Handelsrecht und Schiffahrtsrecht [3., umgearb. Aufl., 8.–10. Tsd. Reprint 2019] 9783111533971, 9783111165943


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Table of contents :
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur dritten Auflage
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Abkürzungen
Einleitung
§ 1. Die Aufgabe
§ 2. Geschichte des Handelsrechts
§ 3. Quellen des heutigen deutschen Handelsrechts
§ 4. Literatur des deutschen Handelsrechts
§ 5. Quellen und Literatur des ausländischen Handelsrechts
Erster Abschnitt. Der Kaufmann
Erstes Kapitel. Die Kaustmannseigenschaft
§ 6. Allgemeines
§ 7. Der Mußkaufmann
§ 8. Weiteres zum Begriff des Mußkaufmanns
§ 9. Der Sollkauflente
§10. Land- und Forstwirte: Kannkaufleute
§ 11. Voll- und Minderkausfleute
Zweites Kapitel. Das Handelsregister
§ 12. Das Handelsregister im allgemeinen
§ 13. Der Scheinkausmann
Drittes Kapitel. Das kaufmännische Geschäft
§ 14. Das Handelsgeschäft im allgemeinen
§ 15. Das Handelsgeschäft als Gegenstand des Rechtsverkehrs
§ 16. Die Firma
§ 17. Das Warenzeichen
§ 18. Der unlautere Wettbewerb
§ 19. Die kaufmännische Buchführung
Viertes Kapitel. Die handelsrechtliche Stellvertretung
§ 20. Die Prokura
§ 21. Die Handlungsvollmacht
Fünftes Kapitel. Unselbständige Hilfspersonen des Kaufmanns
§ 22. Allgemeines
§ 23. Die Handlungsgehilfen
§ 24. Die Handlungslehrlinge
§ 25. Der Handlungsvolontär
Sechstes Kapitel. Selbständige Kilsspersonen
§ 26. Handlungsagenten
§ 27. Die Handelsmaller
Zweiter Abschnitt. Vereine und Gesellschaften des Handelsrechts
§ 28. Einleitung
Erstes Kapitel. Die offene Handelsgesellschaft
§ 29. Begriff, Geschichte, Rechtliche Natur
§ 30. Errichtung und Firma
§31. Rechtsverhältnisse zu Dritten
§ 32. Rechtsverhältnisse nach innen
§ 33. Beendigung — Fortsetzung der o.H.G
§ 34. Eintritt und Ausscheiden (Ausschluß) von Gesellschaftern — Die zweigliedrige Gesellschaft
Zweites Kapitel. Die Kommanditgesellschaft und die stille Gesellschaft
§ 35. Die Kommanditgesellschaft
§ 36. Die stille Gesellschaft
Drittes Kapitel. Die Aktiengesellschaft
§ 37. Begriff, Geschichte, wirtschaftliche Bedeutung
§ 38. Die Grundlagen
§ 39. Entstehung
§ 40. Die Firma
§41. Organisation
§ 42. Mitgliedschaft
§ 43. Die Bilanz
§44. Beendigung
§ 45. Satzungsänderung. Erhöhung und Herabsetzung des Grundkapitals
Anhang zum dritten Kapitel
§ 46. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien
Viertes Kapitel. §47. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Fünftes Kapitel §48. Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft
Anhang zum zweiten Abschnitt
§ 49. Die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts im Handelsverkehr — Besondere Zusammenschlüsse im wirtschaftlichen Sinne (Genossenschaften, Konsortien, Interessengemeinschaften, Trusts, Konzerne, Kartelle) — Die sog. Kartellordnung — Sonderrecht der sog. Unternehmenszusammenfassungen
Dritter Abschnitt. Die Handelszeschaste
Erstes Kapitel. Allgemeine Lehren
§ 50. Begriff und Arten der Handelsgeschäfte. Inhalt der gesetzlichen Reglung im allgemeinen
§ 51. Abschluß und Inhalt
§ 52. Der Eigentumserwerb
§ 53. Das Pfandrecht
§ 54. Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht
Zweites Kapitel. Einzelne Handelsgeschäfte
§ 55. Einleitung
Erster Titel. Der Handelskauf
§ 56. Allgemeine Regeln
§ 57. Besondere Arten des Handelskaufs
Zweiter Titel. Vsnkverwahrungs-, Kredit- und Zahlungsgeschäste
§ 58. Einleitung: Die Bankgeschäfte im allgemeinen. Die Reichsbank
§ 59. Bankverwahrungsgeschäste
§ 60. Kreditgeschäfte
§ 61. Zahlungsgeschäste
Dritter Titel. Börsengrschäste
§ 62. Börse und Börsenrecht
§ 63. Die Börsengeschäfte im allgemeinen
§ 64. Die Börsentermingeschäfte im allgemeinen
§ 65. Wirksamkeit der Börsengeschäfte
§ 66. Besondere Arten der Börsengeschäfte
Vierter Titel. Das Kommissionsgeschäft
§67. Das Komminssionsgeschäft
Fünfter Titel. Die Transportgeschäfte
§ 68. Allgemeines
§ 69. Das gewöhnliche Landsrachtgeschäft
§ 70. Das Eisenbahnfrachtgeschäft
Anhang. Personenbeförderung der Eisenbahn
§ 71. Das Speditionsgeschäft
Sechster Titel
§ 72. Das Lagergeschäft
Vierter Abschnitt. Das Schiffahrtsrecht
§ 73. Einleitung
Erstes Kapitel. Dir Schiffe, der Reeder (Schiffseigner) und die Schiffsbefakung
§ 74. Die Schiffe
§ 75. Reeder und Schiffseigner
§ 76. Die Reederei (Partenreederei)
§ 77. Die Schiffsbesatzung des Seerechts
§ 78. Die Schiffsbefassung des Binnenschiffahrtsrechts
Zweites Kapitel. Trsnsportgeschäfle des Schiffahrtsrechks
§ 79. Das Seefrachtgeschäft
Anhang. Die Personenbeförderung zur See
§ 80. Das Flußfrachtgeschäft
Drittes Kapitel. Haverei und Hilfsleistung in Schisfahrtsnot
§ 81. Haverei
§ 82. Hilfsleistung in Schissahrtsnot
Viertes Kapitel. Bodmerei, Schiffs- und Ladungsgläudiger
§ 83. Bodmerei
§ 84. Schiffs- und Ladungsgläubiger
Nachträge
Register
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Handelsrecht und Schiffahrtsrecht [3., umgearb. Aufl., 8.–10. Tsd. Reprint 2019]
 9783111533971, 9783111165943

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Lehrbücher und Grundrisse der

Rechtswissenschaft Unter Mitarbeit von

Prof. Dr. Ernst Beltng-München, Prof. Dr. G.I. Ebers-Köln a.RH., Dr. Alexander Elster-Berlin, Prof. Dr. Dr. Friedrich Endemann-Leidelberg, Prof. Dr. HanS Fehr-Bern, Prof. Dr. Heinrich Gerland-Iena, Prof. Dr. Julius v. GierkeGöttingen, Prof. Dr. IustuS Wilh. Hedemann-Iena, Prof. Dr. Herbert Kraus-Göttingen, Prof. Dr. Heinrich Lehmann-Köln a. Rh., Prof. Dr. Claudius Freih. v. SchwerinFreiburg i.B., Prof. Dr. Fritz Stier-Somlo-Köln a. Rh. herausgegeben von den

Professoren Dr. Hans Fehr-Bern, Dr. Heinrich Gerland-Iena, Dr. Justus Wilh. Hedemann-Iena, Dr. Heinrich Lehmann-Köln a. Rh. und dem redaktionellen Leiter Professor Dr. Fritz Stier-Somlo-Köln a. Rh.

Sechster Band

Berlin «nd Leipzig 1929

Waller d e Gruyter L C o. vormal» G. I. Göschen'sche Verlagshandlung - I. Guttentag, Verlags» buchhandlung - Georg Reimer - Karl I. Trübner - Beit & Comp.

Handelsrecht und

Schisfahrtsrecht von

Dr. Julius v. Gierke ordenll. Professor der Rechte in Göttingen

Dritte, umgearbeitete Auflage

8.—10. Tausend

Berlin und Leipzig 1929

Walter d e Gruyter & C o. vormals G. I. Göschen'sche Verlagshandlung - I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl I. Trübner - Veit , 453ff.).

9*

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§ 22 III. Arbeitsgerichte.

III. Streitigkeiten. Arbeitsgerichte. Nach dem Vorbilde der Gewerbegerichte (Ges. v. 29. Juli 1890) wurden durch Ges. vom 6. Juni 1904 Kauf­ mannsgerichte geschaffen. Sie sollten zuständig sein für die Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis zwischen Kaufleuten einer seits, den Handlungsgehilfen und Lehrlingen andererseits. Sie sollten ferner als Einigungsämter und für Gutachten in Betracht kommen. Infolge der neuzeitlichen arbeitsgerichtlichen Gesetzgebung sind grundlegende Änderungen eingetreten. Ihre Zuständigkeit als Einigungsämter verloren sie durch die VO. über das Schlichtung^ Wesen v. 30. Oktober 1923. Ganz beseitigt wurden sie dann durch das Arbeitsgerichtsgesetz v. 23. Dezember 1926? 1. Geschaffen wurden besondere Arbeitsgerichtsgerichte als staatliche Gerichte. Sie zerfallen in Arbeitsgerichte (für den Bezirk eines Amtsgerichts), Landesarbeitsgerichte (für den Bezirk eines Landgerichts) und das Neichsarbeitsgericht beim Reichsgericht. 2. Alle Arbeitsgerichte bestehen aus einem Vorsitzenden, welcher Richterqualisikation haben muß, und zwei ehrenamtlichen Beisitzern. Die Beisitzer gehen nicht mehr, wie früher bei dem Kaufmannsgerichte, aus Wahlen hervor, sondern sie werden durch die Verwaltungsbehörde bestellt aus Vorschlagslisten, welche die wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer auszustellen haben. Das Reichsarbeitsgericht ist noch durch zwei richterliche Beisitzer verstärkt. 3. Die Arbeitsgerichte (bei den Amtsgerichten) und die Land­ arbeitsgerichte entscheiden in Kammern. Das Neichsarbeitsgericht entscheidet in Senaten. Die Kammern der Arbeitsgerichte des Amts­ gerichtsbezirkes zerfallen regelmäßig in Arbeiterkammern, An­ gestelltenkammern, Fachkammern für Handwerker; fakultativ können auch andere Fachkammern (z. B. für das kaufmännische Personal) gebildet werden. 4. Die Arbeitsgerichte (bei den Amtsgerichten) sind zuständig in allen bürgerlichen Nechtsstreitigkeiten, die sich irgendwie aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, und in allen bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten des kollektiven Arbeitsrechts. Die Landarbeitsgerichte sind zuständig für Berufungen, das Reichsarbeitsgericht für Revisionen. Die Schlichtungsausschüsse und der Schlichter der VO. v. 23. Oktober 1923 sind für Gesamtstreitigkeiten zuständig (insbesondere in bezug auf das Zustandekommen von Tarifverträgen).

1 Lothar Knh, Die Arbeitsgerichtsbehörden (Schriften des Instituts für Arbeitsrecht an der Universität Leipzig Hest 16) 1928.

§23. Handlungsgehilfen.

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Die Handlungsgehilfen. I- Begriff. Handlungsgehilfe ist derjenige, der in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist (§59HGB.). Erforderlich ist also 1. Anstellung durch einen Kaufmann (Vollkausmann, Minder­ kaufmann). 2. Anstellung. Sie bedeutet einen privatrechtlichen Ver­ trag, durch welchen ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis, die Zugehörigkeit zum Personal (vgl. oben 8 22), begründet wird. Infolgedessen scheidet aus, wer Dienste leistet a) als selbständige Hilfsperson z. B. der Agent. Die Unter­ scheidung zwischen Handlungsgehilfe und Handlungsagent ist nicht immer leicht zu bewerkstelligen (vgl. Warncke ZBH. 1928, S. 181 ff. und unten §2615). b) kraft Gesetzes z. B. die Ehefrau gemäß § 1356II BGB. (ohne vertragsmäßige Bindung), c) kraft öffentlichen Rechts z. B. als Beamter bei staatlichen oder städtischen Betrieben, d) aus Gefälligkeit. 3. Anstellung gegen Entgelt. 4. Anstellung zur Leistung „kaufmännischer" Dienste. Es ist an den wirtschaftlichen Kaufmannsbegrisf anzuknüpfen. Es gehören hierher Dienste, die im Verkehr als kaufmännische gelten. Infolgedessen sind kaufmännisch alle Tätigkeiten, die sich auf den Umsatz von Waren oder die Kassen- und Buchführung beziehen, und zu denen eine gewisse höhere Ausbildung gehört. — Die Grenzen zwischen kaufmännischen und nichtkaufmännischcn Diensten sind teilweise streitig. Es ist auf die soziale Anschauung zu sehen. a) Keine Handlungsgehilfen sind oc) Personen, die weder am Umsatz noch an Kassen- und Buch­ führung beteiligt sind. 1. Die „Produktionsgehilfen" (das „gewerbliche" oder „technische" Personal). Sie sind ausschließlich bei der Herstellung von Waren be­ teiligt: Arbeiter, Gesellen, Mechaniker, Ingenieure, Chemiker, tech­ nische Vertreter des Prinzipals (z.B. Ziegelmeister, Mühlenmeister) usw. 2. Sonstige Personen, wie z. V. Berichterstatter, Redakteure einer Zeitung, das Theaterpersonal, zahlreiche Hotelangestellte (Portier, Haus­ diener, Liftboy), Kutscher, Wagenführer eines Transportgeschäfts, das nautische Personal eines Schiffes, Reiniger von Geschäftsräumen usw.

§ 23.

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§ 23II. Pflichten des Handlungsgehilfen.

/?) Personen, bei denen es an der erforderlichen höheren Ausbildung fehlt, z. B. Milch-, Bierfahrer (auch wenn sie verkaufen), Kellner, Kassenboten, Packer, Straßenbahnschaffner, Schreiber. Für alle diese Personen kommen nicht die Vorschriften über Handlungsgehilfen, sondern soweit sie „gewerbliche" Arbeiter sind, die GO., sonst die betreffenden Spezialgesetze oder nur das BGB. in Betracht (§ 83 HGB.).

b) Dagegen sind Handlungsgehilfen, insbesondere Verkäufer, Einkäufer, Geschäftsreisende, Buchhalter, Kassierer, Expedienten, Lageristen, Kontrolleure einer Straßenbahn. Bei gemischter Beschäftigung ist auf den überwiegenden Teil der Beschäftigung gemäß der sozialen Anschauung zu sehen. Daher ist z. B. der Oberkellner, der nicht bloß beaufsichtigt, sondern auch einkassiert, Handlungsgehilfe (streitig), der Apothekergehilfe, der Medikamente her­ stellt und verkauft, nicht Handlungsgehilfe (streitig).

Es ergibt sich ohne weiteres, daß der Vertrag, durch den ein Handlungsgehilfe angestellt wird, ein Dienstvertrag des BGB. ist. Subsidiär sind also die Vorschriften des Dienstvertrages heranzuziehen. In neuester Zeit empfängt der Vertrag mit dem einzelnen Handlungsgehilfen einen bedeutenden Inhalt durch die Tarif­ verträge.

II. Pflichten des Handlungsgehilfen. 1. Dienstpflicht. Über Art und Umfang entscheiden Vertrag, Tarifvertrag, Ortsgebrauch, Angemessenheit. Vgl. § 59 HGB. Im Zweifel sind nur kaufmännische Dienste zu leisten. 2. Treupflicht (sog. gesetzliches Konkurrenzverbot). §§ 60, 61 HGB. a) Der Handlungsgehilfe darf nicht ohne Einwilligung Prinzipals während des Dienstverhältnisses

des

a) Geschäfte in dem Handelszweige des Prinzipals machen, ß) irgendein Handelsgewerbe betreiben. Das Gesetz bezweckt hiermit den Prinzipal vor Vertrauensmißbrauch seitens des Gehilfen in bezug auf den erlangten Einblick in die Geschäfts­ verhältnisse zu schützen und ihm die berufliche Arbeitskraft des Gehilfen zu sichern.

b) Verletzt der Gehilfe die Treupslicht, so hat der Prinzipal ein Wahlrecht zwischen a) Schadensersatzanspruch und ß) Eintrittsrecht. Das Eintrittsrecht besteht in dem Recht des Prinzipals von dem Gehilfen zu verlangen, daß er in bezug auf das abgeschlossene Geschäft an dessen Stelle tritt. Es ist vielfach praktischer als der Schadensersatz-

§ 23III. Pflichten des Prinzipals.

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anspruch, da die Höhe des Schadens schwer nachweisbar sein wird. — Vgl. aus der Praxis: RG. 109 355. Der Prinzipal kann auch nach allgemeinen Grundsätzen auf Unter­ lassung klagen oder kündigen (§ 70 HGB.).

Über die Treupflicht des Gehilfen, während der Dienstzeit die Geschäftsgeheimnisse nicht zu verraten, siehe oben § 18III3.

III. Pflichten des Prinzipals. 1. Pflicht zur Vergütung (zum Entgelt). Die Vergütung bestimmt sich nach Vertrag (Einzelvertrag, Tarifvertrag), Ortsgebrauch, Angemessenheit, vgl. §59 HGB. a) Als Vergütung können in Betracht kommen

a) Feste Bezüge und zwar

Geldbezüge. Hier spricht man vom Gehalt. Das HGB. be­ stimmt zwingend in § 64, daß seine Auszahlung spätestens am Schluß jedes Monats zu erfolgen hat. Grund: Mit dem Gehalt bestreitet der Gehilfe seinen Unterhalt. BGB. § 614 würde zu abweichenden Fälligkeitsterminen führen. Unter Monat ist übrigens nicht der Kalendermonat, sondern ein Monatszeit­ raum, gerechnet vom Tage des Dienstbeginns, zu verstehen.

Naturalbezüge. Es handelt sich namentlich um Wohnung und Kost („Unterhalt"). Früher allgemein, aber auch heute noch öfter. ß) Provision. Sie ist Beteiligung an dem Wert der einzelnen abgeschlossenen Rechtsgeschäfte (besteht meist in Prozenten). Für sie verweist das Gesetz § 65 aus das Recht der Agenten. Siehe daher unten §26III 2a.

y) Tantieme (Gewinnbeteiligung). Ter Gehilfe ist beteiligt an dem Reingewinn des Unternehmens oder eines einzelnen Geschäftszweiges. Er ist also an dem Gedeihen des Geschäfts inter­ essiert, daher commis intercsse. Trotzdem bleibt er immer Untergebener, er hat keinen Anspruch auf Teilnahme an der Geschäftsleitung. Er ist nicht Gesellschafter (der Prinzipal ist für die Geschäftsführung nicht verantwortlich). Doch muß ihm Anspruch auf Vorlegung der jährlichen Bilanz und Einsicht in die Bücher zu deren Kontrolle gewährt werden (§ 810 BGB. Vgl. R.G. 117 333). Die angeführten Arten des Entgelts können für sich, oder, was die Regel ist, in irgendeiner Mischform vorkommen, z. B. Gehalt und Unter­ halt, Gehalt und Provision usw. Dagegen ist die Gratifikation eine Zugabe zu dem sonstigen Lohne. Es kann auf sie ein Rechtsanspruch bestehen (kraft Vertrages oder Verkehrssitte). Sie ist auch da, wo sie freiwillig erfolgt, im Zweifel nicht Schenkung (die Parteien betrachten sie als eine Erhöhung des ArbeitsVerdienstes). Fällig wird sie meist zu Weihnachten, Neujahr oder nach Bilanzabschluß. Im Zweifel kann sie aber nur der Gehilfe beanspruchen,

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§ 23III. Pflichten des Prinzipals. der zurzeit ihrer Fälligkeit noch im Dienst ist. (Über Weihnachtsgratifi­ kation siehe die Zusammenstellung der Entscheidungen bei Warncke, Z.B.H. 1928 S. 396).

b) Wird der Gehilfe durch unverschuldetes Unglück an der Leistung der Dienste verhindert, so behält er seinen Anspruch auf Gehalt und Unterhalt, aber nicht über 6 Wochen. §63 HGB. „Unglück" ist ein Leid, welches dem Gehilfen zustößt, sowie ein Ereignis in der Person des Gehilfen, das für ihn Folgen zeitigt, die wegen ihrer Unabsehbarkeit als ein wirtschaftliches Unglück be­ trachtet werden müssen. Beispiele: Eigene Krankheit, Krankheit oder Tod eines nahen Ver­ wandten, Untersuchungshaft, — der Kriegsdienst. Kein Unglück sind Schwangerschaft, Geburt, die Erfüllung der gewöhnlichen staatsbürger­ lichen Pflichten (Schöffen-, Geschworenendienst). Sehr streitig ist, ob der Kriegsdienst unter § 63 fällt. Die Mehrzahl der Gerichte hat sich dagegen ausgesprochen. Sie haben unrichtigerweise den Begriff des Unglücks auf ein Leid, das dem Gehilfen zustößt, ein­ geengt.

Das Unglück muß „unverschuldet" sein, d. h. es darf nicht durch verwerflichen Vorsatz oder großen Leichtsinn herbeigesührt sein. Verschuldet sind regelmäßig Geschlechtskrankheiten durch außer­ ehelichen Beischlaf. Eine Ausnahme ergibt sich ohne weiteres bei Vergewaltigung einer Handlungsgehilsin. Dagegen ist es durchaus zu verwerfen, wenn Arbeits­ gerichte dem Betroffenen den Nachweis gestatten wollen, daß er alle erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen bei Ausübung des Beischlafes getroffen habe, oder schlechthin Krankheiten aus dem außerehelichen Beischlaf eines unverheirateten Mannes als etwas unverschuldetes ansehen.

Das Gesetz spricht nur von Gehalt und Unterhalt. Es kommt aber jede vereinbarte Vergütung in Betracht außer der Provision. Eine besondere Begünstigung für den Gehilfen enthält § 63II. Er braucht sich Bezüge aus einer Kranken- oder Unfallversicherung nicht anrechnen zu lassen. Streit herrscht über die zwingende Natur von § 63 HGB. Für §63II ist zwingende Geltung ausdrücklich festgelegt. Die herrschende Lehre schließt daraus, daß §631 nicht zwingend sei. Das Ergebnis ist unsinnig —es könnte völliger Ausschluß der Ge­ haltsgewährung aber nicht Kürzung des Gehalts um die Ver­ sicherungsbeiträge vereinbart werden — und daher abzulehnen. Verständigerweise ist das Gesetz so auszulegen, daß, wenn §63II zwingend ist, § 631 erst recht zwingend sein muß. Einen ergänzenden Schutz gewährt §616 BGB.

2. Fürsorgepflicht in bezug auf den Geschäftsbetrieb. §62 HGB.

§ 23 IV. Handlungsgehilfen — Beendigung.

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Der Geschäftsbetrieb ist so einzurichten, daß die Gesundheit des Gehilfen möglichst, die Sittlichkeit des Gehilfen gar nicht ge­ fährdet ist. Erweiterte Pflicht bei Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft, zwingend. Vgl. § 618 BGB., § 120a GO. Folgen der Verletzung: Schadensersatz, Strafe. §62 III HGB., §§ 139g, 139h, 147 GO.

