Handelsrecht und Schiffahrtsrecht [6., umgearb. Aufl. Reprint 2019] 9783111456683, 9783111089263


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German Pages 580 [584] Year 1949

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
Einleitung
Erster Abschnitt. Der Kaufmann und sein Handelsunternehmen
Zweiter Abschnitt. Die Gesellschaften des Handelsrechts Einleitung
Dritter Abschnitt. Die Handelsgeschäfte
Vierter Abschnitt. Das Schiffahrtsrecht
Sachverzeichnis
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Handelsrecht und Schiffahrtsrecht [6., umgearb. Aufl. Reprint 2019]
 9783111456683, 9783111089263

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Handelsrecht und Schiffahrtsrecht voll

Dr. Julius von Gierke ord. Professor der Rechte an der Georg-August-Universität zu Göttingen

Sechste, umgearbeitete Auflage

1949 WALTER DE GRUYTER & CO. BERLIN vormals G. J. Gösdien'sche Verlagshandlung J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp.

Archiv-Nr. 224 149 Drude von W. Girardet, Wuppertal

DEM ANDENKEN MEINES VATERS

OTTO V O N GIERKE geb. am 11. Januar 1841 zu Stettin, gest. am 10. Oktober 1921 zu Berlin

l&eutsches Volk! Seit ich verspürte Deiner Riesenseele Wehn, Und wie eignes Leid mich rührte Der Jahrtausende Geschehn, Ging mein sprödes Einzelleben Auf in Deinem großen Sein, All mein Träumen, Hoffen, Streben, Meine Seele ganz war Dein!" Otto von Gierke an seinem 70. Geburtstage

Vorwort Die 5. Auflage meines Lehrbuches des Handelsrechts und Schiffahrtsrechts hatte gegenüber den früheren Auflagen eine sehr große Erweiterung erfahren durch die Hereinziehung des sonstigen Gewerberechts, des Aufbaus des gesamten Wirtschaftsrechts (Unternehmertums), sowie durch die umfassende Darstellung des ganzen Gesellschaftsrechts im weitesten Sinn (auch des Vereinsrechts des BGB, der bürgerlichen Gesellschaft, ja sogar des Wesens der Verbandspersonen). Ich hatte sie deshalb in zwei Teile zerlegt (Teil I 1937, Teil II 1941). Ich suchte damit auch der damals geltenden neuen Studienordnung Rechnung zu tragen. Diese Studienordnung wies manche Vorzüge auf, war aber, ganz abgesehen von ihrem verfehlten schematischen Zwangscharakter, in vielen Punkten unvollkommen, vor allem war ihr eine zufriedenstellende Lösung der Frage nach der Trennung oder Vereinigung von bürgerlichem Recht und Handelsrecht nicht geglückt. Sie führte zu einer Vernachlässigung wichtiger Handelszweige, so insbesondere der Bankgeschäfte, des Versicherungswesens, des Kommissionsgeschäfts, des Transportgeschäfts, ja zu einer fast völligen Ignorierung des Schiffahrtsrechts. Man machte auch bald die Erfahrung, daß die Geschlossenheit des Handels- und Schiffahrtsrechts verloren ging. Wir sind daher nach dem Zusammenbruch 1945 wieder zu einer grundsätzlichen Trenn\mg des bürgerlichen Rechts und des Handelsund Schiffahrtsrechts bei der Studienordnung zurückgekehrt. S o s t e l l t a u c h d i e s e 6. A u f l a g e m e i n e s L e h r b u c h e s d a s H a n d e l s recht und S c h i f f a h r t s r e c h t wieder als eine Geschloss e n h e i t dar. Dringend zu wünschen ist aber folgendes: Es muß in den Vorlesungen des BGB stets ein Seitenblick auf das Handelsrecht geworfen werden. Und andererseits muß stets beim Handelsrecht und Schiffahrtsrecht auf die Unterschiede vom bürgerlichen Recht und die Gründe hierfür hingewiesen werden. Dies führt auf die Frage der Darstellung des „Gesellschaftsrechts". Mit Recht ist in den letzten Jahren die Erkenntnis durchgedrungen, daß das „Gesellschaftsrecht" (ebenso wie das Arbeitsrecht) ein eigenes s o z i a l r e c h t -

VI

Vorwort

1 i c h e s Rechtsgebiet ist, wobei die Unterscheidung von Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit (vgl. § 1 Aktiengesetz) und solchen ohne eigene Rechtspersönlichkeit beibehalten werden muß. Allein eine Aufnahme des gesamten Gesellschaftsrechts in das Handelsrecht zerstört seine Geschlossenheit und führt auch infolge der weit auseinanderliegenden Darstellung der bürgerrechtlichen und handelsrechtlichen Gesellschaftsformen doch nicht zu der erwünschten einprägsamen Hervorhebung der charakteristischen Unterschiede. Dies ist ganz anders, wenn u n m i t t e l b a r b e i den handelsrechtlichen Formen die Unterschiede vom bürgerlichen Recht herausgestellt werden. So habe ich nunmehr, von wissenschaftlichen und pädagogischen Gesichtspunkten geleitet, in meiner neuen Auflage das „Gesellschaftsrecht" folgendermaßen behandelt: Ich gehe von dem Begriff der „Gesellschaften" im weiteren Sinn aus (§ 28) und lege ihre Eigenart durch Aufstellung der sie beherrschenden, vielfach noch nicht genügend gewürdigten Grundprinzipien dar (§ 29). Dann aber wende ich mich den besonderen Gesellschaftsformen des Handelsrechts zu und bringe sie einzeln in den folgenden Paragraphen zur Darstellung. Dabei wird bei der offenen Handelsgesellschaft die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und bei der Aktiengesellschaft das Vereinsrecht des BGB unmittelbar vergleichsweise herangezogen. Die praktische Bedeutung der bürgerlichen Gesellschaft im Handelsverkehr, die bei mancher Darstellung des Handelsrechts übersehen wird, kommt bei den wirtschaftsrechtlichen Zusammenschlüssen (§ 53) zum Vorschein. Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ist nur kurz behandelt (§ 52), da er nur innerhalb des Versicherungsrechts voll gewürdigt werden kann; die Gewerkschaft des Bergrechts ist ausgeschieden. Die Reederei ist dem Schiffahrtsrecht eingefügt (§ 80), da sie sonst gar nicht verstanden werden kann. Äußerlich weist die neue Auflage dadurch eine Änderung auf, daß mein Buch nicht mehr im Rahmen eines Sammelunternehmens, sondern selbständig erscheint. Das Sachverzeichnis, das in den letzten Auflagen eine viel zu große Breite aufwies, habe ich persönlich einer zweckmäßigen Verkürzung unterzogen. Die neue Auflage hat mir viel Zeit und Mühe gekostet, insbesondere auch dadurch, daß ich keine Exemplare der früheren völlig vergriffenen Auflage zur verwertenden Verwendung erhalten konnte. Und so möchte ich mein Vorwort mit den Worten eines mittelalterlichen Schreibers schließen, die ich bei der Durchforschung der mittelalterlichen Handschriften der deutschen Rechtsbücher gefunden habe, und die lauten: „Libro completo Saltat scriptor pede laeto." Göttingen, im März 1949.

Julius von Gierke

Inhaltsverzeichnis Einleitung §

1 Die Aufgabe: Begriff und Eigenart des Handelsrechts — Das Schiffahrtsrecht — Plan der Darstellung § 2 Geschichte des Handelsrechts Anhang: Unternehmerrecht — Wirtschaftsrecht — Vorlesungen über Handelsrecht § 3 Quellen des heutigen deutschen Handelsrechts . . . . $ 4 Schrifttum zum deutschen Handelsrecht § 5 Quellen und Schrifttum des internationalen und ausländischen Handelsrechts Erster

Seite

1 7 19 20 24 27

Abschnitt

Der Kaulmann und sein Handelsunternehmen Erstes § § $ § § §

K a p i t e l : Die Kaufmannseigenschaft 6 Allgemeines 7 Der Mußkaufmann 8 Weiteres zum Begriff des Mußkaufmanns 9 Sollkaufleute 10 Land- und Forstwirte: Kannkaufleute 11 Voll- und Minderkaufleute

33 34 40 43 45 48

Z w e i t e s K a p i t e l : Das Handelsregister und seine Ergänzung des Verkehrsschutzes. — Der Scheinkaulmann § 12 Das Handelsregister und seine Ergänzungen des Verkehrsschutzes im allgemeinen § 13 Der Scheinkaufmann

51 59

D r i t t e s K a p i t e l : Das Handelsgeschäft (Handelsunternehmen Im engeren Sinn) § 14 Begriff, rechtliche Natur, Rechtssätze. Das Ausland . . . § 15 Die Zweigniederlassung § 16 Das Handelsgeschäft als Gegenstand des Rechtsverkehrs §" t7 Die Firma

64 73 76 84

VIII

Inhaltsverzeichnis Seite

§ 18 Das Warenzeichen § 19 Der unlautere Wettbewerb § 20 Die kaufmännische Buchführung

93 101 106

V i e r t e s K a p i t e l : Die besondere Stellvertretung des Kaufmanns § 21 Die Prokura § 22 Die Handlungsvollmacht

115 119

F ü n f t e s K a p i t e l : Unselbständige Hilfspersonen des Kaufmanns: Das kaufmännische Personal § 23 Allgemeines § 24 Die Handlungsgehilfen § 25 Die Handlungslehrlinge Anhang: zu §§ 23—25: Der Handelsvolontär

124 125 131 133

Sechstes § 26 § 27

K a p i t e l : Selbständige Hilfspersonen des Kaufmanns: Die Handlungsagei^ten und Handlungsmakler Die Handlungsagenten Der Handelsmakler Zweiter

134 140

Abschnitt

Die Gesellschaften des Handelsrechts § 28 § 29 § 30

Einleitung Begriff und Arten der „Gesellschaften" Die Eigenart des Gesellschaftsrechts Die besonderen Gesellschaftsformen des Handelsrechts

.

146 149 153

E r s t e s K a p i t e l : Die Personalgesellschaften im engeren Sinn des Handelsrechts § 31 § § § § §

32 33 34 35 36

§ 37 § 38

I. Die offene Handelsgesellschaft

Begriff, rechtliche Natur, Geschichte, gesetzliche Regelung und Eigenart Errichtung und Firma Rechtsverhältnisse nach innen Rechtsverhältnisse zu Dritten Beendigung, „Fortsetzung" Ausscheiden und Eintritt von Gesellschaftern — Die zweigliedrige Gesellschaft II. Die Kommanditgesellschaft (KG)

Begriff, Geschichte, wirtschaftliche Bedeutung, Rechtssätze III. Die stille GeseUschaft (st.G.)

Begriff, Geschichte, wirtschaftliche Bedeutung, Rechtssätze

160 163 170 181 187 194 199 210

Z w e i t e s K a p i t e l : Die Kapitalgesellschaften des Handelsrechts § 39

I. Aktiengesellschaft

Begriff, Geschichte, die heutige gesetzliche Regelung in Deutschland, das Ausland, wirtschaftliche Bedeutung . .

218

Inhaltsverzeichnis

§ 40 Die Grundlagen Anhang: Die Staatsaufsicht § 41 Gründung § 42 Die Firma § 43 Organisation § 44 Mitgliedschaft § 45 Rechtsverhältnisse zu Dritten § 46 Jahresabschluß (Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung) und Geschäftsbericht § 47 Satzungsänderung, Kapitalerhöhung, sonstige Maßnahme der Kapitalbeschaffung, Kapitalherabsetzung § 48 Beendigung, „Fortsetzung", Sonderfälle (Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, Verstaatlichung, Umwandlung) Ii.

§ 49 Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KG.a.A.) . . . . Iii.

IX Seite

229 239 239 256 258 282 300

302 315 327 346

§ 50 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (G.m.b.H.) . .

355

D r i t t e s K a p i t e l : Soziale Wirtschaitsgenossenschaften § 51 Die eingetragene Genossenschaft § 52 Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG.) . .

373 383

V i e r t e s K a p i t e l : Die neuen wirtschaftlichen Zusammenschlüsse § 53 Freiwillige Zusammenschlüsse § 54 Zwangsweise Zusammenschlüsse

386 394

Dritter

Abschnitt

Die Handelsgeschäfte E r s t e s K a p i t e l : Allgemeine Lehren § 55 Begriff und Arten der Handelsgeschäfte. Ubersicht über die gesetzliche Regelung § 56 Abschluß und Inhalt § 57 Die allgemeinen Geschäftsbedingungen § 58 Der Eigentumserwerb § 59 Das Pfandrecht § 60 Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht

396 399 404 408 411 412

Z w e i t e s K a p i t e l : Einzelne Handelsgeschäfte § 61 Einleitung

418

I. T i t e 1 : Der Handelskauf

§ 62 Allgemeine Regeln § 63 Besondere Arten des Handelskaufs

418 426

II. T i t e 1 : Kredit-, Zahlungs- u. Verwahrungs-GeschHlte der Banken

§ 64 Einleitung: Die Bankgeschäfte

430

X

Inhaltsverzeichnis Seite

§ 65 Kreditgeschäfte § 66 Zahlungsgeschäfte § 67 Bankverwahrungsgeschäfte III. T i t e l : Das Kommissionsgeschäft

§ 68 Begriff, rechtliche Natur, Ausland, Geschichte § 69 Rechtssätze

434 441 447

. . . .

IV. T i t e 1 : BeförderungsgesctaÄite (Transportgeschäfte)

§ § § §

70 71 72 73

Begriff, Sonderrecht, Einteilung, Geschichte, Plan . . . Das gewöhnliche Landfrachtgeschäft Das Eisenbahnfrachtgeschäft Die Personenbeförderung zu Lande, insbesondere auf der Eisenbahn § 74 Das Speditionsgeschäft

V. T i t e l : Das Lagergeschäft

§ 75 Begriff, wirtschaftliche Bedeutung, Geschichte, Arten . . § 76 Das gewöhnliche Lagergeschäft und das Orderlagerscheingeschäft Vierter

§ 77 Einleitung

452 454 461 464 471 477 478 485 486

Abschnitt

Das Schiffahrtsrecht

492

E r s t e s K a p i t e l : Die Schiffe, der Reeder (Schiffseigner) und die Schiffsbesatzung § 78 Die Schiffe § 79 Reeder und Schiffseigner § 80 Die Reederei (Partenreederei) § 81 Die Schiffsbesatzung des Seerechts § 82 Die Schiffsbesatzung des Binnenschiffahrtsrechtes . . .

498 506 510 514 518

Z w e i t e s K a p i t e l : Beförderungsgeschäfte des Schiffahrtsrechts § 83 Das Seefrachtgeschäft § 84 Die Personenbeförderung zur See § 85 Das Flußfrachtgeschäft

519 530 531

D r i t t e s K a p i t e l : Havarei und Hilfsleistung in Schiffahrtsnot § 86 Haverei und Schiffszusammenstoß § 87 Hilfsleistung in Schiffahrtsnot

532 536

V i e r t e s K a p i t e l : Bodmerei, Schiffs- und Ladungsgläubiger § 88 Bodmerei § 89 Schiffs- und Ladungsgläubiger

537 538

Sachverzeichnis

543

Abkürzungen ADHGB. ADSp AG. AGB. Aktienges. od. AktienG. ALR. ArchZivPr. AusfVO. BankArch. Bankg. Baumbach BinnSchG. BörsG. Cosack DepotG. DGWR. DüringerHachenburg DurchfVO. eG. EG. FGG.

:

: :

:

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861. Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen. Aktiengesellschaft. Allgemeine Geschäftsbedingungen. Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien. Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten vom 5. Februar 1794. Archiv für die zivilistische Praxis. Ausführungsverordnung. Bankarchiv. Bankgesetz. Baumbach, Kurzkommentar zum HGB., 5. Auflage 1941. Gesetz betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt. Börsengesetz. Cosack, Lehrbuch des Handelsrechts. Depotgesetz. Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht. Düringer-Hachenburg, Kommentar zum HGB.9. Durchführungsverordnung. eingetragene Genossenschaft (Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft) . Einführungsgesetz. Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

XII Flad Kommentar

Abkürzungen

= Flad im Kommentar zum Handelsgesetzbuch, herausgegeben von Mitgliedern des Reichsgerichts. Flaggengesetz FlagG. Gadow im Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Gadow Kommentar herausgegeben von Mitgliedern des Reichsgerichts. Gesetz betr. die Erwerbs- und WirtschaftsgenossenGenG. schaften. GewO. oder GO. = Gewerbeordnung. Gesellschaft mit beschränkter Haftung. G.m.b.H. Gesetz betr. d. Gesellschaften mit beschränkter HafGmbHG. tung vom 20. Mai 1898. O. v. Gierke O. v. Gierke, Grundzüge des Handelsrechts in der EnHandelsrecht zyklopädie von Holtzendorff-Kohler4 1913. Gruchots Beiträge zur Erläuterung des deutschen Gruchot. Rechts. HansRGZ. Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitung. Heirichen im Kommentar zum HGB., herausgegeben Heirichen Komm. = von Mitgliedern des Reichsgerichts. Deutsches Handelsgesetzbuch. HGB. Handwörterbuch der Rechtswissenschaft. HWRechtsW. Hypothekenbankgesetz. HypBG. Internationales Ubereinkommen über den EisenbahnIUG. frachtverkehr. IUP Internationales Ubereinkommen über den Eisenbahnpersonenverkehr. JheringsJ. Jherings Jahrbücher. Juristische Wochenschrift. JW. Verordnung gegen Mißbrauch wirtschaftlicher MachtKartVO. stellungen vom 2. November 1923 (Kartellverordnung). Kommanditgesellschaft. KG. Kommanditgesellschaft auf Aktien. KG.a.A. Konkursordnung. KO. Könige-TeichmannHandausgabe des HGB. von Könige-TeichmannKöhler Köhler. Lehmann K,Karl Lehmann, Lehrbuch des Handelsrechts, 2. Aufl., bzw. z. T. 3. Aufl. (Höniger). Leipziger Zeitschrift. Leipz.Z.

Abkürzungen

Müller-Erzbach NotVO. oHG. p.h.G. RAO., RAbgO. Ritter RG. Riv. dir. comm. RvglHW. SchiffsG. SchiffsRO. Schlegelberger. SeemO Staubs-Komment. st.G. VAG. VerglO. VVaG. VVG. Wieland WZG. ZAkDR. ZAuslR. ZBH. ZfSchweizerR. ZHR. ZRechtsgesch. G. bzw. R.)

= = = = = = =

XIII

Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht 3. u. 2. Aufl. Notverordnung. offene Handelsgesellschaft. persönlich haftender Gesellschafter. Reichsabgabenordnung. C. Ritter, Kommentar zum HGB., 2. Aufl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. Rivista del diritto commerciale.

= Rechtsvergleichendes Handwörterbuch. Herausg. von F. Schlegelberger. = Gesetz betr. die Rechtsverhältnisse an eingetragenen Schiffen. = Schiffsregisterordnung. = Handelsgesetzbuch, herausgegeben von Schlegelberger, erläutert von Geßler, Hefermehl, Herbig, Hildebrandt, Schröder. = Seemannsordnung. = Staubs-Kommentar zum HGB. 12/ia. = stille Gesellschaft. = Ges. betr. die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen. = Vergleichsordnung. = Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. = Gesetz über den Versicherungsvertrag. = C. Wieland, Handelsrecht I und II. = Warenzeichengesetz. = Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht: = Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht. = Zentralblatt für Handelsrecht. = Zeitschrift für Schweizerisches Recht. = Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht. Zeitschrift der Sevigny-Stiftung für Rechtsgeschichte = (Germanistische bzw. Romanistische Abteilung).

Einleitung. Die Aufgabe. Begriff und Eigenart des Handelsrechts — Das Schiffahrtsrecht. — Plan der Darstellung O. v. G i e r k e }§ 1 u. 2 — E h r e n b e r g in seinem Handb. S. 3 — W i e l a n d ti 8, 15 — H e c k Arch.Ziv.Prax. 92, 348 — K. L e h m a n n ZHR. 52, 1 ff. — N u ß b a u m ebenda 76, 325 — E. H e y m a n n , Die Beziehungen des Handelsrechts zum Zivilrecht (Sonderausgabe aus den Sitzungsberichten der Pr.Ak.d.Wiss. — Phg-Hist. Klasse 1932 (V). — J. v. G i e r k e , Das Handelsunternehmen ZHR. 111, 1 ff. — Ober Reformfragen, insbesondere im Unternehmungsrecht und im Wirtschaftsrecht siehe unten S. 19f. über ausländisches Recht vgl. § 5.

I. D e r B e g r i f f d e s d e u t s c h e n H a n d e l s r e c h t s . Handelsrecht ist das b e s o n d e r e P r i v a t r e c h t

des

Handels.

1. Es bezieht sich auf den H a n d e l . Zu unterscheiden ist der Handel im wirtschaftlichen Sinn und der Handel im Rechtssinn. a) H a n d e l i m w i r t s c h a f t l i c h e n S i n n "ist eine Tätigkeit, die auf den U m s a t z v o n W a r e n gerichtet ist (Kaufhandel). Es muß sich um Anschaffung (Einkauf) und Weiterveräußerung (Verkauf) von „Waren" (oder Wertpapieren) handeln. Der Umsatz von Grundstücken gehört nach deutscher Auffassung nicht zum Handel. Man spricht auch vom Grundstückshandel. Doch ist dieses besser zu vermeiden. „Waren" sind bewegliche Sachen, die für einen Umsatz geeignet sind.

Wer diesen Umsatz betätigt, vermittelt zwischen Erzeuger (Produzent), der den Absatz will, und Verbraucher, der den Einkauf will. Wer ihn g e w e r b s m ä ß i g a l s U n t e r n e h m e r betreibt, betreibt ein H f e n d e l s g e w e r b e i m w i r t s c h a f t l i c h e n S i n n , er ist K a u f m a n n im w i r t s c h a f t l i c h e n S i n n . Oft wird in den Begriff des Handels bereits das Gewerbsmäßige hineingelegt. Dann würde In dem Ausdruck „Handelsgewerbe" das Gewerbsmäßige doppelt enthalten sein.

N i c h t ist Kaufmann im wirtschaftlichen Sinn a) der Urerzeuger (Urproduzent), z.B. der Landwirt, Forstwirt, Bergbautreibende; ß) der Fabrikant und Handwerker (Formproduzent)! auch dann nicht, v. G i e r k e ,

Handels- und Schiffahrtsrecht

1

2

§1'

Begriff und Eigenart des Handelsrechts

wenn sie das Rohmaterial selbst anschaffen, verarbeiten und weiterveräußern (Umsatzindustrie, Umsatzhandwerk) i y) eine Verbrauchergenossenschaft (Konsumverein); denn sie betätigt sich nicht gewerbsmäßig; d) der beruflich, aber in abhängiger Stellung an der Umsatztätigkeit eines Unternehmens beteiligt ist; z. B. als Handlungsgehilfe. Im täglichen Leben bezeichnen sich solche auch als „Kaufleute". Einteilung des Handels. Bei dem Handel im wirtschaftlichen Sinn ist bedeutungsvoll die Unterscheidung von G r o ß h a n d e l und E i n z e l h a n d e l . Beim Großhandel geschieht der Verkauf an Weiterverkäufer oder sonstige Unternehmer, beim Einzelhandel geschieht er unmittelbar an den Verbraucher. Der Einzelhandel wird am besten als Letzthandel bezeichnet (unrichtig ist die Bezeichnung Kleinhandel oder Detailhandel). Der Begriff des Einzelhandels ist seit 1924 auch in die Gesetzessprache übergegangen. Wichtige Gesetze enthalten Sonderregeln für ihn. Besondere Arten des Einzelhandels sind der Handel von Warenhäusern, Einheitspreisgeschäften, sowie der Automatenhandel, mit denen sich die Gesetzgebung igleichfalls besonders befaßt hat. Eine andere Einteilung ist die in Binnen-, Ausfuhr- und Einfuhrhandel, ferner die in Waren-, Wertpapier-, Geldhandel. Handel im offenen Laden heißt auch Kramhandel, Handel im Umherziehen Hausierhandel, Handel mit den gewöhnlichsten Lebensmitteln Hökerhandel, Handel mit gebrauchten Sachen Trödelhandel i Kleinhandel weist auf den Handel, der in kleinen Mengen erfolgte (kann auch ,,Großhandel" sein).

b)* H a n d e l i m R e c h t s s i n n . Er weist eine Erweiterung des Handels im wirtschaftlichen Sinn auf. Diese Erweiterung ist aber weder in den einzelnen Staaten, noch auf den einzelnen Rechtsgebieten in Deutschland gleichmäßig vollzogen worden. Wir legen die Abgrenzung zugrunde, die das d e u t s c h e H a n d e l s g e s e t z b u c h vorgenommen hat. Nach ihm werden a n d e r e G e w e r b e i m e n g e r e n Sinn hereingezogen, d. h. Tätigkeiten, die innerhalb des eigentlichen Wirtschaftsprozesses auf Erwerb gerichtet sind, abgesehen von der Land- und Forstwirtschaft. Liegt eine Tätigkeit außerhalb des eigentlichen Wirtschaftsprozesses vor, so ist überhaupt keine gewerbliche Tätigkeit, also nicht einmal ein Gewerbe im weiteren Sinn vorhanden. Es scheidet daher aus jede Tätigkeit, die unmittelbar und persönlich der Wissenschaft, der Kunst, der ärztlichen Heilkunde, der Rechtswahrung gewidmet ist. Gelehrte, Schriftsteller, Dichter, Maler, Bildhauer, Musiker, Arzte, Rechtsanwälte betreiben kein Gewerbe und kein , .Erwerbsgeschäft" im Sinn des HGB. Unrichtig RG. 144 1, zutreffend RG. 153 249, 153 2B0. — Die Begründung für die Stellung dieser Berufe außerhalb des „Gewerbes" ist vielfach noch fehlsam. Ganz verkehrt und unsozial ist es, sie als „höhere Berufe" anzusprechen. Die Gründe für ihre Sondergruppierung sind darin zu suchen, daß sie außerhalb des Wirtschaftsprozesses stehen und — auch näch ihrer ganzen geschichtlichen Entwicklung — berufsständisch ein besonders individuelles Gepräge haben. — Die Ausscheidung der Land- und Forstwirtschaft aus dem Gewerbe im engeren Sinn (zum Gewerbe im weiteren Sinn gehört sie) beruht auf ihrer Eigenart kraft ihrer dauernden Verbindung mit dem deutschen Heimat- und Nährboden.

Alle Gewerbe im engeren Sinn, welche das deutsche Handelsgesetzbuch umspannt, werden als H a n d e l s g e w e r b e i m R e c h t s s i n n bezeichnet. Und wer eins von ihnen als Unternehmer betreibt, ist K a u f m a n n i m R e c h t s s i n n . Als solche Handelsgewerbe aber kommen in Betracht (das Nähere siehe unten §§ 6ff.): a) Zunächst ebenfalls das U m s a t z g e w e r b e in bezug auf Waren (und Wertpapiere). Aber es ist die gesamte Umsatzindustrie und das Umsatzhandwerk einbezogen. Ferner ist der Umsatzindustrie die reine Ver-

3

§ 1. t. Begriff des Handelsrechts

arbeitungs- und Bearbeitungsindustrie in bezug auf Waren (Lohnfabrikation) gleichgestellt. ß) Die wichtigsten H i l f s g e w e r b e d e s U m s a t z e s . Dies sind diejenigen Gewerbe, die nur m i t t e l b a r an dem Umsatz beteiligt sind, indem sie ihn vorbereiten, fördern und sichern: Vermittlergewerbe (Makler, Agenten, Kommissionäre) — Beförderungsgewerbe (Frachtführer, Personenbeförderungsanstalten, Reeder, Spediteure, Lagerhalter) — Bankiergewerbe — Versicherungsgewerbe. ;y) A l l e s o l c h e G e w e r b e , die infolge ihrer „ k a u f m ä n n i s c h e n " Ausgestaltung (Notwendigkeit kaufmännischer Buchführung!) eine gleiche Behandlung fordern wie das Umsatzgewerbe (z. B. ein großes Auskunftsbüro, ein gewerbsmäßig ausgestattetes Theaterunternehmen). A u s g e n o m m e n ist nur die L a n d - und F o r s t w i r t s c h a f t . Doch ist zu beachten, daß die positive Gesetzgebung einige Unternehmer dem Handelsrecht unterstellt hat, obschon ein Gewerbebetrieb nicht vorliegt oder vorzuliegen braucht (z. B. jede Aktiengesellschaft, jede Erwerbs- und Wirtschaftgenossenschaft). Wie ist diese Erweiterung zu erklären? Es sind v e r s c h i e d e n e , geschichtliche und wirtschaftliche Gesichtspunkte, die eingewirkt haben. Es handelt sich teils um die Einbeziehung einer etwas abgewandelten Tätigkeit (Umsatzindustrie und Umsatzhandwerk), teils um Gewerbe, die früher vielfach mit dem Umsatz verbunden waren und sich dann als selbständige Gewerbe unter der Mitgift kaufmännischer Betriebsweise abgespalten haben (Hilfsgewerbe), teils um Tätigkeiten oder Gebilde, bei denen wegen ihrer Betriebsausgestaltung als Organisationsform eine Übernahme großkaufmännischer Grundsätze stattgefunden hatte oder notwendig erschien. Es ist daher ein vergebliches Bemühen, nach einer e i n h e i t l i c h e n Formel für diesen Handel im Rechtssinn zu suchen. Hier wird sich immer der Spruch bewähren „Grau ist alle Theorie". Auch die Ausführungen W i e 1 a n d s (§ 15) sind daher abzulehnen. Er meint, daß der Handel im Rechtssinn sich auf „Unternehmungen" beziehe. Eine „Unternehmung" aber sei der Einsatz von wirtschaftlichen Kräften (Kapital und Arbeit) zur Erzielung von ungemessenem Gewinn. — Hiergegen ist zunächst einzuwenden, daB der Ausdruck „Unternehmung" überaus vieldeutig ist, auch in der Volkswirtschaft wird er nicht durchaus im einheitlichen Sinn verwendet. M. E. ist er überhaupt farblos, er schließt insbesondere nicht die Erwerbsabsicht ein. Beispielsweise umfaßt auch das Ges. über die privaten „Versicherungsunternehmungen" die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. Aber auch sonst paßt die W i e l a n d s c h e Bestimmung des Handels im Rechtssinn nicht. Insbesondere haben z. B. ~ (was W 1 e 1 a n d zu Unrecht bestreitet) der gewerbsmäßige Leihbibliothekar, der Arzt, der Bildhauer, der Droschkenbesitzer, der Inhaber einer kleinen Reparaturwerkstätte oder eines Fischereibetriebes, und der Land- oder Forstwirt eine solche „Unternehmung" und sind doch keine Kaufleute im Rechtssinn. (Vgl. unten §§ 6 ff.) Andererseits ist eine Aktiengesellschaft, die kein Gewerbe betreibt, also keinen Gewinn erzielen will, dennoch Kaufmann im Rechtssinn (vgl. unten bei den A.G.). — Sehr Uniecht hat die Ansicht W i e 1 a n d s bei manchen (z. B. bei R u t h , Arch-BürgR. 7, 249) Zustimmung gefunden. Unseren heutigen Anschauungen widerstreitet auch das Streben „nach einer der Höhe nach unbeschränkten Vermögensvermehrung", da hierbei die Belange der Volksgesamtheit nicht genügend hervortreten. — Man beachte übrigens, daß W i e l a n d unter „ U n t e r n e h m u n g " etwas anderes versteht als unter „ U n t e r n e h m e n " (siebe unten J. 14). Bei der Bestimmung der H a n d e l s s a c h e n i m p r o z e s s u a l e n Sinn, d. h. der Tatbestände, für welche dte 'bei dqp Landgerichten gebildeten Kammern für 1*

4

} 1. Begriff und Eigenart des Handelsrechts Handelssachen zuständig sind, hat das Gerichtsverfassungsgesetz (5 95) an das Handelsgesetzbuch angeknüpft. Doch sind die Tatbestände teils etwas enger, teils erheblich erweitert. In a u s l ä n d i s c h e n Rechten ist die Abgrenzung des Handelsrechts in bezug auf den Bereich des P r i v a t r e c h t s , insbesondere durch die Handelsg e s e t z b ü c h e r vielfach etwas anders ausgestaltet worden als in Deutschland. Stets wird vom Umsatz ausgegangen. Allgemein sind auch die Industrie und die wichtigsten Hilfsgewerbe des Umsatzes einbezogen. Die Stellungnahme zu Handwerk und Kleingewerbe ist verschieden. — Vom systematischen Standpunkt aus ist zu bemerken, daß im Gegensatz zu dem deutschen System des HGB.( welches von dem kaufmännischen Beruf und dem Kaufmann ausgeht (subjektives System), das System des f r a n z ö s i s c h e n H a n d e l s g e s e t z b u c h e s steht. Hier bilden die Grundlage des Handelsrechts bestimmte Arten von Rechtsgeschäften (Handelsgeschäfte, actes de commerce). Einige von ihnen kommen sogar als Handelsgeschäfte in Betracht, wenh sie ganz vereinzelt von einem Nichtkaufmann vorgenommen werden (z. B. die Anschaffung von Waren in der Absicht, sie wieder zu verkaufen). In den so objektiv abgegrenzten Kreis der Handelsgeschäfte wird auch der Kaufmann hereingezogen als derjenige, der sie gewerbsmäßig betreibt (sog. objektives System, aber ersichtlich nicht rein durchgeführt). Uber das Konkursrecht siehe unten. — Das neue polnische Handelsgesetzbuch baut das Handelsrecht auf jedem gewerblichen Unternehmen auf (Art. 2); nicht beifallswcrt.

2. Das Handelsrecht (mit dem wir uns befassen) ist das Privatrecht des Handels. ( H a n d e l s p r i v a t r e c h t ) Für den Handel im Ganzen gelten nicht bloß privatrechtliche, sondern auch öffentlichrechtliche Nonnen. Das öffentliche Recht des Handels gehört dem Staats-, Verwaltungs-, Völker-, Straf-, Prozeßrecht an. Es scheidet grundsätzlich von der Betrachtung aus. B e i s p i e l e . Zum Staats- und Verwaltungsrecht gehören Steuer,gesetze und polizeiliche Bestimmungen (vgl. § 82 II HGB.). Zum Völkerrecht gehören Vorschriften über Zölle. Strafrechtliche Normen begegnen zahlreich im Aktienrecht. Aus dem Prozeßrecht seien die konkursrechtlichen Vorschriften hervorgehoben. Man sieht, daß auch im HGB. selbst einige öffentlichrechtliche Sätze eingestreut sind. — Ausländische Rechte verbinden z.T. mit dem Handelsrecht das Konkursrecht (siehe unten S. 28 f.).

3. Das Handelsrecht ist das b e s o n d e r e Privatrecht des Handels. Es umfaßt diejenigen privatrechtlichen Rechtssätze, welche dem Handel e i g e n t ü m l i c h sind und n u r für ihn gelten. Grundsätzlich scheidet daher das sonstige Privatrecht „das bürgerliche Recht", soweit es ergänzend für den Handel in Betracht kommt, aus. Endlich hat die Wissenschaft eine Reihe privatrechtlicher Gebiete, die vorzugsweise im Handel eine Rolle spielen, in die Darstellung des Handelsrechts einbezogen (Handelsrecht im weiteren Sinn). Hierher gehören z. B. das Recht der Warenzeichen und das Verbot des unlauteren Wettbewerbs, welche nicht allein für Kaufleute, sondern für alle Gewerbetreibende gesetzlich geregelt sind. — Auch wir ziehen diese Gebiete in den Kreis unserer Betrachtungen hinein.

4. Unsere Darstellung hat es grundsätzlich mit dem D e u t s c h e n Handelsrecht zu tun. Es wird aber auf die besonders wichtigen Ausgestaltungen des ausländischen Handelsrechts hingewiesen werden. II. D i e E i g e n a r t d e s d e u t s c h e n H a n d e l s r e c h t s . Es ist ein S o n d e r r e c h t f ü r K a u f l e u t e , namentlich für größere Kaufleute. Es enthält einerseits Begünstigungen, andererseits faßt es sie strenger an. Da in seinem Mittelpunkt der Güterverkehr steht, ist ihm ein i n t e r n a t i o n a l e r Z u g eigon. Seine enge Verbindung mit dem

5 1. II. Eigenart des Handelsrechts

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pulsierenden Leben verleiht ihm einen r a s c h v o r w ä r t s s t r e b e n d e n Charakter. Vieles wird von ihm zuerst ausgebildet und dann von dem schwerfälligen bürgerlichen Recht übernommen. Das Handelsrecht ist der „P i o n i e r" der Rechtsentwicklung. Es ist aber Vorsicht geboten. Eine zu weitgehende „Kommerzialisierung" ist schädlich. — In Deutschland war eine Übernahme handelsrechtlicher Rechtsätze in das bürgerliche Recht (vgl. S. 15) deshalb vielfach erfreulich, weil das Handelsrecht deutschrechtlich ausgestaltet war.

