
Fortführung
Firmenänderung
im
des
Subjekt des
Geschäfts
bewirken,
wenn
muß
Geschäftsinhabers nur dann
entweder der
eine
bisherige
Das Recht am Namen und an der Firma.
§♦
16.
109
Inhaber die Einwilligung zu verweigern das Recht hat und sie verweigert, oder soweit es sich um gormalgufäfcc *)
der bisherigen Firma handelt:
die
Formalbezeichnungen
gehen nicht auf Inhaber über, auf die sie nicht passen, und
können, wenn sie auf dm Nachfolger paffen, von diesem nicht
umgangen werben.1 2)*
5. Der Grundsatz der Eintragungspflicht: Jeder Kaufmann muß seine Firma und dm Ort seiner Handels
niederlassung bei dem Handelsgerichte (Amtsgerichte),
in
dessen Bezirk die letztere sich befindet, zum Zwecke der Ein tragung in das Handelsregister anmelden?)
Das Gesetz be
stimmt die Art der Anmeldung und Eintragung (auch der Zweigetablissements, wenn solche örtlich vom Hauptetabliffe-
ment getrennt finb);4)* auch die Anmeldung der juristischen Personen, welche Handel treibens) ferner die Führung und Veröffentlichung der Register?)
Die Registerpflichtigkeit er
streckt sich auch auf die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Kaufmanns — diese ist von Amtswegen einzutragm —-7), auf alle Änderungen und auf das Er
löschen der Firma;8) die Thatsache der Eintragung und Veröffentlichung, sowie die der Nichteintragung von Firmen
änderungen u. s. w. ist
von
dm bekannten Wirkungm
begleitet, welche sich an die Registrierung überhaupt knüpfen 1 HGB. §. 20. S. auch.unten §. 24. 2 HGB. §. 22 mit den Anm. bei Gareis HGB. S. 44. 8 HGB. §. 29. Über das Handelsregister s. oben 8 4 S. 32ff. 4 HGB. §§. 12, 13, 15, 30, 37. Vgl. auch oben 8-15 S. 96ff. " HGB. 88- 33-35. Staat-
j ! ! ! i , '
liche Unternehmungen sind ausgenommen. HGB. §. 36. 6 HGB. §§. 8-11. S. oben §. 4S. 32ff.- 7 HGB. §. 32, 8 HGB. §§. 31, 34. (Hierzu Freiw.Ger.G. §. 131.) Das RGes. v. 30. März 1888 ist aufgehoben; EinfG- Art. 8, s. Gareis HGB. S. 51, 415.
110
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
(f. oben §. 4
Seite 32 ff.).
übrigens
bloß
nicht
(roie oben
ebenfalls
zur Erzwingung
der
Erzwingung
zur
§.
-Ordnungsstrafen
4)
erörtert
Unterlassung
des
können
einer Anmeldung
sondern
auch
Gebrauchs
einer
ist,
Firma gegen Unberechtigte angewandt werden?)
Das durch diese Nechtsgrundsätze geschaffene feste Firmen recht ist privatrechtlich, abgesehen von Feststellungsklagen, durch zweierlei Klagen geschützt: die Klage auf Unterlaffung
der weiteren unbefugten Firmenführung und ferner Klagen auf
Ersatz
des
Schadens,
welcher aus der unbefugten
Firmenführung dem verletzten Berechtigten entstand.
erstgenannte Klage stützt sich auf das Handelsrechts)
Die
sie
setzt keinerlei Schuld, Vorsatz, Arglist oder Fahrlässigkeit
voraus, sondern ist schlechthin gegeben, wenn eine Firma in irgend einer Hinsicht den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs
(Buch I Abschnitt 3) nicht entspricht?) Dagegen
kann
eine Schadensersatzklage auf die Vor
schriften des Handelsrechts allein nicht gebaut werden; es
wird nämlich für jeden Schadensersatzanspruch irgend ein
Grad des Verschuldens vorausgesetzt, und unter dieser Voraus setzung steht einem durch widerrechtlichen Firmengebrauch oder
Namensgebrauch Beschädigten ein Schadensersatzanspruch so
wohl auf Grund des Bürgerlichen Gesetzbuchs/) als auch 1 HGB. §. 37; hiezu Freiw. Ger.G. §§. 132—139, 140. 3 HGB. §. 37 Abs. 2 Satz 1. Ein Anspruch auf Unterlassung besteht aber auch im Falle des §. 8 des Wettbewerbsgesetzes v. 27. Mai 1896 (hievon unten §. 18 S. 119 s.). 8 Z. B. weit sie sich nicht
deutlich genug von einer andern eingetragenen Firma desselben Orts unterscheidet (HGB. §. 30), oder weil sie einen nach §. 13 Abs. 2 verbotenen Zusatz enthalt, durch den die berechtigten Inter essen eines andern verletzt werden. 4 BGB. §. 823 („ein sonstiges Recht eines Andern").
Das Recht am Namen und an der Firma.
auf
A. 16.
Grund des Reichsgesetzes zur Bekämpfung des
Hl
un
lauteren Wettbewerbs/) bezw. auf Grund des Reichsgesetzes zum Schutz der Warmbezeichnungen2) zu.
Auch strafbar ist der widerrechtliche Gebrauch eines
Namens oder einer Firma, wie der eines gesetzlich geschützten
Warenzeichens, aber nur unter der Voraussetzung, daß der Gebrauch mtweder einen Teil des Thatbestandes des straf
rechtlichen Betrugs bildet oder in der wissentlichen, d. h. im
Bewußtsein der Rechtswidrigkeit vorgenommenen Anbringung auf Waren, Emballagen oder Geschäftspapieren8) besteht. II.
Der Kaufmann
auf seinen Namen und
hat jedoch
nicht
bloß
an demselben und das
ein Recht besondere
Recht der Firma (s. I), sondern, sofern er unbescholten
ist, auch ein Recht auf einen guten Namen, an
seinem
guten
Namen;
es
giebt
eine
ein Recht
kaufmännische
1 RGes. v. 27. Mai 1896 §. 8. Art der im geschäftlichen Ver unternommenen wider S. hierüber unten S. 119 u. kehr Gareis, in Bl. f. RAnw. 1896 rechtlichen Benutzung eines nicht S. 41 ff. Vgl. auch folgende Anstehenden Namens oder einer solchen Firma, ja auch den einer Anm. 9 RGes. v. 12. Mai 1894 Z. 14. besonderen Bezeichnung eines S. hierüber unten S. 113. Der Erwerbsgeschäfts, eines gewerbin §. 14 des RGes. v. 12. Mai Uchen Unternehmens oder einer 1894 vorausgesetzte Thatbestand Druckschrift trifft, andererseits setzt der unerlaubten Handlung deckt aber dieser letztere §. 8 stets den sich nicht ganz mit dem in §. 8 doppelten (nämlich eui subjektives deS RGes. v. 27. Mai 1896 (s. und ein objektives Moment darvorige Anm.) vorausgesetzten: ! legenden) Nachweis voraus, daß letzterer überragt insofern den die widerrechtliche Benutzung ersteren, als er nicht bloß den subjektiv darauf berechnet und Mißbrauch des Namens und der objektiv dazu geeignet sei, VerFirma (und des Warenzeichens) ' Wechslungen mit Namen, Firma aut Anbringung auf Waren, oder Bezeichnungsweise eines Emballagen und Geschäfts andern Hervorzurüfen. 3 S. Wortlaut des angef. §. 14 papieren (§. 14 des RGes. u. 12. Mai 1894), sondern jede des RGes. v. 12. Mai 1894.
112
Kap. II.
Tie Personen im Handelsrecht.
Ehre (Standesehre) und eine Ehre der Firma?) Der recht liche Schutz
der kaufmännischen Standesehre ergiebt sich
zunächst aus den Ehre überhaupt?)
allgemeinen Normen zum Schutze der Hervorzuheben sind
aber wegen des
Zusammenhangs mit dem Handel und Handelsrechte folgende besondere Rechtsnormen:
1. die Vorschriften des Börsenrechts schließung über die
über die Aus
beschoßener Personen vom Börsenbesuche und Bildung und
Aufgabe der Ehrengerichte und
Berufungskammern der Börsen;8)
2. der besondere Schutz des Kredits und der Mög lichkeit des Erwerbs und des Fortkommens, welchen das
(neue) bürgerliche Recht gewährt?) 3. das besondere Verbot der geschäftlichen Anschwärzung (denigrement) oder die Herabsetzung des Geschäfts im RGes. zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs?)
4. der handelsrechtliche Schutz der Ehre von und gegen Handlungsgehülfen;6)
5. die
handelsrechtliche Bezeugung
der (ehrenhaften)
Führung auf Verlangen der Handlungsgehülfen 7) und im obligatorischen Zeugnis der Lehrlinge;8)
6. die handelsrechtliche Ausschließung derjenigen Per
sonen, welche nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte
1 Vgl. Gareis, Grundriß 826 und gegen Chikane §. 226. 31 4RGes. 2 v. 27. Mai 1896. 6, §. 42. Gierke, Deutsches ■ ! 7, 11, 13; hiezu s. Gareis in Privat.R. §. 84. 2 Vgl. StrafGB. §§. 185 ff. Bl. f. RAnw. 1896 S. 38 ff. 6 HGB. §§. 70-72. 3 Börsengeseh v. 22. Juni 1896 §§. 7, 9-27. 7 HGB. §. 73. 8 HGB. §. 80. 4 BGB. §. 824. Der Schuh gegen illoyale Handlungen ebenda
Das Recht am Warenzeichen.
113
§• 17.
sich befinden, von der Befugnis zur Haltung oder Unter weisung und Anleitung von Lehrlingen; *) 7. die Möglichkeit der Ausschließung eines Mitglieds einer — als Kaufmann geltenden — Genossenschaft wegen des Verlusts der bürgerlichen Ehrenrechte.1 2)3
17. 4. Das Recht am Warenzeichen.
I. Zu den Äußerungen und Wirkungen der individuell Besonderen Gestaltung eines Geschäftsbetriebs gehört es auch, daß das in demselben hergestellte Produkt oder die von demselben aus in den Handel gebrachte Ware mit dem Namen oder der Firma des Produzenten oder des ge werblichen Veräußerers derselben bezeichnet roerben;8) aber viel älter als dieser Gebrauch ist die Sitte, solche Gegenstände mit einem Zeichen (Handwerkszeichen, Handelsmarke) zu versehen; es reicht diese Sitte wohl bis zu dem uralten Gebrauch der Hausmarken oder Handmale zurück, den wir noch in den Steinmetzzeichen an Gebäuden wie in dm Schmiedezeichen an Waffen vergangmer Jahrhunderte nach weisen können. Reichsrechtlich ist die Anwendung und der Schutz der Ausschließlichkeit dieser Zeichen gesetzlich zunächst im An1 HGB. §. 81 mit Anm. 1 I 4 * *Geschichtliches * hierüber s. u. 2 bei Gareis HGB. S. 89. GUGesch. S. 242, GSyst. §. 29 8 GenG. §.68. , S. 97 ff.; Lästig, Marten3 Die Ausschließlichkeit auch recht und Zeichenregifier; f. dieses Gebrauchs des Namens hierüber Kohler in GZ. 38 oder der Firma ist geschützt S. 585 ff. durch RGes. v. 12. Mm 1894 §. 14; s. oben §. 16 S. 110 ff. GareiS, Handelsrecht.
€». Aufl.
8
114
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
schluß an das Firmenrecht geordnet worden/) ein Anschluß,
von welchem das neuere Recht in Deutschland absieht, in
dem nach diesem nun nicht mehr nur solche Personen, die eine in ein Handelsregister eingetragene Firma besitzen, sondern
alle, die einen „Geschäftsbetrieb mit Waren" haben, außer firmenbcsitzenden Kaufleuten
also
(unter diesen natürlich
auch Fabrikanten und registrierte Landwirte, s. oben §§. 10,
12, I)
auch Kaufleute minderen Rechts, die keine Firma
haben (s. oben § 12, II), Rohproduzenten aller Art, dar
unter natürlich auch die nichtregistrierten Land- und Forst wirte, den Schutz des Gesetzes für den ausschließlichen Ge brauch ihrer Zeichen erlangen können.
II.
Materielles
Recht
des
Warenzeichen
s chutz es. Zweck des Gesetzes ist, eine Garantie der Ausschließ
lichkeit des zur Individualisierung der Waren gebrauchten
Zeichens zu bieten:
dem Geschäftstreibenden
1 RGes. über den Markenschutz ti. 30. November 1874; s. GLF. S. 74—116; dieses RGes. trat so außer Wirksamkeit, daß vom 1. Okt. 1894 an Anmeldungen nicht mehr auf Grund dieses, sondern auf Grund des mit diesem Tage in Kraft tretenden „RGes. zum Schutze der Warenbezeichnungen" v. 12. Mai 1894 (mit kaiserlicher AusführungsV. ti. 30. Juni 1894, s. RGBl. 1894 Nr. 22 S. 441, Nr. 30 S. 495) angenommen und mit Rechtswirkung versehen wurden; auf die noch nach dem RGes. v. 30. Nov. 1874 in die Zeichenregister eingetragenen Warenzerchen, welche übrigens bis zum
, ; > ‘ . ; ; | 1 , ! i !
i I
(nicht mehr
1. Ott. 1898 jederzeit zur (Sin traaung in die Zercbenrolle des Kaiserl. Patentamts nach dem neuen RGes. v. 12. Mai 1894 angemeldet werden tonnten, findet das RGes. v. 30. Nov. 1874 noch fcis$um 1.£ft. 1898SlnttcnbinuK s. §§. 24, 26 d. RGes. v. 12. Mar 1894. Kommentare mm RGes. v. 12. Mai 1894: J.Landgraf (Stuttgart 1894), Allfeld (München 1894), W. Gentsch, A. Seligsohn, C. Gronert, 91. Stephan, O. Mewes (sämtlich Berlin 1894), Finger (Berlin 1895) u. a. Vgl. Üarl Heymanns Jurist. Litt.-Blatt Nr. 63 S. 50 ff.
Das Recht am Warenzeichen,
g. 17.
115
bloß dem eine Firma besitzenden, s. oben I a. E.), welcher unter Beobachtung der gesetzlich aufgestellten Regeln (siehe unten III) die Eintragung eines Warenzeichens zur Unter scheidung seiner Waren von denen Anderer für sich durch gesetzt hat/) steht ausschließlich das Recht zu, Waren
der angemeldeten Art oder deren Umhüllung mit eben diesem Warenzeichen zu versehen, die so bezeichneten Waren in Ver
kehr zu bringen und auf Ankündigungen, Preislisten, Ge
schäftsbriefen, Empfehlungen, zubringen/)
Rechnungen oder dergl. an
Die materielles) Voraussetzung ist nur, daß
derjenige, der den Schutz des Gesetzes für seine Zeichen genießen will, einen Geschäftsbetrieb mit unterscheidbaren
Waren besitzt, sei es in Deutschland, sei es in einem Staate, in welchem nach einer im RGBl, enthaltenen Bekanntmachung
deutsche Warenbezeichnungm
in
gleichem
Umfange
wie
(dortige) inländische Warenbezeichnungen gesetzlichen Schutz genießen.41)2 * 1 Der Schutz einer individuali sierten Ausstattung besteht übrigens unabhängig von der Eintragung eines Zeichens; s. RGes.v. 12. Mai 1894 §. 15 und RGes. v. 27. Mai 1896 §. 8; hierüber f. unten §. 18 S. 121. 2 RGes. v. 12. Mai 1894 §. 12 Abs. 1. Begrenzung dieses Schutzes: 1. im Fall der Löschung Rückwirkung der Schutzlosigkeit; 2. die Wahrheit besteht un anfechtbar neben dem, wenn auch gesetzlich geschützten Zeichen: keine Eintragung eines andern kann mir meinen Namen rauben oder mir das Recht nehmen, diesen und meine Firma und Angaben
über die Eigenschaften der Waren u. s. w. auf meinen Waren anzubringen; s. RGes. §. 13. Andererseits konnte, wenn ein nach dem RGes. v. 30. Nov. 1874 ausgeschlossenes Waren zeichen bis zum 12. Mai 1894 innerhalb beteiligter Verkehrs kreise als Kennzeichen der Waren eines bestimmten Geschäfts betriebes gegolten hatte, der In haber dieses letzteren die Löschung der zu Gunsten eines andern er folgten Eintragung bis zum 1. Okt. 1895 beantragen. 3 Die formellen Voraus setzungen s. unten III S. 117. 4 Diese Reciprocitätsbekannt-
116
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
Gewisse Zeichen sind als gesetzlich unzulässig von der schützenden Eintragung ausgeschlossen, von vornherein Frei zeichen, auch Staatswappen, Zahlen, Gewichtsangaben, Ärgernis oder Täuschung erregende Darstellungen u. bgl.,1) ferner kollidierende Zeichen2) und Zeichen, welche nun zwar gelöscht sind, aber vor noch nicht mehr als zwei Jahren für dieselben oder gleichartige Waren eines Anderen eingetragen waren (zweijährige Sperrfrist). Daß das Zeichenrecht nach unserem geltenden Rechte systematisch nur als eine Äußerung oder Konsequenz des Rechts an einen individuell gestalteten Gewerbebetriebe (s. oben §. 15) aufgefaßt werden darf, ergiebt sich aus der notwendigen Bindung desselben an den Gewerbebetrieb, „zu welchem das Warenzeichen gehört," nur mit diesem zugleich ist das Zeichenrecht negoziabel (siehe oben §. 13 S. 85), vererblich und überhaupt übertragbar;8) und wenn eben dieser Geschäftsbetrieb von dem eingetragenen Inhaber auf gegeben wird, so kann jeder Dritte die Löschung des Zei chens beantragen und dadurch die Beendigung des Rechts schutzes für dasselbe herbeiführen; abgesehen von diesen machung, welche vom §. 20 des Anmelder eines Zeichens eine RGes. v. 30. Rov. 1874 ebenso civilrechtliche Klage gewährt wie vom neuen RGes. v. 12. Mai wird für den Fall, daß >tz dieser 1894 §. 23 vorausgesetzt wird, trotz der durch die Eintragungs ist in Bezug auf die meisten mit I behörde (das Kaiser!. Patentamt) ^^?busschen^Rnche in Handels- | festgestellten Übereinstimmung stehenden Staaten "Verbindung~ n - l seines Zeichens mit einem bereits erfolgt: s. Bekanntmachung des geschützten eines anderen (nämlich Reichskanzlers v. 22. Sept. 1894 nun Widersprechenden) einen An RGBl. 1894 S. 441. spruch auf Eintragung zu besitzen 1 RGes. v. 12. Mai 1894 §. 4. behauptet; hierüber s. 8- 6 Abs. 2 2 RGes. v. 12. Mai 1894 88. 5, des angef. G. 20. Interessant ist, daß dem 8 RGes. v. 12. Mai 1894 8- 7.
Tas Recht am Warenzeichen,
§. 17.
117
und anderen formellen Löschungsgründen (s. unten III) ist ein zu dem Geschäftsbetriebe gehörendes Zeichen für unge-
meffene Dauer des Schutzes fähig, doch ist die Anmeldung
von 10 zu 10 Jahren unter Zahlung bestimmter Gebührm zu erneuern. *) III.
Formelles
Recht
des
Warenzeichen
schutzes. Formell setzt die Erlangung des Zeichenschutzes eine gehörige Anmeldung zur Eintragung in die öffentliche Zeichenrolle
des Kaiserlichen Patentamts
voraus;^) ein
sich um diesen Schutz bewerbender Ausländer muß einen Bertreter im Jnlande bestellt habend) Die erwähnte
Zeichenrolle muß dem Gesetz gemäß geführt werden,6) hat insofern eine Ähnlichkeit mit einem Grundbuche, als bei einem Übergang des Zeichms der Rechtsnachfolger sein Recht der Eintragung des Warenzeichens so lange nicht geltend machen kann, als der Übergang nicht in die Zeichen
rolle vermerkt ist.6) als der Löschung
Das Verfahren sowohl der Erteilung,
ist gesetzlich geregelt,6) es ist eine Art
verwaltungsrechtlichen Verfahrens. IV.
Die
Gegenwirkung
gegen
Verletzung
besteht in der Gewährung
des Warenzeichenrechts
bürgerlichrechtlicher Entschädigungsansprüche
und
in
der
Möglichkeit strafrechtlichen Einschreitens (aber nur auf An
trag);^)
letzteres setzt Wissentlichkeit der Rechtsverletzung
1 RGes. v. 12. Mai 1894 S. 8. - RGes. v. 12. Mai 1894 §§. 1, 20 n. kaiserl. B. v. 30. Juni! 1894, RGBl. 1894 S. 495. Gc- | bühren bei der Anmeldung 30, ; bei Erneuerungen 10 Mk.: s. §. 2. i 8 AngesG. §. 23 Abs. 2. * AngesG. §. 3. 1
6 AngesG. §. 7 Abs. 2. 6 AngesG. §§. 5-10. 7 Zudem Anspruch auf Beseitigung der widerrechtlichen Bezeichnung oderaus Vernichtung der gesetzwidrigen Ware; s. RGes. v. 12. Mai 1894 §. 19. I '
Kap. II.
118
Die Personen im Handelsrecht.
voraus, während die Entschädigungsklagen auch
infolge
grober Fahrlässigkeit
begangenen
bei einer
Verletzung
des
Zeichenrechts gegeben sind: entschädigungspflichtig ist jeder, der wisientlich oder aus grober Fahrlässigkeit Warm oder derm Umhüllung oder Geschäftspapiere irgmd welcher Art
mit dem Namm oder der Firma eines Anderm oder mit einem nach dem RGes. vom 12. Mai
1894
geschützten
Warenzeichen versieht oder dergleichen widerrechtlich gekmn-
zeichnete Warm in Verkehr bringt oder feilhält; thut er dies wisimtlich, d. h. im Bewußtsein der Rechtswidrigkeit der Handlung, so wird er auf — zurücknehmbaren — An
trag außerdem mit Geldstrafe von 150 bis 5000 Mk. oder
mit Gefängnis bis zu 6 Monaten bestraft; ’) im Straf
verfahren — also nur bei wiffentlicher Zeichen-, Namen oder Firmmrechtsverletzung
—
kann
auf Verlangen
des
Beschädigten statt der — civilprozessual zu verlangenden —
Entschädigung
auf eine Buße bis zu 10 000 Mk. erkannt
werden, ?) und
dem Verletztm ist im Strafverfahren die
Befugnis der — auf Kosten des Verurteilten erfolgenden —
Bekanntmachung
des
Urteils
zuzusprechen. 8)
Aus
ländische Waren, die mit einer dmtschen Firma und Orts bezeichnung oder mit einem in die Zeichenrolle eingetrage
nen Warmzeichm versehm sind, unterliegen bei ihrem Ein gänge nach Deutschland zur Einfuhr oder Durchfuhr auf
Antrag
des Verletzten und gegen Sicherheitsleistung
der
Beschlagnahme oder Einziehung.'') 1 RGes. v. 12. Mai 1894; hiezu, ' AngefG. §. 19 Abs. 2. RGer. Strass. Bd. 29 (1897) 4 AngesG. §• 17 u. StrasprozO. S. 353. i §. 459. 2 AngesG. §. 18; Gesamt-: schuldner s. BGB. §§. 421 ff.'
Das Recht an der eigenartigen Betriebsweise.
§♦ 18. 119
§. 18. 5. Vas Necht an der eigenartigen Betriebsweise. I. Die ausgeprägteste Eigenart des Betriebs liegt vor,
wenn derselbe auf einer neuen Erfindung beruht und dafür dem
Betriebsunternehmer
ein Patent erteilt worden
ist
(hievon, sowie von anderen Fällen der Individualisierung
des Betriebs auf Grund von Urheberrechten s. unten §. 19), oder wenn die Ausnützung einer Erfindung im Wege des
Geheimbetriebs
und zwar wird der Geheim
stattfindet;
betrieb sogar dem Inhaber eines darauf bezüglichen Patents gegenüber geschützt, denn die Wirkung des Patents tritt
gegen denjenigen nicht ein, welcher zur Zeit der Anmeldung der durch dieses Patent geschützten Erfindung diese bereits im Jnlande in Benutzung genommen oder die zur Benutzung
erforderlichen Veranstaltungen getroffen hattet) ein solcher Erfindungsvorbesitzer
ist
befugt,
die Erfindung für
die
Bedürfniffe seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen; diese Befugnis kann nur zusammen
mit dem Betriebe vererbt oder veräußert werden; es ist also auch die Negoziabilität des Erfindungsvorbesitzes, wie die der Firma und des Warenzeichens beschränkt und die
Veräußerung
nur
dann
gültig, wenn sie zugleich
der des Etabliffements erfolgt.1 2) 1 PatentG. v. 7. April 1891 §. 5; vgl. Gareis, PatentG. v. 25. Mai 1877 (Berlin, Carl Heymann) S. 101—107 „Erstndungsbesitz oder -vorbesitz". 2 Übrigens darf man Firma, Namen, Warenzeichen und Er
mit
Daß der auf solche Weise
findungsvorbesitz darum doch nicht als „Zubehör* des Eta blissements im gesetzlichen Sinne auffassen; denn nach BGB. §. 97 sind Zubehör „bewegliche Sachen", Sachen aber nur körper liche Gegenstände, und dies find,
120
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht,
bedingt veräußerliche Betrieb aber Geheimbetrieb sei, geht aus der Existenz des neben demselben bestehenden Patents hervor, das dem Patentinhaber nicht hätte erteilt werden können, roenn die Erfindung offenkundig benutzt, also nicht mehr neu gewesen roäre.1) Der Schutz des Geheimbetriebs einer gewerblichen Unternehmung ist übrigens nicht dem Handel oder Handelsrecht als solchem eigentümlich und ist daher hier nur vorübergehend zu erwähnen. Aber es ist hervorzuheben, daß der gesetzliche Schutz, soweit er überhaupt für Geheimniffe besteht, ?) auch für kaufmännische Geheimniffe — nicht bloß sog. Geschäfts-, sondern auch Betriebsgeheimniffe — gewährt wird, daß auch dem Kaufmanne und dem Handelsstande überhaupt zu gute kommt, was das RGes. zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs zum Schutz gegen den Verrat von Geschäftsoder Betriebsgeheimniffen bestimmt?) II. Aber auch abgesehen vom Verrat von Geschäftsgeheimniffen kann die Eigenart eines Geschäftsbetriebs als solche durch Unternehmungen des unlauteren Wettbewerbs gestört und geschädigt werden und wird daher unter gesetz lichen Schutz gestellt, indem das Gesetz neben der Bekämpfung wie erwähnt, jene Objekte von Persönlichkeitsrechten nicht; diese Objekte stehen auch nickt unter der Herrschaft der aus das Zu behör im gesetzlichen Sinne be züglichen zwingenden oder dis positiven Rechtssätze, also z. B. nicht unter BGB. §. 814, sondern die Veräußerung bedarf, um sich auf jene Objekte zu erstrecken, der ausdrücklichen Erstreckungs erklärung.
1 PatentG. §. 2. Vgl. die eingehende Abhandlung von Schande (Dresden) über „die offenkundige Vorbenuhung von Erfindungen und Gebrauchs mustern" im Arch. Bd. 11 (1896) S. 26-108. 2 StrasGB. §§. 299, 300. 3 RGes. v. 27. Mai 1896 §§.9, 10; hiezu Gareis in Bl. f. RAnw. (1896) S. 43 ff.; auch RGer.Strafs.Bd. 29(1897) S. 427.
Die Urheberrechte im Handelsrecht.
der
Schwindelreklame*)
und
§. 19.
121
Quantitätsverschleierung2)
auch die Anmaßung fremder Unterscheidungsmittel
und auch
die Anmaßung einer eigenen Ausstattung, sofern eine solche innerhalb
der
beteiligten Berkehrskreise als Kennzeichen
gleichartiger Waren eines Anderen gilt, mittels Statuierung
der privatrechllichen Entschädigungspflicht und in bestimmten Fällen sogar mittels Strafandrohung*) bekämpft.
III. Bis zu einem gewissen Grade wird ein Schutz des Rechts an der eigenartigen Betriebsweise eines Unter nehmers auch durch die gesetzlichen oder vertragsmäßigen
Einschränkungen des Rechts Anderer auf gewerbliche Be thätigung, die Handels- und Konkurrenzverbote, welche Handlungsgehülfen, Gesellschaftsmitgliedern u. s. w. auf erlegt sind, bewirkt; hievon s. oben §. 14 Seite 88 ff?) §. 19. 6. Vie Urheberrechte im Handelsrecht. I. Urheber von litterarischen oder von künstlerischen Werken
oder Erfinder auf dem Gebiete der chemischen oder mecha nischen Technik oder origineller Schöpfer im Bereiche des
Kunstgewerbes zu sein, ist sowenig Sache des Kaufmanns als solchen, wie die Urproduktionen (Bergbau, Land- und
Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei u. dgl.) es sind.
Aber
wie die Erzeugnisse der Urproduktionen an den Kaufmann gelangen und dann in seiner — der zweiten Hand — zu 1 RGes. v. 27. Mai 1896 88- 1 bis 4; hiezu Gareis in Bl. f. RAnw. (1896) S. 17 ff. 8 RGes. v. 27. Mai 1896 § 5; Gareis in Bl. f. RAnw.(1896) S. 34.
3 S. oben 8 161 S. 104 und §. 17 S. 114. 4 RGes. v. 12. Mai 1894 8-15. 6 HGB. 88- 60, 236, 112,113, 161, 326, 74.
Kap. II.
122
Die Personen im Handelsrecht.
Waren werden, so kommen auch die Produkte der litterarischen,
der künstlerischen und kunstgewerblichen Thätigkeit und der technischen Erfindungskraft an den Kaufmann und werden
von ihm in den Handel gebracht.
Unter dem, was man
sich als Produkt der litterarischen
oder künstlerischen oder
sonst
originell schaffenden Thätigkeit vorstellen kann,
ist
jedoch zu unterscheiden: das Geistesprodukt als solches, die eigenartige Idee in irgend welcher sie zum Ausdruck und zu
äußerlicher Wahmehmbarkeit bringender Darstellung einer-,
und die körperliche Sache, welche dem Geistesprodukte, der Idee, entsprechend geschaffen oder beschaffen ist, andererseits.
Das Geistesprodukt der Erfinderthätigkeit, die chemische oder mechanische oder chemisch-mechanische Erfindung selbst *)
eignet sich nicht für den Handel, ebensowenig das Gebrauchs
muster^) an sich oder das Geschmacksmusters) an sich, ob gleich auch das Recht auf diese negoziabel ist4) und zweifel los
auch die Inhaber von Patentbureaux und
ähnlichen
der Vermittlung von technischen Urheberrechten dienenden Anstalten als Kaufleute in Betracht kommen können, dann
nämlich, wenn sie um der Form ihres Betriebs willen (s. oben §. 8
Seite 57) unter das Handelsrecht fallen.
Werden die körperlichen Gegenstände, welche auf dem Wege
patentierter
Erfindung hergestellt sind oder die Idee des
geschützten Gebrauchs- oder Geschmacksmusters an sich tragen,
in
den
Verkehr gebracht,
so sind
1 PatentG. v. 7. April 1891 i§. 1 ff. Aber hinsichtlich der IZatentbureaux s. oben §. 8 u. ijareis HGB. S. 11, 14. - RGes.v. 1. Juni 189188-1 ff.
die hiezu verwandten
3 RGes. v. 11. Januar 1876 §§i PatentG. v. 7. April 1891 8.6; RGes. v. 1. Juni 1891 §.7: RGes. ti. 11. Januar §. 3. 6 HGB. §. 2.
Tie Urheberrechte im Handelsrecht.
§• 19.
123
Rechtsgeschäfte, wenn auch mitunter der Ausdruck „in Ver lag geben" darauf angewandt wird, wie man auch von
Bier-, Milch-, Wein-, Cigarrenverlag u. dgl. spricht, keine Berlagsgeschäste
juristischen
im
und
technischen
Sinne,
sondern entweder gewöhnliche Sachkaufverträge!) oder Korn missions- 2) oder Agenturverträge?)
II. Übergehend
zu den einzelnen ®nippen der Ur
heberrechte, ist zunächst in betreff des litterarischen und des künstlerischen Urheberrechts festzustellen, daß das
positive Handelsrecht eine bedeutende Gruppe von Geschäften,
welche sich mit den Erzeugniffen einer litterarischen oder einer künstlerischen Thätigkeit beschäftigen, als geeignet erklärt,
den Gegenstand eines Handelsgewerbs zu bilden, nämlich
„die
Verlagsgeschäfte,
sowie die
sonstigen
Geschäfte
des
Buch- oder Kunsthandels"4 1)2 3 (s. oben §. 8 Seite 57); die
sind:
Verlagsgeschäfte
a) Verlagsverträge — diese sind
gerichtet nicht auf den vollständigen Erwerb des
Autor
rechts, denn in seinem höchstpersönlichen Teile °) ist dieses
gar nicht übertragbar, aber auf den Erwerb und Gebrauch eines mehr oder weniger ausgedehnten Vervielfältigungs
und Verbreitungsrechts,
wertung des sog.
auf den Erwerb und die
„Verlagsrechts";
Ver
b) Geschäfte zur Er
reichung der Vervielfältigung — Vervielfältigungsverträge, die z. B. mit
Buchdruckereien, xylographischen Anstalten,
Clicht'sfabriken u. s. w. geschloffen werden; 1 HGB. §§. 373 ff. 2 HGB. §§. 383 ff. 3 HGB. §§. 84 ff. 4 HGB. §. 1 Abs. 2 Nr. 8. 6 Nämlich der unveräußerlichen geistigen Vaterschaft und den an
und
c) Ver-
diese gebundenen persönlichen Auszeichnungen, Anerkennungen und andere ähnliche rein in dividuelle Konsequenzen der Ur heberschaft eines litterarischen oder künstlerischen Werkes.
124
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
breitungsverträge, das sind Geschäfte, die auf die kauf männische Verwertung der durch die Vervielfältigung ge wonnenen Exemplare abzielen. In ähnlicher Weise werden auch die Produkte des photographischen Autorrechts ver wertet?)
III. Die handelsmäßige Verwertung der durch Ge schmacksmuster ausgezeichneten und unter Geschmacks musterschutz stehenden Waren der geschützten kunstgewerb lichen Produkte zeigt handelsrechtlich?) nichts Besonderes; dagegen ist die Überleitung der Urheberschaft vom angestellten Urheber auf den Geschäftsherrn eigentümlich,^) und man kann darin eine Konsequenz der Eigenart des Geschäfts betriebs erblicken; der Geschäftsherr gestaltet seinen Ge schäftsbetrieb u. a. auch dadurch eigenartig, daß er einen Künstler darin beschäftigt, der originelle Muster herstellt, und das Gesetz faßt dann den den Künstler so anstellenden 1 Über die Verlagsgeschüfte s. unten §. 59; auch Goldschmidt,.^^ HR. 1. 1 Auflage 1864 1 S. 478 ff.;, v. Hahn HGB. von 1861 zu "* Art' Art. 272 Nr. 5; Gareis, HGB., (1898) S. 11, 12 Anm. 16, 17 zu §. 1. Hin sichtlich der Photographieen s. RGes. v. 10. Januar 1876 betr. den Schuh der Photographieen gegen unbefugte Nachahmung und hiezu Gierke, PrwatR. 8- 91. 8 Ein Vertrag über Inverkehr bringen widerrechtlicher Verviel fältigungen ist nichtig nach BGB. §. 134. Die Verletzung des Ur heberrechts zieht möglicherweise noch andere Rechtsfolgen nach sich.
|
31 **RGes., * * * 8 *betr. * das Urheberrecht an Mustern und Modellen, v. ! 11 11. Jan. 1OFn? 1876, 0§. ° 2 (f. auch unten §. 21 S. 140), §. 14, welcher aus. §§. 18—36,», 38 des Urheberrechtsgesetzes v. 11. Juni 1870Bezug nimmt; jedoch werden die vorrätigen widerrechtlichen Nachbildungen und die zurwiderrechtlichen Vervielfältigung be stimmten Vorrichtungen ' nicht vernichtet, sondern auf Kosten des Eigentümers und nach Wahl desselben entweder ihrer gesährdenden Form entkleidet, oder bis zum Ablauf der Schutzfrist amtlich aufbewahrt. j |
Die Urheberrechte im Handelsrechte-
125
8» 19«
Fabrikherrn als dm Urheber jener originellen Muster; er ist es, weil er der Herr des originell gestalteten Etablissements ist.1)* IV. Auch
die
handelsmäßige Verwertung
der
unter
Gebrauchsmusterschutz^) stehmdm Gegmstände zeigt
handelsrechtlich
keine Eigentümlichkeiten;
verboten ist die
ohne Genehmigung des Berechtigten unternommene gewerbs
mäßige Verbreitung der durch Nachbildung hervorgebrachten Gerätschaften und Gegmstände,
wobei
nicht
in Betracht
kommt, ob die Nachbildung selbst rechtswidrig war oder
nicht; es ist also auch verboten — und ein darauf gerichteter Vertrag nichtig —3),* Gegenstände, welche durch Nachbildung — etwa
erlaubte
weil sie nicht gewerbsmäßig oder
weil sie im Auslande hergestellt worden sind und etwa dem
Berechtigten entwendet wurden, gewerbsmäßig in Verkehr zu bringen oder feilzuhalten/)
V. Was von dem Handel mit unter Gebrauchsmuster schutz stehenden Gegenständen gesagt wurde (s. IV),
gilt
entsprechend auch von dem Handel mit Gegenständen, welche unter Patentschutz5) stehen; verbotm ist, ohne Gmehmigung
des Berechtigtm dm Gegmstand der Erfindung im Inlands
gewerbsmäßig herzustellen, in Verkehr zu bringen oder feil-
zuhalten;3) dieses Verbot, welches die Nichtigkeit der auf 1 Andere Konstruktionen des im 8- 2 des RGes. v. 11. Januar 1876 diktierten Rechtsvorganges: die durch den Eintritt in ein Geschäft begründete personen rechtliche Gemeinschaft (Gierke PrivatR. S. 833); Übergang der
Ausübung (Dahn, D. Rechts buch S. 125); gesetzt. Fiktion lWächter, UrheberR. S. 307 ff., Gareis, REncyklop. §. 21 V).
8 RGes. v. 1. Juni 1891; Gierke, PrivatR. §. 93. 8 BGB. §. 134.
4 Gierke, Anm. 37.
PrivatR.
§.
93
6 PatentG. v. 7. April 1891, Gierke, PrivatR. §§. 94—99. 6 Über diese Begriffe s. G a r e i S,
PatentG. v. 25. Mai 1877 §. 4.
126
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht,
eine solche Verbreitung abzielenden Verträge zur Folge hat, bezieht sich, wenn ein körperlicher Gegenstand patentiert ist,
auf jeben irgendwie hergestellten Gegenstand, der die
patentierte Eigenart zeigt, andererseits aber, wenn ein Ver fahren patentiert ist, nur auf die unmittelbar durch eben
dieses
Verfahren
hergestellten
körperlichen
Gegenstände?)
Für den Handel wichtig sind zwei singuläre Vorschriften des
deutschen Patentrechts: die Privilegierung von nur vorüber gehend
in das Inland gelangten Fahrzeugen?) und die
Rechtsvermutung, daß, wenn es sich um eine ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Stoffs zum Gegenstand habende
Erfindung handelt, bis zum Beweis des Gegenteils jeder Stoff von gleicher Beschaffenheit als nach dem patentierten Verfahren hergestellt gilt.31)2
C. Die Hilfspersonen im Handel. §. 20. von den Hilfspersonen des Handels im allgemeinen. I. Kein einigermaßen ausgedehntes Handelsgewerbe kann ohne fremde Unterstützung betrieben werden.
Diese Unter
stützung wird entweder von solchen Personen gewährt, welche ein eigenes Gewerbe daraus machen, die Unternehmungen Anderer zu fördern (Hilfsgewerbe im Gegensatze zur Gewerbs1 Gierke PrivatR. §. 95 S. 866 Anm. 28, §. 96 S. 883. 2 PatentG. §. 5 Abs. 3, hiezu Gierke a. a. O. §. 96 S. 885, Gareis, PatentG. v. 1877, S. 112, 113. 3 PatentG. §. 35 Abs. 2; hierüber Gierke a. a. C. §. 98,
S. 894 und hiezu Gar eis in den „Jahrbüchern f. National ökonomie u. Statistik" (von Conrad und Elster) 2. Folge Bd. XVI (1887-88) S. 68, 69, 3. Folge Bd. III (1891—92) S. 107.
Von den Hilfspersonen des Handels im allgem. g. 20.
127
Hilfe), oder von solchen Personen, welche i m Gewerbe des jenigen, dem sie helfen, angestellt, also dessen Bedienstete sind.
In dem ersteren Sinne erscheinen zahlreiche gewerbliche
Unternehmungen
als Hilfsgewerbe
des Handels und zahl
reiche Personen, die außerhalb des Gewerbes desjenigen, dem sie helfen, stehen, als Hilfspersonen desselben;l) so ist
der Bankier und Geldwechsler als Vermittler von Geld und Kredit
eine Hilfsperson
jeder Frachtführer2)* * und **
dem öffentlichen
des Warenhändlers,
nicht minder
vor allem jede Eisenbahn/)
Güterverkehre dient;
ebenso sind
die
Hilfs-
pkrsonen des Handels die Kommissionäre/) die Spediteure/) die Lagerhalter/) die Handlungsagenten 7) und die Handels mäkler b) —-
alle diese Personen machen
Geschäftsbetriebe
eigenartigen
1 Zu den Hilfspersonen des Handels im weitesten Sinne können selbst solche Personen ge rechnet werden, deren Geschäfte und dem Handel geleistete Dienste weder zu einem Handelsgewerbe gehören, noch Handelsgeschäft sind, noch nach Handelsrecht be urteilt werden; in diesem Sinne sind j. B. die Postverwaltungen des Reichs und der Bundes staaten Hilfspersonen des Handels, ohne daß sie als Kauf leute angesehen werden, noch auch bei der von ihnen bewirkten Güterbeförderung nach Handels recht zu beurteilen sind. HGB. §§. 452, 663. Über die Stellung
der Reichs- und Staatspostanftalten s. auch oben §. 12 S. 75. DaS Gleiche gilt von den öffent lichen Telegraphen- und Fern
aus der ihrem
Unterstützung
ein
eigenes
sprechanstalten; im gewissen Sinne sind auch Gerichte und Notare Hilfspersonen des Handels, z. B. erstere, wenn sie die in einem bestimmten Falle lHGB. §. 196) vorgeschriebene Generalversammlung von Aktio nären berufen und leiten, und die Notare, wenn sie Be urkundungen von Beschlüffen einer Generalversammlung vor nehmen (HGB. §. 259). 2 HGB. §§. 425-452. 8 HGB. §§. 453-473. 4 HGB. §§. 383-406. 6 HGB. §§. 407-415. 6 HGB. §§. 416 -424. 7 HGB. §§. 84-92. 8 HGB. §§. 93-104. So nennt das BörsenG. v. 22. Juni 1896 (§. 32) die Kursmakler „Hilfspersonen".
128
Kap. II.
Gewerbe
und
Die Personen im Handelsrecht.
sind
daher
selbst
Kaufleute
(Prinzipale),
deren Geschäfte bett Gegenstand besonderer Darstellung in
dem Kapitel über Handelsgeschäfte bilden müssen (f. unten
§§. 51—58, 60, 63). Im Gegensatze
zu
den
genannten
Hilfspersonen des
Handels, welche die angeführten Hilfsgewerbe als Prin
zipale betreibm, stehen die Hilfspersonen, welche Gewerbs
gehilfen sind und sich im Dienste des Handelsgewerbs eines Prinzipals als dessen Handlungsgehülfen oder Gewerbs-
gehülfen im weitesten Sinne angestellt befinden. II. Diese letzteren, die Handlungsgehülfen im weitesten Sinne,
kann man nach der Art der zu leisttnben Dienste
unterscheiden in folgende Kategorieen: 1. wissenschaftlich (akademisch) Gebildete, deren Dienste in
einem,
leitenden,
nach
wiffenschaftlichen Ermessen
eigenem
Arbeiten
bestehen, so
arbeiten
Juristen
sich und
Nationalökonomen als Direkwren, Syndici oder Konsulenten von Handelsgesellschaften, so forschen gelehrte Chemiker im Dienste von Farbenfabriken u. f. ro.;
2. technische
Gehülfen,
deren Dienste zwar nicht im
freien wiffenschaftlichen Forschen und Studieren, Begutachten u. dgl.
bestehen,
wohl
aber doch eine gewiffe technische
Vorbildung voraussetzen: es gehören hierher die Gehülfen der chemischen Technik und der mechanischen Technik, sowie
die der chemisch-mechanischen Handwerke;
3.
kaufmännische Gehülfen,
deren Dienste
merkantil
technischer Art sind und eine mehr oder weniger weitgehende
kaufmännische Bildung voraussetzen, mag dieselbe nun vorherrschend in Warenkunde und der ihr entsprechenden Be
dürfniskunde, Kundschaktskunde, oder mag sie in der Kennt-
Aon den Hilssprrsonen des Handels im allgem. §. 20. 129
nis der Buchführung und der Fähigkeit der Korrespondenz oder der Kafseführung oder dergl. bestehen; wegen dieser not wendigen Vorbildung ist thatsächlich die Ausfüllung einer
gereiften Lehrzeit erforderlich, und so kommt es, daß in
diese Kategorie nicht bloß die Angestellten, welche sich im
Dienste
eines
Handelsgereerbs
zur
Leistung
merkantil
technischer Arbeiten („kaufmännischer Dienste") gegen Ent gelt verpflichten,
sondem auch diejenigen gehören,
welche
kaufmännische Dienste erst lernen, Handlungslehrlinge; 4. Gesindedienste, welche ohne irgend welche merkantile
Vorbildung geleistet werden können und in rein mechanischen Arbeiten, wie die der Hausknechte, Kutscher, Ausgeher u. dergl., bestehen?) Handelsrechtliche Normen eigener Art bestehen
nur für die dritte der aufgezählten Kategorieen?) hievon
sowie von dm Rechtsverhältnissen der Handlungslehrlinge wird im nächstfolgenden Paragraphm (unten
§. 21) ge
sprochen.
III. Die Hilfe, welche dem Prinzipal von Hilfspersonm im Handel geleistet wird, kann in einer Einwirkung auf
Sachen oder auf Personen bestehen;
eine Hilfeleistung, die
in Einwirkungen auf eine Person besteht, ist in jedem Falle eine Art von Stellvertretung im weitesten Sinne, nämlich in dem Sinne, in welchem Stellvertreter des Prinzipals
jedermann
ist, der seinen Willen brüten Personen gegen
über mit der Rechtswirkung geltend machm kann, als habe 'Dgl. HGB. v. 1861 Art. 65; HGB- S- 83 u. hiezu GareiS, pGB- S. 89; eins®, zum BGB. Art. 95 in allen drei AbGareis, Handelsrecht.
6. Aufl.
sätzen: Gefindeordnungen und BGB. im Verhältnis zu einander. 8 HGB. §§. 59—83. 9
130
Kap. IL
der Prinzipal geäußert.
selbst
Die Personen im Handelsrecht.
seinen
Willen in
Die Stellvertretung
gleicher Richtung
im weitesten Sinne um
faßt «) die Repräsentation des Prinzipals in einseitigen
Handlungen, in Dispositionen über Sachen des Prinzipals (z. B. in der Vornahme chemischer Mischungen, Magazi nierung, Handlungen, wie sie z. B. §§. 418, 419 des HGB.
vorsehen) und gegenüber dritten, welche zu letzterem in einem vertragsmäßigen Verhältnis stehen, sowie solchen Personen gegenüber, welche ohne solches Vertragsverhältnis sich in Widerspmch setzen mit rechtlich anerkannten Interessen des
Prinzipals, welche der Bedienstete oder sonstige Stellver treter zu vertreten hat?)
Eine solche Stellvertretung umfaßt
1 In diesem Sinne vertritt den Prinzipal z. B- ein Buch halter, ein Werkmeister oder Schichtmeister, dem der Prinzipal Lehrlinge behufs Anleitung überwerst und unterstellt; ein Ver hältnis, an welches in Sah 2 des Abs. 1 des §. 81 des HGB. gedacht ist; es vertritt in diesem Sinne den Prinzipal ein Fabrik ausseher, welcher einem unberufen die Fabrikräume Betretenden gegenüber das Hausrccht des Prinzipals wahrt; in eben diesem Sinne ist Stellvertreter des Prinzipals der sog. Besitzdiener oder prokuratorische Detentor, welcher die thatsächliche Gewalt über eine Sache für den Prinzipal in dessen Erwerbsaeschäst im Sinne des BGB. §. 855 aus übt; vgl. auch die ausdrückliche Vorschrift des BGB. §. 860. Die Wahrung der Interessen des Prinzipals mittels autori tativen Auftretens eines Re
präsentanten in diesen oder ähnlichen Fällen ist unzweifel haft eine Stellvertretung, ihre Hauptwirkung äußert sie da, wo dievertragSmäßigbindendeHausordnung oder das vertragsmäßig zu wahrende Gesamtinteresse des Etablissements einerseits ein Bcfehlsrecht des Repräsentanten und andererseits eine Sub ordination des übrigen Personals oder eines Teils desselben zur Folge hat; solches liegt vor im Rechte des Schiffsbesehls sowohl den Reisenden gegenüber (s. HGB. §. 665), als auch der Schiffs mannschaft gegenüber: s. Seemannsordnung v. 27. Dez. 1872 §§. 72, 79 it. a. Eine solche Gewalt und Stellvertretung setzt das RGes., betr. die Verbindlich keit zum Schadensersätze für die bei dem Betriebe von Eisen bahnen, Bergwerken u. s. w. herbeigeführten Tötungen und Körperverletzungen (v. 7. Juni
Von den Hilfspersonen des Handels im allgem.
aber
g. 20.
131
fl) auch die juristische Vertretung, nämlich die Ver
tretung inRechtsgeschäften/) d. h. bei Abgabe oder An
nahme von einer oder mehrerer Willenserklärungen (im Sinne
des BGB. §§. 116 ff.), durch deren Inhalt die eintretende Rechtsfolge zunächst bestimmt wird, mithin, in echten oder eigentlichen
Rechtsgeschäften*),
wie
sie
die
„Ver
tretung" im Sinne des BGB. (§. 164) im Auge hat.
Auf der Grenze zwischen jener sog. thatsächlichen Stell vertretung («) und dieser juristischen, nämlich rechtsgeschäft
lichen Stellvertretung (/?) steht die
Vertretung in solchen
Handlungen, bei denen die Rechtsfolge nicht oder wenigstens
nicht
in erster
Linie von
dem
Inhalte
einer
Willens
erklärung bestimmt wird oder davon abhängt, sondern von
der in erster Linie ins Auge gefaßten Herstellung eines rein thatsächlichen Zustandes, deffen Erzielung als das Wesent-
liche betrachtet wird (sogen. Realgeschäfte)?) 1871), in seinem §. 2 voraus: wenn dort von einem „Bevoll mächtigten oder Repräsentanten oder einer zur Leitung oder Be aufsichtigung des Betriebes oder der Arbeiter angenommenen Person" die Rede ist, so ist darunter keineswegs ein zur juristischen Stellvertretung in Rechtsgeschäften berufener Ver treter zu verstehen, aber ein Stellvertreter im Befehlsrecht oder in der Aufsicht, und ebenso verhält es sich mit dem Begriff Vertreter des Prinzipals im HGB. §. 72 Abs. 1 Nr. 4; s. unten §. 21 S. 142 Anm. 2. 1 Über den Begriff Rechts geschäft nach dem BGB. s. !
Fischer-Henle,BGB.(2.Aufl.) S. 45 ff. 2 Als Beispiele hiefür nennt Fischer-Henle BGB. S.45: einseitigen Erwerb des Besitzes (§. 854), Verarbeitung (§. 950), Aneignung (§. 958), Fund (§. 965), Dereliktion von Fahrniß (§. 959). Eine Stell
vertretung, nämlich mittels Vor nahme der die thatsächliche Wirkung erzeugenden Handlung für einen Geschäftsherrn, ist auch bei allen diesen auf der Grenze zwischen den eigentlichen Rechtsgeschäften und den sog. thatsächlichen Dispositionen eben so wie bei den rechts und links von dieser Grenze liegenden Vor gängen möglich.
132
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
in (eigentlichen) Rechtsgeschäften
Die Vertretung
die ihr charakteristische
hat
nämlich daß die (aus
Wirkung,
drücklich oder nicht ausdrücklich) im Namm des Vertretmm abgegebene Willenserklärung
unmittelbar
dm Vertretenen wirkt, nur dann, erklärung Abgebende innerhalb
tretungsmacht
diese
für und
gegm
wenn der diese Willens
der ihm zustehmdm Ver»
Erklärung
öbgiebt;1)
die Ver-
tretungsmacht ist aber entweder der Ausfluß eines Rechts
geschäfts — der Vollmacht — oder einer sie unmittel bar erzmgmden gesetzlichm Bestimmung, kraft welcher ein
sog. „gesetzlicher Vertreter" für den Vertretenen, diesen berechtigend
und verpflichtend, zu handeln
hat; zwischen
der bloß durch Rechtsgeschäft begründetm Vertretungsmacht, also der Bevollmächtigung, wie sie z. B. dem Prokuristen
oder S.
dem
158)
„Handlungsbevollmächtigten" (s.
begrifflich
zu
dem Gesetz beruhenden
teil
wird,
und
unten
der
§. 22
bloß auf
„gesetzlichm Vertreterschaft",
wie
sie z. B. dem Vater kraft der elterlichen Gewalt oder dem Vormunde für den Mündel gesetzlich zukommt,2)3 aber auch
dm nicht durch Vertrag berufenen Vertretern von juristischen Personm und Stiftungen nach dem Gesetze zusteht,^) kann
man sich einen mittleren Fall oder eine Kombination denken;
die Dertretungsbefugnis der zur Vertretung von Handels
gesellschaften^) nach dem Gesetze berufenen Personen, welche durch Vertrag (Gesellschafts- 5) oder Dienstvertrag) §) 1 BGB. §. 164. ! 4 Über diesen Begriff s. unten 2 S. oben §. 12 V S. 80 ff. §. 28 S. 169. die gesetzliche Vertretung des i 6 BGB. §. 705. HGB. §§. 105 minderjährigen Kaufmanns. Im I thiezn Gareis, HGB. Dor übrigen vgl.: BGB. §§. 1630,1 bemertungS.106,107), 162,182. 1684, 1793 ff., 1915. ; 6 BGB. §§. 611 ff., 675. 3 BGB. §§. 26, 30, 86. I
133
Don den Hilfspersonen des Handels im allgem. g. 2V.
in die Stellung gelangt sind,
die
Vertretungsbefugnis
als
an welche dann das Gesetz
Vertretungsmacht
gesetzliche
knüpft; hievon unten §. 24 II Seite 178.
IV.
eigentlichen
Die zur
juristischen
Stellvertretung,
nämlich zur „Vertretung" des Prinzipals in Rechts geschäften (s. oben III ß Seite 131) nicht durch das
Gesetz, sondern durch Rechtsgeschäft, nämlich durch Erteilung
der Vollmacht/) berufenen Personen heißen, wenn sie zum Betriebe eines Handelsgewerbes
oder zur Vornahme einer
bestimmten zu einem Handelsgewerbe
gehörenden Art von
Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handels gewerbe gehörigen Geschäfte ermächtigt sind, Handlungs
Dies Wort in
bevollmächtigte.
liegenden
umfasienden
Prokuristen zeichnen , nicht,
Prokurist
s.
(hievon
in
denn
Sinne
einem
unten
dem sprachlich
§.
22
I
S.
158)
den
be
engeren und technischen Sinne aber
im Sprachgebrauche des
neben
nahe
verstanden, muß auch
Gesetzes
wird
der
dem Handlungsbevollmächtigten koordi
niert genannt. Die Erteilung
einer Handlungsvollmacht (im weiteren
Sinne) und die Anstellung
im Dienste eines Kaufmanns
als Handlungsgehülfe müssen keineswegs stets verbunden, noch
auch stets getrennt sein;
es sind
vielmehr dreierlei
Fälle denkbar: a) Es ist jemand im Handelsgewerbe eines Kaufmanns (Prinzipals)
zur
Leistung
kaufmännischer
Dimste
gegen
* Bei Fischer-Henle BGB. , als ein einseitiges empfangsS. 81 Anm. ** wird die Voll- ! bedürftiges Rechtsgeschäft (s. macht (soll wohl heißen: die Er- ! Fischer-Henle a. a. O. S. 45 teilung der Vollmacht, wie sich Anm. *) bezeichnet, auch §. 167 des BGB. ausdrückt)
134
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
Entgelt angestellt — also Handlungsgehülfe — und zur Vornahme von zum Handelsgewerbe gehörigm Geschäften —
in den oben angeführten engeren oder weiteren Umfängen — ermächtigt, also zur Vertretung des Kaufmanns (Geschäfts herrn) bevollmächtigt, Handlungsbevollmächtigter?)
b) Es ist jemand im Handelsgewerbe eines Kaufmanns (Prinzipals) zur Leistung kaufmännischer Dimste gegen Ent gelt angestellt — also Handlungsgehülfe —, jedoch nicht
zur
Vertretung
also
ermächtigt,
nicht Handlungsbevoll
mächtigter.
c) Es
ist
jemand
weiteren Umfange mächtigter ,
zur Vertretung
ermächtigt
—
also
im
engeren oder
Handlungsbevoll
aber nicht im Handelsgewerbe des Geschäfts
herrn als Handlungsgehülfe angestellt, also nicht Handlungs gehülfe.
Das zuletzt erwähnte Verhältnis liegt z. B. vor, wenn ein Kaufmann seiner Ehefrau Vertretungsbefugnis erteilt,
eine Handelsfrau (s. oben §. 12 IV Seite 76ff.)' ihrem Manne Prokura giebt, ein Handeltreibender für die Zeit
seiner Erholungsreise seinen Sohn oder Freund mit einer Prokura ausrüstet, oder wenn er ebenso vorübergehend etwa einen bloß im Gesindeverhältnis (s. oben §. 20 n 4 S. 129) zu
ihm stehenden Markthelfer
macht versieht;
mit einer Handlungsvoll
dasselbe ist der Fall, wenn
etwa ein mit
dem Geschäftsherrn befreundeter selbständiger Kaufmann eine Vertretung desselben übernimmt.
In allen diesen Fällen
(c) fallen die unter dm geschilderten besonderen Umständen
bwollmächtigten
Personen
nicht
unter
den
Begriff
1 Vgl. z. B. den im HGB. §. 56 geregelten Fall.
der
Handlungsgehülfen (s. oben II 3 Seite 128 f. und unten §. 21), denn sie sind sämtlich nicht durch einen auf ent geltliche Leistung von kaufmännischen Diensten gerichteten handelsrechtlichen Dienstvertrag in das Geschäft desjenigen, den sie vertreten können oder wollen, ausgenommen; sie können aber zum vertretungsbedürftigen Kaufmanne in einem bestimmten, auf die mit der Vertretung zu leistenden Arbeit bezüglichen besonderen Rechtsverhältnisie stehen, z. B. einem Auftragsverhältnifse^) einem beliebigen Dienstverhältnisse,?) einem Werkverträge,8) einer Gesellschaft,^) irgend einem Geschäftsbesorgungsverhältnisie,^) und dieses zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten bestehende Rechts verhältnis ist scharf zu trennen von dem Vollmachtsverhältniffe, dessen Inhalt — der Umfang der Vollmacht — von dem Inhalte des bestehenden Dienst- oder Auftrags oder dgl. Schuldverhältnisies keineswegs notwendig oder vollständig abhängt. Eben dieses gilt aber auch von dem unter a voran gestellten ersten Falle: auch in diesem Falle ist das Hand lungsvollmachtsverhältnis etwas anderes als das Handlungs dienstverhältnis; es kann sein, daß die Vollmacht — dritten gegenüber wenigstens — zu einem bestimmtenGeschäftsabschlufse berechtigt, welchen der Prinzipal in concreto dienstlich ver boten hat,o) und es kann sein, daß das Vollmachtsverhältnis, auf dem die Vertretungsmacht beruht, beendigt ist, obwohl das vielleicht gleichzeitig mit dem Vollmachtsverhältnis 1 BGB. §. 662. 2 BGB. §. 611. 3 BGB. §. 631.
I I
4 BGB. §§. 705, 709, 710. 6 BGB. §. 675. 6 Vgl. HGB. §. 50.
Kap. II.
136
Die Personen im Handelsrecht.
begründete Dienstverhältnis
noch
von dem
fortbesteht; *)
letzteren wird in §. 21, von dem ersteren in §. 22 ge
sprochen?) V. Die Namen,
Bezeichnung männischen
der
in
welche im gewöhnlichen Leben zur
Handelsgewerben
Hilfspersonen,
Vertretungsmacht
sowie
ausgestatteten
mit
Angestellten
angestellten verwendet werden, lasten
kauf
Angestellten
der
merkantiler
oder
Nicht-
in der Regel nicht
erkennen, ob der mit dem Namen Bezeichnete der einen oder der anderen Kategorie angehört, zu welchen Diensten er berufen sei, und, wenn er eine Vertretungsmacht hat,
wie weit sie reiche, ja, es kommen im kommerziellen Ver kehr Titel vor, denen häufig nicht zu entnehmen ist, ob die
ihn Führenden zur juristischen Vertretung der Firma oder nur zu ganz mechanischen Diensten angestellt sind.
So sind
Direktor, Disponent, Kommis, Kassierer, Geschäftsreisender der Firma, Cargadeur, ja selbst der Lehrling: Handlungs bevollmächtigte, nämlich wenn und soweit sie als ermächtigt
gelten, Rechtsgeschäfte für den Prinzipal abzuschließen, z. B. Verkäufe; dagegen sind der Buchhalter, der Korrespondent, der Markthelfer, der Küfer,
auch der Kommis und der
Lehrling keine Handlungsbevollmächtigten, sondern Hand lungsgehülfen, nämlich wenn und soweit sie nur zur Vor
nahme kommerziell-technischer Dienstleistungen,
nicht
zur
juristischen Vertretung der Firma beauftragt und ermächtigt
sind.
Die rechtlichere Folgen
der einen und der anderen
1 Vgl. HGB. §§. 52, 66. Rechtsverhältnisse klar waren, a Das HGB. v. 1861 hatte, doch nicht ganz scharf das zu obgleich sich seine Verfasser über Trennende getrennt; s. Gareis, den Unterschied der beiden je- HGB. S. 62—63. weilig auseinander zu haltenden
Von den Hilsspersonen des Handels im allgem.
Stellung ergeben
sich
aus
den
Erörtemngen
20. 137
der beiden
folgendm, hierdurch unterschiedenen Paragraphen.
Die Unsicherheit, welche aus dem Mangel feststehender
Namm und Bezeichnungm der einzelnm Arten von An-
gestellten im Handel für das Publikum entspringt, wird durch das dmtsche Handelsrecht *) thunlichst durch folgende Bestimmungen beseitigt:
1.
durch die Schaffung des Rechtsbegriffs der Prokura einer
als
weitgehenden
und
nach
außen
zu
un-
beschränkbarm Handlungsvollmacht (f. §. 22 I);
2.
durch
gesetzliche
die
Umgrmzung
der Vertretungs
befugnis der Korrespondent-Reeder?) und der Schiffer?) (Schiffsführer);
3.
durch
die
Unterscheidung
Handlungsvollmachten stattung
übrigen
der
Arten
von
durch deren inhaltliche Aus
mittels Bezugnahme auf das im Verkehr
übliche („Gewöhnliche")
und durch deren Abmarkung
gegenüber den eine besondere Ermächtigung fordernden Rechtshandlungen;4)
4.
durch die Einreihung der „Handlungsreisendm" unter die
„Handlungsbevollmächtigten"
mit
der
näheren
Angabe, daß dieselben insbesondere für ermächtigt gelten,6)
den
geschlossenen
Kaufpreis
aus
den
von
ihnm
ab
Verkäufen einzuziehm und dafür Zah-
«HGB. §. 54, s. unten §.2211. 1 Schon durch das HGB. v.! 6 HÄB. §. 55. Diese Be 1861, besser noch durch das vom 10. Mai 1897. stimmung ist auf „Stad tretende * 2HGB.8.493, s. unten 8-110. nicht anwendbar. RGer. Bd. 6 *114 526 ff' *’ Unkn S. 83.
138
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
lungsfristen zu bewilligen, sowie die Erklärung von Dispositionsstellung entgegenzunehmen;2) 5.
durch die Rechtsvermutung, daß, wer in einem Laden
oder offenen Warenlager angestellt ist, für ermächtigt gilt zu Verkäufen
und Empfangnahmen,
welche in
einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen?) §. 21.
von den Haudlungsgehülsen.
I. Handlungsgehülfen im weiteren Sinne sind alle die
jenigen Personen, welche sich in einer merkantil-dienstlichen
Stellung
im
Handelsgewerbe
eines
Prinzipals
befinden
(s. oben §. 20 I am Ende und ebenda II 3); nach dem Zweck
dieser dienstlichen Stellung sind zu unterscheiden die Hand lungsgehülfen
im engeren Sinne und die Handlungslehr
linge.
Die Handlungsgehülfen jenigen Personen,
im
engeren
Sinne
sind die
gleichviel ob männlichen oder weiblichen
Geschlechts, welche sich
im Dienste eines Handelsgewerbes
zum Zwecke der Leistung merkantil-technischer Arbeit gegen Entgelt angestellt befinden?) Die Grundlage des
rechtlichen
Verhältniffes
zwischen
diesen Personen und dem Prinzipal ist der Dienstvertrag 'HGB. 8.55Abs.3. Gareis, I betreffenden sechsten Abschnitts Das Stellen zur Disposition des ersten Buches des HGB. (1870) S. 90—92 und Gareis, (1. Januar 1898) mit Ausnahme des HGB. §. 65 s. EinfG. zum HGB. (1898) S. 70. 2 ..HGB. §. 56. tGB. Art. 1 Abs. 2; vgl. oben 3 Uber das Inkrafttreten des . 29,1 und S. 31 Anm., ferner die Rechtsverhältnisse der Hand S. 146 Anm. 2 und S. 154 V. lungsgehülfen und -lehrlinge
im Sinne des bürgerlichen Rechts, *) dessen gesetzliche Regelung — in ihrem zwingenden, wie in ihrem dispositiven Teile — im allgemeinen, d. h. soweit nicht besondere Normen handelsgesetzlich maßgebend oder vereinbart sind, auch für die Dienstverhältnisse der Handlungsgehülfen maß gebend ist. Mr den Abschluß des Dienstvertrags ist keine besondere Form vorgeschrieben, er ist für den Prinzipal unzweifelhaft ein Handelsgeschäft?) Auch Kaufleute minderen Rechts können Handlungsgehülfen anstellen. II. Die Pflichten des Handlungsgehülfen, denen selbstverständlich die Rechte des Prinzipals entsprechen, ergeben sich in erster Linie aus dem ab geschlossenen, — möglicherweise in einer, vom Prinzipal aufgestellten und vom Gehülfen als lex contractus an genommenen , Geschäfts- oder Hausordnung zum Ausdruck gelangten, — giltigen Vertrage, sodann aus dem Handels rechte und endlich aus dem allgemeinen bürgerlichen Rechte;4) im einzelnen bestehen sie in folgenden Verbindlichkeiten: 1. Der Handlungsgehülfe hat die vereinbarten merkan tilen Dienste und, soweit nicht besondere Vereinbamngen 1 BGB. §§. 611-630. : (Leipzig 1894) S. 109, 903, nach 8 HGB. §. 343. ! dem Rechte der Jnvaliditäts8 Die öffentlich-rechtlichen sowie u. Altersversicherung s. R.Weyl die aus bem allgemeinen bürger-! ebenda S. 622. Wegen Richtlichen Rechte sich ergebenden j anrechnung der..Rente s. HGB. Pflichten der HandlungSgehülfen ' §. 63 Abs. 2. Über die Haftu Haftung gehören selbstverständlich nicht der HandlungSgehülfen aus unin die Darstellung des Handels- erlaubten Handlungen entscheidet rechts; über die beschränkte Der- selbstverständlich daS allg. bürger sicherungspflicht der Handlungs- liche Recht. Vgl. aber auch unten gehülfen (und-lehrlinge) nach dem Anm. 2 S. 144 zu §. 21 III. Rechte der Krankenversicherung 4 EinfG. zu HGB. Art. 2 siehe übrigens R. Weyl, Lehr- Abs. 1. buch d. Reichsversicherungsrecyts
Kap. IL
140 über
die
Art
und
Die Personen im Handelsrecht. den
Umfang
seiner Dienstleistungen
getroffen sind, die dem Ortsgebrauche entsprechenden Dienste, und sofern auch der Ortsgebrauch schweigt, die den Umständen
nach angemessenen, vom Richter nötigenfalls an der Hand von Sachverständigen-Gutachten
als angemessen festzustellenden
Dienste zu leisten;1) in Zweifelsfällen entscheidet die Verkehrsauffaffung darüber, was unter kaufmännischen Diensten
zu verstehen sei; darauf, ob dem Angestellten eine Ver tretungsmacht 2) zusteht oder nicht, kommt es nicht an: der Handlungsgehülfe kann Prokura oder eine andere Art von
Handlungsvollmacht haben, und in den meisten Fällen sind die Prokuristen und
(sonstigen) Handlungsbevollmächtigten
in der That Handlungsgehülfen, d. Geschäftsherrn
h. im Gewerbe des
als Bedienstete zur Vornahme merkantiler
Arbeit angestellt, aber notwendig ist weder das eine, noch das andere: es giebt Prokuristen und (andere) Handlungs
bevollmächtigte,
welche nicht im Gewerbe des Geschäfts
Arbeit angestellt sind, und um
herrn zu kaufmännischer
gekehrt : es giebt zahllose Handlungsgehülfen (z. B. Konto risten),
welche
Vertretungsmacht
keinerlei
besitzen;
aber
kaufmännische Dienste müssen es sein, zu deren Leistung der Handlungsgehülfe, sein
muß;
technischen
die
um ein solcher zu sein, angestellt
Dienste
Personals, 3)
des
chemisch-
ferner
die
der
oder
sog.
mechanisch
Gewerbe-
so wenig wie die künstlerischen Arbeiten der in kunstgewerblichen Anstalten angestellten Maler, 3 So sind die Dienste, welche Zeichnerund Bildhauer (s. RGes. Chemiker, Ingenieure oder betr. den Schutz der Muster und Maschinentechniker in einem ; Modelle v. 11. Januar 1876 Handelsetablissement, in dem sie H. 2 u. vgl. oben §. 19 S. 124) angestellt sind, zu leisten haben, j kaufmännisch; vgl. ROHG. Bd. 9.
Von den Handlungsgehülfen,
g. 21.
141
gehülfm/) z. B. tm be- und verarbeitenden Handwerk, sowie die des Gesindes9) sind keine kaufmännischm Dienste, die hiezu gehörenden Personen sind also keine Handlungsgehülfen. Aber der Umstand, daß ein in einem kaufmännischm Eta blissement — und sei es auch nur das eines formellen Handelsgewerbesb) — Angestellter außer seinen kaufmännischen Dienstm nebenbei noch andere, z. B. gewisse technische Arbeitm zur Erhaltung leicht verderblicher Waren' erforder liche, zu verrichten hat, schließt den Begriff Handlungs gehülfe nicht aus/) und andererseits, wie folgeweise, kann sich ein Handlungsgehülfe nicht etwa unter Berufung auf seine Eigenschaft als Handlungsgehülfe weigern, solche zwar nicht rein kaufmännische, aber doch unmittelbar mit dem
S. 306, Bd. 11 S. 387, Bd. 17 S. 307, Bd. 18 S. 232, Bd. 21 S. 18 u. a.; für den Dienst vertrag dieser Angestellten ist regelmäßig BGB. §§. 611-630 maßgebend. 1 Diese, aber nicht die Handlungsgehülsen unterstehen der Gerichtsbarkeit des Gewerbeaerichts in ihren gewerblichen Streitigkeiten, ö. RGes. betr. die Gewerbegerichte v. 29. Juli 1890 §§. 1 ff. Köche u. Kellner von Restaurants und Gasthöfen sind regelmäßig keine Handlungsaehülfen. S. ROHG. Bd. 7 S. 300, Bd. 24 S. 270, RGer. Bd. 1 S. 268. 9 Für das Gesinde, auch das des Kaufmanns, gilt Gesinderecht. S. HGB. §. 83. tzinfG. zum BGB- Art. 95.
8 ^GB^ §. 2.
! , , i , I
' j ,
S. oben §. 8
Denkschrift S. 3167). — Treibt ein Land- oder Forstwirt ein kaufmännisches Nebengewerbe, dessen Firma gemäß HGB. §. 3 Abs. 2 in das Handelsregister eingetragen ist, so find dre in diesem Nebengewerbe Angestellten deshalb allein keineswegs schon Handlungsgehilfen, selbst wenn sie neben ihren landwirtschaft lichen oder technischen Diensten nebenbei auch Arbeiten für das kommerzialisierte Nebengewerbe fz. B. Gutsinspektoren dre Kor respondenz) besorgen — ent scheidend muß, wie in dem oben angedeuteten umgekehrten Falle, die Hauptbeschäftigung, die Hauptberufsaufgabe des Ange stellten sein.
142
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
Absatz der Waren zusammenhängende,
Dienstverhältnisses (nach Ortsgebrauch Arbeiten
auszuführen.
Handlungsgehülfen,
—
im Rahmen seines u. s. w.)
Beharrliche
Dienstverpflichtungen
seinen
gelegene
Weigerung
eines
nachzu
kommen, können den Prinzipal unter Umständen zur sofor tigen Entlassung berechtigen?)
Zu den gewöhnlichen kauf
männischen Diensten gehört Buchführung,
Korrespondenz,
Kasseführung, Magazinverwaltung u. dgl., aber auch die geschäftliche Bedienung des Publikums im offenen Laden,
auch das Abschließen von Geschäften für den Prinzipal und auch das Aufsuchen der Gelegenheit, Geschäfte abzuschließen,
oder das Vermitteln derselben (d. i. das Zusammenbringen von Vetragsbedürstigen, die dann abschließen können). 2.
Jeder Handlungsgehülfe ist seinem Prinzipal und
dessen Vertreter1 2)3 gegenüber zu anständigem Benehmen ver pflichtet, selbstverständlich schon nach dem allgemeinen bürger
lichen Recht, aber
mit der handelsrechtlichen Besonderheit,
daß Vertrauensmißbrauch, die Untreue im Dienst und nicht ganz unbedeutende
lungsgehülfe
gegen
Ehrverletzungen, deren sich der Hand den
Prinzipal
oder
dessen
Vertreter
schuldig macht, den Dienstherrn regelmäßig zur sofortigen Entlassung des Handlungsgehülfen berechtigen können?) 3. Der Handlungsgehülfe hat sich des Betriebs eines
eigenen Handelsgewerbes,
sowie des Geschäftemachens
im
Handelszweige des Prinzipals (ohne dessen Einwilligung) — bei Meidung der Schudensersatzpflicht u. s. w., möglicher-
1 HGB. §. 72 Abs. 1 Nr. 2 n. 3.
8 Uber diesen Begriff f. oben §. 20 III u. Anm. 1 S. 130. 3 HGB. §. 72 Nr. 4.
Bon den Handlungsgehülfen,
g. 21.
143
weise auch sofortiger Entlassung — zu enthalten/) hievon
wurde oben §. 14 Seite 88 gesprochen.
4. Der Handlungsgehülfe muß im Dienste, welchen er übernommen hat, während der vertragsmäßigm Dauer des
selben
oder
ausharren/) auch
treu
anzunehmenden
gesetzlich
während
der verabredeten
Verlängerung
derselben/)
unbeschadet der gesetzlichen oder vertragsmäßigm Kündbar keit^)
und auch unbeschadet des in besonderm Ausnahme-
fällm bestehmdm Rechts, den Dimst sofort zu verlassen?) Über das Recht der Kündigung s. unten IV Seite 152.
5. Er
hat
aber auf Verlangen des Prinzipals den
Dienst sofort zu verlassen, wenn der letztere aus einem ihn hiezu berechtigenden Grunde,8 * )* wofür das Gesetz — nicht
bindende — Beispiele aufstellt,') das Dienstverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist kündigt. 6. Den Handlungsgehülfm trifft eine besonders aus
gesprochene Schadensersatzpflicht für dm Fall, daß er durch Hervorragmd
rechts-
und
insbesondere
vertragswidriges
Benehmm den Prinzipal zur objektiv berechtigtm sofortigen
Entlassung veranlaßte?)
7. Der Handlungsgehülfe hat die in Bezug auf seine gewerbliche Thätigkeit
nach
* HGB. §§. 60, 61, 174. - HGB. |. 72 Abs.„ 1 Nr. 2. . 8 BGB. §. 625. Überhaupt . finden die Vorschriften des BGB^ über den Dienstvertrag auch auf j Handlungsgehülsen Anwendung, \ soweit nicht das Spezialrecht \ des Handels ihnen derogiert. ' 4 HGB. §§. 66-69. 1 6 HGB. §§. 70, 71, 75. '
der Beendigung des Dimst-
8 HGB. §. 70. 1 HGB. §. 72; des Richterspruches bedarf es hiezu nicht von vornherein (s. GareiS, HGB. Anm. 2 zu §. 70 S. 81—82), — anders in Fällen des §. 117. 8 HGB. §. 70 Abs. 2. BGB. §. 628 Abs. 2, mit BGB. §8. 249 ff.
Kap. II.
144
Tie Personen im Handelsrecht.
Verhältnisses übernommene Verpflichtung, sich gewisser Kon-
kurrenzunternehrnungen und dgl. zu enthalten,') zu erfüllen,
sofern sie gesetzlich zulässig ist,2) und insbesondere eventuell die für den Fall
der
Nichterfüllung versprochene Strafe
zu leisten;8) jedoch kommt ihm hiebei zu gute, daß mit der
Leistung der Strafe der Anspruch auf Erfüllung der Ver
pflichtung, sowie der Ersatz weiteren Schadens ausgeschlossm
ist,4) daß auch das richterliche Strafherabsetzungsrecht besteht6) und diese Privilegien nicht durch Vertrag beseitigt werden sönnen.6)
III. Die Pflichten des Prinzipals, deren Inhalt
sich selbstverständlich deckt mit den entsprechenden Rechten des Handlungsgehülfen, ergeben sich ebenso wie die oben II Seite 139) in
erster
dem den gesetzlichen Zwangsvorschriften
nicht
des Handlungsgehülfen (s.
Linie
aus
widersprechenden Vertrage (s. oben Seite 138), sodann aus dem
Handelsrechte
und
schließlich
aus
dem
allgemeinen
bürgerlichen Rechte; handelsgesetzlich7) treffen den Prinzipal
folgende Verbindlichkeiten:
88 (HGB. 8- 74). Uber Ge schäftsgeheimnisse und deren Be wahrung durch Handlungs«Ilsen s. Gareis in Bl. f. ^nw^1896^auch oben S. 119 f. HGB. §. 74 Abs. 1-3. 8 ^GB. §. 75 Abs. 2. HGB. §. 75 Abs. 2 Sah 2. Berg5. auch" BGB. §. 340 340'im jl. auch im _ Ansätze zu BGB. 8- 341 Abs. 1 8 BGB. §. 343. 6 HGB. 8- 75 Abs. 3. 7 Zn Bezug auf sonstige ge setzliche Pflichten des Prinzipals
vgl. entsprechend die Anm. 3 zu oben II S. 139. Hinsichtlich Der Haftung des Prinzipals aus dem Verschulden seines Handlunasgehülsen ist das all gemeine bürgerliche Recht maß gebend, insbesondere nun BGB. §§. 278, 276, 831 (auch 701-703 Gastwirte), außerdem aber auch besonderes Handelsrecht in den Fällen der 88- 431, 457, 458, 459,606, auch 413 d. HGB. (d. s. Fälle des Land- und See frachtrechts) und in Fällen des Hastpflichtgesetzes 88- V 2-
Von den Handlungsgehülfen,
g. 21.
145
1. Der Handlungsgehülfe kann verlangen, vom Prinzipal
persönlich anständig, wenigstens nicht unanständig behandelt
zu werden; würde sich der Prinzipal Thätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen oder unsittliche Zumutungen gegen
dm Handlungsgehülfen (gleichviel ob männlichen oder weiblichm^) Geschlechts) zu Schulden kommm lasten, oder sich
weigem, den Handlungsgehülfm gegen derattige Handlungm
eines andern Angestellten oder eines Familimmitglieds des Prinzipals zu
schützen,
so
würde dies dm Handlungs
gehülfen in der Regel zum sofortigen Austritte aus dem
Geschäfte berechtigen?) 2. Der Prinzipal ist aber auch zur positiven Sorge für das körperliche und sittliche Wohl seiner Handlungs
gehülfen verpflichtet,
insofem
er nach der ausdrücklichen
Vorschrift des Gesetzes sowohl die Geschäftsräume, als auch
die für den Geschäftsbetrieb bestimmten Vorrichtungen und
Geräte so einzurichten und zu unterhalten hat, auch den
Geschäftsbetrieb selbst und die Arbeitszeit so zu regeln hat,
daß der Handlungsgehülfe gegen Gefährdung seiner Gesund
heit möglichst geschützt und die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstands menschlichen Handelns
— diese Regelungsweisen des
namentlich
in Rücksicht auf
das
Geschlecht und das Alter der Angestellten als maßgebmd genommen — gesichert ist; diese social überaus wichtige
Verpflichtung steigert sich noch bei den gebrödetm An
gestellten, d. h. denjmigm Handlungsgehülfm, welche in
1 Hiezu vgl. auch BGB. §. 825. s HGB. §. 71 mit Anm. 2 u. 3 bei Gareis HGB. S. 82. Gar eis, Handelsrecht. s. Anst. 10
Kap. II.
146
Tie Personen im Handelsrecht.
die häusliche Gemeinschaft ausgenommen worden sind, denn diesen gegenüber hat der Prinzipal auch für gesunde Wohn-
und Schlafräume, paffende Verpflegung, Erholungszeit und wenigstens für die Möglichkeit zu sorgen, daß der Hand
lungsgehülfe kommen
auch
seinen religiösen Verpflichtungen nach
Alle
kann.
diese
Verpflichtungen
nicht
können
durch Vertrag im voraus aufgehoben oder beschränkt werden, ihre Nichterfüllung berechtigt den Handlungsgehülfen regel mäßig (d. h. sofern nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen), sofort aus dem Dienste auSju»
taten;1)2 hat
für
Leben
die Nichterfüllung
und
Gesundheit
des
der Pflicht
der
Sorge
Handlungsgehülfen
eine
Schädigung des letzteren zur Folge, so ist der Prinzipal schadensersatzpflichtig nach den Regeln des bürgerlichen Rechts über den Ersatz
des
durch
unerlaubte Handlungen ver
ursachten Schadens.?)
3. Der Prinzipal muß dem Handlungsgehülfen den ihm
nach Verabredung oder Ortsgebrauch oder Gesetz
gemeffm
zukommenden
Entgelt
leisten;3)
als an-
man kann
in
Bezug auf den Entgelt, welcher Handlungsgehülfen zu leisten ist, verschiedene Arten von Handlungsgehülfen unterscheiden. 1 HGB. §§. 62, 71 Nr. 3. 2 HGB. §. „62 mit BGB. §§. 842—846. Uber die Streitfrage wegen des Inkrafttretens dieser Bestimmungen s. v. Specht in d. D. Jur.-Zeitung 1897 Nr. 13 S. 261 u. Gareis, HGB. Anm. 4 zu §. 62 S. 77, auch ebenda Anm. 1 u. 2 zu Art. 1-des YinsG. v. 10. Mai 1897 S. 410 f.; s. auch oben S. 31 Anm. 3 Ist der Handlungsgehülfe
durch unverschuldetes Unglück I an der Leistung der Dienste ver; hindert, und bezieht er für die Zeit dieser Verhinderung Beträge ! auf Grund einer Kranken- oder 1 Unfallversicherung, so braucht er ! sich unter keinen Umständen ' (— auch wenn er es vorher versprachen haben sollte —) diese Beträge auf den Gehalt oder Unterhalt chalt anrechnen zu lassen, die ihm gesetzlich „ , „ , — nach HGB. §. 63 — zukommen.
Von den Handlung-gehülfen.
§. 21.
147
nämlich solche, welche Tantiemen (Anteile am Reingewinn)
und solche, welche Provision (Entgelt für die einzeln ge
machten Geschäfte, aber ohne Rücksicht auf den Reingewinn)
erhalten (s. unten), in beiden Fällen entweder mit oder
ohne festes Gehalt, ferner solche, die auf festes Gehalt, mit oder ohne Kost und Wohnung, gestellt sind, solche, die nur
Kost und Wohnung vom Prinzipal erhalten, und solche, welche nach Tarifen zu honorieren sind, während diejenigen, welche vollkommen unentgeltlich (etwa als Volontärs, mit sehr verschiedenem Range und Thun) im Geschäfte des
Prinzipals arbeiten, oder nur
ganz
willkürliche Gegen
leistungen vom Prinzipal für ihre Arbeit im Geschäft er
halten (etwa nur Neujahrsremunerationen ohne alle Vereinbamng), oder gar selbst an den Prinzipal dafür, daß
sie im Geschäft arbeiten (oder lernen) dürfen, Lehrgeld zahlen, nicht zu den Handlungsgehülfen im Sinne des Gesetzes *) gehören; um den Handlungsgehülfen vor einer
für ihn möglicherweise recht unangenehmen Verzögemng der
Entlohnung zu schützen, schreibt das Gesetz unabänderlich
bindmd vor, daß der Prinzipal das Gehalt am Schluffe jedes (im Dimst verbrachten) Monats zu zahlen hat, und
zwar nicht bloß dann, wenn die Vergütung nach diesem Zeitabschnitte (Monat) bemeffm ist, sondern auch, wenn ein Jahresgehalt vereinbart wurde?)
Die Höhe des Ent
gelts richtet sich nach der Vereinbarung, eventuell nach dem
Ortsgebrauche und in Ermangelung eines solchen nach der nötigenfalls mittels Sachverständigengutachtens festzustellen1 S. den Wortlaut des HGB. §. 59; f. auch oben S. 134 u. unten (Lehrlinge) S. 154.
2 Vgl. HGB. §. 64 mit dem anderes voraussetzenden BGB. §. 614 Sah 2.
Kap. II.
148
Die Personen im Handelsrecht.
den Angemessenheit.
Die Vereinbarung, daß dem Hand
lungsgehülfen für Geschäfte, die von ihm abgeschlossen oder öcrmittclt1) werden, eine Provision vom Prinzipal zu zahlen
ist, hat zur Folge, daß einzelne auf den Handlungsagenten be
zügliche Vorschriften auch auf einen solchen Handlungsgehülfen
anwendbar sind; letzterer kann dann die Provision, wenn nichts anderes vereinbart ist, immer erst fordern, wenn die
im Zweifel am Schlusie eines jeden Kalenderhalbjahrs vor hat, und bei dieser
zunehmende Abrechnung stattgefunden
Abrechnung, bei welcher der Handlungsgehülfe auch die Mit
teilung eines Buchauszugs
über die durch seine Thätigkeit
zustande gekommenen Geschäfte fordern kann, sind nur die
jenigen
Geschäfte zu berücksichtigen, welche bis dahin zur Verkäufe, die der Handlungs
Ausführung gelangt sind;
gehülfe vermittelte oder für den Prinzipal abschloß, im
Zweifel erst dann und nur so weit,
Zahlung darauf
eingegangen ist?)
wenn und wieweit
Auch die Höhe der
Provision richtet sich nach der Vereinbarung und in Er
manglung dieser nach der Ortsüblichkeit; sie richtet sich aber
nicht nach dem wirklichen Gewinne des Prinzipals, denn
sie
ist ein fester Satz, den der Prinzipal auch dann zu
zahlen hat, wenn er aus dem zustande gekommenen Geschäfte keinen Gewinn macht; es wird also ein Handlungsgehülfe
dadurch,
daß Provision
bedungen
ist,
noch
nicht zum
Commis int6ress6; denn letzterer nimmt nur am Gewinn
1 Über diesen Begriff s. unten §. 64 und oben II 1 am Ende. *HGB. 8-68 mit 8.91 Satz 1 auf Grund des §. 65, letzterer tritt erst mit 1. Januar 1900
in Wirksamkeit, s. oben S. 138 Sinnt. 3. Hinsichtlich der Ver hinderung der Aussüorung von eingeleiteten Geschäften siehe HGB. §. 88 Abs. 3.
Von den Handlungsgehülfen.
149
8- 21.
Anteil, und dies ist der Fall, wenn dem Handlungsgehülfen
eine Tantieme,
Anteil
ein verhältnismäßiger
am Rein
gewinn zugesichert ist; auch in diesem letzteren Falle ist
und bleibt der Prinzipal ausschließlich der Geschästsherr, und es wird durch eine solche Zusicherung nicht etwa das
Handelsunternehmen des Prinzipals zu einem diesem und dem
Commis
nehmen ;
es
Interesse
liegt
gemeinsamen
Gesellschaftsunter
auch nicht eine stille Gesellschaft vor,
denn diese setzt Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters voraus; *)
nur
betreffs
der
Beteiligung
des
Commis
Interesse am Reingewinne des Prinzipals liegt ein nach
Grundsätzen des Gesellschaftsrechts zu beurteilendes Gesell schaftsverhältnis vor?)
Es enthält das Gesetz keine besonderen Vorschriften in
Bezug auf die letzteren^) es ist insbesondere die Beschrän kung, welche das Gesetz bei der Berechnung der Tantieme für
Vorstands-
und
Aufsichtsratsmitglieder
von Aktien
gesellschaften aufstellt, hier nicht maßgebend; unmöglich kann aber die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, in Bezug auf Vorlegung der Bücher dem Commis int6ress6 mehr
Rechte als dem stillen Gesellschafter einzuräumen?)
4. Der Prinzipal muß den Handlungsgehülfen während der ganzen Dauer des Dienstvertrages, selbst wenn er ihn
nicht
beschäftigen
kann,
im Dienste
belaffen,
und
ins
besondere dem Vertrage entsprechend besolden, sofern nicht
ein gesetzlicher Endigungsgrund vorliegt; über die Kündi1 HGB. §. 335. 2 ROHG. Bd. 17 S. 275 ff. Hienach nun BGB. §§. 705 ff., msbes. BGB. §. 706 Abs. 3. 3 S. Denkschr. S. 3169.
4 Vgl. HGB. §. 338 Abs. 2 u. 3 mit BGB. §. 716 u. s. Entsch. b. ROHG. Bd. 1 Nr. 58 S. 195, Bd. 17 Nr. 59 S. 277.
Kap. II. Tie Personen im Handelsrecht.
150
gung und sonstige Gründe der Endigung des Dienstver-
hältnifles siehe unten IV.
5. Er hat dem Handlungsgehülfen sofort den Austritt
zu gestatten, wenn einer der Gründe vorliegt, aus denen vom
letzteren das Dienstverhältnis ohne Einhaltung der
Kündigungsfrist gekündigt werden kann, und der Hand lungsgehülfe auf Grund hievon in der That gekündigt hat?)
6. Den Prinzipal trifft die Pflicht, dem Handlungs gehülfen denjenigen Schaden
zu ersetzen, welcher letzterem
daraus erwächst, daß ihn der Prinzipal durch vertrags
widriges Verhalten zur Kündigung des Dienstverhältnisses
veranlaßte, und daß dieses Verhältnis folgeweise aufgehoben wurde?) 7. Bei der Beendigung des Dienstverhältniffes muß der
Prinzipal
dem Handlungsgehülfen auf dessen Verlangen
hin, gleichviel aus welchem Grunde der Dienst beendigt
wird, ein schriftliches Zeugnis ausstellen; dieses Zeugnis
hat sich nur über die Art und Dauer der Beschäftigung des Gehülfen auszusprechen, es sei denn, daß der letztere die Ausdehnung des Zeugnisses auf die Führung (z. B. anständiges und moralisches Verhalten) und die Leistungen
(nämlich
die
handelsgewerblichen)
ausdrücklich
verlange;
der Handlungsgehülfe kann auch verlangen, daß die Orts
polizeibehörde das Zeugnis (nämlich die Authenticität des selben, nicht den Inhalt des Führungs-
oder Leistungs
attests) beglaubige, und zwar kosten- und stempelfrei. 8. Diese Pflicht, ein wahrheitsgetreues Zeugnis dem
Handlungsgehülfen auszustellen, hängt mit der allgemeineren
1 HGB. §§. 70 Abs. 1, 71.
|
- HGB.
70 Abs. 2.
Von den Handlungsgehülsen.
§. 21.