3. Anspruch auf Urlaub hat der Gehilfe kraft Gesetzes nicht (anders im österr. Handlungsgehilfenges. v. 10. Januar 1910 § 17). Vgl. aber Art. 160RV. — Die Tarifverträge enthalten jedoch eine eingehende Reglung. IV. Beendigung. Das HGB. regelt

1. Die Beendigungszeit. Der Grundgedanke bei den besonderen Vorschriften des HGB. ist, den Gehilfen gegen eine zu rasche und wirtschaftlich ungelegene Beendigung zu schützen. Außerdem greifen die erheblichen Be­ schränkungen des Kündigungsrechts des Prinzipals ein, welche das ' Betriebsrätegesetz §§ 84ff. durch das Mitbestimmungsrecht des Angestelltenrates aufstellt (sie werden hier nicht mit dargestellt). a) Die gesetzliche Regel: Bei unbestimmter Vertragsdauer Kündigung zum Schluß eines Kalendervierteljahrs mit sechswöchentlicher Kündigungsfrist § 66. Außerdem sofortiges Kündigungsrecht jeder Partei bei einem wichtigen Grund. § 70 (mit Beispielen in §§71 und 72). Durch das Kündigungsschutzgesetz für Angestellte vom 9. Juli 1926 sind die Kün­ digungsfristen des Arbeitgebers für Angestellte mit länger ausgehaltener Dienstzeit auf drei bis sechs Monate verlängert worden. b) Abweichende Vereinbarungen zulässig, aber beschränkt: ot) Das sofortige Kündigungsrecht bei einem wichtigen Grund kann nicht beseitigt werden. ß) Schranken des § 67: Kündigungsfrist nicht weniger als ein Monat, Fristgleichheit für beide Teile, Kündigung nur zum Schluß eines Kalender­ monats (der Gehilfe findet mitten im Monat schwer Stellung). Aus­ nahmen von den Schranken des § 67 bei 1. Sozial besser gestellten Gehilfen und Gehilfen in außereuropäischen Niederlassungen, vgl. § 68. — Sozial besser gestellte Gehilfen sind Gehilfen, die ein Gehalt von mindestens 5000Mark (Papiermark!) haben; hier greift aber die VO. vom 23. X. 1923 ein, nach welcher die 5000 Mark die „Grundzahl" bildet, die mit der jeweiligen Teuerungszahl zu verviel­ fältigen ist. 2. Anstellung auf Probe (doch hier nötig Fristgleichheit für beide Teile, vgl. § 69). — Vgl. auch ZBH. 1926 S. 443.

2. Die Verpflichtung des Prinzipals zur Erteilung eines schriftlichen Zeugnisses §73. Der Gehilfe kann ein solches bei Beendigung des Dienstverhältnisses, d. h. möglichst eine angemessene

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§ 23 V. Vereinbartes Wettbewerbsvcrbot.

Frist vor Beendigung fordern. Es hat über Art und Dauer der Dienste auf Wunsch des Gehilfen auch über seine Führung und Leistungen Auskunft zu geben.

V. Vereinbartes Wettbewerbsverbot (Konkurrenz­ klauseln)^ Es handelt sich um Vereinbarungen zwischen Prinzipal und Gehilfen, welche die gewerbliche Tätigkeit des Ge­ hilfen nach Beendigung des Dienstverhältnisses beschränken. Wir stehen hier vor dem größten Interessengegensatz zwischen Prinzipal und Handlungsgehilfen. Der Prinzipal ist daran inter­ essiert, daß der Gehilfe die in seinem Geschäft erworbenen Kennt­ nisse nach Ablauf des Dienstverhältnisses nicht zu Zwecken des Wettbewerbes verwende. Der Handlungsgehilfe ist daran interessiert, seine erworbenen Kenntnisse später selbständig zu verwerten. Das ADHGB. griff in diesen Interessengegensatz durch keine Vorschriften ein. Dagegen stellte das HGB. von 1897 einige Normen zum Schutz der Handlungsgehilfen auf. Die dortigen Bestimmungen erwiesen sich als nicht ausreichend und sind durch eine Novelle vom 10. Juni 1914 (in Kraft seit 1. Januar 1915) abgeändert worden. Der gesetzgeberische Grundgedanke ist der: Konkurrenzklauseln können im Interesse des Prinzipals nicht entbehrt werden. Im Interesse des Handlungsgehilfen sind sie aber für unwirksam zu erklären, insoweit sie seine Stellung im Wirtschaftsleben in unbilliger Weise beeinträchtigen. Dabei ist namentlich auch zu beachten, daß drückende Konkurrenzklauseln den Gehilfen bereits während des Dienstverhältnisses in eine ungerecht­ fertigte Abhängigkeit von dem Prinzipal bringen, indem der Gehilfe die Lösung des Dienstverhältnisses fürchten muß. — Dagegen ist der Wunsch mancher, jede Konkurrenzklausel für unsittlich und nichtig zu erklären, abgelehnt worden.

Die Vorschriften des Gesetzes sind zwingend zugunsten des Gehilfen ausgestaltet worden. § 75d (eine ihm vorteilhaftere Rechtsläge kann verabredet werden). — In neuester Zeit haben die Tarif­ verträge sich auch mit den Konkurrenzklauseln befaßt (siche unten 4). 1. Allgemeine Voraussetzungen der Gültigkeit. a) Formzwang. Die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots bedarf der Schriftform und der Aushändigung der Vertragsurkunde durch den Prinzipal an den Gehilfen §741 (qualifizierte Schriftform). 1 Titze a. a. O. 796ff. — Baum, Das vertragliche Wettbewerbsverbot (1914). —Brodmann in Ehrenbergs Handbuch IV2 S. 178 ff.—Hu eck, Tarifvertrag und KonkurrenzNauseln in Z.B.H. 1928 S. 52 ff.

§ 23 V. Vereinbartes Wettbewerbsverbot.

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b) Grundsatz der bezahlten Karenz. Die Vereinbarung ist nur gültig, wenn der Prinzipal sich ver­ pflichtet, für die Dauer des Konkurrenzverbotes eine Entschädigung zu zahlen. Die Höhe der Entschädigung muß jährlich mindestens die Hälfte der letzten vertragsmäßigen Vergütung des Gehilfen be­ trogen. § 74II. Dies ist die wichtigste Neuerung der Novelle. Sie ist durchaus ge­ rechtfertigt. Wer in eigenem Interesse einen anderen beschränkt, muß ihn entschädigen. Über die Berechnung der Entschädigung §74bII und III. In gewissem Umfang muß der Gehilfe sich seinen derzeitigen Erwerb an­ rechnen lassen § 74c. Der Grundsatz der bezahlten Karenz gilt gemäß § 75b nicht. a) bei Gehilfen, deren Jahresverdienst mehr als 8000 Mark be­ trägt (hierzu VO. v. 23. Oktober 1923; siehe oben IV1 am Ende). Die Entschädigungspflicht würde den Prinzipal zu sehr belasten, auch können diese sozial besser gestellten Gehilfen ihre Interessen selbst wahrnehmen; 0) bei Gehilfen außerhalb Europas. Sie beziehen meist hohe Gehälter, so daß die gleichen Gründe, wie bei a) vorliegen. Im übrigen wird die Erleichterung dem Prinzipal gewährt, um ihn zu überseeischen Unternehmungen anzuspornen und ihn nicht zu veranlassen, seine Ge­ hilfen im Ausland zu suchen.

c) Im übrigen ist die ganze Vereinbarung namentlich nichtig § 74a II, a) wenn der Gehilfe nicht mehr als 1500 Mark jährlich verdient (hierzu BO. v. 23. Oktober 1923, siehe oben unter IV1 am Ende), ß) wenn er minderjährig ist, y) wenn er die Erfüllung auf „Ehrenwort" oder unter ähnlichen • Versicherungen verspricht. 2. Gesetzliche Beschränkungen des Umfanges der Verein­ barung. § 74 a I. Tie Konkurrenzklausel ist insoweit unverbindlich, a) als sie länger als zwei Jahre nach Beendigung des DienstVerhältnisses wirken soll, b) als sie eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Gehilfen enthält (nach Ort, Zeit, Gegenstand der Vereinbarung). Dem Richter fällt also hier die schwierige Aufgabe zu, das Verbot auf das richtige Maß zurückzuführen. Wegen Vereinbarung einer Vertragsstrafe siehe § 75c.

3. Gesetzliche Lösungsrechte. a) Des Gehilfen § 75. Der Gehilfe kann schriftlich innerhalb eines Monats erklären, daß er an das Wettbewerbsverbot nicht mehr gebunden sei a) bei eigener Kündigung wegen vertragswidrigen, schuldhasten Verhaltens des Prinzipals,

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$ 24. Handlungslehrlinge.

/?) bei einer Kündigung seitens des Prinzipals. Dies gilt nicht, wenn ein erheblicher Anlaß in der Person des Gehilfen vorlag, oder wenn der Prinzipal bei der Kündigung erklärt, daß er das ganze Gehalt weiterzahlen will. Bei Kündigung wegen schuldhaften, vertragswidrigen Verhaltens des Gehilfen wirkt das Wettbewerbsverbot, und der Gehilfe hat keinen Entschädigungsanspruch. b) Des Prinzipals § 75 a. Der Prinzipal kann während des Dienstverhältnisses auf das Wett­ bewerbsverbot durch schriftliche Erklärung verzichten. Er erlischt dann nach Ablauf eines Jahres. — Ter Prinzipal hat so die Möglichkeit von einem wertlos gewordenen Wettbewerbsverbot mit seiner bezahlten Karenz loszukommen. Beispiele: Der Prinzipal gibt die Branche auf, auf welche sich das Wettbewerbsverbot bezieht, oder er sieht, daß der Gehilfe so „minder­ begabt" ist, daß ihm dessen Konkurrenz später gleichgültig sein kann.

4. Die Tarifverträge nehmen zu den Konkurrenzklauseln eine verschiedene Stellung ein. Teilweise wird die Konkurrenzklausel ganz verboten oder doch für Angestellte bis zu einer bestimmten Gehalts­ grenze. Teilweise werden bestimmte Verbesserungen gegenüber dem Gesetz ausgestellt, die dann Mindestinhalt aller Arbeitsverträge sind, aber bei dem einzelnen Arbeitsvertrag noch weiter aufgebessert werdeu können. Verschlechterungen gegenüber dem Gesetz können nicht in den Tarifverträgen stehen (§75d).— Nicht zweckmäßig ist es, eine ganz bestimmte Klausel, die unabänderlich für jeden Arbeitsvertrag gelten soll, vorzusehen, weil hierdurch der Vielgestaltigkeit der einzelnen Arbeitsverhältnisse nicht Rechnung getragen werden kann (Hueck ZBH.1928 S. 52 ff.). 5. Die sog. geheime Konkurrenzklausel (§75tHGB.) wird richtiger Ansicht nach durch die Aufhebung des § 152II Gewerbe-O. (Art. 152 RV.) nicht berührt, weil § 75f mit der Koalitionsfreiheit gar nichts zu tun hat und nur äußerlich der Kürze halber auf § 152 GO. verweist. (Siehe Staub-Bondi Anm. 1 zu §75f).

Die Handlnngslehrlinge.

§ 24.

Literatur siehe oben vor § 22, ferner Gordon, Das Recht des kaufmännischen Lehrvertrages in Jahrb. der Berliner Kaufmannsgerichte 1912 9.

I. Begriff. Handlungslehrling ist derjenige, der in einem Handelsgewerbe zum Zwecke seiner kaufmännischen Ausbildung und zur Leistung der erlernten Dienste angestellt ist. Der Prinzipal soll sich um die kaufmännische Ausbildung des Lehrlings bemühen, der Lehrling soll dem Prinzipal im Nahmen seiner Ausbildung Dienste leisten.

§ 24II. Eingehung des Lehrvertrages.

141

Bei den „Handlungsgehilfen" überwiegt der „Hilfszweck", bei den „Handlungslehrlingen" der Lehrzweck. Im Verhältnis zu den Handlungslehrlingen heißt der Prinzipal „Lehrherr". Der Anstellungsvertrag ist ein Lehrvertrag. Das HGB. enthält besondere Bestimmungen, welche die allgemeinen Vorschriften über den „gewerblichen" Lehrvertrag in der GO. § 126ff. ergänzen. Der Lehrvertrag ist ein eigenartiger Dienstvertrag, bei dem beiderseitige Dienstpflichten bestehen (Titze). Subsidiär gelten daher die Vorschriften des BGB. über den Dienstvertrag. Die rechtliche Natur ist bestritten. Manche betrachten ihn als einen Vertrag, der sich aus Elementen des Werk- und Dienstvertrages zuzusammensetze, manche wollen ihn als Dienstvertrag auffassen, der auf die Dienste des Lehrlings abgestellt sei, während die Unterweisung seitens des Lehrherrn als Vergütung erscheine. Die besonderen handelsrechtlichen Normen beruhen auf einer teil­ weisen Anwendung der Vorschriften über die Handlungsgehilfen (§ 761), sowie darauf, 1. daß der Lehrling infolge seines jugendlichen Alters besonders schutzbedürftig ist, 2. daß durch das Verhältnis von Lehrer und Schüler ein besonders Vertrauensverhältnis geschaffen wird.

II. Eingehung des Lehrvertrages. 1. Personen, die nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte sind, dürfen Handlungslehrlinge weder hallen noch anleiten. §81 HGB. Bei Zuwiderhandlung kann die Polizei ihre Entfernung aus dem Geschäft erzwingen. 2. Ta der Lehrling regelmäßig minderjährig ist, wird der Vertrag entweder von ihm mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder durch den letzteren im Nanlen des Minderjährigen geschlossen. Ter ge­ setzliche Vertreter kann auch in eigenem Namen abschließen. Er hastet dann für ein etwa vereinbartes Lehrgeld und für Anhaltung des Lehrlings zur Pflichterfüllung. (Schließen Eltern den Vertrag ab, so ist Ab­ schluß in eigenen Namen zu vermuten).

3. Der Vertrag ist formlos. Allein der schriftliche Abschluß ist deshalb von Bedeutung, weil nur bei ihm der Lehrherr An­ sprüche gegen den Lehrling wegen unbefugten Allstrittes ans der Lehre geltend machen kann. § 79 HGB.

III. Pflichten des Lehrherrn. 1. Lehrpflicht. Sie ist persönlich zu erfüllen oder einem ge­ eigneten „Lehrmeister" zu übertragen. Die Lehre muß sich auf eine methodische Ausbildung in kaufmännischen Arbeiten erstrecken, soweit sie in dem Betriebe vorkommen (§ 76II HGB.). Bei Pflicht­ verletzung Schadensersatzpflicht und Strafe (§ 82).

142

§ 24IV. Pflichten des Lehrlings.

2. Pflicht zu besonderer Vergütung richtet sich nach Abrede und Ortsgebrauch. Die Vergütung kann in einem „Taschen­ geld" oder in Gewährung von Wohnung und Kost bestehen. Das Gehalt muß nicht am Schluß jedes Monats gezahlt werden, denn der Lehrling bestreitet hieraus regelmäßig nicht seine wirtschaftliche Existenz (anders §64). Für Gehalt und Unterhalt gilt §63 HGB. (siehe §761). 3. Fürsorgepflicht. Es gilt Entsprechendes wie bei den Handlungsgehilfen. §62 HGB. (siehe §761). Doch ist die Fürsorgepslicht auch erstreckt auf das Privatleben und Innenleben des Handlungslehrlings. §7511 und III. Der Lehrherr hat den Lehr­ ling znr Arbeitsamkeit und zu guten Sitten anzuhalten. Er hat also erzieherische Aufgaben, ähnlich wie der Inhaber der elterlichen Gewalt (aber kein Züchtigungsrecht). Er hat den noch nicht 18 Jahre alten Lehrling zum Besuch der Fortbildungsschule und Fachschule anzuhalten und den Schulbesuch zu überwachen (§ 139i IIGO.). — Er hat dem Lehrling Zeit und Gelegenheit zum Besuch des Gottesdienstes zu geben. — Bei Pflichtverletzung Schadensersatzpflicht und Strafe (§82 HGB.). IV. Pflichten des Lehrlings. 1. Dienstpflicht. Jedenfalls innerhalb des Nahmens der kaufmännischen Ausbildung. Darüber hinaus auch Verpflichtung zu nicht kaufmännischen Diensten nach Abrede oder Ortsgebrauch. 2. Zahlung eines Lehrgeldes, wenn vereinbart oder ortsüblich. 3. Treupflicht. Es gilt Gleiches wie beim Handlnngsgehilfen §§ 60 und 61 HGB. (siehe § 761). Vgl. oben § 23II2. V. Beendigung. 1. Der Lehrvertrag muß eine bestimmte Dauer haben (dies ergibt sich aus seinem Zweck: Ausbildung des Lehrlings)-. Es ent­ scheidet der Vertrag oder Ortsgebrauch (§77 HGB.). Durchschnitt: 3 Jahre. Es kann vorher gekündigt werden. a) Jede Partei kann fristlos kündigen bei einem wichtigen Grund, beim Tode des Lehrherrn ohne jeden Grund, während der sog. Probezeit (sie beträgt mindestens 1 Monat) ebenfalls ohne Grund. §7711—IV HGB. b) Ein besonderes Kündigungsrecht schafft §78HGB., um einen Berufswechsel des Lehrlings zu ermöglichen. Der gesetzliche Vertreter oder der volljährige Lehrling können jederzeit mit der schriftlichen Erklärung kündigen, daß der Lehrling

§ 25. Der Handlungsvolontär.

143

zu einem anderen Beruf als dem kaufmännischen übergehen wolle. Dann erlischt das Verhältnis nach einem Monat, doch kann der Lehr­ herr früher entlassen. Beispiele: Der Lehrling erklärt, er wolle Schauspieler oder Tech­ niker oder Kellner (streitig) werden. Nicht genügt, daß er in eine andere Branche wolle.

Die Erklärung braucht nicht wahr zu sein (streitig, aber es wäre ganz unpraktisch, sich auf Untersuchungen der wirklichen Absichten des Lehrlings einlassen zu wollen; vgl. auch §116 BGB.). Der Lehrherr wird aber gegen unlautere Manöver des Lehrlings durch § 78IIHGB. geschützt. Tritt der Lehrling vor Ablauf von 9 Monaten nach der Beendigung des Lehrverhältnisses als Handlungsgehilfe oder Handlungslehrling in ein anderes Geschäft ein, so ist er schadens­ ersatzpflichtig. Mit ihm hastet als Gesamtschuldner der neue Prinzipal, der den Sachverhalt kennt.

2. Der Lehrherr ist zur Ausstellung eines Zeugnisses verpflichtet. Es soll Auskunft geben über die Dauer der Lehrzeit, Kennt­ nisse, Fähigkeiten. § 80 HGB. Der Lehrling kann nicht fordern, daß cs sich aus Art und Dauer der Beschäftigung beschränkt (anders beim Handlungsgehilfen). VI. Ein Wettbewerbsverbot, das mit einem Handlungs­ lehrling vereinbart wird, ist nichtig. § 701 Satz 2 HGB.

Der Handlungsvolontär. Becker in ZBH 1928 S.84.

I. Begriff. Handlnngsvolontär ist derjenige, der in einem Handclsgcwcrbe, ohne als Lehrling angenommen zu feilt, zum Zweck seiner Aus­ bildung unentgeltlich mit kaufmännischen Diensten beschäftigt wird. § 82a HGB. Der Volontär hat mit dem Lehrling gemein, daß bei ihm der Ausbildungszweck im Vordergrund steht. Der Prinzipal ist zu einer Anleitung und Unterweisung verpflichtet. Der Volontär unterscheidet sich vom Lehrling durch folgendes: 1. Typisch will sich der Lehrling ansbilden nm Handlungs­ gehilfe zu werden, der Volontär um Prinzipal zu werden oder um seinen Gesichtskreis für einen ganz anderen Beruf zu erweitern. — Im Zusammenhang hiermit steht, daß der Volontär regelmäßig älter ist, nnd daß er mit dem Prinzipal sozial und wirtschaftlich auf annähernd gleicher Stufe steht.

§ 25.

144

§ 25II. Der Handlungsvolontär.

2. Der Volontär muß unentgeltlich tätig sein, beim Lehrling ist dies nicht nötig. Vgl. noch unter II. 3. Der Volontär braucht nicht „angestellt" zu sein. Er wird beschäftigt. Eine Verpflichtung zu Dienstleistungen ist nicht erforder­ lich, allerdings im Zweifel anzunehmen. Der Volontär gehört nicht notwendig, aber im Zweifel zum Personal. Der Volontärvertrag ist hiernach der Regel nach ein eigenartiger Dienstvertrag mit beiderseitigen Dienstpflichten (streitig, vgl. oben §241). II. Rechtssätze. Die Vorschriften über Handlungslehrlinge (bzw. Handlungs­ gehilfen) und über den Dienstvertrag des BGB. sind entsprechend zur Anwendung zu bringen, insoweit nicht die Eigenart des Volontär­ vertrages entgegensteht. Einen ausdrücklichen Nechtssatz enthält § 82a HGB. 1. Den Prinzipal trifft eine Lehrpflicht, dagegen nie eine Pflicht zu einer eigentlichen Vergütung (doch gehören Gratifikationen, „Taschen­ geld" nicht hierher). Andrerseits trifft den Prinzipal die Fürsorgepflicht in bezug auf den Geschäftsbetrieb (§§ 62, 76 I HGB.). Nicht aber hat er den Volontär zur Arbeitsamkeit und zu guten Sitten anzuhalten. 2. Den Volontär trifft regelmäßig eine Dienstpflicht im Nahmen seiner Ausbildung, ferner die Treupslicht. 3. Für die Beendigung des Dienstverhältnisses gilt a) Die Vorschriften des HGB. über die Beendigungszeit bei Hand­ lungsgehilfen und Lehrlingen passen nicht. (Ausnahme: Das fristlose Kündigungsrecht wegen eines wichtigen Grundes.) — Übrigens wird das Volontärverhältnis meist auf bestimmte Zeit eingegangen (selten länger als 2 Jahre, oft nur für wenige Monate). b) Der Volontär kann dagegen ein Zeugnis wie ein Handlungsgehilfe verlangen. 4. Konkurrenzklauseln können vereinbart werden. Es kommen die Vorschriften zur Anwendung, die für Handlungsgehilfen gelten insoweit sie nicht aus ein Entgelt des Gehilfen bezug nehmen. § 82aHGB. Der Volontär hat daher die Stellung eines Handlungsgehilfen, der mehr als 8000 Mark Jahresverdienst hat.

Sechstes Kapitel.

Selbständige Hilsspersonen. Unter den zahlreichen selbständigen Hilfspersonen eines Staufmanns, d. h. Personen, die nicht „in" einem Handelsgewerbe, sondern „für" ein Handelsgewerbe tätig werden, nehmen die Handlungsagenten und Handelsmakler eine besondere Stellung ein. Die Handlungsagenten haben durch ihre ständige Beziehung zu einem

145

$26. Handlungsagenten.

Handlüngshause Verwandtschaft mit den Handlungsgehilfen. Die Handelsmaklre sind die allgemeinen Vermittler im Handelsverkehr. Beide sollen daher im folgenden betrachtet werden. Andere selbständige Hilsspersonen, die Kaufleute sind, sind z. B Kommissionäre, Frachtführer, Spediteure. Über sie in Abschnitt III. Die Einordnung der Handlungsagenten und Handelsmakler in das erste Buch des HGB. ist von systematischem Standpunkt durchaus einwandfrei und empfiehlt sich unbedingt aus pädagogischen Gründen. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus können beide auch bei den Handelsgeschäften dargestellt werden. Vgl. Schmidt-Rimpler in Ehrenbergs Handbuch V I S.lff.

