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German Pages 119 [144] Year 1956
UNFALLBEGUTACHTUNG VON
PROF. DR. P A U L R O S T O C K C H E F A R Z T DES
VERSORGUNGSKRANKENHAUSES BAD
TÖLZ
Dritte, umgearbeitete Auflage M i t 78 A b b i l d u n g e n auf 6 T a f e l n
W A L T E R DE G R U Y T E R & CO. VORM. G. J. GÖSCHEN'sche VERLAGSHANDLUNG, J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG, GEORG REIMER, KARL J. TRÜBNER, VEIT ü COMP.
B E R L I N 1956
Copyright 1955 by Walter de Gruyter & Co. vormals G. J. Göschen'sehe Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp. — Berlin W 35, Genthiner Str. 13. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten — Archiv-Nr. 5157 55 — Printed in Germany. Satz und Druck : Franz Spiller, Berlin SO 36
Vorwort zur dritten Auflage In den Jahren, welche seit dem Erscheinen der ersten und zweiten Auflage vergangen sind, wurden im Bereich der Sozialversicherung viele Änderungen und wesentliche Verbesserungen verfügt. Sie konnten im ersten Teil dieses Buches berücksichtigt werden. Den Herren Dr. Imhof und Direktor Wegmann gebührt ganz besonderer Dank dafür, daß sie auch diesmal wieder die f ü r den Laien und den Arzt schwierigen sozialrechtlichen Bestimmungen in musterhaft klarer Form dargestellt haben. Eingefügt wurde ein kurzer Abschnitt über die ärztliche Begutachtung Kriegsversehrter. In dem Abschnitt über Erwerbsfähigkeitsverminderung nach Verletzungen sind bei den Amputationen im Bereich der Beine die Anregungen von zur Verth berücksichtigt worden. Die wichtigsten Gliedverluste und Versteifungen wurden auch in Schaubildern dargestellt. Im Kapitel über Berufskrankheiten wurde die 5. Berufskrankheitenverordnung vom 26. Juli 1952 berücksichtigt. Der zunehmenden Bedeutung der Berufskrankheiten wurde dadurch Rechnung getragen, daß die Darstellung etwas eingehender als früher erfolgte. Aber auch sonst sind an zahlreichen Stellen des Buches Verbesserungen und mitunter audi Erweiterungen vorgenommen worden. Bad Tölz, im Herbst 1955
Paul
Rostode
Inhaltsübersicht Seite Allgemeiner Teil Einleitung
1 1
Krankenversicherung
2
A. Versicherungsträger
2
B. U m f a n g der Versicherung 1. Versicherungspflicht 2. Versicherungsberechtigung 3. Freiwillige Weiterversicherung
2 2 3 3
C. Gegenstand der Versicherung 1. Krankenhilfe 2. Wochenhilfe 3. Sterbegeld
4 4 5 6
D. Aufbringung der Mittel
7
Rentenversicherung
der
Arbeiter
und
Angestellten
A. Versicherungsträger
8 8
B. U m f a n g der Versicherung 1. Versicherungspflicht 2. Versicherungsberechtigung 3. Freiwillige Versicherung
8 8 10 10
C. Gegenstand der Versicherung 1. Renten a) Art d e r Renten b) Wartezeit c) Anwartschaft d) H ö h e der Renten 2. Beitragserstattungen 3. Heilverfahren
10 10 10 11 12 12 12 13
D. Aufbringung der Mittel Private
Unfallversicherung
Unfallversicherung 1. Abgrenzung der Unfallversicherungszweige 2. Verzeichnis der gewerblichen Berufsgenossenschaften a) Gewerbliche Berufsgenossenschaften b) Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften 3. Berufskrankheiten 4. Pflichten und Rechte der Versicherungsträger 5. Leistungen an die Verletzten und ihre Angehörigen 6. Das Rentenverfahren bei Unfallverletzten 7. Die Abfindung 8. Die Sozialgerichtsbarkeit
13 14 17 19 19 19 23 24 25 27 28 32 33
Inhal tsübersicht
Arzt
und Gutachten 1. Form der ärztlichen Gutachten 2. Form des freien Gutachtens 3. Zur Begutachtung wichtige Untersuchungsmethoden 4. Simulation
Seite 35 37 37 41 49
Spezieller Teil A. Die wichtigsten Rentensätze 1· 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. B. Die 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Kopf Brustkorb Wirbelsäule Bauchorgane und Bauchdecken Harnsystem Männliche Genitalorgane Weibliche Genitalorgane Amputationen im Bereich der oberen Extremität ohne Finger Funktionsstörungen am Arm ohne Finger Glatte Gliedverluste der Finger
entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen Erkrankungen durch Phosphor oder seine Verbindungen Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen . Erkrankungen durch Arsen oder seine Verbindungen Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen Erkrankungen durch K a d m i u m oder seine Verbindungen Erkrankungen durch Beryllium oder seine Verbindungen Erkrankungen durch C h r o m oder seine Verbindungen Erkrankungen durch Benzol oder seine Homologen Erkrankungen durch N i t r o - und Amidoverbindungen des Benzols oder seiner Homologen und deren Abkömmlinge 11. Erkrankungen durch Halogen-Kohlenwasserstoffe 12. Erkrankungen durch Salpetersäureester 13. Erkrankungen durch Schwefelkohlenstoff 14. Erkrankungen durch Schwefel-Wasserstoff 15. Erkrankungen durch Kohlenoxyd 16. Erkrankung durch Röntgenstrahlen und radioaktive Stoffe 17. H a u t k r e b s oder zur Krebsbildung neigende H a u t v e r ä n d e r u n g e n durch R u ß , P a r a f fin, Teer, Anthrazen, Pech und ähnliche Stoffe 18. Krebs und andere Neubildungen sowie Schleimhautveränderungen der H a r n w e g e durch aromatische Amine 19. Schwere oder wiederholt rückfällige berufliche Hauterkrankungen, die zum Wechsel des Berufs oder zur Aufgabe jeder Erwerbstätigkeit zwingen 20. Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Preßluftwerkzeugen und gleichartig wirkenden Werkzeugen und Maschinen sowie durch Arbeit an A n k l o p f maschinen 21. Erkrankungen durch Arbeit in Druckluft 22. Chronische Erkrankungen der Sehnenscheiden, der Sehnen- und Muskelansätze durch Überbeanspruchung 23. Drucklähmungen der N e r v e n 24. Chronische Erkrankungen der Schleimbeutel der Gelenke durch ständigen Druck oder ständige Erschütterungen 25. Abrißbrüche der Wirbelfortsätze 26. Meniscusschäden bei Bergleuten nach mindestens dreijähriger, regelmäßiger T ä t i g keit unter Tage 27a. Staublungenerkrankung
52 52 53
54 55 55 56 56 56 57 57 57 60 63 63 64 64 65 65 66 66 67 67 68 68 68 69 69 70 70 71 71
71 72 72 73 74 74 74 75
Inhaltsübersicht Seite 27b. Staublungenerkrankung in Verbindung mit aktiv fortschreitender Lungentuberkulose (Siliko-Tuberkulose) 28a. Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) 28b. Asbeststaublungenerkrankung in Verbindung mit Lungenkrebs 29. Erkrankung der tieferen Luftwege durch Thomasschlackenmehl 30. Erkrankungen der tieferen Luftwege und der Lunge durch Aluminium oder seine Verbindungen 31. Erkrankungen der Knochen, Gelenke und Bänder durch Fluorverbindungen (Fluorose) 32. Erkrankungen der Zähne durch Mineralsäuren 33. Hornhautschädigungen des Auges durch Benzochinon 34. Sdineeberger Lungenkrankheit 35. Durch Lärm verursachte Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit.. 36. Grauer Star 37. Wurmkrankheit der Bergleute 38. Tropenkrankheiten, Fleckfieber, Skorbut 39. Infektionskrankheiten 40. Von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten C. Allgemeines über die Begutachtung von Zusammenhangsfragen D. Spezielles über die Begutachtung von Zusammenhangsfragen 1. Thermische Verletzungen 2. Elektrische Verletzungen 3. Intoxikationen 4. Infektionskrankheiten 5. Parasitäre Erkrankungen 6. Wundinfektionskrankheiten 7. Stoffwechselkrankheiten und Krankheiten der endokrinen Drüsen 8. Erkrankungen des Blutes 9. Erkrankungen des Gefäßsystems 10. Erkrankungen des Respirationssystems 11. Erkrankungen der Bauchdecken 12. Erkrankungen des Magen- und Darmkanals 13. Erkrankungen des Harnsystems 14. Genitalerkrankungen des Mannes 15. Genitalerkrankungen der Frau 16. Erkrankungen der H a u t und des Unterhautzellgewebes 17. Erkrankungen der Muskeln, Sehnen und Schleimbeutel 18. Erkrankungen der Knochen und Gelenke 19. Erkrankungen des Nervensystems 20. Erkrankungen der Sinnesorgane 21. Selbstmord Die ä r z t l i c h e Sachregister
Begutachtung
Kriegsversehrter
75 76 76 77 77 78 78 78 79 79 79 79 80 80 80 80 82 82 82 82 83 83 84 86 88 88 91 92 93 96 98 99 99 100 102 108 112 113 114 116
Allgemeiner Teil Einleitung Der Arzt, welcher als Begutachter in der Sozialversicherung tätig sein soll, hat Kenntnisse zu besitzen, welche über diejenigen hinausgehen, über die jeder Arzt verfügen muß. Es genügt nicht, daß man klare und richtige Vorstellungen von dem Werden und Geschehen des krankhaften Prozesses im mensdilichen Körper hat. Es genügt nicht, daß man die modernen diagnostischen Hilfsmittel zu handhaben versteht. Es genügt auch nicht, daß man die Gedanken so klar zu Papier bringen kann, daß sie andere Menschen und besonders Nichtärzte zu überzeugen vermögen. Man muß daneben auch in den nun einmal gültigen wichtigsten Bestimmungen der deutschen Sozialversicherung Bescheid wissen. Naturgemäß braucht der Arzt nicht über alle die Spezialkenntnisse zu verfügen, welche ein berufsgenossenschaftlicher Verwaltungsbeamter oder ein Beamter der Spruchbehörde haben muß. Der Arzt soll sich bei seiner Beurteilung gar nicht mit rein rechtlichen Fragen befassen, das ist nicht seines Amtes. Aber die Bestimmungen, die ihn bei seiner beratenden ärztlichen Tätigkeit berühren, muß er kennen, um seinen Ausführungen Beweiskraft geben zu können! Das ärztliche Gutachten, weichem man fast in jeder Zeile ansieht, daß dem Verfasser auch die primitivsten Begriffe der Sozialversicherung unbekannt sind, wird sich nie durchsetzen können. So hat denn ein Buch über die Unfallbegutachtung sich zunächst mit den wichtigsten rechtlichen Grundlagen der Sozialversicherung zu befassen, um dem Arzte die Gelegenheit zu geben, sich hierüber zu informieren. Ihm kann es nicht zugemutet werden, die dicken Bände der Reichsversicherungsordnung mit den Kommentaren durchzuackern. Nachstehend sollen in möglichst einfacher Form die wesentlichsten Bestimmungen dem Verständnis nahe gebracht werden, ohne irgendwie Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen. Da die Unfallversicherung nahe Beziehungen zu den anderen Versicherungszweigen einschließlich der Privatversicherung hat, so müssen auch sie kurz in ihren Grundzügen gestreift werden. Auf die an und für sich sehr interessante Geschichte der Sozialversicherung kann leider nicht eingegangen werden.
1 Rostock
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Krankenversicherung
Krankenversicherung Von Ministerialrat Dr. I m h o f - M i i n c h e n
A. Versicherungsträger Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind die Krankenkassen, und zwar: 1. die Orts- und Landkrankenkassen, die in der Regel innerhalb des Bezirks einer unteren Verwaltungsbehörde (Kreisunmittelbare Stadt oder Landkreis) errichtet werden. Ortskrankenkassen müssen errichtet werden; hingegen kann die Errichtung von Landkrankenkassen neben den Ortskrankenkassen unterbleiben; 2. die Betriebskrankenkassen, die von einzelnen Arbeitgebern unter bestimmten Voraussetzungen für deren Betriebe errichtet werden können, aber nicht errichtet werden müssen; 3. die Innungskrankenkassen, die von einer oder gemeinsam von mehreren Innungen, deren Mitglieder in die Handwerksrolle eingetragen sind, errichtet werden können, aber nicht errichtet werden müssen; 4. die Seekrankenkasse für die Seeleute; 5. die Reicbskna-ppschaft. für die im Bergbau beschäftigten Versicherten; 6. die anerkannten Ersatzkassen für bestimmte Versichertenkreise.
B. Umfang der Versicherung 1. Versicherungspflidit Der Versicherungspflidit unterliegen: 1. die Berufsgruppen der unselbständigen Arbeiter und Angestellten, 2. auch einzelne Gruppen von selbständigen Personen. Zu den Arbeitern zählen: Alle Arbeiter im engeren Reditssinn, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, Hausgehilfen und Seeleute. Unter die Angestellten fallen: Betriebsbeamte, Werkmeister, Büroangestellte, Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge, Bühnenmitglieder, Musiker, Angestellte in Berufen der Erziehung, des Unterrichts, der Fürsorge, der Kranken- und Wohlfahrtspflege, Angestellte der Schiffsbesatzung von Binnenschiffen und deutschen Seefahrzeugen. Voraussetzung für das Zustandekommen von Versicherungspflidit ist neben der Zugehörigkeit zu den vorgenannten Personengruppen noch das Vorliegen einer Beschäftigung, und zwar einer Beschäftigung gegen Entgelt, mit Ausnahme der Lehrlinge aller Art, die auch ohne Entlohnung krankenversidierungspflichtig sind.
Umfang der Versicherung Zum Entgelt
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zählen nicht allein Gehalt und Barlohn, sondern auch Gewinnanteile,
Sach- und andere Bezüge, die der Versicherte statt des Gehaltes oder Lohnes oder neben diesem vom Arbeitgeber oder einem Dritten erhält. Arbeiter
sind versicherungspflichtig ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Arbeitsver-
dienstes, hingegen Angestellte
nur, soweit ihr regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst nicht
die Grenze von 6 0 0 0 D M übersteigt. F ü r die Jahresarbeitsverdienstgrenze werden aber Zuschläge,
die mit Rücksicht auf den Familienstand
gezahlt werden wie Frauen- und
Kinderzuschläge, nidit angerechnet. Alter,
Familienstand
und Geschlecht
haben auf die Versicherungspflicht
keinerlei
Einfluß. Auch Hausgewerbetreibende,
worunter das Gesetz selbständige
Gewerbetreibende
versteht, die in eigenen Betriebsstätten im Auftrag und für Rechnung anderer Gewerbetreibender gewerbliche Erzeugnisse herstellen oder bearbeiten, unterliegen bis zu einem regelmäßigen
Jahreseinkommen
von 6 0 0 0 D M
der Versicherungspflicht.
gleichen Voraussetzung sind versicherungspflichtig audi selbständige
Lehrer
Unter
und
der
Erzieher,
die in ihrem Betriebe keine Angestellten beschäftigen, selbständige
Artisten,
mit Niederlassungserlaubnis und selbständige
die in ihrem Betriebe
Wochenpflegerinnen,
Hebammen
keine Angestellten beschäftigen.
2. Versicherungsberechtigung Die Krankenversicherung kennt auch einen freiwilligen
Beitritt
zur Kasse, und zwar
sind beitrittsberechtigt: 1. Versicherung!freie Beschäftigte wie Beamte, Ehegatten bei Beschäftigung durch den anderen Ehegatten, Meistersöhne und Werkstudenten, 2. Familienangehörige des Arbeitgebers, die ohne eigentliches Arbeitsverhältnis und ohne Entgelt in seinem Betriebe tätig sind, 3. Gewerbetreibende und andere Betriebsunternehmer, die in ihren Betrieben regelmäßig keine oder höchstens zwei Versicherungspflichtige beschäftigen. Das Recht zum freiwilligen Beitritt ist für diese Personen aber nur gegeben, wenn ihr jährliches Gesamteinkommen die Grenze von 6 0 0 0 D M nicht übersteigt. Außerdem kann die Satzung bestimmten Altersgrenze
der einzelnen Krankenkasse das Beitrittsrecht von einer
und der Vorlegung eines ärztlichen
Gesundheitszeugnisses
ab-
hängig machen.
3. Freiwillige Weiterversicherung Wenn ein Pflichtmitglied, das in den letzten 12 Monaten mindestens 26 Wochen oder unmittelbar vorher mindestens 6 Wodien gesetzlich versichert war, aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung ausscheidet, kann es seine Mitgliedschaft in seiner Lohnstufe oder Klasse freiwillig
fortsetzen.
Wer Mitglied bleiben will, muß dies aber der Kasse
spätestens binnen 3 Wochen nach dem Ausscheiden aus der
versicherungspflichtigen
Beschäftigung anzeigen. Stirbt
ein Mitglied, so kann der überlebende
Ehegatte,
wenn er nicht selbst auf Grund
eines Reichgesetzes für den Fall der Krankheit versichert ist, die Mitgliedschaft unter 1*
4
Krankenversicherung
denselben Voraussetzungen und in derselben Weise wie ein Mitglied fortsetzen. Dies gilt sinngemäß für a) den geschiedenen Ehegatten eines Mitglieds, b) den Ehegatten eines Mitglieds, das aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeschieden ist, um eine Beschäftigung im Ausland aufzunehmen, sofern das Mitglied nicht selbst seine Versicherung freiwillig fortsetzt.
C. Gegenstand der Versicherung Gegenstand der Krankenversicherung sind: I. Krankenhilfe, II. Wochenhilfe, III. Sterbegeld. Der Versicherungsschutz erstreckt, sich nicht allein auf den Versicherten, sondern auch auf seine Familie, in erster Linie auf den Ehegatten und die Kinder. Ihrer Art nach bestehen die Leistungen der Krankenversicherung in Bar- und Sachleistungen. Ihrem Umfang und Ausmaß nach bestehen die Leistungen in Regelleistungen und Mehrleistungen. Die Regelleistungen stellen das Mindestmaß dessen dar, was jede Kasse auf Grund der Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung zu geben verpflichtet ist. Mehrleistungen sind alle jene Leistungen, die die einzelne Kasse auf Grund besonderer Bestimmungen in ihrer Satzung über das gesetzliche Pflichtmaß hinaus den Mitgliedern gewährt. Die Mehrleistungen dürfen indessen über die im Gesetz vorgesehene Höchstgrenze nicht hinausgehen. 1. Krankenhilfe a) F ü r d e n V e r s i c h e r t e n
selbst
Unter Krankheit im Sinne des Gesetzes versteht man das Vorliegen eines regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes, der die Notwendigkeit einer Heilbehandlung oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat. Im Falle der Krankheit erhält der Versicherte unentgeltliche Krankenpflege, d. h. freie ärztliche Behandlung durch einen zur Kassenpraxis zugelassenen Arzt sowie die notwendigen Arzneien und kleineren Heilmittel. Soweit in der Kassensatzung vorgesehen, werden auch größere Heilmittel, Zahnersatz, Zahnkronen, Stiftzähne, Hilfs- und Stärkungsmittel ganz oder Zuschüsse dazu gewährt. Die ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arzneien und kleineren Heilmitteln ist, solange die Mitgliedschaft besteht, zeitlich unbegrenzt. Anders ist die Rechtslage beim Krankengeld. Dieses wird gewährt, wenn die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht, und zwar vom vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit ab, als Mindestleistung in Höhe des halben Grundlohnes, aber zeitlich begrenzt auf die Dauer von 26 Wochen. Arbeitsunfähigkeit im versicherungsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn der Versicherte überhaupt nicht oder nur mit der Gefahr einer Verschlimmerung seines Zustandes in der Lage ist, seine bisherige Arbeit weiter fortzuführen oder wieder aufzunehmen.
Gegenstand der Versicherung
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Der Anspruch auf Krankengeld ruht, wenn und soweit der Versicherte während der Krankheit Arbeitsentgelt erhält. Desgleichen ruht der Krankengeldanspruch, solange die Arbeitsunfähigkeit der Kasse nicht gemeldet wird; dies gilt jedoch nicht, sofern die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit bei der Kasse erfolgt. Diese Meldepflicht obliegt dem Versicherten selbst, nicht dem Arzte. An Stelle von Krankenpflege und Krankengeld kann die Kasse auf die Dauer von 26 Wochen auch Krankenhauspflege gewähren. Auf diese Leistung hat der Versicherte aber kein einklagbares Recht. H a t die Kasse aber die Genehmigung zur Krankenhauspflege erteilt, so muß sie die Kosten f ü r die notwendige Dauer der Anstaltsbehandlung (im Höchstfalle bis zu 26 Wochen) tragen. Wird Krankenhauspflege einem Versicherten gewährt, der bisher Angehörige ganz oder überwiegend unterhalten hat, so ist daneben ein Hausgeld f ü r die Angehörigen zu zahlen, u n d zwar beträgt dieses beim Vorhandensein eines Familienangehörigen ein Drittel des Grundlohnes. Für jeden weiteren Angehörigen wird es durch Zuschläge erhöht. Diese betragen: Für den zweiten Angehörigen sechszweidrittel vom H u n d e r t des Grundlohnes, f ü r jeden weiteren Angehörigen je fünf vom H u n d e r t des Grundlohnes, dodi darf das Hausgeld insgesamt den Betrag des Krankengeldes nicht übersteigen. b) F ü r
die F a m i l i e n a n g e h ö r i g e n
des
Versicherten
An Familienkrankenpflege erhält der Versicherte f ü r den unterhaltsberechtigten Ehegatten und die unterhaltsberechtigten Kinder ohne vorgängige Wartezeit freie ärztliche Behandlung, und zwar f ü r die Dauer seiner Mitgliedschaft zeitlich unbegrenzt. Von den Kosten f ü r Arzneien u n d kleinere Heilmittel wird als Regelleistung die H ä l f t e ersetzt. Die Satzung kann indessen bestimmen, daß bis zu 80 % der Kosten f ü r Arzneien und kleinere Heilmittel erstattet werden. Audi kann die Satzung der einzelnen Kasse Krankenhauspflege oder an ihrer Stelle einen Zuschuß hierfür zubilligen. Ebenso kann sie zu den Kosten f ü r Zahnersatz, Zahnkronen und Stiftzähne Zuschüsse gewähren oder die gesamten Kosten übernehmen. Gewährung von Krankengeld kommt in der Familienhilfe nicht in Frage. 2. Wochenhilfe a) A u f G r u n d e i g e n e r V e r s i c h e r u n g d e r
Wöchnerin
Anspruch auf Wochenhilfe haben weibliche Versidierte, die in den letzten zwei Jahren vor der Niederkunft mindestens 10 Monate hindurch und davon im letzten Jahre vor der Niederkunft mindestens 6 Monate gesetzlich versichert waren. Eine Entbindung im Sinne des Gesetzes liegt entsprechend der jetzt herrschenden medizinischen Auffassung vor, wenn ein Kind entweder lebend geboren wird, d. h. wenn die natürliche Lungenatmung eingesetzt hat (Lebendgeburt), oder wenn eine Totgeburt eine Körperlänge von wenigstens 35 cm hat. Totgeborene Früchte, die weniger als 35 cm lang sind, sind Fehlgeburten. Als Wochenhilfe wird gewährt: 1. 2. 3. 4.
Freie Hebammenhilfe, Arznei und kleinere Heilmittel sowie, falls es erforderlich wird, freie ärztliche Behandlung, ein einmaliger Entbindungskostenbeitrag von 10 DM, Wochengeld in Höhe des Krankengeldes, jedoch mindestens 50 Dpf täglich, für mindestens vier Wochen vor und sedis zusammenhängende Wochen nach der Niederkunft,
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Krankenversicherung 5. solange die Wöchnerin stillt, ein Stillgeld in Höhe des halben Krankengeldes, jedoch mindestens 50 Dpf täglich. Das Stillgeld ist bis zum Ablauf der 26. Woche nach der Niederkunft zu zahlen, vom Beginn der 13. Woche ab jedodi nur in Höhe des Mindestbetrages von 50 Dpf, sofern nicht die Satzung ein höheres Stillgeld auch über die 12. Woche hinaus vorsieht.
Die Dauer des Wochengeldbezuges vor der Entbindung wird auf zwei weitere Wochen erstredet, wenn die Schwangere während dieser Zeit keine Beschäftigung gegen Entgelt ausübt und vom Arzt festgestellt wird, daß die Entbindung voraussichtlich innerhalb sechs Wochen stattfinden wird. Irrt sich der Arzt bei der Berechnung des Zeitpunktes der Entbindung, so hat die Schwangere gleichwohl Anspruch auf das Wochengeld von dem in dem ärztlichen Zeugnis angenommenen Zeitpunkt bis zur Entbindung. b) A u f G r u n d
der V e r s i c h e r u n g eines der W ö c h n e r i n
Familienangehörigen
NichtVersicherte oder nicht genügend lange versicherte Ehefrauen sowie solche Tochter, Stief- und Pflegetöchter der Versicherten, welche mit diesen in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten Familienwochenhilfe, wenn die Versicherten in den letzten zwei Jahren vor der Niederkunft mindestens zehn Monate hindurch und davon im letzten Jahre vor der Niederkunft mindestens sechs Monate hindurch gesetzlich versichert gewesen sind. Als Familienwochenhilfe wird gewährt: 1. 2. 3. 4.
Freie Hebammenhilfe, Arznei und kleinere Heilmittel, sowie, falls es erforderlich wird, freie ärztliche Behandlung, ein einmaliger Entbindungskostenbeitrag von 10 DM, ein Wochengeld von täglich mindestens 50 Dpf für vier Wochen vor und sechs Wochen nach der Niederkunft, 5. ein Stillgeld von täglich mindestens 50 Dpf bis zum Ablauf der 26. Woche nach der Niederkunft, wenn die Wöchnerin so lange stillt.
3. Sterbegeld a) B e i m T o d e d e s V e r s i c h e r t e n
selbst
Beim Tode eines Versicherten wird ein Sterbegeld gezahlt, und zwar als Mindestleistung das Zwanzigfache des Grundlohnes. Es kann auf Grund einer Satzungsbestimmung bis zum Vierzigfachen des Grundlohnes erhöht werden. Von diesem Sterbegeld werden zunächst die Bestattungskosten bestritten und an den gezahlt, der die Bestattung besorgt hat. Für einen etwaigen Überschuß sind nacheinander der Ehegatte, die Kinder, der Vater, die Mutter, die Geschwister bezugsberechtigt, wenn sie mit dem Verstorbenen zur Zeit seines Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben. Beim Fehlen solcher Berechtigter verbleibt der Überschuß der Kasse. Stirbt ein als Mitglied der Kasse Erkrankter binnen einem Jahre nach Ablauf der Krankenhilfe an derselben Krankheit, so wird das Sterbegeld gezahlt, wenn er bis zum Tode arbeitsunfähig gewesen ist. b) B e i m T o d e e i n e s F a m i l i e n a n g e h ö r i g e n
des
Versicherten
Die Satzung der einzelnen Kasse kann dem Versicherten beim Tode des Ehegatten oder eines Kindes und sonstiger Angehöriger, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebten und überwiegend unterhalten worden sind, ein Familiensterbegeld zubilligen. Hierbei handelt es sich um keine Pflicht-, sondern um eine Mehrleistung der Kranken-
Gegenstand der Versicherung
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Versicherung. Familiensterbegeld kann also nur gegeben werden, wenn die einzelne Kasse eine derartige Bestimmung in ihre Satzung aufnimmt. Seine Höhe kann für den Ehegatten bis auf zwei Drittel, für sonstige Angehörige bis auf die Hälfte des Sterbegeldes des Mitglieds bemessen werden. War der verstorbene Angehörige selbst Pflichtmitglied, so ist das Familiensterbegeld um den Betrag des Sterbegeldes zu kürzen, auf das der Verstorbene selbst versichert war. War er aber nur freiwilliges Mitglied, so findet eine Kürzung des Familiensterbegeldes nicht statt.
D. Aufbringung der Mittel Die Mittel für die Krankenversicherung werden durch die Beiträge der Arbeitgeber und der Versicherten aufgebracht. Zuschüsse vom Bund oder den Ländern erhalten die Krankenkassen nicht. Die Beiträge für Versicherungspflichtige werden je zur Hälfte von diesen und ihren Arbeitgebern getragen. Versicherungsberechtigte entrichten die Beiträge in voller Höhe allein.
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Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten
Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten Von Ministerialrat Dr. I m h o f - M i i n c h e n
A. Versicherungsträger 1. Träger der Invalidenversicherung als Rentenversicherung der Arbeiter sind die Versicherungsanstalten, die nach Bestimmungen der Landesregierungen für das Gebiet des Landes, für Gemeindeverbände und andere Gebietsteile errichtet werden (Landesversicherungsanstalten). D a z u kommen als Sonderanstalten die Reichsbahn-Versicherungsanstalt und die Seekasse, welche die Invalidenversicherung f ü r die bei ihnen Versicherten nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung durchführen. Die Landesversicherungsanstalten sind aber nicht nur Träger der Invalidenversicherung, sondern audi Träger der Krankenversicherung, soweit Gemeinschaftsaufgaben im Bereich der Kranken- und Invalidenversicherung in Frage stehen wie Betrieb von Heilanstalten, Erholungs- und Genesungsheimen, Durchführung der vorbeugenden Gesundheitsfürsorge sowie Beteiligung an den Aufgaben der Gesundheitspolitik, Regelung des vertrauensärztlichen Dienstes, gemeinsame Verwaltung der Rücklagen der Krankenkassen, Verwaltung der Gemeinlast für den Bezirk der Landesversicherungsanstalt und Prüfung der Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung der Krankenkassen und Kassenverbände. 2. Träger der Angestelltenversicherung als Rentenversicherung der Angestellten war bis zum Jahre 1945 die Reicbsversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin. Seitdem besorgten die Aufgaben der Angestellten Versicherung treuhänderisch die Landesversicherungsanstalten. Durch Gesetz vom 7. August 1953 über die Errichtung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat die Angestelltenversicherung wieder ihren eigenen zentralen Versicherungsträger erhalten, und zwar die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mit dem Sitz in Berlin-Wilmersdorf, Ruhrstraße 2.
B. Umfang der Versicherung 1. Versicherungspflicht Der Invalidenversicherungspflicht unterliegen 1. In der amerikanischen und französischen Zone: a) Arbeiter, Gesellen, H a u s g e h i l f e n ; b) Hausgewerbetreibende; c) die Schiffsbesatzungen deutscher S e e f a h r z e u g e und die Besatzungen von Fahrzeugen der Binnenschiffahrt, jedoch mit Ausnahme der der Angestelltenversidierungspflicht unterliegenden und der versicherungsfreien Personen;
U m f a n g der Versicherung
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d) Gehilfen und Lehrlinge, soweit sie nicht angestelltenversicherungspflichtig oder versicherungsfrei sind; e) seit dem 1.1.1940 selbständige Küstenschifier und Küstenfischer, wenn sie zur Besatzung ihres Fahrzeuges gehören und bei dem Betriebe regelmäßig keine oder höchstens zwei Versicherungspflichtige gegen Entgelt beschäftigen; 2. in der britischen
Zone:
a) Arbeiter, die auf Grund der Versicherunspflicht krankenversichert sind, b) Hausgewerbetreibende, die krankenversicherungspflichtig oder nur wegen der Höhe ihres Jahresarbeitsverdienstes krankenversicherungsfrei sind, c) Küstenschiffer und Küstenfischer als Unternehmer gewerblicher Betriebe der Seeschiffahrt, wenn sie zur Besatzung ihres Fahrzeuges gehören oder ohne Fahrzeug fischen und bei dem Betriebe regelmäßig keine oder höchstens zwei Versicherungspflichtige gegen Entgelt beschäftigen. D e r Angestelltenversicherung 1. in der amerikanischen
und
unterliegen französischen
Zone:
a) Angestellte in leitender Stellung, b) Betriebsbeamte, Werkmeister und andere Angestellte in einer ähnlich gehobenen oder höheren Stellung, c) Büroangestellte, soweit sie nicht ausschließlich mit Botengängen, Reinigung, Aufräumung und ähnlichen Arbeiten beschäftigt werden, einschließlich der Bürolehrlinge und Werkstattschreiber, d) Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge, andere Angestellte f ü r kaufmännische Dienste, audi wenn der Gegenstand des Unternehmens kein Handelsgewerbe ist, Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken, e) Bühnenmitglieder und Musiker ohne Rücksicht auf den Kunstwert ihrer Leistungen, f) Angestellte in Berufen der Erziehung, des Unterrichts, der Fürsorge, der Kranken- und Wohlfahrtspflege, g) aus der Schiffsbesatzung deutscher Seefahrzeuge und aus der Besatzung von Fahrzeugen der Binnenschiffahrt Schiffsführer, Offiziere des Decks- und Maschinendienstes, Verwalter und Verwaltungsassistenten sowie die in einer ähnlich gehobenen oder höheren Stellung befindlichen Angestellten ohne Rücksicht auf ihre Vorbildung; 2. in der britischen
Zone:
a) Angestellte, b) selbständige Lehrer, Erzieher und Musiker, die in ihrem Betriebe keine Angestellten beschäftigen, c) Artisten, d) Hebammen mit Niederlassungserlaubnis, e) die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- und Kinderpflege selbständig tätigen Personen, die in ihrem Betriebe keine Angestellten beschäftigen. Voraussetzung
der Versidierungspflicht ist für diese Personen, daß
a) sie krankenversicherungspflichtig (seit dem 1. September 1952 bis z u m Jahreseink o m m e n v o n 6 0 0 0 D M ) oder nur w e g e n der H ö h e ihres Jahresarbeitsverdienstes krankenversicherungsfrei sind, b) ihr
regelmäßiger
Jahresarbeitsverdienst
die
Versicherungspflichtgrenze
von
9 0 0 0 D M nicht übersteigt. Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gewährt werden, w i e Frauen- und Kinderzuschläge werden hierbei nicht mitgerechnet.
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Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten
2. Versicherungsberechtigung Zum freiwilligen Beitritt sowohl in der Invaliden- wie auch in der Angestelltenversicherung ist berechtigt, wer a) die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, b) das vierzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, c) nicht auf Grund seiner Tätigkeit der Invaliden- bzw. Angestelltenversicherungspflicht unterliegt und d) beim Eintritt nicht bereits invalide bzw. berufsunfähig ist.
3. Freiwillige Versicherung Wer aus einer invaliden- bzw. angestelltenversidierungspfliditigen Beschäftigung ausscheidet und mindestens 26 Wochenbeiträge bzw. 6 Monatsbeiträge auf Grund der Versicherungspflicht nachweist, kann die Versicherung freiwillig fortsetzen oder später erneuern.
C. Gegenstand der Versicherung Gegenstand der Invaliden- wie Angestelltenversicherung sind: 1. Renten, 2. Beitragserstattung, 3. Heilverfahren. Bei den Renten und Beitragserstattungen handelt es sich um Pflichtleistungen, auf die dem Versicherten und seinen Angehörigen ein klagbarer Rechtsanspruch zusteht; hingegen stellt das Heilverfahren eine bloße „Kannleistung" dar, auf die der Versicherte keinen gesetzlichen Anspruch hat. 1. Renten a) A r t e n d e r
Renten
Die Renten aus der Invaliden- und Angestelltenversicherung, die nur auf Antrag gewährt werden, sind: a) Invalidenrenten für Arbeiter, b) Ruhegeld für Angestellte, c) Hinterbliebenenrenten für Arbeiter und Angestellte.
