Kurzgefasstes Lehrbuch der physiologischen Chemie [6. umgearb. Aufl. Reprint 2019] 9783111666556, 9783111281803

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Vorwort
Vorwort zur sechsten Auflage
Inhaltsverzeichnis
I. Teil. Die Chemie der Hauptgruppen der Nahrungsstoffe und Körperbestandteile
II. Teil. Allgemeine Zustände und Vorgänge
III. Teil. Der Stoffwechsel
Register
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Kurzgefasstes Lehrbuch der physiologischen Chemie [6. umgearb. Aufl. Reprint 2019]
 9783111666556, 9783111281803

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KURZGEFASSTES

L E H R B U C H DER PHYSIOLOGISCHEN CHEMIE VON

S. EDLBACHER

o. PROFESSOR DER PHYSIOLOGISCHEN CHEMIE AN DER UNIVERSITÄT BASEL

SECHSTE, UMGEARBEITETE AUFLAGE

B E R L I N

1 9 4 0

WALTER DE GRUYTER & CO. VORMALS G.J.GÖSCHEN*SCHE VERLAGSHANDLUNG - J.GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG - GEORG REIMER - KARL J. TRÜBNER - VEIT & COMP.

AUe Becbte, Insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten Copyright 1940 by W a l t e r de G r u y t e r & C o . vormals G.J.Göschen'scheVerlagshandlung— J. Guttentag,Verlagsbuchhandlung — Georg Eelmer — Karl J. Trübner —Veit 4 Comp. Berlin WS5, Woyrschstraße 13 Printed in Germany / Druck von Uetzger & Wittig in Leipzig Archiv-Nr. 610440

Vorwort Dieses Buch soll in erster Linie ein Lehrbuch sein, welches dem angehenden Mediziner zeigen soll, wie die Begriffe der Chemie auf biologische Probleme anzuwenden sind. Es wurde daher in möglichst knapper Form gehalten und es mußte eine strenge Auswahl des Stoffes getroffen werden. Entsprechend der zunehmenden Bedeutung der physikalischen Chemie für die biochemischen Probleme wurde versucht, dem Leser durch elementare Darstellung dafür das Verständnis zu eröffnen. Eine Darstellung des Gesamtstoffwechsels wurde nicht gebracht, da dieser in den Lehrbüchern der Physiologie erschöpfend behandelt wird. Heidelberg, im März 1929 S. Edlbacher

Vorwort zur sechsten Auflage Es ergab sich auch diesmal wieder die Notwendigkeit, an zahlreichen Stellen grundsätzlich neue Ergebnisse aufzunehmen und überholte Anschauungen zu streichen. Insbesondere wurden bei dieser Auflage die Ergebnisse über die Konstitution der Eiweißkörper und über die Wirkung der Proteasen überarbeitet. Auch das Kapitel über die Vitamine mußte in weitgehendem Maße vervollkommnet werden. Die Literatur wurde bis zum Spätherbst des Jahres 1939 berücksichtigt. B a s e l , im Dezember 1989 S . Edlbadier

Inhaltsverzeichnis I. Teil. Die Chemie der Hauptgruppen der Nahrungsstoffe und Körperbestandteile Seite

1. Kapitel. 2. „ 3. „ 4. „ 5. ,,

Die Kohlehydrate Fette und Wachse Lipoide und Gallensäuren Die Eiweißkörper Nucleinstoffe

1 31 36 47 84

II. Teil. Allgemeine Zustände und Vorgänge 6. Kapitel. Osmotischer Druck (anorganische Salze) 7. „ Die Kolloide 8. „ Die Wasserstoffionenkonzentration 9. „ Die Ampholyte 10. „ Die Fermente 11. „ Die biologischen Oxydationa- und Reduktionsvorgänge . . . .

95 102 100 119 124 153

HI. Teil. Der Stoffwechsel 12. Kapitel 13. „ 14. „ 15. „ 16. „ 17. „ Register

Der Fettstoffwechsel Der Kohlehydratstoffwechsel Der Eiweißstoffwechsel Der Nucleinstoffwechsel Das Blut Die Wirkstoffe (Hormone und Vitamine)

183 196 225 264 271 285 327

I.Teil

Die Chemie der Hauptgruppen der Nahrungsstoffe und Körperbestandteile

Erstes Kapitel Die Kohlehydrate Definition und Nomenklatur Unter der Bezeichnung Kohlehydrate oder Kohlenhydrate faßt man eine Gruppe von chemischen Verbindungen zusammen, die als die ersten Oxydationsprodukte mehrwertiger Alkohole aufzufassen sind. Da es sich um primäre Oxydationsprodukte handelt, so sind sie entweder A l d e h y d - oder Ketonalkohole. Fast alle diese Verbindungen enthalten in ihrem Molekül Wasserstoff und Sauerstoff in dem Atomverhältnis wie zwei zu eins. Es ist dabei zu erwähnen, daß es natürlich eine große Anzahl von organischen Verbindungen gibt, die Wasserstoff und Sauerstoff im Verhältnis zwei zu eins enthalten, die aber durchaus nichts mit den Kohlehydraten zu tun haben. So z. B. die Essigsäure: oder die Milchsäure:

CH3COOH = C2H40, CH3 CH 0H C00H = C3H603 USW.

Wie aus der genannten Definition der Kohlehydrate hervorgeht, können also diese von den mehrwertigen Alkoholen abgeleitet werden. Es sind nun eine große Zahl solcher mehrwertiger Alkohole, teils als in der Natur vorkommend, teils als synthetisch dargestellt, bekannt. Das einfachste Beispiel eines zweiwertigen Alkohols ist das G l y k o l ; durch Oxydation der einen der beiden CH2- OH- Gruppen entsteht daraus der G l y k o l a l d e h y d , der dementsprechend als einfachstes Kohlehydrat aufgefaßt werden kann: CHj-OH CHj-OH I + O = I H + CH2 • OH C

I. Teil

24

Die Fructose hat ebenfalls Ringstruktur. Aus einer ßeihe von Gründen schreibt man der freien Fructose die pyranoide, der gebundenen die furanoide Form zu. Bei den Abbauvorgängen, die die Kohlehydrate beim Stoffwechsel erleiden, treten als wichtige Zwischenprodukte P h o s p h o r s ä u r e e s t e r der Zucker auf. Auf diese Verbindungen wird bei der Besprechung der diesbezüglichen enzymatischen Vorgänge (vgl. die Kapitel über Carbohydrasen, Gärung und Kohlehydratstoffwechsel) wieder hingewiesen werden. Als solche Phosphorsäureester sind zu nennen: 1. Die von H a r d e n - J o u n g entdeckte Fructose-l,6-Diphosphorsäure. (HAPl-OCH, Hol) HOCH I k HCOH 1

bLJ

(stellt die furanoide Form der Fructose dar)

i CHj-0—(P03H2)

Dieser Ester entsteht bei der Hefegärung von Glucose. Es findet also bei seiner biologischen Entstehung eine Umwandlung von Glucose in F r u c t o s e statt. 2. Aus dem unter 1. genannten Diphosphorsäureester kann durch gewisse Enzyme (Phosphatasen der Hefe z. B.) 1 Molekül Phosphorsäure abgespalten werden und es entsteht dann ein F r u c t o s e - 6 - m o n o p h o s p h o r s ä u r e e s t e r , der als sog. N e u b e r g e s t e r bezeichnet wird. 3. Der diesem entsprechende G l u c o s e - 6 - m o n o p h o s p h o r s ä u r e e s t e r entsteht bei der Hefegärung von Rohrzucker, oder er kann auch aus dem unter 1. genannten Diphosphorsäureester durch enzymatische Phosphorsäureabspaltung von einem Molekül Phosphorsäure entstehen, wenn tierische Phosphatasen auf ihn einwirken. Er wird nach dem Entdecker als R o b i s o n e s t e r bezeichnet. E m b d e n nannte diese Verbindung „ L a c t a c i d o g e n " , da er in ihr eine Vorstufe der Milchsäure schon vermutet hatte. 4. Endlich ist noch ein Glucose-1-phosphorsäureester (Cori) bekannt. Diese Umwandlungen führen zu der bedeutsamen Erkenntnis, daß die einzelnen Zucker, wie Glucose und Fructose, über die verschiedenen Phosphorylierungsprodukte (Phosphorsäureester) auf biologischem Wege sich ineinander verwandeln können. Bezüglich der Bedeutung dieser Verbindungen vgl. den Kohlehydratstoffwechsel. Insbes. S. 214.

Erstes Kapitel. Die Kohlehydrate

25

Disaccharide Tritt aus zwei Molekülen eines Monosaccharides ein Molekül Wasser aus, so entsteht durch Vereinigung der Reste ein Disaccharid. 2CsHuOe = HjO + C„H22Ou Es kann der Austritt des Wassers entweder so erfolgen, daß noch eine Carbonylgruppe reaktionsfähig (reduktionsfähig) bleibt oder nicht. Von den Disacchariden seien als wichtigste die folgenden genannt: 1. Maltose aus zwei Glucoseresten. 2. Saccharose oder Rohrzucker aus einem Glucose- und einem Fructoserest. 8. L a c t o s e oder Milchzucker aus einem Glucose- und einem Galaktoserest. 4. Cellobiose ebenso wie Maltose aus zwei Glucosemolekülen. Unter der Einwirkung von verdünnten Säuren, sowie durch enzymatische Spaltung zerfallen diese Disaccharide unter Aufnahme von Wasser in die entsprechenden Monosaccharide. Die Anwendung der von H u d s o n und von H a w o r t h entwickelten Vorstellungen über die Ringstruktur der einfachen Zucker führte zu den weiter unten angegebenen Konstitutionsformeln. 1. Maltose. Sie ist ein Zerfallsprodukt der fermentativen Spaltung von Stärke und Glykogen. Ihre biologische Bedeutung besteht darin, daß sie als Zwischenprodukt des Stoffwechsels auftritt. Maltose gibt die sog. Reduktionsproben, enthält also eine Carbonylgruppe in reaktionsfähiger Stellung. Sie wird durch das Enzym M a l t a s e i n Glucose zerlegt. Aus dem bei den Glykosiden Gesagten geht hervor, daß das glucosidisch gebundene Glucosemolekül in a - K o n f i g u r a t i o n zu denken ist (Formeln s. unten). 2. L a c t o s e (Milchzucker). Dieses Disaccharid findet sich, wie der Name schon aussagt, in der Milch und wird in den lactierenden Brustdrüsen gebildet. Sie ist demnach für den Säugling ein wichtiger Nahrungsstoff. Auch in der Lactose befindet sich die eine der Aldehydgruppen in reaktionsfähiger Stellung, worauf auch der positive Ausfall der Reduktionsproben zurückzuführen ist. Diese im Gegensatz zur Maltose ^-glucosidisch gebundenen Bausteine werden durch ein Enzym, L a c t a s e , unter Wasseraufnahme zerlegt (nicht durch Maltase). 8. Cellobiose. Dieses Disaccharid entsteht durch partielle Spaltung des pflanzlichen Polysaccharides Cellulose. Es reduziert. Die /3-glucosidische Struktur wird unter anderem daraus abgeleitet, daß das in den bitteren Mandeln auftretende Ferment E m u l s i n die Cellobiose spaltet.

I.Teil

26

Die Cellobiose, sowie die aus ihr aufgebaute Cellulose hat für die Ernährung des Menschen kaum Bedeutung, wohl aber für die Herbivoren. 4. S a c c h a r o s e (Rohrzucker, Rübenzucker). Sie ist im Pflanzenreiche weit verbreitet. Im tierischen Organismus fehlt sie. Sie ist ein wichtiger Nahrungsstoff. Saccharose reduziert nicht und gibt kein Osazon, so daß also beide Carbonylgruppen in gebundener Form angenommen werden müssen. Bei der Hydrolyse wird sie zu Glucose und Fructose gespalten. Bei dieser Spaltung, die entweder durch Säuren oder durch das Ferment S a c c h a r a s e bewirkt werden kann, findet eine Umkehrung der Drehungsrichtung statt, welche als I n v e r s i o n bezeichnet wird. Und zwar dreht Saccharose [oc]d = + 66,5°, während das Inversionsgemisch eine Drehung von [oc]d = — 20,5° zeigt. Dies liegt darin begründet, daß die gebildete d-(—)-Fructose stärker nach links dreht, als die gleichzeitig entstandene Glucose nach rechts dreht. Der B i e n e n h o n i g ist ein solcher natürlich vorkommender Invertzucker, der noch geringe Mengen von geruchgebenden Substanzen enthält. Die Strukturformeln der besprochenen Disaccharide sind demnach in der untenstehenden Weise zu denken. Dazu sei noch bemerkt, daß die Ableitung dieser Formelbilder durch komplizierte Untersuchungsreihen ermittelt wurde, welche im Prinzip aus Methylierungen der verschiedenen Hydroxylgruppen bestanden. Eine Darstellung dieser Forschungen würde den Kähmen dieses Buches weit überschreiten. Außer den hier genannten sind noch eine Reihe von anderen Disacchariden bekannt. In den folgenden Formeln sind die Stellen, an denen das reduzierende Aldehyd (Keton)-C-Atom steht, mit * bezeichnet. HC

H

H

OH

OH

O

H I CHjOH

u

I

H Maltose

H HO |

OH | H

CHj-OH

O CH, • OH

Cellobiose

OH

IH OH

Erstes Kapitel. Die Kohlehydrate

27

Die Strukturformel der Saccharose sei zur besseren Orientierung in beiden Schreibarten dargestellt, wobei nochmals darauf hingewiesen sein soll, daß diese beiden Formulierungen i d e n t i s c h sind. CHjOH

i - c = r HO

H-d-OH ! I I HO C H O

l

H

H

0

OH

J

HC-

HC-OH

CH,OH

CH.OH Glucose

Fructose Saccharose

/

CHOH—CHOH CHOH -CH O-

HOCHjCH \ r

/

CHOH—CHOH

ho

CHjOH Glucopyranose

Saccharose

CH-CH.OH

Fructofuranose

Auch verschiedene Trisaccharide kommen in der Natur vor, so z. B. die aus der Enzianwurzel extrahierte Gentianose. Polysaccharide Durch Zusammenlagerung einer größeren Anzahl von Monosacchariden unter Wasseraustritt entstehen komplizierte Verbindungen, die unter dem Namen Polysaccharide zusammengefaßt werden. Diese Substanzen unterscheiden sich in vieler Hinsicht von den Zuckern. Sie finden sich sowohl im Tier- als im Pflanzenreich und bilden entweder die sog. E e s e r v e s t o f f e oder sie nehmen auch, wie z. B. die Cellulose, am Aufbau der Gewebe teil. Als die wichtigsten Polysaccharide pflanzlichen Ursprungs seien hier genannt: die S t ä r k e , die Cellulose, die G u m m i a r t e n , das I n u l i n der Dahliaknollen und endlich die P e n t o sane, die nur aus Pentosen aufgebaut sind. Das Glykogen stellt das tierische Reservekohlehydrat dar. Die Polysaccharide bilden amorphe Substanzen, doch hat sich namentlich durch röntgenspektrographische Untersuchungen eine krystallinische Struktur für Stärke und Cellulose nachweisen lassen.

28

I. TeU

Die S t ä r k e , auch Amylum genannt, bildet sich in den grünen Pflanzenteilen als erstes sichtbares Assimilationsprodukt. Sie findet sich in verschiedenartig geformten Körnern, in den Knollen, Samen usw. Sie ist einer der wichtigsten Nahrungsstoffe. Stärke gibt keine Reduktionsproben, enthält also keine freie Carbonylgruppe. Durch hydrolytische Einflüsse zerfällt sie. Nach den Untersuchungen von Maquenne bestehen die Stärkekörner aus zwei Komponenten. Einerseits aus Amylose, die beim Erhitzen keinen sog. Kleister gibt, andererseits aus A m y l o p e k t i n , das beim Kochen verkleistert. Die Amylose färbt sich mit Jod blau. Auf dieser Reaktion beruht auch der Nachweis der Stärke. Wird Stärke mit Säuren gekocht oder der Einwirkung gewisser Permente (Diastasen) unterworfen, so zerfällt das Molekül über eine Reihe von Zwischenprodukten, die man Dextrine nennt und deren Struktur noch ungeklärt ist. Bei vollkommenem Zerfall bildet sich ausschließlich d- Glucose. Die Fermente, die die Stärke spalten, die Diastasen oder Amylasen, bewirken aber nur einen Abbau bis zur Maltose, die dann erst unter dem Einfluß der Maltase in Glucose zerfällt. Es ist aber auch gelungen, krystallisierte Zwischenprodukte des Stärkeabbaues zu erhalten. Der Bacillus macerans kann die Amylose so spalten, daß krystallisierte Produkte entstehen, die man als Polyamylosen bezeichnet hat (Pringsheim). Bei der Säurehydrolyse der Stärke oder durch deren enzymatischen Abbau entstehen verschiedene „Dextrine" genannte Produkte. Je nach dem Ausfall der Jodreaktion unterscheidet man die sich mit Jod blaufärbenden A m y l o d e x t r i n e , dann mit Jod rotfärbende E r y t h r o d e x t r i n e und endlich niedermolekulare A c h r o o d e x t r i n e , die keine Jodreaktion mehr geben. Endlich entsteht Maltose, die zu Glucose aufgespalten wird. Alle Dextrine geben positive Reduktionsproben. Die Cellulose ist ein wichtiger Baustoff des Pflanzenkörpers, denn die Wände der Pflanzenzellen bestehen namentlich in den jüngeren Stadien fast ausschließlich aus solcher. Auch im Tierreich findet sich die Cellulose bei den Tunikaten. Baumwolle besteht fast nur aus Cellulose. Als Nährstoff besitzt sie nur für den Herbivoren Bedeutung. Bei vollständiger Hydrolyse zerfällt sie in Glucose, doch geht der Zerfall nicht wie bei der Stärke über die Maltose, sondern über ein, Cellobiose genanntes Zwischenprodukt. Ebensowenig wie die chemische Struktur der Stärke ist die der Cellulose bis jetzt restlos geklärt worden. Das physiologisch wichtige Glykogen, welches das tierische Reservekohlehydrat darstellt, zeigt in seinem chemischen Verhalten die weitgehende Ähnlichkeit mit der Stärke. Es findet sich namentlich in der Leber, in den Muskeln und in geringeren Mengen in fast allen Organzellen. Bei der Spaltung zerfällt es über Maltose in d-Glucose.

29

Erstes Kapitel. Die Kohlehydrate

Der charakteristischste Unterschied zwischen Stärke und Glykogen ist der, daß das letztere durch Jod nicht blau, sondern rotbraun gefärbt •wird. Sowohl das Glykogen als auch die Stärke enthalten geringe Mengen von Phosphorsäure, wahrscheinlich in esterartiger Bindung. Auch läßt sich das Glykogen ähnlich wie die Stärke in zwei Fraktionen aufteilen, von denen die eine leicht löslich und nicht kleisternd, die andere schwer löslich und kleisternd ist. Der hydrolytische Abbau durch Säure oder Amylase führt wie bei der Stärke zu Maltose. Die Frage, ob Stärke und Glykogen wirklich identische Stoffe sind, ist aber noch durchaus nicht im positiven Sinn entschieden. Versucht man die bei der Betrachtung der Disaccharide gewonnenen Gesichtspunkte auf das Konstitutionsproblem der Polysaccharide anzuwenden, so sind in dieser Hinsicht besonders die Untersuchungen von Meyer und Mark sowie die von Staudinger zu nennen. Die elementare Zusammensetzung der Cellulose (C6H10O5)x kann z. B. so erklärt werden, daß die Pyranringe der einzelnen Glucosebausteine in kettenförmiger Vereinigung stehen, wobei immer zwischen je zwei Pyranringen ein Brückensauerstoff steht (vgl. die Strukturformel der Cellobiose, die ja auch durch partielle Spaltung der Cellulose entsteht). Es entstehen dann sog. „Hauptvalenzketten", d. h. große Moleküle, die nur durch Hauptvalenzen gebunden sind. Die R ö n t g e n s p e k t r o s k o p i e hat für die Erforschung dieses Gebietes vorzügliche Dienste geleistet. Auf Grund der beobachteten Interferenzen muß man annehmen, daß in der Cellulose ein Elementarkörper in der Länge von 10 ÄE (Angströmeinheiten 1 ÄE = 0,1 m/z) existiert. Diese Größe reicht gerade aus, um einen Cellobioserest darin unterzubringen, wenn man die pyranoide Form annimmt:

\r°~v—\ /

\ -

0

/-0\r°n/—\

/ L Q J \ — / Cellobiose

\ _ Q / L

/~°\r°n/

0

J \ — /

\

Cellobiose

In diesen Hauptvalenzketten variiert die Zahl der Cellobiosereste wahrscheinlich zwischen 40 und 60, das sind 80 und 120 Glucosereste. Solche Hauptvalenzketten lagern sich nun wieder zusammen und bilden ein sog. „Micell". Dadurch können Komplexe von einem scheinbaren Molekulargewicht von 1000000 entstehen. In Stärke und Glykogen hat man ähnliche Verhältnisse anzunehmen, nur sind die Hauptvalenzketten wahrscheinlich kürzer, da diese Stoffe keine Faserstruktur besitzen. Bis vor kurzem nahm man an, daß niedermolekulare Zuckeranhydride durch Assoziation die Polysaccharide aufbauen. Die oben angedeuteten Untersuchungen lassen es wahrscheinlich erscheinen, daß, wie schon gesagt wurde, lange Hauptvalenzketten existieren.

30

I. Teil

Aminozucker Tritt in einem Monosaccharid an Stelle einer Hydroxylgruppe eine Aminogruppe, so entstehen sog. Aminozucker. Es sind dies Substanzen, die an dem Aufbau verschiedener Eiweißkörper, wie den Mucinen, dem Chitin u. a. beteiligt sein können. Sie 6ind theoretisch deshalb von Interesse, da sie gewissermaßen eine Zwischenstellung zwischen Kohlehydraten und Aminosäuren einnehmen. Ihr wichtigster Vertreter ist das G l u c o s a m i n , das sich von einer Hexose ableitet. Es findet sich im Chitin. Seine Formel wurde von E. F i s c h e r in Anlehnung an die Glucoseformel folgendermaßen geschrieben: *po HC-NH, HO^H Eli-OH I HC OH I CH2OH Doch sind auch bezüglich der Konfiguration andere Formeln dafür in Betracht gezogen worden. Glucosamin wird auch als Chitosamin bezeichnet. Ein anderer Aminozucker ist das C h o n d r o s a m i n , das von L e v e n e in verschiedenen Mucinen entdeckt wurde. Außerdem sind noch einige ähnliche Körper synthetisch dargestellt worden. Durch Oxydation gehen die Aminozucker in die entsprechenden Säuren über. Das C h i t o s a m i n ist ein Baustein der M u k o i t i n s c h w e f e l s ä u r e . Diese ist wieder ein Bestandteil der Mucine und M u c o i d e genannten Proteine. In analoger Weise wird C h o n d r o s a m i n zum Aufbau der C h o n d r o i t i n s c h w e f e l s ä u r e verwendet, die sich in der Knorpelsubstanz vorfindet. Anhang Die Cellulose ist in den verholzten Pflanzenteilen mit dem L i g n i n vergesellschaftet. Dieses ist möglicherweise ein Polymerisationsprodukt eines komplizierten aromatischen Alkohols: (—O—/

\-CH!CH'OHCH2-)i

Die große Menge der im Pflanzenfresserharn vorkommenden Benzolderivate ist nach B r i g l auf das verfütterte Lignin zurückzuführen. Endlich finden sich in pflanzlichen Geweben sog. P e k t i n s u b s t a n z e n ,

Zweites Kapitel. Fette und Wachse

31

die als Polymerisationsprodukte der Galacturonsäure aufzufassen sind. Die Pektine wandeln sich bei der Verholzung in das genannte Lignin um. Auch in verschiedenen Bakterien, wie z. B. im Pneumococcus, finden sich nach H e i d e l b e r g e r ähnliche kohlehydratartige Verbindungen, die neuerdings für die Immunitätslehre von Bedeutung geworden sind. Zweites Kapitel

Fette und Wachse Fette Allgemeines Als Fette werden chemische Verbindungen bezeichnet, welche die Ester des dreiwertigen Alkohols Glycerin mit verschiedenen Fettsäuren bilden. Sowohl im Tier- als auch im Pflanzenreich sind die Fette sehr verbreitet und auch als Nahrungsstoffe von großer Wichtigkeit. Eine Beihe von Organen des Tierkörpers zeichnen sich durch hohen Fettgehalt aus. Das an Fett reichste Gewebe ist das Knochenmark, das bis zu 96% davon enthält, außerdem finden sich die Fette hauptsächlich im intermuskulären Bindegewebe, in der Bauchhöhle und im Unterhautbindegewebe. Bei den Pflanzen sind es hauptsächlich Früchte und Samen, weniger oft unterirdische Teile und der Stamm, die als fettreiche Gewebe zu nennen sind. Das Glycerin, das wie gesagt eine der Komponenten des Fettmoleküls bildet, ist ein dreiwertiger Alkohol: CHj-OH I CH-OH CH2-OH Es ist eine farblose, dicke Flüssigkeit vom Siedep. 290° und von süßem Geschmack, die sich mit Wasser in jedem Verhältnisse mischt. Durch Erhitzen mit hygroskopischen Substanzen, wie z. B. saurem Kaliumsulfat, erleidet es eine Zersetzung in A er olein = CH2 : CH • CHO. Dieses besitzt einen scharfen reizenden Geruch und der Geruch überhitzter Fette ist durch die Bildung von Acrolein bedingt. Das Glycerin bietet in verschiedener Hinsicht physiologische Bedeutung. Einmal wird es unter gewissen Bedingungen als Nebenprodukt bei der alkoholischen Gärung isoliert (s. d.), andererseits ist es der Stammkörper der beiden Triosen, des Dioxyacetons und des Glycerinaldehydes (s. d.).

I. Teil

32

Die F e t t s ä u r e n , die in den Fetten vorkommen, können je nach der homologen Beihe, der sie zugehören, in verschiedene Gruppen eingeteilt werden. Man kann unterscheiden: 1. Gesättigte Fettsäuren der allgemeinen Formel C n H 2n 0 2 . 2. Ungesättigte Fettsäuren, von denen die Ölsäure (mit der allgemeinen Formel C n H 2n _20 2 ) die wichtigste ist. Von der ersten Gruppe hat die Säure mit vier Kohlenstoffatomen, die Buttersäure, Bedeutung, während die drei ersten Verbindungen dieser Beihe, die Ameisen-, Essig- und Propionsäure, für den Aufbau der Fette bedeutungslos sind. Von den übrigen gesättigten Fettsäuren seien hier genannt: Capronsäure C6 Capiylsäure C, Caprinaäure C10 Laurinsäure Cu Myristinsäure C,4 Palmitinsäure C„ Stearinsäure Cjg u. a. m. bis zur Psyllasäure C33 Von den hier angeführten Säuren sind die Palmitin- und die Stearinsäure die wichtigsten. Die niedrigen Glieder der Beihe sind bei gewöhnlicher Temperatur flüssig, die höheren fest. In den natürlichen Fetten sind meistens nur Fettsäuren mit einer größeren Zahl von Kohlenstoffatomen enthalten. Es wäre auch noch der großen Zahl von möglichen Isomerien zu gedenken, die bei den langen Kohlenstoffketten bestehen. Eigentümlicherweise sind es aber fast immer die normalen Säuren mit gerader Kohlenstoffzahl, die sich in den natürlichen Fetten vorfinden. Von der Gruppe der u n g e s ä t t i g t e n F e t t s ä u r e n wurde die Ölsäure schon besonders hervorgehoben. Sie hat die Strukturformel: CH, ¿ha

hH

=

C u H i( 0 3

CH (¿Hs),-COOH Außer dieser Säure seien noch genannt die E r u c a s ä u r e : CgH17

AH CH I CnHjj-COOH

C22H42O2

Zweites Kapitel. Fette und Wachse

33

Neben der ölsäurereihe existiert noch eine ßeihe von der allgemeinen Formel: 0 , ^ 0 , Als ihr Vertreter sei die L i n o l s ä u r e C 18 H 32 0 2 genannt. Auch Vertreter der Eeihe: der Linolensäurereihe kommen in kleinen Mengen vor. Bei weitem am wichtigsten von dieser Gruppe ist die Ölsäure. Als ungesättigte Verbindung zeigt sie eine ßeihe von charakteristischen ßeaktionen. Sie vermag an der Doppelbindung z. B. zwei Atome Halogen zu addieren: i !H II CH I

+ J* =

CC? I ä C•

H-C(CH2),CH3 II HC(CHI),COOH Ölsäure eis

Man bezeichnet eine derartige Form der Isomerie, die bei ungesättigten Verbindungen auftreten kann, als cis-trans-Isomerie. Von den wasserstoffarmen Fettsäuren, die also im Molekül m e h r e r e Doppelbindungen enthalten, ist an dieser Stelle die A r a c h i d o n s ä u r e zu nennen, welche bei Säugern auftritt. CjqHJJO! Eine derartige Fettsäure enthält also mehrere Doppelbindungen im Molekül. Diese Lage der Doppelbindungen wird mit dem Zeichen A 1 gekennzeichnet, wobei x die Nummer des C-Atoms bedeutet, von der Carboxylgruppe an gerechnet. Es hat z. B. eine Säure die folgende Struktur: H H Ha H H H, H. HO CO — G=C — C — C = C — C— C (1) 12) (3) («) (5) («) (7) (81 E d l b a c h e r , Kurzgefaßtes Lehrbuch der phystol. Chemie. 6. Aull.

3

I. Teil

84

Es wird durch Vorstellen des Zeichens A 1 5 angedeutet, daß die beiden Doppelbindungen zwischen dem 2. und 3., sowie 5. und 6. C-Atom stehen. Die Zahl der C-Atome in der Kette wird durch griechische Zahlwörter und die Zahl der Doppelbindungen im Molekül durch die Endsilbe en, dien, trien, tetraen usw. angedeutet. So lautet z. B. die volle rationelle Bezeichnung der von K l e n k untersuchten Nervons ä u r e , C 2 4 H 4 6 0 2 , deren Strukturformel die folgende ist: CHs-(CHj)7-CH = CH • (CH,)„ • COOH A,s -Tetraeiko sen säure In diesem Sinne ist auch die obengenannte Arachidonsäure als eine Eikosotetraensäure zu bezeichnen, die demnach vier Doppelbindungen im Molekül enthält. Es ist eine eigentümliche biologisch bedeutsame Feststellung, daß alle diese Säuren einfache un verzweigte Kohlenstoff ketten enthalten. Chemie der F e t t e Chevreul stellte schon 1811 fest, daß die Fette esterartige Verbindungen sind. Die S p a l t u n g der F e t t e geht unter Aufnahme von Wasser vor sich und man spricht daher von einer hydrolytischen Spaltung. Dieser Vorgang geht besonders leicht beim Erhitzen der Fette mit Alkalien vor sich. Dabei entstehen dann die Alkalisalze der Fettsäuren, die man auch als S e i f e n bezeichnet, und Glycerin. Auf Grund dieser Reaktion nennt man den Vorgang auch V e r s e i f u n g . Der technologische Prozeß der Seifensiederei führt diese Hydrolyse im großen durch. Man nennt die Natriumsalze der Fettsäuren, die feste Konsistenz haben, Kernseifen, die Kaliumsalze sind weich, die sog. Schmierseifen. Die Bleisalze der Fettsäuren finden als sog. Bleipflaster in der Pharmazie Verwendung. Spaltung eines Fettes:

Die lebenden Zellen bilden eine Reihe von Fermenten, die L i p a s e n (s. d.) genannt werden, welche in analoger Weise die Fette zu spalten vermögen. Eine Zersetzung der Fette findet auch statt, wenn sie dem Einfluß von Luft und Licht ausgesetzt werden. Sie nehmen dann einen üblen Geruch an, sie werden ranzig. Es kommt dabei zur Bildung von freien Fettsäuren und anderen flüchtigen Substanzen.

85

Zweites Kapitel. Fette und Wachse

Es finden sich in den Geweben auch die Aldehyde von Fettsäuren, so z. B. der Stearin- und Palmitinaldehyd mit 16 und 18 C-Atomen. Sie sind die Ursache einer Farbenreaktion des Protoplasmas, die in einer Rötung der fuchsinschwefligen Säure besteht. Ein Gemenge solcher Aldehyde wird als P l a s m a l bezeichnet (siehe die sog. Nuclealfärbung im Kapitel über Nucleinsäuren). Unter Umständen können Fettsäuren auch in Ringketone übergehen. So bildet z. B. die Ölsäure das Zibeton, welches die Ursache des Geruches der Zibetkatze ist: HC(CH2)7CHS II HC(CH2)7COOH

HC(CH2),V II >CO HC(CHJ)/

Ölsäure

Zibeton

Die Fette sind spezifisch leichter als Wasser und bilden mit diesem E m u l s i o n e n , die sich bald wieder entmischen. Wird aber ein Neutralfett bei Gegenwart von geringen Mengen von Seife in Wasser geschüttelt, so entsteht eine haltbare feine Emulsion. Die Milch stellt z. B. eine derartige Emulsion dar. Die in der Natur vorkommenden Fette sind Triglyceride. Man kann sie in zwei Gruppen einteilen: 1. Glyceride derselben Fettsäure. 2. Glyceride verschiedener Fettsäuren. So spricht man z. B. von Tripalmitin, Tristearin, Triolein, oder es ist das Fett ein Palmito-oleo-stearin oder ein Dioleo-stearin oder ein Stearo-dipalmitin usw. Dabei kann es auch zur Bildung eines asymmetrischen Kohlenstoffatoms kommen: CHJ-O'COR H-I»OCORI

¿H.-0Die Fette, die sich in der Natur finden, sind meistens Gemische verschiedener Fettarten. Enthält ein Fett als Baustein Ölsäure, so ist es bei normaler Temperatur flüssig, man nennt es öl. Je nach dem Orte, an dem sich ein Fett im Körper befindet, wechselt auch der Schmelzpunkt desselben innerhalb ziemlich weiter Grenzen: Hammeltalg Hundefett Gänsefett Menschenfett

44—51 Grad 37—40 „ 26—34 „ 17—18 „ usw.

Es hat sich gezeigt, daß im Innern des Körpers befindliche Fette den höchsten Schmelzpunkt haben. 3^

86

I. Teil

Im allgemeinen kann gesagt werden, daß jede Tierart ihr spezifisches Fett besitzt. Jedoch ist die Zusammensetzung des Fettes auch sehr stark von der Beschaffenheit des zugeführten Fettes abhängig. Das Fett kommt einmal als Depotfett in den Fettgeweben vor, außerdem aber in den Organzellen selbst. Nach Versuchen von A b d e r h a l d e n , von denen bei der ßesorption gesprochen worden ist, ist das D e p o t f e t t von der N a h r u n g a b h ä n g i g , n i c h t aber das aus den Organen (Muskeln) isolierte, das seine konstante Zusammensetzung bewahrt. Wachse Zum Unterschiede von den Fetten sind die Wachse die Ester von Fettsäuren und einwertigen Alkoholen von hohem Molekulargewicht. Sie finden sich sowohl im Tier- als auch im Pflanzenreiche. Es 6eien z. B. hier erwähnt das Bienenwachs und das W a l r a t als tierische und das C a r n a u b a w a c h s als pflanzliches Wachs. Das Bienenwachs ist ein Gemisch von zwei Substanzen, der Cerotinsäure und des Myricins. Letzteres ist der Hauptbestandteil. Es besteht zum größten Teile aus dem Palmitinsäureester des Myricylalkohols: C A • OH1). C h a r a k t e r i s i e r u n g der F e t t e Die Schwierigkeit, ein Gemisch von Fetten in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen, liegt in der großen Ähnlichkeit aller Eigenschaften. Man stellt gewöhnlich verschiedene Konstanten eines Fettes auf: 1. Die schon genannte Jod zahl. 2. Die Verseifungszahl. 8. Die Beichert-Meisslsche Zahl. Die Yerseifungszahl gibt die Menge Kaliumhydroxyd in Milligrammen an, die von 1 g Fett durch die Verseifung neutralisiert werden. Die Beichert-Meisslsche Zahl bezeichnet die Menge der flüchtigen Fettsäuren. D r i t t e s Kapitel

Lipoide und Gallensäuren Als Lipoide oder fettähnliche Substanzen werden verschiedene Verbindungen bezeichnet, die einerseits durch ihr äußerliches physikalisches Verhalten große Ähnlichkeit mit den Fetten zeigen und andererseits auch in ihrem Aufbau und physiologischen Verhalten in näherer Beziehung zu diesen stehen. ') Die später noch zu besprechenden Carotinoide bilden sog. Farbwachse (vgl. Carotinoide und Vitamin A).

Drittes Kapitel. Lipoide und Gallensäuren

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Man kann die Wachse als die erste Gruppe der Lipoide bezeichnen. Außer diesen sind noch die folgenden Gruppen zu nennen: 1. Phosphatide. 2. Cerebroside. 3. Sterine. 4. Carotinoide und Isoprenderivate. 1. Phosphatide Wie ihr Name sagt, enthalten sie Phosphor und zwar in Form von Phosphorsäure. Außer dieser kommen als Bausteine noch vor: Glycerin, Fettsäuren sowie Stickstoff enthaltende Basen. Man nimmt an, daß sowohl die Fettsäuren als auch die Phosphorsäure esterartig an das Glycerin gebunden sind. Wird das als L e c i t h i n bezeichnete Phosphatid einer vorsichtigen Spaltung unterworfen, so kann eine stickstofffreie Substanz gewonnen werden, die einen Ester des Glycerins mit zwei Molekülen Fettsäure und einem Molekül Phosphorsäure darstellt. Durch Abspaltung der beiden Fettsäuremoleküle gelangt man dann zu einer optisch-aktiven G l y c e r i n p h o s p h o r s ä u r e von der Formel I : j n CHj-OH

CH2-OH

H—C—0 H - ( U •' PP=40H ¿/Form /OH | \0H 5H.-0-P=0 CH.OH \0H Wäre die Phosphorsäure am mittleren C-Atom gebunden (Formel II), so würde eine inaktive Verbindung entstehen. Es sind für den FettsäurenPhosphorsäureester die untenstehenden Formeln anzunehmen: «Form H—C—OH H—¿—OH

k

CHjO-CO— (Fettsäure 1)

CH2-OCO— (Fettsäure 1)

¿H-O-CO— (Fettsäure 2) ß CH-0-P03H, J. /0H 1 CHj-op^o c:H2-0-C0— (Fettsäure 2) \0H Durch Eintritt von 2 verschiedenen Fettsäuren wird natürlich auch die ^-Verbindung optisch aktiv. Glycerinphosphorsäure findet sich auch als solche frei im Organismus vor, so in der Darmschleimhaut und anderen Organen. Die Fettsäuren der Phosphatide sind gesättigte (Stearinsäure) und ungesättigte. Von letzteren sind die Linol-, die Linolen- und die Arachidonsäure (mit 20 C-Atomen) zu nennen. Die stickstoffhaltigen Basen endlich sind das Ä t h a n o l a m i n und das Cholin.