§ 26.

Die Handlungsagenten. Allgemein ist zu verweisen auf die umfassende Darstellung von SchmidtRimpler in Ehrenbergs Handbuch V, 1 «S.lff. Aus der sonstigen Literatur sind hervorzuheben: Immer wahr, Das R. der Handlungsagenten (1900); Albrecht Tentler, Kommentar zu §§84 bis 92HGB.; K. Jacusiel, Das Recht der Agenten und Makler, Hefti, Das Recht der Agenten' (1925); Wüstendörfer, ZHR.58, 118; Rumpf, Arch. Ziv. Prax. 119, 88; I. v. Gierke, Handw. d. Rsw., herausgegeb. von Stier-Somlo u. Elster, Artikel „Handlungsagcnt". Über Versicherungsagenten siehe Hagen in Ehrenbergs Handbuch VIII, 1 $8 Ulfs, 248ff. und I. v. Gierke, Artikel „Agent" im Versicherungslexikon? herausgegeben von Manes (1924). Deutsche Handelsvertreter Zeitung, herausgegeben vom Zentralverband. Ausland: Allgemein: Wüstendorser, ZHR/58, 135, Schmidt-Rimpler a. a. O. § 16; siehe auch Rühland im Rechtsvgl. Handw., herausgegeben v. F. Schlegelberger unter „Handlungsagent". Für Deutsch.Österreich insbesondere Lenhoff, ZHR. 83, 321 ff.; Lenhoff, Mäkler, Agenten, Angestellte 1922. — Für die Schweiz: Blatter, Handlungsagenten 1922.

I. Begriff.

Handlungsagent ist nach deutschem Recht ein selbständiger Ge­ werbetreibender, der von einem Kaufmann ständig betraut ist, gegen Entgelt für dessen Handelsgewerbe Geschäfte zu vermitteln oder im Namen des Kaufmanns abzuschließen. $84 HGB. 1. Der Handlungsagent ist gegen Entgelt „betraut" und zwar durch den sog. Agenturvertrag. Dieser ist ein Dienstvertrag (herschende Lehre), der aber wegen der Selbständigkeit des Agenten Besonderheiten aufweist. RG. 87 443, 95134, 105 33. Subsidiär gilt also Dienstvertragsrecht des BGB. 2. Der Betrauende muß Kaufmann sein (Vollkausmann oder Minderkaufmann). Agenten eines Nichtkaufmanns sind Zivilagenten, keine Handlungs­ agenten.

v. Äierke, Handels- u. Lchisfahrtsrecht. 3. Ausl.

10

146

§ 261. HandlungsagenLen.

3. Der Handlungsagent ist „ständig" betraut. Er muß in einer dauernden Beziehung zu einem Handelsgewerbe stehen. Daher „Handlungs"-Agent. Er kann allerdings auch mehrere Kaufleute vertreten. Nicht ist infolgedessen Handlungsagent der Makler, er ist Augen­ blicksvermittler; nicht äst Handlungsagent derjenige, der seine Dienste jedermann zur Verfügung stellt (sog. Inhaber von Agenturbüros). 4. Der Handlungsagent ist betraut „Geschäfte zu vermitteln oder sie im Namen des Kaufmanns abzuschließen". Es genügt also eine bloß vorbereitende Tätigkeit. Dagegen ist nicht Handlungs­ agent der Kommissionär, er handelt im eigenen Namen. Doch gibt es Mischtypen: sogenannte Kommissionsagenten (siehe unten § 67III2).

5. Der Handlungsagent muß selbständiger Gewerbetrei­ bender sein. Hierzu gehört einmal negativ, daß er „nicht angestellt" sein darf. Er darf nicht persönlich abhängig, er darf nicht Untergebener sein. Er darf nicht in den Gewaltbereich eines Unternehmers, in einen fremden Betriebsverband (vgl. oben § 14 am Anfang) ein­ gegliedert sein, es darf ihn keine „Gehorsamspflicht" treffen. Der Betrauende darf nicht als „Prinzipal" erscheinen. Die Tätigkeit des Handlungsagenten darf nicht auf eine völlige rechtliche „Fremd­ bestimmtheit" in bezug auf Art und Zeit seiner Arbeitsleistung ab­ gestellt sein (vgl. Schmidt-Rimpler 23ff.). Sodann gehört positiv dazu, daß er auf Grund seines Be­ trautseins eine Veranstaltung nach außen trifft, die ihn als Unter­ nehmer kennzeichnet. Dies Erfordernis folgt daraus, daß der Hand­ lungsagent nach gesetzlicher Vorschrift Mußkaufmann ist (siehe unter 6). Der Handlungsagent darf daher nicht Handlungsgehilfe sein; das sagt das Gesetz ausdrücklich (§84); doch ist das ungenau, es scheiden alle Untergebenen aus z. B. auch Kellner (die ja nicht Handlungsgehilfen sind). Die Grenze zwischen Selbständigkeit und Anstellung ist mitunter im Einzelfall schwierig. Häufig sind Anhaltspunkte für Selbständigkeit: Tätigkeit am fremden Ort, Provision nicht Gehalt, Tragung der Ge­ schäftsunkosten; auch kann ein Handlungsgehilfe nicht für mehrere Firmen tätig sein (vgl. hierzu Warncke, ZBH. 1928 S. 181 ff.). Der Name „Agent" besagt gar nichts (siehe hierzu unten II). — Was die Veranstaltung nach außen betrifft, so wird dies Erfordernis mit Recht von SchmidtRimpler 28 hervorgehoben, es ist ihm aber nicht darin zuzustimmen, daß ein Handlungsagent bereits dann vorhanden sei, wenn jemand eine „Geschäftsherrnwerbung" veranstalte. Das Gesetz verlangt für den Begriff ein „Betrautsein". Die Frage, ob jemand Handlungsagent oder Angestellter ist, hat auch Bedeutung für die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Diese sind

§ 26 II. Handlungsagenten — Arten.

147

grundsätzlich für Handlungsagenten nicht zuständig, doch ist zu beachten, daß ihre Zuständigkeit für „arbeitnehmerähnliche Personen" gegeben ist, so daß ein sehr weitgehend abhängiger Agent gegebenenfalls doch unter sie fallen könnte (Warncke a. a. O. 184).

6. Der Handlungsagent ist stets Mußkaufmann. §711 Ziffer 7 HGB. 7. Der Begriff des Handlungsagenten ist erst im HGB. von 1897 genauer festgelegt worden, im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG. 31 59). — In ausländischen Rechten finden sich erhebliche Abweichungen (siehe unten VI). II. Wirtschaftliche Bedeutung und Arten. Dar Handlungsagent ist im allgemeinen der selbständige Werber eines Kaufmanns an einem anderen Ort. Er wirbt und sammelt Kunden insbesondere in größeren, ihm anvertrauten Bezirken. An wichtigen Handelsplätzen stellt er die Beziehungen zum Aus­ land her (er hält z. B. große Musterlager). Infolge seiner Selb­ ständigkeit kann er den wechselnden Verhältnissen Rechnung tragen, auch mehrere Firmen vertreten (die hierdurch Kosten sparen), anderer­ seits ist er mit dem Unternehmerrisiko belastet. Man unterscheidet verschiedene Arten: 1. Nach Maßgabe der Betriebe, für die sie tätig sind: Waren­ agenten (Einkauf- und Verkaufsagenten), Versicherungsagenten, Auswanderungsagenten (Reichsges. vom 9. Juni 1897, § 11), Trans­ port-, Bankagenten u. a. Die wichtigsten sind die Waren- und Versicherungsagenten. Für letztere gelten Spezialbestimmungen (vgl. VVGes. v. 30. Mai 1908 §§ 43 ff.). 2. Vermittlungs- und Abschlußagenten. Erstere haben zu vermitteln, letztere auch abzuschließen. Die meisten sind nur Ver­ mittlungsagenten. 3. Platzagenten und reisende Agenten. Erstere haben eine feste Niederlassung, von der aus sie tätig werden; letztere sind nur auf Umherreisen tätig. „Generalagenten" verhandeln meist nicht direkt mit dem Publikum, Gegensatz „Unteragenten". (Häufig ist übrigens ein sog. Generalagent nur Handlungsgehilfe.)

Die verschiedenen Handlungsagentengruppen sind organisiert. Die Warenagenten haben als Spitzenverband den Zentralver­ band deutscher Handelsvertretervereine. Von letzterem ist ein Entwurf für die Neugestaltung des Handlungsagentenrechts angefertigt; auch wird von ihm die oben bei der Literatur angegebene Zeitschrift herausgegeben. In dem Entwurf wird für den Namen „Handlungsagent" der Name „Handelsvertreter" vorgeschlagen. Es 10*

148

§ 26 HI. Handluntzsagent und Geschästsherr.

ist richtig, daß der Name „Agent" farblos ist, indem er jeden be­ zeichnet, der gewerbsmäßig Geschäfte vermittelt; der Ausdruck „Handelsvertreter" soll darauf Hinweisen, daß der Handlungsagent mehrere Firmen vertreten kann. III. Rechtsverhältnis Geschäftsherr.

zwischen

Handlungsagent

und

Es ergeben sich Pflichten und Rechte des Handlungsagenten. 1. Pflichten. Er hat stets das Interesse des GeschäftsHerrn mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen (insbesondere sorgfältig um Werbung bemüht zu sein, die Kredit­ würdigkeit des Kunden zu prüfen, Nachrichten zu geben, Auskunft zu erteilen). §84II HGB. Ein besonderes Konkurrenzverbot trifft ihn nicht. Er muß aber eigene Geschäfte und Vertretung anderer Häuser unterlassen, wenn das Interesse des Geschäftsherrn geschädigt wird. — Bei Pflichtverletzung ist er schadensersatzpflichtig.

2. Rechte. a) Der Hauptanspruch geht auf Vergütung. Sie ist der Regel nach Provision, d. h. Beteiligung an dem Wert jedes vermittelten Geschäfts (besteht meist in Prozenten). Es kommt auch Tantieme vor, denkbar ist Gehalt. Eine Abart der eigentlichen Provision ist die „Umsatzprovision"; hier wird die Provision bemessen nach dem Wert des in einem bestimmten Zeitraum vermittelten Umsatzes (Titze 602, Schmidt-Rimpler 102).

Das HGB. enthält über die Provision nachgiebige Vorschriften. Häufig steht aber der Handlungsagent infolge Abrede oder Handels­ sitte günstiger. a) Die Provision ist nach dem Gesetz erst verdient, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind (§ 88, Ausnahme von § 354 HGB.): aa) Das Geschäft muß „durch die Tätigkeit des Handlungs­ agenten zustande gekommen" sein. Das bedeutet: Der Abschluß­ agent muß es abgeschlossen haben. Beim Vermittlungsagenten muß es auf Grund seiner Vermittlung vom Geschäftsherrn abgeschlossen sein. ßß) Das Geschäft muß außerdem „ausgeführt" sein. Das kann natürlich nicht bedeuten, daß es sowohl von dem Gegenkontrahenten wie von dem Geschäftsherrn voll abgewickelt sein muß. Vielmehr kommt es nur darauf an, daß die Gegenpartei die zunächst aus dem Vertrage sich ergebenden Verpflichtungen erfüllt hat. Bei Verkäufen ist dies Zahlung des Kaufpreises bzw. Teilzahlung, so aus­ drücklich das Gesetz §881, Satz 2. Bei Versicherungsverträgen ist es Zahlung der ersten Prämie.

§ 26III. Handlungsagent und Geschäftsherr.

149

Ausnahme: Die Provision ist trotz Nichtausführung eines ab­ geschlossenen Geschäfts verdient, wenn der Grund in einem vertretbaren Verhalten des Geschästsherrn liegt §88IIHGB (so läßt sich m. E. am zweckmäßigsten die weitläufige Bestimmung des Gesetzes zusammenfassen). Das Verhalten ist als vertretbar anzusehen, wenn es nach Handels­ sitte dem Geschäftsherrn zur Last gereicht (stets bei Willkür oder Ver­ schulden, doch ist eigentliches Verschulden nicht immer erforderlich; zu eng daher RG. 63 68; 74168). Vgl. Schmidt-Rimpler 147. Beispiele: Der Geschäftsherr macht das Geschäft aus Gefälligkeit gegen den Kunden rückgängig — oder die Gegenpartei erfüllt nicht wegen mangelhafter Lieferung, auch wenn sie nicht verschuldet ist. Hier ist die Provision verdient. Anders: Es gelingt dem Geschäftsherrn den Vertrag rückgängig zu machen, der mit einem Ehikaneur abgeschlossen war. — Oder: Die Aus­ führung unterbleibt infolge Nichtlieferung des Geschästsherrn wegen Streiks, oder wegen unverschuldeten Konkurses des Geschästsherrn. Hier ist die Provision nicht verdient. Mit dem Zustandekommen des Geschäfts ist der Provisionsanspruch als ein bedingter entstanden. Der Gedanke des Gesetzes, daß erst die „Ausführung" des Ge­ schäftes entscheiden soll, ist folgender: Dem Geschästsherrn ist erst mit dem wirtschaftlichen Erfolg gedient, auch soll der Geschästsherr gegen die Vermittlung von unsicheren Geschäften geschützt werden. SchmidtRimpler 140. Abweichende Vereinbarungen über den Erwerb der Provision sind zulässig; vgl. über sie Schmidt-Rimpler 151 f.

ß) Besonderheiten gelten für den sog. Bezirksagenten. Er ist ausdrücklich für einen bestimmten Bezirk bestellt. Er hat dann nach § 89 HGB. im Zweifel auch einen Provisionsanspruch in bezug auf die sog. direkten Geschäfte, d. h. solche, die ohne seine MitWirkung vom Geschäftsherrn oder von einem anderen für diesen in dem Bezirk abgeschlossen worden sind. Die Auslegung dieser Vorschrift ist in vieler Hinsicht nickt zweifelsfrei. Zunächst bedeutet richtiger Ansicht nach die Zusicherung des Provisionsanspruches, wenn nichts anderes erhellt, nicht etwa, daß der Agent nur im Bezirk abschließen darf, oder daß nur der betreffende Agent da abschließen darf. Schließt der Geschästsherr also einmal selbst ab, so ist das keine Pflichtverletzung, sondern er muß nur den Provisionsanspruch dem Agenten zuwenden. Tatsächlich übt das Verhältnis allerdings einen mittelbaren Druck auf den Prinzipal aus, den Bezirk dem Agenten zu überlassen (vgl. Schmidt-Rimpler 266ff.). Der Ausdruck des Gesetzes ist ferner insofern ungenau, als nicht der Abschluß im räum­ lichen Bereich des Bezirks maßgebend ist, sondern die Bezirkszu­ gehörigkeit des Gegners entscheidet. Beispiele: Der Geschäftsherr schließt einen Vertrag mit einem Be­ zirksangehörigen außerhalb des Bezirks, hier gebührt die Provision dem

150

§ 26 III. Handlungsagent und Geschäftsherr.

Bezirksagenten. Der Geschäftsherr schließt im Bezirk mit einem zu­ fällig Anwesenden ab, hier gebührt dem Bezirksagenten keine Provision.

Sehr streitig ist die Frage, ob im Zweifel irgendwie ein Gegen­ seitigkeitsverhältnis zwischen dem Bezirksprovisionsanspruch und einer Betätigung des Agenten anzunehmen ist, so daß bei dessen voller oder teilweiser Untätigkeit die Vorschriften über gegenseitige Ver­ träge unmittelbar oder doch entsprechend anzuwenden wären. Dafür haben sich — im einzelnen voneinander abweichend — Wertheimer und insbesondere Schmidt-Rimpler (280ff.) ausgesprochen. Ab­ weichend das Reichsgericht, jedenfalls in RG. lvN254ff. Die Be­ merkung Schmidt-Rimplers, daß eine Provision ohne Tätigkeit sinnwidrig sei, trifft aber keineswegs zu. Die Provisionszusicherung kann gerade auch mit Hinblick aus eine Nichtbetätigung im Sinne einer Sicherstellung gemeint sein; unzweifelhaft läuft auch die Be­ zirksprovision bei § 616 BGB. weiter. Dies aber führt m. E. dazu, ein Gegenseitigkeitsverhältnis grundsätzlich abzulehnen und nur die Verkehrstreue entscheiden zu lassen. Dann aber wird man in Zweifel zu dem Ergebnis kommen, daß nur bei verschuldeter voller Untätigkeit der Bezirksprovisionsanspruch entfällt; im übrigen ist der Geschästsherr auf Schadensersahansprüche und Kündigung angewiesen (übereinstimmend Staub-Bondi, Anm. 4 zu §89). Der angeführten Reichsgerichtsentschcidung, welche den Bezirksprovisionsanspruch dem Agenten, der zum Kriegsdienst eingezogen war, zusprach, ist daher beizustimmen. Man beachte übrigens, daß der Bezirksagent immer den gewöhn­ lichen Provisionsanspruch für die durch seine Tätigkeit zustandegekommenen Geschäfte hat. Auch mag erwähnt werden, daß in den Kreisen der Handlungs­ agenten die sogenannten „direkten" Geschäfte gerade umgekehrt (von ihrem Standpunkt aus) als „indirekt" bezeichnet werden (SchmidtRimpler 278).

V) Eine Abrechnung über die Provisionen findet im Zweifel halbjährlich statt § 88IV HGB. (Es ist natürlich sonst zu umständlich.) Der Agent kann stets einen Buchauszug aus den Handelsbüchern fordern (§91 HGB.). Vorlegung der Bücher kann er verlangen, wenn ein unlauteres Ver­ halten des Geschäftsherrn in bezug auf die Auszüge vorliegt (Anwendung von §810 BGB.). So mit Recht das Reichsgericht (RG. 87 10ff.), das hierdurch der früheren, für die Agenten unerträglichen Rechtsprechung ein Ende bereitet hat, die jedes Recht des Agenten auf Vorlegung der Bücher verneinte.

b) Einen Anspruch auf Ersatz der Kosten und Auslagen im regelmäßigen Geschäftsbetrieb hat der Agent nach dem Gesetz nur, wenn es verabredet oder handelsüblich ist (z. B. Porto, Depeschen,

§ 26IV. Vollmacht des Handlungsagenten.

151

Reklamekosten) § 90 HGB. Es bestehen aber weitgehende Verabredungen und Handelsbräuche, welche dem Agenten Anspruch auf Ersatz der gewöhnlichen Unkosten (doch regelmäßig unter Ausschluß der eigentlichen Bürokosten) geben. (Vgl. Schmidt-Rimpler 182 f.). — Außerordentliche Ausgaben muß dagegen der Geschäftsherr auch nach dem Gesetz ersetzen (z. B. für Reisen auf besonderen Wunsch). 3. Über die schwierige Frage der Anwendung der Vor­ schriften des BGB. über Unmöglichkeit und Annahmeverzug im Hinblick auf die beiderseitigen Pflichten handelt ausführlich SchmidtRimpler 190 ff. IV. Vollmacht des Handlungsagenten. 1. Der Umfang der Vollmacht ergibt sich im allgemeinen aus den Umständen. Der Abschlußagent hat Vollmacht zum Ab­ schluß, der Vermittlungsagent dagegen, nicht. Im Interesse des Publikums greift aber § 85 HGB. ein, wenn der Vermittlungsagent seine Vollmacht überschreitet und abschließt. Vgl. Hallermann ZHR. 89, 225ff. Der Geschäftsherr muß nämlich unverzüglich nach Kenntnis widersprechen, sonst gilt er als genehmigend. Vgl. dagegen § 177 BGB. Der Grund für diese Vorschrift ist der, daß der Geschäftsherr Dritten gegenüber sich nicht nach Ablauf eines längeren Zeitraums darauf berufen soll, der Agent habe nur Vermittlungsvollmacht gehabt. Daher ist die Vorschrift nicht entsprechend anzuwenden, wenn der Vermittlungsagent (wie üblich) eine Offerte entgegennimmt, um sie dem Geschäftsherrn zu übermitteln. Der Tritte weiß hier, daß die Entscheidung bei dem Geschüftsherrn liegt, und die Ratio des §85 versagt (nicht unbestritten). Bei Schweigen des Geschäftsherrn ist also die Offerte abgelehnt (§ 145ff. BGB.). — Andererseits ist § 85 HGB. entsprechend anzuwcnden, wenn ein Abschlußagent nur unter Vorbehalt der Genehmigung abschließen darf, aber trotzdem fest abgeschlossen hat (NG. 113 262). Woher der Geschäftsherr seine Kenntnis hat, ist gleichgültig (un­ richtig Staub-Bondi, Anm. 2 zu § 85, der Mitteilung durch den Agenten verlangt). Es genügt ferner die Kenntnis von der Art. des Geschäfts und der Person des Geschästsgegners (Schmidt-Rimpler 248).

2. Eine besondere Regelung des Umfanges der Vollmacht stellt das Gesetz in §§ 86 und 87 auf. a) Platzagcnten bedürfen zur Annahme von Zahlungen und Bewilligung von Zahlungsfristen einer besonderen Ermächtigung. Dies gilt sogar für Abschlußagenten. Dagegen können ihnen gegenüber Mängelanzeigen und ähnliche Erklärungen abgegeben werden. §86. Und zwar sowohl dem Ortsanwesenden gegenüber, wie dem Ab­ wesenden. — Die Regelung des § 86 entspricht nach der Denkschrift den tatsächlichen Verhältnissen im Handelsverkehr (auch heute noch?). Daß

152

§ 26 V. Handlungsagenten — Beendigung. § 86 sich nur auf Platzagenten bezieht, ergibt §87HGB. — Über ähn­ liche Erklärungen siehe oben § 21 VI. b) Ein reisender Handlungsagent soll dagegen wie ein reisen­

der

Handlungsbevollmächtigter

(§ 55 HGB.)

behandelt

werden.

§ 87 HGB. Siehe oben § 21 VI. Der Grund ist der: Dem Publikum kann die Unterscheidung zwischen einem reisenden Agenten und einem reisenden Handlungsgehilfen (commis voyageur) nicht zugemutet, werden. Besondere Vorschriften gibt es für die Vollmacht von Ver­ sicherungsagenten.

VVGes. vom 30. Mai 1908 § 43 ff.

V. Beendigung.

Für die Beendigungszeit gilt die gleiche gesetzliche Regel,

wie bei den Handlungsgehilfen. Vgl. §92 HGB. mit §§66 und 70 HGB. Siehe oben § 23IV la. Es gelten aber nicht die Schranken

der Vertragsfreiheit des §67 HGB.