Invalidenrente erhält der versicherte Arbeiter, der dauernd invalide ist oder vorübergehend invalide ist, wenn die Invalidität ununterbrochen 26 Wochen gedauert hat oder nach Wegfall des Krankengeldes noch besteht, oder das 65. Lebensjahr vollendet hat. Weitere grundsätzliche Voraussetzung ist, daß die Wartezeit erfüllt und die Anwartschaft erhalten ist. Als invalide gilt der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte nicht imstande ist, durch eine Tätigkeit, die seinen Kräften und Fähigkeiten entspricht und ihm unter billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufs zugemutet werden kann, die Hälfte dessen zu erwerben, was körperlich und geistig gesunde Personen derselben Art mit ähnlicher Ausbildung in derselben Gegend durch Arbeit zu verdienen pflegen.
Gegenstand der Versicherung
Ruhegeld aus der Angestelltenversidierung erhält der versicherte Angestellte, der zur Ausübung seines Berufs dauernd unfähig (berufsunfähig) ist oder vorübergehend berufsunfähig ist, wenn die Berufsunfähigkeit ununterbrochen 26 Wochen gedauert hat, oder das 65. Lebensjahr vollendet hat. Weiter sind die Erfüllung der Wartezeit und die Erhaltung der Anwartschaft grundsätzlich notwendig zum Anspruch. Als berufsunfäbig gilt der Versicherte, dessen Arbeitsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Hinterbliebenenrenten sowohl in der Invaliden- wie Angestelltenversidierung sind: a) Witwenrenten ·— b) Witwerrenten — c) Waisenrenten. Anspruch auf diese Renten besteht grundsätzlich nur, wenn für den Verstorbenen zur Zeit seines Todes die Wartezeit erfüllt und die Anwartschaft erhalten ist. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so erhalten in beiden Versicherungszweigen a) die Witwe nadi dem Tode des versicherten Ehemanns die Witwenrente, b) der erwerbsunfähige, bedürftige Ehemann nadi dem Tode seiner versicherten Ehefrau, sofern die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat, die Witwerrente, c) die Kinder nach dem Tode des Versicherten bis zum vollendeten 18. Lebensjahr die Waisenrente.
Keinen Anspruch auf Rente bzw. Ruhegeld hat, wer sich vorsätzlich invalide bzw. berufsunfähig macht; desgleichen haben Hinterbliebene keinen Rentenanspruch, wenn sie den Tod des Versicherten vorsätzlich herbeigeführt haben. b) W a r t e z e i t Zum Rentenanspruch muß die Wartezeit erfüllt sein. Darunter versteht man einen Zeitraum von Beitragswochen bzw. Beitragsmonaten, die ein Versicherter der Invalidenbzw. Angestelltenversicherung zurückgelegt haben muß, um eine Leistung aus der Rentenversicherung beanspruchen zu können. Sie wird erfüllt durdi die Entrichtung von Pflicht- wie audi von freiwilligen Beiträgen sowie durch den Nachweis von Ersatzzeiten. Die Wartezeit ist erfüllt, wenn mindestens zurückgelegt sind: 1. beim Anspruch auf Invalidenrente oder auf Hinterbliebenenrenten bzw. auf Ruhegeld 60 Beitragsmonate, 2. beim Anspruch auf Rente bzw. auf Ruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (Altersrente bzw. Altersruhegeld) 180 Beitragsmonate.
Kalendermonate, die nur teilweise mit Beitragszeiten belegt sind, gelten als volle Beitragsmonate. Sind an Stelle von Beitragsmonaten Beitragswochen zurückgelegt, so gelten je 13 Beitragswodien als 3 Beitragsmonate; von dem verbleibenden Rest gelten je 4 Beitragswodien als ein Beitragsmonat. Für die Erfüllung der Wartezeit gelten als Beitragsmonate auch die sogenannten Ersatzzeiten, und zwar, wenn die Versicherung vorher bestanden hat. 1. sämtliche Ersatzzeiten, für die Steigerungsbeträge gewährt werden, 2. Zeiten, in denen der Versicherte während eines Krieges, ohne Kriegsteilnehmer zu sein, durch feindliche Maßnahmen an der Rückkehr aus dem Ausland verhindert gewesen ist.
Die Wartezeit gilt als erfüllt, wenn der Versicherte infolge eines Arbeitsunfalles oder in Mobilmachungs- oder Kriegszeiten während der Ableistung von Kriegs-, Sanitäts-
12
Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten
oder ähnlichen Diensten f ü r das Deutsche Reich oder infolge Feindeinwirkung invalide bzw. berufsunfähig geworden oder gestorben ist. c) A n w a r t s c h a f t Neben der Erfüllung der Wartezeit verlangt der Rechtsanspruch auf Rente des weiteren, daß die Anwartschaft erhalten ist. Zur Erhaltung der Anwartschaft müssen in der Invalidenversicherung f ü r jedes Kalenderjahr mindestens 26 Wochenbeiträge, in der Angestelltenversicherung mindestens 6 Monatsbeiträge entrichtet werden. Ohne daß Beiträge entrichtet zu werden brauchen, sind f ü r die Erhaltung der Anwartschaft als sogenannte Ersatzzeiten anzurechnen a) die Ersatzzeiten für die Wartezeit, ferner die Zeiten, in denen der Versicherte b) an einem vom Reichsversicherungsamt anerkannten Lehrgang für berufliche Fortbildung teilgenommen hat, c) durch Krankheit, Schwangerschaft, Wochenbett oder während der Genesung zeitweise arbeitsunfähig und nachweislich verhindert gewesen ist, seine Berufstätigkeit auszuüben, d) als Arbeitsloser Arbeitslosenunterstützung (Krisenunterstützung) oder Unterstützung aus der öffentlichen Fürsorge oder Familienunterhalt erhalten hat, c) berufsunfähig oder invalide war oder Rente aus der Invalidenversicherung, der Angestelltenversicherung, der knappschaftlichen Versicherung, der Unfallversicherung oder der Kriegsbeschädigtenversorgung erhalten hat.
Die Anwartschaft gilt als erhalten, wenn beim Versicherungsfall der Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit, des Todes oder bei Vollendung des 65. Lebensjahres die Zeit seit dem ersten Eintritt in die Versicherung mit Beiträgen zur Hälfte belegt ist (sogenannte Halbdeckung). Aus Beiträgen, die bis zum 31. Dezember 1948 entrichtet sind, ist die Anwartschaft bis zu diesem Tage erhalten, sofern nicht der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1949 eingetreten ist. d) H ö h e d e r
Renten
Die Invalidenrente und ebenso das Ruhegeld bestehen aus dem Grundbetrag, dem Steigerungsbetrag, dem Kinderzuschuß, dem Zuschlag nach dem SozialversicherungsAnpassungsgesetz und der Zulage nach dem Rentenzulagengesetz. Die Invalidenrente und das Ruhegeld betragen mindestens 50 D M pro Monat und erhöhen sich f ü r jedes Kind des Versicherten bis zum vollendeten 18. Lebensjahr um den Kinderzuschuß. Die Witwen- und Witwerrente beträgt mindestens 40 D M monatlich. Die Waisenrente beträgt mindestens 30 D M monatlich. Im Falle ihrer Wiederverheiratung erhält die rentenberechtigte Witwe das Dreifache der jährlichen Witwenrente als Abfindung. 2. Beitragserstattungen Heiratet eine Versicherte — und zwar gilt diese Gesetzesbestimmung für die Invalidenwie Angestelltenversicherung — so wird ihr auf Antrag, der binnen drei Jahren nach der Eheschließung zu stellen ist, die Hälfte der Beiträge erstattet, die f ü r die Zeit vom 1. Januar 1924 bis zum Ende der Woche (Monat) entrichtet sind, in der (dem) der Antrag gestellt ist.
A u f b r i n g u n g der Mittel
13
In der Angestelltenversicherung wird auch, wenn eine Versicherte nach Ablauf der Wartezeit f ü r das Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit vor Eintritt in den Genuß des Ruhegeldes stirbt und kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente besteht, auf Antrag die Hälfte der f ü r die Zeit vom 1. Januar 1924 bis zum Tode der Versicherten entrichteten Beiträge erstattet. Der Anspruch verfällt, wenn er nicht innerhalb eines Jahres nadi dem Tode der Versicherten geltend gemacht wird. Diese Regelung ist in den westlichen Zonen bis auf weiteres noch ausgesetzt. 3. Heilverfahren Außer der Gewährung von Renten kennt die Invaliden- und Angestelltenversicherung, allerdings nur als Kannleistung, auch die Durchführung von Heilverfahren. Die Träger der Invaliden- und Angestelltenversicherung können ein Heilverfahren einleiten, wenn zu erwarten ist, daß es die infolge einer Erkrankung drohende Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit eines Versicherten oder einer Witwe abwendet oder daß es den zum Bezüge einer Invalidenrente bzw. eines Ruhegeldes, einer Witwen- oder Witwerrente Berechtigten wieder erwerbsfähig bzw. berufsfähig macht. Der Erkrankte kann durch die Invaliden- bzw. Angestelltenversicherung in ein Krankenhaus oder in eine Anstalt f ü r Genesende untergebracht werden. Die Zahlung der Invalidenrente bzw. des Ruhegeldes, der Witwen- oder Witwerrente kann für die Dauer des Heilverfahrens ganz oder teilweise eingestellt werden. Für die Angehörigen des Erkrankten, die er überwiegend unterhalten hat, ist während des Heilverfahrens ein Hausgeld zu zahlen, soweit und solange nicht Gehalt oder Lohn auf Grund eines Rechtsanspruchs an den Erkrankten zur Auszahlung gelangt.
D . Aufbringung der Mittel Die Mittel f ü r die Ausgaben der Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten werden durch Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber sowie durch Zuschüsse des Bundes aufgebracht. Der Beitrag f ü r die versicherungspflichtigen Arbeiter und Angestellten ist seit 1. Juni 1949 auf 10 vom Hundert des Entgelts festgesetzt. Von den Beiträgen f ü r Versicherungspflichtige haben Arbeitgeber und Versicherte je die Hälfte zu tragen; die freiwilligen Mitglieder entrichten ihre Beiträge in der ihrem jeweiligen Einkommen entsprechenden Lohn- bzw. Gehaltsklasse, in der Invalidenversicherung mindestens aber in der Lohnklasse II, in der Angestelltenversicherung mindestens in der Gehaltsklasse B.
14
Private Unfallversicherung
Private Unfallversicherung (Eingehende Darstellung siehe. A. Haehner und H. Liniger, Was muß der Arzt von der privaten Unfallversicherung wissen? Leipzig, Johann Ambrosius Barth und Band I (Abschnitt Koestlin) der 2. Auflage des Handbuches der gesamten Unfallheilkunde von Prof. Bürkle
de la Camp
und Prof. Rostock,
Verlag Enke, Stuttgart.)
Die private Unfallversicherung ist freiwillig. Das Antragsformular zur Aufnahme in eine Privatversicherung enthält bestimmte Fragen nach Gebrechen und Gesundheitsstörungen, auf Grund deren Beantwortung die Versicherung abgelehnt oder erschwert (Klauseln wie Aussdiluß von Körperteilen, erhöhte Prämien usw.) werden kann. Die Versicherung unterscheidet sechs verschiedene Gefahrenklassen je nach dem Beruf des Antragstellers.
Die PrivatunfaXlversicherung
versichert gegen Arbeitsunfähigkeit,
Invalidität
und
Tod. Während in der sozialen Unfallversicherung die Rente bei zurückbleibenden Körperschädigungen das Normale ist, findet bei der privaten Unfallversicherung eine Kapitalabfindung statt. In der PrivatunfallVersicherung sind die eingegangenen Versicherungsbedingungen die Grundlage jeder Entschädigung. Für Streitigkeiten, ob ein Unfall vorliegt oder nicht, ist das Gericht zuständig. Der Unfallbegriff wird in der privaten Versicherung folgendermaßen definiert: Es liegt ein Unfall vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitssdiädigung erleidet. Ausdrücklich von der Entschädigungspflicbt sind ausgeschlossen·. Gewerbekrankheiten, eine Reihe von Infektionskrankheiten, Erkrankungen infolge psychischer Einwirkung, Gesundheitsschädigungen durch Licht, Temperatur und Witterungseinflüsse, weiterhin Unterleibsbrüche, Wasserbrüche, Krampfadern, Unterschenkelgeschwüre, Darmverschlingungen, Blinddarmentzündung. Folgende einschränkende Bestimmungen sind von großer Bedeutung: Wenn bei der Entstehung einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit, der Invalidität oder des Todes neben dem Unfall Krankheiten oder Gebrechen mitgewirkt haben, so wird die Versicherungsleistung im Verhältnis des auf diese Mitwirkung entfallenden Anteils gekürzt. E r bleibt jedoch unberücksichtigt, wenn er weniger als 25 °/o beträgt. Für Blutungen aus inneren Organen wird nur dann eine Leistung gewährt, wenn diese Schäden ausschließlich durch einen Versicherungsfall ohne Mitwirkung einer inneren Erkrankung verursacht sind. Für psychische und nervöse Störungen, durch welche im Anschluß an einen Unfall die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt ist, wird eine Entschädigung nur gewährt, wenn und soweit diese Störungen auf eine durch den Unfall verursachte organische Erkrankung des Nervensystems oder auf eine im Anschluß an den Unfall neu entstandene Epilepsie zurückzuführen sind. Durch diesen Passus kennt die Privatversicherung die sogenannte Unfallneurose nicht.
Private Unfallversicherung
15
Für den Versicherten selbst sind folgende Bestimmungen von Wichtigkeit, natürlich muß sie auch jeder Arzt kennen. Jeder Unfall muß unverzüglich der Gesellschaft angezeigt werden, hat er den Tod zur Folge gehabt, hat dies innerhalb von 24 Stunden telegraphisch zu geschehen. Die Gesellschaft hat dann das Recht, durch einen von ihr beauftragten Arzt die Leiche besichtigen und sezieren zu lassen. Die Versicherung verpflichtet den Verletzten, spätestens am 4. Tage nach dem Unfall einen Arzt zu konsultieren. Eine ärztliche Behandlung muß bis zum Absdiluß des Heilverfahrens durchgeführt werden. Alle Anfragen der Gesellschaft sind zu beantworten, auch hat der Verletzte dafür Sorge zu tragen, daß der behandelnde Arzt die von ihm angeforderten Berichte abliefert. Die behandelnden Ärzte, auch diejenigen, von denen der Verletzte aus anderen Anlässen behandelt und untersucht worden ist, müssen ermächtigt werden, der Gesellschaft auf Verlangen Auskunft zu erteilen. Weiterhin ist der Verletzte verpflichtet, soweit es sein Zustand erlaubt, sich einem von der Gesellschaft bezeichneten Arzt zur Untersuchung zu stellen. Den von diesen Ärzten nach gewissenhaftem Ermessen zur Förderung der Heilung getroffenen sachdienlichen Anordnungen ist Folge zu leisten. Dies gilt ganz besonders auch für den Fall, daß die Behandlung oder Untersuchung in einer Heilanstalt angeordnet wird, wobei dem Versicherten nichts Unbilliges zugemutet werden darf. Bezieht der Verletzte eine vorläufige Rente, so muß er sich auf Verlangen der Gesellschaft alle sechs Monate einer ärztlichen Untersuchung und Begutachtung unterwerfen. Die Grundsätze für die prozentuale Abschätzung der Körperschäden weisen gegenüber den in der staatlichen Unfallversicherung üblichen Sätzen Verschiedenheiten auf. Besonders wichtig ist, daß bei der Privatversicherung auch Schäden bis zu 1 °/o berücksichtigt werden. Die hierfür maßgebenden Versicherungsbedingungen lauten: I. Im Falle vorübergehender Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sind für die Bemessung des Grades der Beeinträchtigung die Berufstätigkeit und Beschäftigung des Versicherten maßgebend. II. Im Falle dauernder Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sind für die Bemessung des Invaliditätsgrades die nachfolgenden Bestimmungen maßgebend: A. 1. Als feste Invaliditätsgrade werden unter Ausschluß des Nachweises eines höheren oder geringeren Grades angenommen (Gliedertaxe): a) bei vollständigem Verlust oder vollständiger Gebrauchsunfähigkeit: eines Armes oder einer Hand 60 % eines Beines oder eines Fußes 50°/o eines Daumens 20% eines Zeigefingers 10°/o eines anderen Fingers 5% einer großen Zehe 5% einer anderen Zehe 2 °/o b) bei gänzlichem Verlust der Sehkraft beider Augen 100 % bei gänzlichem Verlust der Sehkraft eines Auges 30°/o sofern jedoch die Sehkraft des anderen Auges vor Eintritt des Versicherungsfalles bereits verloren war 50% bei gänzlichem Verlust des Gehörs auf beiden Ohren 60%
16
Private Unfallversicherung
bei gänzlichem Verlust des Gehörs auf einem Ohr 15% sofern jedoch das Gehör auf dem anderen Ohr vor Eintritt des Versicherungsfalles bereits verloren war 30°/o 2. Bei teilweisem Verlust oder teilweiser Gebraudisunfähigkeit der vorgenannten Körperteile oder Sinnesorgane werden die vorstehenden Sätze entsprechend herabgesetzt. 3. Bei Verlust oder Gebraudisunfähigkeit von mehreren der vorgenannten Körperteile oder Sinnesorgane werden die sich nach Ziffer 1 und 2 ergebenden Prozentsätze zusammengeredinet, jedoch nie mehr als 100 °/o angenommen. B. Läßt sidi der Invaliditätsgrad nach Vorstehendem nicht bestimmen, so wird bei Bemessung desselben in Betracht gezogen, inwieweit der Versicherte imstande ist, Erwerb durch eine Tätigkeit zu erzielen, die seinen Kräften und Fähigkeiten entspricht und ihm unter billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufes zugemutet werden kann. Bestehen zwischen dem Verletzten und der Gesellschaft sowie deren Ärzten Meinungsverschiedenheiten über Art und Umfang der Unfallfolgen oder darüber, ob ein Körperschaden auf den Unfall zurückzuführen ist, so entscheidet eine sogenannte Ärztekommission, in allen anderen Streitfällen die ordentlichen Gerichte. Ist ein Verletzter mit einer Erklärung der Versicherungsgesellschaft nicht einverstanden, so kann er binnen zwei Monaten Widerspruch erheben und binnen einem Monat nach Erhebung des Widerspruchs eine Kommissionsentscheidung beantragen. Auch die Gesellschaft hat das Recht, Kommissionsentscheidungen zu verlangen. Die Ärztekommission setzt sich aus je einem Vertrauensarzt des Verletzten und der Gesellschaft und einem Obmann zusammen. Letzterer ist der für den Wohnort des Verletzten zuständige Kreis-, Amts- oder Bezirksarzt oder auf Verlangen einer Partei der leitende Arzt einer öffentlichen Heilanstalt oder ein deutscher Hochschullehrer. Handelt es sich um psychische oder nervöse Störungen, so soll ein hervorragender Nervenarzt oder Psychiater Obmann sein. Die Benennung des Obmanns ist Sache der Gesellschaft, gegen die Personenwahl kann der Verletzte Einspruch erheben. In diesem Falle wird der Obmann von der Ärztekammer bestimmt. Dem Obmann der Ärztekommission werden die Akten übersandt. Er bestimmt Ort und Zeit der Verhandlung, in welcher der Verletzte tunlichst gehört und untersucht werden soll. Uber die Untersuchung und Verhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen. Dabei sind die von der Gesellschaft gestellten Fragen entweder einstimmig oder mit Stimmenmehrheit zu beantworten. Die Kosten der Ärztekommission trägt der Versicherungsnehmer, wenn die Entscheidung der Kommission für den Versicherten ungünstiger ist, als das vor ihrem Zusammentritt erfolgte Angebot der Gesellschaft.
Unfallversicherung
17
Unfallversicherung Von Direktor
Wegmann-München
Die gesetzliche Unfallversicherung hat sich aus der Haftpflichtversicherung der Betriebe entwickelt. Die geltenden Bestimmungen sind im 3 . B u d i der Reichsversicherungsordnung ( R V O ) zusammengefaßt. Die Träger der Unfallversicherung sind die Berufsgenossenschaften, der Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeunfallversicherungsverbände. Sie sind öffentlich-rechtliche Pflichtgenossenschaften der Unternehmer. Die gesetzliche Unfallversicherung umfaßt die allgemeine, die landwirtschaftliche und die See-Unfallversicherung. Die genaue Gliederung siehe S. 19—24. Die gesamten A u f wendungen der Berufsgenossenschaften werden ausschließlich von den Unternehmern aufgebracht. Beiträge von versicherten Arbeitnehmern werden zu diesem Zweige der Sozialversicherung nicht erhoben. Aufsichtsbehörde über die Sozialversicherungsträger, die sich über den Bereich eines Landes hinaus erstrecken, ist das Bundesversicherungsamt. Für die Aufsicht über Sozialversicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich nicht über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt, sind die von den Ländern bestimmten Behörden zuständig. D a s mit dem 1. J a n u a r 1942 in K r a f t getretene „Sechste Gesetz über Änderungen in der Sozialversicherung" v o m 9. M ä r z 1942 läßt die bisherige Betriebsversicherung fallen und dehnt den Versicherungsschutz — mit Ausnahme einer im Gesetz besonders aufgeführten Personen — auf alle Arbeitnehmer aus. Daher sind gegen Arbeitsunfall alle auf G r u n d eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigten versichert. Daneben sind weitere Personengruppen, die im einzelnen in § 537 der Reichsversicherungsordnung genannt sind, versichert, so ζ. B. die im Gesundheits- und Veterinärwesen sowie in der Wohlfahrtspflege Tätigen, Angehörige des Roten Kreuzes, der Feuerwehren, Lebensretter, Hausgewerbetreibende, Heimarbeiter usw. Versicherungsfrei sind nur Beamte, also audi beamtete Ärzte, insoweit ihnen U n f a l l fürsorge nach anderen Vorschriften gewährleistet wird, ferner Ärzte, Zahnärzte, Dentisten, Apotheker und Heilpraktiker bei ihrer freiberuflichen Tätigkeit. Durch die Satzungen der Berufsgenossenschaften kann die Versicherungspflicht auch auf Unternehmer und ihre Ehegatten mit Ausnahme der Haushaltungsvorstände ausgedehnt werden. Für den Fall, daß eine Berufsgenossenschaft von diesem Recht keinen Gebrauch macht, können die Unternehmer mit Ausnahme der Haushaltungsvorstände sowie die Lotsen sich freiwillig gegen die Folgen von Arbeitsunfällen versichern. D a s gleiche gilt f ü r die im Unternehmen tätigen Ehegatten. Die Unfallversicherung schützt den Versicherten gegen die Folgen von Arbeitsunfällen und bestimmten Berufskrankheiten. Ein Arbeitsunfall ist ein körperlich schädigendes, zeitlich begrenztes Ereignis, das mit der versicherten Tätigkeit in ursächlichem Zusam2
Rostock
18
Unfallversicherung
menhang steht. Verbotswidriges Handeln schließt die Annahme eines Arbeitsunfalls nidit aus. Als Arbeitsunfälle gelten auch Unfälle auf einem mit der Tätigkeit in dem Unternehmen zusammenhängenden Weg nach und von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte; ferner Unfälle bei einer mit der Tätigkeit in dem Unternehmen zusammenhängenden Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung und Erneuerung des Arbeitsgerätes, und zwar audi dann, wenn es von dem Versicherten gestellt wird. Die Versicherung erstreckt sich ferner auf andere Dienste, zu denen Versicherte, die hauptsächlich im Unternehmen tätig sind, von dem Unternehmer oder dessen Beauftragten herangezogen werden. Maßgebend ist in allen Fällen, daß es sich um freie Arbeiter oder Angestellte handelt; von untergeordneter Bedeutung ist, ob ein bürgerlich-rechtliches Vertragsverhältnis vorliegt, ob die Beschäftigung im Betriebe eine langdauernde, kurze oder nur vorübergehende (Hilfsleistung) ist, ob die Beschäftigung gegen oder ohne Entgelt ausgeübt wird. Geschlecht und Alter sind ebenfalls ohne Bedeutung; Kinder sind aber nur dann versichert, wenn es sich um ernste Arbeitstätigkeit und nicht um eine spielerische Betätigung handelt. Dem Verletzten und seinen Hinterbliebenen steht kein Anspruch zu, wenn er seinen Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Hat der Verletzte sich den Unfall beim Begehen einer Handlung, die nach strafgerichtlichem Urteil ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen ist, zugezogen, so kann der Schadenersatz ganz oder teilweise versagt werden. Die Regierung kann durch Verordnung bestimmte Krankheiten als Berufskrankheiten bezeichnen. Näheres siehe Seite 23. Auf Grund des Selbstverwaltungsgesetzes vom 22. Mai 1951 in der Fassung vom 13. August 1952 stehen die Berufsgenossenschaften unter der Leitung ehrenamtlicher Organe — Vertreterversammlungen und Vorstände. Sie setzen sich zu gleichen Teilen aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammen. Die Berufsgenossenschaften erledigen ihre Aufgaben unter eigener Verantwortung. Sie regeln wichtige Teile ihrer Verfassung und Verwaltung durdi Satzungen, die der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen. Die laufenden Verwaltungsgeschäfte werden hauptamtlich von Geschäftsführern geführt. Durch die Aufbringung der gesamten Mittel für Unfallentschädigung sind die Berufsgenossenschaften daran interessiert, die Betriebsgefahren und damit die Entschädigungslasten zu verringern. Nach dem Gesetz haben sie das Recht und die Pflicht, Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen. Durch ihre fachgemäße Gliederung sind sie hierzu besonders befähigt. Die Einhaltung der Vorschriften wird durch fachlich besonders vorgebildete technische Aufsichtsbeamte überwacht. Zur Auszahlung der Renten bedienen sich die Berufsgenossenschaften der Deutschen Bundespost. Sie zahlt nach den ihr zugegangenen Weisungen die Entschädigungen bei monatlicher Abrechnung mit den Genossenschaften. Eine zivilrechtliche Schadenersatzpflicht für den Unternehmer und seine Beauftragten besteht nur insoweit, als Versicherte und deren Hinterbliebene, audi wenn sie keinen Anspruch aus der Unfallversicherung auf Rente haben, allein dann Anspruch auf Schadenersatz haben, wenn strafgerichtlich festgestellt worden ist, daß der Unternehmer oder seine Beauftragten den Unfall vorsätzlich herbeigeführt haben. Der Berufsgenossensdiaft gegenüber besteht eine Haftung des Unternehmers oder der von ihm bestellten Vertreter, wenn sie den Unfall vorsätzlich oder fahrlässig mit Außerachtlassung derjenigen Aufmerksamkeit herbeigeführt haben, zu welcher sie vermöge ihres Amtes, Berufes oder Gewerbes besonders verpflichtet sind.
Abgrenzung der Unfallversicherungszweige
19
1. Abgrenzung der Unfallversidierungszweige Die gesetzliche Unfallversicherung gliedert sich in 1.
die Allgemeine Unfallversicherung
2.
die Landwirtschaftliche Unfallversicherung
3.
die See-Unfallversicherung. Nachstehend wird das Verzeichnis der Anschriften nach dem augenblicklichen Stand
mitgeteilt, da es für die Praxis der Begutachtung von einer gewissen Bedeutung ist. Die meisten Berufsgenossenschaften sind gegliedert in eine Hauptverwaltung und in mehrers Bezirksverwaltungen oder Sektionen. 2. Verzeichnis der g e w e r b l i c h e n Berufsgenossenschaften a) G e w e r b l i c h e
Berufsgenossenschaften
Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschafteh e. V. Sitz: Berlin-Wilmersdorf, Hildegardstraße 29/30 Geschäftsstelle: Bonn a. Rh., Reuterstraße 157 Bergbau-Beruf sgenossensdiaft HV. Bez.-Verw. Bonn Bez.-Verw. Bochum Bez.-Verw. Clausthal-Zellerfeld Bez.-Verw. München Dienststelle Hessen Dienststelle Berlin
Bochum Bonn Bochum Clausthal-Zellerfeld München 8 Wiesbaden Berlin-Wilmersdorf
Hunsdieidtstraße 18 Schumannstraße 8 Waldring 97 Bremerhöhe 10 Maria-Theresia-Straße 15 Grillparzerstraße 14 Bundesallee 57/58
Hannover O Nürnberg Karlsruhe Bonn Hannover Berlin-Wilmersdorf
Am Holzgraben 3 Laufertorgraben 10/11 Erbprinzenstraße 31 Hausdorftstraße 102 Arnswaldtstraße 28 Hildegardstraße 30
Steinbrudis-Berufsgenossenschaft HV. Sektion I Sektion I I Sektion I I I Sektion V I Geschäftsstelle Berlin
Berufsgenossenschaft der keramischen und Glas-Industrie HV. Bez.-Verw. Bez.-Verw. Bez.-Verw. Bez.-Verw.
I II I I I Berlin IV
Würzburg Würzburg Neuwied Berlin-Wilmersdorf Hannover
Röncgenring 2 Röntgenring 2 Heddesdorfer Straße 13 Bundesallee 57/58 Georgsplatz 3
Berufsgenossenschaft der Gas- und Wasserwerke HV. Geschäftsstelle Berlin
Düsseldorf Berlin-Wilmersdorf
Hüttenstraße 9 Bundesallee 57/58
Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft HV. Sektion I Sektion II Sektion III
Essen Essen Dortmund Düsseldorf
Hoffnungstraße 2 Hoffnungstraße 2 Poststraße 8 Pempelforter Straße 50-52
20
Unfallversicherung
Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-Berufsgenossenschaft HV. Düsseldorf Bez.-Verw. Dortmund Dortmund Bez.-Verw. Düsseldorf Düsseldorf Bez.-Verw. Köln Köln
Kreuzstraße 45 Johannesstraße 23 Kreuzstraße 45 Hansaring 97/III (Hochhaus)
Nordwestliche Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft HV. Hannover O Sektion I Hannover Sektion III Bremen Sektion IV Hamburg 13 Sektion V Kiel Sektion VI Braunschweig Sektion VIII Berlin-Wilmersdorf
Fundstraße 1 A Marienstraße 39 Breitenweg 30 b Rothenbaumdiaussee 145 Dahlmannstraße 1-3 Gieselerwall 5 Bundesallee 57/58
Süddeutsche Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft HV. Mainz Bez.-Verw. München München 27 Bez.-Verw. Nürnberg Nürnberg Bez.-Verw. Stuttgart Stuttgart O Bez.-Verw. Mannheim Mannheim Bez.-Verw. Mainz Mainz
Hindenburgstraße 6 Viu Possartstraße 10 Königstraße 3 Haußmannstraße 4 Friedrichsplatz 10 Diether-v.-Isenburg-Str. 9-11
Süddeutsche Edel- und Unedelmetall-Berufsgenossenschaft HV. Stuttgart O Bez.-Verw. Stuttgart Stuttgart O Bez.-Verw. Nürnberg Nürnberg-A Bez.-Verw. Pforzheim Pforzheim
Haußmannstraße 6 Haußmannstraße 6 Königstraße 3 Westliche 51-53
Berufsgenossensdiaft der Feinmechanik und Elektrotechnik HV. Braunschweig Bez.-Verw. Berlin Berlin-Dahlem Bez.-Verw. Braunschweig Braunschweig Bez.-Verw. Köln Köln Bez.-Verw. Stuttgart Stuttgart-S. Bez.-Verw. Nürnberg Nürnberg
Lessingplatz 13 Corrensplatz 2 Lessingplatz 13 Gertrudenstraße 24-28 Mörikestraße 3 Frauentorgraben 47
Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie HV. Heidelberg Bez.-Verw. Berlin Beriin-Wilmersdorf Bez.-Verw. Hamburg Hamburg 1 Bez.-Verw. Köln Köln Bez.-Verw. Heidelberg Heidelberg Bez.-Verw. Frankfurt Frankfurt/M. Bez.-Verw. Nürnberg Nürnberg
Gaisbergstraße 7 Bundesallee 57/58 Georgsplatz 13 Deutscher Ring 44 Gaisbergstraße 9 Wilhel o "gil 8-9 e(Λ SI •S 3 -0 -*¡ S ν C
< < Cυ I
rt
Wh
i_I
ω
Von Nr. 1—25 Alle Unternehmen
61
Die entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten Nr.
Berufskrankheit
Unternehmen
I
II
III Von N r . 1—25
15
Erkrankungen durch Kohlenoxyd
16
Erkrankungen durch Röntgenstrahlen
und
radioaktive
Alle Unternehmen
Stoffe 17
Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Paraffin, Teer, Anthrazen, Pech und ähnliche Stoffe
18
Krebs oder andere Neubildungen sowie Schleimhautveränderungen der Harnwege durch aromatische Amine
19
Schwere oder wiederholt rückfällige berufliche H a u t erkrankungen, die zum Wechsel des Berufs oder zur Aufgabe jeder Erwerbsarbeit zwingen
20
Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Preßluftwerkzeugen und gleichartig wirkenden Werkzeugen und Maschinen sowie durch Arbeit an Anklopfmaschinen
21
Erkrankungen durch Arbeit in Druckluft
22
Chronische Erkrankungen nen- und Muskelansätze
der Sehnenscheiden, der durch Überbeanspruchung
Seh-
23
Drucklähmung
24
Chronische Erkrankungen der Schleimbeutel der Gelenke durch ständigen Druck oder ständige Erschütterung
25
Abrißbriiche
26
Meniskusschäden bei jähriger regelmäßiger
der
der
Nerven
Wirbelfortsätze Bergleuten Tätigkeit
27a Staublungenerkrankung
nach mindestens unter Tage
drei-
Alle Unternehmen
(Silikose)
27b Staublungenerkrankung in Verbindung mit aktiv fortschreitender Lungentuberkulose (Siliko-Tuberkulose) 28a Asbeststaublungenerkrankung
Unternehmen des Bergbaus
(Asbestose)
Alle Unternehmen Alle Unternehmen
28b Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) in Verbindung mit Lungenkrebs
Alle Unternehmen
29
Erkrankung der tieferen Luftwege und der Lunge durch Thomasschlackenmehl
Thomasschlackenmühlen, Düngemittelmischereien und Betriebe, die Thomasschlackenmehl lagern, befördern oder verwenden
30
Erkrankungen der tieferen Luftwege und der durch Aluminium oder seine Verbindungen
Lunge
Alle Unternehmen
31
Erkrankungen der Knochen, Gelenke Fluorverbindungen (Fluorose)
durch
Alle Unternehmen
32
Erkrankungen
33
Hornhautschädigungen
34
Schneeberger Lungenkrankheit
Erzbergbau im Erzgebirge
35
Durch Lärm verursachte Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit
beitung,
Textilindustrie,
an Prüf
ständen
36
Grauer Star
der Zähne
durch
des Auges
und Bänder
Mineralsäuren durch
Benzochinon
Alle Unternehmen Chemische Industrie Metallbearbeitung
und
-VerarArbeit
Herstellung, Bearbeitung und Verarbeitung von Glas. Eisenhütten, Metallschmelzereien
Die entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten
62 Nr.
Berufskrankheit
Unternehmen
I
II
III
37
Wurmkrankheit der Bergleute, verursacht durch Ankylostoma duodenale oder Anguillaia intestinalis
Unternehmen des Bergbaus
38
Tropenkrankheiten, Fleckfieber, Skorbut
Alle Unternehmen
39
I nfektionskrankheiten
40
Von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten
Krankenhäuser, Heil- und Pflegeanstalten, Entbindungsheime und sonstige Anstalten, die Personen zur Kur und Pflege aufnehmen, ferner Einrichtungen und Tätigkeiten in der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege und im Gesundheitsdienst sowie Laboratorien f ü r wissenschaftliche und medizinische Untersuchungen und Versuche Tierhaltung und Tierpflege sowie Tätigkeiten, die durch Umgang oder Berührung mit Tieren, mit tierischen Teilen, Erzeugnissen und Abgängen zur Erkrankung Anlaß geben
Im Rahmen dieses Buches sei nur das Allerwesentlichste der verschiedenen Erkrankungen in gedrängter Kürze geschildert. Eine ausführliche Abhandlung findet sich im 3. Band des Handbuches der gesamten Unfallheilkunde v o n Bürkle de la Camp und Rostock (Verlag Enke, Stuttgart). Die in Frage kommenden Merkblätter und Verfügungen finden sich in: M. Bauer. Die entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten. Verlag Georg Thieme, Stuttgart. Die rein zahlenmäßige Bedeutung geteilten Tabelle hervor: Angezeigte Fälle (abzüglich der irrigen) Anzeigen) 1926 1928 1933 1938 1949 1950 1951
= = = = = = =
der Berufskrankheiten
Erstmals entschädigte Fälle
3 485 3 890 5 943 17 645 37 087 36 685 37 232
Der Rechtsanspruch auf Entschädigung gender Voraussetzungen geknüpft:
268 417 1 258 4 151 8 395 10 289 9 241 als Berufskrankheit
geht aus der von Bauer mit-
v. H . der angezeigten Fälle
7,69 10,47 21,16 19,21 22,64 28,04 24,82 ist an die Erfüllung fol-
1. Es müssen bestimmte, näher umschriebene Krankheitsbilder vorliegen, d . h . die Berufskrankheit muß aus ihren Symptomen gut erkennbar sein; diese Krankheiten sind in einer Liste zusammengestellt.