V o r a l l e m beruht aber die E i g e n a r t des deutschen Handelsrechts auf zweierlei. 1. A u f e i n e r z w e c k m ä ß i g e n A u s g e s t a l t u n g d e s H a n delsunternehmens. 2. A u f e i g e n a r t i g e n F o r m e n d e r G e s e l l s c h a f t s b i l dung. Beides ist noch näher zu betrachten. A. Zu 1.: Hier eitsteht zunächst die Frage: W a s i s t e i n H a n d e l s unternehmen? Uber den Begriff des Unternehmens und des Handelsunternehmens herrscht seit langem ein ungeschlichteter Streit. Ich habe in ZHR. 111 S. 1 S . dazu Stellung genommen.

Handelsunternehmen ist eine W i r t s c h a f t s e i n h e i t Handelim Rechtssinn.

für

den

Der Begriff des Unternehmens und des Handelsunternehmens ist aus der Volkswirtschaft in die Rechtsordnung übernommen und kommt In ihr eigenartig — infolge der verschiedenen Art der Begriffsbildung in den beiden Gebieten — zur Entfaltung.

Es ist als solches ein e i n h e i t l i c h e s G e d a n k e n g e b i l d e , das dem gesamten Handelsrecht zugrunde liegt. Besondere Rechtssätze für es sind freilich selten. Grundsätzlich werden vielmehr rechtlich herausgestellt (entsprechend der funktionellen Betrachtungsweise des Rechts) d r e i A u s s t r a h l u n g e n dieser Wirtschaftseinheit: Die B e t r i e b s t ä t i g k e i t , d a s B e t r i e b s g e s c h ä f t und die B e t r i e b s g e m e i n schaft. a) Die B e t r i e b s t ä t i g k e i t , d. h. d a s B e t r e i b e n d e s H a n delsgewerbes. Nach ihr richtet sich die Frage, ob ein Kaufmann vorhanden ist und welcher Art die Kaufmannseigenschaft ist (unten § 6). Sie führt dann weiter zu den Rechtsakten, die der Kaufmann vornimmt, d. h. zu den verschiedenen H a n d e l s g e s c h ä f t e n . Für diese Betätigung aber kommt eine Reihe e i g e n a r t i g e r K e n n z e i c h e n in Betracht. a) Sie ist vielfach auf M a s s e n b e t r i e b zugeschnitten. Er wird von einer gleichmäßig schablonenhaften Behandlung der Kunden beherrscht. Sie findet ihren Ausdruck in der ausgearbeiteten Anwendung von G e schäftsbedingungen, Geschäftsformularen, Geschäftsklauseln. Verfehlt war es, wenn H e c k hierin'allein das Charakteristische des Handelsrechts erblickte, Uber die Geschäftsbedingungen sieh« unten Abschnitt III.

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S 1. Begriff und Eigenart des Handelsrechts

ß) Es werden e r h ö h t e Anforderungen an den Kaufmann in bezug auf U m s i c h t i g k e i t , S o r g f a l t und P ü n k t l i c h k e i t gestellt. Vgl. z. B. § 347 HGB., § 377 HGB. (Rügepflicht), § 352 HGB. (Schweigen), {§ 348 bi9 351 (Freiheit von Formvorschriften), Aufbewahrung von Wertpapieren, Anmeldungen zum Handelsregister.

y) Der Kaufmann genießt V o r t e i l e aus seiner g e n a u e n n u n g von Zeit und Geld. Vgl. } 354 HGB. Zinsnachteile).

(Entgelt für Dienstleistungen),

Berech-

§5 352 ff. (Zinsrecht, aber

auch

3) Es werden ihm besondere Sicherheitsmittel zur Verfügung gestellt. Vgl. S5 369 ff. (Zurückbehaltungsrecht. — Besondere gesetzliche Pfandrechte).

e) Seine Rechtsgeschäfte werden e r l e i c h t e r t durch den Schutz des P u b l i k u m s im Hinblick auf dessen V e r t r a u e n a u f ä u ß e r e T a t b e s t ä n d e. Vgl. § 15 HGB. (Handelsregister), § 5 (Scheinkaufmann, mit weitergehendem Gewohnheitsrecht), typische Vollmachten, gutgläubiger sachenrechtlicher Erwerb (5 366 HGB.).

b) Das B e t r i e b s g e s c h ä f t , d a s H a n d e l s g e s c h ä f t . Es ist das H a n d e l s u n t e r n e h m e n i m e n g e r e n S i n n . Es ist der durch die Betriebstätigkeit geschaffene Tätigkeitsbereich. Dieses Handelsunternehmen ist ausgestattet als ein e i g e n a r t i g e s S o n d e r v e r m ö g e n . Es ist kaufmännisch abgetrennt vom sonstigen Vermögen, unterliegt gesteigerter Buchführung. Es hat eigenartige Bestandteile (Firma, Warenzeichen), genießt besonderen Schutz, ist Gegenstand des Rechtsverkehrs. Die Rechtsordnung hat die Tendenz, seinen Wert nach Möglichkeit zu erhalten und vor Auflösung zu bewahren. Vgl. unten §§ 14 ff. c) Die B e t r i e b s g e m e i n s c h a f t . Es ist die p e r s o n e n r e c h t l i c h e G e m e i n s c h a f t des Kaufmanns mit seinen Angestellten und Arbeitern. Sie hat in bezug auf das sogen, kaufmännische Personal (Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge) ihre eigenartige handelsrechtliche Ausprägung erfahren (§§ 59 ff. HGB.). B. Zu 2. G e s e l l s c h a f t s b i l d u n g . Das Handelsrecht hat eigenartige Formen menschlicher Vereinigungen ausgebildet, die den besonderen, mit ihnen verfolgten Zwecken angepaßt sind. Als solche kommen namentlich in Betracht die gemeinsame Erwerbsbetätigung, die Erwerbsanteilnahme, die gewinnbringende Verwertung aufgebrachten Kapitals, die Steigerung der wirtschaftlichen Kräfte durch persönliche Verhaftungen, die Beeinflussung der Wirtschafts- und Marktlage. Vgl. unten Abschnitt II.

III. D a s S c h i f f a h r t s r e c h t . Zu den N e b e n g e b i e t e n des Handelsrechts, die weitgehend mit ihm verquickt sind, gehört vor allem das S c h i f f a h r t s r e c h t . Es geht nicht voll in ihm auf, hat vielmehr eine selbständige Bedeutung. Es weist

§ t. IV. Plan der Darstellung

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teilweise einen nicht gewerblichen Charakter auf. Es zerfällt in das S e e r e c h t und das B i n n e n s c h i f f a h r t s r e c h t . — Es empfiehlt sich eine Angliederung an das Handelsrecht und soll in dieser Form von uns dargestellt werden. Wenn manche Lehrbücher eine Eingliederung in die Schilderung des Handelsrechts vorgenommen haben, so Ist das fehlsam, da hierdurch eine richtige Wertung verloren geht und eine große Unübersichtlichkeit hervorgerufen wird. Man beachte übrigens, daß die Rechtsverhältnisse der See- und Binnenschiffahrt Handelssachen Im prozessualen Sinn sind (vgl. § 96 GVG. oben S. 3). Dagegen werden zwei andere Nebengebiete des Handelsrechts von der folgenden Darstellung ausgeschieden: 1. Das Versicherungsrecht (Privatversicherungsrecht). Es birgt eine Fülle eigenartiger und schwieriger Probleme. So empfiehlt sich eine volle Sonderbetrachtung. 2. Das Wechsel- und Scheckrecht. Es wird am besten mit dem umfassenden „Recht der Wertpapiere" zur Darstellung gebracht.

IV. P l a n d e r D a r s t e l l u n g . Wir gliedern in folgende Abschnitte I. Abschnitt: D e r K a u f m a n n u n d s e i n H a n d e l s u n t e r n e h m e n im a l l g e m e i n e n . II. Abschnitt: D i e G e s e l l s c h a f t e n d e s H a n d e l s v e r k e h r s . III. Abschnitt: D i e H a n d e l s g e s c h ä f t e . IV. Abschnitt: D a s S c h i f f a h r t s r e c h t . Der e r s t e A b s c h n i t t geht dem deutschen System entsprechend von den Personen des Handelsrechts, den Kaufleuten aus. Er führt auf die Betriebst&tlgkeit, ihr registerliches Hervortreten (Handelsregister), den durch sie geschaffenen Tätigkeitsbereich (Handelsunternehmen im engeren Sinn), die Vertretung des Kaufmanns und die Betriebsgemeinschaft (kaufmännisches Personal). Ausgeschieden werden die allgemeinen Lehren über geschäftliche Handlungen (Handelsgeschäft), welche als erster Teil des d r i t t e n Abschnitts den wichtigsten Typen einzelner Handelsgeschäfte vorangestellt werden sollen. Es ist aber zweckmäßig, einige Hilfsgeschäfte des Kaufmanns schon in den ersten Abschnitt hineinzuziehen (Handlungsagenten und Handelsmakler). Der z w e i t e Abschnitt behandelt die Gesellschaften im weiteren Sinn, d. h. die Vereine und Gesellschaften im engeren Sinn, welche sich im Handelsrecht eigenartig entwickelt haben. Die Gliederung, welche nicht völlig schematisch ist, hat den Vorzug, daß sie mit dem Aufbau des deutschen Handelsgesetzbuchs harmoniert.

Geschichte des Handelsrechts. R e h m e in Ehrenbergs Handbuch I (1913) 28 ff. (Geschichte des Handelsrechts.) — Für die Geschichte des Handelsrechts im Altertum und bei den Romanen des Mittelalters ist grundlegend L. G o l d s c h m i d t , Universalgeschichte des Handelsrechts 1891, unvollendet. — Im übrigen ist auf die Werke über Rechts- und Wirtschaftsgeschichte zu verweisen.

I. D a s A l t e r t u m . Dem A l t e r t u m ist ein umfassendes, besonderes Handelsrecht fremd. Es gibt nur e i n z e l n e , besondere handelsrechtliche Regeln und Rechtsbildungen, die aus dem Rahmen des allgemeinen Privatrechts herausfallen. Der Grund ist der, daß das bürgerliche Recht auch für den reich entwickelten Handel im wesentlichen genügte. So war es in B a b y l o n i e n , in G r i e c h e n l a n d , in Rom. Insbesondere paßte sich das klassische römische Schuldrecht infolge seiner

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§ 2. Geschichte des Handelsrechts

freiheitlichen Entwicklung auch den besonderen Bedürfnissen des Handelsverkehrs an. Sonderregeln für den Handel finden sich z. B. in dem Gesetzbuch des großen babylonischen Königs Hammurabi (1958—1916 v. Chr.). In Griechenland gab es eigene Normen für das Bankwesen und den Seehandel, ebenso im römischen Recht meist infolge ihrer Aufnahme aus Griechenland. — Übrigens weisen bereits Rechte von Natur- und Halbkulturvölkern einige besondere handelsrechtliche Institute auf (z. B. Makler, Kommissionäre, die gleichzeitig als Dolmetscher dienen).

Gekennzeichnet ist das gesamte Wirtschaftsleben und damit auch Handel und Gewerbe durch S k l a v e n w i r t s c h a f t (Unfreie und Freigelassene). II. G e r m a n i s c h e U r z e i t u n d f r ä n k i s c h e Z e i t . Es ist die Zeit völliger oder doch überwiegender N a t u r a l w i r t schaft. Die G e r m a n e n waren Bauern und Krieger. Der Handel (Umsatz) spielte nur als Tauschhandel eine bescheidene Rolle. Bearbeitung und Verarbeitung wurde in den Hausgemeinschaften selbst vorgenommen (sog. Hausgewerbe), waren aber, wie die Gräberfunde zeigen, bereits durch eine eigene Kunstfertigkeit ausgezeichnet. Besondere Rechtssätze für Handel und Gewerbe waren daher entbehrlich. In der f r ä n k i s c h e n Zeit war ein lebhafter Handel vorhanden, aber meistens wurde er von Volksfremden (Juden, Syrern) betrieben. Sie wurden in den Königsschutz aufgenommen und erhielten wichtige Privilegien, auch für Geldgeschäfte. Noch immer überwog weitgehend die Naturalwirtschaft. Das allgemeine Privatrecht reichte aus. Jedoch enthalten die Verordnungen der fränkischen Könige (Kapitularien) wichtige marktpolizeiliche Vorschriften. H. P l a n i t z , Handelsverkehr und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich (in der Festschrift für E. Heymann I S. 175 ff.) 1940.

III. D a s M i t t e l a l t e r (bis zum 15./16. Jahrhundert). Erst im Mittelalter erwuchs allmählich seit dem Emporblühen der S t ä d t e ein besonderes Handelsrecht. Zuerst in I t a l i e n und den romanischen Ländern, später auch in D e u t s c h l a n d . In I t a l i e n waren bereits seit dem 9. Jahrhundert die Städte zu neuem Aufschwung gelangt. Das sich entwickelnde Handelsrecht beeinflußte die romanischen Länder des Mittelmeers (Spanien, Frankreich). In D e u t s c h l a n d beginnt auf der Grundlage der Städtegründungen langsam seit dem 13. Jahrhundert die Geldwirtschaft neben die Naturalwirtschaft zu treten. Es entwickeln sich in den Städten, die zu ständigen Märkten geworden waren, ein reicher deutscher Handel und deutscher Handwerksbetrieb. Die Juden, welche bisher den Großhandel beherrschten, wurden auf den Geldverkehr beschränkt. Deutscher Handel dehnte sich weitgehend ins Ausland aus und erlangte durch die Deutsche Hanse eine Zeitlang die Führung in Europa. Seit dem 15. Jahrhundert betreiben deutsche Kaufleute auch das Bankgewerbe,

§ 2. III. Das Mittelalter

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Allgemein: A. S c h u l t e , Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs I. Bd. 1900. In die weitreichenden deutsch-europäischen Handelsbeziehungen (insbesondere auch der oberdeutschen Kaufleute) gibt einen guten Einblick F. H ö r i g , Das Einkaufsbüchlein der Nürnberg-Lübecker Mulich's auf der Frankfurter Fastenmesse des Jahres 1495 (Veröffentl. der Schlesw.-Holst. Univers.Ges. 36); eine Ergänzung dazu bietet E. N o r d m a n n , Nürnberger Großhändler im spätmittelalterlichen Lübeck (Nürnberger Beiträge, Heft 37/38) 1933. In anderen germanischen Ländern (Niederlande, Nordfrankreich, England, Skandinavien) entsteht gleichfalls in den Städten ein besonderes Handels- und Gewerberecht.

1. G r ü n d e für die Entwicklung des Sonderrechts. a) Das b ü r g e r l i c h e Recht erwies sich für den Handel als u n z u r e i c h e n d . Dieses gilt für das römische, das germanische, das kanonische Recht. Das römische Recht, das in den romanischen Ländern galt, war nicht mehr das klassische, sondern das spätrömische, das eine dem Handel ungünstige Richtung eingeschlagen hatte. Das germanische Recht aber, das sowohl für die germanischen Länder wie die romanischen (in Italien das langobardische, in Spanien das westgotische, in Südfrankreich das westgotische und burgundische Recht) in Betracht kam, beruhte auf der Naturalwirtschaft und einem strengen Formalismus. — Das kanonische Recht schließlich war teilweise geradezu handelsfeindlich (die reine Spekulationstätigkeit ist sündhaft; das Zinsennehmen ist verboten).

b) In den S t ä d t e n erwuchs ein kraftvoller K a u f m a n n s s t a n d . Durch seine genossenschaftlichen Organisationen, die K a u f m a n n s g i l d e n , sowie durch ihren Einfluß auf das Stadtregiment vermochten sie ein eigenes, für ihn passendes Handelsrecht durchzusetzen. Unter den Kaufleuten nahmen die Großhändler die beherrschende Stellung ein, die Kleinhändler (Krämer) wurden vielfach zu den Handwerkern gerechnet. An der politischen Führung sind seit dem 14. Jahrhundert auch die Handwerker ( Z ü n f t e ) beteiligt. 2. I n h a l t . Seinem Inhalt nach gehört das Sonderrecht dem Privatrecht, dem Verwaltungsrecht, dem Strafrecht und dem Prozeßrecht an. Besonders geregelt war der Marktverkehr, denn die Städte, waren ja zu ständigen Märkten geworden. Allgemeine Grundlage ist die g e b u n d e n e g e n o s s e n s c h a f t l i c h e W i r t s c h a f t s o r d n u n g : Nur der der Genossenschaft Angehörige hat das Recht des Handels- oder Gewerbebetriebes ( G i l d e z w a n g , Z u n f t z w a n g ) , er ist in seiner gesamten Tätigkeit den Anordnungen und der Aufsicht der Gemeinschaft unterworfen. Allein der Gilde- und Zunftzwang beruhten nur auf dem Gedanken berufsständischer Erfassung und Ordnung zum gemeinen Nutzen. Sie sind nicht abgestellt auf eine andere ausschließende, eigennnützige Berechtigung. Das Recht auf den Gewerbebetrieb war ein ö f f e n t l i c h e s A m t . Im allgemeinen vergleiche die Schilderungen von O. v. G i e r k e , Das deutsche Genossenschaftsrecht I (1868) §§ 33 ff., die in Einzelheiten ergänzt worden sind, aber im ganzen unübertroffen dastehen.

3. C h a r a k t e r . a) Die Hauptmasse des neuen Sonderrechts war G e w o h n h e i t s r e c h t , vor allem auf dem Gebiet des Privatrechts. Mancherlei Normen

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? 2. Geschichte des Handelsrechts

wurden aber in den Satzungen der Kaufmannnsgilden (statuta mercatorum) oder in den Stadtrechten sowie in den Willküren der Kaufmannsvereine im Auslande festgelegt. Privataufzeichnungen (Rechtsbücher) betreffen vornehmlich das Seerecht. Unserer Erkenntnis des Gewohnheitsrechts dienen auch Notariatsurkunden (romanische Linder), Stadtbucheintragungen (Deutschland), Handelsbacher von Kaufleuten.

b) Die neuen Sonderrechte waren S t a n d e s r e c h t e , das Handelsrecht war Standesrecht der Kaufleute. Grundsätzlich kam es nur unter den Standesangehörigen zur Anwendung. Durch die Handelsgerichtsbarkeit streckt.

wurde es aber auch auf fremde Kaufleute er-

c) Das Handelsrecht war im wesentlichen l o k a l e s Recht. Es war Gilderecht (Innungsrecht, Zunftrecht), Stadtrecht. Doch zeigen diese Einzelrechte in den romanischen Gebieten einerseits, in den germanischen Gebieten andererseits eine weitgehende t a t s ä c h l i c h e Ubereinstimmung. Ja, es gibt auch, namentlich auf dem Gebiet des Handelsrechts, manche Gesamtübereinstimmung. Mitgewirkt haben dabei die M e s s e n , d. h. die auf kirchliche Festtage gelegten großen Märkte, die von den Kaisern und Landesherren mit mannigfachen Privilegien ausgestattet wurden, und auf denen sich ein internationaler Waren- und Wechselverkehr abspielte. Bis in das 14. Jahrhundert nahmen die Messen in der Champagne die erste Stelle ein, später kamen andere Meßplätze, auch deutsche, auf. Der Name „Messe" rührt von dem kirchlichen Hin- und Ausläuten her. — In den romanischen Gebieten zeigt sich germanischer ElnOuS namentlich im Gesellschaftsrecht. — Uber das eigenartige Handelsrecht der Kreuzfahrer in Jerusalem, Armenien und Griechenland (Assisenrecht) vgl. H. M i t t e l s , Beiträge z. Wirtschaftsrecht (Heymann'sche Abh. Nr. 62, 1931, I, S. 229 ff.).

Eine Art g e m e i n s a m e s d e u t s c h e s H a n d e l s r e c h t schuf für ihren Bereich die d e u t s c h e H a n s e . Dieser große Handelsverein norddeutscher Städte hatte sich auf den deutschen Kaufmannsvereinen im Auslande, die insbesondere zu Nowgorod (Rußland), Brügge und London ihren Mittelpunkt hatten, aufgebaut. Vgl. J. v. G 1 e r k e , Die deutsche Hanse 1918. Das hansische Handelsrecht weist manche Besonderheit auf und ist zum Teil niedergelegt in „Ordinanzien", die in die Hanserezesse .aufgenommen wurden. Vgl. H. P l a n i t z in den Hansischen GeschichtsblSttern 3, 1 ff.

IV. Das 16./17. und 18. J a h r h u n d e r t . Die Zeit ist gekennzeichnet durch die immer mehr vordringende S t a a t s w i r t s c h a f t und die s t a a t l i c h e n G e s e t z e f ü r d a s Handelsrecht. I. Die S t a a t s w i r t s c h a f t tritt an die Stelle der selbstherrlichen, mittelalterlichen Genossenschaften. Diese sind teils entwertet, teils in engherzigen Kleinigkeiten befangen. Der Polizeistaat verwandelt sie in von ihm abhängige Anstalten und stempelt den Gewerbebetrieb zu einem von ihm verliehenen Privileg. Hinzu kommen die Privilegierungen außerhalb der Verbände und der eigenstaatliche Monopolbetrieb nebst einer staatlichen Fürsorge für alle Handelsinteressen (Bankverkehr, Schiffahrtsverkehr, Versicherungsverkehr usw.).

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§ 2. IV. Das 16.,'17. und 18. Jahrhundert

Es darf aber nicht übersehen werden, daB es den großen Kaufmannsgilden und den letzten Wirksamkeiten der Hanse zu danken ist, daB in Deutschland sich das Handelsrecht auf d e u t s c h r e c h t l i c h e r Grundlage in grofiem Umfange gegenüber dem römischen Recht behaupten konnte.

2, D i e s t a a t l i c h e n G e s e t z e f ü r d e n H a n d e l . Die Folge war, daß an Stelle des Gewohnheitsrechts und der begrenzten lokalen Regelung eine M a s s e s t a a t l i c h e r G e s e t z e für den Handel treten. Aber der Umfang erschöpfte sich nicht in Gildeordnungen und staatlichen Privilegien, sondern ging weit darüber hinaus. a) Die erste u m f a s s e n d e gesetzliche Regelung des H a n d e l s r e c h t s i m w e i t e r e n S i n n erfolgte in F r a n k r e i c h unter Ludwig XIV. Im Jahre 1673 ergeht die Ordonnance sur le commerce, welche sich mit den wichtigsten Rechtsnormen für den Kaufmann, sowohl privatrechtlichen, wie öffentlichrechtlichen Inhalts, befaßte. Von besonderem Interesse ist, daß sie nicht einseitig auf Großkaufleute abgestellt war, sondern auch Kleinkaufleute berücksichtigte. Dem Umsatzkaufmann wurde der Bankier gleichgestellt, Buchführungspflicht, Wechselrecht, Konkurs, Handelsgerichtsbarkeit werden ausführlich behandelt, auch dem Recht der Gesellschaft, der Bankagenten und Makler besondere Abschnitte gewidmet. — Eine Ergänzung erfuhr die Ordonnance im Jahre 1681 durch die Ordonnance de la marine, welche unter dem Einfluß Colberts erlassen wurde und privates und öffentliches Seerecht enthielt. b) In D e u t s c h l a n d kamen zunächst nur einzelne Sondergesetze über verschiedene Gegenstände des Handelsrechts in Betracht, welche z. B. das Makler-, das Firmen-, Wechsel-, Versicherungs-, Schiffahrtsrecht betreffen. Einzig in seiner Art dastehend ist die Regelung des g e s a m t e n H a n d e l s - u n d G e w e r b e r e c h t s in dem A l l g e m e i n e n L a n d r e c h t f ü r d i e p r e u ß i s c h e n S t a a t e n vom 5. Februar 1794. Es normiert sie unter dem Gesichtspunkt des S t ä n d e r e c h t s und daher gemäß seinem System im II. Teil beim Bürgerstande (Titel 8). Das Kaufmannsrecht hat einen starken d e u t s c h r e c h t l i c h e n Einschlag. Es behandelt zunächst die Rechtsstellung der Handwerker, der Künstler und Fabrikanten, der Brauer, Gastwirte und Apotheker. Es geht dann auf die Kaufleute über und schließt an sie das Wechselrecht, das Seerecht und das Versicherungsrecht an. Jeder Gewerbebetrieb bedarf o b r i g k e i t l i c h e r E r l a u b n i s . Die Zünfte und Kaufmannsgilden wurden als Staatsanstalten geregelt. Von besonderem Interesse ist die Abgrenzung des Kaufmannsbegriffes. Die Kaufmannseigenschaft ist zunächst sehr eng festgelegt, Kaufmann ist derjenige, der den Handel mit Waren und Wechseln als sein Hauptgeschäft treibt (§ 475). Es wird ihm aber gleichgestellt der Unternehmer einer Fabrik, welcher mit denjenigen, die für ihn arbeiten (Fabrikanten), außerhalb der Zünfte steht, sowie der Schiffsreeder gleichgestellt (§§ 483, 484). Eine Fabrik ist eine Anstalt, in welcher die- Verarbeitung gewisser Naturerzeugnisse im großen betrieben wird. (§ 407).

oder

Verfeinerung

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f 2. Geschichte des Handelsrechts

Der Umsatzhandwerker untersteht nicht dem Kaufmannsrecht, ebensowenig der Krämer des platten Landes, der Hausierer, der Trödler, der Viehhändler. Die Apotheker haben eine eigene Standesordnung. Die besonderen Vorschriften für Kaufleute betreffen die Handelsfrau, den Handlungsvorstand (Prokura), die Handlungsdiener und Handlungslehrlinge, die kaufmännische Buchführung, die Handelsgesellschaft unter gemeinschaftlicher Firma, besondere Zins- und Provisionsregeln und Auskunftshaftungen. Grundsätzlich ist nur der Kaufmann wechselfähig. Das ALR. beruht meistens auf der früheren brandenburgisch-preufiischen Gesetzgebung. Doch waren auch eingehende Äußerungen hanseatischer Sachverständiger unter Führung von Johann Georg B ü s c h von Einfluß. Vgl. E. H e y m a n n , Das Friederizianische Kandelsrecht (Sitzungsberichte d. pr. Ak. d. Wiss., Phil-hist. Klasse 1929 I). — Rühmenswert ist die leicht faßliche Ausdrucksweise des Gesetzes.

c) Auch in dieser Zeitepoche haben sich die Handelsrechte der einzelnen Länder b e r ü h r t und g e g e n s e i t i g b e f r u c h t e t . Groß war bis in das 17. Jahrhundert hinein der Einfluß des i t a l i e n i s c h e n Handelsrechts, auch in Deutschland (einzelne italienische Institute, die namentlich das Bank-, Kredit*, Versicherungswesen betrafen, wurden aufgenommen). Seit dem Aufschwung des niederländischen Handels zum Welthandel (vollendet im 17. Jahrhundert; Untergang der deutschen Hanse) dringt n i e d e r l ä n d i s c h e s Handelsrecht namentlich in die germanischen Länder ein, während seit der ordonnance du commerce f r a n z ö s l c h e s Handelsrecht die romanischen Länder beeinflußt. Auch bildeten sich auf den großen Messen und sonstigen Zusammenkünften internationale Handelsgebräuche heraus.

V. D a s 19. J a h r h u n d e r t u n d d e r A n f a n g d e s 20. J a h r hunderts. Es ist zunächst die Zeit der auf der Gewerbefreiheit aufbauenden m o d e r n e n H a n d e l s g e s e t z b ü c h e r , später die Zeit des B e g i n n s eines auf internationalen Verträgen beruhenden Welthandelsrechts. Außerdem setzt eine starke Entwicklung des l e b e n d e n R e c h t s ein, das in den Geschäftsgebräuchen, den Geschäftsbedingungen und Geschäftsformularen Niederschlag fand. In D e u t s c h l a n d ist es außerdem die Zeit der n a t i o n a l e n V e r e i n h e i t l i c h u n g des Handelsrechts und Gewerberechts. Auch gelangte die H a n d e l s r e c h t s w i s s e n s c h a f t zu hoher Blüte. Den Auftakt bildete die Verkündung der G e w e r b e f r e i h e i t in der französischen Revolution (1791). In Deutschland ergingen die entsprechenden Gewerbeordnungen im 19. Jahrhundert, abschließend mit der R e i c h s g e w e r b e o r d n u n g v. 21.Juni 1869. Von den Nebengesetzen der Gewerbeordnung interessieren das Handelsrecht, besonders die Landesgesetze über Handels- und Gewerbekammern, Handelskammern, Korporationen der Kaufmannschaft.

In bezug auf die H a n d e l s g e s e t z b ü c h e r unterscheiden wir F r a n k r e i c h und D e u t s c h l a n d , da sich hiernach die Handelsgesetzbücher der meisten anderen Länder gruppieren. 1. F r a n k r e i c h . Der C o d e d e c o m m e r c e vom 15. September 1807 behandelt das Handelsrecht nicht mehr als Standesrecht, sondern als sachliches Sonder-

§ 2. V. Das 19. Jahrhundert und der Anfang des 20. Jahrhunderts

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recht des Handels ( o b j e k t i v e s S y s t e m ) . Digs geht auf den Einfluß der französischen Revolution zurück, welche die mittelalterlichen Stände vernichten wollte. Infolgedessen wird das Handelsrecht objektiv abgestellt auf eine Reihe besonders aufgezählter Rechtsgeschäfte (Art. 631 ff. „actes de commerce" „Handelsgeschäfte"). Sie bildeten in ausschließlicher Weise die Grundlage des Handelsrechts und insbesondere der Handelsgerichtsbarkeit. Daneben wurde auch der Kaufmann als derjenige, welcher sie gewerbsmäßig betreibt (Art. 1), zum Träger einiger Rechte und Pflichten (z. B. Buchführungspflicht) gestempelt. Inhaltlich beruht der Code de commerce zu einem großen Teil auf den alten Ordonnanzen von 1673 und 1681 (oben IV 2 a). Er zerfällt In vier Bücher (I. Buch: Handels- und Wechselrecht, II. Buch: Seehandel, III. Buch: Konkurs, IV. Buch: Handelsgerichtsbarkelt).

Seine Sätze sind knapp und klar gefaßt, gerade hierdurch ist sein Inhalt freilich außerordentlich dürftig. Besonders gering sind die privatrechtlichen Rechtssätze. Hier haben erst die französische Wissenschaft und Rechtsprechung für den erforderlichen Ausbau gesorgt. Bemerkenswert ist, daß als Kaufmann behandelt wird der Fabrikant und der Umsatzhandwerker. Es werden ferner zahlreiche Hilfsgewerbe des Umsatzes hereingezogen. Dagegen ist der Lohnhandyrerker, der Kleinhändler, der Trödler und Hausierer nicht Kaufmann. Wichtig ist, daß das Gesetz die erste gesetzliche Regelung des Aktienrechts enthält, allerdings nur in 13 Artikeln. Der Code erlangte eine w e i t e Verbreitung außerhalb Frankreichs. In vielen Ländern zunächst infolge der Eroberungen Napoleons. In größerem Umfang fand er eine friedliche Verbreitung, indem zahlreiche Staaten ihn ihrer Handelsgesetzgebung zugrunde legten (siehe unten § 5 B II 2 S. 30 f.). In Deutschland blieb der Code nach den Freiheitskriegen in den Ländern des französischen Rechts in Kraft, in Baden wurde er mit dem badischen Landrecht In einer Übersetzung als „Anhang von den Handelsgesetzen" eingeführt (seit 1. Januar 1810).

2. D e u t s c h l a n d . a) I n D e u t s c h l a n d w u r d e d e r p a r t i k u l ä r e n Z e r r i s s e n heit d u r c h die S c h a f f u n g des A l l g e m e i n e n D e u t s c h e n H a n d e l s g e s e t z b u c h s (ADHGB.) e i n E n d e b e r e i t e t . Die erste Anregung gab Württemberg auf der Zollvereinskonferenz 1836. Sie und andere spätere Versuche scheiterten. Nur die allgemeine deutsche Wechselordnung kam im Jahre 1848 zustande. Erfolg war erst beschieden, als im Jahre 1856 der Bundestag auf Antrag Bayerns die Einsetzung einer Kommission zwecks Entwurfs eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für die deutschen Bundesstaaten beschloß. Die Kommission, welche aus Juristen und Kaufleuten bestand, tagte in N ü r n b e r g (1857—1861, nur die Beratung des Seerechts erfolgte in Hamburg). Zugrunde gelegt wurde namentlich ein preußischer Entwurf. Der Entwurf der Kommission wurde 1860 veröffentlicht, kritisiert und im Jahre 1861 endgültig abgeschlossen. Der

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$ 2. Geschichte des Handelsrechts

Bundestag, der bekanntlich selbst keine gesetzgebende Gewalt hatte, empfahl den E i n z e l s t a a t e n die Einführung ( B e s c h l u ß vom 31. M a i 1861). Die allermeisten Einzelstaaten sind dem in den Jahren 1861—1867 durch Einführungsgesetze nachgekommen. — Dieses „allgemeine" deutsche Handelsgesetzbuch wurde 1869 zum Gesetz des Norddeutschen Bundes und später zum R e i c h s g e s e t z erhoben. Hiermit wurde es „gemeines" Reichsrecht und war der Abänderung durch die Einzelstaaten grundsätzlich entzogen („ergänzende" Landesgesetze waren zugelassen). Das ADHGB. zerfällt in einleitende „Allgemeine Bestimmungen" (Art. 1—3) und 5 Bücher (I.Buch: „Vom Handelsstande" i II. Buch: „Von den Handelsgesellschaften"; III. Buch: „Von der stillen Gesellschaft und von der Vereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften für gemeinschaftliche Rechnung"; IV. Buch: „Von den Handelsgeschäften": V. Buch: „Vom Seehandel").

Das Gesetzbuch beruht auf einem sog. gemischten System. Es geht von dem Begriff des Kaufmanns aus (Art. 4) und normiert ein besonderes Recht für ihn und seine Tätigkeit (subjektives System). Allein es verbindet damit auch das französische, objektive System: Es kennt bestimmte Rechtsgeschäfte, auf welche das Handelsrecht Anwendung findet, selbst wenn nur Nichtkaufleute beteiligt sind (Art. 271, sog. absolute oder objektive Handelsgeschäfte; z. B. die Anschaffung von Waren in Spekulationsabsicht). Auch sonst zieht es den Nichtkaufmann in seinen Bereich und stellt allgemeine Rechtssätze auf (vgl. Art. 307). So schuf es nicht allein ein vortreffliches Kaufmannsrecht, sondern wies auch in ausgezeichneter Weise dem allgemeinen Verkehrsrecht die Wege. Dabei ist es stark deutschrechtlich ausgestaltet, und eine klare, verständliche Sprache ist ihm eigen. Seine umfangreiche Einstellung auf das Privatrecht stempelt es zu dem ersten großen Gesetzbuch der Welt über das Handelsprivatrecht. Die Abgrenzung des Kaufmanns im Rechtssinne entspricht im wesentlichen dem Code de commerce. Insbesondere werden also Fabrikanten und die Inhaber von Hilfsgewerben hereingezogen, ebenso der Umsatzhandwerker. Im Gegensatz zum -Code kennt es aber die Unterscheidung von Vollkaufleuten und Minderkaufleuten und rechnet zu letzteren stets den Handwerker. Eine mustergültige Anwendung wurde dem Gesetz durch die Praxis des ( B u n d e s - ) R e i c h s - O b e r h a n d e l s g e r i c h t s zu Leipzig (Bundesgesetz vom 12. Juni 1869), an dessen Stelle seit dem 1. Oktober 1879 das R e i c h s g e r i c h t getreten ist, zuteil. Auf der Grundlage des Handelsgesetzbuches, aber in vielfach erweiterter Ausprägung wurde dann der p r o z e s s u a l e Begriff der H a n d e l s s a c h e n durch das Gerichtsverfassungsgesetz v. 21. Januar 1877 geprägt, für welche die Kammern für Handelssachen zust&ndlg sind (§ 95). VgL oben S. 3. Das ADHGB. ist in späterer Zeit durch einige Reicbsgesetze abgeändert worden (z. B. im Recht der Aktiengesellschaften). Es ergingen ferner zahlreiche Reichsgesetze, welche besondere handelsrechtliche Materien regelten — sog. handelsrechtliche N e b e n g e s e t z e (z. B. Bankgesetz vom 14. März 1875. mit späteren Abänderungen, Ges. betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. Mal 1889, betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20. April 1892, Börsenaesetz vom 22. Juni 1896).