151
Pflicht des Prinzipals zusammen, das weitere Fortkommen des Handlungsgehülfen wenigstens insoweit sich angelegen
sein zu lassen,,als dieses dem letzteren nicht unbilligerweise
erschwert werden soll; *)
daher
muß der Prinzipal
dem
Handlungsgehülfen nach der Kündigung eines dauernden
auf
Dienstverhältnisies Aufsuchen
und
eines
deshalb
ist
Verlangen
anderen auch
angemessene Zeit zum
Dienstverhältniffes
die
gewährens)
sog. Konkurrenzklausel,
durch
welche der Gehülfe für die Zeit nach dem Ende des Dimstes
in seiner gewerblichen Thätigkeit
vertragsweise beschränkt
werden soll, nur zeitlich und sachlich eingeengt und bedingt
zulässig.8) IV. Das Dienstverhältnis wird beendigt:4) 1. durch die vollständige
Leistung der Arbeit,
wenn
dasselbe nur für diese eingegangen war; 2. durch Ablauf der vorbedungenen Zeit,
etwa
eine
stillschweigende
andern Teile
setzung zu
Verlängerung
nicht mit Widerspruch
sofern nicht
aus
der vom
belegten Dienstfort
folgern ist;8) die Verlängerung gilt dann als
für unbestimmte Zeit vereinbart, unterliegt aber der gesetz
lichen Kündbarkeit;
3. durch den Tod des Handlungsgehülfen, der Anspmch auf die Dienste geht nicht gegen die Erben;8) 1 Vgl. auch BGB. 824,826. 2 BGB. §. 629 u. Tenkschr. §. 72 S. 3170. 3 HGB. §§. 74, 75 u. s. oben ■ 14 S. 92 r. : 4 Abgesehen von andern: Gründen, die zur Beendigung ! von Vertragsobligationsverhält- i nissen überhaupt führen können,
wie z. B. contrarius consensus.
6 BGB. 625. 6 BGB. |§. 673, 675. Dies geht auch aus BGB. §. 613 hervor. Durch den Tod des Prinzipals erlischt das TienstVerhältnis im Zweifel nicht. S. BGB. 672, 675, bezüglich des Lehrherrn s. aber HGB. §. 77 Abs. 4.
Kap. II.
152
Die Personen im Handelsrecht.
4. durch den von dem Kontrahenten nicht verschuldeten Verlust derjenigen körperlichen oder geistigen Kraft, welche dem Handlungsgehülfen zur Erfüllung seiner Dienstpflicht nötig
ist;1) aber mindestens sechs Wochm lang muß, wenn nicht
noch länger vereinbart ist, der Prinzipal dem Handlungs
gehülfen, der durch unverschuldetes Unglück an der Leistung seiner Dienste verhindert wird, Gehalt und Unterhalt ge
währen ;2) 5. durch den Ablauf der Kündigungsfrist im Falle der
ordentlichen Kündigung: jedes für unbestimmte Zeit ein
gegangene Dienstverhältnis kann sowohl vom Prinzipal, als auch vom Handlungsgehülfen für den Schluß eines Kalender-
vierteljahrs
unter Einhaltung
einer
sechswöchentlichen
Kündigungsfrist gekündigt roerben,3) sofern nicht eine kürzere (aber niemals unter einen Monat herabzusetzende) oder längere,
stets
für
beide Teile
gleiche Kündigungsfrist vereinbart
worden ist;4) dies gilt unabänderlich, und zwar auch dann,
wenn das Dienstverhältnis für bestimmte Zeit so verein bart worden ist, daß es in Ermangelung einer vor dem
Ablaufe der Vertragszeit erfolgten Kündigung als verlängert
gellen soll. Diese gesetzlichen Beschränkungen der Vertrags freiheit bleiben jedoch in drei Ausnahmefällen außer An
wendung, nämlich: a) wenn der Gehülfe ein Jahresgehalt von mindestens
5000 M. bezieht; b) wenn er für eine außereuropäische Handelsnieder 1 BGB. §§. 275, 323. Anm. 2 bis 6 zu HGD. g. 63 2 HGB. §. 63; über das S. 78. Verhältnis dieses §. zu BGB. 3 HGB. §. 66. S§. 616, 617, s. Gareis, HGB. 4 HGB. tz. 67.
Bon den Handlungsgehülfen,
§. 21.
158
lassung angenommen ist, und der Prinzipal vertragsmäßig
für dm Fall, daß er kündigt, die Soften der Heimreise des
Gehülfm zu fragen hat — den Prinzipal werden in einem solchen Falle die ihm zur Last fallmden Soften der Rück
beförderung des entlassenen Gehülfm von nicht wirklich gerechtfertigtm Entlassungen regelmäßig abhaltm —;*) und
c) wenn der Handlungsgehülfe nur zu einer vorüber-
gehendm, nicht über drei Monate hinausreichmden Aus
hilfe^) angenommen war, ein Fall, für welchm jedoch das Erfordernis, daß die Sündigungsfrist für beide Teile gleich
sei, ausdrücklich festzuhaltm ist; 6. durch die außerordentliche Kündigung,
d. i. die
augmblickliche Entlassung oder den augmblicklichm Austritt aus dem Dienste wegen eines die außerordentliche Endigung
rechtfertigendm wichtigen Gmndes; das Gesetz spricht das
Prinzip aus,8) knüpft an die außerordentliche Veranlassung auch eine außerordentliche Schadensersatzpflicht/) zählt er
läuternd aber weder zwingend, noch erschöpfend eine Anzahl von Fällen auf, in dmm eine sofortige Entlassung8) oder bezw. ein sofortiger Austritt6) gerechtfertigt sein kann, und setzt die vertragsmäßigen Sonkurrmzverbote T) für dm Fall
außer Wirksamkeit, daß der Prinzipal durch rechtswidriges Verhalten dem Gehülfen zum sofortigen Austritt begründetm
Anlaß gab;8)
1 Über das nicht ganz Zutreftenbe der Motivierung des 8. 68 Abs. 2 in der Tenkschr. S. 3170 V Gareis, HGB. S. 81. Sinnt. 2 zu §. 68. 2 Über die Anstellung aus Probe f Gareis, HGB. Amn. n §• 69 S. 81.
3 4 6 6 1 8
HGB. HGB. HGB. HGB. HGB. HGB.
§. §. tz. §. §. tz.
70 Abs. 1. 70 Abs. 2. 72. 71. 74. 75.
Kap. II.
154
Die Personen im Handelsrecht.
7. durch die Eröffnung des Konkurses über das Ver mögen des Prinzipals?) V.
Die
Handlungslehrlinge
unterscheiden
sich
ihrer Aufgabe nach von den Handlungsgehülfen im engern Sinne
daß
dadurch,
sie
kaufmännische Dienste nicht zu
leisten, fonbem zu lernen haben;
so
Schwimmen nur im Waffer,
da man aber, wie das auch den Dienst nur im
Dienste lernt, so steht auch der Handlungslehrling im Dienste
seines Prinzipals, gehört zu den
der ihm gegenüber Lehrherr heißt, und
Handlungsgehülfen im weitern Sinne (s.
oben I Seite 138), wenngleich ihm ein Anspruch auf Ent gelt, der dem Handlungsgehülfen (im engern Sinne) be
grifflich zusteht, nicht (oder wenigstens nicht begrifflich) zu
kommt.
Maßgebend
Prinzipal als
für
das
Verhältnis
zwischen
dem
Lehrherrn und dem Handlungslehrlinge ist
in erster Linie der Lehrvertrag.
Dieser Vertrag ist juristisch
verschieden zu qualifizieren: er kann als Auftragsvertrag2) bezeichnet werden, wenn der Lehrherr sich verpflichtete, die Ausbildung des Lehrlings unentgeltlich zu besorgen; er kann
als Dienstvertrag 3) bezeichnet werden, wenn der Lehrherr ein Lehrgeld
am
beanspruchen kann:
ein Werkvertrag ist er nicht,
besten dürfte er als ein Vertrag eigener Art*) be
zeichnet werden, der seinen Inhalt wesentlich dem, von den beiden Teilen vernünftigerweise gewollten, nimmt.
Abgesehen
hievon
Zwecke
ist dem Lehrvertrag
ent
folgendes
eigentümlich: ' Konturs-t7rd. §. 23 mit. BGB. §§. 673, 675. FischerHenle, BGB. S. 283. ! 2 BGB. §§. 661 ff. i 3 BGB. tz. 611.
4 Die im siebenten Abschnitte des zweiten Buchs des BGB. geregelten „einzelnen SchuldVerhältnisse" sind ja keineswegs die einzigen denkbaren.
Don den Handlungsgehülsen.
1. er setzt auf
feiten
§. 21.
155
des Lehrenden den Besitz der
bürgerlichen Ehrenrechte voraus — bei Meidung polizeilichen
und strafrechtlichen Einschreitens und der Nichtverbindlichleit des Vertrags für den Lehrling?)
2. er muß, um vollwirksam zu fein, schriftlich errichtet sein — andererseits kann der Lehrherr die ihm laut Gesetz1 2) oder Vertrag gegen den Lehrling wegen unbefugten Austritts zustehenden Ansprüche gerichtlich nicht geltend machen?)
3. Das Gesetz giebt für das Lehrverhältnis
insofern
zwingendes Recht, als die gesetzlich den ersten Monat der
Lehrzeit betragende Probezeit, während welcher der Lehr vertrag von jedem der beiden Teile ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist gekündigt werden kann, durch Vertrag auf
höchstens drei Monate verlängert werden kann — die eine längere Probezeit setzende Vereinbarung wäre nichtig?)
4. Ist die Probezeit ohne Beendigung des Lehrverhält-
nisies abgelaufen, so besteht das Lehrverhältnis für die im Lehrvertrage festgesetzte, nötigenfalls aus dem Ortsrechte sich ergebende „Lehrzeit"
fort; jedoch läßt das Gesetz alsdann
die außerordentliche Kündigung nicht bloß in den gesetzlichen
Fällen zu (s. oben IV Seite 151), die für das Dienstver hältnis der Handlungsgehülfen als Fälle außerordentlicher
Kündigung anerkannt sind?) fonbetn hebt noch
drei be
sondere Fälle des außerordentlichen Kündigungsrechts der Lehrlinge hervor: 1 HGB. §. 81 Abi. 1. BGB. | 3 HGB. §. 79; über die ge§. 134; polizeiliche Erzwingung \ fetzliche Schriftlichkeit f. BGB. s. Abs. 2 des §. 81 des HGB.:, g. 126. strafrechtliche Verfolgung s.HGB.! 4 HGB. §. 77 Abs. 2. 82 Abs. 2. | '• tzGB. §. 77 Abf. 3 mit 2 HGB. §. 78 Abs. 2. i 70-72. S. oben S. 151 ff.
156
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
a) Vernachlässigung der Lehrherrpstichten in Bezug auf Gesundheit, Sittlichkeit oder Ausbildung des Lehrlings/) b)
Tod
des
Lehrherrn
(einmonatliche
Kündigungs
frist) und
c)
schriftlich
erklärter
Berufswechsel
des
Lehrlings
(Endigung des Lehrverhältniffes nach Ablauf eines Monats).
5. Die aus dem Lehrvertrage begrifflich entspringenden Pflichten liegen
wesentlich auf feiten des Lehrherrn;
sie
bestehen in der Pflicht entsprechender Unterweisung/) in
der Sorge für das leibliche, geistige und sittliche Wohl des
Lehrlings/) Pflege des durch unverschuldetes Unglück an der von ihm erwarteten Bethätigung eines Lern- und Arbeits
betriebs verhinderten Lehrlings *) und Ausstellung des stets auch über Kenntnisse, Fähigkeiten und Betragen sich aus
sprechen müssenden Zeugnisses am Ende des Lehrverhält nisses?)
6. Die Rolle, welche dem Lehrlinge inhaltlich des Lehr vertrags zukommt, ist mehr passiv (er muß sich belehren lassen), aber das Lernen setzt doch auch Eigenarbeit vor
aus, und zwar, da der Handlungslehrling nicht, etwa wie
I Lehrherrn bei Bernachläsfigungen, s. HGB. §. 82 Abs. 1. 4 Obligatorisch 6 Wochen, s. HGB. §. 63 (mit §. 76 Abs. 1); so auch oben IV S. 151. Hin sichtlich der Kranken- u. Unfall versicherung s. oben S. 146 Anrn. und Äbs. 2 des HGB. §. 63. 6 HGB. §. 80; polizeiliche Beglaubigung Abs. 2 dess. §.; nicht erst am Ende der ganzen, Abs. 1-4, 77 Abs. 3, 82; straf- etwa bei einem andern Prrnzipal rechtliches Einschreiten gegen den beendigten Lehrzeit.
1 HGB. §. 77 Abs. 3. 2 Ausbildungspflicht s. HGB. §. 76, Vertretung des Prinzipals hiebei s. §. 76 Abs. 2 u. §. 81; Gottesdienst s. §. 76 Abs. 3; Fortbildungsschule s. §. 76 Abs. 4 u. GewerbeOrd. §. 120; straf rechtliches Einschreiten gegen nachlässige Lehrherrn s. HGB. §' ^HGB. §§. 62 Abs. 1, 2, 76
Bon den Handlungsgehülfen.
ein Schüler,
157
§. 21.
nur theoretisch lernen soll, Eigenarbeit im
Geschäfte des Lehrherrn, welcher den Lehrling zur Arbeit samkeit anzuhaltm hat?)
Das Nähere über die vom Lehrlinge zum Zweck des Lernens zu leistmde Arbeit ergiebt sich aus der Natur der
Sache
und
häufig
werden
aus
den
etwaigen
nebm dem
besonderen
eigentlichen
Festsetzungen;
Lehrvertrage noch
andere Vereinbamngen getroffen, so z. B. in betreff der Aufnahme des Lehrlings in die häusliche Gemeinschaft?)
wegen Zahlung eines Lehrgelds oder eines Kostgelds oder
Lehr- und Kostgelds, ja selbst wegm Zahlung eines Gehalts
für den Fall, daß der Lehrling sich als brauchbar erweist
Teile seiner Lehrzeit
zweiten
und
im
wie
man sieht,
stehe;
es
kann,
ein wirklicher Dienstvertrag als Neben
verabredung neben dem Lehrvertrage abgeschlossen werden, dann ist aber, dem Lehrzwecke entsprechend, der Lehrvertrag
doch vorherrschmd zu erfüllen und der Dienstvertrag in zweiter Linie maßgebend. nebm
Mag nun aber auch ein Dienstvertrag
dem Lehrvertrage vorliegm oder nicht — in jedem
Falle steht der Lehrling unter dem gesetzlichm Handels betriebs- und Konkurrenzverbote, wie der Handlungsgehülfe (s. oben H 3 Seite 142a), und unter der Pflicht, die ver
einbarte oder
ortsrechtliche Lehrzeit bei seinem Lehrherm
auszuhaltm, sofern nicht ein Grund vorliegt, der zu außer
ordentlicher Kündigung berechtigt (s. obm Ziff. 4 insbes.
a—c vorige Seite); für dm Fall des Austritts aus dem Geschäft
kann
die
sog. Konkurrmzklausel zu
Soften des
1 HGB. §. 76 Abs. 3, letzter S. auch v. Canstein Lehrbuch I S. 320. Satz. 8 Vgl. HGB. §. 62 Abs. 2. 8 HGB. §§. 76 Abs. 1,60, 61.
158
Kap. II.
Lehrlings
bis an die Grenzen, durch welche eine unbillige
Die Personen im Handelsrecht.
Erschwerung des Fortkommens des Lehrlings ausgeschlossen
wird/) zur Anwendung kommen, ja im Fall des Austritts wegen — Lehrling
formell erklärten
Berufswechsels1 2) ist der
—
gesetzlich einer eigentümlichen Beschränkung unter
worfen: mindestens neun Monate lang darf er nicht in ein anderes Geschäft als Handlungslehrling
oder -gehülfe ein
treten, andernfalls wäre er dem verlassenen Lehrherrn zum Ersätze des diesem durch den Austritt entstandenen Schadens
verpflichtet, eine
Ersatzpflicht, für deren
Erfüllung jenem
auch der neue Lehrherr oder Prinzipal haftet, sofern er von dem Austritt und der schriftlichen Erklärung des Berufs wechsels Kenntnis hatte?)
§. 22.
von den Handlungsbevollmächtigten. Die geschäfts
zur in
abschlüssen in durch
Vertretung
des
Rechtsgeschäften, seinem
Erteilung
der
Namen,
Inhabers
eines
Handels
insbesondere zu Vertrags rechtsgeschäftlich,
Vertretungsmacht
nämlich
(Vollmacht)
be
rufenen Personen heißen, wie erwähnt (s. oben §. 20 IV
Seite 133), Handlungsbevollmächtigte im weiteren Sinne; zu
ihnen
gehören
die
Prokuristen
und
die Handlungs
bevollmächtigten im engeren Sinne.
I. DieProkura ist diejenige Handlungsvollmacht, welche 1 HGB. §. 76 Abs. 1 mit §§. 74, 75. 2 S. oben Ziffer 4 c., HGB. §. 78. 8 HGB. §. 75 Abs. 2. Haftung als Gesamtschuldner s. BGB. §. 421. Gegen den Lehrling
| kann der Ersatzanspruch wegen unbefugten Austritts nur geltend i gemacht werden, wenn der Lehri vertrag schriftlich abgeschlossen 1 war. S. HGB. §. 76 u. oben Ziffer 2 S. 155.
§. 22.
159
umschränkt,
nicht
Von den Handlungsbevollmächtigten.
a) registerpflichtig, b) dritten
gegenüber nur
aber vertragsmäßig
gesetzlich
mit Wirkung gegen
dritte beschränk
bar und
eine nur hier zugelassene Formalbezeichnung
c) durch
kenntlich gemacht ist.
Ihre Geschichte reicht nicht weit zurück; sie war noch dem preußischen
Entwürfe
denn
in
die
diesem
zum HGB- von gesetzlich
1861
normierte
unbekannt,
Großvollmacht
des sog. „Faktors" im Sinne dieses Entwurfs war ver tragsmäßig
mit Wirkung
gegen
dritte beschränkbar,
die
prinzipielle Unbeschränkbarkeit ist aber der, mit Recht auch vom neuen HGB. festgehaltenen, l)* Prokura im Sinne des
HGB. eigentümlich?) Diese Art von Vollmacht, die bei weitem wichtigste
Vollmacht des Handelsverkehrs, kann nur von Vollkauf leuten ,
nicht
von
Kaufleuten
minderen
Rechts
erteilt
werden;3)4 auch eingetragene Genossenschaften (s. unten §. 38)
dürfen
Prokura
nicht erteilen?)
und
Aktiengesellschaften
sollen regelmäßig3) nur mit Zustimmung des
Aufsichts
rats3) Prokuristen bestellen?) Außer der hiermit festgestellten persönlichen Qualität des Geschäftsinhabers gehört zur vollwirksamen Bestellung eines
Prokuristen: 1 Vgl. Gareis, HGB. Anm. 1 zu §. 48 S. 63-64. 8 Nürnb. Prot. Sitzung v. 4. u. 5. Februar 1857, Prot. 5. 74, 75, 86, 87. 3 HGB. §. 4. S. oben §. 12 S. 72. 4 GenG. §. 40 Abs. 2.
5 Gesellschaftsvertrag oder Generalversammlung kann an deres beschließen. 6 HGB. §. 238. 7 Sollen, — die Vorschrift wirkt nur intern. S. letzten Satz des §. 238 d. HGB.
Kap. II.
160
Die Personen im Handelsrecht.
1. die rechtsgeschäftliche Erteilung der Prokura, die eigen
artige Bevollmächtigung, welche sowohl unter der ausdrücklichen Bezeichnung der Vollmacht als Prokura, als auch unter ausdrücklicher Benennung des Bevollmächtigten als Prokuristen
oder auch unter Angabe der Art und Weise, wie die Firma geführt werden soll/) nämlich per procura,1 2) oder aber
auch sonstwie mündlich oder schriftlich, stets jedoch aus drücklich
(nicht stillschweigend) erfolgt;
diese Erteilungs
erklärung kann, wie die einer jeden andern Vollmacht, gegen
über dem zu Bevollmächtigenden oder auch einem dritten gegenüber, dem gegenüber die Vertretung durch dm Proku
risten stattfinden soll, erfolgen;2) eine vorhergehende, gleich
zeitige oder
nachfolgende Anstellung des
Prokuristen im
Geschäfte des Geschäftsinhabers ist zwar häufig, aber keines wegs notwendig; der Prokurist ist nicht notwendig Hand
lungsgehülfe, das Vollmachtsverhältnis ist von dem Dienst oder Anstellungsverhältnis zu trennen, s.
hierüber obm
§§. 20, 21 Seite 134 ff. und 140; 2. die Anmeldung und Eintragung in das Handels register ; die Prokura ist registerpflichtig, an die Eintragung und bezw. an die Nichteintragung der Prokura knüpfen sich
alle die Rechtswirkungen und insbesondere Rechtsvermutungen, welche sich an die Registrierung, bezw. Nichtregistrierung im
Handelsrechte überhaupt knüpfen/) Ihrem Inhalte nach ist die Prokura eine Groß- oder
Generalvollmacht,
die
gesetzlich
zu
allen
Arten
von
gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechts1 HGB. §. 51. 3 BGB. §. 167. 4 S. oben 8-4 S. 33 ff. HGB. 2 Diese drei Arten der Willens erklärung hebt das HGB. v. 88. 8-16, insbes. 8. 15. 1861 in Art. 41 hervor.
Von den Handlungsbevollmächtigten.
§♦
22.
161
Handlungen ermächtigt, welche der Betrieb des ^anbelagerocrbcddes Geschäftsinhabers mit sich bringt; in dieser ganzen, nur durch das Gesetz selbst abgemarkten (s. unten) Ausdehnung ist die Vollmacht des Prokuristen extern uneinschränkbar, im Verhältnis zu dritten gilt dem Prokuristen ein Verbot des Geschäftsinhabers höchstens wie ein gutgemeinter Rat, den er befolgen, aber auch unbefolgt lassen kann, jedenfalls verpflichtet und berechtigt der Prokurist seinen Geschäftsinhaber extern, auch wenn er verbotswidrig handelt, nach den Grundsätzen der echten und direkten Stell vertretung^) in allen jenen Geschäften; dabei darf der Prokurist zwar Gehülfen und teilweise Vertreter bestellen, nicht aber seine ganze Prokura mitübertragen/) er muß die Firma in der gesetzlichen Weise zeichnens) ohne sie ändem oder den Betrieb einstellen oder auf ihm fremde andere Untemehmungen lenken zu dürfen?) Nach Maßgabe der extern unabänderlichen Abmarkung der Prokura bestehen gesetzlich nach drei Richtungen hin Schranken der Prokura: 1. die Jmmobiliarklausel: zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur dann ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist;7) 1 Über die Bedeutung der 31 HGB. 2 §. 49 Abs. 1, §. 50. Hervorhebung des Handels- 4 HGB. §. 52 Abs. 2. gewerbeoetriebs des Bevoll- 6 Per procura, p. pr. oder dgl. mächtigenden s. einerseits Thöl,(nebst Firma und Eigennamen), HR. §. 56 I S. 192 (6. Ausl.): s. HGB. §. 51 mit Anm. 1 bei u. Behrend, Lehrbuch d. HR. Gar eis a. a. O. S. 67 und I S. 364 Anm. 11, andererseits HGB. §. 53 Abs. 2. Gareis, HGB. §. 49 Anm. 1 3 S. Anm. 1 auf dieser Seite, u. 4 S. 65, 66. 7 HGB. §. 49 Abs. 2. 2 BGB. §. 164. Gareis, Handelsrecht. 6. Aufl. 11
Kap. II.
162
Die Personen int Handelsrecht.
2. die Kollektivklausel: die Prokuraerteilung kann an mehrere Personm gemeinschaftlich erfolgen (Gesamtpro kura)/) dann kann keine derselben sie allein ausüben, dies
muß sich aus dem Handelsregister ergeben;1 2)3 3.
die
Etablissementsklausel:
es
kann
die
Prokura auf den Betrieb einer von mehreren Niederlassungen desselben Geschäftsinhabers
(z. B. des von demselben ge
gründeten Bankgeschäfts neben der ererbten Weinhandlung) mit nicht bloß interner, sondern auch mit externer Wirkung,
also gegen dritte wirksam, beschränkt werden, vorausgesetzt,
daß diese Niederlassungen unter verschiedenen Firmen be trieben werden?) Im übrigen ist die Prokura, wie erwähnt, extern, d. h.
mit Wirkung gegen dritte nicht beschränkbar, mit Wirkung
gegen den Prokuristen
aber kann sie durch Weisungen des
Geschäftsinhabers allerdings
eingeschränkt werden, aber der
Prokurist ist sowohl dem dritten gegenüber,
wie auch dem
Geschäftsinhaber gegenüber berechtigt, von den Weisungen abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf,
daß der letztere bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung
billigen würde, und wenn die Abweichung innerhalb der vom Prokuristen zu bewährenden Sorgfalt liegt;4) schädigt der
Prokurist
durch
Überschreiten
der Instruktion
seinen
Geschäftsherrn, so ist er letzterem, sofern die Überschreitungs1 HGB. §. 48 Abs. 2. Über I den Ausdruck Gesamtprotura im | Verhältnis zum sonstigen Sprach- i gebrauch der neuen Gesetze s.< Gareis HGB. Anm. 5 zu §. 48 j S. 64—65. ! 2 HGB. §• 53 Abs. 1 Sah 2., 3 HGB. §. 50 Abs. 3; eine
Verschiedenheit der Firmen im Sinne dieser Vorschrift wird auch dadurch begründet, daß für eine Zweigniederlassung der Firma ein Zusatz beigefügt wird, der sie als Firma der Zweigniederlassung oezeichnet. 4 BGB. §§. 276, 665, 675.
Von den Handlungsbevollmächtigten,
§. 22.
163
Handlung auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruht, die er zu vertreten hat, zum Schadensersatz verpflichtet; das so mit
dem dritten abgeschloffene Geschäft gilt aber und zwar selbst
dann, wenn der dritte wußte, daß
der Prokurist hierin
eigenmächtig handelte.
Die
Prokura
kann
in
jedem
Augenblick
und
ohne
Angabe eines Grundes, also ganz willkürlich vom Geschäfts
inhaber widerrufen werden/) hältnis
gleichviel, in welchem Ver
der Prokurist sonst zu dem letzteren steht, denn
dieses Verhältnis, z. B. der Dienstvertrag oder das Gesell schaftsverhältnis oder dgl./) wird durch den Widerruf nicht berührt, und deshalb besteht auch möglicherweise der An
auf die für den Fall plötzlicher und nicht objektiv
spruch
und
gesetzlich
begründeter
Entlastung
vorher vereinbarte
Vergütung. Der Tod des Geschäftsinhabers hebt die Prokura
ebensowenig wie ein anderes Vollmachtsverhältnis stets3 1)2 mit Notwendigkeit auf.4)
Das Erlöschen
der Prokura ist registerpflichtig
unter
dem Rechtsnachteile der sich an die Eintragung und Be
kanntmachung des Eingetragenen, bezw. an die Nichtein tragung
knüpfenden
Vermutung;
ist
die
Firma
er
loschen, aber aus Mangel einer anmeldepflichtigen Person
nicht gelöscht,
so
kann sowohl die Firma, als auch mit
1 HGB. §. 52. i 2 Vgl. oben §. 21III S. 146 f. j (Commis Interesse); möglicher-! weise besteht auch nur cm ein- I faches Auftrags- oder Gefällig- > keitsverhältnis, z. B. wenn der Geschäftsinhaber vorübergehend; seiner Ehefrau oder einem:
FreundeProkuragab.S.Gareis, HGB. Vorbemerkung vor §. 48 S. 62 u. s. oben S. 133ff. 3 Vgl. aber BGB. §§. 727, 170 —173. Gareis, HGB. §. 52 Anm. 3. 4 HGB. §. 52 Abs. 3.
Kap. IL
164
die
ihr
Die Personen im Handelsrecht,
für sie eingetragene Prokura von Amts wegen
gelöscht werden?) n. Für alle übrigen Arten von Handlungsbevollmächtigten,
also
für die Handlungsbevollmächtigten im engeren oder
eigentlichen Sinne, besteht weder ein bestimmter Name —
sie führen die
verschiedensten Bezeichnungen
Geschäftsleben häufig gar nicht nach sondern nach
und sind im
einem Vollmachts-,
einem Dienstverhältnis bezeichnet
—,
noch
auch eine Anmeldung oder Eintragung;1 2)3 negativ 4 ist ihnen gemeinsam, daß sie keine Prokura haben und folgeweise sich bei der Firmenzeichnung jedes eine Prokura andeutenden
Zusatzes enthalten müssen. Positiv ist allen den nicht mit Prokura ausgerüsteten
Handlungsbevollmächtigten gemeinsam, daß solche von allen
Arten von Kaufleuten, auch von solchen minderen Rechts, bestellt werden können, daß ihre Vollmacht dem Umfange nach im Zweifel stets durch das im Verkehr gewöhnlich Übliche bestimmt wird (f. unten), daß die Vollmacht von
dem Handlungsbevollmächtigten selbst, so wie sie ihm über tragen wurde, regelmäßig ausgeübt werden muß, also ohne Zustimmung
des
Geschäftsinhabers
nicht
einem
andern
übertragen werden bars,8) und daß, wenn von einem Hand lungsbevollmächtigten die Firma gezeichnet wird, dies mit
einem das Vollmachtsverhältnis andeutenden Zusatze (jedoch nicht per procura oder dgl., s. oben) geschehen muß?) 1 HGB. §. 31 2l6f. 2 (statt I aufgehoben. S. Gar eis, des RGes. v. 30. März 1888), s. SoTbemetfung vor §. 8 EinfG. zum HGB. Art. 8 Nr. 1. bis 28. 8 Sie dürfen gar nicht ein* 3 HGB. §. 58. getragn werden, früher hievon 4 HGB. §. 57 Sah 2. abweichende Patritularrechte sind
Bon den Handlungsbevollmächtigten,
Inhaltlich
g. 22.
165
ist die Vollmacht eines nicht mit Prokura
versehenen Handlungsbevollmächtigten entweder: a) Generalvollmacht, d. i. Vollmacht zum Betriebe des Handelsgewerbes (im gangen), oder b) Artvollmacht, d. i. Vertretungsmacht zur Vomahme einer bestimmten zum Handelsgewerbe des Geschäftsinhabers
gehörigen Art von Geschäften, oder
c) Einzelgeschäfts-Vollmacht, d. i. Vertretungsmacht zur Vomahme
einzelner
zu
jenem Handelsgewerbe gehöriger
Geschäfte.
Für alle drei Gmppen gelten dieselben gesetzlichen Beschränkungen') (f. unten) und ist im übrigen und ein«
zelnen der Umfang der Vollmacht durch den ausdrücklichm Hinweis auf das „Gewöhnliche" vom Gesetzgeber ab gemarkt.
Die Vollmacht erstreckt sich — dies ist die Regel —
auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb
eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vomahme der artiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt?)
Diese Regel Geschäftsinhaber (Verhältnis
gilt sowohl intern (Verhältnis zwischen
und Bevollmächtigtm),
zum Publikum)
stets
als auch extem
als Rechtsvermutung,
sie gilt aber nicht, roenn ihr «) eine gesetzlich oder ß)
eine vertragsmäßig errichtete Schranke entgegmsteht:
«) Die vom Gesetze selbst errichtete Schranke der Ver
tretungsmacht eines nicht mit Prokura versehmm Hand1 HGB. §. 54 Abs. 2. 1 Dieses sehr zweckmäßigen Hinweises, der im Bedürsnissalle durch geeignete SachverständigenVernehmung seinen deutlichen materiellen Inhalt gewinnt, bedient sich der Gesetzgeber auch in
| anderen Fällen, Fällen. s.' Bal. z. B. ----------- 1041—löte ---3( 1356 BGB. §§. vgl. auch auch HGB. HGB. 56, u. a.;. vgl. 59, 5 “. 116, 164, auch ' 346; über Gegenbeweis s. ROHG. Bd. 6 S. 401, Bd. 16 S. 127 ff.
166
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
lungsbevollmächtigten
besteht darin,
daß
ein solcher zur
Veräußerung oder Belastung von Grundstücken,*) zur Ein
gehung von Wechselverbindlichkeiten,?) ferner zur Aufnahme von Darlehen 3) oder zur Prozeßführung 4) nur dann und nur insoweit ermächtigt ist, als ihm
besonders
erteilt
ist;
eine solche Befugnis
diese Beschränkung
besteht objektiv
mit Wirksamkeit nach außen und innen; würde ein solcher Handlungsbevollmächtigter ohne besondere Ermächtigung einen
Grundstücksveräußerungsvertrag im Namm des Grundstück inhabers eingehen, so hängt die Wirksamkeit desselben von der
Gmehmigung des Dertretmen ab, aber im Falle diese nicht zu erlangen ist, haftet auch der Handlungsbevollmächtigte
nicht, denn
der dritte mußte misten, daß der Handlungs
bevollmächtigte nicht ohne besondere Ermächtigung den Ei gentümer in der
angegebenen Weise obligieren
konnte.")
1 BGB. §§• 313, 873, 925,, gelber und Spareinlagen); die 1012, 1018, 1090, 1093, 1094, | Erweiterung eines Bankkredits 1105,1113,1191,1199, möglicher- kann auch hierher gehören. S. weise auch BGB. §. 1030, 1068, Behrend, Lehrb. d. HR. §. 53 1085. j Anm. 9. 2 Nämlich Verbindlichkeiten:; 4 CPO. §§. 50 ff. des Ausstellers eines gezogenen 5 Nach BGB. §. 179. Wechsels (s. DWO. Art. 8, 41 ff., ; 6 Übrigens sind zur Beurteilung 51 ff., 81 ff.) oder eigenen eines jeden der denkbaren Fälle Wechsels (s. DWO. Art. 96 ff.), des Handelns des unbevolldes Indossanten (f. DWO.1 2mächtigten Vertreters andere Art. 14 ff.), des Acceptanten , Normen heranzuziehen: in Sachen (s. DWO. Art. 23 ff.), des Ehren- des Grundbuchrechts die Grundacceptanten (f. DWD. Art. 60 buchordnung; in Sachen des u. a.). Hinsichtlich der Haftung j Wechselrechts die DWO. Art. 95, der Nichtbevollmächtigten im bei Darlehnsaufnahmen mögWechselrecht s. DWO. Art. 95. licherweise BGB. §§. 812 ff.; 3 BGB. §§. 607—610 (mög- in Sachen des Civilprozeßrechts licherweise auch BGB. §. 700, CPO. §§. 89 ff. u. a. depositum irreguläre, Depositen-
§♦ 22.
Von den Handlungsbevollmächtigten.
167
vertragsmäßige Schranke besteht dann, wmn
/-) Eine
von dem „gewöhnlichen" Umkreise der Vertretungsmacht der
Gruppen (s. oben) einengend abgewichen wird;
einzelnen
eine solche vom
„Üblichen" abweichende
„Gewöhnlichen",
Einengung ist zunächst nur intern
mächtigten
Geschäftsinhaber
dem
wirksam, den Bevoll
gegenüber
verpflichtend,
extern aber dann, wenn der dritte die exorbitante Beschränkung kannte (etwa zufolge besonderm Benachrichtigungsschreibens
oder Cirkulars) oder kennen mufcteT) (etwa weil dieselbe stadtkundig und ortsüblich publiziert war oder dgl.).
Was die Art der Erteilung der Vollmacht?) anlangt,
so finden in dieser Hinsicht die gewöhnlichen Regeln des bürgerlichen Rechts Anwendung^)
die
Bevollmächtigung
kann demnach auch ganz formlos erfolgen; in zwei Gruppen von Fällen wird sie nach ausdrücklicher Gesetzesbestimmung aus einer konkludierten Thatsache geschlossen,
nämlich in
der einen Gruppe von Fällen aus der Thatsache der An
stellung in einem Laden, in der anderen Gruppe aus der Verwendung
aus, offenen
daß
als
Handlungsreisender:
ersteres
der zur Vertretung Berufene
Warenlager
des
setzt vor
im Laden
Geschäftsinhabers
angestellt
oder ist,
mithin Handlungsgehülfe mit einer im Laden auszuübenden
Dienstesfunktion ist; die Folge hiervon ist, daß das Publi
kum anzunehmen das Recht hat, er sei ermächtigt zu allen jenen Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem der
artigen Laden oder Warenlager gewöhnlich^) geschehen; bei
dieser Bestimmung Publikum
den
ist keineswegs vorausgesetzt, daß das
Anstellungsvertrag
1 HGB. §. 54 Abs. B. 2 BGB. §. 166.
3 BGB. §. 167.
des
sich
als Vertreter
4 Wegen dieses Wortes s. oben S. 165 Sinnt. 2.
Kap. II.
168
Die Personen im Handelsrecht.
Gerierenden etwa auf seine Rechtsbeständigkeit prüfen oder wenigstens einsehm müsse, sondem es genügt regelmäßig, wmn der Augenschein (das Äußere der Persönlichkeit, der
Aufenthaltsort, Stand am Ladmtisch oder an der Kasse u. dgl.) «giebt, daß man es nicht mit einem unbeteiligten dritten, einem Kundm, einem Dimstboten aus dem Gesinde oder sonst einem Unbefugten zu thun hat; *) aus jenem äußeren Schein
wird die Anstellung und aus dieser die Vertretungsmacht
in dm angegebenen Grenzen des dort Üblichm gefolgert, aber nur als Rechtsvermuttmg („gilt"),
die durch einen
deutlich wahmehmbaren Anschlag (etwa ein großes Plakat) im Geschäftslokal2) oder durch andere die Zweifel beseitigmde
Umstände ausgeschlossen sein kann.
Die Verwendung als
Handlungsreisender läßt darauf schließen, daß der so Fun-
giermde jedenfalls ein Handlungsbevollmächtigter sei, min destens eine Einzelgeschäfts-Vollmacht besitze, vorausgesetzt, daß er nicht „Stadtreisender" ist, sondem als Handlungsreisender
zur Vomahme von Geschäften an solchm Ortm verwmdet wird,
an
denm
sich keine Niederlassung des Geschäftsinhabers
befindet; ist diese Voraussetzung gegeben, so tritt im Zweifel
die rechtliche Vermutung ein, daß der Handlungsreisende insbesondere von
ermächtigt sei,
den Kaufpreis2)
aus
den
ihm abgeschlossenm Verkäufen einzuziehm und dafür
Zahlungsfristm
zu
bewilligen;4) auch können unter jener
Voraussetzung Reklamationen wegen Mängeln an Waren, 4 Dgl. Behrend, Lehrb. 8-53 v. Bölderndorff, HGB. Anm. 26. | S. 379. 3 BGB. §§. 433 ff.; hiezu s. -Dgl.LabandinGZ.Bd. 10 i Gareis, HGB- 8- 55 Änm. 2. S- 222, Behrend, Lchrb. §. 531 4 HGB. 8- 55 Abs. 2. Anm. 29; vgl. aber auch
Geschichtliche Vorbetrachtung.
§. 23.
169
Erklärungen, daß eine Ware zur Verfügung gestellt werde,') sowie andere
Erklämngen
Art dem Handlungs
solcher
reisendm 1 2) gegenüber, roettn er gerade anwesend ist,2) ab-
gegebm werden, ohne daß jedoch durch die Entgegmnahme
solcher Erklärungm ein Präjudiz
der Anerkmnung ihres
Inhalts, der Mangelhaftigkeit oder dgl. geschaffen würde/)
und ohne daß durch das Wartm auf die etwa nahe bevor-
stehmde Ankunft des Reismdm die gesetzliche oder vertrags mäßige Reklamationsfrist2)4 überschrittm werdm dürste.
Das Erlöschen der Vollmacht mächtigten
und
insbesondere
auch
eines Handlungsbevoll die Kraftloserklärung
einer solchm richtet sich nach den Grundsätzm des gewöhnlichm bürgerlichen Rechts;2) die stete Widerruflichkeit jeder
Vollmacht, unbeschadet des etwaigen Fortbestehms des ihrer Erteilung zu Gmnde liegenden Rechtsverhältniffes (z. B.
des Dienstvertrags, wenn der Handlungsbevollmächtigte ein Handlungsgehülfe ist) ist auch für den Handelsverkehr fest
zuhalten. — D. Die Handclsassoriationen.
§. 23. SrschtchtUche vordetrachtuug.
I. Selbstverständlich nicht eigentümlich dem Handel, aber
außerordmtlich
wichtig
für ihn ist die Bethätigung des
1 HGB. §. 377. § Gareis, Das Stellen zur Dis2 EbensoanHandlungsagenten/Position (1870) S. 90—92. S. HGB. §. 87, unten §. 54. 6 HGB- §. 377 und hiezu 2 HGB- 8. 55, hiezu Gareis, Gareis, HGB. insbesondere HGB. Anm. 4 S. 70. I Anm. 5, 15 S. 340, 341. 4 Hierüber s. ausführlich 6 Sgl. BGB. §§. 168 ff.
170
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
menschlichen Associationstriebs:
seit und wo nur
immer
der Handel gewerbsmäßig betrieben wird, bethätigt sich dieser Trieb in mannigfaltiger Weise und in ausgedehntem Maße zur Zuweisung von Arbeit und Kapital an Handelsunter
nehmungen. A) Möglicherweise nur zu einem einzelnen Handels geschäfte, also zu einem vorübergehenden Zwecke, möglicher
weise aber auch für längere Dauer und für eine Reihe von
Unternehmungen zieht ein arbeitstüchtiger Kaufmann, dessen Kapitalvermögen für sich allein zu klein wäre, um jene Spekulationen zu tragen, die sein Geist erfindet und sein
Wille kühn durchzusetzen wagen möchte,
trauenden Kapitalisten
in
sein
einen ihm ver
Interesse
und
in
seine
Spekulation hinein, er verbündet sich mit einem Manne,
der Kapital besitzt und davon Gewinn ziehen möchte, ohne selbst täglich arbeiten zu müssen. — Auf solche wirtschaft
liche
Erwägungen
und
Verhältnisse
wurden
schon
im
Altertum und Mittelalter Associationen gegründet, in denen
der mit dem fremden Kapital ausgerüstete Kaufmann die Leitung des Unternehmens in seiner Hand behält und die volle Verantwortung trägt;
als typisch für die hierher zu
stellenden verschiedenen Arten von Partizipationen mag die
Commenda bezeichnet werden/) ein zuerst für den See-, dann
für
den Landhandel
societätsmäßig
umgestaltetes
(lepositum irreguläre,2) welches, gewachsen auf dem Boden 1 ei(bcrfrf)mibt,£ie (5om- lBd.2S. 916ff., Bd. 3S.423ff., menda. 1883. Lgl. GUGesch. * 818 ff. S. 245 , 253 u. die dort nngef., 2 Analog ist das norwegische Litteratur; Lästig in GZ. 241 hjäfölag des Mittelalters, s. S. 430 ff. und im Hdbch. §. 78! M. Pappenheim, Altnordische Bd. 1 S. 329; Gierte, Genossen-; Handelsgesellschaften, GZ. 36 schaftsrecht Bd. 1 S. 981 ff., | 6. 85 ff.
Geschichtliche Vorbetrachtung.
§♦ 23.
171
des antiken römischen Vulgarrechts, im Mittelalter auf italienischem Boden zahlreiche Gebilde von spekulierenden Gesellschaften hervorrief;’) auf dieser Basis steht noch heute die stille Gesellschaft (f. unten §. 29) und auch die Kommanditgesellschaft (f. unten Z. 30), insofern in diesen Gesellschaftsformen von kapitalistischer Seite zu einem fremden kaufmännischen Unternehmen in spekulativer Absicht eine Vermögenseinlage gemacht wird. B) Möglicherweise aber vereinigen sich Mehrere, Kapital oder Arbeit oder beides milbringend, zu einem Unternehmen, welches keinem von ihnen eineigenes, aber auch keinem von ihnen ein fremdes, sondern allen zusammen ein gemeinsames Unternehmen ist; so beschließen z. B. die Söhne oder sonstigen Erben eines Kaufmanns, das erfolg reich bestehende Handelsunternehmen ihres Erblassers nicht durch Erbteilung auseinander zu reißen, sondern als ihr gemeinsames Unternehmen unter gemeinschaftlicher Firma fortzusetzen, und die Geschichte des Handels kennt großartige Beispiele, wie bedeutende Handelsfamilien in den italienischen (namentlich lombardischen)1 2) und deutschen Handelsstädten des Mittelalters das Familienband dazu benutzten, die nötigen Kapitalien und Arbeitskräfte zusammenzufassen und zusammenzuhalten zur blühenden Entfaltung ihres Handels unternehmens, auf dessen Besitz die Kaufmannsfamilie mit so viel Stolz blickt wie die adelige auf den Besitz ihrer 1 Schon vom 10. Jahrh, an: so in Venedig die Collegantia, m Genua u. a. a. C. die Colonna, in Florenz u. a. a. C. die Accomandita, societas per viam accomanditae. 2 GUGesch. S. 284 ff. Max
j Weber, Zur Geschichte der I Handelsgesellschaften im Mittelalter (Stuttg. 1889); hiezu s. aber auch M. Pappenheim in GZ. Bd. 37 S. 255 ff. u. V. Ring im A.t.b.R. Bd. 4 S. 394 ff.
172
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
altersgrauen Stammburgen; und wenn im späteren Ver laufe das Band der Verwandtschaft, auf der jene Erwerbs gesellschaften ursprünglich beruhten, seine schaffende oder zusammenhaltende Kraft verliert oder ganz wegfällt, so kann es durch künstliche Verwandtschaftsbegründung (analog der Blutsbrüderschaft)/) durch Fiktion der Verwandtschaft und schließlich durch Gesellschaftsvertrag ersetzt werden. Das letzt genannte Ersatzmittel gewährt natürlich die verschiedensten Möglichkeiten; davon dürfte die einfachste die sein, daß die gemeinsamen Unternehmer den zur Erreichung ihres Handels zwecks erforderlichen Grundstock des Vermögens, z. B. wenn es sich um Erwerb durch Seefahrt handelt, das Schiff, gemeinsam anschaffen oder sonst gemeinsam machen, ein Verhältnis, aus welchem zunächst und unmittelbar die Reederei hervorgeht (hierüber s. unten §. 110). In der Weiterentwicklung dieser Verhältniffe gewinnen besonders zwei juristische Elemente eine hervorragende Wirksamkeit: der die Gemeinschaft äußerlich zusammenfaffende einheitliche Name, die Firma, und die weitgehende Stellver tretungsbefugnis der Beteiligten. Unter der Herr schaft dieser Elemente entstand schon vom 11. Jahrhundert an in romanischen Ländern und bald darauf auch auf germanischem Boden eine allgemein als compagnia1 2) (d. i. Wirtschafts1 Val. Goldschmidt in GZ. 35 (1889) S. 344 ff. 2 Das Wort ist das mittelalt, companium (s. pact leg. Bal. tit. 66 §. 2 nach Du Gange II461), zusammengesetzt aus com (—cum, welches dem althochd. gi entspricht) und panis (Brot, dem althochd. mazo speise, Mahlzeit) oder leip, hlaifs sBrot, Wecken), daher Com
pagnon — gimazo.gileip — Brot genosse, ähnlich niederdeutsch rna8> kopei (maatschappiy, niederlän disch) für Trintgesellschaft, dann für Erwerbs- und insbes. Han delsvereinigungen gebraucht; vgl. Diez, Etymol. WB. (5. Ausg. 1887) S. 106. S. auch Gareis in Behrends Zeitschr. Bd. 5 S. 591 Sinnt. 30.
Geschichtliche Vorbetrachtung.
§• 23.
173
gemeinschaft) bezeichnete Erwerbsgesellschaft, welche schließ lich durch Ausbildung des Rechts jener beiden Elemente und der Haftung der Mitglieder zur sog. „Kollektivoder offenen Handelsgesellschaft" (hievon unten tz. 25) wurde. C) In gewissen Fällen führte der einigende Gedanke, welcher in jenen beiden Elementen, nämlich in der Firma und in der Stellvertretung, wirksam wird, bis zu einer korporcrtiven Existenz; dies konnte jedoch nicht ohne die direkte Mitwirkung des Staates geschehen, welche in der Verleihung von Korporationsrechten und anderen Privilegien bestand; auf solche Weise entwickelte sich ge schichtlich die Aktiengesellschaft (hievon unten §. 31) in germanischen Ländern aus der Reederei (s. vorige Seite) oder ähnlichen Erwerbsgemeinschaften vermittelst der Verleihung des Dctroi,1) in romanischen Ländern in ähnlicher Weise oder aus der mit korporativen Rechten und Privilegien2) ausgestatteten Gemeinschaft von Staats gläubigern, welche dem Fiskus zu bestimmtm Unternehmungen Darlehen gegeben hatten?) War dem Gemeinwesen der korporative Charakter zu teil geworden, so verstand sich einerseits die Einheit unter der Firma und die Stellver* Dies nachgewiesen zu haben, ist das Verdienst Karl Lehmanns in seiner Schrist „Die geschicht-. liche Entwicklung des Aktienrechts , bis zum Code de Commerce" (Berlin 1895), insbes. S. 49 ff. 8 Z. B. Überlassung von Zöllen und anderen Abgaben, so bei der compera, worüber GUGesch. S. 254, 291.
8 Entwicklung aus ber maona tmabova, von arabisch ma’ühna — subsidium, auxilium, collecta) s. GUGesch. S. 292—298. Uber den Zusammenhang zwischen Staatsfinanzunterneymungen u. Aktienwesen s. auch Gar eis in Behrends Zeitschr. Bd. 5 S. 627.
174
Kap. II.
Tie Personen im Handelsrecht.
tretung seitens der Vereinsorgane von selbst (s. oben unter
B), andererseits konnte (aber nicht mußte) die Beschränkung der Haftung aller Beteiligten auf Anteile eintreten, wie
sie bei der Commenda und ähnlichen Partizipationen auf feiten der dem Geschäftsführenden Beiträge anvertrauenden
Kapitalisten vorhanden war (s. oben unter A), und diese Anteile konnten schließlich
leicht
übertragbar,
negoziabel
werden. Die bisher dargestellten Entwicklungen vollzogen sich im wesentlichen ziemlich gleichmäßig in deutschen wie in roma
nischen Landen;^ ebendaselbst bürgerte sich auch, wenngleich
in geringer Ausdehnung, eine Kombination von Kollektivund Aktiengesellschaft, nämlich die Kommanditgesell
schaft auf Aktien (hievon unten §. 37), ein; neueren Datums sind in Deutschland die aus besonderen social
politischen
Verhältnissen und
Bestrebungen entsprungenen
sog. eingetragenen Erwerbs- und Wirtschafts
genossenschaften (hiervon unten §. 38) und die um eigenartiger wirtschaftlicher Verhältnisie willen rechtlich ge
regelte sog. „Gesellschaft
mit beschränkter Haf
tung" (hievon s. unten §. 39). §. 24.
Übereinstimmendes und vergießendes von den Handelsgesellschaften. Nicht alle im Handelsverkehr auftretenden oder Handels
geschäfte abschließenden Gesellschaften sind „Handelsgesell1 Über das englische Gesellschastsrecht s. aber Güter bock, GZ. Bd. 1 S. 360 und Gareiö
in Behrends a. a. O.
Zeitschr. Bd.
5
Übereinstimmendes und Vergleichendes rc.
§♦ 24.
175
schäften" im technischen Sinne und insbesondere im Sinne des HGB. von 1897, sondern nur diejenigen Gesellschaften sind es, auf welche nach der positiven Bestimmung die in
betreff der Kaufleute
gegebenen
finden/) oder die als Kaufleute
Vorschriften
Anwendung
im Sinne des Handels
gesetzbuchs gelten,1 2)3 4oder die als Handelsgesellschaften im
Sinne des Handelsgesetzbuchs gelten?) Daher sind nicht hierher zu stellen: die stille Gesell
schaft/) die frühere Gelegenheitsgesellschaft 5) und jede andere nur unter die Regeln des gewöhnlichen, nicht merkantilen
Gesellschaftsrechts6)* *fallende * Association. Es sind demnach als „Handelsgesellschaften" im obigen technischen Sinne anzusehen und hier zu erörtern:
1. die offene Handelsgesellschaft/) 2. die Kommanditgesellschast?) 3. die Aktiengesellschaft?)
4. die Kommanditgesellschaft auf Aktien/o)
5. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenoffenschaft") und 6. die Gesellschaft mit beschränkter Rastung.12)18) 1 HGB. §. 6 Abs. 1 u. 2. 2 GenG. §. 17 Abs. 2. 3 LimitGG. §. 13 Abs. 3. 4 HGB. §§. 335 —342; hievon ! handelt §. 29. | 6 Im früheren HGB. in! Art. 260—270 geregelt, nach ' Inkrafttreten des BGB. aber■ nicht mehr einer besonderen Re-; gelung bedürfend. S. Gareis/ SGB. Vorbemerkung vor §. 335 j . 299. 6 BGB. §§. j. 705—740. i§. 105—160 (vgl. . 173, unten §§. 25
8 HGB. §§. 161-177 (vgl. oben §. 23 S. 171, unten §. 30. 9 HGB. §§. 178-319 (vgl. oben ien §. §. 23 23 S. S. 173, 173, unten unten §§. §§. 31 31 bis 36. 10 HGB. §§. 320-334 (vgl. oben §. 23 S. 174, unten §. 37). 11 GenG. s. unten Z. 38; vgl. oben H. 23 S. 174. 12 LimitGG. s. unten §. 39, oben §. 23 S. 174. 13 (Einteilung nach Maßgabe Maßga der Kreditbasis). Je nach D( oem äußersten Falls — einerseits — für die Schulden der Gesellschaft
176
Kap. II.
Tie Personen im Handelsrecht.
I. Gemeinsam ist allen biefen sechs Gesellschaften die (mindestens relative) juristische Persönlichkeit, die Rechts fähigkeit und Verpflichtungsfähigkeit;*) die Rechtsfähig keit umfaßt nicht bloß die Fähigkeit, Vermögensrechte nach Handelsrecht zu erwerben, sondern auch alle bürgerlichen Rechte, mit Ausnahme solcher, welche ihrer Natur nach auf die physischen Personen beschränkt sein müssen, wie die Familienrechte; die Fähigkeit, Grundstücke zu erwerben, ist ausdrücklich erwähnt, die Fähigkeit, Erbe zu werden, ergiebt sich aus der Rechtsfähigkeit ohne weiteres,3) kommt aber doch denjenigen Gesellschaften, welche nur „unter ihrer Firma" Rechte erwerben können, nicht $u,3) denn die Firma eine oder mehrere physische Per sonen nach Gesellschaftsrecht per sönlich, d. h. mit ihrem ganzen Vermögen, haften müssen, ober — andererseits — im Falle der Insolvenz der Gesellschaft nur ein Vermögenskomplex, ein realer Fonds (res) allein, nicht aber ein Mensch mit seinem Vermögen für dre GesellschastsSHulden gesellschaftsrechtlich Hast ar ist,' kann man Personalund Realassociationen unter scheiden ; der Typus der ersteren im Handelsrecht ist die offene Handelsgesellschaft, der Typus des Realassociationen die Aktlenaesellschaft; Genossenschaften lehnen sich, wenn sie un beschränkte Haftung nicht aus geschlossen haben, systematisch an die offene Handelsgesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. aber an die Aktienaesellschasten an; Kombinationen stellen die Kommanditgesell
schaften (ohne und aus Aktien) dar. Näheres in betreff der Haftung s. unten §. 40. 1 Dieses ergiebt sich für 1. aus HGB. §. 124; für 2. aus HGB. §. 161 mit §. 124; für 3. aus HGB. §. 210 Abs. 1; für 4. aus HGB. §. 320 mit §. 210; für 5. aus GenG. §. 17 Abs. 1; für 6. aus LimitGG. §. 13. 8 Vgl. BGB. §. 2101 Abs. 2. EinsG. z. BGB. Art. 86. Hell mann, Vorträge, Allg. T. S. 17. 3 Also der offenen Handels gesellschaft und der Kommandit gesellschaft nicht; aber Aktien gesellschaften find nach der Fassung des §. 210 des HGB. ohne jene Beschränkung rechtsfähig, daher auch erbfähig, und dasselbe wird man konsequentermaßen nach der Fassung der einschlägigen §§. (s. vorige Anm. ’) auch von den eingetragenen Genossenschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung sagen müssen.
Übereinstimmendes und Vergleichendes ic.
g. 24.
177
ist oer Name, unter dem der Kaufmann „im Handel seine Geschäfte betreibt",1) und so wenig ein Einzelkaufmann „unter seiner Firma" heiraten oder ein Testament errichten kann, so wenig kann z. B. eine offene Handelsgesellschaft als solche eine Erbschaft annehmen oder ausschlagen?) Die Verpflichtungsfähigkeit umfaßt nicht bloß die Fähig keit, aus Rechtsgeschäften verpflichtet zu werden, sondern auch die Möglichkeit, aus unerlaubten Handlungen ver pflichtet zu sein, nämlich soweit es sich um die Verant wortlichkeit für einen Schaden handelt, den ein verfaffungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausfühmng der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadens ersätze verpflichtende Handlung einem dritten zufügt?) Den Zweck haben jene sechs Gesellschaftsformen nicht gemeinsam, drei davon haben überhaupt keinen für sie charakteristischen Zweck zu verfolgen, nämlich die Aktien gesellschaft?) die Kommanditgesellschaft auf Aktien8) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung;8) — diese Gesell schaften können zu jeden, gesetzlich zulässigen Zwecke er richtet werden; eine — nämlich die Erwerbs- und Wirt schaftsgenoffenschaft — ist charakterisiert durch dm Doppel zweck: Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder (dies ist der Endzweck) und Herstellung eines gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs (dies ist das Mittel zur Erreichung jmes Endzwecks);1) zwei aber: die offene 1 HGB. §. 17. , - BGB. SS. 1946 ff.; vgl? Gareis HGB. S. 120, 121. §. ’ BGB. §. 31. Hiezu f.! Eosack, Lchrb. §. 33 S. 107, auch Gareis, HGB. S. 121. Gareis, Handelsrecht. 6. ?lufl.
* HEB. §. 210 Abs. 2. 6 HGB. §. 320 Abs. 3 mit 210 Abs. 2. 6 LimitGG1. 1 GenG. §. 1. Io
178
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft, bienen be
griffsmäßig dem Handel: ihr Zweck muß auf den Betrieb eines
Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet fein;1) es kann dies nur eines der gesetzlich 2)3 als solche anerkannten Handelsgewerbe sein (s. oben §§. 7, 8 Seite 47—59), mög
licherweise auch nur ein formelles Handelsgewerbe (f. oben §. 8 S. 57f.),s)nicht aber ein Kleingewerbes, oben §. 12 ) und b) wenn die Gesellschafter die ihnen obliegende obliga torische Anmeldung zum Handelsregister nicht persönlich bei
dem Gerichte bewirken — dann müssen sie sämtlich2) die
Anmeldung mit dem gesetzlich vorgeschriebenm Inhalte a) schriftlich errichten und in einer öffentlich beglaubigtm Form ebmso dem Gerichte einreichm, wie diejenigen Gesellschafter,
welche die Gesellschaft vertretm sollen, mangels persönlichen Erscheinens vor Gericht, die Firmmzeichnung in öffmtlich
beglaubigter Form einzureichen haben?) 1 BGB. §. 313 mit §. 128,1 2 HGB. §. 108. und mit EinfG. Art. 141,„142.1 3 HGB. §. 106. Ebenso ist der Fall der Uber-, 4 HGB. §§. 108, 12, und was tragung des gegenwärtigen Ber- die Beglaubigung anlangt, mögens odereines Bruchteiles des- EinfG. zum BGB. Art. 141; selben nach BGB. §. 311 zu bc- Gareis, HGB. §. 12 Anm. 2. handeln. i Gareis, Handelsrecht. 6. Aufl. 14
210
Kap. n.
Die Personen im Handelsrecht.
Über die Vorschrift und Bedeutung der Registrierung *) der offenen Handelsgesellschaft und über deren Entstehung überhaupt s. oben §. 24 VI A und B Seite 182 f. und 185 f.
§. 26. II. Innere Rechtsverhältnisse.
Welche Rechte und Pflichten das einzelne Mitglied einer offenen Handelsgesellschaft gegenüber den andem Mitgliedern derselben haben soll, richtet sich in erster Linie nach dem Gesellschastsvertrage;2)3 dieser * * * ist bis an die Grenze der Gültigkeit der Verträge überhaupt und bis an die Grenze der Sittlichkeit insbesondere8) souverän: so können z. B. über die Arbeitsbeteiligung der Gesellschafter, sowie über Nichtmittragen von Verlust oder über verschiedenes Maß des Verlusttragens etwa zu Gunsten der vorzugsweise mit Arbeit beteiligten Mitglieder in durchaus wirksamer Weise Vereinbarungen im Gesellschastsvertrage getroffen sein. Nur muß der Gesellschaftsvertrag das Wesen eines solchen fest halten und darf nicht, wenn er eine Gesellschaft begründen soll, eine dem Wesen der Gesellschaft widersprechende 1 HGB. S§. §§. 106-108, 12 C (Form d.Anmeldung), ' ~ 13 (Zweig-1! —r-rr—x , 14 n (Ordnungs -------- Niederlassung) strafen), 15 (Wirkung der Be kanntmachung) und hiem noch die besondere Wirkung der Re gistrierung eines formellen Handelsgewerbebetriebes nach 8- 2 d. HGB. S. Gareis, Anm. 4 hiezu, S. 14—15 und oben 8- 8 S. 57-59 und 8- 24 V S. 186.
2 HGB. 8. 109; in zweiter Linie stehen sodann die dispositiven Vorschriften der 88-100 bis 122 d. HGB. und in dritter Linie die des gewöhnlichen bürger lichen Rechts. 3 BGB. 8§- 134, 138; un zulässig ist auch ein Berstosi gegen bas öffentliche Recht. S. Staub HGB. (v. 1861) Art. 103 8- 5.
Bestimmung enthalten; demnach kann zwar einerseits ver einbart werden, daß, wenn ein bestimmtes Mitglied infolge der extern nicht zu beseitigenden persönlichen Haftung einen Vermögensnachteil über eine bestimmte Höhe hinaus erleiben sollte, die übrigen Mitglieder ihm diesen ersetzen; ja es kann auch die gänzliche Befreiung eines Mitglieds von jedem finanziellen Verluste intern verabredet werden, und es ist eine solche konventionelle Privilegierung eines Mitglieds keineswegs notwendig eine Schenkung, sondern möglicherweise die wirtschaftlich ganz angemessene Gegenleistung für wichtige Dienste, die das so ausgezeichnete Mitglied der Gesellschaft etwa vermöge besonderer Kenntnisse, technischer Erfahrungen, patentfähiger Erfindungen und dgl. geleistet hat oder ver tragsmäßig zu leisten hat; aber es ist andererseits mit dem Wesen der Gesellschaft nicht zu vereinigen, daß ein Mitglied von jedem Gewinne ausgeschlossen sein soll, und ebenso wenig, daß ein Mitglied gar keinen Betrag, auch nicht einen Dienst also/) an die Gesellschaft zu leisten haben soll?) Wird, was demnach vollkommen zulässig ist, vereinbart, daß ein Gesellschafter nicht über seine Einlage hinaus intern haften soll, so nimmt dieser Gesellschafter im Innern der Gesellschaft die Stellung eines Kommanditisten ein,8) wenigstens was jene Haftung anlangt, während im übrigen 1 BGB. §. 706 Abs. 3. 8 Der „Löwenvertrag" (die societas leonina) ist also in dem Sinne zulässig, daß einem Mitgliede die Verlustgefahr intern abgenommen werden kann, nicht aber in dem Sinne, daß ein Mitglied, wie in der Fadel der
Esel, von jedem Gewinn aus geschlossen ist, der „Esel* wäre vielleicht Schenker, der Schen kungsvertrag ist aber kein Gesellschaftsvertrag und ist regel mäßig an eine Form gebunden. BGB. §. 518. 8 HGB. §• 161. 14*
212
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
seine Rechte im Gesellschaftsleben verschieden geregelt sein können, wie denn überhaupt die Geschäftsführung durch Vertrag einem oder mehreren der Mitglieder zugewiesen und diese darin an vereinbarte Grenzen in örtlicher, zeit licher und sachlicher Hinsicht gebunden sein sönnen, freilich, ohne daß dieser Bindung nach außen hin volle Wirkung zukommen kann?) A) Ist im Gesellschaftsvertrage nichts anderes bestimmt, so hat das Mitglied einer offenen Handelsgesellschaft folgende Pflichten gesellschaftsrechtlich zu erfüllen: 1. Jeder Gesellschafter hat seinen vereinbarten Beitrag rechtzeitig zu leisten;1 2) handelsrechtlich ist bei Geldeinlagen die von Rechts wegm vom Tage der Pflichtigkeit der Ein zahlung an laufende Verzinsungspflicht eigentümlich?) Entsteht durch die Saumseligkeit weiterer Schaden, so ist auch dieser von ihm zu ersetzen?) 1 HGB. 8- 125 mit tz.126 einer- Bedeutung der Inventarisierung und §8. 114-119 andererseits. (HGB. v. 1861 Art. 91 Abs. 2) 2 BGB. §. 706. Vertretbare ist nach CPil. §. 286 Sache der oder verbrauchbare Sachen (vgl. richterlichen Würdigung. HGB. v. 1861 Art. 91) sind 3 HGB. §. 111. Zinsfuß genach BGB. im Zweifel in das schlich 5 °/o; s. HGB. 9.352, auch gemeinschaftliche Eigentum der im Falle des §. 121 Abs. 2 Sah 2 Gesellschafter einzubringen, nach mit Anm. 4 bei Gareis HGB. HÄB. 8-124aber in das Eigentum S. 117. Zur Erhöhung seiner der Gesellschaft. Es bedarf jedoch, Einlage oder zur Ergänzung um dies zu erreichen, immer ! der durch Verlust verminderten noch desjenigen Übertragungs- ■ Einlage ist ein Gesellschafter weder altes, welcher nach der Natur! nach BGB., noch nach HGB. des Gegenstandes zur Rechts-! (ohne besonderen Vertrag) verübertragung erforderlich..ist, also ! pflichtet. BGB. 8- 707. bei Fahrhabe der Übergabe j 4 HGB. 8- Hl, mit Anm. 3 (BGB. 8§- 929 ff.) und bei 1 u. 4 hiezu bei Gareis, HGB. Grundstücken der Auflassung , S. 111. (BGB. 88- 925 ff., 873 ff.). Die!
Innere Rechtsverhältnisse.
§. 26.
213
2. Bei Erfüllung der gesellschaftlichen Verpflichtungen hat der Gesellschafter für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt?) 3. Hat ein Gesellschafter Geld für die Gesellschaft ein genommen, und liefert er dies nicht rechtzeitig an die Gesellschaftskasse ab, oder entnimmt er unbefugt Geld aus dieser Kasse, so tritt die gesetzliche Verzinsungspflicht eben falls von Rechtswegen und ohne Mahnung von dem Tage an ein, an dem die Ablieferung hätte geschehen sollen oder das Geld entnommen worden ist.1 2) 4. Jeder Gesellschafter hat das gesetzliche oder vertrags mäßige — erweiterte oder eingeschränkte — Konkurrenz verbot zu beobachten,3) hievon s. oben §. 14 2 Seite 90 f.; von dieser Verpflichtung, welche mit dem Beginne der Liquidation der Gesellschaft erlischt?) kann ein Beschluß der Gesellschafter entbinden?) 1 BGB. §. 708; dies ist hier deshalb hervorzuheben, weil es zweifelhaft sein könnte, ob der geschäftssührende Gesellschafter nicht vielleicht nach HGB. §. 347 für die Sorgfalt eines ordent lichen Kaufmanns einzustehen habe; die obige Regel, von der freilich der Vertrag abweichen rann, eraiebt sich aus Abs. 2 des angef. §. 347. S. Gareis, HGB. Anm. 3 hiezu, S. 310 und Denkschr. S. 3180. Ter prä sumtive Ausschluß der Kom pensation von günstigen und ungünstigen Folgen deS Handelns eines Gesellschafters versteht sich auch ohne besondere gesetzliche
Vorschrift wie sie Art. 94 des HGB. v. 1861 enthielt. S. Denkschr. a. a. O. 2 HGB. §. 111 und wegen des weiteren Schadens s. auf voriger Seite Anm. 4. 3 HGB. §. 112. Wegen des Begriffs .Handelszweig" und .gleichartig" s. Gar eis, HGB. Anm. 1 u. 2 zu §. 112 S. 112. 4 ROHG. Bd. 21 S. 145. 6 Hinsichtlich der Reaktion gegen das Überschreiten jenes Verbots, welche nur auf Be schluß der Gesellschafter eintreten kann (HGB. §. 113 Abs. 2), s. oben §. 14 S. 91. Mög licherweise tritt auch Auflösung
214
Kap. n.
Die Personen im Handelsrecht.
5. Jeder Gesellschafter hat sich, soweit der Gesellschafts vertrag nichts anderes bestimmt, mit der Führung der Geschäfte der Gesellschaft sorgfältig zu befassens) sich aber auch aller derjenigen Geschäftsführungshandlungen zu enthalten, zu denen er nicht zuständig ist,2)3 und * * insbesondere derer, gegen welche mit Fug von anderen Gesellschaftern Widerspruch erhoben ist.8) 6. Kein Gesellschafter darf feinen Gesellschaftsanteil ohne Zustimmung der anderen an einen dritten abtreten oder einen brüten ohne jenen Konsens in die Gesellschaft aus nehmend) 7. Im Falle des ungünstigen Abschlusies der Rechnung eines Geschäftsjahrs hat jeder Gesellschafter den auf seinen Anteil entfallenden Verlust zu tragen.8) B) Vorbehaltlich anderer Vertragsfestsetzung stehen jedem Mitgliede einer offenen Handelsgesellschaft folgende Rechte gesellschaftsrechtlich zu: 1. Jeder Gesellschafter hat, rechtzeitige Rechnungsablage vorausgesetzt,8) gegen die Gesellschaft Anspruch auf: der Gesellschaft oder Ausschließung des ungetreuen Gesellschafters ein. HGB. §. 113 Abs. 4 mit §§. 133, 140. 1 HGB. §. 114 Abs. 1 mit dem oben unter Nr. 2 u. Anm. 1 S. 213 hiezu besagten. 2 HGB. §. V* 114" Abs. " 2 mit §§; 115, llf.
3 HGB. §. 115 Abs. 1 u. 2, auch Z. 116"u. 117. " 4 Es gilt auch für ................. die offene Handelsgesellschaft vollständig das, was BGB. §. 717 bestimmt, bestimmt.
, Verschieden von dem hiemit Verbotenen ist die Heranziehung * eines Unterbeteiligten oder stillen i Gesellschafters, welcher keine ei1* gelten feiten Rechte gegen die dir Ge| sellschast selbst gewinnt. ' '. S. i ROHG. Bd. 23 S. 121, 122* 1I RGer. — Bd. — 1 S. — 76 ff., Bd. 25 I S. 88. Hinsichtlich des Beitritts von Erben eines Gesellschafters s. nun HGB. §. 139. 6 *HGB. §. 120. 6 Vgl. ROHG. Bd. 16 S. 48 u. Bd. 22 S. 180, 183.
Innere Rechtsverhältnisse. §♦ 26.
215
a) Ersatz der Aufwendungen und Auslagen, die er in Gesellschastsangelegenheiten machte, und die er nach seinem sorgfältigen Ermeßen den Umständen nach für erforderlich halten durfte — hiezu gehört den Umständen nach auch die Abnahme von Verbindlichkeiten, die er unter denselben Voraussetzungen übernahm; b) Ersatz der Verluste, welche er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, die mit ihr untrenn bar verknüpft sind, erlitten hat, und c) Zahlung von Zinsen (5 0 o, wenn nichts anderes ver einbart ist) aus den der Gesellschaft vorgeschosienen oder für sie von ihm aufgewendeten Geldern vom Tage des Vorschusses, bezw. der Aufwendung an?) Diese Ansprüche richten sich gegen die Gesellschaft, können aber auch, wie jede andere Gesellschastsschuld, gegen jeden einzelnen Gesellschafter geltend gemacht werden?) 2. Jeder Gesellschafter hat Anspruch auf Vergütung (Honorierung) für seine für die Gesellschaft vorgenommenen Arbeiten, Dienstleistungen und Bemühungen, vorausgesetzt, daß eine solche Vergütung ausdrücklich vereinbart oder den Umständen nach die Dienstleistung nur gegen eine Ver gütung zu erwarten roar,3) namentlich wenn und weil sie
1 HGB. §. 110. ' HGB. §.128, anders RLHG. Bd. 13 S. 144; hiezu s. jedoch wegen des Ausschlusses des Rückgriffs während der Tauer der Gesellschaft, das mit Rücksicht auf den hier nicht anwendbaren §. 426 des BGB. (f. auch oben S. 124 Nr. 7) bei Gareis, HGB. Anm. 1 zu §. 128 S. 124
' bis 125 Gesagte. Ter Geltendmachung des Regresses eines exequierten Gesellschafters gegen «meine andere Mitglieder der Gesellschaft während der Dauer ■ der letzteren dürste übrigens in der Regel auch BGB. §. 707 , (--HGB. v. 1861 Art. 92) entgegenstehen. * BGB. §. 612.
216
Kap. IL
Die Personen im Handelsrecht.
nicht kaufmännischer Art und nicht ohne besondere Berufs
bildung auszuführen war?) 3. Jeder Gesellschafter hat einen Dividenvenanspruch,
der sich richtet: a) auf Kapitaldividende3) (4° o3) oder weniger) ^) und
b) auf
Personal-
oder
Arbeitsdividende?) verteilbar
nach Köpfen, der aber stets (d. h. bei a und b) voraussetzt, daß ein wirklicher Gewinn sich am Schluffe des Geschäfts
jahrs ergiebt?) und der nicht auf sofortige und vollständige Auszahlung, sondern, zunächst wenigstens, nur auf Gut schrift^) des ermittelten Jahresgewinnanteils gerichtet ist8)
4. Jeder Gesellschafter hat ein gewiffes begrenztes Geld
erhebungsrecht,'-') nämlich bis zu 4 0 o seines für das letzte
Kalenderjahr festgestellten Kapitalanteils, sowie das Recht, die
Auszahlung seines den bezeichneten Betrag (jene 4° o) über steigenden Anteils am Gewinne des letzten Geschäftsjahres zu verlangen, sofern die Ausübung dieses Rechts nicht zum offenbaren Schaden der Gesellschaft gereicht.
5. Jeder
Gesellschafter
ist,
sofern nichts anderes
im
Gesellschaftsvertrage bestimmt ist,10) zur Führung der Ge-
1 Der präsumtive radikale Aus»der Honorierung, welchen 3 des Art. 93 des HGB. v. 1861 ausgesprochen hatte, findet sich im neuen HGB. nicht. S. hiezuGareis, HGB. ©.110 dis 111. 2 HGB. §. 121 Abs. 1 Sah 1, Abs. 2 mit §. 120 Abs. 1. 8 Abweichend vom BGB. s. vorige Anm.; diese 4% belasten jedoch nicht das Konto der Ge sellschaft, wenn kein Gewinn ge macht wurde (im Gegensatze zu
Art. 106 des HGB. v. 1861); i val. HGB. §. 215 Abs. 1. ' HGB. 8. 121 Abs. 1 Sah 2. I 5 HGB. §. 121 Abs. 3; vgl. | = BGB. §. 722 Abs. 2. ; 6 Geschäftsjahr, nicht not! wendig Kalenderjahr. I 7 HGB. §. 120 Abs. 2 Sah 1. 8 GelderhebungSrecht s. HGB. §. 122. S. Text auf dieser Seite. Nr. 4. 9 HGB. §. 122. 10 HGB. §§. 114 Abs. 2, 125 Absah 1, letzter Halbsah.
Innere Rechtsverhältnisse,
g. 26.
217
schäfte der Gesellschaft nach innen und außen zu be rechtigt;^) ein Recht, welches mit voller Wirkung gegen dritte nur unter Eintragung in das Handelsregister ein geengt oder ausgeschlossen,?) gegen den Willen des einzelnen Gesellschafters diesem nur durch eine auf Antrag aller übrigen Gesellschafter erlassene gerichtliche Entscheidung aus einem wichtigen Grunde, insbesondere wegen grober Pflicht verletzung oder wegen Unfähigkeit, entzogen werden kann?) Näheres über die Ausübung und Einschränkung dieses Rechts s. oben §. 24 II und III Seite 178 f. 6. Jeder Gesellschafter hat Stimmrecht: es ist ein mit dem Wesen der offenen Handelsgesellschaft zusammen hängendes, aber immerhin bis zu einem gewissen Grade durch Vertrag modifizierbares Prinzip, daß es für die von den Gesellschaftern zu fassenden Beschlüsse der Zustimmung 1 Dgl. oben S. 179 f. und HGB88-114 Abs. 1.125 Abs. 1; und zwar ist es im Zweifel nicht Kollektivberechtigung, sondern Einzelberechtigung, jedoch mit Vetorecht eines jeden (§. 115 Abs. 1); ist Gesamtvertretuna ver einbart, so gilt im Zweifel das Einhelligteitsprinzip (§§. 115 Abs. 2, 119 Abs. 1), jedoch mit Abs. 2 l. Halbsatz)^: ^Unterschied
zwischen gewöhnlichem Betrieb undk außergewöhnlichen r“ —r"— Hand lungen, s. §. 116 Abs. 1 u. 2. hingen, ~ 9 ' " ~ *) Prokuristenbeftellung und --ab-berusung §. 116 Abs. 3. 2 HGB. §. 125. 3 HGB. §§. 117, 127. Es besteht aber hierin ein wichtiger Unterschied zwischen dem (neuen)
Handelsrechte und dem BGB. insofern, als nach dem ersteren die Vertretungsbefuanis nicht durch einfachen Beschluß der übrigen Gesellschafter (wie nach BGB. §. 712 Abs. 1), sondern nur durch Richterspruch entzogen werden kann. S. Denkschr. S. 3185. Auch insofern.besteht ein Unterschied, als nach dem BGB. §. 715 die Vertretungs macht, wenn sie in Verbindung mit der Befugnis zur (internen) Geschäftsführung erteilt worden ist, nur mit dieser entzogen werden kann, während dieser Zusammenhang nach HR. nicht besteht. S. Denkschr. a. a. O. Der Gesellschafter kann seiner seits die Geschäftsführung kün digen nach BGB. Z. 712 Abs. 2.
218
Kap. II.
Die Personen im Handelsrecht.
aller zur Mitwirkung bei der Beschlußfassung berufenen’) Gesellschafter bedarf; es kann aber das Einhelligkeitsprinzip statutarisch durch das Majoritätsprinzip ersetzt fein.12)* 7. Jeder Gesellschafter hat das Recht ständiger persön licher Kontrolle?) 8- 27. 111. Außere Rechtsverhältnisse.
I. Die offene Handelsgesellschaft ist wie alle andern (echten) Handelsgesellschaften rechtsfähig *) (s. oben §. 24 I, S. 176), aber diese Rechtsfähigkeit ist (wie eben falls oben, S. 177 erwähnt) beschränkt auf den Umkreis der Rechtsverhältnisse, für welche oder innerhalb deren Handlungen unter der Firma^) vorgenommen werden, eine Einschränkung, welche ihren Ausdruck in der Bezeichnung der offenen Handelsgesellschaft als einer „relativen (d. h. nur in gewissen Beziehungen anzunehmenden) °) juristischen Person" findet. „Unter ihrer Firma" kann sie auch ding4 HGB. 8- 124; über die Kon1 Also wenn die Befugnis j Iur Geschäftsführung nicht allen, i troverse wegen der Persönlichkeit ondern nur einigen der Ge- I s. Gareis, HGB. Aum. 1 zu ellschafter kollektiv zustebt, nur 8. 124 S. 119-120 und die der geschäftsführenden, sofern die dort.angegebene Litteratur. 6 Uber die Firma der offenen Handlung im gewöhnlichen Be triebe liegt, andernfalls aber HGesellschast s. HGB. §. 19 u. oben §. 16 S. 105, §. 24 V aller (§§. 115 Abf. 2, 119). 2 HGB. 8- 119 Abs. 2 wie S. 180 f. BGB. §. 709 Abf. 2. 6 So schon F. Dahn, Handels 8 Nach Maßgabe näherer ge rechtliche Vortrage, 1875 S.67 ff. setzlicher Bestimmung, die nicht Gareis, HGB. Anm. 2—7 zu dem Handelsrechte eigentümlich, §. 124 S. 120-121, und oben sondern allgemein besteht: BGB. Z. 24 I S. 176, mit Anm. 1-3 L. 716 -- HGB. §. 118, mit daselbst und S. 177 Anm. 1-2. Sinnt. 3 hiezu bei Gareis HGB. S. 115.
Äußere Rechtsverhältnisse. §♦ 27
alte 12 . . immen .
.
xlte 4a, ist Spalte 11a gemäß Spalte 6a auszufüllen, anderenfalls ist Spalte 11 a
Fix-, Differenz-, Prämien- u. Promeffengeschäfte. festbestimmten Frist Leistungszeit
wird
bewirkt werde?)
zwar
§. 48.
545
Die Festsetzung der
in der Regel ausgedrückt durch
bestimmte Worte, wie: zu liefern „fix", „präzise", „prompt", „spätestens am . . .",
„nicht später als . . ." oder durch
die sog. kassatorische oder Erlöschungsklausel („am... oder um . . . Uhr ist das Engagement erloschen") oder durch Verweisung auf feststehende Usancen oder Statuten, sofern sie einen ganz präzisen Leistungstermin ersehen lassen; die
juristische Eigentümlichkeit des Fixgeschäfts liegt nicht in
den Worten, sondern in der Absicht der Parteien, nämlich
darin, daß es ein unter der ausdrücklichen Bedingung, es sei zu erfüllen innerhalb der festgesetzten Frist
oder zur festgesetzten Zeit, abgeschloffenes Lieferungs oder Zahlungsgeschäft?) ist, ein Geschäft, in welchem die Innehaltung dieser Zeit oder Frist einen wesentlichen
Bestandteil
der
Leistung
des
Leistungspflichtigen
bildet,
welches demnach, wenn jene Bedingung nicht eingehaltm ist, eigenartige Wirkungen erzeugt: Gerät bei einem gewöhn-
lichen gegenseitigen Vertrage, der kein Fixgeschäft ist, der eine Teil mit der ihm obliegenden Leistung in Verzug, so kann ihm der andere Teil zur nachträglichen Bewirkung
der Leistung eine angemessene Frist (sog. Nachfrist) mit der u. HGB. 1 BGB.. §. 361 ii. §.376. ZIn ‘der Regel' wird ein bestimmter Tag 'festgesetzt, an der Börse ist es meistens der Ultimo des lausenden oder nächsten Atonats. " Das HGB. v. 1861 (Art. 357) schränkte seiner Definition des Fixgeschäfts nach dieses Geschast auf den Fall ein, daß der, GareiS, Handelsrecht. 6. Aufl.
welcher die Leistung fix erwarten durste, der Käufer war; das HGB. v. 1897 definiert das Geschäft so, daß auch die fixe Leistung des Käufers vereinbart , sein fum kann; unui i bei uci x?cicuivuiuiiy Vereinbarung urt der j Leistung Zug um Zug ~ ia (s. oben j §. 46 I) zieht der erst rstere — Fall " den zweiten ohnehin nach sich. |
35
546
Kap. III.
Die Handelsgeschäfte.
Erklärung setzen, daß er die Annahme der Leistung
mit
dem Ablaufe der Frist ablehne; benutzt dann der andere Kontrahent die Nachfrist nicht, so kann die Gegenpartei
Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordem oder von dem Vertrage zurücktreten, der Anspruch auf Erfüllung ist aber
dann ausgeschlossen; hat aber die nachträgliche Erfüllung des Vertrags infolge des Verzugs für den anderen Teil
kein Interesse, was er zu beweism haben würde, so kann er Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder den
Rücktritt vom
Vertrage wählen,
Nachfrist
ohne
daß
es der Be-
Recht
stimmung
einer
Rücktritts
ohne Setzung einer Nachfrist besteht also nur
dann,
wenn
bedürfte; *)
das
des
die Nachleistung beweisbar für dm Nicht-
säumigm kein Interesse mehr haben würde, oder wenn die
Zulässigkeit
des Rücktritts im voraus vereinbart wurde.
Anders beim Fixgeschäft, hier gilt das Rücktrittsrecht als vereinbart, und zwar auch im gewöhnlichen, nicht handels
mäßigen Verkehre:
wenn in einem gegenseitigen Vertrage
laut Verabredung die Leistung des einen Teils genau zu einer festbestimmten Zeit oder innerhalb einer festbestimmten
Frist — also „fix" — bewirkt werden soll, aber nicht fix be wirkt roirb,2) so ist im Zweifel anzunehmen, daß der andere
Teil zum Rücktritt berechtigt ist; auf den Grund,
aus
welchem die Leistung unterblieb, ob aus Verzug, Schuld des
Leistungspflichtigen oder Zufall, kommt es, wenn nur der Rücktritt gewählt wird, nicht an. 1 BGB. §. 326; hinsichtlich teilweiser Erfüllung s. BGB. §. 325 Abs. 1 Satz 1. 1 Die Feststellung der Nicht-
| I , |
Dies gilt auch beim Fix-
leistung oder des Verzugs durch eine Protesturkunde ist im HGB. v. 1897 nicht vorgesehen, anders HGB. v. 1861 Art. 358.
Fix-, Differenz-, Prämien- u. Promeffengeschäste.
§. 48.
547
geschäste des'Handelsrechts, auch hier kann bei nicht recht zeitiger Erfüllung seitens des einen Teils der andere vom
Vertrage zurücktreten, gleichviel, warum die Leistung nicht
erfolgte;
aber
Schadensersatz
statt
der
Erfüllung
kann
wegen der Nichterfüllung nur dann verlangt werden, wenn der Schuldner in Verzug ist, und nachträgliche Erfüllung kann nur verlangt werden, wenn der, dem erfüllt werden
soll, sofort nach dem Ablaufe der Zeit oder Frist dem Gegner anzeigt, daß er auf Erfüllung bestehe.
Letzteres
ist beim nichthandelsmäßigen Fixgeschäfte anders: nachdem
BGB. ist der Teil, der die nachträgliche Erfüllung verlangm darf und will, nicht verpflichtet, dies sofort dem
anderen zu erklären, sondern es ist sein Recht, zwischen
Erfüllung und Rücktritt zu wählen, nur insofern zeitlich begrenzt, als der Gegner ihm nach BGB. §. 355 für die
Ausübung des
Rücktrittsrechts eine angemeflene Frist be
stimmen kann,
mit
deren fruchtlosem Ablaufe aber das
Rücktrittsrecht erlischt; nach dem Handelsrechte *) aber muß
der Gläubiger, der — gewissermaßen ausnahms- und auf fallenderweise — nach dem fixen Leistungstermine nachträg
liche Erfüllung wünscht, dies sofort dem Schuldner dieser Leistung anzeigen, und zwar ohne von ihm eine Aufforderung
abzuwarten. einen Markt-
Der Schadensersatz besteht bei Waren, welche oder Börsenpreis haben — und nur solche
bilden dm regelmäßigen
in der Differenz Markt-
oder
Börsenpreise
geschuldetm Leistung;
Gegenstand
zwischen
zur
der Fixgeschäfte —
dem Kaufpreise
Zeit
die Befugnis
und
am
und dem Orte der
zu der himach zu-
1 HGB. v. 1897 §. 376 und HGB. v. 1861 Art. 357 Abs. 1. 35*
Die Handelsgeschäfte.
Kap. HI.
548
nämlich nach dem System
gelassenen Differenzberechnung,
des fingierten Nealisationsverkaufs,
bezw. des fingierten
Deckungskaufs, steht sowohl dem Verkäufer, als dem Käufer gegebenen Falles zu;
das Ergebnis
eines
bezw.
genommenen Realisationsverkaufs,
wirklich
vor
eines Deckungs
kaufs kann, falls die Ware einen Börsen- oder Marktpreis hat, dem Schadenersatzansprüche nur zu Grunde gelegt werden,
wenn der Verkauf
oder Kauf sofort nach dem Ablaufe der
bedungenen Leistungszeit oder Leistungsfrist bewirkt wird; der Verkauf, bezw. Kauf muß, wenn er nicht in öffentlicher
Versteigerung
geschieht,
durch
einen
hiezu
öffentlich
er
mächtigten Handelsmäkler oder eine andere zur öffentlichen
Versteigerung folgen.
befugte Person
(s. oben Seite 525)
zum
laufenden Preise er
Grundsätze vom Selbsthilfeverkauf
Es finden die
darauf
Anwendung;
ist
die
vor
geschriebene Benachrichtigung des Gegners unterblieben und daraus Schaden entstanden, so muß diesen der Benachrich
tigungspflichtige
ersetzen?)
Ist
der zur Erfüllung
aus
einem Fixgeschäfte Verpflichtete vor Eintritt des Lieferungs termins oder Ablauf der Lieferfrist in Konkurs
geraten,
und hat die zur Lieferung übernommene Ware einen Marktoder Börsenpreis, so
kann nicht die Erfüllung verlangt,
sondern nur eine Forderung wegen Nichterfüllung geltend
gemacht werben. sich
Der Betrag dieser Forderung bestimmt
durch den Unterschied zwischen
dem Kaufpreise und
demjenigen Markt- oder Börsenpreise, welcher an dem Orte der Erfüllung
oder
an
dem
für denselben maßgebenden
Handelsplätze sich für die am zweiten Werktage nach Er
1 HGB. §. 376 Abs. 2-4.
Fix-, Differenz-, Prämien- u. Promessengeschäste.
Öffnung des
Konkursverfahrens
§♦ 48»
549
mit der bedungmen Er
füllungszeit geschlossenen Geschäfte ergießt.1) II. Differenzgeschäft ist ein Fixgeschäft (also ein
Zeit- oder Termingeschäft), dessen Erfüllung von feiten des
Verkäufers sondern
in
nicht in der Lieferung der Ware selbst besteht,
der der Differenz
Kaufpreise der Ware
zwischen dem vereinbartm
und dem Markt- oder Börsenpreise
lKurswert), welchen dieselbe Ware zur Zeit und am Orte der vereinbarten, aber nicht durch Warenübergabe selbst zu leistenden Erfüllung hat.
Das Differenzgeschäft ist weder
eine Wette, noch ein Spiel;2) aber das positive bürgerliche Recht bestimmt, daß,
wenn ein auf Lieferung von Waren
oder Wertpapieren lautender Vertrag in der Absicht ge schlossen wird, daß der Unterschied zwischen dem vereinbartm Preise und dem Börsen- oder Marktpreise der Lieferungs
zeit von dem verlierenden Teile an den gewinnenden gezahlt
werden soll, so
ist der Vertrag als Spiel anzusehen?)
Dem gegenüber hat auch das Handelsrecht keine Ausnahme
bestimmung, sondern nur das Börsenrecht?)
Es ist jedoch
hier schon hervorzuheben, daß der Börsenverkehr das sog.
reine Differenzgeschäft nicht kennt, um deswillen nicht, weil
1 Die Bestimmung, daß nicht i die Erfüllung, sondern nur eine! Forderung wegen Nichterfüllung, : sei es die des Schadensersatzes, sei cs die des Rücktritts, erhoben werden könne, darf nicht ! zur Anwendung kommen, wenn 1 ein solcher Börsen- oder Marktpreis nicht zu ermitteln ist. KonkOrd. §. 18. ! 2 Vgl. Grünhnt im Hdbch. :
5. 279 (Bd. 3 S. 9, 10), insbes. Anm. 4; Gareis, Die Klagbarkeit der Differenzgeschäfte, (Bert. 1882.) 3 BGB. §. 764; sonach er zeugt der Vertrag keine Verbindlichkeiten, das aus Grund desselben aber Geleistete kann nicht zurückgesordert werden. 4 Hievon unten §. 49.
Kap. ni. Die Handelsgeschäfte.
550
die Abwickelung nicht direkt, sondern durch Substitutionen *)
anderer Kontrahenten auf dem Wege des Börsenarrangements am Liquidationstermin erfolgt oder wenigstens regelmäßig
erfolgen
kann?)
Die
Geschäftsabschlüsse
sind
durchweg
von vornherein auf wirkliche Lieferung und wirkliche Ab nahme gerichtet, so daß sich keineswegs aus dem Äußeren der Vereinbarung die Absicht, das Geschäft durch ein ent
gegengesetztes Geschäft zu
„kompensieren"
und die beiden
Geschäfte mittels Empfang oder Bezahlung der Differenz
zu „regulieren", ergiebt, sondern dies erst aus dem bei der Erfüllung auftretenden Parteiinteresse hervorgeht?)
Aber eine Nebenverabredung, daß es so gehalten werden soll, wie wenn ein Zeitgeschäft in entgegengesetzter Richtung von dem einen und von dem andern Kontrahenten neben
dem ausdrücklich vereinbarten Kaufe abgeschlossen worden wäre, ergiebt sich regelmäßig aus dem Orte des Abschlusses
(nämlich
der
Börse)
oder der
1 ES geschieht dies durch den Mechanismus der sogenannten „Börsenliquidation", d. i. eines gleichzeitigen „Arrange ments" der verschiedenen gleich zeitig fälligen Differenzgeschäste mittels Überweisungen der ein zelnen Käufer und Verkäufer, mittels Skontration (Ab gleichung) der innerhalb des Kompensationskurses („Liqui dationskurs") sich bewegenden Preise und mittels Bardeckung des für die einzelnen Beteiligten sich dann noch — als mchtskontrierbar — ergebenden Agios oder Disagios über oder unter
örtlichen
Beziehung
der
dem vom Börsenvorstande aus gestellten Liquidationskurse am Ultimo. Hierüber s. Grünhut int Hdbch. §. 279 S. 12 ff. Uber Liguidationskurse s. auch Siegfried a. dem S. 492 angegeb. Orte S. 120 ff. uud unten §. 49. 2 Stenograph. Vernehmungs protokolle der deutschen Börsenenquöte-Kommission d. I. 1892 bis 1893, Frage 7,7 a, namentlich die völlig zutreffenden Äuße rungen von L e x i s S. 3559—3563 u. Fuchs, S. 3571, 3572 8 R. Siegfried a. a. O. S. 114.