Erkrankungen durdi Blei oder seine Verbindungen
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2. Die auf diese Art charakterisierten Berufskrankheiten werden nur entschädigt, wenn sie bei der Arbeit in bestimmten Betrieben entstanden sind; die Betriebe, von denen man festgestellt hat, daß in ihnen diese Krankheiten vorkommen, sind ebenfalls in der Liste aufgeführt (Bauer). 1. Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen Sie stellen eine der wichtigsten gewerblichen Vergiftungen dar. Die Aufnahme der schädlichen Stoffe in den Körper erfolgt meist durch Einatmen, aber auch durch den MagenDarm-Kanal, obwohl ein Teil der so in den Körper gelangenden Bleiverbindungen ihn unresorbiert wieder verläßt. Die Giftwirkung des Bleis ist vielseitig. Es ist ein allgemeines Zellgift mit Wirkung auf die Gefäße, Blutkörperchen, das autonome (Vagus) und periphere Nervensystem. Die Vergiftung mit dem Antiklopfmittel Bleitetraäthylen, welches durch Lunge und Haut aufgenommen werden kann, erzeugt akute Vergiftungsformen, die Hirnstamm und vegetative Zentren, Muskeln und Leber befallen. Es bestehen mitunter schon 1—3 Stunden nach Aufnahme des Giftes Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, allgemeine Körperschwäche, Blutdruckerniedrigung mit Pulsverlangsamung, Herabsetzung der Körpertemperatur, auffallende Blässe. Leberfunktionsstörungen mit Ikterus werden beobachtet. Auch Halluzinationen können sich einstellen. Tödlicher Ausgang ist möglich. Von größerer praktischer Bedeutung ist die chronische Bleivergiftung. Im „Praesaturnismus" kommt es zu unbestimmten Allgemeinbeschwerden wie Appetitlosigkeit, Magen-Darm-Störungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit, Reizbarkeit, später Gelenkschmerzen, Muskelkrämpfen. Man findet eine schwarzblaue Linie am Zahnfleisdirand („Bleisaum"), fahlblasse, graue Gesichtsfarbe mit verminderter Schleimhautdurchblutung („Bleicolorit*), basophil gekörnte Erythrozyten („Tüpfelzellen") in Mengen über 2 % 0 , vermehrte Ausscheidung von Porphyrin und Blei im Urin. Bei der ausgeprägten Bleierkrankung fällt zunächst die „Bleikolik" in Form von heftigen Darmkrämpfen in Verbindung mit hartnäckiger Verstopfung auf. Auch peri toni tische Symptome können vorgetäuscht werden. Die „Bleilähmung" befällt die peripheren motorischen Nerven besonders im Radialisbereich, selten im Peronäusgebiet. Meist ist sie einseitig. Eine Rückbildung ist möglich und dauert viele Monate. Mitunter kann sich an eine Bleikolik eine Encephalopathie, verursacht durch Spasmen der Gehirngefäße, anschließen. Es kommt zu Kopfschmerzen, Schwindel, Bewußtlosigkeit, Krämpfen, Koma und auch zum Tode. Der chronische Verlauf ist seltener. Bei langdauernder Bleischädigung von mehreren Jahrzehnten kann es zur Arteriosklerose der kleinen Nierengefäße (Bleischrumpfniere) kommen. Bei festgestellten Zeichen einer Bleivergiftung ist ein Arbeitsplatzwechsel unvermeidlich. Ärztliche Beobachtung bis zum Schwinden aller Symptome ist notwendig. 2. Erkrankungen durch Phosphor oder seine Verbindungen Die früher relativ häufige Phosphorvergiftung ist heute selten geworden. Der rote Phosphor ist ungiftig. Der weiße und gelbe Phosphor wirkt in Mengen von 0,1 bis 0,5 g tödlich durch Versagen des Kreislaufs. Die Vergiftung erfolgt durch Einatmen der Dämpfe, welche Leber und Nieren angreifen. Es entstehen Übelkeit, Erbrechen, Ikterus,
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Die entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten
Leber- und Milzschwellungen, Durchfälle, Bewußtseinsstörungen, Krämpfe. Ausgang in Lebercirrhose kommt vor. Bei mehr chronischer Vergiftungsart kommt es zu Blässe, Magen-Darm-Störungen, Mattigkeit, Katarrh der oberen Luftwege, Störungen des Knochenbaues (besonders an den Unterkiefern). Auch verschiedene Verbindungen des Phosphors können neben dem elementaren Phosphor ähnliche Erscheinungen hervorrufen. 3. Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen Vergiftungsmöglichkeiten ergeben sich überall dort, wo Quecksilber oder seine Verbindungen verarbeitet werden oder zur Verwendung kommen. Die Aufnahme erfolgt meist durch Einatmen, seltener durch den Magen-Darm-Kanal oder die Haut. Die individuelle Empfindlichkeit ist sehr verschieden. Akute Vergiftungen dokumentieren sich durch lokale Ätzwirkungen auf die Ausscheidungsorgane wie Entzündungen der Mundschleimhaut, Darmkatarrh mit profusen Durchfällen und Tenesmen, Nephrose mit Oligurie, Eiweißausscheidung, Zylindurie. An der Haut (ζ. B. bei Sublimatanwendung) finden wir Dermatitiden und Ekzeme. Die chronische Vergiftung zeigt die soeben beschriebenen Symptome wechselnden Grades und eine Beteiligung des zentralen Nervensystems besonders des sympathischen und der Psyche. Der Erethismus besteht in psychischen Veränderungen mit Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit, Empfindlichkeit übergehend in Ängstlichkeit, Schüchternheit, Befangenheit verbunden mit Schlaflosigkeit und depressiver Stimmungslage. Ein weiteres typisches Zeichen ist der Tremor mercurialis, der sich als Imtentionstremor mit Steigerungsfähigkeit durch psychische Momente darstellt. (Schriftprobe anfertigen lassen.) Man beobachtet weiter Nachlassen des Gedächtnisses und der Merkfähigkeit, Veränderungen der Sprache (Stottern, Verwaschenheit) zumal bei den Zischlauten. Die Sehnenreflexe sind meist gesteigert; Bauchdeckenreflexe können fehlen. In schweren Fällen kann die allgemeine körperliche und psychische Schwäche zu einem Marasmus führen. Etwas abweichend ist das Krankheitsbild bei Vergiftungen mit chronischen Quecksilberverbindungen. Hier überwiegen die nervösen und psychischen Veränderungen, zu denen sich Schwindel, Sehstörungen, Ataxien und Schädigungen der Pyramidenbahnen gesellen. Die Symptome können denen der Bleivergiftung ähneln. Schwere Fälle führen zum Koma durch Kreislaufversagen. Für die Diagnose ist die mengenmäßige Ermittlung der Quecksilberausscheidung im Urin wichtig. Differentialdiagnostisch sind multiple Sklerose, Parkinsonismus, chronischer Alkoholismus, Neurasthenie auszuschließen. 4. Erkrankungen durch Arsen oder seine Verbindungen Arsenhaltige Stoffe gelangen meist durch Einatmen, aber auch durch den MagenDarm-Kanal in den Körper. Das Arsen ist ein allgemeines Zellgift, welches in Leber, Nieren, Knochen vorzugsweise gespeichert und durch Kot, Harn, Schweiß, Milch und durch die Lungen ausgeschieden wird. Im Körper lahmt es die Enzyme des Kohlehydratund Fettstoffwechsels, die Mitosen und wirkt auf Gefäße und das Nervensystem. Eine lokale Ätzwirkung haben vorwiegend Arsenik (arsenige Säure) und Arsentrichlorid. Wir beobachteten Erytheme und scharfrandige Ätzgeschwüre besonders an Hautumschlagfalten, feuchten Hautstellen und an der Nasenscheidewand.
Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen
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Die seltene akute Vergiftung führt zu schwerster Enteritis, Gefäßkollaps mit raschem Kräfteverfall. Die Symptome der chronischen Vergiftung sind sehr vielgestaltig. Es entwickeln sich symmetrische Hyperkeratosen und Melanosen an Nacken, Hals, Oberarmen und Rücken bis zum Hautkrebs, außerdem Hyperhydrosis, Haarausfall, Nagelveränderungen. Chronische Reizung führt zu Schnupfen, Konjunktivitis, Rachenkatarrh, Heiserkeit, Bronchitis. Magen-Darm-Störungen mit Durchfällen, Koliken, Appetitverlust sind seltener. Periphere schmerzhafte Neuritiden, von den unteren Extremitäten zentralwärts fortschreitend und zu Muskelatrophien führend, können mit Kopfschmerzen, Schwindel und Abnahme der geistigen Fähigkeiten verbunden sein. Bei gleichzeitigem Alkoholismus sind die nervösen Störungen besonders schwer. Gleichzeitig bilden sich periphere Cirkulationsstörungen an den Gefäßen bis zur Gangrän sowie Reizleitungsstörungen, Blutdrucksenkungen und Kollaps aus. Das Blutbild weist eine sekundäre Anämie auf. Zur Diagnose ist der Nachweis des Arsens im Urin mittels der Marshsáieti Probe heranzuziehen. Der eingeatmete Arsenwasserstoff bewirkt eine Hämolyse (dunkelroter bis schwarzer Harn), Kopf- und Leibschmerzen, Atemnot, Bewußtseinstrübung, Anurie, Koma, Krämpfe, Leberschwellungen mit Ikterus. 5. Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen Es gelangt in Dampfform oder durch Einatmen von Staub in den Körper und wirkt elektiv auf das Nervensystem, besonders die Hirnstammganglien und die Hirnrinde. Wir finden Ganglienzelldegenerationen im Thalamus, Pallidum, Putamen und Nucleus candatus. Die Speicherung erfolgt in Leber und Niere, die Aussdieidung durch den Darm. Die fast ausschließlich vorkommende chronische Manganvergiftung beginnt mit Schwächegefühl, Müdigkeit in den Beinen, Kopfschmerzen, Magendruck, nächtlichen Schweißausbrüchen. Dann kommt es zu nervöser Reizbarkeit, Krämpfen, besonders der Beinmuskulatur, Schluck- und Sprachstörungen und einem Parkinsonismus. Der Gang wird breitbeinig und trippelnd. Die Beugefähigkeit der Kniegelenke läßt nach, die Füße gehen in eine Innenrotationsstellung. Die Muskelrigidität führt zur Adiadochokinese. Der Gesichtsausdruck wird maskenhaft, die Sprache monoton, stotternd. Schluckstörungen und Speidielfluß können sich einstellen. Die Gesamtsymptome bieten das Bild einer Mischung von Paralysis agitans, Parkinsonismus, multipler Sklerose und spastischer Spinalparalyse. Die Heilungsaussichten der chronischen Vergiftung sind ungünstig. Die Lebensdauer wird nicht verkürzt, wenn nicht eine croupöse Pneumonie ihr ein Ende setzt. 6. Erkrankungen durdi Kadmium oder seine Verbindungen Die Aufnahme in den Körper erfolgt durch Einatmen oder Verschlucken von Rauch und Staub der Kadmiumverbindungen (Galvanische oder Akkumulatoren-Industrie). Das Kadmium blockiert Enzymsysteme im Körper. Bei der akuten Vergiftung kommt es nach einer Latenzzeit bis zu 10 Stunden zu Kopfschmerz, Schwindel, Durst, Trockenheit im Halse, Übelkeit, später Tracheitis, Bronchitis, Bronchopneumonie. Lungenödem kann zum Tode führen. In 1—2 Wochen können die Erscheinungen sich zurückbilden. 5 Roltoi
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Bei der chronischen Vergiftung tritt im Laufe von 2 Jahren eine ringförmige Gelbfärbung des Zahnschmelzes auf. Weiterhin besteht ein chronischer Schnupfen mit Atrophie der Nasenschleimhaut und Geschwüren im knorpeligen Nasenteil. Eine Anosmie kann als Frühsymptom, aber audi später auftreten. Im weiteren Verlauf entwickeln sich eine Anämie, Abmagerung, neuralgiforme Schmerzen bei Bewegungen, Osteoporose mit transversalen Knochenfissuren und Tibia Verdickungen, Gangstörungen ( Milkmansches Syndrom), Proteinurie (dunkler Urin). Das Metall kann man chemisch in Blut, Urin und Stuhl nachweisen. Die Prognose ist ungünstig. Es besteht eine Disposition zu Lungenemphysem und Lungentuberkulose. 7. Erkrankungen durch Beryllium oder seine Verbindungen In Form von Feinstaub seines Oxyds oder Hydroxyds und anderer Verbindungen gelangt es in den Körper und entfaltet eine allgemeine Giftwirkung schon in kleinen Konzentrationen. Es neutralisiert die alkalische Phosphatase. Etwa 5 0 % des Berylliums wird durch den Harn ausgeschieden. Der Rest lagert sich für dauernd etwa zu gleichen Teilen in Leber und Knochen ab. "Wir kennen eine Kontaktdermatitis mit schlecht heilenden Ulcerationen und Hautgranulomen. Schnittwunden durch Scherben von Fluoreszenzröhren sind gefährlich. Die Berylliumpneumonie beginnt akut mit Konjunktivitis, Husten, Bronchitis, Auswurf. Bei schlechtem Allgemeinzustand und Fieber bis 40° entwickelt sich Atemnot mit Herz- und Kreislaufschwädie. Befallen werden in den Lungen meist die Mittel- und Unterfelder. Die Ausbildung einer Begleittuberkulose ist nicht selten. Die Berylliumpneumonie ist eine produktive Alveolitis (chronische karnifizierende Pneumonie). Die Schwere des Krankheitsbildes ist unabhängig von der Menge des aufgenommenen Berylliums. Tödlicher Ausgang nach 2—3 Wochen unter Lähmung des Atem- und Gefäßzentrums ist nicht selten. Bei Übergang in die chronische Form mit sehr langer Rekonvaleszenz bilden sich die Symptome nur sehr langsam zurück. Brustschmerz, Atemnot, Reizhusten, Cyanose, Tachycardie, Appetitlosigkeit, süßlicher Geschmack im Munde, Gewichtsabnahme bleiben lange bestehen. Als besondere c h r o n i s c h e F o r m kann sich nach 3 Jahren unter Gewichtsverlust, Müdigkeit, Hustenreiz und röntgenologisch nachweisbarer diffuser Granulierung der Lunge (ähnlich einer Miliartuberkulose oder Silicose I. Grades) eine chronische Lungengranulomatose durch Ablagerung von Lymphozyten, Monozyten, Plasmazellen und Riesenzellen in den Alveolarzwischenwänden bilden. Sie können später sich fibrös umwandeln oder auch nekrotisch werden. Ähnliches kann sich auch in der Leber ereignen. Alle diese Veränderungen sind bisher vorwiegend in den USA, so gut wie gar nicht in Deutschland beobachtet worden. 8. Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen Die Aufnahme in den Körper geschieht durch Einatmung oder Kontakt durch verletzte Stellen der Haut und schließlich auch durch Verschlucken. An der Haut entstehen schmerzlose Ekzeme mit kreisrunden, von derbem Hof umgebenen Verätzungsgeschwüren, deren Heilungstendenz schlecht ist. Eine eitrige Rhinitis kann zur Durchlöcherung der Nasenscheidewand führen. Außerdem werden beobachtet
Erkrankungen durch Benzol oder seine Homologen
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Konjunktivitiden, akute und chronische Brondiialkatarrhe und Bronchopneumonien. Nach Verschlucken treten Übelkeit, Leibschmerzen, Erbrechen gelbgrünlicher oder blutiger Massen, schleimig blutige Durchfälle, blutiger Harn, Kollaps, Anurie und Urämie auf. Durch 5—15 Jahre lange Einwirkung (besonders durch Zinkchromat in Chromfarben) kann Lungenkrebs entstehen. 9. Erkrankungen durch Benzol oder seine Homologen Es handelt sich um in modernem Leben und Technik weit verbreitete Stoffe (Benzol, Xylol, Toluol u. a.). Die Aufnahme erfolgt durch Inhalation der Dämpfe. Durch ihre Lipoidlöslichkeit sind es narkotische Gifte (Benzolrausch). Bei chronischer Einatmung geringerer Menge zeigen sie eine Affinität zum Knochenmark und erzeugen schwere Blutbildungsstörungen. Einatmung von Luft mit 2 °/o Benzol kann in 5—10 Minuten zum Tode führen. Für chronische Vergiftungen genügen sehr viel kleinere Mengen. Die Ausscheidung erfolgt zu 30—70°/o durch die Atemluft. Der Rest wird über Phenole oxydiert, welche für die Giftwirkung verantwortlich sind. Bei der akuten Vergiftung stehen Schleimhautreizungen und die narkotischen Wirkungen im Vordergrund. In der Praenarkose besteht eine Euphorie. In der lange anhaltenden, unruhigen Narkose können Krämpfe auftreten und Vasomotorenlähmung und Atemlähmung schnell zum Tode führen. Bei der chronischen Vergiftung kommt es zunächst zu einer Reizung des neutrophilen Leukozytenapparats, dann zu einer Abnahme der Granulozyten (scheinbare Lymphozytose) und einer Aplasie des myeloischen und lymphatischen Gewebes. Später treten Veränderungen des roten Blutbildes (hyperchrome Anämien) und der Thrombozyten auf. Die präklinische Phase mit den Blutveränderun?en kann jahrelang bestehen. Die Lymphozytose, der leicht erhöhte Färbindex und das positive Rumpel-Leedesàit Symptom sind typische Zeichen dieses Stadiums. Subjektiv bestehen Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Appetitlosigkeit. Infekte irgendwelcher Art, Blutverluste, Gravidität können zur Agranulocytose führen. Die schwere Bluterkrankung der chronischen Benzolvergiftung kann zu unstillbaren Blutungen aus Nase, Zahnfleisch, Uterus führen. 10. Erkrankungen durch Nitro- und Amidoverbindungen des Benzols oder seiner Homologen und deren Abkömmlinge Die Amidoverbindungen (Anilin u. a.) werden vorwiegend durch die Haut, seltener durch Einatmung aufgenommen. Sie führen schon in geringer Konzentration zur Hämolyse und Bildung von Methämoglobin (Heinzsdie Innenkörper) und in deren Gefolge zur Hämaturie und Harnblasenreizung. Die akute Vergiftung geht mit Euphorie, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, Cyanose, Harnblasenreizung mit Hämaturie einher. Bei der chronischen Vergiftung stehen eine Anämie, nervöse Störungen im Vordergrund. Auch Ekzeme werden beobachtet. Nach jahrelanger Aufnahme von Anilin usw. kann es zur Ausbildung von Blasenpapillomen und Karzinomen kommen (vgl. Berufskrankheit 18, Seite 71). Die Nitroverbindungen werden in der chemischen Industrie, der Parfüm- und Seifenindustrie viel verwendet. Sie sind ebenfalls Blutgifte, die durch Einatmen von Dämpfen oder Staub, aber auch durch die unverletzte Haut, besonders wenn sie feucht ist, auf5*
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Die entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten
genommen werden können. Es kommt zur Schädigung der roten Blutkörperdien durch Bildung von Methämoglobin. Die akute Vergiftung führt zu Müdigkeit, Schwindel, Schwäche, Kopfschmerzen, Übelkeit, Herzklopfen, Dyspnoe, Schweißausbruch. Diese Erscheinungen können sich mitunter erst nach 8—12 Stunden zeigen. Unter Benommenheit, motorischer Unruhe, Kreislauf- und Atemschwäche kann der Tod eintreten. Bei chronischen Vergiftungen bilden sich neben den Veränderungen im Blut Leberfunktionsstörungen bis zur akuten gelben Leberatrophie und Nervenstörungen aus. 11. Erkrankungen durch Halogen-Kohlenwasserstoffe Es handelt sich um Stoffe der aliphatischen und aromatischen Reihe, die als Lösungsmittel, in Kältemaschinen, als Feuerlöschmittel und zur Schädlingsbekämpfung eine Rolle spielen. Aufgenommen werden sie durch Einatmung der Dämpfe und durch die Haut. Wegen ihres Fettlöslichkeitsvermögens haben sie eine Affinität zum Zentralnervensystem. Bei akuten Vergiftungen kommt es nach Schleimhautreizungen zu narkotischen Wirkungen wie Zittern, Schwindel, Rausch, Benommenheit. Der T o d kann durch Atemlähmung eintreten. Bei chronischen Vergiftungen entwickeln sich chronische Haut- und Schleimhautreizungen, Sehnervenstörungen, Nervenschmerzen, Schwindel, Vergeßlichkeit, Leberschwellungen mit Gelbsucht, Nierenentzündungen, Hirnblutungen, Lungenblutungen. 12. Erkrankungen durch Salpetersäureester Die Aufnahme erfolgt durch Einatmung und durch die Haut. Sie haben im Körper eine Nitritwirkung wie Gefäßerweiterung, Pulsverlangsarwung bis unter 50 oder ständige Beschleunigung über 100, Absinken des systolischen Blutdruckes unter 100, Anomalien im Elektrocardiogramm. Zunächst bestehen Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Unruhe, Erbrechen, Durchfälle. Gleichzeitig wird Methämoglobin mit seinen Folgen für das Blut (Anämie) gebildet. Bei schweren Vergiftungen kann dies zum Tode führen. In chronischen Fällen beherrscht die Anämie mit den schon erwähnten Erscheinungen am Kreislaufsystem das Krankheitsbild. Es kommt zu Angina pectoris — Beschwerden mit Kollapszuständen. Organverfettungen an Leber, Herz und Niere kommen vor. Auch Ikterus wird beobachtet. Alkoholgenuß und körperliche Überanstrengungen verstärken die Giftwirkungen. 13. Erkrankungen durch Schwefelkohlenstoff Seine Dämpfe sind schwerer als Luft. Sie werden durch Einatmung aufgenommen und zu etwa zwei Dritteln mit der Ausatmungsluft, aber auch durch Schweiß, Stuhl, Urin wieder ausgeschieden. Der Rest wird in der Leber gespeichert. Als Fettlösungsmittel wirkt er besonders auf Ganglienzellen, die Lipoidzellen der Nebennierenrinde und parenchymatöse Organe. Lokale Einwirkung auf die Haut erzeugt Parästhesien und Schrumpfung des Unterhautzellgewebes. Die seltene akute Vergiftung tritt nur bei der Einatmung großer Mengen auf. Unter Euphorie, Erregungszustand, Gesichtsröte tritt eine tiefe Bewußtlosigkeit auf, die in
Erkrankungen durch Schwefel-Wasserstoff
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Atemlähmung übergehen kann. Bei Überstehen bleiben als Nachkrankheiten Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, herabgesetzte Merkfähigkeit, Kopfschmerzen, Krämpfe, Sehstörungen, polyneuritische Symptome, Übelkeit und Erbrechen für differente Zeiträume zurück. Die chronische Vergiftung erzeugt Interesselosigkeit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Streitsucht, Appetitlosigkeit, Alkoholintoleranz, Magenbeschwerden, Gastritis, Verdauungsbeschwerden, Herabsetzung oder auch Steigerung der Libido, bei Frauen Amenorrhoe, Aborte. Akkomodationsstörungen, Ermüdung beim Nahesehen, Skotome, retrobulbäre Neuritis werden beobachtet. In schweren Fällen entwickeln sich eine Pseudotabes mit erloschenen Sehnenreflexen, Parkinsonismus, Gesichtsstarre, Tremor, Lach- und Weinkrämpfe, Katatonie, maniakalische oder depressive Psychosen. 14. Erkrankungen durch Schwefel-Wasserstoff Er wird praktisch nur mit der Atemluft in den Körper aufgenommen. Schon bei 0,005% 0 treten Vergiftungen auf, bei 1,5% 0 besteht Lebensgefahr, bei 1,8—2%0 tritt plötzlich ein Schocktod auf. Das resorbierte Gas bewirkt eine Lähmung der intracellulären Atmung. Einige Stunden nach Einatmung geringerer Mengen kommt es zu heftigen Schmerzen und Brennen in den Augen, Lichtscheu, Nebelsehen, starker Bindehautreizung, Lidkrampf, Speidielfluß, Husten, Bronchitis, mitunter Lungenödem, Magendrücken, Aufstoßen, Übelkeit, Brechreiz, Durchfall, Herzklopfen, Kopfschmerzen. An der Haut können gelegentlich rote Flecke mit Bläschen sich entwickeln. Größere Giftmengen können Angstzustände, Erregungen bis zur Tobsucht, Bewußtlosigkeit, Erstickungskrämpfe und Lähmungen hervorrufen. Einatmung kleiner Mengen über längere Z.eit steigen die Giftempfindlichkeit. Die Prognose ist ernst. Eine Heilung braucht sehr lange Zeit. Schäden des Herzens und des Mittelhirns können zurückbleiben. 15. Erkrankungen durch Kohlenoxyd Das Gas ist im täglichen Leben recht häufig und entsteht bei unvollständiger Verbrennung. Es wird durch die Atmung aufgenommen, verdrängt den Sauerstoff aus dem Blutfarbstoff un-d führt dadurch zur inneren Erstickung. Besonders empfindlich gegen die Anoxämie sind Gehirn und Herz. Die Gefäße werden vermehrt durchlässig, es entwickelt sich eine Verlangsamung der Blutzirkulation bis zur Stase mit Blutungen in Haut, Schleimhäute und innere Organe. Die lange dauernde Einatmung kleiner Mengen ist schädlicher als kurze Einwirkung größerer Konzentration. Das Ziel der Behandlung muß sein, durch Sauerstoffgaben das Kohlenoxydhämoglobin möglichst schnell und vollständig aus dem Blut zu eliminieren. Einatmung großer Mengen verursacht einen plötzlichen Bewußtseinsverlust mit dyspnoischen Krämpfen und Tod. Die Aufnahme kleinerer Mengen erzeugt Rötung des Gesichts, Kopfschmerzen in Form des Schläfenklopfens, Ohrensausen, Schwindel, Herzklopfen, Versagen der Muskelkraft zumal bei vermehrter Anstrengung, Aufregungszustände, Krämpfe, Ohnmacht, Bewußtlosigkeit, die tagelang anhalten kann, unwillkürlichen Abgang von Harn und Stuhl. Der Puls ist weich, beschleunigt, unregelmäßig. Die Atmung ist zunächst vertieft, dann unregelmäßig, bis der Tod durch Atemlähmung eintritt. Bei Uberstehen der Vergiftung halten die Kopfschmerzen, Benommenheit, Schwindel, Brechreiz verschieden lange Zeit an. Hypalgesien und Anästhesien der Haut
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Die entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten
können während des Stadiums der Bewußtlosigkeit zu Drucklähmungen und Hautgangrän führen. Am Herzen wurden Myocardosen und Coronarthrombosen und -infarkte beobachtet, gelegentlich auch Erweichungsherde im Hirn mit Parkinsonismus. Die chronische Vergiftung erzeugt ein sehr vieldeutiges Krankheitsbild. Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen, Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit und des Gedächtnisses entwickeln sich langsam und mit Intervallen. Neurologisch bestehen Reflexsteigerungen, Sensibilitätsstörungen besonders der Schmerzempfindlichkeit, unsicherer, breitbeiniger, taumelnder Gang, Schwanken mit Fallneigung nach hinten beim Fuß-Augen-Schluß. An den Augen finden sich Flimmern und vorübergehend Doppelsehen, Konvergenzstörungen, konzentrische Gesichtsfeldeinengung für Farben, Verschlechterung der oberen Hörgrenze, Ohrensausen. Der Nachweis des Kohlenoxydhämoglobins im Blut (Spektroskopie) sichert die Diagnose. 16. Erkrankung durch Röntgenstrahlen und radioaktive Stoffe Röntgenstrahlenschäden können durch direkte oder Streustrahlung entstehen, wenn die Dosis von 0,5 r pro Woche wesentlich überschritten wird. Bei radioaktiven Stoffen wirken die α-, β- und γ-Strahlen sowie Neutronenstrahlen ungefähr in derselben Dosierung wie soeben angegeben. Eine akute Entstehung an den Händen (ζ. B. bei Chirurgen und Röntgenologen) ist sehr selten geworden. Aus der Dermatitis entwickelt sich an der Haut eine Atrophie mit Erweiterung der Kapillaren und Pigmentierung (Röntgenhaut). Auf dieser Basis kann auch ein Karzinom entstehen. Linsentrübungen im Auge kommen vor. Als Allgemeinsymptome entwickeln sich eine Müdigkeit und nervöse Reizbarkeit, Verminderung der granulierten Leukozyten im Blut (Leukopenie). Auch die Bildung der Erythrozyten und Blutplättchen kann gestört sein. Strahlenwirkung auf die Geschlechtsdrüsen kann zu entsprechenden Funktionsstörungen führen. 17. Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Paraffin, Teer, Anthrazen, Pedi und ähnliche Stoffe Die Hautveränderungen werden hervorgerufen durch örtliche Einwirkung der betreffenden Stoffe oder ihres Staubes und ihrer Dämpfe. Thermische und mechanische Reize (Scheuern der Kleider an schweißreichen Hautstellen) verstärken die Wirkung. Die Erscheinungen an der Haut sind sehr vielgestaltig. Sie bestehen in Dermatitiden der verschiedensten Art, Folliculitis, Komedonen, Knötchen, Pusteln, bräunlicher Hautverfärbung, fleckigen Pigmentierungen, Hyperkeratosen. Auf dieser Basis kann es zu Praecancerosen kommen, die zunächst von gewöhnlichen Warzen kaum zu unterscheiden sind, die dann später karzinomatös entarten. Prädilektionsstellen sind die Haut von Gesicht, Händen, Unterarmen und Skrotum. Aber auch überall sonst können sich die Veränderungen entwickeln. Der Hautkrebs verläuft langsam und relativ gutartig (mit Ausnahme des Skrotalkrebses). Metastasen sind selten. Die Entwicklungszeit beträgt 4—20 Jahre. Rapides Wachstum innerhalb von wenigen Monaten ist sehr selten. Vorbeugende Excision der Warzen zumal an der Skrotalhaut ist ratsam. Eine histologische Untersuchung sollte in jedem Falle vorgenommen werden.
Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen
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18. Krebs und andere Neubildungen sowie Schleimhautveränderungen der Harnwege durdi aromatische Amine Es handelt sich um Abkömmlinge des Anilins, welches selbst nicht kancerogen ist. Man sollte daher nicht vom „Anilinkrebs", sondern besser von einem „Aminokrebs" sprechen. Die Stoffe werden in Form von Staub oder Dämpfen durch die Atmungsorgane aufgenommen, wenngleich auch die Resorption durch die Haut möglich ist. Die Karzinome werden nicht an der Stelle der Einwirkung, sondern entfernt von ihnen in Leber, Niere oder Schleimhäuten der Harnwege (Prädilektionsstelle) gebildet. Lange Z.eit können die Tumoren symptomlos bleiben. Als Zeichen finden sich Harndrang, okkulte oder massive Blutungen aus den Harnorganen, welche sich in unregelmäßigen Abständen wiederholen. Es kommen alle Übergänge vom gutartigen Papillom bis zum echten Karzinom vor. Das Zahlenverhältnis beträgt etwa 3 : 1 . Maligne Degeneration von Papillomen kommt vor. Die Entwicklung von multiplen Karzinomen ist beobachtet worden. Der Prädilektionssitz ist das Trigonum der Blase. Frühzeitig ausgeführte Cystoskopie mit histologischer Untersuchung von Probeexcisionen, die stets aus dem Stiel des Tumors zu entnehmen sind, ist notwendig. 19. Schwere oder wiederholt rückfällige berufliche Hauterkrankungen, die zum Wechsel des Berufs oder zur Aufgabe jeder Erwerbstätigkeit zwingen Eine sehr wichtige Rolle spielt die bei einzelnen Menschen bestehende Überempfindlichkeit der Haut gegen die verschiedensten Stoffe, mit denen ein Mensch arbeiten muß. Es entwickelt sich ein Ekzem in seinen verschiedensten Erscheinungsformen, die sich sowohl gleichzeitig als auch nacheinander überschneiden können. Ferner rechnen in diesen Abschnitt sowohl Pyodermien als auch Mykosen. Stets muß die Entstehung der jeweiligen Erkrankung durch die Eigentümlichkeit der Arbeit nachgewiesen werden. Die genaueste Erhebung der Anamnese ist notwendig. Hinweise auf die Ätiologie können aus der Tatsache des Verschwindens (oder wesentlicher Besserung) nach Aussetzen der Arbeit (Urlaub) und Rezidiv bei Wiederaufnahme derselben gezogen werden. Wichtig ist der Beginn an unbedeckten Körperstellen, welche den Schädigungen besonders ausgesetzt waren, ζ. B. Handrücken und Unterarme, Gesicht und Hals. Aber auch Ausbreitung auf andere Körperteile bis zur Generalisation kommt vor. Die Auswertung des Ausfalls der Hautempfindlichkeitsproben sollte sehr kritisch erfolgen. Nach außerberuflichen (häuslichen) Allergenen, die das Ekzem verursachen könnten, muß gesucht werden. Entschädigungspflichtig ist eine Erkrankung nur, wenn sie „wiederholt rückfällig" gewesen ist oder wenn sie zum Berufswechsel oder zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit zwang. 20. Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Preßluftwerkzeugen und gleichartig wirkenden Werkzeugen und Maschinen sowie durch Arbeit an Anklopfmaschinen Die schädigende Ursache in Bergbau, Gußputzereien, Kesselschmieden, Werften, bei der Gesteinsbearbeitung, beim Straßenbau und in der Schuhindustrie (Anklopfmaschinen) liegt in den rhythmischen Rückstoßerschütterungen, welche von Muskeln, Sehnen und Gelenken der Arbeiter aufgefangen werden. Dabei kommt es sowohl zu Reizerscheinungen an den Ansatzstellen des Muskelapparats in Form von Knochenwucherungen als auch Druckerscheinungen auf die Gelenkflächen selbst in Form der Osteochondritis
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Die entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten
dissecans mit Bildung freier Gelenkkörper oder einer Umformung der gesamten Gelenkfläche (ζ. B. Ausweitung der Ulnagelenkfläche im Ellenbogen oder überhängendes Radiusköpfchen in demselben Gelenk). Eine Sonderform des Handgelenks sind die aseptischen Nekrosen am Lunatum oder die Navicularepseudarthrose. Vorwiegend werden Handund Ellenbogengelenk betroffen. Die klinischen Erscheinungen sind uncharakteristisch, Sie beginnen mit Ermüdungserscheinungen, die nach Gewöhnung an die Arbeit schwinden können, Ruheschmerz, Bewegungsbehinderungen im Ellenbogen bei erhaltener Pro- und Supinationsmöglichkeit, Reizzuständen im Handgelenk. Im Bereich des Musculus brachialis und trizeps kann sidi eine Myositis ossificans ausbilden. Auch Muskelatrophien können vorkommen. Schädigungen der peripheren Nerven äußern sich in Kraftlosigkeit, Gefühlsstörungen und Zitterbewegungen der Hände. Durch direkte Drudeeinwirkung können Daumen- und Kleinfingerballen schwinden. Bei Gußputzen und Arbeiten an Anklopfmaschinen kommen vasomotorische Störungen an den Fingern in Form anf alls weise auftretender Isdhämien vor. Kältereize (hervorgerufen durch die kalte Abblaseluft der Hämmer) wirken krampfauslösend. Die Dauer der geleisteten Arbeit ist für die Anerkennung der Berufskrankheit von entscheidender Bedeutung. Sie soll bei ununterbrochener Arbeit nicht unter 2 Jahren, bei Vorliegen aseptischer Nekrosen der Handwurzelknochen nicht unter 8—10 Monaten liegen. 21. Erkrankungen durch Arbeit in Druckluft Die Arbeit in Taucherglocken und Caissons kann zu akuten und chronischen Erkrankungen führen. Meist heilen sie in relativ kurzer Zeit folgenlos ab. Beim zu schnellen Ausschleusen aus der unter Überdruck stehenden Atmungsluft in dem Caisson wird der im Blut und in anderen Körperflüssigkeiten (Liquor, Lymphe u. a.) gelöste Stickstoff in Form von Bläschen frei. Diese können zu Gefäßembolien mit sekundären Ernährungsstörungen führen. Bei langsamem Ausschleusen wird der frei werdende Stickstoff restlos abgeatmet. Die Krankheitserscheinungen nach raschem Druckabfall treten meist nach einer halben Stunde (selten länger) in Form von sehr starken Myalgien und Arthralgien, Gürtelschmerzen, Mono- und Paraplegien, Schwindel nach Art des Menièren Symptoms, apoplektiformen Hemiplegien, Aphasie, Taubheit, Asphyxie auf. Auftreten von Hautmarmorierung ist ein sehr ernstzunehmendes Symptom der Kreislaufschwäche als Folge eines Leerganges des Herzens. Wiedereinschleusung kann die Symptome heilen oder bessern. Wenn audi die meisten Erkrankungen ausheilen, so sind doch durch Embolie in die Endarterien der Gelenkflächen besonders von Hüft- und Schultergelenk hervorgerufene aseptische Nekrosen mit Formveränderungen der Gelenkflächen und Beschwerden sowie am zentralen Nervensystem Lähmungen an den Extremitäten, Dauererkrankungen des Hirnstammes, epileptiforme Anfälle, Taubheit, Menièresches Syndrom beobachtet worden. 22. Chronische Erkrankungen der Sehnenscheiden, der Sehnen- und Muskelansätze durdi Überbeanspruchung Sie können sich durch langdauernde, gleichmäßige Bewegungen oder wiederholte heftige Beanspruchungen bei Maschinenschreiberinnen, Hollerithlocherinnen, Hausmädchen,
Drucklähmungen der Nerven
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Wäscherinnen, Näherinnen, Büglerinnen, Zimmerleuten, Tischlern, Schmieden, Schlossern, Steinmetzen, Erdarbeitern, Musikern, Berufstänzern, Berufsradfahrern ausbilden. Der Begriff der chronischen Erkrankung beinhaltet eine Erkrankung mit Arbeitsunfähigkeit von mindestens 13 Wochen, eine Therapieresistenz des Leidens und die Neigung zu Rückfällen. In diese Rubrik rechnen folgende Krankheitsbilder: die Peritendinitis serosa mit Schwellung, Erguß, Druckschmerz, die Peritendinitis crepitans meist am Musculus extensor carpi radialis, Musculus tibialis anterior und an der Achillessehne, Bildung fibröser Knötchen in Sehnen und Sehnenscheiden (schnellender Finger). Die Dupuytrensche Kontraktur rechnet nicht zu den entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten. Die Erkrankungen der Ansätze von Muskeln, Sehnen und Bändern äußern sich in Druckempfindlichkeit, Schwellungen und Bewegungsschmerzen an den betreffenden Stellen, vorwiegend am unteren Speichenende (Styloiditis radii). 23. Drucklähmungen der Nerven Meist sind Einzelnerven befallen, deren Verlauf durch vorspringende Knochenteile gegen Druck gefährdet ist. Bekannt ist Steinträgeroder Tornisterlähmung des Nervus dorsalis scapulae, Nervus thoracicus longus und Nervus axillaris bei Zimmerleuten, Maurern, Metzgern, Bergleuten, Straßenbahnschaffnerinnen, Handharmonikaspielerinnen, Dock-, Hafen-Sackarbeitern, gelegentlich bei Schmieden, Seilern, Mähern, Seeleuten, Kellnern. Der Nervus medianus Friseuren, Zahnärzten.
kann geschädigt werden bei Schlossern, Melkern, Lithographen,
Der Nervus ulnaris erleidet Druckschädigungen beim Aufstützen der Ellenbogen bei Uhrmachern, Glas-, Diamant-, Elfenbeinschleifern, Bijouteriearbeitern, Graveuren, Telefonistinnen. Die peripheren Äste dieses Nerven in der Hohlhand können gedrückt werden bei Melkern, Lithographen, Graveuren, Gerbern, Schustern, Glasschneidern, Steinmetzen, Malern, Büglern, Zuschneidern, Kraftfahrern, Radfahrern, Zigarrenwicklern. Der Nervus fibularis durch spitzwinklig angebeugtes Knie kann geschädigt werden bei landwirtschaftlichen Arbeiten wie Rübenstecken und -ziehen, Arbeiten in Erbsenfeldern, an Spargelbeeten, beim Jäten, Arbeiten in Baumschulen, Steinsetzern, Asphalrierern, Fliesenlegern, gelegentlich Arbeiten an Nähmaschinen und fußbedienten Seifenpressen. Die klinischen Erscheinungen haben den Charakter einer Neuritis mit Sensationen auf sensiblem Gebiet, später auch motorischen Ausfällen, beginnend mit Gefühl der Schwere und Schwäche, Pelzigsein, Kribbeln, Ameisenlaufen, Gefühl des Eingesdilafenseins, ziehenden und reißenden Schmerzen während der Ruhe. Die elektrische Erregbarkeit ist herabgesetzt bis zu beginnender Entartungsreaktion; Abschwächung bis Aufhebung der Reflexe, Überdehnungsschmerzen, Druckschmerzhaftigkeit des Nervenstammes sind nachweisbar. Differentialdiagnostisch sind auszuscheiden Restzustände nach Malaria, Typhus, Fleckfieber, Ruhr, Lues, multiple Sklerose, Syringomyelic. Begünstigend für die Aus-
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Die entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten
bildung der Drucklähmungen sind Avitaminosen, Diabetes, Fokalherde, toxische Schädigungen durch Alkohol, Nikotin, Blei, Quecksilber, Arsen, Thallium. Die Prognose der Lähmungen im Anfangsstadium ist günstig besonders an der oberen Extremität. 24. Chronische Erkrankungen der Schleimbeutel der Gelenke durch ständigen Drude oder ständige Erschütterungen Vorwiegend betroffen sind Hausangestellte, Reinemachfrauen, Parkettbodenleger und -abzieher, Fliesen- und Teerstraßenleger, Steinsetzer, Bergleute, Glas- und Steinschleifer. Am häufigsten betroffen sind die Sdileimbeutel des Knie- und Ellenbogengelenks. In ihnen kommt es zu Ergüssen auch blutigen Charakters und Gewebsvermehrungen. Sekundärinfektionen können zu Empyemen und Phlegmonen führen. Operative Eingriffe können die Vereiterung zur Ausheilung bringen und in chronischen Fällen die Beschwerden beseitigen. 25. Abrißbrüche der Wirbelfortsätze Die Verletzungen sind bekannt unter der Bezeichnung „Schipperkrankheit" und bestehen in der langsamen, auf dem Boden einer Materialermüdung sich entwickelnden Gewebstrennung in den Dornfortsätzen des 6. Halswirbels bis 2. Brustwirbels. Meist werden Arbeitsentwöhnte betroffen, welche einige Wochen lang Schaufelarbeiten mit hohen oder großen Wurfweiten ausführen müssen. Schlechter Allgemeinzustand und ungeschickte Arbeitstechnik wirken begünstigend. Die Ursache der Ermüdungsbrüche liegt in dem häufigen Wechsel der Muskelanspannung in dem gleichgerichteten Zug an den langen Dornfortsätzen. Während der Entwicklung der Ermüdungszone im Knochen bestehen ein Schwächegefühl und ziehende Sensationen zwischen den Schulterblättern besonders bei extremen Bewegungen der Arme. Der Abriß selbst erfolgt dann bei einer nicht besonders auffallenden Bewegung mit einem plötzlich scharf lokalisierbaren Schmerz zwischen den Schulterblättern, mitunter verbunden mit einem fühlbaren Krachen. Dann folgt ein Steifhalten der Schultern und der unteren Halswirbelsäule. Dies braucht aber nicht immer der Fall zu sein. örtlich besteht ein Druckschmerz; mitunter, besonders am 7. Halswirbel, kann man auch die Gewebslücke tasten. Muskelanspannung durch Armbewegungen oder Kopfbewegungen erzeugt Schmerzen. Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen, beim Sitz an der oberen Brustwirbelsäule auch in einem schrägen Durchmesser, sichern die Diagnose. Mitunter kann man auch schon bei frischen Frakturen eine Knochensklerose längs der Gewebstrennung als Ausdruck des Ermüdungsbruches erkennen. 26. Meniscusschäden bei Bergleuten nach mindestens dreijähriger, regelmäßiger Tätigkeit unter Tage Es handelt sich um degenerative Meniscuslösungen, hervorgerufen durdi langandauernde Arbeit in hockender Stellung. Durch die abnorme Spannung des Meniscus besonders an seinem seitlichen Ansatz kommt es zu Gefäßdrosselungen und dadurch zu Gewebsdegenerationen, welche zu einer Lösung im Bereich der seitlichen Ansatzfläche und
Staublungenerkrankung
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damit zu einem „Korbhenkelmeniscus" führen. Der innere Meniscus wird häufiger befallen als der äußere. Der jetzt mit einer abnormen Beweglichkeit ausgestattete Meniscusteil kann bei belanglosen Bewegungen in das Gelenkinnere luxieren und zu Zwangshaltungen und Gelenkmaussymptomen führen. Die Diagnostik ist nicht ganz leicht. Zu verwerten sind rezidivierende Gelenksperrsymptome, ein positives Steimannsches Zeichen (Drehschmerz im Knie) und eine nie fehlende Atrophie der Oberschenkelmuskulatur. Durdi den Einklemmungsreiz kann es zu einer abakteriellen Synovitis mit Reizerguß im Gelenk und mehr oder weniger starker Gewebsvermehrung der Synovialis und im Bereich des Hoffaschen Fettkörpers kommen. Mit einer Osteochondritis dissecans und einer Chondropathia patellae hat die Meniscusdegeneration ursächlich nichts zu tun. Nur die sachgemäß ausgeführte operative Entfernung des gelösten Meniscusanteils kann die Beschwerden und vor allen Dingen die rezidivierenden Gelenksperren beseitigen. 27 a. Staublungenerkrankung 27 b. Staublungenerkrankung in Verbindung mit aktiv fortschreitender Lungentuberkulose (Siliko-Tuberkulose) Der bei den verschiedensten Arbeiten in Bergbau, Steinbruchbetrieben, der keramischen Industrie, aber auch bei Sandstrahlgebläsen entstehende, mehr oder weniger feine, kieselsäurehaltige Staub wird eingeatmet, bleibt im Lungengewebe liegen und erzeugt hier seine fibroblastische Wirkung. Um die abgelagerten Quarzstaubpartikel wuchert zunächst das Retikuloendothel, erzeugt dann Bindegewebsfasern, welche hyalin entarten können. So entstehen die silikotischen Granulomknötchen. Sie sind zunächst in geringer Zahl in den Ober- und Mittelfeldern vorhanden, werden dann zahlreicher, sind in den ganzen Lungen regellos verstreut und können zu großen, tumorartigen Bindegewebsschwielen zusammenfließen. Durch den Ausfall von atmungsfähigem Lungengewebe und die Schrumpfung der silikotischen Schwielen kommt es sekundär zu einem Lungenemphysem mit seinen charakteristischen Erscheinungen. Je nach Art der Arbeitsverrichtung, der Menge und der Teilchengröße des Staubes und der Länge der Arbeitszeit entwickelt sich die Silikose lansgsam, frühestens nach zwei Jahren, in der Regel nach 8—12 Jahren, mitunter erst nach 20 Jahren. Auch nach Herausnahme des Arbeiters aus dem gefährdeten Betrieb entwickeln sich die klinischen Erscheinungen schicksalsmäßig weiter, da der im Lungengewebe abgelagerte Staub auch weiterhin als fibrosebildend wirkt. Das Krankheitsbild teilt man gewöhnlich in 3 Stadien ein. Das 1. Stadium ist durch Beschwerdearmut ausgezeichnet. Das Allgemeinbefinden ist kaum gestört. Gelegentlich wird über morgendlichen Hustenreiz, Bruststechen und vermehrtes Schwitzen geklagt. Das wenig charakteristische Röntgenbild zeigt eine vermehrte Hiluszeichnung, eine netzförmige oder wabige Struktur der Lungenzeichnung und eine geringe Tüpfelung. Das 2. Stadium ist gekennzeichnet durch Neigung zu Bronchialkatarrhen mit Atemnot bei leichten körperlichen Anstrengungen, quälendem morgendlichen Husten, Oppressionsgefühl, aber nur spärlichem Auswurf. Die Vitalkapazität ist gering vermindert, die apnoische Pause ist nahezu normal. Die Herzfunktion ist nicht wesentlich beeinträchtigt. Das Röntgenbild zeigt eine Zunahme der netzförmigen und wabigen Marmorierung des Lungengewebes und der fibrösen Knötchen in demselben, die dichter und schattentiefer
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Die entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten
•werden. Ihre Anordnung ist meist symmetrisdi unter Bevorzugung der Randabschnitte der Mittel- und Oberfelder. Neben einer Verbreiterung und Verdichtung der Hilusregion entstehen Bilder wie „Schneegestöber" oder „Sdirotkörner". Im 3. Stadium entwickeln sidi ausgeprägte dyspnoische Beschwerden. Es bestehen starke Kurzatmigkeit, mitunter audi schon in der Ruhe, Stechen auf der Brust und im Rücken, quälender, trockener Reizhusten, Anfälligkeit zu Erkältungskatarrhen. Es besteht eine Brustkorbstarre mit verminderter Atmungsbreite. Vitalkapazität und apnoische Pause sind erheblich herabgesetzt. Häufig finden sich kardiale Störungen mit respiratorischer Insuffizienz. Das Röntgenbild ist sehr vielgestaltig. Neben disseminierten, schattentiefen, didit stehenden, fein- bis grobfleckigen Körnelungen finden sich meist symmetrisdi infraclaviculär flächenhafte, tumorartige Verschattungen. Im Hilus und neben dem Ösophagus können Lymphknotenverkalkungen mit „Eierschalenstruktur" liegen. Die basalen Lungenpartien und die Umgebung der Schwielen sind emphysematös. An den Zwerchfellkuppen sieht man zeltförmige Ausziehungen. Die Prognose ist ungünstig, eine Heilung bisher nicht möglich. Der größte Teil der Kranken stirbt im Verlauf von 5 Jahren nach Eintritt in das 3. Stadium. Der Tod erfolgt durch. Versagen des hypertrophisch gewordenen rechten Herzens sowie an Komplikationen wie Bronchektasen, Bronchopneumonien und vor allem an Tuberkulose. Als Begleiterkrankung der Silikose findet sich relativ häufig eine aktiv fortschreitende Tuberkulose. Sie wird in allen Stadien der Staublunge beobachtet. Bei jungen Leuten verlaufen beide Prozesse oft nebeneinander, bei älteren gesellt sich der bereits vorhandenen Silikose die Tuberkulose hinzu entweder durch Aufflackern eines alten Herdes oder durch Reinfektion. Gewichtsabnahme, Zunahme katarrhalischer Erscheinungen, Temperatursteigerungen, erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit, Leukozytose mit Linksverschiebung, vermehrter Auswurf erwecken den Verdacht auf Mitbestehen einer Tuberkulose. Bestätigt wird er durch röntgenologisch nachweisbare Einschmelzungsherde und den Erregernachweis in Ausstrich, Kultur oder Tierversuch. Die Silikose, gleich weldien Grades, ist entschädigungspflichtig, wenn sie zu einer leistungsmindernden Beeinträchtigung von Atmung und Kreislauf geführt hat, die wenigstens 20 % beträgt. Ausschlaggebend für die Schätzung des Grades der Erwerbsfähigkeitsverminderung dürfte der Ausfall der Funktionsprüfungen sein. 28 a. Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) 28 b. Asbeststaublungenerkrankung in Verbindung mit Lungenkrebs Die Einatmung des Staubes ist um so gefährlicher, je reichlicher und feiner er ist. Die Asbestose hat eine Latenzzeit von fünf und mehr Jahren, bei schweren Formen noch länger. Bisher ist noch nicht eindeutig geklärt, ob die Wirkung auf dem mechanischen Reiz des eingeatmeten und abgelagerten Staubes oder auf der durch seine Auflösung frei werdenden Kieselsäure oder auf beiden beruht. In der Lunge bildet sich eine zur Schrumpfung neigende, diffuse Bindegewebsvermehrung ohne Ausbildung umschriebener Knötchen vorwiegend in den unteren Lungenteilen. Die Lymphdrüsen bleiben unbeteiligt. Durch das Sputum werden neben Asbestnadeln audi sogenannte Asbestosekörper ausgeschieden, die in einer Eiweißhülle Anhäufungen von Nadeln in Keulen- oder Hantelform darstellen»
Erkrankung der tieferen Luftwege durch Thomassdilackenmehl
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Auf dem Boden einer Asbestose jeden Stadiums meist nach 12—42 Jahren kann sich ein Lungenkrebs entwickeln, hervorgerufen durch den chronischen mechanischen und chemischen Reiz des Asbeststaubes auf das Gewebe. An Augenbindehäuten, Radien- und Kehlkopf Schleimhaut können Reizungen eintreten, an welche meist Gewöhnung eintritt. Durch Einpressen von Asbestnadeln in die Haut von Fingern, Hohlhand und Fußsohlen können „Asbestwarzen Λ entstehen. Das klinische Krankheitsbild ist gekennzeichnet durch Brustbeschwerden, Reizhusten, Auswurf, Dyspnoe, Nachtschweiße. Diese Beschwerden sind vorhanden, bevor an den Lungen objektive Veränderungen nachweisbar sind. Es besteht ein offensichtlicher Gegensatz zwischen den starken funktionellen Ausfällen und dem geringen organischen Befund. Die auf dem Röntgenbild nachweisbaren Veränderungen sind sehr viel unscheinbarer als bei der Silikose. Im Beginn findet man an Hilus und Basis ein verschleiertes Netzwerk, welches in späteren Stadien an Intensität zunimmt. Als Komplikationen sind (neben dem schon erwähnten Karzinom) Bronchitiden, Bronchektasen, Bronchopneumonien bekannt. Auch eine Tuberkulose kann vorkommen, hat aber ursächlich mit der Asbestose wohl nichts zu tun. Die Einschränkung der Erwerbsfähigkeit durch die Asbestose richtet sich nach der Größe der pulmonalen Insuffizienz. 29. Erkrankung der tieferen Luftwege durdi Thomassdilackenmehl Der Staub dieses in der Landwirtschaft viel verwendeten Düngemittels wird eingeatmet und bewirkt eine Kombination von chemisch bedingter Gewebsreizung mit der Virulenzsteigerung bereits vorhandener oder eingedrungener Bakterien. Sie erzeugen eine Laryngitis, Tracheitis sowie chronische Bronchitis und Bronchopneumonie, die sich durch schweren, schnellen Verlauf und hohe Sterblichkeit auszeichnen. Das Fehlen von Thomasschlackenmehl im Auswurf spricht nicht gegen das Vorliegen einer Thomasschlackenmehlpneumonie, wenn ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Staubeinwirkung und Erkrankung besteht. 30. Erkrankungen der tieferen Luftwege und der Lunge durch Aluminium oder seine Verbindungen Die Aufnahme des Aluminiums in den Körper erfolgt durch die Atmung in Form von Staub oder Dampf. Es erzeugt sowohl eine unspezifische als auch spezifisch chronische Wirkung auf das Lungengewebe in Form einer Induration des Parenchyms mit Verbreiterung und fibröser Verdickung der Alveolarsepten und hyalinen Veränderung der Alveolarwände. Diese Veränderungen können sich schon im Laufe eines Jahres entwickeln. Klinisch bestehen Husten mit und ohne Auswurf, Stiche beim Atmen mit Atemnot und Beklemmungsgefühl. Der physikalische Befund ist uncharakteristisch. Röntgenaufnahme ist unbedingt erforderlich. Sie zeigt eine unsaubere, netzartige Zeichnung besonders der Lungenmittelfelder, zunächst einseitig, dann aber doppelseitig. Das Mediastinum kann verzogen sein. Bilder ähnlich wie bei der Silikose werden nicht beobachtet. Die Vitalkapazität ist vermindert. Spontanpneumothorax kommt mitunter vor. Appetitlosigkeit und Leibschmerzen werden gelegentlich beobachtet. Das Differentialblutbild weist eine Lymphozytose und Eosinophilie auf. Rotes Blutbild und Blutsenkung sind unverändert. Besondere Anfälligkeit zur Ausbildung einer Tuberkulose besteht nicht.
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Die entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten
31. Erkrankungen der Knochen, Gelenke und Bänder durch Fluorverbindungen (Fluorose) Gefährdet sind Personen, die unter längerer Einwirkung von fluorhaltigem Staub oder Dampf stehen, besonders Kryolitharbeiter. Nur langdauernde Aufnahme von täglich mindestens 28 mg durch Lunge oder Magendarmkanal kann zu einer chronischen Vergiftung führen. Die Skeletterkrankungen beruhen auf der kalziumfällenden Eigenschaft der Fluorverbindungen. Im Röntgenbild sieht man frühestens 2 % Jahre nach der Aufnahme der gefährdenden Arbeit auf dem Röntgenbild eine aufgelockerte Knochenstruktur mit verwaschenen Randkonturen und verdickten, unscharfen Spongiosabälkchen, die wabig erscheinen. Später bilden sich periostale Auflagerungen und Verkalkungen der Sehnenansätze, Verbreiterung der Corticalis und Verschmälerung der Markhöhle. Die Veränderungen enden in einer Eburnisation der gesamten Knochenstruktur, Verkalkung von Ansatzstellen von Sehnen und Bändern, Verkalkung der interossalen Membranen an Unterarm und Unterschenkel sowie der Bänder der Wirbelsäule. Diese Erscheinungen können, zumal in den Anfangsstadien, ohne nennenswerte Beschwerden sich entwickeln. Mitunter besteht das Gefühl der Steifigkeit und der Gliederschwere besonders in der Ruhe. Später kommt es zu Bewegungsbehinderungen in der Halswirbelsäule und zu Kurzatmigkeit. Nach Aufgabe der Arbeit können die Erscheinungen sich teilweise zurückbilden. 32. Erkrankungen der Zähne durch Mineralsäuren Die Säuren wirken in Form von Dämpfen auf die Zähne selbst und bewirken vorwiegend an Schneide- und Eckzähnen in beiden Kiefern eine Entkalkung der Zahnsubstanz mit Säurenekrose. Zunächst wird geklagt über das Gefühl des Stumpfwerdens der Zähne, welche ihren natürlichen Glanz verlieren. Mit der zunehmenden Zerstörung des Schmelzes tritt das Dentin hervor. Die Zähne werden braun und sind empfindlich gegen Temperaturwechsel sowie süße, salzige und saure Speisen. Dieses Stadium ist durch die Bildung von Reizdentin vorübergehend. Die Abnutzung der Zähne nimmt aber seinen Fortgang. Die Zahnsubstanz bröckelt ab, und es entsteht der „offene Biß", bis schließlich nur nodi braune Zahnstummel übrig bleiben. Das Zahnfleisch ist gerötet und geschwollen und blutet leicht. Durch mangelnde Kaufähigkeit entstehen Magendarmstörungen. Durch die Zahnlücken leiden das Sprechen und auch das Aussehen der Menschen. Auftreten können die Veränderungen im Laufe von Monaten und Jahren. Zahnerkrankungen durch organische Säuren sind keine entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten. 33. Hornhautschädigungen des Auges durch Benzodiinon Die Resorption erfolgt durch das Epithel der Bindehaut und Hornhaut im Lidspaltenbereich. Nach einer Einwirkung von zwei bis zehn Jahren kommt es zu einer bräunlichen Verfärbung der Bindehaut, später audi der Hornhaut, hervorgerufen durch Pigmentablagerungen im subepithelialen Gewebe. Es können sich Verquellungen und Verformungen der Hornhaut mit Erosionen und pannusähnlichen Auflagerungen und
Sdineeberger Lungenkrankheit
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Trübungen des Hornhautepithels bilden, außerdem ein stark irregulärer Astigmatismus. Eine gewisse Regenerationsfähigkeit mit Besserung der Sehfähigkeit nach Aussetzen der Arbeit ist möglich. T r o t z d e m ist die Prognose in bezug auf Erhaltung der Sehkraft zweifelhaft. 34. Schneeberger Lungenkrankheit In den Bergwerken des sächsischen Erzgebirges bei Schneeberg und Joachimstal kommt es durch die Radioaktivität des Gesteins nach zehn- bis zwanzigjähriger Arbeitszeit zu Lungenkrebsen. Die klinischen Erscheinungen beginnen mit Kurzatmigkeit, dumpfem Druckschmerz in Brust und Rücken, hartnäckigem Husten mit zähem Auswurf und Blutspuren, später Verschlechterung des Allgemeinbefindens und quälender Atemnot. Das Röntgenbild sichert die Diagnose. Nach Metastasen soll gefahndet werden. 35. Durch Lärm verursachte Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit Durch andauernden (etwa zehn Jahre) starken Lärm von 80—100 Phon und mehr kann das Cortisdie Organ in der Schnecke des inneren Ohrs so beansprucht werden, daß es zur Atrophie der Endzellen und der zugehörigen Nervenfasern und Ganglienzellen kommt. Die entstehende Taubheit ist meist beiderseitig. Im Gegensatz zur Otosklerose ist zunächst die Wahrnehmung f ü r höhere, erst später f ü r tiefere Töne beeinträchtigt. Die Tonübertragung durch Luftleitung überdauert die durch Knochenleitung. Obgleich objektiv schon f r ü h Ausfallserscheinungen feststellbar sind, bleibt das Gehör f ü r Umgangssprache längere Zeit erhalten. Subjektive Ohrgeräusche und Gleichgewichtsstörungen können sich einstellen. An Taubheit grenzende Schwerhörigkeit ist dann anzunehmen, wenn von dem besser hörenden O h r gewöhnliche Umgangssprache nur bis 25 cm Entfernung vom Ohr verstanden wird. 36. Grauer Star Der „Feuerstar" oder „Glasbläserstar" entwickelt sich in Betrieben, bei denen die Arbeiter ultraroten Strahlen mit einer Wellenlänge von 250—2400 μ ausgesetzt sind (Glasschmelzereien, Eisenhütten, Metallschmelzereien). Es kommt zu einer Trübung, ausgehend vom hinteren Linsenpol, der von der Iris nicht bedeckt wird. Später kann die übrige Linse befallen werden, so daß dann eine Unterscheidung vom Altersstar schwer möglich ist. Im vorgeschrittenen Stadium kann sich die oberflächliche Lamelle der vorderen Linsenkapsel (Feuerlamelle) ablösen.
37. Wurmkrankheit der Bergleute Das Ankylostomum duodenale wird durch Unreinigkeiten innerhalb der Grube übertragen. Es erzeugt chronische Entzündungen und Blutungen des Dünndarms und Anämien mit Herabsetzung des Hämoglobingehalts bis zu 10°/o und 1 Mill. Erythrozyten. Die Eosinophilen sind bis 10—20 % vermehrt. Klinisch bestehen Müdigkeit, Aufstoßen, Übelkeit, Erbrechen, Leibschmerzen. In späteren Stadien bestehen Herzklopfen, H e r z sdimerzen, Pulsbeschleunigung.
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Allgemeines über die Begutachtung von Zusammenhangsfragen
Durch Abtreibekuren kann völlige Wiederherstellung erzielt werden. Der Nachweis von Wurmeiern im Stuhl genügt nodi nicht zur Anerkennung einer Berufskrankheit im versicherungsreditlichen Sinne. Vielmehr muß eine starke oder fortschreitende Blutarmut nachgewiesen werden. Bei Anguillaia intestinalis treten Anämien in unserem Klima fast nie auf. Vielmehr bestehen vegetativ allergische Erscheinungen mit ruhrähnlichem Krankheitsverlauf und einer Eosinophilie bis zu 80 °/o. Die Diagnose erfolgt durch den Nachweis der im frischen, warmen Kot sich lebhaft bewegenden Larven. Eier werden nie gefunden. 38. Tropenkrankheiten, Fleckfieber, Skorbut Betroffen werden können Menschen, die in der Luft- und Seeschiffahrt beschäftigt sind oder im Ausland arbeiten. Außer den in der Überschrift genannten Erkrankungen kommen nodi in Frage: Malaria (mit Schwarzwasserfieber), Amöbenruhr, Bazillenruhr, Gelbfieber, Schlafkrankheit, Dengue-Fieber, Pappatacifieber, Maltafieber, Rückfallfieber, Rattenbißkrankheit (Sodoku), Pest, Leishmaniosen, Lepra, Bubonen, tropische Haut- und Wurmkrankheiten. 39. Infektionskrankheiten In Frage kommen Erkrankungen von Personen, welche sich bei der Arbeit in Krankenhäusern usw., im Gesundheitsdienst, in Laboratorien die Infektionskrankheiten zugezogen haben. Der Nachweis des ursächlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen infektionsgefährdeter Tätigkeit und den ersten Krankheitserscheinungen ist von größter Bedeutung. Besonders schwierig ist die Beurteilung einer Tuberkulose. Die Exacerbation oder Verschlimmerung einer Tuberkulose aus unspezifischer Ursache fällt nur dann unter die Gesetzgebung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten, falls der neue Tuberkulosesdiub mittelbar als Unfallfolge bzw. Berufskrankheit in Frage kommt z. B. durch Strahlenschädigungen oder durch nicht tuberkulöse, berufliche Infektionen. 40. Von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten Als solche kommen in Frage: Poliomyelitis, Staupe, Tollwut, Schweineinfluenza, Papageienkrankheit (Psittakosis), Maul- und Klauenseuche, Rickettsiosis, Bangsdie Krankheit, Milzbrand, Rotz, Schweinerotlauf, Impf tuberkulöse mit tierischen Tuberkulosestämmen, Tularämie, Weilsche Krankheit, Toxoplasmose, Aktinomykose, Wurmkrankheit, Krätze, Räude.