Der Handlungsagent ist ein

selbständiger Gewerbetreibender, der sich selbst'vorsehen kann. Wegen seiner Selbständigkeit ist auch der Begriff des wichtigen Grundes bei

ihm anders zu werten als beim Handlungsgehilfen (z.B. kann von einer

Verletzung einer „Gehorsamspflicht" beim Agenten nicht die Rede sein). Beispiele eines'wichtigen Grundes für den Geschäftsherrn: Pflicht­ widrige Geschäftsbesorgung, Unfähigkeit des Agenten — für den Agenten: Nichtgewährung der Vergütung. — Nicht immer aber liegen die Ver­ hältnisse so einfach. Wie steht es z. B. bei einer Einschränkung oder Ein­ stellung des Geschäftsbetriebes seitens des Geschäftsherrn? Die An­ sichten sind sehr geteilt. Vgl. die Übersicht bei Schmidt-Rimpler 301 ff. M. E. ist die Annahme, daß hier niemals ein besonderes Kündigungs­ recht des Geschäftsherrn gegeben sei, abzulehnen. Vielmehr ist zu be­ achten, daß der Agent einen Teil des Berufsrisikos des Handlungshauses, dem er sich als selbständiger Unternehmer angegliedert hat, mittragen muß. Daher ist zwar bei kaufmännisch nicht gerechtfertigter Einschränkung oder Einstellung des Betriebes ein außerordentliches Kündigungsrecht des Geschäftsherrn zu versagen. Bei umgekehrter Sachlage aber ist dem Geschäftsherrn, falls ihm nicht ein früheres gewöhnliches Kündigungs­ recht zusteht, ein außerordentliches Kündigungsrecht mit den Fristen des §921 HGB. zu geben (vgl. Titze, IW. 1925, 1853). Dies ergibt sich aus einer verständigen Auslegung des Partei willens. Ein schriftliches Zeugnis kann der Agent nicht verlangen. Vgl. RG. 87 440. (Liegt in der Verweigerung nicht Schikane? Nein. Der Geschäftsherr würde die kaufmännischen Standespflichten verletzen, wenn er einem anderen Kaufmann ein „Zeugnis" erteilt). Konkurrenzklauseln können beliebig vereinbart werden, insoweit sie nicht gegen die guten Sitten (§138 BGB.) verstoßen. VI. Ausland (siehe Literatur am Anfang des Paragraphen). 1. Mit dem deutschen Recht verwandt ist insbesondere das schwei­ zerische Recht, das sich durch Gewohnheitsrecht ausgebildet hat. Sehr nahe stehen dem deutschen Recht das österreichische Handelsagentengesetz v. 21. Juni 1921 und die Gesetze der nordischen Staaten (Schweden, Nor-

§27. HandelSmakler.

153

wegen, Dänemark; doch fordern sie kein Bettautsein für ein Handels­ gewerbe und kein ständiges Bettautsein. Dem deutschen Recht schließt sich stark an der neue italienische Entwurf eines HGB. 2. Französisches Recht. Ihm ist der selbständige Begriff des deutschen Handlungsagenten fremd. Es ist durch die Praxis geschaffen der „repr&entant de commerce“, welcher seine Funktionen ausübt, aber er ist nur Handlungsgehilfe, nicht selbständiger Kaufmann. 3. England und Nordamerika. Auch hier gibt es keinen selb­ ständigen Begriff des Handlungsagenten. Der deutsche Handlungsagent fällt bald unter den Begriff des „broker“ (er hat nicht den Besitz der Sachen), bald unter den Begriff des „factor“, (er hat den Besitz der Waren). Vgl. ü6er broker und factor Gutti 122ff. und unten § 271.

Der Handelsmakler. Die Literatur ist sowohl in historischer wie dogmatischer Hinsicht sehr umfangreich. Genauere Angaben in dem umfassenden Werk von E. Heymann in Ehrenbergs Handbuch VIS. 321 ff. — Hervorzuheben ist: Zur Geschichte: L. Goldschmidt, IHR. 28, 115ff.; Frensdorfs, Der Makler im Hansa­ gebiet (in der Göttinger Festschrift für Regelsberger 1901), L. Perels, Der Maklereid (in der Festschrift für O. v. Gierke 1911 S. 679); Toebelmann, ZHR.70, 135ff.; Levy v. Halle in Schmollers Jahrb. 16, 1109, 17, 227ff. — Laband, ZHR.20, Iff. Zum geltenden Recht: E. Heymann a. a. O.; K. Jacusiel u. A. Jacusiel, Das Recht der Mäkler^ (1926); Reichel, MäNerprovisionen (1913); O. v. Gierke, Deutsches Privattecht III, § 202. — I. v. Gierke in Handw. der Rechtswissenschaft herausgegeben von Stier-Somlo u. Elster Artikel „Handelsmäkler" und „Mäklervertrag". — Ferner Schrifttum zu § 652 BGB.

I. Geschichtliches. (Eingehend Heymann 321 ff.). Der Ursprung des Handelsmaklers, als des Vermittlers im Handelsverkehr, geht daraus zurück, daß ein Einheimischer Handelsgeschäfte zwischen einem Fremden (Gast) und einem anderen Ein­ heimischen vermittelt und gleichzeitig als Dolmetscher dient. Der Wirkungskreis dehnte sich dann auch aus die Vermittlung unter Ein­ heimischen aus. Makler finden sich im Altertum, im Orient, in Grie­ chenland (staatlich angestellte und ernlächtigte Proxenoi), in Rom (nicht staatlich angestellte proxenetae). 1. Im Mittelalter entwickelte sich ein reich ausgestaltetes Maklerrecht, z. T. in Anknüpfung an die Antike, vielleicht vermittelt durch die Araber, aber im ganzen selbständig in Anlehnung an das germanische Genossenschaftswesen. Charakteristisch ist, daß der Handelsmaller überall Amtscharakter aufweist. Er ist ein von den Städten oder Gilden angestellter Beamter. Doch ist der Amtscharakter in den einzelnen Gebieten mehr oder weniger stark ausgeprägt. Am stärksten tritt das amtliche Element in Italien und Frank­ reich hervor. So werden sie in den italienischen Städten seit dem

§ 27.

154

§ 27 I. Handelsmakler — Geschichte.

12. und 13. Jahrhundert staatlich angestellt und vereidigt; sie müssen sich des eigenen Handelsbetriebes enthalten; sie sind in Zünften organisiert mit Vermittlermonopol und Maklerzwang; auch werden sie zu polizeilichen Funktionen im Fremdenverkehr und als Urkunds Personen verwendet. In manchen Städten werden den einzelnen Kaufhäusern der Fremden (fondaci) bestimmte Maklergruppen zu­ geteilt (z. B. dem fondaco dei tedeschi in Venedig), was offenbar auf orientalischen Einfluß zurückgeht. Die Bezeichnungen, die in Italien für den Makler verwendet wurden, sind „corraterius“ (von lat.Cursor), „sensarius“ (aus dem arabischensimsar, soGoldschmidt und Heymann gegen Laband), „proxeneta“ (aus dem griechischen proxcnos). Dieser strengere Typus des amtlichen Maklers kommt von Italien auch nach Frankreich („courtiers“). Etwas freier ist der Makler in Holland (Brügge), England (Broker) und in dem Hansagebiet gestellt. Er ist auch hier zunft­ mäßig organisiert und steht unter behördlicher Aufsicht; aber es fehlt der Maklerzwang und als öffentliche Aufsichtsperson kommt er ent­ weder überhaupt nicht oder doch nur in beschränktem Maße in Be­ tracht. Der freiere, mehr privatrechtliche Charakter kommt in der hanseatischen Bezeichnung makeler (von machen = Geschäfte schließen) etwas zum Ausdruck. In den Niederlanden ist der Makler z. T. eine wenig angesehene Persönlichkeit (Sprichwort: „Een verdorben Koopmann is een goet makeler").

Umgekehrt tritt bei den Maklern Süddeutschlands der Amts­ charakter stärker hervor, offenbar in Anschmiegung an die italienische Ausgestaltung. (Zu weit geht Rehme, der meint, daß der Amts­ charakter überhaupt aus Italien rezipiert sei, dagegen mit Recht Heymann 330 Anm. 54). Darauf deutet auch der süddeutsche Aus­ druck „Unterkäufer" d. h. der Vermittler zwischen den Parteien (im Sinne einer unparteilichen Amtsperson). Daher wird hier der Makler auch weitgehend zur Handelsaufsicht verwendet.

2. Seit dem Ausgang des Mittelalters (mit dem Ende des 16. Jahrhunderts beginnend) gelangt in Deutschland das zersplitterte Maklerrecht zu einer gewissen Vereinheitlichung. Dabei zeigt sich ein starker Einfluß der italienischen Doktrin (charakteristisch die weitgehende Verwendung des Ausdrucks „Sensale“ auch in Deutschland). Gekennzeichnet ist die Entwicklung durch ein Hervor­ brechen eines staatlichen Maklerrechts mit vollem Amtscharakter und Monopol. Es ergehen zahlreiche Maklerordnungen, welche den Maklern den Einzelhandel verbieten, sie zu Urkundspersonen

§ 27 13. Handelsmakler — Geschichte.

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und Aufsichtspersonen stempeln und vor allem sie auch zur Fest­ stellung der Börsenkurse heranziehen. So wird der Makler im GroßHandelsverkehr von Waren und Wechseln zu einer angesehenen Per­ sönlichkeit, auch entwickeln sich die besonderen Typen des Schiffs­ und Assekuranzmaklers. 3. Das 19. Jahrhundert steht unter dem Zeichen der allmählichen Beseitigung des amtlichen Maklerwesens. Schon in der vorigen Periode hatte sich ein Rückgang der amt­ lichen Makler auf dem Gebiet des Warenhandels infolge der Ver­ änderung der Technik des Handels bemerkbar gemacht. Man muß sich klar machen, daß das Maklerwesen für den auswärtigen Waren­ handel auf eine Vermittlertätigkeit an Ort und Stelle (Platzhandel) angewiesen ist. Als daher der Kaufmann infolge der Größe und des Umfanges seines Geschäftes und infolge der Verbesserung des Wechselverkehrs und des Nachrichtendienstes nicht mehr umherreiste und auch von der Anstellung auswärtiger Handlungsgehilfen absah, bediente er sich in der Ferne praktischer des Kommissionärs, bei welchem er den Vorteil hatte, daß dieser sofort bereit war, als Gegenkontrahent einzuspringen. So geht die Warenmakelei allmählich zurück, und das amtliche Maklerwesen wurde auf die Börsen 6c» schränkt. Hier aber beginnt sich immer mehr das Vermittlermonopol zu lockern durch das Vordrängen freier Makler. Trotzdem konnte man sich bei der Abfassung des ADHGB. nicht zu einer Preisgabe der amtlichen Handelsmakler entschließen und regelte trotz des Wider­ spruches der Hansestädte die Stellung der amtlichen Handelsmakler (Art. 66ff.). Sie waren Beamte und keine Kaufleute, ihre Pflichten waren im Gesetz genau aufgeführt. Der Untergang der amtlichen Haudelsmakler war aber dadurch besiegelt, daß sie jedes Vermittler­ monopols entbehrten (sanktioniert durch die Gewerbeordnung von 1869). So verdrängen die privaten Handelsmakler die amtlichen Handelsmakler. Schwierigkeiten ergaben sich nur noch in bezug auf die amtlichen Makler an den Börsen, da man ihrer zu den Kursfeststellungen bedurfte. Sie wurden durch das Börsengesetz vom 22. Juni 1896 nach dem Vorgang Bremens und Hamburgs in der Weise gelöst, daß man Kursmakler mit einer gewissen Zwitterstellung schuf. Im Gegensatz zu den alten amtlichen Handelsmaklern sind sie in bezug auf ihre Vermittlertätigkeit Kaufleute, aber sie haben bestimmte amtliche Aufgaben zu erfüllen und sind mit gewissen Pflichten belastet, jedoch auch durch Privilegien ausgezeichnet. 4. Das HGB. von 1897 hat die Konsequenzen aus der ge­ schilderten Entwicklung gezogen. Es kennt keine amtlichen

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§ 27 II. Handelsmakler — Begriff.

Handelsmakler mehr. Es gibt nur noch Handelsmakler, die Kaufleute sind. Aber gewisse Vorschriften des HGB. erinnern an ihre frühere amtliche Stellung. Auch können die Handelsmakler daneben amtliche Funktionen ausüben nach Maßgabe besonderer Reichsgesetze (Börsengesetz) und Landesgesetze. Schließlich hat das BGB. § 652 f. den bürgerlichen Makler­ vertrag geregelt. Der bürgerliche Makler heißt im Gegensatz zum Handelsmakler „Zivilmakler". 5. Die Entwicklung im Ausland ist teilweise entsprechend wie in Deutschland verlaufen, insbesondere in bezug auf die Be­ seitigung der amtlichen Makler. Doch weisen die verschiedenen aus­ ländischen Rechte eine ziemliche Buntscheckigkeit auf. Vgl. unten VII. II. Begriff und Rechtsstellung im allgemeinen. Nach geltendem deutschen Recht ist Handelsmakler derjenige, welcher gewerbsmäßig für andere, ohne ständig von ihnen betreut zu sein, die Vermittlung von Verträgen über Gegenstände des Handels­ verkehrs übernimmt. §93 HGB. 1. Er ist nicht ständig betraut. Er ist nur Augenblicksver­ mittler. Er hat etwas Quecksilberartiges. Er heißt nicht Handlungs­ makler, sondern „Handels"makler. Dadurch unterscheidet er sich vom Handlungsagenten. 2. Er vermittelt Verträge. Er hat demnach die Parteien zusammenzuführen und zum Vertragsschluß zu bringen. Er selbst schließt nicht ab. Das HGB. stellt ihn sich der Regel nach als einen unparteiischen Vermittler, als einen „ehrlichen Makler" vor, der zwischen den Parteien steht. Er erscheint regelmäßig mit beiden Parteien durch ein rechtliches Band verbunden: Er steht zum Auf­ traggeber in einem rechtlichen Verhältnis, aber auch sofort zu dem, mit dem er auf Grund des Auftrages verhandelt. Hiermit ist aber keineswegs eine andere Ausgestaltung aus­ geschlossen. So kann der Handelsmakler nur im Dienste oder vor­ wiegend im Dienste einer Partei stehen und von ihr weitergehende Vollmachten haben. Auch kann der Handelsmakler sich für eigene Rechnung und eigenen Verhaftung an der Erfüllung des gewünschten Geschäftes beteiligen. Dagegen ist der sog. Propermakler, der für sich selbst abschließt, kein Makler. Der Handelsmakler kann nicht bloß Nachweisvermittler wie der Zivilmakler (§652 BGB.) sein. Andererseits kann der Zivilmakler stets nur im Dienst eines Auftraggebers stehen (§652 BGB.).

3. Er vermittelt Verträge über „Gegenstände des Handels­ verkehrs". Das Gesetz gibt einige Beispiele: Anschaffung und

§ 27 II. Handelsmakler — Begriff.

157

Weiterveräußerung von Waren oder Wertpapieren, Versicherungen, Güterbeförderungen, Schiffsmieten usw. Nicht zu den Gegenständen des Handelsverkehrs gehören insbesondere Grundstücke; keine Handels­ makler sind also Grundstücksvermittler. Das Gesetz hat das besonders hervorgehoben. Der Grund hierfür liegt in der Absicht des Gesetzgebers, den Jmmobilienverkehr nicht zum eigentlichen Handel werden zu lassen. Aber die Ausgestaltung im Wirtschaftsleben ist auch z. T. eine andere als bei dem gewöhnlichen Handelsmakler (Heymann 362). Es handelt sich bei ihnen um Zivilmakler. Doch verlangen ihre Standesorganisationen Unterstellung unter den Handelsmakler. Eine Befreiung von den gewerbepolizeilichen Normen (§35GO.) würde dadurch aber nicht erreicht. — Zu den Handelsmaklern gehören auch nicht die Vermittler von Anstellungen. Doch ist jetzt diese Materie durch das Ges. über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 10. Juli 1927 „öffentlichrechtlich geregelt. — Über Heiratsvermittler vgl. oben §91.

Dagegen fallen unter die Handelsmakler z. B. die Darlehnsvermittler (sog. Bankagenten). 4. Der Handelsmakler ist gewerbsmäßig tätig. Vgl. über diesen Begriff oben §71. Der Handelsmakler ist immer Muß­ kaufmann, § 11I Ziffer 7 HGB. (oben §711,7), er kann Vollkauf­ mann oder Minderkaufmann sein. — Eine besondere Gruppe bilden die Krämermakler, sie besorgen die Vermittlung von Waren­ geschäften im Kleinverkehr (§ 101 HGB.). Was „Kleinverkehr" ist, be­ stimmt die Handelssitte (Kleinverkehr ist z. B. Einzelhandel auf dem Viehmarkt, nicht Kleinverkehr ist Handel an der Börse). Der Krämer­ makler kann bei großem Geschäftsbetrieb Vollkaufmann sein, meistens ist er Minderkaufmann. — Der Zivilmakler kann nur Kaufmann sein, wenn §2 HGB. vorliegt. Der Handelsmakler kann daneben amtliche Funktionen ausüben. Das HGB. selbst gibt ihm eine gewisse amtliche Stellung (als Urkundsperson, unten IV, 3,4, und durch die Pflicht zur Führung eines Tagebuches, unten IV 5). Außerdem ist zu beachten: a) Der Kursmakler hat an der Börse eine Reihe amtlicher Aufgaben (siehe unten § 62III 7). b) Der „öffentlich ermächtigte" Handelsmakler ist zu Notver­ käufen, Selbsthilfe- und Pfandverkäufen legitimiert (vgl. §§373, 376HGB.; §§385, 1221 BGB.) Das Nähere hierüber bestimmt das Landesrecht. 6. Subsidiär gelten für den Handelsmakler die Vorschriften des BGB. über den Maklervertrag (§§ 652ff. BGB.). 7. Der Vertrag zwischen Auftraggeber und Handelsmakler ist ein eigenartiger Vertrag, in welchem ersterer einen Lohn für

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§ 27III. .Handelsmaver — Wirtschaftliche Bedeutung.

den Fall des Zustandekommens des vermittelten Geschäfts durch die Tätigkeit des Maklers verspricht. An sich schuldet der Makler keine Tätigkeit. Doch kann durch Übernahme solcher Verpflichtungen der Vertrag Elemente des Dienst- oder Werkvertrages in sich auf­ nehmen. Im Zweifel ist aber der Maklervertrag durch freie Wider­ ruflichkeit seitens des Auftraggebers gekennzeichnet. — Eine Eigenart des Handelsmaklervertrages ist es im Gegensatz zum Maklervertrag des BGB., daß der Handelsmakler durch seine Verbindung mit dem Gegenkontrahenten auch zu diesem in ein Vertrags- oder doch ver­ tragsähnliches Verhältnis tritt, doch gilt auch dies nur im Zweifel. (Vgl. Heymann 385ff).

III. Wirtschaftliche Bedeutung (Heymann 353). Sie ist im deutschen Handelsverkehr eine hervorragende. Zunächst kommen die Börsenmakler in Betracht, die entweder Kursmakler oder freie Makler sind. Die Kursmakler haben besondere Pflichten und Privi­ legien. Die Börsenmakler sind vielfach über die reine Vermittler­ tätigkeit hinausgehend durch eine Ersüllungsverhaftung beteiligt (Übernahme des Geschäfts auf eigene Rechnung oder Aufgabemakler, vgl. unten IV 4; die vielfach vorhandenen Propermakler sind aber keine Makler, siehe oben unter II2). Sehr wichtig sind ferner die Handelsmakler im Warenverkehr des Großhandels an den See­ handelsplätzen (Hamburg, Bremen; insbesondere im Import­ verkehr). Ebenfalls für den Seeverkehr bedeutsam sind die Schiffs­ makler. Der Schiffsmakler vermittelt insbesondere die Veräußerung von Schissen und Schisfsparten, Güterbeförderungen zur See, Charterung von Schiffen; er hat insofern eine eigene Stellung, als er eine ganze Reihe von Aufgaben hat, bei denen er als Beauftragter des Reeders erscheint (vgl. Husselmann, Der Schiffsmakler in Hamburg 1913). Der Versicherungsmakler hat es mit der Ver­ mittlung von Seeversicherungsverträgen (z. T. auch andern Ver­ sicherungen) zu tun und hat die Aufgabe eines sachverständigen Jnteressenvertreters des Versicherungsnehmers (vgl. H. Waldstein in den Überseestudien, herausgegeb. von Wüstendörfer und Bruck, Heft 8, 1928). Im übrigen ist in der Neuzeit der Makler im Vcrmittlerverkehr stark zurückgedrängt durch Agenten und Kommissionäre. Im Binnenverkehr finden sich Makler auf Messen, Auktionen, auf Pferde- und Viehmärkten. IV. Pflichten des Handelsmaklers. 1. Er ist an sich nicht verpflichtet, sich um Vermittlung zu lemühen (ebensowenig wie der Zivilmakler). Vgl. oben II7.

§ 27 IV. Pflichten des Handelsmaklers.

159

2. Vermittelt aber der Handelsmakler, so muß er mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns verfahren, und zwar muß er regelrecht die Interessen beider Parteien wahrnehmen. Er darf keine vor der anderen begünstigen, ist jeder zur Verschwiegen­ heit verpflichtet usw. Verletzt er seine Pflichten, so ist er jeder Partei schadenersatzpflichtig. 898HGB.— Im Einzelfall kann ein Handels­ makler nur mit dem Auftraggeber in Vertragsbeziehung stehen. Vgl. oben II7.

3. Er ist zur Übersendung einer Schlußnote verpflichtet, Z94HGB. Die Schlußnote enthält die Namen der Parteien, den Gegenstand und die Bedingungen des Geschäfts. Unverzüglich nach Abschluß des Geschäfts hat der Handelsmakler eine solche, von ihm unterzeichnete Schlußnote jeder Partei zuzustellen. — Die Schluß­ note bringt das Geschäft nicht zum Abschluß, sie beurkundet es. Soll das Geschäft nicht sofort erfüllt werden (von beiden Parteien oder von einer Partei), so hat auch jede Partei ein Exemplar zu unter­ zeichnen, und die Exemplare werden dann durch den Matter ausgetauscht. Die Pflicht entfällt, wenn die Parteien sie erlassen, wenn sie nicht ortsüblich ist, schließlich bei „Krämermaklern" (vgl. Z104HGB.). Die widerspruchslose Annahme einer Schlußnote hat die Wirkung eines Bestätigungsschreibens, sie bedeutet Zustimmung zu ihrem Inhalt gemäß Z346HGB. — Ein Widerspruch hat nicht gegenüber dem Matter, sondern gegenüber der anderen Partei zu erfolgen. RG. 105 205.

4. Besonderheiten gelten bei einer Schlußnote-„mit Vor­ behalt der Aufgabe". H95HGB. Es ist dies eine Schlußnote, bei welcher sich der Handelsmakler die Bezeichnung der Gegenpartei vorbehält. Der Auftraggeber braucht natürlich eine solche Schlußnote nicht anzunehmen. Nimmt er sie aber an, so ergeben sich folgende Wirkungen: a) Der Auftraggeber ist grundsätzlich an das Geschäft mit der Partei gebunden, die der Makler nachträglich „bezeichnet" (Bindung des Auftraggebers im Gegensatz zu der sonstigen Freiheit mit der ihm zugesührten Person abzuschließen oder nicht). b) Es erwächst eine eventuelle Selbsteintrittslast des Maklers. Die Bindung des Auftraggebers tritt aber nicht ein, wenn der Makler die Gegenpartei nicht innerhalb ortsüblicher oder angemessener Frist bezeichnet, oder wenn begründete Einwendungen gegen die bezeichnete Partei (die sog. Aufgabe) zu erheben sind (die Partei ist z. B. kreditunwürdig oder ein Schikaneur). Die rechtliche Bedeutung dieser Vorgänge ist streitig. Richtiger Ansicht nach (Heymann 443ff.) ist im Zweifel anzunehmen, daß der Vertragsschluß zwischen den Parteien durch eine zweiseitige Brtentätigkeit des Maklers zustande kommt. Der Makler ist Bote

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§ 27 IV.