$ 2. V. Das 19. Jahrhundert und der Anfang des 20. Jahrhunderts

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Das so geschaffene deutsche Handelsrecht diente verschiedenen ausländischen Handelsgesetzgebungen als Grundlage (siehe unten S. 28 f.). b) Die Herstellung des Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich machte eine R e v i s i o n d e s A D H G B . notwendig. Der Plan, den gesamten Handelsrechtsstoff unter Einschluß der besonderen Gesetze zu einem großen Gesetzbuch zusammenzufassen, scheiterte vornehmlich an einer durch die Arbeiten an dem BGB. hervorgerufenen Müdigkeit des Gesetzgebers. Andererseits wurde der vereinzelt, insbesondere von H e i n r i c h Dernburg, geäuSerte Wunsch, das Handelsrecht in dem BGB. aufgehen zu lassen, mit Recht zurückgewiesen, (das Handelsgesetzbuch hatte sich vortrefflich bewährt, der Kaufmannsstand hatte sich an es gewöhnt, der Zusammenhang mit dem ausländischen Handelsrecht blieb durch ein Spezialgesetz besser gewahrt).

Ein im Reichsjustizamt ausgearbeiteter Entwurf wurde 1895 von einer Kommission durchberaten und wurde mit geringen Änderungen Gesetz: H a n d e l s g e s e t z b u c h f ü r d a s D e u t s c h e R e i c h vom 10. Mai 1897 (HGB.). Das HGB. zerfällt in 4 Bücher (I. Buch: „Handelsstand", II. Buch: „Handelsgesellschaften und stille Gesellschaft", III. Buch: „Handelsgeschäfte", IV. Buch: „Seehandel"), es zählt nach Paragraphen.

D i e A u f g a b e d e r R e v i s i o n bestand darin, das Handelsgesetzbuch mit dem BGB. in Einklang zu bringen und die der Neuzeit entsprechenden handelsrechtlichen Neuregelungen vorzunehmen. Ein Teil der Vorschriften des ADHGB. konnte einfach fortgelassen werden, da sie vom BGB. als allgemeines Verkehrsrecht aufgenommen waren (hierher gehören insbesondere Vorschriften über „Handelsgeschäfte" und Gesellschaften). In Zusammenhang hiermit steht es, daß das neue Handelsgesetzbuch — wenn von den Besonderheiten des Seerechts abgesehen wird — als ein S o n d e r r e c h t d e r K a u f l e u t e erscheint (Gegensatz zum ADHGB.): Zwar wird auch der Nichtkaufmann im geschäftlichen Verkehr mit dem Kaufmann vielfach in das Handelsrecht einbezogen, aber allgemeine verkehrsrechtliche Rechtssätze gibt es nicht mehr, und das Handelsrecht kommt nie zur Anwendung, wenn lediglich Nichtkaufleute beteiligt sind (Streichung der objektiven oder absoluten Handelsgeschäfte des ADHGB. — oben unter 2. — Sieg des „subjektiven" Prinzips). Charakteristisch für das HGB. ist ferner die dem Aufschwung von Handel und Industrie Rechnung tragende, erhebliche Erweiterung des Kreises der „Kaufleute". Dadurch, daß der Inhaber eines jeden Gewerbebetriebes, das eine kaufmännische Einrichtung erforderlich macht, zum Erwerb der Kaufmannseigenschaft verpflichtet wurde (§ 2 HGB.; abgesehen von der Land- und Forstwirtschaft und dem Großhandwerker). Vgl. oben S. 3 ff. Auf das HGB. folgten zahlreiche andere handelsrechtliche Reichsgesetze. wurde das Handelsrecht erneut schriftstellerisch bearbeitet.

Auch

D e r B e g i n n e i n e s W e l t h a n d e l s r e c h t s zeigte sich im E i s e n b a h n f r a c h t v e r k e h r (Internationales Obereinkommen vom 14. Oktober 1890 mit späteren Zusatzvereinbarungen) und teilweise im Seerecht.

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9 2. Geschichte de« Handelsrechts

VI. D i e Z e i t n a c h d e m W e l t k r i e g e b i s 1933. Während des Weltkrieges gingen Handel und Gewerbe ganz im Kriegsund Hilfsdienst auf. Beschlagnahmen, Zwangswirtschaft, Kriegsgesellschaften waren die maßgebenden Faktoren, die Börsen waren geschlossen. In der Zeit nach dem Weltkriege können wir in Deutschland drei Abschnitte bis zum Jahre 1933 unterscheiden. 1. D i e Z e i t d e r I n f l a t i o n u n d M i ß w i r t s c h a f t — b i s 1924. Handel, Wandel und Gewerbe waren völlig zerrüttet. In den weitesten Kreisen war die Moral aufs tiefste gesunken. Eine Geldentwertung von einem Umfange, wie ihn niemand für denkbar gehalten hatte, untergrub das Wirtschaftsleben. Kleine Kinder in der Volksschule rechneten mit Billionen, Erwachsene frönten in überfüllten Bankräumen täglichen Börsenspekulationen und suchten nach Börsentips, um ihr klägliches Dasein zu fristen. Der Gesetzgeber wollte durch zahlreiche Beschränkungen im Waren-, Devisen- und Bankverkehr helfen. Daneben suchte man das sozialistische Programm durch Sozialisierungsgesetze und arbeitsrechtliche Gesetze zu verwirklichen. Hervorzuheben sind die Zwangssyndikate für Kohle und Kali, die Kartellverordnung, die soziale Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, die genossenschaftliche Struktur der Arbeitserfassung und die Arbeitsgerichte. 2. D i e Z e i t d e r A b w e r t u n g — bis 1929. Der volle Ruin wurde aufgehalten durch die G o l d b i l a n z v e r o r d n u n g v o m 28. D e z e m b e r 1923. Sie nötigte den Kaufmann und in besonderer Ausgestaltung namentlich die Aktiengesellschaften zur Aufgabe der sinnlosen Papiermarkrechnung und Umstellung ihrer Betriebe auf Goldmark und Reichsmark. Leider war die Regelung sehr verwickelt, und die Ubersicht wurde durch die sieben Durchführungsverordnungen erschwert. Hieran schlössen sich ein neues Münzgesetz, neue Regelungen der Reichsbank und Reichsbahn. Hinzu kam dann die sog. Aufwertungsgesetzgebung, die man besser als eine Abwertungsgesetzgebung bezeichnet, und die namentlich in bezug auf Staats- und Gemeindeanleihen, aber auch in bezug auf Sparkassenbücher und Lebensversicherungen zu einer schweren Schädigung deutschen Rechtsbewußtseins führte. Vielfach hoffte man das Schwerste überwunden zu haben und schritt zu einer Aufhebung der Beschränkungen des Waren-, Devisen- und Bankverkehrs. Nur langsam setzten wieder i n t e r n a t i o n a l e Verständigungen ein, sie äußerten sich auf den Gebieten des Seerechts, des Warenzeichenrechts, des Eisenbahnverkehrs, des Wechsel- und Scheckrechts, des Kaufrechts. — Bedeutungsvoll war die Gründung des Internationalen Instituts für die Vereinheitlichung des Privatrechts in Rom und die Tätigkeit der schon 1920 gegründeten Internationalen Handelskammer In Paris. Vgl. unten § 5.

3. D i e Z e i t e r n e u t e r N o t . Ein Rückschlag trat ein infolge des Young-Plans und der sich an ihn anschließenden Haager Abkommen von 1929—1930. Die Regelung der Reparationen, die Deutschland aufgenötigt

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§ 2. VII. Entwicklung seit 1933

wurden, führte infolge der weltwirtschaftlichen Beziehungen in den meisten Ländern zu einer Erschütterung der Wirtschaft. In D e u t s c h l a n d begann eine neue Notzeit, die durch eine Fülle von N o t v e r o r d n u n g e n gekennzeichnet wird. Die Parole ist Sicherung der Wirtschaft und Finanzen. Die Verordnungen befassen sich mit einer Überwachung der Preise, der Devisenwirtschaft, der Aufsicht über Bank- und Sparkassenwesen, der Zinssenkung, dem Aktienrecht, dem Beförderungs- und Lagerhaltergewerbe. Eine genaue Ubersicht habe ich in der vorigen (4.) Auilage des Lehrbuches S. 15 und 16 gegeben. — Auf verschiedenen VO. hat man später weiter aufgebaut.

In allen drei Zeitabschnitten entwickelte sich das „lebende Recht" weiter (vgl. oben S. 4 ff.). VII. D i e E n t w i c k l u n g s e i t 1933 b i s z u m Z u s a m m e n b r u c h 1945. 1. Als der Nationalsozialismus zur Macht gelangt war, wurde die staatliche Wirtschaftsführung immer schärfer gehandhabt und fand ihre höchste Steigerung im Vierjahresplan. In der Gesetzgebung und bei den einzelnen Vorschriften, welche das Handelsrecht betreffen, muß man z w e i S c h i c h t e n scharf unterscheiden. a) Bei der e i n e n Schicht handelt es sich um die Auswirkung der dem Nationalsozialismus eigentümlichen Grundprinzip i e n . Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem F ü h r e r p r i n z i p und dem R a s s e p r i n z i p . Es ist hier nicht zu schildern, wie durch sie unter Vernichtung des Rechtsstaates und der Menschenwürde, unter Aufrichtung einer verbrecherischen Diktatur und einer skrupellos gehorchenden Gefolgschaft der deutsche Staat zerbrochen und das deutsche Volk dem Verderben preisgegeben wurde. Es ist aber darauf hinzuweisen, wie verhängnisvoll sich das Führerprinzip und das Rasseprinzip auf dem Gebiet des Handelsrechts ausgewirkt haben. Das F ü h r e r p r i n z i p führte, indem es sich auch nach unten in einer abgeleiteten, in Wirklichkeit freilich meistens unselbständigen Art fortsetzte, zu einer vollen Vernichtung genossenschaftlicher Freiheit in Handel und Wandel, im Vereinswesen, in öffentlichen und privaten Verbänden, Gesellschaften, Betriebsgemeinschaften, Kollegien, und es wurde jeder Funke von Gewerbefreiheit erstickt. Das R a s s e p r i n z i p aber, von dem nach anfänglichen Zusicherungen in der Wirtschaft abgesehen werden sollte, wurde in unmenschlicher Art gegen Gewerbetreibende und hochangesehene Firmeninhaber angewendet unter verbrecherischem Zugriff auf ihr Leb'en, ihre Freiheit, ihr Vermögen. b) Bei der a n d e r e n Schicht handelt es sich um Gesetze oder Vorschriften, die sich als Fortführung von älteren, dem Nationalsozialismus nicht speziell eigentümlichen Ansichten oder Reformanläufen darstellen oder in internationalen Abkommen wurzeln. Sie stellen sich vielfach als eine erfreuliche Bereicherung des Handelsrechts im weiteren Sinn dar. Und Gierte,

Handels- und Schiffahrtsrecht

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§ 2. Geschichte des Handelsrechts

es ergibt sich, daß sie mit den Vorschriften der ersten Schicht nicht zusammengeworfen werden dürfen. 2. Ein Ü b e r b l i c k über die Fülle der Gesetze läßt sich durch folgende Gruppierung gewinnen. Eine Übersicht aus der ersten Zeit habe ich im ZHR. 103 S. 66 ff. gegeben. Siehe auch ZHR. 107 S. 243 ff. a) W i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e Gesetze. Hierher gehört die Masse der Gesetze und Verordnungen, welche sich mit dem s t ä n d i s c h e n A u f b a u d e r W i r t s c h a f t befassen. Wenn hier auch manches zweckentsprechend war, z. B. die Verbindung von Landhandel und Landwirtschaft, so litt doch das Ganze an einer verwirrenden Überorganisation und den Auswüchsen des Führerprinzips. Es reihen sich hier an die Markt- und Preisregelung, die Gesetze über die Kartelle, die Reichsbank, die Reichsbahn, die Börse, das Kreditwesen. b) A r b e i t s r e c h t l i c h e Gesetze. Grundlage bildete das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit v. 29. Januar 1934 mit seinen vielfachen Ergänzungsverordnungen. Man legte zwar richtig die Betriebsgemeinschaft zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer zugrunde — allerdings nicht infolge eigener Entdeckung —, verhinderte jedoch ihre lebensvolle Auswirkung durch Zerschlagung und völlige Mißachtung genossenschaftlicher Betätigungen. c) G e s e l l s c h a f t s r e c h t . Abgesehen von dem allgemeinen wirtschaftspolitischen Zwang und der polizeilichen Einschnürung ist hervorzuheben: Unter dem Schlagwort des Kampfes gegen die „Anonymität" wurde gegen die Kapitalgesellschaften vorgegangen (Umwandlungsgesetz vom 5. Juli 1934). — Die Erkenntnis ihrer Gefahren war freilich auch nicht eine Entdeckung des Nationalsozialismus. Es wurde ferner im Anschluß an umfangreiche, frühere Vorarbeiten das Aktiengesetz vom 30. Januar 1937 erlassen, das vielfach zweckentsprechend war, es aber nicht lassen konnte, die Stellung der Generalversammlung durch das Führerprinzip zu verpanschen. Auch die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften wurden zutreffenden Änderungen unterzogen, aber der Haß gegen die Konsumvereine und ihre reichen Vermögensbestände führten in fehlsamer Weise zu ihrer Vernichtung. Die seit Jahrzehnten gewünschte Reform der G.m.b.H. kam über unfruchtbares Geplänkel nicht hinaus. d) W e l t h a n d e l s r e c h t . In Ausführung des internationalen Konossementsabkommens von 1924 wurde das S e e f r a c h t g e s c h ä f t des HGB. durch Gesetz vom 10. August 1937 erheblich geändert. — Auf Grund der Genfer Abkommen von 1931 wurde das neue Wechselgesetz v. 21. Juni 1933 und das neue Scheckgesetz vom 14. August 1934 in Kraft gesetzt. — In dem neuen Warenzeichengesetz vom 5. Mai 1936 wurde eine erhebliche internationale Angleichung vor3 genommen.

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§ 2. VIII. Die Zeit nach dem Zusammenbruch 1945

e) Das Aktiengesetz und das deutsche HGB. wurden in Deutsch-Osterreich und dem Sudetenland eingeführt. VIII. D i e Z e i t n a c h d e m Z u s a m m e n b r u c h 1945: Durch allgemeine Anordnungen der alliierten Mächte sowie durch besondere Maßnahmen in den einzelnen Zonen sind grundsätzliche Wandlungen eingetreten. Die Entwicklung ist noch völlig in Fluß. Das Rasseprinzip mit allen seinen Auswirkungen ist beseitigt. Man sucht die Schäden, auch auf dem Gebiet des Handelsrechts (Firmenrechts), soweit dies möglich ist, wieder gut zu machen. Das Führerprinzip ist abgeschafft und hat als erledigt zu gelten. In bezug auf das Führerprinzip im weiteren Sinne bei der Aktiengesellschaft ist auf die Darstellung des Aktienrechts zu verweisen.

Der ständische Aufbau der Wirtschaft ist zusammengebrochen, die Industrie- und Handelskammern sind in ihrer genossenschaftlichen Gestalt wiederhergestellt. Besondere Aufsichtsbehörden, Wirtschaftsämter sind eingesetzt. Maßnahmen in bezug auf die Kartelle und gegen übermäßige Konzentrationen sind getroffen worden. In der Bizone ist ein „Wirtschaftsrat" mit gesetzgebender Gewalt geschaffen. Auf dem Gebiet des Arbeitsrechts sind die Gewerkschaften wiederhergestellt, das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit ist aufgehoben und eine Wiederbelebung genossenschaftlicher Betriebseinrichtungen ist im Gange (Betriebsrat). Die Konsumvereine sind zu neuem Leben wieder aufgeweckt worden. Für den Geld- und Bankverkehr ist auf die Vermögenssperren und die Devisenablieferungspflicht hinzuweisen. — In den Westzonen ist eine Währungsreform durchgeführt. Neue öffentliche Banken sind errichtet. Anhang.

U n t e r n e h m e n s r e c h t •— W i r t s c h a f t s r e c h t — V o r l e s u n g e n über Handelsrecht. I. U n t e r n e h m e n s r e c h t . Vor etwa 20 Jahren setzten Vorschläge ein, den Begriff des Kaufmanns ganz zu beseitigen und das Handelsrecht als ein „Recht des Handelsunternehmens" unter Beschränkung auf GroBunternehmungen auszugestalten. Später hat man sogar ein Gesetz für „Unternehmungen" überhaupt gefordert. S c h r e i b e r in den Veröff. Deutscher Handelsrechtslehrer 1929 S. 41 „Handelsunternehmen". S c h r e i b e r ist stark beeinflußt gewesen durch das italienische Schrifttum (L. M o s s a), vgl. Unten S. 31. H o h 1 f e 1 d, Gedanken zur Umgestaltung eines Unternehmensrechts 1931, R. M a i t a n i in HansRGZ. 1935, 357 ff. In Deutschland haben solche Vorschläge beim Gesetzgeber mit Recht keinen Anklang gefunden. Allerdings ist der Begriff des Handelsunternehmens, welcher der älteren Lehre ganz unbekannt war, auch für das Handelsrecht von besonderer Bedeutung, wenn er richtig ve(standen wird. (Vgl. oben S. 6 f. und meine Abhandlung in ZHR. 111 S. 1 ff.) Es empfiehlt sich aber, von der im Handelsunternehmen enthaltenen Betriebstätigkeit auszugehen und den so gewonnenen Begriff des Kaufmanns an die Spitze zu stellen. So wird das Handelsrecht lebensvoller. Ganz abzulehnen ist die Abstellung auf ein „Unternehmen" oder einen „Unternehmer". Diese weite Ausholung verflacht, und man würde dann doch immer wieder genötigt sein, die Besonderheiten für den „Handel" herauszustellen. Ebenso verfehlt ist auch eine Beschränkung auf GroBkaufleute. Denn die Minderkaufleute nehmen an einer groflen Anzahl handelsrechtlicher Normen teil und sind auch in die Industrie- und Handelskammern eingegliedert. II. W i r t s c h a f t s r e c h t . Schon seit längerer Zeit hatte man einq Zusammenfassung zu einem sog. W i r t 2'

$ 3. Quellen des heutigen deutschen Handelsrechts

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s c h a f t s r e c h t gefordert mit dem mehr oder weniger betonten Verlangen, das Handelsrecht in ihm aufgehen zu lassen. Dabei sind zunächst eine Unmasse verschiedener Ansichten über dessen Abgrenzungen hervorgetreten. Die weiteste Ausdehnung hatte der Begriff wohl durch die Heranziehung des Hypothekenrechts und des Landwirtschaftsrechts und den Wohnungsmieten erfahren. Eine — freilich sehr langweilig wirkende Zusammenstellung der verschiedenen Meinungen bis 1931 findet sich bei K 1 a u s i n g (Beiträge zum Wirtschaftsrecht I S. 1 ff.). Seit 1933 hat man gemeinwirtschaftliche Gedanken in den Vordergrund gerückt; H e d e m a n n hat es in seinem großen, anregenden Werk „Deutsches Wirtschaftsrecht" (1939) auf eine ,.wirtschaftliche Gesamtschau" abgestellt. Das Richtigste dürfte es sein, das Wirtschaftsrecht auf das Recht der Wirtschaftslenkung und der besonderen Organisationsformen zu beschränken (vgl. H. K r a u s e , Deutsche Rechtswissenschaft 1937 S. 28 ff., vieles dort Gesagte ist beute überholt). — Aber niemals darf sich das Wirtschäftsrecht anmaßen, das Handelsrecht zu verdrängen. Zur Zeit kann das Wichtigste überhaupt im Handelsrecht eingeflochten werden. III. V o r l e s u n g e n . Nachdem das Handelsrecht im 19. Jahrhundert in einer großen, einheitlichen Vorlesung vorgetragen worden war, wurden infolge des Anschwellens des Stoffes seit dem 20. Jahrhundert einzelne Gebiete, wie das Wechselrecht, das Versicherungsrecht, das Recht der Wertpapiere für Sondervorlesungen abgespalten. Im Jahre 1933 wurde den deutschen juristischen Fakultäten ein neuer Vorlesungsplan aufoktroyiert, wobei das Handelsrecht stark seiner Selbständigkeit beraubt wurde, Handel und Gewerbe (Inhalt: Buch I HGB. und sonstiger Gewerbebetrieb), Gesellschaften (alle Vereine und Gesellschaften im engeren Sinn des BGB., des HGB., der sonstigen Gesetze), Waren und Geld (Handelsgeschäft), Wertpapiere; das angebliche „Wirtschaftsrecht" sollte in der Vorlesung „Unternehmer" untergebracht werden. Der übereilt eingeführte Vorlesungsplan wies große Schwächen auf und konnte sich nicht bewähren. Begrüßenswert war die Vorlesung „Gesellschaften", doch zeigte sich, daß sie zu große Anforderungen an Lehrer und Schüler stellte. Verhängnisvoll war, daß die Eigenart der Handelsgeschäfte nicht zur richtigen Erscheinung kam, das Schiffahrtsrecht vernachlässigt und vom Versicherungsrecht überhaupt nicht die Rede war. Ganz verfehlt war der pennälerhafte Reihenfolgezwang der Vorlesungen — aber die Fakultäten und die akademische Jugend ließen alles über sich ergehen. Wir sind nun wieder zu einer einheitlichen Darstellung des Handelsrechts zurückgekehrt, der auch dieses Lehrbuch folgt. Für den Bereich der Vorlesungen hat ihre Vorzüge die Einteilung: Handelsrecht I; Kaufmann und Handelsunternehmen (Buch I u. III), Handelsrecht II: Gesellschaften des Handelsrechts, Handelsrecht III: Beförderungsgeschäft und Schiffahrtsrecht. Dazu müssen dann die beiden Sondervorlesungen: Recht der Wertpapiere, sowie Versicherungsrecht hinzukommen.

Quellen des heutigen deutschen Handelsrechts. Hauptquellen sind G e s e t z e und das G e w o h n h e i t s r e c h t . Keine Quellen sind die H a n d e l s s i t t e und s o n s t i g e V e r k e h r s s i t t e . Sie sollen aber im Anschluß an das Gewohnheitsrecht besprochen werden. I.

Gesetze.

1. R e i c h s g e s e t z e . a) in vorderster Linie stehen das H a n d e l s g e s e t z b u c h (HGB.) v. 10. Mai 1897 nebst E i n f ü h r u n g s g e s e t z (EG.) von demselben Tage, über seine Entstehungsgeschichte siehe oben § 2 V 2 S. 11 f. Nach Art. 1 EG. ist das HGB. am 1. Januar 1900 in Kraft getreten (einige Vorschriften schon früher). Mit ihm trat das ADHGB. außer Kraft. Bedeutungsvoll für die Auslegung sind die M a t e r i a l i e n (Vorarbeiten) zum HGB.: Denkschrift zum Entwurf des Reichsjustizamts, Guttentag 1896; Denkschrift zur Reichstagsvorlage, Guttentag 1897 (auch in den Stenographischen Berichten des Reichstages 9. Legislaturperiode 4. Session, Anlageband 6, Aktenstück Nr. 632). — Wertvoll sind auch heute noch die Nürnberger Protokolle des ADHGB. (herausgeqeben von L u t z , 9 Teile, 1858ff.).

Die im HGB. und EG. besonders geregelten privatrechtlichen Tatbestände werden in Art. 2 EG. als „ H a n d e l s s a c h e n " bezeichnet. In

§ 3. I. Gesetze

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Handelssachen sollen zuerst das HGB. und EG. zur Anwendung kommen, subsidiär das BGB. Von diesem m a t e r i e l l e n Begriff der Handelssachen zu unterscheiden ist der p r o z e s s u a l e Begriff der Handelssachen. Dieser umfaßt alle Rechtsverhältnisse, für welche die Kammern für Handelssachen zuständig sind. Siehe unten.

S p ä t e r e G e s e t z e haben das HGB. unmittelbar geändert. Die umfassendste Änderung ist in neuester Zeit durch das G e s e t z ü b e r d i e Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften a u f A k t i e n v. 30. Januar 1937 vorgenommen worden. Durch dieses Sondergesetz, das am 1. Oktober 1937 in Kraft getreten ist, sind die engeren Vorschriften des HGB. §§ 178—334 fortgefallen. Andere Änderungen beziehen sich namentlich auf das Wettbewerbsverbot der Handlungsgehilfen (Ges. v. 10. Juni "1914), die .Zweigniederlassung (Ges. v. 10. August 1937) und das Seerecht (Ges. v. 10. August 1937). Andere Änderungen sind in der Ausgabe der „Deutschen Rechtsgesetze" von S c h ö n f e l d e r 1947 unter Nr. 50 angeführt. — Ginige sind vorübergehende, durch den Krieg veranlaßte Maßnahmen.

b) N e b e n g e s e t z e . Das EG. hatte die bestehenden Nebengesetze grundsätzlich aufrechterhalten (Art. 2 II EG.), einige wieder aufgehoben, andere abgeändert (Art. 8 ff.). In späterer Zeit, vor allem in neuester Zeit wurden die alten Nebengesetze z. T. abgeändert (z. B. das Ges. über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Genossenschaftsgesetz, das Börsengesetz), z.T. ganz neu gefaßt (z. B. das Bankgesetz, das Warenzeichengesetz, das Bankverwahrungsgesetz), schließlich sind, völlig neue Nebengesetze hinzugekommen (z. B. die Verordnung über die Orderlagerscheine). Die zahlreichen Sammlungen der früheren Zeit sind veraltet. Spätere Sammlungen: O. L e r z , Handelsrechtliche Gesetze 1939 — W. H u r n , Deutsches Handelsrecht 2 Bd. 1941.

c) E r g ä n z e n d e G e s e t z e sind zahlreich. Hierher gehört z. B. die Gewerbeordnung (mit ihren vielen Änderungen). Wir erwähnen ferner das Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 17. Mai 1898 (mit späteren Änderungen), das Gerichtsverfassungsgesetz (Handelssachen § 93 ff.), die Konkursordnung, die Vergleichsordnung v. 26. Februar 1935, die Steuergesetze. 2. L a n d e s g e s e t z e . Die alten Vorbehalte der Art. 16ff. EG. sind durch die spätere Reichsgesetzgebung beseitigt worden. Wichtig ist dagegen die Landesgesetzgebung noch für die Industrie- und Handelskammern. Dagegen gelten für die Handwerkskammern die Gewerbeordnung und reichsrechtliche VO. — Für das Bergrecht, das sich im Gesellschaftsrecht mit dem Handelsrecht berührt, gilt Landesrecht (Art. 67 EG. z. BGB.).

II. G e w o h n h e i t s r e c h t . Dem Gewohnheitsrecht kommt heute im Handelsrecht nur eine geringe Bedeutung zu. Es ist jedoch zulässig als R e i c h s g e w o h . n h e i t s r e c h t mit gleicher Kraft wie das Gesetzesrecht und wird praktisch insbesondere durch eine gleichförmige Rechtsprechung des Reichsgerichts erzielt,

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§ 3. Quellen des heutigen deutschen Handelsrechts Beispiel: Kraft Reichs-Handelsgewohnheitsrecht steht fest, daß derjenige, der eine öffentliche Erklärung in handelsüblicher Weise abgibt, einem gutgläubigen Dritten nach Maßgabe dieser Erklärung haften muß (siehe unten { 12).

III. H a n d e l s s i t t e

und sonstige

Verkehrssitte.

Aus dem besonderen Schrifttum: O e r t m a n n , Rechtsordnung und Verkehrssitte 1914; O. S c h r e i b e r , Handelsgebräuche 1922; K l a u s i n g , ZHR. Bd. 87 S, 193; JW. 1924 S. 814.

1. Die H a n d e l s s i t t e ist die Verkehrssitte unter Kaufleuten, die k a u f m ä n n i s c h e V e r k e h r s s i t t e . Das HGB. nennt sie technisch „Handelsgebrauch" (z.B. § 359); auch spricht es von den im „Handelsverkehr geltenden Gebräuchen und Gewohnheiten" (§ 346). Im Schrifttum und im Leben wurde auch von „Handelsusancen" oder „Usancen" schlechtweg geredet, Ausdrücke, die unbedingt verschwinden müssen. Eher geht ,, Geschäftsgebrauch''.

Sie ist von der a l l e r g r ö ß t e n B e d e u t u n g . Da sie eine bestimmte Art der V e r k e h r s s i t t e ist (§ 157 BGB.), ist sie r e i n t a t s ä c h l i c h e Ü b u n g . Die Rechtsordnung bestimmt aber, daß sie als A u s l e g u n g s m i t t e l f ü r d i e W i l l e n s e r k l ä r u n g e n , die für die Verkehrsgeschäfte zu verwenden ist. Ebenso wird sie von den zahlreichen Schiedsgerichten in der kaufmännischen Praxis verwertet. Vom Gewohnheitsrecht unterscheidet sie sich dadurch, daß sie keine echte Rechtsquelle ist (doch ist dieses streitig). Von den Geschäftsbedingungen und Geschäftsformularen (sog. F o r m u l a r r e c h t ) unterscheidet sie sich dadurch, daß diese Aufstellungen einer Partei sind, die als Bestandteile für künftige Verträge dienen sollen. Allein sehr häufig enthalten diese bereits Ausdrücke, die durch die Handelssitte geprägt sind (vgl. unten S. 24), auch" kann ihr Inhalt zu neuer Handelssitte sich allmählich verdichten. Uber die Geschäftsbedingungen siehe unten Abschnitt III. Von der gewöhnlichen Verkehrssitte unterscheidet sie sich dadurch, daß sie im Verkehr zwischen Kaufleuten wurzelt. Die wichtigsten Sätze, welche sich für die Handelssitte ergeben, sind folgende: a) Eine Handelssitte kann sich n i e g e g e n ü b e r zwingenden Vorschriften bilden. Denn die Willenserklärungen der Parteien sind ja gerade durch diese gebunden. Vgl. RG. 103 146 ff. Unterschied gegenüber dem Gewohnheitsrechte. b) Auf U n k e n n t n i s einer Handelssitte kannn sich eine Partei nicht berufen (RG. 95 243). Das Verkehrsübliche muß man ohne weiteres gelten lassen. Es bedarf keines Hinweises auf sie, geschweige denn eines Einverständnisses mit ihr. c) Der Richter darf die Handelssitte grundsätzlich nur unter Kaufleuten zur Anwendung bringen (§ 346 HGB.). In b e s o n d e r e n Fällen greift die Handelssitte aber auch im Verkehr zwischen Kaufmann und Nichtkaufmann ein. Einmal kraft gesetzlicher Vorschrift (siehe § 359 HGB. in Verbindung mit § 345). Sodann kann es kraft einer „Verkehrssitte" stattfinden; hierzu siehe unten 2.

§ 3. III. Handelssitte und sonstige Verkehrssitte

23

d) Oft ist das Verhältnis zwischen Handelssitte und n a c h g i e b i g e n R e c h t s s ä t z e n erörtert worden. Bestehen für die Handelssitte Schranken auch durch die nachgiebigen Rechtssätze? S c h r e i b e r (a. a. O. S. 48 ff.) bejahte dies mit der Formulierung, daB der „Gerechtigkeitsgedanke" des Gesetzes durch den Handelsgebrauch nicht durchkreuzt werden dürfe. Mit dieser Formulierung läfit sich wenig anfangen. M. E. wird man am besten so sagen: Eine Schranke besteht in einer doppelten Hinsicht: a) Einer g a n z u n g e w ö h n l i c h e n H a n d e l s s i t t e gegenüber kann sich der Gegner auf Nichtkenntnis berufen {§§ 157, 242 BGB;). Beispiel: Bs soll im Berliner Weinhandel die Handelssitte bestanden haben, dafi den Käufer, auch wenn er Nichtkaufmann ist, eine Rügepflicht innerhalb einer Woche trifft (vgl. S c h r e i b e r , a. a. O. S. 25). — Nun aber ist die ROgepfilcht ihrem eigentlichen Zweck nach auf den Kaufmann abgestellt (vgl. unten Abschnitt III). Es wird daher genau zu prüfen sein, ob überhaupt sich wirklich eine hiermit im Widerspruch stehende Übung im Berliner Weinhandel gebildet hat. Bejahendenfalls aber dürfte der Richter wegen der ungewöhnlichen Art des Brauches unter Wertung von Treu und Glauben einen VerstoB hiergegen dem nichtwissenden Nichtkaufmann nicht anrechnen.

ß) Stellt sich die Handelssitte geradezu als „ M i ß b r a u c h " dar, so muß ihr der deutsche Richter v o n A m t s w e g e n die Anerkennung versagen (vgl. hierzu RG. 103 146, 112 32, 125 79). Ein Mifibrauch aber liegt vor, wenn eine G e m e i n s c h a f t s w i d r i g k e i t erhellt. Hiergegen enthält die Rechtsordnung eine ihr von selbst innewohnende Schranke. Die nachgiebigen Vorschriften geben keinen völligen Freibrief. Die gleichen Schranken werden wir später auch feststellen. Siehe unten Abschnitt III.

bei

den

Geschäftsbedingungen

e) Das G e r i c h t kann aus e i g e n e r Sachkunde das Bestehen einer Handelssitte feststellen (besonders ausgesprochen für die Kammern für Handelssachen § 114 GVG.). Es kann aber auch z. B. G u t a c h t e n (sog. Pareres, stammt aus dem Italienischen parere = meinen) einholen. Hierfür kommen vor allem die I n d u s t r i e - u n d H a n d e l s k a m m e r n in Betracht.

Die Industrie- und Handelskammern (früher Handelskammern, kaufmännische Korporationen) sind öffentlichrechtliche Körperschaften zur Wahrung der Gesamtinteressen der Handel- und Gewerbetreibenden eines bestimmten Bezirks. Sie sind landesgesetzlich seit längerer Zeit geregelt. Der nationalsozialistische Staat hatte sie in den Aufbau der Wirtschaft mit übernommen. Nach dem Zusammenbruch 194S sind sie als Bezirkseinrichtungen bestehen geblieben. Mitglieder sind Vollkaufleute, Bergbaubetriebe, Minderkaufleute, soweit sie nicht in der Handwerksrolle eingetragen sind. AuBer der Gutachtertätigkeit haben die Industrie- und Handelskammern insbesondere auch eine Mitwirkung beim Handelsregister (unten S. 54), Ernennungsrechte, Aufsichtsrechte, Beitragserhebungsrechte. Schrifttum: O. v. G i e r k e , Das deutsche Genossenschaftsrecht (1807) I S. 961 ff. — B u s c h , Die Handelskammer zu Hamburg (1665—1915) 2 Bde. — Die Korporation der Kaufmannschaft zu Berlin, Festschrift 1925.— Die Handelskammer zu Frankfurt a. M., Frankfurt 1928. — Preufl. Ges. vom 24. Februar 1870 in der Fassung vom 1. April 1924 mit späteren Änderungen. — VO. des Reiches vom 20. August 1933. Von den Gutachten sind zahlreiche Sammlungen erschienen: z. B. Gutachten der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin über Gebräuche des Handelsverkehrs I 1907, II 1910, III 1914; Gutachten der Berliner Handelskammer, 4 Bde. 1907—1930 (reicht bis Ende 1926); Breslauer Handelsgebräuche 1911; Breslauer Handelsgebräuche 1929.

Man nennt die durch Veröffentlichungen festgestellten Handelsbräuche von Handelskammern und anderen Verbänden: K o d i f i z i e r t e H a n delsgebräuche.

24

8 4. Schrifttum zum deutschen

Handelsrecht

Auch die Schiedsgerichte urteilen nach der ihnen bekannten oder von ihnen erforschten Handelssitte. f) Die Handelssitte ist auch maßgebend für die Erklärung k u r z e r g e b r ä u c h l i c h e r A u s d r ü c k e u n d K l a u s e l n , die in den Geschäftsformularen verwendet werden. Beispiele: „Franko" (frachtfrei) bedeutet lediglich „spesenfrei"; „netto Kassa gegen Verladedokumente", d. h. der Käufer muß bei Aushändigung der Verladedokumente zahlen ohne Rücksicht auf den Empfang der Waren. Die Klauseln „Ere ship", „ f r e e on board" freight) haben zu drei besonderen Typen des m a n n - D o e r t h , Das Recht des Dberseekaufs von Wüstendörfer, Heft 11) S. 146 ff. und W ü s Vgl. unten beim Handelskauf.