C. Allgemeines über die Begutachtung von Zusammenhangsfragen Die ärztliche Begutachtung zur Entscheidung, ob eine bei einem Menschen festgestellte krankhafte Veränderung unfallbedingt ist, erfordert von dem Arzt ganz besonders gediegene Kenntnisse sowohl der allgemeinen und speziellen Pathologie als auch der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen. Es haben sich zwar im Laufe der Praxis für eine Reihe von Erkrankungen sozusagen Richtlinien herausgebildet, welche allgemein an-
Allgemeines über die Begutachtung von Zusammenhangsfragen
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erkannt sind. Nach ihnen hat sich der Arzt zu richten, denn wenn er es nicht tut, dann bezeugt er damit nur, daß seine Kenntnisse nicht dem jetzigen Stand der Wissenschaft entsprechen. Dennoch muß naturgemäß jeder Einzelfall für sich betrachtet werden. Nichts wäre falscher, als rein schematisch die Beurteilung ohne Berücksichtigung der näheren Begleitumstände vorzunehmen. Trotzdem ist nachstehend in kurzen Worten für die wichtigsten in der Praxis vorkommenden Erkrankungen erörtert, ob bzw. wann sie unfallbedingt sind. Dabei ist grundsätzlich auf nähere Schilderung der Pathogenese und auch des klinischen Bildes verzichtet. Sie werden als bekannt vorausgesetzt. Gegebenenfalls sind Studien in den entsprechenden Handbüchern notwendig. Auch auf die Begründung der mitgeteilten Leitsätze mußte verzichtet werden, weil sonst der Charakter dieses Buches verwischt worden wäre. Es soll seinem Umfang entsprechend nicht ein Handbuch, sondern ein Vademekum sein. In der Privatversicherung bestehen insofern einschränkende Bestimmungen, als eine Reihe von Erkrankungen von vornherein vertragsmäßig von der Entschädigungspflicht ausgeschlossen sind. Auf diese Sonderbestimmungen ist nachstehend nicht eingegangen worden, vielmehr sind die Ausführungen auf die deutsche Sozialversicherung zugeschnitten. Mitunter findet man in ärztlichen Gutachten nodi Erörterungen, ob ein Unfall tatsächlich stattgefunden hat. Dies ist überflüssig, denn die Enscheidung der Frage, ob ein Betriebsunfall vorgelegen hat, ist nicht Sache des ärztlichen Begutachters, sondern es ist die Sache der Versicherungsbehörde. Jede ärztliche Begutachtung hat überhaupt nur Sinn, wenn die Voraussetzung erfüllt ist, daß ein entschädigungspflichtiger Unfall stattgefunden hat, denn wenn dies nicht der Fall ist, dann ist ja die Erörterung der Zusammenhangsfrage von vornherein gegenstandslos. Der Gutachter muß bei seinen Überlegungen und auch bei Abfassung seiner Gutachten einige Begriffe beachten und die entsprechenden Termini technici benutzen. Zur Anerkennung des Zusammenhangs zwischen krankhaften Befunden bei einem Menschen und einem Betriebsunfall ist der Nachweis der „überwiegenden Wahrscheinlichkeit" notwendig, die bloße „Möglichkeit" genügt nicht. Wenn also ein Arzt in seinem Gutachten sagt, daß irgendeine Z.usammenhangsfrage „möglich" sei, so bedeutet dies, daß die Zusammenhangsfrage nicht anerkannt wird und daß eine Rentenentschädigung nicht stattfindet. In manchen Fällen wird der Arzt auch zu dem Schlüsse kommen, daß nicht nur die „überwiegende Wahrscheinlichkeit", sondern sogar die „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" oder auch die „Sicherheit" des Zusamenhangs besteht. Auf jeden Fall muß der Arzt zu irgendeinem klaren Ergebnis im Sinne des J a oder Nein kommen. Gutachten, welche zahlreiche Möglichkeiten erörtern, ohne sich für eine zu entscheiden, sind vollkommen wertlos. Ist in ganz seltenen Fällen vom ärztlichen Standpunkt eine solche Entscheidung wirklich nicht möglich, dann soll audi dies mit absolut unmißverständlichen Worten gesagt werden. Jede auch verschleierte Unklarheit ist zu vermeiden. Naturgemäß genügt es nicht, einfach zu behaupten, daß eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Unfallzusammenhangs bestehe, vielmehr muß dies mit Gründen, eventuell unter Anführung wissenschaftlichen Schrifttums, belegt werden. Die nachfolgenden Ausführungen sollen kurze Richtlinien für die Begutachtung der Zusammenhangsfrage bei den wichtigsten Erkrankungen geben. 6 Rostock
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Spezielles über die Begutachtung von Zusammenhangsfragen
D. Spezielles über die Begutachtung von Zusammenhangsfragen 1. Thermische Verletzungen Erfrierungen und Verbrennungen. Ihre Folgen sind selbstverständlich entschädigungspflichtig, wenn der Hergang selbst als Unfall anerkannt ist. Bei den Folgen von angeblichen Erfrierungen mit nachfolgender teilweiser Extremitätengangrän ist sorgfältig zu prüfen, ob nicht eine andere Ursache der Gangrän (Diabetes, Arteriosklerose, Endarteriitis obliterans u. a.) vorhanden ist. Erkältungen. Siehe darüber die einzelnen Krankheiten wie Lungenentzündung, Rheumatismus u. dgl. Sonnenstich. Da er auf einer Strahleneinwirkung der Sonne bei unbekleidetem Körper beruht, so kann er gelegentlich einmal als Betriebsunfall vorkommen, wenn der Sonnenstich so stark war, daß er zu organischen Schädigungen des Nervensystems führte. Hitzschlag. Da der Hitzsdilag auf eine abnorme Wärmestauung im Körper besonders bei anstrengender Arbeit bei verringerter Wärmeabgabe beruht, so ist mitunter in industrieller Arbeit zu dieser Erkrankung die Gelegenheit geboten. Falls längerdauernde Schädigungen zurückbleiben sollten, wären sie unfallbedingt und entschädigungspflichtig. 2. Elektrische Verletzungen Starkstromverletzungen. Sie können durch Blitzschlag oder durch Berührung mit stromführenden Leitungen entstehen. Erfolgt die Verletzung gelegentlich eines Betriebsunfalles, so sind sowohl die direkten Schäden (wie Narben, Gliedverluste usw.) als auch die Folge der Allgemeinsdiädigung des Körpers durch Strom (besonders Erkrankung des Herzens, des Nervensystems und der Sinnesorgane) zu entschädigen. Die Feststellung, welche Krankheitserscheinungen Folge des Stromdurchtritts sind, bedarf besonderer Fachkenntnis von Seiten des begutachtenden Arztes. Röntgenverbrennung. Wenn ein Mensch wegen einer Unfallverletzung in diagnostischer oder therapeutischer Hinsicht mit Röntgenstrahlen behandelt worden ist und sich dabei eine Röntgenverbrennung zugezogen hat, so ist diese als Folge des Unfalls zu betrachten und zu entschädigen. Erkrankungen des Personals durch chronische Röntgenstrahleneinwirkungen fallen in das Kapitel Berufskrankheiten (siehe Seite 70). 3. Intoxikationen Vergiftungen. Bei der Betriebsarbeit kann es zu chronischen Vergiftungen kommen. Sie haben mit einem Unfall nichts zu tun, vielmehr handelt es sich dann um Berufskrankheiten (siehe diese), von denen einige entschädigungspflichtig sind. Daneben können audi einmalige Vergiftungen der verschiedensten Art vorkommen. Ihre Folgen sind entschädigungspflichtig, wenn der Hergang bei der Vergiftung selbst als Betriebsunfall anerkannt wird. Es kommen hierbei also im wesentlichen juristische Entscheidungen in Frage. Gasvergiftung. Die durch die verschiedenen Gase gesetzten Vergiftungen und ihre Folgezustände sind als unfallbedingt zu betrachten, wenn es sich um eine akute Vergiftung während einer Arbeitsschicht handelt. Einige chronische Vergiftungen sind entschädigungspflichtige Berufskrankheiten.
Infektionskrankheiten
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Insektenstiche. Meist wird es sich dabei um Ereignisse des täglichen Lebens handeln und nicht um Betriebsunfälle. Im Anerkennungsfalle müßte der Nadiweis geführt werden, daß der Insektenstich tatsächlich während der Betriebsarbeit erfolgte oder daß eine „erhöhte Betriebsgefahr" in bezug auf die Arbeitstätigkeit bestand (vgl. audi Malaria) und daß Dauerschäden zurückgeblieben sind. 4. Infektionskrankheiten Diphtherie. Bei Krankenpflegepersonal, Laborantinnen, Ärzten usw. kann Diphtherie entschädigungspflichtig sein, wenn der Nachweis zu führen ist, daß sie bei dienstlicher Tätigkeit erworben wurde. Audi kann ein Mann, der wegen einer Unfallverletzung in einem Krankenhause liegt, sich dort vielleicht einmal an Diphtherie infizieren. (Siehe Seite 85.) Ruhr. Wie bei allen Infektionskrankheiten kann gelegentlich als Ausnahmefall eine Infektion eines anderweitig Unfallverletzten in einem Krankenhause vorkommen. Infektionen mit den Erregern der Krankheit bei der Betriebsarbeit selbst dürften Seltenheiten sein. Typhus. Infektionen sind möglich und als Betriebsunfall anerkannt worden, wenn den Arbeitern eines Betriebes typhusverseuchtes Wasser zum Trinken zur Verfügung stand. Lupus. Die Infektion einer Wunde mit Tuberkelbazillen ist theoretisch denkbar, in der Praxis aber äußerst selten. Man wird in jedem zu beurteilenden Falle die Entstehungsweise der Krankheit zu ermitteln haben und danach die Beurteilung abfassen müssen. Miliartuberkulose. Eine Miliartuberkulose ist dann unfallweise entstanden, wenn zur Zeit des Unfalls selbst in dem Menschen bereits eine lokalisierte Tuberkulose bestanden hat und wenn der Unfall diesen Krankheitsherd traf und geeignet war, in ihm die Tuberkelbazillen zu mobilisieren und in den Kreislauf zu bringen, so daß sich die allgemeine Aussaat entwickeln konnte. Grippe. Da die Krankheit fast immer epidemisch auftritt, so wird sich der Nachweis., daß die Ansteckung während der Betriebstätigkeit erfolgte und nicht außerhalb derselben, nur in den seltensten Fällen führen lassen. Milzbrand. Zahlreiche unfallversicherte Mensdien haben Gelegenheit, sich mit Milzbrand zu infizieren. Wenn also an der Infektion gelegentlich der versicherungspflichtigen Arbeit kein Zweifel besteht, sind die Anthraxerkrankungen und ihre Folgen zu entschädigen. (Siehe auch Seite 80.) Rotz. Menschen, welche mit Pferden, Eseln usw. umgehen, können sich an der in Deutschland selten gewordenen Krankheit anstecken. Es handelt sich dann stets um die Entscheidung der Frage, ob diese Infektion gelegentlich einer unfallversicherten Betriebsarbeit erfolgte. (Siehe auch Seite 80.) 5. Parasitäre Erkrankungen Malaria. Sie wird nach der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes als Betriebsunfall anerkannt, wenn ein von seinem Arbeitgeber im Interesse des Betriebes versandter Versicherungspflichtiger in eine Gegend entsandt wurde, in der er von einer Anophelesmücke gestochen wurde. Es ist dabei gleichgültig, ob dieser Stich während der Betriebs4*
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Spezielles über die Begutachtung von Zusammenhangsfragen
arbeit selbst oder etwa in der Freizeit erfolgte. Das Reichsversicherungsamt vertritt die Auffassung, daß während der ganzen Dauer eines derartigen Aufenthaltes eine erhöhte Betriebsgefahr besteht (vgl. auch Berufskrankheiten). (Siehe auch Seite 24.) Aktinomykose. Die unfallsweise Entstehung der Erkrankung ist beispielsweise bei landwirtschaftlichen Arbeiten und ähnlichen Berufen denkbar. Die Infektion mittels der Erreger gelegentlich von Wunden ist sehr selten, häufiger sind Luftwege und MagenD a r m - K a n a l die Eintrittspforten. Bestimmte Regeln f ü r die Anerkennung des Unfallzusammenhangs können nicht gegeben werden. Im Einzelfalle rnuß man das krankhafte Geschehen möglichst genau aufdecken und danach die Zusammenhangsfrage beurteilen. (Siehe auch Seite 80.) Lues. Die direkte Infektion mit Spirochäten k o m m t bei Ärzten und dem Hilfspersonal (Schwestern, Hebammen, Laborantinnen usw.) vor. In seltenen Fällen ist Übertragung durdi gemeinsames Arbeitsgerät möglich (ζ. B. Glasbläser). Audi die Ansiedlung einer Metalues an einer Unfallstelle ist denkbar. Die Zusammenhangsfrage ist anzuerkennen, wenn ein erhebliches T r a u m a die später erkrankte Stelle getroffen hat und wenn die Krankheitserscheinungen wenigstens vier Wochen und höchstens vier Monate nach dem U n f a l l zutage getreten sind. H a b e n sich gleichzeitig an anderen, nicht vom U n f a l l betroffenen Körperstellen metaluetische H e r d e entwickelt, dann ist die Z.usammenhangsfrage zu verneinen. Insektenstiche. Siehe Intoxikationen. 6. Wundinfektionskrankheiten Hämatominfektion. Es ist eine bekannte Tatsache, daß Blutergüsse in den Weichteilen sich infizieren können, audi wenn sie nicht durch eine Hautverletzung mit der Körperoberfläche direkt in Verbindung stehen. Die unfallsweise Entstehung einer derartigen Eiterung ist anzuerkennen, wenn der Bluterguß selbst durch den Betriebsunfall gesetzt worden ist und wenn die Vereiterung selbst spätestens 8—14 Tage nach dem Unfall aufgetreten ist. Furunkel. Siehe Erkrankungen der H a u t und des Unterhautzellgewebes. Panaritium. Siehe Erkrankungen der H a u t und des Unterhautzellgewebes. Phlegmone. Siehe Erkrankunigen der Haut und des Unterhautzellgewebes. Osteomyelitis. Siehe Erkrankungen der Knochen und Gelenke. Erysipel. Die Wundrose kann von verschiedenen Primärerkrankungen ausgehen, ζ. B. Hautschrunde an der Nase bei Schnupfen, Furunkel, Wunden. Es ist also stets die Ausgangsstelle des Erysipels zu ermitteln. Von ihr ist zu erörtern, ob sie etwas mit einem Unfall zu tun hat oder nicht, d. h. bei Wunden festzustellen, ob sie während der Betriebsarbeit gesetzt worden sind oder nicht. Ein rezidivierendes Erysipel ist nur dann Unfallfolge, wenn die erste Wundrose Folge einer Betriebsverletzung war. Lymphangitis. Da sie der Ausdruck des Fortschreitens einer Wundinfektion auf dem Lymphwege ist, so ist eine Lymphangitis stets dann als Unfallfolge anzuerkennen, wenn die primäre Wunde eine solche war oder wenn sich die Lymphangitis in engem, zeitlichem Zusammenhang mit einem unfallsweise gesetzten stumpfen T r a u m a auf einen bestehenden Entzündungsherd entwickelt hat. Allgemeininfektion. Da die Erreger der Allgemeininfektion (Staphylokokken und Streptokokken) sich auf der H a u t jedes Menschen finden und durch jede Hautverletzung in den Körper eindringen können, so ist bei der Entscheidung die Frage, ob eine Allge-
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meininfektion als entschädigungspflichtige U n f a l l f o l g e angesehen werden m u ß , stets zunächst zu klären, von welcher Stelle sie ihren Ausgang genommen hat. Erst wenn dies geklärt ist, k a n n erörtert werden, ob das primäre Ausgangsleiden u n d somit auch die Allgemeininfektion unfallbedingt ist. Ist der Ausgangspunkt ζ. B. eine im Betrieb erlittene W u n d e , so ist der Zusammenhang klar. Ist aber ζ. B. der Ausgangspunkt eine hämatogene Osteomyelitis, so ist erst zu p r ü f e n , ob sie an sich unfallbedingt ist. Es sei noch besonders auf die Ausführungen unter „ P a n a r i t i u m " verwiesen. T e t a n u s . Der Nachweis der E i n t r i t t s p f o r t e der Erreger gehört zur Beurteilung der Zusammenhangsfrage mit einem U n f a l l . L ä ß t sich eine solche Eintrittspforte nicht nachweisen, d a n n ist ärztlicherseits keine genügend sichere Beantwortung möglich. W a r die zur I n f e k t i o n f ü h r e n d e W u n d e bei der Betriebsarbeit entstanden, d a n n m u ß auch der T e t a n u s als U n f a l l f o l g e angesehen werden. W u n d d i p h t h e r i e . W e n n eine durch einen Unfall hervorgerufene W u n d e später mit Diphtheriebazillen besiedelt w i r d , so ist die W u n d d i p h t h e r i e auch mit ihren eventuellen w u n d f e r n e n Folgen (Herzmuskelschädigung, Gaumenmuskellähmung usw.) als U n f a l l folge anzuerkennen. Dabei ist es gleichgültig, ob der Nachweis des Infektionsweges durch den Diphtheriebazillus gelingt oder nicht. B i ß w u n d e n . O b ihre Folgen entschädigungspflichtig sind oder nicht, hängt stets von dem U n f a l l h e r g a n g selbst ab. Es handelt sich dabei also nicht um eine ärztliche, sondern um eine juristische Entscheidung. E r f a h r u n g s g e m ä ß heilen Bißwunden von allen möglichen Tieren, aber auch der Menschen schlechter als andere W u n d e n . Es liegt dies an der A r t des in die W u n d e eindringenden Speichels, der Gifte (ζ. B. Schlangen, Insekten usw.) oder Kleinlebewesen (Spirochäten verschiedener Art, Lyssa) enthalten k a n n . Etwaige Nachkrankheiten und ihre Folgen sind also im Hinblick auf derartige Sonderinfektionen zu bewerten. Tumoren Gerade dieses Kapitel ist oft umstritten worden. Lubarsch hat Richtlinien aufgestellt, welche unsere heutigen Kenntnisse klar zusammenfassen. Sie lauten: Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Gewächsentstehung u n d einmaliger G e w a l t einwirkung w i r d nur d a n n als wahrscheinlich angesehen werden d ü r f e n , w e n n folgende Bedingungen erfüllt sind: 1. W e n n die G e w a l t diejenige Körperstelle unmittelbar oder mittelbar betroffen hat, an der später die Gewächsbildung erfolgt ist. 2. W e n n die G e w a l t derartig beschaffen war, d a ß sie längerdauernde u n d eingreifende Gewebs- u n d Stoffwechselstörungen in dem betreffenden Gebiet hervorgebracht h a t oder wenigstens hervorzubringen geeignet w a r . 3. W e n n der zwischen der G e w a l t e i n w i r k u n g u n d den ersten sicher auf eine Gewächsbildung zu beziehenden Erscheinungen verstrichene Zeitraum mit Größe, geweblichem Bau u n d Wachstumsgeschwindigkeit der besonderen Gewächsart in Einklang gebracht werden k a n n . 4. W e n n zwischen den auf die Gewalteinwirkung zu beziehenden unmittelbaren Krankheitserscheinungen u n d den auf die Gewächsbildung zu beziehenden Übergänge — sogenannten Brückenerscheinungen — bestehen. D e r wachstumsbeschleunigende oder verschlimmernde Einfluß eines T r a u m a s auf ein bereits bestehendes Gewächs k a n n d a n n a n e r k a n n t werden, w e n n
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1. die Gewalteinwirkung so beschaffen und lokalisiert war, daß sie eingreifende Gewebs- und Stoffweckselveränderungen in dem Gewächs hervorrufen konnte oder gar nachweislich hervorgerufen hat; 2. das Wachstum der Neubildung ein im Vergleich zum durchschnittlichen erfahrungsgemäßen u n d besonders dem vorher beobachteten ein ungewöhnlich beschleunigtes w a r ; 3. die geweblidie Untersuchung des Gewächses deutliche Spuren einer Gewalteinwirkung (frischere oder ältere Blutungen, ungewöhnliche Nekrosen usw.) und Anzeichen einer f ü r die besondere Art der Neubildung ungewöhnlichen Wachstumsgesch windigkeit aufdeckt; 4. es f ü r die besondere Art der Gewächsbildung zu ungewöhnlich reichlicher und ungewöhnlich lokalisierter Tochtergewächsbildung gekommen ist und der T o d , sei es als unmittelbare Unfallfolge, sei es sonst wie, wesentlich früher (nach der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes mindestens ein Jahr früher) eingetreten ist, als f ü r die besondere Art und Lokalisation des Gewächses erfahrungsgemäß zu erwarten gewesen wäre.
7. Stoffwechselkrankheiten und Krankheiten der endokrinen Drüsen Diabetes mellitus. Nach Umber hat sich der Begutachter bei der Beurteilung der Zusammenhangsfrage folgendes vor Augen zu halten: T r i t t im Anschluß an einen U n f a l l eine Z.uckerausscheidung auf, so muß mit allen Kautelen klinischer Beobachtung geprüft werden, ob eine nichtdiabetisdie extrainsulare Reizglykosurie vorliegt oder ein echter insulärer Diabetes. N u r bei unzweifelhafter Feststellung dieses letzteren kann eine Entschädigungspflicht in Frage kommen. N u r ein Unfall, der das Pankreas unmittelbar oder mittelbar so schwer geschädigt hat, daß ein großer Teil des Inselapparates zerstört wurde, kann einen Diabetes im Laufe weniger Wochen oder Monate verursachen. Ein sicher nachgewiesenes T r a u m a des Zwischenhirns kann auch einmal zum Diabetes führen. Dies ist aber ein relativ seltener Vorgang. Versicherungsrechtlich ist der Nachweis des kausalen Zusammenhangs von Unfall und Diabetes nicht entscheidend, da der Nachweis einer wesentlichen, dauernden Verschlimmerung die Entschädigungspflicht zur Folge hat. Eine wesentliche Verschlimmerung einer latenten oder manifesten Diabetes infolge eines Unfalls ist aber eine Seltenheit, sofern Gelegenheit zu sachkundiger Behandlung gegeben war, die eine Verschlimmerung durch Unfall fast stets durch geeignete Maßnahmen moderner Diätinsulintherapie wirksam abfangen kann. Aber gelegentlich kann auch durch sachgemäßeste Therapie eine Verschlimmerung nicht vermieden werden. Diabetes insipidus. Das Wesen des Diabetes insipidus ist letzten Endes nicht geklärt. Bekannt ist, daß sich beim Menschen am Boden des I I I . Ventrikels ein Polyuriezentrum findet, dessen Reize wahrscheinlich den Weg über den Splanchnikus zur Niere nehmen. Aus Tierversuchen wissen wir, daß Durchschneidung dieses Nerven Polyurie nach sich zieht. Daher k a n n man sich vorstellen, d a ß gelegentlich einmal erhebliche Schädeltraumen durch Mitbeteiligung des Bodens des I I I . Ventrikels zum Diabetes insipidus führen können, der irreparabel sein kann. Vorübergehende Erscheinungen könnten auch Bauchtraumen durch Beeinflussung des Splanchnikus bewirken. Dauerzustände, welche entschädigungspflichtig werden könnten, sind aber von ihnen nicht zu erwarten.
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Fettleibigkeit. Sie ist entweder Folge einer Ü b e r e r n ä h r u n g oder einer Stoffwechselanomalie. Gelegentlich einmal k o m m t es vor, d a ß eine Verletzung, die zu teilweiser Bewegungsunfähigkeit f ü h r t (ζ. B. A m p u t a t i o n ) , angeschuldigt w i r d , eine übermäßige Fettleibigkeit zur Folge gehabt zu haben. Das Reichsversicherungsamt hat in einem derartigen Fall entschieden, d a ß eine solche Fettleibigkeit keine U n f a l l f o l g e sei, da die wesentliche Ursache neben unzweckmäßiger E r n ä h r u n g die Konstitution sei. Gicht. Siehe E r k r a n k u n g e n der Knochen u n d Gelenke. Basedowsche E r k r a n k u n g . W e n n ein T r a u m a ihre Ursache ist, d a n n ist es stets die durch den U n f a l l verursachte seelische Erschütterung, welche die Entstehung der E r k r a n k u n g bewirkt. F ü r die Anerkennung der Zusammenhangsfrage sind also folgende Forderungen zu stellen. V o r dem U n f a l l darf der Verletzte nicht an Basedowscher K r a n k heit gelitten haben u n d audi keine F r ü h s y m p t o m e gezeigt haben. D e r U n f a l l selbst m u ß zu einer starken seelischen Erschütterung g e f ü h r t haben. Eine solche h a t beispielsweise nicht vorgelegen, wenn die U n f a l l m e l d u n g verspätet erstattet w u r d e . Die klinischen E r scheinungen der Basedowschen E r k r a n k u n g müssen innerhalb der ersten 3—6 Wochen nach dem U n f a l l in Erscheinung getreten sein u n d die Arbeitsfähigkeit w ä h r e n d dieser Zeit behindert haben. Abzulehnen ist die Zusammenhangsfrage, w e n n zwischen U n f a l l u n d Ausbruch des Leidens mehrere M o n a t e oder gar J a h r e mit gutem Wohlbefinden und Fehlen von Brückensymptomen liegen. Eine bestehende Basedowsche E r k r a n k u n g k a n n durch einen U n f a l l mit schwerem seelischem T r a u m a verschlimmert werden. Es m u ß diese Verschlimmerung aber erheblich sein, wenige T a g e oder Wochen nach dem U n f a l l einsetzen u n d dem Krankheitsbild eine ungünstige W e n d u n g gegeben haben. Akromegalie. Die Akromegalie ist das äußerlich sichtbare S y m p t o m f ü r eine Geschwulst der H y p o p h y s e . Also m u ß ein U n f a l l , der als Ursache f ü r eine Akromegalie angeschuldigt wird, geeignet gewesen sein, die H y p o p h y s e zur geschwulstigen E r k r a n k u n g zu veranlassen. Somit stheiden zunächst einmal alle peripher angreifenden T r a u m e n vollkommen aus. N u r erhebliche K o p f t r a u m e n könnten in Betracht gezogen werden. I m m e r hin ist auch nach ihnen ein A u f t r e t e n von H y p o p h y s e n t u m o r e n nicht sicher bewiesen. Ebenso ist uns nicht b e k a n n t , d a ß eine psychische E i n w i r k u n g die innersekretorische Funktion der H y p o p h y s e v e r ä n d e r n k a n n . Addisonsdie K r a n k h e i t . Sie b e r u h t auf einem meist doppelseitigen Zugrundegehen des Nebennierengewebes, in der überwiegenden Z a h l der Fälle durch T u m o r e n oder Tuberkulose. D i e unfallsweise Entstehung ist wegen der N o t w e n d i g k e i t der Verletzung beider Nebennieren sehr unwahrscheinlich. Die bisher veröffentlichten Fälle halten ernster K r i t i k nicht stand. D e n k b a r ist die Verschlimmerung einer latenten Nebennierene r k r a n k u n g durch T r a u m a , welches d a n n das klinische A u f t r e t e n der Addisonsymptome zur Folge haben könnte. Nebennierenblutung. Bekannt sind spontane Massenblutungen in die Nebennieren bei den verschiedenartigsten chronischen E r k r a n k u n g e n . Ihr Entstehen ist nicht unfallsweise bedingt. T r i t t die Blutung w ä h r e n d einer Arbeitstätigkeit a u f , so ist eine traumatische Entstehung nur bei schwerer, örtlither G e w a l t e i n w i r k u n g ( F r a k t u r der unteren Rippen, Mitverletzungen von Nachbarorganen usw.) anzuerkennen. Verletzungen der Nebenniere durch indirekte Gewalteinwirkungen sind bisher nicht beobachtet w o r d e n .
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Altersbeschwerden. Häufig werden sie dem Verletzten gelegentlich eines Unfalls oder auch eines unfallähnlichen belanglosen Ereignisses bekannt. Sie sind aber nicht als Unfallfolge zu betrachten, wie durch die Entscheidung des Reichsversicherungsamtes vom 17. Februar 1928 I a Ν. 2933/27/8 bestätigt worden ist. 8. Erkrankungen des Blutes Blutvergiftung. Siehe unter Wundinfektionskrankheiten (Allgemeininfektion). Toxische Blutschädigungen. Siehe unter Berufskrankheiten. Leukämie. Die Auslösung der Erkrankung durch große Blutverluste findet entgegen früherer Annahme nicht statt. Denkbar ist ein erhebliches Trauma auf die Blutbildungsorgane als auslösendes Moment. Strahlenschäden können zur Leukämie führen. Für die Anerkennung einer traumatischen Leukämie ist der Nachweis einer ganz akuten Leukämieform im unmittelbaren Anschluß an ein Trauma oder der Umschlag einer schon bekannten gutartigen und chronischen Leukämie in ein ganz akutes Z.ustandsbild notwendig. Zahlreiche in der Literatur anerkannte Fälle sind Fehldeutungen gewesen. Perniziöse Anämie. Die Ätiologie ist nicht in allen Fällen klar und auch nicht einheitlich. Für die praktische Begutachtung ist wichtig, daß starke Blutverluste sowie Verletzungen und Entzündungen des Knochenmarks bei der Entstehung der Erkrankung keine Rolle spielen. Theoretisch denkbar ist die Einwirkung der Krankheit im Anschluß an Erkrankungen des Magen-Darm-Kanals, Vergiftungen und Strahlenschäden. Milzzerreißungen. Sie sind durch stumpfes Bauchtrauma relativ häufig, bedingen sofort chirurgischen Eingriff, wenn nicht Tod durch Verblutung eintreten soll. In solchen Fällen ist die Zusammenhangsfrage klar. Es gibt auch Blutzysten der Milz, welche die Folge einer Verletzung sind, die zunächst nur eine Gewebstrennung und Blutung in dem Organ selbst setzte. Diese Zysten können sekundär rupturieren (zweizeitige Milzruptur). Auch sie sind unfallbedingt. Dann gibt es aber als nichttraumatische Erkrankungen Spontanrupturen erkrankter Milzen (ζ. B. bei Leukämie, Malaria usw.). Die Entstehung einer Wandermilz durch ein einmaliges Trauma ist nicht denkbar, denn bevor eine Gewalt die Aufhängebänder zum Zerreißen bringt, zertrümmert sie das Organ selbst und führt zu einer Blutung. Tatsächlich ist eine plötzliche Verlagerung einer normal befestigten Milz ohne Milzzerreißung nicht beobachtet. Die Wandermilz ist eine Teilerscheinung einer allgemeinen Enteroptose und nicht unfallbedingt. Milzabszeß. Es sind am Menschen noch keine sicheren Beobachtungen bekannt, wonach ein Milzabszeß sicher nach einem Trauma der Milz entstanden ist. Nach Tierexperimenten von Küttner muß man aber zugeben, daß sich gelegentlich einmal (ähnlich wie bei der Osteomyelitis) im Blut kreisende Eitererreger im traumatisch geschädigten Milzgewebe ansiedeln können. Wenn also wenige Tage nach einem sicheren und erheblichen Trauma der Milzgegend sich die klinischen Anzeichen eines Milzabszesses bemerkbar machen und wenn ein solcher Abszeß auch durch Operation nachgewiesen werden konnte, dann wäre die Zusammenhangsfrage mit dem Unfall zu bejahen. 9. Erkrankungen des Gefäßsystems Herzmuskel- und Herzklappenerkrankungen. Kompressionen des Brustkorbes und des Herzens können zu Verletzungen einzelner Teile des Organes und somit zu Myokardschädigungen und Herzklappenfehlern führen. Die notwendigen diagnostischen
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Methoden zu ihrer Feststellung überschreiten die dem praktischen Arzt gesetzten Grenzen und gehören in das Arbeitsgebiet des Herzspezialisten. Aortenaneurysma. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist es die Folge einer Mesaortitis luetica und nicht unfallbedingt. Anstellung der Wassermannsáitn Reaktion und Fahndung nach sonstigen Zeichen der Lues sind daher unbedingt erforderlich. Es sind aber auch Aneurysmen der Aorta als Folge einer lokalen Verletzung des Gefäßes bekannt. Wenn die unfallsweise Entstehung eines Aortenaneurysmas anerkannt werden soll, dann muß ein erheblicher Unfall den Brustkorb oder Bauch betroffen haben. Es müssen weiter sofort nach dem U n f a l l Kreislaufstörungen, Veränderungen der Herztätigkeit, Brustbeklemmungen vorhanden gewesen sein, welche auch als Brückensymptome bestehen blieben. Ein vorhandenes Aneurysma kann verschlimmert worden sein, wenn es von einem schweren T r a u m a direkt getroffen wurde und wenn sich sofort an das T r a u m a audi schwere klinische Erscheinungen eingestellt haben, so daß eine schlagartige Änderung des Krankheitsbildes mit dem Augenblick des Unfalls einsetzte. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die Ruptur des Aneurysmas fast stets ohne äußere Einwirkung erfolgt. Die Vornahme einer Autopsie muß in solchen Fällen dringend gefordert werden. Aneurysmen peripherer Gefäße. Aneurysmen als Folge von Stidi- und Schußverletzungen der Gefäße sind natürlich traumatisch bedingt. Auch Aneurysmen infolge Anspießung der Gefäße durch Frakturenden kommen vor. Im Gefolge von stumpfen Verletzungen können sie nur auftreten, wenn eine erhebliche direkte Gewalt das Gefäß unmittelbar an der Stelle getroffen hat und wenn sofort oder einige Zeit nach der Verletzung ein Bluterguß evtl. mit Pulsation nachgewiesen werden konnte. Krampfadern. Die Ursache der Entstehung von Krampfadern ist sicher nicht einheitlich und uns auch nicht mit genügender Sicherheit bekannt. Zweifellos ist die überwiegende Mehrzahl aller K r a m p f a d e r n nicht unfallbedingt. In seltenen Fällen können sie es sein, wenn der entsprechende Unfall eine Behinderung des normalen Blutabflusses aus dem Bein bewirkte. Vgl. auch Unterschenkelgeschwüre. Unterschenkelgeschwüre. Die durch Zerfall von Narben auftretenden Geschwüre sind naturgemäß dann Unfallfolge, wenn es die Narben selbst sind. Das typische Unterschenkelgeschwür hat seine Ursache in dem Gewebszerfall, welcher dadurch hervorgerufen wird, daß durch den verkehrten Kreislauf in den Varizen das Blut so an Kohlensäure angereichert wird, daß das Gewebe erstickt. Infolgedessen ist das Ulcus cruris mit der Hautatrophie und dem chronischen Ekzem einwandfrei die Folge der K r a m p f a d e r n (siehe dieses). In der Praxis tritt sehr häufig der Fall ein, daß bei bestehenden Varizen und Ulkusbereitschaft eine kleine Wunde, die an anderer Stelle in wenigen Tagen vollkommen abheilen würde, oder eine Gewebsquetschung nicht abheilt, sondern zum Ulkus wird. D a n n wird das Ulkus als Folge des Unfalls angeschuldigt. Ärztlicherseits ist zu sagen, daß die überwiegende Teilursache f ü r die Entstehung des Ulkus das Bestehen der K r a m p f a d e r n mit Geschwürsbereitschaft ist, die Verletzung selbst ist ganz sicher nur der erheblich kleinere Ursachenanteil. Ob man ihn in dem zu beurteilenden Einzelfalle als wesentlich mitwirkende Ursache ansehen will, hängt von der Schwere der Verletzung und der Größe der schon vorher bestehenden Geschwürsbereitschaft ab. Wenn aber einmal die zum Ulkus gewordene Wunde abgeheilt ist, dann sind
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audi die Folgen des Unfalles beseitigt. Treten später wiederum Unterschenkelgeschwüre auf, dann sind sie nicht der Verletzung, sondern den unabhängig von ihr bestehenden Varizen zur Last zu legen. Varikozele. Siehe Genitalerkrankungen des Mannes. Thrombose. Die Thrombose einer Blutader kann aus den verschiedensten Ursachen entstehen. Als Unfallfolge muß sie anerkannt werden, wenn das Trauma geeignet gewesen ist, eine teilweise Zerreißung der Veneninnenhaut hervorzurufen oder einen Bluterguß in der Wand des Gefäßes oder seiner näheren Umgebung zu setzen. Audi wenn eine Verletzung an thrombosenferner Stelle zur Ruhigstellung des Körpers (Bettruhe) zwang, ist eine sich dann in der unteren Extremität und dem Becken entwickelnde Thrombose als unfallbedingt anzusehen. Und schließlich ist dies audi der Fall, wenn durch den Unfall größere Mengen Körpergewebes zum Absterben gebracht werden, so daß der Blutkreislauf mit Zerfallsprodukten überschwemmt wurde. Embolie. Das Wesentliche ist, ob die Thrombose, aus der sich der Embolus ablöste, als Unfallfolge anerkannt werden muß. Dies ist der Kernpunkt der Beurteilung. Ist die Thrombose unfallmäßig entstanden, dann ist es auch die Embolie mit ihren Folgen. Denkbar ist nodi, daß ein Blutgefäß, in dem eine unabhängig vom Unfall bestehende Thrombose vorhanden ist, von einem Trauma getroffen wird. Dann kann unter seiner Einwirkung der Thrombus abreißen und zum Embolus werden. Die Embolie muß dann aber unmittelbar nach dem Trauma eintreten, wenn sie ebenfalls als Unfallfolge anerkannt werden soll. Arteriosklerose. Sie stellt eine typische Abnutzungserkrankung der Gefäßwand dar, ist also nicht die Folge einer einmaligen Gewalteinwirkung. Apoplexie. Da sie auf der Berstung eines Hirngefäßes bei Arteriosklerose (siehe dieses) beruht, so ist sie nidit unfallbedingt. Die sogenannte posttraumatische Spätapoplexie ist ein so seltenes und nodi dazu umstrittenes Ereignis, daß es hier nicht näher behandelt werden kann. Endangiitis obliterans. Es handelt sich um eine progredient verlaufende Intimaverdickung vorwiegend der Arterien der unteren Extremitäten (aber auch an anderen Körperstellen), welche langsam zum Verschluß der Gefäße und klinisch zu Schmerzen, intermittierendem Hinken, Durchblutungsstörungen bis zur Gangrän führt. Diese Veränderungen sind allergischer Natur. Mit einem einmaligen Unfallereignis haben sie ursächlich nichts zu tun. Gangrän einer Extremität. Bei jeder Gangrän ist zunächst nach der Ursache derselben zu forschen. Erst wenn sie einigermaßen sicher ist, kann die Zusammenhangsfrage mit einem Unfall diskutiert werden. Arteriosklerose, Diabetes, arterielle Embolie und die Endarteriitis obliterans sind die häufigsten Ursachen. Sie sind also nicht unfallbedingt, und daher ist es auch die von ihnen hervorgerufene Gangrän nicht. Ist sie aber die Folge einer vollständigen oder teilweisen Gefäßzerreißung durch ein Trauma, dann ist die Zusammenhangsfrage klar. Folgt auf eine belanglose Hautverletzung eine diabetische oder senile Gangrän, dann ist nicht die kleine Verletzung, sondern das Grundleiden die Ursache des fortschreitenden Gewebstodes.