I. Teil

88

Das Äthanolamin, auch C o l a m i n genannt, ist ein mit Amin substituierter Äthylalkohol: CH, CHjNH, ¿H,- OH

CH,OH Colamin

Durch erschöpfende Methylierung kann das Colamin in das Cholin übergehen, wobei der Stickstoff fünfwertig wird. (Analog der Bildung von Ammoniumsalzen aus Ammoniak.) yCH s ) s CH,—N=H, CHS-NfX | *- | OH CHj-OH CH,OH Man kann dementsprechend das Cholin auch als ein Trimethyläthoxyl-ammoniumhydroxyd auffassen. Es ist eine auch synthetisch bereitbare krystallisierende Substanz, die auch im freien Zustande im Organismus gefunden wird. Es wurde in Blut und Leber und anderen Organen entdeckt. Es scheint wichtige physiologische Funktionen zu erfüllen, von denen noch gesprochen werden wird. Cholin ist eine sehr starke Base. Es steht in engster Beziehung zu einer im Pflanzenreich neben diesem vorkommenden Verbindung, dem B e t a i n . Es ist dies das Trimethylglykokoll: CH,—NHj I COOH

.(CH,), CH2—Nf I OH COOH

Glykokoll

Betain (offene Form)

CH,—N=(CH3)J A _ i ^O Betain (Ringfonn)

Man nimmt an Stelle der „inneren Salzbildung", die den Betainring formt, jetzt eine sog. „Zwitterionbildung" an (vgl. S. 259): CH2-N=(CH3), ¿oo_ (Bezüglich der Betaine siehe Stoffwechsel der Aminosäuren.) Das Colamin und das Cholin sind nun höchstwahrscheinlich in den Phosphatiden an die Phosphorsäure esterartig gebunden. Man kann demnach die wahrscheinliche Form des L e c i t h i n genannten Phosphatides folgendermaßen schreiben: CH,—0-OC-Xl CH—O P^=0 ^(CHj), I \0-CH 2 -CH,-Nfx CH,—O-OC-X, OH

Drittes Kapitel. Lipoide und Gallensäuren

39

Möglicherweise kommt es aber zwischen Phosphor und der 0HGruppe zur Bildung einer Betainform, da das Lecithin nicht befähigt ist, ein Carbonat zu bilden (Willstätter). Diese angegebene Formel der Phosphatide ist noch nicht sicher erwiesen. An Stelle des Cholins kann auch Colamin stehen sowie auch verschiedene Fettsäuren eintreten können. Es scheint erst in letzter Zeit gelungen zu sein, die Phosphatide in krystallisierter Form zu erhalten. Gewöhnlich bilden sie gelbliche amorphe Massen. Sie nehmen sehr leicht Wasser auf und gehen dann manchmal kolloidal in Lösung. Die Trennung der einzelnen Phosphatide ist ungemein schwierig, da sie erstens ganz geringe Unterschiede bezüglich ihrer Löslichkeit zeigen und sich zweitens gegenseitig in Lösung halten können. Aus diesem Grunde ist die Erforschung dieser Substanzen noch nicht weit gediehen. Das Lecithin kommt im Eigelb und in der Nervensubstanz vor, findet sich aber auch in geringer Menge in allen Zellen. Das Kephaiin ist hauptsächlich im Gehirn enthalten und macht beinahe die Hälfte aller in Petroläther löslichen Körper der weißen Substanz aus. Es enthält zum Unterschied von Lecithin nicht Cholin, sondern Colamin, und leitet sich von der a-Form ab: CH.-0—COX, I CH-o—co-y X>—CH2CH,NH,

Kephalin

Die beiden beschriebenen Phosphatide enthalten auf je ein Atom N ein Atom P im Molekül. Man kann sie daher auch als Monoaminomonophosphatide bezeichnen. 2. Cerebroside Die Cerebroside sind phosphorfreie Substanzen, die an Stelle der Phosphorsäure ein K o h l e h y d r a t , die Galaktose, enthalten. Sie finden sich vorzugsweise im Gehirn (etwa ll°/ 0 der Trockensubstanz). Die am reinsten bis jetzt erhaltenen Vertreter dieser Gruppe sind Cerebron (Phrenosin) und Kerasin, sowie das Nervon und das Oxynervon. Um die Cerebroside zu isolieren, wird die Gehirnmasse mit Alkohol ausgekocht. Beim Erkalten des Alkohols fallen sie als weißer Niederschlag aus. Aus diesem können dann durch Behandlung mit verschiedenen Lösungsmitteln die einzelnen Cerebroside gewonnen werden.

I. Teil

40

Außer den schon besprochenen Phosphatiden und dem noch zu nennenden C h o l e s t e r i n bilden die Cerebroside den wichtigsten Bestandteil des Gehirns. So enthält die Trockensubstanz desselben: Cholesterin 14% Phosphatide 21% Cerebroside 11% Die genannten vier Cerebroside werden aufgebaut aus einer Fettsäure, dem Aminoalkohol S p h y n g o s i n und aus einem Molekül G a l a k tose. Sie unterscheiden sich nur durch die Verschiedenheit der Fettsäuren, die aber alle 24 C-Atome besitzen. Es sind dies die 1. 2. 3. 4.

Lignocerinsäure Cerebronsäure Nervonsäure Oxynervonsäure

CHa^CH^-CHvCOOH. CH 3 -(CH 2 ) 21 -CH-(OH)-COOH. CH3 • (CH2)7 • CH = CH • (CH2)12 • CH2 • COOH. CH 3 -(CH 2 ) 7 -CH=CH-(CH 2 ) 12 -CH-OH-COOH.

Das S p h y n g o s i n ist ein zweiwertiger ungesättigter Aminoalkohol: CHj-(CHJ)12-CH = CHCHCH(0H)CH 2 (0H) NHJ

Die Galaktose befindet sich in glykosidischer Bindung an einer der beiden Hydroxylgruppen. K l e n k gibt demnach den Cerebrosiden die nachstehende Formel: Galaktose I O CH3-(CH2)12-CH = CH-CH-CH-CH2-OH I

Sphyngosin

NH ' I ( R C O ) > • Fettsäure (R-CO = eine der obengenannten 4 Säuren) Eine Zwischenstellung zwischen den Phosphatiden und Cerebrosiden scheinen die S p h y n g o m y e l i n e einzunehmen, denn sie enthalten statt der Galaktose Cholinphosphorsäure: yCH 3 ) s OCH2CH2Nf I OH HO—P=0 ^ CH3- (CH2)12- CH = CH CH CH CHjOH NH

(RCO)

»- Cholin

Phosphorsäure >. Sphyngosin >• Fettsäure

Drittes Kapitel. Lipoide und Gallensäuren

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Die Cerebroside enthalten also nur Fettsäuren mit 24 C-Atomen. Auch die übrigen Gehirnlipoide vorwiegend nur Säuren mit 18 und 24 C-Atomen. Es fanden sich im Gehirn die Säuren mit 16, 18, 20 und 24 C-Atomen. Von diesen nehmen, wie gesagt, die 18er- und 24igerGruppe eine bevorzugte Stellung ein, so daß sie möglicherweise als aus Hexosen entstanden gedacht werden können. Wird Cerebron mit Wasser erwärmt, so wandeln sich seine Krystalle in gequollene „Myelinformen" um. 3. Sterine und Gallensäuren Als Sterine bezeichnet man stickstofffreie Substanzen, an deren Aufbau hydrierte Benzolringe beteiligt sind und die, wie ihr wichtigster Vertreter, das Cholesterin, eine alkoholische Hydroxylgruppe besitzen. Entsprechend dieser allerdings nicht erschöpfenden Definition sind die Sterine den terpenartigen Substanzen zuzuzählen. Die Sterine stehen bezüglich ihrer chemischen Konstitution in engster Beziehung zu den später zu besprechenden Gallensäuren. Die Sterine kommen sowohl frei als auch in Form von Estern im Tier- und Pflanzenreich vor. Demnach unterscheidet man zwischen tierischen Zoosterinen und pflanzlichen Phytosterinen. Während relativ viele Phytosterine bekannt sind, kennt man nur wenige Zoosterine. Alle Wirbeltiere enthalten nur das gewöhnliche Cholesterin, doch sind bei niederen Tieren einige andere Sterine gefunden worden, so das Spongosterin aus einem Kieselschwamm, das Stellasterin aus Echinodermen u. a. m. Die Unterschiede der einzelnen Sterine sind nur gering. Neben dem eigentlichen Cholesterin finden sich bei Wirbeltieren noch verschiedene Umwandlungsprodukte desselben vor: besonders Koprosterin und Isocholesterin. Cholesterin C27H460. Diese Substanz wurde schon im 18. Jahrhundert von Konradi in den Gallensteinen entdeckt. Die Klärung der chemischen Konstitution dieser komplizierten Verbindung ist neben andern namentlich den großartigen Forschungen von Windaus zu danken. Andererseits haben die später zu nennenden Untersuchungen von Wieland über die Gallensäuren zu einem Ergebnis geführt, das diese beiden Forschungsgebiete vereinigt. Es besteht zwischen Cholesterin und Gallensäuren eine enge chemische Wechselbeziehung, die auf ein tieferliegendes physiologisches Geschehen schließen läßt. Das Cholesterin kommt in fast allen tierischen Flüssigkeiten, wenn auch in geringer Menge vor. Es scheint in allen Zellen aufzutreten, besonders reichlich im Gehirn und im Nervensystem, in der Milch usw.

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I. Teil

Es tritt entweder frei oder in Form von Fettsäureestern auf. Die Gallensteine besteben zum größten Teil aus Cholesterin und bilden daher das beste Material zu seiner Darstellung. Durch Extraktion der gepulverten Steine mit Alkohol und Äther und Eindunsten dieser Lösung wird es in Form von schneeweißen Krystallen erhalten. Cholesterin ist in Wasser, verdünnten Säuren und Alkalien unlöslich, leicht löslich in Äther, Chloroform, Benzol usw. Es verbindet sich mit Saponinen. Diese sind meist giftige Pflanzenstoffe, die manchmal auch pharmakologische Bedeutung besitzen wie das Digitonin. Eine alkoholische Lösung von Cholesterin wird unter Bildung von Digit o n i n c h o l e s t e r i d gefällt. Diese Beaktion kann zur Bestimmung des Cholesterins verwendet werden. Als Bestandteil der Erythrocytenhülle ist es für die ßegulation des Stoffaustausches von großer Bedeutung. Gallensaure Alkalien können Cholesterin zur Lösung bringen. Cholesterin ist optisch-aktiv und zwar drehen seine Äther- oder Chloroformlösungen nach links. Cholesterin gibt eine Beihe von charakteristischen Farbenreaktionen mit Schwefelsäure usw. Das Cholesterin sowie die Gallensäuren enthalten nach den Forschungen von W i n d a u s und von Wieland ein Bingsystem von drei sechs- und einem fünfgliedrigen C-ßing. Das Cholesterin ist ein ungesättigter, einwertiger hydroaromatischer Alkohol mit einer aliphatischen Seitenkette: CH3

CH3

CH— (CHj)3—CH

= Cholesterin, (C„H4,0) Durch Abbau der Seitenkette und Beduktion im ßinge gelangt man zur Formel der Allocholansäure, während die Cholansäure (die isomere Form) sich vom Koprosterin ableitet. CHJ

¿H—(CH2)2—COOH = Cholansäure

Drittes Kapitel. Lipoide und Gallensäuren

43

Durch systematischen Abbau des Cholesterins und der Gallensäure konnten die obigen Formeln ermittelt werden. Die weitere Erforschung dieser Körperklasse ergab aber die überraschende Tatsache, daß das a n t i r a c h i t i s c h e Vitamin D und die G e s c h l e c h t s h o r m o n e ebenfalls als S t e r i n d e r i v a t e a u f z u f a s s e n sind (s. d.). Aber auch verschiedene Gruppen von Pflanzenstoffen, wie die Saponine, die pharmakologisch so wichtigen Glykoside der Digitalis und Scillarengruppe besitzen das gleiche Grundskelett. Auch die K r ö t e n g i f t e scheinen dieser Körperklasse anzugehören. Allen diesen Stoffen ist die Kombination von drei mehr oder weniger hydrierten 6-C-Bingen eigen, die in den meisten Fällen noch mit einem 5-C-Bing, dem sog. I n d e n r i n g , gebunden sind. Die drei 6-C-Ringe sind wegen ihres Vorkommens in dem aromatischen Kohlenwasserstoff P h e n a n t h r e n als mehr oder weniger hydrierte Phenanthrenringe zu bezeichnen. Die Vereinigung des Phenanthrens und Indenringes ergibt dann das Cyclopentanoperhydrophenanthren:

Wird Cholesterin hydriert, so geht es in D i h y d r o c h o l e s t e r i n = Cholestanol über. Im Darm findet sich das K o p r o s t e r i n , das mit dem Cholestanol stereoisomer ist. Da im Sterinmolekül also optische Isomerien möglich sind, wurden Untersuchungen über die Konfiguration der Gallensäuren unternommen, welche ergaben, daß diese nicht mit dem Cholesterin, sondern mit dem Koprosterin sterisch verwandt sind. Treten in die Cholansäure Hydroxylgruppen ein, so erhält man verschiedene Oxysäuren: 1. Monooxycholansäure = Lithocholsäure, 2. Dioxycholansäure 3. Trioxycholansäure

= Cholsäure.

Die Gallensäuren sind in der Galle als Alkalisalze vorhanden und lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Die eine Gruppe tritt mit Glycin verbunden auf, man nennt sie die Glykocholsäuren.

44

I. Teü

Die andere Gruppe sind Verbindungen der Säuren mit der Aminoäthansulfosäure, dem T a u r i n : CH.NH, I CH,-SOjH Man nennt sie die T a u r o c h o l s ä u r e n . Das Taurin stellt ein Oxydationsprodukt der Aminosäure Cystein dar. Es wird durch Kochen von Galle mit Säure aus den Taurocholsäuren abgespalten und in Form von großen Krystallen leicht erhalten. Alle Gallensäuren geben die Pettenkofersche Probe: Die zu untersuchende Lösung wird mit ganz wenig Rohrzucker versetzt und mit konz. Schwefelsäure unterschichtet. Es bildet sich ein prachtvoll roter Farbstoff, der ein charakteristisches Absorptionsspektrum gibt. Die Lösungen der gallensauren Salze in Alkohol werden durch Äther gefällt und krystallisieren aus. Diese Krystallmasse führt den Namen P l a t t n e r s k r y s t a l l i s i e r t e Galle. Werden Gallensäuren bei Zimmertemperatur in konz. Schwefelsäure gelöst, so gehen sie in ein rotgelbes, prachtvoll grün fluorescierendes Produkt über, das nach Pregl Dehydrocholon genannt wird. Cholsäure: Sie bildet den Hauptbestandteil der Gallensäuren der Bindergalle und ist optisch-aktiv. D e s o x y c h o l s ä u r e : Sie wird Anthropo- oder Chenodesoxycholsäure genannt und entweder aus der Menschen- oder Gänsegalle gewonnen. Die Desoxycholsäure hat die Eigentümlichkeit, mit F e t t s ä u r e n und vielen anderen Stoffen Additionsverbindungen zu geben. Eine solche Verbindung wurde seinerzeit aus der Rindergalle unter dem Namen Choleinsäure dargestellt. Nach Wieland ist sie ein Additionsprodukt von 1 Mol Fettsäure und 8 Mol Desoxycholsäure (s. S. 195). Die H y o d e s o x y c h o l s ä u r e wurde aus der Schweinegalle dargestellt. L i t h o c h o l s ä u r e (Monoxycholansäure) findet sich in kleinen Mengen in der Rindergalle, etwas reichlicher in der des Menschen. Alle diese genannten Gallensäuren sind farblose, gut krystalüsierende Verbindungen. Bei der Besprechung der V i t a m i n e wird noch ausführlicher von dem sog. E r g o s t e r i n zu berichten sein, das bei Bestrahlung mit ultraviolettem Licht in Vitamin D2 übergeht. Ergosterin, das sich sowohl in tierischen wie in pflanzlichen Geweben vorfindet, ist ein ungesättigtes Sterin mit drei Doppelbindungen (s. S. 310).

Drittes Kapitel. Lipoide und Gallensäuren

45

Wird gewöhnliches Cholesterin dehydriert, so erhält man D e h y d r o c h o l e s t e r i n , dieses geht ebenfalls bei Bestrahlung in Vitamin über (D3). Dieses Bestrahlungsprodukt ist identisch mit dem natürlichen antirachitischen Vitamin des Lebertrans (s. S. 811). Bei der Besprechung der Sexualhormone (S. 299) ist die Beziehung zu dieser Stoffgruppe ausführlicher beschrieben. In der Haifischgalle wurde von H a m m a r s t e n das S c y m n o l gefunden, das als ein Oxydationsprodukt des Cholesterinskeletts angesprochen wird und das als Natriumsalz des sauren Schwefelsäureesters in der Galle vorkommt. So wie die genannten gepaarten Gallensäuren wirkt das Scymnol auf in Wasser unlösliche Stoffe emulgierend (Fette). Endlich muß noch darauf hingewiesen werden, daß aus der Nebennierenrinde sterinartige Stoffe isoliert wurden, welche Hormonnatur besitzen (S. 290). 4. Karotinoide (Lipochronie) und Isoprenderivate Werden im Benzol die Doppelbindungen hydriert, so entstehen daraus sog. h y d r o a r o m a t i s c h e Verbindungen. In den Sterinen und Gallensäuren wurden derartige Verbindungen beschrieben. Ähnliche Grundstruktur besitzen die in den pflanzlichen ätherischen Ölen vorkommenden T e r p e n e . Die Terpene haben nun wieder eine Beziehung zu einem Kohlenwasserstoff C5H8, der die Grundsubstanz des Kautschuks bildet und I s o p r e n genannt wird. Das Terpen von der Formel C10H18 kann z. B. zu Isopren, das die halbe Summenformel hat, aufgespalten werden. Das Isopren ist ein M e t h y l b u t a d i e n : CH, CHj=C—CH=CH, Es hat sich nun auch ergeben, daß eine Anzahl gelber bis roter Pflanzenfarbstoffe, die als K a r o t i n o i d e bezeichnet werden, als Isoprenderivate aufzufassen sind. Aber nicht nur diese, sondern auch der gelbe Farbstoff des Hühnereies, das L u t e i n , die Farbstoffe der gelben Eübe, der Tomate usw., gehören zu dieser Gruppe. Durch die Untersuchungen von R. K u h n konnte gezeigt werden, daß Kohlenwasserstoffe, die eine große Anzahl von Doppelbindungen enthalten, gefärbt sind. Aus dem gleichen Grunde sind die Karotinoide gefärbt. Diese Farbstoffe, die wegen ihrer Löslichkeit in Äther auch L i p o chrome genannt werden, verdanken ihre Doppelbindungen und daher auch ihre Farbe dem Aufbau aus Isoprenresten. Wie aus den UnterBuchungen von K a r r er und von K u h n hervorgegangen ist, muß z. B. dem Karotin (C^HJJ) die folgende Formel gegeben werden:

I. Teil

46 H,C

CH,

HjC^^C—CH—CH—C=CH—CH=CH—C=CH—CH= I I I HjG C—CH3 CHj CH3

(Die am rechten Ende der C-Kette offene Doppelbindung ist symmetrisch mit der gleichen Gruppe verbunden. Zwecks besserer Übersichtlichkeit wurde nur die eine Hälfte des Moleküls dargestellt.) Der Ring in dieser Formel ist ein sog. J o n o n r i n g , der in Beziehung zu dem Geruchstoff der Veilchen steht. Dieses Karotin steht nun in direkter Beziehung zu dem W a c h s t u m s v i t a m i n A (siehe Vitamine). Aus dieser Tatsache ergibt sich die enorme Bedeutung des Karotins für den tierischen Stoffwechsel. Außer dem Karotin konnten von den genannten Forschern noch eine ganze Reihe ähnlicher Farbstoffe aus den Pflanzen isoliert werden, so z. B. das L y c o p i n aus Tomaten, das X a n t h o p h y l l , das Alkoholstruktur hat, der Safranfarbstoff, der eine Carboxylgruppe trägt, u. a. m. In engster Beziehung dazu steht auch das L u t e i n des Eidotters, das sich als Palmitinsäureverbindung auch in den Gräsern vorfindet und daher möglicherweise nur durch die Ernährung als exogener Bestandteil im tierischen Organismus vorkommt. In dem unverseifbaren Teile des Leberfettes und in den Fischölen findet sich ferner noch ein S q u ä l e n genannter Kohlenwasserstoff, der dieser Gruppe zugehört: C30H50. /CH, • C=CH • CH, • CH,C=CH • CH, • CHS • C=CH • CH,—\ \ CH, CH, CH, /, (Die Formel ist am rechten Ende durch den gleichen Rest zu verdoppeln!) Auch hier ist wieder die isoprenartige Struktur hervorzuheben. Endlich muß noch der pflanzliche Alkohol, das P h y t o l , hier genannt werden. Es findet sich mit einem Porphyrin verestert als C h l o r o p h y l l und kommt demnach in allen grünen Pflanzenbestandteilen vor. (Vgl. E-Vitamin S. 284, 818, 314). OH,-OH- ( OH, ) ,-OH- ( aH,,,-OH- ( OH ! ,,- f =CH_C H ,OH

L

Betrachtet man endlich die Formeln der Sterine und Gallensäuren, so zeigen sie auch Ähnlichkeit mit diesen Verbindungen, indem sie

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

47

eventuell durch Ringschließungen aus diesen Isoprenkörpern gebildet werden können. Es wäre dadurch die eminente biologische Erkenntnis gewonnen, daß also mehrere Gruppen komplizierter und lebenswichtiger Zellbausteine alle das Isopren als Muttersubstanz besitzen (vgl. Kapitel Vitamine S. 308. Dort auch weitere Angaben über die sog. „Chemotaxis" der Karotinoide).

Viertes Kapitel D i e Eiweißkörper Die Eiweißkörper oder Proteine, die sich im Gegensatz zu den Fetten und Kohlehydraten durch ihren Stickstoffgehalt auszeichnen, sind höchst kompliziert zusammengesetzte Verbindungen, deren Konstitution noch sehr wenig aufgeklärt wurde. Eines der wichtigsten Ergebnisse der Erforschung des Eiweißmoleküls war die Erkenntnis, daß dieses aus den sogenannten „Aminosäuren" aufgebaut ist, denn es gelingt, durch hydrolytische Spaltung der Proteine eine große Zahl von Aminosäuren als einzige Spaltungsprodukte aus der Zersetzungsflüssigkeit zu isolieren. Entsprechend dieser Bedeutung als Bausteine des Eiweißmoleküls soll zunächst eine Beschreibung der Aminosäuren vorausgeschickt werden. Aminosäuren Aminosäuren sind Säuren, in deren Molekül mindestens ein an Kohlenstoff gebundenes Wasserstoffatom durch die Aminogruppe NH 2 ersetzt ist. Je nach der Stellung der Aminogruppe im Verhältnis zur sauren Gruppe kann man die Aminosäuren einteilen: COOH I a—C—NHa

COOH I C I ß—c—NH2

COOH I C I C y—C—NH,

Es gibt demnach a-, ß-, y- usw. Aminosäuren. Da, wie erwähnt, die Aminosäuren die Bausteine der großen Eiweißmoleküle bilden, so ist ihr rein chemisches Verhalten für die Betrachtung der physiologischen Umsetzungen der Proteine von größter Bedeutung und soll hier ausführlich beschrieben werden. Bis jetzt sind ungefähr zwanzig verschiedene Aminosäuren aus den Eiweißkörpern isoliert worden.

48

I. Teü

Man kann sie nach dem folgenden Prinzip einteilen: Jede Aminosäure besitzt mindestens eine saure und mindestens eine basische Gruppe. Dementsprechend ist die einfachste Gruppe die, bei der eine Carboxylgruppe und eine Aminogruppe im Molekül enthalten ist. I. Es sind dies die Monoamino-monocarbonsäuren von der allgemeinen Formel: H R—C-NHj

OOH

R i CH—N
HC • NH • (OO 0 • CH, • CaHt)

I. Teil

70

8. Dieses substituierte Säurechlorid läßt man nun mit einer zweiten Aminosäure in Reaktion treten: R

R

Iii • NH(OC • 0 • CHj« C,H6)

->• HC-NH(OC-OCH,-C6H5) r

Ri i 4- H,N—CH • COOH CO NH • CH • COOH

CO-Cl

4. Aus dem erhaltenen Peptid wird nun die Carbobenzoxygruppe durch katalytisch aktivierten Wasserstoff bei Zimmertemperatur entfernt, wobei die Aminogruppe regeneriert wird und Kohlendioxyd und Toluol als Nebenprodukte entstehen: R

+ H,

ll-Nlf. (OC • 0 •CH2'CaH5)

R ->- CH-NHa

+ CO, + CH3 • C,H6

R, CO NH-djH-COOH

CO • NH • CH • COOH Dipeptid

Durch sinngemäßen Ausbau dieser Methode von M. B e r g m a n n und seiner Schule ist es nun ein Leichtes, alle gewünschten Peptidkombinationen darzustellen. Wie später bei der Besprechung der Konstitution der Proteine, sowie bei der Beschreibung der Wirksamkeit der Proteasen dargetan werden wird, hat die genannte Carbobenzoxymethode für die Klärung der erwähnten Probleme eminente Dienste geleistet (vgl. S. 145). Alle Eiweißkörper geben beim Versetzen ihrer alkalischen Lösung mit Kupfersulfat eine violette Färbung. Diese Beaktion heißt die B i u r e t r e a k t i o n . Sie beruht auf der Gegenwart von —CO—NH-Bindungen. Dementsprechend geben auch schon die meisten Tripeptide diese Beaktion. Werden Peptide mit Säuren (oder Alkalien) behandelt, so zerfallen sie in Aminosäuren unter Wasseraufnahme. Auch Fermente können Peptide spalten. Darüber ist bei der Behandlung der Fermente ausführlich berichtet (siehe proteolytische Fermente). Die große Kombinationsmöglichkeit, die durch die kettenartige Struktur der Polypeptide gegeben ist, hat, vom physiologischen Gesichtspunkt aus betrachtet, größere Bedeutung. Die ungemein große Mannigfaltigkeit der Eiweißkörper läßt sich durch diese Struktur der Peptide sehr weitgehend erklären.

Viertes Kapitel, Die Eiweißkörper

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Die Eiweißkörper können durch vorsichtige Spaltung in dem Sinn zerlegt werden, daß außer Aminosäuren auch noch Polypeptide aus ihnen entstehen. Diese für die Struktur der Proteine fundamentale Tatsache wurde ebenfalls von E. Fischer zuerst erkannt. So gelang es, aus einem Eiweißkörper der Seide, dem Seidenfibroin, durch Spaltung mit kalter konz. Salzsäure ein Dipeptid aus Glykokoll und Alanin zu isolieren. Es wurde eine größere Zahl von Peptiden tatsächlich auch aus den verschiedenartigsten Eiweißkörpern durch Spaltung mit kalten Mineralsäuren dargestellt. Eiweißkörper Die Eiweißkörper oder Proteine sind chemische Verbindungen von sehr hohem Molekulargewicht, die, insofern sie löslich sind, kolloide Lösungen geben und die durch hydrolysierende Agenzien in Aminosäuren gespalten werden. Sie sind, wie ihr Name Proteine ausdrückt, als unbedingt lebensnotwendige Baumaterialien der Zellen zu betrachten. Die große Mannigfaltigkeit der vorkommenden Eiweißkörper bezüglich ihrer Zusammensetzung wurde schon im vorangehenden Abschnitt erwähnt. Durch die große Zahl der in den Proteinen enthaltenen Aminosäuren ist sie gegeben. Die Eiweißkörper sind Kolloide (s. d.). Sie zeigen eine ungemein leichte Veränderlichkeit ihrer Erscheinungsform. Schon ganz geringe Einwirkungen chemischer und physikalischer Natur können ihren Zustand weitgehend verändern. Die große Ähnlichkeit aller physikalischen und chemischen Konstanten verwandter Proteine macht die Darstellung chemischer Individuen zu einer der schwierigsten Aufgaben. Es können verschiedene Eiweißkörper wohl auch krystallisiert erhalten werden, aber die erhaltenen Krystalle stellen häufig Mischkrystalle aus mehreren Eiweißstoffen vor. Außerdem ist es ungemein schwierig, derartige Eiweißkrystalle von organischen Beimengungen zu reinigen. Wird z. B. eine Lösung von Eieralbumin mit Ammoniumsulfat bis zur halben Sättigung versetzt, so fällt zunächst ein sog. Globulin aus. Wird das Filtrat nun langsam eingedunstet, dann krystallisiert allmählich das Albumin aus. Durch ähnliche Behandlung kann z, B. auch der Farbstoff der roten Blutkörperchen, das Oxyhämoglobin, in schönen Krystallen erhalten werden (siehe Blut). Die Löslichkeit der Eiweißkörper ist verschieden. Es gibt solche, die in reinem Wasser löslich sind und solche, die nur in verdünnten Salzlösungen sich lösen. Die meisten Proteine werden durch Säuren gefällt, durch Alkalien in Lösung gehalten. Konz. Salzlösungen fällen

72

I. Teil

alle Eiweißkörper aus. Man hat auf diesem Verhalten eine Einteilung der Proteine begründet: Bringt man in eine Eiweißlösung so viel gepulvertes Salz, bis sich nichts mehr auflöst, so spricht man von einer G a n z s ä t t i g u n g . Versetzt man eine Eiweißlösung mit dem gleichen Volumen einer gesättigten Salzlösung, so ist die Lösung bezüglich ihres Salzgehaltes in HalbBättigung usw. Je nachdem nun ein Eiweißkörper beschaffen ist, fällt er bei Ganz-, Halb- oder Viertelsättigung aus. Die auf Grund dieses physikalischen Verhaltens aufgestellte Klassifizierung hat natürlich nur eine beschränkte Gültigkeit. Eiweißkörper, die durch Erhöhung der Salzkonzentration ausfallen, können durch Verdünnung wieder in Lösung gebracht werden. Man spricht von einer r e v e r s i b l e n Ausfällung. Wird eine Eiweißlösimg erhitzt, so tritt bei einer bestimmten Temperatur eine Gerinnung ein. Man spricht von K o a g u l a t i o n . Ein auf diese Weise ausgefälltes Protein ist ohne tiefgreifende Änderung der Struktur nicht mehr in Lösung zu bringen. Koaguliertes Eiweiß ist i r r e v e r s i b e l ausgefällt worden. Eiweißkörper, die durch einfaches Herauslösen mit Wasser oder Salzlösung von den Zellen getrennt werden, bezeichnet man als n a t i v . Durch Fällen mit Säuren entstehen dann die sog. Acidalbumine. Eine Eeihe von Ionen und Schwermetallen wirken fällend auf die Eiweißkörper. Es bilden sich in letzterem Falle salzartige Verbindungen, die auch M e t a l l a l b u m i n a t e genannt werden. Bei der Besprechung des kolloiden Zustandes wird auf diese Eigentümlichkeiten genauer eingegangen werden (s. d.). Uber das Molekulargewicht der Eiweißkörper wurden umfassende Untersuchungen angestellt. So wurden z. B. Minimalwerte für die verschiedensten Proteine dadurch ermittelt, daß auf Grund der chemischen Zusammensetzung darüber Berechnungen angestellt worden sind. Als Beispiel dafür sei das Hämoglobin angeführt. Nach H ü f n e r kann 1 g Hämoglobin 1,67 mg Kohlenoxyd binden. Aus der (allerdings willkürlichen) Annahme, daß 1 Molekül Hämoglobin 1 Molekül Kohlenoxyd bindet, würde sich daraus ein Molekulargewicht von 16700 ergeben. Zu derselben Zahl gelangt man auch, wenn man den Eisengehalt bestimmt und annimmt, daß mindestens ein Eisenatom im Molekül enthalten ist. Zahlreichere neuere Untersuchungen ermitteln ebenfalls sehr hohe Molekulargewichte. In neuester Zeit wurde auch die Methode der B ö n t g e n s p e k t r o g r a m m e in den Dienst dieses Problems gestellt.

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

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Svedberg zentrifugierte Eiweißlösungen bei sehr hober Tourenzahl mit der sog. Ultrazentrifuge aus und berechnete aus der Sedimentationsgeschwindigkeit die Molekulargewichte. Er fand dabei für Eieralbumin etwa 34500, für Serumalbumin 68000, für andere Proteine wieder 208000 usw., während die einfach gebauten Protamine aus dem Fischsperma nur 2000—3000 ergaben. Es führte diese Untersuchung zu der Annahme, daß die komplizierteren Eiweißkörper ein Molekulargewicht von etwa 84500 oder ein Vielfaches dieser Zahl haben. Auch aus der Oberflächenspannung sowie aus der Diffusionsgeschwindigkeit hat man die Molekulargewichte der Proteine abzuleiten versucht. Auf diese Svedbergschen Untersuchungen wird weiter unten bei der Besprechung der Struktur der Eiweißkörper zurückgegriffen werden. Es wird auch gezeigt werden, welche Wege die neuere Forschung gegangen ist, um dieses Problem zu lösen (S. 83). Vorläufig sei festgestellt, daß die Proteinmoleküle sich durch außerordentlich hohe Molekulargewichte kennzeichnen. Die elementare Zusammensetzung der Proteine zeigt, daß alle Proteine die Elemente: C, H, N, O

enthalten und daß in den meisten außerdem noch S und in einzelnen P und Halogen vorkommt. Die empirischen Formeln der einzelnen Eiweißkörper sind nicht genau bekannt, da die Einheitlichkeit eines Proteins nur sehr schwer zu beweisen ist. Viel wichtiger als diese empirischen Formeln ist die Frage nach dem Vorkommen der einzelnen Bausteine in den verschiedenen Eiweißkörpern. Durch die ausgedehnten Untersuchungen vieler Forscher wurden Methoden zur Bausteinanalyse ausgearbeitet, die nun einen ungefähren Überblick über die verschiedenen Klassen gewähren. E i n t e i l u n g der E i w e i ß k ö r p e r Es können zunächst zwei große Gruppen unterschieden werden: die e i n f a c h e n E i w e i ß k ö r p e r oder P r o t e i n e im engeren Sinne und die z u s a m m e n g e s e t z t e n E i w e i ß k ö r p e r oder P r o t e i d e . Die Proteine konnten bis jetzt nur in Aminosäuren gespalten werden. Andere Bausteine fanden sich nicht. Die Proteide enthalten, an ein Protein gebunden, noch andere Substanzen wie Kohlehydrate, Nucleinsäuren oder Farbstoffe. Diese Gruppen, die selbst nicht Proteincharakter haben, werden als p r o s t h e t i s c h e Gruppen bezeichnet. Die Wirkungsgruppen zahlreicher Enzyme können sich mit Proteinen vereinigen, dann entstehen

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I. Teil

die aktiven Enzyme. Diese letzteren sind demnach auch als Proteide zu bezeichnen. Als prosthetische Gruppen sind auf S. 177 eine Anzahl von Beispielen angeführt. Außerdem treten Kupfer- und Manganproteide auf (Phenoloxydase und Arginase S. 188, 168). Von diesem Gesichtspunkt aus kann man die folgende Einteilung geben: I. Einfache Eiweißkörper oder Proteine. A. Eigentliche Eiweißkörper. 1. Protamine. 2. Histone. 8. Protamine (Gliadin). 4. Albumine. 5. Globuline. B. Gerüsteiweißkörper (Skieroproteine). 1. Keratine. 2. Kollagene (Elastine, Seide). II. Zusammengesetzte Eiweißkörper oder Proteide. 1. Chromoproteide. 2. Nucleoproteide. 8. Glykoproteide. 4. Phosphorproteide. Ein noch einfacheres Einteilungsprinzip wurde von A b d e r h a l d e n aufgestellt: 1. Proteinoide (Gerüsteiweißstoffe). 2. Proteine (die eigentlichen Plasmaeiweiße). 8. Histone. 4. Protamine. An allen diesen Einteilungen haftet etwas Willkürliches. Die Charakt e r i s i e r u n g der im ersten Schema angeführten Klassen ist die folgende: Die eigentlichen E i w e i ß k ö r p e r lassen sich bei der Spaltung nur in Aminosäuren zerlegen. Bis auf geringfügige Beimengungen von Substanzen, die als sekundäre Zerfallsprodukte der Aminosäuren zu gelten haben, konnten keine anderen Bausteine nachgewiesen werden. P r o t a m i n e . Sie sind in den Spermatozoen der Fische enthalten und wurden von Miescher entdeckt. Nach Kossei bilden sie die einfachsten, in der Natur vorkommenden Proteine. Sie zeichnen sich durch ihren hohen Gehalt an Arginin, sowie mitunter auch an Lysin und Histidin aus. Durch diesen Gehalt besitzen sie stark basischen Charakter. Die Protamine können auch aus den entfetteten Spermatozoen durch Schütteln mit verdünnten Säuren herausgelöst werden, indem sie mit Mineralsäuren Salze bilden. Sie sind diejenige Gruppe von Eiweiß-

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

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körpern, die am besten durchforscht ist, und deren Struktur weitgehend geklärt werden konnte. Sie sind schwefelfrei, d. h. sie enthalten kein Cystin. 90% ihres Stickstoffes kann in Form von Arginin in ihnen enthalten sein. Die Bildung der Protamine stellt einen physiologisch höchst wichtigen Vorgang dar, von dem noch öfters gesprochen werden wird. Je nach dem Vorkommen von ein, zwei oder drei Hexonbasen spricht man von Mono-, Di- oder Triprotaminen. Man benennt sie nach der Tierart, die sie bildet. Durch A. Kossels Forschungen hat sich ergeben, daß in den Protaminen doppelt soviel Hexonbasen als Monoaminosäuren vorkommen. Bezeichnet man Arginin mit a, Histidin mit h, Lysin mit l, und allgemein Monoaminosäuren mit m, so ist die allgemeine Formel eines Monoprotamins, das nur Arginin enthält; o2 m. Ein Diprotamin, das Arginin und Lysin enthält, wird durch die Formel: (al) 2 m, und ein Triprotamin durch (a Z h)2 m1) gekennzeichnet. Die Protamine sind in den Zellen an Nucleinsäuren (s. d.) gebunden. Protamin aus Heringsperma heißt Clupein, aus Karpfensperma Cyprinin, Hechtprotamin Esocin usw. Histone. Diese von Eossei aufgestellte Klasse enthält weit weniger an basischen Aminosäuren als die Protamine. Sie enthalten etwa 8 0 ° / o Hexonbasen. Sie kommen vorzugsweise in den Kernen der Thymusdrüse, außerdem in den Kernen der Vogelerythrocyten, sowie in den Spermien von Echinodermen vor. Auch sie zeigen deutlich basische Natur. P r o l a m i n e . Sie sind nur in Pflanzen gefunden worden. Sie enthalten kein Lysin und sind in verdünntem Alkohol löslich. Der wesentlichste Anteil der Proteine der Cerealien ist auf ihr Vorkommen zurückzuführen. Sie sind wichtige Nahrungsstoffe. Albumine. Sie bilden neben den Globulinen die wichtigste Klasse der Plasmaeiweißkörper. Alle lebensfähigen Zellen enthalten Albumine. Außerdem finden sie sich im Blut, in der Milch, im Eieralbumin. Sie sind in reinem Wasser löslich im Gegensatz zu den Globulinen und sind durch Halbsättigung mit Ammonsulfat noch nicht fällbar. Sie können auch krystallisiert werden. Sie enthalten nur 10—15% Hexonbasen, während das Glycin als Baustein nicht vorkommt. Globuline. Sie sind in reinem Wasser nicht, jedoch in verdünnten Salzlösungen löslich. Dementsprechend fallen sie beim Verdünnen dieser x

) Dies bedeutet, daß die Anzahl aller Hexonbasenmoleküle flioh zu den Monoaminosänremolekülen wie zwei za eins verhAlt; (a i), w» = 1 a -j- 1 i + 1 (a lh) t m = z. B. 2 a + 11 + 1 h + 2 m usw.