(Fobklausel), ,,Cif" (cost, insurance, Uberseekaufs geführt. Vgl. G r o fi I 1930 (Uberseestudien, herausgegeben t e n d ö r f e r ZHR. Bd. 104 S. 225 ff.

2. Die s o n s t i g e V e r k e h r s s i t t e ist die n i c h t k a u f m ä n n i s c h e V e r k e h r s s i t t e . Das HGB. kennzeichnet sie auch mit den Ausdrücken „Ortsgebrauch" oder „ortsüblich" (z. B. § 95 II). Sie ist ebenfalls für das Handelsrecht von der größten Bedeutung. Sie kommt im Verkehr zwischen Kaufmann und Nichtkaufmann zur Anwendung. Es gelten für sie entsprechende Regeln wie für die Handelssitte. Wichtig ist, daß die Verkehrssitte in zahlreichen Fällen auch die Anwendung von Handelssitte im Verkehr zwischen Kaufmann und Nichtkaufmann herbeiführt (vgl. bereits oben 1 c). Das einfachste Beispiel ergeben die technischen Ausdrücke und Klauseln (oben 1 f). Diese sind grundsätzlich anrh im Verkehr zwischen Kaufmann und Nichtkaufmann nach H ä n d e 1 s s i 11 e auszulegen. Schrifttum zum deutschen Handelsrecht. I. Ä l t e r e s S c h r i f t t u m v o r d e m A D H G B . 1. Schon die Glossatoren und Postglossatoren (z. B. Bertolus und Baldus) haben sich mit einigen handelsrechtlichen Fragen beschäftigt. Eindringender befaßten sich die t h e o l o g i s c h - k a n o n i s t i s c h e n Schriftsteller aller Länder mit dem Handelsverkehr und suchten die Erlaubtheit der Handelsgeschäfte des praktischen Lebens gegenüber der kanonischen Wucherlehre (nach welcher der reine Handel unproduktiv und daher sündhaft war) abzugrenzen. Durch sie war der Boden bereitet für die Entstehung einer s e l b s t ä n d i g e n H a n d e l s w i s s e n s c h a f t , die einen europäischen Charakter trug. Beginn: Mitte des 16. Jahrhunderts in Italien. Grundlegend das W e r k von Benevenutus . S t r a c c a aus Ancona: Tractatus de mercatura seu mercatore 1553. Von d e u t s c h e n Schriftstellern, die erst später auf dem Plan erscheinen, gehört hierher der Lübecker Johann M a r q u a r d „Tractatus politico-jurldicus de jure mercatorum et commerciorum singulari", F r a n k f u r t 1662 (Berücksichtigung fast aller Gesetze Europas).

2. Die e r s t e j u r i s t i s c h e Darstellung des d e u t s c h e n Handelsrechts erfolgte zu Ende des 18. Jahrhunderts (F. v. M a r t e n s , 1797, stark naturrechtlich). Die Lehrbücher der Folgezeit (positivrechtlicher ausgestaltet) stehen zum Teil unter Einfluß des französischen, insbesondere aber des römischen Rechts. Hervorragend war die Wirksamkeit von Heinrich T h ö 1

} 4. II. Schrifttum unter dem ADHGB.

25

in Göttingen (1. Auflage des Handelsrechts 1841). Doch verfuhr er einseitig romanistisch und konstruktiv. — Auch in den Lehrbüchern des deutschen Privatrechts wurde das Handelsrecht dargestellt, vor allem von G e o r g B e s e l e r (1. Auflage 1847). über Thöl siehe F r i e d r i c h

Gercke,

Heinrich Thöl (Göttinger Diss.) 1931.

II. S c h r i f t t u m u n t e r d e r H e r r s c h a f t d e s A D H G B . Mit dem ADHGB. setzen die Hand- und Lehrbücher, sowie die Kommentare in stattlicher Anzahl ein, von denen einige großen Erfolg erzielten. W. E n d e m a n n , Handbuch des Handels-, See- und Wechselrechts, 4 Bde. 1878—1881 (Beitrage verschiedener Verfasser). — H. T h ö l » , Handelsrecht 1879. — Lehrbücher von C o s a c k 1 1898, G a r e i s' 1896Kommentare von F. v. H a h n , 2 Bde. 1877 ff. (gehaltvoll). — A. A n s c h ü t z und O. v. V ö l d e r n d o r f f , 3 Bde. 1867 ff. — H. S t a u b 6 1897 (eine geschickte, übersichtliche Anordnung des Stoffes mit allgemeinen Andeutungen, ganz für die Praxis bestimmt) — alle ohne das Seerecht.

Die Gedanken der historischen Rechtsschule wurden zuerst für das Handelsrecht in größerem Maßstabe von L. G o l d s c h m i d t verwertet: Handbuch des gesamten Handelsrechts (Bd. I : 1895, Bd. II* 1883, teilweise in 3. Auflage 1891). Das Werk ist unvollendet; es enthält die „Universalgeschichte des Handelsrechts", welche aber nur das Altertum und die romanischen Länder des Mittelmeers umfaßt, und einige Grundbegriffe. Ober G o l d s c h m i d t siehe P a p p e n b e l m in ZHR. 47, 1 ff. und J. v. G 1 e r k e , Giofie deutsche Juristen in Reimsprüchen (1949) S. 20. Dem deutschrechtlichen- Gehalt des Handelsrechts wurde durch Darstellung in den Lehrbüchern des deutschen Privatrechts und durch wertvolle Einzeluntersucbupgen Rechnung getragen. Der germanische Grundgehalt der Handelsgesellschaften wurde dargelegt von O. G i e r t e , Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung. 1887. Im Jahre 1858 wurde die Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht von Goldschmidt begründet, welche viele wertvolle Abhandlungen brachte. Vortrefflich war die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts, die vom Reichsgericht fortgesetzt wurde: Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts 25 Bde. (1871 bis 1879), Entscheidungen des Reichsgerichts (seit 1880). — Seufferts Archiv seit 1847.

III. S c h r i f t t u m u n t e r d e r H e r r s c h a f t d e s HGB. Aus der Mitteilung der Jahreszahl ergibt sich, inwieweit die angeführten Werke zum Teil überholt sind. Besondere Angaben beim Gesellschaftsund Schiffahrtsrecht. 1. H a n d b ü c h e r . Handbuch des gesamten Handelsrechts (Beiträge verschiedener Verfasser), herausgegeben von V. E h r e n b e r g 1913 ff. K a r l W i e l a n d , Handelsrecht in Bindings Handbuch der Rechtswissenschaft. Es enthält nur einen Teil des Handelsrechts Bd. I 1921 (Das kaufmännische Unternehmen und die Personalgesellschaften), Bd. II 1931 (Die Kapitalgesellschaften). 2. L e h r b ü c h e r . K. G a r e i s 8 (1909), K. L e h m a n n 2 (1912); in 3. Auflage nur Halbband 1, herausgegeben von H o e n i g e r (1921), M ü l l e r - E r z b a c h 3 und 2 (1928),-K. C o s a c k 1 2 (1930), J. v. G i e r k e Bd. I3 (1938), Bd. II5 (1941).

26

} 4. Schrifttum

zum deutschen

Handelsrecht

3. G r u n d r i s s e . O. v. G i e r k e in der Enzyklopädie von Holtzendorß-Kohler4 (1913) — K. O. L e h m a n n in Birkmeyers Enzyklopädie (1912) — H e i n s h e i m e r G e i l e r 8 ) in der Enzyklopädie von Kohlrausch-Kaskel (1930, ohne Schifffahrtsrecht) — E. H e y m a n n 2 (1943). T e i l - G r u n d r i s s e : R. R e i n h a r d t , Handel und Gewerbe (1938, behandelt nur Buch I HGB.), H. L e h m a n n , Handel und Gewerbe (1938, behandelt nur Buch I HGB. und einige Handelsgeschäfte). Das Handelsrecht ist auch weitgehend berücksichtigt inH. D e r n b e r g , Bürgerliches Recht 3 und 4 (1906) und in O. v. G i e r k e . Deutsches Privatrecht 3 Bde. 1894 ff. Eine mehr populäre Darstellung erstrebten S e h l i n g (1924), E l z b a c h e r (1925), L o c h e r (in Das gesamte deutsche Recht, herausgegeben von R. Stammler I 118 ff. (1930) ohne Literaturzitate). 4. E r l ä u t e r u n g s w e r k e . a) G r o ß e Werke (ohne Seerecht): S t a u b s Kommentar 14. Auflage, nach dem Tode von Staub von verschiedenen Praktikern herausgegeben 1935 — D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g in 3. Auflage 1930 ff. unter Mitwirkung verschiedener Praktiker — „HGB.", herausgegeben von F. S c h l e g e l b e r g e r seit 1938, enthält Erläuterungen einer Anzahl von Praktikern (ohne Aktienrecht) — Handelsgesetzbuch, herausgegeben von den Mitgliedern des Reichsgerichts F l a d , G a d o w , H e i n i c h e n 1940ff. (ohne Aktienrecht). . b) Werke m i t t l e r e n U m f a n g s (ohne Seerecht): K. L e h m a n n R i n g Bd. I2 (1914), Bd. IP (1913), Bd. III nicht erschienen — G o l d m a n n 3 Bde. (1910 ff.) — M a k o w e r - L ö w e (mit Seerecht) 18 (1906 ff.) — S c h w a r z (1931) — K ö n i g e - T e i c h m a n n - K ö h l e r 4 1934 ff. c) K l e i n e r e Kommentare: F. G o l d s c h m i d t (1938), B a r dt 1 0 (1930), R i t t e r (1932), B a u m b a c h « (1943, Aktienrecht in besonderer Ausgabe). — Eine Ausgabe des HGB. (ohne Aktienrecht und Seerecht) mit Anmerkungen von E. H e y m a n n und H. W. Kötter (ohne Schrifttum). 5. Z e i t s c h r i f t e n . Z e i t s c h r i f t für das g e s a m t e H a n d e l s r e c h t und Konk u r s r e c h t , sie ist 1858 von L. G o l d s c h m i d t begründet worden (oben § 2). Sie wird jetzt mit Bd. 111 von mir allein herausgegeben. — Von den früheren, noch nicht wieder aufgelebten Zeitschriften waren stark auf das Handelsrecht abgestellt: D a s Z e n t r a l b l a t t f ü r H a n d e l s r e c h t seit 1926 in Verbindung mit dem „Recht", herausgegeben von F. Goldschmidt und W . B e u t n e r , und D i e Hanseatische R e c h t s - und G e r i c h t s - Z e i t u n g . Andere Zeitschriften, wie Iherings Jahrbücher, Gruchots Beiträge, die Leipziger Zeitschrift, das Archiv für die zivilistische Praxis, die Deutsche Juristen-Zeitung, die Juristische Wochenschrift, die Zeitschrift für internationales und ausländisches Privatrecht, die Zeltschrift der Akademie für deutsches Recht brachten öfter auch Aufsätze handelsrechtlichen Inhalts. Für das Bank- und Börsenrecht wichtig war das BankArchiv, begründet von Kiessei.

5 4. III. Schrifttum unter dem HGB.

27

6. S a m m l u n g e n v o n A b h a n d l u n g e n . Es gab Abhandlungen aus dem gesamten Handelsrecht, Bürgerlichen Recht und Konkursrecht seit 1934 — Abhandlungen zum Handels-, Gewerbe* und Landwirtschaftsrecht, herausgegeben von E. H e y m a n n seit 1908 — Überseestudien, herausgegeben von W ü s t e n d ö r f e r und B r u c k seit 1924 — Verkehrsrechtliche Abhandlungen, herausgegeben von R. S e n k p i e h l — Gesellschaftsrechtliche Abhandlungen, herausgegeben von Nußbaum. 7. P r a k t i k a H e c k (1910), S e h l i n g « (1920), A. S a e n g e r (1928). 8. S a m m l u n g e n v o n E n t s c h e i d u n g e n . Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (amtliche Sammlung). — Höchstrichterliche Rechtsprechung, Ergänzungsblatt zur Deutschen Justiz und der amtlichen Sammlung der Reichsgerichtsentscheidungen — Jahrbuch der Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts — Juristische Wochenschrift — Deutsche Juristenzeitung — Hanseatische Rechts- und 'Gerichtszeitschrift — Entscheidungen des Reichsfinanzhofes. 9. F o r m u l a r b ü c h e r . F. K e r s t e n , Foimularbuch der freiwilligen Gerichtsbarkeit 1934. 10. H a n d b ü c h e r . Handwörterbuch der Rechtswissenschaft Bd. VIII 1934 (oben S. 31) — Rechtsvergleichendes Handwörterbuch, herausgegeben von S c h l e g e l b e r g e r 'unten § 5 B). Quellen und Schrifttum des internationalen und ausländischen Handelsrechts. A. Internationales Handelsrecht. Internationales Handelsrecht im engeren Sinn ist das internationale Privatrecht, welches den Handelsverkehr betrifft. B e s o n d e r e g e s e t z l i c h e Bestimmungen finden sich in einigen Nebengesetzen (WZG.; UnlWG.; BörsG.), vor allem aber in den S t a a t s v e r t r ä g e n für gewerblichen Rechtsschutz (Siehe unten §§ 17, 18). Vgl. auch den Beitritt des Deutschen Reiches zu dem am 24. September 1923 vom Volkerbund in Genf aufgelegten Protokoll über S c h i e d s k l a u s e l n im Handelsverkehr vom 7. Februar 1925. S c h n i t t u m : L. R a a p e in dem Staudingerschen Kommentar zum BGB., Bd. VI, Lieferung 3 und 4. Für das Internationale Handelsrecht ist besonders hervorzuheben: v. B a r in Ehrenbergs Handbuch I, S. 327 ff., ferner die Z. für ausländisches und internationales Privatrecht. Im Jahre 1920 ist eine Internationale Handelskammer in Paris gegründet worden. D es ' « hat im Jahre 1923 einen Schiedsgerichtshof zur Beilegung internationaler Handelsstreitlgkeiten ins Leben gerufen, über das Verfahren bei ihm siehe S i m o n BankArch. 1937 S. 424 ff. Jahrbuch für Schiedsgerichtswesen Bd. I—IV 1920 ff. -uuX. 0 " ? f r foternationalen Handelskammer ist eine Zusammenstellung der „Handelsüblichen Vertragsformeln" herausgegeben worden (2. Auflage 1928, Drucksachen Kr. 68) sowie Vorschläge zu ihrer einheitlichen Auslegung (1936, Broschüre Nr. 92).

2g

$ 5. Quellen und Schrifttum des Internationalen und ausländischen Handelsrechts

Für die Herstellung einheitlicher Rechtsregeln hat seit langem Bedeutendes geleistet die „International Law Association", eine spätere Gründung ist das Internationale Institut für Vereinheitlichung des Privatrechts in Rom. Der zweite Weltkrieg hat wieder zerstörend eingegriffen. B. A u s l ä n d i s c h e s Recht. Die G r u n d l a g e unserer Erkenntnis bildet noch immer das monumentale Werk: „ D i e H a n d e l s g e s e t z e d e s E r d b a l l e s", begründet 1871 von O. B o r c h a r d t , in 3. Auflagt 1906—1914 herausgegeben von K o h l e r , D o v e , E. M e y e r und T r u m p l e r in 14 Bänden. Hier sind die ausländischen Gesetze handels-(konkurs-)rechtlichen Inhalts in der Landessprache und einer deutschen Ubersetzung mitgeteilt und Ubersichten über das Schrifttum gegeben; auch enthält das Werk eine kurze Darstellung des Handelsrechts derjenigen Länder, welche keine Kodifikation besitzen. — Eine umfassende Ubersicht über Quellen und Schrifttum des ausländischen Handelsrechts bis 1913 bietet P. R e h m e in Ehrenbergs Handbuch I, S. 286 ff. — In der folgenden Zeit haben viele Neuerungen und Verschiebungen stattgefunden. Es sind ganz neue Handelsgesetzbücher entstanden. Sehr zahlreich waren ferner neue Einzelgesetze handelsrechtlichen Inhalts, sie betrafen insbesondere das Warenzeichenrecht, das Handelsgesellschaftsrecht (Aktienrecht, Gesellschaft mit beschränkter Haftung), das Bank- und Geldwesen, das Bilanzrecht, das Handelsregister, das Lagergeschäft. Fast überall machte sich auch das weitgehende E i n g r e i f e n d e s S t a a t e s in der W i r t s c h a f t geltend (Planwirtschaft im weiteren Sinn) und einschneidende Gesetze mit Wirkungen auf das bisherige sich selbst überlassene Wirtschaftsrecht wurden erlassen. Es kamen dann die Kriegsmaßnahmen. Wir beschränken uns im folgenden auf das Handelsprivatrecht. Der Erkenntnis der n e u e r e n E n t w i c k l u n g des ausländischen Handelsrechts dienen: Die Z e i t s c h r i f t f ü r d a s g e s a m t e H a n d e l s r e c h t und K o n k u r s r e c h t (oben $ 4 unter III S S. 26). — Die Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 1927, jetzt herausgegeben von E. H e y m a n n u. a. (früher „Auslandsrecht" 1920 .bis 1926). — R e c h t s v e r g l e i c h e n d e s Handw ö r t e r b u c h , herausgegeben von Fr. S c h l e g e l b e r g e r , Bd. I (1927 und 1929); Länderberichte; Bd. II (1928 ff.). — K a d e n , Bibliographie der rechtsvgl. Literatur des Zivil- und Handelsrechts 1930. — G e s e t z g e b u n g u n d R e c h t s p r a x i s d e s A u s l a n d e s , Organ des Hansabundes, 1925—1933. — Internationale Kongresse für Rechtsvergleichung.

Wir unterscheiden folgende Gruppen: I. D e u t s c h e r R e c h t s k r e i s . 1. D e u t s c h - Ö s t e r r e i c h , a) Hier wurde das ADHGB. (EG. vom 17. Dezember 1862), mit Ausnahme des Seerechts, eingeführt. Der Kaufmannsbegriff war durch die Novelle vom 16. Februar 1928 im Anschluß an das Deutsche Recht bestimmt. Es waren zahlreiche Nebengesetze ergangen.

$ 5. 6 i. beutscher Rechtskreis

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S c h r i f t t u m : Das allgemeine HGB. und die handelsrechtlichen Nebengesetze in 23. Auflage bearbeitet von H. D e m e l i u s , Wien 1937. — P i s k o , Lehrbuch des österreichischen Handelsrechts 1923. — P l s k o - S c h l e s i n g e r , Das ADHGB." 1926. — Gerichtszeitung, herausgegeben von Kellmer und Ratzenhof er (Wien). — Juristische Blätter, herausgegeben von Klang und Zimbler (Wien). — Entwurf eines neuen HGB. in Angleichung an das deutsche, ausgearbeitet von O. P i s k o (siehe J. v . G i e r k e in ZHR. 85, 232 ff.).

b) Im Jahre 1938 ergingen 4 VO., durch welche das HGB. (mit Ausnahme des 6. und 7. Abschnittes des V. Buches) und das A k t i e n g e s e t z eingeführt wurden. Auch nach 1945 hat sich hieran nichts geändert. Tschadest, Praxis 150, 170.

ZHR. 106, 137;

107, 214. — Adolf

Ehrenzweig,

Arch.

der

2. U n g a r n . HGB. vom 16. Mai 1875. — Vorbild für die HGB. von Bosnien und Herzegowina 1883 (vgl. auch noch unten IV 6). T L o w , Das ungarische Handelsgesetz 1 1924 (in deutscher Ubersetzung). — Neuere Entwicklung: K u n c z , ZHR. 101 S. 344s 102 S. 33 ff.; 104 S. 290 ff.j 108 S. 63 ff.

3. S c h w e i z . Das Handelsrecht ist auf deutscher Grundlage in dem O b l i g a t i o n e n r e c h t geregelt. Das Obligationenrecht stammt aus dem Jahre 1881 und ist im Jahre 1911 revidiert worden. Neuerdings ist eine R e v i s i o n d e r b e s o n d e r e n h a n d e l s r e c h t l i c h e n Titel 24—33 zustande gekommen und mit dem 1. Juli 1937 in Kraft getreten. Diese Titel befassen sich mit den Handelsgesellschaften und der Genossenschaft, dem Handelsregister, den Geschäftsfirmen und der kaufmännischen Buchführung sowie den Wertpapieren. S c h r i f t t u m : S c h n e i d e r - F i c k , Kommentar* 1914. — W. S Schweizerisches Obligationenrecht mit Anmerkungen, Zürich 1937. — F e h r , ZHR. 104 S. 31 ff., S. 275 ff. — Zeitschrift für schweizerisches Schweizerische Juristenzeitung. Vgl. auch W i e 1 a n d , Handelsrecht

t a u f f a c h e r, Bericht von H. Recht seit 1832, § 6.

4. L i e c h t e n s t e i n . Das Personen- und Gesellschaftsrecht des Handelsrechts ist eingearbeitet in das Zivilgesetzbuch dritter Teil: Das Personen- und Gesellschaftsrecht vom 20. Januar 1926. 5. P o l e n . Die Entwicklung bis 1939 gestaltete sich so (vgl. ZAuslR. 12. Jahrg. 1939 S. 850 ff.): Zunächst galten in dem neüen Staatsgebilde die bisherigen Handelsgesetzbücher fort (das deutsche, das österreichische, das französische, das russische). Es wurden aber bald wichtige Einzelgesetze für den ganzen Staat erlassen. Unter dem 27. Juni 1934 erging ein e i n h e i t l i c h e s HGB. nebst Einführungsgesetz. Das HGB. zerfällt in zwei Teile. Der erste Teil behandelt den Kaufmann und die Handelsgeschäfte, der zweite Teil das Seerecht. Der erste Teil ist in deutscher Ubersetzung erschienen, herausgegeben von Lex, Spolku, Posen. Ausgabe in polnischer Sprache: A l l e r h a n d , Lemberg 1935 (Kommentar). Das HGB. weist starken deutschrechtlichen Gehalt auf. Es gebt vom Begriff des Kaufmanns aus, den es aber zu sehr erweitert. Kaufmann ¿oll jeder sein, der im eigenen Namen ein gewerbliches Unternehmen betreibt. Die freien Berufe sind ausgeschieden, die Landwirtschaft ebenfalls, aber es können diejenigen, die die Landwirtschaft in gröfierem Ausmaße betreiben, Registerkaufleute werden (Art. 2, Art. 7).

6. T ü r k e i . Neues Landhandelsgesetzbuch vom 29. Mai 1926. Aufnahme des deutschen (z. T. des italienischen) Handelsrechts. (Vgl. unten II 2.) Das neue HGB. ist in französischer Übersetzung erschienen. Konstantinopel 1926. Schrifttum: Pritsch im Rechtsvgl. Handwörterbuch I, 274; Friese J W . 1929, 3444.

§ 5. Quellen und Schrifttum des internationalen und ausländischen Handelsrechts

7. J a p a n . Das japanische Handelsrecht ist zuerst im Jahre 1880 kodifiziert worden. Es hat dann durch Gesetze von 1899 und 1911 einen starken deutschrechtlichen Einschlag erhalten. Unter dem 4. April 1938 sind Neuerungen eingeführt worden. übersetzt von K. V o g t , ZAuslR. 1940 S. 144 ff.

3. Auflage, Tokio 1940. — Siehe hierzu

Bänger

8. C h i n a . Bis vor kurzem beruhte das chinesische Handelsrecht auf Gewohnheitsrecht und einzelnen Gesetzen. Jetzt ist ein großer Teil in dem neuen BGB. von 1929 und dem Gesetz über die Handelsgesellschaften vom 26. Dezember 1929 unter starker Anlehnung an das deutsche Recht geregelt worden. Eine Ubersetzung des Gesetzes Uber die Handelsgesellschaften von B ü n g e r in 2HR. 98 S. 285 ff. und S. 343 ff. — Eine Übersetzung des HGB. von B i l l i g e r in Heft 73 der Heymannschen Abhandlung 1924.

9. P e r s i en. HGB. von 1925 (ZAuslR. 1. Jahrg. S. 449 ff.), starke Anlehnung an schweizerisches Recht. — Neuerungen 1932 (a. a. O. 7. Jahrg. S. 963) betreffen namentlich das Aktienrecht. II. F r a n z ö s i s c h e r R e c h t s k r e i s . 1. F r a n k r e i c h . Es gilt auch heute noch der Code de commerce von 1807. Er ist aber durch zahlreiche neuere Gesetze ergänzt und abgeändert worden. Hervorzuheben ist insbesondere das Gesellschaftsgesetz vom 24. Juni 1867, das Gesetz über das Handelsregister vom 18. März 1919, das Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 17. März 1925, und die neueste Gesetzgebung aus dem Jahre 1936 (Aktienrecht, Handelsunternehmen; vgl. ZAuslR. 1936 S. 832 ff.) und 1937 (Aktienrecht). — Gesetz vom 28. Februar 1941 (Gewinne bei AG. und GmbH.). Das französische Handelsrecht hat das objektive System zur Grundlage, starke Erweiterung durch Wissenschaft und Rechtsprechung. Verbindung mit dem Konkursrecht. Siehe oben § 2 V 2a. Durch Gesetz vom 1. Juli 1924 wurde in E l s a ß - L o t h r i n g e n das französische Handelsrecht eingeführt. Es bestanden jedoch weitgehende Ausnahmen, und viele deutsche Rechtssätze waren in Kraft geblieben. Sie betrafen insbesondere Handelsbücher, Prokura, Handlungsgehilfen, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die eingetragenen Genossenschaften, die Hypothekenbanken, auch die Aktiengesellschaften (vgl. C o u 1 o n im Auslandsrecht, 6. Jahrg. Nr. 2; S c h w a l b e in JW. 1925 S. 4; Niboyet et Goulé, Recueil de Textes Usuels de Droit International, Paris 1929. Aus der Literatur: L y o n - C a e n , R e n a u l t e t A m i a n d , Traité de droit commercial, 8 Bde.* 1921 ft. — L y o n - C a e n e t R e n a u l t , Manuel de droit commercial" 19287 (mit Seerecht). — T h a l l e r - P e r c e r o u , Traité élémentaire de droit commercial 1925 (ohne Seerecht). — L a c o u r - B i u t e r o n , Précis de droit commercial, 4 Bde. (I. u. II. Bd.» 1925, III. u. IV. Bd.« 1924, ohne Seerecht): Supplément aux 4 volumes 1928. — A l b . W a h l , Précis de droit commercial 1922. — Siehe femer ZAuslR. IV, 150, 971 j V, 483; X, 832 ff. — Vgl. auch R o u s s e a u , Commerçant et actes de commerce in der Festgabe für Wieland 1934.

2. Der Code hat in anderen Ländern weite V e r b r e i t u n g gefunden. Kraft Eroberung war er eingeführt worden in Luxemburg, in dem früheren Königreich Polen (über die spätere Zeit siehe oben 15), ferner in Belgien

t 5. B III. Rußland

31

(hier wurde er 1867—1879 z. T, deutschrechtlich abgewandelt), übernommen wurde er in Griechenland (1835), in Serbien (1860), der Türkei (1850; über das heutige Recht siehe oben 17), Ägypten (1875). — Als Grundlage für die neuere Gesetzgebung diente er in den Niederlanden (1838), Spanien (1829i 1885 deutschrechtlich beeinilußte Revision), Portugal (1833, 1888) den mittel- und südamerikanischen Staaten, Belgien (1867 ff.). Uber G r i e c h e n l a n d siehe A n a s t a s s l a d l s . ZHR. 106 S. 322. — Schrifttum: A n a s t a s s l a d i s , Griechisches Handelsrecht, Athen 1937 (Selbstanzeige ZHR. 104, 219). Uber die N i e d e r l a n d e siehe d|ep eingehenden Bericht nebst Literaturangaben von C l e v e r i n g a in ZHR. 101 S. 315. In S p a n i e n wurde 1826 ein neuer Entwurf zum II. Buch des HGB. angefertigt, der wiederum vieles aus dem deutschen Recht übernahm (siehe Gesetzgebung und Rechtspraxis des Auslandes II, 119, 178ff.i und L l o r e n s in ZAuslR. III, 932. Vor allem aber den eingehenden Bericht von A n t o n i o P o l o über die spanische Gesetzgebung seit 1885 in ZHR. 104 S. 308 ff. — Eine kurze Darstellung des spanischen Handelsrechts gibt G a b r i e l A v i l a s , Manual de Dereto Mercantil, Madrid 1933. B e l g i e n : Zahlreiche spätere Gesetze. Uber die Gesetzgebung 1936, 1937 siehe ZAuslR. 1939 S. 822«.

I t a l i e n : das HGB. von 1865 beruhte ganz auf französischer Grundlage. Der Codice di commercio von 1882 steht unter starkem Einfluß des deutschen Rechts.

Unter Mussolini setzte eine umfangreiche Gesetzgebung auf den Gebieten des bürgerlichen, des Handels-, Wirtschafts-, Arbeits- und Schiffahrtsrechts ein. Unter Verwertung einer neuartigen Systematik wurden verschiedene, zunächst selbständige Bücher gebildet, die dann durch Kgl. Dekret v. 16. März 1942 zu einer Einheit mit Fortlaufenden Artikeln zusammengesetzt wurden. Literatur (sehr reich): V i d a r i , Corso dl diritto commerciale 5 1900 ff. — V i v a n t e , Tratatto di diritto commerciale' 1925. V 1 v a n t e , Istituzioni di diritto commerciale" 1931. — R o c c o , Principii di diritto commerciale I, 1928. — B o 1 a f f i o, La legislazione commerciale ltaliana 1929. — L o r e n z o M o s s a , Diritto commerciale I, II 1937. — Zeitschrift: Rivista di diritto commerciale diritta da V i v a n t e e S t r a f f a , 1903ff. — Wichtig auch die Rivista di diritto privato, herausgegeben von M. R o t o n d i . — Siehe auch M o 1 i t o r in ZHR. 89, IBIS., und über das Gesetzbuch Mussolinis, L u t h e r ZAuslR. 13 S. 638 ff., S i m o n im Auslandsrecht 1926, 213 ff., M a r t i n W o l f f in ZAuslR. 1, 509 ff. und L o r e n z o M o s s a , Saggio per il nuove Codice di Commercio. — Femer ZAuslR. IV, 598, 603; V, 1021ff., VI, 988 und den Bericht von L o r e n z o M o s s a in ZHR. 103 S. 59ff. Uber B u l g a r i e n siehe D i k o f f ZHR. 101 S. 339. Schrifttum: K o r o t. K a t g a r o f t , System des bulg. Handelsrechts, Sofia 1939 (siehe ZHR. 108 S. 249). R u m ä n i e n : Älteres HGB. von 1887 (beruhte auf dem italienischen von 1882). Siehe V o l l w e i l e r , ZHR. 107, 137, — Neues HGB. vom 10. Dezember 1938. K 1 ü t e r HansRGZ. 1940, 155 und J . L. G e o r g e s c u ZAuslR. 1940 S. 351 ff.

III. R u ß l a n d . Das Handelsrecht war in dem Reichsgesetzbuch w o d) von 1835 geregelt gewesen, vervollständigt 1857, neu herausgegeben 1903; ein neuer Entwurf von 1913 ist nicht mehr zu Ende beraten worden. — Nach der Revolution wurde zunächst 1917—1921 (Zeit des Kriegskommunismus) das gesamte Privatrecht abgeschafft. Seit 1921 (Zeit des Staatskapitalismus) ging man wieder zur Herstellung des Privatrechts über, es sollte auf breitester sozialer Grundlage aufgebaut werden. Man fertigte ein Zivilgesetzbuch an, welches am 1. Januar 1923 in Kraft trat. Es sollte auch für den Handelsverkehr gelten. Da es für den Handel ganz unvollständig war, wurden neue Entwürfe für einzelne handelsrechtliche Regeln aufgestellt. Im Jahre 1923 wurde beschlossen, die handelsrechtlichen

32

§ 5. Quellen und Schriittum des internationalen und ausländischen Handelsrechts

Besonderheiten zusammenzufassen als Swod zur Aufnahme in das Zivilgesetzbuch. Ein solcher Entwurf eines HGB. ist Oktober 1923 veröffentlicht Worden. Er ist aber infolge entgegenstehender Strömungen nicht Gesetz geworden, es sind vielmehr nur einzelne, für den Handel wichtige E i n z e l g e s e t z e erlassen worden. Da in Rußland ein Kaufmannsstand fehlt, so gibt es jedenfalls kein Handelsrecht im Sinne eines Standesrechts, sondern nur ein Recht des Handelsverkehrs. Die Reglementierung des Handelsund Wirtschaftsverkehrs und das Streben nach einer planmäßigen Warenverteilung haben aber immer mehr zu einem Zurückdrängen handelsrechtlicher Besonderheiten geführt. Literatur: F r e u n d , Das Zivilrecht Sowjet-Rußlands 1924 (mit Nachtrag 1925); M a s k a in Auslandsrecht, 6. J a h r g . Nr. 3. — E. K e i m a n n u. H. F r e u n d , Die juristische Literatur der Sowjetunion 1926 (hierzu J. v. G i e i k e , ZHR. 90, 475). — W . M. G o r d o n , System des sowjetischen Handelsrechts 1927j M. J . M i t i l i n o , Handelsrecht 1928; W . S c h r o e t e r , Sowjetisches Wirtschaftsrecht, Handels- und Industrierecht 1928 (hierzu E. K e i m a n n in ZHR. 93, 472).

IV. L ä n d e r o h n e K o d i f i k a t i o n d e s H a n d e l s r e c h t s . 1. G r o ß b r i t a n n i e n . Es gibt ein Gewohnheitsrecht für den Handel, außerdem eine* Reihe von Sondergesetzen (statutes), insbesondere für Kaufverträge, Transportverträge, Gesellschaftsrecht (vor allem das neue Aktiengesetz von 1929). S c h r i f t t u m : L. G o l d s c h m i d t in Handelsges. des Erdballs XI, 1. — E. H e y m a n n in H o l t z e n d o r f f - K o h l e r s Enzyklopädie II, 281 (1924). — A. C u r t i , Englands Privat- und Handelsrecht II, 1927. Smith-Watts, A Compendium of Mercantile Law in 13. Aufl. 1931 neu bearbeitet von H. O. G u 11 e r i d g e.

2. V e r e i n i g t e S t a a t e n v o n N o r d a m e r i k a (auf englischer Grundlage beruhendes Gewohnheitsrecht und einzelne Gesetze der Einzelstaaten). Vgl.

Atkinson

in

Rechtsvergl.

Handwörterbuch

II, 672ff,

3. D i e S k a n d i n a v i s c h e n L ä n d e r ( D ä n e m a r k , S c h w e d e n , N o r w e g e n ) . Nur einzelne, zum Teil gemeinsame Gesetze, deutschrechtlich beeinflußt (siehe Handelsgesetze des Erdballes X; für Schweden R i t t e r im Auslandsrecht, Jahrg. 5, Nr. 6/8). In S c h w e d e n bildet noch heute die Grundlage der „Handelsabschnitt" in dem Reichsgesetz von 1734, welches Schuldrecht und Fahrnispfandrecht einheitlich regelt. In ihm sind die späteren Gesetze eingefügt. Bedeutungsvoll aus neuerer Zeit namentlich das Buchführungsgesetz v. 31. Mai 1929, durch welches der Begriff des Kaufmanns abgegrenzt wird (siehe W. P a p p e n h e i m in ZAuslPR. IV, S. 610ff.). Ein großes gemeinsames Gesetz, welches bürgerlichen und Handelskauf regelt, ist das Ges. v. 20. Juni 1906 ( T o r e A l m e n , Ein Kommentar zu den schwedischen Kaufgesetzen, deutsche A u s g a b e von N e u b e c k e r , 3 Bde., 1922). Eine eingehende Übersicht über die neuere Gesetzgebung und das Schrifttum gibt M u n k t e 11 ZHR. 102 S. 99ff.

Erster

Abschnitt.

Der Kaufmann und sein Handelsunternehmen. Erstes

Kapitel.