Fix-, Differenz-, Prämien- u. Promessengeschäfte.
§. 48»
551
Realisation der Geschäfte, nämlich der Realisation auf der Börse; damit ist dann als stillschweigend paktiert anzu sehen, daß das Geschäft nach den Regeln der börsenmäßigen Liquidation (d. i. Abwickelung mittels Skontration auf Grund der Kompensationskurse, sog. „Börsenarrangements") zu Ende gebracht werde. in. Das Prolongations-, Report- oderKostgeschäft?) Man bezeichnet mit diesem Namen Geschäfte, welche darin bestehen, daß zwei Geschäfte, Einkauf und Verkauf, ?) gleichzeitig und durch einen Willensentschluß seitens des einen Kontrahenten abgeschlossen werden, von denen das eine Geschäft ein Verkauf gegen bar (Kassa geschäft) und das andere ein Lieferungseinkauf (oben §. 47) oder: das eine ein Tageseinkauf und das andere Verkauf auf Zeit ist (die Ausdrücke Ein- und Verkauf vom Stand punkte ein und desselben Kontrahenten aus gebraucht)?) Bedarf jemand rasch einer bestimmten Gattung von Wert papieren, so kauft er sie gegen bar („er nimmt sie zu leihen") ^) und verspricht, sie (oder: ebenso viele derselben iGSyst. S. 192-194. Sieg fried a.a.O. S. 142ff.; Grün hut im Hdbch. §. 287. Litt. f. insbef. Anm. 8 9b. 3, Bd. 1 S. 33; H. Müller, Report geschäft 1896; Cosack, Lehrb. ä. 80. — Entscheidungen über oas Reportgeschäft sind zusammengestellt in GZ. Bd. 26 (1881) S. 248 ff. Haezu RGer. Bd. 19 S. 145. K. Adler (Wien) in GZ. 9b.35S.418ff.; I. Ofner (Wien) ebenda Bd. 37 S. 438 ff. 8 Die Auffassung der Kost
geschäfte als Kombination von Einkauf und Verkauf ist juristisch festzuhalten troh des entgegen stehenden Sprachgebrauchs von Börsenusancen; vgl. die tu GZ. Bd. 26 (1881) S. 254-257 mit geteilten österreichischen Erkennt nisse und die treffende Bemerkung Keyßners hiezu S. 256. 3 ROHG. Bd. 22 S. 191 ff., Bd. 19 S. 308 ff., Bd. 5 S. 184. Reichsstempelabgaben-Ges. vom 27. April 1894 §. 12. 4 Über das sogen. „Herein nehmen" im Reportgeschäft s.GZ.
552
Kap. III.
Die Handelsgeschäfte.
Gattung) in bestimmter Frist wieder (zurück) zu liefern;
die Spekulation kann dabei eine a la baisse-SpelulQtion der
sein,
Spekulant
„fixt"
spekulierend
alsdann
Deport, die Gegenpartei auf Report,
auf
Steigen; oder die
Veranlassung ist nicht Stückemangel, sondern Geldmangel: ein Spekulant, welcher in einem vorausgegangenen Geschäft als Käufer operierte und nun die gekaufte Ware beziehen
und auch bezahlen soll, ist hiezu außer stände; er schließt
demnach einen Verkauf gegen bar ab, verschafft sich dadurch
Geld und kaust auf Lieferung, indem er die erste Speku
lation „prolongiert".
(mithin
in
(repartiert,
der
daher
Der Kapitalist,
Regel
billiger
Reporteur
als
welcher gegen bar auf
genannt)
Kredit) sofort
und
kauft
auf
Lieferung verkauft, benutzt das Geschäft, um sein Kapital
kurz
und sicher fruchttragend
anzulegen,
und
zieht
be»
Gewinn aus den Zinsen der Zwischenzeit, sowie aus dem
Kursunterschiede.
(Denn
je nach dem Lieferungstermine
hat ein Wertpapier an ein und demselben Tage verschiedene Kurswerte, der Unterschied zwischen diesen heißt Report
s „Kostgeld "s, wenn der Kurs für den späteren Lieferungstermin höher, Deport s„Leihgeld"s, wenn er niedriger ist als der Kurs für den früheren Termin.)*1)
Den Aktien
gesellschaften ist das Repartieren ihrer eigenen Aktien nicht
Bd. 26 (1881) S. 249, 250 und Privat- u. öffentliche Recht der RGer. Bd. 19 S. 156; Bd. 28 Gegenwart 1875); Gareis in Meyers Deutschem Jahrbuche S. 25. 1 Thöl, HR. §.285; Ende Bd. 2 (1873) S. 362-363; mann, HR. 4. Aufl. §. 145; James Moser, Die ZeitGrünhut, Das Börsen- und [ geschäste. (Berlin 1875.) GSyst. Müklerrecht, 1875, S. 72-79 i a. a. O. (auch in seiner Zeitschrift f. d.
Fix-, Differenz-, Prämien- u. Promessengeschäste.
§. 48»
553
gestattet;T) aus der juristischen Natur des Reportgeschäfts
als eines
mit einem Wiederverkäufe verbundenen Kauf
vertrags aber folgt
auch die Stempelpflichtigkeit der Ge
schäfte nach Tarifnummer 4 A des Reichsstempelgesetzes vom 29. Mai 18852) und 27. April 1894. IV. Prämiengeschäfte.^)
Wenn der Spekulant,
welcher kauft, um wieder zu verkaufen (Hausiespekulant),
sich in seiner Spekulation dadurch getäuscht sieht, daß der Kurs, anstatt zu steigen, gefallen ist, so könnte er den
ihn deshalb treffenden Schaden vermindern, wenn er von dem Spekulationskaufe hinterher noch zurücktreten könnte; das Recht, zurückzutreten, kann aber von vornherein verein
bart sein und dadurch die Gefahr und der eventuelle Ver lust für den Spekulanten bedeutend vermindert werden;
er bezahlt an die Gegenpartei für die Einräumung dieses Rücktrittsrechts einen kleinen, gewöhnlich in Prozenten oder im Preise selbst ausgedrückten Betrag („Prämie") und hat dann am Stichtage die Wahl, ob er zurücktreten oder den
Vertrag aufrecht erhalten wolle.
Dieses Rechtsverhältnis
bildet einen der zahlreichen Fälle, welche unter dem Namen oben §.34(5.3539111111.4. Bd. 19 S. 145 ff. Litt. s. ebenda Abweichend ROHG. Bd. 22 S. 150. Reichsstempel-Ges. vom S. 193, 194. —Eine Konsequenz 27. April 1894 §. 12 Abs. 3. obiger Ausfassung ist, daß der 3 Grünhut im Hdbch. §§. Reportnchmer, solange er im 281 ff., ebenda s. Litt. Ferner Besitze repartierter 9lktien ist, Gold sch m idt-Syst. §. 103 S. beim Mangel entgegenstehender 175 ff.: R. Siegfried a. dem Statuten zur Teilnahme an S. 492 angegeb. Orte S. 130 ff.: den Generalversammlungen der : Die Gesetzgebungsfragen s. die Aktiengesellschaft berechtigt ist. oben Amn. 2 S. 550 auVgl. das Pariser Erkenntnis in gegebene Borsenenquete, unter GZ. Bd. 26 S. 252, 254. Frage 7 c. Diese Folgerung u. zugleich 4 ROHG. Bd. 15 S. 393, die Natur der Neportgcschäste ist 399, Bd. 19 S. 4. ausführlich erörtert in RGer.
554
Kap. IIL
Die Handelsgeschäfte.
„Prämiengeschäfte" zusammengefaßt werden.
Wie in dem
eben geschildertm Rechtsverhältnisse dem spekulierenden Käufer
ein Wahlrecht gegen Prämie eingeräumt wird, und zwar das
Recht, zu wählen zwischen Rücktritt und Verttag, so kann dasselbe Recht gegen Prämie auch dem Verkäufer vom Käufer
eingeräumt werden; zudem kann der Inhalt des Wahlrechts
sehr mannigfaltig gestaltet sein. Im allgemeinen ist das Prämiengeschäft ein Vertrag, inhaltlich beffen von einem Kontrahenten, Prämiennehmer,
dem anderen, Prämimgeber, gegen Versprechm einer bestimmtm Geldsumme, Prämie genannt, ein an einem ver einbarten späteren Zeitpunkt
auszuübendes Wahlrecht zu
gestanden wird, welches mit Bezug auf einen bereits ab-
geschlossmm oder erst noch abzuschließendm Vertrag einen Eingriff in die Rechtssphäre des Prämimnehmers enthält;') der Verttag, auf welchm das Prämimgeschäft Bezug nimmt,
ist in die Vereinbarung über das Wahlrecht und über das Äquivalent hiefür, die Prämie, — mithin in das Prämien
geschäft — wesentlich, aber noch unfertig eingeschlossen, so daß erst nach Endigung des Prämiengeschäfts entschieden
ist, ob oder wmigstms in welchem Umfange er bindend
sein oder zur Ausfühmng kommm soll, und ist int kauf männischen Verkehre regelmäßig ein Lieferungsgeschäft (Fix geschäft) ,
dessen
Papiere bilden.
Gegmstand
gewöhnlich
börsengängige
Ist der Käufer der Prämienzahler,
so
heißt die Prämie „Dor-" oder „Lieferungsprämie"3) und
» Thöl, HR. 88. 286, 287; Gareis in SA. f. deutsches Wechsel- u. Handelsrecht Dd. 18 (1869)©. 123ff. Bielschowski,
' Die recht!. Natur der Prämien ! geschäste. Brest. 1892. (Dissertat.) I ' Grünhut im Hdbch.Bd.3, 11 S. 18, ROHG. Bd. 15S.893.
Fix-, Differenz-, Prämien- u. Promeffengeschäste.
§. 48.
555
erscheint häufig als Zuschlag zum Kaufpreise; ist der Ver käufer wahlberechtigt, so wird der Kaufpreis um den Betrag der Prämie, welche „Rück-" oder „Empfangsprämie" heißt, vermindert; im einen, wie im anderen Falle heißt die Entfernung
des
Prämienkurses
aber
sind diese
von
dem
gewöhnlichen
Nach dem Inhalte des Wahlrechts
Kurswert „Ecart".
Prämimgeschäfte
folgendermaßm
teilen : 1. Das einfache Prämiengeschäft.
einzu
Hiebei be
rechtigt das Wahlrecht, für welches die Prämie gegeben wird, dm Prämimgeber, an einem bestimmten späteren
Zeitpunkte (Tag der Prämienerklärung) zu wählen, ob er den gleichzeitig verabredeten Lieferungsvertrag ab geschlossen wissen wolle oder nicht. Die Prämie wird hiebei bezahlt: entweder wenn das Wollen dieses
Lieferungsgeschäfts,
oder
wenn
das
Nichtwollen*)
gewählt wird, oder auch schon für das bloße Wahl
recht, ohne Rücksicht auf diese oder jene Ausübung der Wahl;") das letztere wird präsumiert.
2. Das Wahlrecht kann aber auch derart vereinbart sein, daß der Prämimgeber nicht zwischen dem bestimmten Wollen
und
Nichtwollen,
sondern
zwischm
So-
und
Anders-Wollen wählen kann: „zusammengesetzte
Prämiengeschäfte".
Zu diesen gehört:^)
' R OHG. Bd. 15S.398—402. 4 ROHG. Bd. 19 S. 4.; G a r e i s in SA. Bd. 18 S. 128 ff. : 8 Hierher wird von manchen , (Thöl, HR. §. 294; Grünhut ! im Hdbch. tz. 286) das Wandel-i geschäst oder Escomvtegcschäst . (wobei der Wähler (Prämien-!
gebcrf die Erfüllung des Vertrags an einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb einer enger oder weiter fixierten Frist fix verlangen kann) gestellt; dieses Geschäft kommt heutzutage mit und (z. B. in Berlin) ohne Ecart gebräuchlich vor und heißt »Kauf mit An-
Kap. III.
556 a)
der
„Schluß
Die Handelsgeschäfte.
auf
fest
und
offen"/)
bei
welchem der Prämiengeber das Recht hat, an einem be
stimmten Zeitpunkte hinsichtlich eines bestimmten Teils der Ware von der Erfüllung zurücktreten zu dürfen;
b) die Nochgeschäfte?) oder Nachgeschäfte sind Prämiengeschäfte, bei denen der Prämimgeber das Recht
hat, am Erklärungstage zu verlangen, daß die Zahl der behandelten Wertpapiere um eine bestimmte Zahl vermehrt werde; ein Teil dieser Papiere ist alsdann fest gekauft,
ein anderer nach Wahl („in Option") des Prämiengebers; je nachdem der Käufer oder der Verkäufer Prämiengeber
ist, unterscheidet man „Geschäfte mit Noch" und „Geschäfte
mit Ankündigung";
bei letzteren hat der Verkäufer das
Recht der Nachlieferung nach seiner Wahl als Prämien geber.
c) Das Stellgeschäft, auch „Schluß auf Geben und Nehmen", „Stellage" genannt, ist ein Prämiengeschäft,
bei welchem der „Wähler" am Erklämngstage die Wahl hat, ob er ein bestimmtes Lieferungsgeschäft als liefernder
oder als beziehender Teil abgeschlosien und erfüllt wissen wolle, mit anderen Worten: das Recht hat, nach freier Wahl,
welche
er
an einem bestimmten Zeitpunkte oder
innerhalb einer festgesetzten Frist treffen muß, die behandelte kündiguug fix und tag lich", wenn der Verkäufer, und „Kauf auf fi xe und tägliche Lieserun g", wenn der Käufer die Wahl hinsichtlich der Zeit der Effektenlieferunghat. GSyst. S. 191. R. Siegfried a. dem S. 492 angegeb. Orte, S. 131; Cosack, Lehrbuch S. 403. 'Thöl, HR. ß. 292; Grün-
"Hut im HdLch. §. 285: GSyst. S. 191: Siegfried a. a. O. , S. 141 ff. 52 Ü5riint)ut im§.285; James Mosera. a.O.S. 11 ff.; j Thöl, HR. §. 293; GSyst. i S. 191; Siegfried a. a. 0., S. 140 ff. Wachtel, Stellage ; und Rachgeschäst 1897. I
Fix-. Differenz-. Prämien- u. Promeffengeschäfte.
§. 48.
557
Ware (meistens Effekten) dem Prämiennehmer („Steller", auch „Stillhalter" genannt) zu liefern oder sie von diesem zu beziehen.
Vom zweischneidigen Prämiengeschäft (s. unten
Ziff. 3) unterscheidet sich das Stellgeschäft dadurch, daß
die Wahl des absoluten Nichtwollens (d. i. der Rücktritt)
bei
dem
Stellgeschäft
ausgeschloffen ist;
da
bei
diesem
demnach jedenfalls eine Erfüllung des je nach Entscheidung des Wählers
im Stellgeschäft
abzuschließenden
Vertrags
einzutreten hat, so wird die Prämie zweckmäßig und ge
wöhnlich in der Vereinbarung von zwei verschiedenen Kauf ausgedrückt, — eines niedrigeren für den Fall,
preisen
daß der Wähler zu liefern wählt, und eines höheren für
den Fall, daß sich dieser liefern läßt.
Der Umstand, daß
die Prämie — das Stellgeld — nicht selbständig sichtbar
und in den Schlußbriefen nicht besonders genannt wird,
giebt mitunter, jedoch mit Unrecht, Veranlaffung, das Stell geschäft nicht zu den Prämiengeschäften zu rechnen; doch
gehört
es
seinem
inneren
Wesen nach unzweifelhaft zu
diesen?) 3. Das Wahlrecht des Prämiengebers kann endlich der
art vereinbart
sein,
daß
zwischen Nichtwollen,
dem
Prämiengeber
So wollen
und
die
Wahl
Anders wollen
zusteht; dies ist der Fall beim sog. „zweischneidigen
Prämiengeschäft", ?)
welches darin besteht, daß der
Prämiengeber an bestimmten Terminen wählen kann, ob er
(als
Käufer)
die
behandelte Ware
vom Prämiennehmer
' GSyst.S. 191. Thöl HR. Orte S. 137 ff.; Wachtel tz. 291 Anm. 3; Grünhut im l a. a. L). Hdbch. 283; R. Siegfried - Thöl, HR. 8- 290; Grüna. dem oben S. 492 angegeb. I Hut im Hdbch. 8- 284.
558
Kap. HI.
beziehen,
oder
sie
Die Handelsgeschäfte.
'(als Verkäufer) dem Prämiennehmcr
liefern oder weder das eine, noch das
andere,
sondern
auch
Doppel
Abstand vom (Lieferungs-)Verlrage wolle. 4.
Zweiprämiengeschäft,
Das
prämiengeschäft, geschäfte
in
ist
eine Kombination
der Spekulation
zweier
Prämien
eines Prämiengebers
oder
Prämiennehmers?) Die juristische Natur der Prämiengeschäfte im allgemeinen
und
im
einzelnen
bestritten.
ist
ebenso
wie
ihre Klagbarkeit sehr
Man hat verschiedene Rechtsinstitute: Reugeld,
Konventionalstrafe, Spiel, Wette, gewagte Verträge, Ver
sicherungsgeschäfte u. s. w. zur Erklärung derselben heran-
gezogm; die Prämie ist aber nichts anderes als ein vollkommen berechtigtes Geldäquivalent, welches für die
Gewährung
(oder Ausübung)
gegeben wird?)
eines
gewiffen Wahlrechts
Auch den Ansprüchen aus Prämiengeschäften
kann, wenn ihre Kontrahenten nicht in das Börsenregister ein
getragen sind, möglicherweise die Einrede des Spiels entgegen gesetzt werden; s. oben II und unten §. 49 VI 2 und 8.
V. Das Promessen- oder Heuergeschäft ist ein Kaufvertrag, bei
welchem der Verkäufer (Verheuerer) dem
Käufer (Heuerer) gegen einen bestimmtm Preis (Heuergeld,
Prämie) verspricht, Los
ihm den auf ein speciell bezeichnetes
fallenden Gewinn
zu
bezahlen;
unter Los ist
ein
Kreditpapier zu verstehen, welches einen infolge künftiger
Auslosung möglichm
Gewinn
1 Thöl HR. 8. 289; GrünHut im Hdbch. §. 282; GareiS in SA. Bd. 18 a. a. O.; Gold schmidt-Syst. S. 191, 192. 2 Gareis in SA. Bd. 18
verheißt.
Gegenstand des
S. 123—170 und die dort cit. Litt. Ferner Thöl, HR. §.288 und Gar eis im RLcx. unter den einzelnen Namen der Prämiengeschäste. GSyfi. S. 190ff.
Fix-, Differenz-, Prämien- u. Promeffengeschäste.
Kaufs
ist
hiebei
der
ungewisse,
559
§. 48.
mögliche Gewinn, als
bloße Möglichkeit gedacht, weshalb das Promefsengeschäst
eine
Art
des
Hoffnungskaufs (emptio
spei,
nicht
rei
speratae) ist; als solcher ist es aber vollkommen klagbar, und zwar ohne Unterschied, ob der Verheuerer Eigentum
oder ein Forderungsrecht in betreff des verheuerten Loses
hat oder
nicht,
und ob
letzterenfalls
der Hmerer
den
Mangel eines die Realliefemng möglich machenden Rechts
oder nicht,
kennt
die Realliefemng überhaupt intendiert
oder nicht, vielmehr der Verheuerer bloß verpflichtet ist,
den
wirklich
treffenden Gewinn an ben Hmerer
auszu
bezahlen. — Das Geschäft wird dadurch abgeschloffen, daß
der Verheuerer dem konsmtiermden Hmerer dm Schlußbrief („Heuerbrief",
„Promeffe",
„Promeffmlos" genannt), der
notwendig die genaue Beschreibung des verheuertm Loses, sowie regelmäßig die Klausel „fix" (oder dergl.) mthält,
übergiebt.
Die Promeffe ist nicht das Los selbst, wenn«
gleich sie oft „Los" genannt wird, sondern nur der die
Verpflichtung
des
Verheuerers
feststellende
Schlußbrief.
Wmn die Realliefemng des Loses nicht ausdrücklich be-
bungen
oder ortsgebräuchlich
ausgeschlossen
ist,
hat der
Heuerer nur das Recht, die Auszahlung des auf die be
treffende Nummer fallenden Gewinns zu verlangen.
Sind
mehrere Lose gleichzeitig verheuert und in einer Promeffe
behandelt,
so wird mitunter vereinbart,
heuerer gegen Zahlung der Gewinnste
daß dem Ver
eine
Anzahl noch
nicht gezogener Lose zurückzuliefern fei.1) 1 GareiS im RLex. (»Proinessengcschäft') und die dort angeführte Litteratur; ferner G.
Cohn im Hdbch. §. 301 (vgl. unten S.65); GSyst. 186—187.
Kap. III.
560
Tie Handelsgeschäfte.
Eine durchaus andere Bedeutung von „Heuervertrag"
s. Seerecht?)
Den Los- und Gewinnverkauf gegen Teilzahlung bedroht
daS Reichsrecht mit Strafe?)
§. 49. Die DörsentermingeschLfte insbesondere. I. Eine Unterart der Zeit-
oder Termingeschäfte (siehe
§. 47 I) bilden die Börsen termingeschäfte; 8) Kauf- und
sonstige Anschaffungsgeschäfte in Waren oder Wertpapieren gelten als Börsentermingeschäfte dann, wenn sie a) auf eine festbestimmte Lieferungszeit oder mit einer
festbestimmten Lieferungsfrist (s. Wesen des Fixgeschäfts)/)
b) nach Geschäftsbedingungen geschloffen sind, die von
dem Börsenvorstande6) für den Terminhandel festgesetzt sind, und — all dies kumulativ verstanden — c) wenn für die an der betreffenden Börse geschloffenen
Geschäfte solcher Art eine amtliche Feststellung c) von Termin preisen erfolgt?) n.
Die
unter Zusammentreffen dieser drei Momente
geschloffenen Geschäfte heißen auch offizielle Termingeschäfte8)
(offizielle Börsentermingeschäfte)
und
stehen im Gegensatze
1 S. unten §. 111. I heim in Salings Börsen 2 §. 7 b. NGcs. v. 16. Mai 1 2papieren S. 533ff.; Freund 1894, s. Gareis a. dem oben ; in Holdheims Archiv Bd. 6 S. 539 Anm. 2 angeaeb. Orte. ; S. 37: Bondi ebenda S. 133; Preußische Strafandrohungen s. ; Mar Weber in D. Jur. Ztg. GShst. §. 93 Hiff. 3 S. 187. Bd. 1 S. 207. 8 Deutsches Börsengeseh vom 4 S. oben §. 48 I. 22. Juni 1896; hiezu die Kom 6 BörsenGes. §. 8 mit H. 5. mentare vonM.Abt, Brendel, 6 BörsenGes. §§. 29, 35. Cahn, Hoffmann, Kun-! 7 BörsenGes. §. 48. s Cosack, Lehrt). S. 388ff. reuther. Vgl. ferner Sand-
Die Börsentermingeschäfte insbesondere. g. 49.
561
zu jenen „freien Termingeschäften, welche mit der Börse gar keinen Zusammenhang haben, d. s. Zeitgeschäfte, deren Kontrahentm sich nicht den Usancm irgend einer Börse bei ihrem Abschlufle unterwerfen, ja diese Nichtunterwerfung ausdrücklich bekundens) dagegen nehmen eine Mittelstellung ein jene ebenfalls „freie Termingeschäfte" genannten Zeit geschäfte, welche zwar nicht alle drei angegebene Begriffs momente der offiziellen Börsentermingeschäfte an sich tragen, aber doch zwei davon, nämlich die Eigenschaft von Fixgeschäften haben und nach den von einem Börsenvorstande erlaffenen Usancen geschloffen und als so gewollt zu be urteilen sind; man kann einen solchen Handel einen börsenmäßigen freien Terminhandel nennen, er bewegt sich in den für Börsentermingeschäfte üblichen Formen, ist aber von der Börse ausgeschloffen?) Die Unterscheidungen sind öffentlich-rechtlich, in einigen Vgl. 1 Für diesen „freien Termin- gemäß BGB. §. 764. Handes giebt eS weder eine offi Cosack Lehrbuch S. 397. 8 Der börsenmäßige „freie zielle Zulassung von Wert papieren, noch ein Verbot ein Terminhandel" ist als Börsen zelner Arten von solchen; es ist terminhandel zu betrachten und aber auch jede offizielle Preis ju behandeln, sobald ferne Kon notierung und jede Vermittelung trahenten den Versuch machen, von Kursmaklern, also jede Ein durch ihre Geschäfte Einfluß auf wirkung auf die durch die Kurs die für den Markt der betreffenden zettel bekannt zu machende Preis Produkte oder Effekten wichtige bildung ausgeschlossen. Darauf, Preisbildung m gewinnen, dem ob dieKontrahenten in daSBörsen- nach einen Kompensationskurs register(s. oben S. 36,549 u. unten herzustellen und danach ihre S. 568 f.) eingetragen sind oder i Geschäfte abzuwickeln suchen; nicht, kommt im freien Termin dann sind auf diese Geschäfte handel nichts an, den Schuh des auch dre besonderen privatrecht §. 69 des BörsengeseheS genießt lichen Vorschriften für Börsen der freie Terminhandel nrcht. er termingeschäfte anwendbar; s. steht fortwährend unter dem unten VI S. 566. Damoklesschwett der Spieleinrede 36 VareiS, Handelsrecht. 6. Aust.
562
Kap. HI.
Die Handelsgeschäfte.
Beziehungen auch privatrechtlich von Bedeutung (s. unten S. 566 ff.); um ihretwillen ist die Feststellung des Begriffs Börse um so mehr erforderlich, als von ihr die Auf stellung von Usancen ausgeht und die Rechtsstellung der Kursmakler zu charakterisierm ist. HL Man versteht unter einer Börse eine marktartige und organisierte Versammlung von Kaufleuten und andern zum Handel in Beziehung stehenden Personen, mittels welcher die Preisbildung a) in Abwesenheit des Gegenstandes des Geschäfts sich durch Angebot und Nachfrage vollzieht und b) nicht bloß vermöge der korporativen, gesellschaftlichen oder autoritativen Organisationen so kontrolliert und fest gestellt wird, sondern c) auch wirtschaftlich so bedeutend wird, daß eine Rück wirkung der festgestellten Preise auf die an dem Angebote und an der Nachfrage beteiligten Jntereffenten und Jnterefsentenkreise unvermeidlich ist?) 1 Die öffentlichrechtlichen Vor schriften des Börsengesetzes stellt Zorn in seinem Staatsrechte des Deutschen Reiches Vd. 2 zweite Aust. (Berlin, Gutt. 1897) S. 380—409 systematisch dar; das Derwaltungs- und Privat recht der Börsen behandelt ein gehend Co sack, Lehrb. (4. Aufl. 1898) S. 363—409; das Börsen strafrecht wird von Co sack a. a. O. S. 365 gestreift, von Zorn a. a. O. S. 405—409 auch dargestellt. 8 So möchte ich die Resultate der Darlegungen Wieners (in d. Deutsch. Aur.-Ztg. Bd. 2 S. 149
bis 154) und Cosacks (Lehrb. S. 362 ff.) ohne mich wesent lich von ihnen zu entfernen, zusammenfaffen. Das Gesetz defi niert die Börse nicht; die staat liche Genehmigung oder An erkennung macht einen Markt oder eine Jntereffentenversammlung nicht zur Börse, letztere ist vielmehr gerade deshalb zu definieren, damit klar sei, welche Jntereffentenvereinigung oder Marktveranstaltung bei ihrer Errichtung der staatlichen Ge nehmigung bedarf u. s. w. Es ist vollkommen richtig, daß den Börsen, welche ohne staatliche
Die Börsentermingeschäfte insbesondere, g. 49.
563
IV. Die staatlich anerkannten Börsen sind teils Effekten-
(Fonds-), teils Waren-(Produkten-)Börsen, Staatsaufsicht*) und
sind
auf Grund
stehen
unter
einer Börsen-
ordnung organisiert und thätig, welche an jeder Börse
als ihr Statut mit einem gesetzlich obligatorischen Inhalte
aufgestellt wird und der Genehmigung durch die LandesGenehmigung gegründet werden, der Charakter von Börsen, wenn die oben entwickelten Requisite, die sich sämtlich um die Bedentung derPreisbildung drehen, Zusammentreffen, keineswegs fehlt; !die privatrechtlich wichtig{ten Normen des Börsengesehes, owie die strafrechtlichen Bor christen desselben seüen die staat liche Genehmigung Der dort als Börse bezeichneten Vereinigung oder Anstalt nicht voraus, sondern gelte« auch für sogen. Winkel börsen. Über diese s. Co sack a. a. O. S. 375. In einem andern, weiteren und uneigentlichen Sinne heißen auch andere Arten von Zusammenkünften oder Ver einigungen »Börsen", Zusammen künfte z. B., bei denen gar keine Geschäfte gemacht werden oder die Ware anwesend ist oder die Preisbildung nicht die oben an gedeutete Rolle und insbesondere Reflerwirkung hat; auf solche sog. »Börsen", wie z. B. die Leipziger »Buchhänolerbörse", oder eine sog. Briefmarkenbörse beziehen sich Normen des Börsenaesehes überhaupt nicht. 1 Die Aufsicht über die staatlich anerkannten Börsen wird ausgeüvt: a) durch Organe des!
Reichs (Bundesrat — s. BörsenGes. §§. 2, 3, 6, 17, 35, 38,42, 56—, Zulafsungsbeschluß zu §. 42 vom 11. Dez. 1896, RGBl. S.763-,Börsenausschuß, ein Sachverständigen organ des Bundesrats, welches auch bei der Bildung der Berufungskammer, des Börsenehren gerichts zweiter Instanz be teiligt ist, — s. BörsenGes. §§. 3, 17 —, Reichskanzler — s. BörsenGes. §§. 35, 42, 49); b) durch Organe der Einzel staaten (Landesregierung — s. BörsenG. §§. 1, 2, 4, 9,30,32, 35,38,39,42,54,57 —, Staats kommissare, ein Aufsichtsorgan der Landesregierung bei jeder Börse, welches auch im Ver fahren des Börsenehrengerichts mitwirkt, BörsenGes. §§. 2, 11, 17,29,30); und c) durch Handels organe (Handelskammern, kauf männische Korporationen), denen die Landesregierung die un mittelbare Aussicht über die ein zelnen Börsen übertragen hat tz. B. in Königsberg i. Pr. dem Vorsteheramte der Kausmannschast, s. Börsenordnung für Königsberg i. Pr. v. 19. Mai 1897, genehmigt 1. Juni 1897 §• !)•
Kap. III.
564 regierung
Die Handelsgeschäfte.
Zur Leitung und Verwaltung
bedarf?)
der
Börseneinrichtungen,*8) wie zur Handhabung der Ordnung in den Börsenräumen ist ein Börsenvorstand nötig;8) die Thätigkeit des Börsenvorstandes ist privatrechtlich insofern
unmittelbar wirksam, als er — gewöhnlich vorbehaltlich
der Genehmigung des von der Landesregierung mit der un
mittelbaren Aufsicht über die betreffende Börse betrauten Handelsorgans *)— die sogenannten Geschäftsbedingungen oder
Usancen (Börsenusancen) festsetzt; diese werden weder Ge wohnheitsrecht, noch autonomes Recht,8) sondern Vertrags recht, und soweit es sich um Verwaltungseinrichtungen darin handelt, Hausrecht der Börse; es wird für die Beteiligten
bindend, weil sie sich ihm entweder als Korporations- oder Ver
einsmitglieder der Börsenassociation, oder als Benutzer der Börseneinrichtungen
oder
als Kontrahenten von
Börsen
geschäften unterwerfen. V. Eine gewisse privatrechtliche Wichtigkeit hat auch das
Institut der Kursmakler, wenn auch der Schwerpunkt der Thätigkeit dieser von den Landesregierungen bestellten
und beeidigten, an den einzelnen Börsen, bei denen amt
liche Börsenpreise festgestellt werden, regelmäßig hiezu be stellten Hilfspersonen nicht auf dem Gebiete des Privatrechts 1 BörsenGes. §§. 4—8. Seiten- und Blütterzahl) zu be 8 Zu den Einrichtungen einer glaubigen und beim Ausscheiden Börse muß ein Ehrengericht und des Maklers aufzubewahren; s. kann ein Schiedsgericht und Einf.G. zu HGB. Art. 14 I und eine Begutachtungskommission Anm. 1 auf folg. S. gehören; s. Cosack Lehrbuch 4 S.Anm. 1 auf vorig. S. a. E. S. 371—374. 6 Hierüber in ersterer Be 3 BörsenG. §§. 5, 8; Cosack ; Ziehung übereinstimmend, in a. a. O. S. 368; der Börsen j letzterer abweichend Cosack a. vorstand hat daS Kursmakler- ■ a. O. S. 364-865. Tagebuch (hinsichtlich seiner
Die BörsentermingeschSfte insbesondere.
§. 49.
565
liegt;') die Kursmakler sind einerseits wirkliche Mäkler, wie die übrigm Handelsmäkler auch, von deren gewerblicher Thätigkeit unten (§. 53) besonders gesprochen wird, anderer seits aber amtliche Gehülfen des Börsenvorstandes bei der
Feststellung der Börsenpreise;
dürfm sie nicht bloß,
in der
ersteren
Eigenschaft
sondern müssen sie, solange sie die
Thätigkeit als Kursmakler ausüben, die Vermittelung von
Börsengeschäften
in den Waren oder Wertpapieren ihrer
Branche ausüben, jedoch dürfen sie — um ihrer zweiten Eigmschaft willm — in den Geschäftszweigen, für welche
sie
bei der
amtlichen Feststellung der Börsenpreise
mit
wirken, nur insoweit für eigene Rechnung oder im eigenen
Namen Handelsgeschäfte schließen oder sich hiebei verbürgen, als dies zur Ausführung der ihnen erteilten Vermittelungs
aufträge nötig ist;2) um der Amtseigenschaft willm es den Kursmaklern auch
Landesregierung davon Mäklergewerbe
ein
gesetzlich,
entbindet,
sofern
verboten,
anderes Handelsgewerbe
ist
sie nicht die
außer zu
dem
betreibm
oder an einem solchm als Kommanditist oder stiller Gesell
schafter beteiligt oder in einem solchm als Prokurist, sonstiger Handlungsbevollmächtigter oder Handlungsgehülfe thätig zu
sein.
Ein ausschließendes Privileg der Geschäftsvermitte
lung genießen die Kursmakler auch an der Börse nicht, hier
können vielmehr noch zahlreiche andere Mäkler das Ver mittelungsgeschäft ausüben, aber ein Anspruch auf Berück
sichtigung eines Geschäftsabschluffes bei Kursfeststellung kann 1 Über die Kursmakler siehe Kursmakler findet im Falle der BörsGes. §§• 30—34, wovon sog. »Spitzen",bei überschießenden §§. 33, 34 nach dem Gins.®, z. Verkaufs- oder Kaufsausträge» HGB.v. 10. Mai 1897 Art. 141. : statt, worüber eingehend Co sack 8 Ein solches Eingreifen der ' Lehrbuch S. 385, 386.
Kap. HI. Die Handelsgeschäfte.
566
von irgend einem Kontrahenten oder Mäkler an der Fonds-, wie
an der Produktenbörse nur dann erhoben werden, wenn das betr. Geschäft durch Vermittelung eines Kursmaklers ge schlossen worden ist, unbeschadet des Rechts und auch der
Pflicht des Börsenvorstands, um ein richtiges Bild von
der Lage des Marktes zu gewinnen, greifen.
darüber hinaus zu
Gesetzlich gehören die Kursmakler
zu denjenigen
Personen, welche zur Vornahme solcher Verkäufe (z. B. der Selbsthilfeverkäufe) befugt sind, die nur durch einen dazu
öffentlich bestellten Handelsmäkler zu bewirken sind.') Der
Amtscharakter der Kursmakler macht sich auch dadurch be merklich, daß ihnen verboten ist, Geschäfte in solchen Wert papieren an der Börse zu vermitteln, deren Zulasiung zum
Börsenhandel verweigert oder nicht nachgesucht ist?)
Auf
die Gültigkeit der in solchen Papieren gemachten Geschäfte hat jedoch der Mangel jener Zulassung keinen Einfluß.
VI.
Die privatrechtliche
Bedeutung
der Eigenschaft
eines Geschäfts als Börsentermingeschäft in dem oben er wähnten technischen Sinne besteht in folgenden drei Eigen-
tümlichkeiten:31)2 1. Beim Börsenterminhandel von Waren gerät der Ver käufer nicht bloß, wenn er nach erfolgter Kündigung4) nichts 1 Vgl. oben §. 45 II S. 525 f., Einf.G. z. HOB. Art. 14 I §. 34. 2 BörsenGes. §. 41. 3 Keine privatrechtliche Be deutung — auch nicht angesichts des BGB. 8- 134 — haben die Verbote d. Börsenterminhandels, welche §. 50 des BörsenGes. ent hält, bit Verbote des Börsenod.börsenmaßigen Terminhandels
in Anteilen an Bergwerks- oder Fabrikunternehmungen, in Ge treide- und Mühlenfabrikaten und in bundesrätlich ausgenommenen Waren und Wert papieren u. s. w., denn das Gesetz verknüpft eigene und andere Wirkungen nut dem Verbote in seinen §§. 51, 52; s. Zorn Staatsrecht S. 383. 4 Man versteht unter dieser
Die Börsentermingeschäfte insbesondere.
§.
49.
567
liefert, sondern auch, wenn er nach Kündigung eine un kontraktliche Ware liefert, in Erfüllungsverzug, auch wenn
die Lieferungsfrist noch nicht abgelaufen war; es hat folg
lich der Käufer schon im Zeitpunkte dieses vertragswidrigen Erfüllungsversuchs die ihm gegen einen säumigen Kontra henten zustehenden Rechte;*) eine entgegenstehende Verein-
banmg ist nichtig?) 2. Durch ein Börsentermingeschäst in einem Geschäfts zweige, für welches nicht beide Parteien zur Zeit des Ge
schäftsabschluffes in einem Börsenregister 8) eingetragen sind, wird kein Schuldverhältnis begründet; dies gilt auch von der Erteilung und Übernahme von Aufträgen (Kommissions-,
Agenten- und Mäkleraufträgen), sowie von der Vereinigung Kündigung die nach Börsen usancen übliche Erklärung über die Art der gewollten Erfüllung:
im Sprachgebrauche der Pro duktenbörse bedeutet „kündigen" die schriftliche (mittels „Kündigungsscheins") vom Verkäufer an den Käufer innerhalb des Erfüllungsmonats gerichtete Mit teilung über das Bereitliegen der Ware, so daß dieser sie ab nehmen kann, was dann inner halb der üblichen Abnehmeftist (von 2 bis 8 Tagen) zu geschehen pflegt. C o s a ck Lehrbuch S. 407. 1 HGB. §. 376, s. oben §. 48 I, S. 544 f. 2 Der Grund dieser Vor schriften ist: es soll verhindert werden, daß durch daS Aufden-Markt-werten von un kontraktlichen Produkten der Schein hervorgerufen werde, als sei das Angebot sehr groß, und
daß dadurch die Preise herabaedrückt werden. Auf die Ge schäfte d. „freien Terminhandels" (s. oben S. 561), welche auf die Preisnotierung keinen Einfluß haben, finden die obigen Vor schriften keine Anwendung, eben weil bei ihnen die Gefahr des Preisdrückens nicht besteht. 8 Das Börsenregister wird von dem zur Führung des Handels registers (f- oben §. 4 S. 36 Anm. 6) zuständigen Gerichte «rt; über die Eintragung, itng und Veröffentlichung s.Bö'rsenGes. §§. 54—65, 67, 68; die privatrechtliche Bedeutung der Eintraguna oder Nichtein tragung im Börsenregister be schränkt sich auf die unter 2 u. 3 oben angegebenen Eigentümlich keiten des Börsentermingeschäfts (BörsenGes. §§. 66, 69).
zum Abschluffe von Börsentermingeschäften (Gesellschafts vertrag für Börsenerrichtung, Liquidationsverein). Die Unwirksamkeit der angeführten Warenumsatz-, Arbeits- und Gesellschastsverträge erstreckt sich auch auf die bestellten Sicherheiten*) und die abgegebenen Schuldanerkmntniffe;^) auch ist eine Rückforderung deffen, was bei oder nach völliger Abwickelung des Geschäfts zu seiner Erfüllung geleistet wordm ist, ausgeschlossen?) 3. Gegen Ansprüche aus Börsentermingeschäften, sowie auS der Erteilung und Übernahme von Aufträgen oder aus der Vereinigung zum Abschluffe von Börsentermingeschäften kann von demjenigen, welcher zur Zeit der Eingehung des Geschäfts in dem Börsenregister für den betreffenden Ge schäftszweigs) eingetragen war, ein Einwand nicht darauf ge gründet werden, daß die Erfüllung durch Lieferung der Waren oder Wertpapiere vertragsmäßig ausgeschloffen war?) Durch diese gesetzliche Vorschrift wird nicht etwa eine Einrede ge schaffen, sondem unter der Voraussetzung, daß der angegebene Einwand nach dem sonstigen Rechte bestehen würdet) ist er für börsenregistrierte Kontrahenten von Börsentermingeschäften 1 BGB. §§. 232 ff. 8 BGB. |§. 781, 782. 8 BörsenGes. §. 66. Die Be deutung der Eintragung beider Kontrahenten eines Börsen termingeschäfts ergiebt sich aus dem Positiven der angegebenen Negatron: Wirksamkeit oeS Ge schäfts. 4 Sowie — führt das Gesetz fort — von demjenigen, deffen Eintragung nach §. 68 Abs. 2 nicht erforderlich war, weil er im Jnlande weder einen Wohn
sitz, noch eine gewerbliche Nieder lassung hat. ® BörscnGes. §. 69. 6 Die Voraussctzuna trifft zu nach dem preußischen Rechte und nach dem bürgerlichen Gesetzbuche für das Königreich Sachsen, da gegen kennt das gemeine Recht und insbesondere das in Frank furt a. M. und Hamburg gel tende Recht jenen Einwand nicht; über das seitherige Recht siehe G a r e i s, HR., Lehrbuch, 5. Äufl. S. 494-495.
Die Bösentermingeschäste insbesondere. §♦ 49.
569
ausgeschlossen. Die angegebene Vorschrift des Börsengesetzes, also die Ausschließung jenes Einwandes, wirb1) durch die Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wonach Differenz geschäfte als Spiel anzusehen sind, „nicht berührt"?) VII. Hier ist auch der Börsensteuer zu gedenken. Um die Börsengeschäfte zu besteuern, führte die deutsche Reichs gesetzgebung dm Schlußnotenzwang ein; der zur Entrichtung der Reichsstempel-Abgabe zunächst Verpflichtete hat über das abgabepflichtige Geschäft eine Schlußnote auszustellen, 1 — sagt das Einf.G. zum schristen des §. 69 des BörsenGes. HGB. v. 10. Mai 1897 Art. 14 V auch nach der Einführung des als Abs. 2 zum BörsenGes. §. 69. §. 764 des BGB. in Geltung 9 Dunkel ist der Rede Sinn: bleiben (s. Kommissions-Bericht Die Borschrist des BörsenGes.ß.69 Reichstagsakten Nr. 735 S. 39). wird durch BGB. §. 764 aller Doch deckt sich, woraus Cosack dings .berührt", denn erstere (Lehrbuch S. 400,401) mit Recht erhält durch letzteren — für die aufmerksam macht, der That Länder des gemeinen Rechts bestand des durch BörsenGes. §. 69 wenigstens und für die Zukunft ausgeschlossenen Einwands mit — überhaupt erst einen Sinn u. dem Thatbestände des durch BGB. Inhalt: Stande nämlich §. 764 8-764 geschaffenen Einwands nach nicht im BGB., so bestände den einer Seite hin nicht, denn es Differenzgeschäften gegenüber die kann sein,daßdie Effektiverfüllung Einrede des Spiels nicht, und nicht durch den Vertrag ausge gegenüber dem Einwande, „daß schlossen ist und doch gespielt die Erfüllung durch Lieferung wird, daß mit anderen Worten der Waren oder Wertpapiere die Effektiversüllung und eine vertragsmäßig ausgeschlossen Differenzenzahlung, wie sie DGB. war", würde die Gegenpartei §. 764 im Auge hat, gewollt ist; und der Richter zu sagen haben: und folglich wären Fälle denk »Zugegeben, eben darum hast bar, in denen der §. 69 des Börsendu statt dessen das zu leisten, Ges. die registrierten Börsen was vertragsgemäß nicht aus spekulanten nicht gegen die Spiel geschlossen war, sondern vertrags einrede des §. 764 BGB. schützt. mäßig gewollt ist." Gemeint soll Hierüber s. Kohler, DaS mit diesem erst auf Vorschlag der Börsenspiel, S. 9ff. und Biron Reichstagskommission eingesügten j im A.f.b. R. Bd.9 S. 235 bei Vorbehalt sein, daß die Äor- : Anm. 21, S. 237 ff.
570
Kap. HI.
Die Handelsgeschäfte.
d. i. eine auf einem vorher gestempelten
oder mit beit er
forderlichen Stempelmarken zu versehenden Formulare herzustellmde Beurkundung, welche in üblichem Lakonismus ge
setzlich dm Inhalt des abgeschlossenen Geschäfts angiebt; die Schlußnote ist doppelt auf dem erwähntm Formular
auözustellm, von welchem je eine Hälfte für jedm der beiden
Kontrahenten bestimmt ist; spätestens am dritten Tage nach dem Tage des Geschäftsabschlusses hat der Aussteller der Schlußnote die nicht für ihn bestimmte Hälfte der letzteren,
wenn derselbe die Schlußnote aber als Vermittler') aus
gestellt hat, berat beide Hälften abzusenden; die hieher gehörigen stempelpflichtigen Geschäfte sind Kauf- und sonstige Anschasfungsgeschäfte, welche a) entweder ausländische Bank
noten, ausländisches Papiergeld oder ausländische Geldwerte
ferner Aktien, Staats- oder andere für dm Handelsverkehr
bestimmte Wertpapiere zum Gegmstande haben, oder b) welche unter Zugrundelegung von Usancen einer Börse — sei sie Fonds- oder Produktmbörse —
geschlossen werden (Loko-,
Zeit-, Fix-, Termin-, Prämien- u. s. w. -Geschäfte) über Mengm von Waren, die börsmmäßig gehandelt werden; als börsmmäßig gehandelt gelten
diejenigen Waren,
für
welche an der Börse, deren Usancen für das Geschäft maßgebmd sind, Terminpreise notiert werden?)
Doch hat die
Unterlassung der richtigen oder überhaupt der Stempelab
gabe nicht die Ungültigkeit des Geschäfts, sondem die Ver wirkung einer Geldstrafe zur Folge, welche dem fünfzigfachen
Bettag der hinterzogenen Abgabe gleichkommt (mindestms 1 Über die Handelsmätler s. ! 1 RStempelGcs. v. 27. April unten §. 53, und vgl. Reichs- i 1894 Taris Nr. 4 a, b. stempelGes. §. 9 Ziff. 1.
Allgemeine Grundsätze über ArbeitSgeschäste. §. 50.
571
aber 20 Mark beträgt), einer Geldstrafe, welche gegen Rück fällige oder Mäkler unter Umständen noch höher bemessen
wird. n.
Arbeitsgeschäfte.
§. 50. Allgemeine Grundsätze über ArbeitSgeschäste.
Weder
noch das deutsche Mittelalter
das Altertum,
kannte in großer Ausdehnung die auf Grund von Ver einbarungen
gegen
Entgelt
zu
leistende
Arbeit
freier
Menschen; erst die Wirtschaft der neueren Zeit ist vorzugs weise auf diese Arbeit gebaut, und der Handelsstand hat zu dieser Veränderung nicht wenig beigetragen; trotzdem
im Handelsverkehr eigenartige,
haben
sich
Recht
abweichende
verträge
bezüglich
Vorschriften
vom übrigen
der
Arbeits
nur in geringer Ausdehnung entwickelt, sondern
es fügt sich der kaufmännische Verkehr hierin regelmäßig
den Normen des gewöhnlichen bürgerlichen Rechts. entsprechend
für
die
zunächst
die
gelten
Arbeitsgeschäfte
im
Handel
Grundsätze
Diesem
vorkommenden
vom
Dienst
verträge/) ferner gegebenen Falles die vom Werkvertrages und, sofern es sich um eine Geschäftsbesorgung handelt,
welche
inhaltlich
trags auszuführen
eines
Dienst-
und
eines
Werkver
ist, auch die entsprechenden Grundsätze
1 BGB. §§. 611—630. 2 BGB. §§. 631 ff.; die fabrikmäßige Be- oder Verarbeitung von Waren für andere — der Fall des §. 2 Nr. 2 des HGB. kann Gegenstand eines solchen sein (f. oben §. 8 Nr. 2 S. 52 f., das
I | ! ;
HGB. enthält keine besonderen Grundsätze über diesen Arbeits vertrag); über das dem Werkvertrag eigentümliche Wandelunasu. Kündiaungsrecht s. BGB. ; §§. 634—636, 649. j
Kap. m.
572
Die Handelsgeschäfte.
Als Besonderheit des Handelsrechts ist
vom Auftrage?)
nur folgendes hervorzuheben: I.
Die wichtigsten gewerbsmäßig betriebenen Arbeits
geschäfte des Handelsverkehrs sind in besonderen Abschnitten des HGB. geregelt, nämlich die Geschäfte der Handlungs
agenten und der Handelsmäkler, ferner das Kommissions-, das Speditions-, das Lager- und das Frachtgeschäft; das Güter- und Personen-Beförderungsgeschäft der öffentlichen
Eisenbahnen, das Personen- und Warenbefördemngsgeschäft der Binnenschiffahrtsuntemehmer und ebmso das Arbeits
geschäft der Seeleute unterliegt der Regelung durch besondere Gesetze;8) nicht durch besondere gesetzliche Normm, sondern
—
abgesehen von allgemeinen Grundsätzen des gewöhn
lichen
bürgerlichen
Rechts —
nur
durch
Vertrag
und
Gewohnheitsrecht geregelt sind die Verlagsgeschäfte8) und
die Arbeitsgeschäfte des Bankverkehrs,
unter denen
das
Geschäft der Übernahme sog. offener Depots*) eine hervor ragende Rolle spielt.
II.
Die
wichtigsten
aber innerhalb
nicht
gewerbsmäßig betriebenen,
der Handelsgewerbebetriebe vorkommenden
Arbeitsgeschäfte des Handelsverkehrs sind die der Handlungs
bevollmächtigten und der Handlungsgehülfen (f. oben §§. 20 bis 22 Seite 126 ff.); wie diese, so sind auch die Arbeits
verträge der Organe von Handelsaffociationen (Vorstands mitglieder, Direktoren, Geschäftsführer u. s. w.) in einem
anderen Zusammenhangs
vom Gesetze
geregelt und hier
(§§. 24 ff. Seite 174 ff.) erörtert.
1 BGB. §§. 663, 665-674 gemäß BGB. §. 675. 3 Bi nnenschiffahrtsgeseh vom 15. Juni 1895, Seemanns
ordnung v. 27. Dez. 1872. 3 S. unten 59. 4 S. unten §. 60.
Allgemeine Grundsätze über Arbeitsgeschäfte. in.
Die Arbeit wird
nicht ohne Entgelt
des
der
Preises
g. 50.
573
im Handelsverkehre regelmäßig
geleistet,
Arbeit
Die Höhe
sondern bezahlt.
des
i.
(d.
Lohns,
Gehalts
oder bergt) hängt regelmäßig von der Vereinbarung, unter Umständen von der Ortsüblichkeit oder von veröffentlichten Während das gewöhnliche bürgerliche Recht
Tarifen ab?)
an
nur
bestimmte Umstände die Vermutung
knüpft, daß
eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gelte, nämlich dann, wenn die Dienstleistung „den Umständen nach" nur
gegen
eine Vergütung zu erwarten
Handelsrecht diese Ausübung des
ja
es
Umstände
ist,1 2)
geradezu:
Handelsgewerbes durch
spricht das
Handelsrecht,
so
nennt das
sie liegen
in der
einen Kaufmann;
wenigstens
wörtlich
ge
nommen, gar nicht von einer Vermutung, sondern gewisser maßen
von
einer gesetzlichen Pflicht,
denn wer
in der
Ausübung seines Handelsgewerbes — also stets ein Kauf
mann2)
einem
oder nicht)
andern
(es
Geschäfte besorgt
sei
dieser
ein
oder Dienste
Kaufmann
leistet,
kann
dafür auch ohne Verabredung Provision, und wenn es sich um Aufbewahrung — gleichviel ob Lagerhause
in
einem öffentlichen
oder bei einem Dritten oder beim Geschäfts-
1 Über Taxen und Tarife bez. der Vergütung s. Abs. 2 des BGB. 8-612, ferner GewerbeOrd. §§. 37, 76, 79. Eisenbahnsrachtsätze sind amtlich limitiert und überwacht. Die Löhne der gewerblichen Arbeiter sind in Reichswährung bar auszuzahlen (Verbot des Trucksystems, GewerbeOrd.ZZ.l 15 bis 119). Ein während einer Seegefahr vereinbarter Berge-
und Hilsslohn kann wegen er heblichen Übermaßes angefochten werden; überhaupt unterliegt die Vereinbarung dieser Art von Arbeitsbelohnung besonderen aesehlichenBeschränkungen; s.HGB. §§. 741, 745-747. 2 BGB. §. 612. 3 Auch Kommissionäre und Spediteure; s. Gareis, HGB. §. 354 Anm. 6.
574
Kap. TU.
Die Handelsgeschäfte.
besorg« selbst — handelt,') Lagergeld nach den am Ort
üblichen Sätzen fordern?)
IV.
Auf Arbeitsgeschäfte
bezieht
sich
die
bedingte
Antwortepflicht unter dem Rechtsnachtcil der Annahme des Vertragsabschlusies: wenn einem Kaufmann, desien Gewerbe
betrieb die Besorgung von Geschäften für andere mit sich bringt, wie z. B. einem Kommissionär, Spediteur, Hand
lungsagenten u. s. ro.,8) ein Antrag4* )2 3auf Besorgung solcher
Geschäfte von jemand zugeht, mit dem er in Geschäfts verbindung steht,8) so ist er verpflichtet, unverzüglich zu
antworten, wenn er ablehnen
will, denn sein Schweigen
gilt gesetzlich als Annahme des Antrags; das Gleiche gilt,
wenn einem Kaufmann ein Antrag über die Besorgung von Geschäften von jemand zugeht, dem gegenüber er sich zur
Besorgung
solcher
Geschäfte
erboten
hat.
Treu
und
Glauben, und dementsprechend auch das Gesetz,8) verlangt, daß der Kaufmann, auch wenn er bett Antrag ablehnt,
die
mitgesandten Waren
auf Kosten
des
Antragstellers,
soweit er für diese Kosten gedeckt ist, und soweit es ohne
Nachteil für ihn geschehen kann, einstweilen vor Schaden
bewahre.
V. Für Arbeitsgeschäfte wird die Feststellung des Maßes der Sorgfalt, für welche ein Kaufmann einzustehen hat,
besonders wichtig?) Im Gefolge eines Arbeitsvertrags —
' RGer. Bd. 1 S. 236. 2 HGB. §§. 354, 420. 3 HGB. §. 1 Nr. 2, 6, 7. 4 Offerte, „Auftrag", siche Regelsberger in Endemanns Hdbch. Bd. 2 §. 247 Anm. 17; Gareis, HGB. §. 362 Anm. 3.
8 Z. B. von einem Landwirte, der den Kaufmann regelmäßig mit dem Verkaufe seiner Pro dukte betraut. HGB. §. 362. 8 HGB. §. 362 Abs. 2. 1 HGB. §§. 347 mit 203, 429, 653 und im Aergleich zum
Allgemeine Grundsätze über.Arbeitsgeschäfte.
§. 50.
575
auch eines handelsrechtlichen — finden sich femer eigen«
artige Haftungen
für
ftemde Handlungen
ein,
so
die
Haftung desjenigen, der eine Fabrik (oder ein Bergwerk, einen Steinbruch oder eine Gräberei) betreibt, wenn ein
Bevollmächtigter oder Repräsentant oder eine zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebs oder der Arbeiter an-
genommene Person durch ein Verschulden in Ausübung der
Dienstverrichtungen den Tod oder die Körperverletzung eines
Menschen herbeigeführt hat;') Fälle
des
Transportrechts,
hieher gehören ferner die
in
denen
der
Eisenbahn-
transportübernehmer bis an die Grenze der höherm Gewalt
und insbesondere für seine eigenen Leute zu haften hat?) VI. Eine eigentümliche Rechtsfolge hat jener Arbeits
vertrag, zufolge dessen ein Künstler (Zeichner, Maler, Bild hauer oder bergt) in einem Kunstgewerbebetriebe mit der Herstellung
origineller
Geschmacksmuster
beschäftigt
ist,
nämlich die, daß das Urheberrecht an diesen Mustern und
Modellen, welche von jenem Künstler im Auftrage oder für Rechnung des Eigentümers der gewerblichen Anstalt an gefertigt «erben, diesem letzteren und nicht dem Künstler selbst zusteht, wenn nicht der Vertrag anderes bestimmt;")
s. oben §. 19 in Seite 124. BGB. §. 276; Herabsetzung der I Hastung, gesetzlich s. Abs. 2 dcS | S- 347 HGB. und Gareis,; Anm. 3 hiezu, S. 310. ! 1 Hastpfltchtgesetz v. 7. Juni 1871 ß. 1; hiezus.Eger, Reichs- , Hastpflichtgesetz (3. Ausl. 1886); ■ Hilfe, Haftpflicht der Eisenbahnen (1889). * Haftung der Eisenbahnen s. HGB. §§. 456, 458; weniger
streng, nämlich nur für die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtfichrers, haften andere Fracht« sichrer und btt Binnenschiffahrt?« Unternehmer, s. HGB. §. 429; Binnenschiffahrtsgesetz §. 58 f. Gareis, HGB. S. 377, 381 Anm. 3. » RGes. v. 11. Jan. 1876 §. 2, s. oben S. 124 f.
576
Kap. III.
Die Handelsgeschäfte.
des
VII. Die Beendigung
durch
den Arbeitsvertrag
geschaffenen Rechtsverhältnisses, die Aufhebung oder sonstige
Endigung des Arbeitsvertrags hat handelsrechtlich im all gemeinen nichts Eigenartiges; nur auf folgende Punkte ist
besonders aufmerksam zu machen: 1. Ist
mit dem Arbeitsvertrage die Erteilung einer
Vertretungsbefugnis, Vollmacht, verknüpft, so wird durch den einseitigen Widerruf dieser allein das Arbeitsverhältnis
regelmäßig nicht beendigt?)
2.
Die
Widerruflichkeit
eines
Auftrags
wird
im
Handelsverkehre nicht selten durch eigenartige Gewohnheiten und Gebräuche eingeschränkt oder ausgedehnt;
so können
z. B. die Verkäufer und Käufer die von ihnen den Börsen-
mäklern
erteilten Aufträge während der Börsengeschäftszeit
willkürlich widerrufen oder in den Preisfätzen abändern, jedoch mit Ablauf der Börsengeschäftszeit werden die Auf
träge unwiderruflich?) Von einzelnen ArbeitSgeschäften des Handels. §. 51.
1.
vom Kommissionsgeschäfte. ^)
I. Begriff und Abschluß.
Auf der Grenze zwischen
den Warenumsatzgeschäften und den Arbeitsgeschäften stehend und
gewissermaßen
bildend,
ist das
den
Übergang von
jenen zu
diesen
gewerbliche Kommissionsgeschäft nach der
1 Vgl. HGB. §§. 52, 231 Abs. 8. - So Cosack, Lehrb. S. 386. ' Litt.: Grünhut.Das Recht des Kommissionshandels (Wien
1879) und Grünhut im Hdbch. Bd. 3 S. 157; Cosack Lehrbuch §. 43; Gareis, HGB. (1898) S. 346ff.; Denkfchr. S. 3251 ff.
Auffassung des neuesten 6anbeISrec$t31) der Arbeits vertrag, inhaltlich desien sich ein Kaufmann innerhalb seines Gewerbebetriebs verpflichtet, Warm oder Wert papiere im eigenen Namen, aber für Rechnung eines andern (Kommittentm, Auftraggebers — dieser mag Kauf mann oder Nichtkaufmann sein —) zu saufen oder zu ver lausen. Die Übernahme von Einkäufen und von Ver käufen bildet fortan allein die selbständige Grundlage des Kommissionsgewerbes, aber es ist damit doch nicht ausgeschloffm, daß ein Kommissionär auch andere Geschäfte kommissionsweise schließt, noch auch, daß ein anderer Kauf mann im Betriebe seines Handelsgewerbes dann und wann ein Geschäft in der bezeichneten Weise, nämlich als Kommissionär, abschließt;2) im letzteren Falle ist die Kommission ein Nebengeschäft des durch einen anderen Handelsgewerbebetrieb zum Kaufmanne gewordmen Über nehmers der Geschäftsbesorgung; mag die Kommission, wie im letzteren Falle, ein Nebengeschäft (s. oben §. 9 S. 59) oder, wie vorangestellt, ein Grundhandelsgeschäft (f. oben §. 8 Seite 57 Nr. 6) sein und in diesem Falle den i HGB. §. 383. DaS HGB. v. 1861 beschränkte die dem Kommissionär obliegende Geschästsbesorgung nicht auf Ein und Verkäufe, sondern dachte sich diese auf alle Arten von Ge schäften, die auftragsgemäß im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung geschloffen werden können, anwendbar, allerdings mit der nun nicht mehr be stehenden Beschränkung, daß diese Geschäfte, nämlich die aus getragenen Geschäfte (.AusGareis, Handelsrecht. 6. Aufl.
führungsaeschäfte*) „ Handels geschäfte seien. — Uber die Ge schichte des Kommissionsgeschäfts, insbesondere den geschichtlichen Zusammenhang desselben mit der commenda (s. oben §. 23 S. 170 f.) s. GUGesch. S. 259, 262, 331, auch Lepa in GZ. Bd. 26 S. 438 ff. Geschichtliches s. auch bei Louis Lewin, Kom missionsgeschäft im Hansagebiet (Berlin 1887). 8 HGB. §. 406. 37
578
Kap. III. Die Handelsgeschäfte.
Übernehmer zum Kaufmanne machen, in einem, wie im andern Falle lasten sich nach der Natur der aufgetragenen Geschäfte (sog. Ausführungsgeschäfte) echte (eigentliche) und unechte (uneigentliche) Kommissionsgeschäfte unter scheiden; die ersteren sind Einkäufe und Verkäufe, welche der Kommissionär „kommissionsweise", d. h. „im eignen Namm, aber für Rechnung seines Kommittenten" abzuschließm übernimmt/) sowie der kommissionsweise Abschluß eines Lieferungsvertrags (Werkvertrags) über eine nicht vertretbare bewegliche Sache, welche aus einem von dem Unter nehmer zu beschaffendm Stoffe herzustellm ist?) Die unechten (uneigmtlichen) Kommissionsgeschäfte können kommissionsweise übernommene Transportgeschäfte, Affekuranzgeschäste, einzelne Bankgeschäfte, z. B. das Einziehungs- (oder Inkasso-) Geschäft, u. s w. sein; allein die Einkaufs- und Verkaufs kommission bildet nicht bloß das bei weitem wichtigste aller Kommissionsgeschäfte, sondem es liegt in der That nur für diese ein gesetzgeberisches Bedürfnis vor, den Betrieb 1 Zu den echten Kommissions Anm. 13). Über den Unterschied geschäften gehört demnach die zwischen Verkauf und Verkaufs? „Konsignation", d. i. die ex kommission s. RGer. Bd. 5 S. 84; portierende Derkaufskommission, ebenda S. 85 s. auch das sogen. namentlich die überseeische (s. Indentgeschäft, einen im ROHG. Bd. 5 S. 11, Bd. 8 asiatisch - europäischen Verkehre S. 32, 119, Bd. 22 S. 77), sowie vorkommenden Vertrag, inhalt der Pakotillevertrag, d. i. lich deffen sich ein in Indien der Vertrag, in welchem sich bestehendes europäisches Hand Seeleute verpflichten, die in ihren lungshaus einem eingeborenen Koffern mitgenommenen Waren Händler europäische Waren zu für Rechnung von Auftraggebern einem in der Landesmünze auSan überseeischen, eischen, mehr oder gedrückten Preise zu liefern verweniger g ____ ....... i spricht (Jmportverkauf, Liefegenau angegebenen Orten zu verkaufen (s. Grünhut, ' rungsgeschäft.) Kommissionsgeschäft S. 47 : 2 HGB. §. 406 Abs. 2.
579
Dom Kommissionsgeschäfte. §. 51.
von Kommissionsgeschäften als selbständige Grundlage der Kaufmannseigenschaft anzuerkennen; *) dmn die Versicherungs
kommission
existiert
kaum
wohl
als
ein
selbständiger
Geschäftszweig, und auf die Versicherung für fremde Rech
nung
finden überdies die Rechtssätze vom Kommissions
handel keineswegs ohne weiteres Anwendung, sondern z. B. seehandelsrechtliche
Vorschriften;8)
der
Hauptfall
der
Kommission im Gütertransporte wird gesetzlich als Spedi
tion 8) bezeichnet und ist besonders geregelt (s. unten §. 52 Seite 599).
Der kommissionsweise Abschluß von Bankiergeschästen
wird regelmäßig selbst ein Bankiergeschäft im Sinne deS Gesetzes4i )* 3und ist überdies regelmäßig mit der gewerbs mäßigen Übernahme von Ein- und Verkaufskommission ver
bunden?) Das buchhändlerische Kommissionsgeschäft gehört zu den Verlagsgeschäften (s. unten §. 59). Übrigens kann jede gewerbsmäßig betriebene
Übernahme
der Besorgung von
Geschäften in eigenem Namen, aber für Rechnung eines Auftraggebers
den
Charakter
eines
formellen
Handels
gewerbes gewinnen, wenn das Unternehmen derart ist, daß es nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert?)
Der Kommissionär ist nicht der juristische Stellvertreter
i So Tenkschr. S. 3251. 3 S. unten §. 127 S. 868. »GB. §§. 781-783, 806-811. >. Denkschr. a. a. O. 3 HGB. §§■ 407—415. 4 HGB. §. 1 Nr. 4; hiezu
GareiS HGB. Anm. 11 S. 8-9. ° Bal. S. 581 ff. 6 HGB. §.2; hiezu Gareis, HGB. S. 13—15 und oben §. 8 S. 57 ff.
Kap. III.
580
Die Handelsgeschäfte.
seines Auftraggebers, denn er schließt das ihm übertragene (sog. Aussührungs-)Geschäft nicht im Namen des letzteren, sondern im eigenen Namen, als sein Geschäft ab1)2 *und
wird folgeweise aus demselben allein als Käufer, bezw. Verkäufer u. s. w. dem Dritten gegenüber verpflichtet und
berechtigt,?) aber er schließt nicht als sog. Proper- oder Eigenhändler, sondern auftraggemäß für fremde Rechnung,
nämlich für Rechnung seines Auftraggebers ab und deshalb
hat
diesem den
er
Nutzen des
Geschäfts
zuzuwenden,
kann ihn aber auch mit den Pflichten und Lasten aus dem
Geschäfte (s.
unten
belasten.
§.
53),
Der Kommissionär ist nicht
denn
er
vermittelt
sondern kontrahiert selbst, und zwar im hiedurch
sowohl
Mäkler
begrifflich
nicht,
eignen Namen;
unterscheidet er sich vom Handlungsagenten, der vermitteln,
als
im
Namen
des
Auftraggebers
abschließen kann und dabei zudem in einer regelmäßigen
und dauernden geschäftlichen Beziehung zu einem bestimmten oder
einigen
§. 54).
wenigen
Handlungshäusern
steht
(f. unten
Systematisch betrachtet ist im Sinne des BGB.
das Kommissionsgeschäft
ein Dienstvertrag,
welcher
eine
Geschäftsbesorgung zum Gegenstände hat.4) 1 Entscheidend ist die Absicht, I (vom Auftrage) gemäß §. 675 nicht der Ausdruck; s. ROHG. 1 des BGB. Anwendung; demBd. 2 S. 402, Bd. 20 S. 310. \ gemäß erledigen sich einige 2 HGB. §. 392, s. jedoch Fragen des Kommissionsrechts Abs. 2 dieses §. u. unten S. 583 nun auf der Basis des BGB., Anm. 2. ohne eine besondere Beant8 Was im Falle des §. 392 Wortung durch das HGB. zu Abs. 2 direkt von selbst erfolgt, fordern, so die Frage nach der 4 Folgeweise finden aus das Zulässigkeit eines Substituten, Kommissionsgeschäft bte§§.611fj. Unterkommissi lnterkommissionärs (BGB. (vom Dienstverträge) und die §§. 613, 614, — diese §§. gelten §§. 663, 665-670, 672-674 redoch nur im Zweifel, dagegen
Vom Kommissionsgeschäfte. §. 51
581
Der Abschluß des Kommissionsgeschäfts erfolgt in form
loser Weise durch Annahme
des
auf den
Abschluß des
Kommissionsvertrags gerichteten bindenden Antrags;') in
Fällen des HGB. §. 362 ist das Stillschweigen des Kom missionärs als Übernahme des Auftrags anzusehen?)
II. Pflichten des Kommissionärs.
1. Dem Kommissionär obliegt die sorgfältige") Aus führung
des
ihm
gewordenen
Auftrags,
er
hat
dem
Kommittenten die erforderlichen Nachrichten zu geben, ins besondere sofort nach der Ausführung des Auftrags un-
können Vereinbarungen, ja auch die Umstände stillschweigend für die Substituierbarkeit sprechen; s. Dcnkschr.S.3252), ferner die Frage nach der Verwendbarkeit der An gestellten des Kommissionärs vom Standpunkte des Auftraggebers aus und der Haftung für das Verschulden der Hilfspersonen, worüber nun prinzipiell BGB. 8. 278 entscheidet, ferner die Frage nach der Widerruflichkeit des Kommissionsauftrags seitens der Kommittenten (BGB. §. 627, hiezu s. jedoch HGB. §. 396) lind dergl. 1 Die oben S. 55 Anm. 1 erwähnten allg. Bestimmungen der Reichsbank setzen für das Effektenkommissionsgeschäft fest, daß Ankanfsanträge erst dann ausgeführt werden, wenn der dazu erforderliche Geldbetrag bei der betreffenden Bankanstalt bar einbemhlt oder bankmäßig fichergestellt ist, Verkanfsanträge erst dann, wenn die zu verkaufenden
i Papiere eingeliesert und in Ord nung befunden sind.
An- und
I Verkäufe von Effekten besorgt die Reichsbank, auch im An schluß an ihr Depotgeschäft (s. oben §. 8, 4 g u. unten §. 60; die Anträge der Kommittenten müssen schriftlich eingereicht werden; befinden sich oie zu verkaufenden Effekten in offenem Depot der Reichsbank (s. S. 55 Anm. 7, unten §. 60 S. 696), so ist mit dem Verkaufsauftrage der betr. Depotschein quittiert einzureichen. Bestimmungen s. Koch, M. L N. S. 246. 2 S. oben §. 50 IV S. 574. 3 HGB. §. 384. Vgl. oben §. 50 V S. 574 f. Über die verschiedenen Anhaltspunkte bei Ausführung des Auftrags s. unten Ziff.3 und Anm. 4 S. 585. Modifikation der Pflichten beim Selbsteintritt des Kommissionärs s. unten III 7 S. 593.
Kap. HI. Die Handelsgeschäfte.
582 verzüglich
davon
Anzeige
zu
machens)
Meidung des Schadensersatzes;8)
und
zwar
bei
diese Verpflichtung zur
Anzeige der Ausführung des Auftrags ist gesteigert und
besonders streng auferlegt für den Fall, daß
ein Kom
missionär, wenn er nicht Kaufmann minderen Rechts ist,8)
mit
dem
kommissionsweisen Einkäufe vertretbarer Wert
papiere (außer Banknoten und Papiergeld) betraut ist;
diesem
Falle
zeichnis,
unter
muß
nämlich
Angabe
der
er41)* 3nämlich eine
ein
in
sog. Stückever
Liste der eingekauftm Papiere
Gattung,
des
Nennwerts
und
der
Unterscheidungsmerkmale (Litera, Nummern u. bergt) der
selben, binnen drei Tagens) von der an den Kommissionär erfolgten Übergabe der Papiere an gerechnet, seinem Auf
traggeber übersenden;6) ist letzterer ein Bankier ober Geld
wechsler, so kann formlos, auch mündlich, von ihm rechts wirksam auf die Zusendung des Stückeverzeichnisses ver
zichtet werden, andernfalls
ist der Verzicht des Auftrag
gebers nur dann gültig, wenn er schriftlich und für den einzelnen Auftrag ausdrücklich erklärt ist.7) 1 Über die Art der Anzeige s. I mentare hiezu von Apt, Kun reuther, Lusensky, I. i Riester (1897). I 6 Beim Auftrage zum Um! tausch (z. B. bei Auslosung oder
RGer. Bd. 5 S. Iss., Bd. 7 S. 99, Bd. 21 S. 80. Gareis, HGB. Anm. 3 zu §. 384. Die besondere Bedeutung der Aus führungsanzeige des selbstein tretenden Kommissionärs s. unten III 7 S. 593. 8 Schadensersatz siehe ROHG. Bd. 11 S. 43. 3 Kaufmann minderen Rechts s. oben §. 12 S. 71 ff. 4 RGes. v. 5. Juli 1896 betr. die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Wert papiere (sog. Depotgesetz). Kom-
Konvertierung) oder zur Aus übung eines Bezugsrechts binnen 14 Tagen. 0 Nachholung der versäumten Zustellung des Stückeverzeich nisses binnen drei Tagen und Geltendmachung der Rechte feiten > des Kommittenten binnen weite rer drei Tage; s. ang. RGes. §. 4. , 7 Rechtsfolge des Verzichtes: ' der Kommittent erlangt kein
Vom Kommissionsgeschäfte,
tz. kl.
583
Hat der Kommissionär die eingekauften Wertpapiere seinem Auftraggeber ausgehändigt oder dieselben austrag gemäß weiter veräußert, so besteht keine Verpflichtung zur Übersendung des Stückeverzeichniffes mehr?) In jedem Falle muß der Kommissionär dem Kommittenten über das Ge schäft Rechenschaft ablegen und ihm dasjenige herausgeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, insbesondere auch alle Rechte, die dem Kommissionär auf Grund des mit dem Dritten abgeschlossenen Ausführungsgeschäfts gegen diesen zustehm, dem Kommittenten abtreten?) Recht auf individuell bestimmte, im Besitze deS Kommissionärs befindliche Stücke, sondern nur ein Forderungsrecht auf nur der Gattung nach bestimmte, nicht auf .Depotkonto* sondern auf „Stückkonto* gebuchte Pa piere, s. Rieß er, Depotgesetz S. 34. Rechtsfolge der unge rechtfertigten Unterlassung der Zusendung des Stückever^eichnisses: Recht der Zurückweisung des Ausführungsaeschästs und Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung; in dem oben in Anm. 5 S. 582 ange führten Falle jedoch nur: Verlust oesProvlfionsansvruchs des Kom missionärs; im Falle des Kon kurses des Kommissionärs mög licherweise strafrechtliche Verant wortlichkeit desselben s.DepotGes. §§• 6, 10. 1 RGes. v. 5. Juli 1896 §. 3 Abs. 3. 8 HGB. §§. 384 Abs. 2, 391 l. Satz, BGB. §§. 276,665-668, 675. Vgl. auch ROHG. Bd. 22 S. 79, 80. In Betreff der oben
zuletzt erwähnten Ansprüche des Kommissionärs gegen Dritte ist, wie bereits S. 580 Anm. 2 an gedeutet, zunächst die Konsequenz 1 der Thatsache, daß der Kom missionär im eigenen Namen ab schließt, maßgebend: die auS diesen Abschlüssen entspringenden Forderungen find seine For derungen, aus ihnen kann fich der Kommisfionär für seine geR Ansprüche (HGB. , 399) vor dem Kom mittenten und dessen Gläubigern befriedigen (s. 111 6 S. 592), und sie können vom Kommittenten erst dann gegen den Dritten faltend gemacht werden, wenn ie vom Kommissionär dem Kom mittenten abgetreten worden find, ein Rechtsvorgang, der fich nach BGB. §§. 398 ff. richtet; um jedoch im Konkurse über das Vermögen des Kommissionärs eine solche, noch ausstehende und noch nicht abgetretene Forderung nicht in die Konkursmasse fallen au lassen und sie überhaupt vor Beschlagnahme seitens der Gläu-
Kap. III.
584
Die Handelsgeschäfte.
2. Werden dem Kommissionär im Zusammmhange mit
dem Auftrage Warm zugesandt, so hat er für derm Auf
bewahrung, sowie für Konstatierung der etwa vorgefundmen Mängel und für Wahrung der Rechte gegen Frachtführer
und Schiffer Sorge zu tragm, nach Lage der Sache auch den Verkauf der dem Verderbm ausgesetzten Warm zu be
wirken?)
Für Verlust oder Beschädigung des Guts ist der Kom missionär, während er Aufbewahrer desselben ist, verant wortlich, wmn er nicht beweist, daß der Verlust oder die
Beschädigung durch Umstände herbeigeführt ist, welche auch
biger des Kommissionärs, sowie gegen Auftechnung (f. aber RGer. Bö. 32 S. 40 und Rießer, Depotgeseh S. 52, andererseits Cosack, Lehrb. S. 223) zu sichern, ist m Be^ug auf das Verhältnis zwischen oem Kommittenten und oem Kommissionär oder dessen Gläubigern dieAbtretung finmert und bestimmt, daß jene For derungen, auch wenn sie nicht abgetreten sind, in Bezug auf dieses Verhältnis als Forde rungen des Kommittenten gelten (HGB. §. 392 Abs. 2, hiezu vgl. RGer. Sb. 1
1 HGB. §. 408. i 8 Vgl. unten §. 56; HOB. | §. 429 verglichen mit HGB. §. 456. | 3 Der Frachtführer hat und! so auch der Spediteur in diesen
Fällen zu beweisen, warum (aus welchen thatsächlichen Gründen) die angewandte Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht ausreichte, den Schaden abzuwenden.
Dom Speditionsgeschäfte.
605
§. 52.
diese Haftung tritt jedoch dann noch nicht ein, wenn der
Spediteur die Versendung zwar mittels von ihm für eigene Rechnung gemieteter Transportmittel, jedoch durch Fracht
führer oder Schiffer besorgt; sie tritt aber nach dem neuen Handelsrechtes) dann schon ein, wenn ein Spediteur mit
dem Versender sich über bestimmte Sätze der Beförderungs
kosten geeinigt
hat,
denn auch
dann
haftet
er,
in
mangelung einer entgegenstehenden Vereinbarung, wie
Er
ein
Frachtführer?) 2. Die Sorge für Aufbewahrung zugesandter Waren,
Konstatierung ihres Zustandes u. s. w. obliegt dem Spediteur,
wie dem Kommissionär?) 3. Für den Schaden, welcher aus dem Überschreiten des
Auftrags erwächst, haftet der Spediteur nach Maßgabe des nach Vereinbarung in Anwendung zu bringenden Haftungs systems (s. oben la und b).
4. Die Haftung des Spediteurs für Erfüllung feiner41)2 * Pflichten und für Schadensersatz (1—3) ist, abgesehen von Fällen,
in benen der Spediteur
vorsätzlich den Verlust,
die Minderung, Beschädigung oder Verspätung herbeigeführt 1 HGB. §. 413. Gareis, HGB- S. 364, 368 Anm. 2. 2 Er hat aber dann auch die Rechte eines Frachtführers, das Recht nur Provision (als Spedi teur), jedoch nur kraft besonderer Vereinbarung (HGB. n. a. O ). Das in Art. 384 des HGB. v. 1861 in diesem Fall anerkannte dritte System (s. oben c) ist so mit in Deutschland aufgegeben. 2 HGB. §. 407 mit §.* A88, s. oben §. 51
S. 584.
Uber
Versicherung f. RGer. Bd. 6 S. 115. 4 Das ist der ihm als Spe diteur obliegenden Pflichten; aber Ansprüche, welche aus der Übernahme einer entgeltlichen Aufbewahrung von Gütern ent springen , verjähren nach dem bürgerlichen Rechte. ROHG. Bd. 24 S. 305, RGer. Bd. 6 S. 136. Die Ansprüche des Spediteurs gegen den Bersender verjähren in 2 Jahren. BGB. §. 196 Nr. 1.
Kap. HI.
606 hat, Fälle,
Die Handelsgeschäfte.
in welchen die gewöhnlichen Verjährungsfristen
laufen/) an eine kurze Verjährungsfrist gebunden; diese Bestimmung hat ihren Grund in dem Interesse rascher Ab
wicklung, ferner darin, daß die meisten Haftungsgründe nach Ablauf längerer Zeit gar nicht mehr oder nur sehr schwer
nachzuweisen sind, und endlich darin, daß bei der Besorgung
eines Warmtransportes eine ganze Reihe von Personen: Speditmre, Frachtführer, Zwischmspediteure u. s. w., beteiligt
sind, deren Regreßrechte — sollm nicht endlose Prozeffe ent-
stehm — zeitlich begrenzt sein müssen.
Deshalb bestimmt
das Gesetz, daß die Ansprüche des Versenders gegen den Spe
diteur wegen gänzlichen Verlustes oder wegen Minderung, Beschädigung
oder
verspäteter Ablieferung
des
Guts
in
einem Jahre verjähren;1 2) die Frist, welche übrigens durch
Vertrag verlängert werden kann/) 1 HGB. §. 414 Abs. 4. Grobe Fahrlässigkeit ist dem Vorsätze nicht gleichgestellt. 2 HGB. §. 414 Abs. 1, 3. Diese Ansprüche können nach der Vollendung der Verjährung nur aufgerechnet werden, wenn vorher der Verlust, die Minderung, die Beschädigung oder die verspätete Ablieferung dem Spediteur an gezeigt oder die Anzeige an ihn abaesendet worden ist. Die Zu lassung eines verjährten An spruchs zur Ausrechnung ent spricht dem Geiste des BGB. §.390 Satz 2: aber im Eisenbahn frachtverkehr ist nach dem Berner internationalen Vertrage vom; 14.Oktober 1890 Art.46, welcher i sonst auch das Speditionsrecht I
beginnt im Falle des
beeinflußte (s.Anm. laus folg.S.), die emredeweise Geltendmachung eines verjährten Anspruchs aus geschlossen (s. RGBl.1892 S.827). Ter Anzeige an den Spediteur steht es gleich, wenn gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises beantragt oder in einem zwischen dem Versender und dem Empfänger oder einem späteren Erwerber des Guts wegen des Verlustes, der Min derung, der Beschädigung oder der verspäteten Ablieferung an hängigen Rechtsstreite dem Spe diteure der Streit verkündet wird. 8 Kraft ausdrücklicher Zu lassung durch Sah 2 d. §. 414, entgegen BGB. §. 225.
Vom Speditionsgeschäfte.
§• 52.
607
gänzlichen Verlustes oder der verspäteten Ablieferungx) mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Ablieferung hätte bewirkt sein müssen; im Falle der Minderung oder Be
schädigung mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die
Ablieferung geschehen ist.
III.
Rechte des Spediteurs.
1. Der Speditmr ist be
rechtigt, von seinem Auftraggeber Ersatz der Kosten,
Aus
lagen und aller nützlichen oder notwendigen Aufwendungen zu fordern, wie der Kommissionär?) 2. Der Spediteur ist ferner berechtigt, die vereinbarte
oder ortsübliche Provision zu fordern?) berechtigt,
Er ist aber nicht
eine höhere als die mit dem Frachtführer
oder
Schiffer bedungene Fracht zu berechnen, noch auch, wenn er sich mit dem Versender
über
einen
bestimmten Satz der
Beförderungskosten geeinigt hat, die Provision zu fordern, weiln dies nicht besonders vereinbart ist.4 1)* * Wenn *8 der Fracht
führer dem Spediteur einen niedrigeren Frachtsatz als an deren berechnet, wie z. B. wenn die Eisenbahnverwaltung einen billigerm
Specialtarif oder Refaktien (d. h. hier:
Ersatz für den Mangel eines solchm Specialtarifs bezüglich des auf einer Anschlußbahn zu durchlaufmdm Wegs) be
willigt, wie im sog. Sammelladeverkehre/) so kommt diese 1 Auch bei Verspätung be I sobald das Gut dem Fracht ginnt die Frist so, nicht mehr, führer oder dem Verfrachter zur wie nach HGB. v. 1861 Art. 386, , Beförderung übergeben ist (HGB. mit dem Tage der wirklichen §. 409 und hiezu Gareis, Ablieferung; maßgebend ist der HGB. Anm. 11 * HGB. §. 413 Abs. 1. in Anm.2 auf vor.S. angeführte 5 Bewirkt der Spediteur die Berner Vertrag vom 14. Oktober 1890 gewesen. Versendung des Gutes zusammen 8 HGB. §§. 407, 396 Abs. 2; mit den Gütern anderer Ver BGB. §§. 670, 675. sender aus Grund eines für seine 8 Die Provision ist fällig, Rechnung über eine Sammel-
608
Kap. HI.
Die Handelsgeschäfte.
Ermäßigung als solche — abgesehen von dem Falle der
Vereinbarung von Pauschal- oder Durchschnittsfrachtsätzen der Beförderungskosten
(s. oben II 1 S. 605) —
dem
Auftraggeber des Spediteurs, nicht direkt dem letzteren, zu
gute. Im übrigen finden auf die Speditonsprovisionen die beim Kommissionsgeschäft erörterten Grundsätze (§. 51 III Ziffer 2 oben S. 589 f.) entsprechende Anwendung?)
3. Zur Sicherung aller erwähnten Forderungen hat der Spediteur ein Pfand- und Retentionsrecht am Speditions gute, solange er dasselbe noch in seinem Besitze hat oder in
der Lage ist, darüber zu verfügen.
Im Konkurse des Ver
senders giebt das Pfandrecht dem Spediteur ein Absonde
rungsrecht, da
es das Zurückbehaltungsrecht einschließt?)
Der Pfandverkauf ist unter denselben Voraussetzungen ge
stattet wie dem Kommissionär. Von dem dem Kommissionäre gesetzlich zustehenden Pfand rechte unterscheidet sich das des Spediteurs wesentlich durch
das Erfordernis der Konnexität; der Spediteur kann sich nur wegen solcher Forderungen an das einzelne Speditionsgut
halten, die gerade in Beziehung auf die Spedition dieses ladung geschlossenen Frachtver Fracht verlangen. Über die viel trags, so finden die Vorschriften ' umstrittene Frage derBehandlung des Abs. 1 des §. 413 (bei voriger des sog. Sammelladeverkehrs s. Anm.) Anwendung, auch wenn Gareis, HGB. S. 368 Anm. 4 eine Einigung über einen be und die dort angef. Schriften stimmten Sah der Beförderungs- , von Staub und Landgraf. 1 Fälligkeit der Provision kosten nicht stattgefunden hat. j Ter Spediteur kann in diesem NOHG. Bd. 8 S. 171. 2 HGB. §. 410. KonkOrd. Falle eine den Umständen nach angemessene Fracht, höchstens §. 49 Ziff. 4; vgl. oben §. 44 aber bie für die Beförderung S. 519 f., vgl. RGer. Bd. 8 des einzelnen Guts gewöhnliche S. 81.
Vom Speditionsgeschäfte.
Guts entstanden sind,
§♦ 52.
609
nicht aber zu Gunsten von Konto-
kurrentforderungen schlechthin,
wie der Kommissionär (siehe
oben S. 591).
Eigentümlich ist die Succession in dieses Pfandrecht,
welche eintritt, wenn das Speditionsgut, um an dm (auf tragsmäßigen) Bestimmungsort zu gelangen, durch die Hände mehrerer Spediteure geht;
dieselben heißen Zwischenspedi
teure?) wenn sie von demjenigen Spediteur, welcher von dem Auftraggeber mit der Besorgung des ganzen bis an den
Bestimmungsort reichmden Transportes betraut ist,1 2) oder von einem solchen Zwischenspediteure selbst für bestimmte
Routen innerhalb der Strecke bis zum Destinationsotte zur Übernahme der Besorgung der Weiterbeförderung des Spe
ditionsguts bestellt wurden.
Das Gesetz bestimmt, daß der
nachfolgende Spediteur jenes Pfandrecht nicht bloß für die
bei ihm entstandenen Spesen und sonstigen Beträge, sondem auch für die bereits vorher beim vorausgehendm Spediteur entstandenm Kosten u. s. w. geltend zu machm hat; demnach
obliegt dem letzten Speditmr (Abrollspediteur) die Geltend
machung des Pfandrechts zu Gunsten aller während des ganzen Transpotts bei allen Speditmren, die mit dem Spe ditionsgute befaßt waren, entstandenen Kostm.
Diese Succession tritt entweder kraft eigenen Rechts ein,
(dann nämlich, wenn der succedierende Spediteur dem Vor
mann die bisher entstandenen Spesen bezahlt hat und den Ersatz dafür vom Destinatär fordert) oder kraft des Rechts 1 Verschieden von einem Unter spediteur (b. i. Substitut des Spediteurs), dessen Bestellung in der Regel nicht dem Spediteur SareiS, Handelsrecht. 6. Ausi.
gestattet sein dürfte. VA. Bd. 3 S. 15. 2 ROHG. Bd. 12 S. 380-390, Bd. 19 S. 218.
Kap. III.
610
Die Handelsgeschäfte.
des Dormanns, bessen gesetzlich bestellter Vertreter der Nach mann ist.1)* * 4Der erstere Fall, Erhebung aller Spesen durch
Nachnahme seitens des letzten Spediteurs und vorgängige Abfindung der Vormänner, ist der häufigere?) und kann in
dem Umfange eintreten, daß der Spediteur auch die Fracht
führer
abfindet
und
alsdann
auch
deren
Forderungen
geltend macht. §. 58.
von den Geschäften der Handel-mäkler. •)
I.
Personen, welche ein Gewerbe daraus machen,
Abschluß von Handels-
und
den
anderen Geschäften zu ver
mitteln und dahin einschlagende Aufträge zu besorgen, kannte
schon
das hellenische
und
das römische Altertum;*)
im
1 HGB. §. 411. Uber die (von dem altarabischen Worte schwierige und bestrittene Kon simsar — Vermittler — und struktion dieser Rechtsverhältnisse dem persischen sipsar abstammend) s. Lab and in GZ. Bd. 11 S. in Zusammenhang steht mit dem 467ff.; Gareis im Centralorgan orientalisch-italienischen Verkehr Bd. 7 S. 271-274; Grünhut im frühen Mittelalter. Hiezu Kommiff.-Handel E. 558—565. f. nun GUGesch. S. 22 ff., 250 ff. Für den Zusammenhang von Vgl. ROHG. Bd. 12 S. 380, Bd. 19 S. 218, Bd. 20 S. 189. Maklerei und Dolmetschertum 8 E. Laband a. a. O. S. 467. (auch Kommission) bringt M. ROHG. Bd. 20 S. 190. Pappenheim in GZ. Bd. 29 8 Litt. s.Grünhut im Hdbch. S. 440 ff. interessante Belege auS Bd. 3 S. 132 Anm. 1 ff.: dem nordischen mittelalterlichen Behrend, Lehrb. §. 56 Anm. 1 Verkehre. Jene Art des Handel? er u. 2; Cosack, Lehrb. §. 45. 4 Dgl. Dig. tit. 50, 14: de zeugte auch, wie Goldschmidt a. proxeneticis. Geschichtliches über a. O. und GUGesch. S. 253 oaS Mäklerrecht s. Laband, andeutet, die mit dem Zollwesen Z. f. deutsch. Recht Bd. 20 S.l ff. I zusammenhängenden Kauf- und (1860), ferner Goldschmidt in Lagerhauseinrichtungen, das seiner Zeitschr. Bd. 28 S. 115 ff. Recht eines Fondaco (d. i. LagerGoldschmidt weist unter anderem ; oder Kaufhaus, aus dem Aranach, daß der Name »Sensal" : bischen fonduc und dem Grie-
Don den Geschäften der Handelsmäkler.
§♦
53.
611
Mittelalter und insbesondere vom 13. Jahrhunderte an in den romanischen Ländern ist das Mäklerrecht
bereits voll
ständig entwickelt und der Handelsmäkler ein amtlich be stellter, in der Regel von der Kaufmannsinnung angestellter
oder autorisierter Vermittler (daher auch mediator, messeta
und ähnlich genannt) von Handelsgeschäften überhaupt oder von
solchen
eines
bestimmten Handelszweigs.