Erkrankungen des Respirationssystems
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10. Erkrankungen des Respirationssystems Lungenverletzungen. Im allgemeinen heilen sie ohne zurückbleibende Erwerbsfähigkeitsverminderung. Als Folgeerscheinung können auftreten: Pleuraergüsse mit Pleuraschwarten, Empyem, Pneumothorax, Lungenabszesse. Lungenentzündung. Eine unfallbedingte Lungenentzündung kann durch plötzliche Erkältungen, Durchnässungen und durch Gaseinatmungen hervorgerufen werden. Außerdem kennen wir aber auch die traumatische Pneumonie durch Kontusion. Die Anerkennung der Zusammenhangsfrage ist von der Erfüllung folgender Bedingungen abhängig zu machen: 1. Der Verletzte muß vor dem Unfall arbeitsfähig gewesen sein. 2. Eine wesentliche Verletzung muß die Lunge betroffen haben. Meist wird es sich um eine erhebliche Quetschung des Brustkorbes evtl. mit Rippenfrakturen gehandelt haben, welche zu objektiven und subjektiven Verletzungserscheinungen, zur Arbeitseinstellung und zur Konsultation eines Arztes führte. 3. Die Lungenentzündung muß sich zeitlich noch an den Unfall angeschlossen haben. Der Zeitraum beträgt 1—2, höchstens 4—6 Tage. Lungenemphysem. Es ist im allgemeinen eine Alterserscheinung und nicht unfallbedingt. Unfallmäßig kann es gelegentlich entstehen durch Einatmung ätzender D ä m p f e , als Folge traumatisch bedingter Bronchitis, als kompensatorische Erweiterung bei traumatischer Zerstörung anderer Lungenteile. Bei der Beurteilung ist nach alten Lungenerkrankungen zu forschen. Zwischen U n f a l l und Nachweis der Erkrankung müssen Brückensymptome vorhanden sein. Lungentuberkulose. Die traumatische Entstehung ist sehr selten. Das Reichsversicherungsamt verlangt f ü r die Anerkennung der Zusammenhangsfrage eine der Gewißheit nahekommende H ä u f u n g von Wahrscheinlichkeitsgründen d a f ü r , daß der U n f a l l von wesentlichem Einfluß auf die Entwicklung des Leidens gewesen ist, daß ohne das D a zwischentreten des Unfalls der Verlauf der Krankheit sich wesentlich anders gestaltet haben würde, als es tatsächlich der Fall war. Dies muß in jedem Einzelfall durch bestimmte, konkrete Tatsachen erwiesen oder sehr wahrscheinlich gemacht werden. Die strengen Anforderungen an den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Lungentuberkulose und U n f a l l sind aus dem Grunde berechtigt, weil es sich um ein Leiden handelt, welches sich meist ohne äußere Einwirkungen entwickelt. Über die Lungentuberkulose als Berufskrankheit bei ärztlichem Hilfspersonal und Pflegepersonal siehe Seite 80. Lungenblutung. Sie ist fast ausschließlich die Folge einer Lungentuberkulose oder des Karzinoms. Das Eintreten einer Lungenblutung hat eine besondere körperliche Anstrengung oder eine äußere Gewalteinwirkung nicht zur Voraussetzung. Werden längere Zeit dauernde Körperanstrengungen als Ursache der Lungenblutung angesehen, dann ist sie nicht unfallbedingt, da die Gewalteinwirkung sich auf einen längeren Zeitraum erstreckte. Soll eine Lungenblutung auf tuberkulöser Basis als Folge eines Unfalls angesehen werden, so muß gefordert werden, daß ein erheblicher Unfall entweder geeignet war, durch die Brustwand hindurch das Lungengewebe so zu schädigen, daß es zur Gefäßruptur kam oder daß er eine deutliche Blutdrucksteigerung hervorbringen konnte, welche eben-
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falls das Gefäß in der Lunge zur Ruptur bringen konnte. Ist das Lungenbluten aber zum Stehen gekommen, dann sind audi die Folgen des Unfalls beseitigt, und der alte Z.ustand der Lungentuberkulose ist wiederhergestellt. Lungenembolie. Siehe unter Erkrankungen des Gefäßsystems. Pleuritis. Die Rippenfellentzündung ist das Begleitsymptom der verschiedensten Erkrankungen (besonders auch der Tuberkulose), sie kann aber auch traumatisch bedingt sein. Die Anerkennung der Zusammenhangsfrage ist an folgende Bedingungen geknüpft: 1. Andere Entstehungsursachen für diePleuritis müssen ausgeschlossen werden können. 2. Ein erheblicher Unfall muß die erkrankte Brustkorbseite betroffen haben. 3. Zwischen Gewalteinwirkung und Nachweis der Pleuritis müssen Brückensymptome wie Atembeschwerden, Schmerzen, Husten vorhanden gewesen sein. 11. Erkrankungen der Bauchdecken Eingeweidebrüche. Ihre traumatische Entstehung ist häufig diskutiert worden. Ihre unfallsweise Entstehung ist äußerst selten. Allgemeine Anerkennung haben die nachstehenden Leitsätze gefunden, welche in der Entscheidung des Reichsversicherungsamtes, Bd. 16, S. 392, enthalten sind. Sie lauten: „1. Es muß ein Unfallereignis im Sinne des Gesetzes vorliegen oder ungewohnte, jedenfalls für den Ausführenden zu schwere Arbeit. 2. Das Unfallereignis muß derartig gewesen sein, daß entweder die Gegend des Bruches durch eine schwere Gewalteinwirkung betroffen wurde, so daß eine Zerreißung der Bauchwand die Folge war, oder daß eine gewaltige Erhöhung der Bauchpresse ausgelöst wurde. Diese letztere, sehr seltene Möglichkeit, bei der als Folge nicht eine Zerreißung der Bauchwand, sondern die erste Füllung eines lange angelegten, bis dahin aber leeren Bruchsackes eintreten kann, besteht für Leisten- und Nabelbrüdie, nicht für solche der weißen Linie. Dagegen scheinen in allerdings sehr seltenen Fällen durch übergroße Kraftanstrengungen an außergewöhnlichen Stellen der Bauchwand Brüche austreten zu können. 3. Die Arbeit muß bei unter starker Gewalteinwirkung entstandenen Brüchen — einerlei, ob Leisten- oder Bauchbrüdien — infolge heftigster Schmerzen oder Übelkeit sofort niedergelegt werden, jede andere körperliche Beschäftigung unmöglich sein und der Arzt sofort oder wenigstens bis zum 3. Tage angerufen sein. 4. Wenn sich bei direkter Gewalteinwirkung mit Zerreißung ein Bluterguß und unzweifelhaft hochgradige Schmerzhaftigkeit an der Stelle des Bauchbruches nachweisen lassen, so ist damit die Unfallentstehung bewiesen. Bei Leistenbrüchen kann der Bluterguß fehlen, da das Blut in die Bauchhöhle abfließen kann. Bei Gewaltbrüchen der weißen Linie scheint er so gut wie stets vorhanden zu sein. 5. Wenn bei schweren Bauchverletzungen, die auch zu Verletzungen anderer Gewebe und Organe ζ. B. Beckenbrüchen, Blasenverletzung o. dgl. führen, in späterer Zeit Bauchbrüche auftreten, so können diese besonderen Begleitumstände audi später zur Anerkennung dieser Brüche führen, sofern keine dieser Auffassung entgegenstehenden Bedenken geltend gemacht werden können. 6. Plötzliche Vergrößerungen und damit Verschlimmerungen von schon bestehenden fertigen Leisten- und Nabelbrüchen durch gewaltige Anspannung der
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Baudipresse sind möglich, erfordern aber schärfste Einhaltung der Forderungen, die f ü r den Unfallbruch anerkannt sind, da sich Vergrößerungen schon bestehender Brüche bekanntlich bei jeder starken Anspannung der Bauchpresse, so starkem Pressen beim Stuhlgang, heftigen Hustenstößen, einstellen können." Einklemmungen eines bestehenden Bruches können bei belanglosen Gelegenheitsursachen, aber auch ohne dieselben, beispielsweise im Schlaf, auftreten. Sind sie in unmittelbarem Anschluß an ein den Bauch treffendes, starkes T r a u m a entstanden, so muß anerkannt werden, daß diese Verschlimmerung unfallsmäßig entstanden ist. Ist aber die Einklemmung durch Taxis oder Radikaloperation beseitigt, dann sind der alte Zustand wiederhergestellt und die Folgen des Unfalls beseitigt. Bei gelungener Radikaloperation ist der Verletzte sogar besser daran als vor dem Unfall. Bauchfellentzündung. Diese Diagnose ist f ü r die Begutachtung der Unfallzusammenhangsfrage zu ungenau, als daß sie eine einwandfreie Beurteilung zuließe. Eine aseptische, exsudative, traumatische Bauchfellentzündung gibt es nicht. H a n d e l t es sich um eine eitrige Entzündung, so ist sie die Ursache irgendeiner Darmwandverletzung, deren unfallsweise Entstehung ihrerseits dann zu diskutieren ist. Bauchfellentzündungen durch besondere Erreger (Pneumokokken, Gonokokken, Tuberkelbazillen) sind stets Metastasen eines irgendwo im Körper liegenden Primärherdes. Denkbar, aber bisher nicht einwandfrei erwiesen ist, daß bei im Blut kreisenden Erregern ein erhebliches T r a u m a des Bauches, welches peritoneale Reizsymptome hervorgerufen haben müßte, die Ursache der Ansiedlung der Erreger gerade an dieser Körperstelle ist. Andererseits kann ein Trauma, welches ζ. B. einen tuberkulösen H e r d des Körpers trifft, zu einer Keimaussaat im Körper und Metastasierung etwa in das Peritoneum führen. W e n n man in einem solchen Fall die Zusammenhangsfrage bejahen will, dann dürfen die ersten Erscheinungen erst nach Ablauf der 3. Woche auftreten. Die äußerste Grenze sind sechs Monate, es müssen dann aber bereits ganz leichte Brückensymptome beobachtet worden sein. 12. Erkrankungen des Magen- und Darmkanals Ösophagusdivertikel. Die Pulsionsdivertikel sind nie eine Folge eines einmaligen Unfalls, da sie entsprechend ihren Namen durch Vorstülpung infolge Innendruckvermehrung langsam entstehen. Die Traktionsdivertikel entstehen durch Narbenzug infolge irgendeines außerhalb der Speiseröhre liegenden krankhaften Prozesses. Wenn dieser unfallbedingt ist, dann muß man auch das Divertikel als Unfallfolge anerkennen. Magen- und Duodenalgeschwür. Nach übereinstimmender Ansicht aller Sachkenner ist ein Magengeschwür nicht unfallbedingt. N u r nach Verbrennungen und septischen Erkrankungen auftretende akute Geschwüre machen eine Ausnahme, wenn die Grundleiden als Unfallfolge zu betrachten sind. Meist heilen diese Geschwüre aber ab. Ist dies geschehen, dann ist der Vorzustand wiederhergestellt. Später etwa auftretende MagenDuodenalgeschwüre sind nicht mehr als unfallbedingt anzusehen. ö f t e r schon wird die Perforation eines Magengeschwürs als Unfallfolge angeschuldigt. In solchen Fällen bedarf es der genauen Prüfung, ob die Magenwand schon so weit zerstört war, daß der Durchbruch jederzeit erfolgen konnte, oder ob der Unfall nadi Art
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und Schwere besonders geeignet war, den Durchbruch eines noch nicht entsprechend weit vorgeschrittenen Geschwüres herbeizuführen. Im ersteren Falle wäre der leichte Unfall oder die Arbeitstätigkeit lediglich die Gelegenheit, nicht die Ursache des Geschwürsdurchbruches. Das Vorhandensein einer runden Perforationsöffnung spricht für einen nicht unfallentstandenen, schicksalsmäßigen Durchbruch, während das evtl. zackenförmig begrenzte Perforationsloch für die Einwirkung einer Gewalt sprechen würde. Audi wenn man den Geschwürsdurchbruch als Unfallfolge anerkennen sollte, so ist damit doch nicht das Geschwür an sich als Unfallfolge anerkannt. Vielmehr ist nach operativer Behandlung der Perforation die vorübergehend vorhanden gewesene Verschlimmerung des unabhängig vom Unfall bestehenden Geschwürsleidens des Magens beseitigt. Magenblutung. Die Blutung aus einem Magengeschwür tritt in den meisten Fällen unabhängig von einer äußeren Gewalteinwirkung auf. Wenn jedoch die Blutung sich unmittelbar an eine die Magengegend treffende schwere Gewalteinwirkung angeschlossen hat, dann wird man sie als Unfallfolge anerkennen müssen, wenn die Gewalteinwirkung von einem Schwächegefühl oder einer Ohnmacht gefolgt war und wenn dann nach kurzer Zeit Bluterbrechen erfolgte oder am nächsten Tag Teerstuhl beobachtet wurde. Wenn aber die Folgen der Blutung behoben sind, dann sind auch die Folgen des Unfalls beseitigt, der Zustand vor dem Unfall ist dann wiederhergestellt. Magensenkung. Sie ist ein konstitutionell bedingtes Leiden, für welches ein Unfallereignis nicht verantwortlich gemacht werden kann. Magenkarzinom. Siehe darüber den Abschnitt über Tumoren (Seite 85). Darmzerreißungen. Daß stumpfe Bauchtraumen Darmzerreißungen hervorrufen können, ist bekannt. Besonders häufig werden bei Gewalteinwirkungen von vorne die über der Wirbelsäule liegenden Darmteile zerquetscht. Auch ein Einriß des Mesenteriums und eine Abreißung des Darmes vom Mesenterium kommen vor. Der anatomische Befund wird wohl stets durch Operation oder, falls diese versäumt wurde, auf dem Leichentisch festgestellt werden. Bei stumpfen Bauchverletzungen braudien äußere Verletzungszeichen an den Bauchdecken nicht vorhanden zu sein. Stets aber muß sich unmittelbar an den Unfall das klinische Bild der Peritonitis anschließen. Darmgeschwüre. Sie haben wohl immer eine spezifische Ursache (ζ. B. Typhus, Ruhr, Tuberkulose usw.). Verletzungen der Schleimhaut des Darmes selbst durch eine traumatische unvollständige Darmruptur heilen fast ausnahmslos ohne Bildung eines Geschwürs. Die Darmgeschwüre neigen zu Perforationen, ohne daß eine Gewalteinwirkung stattfindet. Wird für eine Geschwürsperforation ein belangloses Ereignis angeschuldigt, so ist die Zusammenhangsfrage abzulehnen. Tritt bei erheblichen Gewalteinwirkungen eine Perforation an einer Geschwürstelle auf und findet sich bei Operation oder Autopsie eine Perforationsstelle mit zerfetzten Rändern und einer Darmwand, welche an und für sich nicht perforationsreif war, dann ist die Zusammenhangsfrage anzuerkennen, wenn sofort nach dem Unfall deutliche peritoneale Reizerscheinungen nachzuweisen gewesen sind. Invagination. In älterem Schrifttum ist die traumatische Entstehung häufiger behauptet worden, jedoch sind fast alle mitgeteilten Fälle nicht beweiskräftig. Die neuere Literatur enthält keine derartigen Fälle mehr. Im allgemeinen kann man wohl sagen, daß eine Invagination nicht durch ein Bauchtrauma hervorgerufen wird.
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Darmverschluß. Der Darmverschluß ist ein aus verschiedenen Ursachen auftretendes Symptom. Bei der Diskussion der Zusammenhangsfrage mit einem Unfall muß man also nicht den Darmverschluß an sich, sondern seine eigentliche Ursache zur Grundlage der Erörterungen machen. Der spastische oder paralytische Ileus nach stumpfem Bauchtrauma ist stets nur vorübergehend. Appendizitis. Man muß die traumatische Zerreißung der gesunden Appendix von der Entstehung oder Verschlimmerung einer Appendizitis durch Unfall unterscheiden. Das erstere Ereignis kann bei geeigneten Traumen eintreten und ist auch beobachtet worden. Man muß sich aber vor Augen halten, daß die gelegentlich von Operationen festgestellten Blutungen in das Mesenterium oder die Appendixwand auch bei dem Operationsakt selbst gesetzt sein können. Die traumatische Entstehung einer editen Appendizitis wird von mehreren Autoren überhaupt abgelehnt. Man kann den Zusammenhang anerkennen, wenn ein sicher nachgewiesenes Trauma die Appendixgegend traf und wenn ein Intervall von höchstens 24 Stunden zwischen Unfall und Erkrankung lag. Dazu muß man noch fordern, daß sofort nach dem Unfall peritoneale Reizerscheinungen bestanden und daß die Arbeit ausgesetzt wurde. Liegt zwischen dem Unfall und der Erkrankung ein längerer Zeitraum, während dessen der Verletzte gearbeitet hat, so ist die Zusammenhangsfrage zu verneinen. Mastdarmvorfall. Mechanische Verletzungen des Beckenbodens, die zu Zerreißungen von Muskulatur geführt haben, können die Ursache eines Mastdarmvorfalles sein, der dann als Unfallfolge anzusehen ist. Mastdarmfisteln. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle sind sie Folgen chronischer Entzündungen. N u r die im Ansdiluß an unfallsmäßig entstandene Verletzungen des Enddarmes und des Anus auftretenden Fisteln können als Unfallfolgen betrachtet werden. Akute gelbe Leberatrophie. Sie ist nicht unfallbedingt. In seltenen Fällen kann sie sich bei einer Allgemeininfektion entwickeln. Wenn diese als Unfallfolge zu betrachten ist, dann müßte man auch die Leberatrophie als eine solche ansehen. Leberzirrhose (Leberschrumpfung). Sie entwickelt sich meist auf entzündlicher luetischer und alkoholischer Basis. Es ist bisher nicht bekannt, daß sie die sichere Folge eines Lebertraumas ist. Gallenblascnentzündung. Die Gallenblasenentzündung sowie die Steinkrankheit der Gallenblase sind nicht selten. Wenn wir auch die Ätiologie nicht sicher kennen, so wird dodi allgemein angenommen, daß Stauungen beim Gallenabfluß evtl. mit sekundärer Infektion eine Rolle spielen. Wenn also irgendein Unfall mit seinen Folgen dazu geführt hat, daß der Gallenabfluß gehemmt wurde, dann kann die sich im Ansdiluß daran entwickelnde Cholezystitis oder Cholelithiasis als Unfallfolge anerkannt werden. Peritoneale Adhäsionen mit Knickungen und Verengerungen der Gallenwege können also die Ursache sein. Die Zusammenhangsfrage kann aber wohl nur einwandfrei geklärt werden, wenn eine Laparotomie ausgeführt worden ist. Das Zusammentreffen von Gallenblasenerkrankungen und irgendeinem Bauchtrauma in der Anamnese genügt an und für sich nicht, zwischen beiden einen ursächlichen Zusammenhang anzunehmen. Abnorme körperliche Erschütterungen und stumpfe Traumen der Baudidecken können dazu führen, daß ein schon vorhandener Gallenstein sich einklemmt und so einen Gallensteinanfall hervorruft. Ist er aber abgeklungen und die Einklemmung beseitigt, dann ist audi die vorhanden gewesene Verschlimmerung des Leidens durch den Unfall beseitigt.
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N u r in ganz seltenen Fällen kann man eine dauernde Verschlimmerung anerkennen, wenn nämlich durch den U n f a l l ganz einwandfrei sicher der erste Gallensteinanfall ausgelöst worden ist und wenn bei einem sonst absolut gesund gewesenen Menschen sich an diesen unfallmäßig entstandenen Anfall häufig und in kurzen Zwischenräumen weitere Anfälle anschließen. Man muß aber dabei berücksichtigen, daß audi ohne traumatische Einwirkungen Gallensteinanfälle einsetzen und sich wiederholen können. Die Schätzung einer etwa durch ein Gallenleiden bedingten Erwerbsfähigkeitsverminderung hat die Häufigkeit der Kolikanfälle und die Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes zu berücksichtigen. Meist wird der Arzt die Gewährung einer „Durchschnittsrente" vorschlagen. Milz. Siehe unter Erkrankungen des Blutes. Pankreasnekrose. Die Erkrankung besteht in einer sehr plötzlich einsetzenden Selbstverdauung des Organs, meist hervorgerufen durch Rückstauung von Galle und des Eigensekrets der Drüse. Aus diesem Grunde ist zweifellos die überwiegende Mehrzahl der Fälle nicht unfallbedingt. Partielle Verletzungen der Drüse können zu Pseudozysten führen. Wenn in einem Ausnahmefall eine akute Pankreasnekrose die Folge eines Unfalls sein sollte, so muß ein erhebliches T r a u m a den Oberbauch getroffen haben, welches geeignet war, eine Blutung in das Drüsengewebe hervorzurufen, und das Krankheitsbild der Pankreasnekrose muß sich direkt an das Unfallereignis angeschlossen haben. Pankreaszysten. Soweit es sich um peripankreatische Pseudozysten handelt, können sie die Folge eines leichten Pankreasrisses sein. O b eine solche Zyste tatsächlich vorliegt und keine andere Zystenform, wird sich so gut wie immer einwandfrei erst nach operativer Entfernung und histologischer Untersuchung entscheiden lassen. Wenn man eine Pankreaszyste als Unfallfolge anerkennen will, dann muß der Oberbauch von einem erheblichen T r a u m a getroffen worden sein, welches geeignet war, das Pankreas zu verletzen. Ferner müssen sofort nach dem T r a u m a die klinischen Zeichen einer teilweisen Pankreasruptur vorhanden gewesen sein. Der klinische Nachweis der Zyste kann aber erst nach längerer Zeit, evtl. Monaten, möglich sein. 13. Erkrankungen des Harnsystems Nierenstein und Ureterstein. Das A u f t r e t e n von Nierensteinen ist abhängig von dem Zusammentreffen zweier Komponenten, nämlich dem Entstehen von Bildungszentren und einer Zustandsänderung des Harns. Beides kann durch einen Unfall hervorgerufen werden. In der Regel ist jedoch die Steinentstehung nicht durch ein T r a u m a bedingt. Verletzungen des Nierenparenchyms können durch ein Blutkoagulum ein Bildungszentrum f ü r den Stein abgeben. Es muß sich aber dann um eine erhebliche Verletzung der Niere gehandelt haben. Die Mehrzahl der Nierenverletzungen heilt ohne Steinbildung ab. Perirenale und periurethrale H ä m a t o m e können durch Narbenzug Abflußstörungen des H a r n s hervorrufen u n d so eine Zustandsänderung des H a r n s bedingen. Verletzungen von Blase und H a r n r ö h r e können dieselbe Wirkung erzielen. Außerdem können es erfahrungsgemäß Verletzungen des Hirns und Rückenmarkes sowie die erschwerte Harnentleerung nach längerem Krankenlager (ζ. B. auch bei Frakturen). Nach einer erheblichen Körpererschütterung kann ein bereits vorhandener Nierenstein durch Verletzung des Nierenparenchyms eine Nierenblutung hervorrufen, oder er kann durdi Verschluß des Harnabflusses einen akuten Nierensteinanfall bewirken. Wenn die
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Blutung aufgehört hat und wenn der Harnabfluß sich wieder eingestellt hat, dann ist audi die durch den Unfall gesetzte Verschlimmerung beseitigt und der Körperzustand vor dem Unfall wiederhergestellt. Hydro- und Pyonephrose. Sie kann in nidit zu häufigen Fällen unfallbedingt sein. In solchem Falle muß das Trauma geeignet gewesen sein, eine länger dauernde Behinderung des Harnabflusses der Niere hervorzurufen. Möglich ist dies durdi Verletzung mit anschließender narbiger Verengerung des Ureters, durch Verlagerung der Niere mit Abknickung des Ureters und durch Bildung von Steinen mit Einklemmung in den Ureter. Gefordert wird für die Annahme der traumatischen Enstehung einer Hydronephrose der Nachweis folgender Bedingungen: 1. Fehlen von Nierensymptomen vor dem Unfall. 2. Fehlen anderweitiger ätiologischer Momente für die Hydronephrose wie ζ. B. angeborene Anomalien der Harnwege, aberrierende Gefäße, Tumoren der Blase und Prostata, Ureterstrikturen nichttraumatischen Ursprungs, chronische Perityphlitis, Adnexerkrankungen. 3. Nachweis der Erheblichkeit des Traumas in Gestalt einer direkten Verletzung der Niere bzw. Feststellung von Folgeerscheinungen des Unfalls, welche die Entstehung einer Abflußbehinderung wahrscheinlich machen. 4. Nachweis von Brückensymptomen. Bestehende Hydro- und Pyonephrosen können durch direkte Traumen zur Ruptur gebracht werden. Wanderniere. Sie ist durch konstitutionelle Veranlagung bedingt. Die traumatische Verlagerung der Niere durch eine einmalige, erhebliche Gewalteinwirkung ist nur im Ausmaß der Dehnbarkeit der Nierengefäße denkbar. Eine weitere Verlagerung muß zum Abriß des Nierenstiels führen. Einmalige, leichtere Traumen, ein Ziehen, Tragen, Pressen usw. sind nicht geeignet, die normale Niere aus ihren Befestigungen zu lösen, gelegentlidi einmal können sie der Anlaß sein, daß eine bestehende Wanderniere dem Menschen zum Bewußtsein kommt. Hypernephrom. Da es sich um einen echten Tumor durch Verschleppung von Nebennierenkeimen während des foetalen Lebens handelt, ist die traumatische Entstehung ausgeschlossen. Nierenentzündung. Die verschiedenartigsten Entzündungen des Nierenparenchyms sind sowohl nach direkten Verletzungen der Niere als auch nach nierenfernen Verletzungen anderer Körperteile möglich. Die Diagnose der Art der Nierenschädigung verlangt spezialärztliche Beobachtung des Verletzten. Nierentuberkulose. Bei der Anerkennung des Unfalls als Ursadie müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: 1. Der Unfall muß erheblich gewesen sein, jedoch können bei Nierenverletzungen sich Verletzungssymptome erst nach 24—36 Stunden einstellen. 2. Der Unfall muß geeignet gewesen sein, die Niere zu verletzen. Der Verletzurigshcrgang und die ersten Verletzungsfolgen müssen besonders eingehend analysiert werden. 3. Es müssen sich an den Unfall die Krankheitserscheinungen angeschlossen haben. Eine bestehende Nierentuberkulose kann durch einen Unfall verschlimmert werden. Es kann dann ein bisher latent bestehender Herd klinische Erscheinungen machen, oder 7 Rostode
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die bestehende Nierentuberkulose kann sich örtlich verschlimmern, oder es kann durch das Trauma eine Metastasierung in andere Organe erfolgen. Wenn die Verschlimmerung anerkannt werden soll, dann muß das Trauma den bisher chronisch fortschreitenden Verlauf des Leidens in erkennbarer Weise sowohl hinsichtlich der Beschwerden als auch der objektiven Krankheitszeichen ungünstig beeinflußt haben. Nierenbeckenentzündung. Die Infektion des Nierenbeckens kann durch Verletzung von außen her oder Einbruch von Abszessen in der Umgebung der Niere, durch Aszendieren der Keime auf dem normalen Harnwege sowie durch Infektion auf dem Blut- und Lymphwege erfolgen. Wenn die Primärursache unfallbedingt war, dann ist es auch die Pyelitis selbst. Blasenstein. Die Entstehung des Blasensteins ähnelt dem des Nierensteins. Die Bildung eines Inkrustationszentrums spielt eine besonders große Rolle. Wenn es also die Folge eines Unfalls ist, so ist es auch der Blasenstein. Daneben führen Verletzungen, die mit Blasenlähmungen einhergehen, recht häufig zu Blasensteinen. Die Entwicklungszeit kann von sechs Wochen bis zu mehreren Jahren schwanken. In der Zeit von zwei bis fünf Monaten bildet sich die Mehrzahl der Steine. Audi die Infektion der Blase bei häufig auszuführendem Katheterismus oder beim Anlegen eines Dauerkatheters ist eine Ursache der Blasensteinbildung. Harnröhrenstrikturen. Sie sind meist die Folge irgendwelcher Entzündungen (Gonorrhoe!). Sie werden aber auch durch vollständige oder teilweise Zerreißung der Harnröhre mit und ohne Beckenfraktur sowie durch den durch einen Dauerkatheter manchmal hervorgerufenen Dekubitus der Harnröhrenschleimhaut erzeugt. 14. Genitalerkrankungen des Mannes Varikozele. Sie ist in überwiegender Mehrzahl der Fälle nicht unfallbedingt. Man könnte sie-in Ausnahmefällen als Folge eines Unfalls anerkennen, wenn er geeignet war, etwa durch Bindegewebsnarben den Blutabfluß aus dem Hoden zu drosseln. Wasserbruch. Wenn ein solcher als Unfallfolge angesehen werden soll, dann muß sein Auftreten sich kurze Zeit langsam und allmählich an ein stumpfes Trauma des Hodens oder Nebenhodens angeschlossen haben. Da derartige Traumen sehr schmerzhaft sind und häufig sogar zur Ohnmacht führen, so werden die Verletzten zum mindesten für kurze Zeit die Arbeit ausgesetzt und auch wohl den Unfall gemeldet haben. Besteht ein monatelanger oder gar jahrelanger Zwischenraum zwischen der Entwicklung der Hydrozele und dem Unfall, so ist die Zusammenhangsfrage sicher abzulehnen. Indirekte Verletzungen wie Verheben usw. sind nicht in der Lage, einen Wasserbruch hervorzurufen. Nebenhodentuberkulose. Unfallsweise Entstehung ist selten. Nach Zollinger bestehen folgende Bedingungen für die Anerkennung der Zusammenhangsfrage: Freisein des Hodens und Nebenhodens von Tuberkulose vor dem Unfall. Das Trauma muß geeignet sein, lokalisierend oder mobilisierend zu wirken (Erheblichkeit des Unfalls, unzweideutige Zeichen der Verletzung, anatomische Schädigung des Gewebes, Hämatom). Das Trauma muß den Hoden oder Nebenhoden selbst betroffen haben. (Überanstrengungen führen nie zur Hodentuberkulose.) Die Nebenhodentuberkulose darf nicht früher als 3—4 Wochen und nicht später als 3—4 Monate nach dem Unfall klinisch erkennbar werden.
