Kurzgefasstes Lehrbuch der physiologischen Chemie [4., umgearb. Aufl. Reprint 2019] 9783111723068, 9783111143323

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Table of contents :
Vorwort
Vorwort zur zweiten Auflage
Vorwort zur dritten Auflage
Vorwort zur vierten Auflage
Inhaltsverzeichnis
I. Teil. Die Chemie der Hauptgruppen der Nahrungsstoffe und Körperbestandteile
Erstes Kapitel. Die Kohlehydrate
Zweites Kapitel. Fette und Wachse
Drittes Kapitel. Lipoide und Gallensäuren
Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper
Fünftes Kapitel. Nucleinstoffe
II. Teil. Allgemeine Zustände und Vorgänge
Sechstes Kapitel. Osmotischer Druck (anorganische Salze)
Siebentes Kapitel. Die Kolloide
Achtes Kapitel. Die Wasserstoffionenkonzentration
Neuntes Kapitel. Die Ampholyte
Zehntes Kapitel. Die Fermente
Elftes Kapitel. Die biologischen Oxydations- und Reduktionsvorgänge
III. Teil. Der Stoffwechsel
Zwölftes Kapitel. Der Fettstoffwechsel
Dreizehntes Kapitel. Der Kohlehydratstoffwechsel
Vierzehntes Kapitel. Der Eiweißstoffwechsel
Fünfzehntes Kapitel. Der Nucleinstoffwechsel
Sechzehntes Kapitel. Das Blut
Siebzehntes Kapitel. Hormone und innere Sekretion
Achtzehntes Kapitel. Vitamine
Register
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Kurzgefasstes Lehrbuch der physiologischen Chemie [4., umgearb. Aufl. Reprint 2019]
 9783111723068, 9783111143323

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KURZGEFASSTES LEHRBUCH DER PHYSIOLOGISCHEN CHEMIE VON

S. EDLBACHER

o. P R O F E S S O R DER P H Y S I O L O G I S C H E N AN DER U N I V E R S I T Ä T B A S E L

VIERTE, UMGEARBEITETE

CHEMIE

AUFLAGE

B E R L I N UND L E I P Z I G

WALTER DE GRUYTER&CO. VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J.GUTTENTAG, VERLAGS. BUCHHANDLUNG - GEORG REIMER - KARL J. TROBNER - VEIT & COMP.

1 9

3

7

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten Copyright

1937

by

WALTEE DE GRUYTER

& Co.

vormals Q. J. Gflschen'sche Verlagshandlung — J. Gnttentag, Verlagsbnchliandluug — Georg Belmer — Karl J. Trübner — Veit & Comp.

Berlin W35, Woyrschstraße 13

Archiv-Nr. 610937 Printed In Germany Druck von Metzger £ Wittig in Leipzig

Vorwort Dieses Bach soll in erster Linie ein Lehrbuch sein, welches dem angehenden Mediziner zeigen soll, wie die Begriffe der Chemie aaf biologische Probleme anzuwenden sind. Es wurde daher in möglichst knapper Form gehalten und es mußte eine strenge Auswahl des Stoffes getroffen werden. Entsprechend der zunehmenden Bedeutung der physikalischen Chemie für die biochemischen Probleme wurde versucht, dem Leser durch elementare Darstellung dafür das Verständnis zu eröffnen. Eine Darstellung des Gesamtstoffwechsels wurde nicht gebracht, da dieser in den Lehrbüchern der Physiologie erschöpfend behandelt wird. H e i d e l b e r g , im März 1929 S. Edlbacher

Vorwort zur zweiten Auflage Die Fortschritte in der Erforschung des Chemismus der Lebensvorgänge, die in den letzten 8 Jahren gemacht worden sind, haben eine gründliche Überarbeitung einer großen Anzahl von Kapiteln dieses Lehrbuches notwendig gemacht. Um den Umfang nicht wesentlich zu vergrößern, habe ich daher grundsätzlich von der Wiedergabe qualitativer und quantitativer Bestimmungsmethoden abgesehen, insofern nicht derartige analytisch-chemische Details für das theoretische Verständnis unbedingt notwendig waren. Da es von Anfang an mein Plan war, ein Lehrbuch und kein Nachschlagewerk zu schreiben, habe ich rein deskriptive Tatsachen, auf das geringste Maß gekürzt, wiedergegeben; denn es ist viel wichtiger, dem Studenten an Hand eines möglichst zahlreichen Formelmaterials die Vorstellungen zu übermitteln, welche in großen Linien den Entwicklungsgang der Forschung darstellen, anstatt den Text mit beschreibenden Details aus der Körperchemie, wie Schmelzpunkte, usw. zu beschweren. So wurden die Anschauungen über den Chemismus der Lebensvorgänge bis zu dem gegenwärtigen Standpunkt der Probleme entwickelt. Die Chemie der Kohlehydrate, der Lipoidstoffe, der Isoprenderivate, der Vitamine und der Hormone wurde vollkommen neu bearbeitet; der Stoffwechsel der Muskelkontraktion und besonders die Vorstellungen über die biologische Oxydation erfuhren eine gründliche Umgestaltung. Im Zusammenhang mit den Oxydationsvorgängen wurde auch die Chemie des Blutfarbstoffes entsprechend den in den letzten Jahren gewonnenen Erkenntnissen dargestellt. "Heidelberg, im Juli 1982 S. Edlbacher

Vorwort zur dritten Auflage In Verfolgung der bei den früheren Auflagen beachteten Gesichtspunkte wurden die Kapitel über: Gärung und Glykolyse, Oxydationen, Hormone und Vitamine vollkommen neu geschrieben und auch alle anderen Kapitel entsprechend ergänzt. Basel, im Juli 1935 S. Edlbacher

Vorwort zur vierten Auflage Trotz der kurzen Zeit, die seit dem Erscheinen der dritten Auflage verstrichen ist, erwies es sich als notwendig, einzelne Kapitel in ganz neuer Form darzustellen. So wurde die Beschreibung der biologischen Oxydations- und Beduktionsvorgänge, sowie die Darstellung des Stoffwechsels der Kohlenhydrate einer vollkommenen Neubearbeitung unterworfen. Um den Umfang des Buches nioht übermäßig anschwellen zu lassen, konnte das große Gebiet der S y n t h e s e der Naturstoffe nur in ganz beschränktem Umfange berücksichtigt werden. Wie in allen früheren Auflagen wurde das Hauptgewicht darauf gelegt, die Hauptanschauungen über den Chemismus der Lebensvorgänge in den Vordergrund zu stellen. Basel, im März 1937 S. Edlbacher

Inhaltsverzeichnis I. Teil. Die Chemie der Hanptgrnppen der NahrnngsstoIIe und KörperbestondteUe Seit«

1. Kapitel. Die Kohlehydrate 2. „ Fette und Wachse 3. „ Lipoide und Gallensäuren 4. „ Die Eiweißkörper 5. „ Nucleinstoffe

1 31 36 46 79

II. Teil. Allgemeine Zustände and Vorgänge 6. 7. 8. 9. 10. 11.

„ „ „ „ „ x

Osmotischer Druck (anorganische Salze) Die Kolloide Die Wasserstoffionenkonzentration Die Ampholyte Die Fermente Die biologischen Oxydations- und Reduktionsvorgänge

. . . .