Als
ein
amtlich bestellter, vor Antritt seines Amts eidlich zu ver
pflichtender Vermittler für Handelsgeschäfte, mithin als eine
1861
Art von Beamten faßte
auch das HEB. von
„Handelsmäkler" auf,1)
neben welchem es allerdings auch
rein
gewerbliche Privatmäkler
gab,
den
bereit Gewerbebetrieb
durch die Gewerbeordnung von 1869 für ganz Deutschland
frei gegeben wurde.
Der Handelsmäkler des neuesten deutschen Rechts hat
diesen Beamtencharakter abgestreift;2)
zwar giebt es auch
noch heute Mäkler mit einer öffentlichen Funktion, nämlich
die Kursmakler des Börsenrechts,^) chischen Tiavdoxo; stammend). Val. ferner R. Ehrenberg in GZ- 9b. 30 S. 403 ff.: Makler, Hosteliers und Börse in Brügge vom 13. bis zum 16. Jahrhundert (dort ging das Gewerbe der Hosteliers, d. s. Besitzer von hostels, zur Fremdenbeherberguna und zur Warenauf speicherung, auch von Kellern, woher sie auch celliere heißen, und Magazinen, fondachi, teil weise Hand in Hand mit dem Gewerbe der Mäkler, mit deren Iunft die Innung der ersteren im Jahre 1303 verschmolzen wurde). —
aber gerade in ihrer
Über das mittelalterliche Lagerhauswesen siehe „GUGesch. S. 98, 258, 254. Über den Fondaco dei Tedeschi in Sßettebig und die Deutsch-Venetianischen Handelsbeziehungen. H. Si monsfeld, 2 Bde. Stutt gart 1887. 1 HGB. v. 1861 Art. 66-84, hierüber s. G. & F. S. 178. Kritik s. ebenda Bemerkung 2—4 S. 178-179. 2 HGB. §§. 93-104. 3 Börsengesetz v. 22. Juni 1896 und Einf-G. z. HGB. Art. 14 I §• 34.
Kap. III.
612
Die Handelsgeschäfte.
öffentlichen Funktion sind
die Kursmakler keine Mäkler,
keine Vermittler, denn diese besteht in der Hauptsache in der Mitwirkung bei der Kursfeststellung und ferner in der Vor
nahme von solchen Verkäufen und Käufen, welche nach dem Gesetz „durch einen dazu öffentlich ermächtigten Handels mäkler zu bewirken sind".
Allein abgesehen hievon ist die
Mäklerthätigkeit, die eigentliche Mäklerthätigkeit, das Ver mitteln von Geschäften, eine jedermann offenstehende Privatthätigkeit, für welche in erster Linie und allgemein
die
Regeln des bürgerlichen Rechts vom Mäklervertrage *) maß gebend sind. Überblickt man die verschiedenen Formen und Richtungen, in denen die dem Mäkler als solchem charakteristische Thätig
keit ausgeübt wird, so sind vom Standpunkte des neuesten
Deutschen Rechtes aus fünf Arten von Mäklern zu unter
scheiden: 1. Die Mäkler im Sinne des allgemeinen bürgerlichen Rechtes.
Zu diesen gehören nicht bloß solche Personen, die
ein Mäklergewerbe betreiben, sondern auch solche, welche nur vereinzelt gegen Lohn eine Vermittelung eines Vertrags übernehmen, und nicht bloß solche, welche vermitteln, son
dern auch solche, welche gegen Lohn es übernehmen, die Ge-
legenheit zum Abschluß eines Vertrags nachzuweisen;2) das BGB. spricht die Verpflichtung zur Zahlung des Mäkler lohnes, sei es, daß dieser ausdrücklich, oder sei es, daß er
stillschweigend vereinbart ist, aus, die Bedingungen und den 1 BGB. §§. 652—656. 9 BGB. §. 652. Der Nach weis der Gelegenheit zum Ver tragsabschluß »st etwas anderes
als die Vermittlung (f. folgende Amn.). über den Begriff der .Vermittelung' s. Behrend, Lehrb.d. H. R. Anm. 2u.3S.393.
Von den Geschäften der Handelsmäkler.
Ausschluß dieser
g. 53.
613
und stellt die Möglichkeit
Verpflichtung
der richterlichen Herabsetzung eines übermäßigen, noch nicht
bezahlten Maklerlohnes fest.
2. Die Handelsmäkler im Sinne des HBG. von 1897. Diese sind Gewerbetreibende, aber nicht alle gewerbsmäßigen
Mäkler des bürgerlichen Rechtes, auch nicht alle gewerbs
mäßigen Vermittler von Geschäften sind Handelsmäkler im
Sinne des neuen Rechts, sondem
letzteres sind nur die
jenigen gewerblichen Vermittler, welche a) nicht Handlungs agenten, also nicht ständig mit der Vermittelung für be
stimmte Firmen von diesen
betraut sind, und b) Ver
träge über Gegenstände des vermitteln haben.
was der Handel umsetzt,
Anbietendm
Handelsverkehrs zu
Gegenstand des Handelsverkehrs ist nur, vertreibt,
vom Produzenten oder
zum Konsumenten oder Nachftagenden ganz
oder teilstreckenweise bringt oder bringen läßt, und dies ist
nur a) die Ware (bewegliche Sachen oder Wertpapiere, also materieller oder formaler beweglicher Wertträger), b) das
Geld, c) der Kredit und d) die rein kaufmännische Arbeit. Das ©efefc1) zählt vor der Generalklausel („sonstige Gegen
stände
des
Handelsverkehrs")
vollkommen
zutreffend
nur
solche Verträge, welche einen der in die eben genannten vier
Gruppen fallenden Gegenstand zum Objekt haben, als Haupt fälle oder Beispiele der von Handelsmäklern als solchen ver1 HGB. §. 93. Wer nur und 1. ult. C. de sponsal. 5,1 Vertrage über Liegenschaften oder andererseits und über Annahme über Gesindedienste oder über an Kindesstatt, BGB. §. 1741) Herstellung von litterarischen, u. dergl. vermittelt, ist kein schriftlichen (nichtkaufmännischen) , Handelsmäkler, denn diese Dinge nicht Gegenstände des oder künstlerischen Arbeiten oder I sind über Familienverhältnisse (z. B. i Handelsverkehrs. Ehen, s. aber BGB. §. 656 einer
Kap. HI.
614
Die Handelsgeschäfte.
mittelten Verträge auf: Verträge über Anschaffung oder Ver
äußerung
von Warm
oder Wertpapieren,
über Versiche-
rungm (eine Art bedingter Geld- oder Kreditverwmdung), Güterbeförderungen,1)
Bodmerei2)* * *und **
Schiffsmiete;8)
auf die Vermittelung anderer als der so ausdrücklich oder
durch jene Generalklausel bezeichneten Geschäfte, insbesondere auf
die Vermittelung
von
Geschäften
über unbewegliche
Sachen/) finden, auch wenn die Vermittelung durch einen
Handelsmäkler
erfolgt,
die Vorschriften des von letzterem
handelndm Abschnittes des HGB. keine Anwendung.
Der
„Nachweis der Gelegenheit zum Abschluß eines Vertrags", welcher den Mäkler im Sinne des bürgerlichen Rechts
solchen und selbständig beschäftigen kann,
als
würde nicht ge
nügen, den Mäkler als Handelsmäkler erscheinm zu lassen,
auch wenn der Vertrag, zu dem diese Gelegenheit nachgewiesen
wird, einen der Gegenstände des Handelsverkehrs zum Ob jekte hätte?) Auf die Vermittelung bestimmter Verträge 1 Hierüber, insbes. den Unter schied vom Spediteur, s. Gareis, HGB. §. 93 Anm. 7. -HGB. 8Z.679-699, j. unten §. 114. 2 HGB. §. 510, s. unten §• 110. 4 Siehe aber unten Nr. 3. 6 Deshalb gehören alle die jenigen Unternehmer, welche durch die von ihnen errichteten An stalten nur die Gelegenheit zum Abschlüsse von Beiträgen, Han delsgeschäften und Nichthandels geschäften bieten wollen, wie z. B. ourch die — wenn auch ge werblich betriebene — Ein richtung von Ausstellungen, Niederlagen, Docks u. dgl., nicht
zu den Handelsmäklern; auch die Herausgeber von Zeitungen nicht, denn wenngleich die von ihnen veröffentlichten Annoncen (Stellengesuche, Stellenangebote, Warenankündigungen u. oergl.) die Veranlassung zu Vertrags abschlüssen werden können, sie selbst „vermitteln" nicht; auch die Inhaber und Vermieter von Plakattaseln oder Plakatsäulen sind keine Handelsmäkler, sie lassen ermitteln, tragen wenig stens dazu bei, vermitteln aber nicht; es vermitteln auch nicht die Inhaber von Annoncen bureaux wirklich Verträge über Gegenstände des Handelsverkehrs,
Von den Geschäften der HandelSmäkler.
g. 53.
615
muß die Gewerbeabsicht des Handelsmäklers gerichtet sein, wenn er dies und dadurch Kaufmann im Sinne des HEB. sein will oder soll?)
3. Der kaufmännische Mäkler, der nicht Handelsmäkler ist, aber die Vermittelung von Verträgen oder die Nachweisung von Gelegenheiten zuVertragsabschlüfsen?) derartig unternimmt und betreibt, daß sein Geschäftsbetrieb in kaufmännischer Weise
eingerichtet sein muß und
somit ein Handelsgewerbe im
formellen Sinne vorliegt?)
Von diesem Gesichtspunkt aus
sind dem Handelsrecht eine Anzahl von Personen zu unter stellen, welche Gewerbe betreiben', die dem Geschäfte der Handelsmäkler nahe stehen oder verwandt ftnb;4) so fallen
wegen der Betriebsart oder wegen des Umfangs ihres Ge werbes Grundstücksmäkler
und
andere Nichthandelsmäkler
unter die Vorschriften des Handelsrechts für Kaufleute, wenn
die Firma ihres Unternehmens in das Handelsregister ein
getragen ist, wozu sie das Handelsgericht gegebenen Fallenämlich nicht die Verträge, deren Offerten sie ankündigen lassen, sondern sie leisten die rein kauf männische Arbeit des Ab schließens mit dem Zeitungs verleger oder Druckereibesitzer und schließen, wenn auch für fremde Rechnuna, doch im eigenen Namen ab, sind also nicht Handelsmäkler, sondern Kom missionäre (im Sinne des HGB. S. 406 Abs. 1), wenn sie nicht Agenten sind (im Sinne des HGB. §. 84, s. unten); das nämliche gilt von sogen. Kommissions- oder Geschästsbureaux. Dagegen kann die gewerbsmäßige Entgegennahme von Subskrip tionen aus erscheinende litte
rarische oder künstlerische Werke wohl auf leiten der Subskri bentensammler Agentenoder Mäklerthätigkeit sein (vgl. Gold schmidt, Hdbch. d. HR. Bd. 1 §. 48 Anm. 8 a. E); auch wer gewerbsmäßig Versteigerungen (s. BGB. §. 156) von Waren veranstaltet und abhält (der Auktionator), gehört hierher. 1 HGB. §. 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7, §. 93 Abs. 1; „gewerbs mäßig" — über diesen Begriff s. oben §. 11 S. 65 f. 8 BGB. 8. 652. 8 HGB. §. 2. 4 Vgl. Anm. 2, 3 S. 612, 5 S. 614.
Kap. III. Die Handelsgeschäfte.
616
wegen jener Eigentümlichkeit der Betriebsart oder Gewerbe ausdehnung anhalten leimt.1) 4. Der Kursmakler im Sinne des Börsengesetzes.
Dieser
verbindet mit der kaufmännischen gewerblichen Thätigkeit
eines Handelsmäklers die amtliche Stellung einer zur Mit wirkung bei der offiziellen Festsetzung der Börsenpreise von
Waren und Wertpapieren berufenen Hilfsperson des Börsen vorstandes; die Ausübung des gewerblichen Mäklergeschäfts,
nämlich die Vermittelung von Börsengeschäften in den be
treffenden Waren oder Wertpapieren, deren Börsenpreis sie mit
festzustellen
hat, ist
ihm
nicht
nur
nicht verboten,
wie dies gegenüber dm Handelsmäklern des HGB. von 1861 der Fall war, sondern sogar eine der Voraussetzungen seiner amtlichm Stellung;^) die letztere verdankt er eineramtlichen Bestellung seitens der Landesregierung des Börsen
ortes,von
welcher
er
auch entlaffen werden kann;
er
leistet vor dem Antritt seiner amtlichen Stellung einen Eid
1 Dann sind die Grundstücks makler u. s. w. Kaufleute nach HGB. §. 1 Abs. 1, §. 2, s. oben §. 8 S. 57 s.; sie müssen dann z. B. die Bücher sühren, deren Führung die §§. 38 ff. d. HGB. fordern, aber nicht Schlnffnoten ^ustellen, von denen die §§. 94 ff. sprechen; denn die Grundstücksmakler sind nicht Handelsmäkler, Grundstücke nicht Gegenstände des Handelsverkehrs. Uno wenngleich das Mieten von Kaufläden, Magazinen,Speichern u. dgl. seitens eines Kaufmanns Hülfsgeschäst desselben, also „Handelsgeschäft" im Sinne der
■ HGB. §§. 343, 344 ist, ist doch ! derjenige, der solche Mietverträge vermittelt, nicht Handelsmütler, 1 möglicherweise aber kaufmän nischer Mäkler, ein das Mäkler geschäft des gewöhnlichen bürger lichen Verkehrs kaufmännisch'be treibender Unternehmer, Kauf mann. 2 Börsengeseh v. 22. Juni 1896 §. 30 Abf. 1 Satz 2. 3 Bestimmungen über die Be stellung und Entlassung der Kursmakler s. Reichsanzeiger 1896 Nr. 275, 19. November, abgeI druckt bei Brendel, Börsengeseh I Anlage III S. 151.
Bon dm Geschäften der Handelsmäkler.
53.
617
darauf, daß sie die ihnen obliegmden Pflichtm getreu er füllen werde.
5. Es giebt Handelsmäkler, welche die Vermittelung von
Warengeschäften im Kleinverkehre besorgen, sie »erben mit unter KrämermLkler, auch Kleinmäkler genannt, sind aber
nicht notwendig Kaufleute minderm Rechts;') sind sie es,
so finden die Vorschriften über die Tagebücher auf sie schon deshalb keine Anwendung, aber möglicherweise ist der Ge-
schästsbettieb eines Krämermäklers sehr ausgedehnt, und doch eignet sich die für die Handelsmäkler sonst bestehende Ein richtung der Schlußnoten (siehe unten II 1) und der Tage bücher (siehe unten II 2) nicht für diese Art von Gewerbe
betrieb, auch ist kein Bedürfnis nach diesen Einrichtungen
im Kleinverkehre vorhanden; daher bestimmt das Gesetz, daß
die Vorschriften über Schlußnoten der Tagebücher auf diese sogen. Krämermäkler keine Anwendung finden?)
II. Für das Recht der Handelsmäkler bilden, innerhalb der angebeuteten Beschränkung auf die Vermittelung der bezeichnetm Verträge, die Vorschriften des bürgerlichen Gesetz
buchs über den Ausgangspunkt.
Mäklerverttag wie oben unter I
1 dm
Aber als besondere Pflichten des
Handelsmäklers sind durch das Handelsgesetzbuch fol gende aufgestellt: 1. Die Ausstellung der Schlußnoten. Die Schlußnotm
sind Geschäftspapiere, welche in möglichst lakonischer Sprechweise die Parteien, den Gegmstand und die Bedingungen des Geschäfts, insbesondere bei Verkäufm von Warm oder
von Wertpapierm, deren Gattung und Mmge, sowie dm 1 Im Sinne der HGB. §§. 4, 351. 3 HGB. §. 104.
618 Preis und
Kap. ITT.
Die Handelsgeschäfte.
die Zeit der Lieferung
enthalten; eine solche
Schlußnote muß der Handelsmäkler unverzüglich nach dem
Abschlüsse des Geschäfts jeder Partei mit seiner Unterschrift
versehen zustellen, sofern ihm dies nicht die Parteien er lassen haben oder ihn der Ortsgebrauch mit Rücksicht auf
die Gattung der Ware davon entbindet; ist aber das Ge
schäft ein stempelpflichtiges Börsengeschäft, so kann von der
Ausstellung einer Schlußnote nicht abgesehen und müssen dafür die vorgeschriebenen Formulare
verwendet
werden,
denn die in diesem Fall obligatorischen Schlußnoten bilden
die Grundlage für die Besteuerung der Börsengeschäftes) Die Verpflichtung des Mäklers in Bezug auf Zustellung der
Schlußnote gewinnt eine besondere Bedeutung noch in den
Fällen, in denen es sich, wie z. B. bei Lieferungsgeschäften, um aufgeschobene Leistungen handelt,
denn bei Geschäften,
die nicht sofort erfüllt werden sollen,
muß die Schlußnote
den Parteien zur Unterschrift zugestellt und jeder Partei das von der anderen
unterschriebene Exemplar
übersandt
werden, und der Handelsmäkler muß, wenn eine Partei die
Annahme oder Unterschrift der Schlußnote verweigert, diese Thatsache unverzüglich
der
anderen Partei
anzeigen;
es
schließt ein solches Vorkommnis ja noch keineswegs die Ab
sicht des Vertragsbruchs oder gar diesen selbst in sich, aber es werden doch Zweifel darüber rege, ob das Geschäft werde erfüllt werden, wie eine Partei wohl annehmen zu dürfen 1 Reichsstempelgesetz v. 1. Juli 1881, 29. Mai 1885 u. 27. April 1894. Tas Gesetz schreibt auch die Numerierung und fünf jährige Aufbewahrung der Schlußnoten vor (§. 14 d. ang.
Gesetzes); aus die civilrechtliche Gültigkeit des Geschäfts hat die UnterlassunA der Zustellung oder der Unterzeichnung der Schluß noten keinen Einfluß, zieht aber Strafe nach sich.
Don den Geschäften der Handelsmäkler.
§. 53.
619
glaubt, und es kann daher die Verantwortung für die unter lassene Anzeige jener Weigerung für den Mäkler sehr ver hängnisvoll werben.1)
Es giebt übrigens Schlußnoten, auf
denen nur eine Partei genannt ist, die Bezeichnung der
anderen Partei aber der Mäkler sich durch dm Vermerk:
„Aufgabe Vorbehalten" oder ähnliches einstweilen noch vor behalten hat; alsdann ist die zuerst genannte Partei, wenn
sie die mit einem solchm Vorbehalte versehme Schlußnote angenommen hat, an das Geschäft mit der Partei gebunden, welche ihr nachträglich bezeichnet wird, es sei denn, daß sie
gegen diese z. B.
fähigkeit
in Bezug auf ihre Solvmz, Leistungs
und dergl.
heben hat.
eine begründete Einwmdung zu er
Die Bezeichnung der zuerst nicht genannten
Vertragspartei muß innerhalb der ortsüblichen oder der an gemessenen Frist erfolgen, widrigenfalls oder wenn die bezeich nete Partei mit Grund zurückgewiesen wird, diejmige Vertrags
seite, welche die Schlußnote zuerst mit jenem Vorbehalt an-
genommm hat, den Handelsmäkler selbst auf die Erfüllung des Geschäfts in Anspruch nehmm darf; der Mäkler hat also in diesem Falle die Pflicht des Selbsteintritts, nicht
aber ein Recht des Selbsteintritts gegen dm Willen der
Partei, wie es der Kommissionär unter bestimmten Voraus setzungen hat.^) Wenn sich aber die Partei auf die Aufforde rung des Handelsmäklers nicht unverzüglich darüber erklärt, ob sie vom Handelsmäkler die Erfüllung des Geschäfts ver lange oder nicht, so erlischt ihr Recht auf Selbsteintritt des
1 Wegen der unter Nr. 5 zu er- ; 2 S. oben §. 51 S. 593 f., »sühnenden Schadensersahpflicht ; HGB. §§. 400 ff. nach HGB. §. 98.
620
Kap. m.
Die Handelsgeschäfte.
letzteren, denn es ist unzulässig, daß sie mittels Aufschub dieser ihrer Entscheidung auf Risiko des Mäklers spekuliere. 2. Der Handelsmäkler muß ein Tagebuch führen, welches nach Art kaufmännischer Bücher ongekgtx) wird,
und in
welches alle abgeschlossenen Geschäfte täglich einzutragen sind, in chronologischer Reihenfolge und unter Angabe der Ver-
tragsmomente, welche die Schlußnote enthalten muß; täglich
muß dieses Tagebuch vom Handelsmäkler mit eigener Unter schrift abgeschlossen werden. Aus diesem Tagebuche muß der
Handelsmäkler den Parteien auf Verlangen jederzeit Aus züge geben, welche die gesetzlich vorgeschriebenen Eintragungen
enthalten, mit der Unterschrift des Handelsmäklers schließen
und durch Vergleichung mit dem Tagebuch ebenso wie die Schlußnote auf ihre Nichtigkeit kontrolliert werden können, daher ist der Mäkler verpflichtet, auf Anordnung des Gerichts im
Laufe eines Rechtsstreits auch ohne Antrag einer Pattei das
Tagebuch vorzulegen?)
Die Beobachtung der das Tage
buch betteffenden Vorschriften
erscheint dem Gesetzgeber so
wichtig, daß er die Nichtbeobachtung derselben mit einer Ver gehensstrafe bedroht?)
Die
Verpflichtung
des
Mäklers,
auch noch andere Bücher zu führen, wenn diese nach dem Gesetze4) notwendig sind, wird durch die genannten Vorschriften nicht berührt.
3. Eine besondere Pflicht trifft den Mäkler im Falle des Kaufs nach Probe oder nach Muster, er muß nämlich6) | nach Strafgesetzbuch §§. 1 Abs. 2. 1 HGB. §§. 43, 44, 100. 27—30 mit HGB. §. 103. 2 Über dasVerhältnis des dies 4 HGB. §§. 38 ff. .. bestimmenden §. 102 des HGB. 6 HGB. §. 96. Uber den zu §.45 desselben siehe Gareis, Kauf nach Probe siehe BGB. Anm. 1 u. 2 HGB. §. 102. §. 494 und Art. 340 d. HGB. 3 Geldstrafe bis zu 1000 Mark, von 1861.
Don den Geschäften der Handelsmäkler. 8- 53.
621
von jeder durch seine Vermittelung nach Probe verkauften Ware die — von ihm durch ein Zeichen kenntlich ge machte — Probe, falls sie ihm übergeben ist, so lange aufbe
wahren, bis die Ware ohne Einwendung gegen ihre Be
schaffenheit angenommen Weise erledigt wird.
oder das
Geschäft
in
anderer
Die Parteien oder der Ortsgebrauch
können ihn von dieser Pflicht entbinden. 4. Eigenartig ist die Beschränkung des Handelsmäklers
in Bezug auf die Empfangnahme von Stiftungen. Er gilt nämlich nicht als ermächtigt, eine Zahlung oder eine andere
im Vertrage bedungene Leistung in Empfang zu nehmen, wenn eine solche Ermächtigung nicht ausdrücklich feststeht; *) das Gesetz will Zweifel, die in Bezug auf die gewerbliche
Thätigkeit des Handelsmäklers entstehen könnten, möglichst
wirksam beseitigen. 5. Die Verpflichtungen des Handelsmäklers gipfeln in
der eigentümlichen Haftung für den Ersatz des durch sein
Verschulden entstandenen Schadens; das Eigentümliche auch im Gegensatze zu der Haftung aus dem Mäklervertrage des allgemeinen bürgerlichen Rechtes1 2) liegt darin,
daß der
Handelsmäkler b eiden2) Parteien haftet; das Verschuldmkann
sowohl ein vorsätzliches, als auch ein fahrlässiges fein.4) III. Die Berechtigungen des Handelsmäklers ergebm sich
zunächst ebmfalls aus dem gewöhnlichen Mäklervertrage und
den gesetzlichen Regeln desselben, dies gilt namentlich auch
von dem Ansprüche des Handelsmäklers auf den Mäkler lohn (Sensarie, Courtage oder auch Maklerprovision genannt); auch für dm Handelsmäkler ist dieser Lohn erst dann fällig,
1 HGB. §. 97. 2 BGB. §§. 652 ff.
3 HGB. §. 98. 4 BGB. §. 276.
Kap. III.
622
Tie Handelsgeschäjte.
wenn der Vertrag zustande kommt oder die ihm beigefügte aufschiebende Bedingung eingetreten ist;l) das Gleiche ist in
Bezug auf die Höhe des Mäklerlohnes und das richterliche Minderungsrecht zu sagen, welch
letzteres keineswegs, wie
etwa gegenüber Strafversprechen von Vollkaufleuten, handels rechtlich ausgeschlossen ist;2) nur in einer Beziehung liegt
eine Abweichung des Handelsrechts vom allgemeinen bürgerlichen Rechte vor: während nach der Auffassung des letzteren der Mäkler nur mit dem einen der beiden Vertragsteile in
rechtlicher Beziehung steht, ist der Handelsmäkler möglicher weise wenigstens für beide Parteien thätig, und wie er beiden
Parteien haftet (siehe oben Nr. 5), so ist, wenn unter den Par
teien darüber nichts vereinbart wurde, wer den Mäklerlohn bezahlen soll, der Handelsmäkler in Ermangelung eines ab weichenden Ortsgebrauchs berechtigt, von jeder Partei die
halbe Sensarie zu fordern.
IV. Dem Kursmakler ist durch das Börsenrecht eine be
sondere Rechtsstellung eingeräumt, dem Börsengeschäfte ver mittelnden Mäkler sind durch das Reichsstempelgesetz be
sondere Verpflichtungen auferlegt, und beides ist bei der Er-
örterung der Börsengeschäfte obm §. 47 II besprochen.
§. 54.
4. von den Geschäften der Handtuugsagenten. I. Das Wort Handlungsagent oder Agent schlechthin wurde
seither
—
nämlich
vor
1 BGB. §. 652, hiezu auch I §. 654. I
dem HGB. von
1 BGB. §§. 653, 655.
1897,
Don den Geschäften der Handlungsagenten.
§♦ 54»
623
welches zum erstenmal die Rechtsverhältnisse der Handlungs-
agenten als solcher regelt — in verschiedener Bedeutung gebraucht, ebenso
tant.
wie das Wort Vertreter oder Repräsen
Wenn auch so viel feststand, daß mit jenen Worten
Personen bezeichnet werden sollen, welche für Andere (Auftrag geber, Geschäftsherren) geschäftliche Angelegenheiten besorgen
oder betreiben, so war doch die juristische Art und Weise, wie diese Besorgung oder dieser Betrieb fremder Geschäfte
stattfand, trotz der unterschiedslosen Anwendung jener Be zeichnung sehr verschieden?)
Die Gesetzgebung1 2)* sucht nun
für den Begriff Handlungsagent eine feste Umgrenzung zu
gewinnen und
erkennt darin einen selbständigen Gewerbe
treibenden, der von einem Anderen ständig betraut ist, für deffen Handelsgewerbe das Zustandekommen von Geschäften zu veranlassen, sei es, Geschäfte zu vermitteln, sei es, sie
im Namen des Andern abzuschließen.
gehülfenb)
unterscheidet
der
Von dem Handlungs
Handlungsagent
sich
also
dadurch, daß er nicht Angestellter eines Andern, sondern
ein selbständiger
Geschäftsmann
mit
eigenem
Geschäfts
betriebe, eigener Firma u. s. w. ist, während er sich von
dem Mäkler4) durch die ständige Beziehung zu einem ihn mit dauernder Vertretung betrauenden Geschäftsmanne, so
wie durch die Möglichkeit, nicht nur zu vermitteln, sondern
1 Die sieben verschiedenen, in ! zu einem oder einigen Auftrag einander übergehenden oder an gebern einerseits und das Fehlen einander angrenzenden Verhält I solcher Beziehungen andererseits, nisse bei der Vertretung in sind dargelegt bei Gareis, fremden Geschäften: Vermitte HGB. 1898 S. 90, 91. lung, echte Stellvertretung Com 2 HGB. §§. 84 ff. 8 HGB. ||. 59 ff. mission und dabei die Unterschei dung feststehender Beziehungen 4 HGB. §§ 93 ff.
Kap. III.
624
Die Handelsgeschäfte.
auch abzuschließen, unterscheidet; vom Kommissionär') aber scheidet dm Agmten sowohl jene dauernde, ständige Be
trauung mit der Vertretung, als auch die Möglichkeit der Erledigung letzterer durch bloße Vermittelung,") statt durch dm im eigenen Namm vorgmommmen Abschluß der auf-
gegebmm Geschäfte. Vorausgesetzt wird, daß der Agent, welcher Handlungs
agent im Sinne des Gesetzbuchs sein soll, für das Handels gewerbe eines anderm selbständig zu mitten betraut sei;
welcher Art die Geschäfte sind, für beten Zustandekommen
der Agent wirkm soll, ist gleichgültig, wmn sie nur im Handelsgewerbe jmes Betrauenden liegen; das Handels
gewerbe des letzteren kann irgend einer der im Gesetze") aufgezähltm Handelsgewerbebetriebe sein, möglicherweise auch nur im Umfang eines Kleingewerbes, und möglicherweise ist auch ein Handlungsagmt
nur ein Kaufmann minderen
Rechts;8)
der Betriebe,
nach Maßgabe
für welche der
Agmt zu wirken hat, unterscheidet man folgeweise Waren agenten (Import-, Export-, Fabrik- und dergl.),") Agmten
für Versicherungm auf Prämie,") für Auswanderer und für Güterbeförderung,7) Bankagenturm,") Verlagsagenten") u. s. w.
II. Begründet wird das Agenturverhältnis durch den
Abschluß eines Arbeitsvertrags, des sog. Agenturvertrags,") 1 LGB. §§. 383—406. * Uber den Begriff Vermitte lung s. den vorausgehenden SKIS. 612 ff. » HGB. §. 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 9. * HGB. §. 4.
6 HGB. §. 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 2. • HGB. §.1 Abs. 2 Nr. 3. 7 HGB. §.1 Ab . 2 Nr. 5. 8 HGB. §.1 Ab . 2 Nr. 4. " HGB. §.1 Abs. 2 Nr. 8. "Lehrend, Lehrb. d. HR. E. 382, 383.
Don den Geschäften der Handlungsagenten,
§. 54.
625
er wird zwischen dem Inhaber eines Handelsgewerbes und dem Agenten formlos
abgeschlossen, bezieht
sich
begriff
lich nicht auf ein einzelnes sich sofort abwickelndes Geschäft,
sondem auf eine Reihe solcher, und lann mtweder auf bestimmte
oder auf unbestimmte Zeit eingegangen werden, in jedem Falle liegt eine ständige Betrauung, im Interesse des Geschäfts
betriebs des mit dem Agmtm abschließenden GeschästSherrn zu wirken, vor; aber trotz der länger andauernden Verbindung
der beiden vertragschließenden Teile, welche der Vertrags abschluß anbahnm soll, bewirkt er doch kein Anstellungs
verhältnis, denn der Agent ist und bleibt als solcher ein
selbständiger Gewerbetreibender, ein Kaufmann, nicht ein Handlungsgehülfe, er trägt seine Geschäftsunkosten selbst,
hat regelmäßig wmigstens sein eigenes Geschäftslokal, kann
Bedienstete
anstellen,
die
seine Handlungsgehülfen sind,
kann, wenn der Umfang seines Gewerbebetriebes bedeutend
ist, auch Prokura erteilen. m. Pflichten
Die
aus
dem
Agenturvertrag
des Handlungsagenten
entspringenden
sind im einzelnen durch
dm Inhalt des Vertrags selbst, im allgemeinen aber durch die gesetzliche Regel bestimmt, daß der Handlungsagmt bei
feinen Verrichtungen das Interesse des Geschäftsherrn mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmm
hat-')
1. Dieser Sorgfalt entspringt auch die Verpflichtung des Agmtm, die Kreditwürdigkeit derjmigen Personen zu prüfen, mit dmm er abschließt oder vermittelt;2) zu einer unbedingten Haftung für die Zahlungsfähigkeit des Dritten
1 HGB. §. 84 Abs. 1. - Lehrend, Lehrbuch S. 383 Denkschr. S. 3173 f. «areir, H-ndelirecht. 6. Aufl. 40
Kap. III.
626
Die Handelsgeschäfte.
ist aber der Agent nur verpflichtet, wenn dies vereinbart oder dem Gewohnheitsrecht entsprechend ist.
2. Der Handlungsagent muß sich in seiner Geschäfts führung enthalten, seinen Auftraggebern eine sie unmittelbar schädigende Konkurrenz zu machen, es
ist ihm aber nicht
untersagt, für mehrere Geschäftsherren derselben Branche, möglicherweise
für
gerade
also
Konkurrenten,
die
Ver
mittelung oder Vertretung zu übernehmm; die bestehenden Unterschiede in
den
Warm,
sowie
in
Lieferungs-
den
verhältniffen der verschiedenen mit dem nämlichm Agenten
in Verbindung stehenden Firmen und sein Taktgefühl müffen dm Agenten bei der pflichtmäßigen Wahrung der Jntereffen
seiner sämtlichen Auftraggeber leiten?)
3. Er hat dem Geschäftsherrn die erforderlichen Nachrichtm zu geben und ihm insbesondere von jedem Geschäfts
abschluß unverzüglich Anzeige zu machen, und zwar auch ohne das
Verlangen
des
Auftraggebers
(anders
BGB.
§. 666)?) 4. Der Handlungsagent ist nicht berechtigt zur Annahme von Zahlungen für dm Geschäftsherm oder zur nachträg
lichen Bewilligung
von Zahlungsfristen,
wenn ihm die
Ermächtigung hiezu nicht besonders erteilt ist?)
5. Er ist verpflichtet, seine im regelmäßigen Geschäfts betrieb mtstandmen Kosten und Auslagen selbst zu tragen, und kann nur für außerordenlliche Auslagen, oder wo Ver-
einbamng
oder
Handelsgebrauch
ihn
dazu
ermächtigen,
Ersatz der Kostm verlangen?)
1 Denkschr. S. 3174. 1 HGB. §. 84 Abs. 2. » HGB. §. 86 Abs. 1;
s.
jedoch unten IV §. 87). 4 HGB. §. 90.
4.
(HGB.
Don den Geschäften der Handlungsagmten. IV. Die
g. 54. 627
gegenüber stehenden Rechte
den Pflichten
des Handlungsagmten gipfeln darin, daß der Geschäfts herr
auftraggemäß
desselbm das
Lohn zu
abgeschloffene Geschäft
und dem Agmten dm verdimten
anzuerkennen
sich
für
gewährm hat; im einzelnen stehm dem Agmten
folgende Befugniffe zu:
1. Er kann verlangen, daß der Geschäftsherr das in
seinem Jntereffe abgeschloffme Geschäft anerkmne, und wmn ein nur mit
der Vermittelung von
Geschäften betrauter
Handlungsagent, statt das Geschäft nur zu vermitteln, das
selbe im Namen des Geschäftsherrn mit einem Dritten ab geschloffen
hat,
so
es als
gilt
vom
Geschäftsherm
ge
nehmigt, wenn dieser nicht unverzüglich nach der Kenntnis
nahme des Abschlusses dem Dritten gegenüber erklärt hat,
er
daß
das
Publikums
Geschäft
die
Rechtssicherheit
nicht
erst
nach
ein
Zeitraums
längerm
ablehne; daß
verlangt,
Geschäft
mit
des
Ablauf eines
der Behauptung
seitens des Geschäftsherm zurückgewiesen werde, der Agent
sei nur mit der Vermittelung betraut gewesen, nicht mit dem Abschluß in Vertretung?)
2. Der Agmt ist berechtigt, die Anzeige von Mängeln einer Ware, die Erklämng, daß eine Ware zur Verfügung
gestellt werde, z.
B.
sowie
Vorschläge
in
andere Erklärungm ähnlicher
betreff
abgeänderter
Art,
Lieferungs-
modalitäten u. bergt, für den Geschäftsherm entgegen}«»
nehmen?) 3.
Gemäß
allgemeinem
Agenturrechte
gebührt
dem
1 HGB. §. 85 Dcnkschr. S. I Gareis, Das Stellen zur DiS3174. Position S. 91—95. 2 HGB. §. 86 Abs. 2. Vgl. |
Kap. HI. Die Handelsgeschäfte.
628
Handlungsagenten, wenn nichts anderes vereinbart ist, eine
Provision welches
für
jedes
zur Ausführung gelangte Geschäft,
durch seine Thätigkeit zustande kam, dabei ent
scheidet im wesentlichen der Erfolg, nicht die aufgewandte
Mühe; kommt das Geschäft nicht zur Ausführung,
wenn
gleich zum Abschlusie, so hat der Handlungsagent regel mäßig keinen Provisionsanspruch, es wäre denn, daß die
Ausführung
infolge
Verhaltens
des
des
Geschäftsherrn
ganz oder teilweise unterblieb, ohne daß hiefür wichtige
Gründe in der Person des Dritten vorlagen.
Hat der
Agent einen Verkauf vermittelt oder abgeschloffen, so ist im Zweifel der Anspruch auf die Provision erst nach dem
Eingang der Zahlung und
nur nach dem Verhältnis des
eingegangenen Betrags erworben; die Höhe der Provision
hängt von der Vereinbarung und in deren Ermangelung von dem
Gebrauche
ab und von
ersterer auch die Ab
rechnung über die zu zahlenden Provisionen, welche andern falls
am Schluffe
eines
jeden Kalenderjahres stattfindet.
Eigenartig ist, daß ein Agent unter bestimmten Umständen im Zweifel auch für Geschäfte Provision verlangen kann, die er gar nicht abgeschloffen, nämlich dann, wenn er aus
drücklich
für
einen
bestimmten
Bezirk
bestellt ist
(sog.
Bezirksagent) und in diesem Bezirk ohne seine Mitwirkung
solche Geschäfte durch den Geschäftsherrn selbst oder für diesen (sog. direkte Geschäfte) geschloffen sind?) 4. Wenn der Handlungsagent 1 HGB. §. 89. Der Bezirks agent kann im Zweifel vom Ge schäftsherrn sogar Schadensersatz fordern, wenn dieser ohne Kün
als Handlungsreisender
digung des AgenturverhültnisseS die Geschäftsverbindungen mit dem betreffenden Bezirke ganz aufgiebt. (BGB. §. 324).
Don den Geschäften der Handlungsagenten.
54.
629
thätig ist, mithin geschäftlich an solchm Orten auftritt, an welchen sein Geschästsherr keine H andelsniederlassung hat,
so ist er dem Publikum gegenüber zu denselben Rechts
handlungen für den Prinzipal ermächtigt, wie unter dm
Voraussetzungm
gleichen
ein
Handlungsbevollmächtigter,
insbesondere auch zur Einziehung des Kaufpreises aus dm
abgeschlossenen Verkäufm und zur Bewilligung von Zahlungs fristen hiefür?) 5. Dem Handlungsagenten steht zu, bei der Abrechnung
mit dem Geschäftsherm die Mitteilung eines Buchauszugs über die durch seine Thätigkeit zustande gekommmen Ge schäfte, sowie über die in seinem Bezirke (im Fall des
§.
89
des
HGB.)
direkt
geschlosienm
Geschäfte
des
Prinzipals zu verlangen; von den Handelsbüchern aber voll ständig Einsicht zu nehmen, steht ihm nicht zu, wohl aber kann
das Gericht im Laufe eines Rechtsstreits von Amts wegm
oder auf Antrag des Agentm die Vorlegung der Handels bücher anordnen und dm Buchauszug auf seine Richtigkeit prüfen?)
V. Das Vertragsverhältnis zwischen dem Geschäftsherm
endigt: 1. mit dem Ablaufe der Zeit, für welche es eingegangen
wurde, sofern nicht die Fortsetzung stillschweigmd oder aus drücklich vereinbart wird;
2. durch Kündigung, und zwar:
a) unter Einhaltung der vorher verabredetm Kündigungs-
ftist, ein Fall, welcher in Recht und Pflicht der beiden Teile von der Verabredung abhängt; 1 HGB. §. 87 mit,-§§. 54 « HGB. §. 91, auch §§. 45, u. 55. , 46.
Kap. IIL Die Handelsgeschäfte.
630
b) wenn der Vertrag für unbestimmte Zeit eingegangen ist, für den Schluß eines jeden Kalendervierteljahrs unter
Beobachtung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen;*) c) ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, in außer ordentlichen Fällen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt,
worüber
im
Streitfälle
das
richterliche
Ermessen
ent
scheidet;^) 3. durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen
des
Geschäftsherrn;8)
Zahlung
der Provision
den Ansprüchen des
steht
der für
Agenten auf
Dienstbezüge ein
geräumte Rang im Konkurse des Geschäftsherrn nicht zu, da man von dem Handlungsagenten nicht sagen kann, daß
er sich den: Geschäftsherrn verdungen habe.*)
§. 55. 5. Vom Lagergeschäfte. I. Das Lagergeschäft hat sich geschichtlich teils im Zu sammenhänge mit dem Maklergeschäfte, teils mit dem Gastwirtunternehmen entwickelt, vielfach haben auch kaufmännische
Korporationen in ihren Vereinshäusern, städtische und andere öffentliche Behörden in ihren Hafengebäuden und anderen
Anlagen, auch die Staaten selbst in Zoll, Entrepots und anderen dem Finanz- oder Verkehrswesen dienenden Räumen
die Lagerung und Aufbewahrung fremder Güter übernommen;
aber aus diesen und neben diesen Vorgängen hat sich längst auch ein besonderes -Gewerbe, das Gewerbe der Lagerhalter, entwickelt, auch sind in nicht wenigen Gesetzen des Aus-
1 HGB. §. 92 Abs. 1. 8 HGB. 8- 92 Abs. 2.
I |
3 KonkO. 23 (neue Fassung). * KonkO. §. 61 Nr. 1.
631
Dom Lagergeschäfte. g. 55.
landes bereits Sonderrechtssätze für dieses Gewerbe aufge stellt rootben,
in Deutschland jedoch erst durch das HGB.
von 1897; das letztere geht, entsprechend den thatsächlichen
Verhältnissen und dem Bedürfnisse, insbesondere bei der Re gelung des Lagergeschäfts von der Verwandtschaft desselben mit dem Speditionsgeschäft
aus,
und es kann daher, wo
dieses auf das Recht des Kommissionsgeschäfts gestellt ist,
ebenso auch die Rechtsstellung des Lagerhalters vorbehaltlich
einzelner Sonderbestimmungen im allgemeinen auf die näm
lichen Vorschriften gegründet werden, welche für den Kom missionär in den analogen Beziehungen gelten?)
II.
Seinem Begriffe nach
ist
das Lagergeschäft
ein
Arbeitsvertrag, inhaltlich dessen ein Gewerbetreibender die Lagerung und Aufbewahrung von Gütern für andere (Ein
lagerer) gegen Entgelt übernimmt. Die Pflichten des Lagerhalters sind vorbehaltlich be
sonderer vertragsmäßiger Festsetzung gesetzlich folgende:
1.
Er hat
das
Lagergut
mit
der
Sorgfalt
eines
ordentlichen Kaufmanns1 2)3 in Empfang zu nehmen und auf zubewahren ; der Sorgfalt bei der Empfangnahme entspricht
es, daß der Lagerhalter das ihm übergebene Gut wenigstens
so weit untersucht, daß er solche Schäden und Mängel des
selben, die äußerlich erkennbar sind, entdeckt, und wenn dies
bei der Ablieferung des Guts an ihn der Fall ist, so muß er die Rechte gegen den Frachtführer oder Schiffer wahren,^) für den Beweis des Zustandes des Lagergutes sorgen4)
1 Bal. HGB. §• 417 mit §§. 407, 423. 9 HGB. §. 347. 3 HGB. §§. 388 , 417, 434, 435.
4 HGB. §. 379 Anm. 6 bei Gareis, S. 344, 345. CPO. §. 449, Denkschr. S. 3249.
Kap. HI. Die Handelsgeschäfte.
632
und dem Einlagerer unverzüglich Nachricht geben;') unter
läßt er die-, so ist er zum Schadensersätze verpflichtet;*) läßt der Einlagerer auf die Nachricht von dem mangelhaften Zustande der Ware den Lagerhalter ohne Verfügung, oder ist keine Zeit vorhanden, diese abzuwarten, da das Gut
raschem Verderben ausgesetzt ist, so
kann der Lagerhalter
den Verkauf des Guts nach gesetzlicher Vorschrift veran lassen?)
2. Der Lagerhalter ist verpflichtet zur sorgfältigen Auf
bewahrung (Lagerung,
Stapelung) des ihm anvertrauten
Guts; daß hiezu besondere Lagerhäuser oder Speicher verwmdet werden, ist begrifflich nicht erforderlich; wo und wie
das Gut aufbewahrt werden soll, ergiebt in Ermangelung besonderer Vereinbarung lediglich die fachmännische und sorg fältige Erwägung des Lagerhalters, der erforderlichen Falles
zu beweisen hat, daß ein währmd der Aufbewahrung ent-
standener Schaden auch unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes seines Geschäftszweiges nicht
zu vermeiden gewesen wäre und daher von ihm nicht zu vertreten sei?)
8. Treten Veränderungen während der Lagerung an dem Gute ein, welche dessen Entwertung befürchten lassen, so
muß der Lagerhalter dm Einlagerer
hievon unverzüglich
— bei Meldung der Schadensersatzpflicht — benachrichtigen,
eine Pflicht, an welche sich die oben unter 1. erwähnten Folgm gegebmm Falles anschließen?)
Dom Lagergeschäfte.
633
§. 55.
4. Das Lagergut gegen Feuer oder andere Gefahren
zu versichern, ist der Lagerhalter nur dann verpflichtet, wenn ihm dieses vom Einlagerer aufgetragm war; im übrigen ist er verantwortlich für jeden Schaden, dm das Lagergut nimmt, während es in seiner Verwahrung ist, ausgenommen,
er könne beweisen, daß der Verlust ober die Beschädigung
aus Umständm hervorgingm, welche durch die Sorgfalt eines ordmtlichm Kaufmannes seines Geschäftszweiges nicht abgewmdet werden sonnten.
5. Der Lagerhalter muß dem Einlagerer die nach Ver abredung
oder, wo das Landesgesetz dies vorsieht, nach
Gesetzt) auszustellendm Papiere über die Einlagerung behändigm.
An die Ausstellung dieser Papiere kann sich ein
eigenartiger Verkehr knüpfen, in welchem das Lagergut bis
zu einem gewissen Grade durch die Papiere vertretm wird und cirkuliert, währmd es lagert.
Diese Vertretung der
Ware durch eine Dispositivurkunde kann denkbarerweise eine zweifache sein, nämlich Übertragung von Eigmtum an
der Ware — dazu bienen die sogen. Lagerscheine, mtsprechmd dm r6c6pi8s6s, wight Notes und c6dules des französischen, englischen und belgischen Rechts — und Verpfändung der
Ware behufs Aufnahme von Darlehen, mittels beten der Einlagerer
über
dm Wert
der
Ware
verfügen
kann,
ohne dieselbe sofort veräußern zu müssen — hiezu bienen die sogen. Lagerpfandscheine, Warrants —; reichsrechtlich 1 Nach dem in Bremen und in Elsatz-Lothringen geltenden Rechte find dem Einlagerer vom Lagerhalter zwei Papiere ausKstellen, nämlich 1. der Lager ein, 2. der Lagerpfandschein.
e Gesetze sind au ern durch das Ein zum »GB. Art. 16; s. Gareis, >GB. Anm. 1, 2 zu diesen Artikeln u. S. 371.)
634
Kap. III.
Die Handelsgeschäfte.
ist die letztere Art der Verwendung nicht geregelt,
sondern
nur die erstere, und zwar durch zwei Vorschriften: erstens die Zulassung der durch Indossament zu bewirkenden Über
tragung solcher Lagerscheine, welche an Order lauten und von einer staatlich zur Ausstellung solcher Urkunden ermäch
tigten Anstalt begeben finb;1) zweitens die Anerkennung einer dinglichen Wirkung der Übergabe eines indossablen
Lagerscheins — diese hat nämlich, vorausgesetzt, daß das Gut von dem Lagerhalter übernommen ist, hinsichtlich des Erwerbs von Rechten an diesem Gute dieselben Wirkungen wie die Übergabe des Gutes selbst —.2) Ist ein solcher
Lagerschein ausgestellt, so ist der Lagerhalter nur gegen
Aushändigung der quittierten Urkunde zur Auslieferung des Gutes verpflichtet
und
im Falle
der
Indossierung
des
Scheins an die dem Wechselrecht entnommenen Grundsätze
vom Indossament gebunden. 6. Zu den Pflichten des Lagerhalters gehört es in Er mangelung besonderer Verabredung nicht, diejenigen Han
tierungen mit dem Gute vorzunehmen, welche, wie z. B.
das Umschaufeln, Umfüllen, Lüften, Wenden u. bergt, zur
Erhaltung des Guts oder seiner Beschaffenheit notwendig sind; eben darum muß er dem Einlagerer, wie die Besich tigung des Guts und die Entnahme von Proben, ebenso
1 HGB. §§. 363, 364. 2 §. 424. Auf die Errichtung eines Pfandrechts mittels Über gabe eines Lagerpapiers — sei dieses nun der Lagerschein, wie im Einscheinsysteme, fei e3 der Lagerpfandschein, wie im Zwei scheinsystem oder dem eigent lichen Warrantsvstem — hat die deutsche Gesetzgebung den
Gedanken einer sachenrechtlich wirksamen Vertretung der Ware durch das..Papier nicht aix* gedehnt. Über die in dieser Richtung entworfenen Versuche und Vorarbeiten siehe Denkschr. 3260; Gareis, HGB. S. 371 und die daselbst angegeb. Litt., auch Anm. 3 zu §. 424.
Vom Lagergeschäfte,
635
tz. 55.
auch jene, der Erhaltung des Guts dienenden Handlungen
dem Einlagerer während der Geschäftsstunden gestatten?)
7. Es ist Pflicht des Lagerhalters, das Gut während der bedungenen Lagerzeit auf dem Lager zu behalten; er kann nicht verlangen,
daß der Einlagerer dasselbe vorher
oder in Ermangelung einer Fristvereinbarung vor dem Ab
(gesetzlich)
laufe von
3 Monaten
nach
der Einlieferung
Ist keine Lagerzeit bedungen oder eine solche
zurücknehme.
abgelaufen und die Lagerung stillschweigend fortgesetzt, so
kann der Lagerhalter die Rücknahme nur nach vorgängiger Kündigung unter Einhaltung
einer Kündigungsfrist
von
einem Monate verlangen III. Die Ansprüche, welche aus den dargestellten Pflichten
des Lagerhalters im Falle eines Verlustes oder der Ver minderung, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung des Guts entspringen, verjähren wie die analogen Ansprüche
gegen den Spediteur schon in einem Jahres) dieses Jahr beginnt im Falle des gänzlichen Verlustes mit dem Ablaufe des Tages,
an welchem die Verlustanzeige dem Einlagerer
vom Lagerhalter, wie er verpflichtet ist,8) erstattet wurde?) IV.
Aus
dem
Lagergeschäft
entspringen
folgende
Rechte des Lagerhalters: erstens der Anspruch auf Lager
geld in der bedungenen oder ortsüblichen Höhe, Erstattung
sowie auf
der Auslagen für Fracht und Zölle und der
für das Gut gemachten Aufwmdungen, soweit der Lager
halter diese den Umständen nach 1 HGB. §. 418. 2 HGB. §. 423 mit §. 414; es kommen auch sonst die Vor schriften des §. 414 hier zur
gemäß sorgfältiger kauf-
entsprechenden Anwendung, s. oben §. 52 II 4 S. 606. 8 HGB. 8- 417, s. oben II Nr. 3 S. 634. 4 HGB. §. 423.
Kap. HL
636
Die Handelsgeschäfte.
rnännischer Erwägung für erforderlich halten durfte;
die
baren Auslagen hat der Einlagerer sofort zu erstatten, die sonstigen Auslagen erst nach dem Ablauf von je 3 Monaten
seit der Einlieferung oder, wenn das Gut in der Zwischen zeit zurückgenommen wird, bei der Rücknahme;') zweitens das Pfandrecht
des
Lagerhalters —
er hat wegen des
Lagergeldes und der eben erwähnten sonstigen Lagerkosten ein Pfandrecht Gute,
(und zwar ein streng konnexes) an dem
solange er es
im thatsächlichen Besitze
hat oder
mittels Ladescheins, Konnossements oder Lagerscheins darüber verfügen kann; 2) drittens das Recht der Kündigung31)* und,
wenn ein wichtiger Grund vorliegt,4) sogar das Recht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist die Rücknahme des Gutes vor dem Ablaufe der Lagerzeit zu fordern; und viertens unter Umständen das Recht der Vermischung des Lagergutes mit anderen Sachen von gleicher Art und Güte; aber dieses
Recht steht dem Lagerhalter nur zu, wenn es ihm ausdrücklich eingeräumt ist,
wie dies jetzt bei Lagerung von Spiritus,
Petroleum und einigen anderen verttetbaren Sachen, die nach bestimmten Typen gehandelt werden, gebräuchlich ist; auch in
diesem Falle erwirbt der Lagerhalter durch die Vermischung nicht das Eigentum des Gutes,3) sondern der Einlagerer behält ein entsprechendes,
namentlich
im Konkurse des Lagerhalters
1 HGB. §. 420. Bei nur teilweiser Rücknahme ist nur ein entsprechender Teil der Lager kosten zu berichtigen, voraus gesetzt, daß der Lagerrest den Lagerhalter wegen seiner Restforoerung deckt. 9 HGB. §. 421.
3 S. oben II Nr. 7 aus voriger Seite, HGB. §. 422 Abs. 1. 4 Z. B. wenn sich ergiebt, daß durch das Gut die an stoßend lagernden Waren ge fährdet sind; vgl. BGB. §. 696 Sah 2. 6 HGB. §. 419 Abs. 2 Satz 1, abweichend vom BGB. §. 700.
Dom Frachtgeschäfte,
g. 56,
637
wertvolles dingliches Recht an dem Gesamtgemenge; aus
dem letzteren kann der Lagerhalter jedem Einlagerer den entsprechenden ihm gebührenden Anteil ausliefern, ohne daß
er der Genehmigung der übrigen beteiligten hiezu bedürfte?) Ist verabredet, daß der Lagerhalter Eigentümer des Gutes
werden und nur verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren, so liegt kein han delsrechtliches Lagergeschäft, sondern ein unregelmäßiger Ver-
wahmngsvertrag vor, auf welchen die Vorschriften über das Darlehen Anwendung finden?)
§ 56. vom Frachtgeschäfte?) I. Begriff und Abschluß des Frachtvertrags.
Der Frachtvertrag
vertrag,
ist der wesentlich zweiseitige Arbeits
inhaltlich dessen sich der eine Teil verpflichtet,
einen bestimmten Transport von Gütern zu Lande oder auf Flüssen oder Binnengewässern auszuführen (oder für dessen
Ausführung
durch
andere
frachtführermäßig
zu
haften)/) und der andere Teil zu einer Gegenleistung, 1 HGB. §. 419 Abs. 2, ab weichend vom BGB. §. 749. » HGB. §. 419 Abs. 3. BGB. 88-709 (depositum irregolare), 607 ff. (Darlehen). 9 Litteratur: Thöl, HR. Bd. 8(1880): DaSTransportgewerbe. Litt. s. ebenda 8- 1, Schott i. Hdbch. 88- 335ff.; GSyst. S. 51-54, 221-236; R. v. Canstein, Lehrb. d. Sperr. HR. 8- 43; Co sack. Lehrb. d. HR. & «5 ff.
4 Es kann jemand Fracht führer sein, ohne selbst oder durch seine Leute den Transport aus zuführen; vielmehr genügt es zumBegriff des Frachtführers,daß jemand den Transport gegen bestimmte Frachtsätze gewerbs mäßig übernimmt, gleichviel, welcher Transportmittel er sich bei der Ausführung bedient. So ist nun auch tut Wortlaute deS Gesetzes (§. 425 des HGB. von 1897) ausgedrückt, aber so nahm
638
Kap. UI.
Die Handelsgeschäfte.
insbesondere Zahlung der Fracht verpflichtet wird.
Wer
gewerbsmäßig übernimmt, solche Transporte auszuführen, der
ist Frachtführer im Sinne unseres HGB.,*) und in diesem
z. B. auch schon das ROHG. be züglich der »Norddeutschen Paketbesörderungsgesellschast" die Frachtführereigenschast an. Vgl. RGer.Bd.25 S. 108ff.; ROHG. Bd. 9 S. 89 ff. 1 HGB. §§. 425-452. Es fallen unter den Frachtführer begriff auch die dem öffentlichen Güterverkehre dienenden Eisen bahnen u. die gewerbsmäßigen Üb ernehmer der Beförderung von Gütern auf Flüssen und sonstigen Binnengewässern: aber der Geschäftsverkehr dieser beiden Arten von Frachtführern ist gesetzlich besonders geregelt, die erstere durch HGB. §§. 452—473 (allerdings in direktem Anschluß an das Recht d. Fracht geschäfts überhaupt, s. HGB. §. 454), die letztere Art durch ein besonderes Reichsgesetz, das RGes. betr. die privatrechtlichen Aerhältnisse d. Binnenschiffahrt, vom 15. Juni 1895 (— auch dieses schließt sich inhaltlich be züglich des Gütertransportrechts fast ganz an das Recht des Frachtgeschäfts überhaupt an; s. §. 26 d. angeführten RGes. v. 15. Juni 1895 in der durch das Einf.G. z. HGB. v. 10. Mai 1897 Art. 12 I festgestellten Fassung), es empfiehlt sich die ge sonderte Behandlung dieser beiden Arten auch für das Lehrbuch (f. daher unten §§. 57, 58),
mit Ausnahme derjenigen Be ziehungen des Schiffahrtsrechts, welche nach Analogie des See frachtrechts behandeit, jo nament lich in Bezug auf Haftung des Schiffers und Schiffseigners, ferner in Bezug aus Ladezeit, Liegegeld, Überliegezeit, Lösch seit, Verklarung, Ladeschein (welcher dem Konnossement nach gebildet ist), Havarie, Dispache, Zusammenstoß, Bergung und Hilfeleistung, — Normen, welche des geschichtlichen Zusammen hanges wegen in den entsprechen den §§. des Seerechts, — s. unter Kap. 5 — erwähnt werden. — Auch die Flößerei ist als Transport von Gütern auf zufassen, Frachtführer im Sinne des HGB. ist aber nicht der Floß führer (diese ist vielmehr analog dem Schiffer behandelt und in vielen Beziehungen dem Gewerbe rechte, GewerbeÖ. §. 133a, unter stellt), sondern der Frachtflößer (s. FlG. §§. 1, 16 u. a.). - Der »Schleppvertrag" ist kein Frachtgeschüst (s. ROHG. Bd. 23 S. 320 ff., RGer. Bd. 10 S. 166), anders bei etwas veränderter Sachlage (RGer. Bd. 6 S. 99, aber Handelsgewerbegeschäst s. - HGB. §. 1 Nr. 5 a. E.). Da gegen finden aus die Post verwaltungen des Reiches und der Bundesstaaten handelsrecht liche Grundsätze keine Anwen-
Dom Frachtgeschäfte.
§. 56.
639
Sinne sind sowohl die in ein und derselben Ortschaft,*) auch die zwischen
als
verschiedenen Ortschaftm Trans
portierendm, ferner auch gewisse Kleingewerbetreibende, wie Kärmer, Viehtreiber, Lastbotm, Kahnschiffer, Überführer (Fährmbesitzer), anzusehm u. dgl., diese sind ebm Kaufleute nunbeten Rechts/)
Die
das Frachtgeschäft
findm
handelsrechtlichen Normm über
jedoch
nicht
bloß dann An
wendung, wenn dieses Geschäft gewerbsmäßig (als Grund
geschäft) betrieben roitb,8) sondern auch dann, wmn ein Kaufmann,
dessen
gewöhnlicher Handelsbetrieb sich nicht
auf die Ausführung von Frachtgeschäften erstreckt, in einem einzelnen Falle
einen Transport
von Gütem zu Lande
oder auf Flüssen und Binnengewäflem auszuführm über nimmt/)
In allen diesen Geschäften bedeutet „Beförderung von
Gütem" das Verbringm von Warm, beide Worte im that
sächlich gebräuchlichsten Sinne und weitestm angewandt, so daß z. B. auch das gewerbsmäßige Treibm von Stieren,6) sowie das
von Dienstmannsinstituten in einer Stadt besorgte Trans-
portierm von Waren unter den Begriff der Güterbefördemng
fällt;
gleichgültig
ist für dm Frachtvertrag, wem die
düng, die Geschäfte der Post- I 1 HGB. §§• 4, 351, s. oben Verwaltungen scheiden daher aus §. 12 S. 71. dem Bereiche des Handelsrechts I ' HGB. §. 1 Nr. 5, s. oben aus fi. HGB. §. 452, s. auch ' §. 8 S. 50. obeitj. 12 S. 75). 4 HGB. §. 451. 1 Möbeltransporteure, Roll ° ROHG. Bd. 13 S. 133; suhrleute ROHG. Bd. 2 S. 355, v. Hahn, Komm. Bd. 2 S. Bd. 11 S. 343, Bd. 12 S. 198. 411; BA. Bd. 3 S. 380: GBA. Bd. 3 S. 380. Bd. 5 S. u. F. S. 816, 817. Dagegen 286, Bd. 7 S. 311, Privat- Goldschmidt, HR. Bd. I S. briesbesörderungsanstalten.
Kap. HI.
640
Die Handelsgeschäfte.
Transportmittel (z. B. Wagen) gehören; *) dagegen fällt nicht darunter der Güterttansport zur See, es mag der
selbe durch Küstenschiffahrt oder ozeanische Fahrt u. dergl., durch Dampf-
oder Segelschiffe betrieben werben;8)
die
Übernahme des Transpotts von Personen gehört gleichfalls nicht zum Frachtgeschäfte, wohl aber die des Transports
von Gepäck,
von Personentransportanstalten
welches die
beförderten Personen mit sich führen, gleichviel, ob dasselbe zum Transport aufgegeben ist („Paffagiergut")8) oder nicht („Handgepäck")?) Der gesamte Bettteb der Eisenbahnverwaltungen, wie
die gewerbsmäßigen Fuhrwerks-, Binnenschiffahtts-, Flößerei-, Prahm- und Fährbetriebe, sowie der Gewerbebetrieb des
Schiffsziehens
ferner
(Treidelei),
der
gewerbsmäßige
Speditions-, Speicher- und Kellereibetrieb und die Gewerbebetttebe
der
Güterpacker,
Güterlader,
Schaffer, Broker,
Wäger, Meffer, Schauer und Stauer gehören zu den der Unfall- und Krankenversicherungspflicht reichsgesetzlich unterstelltm Betrieben?)
Der Frachtvertrag wird vom Frachtführer mit einem
Auftraggeber
(Absender,
welcher
aber auch zugleich der
Empfänger sein, d. h. das Frachtgut an sich selbst adressieren
kann), es sei dieser ein Kaufmann oder nicht, in der Regel formlos abgeschloffen und durch den Konsens der Be' ROHG. Bd. 9 S. 89, Bd. 20 S. 342, RGer. Bd. 25 S. 108. 2 Hievon unten §. 112. RGer. Bd. fS S. 68. 3 Vgl. HGB. §. 465 Abs. 1 u. 2.
* Vql. HGB. §. 465 Abs. 3. 6 RÄes. v. 28. Mai 1885 §§. 2, 15; R. Weyl, Lehrbuch des Reichsverficherungsrechts, 1894, S. 345.
Dom Frachtgeschäfte. teiligten bereits
perfekt;
doch
641
§. 56.
lommen
im Frachtverkehr
viererlei Urkunden vor: Dieses vom Absender auf Ver-
1. Der Frachtbrief.
langen des Frachtführers auszustellende') und alsdann mit
einem bestimmten Inhalte, den das Gesetz im Falle jenes Verlangens
fordert/) zu versehende Schriftstück hat nicht
die Bedeutung eines wesentlichen Erfordernisses des Fracht vertrags, sondern bient nur zum Beweise über den Vertrag
dem Frachtführer und
zwischen
„Absender"
ist
der mit
dem
Absender.
Frachtführer
dem
(Unter
abschließende
Transport-Auftraggeber, z. B. ein Spediteur, nicht aber
der den Spediteur beauftragende „Versender" zu verstehm.) Die Absicht bei Ausstellung des Frachtbriefs kann neben der Absicht, ein Beweismittel zu gewinnen, auch die sein,
dem Destinatär (Adressaten der zum Transport übergebenen
Güter)
Nachricht
über
den
Vertragsabschluß zu
geben,
ferner auch die, den Eintritt anderer Frachtführer in das Vertragsverhältnis thatsächlich zu erleichtem oder überhaupt, wie dies beim „durchgehenden Frachtbrief" der Fall ist, zu
ermöglichen; es kann aber die Absicht der Parteien bindend auch dahin gehen, daß die Perfektion des Vertrags von
der Ausstellung und Annahme des
sein
soll.
sobald
das
Frachtbriefs abhängig
Der
Eisenbahnfrachtvertrag
Gut
mit
dem
Frachtbriefe,
ist
abgeschlossen,
welcher mithin
obligatorisch ist, von der Versandtstation zur Beförderung angenommen ist.
Als Zeichen
der Annahme wird dem
1 HGB., S. 426 (lettre,, de S. 733 ff.; Schott im Hdbch. voiture, bill of lading). Über 8 336; vgl. DO. §§. 51-58, den Frachtbrief s. Goldschmidt, JÜb. Art. 5-8. HR. 1. Ausl. §. 75 Bd. I 2 * RGer. Bd. 4 S. 75. Sa Teil, Handelsrecht. 6. Aufl. 41
Kap. III.
642
Die Handelsgeschäfte.
Frachtbriefe der Tagesstempel der Abfertigungsstelle auf
gedrückt?)
Durch diese Vorschrift können die Eisenbahnen
jedoch die gesetzlich?) bestehende Haftung für den Schaden, welcher durch Verlust oder Beschädigung des Frachtguts seit der Annahme bis zur Abliefemng entstanden ist, nicht ausschließen
oder
aufschieben?)
In dem gesetzlich
vor
geschriebenen Inhalte des Frachtbriefs befindet sich auch die
Bestimmung über die Fracht (d. i. der Transportlohn, Entgelt für die Übernahme der Befördemng), sowie im Falle ihrer Vorausbezahlung ein Vermerk über die Voraus
bezahlung (Frankaturvermerk); die Unterschrift des Fracht
briefs
kann
im Wege
der mechanischen
Vervielfältigung
hergestellt sein?) 2.
Die
zoll-
Polizeivorschrift
Begleitpapiere.
und
steueramtlich
besonders Diese Papiere
1 BO. §. 54 und überein stimmend JÜb Art. 8: vgl. ROHG. Bd. 9 S. 440, Sb. 13 6. 154; aber RGer. Bd. 2 S. 57, wo rin früherer Abschluß an genommen wird. Der Fracht brief als lex contractus s. RGer. Bd. 1 S. 3, Bd. 4 S. 75. Im internationalen Eisenbahnsrachtverkehr ist nicht bloß die Fracht briesausstellung, sondern auch das Frachtbriesduplikat obli gatorisch (s. JÜb. Art. 8 Abs. 5 u. 6). Der Inhalt des Fracht briefs ist sowohl durch den JÜb. (Art. 6, 7), als auch durch die DO. (§§. 51, 53) genau sestgesteüt, durch die letztere auch die Form desselben (§. 52 RGBl. 1892, S. 944); auch die Ver
oder nach
erforderlichen muß
der Absender,
wendung der aus allen Stationen käuflichen Frachtbriesformulare ist obligatorisch; dieselben müssen für gewöhnliche Fracht auf weißem Papier, für Mfracht gleichfalls aus weißem Dapier, jedoch mit einem auf der Dorderund Rückseite oben und unten am Rande anzubringenden kar minroten Streifen gedruckt sein. Hierzu ist Schreibpapier zu ver wenden, welches die vom Reichs eisenbahnamte festgesetzte Be schaffenheit hat (f. Centralbl. f. d. Deutsche Reich 1892, S. 632). 2 HGB. §. 456. 3 RGer. Bd. 2 S. 56. 4 HGB. §. 426 und hiezu Gareis, Anm. 4—6 S. 379.
Dom Frachtgeschäfte,
wenn sie vor der Ablieferung an
lich
sind,
dem
§. 56.
643
den Empfänger erforder
der Absender
Frachtführer übergeben; *)
haftet dem Frachtführer, sofern nicht diesem selbst ein Ver schulden zur Last
fällt,
für
und Schäden
alle Strafen
(z. B. Zeitverlust), welche denselbm wegen Unrichtigkeit oder
Unzulänglichkeit der Begleitpapiere treffen.
Doch erfordert
der gute Glaube des Geschäfts, daß der erfahrenere Fracht führer dm weniger erfahrenen Absender auf das Fehlm oder die Mängel der Begleitpapiere aufmerksam macht, und es
erscheint als Verschulden des Frachtführers, roenn er
dies gegen besseres Wissen nicht thut.
Dies muß nament
lich auch gelten, wenn es sich um Begleitpapiere handelt, ivelche aus polizeilichen Gründen gefordert roerben, z. B. Leichenpäffe, Ursprungszeugniffe, veterinärärztliche Atteste in Fällen von Viehtransporten u. bergt.2)
3. Empfangsscheine.
führer dem
Solche giebt
der Fracht
Absender teils lediglich in der Absicht, den
Empfang des zum Transport übergebmm Gegmstands zu bestätigen, teils zugleich auch in anderer Absicht, insbesondere
auch in der, über die
Zahlung der Fracht zu quittieren
oder den Empfänger zur Empfangnahme zu legitimieren.
Es gehörm hieher von Eisenbahnen ausgestellte Aufnahme
scheine über Frachtgut,2) Gepäckscheine über Paffagiergut/) Transportscheine, „Viehzettel", Posteinlieferungsscheine u. a. 1 .MB. §. 427: JÜb. Art. i 1 v. Hahn, Komm. Bd. 2 10; SO. 8- 59:RGer Bd.26 S. S. 423; Keyßner, HGB. S. 104. Wegen der Ursprungs 441. zeugnisse für die aus meist« 3 BO. §. 54 Abs. 7 u. 8. begünstigten Ländern eingehenden 4 BO. §. 32 Abs. 3. Waren s. Centralbl- s- d. Deutsche Reich 1892, S. 71, 408.
Kap. III.
644 Als
Empfangsscheine
Frachtbriefduplikate.')
Dir Handelsgeschäfte.
fungieren
auch
die
abgestempelten
Die Ausstellung eines Frachtbrief
duplikats oder eines Aufnahmescheins hat jedoch zur Folge,
daß dem Absender das Verfügungsrecht
in transitu nur
dann zusteht, wenn er jenes Duplikat oder den Aufnahme
schein vorweist; würde in einem solchen Falle die Eismbahn die Anweisungen des Absenders befolgen, ohne sich
jenes Papier vorzeigen zu lassen, so ist sie für den daraus
entstehmden Schaden dem Empfänger haftbar, welchem der
Absender die Urkunde übergeben hat?) 4. Der Ladeschein.®)
Der Ladeschein ist eine Ur
kunde, durch welche sich der Frachtführer zur Aushändigung
des Frachtguts verpflichtet; die Ausstellung des Ladescheins
erfolgt nur auf Grund einer Vereinbamng zwischen dem
Absender und dem Frachtführer, des Inhalts, daß letzterer dem ersteren einen Ladeschein ausstellen soll?)
Hat eine
solche (fakultative) Vereinbarung stattgefunden, so muß der
Ladeschein den gesetzlich ®) aufgestellten Inhalt haben, ins besondere die Unterschrift des Frachtführers tragen. Ladeschein
entscheidet für die Rechtsverhältnisse
Der
zwischen
dem Frachtführer und dem Empfänger des Guts; die nicht
in denselben
aufgenommenen Bestimmungen
des Fracht
vertrags haben gegenüber dem Empfänger keine rechtliche
Wirkung,
sofern
nicht auf dieselben
' HGB. §. 455; VO. §. 54 i Abs. 5 u. 7. Hierüber f. die Ab- , Handlung: Der Abschluß des, internationalen Eifenbahnver- ' träges und die Bedeutung des | Frachtbriefs und Duplikats. Von Reg.-R. Dr. Gg. Eger, Breslau, im AfbR. Bd. 6 S. 127 ff. I
ausdrücklich
Bezug
« BL. §. 64 Abs. 2. 3 Schott im Hdbch. §. 348 und die dort Bd.3 S. 420 an gegebene Litt.; ferner GSyst. §. 125, S. 227 ff. 4 HGB. §. 444. 6 HGB. §. 445; vgl. ROHG. Bd. 17 S. 97.
Dom Frachtgeschäfte.
§• 56.
645
Für die Rechtsverhältnisse zwischen Fracht
genommen ist.
führer und Absender bleiben die Bestimmungen des Fracht
vertrags maßgebend, gleichviel, ob dieselben in einem Fracht briefe niedergelegt sind oder nicht?) Von den dinglichen Wirkungen, welche mit der Über« gäbe des Ladescheins verknüpft sind, ist an anderer Stelle
(f. oben §. 44 Seite 504, 505) gesprochen
wordm; der
Gewahrsam der Sache, welchen die Ausübung eines Pfand oder Zurückbehaltungsrechts voraussetzt, kann auf Grund
des rechtmäßigen Besitzes des Ladescheins ausgeübt werden; der
Ladeschein
kann
auf
den
Namen
des
Empfängers
lauten, aber auch an Order gestellt sein und ist letzterenfalls
durch Indossament übertragbar; ?) zum Empfang des Guts
legitimiert
an
ist derjenige,
welchen
das Gut nach
dem
Ladeschein abgeliefert werden soll, oder auf welchen der Ladeschein, wenn er an Order lautet, durch Indossament
ist;
übertragen
welcher
einen
weisungen
des
lieferung des
deshalb Absenders
Guts an
darf wegen
Frachtführer,
derjenige
ausgestellt
Ladeschein
hat,
späteren
Zurückgabe
oder
An Aus
einen anderen als dm durch dm
Ladeschein legitimierten Empfänger nur dann Folge leisten,
wenn ihm der Ladeschein zurückgegeben wird; handelt er
dieser Bestimmung entgegen, Inhaber des
Ladescheins
so ist er dem rechtmäßigen
für das
Gut
ist der Frachtführer zur Ablieferung
haftbar;8)
auch
des Guts nur gegm
Rückgabe des Lagerscheins, auf welchem die Ablieferung des Guts zu bescheinigen ist, verpflichtet?)
8 HGB. §. 447. 4 HGB. §. 448.
Die Handelsgeschäfte.
Kap. III.
646
Abgesehen von diesen Eigentümlichkeiten, die aus der
wird durch den Um
Natur des „Warenpapiers" folgen,
stand, daß der Frachtführer einen Ladeschein ausstellte, an den Rechten und Pflichten, welche aus den Frachtverträgen
Die Ausstellung von Lade
entspringen, nichts geändert.
scheinen ist namentlich im Dampf- und Segelschiffs-Ver kehr auf den Strömen und größeren Flüffen Deutschlands
üblich
(Flußkonnoffements),
nicht
auf den
Eismbahnen,
welche früher') die Ausstellung von Ladescheinen ausdrück im Reglement ablehnten,
lich
was jetzt nicht mehr der
Fall ist. Rechte und Pflichten aus dem Frachtverträge hängen
dem
von
durch
den Vertragswillen der Beteiligten frei
gestalteten Inhalt desselben ab:
dm Frachtvertrag
Das Gesetz enthält über
nur sog. dispositive oder Auslegungs
regeln, nicht zwingende
Vorschriften,
außer wo
es sich
ausdrücklich zwingmde Kraft beilegt (siehe folgende Para graphen).
II. Pflichten des Frachtführers.
führer
ist
im allgemeinen verpflichtet,
Der Fracht
das Gut,
desien
Transport er übernahm, rechtzeitig und fehlerlos, immer
aber
dem
(Adreffaten)
auch
Vertrage
entsprechend,
an
den
Destinatär
abzuliefern, hat dabei für seine Leute und
für fremde Personen zu
haften und alle Aufträge
des Absenders, bis zur Übergabe des Frachtbriefs an dm Destinatär,
Maßnahmen
regelmäßig zu befolgen
bei
Beanstandung
und muß bestimmte
oder
Verweigerung
der
1 Betriebsrcglem. v. 10. Juni I Eisrnbahnsrachtrecht (Jena 1894), 1870. B §. 5, Zifs.6; s. hier- | S. 125, 126, 70. über Rosenth al, Jnternation. !
Dom Frachtgeschäfte,
g. 56.
647
Abnahme treffen; die Pflichten können durch Vertrag —
abgesehen von Eisenbahnen
—
alteriert werden und ob
liegen dem Frachtführer gegenüber dem Absender, von einem bestimmtm Momente an gegenüber dem Destinatär, immer
jedoch
nur innerhalb einer kurzen Verjährungsfrist.
Im
einzelnen ist hinsichtlich der Verpflichtung des Frachtführers
folgendes zu bemerken:
1.
Rechtzeitige Lieferung obliegt dem Fracht
führer in der Art, daß er — in Ermangelung anderweiter, bei Eisenbahnen teilweise ausgeschloffener Verabredung —
für den Schaden
haftet, welcher durch Versäumung der
bedungenen oder üblichen Lieferungszeit entstanden ist, sofern
er nicht beweist, daß er die Verspätung durch Anwendung
eines ordentlichen Frachtführers nicht habe
der Sorgfalt
abwenden können?)
Die Lieferungszeit kann bedungen sein, und dies ist
auch dann der Fall, wenn die Lieferzeit durch Reglement bestimmt wird;
ist sie nicht ausdrücklich bedungen, so ent«
scheidet der Ortsgebrauch; durch
ihn wird alsdann auch
die Frist, innerhalb welcher die Reise angetreten werden muß, bestimmt; besteht kein Ortsgebrauch, so ist die Reise
binnen einer den Umständen des Falls angemeffenen Frist anzutreten;2)
wird der Antritt oder die Fortsetzung der
Reise durch Naturereigniffe oder sonstige Zufälle zeitweilig verhindert, so
braucht der Absender die Aufhebung des
' HGB. §. 429. 8 HGB. §. 428 Abs. I. Schadensersatz weg. Verspätung des Rciseantritts s. ROHG. Bd. 3 S. 136, 187: zu obigem vgl. Ullmann, Die
Handelsgebränche über Ladeund LSschzeit, Überlieaezeit und die Liegegelder bei Transport von Gütern auf Flüffen und Binnengewäfferni. preuß. Staate (Berlin 1888).
Kap. HI.
648
Die Handelsgeschäfte.
Hindernisses nicht abzuwarten, er kann vielmehr von dem
Vertrage zurücktreten, muß aber den Frachtführer, sofern demselben kein Verschuldm zur Last fällt, wegen der Kosten
zur Vorbereitung der Reise, der Soften der Wiederausladung und der Ansprüche in Beziehung auf die bereits zurückgelegte Reise entschädigen; über die Höhe der Entschädigung ent
scheidet der Ortsgebrauch und in dessen Ermangelung das
richterliche Ermessen?) Die Höhe jener Entschädigung, welche der Frachtführer
wegen Versäumung der Lieferzeit zu leisten hat, kann durch Vereinbarung festgesetzt sein („Versicherung des Jnteresies
rechtzeitiger Lieferung", im Eisenbahnfrachtverkehr als Fest
setzung des Maximums jenes Schadensersatzes durch eine
Deklaration in einer
besonderen Rubrik des Frachtbriefs
einzuleiten); eine solche Jnteresseversicherung hat nicht die Bedeutung einer Konventionalstrafe, es wird durch sie die
Schadensersatzforderung unausdehnbar auf den deklarierten „versicherten" Betrag eingeschränkt.
Ist aber für den Fall
verspäteter Abliefemng ein Abzug an der Fracht oder der
Verlust der Fracht oder sonst eine andere Konventional
strafe bedungen, so kann im Zweifel außerdem auch noch der
Ersatz
des
diesen
Betrag
übersteigenden
Schadens
gefordert werden, welcher durch die verspätete Abliefemng entstandm ist?)
2. Viel strenger als die Haftung des Frachtführers in Bezug auf die Zeit der Liefemng war seither die Haftung des Landfrachtführers (nicht des Binnenschiffers)3) für den 1 HGB. §. 428 Abs. 2; vgl. I » BGB. §§. 339-341. aber BSchG. §§. 42, 69, 71. 3 BSchG. §. 58, Abs. 1 s. I oben S. 638.
Vom Frachtgeschäfte.
Vollzug des
Transports
649
g. 56.
überhaupt;
er hastete nämlich,
wenn nichts anderes vereinbart war (waS bei Eisenbahnen
meist nicht zulässig ist), nach dem HGB. von 1861 *) für allen Schaden,
welcher durch Verlust oder Beschädigung
des Frachtguts seit der Empfangnahme bis zur Abliefemng
entstanden ist,
der Waren
also in
schlechthin
für
die
Ankunft
unbeschädigtem Zustande beim
Destinatär, ohne daß dabei dem Absender oder dem ein
Destinatär gut
darüber,
Beweis
verletzt oder vernichtet
wodurch sei
worden
das
oder
Fracht
inwieferne
der Frachtführer unsorgfältig gehandelt habe, irgend zu gemutet würde.
Dieser strengen Haftung gegenüber standm
seither dem Frachtführer nur zwei Entschuldigungen offen: der Nachweis, daß der Verlust oder die Beschädigung des Fracht
guts durch höhere Gewalt (s. unten S. 669 Anm. 1, S. 670) herbeigeführt wurde, und der Nachweis, daß der Verlust
oder die Beschädigung des Frachtguts durch die natürliche
Beschaffenheit des Guts, namentlich durch inneren Verderb, Schwinden, äußerlich
gewöhnliche Leckage und
nicht
erkennbare
Mängel
der
dergl.
oder durch
Verpackung
ent-
standm ist. Diese strenge Haftung ist durch das HGB. von 1897
als
gesetzliche Haftung
beseitigt:
bis
auf den
Eisenbahnverkehr ^)
nach ihm haftet der Frachtführer auch für
den durch den Verlust oder die Beschädigung des Guts entstehenden Schaden nur so,
wie
für dm durch
Ver-
1 Art. 395 Abj. 1, Bd. 4 S. Haftung i. receptum nautarum 14, Bd. 4 S. 302, Bd. 14 S. etc. s. GUGesch. S. 77 u. a. 294; RGer. Bd. 22 S. 147. » Hievon unten §. 57. Geschichtlicher Ursprung dieser
650
Kap. III.
Die Handelsgeschäfte.
säurmmg der Lieferzeit *) entstandenm (s. oben Ziff. 1 Seite 647, 648). Für Kostbarkeiten, Kunstgegenstände, ?) Gelder und Wert papiere haftet der Frachtführer jedoch nur dann, wenn ihm diese Beschaffenheit oder der Wert des Guts bei der Über gabe zur Beförderung angegeben ist. Die Höhe der Entschädigung ist nach verschiedenen Gesichtspunkten zu berechnen: a) Es ist der volle Schaden (also die erlittene Ver mögensminderung, dazu aber auch jeder mit Wahrscheinlich keit zu erwartende, nun aber entgangene3)* Gewinn) zu ersetzen, wenn dem Frachtführer nachgewiesen wird, daß durch seinen Vorsatz oder seine grobe Fahrlässigkeit der Schaden herbeigeführt wurde/) b) Ist dieser Nachweis nicht erbracht, so ist «) im Falle des gänzlichen oder teilweisen Verlustes der gemeine Handelswert zu ersetzen, welchen das Gut derselben Art und Beschaffenheit am Orte der Ablieferungß) zu der Zeit hatte, in welcher das Gut hätte abgeliefert werden sollen; davon kommt in Abzug, was infolge des 1 Über die Gründe der gesetz lichen Minderung der Fracht führerhaftung s. Denkschr. S. 3264; dre deutsche Gesetzgebung hat den Standpunkt jener stren gen Frachtsührerhastung schon im Binnenschiffahrtsgeseh vom 15. Juni 1895 (§. 58) aus gegeben ; behält sie aber bei hin sichtlich der Eisenbahnen, in Übereinstimmung m. dem Berner internationalen Vertrage vom 14. Ltt. 1890.
j 2 Neu hinzugefügt durch HGB. 1 ! v. 1897; wertvolle Ölgemälde ' rechnete schon RGer. Bd. 13 S. I 37 zu den besonders anzuzeigenden Gütern. 3 BGB. §. 252. 4 HGB. §. 430 Abs. 3. Hiezu s.Gareis, HGB.8-430 Anm.3. . 5 HGB. 8- 430, anders bei | Eisenbahnen s. HGB. 8- 457 vgl. unten 8- 57 und Gareis, HGB. 8- 430 Anm. 1, §. 457 | Anm. 1.
Vom Frachtgeschäfte, g. 56. Verlustes
thatsächlich
an
651
und Unkosten
Zöllen
erspart
wurde; /?) im Falle der Beschädigung ist der Unterschied zwischen dem Verkaufswerte des Guts im beschädigten Zustande und dem gemeinen Handelswerte zu ersetzen, welchen
ohne die Beschädigung
das Gut
am Ort und zur Zeit der Ab
lieferung gehabt haben würde, nach Abzug derjenigen Zölle
und
Unkosten,
welche
der
infolge
erspart
Beschädigung
worden sind?)
Hat das Gut keinen Handelswert, so ist der Berechnung des Schadens der gemeine Wert des Guts zu Gmnde zu
legen.
3. Haftung für Andere. a)
Der Frachtführer haftet: seine Angestellten, seine
„für seine Leute", d. s.
Bedienstetm, z. B. seine Kutscher, seine Packknechte, aber
auch für seine Kommis u. s. w., sowie für andere Personen,
deren er sich bei Ausführung des von ihm übernommenen Transports bedimt, im gleichen
Umfange wie im Falle
eigenen Verschuldens; b) für andere Frachtführer:
wenn der Frachtführer zur
gänzlichen oder teilweisen Ausführung des von ihm über nommenen Transports führer übergiebt,
das
Gut
einem
anderen
Fracht
so haftet er für diesen und die etwa
folgenden Frachtführer bis zur Ablieferung des Guts an
den Empfänger.
Jeder Frachtführer,
welcher auf
einen
andem Frachtführer folgt, tritt dadurch, daß er das Gut
mit dem ursprünglichen Frachtbriefe annimmt, in den Fracht' HGB. §. 430 Abs. 2. Ver | 2 HGB. §. 431, abgeschwüchte tragsftrasen wegen Verspätung Haftung im Vergleich mit dem li. . w. j. BGB. §§. 340, 341, HGB. v. 1861 Art. 400. 339, 285.
Die Handelsgeschäfte.
Kap. HI.
652
vertrag gemäß dem Frachtbrief ein und
übernimmt eine
selbständige Verpflichtung, den Transport nach Inhalt des
Frachtbriefs auszuführen. Es entsteht demnach eine zusammen hängende Reihe von Obligationen,
des ersten Frachtführers
und der Auftraggeber
(Absender)
oder — von einem
bestimmten Zeitpunkt an — der Empfänger kann sich nach
seiner freien Wahl wegen Beschädigung oder Verlust des Frachtguts
an
den
ersten
oder
letzten
Frachtführer
der
oder einen der Zwischenfrachtführer halten.
Hat aber auf
Grund dieser Vorschriften einer der beteiligten Frachtführer Schadensersatz geleistet, so steht ihm der Rückgriff auf den jenigen zu, welcher den
dieser
nicht
ermittelt
Schaden verschuldet hat.
werden,
so
haben
die
Kann
beteiligten
Frachtführer den Schaden nach dem Verhältnis ihrer Anteile an der Fracht gemeinsam zu tragen, soweit nicht sestgestellt wird, daß der Schaden nicht auf ihrer Beförderungsstrecke
entstauben ist?) 4.
Befolgung
senders
oder
des
der
Dispositionen des Ab
Empfängers.
Das
Frachtgut
steht regelmäßig in der Dispositionsgewalt des Absenders; ist der Empfänger (Destinatär) des Frachtguts der Käufer
desselben, und hat dieser den Frachtvertrag mit dem Fracht
führer
abgeschloffen, somit durch
Verkäufer abholen kaffen
und
an
letzteren das Gut beim
sich selbst adressiert, so
steht ihm die Dispositionsgewalt
über das Frachtgut von
vornherein zu —
ist dies
als Absender;
und der Frachtführer
Käufers und Destinatärs 1 HGB. §. 432.
nicht der Fall
auch nicht als ein Stellvertreter des
in einem Traditionsakte aufzu-
Vom Frachtgeschäfte.
§. 56.
653
fassen, so bleibt dem absendenden Verkäufer die Dispositions befugnis
über
das
auf dem Transporte
(en route,
in
transitu) befindliche Gut, und er kann dieselbe als Ver
folgungsrecht
(droit de
suite,
right
of stoppagd
in
transitu) *) zum Zwecke des Anhaltens der Ware behufs anderweiter Verfügung darüber,
z. B. wegen inzwischen
eingetretener Insolvenz des Destinatärs, geltend machen?) Allein nicht bloß
in den Fällen des von einem Verkäufer
ausgeübten Derfolgungsrechts, sondern überhaupt3) hat der
Frachtführer, welcher keinen Ladeschein ausgestellt hat, ohne weiteres
dm
späteren
Absmders wegen
Anweisungen
(Konterorders)
des
Zurückgabe des Guts oder wegm Aus-
lieferung desselben an einen
anderen als dm im Fracht
bezeichneten Empfänger
so lange Folge zu leisten,
brief
als er nicht letzterem nach Ankunft des Guts am Orte der
Abliefemng den Frachtbrief übergeben oder der Empfänger nach
Ankunft des
Frachtbriefs,
Klage
Guts,
jedoch
gegen
vor
Auslieferung
des
den Frachtführer auf Grund
des Frachtvertrags erhoben hat (s. unten Seite 656).
Hat der Frachtführer einen Ladeschein oder ein Fracht briefduplikat (wie es im intemationalm Eismbahnverkehre
nun stets erforderlich ist) ausgestellt, so hat er jenen späteren 1 Über dieses Berfolgungsrecht, | welches in verschiedenen Rechten i in einer strengeren und in einer milderen Form vorkommt, s. ! Goldschmidt HR. §. 82 g. ■ 858 ff.; Oetker, Tas Versolgungsrecht (Kassel 1883); Petersen und Kleinfeller, omi. zu h ov, Nr. jn. 2;. c.,, KonkO. Bem. §.. 36, Gareis im Hdbch. ' "8.269(Bd.2 " S. 633);; ®. u. F. S. 810,
834, 835; GZ. Bd. 28 S. 355; ROH®. Bd. 10 S. 70 ff., Bd. 12 S. 391, 394; RGer. Bd. 31 S. 134, Bd 32 S. 19. §. 44; '— RGer. "" Bd. r« KonkO. ~ 86., ov. Bd. 27 S. 84; G. u. 13 £. ov F. S. 834, 835. 2 88 HGB.'ß. 433; hiezu s.RGer. ob. 13 S. 168; auch 91D6®. Bd. Bd. 6 S. 273, Bd. 16 S. 196.
Kap. Hl. Die Handelsgeschäfte.
654
Anweisungen des Absenders nur dann Folge zu leisten, wenn
ihm der Ladeschein zurückgegeben, bezw. daS Frachtbrief duplikat vorgezeigt wird.')
Nach der Ankunft des Frachtguts am Bestimmungsort und mit der alsdann erfolgten Übergabe des Frachtbriefs,
nicht schon mit der Avisierung?) endet die Dispositions gewalt des Absenders als solchen (s. aber unten S. 656 f.)
und beginnt das volle Verfügungsrecht des Empfängers:
von da an hat der Frachtführer nur die Verfügungen des letzteren zu beobachten, widrigenfalls er diesem ebenso haftm
müßte, wie wenn das Gut verloren gegangen wäre. einer Richtung jedoch Destinatärs schon
In
entsteht das Verfügungsrecht des
vor Ankunft des Guts am Orte der
Abliefemng, nämlich in der Richtung auf solche Maßregeln, welche zur Sicherstellung des Guts
Frachtführer
hat
diesen
erforderlich sind; der
Anordnungen
Folge
zu
leisten,
jedoch im Falle sich die Anweisungen des Absenders und
des Empfängers widersprechen, denen des ersteren den Vor
zug zu geben;
so kann der Empfänger insbesondere die
Ausliefemng des Guts vor dessen Ankunft am Orte der Abliefemng
wenn der Absender den
nur dann fordem,
Empfänger hiezu ermächtigt hat?)
5.
Verpflichtung
zur
Auslieferung.
Der
Frachtführer ist verpflichtet, das Frachtgut am Orte der Ablieferung dem durch den Frachtbrief genau bezeichneten
Empfänger auszuliefern, sofern nicht rechtzeitig Konterorder erfolgte; hat der Empfänger eine Handelsniederlassung, für
welche das Gut bestimmt ist, so hat der Frachtfiihrer an
Dom Frachtgeschäfte,
g. 56.