Pflichten des Handelsmaklers.

in bezug auf die Offerte des Auftraggebers und Bote der Gegen­ partei in bezug auf die Überbringung ihrer Annahme, welche sich in der Bezeichnung der Aufgabe vollendet. Der Bertragsschluß tritt nur dann nicht ein, wenn der Auftraggeber zu Recht geltend macht, daß die Aufgabe nicht rechtzeitig bezeichnet sei oder daß gegen sie begründete Einwendungen zu erheben sind. In diesen Fällen ist ein Vertrag zwischen Auftraggeber und Aufgabe nicht zustande gekommen, aber es wird die Selbsteintrittslast des Maklers wirksam, wenn der Auftraggeber — wozu er berechtigt ist — den Makler selbst auf Erfüllung belangt. Die Selbsteintrittslast ist daher suspensiv durch die genannten Vorgänge bedingt. Eine andere Konstruktion sieht den Makler als Vertreter der einen oder anderen Partei oder beider Parteien an, und kommt dann grund­ sätzlich zu einem andern Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Sieht man in dem Makler z. B. den Vertreter des Auftraggebers, so würde der Ver­ trag grundsätzlich schon mit dem Einverständnis der Gegenpartei ge­ schlossen sein (vgl. RG. 4 69). Bei Annahme einer Vertretung oder vollmachtlosen Vertretung der Gegenpartei ergibt sich der Zeitpunkt des Vertragsschlusses bei ordnungsmäßigem Verlauf schon mit Annahme der Schlußnote durch den Auftraggeber (so z. B. Düringer-Hachenburg, Anm. 3 zu § 95). — Die Sachlage kann im Einzelfall solche Zeitpunkte des Vertragsschlusses ergeben, aber das typische ist es nicht. Man beachte noch, daß die Selbsteintrittslast des Maklers ohne Ver­ schulden eintritt (RG. 103 68), und daß §95 HGB. die Ausstellung einer Schlußnote nur als Regel voraussetzt, so daß das Gesagte über­ haupt gilt, wenn der Vorbehalt einer Aufgabe angenommen worden ist. Auch steht richtiger Ansicht nichts entgegen, daß der Makler sich selbst als Gegenpartei bezeichnet. Andererseits steht ihm an sich ein Selbst­ eintrittsrecht nicht zu.

5. Der Handelsmakler ist zur Führung eines Tagebuchs verpflichtet. § 100ff. HGB. In das Tagebuch muß er die abgeschlossenen Geschäfte täglich der Reihenfolge nach eintragen. Das Eingetragene ist täglich von ihm zu unterzeichnen. Für Einrichtung und Aufbewahrung gelten die Vorschriften über Handelsbücher. Auf Verlangen muß er jeder Partei Auszüge aus dem Tagebuch erteilen. Die Tagebuchpflicht ist eine öffentliche Berufspflicht. Ihre Ver­ letzung zieht Strafe nach sich (§103HGB.; die Höchststrafe beträgt jetzt 10000 Reichsmark, VO. v. 6. Februar 1924 Art.I § 27II, Ziffer 1, dazu VO. v. 12. Dezember 1924). Das Tagebuch ist also kein Handels­ buch (es gelten nicht §§ 239ff. KO.). — Die Pflicht entfällt für Krämer­ makler (§104 HGB.). — Wegen des Tagebuches des Kursmaklers siehe Börsengesetz §33.

6. Der Handelsmakler muß bei einem Verkauf nach Probe die Probe so lange aufbewahren, bis ein Streit über die Beschaffen­ heit der Ware nicht mehr anzunehmen ist. § 96 HGB.

161

§ 27 V. Rechte des Handelsmaklers.

Über den Verkauf nach Probe siehe BGB. § 494. — Die Pflicht entfällt bei Erlaß durch die Parteien, oder wenn sie nicht ortsüblich ist.

V. Rechte des Handelsmaklers. 1. Anspruch auf Maklerlohn (Courtage). a) Er ist im Gegensatz zur Provision des Agenten nach alther­ gebrachtem Recht bereits verdient, wenn das Geschäft durch Ver­ mittlung des Maklers rechtswirksam zustande gekommen ist. 8 652 BGB. Das Geschäft braucht also nicht ausgeführt zu sein (vgl. oben §26III 2a a). Nötig ist ein rechtswirksamer Abschluß, der Vertrag darf daher weder nichtig noch anfechtbar sein. Nötig ist ein endgültiger Vertrag, daher ist bei suspensiv bedingten Ge­ schäften die Vergütung erst mit Eintritt der Bedingung fällig. Auch muß Kausalität zwischen der Maklertätigkeit und dem Abschluß des Vertrages bestehen. Schließlich muß das vermittelte Geschäft mit dem aufgetragenen identisch sein. Für die Annahme einer Identität genügt aber im allgemeinen, daß der wirtschaftlich erstrebte Erfolg erreicht ist. Z. B. ist die Provision nicht verdient, wenn ein Verkauf unter Zah­ lung mit „Kundenwechseln" vermittelt werden sollte, aber ein Verkauf unter Zahlung mit eigenen Wechseln des Käufers zustande kommt (NG. 115 260).

Wichtig ist vor allem, daß der Lohn verdient ist, wenn durch irgendwelche Mängel in der Erfüllung der Vertrag später zum Scheitern kommt (gesetzliches Nücktrittsrecht, Wandlung). Es entfällt aber der Vergütungsanspruch bei Lohnunwürdigkeit des Maklers (ausdehnende Auslegung des § 654 BGB.) d. h. wenn er die von ihn: geschuldete besondere Treupslicht verletzt. Häufig steht sich der Makler nach Abrede oder Handelsbrauch schlechter, indem der Lohn erst bei Erfüllung des vermittelten Geschäfts fällig wird (vgl. NG. 115 266).

b) Uber die Höhe des Lohnes entscheiden Abreden, Taxen, Handelssitte. c) Der Handelsmaklcr hat den Anspruch gegen jede Partei zur Hälfte §09HGB. Ter Handclsmallcr steht mit beiden Parteien in rechtlicher Be­ ziehung. Er gilt als der unparteiliche Vermittler (vgl. oben II2). Doch kann nach Abrede oder Ortsgebrauch nur eine Partei zur Zahlung ver­ pflichtet sein.

2. Auslagen sind dem Handelsmakler nur zu ersetzen, wenn es be­ sonders vereinbart ist (auch außerordentliche Auslagen). § 652IIBGB. VI. Beendigung. Außer allgemeiner Beendigungsgründen wie Tod des Maklers, Konkurs des Auftraggebers, Zeitablauf — v. Gierke, Handels- u. ^chisfahrtsrecht. 3. QlufL

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162

§ 27 VII. Handelsmatter — Ausland.

kommt insbesondere die sog. Kündigung in Betracht. Der Auf­ traggeber hat im Zweifel ein Widerrufsrecht (RG.1V1 209), dem Makler steht andererseits beim gewöhnlichen Maklervertrag gleichfalls ein Rücktrittsrecht zu. Das Widerrufsrecht des Auftrag­ gebers wird öfter eingeschränkt, insbesondere durch die Klausel „fest an die Hand gegeben", „fest bis...". Ihre Bedeutung ist stets für den Einzelfall zu ermitteln. Im Zweifel wird man beim Handels matter annehmen müssen, daß mit ihr der Auftraggeber auf Selbst­ abschluß, Heranziehung eines andern und Kündigung für angemessene, oder die angegebene Zeit verzichtet. Handelt der Auftraggeber dem zuwider, so hat der Matter einen Schadensersatzanspruch (RG. 76 361) Heymann 463ff. VII. Ausland. Entsprechend der geschichtlichen Entwicklung zeigen die geltenden Rechte des Auslandes erhebliche Schattierungen in bezug auf das Matterwesen. 1. Frankreich steht noch stark unter dem Zeichen des amtlichen Matterwesens. Der Code de commerce (art. 74ff.) regelte die amtlichen Handelsmatter (agents do chango als Fonds- u. Wechselmatter — courtiers als Waren-, Assekuranz-, Schiffs-, Transportmatter) mit Monopol, Tagebuchpslicht Verbot des Eigenhandels, die aber trotzdem als Kaufleute angesehen wurden. Es fand jedoch auf dem Gebiet der Warenmakelei (courtiers de marchandises) durch Ges. v. 18. Juli 1866 eine Freigabe statt, wobei man courtiers libres und courtiers inscrits (letztere sind besondere Vertrauenspersonen für Kursfeststellungen u. a.) schuf. An der Fonds­ börse sind dagegen die amtlichen Handelsmakler (seit 1898 70 Stellen) beibehalten, welche als „agents do chango de parquet“ gewisse Privi­ legien und Pflichten haben und als Kommissionäre handeln; ihnen steht eine große Zahl von „coulissicrs" (Matter und Eigenhändler) gegen­ über, mit denen sie vielfach im Kampfe liegen. — Dieses französische System, das sowohl amtliche wie freie Handelsmatter kennt, findet sich auch in Spanien, Portugal, Griechenland, Süd- und Mittelamerika. 2. In England ist seit der Brokers Relief Act von 1884 das Ge» werbe des brokers frei. Der broker erfüllt funktionell die Ausgaben der deutschen Matters. Selten vermittelt er, und meistens handelt er als Vertreter des Auftraggebers oder bei Einverständnis des GeschäftsHerrn als Kommissionär mit Haftung des Auftraggebers (Eurti 122), die Verfügung über die Waren hat er niemals, sonst ist er factor. An der Börse vermitteln zwischen den brokers die dealers, welche Eigen­ händler sind, aber durch Gegengeschäfte glatt von der Börse zu gehen suchen. Entsprechend wie in England ist es in Nordamerika. 3. In Deutsch-Österreich gilt das durchaus aus dem ADHGB. beruhende Gesetz vom 4. April 1875. Hiernach gibt es amtliche Handelsmatter, die keine Kaufleute sind, sie haben aber abgesehen von der Börse kein Monopol, so daß eine weitgehende freie Mattertätigkeit daneben in Betracht kommt. 4. Freies Matterwesen herrscht jetzt in Italien, Bulgarien, Ungarn, auch in der Schweiz, während in den nordischen Staaten ein gemischter Zustand vorhanden ist.

§ 28. Vereine und Gesellschaften des Handelsrechts.

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Zweiter Abschnitt.

Vereine und Gesellschaften des Handelsrechts. Einleitung. Zur Geschichte: O.v. Gierke, Genossenschastsrecht I 965ff., II 93Gff. — Goldschmidt, Universalgeschichte I 253ff. — Rehme in Ehrenbergs Hand­ buch I 28ff., 162ff., und in Z. s. Rs.-Geschichte (germ. Abt.) 47, 487ff. — F. A. Schmidt, Handelsgesellsch. in den deutschen Stadtrechtsquellen d. MA. (O. v. Gierkes Untersuchungen XV, 1883). — Silberschmidt, Die Commenda. (1884), ferner in ArchBürgR. 23, 1 ff., 25, 129ff. u. in Z.H.R. 68, 405ff.; 69, Iss. — Max Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellsch. im MA. (1889). — Pappenheim, Z.H.R. 36, 85ff.; 37, 255ff. — K. Lehmann, Z H R. 62, 2G9ff. — Schmidt-Rimpler, Gesch. des Kommissionsgeschäfts I 1915. Zur Dogmatik: O. v. Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), Laband, I H R. 30, 460; 31, Iss. — Wieland, Handelsrecht! 387ff. Wirtschaftsrechtliche Betrachtung: Franz Klein, Tie wirtschaftlichen und sozialen Grundlagendes Rechts der Erwerbsgesellschaften 1914. — Geiler, Organisationsformen des neuen Wirtschaftsrechts (1919), derselbe in Grucd. 68, 593sf. — R. Liesmann, die Unternehmungsformen (1928). — F. Leh­ mann, Rechtsformen und Wirtschaftssystem "der privaten Unternehmung (Abh. von Hoeniger Nr. 7 1925). — Tie reiche Literatur über Konzernrccht, siehe die Angaben bei Haußmann im Hdw. der Rsw. unter „Unternehmens­ zusammenfassungen". Ausländisches Recht. Frankreich: Paul Pie, Dos societes commcrciaks 3 Bd. (1925). England: Fritz E. Koch in Gruch. 68, 619; Eurti, Englands Privat- unb Handelsrecht II, 264sf. Gcscllschastsrechtl.-Abhandllingen, herausgegeben von A. Nllßbaum seit 1926.

I. Geschichtliches. Schon frühzeitig finden sich im Handel eigentümliche Vereinigungssormen. Geschichtlich kann man im großen und ganzen so unterscheiden. 1. Zunächst kommt im Mittelalter in Betracht die sogenannte Gelegenheitsgesellschaft: Zwei Personen vereinigen sich 51t eir.er gelegentlichen Spekulation. a) In den romanischen Ländern wird das Nechtsgebilde mit Commenda bezeichnt. Die Commenda findet sich in zwei Ausgestaltungen:

§ 28.

164

§ 281.

Geschichte der Handelsgesellschaften.

Die eine — wohl die ältere — ist folgende: Ein Kapitalist (commendator) gibt Waren oder Geld an einen Unternehmen (tractator). Der Unternehmer zieht in die Ferne und hat das Anvertraute gewinn­ bringend zu verwenden, die Waren zu kaufen oder mit dem Geld einzukaufen („portat laboratum“). Der Gewinn wird nach der Rückkehr verteilt.

Stärker tritt das gesellschaftliche Moment bei der anderen Aus­ gestaltung der Commenda hervor. Auch der Reisende steuert füt das Unternehmen Kapital bei. Aber nach außen tritt gleichfalls nur der tractator auf. Für diese zweite Art wird meistens der Aus­ druck „societas“ oder „collegantia“ gebraucht. Im Gegensatz zu ihr wird die erste Art auch mit „accommendatio“ bezeichnet. Die Commenda, insbesondere die erste Art, läßt sich übrigens bis in die entlegenste Vorzeit verfolgen, sobald sich ein Handel in der Ferne ausgebildet hat (offenbar schon in dem Gesetzbuch Hammurabis erwähnt). Nach der herrschenden Ansicht hat sie sich zuerst im Seehandel, später im Landhandel entwickelt, doch ist die umgekehrte Entwicklung wahr­ scheinlicher (Rehme in Ehrenbergs Handbuch I, 101). Die außerordentliche Verbreitung der Commenda wird am schlagend­ sten bewiesen durch das Notariatsregister des Johannes Scriba in Genua, das für die Jahre 1155—1164 im ganzen 1000 Einträge enthält, von denen sich über 400 aus eine Commenda beziehen. Abzulehnen ist die Ansicht, daß es sich bei der Commenda um einen Kommissionär mit Gewinnbeteiligung gehandelt habe.

b) In Deutschland begegnen uns ebenfalls beide Arten der Commenda. Bei der ersten heißt es in Niederdeutschland, daß der eine Kontrahent dem anderen gewisse Güter in „sendeve“ gegeben habe. Sendeve wörtlich „Sendevieh" (Vieh in dem alten Sinne von Gut oder Geld). Man kann sie als Sendeve-Gesellschast bezeichnen. — Die zweite Art wird „wcdderlegginge“ genannt (der eine legt „gegen" gewisse Giiter des anderen bestimmte Güter ein). Die erste Art ist bereits für das 12. Jahrhundert in Westfalen bezeugt (1120 Soester Recht, 1165 Privileg in Medebach, dann weite Verbreitung namentlich im lübeckschen Handel). — Die zweite Art findet sich ins­ besondere im 13. und 14. Jahrhundert. Beide Arten dürfen ebenfalls nicht als Kommissionsgeschäft aufgefaßt werden.

2. Etwas später als die geschilderte Gelegenheitsgesellschaft ist uns die dauernde Gesellschaft in bezug auf einen Handels­ gewerbebetrieb bezeugt. Sie hat eine doppelte Wurzel. Einmal ent­ springt sie der Hausgemeinschaft, sodann einer Abwandlung der zweiten Art der Commenda. Dagegen stirbt die erste Art der Commenda ab. Aus der Hausgemeinschaft hervorgegangen ist die Gesell­ schaftsform, in welcher wir die heutige „offene Handelsgesell-

§ 281. Geschichte der Handelsgesellschaften.

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schäft" erkennen. Mehrere Personen (Brüder) sind gesellschaftliche Mitprinzipale einer festen Handelsniederlassung unter einer ein­ heitlichen Bezeichnung. Sie bilden typisch eine Arbeits- und Kapitalgemeinschaft, die sich allmählich auch zu einer unbe­ dingten Verhaftung der einzelnen Gesellschafter mit ihrem Privat­ vermögen steigert. In Italien (offenbar unter germanischem Einfluß) die „compagnia“ (seit dem 13. Jahrhundert). In Deutschland fehlt zunächst ein eigner Name. Aber es ist sicher, daß eine Anzahl großer Handelsgesellschaften des 15. und 16. Jahrhunderts diese Form haben (insbesondere das Hand­ lungshaus der Fugger). Siehe unten.

Aus der zweiten Art der Commenda aber entwickelt sich in Italien unter dem Einfluß der offenen Handelsgesellschaft die Kommanditgesellschaft, bei welcher zwar eine Teilhaberschaft aller Gesellschafter an dem Handelsgeschäft besteht, aber einige Teil­ haber an der Arbeit nicht teilnehmen, vielmehr nur beschränkt kapita­ listisch beteiligt sind. Außerdem spaltet sich ab und verbreitet sich die stille kapitalistische Beteiligung an einem Handelsgewerbe (stille Gesellschaft).

Bemerkenswert ist, daß in. Deutschland die großen Gesellschaften bei Handlungshäusern, in denen wir „offene Handelsgesellschaften" erkennen, seit dem 16. Jahrhundert sich vielfach in „Kommandit­ gesellschaften" umwandeln. Diese offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften spielten, was oft übersehen wird, seit dem Ausgang des 15. Jahrhunderts und im 16. Jahrhundert in Deutschland eine hervorragende Rolle. Siehe unten S. 173. Eine Änderung setzt mit dem Niedergang des deutschen Handels ein. Es beginnt dann die stille Beteiligung in verstärktem Maße hervorzutreten. 3. Eine ganz neue Gesellschaftsform beginnt seit dem 17. Jahrhundert ihren Lebenslauf, breitet sich aus im 18. Jahrhundert und erreicht ihre ausgedehnte Herrschaftsmacht im 19. Jahrhundert: Die Kapitalgenossenschaft. Sie ist eine Vereinigung, bei der ein ziffernmäßiges Geldkapital (Grundkapital) zugrunde gelegt ist, das aus Beiträgen vieler besteht, aber der Gedanke einer mitgliedschaftlichen Arbeitsgemeinschaft ausgeschaltet ist. Große Mittel zur Durchführung gewaltiger Unternehmungen sollen aufgebracht werden, aber die Durchführung liegt nicht in den Händen der be­ schränkt kapitalistisch Beteiligten, sondern in den Händen geschickter Verwalter des fremden Kapitals. Die Stunde der Aktiengesell­ schaft ist gekommen. Ursprünglich nur auf Privilegien beruhend, wird sie zuerst vom Code de commerce gesetzlich als eine besondere

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§ 28 I 4. Geschichte der Handelsgesellschaften.

handelsrechtliche Gesellschaftsform anerkannt; dann von den späteren Handelsgesetzbüchern in eingehender Weise geregelt. — Neue Typen von Kapitalgenossenschaften treten später der A.G. zur Seite, ins­ besondere die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Auch wird die Organisation der Aktiengesellschaft für andere Genossen­ schaften, die nicht dem eigentlichen Handel angehören, verwertet. 4. Das 20. Jahrhundert, insbesondere der Weltkrieg und die Folgezeit, haben in Deutschland ganz neue Formen handels­ rechtlicher Vereinigungen nicht gebracht. Allein es sind wichtige Änderungen und Abwandlungen auch auf diesem Gebiet eingetreten. a) In starker Weise machte sich ein öffentlichrechtlicher Einschlag geltend. Er führte zunächst zu den sog. gemischt-wirt­ schaftlichen Unternehmungen, d.h. privaten Gesellschaften, bei welchen ein öffentlicher Verband (Gemeinde, Staat) organisch beteiligt ist (am zahlreichsten bei Aktiengesellschaften und Gesell­ schaften mit beschränkter Haftung; Eisenbahnen, Elektrizitäts-, Gas-, Wasserversorgung). In Anlehnung hieran wirkte er sich weiter aus in den „Kriegsgesellschaften", die in der Form der Aktiengesell­ schaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung immer mehr unter staatlichen Einfluß kamen, durch Gesetz vom 15. Juli 1921 schließlich aufgelöst worden sind (vgl. unten § 37 III, § 47II). E. Heymann, Rechtsformen der militärischen Kriegswirtschaft 1921 (Heft 34 der Heymannschen Abhandlungen). Es folgen die durch die Soziali­ sierungsgesetze geschaffenen Zwangssyndikate (Kohlensyndikat, Kalisyndikat), welche den Charakter von öffentlichen Zwangsge­ nossenschaften unter Benutzung handelsrechtlicher Gesellschaftsformen haben (Ges. v. 23. III. 1919 — Ges. v. 24. V. 1919). b) Im freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte entstehen die verschiedenartigsten Zusammenschlüsse, Verschmelzungen, Verflechtungen handelsrechtlicher Gesellschaften (Kartelle, Trusts, Interessengemeinschaften, Konzerne unten §49). Dem Mißbrauch wirtschaftlicher Freiheit sucht der Staat entgegenzutreten durch die Kartellverordnung vom 2. November 1923, die freilich in vieler Hinsicht nicht geglückt ist (siehe unten §49 beim Kartellrecht). Eigenartig ist die Vermischung von Grundtypen: Insbesondere werden Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung Teil­ nehmer von offenen Handelsgesellschaften und Kommandit­ gesellschaften. G. Zielinski, Grundtypenvermischungen und Handels­ gesellschaftsrecht 1925 (Heft 40 der Heymannschen Abhandlungen). c) Besondere Probleme brachte auch hier die Geldentwertung, die zu einem staatlichen Eingriff durch die Goldbilanzverordnung

§ 28 II.

Vereine und Gesellschaften.

167

führte. (Vgl. oben S. 13 u. 16.) Haemmerle, Der Einfluß der Geldwert­ störungen auf innergesellschaftliche Rechtsverhältnisse ZHR. 93 273 ff. d) In eigentümlicher Weise suchte die Gesetzgebung auch Forde­ rungen der Arbeitnehmer auf Mitwirkung durch ihre Beteiligung am Aufsichtsrat zu verwirklichen. e) Schließlich ist noch zu beachten, daß für das Vorkommen der einzelnen Gesellschaftsformen vielfach von erheblichen Bedeutung wurden die verschiedenen Steuergefetze, indem man natur­ gemäß die steuerlich günstigste Gesellschaftsform bevorzugte. I) In Deutsch-Österreich ist eine Neue Gesellschaftsform in Gestalt der „gemeinwirtschaftlichen Anstalt" durch das Ges. v. 29. Juli 1919 über gemeinwirtschaftliche Unternehmungen geschaffen worden. (Vgl. Pisko, Handelsrecht § 126). Siehe ferner Liechteusteinsches Gesetzbuch, Art. 571 ff. g) Daß sich in neuester Zeit starke Reformbestrebungen in bezug auf das Recht der Kapitalgenossenschaften (Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung) geltend machen, ist bereits erwähnt (vgl. oben S. 14). Über die Entwicklung in anderen Ländern wird bei den einzelnen Gesellschaftsformen das wichtigste mitgeteilt werden.