90 97 104 114 119 141

m . Teil. Der Stoffwechsel 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.

„ „ „ „ „ „ „

Register

Der Fettatoffwechsel Der Kohlehydratetoff Wechsel Der Eiweißstoffwechsel Der Nucleinstoffwechsel Das Blut Hormone und innere Sekretion Vitamine

167 179 209 242 249 262 278 295

I. T e i l

Die Chemie der fiauptgruppen der Nahrungsstoffe und Körperbestandteile Erstes Kapitel

Die

Kohlehydrate

Definition und Nomenklatur Unter der Bezeichnung Kohlehydrate oder Kohlenhydrate faßt man eine Grappe von chemischen Verbindungen zusammen, die als die ersten Oxydationsprodukte mehrwertiger Alkohole aufzufassen sind. Da es sich um primäre Oxydationsprodukte handelt, so sind sie entweder A l d e h y d - oder Ketonalkohole. Fast alle diese Verbindungen enthalten in ihrem Molekül Wasserstoff und Sauerstoff in dem Atomverhältnis wie zwei zu eins. Es ist dabei zu erwähnen, daß es natürlich eine große Anzahl von organischen Verbindungen gibt, die Wasserstoff und Sauerstoff im Verhältnis zwei zu eins enthalten, die aber durchaus nichts mit den Kohlehydraten zu tun haben. So z. B. die Essigsäure: CH3COOH = CjHJOJ oder die Milchsäure: CH3 CH OH COOH = C3H,03 USW. Wie aus der genannten Definition der Kohlehydrate hervorgeht, können also diese von den mehrwertigen Alkoholen abgeleitet werden. Es sind nun eine große Zahl solcher mehrwertiger Alkohole, teils als in der Natur vorkommend, teils als synthetisch dargestellt, bekannt. Das einfachste Beispiel eines zweiwertigen Alkohols ist das Glykol; durch Oxydation der einen der beiden CH 2 -OH-Gruppen entsteht daraus der G l y k o l a l d e h y d , der dementsprechend als einfachstes Kohlehydrat aufgefaßt werden kann: CHj-OH CHj-OH +H I = 1 H »° CHj-OH C•

Fettsäure

Die Cerebroside enthalten also nur Fettsäuren mit 24 C-Atomen. Auch die übrigen Gehirnlipoide vorwiegend nur Säuren mit 18 und 24 C-Atomen. Es fanden sich im Gehirn die Säuren mit 16, 18, 20 und 24 C-Atomen. Von diesen nehmen, wie gesagt, die 18er und 24igerGruppe eine bevorzugte Stellung ein, so daß sie möglicherweise als aus H e x o s e n e n t s t a n d e n gedacht werden können. Wird Cerebron mit Wasser erwärmt, so wandeln sich seine Krystalle in gequollene „Myelinformen" um. 3. Sterine und Gallensäuren Als S t e r i n e bezeichnet man stickstofffreie Substanzen, an deren Aufbau hydrierte Benzolringe beteiligt sind und die, wie ihr wichtigster Vertreter, das C h o l e s t e r i n , eine alkoholische Hydroxylgruppe besitzen. Entsprechend dieser allerdings nicht erschöpfenden Definition sind die Sterine den terpenartigen Substanzen zuzuzählen. Die Sterine stehen bezüglich ihrer chemischen Konstitution in engster Beziehung zu den später zu besprechenden G a l l e n s ä u r e n . Die Sterine kommen sowohl frei als auch in Form von Estern im Tier- und Pflanzenreich vor. Demnach unterscheidet man zwischen tierischen Z o o s t e r i n e n und pflanzlichen P h y t o s t e r i n e n . Während relativ viele Phytosterine bekannt sind, kennt man nur wenige Zoosterine*

Drittes Kapitel. Lipoide und Gallensäuren

41

Alle Wirbeltiere enthalten nur das gewöhnliche Cholesterin, doch sind bei niederen Tieren einige andere Sterine gefunden worden, so das S p o n g o s t e r i n aus einem Kieselschwamm, das S t e l l a s t e r i n aus Echinodermen u. a. m. Die Unterschiede der einzelnen Sterine sind nur gering. Neben dem eigentlichen Cholesterin finden sich bei Wirbeltieren noch verschiedene Umwandlungsprodukte desselben vor: O x y c h o l e s t e r i n (Metacholesterin), K o p r o s t e r i n und I s o c h o l e s t e r i n . C h o l e s t e r i n C 2 7 H 4 6 0 . Diese Substanz wurde schon im 18. J a h r hundert von K o n r a d i in den Gallensteinen entdeckt. Die Klärung der chemischen Konstitution dieser komplizierten Verbindung ist neben andern namentlich den großartigen Forschungen von W i n d a u s zu danken. Andererseits haben die später zu nennenden Untersuchungen von W i e l a n d über die Gallensäuren zu einem Ergebnis geführt, das diese beiden Forschungsgebiete vereinigt. E s besteht zwischen Cholesterin und Gallensäuren eine enge chemische Wechselbeziehung, die auf ein tieferliegendes physiologisches Geschehen schließen läßt. Das Cholesterin kommt in fast allen tierischen Flüssigkeiten, wenn auch in geringer Menge vor. E s scheint in allen Zellen aufzutreten, besonders reichlich im Gehirn und im Nervensystem, in der Milch usw. E s tritt entweder frei oder in Form von Fettsäureestern auf. Die G a l l e n s t e i n e bestehen zum größten Teil aus Cholesterin und bilden daher das beste Material zu seiner Darstellung. Durch Extraktion der gepulverten Steine mit Alkohol und Äther und Eindunsten dieser Lösung wird es in Form von schneeweißen Krystallen erhalten. Cholesterin ist in Wasser, verdünnten Säuren und Alkalien unlöslich, leicht löslich in Äther, Chloroform, Benzol usw. E s verbindet sich mit S a p o n i n e n . Diese sind meist giftige Pflanzenstoffe, die manchmal auch pharmakologische Bedeutung besitzen wie das Digitonin. E i n e alkoholische Lösung von Cholesterin wird unter Bildung von D i g i t o n i n c h o l e s t e r i d gefällt. Diese Reaktion kann zur Bestimmung des Cholesterins verwendet werden. Als Bestandteil der ErythrocytenhüÜe ist es für die Regulation des Stoffwechsels von großer Bedeutung. Gallensaure Alkalien können Cholesterin zur Lösung bringen. Cholesterin ist optisch-aktiv und zwar drehen seine Äther- oder Chloroformlösungen nach links. Cholesterin gibt eine Reihe von charakteristischen Farbenreaktionen mit Schwefelsäure usw. Das Cholesterin sowie die Gallensäuren enthalten nach den Forschungen von W i n d a u s und von W i e l a n d ein Ringsystem von drei sechs- und einem fünfgliedrigen C-Ring. Das Cholesterin ist ein ungesättigter, einwertiger hydroaromatischer Alkohol mit einer aliphatischen Seitenkette:

I. Teü

42

CH3

| /CHa CH— (CHj),—CH H»C 1 \CH3 = Cholesterin, (C27H160)

HO^ Wird die Seitenkette oxydativ verkürzt, so entsteht daraus die „„ Cholansäure. ¿H—i(CH2)2—COOH = Cholansäure

Durch systematischen Abbau des Cholesterins und der Gallensäure konnten die obigen Formeln ermittelt werden. Die weitere Erforschung dieser Körperklasse ergab aber die überraschende Tatsache, daß das a n t i r a c h i t i s c h e V i t a m i n D und die G e s c h l e c h t s h o r m o n e ebenfalls als S t e r i n d e r i v a t e a u f z u f a s s e n sind (s. d.). Aber auch verschiedene Gruppen von Pflanzenstoffen, wie die Saponine, die pharmakologisch so wichtigen Glykoside der Digitalis und Scillarengruppe besitzen das gleiche Grundskelett. Auch die K r ö t e n g i f t e scheinen dieser Körperklasse anzugehören. Allen diesen Stoffen ist die Kombination von drei mehr oder weniger hydrierten 6-C-Bingen eigen, die in den meisten Fällen noch mit einem 5-C-Ring, dem sog. Indenring, gebunden sind. Die drei 6-C-Ringe sind wegen ihres Vorkommens in dem aromatischen Kohlenwasserstoff Phenanthren als mehr oder weniger hydrierte Phenanthrenringe zu bezeichnen.

= Phenanthren

Die Vereinigung des Phenanthrens und Indenringes ergibt dann das Cyclopentanoperhydrophenanthren: H,

"

O



£

Drittes Kapitel. Lipoide und Gallensäuren

43

Wird Cholesterin hydriert, so geht es in D i h y d r o c h o l e s t e r i n über. Im Darm findet sich das K o p r o s t e r i n , das mit dem Dihydrocholesterin stereoisomer ist. Da im Sterinmolekül also optische Isomerien möglich sind, wurden Untersuchungen über die Konfiguration der Gallensäuren unternommen, welche ergaben, daß diese nicht mit dem Cholesterin, sondern mit dem Koprosterin sterisch verwandt sind. Treten in die Cholansäure Hydroxylgruppen ein, so erhält man verschiedene Oxysäuren: 1. Monooxycholansäure = Lithocholsäure, 2. Dioxycholansäure 3. Trioxycholansäure = Cholsäure. Die Gallensäuren sind in der Galle als Alkalisalze vorhanden und lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Die eine Gruppe tritt mit Glycin verbunden auf, man nennt sie die Glykocholsäuren. Die andere Gruppe sind Verbindungen der Säuren mit der Aminoäthansulfosäure, dem T a u r i n :

Man nennt sie die T a u r o c h o l s ä u r e n . Das Taurin stellt ein Oxydationsprodukt der Aminosäure Cystein dar. Es wird durch Kochen von Galle mit Säure aus den Taurocholsäuren abgespalten und in Form von großen Krystallen leicht erhalten. Alle Gallensäuren geben die P e t t e n k o f e r s e h e Probe: Die zu untersuchende Lösung wird mit ganz wenig Rohrzucker versetzt und mit konz. Schwefelsäure unterschichtet. Es bildet sich ein prachtvoll roter Farbstoff, der ein charakteristisches Absorptionsspektrum gibt. Die Lösungen der gallensauren Salze in Alkohol werden durch Äther gefällt und krystallisieren aus. Diese Krystallmasse führt den Namen P l a t t n e r s k r y s t a l l i s i e r t e Galle. Werden Gallensäuren bei Zimmertemperatur in konz. Schwefelsäure gelöst, so gehen sie in ein rotgelbes, prachtvoll grün fluorescierendes Produkt über, das nach P r e g l Dehydrocholon genannt wird. Cholsäure: Sie bildet den Hauptbestandteil der Gallensäuren der Bindergalle und ist optisch-aktiv. D e s o x y c h o l s ä u r e : Sie wird Anthropo- oder Chenodesoxycholsäure genannt und entweder aus der Menschen- oder Gänsegalle gewonnen.