Die Kaulmannseigenschaft. Allgemeines. I. A r t e n d e r K a u f l e u t e . Die Kaufmannnseigenschaft des HGB., welche sich aus der Betriebstätigkeit (Handelsgewerbe) ableitet (vgl. oben § 1, II), ist nicht an durchweg einheitliche Voraussetzungen geknüpft. Mach der Verschiedenheit der Voraussetzungen ergeben sich A r t e n von Kaufleuten im Rechtssinn. (Uber den Kaufmann im wirtschaftlichen Sinn siehe oben § 1 I la). Im allgemeinen sind d r e i Arten zu unterscheiden: 1. Kaufleute kraft Gewerbebetriebes: M u ß k a u f l e u t e , über sie unten in §§ 7, 8. 2. Kaufleute kraft (obligatorischer) Eintragung: S o 11 k a u f I e u t e , über sie unten in § 9. 3. Land- und Forstwirte (Kaufleute kraft fakultativer Eintragung): K a n n k a u f l e u t e , über sie unten in § 10. Eine vierte Art der Kaufleute, die F o r m k a u f l e u t e , werden wir bei den besonderen Vereinen des Handelsrechts kennenlernen. Siebe Abschnitt II. Oberhaupt werden in dem I. Abschnitt alle Besonderheiten der eigentümlichen Vereine und Gesellschaften des Handelsrechts ausgeschieden und für den II. Abschnitt verspart werden. Das Gesetz unterscheidet gelegentlich auch zwischen Einzelkaufleuten, Juristischen Personen und Handelsgesellschaften (vgl. } 13b der Novelle v. 10. August 1937). Das ist ungenau, da eine Reihe von Handelsgesellschaften sogen, juristische Personen (besser Verbandspersonen) sind. (Vgl. Abschnitt II). Der Ausdruck „Einzelkaufmann" ist aber wertvoll. Der Kaufmannsbegriff des HGB. ist an sich nur für dieses Gesetz maßgebend, kommt im Zweifel aber auch für andere Gesetze, die von Kaufleuten sprechen, In Betracht. > Meine Verwendung der Ausdrücke: MuBkaufleute, Sollkaufleute, Kannkaufleute hat bei einigen keinen Anklang gefunden. Andere haben sie aufgenommen (z. B. G a d o w , T e i c h m a n n - K ö h l e r ) . Es ist zuzugeben, daB sie sprachlich nicht besonders schön sind, aber sie sind als kurze Schlagworte praktisch und pädagogisch brauchbar. Auch der allgemein verwendete Ausdruck „Vollkaufmann" Ist sicherlich nicht schön. Im übrigen ist die ganze Frage ziemlich gleichgültig. v. G 1 e r k • , Handels- und Schiffahrtsrecht.

3

§ 7. Der Mußkaufmann

34

II. U n g l e i c h e B e h a n d l u n g d e r K a u f l e u t e . Die Kaufleute werden vom Gesetz n i c h t g l e i c h m ä ß i g behandelt. Eine Reihe wichtiger Vorschriften findet auf bestimmt gekennzeichnete Kaufleute keine Anwendung; man nennt diese M i n d e r k a u f l e u t e und stellt ihnen die anderen als V o l l k a u f l e u t e gegenüber. Dieser Gegensatz wird uns unten in § 11 beschäftigen. III. K a u f m a n n s e i g e n s c h a f t u n d H a n d e l s r e g i s t e r . Die Grundregeln für die Kaufmannseigenschaft erfahren ihre praktisch bedeutsame Ergänzung durch den Einfluß des H a n d e l s r e g i s t e r s und seine Ergänzungen durch Gewohnheitsrecht und Verkehrstreue: Lehre vom S c h e i n k a u f m a n n (unten § 13). IV. R e f o r m v o r s c h l ä g e , den Begriff des' Kaufmanns zu ändern, sind in den letzten Jahrzehnten vielfach gemacht worden. Sie hängen z. T. mit den Fragen ,.Unternehmensrecht" und „ W i r t s c h a f t s r e c h t " (oben § 2, Anhang) zusammen. Aus letzter Zeit vgl. H. K r a u s e ZHR. 105, 69ff. und H. A. S c h u l t z e v o n L a s a u 1 x , Schriften der AkfDR. Gruppe Handels- und Wirtschaftsrecht Nr. 2 (1939) und ArchZivPr. 145, 127. M. E. ist die Abgrenzung des geltenden Rechts im wesentlichen zutreffend. Es ist von Neuerungen abzusehen. Nur die Stellung der Großhandwerker ist zu ändern. Siehe unten S. 46 f.

Der Mußkaufmann. M u ß k a u f m a n n ist d e r j e n i g e , der ein r i c h t i g e s Hand e l s g e w e r b e b e t r e i b t (§ 1 HGB.). I. E r s t e s Erfordernis ist ein G e w e r b e . Und zwar muß ein G e w e r b e i m e n g e r e n S i n n vorliegen. Dieses ist von uns schon früher allgemein gekennzeichnet worden. Wir heben hervor unter teilweiser Zusammenfassung des früher Gesagten (vgl. oben § 1 I lb): Vorliegen muß eine T ä t i g k e i t b e s t i m m t e r A r t : 1. Nötig ist eine D a u e r a b s i c h t . Die Tätigkeit muß auf eine gewisse Dauer angelegt sein. Gegensatz ist die gelegentliche, vereinzelte Tätigkeit (z. B. wiederholtes Spekulieren). Entscheidend ist die Verkehrsanschauung. Regelmäßig handelt es sich um eine unbestimmte Zeit. Es genügt aber sogar eine verhältnismäßig kurze Zeit (z. B. Gastwirtschaftsbetrieb während einer Ausstellung, nicht z. B. Kantinenbetrieb für einen Volksfesttag). Die Tätigkeit kann zu gewissen Zeiten brach liegen (RG. 130 235).

2. Nötig ist eine E r w e r b s a b s i c h t . Die Tätigkeit muß auf E r w e r b gerichtet sein (Gewerbe!). Es muß der W i l l e , G e w i n n zu erzielen, vorhanden sein. Gleichgültig ist, ob wirklich Gewinn gemacht wird und wem er zufließen soll. Ein Gewerbe ist auch vorhanden, w e n n bei einem gemeinnützigen daneben Gewinn erzielt werden soll. Vgl. unten § 8 1.

Unternehmen

3. Die Tätigkeit muß n a c h a u ß e n e r k e n n b a r h e r v o r t r e t e n . Grund: Die soziale Auffassung verlangt für einen Geschäftsmann ein Auftreten nach außen. Wer

heimlich

an

der

Börse

spekuliert,

betreibt

kein

Gewerbe.

4. Die Tätigkeit darf n i c h t dem Bereich der K u n s t oder W i s s e n s c h a f t angehören. Das haben wir früher dargelegt (siehe oben § 1 I I b ) .

35

5 t. II 1. Umsatzgeschätt

5. Die Tätigkeit muß p r i v a t r e c b t l i c h r e c h t s g ü l t i g sein (streitig; zutreffend G a d o w im Großkommentar Anm. 8 zu § 1). Es handelt sich ja um ein Gewerbe i m R e c h t s s i n n . Kein Gewerbe liegt daher z.B. vor bei gewerbsmäßigem Schmuggel, bei eigener Tätigkeit eines Geschäftsunfähigen; ferner dann, wenn das Fehlen einer vorgeschriebenen Handelserlaubnis Nichtigkeit der einzelnen Geschäfte nach sich zieht. Vgl. hierzu unten § 8 unter 6.

II. Z w e i t e s Erfordernis ist ein H a n d e l s g e w e r b e , Wann ein richtiges H a n d e l s g e w e r b e gegeben ist, bestimmt § 1 II HGB. Maßgebend ist der G e g e n s t a n d des Gewerbebetriebs: Ein Gewerbe, das eine von den § 1 II aufgeführten A r t e n von Rechtsgeschäften zum Gegenstand hat, ist ein richtiges Handelsgewerbe. Man nennt die Geschäfte, die wegen ihrer Art einen MuBkaufmann erzeugen, G r u n d h a n d e l s g e s c h.ä f t e. Das Gesetz bietet uns einen Katalog von n e u n Nummern. Seinen Ausgangspunkt nimmt es vom Handel im wirtschaftlichen Sinn, es zieht dann die wichtigsten Hilfsgewerbe des Handels und solche Gewerbe, bei denen sich typisch eine „kaufmännische" Betriebsweise entwickelt hat, mit herein (vgl. oben §1 I lb). Manche Schriftsteller sprechen bei § 1 HGB. von einem „Handelsgewerbe wegen des. Gegenstandes des Unternehmens".

1. Das U m s a t z g e s c h ä f t . Ziffer 1. Nötig ist für diesen Begriff: a) A n s c h a f f u n g u n d W e i t e r v e r ä u ß e r u n g , a) A n s c h a f f u n g ist an sich jedes entgeltliche Rechtsgeschäft unter Lebenden, das auf abgeleiteten Eigentumserwerb gerichtet ist (vgl. RG. 31 18.) Der Ausdruck ist ungenau; denn es ist nicht nötig ein dingliches Rechtsgeschäft, das das Eigentum verschafft, sondern es genügt der Schuldvertrag, der das Recht auf den Eigentumserwerb verleiht.

H a u p t f a l l i s t d e r K a u f ; außerdem kommen in Betracht Tausch, Werklieferungsvertrag (§651 BGB.), uneigentliche Verwahrung (§700 BGB.). K e i n e Anschaffung ist vor allem der ursprüngliche E r w e r b (es liegt weder Rechtsgeschäft noch abgeleiteter Erwerb vor), also die A n e i g n u n g (Jagd, Fischerei) und die S e l b s t e r z e u g u n g (Urproduktion) : Gewinnung von Früchten, Bodenbestandteilen aus Grundstücken, Molkerei aus eigenem Viehbestand. Zur Selbsterzeugung wird man auch zu rechnen haben die Gewinnung von HUhnern vermittelst einer Brutmaschine. Keine Anschaffung liegt vor bei Erwerb zu Miet-, Pfand-, Verwahrungsbesitz, Wechselinkasso (es fehlt am Eigentumserwerb); doch scheiden diese Geschäfte praktisch aus, weil sie mit einer WeiterveräuBerung nicht vereinbar sind. — Keine Anschaffung ist ein Erwerb von Todes wegen oder eine Schenkung.

ß) W e i t e r v e r ä u ß e r u n g (das Gegenstück zur Anschaffung) ist an sich jedes entgeltliche Rechtsgeschäft unter Lebenden, das auf Ubertragung von Eigentum gerichtet ist. Auch hier ist der' Ausdruck genügt der Schuld vertrag.

,.Weiterveräußerung"

ungenau und untechnisch, es

H a u p t f a l l i s t d e r V e r k a u f ; daneben kommen, wie bei der Anschaffung, in Betracht:. Tausch, Werklieferungsvertrag, uneigentliche Verwahrung. 3*

36

{ 7. Der Mußkaufmann

K e i n e Weiterveräußerung liegt daher vor bei Hingabe zum Pfand, zur Miete, .zur Verwahrung. Infolgedessen nimmt z. B. keine Weiterveräußerung vor ein Leihbibliothekar. Keine Welterveräuflerung ist die einseitige Aufgabe des Eigentums (Dereliktion), die unentgeltliche Zuwendung.

•y) Anschaffung u n d Weiterveräuflerung müssen miteinander v e r b u n d e n sein, in einem i n n e r e n Z u s a m m e n h a n g stehen. Gleichgültig ist die Reihenfolge. Man muß anschaffen, um weiterzuveräußern, oder weiterveräußern, um anzuschaffen. MuBkaufmann ist daher nicht der Leihbibliothekar, obschon er anschafft, der Produzent, obschon er seine Erzeugnisse veräußert. Mußkaufmann ist ferner nicht derjenige, welcher für sich eine Kunstsammlung anlegt, sie aber später auflöst und veräußert.

8 188).

2. Die Bestellung der notwendigen Organe erfolgt mit der Abweichung, daß der A u f s i c h t s r a t von einer Hauptversammlung der Ubernehmer und Zeichner, welche die Gründer einzuberufen haben, bestellt wird (§ 30 IV Aktienges., Einberufung - und kapitalistische Abstimmung beides nach Aktienrecht, § 30 XII Aktienges.). Der Aufsichtsrat besteUt dann den V o r s t a n d (vgl. oben II 3). 3. Nunmehr müssen die E i n z a h l u n g e n auf die Aktien, soweit erforderlich, geleistet werden, G r ü n d u n g s b e r i c h t und G r ü n d u n g s p r ü f u n g müssen bewerkstelligt werden — alles entsprechend wie bei der Einheitsgründung. Siehe oben II 4—6. 4. Für die A n m e l d u n g zum Handelsregister gelten die Regeln der Einheitsgründung entsprechend,

248

AG. § 41. Gründung

Vgl. oben und 5 30 V Aktlenges. — Man beachte, daB ein Zeichnungs-Sacheinleger als GiOnder (oben 1) mit anmelden muß.

Gleiches gilt für die Prüfung durch das Gericht (oben II 8). Führt sie zu einem positiven Ergebnis, so greift eine b e s o n d e r e V o r s c h r i f t ein: D a s G e r i c h t h a t z u r B e s c h l u ß f a s s u n g ü b e r d i e e n d g ü l t i g e E r r i c h t u n g der G e s e l l s c h a f t eine z w e i t e H a u p t v e r s a m m l u n g e i n z u b e r u f e n : d i e sog. k o n s t i t u i e r e n d e H a u p t v e r s a m m l u n g ; der Richter hat die Leitung. Es hat Berichterstattung seitens des Vorstandes und Aufsichtsrates stattzufinden. Es entscheidet die Mehrheit nach Kapitalbeteiligung gerechnet, die aber mindestens 1/t aller im Aktionärverzeichnis aufgeführten Aktionäre und mindestens Vi des gesamten Grundkapitals umfassen muß. IV. E i n t r i t t d e r AG. i n d i e f ü r s i e b e g r ü n d e t e und P f l i c h t e n . S o n s t i g e V e r h a f t e t e .

Rechte

G a d o w Im Iherings J 87 245 ff.

1. D i e v e r s c h i e d e n e n T h e o r i e n . Im Gegensatz zum bürgerlichrechtlichen Verein hat man sich seit langer Zeit mit dem Eintritt der AG. in die für sie begründeten Rechte und Pflichten im Zeitpunkt der Eintragung beschäftigt. Dabei sind die verschiedensten Meinungen aufgestellt worden, und es ist eine reichliche Fülle von „Konstruktionen" hervorgetreten. Leider hat das Aktiengesetz keine ausdrückliche Klärung in der Frage gebracht, sondern eher eine Verwirrung angerichtet. Und zwar durch den ganz verunglückten § 34 II. Siehe unten.

a) D i e a b s o l u t e I d e n t i t ä t s t h e o r i e . Es wurde die Ansicht vertreten, daß die AG. ohne weiteres in alle Rechte und Pflichten eintrete, die im Gründungsstadium für die „Vorgesellschaft" geschaffen seien. Als Vorgesellschaft sah man den Gründungsverein (z. T. auch die Gründergesellschaft) an, wobei man sie als Gesellschaft im engeren Sinn oder als nichtrechtsfähigen Verein auffaßte. Man sprach daher den Organen im Gründungsstadium eine unbeschränkte Machtvollkommenheit zu. So namentlich O. S c h r e i b e r , Kommanditgesellschaft a. A. (1923) — Rechtfertigungsgrund sei auch die Auffassung eines ehrbaren Kaufmanns — M ü l l e r E r z b a c h , Handelsrecht 2S8 glaubt die Lehre aus der „Interessenlage" gewinnen zu können. Er spricht nicht nur von einer „Identität", sondern auch von einer „Verschmelzung", ohne zu beachten, daB dies unlogisch ist und etwas Unvorstellbares aussagt.

Diese Theorie war und ist unhaltbar. Sie übersieht den gesetzlichen Zwang der Gründungsvorschriften, den festgelegten Satzungsinhalt, die notwendig beschränkte Vertretungsmacht der ersten Organe. Was hat das alles für einen Sinn, wenn es einfach über den Haufen geworfen werden kann, so daß später ein Jammerlappen zur Welt kommt. Die konsequente Durchführung dieser Theorie würde sogar dahin führen, daß die AG. für unerlaubte Handlungen im Gründungsstadium haften müßte. (Vgl. die unten angeführten Entscheidungen des Reichsgerichts.)

249

AG. $ 41 IV. Eintritt in die Rechte und Pflichten

Vertreb) D i e I d e n t i t ä t s t h e o r i e m i t b e s c h r ä n k t e r t u n g s m a c h t der ersten Organe. Das Reichsgericht hatte in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertreten, daß die AG. nur in die satzungsgemäßen Rechte und Pflichten, sowie in die Rechtsheziehungen aus notwendigen (oder vorbereitenden) Geschäften, welche die Vorgesellschaft treffen, kraft Identität eintrete. Im übrigen sollen die Grundsätze der Vertretung ohne Vertretungsmacht gelten. Siehe namentlich (insbesondere für die GmbH.) RG. 82 288 (GmbH.), 83 310 (GmbH.), 105 228 (GmbH.), 118 41 (AG.), 151 86 (GmbH.), 154 276 (AG.). — Gegen Haftung f ü r unerlaubte Handlungen RG. 151 86 (GmbH.), 154 276 (AG.).

Auf der Ansicht des RG., der sich viele Schriftsteller angeschlossen haben, ist heute weiter aufzubauen (siehe unten 2). Fehlerhaft ist es jedoch, w e n n das RG. die Vorgesellschaft als Gesellschaft e n g e r e n Sinne auffaßt. Vgl. oben.

im

Von manchen wird jede „Vorgesellschaft" geleugnet. Vgl. C. R i t t e r Anm. zu § 34. — Allein das Gesetz spricht von der „Errichtung einer Gesellschaft". Sollen also Worte überhaupt noch einen Sinn haben, so muß e^ne „Gesellschaft" vorhanden sein, und zwar eine andere als die Gründergesellschaft. B r o d m a n n nahm zwar eine Vorgesellschaft an, bezeichnete jedoch die „Ident i t ä t " als „ u n f r u c h t b a r e n Mystizismus" und förderte so umständliche Überlegungen und Schwachen zwischen Vorgesellschaft und AG. — Allein gerade diese Umständlichkeiten zeigen, daB die gemäßigte Identitätstheorie nicht „ u n f r u c h t b a r " ist. Vor einer W i e d e r a u f n a h m e dieser impraktischen und kostspieligen Weitläufigkeiten ist dringend zu warnen.

2. S t e l l u n g n a h m e . Das Richtige ergibt sich aus einer sachgemäßen Auslegung des Aktiengesetzes auf der bewährten Grundlage der Rechtsprechung des Reichsgerichts unter Beachtung unserer kritischen Bemerkungen zu den sonstigen Theorien (oben 1). Einleitend sei bemerkt, daß der Ausdruck „Gesellschaft" im Aktienges. sowohl die Vorgesellschaft wie die AG. bezeichnet. Ist nur die AG. gemeint, so sagt das Gesetz „die Aktiengesellschaft als solche".

Hiemach sind f o l g e n d e R e c h t s s ä t z e herauszustellen: a) Die AG. tritt o h n e w e i t e r e s ein in die u n m i t t e l b a r i n d e r S a t z u n g festgelegten Rechte und Pflichten. Sie treffen sie entsprechend dem allgemeinen Korporationsrecht bereits im Entwicklungsstadium in ihrer Gestalt als nichtrechtsfähigen Gründungsverein und begleiten sie von selbst bei ihrer Vollentfaltung. Während aber nach allgemeinem Korporationsrecht diese Rechte und Pflichten dem Gründungsverein meistens im Ruhezustande in gebundener Weise zustehen, ergibt sich für die AG. als Kapitalgesellschaft die interessante Abweichung, daß die Ansprüche auf die Einlagen bereits notwendig ihre Kraft entfalten müssen, soweit die Mindesteinzahlungen vorgeschrieben sind. Vgl. oben S. 243. DaB die Einlageforderungen bereits dem Gründungsverein zustehen, ergibt sich daraus, daß Einzahlungen sein Vermögen werden, da sonst ein Vollstreckungsschuldner fehlt. Vgl. oben S. 244. Eine Zerreißung d e r Einlageforderungen in der Weise, daß die im Gründungsstadium fälligen Teile der Vorgesellschaft, der Rest der AG. zustehen, w ä r e mehr als gekünstelt.

b) Die AG, treffen in entsprechender Weise die u n m i t t e l b a r

auf

250

AG. $ 41. Gründung

d e m G e s e t z beruhenden Pflichten und Rechte. Es gehören hierher vor allem die Steuern und Gebühren, welche zunächst die Vorgesellschaft belasten, aber dann, soweit noch nicht bezahlt, auf die AG. übergleiten. Vgl. § 28 Aktienges. und oben S. 244. c) Die AG. treffen in entsprechender Weise alle Rechte und Pflichten, die m i t t e l b a r auf die S a t z u n g oder das G e s e t z zurückgehen, soweit i m N a m e n der Gesellschaft gehandelt worden ist. Zunächst gehören hierher die V e r m ö g e n s w e r t e , die auf Grund der E i n l a g e p f l i c h t e n im Gründungsstadium erworben werden, sie werden Vermögen der Vorgesellschaft und dann von selbst Vermögen der AG. Es handelt sich um die eingezahlten Gelder, die Bankguthaben, alle schon eingebrachten Sachen. (Vgl. oben S. 244.) Schwierigkeiten bereitet vielen die Frage nach Grundstacksübertragungen. Die herrschende Lehre läßt Auflassrungen an die Vorgesellschaft oder AG. zu, aber eine Hintragung erst nach Entstehung der AG. Dies ist ergänzungsbedürftig. Auflassung und Eintragung können bereits in bezug auf die Vorgesellschaft erfolgen. Freilich ist die Eintragung umständlich, da alle Namen von Gründern und Zeichnern eingetragen werden müssen (es läßt sich dies aber praktisch durch einen Hinwels auf das Aktionärverzeichnis mildem). Mit der Eintragung der AG. steht dieser ohne weiteres das Eigentum zu. Es bedarf nur einer Berichtigung des Grundbuchs. Siehe auch oben S. 245.

Hinzukommen von selbst die etwa damit zusammenhängenden Pflichten, z. B. auch die Belastungen der Sacheinlagen. Uber die Bankgebühren fügen wir sogleich das Nötige hinzu. Einzureihen sind sodann alle sonstigen, aus n o t w e n d i g e n G r ü n d u n g s g e s c h ä f t e n hervorgehenden Rechte und Pflichten, a b e r n u r i n s o w e i t sie d u r c h den Betrag des G r ü n d u n g s a u f w a n d e s g e d e c k t s i n d . Der Gründungsaufwand ist also die gegebene S c h r a n k e und mit dieser Betonung ist die bisherige Rechtsprechung des Reichsgerichts in bezug auf die notwendigen Geschäfte (oben S. 249) beizubehalten (abweichend viele, z. B. G a d o w , R i t t e r ) . Dabei ist zeitliche Reihenfolge maßgebend. Die Geschäfte müssen notwendig sein. Dies ist natürlich nicht pedantisch zu pressen. Es gehören hierher z. B. die Bankprovisionen, Auflassungskosten, Vergütung des Aufsichtsrates oder des Vorstandes. Haben die Gründer oder der Vorstand in eigenem Namen gehandelt, so können sie in dem angegebenen Rahmen Befreiung von der Schuld oder Ersatz der Auslagen von der AG. fordern. Ebenso können sie Ersatz verlangen für Auslagen bei den im Namen der Gesellschaft eingegangenen Geschäften. Alier alles ist begrenzt durch den Betrag des Gründungsaufwandes. Die Schranke des Gründungsaufwandes in der Satzung ist ein charakteristischer Unterschied gegenüber dem gewöhnlichen Verein.

d) In bezug auf a l l e a n d e r e n G e s c h ä f t e , die von den Gründern (oder dem Vorstand) i m N a m e n d e r G e s e l l s c h a f t abgeschlossen worden sind, gelten für die AG. die G r u n d s ä t z e d e r V e r t r e t u n g o h n e V e r t r e t u n g s m a c h t (§§ 177 ff. BGB.) gemäß der bewährten Rechtsprechung des Reichsgerichts auch heute. Es steht daher im freien Belieben der AG., ob sie genehmigen will oder nicht. Genehmigt sie; so ist sie nach allgemeinen Grundsätzen o h n e w e i t e r e s auch in die Pflichten eingetreten. Außerdem greift zum Schutze des Dritten noch eine besondere Haftung des Falschvertreters ein. Hier bringt die verunglückte Fassung

des § 34 II Aktienges.

Verwirrung. Es

AG. § 41 IV. Eintritt in die Rechte und Pflichten

251

scheint nach dem W o r t l a u t — und manche scheinen es tatsächlich anzunehmen —, daß die AG. in die Verpflichtungen der in ihrem Namen abgeschlossenen Geschäfte nicht durch Genehmigung, sondern durch Schuldübemahme der Sonderhaftung des Falschvertreters eintreten soll. Allein dieses ist eine so geschraubte und gekünstelte Vorstellung, daß wir sie im Sinne eines n e u e n deutschen Gesetzes voll ablehnen müssen. Die AG soll nicht auf dem einfachen und geraden W e g e durch die Genehmigung in die Pflichten eintreten können, sondern n u r durch Schuldübernahme der Haftung, die dem Dritten für die Verabredung der Pflichten im Namen d e r Gesellschaft (I) persönlich auferlegt wirdl Aber die Rechte soll sie durch Genehmigung n a c h den Grundsätzen der Falschvertretung erhaltenl — § 34 II Aktienges. bedarf einer anderen Auslegung. Siehe unten d.

Die Vorgesellschaft kann solche Geschäfte nicht genehmigen. Dazu fehlt ihr als begrenzter Gründungsverein die Macht. Die AG. kann auch Verpflichtungen, die die Gründer im eigenen Namen eingegangen sind, erwerben, und zwar durch Schuldübernahme. § 34 III Aktienges. erklärt ausdrücklich Schuldübernahmen in bezug auf Vereinbarungen von Sacheinlagen oder Sachübernahmen für wirkungslos. Die meisten Schriftsteller verzweifeln daran, einen vernünftigen, selbständigen Sinn f ü r diese Vorschrift zu finden (Notwendigkeit der Aufnahme in die Satzung, dann aber von selbst Wirkendl). Anscheinend erklärt sich die Norm aus einer übertriebenen Ängstlichkeit des Gesetzgebers, er will die Übernahme einer etwa konstruierten besonderen Haftung für Sacheinlagen oder Sachübernahmen ausschließen. Vgl. a u c h oben S. 24?..

e) S o n d e r h a f t u n g . Aus der Regelung des nichtrechtsfähigen Vereins (§ 54 BGB.) stammt die Vorschrift des § 34 I Satz 2 Aktienges. Hiernach sollen entsprechend dem bisherigen Recht diejenigen, welche vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt haben, p e r s ö n l i c h haften. über die Auslegung besteht mancher Streit. Die Vorschrift kommt zur Anwendung, wenn im Namen der werdenden Gesellschaft oder der AG. gehandelt worden ist. Zu den Handlungen gehören alle rechtsgeschäftlichen Maßnahmen, aber nicht die unmittelbaren Festsetzungen in der Satzung. Handelnde sind alle, welche persönlich tätig sind. Dagegen geht es zu weit, alle mit hereinzuziehen, in deren Einverständnis gehandelt worden ist. Es würden dann alle Zeichner persönlich für die Gründungskosten haften. Das liegt ganz außerhalb des gesetzlichen Gedankenbereiches. Wohl aber gehören zu den Handelnden alle führenden Personen, in deren Einverständnis gehandelt worden ist, also die Gründer. Die persönliche Haftung überdauert die Eintragung. Sie bleibt neben den Verpflichtungen, welche die AG. unmittelbar oder kraft Genehmigung treffen, bestehen. Hier greift jedoch § 34 II Aktienges. erleichternd ein. Die Mithaftung des persönlich Haftenden kann von der AG. durch Vertrag mit diesem unter Mitteilung an den Gläubiger übernommen werden, ohne daß es dessen Zustimmung bedarf. Dieses kann aber nur in den ersten drei Monaten nach der Eintragung geschehen. Ebenso v. G o d i n - W i l h e l m i Anm. 7 zu § 34: Man muß annehmen, daß der persönlich Haftende die Befreiung von der Mithaft von der AG. verlangen kann.

Größere Bedeutung hat daher die Sonderhaftung in allen Fällen, wo die AG. nicht in die Verpflichtungen eintritt, sei es daß der Gründunar-

252

AG. $ 41. Gründung

aufwand überschritten oder die Genehmigung vertagt wird, oder schließlich wenn die Eintragung scheitert oder aufgegeben wird. V. E i n t r a g u n g u n d g e s t e i g e r t e s O f f e n k u n d i g k e i t s p r i n z i p . (Vgl. oben § 29, 3.) Die Wirkungen der Eintragung in bezug auf die Unanfechtbarkeit der Beitrittserklärungen wegen Willensmängel haben wir bereits kennengelernt (oben II 2 b), es bedarf jetzt noch eines näheren Eingehens auf andere Wirkungen der Eintragung, die durch das gesteigerte Offenkundigkeitsprinzip hervorgerufen werden. In Zusammenhang mit diesem Prinzip steht es zunächst, daß die Satzung eine gesetzesähnllche Auslegung erfährt und hieran auch die in sie aufgenommenen Erklärungen der Betreffenden teilnehmen. So sind bei der Auslegung der Einbringung eines Grundstücks Umstände nicht zu berücksichtigen, die der Allgemeinheit nicht erkennbar waren (z. B. unrichtige Grundstücksangabe); doch sind für die Auslegung mit zu verwerten Urkunden, die bei der Anmeldung eingereicht worden sind; RG. 127 186.

Vor allem sind aber die W i r k u n g e n d e r E i n t r a g u n g auf die s o n s t i g e n G r ü n d u n g s m ä n g e l zu betrachten. Das Aktiengesetz hat sie in §§ 216 ff. im Anschluß an das HGB. geregelt und versucht, klärend in bezug auf vorhandene Streitfragen zu wirken. Völlig ist — wie das Schrifttum zeigt — ihm dieses leider nicht geglückt. Aber eine gewisse Reinigung ist doch eingetreten. Schrifttum: Siehe die Angaben bei C. R i t t e r ,

Kommentar zu § 216.

L e i t e n d e G r u n d g e d a n k e n d e s G e s e t z e s sind: Die Fälle, in denen eine eingetragene AG. wegen Gründungsmängel der Zerstörung anheimfällt, möglichst einzuschränken. Eine Zerstörung aber soll nur für die Zukunft wirken. Es müssen aber Normen des allgemeinen Korporationsrechts und des öffentlichen Rechts aufrechterhalten bleiben.

Es ergibt sich dann folgendes: 1. Die „Ni c h t i g k e i t s m ä n g e J" d e s A k t i e n g e s e t z e s (§§216 ff. Aktienges.). a) Das Gesetz schreibt vor, daß als solche nur in Betracht kommen sollen, wenn die Satzung nicht die nach § 16 III Aktienges. wesentlichen Bestimmungen enthält oder eine von diesen unwirksam ist. Es handelt sich um Bestimmungen über die Firma, den Sitz, den Gegenstand, die Höhe des Grundkapitals, die Nennbeträge oder die Gattung der einzelnen Aktien, die Zusammensetzung des Vorstandes, die Form der Bekanntmachungen. Es bedarf nur einiger Beispiele für die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen. Firma: Sie ist falsch gebildet im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorschriften (siebe unten § 42. — Sitz: Angaben mehrerer Sitze oder eines Sitzes im Ausland. — Gegenstand: Ungenaue Angabe, an sich auch verbotenes Unternehmen — aber ein solches fällt unter die Mängel des öffentlichen Rechts (siehe «nten 3). — Höhe des Grundkapitals: z. B. Nichteinhaltung der Mindestgrenze. — Nennbeträge der Aktien: z. B. Aktien zu 500 DM. — In bezug auf den Vorstand werden Fehler selten sein, da die AG. hier freie Hand hat.

b) Unter den gesetzlichen Mängeln sind z w e i G r u p p e n zu unterscheiden;

AG. { 41 V. Nichtigkeitsmängel.

253

U n h e i l b a r e M ä n g e l : Sie betreffen die Höhe des Grundkapitals oder die Nennbeträge oder die Gattung der einzelnen Aktien. H e i l b a r e M ä n g e l : Alle anderen aufgezählten Mängel. Die heilbaren Mängel können durch nachträgliche Satzungsänderung geheilt werden (§ 217 Aktienges.). c) N i c h t i g k e i t s k l a g e u n d L ö s c h u n g v o n A m t s w e g e n . Es sind zwei Wege des Eingriffs gegeben: a) Die N i c h t i g k e i t s k l a g e . Jeder Aktionär, sowie jedes Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates kann gegen die AG. darauf klagen, daß sie für nichtig erklärt wird. Aus leicht verständlichen Gründen kann aber bei heilbaren Mängeln erst zur Klage geschritten werden, nachdem die AG. zur Beseitigung des Mangels aufgefordert worden ist und drei Monate fruchtlos abgelaufen sind (§ 216 II Aktienges.). Um Prozeßstreitigkeiten nach langer Zeit zu verhindern, ist für die Nichtigkeitsklage eine Ausschlußfrist von fünf Jahren festgesetzt (§ 216 III Aktienges.). ß) L ö s c h u n g v o n A m t s w e g e n . Das Registergericht kann die Gesellschaft von Amts wegen löschen. § 144 I FGG. (neue Fassung gemäß § 26 Ziffer 2 EG.z.Aktienges.). Die Ausschlußfrist von 5 Jahren kommt hier nicht in Betracht. Das Verfahren ist das Löschungsverfahren des Gesetzes (Widerspruchsrecht, Verfahren von Amts wegen, Anregung durch jedermann). Die Geltendmachung der Nichtigkeit kann nicht mehr durch Einrede erfolgen.

d) F o l g e n . Nach rechtskräftigem Urteil auf Grund der Nichtigkeitsklage und nach rechtskräftiger Entscheidung des Recjistergerichts wird die Nichtigkeit der AG. in das Handelsregister eingetragen. Dieses hat die Bedeutung, daß die AG. sich in eine Abwicklungsgesellschfift verwandelt und das Abwicklungsverfahren einsetzt (§ 218 Aktienges.). Die AG. wird daher e n t s p r e c h e n d d e m g e s t e i g e r t e n O f f e n k u n d i g k e i t s p r i n z i p als eine bis dahin b e s t e h e n d e , aber n u n m e h r d e r A u f l ö s u n g v e r f a l l e n e AG. b e h a n d e l t . Infolgedessen bleiben die bis dahin hergestellten Rechtsbeziehungen zu D r i t t e n u n b e r ü h r t . Das Gesetz hebt, das für Rechtsgeschäfte hervor (§ 218 II Aktienges.), es gilt aber für alle Rechtsbeziehungen, z. B. auch für Schadensersatzansprüche Dritter gegen die AG. aus § 31 BGB. (vgl. C. R i t t e r , Anm. 2 zu § 218). — Ebenso werden a u f r e c h t e r h a l t e n alle bisherigen Rechtsbeziehungen der AG. zu den A k t i o n ä r e n und a l l e V o r g ä n g e d e s k o r p o r a t i v e n L e b e n s (Beschlüsse, Wahlen usw:). Das Gesetz enthält in dieser Hinsicht ebenfalls nur eine unvollkommene Andeutung, nämlich die, daß die Gesellschafter die bedungenen Einlagen zu leisten haben, insoweit es zur Erfüllung der Verpflichtungen der Gesellschaft nötig ist (§ 218 III Aktienges.). Bis vor kurzem war die Ansicht vorherrschend, daß die Rechtsbeziehungen nach innen nichtig seien, abgesehen von den erforderlichen Einlageverpflichtungen. Auch die Aufrechterhaltung der Rechtsbeziehungen zu Dritten wurde als Ausnahme von det

254

AG. § 41. Gründung

Nichtigkeit behandelt (vgl. RG. 64 187, 112 280, 114 79). Hin Umschwung ist dann durch eine Entscheidung des Reichsgerichts für eine eingetragene Genossenschaft eingetreten (RG. 148 225). Man verwirft die Bezeichnung ,,Nichtigkeits"-Erklärung, man erkennt an, daß die AG. vor der Eintragung b e s t a n d e n h a b e und jetzt aufgelöst werde. Vgl. die verschiedenen Ansichten bei C. R i t t e r Anm. 2b zu § 216 Aktienges. Das Reichsgericht hat bei der Genossenschaft formuliert, sie habe zwar nicht ,,zu R e c h t " aber „vor dem Recht" bestanden, das Kammergericht spricht von einer „Vernichtung". Im Schrifttum wird eine „Scheingesellschaft", eine „ f e h l e r h a f t e Gesellschaft", eine „faktische Gesellschaft" angenommen. Teilweise wird die Bedeutung der Eintragung als staatlicher Akt betont (so bereits RG. 81 206 beim bürgerlichen Verein). W i r erklären die W i r k u n g der Eintragung aus dem gesteigerten Offenkundigkeitsprinzip. Die Bezeichnung „Nichtigkeit" kann irreführen, eine solche w a r nur in den ersten Anfängen vorhanden, ist aber durch die Eintragung voll überwunden worden. Macht m a n sich dieses klar, so mag die Bezeichnung Nichtigkeitserklärung beibehalten werden, da sie sich eingebürgert hat.