II. Das geltende deutsche Recht. Besondere handelsrechtliche Typen von Personenvereinigungen, die sich von den gewöhnlichen bürgerrechtlichen unterscheiden, sind heute nach deutschem Gesetzesrecht folgende: 1. Die im II. Buch des HGB. geregelten „Gesell­ schaften". Der Ausdruck ist irreführend. Sie sind nämlich teils richtige Gesellschaften, teils juristische Personen. a) Gesellschaften sind: Die offene Handelsgesellschaft (o.H.G.), die Kommanditgesellschaft (K.G.) und die stille Gesellschaft (ft®.). Daß die o.H.G. und K.G. „Gesellschaften" und nicht „juristische Personen" sind, ist herrschende Lehre, aber nicht unbestritten. Vgl. unten § 29III.

b) Juristische Personen (Vereine) sind: Die Aktiengesell­ schaft (A.G.) und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (K.G.a.A.). 2. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (G.m.b.H.). Gesetz vom 20 April 1892, neue Fassung vom 20. Mai 1898. (GmbHG.) Sie ist juristische Person. 3. Die Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaften (sog. eingetragene Genossenschaften, e.G.), Gesetz vom l.Mai 1889, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (GenG.); und die größeren Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (V.a.G.), Gesetz betr. die Versicherungsunternehmungen vom 12. Mai 1901 (BUG.). Beide sind juristische Personen.

168

§ 28III. Personalgescllschastcn. Dagegen fällt heute jede Erwerbsgesellschast für vorübergehende Zwecke (Gelegenheitsgesellschaft) ausschließlich unter die bürgerlich­ rechtliche Gesellschaft. (8 705ff. BGB.) — Anders noch das ADHGB., das eine „Bereinigung zu einzelnen Handelsgesellschaften für gemeinschaft­ liche Rechnung" als „Gelegenheitsgesellschaft" bezeichnete und in seinem III. Buch (Art. 266ff.) regelte. Die Normen dieser handelsrechtlichen Gelegenheitsgesellschaft dienten übrigens der Gesellschaft des BGB. als Vorbild; das revidierte HGB. konnte daher die Regelung dieser Form streichen. Hierdurch erklärt es sich, daß das neue HGB. das besondere Handelsgesellschastsrecht in einem Buch (Buch II) erledigt im Gegensatz, zu Buch II und III des ADHGB. Man muß scharf beachten: Gesellschaften, nicht rechtsfähige Vereine, rechtsfähige Vereine des bürgerlichen Rechts sind keineswegs vom Handelsrecht ausgeschaltet oder für den Handel bedeutungslos. Im Gegenteil spielt insbesondere die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts im Handel eine hervorragende Rolle (z. B. bei Kartellen und Interessen­ gemeinschaften, siche hierüber unten VI 4). — Aber stets sind diese Ver­ einigungen „bürgerlichrechtliche Typen" keine besonderen handels­ rechtlichen Gesellschaftsformen (Knoke, R. der Gesellschaft nach BGB1901; O. v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit 1902). Siehe in bezug auf die Frage, ob eine „Gesellschaft" oder „juristische Person" vorliegt, noch unten III und IV.

III. Wirtschaftliche Einteilung der besonders geregel­ ten handelsrechtlichen Vereinigungen. Die wichtigste Unterscheidung ist folgende:

1. Personalgesellschaften. Hanpttypus ist die offene Handelsgesellschaft. Sie ist auf den Persönlichkeiten der Teilnehmer ausgcbaut. Sie verstrickt die Personen und ihr ganzes Vermögen. Sie ist auf persönliche Arbeit und Kapitalgemeinschaft mit voller Vermögenshaftung abgcstellt. Die Mitgliedschaft ist daher grundsätzlich an die Individualität der Teilnehmer geknüpft, die Zahl der Gesellschafter ist gering, das Risiko für den Einzelnen ist sehr groß, er haftet den Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt mit seinem Ver­ mögen. Ans diesen Gründen entsteht auch kein neues Rechtssnbjekt, die o.H.G. bleibt echte Gesellschaft. An die o.H.G. reiht sich die Kommanditgesellschaft. Bei ihr haben einige Teilnehmer die gleiche Stellung wie bei der o.H.G., aber bei einigen Teilnehmern ist typisch die Arbeitsleistung aus­ geschaltet und nur eine (nach außen wirkende) beschränkte Kapital­ beteiligung maßgebend, so daß bei diesen das Risiko ein begrenztes ist. Wirtschaftlich verwandt mit der K.G. ist die stille Gesellschaft, bei welcher für den Stillen nur eine intern wirkende beschränkte Kapitalbeteiligung besteht.

§ 28 III. Kapitalgenossenschaften.

169

2. Kapitalgenossenschaften. Die Person der Mitglieder tritt völlig zurück. Eine (intern) begrenzte Kapitalbeteiligung gibt den Ausschlag. Aus den Beiträgen vieler wird ein Fonds gebildet. Der Einzelne leistet keine Arbeit, er beteiligt sich nicht an der Geschäftsführung. Sie liegt in den Händen einiger Mitglieder oder Fremder. Die Mitglieder sind lose miteinander verbunden, ein Wechsel der Mitgliedschaft ist frei gestattet. Der Mangel an persönlicher Mitwirkung nötigt zu einer Beschränkung des Risikos, sonst würde niemand Mitglied werden: Der Einzelne kann höchstens sein Beteiligungskapital verlieren. So führt die Kapitalgenossenschaft zu einem neuen Rechts­ subjekt, sie wird zum Verein, den Gläubigern haftet nur das Vereins­ vermögen. Haupttypus, bei dem alles dies schroff vertreten ist, ist die Aktiengesellschaft.

Abwandlungen der A.G. sind: a) Die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Hier gibt es einige Mitglieder, die mit ihrer ganzen Persönlichkeit teilnehmen, personenrechtlich und vermögensrechtlich. Sie sind die berufenen Arbeitleistenden und haften unbeschränkt (diese Gesellschaftsform ist sehr selten). b) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Hier gibt es möglicherweise eine „Nachschußpflicht"; eine gewisse per­ sönliche Verbindung der Mitglieder ist wirksam, die bis zu der An­ näherung an die o.H.G. durch das Gesellschaftsstatut gesteigert werden kann. Sie ist sehr verbreitet. 3. Soziale Wirtschaftsgenossenschaften. Zwei eigentümliche Vereinigungsformen sind zwar in ihrer Organi­ sation an die A.G. angelehnt, aber ihrem Wesen nach durchaus von ihr verschieden. Sie beruhen auf dem Gedanken der sozialen wirtschaft­ lichen Selbsthilfe, sie verfolgen grundsätzlich keine spekulativen Zwecke. a) Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Sie weisen im übrigen zahlreiche Besonderheiten auf, insbesondere spielt bei ihnen die Persönlichkeit eine entscheidende Rolle (Personal­ genossenschaft). b) Größere Versicherungsvereine auf Gegenseitig­ keit. Sie haben Besonderheiten, die mit dem Versicherungsrecht zusammenhängen.

Gegen meine Einteilung in Personalgesellschaften und Kapital­ genossenschaften Rehme, Z. f. Rsg. (germanistische Abt.) 47, 505ff. Es ist richtig, daß die Kommanditgesellschaft und die stille Gesellschaft

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§ 28 IV. Handelsgesellschaften — Stille Gesellschaft. Mischformen sind, man kann sie daher auch als selbständige Gruppen anreihen. Es ist ferner zutreffend, wenn Rehme es ablehnt, die Haftung als allein ausschlaggebenden Faktor für eine Einteilung zu verwerten, und als entscheidend das Arbeits- und Kapitalmoment betrachtet. Aber ich berücksichtige gerade ebenfalls beides, was Rehme übersieht. Die reine Personalgesellschaft ist, wie oben gezeigt, auf Verstrickung der Personen und ihrer ganzen Vermögen aufgebaut; sie ergreift die gesamte Per­ sönlichkeit in personenrechtlicher und vermögensrechtlicher Hinsicht.

IV. Handelsrechtliche Einteilung. 1. Das Gesetz bezeichnet einige als „Handelsgesellschaften". Es bestimmt, daß auf sie die Vorschriften über Kaufleute Anwendung finden. § 6 HGB. Bei dem Ausdruck Handelsgesellschaften ist zu­ nächst daran gedacht, daß es sich um Vereinigungen mit einheitlicher Firma handelt, die ein Handelsgewerbe betreiben. Doch ist das nicht durchgeführt. Man muß unterscheiden: a) Handelsgesellschaften, die echte Gesellschaften sind: Die o.H.G. und die K.G. Bei ihnen ist, genau wie beim Einzelkaufmann, der Betrieb eines (vollkaufmännischen) Handelsgewerbes unter einer einheitlichen Firma vorausgesetzt. Es kann sich also um das Gewerbe eines Mußkaufmanns oder Soll- oder Kannkaufmanns handeln. Vgl. §§ 105, 161II HGB. d) Handelsgesellschaften, die „Vereine" sind: A.G. (§21011 HGB.), K.G.a.A. (§ 320 III HGB.) und die G.m.b.H. (§13111 GmbHG.) Bei ihnen wird auf den Gegenstand des Unternehmens über­ haupt nicht gesehen, ein Gewerbebetrieb ist gar nicht erforderlich. Sie sind schlechtweg wegen ihrer Organisationsform Handels­ gesellschaften, und als solche Kaufleute, und zwar immer Voll­ kaufleute. Man nennt sie daher auch Formkaufleute. Beispiel: Eine A.G., die eine Volksküche aus Wohltätigkeitsgründen betreibt, ist Vollkausmann.

2. Die e.G. ist zwar keine „Handelsgesellschaft", gilt aber als Formkaufmann im Sinne des HGB. (GenG. § 17 II). Der größere Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit wird ähnlich behandelt (BUG. § 16). 3. Eine besondere Stellung nimmt die stille Gesellschaft ein. Sie ist keine Handelsgesellschaft, sie selbst gilt auch nicht als Kaufmann. Vgl. § 335 HGB. Siehe nun die Überschrift des II. Buches des HGB.: „Handels­ gesellschaften und stille Gesellschaft." Wieland, Handelsrecht! 387ff. versucht eine einheitliche Formel für alle Handelsgesellschaften zu finden, er will das einheitliche „Wesen" aller Handelsgesellschaften ergründen. Er glaubt, daß sie gekennzeichnet

§28 V. Wirtschastsrechtliche Gruppierung.

171

werden könnten als Gesellschaften zum Zwecke gemeinsamen Handelsbetriebes; dabei würden aber die jeweiligen Gesellschafter in ihrer Verbindung in einzelnen, näher zu bestimmenden Beziehungen kraft einer Fiktion wie eine selbständige Person behandelt. M. E. sind die Wielandschen Darlegungen durchaus abzulehnen, und zwar ins­ besondere aus folgenden Gründen: 1. Man kann in das Wesen aller Handelsgesellschaften nicht da­ durch eindringen, daß man sich auf Vereinigungen zu einem gemeinsamen Handelsgewerbe beschränkt. Denn die. AG. und GmbH., welche zweifel­ los echte Handelsgesellschaften sind, setzen ein Handelsgewerbe überhaupt nicht voraus, ihr „Wesen" kann daher auch nicht auf einem gemeinsamen Handelsgewerbe beruhen. Der Einwand Wielands, daß nicht ge»verbliche Kapitalgesellschaften keine Rolle spielen, ist schon an sich nicht stichhaltig, in Wirklichkeit kommt ihnen aber, insbesondere der nicht gewerblichen GmbH., eine nicht unwichtige Beoeutung im Leben zu. 2. Die Einzwängung der Aktiengesellschaften und GmbH, in die „Gesellschaft" ist unhaltbar. Sie steht in schneidendem Wider­ spruch zu unserer geltenden Privatrechtsordnung. Eine grundsätzliche Anwendung der Regeln über die Gesellschaft auf die Kapitalgesellschaften inufc nicht allein zur größten Unsicherheit, sondern auch aus verhängnis­ volle Abwege führen. 3. Wie sehr Wieland selbst Schiffbruch leidet, zeigen seine Aus­ führungen über die Handelsgesellschaften als „Gesellschaften". Wir er­ fahren hier, daß die Handelsgesellschaften „begrifflich" ein Gesellschafts­ verhältnis nicht unbedingt nötig haben. Es ist aber unverständlich, wie sie dann ihrem Wesen nach Gesellschaften sein können. Denn das Wesen einer Gesellschaft besteht doch in dem Vorhandensein eines Gesellschafts­ verhältnisses, eine Gesellschaft ohne ein Gesellschaftsvcrhältnis ist ein Unding. Über die juristische Persönlichkeit der Handelsgesellschaften siehe auch O. Schreiber, Das Recht der Kommanditgesellschaft auf Aktien (1925) S. 12 ff. V. Wirtschaftsrechtliche Gruppierung gesellschaftlicher Ge­ bilde. Tie vorstehenden Gruppierungen beziehen sich auf die besonderen handelsrechtlichen Gesellschaftsformen, wie sie der deutsche Gesetz­ geber typisch geregelt hat. In jüngster Zeit ist man in verschiedener Weise dazu übergegangen, die gesamten gesellschaftlichen Gebilde, die sich im Handelsverkehr und Wirtschaftsleben vorfinden, unter bestimmten wirtschaftlichen Gesichtspunkten systematisch zu gliedern. Es werden dabei nicht allein die gesetzlich geregelten Gesellschaftstypen, sondern auch die verschiedenen wirtschaftlichen gesellschaftlichen Zusammenschlüsse, namentlich zu höheren Wirtschaftsverbänden mit herangezogcn. Am eindringlichsten hat sich mit diesen Fragen Geiler beschäftigt. So unterscheidet er z. B. Unternehmungsgemeinschaften (hier wird ein Unternehmen oder es werden mehrere Unternehmungen zu einer Einheit vergemeinschaftet, insbesondere die Personal- und Kapitalgesellschaften des Handelsrechts), Förderungsgemeinschaften (hier ist der Unternehmens­ zweck lediglich auf Förderung der selbständig bleibenden Unternehmungen gerichtet; Kartelle, Genossenschaften) und Verflechtungsgemeinschaften (hier findet nur eine Verflechtung, keine volle Vergemeinschaftung statt; Beteiligungen, Konsortien). Vgl. Geiler in Gruch. 68, 599ff. Daselbst auch andere Einteilungen. Vom Standpunkt des Lernenden

172

§ 29.

Die offene Handelsgesellschaft.

aus ist m. E. zu beachten, daß diese Einteilungen erst richtig gewürdigt und verstanden werden können, wenn die gesetzlich geregelten Typen des Handelsrechts genau begriffen sind. Sie sind daher pädagogisch nicht zugrunde zu legen.

VI. Plan der Darstellung. 1. Wir gehen von den Personalgesellschaften aus und be­ trachten zunächst die offene Handelsgesellschaft (Erstes Kapitel). Hieran reichen wir die Kommanditgesellschaft und stille Ge­ sellschaft (Zweites Kapitel). 2. Es werden dann die Kapitalgenossenschaften behandelt. Im Vordergrund steht dabei die Aktiengesellschaft (Drittes Kapitel). Wegen ihrer Seltenheit wird dann kurz berührt werden die Kommanditgesellschaft auf Aktien (Anhang zum dritten Kapitel). Es folgt nunmehr eine Darstellung der Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung (Viertes Kapitel). 3. Von den sozialen Wirtschaftsgenossenschaften, welche die Organisation der A.G. übernommen haben, schließen wir an die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Fünftes Kapitel). Dagegen werden die größeren Bersicherungsvereine a.G. zweckmäßiger im Versicherungsrecht dargestellt. 4. Anhangsweise zum ganzen Abschnitt soll das Vorkommen der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts im Handelsverkehr erörtert werden. Außerdem sollen die besonderen Zusammen­ schlüsse von Unternehmungen, insbesondere die Kartelle und Konzerne zur Sprache kommen (Anhang zu Abschnitt II. § 49).

Erstes Kapitel.

Die offene Handelsgesellschaft. Hergenhahn und Tuchatsch, Die offene Handelsgesellschaft (1894). — Geiler in dem Kommentar von Düringer-Hachenburg zum HGB. Bd. IV „Allgemeine Einleitung" und die oben zu § 28 angegebene Literatur.

§29.

Begriff, Geschichte, rechtliche Natur. O. v. Gierke, Genossenschaftstheorie (1887); Schönfeld in Jherings I. 75, 333 ff. Zur Geschichte außer den Angaben zu § 28 siehe noch M. Hacmann in ZHR. 68, 429ff.; 69, 47ff. — O. Peterka ebenda 73, 387. — I. Apelbaum, Basler Handelsges. im 15. Jahrh. (1915).

I. Begriff. Die o.H.G. ist eine Gesellschaft, bei welcher 1. die Gesellschafter ein vollkaufmännisches gewerbe unter gemeinsamer Firma betreiben, und

Handels­

§ 29 II.

ist.

Geschichte der o.H.G.

173

2. die Haftung keines Gesellschafters eine beschränkte § 105 I, §411 HGB. Minderkaufleute sind also von ihr ausgeschlossen. Ihnen steht nur die harmlosere Gesellschaft des bürgerlichen Rechts offen (vgl. unten Anhang zu Abschnitt II). Man nennt das zu 1. angeführte Erfordernis das positive Unter­ scheidungsmerkmal der o.H.G. gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft. Bei der Voraussetzung unter 2. spricht man von dem negativen Unter­ scheidungsmerkmal.

II. Geschichte. Die o.H.G. hat ihren Ursprung in der familienrechtlichen Hausgemeinschaft. Söhne setzten nach dem Tode des Vaters das ererbte Handelsgeschäft ungeteilt zur gesamten Hand fort. Eine ähnliche Gemeinschaft wurde unter anderen Familiengliedern be­ gründet. Später wird sie auch unter Nichtverwandten vertragsmäßig abgeschlossen. Sie findet sich sowohl in den romanischen Ländern wie in Deutschland. Sie erscheint als eine Arbeits- und Kapitalgemeinschaft zur gesamten Hand, bei der sich Vertretung und Haftung des einzelnen zunächst nach den Umständen richten. Seit dem Ausgang des Mittel­ alters wurde dann aber — offenbar immer noch unter dem Einfluß brüderlicher und samilienrechtlicher Verbundenheit — eine eigenartige Vertretung ausgebildet und die unbeschränkte Vermögenshaftung jedes einzelnen Gesellschafters unbedingt durchgeführt. („Einer für alle, alle für einen".) Auch wird eine eigene Firma angenommen.

In Italien begegnet die o.H.G. bereits im 13. Jahrhundert, besonders in Florenz im 14. Jahrhundert; sie wird als „compagnia“, „societas ad unum panem et vinum“ — Brotgemeinschaft oder mit „societas fratrum“ bezeichnet. In Deutschland haben wir vollen Einblick in sie durch Quellen des 15. und 16. Jahrhunderts. Sie ergeben kleinere und größere offene Handelsgesellschaften, die teils Familiengesellschaften sind, teils unter Nichtverwandten bestehen. Die unbeschränkte Vertretung und Haftung ist dabei schon scharf ausgeprägt. Mit dem Anwachsen der Gesellschaften durch Erbfolge verdichtet sich dann z. T. die Geschäftsführungs- und Bertretungsmacht bei einem Hauptgesellschafter („Regierer"), während die übrigen Gesellschafter bleiben, oder es wandelt sich unter Beteiligung von Geldeinlegern die o.H.G. in eine Kommanditgesellschaft um. Beispiele von o.H.G. sind die Gesellschaften der Fugger und die der Welser in Augsburg, ferner die Ravensberger Gesellschaft in ihrer ältesten Gestalt. Der älteste uns erhaltene Gesellschaftsvertrag der Augsburger Fugger von 1494 (abgedruckt bei M. Jansen, Jakob Fugger der Reiche

174

§ 29 III. Rechtliche Natur der o.H.G.

1910, S. 263 ff.) ist von Ulrich, Georg und Jakob Fugger auf 6 Jahre abgeschlossen, die Firma lautet „Ulrich Fugger und gebrudere", jeder der Brüder hat unbeschränkte Geschäftssührung und Vertretung und haftet unbeschränkt. Außerdem ist die Geschäftsführungs- und Vertretungs­ macht eine höchstpersönliche derart, daß bei dem Tode eines Bruders zwar dessen Erben als Gesellschafter eintreten, aber die überlebenden Brüder die alleinigen „Regierer" sein sollen. So wächst nach dem Tode von Ulrich und Georg schließlich die alleinige Regierung Jakob dem Reichen an, während die übrigen Gesellschafter von Geschäftsführung und Ver­ tretung ausgeschlossen sind. — Beispiele von oHG. unter Nichtverwandten bei Rehme, Z. f. Rsgesch. (germ. Abt.) 47, 525ff. — Merkwürdig ist die Ravensberger Gesellschaft (Anfang des 15. Jahrh.), die sich auf drei Familien als oHG. aufbaut (Rehme a. a. O. 538ff.), später eine Komman­ ditgesellschaft wird (hierzu siehe unten § 35 III). Die o.H.G. ist dann in deutschen Stadtrechtsreformationen geregelt worden (zuerst in der Nürnberger von 1479), später in der

Ordonance sur le commerce als „societe generale“, im Code de com-

merce als „societe en nom collectif“. — Das ADHGB. hat sie unter der Bezeichnung „offene Handelsgesellschaft" ausführlich normiert. Der Ausdruck „offene Handelsgesellschaft" findet sich zuerst in dem preußischen Entwurf eines ADHGB. von 1856; der Ausdruck „socius palam“ begegnet bereits im Mittelalter in Italien, wird aber hier, soweit ersichtlich, nur bei der Kommanditgesellschaft verwendet. — Das Schweizer Obligationenrecht hat — dem französischen Recht folgend — die Be­ nennung „Kollektivgesellschast". Im englischen Recht erfüllt die Auf­ gaben der oHG. die „partnership“ („firm“), die aber nicht auf Handels­ betriebe beschränkt ist. Sie ist durch ein Ges. v. 1820 geregelt. (Siehe Koch in Gruch.68, 520f. und Curtill 280ff.). III. Rechtliche Natur.

In

früherer Zeit

war sie sehr bestritten. Auch heute besteht

noch keine völlige Einigkeit.

Die herrschende Lehre und Praxis des

deutschen Rechts nimmt aber zutreffend eine Gesellschaft an (vgl.

z. B. RG. 69 229, 107 171, 114 93, 134, 117 262). Dagegen Kohler, der sie für eine juristische Person erklärt (ArchBürgR. 40, 229, u. ZHR. 74, 456; gegen ihn K. Lehmann, ZHR. 74, 462). Manche betrachten sie als eine relative juristische Person (Gareis: Nach außen juristische Person, nach innen Gesellschaft). Über die Auf­ fassung Wielands siehe oben § 28IV am Ende. Vgl. noch Schönfeld in Jherings I. 75, 53ff.; auch M irre, ZBH. 1928, S. 251. Entscheidend für eine Gesellschaft spricht § 105IIHGB. Die Vor­ schriften über die bürgerliche Gesellschaft finden subsidiäre Anwendung. Sie ist allerdings eine Gesellschaft, bei der das deutfchrechtliche

Prinzip der gesamten Hand stärker durchgeführt ist, als bei der bürgerlichen Gesellschaft.

Das Prinzip der gesamten Hand schafft über die bloß schuld­ rechtlichen Beziehungen hinaus eine (personenrechtliche) Zusammen­ gehörigkeit der Gesellschafter in bezug auf das Handelsgewerbe

§ 29III. Rechtliche Natur der o.H.G.