44

I. Teil

Die Desoxycholsäure hat die Eigentümlichkeit, mit F e t t s ä u r e n und vielen anderen Stoffen Additionsverbindungen zu geben. Eine solche Verbindung wurde seinerzeit aus der Eindergalle unter dem Namen C h o l e i n s ä u r e dargestellt. Nach W i e l a n d ist sie ein Additionsprodukt von 1 Mol Fettsäure und 8 Mol Desoxycholsäure (s. S. 179). Die H y o d e s o x y c h o l s ä u r e wurde aus der Schweinegalle dargestellt. L i t h o c h o l s ä u r e (Monoxycholansäure) findet sich in kleinen Mengen in der Eindergalle, etwas reichlicher in der des Menschen. Alle diese genannten Gallensäuren sind farblose, gut krystallisierende Verbindungen. Bei der Besprechung der V i t a m i n e wird noch ausführlicher von dem sog. E r g o s t e r i n zu berichten sein, das bei Bestrahlung mit ultraviolettem Licht in Vitamin D 2 übergeht. Ergosterin, das sich sowohl in tierischen wie in pflanzlichen Geweben vorfindet, ist ein ungesättigtes Sterin mit drei Doppelbindungen (s. S. 284). Wird gewöhnliches Cholesterin dehydriert, so erhält man D e h y d r o c h o l e s t e r i n , dieses geht ebenfalls bei Bestrahlung in Vitamin über (D 3 ). Dieses Bestralilungsprodukt scheint identisch mit dem natürlichen antirachitischen Vitamin des Lebertrans zu sein (s. S. 286). Bei der Besprechung der Sexualhormone (S. 271) ist die Beziehung zu dieser Stoffgruppe ausführlicher beschrieben. In der Haifischgalle wurde von H a m m a r s t e n das S c y m n o l gefunden, das als ein Tetraoxyoxyd des Cholesterinskeletts angesprochen wird und das als Natriumsalz des sauren Schwefelsäureesters in der Galle vorkommt. So wie die genannten gepaarten Gallensäuren wirkt das Scymnol auf in Wasser unlösliche Stoffe emulgierend (Fette). Endlich muß noch darauf hingewiesen werden, daß aus der Nebennierenrinde sterinartige Stoffe isoliert wurden, welche Hormonnatur besitzen (S. 266). 4 . Karotinoide (Lipochrome) und Isoprenderivate Werden im Benzol die Doppelbindungen hydriert, so entstehen daraus sog. h y d r o a r o m a t i s c h e Verbindungen. In den Sterinen und Gallensäuren wurden derartige Verbindungen beschrieben. Ähnliche Grundstruktur besitzen die in den pflanzlichen ätherischen Ölen vorkommenden T e r p e n e . Die Terpene haben nun wieder eine Beziehung zu einem Kohlenwasserstoff C 5 H 8 , der die Grundsubstanz des Kautschuks bildet und I s o p r e n genannt wird. Das Terpen von der Formel C 1 0 H 1 6 kann z. B . zu Isopren, das die halbe Summenformel hat, aufgespalten werden. Das Isopren ist ein M e t h y l b u t a d i e n : CH, CHj=C-CH=CH 2

Drittes Kapitel. Lipoide und Gallensäuren

45

Es hat sich nun auch ergeben, daß eine Anzahl gelber bis roter Pflanzenfarbstoffe, die als K a r o t i n o i d e bezeichnet werden, als Isoprenderivate aufzufassen sind. Aber nicht nur diese, sondern auch der gelbe Farbstoff des Hühnereies, das L u t e i n , die Farbstoffe der gelben Rübe, der Tomate usw., sowie das Lutein gehören zu dieser Gruppe. Durch die Untersuchungen von E . K u h n konnte gezeigt werden, daß Kohlenwasserstoffe, die eine große Anzahl von Doppelbindungen enthalten, gefärbt sind. Aus dem gleichen Grunde sind die Karotinoide gefärbt. Diese Farbstoffe, die wegen ihrer Löslichkeit in Äther auch L i p o c h r o m e genannt werden, verdanken ihre Doppelbindungen und daher auch ihre Farbe dem Aufbau aus Isoprenresten. Wie aus den Untersuchungen von K a r r er und von K u h n hervorgegangen ist, muß z. B. dem Karotin (C40H56) die folgende Formel gegeben werden: CHS

C—CH=CH—C=CH—CH=CH—C=CH—CH=

j,

II

C—CH,

I

CHo

I

CS*

c

H2 (Die am rechten Ende der C-Kette offene Doppelbindung ist symmetrisch mit der gleichen Gruppe verbunden. Zwecks besserer Übersichtlichkeit wurde nur die eine Hälfte des Moleküls dargestellt.) Der Bing in dieser Formel ist ein sog. I o n o n r i n g , der in Beziehung zu dem Geruchstoff der Veilchen steht. Dieses Karotin steht nun in direkter Beziehung zu dem W a c h s t u m s v i t a m i n A (siehe Vitamine). Aus dieser Tatsache ergibt sich die enorme Bedeutung des Karotins für den tierischen Stoffwechsel. Außer dem Karotin konnten von den genannten Forschern noch eine ganze Reihe ähnlicher Farbstoffe aus den Pflanzen isoliert werden, so z. B. das L i c o p i n aus Tomaten, das X a n t h o p h y l l , das Alkoholstruktur hat, der Safranfarbstoff, der eine Carboxylgruppe trägt, u. a. m. In engster Beziehung dazu steht auch das L u t e i n des Eidotters, das sich als Palmitinsäureverbindung auch in den Gräsern vorfindet und daher möglicherweise nur durch die Ernährung als exogener Bestandteil im tierischen Organismus vorkommt. In dem unverseifbaren Teile des Leberfettes und in den Fischölen findet sich ferner noch ein S q u ä l e n genannter Kohlenwasserstoff, der dieser Gruppe zugehört: CgoH«,. / CH3 • C = C H • CH, • CH, • C = C H • CH, • CH, • C = C H • CH,—\ CH3 CH, CH, /, (Die Formel ist am rechten Ende durch den gleichen Best zu verdoppeln!)

46

I. Teil

Auch hier ist wieder die isoprenartige Struktur hervorzuheben. Endlich muß noch der pflanzliche Alkohol, das P h y t o l , hier genannt werden. Es findet sich mit einem Porphyrin verestert als C h l o r o p h y l l und kommt demnach in allen grünen Pflanzenbestandteilen v o r : CH3./CH-(CH2),\ /CH-(CHJ) 3 \ ICH• (CH2)J\ • C=CH• CH2• OH

(AH,

1

(¿H,

/ WH,

/ ¿H 3

Betrachtet man endlich die Formeln der Sterine und Gallensäuren, so zeigen sie auch Ähnlichkeit mit diesen Verbindungen, indem sie eventuell durch Ringschließungen aus diesen Isoprenkörpern gebildet werden können. Es wäre dadurch die eminente biologische Erkenntnis gewonnen, daß also mehrere Gruppen komplizierter und lebenswichtiger Zellbausteine alle das Isopren als Muttersubstanz besitzen (vgl. Kapitel Vitamine). Viertes

Kapitel

Die Eiweißkörper Die Eiweißkörper oder Proteine, die sich im Gegensatz zu den Fetten und Kohlehydraten durch ihren Stickstoffgehalt auszeichnen, sind höchst kompliziert zusammengesetzte Verbindungen, deren Konstitution noch sehr wenig aufgeklärt wurde. Eines der wichtigsten Ergebnisse der Erforschung des Eiweißmoleküls war die Erkenntnis, daß dieses aus den sogenannten „Aminosäuren" aufgebaut ist, denn es gelingt, durch hydrolytische Spaltung der Proteine eine große Zahl von Aminosäuren als einzige Spaltungsprodukte aus der Zersetzungsflüssigkeit zu isolieren. Entsprechend dieser Bedeutung als Bausteine des Eiweißmoleküls soll zunächst eine Beschreibung der Aminosäuren vorausgeschickt werden. Aminosäuren Aminosäuren sind Säuren, in deren Molekül mindestens ein an Kohlenstoff gebundenes Wasserstoffatom durch die Aminogruppe NH 2 ersetzt ist. Je nach der Stellung der Aminogruppe im Verhältnis zur sauren Gruppe kann man die Aminosäuren einteilen: COOH COOH COOH I I I a—C—NHj