655
diese abzuliefern, auch dann, wenn der Inhaber derselben, der im Frachtbrief genannte Destinatär, während des Trans
ports des Gutes starb. schein ausgestellt,
so
Hat der Frachtführer einen Lade
ist die Empfangsberechtigung und
Auslieferungsverpflichtung durch den Inhalt desselben be
stimmt?) Weigert sich der Destinatär, die Fracht zu bezahlen, so ist diese Thatsache als Ablehnung der Annahme anzu
sehen?)
6. Ist der im Frachtbrief bezeichnete Empfänger nicht
zu ermitteln, oder entsteht Streit über die Annahme, so liegt es in der Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers,
dm Zustand des Guts amtlich feststellen zu lassen und für die Unterbringung der Ware provisorisch Sorge zu tragen, auch dm Absender von den erwähnten Vorfällen in Kmntnis zu setzm?)
7. Vertretung der Rechte der Vormänner,
sofern das Gut durch die Hände mehrerer Frachtführer geht.
Der
letzte
Frachtführer hat bei der Ablieferung,
sofern der Frachtbrief nichts anderes bestimmt, die Rechte
der vorhergehenden auszuüben.
Wenn er das Gut ohne
Bezahlung abliefert und das Pfandrecht nicht binnm drei
Tagen nach der Ablieferung gerichtlich geltend macht, so
wird er, sowie die vorhergehenden Frachtführer und die Spediteure des Transports des Rückgriffs gegen die Vor-
1 HGB. §§. 447—148. 1 HGB. §. 437; vgl. ROHG. Bd. 2 S. 417. 8 S. vorige Anin. (2) u. hiezu RLHG. Bd. 17 S. 181; die zur Feststellung des Zustands
. i \ '
des Gutes zuzuziehendcn Sachverständigen werden durch das Gericht ernannt (s. EDO. §§. 488 ff.). — Abweichend BSchG. §§. 49 bis 56; s. unten §. 58.
Kap. III. Die Handelsgeschäfte.
656
männer verlustig.
(Der Anspruch gegen den Empfänger
bleibt in Kraft.)')
Alle
erörterten Verpflichtungen
obliegm dem Fracht
führer zunächst gegenüber dem Absender, so daß dieser die Klagen wegen Nichterfüllung derselben gegen den Fracht
führer
erheben
kann;
dieses
Klagerecht
des
Absmders
währt, von besonderen Vereinbarungen abgesehen, so lange, als seine Dispositionsgewalt dauert, mithin
bis zur Ab
lieferung des Frachtbriefs an den Destinatär und Ankunft des Frachtguts am Bestimmungsort; allein neben dem
so weit ausgedehntm Verfügungsrecht des Absmders besteht schon vor Ankunft des Gutes das erwähnte Sicherstellungs
recht des Destinatärs,^) und schon vor der Übergabe des Frachtbriefs, jedoch nach der Ankunft des Guts an seinem
Bestimmungsort
der
hat
im
Frachtbriefe
bezeichnete
Destinatär das Recht, den Frachtführer zur Erfüllung seiner Verpflichtungm (Ziffer 1—6), wenn nötig, klageweise, in eigenem Namm, sei
es in eigenem, sei es in fremdem
Jntereffe anzuhalten; diese himach etwa anzustellende Klage
des Destinatärs kann auch auf Übergabe des Frachtbriefs
und Ausliefemng des Frachtguts gerichtet sein; da jedoch, wie erwähnt, dem Absender bis zur Übergabe des Fracht briefs das Recht zusteht, Konterorder zu erteilen, so ergiebt
sich
bis
dahin das Klagerecht des Empfängers als ein
schwächeres, untergeordnetes Recht; das Recht des Absenders, Konterorder zu gebm, endigt jedoch, sobald der Destinatär
Klage gegen dm Frachtführer nach Ankunft des Guts am
Bestimmungsorte wirklich erhoben hat; das Klagerecht auf
1 HGB. §§. 441, 442.
Dom Frachtgeschäfte, g. 56. Übergabe
deS
Frachtbriefs
und
657
Aushändigung deS
am
Bestimmungsort angekommenen Guts steht dem Destinatär (Adressaten des Frachtbriefs) gegm den Frachtführer nur mit der Beschränkung zu, Frachtführer
daß nicht der Absender dem
eine noch zulässige Gegemveisung vor An
stellung der Klage gegeben hat.
Der Frachtführer ist seiner Verpflichtungen ledig, sobald
daS Gut angenommen und (sofern nicht Vorausbezahlung
(Frankatur) erfolgte) die Fracht bezahlt istT)
solcher Mängel,
welche
bei
der
Ablieferung
Nur wegen
der
Ware
äußerlich nicht erkennbar warm (z. B. Manko am Netto gewicht, Bruch u. dergl.), kann der Frachtführer auch nach
der Annahme des Gutes und nach Bezahlung der Fracht noch in Anspruch genommen roerben, vorausgesetzt,2) a) daß
der Mangel in der Zeit zwischm der Übernahme des Gutes durch den Frachtführer und der Ablieferung entstanbm ist
und die Feststellung des Mangels durch amtlich2) bestellte
Sachverständige unverzüglich nach der Entdeckung und spä1 HGB. §. 438 Abs. 1; erlöschen. — Ein einseitiger Vor (über das Genehmigungsprinzip behalt des Empfängers bei An s. RGer. Bd. 6 S. 104, Bd. 25 nahme des Gutes tfi wirkungs S. 32, vgl. auch ROHGB. Bd. los, ein mit Zustimmung des aber 13 S. 415); im Prinzip über Frachtführers gemachter einstimmend Art. 408 des HGB. e, ebenso wie ein Anervon 1861 und Berner Eisenbahn lis der gerügten Mängel vertrag vom 14. Oktober 1890 durch den Frachtführer (vgl. Art. 44 Abs. 1, aber abweichend Berner Vertrag Art. 44 Abs. 3); Binnenschiffahrtsgeseh §. 61 (und s. Denkschr. S. 3266, 3267. Seehandelsrecht, nämlich nun 2 Die Voraussetzungen der §§. 614ff.), wo schon mit der späteren Reklamation sind neu Annahme des Guts ohne Rück geordnet im HGB. von 1897; sicht aus die Zahlung der Fracht die Vergleichungen s. GareiS, die Ansprüche gegen den Ver- HGB. Anm. 3—7 S. 386—387. ftachter aus dem Frachtverträge 8 S. Anm. 3 S. 655. 42 Garet-, Handelsrecht. 6. Lust.
Kap. HI.
658
binnen einer Woche nach der Annahme beantragt
testens
wird.
Die Handelsgeschäfte.
Ist dem Frachtführer der Mangel unverzüglich nach
der Entdeckung und binnm der bezeichneten Frist angezeigt, so genügt es, wenn die Feststellung unverzüglich nach dem
Zeitpunkte beantragt wird, bis zu welchem der Eingang
einer Antwort des Frachtführers unter regelmäßigen Umfländm erwartet werden darf.
Die Kosten einer von dem Empfangsberechtigten be antragten Feststellung sind von dem Frachtführer zu tragen,
wenn ein Verlust oder eine Beschädigung ermittelt wird, für welche der Frachtführer Ersatz leisten muß.
Der Frachtführer kann sich auf diese Vorschriften nicht berufen, wenn er den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat?)
In Bezug auf die Verjährung der Klagen und Ein reden gegen dm Frachtführer wegen Verlust, Beschädigung oder Verspätung gelten im Frachtrechte die nämlichen Grund
sätze wie im Rechte des Speditionsgeschäfts?)
(s.
oben
S. 593 bis 594).
Rechte des Frachtführers.
Hl.
1.
Der Frachtführer kann die zur zoll- und steueramt-
lichm Behandlung des Frachtguts
erforderlichen Begleit
papiere fordem (s. oben S. 642 f.).
2.
Er hat hinsichtlich der Feststellung des Zustandes
der Ware, im Falle Streit über diesen oder über die An nahme entsteht, dieselben Rechte, wie der Adresiat (s. oben S. 655).
3.
Er hat das Recht, vom Empfänger die Zahlung
1 HGB. §. 438. ' HGB. §. 439.
Anders BSchG- §§. 61, 117.
Vom Frachtgeschäfte. der
ausdrücklich
vereinbarten
659
§. 56.
oder tarifmäßigen Fracht *)
zu fordern; diese Forderung kann erst nach Annahme des Frachtguts und des Frachtbriefes geltend gemacht werden,
und der Empfänger ist, sofern er nicht auch Absender ist,
dann und deshalb zur Zahlung verpflichtet, wenn und weil
er das Frachtgut nebst Frachtbrief angenommen hat; jedoch hat die Zahlung, wenn auch die Empfangnahme vorher
geht, in der Regel sofort (Zug um Zug) zu erfolgen.2) Wurde das Frachtgut nicht bis an dm ursprünglich vereinbarten Bestimmungsort geliefert, z. B. weil der Ab-
fenber Konterorder erließ, oder
weil der Weitertransport
durch höhere Gewalt unmöglich wurde, so endet zwar der Frachtvertrag,2)
aber
der
Frachtführer
hat
das
Recht,
Distanzfracht4) zu fordern, vorausgesetzt, daß er daS Gut
überhaupt beförderte und in dieser Beförderung eine für den Absender nicht wertlose Leistung liegt. 4.
In ähnlicher
Ausdehnung
und
Wirksamkeit
wie
der Spediteur am Speditionsgute hat der Frachtführer am
Frachtgute ein Pfandrecht zur Sicherung aller durch
dm
konkreten Frachtvertrag begründeten Forderungm (also nicht wegen anderer gegenüber demselben Schuldner entstandenen
Forderungen); insbesondere besteht dieses Pfandrecht wegm der Fracht-, Liege- und Zollgelder und anderer Auslagen
des Transports.
Dieses gesetzliche Pfandrecht mtsteht, so
bald dem Frachtführer eine Forderung erwachsen und das
Gut überliefert ist; es Gewahrsam
hat,
besteht, solange er es in seinem
oder das Gut bei einem Drittm, einer
i ROHG-Bd. 21 S.188,108. 8 ROHG. Bd. 2 S. 238, Bd. 20 S. 377.
8* ROHG. Bd. 8 S. 320. 4 ROHG. Bd. 3 S. 136.
660
Kap. UI.
Lagerhausverwaltung
Die Handelsgeschäfte.
u. bergt amtlich ober nichtamtlich
niüiergelegt ist, ja es bauert auch nach ber Ablieferung
fort, insofern ber Frachtführer es Binnen brei Tagen nach ber Ablieferung gerichtlich geltmb macht, vorausgesetzt, baß
bas Gut sich noch beim Empfänger ober bei einem biesen
im Besitz vertretenben Dritten befinbet. *) Die Geltenbmachung bes Pfanbrechts, insbesonbere bie
Verkaufsbefugnis, auch bie eigenartige Succession ber mit bem Transporte besselben Guts befaßtm mehrerm Fracht
führer richtet sich nach bmselben Normen, welchen bas
Pfanbrecht bes Spebiteurs unterliegt.1 2)
Geht bas Fracht
gut burch bie Hände mehrerer Frachtführer, so hat ber
letzte bei ber Ablieferung, sofern nicht ber Frachtbrief bas Gegenteil bestimmt, auch bie Forberungen ber Vormänner,
unb zwar (nach bem neuen Hanbelsrechte) nicht bloß bie aus
bem Frachtbriefe sich
ergebenben Rechte ber Vormänner,
fonbem alle burch ben Frachtvertrag begründeten Forde rungen berfelben einzuziehen unb beten Rechte, auch das
Pfandrecht,
auszuüben und zwar auch
für Spediteure.
Zur Geltmdmachung der Rechte ber Vormänner ist ber
nachfolgenbe Frachtführer nicht bloß berechtigt, fonbetn ver Gewohnheitsrechtlich ist festgestellt, baß bet
pflichtet2).
Klage bes letzten Frachtführers seitens bes Absenders ober
1 HGB. §. 440, vgl. auch BSchG. §. 67. » Die im BGB. §. 1234 Abs. 1 bezeichnete Androhung'des Pfandverkaufs, sowie die in den §§. 1237, 1241 desselben vor gesehenen Benachrichtigungen find an den Empfänger zu richten.
Ist dieser nicht zu ermitteln, oder verweigert er die Annahme des Gutes, so hat die Androhung und Benachrichtigung gegenüber dem Absender zu erfolgen. HGB. §. 440. 8 HGB. §§. 441, 442.
Von der Beförderung von (Sühnt ic.
8- 57.
661
Empfängers Einreden aus der Person eines Vor
mannes des Klägers nicht entgegengesetzt werden bürfen.1)* Da sowohl dem Kommissionär, wie dem Spediteur und
dem Lagerhalter,
wie
Frachtführer gesetzliche
dem
auch
Pfandrechte an der von ihnm geschäftsmäßig behandelten Ware zustehen,*)
alle
teiligt sein können, so
Kollision
aber
an
gesetzlicher
mehrerer
einer Warensendung be
ist der Fall einer Konkurrenz und Pfandrechte möglich;
das
Gesetz mtscheidet diesen Fall folgendermaßen:
a) unter denjenigen Pfandrechten, welche durch die Ver
sendung oder durch
die Beförderung des Guts entstanden
sind, geht das später entstandene dem früher entstandenen vor; b) diese Pfandrechte haben sämtlich den Vorrang vor dem nicht aus der
Versendung entstandenen
Pfandrechte
des Kommissionärs und des Lagerhalters vor dem Pfand
rechte
des
Spediteurs
und
des
Frachtführers
für Vor
schüsse;
c) unter den
übrigen Pfandrechten
geht
das früher
entstandene dem später entstandenm vor.3)
(über die einjährige Verjährung zu Gunsten des Fracht führers s. obm II a. E. S. 658.) §. 57. 7. von der Beförderung von Gütern und Personen ans de«
Eisenbahnen.4)
A)
Von der Beförderung durch Eisenbahnen im all
gemeinen.
i ROHGB. Bd. 20 S. 190; LabantirnGZ. Bd. 9 S. 467, 468; Keyßner HGB. S. 468 bir 469.
' HGB. 88.397,410,421,440. "HGB. §. 443; BGB. §§. 1209, 1257. 4 Litteratur s. bei Schott im
Kap. m.
662
Die Handelsgeschäfte.
Die Eisenbahnen sind, wie erwähnt (s. Anm. 3 S. 657),
Frachtführer
und
Anstalten
zur
Beförderung
von
Per
sonen zu Lande; die von diesen wichtigstm Landverkehrsein
richtungen gewerbsmäßig betriebenen Beförderungsgeschäfte müssen durch besondere Rechtsnormen geregelt sein, nicht bloß durch Normen des öffentlichen Rechts, wegen ihrer her
vorragenden Bedeutung
für das staatliche und überhaupt
öffentliche Leben/) sondern auch durch besondere privatrechtliche Hdbch. Bd. 3 §. 352 ff. Ferner Internationales Eisenbahnfracht recht auf ..Grund des inter nationalen Übereinkommens vom 14. Okt. 1890 und der Konferenz beschlüsse von Mai und Sept. 1893, dargestellt von Eduard Rosen thal (Jena 1894). Eisenbahn rechtliche Entscheidungen und Ab handlungen, Zeitschrift für Eisen bahnrecht , herausgegeben von Georg Eger (Breslau, I. H. Kerns Verlag), seit 1885. Pappenheim, Transportae8äst nach dem Entw. d. HGB. 96; Co sack, Lehrb. §§. 86 ff. 1 Die öffentlich-recht lichen Verhältnisse der Eisen bahnen sind nicht zu erörtern, und zwar weder die staats rechtlichen (worüber nachge lesen werden kann bei La band, Staatsrecht d. Deutschen Reiches Bd. 2 S. 103 ff. und Zorn, Staatsrecht d. Deutschen Reiches Bd. 2 S. 292 ff.), noch auch die völkerrechtlichen (worüber orientiert Meili in v. Holtzendorffs Hdbch. d. VölkerR. Bd. 3 S. 257 ff., v. Liszt, VölkerR. (1898) S. 160 ff. und Ullmann, VölkerR. im Hdbch. d. öffentl. Rechts Bd. 11I 2, S. 293), noch
auch die prozeßrechtlichen Sonderbestimmungen, a. B. die über die Privilegierung des Fahr materials in Bezug aus Pfändung (f. RGBl. 1887 S. 153), sondern nur die handelsrechtlichen; von den nichthandels-, aber bür gerlich-rechtlichen Sonder-Vor schriften für Eisenbahnen sei aber hier wenigstens hingewiesen aus die unbedingte Haftung für Er sah des Schadens auS den beim Eisenbahnbetriebe herbeigeführten Tötungen und Körperver letzungen, wobei nur zwei Entlastungsbeweise offen stehen, näm lich der der höheren Gewalt und der des eigenen Verschuldens des Verletzten, s. Haftpflichtgesetz v. 7. Juni 1871 §. 1. In Bezug auf diese und ähnliche Haftungen s. Stobbe, D. PrivR. Bd. 3 S. 394 ff. Von den das Eisen bahntransportwesen berührenden völkerrechtlichen Vorgängen muß aber hier wenigstens so viel erwähnt werden, daß auf die internationalen Vereinbarungen aufmerksam gemacht wird, welche aus die Herbeiführung eines internationalen Frachtrechts ge richtet find. Nachdem schon seit ; 1873 es nicht an Anregungen
Von der Beförderung von Gütern re.
§• 57.
und insbesondere handelsrechtliche Grundsätze,
663
und zwar
letzteres aus wirtschaftlichen Gründen; denn die dem öffentzur Erreichung dieses Zweckes gefehlt hatte und die Regierungen fast sämtlicher europäischer Staa ten der von der Schweiz aus gegangenen Einladung zu einer Konferenz folgen zu wollen sich bereit erklärt und dieser auch durch Herstellung von Ent würfen vorgearbeitet war, trat zur Beratung derselben am 13. Mai 1878 zu Bern eine Konferenz zusammen, welche von neun Regierungen beschickt war (nämlich vom Deutschen Reiche, Österreich - Ungarn, Belgien, Frankreich, Italien. Luxemburg, Niederlande, Rußland, Schweiz), und unter Abänderung einzelner Punkte des daselbst entworfenen Übereinkommens ihre Fortsetzung im September und Oktober 1881, ihren Abschluß im Juli 1886 aus neuen Zusammenkünften in Bern fand; am 14. Oktober 1890 unterzeichneten die Delegierten der genannten neun Vertrags staaten (der österreichische De legierte auch für das Fürstentum Lichtenstein) den vereinbarten Entwurf des „Internationalen Übereinkommens über den Eisen bahnfrachtverkehr" (RGBl. 1892 S. 793-869) nebst dem Regle ment, bctr. die Errichtung eines Centralamtes (es ist errichtet in Bern), ferner Aussührunasbestimmungen mit vier Anlagen (s. nun RGBl. 1892 S. 874-917 und ein .Protokoll", RGBl. 1892 S. 918-920); die Volks
vertretungen erteilten die er forderlichen Zustimmungen — der deutsche Reichstag am 9. März, 24. April und 2. Mai 1891 —, am 30. September 1892 fand in Bern der Austausch der Ratifikationsurkunden und am 29. Oktober 1892 in Berlin die Ausgabe des RGBl. (1892 Nr. 39) statt, welches die Grundlage des modernen Eisenbahnverkehrsrechts als deutsches Reichsgefetz proklamiert. Das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn haben die Bestimmungen des inter nationalen Übereinkommens vom 14. Oktober 1890 fast ganz auch für den internen Ver kehr jeder dieser Länder an genommen, ersteres in der „Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands" v. 15. November 1892, welche an die Stelle deS „Betriebsreglements für die Eisenbahnen Deutschlands" vom 11. Mai 1874 (Centralbl. f. b. Deutsche Reich 1874 S. 179) mit dem 1. Januar 1893 ge treten und im RGBl. 1892 S. 923-1014 veröffentlicht ist; auch der „Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen" nahm die Normen des internationalen Übereinkommens v. 14. Oktober 1890 in seinem neuen Vereins betriebsreglement an, so daß seit 1. Januar 1893 hienach ein neues und wesentlich einheitliches Eisenbahnfrachtrecht gilt für den internen Verkehr von 59 deut-
664
Kap. HL
Die Handelsgeschäfte.
lichen Verkehre dienenden Eismbahnm sind thatsächlich im
Genusse eines Monopols; auf ihren Linien schließen sie in ihrer Beförderungsweise
selbstverständlich jede Konkurrenz
aus und könnten diese thatsächlich privilegierte Stellung durch
ihnm besonders günstige, das Publikum aber benachteiligende Verträge ausnützen, wenn ihnm wie anderen Frachtführem (§§. 425 ff.) Vertragsfreiheit in vollem Maße
zustände.
Der Gesetzgeber sieht sich daher wie beim Erlasse des HGG.
von 1861 noch immer genötigt, im Interesse des Publikums die vertragsmäßige Festsetzung im Verkehre des letzteren mit dm Eisenbahnen auf ein gewisses Maß zu beschränken.
Die
Eisenbahnm aber können dies bei ihrer kapitalistischen Fundierung und Leistungsfähigkeit
sehr
wohl
vertragen, die
Tarife bieten die Möglichkeit, die Verpflichtungen zu
re-
partierm und im gewissen Sinne selbst auf das Publikum
überzuwälzen.
Und so ist es denn auch keine Unbilligkeit,
wmn den Eismbahnm nach wie vor strengere Haftungen
auferlegt roerben. Die Handelsgesetzgebung von 1861
suchte den Schutz
des Publikums dadurch zu erreichen, daß sie gewisse Grenzen
dm Verträgm zog und innerhalb dieser Grenzen Vertragsschen und 38 österreichisch-unga rischen Eisenbahnen und Zugleich für dm internationalen Verkehr zwischen den vorgenannten neun mitteleuropäischen Vertragsstaaten. Dre Liste der Eisenbahn strecken, aus welche das Jub. An wendung findet, ist in neuer (fünfter) Ausgabe (v. 1. Januar 1898) erschienen im RGBl. 1898 Nr. 4 S. 7—26; hiezu s.nun noch RGBl. 1898 S. 32, 177,
429, 441, 911, 1032, 1185. Dieses neue Eiscnbahnfrachtrccht, wie cs in der „Verkehrsord nung" (RGBl. 1892 S. 923 ff.) und im „Aereinsbetriebsreglement" niedergelegt ist, ist ge halten und getragen von dem völkerrechtlichen Vertrage vom 14. Oktober 1890, welcher in allen ihm beigetretenen Staaten Gesetzeskraft erlangt hat. So Rosenthal a. a. O. S. 5.
Von der Beförderung von Gütern rc.
§. 57.
665
freiheit gestattete; die Eisenbahnen nützten letztere stets bis dicht an diese Grenzen aus, und als die den Vertragsinhalt bildenden ^Bestimmungen zufolge der Ausbildung deS deutschen Eisenbahnrechts im Verordnungswege selbst fest gesetzt wurden, da gingen auch diese amtlichen Festsetzungen des Vettragsinhalts bis an die äußerste Grenze des den Eisenbahnen Erlaubten. Unter diesen Umständen ist eS wirklich, wie die Denkschrift, mit welcher der Entwurf deS neuen Handelsgesetzbuchs von 1897 dem Reichstage vor gelegt wurde, hervorhebt, einfacher, die Haftung der Eisen bahnen deratt zu regeln, daß die betreffenden Vorschriften unmittelbar, d. h. ohne den Umweg einer Aufnahme in den Frachtvertrag, zur Anwendung kommen. Dies geschieht teils dadurch, daß das Gesetz selbst die Hastungsregeln direkt ausspricht, teils dadurch, daß eine staatliche Verordnung, die Eisenbahnverkehrsordnung, mit Gesetzeskraft bekleidet und zum zwingenden Recht erhoben wird, soweit sie selbst dem über ihr stehenden Reichsgesetze (HGB.) nicht wider spricht; *) der Spielraum für Haftvereinbarungen im voraus ist sonach sehr beschränkt, und zwar, wie die Gründe zeigen, wohl mit Recht. Für die gesetzliche Regelung der Haftungen der Eisenbahnm muß selbstverständlich der auch vom Deutschen Reich unterzeichnete Berner internationaleVer™ len oder be1 HGB. §. 471. Die nach I ~ Verträge auSgeschlossei den Vorschriften der §.432 Abs. 1, schränkt werden. Besti . Kimmungen, 2 (s. oben S. 652), 439 (f. welche dieser Vorschrift zuwider oben S. 658), 453 (f. unten laufen, sind nichtig. DaS Gleiche S. 667—669), 455-470 (s. unten gilt von Vereinbarungen, dre S. 670—678) begründeten Ver mit den Vorschriften der Eisen pflichtungen der Eisenbahnen bahnverkehrsordnung im Wider können weder durch die Ersen sprüche stehen. bahnverkehrsordnung, noch durch
666
Kap. UI.
Die Handelsgeschäfte.
trag über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Oktober 1890 *) vor allem maßgebend
sein; diesem kann sich der deutsche
Gesetzgeber um so leichter anschließen, als derselbe in der Hauptsache ja
gerade auf dem
deutschen
Rechte
beruht,
dessen Bestimmungen zum Teil wörtlich in den Tenor des selben ausgenommen worden sind.
Zufolge der eben erwähnten
systematischen Änderung
sind nun aber die in der Eisenbahnverkehrsord
nung enthaltenen Haftungsbestimmungen fortan nicht mehr als Vertragsnormen,
sondem als Regeln des objek
tiven Rechts anzusehen und geltend, daher kann das Rechtsmittel der Revision nach §. 549
(früher 511) der
CPO. auf eine Verletzung dieser Regeln gestützt und der höchste
Gerichtshof mit der Nachprüfung der Anwendung
der Eisenbahnverkehrsordnung befaßt werden?) Auch die Personenbeförderung ist in den Bereich handelsrechtlicher Regelung gezogen; für den Seeverkehr ge
schah dies bereits mit der Einführung des HGB. von 1861,
s. nun §§. 664—678; für den Eisenbahnverkehr geschieht es nun durch Verweisung auf die einschlägigen Bestimmun gen der Eisenbahnverkehrsordnung,
deren bindende Kraft
auch in dieser Beziehung das Gesetz, wie erwähnt, regelt?) Hievon s. unten C S. 678 ff. Kleinbahnen
finden die
1 über diesen Beitrag und sein Verhältnis zum Frachtrecht überhaupt und dieses zum Eisen bahnfrachtrecht s. dieAndeutungen in Anm. 1 S. 662 und in den Anmerkungen zum §. 56.
ihren
Verhältniffen ent-
3 Dies steht fortan außer Zweifel, während es bisher nur vereinzelt und, wie manche» scheint, nicht ganz zutreffend an genommen wurde. 3 HGB. §§. 471, 472.
Von der Beförderung von Gütern rc.
sprechende Berücksichtigung;
§. 57.
667
sie können insbesondere nicht
über ihre Bahnstrecken hinaus verpflichtet roetben.1) B) Von dem Frachtgeschäfte der Eisenbahnen insbesondere. I. Trotz aller Verschiedenheiten im einzelnen bleibt der Aus
gangspunkt
für
die Regelung
des
EismbahnfrachtrechtS
doch das Recht des Frachtgeschäfts des HGB. (§§. 425 ff.); dieses, das gewöhnliche Frachtführerrecht des Handelsrechts (f. oben §. 56), gilt auch für das Frachtgeschäft der dem
öffentlichen Eisenbahnverkehre dienenden Eisenbahnen, nämlich insoweit nicht das HGB. selbst (Buch in, Abschnitt 7)
oder die Eisenbahnverkehrsordnung ein anderes
bestimmt.
II. Die erste handelsgesetzliche Einschränkung der Eisen bahnen besteht darin, daß dieselben, wmn sie überhaupt dem Publikum zur Benutzung für den Gütertransport eröffnet
ftnb,2) nicht beliebig Verfrachtungen ablehnen dürfen.
Es
muß vermieden werden, daß die Bahnverwaltungen nur solche
Transporte annehmm, welche besonders rentabel oder ohne besonderes Risiko u.dergl. zu vollziehen wären, demnach findet ein Zwang zum Vertragsabschluffe
Eisenbahnen für die Transporte
gegen die öffentlichen
auf
ihren Bahnstrecken
(„Transportzwang") statt, und nur ausnahmsweise dürfen 1 HGB. §. 473. Bei einer förderungsbedingungen derBahndem öffentlichen Verkehre dienen unternehmung maßgebend. Den den Bahnunternehmung, welche Vorschriften deS HGB. §. 453 der Eisenbahnverkehrsordnung unterliegt eine solche Bahn nicht unterliegt (Kleinbahn), sind unternehmung nur mit der Maß insoweit, als in den §§. 453, gabe, daß sie die Übernahme 459, 460, 462—466 (s. II auf von Gütern zur Beförderung aus dieser S., V S. 671, VII S. ihrer Bahnstrecke nicht verweigern 673, VIII—X S. 674—676) darf. (Vgl. Eger, Ges.über die auf die Vorschriften der Eisen- Kleinbahnen 1897.) bahnverkchrsordnung verwiesen 8 So nach HGB. v. 1861 ist, an deren Stelle die Be Art. 422.
668
Kap. UI.
Die HandelsgeschLste.
sie die Eingehung von Güterfrachtverträgen ablehnen; dem
Transportzwange unterliegen deutsche öffentliche Eisenbahnen fortan nicht mehr bloß für ihre Strecken/) sondem nach dem
HGB. von 1897 in Bezug aus die Befördemng nach jeder für den Güterverkehr eingerichteten Station innerhalb des
Deutschen Reiches, nach dem Berner Vertrag auch für den entsprechenden auswärtigen Verkehr, Kleinbahnm sind aus-
genommm (s. oben); die Ablehnung ist — bei Vermeidung
des Anspmches auf Ersatz des
aus der Ablehnung ent-
springendm Schadens — verboten, sofern
1.
der Absender
sich dm geltmden Beförderungsbe
dingungen und den sonstigen allgemeinen Anordnungm der Bahnverwaltung unterwirft (JÜb. Art. 5 Ziff. 1),
2. die Beförderung
nicht
nach
gesetzlicher
Vorschrift
oder aus Gründm der öffmtlichen Ordnung verbotm ist (JÜb. Art. 2 Ziff. 8),2)
3. die Güter nach der Eisenbahnverkehrsordnung oder den gemäß der Verkehrsordnung erlassenen Vorschriften und, soweit diese keinen Anhalt gewähren, nach der Anlage und
dem Betrieb der beteiligten Bahnen sich zur Beförderung eignen (JÜb. Art. 2 Ziff. 2, VO. §§. 6, 50, 58), 1 HGB. von 1861 Art. 422. * Wegen der Explosivstoffe s. VO. §. 50 Ziff. 4; die Anlage B hiezu(S. 969ff.), 1895 S. 101 ff. e die zur Beförderung berngsweise nach demJUb. und den Ausführungsbestimmungen hiezu zugelassenen Gegenstände auf; auf diese Anlage B beziehen UIreiche Bekanntmachungen im RGBl., auch die Bekanntmachungen, betr. dre VereinbarungerleichternderVorschristen
| für den wechselseitigen Verkehr j zwischen den Eisenbahnen Deutsch1 landS einerseits und ÖsterreichUngarns (sowie der Niederlande, der Schweiz, Luxemburgs , und Belgiens) andererseits rückj sichtlich jener Gegenstände, in Gemäßheit des §. 1 Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen zum internationalen Übereinkommen über den Eisenbahnsrachtverkehr; wegen kranker Tiere s. VO. §. 44 j Abs. 2.
Don der Beförderung von Gütern ic.
§. 57.
669
4. die regelmäßigen Transportmittel der Bahn zur Ausfühmng des Transports genügen (Jüb. Art. 5 Ziff. 2), 5. die Befördemng
nicht
durch Umstände,
die als
höhere Gew alt *) zu betrachten sind, verhindert wird (JÜb. Art. 5 Ziff. 3). Die Eisenbahnen sind nicht verpflichtet, die Güter zum Transport eher anzunehmen, als bis die Befördemng der selben geschehen kann. (Jüb. Art. 5 Abs. 2 VO. §. 55.) In Ansehung der Zeit der Befördemng darf kein Ab
sender vor dem andem ohne einen in den Einrichtungen der Bahn, in den Transportverhältniffen, oder im öffentlichen Interesse liegenden Gmnde begünstigt werden. (Jüb. Art. 5.) Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften begründen
den Anspmch auf Ersatz des daraus entstandenen SchadmS.
in. Was die Form des Abschlusses des Eisenbahn frachtvertrags anlangt, so ist der Frachtbrief hiebei, wie er wähnt (siehe oben S. 641), obligatorisch und in seiner Äußerlichkeit genau vorgeschrieben; die Eisenbahnen sind
verpflichtet, den Empfang des Guts auf dem Duplikat des
Frachtbriefs, wie erwähnt (siehe obm S. 642 Sinnt. 1), zu 1 Der in diesen Beziehungen, wie in den entsprechenden Be griffen „vis major“, „force majeure“ enthaltene Komparativ bedeutet »höher“ als die den Verhältnissen nach anwendbaren Mittel in Bekämpfung der Ge fahren zu reichen vermögen. Der Beariff »höhere Gewalt“ gehört auch dem neuen deutschen bürger lichen Rechte an, s. BGB. §§. 203 Abs. 2, 701, 1996; CPO. §. 233. Entscheidungen über die Be deutung dteses Begriffs, der
force majenre des französischen Rechts, s. RGer. Bd. 2 S. 425, 426, ROHG. Bd. 2 S. 259, Bd. 8 S. 27, 159 u. a.; s. G L F, HGB. S. 826, 807. Litteratur hierüber s. Exn er in Grünhuts Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart Bd. 10 S. 497; Schneider in GZ. Bd. 44 S. 75; Biermann inA.f.b.R. Bd. 10 S. 29; Eosack, Lehrb. S. 448 (Litt. Anm. 1).
Kap. III.
670
Die Handelsgeschäfte.
bescheinigen, was dann in Bezug auf das Verfügungsrecht die erwähnte (siehe oben S. 658 f.) Beschränkung zur Folge hat.')
IV. Strenger als alle anderen Frachtführer (einschließ
lich des Binnenschiffers) haftet die Eisenbahn für die Ausführung des Transports gesetzlich, und zwar ohne daß die hierauf bezüglichm gesetzlichen Pflichten durch die Verkehrs
ordnung oder durch Verträge eingeschränkt oder ausgeschloffen werden könnten;
dmn die Eisenbahn haftet unentlastbar
für den Schadm, der durch Verlust oder Beschädigung des
Guts in der Zeit von der Annahme zur Beförderung bis
zur Ablieferung entsteht, es sei denn — dies find die Ent schuldigungsbeweise, welche ihr gestattet sind —, daß der
Schaden durch ein Verschulden
oder eine nicht von der
Eisenbahn verschuldete Anweisung
des Verfügungsberech-
tigten, durch höhere Gewalt, durch äußerlich nicht erkennbare
Mängel der Verpackung oder durch die natürliche Beschaffen
heit des Gutes, namentlich durch inneren Verderb, Schwinden, gewöhnliche Leckage, verursacht ist.
(Nur für verlorene oder
beschädigte Kostbarkeiten, Kunstgegenstände, Geld und Wert papiere braucht sie lediglich dann Ersatz
zu leisten, wenn
ihr diese Beschaffenheit oder der Wert des Guts bei der
Übergabe zur Beförderung angegeben worden ist.)2)
Auch
muß die Eisenbahn dabei für ihre Leute und andere Per
sonen, deren sie sich bei der Ausführung des Transports bedient, schlechthin und wieder unentlastbar haften?)
Die
wie
beim
Höhe der
Schadensersatzsumme
wird
ebenso
Frachtführer überhaupt bemessen, also je nachdem Vorsatz
1 HGB. §§. 455, 471. I Sinnt. 2 zu §. 456 HEB. S. 8 HGB. §§. 456 , 471; Be- 398. ginn dieser Haftung s. Gareis, | 8* HGB. §§. 458, 471.
Don der Beförderung von Gütern rc. (oder grobe Fahrlässigkeit) nachgewiesen
§. 57. wird
671
oder nicht
(siehe oben S. 650 f.), jedoch mit einer wichtigen Abweichung
vom Frachtrechte: die Eisenbahn ersetzt nach Maßgabe des Werts am Orte und zur Zeit der Absendung, nicht nach
dem am Ablieferungsorte und zur Ablieferungszeit.') über die hienach zu berechnende Entschädigung hinaus kann das
Interesse an der Liefemng noch besonders „versichert" werden?) V. Die hiermit grundsätzlich der Eisenbahn auferlegte
Haftung ist so strenge, daß der Gesetzgeber selbst für ge wisse Fälle Ausnahmen anerkennt, und nach seiner eigenen Regelung ist demnach in gesetzlich ausdrücklich vorgesehenm
Fällen die Haftung ausgeschlossen:
für Schaden, welcher
seinen Grund hat in der tariflich oder frachtbrieflich ver einbarten Versendung auf unbedeckten Wagen b) oder in der
ausdrücklich, d. i. durch Vermerk auf dem Frachtbriefe bean
standeten, aber doch zugelaflenen mangelhaftm Verpackung?) oder in dem vertragsmäßig durch den Absender, bezw. dm
Empfänger selbst besorgten Auf- und Abladen?) oder in der eigmtümlichen, besondere Gefahrm mit sich bringendm Natur des Guts?) oder in der mit dem Transport leben-
1 HGB. §§. 457 , 471. An ders HGB. §. 450, f. oben §. 56 S. 650. Hinsichtlich der Wert berechnung s. Tenkschr. S. 3265, 3271. BernerBertrag Art. 34,37: Wert am Versandtorte, „au lieu et ä. l’dpoque oü la marchandise a etö acceptde au transport“ «HGB. §. 463. JÜb. Art. 38. RGBl. 1892 S. 822. «Nr.lin(JÜb.Art.31Abs.l)
HGB. §. 459 Abs. 1; vgl. BSchG. §• 59 Nr. 1. «Nr.2in(JÜb.Art.31 Abs. 1) HGB. und BSchG. a. a. O. 6 Nr. 3 in (JÜb. a. a. O.) HGB. und BSchG. .a. a. O. «Nr. 4 in (JÜb.) HGB. und BSchG. a. a. O. (Gefahren des Bruchs, Rostes, inneren Verderbs, außergewöhnlicher Leckage u. dgl.).
Kap. ITT.
672
Die Handelsgeschäfte.
der Tiere für diese verbundenen Gefahr?) ober bei begleiteten
Gütern für Schaden, für dessen Abwmdung die Begleitung sorgen sollte?) Juristisch interessant ist dabei, daß für alle diese Fälle zugleich eine Rechtsvermutung gilt, nämlich
die, daß ein
eingetretener Schaden, wenn er aus der von der Eisenbahn nicht übernommenen Gefahr mtstehen konnte, aus derselben
wirklich entstanden ist.
Diese Vermutung schließt ben Be
weis des Gegenteils seitens des Absenders jedoch nicht aus?) und es kann die bedungme Befreiung von der Haftpflicht insbesondere dann nicht geltend gemacht werden, wenn vom
Absender nachgewiesen ist, daß der Schaden
durch Ver
schulden der Bahnverwaltung oder ihrer Leute verursacht wurde?)
VI. Auch daS von Passagieren im Personenverkehrs der
Eisenbahnen
mitgeführte Reisegepäck
gilt als
Frachtgut,
wenngleich nicht in offen Beziehungen; es ist zu unter scheiden zwischen dem von den Passagieren zum Transport
aufgegebenm Gute,
dessen Empfang
die Bahnverwaltung
durch einen Schein („Gepäckzettel") bestätigt, d. i. sogen. Paffagiergut, und
jenem Reisegepäck,
welches nicht zum
Transporte aufgegeben, sondern von dem Reisenden unter seiner persönlichen Obhut gehalten
1 Nr. 5 in (JÜb.) HGB. und BSchG. a. a. O.„ »Nr. 6 in (JÜb.) HGB. und BSchG« a. a. O. 'HGB. §.459 Abs.2, JÜb. Art. 31 Abs. 1; BO. §. 77 Abs. 2. Hiezu vgl. aber ROHG. Bd. 9 S. 338, Bd. 12 S. 24, Bd. 15
und im Personenwagen
S. 90. auch Bd.6S.176. Bd. 17 S. 302 ff. (Gegenbeweis). 4 HGB. §. 459 Abs. 3, JUb. Art. 29 ;VO. 8-77 Abs. 3. Vgl. ROHG. Bd. 12 S. 254, Bd. 13 S. 399, Bd. 15 S. 84, Bd. 20 S. 238.
Bon der Beförderung von Gütern ic.
§. 57.
673
mitgeführt wird, sogen. Handgepäck; ftir den Verlust oder die Beschädigung des letzteren (sowie von Gegenständm,
welche in beförderten Fahrzeugm, z. B. Chaisen, Fahrrad»
laschen, belasten sind, haftet die Eisenbahn nur, wenn ein
Verschulden der Bahnverwaltung
oder
ihrer Leute
als
Grund des Schadms oder Verlustes nachgewiesen wird?) In betreff des (zur Beförderung aufgegebenen) Pastagier guts aber hat die Eisenbahn die Haftung wie für andere Fracht
güter zu tragen, und nur eine zeitliche Begrenzung kommt ihr zu
gute, nämlich die, daß sie für Verlust nicht zu haften braucht,
wenn das Gepäck nicht binnen 8 Tagen abgefordert wird;
zudem kann die Verkehrsordnung bestimmen, daß die zu leistende Entschädigung einen von ihr festzustellenden Höchstbetrag — abgesehen von Fällen vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Schädigung — nicht übersteigen soll?) VII. Die Haftung der Eisenbahnm für Gewichtsverlust
ist in betreff solcher Güter, welche nach ihrer natürlichen
Beschaffenheit bei dem Transporte regelmäßig einen Verlust an Gewicht erleiden, insofern beschränkt, als dafür bis zu einem gewiffen aus der Verkehrsordnung sich ergebenden
Normalsatze
gar nicht
gehaftet
Schadensursache vorbehalten.
wird,
Gegmbeweis
der
Bei gänzlichem Verluste des
Gutes findet ein Abzug für Gewichtsverlust nicht statt.") 1 HGB. §. 465 Abs. 3; BO. §. 34 Abs. 5. 1 HGB. §. 465 Abs. 1 u. 2: BO. §§. 30—37. 3 HGB. §. 460. Nach der BO. §. 78 Abs. 2 beträgt der Normalsah 2 Prozent bei flüssigen und feuchten, sowie bei nach stehenden trockenen Gütern: geGarei v, Handelsrecht.
6. Aufl.
raspelte und gemahlene Farb hölzer, Rinden, Wurzeln, Süß holz, geschnittenen Tabak, Fett waren, Seifen und harte Ole, frische Früchte, frische Tabak blätter, Schafwolle, Häute, Felle, Leder, getrocknetes und gebackenes Obst, Tierflechsen, Hörner und Klauen, Knochen, getrocknete 43
674
Kap. HI.
Die Handelsgeschäfte.
VUI. Die vertragsmäßige Einschränkung der Höhe deS
Schadensersatzes auf Maximalsätze im voraus ist den Eisen-
bahnm nur unter ganz besonderen Verhältnissen gestattet: sie können in besonderen Bedingungm (Ausnahmetarifen) einen im Falle des Verlustes oder der Beschädigung zu
erstattenden Höchstbetrag festsetzen, sofern diese Ausnahme tarife veröffentlicht werden, eine Preisermäßigung für die ganze Beförderung gegenüber dm gewöhnlichen Tarifen der
Eismbahn enthalten und der gleiche Höchstbetrag auf die ganze Beförderungsstrecke Anwendung
für den Fall des Verlustes
findet.
Inwieweit
oder der Beschädigung von
Kostbarkeiten, Kunstgegenständen, Geld und Wertpapieren *) die zu leistende Entschädigung auf einen Höchstbetrag be schränkt werdm kann, bestimmt die Eisenbahnverkehrsordnung.
Aber in keinem Falle kann die Beschränkung
auf einen
Maximalbetrag geltmd gemacht werden, wenn der Schaden
durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Eisenbahn her beigeführt ist?)
IX. Die Eisenbahnm müssen für rechtzeitige Ab lieferung, für Einhaltung der Lieferfrist haften; die Lieferlische, Hopfen, frische Kitte.! Zei allen übrigen trockenen ] Gütern, ~ welche ihrer -------natürlichen ’?fe Dinge Beschaffenheit nach GewichtsVerlust erleiden, beträgt der Normalsaü 1 Prozent (DO. a. a. O. Abs. 8). Der Normalsah wird, falls mehrere Stücke auf denselben Frachtbrief befördert werden, für jedes Stück besonders I berechnet, wenn das Gewicht der i einzelnen Stücke im Fracht- I Briefe verzeichnet ist oder sonst : festgestellt werden kann. !
1 Nach den Ausführunasbestimmungen jum Berner Hüb. sind von diese der BeFörderungj im internationalen r ", ausgeschlossen v ___ Verkehr (RGBl. 1892 S. 874); dagegen sind sie im inneren deutsche!: Verkehre bedingungsweise zur Beförderung zugelassen. BO. §. 50 (RGBl, 1892 S. 942). 2 HGB. §§.461,462. „Inter esseversicherung" ist in diesen Fällen ausgeschlossen (s. HGB. §. 463 Abs. 2).
Don der Beförderung von Gütern rc.
675
§. 57.
fristen sind durch die Tarife zu veröffentlichm und dürfen die von der Verkehrsordnung aufgestellten Maximalfristm
nicht überschreiten; diese sind a) für Eilgüter:
1 Tag
Expeditionsfrist und 1 Tag Transportfrist ftir je auch nut angefangene 300 Kilometer; b) für Frachtgüter: 2 Tage Expeditionsfristund 1 Tag bei einer Entfernung bis zu lOO Kilo
meter und bei größeren Entfernungen für je auch nur ange
fangene weitere 200 Kilometer; für die Einhaltung dieser Fristm haften die Eismbahnen nach dem von dem Berner Vertrag *) eingeführten Grundsätze, dm die Verkehrsordnung und nun auch das Gesetzt) als durch Vertrag unabänderbar ange-
nommm habm, schlechthin und habm nur dm Entlastungs-beweis, daß die Verspätung von einem Ereignisse herrührt,
welches sie weder herbeigeführt habm, noch abzuwendm vermochtm;
aber sie brauchm dm durch die Lieferfristver
säumung verursachtm Schadm nur insoweit zu crsetzm, als
er den im Frachtbriefe, Gepäck- oder Beförderungsschein als Interesse an der Lieferung nach Maßgabe der Verkehrs
ordnung angegebmm Betrag und in Ermangelung einer
solchm Angabe dm Betrag der Fracht nicht übersteigt.
Für
das Reisegepäck kann an Stelle der Fracht durch die Eism-
bahnverkehrsordnung
werden?)
ein
anderer Höchstbetrag
bestimmt
Inwieweit ohne dm Nachweis eines Schadms
eine Vergütung zu gewährm ist, bestimmt die Eismbahn-
verkehrsordnung?)
Der Ersatz des vollm Schadms kann
1 JÜb.Art. 39. ’ BO. §§. 63, 86; HEB. §. 466. 3 In der Regel höchstens 20 Pfennig für Tag, Versäum nis und Kilogramm Gepäck. BO. §. 36.
4 Nämlich DO. §. 87. Es find hienach nur Bruchteile der Fracht oder — äußerstenfalls — die ganze Fracht, welche als Schadensersatz zu gewähren find.
Kap. HL Die Handelsgeschäfte.
676
gefordert werdm, wenn die Versäumung der Lieferfrist durch
Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Eisenbahn herbeigeführt wordm ist, was ihr aber bewiesen werdm müßte. X. Zu Gunstm der Eismbahnen ist bestimmt, daß
wegm einer Beschädigung oder Mindemng, die bei der An
nahme des Gutes durch dm Empfänger äußerlich nicht er-
kmnbar ist, Ansprüche nach HGB §. 438, Abs. 3 (siehe obm §• 56 II S. 657 bei Anm. 1, 2) nur geltend ge
macht werden können, wenn binnen einer Woche nach der Annahme zur Feststellung des Mangels mtweder bei Ge wicht^) die Besichtigung des Gutes durch Sachverständige
oder schriftlich bei der Eisenbahn eine von liefen nach den Vorschriften der Eismbahnverkehrsordnung2) vorzunehmende Untersuchung beantragt wird; auf diese Vorschrift kann sich
aber die Eisenbahn nicht berufen, wenn sie dm Schaden durch Vorsatz oder grobfahrlässig herbeigeführt hat?) Ausgeschlosim ist jede Haftpflicht der Eismbahn auf Grund
eines Frachtvertrags, bei welchem Gegenstände, die von der Beförderung ausgeschloffen oder nur bedingungsweise zugelaffen sind, unter unrichtiger oder ungenauer Bezeichnung
eingeschmuggelt sehenen
solche Gegmstände vorge-
oder die für
Sicherheitsmaßregeln
vom
Absmder
unterlaffen
wurden?) XI.
Eigentümliche Normen
sind erforderlich für die
Fälle des Transports durch mehrere anschließmde Bahnen und des nur teilweise durch Eisenbahnen zu vollziehmden
Transports. 1 EPO. §. 488 (neu). 8 BO. §§. 71, 72, 90.
I '
8 HGB. §. 464. 4 HGB. §. 467.
Don der Beförderung von Gütern ic.
8- 57.
677
Im ersteren Falle hastm nicht sämtliche Eisen bahnen, welche das Gut auf Gmnd desselben Fracht
briefs übernommen haben, als Frachtführer für den ganzen
Transport, sondern
es
sönnen
die Ansprüche aus
dem
Frachtvertrag, unbeschadet des Rückgriffs der Bahnm unter
einander, im Wege der Klage nur gegen
die erste Bahn
und diejenige Bahn, welche das Gut mit dem Frachtbriefe
zuletzt übernommen hat, oder diejenige der übrigm in der
Mitte liegenden Eisenbahnen erhoben werden, welcher nach
gewiesen wird, daß der Schaden auf ihr er Streckesich ereignet hat.
Dieses ist kraft des internationalen Über
einkommens allgemeines Recht geworden für den ganzen Umkreis der nach dem Übereinkommen befördernden Bahnm;
in dieser Haftungsbeschränkung übemehmm
Centralamte in Bern
angemeldetm
alle bei dem
mropäischm Bahnen
Transporte auf Gmnd je eines durchgehenden Frachtbriefs (also mittels eines einzigen Vertragsabschlufles) und zwar,
wenn sie einmal beigetreten sind, obligatorisch. Unter den bezeichnetm Bahnen steht dem Kläger die
Wahl zu; das
Wahlrecht erlischt mit der Erhebung der
Klage. Im Wege der Widerklage
oder
mittels Aufrechnung
tönnen Ansprüche aus dem Frachtvertrag auch gegen eine andere als die bezeichneten Bahnm geltend gemacht werden,
wenn die Klage sich
auf denselben Frachtvertrag gründet.
Ist auf dem Frachtbrief als Ort der Abliefemng ein Ort bezeichnet, der nicht an der Eismbahn liegt,
kann be-
dungm roerben, daß die Haftpflicht der Eisenbahn oder der Eismbahnm als Frachtführer nicht für den ganzen Trans
port bis zum Ort der Abliefemng, fonbent nur für den
Aap. HL Die Handelsgeschäfte.
678
Transport bis zu dem Orte bestehe, wo der Transport mittels der Eisenbahn enden soll,
auf die Weiterbeförderung
nur
und in Bezug
die Verpflichtungen
des
Spediteurs eintreten?)
XU. Die Ansprüche gegen die Eisenbahnen wegen Ver
lust, Verminderung, Beschädigung oder verspäteter Abliefe rung
verjähren
wie die
einem Jahre?)
gegen
andere Frachtführer
in
Diese einjährige Verjährungsfrist wird
durch das neue HGB?) auf zwei andere Fälle in An wendung gebracht, den Fall
von Ansprüchen der Eisen
bahnen auf Nachzahlung und auf den Fall von Ansprüchen
gegen die Eisenbahnen auf Rückerstattung; für den letzteren Fall ist gesetzlich eine eigentümliche Art der Hemmung der Verjährung angeordnet/)
6. Von der Personenbeförderung durch die Eisenbahnen. 1 So übereinstimmend JÜb. Art. 27, 28, 47; VO. §. 74; HGB. §. 469. * HGB. §§. 439, 414. 8 Ansprüche der Eisenbahn auf Nachzahlung zu wenig erhobener Fracht oder Gebühren, sowie Ansprüche gegen die Eisenbahn auf Rückerstattung zu viel er hobener Fracht oder Gebühren verjähren in einem Jahre, sofern der Anspruch auf eine unrichtige Anwendung der Tarife oder aus Fehler bei der Berechnung ge stützt wird. Die Verjährung be ginnt mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Zahlung erfolgt ist. HGB. §. 470 Abs. 1. 4 Die Verjährung des An spruchs auf Rückerstattung zu viel erhobener Fracht oder Ge
bühren, sowie die Verjährung der imHGB. §.439 Sah 1 bezeichneten Ansprüche wird durch die schrift liche Anmeldung des Anspruchs bei der Eisenbahn gehemmt. Er geht auf die Anmeldung ein ab schlägiger Bescheid, so beginnt der Lauf der Verjährungsfrist wieder mit dem Tage, an wel chem die Eisenbahn ihre Ent scheidung dem Anmeldenden schriftlich bekannt macht und ihm die der Anmeldung etwa angeschlossenen Beweisstücke zu rückstellt. Weitere Gesuche, die an die Eisenbahn oder an die vorgesetzten Behörden gerichtet werden, bewirken keine Hemmung der Verjährung. HGB. ß. 470 Abs. 2.
Don der Beförderung von Gütern rc.
§. 67.
679
Die Übernahme der Beförderung von Personen kann
dm Gegmstand eines Handelsgewerbebetriebes bildm, wenn sie seitens einer hiezu bestimmten Anstalt erfolgt; die dem öffent lichen Verkehre dienenden Eisenbahnen sind solche Anstalten,
ihr in der gewerbsmäßigen Übernahme der Personenbeförderung
liegender Gewerbebetrieb ist Handelsgewerbebetrieb;
durch das Handelsgesetzbuch
wird
die Eisenbahnverkehrs
ordnung delegationsweise hinsichtlich der Personenbefördemng zur Rechtsquelle, zum Gesetz erhoben, dergestalt, daß civilprozeffual die Revision gegen ein Endurteil auch darauf ge stützt werden
kann, daß die Entscheidung
auf
der Ver
letzung einer Vorschrift der Eisenbahnverkehrsordnung beruhe.*) Die Übernahme der Befördemng geschieht im Abschlüsse
deS Beförderungsvertrages, welcher durch die Ausgabe der Fahrkarte einerseits und den Erwerb derselben andererseits
abgeschlossen wird. forderliche Fahrkarte
Die in den regelmäßigen Fällen er ist zunächst ein Jnhaberpapier, ein
Legitimationszeichen/) welches ersehen läßt, daß der Aus steller desselben, nämlich die Eisenbahn, dem Inhaber zu
einer Leistung, nämlich zur Einräumung eines Platzes in dem nach Gattung und Richtung näher bezeichneten Eism-
bahnzuge und zur zweckentsprechenden Fortbewegung dieses
Zuges, verpflichtet sein will; die Eisenbahn ist, wenn Natur ereignisse oder andere Umstände die Fahrt auf einer Strecke der Bahn verhindem, verpflichtet, für die Weiterbeförderung
1 CPO. §. 549 mit HGB. I gitimationszeichen f. BGB. ß.793 §. 472. ! Abs. 1, 807. S. unten S. 771, 1 DO- §§. 12—14; über Le- i 772.
680
Kap. in.
Die Handelsgeschäfte.
bis zur fahrbaren Strecke mittels anderer Fahrgelegenheiten
thunlichst zu sorgen; die hiedurch entstehenden Kosten sind aber der Eismbahn abzüglich des Fahrgeldes für die nicht
durchfahrene Eisenbahnstrecke zu erstatten; bei gänzlichem oder teilweisem Ausfallen einer Fahrt sind die für diese mit Fahr
karten versehenen Reisenden berechtigt, entweder das Fahrgeld für die nicht durchfahrene Strecke zurückzuverlangen oder die Befördemng mit dem nächsten auf der gleichen (oder auf
einer um nicht mehr als ein Vierteil weiteren) Strecke derselben Bahn nach dem Bestimmungsorte führenden Zuge ohne Preiszuschlag zu verlangen, sofern dies ohne Über
lastung des Zuges und nach dm Betriebseinrichtungen mög lich ist und der Zug auf der betreffenden Unterwegsstation fahrplanmäßig hält.
Für den Ersatz des aus Verspätung
der Abfahrt oder der Ankunft
der
mtspringenden
Züge
Schadms haftet die Bahn — abgesehen von absichtlicher Schädigung — nicht; wird infolge der Verspätung ein Anschluß
an einen andern Zug versäumt, so findet unter Umständen *)
ein Ersatz von Fahrgeld statt. Die Gegenleistung
für die von der Eisenbahn
über
nommene Personenbeförderung ist die gegen Verabfolgung
der erwähnten Fahrkarte zu leistende Zahlung des Fahr preises; doch sind Kinder
unter Umständen1 2)
Umständen zu ermäßigten Fahrpreisen
zu
frei, unter
befördern.
näheren Bedingungen der Beförderung läßt
Die
teils die Ver
kehrsordnung,teils der Aufdruck der Fahrkarten, z. B. die Klausel der Nichtübertragbarkeit bei Rückfahrkarten, das Er
fordernis der sog. Platzkarte in gewiffen Zügen, ersehen. Daß 1 DO. §. 26. 2 DO. §. 11 Abs. 2.
i I
3 BL. §§. 10-29.
Vom BinnenschiffahrtSrechte.
A. 58.
681
die Eisenbahn bei körperlicher Verletzung eines Reisenden im Betriebe ihres Beförderungsgewerbes haftpflichtig ist, folgt nicht aus dem Beförderungsvertrage, sondern aus dem Gesetze, welches die Schadensersatzverbindlichkeit ohne Rücksicht auf ein Dertragsverhältnis auferlegt?) Hinsichtlich des Reisegepäcks siehe oben VI S. 672 f.
§. 58. 8. Dom Vinnenschlffahrtsrechte. I. Der Begriff Frachtführer umfaßt auch denjenigen, der es gewerbsmäßig übernimmt, die Beförderung von Gütern auf Flüffen oder sonstigen Binnengewässern auszuführen; auf die bei einer solchen Güterbeförderung vorkommenden Verhältnisse finden daher auch die hauptsächlichsten Grund sätze des Frachtführerrechts Anwendung, daneben aber auch noch andere Vorschriften; letztere sind in Deutschland durch ein besonderes Gesetzt) aufgestellt worden, welches eine An zahl von seerechtlichen Grundsätzen auf das Binnenschiffahrts recht überträgt?) Dies gilt vor allem von dem Grundsätze 1 Ges. betr. die Verbindlichkeit zum Schadensersatz sür die beim Betriebe von Eisenbahnen u. s. w. berbeigesührten Tötungen und Körperverletzungen v. 7. Juni 1871 §§. 1, 3 ff. 2 RGes. betr. d.privatrechtlichen Verhältnisse d. Binnenschiffahrt, vom 15. Juni 1895 (RGBl. S. 301); dieses ist abgeändert durch das Eins.G. zum HGB. Art. 12 I—XXII, vom 10. Mai 1897; der hienach neu gefaßte Text ist unterm 20. Mar 1898 veröffentlicht im RGBl. 1898
Nr. 25 (S. 369 ff.) S. 868 bis 903. Kommentare zu diesem RGes.findvonFörtsch, Land graf, Mittelstein u. Gold man n (1896) herausgegeben. Dgl. Cosack, Lehrb. §§. 37, 94 (S. 180—184, 476—480); über die Binnenschiffahrt fiehe auch Stoerk im Handwörterbuch der Staatswissenschaften, herausaeg. von Conrad, Elster, Lexrs, Loening, II Supplementbd. S. 195 ff. 8 Da diese Grundsätze sich ge schichtlich im Seehandelsverkehr
682
Kap. m. Die HandrlSgeschäste.
der beschränktm Haftung deS Schiffseigners, analog dem Prinzip der Haftung deS Reeders mit der Fortune de mer,1) von der Vertretung der Schiffsmannschaft durch dm Reeder2)
(Schiffseigner) und des letzterm durch den Schiffers) von
der Haverei/) vom Zusammenstoß von Schiffm, Bergung und Hilfeleistung") und vom Schiffsgläubigerrecht.")
An
dieser Stelle ist nur auf die Besonderheiten des Fracht
geschäfts der Binnmschiffahrt aufmerksam zu machm. n. Auf dm Abschluß des Frachtvertrags im Binnen schiffahrtsbetriebe wirkt sowohl die Regelung des gewöhn lichen (Land-)Frachtgeschäfts, wie die des SeefrachtgeschästS ein, ersteres — welches zunächst allgemein auf den Sinnen«
schiffahrtSftachtvertrag angewandt sein will7) —, insofern eS dm Frachtführer ermächtigt, die Ausstellung eines Fracht
briefs vom Absmder zu verlangen/) letzteres, insofern eS dm Absender ermächtigt, die Ausstellung eines Ladescheins
(Flußkonnoffemmt) vom Absender zu verlangen;") ist ein Ladeschein ausgestellt, so richtm sich alle davon berührten
Verhältniffe entsprechend nach dem Rechte desKonnoffemmts ;10) entwickelt haben, ist ihrer syste matisch im Abschnitt über SeehandelSrecht zu gedenken; hier ist eine Übersicht des Inhalts an gebracht. 1 BSchG. §. 4, vgl. unten §. HO. 8 BSchG. 8.3, s. unten §.110. 8 BSchG. §§. 7 ff., s. unten §. 111. 4 BSchG. 88- 78-91, s. unten §. 115. 6 BSchG. 88- 92-101, siehe unten 8- 116. 8 BtzchG. 8- 102-116, siehe unten §. 117.
7 BSchG. 8-26 in der Fassung nach dem Einf.G. zum HGB. Art. 12 I. 8 BSchG. 8- 26 mit HGB. 8- 426, s. oben 8- 56 S. 641. 9 BSchG. 8- 72; vgl. HGB. 8- 642 (Konnossement), s. unten 8. 112. Aber es hängt von der Vereinbarung ab, ob das Fluß konnossement an die Order ge stellt, auch ob es in mehreren Exemplaren ausgestellt werden soll. 10 Auch die Berechtigung, über das Gut schon vor der Ankunft desselben am Ablieferungsorte
Dom BinnenschiffahrtSrechtr. andernfalls scheidend;
ist
das
gewöhnliche
ß. 58.
683
(Land-)Frachtrecht ent
in beidm Fällen jedoch nicht ohne einzelne Ab
weichungen.
in. Der Frachtvertrag ist auch hier wie im Seehandels verkehr entweder a) Charterung,
d. i. Befrachtung des
Schiffs im ganzen (Vollcharterung) oder eines verhältnis mäßigen Teiles desselbm (Teilcharterung) oder eines be stimmt bezeichneten Raumes des Schiffs (Raumcharterung) oder b) Stückgütervertrag (siehe unten § 112). Aber wenn
ein einziger Frachtvertrag der letztgenannten Art Stückgüter im Gewichte von 10000 Kilogramm oder mehr zumGegm-
stande hat, so finden in Bezug auf Ladezeit, Fautfracht, Wiederausladebegehr, Löschzeit und Überliegezeit die Grund sätze von der Chartemng Anwendung;') diese sind im all
gemeinen die seehandelsrechtlichm, Bei Schiffen,
aber mit Ausnahmm.
welche nur zu Fahrten innerhalb desselbm
Ortes bestimmt sind, findm auf das Rechtsverhältnis des Schiffers, sowie auf die Beförderung von Gütem dieselben*) keine Anwmdung, und durch die Landesregiemngm kann
bestimmt werdm, daß Fahrtm zwischen bmachbarten Orten der Fahrt innerhalb desselben Ortes gleichstehen. zu verfügen, wie der berechtigte (BSchG. §.131 Abs. 1.) Jedoch auf Inhaber aller Exemplare des Schiffahrtsbetriebe, welche im Konnossements sie hat, steht dem Anschlüsse an den Eisenbahn legitimierten Inhaber des Lade verkehr geführt werden und der scheins nun zu, eine Neuerung, staatlichen Eisenbahnaussichts auf welche Co sa ck, Lehrb. S. 477 behörde unterstellt sind, finden bis 478, aufmerksam macht. die vorhergehendenBestimmungen HGB. §. 447, BSchG. §. 26. des BSchG. keine Anwendung. 1 BSchG. §§. 38 , 53 mit DaS Gleiche gilt bezüglich des Betriebes von Fähranstalten, so 47-52. * Nämlich die Bestimmungen weit nicht der Betrieb mittels frei in BSchG.Z. 8 Abs.4, §§. 15 bis schwimmender Schiffe stattfindet. 19, 27-57 und 72 Abs. 1. BSchG. §. 131 Abs. 2, 3.
Kap. HL
684
Die Handelsgeschäfte.
IV. Bei der Vollcharterung hat der Frachtführer, näm
lich der Flußschiffer, das Schiff zur Einnahme der Ladung an dm vom Absmder ihm angewiesenm Platz hinzulegm;
weist der Absmder feinen Platz
an,
oder gestatten
die
Wafferverhältniffe oder Einrichtungen nicht die Befolgung
der Anweisung, so kann der Frachtführer, falls nicht der
Absmder unverzüglich einen geeigneten Ladeplatz bezeichnet,
an
einem der ortsüblichen Ladeplätze
anlegm;
an
ver-
schiedmm Ladeplätzm Verladungen vorzunehmen, ist der Frachtführer nur auf Grund besonderer Vereinbarung ver
pflichtet ; *) mangels anderweiter Vereinbarung muß der Ab
sender gepackte Güter nicht bloß an, sondem
auf das
Schiff liefern, lose Güter sogar i n das Schiff, wogegen dem Frachtführer die weitere Verladung (Verstauung) der Güter
zukommt?) V. Die Ladezeit, welche auch hiera) mit dm» auf die
Anzeige der Ladebereitschaft folgenden Tage beginnt, und die Löschzeit, welche mit dem auf die Anzeige der Lösch
bereitschaft folgmden Tage ihren Anfang nimmt, sind bei der Charterung
in Ermangelung von Vertragsfestsetzungm
oder Regierungsanordnungen nicht durch den Ortsgebrauch,
sondem durch das Gesetz bemeffen, und zwar zwischm zwei
und achtzehn bezw. (Löschzeit) sechzehn Tagen je nach dem Gewichte der Güter?) ' mit 1 mit 1 mit 4
BSchG. §. 27, HGÄ. §. 560. BSchG. §. 41, HGB. §. 561. BSchG- §. 29, HGÄ. §. 567. BSchG. §§. 29,
Auch das Liegegeld wird in Er-
verglichen ! j verglichen \ j verglichen ; | 48. Mit |
dem„Ablause dcrsLadezeit beginnt die Uberliegezeit, wenn eine solche vereinbart ist; sie dauert im Zweifel so lange wie die Ladezeit, aber nicht länger als eine Woche, wenn nichts anderes vereinbart ist.
Vom BinnenschisfahrtSrechte.
g, 58.
685
mangelung vertragsmäßiger Festsetzung oder einer Regie
rungsanordnung durch das Gesetz') bestimmt.
VI. Die Haftungspflichten des Flußschiffers sind 1. grundsätzlich wie die des (Land-)Frachtführers
be-
meffen, können aber 2. durch Vertrag reguliert werden. 3. Eigenartig ist,
daß in gesetzlich bestimmten Fällen,
welche denen ähnlich sind, in welchen die Eisenbahnm ge
setzlich
für Verlust nicht zu haftm brauchen, der Fluß
frachtführer ebenfalls nicht zu haften braucht;1 2)* *auch die im Eisenbahnfrachtrechte für diese Fälle bestehmde Vermutung der Schadensursache gilt entsprechend im Flußfrachtrecht;8)
aber ein als Ursache des Schadens nachgewiesmes Verschuldm
des Frachtführers oder seiner Leute schließt die Befreiung von der Haftung für den Ersatz aus.
4. Eigenartig ist ferner, daß die Centralbehördm der Bundesstaaten — und bei den die Gebiete mehrerer Bundes-
staatm berührenden Wafferstraßen der Bundesrat — befugt sind, für gewisse Güter zu bestimmen, daß für ein Minder
gewicht oder ein Mindermaß,
das einhalb vom Hundert
nicht übersteigt, der Frachtführer nicht verantwortlich sein
soll, es sei denn, daß ihm nachweisbar ein Verschuldm zur Last fällt. Sind lose geladene Güter von gleichartiger Beschaffen-
heit für verschiedene Empfänger an Bord, ohne daß die einzelnen Partiem durch dichte Wände getrennt lagern, so ist 1 BSchG. §. 32. I » BSchG. §. 59 Abs. 2; vgl. ' BSchG. §. 59 Nr. 1—5,! mit HGB.ß. 459 Abs. 2; s. oben verglichen mit HGB. §. 459 §. 57 S. 672. Nr. 1-5, f. oben §. 57 S. 673.
686
Kap. HI.
Die Handelsgeschäfte.
das Mindergewicht oder das Mindermaß und ebenso etwaiges
Übergewicht oder Übermaß unter die einzelnen Empfänger nach dem Verhältnis der für sie bestimmten Mmgm zu verteilen?)
5. Ist ein Ladeschein ausgestellt, und übernimmt der Flußfrachtführer Güter, beren Beschädigung, schlechte Be schaffenheit oder mangelhafte Verpackung bei der Verladung
äußerlich erkennbar ist, so hat er dm Mangel im Lade schein zu vermerkm, widrigmfalls er dem Empfänger für
den aus dem Mangel sich ergebmdm Minderwert der Güter verantwortlich ist;
im übrigen haftet er für die Richtig
keit der im Ladeschein mthaltenm Bezeichnung der Zahl,
des Maßes oder des Gewichts
der verladmm Güter, es
sei benn, daß durch dm Zusatz: „Zahl, Maß, Gewicht un
bekannt" oder durch einen gleichbedeutenden Vermerk ersicht lich gemacht ist, daß die Güter dem Frachtführer nicht zu
gezählt, zugemeffm oder zugewogen sind;1 2) er haftet für die Richtigkeit der im Ladeschein mthaltenm Bezeichnung der
Güter, sofern er nicht beweist, daß die Unrichtigkeit der Be
zeichnung bei Anwendung der Sorgfalt eines gewöhnlichen Frachtführers nicht zu erkmnm war.
Sind dem Frachtführer die Güter in Verpackung oder
in geschloffmen Gefäßm übergebm, und ist dies aus dem
Ladescheine zu ersehm, so trifft dm Frachtführer keine Ver1 BSchG. §. 60. » BSchG. §. 73 Slbs. I. — Einen solchen Zusah darf er aber im Ladeschein nicht machen, wenn sich der Absender bereit erklärt, die Zumeffung, Zu zählung oder Zuwregung der Güter auf seine Kosten vornehmen zu laffen, und in jedem Falle
bleibt eS (nach §. 60 d. BSchG.) bis zum nachgewiesenen Der« schulden bei der von den Central behörden etwa zugestandenen Be freiung von der Haftung für gewifle Masi- und Gewichts verluste. BSchG. §. 73, Abs. 2 11. 3.
Dom Binnenschiffahrtsrechte.
§. 58.
687
antwortlichkeit für die richtige Bezeichnung des Inhalt-, eS
sei denn, daß
ihm eine bösliche Handlungsweise nachge
wiesen wird?) VH. Der Anspruch des Flußfrachtführers auf Zahlung der Fracht richtet sich nach den entsprechenden seefrachtrecht-
lichen Grundsätzen,?)
das Frachtführerpfandrecht aber nach
Landfrachtrecht?)
VIII. Der Flußfrachtvertrag wird aufgelöst 1. durch willkürlichen Rücktritt des Absenders vor An tritt der Reise (bezw. vor Verladung), wobei der Absender entschädigungspflichtig roirb;41)* * * 8
2. durch einen aus einem gesetzlich, wie im Landfracht
recht, anerkannten Grunde erfolgenden Rücktritt eines der Kontrahenten?) 3. Gesetzlich tritt, wenn der Antritt der Reise durch
Zufall dauernd verhindert wird, der Frachtvertrag außer Kraft, ohne daß der eine Teil zur Entschädigung des anderen verpflichtet ist?) 1 BSchG. §. 75. In den er wähnten Fällen (deS §. 73 Ab satz 1 und des §. 74) beschränkt sich die Haftung des Fracht führers auf den Ersatz des Minder werts, welcher aus der Nicht übereinstimmung der Güter mit der im Ladeschein enthaltenen Bezeichnung sich ergiebt. Fällt dem Frachtführer eine bösliche Handlungsweise zur Last, so hat er den vollen Schaden zu ersetzen. 8 So entspricht BSchG. §. 63 aung v. 20. Mai 1898) ). SS- 620, 656 (Berechnung ber Fracht); BSchG- §. 64 HGB. §. 630 (Distanzfracht);
BSchG. §. 65 HGB. §. 618 (Fracht für gestorbene Tiere u. dergl.); Abweichungen vom Seerecht hebt Co sack, Lehrbuch S. 480 Abs. 2, 6, 8, hervor. 8 Es gilt dafür nach BSchG. §. 26, HGB. §. 440, nicht HGB. 8§- 623 ff. 4 Fautfracht ist bei Doll charterung ein Drittel, bei anderer Befrachtungsart die Hälfte der bedungenen Fracht. BSchG. §§. Ql QÖ Ost 8 BSchG. §§. 34 ff., 71, ver glichen mit HGB. §. 428. • BSchG. 8- 68: Als dau ernde Verhinderung ist es ins-
Kap. III.
688
Die Handelsgeschäfte.
4. Wird nach dem Antritt der Reise die Fortsetzung
derselben durch Zufall dauernd verhindert, so tritt der Fracht vertrag ebenfalls gesetzlich außer Kraft, aber für den zurück gelegten Teil der Reise ist 2)iftanäfradjtx) zu entrichten.
5. Aus der Thatsache, daß der Frachtführer überwintern
muß,
folgt ein gesetzliches Rücktrittsrecht des
Absenders
nicht?) §• 59.
9.
Vas verlagsgeschLst.3)
I. Urheberrecht und Verlagsrecht.
Der Urheber
(Autor) eines litterarischen Werkes (d. i. eines Schriftwerkes
einer musikalischen Komposition, eines dramatischen Werkes), sowie der eines Werkes der bildenden Künste, sowie auch
der Verfertiger einer photographischen Aufnahme genießen in Bezug auf ihre Werke das sogen. Urheberrecht, ein Jndivi-
dualitäts- oder Persönlichkeitsrecht/) welches je nach dem
Gegenstände des dadurch geschützten Interesses besondere anzusehen: 1. wenn das Schiff, mit welchem die Be förderung zu erfolgen hatte, ver loren geht oder derart beschädigt wird, daß die Reise nicht ohne eine umfassende Ausbesserung des Schiffs angetreten werden kann; als Ausbesserung dieser Art gilt namentlich eine solche, welche die vollständiae Löschung der Ladung notwendig macht; 2. wenn Die zu befördernden Güter verloren gehen, voraus gesetzt, daß sie nicht bloß nach Art und Gattung, sondern speciell im Frachtverträge be zeichnet oder bereits verladen
einen ver-
oder doch von dem Frachtführer übernommen waren. 1 BSchG. §§. 64, 69. 2 In diesem Falle ist der Ab sender zur Zurücknahme der Güter nur nach den Bestim mungen der §§. 36 bis 39 des BSchG., — s. oben bei Anm. 4 vorig. S. — berechtigt. 3 Litt.s. Cosack, Lehrb. §.83 S. 410, insbes. O. Wächter, DasBerlagsrecht,1857; K l o ft e r mann, Das geistige Eigen tum 1868 u. Dambach, Das Urheberrecht 1871. 4 S. oben §. 13 S. 84 ff., §. 19 S. 121 ff.
schiedenen Inhalt und Umfang hat; zu diesem Inhalte ge hört auch das Recht, das litterarische oder künstlerische Werk auf mechanischem Wege zu vervielfältigm und zu verbreiten, sowie ferner die Befugnis, eben dieses Recht einem Andern zu übertragen, und diese Befugnis heißt Verlagsrecht. Der Autor eines der genannten Werke hat demnach das Verlagsrecht daran. Er kann dasselbe dadurch ausüben, daß er das Recht und die Pflicht der Vervielfältigung und Verbreitung einem Anderen (Verleger genannt) auf immer oder auf mehr oder weniger bestimmt begrenzte Zeit überträgt, und diese Übertragung ist der wesentliche Inhalt des Vollverlagsver trages (des Verlagsvertrags im engeren Sinne). überträgt der Urheber nur das Recht ohne Verpflichtung zur Vervielfältigung oder ohne Verpflichtung zur Ver breitung oder ohne beides, oder schließt der Verleger einen überhaupt nur die Beschaffung eines litterarischen oder künstlerischen Erzeugnisses bezweckenden Vertrag ab, so fällt ein solcher Vertrag unter die Bezeichnung Derlagsvertrag im weiteren Sinne?) Andererseits giebt es aber auch Verlagsverträge, bei denen es sich um die Herausgabe und Verbreitung eines 1 In allen diesen Fällen ist : das Verlagsrecht nur ein Teil des Urheberrechts, und der Ur- ; Heber bleibt, selbst wenn er durch ' einen eigentlichen Verlagsvertrag : sein Werk für immer einem Verleger übertragen haben sollte, i noch stets der Urheber desselben mit rechtlicher Bedeutung; er kann verlangen, daß das Werk \ seinen Namen allein trage, er. SareiS, Handelsrecht. 6. Aufl.
hat die mit dem Werke verbundenen Ehrenrechte, Preise, Prü mien, Titel u. dergl. für sich in Anspruch zu nehmen, und sein Leben — nicht das des Verlegers — entscheidet über die Dauer des Urheberrechts, welches auch nach Abschluß des Verlagsvertrages noch Individualrtätsrecht des Urhebers bleibt. 44
nicht mehr oder überhaupt nicht gegen Nachdruck geschützten litterarischen oder künstlerischen Werkes handelt;*) den In teressenten einer solchen Herausgabe steht der Schutz gegen Nachdruck nicht oder nur in geringem Maße zur Seite,81) * * * * * * während in den anderen Fällen der privatrechtliche Schutz gegen Nachdruck, sowie die straftechtliche Verfolgung des unbefugten Nachdrucks dem Interessenten zustehen, dessen Interesse verletzt ist,8) möglicherweise dem Autor selbst, möglicherweise nur dem Verleger, möglicherweise beiden.*) Alle Arten von Verlagsgeschäften, demnach sowohl die Verlagsverttäge im engeren, als auch die im weiteren Sinne, sowie die bloß aus Vervielfältigung, sowie die bloß auf Ver breitung gerichteten $ ertrage können den Gegenstand eines Gewerbebetriebs bilden, der nach gesetzlicher Bestimmung als Handelsgewerbebetrieb gilt und den ihn gewerblich Be treibenden zum Kaufmanne macht;8) die einzelnen hiezu gehörigen Vetträge sind auch formlos abgeschlossen gültig.8) 1 Man denke an Verträge über Herausgabe von Goethes Werken, von Bismarcks politi schen Reden, von Homerischen Texten (f. Gar eis, HGB. S. 11 Anm. 16; Cosack, Lehrb.S.411 Nr. 2 b). 8 Man kann nicht einmal sagen, daß hiebei der Schuh gegen Nachdruck insoweit zu stehe, als eine eigene individuelle Thätigkeit vorliegt: denn die Geistesarbeit, die jemand auf die Auffindung deS echten Textes eines bereits längst publizierten Werkes verlegt, wird im echten Texte »war geschätzt aber nicht geschützt, denn dieser wird Ge meingut.
3 ROHG. Bd. 20 S. 380, Bd. 22 S. 37, 338. 4 Über das Verbot d. Nach drucks, sowie über die Folgen desselben, sowie über die Dauer des Urheberrechts s. die ein schlägigen Reichsgesehe vom 11. Juni 1870, 9. Januar 1876,10. Januar 1876. ROHG. Bd. 16 S. 220 ff. 6 HGB. 8- 1 Abs. 2 Nr. 8, hiezu Gareis, HGB. S. 11 bis 12. 6 Trotz Einf G. zum BGB. Art. 76; s. Cosack, Lehrb. §.24 S. 132 u. hlezu oben §. 41 S. 471, Anm. 2.
Da» BerlägsgeschSst.
§. 59.
691
n. Der Vollverlag?) 1. Pflichten des Urhebers: Der Urheber eines litterarischen oder künstlerischen Werkes u. s. w. (s. oben), welcher das Verlagsrecht daran durch einen Verlagsvertrag (im engerm Sinne) einem Verleger übertrug, ist demgemäß zur vertragsmäßigm Herstellung und Lieferung des der Vervielfältigung zu unterwerfmdm Werkes (Manuskriptes, Originales) verpflichtet. Liefert der Urheber das vertragsmäßig versprochene Werk nicht oder nicht recht zeitig oder nicht richtig u. s. w., so kann der Verleger auf das Jnteresie klagen. Liefert er das Werk zwar dem Ver leger, zugleich aber auch einem anderen, einem zweitm Ver leger, zur Vervielfältigung und Verbreitung, so macht fich der letztere, sowie auch der Urheber selbst, des verbotmm Nachdmcks schuldig, sofern eine Jnteresimkollision besteht. Keine Jntereffmkolliston liegt vor, wenn der Autor eines dramatischen Werkes die Auffühmng desselbm verschiedmm Bühnen oder verschiedmm Theaterdirektorm gestattet; „Verleger" ist alsdann, je nach dem Vertragswillm, ent» weder der Eigentümer der Bühne oder der Theaterdirektor persönlich?) Keine Jntereflmkollision liegt vielleicht je nach den Umständm des Falls auch dann vor, wmn der Urheber dem erstm Verleger die Herstellung einer sehr kost1 Preuß. ALR, I 11 §§. 996 Sb. 20 S. 27 ff. Jnterefla santes bis 1032; Osten. BGB. Material für viele Details» ragen §§. 1164; Bad.LR. §. 577 d. s. Da mb ach, Fünfzig Gutai ichten und Fuchsberger"Entsch. Sächs. BGB. Z. 1139ff. i. ' 3 _____ " V. d. 1 S. Leipziger Theaterprozeß | ROHG. u. das RGer. in Ur in ROHG. Bd. 20 S. 319 bis! heberrechtssachen Sb. VI d. 366 und die dort citierte Littera- Entsch. mit Supplement (1892. tut. Ferner ROHG. Bd. 23 i Gießen. Roth.) Ferner Opet, S. 359 ff. Hiezu über (örtlich)*1 Deutsches Theaterrecht (Berlin, .geteiltes Verlagsrecht" ROHG. ‘ 1897).
Kap. III. Die Handelsgeschäfte.
692
baren Prachtausgabe, dem zweiten die einer sehr billigen Volksausgabe übertragen hat.
Das Recht auf neue Auf
lage für den Fall, daß die Zahl der in erster Auflage u. s. w. hergestellten Exemplare »ergriffen ist, bleibt im
Zweifel dem Urheber zur freien Verfügung.
2. Pflichten des Verlegers. gegenüber verpflichtet,
Dieser ist dem Urheber
das Werk so zu vervielfältigen und
nach Möglichkeit zu verbreiten (zu vertreiben), wie der Ver
trag und die Handelssitte
es
Er ist
vorschreiben.
ver
pflichtet, die ganze vereinbarte Auflage veriragsmäßig her zustellen und in den Buchhandel zu bringen, aber er darf die Anzahl der vertragsmäßig oder nach Handelssitte herzustellenden Exemplare nicht ohne Zustimmung des Autors überschreiten.')
Ist die Stärke der Auflage nicht ausdrück,
lich vereinbart, so bestimmt die Handelssitte die je nach den
Umständen,
der
Größe,
Kostspieligkeit,
Nützlichkeit
u. f. w. des Werkes ungemein verschiedene Anzahl der eine Auflage
bildenden Exemplare.
Ist das Verlagsrecht auf
Zeit übertragen, so fordert der gute Glaube, daß der Ver leger nur so viel Exemplare herftelle, als in der vereinbarten
Zeit vernünftigerweise in Verkehr gebracht
roerben können.
und verkauft
Zur Substitution ist der Verleger
im
Zweifel nicht befugt, doch geht das erworbene Verlagsrecht
auf die Geschäftserben des Verlegers über und kann vom Verleger auch unter Lebenden auf einen anderen Verleger
übertragen werden, jedoch nur in der Weise und mit der
1 RGef. v. 11. Juni 1870, ROHG. Bd. 17 S. 34, Bd. 20 betr. die Urheberrechte an Schrift- S. 39. Werken u. f. w. §. 5d. Hiezu
DaS DerlagSgefchSft. g. 59.
693
Wirkung einer cefsionsartigen Rechtsübertragung und einer Schuldübemahme (s. oben
§. 16 I 4 und
§. 15 LEI,
vgl. BGB. §§. 414 ff.).
Nicht wesentlich ist dem Berlagsvertrage die Verpflichtung
des Verlegers, an dm Urheber Honorar zu bezahlm, Frei exemplare oder andere Leistungm zu gewährm; sind der
gleichen Verpflichtungen vereinbart, so hat sie der Verleger
genau dem Vertrage entsprechend zu erfüllen. III.
Andere Verlagsgeschäfte.
Der
Kom
missionsverlagsvertrag besteht darin, daß der Ver leger (Kommissionsverleger)
nicht die Vervielfältigung des
Werkes auf eigene Rechnung übernimmt, sondern die Ver vielfältigung auf Rechnung des Autors oder seines ander
weiten Rechtsnachfolgers geschieht, der Verleger aber dm
Vertrieb (die Verbreitung) der fettigen Exemplare — in
der Regel gegen prozentmäßige Vergütung nach Maßgabe
des wirklichen Verkaufs — übernimmt.
Recht und Pflicht
aus dem Kommissionsverlag ist wesmtlich nach den Grundsätzm der Verkaufskommission/) wenn auch durch Buch händlereinrichtungen
und Handelssitte modifiziert, zu be-
meffen.2) — Vom „Selbstverlag" wird gesprochen, wenn
der Urheber selbst das Werk auf seine Rechnung herstellt
und verbreitet. — Sortimentshandel heißt das Ver tragsverhältnis zwischen dem Verleger und jenen Buch
oder Kunsthändlern, welchen der Verleger das von ihm ver1 Endemann, HR.4. Aufl. l übrigens die nicht ausdrücklich §. 199 HI und die dort cit. Litt. ' Beigetretenen mit insoweit binHauptver- btt, als sie wirklich der Buch*’ Dgl. die in der Hauptver sammlung deS Börsenvereins händlerfitte entspricht,! Cosack deutscher Buchhändler zu Leipzig Lehrbuch S. 416 vgl. ROHG. am 26. April 1891 angenom Bd. 18 S. 57. mene .Verkehrsordnung", welche
694
Kap. FH.
Die Handelsgeschäfte.
legte Werk in einer Anzahl von auf eigene oder des Ur hebers Rechnung hergestellten Exemplaren
Verkaufs
überschickt.
Das
zum Zwecke des
VertragsverhLltnis
ist
ein
handelsrechtliches und im Detail sehr verschiedenartig ge staltet, je nachdem die Verlagsartikel mit oder ohne Be
stellung, auf feste Rechnung oder ä condition,
mit oder
ohne Rabatt u. bergt vom Verleger dem „Sortimenter" zugesandt werden?) — Die
„Kommissionäre" der Buch
händler (insbes. in Berlin, Leipzig und Stuttgart) sind nicht Kommissionäre im Sinne des HBG?) sondern als Stell vertreter oder als Agenten anzusehen.
§. 60. 10.
Besondere Arbeitsgeschäste des Bankverkehrs.
Der Bankverkehr untersteht einigen besonderen Grund sätzen hinsichtlich:
1.
des
Depotgeschäfts;b)
dieses
ist
ein
Ver
wahrungsvertrag im Sinne des bürgerlichen Rechts?) aber eigentümlich gestaltet, nicht bloß insofern sich die Regel der
Entgeltlichkeit^) im Anschluß an die für den gewöhnlichen
bürgerlichen Verkehr nur unter Umständen zu vermutende
Vereinbarung der Vergütung6) geltend macht, sondern auch
insofern mit der Aufbewahrungspflicht noch andere Ver bindlichkeiten des Verwahrers verknüpft sein können, ja in
den wichtigsten Fällen gesetzlich verknüpft sind. 1 Vgl. GZ. Bd. 12 S. 323; Wächter a. a. O. S. 489 ff.; Endemann, HR. §. 199 a.E.; Weidling, Das buchhändlerische Konditionsgeschäft 1885. 2 S. oben §. 51.
Es giebt
8 Litt.: Gg. Cohn im Hdbch. Bd. 3 S. 931 ff. * BGB. §§. 688 ff. R HGB. §. 354, s. oben §. 42 VIII S. 489. 6 BGB. §. 89.
Besondere Arbeitsgeschäste des Bankverkehrs.
g. 60.
695
nämlich zwei Arten des Depotgeschästs, und zwar — nach
dem Sprachgebrauche der Reichsbank —:
a) „verschlossene Depositen" und b) „offene Depots" von Wertpapieren.
Zu a. Reichsbank
die
Zu den von den Bankiers und auch von bet gewerbsmäßig
entgeltliche
betriebenen
Verwahrung
von
Geschäften
gehört
verschloffenen Paketen,
von deren Inhalt der Verwahrer keine Kenntnis nimmt.
Recht und Pflicht des Verwahrers und des Hinterlegers richten sich nach dem Vertrages und nach dem Gesetze,
welch' letzteres dem Verwahrer nicht die Gefahr des zu
fälligen Untergangs,
sondern nur die Haftung für den
1 Nach den für den Geschäfts verkehr der Reichsbank maßaebenden Bestimmungen haftet Diese Bank vertragsmäßig für verschlossene Depositen höchstens bis zum Wertbetrage von fünf tausend Mark, außer wenn die selben zu einem höheren Werte angegeben und die hiefür be stimmte Versicherungsgebühr neben dem Lagergelde entrichtet ist; für höhere Gewalt oder inneren Verderb ist die Reichs bank in keinem Falle verant wortlich. Das Lagergeld wird inhaltlich derselben Bestimmun gen nach der räumlichen Aus dehnung und nach dem Gewicht des Depositums und für das Jahr berechnet. Depositen von mehr als 100 oder weniger als 15 cm Länge, Breite uno Höhe werden nicht angenommen. Die Versicherungsgebühr beträgt für jedes angefangene Tausend des über fünftausend Mark hinaus
angegebenen Mehrwerts 25 Pfen nig für das Jahr. In beiden Fällen läuft das Jahr vom Ta^e der Niederleaung ab, diesen eingerechnet. Laaergeld und Verficherungsgebühr sind bei der Niederlegung und sodann alljährlich im voraus zu ent richten. Bei nachträglicher Ver sicherung im Laufe des Depositionsjahrs ist für das letztere die volle Versicherungsgebühr zu zahlen, über die in Ver wahrung genommenen ver schlossenen Depositen stellt die Reichsbank Depositalscheine aus, sie darf daS Depositum an jeden Vorzeiger des Scheins ohne wei tere Prüfung seiner Legitimation oder der Echtheit und Gültigkeit der Quittung ausliesern. S. allgemeine Bestimmungen über den Geschäftsverkehr mit der Reichsbank Nr. All; (1898: Nr. XIII); ,. Koch, M. §. 69 S. 275—286.
708 einem
Kap. III.
Die Handelsgeschäfte.
Singularsuccessor desselben übertragen werden; *)
doch kann die Forderung des Versicherten gegen dm Ver
sicherer bei Sachversicherungm nicht übertragen werben,
ohne daß der Successor in irgend eine ding liche Rechtsbeziehung zur versicherten Sache tritt,8) bei Personenversicherungen nicht ohne Über tragung der Police und nur mit Zulaffung der aus
der Person des ursprünglich Berechtigten abgeleitetm Ein
reden auch gegen den späteren Erwerber.
Lautet die Police
„an Order", so ist das Forderungsrccht des Versicherungs
nehmers durch Indossament übertragbar, so namentlich nach
dem HGB.8) die Transportversicherungspolicen, andernfalls wird ein Übergang jenes Rechts, und zwar auch, wenn die Police auf ben Inhaber gestellt ist, nur durch eine wirkliche
Cession bewirkt/) es sei denn, daß es sich nur um unter geordnete Arten von Versichemngm handelt (z. B. Ver
sicherungen von Eisenbahn-Passagiergut).8) Das Objekt des Versicherungsvertrags ist stets ein bestimmtes Interesse, welches der Versicherte wirklich oder vereinbartermaßen daran hat, daß eine gewisse Gefahr für
ihn unschädlich gemacht werde.
Dem Gegenstände nach, an welchen sich jenes Jnteresse knüpft, oder welcher von der in ihrem finanziellen
Erfolge abzuwendenden Gefahr
bedroht ist,
unterscheidet
man Sachversicherungen und Personenversiche
rungen. - Wolff in GZ. Bd. 12 » HGB. §. 863. S. 169 ff. ■ « ROHG. Bd. 3 S. 76. 8 ROHG. Bd. 5 S. 1, Bd. 14 8 Malst in GZ. Bd. 13 S. S. 127,180,414; GShst. §. 161a 286 ff. S. 238-241.