2. Auf der Grundlage des allgemeinen Korporationsrechtes (das für die Entstehung eines Vereins zwei verpflichtungsfähige Einzelpersonen verlangt) wird man wegen der Bedeutung, die das. Aktienges. den Gründern zuspricht, f ü n f v e r p f l i c h t u n g s f ä h i g e Gründer zur Zeit der Anmeldung fordern müssen. Ein Mangel in dieser Hinsicht fällt aber außerhalb des § 216 Aktienges., es wäre ein selbständiger Mangel. Infolgedessen gibt es bei ihm keine Nichtigkeitsklage und keine Löschung gemäß § 144 III FGG. Aber gemäß § 142 FGG. kann die L ö s c h u n g v o n A m t s w e g e n erfolgen, weil eine wesentliche Voraussetzung für die Eintragung fehlt. Es ist in der bisherigen Rechtsprechung des Reichsgerichts anerkannt, daß 5 142 FGG. neben § 144 FGG. seine selbständige Bedeutung hat (vgl. C. R i t t e r Anm. 4 d zu S 216). Manche Schriftsteller stimmen mit dem Ergebnis überein.

3. Bei Unsittlichkeit, Verletzung strafrechtlicher oder anderer öffentlichrechtlicher Vorschriften kommen die sonstigen schützenden Normen der Staatsaufsicht in Betracht (siehe oben S. 239). Sie werden sich in Auflösung, Vernichtung usw. äußern. 4. S o n s t i g e M ä n g e l . Uber alle sonstigen Mängel breitet die Eintragung ihren v o l l h e i l e n d e n Schutz aus. Sie sind ausgelöscht. Hierher gehört das Fehlen gerichtlicher oder notarieller Beurkundung der Satzung, die Geschäftsunfähigkeit eines Zeichners oder Ubernehmers (mindestens fünf Gründer müssen aber geschäftsfähig sein), Dissens der Gründer, Mängel in der Anmeldung (aber fünf geschäftsfähige Gründer müssen anmelden). Eine größere Anzahl von weiteren Nichtigkeitsgfünden wollen insbesondere zulassen v. G o d i n - W i l h e l m i , Anm. zu § 216. Für v ö l l i g ausschließlich sehen die in S 216 Aktienges. aufgeführten Gründe G a d o w Anm. 4 zu § 2 und W e i p e r t Anm. 3 zu § 216 an. A u s l a n d . In manchen ausländischen Staaten sind sehr zahlreiche Nichtigkeitsg r ü n d e vorhanden (Frankreich). Man hilft sich hier und in a n d e r e n Staaten mit der Annahme einer „faktischen Gesellschaft" (Frankreich: „société de f a i t " , Nordamerika: „de facto corporation"). Vgl. H e p n e r ZHR. 97, 342 ff., W i e l a n d , Handelsrecht VII 83, Keßler ZAuslR. III 465 ff., W . S i eb e r t , Die faktische Gesellschaft (Festgabe für Hedemann S. 287. Vgl. oben § 29). — In England hat der Inkorporationsakt schlechthin heilende Wirkung.

VI. H a f t u n g a u s d e r G r ü n d u n g . 1. Das Gesetz hat eine b e s o n d e r e p r i v a t r e c h t l i c h e

Haftung

AG. | 41 V I . Haftung aus der Gründung

255

b e s t i m m t e n P e r s o n e n für Handlungen, und Unterlassungen bei der Gründung auferlegt (Gründerverantwortlichkeit) §§ 39 ff. Aktienges. Die Vorschriften

des § 202 HGB. sind verschärft

worden.

a) D i e v e r a n t w o r t l i c h e n P e r s o n e n u n d d e r I n h a l t d e r Haftung. a) D i e G r ü n d e r u n d H i n t e r m ä n n e r d e r G r ü n d e r (§ 39 Aktienges.). Die G r ü n d e r (also die Satzungsfeststeller und Zeichnungs-Sacheinleger) haften für Vollständigkeit und Richtigkeit aller Angaben zum Zwecke der Gründung, für eine geeignete Einzahlungsstelle. Sie haften als Gesamtschuldner auf Schadensersatz. Der einzelne Gründer kann sich durch den Nachweis befreien, daß er die maßgebenden Tatbestände weder kannte, noch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen mußte. Als Mindestschadensersatzansprüche werden hervorgehoben: Ersatz fehlender EinZahlungen und von Vergütungen, die nicht in den Gründungsaufwand aufgenommen

worden

sind.

Die Gründer haften in gleicher Weise für vorsätzliche oder grobfahrlässige Schädigung durch Sacheinlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand. Schließlich haften sie auch für Zahlungsunfähigkeit eines Aktionärs bei Kenntnis. Neben den Gründern haften in gleicher Weise deren H i n t e r m ä n n e r . Dieses sind alle diejenigen, für deren Rechnung Gründer als Strohmänner Aktien übernommen haben. Damit aber die Hintermänner nicht „die Früchte des bösen Glaubens der Strohmänner genießen" (C. R i t t e r ) , ist bestimmt, daß sie auch für Kenntnis und Kennenmüssen der Strohmänner haften müssen (§ 39 V). Bei dieser strengen Haftung ist daher jedem abzuraten, einen anderen mit einem Ubernahmeauftrag zu betrauen. ß ) G r ü n d e r g e n o s s e n (§ 40 Ziffer 1 u. 2). Es sind dies die Empfänger verheimlichter Gründervergütungen, sowie die Teilnehmer an den Schädigungen durch Sacheinlagen und Sachübernahmen. Sie haften mit den Gründern als Gesamtschuldner auf Schadensersatz. y) Die A n k ü n d i g e r zwecks Einführung der Aktien in den Verkehr, sei es vor der Eintragung oder in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung (§ 40 Ziffer 3 Aktienges.). Sie haften bei Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben und den erwähnten Schädigungen als Gesamtschuldner mit den Gründern. Befreiung nur bei unverschuldeter Unkenntnis. ¿) V o r s t a n d s - u n d A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r haften als Gesamtschuldner für die Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Gründung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns (Prüfung, ordnungsmäßige Verwahrung der eingezahlten Beträge). § 41 Aktienges. s) G r ü n d u n g s p r ü f e r (§ 42 Aktienges.). Dort sind die Einzelheiten angegeben. Auffällig ist ihre Haftungsbeschränkung auf 100 000 DM bei

AG. i 42. Firma

256

Fahrlässigkeit. Die Vorschriften entsprechen den Regeln für den Abschlußprüfer. Siehe unten § 43. b) Der Anspruch aus der besonderen Gründerverantwortlichkeit steht n u r d e r G e s e l l s c h a f t zu. Außerdem kann eine Haftung der verantwortlichen Personen Dritten gegenüber aus allgemeinen Gründen in Betracht kommen, so wenn eine Vorschrift gleichzeitig als Schutzvorschrift für die Aktionäre aufzufassen ist (was meistens wegen- der Strafdrohun,gen der Fall ist). Auch aus besonderer Zusage gegenüber einem Zeichner können sich Haftungen ergeben. Vor allem kommt eine stark erweiterte Haftung der Ankündiget auf Grund von §§ 43 ff. Börsengesetz in Betracht. Andererseits sind auch andere Personen gegebenenfalls schadenersatzpflichtig, z. B. der Notar.

2. Die geschilderte Gründerverantwortlichkeit hat das Gesetz noch durch weitere Schutzvorschriften verstärkt. a) Das Gesetz sorgt für die E r h a l t u n g der Ansprüche der Gesellschaft (§ 42 Aktienges.). a) V e r g l e i c h e und V e r z i c h t e sind in den ersten fünf Jahren seit der Eintragung u n w i r k s a m . Das Gesetz trägt hier der Erfahrung Rechnung, daß eine AG. in den ersten Jahren noch entscheidend von den Gründern beherrscht wird.

ß) Später sind Verzichte und Vergleiche nur mit Zustimmung der Hauptversammlung zulässig. Dabei hat eine Minderheit, die ein Fünftel des Grundkapitals darstellt, ein Widerspruchsrecht. Die Ansprüche verjähren erst in 5 Jahren (§ 44 Aktienges.).

b) Das Gesetz sichert die G e l t e n d m a c h u n g der Ersatzansprüche. Vgl. §§ 121 ff. Aktienges. Auch hier sind der Minderheit Rechte gegeben. c) Entsprechende E r s a t z a n s p r ü c h e hat die Gesellschaft bei einer sog. N a c h g r ü n d u n g (§§ 45 ff., 121 ff. Aktienges.). Man versteht unter Nachgründung den Abschluß von Verträgen seitens der Gesellschaft in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung, durch welche sie Vermögensgegenstände übernehmen soll gegen eine Vergütung, die den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigt. ' Der Gesetzgeber will verhindern, daß die erschwerenden Vorschriften für Sachübernahmen umgangen werden durch eine Planung vor der Eintragung, daß eine wirkliche Durchführung erst nach der Eintragung durch den Vorstand erfolgt. Außerdem sind bei ihr Zustimmung der Hauptversammlung, Nachgründungsprüfungen, Eintragung im Handelsregister vorgeschrieben. Für die Wirksamkeit ist gleichgültig, ob etwa die Gründer früher über denselben Gegenstand unwirksame Ubemahmeverträge abgeschlossen hatten. — Keine Nachgründung liegt vor, wenn der Erwerb von Vermögensgegenständen sich als ein Grundgeschäft des Unternehmens der AG. darstellt, oder wenn es in der Zwangsversteigerung geschieht.

d) Die zivilrechtlichen Normen der Gründerverantwortlichkeit sind durch zahlreiche s t r a f r e c h t l i c h e Vorschriften verstärkt. Siehe §§ 294ff. Aktienges. $ 42 1. a) sein, b)

über die Sie muß also sog. Sie muß

Die Firma. F i r m a einer AG. bestimmt § 4 Aktienges.: in der Regel dem Gegenstand des Unternehmens entlehnt S a c h f i r m a sein. s t e t s den Zusatz „Aktiengesellschaft" haben.

AG. $ 42. Firma

25?

Zu a) Eine Sachfirma wäre z. B. „Giebichensteiner Brauerei Aktiengesellschaft", „Muskauer Papierfabrik Aktiengesellschaft". Die Entlehnung muß ist merkwürdigerweise z. Nicht genügt auch eine sierung fehlt. Unzulässig

volksverständlich sein, das erfordert die Verkehrstreue und T. früher verkannt worden. Vgl. C. R i t t e r Anm. 1 zu } 4. allgemeine Kennzeichnung, der die erforderliche Individualiz. B. „Fabrik-Aktiengesellschaft".

Da die Sachfirma aber nur als Regel vorgeschrieben ist, so kann die Firma einer AG. auch eine Personenfirma sein oder nur einen Phantasienamen enthalten, z. B. „Friedrich Crüger Aktiengesellschaft". Häufig sind sog. gemischte Firmen," z. B. „Prometheus Lebensversicherungsaktiengesellschaft". Uber die Zulassung der Abweichung von der Regel entscheidet bei ursprünglichen Firmen das Registergericht nach freiem Ermessen.

Zu b). Das Wort „ A k t i e n g e s e l l s c h a f t " ist nötig in unverkürzter Fassung. Unzulässig z. B. „Aktienfabrik" oder „A.-G.". Alltere Firmen von AG. bleiben unberührt, es sei denn, daB sie nur aus Personennamen bestehen und nicht eine AG. erkennen lassen. So Art. 22 EG. z. HGB. (der aufrecht erhalten ist) und für die Ostmark 2. EinfVO. 5 2. Selbstverständlich darf die Firma nicht täuschend sein (§ 18 II HGB.), und zwar nicht bloB in bezug auf die ,.Zusätze", sondern es kommt auf das Gesamtbild der ganzen Firma an. Vgl. RG. 127 77. — Uber Zusätze (insbesondere den Zusatz „Bank") vgl. oben S 17 III. Nach manchen ausländischen Rechten darf die Firma nfe einen Personennamen enthalten. Stets ist der Gesellschaftszusatz vorgeschrieben. Nach französischem Recht hat die AG. überhaupt nur eine „désignation" (société anonyme).

2. Die Firma einer AG. ist die e i n z i g e Bezeichnung, mit der sie im Rechtsverkehr auftreten kann. Im Gegensatz zum Einzelkaufmann sind bei ihr Firma und Name eins. Die AG. kann daher nur e i n e F i r m a haben. Keine Besonderheit ist dagegen, wie das RG. (RG. 100 113) irrigerweise annimmt, daß ihre Firma auch Namensschutz habe, denn das hat jede Firma (siehe oben).

3. Erwirbt eine AG. ein b e r e i t s b e s t e h e n d e s Handelsg e s c h ä f t mit Firma, so kann sie die e r w o r b e n e F i r m a f o r t f ü h r e n (§ 22 HGB.). Ihre Firma m u f i aber auch alsdann den Zusatz „Aktiengesellschaft" aufweisen (§ 4 II Aktienges.). W i e kann eine AG. eine solche erworbene Firma fortführen? Manche nehmen an, daß die AG. sowohl ihre alte wie die erworbene Firma (mit AG.-Zusatz) nebeneinander für die verschiedenen Handelsgeschäfte führen könne. Die Ansicht ist mit der herrschenden Lehre abzulehnen, da die AG. nur eine Firma haben kann (oben 2). Daher kann die AG. nur entweder ihre alte Firma aufgeben und die erworbene mit dem Zusatz „AG." führen oder ihre alte Firma weiterführen und dieser die erworbene Firma mit einem Nachfolgerzusatz anfügen. Der Erwerb des Handelsgeschäfts kann nicht bloB durch eine bereits entstandene AG. stattfinden, sondern vollzieht sich häufig durch eine erst in der Gründung begriffene AG. — In allen diesen Fällen besteht ein Recht der AG. auf die Firma: der Registerrichter kann daher hier nicht z. B. wegen Personennamen ablehnen (vgl. oben la). Will die AG. das erworbene Handelsgeschäft als Zweigniederlassung gebrauchen, so kann sie auch für das Hauptgeschäft ihre alte Firma unverändert fortführen, für die Zweigniederlassung aber diese Firma des Hauptgeschäfts (als Kern) unter Verwertung der erworbenen Firma als Zusatz gebrauchen. Doch darf dies nicht so geschehen, daB die Firma der Zweigniederlassung als selbständige Firma erscheinen könnte. Hier läge iiv-Wirklichkeit eine völlige Verschiedenheit zwischen Haupt- und Zweigniederlassungsfirma vor, die unzulässig ist (vgl. oben S 17 III). Ein Beispiel aus RG. 113 213: Die Firma „G. Neuenhahn A.-G. in Jena erwirbt eine Firma „Robert Peitz" in Camburg, sie macht diese zur Zweigv. G i e r k e , Handels- und Schiffahrtsrecht.

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niederlassung und fährt für ihr Hauptgeschäft die alte Firma fort. Die Firma der Zweigniederlassung kann dann nicht lauten „Robert Peitz Nachf. G. Neuenhahn AG.", wohl aber: „Robert Peitz Nachf. G. Neuenhahn AG. Filiale Camburg" oder „Robert Peitz Nachf. G. Neuenhahn AG. In J e n a " . Hat eine AG. eine Firma erworben und mit ihrer Firma als zusammengesetzte weitergeführt, so kann sid nicht die erworbene Firma allein mit dem früheren Geschäft veräußern (RG. 152 365). Erwirbt ein Einzelkaufmann oder eine o.HG. das Geschäft einer AG. mit Firma, so können sie diese Firma nur unter Weglassung des Wortes „Aktiengesellschaft" führen (sonst täuschend).

§ 43

Organisation. F r ü h e r e s R e c h t : O. v. G i e r k e , Genossenschaftstheorie (1886) S. 603ff. A u s n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e r Z e i t : C u n i o , Führerprinzip und Willensbildung im Aktienrecht 1935, G e ß 1 e r JW. 1937 477, D i e t r i c h JW. 1937 976.

I. A l l g e m e i n e s . Nach dem deutschen Aktiengesetz hat die AG. v i e r notwendige Organe: Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung, Abschlußprüfer. Der Vorstand ist gemäß dem Führerprinzip im weiteren Sinne zum obersten Organ gemacht, die Hauptversammlung ist auf bestimmte Befugnisse beschränkt worden. M. E. ist dies, obwohl keine gesetzliche Änderung bisher eingegriffen hat, durch die ganze Entwicklung seit dem Zusammenbruch 1945 insofern hinweggeschwemmt worden, als die Hauptversammlung wieder überall die Stellung als oberstes Organ haben muß und davon Gebrauch machen kann. Vgl. J. v. G i e r k e ZHR. IIIS. 47f. Da dies aber nicht allgemein anerkannt ist, folgt die folgende Darstellung genau den gesetzlichen Vorschriften. Uber das Führerprinzip im engeren Sinne siehe unten. Im Ausland hat die AG. regelmäßig d r e i Organe: den Vorstand (Direktor, Verwaltungsrat) als Verwaltungsorgan, ein Kontrollorgan (Revisoren, Aufsichtsrat) und die Generalversammlung. Die Zuständigkeit der Generalversammlung ist in den einzelnen Ländern verschieden. Grundsätzlich ist sie regelmäßig oberstes Organ. Häufig hat das Kontrollorgan nur einzelne, bestimmte Befugnisse. Außer den notwendigen Organen hat die AG. weitere Organe, so außerordentliche wie die Prüfer im besonderen Falle. Diá Satzung kann sonstige Organe schaffen. In gewissen Fällen nimmt der einzelne Aktionär die Stellung eines Organs ein (Anfechtungsklage).

II. V o r s t a n d . Er hat die L e i t u n g der Gesellschaft: Die Geschäftsführung und Vertretung. Er hat sie nach dem F ü h r e r p r i n z i p im weiteren Sinne, d. h. er muß nach e i g e n e r Verantwortung verfahren, er ist nicht Weisungen der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrats unterworfen. (§ 70 Aktienges.). 1. B e s t e l l u n g u n d A n s t e l l u n g . a) Die Bestellung erfolgt nicht wie beim bürgerlichen Verein durch die Mitgliederversammlung, sondern durch den A u f s i c h t s r a t auf höchstens fünf Jahre (§ 75 Aktienges.). Der Vorstand kann aus einer Person oder aus mehreren Personen bestehen (§ 70 Aktienges.). Der Aufsichtsrat kann einen von den mehreren Mitgliedern zum Vorsitzer ernennen (§ 75 II Aktienges,). Nur Einzelpersonen können bestellt werden {§ 75 Aktienges.). Die Bestellung ist ein sozialrechtlicher Akt, der richtiger Ansicht nach der Annahme bedarf. Wird ein Aufsichtsratsmitglied bestellt, so muß es aus dem Aufsichtsrat ausscheiden (vgl. § 95 Aktienges.). Der Aufsichtsrat ist ausschließlich zuständig, ein anderes Organ oder ein Dritter

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AG. i 43 II. Vorstand

kann mit der Bestellung nicht betraut werden. — Die Höchstdauer von fünf Jahren ist festgelegt, weil die Erfahrung gelehrt hat, daß längere Bestellungen die AG. ungünstig belasten.

In Notfällen erfolgt die Bestellung von Vorstandsmitgliedern durch das Gericht auf Antrag eines Beteiligten (§ 76 Aktienges.). Bestimmte Eigenschaften sind gesetzlich nicht aufgestellt. Die Satzung hat freie Hand. An die Bestellung schließt sich der Anstellungsvertrag, welcher Dienstvertrag oder Auftrag ist. Für ihn gelten entsprechende Regeln. b) Die Bestellung ist nur w i d e r r u f l i c h , wenn ein w i c h t i g e r Grund vorliegt. (§ 76 III Aktienges.).

Dieses steht im Gegensatz zum Verein des bürgerlichen Rechts, bei welchem jederzeitige freie Widerruflichkeit gegeben ist. Grund: Man wollte die Stellung des Vorstandes der AG. stärken. — Wichtige Gründe sind z. B. Pflichtverletzung, Unfähigkeit. Die vermögensrechtlichen Ansprüche aus dem Anstellungsvertrage bleiben unberührt.

c) Die Bestellung ist zum Handelsregister anzumelden, ebenso jede Änderung (§ 73 Aktienges., es gilt § 15 HGB.). Auch hat der Gesetzgeber hier zum ersten Male die G e s c h ä f t s s c h r e i b e n k u n d g a b e eingeführt (vgl. dazu oben § 12 VII). Auf den Geschäftsbriefen müssen die sämtlichen Vorstandsmitglieder (mit Vornamen und Familiennamen) nebst dem Vorsitzer des Aufsichtsrats angegeben werden. Der Vorsitzer des Vorstandes ist besonders zu bezeichnen (§ 100 Aktienges., Strafbarkeit gemäß § 301 Aktienges.). d) V e r g ü t u n g . Der Vorstand bezieht meistens Gehalt und Beteiligung am Reingewinn (Tantieme). Gegen zu hohe Bezüge war schon die Reichsgesetzgebung von 1931 eingeschritten, jetzt bringt das Aktiengesetz eingehende Vorschriften. Zweierlei ist bedeutsam: a) Der Aufsichtsrat hat ein besonderes Uberwachungsrecht über die Angemessenheit der Gesamtbezüge eines jeden Vorstandsmitglieds und ein Kürzungsrecht (§ 78 Aktienges.). Dem Vorstandsmitglied steht dann ein Kündigungsrecht zum Schluß des Kalendervierteljahres zu.

/8) D i e S o z i a l k l a u s e l . Die Gewinnbeteiligung ist von dem Reingewinn des Gesamtunternehmens (nicht eines einzelnen Geschäftszweiges) zu berechnen, der sich nach Vornahme von Abschreibungen und Rücklagen ergibt. Außerdem aber sollen die Gewinnbeteiligungen- in einem angemessenen Verhältnis stehen zu den sozialen Aufwendungen der AG. für ihre Gefolgschaft oder für gemeinnützige Einrichtungen (Sozialklausel). Ist der Aufsichtsrat lässig, so kann der Staatsanwalt „im Klagewege die Einhaltung des Gebotes erzwingen" (§ 77 Aktienges.). Es handelt sich nicht um eine eigentliche Klage, vielmehr hat . der Staatsanwalt einen Antrag auf Herabsetzung der zu beanstandenden Gewinnbeteiligung bei einer Spruchstelle zu stellen. Die Spruchstelle entscheidet nach Maßgabe des Verfahrens in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die zu hohe Gewinnbeteiligung ist nach rechtskräftiger Entscheidung der AG. zurückzugeben, diese hat sie für soziale Zwecke zu verwenden. Vgl. hierzu I. DurchfVO. v. 29. September 1937 Art. III }§ 8—17, sowie Verf. des Reichsjustizministers v. 3. September 1937. Spruchstellen sind Landgericht, Oberlandes17*

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gericht (Beschwerde), Reichsgericht (weitere Beschwerde). In dem Verfahren auf Antrag des Staatsanwalts werden die Beteiligten (AG., Vorstands-, Aufsichtsratsmitglieder) herangezogen. Wichtig ist, daß das Antragsrecht des Staatsanwaltes befristet ist (es erlischt nach Ablauf eines Jahres seit der Einreichung des Geschäftsberichtes beim Handelsregister in bezug auf- die für dieses Geschäftsjahr maßgebenden Gewinnbeteiligungen). Zu den sozialen Aufwendungen für die Arbeitnehmer gehören Unterstützungskosten, Pensionskassen, Heilstätten, sportliche Veranstaltungen usw. Zu den Aufwendungen für den gemeinen Nutzen gehören z. B. Gaben für Wohltätigkeitszwecke.

Man beachte, daß auf diesem Wege das Aktiengesetz dem berühmten Problem der Beteiligung der Arbeiter am Betriebsgewinn Rechnung zu tragen versucht, allerdings in einer völlig unzulänglichen und unpraktischen'Weise. Siehe J. v. G i e r k e ZHR. 111 S. 49f. Siehe noch § 78 III Aktienges. (Bezüge des Vorstandes beim Konkurs der AG.). — über die Vorstandstantieme bei Auflösung stiller Reserven siehe B e r g e r ZHR. 106 S. 33ff.

2. G e s c h ä f t s f ü h r u n g . Der Vorstand hat die gesamte Geschäftsführung nach dem Führerprinzip im weiteren Sinne (§ 70 Aktienges.). Siehe oben S. 225. a) Der Vorstand ist daher grundsätzlich selbständig, und es kommt nur zweierlei in Betracht: a) Der Vorstand kann von sich aus eine Angelegenheit der Hauptversammlung unterbreiten und ihre Entscheidung verlangen (§ 103 Aktienges.). ß) Der Aufsichtsrat kann anordnen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen (§ 95 V Satz 2 Aktienges.). b) Besteht der Vorstand aus m e h r e r e n P e r s o n e n , so findet meistens eine Verteilung der Geschäftsführung unter ihnen nach den Grundsätzen verständiger Arbeitseinteilung (Ressorts) statt. Hiermit ist jedoch der einzelne nicht von einer Teilnahme an der gesamten Geschäftsführung entbunden, denn sie ist stets der Gesamtheit anvertraut. In bezug auf die Beschlußfassung ist der richtigen Ansicht nach Einstimmigkeit zu fordern (Gesamtgeschäftsführung). Doch kann die Satzung, der Aufsichtsrat, der Vorstand selbst das Mehrheitsprinzip einführen, Streitig ist, ob im Zweifel Gesamtgeschäftsführung gilt. Das BGB. schreibt in 5 28 I BGB. für Vereine das Mehrheitsprinzip vor. Obschon das Vereinsrecht des BGB. für die AG. hilfsweise gilt, kommt § 28 BGB. nicht zur Anwendung, weil für die AG. der Zusammenhang mit § 71 AGes., welcher Gesamtvertretung vorschreibt, eine Abweichung fordert. Gegen die herrschende Lehre C. R i t t e r Anm. 6 zu § 70, der den ,.Zusammenhang" bestreitet. Der Zusammenhang liegt aber darin, daß aus einer gesetzlichen Bestimmung die einfachsten und klarsten Folgerungen zu ziehen sind (d. h. hier, daß der Gesamtvertretung die Gesamtgeschäftsführung entspricht). Aus den gleichen Gründen ist auch die Ansicht v. G o d i n s, der (HansRGZ. 1938 S. llf.) für Einzelgeschäftsführung eintritt, abzulehnen.

Der Vorstand kann sich einen Vorsitzer wählen; es kann auch ein Vorsitzer vom Aufsichtsrat bestimmt werden. Letzterer hat aber nicht mehr die Stellung eines Führers im engeren Sinne, so daß er allein die Entscheidung hat und die, anderen nur auf Rat angewiesen sind. Denn dieses nationalsozialistische Führerprinzip im engeren Sinne, das das Aktiengesetz enthält, ist zweifellos heute seit dem Zusammenbruch beseitigt. Vgl. J. v. G i e r k e ZHR. 111 S. Ali. c) Der U m f a n g der Geschäftsführung ist nicht schrankenlos. Vielmehr ist er durch Art und Gegenstand des Unternehmens begrenzt.

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Gewisse wichtige Geschäfte hebt das Aktiengesetz ausdrücklich hervor. Insbesondere die Buchführungspflicht (§ 82 Aktienges.), die laufende (mindestens vierteljährliche) Berichterstattung an den Aufsichtsrat (§81 Aktienges.), die Aufstellung und Vorlegung des Jahresabschlusses und Geschäftsberichts (§§ 125ff. Aktienges.), die Pflichten bei Verlust, Uberschuldung und Zahlungsunfähigkeit der AG. (§ 83 Aktienges.). 3. V e r t r e t u n g . Wie beim Verein des bürgerlichen Rechts hat der Vorstand die g e r i c h t l i c h e u n d a u ß e r g e r i c h t l i c h e V e r t r e t u n g der AG. (§ 71 Aktienges.). a) M e h r e r e Vorstandsmitglieder haben Gesamtvertretungsmacht. Es gilt Entsprechendes wie bei der Gesamtprokura (siehe § 21 VI). Die Satzung kann aber Einzelvertretungsmacht oder Gesamtvertretungsmacht mit einem Prokuristen geben. Auch der Aufsichtsrat kann dazu ermächtigt sein. Sogar der Vorstand selbst kann einzelnen seiner Mitglieder bestimmte Arten von Geschäften zur Vertretung geben. — Stets können Willenserklärungen gegenüber der AG. an irgend ein Vorstandsmitglied abgegeben werden (} 71 Aktienges.). Eine besondere Regelung der Vertretungsmacht ist in das Handelsregister einzutragen (§ 73 Aktlenges.). — Uber die Zeichnung der Firma siehe § 72 Aktienges.

b) Der U m f a n g der Vertretungsmacht umfaßt i m a l l g e m e i n e n alle gerichtlichen und außergerichtlichen Handlungen. Es gibt jedoch Schranken. Zunächst hat das Aktiengesetz einige ausdrückliche Vorschriften. Namentlich bedarf es zu Vergleichen über Ansprüche gegen die Gründer der Zustimmung der Hauptversammlung (§ 43 Aktienges., siehe oben § 41 VI 2), weiter für Kreditgewährungen an Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte der Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 80 Aktienges.). Außerdem ergibt sich aber auch hier nach allgemeinem Gesellschaftsrecht richtiger Ansicht nach eine Schranke durch die Art des Unternehmens. In diesem Umfang ist die sgn.. ultra vires Theorie des englischen und amerikanischen Rechts nach deutschem Recht als geltendes Recht anzusehen. Die germanistische Lehre (vgl. O. v. G i e r k e , Genossenschaftstheorie S. 630 ff.) geht etwas zu weit, indem sie die Schranke auf den ganzen Vereinszweck (also nicht bloß auf die Art, sondern auch den speziellen Gegenstand des Verbandes) abstellt. Daß dieses nicht richtig sein, kann, zeigt die Stellung des Prokuristen, der dann mehr könnte als der Vorstand. Bei der „Art" handelt es sich um die Frage, ob der Verband eine gewerbliche oder nicht gewerbliche, eine wirtschaftliche oder nicht wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Der „Gegenstand" bezeichnet die spezialisierte Betätigung. — Aus dem Gesagten ergibt sich, daß bei einer normalen AG., die ja auf Erwerb abgestellt ist, große Schenkungen des Vorstandes einfach unwirksam sind. — Die herrschende Lehre nimmt in lebensfremder Weise eine Unbeschränktheit der Vertretungsmacht an. Ihr ist leider das Reichsgericht gefolgt (RG. 145 31). Das Reichsgericht hat dann die sonderbaren Ergebnisse dadurch abzuschwächen versucht, daß es auch bei der gesetzlichen Vertretungsmacht eine Schranke bei „erkennbarem Mißbrauch" annahm. Allein dies ist abzulehnen, vgl. oben S. 117 bei der Prokura. — Vgl. zu diesen Fragen auch oben bei der o. HG. § 34 VI 2.

. c) Der so sich ergebende Umfang ist D r i t t e n gegenüber u n e i n s c h r ä n k b a r (§74 II Aktienges.). Gegensatz zum bürgerlichen Verein, bei dem eine Beschränkung durch die Satzung wirksam wird. Dritten gegenüber wirkt eine Einschränkung nur bei Arglist (siehe oben S. 117).

4. Das g e s e t z l i c h e W e t t b e w e r b s v e r b o t . Das Gesetz bestimmt für die Vorstandsmitglieder ein Wettbewerbsverbot für die Zeit ihrer Betä-

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tigung, ähnlich wie es für Handlungsgehilfen (oben § 24 II 2) gilt. Kein Betrieb eines Handelsgewerbes, keine Geschäfte im Geschäftszweig der AG. Die Vorstandsmitglieder können aber Kommanditisten sein. Die Fassung des Gesetzes ist nicht sehr glücklich. Vgl. C. R 111 e r zu } 79.

5. V e r a n t w o r t l i c h k e i t . a) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsleitung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (§ 84 Aktienges.). Sie h a f t e n d e r A k t i e n g e s e l l s c h a f t als Gesamtschuldner a u f S c h a d e n s e r s a t z . Der Einzelne kann sich von der Haftung nur befreien, wenn er den Nachweis führt, daß er die erforderliche Sorgfalt angewendet hat. Auch ist der Nachweis möglich, daß gemäß einem Beschluß der Hauptversammlung gehandelt worden ist, der gesetzlich zulässig war und unbedingt ausgeführt werden mußte. Verzichte und Vergleiche sind erst nach 5 Jahren zulässig und bedürfen der Zustimmung der Hauptversammlung. Hier besteht ein Widerspruchsrecht einer Minderheit mit '/s Grundkapitalbeteiligung. Niemals befreit der Nachweis, daB der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt habe. Siehe noch § 122 Aktienges.

Eine eigenartige Haftung ist den Vorstandsmitgliedern dadurch auferlegt, daß die G l ä u b i g e r der Gesellschft den erwähnten Schadensersatzanspruch u n m i t t e l b a r zwecks ihrer Befriedigung geltend machen können — allerdings n u r h i l f s w e i s e , aber mit einer R e i h e v o n V o r z ü g e n . Vgl. darüber unten § 45 2 a. b) Schwere Verfehlungen unterliegen besonderem s t r a f r e c h t l i c h e . n Schutz. §§ 294ff. Aktienges. (in manchen Fällen Zuchthaus bis zu 10 Jahren!). Dieses sind Schutzgesetze im Sinne des § 823 II BGB., so daß auch der einzelne Aktionär vorgehen kann (RG. 157 216), außerdem auch ein Gläubiger (siehe unten S. 301). c) Der Verstand wird in besonderer Weise durch O r d n u n g s s t r a f e n seitens des kegistergerichts zur Erfüllung seiner Pflichten angehalten (§ 303 Aktienges.). d) Wer ein Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft oder der Aktionäre zwecks Erlangung gesellschaftsfremder Sondervorteile zu handeln, haftet der AG. auf Schadensersatz (§ 106 Aktienges.). Vgl. B e r g m a n n ZHR. 105 S. 1 ff. — Der Handelnde kann ein Aktionär (Großaktionär), aber auch jeder Dritte sein (z. B. ein Gesellschaftsgläubiger, ein Angestellter, oder Lieferant). „Gesellschaftsfremd" bedeutet „gesellschaftsschädllch". Sondervorteile sind z. B. Lieferungs- und Bezugsvorteile, Erlangung einer Vorstandsstellung, günstiger Verkauf eines Unternehmens. — Für die Aufhebung der Ersatzpflicht durch Verzicht oder Vergleich gilt § 84IV (siehe oben a). — Die Ersatzpflicht besteht auch hilfsweise gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Die Ausübung des Stimmrechts durch den Aktionär selbst fällt nicht unter diese Vorschrift. Siehe unten IV S. 273.

6. „E n 11 a s t u n g". Die Hauptversammlung hat in den ersten fünf Monaten des neuen Geschäftsjahres über die Entlastung des Vorstandes (und Aufsichtsrates) zu beschließen (§ 104 Aktienges.). , , Die Satzung kann die Frist bis auf 7 Monate verlängern. Der Beschluß soll mit der Verhandlung über die Gewinnverteilung verbunden werden.

Lebhafter Streit besteht darüber, wie diese „Entlastung" mit der Vor-

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schrift, daß Verzichte auf Ersatz erst nach 5 Jahren zulässig sind, zu vereinigen ist. Vgl. oben unter 5 a. Eine Fülle von Scharfsinn ist dabei aufgewendet worden. Vgl. dazu C. R i t t e r Anm. zu § 104. Unmöglich ist es, die Entlastung als Verzicht auf Ersatzansprüche zu deuten (so teilweise S c h 1 e g e l b e r g e r - Q u a s s o w s k i ) , denn der Verzicht ist ja erst nach 5 Jahren zulässig. Aber unmöglich ist es auch, die Entlastung als Vertrauenskundgabe für das nächste Jahr aufzufassen, die auch bei Bemängelungen erfolgen könne (so W. S c h m i d t , Anm. zu § 104 Aktienges.), denn dafür kann nicht der Ausdruck Entlastung gebraucht werden. Zu der richtigen Ansicht führt ein Fingerzeig bei C. R i t t e r , der bemerkt, daß die Entlastung gegen früher entwertet sei. Und zwar liegt m. E. die Sache so: Die Hauptversammlung hat Entlastung in dem Sinne zu erteilen, daß sie die ordnungsmäßige Geschäftsführung vorläufig bestätigt. Kann sie das nicht, weil Mängel zu rügen sind, so kann sie nicht „entlasten". Wohl aber kann trotz dieser Mängel eine Vertrauenskundgabe für das neue Geschäftsjahr ausgesprochen werden, umgekehrt natürlich auch ein Mißtrauensvotum. Bin Mißtrauensvotum gibt dem Aufsichtsrat einen wichtigen Grund zum Widerruf.