C

C

ß—C—NHj

i

y—C—NH2

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

47

Es gibt demnach a-, ß-, y- usw. Aminosäuren. Da, wie erwähnt, die Aminosäuren die Bausteine der großen Eiweißmoleküle bilden, so ist ihr rein chemisches Verhalten für die Betrachtung der physiologischen Umsetzungen der Proteine von größter Bedeutung und soll hier ausführlich beschrieben werden. Bis jetzt sind ungefähr zwanzig verschiedene Aminosäuren aus den Eiweißkörpern isoliert worden. Man kann sie nach dem folgenden Prinzip einteilen: Jede Aminosäure besitzt mindestens eine saure und mindestens eine basische Gruppe. Dementsprechend ist die einfachste Gruppe die, bei der eine Carboxylgruppe und eine Aminogruppe im Molekül enthalten ist. I. Es sind dies die M o n o a m i n o - m o n o c a r b o n s ä u r e n von der allgemeinen Formel: R—CNH, C- H.,N—¿—H

¿h 3

x

Ah 2 o h

CH?-C1 (— )-a-Amino/¡-chlorpropionsäure

l-(—)-Serin

\

l-(+)-Alanin

COOH H ¡N—i—H

A¡Hj* S—/ 2

l-( — )-Cystin

Der von Clough vermutete gleiche optische Bauplan der natürlichen Verbindungen ist von einer Reihe von Forschern bestätigt worden. So gelang es in ähnlicher Weise F r e u d e n b e r g , zu zeigen, daß die l-(+)Milchsäure und das natürliche Alanin die gleiche Konfiguration besitzen. Soweit dieses Gebiet erforscht wurde, hat sich die Gleichheit der Konfiguration ergeben. Zusammenfassend ergibt sich daraus das folgende Bild: COOH hocIh Ah3

nat. 1 ( + ) Milchsäure

COOH

I

HOCH ch 2 COOH nat. l ( - ) Äpfelsäure

COOH HjN—CH

¿H,

nat. 1(+) Alanin

COOH

I

HÜNCH 2 ¿H, I COOH

nat. 1(+) Asparaginsäure

COOH

I

HjNCH ¿h 2 oh

nat. l ( - ) Serin

COOH

COOH

I

HjNCH CH2— s— I*

nat. l ( - ) Cystin

COOH

H.¡N-diH

H2N—CH

Ah2

¿H,

Ao. NH„

C—NH

nat. l ( - ) Asparagin

\ CH CH—N^ nat. l ( - ) Histidin.

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

63

Man kann daraus den Schluß ziehen, daß die räumliche Anordnung der Moleküle der lebenden Substanz nach einer bestimmten Gesetzmäßigkeit erfolgt. Dies deckt sich vollkommen mit den Beobachtungen, die man bei der Wirkung der Enzyme gemacht hat (s. d.). Reaktionen der Aminosäuren Ganz allgemein geben die Aminosäuren die Ninhydrinreaktion, d. h. es tritt beim Kochen mit Triketohydrindenhydrat (Ninhydrin) in größter Verdünnung Blaufärbung ein. Außerdem zeigen die einzelnen Aminosäuren je nach ihren typischen Gruppen wie Phenol-, Guanidin- usw. -gruppe charakteristische Reaktionen. Diese hier zu nennen, würde außerhalb des Rahmens dieses Buches fallen. Quantitative Bestimmungsmethoden für Aminosäuren Die quantitativen Methoden sind für die Untersuchung der Stoffwechselvorgänge und die chemische Erschließung der Eiweißstruktur von großer Wichtigkeit. So ist es beispielsweise nur durch solche Messungen möglich, die Spaltung eines Proteins zu verfolgen. Die Aminosäuren sind durch ihre a-Aminogruppe als primäre Amine befähigt, verschiedene Reaktionen einzugehen. So reagieren sie mit Formaldehyd unter Bildung von Methylenverbindungen: R

R

H — N H 2 + HCOH - HjO + H—¿—N=CH2 ¿OOH ¿OOH Im Gegensatz zur Aminogruppe ist die Gruppe —N=CH 2 neutral. Außerdem verhält sich Formaldehyd bei dieser Reaktion wie eine neutrale Substanz. Wenn also zu einer Aminosäurelösung, welche neutral reagiert, neutraler Formaldehyd zugesetzt wird, so verwandelt sich die Aminogruppe in die Gruppe —N=CH 2 und es wird dadurch der amphotere Charakter der Aminosäuren aufgehoben; die vor dem Zusatz neutrale Lösung wird sauer werden. Hätte man ein Grammolekül (Mol) Aminosäure in Lösung, so würde nach der Reaktion ein Grammäquivalent Carboxyl durch Lauge neutralisierbar sein. Auf diesem Prinzip hat Sörensen eine Methode der titrimetrischen Bestimmung der freien Aminogruppen aufgebaut, indem für jede durch Formol neutralisierbare Aminogruppe ein Säureäquivalent titrierbar wird. Dabei ist es von größter Bedeutung, daß die Iminogruppe mit Formol nicht reagiert und auch außerdem die Aminogruppen des Guanidinkernes, der ja im Arginin vorkommt, sich nicht an der Reaktion beteiligen.