DerficherungSgeschäste. g. 62.
709
II. Versicherung von Gütern. Sachversicherungen
sind
die
und
See»
Landtransportversichemngen, *)
die
Feuer-, Vieh«, Hagel-, Glas-Versicherungen, im weiteren
Sinne
auch
Versicherungen
die
gegen
die
Zahlungs.
Unfähigkeit eines Schuldners, die Hypothekenversicherungen*)
u. dergl.
Bei Sachversicherungen fordert die Gesetzgebung regel mäßig, daß das versicherte Jnteresie kein nur fingiertes, sondern wirkliches sei, so daß die Versicherungssumme (d. i. der im Falle des Eintritts der vollen Gefahr an den Ver-
sichertm zu zahlmde Betrag) dm wahren Wert des ver
sicherten Objekts
(genauer: ein sofort ziffernmäßig festzu
stellendes Jntereffe
am Nichteintritte der Gefahr)
nicht
übersteige (Verbot der Überversicherung)?) Aber
dieses
Maß
der
Versicherungssumme
(bei
Personenver
sicherungen der Natur der Sache nach nicht anwendbar)
wird bei Seeversicherungm nach deutschem und holländischem Rechte (entgegen dem französischen und spanischen) so weit ausgedehnt, daß auch der zu erwartende (imaginäre) Ge
winn in die Affekuranzsumme gerechnet werdm darf, und
scheint — wohl
zum Teil wegen der
Schwierigkeit der
Berechnung — mit der modernen freien Auffaffung spe-
1 über den geschichtlichen Zu- : -------- 1--------zwischen k— sammenhang dem Seedarlehen ldem „Affemranzgeschäft des Altertums" lJherinaj) und der Prämienassekuranz für den centransport s. ZeitWarentransport s. Adler, Adl fdjuft f. Reichs- u. Landesrecht Bd. 2 S. 49ff. Goldschmidt! in GUGesch. S. 362 ff. u. a. j
„ 9 Bal. ROHG. Bd. 5 S. 333. Hher bie folg Versicherung von Wert stcVa-1- Über papieren der ?n gegen gegen die Vachteile , Auslosung s. R. AlexanderKatz in GZ. Bd. 28 S. 552 ff. Vgl. ÄOHG. Bd. 15 S. 124.
Die Handelsgeschäfte.
Kap. UI.
710
kulativer Kapitalsverwendung in Widerspruch zu stehen und
mehr und mehr in Wegfall zu kommen. Mit dem Verbot der Überversichemng hängt das der
mehrfachm
Bersichemng
(Doppelversicherung)
zu-
sammm, welch' letztere bei nur teilweiser erster Verstchemng der Sache als Verstchemng des noch nicht verstcherten Wert teils zulässig ist.
Rückversicherung, d. i. eine Bersichemng, durch
welche sich der Versicherer seinerseits für die Gefahr deckt, die Versichemngssumme zahlen zu müssen,1) oder der Ver sicherte sich gegen Nichtersatz der Versichemngssumme seitens
des Versicherers durch
eine das Interesse am Nichteintritt
dieser Gefahr verfolgende neue Bersichemng schützt, ist auch nach der heutigen Gesetzgebung und Übung bereits
unbedenklich gestattet. Von allen privaten Zweigen der Bersichemng ist die Seeversicherung am ausführlichsten durch das heutige
positive Recht geregelt.
Hievon unten §. 118.
Zu dm Güterversicherungen (im weiteren Sinne) kann man
auch
womnter
Haftpflichtversicherung
die
zweierlei
verstanden
werdm
kann:
rechnen, der
Ver-
sichemngsnehmer versichert sich gegen die Haftung, welche ihm das Haftpflichtgesetz2) auferlegt, oder er versichert seine
Arbeiter gegen
Unfälle,
deren Eintritt ihn dm Arbeitem
gegenüber zu Schadmsersatz auf Gmnd des Gesetzes »er« 1 Hauptwerk hierüber: B. Ehrenberg, Die Rückversiche« rung" (1885). Über den »Ercedentenvertrag" s. ROH®. Bo. 5 S. 163, RGer. Bd. 4 S. 14. ’ RGes. v. 7. Juni 1871, betr.
die Verbindlichkeit zum Schadens ersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken u. s. w. herbeigeführtrn Tötungen und Körperverletzungen. Hiezu s. ©ins®, z. BGB. Art. 42.
711
VersicherungsgeschSste. 8- 62.
pflichten würde, in der Weise, daß die Leistung der Ver
dm
sicherungsanstalt an
Ersatzberechtigten auf die
Ent
schädigung einzurechnen ist, vorausgesetzt, daß die Mitleistung
versicherungnehmmden Arbeitgebers nicht unter einem
des
Drittel der Gesamtleistung beträgt?) Die Grundsätzeder Versicherung gegen Feuersgefahr
werdm
wesentlich
Gebäude
sehr
durch
polizeiliche
beeinflußt,
Normm
häufig durch staatliche Brandversicherungs-
anstaltm, und zwar unter Zwangspflicht der Besitzer, ver
sichert.
Auf dem Gebiete der Mobiliarfeuerversicherung ist
Aktien-,
durch zahlreiche
Gegenseitigkeits-
und
gemischte
Gesellschaften eine nicht immer wohlthätig wirkende Kon kurrenz entstanden.
Die dem Versicherungswesen überhaupt
Verpflichtung
eigentümliche
beider
Teile
zu
besonderer
Wahrhaftigkeit und Vertragstreue erhält hier aus Gründen der öffentlichen Sicherheit eine gesteigerte Bedeutung?)
Viel weniger Aufmerksamkeit als der See- und Feuer
versicherung Gütem
hat
gegen
die
Gesetzgebung
der Versicherung
des Fluß-
die Gefahren
von
und des Land
transports?) ferner der von Bodenfrüchten gegen die Gefahr des Hagelschlags/) von Vieh gegm Seuchm, von Glas gegen
Bmch
bieten
hier die Usancen
Zur
zugewendet.
und
1 §. 4 des in vor. Sinnt, eil. RGes.; vgl. hiezu RGer. Bd. 3 S. 21. 1 ROHG. Bd. 6 S. 423, Bd. 17 S. 20. 8 Über die Frage nach der Anwendbarkeit der seerechtlichen Bestimmungen v. Abschn. 8, 11 d. 5. Buches d. HGB. auf Fluh-
rechtlichen
Beurteilung
Gesellschaftsstatutm neben
' und Landtransport s. Malß in i seiner Zeitschr. f. Bersicherungsrecht Bd. 1 S. 53 und in GZ. Bd. 6 S. 364, Bd. 12 S. 197. Über Transportversicherungen f. | ROHG- Bd. 2 S. 261, Bd. 5 ; S. 89, Bd. 10 S. 39. 4 ROHG. Bd. 8 S. 364I
712
Kap.
in.
Die Handelsgeschäfte,
allgemeinen Rechtsgrundsätzen
den
die nötigen
Anhalts
punkte.
Dasselbe gilt mit wenigen unbedeutenden Ausnahmen
zu benen man
auch rücksichtlich der Kreditversicherungen,
die Hypotheken-
und Rückversicherungen')
und die Ver
sicherungen von nicht hypothekarisch gedeckten Fordemngen rechnet.
HI.
Zu
den
Personenversicherungen2)
werden
die
Alters- und Lebensversicherungen, die Unfallversicherungen,
die Versicherungen der Arbeitskraft (früher auch Versiche-
tuttgen
gegen
Sklaverei,
Kriegsgefangenschaft
—
beide
auch zur „Türkengefahr" gerechnet —, Versicherungen gegen Rekrutierung) gezählt; allein echte Afsekuranzm,
nämlich
Versicherungsverträge im juristischm Sinne, sind alle diese
Personenversicherungen nur dann, wenn sie Sicherung
eines
bestimmten
Interesses
Verträge zur
gegen
künftigen
Schadm sind, und diese Charakterisiemng trifft beim echten Lebensversicherungsvertrage nicht zu (hievon unten §. 64),
wohl aber bei der Krankenversicherung und
bei der
Unfallversicherung. Die Krankenversicherung aber, sowie die Unfall
versicherung und die Alters- und Invaliditäts versicherung sind, sofern sie Versicherungen von Arbeitern bestimmter Art sind, Gegenstand besonderer staatlicher Für
sorge
(Staatsverwaltungssache,
nicht
Handelssache)
und
durch besondere Reichsgesetze8* )* *geregelt. ' Bal. oben Anm. 1 S. 710. ROHG. Bd. 9 S. .3 t • GSyst. §. 167 S. 256 ff. I 8 über Charakter und systema-; tische Stellung des Arbeitender«1
sicherungsrechts s. P. Köhne i» GZ. Bd. 37 S. 76ff.; Rehm in Arch. f. öff. R. Bd. 5 (1890) S. 529; Rosin, Recht d. Ar beiterversicherung Bd. 1 S.256 ff.;
Tas Darlehen im Handelsverkehr,
g. 63.
713
V. Kreditgeschäfte. §. 63. Vai Darlehen im Handelsverkehr. *)
I. Da alle Geschäfte des Handels eine Vermittelung zwischen mehreren Personen bewirken, der Handelsverkauf
z. B. Waren umfaßt, die eingekauft und wieder verkauft iverden, jedes Arbeitsgeschäft des Handels einer solchen Ver
mittelung, Versendung, Zuwendung u. s. w. dient, so hat der Kredit (d. h. das
geldwerte
Vertrauen
in
das Leistenkönnen und Leistenwollen des An deren) eine höhere Bedeutung im Handel als im übrigen bürgerlichen Leben.
Es hat dies
seinen Grund zunächst
darin, daß der Kaufmann, wenn er Kredit genießt, diesen
bei seinen Anschaffungen dazu verwenden kann, die Leistung der Valuta derselben aufzuschieben, bis er durch Realisations verkäufe die Valuta gewonnen hat, folglich am Betriebs
kapitale bedeutend ersparen kann; diese Art Kredit zu ver-
roenben, findet gleichmäßig bei den Warenumsatzgeschästen,
wie bei den Arbeitsgeschäften — modifiziert — Anwendung. Aber der Kredit wurde und wird selbst Handelsartikel.
Wenn der Kaufmann A mit dem ihm wenig bekannten Kaufmann B Geschäfte macht und bei letzterem Kredit braucht
und wünscht, B aber nicht geneigt ist, dem A Kredit zu ge währen, wohl aber dem C Kredit schenken würde, welcher Lewis, Lehrbuch d. BersichR. S. 18ff.; R. Weyl, Lehrb. d. Reichsversicherungsrechts (1894) 8. 167, insbes. S. 901 ff. u. die oort angegeb. neueste Litt.
1 Über Darlehen-, Borschußund Diskontogeschäft s.G. Cohn im Hdbch. 8.427 und die ebenda Bd. 3 S. 833 angegebene Litteratur. GShst. S. 198 ff.
Kap. HL Die Handelsgeschäfte.
714
seinerseits den A für durchaus kreditwürdig hält, so kann dieses letztere Verträum des 6 in dm A in das Geschäft des
A mit dem B eingeflochten werden; C „verkauft"
seinen
Kredit an A, der ihn dann dem B gegenüber verwertet (Kreditvermittelung). n. Die Art und Weise, in welcher jener „Kreditver kauf"
und diese Verwertung vor sich geht,
ist sehr ver
schieden; die einfachste Art ist das Darlehm (A erhält von C
das Kapital
bar vorgeschosien, geliehen,
welches
er bei B braucht, von diesem aber nicht keditiert erhalten
kann).
DaS
Darlehm —
als Real-
oder
als
Konsensual
vertrag möglich —l) richtet sich auch im Handelsverkehre
nach den Vorschriftm des allgemeinen bürgerlichen Rechts;2)
cs ist nur folgendes zu bemerken: 1. Ein Kaufmann, welcher in Ausübung des Handels gewerbes einem Kaufmann oder Nichtkaufmann kreditiert,
indem er für ihn Auslagm oder Verwendungen macht, oder
ihm Darlehm oder Vorschüsse gewährt, kann, vom Tage
der Leistung oder Beschaffung derselben an, auch ohne Ver einbarung, Zinsen in Ansatz bringen?) 2. Das Darlehen besteht keineswegs nur in der Über
lassung einer Quantität von vertretbaren Sachen zum Zwecke der Restituierung einer gleichen Quantität von vertretbaren
Sachen derselbm Art, sondem es kann ebensogut
in der
Überlassung irgend welcher geldwerten Sache, bereit Wert als dargeliehen erscheint, bestehm, so daß der Geldwert restituiert werdm muß (Trödelvertrag und contractus wo-
DaS Darlehen im Handelsverkehr.
§. 63.
715
hadrae); *) ja eS kann daS Darlehen auch in solchen RechtSgeschäften liegen, welche ein später zu erfüllendes Versprechen
und daS Vertrauen in die Erfüllung dieses Versprechens zur wesentlichen Voraussetzung oder zum Inhalte haben?) 3. über Kreditsicherung durch dingliche Rechte s. obm
§. 44 (S. 515 ff). 4. Von der Bodmerei handelt unten §. 114, von ver schiedenen sogen, aleatorischen Darlehen §. 65. III. Die öffentliche Anleihe*) ist juristisch dadurch
charakterisiert, daß der Kreditsuchende (Darlehensuchende) an
alle diejenigen, welche ihm möglicherweise Kredit in bestimmter Form gewähren, zugleich sich wendet und danach das geld werte Vertrauen, welches er in der Öffentlichkeit genießt,
durch ebmsoviele Darlehensabschlüffe flüssig macht, als sich Kreditgewährende aus dem Publikum einfinden, bis die Höhe, bis zu welcher er Darlehen aufnehmm will, erreicht ist.
Siefen Weg, Kredit flüssig zu machen, beschreiten Staaten,
Gemeinden, Fürsten und Korporationen zumeist, und zwar in folgender Weise: 1. dadurch, daß durch eine öffentliche Bekanntmachung (Einladung an das Publikum) jeder Kapitalbesitzer von dm
Anlehensbedingungen in Kenntnis gesetzt
und eingeladm
wird, dem darlehenssuchenden Staate u. s. w. in bestimmter Weise zu kreditieren; wer dieser Einladung Folge leisten will,
erklärt dies 1 Mohadra kommt vom arab. tnuchftdare, d. i. Verkauf von unreifen Früchten und Gemüsen (chodra), ein Geschäft, welches in der auf dm Propheten zurück geführten Tradition (der Sunna) verboten war.
1 Endemann, HR. 4.Anst. §. 160; Thdl, §. 296, nun BGB. Abs. 2 d. §. 607. 8 S. hierüber G- Cohn im Hdbch. §. 428 und die dort Bd. 3 S. 858 angegebene Litteratur. GShst. §. 107 S. 49 ff., S. 198 ff.
716
Kap. III.
Die Handelsgeschäfte.
2. durch Subskription, d. h. er zeichnet einen bestimmten Betrag, welchen er als Darlehm unter dm proklamierten Bedingungen gewährm will, bei den in der Bekanntmachung
angegebmm Zeichnungsstellm; mittels dieser Subskription
wird ein bindender, jedoch mehrfach bedingter Vorvertrag, pactum de contrahendo, geschlossen; die Bedingungen, von
benen seine Wirksamkeit abhängt, sind die Gewährung der ver
sprochenen Wertpapiere („Obligationen" s. unter 3), der Nichteintritt einer Reduktion, welche bei Überzeichnungen als
vorbehalten anzunehmen ist, u. dergl.; ist der vom kredit suchenden Staate u. s. w. gewünschte Anlehensbetrag durch Subskription gedeckt, so wird das Anlehen selbst kontrahiert
(das Darlehen ausgenommen) 3. durch Ausgabe (Emission) der Schuldscheine, d. i. der
Darlehensurkunden, häufig schlechthin „Obligationen" ge nannt ; die Ausgabe erfolgt an die Subskribmtm und deren Rechtsnachfolger gegen Zahlung der Valuta, d. i. gegen die vorpaktierte Darlehensgewährung; weigert sich der Subskri
bent (oder dessen Nachfolger), die gezeichneten Obligationen zu übemehmm und den gezeichneten Betrag zu bezahlen, so kann gegen ihn aus bent Vorverträge (s. unter 2) geklagt
werden; die Schuldscheine sind zwar häufig als Darlehms-
urkundm bezeichnet, jedoch cirkulationsfähig wie Träger reiner Summenversprechen: dies ist insbesondere dann der Fall,
wenn sie auf dm Inhaber lauten (s. unten §.72); *) sie können
aber auch Wertpapiere (s. §. 71) anderer Art sein. 4. Da diese Anleihen in der Regel verzinslich sind, so
sind den „Obligationen" zum Zwecke der terminlichen Zins1 Staat!. Genehmigung BGB. §. 795.
Das Darlehen im Handelsverkehr.
erhebung Coupons
und Talons
§♦ 63.
beigegeben,
717
ähnlich wie
den Aktim zum Zwecke der Dividendenerhebung (vgl. oben
8- 32 ff.).
5. Der angedeutete Gantz des Zustandekommens öffentlicher Anleihen, sowie die Zurückzahlung derselben unterliegt
thatsächlich einer großen Menge von Modifikationen und
Variationm. So kann es vorkommen, daß die Subskription ausfällt und sofort auf die Proklamiemng die Emission selbst
folgt; diese kann der Darlehenskontrahent (Staat u. s. w.) selbst besorgen, aber auch durch einen anderen besorgen laffm
(s. unter IV); die Zurückzahlung kann in Serien, nach Kündigung, nach Auslosung *) (Lotterieanlehen u. s. ro.), in
Rentenabzahlungen u. s. ro. geschehen; das Darlehen kann
möglicherweise nur die Veranlaflung der Entstehung von
Wertpapieren sein, wobei alsdann auf die infolge (oder zum Zwecke) der öffentlichen Anleihe ausgegebenen „Schuld scheine" lediglich das Recht der Wertpapiere in Anwendung
zu kommm hat (s. unten §§. 69 ff.).
IV.
Das Emissionsgeschäft^) kommt im Zu
sammenhänge mit der öffentlichen Anleihe und zum Zwecke des Kontrahierms einer solchen in mehrfacher Weise vor:
1. Es kann der Dahrlehensschuldner (Staat u. s. ro.)
selbst die Emission der Schuldurkunden („Obligationen" samt Coupons) besorgen (uneigentliches Emissionsgeschäft s. oben
III Ziff. 3 vorige S.). 2. Derselbe kann die Emission durch einen Anderen (in • Vgl. RGes., betr. die InhaberPapierem.Prämien. B. 8. Juni 1871. Hievon unten §. 65. 8 S. hierüber die unten §. 69
angegebene Litteratur und serner G. Cohn im Hdbch. Bd. 3 S. 869.
Kap. IBL Die Handelsgeschäfte.
718
der Regel einen Bankier, oder ein Konsortium von Dankhäusem und anderen Großkapitalisten) Besorgen lassen; dies
ist in so verschiedener Weise möglich, daß eine Aufzählung aller einzelnen Möglichkeiten 'hier zu weit führen würde. Doch lassen sich im allgemeinen folgende Hauptgesichtspunkte
festhalten:
entweder a) das die Emission besorgende Konsortium u. dgl. (kurz:
der Emittent) ist Darlehensgläubiger des Darlehenssuchers (d. i. des Staates u. dergl., der dem Emittenten eine Haupt-
schuldurkunde ausstellt) und Darlehensschuldner des die Schuldurkunden („Partialobligationen") nehmenden Publi
kums ; dann negoziert der Emittent selbst das öffentliche An
lehen für sich, und es liegen — was der seltenere Fall sein dürfte — zwei getrennte Kreise von Rechtsverhältniffen vor:
die Rechtsverhältniffe der Hauptobligationen zwischm Staat und
Emittenten und die Rechtsverhältniffe der Partial-
obligationm zwischm dem Emittmtm und den Inhabern
der Obligationen,') oder b) der Emittent ist nicht Darlehmsgläubiger, fonbetn
Verkaufskommissionär
des
das
Anlehen
konttahiermden
Staates (u. dgl. Personen): er hat vom Staate (oder dem anderweitm Kapitalsuchmden) die von diesem unterzeichneten Partialobligationm lediglich zur Vertreibung,
zur börsen
mäßigen Verbreitung u. s. w. erhalten und verkauft dieselben nun als Schulden des Staates u. s. w., wobei er: «) dem Kapitalsuchendm den durch diesen Verttieb ge-
DaS Darlehen im Handelsverkehr,
g. 63.
719
hofften Erlös schon vorausbezahlt — kreditiert — haben kann oder nicht, auch ß) dem die Obligationen abnehmenden Publikum, ent»
weder als Garant für die Einlösung dieser Obligationen
oder bloß aus dem Verkauf der Obligationen, welche
je nach ihrer Natur unter verschiedmer Haftung übertragen roerben (s. §§. 69 ff.), haften kann. Die Rechtsgmndsätze, nach denen das Emisfionsgeschäft
in feinen verschiedenen Modifikationen beurteilt werden muß,
sind teils die allgemeinen vom Wesen der Verträge und der nicht zu beseitigenden Haftung für Arglist und grobe Fahr
lässigkeit, teils die in Bezug auf Darlehen, Äauf,1) Kom
mission und Bürgschaft geltenden, teils innerhalb der Grenze der ersteren allgemeinen Grundsätze die besonderm Vertrags vereinbarungen. Inhaltlich der letzteren ist zwischen tilgbaren
und sogen, untilgbaren (Rentmschuldm) Anleihen zu unter
scheiden; letztere in der Regel auf feiten des Schuldners künd bar,
während
der Gläubiger
kein
Kündigungsrecht
hat.
Staatsschulden unterliegen mitunter der obligatorischen oder
(häufiger) fakultativen Eintragung in ein Staatsschuldbuch (Jnskriptionssystem)?) Zum Emissionsgeschäfte wird mitunter auch das Zettel
geschäft gerechnet,
nämlich das
Emittieren
(Ausgeben)
von Zetteln, Noten, d. s. unverzinsliche reine Summenversprechen au porteur,
Zettelbanken.
durch hiezu ermächtigte Banken,
Dem öffentlichen Rechte gehören die Grund
sätze an, nach welchen sich die Befugnis zur Ausgabe solcher ' RGer. Sb. 28 S. 29. * Preuß. Ges. v. 20. April 1883. RGes. 6.31. Mai 1891. (RGBl. 1891, S. 321.) über Konver-
tierung s. GSyst. S. 202; über Stempelpflicht ders. s. RGer. Sb. 27 S. 49.
720
Kap. TU.
Die Handelsgeschäfte.
Geldpapiere regelt (hievon unten §. 72 M Ziff. 5); in privatrechtlicher Beziehung steht die Verpflichtung der emit tierenden Bank, die von ihr emittierten Banknoten in Zahlung jederzeit anzunehmen, sowie auf Verlangen stets gegen bar einzulösen, unzweifelhaft fest?) V. Eine eigenartige Kombination von Darlehen und Pfand stellt das Lombardgeschäft81) *dar * *; *die * *Kombination ist dadurch eigenartig, daß, wie die Höhe des auf ein Wert papier zu gewährendm Darlehens von dem Kurswerte des lombardierten Papiers von vom herein abhängig ist,8) bei gesunkenem Kurse ein sofortiges Kündigungrecht mit darauf folgender Fälligkeit der Darlehensfordemng eintritt, sofern der Eigentümer des lombardierten Papiers (der Lombard schuldner, Darlehensschuldner) nicht rechtzeitig an den Lom bardgläubiger Nachschüsse in Geld oder Papier leistet, durch welche das ursprüngliche Verhältnis zwischen dem 1 RBkG. v. 14. März 1875 im Jnlande lagernden Kauf §. 4; Koch, M. u. N. S. 71. mannswaren, Wechseln und von Vgl. ferner G. Cohn i. Hdbch. solchen Wertpapieren, welche in §. 429 und die ebenda Bd. 3 dem 2 Klassen (I. zu 8/ wenigstens imBerkehr der Reichs anstalten angenommen; das die j bank — nicht vor. Koch, M. L Einzahlung in Empfang neh-! N. S. 242—245. Formular f. mente Bankinstitut (juristisch > unten S. 756 Anm. die Reichsbank selbst, hier ZahGarei s, Handelsrecht. 6. Aust. 48
Kap. III. Die Handelsgeschäfte.
754
Einzahlung annehmende und die Auszahlung vermittelnde
Bank wird nicht Schuldnerin desjenigen, an welchen aus bezahlt werden soll, sondern ist nur dem Einzahlenden (ex mandato) verpflichtet; ist der letztere Schuldner desjenigen,
dem die Bank auszahlen
soll,
so
liegt der Fall einer
Erfüllungsübernahme (Zahlungsübernahme, nicht Schuldübernahme im engeren und technischen ©inn)1) vor.
HI. Das Jnkassomandat, Einkassierungsmandat, ist der — im Handelsverkehr häufig schriftlich erteilte — Auf trag eines Mandanten an einen Beauftragten eine bestimmte Summe bei
einem Dritten einzuheben,
sich
einem
von
Dritten einen angewiesenen Betrag ausbezahlen zu lassen?)
Dabei kann vereinbart sein, daß der Jnkassomandatar die auftragsgemäß einzuziehende und eingezogene Summe für
sich behalten darf (z. B. als Vorschuß oder als Zahlung eines Darlehens); dann darf der Auftraggeber das Inkasso
mandat nicht willkürlich widerrufen, er haftet alsdann für das Interesse, welches der Mandatar an dem Vollzüge des
Mandats hat, und der Mandatar wird Eigentümer des bei
einem
Geldes?)
los
erteilt,
Dritten
auftragsmäßig
für
sich
erhobenen
Das Jnkassomandat wird in der Regel form
im Verkehr mit Orderpapieren aber hat sich
eine bestimmte Form für dasselbe eingebürgert,
das
„Jnkassoindoffament",
dessen Wirksamkeit
nämlich auf
dem
Jnkassomandat beruht und im Wechselrecht besonders ge regelt ist.4)
1 Regelsberger im Hdbch. Reichsbank insbes. s. oben 8- 60 §. 257 II A (Bd. 2 S. 532). II (S. 697 f.). * Über die Jnkassokommission ° Thöl, HR. §. 323. und das Einziehungsgeschäft der < WO. Art. 17, s. unten §.89.
Zahlungsgeschäste.
g. 68.
755
Assignation, besteht in
IV. Die Anweisung,
einer Verbindung von Zahlungs- und Jnkassomandat; ein
Mandant (der Assignant) weist einen andern (Zahlungs
mandatar, Assi gnat genannt) an, einem Dritten (Jnkaffomandatar, Assignatar genannt) eine bestimmte Zahlung
zu
machen, und weist zugleich
diesen Dritten (Inkasso-
die Zahlung zu empfangen.
mandatar, Assignatar) an,
Eine solche Anweisung kann formlos, mündlich und schrift
lich erteilt werden, die Rechtsverhältnisie sind dabei nach Maßgabe der kombiniert in Anwendung zu
bringenden
Regeln vom Zahlungs- und vom Jnkassomandat zu be urteilen, woraus sich z. B. ergiebt, daß eine vom Zahlungs
mandatar (Assignaten) angenommene Anweisung vom As signanten nicht kontremandiert werdm darf, wenn das Mandat
im
Interesse des
gegeben ist,
Einkassierungsmandatars
ferner,
(Assignatars)
daß eine vom Schuldner (als As
signanten) seinen Gläubigern (als Assignatar) gegebme An weisung auf einen Dritten nicht Zahlung (assignatio non
est solutio), auch nicht Novation des vorher bestehenden Schuldverhältnisses, sondern, wenn nicht ausdrücklich anderes vereinbart oder besonders gewollt erscheint, nur als Versuch
der Zahlung oder nur als bedingte Novation aufzufaflen ist.')
Außerdem ist hinsichtlich der Assignation dreierlei zu
bemerken: a) Die kaufmännische Anweisung«) hat be1 RGer. Bd. 31 S. 110. 8 Der Begriff und die Regelung der Anweisungen «m allgemeinen ergiebt sich aus dem allgemeinen bürgerliche» Rechte, BGB. §§. 783—792; dort ist
1 ! ' i !
zunächst der Schwerpunkt auf die Ermächtigung des legitimen Inhabers der Urkunde, die Leistung zu erheben (Inkasso Mandat u. dgl ), gelegt und das Recht der Annahme (Acceptation) 48*
Kap. III. Die Handelsgeschäfte.
756
sondere Ausbildung und Regelung erfahren;
sie hat stets
die Form eines schristlichm Zahlungsauftrags, welchen der Mandant (Assignant) an den Assignaten richtet zu Gunsten
des Assignatars und letzterem übergiebt;*) die Anweisung ist eine kaufmännische im älteren Sinne des Worts, wenn
entweder der Assignant oder der Assignat oder beide Kauf mannseigenschaft habens)
im Sinne des neuen Handels
rechts aber nur, wenn der Assignat (Bezogene) Kaufmann
der Anweisung im Sinne der Entstehung einer Verpflichtung des die Anweisung Annehmenden (Acceptanten) festgestellt. BGB. §§. 784ff. Vgl. G. Cohn im Hdbch. §. 452.
1 Die im Ein- und Aus zahlungsverkehre der Reichsbank (,. oben S. 753) vorkommende Anweisung hat folgende Form:
Heichsbank. Zahlung» ~ Anweisung über Mark
No.
Am Tage der Vorzeigung beliebe die Summe von an die Ordre laut Advis zu zahlen und der Haupt-Bank *) in Rechnung zu stellen. Es wird vorbedungen. dass f)
, den
ia
Reichsbank-Hauptkasse. **) Eingetragen
♦ Bezw. .uns". ** Bei den Zweiganstalten: Reichsbank(haupt)stelle. f Unter dem Kontext der An weisung findet sich in kleinem Druck die Bestimmung: .Es wird vorbedungen, daß die Ein lösung nach Wahl der Zahlstelle in Metallgeld oder Banknoten
Eingetragen
jedoch nicht vor Eingang des Addises erfolgen darf, und daß die Reichsbank berechtigt, aber nicht verpflichtet sein soll, die Legitimation des Inhabers der Anweisung zu prüfen." 8 Art. 300, 301 d. HGB. v. 1861.
Zahlungsgeschäste.
757
§. 68.
ist1) Die eigenartigen Grundsätze des neuen Handelst rechts beziehen sich nur auf die Übertragung; nun können
zwar Anweisungen
aller
Art
auch
auf
einen
andern
übertragen werden, aber mittels Indossaments in
Zukunft nur die kaufmännischen Anweisungen, und zwar dies Wort nur im neuen Sinne (HGB. §. 363 Abs. 1) verstanden.
Die Bedeutung dieser Neuerung er-
giebt sich aus dem Wesen des Indossaments?)
b) Der Checks (die Bankanweisung)^) ist eine be sondere Art der kaufmännischen Anweisung, 1 Entscheidend für den moder nen Begriff der „kaufmännischen Anweisung" ist, daß die Leistung durch einen Kaufmann (Begriff s- HGB. 88- 1-6) erfolgen soll: nur ein Kaufmann, welcher acceptierte, wird kommenden Nehmern gegenüber in der for malen Werse verpflichtet, wie es aus der Jndossabilität folgt. 8 HGB. §§. 364, 365 und unten §. 73. Auf die ^kauf männische Anweisung", man mag dieselbe im alten Sinne (HGB. von 1861 Art. 301: von Kauf leuten ausgestellte Anweisungen) oder im neuen Sinne (neues HGB. §. 363: auf Kaufleute gezogene Anweisungen) aufsassen, finden, was das Accept (die Annahme im Sinne der Ent stehung der Lcistungsvcrbindlichkeit des den Leistungsaustrag an nehmenden Angewiesenen) an langt, einfach die Grundsätze des bürgerlichen Rechts, insbes.BGB. §. 784 Anwendung. 3 In Bezug auf Checks bleiben die Landesgesetze in Kraft s. Einf.G. zu HGB. Art. 17.
er ist eine
4 Die überaus umfangreiche Litteratur, welche sich aus drc volkswirtschaftliche Bedeutung und die juristische Natur des Checks bezieht, findet sich mit großer Sorgfalt zusammengestellt bei G. Cohn im Hdbch. §. 454 Anm. 1 (Bd. 3 S. 1135 bis 1137). Die Bedeutung des Check systems u. einer Checkgesetzgebung erhellt auch aus folgenden Schrif ten: R. Koch (z. Z. Präsident desReichsbankdirektoriums), Über Bedürfnis u. Inhalt eines Check gesetzes für das Deutsche Reich (Berlin 1883). Diese interessante Schrift enthält im Anhänge die Checkaesetze Englands, Italiens und der Schwerz. Ferner eben falls R. Koch in GZ. Bd. 29 S. 59 ff. und in BA. Bd. 37 S. 85 ff., Bd. 43 S. 128 ff., sowie in den Verhandlungen des XVII Deutschen Juristentages 1884, Gutachten Bd. IS. 1—31; an dem zuletzt erwähnten Orte (Bd.l S. 32-45) s. auch B eh r e n d s Gutachten. Abhandlungen über den Check s. ferner in GZ. Bd.30S.l—29(H. Birnbaum)
Kap. in.
758
Tie Handelsgeschäfte.
kaufmännische Anweisung, weil der Assignat stets Kauf mann, nämlich eine Bank, ein Bankier, ist; er ist diejenige und ebenda S. 325—102 (W. Kapp), sowie die daselbst weiter, hin angegebene Litteratur. Ferner A. Hoppenstedt. Zum Checkgesetz, (Berlin, Carl Heymann, 1892, Vortrag.) Über die neue
j j . i
derselben Materie bringt L. Gallavresi unter dem Titel: L’ assegno bancario (Check), (Milano 1883). Über die Ver-
; i ren Checkgesetzgebungen und Check ; gesetzentwürfe verbreitet sich sehr i eingehend G. Cohn in d. Z. f. vergleichende Rechtswissenschaft 1 Bd. 11 u. 12. Hiezu nun noch : Paul Hammerschlag im ' »österr. S taa tswörter -
Wendung des Checks im Giroverkehr s. Koch, M. L R. S. XLIII und s. oben §. 66 III S. 742 f., ebenda Anm. 3 S. 743 ff., s. die Verwendung der Checks der Reichsbank. Die gebräuchlichen Formulare sind die unter A u. B folgenden. Die Bedeutung des gekreuzten Checks (crossed check) s. oben S. 745 in der Anm. 111. Die erwähnten Formulare siud:
buche" unter.Check" (1894). Eine universell angelegte und ebenfalls gründliche Behandlung A.
Formular der
zu baren Abhebungen bestimmten weißen Checks der Reichsbank:
500000 450000 400000 Die Reichsbank in Berlin Ausgehhndigt 350000 an M wolle zahlen gegen diesen Check ans 300000 250000 ly iDGinein /■< .1 1 200000 a------- Guthaben an unserm 150000 1100000 50000 .. oder Überbringers 40000 30000 o Mark. 20000 Datum 10000 5000 Ä 4000 18 . 3000 2000 Checks, in welchen der Zusatz »oder Überbringer* 1000 durchstrichen oder eine Zahlungsfrist angegeben 500 ist, werden nicht bezahlt. I
No.
No.
Jt
w............ 00 « w
...........
1 i
g. 68.
Zahlungsgeschäfte,
759
Anweisung, mit welcher ein Kunde die Bank über den ihm von dieser gedeckt oder
im Kontokurrent
ungedeckt,
oder
durch besondere Accreditierung eröffneten Kredit verfügt oder über ein bei der Bank liegendes, ihm gehöriges Guthaben
zu Gunsten eines Dritten oder seiner selbst (letzterenfalls:
Check
eigene
an
Order)
bedient
Man
disponiert.
sich
hiebei Vertrags- oder reglementsmäßig besonderer Formulare,
welche von der Bank (als Assignatin) ihren Kunden zur gestellt werden und besondere Kautelen gegen
Verfügung
bieten.
Fälschungen (die Checks
des Checks
ist
Der
Check
Reichsbank
der
sind
kann
Orderpapier
selbständig verpflichtend,
sein
das Accept
es nicht),
aber nicht mehr
gebräuchlich.
zwischen
c) Der Unterschied
dem gezogenen Wechsel.
der
Anweisung
und
Der letztere ist eine An
weisung mit hinzutretendem Wechselversprechen: ’) äußerlich unterscheidet sich dieselbe von der Tratte durch dm Mangel B. Formulare der zu Übertragungen aus Konten (an demselben oder einem andern Bankplatze) bestimmten roten CheckS der Reichsbank: No.
den
i
Pf.
Betrag
No.
8 5 g von 18 g Mark
Die Reichsbank
wolle
dem
Conto
in ..............................................................
g gutscbreiben und dafür belasten das Conto von ß! .................................. (Ort)
1 Thöl HR. §. 331.
(Finnen-Stempel) den
(Dgl. unten §§. 81, 87.)
18
Kap. IH. Die Handelsgeschäfte.
760 des Worts
„Wechsel", innerlich dadurch, daß der Aus
steller der Tratte
Bezogenen
für die Zahlung des
(für Annahme
und
Wechsels beim des
Zahlung
seitens des Trassaten) wechselmäßig haften
Wechsels
muß, folglich
bei Verweigerung der Annahme oder Zahlung nach dem
Wechselrechte regreßpflichtig ist, während der Assignant nicht
wechselrechtlich
die
für
Assignaten
vom
vorzunehmende
Zahlung haftet, nicht wechselrechtlich regreßpflichtig, sondern
nur eventuell schadensersatzpflichtig ist,
es wäre denn, daß
er eine besondere civilrechtliche Haftung übernommen habe.
Die Unterschiede werden sich
im einzelnen aus der Dar
stellung des Wechselrechts ergeben, wenn erwogen wird, daß der Anweisung die prozesiualische und die materielle Wechsel-
sttenge, insbesondere das wechselmäßige Regreßnehmen fehlt (s. unten §§. 87, 94 ff.).
Dem angedeuteten Zwecke,
V.
möglichst zu umgehen, können
die
direkte
Zahlung
auch die Session und die
Schuldübernahme dienen, teils jede für sich allein, teils beide
in Verbindung
miteinander,
stets zu dem Zwecke,
schließlich Kompensationen herbeizuführen. Die
Session
—
Überweisung
des
Schuldners
an
einen neuen Gläubiger (Cessionar) durch Vereinbarung des
letzterm mit dem bisherigen
Gläubiger (Gebenten) unter
liegt keinen dem neuen Handelsrecht eigentümlichen Grund
sätzen?) Die Schuldübernahme ist:
a) entweder bloße Erfüllungsübernahme, oder
b) die
Entstehung
1 BGB. §. 398.
einer
Verpflichtung eines in ein
8-
Zahlungsgeschäfte.
Schuldverhältnis fortbestehendm
neu
des
(kumulative Schuldübernahme, möglicherweise
als
Schuldners neben der
eintretenden
Verpflichtung
bisherigen
Schuldners
Gläubiger gegenüber
dem
Vertrag zu
761
68.
Gunsten
Dritter aufzu
fassen), oder
c) die nur mit Zustimmung des Gläubigers vollwirk
sam
der
Übernahme
werdende
Verbindlichkeit
eines
Schuldners durch einen neuen, an dessen Stelle tretendm Schuldner (private Schuldübernahme durch Vertrag zwischm
dem bisherigen und dem neuen Schuldner und mit Zu
stimmung der Gläubiger)?) Diese Fälle lassen sich auch als verschieden zu qualifi zierende „Überweisungen" (Schuldüberweisungen) bezeichnen, der letzte auch als Delegation,
ein schwankender Rechts
begriff, der im heutigen Rechte nicht unter den der Novation fällt.-)
VI. Zahlung
Im
ausgedehntesten
Maße
wird
die
direkte
ersetzt durch ein zweckmäßig angelegtes System
von Cessionen, über» und Anweisungen und Kompensationm, wie es die sog. Skontration-) mit sich bringt;
man versteht unter Skontration ein mehrseitiges Rechts geschäft,
inhaltlich
deffen
sich
eine
aus
mehr
als zwei
Personen bestehende Anzahl von Personen verpflichtet, so 1 BGB. ß. 414. Vergl. Regelsberger imHdbch.ß.257 IIC (Bd. 2 S. 533). 1 Vgl. Windscheid, “ Pand. §. 352 a. E. — Regelsbcrqcr a. a. O. S. 538, 539. ‘ ' Thöl, HR. §S. 334-341; Endemann,HR.4.Aufl.§. 151; Koch in von Holtzendorsfs
, RLex. 3. Ausl, unter.Riskontro' und Koch,M.LR.3.Ausl. 1898 S. i XLIII, 85,209,235:G-Cohn | im Hdbch. Bd. 3 S. , 1056^ .... die ... l dort angegebene Litt. u. GSyst. §. 118 e. “ 203 Das Wort '------- ff. — -------------wird von scontro, scontrare — sich treffen, sich vergleichen laffen, abgeleitet.
Kap. III. Die Handelsgeschäfte.
762
viele und so gestaltete Cessionen, Überweisungen und Kom
pensationen vorzunehmen, daß dadurch eine möglichst weit
oder gewisser unter den Kon
gehende Ausgleichung aller trahenten
vorhandenen Schuld- und Forderungsverhältniffe
Diese Ausgleichung
ohne Barzahlung herbeigeführt werde.
ist, sobald der formlos abzuschließende Vertrag unter den
Skontranten rechtskräftig und wirksam ist, sofort erzwingbar und kann auch einredeweise gellend
einzelnen
zu jenem
Zwecke
gemacht werden; die
erforderlichen
Überweisungen,
Kompensationen u. s. w. gelten als vertragsmäßig gewollt, wie der Zweck (die „Zahlung
mit geschlossenem Beutel")
sie erheischt, und die Handelsübung hat zuweilen besondere
Orte festgesetzt, an welchen die Skontranten sich persönlich oder durch persönlich
anwesende Bevollmächtigte treffen (so
früher auf Wechselmessen, im vorigen Jahrhundert auf be sonderen Skontroplätzen:
„am Perlach" in Augsburg, im
„deutschen Haus" in Venedig, auf dem „Römerberg" in
Frankfurt
a. M., nun im „Clearing house“ in London)
und die Skontration durch geeignete und usuell geordnete Notierungen bewerkstelligen.
Heutzutage bildet eine besondere Art der Skontration der Abrechnungsverkehr, des
Reichsbankdirektoriums
häuser
in
Berlin
Abrechnungsstelle
durch eröffnet
welchen auf Veranlassung
die
hervorragendsten
Einrichtung
haben,
und
einer
Bank
gemeinsamen
der nun
(1898)
auch an neun anderen großen Handelsplätzen Deutschlands (Bremen, Breslau, Dresden, Elberfeld, Frankfurt a. M.,
Hamburg, Köln, Stuttgart und Leipzig) geübt wird.
Es
ist im wesentlichen das Londoner clearing-housc-©yftem,
Zahlungsgeschäfte, g. 68.
763
welches in obiger Einrichtung in Deutschland recipiert ist?) Ähnlich wirken die Saldiemngsvereine in Wien, Buda
pest, Brünn und Prag.
Den thatsächlichen Vorgängen des Abrechnungsverkehrs
liegen folgende juristische Momente zu Grunde.
Die Basis
ist der Skontrationsvertrag (das Abkommen über die Er richtung einer Abrechnungsstelle und bezw. der Beitritt zu
letzterer), welcher sich einerseits als ein Gesellschaftsvertrag
(Vereinbarung des Abrechnungsvereins, einer Societas) und zugleich als pactum de cedendo et assignando et com-
pensando darstellt; kraft des einen Teils hat die Ab rechnungsstelle eine besondere Organisation (Vorsitzende, Ausschuß, Plenarversammlung und Geschäftsordnung), kraft
des andern Teils müssen die zur Abgleichung (Clearing)
1 Ausführlich berichtet hierüber — unter wörtlicher Mitteilung der Verhandlungsprototolle und Abdruck aller Formulare — R. Koch in seinem höchst be merkenswerten Aussatze: .Abre ch nung s stelle n(ClearingHäuser):. Deutschland und deren Vorgänge" in GZ. Bd. 29 S. 59—109; hiezu R. Koch in W. B. St. W. 2. Aufl. (1898) unter .Abrechnungsstellen". In Bezug auf Abrechnungsstellen in Österreich s. Paul Hammer schlag im Osterr. Staatswörtcrbuche (1894) unter diesem Worte. Die thatsächlichen geschäftlichen Vorgänge sind hiebei folgende: Die Mitglieder des zu dem Zwecke der Abrechnung gegründeten Skontrationsverems (oder deren
Vertreter) treffen sich täglich Idreimal zu präcise bestimmten Zeiten (in Berlin 9 Uhr, 12 Vr Uhr, | 4 Uhr) in dem Abrechnungs lokal und bringen die Papiere mit, deren Werte der Abrechnung zu unterwerfen sind; thatsächlich sind es nur Checks, Anweisungen und Wechsel (Accepte und Do mizile); jedes Mitglied, welches ein derartiges Papier beftbt, aus welchem em anderes Mitglied verpflichtet ist (z. B. einen von letzterem ausgestellten Check, einen von letzterem acceptierten Wechsel), übergiebt demzahlungsPflichtigen Mitglied das bett. Papier (mit Verzeichnis und gegen Empfangsbescheinigung) tfanasbescheinigung) — as bett. vetr. Papier rechts| damit ist das - gültig zur Zahlung präsentiert —
764
Kap. III.
Die Handelsgeschäfte.
erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen werden. die letzteren sind zwei
praktische Rechtssätze von
Für
größter
Bedeutung:
1. Die Einlieferung eines Papiers in die Abrechnungs
stelle gilt als gehörige Präsentation zur Zahlung. 2. Die Ausgleichung im Abrechnungsverfahren gilt als
Zahlung im Sinne des bürgerlichen Rechts. Reben
diesen
beiden
Rechtssätzen
Abgleichungsvertrags;
Wirkungen des
stehen die
Unifikation der zur Skontration gelangenden Passiva
jedes Mitglieds,
ferner
die
besondere
kompensierende Aktiva und
Personifikation
der
Abrechnungsstelle, zunächst nur im Sinne kaufmännischer Auffasiung und Buchung, dann die Cession des durch die
Unifikation
nicht
rechnungsstelle
und
ausgeglichenen
Aktivrests
an
die
Ab
die Schuldübernahme des durch jene
Unifikation nicht ausgeglichenen Passivrests seitens der Ab
rechnungsstelle.
VII. Eine besondere Art von Zahlungsgeschäft ist das
und macht einen darauf be-! züglichen Eintrag in eine von | rhm, wie entsprechend von jedem | anderen Mitglieds geführte Liste (sog.,Abrechnungsblatt"); letztere hat drei Spalten, von denen die mittlere die Namen der an der ' Skontration beteiligten Mit- I alieder enthält, die linke die Forderungen nennt, welche dem Eintragenden gegen das in der mittleren Spalte genannte Mitalied zustehen, und die rechte die Forderungen aufzählt, welche der in der Mitte genannten Firma i
gegen den Eintragenden zustchen. In dieses sogen. Abrechnungsblatt kann und wird jedes Mit glied das, was es von der in der Mitte genannten Firma zu fordern hat, schon vorher ein tragen, in die Kreditkolonne des Blattes trägt jedes Mitglied in dem Augenblicke, in welchem ihm ein anderer Skontrant ein Papier übergiebt, aus welchem es ver pflichtet ist, die betr. Summe ein. Dem Abrechnungsblatte Abrechnung^ liegt st Ort v t v 9 * e. v * (in Berlin) folgendes FFormular zu Grunde.
Zahlungsgeschäfte.
§. 68.
765
Deckungsgeschäft. „Deckung" ist in des Worts all gemeinster Bedeutung zweierlei:
Abrechnungsstelle Berlin, den Stickzahl
Debet
1
Firma
Kredit
Bank des Bert Kassenverein
Bank für Handel u. Industrie
8. Bleichröder
Delbrück, Leo & Co.
Deutsche Bank
Totalsumme Saldo Vorstehendes Saldo von Mark wolle die Reichsbank dem Konto der Abrechnungsstelle
zu
des Giro-Konto von
Richtig Der Vorsteher der Abrechnungsstelle.
766
Kap. III.
Die Handelsgeschäfte.
a) die Sicherheit (Sicherheitsbestellung) für den Ersatz des Aufwands, welchen jemand im Namen oder für Rechnung eines anderen aus seinem eigenen Vermögen machen wird oder gemacht hat, und
Durch jene Einlieferungen und die ihnen entsprechenden Einträge i in dem Abrechnungsblatt entsteht ' ein Bild aller Forderungen, welche I den sämtlichen Skontranten gegen I' denjenigen, der dieses Blatt führt, zustehen, sowie aller der För derungen, welche diesem gegen die übrigen zustehen, und da jeder Skontrant ein solches Blatt führt, und da die einzelnen Blätter saldiert werden können, ist hiermit schon eine umsaffende Skontration eingeleitet. Aber das bisher geschilderte Verfahren ist nur provisorisch: nach der Einlieserung und Eintragung am ersten Termine begeben sich die | Mitglieder mit den empfangenen Papieren nach Hause, um dort die Prüfung derselben vorzu nehmen. (Beanstandete Papiere werden im nächsten Termine }u= rückgeliefert und durch Ein tragung in der entgegengesetzten Kolonne abgeschrieben.) Rach beendeter Ein- und Rücklieferung im zweiten Termine (12,/a Uhr) summiert jedes Mitglied sofort; die Debet- und Kredit-Kolumne i seines Abrechnungsblattes und ermittelt durch Saldieren des selben, was er der Gesamtheit der Abrechnenden schuldet und I
von ihnen zu fordern hat; über diesen Saldo stellt es eine An Weisung an das Girokontor der Reichsbank auf dem Abrechnungsblatt und wörtlich gleichlautend auf einem besonderen Zettel aus, welchen es dem Vorsteher der Abrechnungsstelle überaiebt; der Vorsteher »rsteher trägt die verschiedenen , , . ..... Saldi der ihm übergebenen Ab rechnungsblätter in das Bilanz buch, ,, vergleicht „ , und visiert die Anweisungen und übergiebt ein Duplikat des betreffenden Blattes des Bilanzbuchs chs dem Girokontor der: Reicksbank, welches erfordert. Buchungen danach die erforl ~ (Belastungen od oder Gutschriften) in den Girokonten der Mit glieder und der Abrechnungsstelle vornimmt: denn da die schließlicheAusgleichung vereinbarungs gemäß durch Zu- und Ab schreibungen auf dem Girokonto bei der Reichsbank stattfinden soll, so können sich nur Giro kunden dieser Bank an dem Ab rechnungsverkehre beteiligen. S. §. 66 III S. 742 ff. Den Vorgang der Abgleichung in ihren einzelnen Stadien soll nachstehendes Schema zur Ver anschaulichung bringen:'
ZahlungSgeschäste. g. 68.
767
Schema zur Veranschaulichung des Clearings. Stand der
I. II. Resul tat derEinIII. Resul» tat der Sal dierung auf den Abrechnungsbllttern
II. Resul tat der Ein-
Einlieferung.
Es hat zu fordern:
im ganzen
14
einzeln
Folglich schuldet:
einzeln
13
7
C: 3 von F C: 4 dem A 2 » D 4 „ G
6
3
D: 1 von B D: 5 dem A ___ 2„_C 6 „ G
11
3
E: 3 vonA E: 6demB
6
4
F: 4 von B F: 3 dem C
3
16
G: 6 vonD G: 7 dem B 10 „ A 4 , C
11
60
60
Dem Konto der Abrechnungs stelle gut geschrieben zu Lasten des D u. E. * Hierüber werden schließlich — vom Vorsteher der Abrechnung-stelle alrichtig erklärte - Anweisungen an das Girokontor der Reich-bank -u Gunsten der Girokonti von A. B, C, F und G ausgestellt ni Lasten der Giro konti von D und Ej infolge hiervon
60
UI. Resul tat der Sal dierung auf den Abrech nungs blättern.
Im ganzen Pasalvealdl
A: 5 von BI ;A: 3demE 10 „ G 4 n C 5 . D B: 6 von E! iß: 5dem A 1 „ D 7 „ G! ! ' 4 „ F
13
+ 11*
Forderungen bei Beginn
10
60
—11*
Das Konto der Abrechnungs stelle belastet zu Gunsten des A, v. C, F u. G. belastet die RetchSbank da- Girokonto des D mit 8 (Kreditor Abrechnungs stelle) und da- des E mit 3 (Kreditor Abrechnungsstelle) und schreibt dem Girokonto de- A 1 gut (Debitor Ab rechnungsstelle), dem des B 3 u. f. f.
768
Kap. HI.
Die Handelsgeschäfte.
b) dieser Ersatz (die Revalierung)') selbst; und Deckungsgeschäfte sind demnach
diejenigen Rechtsgeschäfte,
jene Sicherstellung oder diesen
welche
Es
zwecken.
ist
begreiflich,
daß
die
Ersatz
be
Deckungsgeschäfte
gerade im Anschluß an Zahlungsanweisungen und Wechsel
besonders
häufig
vorkommen.
Die Deckung
im
engeren
Sinne, nämlich die Ersatzleistung (Revalierung) kommt in verschiedener Weise vor, je nachdem zur Deckung ein bereits der nun zu
vor
ersetzenden
Aufwendung
vorhandenes
Rechtsverhältnis zwischen dem Ersatzberechtigten und dem Deckungspflichtigen zur Deckung
diesem Zwecke
ein neues
verwendet wird oder zu
Geschäft (Deckungsgeschäft im
engsten Sinne) eingegangen werden muß.
Ein bereits vor dem zur Deckung berechtigenden Auf wande existierendes Rechtsverhältnis wird zur Deckung ver wendet, wenn „auf Schuld" mandiert ist, d. h. wenn der
Deckungsberechtigte vorher der Schuldner des
Deckungs
pflichtigen (z. B. Zahlungsmandanten, Assignanten) war,
sowie dann, wenn der Deckungsberechtigte (z. B. Assignat) zwar zur Zeit des an ihn gerichteten Zahlungsmandats noch nicht Schuldner des Mandanten war, es aber noch vor
dem
Vollzüge
des
Zahlungsauftrags wurde:
in
beiden
Fällen erfolgt die Deckung einfach durch Abgleichung von
Schuld
und
Forderung
(Kompensation,
möglicherweise
Skontration); hat der Deckungsberechtigte bereits, ehe er
den Aufwand für den andern machte, „Deckung" erhalten,
1 Dgl. G. Cohn im Hdbch. Bd. 3 S. 1090 ff. und die dort angegebene Litteratur.
ZahlungSgeWfte.
§. 68.
769
Barfonds oder Effekten von dem Deckungspflichtigm in Empfang genommen, fei es mit Bezug auf eine bestimmte
einzeln vorzunehmende Auslage, fei es allgemein, wie bei dm „Depositen im Kontokurrent" (Deckung i conto f. §§. 63,
66 S. 721, 742), zum Zweck der Krediterlangung, so erfolgt
die Ausgleichung hinterher von selbst, kaufmännisch schon
durch die mtsprechende Buchung des Aufwands, der durch den vorher
gebuchtm Eingang
des
Barfonds u. f. w.
„gedeckt" ist, sofern die in Depot gegebnen Wertgegen
stände nach dem Willm der Parteien oder wegen Verzug zur Zahlung verwendet werben.
Ist
kein
bereits
vorhandenes
Rechtsverhältnis
zur
Deckung zu verwendm, so muß gegebenenfalls ein neues
Geschäft zu diesem Zwecke abgeschlosien werben;1) dies ist
stets ein Zahlungsgeschäft, entweder eine direkte oder eine indirekte Zahlung enthaltend.
Die Notwendigkeit eines
neuen eigenen Deckungsgeschäfts macht sich geltenb, wenn der Deckungsberechtigte dm nun zu ersetzmden Aufwand für
dm Rmalierungspflichtigen rein auf Kredit (auf Borg, in blanco, ä dScouvert) machte, sowie auch dann, wenn der Revalierungspflichtige dem Deckungsberechtigtm zwar Sicher
heit bestellte (gedeckter Kredit, z. B. durch Accepte, Ver pflichtungsscheine), aber nicht solche Wertgegmstände über gab, welche ohne weiteres zur Zahlung oder Ausgleichung
verwmdet werben konnten.
1 Bat. A. Ströll, Die WechselrevalierungSllagc. lingen 1873.) (Bareil, Handelsrecht. 6. Aufl.
49
(Nörd
770
Kap. III.
VII.
Die Handelsgeschäfte.
Die Schaffung und Verwendung von Wertpapieren.
§. 69.
Wese« der Wertpapiere. Schriftliche Aufzeichnungen, durch welche irgend etwas
bekundet wird, sind, wie aus zahlreichen Abschnitten dieser
Darstellung zu ersehen ist, im Handelsverkehr in großer Menge gebräuchlich; sie lasten sich nach verschiedenen Ge sichtspunkten einteilen, unter anderem auch nach Maßgabe
der Stellung, welche sie zu einem bestimmten Rechtsgeschäft
oder Rechtsverhältnis einnehmen; hienach sind zu unterscheiden:
I.
II. III.
deklaratorische Dokumente, konstitutive Urkunden und
Wertpapiere,
ohne daß die Unterschiede in dem Sinne ausschließend zu
fasten sind, daß eine Urkunde nicht zugleich mehrere dieser Stellungen
zum
bekundeten
Rechtsverhältnis
einnehmen
könnte.
I. Die deklaratorischen Urkunden stehen völlig außer halb des durch sie deklarierten Rechtsgeschäfts oder -verhältnifles, welches ohne sie civilistisch entsteht und besteht; zu
ihnen gehören a) die Beweisurkunden, „Dokumente" im engeren
Sinne, welche entweder schlichte Beweisurkunden sind, die einen
rechtlichen Vorgang zu beweisen haben, der auch ohne sic nicht bloß rechtlich besteht, sondern
auch ohne sie be
wiesen werden kann (und zwar auch abgesehen von dem
Wesen der Wertpapiere.
§♦ 69.
771
Falle einer Amortisation) durch andere Beweismittel, wie
Sengen u. dergl.;
hieher ist zu rechnen der gewöhnliche
Schuldschein, die Quittung, die Faktura, auch der Hypo
thekenbrief, der Pfandschein, der Lombardschein, der Zeichnungs- und wohl auch der Jnterimsschein, —
oder qualifizierte Beweisurkunden sind, die einen rechtlichen Vorgang zwar nicht begründen (oder begründen
helfen), wohl aber ausschließlich zu beweisen im stände und berufen sind; wenn z. B. bestimmt ist, daß Rechts-
geschäfte über Liegenschaften nur gelten, sofern sie notariell verbrieft sind, so ist die notarielle Urkunde, welche über
einen Liegenschaftsverkauf errichtet ist, zwar auch nur eine Beweisurkunde, aber das einzig mögliche Beweismittel und
wird dämm als qualifizierte Beweisurkunde bezeichnet werden
dürfen; die qualifizierten Beweisurkunden stehen übrigens auf der Grenze der konstitutiven Urkunden (II), und sie
überschreiten diese Grenze dann, wenn die bürgerlichrechtliche Existenz (nicht bloß der Beweis) von der Errichtung oder
wesentlichen
Verwendung
der
Urkunden
abhängig
ge
macht ist. b) die Legitimationszeichen; *) das sind Urkunden, 1 BGB. §. 807. Diese Zeichen sind nicht zu verwechseln mit „Legitimationspapieren, d. s. die jenigen Wertpapiere (im Sinne von III), bei denen der aus (ober aus) dem Papiere Ver pflichtete nicht die Pflicht hat. zu prüfen, ob der Vorzeiger des Papiers identisch sei mit dem jenigen, für welchen die Leistung dem Inhalte der Urkunde nach bestimmt ist (s. z. B. bei De
positalscheinen der Reichsbank, s. oben S. 695, 697), oder bei welchen der Verpflichtete in der ihm obliegendenEchtheitsPrüfung wenigstens Erleichterungen ge nießt, welche von Gesellschafts statuten oder im Begebungs verträge genau bestimmt sind, oder bei welchen der Verpflichtete die Präsentation des einzulösen den Papiers durchweg als genügende Legitimation — laut 49*
Kap. III.
772
Die Handelsgeschäfte.
welche nur zur Ausübung einer Kontrolle, zur Prima-vista-
Bescheinigung einer als Vorbedingung zur Ausübung eines
Rechts geltenden Thatsache oder zur leichteren Orientierung über eine außerhalb der Begebung des Zeichens entstandene
Befugnis unter allen Umständen nur im Interesse einer gewissen Übersichtlichkeit oder aus sonstwelchm geschäftlich technischen Rücksichten gegeben, genommen, getragen oder
sonst verwendet werden, nicht aber als Dokumente zu be
weisen/) noch auch als „Werte" zu cirkulierm bestimmt
sind; es gehören hierher Marken, Karlen, Billets verschiebener Art, wie Eintrittskarten u. bergt2) II.
Die konstitutiven Urkunden stehen nicht außerhalb,
sondern innerhalb des Rechtsgeschäfts, welches abgeschlossen
und
beurkundet wird;
das
Rechtsgeschäft
kann
alsdann
ohne die Urkunde nicht bloß nicht bewiesen werden, sondern ohne sie überhaupt nicht zur Existenz gelangen, so daß also Vertrag — betrachten darf, wie dies z. B. bei Sparkassenbüchern und Assekuranzvolicen vor kommt, Papiere der letzten Art werden — vorzugsweise — Legitimationspapiere — im engeren Sinne — genannt. Hier über s. die ausführliche Dar stellung Brunners im Hdbch. §. 196. Bei den Legitimattonszeichen ist, wenn man die eben erwähnten Gesichtspunkte darauf anwenden will, von einer Jdentitätsprüfung meist nicht die Rede, die Ecbtheitsprüfuna sehr erleichtert und die Präsentation als Legitimation zu erachten. Vgl. A. Ran da a. dem S. 773 angegebenen Orte S. 353 ff. Über die VersicherungS
marke und Quittungskarte s. L. Latz, in den Rechtswissen schaftlichen Untersuchungen zur socialpolitischen Gesetzgebung, herausgeg. von demselben (Mar burg 1891). Überd. Briefmarke siehe Kohler in AsbR. Bd. 6. * So »beweist" z. B. eine Eisenbahnfahrkarte weder ein Recht, noch eine bestimmte That sache, sie ist aber Kontrollezeichen. 2 Über die Legitimations zeichen s. Gareis in BA. Bd. 34 (1876)©. 97 ff., insbes. S. 104 ff.; W. Fuchs, Die Karten und Marken des täglichen Verkehrs. (Wien 1881). Vgl. Selig sohn, Verzinsung aufgerufener Obligationen in GZ. Bd. 36 S. 49 ff. BGB. §. 807.
Wesen der Wertpapiere. §. 69.
778
die Urkunde nicht bloß zum Beweise, sondern auch zur Konstituierung de? Rechtsverhältnisses und des darin entstehenden Rechts — materiellrechtlich — erforderlich ist. Solche konstituierende — oder „dispositive" *) — Urkunden kannte bereits das Recht des Altertums und des frühen Mittelalters; es gab schon damals Rechtsgeschäfte, welche durch die Hingabe einer Urkunde („carta“, „cautio“) ab geschlossen, Rechtsverhältnisse, welche per cartam begründet wurden; daß die Urkunde natürlich auch deklaratorische und insbesondere beweisende Bedeutung hat, ist selbstver ständlich und ergiebt sich aus ihrem schriftlich ausgedrückten Inhalte; dies unterscheidet sie von einem beim Konsti tuierungsakte im übrigen ähnlich fungierenden Symbol.8) HI. Die Wertpapiere sind Urkunden, welche bei ge wissen Verwertungen (Ausnützung oder Überttagung) eines privattechtlichen Anspruchs privatrechtlich von wesentlicher Bedeutung sind, m. a. W. Urkunden über privat rechtliche Ansprüche, deren Verwertung (Eigenausnützung oder Überttagung) von einer Verfügung (Disposition) über die Urkunde bürgerlichrechtlich abhängt;8) da man mit 1 Brunner nennt.disposi tive* Urkunden solche, durch welche ein Rechtsgeschäft nicht bloß bewiesen, sondern zugleich vollzogen werden soll (Hdbch.Vd.2 S. 145); daS .Vollziehen" be deutet hiebei nicht die Erfüllung, sondern die formell vollendete Äbschließung, fällt demnach mit der rechtlichen Konstituierung des Rechtsverhältnisses zusammen. 2 Vgl. über solche rein kon stitutiven Urkunden Brunner
im Hdbch. S. 145, 146; GZ. Sb. 22 S. 64 ff. 8 Vgl. hiemit Brunner im tdbch. Sb. 2 S.* 147; GUGesch. . 386; GSyst. §. 83a; A. Randa, Das Eigentumsrecht mit besonderer Rücksicht auf bte Wertpapiere des Handelsrechts nach österr. Rechte mit Serücksichtiguug des gemeinen Rechts und der neueren Gesetzbücher. I.^Llfte (Leipzig 1893). S. 310 ff.,
774
Die Handelsgeschäfte.
Kap. IIL
der Disposition über die Urkunde zugleich über den darin bekundetm Anspruch disponiert, könnte man diese Papiere
auch dispositive Urkunden*) nennen; und da der wirt schaftliche Wert des Anspmchs — durch die Bindung der Disposition über den Anspruch an die Disposition über
die Urkunde
an die Urkunde selbst geknüpft oder in
—
das Papier gelegt (der Anspmch also im Papier ver körpert) erscheint/) so ist auch der Name „formelle Wert träger" auf sie anwmdbar (s. oben §. 43 S. 490 f.); sie
gelten als Sachen, die durch spruch
wertvoll
sind,
Wert
dm an sie geknüpftm An
habm
und
zur
Verwertung
dieses Anspruches wesentlich sind.
Dadurch, daß sie seinm
gedruckt
aussprechen, können sie
Inhalt geschrieben
oder
natürlich auch beweisen und sind also auch Beweisurkundm,
schlichte oder qualifizierte.
Ist die zur Verwertung nötige
Urkunde schon zur Entstehung des Anspruchs erforderlich,
so ist das Wertpapier zugleich konstitutive Urkunde; aber nicht jedes Wertpapier (wohl aber die Mehrzahl derselben) ist auch zur Konstituierung des Rechtsverhältnisses, zur Er
werbung des Anspmchs erforderlich; so ist z. B. die Aktie unzweifelhaft
ein
Wertpapier, man kann
aber Mitglied
einer Aktiengesellschaft eher sein, als man eine Aktie in
die Hand bekommt;
so im Gründungsstadium.
Je nach
dem der Anspruch, zu dessen Verwertung die Urkunde er forderlich ist, nur obligationenrechtlich (mithin ein
Fordemngsrecht) oder auch ein s a ch e n r e ch t l i ch e r ist (folglich * Anders Brunner a. a. £)., | Gierke, Goldschmidt u. n., s. oben S. 773 Sinnt. 1. ; gegen diesen Gedanken Brunner) 1 über den .Verkörperung?- ; I- unten S. 777 Sinnt. 1.
gedanken' (Savigny, Kuntze,
Wesen der Wertpapiere.
§. 69.
775
dem Inhaber oder Erwerber des Papiers damit auch ein dingliches Recht zukommt u. s. ro.), kann man ForderuugS-
papiere (Skripturobligationen des modernen Rechts)
und sachenrechtliche Papiere unterscheiden.
Von dm sachen
rechtlichen Wertpapieren wurde oben §. 44 S. 449 f. ge
sprochen. Die weitaus wichtigstm Wertpapiere sind Forderungs papiere, die Skripturobligationm des modemen Verkehrs;x)
zu ihnen sind auch die Papiere zu rechnen, welche Gesell
schaftsanteile 1 2) wertpapiermäßig verbriefm (so Aktie, Kux schein); zu ihnm gehören vor allem der Wechsel (s. unten §§. 74 ff.), sowie diejenigm Wertpapiere, welche man „Effekten" nennt, d. s. Wertpapiere, welche einen Markt
oder Börsenpreis
haben, und
die man,
soweit sich der
Handel mit ihnen beschäftigt, auch als Handelspapiere zu bezeichnen pflegt.
Die meisten dieser Forderungspapiere
sind zugleich konstitutive Urkunden (s. oben II) und in der
Regel
auch Präsentationspapiere,
deren
Vorzeigung
(Präsentation)
d. h. Papiere,
der Leistungsberechtigte
bewirkm muß, wenn er die Leistung empfangen will, der gestalt, daß der Leistungspflichtige erst dann in Verzug ge
rät, wenn er nach vorgängiger Präsentation des sättigen Papiers „gegen das Papier" nicht leistet8) 1 Gegen die von Brunner für die Skripturobligationen gebrauchte Bezeichnung: »WertPapiere öffentlichen Glaubens" und gegen die neue Konstruktion derselben im Hdbch. §. 195 haben sichGoldschmidtinGZ.Bd.28 S.71 ff., auch in GUGesch.S.389 Anm. 22, und Gierke in GZ.
i | j ! i
Ist ein For-
Bd. 29 S. 265 erklärt, gegen die Bezeichnung Skripturooligationen A. Randa a. a. O. (oben S. 773 Sinnt. 3) S. 313. 8 And. Ans. ist Brunner im Hdbch. a. a. O. S. 148, 150. , 3 * *Uber ** das Prasentations, Papier s. Brunner im Hdbch. 1 §. 193 Bd. 2 S. 145 ff.
776
Kap. III. Die Handelsgeschäfte.
derungspapier ein Wertpapier und zugleich eine konstitu
tive Urkunde
und
ein Präsentationspapier, so
Skriptur eine dreifache Funktion *)
hat die
für die Obligation:
a) die sogen. Genitalfunktion, d. h. die Aufgabe, bei
der Entstehung der Obligation privatrechtlich wesentlich mit
zuwirken, 2)* konstitutive Bedeutung der Urkunde; b) die sogen. Vitalfunktion, das bedeutet: die Übertragung der Obligation, die Verwertung derselben im Verkehr, sowie
jede nicht die Beendigung herbeiführende Verfügung darüber (z. B. Verpfändung, Verwendung der Obligation zur Legi timation) ist nur mit dem Papiere, nur durch die Dispo sition über das Papier möglich,8) und c) die sogen. Final
funktion, d. h. die Urkunde, hat die Aufgabe, bei der Solution der Obligation mitzuwirken, insbesondere so, daß die Obligation regelmäßig
(d.
h. wenn nicht die Aus-
nahmshilfe der Amortisation zulässig ist) untergeht, sobald
das Papier untergeht, und die Erfüllung der im Wert papiere verbrieften Leistung nur „gegen das Papier", d. i.
demnach Präsentationspapier, gefordert werden sann.4)* * Die * Obligation liegt demnach gebunden im Papier: ihr Schicksal
hängt an dem der Skriptur („Skripturrechte");8) man drückt
1 91 oÄ Kuntze, Deutsches Wechselrecht §. 11 S. 46. 8 Ausstellung von Inhaberpapieren nach BGB. 8. 793 Abs. 2 (auch mechanische Bcrvttlsältrgung der Unterschrift ist Zulässig), §. 794. 8 Über die in dieser Bezie0 bedeutend werdende Unterung der sog. Legitimationspapiere im Gegensatze zu andern
! Urkunden s. oben S. 771 f. Anm. - Vgl. RGer. Bd. 13 S. 159. ; < Finalfuuktion der Inhaber . papiele BGB. §. 797. VorI (egungssrist, Verjährung (30 - Jahre bez. 4 Jahre), Hemmung , derselben s. BGB. §§.801, 802. i Für Coupons gelten besondere * Bestimmungen s. BGB. §§. 803 | bis 805. 1 " Vgl. GUGesch. S. 388, 389.
Arten der Wertpapiere.
§♦ 70*
777
dies mit der Bezeichnung aus: die Obligation ist verforpert1)2 im Forderungswertpapier, in der Skriptur, und
diese ist der Träger des Forderungs- und Schuldverhält
nisses;
geht
der
sichtbare Körper
derungsrechts unter,
so
des unsichtbaren For
endigt auch das letztere, sofern es
nicht — durch das Amortisationsverfahrena) — zu einem
Leben nach bem Tode des Körpers gerettet werden kann.
Alle Wertpapiere enthaltm Versprechen, sei es, daß die
selben
verhüllt oder
darin ausgesprochen Träger von
unverhüllt,
Kredit,
oder unbedingt
aber nicht alle) sind
„reinen Summenversprechen",a) so
Angabe des Schuldgrundes
entbehrt
bedingt
sind, viele (—
werden
kann;*)
darin
das
geldwerte
welcher diesen Versprechen
daß
die
fehlt oder wmigstens
Vertrauen,
der
im Verkehre geschenkt
wird, rechtfertigt dm Namen Kreditpapier, welcher be sonders
für die bedeutendstm dieser Wertpapiere, die die
Leistung einer Geldsumme versprechenden, die Geldpapiere,
gebräuchlich ist. §. 70.
Arten der Wertpapiere. I. Abgesehen von den im vorigen Paragraphm erörterten, mit dem Gegensatz zwischen rein deklaratorischm und rein
1 Über diesen seit Savigny gebrauchten bildlichen Ausdruck s. G i er t e in GZ. Bd. 29 S. 255 ff. und Gold sch mid t in GUGesch. §. 12 Anm. 16 (s. oben S. 774 Anm. 2). 2 Über die Amortisation s. unten §. 71 III, §. 72 VI, §. 73 IV, §. 102. GUGesch.
S. 388 (Geschichtliches über die Amortisation s. ebenda Anm. 21, GSyst. S.168 ff.) und Brunner in GZ. Bd. 22 S. 80 ff. 8 Thöl, HR. §. 212: der selbe WR. §J 17, 55-62. 4 Die Cirkulationsfähigkeit kann auch bei Wertpapieren, welche individualisiert sind (die
778
Kap. III.
Die Handelsgeschäfte.
konstitutiven Urkunden zusammenhängenden Unterscheidungen lassen sich die Wertpapiere nach verschiedenen Gesichtspunkten
einteilen: nach dem Aussteller in Privat-, Korporations
und Staatspapiere, nach dem Leistungsobjekte in Geld- und Warenpapiere (f. vor. Paragraphm a. E. und §. 44), nach der Stellung zur causa: individualisierte und nichtindividuali sierte (s. vorige Seite Anm. 3 und 4), nach der Art
des in der Urkunde verbriefte Anspruchs: in sachenrechtliche
und Forderungspapiere (s. vor. Paragraphen auf S. 774
zu 775) u. s. w. II. Für die Forderungspapiere (Skripturobligationen) ist von großer Wichtigkeit die Unterscheidung nach der Art
der Verpflichtung des Ausstellers: in einfache und in ge = zogene (trassierte)
Papiere; einfache Papiere sind die
jenigen, durch deren Begebung der Aussteller direkt, in erster
Linie (primär) und nach Inhalt des Papiers ohne weiteres
verpflichtet wird; gezogene Papiere (trassierte Wertpapiere) sind jene Wertpapiere, deren Aussteller für die Erfüllung des im Papier gar nicht ausdrücklich enthaltenen Versprechens
nur unter der Bedingung haftet, daß die Erfüllung des Vercausa (lebendi nennen), erreicht | mente — wo diese gestattet sind werden, nämlich teils durch die — (s. unten §§. 88, 89), so bei streng formalistische Beschränkung der Versicherungspolice und dem der Gültigkeit ans den Wort Bodmereibrief (HGB. §§. 363, inhalt der Urkunde (Rechtszwang 364), Namenaktien(HGB. §§. 129 Abf. 2, 183). sccundum scripturam) 1 Die Worte „trassiert" und GUGesch. S. 135 u. GZ. Bd. 28 S. 71 —, zum Teil wohl auch Tratte, Trassant und Trassat durch den Ausschluß der ex- kommen vom roman. trassare = ceptiones ex persona cedentis, ziehen, das mit dem lat. tractus, der in der Anwendung des In- trahere zusammenhängt. Diez, Öaments liegt, sowie durch den Wörterbuch Bd. 1 S. 420. rauch des Blankoindossa-
Arten der Wertpapiere.
§. 70.
779
sprechens zuvor bei einem anderen (dem Bezogmm, Tras sierten, Trassaten) nachgesucht wurde, dort aber nicht erlangt werden konnte; die einfachen Wertpapiere (gubeiten z. B. der eigene Wechsel, der Verpflichtungsschein, die Police gehört) mthalten ein Leistungs-, bei Geldpapieren ein Zahlungsversprechen unmittelbar: z. B. „gegen dies Papier zahle ich"; die gezogenen Papiere enthalten äußerlich nur einen Zahlungs-(Leistungs-)Auftrag, den der Aussteller des Papiers an den Bezogenen richtet, innerlich aber das Versprechen des Ausstellers: für die Zahlung (Leistung) regreßmäßig zu haften, wenn der Bezogene den Auftrag nicht erfüllen sollte; dies ist wenigstens bei dem am vollständigsten entwickelten gezogenen Wertpapiere, nämlich dem gezogenen Wechsel, der Tratte, der Fall. HI. Nach der Art, wie der Gläubiger im Wertpapiere bezeichnet ist und — was gleichviel ist — nach der Negoziabilität *) werden die Wertpapiere eingeteilt in:
1. Rektapapiere ^) (auch „Namenpapiere"), d. s. jene Wertpapiere, in denen der Gläubiger einfach durch die in den Text des Papiers geschriebene oder gedruckte Nennung seines Namms direkt und ausschließlich genannt ist, und welche infolgedeffen nur durch gewöhnliche Cession auf 1 Die bis in das hellenische Altertum zurückreichende Ge schichte negoziabler Wertpapiere ist namentlich durch Brunner u. Goldschmidt neuerlich auf gehellt worden. Litt. s. GUGesch. ! S. 390-397. GZ. Bd. 22, S. : 1 ff., Bd.23 S.225ff.; Gold-! schmidt in der Zeltschrist der!
Savianhstiftung für Rechtsgesch. Bd. 10 2. S. 352 ff.; Gareis in GZ. Bd. 21 S. 349 ff., 59 ff. 2 Brunner im Hdbch. Bd. 2 S. 177 ff. (§. 197) und die dort cif. Lut., ferner GUGesch. S. 390 Sinnt. 28 u. Nanda a. a. O. S. 359 ff.
Kap. III.
780
einen
anbeten
als
Die Handelsgeschäfte,
neuen Gläubiger
übertragen werden
sönnen.1)
2.
Blankopapiere, b. s. Wertpapiere,
auf benen bet
Name des Gläubigers nicht angegeben ist, sondern sich statt
besten ein weißer (blanco), b. i. leerer Raum im Kontexte des Papiers befindet, auf welchen der Name eines Gläubigers
geschrieben werden kann;
ehe letzteres geschieht,
hat daS
Papier die Funktion eines JnhaberpapierS (f. §. 72), nach her aber die eines Rekta-, unter Umständen Orderpapiers.
3. Orderpapiere (f. §. 73) und 4. Jnhaberpapiere (s. §. 72).
§• 71. Entstehung, Umlauf und Untergang der Wertpapiere.
I. Die Wertpapiere entstehen durch die Ausstellung
derselben; es wird darüber gestritten, ob die Ausstellung ein einseitiges Rechtsgeschäft (eine Kreation) sei, welches der
Aussteller allein durch
das Schreiben
des Papiers,
wesmtlich also durch seine Unterschrift, allein und vollständig mit der Wirkung vollendet, daß hiedurch die Verbindlich
keit und die Berechtigung aus dem Papier vollständig ge
schaffen wird, oder ob die Ausstellung ein einseitiges Rechts geschäft des Ausstellers sei, welches in dem Schreiben
desselben und dem Geben (Ausgebm, Emittieren,Über geben des geschriebenm Papiers an den ersten Nehmer, der dadurch [erster] Gläubiger werden soll) — immerhin also
in Thätigkeitm des Ausstellers allein besteht, oder ob die 1 Möglicherweise ist auch die I der Reichsbank, s. oben §. 66 III Eession der Rektapapiere aus- S. 745 und §. 68 IV S. 759. geschlossen, so beim roten Check
Entstehung, Umlauf u. Untergang d. Wertpapiere. §. 71.
781
Ausstellung als der die Pflicht und das Recht aus dem
Papier erzeugende Akt ein zweiseitiges Rechtsgeschäft (ein Vertrag) sei, welches durch Schreiben, Geben und
Nehmen
des
ein
bestimmtes
Versprechm
enthaltenden
Papiers, d. i. durch den Ausstellungs- und Begebensvertrag, welchen der Aussteller und der Nehmer miteinander abschließm, perfekt und wirksam wird.
Über diese Streitfrage
s. §§. 72, 78, insbes. 81 unten. II.
Der Umlauf der Wertpapiere richtet sich danach,
wie der Gläubiger in dem Papiere bezeichnet ist; so laufen Blanko-
und Jnhaberpapiere dadurch rechtlich im Verkehr
um, daß sie unverändert von Hand zu Hand begeben werden,
Orderpapiere aber vermittels des Jndoffammts, Rektapapiere nur durch Sessionen.
Die Cirkulation ein und desselben
Papiers kann verschieden sein, je nachdem dasselbe vorüber gehend die eine oder andere Qualifikation annimmt, z. B.
ein Jnhaberpapier vinkuliert, ein Orderpapier in
blanko
giriert oder durch ein Rektaindoflament weiter begeben wirb. Das Nähere «giebt sich auch in dieser Beziehung aus den
folgenden Paragraphen, sowie aus der Hervorhebung des
Begriffs der Legitimationspapiere *) und der Präsentations papiere?) IH.
Da das Forderungsrecht an das Papier geknüpft
ist, geht dasselbe nur mit dem Papier unter — die End funktion besteht in der Kassation, Einziehung, Vernichtung oder Quittierung des Papiers, womit alsdann auch das daran geknüpfte Gläubigerrecht vemichtet ist; dieses Recht, wie auch die ihm entsprechende Pflicht geht unter, wenn das
1 S. oben §. 69 S.771 Anm. 1, | S. 776 Anm. 3.
1 6. oben §. 69 S. 775.
782
Kap. HL
Die Handelsgeschäfte.
Papier untergeht; hievon bildet eine Ausnahme der Fall der Amortisation (Mortifikation, Kraftloserklärung der Wert
papiere); man versteht darunter die gerichtliche Kraftlos erklärung eines abhanden gekommenen Wertpapieres, welche von der Bescheinigung des Unterganges dieses Papieres und
von der präjudiziellen Aufbietung desselben abhängig ist und
die Wirkung erzeugt, daß nach ihr der Gläubiger die Er
füllung des in dem Wertpapier enthaltenen Versprechens vom Schuldner fordern kann, ohne das Papier selbst zu besitzen, sei es mit oder ohne Kaution. Über die Amortisation der
Jnhaberpapiere s. §. 72 VI, der Orderpapiere §. 73 V, der Wechsel insbesondere §. 102.
§. 72. Jnhaberpapiere.')
I.
Wesen.
Die Jnhaberpapiere sind
Wertpapiere,
bereit Aussteller sich — dem Wortlaute nach — „dem In haber", „au porteur“, „dem Vorzeiger", „dem Überbringer", oder — schlechthin — ohne eine solche Andeutung, jedenfalls aber ohne einen Gläubiger mit Namen zu benennen, ver
pflichtet, demjenigen, der ihm das Papier zur Einlösung 1 Über die Schuldverschreibung aus den Inhaber s. BGB. §§. 793-808. Ältere Litt. s.Brunner im Hdbch. §. 199; GSyst. a. a. O.; G. Salvioli: ititoli al portatore nel diritto longobardo (Roma 1882); J.Rietzer in GZ. Sb. 28 S. 56 ff.; KohlhaaS, Kritik z. 1. Entw. Arch. f. civ. Praxis, Bd. 78 (1888) S. 209—224. — Die historischen
I I : !
wie d. dogmatischen Erörterungen Brunners über das JnhaberPapier a. a. O. S. 196—242 müssen als höchst verdienstvoll und durchschlagend anerkannt werden. Vgl. auch G i e r k e in GZ. 29 S. 265, 266. GUGesch. S. 135. Vgl. auch GareiS, Ein Beitrag zum Handelsrecht des Mittelalters, in GZ. Bd. 21 S. 356 ff.
Jnhaberpapiere.
783
g. 72.
(Zahlung) nach Verfall präsentieren wird, das in dem Papier
enthaltene Leistungsversprechen „gegen das Papier"
füHen?)
zu er-
Ursprünglich durch die Verkehrssitte der altema-
tivm Inhaberklausel, nämlich durch die Beifügung der In haberklausel zum Namen des Gläubigers — schon in lango-
bardischen Urkunden des IX. Jahrhunderts — eingeführt,
ist die Verwendung derjenigen Papiere, welche vom Aus steller
in der Fassung und Absicht ausgegeben sind, daß
er augenscheinlich weder berechtigt, noch verpflichtet sein soll,
die Legitimation des Gläubigers
zu prüfen, daß vielmehr
der Inhaber — wenigstens der gutgläubige — schlechthin als
solcher Gläubiger sein
soll1 2),
heutzutage ein höchst
ausgedehntes und für Handel und Verkehr, für die Geld-
und Kreditwirtschaft
der Staaten wie der Privaten höchst
bedeutendes Rechtsinstitut geworden. Bei der Leichtigkeit der Übertragung des formalen For derungsrechts aus dem Jnhaberpapiere, welche durch ein fache Übergabe des Papiers geschieht, ist die Frage, wie es
juristisch konstruierbar sei, daß der Aussteller jedem späteren Nehmer (d. h. dem vorher meist unbekannten letzten In
haber) gleich dem ersten Nehmer, jedoch selbständig, für die Leistung haftet,
ebenso
Renaud, Dahn
und
wichtig
als
schwierig.
Der von
anderen vertretenen Ansicht, daß
die späteren Inhaber insgesamt auf Grund von Singularfucceffionen in das Recht des Vorgängers berechtigt roerben, steht entgegen,
daß jeder
neue
Erwerber
des Inhaber
papiers ein eigenes, von den etwaigen Mängeln des Rechts 1 ROHG. Bd. 14 S. 359,1 Auportcurstellung und damit das Bd. 22 S. 55. ' Wesen der Jnhaberpapiere. 2 TieS ist die Bedeutung der,
784
•Rap. III.
Die Handelsgeschäfte.
des Vorgängers unabhängiges Recht durch den Erwerb des Papiers
erlangt,
insbesondere
die
Anwmdung
des
Cessionsbegriffs, wie die Vertreter dieser Ansicht selbst an-
ernennen, ausgeschlossen ist, und durch jene Ansicht gerade daS nicht erklärt ist, was erklärt werdm soll: die Bindung
des Schuldnerwillens zu Gunstm aller späteren Nehmer und die Unabhängigkeit des Rechts der letzteren gegenüber dem
Rechte der Vorgänger.
Diese der Erklärung bedürftigen
Rechtsverhältniffe werden weder durch die Annahme eines
Vertrags
mit
einer
„incerta
persona1
(SanigNys
Theorie), noch auch durch die Supponierung einer Novation
(Unger, Kuntze, welche den völligen Mangel eines No-
vationswillms beim Aussteller und auch bei dm Nehmem übersehm), noch durch
eine Personifikation des Papiers
(B e k k e r), noch durch die Annahme einer Zustandsobligation (Gerber), noch durch die — allerdings durch ihre elemen
tare Einfachheit überraschmde, aber freilich gerade das Obligationswesm der Jnhaberpapiere nicht berücksichtigmde —
Eigentumserwerbstheorie,') noch durch die Auf fassung erklärt, daß bis zur endgültigen Geltmdmachung nur ein schwebender Zustand, nur mögliche, nicht wirkliche Gläubigerschaft vorhanden sei (Jhering, Förster). Da-
gegm habm Goldschmidt, Brunner und Stobbe
die Idem ausgesprochen, welche zur dogmatisch und historisch richtigm Erklämng des Inhaberrechts und seines Ursprungs führm.
Mit Goldschmidt*) ist anzunehmm, daß jeder
1 Ausgestellt von A. Randa (schon 1873), s. Randa a. a. O. S. 312,313; ferner von Carlin ^@3. 36 S. 6 ff.; von .ein (1890)8091. §. 15 u. a.
1 GZ. 29 S. 111 ff. und mit geschichtlichem Nachweise — GUGesch. 6. 392-399.
785
§. 72.
Jnhaderpapiere.
spätere Erwerber ein selbständiges Recht hat, welches nicht
vom ersten Nehmer, sondern unmittelbar vom Aussteller ab zuleiten ist;
und
die
damit trifft
Ansicht
ROHG. Bd.3S.51,Bd.l9 von Stempeln statt wirklicher! S. 316. UnterschriftROHG. Bd.5 S. 271.
862
Kap. IV.
Das Wechselrecht.
anzusehen ist, daß das Accept geschrieben und in diesem Sinne „erfolgt" ist, aber nicht anzusehen ist, wann und von wem es durchstrichen wurde, da ferner an dem Dasein des Accepts — dem Wesen der Tratte nach — nicht ein einzelner Interessent (etwa der Remittent) allein, sondern eine Reihe von Interessenten (Aussteller, Indossatare, Indossanten, Notadressen u. s. w.) interessiert ist, so fordert die Rücksicht auf die Verkehrssicherheit und das allgemeine Interesse, daß in solchen Fällen — immer aber die Erkennbarkeit der durchstrichenen Unterschrift voraus gesetzt — von dem Zustandekommen oder Nichtzustande kommen des Wechselvertrags abgesehen und die bloße Nieder schrift der Annahme (Unterschrift des Bezogenen) allein schon als unwiderruflich und als bindendes Accept angesehen werde. Die Deutsche Wechselordnung (wie die meisten anderen) drückt diesen Gedanken nur undeutlich aus; sie sagt näm lich: „Die einmal erfolgte Annahme kann nicht zurück genommen werden;" deshalb ist die hier vertretene Ansicht außerordentlich bestritten.*) Ist die Durchstreichung oder Tilgung des Accepts in der Weise bewirkt, daß gar nicht erkennbar ist, ob eine Unterschrift des Bezogenen auf dem Wechsel stand, oder was sonst kassiert wurde, so liegt nach der Wechselordnung 1 Die zahlreichen abweichenden Ansichten, das gesamte Material dieser Kontroverse und die aus führliche Motivierung der hier im Text vertretenen Ansicht sind zu finden bei G r a w e i n, Die Per fektion des Accepts (Graz 1876). (Hierüber Gareis in GZ.Bd.24
S.309 ff. u. Goldschmidt in GZ. Bd. 28 S. 84 g.) Vgl. ROHG. Bd. IS. 274 ff.; RGer. Bd. 9 S. 59 und H. O. Leh mann WN. §. 115 Anm. 15 auchGrünhut, WR. 77 Bd. 2 S. 34 ff.
DaS Accept der Tratte, eine
Rechtsverletzung
—
Wechselvorvertrags — vor,
nicht
863
g. 90.
gerade
Verletzung
eines
auf Gmnd beten der Verletzte
eine neue Acceptunterschrist fordern kann. III. Wirkung des Accepts.
Der Acceptant haftet aus
seinem Accept (d. i. seiner möglicherweise nur in seiner
Unterschrift
bestehendm
Annahme)
wechselmäßig
für die
Zahlung der Wechselsumme zur Verfallzeit des Wechsels
(im Verzugsfalle samt Zinsm); *) er haftet nicht bloß dem
zur
Annahme
präsentierenden
Inhaber,
sondern
jedem
Indossatar, der den Wechsel innehat; er haftet auch dem
Aussteller aus dem Accepte wechselmäßig?)
Hiebei kann
das zwischen dem Aussteller und dem Acceptanten bestehende Deckungsverhältnis eine Einrede des letzteren erzeugen?)
(Dagegen steht dem Bezogenen kein Wechselrecht gegen dm
Aussteller zu.)
Der Inhalt der wechselmäßigm Haftung des
Acceptanten richtet sich nach dem Inhalte des in der Tratte an ihn gerichtetm Zahlungsauftrags; doch haftet der Acceptant aus seinem Accept selbst dann wechselmäßig, roenn die Unter
schrift des Ausstellers sich als falsch oder verfälscht heraus stellt^) oder an ben Bestandteilen der Tratte Änderungen nach der Ausstellung bewirkt routben — all' dies jedoch nur
dem gutgläubigen Inhaber gegmüber und vorbehaltlich der
Einrede des
Betrugs,
welche der
Acceptant demjenigm
fordemden Inhaber gegenüber geltmd machm kann, welcher gegen ihn arglistig auftritt.
Gestritten ist die Wirksamkeit eines Accepts, in welchem ' ROHG. Bd. 1 S. 251, Bd. 14 S. 327. 2 WO. Art. 23. Hiezu jedoch ROHG. Bd. 7 S. 288-296.
8 Stegemann, Rechtsprech. d-S ROHG. Bd. 1 S. 198, Bd. 14 S. 225. « WO. Art. 75.
Kap. IV.
864
DaS Wechselrecht.
die Zahlung einer die Wechselsumme übersteigenden Summe
versprochen ist;1) nach richtiger Ansicht gilt es bis zum Betrag der Wechselsumme als Accept der Tratte, für den Überschuß aber, vorausgesetzt, daß es Orts- und Zeitdatum trägt, als eigener Wechsel?)
Das
Deutsche
Wechselrecht
erkennt
auch
ein
limi
tiertes Accept an; der Wechselinhaber muß sich gefallen lassen, daß der Bezogene nur zum Teil aceeptiere; wegen
der Nichtacceptation des andern Teils der Wechselsumme
ist alsdann Protest zu erheben. des Accepts
völligen
Andere Einschränkungen
gegenüber dem Zahlungsaufträge stehen einer
Verweigerung
des
Accepts
gleich;
jedoch
bleibt
der Acceptant, soweit ein derartiges Accept einen für die Wechselinhaber interessanten Inhalt hat, hiefür wechselrecht lich haftbar?)