76

I. Teü

Lösungen aas. Sie werden durch Halbsättigung mit Ammoniumsulfat gefällt. Dieses Verhalten kann zur Trennung von den Albuminen benutzt werden. Spuren von Säuren oder Alkalien halten manchmal die Globuline in Lösung. Leitet man in eine solche Globulinlösung in sehr verdünnter Lauge Kohlensäure ein, so fällt das Globulin wieder aus. Sie haben den Charakter schwacher Säuren und enthalten Glycin als Baustein. Ihr Vorkommen ist fast dasselbe wie das der Albumine. Die G e r ü s t e i w e i ß k ö r p e r oder S k i e r o p r o t e i n e kommen in den Geweben vor, die vorwiegend mechanische Funktionen erfüllen. K e r a t i n e . Diese auch Hornsubstanzen genannten Proteine können bis zu 17% Cystin enthalten; der dadurch bedingte hohe Schwefelgehalt ist ihr markantestes Merkmal. Sie finden sich in den Haaren, der Epidermis, den Hornbildungen. Kollag ene und E l a s t ine. Sie sind die leimgebenden Substanzen, kommen im Bindegewebe und in den Fascien vor. Kollagen quillt mit Wasser sehr stark. Es enthält weder Tyrosin noch Tryptophan. Die Seide endlich besteht aus zwei Eiweißkörpern, dem Serin (Seidenleim), das zu den Kollagenen zu zählen ist und das der Seide durch siedendes Wasser entzogen wird, und dem Fibroin. Dieses hat eine ganz eigentümliche Zusammensetzung. Es besteht aus sehr viel Glycin und Tyrosin und nimmt bezüglich dieser Zusammensetzung eine Ausnahmestellung gegenüber allen anderen Proteinen ein. Die z u s a m m e n g e s e t z t e n E i w e i ß k ö r p e r oder P r o t e i d e enthalten, an einen typischen Eiweißkörper mehr oder weniger fest gebunden, eine n i c h t eiweißartige Gruppe, die auch die p r o s t h e tische Gruppe genannt wird. Diese Gruppe kann bei den C h r o m o p r o t e i d e n ein Farbstoff sein. Der wichtigste Vertreter ist das Hämoglobin, der rote Blutfarbstoff (siehe Abschnitt Blut!). Die Nucleoproteide kommen in den Zellkernen vor. Sie enthalten als prosthetische Gruppe die Nucleinsäuren (s. d.). Die G l y k o p r o t e i d e enthalten eine Kohlehydratgruppe. Albumosen und P e p t o n e Mit diesem Namen werden hochmolekulare Spaltprodukte der Proteine bezeichnet, welche den Eiweißkörpern in vieler Beziehung noch sehr nahe stehen. Aus dem durch Pepsin (siehe Fermente) erhaltenen Verdauungsgemisch der Eiweißkörper konnte man dieselben durch Ammoniumsulfat nicht mehr oder nur zum geringen Teile ausfällen. Auch lassen sich

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

77

gewisse andere Fällungsreaktionen mit diesen teilweise zersetzten Eiweißkörpern nicht mehr ausführen. Später fand man dann, daß auch durch milde Hydrolyse derartige Produkte entstehen. K ü h n e faßte die Charakteristik dieser Substanzen in der folgenden Weise: P e p t o n e sind Eiweißspaltprodukte, welche überhaupt nicht mehr aussalzbar sind. Sie lassen sich auch nicht mehr mit Salpetersäure fällen, geben aber ausnahmslos die Biuretreaktion. Albumosen lassen sich ebenfalls nicht mehr koagulieren, werden aber durch verschiedene Salze wie Ammonsulfat, Zinksulfat ausgesalzen und sind durch Salpetersäure fällbar. Sie werden in Proto-, Deuteround Heteroalbumosen eingeteilt. Diese Einteilung hat nur eine provisorische Bedeutung, auch ist die Grenze zwischen Peptonen und Albumosen durchaus nicht scharf zu ziehen. Vollends ist es wahrscheinlich noch niemals gelungen, einzelne chemisch einheitliche Individuen dieser Gruppen zu isolieren. Die Analyse der E i w e i ß k ö r p e r Die erfolgreichsten Methoden zur Erschließung der chemischen Struktur der Proteine sind alle als „hydrolytische" Methoden zu bezeichnen. Es sind dies Spaltungsverfahren, durch welche unter Aufnahme von Wasser das Eiweißmolekül in seine Bausteine oder in einfache Bausteinkomplexe, Peptide, zerlegt wird. Im wesentlichen stehen drei Möglichkeiten dafür zur Verfügung: Die Säurespaltung, die Alkalispaltung und die fermentative Spaltung. Die Alkalispaltung ist nur in beschränktem Maße anwendbar, da unter der Einwirkung des Spaltungsmittels auch sekundäre Zersetzungsprodukte gebildet werden, welche das Resultat der Analyse trüben. Die Säurespaltung ist die wichtigste chemische Spaltmethode. Der zu untersuchende Eiweißkörper wird mit der mehrfachen Menge seines Gewichtes konz. Salzsäure oder 80%iger Schwefelsäure stundenlang (6—16 Stunden) am Rückflußkühler gekocht. Es findet eine vollständige Hydrolyse statt, d. h. es finden sich dann nur mehr Aminosäuren neben dunklen Zersetzungsprodukten in der Flüssigkeit. Zur Aufarbeitung stehen nun verschiedene Verfahren zur Verfügung. E. Fischer führte die Aminosäuren in ihre Äthylester über, welche er einer fraktionierten Destillation unterwarf. Dadurch gelang es, die einfacher gebauten Aminosäuren zu trennen. Diese für die ganze Eiweißchemie hochbedeutende Methode hat aber nur zu einer teilweisen Klärung des Problems geführt, da besonders die basischen Aminosäuren durch sie nicht bestimmt werden können, weil deren Ester nicht flüchtig sind.

78

I. Teil

A. Kossel wandte verschiedene Salzfällungen an. So werden die basischen Aminosäuren alle durch das ßeagens Phosphorwolframsäure gefällt und dadurch aus dem Hydrolysate entfernt. Nach der Entfernung der Phosphorwolframsäure wird das so erhaltene Gemisch der basischen Aminosäuren (Arginin, Histidin, Lysin) mit Silbersulfat bei bestimmter Alkalität gefällt. Bei ganz schwach alkalischer Beaktion fällt Histidinsilber, bei stark alkalischer fällt dann Argininsilber aus. Im Filtrate dieser Fällungen läßt sich dann die dritte Hexonbase, das Lysin, nach Entfernung des Silbers als Lysinpikrat isolieren. Dieses „ Silber barytverfahren" läßt sich auch zu einer quantitativen Bestimmungsmethode der genannten Aminosäuren gestalten. In Kombination mit dem beschriebenen Fisch er sehen Verfahren ist es dadurch möglich gewesen, die Bausteinanalyse der Proteine in weitgehender Weise zu vervollkommnen. D a k i n konnte dann weiterhin zeigen, daß sich gewisse Aminosäuren aus dem Hydrolysate durch Butylalkohol extrahieren lassen. Er erreichte dadurch eine Trennung der Monoaminocarbonsäuren von deD Dicarbonsäuren und den Hexonbasen. Diese bleiben im wäßrigen Hydrolysate zurück und können nun durch die Estermethode und das Kossel sehe Verfahren noch weiter aufgeteilt werden. Die Ausbildung der hier im Prinzip geschilderten Verfahren konnte so weit getrieben werden, daß eine fast restlose Aufteilung des Eiweißmoleküls ermöglicht wurde. Neben Ammoniak und geringen Spuren von sekundären Zersetzungsprodukten haben sich aus den E i w e i ß k ö r p e r n nur Aminosäuren als B a u s t e i n e isolieren lassen. Die fermentative Spaltung wird weiter unten noch erörtert werden. B i n d u n g s m ö g l i c h k e i t e n der Aminosäuren Da es einerseits gelungen ist, durch vorsichtige Spaltung der Eiweißkörper Peptide aus ihnen zu erhalten und da andererseits nur Aminosäuren als Bausteine der Proteine erhalten werden, ist die P e p t i d b i n d u n g als die am h ä u f i g s t e n v o r k o m m e n d e a n z u n e h m e n : NH. C-C—NH—CO Peptid- H bindung Auch die nachher zu besprechenden Methoden zur Bestimmung der freien Amino- und Carboxylgruppen haben zur Annahme der Peptidbindung als der am häufigsten vorkommenden geführt.

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

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Die B e s t i m m u n g der freien Amino- und C a r b o x y l g r u p p e n Bei der Beschreibung der quantitativen Bestimmungsmethoden der Aminosäuren wurden drei Verfahren genannt, welche es gestatten, die freiwerdenden Amino- oder Carboxylgruppen im Verlaufe einer Eiweißspaltung zu bestimmen. Es sind dies die Formoltitration, die alkoholische Titration und die Einwirkung von salpetriger Säure. Die meisten Eiweißkörper enthalten nur eine geringe Anzahl von freien Amino- oder Carboxylgruppen. Unter dem Einfluß von hydrolytisch wirkenden Agenzien, wie Säuren oder Fermenten, nimmt die Anzahl der freiwerdenden Gruppen zu und zwar im gleichen Verhältnisse. W a l d s c h m i d t - L e i t z konnte zeigen, daß immer für je eine NHaGruppe eine COOH-Gruppe freigelegt wird. Dieses Verhalten der Eiweißkörper weist darauf hin, daß es im wesentlichen immer Peptidbindungen sind, welche gelöst werden: CO—NH A H,0

CO—NH

CO—NH

HjO

HjO

X

CO,H | HjN C02H | HjN COJH | H,N Die Sörensensche Formolmethode bestimmt nicht nur die Aminogruppe, sondern es lassen sich auch die endständigen Aminogruppen der Diaminosäuren, wie z. B. des Lysins, damit bestimmen, während z. B. die Aminogruppen des Guanidinkemes des Arginins nicht mit Formol reagieren und letztere auch nicht mit salpetriger Säure Stickstoff abspalten. In den beiden Formelbildem sind die reagierenden Aminogruppen hervorgehoben:

CH-NH.

CH.

COOH Lysin

¿OOH Arginin

Untersucht man nun intakte Eiweißkörper auf ihren Gehalt an freien Aminogruppen, so findet man, daß Proteine, welche in ihrem

80

I. Teil

Molekül kein Lysin enthalten, auch keine freien Aminogruppen enthalten, welche mit Pormol oder salpetriger Säure reagieren. Die Anzahl der freien Aminogruppen steht in Beziehung zum Lysingehalt und beträgt etwa die Hälfte der im Lysin vorliegenden Aminogruppen. Die Proteine Clupein und Gliadin enthalten kein Lysin, daher auch keine freien Aminogruppen. Das Protamin Cyprinin enthält im Gegensatz dazu viel Lysin, daher viel freie Aminogruppen. Daraus haben van Slyke und B i r c h a r d geschlossen, daß das Lysin nur mit seiner Carboxyl- und a-Aminogruppe im Eiweißmolekül gebunden ist, während die endständige Aminogruppe in freier Form vorliegt: CH,—NH, CH,—NH2 CH, I CH,

¿H. I CH,

CH,

CH,

NH—OC—¿H—NH—CO Lysin

NH—CO—CH—NH—CO— Lysin

Diese Anschauung deckt sich vollkommen mit einer schon viel früher von S k r a u p gemachten Beobachtung, daß aus Eiweißkörpern nach Einwirkung von salpetriger Säure bei der Hydrolyse kein Lysin mehr erhalten werden kann. In ganz ähnlicher Weise konnte A. Kossei die Bindung des Arginins im Eiweißmolekül ermitteln. Wird Arginin nitriert, so tritt in die Guanidingruppe eine Nitrogruppe ein und man erhält Nitroarginin. Wird diese Nitrierung bei einem Protamin durchgeführt, so kann nach der Hydrolyse daraus ebenfalls Nitroarginin gewonnen werden. Aus dieser Tatsache ergibt sich also für das Arginin auch eine gleiche Bindungsart im Proteinmolekül wie für das Lysin: Nitroarginin —CO—NH—CH—CO—NH I CH,

Nitroarginin CO—NH—CH—CO—NH • I CH,

CH, I CH, I NH

I¿H, CH, I NH

C=NH

L C=NH ,

l!lH-( •(NO,)

NH-(NO,)

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

81

Auch für das Histidin hat sich eine ähnliche Stellung ergeben. Es ist nur mit der a-Amino- und Carboxylgruppe intraprotein gebunden. Es ergibt sich aus diesen Forschungen, daß die komplizierten Aminosäuren wahrscheinlich alle nur mit der a-Aminogruppe und der Carboxylgruppe intraprotein gebunden sind. Die charakteristischen Gruppen, wie Guanidinrest, Imidazolrest, Phenolrest, Indolrest usw. sind als Seitenketten an einer Peptidreihe aufgereiht. Dadurch wird die große E e a k t i o n s b e r e i t s c h a f t des Eiweißmoleküls bei den v e r schiedensten physiologischen Bedürfnissen teilweise e r k l ä r t (Kossei). Schematisch würde man also eine Peptidkette vielleicht folgendermaßen darstellen können: Guanidin Imidazol Phenol I I I H2N—C—CO- • • • HN—C—CO- • • • HN—C—CO- • • • • usw. Arginin

Histidin

Tyrosin

Nun darf man sich das Eiweißmolekül aber nicht als eine einzige lange Kette von peptidartig gebundenen Aminosäuren vorstellen, sondern es müssen hierzu noch andere Vorstellungen herangezogen werden. Durch die Untersuchungen A. Kossels und seiner Mitarbeiter konnte nämlich gezeigt werden, daß es gelingt, die Protamine in sog. P r o t o n e zu spalten, die bei gleicher quantitativer Zusammensetzung ein viel geringeres Molekulargewicht besitzen. Diese Beobachtung beweist, daß im Protamin einzelne Protone in allerdings noch unbekannter Weise zum großen Eiweißmolekül zusammengefügt sind. Ein Proton besteht aus zwei Molekülen einer Hexonbase und einer Monoaminosäure. K. F e l i x , sowie W a l d s c h m i d t - L e i t z u. a. machten den Aufbau der Protamine und der Protone zum Gegenstand ihrer Studien. So wird nach F e l i x das Protamin Clupein aus 22 Molekülen Arginin und 11 Molekülen von Monoaminosäuren aufgebaut. In bezug auf die anderen komplizierter aufgebauten Eiweißkörper müssen hier besonders die Untersuchungen von M. B e r g m a n n und seiner Schule erörtert werden, denn seit den grundlegenden Untersuchungen von E. F i s c h e r und von A. Kossei bedeuten diesen Forschungen den wichtigsten Fortschritt auf dem Gebiet der Ermittlung der chemischen Konstitution der Eiweißkörper. M. B e r g m a n n stellte fest, daß auch bei den komplizierten Eiweißkörpern die Anzahl der Aminosäuremoleküle, die ein Protein aufbauen, in einem einfachen a r i t h m e t i s c h e n Verhältnis stehen. Da nun solche einfache Relationen nicht auf Zufälligkeiten beruhen können, wird daraus gefolgert, daß in E d l b a c h e r , Kurzgefaßtes Lehrbuch der physiol. Chemie. 6. Aufl.

6

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I. TeU

jedem Eiweißkörper jeder Aminosäurebaustein über die ganze Peptidkette verteilt ist und zwar in konstanten Intervallen. Mit anderen Worten: „Jeder Aminosäurerest kehrt in einer charakteristischen ganzen Nummerfrequenz wieder." Diese Gesetzmäßigkeit sei hier am Beispiel des Rinderbluthämoglobins dargestellt: 1

2 Gewichtsprozente

Aminosäurereste Lysin Histidin . . . Asparaginsäure Glutaminsäure. Tyrosin . . . Prolin Arginin Cystein Durchschnitt .

. . . .

.

7,01 6,64 6,63 3,07 2,97 1.77 2.78 0,47

3

4

6

6

der einGewicht GrammäquiReziproker Zahl valente in zelnen Beste des Bestes 100 g Globin Wert per Molekül 128 137 115 129 163 97 156 103 115,5

0,0546 0,0478 0,0479 0,0239 0,0182 0,0182 0,0181 0,0046 0,865

16 18 18 36 48 48 48 192 1

36 32 32 16 12 12 12 3 576

Erklärung zu obiger Tabelle: a) Aminosäurerest = Molekulargewicht derselben minus Wasser. b) Der für einen einzelnen Aminosäurerest gefundene Prozentgehalt (2) dividiert durch das Gewicht dieses Restes (8) = Anzahl der Grammäquivalente in 1Q0 g Globin (4). c) 100 g Globin müssen 100:115,5 = 0,865 Grammoleküle eines durchschnittlichen Aminosäurerestes enthalten (4). d) Die sog. reziproken Werte (5) werden in folgender Weise erhalten: Lysin 0,0546 (4) z. B. = 0,0546 : 0,0546 = 1 usw. 0,865 : 0,0546 = 16 d. h. 1/16 aller Reste besteht aus Lysin, x/18 aus Histidin usw. (Stab 5). e) Die Zahl der einzelnen Reste im Molekül (Stab 6) erhält man aus Stab 4. Wie bei der Ermittlung einer einfachen empirischen Formel muß die Verhältniszahl der Reste gefunden werden, indem man durch die kleinste Zahl (0,0046 für Cystein) dividiert, z. B.: 0,0546 : 0,0046 = 12 für Lysin 0,0289 : 0,0046 = 5,19 für Glutaminsäure usw. Da es sich um ganze Reste handeln muß, denn es können in einem Molekül z. B.-nicht 5,19 Glutaminsäurereste enthalten sein, müssen die oben stehenden Quotienten mit einer Zahl multipliziert werden, so daß ganze molare Verhältnisse entstehen. Dies ist in diesem speziellen Fall die Zahl 8 (z. B. 5,19 mal 8 = 15,57, abgerundet 16 für Glutaminsäure).

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

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Auch beim Durchschnittswert 0,865 verfährt man in gleicher Weise: 0,865 : 0,0046 = 188,08 188,03 mal 8 = 564 . f) Durch Multiplikation eines Wertes von Stab 6 mit dem entsprechenden Wert aus Stab 5 erhält man die Gesamtzahl der Aminosäurereste in 1 Molekül Eiweiß. Globin enthält also 86 mal 16 = 576 Eeste eines mittleren Molekulargewichtes von 115,5. D a h e r h a t Globin ein Molekulargewicht von 576 mal 115 = 66,520. Dieser Wert kann der zutreffende sein oder das Mol-Gewicht beträgt ein Vielfaches davon. Nach diesen hier dargestellten Grundsätzen lassen sich nun für verschiedene Eiweißkörper Molekulargewichte aufstellen. So enthält z. B. krystallisiertes Eieralbumin 288 Aminosäurereste vom mittleren MolGewicht 124; demnach beträgt sein Molekulargewicht 85,700 oder ein Vielfaches davon. Für Seidenfibrin beträgt das Mol-Gewicht 217,700, für Einderfibrin 69800 usw. Aus allen diesen Zahlen leiten B e r g m a n n und Niemann den Schluß ab, daß die E i w e i ß k ö r p e r aus E i n h e i t e n von 288 Aminos ä u r e r e s t e n oder einem Vielfachen davon bestehen. Diese Zahlen befinden sich in vorzüglicher Übereinstimmung mit den Ergebnissen, die Svedberg mit der Ultrazentrifugenmethode fand (S. 78). Da sich also stöchiometrische Verhältnisse im Vorkommen der Aminosäuren feststellen lassen, ist daraus zu folgern, daß dem Aufbau des Proteinmoleküls ein s t r u k t u r e l l e s Prinzip zugrunde gelegt werden muß. Dies wird am besten durch die P e r i o d i z i t ä t s t h e o r i e ausgedrückt: Die einzelnen Aminosäurereste folgen in bestimmten regelmäßigen Frequenzen. Seidenfibroin enthält zur Hälfte Glycinreste. Demnach ist jeder zweite Best der Peptidkette ein Glycinrest (G) —G—X—G—X—G—X—G— Jeder vierte Best ist ein Alaninrest (A): A—X—X—X—A—X—X—X—A— Jeder 16. Best ist ein Tyrosinrest (T): T—Xls—T—X15—T—X15—T— Jeder 216. Best ist ein Argininrest (Ar): Ar—Xws—Ar—Xil6—ArVereinigt man die vier Schemata zu einem einzigen, so ergibt sich für 482 Beste = _G—A—G—T—G—A—G—Ar—G—A—G—X—G—A—G—X—(G—A—G— T—G—A—G—X—G—A—G—X—G—A—G—X)u—G—A—G—T— G—A—G—X—G—A—G—X—G—A—G—Ar—(G—A—G—T—G—A— G—X—G—A—G—X—G—A—G—X)„— 6*

84

I. Teü

Die großen Proteinmoleküle enthalten eine Anzahl verschiedener übereinandergelegter Frequenzen. Durch diese hier allerdings nur angedeuteten Anschauungen über die Struktur der Proteine wurden Untersuchungen über den enzymatischen Abbau und die fermentative biologische Synthese der Eiweißkörper angeregt, die eine weitere Vertiefung der Kenntnisse über dieses Problem zur Folge hatten. Sie sind bei der Besprechung der Eiweiß spaltenden Fermente und bei derjenigen des Eiweißstoffwechsels geschildert (vgl. S. 146). Eine von Wrinch aufgestellte Theorie über die Struktur der Eiweißkörper muß hier noch erwähnt werden. Nach dieser Cycloltheorie soll das Eiweißmolekül aus zyklischen Komplexen bestehen (Cycol), die durch Zusammenlagerung von Peptidketten gebildet werden: CO—NH \ CHR CHR ^N RHC C(OH) / \N NH \ / CO—CHR

Ö ( O H )

CHR /\ \CO C(OH) \ ^ CHR—NH

Es fehlen aber für diese Hypothese die experimentellen Grundlagen. Das Auftreten von Diketopiperazinringen und ähnlicher Ringstrukturen im Proteinmolekül ist schon aus dem Grunde nicht wahrscheinlich, da solche Strukturen von keinem bekannten Ferment hydrolytisch geöffnet werden, während die bekannten Proteasen (S. 189) nur die einfachen Peptidketten hydrolytisch zerlegen. N. Troensegaard vertritt z. B. auch die Anschauung, daß sich die Aminosäuren zu Pyrrolkomplexen vereinigen. Alle diese Theorien über zyklische Bindungsformen der Aminosäuren sind aber experimentell noch durchaus unbewiesen. Fünftes Kapitel

NucleinstofFe Allgemeines Die Bedeutung, die den Zellkernen bei allen biologischen Vorgängen zukommt, sowie die große Leichtigkeit, mit der sich die Zellkerne durch sog. „basische" Farbstoffe färben, hat schon früh die Aufmerksamkeit der Forscher zur Erforschung der Zellkernsubstanz bewogen. Da es auch relativ leicht gelingt, größere Mengen von an

Fünftes Kapitel. Nucleinstoffe

85

Zellkernsubstanz reichem Material zu erhalten, wurde dieses besonders von Miescher und A. Kossei eingehend untersucht. Die Hefezellen, der an Leukocyten reiche Eiter und besonders die in reichen Mengen leicht darstellbaren Spermien der Fische bildeten bei diesen Forschungen die wichtigsten Ausgangsstoffe. Auch die Thymusdrüse des Kalbes sowie die Erythrocyten verschiedener Vogelarten wurden zur Darstellung der Nucleinstoffe herangezogen. Es zeigte sich bei diesen Untersuchungen, daß der größte Teil der Spermatozoenköpfe aus einer Verbindung von basischem Protamin und einer Substanz von Säurenatur, einer sog. Nucleinsäure bestand. Eine Verallgemeinerung dieser Beobachtung führt zu der Annahme, daß in den Zellkernen Verbindungen zwischen Eiweißkörpern und Nucleinsäuren vorkommen. Man bezeichnet sie als Nucleoproteide. Sie sind aus den verschiedenartigsten Geweben auch dargestellt worden. Diese Nucleoproteide können nun beim Abbau Eiweiß abspalten, wobei eiweißärmere Produkte, Nu d e i n e , gebildet werden, die dann endlich unter neuerlichem Abspalten von Eiweiß in Nucleinsäuren übergehen: Nucleoproteid Eiweiß

Nuclein Eiweiß

Nucleinsäuren

Besonders die Eigentümlichkeit des Nucleoproteides der Thymusdrüse führte Kos sei zur Aufstellung dieses Schemas. Es gelingt nämlich nicht durch einfache Extraktion mit verdünnten Säuren oder durch Pepsinverdauung, die Nucleinsäure eiweißfrei zu bekommen, vielmehr muß das als Zwischenprodukt entstandene Nuclein der Einwirkung von T r y p s i n unterworfen werden, bis es zur Bildung von freien Nucleinsäuren kommt. Andererseits kann man durch Mischen von Nucleinsäure und Eiweißlösungen Niederschläge erzeugen, die man als künstliche Nucleine ansprechen kann. Es sei übrigens noch erwähnt, daß die Nucleinsäuren in der Hefe vielleicht teilweise nicht an Eiweiß gebunden sind. Die Nucleinsäuren Sie sind Verbindungen saurer Natur und enthalten Phosphor. Durch die grundlegenden Forschungen von Kossei und von Steudel konnte festgestellt werden, daß drei Gruppen von Substanzen in ihrem Molekül enthalten sind:

86

I. Teil

1. Kohlehydrate (Pentosen). 2. Stickstoffreiche Substanzen, die als Purin- oder Pyrimidinkörper bezeichnet werden. 8. Phosphorsäure. Das K o h l e h y d r a t Die Gegenwart eines Kohlehydrates in den Nucleinsäuren wird durch den positiven Ausfall der Molischschen Probe angezeigt. Eine Nucleinsäurelösung gibt mit a-Naphthol und konz. Schwefelsäure eine schön kirschrote Färbung. Bei der Zersetzung von tierischer Nucleinsäure mit 80°/o Schwefelsäure konnte die Bildung von Lävulinsäure festgestellt werden. Da andererseits Hexosen bei gleicher Behandlung dieselbe Säure liefern, schloß Kos sei auf das Vorkommen einer Hexose in den tierischen Nucleinsäuren. Diese Annahme hat sich aber nicht bestätigen lassen. Sowohl in den tierischen als in den pflanzlichen Nucleinsäuren besteht das Kohlehydrat aus Pentosen, und zwar kommt in der Thymus und Spermanucleinsäure die schon bei der Besprechung des Zuckers genannte 2-Ribodesose vor, während in der Hefenucleinsäure die Bibose enthalten ist. Diese kommt auch in tierischen Nucleotiden, z. B. in der Guanyl-, Adenyl- und Inosinsäure vor. Daß es sich tatsächlich um Pentosen handelt, kann ohne Isolierung des Kohlehydrates schon dadurch gezeigt werden, daß beim Kochen der Nucleinsäure mit Salzsäure und Phloroglucin Rotfärbung entsteht, was für Pentosen charakteristisch ist. Bringt man Gewebsschnitte zuerst bei 60° in Salzsäure und läßt dann fuchsinschweflige Säure darauf einwirken, so färben sich die Kerne lebhaft rot. Dies ist auf die Gegenwart des Kohlehydrates zurückzuführen. Diese Reaktion tritt nur bei tierischen Geweben ein. Sie wird nach Feulgen als Nuclealreaktion bezeichnet. (Siehe Piasmai, Kapitel Fette!) Die Purin- und Pyrimidinkörper A. P u r i n k ö r p e r Die stickstoffhaltigen Bausteine der Nucleinsäuren sind auf das genaueste bekannt. Es liegt dies nicht zum mindesten in dem Krystallisationsvermögen dieser Substanzen begründet. Durch die grundlegenden Arbeiten Emil Fischers ist man über die hier in Betracht kommenden Molekularstrukturen weitgehend

87

Fünftes Kapitel. Nuoleinatoffe orientiert. Unter dem P u r i n r i n g versteht system von folgender Beschaffenheit:

man ein Doppelring-

•N—C4 C5-NJ C® "i »N-CJ-N/ Dieses Bingsystem besteht aus einem sechsgliedrigen Binge, dem P y r i m i d i n r i n g , und dem fünfgliedrigen I m i d a z o l r i n g . •N—C» JL 1 C C8 Pyrimidinring

°-

N

\

^miC N - Ö -N

Harnstoff

3 C-Atome

£>C0 HjN

H

Harnstoff

Es ist ersichtlich, daß durch Vereinigung von zwei Molekülen H a r n s t o f f mit einer Substanz, die im Molekül drei C - A t o m e enthält, die Möglichkeit einer Purinsynthese gegeben ist. Tatsächlich kann sich nun auch der Harnstoff mit einer Beihe von Säuren zu ringförmigen Gebilden, den sog. U r e i d e n , vereinigen. So findet z. B. eine Vereinigung von Harnstoff mit Oxalsäure zu einem Ureid, der sog. Parabansäure, in folgender Weise statt und es wird der Imidazolring gebildet:

98

I. Teil NH, CO NH, Harnstoff

HO CO +

NH—CO =

HO CO Oxalsäure

¿0

+

2 Ha0

NH—CO Parabansäure (Oxalylharnstoff)

In analoger Weise findet eine Vereinigung von Harnstoff mit Mesoxalsäure zu Alloxan statt, wobei der Pyrimidinring entsteht: NH,

HO-CO

Harnstoff Mesoxalsäure

NH—CO

NH—CO Alloxan

Der Name Alloxan stammt von Liebig, der ihn durch Zusammensetzung von Allantoin und Oxalsäure bildete, da er eine Verwandtschaft dieser Stoffe mit dem Alloxan vermutete 1 ). Da nun auch in der Harnsäure dieser Alloxankern vorhanden ist, sowie in den Purinkörpern überhaupt, wurden alle diese Verbindungen von Kossei und K r ü g e r als sog. A l l o x u r k ö r p e r bezeichnet, um zugleich auch ihre Verwandtschaft mit dem Harnstoff (Urea) anzudeuten. Die jetzt gebräuchliche Bezeichnungsweise ist die als Purine. In den Nucleinsäuren sind drei Purinderivate enthalten: Adenin, Guanin und H y p o x a n t h i n . X a n t h i n ist in den Nucleinsäuren wohl nicht gefunden worden, trotzdem muß es hier als physiologisch wichtig genannt werden. Außer diesen Purinderivaten seien noch die H a r n s ä u r e , das Theophyllin und das Coffein erwähnt, welche in dem Kapitel über Harnsäure abgehandelt werden sollen. Es sind hier die Formeln der vier für die Nucleinsäuren wichtigen Purine angegeben: 1. Adenin = 6-Aminopurin N = C N H .•t

3. Guanin = 2-Axnino-6-Oxypurin HN—C=0

2. Hypoxanthin = 6-Oxypurin (Sarkin)

HN—C=0

4. Xanthin = 2,6-Dioxypurin HN—C=0

*) Siehe die Kapitel: Oxydationen (gelbes Ferment) und Vitamine („Flavine").

Fünftes Kapitel. Nucleinstoffe

89

Außerdem sei zum Vergleich die Formel der Harnsäure, die ein 2,6,8-Trioxypurin ist, noch angeführt: HN—C:0 C—NH

I II > C : 0 HN—C—NH Die vier angeführten Purinbasen zeigen gewisse chemische Eigentümlichkeiten: Durch Einwirkung von salpetriger Säure wird das Guanin in Xanthin und das Adenin in Hypoxanthin übergeführt: C5H,N4ONH, + HNO, = CsHtN40, + N, + H,0 Guanin Xanthin C5H3N4NH, + HNO, = CtH4N40 + N, + H,0 Adenin Hypoxanthin Dieser Übergang, der auch physiologisch bedeutungsvoll ist, wird bei der Besprechung des Stoffwechsels der Purinderivate noch hervorgehoben werden müssen (s. d.). Das Adenin wurde 1885 von Kossei im Gewebe der Pankreasdrüse entdeckt. Bei Fäulnis geht es unter Ammoniakabspaltung in Hypoxanthin über. Es ist eine Base und bildet ein schwer lösliches Pikrat. Das H y p o x a n t h i n wurde 1850 von Scherer im Muskel entdeckt, es findet sich reichlich im Fleischextrakt und kommt in der noch zu besprechenden Inosinsäure (eine Nucleinsäure des Muskels) vor. Das G u a n i n , zuerst von Unger 1844 im Guano aufgefunden, ist ebenso wie das Adenin und Hypoxanthin ein Spaltprodukt der Nucleinsäuren. Die Schuppen der Fische verdanken dem Vorkommen von Guaninkrystallen ihren eigentümlichen Glanz. Es findet sich bei der sog. Guaningicht der Schweine als Ablagerung in den Gelenken, ähnlich der Harnsäure bei der menschlichen Gicht. Das X a n t h i n wurde schon 1817 in Harnkonkrementen gefunden. Es kommt nicht in den Nucleinsäuren vor, es bildet sich aber sehr leicht durch Desamidierung des Guanins. Die Purinbasen sind in Wasser schwer löslich und geben mit Säuren krystallisierende Salze. Sie lösen sich leicht in Ammoniak und werden von ammoniakalischer Silberlösung gefällt. Auch aus der salpetersauren Lösung werden sie als krystallisierende Silbernitratverbindungen ausgefällt. Schweflige Säure und Kupfersulfat fällen sie beim Kochen als Cuproverbindungen aus. Sie fallen mit Phosphorwolframsäure.

I. Teil

90

B. P y r i m i d i n k ö r p e r Es sind drei Verbindungen dieser Gruppe von A. Kossei und seinen Mitarbeitern aus den Spaltungsprodukten der Nucleinsäuren isoliert worden: Sie heißen: Cytosin, Uracil und Thymin. Das Cytosin ist ein 2-Oxy-6-aminopyrimidin, das Uracil ein 2,6Dioxypyrimidin, das Thymin ist ein 2,6-Dioxy-5-methylpyrimidin. N=C—NHa

HN—C=0

0 = i ¿H I " HN—CH

0 = i ¿H JL 11 HN—CH

Cytosin

Uracil

HN—C=0 o i ¿CH. l » HN—CH Thymin

Cytosin wurde als Baustein der Thymusnucleinsäure, Uracil als solcher der pflanzlichen Nucleinsäuren und Thymin als konstanter Baustein der tierischen Nucleinsäuren aufgefunden. Das Cytosin geht durch Desaminierung in das Uracil über. Die Bindung der Bausteine in den Nucleinsäuren Kossei und Neumann konnten zeigen, daß es unschwer gelingt, aus den Nucleinsäuren die Purinbasen abzuspalten. In Verfolgung dieser Reaktion gelang es z. B. Levene, durch Erhitzen mit verdünnten Säuren aus der aus Muskelfleisch dargestellten I n o s i n s ä u r e die Purinbase Hypoxanthin abzuspalten und der verbliebene Rest erwies sich nun als eine Esterverbindung eines Kohlehydrates (Ribose) mit Phosphorsäure. Diese Verbindung, die als krystallisiertes Bariumsalz isoliert werden konnte, zeigte stark reduzierende Eigenschaften. Sie war eine Ribose-Phosphorsäure. Andererseits konnte die Inosinsäure bei Gegenwart von Alkali oder nur durch überhitztes Wasser einer Spaltung unterworfen werden, daß nur die Phosphorsäure abgespalten wurde. Es verblieb dabei ein Komplex von Hypoxanthin-Ribose. Diese erhaltene Substanz zeigte keinerlei reduzierende Eigenschaften, im Gegensatz zu der Ribosephosphorsäure. Es war also in saurer Lösung die Spaltung so verlaufen, daß aus den drei Bausteinen der Inosinsäure der Komplex: Ribose

Phosphorsäure

bei der anderen Spaltung: entstanden waren.