64

I. Teil

Eine zweite Methode zur Bestimmung der Aminosäuren stammt von W i l l s t ä t t e r und benutzt das Verhalten der Aminosäuren in alkoholischer Lösung, um sie maßanalytisch zu bestimmen. Löst man eine Aminosäure in starkem Alkohol und titriert sie unter Zusatz von Phenolphthalein als Indicator mit alkoholischer Natronlauge, so verhält sie sich nicht wie eine amphotere Substanz, sondern wie eine Säure, d. h. also man kann die ganze Menge der vorhandenen Carboxylgruppen titrieren. Die Hydroxylionenkonzentration der Aminogruppen wird in alkoholischer Lösung fast ganz zurückgedrängt. Dieses Verhalten beruht wahrscheinlich auf der Existenz von zwei Formen der Aminosäuren, der sog. Betainform der wäßrigen und der gewöhnlichen Form der alkoholischen Lösung, deren Vorkommen schon besprochen wurde. Es zeigte sich, daß diese Methode auch zur Bestimmung von Eiweißspaltprodukten verwendet werden kann (s. d.). Endlich zeigen die Aminosäuren als primäre Amine ein Verhalten gegen salpetrige Säure, das auch zu ihrer Bestimmung verwendet werden kann. Erhitzt man eine Lösung von Ammoniumnitrit, so tritt Zerfall unter Stickstoffentwicklung ein: NH 3 HN0 2 = N2 + 2HjO Ganz analog verhalten sich primäre Amine und Aminosäuren: R NH2 + HNOj = ROH + HjO + N, Es wird also die doppelte Menge Stickstoff frei, die den vorhandenen primären Aminogruppen entspricht. Setzt man zu einem Gemisch von Essigsäure und Natriumnitrit die Lösung einer Aminosäure zu und schüttelt etwa fünf Minuten lang, so läuft die beschriebene Reaktion ab. Man verwendet zur Durchführung einen sinnreich konstruierten Apparat, der es gestattet, die gebildete Gasmenge zu messen. Diese von v a n S l y k e ausgearbeitete Methode hat auch den Vorzug, daß bei fünf Minuten langem Schütteln nur die a-Aminogruppen reagieren, während andere primäre Aminogruppen erst in viel längerer Zeit N abspalten. Alle drei beschriebenen Methoden, die Formoltitration, die alkoholische Titration und das v a n Slyke-Verfahren haben für die Erforschung der Chemie und Physiologie der Aminosäuren und Eiweißkörper wichtige Erkenntnisse gebracht, von denen noch gesprochen werden wird. (Siehe Eiweißkörper, Proteasen und Verdauung.) Peptide Wenn zwei Aminosäuren unter Wasserabspaltung sich so vereinigen, daß die Carboxylgruppe des einen Moleküls mit der Aminogruppe des

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

65

anderen säureamidartig verknüpft wird, so bezeichnet man die daraus entstehende Verbindung als ein P e p t i d :

NH,

COOH

R—¿H—CO OH + HaN—¿H—R NH»

COOH

1 R—CH—C—

H

\~N—CH—R 1

Der Name „Peptid" wurde von E . F i s c h e r in Anlehnung an die Bezeichnung Saccharid gewählt. Das Charakteristikum eines solchen Peptides ist also das Vorkommen der Peptidbindung:

—CO-NH—

Diese Kombination von zwei Aminosäuren ist die einfachste Möglichkeit. Es kann auch eine große Anzahl von Aminosäuren sich zu komplizierteren Peptiden vereinigen und man spricht j e nach der Zahl der Aminosäuren, die ein Peptid aufbauen, von Di-, Tri-, Tetra- usw. und Polypeptiden. Es ist dann jeweils eine Carboxylgruppe mit einer Aminogruppe in amidartiger Bindimg. So entsteht durch Vereinigung von zwei Glykokoll- (Glycin-) Molekülen ein Dipeptid:

in i^ipop

NH,- CH,- CO • NH- CH,- COOH Glycyl



glycin

Vereinigen sich drei Moleküle Glycin, so heißt die entsprechende Verbindung:

NH,- CH,- CO • NH- CH,- CO • NH • CH,- COOH Diglycyl —

glycin

Bei Zusammentritt von vier Molekülen nennt man das entstehende Tetrapeptid ein Triglycyl-glycin usw. Sind es verschiedene Aminosäuren, die das Peptidmolekül bilden, so bezeichnet man ganz allgemein die Verbindung nach den Acylradikalen, wobei die endständige Aminosäure mit der freien Carboxylgruppe am Schlüsse genannt wird: NH, CH, Z. B . :

CH.-AH-CO—NH-CH,-CO--NH-AHCOOH Alanyl

oder



NH.

glycyl

CH.

-—

alanin

C,H4OH

¿H,

CHj-AH-CO—NH-AHCO--NH-AH—COOH Di-alanyl

usw.

tyrosin

S d l b a c h e r , Kurzgefaßtes Lehrbuch der phyalol. Chemie. 4. Aufl.

66

I. Teil

Die Bedeutung dieser Peptide besteht darin, daß es gelungen ist, durch vorsichtige Spaltung der Eiweißkörper zu Peptiden zu gelangen, die man andererseits synthetisch aus Aminosäuren auch aufbauen konnte. Man schließt daraus, daß die E i w e i ß k ö r p e r P e p t i d s t r u k t u r besitzen. Darüber wird bei der Besprechung der Eiweißkörper noch die Eede sein. Synthese von P e p t i d e n Die künstliche Vereinigung von Aminosäuren zu Peptiden kann auf mehrfachen Wegen erzielt werden. Wie im Abschnitt über die Aminosäuren ausgeführt wurde, gelingt es sehr leicht, diese in ihre Ester überzuführen. Wird nun z. B. Glykokolläthylester erwärmt, so erfolgt unter Abspaltung von Alkohol eine Vereinigung der zwei Glycinreste: Oxi2—ou 2 NHj • CH2 • COO • C2H5 = 2 C2H6OH + N H \co—CH2

^>NH

Diese Verbindung von der empirischen Formel C 4 H 6 N 2 0 2 enthält genau zwei Moleküle Wasser weniger als zwei Moleküle Glycin 2(C 2 H 5 N0 2 ). Sie ist das A n h y d r i d dieser Aminosäure. Sie wird auch als D i k e t o p i p e r a z i n oder besser als D i o x o p i p e r a z i n bezeichnet. Durch vorsichtige Spaltung gelingt es nun, den Ring an einer der —NH—CO-Bindungen zu spalten und es entsteht dann unter Aufnahme von einem Molekül Wasser ein Dipeptid: ,CH 2 —CO

/ ^X > N H + H 0 = NH -CH -CO NH-CH \ co—ch /

NH

2

x

2

2

2

COOH

2

Das daraus hervorgegangene Peptid ist in diesem Falle das Glycylglycin. In analoger Weise ergibt z. B. Glycyl-tyrosinanhydrid zwei DiPePtide:

/ CH 2 —CO

2 V . ••' \ N H

/ NH

x

/

x

/

C O — C H CH2 C6H4 OH

Spaltung bei Stelle 1 gibt:

NH2 • CH2 • CO—NH • CH • COOH

A,. A6H4•OH ( Glycyl



tyrosin

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

67

Spaltung bei Stelle 2 gibt: NH2 • CH • CO—NH • CH2 • COOH

AH2 ¿„H 4 -OH

Tyrosyl — glycin Die Möglichkeiten dieser Methode sind aber sehr beschränkt. E. F i s c h e r konnte noch einige Methoden ausarbeiten, die es gestatten, eine große Zahl von Aminosäuren peptidartig aneinanderzuhängen. Die eine der Methoden beruht darauf, daß die Halogenacylchloride auf Aminosäuren einwirken: C1CH2-C0-C1 + NH2CH(CH3)COOH = HCl + C1CH2C0—NHCH(CH3)COOH Chloracetylchlorid Alanin Chloracetylalanin Durch Einwirkung von Ammoniak auf dieses Produkt wird dann das Peptid gebildet: 2 NH3 + C1 • CH2 • CO • NH • CH(CH3) • COOH = = NH4C1 + NH2 • CH2 • CO • NH • CH • (CH3) • COOH Glycyl — alanin Man kann nun die freie Aminogruppe eines Dipeptides wieder mit Halogenacyl substituieren und durch Einwirkung von Ammoniak daraus ein Tripeptid darstellen usw. Nach dieser Methode wird also die Peptidkette immer von der Aminogruppe aus verlängert. Es gibt nun auch eine Methode, um von der Seite der freien Carboxylgruppe aus die Kette zu verlängern: Das Prinzip dieser Methode läuft darauf hinaus, die Carboxylgruppe in eine Säurechloridgruppe zu verwandeln: —COOH >- —COC1 Das entstandene Säurechlorid wird dann mit den Estern der Aminosäuren oder Peptiden zur Reaktion gebracht: X—CO • C1 + H2N—CH2 • CO • O • C2H5 I

X—CO—HN • CH2 • CO • OC2H6 Es ist durch diese Methoden gelungen, lange Ketten von Aminosäure-peptiden darzustellen. So wurde ein Peptid dargestellt, das aus 15 Glycin- und drei Leucinresten aufgebaut ist. Dieses Octadecapeptid besitzt ein Molekulargewicht von 1213 und ist sicher einer der kompliziertesten Körper, der synthetisch bereitet wurde, ohne den Einblick in seine Konstitution zu verlieren. Die Eigenschaften dieser komplizierten Körper ähneln in vieler Hinsicht denen der Eiweißkörper. So bilden sie opalisierende Lösungen und werden durch Salze gefällt. Ob allerdings eine ähnliche Substanz wie das genannte Peptid mit seiner Anhäufung von Glycylgruppen in der Natur vorkommt, ist fraglich. 5*

68

I. Teil

Alle Eiweißkörper geben beim Versetzen ihrer alkalischen Lösung mit Kupfersulfat eine violette Färbung. Diese Eeaktion heißt die B i u r e t r e a k t i o n . Sie beruht auf der Gegenwart von —CO—NHBindungen. Dementsprechend geben auch schon die meisten Tripeptide diese Eeaktion. Werden Peptide mit Säuren (oder Alkalien) behandelt, so zerfallen sie in Aminosäuren unter Wasseraufnahme. Auch Fermente können Peptide spalten. Darüber ist bei der Behandlung der Fermente ausführlich berichtet (siehe proteolytische Fermente). Die große Kombinationsmöglichkeit, die durch die kettenartige Struktur der Polypeptide gegeben ist, hat, vom physiologischen Gesichtspunkt aus betrachtet, größere Bedeutung. Die ungemein große Mannigfaltigkeit der Eiweißkörper läßt sich durch diese Struktur der Peptide sehr weitgehend erklären. E. Fischer hat darüber Berechnungen angestellt. Bei der Annahme, daß die Eiweißkörper Molekulargewichte von 4000—5000 haben, müßten 80—40 Aminosäuren am Aufbau eines solchen Proteinmoleküls beteiligt sein. Würden von den 80 Aminosäuren die Hälfte untereinander verschieden sein, so wären 15 Aminosäuren mehrfach vorhanden. Aber auch bei der weiteren Annahme, daß von diesen 15 Aminosäuren noch einzelne mehrfach vorhanden wären, gelangt man bei der Berechnung der Kombinationsmöglichkeit zu astronomischen Zahlengrößen. So läßt sich also aus dieser rein chemischen Strukturvorstellung die Mannigfaltigkeit der Organismenwelt begreiflich machen. Die Eiweißkörper können durch vorsichtige Spaltung in dem Sinn zerlegt werden, daß außer Aminosäuren auch noch Polypeptide aus ihnen entstehen. Diese für die Struktur der Proteine fundamentale Tatsache wurde ebenfalls von E. F i s c h e r zuerst erkannt. So gelang es, aus einem Eiweißkörper der Seide, dem Seidenfibroin, durch Spaltung mit kalter konz. Salzsäure ein Dipeptid aus Glykokoll und Alanin zu isolieren. Es wurden eine größere Zahl von Peptiden tatsächlich auch aus den verschiedenartigsten Eiweißkörpern durch Spaltung mit kalten Mineralsäuren dargestellt. Eiweißkörper

Die Eiweißkörper oder Proteine sind chemische Verbindungen von vermutlich sehr hohem Molekulargewicht, die, insofern sie löslich sind, kolloide Lösungen geben und die durch hydrolysierende Agenzien in Aminosäuren gespalten werden. Sie sind, wie ihr Name Proteine ausdrückt, als unbedingt lebensnotwendige Baumaterialien der Zellen zu betrachten. Die große Mannigfaltigkeit der vorkommenden Eiweißkörper bezüglich ihrer Zusammen-

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

69

setzung wurde schon im vorangehenden Abschnitt erwähnt. Durch die große Zahl der in den Proteinen enthaltenen Aminosäuren ist sie gegeben. Die Eiweißkörper sind Kolloide (s. d.). Sie zeigen eine ungemein leichte Veränderlichkeit ihrer Erscheinungsform. Schon ganz geringe Einwirkungen chemischer und physikalischer Natur können ihren Zustand weitgehend verändern. Die große Ähnlichkeit aller physikalischen und chemischen Konstanten verwandter Proteine macht die Darstellung chemischer Individuen zu einer der schwierigsten Aufgaben. Es können verschiedene Eiweißkörper wohl auch krystallisiert erhalten werden, aber die erhaltenen Krystalle stellen wohl meistens Mischkrystalle aus mehreren Eiweißstoffen vor. Außerdem ist es ungemein schwierig, derartige Eiweißkrystalle von organischen Beimengungen zu reinigen. Wird z. B. eine Lösung von Eieralbumin mit Ammoniumsulfat bis zur halben Sättigung versetzt, so fällt zunächst ein sog. Globulin aus. Wird das Filtrat nun langsam eingedunstet, dann krystallisiert allmählich das Albumin aus. Durch ähnliche Behandlung kann z. B. auch der Farbstoff der roten Blutkörperchen, das Oxyhämoglobin, in schönen Krystallen erhalten werden (siehe Blut). Die Löslichkeit der Eiweißkörper ist verschieden. Es gibt solche, die in reinem Wasser löslich sind und solche, die nur in verdünnten Salzlösungen sich lösen. Die meisten Proteine werden durch Säuren gefällt, durch Alkalien in Lösimg gehalten. Konz. Salzlösungen fällen alle Eiweißkörper aus. Man hat auf diesem Verhalten eine Einteilung der Proteine begründet: Bringt man in eine Eiweißlösung so viel gepulvertes Salz, bis sich nichts mehr auflöst, so spricht man von einer G a n z s ä t t i g u n g . Versetzt man eine Eiweißlösung mit dem gleichen Volumen einer gesättigten Salzlösung, so ist die Lösung bezüglich ihres Salzgehaltes in H a l b s ä t t i g u n g usw. J e nachdem nun ein Eiweißkörper beschaffen ist, fällt er bei Ganz-, Halb- oder Viertelsättigung aus. Die auf Grund dieses physikalischen Verhaltens aufgestellte Klassifizierung hat natürlich nur eine beschränkte Gültigkeit. Eiweißkörper, die durch Erhöhung der Salzkonzentration ausfallen, können durch Verdünnung wieder in Lösung gebracht werden. Man spricht von einer r e v e r s i b l e n Ausfällung. Wird eine Eiweißlösung erhitzt, so tritt bei einer bestimmten Temperatur eine Gerinnung ein. Man spricht von K o a g u l a t i o n . Ein auf diese Weise ausgefälltes Protein ist ohne tiefgreifende Änderung der Struktur nicht mehr in Lösung zu bringen. Koaguliertes Eiweiß ist i r r e v e r s i b e l ausgefällt worden.