Eine Tratte kann
aber auch durch eine andere Person
als den Trassaten vollwirksam acceptiert werden (Inter vention durch Accept); ein derartiges sog. Ehren-
accept wird entweder von einem in einer Notadresse des Wechsels Genannten mit
den
bereits
oder von
einem völlig Unberufenen
genannten gewöhnlichen Wirkungen des
Accepts gegeben?) Über Accepte auf Domizilwechseln s. oben I Ziff. 2.
Das
Accept kommt auch außerhalb des Wechselrechts,
bei anderen (gezogenen) Handelspapieren, z. B. bei kauf-
1 Kunde, WR. §. 34 III; ! mann WR. §. 115 Anm. 12: Renaud, WR. 8- 35 Anm. 2; | Grünhut, WR.§. 101 Ziff. 6. Staub zu Art. 22 §. 2 * WO. Art. 22: hiezu siehe 8 Thöl WR. §. 78 S. 271, Grünhut, WR. Bd.2 5.218. §.81 S.281-282; H. O. Leh. 4 5. unten §. 99.
Zahlung der Tratte.
§. 91.
865
«mimischen Anweisungen, vor, und zwar, abgesehen vom
Wechselprozeß, mit ebendmselbm Wirkungen wie bei den Tratten?)
IV.
Zahlung der Tratte.
§. 91. Dem Zweck der Tratte entsprechend, soll die Zahlung
durch dm Bezogenen, und zwar nach Maßgabe der näherm, teils im Wechsel selbst, teils in der Wechselordnung ent haltenen Bestimmungen erfolgen.
Die Zahlung der Tratte
(Einlösung) wird beim Bezogenen durch die „Präsentation zur Zahlung"a) eingeleitet: die Wechselschuld ist eine Hol schuld ;*3) die Präsentation zur Zahlung ist der unter Vor
zeigung des Wechsels geschehmde Antrag des Inhabers, der Bezogene möge den Wechsel cinlösen, d. i. die Wechselsumme
bezahlm; dieser Antrag muß zu der Zeit und an dem Orte geschehm, zu welcher und bezw. an welchem die Zahlung
geschehen soll.4)
1. Zahlungszeit.
Die Zahlungszeit wird zunächst
durch den Wortlaut der Tratte selbst, welche notwmdig Bestimmungen darüber enthalten muß/)
bestimmt.
Zur
Beseitigung von Zweifeln stellt die WO. eine ganze An
zahl von Regeln auf, von benen als die wichtigsten zu erwähnm sind: 1 BGB. §. 789. 3 Grünhut, WR. §. 102: Hermann Ortlosf, Bl. kür Rechtspflege in Thüringen, N. F. Bd. 15 S. 1 ff. ' Dgl. BGB. §. 295. Be weis der Präsentation dem Sareis, Haudelirecht. 6. Ausl.
Acceptanten gegenüber beliebig ls. B o r ch a r d t a. a. O. Art. 40 Zusatz 488b; RGer. Bd. 27 S. 42). 4 Thöl WR. §§. 68, 69. 6 S. oben 8- 85Ziff.4S.884.
866
Kap. IV.
Tas Wechselrecht.
Ist die Zahlungszeit auf die Mitte eines Monats fest gesetzt worden, so ist der Wechsel am 15. dieses Monats
fällig.') Ist die Zahlungszeit auf Anfang oder ist sie auf Ende
eines Monats gestellt, so ist damnter der erste, bezw. letzte Tag des Monats zu verstehen?)
Ein auf Sicht gestellter Wechsel ist bei der Vorzeigung
fällig.
(Als Vorzeigung gilt auch die Einklagung.)b)
Ein solcher Wechsel muß, bei dem Verluste des wechsel mäßigen Anspruchs gegen die Jndosianten und den Aus
steller,
nach
Maßgabe
der
besonderen
im Wechsel
ent«
haltenen Bestimmung und in Ermangelung derselbm binnen
zwei Jahren nach der Ausstellung zur Zahlung präsentiert werden.
Hat ein Jndoffant eines Jndosiamente eine
so
erlischt
Wechsels dieser Art seinem
besondere Präsentationsfrist
seine wechselmäßige
Verpflichtung,
beigefügt, wenn
der
Wechsel nicht innerhalb dieser bestimmten Frist präsentiert
wordm ist?) Bei Wechseln, welche mit dem Ablaufe einer bestimmten
Frist „nach Sicht" oder die
Verfallzeit
„nach Dato" zahlbar sind, tritt
entsprechend
den Regeln des bürgerlichen
Rechts ein?)
über den Verfalltag der Dießwechsel s. oben S. 834, 858, 859?) 1 WO. Art. 30; vgl. BGB. §. 192. 8 Nürnb. Novelle VII. » ROHG. Bd. 5 S. 315, 373, Bd. 14 S. 30; RGer. Bd. 8 S. 67.
4 WO. Art. 31; ROHG. Bd. 14 S. 30. 6 WO. Art. 32 --- BGB. 188—189. Dgl. RGer. Bd. 26 S. 5. • WO. Art. 35.
§. 91.
Zahlung der Tratte.
867
Fällt der auf eine dieser Bestimmungsarten') sich er
gebende Verfalltag
auf einen Sonntag oder
allgemeinen
Feiertag, so ist der nachfolgende Werktag der Zahlungs
tag.-) Respekttage, d. s. Fristen, durch welche der Verfalltag
um eine gewisse (in älteren Rechten häufig) gesetzliche oder gewohnheitsmäßige Zeit hinausgeschoben wird, sind durch
die neue Deutsche Wechselordnung aufgehoben,°) soweit es sich
um
inländische
Wechsel
handelt;
die
int
Auslande
geltenden Respekttage können jedoch bei im Auslande zahl baren
Wechseln
vom
Wechselschuldner
geltend
gemacht
werden/)
Dagegen
ist —
reichsrechtlich — ein
Aufschub
der
Zahlung noch zulässig da, wo sog. Kassiertage (d. s. all gemeine,
durch
Ortsrecht
eingeführte
Zahltage,
welche
mindestens wöchentlich wiederkehren) bestehen; solche Zahl tage fanden sich z. B. in Augsburg und Bremen; Wechsel,
welche zwischen den Zahltagen fällig wurden, brauchten erst am nächsten Zahltage bezahlt zu werden.
Die Kassiertage
sind nun partikularrechtlich aufgehoben/) Der Ablauf der Verfallzeit, welche nicht zur Präsen tation
behufs
Zahlung
benutzt
wurde,
ermächtigt
dm
Acceptanten ohne weiteres zur amtlichm Deponierung der Wechselsumme,
auf
Gefahr
und
Kosten
des
Wechsel
inhabers, vorausgesetzt, daß auch die zur Erhebung des 1 Über die Verschiedenheit 3 WO. Art. 33. zwischen altem (z. B. russischem) * ROHG- Bd. 3 S. 124. und neuem Kalenderstil s. WO. 6 WO. Art. 93. Über BeArt. 84 und ROHG. Bd. 6 . deutung und Beseitigung der S. 128, Bd. 15 S- 242. Kasfiertage s. H.O. Lehman» • WO. Art. 92. , WR. S. 531, 532 Sinnt. 15.
Kap. IV.
868
mangels
Protestes
DaS Wechselrecht.
Zahlung
bestimmte
Frist
unbenutzt
verstrich?) 2. Zahlungsort.
Die Zahlung hat zu geschehen
an dem aus dem Wechsel selbst sich ergebendm Zahlungs
am Wohnorte des Bezogenen oder an dem
orte, nämlich
besonderen
— vom
Aussteller
—
angegebenen Domizil
des Wechsels (s. obm §. 85 Ziff. 8 und §. 90 I Ziff. 2), und
zwar soll sie an dem
bezeichneten
Orte regelmäßig
im Geschästslokale, eventuell in der Wohnung desjmigen
nachgesucht werden und erfolgen, welcher die Zahlung zu
bewirken hat (Bezogener, Domiziliat)?) 3. Zahlungsempfänger.
für sich
Berechtigt, die Zahlung
aus dem Wechsel nachzusuchen und zu behalten,
ist der gehörig legitimierte Inhaber des Wechsels.
Dies
ist entweder der Remittent, welcher dm Wechsel noch inne hat, oder der Inhaber eines indossierten Wechsels, sofern
dieser Inhaber durch eine zusammmhängmde, bis auf ihn hinunterreichmde Kette von Jndoffamenten oder durch ein
unausgefülltes
Blankoindosiament,
welches
das
letzte
Indossament des konkreten Wechsels ist, gehörig legitimiert
ist.8* )* * *Ausgestrichene Indossamente werden bei der Prüfung
der Legitimation als nicht geschrieben angesehen; die Echt heit der Indossamente zu prüfen, ist der Zahlende nicht
verpflichtet.
Weist der legitimierte Inhaber des Wechsels
1 WO. Art. 40. Über die etwaige Zinsverbindlichkeit des Acceptanten s. H. Ortloff in BA. Bd. 46 S. 244. 8 WO. Art 91. Hiezu s. ROHG. Bd. 2 S. 216 (Sterbe haus), Bd. 14 S. 118, 261,
Bd. 21 S. 148, 357, Bd. 22 S. 401. 8 WO. Art. 36. Hiezu siehe H. O. Lehmann a. a. O. S. 532 ff., insbes. Anm.25; RGer. Bd. 27 S. 42.
Zahlung der Tratte.
869
§. 91.
die ihm richtig angebotene Zahlung zurück, oder unterläßt er die Präsmtation zur Zahlung, so verliert er den Regreß
an
Aussteller
und
Indossanten;
Zahlung nicht zurückweisen,
und
er
darf
demnach
die
zwar auch selbst dann
nicht, wenn ihm nur Teilzahlung angeboten wird, gleich viel,
ob
nur
auf
das
Accept auf die ganze Wechselsumme oder
einen
Teil
derselben
lautete
oder
verweigert
wurde?)
Der Wechselschuldner ist, abgesehen von den Fällen der Amortisation (f. unten §. 102), nur gegen Aushändigung
des quittierten Wechsels zur Zahlung verpflichtet; hat der Wechselschuldner
aber
nur
eine Teilzahlung geleistet,
so
kann er nur oerlangen, daß die Zahlung auf dem Wechsel abgeschrieben und ihm Quittung auf einer Abschrift des
Wechsels erteilt werde?)
Der zum Zahlungsempfange gehörig legitimierte Wechsel inhaber
den
ist jedem Wechselschuldner gegmüber verpflichtet,
quittierten
Wechsel
(und
die Protesturkunde)
gegen
Empfang der Wechselsumme samt Zinsen und Kosten aus-
zuliefern?) 4.
In Bezug
§. 43 Seite 494
auf die ff.;
Zahlungsmittel s. oben
fremde Münzen und Rechnungs
währung sind nach dem Kurse des Verfalltags am Zahlungs orte zu berechnen; eine solche Umrechnung findet nicht statt,
wenn vom Aussteller die Zahlung der Wechselsumme aus drücklich
(durch
den Zusatz
„effektiv" oder einen gleich
bedeutenden) in der im Wechsel benannten fremdm Münze
vorgeschrieben wurde?) 1 WO. Art. 38. 2 WO. Art. 39.
2 WO. Art. 48. 4 WO. Art. 37.
Entsch. bei
870
Kap. IV.
DaS Wechselrecht.
5. Zahlungspflicht und Befreiung hievon. Die Pflicht, den Wechsel einzulösen (b. i. die Wechsel summe an den richtigen Inhaber richtig zu bezahlen), lastet auf jedem, der den Wechsel acceptierte oder das Accept mit unterzeichnete (Acceptanten und Avalisten)?) Der Wechsel klage, welche der Eigentümer des Wechsels nach seiner Wahl gegen jeden dieser Verpflichteten anzustellen berechtigt ist, kann der Acceptant — ebenso wie jeder Wechselschuldner, welcher regreßpflichtig ist (s. §§. 92, 96) — nur entgegen stellen : a) die Einrede der Verjährung (hievon unten §. 100), b) überhaupt solche Einreden, welche aus dem Wechsel recht selbst hervorgehen (z. B. Mangel eines „wesent lichen Erfordernisses" der Tratte), c) solche Einreden, welche ihm unmittelbar gegen den jedesmaligen Kläger zustehen2) (unter letzterer Voraus setzung z. B. Einrede der Zahlung/) des Betrugs/) Einrede des Wuchers/) Einrede der mangelnden Valuta, Erlaßvertrag).*6)* 8 9 Ist hienach das Einrederecht des Wechselschuldners schon materiellrechtlich sehr eingeschränkt, so vermehrt das Prozeßrecht diese Einschränkung der Verteidigung des Schuldners noch ganz bedeutend. Der Wechselprozeß ROHG. bei St ege mann a. a. O. Bd. 1 S. 217. 1 WO. Art. 81. RGer. Bd. 8 S. 68, Bd. 10 S. 1. 9 WO. Art. 82. Die zahl reichen Präjudizien zu diesem vielumstrittenen Artikel s. Bor chardt 8. Aull. S. 783 ff. Hiezu Wilh. Mar Werner, Die exceptio doli im Wechsel
recht (Jnaug.-Tiss.1882); GrünHut, WR.8Z. 86ff.; RGer. Bd. 4 S. 100, Bd. 8 S. 43, Bd. 11 S. 5, 9, Bd. 14 S. 23, Bd. 23 S. 110, 124; Bgl. HGB. §. 364 Abs. 2. 8 Grünhut, WR. §. 87. 4 Grünhut, WR. §. 88. 8 RGer. Bd. 8 S. 97. 6 BGB. §. 397. -
Von der Regreßnahme im allgemeinen ic. ist
nämlich
nach
dem
Dmtschen
A. 92.
871
Civilprozeßrechte
Art des Urkundenprozesses, und deshalb sind
eine alle
Einwendungen des Wechselschuldners, selbst wenn sie nach
der WO. (Art. 82) zulässig wären, als im Urkundenprozeffe
unstatthaft zurückzuweisen, wenn der dem beklagten Wechsel
schuldner obliegende Beweis seiner Einwendungen nicht mit
den im Urkundenprozeffe zulässigen Beweismitteln angetreten oder mit solchen Beweismitteln nicht vollständig erbracht
wird.
Außerdem ist als Eigentümlichkeit des Wechselprozeffes
die eigenartige Freiheit in der Wahl des Fomms und die
Kürze
der Einlaffungsfrist
hier noch besonders hervorzu
heben?) Das hier Gesagte gilt
auch von der Zahlungspflicht
und prozeßrechtlichen Stellung jener Wechselschuldner, welche Regreßschuldner
sind (§§.
92 ff.).
Über die Be
reicherungsklage s. unten §. 100?)
V.
Regreß.
§. 92. Von der Vegreßuahme im allgemeinen.
Übersicht.
Wenn der Zweck der Tratte, daß der Bezogene eine Zahlung an dm rechtmäßigen Inhaber der Tratte leisten
solle, nicht erreicht werden kann, oder die Erreichung des selben wenigstens als unwahrscheinlich oder gefährdet er
scheint, so jenigen
kann sich der Inhaber des Wechsels an den
oder
an diejenigen,
von
denen er den
Wechsel
übergeben erhielt, zurückwenden, und dieses Sichzurück1 S. oben S. 80 Ziff. 3 S.
817-819.
" WO. Art. 83.
Kap. IV. Das Wechselrecht.
872
wenden (Zurückgreifen, Regreßnehmen, regredi) hat einen
je nach seiner Veranlassung verschiedenen Inhalt. Wenn der Bezogene, nachdem ihm der Wechsel zum
1.
Zwecke der Annahme (Acceptation) präsentiert wurde, die
Annahme verweigert oder nicht vollständig erteilt, oder gar
nicht
aufzufinden
ist
u. s. w.,
hat der Inhaber des
so
Wechsels Grund, zu befürchten, es werde auch die erhoffte
Zahlung am
Verfalltage verweigert
werden,
und
dieser
Befürchtung oder wenigstens Unsicherheit wegen kann er sich
an den Aussteller (oder die Indossanten) zurückwenden und
Dies ist
von ihm (ihnen) Sicherheitsbestellung fordern. der „Regreß mangels Annahme".
Ebendieselbe Befürchtung tritt aber auch dann ein,
2.
wenn der Bezogene zwar den Wechsel acceptierte, hinterher jedoch, bevor der Verfalltag eintrat, in eine derartig schlimme
Vermögenslage gerät, daß er am Verfalltage vielleicht nicht imstande sein dürfte, die Wechselsumme zu zahlen,
wenn er sie auch zahlm wollte.
in diesem Falle der Inhaber des Wechsels
u.
selbst
Deshalb kann sich auch an Aussteller
s. w. zurückwenden, indem er von ihnen Sicherheits
bestellung fordert, und diese Forderung ist der
„Regreß
wegen Unsicherheit des Acceptanten". Dieser Regreß und der oben (unter 1) erwähnte „Regreß
mangels
Annahme"
bilden
die
„Sekuritätsregresses",
beiden
Fälle
„Regreß
des sogen.
auf Sicher
stellung".
3. Dem Sicherheitsregreß stehen zwei Arten von Regreß gegmüber, Zahlungsregresse (§. 96): a)
Wenn bei Verfall des Wechsels die Zahlung des selben aus
irgend
welchem
Grunde
nicht
erfolgt
873
Der Protest. §. 93.
(gleichviel ob der Wechsel vom Bezogmm vorher an genommen worden war oder nicht), so tritt die (sub
sidiäre) Haftpflicht des Ausstellers und der Indossanten, überhaupt der Wechselgaranten in den Vordergrund und gelangt zur wichtigstm Äußerung: der Inhaber des Wechsels
(d.
i. der Remittent oder, wenn der
Wechsel giriert wurde, der letzte Indossatar) wendet sich mit der Forderung der Regreßsumme zurück an
die Garanten des Wechsels.
„Regreß
der
des
Diese Forderung ist
Wechselinhabers
mangels
Zahlung". b)
Wenn der Wechselinhaber den ebenerwähnten Regreß mangels Zahlung genommen hat, und zwar indem er von einem Indossanten des Wechsels die Zahlung
der Regreßsumme forderte und gegen Aushändigung
auch wirklich erlangte,
des Wechsels
so
daß
nun
dieser Indossant in den Besitz des Wechsels gesetzt
so
ist,
machen
kann
sich
dieser
nun
seinerseits
bezahlt
einen Regreß an seine Vorgaranten
durch
(nämlich den Aussteller und die allmfallsigen Vor-
und
dieser
boursregreß",
auch
indossanten),
Regreß
heißt
„Regreß
deS
„Rem In
dossanten ". §. 93. Der Protest.')
I.
Alle Regreßnahmen im Wechselrechte hängen regel
mäßig^)
—
neben den besonderen Voraussetzungm jeder
1 GSyst. §. 183 S. 258 ff. — Geschichtliches über die Pro testaufnahmen seit d. 14. Jahrh, f.
GUGesch. S. 457, 458, Anm. 156. 2 Vgl. jedoch unten V
874
Kap. IV.
DaS Wechselrecht.
einzelnen Art des Regresses — von der Erfüllung einer ihnen gemeinsamen, formellen Voraussetzung ab, und diese ist: daß richtig Protest erhoben wurde (Protesterhebung, Protestlevierung, Protestierung). Protest ist eine öffentliche Urkunde, welche in einer ge setzlich genau bestimmten Form ausgenommen ist, die Kon statierung gewisser wechselrechtlich bedeutungsvoller, einen bestimmten Wechsel betreffender Handlungen, sowie des Er folgs derselben enthält und diese ausschließlich zu beweisen imstande ist. Die Handlungen, welche durch diese Urkunde ausschließ lich konstatiert und bewiesen werden, sind sehr verschiedenen Inhalts, wie denn auch die Bedeutung des Protestes eine mannigfaltige ist. II. Der Regreßnahme dienen direkt folgende Proteste: 1. Der Protest mangels Annahme. Diesermuß ersehen lassen, daß ein bestimmter Wechsel dem Trassaten (bezw. der Notadresse,*) bezw. dem Domiziliaten, wo dies vorgeschrieben ist),2) zur Annahme gehörig vorgelegt, von diesem aber nicht oder nicht vollständig acceptiert worden sei (persönlicher Protest, W eigerungsprotest, Un fähigkeitsprotest). Findet der die Annahme Suchende S. 880- 881. Über Versäumung \ heitsprotest in der Wohnung s. siehe unter VI. ' RGer. Bd. 2 S. 59; Wap l WO. Art. 56. I paeus, Tie Ortsrichtigkeit des 8 WO. Art. 24 Abs. 2; hiezu Wechselprotestes (1882): RGer. Bd. 32 S. 111. - Über die ROHG. Bd. 18 S. 146. 8 Über Geschäftslokal des in Proteststunden (nun die Geschäfts Konkurs befindlichen Adressaten stunden) s. Max Pappenheim und verschlossenes Geschüstslokal inGZ.Bd.34S.43lff.; Grün s. RGer. Bd. 2 S. 23. Abwesen hut, WR. §. 79 Anm. 66.
Der Protest. §. 93.
875
das Lokal des Bezogenen (bezw. der anderm gen. Personen)
verschlossen, so wird Protest gegen die Wand, — findet sich das angegebene Geschäftslokal oder die Wohnung gar
nicht, so wird Abwesenheits-, im Falle die
gesuchte
Person gar nicht an dem angegebenen Orte wohnt, noch
sonst zu treffen ist, allgemein Wind-
test erhoben. protestiert
oder Platz Pro
Nur wenn mangels Annahme (rechtzeitig)
worden
ist,
sind Aussteller und Indossanten
des so protestierten Wechsels verpflichtet (und zwar wechsel mäßig), dem Remittenten, sowie jedem Jndoffatar, der den Wechsel vor der Protesterhebung erwarb, gegen Aushändi
gung des Protestes
hinreichende Sicherheit
für Zahlung
der (ganzen) Wechselsumme und für Kostenersatz zu leisten,
sofern nicht der Verpflichtete die schuldige Summe bei einer zur Annahme von Depositen berechtigten Behörde oder An stalt hinterlegt?)
2. Der Protest mangels Zahlung. Dieser muß ersehen lassen, daß der Wechsel am gehörigen Orte der ge hörigen Person zur Zahlung präsentiert wurde, von dieser
jedoch vollständige und richtige Zahlung nicht zu erlangen
war?)
Domizilierte Wechsel müssen dem Domiziliaten am
Domizil des Wechsels, nicht domizilierte Tratten dem Be
zogenen an seinem Wohnorte zur Zahlung präsentiert und
daselbst, wenn Zahlung nicht erfolgt, protestiert werden?) Nur wenn dieser Protest richtig und rechtzeitig (d. i.
am
Zahlungstage oder am ersten oder zweiten Werktage nach
dem Zahlungstage) erhoben ist, hat der Inhaber oder Jn-
' WO. Art. 18, 25 ff. ' WO. Art. 41; Thöl WR. §• 98.
1 WO. Art. 43.
Kap. IV.
876
DaS Wechselrecht.
dossatar des Wechsels ein Regreßrecht gegen Aussteller und
Auch dieser Protest kann
Indossanten.
als Platz-
Windprotest ausgenommen werden. Die Übergabe des Protestes mangels Zahlung
oder (samt
Wechsel und quittierter Retourrechnung) ist Voraussetzung des Regresses mangels Zahlung,
sowie des Remboursregreffes
gegen jeden Regreßverpflichteten?)
3.
Sicherheitsprotest
lichen Sinne) wird erhoben,
(im engeren
und eigent
wenn eine Tratte ganz oder
teilweise angenommen, später aber über das Vermögen des
Acceptanten Konkurs eröffnet worden ist Zahlungen
eingestellt
hat?)
oder
nach
oder dieser seine Ausstellung
Wechsels eine gegen das Vermögen des Acceptanten
richtete Exekution fruchtlos
ausfiel
oder gegen
des ge
denselben
wegen Erfüllung einer Zahlungsverbindlichkeit Personalarrest
verfügt routbe.3 1)2 Der Inhaber eines acceptierten Wechsels und ebenso jeder Jndoffatar kann in einem solchen Protest
falle von dem Acceptanten
wechselmäßig Kaution
wenn ihm diese nicht geleistet wird, Protest
fordern,
erheben lassen
und dann, wenn von der auf dem Wechsel etwa genannten Notadresie die Annahme nicht zu erhalten war und des
mangels
halb
händigung
Annahme
protestiert
wurde,
gegen
Aus
des Protestes von seinen Vormännern Sicher
heitsbestellung (wenn
nötig auf dem Wege des Wechsel
prozesses) verlangen?) 4.
Interventionsprotest.
Der Protest mangels
Annahme ist Voraussetzung einer gültigen Ehrenannahme,
1 WO. Art. 54. 2 KontO. 88 102 ff. 3 WO. Art. 29.
4 WO. a. n. O. und Nürnb. Rov. VI.
877
Der Protest, g. 93.
Protest mangels Zahlung Voraussetzung einer vollwirksamen
Ehrenzahlung?) Ehrenzahlung muß in dem
Die Ehrenannahme und
Proteste besonders erwähnt werden, der Protest heißt als
dann Jnterventionsprotest und ist dem Ehrenacceptanten, bezw. Ehrenzahler ausznhändigen. III. Indirekt hängen mit der Regreßnahme zusammen:
1.
Der
Protest
mangels
Herausgabe des Dieser hat zum In
verwahrten Wechselduplikats. halte die Feststellung,
daß das zum
Accept
versandte
Exemplar dem (den Protest veranlassenden) Inhaber des
anderen
Exemplares
vom
Aufbewahrer
nicht verabfolgt
worden ist und auf das letztere die Annahme oder die
Zahlung nicht zu erlangen war, und ist damit die not wendige Voraussetzung sowohl des Regresses mangels An
nahme, als auch bezw. des Regresses mangels Zahlung im
angegebmen Falle?) 2.
Der
verwahrten
Protest
mangels
Herausgabe
Originalwechsels.
des
Dieser hat zum
Inhalte die Feststellung, daß der Originalwechsel trotz berechtigter Aufforderung zur Überlieferung an den dm Protest veranlassenden Inhaber der Wechselkopie vom Auf
bewahrer nicht verabfolgt worden ist, und ist damit die not-
wmdige Voraussetzung des wie (nach
falltags)
Eintritt des
des
Regresses
Regresses auf
Sicherstellung,
in der Kopie angegebmen Ver auf
Zahlung
Indossanten, derm Originalindossamente
gegen
diejenigen
auf der Kopie
stehen?) ' S. unten §. 99. (WO. Art. ; 57, 58, 62, 63.) |
2 WO. Art. 69, s. unten §. 103. » WO. Art. 72, s. unten §. 103.
878
Kap. IV.
Das Wechselrecht.
IV. Die Form des Protestes in allen erwähnten Funktionen ist genau vorgeschrieben: er muß durch einen Notar oder einen dazu kompetenten Gerichtsbeamten ausge nommen werdens und enthalten: 1. eine wörtliche Abschrift des Wechsels oder der Kopie und aller darauf befindlichen Indossamente und Bemerkungen?) Zweck der Genauigkeit der Abschrift ist die möglichst sichere Feststellung der Identität des präsentierten und protestierten Wechsels, und darin liegt auch das Maß jener Ge nauigkeit ; 2. den Namen oder die Firma der Personen, für welche (d. h. in deren Namen und Auftrag), und jener Person, gegen welche der Protest erhoben wird; letztere heißt Protestat und ist der Bezogene, Acceptant, Not adressat u. s. w. oder dessen Rechtsnachfolger (im Konkursfalle der Gemeinschuldner selbst, nicht der Masseverwalter) ;b) 3. das an die Person, gegen welche protestiert wird, ge stellte Begehren, deren Antwort41)**oder * die Bemerkung, daß sie keine gegeben habe oder nicht anzutreffen ge wesen sei; 4. die Angabe des Ortes6) sowie des Kalendertages, 1 Über Protestaufnahme nach j S. 41 ff.; vgl. RGer. Bd. 23 preuß., bezw. bayr. Rechte s. S. 121; Grünhut WR. §.79 Gare iS, WO. S. 56-58, 61. bei Anm. 39. 8 WO. Art. 88 Ziff. 1. 6 ROHG. Bd. 14 S. 118, 8 ROHG. Bd. 24 S. 22, vgl. 121, Bd. 21 S. 148; RGer. Bd. Bd. 10 S. 108. 14 S. 149. Auch ROHG. Bd. 4 R. Koch in BA. Bd. 45 14 S. 262: hiezu aber Thöl S. 63 ff., Bd. 46 S. 187 ff., a. a. O. ö. 359 Anm. 9. gegen Renaud s. BA. Bd. 46
Der Protest.
§. 93.
879
Monats und Jahres, an welchen jenes Begehrm ge stellt oder ohne Erfolg versucht wurde. Angabe
Die
des
Kalendertags
Annahme ist unerläßlich
mangels
dem Proteste
in
und wird von be
sonderer Bedeutung:
a) bei Wechseln, welche auf eine bestimmte Zeit nach Sicht lauten, und
b) wenn
der Trassat die Datierung seines Acceptes
verweigert.
Der Protesttag gilt in beiden Fällen
als Tag der Präsentation, im letzteren Falle wird
die Verfallzeit des Wechsels vom letzten Tage der Präsmtationsfrist an gerechnet?) des Protesttags in den
ausdrückliche Angabe
Die
Protesten mangels Zahlung
ist
von
besonderer Be
deutung : a) mit
diesem Tage ist der regelmäßige Lauf eines
Wechsels begrenzt;
wer denselben durch ein nach
dieser Protesterhebung ausgestelltes Indossament er hält (Nichtindossatar), der erlangt
hierdurch
nur
die Rechte seines Indossanten (Nachindoffanten, der selbst nicht wechselmäßig verpflichtet ist) gegen Aus
steller, Acceptantm und Vorindoffanten;*) b) mit dem Protesttage beginnt die Verjährung
der
Regreßansprüche des Inhabers gegen Aussteller und
die übrigen Vormänner?) Ferner muß der Protest mthalten: 5. im Falle einer Ehrenannahme oder Ehrenzahlung die 1 WO. Art. 19, 20. 3 WO. Art. 16 s. oben §. 89.
« WO. Art. 78.
880
Kap. IV.
Das Wechfelrecht.
Erwähnung, von wem, für wen und wie sie angeboten und (d. h. „oder") geleistet wird; und
6. Unterschrift und Siegel des protestierenden Beamten?) Ist eine wechselmäßige Leistung von mehreren Personen zu verlangen, so ist über die mehrfache Aufforderung nur
eine Protesturkunde erforderlich?)
Die
aufgenommenen
Proteste sind in ein besonderes Register chronologisch ein-
zutragen?)
Die
früher
übliche
Protest Notierung
(Pränotation) ist nach der WO. überflüssig und wirkungs los?)
Mit der Zulaffung des springendm Regresses (jus
variandi)51)* *3ist4 die Notwendigkeit des Kontraprotestes
(in diesem Sinne)/) d. h. eines Protestes, der ersehen läßt, daß der Regreß per ordinem gesucht, aber einer oder mehrere
Zwischenindossanten vergebens angegangen wurden, hinweg gefallen?)
V. Protesterlaß.
Ist der Protest (mangels Zahlung) erlassen (durch die Bemerkung:
„ohne Protest"
oder
„ohne Kosten",
auch
„O. P.", „O. St.“ und bergt8) auf dem Wechsel), so ist damit keineswegs die Pflicht zur Präsentation nachgelassen; es ist hiedurch vielmehr nur der Übergang der Beweislast
hinsichtlich der Vornahme bezw. Nichtvornahme der Präsen
tation
vom Präsentationspflichtigen auf den jene Klausel
1 WO. Art. 88. 1 WO. Art. 89. 3 WO. Art. 90. 4 Kunhe, WR. S. 118. 8 S. §. 98. • In einem andern Sinne so viel als Notifikation; s. unten §. 98. 1 Neumann in BA. Bd.32 ß. 183 ff. Über die Form der
| im Auslande ausgestellten Pro teste stehe Hofsmann, WR.S. 607 ff., und Swoboda in SA. ' Bd. 17 S. 380, ferner ROHG. Bd. 1 S. 188,. 243,. Bd. 3 S. 127, Bd. 21 S. 153, Bd. 23 : S. 7, auch unter §. 115. I -> ROHG. Bd. 27 S. 261, Bd. 19 S. 264, Bd.23 S. 217. |
Regreß auf Sicherstellung mangels Annahme,
§. 94.
881
einsetzenden Wechselpflichtigen (Regreßpflichtigen oder — bei domizilierten Wechseln
bewirkt.
Wenn
—
Acceptanten) diesem gegenüber
ein mit der Klausel „ohne Protest" und
bergt versehener Wechsel
trotzdem
protestiert wurde,
so
treffen die Soften der Protesterhebung die Regreßpflichtigen
trotz jenes Erlasses?)
VI. Unmöglichkeit der Protesterhebung.
Ist
die Präsentation und Protesterhebung durch höhere Gewalt unmöglich gemacht,
so trägt
den daraus
entspringenden
Nachteil nicht der Regreßpflichtige, sondern der Inhaber des
Wechsels?)
Vgl. unten §. 107.
§. 94. 1. Regreß auf Sicherstellung mangels Annahme. I. Verweigert der Bezogene die Annahme, oder giebt er eine Erklärung ab, welche der Verweigerung der Annahme wechselrechtlich gleichkommt, so kann der Inhaber des Wechsels
gegen Aushändigung des mangels Annahme aufgenommenen Protestes von dem Indossanten und dem Aussteller Sicher
heitsbestellung dafür fordem, daß die Bezahlung der Wechsel summe oder des nicht angenommenen Betrags derselben,
sowie die Erstattung der durch die Nichtannahme veranlaßten Kosten am Verfalltage erfolgen werde; die demnach regreß pflichtigen Personen sind auch befugt, auf ihre Kosten die
schuldige Summe bei Gericht oder bei einer andern zur An
nahme von Depositen ermächtigten Behörde oder Anstalt
niederzulegen?)
1 WO. Art.42. I. Braun in Ml. Bd. 37 S. 62ff.: Griinhut, WR. 8- 122. GareiS, Handelsrecht. 6. Aust.
2 R. Koch in AfbR. Bd. 4 S. 1 ff. 2 WO. Art. 25. 56
882
Kap. IV.
n.
Das Wechselrecht.
Was die Legitimation zu dieser Regreßforderung
anlangt, so wird der Remittent, oder wenn der Wechsel wurde,
giriert
jeder
Annahme
mangels
Indossatar
durch
Besitz
den
des
ermächtigt,
Protestes
aufgmommenen
von dem Aussteller und den übrigen Vormännern Sicher heit zu fordern und im Wege des Wechselprozeffes darauf zu klagen.
Der Regreßnehmer
ist
hierbei
die Folgeordnung
an
der Indossamente und die einmal getroffene Wahl nicht ge
bunden.
Der Beibringung
des Wechsels
und des Nachweises,
daß der Regreßnehmer seinen Nachmännern selbst Sicherheit
bestellt habe, bedarf es nicht?)
III. Die Wirkung der erfolgten Sicherheitsbestellung er streckt welcher
sich
über
desjenigen
die Person
Wechselinhabers,
sie erwirkte, hinaus; die bestellte Kaution haftet
nämlich nicht bloß dem Regreßnehmer, sondem auch allen
übrigen Nachmännern des Bestellers, insofern sie gegen ihn
den Regreß auf Sicherstellung nehmen.
Dieselben sind weitere
Sicherheit zu verlangen nur in dem Falle berechtigt, wenn
sie gegen die Art und Größe der bestellten Sicherheit Ein
wendungen zu begründen vermögen?) IV. Rückgabe der Kaution.
Derjenige,
welchem die
Sicherstellung mangels Annahme geleistet wurde, muß die bestellte Sicherheit zurückgeben:
1. sobald die wechselmäßige vollständige Annahme des
Wechsels nachträglich erfolgt; 2. wenn die Kaution verjährt ist: 1 WO. Art. 26.
!
nämlich wenn gegen
2 WO. Art. 27.
883
Regreß auf Sicherstellung wegen Unsicherheit rc. g. 95.
denjenigen Regreßpflichtigen, welcher die Sicherheit be stellt hat, nicht binnen Jahresfrist — vom Ver
falltage des Wechsels an gerechnet —
auf Zahlung
aus dem Wechsel geklagt worden ist; 3. wenn
die Zahlung des Wechsels
erfolgt, oder die
Wechselkraft desselben erloschen ist?)
£. 95. 2.
Regreß auf Sicherstellung wegen Unsicherheit des Acceptanten.
Dieser Regreß kann genommen werden, wenn Sicher
93
heitsprotest in einem der oben S.
876)2) aufgezählten
worden ist.
Ziff.
II
3
(siehe
gesetzlichen Fälle richtig erhoben
Dabei ist zu bemerken:
1. Der Besitzer des Wechsels Acceptanten Sicherheilsbestellung
Besitz des Wechsels
hat
zu
zunächst von
dem
verlangen; der bloße
vertritt hiebei die Stelle einer Voll
macht, in den gesetzlich aufgezählten Fällen von dem Accep-
tanten Sicherheitsbestellung zu fordern und, wenn solche
nicht zu erhallen ist, Protest erheben zu lasten?) Diese gegen den Acceptanten gerichtete Kautionsforderung
ist
eine
wechselmäßige,
umfaßt
auch
die
Protest-
und
Prozeßkosten und kann unter der oben §. 80 angegebenen Voraussetzung im Wege des Wechselprozestes geltend gemacht
werden?)
Doch steht dem Acceptanten eine Einrede gegen
den Kautionsanspruch zu, wenn das zwischen ihm und dem Kautionskläger bestehende Rechtsverhältnis (z. B. Deckungs1 WO. Art. 28. 4 Rürnb. Rov. VI. Agl. oben 2 WO. Art. 29 Ziff. 1 mib 2. . S. 819 mit Anm. 3. n WO. Art. 29 letzter Absatz.
50 *
884
Kap. IV.
Das Wechselrecht.
Verhältnis) seinem Zwecke und Inhalte nach die Zulässig
keit
des
Sicherstellungsanspruchs
ausschließt?)
voraus
gesetzt, daß die Einrede im Urkundenprozeß prozeßrechtlich zulässig ist. 2. Um die Sicherstellun gvom Acceptanten zu verlangen,
bedarf es der Protestaufnahme nicht (auch bei domizilierten Tratten nicht) ;2) dieselbe wird erst nötig, wenn der Accep-
tant die Sicherheit nicht leistet; dann ist der Inhaber des
Wechsels nämlich nur unter der Voraussetzung in der Lage, Sekuritätsregreß gegen die Garanten des Wechsels zu nehmen,
daß durch eine Protesturkunde konstatiert ist:
a) die Unsicherheit des Acceptanten, nämlich das Vor handensein
eines
der
gesetzlichen
Gründe
jener
Protestaufnahme8) und b) die Verweigerung der Kautionsbestellung seitens des
Acceptanten. Wenn in
den beiden gesetzlich aufgezählten Unsicher
heitsfällen die Sicherheit von dem Acceptanten nicht ge
leistet und deshalb Protest
gegen denselben erhoben wird,
auch von den auf dem Wechsel etwa benannten Notadresien die Annahme nach Ausweis des Protestes nicht zu erhalten
ist, so kann der Inhaber des Wechsels und jeder Indossatar gegen Auslieferung des Protestes von seinen Vormännern
Sicherheit fordern?)
Durch die Bestimmungen
der WO.
ist
nicht
ausge-
schlossen, daß aus Gründen, die das Wechselrecht nicht nennt. 1 ROHG-, Entscheid, s. Bor chardt ö. 176 Zusatz 390. * ROHG. und Berliner Ober^ tribunal s. B o r ch a r d t a. a. O. S. 382, 397.
3 S. 840 ff. 4 WO. Art. 25, 28, 29, Nürn berger Nov. VI. 9jGer. Bd! 17 S. 26.
Zahlungsregretz deS Inhabers, g. 96. wohl aber das einschlägige Land-
885
oder gemeine Recht an
erkennt, Arrest gegen einen Wechselschuldner zum Zwecke der Sicherstellung verfügt werdet) 8. 96.
3.
Iahluugsre-reß des Inhabers.
Zahlungsregreß des Remittenten oder des letzten In dossatars.
1. Während die älteren Wechselordnungen dem regreß
nehmenden Wechselinhaber nur den Reihenregreß (regressus per ordinem) gestatteten, welcher darin bestand, daß jeder Wechselinhaber sich nur an seinen unmittelbaren Vormann, der letzte Indossatar sich demnach nur an seinen, den letzten
Jndosianten halten konnte — gleichwie etwa ein Cessionar
nur seinen Gebenten im Eviktionsfalle in Anspruch nehmen kann —, räumt die Deutsche Wechselordnung dem Wechsel
inhaber, welcher Regreß nehmen will,
ein unbeschränktes
Wahlrecht unter den Regreßpflichtigen ein, insofern er nach seiner Wahl Regreß nehmen kann gegen den Aussteller, den
ersten, zweiten oder einen späteren Indossanten, einen Ava-
listen u. s. w. oder mehrere zugleich?) Die Deutsche Wechsel ordnung giebt dem Wechselinhaber das Recht des springenden
Regresses
(regressus per
saltum),
und
vollen Variationsrechte (jus variandi),
zwar
mit
dem
so daß die einmal
übersprungenen (d. h. nicht der Reihe nach in Anspruch ge nommenen, sondern einstweilen von dem Regreßanspruche ver schont gebliebenen) Regreßpflichtigen durch dieses Über springen nicht von dem Regresse befreit werden, der Regreß-
1 ROHG. Bd. 20 S. 112.
. 8 WO. Art. 49, RGer. Bd. 10 I S. 298.
Kap. IV. Das Wechselrecht.
886
nehmer vielmehr auf sie zurückgreifen kann, wenn ihm dies nötig erscheint?) 2. Was den Inhalt des Regreßanspruchs anlangt, so beschränken sich nach gesetzlicher Bestimmung?) die Regreß
ansprüche des Inhabers, welcher den Wechsel mangels Zahlung
hat protestieren lassen, auf: a) die
nicht
bezahlte Wechselsumme nebst
6 Prozent
jährlicher Zinsen vom Verfalltag ob;8) b) die Protestkosten und andere Auslagen;
c) eine Provision von 1/a Prozent.
Die
vorstehenden
greßpflichtige an
einem
Beträge
müssen,
wenn
der
Re
anderen Orte als dem Zahlungs
orte wohnt, zu demjenigen Kurse bezahlt werden, welchen
ein vom Zahlungsorte auf den Wohnort des Re
greßpflichtigen gezogener Wechsel auf Sicht hat. nennt diese Berechnungsart
das
„System
des
(Man
fingierten
Rückwechsels"; s. hiervon §. 98.)
Besteht am Zahlungsorte kein Kurs auf jenen Wohnort, so wird der Kurs nach demjenigen Orte genommen, welcher dem Wohnorte des Regreßpflichtigen am nächsten liegt. Der Kurs ist auf Verlangen des Regreßpflichtigen durch
einen unter öffentlicher Autorität ausgestellten Kurszettel oder 1 Wenn demnach der Regreß ganz beliebig die Wechselgaranten Herausgreisen kann, so ist die Reihenfolge derselben doch von wechselrechtl. Bedeutung: 1. der Remboursregreß (s. unten §. 97) kann nur gegen einen früheren Indossanten oder denAussteller(d. i. gegen einen Vormann)— wenn auch mit Überspringungen — ; gerichtet werden und 2. die Noti i
fikation der beim Bezogenen mangelnden Zahlung geht' not wendig der Reihe nach (s. §. 98). 2 WO. Art. 50. Hiezu s. RGer. Bd. 23 S. 304. 3 Hiezu s. Borchardt WO. Zus. 482 d. — Die Zinsverbind lichkeit der Regreßpflichtigen s. H. Lrtloff in BA. Bd. 46 e. 245 ff.
Rcmboursregreß. durch das Attest eines
887
A. 97.
vereideten Mäklers
oder
in Er
mangelung desselben durch ein Attest zweier Kaufleute zu bescheinigen.
über die Kursberechnung und die Erhebung der Regreß summe mittels Rückwechsel s. unten §. 98 S. 891 ff.
§. 97. 4.
Nemboursregreß.
1. Wenn ein Indossant einen Wechsel, der mangels Zahlung protestiert wurde, freiroiHig \) oder durch die Re
greßklage des Wechselinhabers gezwungen, eingelöst hat, in
dem er die nach Art. 50 der WO. (f. oben S. 857 f.) zu sammengesetzte und berechnete Regreßsumme bezahlte, so wird er in den Besitz des quittierten Wechsels gesetzt und kann sich
dann für den Aufwand der Wechselsumme bezahlt machen („sich remboursieren") ?) dadurch, daß er gegen einen Vor
mann den Remboursregreß nimmt.
Die Einlösung erfolgt
nämlich stets nur gegen Aushändigung des Wechsels, des
Protestes und einer quittierten Retourrechnung,^) und jeder
Indossant, der einen seiner Nachmänner befriedigt hat, kann
sein eigenes und seiner Nachmänner Indossament (insbesondere die
Unterschriften
derselben)
ausstreichen;4)
ein
ausge
strichenes Indossament gilt aber nicht als geschrieben?)
Ob
die Einlösung mittels Barzahlung u. bergt oder wie immer
1 Z. B. nach WO. Art. 48. 2 Das Wort wird erklärt aus re — in — bursare. 3 WO. Art. 54: RGer. Bd. 34 S. 50. 4 WO. Art. 55; hiezu Bor-
! chardt a. a. O.: RGer. 29b. 12 i S. 131, Bd. 21 S. 401, 29b. 34 ! S. 52. 1 2 364 WO. Art. 36. Hiezu siehe Borchardt 451 d, auch oben 8- 91 Ziff. 3 S. 868.
888
Kap. IV.
Dai Wechselrecht.
stattgefunden hat, ist ohne Einfluß auf den Remboursregreß?) i. früherer Indossant), welcher
2. Ein Vormann (d.
auf dem Wege des Remboursregresses Regreß leisten mußte, kann, sofern er noch einen oder mehrere Vormänner hat,
gegen diese (d. i. Aussteller oder Vorindossanten) alsdann
seinerseits Regreß nehmen, Remboursregreß des ein lösenden Remboursregressaten, und so fort,
bis
kein
Die
regreßpflichtiger Bormann mehr vorhanden
ist.
beim Remboursregreß übersprungenen Indossanten werden durch das Überspringen frei, weil kein Remboursregreß
nehmer zurückgreifen kann. 3. Ein Indossant, welcher Remboursregreß nimmt,
ist
nach gesetzlicher Bestimmung2) berechtigt, von einem früheren Indossanten oder von dem Aussteller zu fordern: a) die von ihm bezahlte oder durch Rimesse (s. folgende
Seite) berichtigte Summe nebst 6 Prozent jährlicher Zinsen vom Tage der Zahlung;
b) die ihm erstandenen Kosten;
c) eine Provision von Vs Prozent?) Die vorstehenden Beträge
müssen,
wenn
der Regreß
pflichtige an einem anderen Ort als der Regreßnehmer wohnt, zu demjenigen Kurse gezahlt werden, welchen ein vom Wohn
ort
des Regreßnehmers
auf
den
Wohnort
pflichtigen gezogener Wechsel auf Sicht hat
des
Regreß
(d. i. System
des fingierten Rückwechsels).
Diese Berechnungen finden, wenn mehrere Rembours
regreßnahmen nacheinander erfolgen (s. oben 2), jedesmal
Remboursregreß.
§• 97.
889
aufs neue statt — System der mehrfachen Retourrechnung
(s. unten §. 98).
Deswegen steigt die Regreßsumme mit
jeder neuen Regreßnahme (Kumulationssystem)?)
Besteht im Wohnorte des Regreßnehmers kein Kurs auf den Wohnort des Regreßpflichtigen, so wird der Kurs nach
demjenigen Platze genommen, welcher dem Wohnorte des Regreßpflichtigen am nächsten liegt.
Wegen der Bescheinigung des Kurses kommt die Be
stimmung zur Anwendung, welche beim Regreß des Inhabers
maßgebend ist?)
4. Remboursregreß kann gegen einen früheren Indossanten oder den
Aussteller nicht
jener Indossant nehmen,
bloß
welcher den Wechsel8 * )* eingelöst hat, sondern auch derjenige,
Jndoffant,
hat?)
welcher
den
Wechsel
als Rimesse erhalten
Man versteht unter einer Rimesse einen gewöhnlichen
gezogenen Wechsel, der von einem Inhaber einem Garanten dieses Wechsels als Deckung oder Zahlung einer Forderung
zugesandt wird, welche der Garant gegen jenen Inhaber hat
oder haben wird.
(Doch wird das Wort Rimesse auch in
weiterer Bedeutung von Zusendung von Zahlungsmitteln
und Wertpapieren überhaupt gebraucht.)
Die Zusendung des Wechsels zum Zweck einer Zahlung oder Deckung (d. i. als Rimesse) an einen Wechselschuldner
kann mit oder ohne (neue) Indossierung geschehen.
durch, daß der Indossant
Da
überhaupt rechtlich in den Besitz
des eine ihn verpflichtende Unterschrift 1 Oskar v. Wächter, En cyklopädie d. WR. (1880) S. 884. 8 WO. Art. 51 letzter Satz, vgl. oben S. 886, 887.
tragenden Wechsels
3 Gemäß WO. Art. 48 od. 50 4 WO. Art. 51.
890
Kap. IV.
Das Wechselrecht.
gelangte, ist er in der Lage, seinerseits Vormänner mit Regreß zu befangen.
§• 98.
Desonderheiteu der Iahlungsregresse. 1. Der Regreßnehmer, welcher auf Grund des Art. 50 der WO. Regreß gegen einen Wechselgaranten nimmt, hat
unbeschränktes Variationsrecht (jus variandi);1) auch der Remboursregredient hat die freie Wahl unter den Wechsel garanten (darauf beruht die Möglichkeit eines „Arbitrage
geschäfts" 2) beim Regreß), doch werden durch die Ausübung
dieser Wahl die Übersprungenen frei?) 2. Die Berechnung der Regreßsumme erfolgt nach dem
Prinzip des fingierten (oder wirklichen) Rückwechsels und
nach
dem System
der mehrfachen Retourrechnung,
auch
Kumulationssystem;4) sie erfolgt nämlich sowohl im Falle des Regresses des Inhabers (nach Art. 50), als auch im
Falle des Remboursregresies (nach Art. 51 der WO.) auf der Grundlage des Wechselkurses. Wenn nämlich der Zahlungs
ort oder —
beim Remboursregreß
— der Wohnort des
Regreßnehmers ein anderer Ort ist als der Wohnort des
Regreßpflichtigen, so
kommt der Marktpreis in Betracht,
welchen die geschuldete Summe an den beiden Orten hat;
dieser ist regelmäßig an dem einen Ort
ein anderer als
an dem anderen Orte; er heißt Wechselkurs und ist sowohl beim Diskontieren
der Wechsel (s.
1 WO. Art. 49. 3 Über „Arbitrage" siehe Gareis in v. Holtzendorfss RLex. 3. Aufl. und oben §. 47.
oben
§.
88
Ziff.
1
3 WO. Art. 51. 4 WO. Art. 50. 51, 52, 53.
Besonderheiten der Zahlungsregresse.
§♦ 9&
891
S. 843 ff.), als auch bei der Regreßnahme von Bedeutung.
Die Berechnung des gemäß Art. 50, 51 der WO. zu Grunde zu
legenden
Rechnung,
Wechselkurses
der
geschieht
in
einer
sogen. Retourrechnung,
besonderen
welche
vom
Regreßnehmer samt den Belegen über den Tageskurs, ver
ausgabte Porti u. s. w.
(soweit diese Belege nicht durch
den Inhalt des Wechsels oder eines Protestes oder durch Notorietät überflüssig gemacht werden), dem Regreßpflichtigen
zugesandt wird.
Man geht bei der Berechnung davon aus,
daß der Regreßnehmer die ihm gebührende Regreßsumme
dadurch einziehen kann,
daß
(beim Remboursregresse von
er
vom Zahlungsorte
aus
seinem Wohnorte aus) einen
Sichtwechsel auf den Wohnort des Regreßpflichtigenl) zieht,
und legt den börsenmäßigen Preis
dieser Sichttratte
zu
Grunde, und zwar den Kurs jenes Tages, an welchem — im
Falle des Regreffes nach Art. 50 — der Wechsel verfallen ist (Kurs des Verfalltages), oder — nämlich im Falle eines
Remboursregreffes — den Kurs jenes Tags, an welchem der Regreßnehmer seinerseits den Wechsel eingelöst oder als
Rimesse erhalten hat, und nur wenn sich dieser Tag nicht konstatieren läßt,
den Kurs des Tages der Regreßnahme
(als präsumtiven oder fiktiven Tag der Einlösung)?) Diese 1 Denn die Reareßzahlung hat im Zweifel am Wohn- ober Geschästsorte des Regreßschuldners zu geschehen. ROHG. Bd. 23 -Thöl.WR. §. 100II1,3iff. 2 (bestritten s. ebenda Anm. 13 u. Gareis in v. Holtzendorffs RLex. „Kursberechnung"). Hier über überhaupt Schraut, Tie
Lehre von den auswärtigen Wechselkursen, unter bes. Berück sichtigung der deutschen Verhält nisse. (2. Ausl. 1882). Geschicht liches über die schon im Beginn des 13. Jahrh, nachweisbare Fest stellung von Wechselkursen siehe GUGesch. S. 459 ff. — Beispiele von Retourrechnungen s. Fried berg, Formelbuch S. 274, 276.
Kap. IV.
892 Regeln
werben
als
DaS Wechselrecht.
bas
„System
ber
fingierten
Rücktratte" zusammengefaßt. Wirb
aus
bemselben
Wechsel
mehrmals Regreß
ge
nommen, so ist ber Kurs nach ber Deutschen Wechselorbnung
bei jeher Regreßnahme nach Maßgabe ber jeweiligen Ortsunb Tagesverhältnisse neuerbings
zu
berechnen
unb
bie
neue Berechnung bem Wechsel beizulegen (System ber mehrfachen Retourrechnung).
Auslänbisches Recht ist auf bie Berechnung ber Regreß summe beutscher Wechsel insofern von Einfluß, als bei bem Regreffe auf einen auslänbischen Platz bie Berechnung höherer,
nämlich hort zulässiger Sätze burch bie
Vorschriften
ber
Deutschen Wechselorbnung nicht ausgeschloffen wirb;1) es
sinb
hiefür bie Gesetze bes Zahlungsortes
ber einzelnen
Regreßansprüche maßgebend 3. Das „System bes fingierten Rückwechsels"
schließt
nicht aus, baß ber Regreßnehmer wirklich burch einen Rück
wechsel
bie
Regreßsumme
einzieht.
Der
Rückwechsel
(auch Retour-, Rikors-, Gegenwechsel u. berg!., ricambio, ricorsa, rechange genannt)2) ist wechselrechtlich eine ge
wöhnliche Tratte, eine Tratte, welche zur Einziehung einer
Regreßsumme verwenbet wirb; ber Regreßnehmer
stellt sie
aus, unb zwar inbem er auf ben Regreßpflichtigen
(als
Trassaten) zieht unb ben Wechsel einem am Wohnorte bes Regreßpflichtigen wohnenben Geschäftsfreunbe u. bergt (als
bem Remittenten bes Rückwechsels) zusenbet.
Als Wechsel
summe wirb in biesen neuen Wechsel, ben Rückwechsel, bie
1 WO. Art. 52. 2 Geschichtliches üb.d.Rikorsawechsel s. Kuntze, WR. S. 154
u. n.: Grünhut, WR. Bd. 1 S. 81: GUGesch. S. 311, 402, 420 u. a.
Besonderheiten der Zahlungsregreffe.
des
893
welche der Regreßnehmer (Aus
Regreßsumme eingesetzt,
steller
98.
Rückwechsels,
Retraffant)
dem
von
Regreß
pflichtigen (Bezogenen des Rückwechsels, Retraffat) zu fordern Durch
hat.
Verkauf dieses
Rückwechsels
kann
sich
der
Regreßnehmer (vorläufig wenigstens) bezahlt machen. Die Deutsche Wechselordnung gestattet dem Regreßnehmer
ausdrücklich, über den Betrag seiner Regreßforderung einen Rückwechsel auf den Regreßpflichtigen
eine Be
zu ziehen,
rechtigung, welche dadurch von Bedeutung wird, daß der Regreßnehmer in diesem Falle die Regreßsumme um den
Betrag der Mäklergebühr für Negociierung des Rückwechsels, sowie um
darf;
Stempelgebühr des Rückwechsels
die
doch muß
erhöhen
der Rückwechsel auf Sicht zahlbar und
unmittelbar (a drittura,
d. h. auf den
Regreßpflichtigen
als Bezogenen) gestellt sein/) um weitere Kosten zu ver
meiden.
Der Rückwechsel läuft a) entweder so, daß er Dritten gar nicht als Rückwechsel
erkennbar ist, als gewöhnliche Tratte, oder b) so, daß der Nehmer desselben die Eigenschaft des
Wechsels
als
durch
Rückwechsels
eine
Avisierung
seitens des Regreßnehmers erfährt und zugleich Mit
teilung
darüber
erhält,
wo
die
zur
Regreßklage
nötigen Papiere (nämlich der die Regreßnahme
ver-
die Protesturkunde
und
anlaffende
sVor-Mechsel,
die Retourrechnung samt Belegen) zu erhalten sind,
oder
1 WO. Art. 53.
894
Kap. IV.
Das Wechselrecht.
e) so, daß diese Papiere den Rückwechsel selbst begleiten
(„Rückwechsel mit Beilagen")?) In den beiden letzteren Fällen kann der Nehmer des
Rückwechsels,
zahlen will,
der Retrafsat
wenn
den
Rückwechsel nicht
gegen diesen sofort die Regreßklage aus dem
Vorwechsel erheben, vorausgesetzt, daß letzterer auf ihn gi riert ist; wegen der drohenden Regreßklage aus dem Vor
wechsel (und einer Klage auf Jnterefseersatz wegen des nicht honorierten Rückwechsels) wird der Retrasiat den Rückwechset regelmäßig acceptieren.
4.
Jeder Wechselschuldner hat das Recht, gegen
Er
stattung der Wechselsumme nebst Zinsen und Kosten die Aus
lieferung des quittierten Wechsels und des wegen Nicht zahlung erhobenen Protestes von dem Inhaber zu fordern.
(Einlösungsbefugnis extra ordinem.) 5.
Notifikationspflich t?)
Die
verschiedenen
Wechselordnungen schreiben unter Androhung verschiedener Rechtsnachteile vor, daß der Inhaber eines mangels Zahlung protestierten Wechsels innerhalb bestimmter kurzer Frist das
Ereignis, daß der Wechsel am Verfalltage nicht bezahlt wurde, seinem Vormanne schriftlich anzeige, worauf sodann
dieser Vormann jene Kunde weiterhin seinem Vormanne un verzüglich mitteilen soll, und so fort, bis auch der Aus
steller Kenntnis von der Nichtzahlung des Wechsels auf diese
Weise erlangt hat.
Während die Wechselordnungen darin
übereinstimmen, daß die Folge
bewirkten
Notifikation
des
1 Thöl WN. §. 100 I. 2 Vgl. Thöl a. a. O. tz. 105; I. Braun, Die Notifikation des
der richtig und rechtzeitig
Protestes
mangels
Zahlung
Protestes mangels Zahlung in CO. Bd. 8 S. 257-301. '
Besonderheiten der Zahlungsregresse.
Erhaltung
die
des
des
vollen
notifizierenden
895
§♦ 98.
Regreßanspruchs gegenüber
Inhabers
allen seinen Vormännern ist, weichen sie in der
Feststellung der Folgen der Unterlassung richtiger und recht zeitiger Notifikation sehr von einander ab. Ältere deutsche Wechselrechte knüpften an die Unterlassung oder Verspätung
der Notifikation den Verlust des gesamten Regreßanspruchs;
die ADWO. aber läßt den Regreßanspruch in Bezug auf die Wechselsumme unabhängig von der Notifikation bestehm,
erklärt jedoch den
Inhaber oder Indossatar,
Benachrichtigung unterläßt
oder dieselbe
welcher die
nicht
innerhalb
zweier Tage nach dem Tage der Protesterhebung (bezw. nach dem Empfange der Notifikation) an den unmittelbaren
Vormann ergehen läßt, hierdurch den sämtlichen oder den übersprungenen Vormännern zum Ersätze des aus der unter
lassenen Benachrichtigung entstandenen Schadens verpflichtet.
Auch verliert derselbe gegen diese Personen den Anspruch auf Zinsen und Kosten, so daß er nur die Wechselsumme zu fordern berechtigt ist. Die Benachrichtigung muß
schriftlich
geschehen,
kann
durch Zusendung einer notariellen Urkunde des erforderlichen
Inhalts (sogen. „Kontraprotest"
auch durch
in diesem Sinne),') aber
einen gewöhnlichen Brief bewirkt werden; der
Notifikant muß im Bestreitungsfalle die Notifikation be weisen, der Beweis ist gesetzlich erleichtert und durch ein Postattest zulässig?)
Ist das vorhergehende Indossament ein unausgefülltes 1 Anders oben §. 93. 2 WO. Art. 46. Ob Noti fikationsbehauptung z. Klagsuir»
dierung gehöre, s. ROHG.Bd. 2 S. 125, 220, Bd. 16 S. 366; Thöl a. a. O. g. 105 Anm. 29.
Kap. IV.
896
Das Wechselrecht.
Blankogiro oder ohne Ortsdatum gegeben, so ist die Notifikation
an den Bormann solcher Indossamente zu richten?)
Die
Frage, ob der Inhaber eines mangels Zahlung protestierten sei, auch dem Acceptanten zu notifizieren, wird mitunter1 2)3 bejaht, ist aber
vollständigen Domizilwechsels verpflichtet
zu verneinen?)
Wer nicht selbst benachrichtigt wurde oder nicht benach
richtigen konnte, wird in seinem vollen Regreßrechte durch die Unterlasiung der Notifikation nicht beeinträchtigt.
Der
Prokura-Jndofiatar gilt als ermächtigt zur Notifikation an den Vormann.
6. Verjährung der Regreßansprüche s. unten §. 100.
VI.
Intervention.4) 8. W.
I. Wenn die Erreichung des ursprünglichen Zwecks der
Tratte — Zahlung
beim Bezogenen — gefährdet
oder
vereitelt erscheint, wenn, mit anderen Worten, die Tratte
mangels Annahme oder mangels Zahlung protestiert ist
(„Not leidet"), so kann möglicherweise durch ein außer ordentliches Hilfsmittel die Gefährdung beseitigt oder ein dem ursprünglichen Zwecke möglichst nahekommender Zweck
erreicht werden.
Dies außerordentliche Hilfsmittel ist die
1 WO. Art. 47. — ROHG. Bd. 18 S. 140. 2 So von Braun in BA. Bd. 33 S. 154 ff., wo einschlagige Litteratur zu finden ist. 3 ROHG. Bd. 14 S. 327:
| RGer. Bd. 1 S. 45: H. O. Leh mann WR. 8- 137 Anm. 8. . 4 Tböl WR. §§. 131 bis i 153: G r ü nhut in seiner Z. ; Bd. 20 S. 1 ff., und in s. WR. §§. 133-137: Geschichtliches f. GUGesch. S. 457 Anm. 155.
Intervention.
§. 99.
897
Intervention, d. i. das Eintreten einer neuen Person
als Acceptant oder als Zahler. Das Eintreten
eines solchen Nothelfers ist entweder
auf dem Wechsel bereits vorgesehen: es ist ein eventueller Bezogener auf der Tratte genannt, und dieser heißt Not-
adressat, Notadresse (derjenige, welcher die Notadreffe
beifügte, nämlich der Aussteller oder ein Indossant, heißt Adressant); — oder es ist auf dem Wechsel nicht vor gesehen, sondern es erfolgt ein Eintreten einer bis dahin
im Wechsel noch gar nicht genannten Person als Zahler
oder Acceptant, dann wird von Ehreninterventionen (im engeren Sinne) gesprochen.
Die Intervention überhaupt geschieht demnach entweder
durch Annahme des Wechsels seitens eines Intervenienten oder
durch Zahlung
des
Wechsels seitens eines Inter
venienten; der Intervenient (auch Honorant genannt) ist
entweder ein Notadressat oder eine bis zur Intervention
noch nicht (als Bezogener) im Wechsel genannte Person;
letztere
ist
demnach
entweder
Ehrenacceptant oder
Ehrenzahler.
Der Zweck einer jeden Intervention ist: den Regreß
womöglich zu vermeiden, wenigstens zu vereinfachen, und die Kosten desselben zu verringern; das Dazwischentreten
des Intervenienten erreicht diesen Zweck, indem es zugleich den Kredit des Wechsels oder den Kredit eines bestimmten Wechselgaranten (Ausstellers oder Indossanten) vor Gefähr
dungen bewahrt. Derjenige Wechselgarant, zu dessen Gunsten („zu dessen Ehren"), aber auch für dessen Rechnung die
Intervention geschieht, heißt Honorat. GareiS, Handelsrecht. 6. Aufl.
57
Kap. IV.
898 II.
Tas Wechsclrecht.
durch
Intervention
Accept
(Ehrenannahme
im
weiteren Sinne).
1. Leidet eine Tratte dadurch Not, daß deren Annahme beim Bezogenen nicht erlangt werden kann, und
ist des
so muß sich der
halb Protest mangels Annahme erhoben,
Inhaber dieses Wechsels und des Protests, bevor er Sicher
heitsregreß mangels Annahme verlangen kann,
erst an die
etwa vorhandenen Notadrefsaten dieser Tratte, sofern sich dieselben
am
Ersuchen
dem
Zahlungsorte
wenden,
letzteren
der
den protestierten
befinden,
Wechsel
mit anzu
nehmen?)
Die Notadreffen
sind (ohne daß eine Ortsangabe er
forderlich ist)1 2) in der Regel mit den Worten unter den Namen des Bezogenen N. .
gesetzt:
„Im Notfälle bei Herrn
„Nötigenfalls bei Herrn N. N.", ..Im Falle bei
Herrn ..."
Es kann aber auch der Trassant Notadresse
sein („im Falle bei
mir selbst"),
wenigstens bei Platz
tratten?) Sind mehrere Notadressen auf dem Wechsel genannt, so
muß der Inhaber des Wechsels vor allem das Accept
derjenigen Notadressen nachsuchen, durch deren Zahlung die meisten Verpflichteten befreit werden;^)
der Fall bei
dies ist zunächst
einer Intervention zu Ehren des Ausstellers
(„pour Phonneur de la lettre“), und als solche wird auch
diejenige
Intervention
erachtet,
1 WO. Art. 56 Abs. 1. 2 Die Notadresse darf nicht einen anderenZahlungsort haben, wohl aber einen anderen Adreßort: Grünhut, WR. Bd. 2
welche
der
Intervenient
S. 463. - ROHG. Bd. 11 S. 298. 3 ROHG. Bd. 6 S. 162. Bd. 10 S. 286, Bd. 20 S. 164. * WO. Art. 56 Abs. 2.
99.
Intervention.
durch Ehrenaccept
899
bewirkt, ohne daß er hiebei schriftlich
bemerkt, zu wessen Ehren er acceptiert.1) Die Form des Ehrenaccepts ist dieselbe, wie die des
gewöhnlichen Accepts, jedoch mit einem Zusatze, der es als „zu Ehren",
Ehrenaccept kenntlich macht, nämlich:
lionor“,
„für Rechnung
dem Namen
-
des Honoraten
„per
diese Zusätze meistens mit —
oder
„sopra protesto“,
„S. P/
2. Der Inhaber des Wechsels ist verpflichtet, den Wechsel
dem Notadressaten
zur Annahme zu
präsentieren und ihn
eventuell mangels Annahme daselbst protestieren zu lassen; die
Unterlasiung dieser Präsentation und Protestation hat nur
zur Folge, daß der Inhaber nicht Regreß auf Sicherstellung nehmen kann;
verzichtet
er auf diesen,
so kann er die
Präsentation zur Annahme bei der Notadresse, wie die zur
Annahme beim Trassaten,ohne Nachteil unterlasien. Zahlung
muß
der
Wechsel
dem
Notadressaten
Zur
vorgelegt
werden bei Meidung des Untergangs des Zahlungs-, bezw. Remboursregresses
gegen
denjenigen,
der
die
Notadresse
beifügte, und gegen die Nachmänner dieses Notadressanten;
dagegen ist die Remboursregreßpflicht der Vormänner dieses letzteren nicht von der Beachtung der Notadresse abhängig, da sie ja die Regreßpflicht vor der Anbringung der Not
adresse auf sich nahmen?) 3. Der Inhaber muß, wenn mehrere Notadreffaten vor handen sind, den Vorzug derjenigen Notadresse geben, durch ' WO. Art. 59. | ' Grün Hut, WR. Bd. 2 S. - Abgesehen von den Fällen ; 461, 462. des Art. 20 und Art. 24 Abs. 2 ' d. WO. !
Kap. IV.
900
Das Wechselrecht.
deren Zahlung die meisten
er
Verpflichteten befreit werden;
ist auch berechtigt, das Accept einer unberufenen (auch
eventuell
nicht
Person
beauftragtm)
im
(Ehrenacceptant
engeren Sinne) zuzulassen; verpflichtet ist er jedoch hiezu nicht,
sondern
kann Regreß mangels Annahme nehmen,
obwohl eine Person, welche nicht Notadressat ist, ihr Accept anbietet?)
4. Die Wirkung der Ehrenannahme ist teils eine ver pflichtende, teils eine befreiende:
Verpflichtet wird der Ehrenacceptant, und zwar a) als Acceptant zur Zahlung der Wechselsumme nach Wechselrecht; jedoch besteht diese Verpflichtung des
Ehrenacceptanten
und
auch
nicht
nicht
gegenüber
gegenüber
den
dem
Honoraten
Vormännern
des
selben, sondern nur gegenüber den Nachmännern des Honoraten.
Diese Verpflichtung
ist an
eine ganz
außerordentlich kurze Frist geknüpft, sie erlischt näm lich, wenn dem Ehrenacceptanten der Wechsel nicht
spätestens am zweiten Werktage nach dem Zahlungs
tage des Wechsels zur Zahlung vorgelegt wird?) b) Außerdem wird der Ehrenacceptant durch sein Accept
verpflichtet, sich den Jnterventionsprotest aushändigen zu lassen und denselben dem Honoraten zuzusenden,
indem er diesen gleichzeitig von der geschehenen Inter
vention benachrichtigt; diese Benachrichtigung muß er
mit dem Proteste innerhalb zweier Tage nach dem Tage der Protesterhebung zur Post geben,
WO. Art. 57.
|
2 WO. Art. 60.
widrigen-
Intervention. §♦ 99.
901
falls er für den durch die Unterlassung entstehenden Schaden haftet?) Befreiende Wirkung der Ehrenannahme:
Wenn
der Wechsel
von einer Notadresse oder einem
anderen Intervenienten zu Ehren angenommen wird,
so
haben der Inhaber und die Nachmänner des Honoraten keinen Regreß auf Sicherstellung.
Letzterer kann aber von
dem Honoraten und dessen Vormännern geltend gemacht
werden?) Provisionsanspruch des Intervenienten s. III 5.
in. Intervention durch Zahlung.
Die Ehrenzahlung (im weiteren Sinne) geschieht ent weder
durch
einen
Notadressaten,
gleichwie,
ob
dieser
acceptiert hat oder nicht, oder durch eine andere Person (Ehrenzahler im engeren Sinne), gleichviel, ob diese zuvor acceptiert hat (Ehrenacceptant war) oder nicht.
Zahlt jemand (wie z. B. regelmäßig der Domiziliat)
die Wechselsumme für Rechnung oder auch zu Ehren des
Bezogenen, des Acceptanten oder auch des Ausstellers eines eigenen Wechsels, so
ist er kein Ehrenzahler und erwirbt
weder Regreßrecht gegen den Indossanten, noch auch —
ohne (Session oder Giro — eine (wechselrechtliche) Forderung gegen den Acceptanten aus seiner Zahlung;
die Ehren
zahlung geschieht stets zu Ehren (zu Gunsten) eines oder
mehrerer Regreßpflichtigen?) Zahlt
der
Domiziliat
1 WO. Art. 58. 2 WO. Art. Gl.
ausdrücklich
I -
zu
Ehren
eines
3 ROHG. Bd. 5 S. 125.
902
Kap. IV. Das Wechselrecht.
Regreßpflichtigen, so
ist
auch diese Zahlung eine Ehren
zahlung?) Don der Ehrenzahlung überhaupt ist zu bemerken: 1. Verpflichtung zur Präsentation zur Zahlung.
Befinden sich auf dem von dem Bezogenen nicht eingelösten Wechsel oder auf der Kopie Notadresien oder ein
Ehrenaccept, welche auf den Zahlungsort lauten, so muß der Inhaber den Wechsel spätestens am zweiten Werktage
nach
dem Zahlungstage
den
sämtlichen
Noladressen und
dem Ehrenacceptanten zur Zahlung vorlegen und den Erfolg
im
Proteste
mangels
diesem Sinne) oder
in
Zahlung
(sog.
Kontraprotest
in
einem Anhänge zu demselben be
merken lassen. Unterläßt er dies, so verliert er den Regreß gegen dm
Adressanten oder Honoranten und deren Nachmänner?) 2. Verpflichtung zur Entgegennahme der Ehrenzahlung. Während der Inhaber des Wechsels
ein nicht von einer
Notadreffe herrührendes Accept ohne Nachteil zurückweisen kann, verliert er, wenn er die von irgend jemandem (wenn auch von einer im Wechsel nicht als Notadresse oder Ehren-
acceptant
genannten Person) angeborene Ehrenzahlung zu
rückweist, den Regreß gegen die Nachmänner desjenigen, zu dessen Ehren die Zahlung angeboten ward (behält ihn aber
jedenfalls gegen den Aussteller)?) 3.
Recht
aus
der
Ehrenzahlung.
Der
Ehrenzahler,
welcher sich den Wechsel und^) Protest mangels Zahlung
gegen Erstattung der Kosten aushändigen ließ, wird regreß-
1 ROHG. Bd. 5 S. 123, 127, | Bd. 12 S. 50. 8 WO. Art. 62: AOHG. Bd. 24 6. 167.
3 WO. Art. 62 lchter Sah. 4 NOHW. Bd. 20 S. 113 ff.
Intervention. berechtigt:
903
§. 99.
er tritt durch die Ehrenzahlung in die Rechte
des Inhabers (WO. Art. 50, 52)
gegen den Honoraten,
desien Vormänner und den Acceptanten?)
Ist der Notadressat und Ehrenzahler zugleich Aussteller des Wechsels, so tritt er durch die Ehrenzahlung nur wieder
in seine Rechtsstellung als Aussteller?)
4. Befreiende Wirkung der Ehrenzahlung.
Das positive
Recht wünscht, in Übereinstimmung mit der Tendenz des
Verkehrs, daß die Wirkung der Intervention eine möglichst weitgehende sei, bei der Ehrenzahlung, wie bei der Ehren
annahme (s. oben II 1); deshalb muß der Wechselinhaber unter
welche
mehreren,
demjenigen den
sich zur Ehrenzahlung anbieten,
Vorzug geben, durch dessen Zahlung die
meisten
Wechselverpflichteten
venient,
welcher
Proteste ersichtlich
zahlt,
befreit
obgleich
aus
Inter
werden;
ein
dem
Wechsel
oder
ist, daß ein anderer, dem er hienach
nachstehen müßte, den Wechsel einzulösen bereit war,
hat
keinen Regreß gegen diejenigen Indossanten, welche durch
Leistung der von dem anderen angebotenen Zahlung befreit worden wären?)
5.
Der
Ehrenzahler
kann
(aus
aufgetragener
oder
nichtaufgetragener Geschäftsführung) Deckung und Provision
fordern?)
Die
Provision,
welche
der
Ehrenzahler
be
anspruchen kann, versteht sich nach Art. 63, 50 und 52; aber auch der Ehrenacceptant, welcher nicht zur Zahlungs
leistung gelangt, weil der Bezogene oder ein anderer Inter
venient bezahlt hat, hat Anspruch auf eine Provision; er
1 WO. Art. 63; RGer. Bd. ■ 12 S. 134. 3 ROHG. Bd. 6 S. 162.
3 WO. Art. 64. < Thöl WN. §. 135.
Kap. IV.
904
DaS Wechselrecht.
ist berechtigt, von dem Zahlenden eine Provision von ’/3° u
zu verlangen?) VII.
Wechselverjährung.
8- 100.2) Im
Verkehr mit
Wechseln
sind
eigentümliche kurze
„Verjährungsfristen" eingeführt.
1. Am kürzesten haftet der Ehrenacceptant; seine wechselmäßige Verpflichtung erlischt, wenn ihm der Wechsel nicht spätestens am zweiten Werktage nach dem Zahlungstage
des Wechsels zur Zahlung vorgelegt wird?)
Ehrenacceptant
spätestens
an
diesem
(Ist aber beim
zweiten
Werktage
Protest mangels Zahlung erhoben, so verjährt der Anspruch gegen ihn wie unter 3.)
2. Am längsten haftet hingegen der gewöhnliche Acceptant:
der wechselmäßige Anspnrch gegen ihn verjährt erst in drei Jahren, vom Verfalltage des Wechsels an gerechnet?) ohne
Rücksicht darauf, ob die Ansprüche gegen die Garanten ver jährt sind oder nicht?)
Dies gilt auch von Sichtwcchseln
und Nachsichtwechseln?)
Der Verfalltag selbst wird nicht
mitgerechnet?) 1 WO. Art. 65. ■ 6 ROHG. Bd. 7 S. 41. 2 Hierüber im allgemeinen: I 6 Unter Berücksichtigung der Alex. Grawein, Verjährung Art. 19, 20 und 31 der WO. und gesetzliche Befristung. T. 1. ROHG. Bd. 4 S. 344, Bd. 16 (Leipzig 1880). Geschichtliches s. S. 346. 7 ROHG Bd. 3 S. 417. Über GUGesch. S. 458. 3 WO. Art. 60; s. oben Zahlungsstundungen ROHG. §. 99 II. Bd. 4 S. 375; Einfluß des 4 WO. Art.77 (überStatuten Protesterlasses s. Bd. 4 S. 376. kollision ROHG. Bd. 14 S.258, Tod des Schuldners RGer. Bd. 18 S. 186; RGer. Bd. 2 Bd. 27 S. 78. S. 13, Bd. 6 S. 24.
905
§. 100.
Wechselverjährung.
3. Die Regreßansprüche des (letzten) Inhabers einer
Tratte (Art. 50) gegen
den Aussteller und die übrigen
Vormänner (Indossanten) verjähren, vorausgesetzt, daß der
in
konkret
Anspruch
Geltungsgebiet der
genommene
allgemeinm
Wechselverpflichtete
deutschen
im
Wechselordnung
domiziliert ist: a) in drei Monaten, wenn der Wechsel in Europa, mit Ausnahme von Island und dm Faröem,
zahlbar
war; b) in sechs Monaten, wenn der Wechsel in den Küstenländem von
Asien und Afrika
längs des Mittel
ländischen und Schwarzen Meeres ober in den dazu
gehörigen Inseln dieser Meere zahlbar war; c) in achtzehn Monaten, wenn der Wechsel in
einem
andem außereuropäischen Lande oder in Island oder
den Faröem zahlbar war. Die Verjährung beginnt gegen den Inhaber mit dem Tage des erhobenm Protests.')
4. Die Regreßansprüche des Indossanten (Art. 51) gegen
den
Aussteller und
die übrigen
Vormänner ver
jähren :2) a) in
drei
Monaten,
wenn
der
Regreßnehmer
in
Europa, mit Ausnahme von Island und dm Faröem,
wohnt; b) in sechs Monaten, wenn der Regreßnehmer in dm
Küstmländern von Asien und Afrika längs des Mittel* WO. Art. 78. Statuten- | " WO. Art. 79 (über Statuten kollision s. Anm. 4 vorige Seite ; kollision s. S. 904 Anm. 4). Erben des Ausstellers, Überlegungssrift RGer. 58b. 27 S. 78.
906
Kap. IV.
DaS Wechselrecht.
ländischen und Schwarzen Meeres oder in den dazu gehörigen Inseln dieser Meere wohnt;
c) in achtzehn Monaten,
wenn der
Regreßnehmer in
einem andern außereuropäischen Lande oder in Island oder den Färöern wohnt.
(Segen den Indossanten läuft die Frist, wenn er, ehe
eine Wechselklage gegen ihn angestellt worden, vom Tage der Zahlung/)
in
gezahlt hat,
allen übrigen Fällen aber
vom Tage der ihm geschehenen Behändigung der Klage oder der Ladung an.
Nach der Verjährung der Wechselklage kann gegen den Aussteller oder gegen den Acceptanten möglicherweise noch die (bürgerlichrechtliche) Bereicherungsklage fortbestehen,
nicht aber gegen die Indossanten, deren wechselmäßige Ver-
bindlichkeit erloschen ist;2) zur Erhebung der Bereicherungs klage erscheint derjenige berechtigt,
welcher zur Zeit
Verjährung oder Präjudizierung des Wechsels
tümer desselben gemäß Art.
der
als Eigen
36 ff. der WO. legitimiert
war, und welchem die dem Vermögenszuwachs des Aus stellers
oder
Acceptanten
korrespondierende
mögensverringerung insoweit erseht werden
eigene
soll,
Ver
als die
Beklagten eben dadurch, daß sie wegen der Ungültigkeit des
Wechsels keine Zahlung obgleich
sie
Valuta
ober
auf denselben Revalierung
zu
leisten haben,
empfingen,
einen
Vermögensvorteil erlangten?) Die Unterbrechung der Verjährung (in den 1 ROHG. Bd. 3 S. 129. | im Hdbch. Bd 4. T. 2 §. 92 9 WO. Art. 83. Über die ' und die dort Anm. 1 cit. Litt. BereicherungZtlage (nun hiezu Lehmann WA. §. 143. BGB. §. 812) s. Brachmann 3 Entsch. d. AGer. v. 24. Zuni
Wechselfälschung u. mangelhafte Unterschriften, g. 101. 907 Fällen unter Ziff. 2—3) richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts?)
Wechselfälschung-) und mangelhafte
VIII.
Unterschriften. 101. I. Das Wechselrecht faßt jede Unterschrift, wie sich aus
dem oben
Seite 827
Gesagten
ergiebt,
als
für
sich
selbständig^) existierend auf; eine Folge dieser Auffasiung ist
die Bestimmung, daß,
auch wenn die Unterschrift des
Ausstellers eines Wechsels falsch oder verfälscht ist, dennoch das echte Accept und die echten Indossamente die wechsel mäßige Wirkung behalten.")
Nicht minder konsequent ist
die weitere Bestimmung,
daß aus einem mit einem falschen oder verfälschten Accepte
oder Indossamente versehenen Wechsel sämtliche Jndoffanten und der Aussteller, deren Unterschriften echt sind, wechsel mäßig hiebei
verpflichtet
bleiben?)
(Möglicherweise
entsteht
eine Klage wegen ungerechtfertigter Bereicherung.)?)
Diese Bestimmungen gelten auch von sog. Kellerwechseln,
1881 in Gruchots Beiträgen - Thöl WR. S§. 168—174, Bd. 26 S. 825: GZ. Bd. 31 sehr ausführlich. S. 427 ff.; auch Brau n und 3 WO. Art. 3. Blum, Annalen Bd. 4 L. 158. 4 ROHG. Bd. 1 S. 60, 97, RGcr. Bd. 13 S. 4. , 290 ff. u. Anm. ebenda. 1 BGB. §§. 208—217, Art. 1 5 WO. Art. 75. 80 d. WO. ist aufgehoben durch 6 WO. Art. 76. Art. 8 Nr. 2 d. EinsG. z. HGB. 7 ROHG. Bd. 11 S. 59, Bd. v. 10. Mai 1897. 12 S. 438.
908
Kap. IV.
DaS Wechselrecht.
d. s. Wechsel, auf welchen sich (Schein-)Unterschriften nicht existierender Personen (neben echten) befinden. Behauptet der Acceptant, der Wechsel sei, nachdem er das Accept gegeben, zu seinem Nachteile (z. B. durch Er
höhung der Wechselsumme) gefälscht worden, so hat der
Acceptant diese Fälschung
einredeweise zu
beweisen;
die
Vermutung spricht, wenn der Wechsel keine in die Augen
erkennen läßt,
gegen ihn und dafür,
(angebliche) Veränderung
bereits vor dem Accept
fallende Fälschung daß die
vorhanden war;
gelingt dem Acceptanten jener Beweis,
so ist das Accept, soweit
es nicht zugestanden ist, unver
kindlich.
Behauptet der Acceptant, jene Veränderung sei vor der Acceptation, aber nach der Ausstellung und Begebung, z. B.
durch einen
Indossatar, bewirkt,
so ist diese Behauptung
(bürgerlichrechtliche Klage vorbehalten) wegen der formalen
Natur auch des Accepts wechselrechtlich belanglos?) II. Unter der Überschrift „Mangelhafte Unterschriften" erörtert
keit
die
einer
Wechselordnung (während die Mangelhaftig Wechselunterschrift
kann, vergl. oben
85
eine
sehr
verschiedene
sein
Ziff. 5 S. 835—886, ferner
88 S. 845, §. 89 S. 851) lediglich zwei Fälle:
1. die Unterschriften
von
Analphabeten
und
diesen
gleichstehenden Personen.
Wechselerklärungen, welche statt des Namens mit Kreuzen
oder anderen Zeichen vollzogen sind, haben nur dann, wenn diese Zeichen gerichtlich oder notariell beglaubigt worden sind, Wechselkraft?)
1 Bestritten, s. Thöl WR. §. 173.
2 WO. Art. 94. §. 126.
Vgl. BGB.
Amortisation und Bindikation des Wechsels.
§. 102.
909
Eine in hebräischen Lettern oder mit anderen bekannten
Schriftzeichen einer lebenden oder toten Sprache geschriebene Namensunterschrift ist nicht hieher zu stellen, sondern ohne Beglaubigung gültig?)
2. Unterschriften von Nichtbevollmächtigten. Wer eine Wechselerklärung als Bevollmächtigter eines
anderen unterzeichnet, ohne dazu Vollmacht zu haben, haftet persönlich in gleicher Weise, wie der angebliche Vollmacht
geber gehaftet haben würde, wenn die Vollmacht erteilt
gewesen wäre. Dasselbe gilt von Vormündern und anbeten Vertretern,
welche mit Überschreitung ihrer Befugnisse Wechselerklärungen ausstellen?)
IX.
Amortisation und Vindikation des Wechsels.
§. 102.
Alle
Wechselverpflichteten
haften
nur
„gegen
diesen
Wechsel", d. h. gegen Auslieferung (Einhändigung, Rück
gabe) des Wechselbriefs, welcher ihre verpflichtmde Unter schrift trägt.
Ist das Wechselpapier zu Grunde gegangen (z. B. durch
Brand), so Wechsel
ist demnach normal auch das Recht aus dem
vernichtet (Finalfunktion
des Wertpapiers) und
jeder daraus vorher Verpflichtete frei.
Der Inhaber des
Wechsels hat sein Recht aus demselben zunächst aber auch dann verloren, wenn ihm das Papier, ohne unterzugehen. ' Bgl.Borchardt.WO.942: ' - WO. Art. 95. H. O. LehBrachmann im Hdbch. Bd. 4 | mann WR. §. 88. Bgl. BGB. T. 2, §. 32 Anm. 6. | §. 179.
910
Kap. IV. Das Wechsetrecht. B. gestohlen,
abhanden kam, z
geraubt, vom Winde oder
Wasser fortgetragen wurde und dergl.,
gleichviel, ob er
den neuen Besitzer des Wechselbriefs kennt oder nicht. aus
Wechsel
dem
Verpflichteten
sind
aus dem
Die
Grunde,
weil dem Inhaber das Papier — ohne unterzugehen -
abhanden kam, noch keineswegs von
ihrer Verbindlichkeit
befreit, denn der Zahlende braucht die Echtheit der auf den Besitzer reichenden Indossamente nicht zu prüfen, und
der
Wechselschuldner
dienen,
welche
oder ihm unmittelbar
stehen;
deshalb
kann
sich
nur solcher Einreden be
aus dem Wechselrechte selbst hervorgehen
gegen den jedesmaligen Kläger zu-
kann sich
auch der Dieb u.
s.
w. des
Wechsels, wenn er nur äußerlich legitimiert ist, z. B. durch ein Blankogiro,
Zahlung
aus dem entwendeten Wechsel
verschaffen.
Diesen Nachteilen gegenüber hat der Eigentümer eines Wechsels, dem ein solcher abhanden kam, zwei Rettungs mittel.
I. Die Vindikation des Wechsels, die auf Wieder gewinnung des Wechselbriefs gerichtete Eigentumsklage. Diese
Klage, welche selbstverständlich nur dann denkbar ist, wenn der Eigentümer
des
Wechsels
den
Besitzer
des Papiers
kennt, setzt voraus: 1. auf feiten des Klägers: Legitimation als Eigentümer des Wechsels; diese Legitimation kann nur durch das
Papier (ingleichen auch durch ein Duplikat, eine Kopie) selbst, durch die vorliegende, zusammenhängende Reihe von Indossamenten u. s. ro.1) nachgewiesen werden; ferner Besitzverlust;
1 WO- Art. 36, 74; RGer. Bd. 33 S. 143.
102.
Amortisation und Vindikation des Wechsels.
2. auf feiten
des
Beklagten:
Besitz
911
des dem Kläger
abhanden gekommmm Wechsels, ferner: daß Besitzer
dm Wechsel
im bösen Glauben erworben hat oder
ihm bei der Erwerbung eine grobe Fahrlässigkeit zur
Last fällt; oder statt des bösgläubigen oder grob fahrlässigen Erwerbs: Mangel der formalen Legiti mation aus dem Wechsel als Wechseleigentümer, z B.
Fehlen des
Zusammenhangs der Indossamente und
dergl. Demnach
ist
der
gutgläubige,
nicht
fahrlässige und
formal legitimierte Erwerber gegen die Eigentumsklage des
früherm Inhabers geschützt?) Weiß der (frühere) Eigentümer dm Besitzer des ihm abhanden gekommenen Wechsels nicht, oder ist der Wechsel
gewiß oder vermutlich zu
Grunde gegangen (z. B. ver
brannt)
anderen
oder
aus
einem
Grunde
die
Kläger nötige Legitimation nicht herzustellen,
für
dm
so ist die
Bindikation des Wechsels selbstverständlich unmöglich.
Für
solche Fälle kann die Amortisation Rettung bieten, sei es durch Erhaltung des Rechts
gegen die Wechselschuldner?)
sei es durch die Provozierung des Vindikationsprozeffes.
II. Die Amortisation?)
Der Eigentümer eines abhanden gekommenen Wechsels kann die Amortisation des Wechsels bei dem Gerichte des
Zahlungsorts beantragen?)
(Dieses Gericht ist auch dann
1 WO. Art. 74. Vgl. HGB. (S. 781 f.), 72 (S. 790 ff.), 73 (S. 795, 796). 8. 366; BGB. §.932. 4 Gerichtsstand s. WO. Art. 2 CPO. §. 1018 (früher 850). 73 Sah 1 und (5PO. §. 1005 8 S. hierüber oben §§. 71 III (früher 839). Rehbein WO,
Kap. IV.
912
DaS Wechselrecht.
zuständig, wenn nur noch der Bereicherungsanspruch nach Art. 83 in Frage kommt.) l)2 Der Antrag muß den prozeßrechtlichen Anforderungen entsprechen?)
Das
Gericht erläßt hierauf ein Aufgebot mit Fest
setzung eines Aufgebotstermins und Androhung des Rechts nachteils der Kraftloserklärung;
der
Aufgebotstermin ist
so zu bestimmen, daß seit dem Verfalltage, sowie auch
seit dem Tage, an welchem die erste Einrückung des Auf gebots im Deutschen Reichsanzeiger erfolgt ist, sechs Monate
abgelaufen sind?)
Meldet
sich
infolge des
Aufgebots ein
Besitzer des
abhanden gekommenen Wechsels, so kann der Interessent,
welcher das Aufgebot veranlaßt
klage
gegen
diesen
hat, die Vindikations
möglicherweise mit
Erfolg
anstellen
(s. oben I). Meldet sich kein Besitzer, so erfolgt nun nach Maßgabe der
näheren
Bestimmungen
der
Civilprozeßordnung die
Kraftloserklärung im Ausschlußurteil,
welches zur Folge
hat, daß derjenige, der dasselbe erwirkte, dem durch die
Urkunde Verpflichteten gegenüber berechtigt ist, die Rechte aus der Urkunde geltend zu machen?)
Aber schon vorher, nämlich schon sofort nach Einleitung
des Amortisationsversahrens (d. i. nach Verfügung des Auf gebots), kann der Eigentümer des abhanden gekommenen Wechsels vom Acceptanten Zahlung fordern, wenn er bis 1 ROHG. Bd. 6 S. 381. 2 CPO. §. 1007 (früher 840); Rehbein a. a. O. S. 76—79.