175

(vgl. O. v. Gierke, Genossenschaftstheorie 435ff., Deutsches Privat­ recht I 663ff.). Zusammen, in ihrer Verbundenheit, sind sie Subjekte der Rechte und Pflichten. Der Zusammenschluß ist hier sehr eng. Formales, sichtbares Ausdrucksmittel dieser Gesamteinheit ist die Firma. So erscheint die o.H.G. zwar als eine „PersonenEinheit," aber nicht als eine neue, besondere „Person".

Der Streit hat keineswegs, wie man vielleicht glauben könnte, theoretische, sondern erhebliche praktische Bedeutung. Beispiel: Zwei Kommunalverbände vereinigen sich zum gemeinschaftlichen Betriebe einer Kleinbahn; wird nichts Abweichendes bestimmt, so liegt eine o.H.G. vor (§1 Ziffer 5, H105HGB.). Da kein neues Rechtssubjekt entsteht, brauchen sich die „verbundenen Kommunalverbände" nicht eintragen zu lassen (§36HGB.). Wäre die o.H.G. juristische Person, so müßte, da sie kein Kommunalverband ist, die Eintragung notwendig erfolgen. Allerdings darf der Gegensatz zwischen juristischer Person und Gesellschaft zur gesamten Hand nicht überspannt werden. Ins­ besondere darf man sich nicht scheuen, Rechtssätze der juristischen Personen auch auf offene Handelsgesellschaften anzuwenden, wenn cs zweckentsprechend erscheint. Dies gilt namentlich für die Frage der Staatsangehörigkeit. Unbestritten ist, daß diese für juristische Personen nach ihrem Sitz bestimmt wird. Für offene Handels­ gesellschaften würde die Entscheidung nach Maßgabe der Staats­ angehörigkeit der Teilhaber zu unlösbaren Schwierigkeiten führen, wenn diese verschiedenen Staaten angehören. Daher ist es zweck­ mäßig auch bei der offenen Handelsgesellschaft den Sitz als ent­ scheidend anzusehen. Tie Polemik zwischen Kohler und K. Lehmann (Z.H.N. 74, 45G, 462) ist daher insofern unfruchtbar. Zu beachten ist allerdings, daß durch Auslegung sich ergeben kann, daß ein Gesetz, wenn es von Ausländern spricht, darunter Personalgescllschasten unabhängig von ihrem Sitz be­ greift, bei denen irgendein Teilhaber Ausländer ist (vgl. Hans. Ger. Z. Beibl. 1921, Nr. 51). Eine Ausnahme ergibt sich auch aus dem Flaggen­ gesetz §2. — Uber den Begriff des „Sitzes" siehe unten §301 1. Über Schwierigkeiten, die sich im Prozeß ergeben vgl. namentlich

Jäger, Die o.H.G. im Zivilprozeß (Festgabe der Leipziger Jnr. Fakultät für Sohm) 1915.

Unzweifelhaft unterliegt die o.H.G. nicht der Körperschasts-stener. Tie französische Praxis betrachtet die socieU en nom collcctif als juristische Person. Dagegen hat die englische partnership keine eigene Rechtspersönlichkeit. IV. Die Rechtssätze für die o.H.G. im allgemeinen.

Das HGB. stellt für die o.H.G. eine Reihe besonderer Rechtssätze aus. Subsidiär gilt das Gesellschaftsrecht des BGB. (§ 705ff.).

176

§ 30 I. Errichtung der o.H.G.

Die besonderen Normen des HGB. wollen dem eigenartigen Charakter der o.H.G. gerecht werden, der sie von der gewöhnlichen bürgerlichen Gesellschaft abhebt. Diese Eigenart beruht auf folgendem: Die o.H.G. ist eine auf die Dauer angelegte Erwerbsgesellschaft, die sich im Handel betätigt, und bei welcher die Gesellschafter kraft des Einsatzes ihrer ganzen Persönlichkeit nicht nur durch ein besonders enges personenund vermögensrechtliches Band unter einer einheitlichen Firma verknüpft werden, sondern auch mit ihrem Privatvermögen un­ beschränkt haften. Zum Verständnis der o.H.G. sind stets die Regeln der Gesellschaft des BGB. vergleichsweise heranzuziehen (eine häufige Unterlassungs­ sünde !). Wird die hervorgehobene Eigenart der o.H.G. beachtet, so lassen sich ihre Sonderregeln leicht verstehen.

§ 30.

Errichtung und Firma. I. Errichtung. 1. Nötig ist ein Gesellschaftsvertrag. Mit ihm ist die Ge­ sellschaft wirksam unter den Parteien: Es gilt für sie das Recht der o.H'.G. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 105 HGB. und aus Zweck­ mäßigkeitsgründen, die bereits die stärkere Bindung der Gesellschafter verlangen, als sie nach dem Gesellschaftsrecht des BGB. gegeben wäre (unrichtig Staub-Pinner Anm. 11 zu § 105, zutreffend Düringer-Hachenburg Anm. 11 zu § 105 und RG. 112 281). Nach der Praxis des RG. finden auf eine Gesellschaft, solange sie nach außen noch nicht hervorgetreten ist, die Vorschriften über gegen­ seitige Verträge Anwendung; es kann sich aber, da die Gesellschaft kein gegenseitiger Vertrag ist, nur um eine entsprechende Anwendung handeln. Alsdann sind die Normen der gegenseitigen Verträge auch aus die noch nicht hervorgetretenen o.H.G. zur Anwendung zu bringen (vgl.RG.112 283).

Ein Gesellschaftsvertrag ist auch erforderlich, wenn bereits eine andere Gemeinschaft (z. B. Erbengemeinschaft) besteht. 2. Es soll erfolgen die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister. § 106 HGB. Sämtliche Gesellschafter sollen an­ melden. Den Inhalt der Anmeldung ergibt § 106 HGB. Anzumelden ist insbesondere auch der Sitz der Gesellschaft. Als solcher hat richtiger Ansicht nach grundsätzlich derjenige zu gelten, der in dem Gesellschastsvertrage angegeben ist. Aber ein rein fiktiver Sitz kommt nur dem gutgläubigen Verkehr gegenüber in Betracht kraft des Vertrauens auf die öffentliche Erklärung. Die Frage nach dem Sitz der o.H.G. ist sehr bestritten. Nach der herrschenden Ansicht soll der Ort maßgebend sein, von dem aus die

177

§ 301. Errichtung der o.H.G.

Zentralleitung stattfindet. Manche lassen auch einen fiktiven Sitz schlecht­ hin zu. Vgl. Wieland 172.

3. Dritten gegenüber tritt die o.H.G. in Wirksamkeit mit ihrem Geschäftsbeginn. Es kommt jede Kundgabe nach außen in Betracht, die mit dem Willen aller geschieht (Annoncierung, Ladeneröffnung, Abschluß eines Rechtsgeschäfts). Erfolgt aber vor dem Geschäftsbeginn die Eintragung, so tritt die o.H.G. bereits mit der Eintragung in Wirksamkeit. Zwingend zum Schutz des Verkehrs. § 123 HGB. Die Wirkung der Eintragung geht über §5 HGB. hinaus; denn bei § 123 wirkt die Eintragung, obschon ein Gewerbe noch gar nicht betrieben wird. Handelt es sich um das Gewerbe eines Soll- oder Kannkaufmanns (§§ 2, 3 HGB.), so kommt Dritten gegenüber grundsätzlich nur die Ein­ tragung in Betracht (denn vor der Eintragung ist ja trotz Geschäfts­ beginns ein Soll- oder Kannkaufmann noch nicht vorhanden). Vgl. §123II HGB.

Zu beachten ist aber folgendes. Die geschilderte Wirksamkeit der o.H.G. Dritten gegenüber setzt grundsätzlich einen gültigen Ge­ sellschaftsvertrag voraus. Allein der Verkehr ist geschützt durch die Grundsätze der Haftung auf Grund einer öffentlichen Erklärung. Daher haften die einzelnen Gesellschafter, welche bei einem un­ gültigen Gesellschastsvertrag in der Öffentlichkeit als offene Handels­ gesellschafter auftreten, dem gutgläubigen Dritter so, als wenn sie offene Gesellschafter wären (Vgl. oben § 13 unter 5, S. 61 ff.). Beispiel: A, B, C schliessen einen Gesellschaftsvertrag, in welchem sie eine o.H.G. „A & Co" gründen. Die Gesellschaft wird zum Handels­ register angcmeldet. Es werden von A für die Gesellschaft Geschäfte mit X abgeschlossen. Es stellt sich später heraus, dass B geschäftsunfähig war. An wen kann sich X halten? — An die Firma A L Eo. kann er sich nicht halten, denn diese besteht nicht, sie kann auch nicht als Scheinkaufmann haften, da infolge der Geschäftsunfähigkeit des B eine vollgültige Er­ klärung ihrerseits an die Öffentlichkeit nicht vorliegt. Auch den B kann X nicht in Anspruch nehmen, da ein Geschäftsunfähiger nicht auf Grund seiner öffentlichen Erklärung haftet (siehe oben S. 58). Dagegen kann sich X an A und C persönlich halten, da deren Anmeldungen rechtlich einwandfrei sind. — Vorausgesetzt ist, dass L gutgläubig ist d. h. die Nichtig­ keit des Gesellschaftsvertrages nicht gekannt hat (siehe oben S. 58 unter 7 und über die hinsichtlich der Gutgläubigkeit abweichende Ansicht von Staub-Bondi oben (5.63b). Selbstverständlich kann auch bei einem Geschäftsbetrieb gemäss §§ 2, 3 vor der Eintragung eine Haftung gegenüber dem gutgläubigen Verkehr eintreten.

4. Besondere Vorschriften zum Schutz der Gläubiger bei der Errichtung einer o.H.G. sind (im Gegensatz zur A.G.) nicht er­ forderlich wegen der unbeschränkten Haftung jedes Gesellschafters. v Gierke, Handels- u. Lchifsahrtörccht. 3. Aufl.

12

178

§ 30II. Firma der o.H.G.

5. Teilhaber einer o.H.G. können nicht bloß natürliche Personen, sondern auch juristische Personen sein. Vor allem können auch Aktiengesellschaften und G.m.b.H. offene Handelsgesell­ schafter werden. Es entsteht alsdann ein Fall des oben (§ 28 I 4c) erwähnten Mischtypus von Personal- und Kapitalgenossenschaft. Mit Recht hat sich das Reichsgericht (105 102) in dieser streitigen Frage auf diesen Standpunkt gestellt. Der Widerspruch in der Literatur ist freilich noch nicht verstummt (vgl. z. B. Brodmann, Kommentar zum GmbHG. zu § 13 unter 1). Es handelt sich nicht um eine wirt­ schaftlich ungesunde Erscheinung, nur im Einzelfall kann eine solche aus steuerlichen Gründen vorliegen. Zu beachten ist allerdings, daß die offene Handelsgesellschaft so ausgestaltet sein muß, daß die Kapitalgenossenschaft nicht in eine derartige Abhängigkeit von dritten Personen tritt, die ihren gesetzlichen Grundlagen widerspricht. Dies wird an anderer Stelle näher erklärt werden (siehe unten S. 181). Für grundsätzliche Zulassung von Kapitalgenossenschaften als Teilhaber einer o.H.G. vor allem Zielinski, Grundtypenvermischung und Handels­ gesellschaftsrecht 1925, ferner Ruth, Arch.Ziv.Prax. 7, 233.

Noch weniger ist zu beanstanden, daß eine o.H.G. Teilhaberin einer anderen o.H.G. wird (doch ist auch dies streitig; dagegen eine ältere Entscheidung des RG. 36 39). II. Die Firma. 1. Die Firma ist Personenfirma. Sie soll entweder die Namen eines Teils der Gesellschafter mit einem Gesellschaftszusatz (z. B. „ii. Co." oder „Gebrüder") oder die Namen aller Gesellschafter enthalten. § 19 HGB.: Prinzip der Firmenwahrheit. Vor­ namen sind nicht nötig. Täuschende Zusätze sind unerlaubt. § 16 UWG. zwingt nicht, wie das RG. unrichtigerweise annimmt, zu einer Ausschaltung des Namens eines Gesellschafters, sondern nur zu einem nach Möglichkeit unterscheidenden Zusatz (vgl. oben S. 89 ff.). 2. Ausnahmsweise kann auch eine unwahre Firma geführt werden. a) Wenn eine o.H.G. für den Betrieb eines erworbenen Handels­ geschäfts gegründet wird. § 22 HGB. b) Wenn sie durch Aufnahme als Gesellschafter in ein bestehendes Geschäft eines Einzelkaufmanns errichtet wird. §§ 24, 28 HGB. c) Wenn neue Mitglieder eintreten oder bisherige ausscheiden. § 24 HGB. Hier kann die bisherige Firma trotz ihrer Unrichtigkeit fortgeführt werden. Nur bedarf es beim Ausscheiden, wenn der Name des Aus­ scheidenden in der Firma enthalten ist, seiner (oder seiner Erben) aus­ drücklichen Einwilligung. § 24II HGB.

3. Eine o.H.G. kann nur eine Firma haben. Denn ihre Firma ist die einzige Bezeichnung, mit welcher sie im Rechtsverkehr auf-

§31. Rechtsverhältnisse zu Dritten.

179

treten kann. Firma und Name sind bei ihr unbedingt identisch. Es dürfte daher gar kein Zweifel sein, daß bei ihr außer dem Firmenschutz auch der Namenschutz des § 12 HGB. gegeben sein muß. — Hat die o.H.G. eine Zweigniederlassung, so kann sie für diese keine selbständig erscheinende, wohl aber eine der Hauptfirma entsprechende Firma mit einem Zusatz (§ 30 III HGB.) führen (vgl. RG. 113, 217). Die Rechtsprechung des Reichsgerichts ist in bezug auf den Namen­ schutz der Firma einer o.H.G. formalistisch und hat sich noch nicht voll zu dem richtigen Standpunkt durchgerungen. RG. 88 422 hatte der Firma einer o.H.G. nur Firmenschutz aber keinen Namenschutz gegeben! RG. 114 93 gibt ihr Namenschutz, wenn der Familienname eines Ge­ sellschafters in der Firma enthalten ist. Allein der Namenschutz ist jeder Firma einer o.H.G. zuzuerkennen, sicher aus dem Grunde, weil es ihr einziger Name ist, aber richtiger Ansicht nach, weil überhaupt jede Firnm den Namenschutz des § 12 BGB. geniießt (siehe oben S. 90 unter c).

Rechtsverhältnisse zu Dritten. v. Gorski, Geschäftsführung und Vertretung der o H.G. (1888). — M. Bacmeister in Z.H.R. 55, 417. — K. Kormann, Gruch. 57, 497ff. — Hellwig, Anspruch und Klagerecht S. 266ff. — Pollitzer Z H.R. 69, 313ff.

I. Die Gesellschaft als solche 124—127 HGB.). Es handelt sich um das äußere Auftreten der Gesellschafter in ihrer Verbundenheit, als „Personeneinheit". Man muß sich immer klar sein, daß der Ausdruck „Gesellschaft" nur die (jeweiligen) Gesell­ schafter in einer Zusammenfassung bedeutet. Alsdann kann man sagen:

1. Die „Gesellschaft" kann unter ihrer Firma handeln. Sie kann rechtsgeschäftliche, prozessuale, unerlaubte Handlungen vor­ nehmen. Sie kann handeln durch alle Gesellschafter insgesamt, oder durch Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigte usw. Vor allem kann sie handeln kraft der eigenartigen „Vertretung" durch den Gesellschafter. a) Die Befugnis zur Vertretung hat jeder Gesellschafter ohne besondere Ermächtigung: Jeder ist geborener „firmieren­ der" Gesellschafter. § 125 HGB. (Anders bei der bürgerlichen Ge­ sellschaft, vgl. § 714, 709 BGB. Die schwerfällige Regelung des BGB. paßt nicht für eine dauernde Verbindung im Handel.) Ausnahmen: a) Es kann im Gesellschaftsvertrag etwas Abweichendes vereinbart werden. § 125 II und III HGB. Zur Wirkung gegen­ über Dritten ist es zum Register anzumelden. § 125 IV, § 15 HGB. Möglich ist 1. Ausschluß Einzelner von der Vertretung. 2. Gesamt-

§ 31.

180

§ 311.

VerLretungsmacht bei der o.H.G.

Vertretung: Mehrere müssen zusammen handeln, damit die Ge­ sellschaft berechtigt und verpflichtet wird. 3. Bei Gesamtvertretung die Abrede, daß ein Gesamtvertreter auch zusammen mit einem Prokuristen handeln kann (sog. unechte Gesamtvertretung). Wenn im Vertrage alle von der Vertretung ausgeschlossen sind, ist nicht Ungültigkeit der Bestimmung, sondern Gesamtvertretung aller an­ zunehmen (streitig).

ß) Es kann einem Gesellschafter die Vertretungsmacht später aus wichtigen Gründen entzogen werden und zwar durch gerichtliche Entscheidung auf Antrag der übrigen. § 127 HGB. Aber die Vor­ schrift ist richtiger Ansicht nach nicht zwingend. Es kann also der Gesellschaftsvertrag bestimmen, daß die Vertretungsmacht auch ohne wichtigen Grund und durch Beschluß der Gesellschafter entzogen wird (so richtig Zielinski Grundtypenvermischung 118 ff.). Die Feststellung ist wichtig wegen der Frage, ob eine A.G. Teil­ haberin einer o.H.G. sein kann. Siehe unten S. 181. Auch einem einzigen vertretungsberechtigten Gesellschafter kann die VerLretungsmacht entzogen werden (RG. 74 301). Alsdann müssen die Gesellschafter für neue Vertretung sorgen. § 29 BGB. ist nicht anwendbar, er gilt nur für Vereine, bei den typisch kleinen Gesellschaften ist für ihn kein Bedürfnis.

b) Der gesetzliche Umfang der Vertretungsmacht geht weit über den der Prokura hinaus. Er umfaßt alle Geschäfte und Rechts­ handlungen, die kommerziell sein können. § 126 HGB. Also auch Veräußerung und Belastung von Grundstücken, Erteilung und Widerruf der Prokura. Ausgenommen sind Abänderungen des bestehenden Gesellschaftsverhältnisses, z. B. Änderung der Firma, Auf­ nahme eines neuen Gesellschafters (auch eines stillen Gesellschafters? bejaht vom Reichsgericht IW. 21, 1239, dagegen mit Recht Flechtheim bei Düringer-Hachenburg Anm. 13 zu § 335). — Auch bei der unechten Gesamtvertretung (oben «) ist der Umfang der Vertretungsmacht der gleiche; es ist unrichtig, wenn die Denkschrift meint, daß hier der Umfang der Prokura maßgebend sei, denn es handelt sich um die Vertretung bei der o.H.G., es muß daher der Prokurist gemäß § 49 II HGB. empor­ gehoben werden.

Auch für unerlaubte Handlungen des Gesellschafters, welche irrt inneren Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb stehen, haftet die o.H.G. (Gewohnheitsrecht vgl. RG. 76 48; entsprechend §31 HGB.). Beispiele: Patentverletzung, unlauterer Wettbewerb. Bei der Haftung für unerlaubte Handlungen kommt nicht allein der vertretungsberechtigte Gesellschafter in Betracht, sondern auch der nur mit der Geschäftsführung Betraute (so mit Recht Flechtheim bei Dü­ ringer-Hachenburg Anm. 16 zu § 126).

c) Der Umfang der Vertretungsmacht ist Dritten gegenüber unbeschränkbar. § 126 II HGB. (Gleichgültig ist Kenntnis des

§ 31II.

Die o.H.G. als Einheit.

181

Dritten von einer internen Einschränkung.) Dieser Grundsatz dient der Verkehrssicherheit. Ganz anders bei der bürgerlichen Gesellschaft (§§714, 709 BGB.).

Ausnahmen: «) Die Gesamtvertretung, § 125IIHGB. ß) Beschränkung auf eine von mehreren Niederlassungen, 126III HGB. Vgl. die gleiche Regelung bei der Prokura oben § 20 II. Aus der geschilderten Vertretungsmacht hat man die Folgerung abgeleitet, daß eine A.G. nicht Teilhaberin einer o.H.G. sein könne; sie würde durch die Vertretungsmacht der anderen Teilhaber in eine mit dem Aktienrecht nicht vereinbare Abhängigkeit Dritter geraten, da doch zwingend ihr eigenes Vertretungsorgan (Vorstand) jederzeit abberufbar sein muß (§ 231III HGB.). Dem ist aber entgegenzuhalten, daß der Gesellschaftsvertrag dem in der Tat an sich bestehenden Bedenken Rech­ nung tragen muß. Dies geschieht vornehmlich durch die Aufnahme der Vorschrift, daß die Vertretungsmacht bei der o.H.G. jederzeit durch Be­ schluß widerrufen werden kann (vgl. oben aß und oben §30 unter I 5)

2. Die „Gesellschaft" kann unter ihrer Firma Rechte und. Pflichten haben. Sie ist dementsprechend fähig, unter ihrer Firma Partei zu sein in Prozessen (sie kann unter ihrer Firma klagen und verklagt werden; hier ist vieles streitig). § 124 I HGB. Aus den Handlungen der Gesellschaft wird also die Gesellschaft, die „Firma" verpflichtet. Die Klage wird gegen die „Firma" gerichtet, Ebenso wird die „Firma" im Grundbuch eingetragen. Da die „Gesellschaft" Partei ist, wirkt das Urteil gegen sie auch gegen­ über dem während des Prozesses ausgeschiedenen Gesellschafter. RG. 102 302. — Es kann ferner kein Gesellschafter in einem Gesellschaftsprozeß Zeuge sein (streitig).

Die der o.H.G. gehörigen Vermögensrechte (einschließlich der Schulden) bilden das Gesellschaftsvermögen.

Es stcht den Gesellschaftern zur gesamten Hand zu als ein Sondervermögen, das von ihrem Privatvermögen gesondert ist. Es soll vornehmlich den *Gesellschaftsgläubigern dienen. Dieser Zweck ist bei der o.H.G. viel schärfer durchgeführt als bei der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Vor allem ist zu beachten: a) Es gibt einen besonderen Konkurs der o.H.G. Er dient der abgesonderten Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger (§ 209ff. KO.). Dagegen gibt es keinen besonderen Konkurs der bürgerlichen Gesellschaft.

b) Das Kündigungsrecht des Privatgläubigers eines Gesellschafters ist bei der o.H.G. an erschwerendere Vorbedingungen geknüpft als bei der bürgerlichen Gesellschaft. Vgl. § 135 HGB. und ’§ 725 I BGB. Näheres hierüber unten § 33 I laß.

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§ 31II. Die Gesellschafter als Einzelne. Die Verselbständigung des Gcsellschaftsvermögens zeigt sich auch darin, daß der Gcsellschastsgläubiger zur Zwangsvollstreckung eines vollstreckbaren Schuldtitels (eines Urteils) gegen die Gesellschaft bedarf. § 124 IIHGB. Nicht genügt ein Schuldtitel gegen alle Gesellschafter (§736 ZPO.).