Hypoxanthin

Ribose

Fünftes Kapitel. Nucleinstoffe

91

Dementsprechend ist also für die Inosinsäare die Gruppierung angenommen worden: Base

Kohlehydrat

Phosphorsäure

Es fragt sich nun: A. an -welches C-Atom der Fentose das Hypoxanthin gebunden ist, B. an welches C-Atom der Pentose die Phosphorsäure gebunden ist, C. an welcher Stellung des Hypoxanthinmoleküls die Bindung erfolgt war. Aus dem Reduktionsvermögen und einer ßeihe weiterer Gründe wird nun der Bibosephosphorsäure die Formel zugeschrieben: OHOHOH

Aus dieser Formel, bei welcher der besseren Übersicht halber die einfache offene Formel der Pentose eingesetzt wurde, ist ersichtlich, daß die Bindung am G-Atom 5 zustande kommt. Man kann sie also als Bibose-5-phosphorsäure bezeichnen, während in den Bibosiden der Hefenucleinsäure die Bibose-3-phosphorsäure auftritt. Bei der Bingbildung im Kohlehydrat durch Ausbildung der pyranoiden bzw. furoiden Form (siehe Kohlehydrate) wird am C-Atom 1 eine Hydroxylgruppe entstehen, welche unter Wasseraustritt das Purin bzw. Pyrimidin bindet. (5)

(4) (3)

(2)

(1)

H2OsP—O—CH, • CH • CH • OH • CH • OH • CH— (Purin)

Man muß also der Inosinsäure eine oder die andere der folgenden Formeln zuschreiben:

N—C—N Bindung an Stelle 7 HN—C=0 EN—C=0

O [ I OH OH 1 C—NH | I H || || >C— C-C—C-C-C—0—P N-C—N H H H H H Bindung an Stelle 8

I. Teil

92

Eine derartige Verbindung von: Base

Kohlehydrat

Phosphorsäure

wird Nucleotid genannt, während die Verbindung: Base

Kohlehydrat

als Nucleosid bezeichnet wird. Es ist gelungen, aus den Nucleinsäuren verschiedene derartige Nucleoside zu isolieren und zwar sowohl Purin- als auch Pyrimidinverbindungen. A. Purinnucleoside: 1. Guanosin = Guanin-d-ribosid aus Hefenucleinsäure: N=C OH

/OH HO\

—C—CH,-OH

2. Adenosin = Adenin-d-ribosid aus Hefenucleinsäure. Behandelt man Adenosin und Guanosin mit Natriumnitrit in essigsaurer Lösung, so tritt Desaminierung ein und es entsteht das Hypoxanthin-d-ribosid und das Xanthosin. Das Hypoxanthosin, das von H a i s e r und Wenzel schon früher unter dem Namen Inosin entdeckt worden war, kommt in der einfachen Nucleinsäure, der I n o s i n s ä u r e , vor. Das Xanthosin ist in keiner Nucleinsäure vorgebildet, sondern nur im Laboratorium durch Desaminierung des Guanosins erhalten worden. Harnsäureriboside sind nicht bekannt. B. Pyrimidinnucleoside: 1. Cytidin = Cytosin-d-ribosid: HjN—C=N HC li ¿0 CO HC—N—CH

Q

/OH

0H\

H H

•OH H H,

2. Uridin = Uracil-d-ribosid: 0=C—NH 1 CO 1 H—C / OH 0 H \ » I / 1 1 \C-C- OH HC—N—C C—CH H H H H, Beide wurden von Levene durch ammoniakalische Hydrolyse aus pflanzlichen Nucleinsäuren gewonnen. Sie sind gegen hydrolytische Angriffe beständiger als die Purinnucleoside.

Fünftes Kapitel. Nucleinstoffe

93

Die S t r u k t u r der N u c l e i n s ä u r e n Als einfache Nucleinsäuren bezeichnet man die Verbindungen, die aus Base Kohlehydrat Phosphorsäure bestehen. Es wurde oben dafür die Bezeichnung „Nucleotid" angegeben. Genauer bezeichnet man eine derartige Verbindung als Mononucleotid. Lagern sich mehrere Mononucleotide zu einer komplizierteren Verbindung zusammen, so entsteht dann ein Di-, Tri- und Polynucleotid. Die in der Natur vorkommenden Nucleinsäuren sind nun solche einfache oder zusammengesetzte Nucleotide. Die Bindung zwischen den einzelnen Mononucleotiden ist noch nicht geklärt und es bestehen darüber mehrere Ansichten. Von den einfachen Nucleinsäuren des tierischen Organismus seien genannt: Die I n o s i n s ä u r e , die von Liebig schon 1847 aus dem Fleischextrakt gewonnen wurde. Über ihre Struktur wurde schon gesprochen. Die Inosinsäure hat in neuester Zeit durch Untersuchungen Embdens große Bedeutung gewonnen, da sie aus der gleich zu nennenden Adenylsäure im Muskel gebildet zu werden scheint. Die G u a n y l s ä u r e (Guanosinphosphorsäure) findet sich in Leber und Milz. Die A d e n y l s ä u r e n (Adenosinphosphorsäuren). Sie sind von T h a n n h a u s e r und von Jones unter den Spaltprodukten der Hefenucleinsäure gefunden worden. Die aus Hefenucleinsäure dargestellte Verbindung ist die Adenosin-8-phosphorsäure, während die aus der Muskulatur gewonnene die schon beschriebene Adenosin-5-phosphorsäure ist. In den Kapiteln über die Oxydationsvorgänge und über den Zuckerabbau werden die Inosinsäure, die Adenylsäure, sowie noch außerdem zwei P y r i d i n n u c l e o t i d e in ihrer Beziehung zu den genannten Stoffwechselvorgängen noch genauer beschrieben werden (S. 175). D i e C y t i d i n - P h o s p h o r s ä u r e sowie die U r i d i n - P h o s p h o r s ä u r e wurden ebenfalls als krystallisierende Verbindungen isoliert. Von den pflanzlichen Nucleinsäuren sei die schon mehrmals genannte H e f e n u c l e i n s ä u r e erwähnt. Sie ist ein Tetranucleotid.

I.Teil

94

Über die Art der Bindung der einzelnen Nucleotide untereinander geben die Ansiebten auseinander. Möglicherweise handelt es sich um einen Phosphorsäureester. Nucleinsäure aus Thymus: T h y m u s n u c l e i n s ä u r e : Sie enthält die schon genannte ß i b o d e s o s e . Sie wurde von Miescher in den Spermatozoen des Lachses gefunden. Nach L e v e n e werden die 4 Nucleotide durch Esterbindungen der Pentose mit der Phosphorsäure des benachbarten Nucleotides gebunden, so daß dadurch die folgende Formel entstünde: HjOgP—0—CjH,0—CtH4N5

(Adenin)

0 HOjP—0—C^H,0—CJHJNJOJ (Thymin) / 0 / HOjP—0—(yELjO—C4H4N,0 (Cytosin) 0 H,03P—O—CJHSOJ—CJH.NJO (Guanin)

Die Nucleinsäure wird aus den Organen durch alkalische Hydrolyse gewonnen. Sie bildet ein weißes Pulver. Mit Eiweißlösungen bilden sich schwer lösliche Niederschläge. Kossei nimmt in den Spermatozoenköpfen auch eine ähnliche Bindung des Protamins mit der Nucleinsäure an.

II. Teil

Allgemeine Zustände und Vorgänge

S e c h s t e s Kapitel

Osmotischer Druck (anorganisdie Salze) Die osmotischen Erscheinungen Es gibt Membranen, wie z. B. feinporöse Tonwände, welche für Wasser und Lösungen durchlässig sind und solche, welche zwar Wasser oder eine andere Flüssigkeit durchlassen, nicht aber die in der Flüssigkeit gelösten Stoffe. Diese letzteren 6ind halbdurchlässig, semipermeabel. Befindet sich auf einer Seite der semipermeablen Membran Wasser, auf der anderen z. B. eine Zuckerlösung, so findet ein Durchwandern von Wasser durch die Membran statt, die Zuckerlösung wird verdünnt. Dieser Vorgang wird als Osmose bezeichnet. Derartige semipermeable Membranen sind die Zellwände. Daher besitzen die osmotischen Vorgänge für den Stoffaustausch große Bedeutung. Durch Fällung von Kupfersulfat mit Ferrocyankalium kann man künstlich solche semipermeable Membranen herstellen. Das gebildete Kupferferrocyanid kann dadurch z. B. auf eine Tonzelle niedergeschlagen werden und diese Tonzelle ist dann durch die Imprägnierung der Wand mit dem Kupferferrocyanid semipermeabel. Füllt man sie mit Zuckerlösung und verschließt man sie mit einem Steigrohr, so wird beim Eintauchen in reines Wasser dieses in die Zelle einwandern, die Zuckerlösung verdünnen und es muß durch die bedingte Volumvergrößerung die Flüssigkeit im Steigrohr steigen. Der Druck, welcher auf diese Weise entsteht, heißt der osmotische Druck. Er ist für verdünnte Bohrzuckerlösungen annähernd proportional der Konzentration und kann durch die Steighöhe der Flüssigkeitssäule ausgedrückt werden. Man kann sich die Entstehung des osmotischen Druckes so vorstellen, daß er durch die Anziehung von Lösungsmittel und gelöster Substanz zueinander entsteht.

96

IL Teil

Die Physik lehrt nun, daß ganz allgemein gelöste Stoffe in einer Lösung denselben osmotischen Druck ausüben, welchen sie, bei gleicher Temperatur und im gleichen Volumen verteilt, als Gase ausüben würden, oder mit anderen Worten ausgedrückt heißt dies, daß die Gesetze, welche für die Gase gelten, auch für die gelösten Stoffe Gültigkeit besitzen: 1. So lehrt die Avogadrosche Regel für Gase: „Gleiche Volumina besitzen unter sonst gleichen Verhältnissen die gleiche Anzahl von Molekülen." Die analoge Regel gilt für die Lösungen: Gleiche Volumina verdünnter Lösungen von Nichtelektrolyten enthalten bei sonst gleichen Verhältnissen (Druck und Temperatur) die gleiche Zahl von Molekülen. 2. Ein Mol eines Gases (ein Mol = ein Molekulargewicht in g) nimmt bei 0° und einer Atmosphäre Druck den Raum von 22,4 Litern ein. Analog heißt es dann: Löst man ein Mol eines Nichtelektrolyten in 22,4 Litern Wasser bei 0° auf, so besitzt diese Lösung einen osmotischen Druck von einer Atmosphäre. 8. D a l t o n s Gesetz sagt für Gase: Der Druck eines Gasgemisches ist gleich der Summe der Partialdrucke (Einzeldruck) der Gase. Die Analogie: Der osmotische Gesamtdruck ist gleich der Summe der osmotischen Partialdrucke. Da die Bestimmung des osmotischen Druckes für die Erkenntnis vieler biologischer Vorgänge von Wichtigkeit ist, hat man versucht, Methoden zu finden, um diesen gut bestimmen zu können. So könnte man ihn aus den Steighöhen der Ferrocyankupferzelle, welche auch P f e f f e r sehe Zelle genannt wird, messen. Gewöhnlich wird aber eine andere Methode bevorzugt. Es besteht nämlich zwischen der Siedepunktserhöhung einer Lösung gegenüber dem reinen Lösungsmittel und zwischen der Gefrierpunktserniedrigung einer Lösung gegenüber dem reinen Lösungsmittel und dem osmotischen Druck eine Beziehung, welche zur Bestimmung des letzteren verwendet werden kann. Jeder gelöste Stoff wirkt auf das Lösungsmittel so ein, daß seine Moleküle eine Anziehungskraft auf die Moleküle des Lösungsmittels ausüben. Es muß also beim Übergang in den Gaszustand zunächst diese Anziehung überwunden werden, was sich in einer Erhöhung des Siedepunktes auswirkt. Das analoge gilt auch für den Gefrierpunkt. Einerseits ist nun die Größe des osmotischen Druckes abhängig von der molaren Konzentration. Andererseits zeigen äquimolare Lösungen

Sechstes Kapitel. Osmotischer Druck

97

irgendeines Nichtelektrolyten alle die gleiche Siedepunktserhöhung bzw. Gefrierpunktserniedrigung. Aus diesen beiden Sätzen folgt, daß, wie schon oben gesagt wurde, direkte Beziehungen zwischen Änderungen des Gefrier- und Siedepunktes und osmotischem Druck bestehen. Wird ein Grammolekül irgendeines Nichtelektrolyten in einem Liter Wasser gelöst, so findet eine Gefrierpunktserniedrigung um - 1,84° statt. Diese Größe (auf 100 ccm bezogen = 18,4°) bezeichnet man als die m o l e k u l a r e G e f r i e r p u n k t s d e p r e s s i o n des Wassers. Sie steht in Beziehung zum osmotischen Druck, indem dadurch auch bei 0° ein osmotischer Druck von 22,4 Atmosphären erzielt wird (siehe oben, Satz 2). Daraus ergibt sich: Beobachtet man eine Gefrierpunktserniedrigung (t), so ist der dazu gehörige osmotische Druck bei 0° gleich 2 4 P n0 —= *i - 21-84 -

Die Gefrierpunktserniedrigung eines gelösten Nichtelektrolyten wird ausgedrückt durch: Konstante

^ e n ® e 100 (ifi, 2. Kolloiddisperse Systeme „ 1—100 [ifi, 3. Molekulardisperse (Ionen-) Systeme . „ < 1 fifi. Diese Einteilung hat nur Bedeutung für die Größenordnung. Man kann zahlreiche Übergangsstadien zwischen den drei Gruppen feststellen. Grobdisperse Systeme sind z. B. Tierkohle in Wasser, Milch usw. Kolloiddisperse sind: Leimlösung, Glykogenlösung. Molekulardispers sind alle Lösungen einfacher chemischer Salze in Wasser, wie Kochsalz, Kupfervitriol usw. Der Grund, warum eine Abgrenzung in diese drei Gruppen vorgenommen wird, ist der, daß mit s t e t i g e r Abnahme der Teilchengröße eine u n s t e t i g e Änderung verschiedener Eigenschaften auftritt. Der Unterschied zwischen den angeführten verschiedenen Dispersitätsgraden tritt durch die folgenden Eigenschaften deutlich hervor: 1. Grobdisperse Systeme entmischen sich. Kolloiddisperse sind beständig. 2. Grobdisperse Systeme lassen sich durch Filtration trennen; kolloiddisperse nicht. Die Filtrierbarkeit von Teilchen ist die folgende: Teilohengröße 200 fi = nicht filtrierbar durch Papier. „ 200(i—600fifi = wohl durch Papier, nicht durch Pergament. „ 500—2,5 \i\i = auch durch Pergament. „ 2,5 fifi und kleiner -- auch durch Membranen.

Es liegt hier ein Mittelbereich der Filtrierbarkeit vor, bei welchem die Teilchen wohl durch Papier, aber nicht durch Membranen filtrieren.

Siebentes Kapitel. Die Kolloide

105

3. Sichtbarkeitsunterschiede. Teilchen, welche kleiner als 250 fifi sind, können mikroskopisch nicht mehr sichtbar gemacht werden. Wohl aber sind sie noch im Ultramikroskop zu erkennen. Demnach unterscheidet man: 1. Mikroskopisch sichtbare Teilchen, größer als 250 fifi = Mikronen. 2. Ultramikroskopisch wahrnehmbare Teilchen 250—5 fifi = Submikronen. 3. Auch ultramikroskopisch nicht mehr wahrnehmbar < 5 fifi = Amikronen. Zusammenfassend kann aber gesagt werden, daß zwischen diesen drei Gruppen von dispersen Systemen und Teilchengrößen nur quantitative Unterschiede bestehen, daß aber innerhalb bestimmter Grenzen einzelne Eigenschaften ein Maximum zeigen. Dadurch ist eine wesentlich allgemeinere Auffassung des kolloiden Zustandes gewonnen als nach der rein empirischen Charakterisierung der Dialysierfähigkeit. Entstehung kolloider Systeme Theoretisch kann also j e d e r Stoff in grob-, kolloid- oder molekulardisperser Form auftreten. Metalle können durch den elektrischen Flammenbogen unter Wasser zerstäubt werden, so daß sie als Kolloide in Lösung gehen. Manche chemischen Reaktionen lassen in Wasser unlösliche Stoffe in so feiner Verteilung sich bilden, daß dadurch eine kolloide Lösung gebildet wird. Endlich können kolloide Lösungen natürlich auch durch einfaches Auflösen kolloider Stoffe erhalten werden. Eine allgemeine Regel läßt sich nicht aufstellen. E i n t e i l u n g der Kolloide Es werden gewöhnlich die folgenden zwei Einteilungen angenommen: Die Einteilungsart nach O s t w a l d berücksichtigt die F o r m a r t der dispersen Phase. Demnach unterscheidet O s t w a l d : 1. Bei Dispersion fester Stoffe = S u s p e n s i o n s k o l l o i d e (Suspensoide). 2. Bei Dispersion flüssiger Stoffe = E m u l s i o n s k o l l o i d e (Emulsoide). Zwischen diesen beiden Arten können jedoch Übergänge stattfinden. Die andere Einteilung wurde von P e r r i n s aufgestellt. Sie unterscheidet : 1. L y o p h o b e K o l l o i d e : Sie sind leicht vom Dispersionsmittel trennbar und fast identisch mit den Ostwaldschen Suspensoiden.

II. Teil

106

Das Dispersionsmittel erleidet durch die disperse Phase keine wesentliche Änderung der Yiscosität. Sie sind i r r e v e r s i b e l durch Elektrolyte fällbar. 2. L y o p h i l e K o l l o i d e : Sie sind viel schwerer abtrennbar. Sie erhöhen die Yiscosität des Lösungsmittels und sind r e v e r s i b e l fällbar. Zu dieser Gruppe gehören die meisten Emulsoide. Außerdem muß man bezüglich des Vorkommens der kolloiden Substanzen unterscheiden zwischen: 1. gelöstem Zustand = S o l , 2. ausgeschiedenem Zustand = Gel. (Durch Alkohol ausgefällte Gelatine Der Vorgang der Abscheidung eines wieder rückgängig gemacht werden wie nicht rückgängig zu machen, wie z. B.

z. B . ist ein Gel.) Kolloides kann nun entweder bei der Gelatine, oder er ist bei der Fällung von Goldsol.

Dementsprechend gibt es: 1. reversibel lösliche Kolloide = r e s o l u b l e K o l l o i d e , 2. irreversibel ausgefällte Kolloide = i r r e s o l u b l e K o l l o i d e . (Koaguliertes Hühnereiweiß ist z. B. ein irresolubles Kolloid.) Unter P e p t i s a t i o n eines Kolloides versteht man den Vorgang der Lösung zum Sol, wenn das Gel nicht spontan, sondern nur durch Zusatz fremder Substanzen dispergiert werden kann. E l e k t r i s c h e s V e r h a l t e n der K o l l o i d e Beim Durchgang eines Stromes durch die kolloide Lösung wandern die Teilchen. Die Wanderungsrichtung ist abhängig einmal von der chemischen Natur des Kolloides und außerdem von der Gegenwart von Elektrolyten in der Lösung. J e nach ihrem Ladungssinne wandern Kolloide anodisch oder kathodisch. Dieses Wandern der Kolloide im elektrischen Felde wird K a t a p h o r e s e genannt. Im elektrolytfreien Wasser ist der Sinn der Ladung ausschließlich durch die chemische Natur des Kolloides bedingt. Da sich die gleichsinnigen Ladungen der Kolloidteilchen gegenseitig a b s t o ß e n , wird durch diese Ladung die S t a b i l i t ä t der kolloiden Lösungen erzielt. Nimmt man ihnen die elektrischen Ladungen, dann wirken die Anziehungskräfte der Teilchen, und demnach bedingt eine E n t l a d u n g eine Koagulation, ein Zusammenballen und G e l b i l d u n g . Die Klärung dieser Verhältnisse hat durch die Untersuchungen von W. P a u l i zu weitgehenden Folgerungen geführt, auf welche hier kurz eingegangen werden soll. Ist ein Kolloid positiv geladen, so muß man natürlich im Dispersionsmittel die gleiche Zahl entgegengesetzter Ionen

Siebentes Kapitel. Die Kolloide

107

(also negativer) annehmen, da eine Ionenart allein in einer Lösung nicht bestehen kann. 1. In einer Lösung können elektrische Ladungen nur an Massenteilchen gebunden als „Ionen" existieren, und zwar gleichviel positive wie negative Ladungen. 2. Kennt man die Konzentration aller Ionen einer kolloiden Lösung und mißt man den Ü b e r s c h u ß an positiven oder negativen Ionen, so ist die Zahl dieser Ladungen gleich der Zahl der Ladungen an den vorhandenen Kolloidteilchen. Wird Eisenchlorid gegen reines Wasser dialysiert, so findet eine hydrolytische Spaltung nach der Gleichung statt: FeCls + 3H 2 0 = Fe(OH,) + 3 HCl bleibt kolloid diffundiert in Lösung

Eisenhydroxyd ist gewöhnlich unlöslich. In diesem Falle bleibt es aber als Kolloid in Lösung. Wird die Dialyse aber sehr lange fortgesetzt, so tritt Gelbildung ein und das Hydroxyd flockt aus. Es wird dieses Verhalten so erklärt, daß noch eine Zwischenreaktion stattfindet: F e a , + H , 0 = FeOCl + 2HC1

Die Menge des gebildeten Eisenoxychlorides ist aber im Verhältnis zur Menge des gebildeten Ferrihydroxydes sehr klein. Bei fortgesetzter Dialyse zersetzt sich das Oxychlorid: FeOCl + 2HjO = Fe(OH)s + HCl

Das Oxychlorid, F e r r y l c h l o r i d genannt, kann nun aber dissoziieren in: FeOCl

»- FeO+ + Cl~

Man muß sich nun ein Kolloidteilchen zusammengesetzt vorstellen aus: / xFe(OH)s-Molekülen\ VyFeOCl -Molekülen)

von den y FeOCl- Molekülen in einem Kolloidteilchen ist eines in Ionen dissoziiert. [xFe(OH),y - 1 FeOCl-FeO]+ + Cl~

Es zeigte sich, daß eine positive Ladung ungefähr 900 Atome auf diese Art in Lösung halten kann. Dadurch kann aber die S t r u k t u r eines Kolloidteilchens gegliedert werden: 1. In einen Kern n i c h t ionogener Moleküle von Fe(OH)3. 2. In eine Hülle ionogener Moleküle von FeO+. 3. Aus einer Zahl von Gegenionen in der Flüssigkeit, welche in diesem Falle Cl_-Ionen sind.

108

II. Teil

Es kann aus dieser Vorstellung die Erkenntnis gewonnen werden, daß die wesentliche Eigenart der Kolloidreaktion dadurch gekennzeichnet ist, d a ß n u r ein m i n i m a l e r B r u c h t e i l des Kolloides bei der F l o c k u n g m i t w i r k t . W. P a u l i bringt dazu den treffenden Vergleich, indem er sagt, „daß die dem winzigen reagierenden Komplex anhängende chemische träge Masse [Fe(OH)3] alle Ausschläge vergrößert, wie ein langer Zeiger die kleinsten Winkelablösungen erkennen läßt". Die Übertragung dieser Anschauung auf die Biokolloide bringt dadurch die Vorstellung, daß die Biokolloide chemische Modelle eines feinen reizaufnehmenden und -übertragenden Apparates sind. Entgegengesetzt geladene Kolloide können sich entladen und ausfällen. Es ist immer der ionogene Teil der Kolloide, welcher in diesem Falle miteinander reagiert. Arsentrisulfid z. B. ist als Sulfarsenit ionisiert anzunehmen und reagiert mit Ferrihydroxyd: reagiert mit

[x As2SJ • y • As2S(H2 • AsjS^H]- + H+

[xlFe(OH)sy1FeOCl-FeO]+ + Cl~

Bei rein chemischen Reaktionen finden sich immer feste u n v e r ä n d e r l i c h e Gewichtsverhältnisse. Beim Mischen von Arsensulfid mit Eisenhydroxyd besitzt die Flockung w e c h s e l n d e Z u s a m m e n s e t z u n g . Da aber der Gehalt an ionogenen Bestandteilen nur von ihrem Beinheitsgrade abhängt, so ist es klar, daß dementsprechend wechselnde Mengen der beiden Kolloide ausflocken. Es werden die an sich unlöslichen Kolloidanteile eben nur mitgeschleppt. Mithin gelten also auch für diese Verhältnisse die typischen chemischen Reaktionsverhältnisse. Durch diese Untersuchungen gewinnen wir demnach ein Verständnis für die wechselseitige Flockung und Lösung von Kolloiden, welche im Lebensvorgange der Zellen sicher eine wesentliche Rolle spielen. Auch die zahllosen Erscheinungen der serologischen Reaktionen dürften von diesem Standpunkte aus betrachtet, verständlicher werden. Auf ähnliche Vorgänge dürfte auch die Erscheinung der S c h u t z k o l l o i d w i r k u n g zurückzuführen sein. Eine Lösung von kolloidalem Arsensulfid wird z. B. durch Zusatz von Salzsäure ausgeflockt. Wird der Arsensulfidlösung aber vorher ein anderes Kolloid zugesetzt, z. B. eine Gummilösung, so schützt die Gummilösung das Arsensulfid vor der Ausfällung durch Salzsäure, es findet bei deren Zusatz keine Flockung statt. Derartige Schutzwirkungen können vielleicht auch größere biologische Bedeutung haben. Es finden sich vielfach im Organismus Stoffe in Lösung, wie Harnsäure im Blute, Calcium in der Milch, Cholesterin in der Galle, die eventuell als Kolloide durch andere Kolloide vor der Ausflockung geschützt werden. In diesem Sinne wären dann eine

Achtes Kapitel. Die Wasserstoff ionenkonzentration

109

Anzahl von pathologischen Veränderungen auf kolloidchemische Ursachen zurückzuführen. (Vgl. dazu das Kapitel über Ampholyte und den isoelektrischen Punkt.) Gallerten Gallerten sind disperse Gebilde, welche im Gegensatz zu den kolloiden Lösungen eine gewisse S t a b i l i t ä t der Form besitzen, die selbst bei einem Flüssigkeitsgehalt von über 9 8 % noch erhalten bleiben kann. Sie entstehen durch Erstarrung von Solen oder durch Q u e l l u n g . Fremdstoffe (Ionen) beeinflussen diese Vorgänge sehr stark. Anorganische Stoffe können in Gallerten hineindiffundieren. Dabei entstehen eigentümliche rhythmische Figuren, welche als L i e s e g a n g s c h e E i n g e oder F i g u r e n bezeichnet werden. So scheidet sich in einer mit Bichromat vermischten Gelatinegallerte, welche mit Silbernitrat überschichtet worden ist, das Silberchromat, das durch Einwanderung des Silbers gebildet wird, in scharf abgegrenzten Eingen ab. Die Erklärung dieser rätselhaften Erscheinung steht noch aus. Quellungserscheinungen spielen natürlich bei zahlreichen Lebensvorgängen eine wichtige Bolle. So besitzen die Zellmembranen Gallerteigenschaft und alle die osmotischen Verhältnisse werden durch die Eigenschaften der Membranen beeinflußt. Auch die Wirkung der verschiedenen Narkotika hängt mit diesem kolloidchemischen Phänomen zusammen. Alle diese Vorgänge sind aber noch durchaus ungeklärte Probleme, die aber für das Problem des „ P r o t o p l a s m a s " eminente Bedeutung gewinnen werden.

Achtes Kapitel

Die Wasserstoffionenkonzentration Die Gleichgewichtskonstante E s gibt Eeaktionen, welche vollständig verlaufen, und solche, welche nur zu einem Gleichgewichtszustand führen. So gibt z. B. die Bildung irgendeines Esters aus Säure und Alkohol einen Fall einer solchen unvollständig verlaufenden Eeaktion. Sie führt zu einem G l e i c h g e w i c h t s z u s t a n d , indem am Ende die vier reagierenden Substanzen Säure, Alkohol, Ester und Wasser in einem bestimmten Verhältnisse stehen. Da nach dem Massenwirkungsgesetz nun die Eeaktionsgeschwindigkeit in jedem Augenblick proportional der molekularen Konzentration der reagierenden Stoffe ist, so ist dieses Gleichgewicht gegeben durch die Eeaktionsgeschwindigkeit der Bildung des

110

II. Teil

Esters und der des Zerfalles des Esters. Ein Gleichgewicht wird eintreten, wenn diese beiden Geschwindigkeiten gleich geworden sind. Diese Gleichgewichtskonstante läßt sich also ausdrücken durch die folgende Formel: -EBter -Alkohol

Konz Konz

Konz

-WaMer _ -84ure

R

Konz

Stört man dieses Gleichgewicht in dem Sinne, daß man die Konzentration eines der reagierenden Stoffe ändert, so wird natürlich die Reaktion in dem einen oder in dem anderen Sinne weitergehen, da K ja eine Konstante ist, welche für die jeweilige Eeaktion charakteristisch ist. Man bezeichnet derartige unvollständig verlaufende Reaktionen als umkehrbare Reaktionen, da sie durch Verschiebung der Gleichgewichtslage sowohl in einem als in anderem Sinne verlaufen können. Also sowohl im Sinne von Synthesen, als auch in dem von Zerfall. Man deutet dies an, daß man an Stelle des Gleichheitszeichens das Zeichen y setzt. Es ist nun von eminenter Bedeutung, daß die Mehrzahl der biochemischen Vorgänge derartige umkehrbare Reaktionen zu sein scheinen, welche also zu bestimmten Gleichgewichtslagen führen. Durch die Lebenstätigkeit werden die Gleichgewichte immer gestört, so daß ein ständiger Ablauf stattfinden kann. In diesem Sinne sind alle Fermentvorgänge als umkehrbare Reaktionen aufzufassen, welche zu solchen dynamischen Gleichgewichten führen und sie sind demnach theoretisch sowohl im Sinne von Synthese als in dem von Zerfall zu leiten. Praktisch ist es allerdings erst in einigen Fällen gelungen, diese Vorgänge in umgekehrtem Sinne zu realisieren. Die physikalische Chemie lehrt nun, daß eine ganze Reihe von Substanzen in wäßriger Lösung in elektrisch geladene Teile, Ionen, zerfallen. Die Ionenreaktionen, die sich mit ungemein großer Geschwindigkeit abspielen, sind auch als umkehrbare Reaktionen zu bezeichnen. Der Zerfall eines Salzes in Ionen führt demnach auch zu einem Gleichgewichtszustand und ist durch eine Gleichgewichtskonstante gekennzeichnet: Konz

- + Ionen K o n z ' - I o n e n nfcht dlssoz. Anteil

=

R

Konz,

Auch die Dissoziation von Säuren und Basen ist ein Spezialfall dieser Anschauung. Überträgt man sie auf die Säuren und Basen, so kann nian dementsprechend eine solche Dissoziationskonstante für die Vertreter dieser beiden Körperklassen aufstellen.

Achtes Kapitel. Die Wasserstoffionenkonzentration

111

Dadurch gelangt man zu einer exakten Definition für die „Stärke" von Säuren und Basen. Es wird der Grad der Ionisation ausgedrückt durch diese Konstante und zwar ist eine Säure (Base) um so stärker, je größer ihre Dissoziationskonstante ist. Auch reinstes Wasser ist zu einem minimalen Teile in Ionen zerfallen. Die Dissoziation H * 0 - > H+ + OHbeträgt pro Liter = 0,8-10 -7 g Wasserstoff. Da die Ionen die Träger der elektrischen Ladungen sind, kann man durch Messung der elektrischen Leitfähigkeit den Grad der Ionisation feststellen. Auf derartigen Leitfähigkeitsmessungen fußen alle diese ermittelten Gesetzmäßigkeiten. In reinem Wasser kommen immer gleichviel H- und OH-Ionen vor. Eine Lösung, deren H-Ionenkonzentration größer als 0,8 -10 -7 ist, ist sauer. Eine Lösung mit kleinerer H-Ionenkonzentration ist alkalisch. Nach dem vorhin Gesagten ist H+-OH-

HjO

= K

Nun ist aber die Dissoziation des Wassers im Verhältnis zum nicht dissoziierten Teil so gering, daß bei einer Zunahme derselben die Menge des nicht zerfallenen Teiles kaum abnimmt. Man kann daher annehmen, daß bei konstanter Temperatur H+-OH - konstant ist. Der Wert dieser Konstante ist bei 22° rund 10 - M . Es ist daraus zu folgern, daß also in reinem Wasser die Konzentration sowohl für H + als auch für O H - = 10 -7 , also ein Zehnmilliontel Gramm im Liter ist (da lO-'-lO - 7 = 10 - 1 4 ist). Demnach ist eine Lösung definiert durch die Wasserstoffgrammionen pro Liter. Diese Zahl, welche a u s d r ü c k t , wieviel Grammionen Wasserstoff pro L i t e r v o r h a n d e n sind, bezeichnet man als Wasser st off zahl. Sie ist der Ausdruck für die „Stärke" einer Säure oder Base, denn keine noch so stark saure Lösung ist ganz frei von Hydroxylionen und keine noch so stark basische Lösung ist frei von Wasserstoffionen. Diese Wasserstoffzahl wird ausgedrückt durch das Symbol: ^ In diesem Sinne könnte man natürlich genau so gut eine „Hydroxylzahl" aufstellen. Sie wäre von [H*] nach der Gleichung abhängig: K

112

II. Teil

E s ist auch aus dem Gesagten klar, daß die Konzentration der Hydroxylionen durch die Angabe der Wasserstoffionenkonzentration zugleich gegeben ist. Nach S ö r e n s e n gebraucht man nun vielfach nicht die Zahl [H'j, sondern den Logarithmus der Wasserstoffzahl. Man bezeichnet diesen als den W a s s e r s t o f f i o n e n e x p o n e n t e n mit dem Symbol pHWasserstoffzahl [H] = 1 0 - 7 bedeutet Wasserstoffionenexponent = p H = 7. Da der Wasserstoffionenexponent ein Potenzexponent mit negativem Vorzeichen ist, so muß die Größe des dazugehörigen Numerus steigen wenn sein Wert sinkt und umgekehrt. Dementsprechend bedeutet: pn = kleiner als 7 = sauere Reaktion, Ph = gleich 7 = neutrale Reaktion, pH = größer als 7 = alkalische Reaktion. Durch die Einführung der Begriffe der Wasserstoffzahl bzw. des Wasserstoffionenexponenten gelingt es also, die Reaktion einer Flüssigkeit genau zu definieren. Puffer Man bezeichnet die in einer Flüssigkeit tatsächlich vorhandenen Ionen als die a k t u e l l e n I o n e n . Andererseits können aus dem nicht dissoziierten Anteil der gelösten Stoffe unter geeigneten Bedingungen Ionen neu gebildet werden. Diese Ionen, welche also eventuell auftreten können, bezeichnet man als p o t e n t i e l l e I o n e n . Die Wasserstoffionenkonzentration ist durch die in der Lösung befindlichen a k t u e l l e n Ionen bestimmt und man kann sie daher auch als die a k t u e l l e B e a k t i o n der Lösungen bezeichnen. E s ist für zahlreiche biochemische Zustände und Vorgänge von größter Bedeutung, daß die aktuelle Reaktion der Körperflüssigkeiten konstant bleibt. E s gibt nun Substanzen, welche durch ihre Anwesenheit in einer Lösung diese Konstanz in mehr oder weniger ausgeprägtem Maße aufrechterhalten. Man bezeichnet sie als P u f f e r . Die eigentümliche Wirkung dieser Puffersubstanzen soll zunächst an einem einfachen chemischen Modellversuch erläutert werden. Chlorwasserstoff ist in wäßriger Lösung äußerst stark dissoziiert, was durch die Größe der besprochenen Dissoziationskonstante ausgedrückt wird. Essigsäure dagegen ist im Verhältnis zur Salzsäure als schwache Säure zu bezeichnen, d. h. ihre Dissoziationskonstante ist klein.

118

Achtes Kapitel. Die Wasserstoffionenkonzentration

Andererseits sind die Alkalisalze der Essigsäure weitestgehend in Natrium und Acetationen dissoziiert. Bringt man nun in eine Lösung von Salzsäure Natriumacetat zur Auflösung, so befinden sich zunächst die folgenden vier Ionen in Lösung: Na+ + Acetat- + H+ + Cl~ .

Es befinden sich also neben v i e l e n Acetationen v i e l e Wasserstoffionen in Lösung. Dadurch würde aber der Zähler des Bruches H+- Acetat" _

CHj-COOH"

-

„ A

vergrößert werden. Da aber das Verhältnis im Gleichgewichtszustande konstant ist, wird die Dissoziation von H + und (Acetat) - zurückgedrängt werden und es wird demnach so viel nicht dissoziierte Essigsäure entstehen, bis der Wert für K wieder erreicht ist. Das heißt mit anderen Worten ausgedrückt, daß man durch den Zusatz von Natriumacetat die durch die Salzsäure in die Lösung gebrachten Wasserstoffionen als nicht dissoziierte Essigsäure bindet. Dadurch wird natürlich die aktuelle Reaktion der Flüssigkeit wieder gegen den Neutralpunkt verschoben oder man sagt, der Zusatz von Acetat drängt die Dissoziation der Wasserstoffionen zurück. Man kann dieses Phänomen daher in den allgemein gültigen Satz zusammenfassen: Die Dissoziation einer gelösten Substanz kann durch den Zusatz eines der Dissoziationsprodukte verringert werden. Kehrt man nun diese Verhältnisse um, so ist es offensichtlich möglich, irgendeinen gewollten Dissoziationsgrad dadurch herzustellen. Da der Dissoziationsgrad einer Säure bzw. Base andererseits durch eine bestimmte aktuelle Wasserstoffionenkonzentration gekennzeichnet ist, so besitzt man dadurch auch ein Mittel, solche Wasserstoffzahlen genau festzulegen. Setzt man zu der Lösung des Salzes einer schwachen Säure eine Säure zu, so werden die damit zugesetzten Wasserstoffionen mit dem Anion des Salzes sich zu nicht dissoziierter Säure vereinigen, sie werden also v e r s c h w i n d e n und zwar so lange, als noch genügend Anionen vorhanden sind. Es wird dadurch erreicht, daß nur ein ganz allmähliches Auftreten der sauren Beaktion stattfindet. In diesem Falle wirkt das Salz als P u f f e r , da innerhalb gewisser Grenzen die Wasserstoffionenkonzentration annähernd konstant bleibt. E d l b a c h e r , Kurzgefaßtes Lehrbuch der phyalol. Chemie. 6. Aull.