3 CPO. §§. 1014,1015 (früher 846, 847). * CPO-88.1017-1018 (früher 848-850).
Vervielfältigung des Wechsels.
§♦ 103.
913
zur Amortisation Sicherheit bestellt; ohne solche ist er nur die Deposition der aus dem Accept schuldigen Summe bei
einer Depositalbehörde zu fordern berechtigt?)
X.
Vervielfältigung des Wechsels. §. 103.
Die Vervielfältigung eines Wechsels kann bewirkt werden:
a) durch Ausstellung mehrerer Exemplare eines Wechsels
im Original, — sog. Wechselduplikate,
b) durch Anfertigung von Abschriften, — sogen. Wechsel
kopien. Beide Institute sind gewohnheitsrechtlich geschaffen und die Verwendung derselben wesentlich von der Handelssille abhängig?) Das Gesetz enthält nur wenige Bestimmungen
darüber. I. Wechselduplikate.
Es liegt im Jnteresie eines Wechsel
inhabers, den Wechsel zum Accept an dm Trasiatm ver wenden zu können, ohne dadurch die Möglichkeit zu ver
lieren,
(zu beliebigem Zeitpunkte inzwischen) den Wechsel
zu verkaufen, durch Giro weiter zu übertragen, und diesem
Jnteresie wurde eine althergebrachte Handelsübung dadurch gerecht, daß der Remittent die Ausstellung von Duplikaten
verlangen kann; doch deutung
ist
die Be
mit diesem Jnteresie
der Duplikate keineswegs
1 WO. Art. 73. 2 Bercsi. Borchardt, Tie Wechselduplikate und Kopien, (Berlin 1847); Jolly in SA. Bd. 3 S. 1—57, 241-296. Äareis, Handelsrecht. 6. Aufl.
erschöpft,
denn
die-
Grünhut, WR. §§. 114 ff. Geschichtliches über die Duplikate u. s. w. s. GUGesch. S. 457 Anm. 154.
58
Kap. IV. DaS Wechselrecht.
914
selben dienen auch zur Erhöhung der Sicherheit gegen Ver
lust u. s. w.
Deshalb ist der Aussteller eines
gezogenen
Wechsels verpflichtet, dem Remittenten auf dessen Verlangen mehrere
gleichlautende Exemplare
desselbm
Wechsels
zu
überliefern.
Die
einzelnen Stücke müssen im Kontexte als Prima,
Sekunda, Tertia u. s. w. (premiere, seconde de change)
bezeichnet sein, widrigenfalls jedes Exemplar als ein für sich bestehender Wechsel (Solawechsel in diesem Sinne) er
achtet wird. Auch ein Indossatar kann ein Duplikat des Wechsels ver langen.
Er muß sich
dieserhalb
an feinen unmittelbaren
Vormann wenden, welcher wieder an seinen Vormann zurück-
gehm muß, bis die Anforderung an den Aussteller gelangt. Jeder Indossatar kann von seinem Normanne verlangen,
daß die früheren Indossamente auf dem Duplikate wieder
holt werden?) Trotz der Mehrheit der Duplikate liegt doch nur eine einzige Wechselobligation des Ausstellers, Acceptanten und
Indossanten vor; diesem Gedanken entspricht der Satz, daß durch die Bezahlung eines der mehreren Exemplare die
anderen ihre Kraft verlieren.
Doch
hat diese Regel zwei
Ausnahmen:2)
Ist eines der Duplikate bezahlt,
so bleiben aus den
übrigen Exemplaren trotz jener Zahlung verpflichtet 1. ein Indossant, welcher mehrere Exemplare desselbm
Wechsels an verschiedene Personen
indossiert hat, und
alle späteren Indossanten, deren Unterschriften sich auf den
1 WO. Art. 66.
j
WO. Art. 67.
Vervielfältigung des Wechsels.
915
§♦ 103.
bei der Zahlung nicht zurückgegebenen Exemplaren befinden,
aus
ihren Indossamenten — diese Ausnahme erklärt sich
aus
dem Vorhandensein der durch die von einander ab
eingetretenen verschiedenen Gläubiger
weichenden Giri
und Schuldner —; 2. ein Acceptant, welcher mehrere Exemplare desselben
Wechsels acceptiert hat, aus den Accepten auf den bei der Zahlung nicht zurückgegebenen
mehrerer
ganz
Exemplaren.
gleichlautender Duplikate
Die Accepte
werden demnach
mehrfache, selbständige Wechselobligationen, wenn nicht alle Accepte zugleich bei der Zahlung eingezogen werden; diese
Ausnahme ist auf Grund der bestehenden Usance in der WO. anerkannt?)
Wer
eines von mehreren Exemplaren eines Wechsels
zur Annahme versandt hat (hiezu wird in der Regel die Prima verwendet, während die Sekunda zum Indossieren be
nutzt wird),
muß auf den übrigen Exemplaren bemerken,
bei wem das von ihm zur Annahme versandte Exemplar
anzutreffen ist (Formel: „Prima zur Verfallzeit bei . . ." oder
„Prima zum Accept bei . . .").
dieser Bemerkung
entzieht
jedoch
Das
Unterlassen
dem Wechsel nicht
die
Wechselkraft.
Der Verwahrer des zum Accepte versandten Exemplars ist verpflichtet, dasselbe demjenigen auszuliefern, der sich als
Indossatar (Art. 36) oder auf andere Weise zur Empfang
nahme legitimiert?)
Der Verwahrer, in der Regel ein am Zahlungsorte des Wechsels befindlicher Geschäftsfreund, welchem das zur Auf-
1 Grünhut, WR.Bd.2S. I 344—346. !
2 WO. Art. 68. 1
916
Kap. IV.
Tas Wechselrecht.
nähme des Acceptes bestimmte Exemplar an seinen Wohn
ort, den Zahlungsort des Wechsels, dem
sich
als Wechseleigentümer
zugesandt wurde, hat
(gemäß
WO.
Art. 36)
legitimierenden Inhaber des anderen Exemplars (der Se
kunda rc.) das verwahrte Exemplar (die Prima) auf Ver langen herauszugeben, widrigenfalls der Wechseleigentümer
Protest mangels Herausgabe des verwahrten Duplikats beim Verwahrer erheben würde (s. oben S. 877 III 1); denn
der Inhaber eines Duplikats, auf welchem angegeben ist,
bei wem das zum Accepte versandte Exemplar sich befindet, kann mangels Annahme desselben den Regreß auf Sicher
stellung und mangels Zahlung den Regreß auf Zahlung nicht eher nehmen, als bis er durch Protest hat feststellen taffen: 1. daß das zum Accepte versandte Exemplar ihm vom
Verwahrer nicht verabfolgt worden ist, und 2. daß auch auf das Duplikat die Annahme oder die Zahlung nicht zu erlangen gewesen?) Giebt der Trassant (Mandant, Deponent, Hinterleger)
dem Depositar vorher Konterorder t verbietet er, mit andern Worten, die Herausgabe des deponierten den Inhaber
des cirkulierenden),
der Konterorder
so
Exemplars
an
hat der Depositar
zu folgen und die Herausgabe zu ver
weigern?)
II. Wechselkopien. Die Wechselkopien sind nicht wie die
Duplikate Originalexemplare eines Wechsels, sondern sie sind nichts anderes als gleichlautende Abschriften eines Original1 WO. Art. 69. 1 2strichenesAccePt: ROHG. Bd. 21 2 Vgl. Grünhut, WA. Bd. , L. 135. 2 S. 357-361. - Durch-
Vervielfältigung des Wechsels,
917
g. 103.
Wechsels in dem Zustande, in welchem dieser sich zur Zeit, da die Abschrift genommen (und die gesonderte Versendung
einer Kopie begonnen) ward, befand. Die Funktionen der Wechselkopien sind weniger umfang reich als die der Duplikate; denn die Kopie ist nicht fähig, ein Originalaccept aufzunehmen;*) — die Versendung der
Kopie zur Acceptiemng ist somit ausgeschlossen, nicht aber
die Versendung zum Giro: die Kopie kann ebenso wie ein
Originalwechsel
(z.
B.
gebräuchlicherweise
die
Sekunda)
Originalindossamente (hinter dem Arretierungsvermerk: „bis hierher Abschrift") mit voller berechtigender und verpflichtender Wirkung aufnehmcn;2) die Kopie kann daher ein Surrogat
der Rückseite des Wechsels genannt werden?) Das Gesetz verlangt,
daß die Wechselkopien eine Ab
schrift des Wechsels und der darauf befindlichen Indossamente mib Vermerke enthalten und mit der Erklärung: „bis hierher
Abschrift (Kopie)"
oder mit einer ähnlichen Bezeichnung
(„Arretierungsklausel") versehen seien.
Auf der Kopie ist zu bemerken, bei wem das zur An
nahme versandte Original des Wechsels anzutreffen ist.
Das
Unterlassen dieses Vermerkes entzieht jedoch der indossierten Kopie ihre wechselmäßige Kraft nicht?)
Der legitimierte Inhaber einer Kopie kann auf Grund
dieser Legitimation (der Indossamente) von dem Depositar die Herausgabe des Originalwechsels (welcher vielleicht daS
Accept trägt) verlangen; verweigert der Depositar die Her1 Grünhut, WR. 8 118; | 2 WO. Art. 71. Hartmann, WR. §. 80: 0.1 3 0. v. Wächter a. a. O. v. Wächter, Encyklopädie des S 185. WR. (1880) S. 184, 185. j 4 WO. Art. 70.
•Qnp. IV.
918
Das Wechselrecht.
ausgabe des Originalwechsels, so
kann der Inhaber der
Wechselkopie nur nach Aufnahme eines dieses konstatierenden
Protestes (s. oben S. 877 III b) Regreß auf Sicherstellung
und nach Verfall Regreß auf Zahlung nehmen gegen die jenigen Indossanten, deren Originalindossamente
auf einer
Kopie stehen?)
C.
Bom eigenen Wechsel.
§• 104. 3m allgemeinen. Der eigene Wechsel,?)
auch trockener (cambium
siccum), toter, uneigentlicher, unechter Wechsel, „Sola wechsel", Depositowechsel genannt (in Frankreich das billet
a ordre),
ist
ein
wechselmäßiges Summen
schriftliches,
versprechen, welches der Aussteller desselben dem Nehmer
giebt; es enthält außer der Unterschrift des Ausstellers und dem Namen der Person oder der Firma, an welche oder an
deren Order der erstere die Zahlung zu leisten sich verpflichtet,
die Angabe der Summe, der Zahlungszeit und des Zahlungs ortes, sowie die Wechselklausel, aber keinen Zahlungs auftrag; der Mangel dieses letzteren ergiebt die Unmr wendbarkeit
der
mit
bei
diesem
der Tratte
zusammen
hängenden Vorschriften, während das Recht der Tratte im übrigen
auf den Eigenwechsel anzuwenden
ist;
der Be
zogene fehlt, daher auch alles, was mit diesem und dem Accept
zusammenhängt.
Der
Aussteller
eines
eigenen
Wechsels ist selbst unmittelbar und direkt zur Zahlung oer
pflichtet, nicht unter der Bedingung, daß ein anderer nicht 1 WO. Art. 72.
j
- Formular s. oben S. 798.
Erfordernisse des eigenen Wechsels.
§. 105.
zahle und dieses wechselmäßig festgestellt sei;
919
der eigene
Wechsel ist ein einfaches, kein gezogenes Wertpapier.')
Er
kann ein Rektapapier sein, ist aber regelmäßig ein Order
papier.
Seine Bedeutung für den großm Handelsverkehr
ist, abgesehen etwa von den in Depot gegebenen Sola
wechseln,^) gering?)
Auch dem eigenen Wechsel liegt der durch Schreiben, Geben und Nehmen abgeschlossene Wechselvertrag zu Grunde;
das
Valutaverhältnis ist auch
hier wechselrechtlich
irrele
vant?)
§. 105.
Erfordernisse des eigenen Wechsel«. Aus dem Gesagten ergiebt sich bereits, in welchen Be ziehungen der Eigenwechsel
mit der Tratte übereinstimmt;
dies geht auch aus den vom Gesetze ausdrücklich gefotbettcn®) sogen,
„wesentlichen" Erfordernissen
des eigenen Wechsels
hervor; diese sind:
1. die in den Wechsel selbst aufzunehmende Bezeichnung als Wechsel oder, wenn der Wechsel in einer fremdm
Sprache
ausgestellt ist, ein jener Bezeichnung ent
sprechender Ausdruck in der fremden Sprache (es gilt
in dieser Hinsicht das bei der Tratte Gesagte; s. oben S. 832—833);®)
2. die Angabe der zu zahlenden Geldsumme;
3. der Name der Person oder der Firma, an welche oder an deren Order der Aussteller Zahlung leisten will;
1 ♦
S. oben S. 778—779. | ÜberSchenkungcnmittelSWechsel S. oben S. 721, 746 ff. ' s. RGer. Bd. 2 S. 5. Thöl WR. S. 605-606. 11 WO. Art. 96. Thöl o. a. O. §. 154. — - ROHG. Bd. 2 S. 147.
Kap. IV. Das Wechselrecht.
920
4. die Bestimmung der Zeit, zu welcher gezahlt werden soll (die Angabe kann
Tratten mannigfach
in derselben Weise wie bei
sein, also Tag-, Sicht-, Dato
wechsel u. s. w.), nicht „auf fiünbigung";x)
5. die Unterschrift des oder
seiner
Firma,
Ausstellers mit seinem Namen und
zwar
wirkliche
Unter-
schrift;-)
6. die Angabe des Ortes, Monatstages und Jahres der Ausstellung. Letzterer Ort gilt für den eigenen Wechsel, insofern nicht
ein besonderer Zahlungsort angegeben ist, — „domizilierter Eigenwechsel", s. oben §. 76 I S. 801 f. und unten §. 106
Ziff.
7, S.
923,
—
als Zahlungsort und zugleich als
Wohnort des Ausstellers?)
(Aus
Ein Eigenwechsel mit mehreren Zahlungsorten
stellungsorten) ist ungültig?)
Klauseln, wie „zahlbar aller Orten", hier und aller Orten angenommen",
und
aller Orten", — vom
„auf mich selbst
„zahlbar in ... .
Aussteller
auf
den
eigenen
Wechsel gesetzt — bewirken, daß er bei jedem sachlich zu ständigen Gerichte,
in dessen Bezirk er entweder persönlich
angetroffen wird oder exequierbare Vermögensobjekte besitzt,
ebenso wie am Zahlungsorte belangt werden kann?)
3 WO. Art. 97. Über domi 1 ROHG. Bd. 2S.360, Bd. 4 S. 214. Vgl. Goldschmidt! zilierte Eigenwechsel s. WO. in GZ. Bd. 14 S. 322: Thöl^ Art. 99. WR. S. 612, 613. I 2 ROHG. Bd. 9 2. 424 und 1 2 * ROHG. Bd. 21 2. 179. die dort cit. Litt, auch Bd. 25 5 Borchardt,WO.249. Vgl. S. 237. (Anderer Ansicht Thöl oben S. 818. S. 609 Anm. 17.) Vgl. BGB. §. 126.
Unterschiede gegenüber dem gezogenen Wechsel. §♦ 106.
921
Alle ihrer Natur nach von der Tratte auf den Eigen
wechsel übertragbaren Bestimmungen über die erstere finden auch auf den letzteren Anwendung; das Gesetz zählt sie zu dem einzeln auf?)
So
sind namentlich die Regeln über
die Form des Wechsels (Art. 5 u. 7), über Indossament/) über Regreß auf Sicherstellung (hier wegen Unsicherheit des
Ausstellers), Regreß mangels Zahlung gegen die Indossan
ten, über Ehrenzahlung, Kopien, Vindikation, Amortisation, Wechselstempel u. a. analog auf
den eigenen Wechsel an
So ist auch das in einem eigenen Wechsel ent
wendbar.
haltene Zinsversprechen als nicht geschrieben anzusehen?)
§. 106.
Unterschiede gegenüber dem gezogenen Wechsel. Der
eigene Wechsel
keinen Bezogenen,
nicht;
enthält
keinen
Zahlungsauftrag,
er duldet die Aufnahme eines Accepts
daraus folgt, daß das, was über Zahlungsauftrag
und Accept in der Darstellung des Rechts der Tratte gesagt ist, auf den Eigenwechsel nicht Anwendung finden kann. Hieraus ergiebt sich
1. die Unanwendbarkeit der auf die Annahme (das Accept) des gezogenen Wechsels sich beziehenden Regeln (WO.
Art.
8,
18-28, 44,
77;
s. oben S.
853 ff.)
gegenüber dem eigenen Wechsel; 2. die Unanwendbarkeil der Regeln
vom Ehrenaccept
(WO. Art. 56—71, S. 898 ff.); 1 WO. Art. 98 Ziff. 1—10. 3 Auch Nachindossament s. ROHG. Bd. 7 S. 316.
3 Nürnberger Novelle IV.
Tas Wechselrecht.
Kap. IV.
922
3. die Modifikation wegen des Sicherheitsregresies (s.
oben S. 872 ff., 883 ff. und oben §. 105 a. E.);
4. die Modifikation wegen Deponierung und Zahlung im Amortisationsverfahren (Verpflichtung des Aus
stellers anstatt des Acceptanten; s. S. 911 f.).
Hinzuzufügen ist ferner
5. die Unzulässigkeit des
eigenen
Wechsels
an
eigene
Order; 6. die
Unzulässigkeit
von
Wechselduplikaten
eigener
Wechsel; 7. die Entbehrlichkeit der Präsentation zur Zahlung und der Protesterhebung
mangels
bei eigenen
Zahlung
Wechseln; *) dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn diese Wechsel
nicht domiziliert sind;
dagegen
sind
domizilierte eigene Wechsel dem Domiziliaten oder, wenn ein solcher
nicht benannt ist, dem Aussteller
selbst an demjenigen Orte, wohin der Wechsel domi
ziliert ist, zur Zahlung zu präsentieren und, wenn die Zahlung unterbleibt, dort zu protestieren.
Wird die
rechtzeitige Protesterhebung beim Domiziliaten verab säumt, so geht dadurch der wechselmäßige Anspruch
gegen den Aussteller und die Jndoffanten verloren?) Hiebei ist zu bemerken:
die Erhebung der Klage aus
dem eigenen Wechsel ersetzt den Mangel einer Präsen
tation zur Zahlung des fälligen Wechsels, jedoch ohne daß der Wechselschuldner,
dem nicht vor der Klage
präsentiert wurde, zur Zahlung von Verzugszinsen
verpflichtet roärc;8) ' Nürnberger Novelle VIII. i 3 ROHG- Bd. 5 L. 314, 373. 9 WO. Art. 99. «Vgl. hiezu Thöl WR. Z. 156.
Internationales Wechlelrecht.
§♦ 107.
923
8. die Verjährungsfrist zu Gunsten des Ausstellers: der wechselmäßige Anspruch
gegen den Aussteller eines
eigenen Wechsels verjährt in drei Jahren, vom Verfalltage des Wechsels an gerechnet?)
D.
Internationales Wechselrecht.s) §. 107.
Die Beantwortung der Frage, wie es sich mit der Geltung von im Auslande oder von Ausländern gegebenen Wechsel
erklärungen verhalte, wird durch das internationale Privat-, hier Wechselrecht, gegeben; sie ist, da der Wechsel ein Welt
handelspapier ist, von ungemeiner Bedeutung, aber zur Zeit keineswegs übereinstimmend. Es sind vier Grundsätze vom Standpunkte des deutschen
Rechts aus aufzustellen:
I. Über die Wechselfähigkeit der Ausländer ent scheidet deren Heimatsrecht: die Fähigkeit eines Ausländers,
wechselmäßige Verpflichtungen zu übernehmen, wird nach den
Gesetzen des Staates beurteilt, welchem derselbe angehört?) (Ausnahmen s. unten.)
II.
Über
die
objektiven
Erfordernisse
einer
Wechselerklärung entscheidet das Recht des Orts, wo die selbe abgegeben wird (lex contractus). Erfordernisse
eines
im
Auslande
Die wesentlichen
ausgestellten Wechsels,
1 WO. Art. 100. Anwendung 1 2Bd. 2 S. 150sf.; v. Bar, Lehrb. auf promis3or^n0te8 aus Nord- des internat. Privat- u. StrafR. amerika unzulässig; s. RGer. Bd. (1892) S. 132ff.; Lehmann, 2 S. 13 Bd. 7 S. 21. WR. §.39; v. Canstein, WR. 2 v. Bar, Theorie ».Praxis ! §• 8; Grünhut, WR. §. 142. des internat. PrivatR. (1889), 3 WO. Art. 84 Satz 1. Über
Kap. IV.
924 sowie
jeder anderen
DaS Wechselrecht.
im Auslande ausgestellten Wechsel
erklärung werden nach den Gesetzen des Orts beurteilt, an
welchem die Erklärung erfolgt ist,1) ebenso die Höhe der
Regreßsumme, sofern höher als im Inlandes) (Ausnahmen s. unten.) III. Über die Form der mit einem Wechsel an einem ausländischen Platze zur
Ausübung
oder Erhaltung des
Wechselrechts vorzunehmenden Handlungen entscheidet das
Im Prozesse
dort geltende Recht (locus rogit actum).3 •
gilt als Prozeßrecht stets das Recht des Gerichts/) haben Ausländer als Kläger im Urkunden-
So
und Wechsel
prozesse nach dem deutschen Rechte keine Prozeßkaution zu
stellen?) IV. Über die Notwendigkeit und Rechtzeitig keit
der
Vornahme
Wechselrechts
einer
entscheidet
Handlung zur Wahrung
des
Recht
des
im
einzelnen
das
Orts, an welchem derjenige, dessen wechselrechtliche Ver pflichtung in Frage ist, diese Verpflichtung auf sich nahm (lex contractus), d. i. das Recht des Ausstellungs-, bezw. des
Vertragsabschlußortes,
des
Orts
der
Indossierung
u. s. w.
Wenn
ein
ausländisches
Gesetz
die
Verfallzeit
oder
Protesterhebungsfrist für Wechsel hinausschiebt, so ist dies 1 WO. Art. 85 die Begriffe „Inland" und „Aus- i 2 WO. Art. 52. land" ui Bezug auf die deutschen ; Schutzgebiete: Laband, Staats 3 WO. Art. 86. recht, 3. Aufl. Bd. 1 S. 755: z. BGB. Art. 11. 4 Vgl. ROHG. Zorn, Staatsrecht, 2. Aust., Bd. 1 S. 579: Grünhut, Bd. 15 S. 9. WR. Bd. 2 S. 570. Vgl. EinfG. 6 (5PO. §. 110 zum BGB. Art. 7, vgl. auch Abs. 2 Ziff. 2. ROHG. Bd. 6 S. 35«; Bd. 21 S. 336.
Satz 1.
Vgl. EinsG.
Bd. 3 S. 64, (früher 102)
§♦ 107.
Internationales Wechselrecht. von
allen
Wechselverpflichteten
denjenigen
925
anzuerkennen,
welche diesem ausländischen Gesetze unterworfen sind; aber Wechselgaranten, welche außerhalb dieses Gesetzes stehen,
berufen sich mit Recht auf die Selbständigkeit ihrer Verpflichtung und auf das Recht des Orts, an welchem sie die
fragliche Verpflichtung übernahmen, das Jndoffament begaben u. s. w. von
Daher konnten die französischen Wechselmoratorien
1870 und 1871
der deutschen
die Haftfrist
In
dossanten von in Frankreich zahlbaren Wechseln nicht
verlängern?)
Ausnahmen: Zu
I.
Deutschem Rechte wird ein
Nach
nach
den
Gesetzen seines Vaterlandes nicht wechselfähiger Ausländer durch Übernahme von Wechselverbindlichkeiten im Jnlande verpflichtet,
insofern er nach den Gesetzen des Inlandes (Hier überwindet das Recht des Aus
wechselfähig ist2) stellungsorts
—
Vertragsorts — die
fremden Domizil
rechte.)
Zu
II.
Entsprechen
die
den
Gesetzes,
daraus,
so
kann
im
Auslande
Anforderungen
Wechselerklärungen
daß
sie
des
nach
geschehenen
inländischen
ausländischen
Gesetzen mangelhaft sind, kein Einwand gegen die Rechts
verbindlichkeit der später gesetzten Erklärungen
im
Jnlande
auf
entnommen werden.
den Ebenso
Wechsel haben
Wechselerklärungen, wodurch sich ein Inländer einem anderen 1 Val. Goldschmidt in GZ. 288, Bd. 11 3.74, Bd. 19 S. 203. Bd. 17 3. 294ff. und Bd. 18 - R. Koch in AfbR. Bd. 4 S. 625 ff. Ferner H. Fick in 3. 14. CO. Bd. 7 3. 167 ff., Bd. 8 3. i 2 WO. Art. 84 Satz 2. RGer. 129 u. die dort cit. Litt. d. Kontro- Bd. 15 S. 11. Vgl. EinsG. z. verfc; auch ROHG- Bd. 1 3. | BGB. Art. 7 Abs. 3 Sah 1.
926
Kap. IV.
Das Wechselrecht.
Inländer im Auslande verpflichtet, Wechselkraft, wenn sie auch nur dm Anforderungen der inländischm Gesetzgebung entsprechen.') (In beiden Fällen obsiegt das inländische Recht über die ausländischm Rechte zum Zwecke der Er haltung der Gültigkeit.) 1 WO. Art. 85 Satz 2 u. 3. RGer. Bd. 9 S. 437. Dgl.
Gins®, z. BGB. Art. 11 Abs. 1 Satz 2.
Fünftes Kapitel. Das Seehandetsrecht. §. 108.
Begriff, Duellen und Litteratur des Serhandelsrecht». I. Die Gesamtheit der Rechtsregeln, welche sich auf die
zweckentsprechende Verwendung der zum Erwerb durch die
Seefahrt
Bestimmten
Schiffe
beziehen
und
die
Rechts
verhältnisse regeln, in denen sich diese Schiffe gemäß ihrer
Bestimmung befinden, und die diese in irgend einer Weise zum Gegenstand oder zur Grundlage haben, heißt See
handelsrecht (mitunter auch Seerecht im engeren Sinne);
es
bildet
dies
einen
Teil des Seerechts
(im
weiterm
Sinne), welches nicht bloß die eigenartigen Rechtsverhält nisse der Seehandelsschiffe (Kauffahrteischiffe), sondern auch
die der übrigen Meerschiffe behandelt, wie z. B. die der
Kriegsschiffe, der zur Seefischerei bestimmten Schiffe, der Walfischfänger,
der Nordpolfahrer und andrer auf Ent-
deckungs- oder sonstigen wissenschaftlichen Exkursionen befind lichen Meerschiffe, ferner der nur zum speciellen Privat-
Kap. V.
928
Das Seehandelsrecht.
gebrauche des Eigentümers bestimmten Vergnügungsschiffe
u. s. w. Im Seerecht (in beiderlei Bedeutung) lasten sich öffent
liches und Privatrecht unterscheiden und
haben
sich eigen
artige Rechtsinstitute entwickelt, die von großer Bedeutung für das Rechtsleben der Völker geworden sind
Teil auch Einfluß
auf das Binnenrecht/) vor
und zum
allem auf
das Binnenschiffahrtsrecht1 2) gewonnen haben?)
II.
Quellen des Seerechts.
Frühzeitig fanden
schon Aufzeichnungen von Seegebräuchen statt, häufig wurden
Privatarbeiten und seegerichtliche Urteile mit großer Autorität
umgeben, und sehr bedeutend wirkte auch die Entlehnung (Rezeption) fremden Rechts im internationalen Seeverkehr.
All dies gilt namentlich
von der Sammlung der Urteile
1 Die Wichtigkeit der In restre) dürfte seine charakte stitute des See-Privatrechts er ristischen Grundmerkmale ans der hellt u. a. auch daraus, daß ein Übertragung des Seedarlchensbeträchtlicher Teil der Handels briess (cambio trajettitio ma rechtsinstitute des Altertums, wie ritime) auf den Binnen-Gelddes Mittelalters im Seeverkehr verkchr empfangen haben." GUentstanden und — wenn über Gesch. a. a. O. Anm. 42. — haupt — nur allmählich auf den Den genetischen Zusammenhang Binnenverkehr übertragen wor zwischen Reederei und Aktien den ist. Goldschmidt (GU- gesellschaft weist Karl Leh Gesch. S. 28) verweist zum Be ma n n an dem oben §. 23 S. 173 lege dieser seiner Wahrnehmung angegebenen Orte nach. aus die actio exercitoria ((. - S. oben §. 58 S. 681 f. unten §. 110), das receptum 3 Auf Lebensverhältnisse im nautarum, das foenus nauti- Seeverkehr beziehen sich auch cum (l. 5 D. de naut. foen. einzelne dafür besonders geltende 22, 2), auf die commenda (f. Bestimmungen des allgemeinen oben §. 23 S. 170), die Prä bürgerlichen Rechts, so die über mienversicherung, den Aktien I Seeverschollenheit (BGB. §§. 16, verein (maona der Genuesen, 18), die über das Seetestament s. oben S. 170, 275 Anm. 2); (BGB. 8- 2251), die über das »sogar der heutige Wechsel Marinetestamettti(NnsG. z.BGB. brief (cambio trajettitio ter- I Art. 44).
Begriff, Quellen u. Litteratur d. Scchandelsrechts. g. 108. 929
des
(Weistümer)
Rochelle),
von
Seegerichtshofs
la charte d’Oleroun,
des jugements
de la mer,
Olöron
rolles
auch
(bei
La
(roulles)
in ihrem ältesten Teile viel
leicht noch dem 12. Jahrhundert angehörig,*) vom Seerecht von Amalfi, vom Consolat del mar (eine Privatsammlung der Praxis der Seehandels
seerechtlicher Weistümer aus
innung und bezw. des Seegerichts von Barcelona, Gewohn heitsrechte, die bis
hinausreichen,
Faffung,
in die
namentlich
Mitte des in
einer
13. Jahrhunderts
italienischen
späteren
mit hohem Ansehen weit verbreitet),?) vom sog.
Wisbyschen Seerecht (ebenfalls Privatsammlung verschiedener alter
Secrechte,
15.
Jahrhundert) ^)
schiedenen hanseatischen Seerechten
und
von
den
ver
(Schiffsordnungen vom
13. bis 17. Jahrhundert).*) Größere formale
Einheit
durch Ludwigs XIV. von 1681,
1808
wurde
Ordonnance
zuerst
in Frankreich
touchant la
marine
welcher der Code de commerce (liv. II) von
folgte,6)
sodann
in Österreich (1774) und Preußen
(schon 1727, dann im Allg. Landrecht II. 8. §§. 1389 ff.),
1 GUGesch. S. 233. 2 Über die EntstehunaSaesch. des Konsulats der See s. R.W a g ner in GZ. Bd. 29 S. 413ff.: Goldschmidt in s. Zeitschrift Bd. 35 S. 352 ff. und GUGesch. S. 207 ff. über das Konsulat der See in Genua siehe Schaube in GZ. Bd. 32 S. 490: dasselbe in Pisa, s. Schaube in Schm ollers Forschungen Bd. 8 (1888).
Sa Teil, Handelsrecht. 6. Ausl.
3 Über die Quellen dieser Sammlung s. Wagner in GZ. Bd. 27 S. 393 ff. 4 Hierüber s.GSyst.S. 237 ff.; Lewis, Seerecht Bd. 1 S. lff.; derselbe im Hdbch. Bd. 4 I S. 10; Labano in GZ Bd. 7 S. 296ff., R. Wagner in Bd. 27 S. 393 ff.; GUGesch. S. 177 ff., u. a. a. O. 6 Vgl. ob. §. 3 insbes. S. 12. 59
930
Das Seehandelsrecht.
Kap. V.
endlich durch das ADHGB?) (V. Buch.
Bom Seehandel)
geschaffen.-)
HI.
Bon
seien hier
der ausgedehnten Litteratur des Seerechts
nur
die
neuesten,
das
deutsche Seerecht be
handelnden Werke erwähnt: die Kommentare des 5. Buchs
des
ADHGB.
von
C.
F.
Koch
(2.
Auflage
1869),
Makower (11. Auflage 1893, die 12. ist im Erscheinen begriffen), William Lewis (2. Auflage 1884), G. LF.
(1891) Seite 869—1254; die systematischen Bearbeitungen
des Seerechts von Lewis,
Schröder und Neatz in
Endemanns Handbuch Bd. 4 (1884) und die in das System des gesamten Handelsrechts eingefügten seerechtlichen Erörterungen Cosacks
in seinem Lehrbuche des Handels
rechts; ferner von Rudolf Wagner inBindings Hand buch der deutschen Rechtswissenschaft, 3. Abteilung, 3. Teil,
I. Bd?) 1 S. oben §. 3, S. 17 ff.
insbesondere I 31 2Seerechtliche Abhandlungen I in GSyst. §§. 140, 146, 149,
2 Das 5. Buch ist von der; Revision des HGB. im Jahre * 1897 wenig berührt worden; j in Österreich ist dieser Teil des ! Handelsgesetzbuchs nicht ein- ' gesührt worden. Aus die RechtsVerhältnisse des Seehandels be- , ziehen sich noch zahlreiche andere Reichsgesehe neben dem HGB.; ; s. Knitschky, Seegesehgebung ; des Deutschen Reichs, 2. Aust., (Berlin, I. Guttentag, 1894). ; Deutsches öffentliches Seerecht j v. L a b a n d StaatsR.8- 80 Bd. 2 S. 228—233; und Zorn StaatsR. 88- 51—54 Bd. 2 S. 822 bis 969, auch 977 (zu S. 837, 882).
154. — Hinsichtlich einzelner seerechtlicher Fragen sind noch besonders hervorzuheben: Fr. Voigt, die neuen Untersuchungen zum Zweck der Ausgleichung der Verschiedenheit der in den Seestaaten geltenden Havaricgrosse- und Seefrachtrechte. (Jena 1882) (vgl. hiezu GZ. Bd. 29 S. 327); R. Wagner, Beiträge zum Seerecht: 1. Zur Geschichte und Theorie des sogen. Sehungsrechts, 2. die privatrechtliche Stellung der deutschen Lotsen (Riga 1880); V. Ehrenberg, Beschränkte Haftung des Schuldners nach Lee-u.Hdlsr. (1880); Heck, Das
Don den Schiffen.
$. 109.
§. 109. I. von den Schiffen. I. Das HGB. faßt dm Begriff der Kauffahrteischiffe, für welche es Normm mthält, eng auf: es versteht darunter lediglich die zum Erwerb durch die Seefahrt be stimmten Schiffe. *) Die Erbauung eines solchen Schiffes ist regelmäßig Gegenstand eines besonders gestalteten Arbeitsvertrags, Recht der großen Haverei (1889): Burchard, Bergung u. Hülfsleistung in Seenot (1897): Litt.Übersicht s. ferner bei Lewis im Hdbch. ß. 4 Bd. 4 T. 1 S. 15 ff. und in dessen Kommentar Bd. 1 2. Ausl. S. IX ii. X: Ch. Lyon-Caen & L. Renault, Traitä de droit commercial (2e ddit.) Tome V (Paris 1894) p. 31 ss; V. Lanza: II Congresso internationale di diritto marittimo. (Napoli 1893.) Die aus das Seerecht bezüglichen Entscheidungen des ROHG. und des RGer., sowie die das 5. Buch d. ADHGB. abändernden und ergänzenden Gesetze stellt in der Legaloronung ausführlich zusammen O. Fuch sberger, das Seehandelsrecht (Gießen 1891). Die Fortent wickelung des internationalen Seerechts beschäftigte einen Kon greß in Genua im Jahre 1892. 1 HGB. §§. 474, 484. Sind Fischoampfer Seeschiffe? RGer. Bd. 32 S. 104. G. u. F. S. 882—884; Lewis, Komm. S. 10. Dgl. oben §. 116. Seerecht ist auf Flußschiffahrt nicht (auch
I nicht analog) anwendbar (vgl. ROHG. Bd. 6 S. 396ff.; RGer. Bd.5S. 81).— AberAusdehnuna durch landesrechtliche Einf.G. f. RGer. Bd. 34 S. 37 u a., und nun durch BSchG. v. 15. Juni 1895 in einzelnen Beziehungen, s. unten. Über den Begriff See fahrt s. RGer. Bd. 13 S. 69. Tie ausschließlich zur Fahrt auf Haffen (Kurisches, FriAes Haff u. s. w.), sowie zur Fahrt in Küstengewässern bestimmten Schiffe sind nicht Seeschiffe im Sinne des HGB.; allein es finden auf sie und bezw. auf die Fahrten innerhalb jener Gewässer eine Reihe von Normen des öffentl. Seerechts ebenso wie auf See schiffe, bezw. Seefahrten im Sinne des HGB. Anwendung; siehe G. u. F S. 882 ff. Dgl. z. B. Ges. zur Ausführung des internatio nalen Aertrages zum Schutze der unterseeischen Telegraphenkabel vom 14. März 1884, v. 21. Nov. 1887, RGBl. 1888, S. 169. Unsallversicherungsgesetz vom 13. Juli 1887 §. 2. RGBl. 1887, S. 330.
Kap. V.
932
Das Scehandelsrecht.
welchen der Bau- oder Schiffsherr (Besteller) mit einem Schiffsbaumeister (Annehmer) abschließt,
und über welchen
in der Regel eine besondere Urkunde, mitunter der Mähl-
brief oder die Zerte genannt,
ausgestellt wird;
für die
Verpfändung eines im Bau begriffenen Schiffs, sowie für
die Zwangsversteigerung eines solchen bleiben auch gegen über dem neuesten deutschen Reichsrechte die Landesgesetze
in Krafts) Das fertige Schiff wurde früher mit einem Zeugniffe (sog.
Beilbrief oder Bielbrief) seiner Größe, Heimat rc.
nach amtlich beschrieben, ein Zeugnis, an bessen Stelle nun
durch Reichsrecht die Ausstellung des Certifikats tritt, durch welches
die Eintragung
in das Schiffsregister und das
Flaggenrecht des Schiffs (s. unten II) bewiesen wird. II. Alle deutschen Kauffahrteischiffe haben als National flagge die deutsche Flagge zu führen; ?) zur Führung dieser Flagge wird jedoch vorausgesetzt, daß sich
das Schiff in
dem ausschließlichen Eigentume deutscher Staatsangehöriger*8) befinde,
amtliche)
sowie daß das Schiff in das (öffentlich geführte, Schiffsregister
seines
1 Eins.G. z. HGB. Art. 20. 8 RGes. v. 28. Okt. 1867, 28. Juni 1873 u. 23. Dez. 1888; hierüber s.Laband, Staatsrecht des Deutschen Reiches (3. Ausl.) §.80; Stoerk in v. Stengels Wörterbuch des deutschen Berwaltungsrechts, Ergänzungsbd. 3 S. 201 ff.; Zorn, Staats recht des Deutschen Reiches (2. Ausl.) §§. 51-53. 1 Den deutschen Staatsangehö rigen sind in dieser Beziehung
Heimatshafens
(Register-
gleich zu achten solche juristische Personen, eingetragene Genoffenschaften und Aktiengesellschaften, welche ihren Sitz im Reichsgebiet haben, sowie diejenigen Kom manditgesellschaften auf Aktien, welche im Reichsgebiet ihren Sitz haben und deren persön lich haftende Gesellschafter sich sämtlich im Besitz der Reichs angehörigkeit befinden. RGes. v. 23. Dez. 1888.
Von den Schiffen. §♦ 109. Hafens) sei.
933
eingetragen und darüber das Certifikat ausgestellt
Die Eintragung und das Certifikat muß die gesetzlich
geforderten Thatsachen angeben, darunter den Rechtsgrund,
auf
welchem die Erwerbung des Eigentums des ganzen
Schiffs
der
und
einzelnen Schiffsanteile
(Schiffsparten)
beruht. Die Eintragung der Schiffe in das Schiffsregister darf erst dann geschehen, wenn das Flaggenrecht und die zur
Eintragung gewiesen als
Thatsachen
erforderlichen
glaubhaft
nach
jedoch sind solche Schiffe von nicht mehr
sind;
50 Kubikmeter Bruttoraumgehalt zur Ausübung des auch ohne Eintragung
Rechts, die Reichsflagge zu führen, in das Schiffsregister und
ohne Erteilung des Certifikats
berechtigt.
Auch
die
zur Schiffahrt
auf
Flüssen oder sonstigen
Binnengewässern bestimmten und hiezu verwendeten Schiffe
sind
in
Schiffsregister
einzutragen (welche
von dem zur
Fühmng des Handelsregisters zuständigen Gerichte geführt werden), und zwar Dampfschiffe und andere Schiffe mit
eigener Triebkraft dann, wenn ihre Tragfähigkeit mehr als 15 Tonnen, andere Schiffe, wenn ihre Tragfähigkeit mehr
als
20 Tonnen beträgt; *) über die Eintragung wird der
sog. Schiffsbrief ausgestellt. ?) III. Das Gesetz bestimmt ausdrücklich, was man unter
Schiffszubehör,8)
Schiffsbesatzung/)
Schiffsmannschaft,6)
seeuntüchtigen (entweder reparaturunfähigen oder reparatur-
1 BSchG. §§. 119-129. 5 SeemannS-O. §. 3, GEA. II 2 BSchG. §. 125 Abs. 2. 7 (62/631 BSchG. §§. 21-25, 3 HGB. §. 478. GGA. II 19 (196). 4 HGB. §. 481 und ent sprechend BSchG. 88 3, 5, 21.
934
Das Seehandelsrecht.
Kap. V.
unwürdigen) Schiffens zu verstehen hat; mit der Bezeich nung:
„europäische Häfen" will das Gesetzt) da, wo
es
dieselben den nichteuropäischen gegenüberstellt, auch die nicht europäischen Häfen des
Mittelländischen, Schwarzen und
Azowschen Meeres treffen. IV. Anteils
Bei
der
Veräußerung eines
Schiffs
oder
eines
am Schiff (Schiffspart) kann die nach den Vor
schriften des bürgerlichen Rechts zum Eigentumsübergang erforderliche
Übergabe
durch die unter den Kontrahenten
getroffene Vereinbarung ersetzt werden, daß das Eigentum sofort auf den Erwerber derartige Vereinbarung
übergehen soll?) nicht
als Form
(Doch ist eine der Rechtsüber
tragung aufzufassen?)
Wird ein Schiff oder eine Schiffspart veräußert, während das Schiff auf der Reise sich befindet, so ist im Verhältnis
zwischen dem Veräußerer und Erwerber in Ermangelung einer anderen Vereinbarung anzunehmen, daß dem Erwerber
der Gewinn der laufenden Reise gebühre oder der Verlust
derselben zur Last fuße.5)
V. Ein segelfertiges Schiff kann wegen solcher Schulden, die nicht zum Behufe der anzutretenden Reise kontrahiert
1 HGB. §. 479. Agl. unten 41 2Sciviä * im Hdbch. Bd. 4 §. 111 Anin. 6 S. 946. Wertbe- 3. 38. Beurkundung der Ver rechnung im Falte des HGB. äns;erung s. HGB. §. 475 und 479 s. ROHG. Bd. 12 '3. 402. vgl. RLHG. Bd. 24 S. 45, 47. 2 HGB. §. 483. Vgl. auch G. u. F. zu diesem 2 HGB. §. 474; ROHG. Bd. Art. 440 des HGB. v 1861. 4 S.309,310. RGer. Bd. 7 3.11. ! HGB. §. 476. Voraus(Vgl. ebenda auch das hierin i gesetzt wird dabei, daß die Verwesentlich übereinstimmende eng- ; dufteruiici vollzogen wurde: lischt Recht, Erklärung des tran^- s. ROHG. Bd. 24 S. 47. fer in den bills of sale.i
Von den Reedern und der Reederei.
§♦ 110.
935
wurden, nicht mit Arrest belegt, noch auch im Wege der Zwangsvollstreckung versteigert werden?)
§. HO.
II.
von Len Reedern und der Reederei.
I. Der Reeder ist der Eigentümer eines ihm zum
Erwerbe
durch
dienenden
die Seefahrt
Schiffs.'")
Kein
Reeder ist demnach der Staat in Bezug auf seine Kriegs
schiffe, ebensowenig ein Schiffseigentümer, welcher ein Schiff nur zum eigenen Gebrauche, zu wiffenschaftlichen Exkursionen,
zum Vergnügen und dergl. verwendet, ebensowenig, wer ein
die Seefahrt für
fremdes Schiff zum Erwerb durch
seine Rechnung verwendet; Ausrüster)
im
Verhältnis
doch
zu
soll
dieser letztere (sog.
Dritten
wie
ein
Reeder
haften?) II.
Eigentümlich ausgedehnt einerseits und eigen
tümlich eingeschränkt andererseits ist die Haftung des
Reeders (und ebenso die dieser, wie erwähnt, gleichgestellte 1 HGB. §. 482. 2 HGB. §. 484. „Reeder" abgeleitet von niederdeutsch: reden, engl. road, altnord. rcidi = (reiten) bereiten, znrüsten, ausrüsten. Über den Begriff „Reeder" auf Grund der obigen aesehlichen Definition und ins besondere den Begriff „Seefahrt" siehe Rudolf Wagner in Bindiugs Hdbch. a. a. £).; ferner Richard Schröder in GZ. Bd. 32 S. 63, 81 ff.; Litt. s. GSyst. §. 143, S. 62. Vgl. ferner RGer. Bd. 13 L. 68 u. G. u. F. zu Art. 450 bc*
HGB. v. 1861. Dem Reeder entsprichtbei derBinnenschissahrtder „Schiffseigner" ;s. BSchG. §. 1. 3 HGB. §. 510. BSchG. §. 2. Ausrüster und Reeder heißen im röm. R. „exercitor na vis“ — über die actio exercitoria s. GUGesch. S. 77 u. a. — und sind auch dort gleichgestellt. Lewis. Ltomm. S. 101 ff. Gewerbsmäßigkeit jener Ver wendung verlangt Richard Schröder in GZ. Bd. 32 S. 81 ff. Hiegegen Cosack a. a. O. S. 34. Vgl. G. u. ff. zu Art. 477 d. HGB. v. 1861.
Kap. V. Das Seehandelsrecht.
936
Haftung des Ausrüsters); ausgedehnt: war schon nach
Rechte
römischem Reeders
juristische
die
eine weitreichende
des
Verantwortlichkeit
(nämlich
angesichts der actio
exercitoria und der actio in factum de recepto),
so
fügte das spätere (romanische) Seerecht noch die Haftung
des Reeders
mannschaft
für alle vom Schiffer oder von der Schiffs in
Ausübung
ihrer Dienstverrichtung (jedoch
nicht etwa bloß gelegentlich derselben) begangenen rechts widrigen Schädigungen hinzu;*) eingeschränkt aber ist jene Haftung, insofern der Reeder, wie schon in älteren
Seerechten,?) statuiert ist — und im Binnenschiffsverkehr der Schiffseigner —,
d.
h. nicht mit
in gewissen Fällen nicht persönlich,
seinem ganzen Vermögen (Privat-
Landvermögen, fortune de terre),
oder
sondern nur mit der
sortune de mer, d. i. seinem Schiffe (Schiffsanteil) und der durch die Seefahrt verdienten Fracht (bezw. dem
Frachtanteil haftet;8)
diese beschränkte Haftung tritt nach
deutschem Recht ein41): 2* 1. bei Ansprüchen
auf Ersatz des Schadens aus den,
1 GUGesch. S. 339, nun HGB. §. 485. 2 GUGesch. S. 340 Anm. 25. 8 Man nennt das vom deut schen HGB. (u. schwedischen See rechte) angenommene System der Hastung des der See anver trauten Vermögens das »Exekutionssystem"(Ehren b erg,Beschr. Haftung S. 13) im Gegensatz zu dem vom französisch., belgisch, und holländischen Rechte adop tierten »Abandonsystem" und zu den nach englischem u. spanischem Rechte geltenden gemischten
Systemen: s. Lewis im Hdbch. a. a. O. Z. 10 Anm. 5—11. G. u. F. a. a. C. — Bei der Verant wortlichkeit in Fällenvon Schisfszusammenstößen wirkte teilweise eine germanische Rechtsanschauuug nach; s. Brunner, Ber liner Akadem. Sitzungs-Berichte 1890 Bd.35 : GUGesch. S. 339, 345. 4 HGB. §. 486. BSchG. §§. 4, 5. RGcr. Bd. 10 S. 20; Bd. 13 S. 113. Litt. s. bei G. u. F. zu Art. 452 des HGB. v. 1861.
Bon den Reedern und der Reederei. §. 110. wie eben erwähnt,
937
vom Reeder zu vertretenden Deliktm
einer Person der Schiffsbesatzung;
2.
bei Ansprüchm
Schiffer innerhalb
aus
Rechtsgeschäftm, welche
der
seiner gesetzlichen Kompetenz als solcher
abgeschlossen hat, — eine Ausnahme findet hievon jedoch insofern statt, als der Reeder und bezw. der Schiffseigner für
die Forderungen der zur Schiffsbesatzung gehörigen Personen aus den Dienst- und Heuerverträgen nicht nur mit Schiff
und Fracht, sondern persönlich haftet;*) 3. bei Ansprüchen auf Vertragserfüllung,
Vertrag
vom
Reeder
eingegangen
worden
ist
wenn der und
vom
Schiffer als solchem zu erfüllen wäre, aber nicht oder nicht richtig erfüllt wurde.
Die Beschränkung
persönliche Haftung
der Haftung cessiert und die volle
tritt jedoch stets ein, wo den Reeder,
bezw. Schiffseigner bei einer Vertragserfüllung ein Ver schulden oder eine besonders übernommene Garantiehaftung
trifft. 1 Die Ausnahme (nun HGB. §. 487) ist aus Humamtätsrücksichten cingesührt worden, und zwar durch den jeht wegen §. 487 d. HGB. über flüssig gewordenen (s. Einf.G. z. HGÄ. v. 10. Mai 1897 Art. 8 Nr. 3) §. 68 d. Seemanns-O., welcher den Art. 453 des HGB. v. 1861 beseitigt hatte. Siehe Lewis im Hdbch. §. 10 Anm. 21. G. u. F. a. a. O. Derselbe humane Gedanke ist auch in BSchG. §. 5 durch gedrungen = HGB. §. 487. Auch
ür den nach dem Unfallvericherungsrechte zu leistenden Bei trag hasten Reeder und bezw. nach Verhältnis ihrer Schiffs parten die Mitreeder persönlich; R. Weyl, Lehrb. d. Reichsver sicherungsrechts Z. 90 S. 432, 433. Über die Einwirkung der Pflicht des Reeders, für daS Schiffspersonal zu sorgen, auf die reichsgesetzlich geregelte Ar beiterversicherung s. R. Weyl ebenda §. 171 III 2 S. 986 u. die ebenda Anm. 1—4 angegeb. Stellen.
f
938
Kap. V.
III. Reederei.
Das Seehandclsrecht.
An den zum Erwerbe durch Seefahrt
dienenden Schiffen besteht nicht selten ein mit eigenartigen
ausgestattetes
Rechtsfolgen
Eigentum
(Miteigentum)
Mehrerer, welche Mitreeder (früher auch „Schiffsfreunde") heißen
eine eigenartige Gesellschaft bilden, die sog.
und
Reederei?)
Das Schiff, welches einer Reederei gehört,
wird samt Zubehör (ähnlich wie das Grundkapital einer
Aktiengesellschaft in Aktien, das Bergwerk einer Gewerk
Kuxe)
in
schaft
geteilt
gedacht,
so
daß Teilrechte
am
Schiffsvermögen (sog. Schiffsparten) entstehen, häufig
100,
auch 360 und
120,
mehr
Parten
eines
Schiffs,
größerer oder geringerer Anzahl (oder auch
in
welche sich
in Bruchteilen) in den Händen verschiedener Teilhaber be finden können.
Auf diese Art entsteht eine Affociation, welche in der
Grundlage eine Realassociation ist, sich aber in den Fällen, in welchen der Reeder (und entsprechend auch jedes Mit
glied der Reederei)
persönlich — jedoch nicht notwendig
solidarisch einer für mehrere — für die durch das Schiffs vermögen
nicht
gedeckten Schulden
haften muß, als eine
Personalaffociation darstellt, und deren juristische Natur sehr bestritten ist.
IV. Form
Zur Errichtung
der Reederei ist
nicht vorgeschrieben;
anzunehmen,
wo
ein
eine Reederei
mehreren
eine ist
Personen
besondere
überall
da
gemein
schaftlich^) zustehendes Schiff von diesen zum Erwerbe durch die Seefahrt für gemeinschaftliche Rechnung
1 Lewis iin Hdbch. 11 ff.; Nub. Wagner a. a. £ 3. 186 ff.; Co'jack a. a. £. Äe-
schichtliches s. bei GUGesch. S. 340. 2 1 Bd. 11 2. 194.
Von den Reedern und der Reederei,
Der Fall, daß das Schiff einer Handels
verwendet wird?)
gesellschaft (z.
939
§. 110.
einer
B.
Handelsgesellschaft oder
offenen
einem Aktienverein) gehört, fällt nicht unter das Recht der Reederei.
Für die
Angelegenheiten
der Reederei
sind die Be
stimmungen des Gesellschaftsvertrags, sowie die Beschlüffe
der Milreeder maßgebend?)
Abgesehen hievon gelten gesetz
liche Dispositivbestimmungen: Bei
der
und
Größe
mehrheit
für
entscheidet
Beschlußfassung
der Stimmen. der
Die Stimmen
Schiffsparten
einen
Beschluß
nach der Zahl Die
Stimmen
vorhanden,
wenn der
gezählt.
ist
Mehrheit
die
werden
Person oder den Personen, welche für den Beschluß ge stimmt haben, zusammen mehr als die Hälfte des ganzen
Schiffs gehört?)
Einstimmigkeit sämtlicher Mitreeder ist erforderlich zu
Beschlüffen,
vertrags
welche
bezwecken,
eine
Reedereivertrags entgegen
Abänderung
des
Reederei
welche den Bestimmungen
oder
oder dem
des
Zwecke der Reederei
fremd sind?) In vielen Seerechten des Mittelalters und auch noch
der
neueren Zeit war der Minorität der Mitreeder das
Recht gesetzlich eingeräumt,
„das Schiff auf ein Geld zu
setzen", d. h. die in der Minderheit gebliebenen Milreeder
konnten
die
Majorität
zwingen,
die
Schiffsparten
der
1 HOB. §. 489. aus Grund eines Reedereibe2 HGB. g. 490. schlusses s. RGer. Bd. 9 S. 136. " HGB. §. 491. Reauisite HGB. 492. ROHG. Bd. eines gültigen Reedereibeschlusses, 8 S. 342, Bd. 15 S. 149. (5inBezahlung von Reedereischulden stimmigkeit s. HGB. g. 506.
Kap. V.
940 Minorität
zu
Das Seehandelsrecht.
einem bestimmten
Preise
zu
übernehmen
oder letzterer die ihrigen zu überlassen; dieses sog. „Setzungs recht" *) besteht partikularrechtlich nur noch in Mecklenburg-
Schwerin (ist aber hier durch außerdem aber nur dann, drücklich
Reichsrecht2)
Verschieden von
feststellt.
konserviert),
wenn der Vertrag dies aus dem Setzungsrecht ist
eine Abandonnierung des Teilrechts zur Vermeidung von Nachzahlungen:
durch
die
Mitreeder kann nämlich in gesetzlich
ein
bestimmten Fällen
(aber auch nur in diesen) sich von den
Majorität
beschlossenen
Einzahlungen
dadurch
befreien, daß er seine Schiffspart ohne Entgelt aufgiebt; diese Fälle sind: der Majoritätsbeschluß, daß eine neue
Reise unternommen, ferner der, daß nach Beendigung einer
Reise eine Reparatur des Schiffs vorgenommen,
endlich
der, daß ein Gläubiger voll befriedigt werde, welchem die
Reederei
nur
mit
Schiff und
Fracht
haftet
—
immer
vorausgesetzt, daß der von dieser Abandonnierungsbefugnis
Gebrauch
machende Mitreeder innerhalb dreier Tage nach
dem Tage des ihn majorisierenden Beschlusses oder (wenn
er bei der Beschlußfassung nicht anwesend und auch nicht vertreten war) innerhalb dreier Tage nach der Mitteilung dieses Beschlusses den Abandon den Mitreedern oder dem
Korrespondentreeder durch gerichtliche oder notarielle Urkunde anzeigt;
alsdann
fällt
übrigen Mitreedern zu,
die
aufgegebene
Schiffspart
den
im Zweifel nach Verhältnis ihrer
Schiffsparten?) 1 Lewis im Hdbch. Bd. 4 S. 61 ff. 8 RGes. v. 5. Juni 1869 §. 4 (RGBl. S. 379) und nun Einf.G. z. HGB. Art. 19.
3 HGB. §. 501. Agl. auch oben g. 44 S. 510. Lewis, Hdbch. Bd. 4 T. 1 §. 13 V. Das Abandonrecht steht nicht zu wegen Reparaturen, die
Aon den Reedern und der Reederei.
§. HO.
941
Die Verteilung des Gewinns und Verlusts geschieht,
wenn nichts anderes vereinbart ist,') nach der Größe der
Schiffsparten.
Jeder Mitreeder kann
seine Schiffspart jederzeit und
ohne Einwilligung der übrigen Mitreeder ganz oder teil weise veräußern, muß aber letzteren die Veräußerung anzeigen?)
V, Korrespondentreeder.
Durch
Beschluß
der
Mehrheit kann für den Reedereibetrieb ein Korrespon dentreeder, werden.
Schiffsdirektor,
Schiffsdisponent
bestellt
Zur Bestellung eines Korrespondentreeders, welcher
nicht zu den Mitreedern gehört, ist ein einstimmiger Beschluß
erforderlich. Die Bestellung des Korrespondentreeders kann zu jeder Zeit durch Stimmenmehrheit widerrufen werdm, unbeschadet der Rechte auf Entschädigung aus schon bestehenden Verträgen?)
Im Verhältnis zu Dritten ist der Korrespondentreeder kraft seiner Bestellung befugt, alle Geschäfte und Rechts
handlungen vorzunehmm, welche der Geschäftsbetrieb einer Reederei gewöhnlich mit sich bringt.
Er ist befugt, den Schiffer anzustellen und zu entlassen;
der Schiffer hat sich nur an deffen Anweisungm und nicht auch an die etwaigen Anweisungm der einzelnen Mitreeder
zu haltm. Der Korrespondmtreeder ist in demselben Umfange be fugt?) die Reederei vor Gericht zu vertreten. während einer Reise vollzogen werden mußten; hierüber ».über Ausübung des Abandon überKf. ROHG. Bd. 22 S. 291 96. ' HGB. §. 502. 2 HGB. §§. 503, 504.
3 HGB. §. 492; Entlassung s. ROHG. Bd. 15 S. 161. 4 Ob auch verpflichtet? s. RGer. Bd. 1 S. 297, 298: vgl. CPO. §. 173. - Hinsichtlich der Liquidation s. RGer. Bd. 11 S. 196.
942
Tas Seehandelsrecht.
.Kap. V. In
allen
Fällen
haftet
ordentlichen Reeders?)
er
für die
Sorgfalt
eines
Es bedarf jedoch einer Special
vollmacht, um das Schiff oder Schiffsparten zu veräußern
oder zu
verpfänden oder für dieselben Versicherungen zu
nehmen
oder Darlehen aufzunehmen oder Wechselverbind
lichkeiten im Namen der Reeder oder einzelner Mitreeder einzugehen?)
VI. Haftung der Mitreeder nach außen.
Schulden
die
der Reederei
haftet
das
Für
Schiffsvermögen
(fortune de mer) der Reederei, in den gesetzlich bestimmten Fällen 0) aber auch
das (übrige) Vermögen (fortune de
terre) der einzelnen Mitreeder, jedoch (ohne besondere Ver abredung) nicht solidarisch, sondern, wenn ihre persönliche Haftung
eintritt,
nur nach
Verhältnis der Größe ihrer
Schiffsparten/)
Ist eine Schiffspart veräußert, so haften für die in der Zeit
zwischen der Veräußerung
Anzeige
an
und der vorgeschriebenen
die Mitreeder etwa begründeten persönlichen
Verbindlichkeiten rücksichtlich dieser Schiffspart sowohl der Veräußerer, als der Erwerber.
Die Mitreeder können wegen eines jeden gegen sie als Mitreeder gerichteten Anspruchs, sei es, daß dieser von einem Mitreeder oder von einem Dritten erhoben ist, vor dem Gerichte des Heimatshafens belangt werden?)
VII. Beendigt wird
die Reederei nicht durch Setzung,
' HGB. 497; ROHG. Bd. 13 S. 64, Bd. 15 S. 113, 118, 119, Bd. 17 S. 236. 2 HGB. §§. 493, 496, 498. 3 S- oben II iinb HGB.
4 3n betreff der Unsolidersichcrung s. oben S. 937 Anm. * HGB. §£. 507, 508; vgl. auch §. 476.
Bon dem Schiffer und der Schiffsmannschaft.
§♦ 111.
943
noch auch durch die zum Zwecke der Befreiung von Nach zahlungen vorgenommene Abandonnierung,') noch auch durch eine Änderung in den Personen der Mitreeder, mit hin auch nicht durch eine ohne Zustimmung der Mitreeder
vorgenommene Partveräußerung,
nicht
durch Tod
oder
Konkurs eines Mitreeders, fonbern nur durch Mehrheits beschluß , durch Untergang oder Veräußerung des ganzen Schiffs,?) sowie durch Konkurs über sämtliche Mitreeder(Ein selbständiges Konkursverfahren über das Vermögen einer Reederei kennt die geltende deutsche Konkursordnung
nicht.) In Streitigkeiten, welche sich auf das Rechtsverhältnis zwischen Reeder oder Schiffer und Schiffsmannschaft be ziehen, kann die Entscheidung durch den Vorsitzenden der
zuständigen Kammer für Handelssachen ohne Beisitzer er folgen?)
§. 111. 111. von dem Schiffer und der Schiffsmannschast?) A) Schiffsbesatzung: Schiffer, Schiffsmannschaft, sonstige
Angestellte.
I. Diejenige Person, welche das Schiff auf der zu Er1 Setzung und diese Abandonnierung bewirken nur das Ausscheiden eines oder mehrerer Mitreeder, deren Parten alsdann den die Reederei sortsehenden Mitrcedern verfallen; s. 501. 2 HGB. §. 506. Auch die Liquidation einer Reederei vollücht sich in einem besonderen, oas Leben dieser Association
' ; ! !
gewissermaßen prolongierenden Liquidationsstadium. RGer. Bd. 11 S. 196. 3 GBG. §. 109, Abs. 3. 4 Über die öffentlich-rechtlichen Verhältnisse dieser Personen s. Stoerk an dem. oben S. 932 angegeb. O. S. 208 ff.: Zorn, StaatsR. Bd. 2 S. 605 ff. Über Pflicht der Unfallversiche rung s. oben S. 937 Anm.
944
Kap. V.
Tas Seehandelsrccht.
werbszwecken unternommenen Seereise führt und während
derselben die Aufsicht über Schiff und Ladung zu üben hat, heißt Schiffer (Schiffsführer, Schiffskapitän, Kapitän, engl.
master, röm. R.: magister navis); es kann sein, daß der Alleineigentümer eines Schiffes dasselbe selbst führt, dann
kommt er nach außen zu als Reeder in Betracht, hat aber auch die Obliegenheiten eines Schiffers zu erfüllen; es kann
ferner sein, daß ein Mitreeder das Schiff führt, kommen die Rechtsgrundsätze
dann
der beiden Rechtsverhältniffe,
in denen diese Person steht, nebeneinander in Anwendung; das Gesetz regelt ausführlich die Rechte und Pflichten des
Schiffers, welcher nicht in einem Eigentumsverhältniffe zum
Schiffe steht, sondern lediglich zur Schiffsführung angestellt ist (beauftragter Schiffsfremder, sogen. Setzschiffer, Schiffer
im engeren Sinne).
II. Der Schiffer wird zwar zur Schiffsbesatzung gerechnet,
aber nicht zur Schiffsmannschaft; die letztere umfaßt auch die Schiffsoffiziere (außer dem Schiffer selbst). Schiffs offizier ist jeder, der ein Kommando auf dem Schiffe führt;’)
auf den Kauffahrteischiffen werden Kapitäne und Steuerleute mitunter auch der Bootsmann), auf Dampfschiffen außer
dem auch die Ingenieure und Maschinisten zu den Schiffs
offizieren gerechnet?)
Der (erste u. ff.) Steuermann ist der
in Verhinderungsfällen zur Vertretung des Kapitäns berufene Schiffsoffizier.
III. Außer den Schiffsoffizieren besteht die Schiffsmann
schaft aus einzelnen Funktionären (wie Bootsmann, Zimmer1 Lewis, Komm. S. 180. I ordnung ß. 47 von Bedeutung. * Das ist z.B. weg. Seemanns- I Vgl. Stoerk a. a. O. S. 214.
Von' dem Schiffer und der Schiffsmannschaft,
§. 111. 945
mann, Koch, Segelmacher), ferner aus Vollmatrosen, Leicht matrosen und Schiffsjungen. IV. Zur Schiffsbesatzung (nicht aber zur Schiffsmann schaft) werden gerechnet die sonstigen auf dem Schiffe angestelltm Personen, wie: Ärzte, Kaffmbeamte, Proviant meister (diese auf größeren Dampfschiffen den Offizieren im
Range gleichstehend),
außerdem die an der Maschine be
schäftigten Personen, die Aufwärter und die Köche (sofern nicht Matrosen), stets ohne Unterschied, ob der Schiffer oder der Reeder dieselben angestellt hat.
B) Vom Schiffer (Schiffskapitän). I. Der Schiffer wird durch einen zwischen ihm und dem Reeder
geschloffenen
Dienstvertrag')
zur
Führung
des
Schiffes berufen; er ist verpflichtet, bei allen Dienstverrich tungen, namentlich bei der Erfüllung der von ihm auszu führenden Verträge, die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers
anzuwenden.
Er haftet für jeden durch sein Verschulden
entstandenen Schaden, insbesondere für den Schaden, welcher aus der Verletzung der ihm gesetzlich obliegenden Pflichten
entsteht.
Diese Haftung hat er auch gegenüber dm übrigen
am Seetransporte Beteiligten, so auch gegenüber dem Be frachter, dem Reisendm, dem Bodmereigläubiger u. s. w. zu
tragen?)
II. Vertretungsbefugnis.
Der Schiffer ist, so
bald das Schiff den Heimatshafen oerlassen fjat,8) in allen 1 BGB. §§. 611 ff. 2 HGB. 88.511,512. BSchG. 88- 7> 8. Die dem Schiffer ob liegende Sorgfalt hat sich auch auf die Prüfung der Geräte der Varel», Handelsrecht. 6. Aufl.
Stauer zu erstrecken; RGcr. Bd. 10 S. 21. Sorgfalt s. RGer. Bd. 15 S. 159. 8 Im Heimatshafen s. HGB. §• 526. 60
Kap. V.
946
DaS Seehandelsrecht.
Rechtshandlungen, welche die Seereise betreffen, der voll berechtigte juristische Vertreter des Reeders; *) der Reeder
kann für diese Fälle die Vertretungsbefugnis des Schiffers nicht mit Wirkung gegen Dritte
beschränken,
es müßte
denn sein, daß er beweist, daß dem Dritten die Beschrän kung bekannt war?)
Durch die innerhalb seiner gesetzlichen
Kompetenz vom Schiffer vorgenommenen Rechtshandlungen
wird
nicht
er,
sondern
Kompetenz erstreckt sich
sein
Reeder
verpflichtet.
auf die Ausrüstung,
Diese
Verprovian-
tierung, Bemannung (in dieser Beziehung schon im Heimats
hafen), Erhaltung des Schiffs, auf die hiezu notwendige Aufnahme von Darlehm (event,
gegen Verbodmung
des
Schiffs),^) im äußersten Notfälle sogar auf den Verkauf des Schiffes41)* *(Specialvollmacht ist aber zur Eingehung
von
Wechselverbindlichkeiten und ähnlichen persönlich verpflichten den Kreditgeschäften erforderlich?) IU.
Pflichten des Schiffers.
Derselbe hat das
Interesse seines Reeders nach bestem sachverständigen Ermessm in allen mit seiner Anstellung, dem Schiffe und der
Reise zusammenhängenden Beziehungen zu wahren (s. oben unter I).
Im einzelnen ist er demgemäß verpflichtet, sich
rechtzeitig von der Seetüchtigkeit seines Schiffes zu über
zeugens) das nötige Personal (soweit dies nicht der Reeder 1 HGB. 527 ff. und ent- u. gerichtliche Erlaubnis, wobei sprechend BSchG §. 15. nach FreiwGerG. v. 17. Mai a HGB. §. 531 und ent- ; 1898 §§. 145 ff. das Amts sprechend BSchG. §§. 17—19. geeicht zuständig ist. andernfalls 8 HGB. §. 528. BSchG. ! f- KonsularGes. v. 8. Nov. 1867 §. 16. Über Ausdehnung der §• 37. obigen Befugnisse s. RGer. Bd. i 6 HGB. §. 529; vgl. BSchG. 13 S. 83. §. 15 Abs. 2. 4 HGB. §. 530. Konsularische 0 HGB. 8Z.513-515; BSchG.
Von dem Schiffer und der Schiffsmannschaft.
§• 111. 947
besorgt) anzunehmen, die Ladung und Stauung der Güter zu überwachen/) das Schiff nicht zur Unzeit zu verlassen/)
das Tagebuch
(unter genauer Beobachtung der gesetzlichen
Detailvorschriften) führen zu lassen/)
„den guten Wind
nicht zu verliegen" (d. h. die Abreise nicht unnötig zu ver zögern) ;4) er darf keine Güter für eigene Rechnung laden 6)
und muß, wenn die Reise von Unfällen betroffen wird, eine ordnungsmäßige Verklarung ablegen.
unter „Verklarung"
oder
„Seeprotest"
(Man versteht
eine vom Schiffer
unter Zuziehung von Schiffsmannschaft vor Gericht — event,
vor dem Konsulat — abgegebene und von der zuständigen Behörde sofort aufzunehmende Aussage über Unfälle
auf
der Reise, eine Berichterstattung, welche neben dem Zwecke einer Rechenschaftsablage dem einer Art Beweisführung zum ewigen Gedächtnisse dient.)6)
IV. Rechte des Schiffers.
Dem Schiffer steht der
Anspruch auf die vertragsmäßige Gage (nicht aber auf sogen. Kaplaken, auf Primage oder Gratifikation seitens der Be
frachter u. s. w.)i),
ferner
§. 8. Über die Seetüchtigkeit des Schiffes s. Cromc in GZ. Bd. 28 S. 1 ff. 1 HGB. §.514; BSchG. §.8; ROHG. Bd. 19 S. 263; RGer. Bd. 10 S. 21. 8 HGB. §. 517. 3 HGB. §§. 519-521. 4 HGB. §. 516 (BSchG. §.9). 5 HGB. §. 544; s. oben §. 14 S. 92 Konkurrenzverdot. „ » HGB. §§. 522, 525, 555. Überd.Schiffsgewalta.Seeschlffen s. Stoerk an dem oben S. 392 angegeb. O. S. 219. Die Verklarung ist auch bei der
die i ' \ |
'
angegebene Vertretungs-
Binnenschiffahrt vorgeschritten; s. BSchG. §§. 11—14. Über die Verklarung s. auch Freiw.GerG. §§. 145 ff. (Amtsgerichts — Öffentlichrechtlich obliegt dem Schiffer die Schiffsmeldung nach RGes. v. 25. März 1880 u. V. v. 29. Juli 1880. Seemanns-O. §§. 72 ff. mit den Bem. von G. u. F. hiezu. 7 HGB. §. 543. Kaplaken s. Lewis in v. Holhendorffs RLex. 3. Aufl. Bd. 2 S. 434. Primage siehe Gareis ebenda Bd. 3 S. 154.
Kap. V.
948
Das Seehandelsrecht.
befugnis (s. S. 945 f.) und nach Maßgabe der Seemanns ordnung die Handhabung
der Disciplin über die gesamte
Schiffsmannschaft zu.
Endigung
V.
Schifferverhältnisses.
des
Der Freidienstvertrag läuft seinem Inhalte entsprechend ab, außerdem
aber durch die Entlasiung,
welche kraft
eines
— durch Vertrag nicht zu beseitigenden — Rechtes vom Reeder
jederzeit
willkürlich,
jedoch
unbeschadet der
schädigungsansprüche verfügt werden kann.
Ent
Das Gesetz ent
hält Detailvorschriften über die Wirkung der Entlaffung je nach deren Veranlassung?) C. Von der Schiffsmannschaft?)
Der Schiffsmann tritt in den Dienst eines bestimmten Seeschiffes durch den gesetzlich
an eine Form nicht gebun
denen Heuervertrag, einen Dienstvertrag, welchen der Schiffs mann mit dem Schiffer (mitunter auch mit dem Reeder) abschließt, und durch den er sich zum Schiffsdienste auf be
stimmte Zeit, für eine gewisse Reise u. s. w. gegen Entgelt, nämlich Verpflegung, Zahlung des Lohnes (sogen. „Heuer",
Gage) u. s. w. verpflichtet. Reiche
heuern lassen
(d. h.
Niemand darf sich im Deutschen als
Schiffsmann
in
Dienst
treten), bevor er sich über Namen, Heimat und Alter vor
einem Seemannsamre ausgewiesen und von diesem ein See fahrtsbuch ausgefertigt erhallen hat. Ist diese Voraussetzung,
welche gesetzlich näher bestimmt ist, erfüllt und dann der
545 bis 555. | erseht durch die Seemanns-O. v. i 27. Dez. 1872. GEA. II 7 2 Begriff s. oben S. 933, 934 (62, 63). Hiezu Komm, von Gund Seemanns-O. §.3: Zorn u. F. nach Art. 528; Stoerk StaatsR. Bd. 2 S. 938ff.; die a. a. O. S. 214-216. BSchG. Art. 528-556 des HGB. von I §§. 21 bis 25. 1861 wurden aufgehoben und | 1 HGB.
Von dem Schiffer und der Schiffsmannschaft.
§♦ 111. 949
Heuervertrag zwischen dem Dienstherrn (Schiffer oder statt
dessen seinem Reeder)
und dem Schiffsmann abgeschloffen,
so hat der Schiffer die Musterung (Anmusterung) zu veranlaffen.
Man versteht unter dieser Musterung die amt
liche Verlautbarung des mit dem Schiffsmann geschloffmen Heuervertrags vor einem Seemannsamte; die Verhandlung
hierüber wird von diesem Amte (welches im Auslande das Konsulat ist) als „Musterrolle" ausgefertigt; diese muß den
wesentlichen
Vertragsinhalt,
in gesetzlich bestimmter Form
buch,
Leistung
und
Gegenleistung,
angeben; in das Seefahrts
welches der Schiffer während der Dauer des Dienst
verhältnisses des Schiffsmanns aufzubewahren hat, wird vom.
Seemannsamt ein als Ausgangs- oder Seepaß dienender Vermerk über die Anmusterung eingetragen.
Das Gesetz
regelt genau die Rechte und Verpflichtungen der Schiffs
mannschaft, namentlich der Voll-
und der Leichtmatrosen
und der Schiffsjungen mit Rücksicht auf die verschiedenen Eventualitäten
einer Seereise/) nicht ohne diese Bestim
mungen durch Strafandrohungen zu
verschärfen?)
über
Pakotillevertrag s. oben S. 578 Anm?)
Die Heuer ist, sofern keine andere Vereinbarung ge
troffen ist, in der Regel erst nach Beendigung der Reise zu
bezahlen.
Der Reeder haftet für die Heuer nicht bloß mit
Schiff und Fracht, sondern persönlich.4) Die Dienstleistungen
werden im einzelnen durch den Vertrag, die Natur der Sache
und die Notlage bestimmt?) 1 Seemanns-O. §§. 24—71. fl Disciplinar-Bestimmungen Seemanns-O. 8Z. 72—80, Strafbestimmungen ebenda 8§- Öl bis 103. Hiezu auch StrGB. 8-298.
3 Seemanns-O.^88- 75 bis 77 (Erlaubnisd.Schifferserforderl.). 4 Ebenda 8- 68. S. oben S. 937 Anm. 1. 6 Uber d. Versicherungspflicht
Kap. V.
950
Das Seehandelsrecht.
Wird das Dienstverhältnis beendigt, so muß der Schiffer abermals eine Musterung, nämlich die Abmusterung, veran-
laffen; diese besteht in der gesetzlich näher geregelten Ver lautbarung der Beendigung des Dienstverhältniffes seitens
des Schiffers und der aus dem Dienste scheidenden Mann
schaft vor dem zuständigen Seemannsamte (in der Regel desjenigen Hafens, in welchem das Schiff liegt).
Auch die
Abmusterung wird im Seefahrtsbuche und in der Muster rolle vermerkt?) §. 112.
IV. vom Aeefrachtgeschäfte.2*) 1 1.
Der Seefrachtvertrag (Befrachtungsvertrag) ist der
wesentlich zweiseitige, formlos abgeschlossene Vertrag, durch
den sich der eine Teil, nämlich der Verfrachter (d. i. der
Reeder oder deffen Vertreter, der Schiffer) dem anderen Teile (d. i. dem Befrachter) gegenüber gegen Entgelt (nämlich gegen Zahlung der Seefracht, „Fracht") verpflichtet,
Güter, welche zum Transport übergeben werden, über See
nach näherer Bestimmung zu transportieren. Der Frachtvertrag zur Beförderung von Gütern bezieht
sich entweder a) auf das Schiff im ganzen oder einen verhältnismäßigen
Teil
oder einen
bestimmt
der Seeleute, bezw.Seeschissahrtsbetrieben nach Reichsversicherungsrecht s. R. Weyl a. a. O. S. 102, 112, 346, 349, 986. 1 Seemanns-O. §§. 16 ff. 2 Hiezu Lewis im Hdbch. Bd. 4 S. 123 ff. Vgl. auch Fr. V o i g t, Untersuchungen zum
bezeichneten
Raum
des
Zweck der Ausgleichung der Verschiedenheit der in den See staaten geltenden Havariegrossemit) Seefrachtrechte, (Jena 1882). (Vgl. GZ. Bd. 29 S. 327 ff.)— G.' ii. F. S. 985 ff. (Ebenda auch Rechtsgeschichtliches.)
Dom Seesrachtgeschäfte.
g. 112.
951
Schiffs — Befrachtung en bloc (diese Art wird als die
Regel angesehen) — oder b) auf einzelne Güter (Stück-Güter) — Befrachtung en
cueillette.1)2 * 4
Wird das Schiff im ganzen oder zu einem verhältnis mäßigen Teil oder wird ein bestimmt bezeichneter Raum
des Schiffs verfrachtet („gechartert"), so kann jede Partei
verlangen, daß über den Vertrag eine schriftliche Urkunde (sogen. Chartepartie, von carta partita) errichtet werde?)
2. Die Rechte und Pflichten des Verfrachters und des Befrachters richten sich
in erster Linie nach dem zwischen
beiden abgeschlossenen Frachtverträge.
Für den Fall man
gelnder oder mangelhafter Vertragsbestimmungen ordnet das Gesetz die Rechtsverhältniffe wesentlich in Übereinstimmung
mit älteren Handelsgebräuchen.
Der Verfrachter hastet wie
im Landtransportrechte der Frachtführer, nämlich für den
Schaden, welcher durch Verlust oder Beschädigung der Güter in der Zeit von der Annahme bis zur Abliefemng entsteht,
es sei denn/) daß der Verlust oder die Beschädigung auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordent
lichen Verstachters nicht abgewendet werden konnten.
(Vgl.
hiemit oben §. 56 S. 947, 649—650.)*)
1 HGB. §. 556; (das Wort, kommt v. colligere) Sammelgut. 2 HGB. §. 557 (nicht im BSchG.). 8 Über die Formel „cs sei denn" s. oben S. 264 Anm. 1 (Planck, BGB. I S. 44). 4 HGB. §. 606 (im Gegen satze zu Art. 607 des HGB.
von 1861. Der Entwickelungs gang war folgender: Die ur sprüngliche, sehr strenge Haf tung aus dem römischen receptum nautae wurde durch die mittelalterliche romanische Rechtsbildung allmälick be seitigt, man lieh den Verfrachter weniger streng haften, aber die neuere Rechtsbildung war zur
Kap. V.
952
Das Seehandelsrecht.
Verlust und Beschädigung, welche
aus einem mangel
haften Zustande des Schiffs entstehen, der aller Sorgfalt
ungeachtet nicht
zu
war, müssen demnach vom
entdecken
Verfrachter nicht vertreten werden. Für Kostbarkeiten, Kunstgegenstände,
Geld und Wert
papiere haftet der Verfrachter nur dann, wenn diese Be schaffenheit oder der Wert der Güter bei der Abladung dem Schiffer angegeben ist.1)
Der Hauptverpflichtung des Verfrachters entspricht dessen Anspruch auf Zahlung der Fracht; für diese Zahlung haftet zunächst der Befrachter, jedoch wird durch die Annahme
der Güter der Empfänger
verpflichtet, nach Maßgabe des
Frachtvertrages oder des Konnossements, die
Empfangnahme
Nebengebühren,
geschieht,
die
auf deren Grund
Fracht
nebst
sowie das etwaige Liegegeld zu
allen
bezahlen,
die ausgelegten Zölle und übrigen Auslagen zu erstatten und sonstige Verpflichtungen
aus
dem
Frachtverträge
zu
erfüllen.
strengen Haftung des römischen Rechts, welches dem römischen Großhandel zur See durchaus angemessen war, zurückgekehrt HGB. v. 1861 Art. 607? Vgl. GUGesch. S. 341 ff. Allein das neueste Recht ist — mit Aus nahme des Eisenbahnsrachtrechts — wieder weniger streng ge worden, zunächst für den Binnen schiffsverkehr, wo die Haftung oes Frachtführers bis zu der desKommissionärs(HGB. §. 390 s. oben S. 584 ff.) abgeschwächt
ist (s. BSchG. §. 58), und außer dem eine Reihe von Schäden gesetzlich aufgewühlt sind, für welche der Bmnenschiffsführer nicht zu hasten hat; s. BSchG. — G6A. II 19 (196 — §. 59 Ziff. 1—5 (analog nun HGB. v. 1897 §. 459 Ziff. 1-5), §. 60 (analog §. 460). Vgl. oben S. 558. 1 HGB. §. 607 = BSchG. §. 58 Abs. 4, nach der Fassung v.20. Mai 1898, EinfG. z. HGB. Art. 12 VI.
Vom Seefrachtgeschäfte. g. 112.
953
Der Verfrachter hat die Güter gegen Zahlung der Fracht und gegen Erfüllung der übrigen Verpflichtungen des Em
pfängers auszuliefern?) Wenn die Fracht nach Maß, Gewicht oder Menge der
Güter bedungen ist, so ist im Zweifel1 2)* *anzunehmen, * daß
Maß, Gewicht oder Menge der abgelieferten und nicht der
eingelieferten Güter für die Höhe der Fracht entscheiden soll.
Außer der Fracht können Kaplaken, Prämien u. bergt nicht gefordert werden, sofern sie nicht ausbedungm sind. Die
gewöhnlichen
Schiffahrt,
als
und
Lotsengeld,
ungewöhnlichen Hafengeld,
Unkosten
der
Leuchtfeuergeld,
Schlepplohn, Quarantänegelder, Auseisungskosten u. bergt,
fallen in Ermangelung einer entgegenstehenden Abrede dem Verfrachter allein zur Last, selbst wenn derselbe zu
den
Maßregeln, welche die Auslagen verursacht haben, auf Grund des Frachtvertrags nicht verpflichtet war?)
Zur Sicherung der Forderung der Fracht, sowie der übrigen Gebühren hat der Verfrachter ein Pfandrecht an den Gütern, welches analog dem Pfandrechte des Fracht führers gestaltet ist?)
3. Eingehende Vorschriften enthält das HGB. in betreff der Rechte und Pflichten bei Einnahme der Ladung 6) (z. B.
Verbot
der Deckladung, mit Ausnahmen), in betreff der
1 HGB. 8- 614 Abs. 2. 2 Im Zweifel, nach HGB. §. 620 (wie BSchG. §.62), s. aber RGer. Bd. 14 S. 117. 8 HGB. §. 621; BSchG. §. 65; HGB. §. 440; BSchG. §§. 26 (mit 409), 66. — Absonde rungsrecht im Konkurse s. KonkO. §. 49 Ziff. 8.
4 HGB. §§. 623 ff. 5 HGB. §§. 560, 566, ent sprechend BSchG. §§. 28 ff. Irr tümliche Verladung auf ein an einen andern Bestimmungsort gehendes Schiff s. RGer. Bd. 1 S. 4.
954
Das Seehandelsrecht.
Kap. V.
und des Liegegeldes/) des
Lade- und bezw. Überliegezeit
Rücktritts
des
Befrachters
vor
Antritt
der Reise gegen
Zahlung der Fautfracht/) in betreff der Löschung3 1)4 2 und in betreff einer Reihe von Eventualitäten, von denen der See
transport betroffen werden kann/)
Was die Ladezeit anlangt, so hat der Schiffer, wenn das Schiff im ganzen gechartert ist, sobald er zur Einnahme
der Ladung fertig und bereit ist,
dies dem Beftachter an
zuzeigen. Mit dem auf die Anzeige folgenden Tag beginnt die Ladezeit. Über die Ladezeit hinaus hat der Verfrachter auf die Abladung noch länger zu warten, wenn es verein bart ist (Überliegezeit). Für die Ladezeit kann, sofern
nicht
das
Gegenteil
bedungen
gütung verlangt werden.
ist,
keine
besondere
Ver
Dagegen muß der Beftachter dem
Verfrachter für die Überliegezeit eine Vergütung (Liege
geld) gewähren, welche im Zweifel durch richterliches Ermeffen bestimmt wird?)
Ist die Dauer der Ladezeit durch Vertrag nicht fest gesetzt, so wird
sie durch die örtlichen Verordnungen des
Abladungshafens und in deren Ermangelung durch den da selbst bestehenden Ortsgebrauch bestimmt (— bei der Binnen-
1 HGB. 88.567 ff---BSchG. §. 28. 2 HGB. 8- 580ff.: BSchG. 88- 34 (Vs), 36. « HGB. 88- 592 ff. Hiezu s. ROHG. Bd. 5 S. 131 ff., 372, Bd. 15 S. 227 ff., Bd. 19 S. 282 ff.; RGer. Bd. 14 S. 9, 115. — BSchG. 8- 46. 4 S. z. B. HGB. 88- 628 ff., entsprechend BSchG. 8- 67.
"HGB. 88- 567, 568, entSend BSchG. 88- 29—34, in BSchG. feste Lade zeiten nach dem Ladungsgewicht (bis zu 30 000 Kilogr. zwei Tage, bis zu 50 000 drei, bis zu 100 000 vier u. f. f., jedoch ab ändernd Vereinbarung und Re gierungsverordnung Vorbehalten. ÄSchG. 8- 29.
Vom Seefrachtgeschäste. §♦ 11L schiffahrt
durch
das Gesetz)?)
Besteht auch
955 ein solcher
Ortsgebrauch nicht, so gilt als Ladezeit eine dm Umständm des Falls angemessene Frist. Ist eine Überliegezeit, nicht aber derm Dauer durch
Vertrag
bestimmt,
so
beträgt die Überliegezeit vierzehn
Tage^) — bei Binnenschiffahrt höchstens eine Woche?) Ist eine Warte fr ist, d. i. die Zeit, während welcher
der Verfrachter auf die Abladung (d. i. die Vollmdung der dem Befrachter obliegenden Berbringung des Frachtguts zur
Einladung) zu warten hat, vertragsmäßig vereinbart, so wird der Verfrachter durch die Verhinderung der Lieferung jeder Art von Ladung zum längeren Warten nicht verpflichtet, sondern ist gegebenen Falles befugt, die Reise ohne die volle
Ladung anzutreten, sofern der Befrachter nicht vom Vertrage zurücktritt, und es gebührt dem Verfrachter, ebmso wie im
Falle er auf Verlangen des Befrachters die Reise ohne die volle bedungene Ladung antritt, nicht allein die volle Fracht und das etwaige Liegegeld, fonbem er ist auch berechtigt,
insoweit ihm durch die Unvollständigkeit der Ladung die Sicherheit für die volle Fracht mtgeht, die Bestellung einer
anderweitigen Sicherheit zu forbem.
Außerdem sind ihm
die Mehrkosten, welche ihm infolge der Unvollständigkeit der Ladung etwa erwachsen, durch den Befrachter zu er
statten?) Fautfracht^) ist der Frachtbetrag, welchm der vom
1 S. S. 954 Anm. 5. I * HGB. §§. 576 bis 578; 9 HGB. §§. 568, 569, Be- | BSchG. §. 33. rechnung der Frist s. 573 u. 6 Wahrscheinlich von „saute ROHG. Bd. 12 S. 130, Bd. 18 1 *de3 fret“ -- Mangel an SchiffsS. 363 ff. sracht; HGB. §. 580. (Dgl. 3 BSchG. §. 31. BSchG. §. 36.)
Kap. V.
956
Das Seehandelsrecht.
Vertrage zurücktretende Befrachter zu zahlen hat.
Der Be
frachter ist nämlich berechtigt, vom Vertrage zurückzutreten,
und zwar a) vor Antritt
der Reise:
gegen Zahlung der halben
Fracht (d. i. die eigentliche Fautfracht) und gegen Erstattung der Kosten u. s. w.; d) nach Antritt der Reise:
Fracht
gegen Zahlung der ganzen
und Erstattung der Kosten.
unten Ziff. 5:
(Vergl.
jedoch
Endigung des Vertrages ohne Ent
schädigung.) Bei
Stückgutfracht
kommt
keine
gesetzliche
Ladezeit,
nur vertragsmäßige oder ortsübliche Lade- (oder
sondern
vielleicht
sogar
auch
Überliege-)Frist
in
Betracht,
im
Zweifel wohl die Analogie der für den Chartervertrag gel
tenden gesetzlichen Normen?) 4.
Außer der Chartepartie ist
dem Seefrachtverträge
noch eine andere Urkunde eigentümlich, nämlich das Kon
nossement,^) ein Waren- und Orderpapier (selten Rekta papier), welches der Schiffer 8) nach Beendigung jeder ein
zelnen Abladung dem Ablader ohne Verzug gegen Rückgabe 1 Lewis, Komm. S. 291; j bräuchlich gewordene, im HGB. ROHG. Bd. 12 S. 128 ff. Zeit aber nicht' normierte Art von bestimmung durch den Richter, Konnossementen bilden die sogen, s. HGB. §. 590 und hiezu durchgehenden (through bill of Freiw.GerG. §§. 145 ff. Istding), hierüber s. Schlodt 3 Bal. oben S. 504, 505, mann in 653. Bd. 21 g. 384ff.; 644, 646, 794. Ihm entspricht Lewis im Hdbch. a. a. O. S. im Binnenschisfahrtsverkehr idcr 184—186; RGer. Bd. 10 S. 31. 3 Oder ein anderer dazu er Schiffs-Ladeschein (BSchG. §. 71 ff.), der hier auf Verlangen mächtigter Vertreter des Reeders; RGer. Bd. 2 S. 128, des Absenders vom Frachtführer s. auszustellen ist. — Eine be Bd. 20 S. 53, nun aber HGB. sondere, in neuerer Zeit ge- ' §. 642 neuer Abs. 4.
Vom Seefrachtgeschäfte.
§. 112.
957
des etwa bei der Annahme der Güter erteilten vorläufigen Empfangscheins in so vielen Exemplaren auszustellen hat,
als der Ablader verlangt. Alle Exemplare des Konnossements müssen von gleichem
Inhalt sein, dasselbe Datum haben und ausdrücken, wie viele Exemplare ausgestellt sind.
Dem Schiffer ist auf sein Verlangen von dem Ablader eine mit der Unterschrift des letzteren versehene Abschrift
des Konnossements zu erteilen?) Mit Zustimmung des Abladers kann das Konnossement
auch über Güter ausgestellt werden,
die
zur Beförderung
übernommen, aber noch nicht abgeladen sind?) Auf Verlangen des Abladers ist das Konnossement, so fern nicht das Gegenteil vereinbart ist, an die Order des Empfängers oder lediglich an Order zu stellen.
Im letzteren
Falle ist unter der Order die Order des Abladers zu ver
stehen.
(Das Konnossement kann auch auf den Namm des
Schiffers als Empfängers lauten.)1 2)* Das Konnossement muß enthalten:8)
1. den Namen des Schiffers;
2. den Namen und die
Nationalität des Schiffs (ähnlich auch im Ladeschein beim Binnenschiffahrtsverkehr;4)* 3. den Namen des Abladers; 4. den Namen des Empfängers (Destinatär, engl. con-
signatary);6) 5. den Abladungshafen; 6. den Löschungs hafen oder dm Ort, an welchem Order über denselbm ein8 HGB. §. 643. 1 HGB. §. 642, mit neuem 4 BSchG. §. 72 Abs. 2. Al'?. 5. 2 HGB. §. 644, ebenso Lade 6 Begriff des Empfängers; schein nach BSchG. §. 72 mög Prokuraindossament des Kon licherweise Meldeadresse (s. ebenda nossements s. Schaps in GZ. | 9b. 42