7. Die Haftung der AG. für die Vorstandsmitglieder richtet sich nach § 31 BGB. Es ist die deutschrechtliche Haftung für Organe. In gleicher Weise ist die AG. auch für ihre verfassungsmäßigen Sonderorgane (insbesondere für die Leiter von Zweigniederlassungen) verantwortlich. Schließlich haftet die AG. auch für Organisationsmängel, wenn dem Ordnungsprinzip widersprechend nicht die erforderlichen Sonderorgane bestellt sind. Vgl. RG. 89 136, 157 294. — Uber das Ordnungsprinzip siehe oben § 29 unter 2. 8. S t e l l v e r t r e t e r v o n V o r s t a n d s m i t g l i e d e r n . Das praktische Bedürfnis fordert, daß für den Fall der Verhinderung von Vorstandsmitgliedern sofort taugliche Ersatzmänner für sie da sind. Ihm wird dadurch Rechnung getragen, daß bereits im voraus Stellvertreter bestellt werden. Das Gesetz erkennt diese stellvertretenden Vorstandsmitglieder in § 85 Aktienges. an. Es bestimmt, daß auch für sie die Vorschriften für die Vorstandsmitglieder gelten. Das bedeutet nun nicht, daß sie völlig den ordentlichen Vorstandsmitgliedern gleichstehen. Denn sie sollen ja eben nur „Stellvertreter" sein. Daher kommen für sie die Vorschriften für die Vorstandsmitglieder insoweit nicht zur Anwendung, als kein vernünftiger Grund besteht, nur ihrem Stellvertretungsverhältnis Rechnung zu tragen. Daraus ergibt sich,' daß die Normen der Vorstandsmitglieder über Bestellung und Anstellung, sowie über Abberufung durch den Aufsichtsrat für sie maßgebend sind. Weiter, daß ihre Beschränkung auf die Stellvertretung nur im Innenverhältnis wirkt, daß dagegen im Verhältnis zu Dritten sie die gleiche uneinschränkbare Vertretungsmacht haben wie die ordentlichen Vorstandsmitglieder. Ihre Rechte und Pflichten in bezug auf die Geschäftsführung sind also grundsätzlich auf Behinderungsfälle beschränkt. Immerhin können sie nach dem genossenschaftlichen Ordnungsprinzip gegebenenfalls vorsorgliches Gehör und nachträgliche Mitteilungen verlangen. Das Verbot des Handelsgewerbebetriebes kann für sie nicht gelten, wenn sie zur Zeit der Bestellung bereits ein Gewerbe betrieben. Verantwortlich sind sie für die Zeit ihrer

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Vertretung. Am Gewinn sind sie jedenfalls dann nicht beteiligt, wenn sie gar nicht ia Tätigkeit getreten sind. — Bs empfiehlt sich, ihre Stellung in den Satzungen und Anstellungsverträgen genau zu regeln. Das Schrifttum in diesen Fragen ist spärlich. Vgl. noch Gesetz aber das Kreditwesen v. 5. Dezember 1934 § 4 und Art. 9 der I. DurchfVO. v. 4. Februar 1935 (keine volle Stellung der stellv. Vorstandsmitglieder!). Das schweizer. OblR. sucht den Bedürfnissen dadurch zu dienen, daß es beim Fortfall eines Vorstandsmitgliedes den Übrigen die Geschäftsführung allein anvertraut (§ 708 III). Vorübergehend kann nach deutschem Recht der Aufsichtsrat ein Mitglied zur Vertretung für ganz bestimmte Zeit entsenden (§ 90 II Aktienges.). A u s l a n d : Nach den meisten ausländischen Rechten ist die Wahl des Vorstandes ein Grundrecht der Generalversammlung (französischer Rechtskreis, Nordamerika). In den Niederlanden ist die sog. „oligarchische Klausel" zulässig, d. h. die Schaffung eines Präsentationsrechts. Manche Rechte lassen juristische Personen zu, manche verlangen Staatsangehörigkeit.

III. A u f s i c h t s r a t . Entsprechend der Trennung der Aufgaben, die das deutsche Aktiengesetz durchgeführt hat, ist der Aufsichtsrat im wesentlichen U b e r w a c h u n g s o r g an für d i e G e s c h ä f t s f ü h r u n g d e s V o r s t a n d e s (§ 95 Aktienges.). 1. B e s t e l l u n g u n d A n s t e l l u n g . a) Der Aufsichtsrat ist notwendig ein K o l l e g i u m . Nach dem Gesetz besteht er aus drei Mitgliedern. Die Satzung kann eine größere Zahl festsetzen, die Höchstzahl ist abgestuft nach der Höhe des Grundkapitals, sie kann 20 nicht überschreiten. Siehe § 86 Aktienges. Die übermäßig große Anzahl von Aufsichtsratsmitgliedern hatte zu vielen Unzulänglichkeiten geführt. — Mit ministerieller Erlaubnis sind Ausnahmen zulässig.

b) Die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder erfolgt im allgemeinen durch W a h l s e i t e n s d e r H a u p t v e r s a m m l u n g . Es entscheidet Mehrheitsbeschluß. Die Wahl kann auf höchstens vier Jahre erfolgen (§ 38 Aktienges.). Wählbar sind nur Einzelpersonen; nicht wählbar ist derjenige, der bereits zehn Aufsichtsratsstellen bei AG. hat (§ 81 II Aktienges.). Die Wahl eines Vorstandsmitgliedes ist nichtig (§ 90 Aktienges.). Die Anhäufung von Aufsichtsratsstellen in einer Person war ein unverantwortlicher Mißbrauch der Zeit vor 1931, es gab Personen, die 100 Aufsichtsratsposten innehatten. Hin anderer Mißbrauch war, daß Parlamentarier Aufsichtsratsstellen bekleideten.

Die Satzung kann bestimmten Aktionären oder bestimmten Inhabern vinkulierter Stammaktien ein E n t s e n d u n g s r e c h t von Mitgliedern geben. Es darf jedoch die Gesamtzahl solcher entsandten Mitglieder den dritten Teil aller Aufsichtsratsmitglieder nicht übersteigen (§ 88 I Aktienges.). Das Gesetz ermöglicht Das Gesetz ermöglicht ser gewährleistet als durch Bedingungen erfüllen, wie

es hierdurch, bei Staatsbetrieben und gemisctwirtschaftlichen es hierdurch, bei Staatsbetrieben und gemischtwirtschaftlichen ein bloßes Präsentationsrecht. Der Entsandte muß die gleichen ein gewähltes Mitglied.

In Notfällen, d. h. wenn dem Aufsichtsrat länger als drei Monate die zur Beschlußfähigkeit erforderliche Mitgliederzahl fehlt, bestellt das Gericht die nötigen Mitglieder (siehe § 89 Aktienges.). Bei allen Arten der Bestellung reiht sich an sie der Anstellungsvertrag. Vgl. oben II 1 a. Der Aufsichtsrat wählt sich einen V o r s i t z e r und einen Stellvertreter für diesen. Der Vorsitzer hat nicht Führerstellung im engeren Sinne (vgl. unten 2). Am Aufsichtsrat nehmen jetzt auch wieder nach Maßgabe der Vereinbarungen Betriebsratsmitglieder mit beratender Stimme teil. c) Die Bestellung kann j e d e r z e i t w i d e r r u f e n werden. Bei den

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gewählten Mitgliedern erfolgt der Widerruf durch einen Beschluß der Hauptversammlung mit Dreiviertelmehrheit (§ 87 II Aktienges.). — Der Widerruf bei den entsandten Mitgliedern erfolgt durch den Entsendungsberechtigten (§ 89 IV Aktienges.). Uber die Dauer der Bestellung des ersten Aufsichtsrates siehe § 87 III Aktienges.

d) Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates, sowie jede spätere Änderung werden in den Gesellschaftsblättern vom Vorstand b e k a n n t g e m a c h t . Die Bekanntmachung wird zum Handelsregister eingereicht. Eine Eintragung findet nicht statt (§ 91 Aktienges.). Aber auf den Geschäftsbriefen muß der Name des Vorsitzers mit angegeben werden (§ 100 Aktienges.). e) Die V e r g ü t u n g der Aufsichtsratsmitglieder kann in der Satzung festgelegt sein, ist dann aber mit einfacher Mehrheit der Hauptversammlung abänderlich. Schweigt die Satzung, so wird sie von der Hauptversammlung festgesetzt. — Für die Gewinnbeteiligung der Aufsichtsratsmitglieder gelten die gleichen Vorschriften wie für die Vorstandsmitglieder (§ 99 Aktienges.). Die Vergütung fflr den ersten Aufsichtsrat kann nur durch die Hauptversammlung festgesetzt werden, welche aber seine Entlastung beschlieBt (§ 99 II Aktienges.).

2. D i e O r d n u n g . Der Aufsichtsrat ist ein Kollegium, es wählt sich einen Vorsitzer und einen Stellvertreter für diesen. Der Vorsitzer hat die Stellung eines Leiters eines gleichgeschalteten Kollegiums, er ist nicht Führer im engeren Sinne. Er wird vom Vorstand zum Handelsregister angemeldet. Er hat die erforderlichen Sitzungen des Aufsichtsrats einzuberufen und die Verhandlungen zu leiten. Der Aufsichtsrat kann Ausschüsse zur Vorbereitung oder Ausführung seiner Beschlüsse bilden (§ 92 Aktienges.). Uber die Sitzungen des Aufsichtsrats wird eine Niederschrift angefertigt. Zur Teilnahme können auch Vorstandsmitglieder nach Maßgabe der Satzung oder durch den Vorsitzer zugezogen werden. Die Satzung kann schriftlich bevollmächtigte Vertreter zulassen, nur der Vorsitzer und sein Stellvertreter dürfen lediglich persönlich erscheinen (§ 93 Aktienges.). Bei der Beschlußfassung entscheidet die Mehrheit, der Vorsitzer gibt bei Stimmengleichheit den Stichentscheid. Beschlußfassung durch schriftliche Stimmgabgabe ist zulässig bei Einwilligung aller (5 92 III Aktienges.).

Jedes Aufsichtsratsmitglied hat ein Recht, die Einberufung zu fordern, ebenso der Vorstand als solcher. Wird dem Verlangen von zwei Aufsichtsratsmitgliedern oder des Vorstandes nicht Rechnung getragen, so können diese den Aufsichtsrat selbst einberufen (§ 94 Aktienges.). Uber das Recht des Reichsaufsichtsamtes für das Kreditwesen, an den Sitzungen der Kreditinstitutsverwaltungen teilzunehmen, siehe § 32 des Gesetzes über das Kreditwesen (neue Fassung) v. 25. Sept. 1939.

3. D i e A u f g a b e n . a) Wie erwähnt,ist dieHauptaufagbe die s t ä n d i g e U b e r w a c h u n g . Hierzu hat nicht bloß der Aufsichtsrat, sondern jedes einzelne Mitglied das Recht jederzeitiger Berichterstattung seitens des Vorstandes (vgl. § 95 II

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AG. ? 43. Organisation

Aktienges.)- Der Aufsichtsrat hat ferner das Recht der Einsicht und Nachprüfung in bezug auf die Bächer, Kassen, Bestände der AG. Die Berichterstattung erfaßt auch die Beziehungen zu einem Konzernunternehmen (über letzteres siehe § 15 Aktienges. und unten § 53 V). — über den laufenden Bericht des Vorstandes siehe oben II 2.

Dem Aufsichtsrat liegt auch die Prüfung des Jahresabschlusses ob und der Bericht über ihn an die Generalversammlung (§ 96 Aktienges.). b) Nur in bestimmten, besonderen Fällen ist der Aufsichtsrat zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt. a) G e s c h ä f t s f ü h r u n g : Einberufung der Hauptversammlung, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert (§ 95 II Aktienges.). Vorbehaltene Zustimmung bei bestimmten Geschäften (§ 95 V Aktienges.), Zustimmung zu Kreditgewährungen an Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte (§ 80 Aktienges., dazu J. R i 11 e r HansRGZ. 1934 S. 57 ff.). ß) V e r t r e t u n g : Bei Rechtsgeschäften der AG. mit dem Vorstand, bei Rechtsstreitigkeiten zwischen AG. und Vorstand (§ 97 Aktienges.). In einem Fall haben Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam die Vertretung (§ 109 II), in einigen Fällen sind Vorstand und Vorsitzer des Aufsichtsrats zu gemeinsamer Tätigkeit berufen (vgl. z. B. § 155 Aktienges.). 4. V e r a n t w o r t l i c h k e i t u n d E n t l a s t u n g . Es gelten entsprechende Vorschriften für die Vorstandsmitglieder. RG. 144 348. § 99 Aktienges. Strafrecht: §§ 299 ff. Ordnungsstrafen gibt es nicht. Siehe auch § 101 Aktienges. Ein gesetzliches Wettbewerbsrecht besteht nicht. 5. Die Haftung der AG. für die Aufsichtsratsmitglieder richtet sich nach § 31 BGB. A u s l a n d . In vielen ausländischen Staaten fehlt ein allgemeines Kontrollorgan. Vgl. oben § 39 IV die Übersicht über die ausländischen Rechte. — Uber juristische Personen im Aufsichtsrat siehe S i m o n i u s in der Festgabe für C. W i e 1 a n d (Basel 1934).

IV. H a u p t v e r s a m m l u n g . Sie ist das Organ, durch welches die Aktionäre ihre Rechte ausüben (§ 102 Aktienges.). Sie ist aber nach dem Gesetz nicht mehr oberstes Organ (siehe oben I). Vielmehr hat sie bestimmte Aufgaben; für die laufende Geschäftsführung ist sie von sich aus nicht zuständig. v. G o d i n - W i l h e l m i bezeichnen sie in Anm. 1 zu § 104 Aktienges. wegen ihres Wahlrechts des Aufsichtsrats, der wieder den Vorstand bestellt, sowie wegen ihrer Befugnis, Vorstand und Aufsichtsrat zu entlassen oder ihnen ein Mißtrauenvotum auszusprechen, als „mittelbares oberstes Organ".

Die Hauptversammlung wird gebildet durch eine gehörig einberufene und ordnungsmäßig sich abspielende Versammlung der Aktionäre. Sie entscheidet durch Beschlußfassung (§ 103 Aktienges.). Ein Teilnahmerecht steht den Mitgliedern des Vorstandes und Aufsichtsrats zu, auch wenn sie nicht Aktionäre sind (§ 102 II Aktienges.). Die Versammlung kann nicht durch schriftliche Beschlußfassung ersetzt werden (anders beim Verein des BGB.).

Man unterscheidet ordentliche und außerordentliche Hauptversammlungen, letztere werden nach Bedürfnis einberufen. Gesetzlich ist eine ordentliche Hauptversammlung in den ersten fünf Monaten des Geschäftsjahres

AG. i 43 IV. Hauptversammlung

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vorgeschrieben, welche der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat dient und gleichzeitig für die Vorlegung des Jahresabschlusses und die Gewinnverteilung in Betracht kommen soll (§ 104 Aktienges.). 1. Z u s t ä n d i g k e i t . Sie ist auf folgendes beschränkt, dieses aber zwingend, so daß eine Übertragung an andere unzulässig ist: a) Sie hat die Entscheidung und Regelung über Fragen d e s r e c h t l i c h e n u n d w i r t s c h a f t l i c h e n A u f b a u s der Gesellschaft: Allgemeine Satzungsänderung, Kapitalerhöhung, Kapitalherabsetzung (§§ 145 ff.), Auflösung und Fortsetzung (§§ 203, 215), Verschmelzung und Umwandlung (§§ 234, 147, 257), Vermögensübertragung und Gewinngemeinschaft (§§ 253 ff.). b) Sie ist zuständig für gewisse o r g a n i s a t o r i s c h e Maßnahmen: Wahl und Anstellung des Aufsichtsrats nebst der Abberufung (§§ 85 f. Aktienges.), Bestellung von Sonderprüfern (§ 118 Aktienges.), Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat (§ 104 Aktienges.). c) Sie ist zuständig für die Gewinnverteilung (§ 126 Aktienges.). d) und für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen die Verwaltung und die Gründer (§§ 122, 124, 43 Aktienges.). e) Ausnahmsweise für die Feststellung des Jahresabschlusses (§ 125 Aktienges.). 2. E i n b e r u f u n g . Das Gesetz enthält im Gegensatz zum bisherigen Recht etwas genauere Vorschriften, die z.T. zwingend sind. Die Satzung kann ergänzen. Regelmäßig erfolgt die Einberufung durch den Vorstand (Gesamtvorstand), § 105 Aktienges. Neben ihm hat kraft Gesetzes der Aufsichtsrat ein Einberufungsrecht, und es gibt — entsprechend wie beim bürgerlichen Verein ein Minderheitsrecht der Aktionäre. Der Aufsichtsrat kann einberufen, wenn das „Wohl" der Gesellschaft es fordert (§ 95 IV Aktienges.). Die Minderheit muB nur einen Aktienbesitz von mindestens >/io des Grundkapitals haben. Näheres § 106 Aktienges. — Die Satzung kann noch anderen Personen ein besonderes Einberufungsrecht geben, z. B. dem Vorsitzer des Vorstandes allein. — Die im Handelsregister eingetragenen Vorstandsmitglieder gelten ohne weiteres als legitimiert auch bei Beendigung ihres Amtes und anderen Mängeln (§ 105 I Satz 2).

Die Einberufung hat in allen Gesellschaftsblättern zu erfolgen unter Angabe der Firma, der Zeit und des Ortes der Versammlung (§ 105 III Aktienges.). Als Versammlungsort „soll" der Sitz der AG. in Betracht kommen. Als Frist ist eine Zwischenfrist von mindestens zwei Wochen vorgeschrieben (§ 107 Aktienges.). Ist das Stimmrecht satzungsgemäB von einer Hinterlegung der Aktien abhängig, so müssen für die Hinterlegung mindestens zwei Wochen frei bleiben (§ 107 II Aktienges.).

In der Bekanntmachung soll die T a g e s o r d n u n g genau angegeben werden (§ 108 Aktienges.). Ohne rechtzeitige Ankündigung kann über den betreffenden Punkt nicht beschlossen werden (Näheres § 108 II Aktienges.). Eine Sondermitteilung durch eingeschriebenen Brief kann derjenige verlangen, der eine Aktie bei der Gesellschaft hinterlegt (§ 109 Aktienges.). über die Nichtbefolgung dieser Vorschriften siehe unten 7. 3. V e r h a n d l u n g . Sie steht im allgemeinen zunächst unter der Vorschrift g e r i c h t l i c h e r o d e r n o t a r i e l l e r ' B e u r k u n d u n g . Das

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AG. S 43. Organisation

Gesetz selbst gibt weiterhin einige Vorschriften. Ergänzt werden sie durch die Regelung oder gewohnheitsrechtliche Grundsätze, die sich aus dem Ordnungsprinzip ergeben. So ist satzungsgemäfi häufig der Vorsitzer des Aufsichtsrats Leiter, in Ermanglung einer Satzungsvorschrift muß ein Leiter gewählt werden. Gewohnheitsrecht ist maßgebend für Eröffnung, Worterteilung, Schließung u. a. Hervorzuheben ist a) Das T e i l n a h m e r e c h t steht unentziehbar jedem Aktionär zu. Es umfaßt stets das Recht zu erscheinen, Anträge zu stellen, an der Beratung teilzunehmen. In ihm wurzelt auch das Auskunftsrecht, welches das Gesetz besonders ordnet (unten c). Regelmäßig, aber nicht notwendig ist mit ihm auch das Stimmrecht verknüpft, das später eingehender Betrachtung bedarf (unten 4). Das Aktiengesetz hat im Gegensatz zum bisherigen Recht auch die Möglichkeit von Aktien ohne Stimmrecht eingeführt. Ihnen steht aber das Teilnahmerecht zu.

Das Teilnahmerecht kann an bestimmte Voraussetzungen gebunden werden. Die satzungsgemäßen Voraussetzungen für das Stimmrecht (siehe unten 4k) gelten aber nicht ohne weiteres für das Teilnahmerecht, das vielmehr besonders zu beurteilen ist (nicht zutreffend v o n G o d i n - W i l h e l m i Anm. 11 zu § 107 Aktienges., siehe dagegen RG. 112 109). b) T e i l n e h m e r v e r z e i c h n i s u n d N i e d e r s c h r i f t . a) T e i l n e h m e r v e r z e i c h n i s . Es ist in der Hauptversammlung herzustellen und vom Vorsitzer zu unterzeichnen (§ 110 Aktienges.).

Es hat große Bedeutung wegen der späteren Nachprüfung der Wirksamkeit der Beschlüsse. Das Gesetz enthält daher genaue Vorschriften. Werden sie verletzt, so liegt freilich nur Anfechtbarkeit der Beschlüsse vor (§ 111 Aktienges.); vgl. unten 7.

ß) N i e d e r s c h r i f t . Jeder B e s c h l u ß bedarf der gerichtlichen oder notariellen Niederschrift (Protokoll). Nähere Angaben in § 111 Aktienges. Mit der Niederschrift wird das Verzeichnis der Teilnehmer verbunden. Fehlen oder Unrichtigkeit der Niederschrift erzeugen Nichtigkeit des Beschlusses (vgl. §§ 195, 196 Aktienges.). Dieses gilt auch bei einer Gesamtversammlung (auch Einmannversammlung) RG. 11(229. — Eine öffentlich beglaubigte Abschrift der Niederschrift ist zum Handelsregister einzureichen (§ 111 V Aktienges.).

c) A u s k u n f t s r e c h t . Es steht jedem Aktionär zu. Aber nur insoweit, als ein Zusammenhang mit dem verhandelten Gegenstand vorliegt. Die Auskunft ist gewissenhaft zu erteilen. Sie darf insoweit verweigert werden, als überwiegende Belange des Unternehmens oder, der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern (§ 112 Aktienges.). Es war richtiger Ansicht nach dieses bereits vor dem Aktiengesetz geltendes Recht. Die herrschende Lehre, auch das Reichsgericht, waren unbegreiflicher Weise anderer Ansicht, man wollte nur ein Auskunftsrecht der Mehrheit der Generalversammlung anerkennen.

4. S t i m m r e c h t (§ 114 Aktienges.). a) G r u n d s ä t z l i c h e s : a) J e d e r A k t i o n ä r h a t g r u n d s ä t z l i c h d a s

Stimmrecht.

Das Gesetz sagt: „Jede Aktie gewährt das Stimmrecht". Aktie hat hier die Bedeutung von „Mitgliedschaft".

Im früheren deutschen Recht war dieser Grundsatz ohne Ausnahme. Jetzt können auch Vorzugsaktien ohne Stimmrecht ausgegeben werden (§§ 115 ff.

AG. § 43 IV 4. Stimmrecht

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AGes.)- Der Vorzug muß immer in einem Vorzug am Gewinn mit Nachzahlungsrecht im folgenden Jahr bestehen (unten S. 295). Solchen Vorzugsaktien stehen außer dem Stimmrecht alle anderen Rechte eines Aktionärs zu. Das Stimmrecht lebt sofort wieder auf, wenn der Vorzug nicht gewährt oder aufgehoben oder beschränkt wird. Dabei bestehen besondere Zustimmungsrechte für Aufhebung oder Beschränkung des Vorzuges. — Die Einführung dieser Vorzugsaktien ohne Stimmrecht ist als ein lockendes Finanzierungsmittel gedacht. Die Aktien sind etwa Schuldverschreibungen angenähert. Einige ausländische Rechte kennen Aktien ohne Stimmrecht, so vor allem Nordamerika. Einige Länder schreiben einen Mindestbesitz von Aktien vor, der eine Stimme geben muß.

ß) U m f a n g ( H ö h e ) ' . Das Stimmrecht richtet sich nach A k t i e n b e t r a g e n , nicht nach Köpfen. Es soll maßgebend sein die Höhe der kapitalistischen Beteiligung. Die Satzung kann aber folgende Abweichungen bestimmen: Sie kann ein Höchststimmrecht oder Stimmabstufungen für die Besitzer mehrerer Aktienrechte festsetzen. Erforderlich ist dazu ministerielle Genehmigung (§13 der 3. DurchfVO. zum Aktienges.). B e i s p i e l e : Kein Aktionär hat mehr als 10 Stimmen. Oder: mehr als 50 Aktien geben kein Stimmrecht mehr. Oder: Je 5 Aktien eines Aktionärs geben eine Stimme. Oder: Wer mehr als SO Aktien besitzt, hat für Je weitere 10 Aktien nur eine Stimme. — Auch kann vorgeschrieben werden, dafl der Betrag einer Aktie den Höchstbetrag bilden soll; dann kommt es praktisch auf.eine Abstimmung nach Köpfen hinaus.

M e h r s t i m m r e c h t s a k t i e n (d. h. Aktien, denen ein höheres Stimmrecht beigelegt ist, als ihrem Nennbetrag entspricht) s i n d u n z u l ä s s i g (§ 12 Aktienges.). Dieses steht im Gegensatz zum früheren Recht. Ihre Zulassung hatte jedoch im Gegensatz zu ihrem ersten Auftauchen zu Mißbräuchen geführt, indem sie* zum Zweck einer egoistischen Verwaltungsherrschaft geschaffen wurden, und vielfach die unerquickliche Frage nach einem Verstoß gegen die guten Sitten zur Beantwortung stand. Vgl. oben S. 235. Uber Schrifttum und die vielfachen Meinungsverschiedenheiten siehe die 4. Aufl. dieses Lehrbuches. — Mit ministerieller Genehmigung können sie heute zugelassen werden (§ 12 II Aktienges.)Im A u s l a n d ist die Regelung verschieden: In Frankreich sind sie verboten. In der Schweiz sind sie in besonderer Weise zugelassen. Nach Art. 693 OR. kann ohne Rücksicht auf den Nennwert das Stimmrecht nach der Zahl der Aktien bemessen werden.

y) Nur v o l l e i n b e z a h l t e Aktien haben das Stimmrecht. Jedoch kann die Satzung vorschreiben, daß das Stimmrecht schon beginnt, wenn die gesetzliche oder satzungsgemäße Mindesteinlage geleistet ist. Dann gewährt die Mindesteinlage eine Stimme, die höheren Einlagen entsprechend mehr (§ 114 II Aktienges.). Es sollen auch „verkappte" Mehrstimmrechtsaktien verboten sein.

Wenn alle Aktien noch nicht voll einbezahlt sind, und die Satzung nichts bestimmt, würden überhaupt keine Aktien mit Stimmrecht vorhanden sein. Dann könnte überhaupt nicht abgestimmt werden! Das Gesetz schreibt daher vor, daß in diesem Fall die Mindesteinlage eine Stimme gibt, und eine höhere Einlage entsprechend mehr Stimmen. b) B e v o l l m ä c h t i g u n g . Das Stimmrecht kann durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden. Er stimmt im Namen des Vollmachtgebers. Die Vollmacht bedarf schriftlicher Form (§ 114 III Aktienges.). Im Aktionärverzeichnis ist sowohl der Bevollmächtigte, wie der Vertreter anzugeben (§110

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AG

- 9 43. Organisation

Aktienges.). Der Bevollmächtigte kann nicht stimmen, wenn für ihn die Stimmenthaltungsvorschriften in Betracht kommen, aber auch nicht, wenn sie für seinen Vollmachtgeber zutreffen.

Siehe unten c — § 114 V Aktienges. „weder für sich noch für einen anderen". Das „für einen anderen" umfafit den Fall, daB auf den Bevollmächtigten selbst die Stimmenthaltungsvorschriften zutreffen. Ist das beim Vollmachtgeber der Fall, so folgt die Stimmenthaltung aus allgemeinen Gründen, denn sonst würde der Vollmachtgeber mittelbar stimmen. Uber die Legitimationsübertragung siehe unten &

c) S t i m m e n t h a l t u n g . Das Gesetz hat die früheren Vorschriften erheblich eingeschränkt. Eine Stimmenthaltung ist nur vorgeschrieben für den Fall, daß der Aktionär entlastet oder von einer Verpflichtung befreit werden soll, sowie wenn ein Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll. Er darf dann auch nicht als Bevollmächtigter stimmen, äuch nicht kraft Legitimationsübertragung (siehe unten e). Uber das frühere Recht siehe $ 252 HGB. — In krassen Fällen kann heute § 826 BGB und 5 197 Aktienges. helfen.

d) Stimmenkauf und Stimmerschieichung werden strafrechtlich geahndet (§§ 299, 300 Aktienges.). e) D i e L e g i t i m a t i o n s ü b e r t r a g u n g . Älteres Schrifttum siehe 4. Aufl. dieses Lehrbuches S. 359. Aus ihm ist hervorzuheben: G i e s e k e, Das Aktienstimmrecht der Banken 1926. — Für das heutige Recht siehe E. J u n g ZHR. 107 S. 75 ff.

Gewohnheitsrechtlich hatte sich im deutschen Recht die Überlassung der Ausübung des Aktienrechts, insbesondere des Stimmrechts, in eigenem Namen ausgebildet: sog. L e g i t i m a t i o n s ü b e r t r a g u n g . Sie hatte sich vor allem dadurch Bahn gebrochen, daß Banken sich ihrer bedienten, um das Stimmrecht für die bei ihnen im Depot ruhenden Aktien ihrer Kunden (Depotaktien) in eigenem Namen auszuüben. Hierauf ist auch der Einfluß der Banken in den neuzeitlichen AG. zurückzuführen. Gegenüber manchem Widerspruch wurde die Legitimationsübertragung' vom Reichsgericht als rechtsgiltig angesehen (RG. 105 289, 118 330). Die Gefahren der Legitimationsübertragung liegen darin, daß sie zu Umgehungen der Stimmenthaltungsvorschriften führen kann, weiter zu einer Herrschaft anonymen Kapitals (der Eigentümer der Aktie kommt nicht zum Vorschein), und daß ein zu weitgehender Einfluß der Großbanken die unmittelbar beteiligten Aktionäre zurückdrängt. Das deutsche Aktiengesetz hat die Legitimationsübertragung anerkannt, jedoch einige schützende Vorschriften aufgestellt. Es handelt sich bei der Legitimationsübertragung um eine seitens des Eigentümers einer Aktie einem anderen erteilte E r m ä c h t i g u n g , die in ihr enthaltenen Rechte, insbesondere das Stimmrecht i m e i g e n e n N a m e n auszuüben unter Verschaffung der äußeren Rechtsstellung eines Aktionärs. Die Ermächtigung ist eine Anwendung von $ 185 BGB. Die „Ermächtigungstheorie" ist zuerst von G i e s e k e vertreten worden, dann vom Reichsgericht (118 330); das neue Aktienges. gebraucht auch den Ausdruck „Ermächtigung". Die Ermächtigung ist eine einseitige Erklärung. Denkbar, aber weniger empfehlenswert ist eine Konstruktion, welche einen Ubertragungsvertrag in bezug auf die Ausübung des Rechts annimmt. — Der Ausdruck „Legitimationsübertragung" ist irreführend (zuerst von Staub geprägt)! eine Legitimation kann nicht übertragen, sondern nur verschafft werden; auch handelt es sich nicht allein um die Verschaffung der Legitimation, sondern der andere erhält ein eigenes Recht. In Ermangelung eines besseren Ausdrucks behalten wir Ihn bei. Besonders wichtig Ist, darauf zu achten, daB keine Vollmacht vorliegt.

AG. 5 43 IV. 4. Stimmrecht

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Es gelten für die Legitimationsübertragung folgende Rechtssätze: a) Sie ist n i c h t i g, wenn sie in der Satzung ausgeschlossen ist, wenn sie gegen Entgelt erfolgt (§ 299 Aktienges.), wenn sie lediglich vorgenommen wird, um Stimmenthaltungsvorschriften oder Stimmbeschränkungsvorschriften zu umgehen (§ 134 BGB.). ß) Zu ihrem Z u s t a n d e k o m m e n ist erforderlich eine Erklärung des Aktionärs, durch welche er den anderen zu einer Ausübung der Rechte oder auch nur des Stimmrechts ermächtigt. Hinzukommen muß die Ubergabe der Aktie oder eines Hinterlegungsscheins. Bei den Namenaktien bedarf es noch einer Eintragung im Aktienbuch. Vgl. unten S. 289.

Die Ermächtigungserklärung bedarf n i c h t der Schriftform. Eine Ausnahme gilt für B a n k e n . Hier ist eine s c h r i f t l i c h e S o n d e r e r k l ä r u n g vorgeschrieben; es genügt also vor allen Dingen nicht, wenn sie in den allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist (§ 114IV Aktienges.). Die Ermächtigung kann nur einer bestimmten Bank erteilt werden. Hierin liegt, daß sie nicht so erteilt werden darf, daß die Bank ihrerseits wieder neue Nichtbankiers ermächtigen darf (abweichend v. G o d i n - W i l h e l m i Anm. 16 zu § 114). Für die Hinterlegung kommt ein Notar oder eine Wertpapiersammelbank in Betracht (§ 107 II Aktienges. und § 20 der 1. DurchfVO.).

y) Die Ermächtigung ist w i d e r r u f l i c h . Bei Banken ist sie außerdem befristet, und zwar reicht sie längstens 15 Monate (§ 114 IV Aktienges.). 8) Wer als Legitimationsaktionär abstimmen will, braucht nur seinen Namen und die Gattung der Aktien anzugeben. Alle solche Aktien werden dann gesondert in das Teilnehmerverzeichnis der Hauptversammlung eingetragen. Der Legitimationsaktionär braucht daher nicht, wie der Bevollmächtigte, seinen Auftraggeber anzugeben, es kann von ihm auch nicht der Nachweis der Ermächtigung verlangt werden. Er bleibt völlig ein stiller Vertreter. Und die Hauptversammlung erfährt immer nur die Zahl der Aktien, für welche Legitimationsaktionäre stimmen (§ 110 Aktienges.). e) Für den Legitimationsaktionär gelten in bezug auf die S t i m m e n t h a l t u n g die gleichen Vorschriften wie für einen Bevollmächtigten (oben c). C) Eigene Schutzvorschriften sind dadurch gegeben, daß eine nicht richtige Angabe zum Teilnehmerverzeichnis bestraft wird (§ 300 Ziffer 4), und daß die Bank, welche ohne schriftliche Ermächtigung abstimmt, sich strafbar macht. Für die Banken kommt außerdem die Aufsicht nach dem Gesetz über das Kreditwesen in Betracht (vgl. unten § 64). Die Legitimationsübertragung ist zulässig für alle Beschlüsse der Hauptversammlung. J u n g a. a. O. schlägt vor, sie in bezug auf Verfassungsänderungen für unstatthaft zu erklären. Das würde aber fast einem Verbot gleichkommen. Und dazu liegt m. E. keine Veranlassung vor. D a s A u s l a n d . Die Behauptung, daß im Ausland die Legitimationsübertragung unbekannt sei, ist unrichtig. Vielmehr gibt es Länder, in denen sie anerkannt ist (Tschechoslowakei, Ungarn). In anderen Ländern wird die Eigentumsübertragung mit der Verpflichtung zur Rückübertragung angewendet: England (Namensaktien, der Companles Act 1929 sec. 101 schließt Eintragungen von Treuhandverhältnissen in das Mitgliederregister aus), Nordamerika (bei seinen Namensaktien), Frankreich (das Verbot von „Scheinaktionären" bezieht sich nicht hierauf; ebenso Belgien). Verworfen wird die Legitimationsübertragung durch die Rechtsprechung in den Niederlanden, in der Schweiz, gesetzlich

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AG. § 43. Organisation

schreitet gegen sie und Scheinaktionäre das schwedische Gesetz von 1929 ein. Es gibt einer Minderheit von Aktionären das Recht, von anderen die eidesstattliche Versicherung zu verlangen, daß sie wirkliche Eigentümer seien und das Eigentum auch nicht zur Umgehung von Stimmrechtsvorschriften erworben hätten.

f) R u h e n d e s S t i m m r e c h t s . Ein völliger Stillstand für das StimmTecht tritt ein (§ 114): a) bei e i g e n e n Aktien der Gesellschaft. Dies ergibt sich bereits aus allgemeinem Körperschaftsrecht. Die herrschende Lehre hat es stets angenommen, sonderbarerweise gab es freilich Schriftsteller, die ein Stimmrecht verteidigten. Jetzt hat das Gesetz durch ausdrückliche Vorschrift solchen Verrenkungen ein Ende bereitet. — Uber Einschränkung des Erwerbes eigener Aktien siehe unten. S. 285 ff.