8

114

II. Teil

1. In diesem Sinn wirken alle Salze von starken Basen mit schwachen Säuren als Puffer gegen die Änderung nach der sauren Seite. 2. Alle Salze von starken Säuren mit schwachen Basen als Puffer gegen die alkalische Seite. 3. Alle Salze von schwachen Säuren mit schwachen Basen als Puffer gegen sauer und alkalisch, insofern sie als Salz stark dissoziiert sind. 4. Salze von starken Basen mit starken Säuren können keine Pufferwirkung haben. Durch geeignete Mischung von verschiedenen Salzen lassen sich also Lösungen herstellen, welche einem ganz bestimmten pH-Werte entsprechen. Solche P u f f e r g e m i s c h e wird man überall dort anwenden, wo es sich darum handelt, eine bestimmte Wasserstoffionenkonzentration aufrecht zu erhalten. Da die meisten Fermente gegen Änderungen des pH sehr empfindlich sind, können Untersuchungen über ihre Wirkung nur in solchen gepufferten Lösungen vorgenommen werden, also bei konstanter Wasserstoffzahl. Erst seit dieser Erkenntnis ist die Fermentchemie in ein exaktes Stadium der Entwicklung eingetreten. Als Beispiel eines solchen Puffergemisches sei hier eine Mischung von KH 2 P0 4 und Na 2 HP0 4 angeführt, welche von S ö r e n s e n empfohlen wurde. Es werden n/15-Lösungen dieser Salze in der folgenden Weise gemischt: com n/15-Na,HP0 4

ccm n/15-KHjP0 4

PH

0,25 0,5

9,75 9,5 9,0 8,0 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0

5,288 5,589 5,906 6,239 6,468 6,643 8,813 6,979 7,168 7,381 7,731 8,043

1,0

2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0 9,5

Andere Puffergemische sind Glykokoll-NaOH usw.

1,0

0,5

z. B.

Acetatmischungen,

Borate-

Achtes Kapitel. Die Wasserstoffionenkonzentration

115

Die Bestimmung der Wasserstoffzahl Die Möglichkeit, Wasserstoffionenkonzentrationen elektrometrisch zu messen, beruht auf der Kenntnis der sog. Konzentrationselemente oder Konzentrationsketten, deren Theorie wir vor allem Nernst verdanken. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen galvanischen Elementen, in denen die elektromotorische Kraft durch den Ablauf einer chemischen Reaktion erzeugt wird, ist bei den Konzentrationselementen der Grund für das Auftreten der Potentialdifferenz in Ionenkonzentrationsdifferenzen an den beiden Polen des Elementes zu suchen. Der bekannteste Fall ist die Silberkonzentrationskette, die aus zwei Silberelektroden besteht, welche in verschieden konzentrierte Lösungen des gleichen Silbersalzes (z. B. AgN03) eintauchen. Eine derartige Kette liefert einen Strom, der im äußeren Teile des Stromkreises von der Elektrode höherer Silberionenkonzentration zu der Elektrode niederer Konzentration fließt. D. h. das in die höhere Ag-Konzentration tauchende Silbermetall ist positiv gegenüber dem in die niedere Ag-Konzentration tauchenden. Das Auftreten dieser Potentiale erklärt sich folgendermaßen. Bekanntlich hat jedes Metall in Berührung mit einer Flüssigkeit, insbesondere mit Wasser, die Tendenz, positive Ionen in die Lösung zu senden. Man bezeichnet diese Tendenz als den elektrolytischen Lösungsdruck des Metalls. Infolge dieser Abgabe positiver Silberionen wird sich im Falle der Ag-Kette das metallische Silber negativ aufladen. Tauchen wir das Silber in eine Lösung, die bereits Ag-Ionen enthält, so wird das metallische Silber um so weniger Ag-Ionen abgeben, sich also um so weniger negativ aufladen, je mehr Ag-Ionen von vornherein in der Lösung vorhanden sind. Taucht man also einen Silberstab in eine n/10-, einen zweiten in eine n/100-AgN03-Lösung, so wird der erstere ein weniger negatives Potential annehmen, wie der zweite, d. h. er wird sich gegen diesen positiv verhalten. Damit ein Strom fließen kann, müssen natürlich die beiden Ag-Lösungen miteinander, z. B. durch einen elektrolytgetränkten Docht, und die beiden Metallelektroden durch einen Draht leitend verbunden sein. Die elektromotorische Kraft einer derartigen Konzentrationskette hängt nun in einfacher Weise ab von dem Verhältnis der Ionenkonzentration auf den beiden Seiten, wobei deren absolute Werte gleichgültig sind. Die Kenntnis dieses Gesetzes erlaubt die Bestimmung der Silberionen in einer Silberlösung unbekannter Konzentration. Man braucht nur aus einer Silbersalzlösung bekannter Konzentration und der zu untersuchenden unbekannten Silberlösung eine Silberkonzentrations8*

116

II. Teil

kette herzustellen und deren elektromotorische Kraft mit einem potentialanzeigenden Instrumente (Elektrometer) zu messen, so läßt sich aus der bekannten Silberionenkonzentration und dem gefundenen Potential die unbekannte Silberionenkonzentration in einfachster Weise berechnen. Bei der Messung der Wasserstoffzahl einer Lösung geht man nun ganz analog vor wie bei der Silberionenkonzentration. Da Wasserstoff kein festes Metall ist, kann man aus diesem allerdings nicht ohne weiteres feste Wasserstoffelektroden herstellen. Jedoch läßt sich zeigen, daß sich ein oberflächlich mit Wasserstoffgas überzogener Platindraht hinsichtlich seiner elektromotorischen Eigenschaften ganz so verhält, als wenn er aus festem Wasserstoff bestände. Man kann daher aus zwei derartigen wasserstoffüberzogenen Platindrähten, die in Lösungen verschiedener Wasserstoffzahl eintauchen, eine Wasserstoffionenkonzentrationskette herstellen, deren Potential man elektrometrisch messen kann. Auch hier kann man aus der Kenntnis der Wasserstoffzahl der einen Elektrode, die man sich willkürlich auf einen bestimmten Wert einstellt, und dem gemessenen Potential der Kette die Wasserstoffzahl der unbekannten Lösung genau wie bei der Silberlösung leicht berechnen. Diese Grundmethode, welche weitgehend ausgebaut ist, hat es ermöglicht, ein anderes Verfahren auszubauen, welches auch ohne Anwendung komplizierter Apparate gestattet, die pH-Werte zu messen. Es hat sich gezeigt, daß eine große Anzahl von Farbstoffen (Teerfarben) bei einer bestimmten Wasserstoffzahl ihre Farbe ändern. So z. B. die drei hier angeführten Farbstoffe: Umschlagspunkt pn Thymolblau . . . . Congorot Thymolphthalein . .

1—2 3—5 9—10

von rot in gelb, von blau in rot, von farblos in blau

Bereitet man sich nun Pufferlösungen von bestimmter Wasserstoffzahl und setzt einen der Farbstoffe zu, dessen Umschlagspunkt in den Bereich des gewünschten WerteB fällt, so erhält man einen bestimmten Farbton. Man bereitet sich so eine Farbenskala. Andererseits kann man durch Zusatz desselben Farbstoffes zu der zu untersuchenden Lösung eine Färbung erzeugen. Durch Vergleich der Lösung mit den gefärbten Puffergemischen ergibt sich der Wert für die Wasserstoffzahl der untersuchten Flüssigkeit. Umgekehrt kann durch dieses Vergleichsverfahren jederzeit eine Lösung auf eine bestimmte Wasserstoffzahl gebracht werden. Diese Methode läßt sich auch bei gefärbten Flüssigkeiten anwenden, wenn durch die Anwendung eines K o m p a r a t o r s die Eigenfarbe der Flüssig-

Achtes Kapitel. Die Wasserstoffionenkonzentration

117

keit ausgeglichen wird, indem hinter die gefärbte Pufferlösung eine Schicht der zu untersuchenden Flüssigkeit gebracht wird, so daß bei der Durchsicht sich die Eigenfarbe mit der Vergleichsfarbe addiert. Es wird dadurch dieselbe Farbnuance erzielt wie in der mit Indicator versetzten Untersuchungsflüssigkeit. Wenn auch diese colorimetrische pH-Bestimmung mit verschiedenen Fehlerquellen behaftet ist, so liefert sie doch für die meisten Fälle zureichende Werte. Nach neueren Anschauungen scheinen Ionen die Fähigkeit zu haben, die sie umgebenden Wassermoleküle anzuziehen, also sich sozusagen mit Wasserhüllen zu umgeben. Man nennt dies H y d r a t a t i o n . Man leitet sie aus der geringen Beweglichkeit der Ionen in einer wäßrigen Salzlösung ab. Je stärker die Hydratation, desto geringer ist die Beweglichkeit. Sie schwankt sehr stark bei verschiedenen Ionen. So bindet z. B. ein H-Ion ein Molekül Wasser, K bindet vier, Na acht, Ca zehn usw. Die verschiedenartige Wirkung der Ionen im Lebensprozesse, die sich in den sog. I o n e n r e i h e n von H o f m e i s t e r ausprägt, sowie der sog. I o n e n a n t a g o n i s m u s zwischen K und Na ist wahrscheinlich auf diese verschiedenartige Hydratation zurückzuführen. Man kann nach dem Gesagten demnach das H-Ion als H+ + HaO = H30+ H y d r o x o n i u m i o n bezeichnen und alles Gesagte gilt also eigentlich nur für das Hydroxoniumion, nicht für das H-Ion. Dies hat aber zunächst für die hier behandelten Probleme nur rein theoretische Bedeutung. Löst man eine Säure, wie z. B. die Benzoesäure, C6H5COOH, einmal in Wasser, das andere Mal in Benzol, so wird die Wirkung der verschiedenen Lösungsmittel auf die sog. hydrophile Carboxylgrappe und die sog. lipophile Phenylgruppe antagonistisch sein. 1. In Wasser ist die Säure zu Doppel- oder Polymolekülen assoziiert : H20 / HjO x HOOC—^ H,0 H20 HJO

2. In Benzol ebenfalls: C6H, y / C.He C.H,

.

COOH

C6H, C,H,

"°« , h .

118

II. Teil

8. In Alkohol dagegen, der selbst hydro- und lipophile Gruppen enthält, in Form von Einzelmolekülen: HO—CjH5 HO—C2H5

/ —COOH

HO—C,H5 HO—C2H5

Das Wasser bzw. das Phenol kann in den beiden ersten Fällen nicht die sog. „Molkohäsion" der Carboxyl- bzw. Phenylgruppen überwinden.

Die Wasserstoffzahl der Körperflüssigkeiten Die meisten Flüssigkeiten des Körpers sind annähernd neutral. Nur Magensaft zeichnet sich durch seine stark saure Reaktion aus. Auch finden in den meisten Körperflüssigkeiten nur geringe Schwankungen der Reaktion statt, was durch die gelösten Puffersubstanzen erklärt wird. Für die wichtigsten fand man die folgenden Werte: PH Blut und Serum . . . 7,36 Harn 5—7 Magensaft 1,77 Darmsaft 8,00 Speichel 6,9 Milch 6,5—6,9

Die Pufferung des Blutes wird in erster Linie durch die anwesenden Carbonate und Kohlendioxyd herbeigeführt. In zweiter Linie finden sich primäres und sekundäres Phosphat und endlich an dritter Stelle puffern die Eiweißkörper, welche darin gelöst sind. Es findet sich ungefähr zehnmal mehr Carbonat als Phosphat im Blute, daher ist die erstere von viel größerer Bedeutung. Auch das Oxyhämoglobin wirkt als schwache Säure und puffert. Die Pufferung des Blutes gegen sauer ist viel stärker als gegen alkalisch. Die Eiweißkörper, die in Form von Proteinsalzen im Organismus auftreten, wirken, wie gesagt, ebenfalls kräftig puffernd. Bildet sich durch die Muskeltätigkeit viel Milchsäure, so wird dadurch die Pufferung stark in Anspruch genommen. Wird beim Diabetes viel /9-Oxybuttersäure gebildet, so gilt auch dafür das gleiche. Die „ A l k a l i r e s e r v e " des Blutes hat abgenommen. Man spricht von Acidose. Dabei muß die aktuelle Reaktion des Blutes noch nicht verschoben sein. Normales Blut kann etwa 50 Volumprozent C0 2 binden. Bei Acidosis kann das Blut bei Sättigung mit C0 2 manchmal nur 10—20°/o des Gases binden. Im sog. „Coma" kann aber der pH-Wert des Blutes durch Überbeanspruchung der Pufferung bis 7,0 sinken. Diese inkompensierte Acidosis kann tödlich wirken. Die Kohlensäure und Carbonate kommen hauptsächlich als C0 2 und NaHCOj vor; die Menge an H 2 C0 3 dürfte gering sein.

Neuntes Kapitel. Die Ampholyte

119

Dies wird durch die Wirkung eines Enzyms, das im Blute vorkommt, erklärt. Es katalysiert sowohl die Hydratbildung des Kohlendioxyds, als auch den Zerfall der Kohlensäure in Wasser und C0 2 . Es wird daher K o h l e n s ä u r e - A n h y d r a s e genannt. (Meldrum, R o u g h t o n , S t a d i e , O ' B r i e n . ) Es findet sich im Blute (Plasma und Erythrocyten) und scheint ein „Häminferment" (s. d.) zu sein. Es spielt wahrscheinlich bei der Abgabe der Kohlensäure eine unterstützende Rolle. Der Harn ist immer schwach sauer. Er enthält Phosphate als Puffer. Der Harn der Pflanzenfresser ist schwach alkalisch. Besonders sei noch auf die stark saure Beaktion des Magensaftes hingewiesen, welche durch die Salzsäureproduktion bedingt ist. Über die Bedeutung der Wasserstoffzahl für die Wirkung der Fermente wird in dem entsprechenden Kapitel hingewiesen.

Neuntes Kapitel

Die Ampholyte Einfache Ampholyte In einer Aminosäure ist eine basisch wirkende Aminogruppe und eine saure Carboxylgruppe enthalten. Derartige Verbindungen können daher entweder als Base oder als Säure reagieren. Man bezeichnet alle Verbindungen, welche sowohl die Natur von Basen als auch von Säuren besitzen, als a m p h o t e r e E l e k t r o l y t e oder abgekürzt als A m p h o l y t e . Auch einfache anorganische Verbindungen können die Natur amphoterer Elektrolyte besitzen, so z. B. das Zinkhydroxyd, das Bleihydroxyd u. a. Beim Fällen einer Bleisalz- oder Zinksalzlösung mit schwacher Lauge fällt das Alkali zunächst die Hydroxyde aus. Bei weiterem Zusatz von Lauge lösen sie sich aber wieder auf und bilden Plumbite oder Zinkate, d. h. also bei Überschuß von Alkali verhalten sich die Hydroxyde wie Säuren. Löst man eine Aminosäure in konz. Natronlauge, so findet sich in der Lösung das Natriumsalz der Aminosäure. Löst man sie jedoch in konz. Salzsäure, so befindet sich in der Lösung das Chlorhydrat der Aminosäure: R

R

R •2

¿OOH freie Aminosäure

COONa Na-Salz

| \C1 COOH Chlorhydrat

120

II. Teil

Die Erklärung dieses Verhaltens ist durch die Dissoziationsverhältnisse in den verschiedenen Lösungen zu verstehen. Die Aminogruppe der Aminosäure kann auch als Ammoniumsalz geschrieben werden, wenn die Verbindung sich in Lösung befindet: R I H—C—K=H3 | \OH COOH Es sei nun zunächst der Einfachheit halber angenommen, daß Hydroxyl- und Wasserstoff in gleichem Maße abdissoziieren. Die wäßrige Lösung der Verbindung wird dann absolut n e u t r a l reagieren. Fügt man nun zur wäßrigen Lösung s t a r k e s Alkali zu, so wird dadurch die Dissoziation der Aminogruppe z u r ü c k g e d r ä n g t . Es wird demnach in alkalischer Lösung die Verbindung sich wie eine Säure verhalten. Das Umgekehrte tritt in s t a r k saurer Lösung ein, indem dadurch die Dissoziation der Carboxylgruppe zurückgedrängt wird. Sie verhält sich in saurer Lösung wie eine Base: \ +

i—NH.-OH - < = > . H+ , HC—im, COO

Dissoziation in alkalischer Lösung

Iii—NH3

OH" .

jooh

Dissoziation in saurer Lösung

Läßt man durch die Lösung der Aminosäure in Alkali, bei welcher die Aminosäure also als negatives Ion vorhanden ist, den elektrischen Strom gehen, so wandert die Aminosäure zur A n o d e (siehe S. 128). In saurer Lösung ist die Aminosäure als positives Ion vorhanden, sie wird beim Stromdurchgang also zur K a t h o d e wandern. Es können nun die folgenden drei Fälle eintreten: 1. Die Säure- und Basennatur des Ampholyten seien gleichmäßig stark ausgeprägt. Seine wäßrige Lösung reagiert daher n e u t r a l . Beim Durchgang des elektrischen Stromes werden daher gleichviel Aminosäureionen an beide Pole wandern. 2. Die Säurenatur sei stärker. Die wäßrige Lösung wird also mehr H-Ionen abdissoziieren und reagiert daher sauer. Beim Durchgang des elektrischen Stromes werden die Ionen der Aminosäure anodisch wandern. 8. Die Basennatur sei die überwiegende. Die Lösung reagiert a l k a lisch. Bei der Elektrolyse wandert das Aminosäureion daher k a t h o d i s c h . Setzt man nun aber der (Fall 2) als Säure wirkenden Aminosäurelösung so viel s t a r k e Säure zu, daß man die Dissoziation ihrer Carboxylgruppe zurückdrängt, so wird sich dann die Verbindung in der angesäuerten

Neuntes Kapitel. Die Ampholyte

121

Lösung wie ein neutraler Körper verhalten und nun beim Durchgang des Stromes ebenfalls sowohl anodisch als kathodisch wandern. In gleicher Weise kann man bei der im Fall 8 basisch wirkenden Aminosäurelösung so viel Lauge zusetzen, daß dadurch die Dissoziation der Aminogruppe ebenfalls wieder so weit zurückgedrängt wird, daß sich die Verbindung ebenfalls als neutraler Körper verhält und bei der Elektrolyse auch anodisch und kathodisch wandert. Man bezeichnet nun die W a s s e r s t o f f i o n e n k o n z e n t r a t i o n , bei welcher in der Lösung eines a m p h o t e r e n E l e k t r o l y t e n gleich viel Anionen wie Kationen des Ampholyten v o r h a n d e n sind, bei der also der Ampholyt sowohl anodisch wie kathodisch w a n d e r t , als den „isoelektrischen P u n k t " (I. P. nach Hardy). Für die vorhin angeführten drei Fälle der Aminosäure ergibt sich demnach: Die Lösung reagiert neutral sauer basisch

Der isoelektrische Punkt liegt beim Neutralpunkt, bei saurer Reaktion, bei alkalischer Reaktion

Die Lösungen der Ampholyte sind in der Nähe des isoelektrischen Punktes am geringsten dissoziiert und neigen daher bei dieser Reaktion zum Auskrystallisieren. Eiweißkörper Im Eiweißmolekül finden sich so wie bei den einfachen Aminosäuren freie Carboxyl- und Aminogruppen, welche allerdings in ihrer Zahl je nach der Eiweißart stark variieren können. So wie nun die beiden gegenpoligen Gruppen in den Aminosäuren die Ampholytnatur dieser bedingen, ebenso erteilen Amino- und Carboxylgruppen den Proteinen den Charakter amphoterer Elektrolyte. Es muß daher auch für jede Eiweißart einen eigenen isoelektrischen Punkt geben, bei dem die Proteinionen sowohl anodisch als kathodisch wandern. Der Unterschied zwischen den Lösungen einer Aminosäure und eines Proteins ist der, daß das Protein kolloiddispers, die Aminosäure molekulardispers gelöst sind. Nach P a u l i ist ein gelöstes Kolloidteilchen in Assoziation mit Wassermolekülen getreten. Dieser Vorgang heißt die H y d r a t a t i o n . Beim isoelektrischen Punkt ist nun diese Hydratation am geringsten, d. h. die Kolloidteilchen haben geringe Anziehung an die umgebenden Wassermoleküle und daher ist die Stabilität der Lösung am geringsten. Sie fallen daher bei diesem Punkte aus oder sind zumindest am leichtesten auszufällen.

II. Teil

122

Der i s o e l e k t r i s c h e P u n k t ist also die für die F l o c k u n g optimale Wasserstoffionenkonzentration. Ist die Hydratation noch genügend, um beim I. P. die Teilchen noch gerade in Lösung zu halten, so wirken doch bei dieser ßeaktion die eiweißfällenden Mittel am besten. Diese Eigentümlichkeit kann man auch benützen, um dadurch umgekehrt den I. P. zu bestimmen. Fällungen beim I. P. können bei der Reinigung vieler Substanzen eine große Bolle spielen. Zwischen anorganischen Kolloiden und Eiweißkörpern bestehen gewisse Ähnlichkeiten und Unterschiede: Keine Unterschiede bestehen bezüglich: Teilchengröße, Ladung amphoterer Natur. Unterschiede jedoch bestehen durch das Verhältnis zwischen unlöslichen und ionisierenden Molekülen. Anorganische Kolloide können dadurch in außerordentlich vielen Variationen auftreten, wie im Kapitel über Kolloide gezeigt wurde. Ganz anders verhalten sich Proteine. Sie sind durch ihre Bausteine und die Anordnung ihrer B a u s t e i n e charakterisiert. Von den in Serien vereinigten Aminosäuren ist nur eine oder sind nur wenige in ionogener F o r m vorhanden. Es liegt also in dieser konstitutionschemischen Variationsmöglichkeit die Grundlage der verschiedenen Organleistungen, der Artspezifität begründet. Die anderen Biokolloide wie die Stärke z. B. sind aus identischen Komplexen aufgebaut, und daher ist hier keine derartige Spezifität möglich. Elektrodialyse W. P a u l i , welcher diese Verhältnisse einer genauen Prüfung unterzog, verwendete für die Darstellung ganz reiner Proteinlösungen das Verfahren der Elektrodialyse. Die gewöhnliche Dialyse genügt nicht, um Proteine weitgehend zu reinigen. Es wird die zwischen zwei Membranen abgegrenzte Kolloidlösung unter Durchgang eines ganz schwachen Stromes gegen Wasser dialysiert. Auf diese Art hergestelltes ganz reines Albumin zeigt nun ganz besondere Eigenschaften. Das Albumin ist eine schwache Säure, d. h. die amphotere Substanz ist als Säure stärker dissoziiert. Protein- CH2

C < ? +H 2 0 R I CH,

>H

C Dehydrasesystem I >

Y * Alkohol zu Essigsäure oxydiert

Der bei der Dehydrierung abgegebene Wasserstoff dürfte demnach in der Weise abgespalten werden, daß er nicht d i r e k t mit dem S a u e r s t o f f S u p e r o x y d b i l d e t , sondern auf dem Weg über ein D e h y d r i e r u n g s e n z y m (welches sicher nicht immer ein Flavinferment sein muß). Etwa in der folgenden Weise: yS. (Ferment + H s ) I. Substrat^ + Dehydrase — > - oxydiertes Substrat + reduzierte Dehydrase \H (Flavin)

Elftes Kapitel. Die biologischen Oxydations- und Reduktionsvorgänge

175

2. (Ferment + H,) + 0 , (aus dem Hämin) >- H a 0 a + Dehvdrase 3. H 2 0 a wird durch Katalase zerlegt, die Dehydrase greift ein neues Substratmolekül an usw.

Diese Schemata vermitteln uns eine Vorstellung, wie die einzelnen Faktoren ineinandergreifen. Sie sind, wie gesagt, nur Schemata und es ist sogar wahrscheinlich, daß jenach der Zellart vielfache Variationen auftreten. Die feine Abstufung, die der Oxydationsmechanismus der Zellen zeigt, liegt höchstwahrscheinlich darin begründet, daß der Sauerstoff einmal von einem vor- oder nachgeschalteten Katalysator auf das Substrat übertragen werden kann. In diesem Sinne bietet die Vereinigung der beiden Theorien eine befriedigende Erklärung für die beobachteten Tatsachen. Die Natur der sog. Cofermente und Zwischenfermente muß hier noch gekennzeichnet werden. Durch die Untersuchungen von E u l e r , W a r b u r g und deren Mitarbeitern konnten aus Hefe, Erythrocyten und anderem biologischen Material zwei Cofermente isoliert werden (s. Kap. Gärung S. 205). Auf Grund von spektroskopischen Untersuchungen ergab sich, daß in beiden eine dem P y r i d i n verwandte Gruppe enthalten sein muß. Dies führte zur präparativen Darstellung dieser Stoffe. Das eine ist ein D i p h o s p h o p y r i d i n n u c l e o t i d und wird auch als Cozymase oder Codehydrase I bezeichnet, das andere ist ein T r i p h o s p h o p y r i d i n nucleotid und wird als Coferment oder Codehydrase II bezeichnet. Die Pyridingruppe erwies sich als das N i c o t i n s ä u r e a m i d :

Pyridin

N Nicotinsäure

N Nicotinsäureamid H V — ?

•N C N H

*

Adenin

Ribose

II. Teil

176

Der Aufbau, der durch diese Formel wiedergegeben ist, ist von der E u l e r sehen Schule ergründet worden. Die Atomgruppierung, welche die Cozymase zur Wasserstoffübertragung befähigt, befindet sich, wie aus den Modellversuchen von K a r r er hervorging, im Nicotinsäureamid-Ribosid und zwar ist sie durch den fünfwertigen Eingstickstoff bedingt. Nicotinsäureamid besitzt selbst keine wasserstoffübertragende Wirkung. Die Wirkungsgruppe des Pyridinfermentes überträgt demnach den Wasserstoff in der folgenden Weise: CO-NH,

CO-NH.

+ H, H.

N Pyridin

N Dihydro-pyridin

Die Codehydrase I I endlich scheint ein Phosphorderivat der Codehydrase I zu sein und ist wahrscheinlich in der folgenden Weise aufgebaut : Nicotinsäureamid—Ribose—Phosphorsäurec s

\ Phosphorsäure

-Ribose—Phosphorsäure /

Adenin-

E u l e r konnte auch zeigen, daß beide Codehydrasen enzymatisch ineinander verwandelt werden können. Die sog. „Zwischenfermente" sind Proteine, die aus Hefe und Erythrocyten darstellbar sind. Wenn sich diese Proteine mit den genannten Nucleotiden vereinigen, entstehen O x y d a t i o n s k a t a l y s a t o r e n . Die Wirkung des Pyridinfermentes liegt nun zwischen der des gelben Fermentes und dem Substrat. Das Flavinferment wird entweder direkt oder auf dem Wege über das Häminsystem dehydriert, wie es vorhin beschrieben wurde, und nun greift das Pyridinferment in der folgenden Weise ein: IT

1. Flavinenzym• Cytochrome

> Diaphorase —>- Pyridin —>- Substrat (Cozymase)

Die Entdeckung der Diaphorase zeigt also, daß die Oxydation verschiedene Wege laufen kann. In diesem Sinne ist es auch sehr bemerkens-

Elftes Kapitel. Die biologischen Oxydations- und Reduktionsvorgänge

179

•wert, daß speziell die Cytochrome a und b, nicht aber die c-Komponente mit Diaphorase reagieren, im Gegensatz zum Flavinferment. Die Diaphorase ist unlöslich, während die genannten Flavinfermente löslich sind. Die n i c h t e n z y m a t i s c h e n H i l f s s y s t e m e der O x y d o r e d u k t i o n Außer den Fermenten der Oxydation finden sich in den Zellen verschiedenartige Stoffe, die sich durch besonders leichte Oxydationsoder Eeduktionsfähigbeit auszeichnen. Wir müssen der Funktion einer Anzahl von Vitaminen und Hormonen wahrscheinlich auch eine derartige Eigenschaft zuschreiben und annehmen, daß sie an verschiedenen, noch unbekannten Stellen des Auf- und Abbaues in diesem Sinne eingreifen. Adrenalin, Thyroxin, Vitamin C und B x sind hier in erster Linie zu nennen. Es ist auch möglich, daß diese Stoffe ebenfalls eine Cofermentnatur haben, indem sie im Verein mit Trägerproteinen wirken. Darüber ist noch nichts bekannt. Bezüglich des Adrenalins konnte E d l b a c h e r und unabhängig von diesem B l i x zeigen, daß das Adrenalin die oxydative Desaminierung von Glykokoll in spezifischer Weise zu katalysieren vermag. Ersterer hat als erster darauf hingewiesen, daß dabei der Brenzcatechinrest des Adrenalins in ein Orthochinon übergeht. (Solche Chinone wurden auch ©-Stoffe genannt.) Dieses Chinon wirkt dann als Katalysator. Man kennt noch verschiedene ähnliche Chinonoxydationen. Wie weit ihnen biologische Realität zuzubilligen ist, ist noch abzuwarten. (Siehe unten bei Adenochrom). Daß Thyroxin die Oxydationen steigert, ist ebenfalls bekannt (über die beiden Vitamine G u. B 2 s. S. 324, 817). Neben dem C-Vitamin der Ascorbinsäure findet sich in fast allen Zellen noch das Tripeptid G l u t a t h i o n (Glutaminylcysteinylglycin). Indem die Sulfhydrylgruppe in die Disulfidgruppe übergehen kann (und umgekehrt) ist Glutathion befähigt, Wasserstoffatome zu übertragen: —SH -SH ^

S— ¿_

Ascorbinsäure und Glutathion kommen nun beide in relativ hohen Konzentrationen in der Zelle vor. Man kann sich ihre Wirkung so vorstellen, daß sie bei einem Überangebot von Oxydantien regulierend in diese Vorgänge eingreifen. Eine ganz ähnliche Bolle als Regulatoren der Oxydation üben vielleicht auch a-Amino-/?-ketosäuren aus. K n o o p und seine Mitarbeiter konnten zeigen, daß z. B. die a-Amino-/S-ketobuttersäure einer der am stärksten reduzierend wirkenden Stoffe ist. Da diese /S-Ketosäuren durch Abbau der /3-Oxyaminosäuren entstehen, die selbst wieder als lebenswichtige Aminosäuren bekannt sind, kann damit auf die allgemeine Bedeutung ihres Vorkommens geschlossen 12*

II. Teü

180

werden. S z e n t - G y ö r g y i konnte in der Muskulatur ein ähnliches Hilfssystem feststellen. In der Muskulatur des Warmblüters findet sich immer etwas F u m a r s ä u r e , und diese kann auf enzymatischem Wege zu Oxalessigsäure oxydiert werden. Die entstandene Oxalessigsäure kann andererseits wieder als H-Acceptor bei der Oxydation der Nährstoffe dienen. Dabei geht die Oxalessigsäure auf dem Umwege über die Apfelsäure wieder in Fumarsäure über: 02 (Häminsystem)

COOH COOH i i „ CH «yd»rt CH2 CH CO ¿OOH COOH Fumarsäure Oxalessigsäure X reduziert

\

- H,o\^

aUB

I Nährstoffen durch \ Dehydrasen * abgespalten

i

COOH CH, CH OH COOH

Apfel3äUre

Bei der Besprechung des Abbaues der Kohlehydrate (S. 221) werden noch andere ähnliche Möglichkeiten erörtert, wie z. B. das Auftreten der Bernsteinsäure, sowie über die biologische Bedeutung der Citronensäure. Endlich muß noch erwähnt werden, daß aus einer Anzahl von Bakterien und einigen höheren Pflanzen chinoide Farbstoffe isoliert wurden, welche wahrscheinlich Oxydoreduktionen vermitteln. So das P y o c y a n i n , das P h t y o c o l u . a . m . Auch das Adrenalin (S. 201) kann durch seinen Übergang in A d e n o c h r o m ein Chinon bilden, wodurch die durch Adrenalin bewirkte katalytische Steigerung der Gewebsatmung erklärt würde. O H ^ AV o=r ^ c—oh a 5H3 Ai Adenochrom

ch 3 Pyocyanin

Der biologische Sinn aller dieser Teilvorgänge wird in vielen Fällen eben darin zu suchen sein, daß Systeme bestehen, welche die R e a k t i o n s b e r e i t s c h a f t der Zelle gewährleisten. Durch die mit den Dehydrierungen einhergehenden Reduktionen werden Energiespeicher

Elftes Kapitel. Die biologischen Oxydations- und Reduktionsvorgänge. 181

angelegt. Die Reduktionsvorgänge sind Prozesse, die der Zelle einen Vorrat von z e r f a l l s b e r e i t e n S u b s t a n z e n schaffen, vergleichbar mit der Aufladung eines Akkumulators. Erfolgt nun durch einen Reiz ein Auslösungsvorgang, der in einer Enzymaktivierung bestehen kann, so wird durch den Abbau der zerfallsbereiten Metabolite die Zelle zu einer plötzlichen hohen Arbeitsleistung befähigt. Die Schaffung solcher labiler Substanzen mit dem hohen Energiepotential wird durch die Koppelung von Oxydation und Reduktion erreicht. Die Hauptenergie wird immer durch die Oxydation von W a s s e r s t o f f zu Wasser erreicht. Die Oxydation des Kohlenstoffes erfolgt indirekt durch Einlagerung von Wasser in die Nährsubstrate (s. oben S. 198). Faßt man dies alles zu einem gemeinsamen Bilde zusammen, so kann der ganze Vorgang der Verarbeitung der Nährsubstrate durch das folgende Schema umfaßt werden: Os (Hämoglobin) «MM mWWMMMMMMMIMMMMWMI

Häminsystem (Fe11 Fe111) Erste Substratdehydrierungen — Dehydrasen Bildung labiler Metabolite

Bildung von: 1. HjO, Knallgasreaktion (vorher *) Dehydrierung Reduktion H202) Zweite Substratdehydrierungen 2. DecarboxylieStufe der dehydrierten unstabilenrungen liefern C02 Metabolite 3. Andere Endprod. *) fortgehende Reduktion wie: Harnstoff, I Dehydrierung Harnsäure usw. Mehrfache Wiederholung der Dehydrierung Ausbildung der körpereigenen Oxydoreduktionssysteme usw. Allmähliche Verkürzung der C-Ketten A

Hormon- und ^ Vitamin >katalysen

r

*) Jedesmal Bildung von „freier Energie".

Kettenreaktionen Die Häminkatalysen sind höchst wirkungsvoll; Messungen zeigten, daß z. B. 1 Mol Peroxydase oder Katalase in 1 Sekunde etwa 100000 Mol H202umsetzen kann, während 1 Mol gewöhnliches Hämin nur etwa 0,01 Mol H202 umsetzt. Die Tatsache, daß so ungemein kleine Enzymmengen solche eminente Wirkungen entfalten, macht es zur Bedingung, ungemein große Reaktionsgeschwindigkeit anzunehmen. Aus dieser Erwägung wurde von H a b e r und W i l l s t ä t t e r auf derartige Katalysen die Theorie der K e t t e n r e a k t i o n e n angewendet:

II. Teil

182

Es wird angenommen, daß nur die E i n l e i t u n g der Reaktion enzymatisch ist, daß dann die durch das Enzym angeregten Moleküle selbständig weiter reagieren, bis durch Zufall die „Kette" abbricht. Als Beispiel soll die Oxydation: Aldehyd zu Carbonsäure hier angeführt werden: 1. CH s -CHO + Enzym (Aldehyd)

>- CH3CO + (freies Radikal)

hydriertes Enzym (schaltet aus)

2. CHj-CO + CHs-CHO + Oa + H20 —>- 2CH3-COOH freies Radikal

3.

OH freies Radikal

Aldehyd

+CH3-CHO —*Aldehyd

(2 Essigsäure)

CHj-CO

+ OH freies Radikal

+ H20

freies Radikal

Nun reagiert das Eadikal wieder nach Gleichung 2. Wenn sich aber nun z. B. Radikal CH3-CO und OH treffen, so bilden sie C H 3 C < ^ Q J J , d.h., die Kette bricht ab. Ebenso bricht sie ab, wenn zwei OH-Radikale sich treffen, denn dann entsteht H 2 0 und 0. Es hängt also von W a h r s c h e i n l i c h k e i t ab, wie lang die Reaktionskette wird. können bei manchen Reaktionen einige Millimeter Länge erreichen. derartige Kettenreaktionen tatsächlich biologische Bedeutung haben in welchen Fällen, ist noch ganz unsicher.

der Sie Ob und

III. Teil

Der Stoffwechsel

Z w ö l f t e s Kapitel

Der FettstoffVedisel Die Verdauung der Fette Die Fette zeichnen ßich durch ihren hohen Energiegehalt aus und bilden daher eine wichtige Gruppe von Nahrungsstoffen. Während nun die Kohlehydrate schon durch die Fermente des Speichels einer Zersetzung anheimfallen, hat dieser auf die Fette keinen Einfluß. Die Spaltung UDd Verdauung setzt erst im Magen ein. Wie schon im Kapitel über Fermente gesagt wurde, bildet die Magenschleimhaut ein fettspaltendes Ferment, eine L i p a s e , welche bei saurer Reaktion hydrolytisch auf die Fette wirkt. Dadurch bilden sich f r e i e F e t t s ä u r e n und Glycerin. Es findet nach Verabreichung von viel Fett auch ein Zurückwandern von Darmsaft in den Magen statt, so daß auch auf diese Weise Lipase in den Magen gelangt. Die Lipase des Magens wirkt bei saurer Reaktion (siehe Fermente). Das P a n k r e a s sezerniert mit seinem Sekret ebenfalls Lipase in das Darmlumen. Diese Lipase wirkt nun bei alkalischer Reaktion optimal. W i l l s t ä t t e r konnte aber zeigen, daß die beiden Fermente identisch sind und daß die verschiedenen Reaktionsoptima nur durch die Koads o r b e n t i e n bedingt sind. Es ist deshalb wohl berechtigt, die Bezeichnung „ S t e a p s i n " für das fettspaltende Ferment des Magens fallen zu lassen. Die Lipase ist n i c h t spezifisch auf eine einzelne Fettart eingestellt. Sie wird in ihrer Wirkung durch verschiedene Stoffe, insbesondere durch die Salze der G a l l e n s ä u r e n , aktiviert. Es bilden sich dabei sog. „gekoppelte Adsorbentien" über die bei der Besprechung der Fermente schon das wichtigste gesagt wurde. Da die Fette Ester der Fettsäuren mit Glycerin sind, sind die Lipasen als „Esterasen" zu bezeichnen. Außer im Pankreas wird auch noch in der Dünndarmschleimhaut Lipase produziert. Es ist zunächst die Frage zu beantworten, ob für

184

III. Teil

die Aufnahme der Fette durch die Darmwand eine Spaltung des Fettes notwendig ist oder ob auch ungespaltenes Fett z. B. in Form von feinfen Emulsionen resorbiert werden kann. Emulsionierung von Fetten wird durch die Gegenwart von Seifen (also fettsaurem Alkali) gefördert. Seifen sind in geringen Mengen immer im Darmkanal vorhanden. Auch findet man nach der Verfütterung von Fett dieses in Form von feinsten Emulsionen in den Chylusgefäßen und in den Darmepithelzellen. Durch die Untersuchungen von P f l ü g e r wurde diese Frage weitgehend geklärt. Stellt man Emulsionen von P a r a f f i n ö l her, welches also nur aus Kohlenwasserstoffen besteht, so wird davon nichts resorbiert. Das L a n o l i n ist ein tierisches Fett, welches sehr gut emulgierbar, aber nur schwer verseifbar ist und, wie der Versuch zeigt, auch nicht resorbiert werden kann. Verfüttert man nach 0 . F r a n k an Stelle von Fett (Glycerinester) Mischungen von den Ä t h y l e s t e r n der Fettsäuren, so findet wohl Resorption statt, aber das in den Chylusgefäßen auftretende Fett besteht nun aus Triglyceriden, so daß eine Spaltung der Äthylester und nachherige Resynthese angenommen werden muß. In ähnlicher Richtung läuft auch der folgende Versuch: Werden an einem Hund nur die freien Fettsäuren oder ihre Alkalisalze (Seifen) verfüttert, so kann man einen Ansatz von Fett erzielen. Das zur Fettsynthese nötige Glycerin wird in diesem Fall vom Organismus geliefert. Aus den über den Kohlehydratstoffwechsel mitgeteilten Tatsachen geht auch hervor, daß die Bildung von Glycerin im Tierkörper leicht möglich ist. Die durch die Seifen im Darmkanal herbeigeführte Emulgierung bewirkt eine ungemein starke Vergrößerung der Oberfläche der Fetttröpfchen, so daß sie dadurch für die Lipasen leichter angreifbar werden. Die Gegenwart von gallensauren Salzen wirkt neben der Fermentaktivierung auch noch lösungsfördernd für die Fettsäuren. Auch sind die in den Darmzellen auftretenden Fetttröpfchen immer nur auf der dem Darmlumen abgekehrten Seite zu sehen. Faßt man alle diese Tatsachen zusammen, so ergibt sich die Schlußfolgerung, d a ß die F e t t e z u n ä c h s t im M a g e n d a r m k a n a l vollk o m m e n g e s p a l t e n w e r d e n , u m d a n n in F o r m von Glycerin u n d F e t t s ä u r e n r e s o r b i e r t zu werden. In der D a r m w a n d f i n d e t d a n n eine N e u s y n t h e s e v o n F e t t e n s t a t t . Nach V e r z ä r werden die Fettsäuren in Form von Phosphatiden resorbiert. Bei der Resorption scheint das Nebennierenrindenhormon eine wichtige Rolle zu spielen, denn die Entfernung der Nebennieren

Zwölftes Kapitel. Der Fettstoffwechsel

185

hemmt die Fettresorption ebenso wie die selektive Glucose Resorption. Verabreichung von Nebennierenrindenhormon stellt sie aber wieder vollständig her. Die Resorption der Fette verläuft möglicherweise so, daß zuerst Phosphatide gebildet werden (s. darüber den nächsten Abschnitt).