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Eine Verschlimmerung einer bestehenden Nebenhodentuberkulose durch einen Unfall ist dann anzuerkennen, wenn die obigen Bedingungen erfüllt sind und wenn die Erkrankung sofort oder innerhalb weniger T a g e einen offensichtlich rapideren Verlauf genommen hat. Unspezifische Nebenhodenentzündungen. Sie sind meist nicht unfallbedingt. Nur wenn es sich um die Infektion eines sicheren Nebenhodenhämatoms handelt, müßte man die Zusammenhangsfrage anerkennen. 15. Genitalerkrankungen der Frau Gebärmutterverlagerungen. Sie sind meist nicht unfallbedingt. Traumatisch können sie entstehen durch einen heftigen Fall auf Gesäß und Füße, bei bestehender Anlage durch starke Erhöhung des Bauchinnendruckes, durch Einwirkung einer erheblichen Gewalt auf den Unterleib. Gebärmuttersenkung und Vorfall. N u r ein erhebliches Trauma kann die Aufhängebänder zum Zerreißen oder zur Dehnung bringen. Es müssen also nach dem Unfall schwere Krankheitserscheinungen (Aussetzen der Arbeit und Aufsuchen ärztlicher Hilfe) eingesetzt haben. Meistens besteht auch beim traumatischen Prolaps eine Disposition. Abort. Echte posttraumatische Aborte sind nicht häufig. Die Bejahung der Zusammenhangsfrage ist an folgende Bedingungen geknüpft: 1. Sonstige Ursachen des Aborts müssen sicher ausgeschlossen werden. 2. Das Unfallereignis muß hinreichend erheblich gewesen sein und besonders auch geeignet gewesen sein, eine Fehl- oder Frühgeburt auszulösen. 3. Die Erscheinungen · der Schwangerschaftsunterbrechung (Schmerzen, Blutungen, Wehen) müssen sich innerhalb von längstens drei Tagen an den Unfall angeschlossen haben. Extrauteringravidität. Für gewöhnlich erfolgt die Ruptur ohne äußeren Anlaß. Audi wenn sie im Anschluß an ein unfallartiges Ereignis passieren sollte, so kann man kaum davon sprechen, daß der Unfall den schicksalsmäßigen Ablauf der Krankheit wesentlich beschleunigt hat. 16. Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes Furunkel. Da der Furunkel eine Erkrankung der Haarbalgdrüsen ist, welche sowohl durch Eindringen der Eitererreger von außen hervorgerufen werden kann als audi eine Erkrankung durch Ausscheidung der Eitererreger sein kann, so ist es denkbar, daß bei irgendeiner durch die Folgen eines Unfalls bedingten Allgemeininfektion eine Furunkulose als mittelbar unfallbedingt angesehen werden muß. Die Mehrzahl der Furunkel, besonders die Solitärfurunkel, sind aber nicht als Folgen eines Unfalls zu betrachten. Panaritium. Parnaritien entstehen durch Eindringen von Eitererregern in das Zellgewebe der Finger. Häufig sind die Eintrittspforten so klein, daß sie makroskopisch nicht sichtbar sind, so daß der Nachweis, daß die primäre Verletzung unfallsweise entstanden ist, sich nur schwer oder gar nicht führen läßt, denn ebensogut kann eine derartige Verletzung auch außerhalb der Betriebsarbeit entstanden sein. Das Reichsversicherungsamt hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß eine Unfallentschädigung nur dann in Betracht kommt, wenn schlüssig nachgewiesen wird, daß die Ver7*
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letzung im Betriebe entstanden oder daß der Krankheitserreger bei der Betriebsarbeit in die Wunde eingedrungen ist. An den Nachweis der unfallsweisen Entstehung des Leidens sind daher besonders strenge Anforderungen gestellt. Diese Entscheidungsgrundsätze hat der Arzt bei seiner Beurteilung zu berücksichtigen. Zellgewebsentzündung (Phlegmone). Die Möglichkeiten einer unfallsweisen Entstehung werden in einer Entscheidung des Reichsversicherungsamtes folgendermaßen umrissen: „Die Betriebsarbeit kann in zweifacher Beziehung als wesentlich mitwirkende Ursache der Erkrankung in Betracht kommen, einmal dadurch, daß die Hautwunde in Zusammenhang mit der Beschäftigung im Betriebe verursacht wird, oder dadurch, daß die bereits vorhandene Wunde bei der Arbeit mit Krankheitserregern infiziert wird." Auch hier gilt wie beim Panaritium (siehe dieses) für den Nachweis der Entstehung während der Betriebsarbeit folgendes: „Gerade in Fällen, wo es sich um eine Gewebsentzündung handelt, die durch eine Infektion hervorgerufen wird, muß ein besonders strenger Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs gefordert werden, weil derartige Infektionen auch bei jeder anderen Gelegenheit außerhalb des Betriebes jederzeit erfolgen können." In bezug auf den zeitlichen Abstand zwischen Verletzung und Auftreten sicherer Entzündungszeichen ist zu fordern, daß ein Zeitraum von zwei Tagen nicht unterschritten wird. Meist entwickelt sich, das Krankheitsbild nach drei bis vier Tagen. Wenn es in irgendeinem Falle längere Zeit zu seiner Entwicklung braucht, so müssen Brückensymptome in der Zeit vorhanden gewesen sein, oder die Wunde muß Fremdkörper wie ζ. B. Holzsplitter u. dgl. enthalten haben. Lupus. Siehe Infektionskrankheiten (Seite 83). Ulcus cruris. Siehe Krampfadergeschwüre (Seite 89). 17. Erkrankungen der Muskeln, Sehnen und Schleimbeutel Muskelrisse. Es gibt bei verschiedenen Allgemeinerkrankungen spontane Muskelrisse, deren Ursache das Grundleiden ist und die demnach nicht entschädigungspflichtig sind. Daneben kommen bei erheblichen Zusammenziehungen der Muskulatur oder beim Auftreten einer äußeren Gewalt auf einen gespannten Muskel Rupturen einzelner Fasern in verschiedenem Umfang vor. Sie sind als Unfallfolge zu betrachten. Meist wird jedoch durch sie eine nennenswerte Verminderung der Erwerbsfähigkeit nicht hervorgerufen. Muskelhernien. Sie entstehen durch Einriß der Faszie und Vorquellen der Muskulatur bei der Kontraktion. Die Muskelhernie ist in der Mehrzahl der Fälle unfallbedingt. Aber durch den Zustand wird so gut nie eine Erwerbsfähigkeitsverminderung über 10 °/o hervorgerufen, so daß eine Entschädigungspflicht praktisch nicht in Frage kommt. Myositis ossificans. Die umschriebene Myositis ossificans mit ihren Prädilektionsstellen ist die Folge eines Blutergusses in die Muskulatur. Wenn also dieser Bluterguß die Folge eines entschädigungspflichtigen Unfalls gewesen ist, dann ist die Zusammenhangsfrage zu bejahen. Hiervon zu unterscheiden ist die allgemeine, progressive Form, welche eine ihrem Wesen nach unklare Allgemeinerkrankung ist, die mit einem Unfall nichts zu tun hat. Lumbago (Hexenschuß). Das Symptom des Lumbago gehört in das Krankheitsbild des Muskelrheumatismus oder der toxischen Neuritis oder der Nucleus-pulposus-Hernie und hat mit einem Unfall an sich nichts zu tun. Sehr schwierig und mitunter unmöglich
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ist die diagnostische Trennung des echten Hexenschusses von einer Muskel- oder Bänderzerrung, besonders beim sogenannten „Verheben". Meist werden sich audi bei alten, f ü r rheumatische Leiden disponierten Menschen beide wesensfremde, aber teilweise gleiche Erscheinungen bietenden Erkrankungen durch gute ärztliche Behandlung in kurzer Z.eit heilen lassen, so daß eine Rentengewährung nicht in Frage kommt. In praktischer Beziehung wichtig ist eine Entscheidung des Reichsversicherungsamtes (vom 12. April 1929 Ia N r . 3407/29/8), welche besagt: „Nach wissenschaftlicher Erfahrung pflegen die auf einen Unfall zurückgeführten Muskelzerrungen, Muskelrisse, Bänderund Gelenkzerrungen sowie im Anschluß hieran auftretende hexensdiußartige Erkrankungen fast immer innerhalb von wenigen Tagen restlos auszuheilen und jedenfalls keine Folgen über die 13. Woche hinaus zu hinterlassen." (Vgl. audi Nucleus.pulposus Prolaps, Seite 104.) Bizepssehnenriß. Es gibt bei besonders starken Gewalteinwirkungen Zerreißungen der Sehnen. Die lange Sehne des Bizepsmuskels zeichnet sich dadurch aus, daß sie audi bei geringfügigen Anlässen reißt. Es handelt sidi dann um ein langsames Durdisdieuern der Sehne über Randwülsten des arthrotisch veränderten Schultergelenkes, durdi das die Sehne ja zieht, etwa so wie ein Schnürsenkel langsam sich in einer rauhen Sdiuhöse durdischeuert. Dieser Bizepssehnenriß ist nadi ständiger Rechtsprechung des Reidisversicherungsamtes nicht entschädigungspflichtig, da die Ursache des Durdischeuerns in dem rauhen Gleitlager der Sehnen zu suchen ist. Der f ü r den definitiven Riß angeschuldigte Arbeitsvorgang stellt nur den letzten Anstoß zum vollkommenen Durchreißen dar. Audi ohne ihn würde dieses Ereignis in nicht zu ferner Zeit eingetreten sein. (Vgl. Berufskrankheit 22, Seite 72—73.) Tendovaginitis crepitans. Blutungen in die Sehnenscheide können durch das Abscheiden des Fibrins ein klinisches Bild erzeugen, welches der Tendovaginitis ähnelt; es ist dann natürlich Folge des Blutergusses. Die eigentliche Tendovaginitis crepitans beruht auf einer entzündlichen Ausschwitzung in die Sehnenscheide, hervorgerufen durch starke, ungewohnte Bewegungen des dazugehörigen Muskels. D a sich das K r a n k heitsbild im Verlauf einer Arbeitsschicht entwickeln kann, so muß man es audi nach der geltenden Rechtsauslegung als Folge eines Unfalls anerkennen, wenn die Entwicklung tatsächlich während einer Arbeitssdiidit und nicht während eines längeren Zeitraums erfolgte. Jedoch wird wohl nur in den seltensten Fällen eine längere Arbeitsunfähigkeit bestehen. (Vgl. Berufskrankheit 22, Seite 72—73.) Sehnensdieidenpanaritium. Siehe unter Erkrankungen des Unterhautzellgewebes (Panaritium). Sehnenscheidenganglion. Siehe unter Erkrankungen der Knochen und Gelenke (Ganglion). Dupuytrensche Kontraktur. Die Schrumpfung der Hohlhandfaszie ist ein Leiden, bei dem erbliche Einflüsse und chronische Traumen als Ursache angeschuldigt werden. Meist ist sie daher als Folge eines einmaligen Unfalls abzulehnen. N u r wenn ein akutes T r a u m a die H o h l h a n d traf, welches geeignet war, eine Bindegewebswucherung mit anschließender Bindegewebsschrumpfung hervorzurufen, könnte eine sich im Anschluß daran und auf die verletzte H a n d beschränkende Kontraktur als Unfallfolge in Ausnahmefällen angesehen werden. Das chronische T r a u m a der Preßluftwerkzeugarbeit hat keine Zunahme der Dupuytrensdien K o n t r a k t u r bewirkt.
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Schleimbeutelentzündungen. Die eitrige Entzündung eines Schleimbeutels hat zur Voraussetzung, daß von außen her Eitererreger in ihn eindringen. W a r die Verletzung durch einen U n f a l l gesetzt worden, so ist audi die eitrige Bursitis Folge dieses Unfalls. Die mit Wandverdickung und Erguß eingehenden, nicht eitrigen, chronischen Bursitiden sind so gut wie stets Folge chronischer kleiner Traumen und somit nicht die Folge eines einmaligen Unfalls. Ein solcher kann zwar in der Lage sein, einen akuten Erguß in einen Schleimbeutel hervorzurufen. Dieser Erguß dürfte aber nach acht Wochen resorbiert sein. Sollte in seltenen Fällen sich an ein einmaliges erhebliches T r a u m a eine chronische Schleimbeutelentzündung anschließen, so wird durch diesen Zustand wohl kaum eine nennenswerte Erwerbsfähigkeitsverminderung hervorgerufen werden. (Vgl. Berufskrankheit 22, Seite 72—73.) Periarthritis humero-scapularis. Besonders ältere Leute reagieren auf eine Kontusion und Distorsion der Schulter mit der Ausbildung einer Bewegungshinderung in diesem Gelenk (Adduktionskontraktur), welche den obigen N a m e n führt. Die Zusammenhangsfrage ist anzuerkennen, wenn ein erheblicher U n f a l l oder ein geringer Unfall, der aber zur Fixation des Schultergelenks führte, die Schulter betroffen hat und wenn sich die Erscheinungen der Bewegungsbehinderung direkt an die Verletzung angeschlossen haben. Dabei kann die Bewegungsbehinderung unmittelbar nach dem U n f a l l geringer sein als später, da das Leiden bei nicht sachgemäßer Behandlung zur Zunahme der Versteifung neigt. 18. Erkrankungen der Knochen und Gelenke Akute hämatogene Osteomyelitis. Seit langen Jahren haben die von Liniger aufgestellten Bedingungen f ü r die Anerkennung des Zusammenhangs mit einem U n f a l l bei Ärzten und Spruchbehörden Anerkennung gefunden. Sie lauten: 1. Ein U n f a l l muß einwandfrei erwiesen sein. 2. Es muß sich um einen erheblichen U n f a l l gehandelt haben, der nachweisbar die später erkrankte Stelle getroffen hat. 3. Die Erkrankung muß sich alsbald, jedenfalls innerhalb weniger Tage, an den Unfall angeschlossen haben. Je später eine Osteomyelitis auftritt, um so unwahrscheinlicher ist der Zusammenhang mit dem T r a u m a . Das W o r t erheblich ist dahin zu definieren, daß die Verletzung geeignet gewesen ist, Blutungen im Knochen hervorzurufen. Mit einer derartigen erheblichen Verletzung ist fast immer eine wesentliche Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit des betroffenen Gliedes verbunden. Also muß der Verletzte die Arbeit unterbrochen haben, einen Arzt aufgesucht haben und den U n f a l l auch vorschriftsmäßig gemeldet haben. Ostitis fibrosa. Die generalisierte F o r m der Erkrankung kann naturgemäß nicht die Folge einer lokalen Gewalteinwirkung seift, sondern es handelt sich dabei um eine Allgemeinerkrankung. In seltenen Fällen ist beobachtet worden, daß sich eine lokalisierte Ostitis fibrosa an ein T r a u m a angeschlossen hat. W e n n man dies anerkennen will, so muß der Unfall die später erkrankte Stelle direkt betroffen haben, und er muß so erheblich gewesen sein, daß er im Innern des Knochens zu einer Blutung führen konnte. D a die Krankheit
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selbst längere Zeit zu ihrer Entwicklung braucht, dürfen die sicheren röntgenologischen Kennzeichen nicht früher als ein bis zwei Monate nach dem Unfall nachweisbar gewesen sein. Tuberkulose der Knochen und Gelenke. Die traumatische Tuberkulose ist entgegen älterer Anschauung äußerst selten. Es haben sich bei Ärzten und Sprudibehörden die von Liniger erhobenen Forderungen einer Anerkennung durchgesetzt. Sie lauten: „1. Der Unfall muß einwandfrei erwiesen sein. 2. Er muß erheblich gewesen sein. (Zumeist werden deutlidie Verletzungsspuren und erhebliche funktionelle Störungen nachzuweisen sein.) Alsbaldige Arbeitseinstellung würde für die Erheblichkeit der Verletzung sprechen. Im umgekehrten Falle wäre die entgegengesetzte Annahme berechtigt. 3. Der Unfall muß die später erkrankte Stelle getroffen haben. 4. Schließlich muß die Tuberkulose einen für die behauptete unfallsweise Entstehung charakteristischen Verlauf genommen haben. (Im allgemeinen kann man sagen, das tuberkulöse Leiden darf nicht vor vier Wochen und nicht nach sedis Monaten offenkundig werden.) Je mehr diese Zeiten nicht eingehalten werden, um so unwahrscheinlicher ist der Fall." Ein Unfall kann auch eine bestehende Tuberkulose verschlimmern. Es muß sich dann aber audi um einen erheblichen Unfall gehandelt haben, und an das Trauma muß sich eine Charakteränderung des klinischen Bildes der Tuberkulose zum Schlechten angeschlossen haben. Spontanfrakturen. "Wenn im Knochen irgendein krankhafter Prozeß sich abspielt, welcher die Festigkeit so herabsetzt, daß der Knochen bei einer belanglosen Gelegenheit, die auch innerhalb der Betriebsarbeit liegen kann, bricht, so ist die wesentlich mitwirkende Ursache das Grundleiden (ζ. B. Tumor, Ostitis fibrosa, Osteomyelitis usw.) und nicht die eventuell belanglose Gelegenheitsursache. In diesem Sinne sind Spontanfrakturen nicht unfallbedingt, falls nicht etwa das Grundleiden aus irgendeiner Überlegung heraus als Unfallfolge anerkannt worden ist. Dornfortsatzfraktur (Schipperkrankheit). Der Abriß einer oder mehrerer Dornfortsätze an der unteren Hals- und oberen Brustwirbelsäule stellt eine typische Ermüdungserscheinung der Knochen dar. Er wird durch mehrere Tage oder wenige Wochen hindurch andauernde ungewohnte Arbeit hervorgerufen. Die Schipperkrankheit ist also nicht unfallbedingt, auch wenn ihr tatsächliches Eintreten mitunter als Unfallverletzung empfunden wird. Daneben gibt es noch Dornfortsatzfrakturen durch direkte Gewalteinwirkung wie Stoß oder Schlag und in seltenen Fällen auch durch Muskelzug bei einmaliger abnorm großer Kraftanstrengung. Diese Formen der Dornfortsatzfraktur sind unfallbedingt. (Vgl. Berufskrankheit 25, Seite 74.) Navikularpseudarthrose der Hand. Sie ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die Folge einer Fissur dieses Knochens, also unfallbedingt. Mitunter kommt es vor, daß das Trauma, welches die Fraktur setzte, den Verletzten nicht zur Niederlegung der Arbeit zwang. Die ältere Ansicht, daß die Navikularpseudarthrose eine angeborene Mißbildung sein könne, ist nicht mehr haltbar. Auch kleine chronische Traumen (ζ. B. Preßluftwerkzeugarbeit) können eine Navikularpseudarthrose hervorrufen. Daneben kennen wir (wie beim Lunatum) auch Knochenzysten im Navikulare, die auf embolischem Wege entstehen und sekundär gelegentlich einer belanglosen Bewegung zur Spontanfraktur mit anschließender Ausbildung einer Pseudarthrose führen.
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Spezielles über die Begutachtung von Zusammenhangsfragen
Man muß also im Einzelfalle aus Anamnese und Befund das krankhafte Geschehen zu rekonstruieren versuchen, um zu einer richtigen Beurteilung zu kommen. (Vgl. Berufskrankheit 20, Seite 7 1 - 7 2 . ) Lunatumnekrose. Der Mondbeintod kann die Folge einer embolischen Erkrankung der Spongiosa sein, die nicht unfallbedingt ist. Andererseits wissen wir, daß er auch die Folge chronischer Erschütterungen sein kann. Dann ist er eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit. j(Vgl. Seite 71—72.) U n d schließlich führt auch eine Fraktur des Lunatum infolge der mangelhaften Heilungstendenz dieses Knochens (ebenso wie beim Navikulare) zu dem Bilde der Lunatumnekrose, die dann naturgemäß unfallbedingt ist. Man hat sich also bei der Erörterung der Z.usammenhangsfrage nicht mit der Diagnose zu begnügen, sondern muß die Ätiologie klären. Dann ergibt sich die Beantwortung der Zusammenhangsfrage von selbst. Nucleus-pulposus-Hernie. Sie beruht auf einem Durchlässig werden des fibrösen Ringes der Zwischenwirbelscheibe. Durch die so entstandene Lücke kann der Gallertkern prolabieren und auf das Rückenmark oder aus ihm austretende Nervenstämme drücken und Symptome ähnlich einer Ischias erzeugen. D a die häufigste Ursache eine über lange Zeit sich erstreckende Gewebsdegeneration darstellt, so ist die unfallsweise Entstehung sehr selten. Wenn man sie ausnahmsweise anerkennen will, so muß ein sehr erhebliches T r a u m a stattgefunden haben, welches geeignet war, einen normalen oder fast normalen Bandscheibenring zu zerreißen. Außerdem müssen die Druckerscheinungen an den Nerven sich im Anschluß an den Unfall entwickelt haben und nicht erst in längerem Zeitraum nach demselben. Eine einwandfreie Diagnose ist selbstverständliche Voraussetzung der Anerkennung der Zusammenhangsfrage. Spondylarthrose. Sie ist eine Reaktion des Körpers auf verschiedenartige Bandscheibenschädigungen. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich dabei um eine Aufbrauchs- und Abnutzungserkrankung, die mit einem U n f a l l nichts zu tun hat. Verschlimmerungen einer bestehenden Spondylarthrose durch einen U n f a l l sind denkbar (vgl. darüber die Ausführungen unter Arthrose). W a r ein U n f a l l geeignet, eine örtlich begrenzte Bandscheibenverletzung zu setzen, und entwickeln sich an dieser Stelle dann im L a u f e von Monaten röntgenologisch nachweisbare Randzacken, so muß man sie als unfallbedingt ansehen. Jedoch sollte man diesen Zustand nicht als Spondylarthrose, sondern als abgeheilte Bandscheibenverletzung bezeichnen. Bechterewsche Erkrankung. Sie ist eine Systemerkrankung der Bänder der Wirbelsäule. O b die früher einem T r a u m a bei der Entstehung der Erkrankung zugeschriebene Rolle tatsächlich besteht, ist sehr strittig. Im allgemeinen wird man die unfallsweise Entstehung der Erkrankung ablehnen. Spondylolisthesis. Sie ist ein nicht seltener Entwicklungsdefekt des Wirbelbogens, darin bestehend, daß abnormerweise jede Bogenhälfte aus zwei statt aus einem Knochenkern angelegt wurde und daß an der Berührungsstelle dieser beiden Kerne im Zwischengelenkstück die feste knöcherne Verschmelzung ausblieb. Es gibt daher keine unfallbedingte Spondylolisthesis. Wirbelbogenfrakturen können bei deformer oder ausbleibender Heilung ein ähnliches Zustandsbild erzeugen. Es gibt jedoch eine unfallsmäßige Veschlimmerung eines vor dem Unfall schon vorhanden gewesenen Gleitzustandes. D a n n muß der U n f a l l nach A r t und Richtung geeignet gewesen sein, den Gleitbezirk erheblich zu schädigen, den präformierten Zwischen-
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gelenksdefekt zu sprengen, die untere Bandscheibe u n d die Bänder einzureißen. D a h e r muß der U n f a l l unmittelbar erhebliche Funktionsstörungen und Beschwerden zur Folge gehabt haben. Sogenannte leichte T r a u m e n wie Verheben. Verdrehen usw. können den Gleitbezirk nicht wesentlich schädigen und den Rutschzustand nicht erheblich verschlimmern. Solchen äußeren Anlässen k o m m t nur die Rolle einer auslösenden, ursächlich jedoch nicht wesentlich mitwirkenden Gelegenheitsursache zu, die das A u f t r e t e n schicksalsmäßig einsetzender Verschlimmerungen offenkundig macht. W i r d die unfallsweise Verschlimmerung einer Spondylolisthesis a n e r k a n n t , so ist jedoch nur das an den U n f a l l anschließende akute Stadium zu entschädigen. Sind die frischen Verletzungen geheilt und haben sich die Bändereinrisse gefestigt, d a n n ist die vorübergehende Verschlimmerung beseitigt. Später a u f t r e t e n d e Verschlimmerungen sind nicht mehr «dem U n f a l l zur Last zu legen, sondern stellen nur weitere E t a p p e n des Ablaufs des Krankheitsbildes dar. Arthrosis deformans. Die Anschauungen über den Unfallzusammenhang dieses Leidens sind augenblicklich sehr im Fluß. Zahlreiche Einzelfragen dieses in vielen Beziehungen noch dunklen Gebietes sind umstritten. Grundsätzlich m u ß man d a r a n festhalten, d a ß die Arthrosis d e f o r m a n s eine Abnutzungserkrankung ist, welche sidi normalerweise mit zunehmendem Alter allerdings bei den verschiedenen Menschen in wechselndem G r a d e entwickelt. Auch abgeklungene Gelenkinfekte f ü h r e n häufig zu Knorpeldegenerationen u n d damit zur Arthrosis. Auf dem internationalen U n f a l l k o n g r e ß im J a h r e 1928 in Budapest hat unsere Kenntnisse in folgende Leitsätze z u s a m m e n g e f a ß t :
Zollinger
„1. Die Arthritis deformans stellt ein äußerst verbreitetes Leiden dar, sie k o m m t auch bei jüngeren Individuen ohne jedes T r a u m a vor. 2. Ein rein traumatische Arthritis deformans ist relativ selten. Meistens bedingt der U n f a l l nur eine Verschlimmerung eines bereits bestehenden pathologischen Zustandes oder löst eine vorübergehende Schmerzattacke aus. 3. Eine traumatische Arthritis deformans ist zu A n f a n g gewöhnlich m o n o a r t i k u lär, sie k a n n schließlich auf benachbarte, mit dem betreffenden Gelenk zu einer statischen Einheit verbundene Gelenke übergreifen. Das Übergreifen auf entferntere Gelenke unter Überspringen von benachbarten oder solchen der symmetrischen Extremität ist äußerst selten. 4. Die Tatsache, d a ß ein Patient vor dem U n f a l l vollkommen arbeitsfähig w a r , darf nicht als Beweis d a f ü r , d a ß seine Gelenke vollständig intakt waren, gelten. 5. N u r ein nennenswertes T r a u m a , das eine erhebliche Knorpelschädigung mit nachfolgenden wesentlichen Ernährungsstörungen zur Folge hatte oder dessen Folgen ζ. B. Meniskusdurchtrennungen, Ablösung eines Knorpelstücks, vorstehende F r a k t u r f r a g m e n t e einen andauernden Reiz ausüben, k a n n ursächlich f ü r eine Arthritis deformans in Frage kommen. Nach Gelenkkontusionen, Distorsionen, Erschütterungen und Überheben ohne Verletzung der Knochen oder Zwischenknorpel haben wir a n einem vollkommen gesunden Gelenk nie eine Arthritis deformans a u f t r e t e n sehen. 6. Chronisch einwirkende T r a u m e n , von denen jedes einzelne nicht den C h a r a k t e r eines U n f a l l s im Sinne der Versicherungsgesetze zu haben braucht, können gewöhnlich, allerdings erst in V e r b i n d u n g mit konstitutionellen Faktoren, zu einer Arthritis deformans Anlaß geben.
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Spezielles über die Begutachtung v o n Zusammenhangsfragen
7. Die Zeit des Auftretens der röntgenologischen und klinischen Veränderungen hängt von der Art und der Intensität der Schädigung sowie vom Alter des Patienten ab. Jedenfalls sollte man aber mit der Annahme des Kausalzusammenhangs einer erst Jahre nach einem Unfall in Erscheinung getretenen Arthritis deformans vorsichtig sein und eine solche erst dann annehmen, wenn das Trauma erwiesen und geeignet war, die Erkrankung auch nach längerer Beobachtung auf ein einziges Gelenk beschränkt bleibt und andere seit dem Unfall eingetretene Schädigungen mit Sicherheit auszuschließen sind. 8. Bei jeder Begutachtung einer angeblich traumatisch entstandenen Arthritis deformans sollten auch möglichst viele andere Gelenke klinisch und röntgenologisch untersucht werden. 9. Das Trauma kann bei einer Verschlimmerung einer bereits bestehenden Arthritis deformans nicht für alle späteren, vielleicht zunehmenden Beschwerden verantwortlich gemacht werden." Man tut gut, diese Leitsätze seinen Beurteilungen zugrunde zu legen. Allerdings sollte man das W o r t Arthritis besser durch Arthrosis ersetzen. Die sehr häufige Annahme der Verschlimmerung einer schon bestehenden Arthrosis deformans durch einen Unfall ist nur dann anzuerkennen, wenn das Gelenk kurze Zeit nach dem Unfall auf ihn mit einem akuten Reizzustand (Erguß, Kapselschwellung, Bewegungsschmerz, Funktionsbehinderung usw.) reagiert hat. J e später dieser Zustand einsetzt, um so unwahrscheinlicher ist sein Zusammenhang mit einem Unfall. Beträgt der Zeitraum Wochen, so ist die Zusammenhangsfrage abzulehnen. Habituelle Luxationen. Sie sind nur dann entschädigungspflichtig, wenn die erste Luxation die Folge eines Betriebsunfalls gewesen ist. Der Eintritt einer habituellen Luxation während der Betriebsarbeit ist nicht entschädigungspflichtig, da die überwiegende Ursache die krankhafte Luxationsneigung des Gelenks ist. Meniskuslösungen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß es Zerreißungen eines gesunden Meniskus durch äußere Gewalteinwirkungen gibt. Es muß sich dann aber um sehr erhebliche Gewalteinwirkungen direkter oder indirekter Art gehandelt haben. Nur sie sind in der Lage, einen gesunden Meniskus von seiner Ansatzstelle abzureißen. Aufrichten aus knieender Stellung und ähnliche Bewegungen sind hierzu nicht in der Lage. Andererseits wissen wir, daß es Degenerationsprozesse wahrscheinlich durch chronische Überbeanspruchung im Meniskus gibt, welche in ihrem schicksalsmäßigen Verlauf zu einer seitlichen Lösung des Meniskus von seiner Ansatzstelle und bei einer Gelegenheitsbewegung zu einer Einklemmung zwischen die Gelenkflächen führen kann. D a dieser Vorgang der Meniskuslösung sich über eine lange Zeit hinzieht, ist er ebensowenig unfallbedingt, als es die Gelegenheitsursache ist, welche zur Einklemmung und zur Gelenksperre führt. (Vgl. Berufskrankheit 26, Seite 74—75.) Gonorrhoische Gelenkentzündung. Es ist nicht sicher, ob eine gonorrhoische Gelenkentzündung unfallbedingt sein kann. Denkbar ist, daß ein Trauma, welches die infizierte Harnröhre oder den Nebenhoden traf, die Erreger ins Blut trieb und so die Gelenkmetastase hervorrief. Ob bei im Blute kreisenden Erregern ein Gelenktrauma die Ursache der Ansiedlung gerade an dieser Stelle sein kann, ist höchst zweifelhaft. Wenn man im Ausnahmefall den Zusammenhang anerkennen will, dann muß der erhebliche
E r k r a n k u n g e n der Knochen und Gelenke
U n f a l l einwandfreie Verletzungszeidien
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an dem betreffenden Gelenk erzeugt haben,
und die Entzündungsersdieinungen müssen wenige T a g e nach dem U n f a l l
eingesetzt
haben. Gelenkrheumatismus. D e r echte Gelenkrheumatismus ist eine
Infektionskrankheit
und hat daher mit einem U n f a l l an sich nichts zu tun. Mangelhafte ärztliche Diagnostik bezeichnet aber mit diesem Ausdruck mitunter andere wesensverschiedene Erkrankungen, ζ. B . akute Schmerzanfälle bei Arthrosen. Eine exakte und klare Diagnosenstellung ist also von besonderer Bedeutung. O b ein Gelenkrheumatismus sich in einem von einem T r a u m a befallenen Gelenk zuerst ansiedelt, ist umstritten. Ebenso ist nicht absolut sicher, ob ein Gelenktrauma das Aufflackern eines vorher bestehenden, aber latenten Gelenkrheumatismus hervorrufen kann. I m Einzelfalle muß die Anamnese besonders sorgfältig ausgewertet werden. Ganglion. D a es sich um Degenerationszysten der bindegewebigen Elemente der G e lenkkapsel (oder seltener der Sehnenscheiden) handelt, welche durch chronische übermäßige Gewebsbeanspruchung oder durch konstitutionelle Gewebsschwäche
entstehen,
so ist es so gut wie ausgeschlossen, daß ein einmaliges T r a u m a ein Ganglion hervorrufen k a n n . I n ganz seltenen Ausnahmefällen ist es denkbar, daß am Handgelenk einmal eine ganz schwere Distorsion mit Gewebszerreißungen einen ganglionähnlichen Zustand, nämlich eine Vorstülpung der Gelenkkapsel bei bestehendem Gelenkerguß, hervorruft. Gelenkmäuse. D i e Diagnose einer Gelenkmaus genügt nicht, um die Zusammenhangsfrage mit einem U n f a l l einwandfrei beurteilen zu können. Es muß vielmehr die E n t stehungsweise des freien Körpers (ζ. B . Meniskuslösung, Osteochondritis dissecans, C h o n dromatose usw.) geklärt werden. D i e Einklemmung einer Gelenkmaus zwisdien die Gelenkflächen mit der dann plötzlich einsetzenden Gelenksperre wird häufig als U n f a l l angemeldet. Dabei muß natürlich die Gelenkmaus im Augenblick der Einklemmung schon bestanden haben. W e n n also tatsächlich die Einklemmung bei einem Ereignis von U n f a l l c h a r a k t e r entstanden ist, so kann der U n f a l l nicht zur Bildung eines freien Gelenkkörpers geführt haben, dieses Leiden hat vielmehr schon vorher bestanden. Allerhöchstens kann man den Einklemmungsvorgang als unfallbedingt ansehen, wenngleich die überwiegende Mehrzahl der Einklemmungen ohne äußeren A n l a ß erfolgt. Ist aber die Einklemmung beseitigt, dann ist auf jeden F a l l der v o r dem U n f a l l vorhanden gewesene Zustand wiederhergestellt. Osteochondritis dissecans. Da die Osteochondritis dissecans durch einen embolisdien Gefäßverschluß mit anschließender Gewebsnekrose entstehen kann, so ist der Zusammenhang mit einem U n f a l l keineswegs immer gegeben. E r ist zu bejahen, wenn ein U n f a l l vorliegt, der genau die später erkrankte Stelle betroffen hat, und wenn er geeignet gewesen ist, auf eine umschriebene Stelle des Gelenkknorpels einen so starken Druck auszuüben, daß es im subchondralen Knochen zu Gefäßzerreißungen und Drucknekrosen kommen konnte. Beobachtet man dann
später an dieser Stelle eine
Osteochondritis
dissecans und entspricht ihr Entwicklungsstadium der seit der Gewalteinwirkung verstrichenen Zeit, dann ist die E r k r a n k u n g als U n f a l l f o l g e anzuerkennen. Gelenkchondromatose. Sie ist ein echter, pathologisch-anatomisch gutartiger T u m o r . W e n n also die Diagnose einwandfrei gesichert ist, dann ist der Zusammenhang mit einem T r a u m a abzulehnen. D i e Differentialdiagnose (siehe dieses) ist nicht immer leicht.
gegen Osteochondritis
dissecans
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Spezielles über die Begutachtung von Zusammenhangsfragen
Gidit. Die Gicht (Arthritis urica) ist eine jetzt selten gewordene Stoffwechselkrankheit und als solche nicht Folge eines einmaligen Unfalls. Es ist aber einwandfrei beobachtet worden, daß Traumen einen akuten Anfall auslösen können. In diesem Sinne kann also ein T r a u m a eine vorübergehende Verschlimmerung des schon vor dem Unfall bestehenden Gichtleidens bewirken. Man muß aber mit der Anerkennung des Zusammenhangs vorsichtig sein, da auch belanglose Anlässe (ζ. B. Stiefeldruck) ebenfalls den Anfall auslösen können und schließlich auch ohne jeden ersichtlichen Grund die Anfälle einsetzen. Außerdem dürfte nach Beendigung des Anfalles die Verschlimmerung auch wieder beseitigt und der alte Zustand wiederhergestellt sein. Zu einem Entschädigungsverfahren kann es nicht kommen. Daher ist es auch von untergeordneter Bedeutung, ob sich der Anfall unmittelbar an das T r a u m a anschließt oder ob auch bei der Anerkennung der Z.usammenhangsfragen ein Intervall von einigen Tagen mitberücksichtigt werden darf. Von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob ein örtliches T r a u m a die Gicht des betroffenen Gelenks auch für dauernd verschlimmern kann. Denkbar ist es nur dann, wenn als Folge des Traumas und der vielleicht eingeleiteten Fixationsbehamdlung das Gelenk teilweise versteift. Dabei kann natürlich die Grundkrankheit des Gelenks eine Rolle spielen. Es ist aber klarer, wenn man in einem solchen Falle nicht von einer Verschlimmerung der Gicht an sich spricht, sondern wenn man die Versteifung des Gelenks als Folge der Gelenkkontusion bei bestehender Gicht a u f f a ß t . 19. Erkrankungen des Nervensystems Pachymeningitis haemorrhagïca interna. Sie hat die verschiedensten Ursachen. Auch ein T r a u m a mit Blutung unter die H i r n h a u t kann sie hervorrufen. Wenn die Zusammenhangsfrage anerkannt werden soll, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: 1. Vor dem Unfall dürfen Anfangserscheinungen der Erkrankung nicht vorhanden gewesen sein. 2. Der Kopf muß von einem erheblichen U n f a l l betroffen worden sein, welcher geeignet war, eine Blutung zwischen Hirnoberfläche und H i r n h a u t hervorzurufen. 3. Die Symptome der Erkrankung müssen sich alsbald nach dem U n f a l l eingestellt haben. Epilepsie. Die genuine Epilepsie, deren eigentliches "Wesen unbekannt ist, ist nie Folge eines Unfalls. Häufiger ist vielmehr ein Unfall die Folge einer Epilepsie. Ein derartiger U n f a l l kann auch in einer H i r n - und Schädelverletzung bestehen. Die Rindenepilepsie kann die Folge einer Hirnverletzung sein, aber nicht jede Hirnverletzung braucht eine Epilepsie nach sich ziehen. Die richtige Bewertung der Krankheit einschließlich der Diagnosenstellung ist f ü r den praktischen Arzt so schwierig, daß man die Beurteilung eines derartigen Falles stets dem Neurologen überlassen sollte. Multiple Sklerose. N u r in seltenen Ausnahmefällen wird ein Unfall die wesentliche Teilursache des Leidens sein. Es müßte dann gefordert werden, daß ein erheblicher U n f a l l H i r n oder Rückenmark betroffen hat und daß sich die klinischen Erscheinungen in unmittelbarem Anschluß entwickelt haben bzw. bei Verschlimmerungen, daß nach dem U n f a l l eine auffallende Verschlimmerung der klinischen Symptome eingetreten ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Erkrankung von sich aus zu sprunghaftem Fortschreiten neigt. Leichte Verletzungen, auch Hirnerschütterungen, sind sicher nicht in der Lage, eine multiple Sklerose hervorzurufen.