ß) Bei Aktien eines „abhängigen" Unternehmens. Es darf also der abhängige Unternehmer, der Aktien der Gesellschaft besitzt, nicht stimmen. Der Begriff des abhängigen Unternehmens ergibt sich aus § 15 Aktienges. Näheres unten S. 288. Hierher gehört namentlich eine Tochtergesellschaft. Die herrschende Lehre nahm früher an, daß eine Tochtergesellschaft in der Hauptversammlung der Muttergesellschaft stimmen könne (so auch RG. 149 305). Diesem ungesunden Zustand ist jetzt ein Ende bereitet. Es versteht sich von selbst, daß auch ein Legitimationsaktionär eines abhängigen Unternehmens nicht .stimmen kann. — Man beachte, daß ein herrschendes Unternehmen, insbesondere eine Muttergesellschaft in der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft (Tochtergesellschaft) stimmen darf. Dieses entspricht dem bisherigen Recht.

y) Aktien, die einem Dritten für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen Unternehmens gehören: V o r r a t s a k t i e n i m e n g s t e n Sinne.

Uber sie siehe unten S. 288. — Die herrschende Lehre hatte früher sich nicht entschließen können, diese „wirtschaftlich" eigenen Aktien den „rechtlich" eigenen Aktien gleichzustellen. — Uber gebundene Aktien siehen unten g).

g) S t i m m r e c h t s b i n d u n g s v e r t r ä g e . Verträge, durch welche sich ein Aktionär verpflichtet, allgemein oder in gewissen Fällen in bestimmtem Sinne zu stimmen, sind nach deutschem Recht g r u n d s ä t z l i c h g ü l t i g . Seit langem herrschende Lehre und Praxis. Vgl. RG. 112 273, 119 388, 133 90, 146 385. Das neue Aktiengesetz hat hieran nichts geändert.

Nichtig sind solche Verträge, wenn sie gegen das Verbot des Stimmenkaufs verstoßen, also besondere Vorteile für die Abstimmung gewährt werden (§ 299 Aktienges.), aber auch schon dann, wenn sie gegen die T r e u p f l i c h t verstoßen (RG. 17. Juni 1939 in BankArch. 1939 S. 564). Wir nehmen ferner für das heutige Recht Unwirksamkeit an, wenn ein Stimmbindungsvertrag mit der Gesellschaft selbst geschlossen wird, dieses ergibt sich sachgemäß aus dem Ruhen des Stimmrechts bei eigenen Aktien. Bei Aktien, die in bezug auf das Stimmrecht zugunsten der Verwaltung gebunden sind, fällt also diese Bindung fort, es tritt nicht etwa ein Ruhen des Stimmrechts ein.

Die Wirkung eines gültigen Vertrages ist eine rein schuldrechtliche unter den Vertragschließenden. Bei einer Vertragsverletzung wird nicht etwa die Abstimmung fehlerhaft, sondern ist nur ein Schadensersatzanspruch gegeben (RG. 119 388), und auch dieser entfällt, wenn die Einhaltung des Vertrages mit Rücksicht duf Ehre und Anstand nicht zuznutbdr war (vq 1.

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AG. § 43 IV 4. Stimmrecht

RG. 133 90). Eine Klage auf Erfüllung ist ausgeschlossen, der Schadens ersatzanspruch kann auch nur auf Geld gerichtet sein.

Zutreffend RG. 119 388. Abweichend eine verbreitete Lehre. Sie widerspricht aber allgemeinem Körperschaftsrecht und ist gekünstelt.

Am häufigsten sind Stimmbindungsverträge u n t e r A k t i o n ä r e n : Konsortialverträge (Poolverträge). Meistens sind dabei die Aktionäre zu einer besonderen Gesellschaft vereinigt. Die Teilnehmer kommen vor jeder Hauptversammlung zusammen und fassen unter sich Mehrheitsbeschlüsse nach Aktienbeträge«. In der Hauptversammlung wird dann einheitlich durch einen Bevollmächtigten oder Legitimationsaktionär abgestimmt. — Die Gemeinschaft kann auch weitergehen, so daß ihr Leiter für längere Zeit beauftragt wird, das Stimmrecht einheitlich für alle auszuüben (RG. 111405). Auch kann sie sich zu einer Aktienverwaltungsgemeinschaft verdichten mit Vorkaufsrechten der Beteiligten. Vgl. noch unten § 53 II. A u s l a n d . In manchen Ländern (Frankreich, Belgien) wird jede Stimmrechtsbindung von der Rechtsprechung als nichtig betrachtet, weil sie den Aktionär hindere, seine Stimme auf Grund einer Erörterung des Für und Wider in der Generalversammlung abzugeben. — Umgekehrt spielen in anderen Ländern gerade die Stimmbindungsflemeinschaften eine Rolle. Man spricht bei den engen Verwaltungsgemeinschaften von „ S y n d i k a t e n " (Syndizierung von Aktien). In Nordamerika haben sie sich als „voting-trusts" ausgebildet die Aktien befinden sich in der Hand eines Treuhänders. Dieser stellt votings-trusts-certificates aus. Siehe dazu unten § 53 II.

h) U n e i n h e i t l i c h e S t i m m a b g a b e . Es ist zulässig, daß ein Aktionär mit mehreren Aktien u n e i n h e i t l i c h abstimmt, und zwar gilt das nicht nur für Personenmehrheiten, sondern auch für den Einzelaktionär. Das Gegenteil folgt weder aus gesetzlichen Vorschriften, noch aus allgemeinen Gründen. — Vielmehr ergibt sich umgekehrt die richtige Ansicht aus dringenden praktischen Bedürfnissen. Bei Personenmehrheiten können die verschiedenen Ansichten der Teilhaber zur Geltung gebracht werden (vgl. den Fall bei RG. 118 67). Schutzwürdige Beispiels für den Einzelaktionär: 1. Ein Aktionär hat Aktien mit Stimmrechtsbindungen und andere ohne solche. 2. Ein Aktionär hat Depotaktien bei verschiedenen Banken und Legitimationsübertragung erteilt i die Banken stimmen verschieden. Wie aber steht es in folgendem Fall? Der Aktionär A ist ein haltloser und unentschlossener Mensch. In der Haubptversammlung werden verschiedene Meinungen vertreten. A möchte es mit niemandem verderben. Er erklärt daher, daß er mit 40'/o seiner Aktien für den Antrag, mit 30•/• gegen ihn stimme, mit den übrigen 30*/« sich aber der Stimme enthalte. Ein vernünftiger Grund für eine uneinheitliche Stimmenabgabe liegt nicht vor. Allein es wäre lächerlich, deswegen ein besonderes Verbot aufzustellen. Denn es gibt keinen aktienrechtlichen Grundsatz, daß ein Aktionär sich nicht lächerlich machen darf. Das Reichsgericht hatte in einer Entscheidung (RG. 118 67) sich für Unzulässigkeit uneinheitlicher Stimmabgabe ausgesprochen, und Anhänger gefunden. K 1 a u s i n g , Uneinheitliche Ausübung mehrerer Stimmen 1928, erklärte sich für ihre Zulässigkeit bei Personenmehrheiten. Nach H a f f (HansRGZ. 1910 S. 727) muB der Aktionär grundsätzlich einheitlich stimmen, aber es gibt Ausnahmen. Das Reichsgericht hat später die Zulässigkeit uneinheitlicher Stimmabgabe für die G.m.b.H. anerkannt (RG. 124 371, 137 313). Für die AG. kann aber nichts anderes gelten, als für die G.m.b.H. Zustimmend C. R i t t e r Anm. 13 zu $ 114; G a d o w - H e i n i c h e n Anm. 11 zu § 114.

i) V e r a n t w o r t l i c h k e i t . Das Aktiengesetz hat die Verantwortlichkeit des Aktionärs für Abstimmungen ziemliah lax ausgestaltet. Sie folgt aus der allgemeinen T r e u p f l i c h t des Aktionärs. Eine solche besteht nach Vereinsrecht gegenüber dem Verein. Gleiches gilt im Aktienrecht. (Unrichtig H u e c k , siehe unten S. 292.)

v. G i e r k e ,

Handels- und Schiffahrtsrecht

18

274

AG. 5 43. Organisation

Eine Verletzung der Treupflicht ist zweifellos gegeben, wenn ein Aktionär durch seine Abstimmung gesellschaftsfremde (insbesondere eigene) Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft verfolgt. Der deutsche Gesetzgeber ist auch der Ansicht, daß der Aktionär das nicht tun s o l l . Allein er schließt bei dieser Verletzung der Treupflicht ausdrücklich einen mitgliedschaftlichen Schadensersatzanspruch aus (§ 101 VII Aktienges.). Andererseits gibt er aber ein Anfechtungsrecht in bezug auf den Beschluß (§ 197 II Aktienges., dazu unten . . . . Vgl. oben II 5 d und IV 4 c. — Dagegen hatte der Deutsche JurLstentag eine ,,Generalklausel" mit Schadensersatzpflicht gefordert, ebenso E. H e y m a n n in der Festgabe für C. W i e 1 a n d 1934 S. 221 ff.

Um so mehr ist zu betonen, daß eine Schadensersatzpflicht gegenüber der AG. und den einzelnen Aktionären aus allgemeinen Gründen besteht, wenn ein Aktionär im Bewußtsein der Schadensstiftung durch seine Abstimmung gegen die guten Sitten verstößt (§ 826 BGB.). Die Ansicht, daß § 826 BGB. durch § 107 VII Aktienges. ausgeschlossen sei (so D i e t r i c h JW. 1937 S. 654), ist aufs entschiedenste abzulehnen. Vgl. C. R i t t e r Anm. 9 zu § 114. Die Anwendung des § 826 BGB. entspricht dem früheren Recht (RG. 112 19). Beispiele: 1. Stimmt ein Aktionär für Gewinnverteilung, obschon er weiß, daß Reserven nötig sind, so ist er nicht schadensersatzpflichtig. 2. Verkauft ein Großaktionär ein Uneternehmen zu einem ganz hohen Preis der AG. mit Hilfe seiner Stimmen, so ist er schadensersatzpflichtig gemäß § 826.

k) R e g e l u n g in- d e r S a t z u n g . Die Satzung kann, insoweit nicht die gesetzlichen Bestimmungen (§ 114 I—VI Aktienges.) entgegenstehen, die Bedingungen und die Form der Ausübung des Stimmrechts näher regeln (§ 114 VII). Insbesondere kann sie eine Hinterlegung der Aktien vor der Hauptversammlung vorschreiben und von ihr die Ausübung des Stimmrechts abhängig machen. Das Gesetz greift hier ein durch eine Vorschrift über die Mindestfrist von 2 Wochen, die für die Hinterelgung freibleiben muß, und daß eine Hinterlegung bei einem Notar oder einer anerkannten Wertpapiersammelbank erfolgen kann. § 107 II AG. Dazu oben 2 und 4 c. Uber Wertpapiersammelbanken siehe Ges. über die Verwahrung von Wertpapieren v. 4. Februar 1937 5 5 und Bek. v. 1. März 1937 (vgl. unten § 64 und § 67).

Die Satzung kann auch eine Anmeldung vor der Hauptversammlung für die Ausübung des Stimmrechts anordnen. Für diesen Fall schreibt das Gesetz vor, daß ein Aktionär zugelassen werden muß, der sich spätestens am dritten Tage vor der Hauptversammlung anmeldet (§ 107 III AG.). So ist § 107 III Aktienges. auszulegen. Irrig ist die Ansicht, die aus ihm herauslesen will, daß kraft Gesetzes eine Verpflichtung zur Anmeldung zwecks Ausübung des Stimmrechts bestehe { s o S c h l e g e l b e r g e r - Q u a s s o w s k i Anm. 8 zu § 107, v, G od 1 nW i l h e l m i Anm. 9 zu § 114 nach dem Vorgang von Brodmann Anm. 3a zu § 255 HGB.). Zutreffend C. R i 11 e r Anm. 5 zu § 107. Eine Anmeldung ergibt sich nicht aus allgemeinem Korporationsrecht. Zulässig ist auch, daß die Satzung eine schriftliche Erklärung über die Stimmberechtigung verlangt, oder daß sie bestimmte Eigenschaften von einem Bevollmächtigten fordert.

275

AG. 5 43 IV 5. Beschlußfassung

5. B e s c h l u ß f a s s u n g . a) G r u n d s ä t z l i c h entscheidet die M e h r h e i t d e r a b g e g e b e n e n S t i m m e n (einfache Stimmenmehrheit), § 113 Aktienges. -Es muß sich also für den Beschluß mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erklären (absolute Mehrheit). Gezählt werden nur gültige Stimmen, nicht mitgezählt werden Stimmen von Aktionären, die nicht stimmberechtigt sind, oder die sich der Stimme enthalten müssen, oder deren Stimmrecht ruht, oder die sich an der Abstimmung nicht beteiligen (z. B. einen weißen Zettel abgeben). Bei Stimmengleichheit ist der Antrag als abgelehnt zu betrachten. Es ist ein negativer Beschluß vorhanden.

Äußerlich entspricht dieses dem Vereinsrecht des bürgerlichen Rechts. Jedoch ist ein großer Unterschied vorhanden. Bei der AG. stellt sich im allgemeinen die Stimmenmehrheit als K a p i t a l m e h r h e i t dar, da nach Aktienbeträgen abgestimmt wird. Wir sagen i m a l l g e m e i n e n , denn es gibt besondere Fälle, bei denen zwar eine Stimmenmehrheit aber keine Kapitalmehrheit vorhanden ist. Nämlich: 1. Es sind in der Satzung Stimmrechtsbeschränkungen vorgesehen (S 114 I Satz 2, oben 4&ß). 2. Es sind ausnahmsweise Mehrstimmrechtsaktien vorhanden (oben 4afi). 3. Es sind neben volleinbezahlten Aktien nicht volleinbezahlte Aktien vorhanden, und die Satzung schweigt ($ 114 II Aktienges., oben 4ay).

Von dem Grundsatz der einfachen Stimmenmehrheit gibt es A u s n a h m e n , die noch zu betrachten sind. b) Das Gesetz hat sehr häufig eine g r ö ß e r e M e h r h e i t o d e r n o c h a n d e r e E r f o r d e r n i s s e vorgeschrieben. Siehe die Aufzählung bei G a d o w - W . S c h m i d t

Anm. 4 zu { 113 Aktienges.

So wird häufig eine Mehrheit verlangt, die gleichzeitig einen bestimmten Bruchteil der K a p i t a l b e t e i l i g u n g ausmacht. In besonders wichtigen Fällen verlangt das Gesetz eine M e h r h e i t , die m i n d e s t e n s drei V i e r t e l des bei der B e s c h l u ß f a s sung v e r t r e t e n e n G r u n d k a p i t a l s umfaßt. § 40 (Nachgründung), §§ 246 ff. (Satzungsänderung und Kapitalbeschaffung), 5§ 205, 215 (Auflösung und Fortsetzung), §§ 234 ff. (Verschmelzung und Umwandlung), }§ 253 ff. (Vermögensübertragung und Gewinngemeinschaft).

Der Gedanke des Gesetzes ist hier der, dem beteiligten Kapital ein mitentscheidendes Gewicht zu verleihen gegenüber einer es bei Seite schiebenden Stimmberechnung. Daraus ergibt sich im Anschluß an die berühmte Entscheidung des Reichsgerichts (RG. 125 356), daß in diesen Fällen eine doppelte Mehrheit festzustellen ist: Einmal die einfache Stimmenmehrheit gemäß der normalen Berechnung und zweitens die erforderliche Kapitalmehrheit nach Maßgabe des wirklich vertretenen Kapitals. Daher werden etwaige Mehrstimmrechtsaktien mit ihren „Mehr"stimmen nur bei Berechnung der einfachen Stimmenmehrheit berücksichtigt, bei der Berechnung der Kapitalmehrheit jedoch nur mit ihrer Kapitalbeteiligung veranschlagt. Heute herrschende Lehre. Beispiel: Eine AG. hat 500 000 DM Aktien zu 1000 DM' mit je einer Stimme und 100 000 DM Aktien zu 1000 DM mit je 5 Stimmen. Bei einem Hauptversammlungsbeschluß, für den eine Mehrheit erforderlich ist, die mindestens 'Ii des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt, stimmen die 140 anwesenden einstimmigen Aktionire mit „Nein", dagegen alle 100 fünfstimmigen mit „Ja". Hier 18*

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AG. § 43. Organisation

haben die Mehrstimmrechtsaktien bei Mitberücksichtigung ihrer Mehrstimmen die Mehrheit (sogar '/< Mehrheit), aber bei Feststellung der Kapitalmehrheit ohne ihre Mehrstimmen haben sie nicht einmal die Hälfte (100 zu 240). Ein Beschluß ist daher nicht zustande gekommen. — Man sieht, wie bei dieser Auslegung die Macht der Mehrstimmrechtsaktien überhaupt erheblich gebrochen ist. Sehr streitig ist die Behandlung von Aktien mit Stimmbeschränkungen gemäß § 114 I Satz 2. Eine verbreitete Lehre (z. B. S c h l e g e l b e r g e r - Q u a s s o w s k i Anm. 4 zu § 113, C. R i t t e r Anm. 3a zu § 113) nimmt an, daß auch bei Berechnung der Kapitalmehrheit die Stimmrechtsbeschränkungen ihre Wirkung entfalten. Das entspricht nicht dem Grundgedanken des Gesetzes, der das investierte Kapital schützen will. Richtig v. G o d i n DGW. 1937 S. 361 ff. und G a d o w - W . S c h m i d t Anm. 9 zu } 113. Vgl. das Beispiel bei letzterem: „Die Satzung beschränkt die Höchststimmenzahl eines Aktionärs auf 1000. In der Hauptversammlung erscheinen 4 Aktionäre, von denen einer über 10 000, die übrigen über }e 1000 Aktien verfügen." Nach der abgelehnten Ansicht könnten dann die drei über insgesamt 3000 Aktien verfügenden Aktionäre gegen die Stimmen des Großaktionärs eine Satzungsänderung usw. beschließen! Das kann unmöglich richtig sein. Vielmehr aist alsdann, weil für den Großaktionär 10 000 einzusetzen ist, eine Kapitalmehrheit von /t nicht vorhanden. Sind aber volleinbezahlte und nicht volleinbezahlte Aktien vorhanden und schweigt die Satzung (§ 114 II Aktienges.), so bleiben die nichtvolleinbezahlten Aktien bei der Berechnung des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals außer Ansatz, da sie kein Stimmrecht haben. Uber das Stimmrecht nicht volleinbezahlter Aktien siehe W. P o h l e BankArch. 1937 S. 447 ff. Wir weisen darauf hin, daß wir im Verlauf der Darstellung uns oft mit der kurzen Formel begnügen ohne jedes Mal die genauen Einzelheiten, insbesondere die Doppelmehrheit zu erörtern.

Von den gesetzlichen Ausnahmen erwähnen wir femer die sich seltener findende Vorschrift, nach welcher die Mehrheit gleichzeitig einen bestimmten Bruchteil des g e s a m t e n nominellen Grundkapitals darstellen muß (§ 45 IV Satz 1, Aktienges.). — In ganz seltenen Fällen wird Einstimmigkeit verlangt (siehe unten S. 293). Bei Sonderrechten gibt es das Erfordernis der Zustimmung (siehe unten S. 293); dabei Besonderheiten für Gattungsaktien, und hier wieder für Vorzugsaktien ohne Stimmrecht). c) Auch die S a t z u n g kann eine größere Mehrheit oder noch andere Erfordernisse vorschreiben (§ 113 Aktienges.). Es handelt sich also um erschwerende Normen. Dieses geschieht auch häufig. So wird z. B. gefordert, daß die Mehrheit ®/i des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt, — und das ist entsprechend auszulegen, wie wir es oben bereits bei der gesetzlichen Vorschrift dargelegt haben (oben b). Oft verlangt die Satzung auch, daß ein Mindestteil des Grundkapitals vertreten ist, damit Beschlußfähigkeit gegeben ist. Und häufig ist dabei hinzugefügt, daß eine zweite einzuberufende Hauptversammlung stets beschlußfähig ist. Man beachte, daß das G e s e t z eine bestimmte Zahl für eine Beschlußfähigkeit nicht verlangt. Es genügt, daß ein einziger Aktionär erscheint. In manchen Fällen darf die Satzung die vom Gesetz vorgeschriebene einfache Stimmenmehrheit nicht erschweren. Siehe G a d o w - W . S c h m i d t Anm. 5 zu § 113 Aktienges.

d) Bei W a h l e n kann die Satzung beliebig abweichende Vorschriften treffen (§ 113 II Aktienges.), z.B. relative Mehrheit vorschreiben, oder daß bei Stimmengleichheit das Los entscheiden soll. Uber Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Beschlüsse siehe unten 7.

6. M i n d e r h e i t s r e c h t e . Minderheitsrechte sind Berechtigungen von Aktionären, deren Anteile einen geringen Bruchteil des Grundkapitals ausmachen, bestimmte Maß-

AG. § 43 IV 6. Minderheitsrechte

277

nahmen zu ergreifen, zur Durchsetzung ihrer Ansicht. Nach heutigem deutschen Recht gibt es im Gegensatz zu früher und zu ausländischen Rechten kein Minderheitsrecht, das zu einem Beschluß im engeren Sinne führt. Daher wurzeln die Minderheitsrechte des geltenden Rechts alle nicht im Stimmrecht, sondern sie sind unmittelbar Ausflüsse der Mitgliedschaft. Infolgedessen sind auch Aktionäre ohne Stimmrecht daran beteiligt, und Stimmrechtsbeschränkungen oder Nichtvolleinzahlungen der Einlagen sind einflußlos. Auch ist bei der Berechnung des Bruchteils das gesamte nominelle Grundkapital entscheidend. Da viele Minderheitsrechte in Z u s a m m e n h a n g m i t H a u p t v e r s a m m l u n g e n stehen, fügt sich ihre Behandlung an dieser Stelle am besten ein. Wir unterscheiden: a) Minderheitsrechte, die sich gegen einen Beschluß einer Hauptversammlung wenden. Hierher gehört der Widerspruch von 20•/• des Grundkapitals gegen die Zustimmung der Hauptversammlung zu Verzichten oder Verglecihen in bezug auf Ersatzansprüche aus der Gründung (§ 43 Aktienges.). Der Widerspruch verhindert den Verzicht oder Vergleich. Weiter gehören hierher die Antragsrechte in bezug auf die Bestellung von S o n d e r P r ü f e r n (§ 118 II, III Aktienges.): Wird nämlich ein Antrag auf ihre Bestellung von der Hauptversammlung abgelehnt, so kann eine Minderheit von 10*/> des Grundkapitals ihre Bestellung beim Gericht beantragen. Die gleiche Minderheit kann auch beantragen, daß, wenn die Hauptversammlung selbst Sonderprfifer bestellt hat, diese durch andere Personen ersetzt werden. — Das Gesetz hat diese Sonderprüfung eingehend geregelt (§9 118 ff.). Sie betrifft Gründungsvorgänge und Vorgänge der Geschäftsführung. Die Prüfer müssen bestimmte Eigenschaften haben, einen Bericht erstatten, sind verantwortlich. Da der Ruf der AG. leicht gefährdet sein kann, wenn eine solche Sonderprüfung in die Wege geleitet ist, sind dem Minderheitsrecht enge Schranken gezogen (Beibringung von Verdachtsgründen, gegebenenfalls Sicherheitsleistung, Notwendigkeit längeren Aktienbesitzes — vgl. dazu } 64 Aktienges. — Ersatzpflichten bei Verschulden). Eine Minderheit von 10V» hat auch ein Widerspruchsrecht gegen die Auswahl des Abschlußprüfers. Es entscheidet über ihn das Gericht. Die Minderheit muB auch hier längeren Aktienbesitz nachweisen (5 136 II Aktienges.).

b) Minderheitsrechte, die in der Hauptversammlung an Stelle eines Beschlusses geltend gemacht werden. Hierher gehört das Minderheitsrecht von 10*/« (bezw. 20*/«) des Grundkapitals zwecks G e l t e n d m a c h u n g v o n E r s a t z a n s p r ü c h e n gegen die Gründer und die Verwaltung. Das Verlangen ist in einer Hauptversammlung zu stellen (herrschende Lehre). Es können von ihr auch die Personen bezeichnet werden, die die AG. beim Rechtsstreit vertreten sollen (§ 122 Aktienges.). Auch hier ist das Minderheitsrecht eng begrenzt (gegebenenfalls Sicherheitsleistung, Notwendigkeit längeren Aktienbesitzes, Ersatzpflichten bei Verschulden). Weiter ist einzureihen das Minderheitsrecht von lOVe des Grundkapitals auf Vertagung der Verhandlung über den Jahresabschluß, falls bestimmte Bilanzposten bemängelt werden (§ 125 VII Aktienges.). Es handelt sich hier nicht um richtige Beschlüsse, aber das Verlangen der Minderheit wird in die Niederschrift aufgenommen, und es werden die Aktionäre aufgeführt.

c) Sonstige Miriderheitsrechte.

Minderheitsrecht von 10*/o auf Einberufung der Hauptversammlung (§ 106 Aktienges. ' siehe oben S. 239), Minderheitsrecht von 10'/» auf Abberufung eines entsandten Aufsichtsratsmitgliedes (§ 88 IV), Minderheitsrecht von 20'/« auf gerichtliche Bestellung oder Abberufung eines Abwicklers (2Ö6 II Aktienges.) Uber Minderheitsrechte im A u s l a n d siehe H a 11 s t e i n S. 242 f. und E. W o 1 f f ZAuslR. Jahrg. 6, Sonderheft S. 77 ff.

7. N i c h t i g k e i t u n d A n f e c h t u n g v o n B e s c h l ü s s e n Hauptversammlung.

der

Früheres Schrifttum: Siehe 4. Aufl. S. 372 und die Angaben bei C. R i 11 e r zu 5 195 Aktienges. — Hervorzuheben: H u e c k , Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von General-

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AG. § 43. Organisation

Versammlungsbeschlüssen 1924, ferner in der Festschrift für das Reichsgericht Bd. IV 1929 S. 162 fl. und Das Recht der Generalversammlung und die Aktienreform 1933.

Das HGB. hatte nur die Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen geregelt, es war aber außerdem eine Nichtigkeit anerkannt. Die Abgrenzung war unsicher. Dabei waren die Wirkungen sehr einschneidend, da die Nichtigkeit noch nach langen Jahren geltend gemacht werden konnte, während die Anfechtung an "eine kurze Frist gebunden war. Das Aktiengesetz hat hier eingegriffen. Es hat eine klare Grenze zwischen Anfechtung und Nichtigkeit gezogen und eine Heilung der Nichtigkeit vorgesehen (§§ 152 ff.). A. A l l g e m e i n e s . Die gesetzliche Regelung ist zwar eine Sonderregelung. Allein ihre Grundgedanken sind auch für Beschlüsse des bürgerlichen Vereins und der Gesellschaft im engeren Sinne verwertbar. Diese Grundgedanken aber sind: Grundsätzlich bei Ordnungswidrigkeit rechtzeitiger Widerspruch, jedoch bei krasser Ordnungswidrigkeit von selbst wirkende Nichtigkeit. — Die Gründe für die Sonderregelung bei der AG. ergeben sich aus der Bedeutung ihrer Beschlüsse für das gesamte Wirtschaftsleben, hier ist Klarheit und Sicherheit besonders wichtig. Die Vorschriften des Aktienges. beziehen sich unmittelbar nur auf Beschlüsse der Hauptversammlung, Jedoch wendet sie das Ges. auch auf die Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat an (§ 202 Aktienges.).

Von nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen zu unterscheiden sind auch bei der AG. gewisse andere Beschlüsse. Vor allem die „schwebend unwirksamen" (RG. 121 238, 148 175). Diese sind weder nichtig noch anfechtbar hier heifit es abwarten. Beispiele: Beschlüsse, die Sonderrechte oder „festgelegte" Mitgliedschaftsrechte betreffen. Hier mufi die Zustimmung der Benachteiligten hinzukommen. Siebe unten S. 292. Eine besondere Art bilden auch die noch unvollständigen Beschlüsse (RG. 143 177).

B. N i c h t i g k e i t . a) Die Fälle sind abschließend in § 195 aufgeführt. Das Gesetz nennt zunächst einige Sonderfälle, auf die wir verweisen. Im übrigen werden genannt a) als f o r m e l l e Mängel: Gewisse schwere Mängel der Einberufung (Ziffer 1) und wesentliche Mängel in der Niederschrift (Ziffer 2). Einberufungsmängel: Es sind § 105 I u. II nicht beachtet (insbesondere also Einberufung durch unzuständige Personen, Nichtangabe von Ort und Zeit, NichtVeröffentlichung in den Gesellschaftsblättern). Nicht dagegen gehört hierher Nichtbeachtung von Fristen. — Auch die schweren Mängel der 5 105 I u. II kommen nicht in Betracht, wenn alle Aktionäre erschienen oder vertreten sind (Universalversammlung, auch bei einer Einmanngesellschaft)) auch auf die mögliche Anfechtbarkelt kann verzichtet werden. Mängel in der Niederschrift: Es fehlt die gerichtliche oder notarielle Beurkundung des Beschlusses (§ 111 I Aktienges.), oder die Niederschrift weist wesentliche Mängel auf (§ 111 II, IV Aktienges. sind nicht beachtet). Auch eine Universalversammlung kann darauf nicht verzichten (RG. 114 205). Dagegen begründen VerstöBe gegen die Vorschrift über das Teilnehmerverzeichnis keine Nichtigkeit (anders bisher RG. 114 205): aber Anfechtbarkeit (abweichend C. R i t t e r Anm. 2 zu § 197).

ß) als s a c h l i c h e M ä n g e l : Der Beschluß ist mit dem Wesen der AG. unvereinbar — oder er verletzt durch seinen Inhalt Vorschriften, die überwiegend zum Schutz der Gläubiger oder sonst im öffentlichen Interesse

AG. i 43 IV 7. B. Nichtigkeit

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gegeben sind — oder er verstößt durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten (§195 Ziffer 3 und 4). Das Wesen der AG. ergibt sich aus ihrem Begriff: Nichtig z. B. ein Beschlufl, daß jeder Aktionär persönlich haften soll, oder daß das Vermögen der Gesellschaft Gesamthandvermögen der Gesellschafter sei. Zu den Vorschriften, die überwiegend zum Schutz der Gläubiger oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, gehören z. B. alle Normen, welche die Erhaltung des Grundkapitals bezwecken, oder die Rechtssätze Aber das Sperrjahr. Beschlasse, deren Inhalt gegen die guten Sitten verstößt, werden kaum vorkommen (man nehme als krasses theoretisches Beispiel, die AG. würde beschließen, einen Bordellbetrieb einzurichten). Wichtig ist, daß ein Beschluß, bei welchem nur die Begleitumstände, die zu ihm geführt haben, unsittlich sind (Beweggrund, Art und Weise des Zustandekommens), nicht nichtig ist, sondern nur anfechtbar. So bereits im Gegensatz zur damals herrschenden Lehre RG. 131 141 in einschränkender Auslegung von i 138 BGB. Jetzt hat es das Gesetz klar gestellt (Schadensersatzansprflche aus § 826 BGB. bleiben stets unherührt). y) Nichtig sind auch die gemäß § 144 FGG. gelöschten Beschlüsse (J 195 Ziffer 5 Aktienges.): Löschung von Amts wegen, wenn der Beschluß seinem Inhalt nach zwingende Vorschriften verletzt und seine Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich erscheint. Streitig ist auch heute noch, ob ein Beschluß, bei dem nicht die erforderliche erhöhte Mehrheit vorhanden war, der aber als richtig vom Vorsitzenden verkündet worden ist, nichtig oder nur anfechtbar ist. Das Reichsgericht hat bisher mit Recht das letztere angenommen (RG. 75 239, 144 210). Dem ist auch heute zu folgen, die Einhaltung der erhöhten Mehrheit liegt nicht im öffentlichen Interesse.

b) G e l t e n d m a c h u n g . Die Nichtigkeit kann von jedem geltend gemacht werden, der ein rechtliches Interesse daran hat, und zwar ohne weiteres. Es bedarf keiner Klage. Daher kann man sich auch durch Einrede auf sie berufen. Möglich ist aber eine Nichtigkeitsfeststellungsklage, die sich nach der ZPO. richtet. Wird sie jedoch von einem Aktionär, dem Vorstand, einem Vorstandsmitglied oder einem Aufsichtsratsmitglied erhoben, so finden wichtige Vorschriften der Anfechtungsklage (über sie siehe unten S. 280) entsprechende Anwendung (§ 201 Aktienges.). So die Zuständigkeit des Landgerichts (5 199), die Wirkung des Urteils für und gegen alle Aktionäre und die Verwaltung (5 200). Dagegen kommen nicht zur Anwendung die Vorschriften über die Erhebung der Klage innerhalb eines Monats. — Man beachte, daß die Nichtigkeitsfeststellungklage, die andere Personen erheben, nur Rechtskraft unter den Parteien macht. Für den Personenkreis, der zur Anfechtung berechtigt ist, mußte der Gesetzgeber die Wirkung der Anfechtung und Nichtigkeitsfeststellungsklage gleichschalten. — In allen Fällen der Nichtigkeit kann auch eine Anfechtungsklage erhoben werden.

c) H e i l u n g . Unter Verwertung des Offenkundigkeitsprinzips hat das neue Gesetz aus praktischen Gründen sogar der Geltendmachung der Nichtigkeit einen Damm entgegengesetzt. a) Die wesentlichen Mängel der Niederschrift (oben B a a) können nicht mehr geltend gemacht werden, sobald der Beschluß im Handelsregister eingetragen ist (§ 196 I Aktienges.). ß) Einberufungsmängel und die oben erwähnten schweren sachlichen Mängel (Ba/?) können nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit der Eintragung im Handelsregister drei Jahre verstrichen sind (§ 196 II Aktienges.). In den Fällen B a ß bleibt aber die Möglichkeit einer Löschung von Amts wegen nach { 144 FGG. (siehe oben B a y).

Es gibt aber viele Beschlüsse, die nicht eingetragen werden, also nicht heilbar sind,

280

AG. § 43. Organisation

C. A n f e c h t u n g . Das Gesetz hat die Tendenz, sie möglichst zu erschweren. a) Eine Anfechtung kann stattfinden, wenn ein Beschluß das G e s e t z o d e r d i e S a t z u n g v e r l e t z t . Es gehören hierher alle Verletzungen (auch diejenigen, die bereits Nichtigkeit erzeugen). Doch kommen Verstöße gegen Ordnungsvorschriften nicht in Betracht (§ 197 I Aktienges.). Die Anfechtung greift schlechtweg durch, wenn Vorschriften in bezug auf das Zustandekommen der Versammlung nicht eingehalten sind (z. B. Fristen), im übrigen steht der Gesellschaft der Nachweis offen, daß der Beschluß auch ohne die Verletzung zustande gekommen wäre (vgl. RG. HO 197). Auch bei einem M i ß b r a u c h des Stimmrechts ist nur ein Anfechtungsrecht gegeben: Der Aktionär oder die Mehrheit verfolgt gesellschaftsfremde Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft. Siehe die gewundene Fassung des § 197 II Aktienges. Dazu oben unter 4i.

Wenn das Verhalten sittenwidrig erscheint, ist auch ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB. gegeben. Die Anfechtungsklage hat Schranken. Sie dringt nicht durch, wenn sie der Treupflicht widerspricht (der Anfechtende verfolgt eigennützige Interessen zum Schaden der Gesellschaft); vgl. RG. 146 395. Eine gesetzliche Schranke gibt es bei der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung. Die Anfechtung ist unzulässig, wenn es sich um Verletzung von Gliederungsvorschriften in rein formeller Hinsicht handelt (§ 197 III Aktienges.).

b) A n f e c h t u n g s b e r e c h t i g t ist nicht jedermann, sondern nur ein bestimmter Personenkreis (es handelt sich hier nicht um überwiegend öffentliche Interessen), und zwar (§ 198 Aktienges.): a) Jeder Aktionär, der in der Versammlung erschienen war und Widerspruch zur Niederschrift erklärt hatte. ß) Jeder nicht erschienene Aktionär, wenn er zu Unrecht nicht zugelassen war, oder bei nicht gehöriger Einberufung der Versammlung. j>) Der Vorstand (Gesamtvorstand).