3. Die Gesellschaft als solche ist Kaufmann. 80 HGB. II. Tie Gesellschafter als Einzelne (88128-129HGB.).

1. Jeder Gesellschafter ist, weil er Mitinhaber des Handels­ gewerbes ist, grundsätzlich auch für seine Person Kaufmann (so z.B. O. v. Gierke, Handelsrecht 8 37, 2, Lehmann-Hoeniger 47; Arun. 1; Ritter Anm.2 zu 81HGB.). Die Frage ist streitig. Wer die o.H.G. für eine juristische Perstnr hält, muß dies leugnen. Aber auch manche, die die o.H.G. für eine Gesell­ schaft erklären, wollen die Kaufmannseigenschaft im Sinne des HGB. nur aus die o.H.G. selbst abstellen (M. Wolff, Grundbegriffe in der Festschrift der Berliner Juristischen Fakultät für O. v. Gierke, S. 3). Diese Ansichten führen zu Ergebnissen, die den Verkehrsbedürfnisscn nicht genügen, z. B. würde hiernach der einzelne o.H.Gesellschafter für die Verbindlichkeiten (siehe unten 3) nicht selbständig nach Kaufmannsrecht (vgl. z.B. § 352 HGB.) hasten, § 344 HGB. wäre auf ihn nicht anwendbar. Andererseits ist auch die verbreitete Formulierung, jeder Gesell­ schafter sei „nur in bezug auf seine Teilhaberschaft an der o.H.G." Kauf­ mann (Mosse-Heymann Anm. 6 zu tzl.HGB.; Staub-Bondi Anm. 18 zu § 1), abzulehnen. Es besteht zweifellos ein zwingendes Be­ dürfnis, § 344 HGB. jedenfalls für den firmierenden offenen Gesellschafter anzuwenden. Ehrenberg in seinem Handbuch II 13, 71 ff. sucht die verschiedenen Wirkungen der Kaufmannseigenschast auf die Firma und die einzelnen Gesellschafter nach Zweckmätzigkeitserwägungen zu verteilen. Tie m. E. richtige, an den Anfang gestellte Formulierung schließt nicht aus, daß gegebenenfalls eine einzelne Vorschrift für den offenen Gesellschafter nicht anwendbar ist.

2. Die Rechte der Gesellschaft kann der Einzelne nicht als seine eigenen (auch nicht anteilswcise) geltend machen. Tas würde dem Gesamthandprinzip widersprechen. Er kann sie als Vertreter ,ür die „Firma" geltend machen.

3. Die Verbindlichkeiten der o.H.G. sind aber nicht bloß Verbindlichkeiten der „Firma", sondern sie sind kraft Gesetzes auch Verbindlichkeiten der einzelnen Gesellschafter. Sie sind gleichzeitig „Gemeinschaftsschulden" und „Sonderschulden" (vgl. O.v. Gierke, Deutsches Privatrecht III 8182 V, Wieland 629ff.). Als Ge­ meinschaftsschulden kann sie der Gläubiger, wie wir sahen, gegen die Gesellschaft als solche geltend machen und Befriedigung aus tem Gesellschaftsvermögen suchen. Als Sonderschulden aber verhaften sie kraft Gesetzes die einzelnen Gesellschafter als solche § 128 HEB.

§ 31II. Hastung der Gesellschafter.

183

Und zwar hasten sic als Gesamtschuldner unbeschränkt persönlich. Jeder Gesellschafter hastet daher a) unmittelbar (der Gläubiger kann direkt auf ihn greisen, ohne Bermittlung der Gesellschaft). b) aufs Ganze (also nicht anteilsmäßig). c) primär (also nicht subsidiär hinter der Gesellschaft, unter derr Gesellschaftern kann der Gläubiger beliebig auswählen). d) persönlich, d. h. mit seinem besonderen Privatvermögen, c) unbeschränkt, d. h. ohne jede Haftungsbeschränkung.

Bon besonderer Wichtigkeit ist es — und daher im Gesetz noch einmal besonders hervorgehoben (§ 128II) — daß durch Gesellschafts­ vertrag Tritten gegenüber die Sonderhaftung nicht ausgeschlossen werden darf.

Hieraus ergibt sich die starke Kreditbasis der o.H.G. (sehr günstige Konkursstatistik).

Mit diesem Grundsatz ist nicht zu verwechseln, daß die Gesellschaft mit einzelnen bestimmten Gläubigern eine reine Gemeinschastsschuld vier eine Sonderschuld nur in bestimmtem Umfange vereinbaren kaun. In bezug auf das Verhältnis der Gesellschastsschulden und der Haftung der einzelnen Gesellschafter besteht viel Streit. Abzulehnen ist die Ansicht Wielands 637, daß die Gesellschafter als einzelne grundsätzlich nicht Erfüllung schulden, sondern nur das Interesse schulden, das die Gläu­ biger an der Erfüllung durch die Gesellschaft hätten; das widerspricht direkt dem Wortlaut und Zweck des Gesetzes. Ganz unrichtig (und nicht völlig klar) konstruiert Müller-Erzbach 204s. — Selbstverständlich kann sich aus allgemeinen Gründen die Haftung des Gesellschafters für Ersüllung in eine Ersatzpslicht wegen Nichterfüllung verwandeln. Auch sind Sondervereinbarungen zu beachten. Beispiele: Verpflichtet sich eine o.H.G. zum Betriebe eines Hotels ihr Bier ausschließlich von einer bestimmten Brauerei zu beziehen, so entsteht zweifellos keine Sonderschuld der einzelnen Gesellschafter in bezug auf ihren persönlichen Bedarf. — Konkurrenzverbot für bestimmte Zeit kann so gemeint sein, daß es die ausscheidenden Gesellschafter nicht bindet. Bei der bürgerlichen Gesellschaft haften die Gesellschafter als Einzelne ebenfalls regelmäßig als Gesamtschuldner unbeschränkt persönlich gemäß allgemeinen Grundsätzen (vgl. §§ 431, 420, 427, BGB.). Doch ergibt sich anteilsmäßige Haftung aus §§420 und 427. Vor allem kann bei ihr durch den Gesellschaftsvertrag die Haftung der Gesellschafter als Einzelne beschränkt, ja sogar ausgeschlossen werden. Sie ist eben nicht für eine dauernde Erwerbsgesellschast zugeschnitten.

4. Wird ein Gesellschafter persönlich in Anspruch genommen, so kann er

184

§32. Rechtsverhältnisse nach innen.

a) Alle Einwendungen geltend machen, die die Gesellschaft selbst erheben könnte. §1291 HGB. Also z. B. Nichtigkeit des Vertrags, auf den sich der Anspruch stützt, Erlöschen durch Erfüllung, rechtskräftige Abweisung. Es liegt wirtschaftlich ähnlich wie beim Bürgen. Vgl. § 768 BGB. Vgl. auch § 129 II und III HGB. mit §770 BGB.; man beachte aber (was leicht überseben wird), daß dem vertretungsberechtiqten Gesellschafter das Anfechtung^ und Aufrechnungsrecht des § 129 II und III HGB. zusteht.

b) Alle Einwendungen geltend machen, die in seiner Person entstanden sind. § 129 I HGB. Also z. B. ihm persönlich gewährte Stundung, er kann auch mit einer Privatforderung aufrechnen. Zu einer Zwangsvollstreckung gegen den Gesellschafter bedarf es eines vollstreckbaren Schuldtitels (Urteils) gegen ihn selbst. § 129IV HGB.

Rechtsverhältnisse nach innen.

§ 32. I.

Allgemeines.

Es handelt sich um die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter unter­ einander (Jnnenverhältnis). Das HGB. gibt eine besondere gesetz­ liche Regelung in §§ 109—122. Ergänzend gilt das Recht der bürger­ lichen Gesellschaft. Zweierlei ist für das Jnnenverhältnis charakteristisch. 1. Die gesetzlichen Vorschriften sind im Gegensatz zu den Be­ stimmungen über die Rechtsverhältnisse nach außen grundsätzlich nachgiebiger Natur. Es herrscht Vertragsfreiheit. § 109 HGB. Der gesetzgeberische Gedanke ist: Unter sich mögen die machen, was sie wollen. Ein Verkehrsschutz kommt nicht Den Gläubigern bietet die unbeschränkte Haftung der genügende Garantie. Die Gesellschafter selbst bedürfen als keiner Bevormundung.

Gesellschafter in Betracht. Gesellschafter Vollkaufleute

2. Die Einheit der Gesellschaft steht hier nicht so im Vorder­ grund wie bei den Rechtsverhältnissen nach außen. Sie ist aber vorhanden und zeigt sich a) in einer einheitlichen Willensbildung (siehe unten III), b) in einer einheitlichen Vermögensgemeinschaft (siehe unter V). c) Es gibt nicht nur Ansprüche und Pflichten der Gesellschafter als Einzelne untereinander (wie bei der bürgerlichen Gesellschaft), sondern auch Ansprüche und Verbindlichkeiten des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft als solche (gegenüber der „Firma"). Es gehören hierher die im Gesellschaftsvertrage wurzelnden Ansprüche des Gesellschafters auf Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen und die gleichgearteten Verbindlichkeiten gegenüber dem Gesellschaftsvermögen. Beispiele: Ersatzansprüche §110 (beachte das Wort „Gesellschaft"); Beitragspflichten, Zinspflichten § 111 („Gesellschaftskasse").

§ 32 II. Geschäftsführung bei der o.H.G.

185

II. Die Geschäftsführung. 1. Unter „Geschäftsführung" versteht das HGB. (im Ein­ klang mit dem BGB.) die Vornahme geschäftlicher Maßnahmen. Es ist aber noch hinzuzufügen: a) Nicht hierher gehören Akte, welche die gesellschaftlichen Grundlagen betreffen, z. B. Abänderungen des Gesellschaftsvertrags, Entziehung der Vertretungsmacht, Auflösung der Gesellschaft usw. Man kann auch so sagen: Zur Geschäftsführung gehören alle geschäft­ lichen Maßnahmen, die ein Einzelkaufmann vornehmen könnte. Beispiele: Ankauf, Verkauf, Ladenmiete, Anstellung von Personal, Buchführung, Leitung der Fabrikation usw.

b) Die „Geschäftsführung" verweist ausschließlich auf das interne Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander. Gegen­ satz ist die Vertretung. Bei der Vertretung ist der springende Punkt: Wann wirken geschäftliche Maßnahmen gegenüber Dritten? Bei der Geschäftsführung handelt es sich vornehmlich darum: Was kann ein Gesellschafter an geschäftlichen Maßnahmen vornehmen, ohne den andern Gesellschaftern verantwortlich zu werden? Vgl. die Beispiele unten 7.

2. Zur Geschäftsführung sind grundsätzlich alle Gesellschafter berechtigt und verpflichtet. Und zwar gilt das Prinzip der Einzel­ geschäftsführung: Die Geschäftsführung wird von jedem Ein­ zelnen ausgeübt. §§ 114, 115 HGB. Anders bei der bürgerlichen Gesellschaft, bei ihr gilt der Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung: Die Geschäftsführung steht allen Gesell­ schaftern gemeinschaftlich zu, eine geschäftliche Maßnahme bedarf der Zustimmung aller/ § 709 BGB. Der Unterschied zwischen BGB. und HGB. ist sehr bezeichnend. Die schwerfällige und vorsichtige Gesamtgeschäftsführung der bürgerlichen Gesellschaft paßt nicht als Regel für die o.H.G. Bei dieser handelt es sich um eine dauernde Verbindung im Handel, bei der ein einfacher Modus die Regel bilden muß, damit die nötige rasche Erledigung der verschiedensten Geschäfte gewährleistet ist.

Der Gesellschaftsvertrag kann Abweichendes bestimmen. Er kann namentlich die Geschäftsführung a) einem oder mehreren Gesellschaftern unter Ausschluß der übrigen übertragen. § 114 II HGB., b) mehreren Gesellschaftern als Gesamtgeschäftsführung überweisen. § 115 HGB. Auch kann die Geschäftsführung einem Gesellschafter aus wichtigen Gründen entzogen werden (durch gerichtliche Entscheidung auf Antrag der übrigen) § 117 HGB.

3. Bei Einzelgeschäftsführung kann der geschäftsführende Gesell­ schafter allein handeln. Er ist jedoch

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§ 32II. Geschäftsführung bei der o.H.G.

a) auf die gewöhnlichen Betriebsgeschäfte beschränkt. § 116 HGB. Hierunter fallen alle Geschäfte, die in dem konkreten Betriebe keinen Ausnahmecharakter aufweisen. Zu den ungewöhnlichen Geschäften werden z. B. gehören: Ein­ richtung einer Zweigniederlassung, Neubau eines Geschäftshauses, Engage­ ment eines Angestellten mit besonders hohem Gehalt. Man beachte den Gegensatz zu §54HGB. (oben §21III1). Bei diesem ist der Maß­ stab ein abstrakter, da ein Dritter die internen Verhältnisse des Betriebes nicht kennt, anders beim Gesellschafter. — Die Grenze zwischen gewöhn­ lichen und ungewöhnlichen Geschäften wird ost im Gesellschaftsvertrag genauer festgelegt.

b) durch das Widerspruchsrecht jedes anderen geschäfts­ führenden Gesellschafters beschränkt. § 115 I HGB. Bei einem solchen Widerspruch muß er die Handlung unterlassen, sonst ist er s chadensersatzpflichtig. Der Widerspruch darf nicht nach Willkür ausgeübt werden. Ver­ stößt er gegen die Gesellschaftstreue, so braucht er nicht beachtet zu werden (streitig, viele nehmen nur eine Schadensersatzpflicht des Widersprechenden an). Beispiel: Ein einwandfreier Wechsel wird präsentiert, ein geschäfts­ führender Gesellschafter zahlt trotz des Widerspruchs eines anderen, da die Nichtbezahlung den Konkurs der Gesellschaft herbeiführen könnte. Der Zahlende ist im Recht, es trifft ihn keine Pflichtverletzung. — Ein Widerspruch ist auch unbeachtlich, wenn es sich um einen Anspruch handelt, der gegen den Widersprechenden zu verfolgen ist (RG. 81 94). Mer ungewöhnliche Geschäfte und Widerspruch siehe auch RG. 109 56 ff.

Liegt Gesamtgeschäftsführung vor, so bedarf es für jedes Geschäft der Zustimmung aller Geschäftsführer. § 115II HGB. Eine Ausnahme gilt (anders BGB. § 709) bei Gefahr im Verzug, d. h. wenn zu befürchten ist, daß die Gesellschaft bis zur Einholung der Zustimmung Schaden erleiden würde; hier kann jeder allein handeln. Auch die Gesamtgeschäftsführer sind auf das Gewöhnliche beschränkt. 4. Bei ungewöhnlichen Betriebsgeschäften ist ein Beschluß sämtlicher Gesellschafter erforderlich. § 116II HGB. Es müssen also auch die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter zustimmen. — Ist der Beschluß gefaßt, so wird er von den geschäfts­ führenden Gesellschaftern ausgeführt. — Inventar und Bilanz sind von allen Gesellschaftern zu unterzeichnen. §411 HGB.

5. Besonderheiten für die Prokura. §116 III HGB.

Ihre Erteilung bedarf grundsätzlich der Zustimmung aller Ge­ schäftsführer, ihr Widerruf kann dagegen von jedem Geschäftsführer allein vorgenommen werden.

§ 32III. Beschlußfassung bei der o.H.G.

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6. Der von der Geschäftsführung ausgeschlossene Gesell­ schafter hat außer dem Zustimmungsrecht bei ungewöhnlichen Geschäften (oben 4) ein Jnformations- und Kontrollrecht: Jederzeitiges Einsichtsrecht in die Bücher und Papiere der Gesellschaft. 8118 HGB. (vgl. 716 BGB.). Das Recht kann er nur persönlich ausüben. Ein Verzicht ist gegenüber dem Verdacht unredlicher Geschäftsführung wirkungslos. 7. Der große Unterschied zwischen Vertretung und Geschäftsführung kann am besten an folgenden Beispielen erkannt werden, wobei die gesetzliche Regel ohne abweichende Vereinbarung im Gesellschastsvertrag zugrunde gelegt wird: A, B, C sind Mitglieder einer o.H.G. B verkauft das Geschäftshaus an X. Der Vertrag ist gültig zustande gekommen. Denn B hat hierzu Vertretungsmacht. §§ 125, 126 HGB. Aber B hat seine Pflichten als Gesellschafter verletzt und hastet auf Schadensersatz. Denn er hat zwar Geschäftsführung, durfte aber das ungewöhnliche Geschäft ohne einen Beschluß aller Gesellschafter nicht vornehmen. §116II HGB. B erteilt dem P Prokura. P ist rechtsgültig Prokurist geworden. § 126 HGB. Aber B hat seine Pflichten als Gesellschafter verletzt und ist der Gesellschaft schadensersatzpslichtig, denn nach den Grundsätzen der Geschäftsführung hätte die Prokura nur mit Zustimmung von A unb C erteilt werden können. §§ 116III HGB. Übrigens hastet der Gesellschafter bei der Geschäftsführung nur mit der Sorgfalt, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (mangels abweichender Festlegung im Gesellschastsvertrag). § 708 BGB.

III. Beschlußfassung. Eines Geschäftsbeschlusscs bedarf cs 1. Bei allen Akten, welche die gesellschaftlichen Grundlagen Lutreffen (vgl. oben II la). 2. Bei ungewöhnlichen Betriebsgeschästcn (vgl. oben II 4). Das HGB. kennt als Regel den Grundsatz der Einstimmigkeit. 819. Nötig ist Einstimmigkeit aller Gesellschafter bzw. bei einem Beschluß, der sich gegen einen Gesellschafter richtet (z. B. bei Entzichung der Vertretungsmacht oder der Geschäftsführung), Einstuimigkeit der übrigen. Der Gesellschastsvertrag kann Abweichendes bestimmen; setzt er Stimmenmehrheit fest, so entscheidet int Zweifel die Mehrheit nach Köpfen, nicht nach Kapitalbeteiligung (Personalgesellschast). § 119II HGB. (ebenso § 709 II BGB.). Das festgelegte Mehrheitsprinzip be­ zieht sich aber nur auf Akte der Geschäftsführung; handelt es sich um die Grundlagen des Gesellschaft, so bedarf es auch hier der Einstimmigkeit (vgl. RG. 91166 — Festsetzung einer Nachschußpslicht — RG. 114 293 — Art der Auseinandersetzung).

IV. Treuverpflichtung. Das Gesetz stellt in §§ 112, 113 für jeden Gesellschafter ein Konkurrenzverbot auf, das dem Konkurrenzverbot der Handlungs-

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§ 32 V. Gesellschaftsvermögen der o.H.G.

gehilfen nachgebildet ist (vgl. oben § 23 II 2). Es unterscheidet sich aber von diesem dadurch, daß es ausschließlich verhindern will, daß ein Gesellschafter seine Kenntnis der Geschäftsverhältnisse in illoyaler Weise für sich persönlich ausnützt. 1. Es bezieht sich daher nur auf die Untersagung einer speku­ lativen Tätigkeit in dem Handelszweige der Gesellschaft und einer Be­ teiligung als persönlich unbeschränkt haftender Gesellschafter bei einer anderen „gleichartigen", d. h. dieselben Zwecke- verfolgenden Gesellschaft. Beispiele: Ein offener Gesellschafter einer Schokoladenfabrik kann für seinen Haushalt Schokolade anschaffen, er kann Mitglied einer offenen Handelsgesellschaft werden, die ein Strumpfwarengeschäft betreibt, oder Aktionär bei einer Schokoladenfabrik.

2. Es bezieht sich auf alle Gesellschafter; auch auf den, der von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist. Denn auch dieser kann sich Einblick in die geschäftlichen Verhältnisse verschaffen (vgl. oben II 6). 3. Bei Verletzung des Verbotes hat die Gesellschaft das Wahl­ recht zwischen Schadensersatz und Eintrittsrecht. Es gilt Gleiches wie beim Handlungsgehilfen (oben § 23 II 2). 4. Das Verbot entfällt bei Einwilligung der übrigen Gesell­ schafter. Das Verbot bezieht sich nur auf die Dauer des Bestehens der Gesell­ schaft. Für den Fall der Auflösung oder des Ausscheidens können Kon­ kurrenzklauseln vereinbart werden, deren Giiltigkeit sich nach allgemeinen Grundsätzen bestimmt. Natürlich kann ein Gesellschafter durch eine anderweitige Beteiligung seine allgemeinen Vertragspslichten verletzen, er verpflichtet sich z. B. bei einer nicht gleichartigen Gesellschaft zu Arbeitsleistungen während derselben Geschäftsstunden.

V. Das anteile".

Gesellschaftsvermögen

und

die

„Kapital­

1. Das Gesellschaftsvermögen wird gebildet durch Beiträge der Gesellschafter, durch Erwerb aus Geschäftsführung und durch Surrogationserwerb (vgl. § 718 BGB.).

a) Als Beiträge kommen in Betracht Kapital oder Arbeits­ kraft. a) Die Kapitalien können sein Vermögenswerte Gegenstände jeglicher Art: Sachen, Rechte, Vermögensinbegriffe (z. B. ein Handelsgeschäft). Es kann sich um vollständige Übertragung oder um bloße Überlassung zur Benutzung handeln. ß) Dienstleistungen (vgl. § 706 III BGB.).

§ 32 V. Gesellschastsvermögen bei der o.H.G.

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Die Veitragspflicht ist nicht wesentlich für den Gesellschafter. Bei­ spiel: Ein Vater kann mit Sohn und Tochter eine o.H.G. bilden in der Weise, daß er selbst Kapital und Arbeit beiträgt, der Sohn nur Dienste leistet, die Tochter aber weder Kapital noch Arbeit beiträgt (es besteht hier die Absicht, die Tochter unmittelbar am Gesellschaftsgewinn zu beteiligen). Zum Gesellschaftsvermögen gehören auch die tatsächlichen Be­ ziehungen von Vermögenswert, z. B. die Fabrik- und Geschäftsgeheim­ nisse (vgl. RG. 107 171).

b) Den Gesellschafter trifft eine gesetzliche Verzinsnngspflicht für Kapitalien, die er unrechtmäßigerweise der Gesellschaft vor­ enthält (Näheres in § 111 HGB.).

Andererseits stehen ihm weitergehende Ersatzansprüche zu als einem gewöhnlichen Beauftragten. § 110 HGB. Vor allem hat er einen Ersatzanspruch für Verluste, die er durch die Geschäfts­ führung erleidet. Es kann sich um Einbußen an Vermögensstücken oder Verletzung der Person handeln. Beispiele: Vermögens- oder Personenbeschädigung durch einen Eisenbahnunfall oder einen Gasthausbrand auf einer Geschäftsreise. Nach BGB. würde gemäß der herrschenden (m.E. nicht zu billigenden) Lehre ein solcher Anspruch bei Verlusten nicht gegeben sei. Er ist jeden­ falls nach der Ausfassung der Handelskreise bei der engen Gemeinschaft der o.H.G. anerkanntermaßen nötig.

2. Das Gesellschastsvermögen steht ebenso wie bei der bürger­ lichen Gesellschaft den Gesellschaftern zur gesamten Hand zu. Infolgedessen hat kein Gesellschafter an den einzelnen Vermögens gegenständen Anteile, über die er verfügen könnte (zwingend §719 BGB.). Jeder Gesellschafter hat ferner einen Allteil am Gesellschaftsvermögcn im ganzen. Mit ihm ist die Mitgliedschaft verbunden. Nach gesetzlicher Regel kann der Gesellschafter über diesen Anteil nicht verfugen (§ 719 B05B.). Doch ist diese Vorschrift nur dispositiv; z. B. kann der Gesellschastsvertrag Abtretbar­ keit der Teilhaberschaft vorsehen. Nur der Anspruch auf Gewinn und der künftige Auseinander­ setzungsanspruch sind ohne weiteres übertragbar (§ 717 Satz 2 BGB.). Übet die Rechte der Privatgläubiger eines Gesellschafters siehe unten §331 la/?