Erkrankungen des Nervensystems
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Paralysis agitans. Eine periphere K ö r p e r v e r l e t z u n g ist unter keinen U m s t ä n d e n eine wesentliche Teilursache f ü r das Z u s t a n d e k o m m e n der Schüttellähmung. N u r U n f ä l l e , die mit einer sehr starken Gehirnerschütterung einhergegangen sind oder die zu einer dauernden Gehirnschädigung g e f ü h r t haben, könnten ursächlich in Betracht k o m m e n . Ein Schreck k a n n nicht als auslösende Ursache der E r k r a n k u n g gelten. I m Anerkennungsfalle m u ß das Leiden innerhalb weniger T a g e nach dem U n f a l l aufgetreten sein. Progressive Paralyse. Das Leiden entwickelt sich auf dem Boden einer luetischen Infektion. Ein ursächlicher Zusammenhang des Leidens mit einem U n f a l l oder eine Verschlimmerung d u r d i denselben ist ausgeschlossen. Geisteskrankheiten. Zwei Weltkriege haben gelehrt, daß äußere Verletzungen n i d i t geeignet sind, Geisteskrankheiten irgendwelcher A r t h e r v o r z u r u f e n . I n allen Fällen, bei denen eine unfallsweise Entstehung behauptet w i r d , ist umgehende Beobachtung durch einen Psychiater angf^eigt. Delirium tremens. Es hat als Voraussetzung einen chronischen Alkoholismus. Manche Verletzungen passieren schon bei beginnendem Delirium, andererseits w i r d sein Ausbrudi durch Verletzungen herbeigeführt. E r f o l g t das Einsetzen des Deliriums innerhalb von zwei bis drei T a g e n nach dem U n f a l l , so ist seine Auslösung durch denselben wahrscheinlich. W i r d es unmittelbar nach dem U n f a l l beobachtet, so ist es keine Unfallfolge, ebenso nicht, w e n n es erst wochenlang nach dem U n f a l l z u m Ausbruch k o m m t . Traumatische Neurose. Die sogenannte traumatische Neurose ist eine R e a k t i o n auf das Entsdiädigungsverfahren bei neuropathisch oder psychopathisch veranlagten M e n schen. D i e moderne Auffassung ist in Leitsätzen, die von Stier aufgestellt sind, zusammengefaßt. Sie lauten: „1. Auffälliges Verhalten und subjektive Klagen über nervöse Beschwerden, die zeitlich nach U n f ä l l e n einsetzen (sogenannte Unfallneurose), sind ebenso wie bei den H a f t - , Kriegs- u n d Rentenneurosen nicht Ausdruck durch den U n f a l l bedingter K r a n k h e i t e n im gewöhnlichen Sinne des Wortes, sondern psychologisch verständliche Reaktionen in erster Linie auf die Tatsache der Versicherung u n d das Entschädigungsverfahren als solches. Ihre Darstellungsform — hysterisches Verhalten, depressive, wehleidige Stimmung, Reizbarkeit, Pseudodemenz usw. — wird durch die Eigenart der seelischen S t r u k t u r der betroffenen Persönlichkeit bestimmt. 2. Die sogenannten Unfallneurosen unterscheiden sich dadurch prinzipiell v o n den endogenen, schicksalsmäßig verlaufenden, wenig beeinflußbaren reinen Geisteskrankheiten (Schizophrenie b z w . Dementia praecox, manisch-depressives Irresein, P a r a n o i a usw.) u n d den gesetzmäßig verlaufenden, je nach der Grundursache beeinflußbaren exogenen Geisteskrankheiten, die im G r u n d e nur psychische Begleiterscheinungen von H i r n k r a n k h e i t e n sind (traumatische Psychosen, senile Psychosen, toxische und infektiöse Psychosen wie Alkoholismus, Morphinismus, Urämie, Paralyse u. a.). 3. Die traumatischen Schädigungen des Gehirns nach schwerer Hirnerschütterung klingen grundsätzlich allmählich, die klinisch f a ß b a r e n Folgen der Schreckwirkung, f ü r die ein wesentlicher, ursächlicher Zusammenhang mit dem U n f a l l bei Ausdehnung des Unfallbegriffs angenommen werden k a n n , klingen grundsätzlich sehr rasch ab. Beide überlagern sich leicht u n d werden leicht abgelöst durch nur psychologisch verständliche Wunschreaktionen. Die Unterscheidung zwischen klinisch f a ß b a r e n Krankheitsersdiei-
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nungen und den psychologischen Reaktionen der sogenannten Unfallneurosen ist in beiden Fällen oft schwer und muß besonders erfahrenen, psychiatrisch durchgebildeten Sachverständigen vorbehalten bleiben. 4. Die Erkenntnis, daß es sich bei den sogenannten Unfallneurosen nicht um echte Krankheitserscheinungen handelt, die als Unfallfolge angesprochen werden können, sondern um nur psychologisch verständliche Reaktionen, ist das Ergebnis geradlinig fortschreitender wissenschaftlicher Forschungen, die den Begriff der körperlichen und seelischen Konstitution vertieft und den alten Krankheitsbegriff der Hysterie beseitigt haben; sie ist durch das Massenexperiment des "Weltkrieges noch in besonderem Maße bestätigt und gesichert worden. 5. Die sogenannten Unfallneurosen verlaufen weder schicksalsmäßig nodi gesetzmäßig; sie sind niemals in Intensität oder Erscheinungsform adäquat der Schwere und Art des als Ursache bezeichneten Unfalls; sie sind nicht durch Arzneien, elektrische, diätetische oder überhaupt ärztliche Mittel, wohl aber durch lediglieli psychisch wirkende Mittel wie Hypnose, Geldzahlung, Prozeßführung und ähnliches beeinflußbar, Eigentümlichkeiten, die sie grundsätzlich von jeder klinisch faßbaren Krankheit unterscheiden, aber volle Erklärung finden durch die Annahme, daß sie eben wunschbedingte Reaktionen sind. Die gleiche Folgerung muß aus der Tatsache gezogen werden, daß sie durch endgültige Erfüllung des zugrundeliegenden Wunsches (Kriegsende, lebenslängliche Rente, einmalige Geldabfindung) ebenso sicher günstig beeinflußt bzw. beseitigt werden wie nach letztinstanzlicher Gerichtsentscheidung durch endgültige Ablehnung des Wunsches. 6. Gesichert wird die Auffassung weiterhin dadurch, daß wir entsprechende Bilder bei NichtVersicherten oder solchen, die kein Interesse daran haben, für krank gehalten zu werden, praktisch niemals sehen, daß also Kriegsgefangene, Kinder, Studenten nach Mensuren, Sportsleute oder Hausfrauen frei von diesen Zustandsbildern sind, während alle an ihrer Lebensversicherung besonders Interessierte wie ältere Leute, berufstätige Frauen, konstitutionell Nervöse besonders häufig diese Bilder zeigen. 7. Die körperliche oder geistige Fähigkeit, verwertbare Arbeit zu leisten, also die Erwerbsfähigkeit, ist bei den sogenannten Unfallneurotikern, wenn nicht sonst eine Krankheit vorliegt, nicht eingeschränkt oder gar aufgehoben; sie ist vielmehr durch die Vorstellung, arbeitsunfähig zu sein und auf Entschädigung Anspruch zu haben mit dem daraus resultierenden Mangel an Antrieb zur Arbeit nur gehemmt. Da diese falsche seelische Einstellung, die dieser Hemmung zugrunde liegt, nicht durch den Unfall wesentlich bedingt ist, so kommt die Annahme von Erwerbsunfähigkeit oder Erwerbsbeschränkung durch Unfallfolge für die sogenannte traumatische Neurose nicht in Betracht, und zwar auch dann nicht, wenn der Zustand auch jahrelang fortbesteht. 8. Die Ursachen für die Entstehung der sogenannten Unfallneurose liegen in unseren Gesetzen, in der Art ihrer Handhabung und Auslegung, in der oft nicht fehlerfreien Art der ärztlichen Begutachtung und in den sehr erheblichen materiellen und sonstigen Vorteilen begründet, die denjenigen erwachsen, bei denen das Vorliegen einer Unfallneurose anerkannt wird." Dementsprechend hat sich das Reichsversicherungsamt folgenden Grundsatz zu eigen gemacht: „Hat die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten ihren Grund lediglich in seiner Vorstellung, krank zu sein, oder in mehr oder minder bewußten Wünschen, so ist ein vorangegangener Unfall auch dann nicht eine wesentliche Ursache der Erwerbsunfähigkeit,
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wenn der Versicherte sich aus Anlaß des Unfalls in den Gedanken, krank zu sein, hineingelebt hat oder wenn die sein Vorstellungsleben beherrschenden Wünsche auf eine Unfallentschädigung abzielen oder die schädigenden Vorstellungen durch ungünstige Einflüsse des Entschädigungsverfahrens verstärkt worden sind." Hirnabszeli. Ein Hirnabszeß ist dann Folge eines Unfalls, wenn er von einer Wunde des Gehirns seinen Ausgang genommen hat oder wenn eine Fraktur im Bereich der Nebenhöhlen oder des sonstigen knöchernen Schädels in ihnen vorhandene Eitererreger auf dem Lymphwege in das Gehirn verschleppte. Erfolgt der klinische Nachweis kürzere Zeit nach der Verletzung, so ist die Beurteilung relativ leicht. Hirnabszesse können aber auch längere Zeit symptomlos verlaufen. In derartigen Fällen sind die Beurteilungen aber besonders schwer und nur in Zusammenarbeit mit dem Neurologen einwandfrei zu lösen. Apoplexie. Siehe unter Erkrankungen des Gefäßsystems. Ischias. Frakturen und Luxationen im Bereich der unteren Wirbelsäule, aber auch direkte Schädigungen des Nerven können zur Ischias führen. Die Erscheinungen müssen dann aber unmittelbar nach der Verletzung eintreten, und es muß nach Art der Verletzung sicher sein, daß der Nerv direkt in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Erst nach längerem Z.eitintervall einsetzende Beschwerden können nicht als unfallbedingt angesehen werden. Ist eine schon früher vorhanden gewesene Ischias durch einen Unfall (etwa Quetschung) verschlimmert worden, so dauert diese Verschlimmerung nur so lange, als die akuten Erscheinungen wieder beseitigt sind. Später etwa auftretende Rezidive sind dann nicht mehr dem Unfall, sondern der Grundkrankheit zur Last zu legen und sind nicht mehr entschädigungspflichtig (vgl. auch Nucleus-pulposus-Hernie, Seite 104). Hämatomyelie. Nur ein schwerer Unfall ist geeignet, eine Blutung ins Rückenmark hervorzubringen. Stets kommt es zu schweren klinischen Erscheinungen bis zur vollständigen Querschnittslähmung. Sie setzen sofort oder wenige Stunden nach dem Unfall ein. Der Umfang, in welchem die neurologischen Ausfälle zurückgehen, ist verschieden. Die sogenannte Spinalirritation hat mit einer Rückenmarkerschütterung nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um psychische Erscheinungen, welche bei Psychopathen durch das Entschädigungsverfahren ausgelöst worden sind, die in das Gebiet der sogenannten traumatischen Neurose gehören. Syringomyelie. Das Leiden ist in seinen letzten Ursachen ungeklärt. Es ist in keinem Fall eine traumatische Schädigung des Rückenmarks als Ursache nachgewiesen worden. Daher lehnen die berufensten Gutachter eine unfallsweise Entstehung ab. Im Gefolge der Krankheit finden sich nicht allzu selten Fingereiterungen und Gelenk deformierungen. Bei ihnen bietet die Abschätzung, ob ein Unfall oder die Syringomyelie die überwiegende Ursache für die im Einzelfalle gefundenen krankhaften Veränderungen ist, große Schwierigkeiten. Nach der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes muß in derartigen Fällen ein strenger Nachweis, daß ein Unfall stattgefunden hat, gefordert werden. Tabes dorsalis. Da die Rückenmarkschwindsucht sich auf dem Boden einer syphilitischen Infektion entwickelt, so ist sie nicht unfallbedingt. Weder ein peripheres noch psychisches Trauma ist in der Lage, eine Tabes zur Entwicklung zu bringen. Die Verschlimmerung einer Tabes durch einen das Rückenmark treffenden Unfall ist denkbar, die Beurteilung ist dann aber besonders schwierig. Eine Tabes ist manchmal mit der Neigung zu Frakturen und Gewebsveränderungen verbunden. Es handelt sich dann um Spontanfrakturen (siehe dieses).
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Spezielles über die Begutachtung von Zusammenhangsfragen
Amyotrophische Lateralsklerose. Die Ätiologie des Leidens ist nicht sicher bekannt. Periphere Verletzungen und psychische Einwirkungen sind nicht in der Lage, das Leiden zu verursachen. Strittig ist auch, ob das Leiden durch einen das Zentralnervensystem treffenden Unfall hervorgerufen werden kann. In einem solchen Falle müßte es ein Unfall sein, welcher das Zentralnervensystem in erheblichem Umfang zu schädigen geeignet war und der sofort zu schweren Erscheinungen mit Hinzuziehung eines Arztes und Arbeitsunterbrechung führte. Progressive spinale Muskelatrophie. Die Ursache ist eine fortschreitende Entartung der grauen Vorderhörner des Rückenmarks. Die Entstehungsursache ist nicht sicher bekannt. Die Entstehung durch Traumen ist nicht sehr wahrscheinlich. Anerkennung des Unfallzusammenhangs hat die Erfüllung nachstehender Bedingungen zur Voraussetzung: 1. Vor dem U n f a l l dürfen Frühsymptome des Leidens nicht bestanden haben. 2. Der erhebliche Unfall muß in der Lage gewesen sein, das Rückenmark organisch zu schädigen. 3. Das Leiden muß sich in engem zeitlichem Anschluß an den Unfall entwickelt haben, und es müssen deutliche Brückensymptome nachzuweisen sein. Neurofibromatose. Es handelt sich u m eine Systemerkrankung des Nervensystems, welche nicht unfallbedingt ist. Solitäre Neurome sind dann Folge eines Unfalls, wenn er die Stelle des Neuroms betroffen hat und wenn er geeignet war, eine totale oder teilweise Kontinuitätstrennung des Nerven herbeizuführen. 20. Erkrankungen der Sinnesorgane Augenverletzungen. Die mit Gewebstrennungen des Auges einhergehenden Verletzungen und ihre Deutung bieten dem Augenarzt keine wesentlichen Schwierigkeiten in der Beurteilung. Die Besonderheit der augenärztlichen Untersuchungsmethode macht es notwendig, schon die Klärung der einwandfreien Diagnose und daher auch die anschließende Beurteilung der Zusammenhangsfrage mit einem Unfall dem Facharzt zu überlassen. Dasselbe gilt auch f ü r Schätzung der durch Augenverletzungen bedingten Erwerbsfähigkeitsverminderung. Grüner Star (Glaukom). Er ist in den meisten Fällen nicht unfallbedingt. W e n n ein zum Glaukom disponiertes Auge von einem schweren T r a u m a betroffen wird, so kann sich ein sekundäres Glaukom entwickeln; es müssen dann aber Verletzungszeichen am Auge objektiv nachzuweisen gewesen sein. Geringe Traumen können f ü r den Ausbruch und das Fortschreiten eines primären Glaukoms kaum verantwortlich gemacht werden. Grauer Star. An eine Verletzung der Linse kann sich ein grauer Star anschließen (Wundstar). Die ersten Anfänge des Stars müssen aber unmittelbar nach der Verletzung vorhanden gewesen sein, während ein totaler Wundstar eventuell nach vorübergehender Rückbildung mehrere Monate zur Ausbildung braucht. (Vgl. Berufskrankheit 36, Seite 79.) Netzhautablösung. Ein das Auge treffendes Trauma kann eine Netzhautablösung bewirken. Wenn die Zusammenhangsfrage bejaht werden soll, muß ein erhebliches T r a u m a den Augapfel selbst getroffen haben. Außerdem muß die Netzhautablösung unmittelbar oder spätestens nach einigen Tagen dem U n f a l l folgen.
Selbstmord
113
21. Selbstmord Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes sind die Angehörigen eines Selbstmörders nur dann zu entschädigen, wenn der Selbstmord „infolge geistiger Gestörtheit im Zustande der Unzurechnungsfähigkeit begangen worden ist und wenn dieser Zustand auf den Unfall ursächlich zurückzuführen ist. Es genügt nicht, daß der Unfall und seine Folgen den Anlaß zum Selbstmord gegeben oder nicht unbedeutenden Einfluß auf die T a t ausgeübt haben." Beispiele sind in meiner Sammlung von Entscheidungen des Reichsversicherungsamtes angeführt.
S Ronode
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Die ärztliche Begutachtung Kriegsversehrter
Die ärztliche Begutachtung Kriegsversehrter Die gesetzliche Grundlage für die Versorgung von Kriegsversehrten ist in dem Ende 1950 erlassenen „Bundesversorgungsgesetz" enthalten. Hier soll in kürzester Form das für den Arzt Wichtigste zusammengestellt werden. Nähere Ausführungen sind enthalten in: Rostock, Ärztliche Begutachtung Kriegsversehrter. Verlag Stutz, München; Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen. Herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit; Thannheiser, Wende, Zech, Handbuch des Bundesversorgungsrechts. Verlag Stutz, München.
Entschädigungspflichtig sind auf Antrag Folgen von gesundheitlichen Schädigungen, entstanden durch militärische oder militärähnliche Dienstverrichtungen oder diesem Dienst ähnliche Verhältnisse. Gleichzusetzen sind Kriegsgefangenschaft, Lnternierung im Ausland wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörigkeit oder mit dem militärischen Dienst oder den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahmen, wenn sie als offensichtliches Unrecht anzusehen sind. Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung verstorben, so erhalten die Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. „Der Begriff der unmittelbaren Kriegseinwirkung ist eng auszulegen. Zustände, denen alle Bevölkerungskreise für längere Zeit ausgesetzt waren, wie Mangelzustände hinsichtlich der Ernährung und Versorgung mit Arzneimitteln oder ungenügende Unterkunftsverhältnisse und dadurch bedingte erhöhte Ansteckungsgefahr fallen nicht unter diesen Begriff." Wenn ein Leiden als Dienstbeschädigung anerkannt ist, so kann ein Heilverfahren gewährt werden, auch wenn der G r a d der Schädigung einen Rentenbezug nicht rechtfertigt. Wenn eine Gesundheitsschädigung nur im Sinne der Verschlimmerung anerkannt ist, so ist von Fall zu Fall versorgungsärztlich zu prüfen, ob die Heilbehandlung erfordernde Verschlimmerung noch als Folge der Schädigung anzusehen ist oder ob sie mit Wahrscheinlichkeit und in ihrem wesentlichen Teil dem naturgemäßen Verlauf des Grundleidens entspricht und somit die Gewährung von Heilbehandlung nach dem Bundesversorgungsgesetz nicht bedingt. Wenn zur Ergänzung der Heilbehandlung anerkannter Schädigungen auch andere Leiden behandelt werden (ζ. B. Zahnsanierungen bei Gastritis), so können diese Heilmaßnahmen mit Genehmigung des Versorgungsamtes gewährt werden. Die Heilbehandlung wird durch die Krankenkassen (R.V.O.-Kassen) durchgeführt, auch wenn ihre Leistungspflicht erschöpft ist. Ist der Betreffende nicht Krankenkassenmitglied, so ist er einer R.V.O.-Kasse seines Wohnortes zuzuteilen. Bei Durchführung einer Heilbehandlung ohne Inanspruchnahme der zuständigen Krankenkasse besteht kein Anspruch auf Rückerstattung entstandener Kosten. Gebühren für den Krankenschein brauchen nicht bezahlt werden. Die Gewährung einer Heilanstaltspflege bedarf der Zustimmung des Beschädigten, wenn er in eigenem Haushalt bei seinen Familien-
Die ärztliche Begutachtung Kriegsversehrter
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angehörigen wohnt, es sei denn, es handelt sich um ansteckende Krankheiten, oder wenn die Behandlung in der Wohnung nicht durchführbar ist oder fortgesetzt ärztliche Beobachtung erfordert oder wenn der Betreffende wiederholt den Anordnungen des Arztes zuwidergehandelt hat. Während ambulanter Behandlung wird Krankengeld in üblicher Höhe bei Arbeitsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf gewährt. Während einer Heilanstaltspflege, Badekur und Heilstättenbehandlung wird die Rente weiter gezahlt. Angehörige bekommen Hausgeld, solange das Einkommen durdi die Erkrankung gemindert ist. Schwerbeschädigte erhalten auch f ü r Gesundheitsstörungen, die nicht Folge einer Schädigung sind, Heilbehandlung. Angehörige Schwerbeschädigter erhalten ärztlidie Behandlung einschließlich Krankenhausbehandlung, wenn dieselbe anderweitig nicht sichergestellt ist. Befristete Badekuren können gewährt werden. Blinde erhalten einen Führerhund mit einem Unterhaltungsgeld bis zu D M 25,— monatlich. Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel können gewährt werden. Bis zu einer Erwerbsfähigkeitsverminderung von 24 °/o wird keine Rente gewährt. Dieselbe wird unterteilt in Grundrente, die jeder von einer Erwerbsfähigkeitsverminderung ab 25 »/o erhält, u n d Ausgleichsrente. Letztere wird nur gewährt, wenn der Betrag der Grundrente und „sonstigen Einkommen" einen gestaffelten Gesamtbetrag nicht übersteigt. Pflegezulage in Stufen von D M 75 bis D M 150 kann im Bedarfsfalle gewährt werden. Für die Schätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist die Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zugrunde zu legen. Der vor der Schädigung ausgeübte Beruf oder eine bereits begonnene oder nachweisbar angestrebte Berufsausbildung ist zu berücksichtigen. Für eine Reihe von Verletzungen sind Mindestsätze verbindlich vorgeschrieben. Hinterbliebenenrenten werden gewährt an Witwen oder Witwer, Waisen und die Verwandten der aufsteigenden Linie (Eltern und Großeltern f ü r die Dauer der Bedürftigkeit). Eine Kapitalabfindung bei Schwerbeschädigten ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. In vorstehenden Ausführungen sind nur die allerwichtigsten Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes kurz gestreift.
Sachregister A b f i n d u n g 32, 40 A b o r t 99 A b r i ß b r ü d i e der Wirbelfortsätze 74 Addisonsche K r a n k h e i t 87 Aggravation 50 Akromegalie 87 A k t i n o m y k o s e 80, 84 A k u t e hämatogene Osteomyelitis 102 Allgemeine Unfallversicher u n g 19 Allgemeininfektion 84 Altersbeschwerden 88 Altersgrenze 3 A m i d o v e r b i n d u n g e n des Benzols 67 A m y o t r o p h i s d i e Lateralsklerose 112 A n e u r y s m e n p e r i p h e r e r Gefäße 89 Angestellte 2 Angestelltenversicherung 8, 13 Anguillula intestinalis 80 A n k y l o s t o m u m duodenale 79 A n Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit 81 A n t h r a z e n 70 A o r t e n a n e u r y s m a 89 Apoplexie 90, 111 A p o t h e k e r 17 Appendizitis 95 Arbeiter 2 A r b e i t in Druckluft 72 Arbeitsentgelt 5 Arbeitsfähigkeit 28 Arbeitslosenunterstützung 12 Arbeitsunfähigkeit 4, 14 Arbeitsunfälle 17 Aromatische A m i n e 71 Arsen 64 Arteriosklerose 90 Arthrosis d e f o r m a n s 105 Artisten 3 Arzneien 5 Ä r z t e 17 Ä r z t e k o m m i s s i o n 16 Ärztliche Behandlung 4, 5 Asbestose 76 Asbeststaublungenerkrank u n g 76
A u g e n a r z t v e r f a h r e n 27 Augenverletzungen 112 A u s k u n f t über Behandlung 37
Diabetes insipidus 86 Diabetes mellitus 86 D i p h t h e r i e 83 D o r n f o r t s a t z f r a k t u r 103 D r u c k l ä h m u n g e n der N e r v e n Bangsdie K r a n k h e i t 80 73 Basedowsche E r k r a n k u n g 87 Bauchfellentzündung 93 Dupuytrensdie Kontraktur 73, 101 Beamte 17 Bechterewsche E r k r a n k u n g 104 D u r d i g a n g s a r z t v e r f a h r e n 27 Durchsdinittsrente 31 Begutachtung 114 Begutachtung Kriegsversehrter 114 Eingeweidebrüche 92 Begutachtung von Z u s a m m e n - Elektrische Verletzungen 82 hangsfragen 80 Embolie 90 Behandlung 15 Endangiitis obliterans 90 Beitragserstattung 10 Entbindung 5 Benzol 67 Entgelt 2 B e r a t u n g s f a d i a r z t v e r f a h r e n 27 E n t l o h n u n g 2 Epidemien 25 Berufliche H a u t e r k r a n k u n g e n Epilepsie 108 71 Erdbeben 25 Berufsfähigkeit 28 E r f r i e r u n g e n 82 Berufsgenossenschaften 18 Erkältungen 82 B e r u f s k r a n k h e i t e n 17, 24, 60 E r k r a n k u n g e n der Lunge Berufsunfähig 11 Beryllium 66 durch A l u m i n i u m 77 Bestattungskosten 6 E r k r a n k u n g e n der MuskelBetastung 43 ansätze 72 Betriebskrankenkassen 2 E r k r a n k u n g e n der SehnenBeurteilung von Zusammenansätze 72 hangsfragen 39 E r k r a n k u n g e n der SehnenBißwunden 85 scheiden 72 Bizepssehnenriß 101 E r k r a n k u n g e n der tieferen Blasenstein 98 Luftwege durch A l u m i n i u m Blei 63 77 Bleilähmung 63 E r k r a n k u n g e n der tieferen Bleisaum 63 Luftwege durch T h o m a s schlackenmehl 77 B l i n d d a r m e n t z ü n d u n g 14 E r k r a n k u n g e n der Z ä h n e Blutdruck 48 d u r d i Mineralsäuren 78 Blutuntersuchungen 49 Ersatzkassen 2 Bundessozialgericht 33 Bundesversorgungsgesetz 114 Erschütterung bei Arbeit mit P r e ß l u f t w e r k z e u g e n 71 ErwerbsfähigkeitsvermindeC h r o m 66 r u n g 29, 40 Erysipel 84 Darmgeschwüre 94 Erzieher 3 Darmverschlingungen 14 Darmverschluß 95 E x t r a u t e r i n g r a v i d i t ä t 99 Darmzerreißungen 94 D a u e r r e n t e 30, 38 Familienangehörige 3 Delirium tremens 109 Familiengeld 32 Dentisten 17 Familienkrankenpflege 5
Sachregister
118 Familienwochenhilfe 6 Feststellungsverfahren 26 Fettleibigkeit 87 Feuerstar 79 Fleckfieber 80 Fluorose 78 Form der ärztlichen Gutachten 37 Form des freien Gutachtens 37 Freiwillige Versicherung 10 Furunkel 84, 99 Gallenblasenentzündung 95 Ganglion 107 Gangrän einer Extremität 90 Gasvergiftung 82 Gebärmuttersenkung 99 Gebärmutterverlagerungen 99 Gegenstand der Versicherung 4 Geisteskrankheiten 109 Gelenkchondromatose 107 Gelenkmäuse 107 Gelenkrheumatismus 107 Genesungsheime 8 Gewerbekrankheiten 14 Gewerbliche Berufsgenossenschaften 19 Gicht 87, 108 Glasbläserstar 79 Glaukom 112 Gonorrhoische Gelenkentzündung 106 Grauer Star 79, 112 Grippe 83 Grundbetrag 12 Grüner Star 112 Gutachten 26, 35, 38
Hypernephrom 97 Impftuberkulose 80 Infektionskrankheiten 14, 80, 83 Innungskrankenkassen 2 Insektenstiche 82 Intoxikationen 82 Invagination 94 Invalide 10 Invalidenrente 12 Invalidenrenten für Arbeiter
10
Invalidenversicherung 8 Invalidenversicherungspflicht 8 Invalidität 14, 28 Invaliditätsgrad 15 Ischias 111 Jahresarbeitsverdienst 30
Kadmium 65 Kannleistung 10 Kapitalabfindung 14 Kinderzuschuß 12 Klage 33 Kleinere Heilmittel 4 Kohlenoxyd 69 Kohlenwasserstoffe 68 Körperschädigung 25 Kraftmessungen 47 Krampfadern 14, 89 Krankengeld 4, 5 Krankenhauspflege 5 Krankenhilfe 4 Krankenkassen 2 Krankenpflege 4 Krankenversicherung 2, 7, 8 Krankheit 4, 12 Habituelle Luxationen 106 Krätze 80 Haftpflicht 36 Haftung des Unternehmers 18 Krebs der Harnwege 71 Halogen-Kohlenwasserstoffe 68 Kriegsversehrte 114 Hämatominfektion 84 Krisenunterstützung 12 Hämatomyelie 111 Harnröhrenstrikturen 98 Landessozialgericht 33 Hausgeld 5 Landesversicherungsanstalten 8 Landkrankenkassen 2 Hausgewerbetreibende 3 Landwirtschaftliche BerufsHauterkrankungen 71 genossenschaften 23 Hautkrebs 70 Landwirtschaftliche UnfallHebammen 3 versicherung 19 Hebammenhilfe 5 Längenmessungen 44 Heilpraktiker 17 Leberatrophie 95 Heilverfahren 10, 13 Herzklappenerkrankungen 88 Leberzirrhose 95 Lehrer 3 Herzmuskelerkrankungen 88 Lehrlinge 2 Hexenschuß 100 Leistenbrüche 25 Hilfsmittel 4 Leistungen an die Verletzten 27 Hinterbliebenenrenten 10 Leukämie 88 Hirnabszeß 111 Lues 84 Hitzschlag 82 Lumbago 100 Hornhautschädigungen des Auges durch Benzochinon 78 Lunatumnekrose 104 Lungenblutung 91 Hydronephrose 97
Lungenembolie 92 Lungenemphysem 91 Lungenentzündung 91 Lungentuberkulose 91 Lungenverletzungen 91 Lupus 83, 100 Lymphangitis 84 Magenblutung 94 Magenkarzinom 94 Magensenkung 94 Magen- und Duodenalgeschwür 93 Malaria 83 Mangan 65 Mastdarmfisteln 95 Mastdarmvorfall 95 Maul- und Klauenseuche 80 Mehrleistungen 4 Mehrverschleiß an Kleidern 32 Meniscuslösungen 106 Meniscusschäden 74 Messung 43 Messungen an Röntgenbildern 45 Miliartuberkulose 83 Milzabszeß 88 Milzbrand 80, 83 Milzzerreißungen 88 Möglichkeit 81 Multiple Sklerose 108 Muskelatrophie 112 Muskelhernien 100 Muskelrisse 100 Myositis ossificans 100 Nachuntersuchung 29 Navikularpseudarthrose der Hand 103 Nebenhodenentzündungen 99 Nebenhodentuberkulose 98 Nebennierenblutung 87 Netzhautablösung 112 Neurofibromatose 112 Neurologische Untersuchungsmethoden 49 Neurose 109 Nierenbeckenentzündung 98 Nierenentzündung 97 Nierenstein 96 Nierentuberkulose 97 Nitroverbindungen des Benzols 67 Nucleus-pulposus-Hernie 104 Ödeme 51 Ohrenarztverfahren 27 Ortskrankenkassen 2 Ösophagusdivertikel 93 Osteochondritis dissecans 107 Osteomyelitis 84 Ostitis fibrosa 102
119
Sachregister Pachymeningitis haemorrhagica interna 108 Palpation 43 Panaritium 84, 99 Pankreasnekrose 96 Pankreaszysten 96 Papageienkrankheit 80 Paraffin 70 Paralysis agitans 109 Parasitäre Erkrankungen 83 Pedi 70 Periarthritis humero-scapularis 102 Perniziöse Anämie 88 Pflichtleistungen 10 Phlegmone 84, 100 Phosphor 63 Pleuritis 92 Poliomyelitis 80 Private Unfallversicherung 14 Progressive Paralyse 109 Progressive spinale Muskelatrophie 112 Psychische Einwirkung 14 Pyonephrose 97 Quecksilber 64 Radioaktive Stoffe 70 Räude 80 Rechtsmittelbelehrung 33 Regelleistungen 4 Reichsknappschaft 2 Reichsversicherungsanstalt für Angestellte 8 Rente 10, 29 Rentensätze 52 Rentenverfahren bei Unfallverletzten 28 Rentenversicherung der Angestellten 8 Rentenversicherung der Arbeiter 8 Revision 34 Rickettsiosis 80 Röntgenstrahlen und radioaktive Stoffe 70 Röntgenuntersuchung 48 Röntgenverbrennung 82 R o t z 80, 83 Ruhegeld 11 Ruhegeld für Angestellte 10 Ruß 70 Salpetersäureester 68 Schipperkrankheit 74, 103 Schleimbeutel 74
Schleimbeutelentzündungen 102 Schneeberger Lungenkrankheit 79 Schonungsrenten 31 Schreck 25 Schwangerschaft 12 Schwefelkohlenstoff 68 Schwefelwasserstoff 69 Schweigepflicht 36 Schweineinfluenza 80 Schweinerotlauf 80 Seekrankenkasse 2 Seelische Einwirkung 25 See-Unfallversicherung 19 Sehnenscheidenganglion 101 Sehnenscheidenpanaritium 101 Selbständige Personen 2 Selbstmord 113 Selbstverschuldete Unfälle 26 Sicherheit 81 Siliko-Tuberkulose 75 Simulation 49, 50 Skorbut 80 Sonnenstich 82 Sozialgerichtsbarkeit 33 Spondylarthrose 104 Spondylolisthesis 104 Spontanfrakturen 103 Starkstromverletzungen 82 Stärkungsmittel 4 Staublungenerkrankung 75 Staupe 80 Steigerungsbetrag 12 Sterbegeld 4, 6, 31 Stillgeld 6 Stoffwechselkrankheiten 86 Strafgesetzbuch 36 Syringomyelie 111 Tabes dorsalis 111 Taubheit 79 Teer 70 Tendovaginitis crepitans 101 Tetanus 85 Thermische Verletzungen 82 Thrombose 90 T o d 14, 25 Tollwut 80 Tornisterlähmung 73 Toxoplasmose 80 Traumatische Neurose 109 Tropenkrankheiten 80 Tuberkulose der Gelenke 103 Tuberkulose der Knochen 103 Tularämie 80
Tumoren 85 Typhus 83 Übergangsrenten 31 Überschwemmungen 25 Überwiegende Wahrscheinlichkeit 39, 81 Ulcus cruris 100 Umfangmessungen 45 Unfallbegriff 14 Unfallneurose 14 Unfallversicherung 17 Unselbständige Angestellte 2 Unselbständige Arbeiter 2 Unterleibsbrüche 14 Unterschenkelgeschwüre 14, 89 Untersuchungsmethoden 41 Ureterstein 96 Varikozele 90, 98 Verbrennungen 82 Vergiftungen 82 Verletzungsartenverfahren 27 Versicherungsanstalten 8 Versicherungsberechtigung 3 Versicherungspflicht 2 Versicherungsträger 25 Vorfall 99 Vorläufige Rente 30 Wägung 44 Waisenrenten 11, 12 Wanderniere 97 Wartezeit 11 Wasserbrüche 14, 98 Weilsche Krankheit 80 Weiterversicherung 3 Winkelmessungen an Gelenken 46 Witterungseinflüsse 14 Witwenrenten 11, 12 Wochenbett 12 Wochengeld 5 Wochenhilfe 4, 5 Wochenpflegerinnen 3 Wunddiphtherie 85 Wundinfektionskrankheiten 84 Wurmkrankheit 80 Wurmkrankheit der Bergleute 79 Zahnärzte 17 Zahnersatz 4 Zellgewebsentzündung 100 Zusammenhangsfrage 26
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