Abtransport und Deponierung Die Resorption erfolgt durch die Darmwand. Die Hauptmenge des Fettes wandert durch die Lymphe, welche während der "Verdauung bis 10°/o Fett enthalten kann. Ein kleiner Teil wird allerdings auch durch das Blut abtransportiert, in dem man die Fetttröpfchen auch ultramikroskopisch nachweisen kann. Daß nicht alles Fett im Chylus abtransportiert wird, kann dadurch gezeigt werden, daß es nicht gelingt, aus dem Chylus allein alles resorbierte Fett zurückzugewinnen und daß außerdem das Abbinden der Chyluswege eines Darmsektors nicht zur gänzlichen Sistierung der Fettresorption führt. Jedenfalls ist aber der Abtransport durch die Lymphbahnen der bei weitem bedeutungsvollere Weg. Die D e p o n i e r u n g des F e t t e s i s t in zweifacher Weise möglich: 1. Als Reservestoff im Fettgewebe. 2. Als Zellfett in allen lebensfähigen Organzellen. In dieser Hinsicht besteht ein ausgeprägter Unterschied zwischen diesen beiden Formen des Vorkommens. Das in den einzelnen Körperzellen als Zellbaustein vorkommende Fett hat eine für jede Tierart und Organart typische Zusammensetzung, welche von der Ernährungsweise unabhängig ist. Im Gegensatz dazu ist das im Fettgewebe als Reservestoff abgelagerte Fett durch einseitige Ernährungsweise in seiner Zusammensetzung weitgehend zu beeinflussen. Lebedeff fütterte Hunde mit Hammeltalg und mit Leinöl. Da Hammeltalg einen viel höheren Schmelzpunkt besitzt als Hundefett, ließ sich der Unterschied leicht feststellen. Ähnliche Versuche wurden von Münk und von R o s e n f e l d gemacht. Nach Verbitterung von viel Rüböl ließ sich aus dem Körperfett des Hundes dieErukasäure isolieren, welche nicht im normalen Hundefett vorkommt, wohl aber in dem verabreichten Rüböl. Auch der Hammeltalg ließ sich noch vier Wochen später nachweisen. Butter ist ein Fett mit einem hohen Gehalt an niedrigen Fettsäuren. Bei oraler Zufuhr werden aber fast nur die höheren Fettsäuren abgelagert, während die niedrigen abgebaut werden. Erfolgt aber die Verabreichung parenteral durch subcutane Einspritzung, so findet sich das Butterfett unverändert in der Bauchhaut als Reservestoff.

186

III. Teil

Ganz anders verhält sich nun das Fett, welches aus den Organzellen durch Extraktion gewonnen werden kann. Es zeigt vor allem einen größeren Gehalt an ungesättigten Fettsäuren. In diesem Fette sind auch P h o s p h a t i d e , wie Lecithin usw. enthalten. Bei Fütterung mit verschiedenartigsten Fetten bewahrt das Organfett oder Zellfett immer seine ursprüngliche Zusammensetzung. Im Protoplasma scheint das Fett in feindispergierter Form vorzukommen. Das als Nahrung zugeführte Fett wird im normalen Zustande nur in geringem Maße von der Leber gespeichert. Bei gewissen pathologischen Zuständen wie bei Diabetes, Tuberkulose, nach Vergiftung mit Alkohol, Phosphor u. a. findet aber eine Verfettung der Leber statt. Die Aufnahme des Fettes in der Leber ist von der Glykogenbildung abhängig. Lebern von depankreatisierten und phlorrhizinvergifteten Hunden können z. B. bis 40% ihres Trockengewichtes an Fett enthalten. Es besteht ein Antagonismus zwischen Fett und Glykogenablagerung in der Leber. Beziehung der F e t t e zu den P h o s p h a t i d e n Das Fettsäuregemisch der Glycerinphosphatide hat bei allen Wirbeltieren ganz ähnliche Zusammensetzung. Es ist gekennzeichnet durch den Grad der Sättigung der Fettsäuren. Typisch für die Phosphatide ist der Gehalt an h o c h u n g e s ä t t i g t e n Fettsäuren mit 20 und 22 C-Atomen. Der Grad der Ungesättigtheit nimmt mit steigender C-Zahl zu. Während bei den Säuren C14, C16 die gesättigten überwiegen, sind die Säuren C20 und C22 fast alle ungesättigt (Klenk). Im Depot f e t t der Warmblüter, insbesondere der Säuger, fehlen die Säuren C20 und C22 vollständig, dieses Fett enthält nur C14-, C16-, Cu-Säuren. Demnach hat das Warmblüterdepotfett gesättigten Charakter. Im Gegensatz dazu steht das Fett der Fische, das wie die GlycerinChosphatide sich durch das Vorwiegen der ungesättigten C20- und p22-Säuren kennzeichnet (Klenk). Diese Befunde stehen in Übereinstimmung mit der Annahme, daß zwischen dem D e p o t f e t t und den Zellphosphatiden ein Austausch der F e t t s ä u r e n besteht, auf welchen schon bei der Besprechung der Fettresorption hingewiesen wurde. Der Abbau der Fette Die Untersuchungen über dieses Problem wurden hauptsächlich mit zwei Methoden ausgeführt. Die eine Methode, welche in der Hauptsache von Knoop angewendet wurde, geht von der Beobachtung aus, daß

Zwölftes Kapitel. Der Fettstoffwechsel

187

Verbindungen, welche den Benzolkern enthalten, nur am aliphatischen Teil des Moleküls vom Organismus angegriffen werden. Man kann also dem Versuchstier derartige, gleichsam mit einem Index versehene Moleküle zur Verarbeitung verfüttern und dann den Harn nach ihren Spaltprodukten durchforschen. Es werden also körperfremde Substanzen dem Organismus verabreicht. Die andere Methode bietet den isolierten und künstlich durchströmten Organen gewisse Substanzen dar. Dieser Weg wurde hauptsächlich von Embden beschritten. Wenn Fett abgebaut wird, so kann man zunächst an eine Spaltung in Glycerin und Fettsäuren denken. Das Schicksal des Glycerins ist unbekannt. Bei der nahen Verwandtschaft dieses Alkohols mit den Spaltprodukten der Kohlehydrate ist es wahrscheinlich, daß es auf einem ähnlichen Wege wie diese zu C02 und H 2 0 abgebaut wird. Die F e t t s ä u r e n werden nun aber in einer höchst charakteristischen Weise stufenweise abgebaut. Bei Verfütterung von B e n z o e s ä u r e wird diese als H i p p u r s ä u r e mit Glykokoll gepaart wieder ausgeschieden: CeHs COOH

C,H, ^ ¿O NH CHj COOH Hippursäure

Wird die der Benzoesäure homologe Phenylessigsäure verfüttert, so wird sie ebenfalls als Glykokollverbindung wieder abgeschieden: C„H,

C,H5

CH2

v CH2

COOH

CO • NH • CH2 • COOH Phenacetursäure

Außer der Paarung mit Glykokoll ist also durch die Passage durch den Körper keine Änderung eingetreten. Ganz verschieden verhalten sich aber nun die phenylsubstituierten Säuren mit drei und mehr Kohlenstoffatomen in der Seitenkette: Phenylpropionsäure, Zimtsäure, Oxyphenylpropionsäure, sind alle Verbindungen mit drei C-Atomen in der Seitenkette. Sie liefern alle ein Endprodukt, die Benzoesäure. In ähnlicher Weise werden die entsprechenden Säuren mit 4 CAtomen abgebaut, indem sie alle in Phenylessigsäure übergehen. Die Säuren mit einer Seitenkette von 5 C-Atomen liefern aber wieder Benzoesäure usw.

III. Teil

188 C.H,

C.HS

CHj

COOH

C.H, CH

-II

CH

CH.

I

I

CO OH Phenylpropion-

ß ¿EL

—v

Benzoesäure (als Hippursäure)

C,Hä

c.h 5

COOH

¿H,

C,H5 —>- CH2

I

¿OOH

a ¿H 2

Phenylessigsäure

i

¿OOH Phenylpropionsäure

COOH Zimtsäure usw.

aCH2 COOH Phenylbutter-

CHj 1 1

CH,

c.h 5 —COOH Benzoesäure

|

/5CH2 aCH,

I

COOH Phenylvalerian-

Die erhaltenen Säuren wie Benzoesäure bzw. Phenylessigsäure finden sich in Form ihrer Glykokollverbindungen im Harn vor. Enthält die Seitenkette eine ungesättigte Bindung, eine Oxy- oder Ketongruppe, so beeinflußt diese Gruppe den Abbau nicht. Aus dem obigen Schema ist klar ersichtlich, daß der Abbau der Seitenkette von der Carboxylgruppe her in der Art erfolgt, daß immer je zwei Kohlenstoffatome abgespalten werden, daß also immer eine Spaltung zwischen a- und /3-C-Atom stattfindet. M a n b e z e i c h n e t d i e s e n v o n K n o o p e n t d e c k t e n A b b a u weg a l s d e n p a a r i g e n A b b a u o d e r a l s d a s G e s e t z d e r / S - O x y d a t i o n . Setzt man einen gesunden Menschen auf eine Kost mit sehr wenig Kohlehydrat, aber viel Fett, so finden sich dann in seinem Harn die Acetonkörper: CH3 CH3 CH. CH-OH

Ah2 ¿OOH /S-Oxybuttersäure

CO I ch 2

¿0 ¿h 3

¿OOH

Acetessigsäure

Aceton

Man kann vermuten, daß diese Verbindungen durch unvollständigen Abbau der Fettsäuren entstehen. E m b d e n konnte nun zeigen, daß bei

Zwölftes Kapitel. Der Fettstoffwechsel

189

der Durchströmung der Warmblüterleber gewisse Fettsäuren (und Aminosäuren) Aceton geben, andere wieder nicht. Es ergab sich nun, daß alle Fettsäuren mit gerader C-Atomzahl zur Bildung von Aceton führten und zwar war die Acetonbildung am höchsten bei den niedrigeren Gliedern der Reihe. Die Fettsäuren mit ungerader C-Atomzahl bewirkten kein Ansteigen der Acetonbildung. Da aber das Aceton durch Kohlendioxydabspaltung aus der Acetessigsäure entsteht, so hat man als Vorstufe der Acetonbildung die Acetessigsäure anzunehmen: CH3

OH,

¿0

CO

¿H,

= ^

+

¿H,

COO H Es lieferten also Aceton, bzw. keines: C-Atomzahl 4 5 6 7 8 9 10

Acetonbildung n-Buttersäure n-Valeriansäure n-Capronsäure n-Heptylsäure n-Octylsäure n-Nonylsäure n-Decansäure

+ + —

+ —

+

Anderseits ist es auffallend, daß die Fettsäuren des Milchfettes nur solche mit gerader C-Atomzahl sind. Verabreicht man dem diabetischen Organismus Natriumbutyrat (4 C-Atome), so findet eine vermehrte Acetonkörperausscheidung statt. Faßt man alle diese Tatsachen zusammen, so ergibt sich daraus wieder, daß bei der Oxydation der Fettsäuren eine Verkürzung um je zwei C-Atome der Kette stattfindet, welche dann schließlich zur B u t t e r s ä u r e führen muß. Im normalen Stoffwechsel wird auch diese vollkommen abgebaut. Bei H u n g e r und Diabetes werden die aus der Buttersäure entstandenen Acetonkörper vom Organismus nicht bewältigt und es kommt zur A c e t o n u r i e , zur Ausscheidung im Harn. Auch bei der Durchströmung der Leber mit den verschiedenen Fettsäuren kann die Endoxydation der Acetonkörper nicht stattfinden. Es sind diese angeführten Versuche also ein Beweis für das Gesetz der ^-Oxydation. Daß dieses Gesetz der Oxydation sich auch an rein

III. Teil

190

chemischen Modellversuchen zeigen läßt, wurde durch D a k i n erwiesen. Er konnte zeigen, daß durch Wasserstoffsuperoxyd aus Buttersäure und höheren Fettsäuren Oxydationsprodukte gebildet werden, deren Entstehen auf einer /S-Oxydation beruht. Da das Wasserstoffsuperoxyd auch im Organismus auftreten kann (siehe Oxydationen), gewinnt diese Entdeckung dadurch große Bedeutung. In den natürlichen Fetten kommen immer nur Fettsäuren mit gerader C-Atomzahl vor. Stellt man die geschilderten Fütterungsversuche und Durchströmungsversuche mit Fettsäuren von u n g e r a d e r C-Atomzahl an, so zeigt sich, wie schon erwähnt wurde, k e i n e Acetonkörperbildung. Diese Säuren werden jedenfalls auch durch Oxydation abgebaut, wobei es zur Bildung von Propionsäure kommen muß: 1 C

2 6 7 9 : 4 5 p8 P P P P C-COOH I CH3—CH2—COOH Propionsäure -- Blut (transportiert)

Muskel (Organzellen) (verbrannt)

Diese Grundtatsache läßt sich in verschiedenster Art demonstrieren. Untersucht man z. B. die Leber nach reichlicher Zufuhr von Kohlehydrat, so findet man sie reich an Glykogen. Läßt man die Versuchstiere starke Arbeit verrichten, so findet sich hier nur mehr ganz wenig Glykogen in Leber und Muskulatur.

Dreizehntes Kapitel. Der Kohlehydratstoffwec hael

199

Wie schon bei der Besprechung der Fermente erwähnt wurde, findet sich in der Leber eine Diaatase, welche diesen Abbau von Glykogen unter Aufnahme von Wasser zu Glucose durchführt. Dabei ist die eigentümliche Erscheinung hervorzuheben, daß der Blutzuckerspiegel weitgehend konstant bleibt. Wird intravenös Traubenzucker eingeführt, so stellt sich nach kürzester Zeit der normale Blutzuckergehalt wieder ein. Es handelt sich hier wahrscheinlich um einen Diffusionsvorgang, durch den der Zucker von den Geweben aufgenommen wird. Durch Verabreichung sehr großer Mengen von Zucker kann nun experimentell ein Zustand herbeigeführt werden, welcher zur Hyperglykämie führt, indem die Leber die zugeführten Zuckermengen nicht mehr bewältigen kann, da ihre Kapazität erreicht ist. Eine derartige a l i m e n t ä r e H y p e r g l y k ä m i e kennzeichnet sich dann dadurch, daß die Nieren, welche normalerweise keinen Zucker in den Harn gelangen lassen, mit einer Zuckerausscheidung beginnen. Es gelangt also Traubenzucker im Harn zur Ausscheidung. Dieses Phänomen heißt Glucosurie. R e g u l a t i o n des Z u c k e r s t o f f w e c h s e l s Aus dem bis jetzt besprochenen Tatsachenkomplex läßt sich bereits erkennen, daß der Kohlehydratstoffwechsel ein komplizierter Gleichgewichtszustand ist, der von einer Beihe von Faktoren weitgehend beeinflußt werden kann. Tatsächlich hat die Forsohung dann auch feststellen können, daß noch die folgenden Organfunktionen hier mitwirken: 1. Ein nervöses Zuckerzentrum. 2. Die innersekretorische Tätigkeit des Pankreas. 8. Die innersekretorische Tätigkeit der Nebennieren. 1. Die nervöse Begulation. Claude B e r n a r d konnte 1655 feststellen, daß im Zentralnervensystem ein Zuckerzentrum existiert. Sticht man einem Kaninchen in eine bestimmte Stelle der Medulla oblongata ein (sog. Piqûre), so beginnt das Tier nach wenigen Stunden im Harn Zucker auszuscheiden. Dieses Ausscheiden von Zucker hält so lange an, als noch genügend Glykogen in der Leber vorhanden ist. Dementsprechend ist der Zuckerstich beim glykogenarmen Tier auch wirkungslos. Daß es sich dabei tatsächlich um eine direkte Beeinflussung der Leber handelt, kann dadurch gezeigt werden, daß ein vorheriges Unterbinden aller die Leber betreffenden Blutgefäße die Piqûre wirkungslos macht. Die Erregung des Zuckerzentrums verläuft durch den Vagus, während die zentrifugale Bahn durch den N. splanchnicus führt. Der Zuckerstich hat zur Folge, daß die Leberamylase in vermehrter Menge Glykogen abbaut und daß

200

III. Teil

durch diese Aktivierung eine Hyperglykämie herbeigeführt wird, welche dann eben eine Glykosurie zur Folge hat. 2. Die regulierende Wirkung des Pankreas. Durch die grundlegenden Untersuchungen von Minkowski und Mering wurde der Einfluß des Pankreas auf den ZuckerstoffWechsel gezeigt. Totale oder annähernd totale Exstirpation führt zur Glucosurie („Pankreas-Diabetes"). Auch bei vollkommener Kohlehydratkarenz bleibt beim pankreaslosen Tier die Glucosurie bestehen. Porschbach konnte durch den Parabioseversuch zeigen, daß bei der Verbindung der Kreislaufsysteme zweier Hunde, von denen der eine entpankreatisiert war, der Stoffwechsel normal blieb. Nach der Trennung trat beim pankreaslosen Tier sofort Diabetes auf. Daraus wurde auf eine hormonale Wirkung des Pankreas geschlossen. Der direkte Beweis dafür wurde von B a n t i n g , Best und Mac Leod geliefert, indem sie Substanzen aus dem Pankreas isolieren konnten, welche in ihrer Wirkung derjenigen der Drüse auf den Zuckerstoffwechsel vollkommen gleichen. Man nimmt daher in den Drüsen die Bildung eines Hormons an, welchem man den Namen „ I n s u l i n " gegeben hat. Dieses Insulin soll von den Zellen der Langerhansschen Inseln gebildet werden. Extraktion der Drüse mit Alkohol und verschiedene Fällungen führen am Schluß zu einem weißen Pulver, welches das Hormon enthält. Eine Beindarstellung ist bis heute noch n i c h t gelungen. Die chemische Natur des Insulins ist nach F r e u d e n b e r g ein P r o t e i n (S. 298). Die Wirkung des Insulins bei Injektion ist zunächst eine hypoglykämische. Bei genügend starker Dosis treten nach einiger Zeit Krämpfe auf, die auch zum Tode führen können. Diese Erscheinungen können sofort rückgängig gemacht werden, wenn man dem mit Insulin behandelten Organismus viel Zucker per os oder noch besser parenteral verabreicht. Hypoglykämie tritt auch ein, wenn man pankreaslosen Tieren (die also diabetisch sind) oder dem diabetischen Menschen Insulin injiziert. Die Hauptwirkung des Pankreashormons Insulin scheint in einer Beschleunigung der gekoppelten Vorgänge der Glykogens y n t h e s e und Z u c k e r v e r b r e n n u n g zu bestehen. 8. Die regulierende Wirkung der Nebennieren. Die Nebennieren sind lebensnotwendige Organe. Ihre Exstirpation führt zum Tode. In den Nebennieren findet sich eine dem Insulin a n t a g o n i s t i s c h wirkende Substanz, ein Hormon, welches den Namen Adrenalin (Suprarenin) führt. Injiziert man etwas von dieser Substanz, so tritt Hyperglykämie und Glucosurie auf. Es handelt sich also zuerst um die der InsulinWirkung entgegengesetzte Erscheinung. Das Adrenalin, das in die Blutbahn sezerniert wird, wurde 1901 von

Dreizehntes Kapitel. Der Kohlehydratstoffwechsel

201

T a k a m i n e in chemisch reiner Form isoliert. Es wurde auch synthetisch dargestellt und ist das erste chemisch charakterisierte Hormon. Es ist krystallisiert erhalten worden. Adrenalin ist ein Derivat des Brenzcatechins: OH H

h0^ch>

SO

Brenz catechin

Adrenalin

Man kann das Adrenalin entweder vom Aminoäthylalkohol ableiten, OH I C—C—NH, " H,

k

oder von einer Aminosäure, nämlich von Tyrosin: NH, (2) Hol^J

H

i1)

Durch Decarboxylierung bei (1), Methylierung bei (2), Oxydation bei (3) und (4) kann aus dem Tyrosin Adrenalin entstehen. Es ist aber noch nicht gelungen, den Beweis für diese Bildungsart im Organismus zu erbringen. Die Synthese wurde durch S t o l z durchgeführt. Im Adrenalin findet sich ein asymmetrisches Kohlenstoffatom: H (HO)aC,H, • C*CH, • NHCHj

A H

Das synthetische Produkt, welches razemisch war, hat sich bezüglich verschiedener physiologischer Eigenschaften als viel schwächer wirksam erwiesen. Adrenalin wirkt auch erhöhend auf den Blutdruck (siehe die Lehre von der inneren Sekretion). Die blutzuckererhöhende Wirkung der Nebennieren, welche also durch die Adrenalinproduktion bewirkt wird, unterliegt der nervösen ßegulation: Der Zuckerstich verursacht eine erhöhte Adrenalinproduktion. Exstirpation der Nebennieren bewirkt ein Absinken des Blutzuckers. Zu diesen drei Hauptregulationssystemen: Zuckerzentrum, Insulinund Adrenalinproduktion kommt noch die Niere. Es scheint, daß durch gewisse Gifte die Niere besonders für Zucker durchlässig gemacht wird. Ein derartiges Gift ist das pflanzliche Glucosid P h l o r r h i z i n .

202

III. Teil

Nach seiner Injektion tritt ebenfalls Glucosurie auf und man schreibt diese Wirkung einer Beeinflussung der Niere zu. Doch ist diese Frage noch durchaus nicht eindeutig entschieden. Auf jeden Fall wirken beim Abbau und der Verwertung der Kohlehydrate also eine ganze Reihe von Organen zusammen. Der Abbau der Kohlehydrate Die Glykogenolyse Soweit der in die Zelle eingedrungene Zucker nicht direkt abgebaut wird, wird er als Glykogen gespeichert. Der Abbau des Glykogens erfolgt nun, wie schon mehrmals erwähnt wurde, durch die Amylase (Diastase) und Maltase. Diesen Vorgang bezeichnet man als Glykogenolyse. Es bildet sich schließlich Traubenzucker. Die Leber kann bis 18% Glykogen aufnehmen, während im Muskel nur 20—30%o vorkommen. Die Aktivierung der Glykogenspaltung erfolgt durch nervöse oder chemische Beize. Adrenalin und auch das Alkaloid Pilocarpin wirken fördernd. Es ist aber unentschieden, ob diese Substanzen rein chemisch oder durch Beizung des nervösen Endapparates nur mittelbar die Zellen reizen. Auf jeden Fall entsteht dabei Glucose, Traubenzucker, der durch die Blutbahn transportiert wird. Es sind bis jetzt keine bindenden Beweise für die Anschauung geliefert worden, daß eine spezielle „Bioglucose" von besonderer Reaktionsfähigkeit existiert (siehe S. 20). Wenn ein Molekül Hexose zerfällt, so läßt sich dieser Abbau durch die Grundgleichungen darstellen: 1. Der vollkommen oxydative, also aerobe Abbau zu Kohlen dioxyd und Wasser: C«H1208 + 60 2 = 6C0 2 + 6H 2 0 dies ist die Atmungsreaktion. 2. Der partielle Zerfall ohne Aufnahme von Sauerstoff. Dieser anaerobe Zerfall wird als Gärung im weitesten Sinn bezeichnet. a) Die Milchsäuregärung in der Muskulatur oder in anderen tierischen Zellen heißt Glykolyse: C6H1208 = 2C3H603 I Glucose =: 2 Milchsäure

b) Der Zuckerzerfall durch Hefezellen ist die alkoholische Gärung: C6H1206 = 2 C 0 2 + 2 C 2 H 5 0 H

Dreizehntes Kapitel. Der Kohlehydratstoffwechsel

203

Alle diese Gleichungen sind nur der summarische Ausdruck von höchst komplizierten Reaktionsfolgen und alle drei Reaktionen sind e x o t h e r m und dienen zur Energiegewinnung. Bei der Gärung wird nur ein Bruchteil der Energie des Kohlehydrates frei, die bei der Atmungsreaktion gebildet wird. Jedes tierische Gewebe, das unter anaeroben Bedingungen gehalten wird, also der E r s t i c k u n g ausgesetzt wird, beginnt in der Hauptsache zu glykolysieren, d. h. Milchsäure zu bilden. Die Atmung übt auf diese Milchsäuregärung einen hemmenden Einfluß aus. Diese Verk n ü p f u n g von A t m u n g und Glykolyse bezeichnet man als Pasteurreaktion. Die Glykolyse macht sich besonders bei der M u s k e l t ä t i g k e i t bemerkbar und läßt relativ große Mengen von Milchsäure entstehen. Durch die Untersuchungen von H i l l , E m b d e n , Meyerhof, P a r nas u. a. wurden diese komplizierten Vorgänge weitgehend geklärt. Zerfällt a n a e r o b Zucker zu Milchsäure, so wird ein Teil der Milchsäure oder ein dieser entsprechendes Kohlehydratäquivalent dann aerob veratmet. Die dadurch gewonnene Energie wird von der Zelle verwendet, um den weitaus größeren Teil der Milchsäure wieder zu Kohlehydrat zu synthetisieren. Je stärker daher die Atmung ist, desto weniger Milchsäure wird sich im Gewebe finden. anaerob

X /

Kohlehydrat

Milchsäure

K

aerob

Man bezeichnet als Meyerhofschen Q u o t i e n t e n das Verhältnis: totale verschwundene Milchsäure oxydierte Milchsäureäquivalente

Er hat meistens den Wert 3—6; es wird also höchstens Ys—Ve der gebildeten Milchsäure oxydiert, der Rest wird wieder zu Kohlehydrat synthetisiert. Dieser Vorgang gleicht somit der wechselnden Auf- und Abladung eines Akkumulators. Der physiologische Sinn ist offenbar die Bereitstellung eines Energiereservoirs. Der Vorgang der Glykolyse, d. h. also der Milchsäurebildung, wird durch das in den Zellen enthaltene g l y k o l y t i s c h e F e r m e n t durchgeführt; dieses konnte von Meyerhof nicht nur aus Muskelgewebe, sondern auch aus Erythrocyten durch Extraktion bei — 2° mit isotonischer KCl-Lösung gewonnen werden. Der ruhende Muskel zeigt Atmung; d. h. er oxydiert und gibt C02 ab. Der Muskel kann aber unter Ausschluß von Sauerstoff bzw. ohne Zu-

204

III. Teil

nähme der Atmung Arbeit leisten. Dabei tritt Milchsäurebildung auf. In der Erholungsphase nimmt der Muskel Sauerstoff auf (atmet!) und die Milchsäure beginnt zu schwinden. Dies ist der Kreislauf des Kohlehydrates, der im vorigen Abschnitt beschrieben wurde und der durch den Meyerhof sehen Quotienten gekennzeichnet ist. In Analogie mit diesen Reaktionen stehen die von H i l l beobachteten Wärmebildungsvorgänge, die als anaerobe Wärme bei der Kontraktion und als Wärme bei der oxydativen Erholungsphase bezeichnet werden. Ehe nun auf die Atmungsreaktion eingegangen wird, sollen die Ergebnisse der Erforschung der alkoholischen Gärung und der Milchsäurebildung dargestellt werden, denn es zeigte sich, daß zwischen diesen beiden Vorgängen weitgehende Analogien bestehen, so daß sich die Reaktionsbilder gegenseitig ergänzen. Alkoholische Gärung und Glykolyse Wir nennen zunächst die hauptsächlichsten Gesichtspunkte, die bei den beiden Reaktionen beachtet werden müssen. 1. Sowohl für den Ablauf von Gärung als auch von Glykolyse ist die Gegenwart von Phosphorsäure unbedingt notwendig. Es bilden sich eine ganze Anzahl von verschiedenen Phosphorsäureestern. 2. Bei beiden Reaktionen findet ein Zerfall der 6 C-Kette der Hexose in zwei 8 C-Ketten statt. Es bilden sich sogenannte Triosen und deren Oxydations- bzw. Reduktionsprodukte. In diesem Sinne sind Gärung und Glykolyse O x y d o r e d u k t i o n s v o r g ä n g e . 8. Beide Vorgänge können durch die von den Zellen losgelösten Enzyme durchgeführt werden. Sie sind also nicht unbedingt an die Z e l l s t r u k t u r gebunden. Läßt man nun auf solche Enzymlösungen Chemikalien wie Sulfite, Fluorid, Jodessigsäure u. a. einwirken, so können beide Reaktionen in verschiedenen Stadien unterbrochen werden, es häufen sich dann einzelne Intermediärprodukte an, die sonst sofort weiter verarbeitet werden und es gelingt durch diesen Kunstgriff die Isolierung einer Anzahl von Zwischenprodukten. Dadurch wurde der Mechanismus dieser Vorgänge erschlossen. Diese Zwischenprodukte werden weiter unten genauer beschrieben. 4. In den Vorgang der Gärung und Glykolyse greifen eine Anzahl von Phosphorsäureverbindungen ein, die die Rolle von sog. CoFermenten übernehmen. Ohne ihre Gegenwart ist der Zuckerabbau nicht möglich. Das von allen Aktivatoren befreite Enzymsystem wird mit dem Sammelnamen Zymase belehnt.

Dreizehntes Kapitel. Der Kohlehydratstoffwechsel

205

Das vollkommen aktivierte System wird als Holo- oder P a n Z y mase bezeichnet. Apo-Zymase wird die von der Co-Zymase befreite Holo-Zymase genannt, die noch Magnesium gebunden enthält. Die von Co-Zymase und Magnesium befreite Trockenhefe enthält noch einen weiteren, nicht enzymatischen Faktor. Dieser ist notwendig für die Decarboxylierung der Brenztraubensäure, aktiviert also die Carboxylase. Er wird als Co-Carboxylase 1 ) bezeichnet. Man hat daher auch die von diesem Aktivator befreite Zymase Äthio-Zymase genannt. Gewaschene und g e t r o c k n e t e , also abgetötete Hefe gärt nicht. Sie wird aber durch Hefekochsaft (Co-Zymase) aktiviert. Wird HefepreßBaft ausdialysiert, so verliert er ebenfalls seine Wirkung, da er dadurch an Co-Zymase verarmt. Man erhält nach diesen beiden Methoden das nach obiger Nomenklatur Apo-Zymase genannte Enzymsystem. Die Co-Zymase ist nach Euler ein Mononucleotid, nämlich die: Adenin-Ribose-Phosphorsäure-Pyrophosphorsäure, auf die schon bei der Besprechung der Nucleinstoffe hingewiesen worden ist. Sie wirkt im Verein mit dem schon genannten Magnesium und der Co-Carboxylase als Aktivator. Theoretisch ist nun von größter Bedeutung, daß f ü r die V e r h ä l t nisse des Z u c k e r a b b a u e s im Muskel ganz ähnliche A k t i v a t o r s y s t e m e existieren. Auch im tierischen Gewebe findet sich ein sehr ähnliches Adenylnucleotid, das im Verein mit Magnesium und P y r o p h o s p h o r s ä u r e beim Zerfall des Zuckers in Milchsäure eingreift. Die Zymase des Hefepreßsaftes und der ausgewaschenen Trockenhefe wird also durch das System Co-Zymase + Magnesium + Co-Carboxylase aktiviert. Auf lebende Hefe ist dieses Gemisch ohne Einfluß. Letztere enthält einen Stoff, der die Gär kraft frischer Hefe erhöht, ohne die Zellenzahl zu vermehren. Er ist aber wieder im Gegensatz zur Co-Zymase ohne Einfluß auf Trockenhefe. Er wird als A k t i v a t o r - Z bezeichnet. Seine Natur ist noch ungeklärt. Bevor auf diese Detailvorgänge eingegangen wird, soll hier zunächst der Hauptvorgang des Zuckerzerfalls geschildert werden. Die Hexose zerfällt zunächst in D i o x y a c e t o n : CHt • OH 1 Hexose = 2 ¿0 ¿Hj-OH Siehe Vitamin B, S. 315.

III. Teil

206

Dioxyaceton bzw. der isomere Glycerinaldehyd erleidet eine sog. Cannizzaroreaktion und es entsteht dadurch einerseits in Glycerin und andererseits in Glycerinsäure: CH2OH H red./r ¿H ÖH Glycerin CHj-OH C- Kroatin + Phosphorsäure

0,09 gcal 0,23 gcal

3. Glykogen anaerob ^ Milchsäure 1,2 gcal 4. Milchsäure + 3 0 , v 3 CO, + 3 H , 0 30—60 gcal 1 und 2 bei vollständiger Abspaltung aller Phosphorsäure. 3 bei Bildung von 0,45% Milchsäure (d. i. das Maximum). 4 bei 0,5—1% Oxydation des Kohlehydrates. (Nach L o h m a n n und v o n Muralt.)

Nun zeigte Lundgaard, daß ein mit Jodacetat vergifteter Muskel, der also keine Milchsäure bildet, immer noch etwa 80 Zuckungen ausführen kann, während ein normaler Muskel anaerob etwa 500 Zuckungen machen kann. Man kann nun annehmen, daß durch den Zerfall von Kreatin und Adenosintriphosphorsäure ein Teil der Energie geliefert wird, und daß diese Ungleichgewichte dann durch die anderen Reaktionen wieder aufgebaut werden. Über den Vorgang der Kontraktion selbst bestehen auch nur Vermutungen. Die älteren Vorstellungen sind sicher alle ganz ungenügend. Nach einer Hypothese von v. Muralt kann der Vorgang in einer Ver-

Dreizehntes Kapitel. Der Kohlehydratstofiwechsel

219

kürzung der Eiweißmoleküle der Fibrillen bestehen, indem die gestreckten Hauptvalenzketten durch Entladungsvorgänge eine Krümmung erleiden. Diese Anschauung vermittelt auch eine Vorstellung über die oben erwähnte hohe Reaktionsgeschwindigkeit, mit der der Muskel arbeiten kann. Der o x y d a t i v e Abbau der K o h l e h y d r a t e Die Forschungen der letzten Jahre haben auch in dieses Problem viel Licht gebracht, und es muß auch hier auf die im Kapitel über Oxydation genannten Arbeiten verwiesen werden. Gärung und Glykolyse stellen Spezialfälle des Kohlehydratstoffwechsels dar. Es kann wohl mit Sicherheit angenommen werden, daß jedes normale tierische Gewebe atmet, und es ist auch sicher, daß jede atmende Zelle in erster Linie Kohlehydrat verbraucht. Es tritt demnach die Frage auf, ob dieser oxydative Abbau des Zuckers ähnliche Wege geht wie der anaerobe Abbau, und auf welchem Wege die bei der Anaerobiose gebildete Milchsäure zum Schluß in die Endprodukte Kohlensäure und Wasser übergeführt wird. Diese Wege haben schon deshalb eminente physiologische Bedeutung, da durch die Veratmung erst die Hauptmenge der Energie des Kohlehydrates verwertbar gemacht wird. Es gibt nun hier verschiedene Möglichkeiten, die durch die Oxydationssysteme der Zelle bedingt sind. Einmal ist es vorstellbar, daß der in den Organzellen (mit Ausnahme der Muskelzellen) auftretende Zucker durch das H ä m i n s y s t e m d i r e k t oxydiert wird. Andererseits läßt sich die Vorstellung entwickeln, daß die Dehydrasesysteme zwischen die Häminatmung und die Substratoxydation eingeschaltet sind. Es sind nun hauptsächlich zwei Dehydrasen genauer bekannt. Das „gelbe Atmungsferment" (Flavinferment) und das im vorigen Abschnitt genannte Triphosphopyridinnuoleotid (wasserstoffübertragendes Coferment). Hexosemonophosphat wird durch letzteres in Phosphohexonsäure überführt. Ist nur Coferment zugegen, dann bleibt die Oxydation nach kurzer Zeit stehen, denn die Pyridingruppe des Cofermentes ist nicht autoxydabel. Findet aber die Oxydation bei gleichzeitiger Gegenwart von Flavinenzym, das mit 0 2 reagieren kann, statt, so geht die Oxydation weiter. Aus dieser Beobachtung muß geschlossen werden, daß der Wasserstoff des Substrates zunächst an das Pyridinferment, und von diesem an den Alloxazinring des gelben Fermentes weitergegeben wird. Das gelbe Ferment reagiert dann mit molekularem Sauerstoff unter H 2 0 2 -Bildung: TT

TT

1. Substrat^JJ + Pyridinferment = Substrat + Pyridinferment-

CO I COOH

y-Phenyl-a-ketobuttersäare.

I.

j'-Phenyl-a-Aminobuttersäure

II.

Acetylverbindung von

II.

In gleicher Weise konnten D a k i n und D u d l e y beim Durchströmungsversuch aus Phenylglyoxylsäure die Phenylaminoessigsäure erhalten: C„H5 C„H6 C=0 COOH

v

CHNHj ¿OOH

Endlich konnten E m b d e n und S c h m i t z für eine ganze Anzahl von Ketonsäuren zeigen, daß bei der Durchströmimg der Ammoniumsalze verschiedener Ketonsäuren jedesmal die entsprechende Aminosäure entsteht: So lieferte die Oxyphenylbrenztraubensäure Tyrosin, die a-Ketobuttersäure die Aminobuttersäure, die Brenztraubensäure das Alanin:

III. Teil

280 OH A L j ¿H t ¿HOT, ¿O.H

CH«

CH •

i CO I COOH

V

i CH-NH, I COOH

¿OOH

Oxyphenylbrenztraubensäure

>

Tyrosin

Brenztraubensäure

>-

Alanin.

Aus all diesen Versuchen ist der bindende Schluß zu ziehen, daß die a-Aminierung aus Ketonsäuren im Organismus (Leber) leicht eintreten kann. Auch a-Oxysäuren können in Aminosäuren übergehen. Wie später gezeigt werden soll, wird die Oxysäure aber zunächst in eine Ketonsäure übergeführt. Andrerseits wurde schon erwähnt, daß der Abbau auch über die Ketonsäuren zu führen scheint, so daß es sich hier um eine umkehrbare Reaktion handelt. Auch die r e i n c h e m i s c h e Reproduktion dieser Reaktion wurde von K n o o p und ö s t e r l i n durchgeführt: Ketonsäuren werden beim Schütteln mit Paladiumschwarz als Katalysator in Ammoniaklösung in die entsprechenden Aminosäuren überführt. Es scheint bei dieser Reaktion intermediär zur Bildung einer I m i n o s ä u r e zu kommen, welche dann erst zur Aminosäure reduziert wird: R

R

R

R

¿ = 0 + HSN = C=NH + HjO

¿=NH + H, = CH-NHj

COOH

COOH

Ketonsäure

¿OOH Iminosäure

¿OOH Aminosäure

Diese Reaktion ist ein e n d o t h e r m e r Reduktionsvorgang. Es ist nun besonders bedeutungsvoll, daß der calorische Effekt dieser Bildungsweise günstiger ist als derjenige der Reduktion der Brenztraubensäure zu Milchsäure: Bei der Bildung von Milchsäure aus Brenztraubensäure werden 45 Calorien, bei der Bildung von Alanin aus der Ketosäure nur 16 Calorien pro Mol benötigt. Aus dieser Tatsache glaubt K n o o p auf die Bevorzugung der Aminosäuresynthese gegen die Oxysäurebildung zu schließen, da die großen Mengen von Brenztraubensäure, welche im Organismus entstehen, dadurch entfernt werden.

Vierzehntes Kapitel. Der Eiweißstoffwechsel

281

B i l d u n g v o n A m i n o s ä u r e n im s p e z i e l l e n Die Bildung der einzelnen Aminosäuren im Tierkörper soll, soweit sie bekannt ist, hier kurz gekennzeichnet werden. G l y k o k o l l . Trotzdem im Tierkörper relativ wenig von dieser Aminosäure enthalten ist, kann durch Verfütterung von Benzoesäure eine reichliche Ausscheidung von Benzoylglykokoll „Hippursäure" erzielt werden. Aus den gewonnenen Zahlen muß unbedingt eine Synthese von Glykokoll im Organismus angenommen werden. Eine genaue Erörterung der Möglichkeiten für diese Synthese würde hier zu weit führen. Möglicherweise entsteht das Glykokoll durch Abbau von anderen Aminosäuren (S. 240). CH 2 NH 2 Glykokoll

+

HOCOC.H, Benzoesäure

CH2NHCOC,H,

= I

COOH Hippursäuro

+

H20

Von den übrigen Aminosäuren seien hier diejenigen, die sich erwiesenermaßen im Organismus neu bilden können, denjenigen gegenübergestellt, die scheinbar nicht synthetisiert werden können. Für eine Anzahl von Aminosäuren ist diese Frage allerdings noch nicht eindeutig entschieden: Als unentbehrlich müssen dem tierischen Organismus zugeführt werden: Leucin, Isoleucin, Cystin, Methionin, Phenylalanin, Lysin, Histidin, Tyrosin, Tryptophan, Threonin (a-Amino-/9-oxy buttersäure). Sichergestellt scheint die Bildung im Tier von: Glykokoll, Alanin, Norleucin, Arginin. Fraglich ist die Bildung von: Prolin, Glutaminsäure, Serin, Valin, Oxyglutaminsäure, Asparaginsäure. Die Frage nach der Bildungsmöglichkeit der einzelnen Aminosäuren ist von höchster Wichtigkeit für den Wert der verschiedenen Eiweißkörper als N ä h r s t o f f e . So sicher die Kenntnis über die Einführung der a-Aminogruppe in die Kohlenstoff ketten ist, so besteht doch bezüglich der Synthese der komplizierter gebauten Vertreter noch große Unklarheit. Die Fähigkeit des Organismus, Binge zu bilden, welche O s b o r n e die C y c l o p o i e s e nennt, ist ein Problem, das noch weitgehender Erforschung bedarf. Auch ist bezüglich dieser Cyclopoiese zu unterscheiden zwischen dem jugendlichen Organismus und dem ausgewachsenen Tiere. Auch V e r t r e t b a r k e i t einzelner Aminosäuren scheint möglich. So können in speziellen Fällen Tryptophan und Histidin durch die entsprechenden Oxysäuren Indol- bzw. Imidazolmilchsäure ersetzt werden.

III. Teil

232

Das Problem der Lebensnotwendigkeit der verschiedenen Aminosäuren bedarf aber noch weiterer Forschung. Der A b b a u der A m i n o s ä u r e n Da als Endprodukte des Aminosäurestoffwechsels Harnstoff, Kohlendioxyd und Wasser auftreten, erhebt sich die Frage, wie zunächst die Entfernung des Stickstoffes aus den Aminosäuren erfolgt. Es ist aus vielen Gründen anzunehmen, daß in den m e i s t e n F ä l l e n zuerst eine A b s p a l t u n g v o n A m m o n i a k , eine D e s a m i n i e r u n g , eintritt, ehe Harnstoff gebildet wird. Die Reaktionsfolge, welche dieser Desaminierung zugrunde liegt, soll demnach hier zuerst dargestellt werden. E m b d e n und seine Mitarbeiter konnten beim Leberdurchblutungsversuch (Hundeleber) feststellen, daß die z u g e s e t z t e n A m i n o s ä u r e n d i e s e l b e n E n d p r o d u k t e l i e f e r t e n wie die um ein C - A t o m ä r m e r e n F e t t s ä u r e n . Sie wurden unter Decarboxylierung und Desaminierung durch ß-Oxydation abgebaut: CH,

CHS

CH.

CH2

I

I

CH2



¿H2

— >-

gibt durch /^-Oxydation kein Aceton

CH2

CH,

I "

COOH

CH NH„

I

COOH

n-Valeriansäure

n-Leucin

CH3

CHJ

CH3 CH

CH

I

I

CH2

CH 2

¿HNH2

I

CH,

CH.,

CH

CH

CH-NH,

¿OOH

COOH Valin

gibt Aceton

Isovaleriansäure

Isoleucin

CH,

CO

COOH

COOH

CH,

—>

CH3

gibt durch /?-Oxydation kein Aceton

Isobuttersäure

Vierzehntes Kapitel. Der Eiweißstoffwechsel

288

Der Weg, welcher hier von den Aminosäuren durchlaufen wird, ist der der „ o x y d a t i v e n D e s a m i n i e r u n g " . Es handelt sich hier im Prinzip also zunächst um die Entfernung der Aminogruppe unter Aufnahme von Sauerstoff. Dabei bildet sich als Z w i s c h e n s t u f e des Abbaues eine K e t o n s ä u r e . R

R

I

C H N H 2 + 0 = c = O + NH 3 ¿OOH

COOH

Diese Oxydation erfolgt aber nicht direkt durch Aufnahme von Sauerstoff, sondern in Übereinstimmung mit W i e l a n d s Dehydrierungstheorie durch primäre Anlagerung von Wasser und Abspaltung von Wasserstoff. Es ist das Verdienst 0 . N e u b a u e r s gewesen, diese Verhältnisse geklärt zu haben. Bei der Verfütterung von Phenylaminoessigsäure ließen sich im Harn Phenylglyoxylsäure, Mandelsäure und Benzoesäure nachweisen: C.H,

l

C6H6

CH-NHJ

c=o

COOH

i IOOH

Phenylaminoessigsäure

OOH

\

Phenylglyoxylsäure

Benzoesäure

C.HS CH-OH ¿00H (—)-Mandelsäure

Die Bildung von Ketonsäuren als Zwischenprodukte wurde noch bei einer Anzahl von ähnlich substituierten Aminosäuren gefunden. So z. B. auch bei der Oxyphenylaminoessigsäure u. a. Die Ketonsäuren erleiden auch tatsächlich im Organismus einen den entsprechenden Aminosäuren ganz analogen Abbau. Endlich ist auch der calorische Effekt der oxydativen Desaminierung hier als wichtiger Beweisgrund anzuführen. Würde man annehmen, daß durch einfache hydrolytische Abspaltung von Ammoniak zuerst eine Oxysäure entstünde, so würde z. B. ein Mol Alanin 28,6 Caloñen v e r b r a u c h e n : CHS CH-NH. +

I

COOH Alanin

CHS H Ö H = NH, + ¿H- OH COOH Milchsäure

m . Teil

284

Bei der oxydativen Desaminienmg hingegen handelt es sich um einen e x o t h e r m e n Vorgang, denn bei der Bildung von Brenztraubensäure aus einem Mol Alanin werden 16,4 Calorien f r e i , so daß also diese Art der Desaminierung als die ökonomischere angesehen werden muß. Auch die Erscheinung der A l k a p t o n u r i e kann hier als Beweis herangezogen werden. Unter dieser versteht man eine Stoffwechselanomalie, bei welcher der Harn sich namentlich bei Zusatz von Alkali an der Luft stark dunkel färbt. (Alkali kapto.) Die Alkaptonurie beruht auf der Gegenwart von sog. H o m o g e n t i s i n s ä u r e i m Harn. DieHomogentisinsäure ist eine Dioxyphenylessigsäure: OH

Die Quelle der Homogentisinsäure ist das Tyrosin und das Phenylalanin. Der normale Organismus verbrennt die Homogentisinsäure, der pathologisch veränderte scheidet sie mit dem Harn aus. Es werden nun nach Verabreichung solche aromatischen Verbindungen, die in a-Stellung zur Carboxylgruppe die NH 2 , OH oder CO-Gruppe enthalten und nicht in /J-Stellung alle vom Alkaptonuriker in Homogentisinsäure übergeführt. Nämlich: Tyrosin, Phenylalanin, Phenylmilchsäure, Phenylbrenztraubensäure. OH

Der Mechanismus der Desaminierung Es wurde weiter oben gesagt, daß die Aminosäuresynthese in vitro über die Iminosäure führt und daß diese Reaktion wahrscheinlich auch für die Verhältnisse im Organismus gilt. Dementsprechend erscheint es wahrscheinlich, daß auch der umgekehrte Vorgang über die IminoBäurestufe geht. Es kann dabei entweder die Aminosäure dehydriert werden, oder es bildet sich aus der Aminosäure durch Anlagerung von 0 das Hydrat der Iminosäure:

Vierzehntes Kapitel. Der Eiweißstoffwechsel

R

R

A- ¿=NH + \0=C/ —>- H—(L-NH—(¿0/ + CO,

I

I

COOK

COOH ^HiÖÖC;

Ketonsäure

Iminosäure Brenztraubensäure

ICOOH

a-Acetyl-aminosäure

Bindung von Acetyl und Reduktion der Imid- zur Amid-gruppe.

Zusammenfassend läßt sich über den Abbauweg der einzelnen Aminosäuren das Folgende sagen: Leber, Niere und Darmschleimhaut bilden die Hauptorte der oxydativen Desaminierung. Die einfacheren a-Aminosäuren werden über die Iminosäuren in a-Ketonsäuren überführt. Durch Decarboxylierung der Ketonsäuren entstehen auf dem Wege über die Aldehyde die um ein C-Atom ärmeren Fettsäuren, welche dann der ^-Oxydation anheimfallen. Tryptophan, Histidin, Arginin, Prolin, Methionin, Cystin und wahrscheinlich noch andere Aminosäuren gehen andere spezielle Abbauwege ein. K n o o p untersuchte das Schicksal der /5-Oxy-a-aminosäuren und konnte zeigen, daß auch diese Säuren den genannten allgemeinen Abbauweg nicht einschlagen. Es wurden verschiedene Oxyaminosäuren in Form ihrer Phenylverbindungen an Hunde verfüttert, analog zu den Versuchen, die bei dem Fettsäureabbau besprochen wurden: 1. y-Phenyl-/?-oxy-a-aminobuttersäure: JHJ

= Phenylessigsäure im Harn

i()OH JOOH 2. Phenyl-jS-oxy-a-aminovaleriansäure: C,H, C,HS >• I Benzoesäure (als COOH Hippursäure) CH2

dooH JOOH

III. Teil

240

8. Die einfache y-Phenyl-cc-aminobuttersäure liefert im Gegensatz zu 1. Benzoesäure (als Hippursäure), da sie ein C-Atom verliert, und dann erst der Fettsäureoxydation (/^-Oxydation) anheimfällt: C»HS | CH,

C,H5 | CH2

C„Hs >• | Benzoesäure (a COOH Hippursäure)

CH.2 ¿ h - n h ,

C o o h

c ! o o h

Es folgt aus diesen Versuchen, daß die /?-Oxy-a-aminosäuren n i c h t dem Abbaugesetz der einfachen Aminosäuren, sondern direkt dem Gesetz der B e t a - O x y d a t i o n unterliegen. Diese Tatsache zwingt nun weiter zu dem Schluß, daß die /J-Oxyaminosäuren auch nicht normale Zwischenprodukte des Aminosäureabbaues sein können. Es ist auch denkbar, daß die Oxyaminosäuren als Quelle für die oben erwähnte Glykokollbildung in Frage kommen (S. 281). Da beim Abbau der Oxyaminosäuren die/5-Keto-a-aminosäuren angenommen werden müssen, O NH, » J C — C H

I i —

ß

COOH

«

sind die Eigenschaften dieser Säuren von biologischem Interesse. Es wurde schon im Kapitel über die Oxydationsvorgänge darauf hingewiesen, daß sie sich durch ihre reduzierende Wirkung kennzeichnen. Sie greifen daher wahrscheinlich regulierend in den Ablauf der Oxydationsvorgänge ein und stellen ein „körpereigenes Redoxsystem" dar, wie z. B. auch das Glutathion (Knoop). Es sind noch andere Wege der Desaminierung diskutiert worden. D a k i n und D u d l e y konnten zeigen, daß Aminosäuren bei schwach saurer Beaktion und bei Gegenwart von ß - N i t r o p h e n y l h y d r a z i n sich unter Desaminierung im Glyoxale umwandeln, wobei das anwesende Phenylhydrazin das entstandene Glyoxal „abfängt". Es findet dann eine Wasseranlagerung statt, eine sog. i n n e r e Cannizzaro-Beaktion. H

C-

AOOH

CH3NH,

Glykokoll

Methylamin

c„h5

c.h 5

CH, ¿H NH, COOH

Phenylalanin

-

255

Ah,

1

CHaNH,

Phenyläthylamin

Die Diaminosäuren liefern die entsprechenden Diamine: CHjNHJ

CHJNHJ

d)Hj

¿Hg

AH,

>

¿HNH,

CH 2 NH 2

I

COOH Ornithin

AH,

Tetramethylendiamin (Putrescin)

Das homologe Lysin gibt Pentamethylendiamin oder Cadaverin. Das Histidin gibt Imidazoläthylamin oder Histamin usw. Bei der Besprechung des Histaminabbaues wurde schon auf die Diaminoxydase hingewiesen, welche vorzugsweise Histamin, aber auch zahlreiche andere Diamine oxydativ abzubauen vermag. In ähnlicher Weise wie aus diesen Aminosäuren Diamine gebildet werden können, kann man sich auch die Entstehung noch komplizierterer Amine durch Reduktion und Decarboxylierung von Peptiden vorstellen. So wurde in dieser Hinsicht aus dem Sperma der Wirbeltiere eine komplizierte Base, das Spermin, dargestellt, die möglicherweise aus einem Peptid in der angegebenen Weise entstanden ist. Spermin ist nach Dudley und Wrede ein Bis-Aminopropyl-Aminobutan: H,NCH 2 - CH2 • CH Aminopropyl

NH • CH, • CH, CH,CH, • NH—CH, • CH, • CH, • NH, Butanrest

Aminopropyl

Anderseits finden sich im Darm auch Hefepilze. Es konnte nun von F. E h r l i c h gezeigt werden, daß diese auch befähigt sind, die Aminosäuren abzubauen und zwar handelt es sich bei diesem Abbau um einen Desaminierungsvorgang. Es entsteht bei dieser ßeaktion ein Alkohol, der um ein Kohlenstoffatom ärmer ist als die entsprechende Aminosäure.

256

i n . Teil R

R

¿ H •NHj l

->•

¿H,—OH

(loOH Aminaäure

Alkohol

Diese Reaktion ist möglicherweise auch als oxydativer Abbau aufzufassen. Nach dem, was bei der Besprechung der alkoholischen Gärung gesagt wurde, ist die Bildung des Äthylalkohols aus Acetaldehyd zu erklären. Überträgt man diese Anschauung auf den Aminosäureabbau, so kann nach Neubauer und F r o m h e r z die Hefe die Aminosäure in folgender Art abbauen: Genau wie beim normalen tierischen Abbau wird über die Iminosäure die Ketonsäure gebildet, welche dann durch Decarboxylierung in den betreffenden Aldehyd übergeht; während nun im gewöhnlichen tierischen Stoffwechsel der Aldehyd zur Fettsäure oxydiert wird, kommt es bei dem Abbau durch Hefe zu einer R e d u k t i o n , zum entsprechenden Alkohol. In diesem Sinn gleichen sich also Kohlehydrat- und Aminosäureabbau durch Hefen in ihren Endreaktionen. R

R -*-

CH-NH,

I

CO

I

Ketonsäure (Brenztraubensäure)

->-

Kohlehydrat (Glucose)

COOH

JOOH



R C- CH,

CHNHj

CO

COOH

COOH Bernsteinsäure

Glutaminsäure

In diesem Fall erfolgt also wie im Tierkörper eine O x y d a t i o n des intermediär gebildeten Aldehydes. Endlich können verschiedene Filze noch Oxysäuren und Fettsäuren mit gleicher C-Atomzahl aus den Aminosäuren bilden. Die durch diese Eiweißfäulnis im Darmlumen entstandenen Sprengstücke, „Aporrhegmen", werden durch die Darmwand resorbiert und teilweise durch die Nieren ausgeschieden. Es ist also dadurch der Weg gegeben, die Intensität der Darmfäulnisvorgänge zu beobachten, indem man die Größe dieser Ausscheidung im Harn bestimmt. Auch bei der alkoholischen Gärung werden derartige ZersetzungBprodukte der Aminosäuren als höhere Alkohole gebildet, so z. B. aus dem Leucin die verschiedenen Amylalkohole: CH3—CH—CH3

Uilg—CH—CH,

CH3—CH—CgHg

Isoleucin

CHg—CH—C,H|

d-Amylalkohol

+ CO, + HN,

Leucin

Diese bilden das dem Alkohol beigemengte, stark giftig wirkende Fuselöl. Die Bildung dieser Alkohole durch lebende Hefe ist so zu erklären, daß die Aminosäure als Stickstoffquelle für den Pilz figuriert, um andere Eiweißbausteine aufzubauen, während der Amylalkohol vom Pilz nicht weiter verwertet werden kann. Eine Anzahl von ständig im Harn vorkommenden Substanzen sind als solche „Aporrhegmen" zu betrachten. Beim Abbau der aromatischen Aminosäuren durch Mikroorganismen wird hauptsächlich die aliphatische Seitenkette angegriffen. Daher bleibt der Benzolkern erhalten. Es finden sich daher im Harn Phenol und Kresol. Phenol B d i b a c h e r , Kurlgefaßtes Lehrbuch der physiol. Chemie. 6. Aufl.

17

III. Teil

258

Diese beiden Substanzen würden stark giftig wirken ; es findet aber im Organismus, wahrscheinlich in der Leber, eine E n t g i f t u n g statt, indem diese Verbindungen in der Form von g e p a a r t e n Schwefelsäuren (oder Ätherschwefelsäuren) bzw. von g e p a a r t e n Glucuronsäuren auftreten. Zu geringen Mengen kann auch eine Oxydation zu Dioxybenzolen, Brenzcatechin und Hydrochinon, stattfinden, die dann ebenfalls als gepaarte Verbindungen ausgeschieden werden. C,H5—0—S02—OH c H

Phenolschwefelsäure

CH3

Kresolschwefelsäure

e «C-SH C—W ¿H2

oder

¿H—N=(CH3)J ^o

H HC— || >C-SH C-N^

(!>

¿H2 ¿H—N=(CH3)3 ¿00-

Dieses Betain ist identisch mit dem in den Erythrocyten vorkommenden T h i a s i n . Andere Betaine sind noch besonders aus Pflanzen isoliert worden. Endlich sei hier noch auf das C h o l i n , sowie auf das C o l a m i n hingewiesen, welche ja wichtige Bausteine der Phosphatide sind. Sie dürften auch aus Aminosäuren entstehen, da sie Aminoalkohole sind: *(CH3)3 JCH 3 ) 3 CH,—Nf CH,—NH, CH,—Nf 0 H 1 L, CHj-OH CHj—OH Betain-aldehyd Cholin Colamin Leberextrakt oder überlebende Leberschnitte der Ratte vermögen Cholin zu B e t a i n a l d e h y d zu oxydieren (Man und Q u a s t e l ) . Dieser Aldehyd konnte in Form verschiedener Derivate isoliert werden. Er geht durch weitere Oxydation in Betain über. Das A c e t y l c h o l i n besitzt eine besonders starke Wirkung auf die Erregbarkeit des Dünndarms und der sog. Vagusstoff, welcher nach

Vierzehntes Kapitel. Der Eiweifistoffwechsel

261

der Vagusreizung entsteht, ist möglicherweise solches Acetylcholin (Loewi). Es soll in gebundner Form in relativ hohen Mengen imBlute vorkommen und bei Bedarf in wirksamer freier Form abgespalten werden ( K a p f h a m m e r , Dale). Endlich sei noch ein Amin genannt, welches in Seefischen vorkommt. Es ist dies das Trimethylaminoxyd. CH$X CHj-jN=0 CH/ Diese Substanz ist die Muttersubstanz des Trimethylamins, das den Geruch der Seefische verursacht. Die Ammoniak- und Harnstoffbildung Sowohl im Blut als auch im Harn findet sich Ammoniak. Dieses wird durch die beschriebenen Desaminierungsvorgänge gebildet und zum größten Teil in Harnstoff umgewandelt. Nach P a r n a s und Heller findet sich im frischen Blut nur sehr wenig Ammoniak, etwa 0,08 mg in 100 ccm. Läßt man Blut aber stehen, so steigt der Ammoniakgehalt rasch bis auf 2 mg in 100 ccm. Daraus wird geschlossen, daß das Ammoniak aus einer A m m o n i a k m u t t e r s u b s t a n z (AMS), die hauptsächlich in den Erythrocyten vorkommt, gebildet wird. Diese AMS ist noch unbekannter Natur. Ein Teil des Blutammoniaks stammt auch aus dem Darm. Auch im normalen Harn findet sich beim Menschen Ammoniak (0,4—1,0 g pro Tag). Dieses ist wahrscheinlich der Harnstoffsynthese, die in die Leber zu verlegen ist, entgangen. Je mehr Eiweiß zugeführt wird, desto mehr Ammoniak findet sich im Harn. Die physiologische Funktion des Ammoniaks im Körper dürfte auch die einer Säureneutralisierung sein. Der Harnstoff bildet beim Menschen die Hauptmenge des ausgeschiedenen Stickstoffs. Nach Zuführung bestimmter Aminosäuren erscheint der damit zugeführte Stickstoff beinahe gänzlich als Harnstoff im Harn. Man muß wohl unterscheiden zwischen: 1. Ammoniakbildung (durch Desaminierungen) und 2. Harnstoffsynthese (aus dem gebildeten Ammoniak). Die Desaminierungsvorgänge finden vorzugsweise in Niere, Leber und Darmschleimhaut s t a t t . Zweifellos wird durch die Arginasespaltung des Arginins (siehe Fermente) Harnstoff gebildet. Nach Clementi und nach Edlbacher findet diese Spaltung hauptsächlich in der Leber, in viel geringerem Umfange in der Niere und anderen Organen statt. Diese Harnstoff-

III. Teil

262

bildung kann aber nur die Entstehung eines Teiles des ausgeschiedenen Harnstoffs erklären, denn die mit der Nahrung zugeführte Argininmenge reicht einerseits nicht zur Deckung der Harnstoffausscheidung und anderseits müßte man eine ständige Umwandlung aller anderen Aminosäuren in Arginin annehmen. Es m u ß also H a r n s t o f f s y n t h e t i s c h e n t s t e h e n . Daß dies möglich ist, wurde an Leberdurchströmungsversuchen gezeigt. Die Leber bildet aus Ammoniumcarbonat, sowie aus Aminosäuren bei diesen Versuchen Harnstoff. Man kann dabei das Ammoniumsalz der C a r b a m i n s ä u r e als Zwischenprodukt annehmen. /ONH 4 C=0 x onh4 Ammoncarbonat

/NH 2 cf-o x onh4

nh 2 c(o x nh2

Ammoncarbamat

Harnstoff

In diesem Sinne ist der Harnstoff als das Diamid der Kohlensäure aufzufassen. /OH x

OH

,NH2 X

NH2

K r e b s konnte nun zeigen, daß überlebende Leberzellen bei Gegenwart von Ornithin aus Ammoniumcarbonat Harnstoff bilden. Es ergab sich, daß geringe Mengen von Ornithin relativ große Mengen Harnstoff entstehen lassen. Dies wird von dem Genannten so gedeutet, daß aus der Aminosäure und dem Ammoniumcarbonat zuerst Arginin entsteht, welches dann durch Arginase wieder in Ornithin und Harnstoff zerlegt wird. Demnach ist das Ornithin gewissermaßen der Katalysator der Harnstoffbildung. CH,NHj !H2

/NH2 HN=C< XNH + 2NH3 + C02 =

(CH2)3

¿HNH 2

CHNH,

Aooh

¿ooh

+2H 2 0

Es würde demnach aller entstandener Harnstoff über Arginin durch Arginasespaltung entstehen. Da auch das C i t r u l l i n (Carbaminoornithin) auf Leberzellen bei Gegenwart von Ammoniak unter Harnstoffbildung einwirkt, ist diese Aminosäure evtl. als Zwischenprodukt anzunehmen:

Vierzehntes Kapitel. Der Eiweißstoffwechsel NH

263

2

CO

^NH

( -

(CHS)3 ¿ h n h

+

H , 0

2

¿ O O H

Arginin

Diese Theorie der Harnstoffbildung kann zunächst wohl nur für Säuger gelten, da die Leber der Sauropsiden keine Arginase enthält, kann demnach bei diesen Tierklassen in der Leber gar kein Harnstoff gebildet werden. Nach einer anderen von L e u t h a r d t aufgestellten Hypothese wird das G l u t a m i n (S. 57) mit der Hamstoffbildung in Beziehung gebracht. Dieses führt in der Leber eine starke Harnstoffbildung herbei, wobei wahrscheinlich als Nebenprodukt Pyrrolidon-carbonsäure entsteht. Der Genannte nimmt nun an, daß die Säureamidgruppe des Glutamins direkt mit dem harnstoffbildenden Enzym reagiert. Das ungiftige Glutamin würde also die „Transportform" des giftigen Ammoniaks darstellen und kann in der Niere aus Glutaminsäure synthetisiert werden. Bei dieser Harnstoffbildung findet also analog der „Umesterung" beim Kohlehydratstoffwechsel eine „ U m a m i d i e r u n g " des Ammoniaks statt, indem aus dem Amid der Glutaminsäure das Amid der Kohlensäure, der Harnstoff, entsteht. Wie weit sich diese Anschauimg mit der Arginasetheorie vereinigen läßt, bleibt vorläufig unentschieden. Der H a r n s t o f f oder das Carbamid wurde 1777 entdeckt und 1828 von W ö h l e r synthetisch dargestellt. Diese Synthese besteht in einer Umlagerung des cyansauren Ammoniums. NH4OCN = CO(NH,), Die quantitative Bestimmung des Harnstoffs wird am besten durch die Zerlegung mit Urease (siehe Fermente) ausgeführt, indem das gebildete Ammoniak gemessen wird. Zur Darstellung des Harnstoffs aus Harn wird der eingeengte Harn mit Salpetersäure gefällt. Es kommt zur Bildung von schwer löslichem Harnstoffnitrat, das durch Filtration gewonnen werden kann. Der Harnstoff, welcher in der Leber gebildet wird, gelangt durch das Blut in die Nieren. Ein erwachsener Mensch scheidet täglich bei normaler Ernährung ungefähr 30 g aus. Auch in anderen Sekreten, wie Speichel, Milch und Schweiß wird etwas Harnstoff ausgeschieden. Bei Vögeln und Reptilien ist die ausgeschiedene Harnstoffmenge gering. Bei diesen Tierklassen wird der größte Teil des Stickstoffs in

264

m . Tea

Form von H a r n s ä u r e ausgeschieden. Der im Stoffwechsel gebildete Harnstoff wird dabei in Harnsäure umgewandelt, ein Phänomen, auf welches bei der Besprechung des Purinstoffwechsels noch eingegangen werden wird. Bleibt Harn, der normalerweise sauer reagiert, sich selbst überlassen, so wird er durch Bakterien, welche Urease enthalten, alkalisch, indem der Harnstoff in Kohlensäure und Ammoniak verwandelt wird.

Fünfzehntes Kapitel D e r Nucleinstoffwechsel Verdauung und Resorption Die Nucleoproteide sind hauptsächlich in den Zellkernen der zugeführten Nahrung enthalten. Es sind nun zunächst die Proteinasen des Magendarmkanals, welche auf diese Nucleoproteide einwirken. Durch die Pepsinwirkung wird zunächst ein Teil der Eiweißkörper abgespalten. Die vollkommene Aufspaltung unter Bildung von Nucleinsäuren kommt aber erst unter dem Einfluß des Trypsins zustande. Da die Nucleinsäuren Polynucleotide sind, ist zunächst die Frage zu entscheiden, ob diese vor der Besorption noch weiter zerlegt oder im intakten Zustande resorbiert werden. Es scheint nun drei Gruppen von Fermenten zu geben, welche die Nucleinsäuren spalten. 1. Nucleinase. Ihre Wirkung besteht in der hydrolytischen Aufspaltung der Polynucleotide zu Mononucleotiden. 2. Nucleotidase. Sie spaltet aus den einfachen Nucleotiden die Phosphorsäure ab, so daß Nucleoside entstehen. 3. Nucleosidase. Sie führt die Spaltung in Zucker und Purin auf hydrolytischem Wege durch. Die Nucleinase findet sich in allen Organen, Pankreas und Darmsaft. Die Nucleotidase ist im Preßsaft aller Organe und im Darmsaft, nicht im Pankreassaft gefunden worden. Die Nucleosidase ist auch in den Preßsäften der meisten Organe, aber n i c h t im Darmsaft gefunden worden. Die Versuche, zu fermentativ einheitlichen Lösungen zu gelangen, sind bezüglich dieser Fermente noch nicht weit gediehen.

Fünfzehntes Kapitel. Der Nucleinstoffwechsel

265

Auf Grund dieser verschiedenen Fermentwirkungen ist es wohl wahrscheinlich, daß die Nucleinsäuren im Darm n u r bis zu den Mononucleosiden aufgespalten werden und daß diese zur ßesorption gelangen. Da die einfachen Nucleoside wasserlöslich sind, die Purine dagegen schwer löslich, ist daher die Nucleosidform die leichter resorbierbare. Wie die weitere Spaltung genau verläuft, ist heute noch nicht zu sagen. Auf jeden Fall dürfte eine Spaltung in die einzelnen Bausteine anzunehmen sein. T h a n n h a u s e r konnte durch Einwirkung von Darmschleimhautextrakten auf Nucleinsäuren die Nucleinasewirkung zeigen, daß bei gleichzeitigem Zusatz von arseniger Säure die Phosphatase auf die entstandenen Mononucleotide nicht mehr einwirken kann. Dadurch war es ihm möglich, die tierische Nucleinsäure in Mononucleotide zu zerlegen und diese in chemisch reiner Form zu isolieren. Ein Teil der Nucleinstoffe wird auch durch die Bakterien des Darmkanals zerstört. Die R e s o r p t i o n der so entstandenen Nucleotide erfolgt durch die B l u t b a h n . Es gelangen dadurch die Stoffe in die verschiedenen Organe, an denen sie zum Aufbau der Kernsubstanz verwendet werden. Das weitere Schicksal der Purin- und Pyrimidinkörper Durch die Lebenstätigkeit der Zellen wird ständig ein Teil der so in den Organismus gelangten Substanzen verbraucht. Während nun über das Schicksal der P u r i n e schon gewisse Tatsachen bekannt sind, ist das der P y r i m i d i n e noch ganz in Dunkel gehüllt. Die P u r i n e werden desaminiert und oxydiert, wobei sie in H a r n säure bzw. Allantoin übergehen. H o r b a c z e w s k i erhielt beim Digerieren von Milzpulpa unter Luftdurchleitung Harnsäure. Er konnte auch feststellen, daß bei der Verfütterung von Nucleinstoffen die Harnsäureausscheidung anstieg. Es sind nun verschiedene Fermente bekannt, die entweder desaminierend oder auch oxydierend auf die Purine einwirken. Sie kommen in Leber, Darm und Milz vor. Die desaminierenden Fermente sind sog. H y d r o l a s e n , d. h. sie bedürfen zur Entfaltung ihrer Wirkung keinen Sauerstoff. Die Aminopurine Adenin und Guanin werden durch sie in Hypox a n t h i n und X a n t h i n verwandelt. HN—C=0 H J i i ¿—NH +H 2 0 = II II >CH N—C—N

HN—C=0 I I =C C—HN + NHj J II >CH HN—C-N

i n . Teil

266

Das Ferment, welches diese Wirkung hat, wird als G u a n a s e bezeichnet. N=CNH 2 HN—€=0 H!J ¿—NH +H,0 II II >CH N—C—N

=

I i i d—NH + NH, || || >CH N—C—N

Dieses Ferment, welches also Adenin zu Hypoxanthin desaminiert, heißt demnach A d e n a s e . Diese Purindesamidasen wirken auch schon auf die Nucleoside, also auf die Komplexe. Dabei braucht keine Aufspaltung des Nucleosides stattzufinden, so daß dann Xanthin bzw. Hypoxanthinnucleoside entstehen: Adenin—Kohlehydrat (Adenosin)

>-

Hypoxanthin—Kohlehydrat (Hypoxanthosin)

Guanin—Kohlehydrat (Guanosin)

>

Xanthin—Kohlehydrat (Xanthosin)

Die o x y d a t i v e Phase, welche natürlich nur bei Sauerstoffgegenwart eintritt, besteht dann in einer Umwandlung von Hypoxanthin zu Xanthin und dieses letztere wird dann zu H a r n s ä u r e oxydiert. Vereinigt man alle diese Vorgänge zu einem Bilde, so ergibt sich das Schema: N=C—NH» I I HC C—NH

HN—C=0 I I HjNC—C—NH

II I! >CH || || >CH N—C—N N—O—N Adenin Guanin | •- | Y

Y

HN—C=0

HN—C=0

HN—CO

HA ( L N H II II >CH N—C—N Hypoxanthin

o i (UNH | || >CH HN—C—N Xanthin

oi i-NH | || >CO HN—C—dNH Harnsäure

Die oxydative Phase findet hauptsächlich in der L e b e r statt. Die Harnsäure ist also zunächst die Verbindung, in welche alle Purine übergehen.

Die Harnsäure Sie ist ein Stoffwechselendprodukt, insofern sie nicht in Allantoin umgewandelt wird (siehe S. 265). Sie ist ein 2,6,8-Trioxypurin. Beim Menschen und den anthropoiden Affen ist sie das hauptsächlichste Endprodukt des Purinstoffwechsels, bei Vögeln und Reptilien das Hauptendprodukt des Stickstoffwechsels.

Fünfzehntes Kapitel. Der Nucleinstoffwechsel

267

Harnsäure ist äußerst schwer in Wasser löslich. Man kann sie als Keto- oder Enolverbindung auffassen: HN—C=0 N=C—OH oi

¿—NH >CO HN—C—NH Ketoform

HO-i ¿—NH || l| >COH N—C—N Enolform

Im Organismus ist die Harnsäure als primäres Natriumsalz (Natriumurat) gelöst. Bei normaler gemischter Kost scheidet ein normaler Mensch täglich etwa 0,5—1,2 g Harnsäure aus. Die klassischen Arbeiten E. Fischers haben die Chemie der Purinderivate weitgehend erklärt. Es sind auch eine Reihe von Synthesen der Harnsäure durchgeführt worden, welche die Konstitution dieser Verbindung bewiesen haben. Die Harnsäure wird durch ein Ferment, welches als uricolytisches Ferment, Uricase oder U r i c o o x y d a s e bezeichnet wird, zu Allantoin abgebaut: NH—CO

NHa O

¿0 ¿—NH + 0 + H,0 = ¿0 C NH + CO. I II >C0 I I >co NH—C—NH NH—OH—NH Harnsäure Allantoin Es wird dabei der Pyrimidinteil des Purinringes geöffnet und das 6-C-Atom als C02 abgespalten. Durch die Untersuchungen von K. Felix und nach W. Schuler ist diese Reaktion geklärt worden. Sie verläuft mehrphasisch. In der ersten wird Sauerstoff und Wasser aufgenommen, sie ist die oxydative. Erst in einer späteren Phase wird das C02 abgespalten. Die Untersuchimg der Aktivitätskurve (siehe Fermente) zeigt auch deutlich zwei Maxima, von denen das der ersten Phase bei pH = 8,7, das der zweiten bei pH = 9,7 liegt. Es bildet sich zunächst aus der Harnsäure ein Oxydationsprodukt, nach Sc hui er die Oxy-acetylendiurein carbonsäure, welche dann erst in Allantoin übergeht. Diese Oxydation der Harnsäure zu Allantoin ist auch rein chemisch unter Anwendung von Kaliumpermanganat durchführbar: C00H | I—C—NH ( + 0 + H.0) V V 0C< I >C0 oA L .NH NH—C—rfH >C0 HN—C—NH OH Harnsäure Oxyacetylendiureincarbonsäure HN—CO

(-C0.)

O |l H, NH—C N 0C< I >C0 NH—C—NH H Allantoin

268

HI. Teil

Während die beschriebene Uricolyse mit dem Extrakte zahlreicher Säugerorgane leicht durchführbar ist, besitzen die Organe des Menschen gar keine oder nur minimale uricolytische Wirkung. Viele Forscher neigen daher der Ansicht zu, daß der Mensch überhaupt nicht die Fähigkeit besitzt, Harnsäure abzubauen. Wenn diese Fassung auch vielleicht zu extrem ist, so besteht aber dennoch der wichtige Unterschied gegen die andern Säuger. T h a n n h a u s e r und Bommes injizierten einem Menschen die Nucleoside Adenosin und Guanosin und konnten 82% des so eingeführten Stickstoffes aus dem Harn als Harnsäure -wiedergewinnen, was anzeigt, daß keine Uricolyse von größerem Umfange stattgefunden haben kann. Die im Harn ausgeschiedene Harnsäure stammt entweder aus dem beschriebenen Zerfall der als Nahrungsstoffe zugeführten Purine oder sie entsteht durch die Abnützung der Zellkemsubstanz. Wird ein Mensch p u r i n f r e i ernährt, so sinkt die Harnausscheidung bis auf ein Minimum, welches nicht zum Verschwinden gebracht werden kann. Diese Minimalmenge beträgt pro Tag 0,5 g. Sie stellt diejenige Harnsäuremenge dar, welche durch den Abbau der Zellkernsubstanz des Organismus gebildet wird. Man bezeichnet sie als endogene Harnsäure im Gegensatz zur exogenen Harnsäure, welche aus dem Abbau der mit der Nahrung zugeführten Purine entsteht. Die Menge der endogenen Harnsäure ist durch Arbeit stark beeinflußt. Durch die neueren Untersuchungen E m b d e n s über den Chemismus der Muskeltätigkeit wurde auch gezeigt, daß im Muskel wahrscheinlich eine Adenosinphosphorsäure in Hypoxanthinphosphorsäure übergeht. Anderseits haben Durchströmungsversuche mit Hundemuskeln auch einen Zusammenhang zwischen Harnsäurebildung und Muskelarbeit ergeben. Neubildung von Purinen Daß der tierische Organismus die Fähigkeit zur Synthese des Purinringes besitzt, haben Versuche am Hühnerei ergeben, welche zeigten, daß die Purinmenge des Embryos im Laufe der Entwicklung ansteigt. Auch beim Säuger findet eine solche Synthese statt, denn der Säugling kann aus der purinarmen Milch Purine aufbauen. Ganz besondere Verhältnisse scheinen bei den Vögeln und den Reptilien zu bestehen. Der Vogelharn verdankt dem hohen Gehalt an Harnsäure seine breiige Konsistenz. Die Menge der Harnsäure ist bei diesen Tierklassen so groß, daß man eine Beteiligung der Eiweißspaltprodukte an der Hamsäuresynthese annehmen muß. Verbitterung von Aminosäuren (Glykokoll, Leucin, Asparaginsäure), sowie von Harnstoff oder selbst von Ammoniumsalzen

Fünfzehntes Kapitel. Der Nucleinstoffwechsel

269

bedingt bei Hühnern eine der zugeführten Stickstoffmenge entsprechende Harnsäureausscheidung. Die Lokalisierung dieser Harnsäuresynthese ist durch die Untersuchungen von Minkowski ergründet worden. Er unterband bei Gänsen alle die Leber versorgenden Blutgefäße oder führte eine Totalexstirpation der Leber durch. Derartige Tiere, welche natürlich nur kurze Zeit am Leben erhalten werden können, scheiden nunmehr anstatt der H a r n s ä u r e A m m o n i u m l a c t a t aus, bis auf eine geringe Menge Harnsäure, welche nicht zum Verschwinden gebracht werden kann. Betrachtet man in diesem Zusammenhange die Formel der Harnsäure, so kann man diese auch als ein Diureid auffassen, das aus einer drei C-Atome enthaltenden Substanz und zwei Molekülen Harnstoff entstanden ist: NH,

¿0

| NH2

Cx

HN—CO

+ ¿x, I

Cx,

+

HjNx

¿0

>C0

I

Hj'N/

¿—NHV

II

>co

HN—C—NH/

Werden nun, wie Wiener es durchführte, solche Substanzen mit drei C-Atomen injiziert, so tritt keine vermehrte Harnsäureausscheidung ein. Diese erfolgt aber, wenn die Tiere gleichzeitig Harnstoff zugeführt bekommen. Aus diesen Versuchen Wieners geht also hervor, daß die Gegenwart der drei C-Atomkörper keine Vermehrung des Eiweißzerfalles bedingt, daß aber zweifelsohne die Harnsäuresynthese beim Vogel aus Harnstoff erfolgt. Die wirksamen Drei-C-Atomkörper waren: COOH

COOH

COOH

COOH

¿H,

¿HÖH

¿0

¿HÖH

¿OOH Malonsäure

¿OOH Tartronsäure

¿OOH Mesoxalsäure

¿H, Milchsäure

Unwirksam war die Propionsäure und Säuren mit vier C-Atomen (ausgenommen Oxybuttersäure). Diese drei C-Atomkörper können durch Kohlehydratzerfall leicht entstehen. Auf Grund dieser Tatsachen nimmt Wiener die Entstehung der Harnsäure aus Tartronsäure an. Es wurde schon erwähnt, daß auch die entleberten Gänse noch immer etwas Harnsäure ausscheiden. Diese Hamsäureausscheidung ist die auf dem gewöhnlichen oxydativen Wege gebildete Harnsäure, welche so wie bei den Säugern aus den Purinen der Nucleinstoffe entsteht. In diesem Sinne besitzen also die Säuger und Vögel doch denselben Stoffwechsel.

III. Teil

270

Gegen diese Theorie sind in letzter Zeit schwerwiegende Einwände erhoben worden. Da zu der Harnstoffbildung nach K r e b s ja die Wirkung der Arginase nötig ist, diese in der Vogelleber aber fehlt, kann die Hamsäuresynthese nicht in der oben geschilderten einfachen Form vor sich gehen. Nach S c h u l e r sind Niere und Leber daran beteiligt, indem verschiedene Enzyme auf eine ihrer Natur nach noch unbekannte Vorstufe einwirken müssen. Es konnte gezeigt werden, daß ü b e r l e b e n d e Nierenschnitte vom Vogel Aminosäuren desaminieren, und daß dabei teils Ammoniak, teils Harnsäure auftritt. Die Kohlenstoffquelle für die Harnsäuresynthese ist also eine unbekannte „Vorstufe", die in der Leber fermentativ gebildet wird. Weder die von W i e n e r angenommenen 8-C-Körper, noch die meisten Substanzen physiologischer Herkunft sind mit dieser „Vorstufe" identisch. Die Niere des Vogels kann diese Vorstufe nicht bilden, sie gelangt vielmehr auf dem Blutwege in die Niere, wo sie zum Aufbau der Harnsäure verwendet wird. Diese Untersuchungen wurden von K r e b s erweitert, indem ermittelt wurde, daß in der Leber als „Vorstufe" zuerst H y p o x a n t h i n gebildet wird. In Niere und Pankreas findet sich das Enzym Xanthinoxydase, welches das Hypoxanthin auf oxydativem Wege in Harnsäure überführt. Es sei hier noch auf eine konstitutionschemische Eigentümlichkeit hingewiesen: Vergleicht man die Formeln von Purin, Ar ginin und Histidin, so besteht eine Ähnlichkeit im Aufbau dieser Substanzen: COOH

Harnsäure

Arginin

COOH

Histidin

A. K o s s e i wies auf das Vorkommen der Purine und des Arginins in den reifen Spermatozoen der Fische hin. Es sind einerseits die Nucleinsäuren, anderseits die Protamine, bei denen eine Häufung solcher Komplexe zu finden ist. Es wird vielleicht möglich sein, daraus noch wichtige Schlüsse über die physiologische Funktion der Substanzen aus dieser Ähnlichkeit her abzuleiten. Auf die Funktion der verschiedenen Nucleotide bei den fermentativen Vorgängen wurde bei der Besprechung der Oxydo-reduktionsvorgänge, des Zuckerabbaues usw. schon eingegangen (vgl. auch „Vitamin", S. 819).

Sechzehntes Kapitel. Das Blut

271

Pterine Wieland, Schöpf und Becker untersuchten verschiedene Farbstoffe von Schmetterlingsflügeln, sowie den gelben Farbstoff des Abdomens der Wespe. Es zeigte sich, daß alle diese Substanzen, die P t e r i n e genannt werden, durch Zusammenlagerung von mehreren Purinen (wahrscheinlich drei) entstehen. Die genaue Feststellung der Formeln steht noch aus. Störungen des Purinstoffwethsels Unter A r t h r i t i s urica oder Gicht wird eine Störung des menschlichen Purinstoffwechsels verstanden, bei welcher es zu Ablagerungen von Harnsäure und Mononatriumurat in den Gelenken, den Ohrknorpeln usw. kommt. Ihr Wesen ist trotz eifrigster Forschung noch nicht geklärt. Man hat eine Fermentanomalie oder auch mehr kolloidchemische Ursachen zu ihrer Deutung herangezogen. Auch eine Veränderung der Niere wurde zur Erklärung dieser Krankheit in Betracht gezogen. Beim Schwein kommt eine ähnliche Krankheit vor, bei welcher Ablagerungen von Guanin auftreten. Diese Substanz wird normalerweise im Harn der Tiere nicht ausgeschieden, während die an Guaningicht erkrankten dieses tun. Auch hier fehlt eine exakte Deutung der Krankheitsursache. Sechzehntes Kapitel

Das Blut Eine ausführliche Beschreibung der allgemeinen Eigenschaften des Blutes findet sich in allen Lehrbüchern der Physiologie. Es kann hier davon abgesehen werden und es sollen in dieser Zusammenstellung nur die allgemeine Zusammensetzung, das Phänomen der Blutgerinnung und die Chemie des roten Blutfarbstoffes behandelt werden. Allgemeine Zusammensetzung Das Blut ist eine Flüssigkeit, in welcher zellige Elemente enthalten sind. Erstere heißt das B l u t p l a s m a , letztere werden Erythrocyten, Leukocyten und Thrombocyten genannt. Wenn Blut einer Ader entströmt und einige Zeit sich selbst überlassen wird, so gerinnt das Blut. Bei dieser Gerinnung scheidet sich F i b r i n ab. Fibrin ist ein Eiweißkörper, welcher als Fibrinogen im Blutplasma gelöst enthalten ist. Dieses Phänomen der Gerinnung wird

III. Teil

272

im nächsten Abschnitt behandelt werden. Die vom Fibrin abgetrennte Flüssigkeit heißt das B l u t s e r u m oder Serum schlechthin. Bei der Gerinnung werden durch das ausfallende Fibrin die Blutkörperchen miteingeschlossen. Diese Masse, welche also aus Fibrin und Körperchen besteht, ist der B l u t k u c h e n oder Cruor. Blut Flüssigkeit: Plasma (Thrombogen) Serum Fibrinogen (Thrombin) j Fibrin

Zellen rote: Erythrocyten weiße. ^ ^ o y t e n Plättchen: Thrombocyten

Da das Blut das Haupttransportmittel des Organismus ist, können die meisten Substanzen oder deren Bausteine und deren Zwischenprodukte in mehr oder weniger großen Konzentrationen darin gefunden werden. Die Menge des Blutes beträgt beim Manne 1/13—1/17 des Körpergewichtes. Das Blutplasma enthält Eiweißstoffe und zwar 7—8%. Es sind dies Albumin, Globulin und Fibrinogen. Ferner kommt darin vor: Zucker (Glucose) 0,05—0,1%. Harnstoff, Purine, Aminosäuren und viele andere Substanzen, Fermente, Salze usw. Die E r y t h r o c y t e n enthalten den roten Blutfarbstoff, das Hämoglobin als wichtigsten Bestandteil. Das Hämoglobin ist das Transportmittel für den Sauerstoff. Über die Reaktion des Blutes, die Gegenwart von Salzen, das Phänomen der Hämolyse siehe die Kapitel über Beaktion und osmotischen Druck. Die Gerinnung des Blutes Die Gerinnung des Blutes kann herbeigeführt werden, wenn dasselbe nach dem Austritt au9 den Blutgefäßen mit einem Stab geschlagen wird oder in Glas oder Porzellangefäßen sich selbst überlassen bleibt. Die Gerinnung wird verhindert, wenn die Auffanggefäße mit einer Paraffinschicht überzogen wurden. Beim Gerinnen ohne Schlagen schließt das ausfallende Fibrin alle Formelemente ein und es bleibt über dem Blutkuchen (Placenta sanguinis) das gelb gefärbte Serum stehen. Menschliches Blut enthält etwa 60% Serum. Im Plasma sind 0,4% Fibrinogen enthalten. Durch gewisse Zusätze gelingt es, das Blut u n g e r i n n b a r zu machen. So genügt ein Zusatz von 0,1% Natriumoxalat oder 0,8% Natriumfluorid oder Natriumeitrat oder % Volumen gesättigter Magnesiumsulfatlösung. Außer diesen Salzen wird die Gerinnung durch das aus den Munddrüsen des Blutegels gewonnene H i r u d i n verhindert. Endlich

Sechzehntes Kapitel. Das Blut

273

hemmen Peptone und Albumoaen bis zu einem gewissen Grade diesen Vorgang. Kowell konnte aus der Leber eine, H e p a r i n bezeichnete Substanz isolieren, die in vitro wie in vivo gerinnungshemmend wirkt und in ihrer Wirkung dem Hirudin weit überlegen ist. Fibrinogen Wird derartiges Oxalatplasina mit dem gleichen Volumen gesättigter Kochsalzlösung gefällt, so bildet sich ein Niederschlag von Fibrinogen. In verdünnter Kochsalzlösung ist dieses Fibrinogen wie ein Globulin löslich. Im nativen Blut ist Calcium enthalten. Durch den Zusatz von Oxalaten, Fluoriden oder Citraten wird dieses ausgefällt bzw. entionisiert. Die gerinnungshemmende Wirkung dieser Salze beruht auf ihrem K a l k f ä l l u n g s v e r m ö g e n bzw. beim Citrat auf dem Entionisierungsvermögen des Calciums. Es gelingt auch durch einfache Dialyse das Calcium zu entfernen und dadurch die Gerinnung zu verhindern wie Wöhlisch feststellte. Würde aber die Gegenwart von löslichen Kalksalzen die alleinige Ursache der Gerinnung sein, so müßte eine nach dem genannten Verfahren hergestellte Fibrinogenlösung bei nachträglichem Zusatz von Kalksalzen sofort unlösliches Fibrin ausfallen lassen. Dies geschieht aber nicht. Daraus muß der Schluß gezogen werden, daß außer der Gegenwart von Fibrinogen und Kalksalzen noch ein d r i t t e r F a k t o r zur Fibrinbildung notwendig ist. Bringt man in eine Fibrinogenlösung etwas Serum hinein, so tritt sofort Gerinnung unter F i b r i n b i l d u n g ein. Diese Fibrinbildung unterscheidet sich von der Ausfällung des Fibrinogens mit Kochsalz dadurch, daß diese r e v e r s i b e l , jene irreversibel ist. Man hat den Übergang von Fibrinogen in Fibrin auch als einen hydrolytischen Fermentprozeß angesehen. Es ist aber auch möglich, daß nur eine Umwandlung eines Sols in ein Gel vorliegt, also nur ein kolloidchemisches Phänomen. Die Erklärung für den Gerinnungsvorgang dürfte nun in folgender Weise zu geben sein. 1. Im Blute kreist die unwirksame Vorstufe eines Fermentes, das T h r o m b o g e n oder auch P r o t h r o m b i n oder Serozym genannt. 2. In den zelligen Elementen des Körpers findet sich ein Aktivator des Thrombogens, eine T h r o m b o k i n a s e , auch T h r o m b o z y m , oder Cytozym genannt. 3. Das Calcium. Die Gerinnung des Blutes ist nach H a m m a r s t e n ein in zwei Phasen ablaufender Vorgang: 1. Bildung des wirksamen Thrombins. 2. Umwandlung des Fibrinogens in Fibrin durch das Thrombin. E d l b a c h e r , Kurzgefaßtes Lehrbuch der physlol. Chemie. 6. Aufl.

18

274

III. Teil

Das Schema bringt diese Tatsachen in übersichtlicher Form: Plasma: Fibrinogen

Thrombogen

Zellen: Calcium

-x r

Thrombin

Thrombokinase

JS

Fibrin

Die Gerinnungsaktivität des frischen Serums, welches also Throrabin enthält, nimmt sehr rasch ab, weil das Thrombin in eine unwirksame Form, das M e t a t h r o m b i n übergeht. Die Entstehung des Prothrombins ist unbekannt. Es ist thermolabil und findet sich im strömenden Blut gelöst und scheint außerdem in den Thrombocyten vorzukommen. Nach Untersuchungen, welche B o r d e t anstellte, scheint auch das Prothrombin nicht direkt, sondern in zwei Stufen in das Thrombin umgewandelt zu werden. Das Proserozym geht in Serozym (Thrombin) über. Die Umwandlung des Prothrombins in Thrombin erfolgt bei Gegenwart von Calcium und den vom Blut gelieferten „gerinnungsaktiven Substanzen" (Thrombokinase). Howell konnte nun zeigen, daß das Lipoid K e p h a l i n (siehe Lipoide) in hohem Maße bei Gegenwart von Calcium die Fähigkeit besitzt, das Prothrombin zu Thrombin zu aktivieren. Wässerige Organextrakte enthalten auch Thrombokinase. Sie sind in ihrer Wirkung dem Kephalin überlegen. Aus diesem Grunde nimmt man an, daß die Thrombokinase möglicherweise eine Komplexverbindung aus (Kephalin + Eiweiß)

ist und welcher durch die Eiweißkomponente die Was6erlöslichkeit verliehen wird und dadurch vielleicht auch die gesteigerte Wirksamkeit. Die Bildung des Kephalins oder seiner wirksamen Eiweißverbindung erfolgt durch den Zerfall der Thrombocyten. Diese sind sehr empfindliche Gebilde und liefern bei ihrem Zerfall die erste Thrombokinasemenge, welche die Gerinnung einleitet, wenn eine Blutung entsteht. Man kann als Ursache dieses Thrombocytenzerfalles vielleicht die geänderten Bedingungen annehmen, unter denen sich das Blut beim Verlassen des Gefäßes befindet. So wird dadurch beispielsweise der Partialdruck der Kohlensäure vermindert. Strömt bei einer Verletzung das Blut über die Wundfläche, so liefert der Zellinhalt der zerrissenen Zellen die Hauptmenge der Thrombokinase.

Sechzehntes Kapitel. Das Blut

275

Hat sich einmal Thrombin gebildet, so wirkt dieses auch bei Abwesenheit von Kalksalzen fibrinbildend. Normales Blut eines gesunden Individuums gerinnt ungefähr drei Minuten nach dem Ausströmen. Eine verzögerte Blutgerinnung wird als H ä m o p h i l i e oder Bluterkrankheit bezeichnet. Diese Hämophilie ist erblich in gewissen Familien. Unter pathologischen Bedingungen kann das Blut auch in den Gefäßen des Organismus gerinnen. Derartige Gerinnsel werden als Thromben bezeichnet. Durch plötzliches Loslösen kann ein solcher Thrombus an einer lebenswichtigen Stelle die Blutbahn verstopfen. Eine derartige Verstopfung der Blutbahn wird als E m b o l i e bezeichnet. Der Blutfarbstoff und ähnliche Pigmente Die Ursache der roten Farbe des Blutes ist der in den Erythrocyten vorhandene rote Blutfarbstoff oder Hämoglobin. Dieses ist ein Proteid, also ein zusammengesetzter Eiweißkörper, welcher sich durch seinen Eisengehalt auszeichnet. Das Hämoglobin bildet etwa 14% des menschlichen Blutes und ist der Hauptbestandteil der intraglobulären Flüssigkeit. Durch Einfluß von Säuren oder Alkalien gelingt die Spaltung des Chromoproteides in seine beiden Komponenten. Aus dem Eisengehalt hat man für das Hämoglobin ein Molekulargewicht von etwa 16000 berechnet. (Siehe das Kapitel über Eiweißkörper.) Das Oxyhämoglobin ist besonders leicht in schönen Krystallen zu erhalten, welche je nach der Tierart verschiedene Krystallform besitzen. Nach den Untersuchungen von H a n s Fischer leitet sich der Farbstoffanteil des Hämoglobins und alle ähnlichen als P o r p h y r i n e bezeichneten Farbstoffe von einer gemeinsamen Muttersubstanz ab, die als P o r p h i n bezeichnet wird. Dieses Porphin ist aus vier Pyrrolringen aufgebaut, die durch —CH-Gruppen (Methingruppen) vereinigt sind, so daß dadurch die folgende Formel entsteht:

rn=cH i i \N/

H

Pyrrol

HC( H V y N \ \==f C ! HH (8) (7)

H )CH N V

o /

(•) -

N

N Fe» .

(Pyridin usw.)

Sechzehntes Kapitel. Das Blut

279

Hämochromogen (Häm -f- Pyridin) t reduziert N

N

N

Fein I C1

Fei" OH Oxyhämin (Hämatin)

N Fe

UI

(Pyridin usw.)

¿H

Chlorhämin Pyridino-oxyhämin ( T e i c h m a n n s c h e Krystalle) (Parahämatin) -CH=CH 2

HaC-r

=,—CH=CH,

= = C H -

- F e ^C1 /

N

\

H

=CH

=

H.C-L

¿H,

CH,

-»"-CH.

CH.COOH CH2COOH Protohämin

Bei dem nun zu nennenden H ä m o g l o b i n , das sich, wie vorhin schon gesagt wurde, vom H ä m ableitet, ist wie bei den Hämochromogenen zu bemerken, daß das zweiwertige Eisen mit seinen Nebenvalenzen noch weitere Bindungen eingehen kann. Da die sog. Koordinationszahl des Eisens sechs ist, sind bei diesem zwei Haupt- und vier Nebenvalenzen anzunehmen, beim dreiwertigen Eisen 8 Hauptund 3 Nebenvalenzen (Haurowitz). Globin N

\ i /

Globin

Globin N

N

Fe«

Fe" N-/rxN

\ •N

Hämoglobin

N \ i /111

Fe

N^l'-'-N

0,

Oxy-hämoglobin

OH Met-h&moglobin

Bei der Einwirkung von 0 2 auf Hämoglobin wird molekularer Sauerstoff gebunden ohne Valenzänderung des zweiwertigen Eisens. Erst durch Einwirkung von Oxydationsmitteln entsteht Methämoglobin mit dreiwertigem Eisen. Die Beständigkeit des Oxyhämoglobins ist abhängig vom Partialdruck des Sauerstoffes und daher eine umkehrbare Reaktion: Hb-1-0,

Hb02

Hämoglobin ist purpurviolett, Oxyhämoglobin hellrot gefärbt. Methämoglobin ist braun. Alle die hier genannten Porphyrine und Hb-

280

III. Teil

Derivate «eigen höchst charakteristische A b s o r p t i o n s s p e k t r e n , an denen sie erkannt werden können. Die Verbindung mit CO heißt Kohlenoxyhämoglobin. Sie dissoziiert viel schwerer als Hb0 2 , worauf die Giftwirkung dieses Gases zurückzuführen ist. Das Globin Das Globin, das durch Bindung mit dem Protohämin den Blutfarbstoff bildet, ist ein durch seinen ßeichtum an H i s t i d i n besonders gekennzeichneter Eiweißkörper, der zu den Albuminen gerechnet werden muß. Durch Untersuchungen von Hill ließ sich Globin durch verdünnte Säurewirkung bei niedriger Temperatur aus dem Blutfarbstoff abspalten. Derartiges natives Globin kann bei Gegenwart von reduzierenden Substanzen bei alkalischer Eeaktion mit Häminen wieder zu Hämoglobin s y n t h e t i s i e r t werden (Hill, Haurowitz), indem die Hämform entsteht. Derartiges regeneriertes Hämoglobin besitzt auch die Fähigkeit, reversibel in Oxyhämoglobin überzugehen. Als K a t h ä m o g l o b i n bezeichnet man nach H a u r o w i t z einen Farbstoff, der durch Vereinigung von d e n a t u r i e r t e m Globin mit Protohämin entstanden ist. Er kann keinen Sauerstoff mehr binden. Es ist also daraus zu schließen, daß durch die Bindimg mit n a t i v e m Globin das Häm die Fähigkeit erwirbt, die Bolle als Atmungspigment zu übernehmen. Nach v. Zeynek ist auch besonders der Hydratationsgrad des Globins von Bedeutung. Das f ö t a l e Blut enthält ein Hämoglobin, das sich durch größere Laugenresistenz kennzeichnet. Es besitzt auch eine stärkere Affinität zum Sauerstoff, was für die Sauerstoffversorgung von Bedeutung zu sein scheint. Dieser Unterschied beruht auch auf der Verschiedenheit der Globinkomponente. Die Hämoglobine der verschiedenen Tierspezies unterscheiden sich durch die artspezifischen Differenzen im Aufbau der Globine. Sie zeigen auch verschiedene Krystallformen. Das Hämoglobin wird im Knochenmark gebildet. Bei der sog. „perniziösen Anämie" ist besonders die normale Bildung des Hb gestört. Nach Minot, Murphy, H a r r i s u. a. ist in der Leber ein Stoff vorhanden, der diese Verhältnisse reguliert. Es werden daher verschiedene Leberpräparate bei solchen Fällen von bösartiger Blutarmut mit Erfolg angewendet. Die Natur dieser Stoffe ist noch nicht geklärt. Es sollen zwei Faktoren daran beteiligt sein („extrinsic"- und ,,intrinsic"-Faktor). Der eine ist körpereigen, der andere hat Vitamincharakter, d. h. er muß mit der Nahrung zugeführt werden (S. 828).

Sechzehntes Kapitel. Das Blut

281

Die physiologische Wirkung der P o r p h y r i n e Porphyrine besitzen eine stark sensibilisierende Wirkung gegen Licht. Wird einem Tier oder einem Menschen Porphyrin eingespritzt, so treten nach kurzer Belichtungszeit Hautjucken und Krämpfe ein. Paramäcien verhalten sich in einer Hämatoporphyrinlösung im Dunkeln vollkommen normal, werden aber bei Belichtung sofort abgetötet. Auf Erythrocyten wirkt Porphyrin im Lichte hämolysierend. Bei einer Reihe von Erkrankungen scheint diese Sensibilisierung durch Porphyrin eine Bolle zu spielen. Über sog. „grünes Hämin" (Warburg) wird im folgenden Abschnitt bei der Beschreibung des Gallenfarbstoffes berichtet werden. Gallenfarbstoffe Der Gallenfarbstoff ist das Abbauprodukt des Blutfarbstoffes. Er enthält ebenfalls vier Pyrrolkerne, die aber nicht, wie im Porphin, ringförmig vereinigt sind.

H3C HO'

CH=CH 2 H3C1 CH

CH2—COOH CH, \

/" H

N

CH,COOH CH,

-CH,

-CH-

"\N

H

CH, H

Er wird Bilirubin genannt. Die gelbbraune Farbe der Galle ist auf ihn zurückzuführen. Seine Bildung erfolgt hauptsächlich in der Leber. Erfindet sich in Gallensteinen in Form seines Calciumsalzes. Durch Oxydation kann Bilirubin in das grüne Biliverdin übergehen. Die grüne Farbe von erbrochenem Mageninhalt beruht auf der Gegenwart dieses Farbstoffes. Die Umwandlungen des Bilirubins durch Darmbakterien und andere Faktoren sind im folgenden Schema zusammengefaßt: Bilirubin - — Urobilinogen j Luftoxydation (— 2 H ) /

K

Urobilin

\

il

(in Kot und Harn)

282

III. Teil

Urobilinogen ist kein Farbstoff mehr. Der durch Luftoxydation daraus entstehende Farbstoff Urobilin ist vom Mesobilirubin verschieden. Die Kotfarbe beruht hauptsächlich auf dem Vorkommen des Stercobilins. Urobilinogen wird zum Teil ausgeschieden, zum Teil durch Rückresorption in die Leber gebracht, wo es möglicherweise wieder in Bilirubin übergeht. Die Bildung von Gallenfarbstoff aus Blutfarbstoff geschieht durch Öffnung des Porphyrinringes und Herauslösung des Eisens. 0. W a r b u r g konnte zuerst zeigen, daß Hämine in pyridinhaltigem Wasser gelöst, bei vielen Substanzen, wie Cystein, Glycerinaldehyd, Hydrazin usw., Sauerstoff übertragen, dabei wird das Eisenatom reduziert und durch molekularen Sauerstoff reoxydiert. Durch diese Oxydation kann ein grüner, eisenhaltiger Farbstoff entstehen, sogenanntes „grünes H ä m i n " . Nach Beobachtungen von P. K a r r e r sowie von v. Euler entstehen derartige grüne Farbstoffe aus Hämin auch durch Einwirkung von Ascorbinsäure und Sauerstoff. E. Lemberg nannte diesen Farbstoff Verdo-hämochromogen. E d l b a c h e r und v. Segesser konnten zeigen, daß die Bildung solcher grüner Produkte aus hämolysierten Erythrocyten bei Gegenwart von Sauerstoff und Ascorbinsäure bei einer Wasserstoffionen-Konzentration von p H etwa 7,0, bei 88° maximal verläuft. Da derartige grüne Farbstoffe die Gmelinsche Gallenfarbstoff-Reaktion geben, lag der Gedanke nahe, in dieser Reaktion den Übergang von Blutzu Gallenfarbstoffen anzunehmen. H. Fischer hat diesen Übergang nun in vitro in folgender Weise realisieren können: Der durch Einwirkung von Ascorbinsäure und Sauerstoff auf Koprohäminester erhaltene Farbstoff geht bei der Aufarbeitung durch Abspaltung des Eisens in sogenannten Kopro-glaukobilinester Ia über, der in blauen prismatischen Krystallen erhalten werden kann. Diese Verbindung ist nun einem anderen Ester, der durch Dehydrierung von Kopro-bilirubin erhalten werden kann, außerordentlich ähnlich. Das sogenannte Koprobilirubin wurde von H. F i s c h e r und E. Adler synthetisch hergestellt. Es ist eine Kombination von 4 Pyrrolringen, deren jeder analog der oben angegebenen Bilirubinformel einen Propionsäurerest und eine Methylgruppe trägt. Das etwaige natürliche Vorkommen eines solchen Koprobilirubins erachten die Autoren als im Bereich der Möglichkeit liegend, denn bei der sogenannten P o r p h y r i e erscheint eine ganze Reihe von Farbstoffen im Harn und Kot. Es wäre also denkbar, daß es auch in der oben angeführten Stercobilinfraktion vorkommt. Durch den Vergleich der beiden Glaukoester ist die Gallenfarbstoffnatur des vorliegenden, aus Hämin stammenden blauen Körpers klar bewiesen und zum erstenmal, auf einem Weg, wie er in der lebenden Zelle ohne weiteres denkbar ist, in v i t r o aus einem H ä m i n ein einheitlich

Sechzehntes Kapitel. Das Blut

283

krystallisierender Gallenfarbstoff e r h a l t e n worden. Auch mit Hefe konnte aus Koprohäminester krystallisierender Kopro-glaukobilinester gefaßt werden. Ähnliche Reaktionen, welche auch die teilweise Ringöffnung des Hämatinringes betreffen, wurden von B a r k a n und von Fischer und Müller durchgeführt. Ersterer stellte durch gleichzeitige Wirkung von Sauerstoff und Schwefelwasserstoff ein grünes Sulfhämoglobin dar, welches noch Eisen enthält, letztere erhielten ähnlich wie Lemberg aus Hämoglobin mit Cyankalium und H 2 0 2 sog. Pseudohämin von grüner Farbe. Über die physiologische Bedeutung des Gallenfarbstoffes ist nichts bekannt. Das Hämatoidin, das in Blutextravasaten vorkommt, ist identisch mit dem Bilirubin. Bei der Verlegung des Gallenganges durch Gallensteine ist der normale Abfluß der Galle verhindert und es werden dann die gebildeten Gallenfarbstoffe durch das Blut in die Nieren gebracht. Der Harn ist dann dunkel gefärbt, die Haut des Erkrankten zeigt gelbe Farbe. Diese Störung wird als I k t e r u s (Gelbsucht) bezeichnet. In diesem Falle kann der Gallenfarbstoff durch die vorhin genannten Reaktionen im Harn nachgewiesen werden. Chlorophyll Im Anschluß an die Gallenfarbstoffe muß an dieser Stelle noch der grüne Blattfarbstoff, das Chlorophyll, genannt werden. Die endotherme F u n d a m e n t a l r e a k t i o n der Zuckersynthese wird durch das Chlorophyll vermittelt. Dieses besteht aus zwei Komponenten, die sich durch ihren Sauerstoffgehalt unterscheiden. Chlorophyll A = C^H^OsNjMg (blaugrün) B = CMH,0OsN4Mg (gelbgrün)

Es findet sich dreimal soviel A-Form als B-Form. Es enthält Magnesium. Durch die Untersuchungen von W i l l s t ä t t e r und von H. Fischer wurde das Chlorophyllproblem weitgehend geklärt. Es besteht aus zwei Komponenten, einerseits aus dem Alkohol Phytol, der bei den Isoprenverbindungen schon genannt wurde, und andererseits aus einer P o r p h y r i n v e r b i n d u n g mit drei Carboxylgruppen. Es ist also ein Porphyrinphytolester. Durch Abspaltung von Magnesium erhält man aus Chlorophyll A einen Farbstoff, das P h ä o p h y t i n A, welches durch Verseifung in die freie Porphyrincarbonsäure übergeht (8COOH). Aus dieser kann durch weiteren Abbau endlich ein dem Ätioporphyrin III ganz nahe verwandtes Ätioporphyrin dargestellt werden, nur stehen an Stelle der beiden Vinylgruppen zwei Äthylreste. Chlorophyll B ist ein

III. Teil

284

sekundäres Oxydationsprodukt von A. Möglicherweise spielen sich in den Pflanzenzellen Beduktions- und DehydrierungBvorgänge ab, bei denen A- und B-Form entsteht. Tritt eine Störung dieser Funktion ein, so bildet sich H 2 0 2 , das dann den Farbstoff zerstört. Es ist möglich, daß die rasche Zerstörung des Chlorophylls im Herbste auf diese Weise eintritt. Neben den vier Pyrrolringen enthält die A-Form einen sog. isocyclischen Bing, der durch innere Anhydridbildung entsteht (Lactonring). Man schreibt also dem Chlorophyll die folgende Formel zu: Chlorophyll A (blaugrün)

CHg CH, • CH3 1 1

Y

(mit Phytol verestert S. 46)

Wenn die CH3 zum Aldehyd oxydiert ist, so liegt das gelbgrüne Chlorophyll B vor. Im Darmtrakt wird Chlorophyll in sog. P h y l l o e r y t h r i n umgewandelt. Die Ähnlichkeit der Farbstoffkomponenten von Blut und Blattfarbstoff ist biologisch höchst bemerkenswert! Die Funktion des Chlorophylls bei dem Kohlensäureassimilationsvorgang ist auch durch W i l l s t ä t t e r und St oll geklärt worden. Wenn unter dem Einflüsse des Lichtes sich Kohlensäure und Wasser in Zucker verwandelt, so ist dies ein e n d o t h e r m i s c h e r Vorgang, welcher durch die Gegenwart des Chlorophylls vermittelt wird: 6 CO, + 6 H , 0 = C,H lt O e + 6 0 ,

Der „assimilatorische Quotient" dieser Beaktion = 1. CO,

O.'-1

Siebzehntes Kapitel. Die Wirkstoffe

285

Das heißt, es wird gleichviel C02 verbraucht, als Sauerstoff abgegeben wird. Der assimilatorische Quotient ist also ähnlich dem „respiratorischen Q u o t i e n t e n " der animalischen Physiologie, der das Verhältnis der a u s g e a t m e t e n C02 zum e i n g e a t m e t e n 0 2 darstellt. Dieser ist normalerweise kleiner als eins und seine Größe wird durch den Sauerstoffgehalt der im Körper verbrennenden Nahrungsstoffe bestimmt. Die Assimilation scheint in mehreren Phasen zu verlaufen. Im Verlauf der Reaktion bindet sich die Kohlensäure an das Magnesiumatom und wird dann in eine peroxydische Form umgelagert: R R] COa- Addition

Peroxyd

Die Spaltung dieses Peroxydes führt dann zur Bildung von Forma l d e h y d und S a u e r s t o f f . ^ > M g + H-CHO + 0 2

Formaldehyd kann sich dann durch Aldolkondensation zu Zucker vereinigen : H-CHO + H-CHO = CH 2 OH-C