70

I. Teil

Eiweißkörper, die durch einfaches Herauslösen mit Wasser oder Salzlösung von den Zellen getrennt werden, bezeichnet man als n a t i v . Durch Fällen mit Säuren entstehen dann die sog. A c i d a l b u m i n e . Eine Reihe von Ionen und Schwermetallen wirken fällend auf die Eiweißkörper. Es bilden sich in letzterem Falle salzartige Verbindungen, die auch M e t a l l a l b u m i n a t e genannt werden. Bei der Besprechung des kolloiden Zustandes wird auf diese Eigentümlichkeiten genauer eingegangen werden (s. d.). Das M o l e k u l a r g e w i c h t der Eiweißkörper ist unbekannt. Aus einer Reihe von Tatsachen kann man dieses aber größenordnungsweise ermitteln. E. F i s c h e r hat auf Grund der Anzahl der vorkommenden Bausteine eine Größe von 4—5000 angenommen. Nach H ü f n e r kann 1 g Hämoglobin 1,67 mg Kohlenoxyd binden. Aus der (allerdings willkürlichen) Annahme, daß 1 Molekül Hämoglobin 1 Molekül Kohlenoxyd bindet, würde sich daraus ein Molekulargewicht von 16700 ergeben. Zu derselben Zahl gelangt man auch, wenn man den Eisengehalt bestimmt und annimmt, daß mindestens ein Eisenatom im Molekül enthalten ist. Zahlreichere neuere Untersuchungen ermitteln ebenfalls sehr hohe Molekulargewichte. In neuester Zeit wurde auch die Methode der R ö n t g e n s p e k t r o g r a m m e in den Dienst dieses Problems gestellt. Doch sind die Ergebnisse dieser letztgenannten Methode noch durchaus nicht spruchreif. S v e d b e r g zentrifugierte Eiweißlösungen bei sehr hoher Tourenzahl mit der sog. Ultrazentrifuge aus und berechnete aus der Sedimentationsgeschwindigkeit die Molekulargewichte. Er fand dabei für Eieralbumin etwa 84500, für Serumalbumin 68000, für andere Proteine wieder 208000 usw., während die einfach gebauten Protamine aus dem Fischsperma nur 2000—3000 ergaben. Es führte diese Untersuchung zu der Annahme, daß die komplizierteren Eiweißkörper ein Molekulargewicht von etwa 84500 oder ein Vielfaches dieser Zahl haben. Wie weit diese Anschauung zu Recht besteht, wird wohl noch durch weitere Forschungen zu erhärten sein. Auch aus der Oberflächenspannung sowie aus der Diffusionsgeschwindigkeit hat man die Molekulargewichte der Proteine abzuleiten versucht. Eine einwandfreie Beantwortung ist aber noch nicht geglückt. Endlich wurde die Anschauung vertreten, daß die Proteine in einem „übermolekularen Zustand" sich befinden, indem durch Nebenvalenzkräfte eine Anzahl von relativ einfachen Elementarkomplexen gebunden ist. Diese Anschauung wird aber durch die neuesten Forschungen über die fermentative Spaltung der Eiweißkörper weitgehend entkräftet (siehe die Spaltung der Proteine).

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

71

Zusammenfassend wird man wohl sagen können, daß die P r o t e i n moleküle aus V e r k e t t u n g e n einer großen Zahl von Aminos ä u r e n b e s t e h e n und h ö c h s t w a h r s c h e i n l i c h sehr hohe Molek u l a r g e w i c h t e haben. Die elementare Zusammensetzung der Proteine zeigt, daß alle Proteine die Elemente: c H N 0 enthalten und daß in den meisten außerdem noch S und in einzelnen P und Halogen vorkommt. Die empirischen Formeln der einzelnen Eiweißkörper sind nicht genau bekannt. Erstens sind die Methoden der organischen Elementaranalyse zu ungenau, um sie exakt zu ermitteln, zweitens ist die Einheitlichkeit eines Proteins nur sehr schwer zu beweisen. Viel wichtiger als diese empirischen Formeln ist die Frage nach dem Vorkommen der einzelnen Bausteine in den verschiedenen Eiweißkörpern. Durch die ausgedehnten Untersuchungen vieler Forscher wurden Methoden zur Bausteinanalyse ausgearbeitet, die nun einen ungefähren Überblick über die verschiedenen Klassen gewähren. E i n t e i l u n g der E i w e i ß k ö r p e r Es können zunächst zwei große Gruppen unterschieden werden: die e i n f a c h e n E i w e i ß k ö r p e r oder P r o t e i n e im engeren Sinne und die z u s a m m e n g e s e t z t e n E i w e i ß k ö r p e r oder P r o t e i d e . Die Proteine konnten bis jetzt nur in Aminosäuren gespalten werden. Andere Bausteine fanden sich nicht. Die Proteide enthalten, an ein Protein gebunden, noch andere Substanzen wie Kohlehydrate, Nucleinsäuren oder Farbstoffe. Von diesem Gesichtspunkt aus kann man die folgende Einteilung geben: I. Einfache Eiweißkörper oder Proteine. A. Eigentliche Eiweißkörper. 1. Protamine. 2. Histone. 8. Prolamine (Gliadin). 4. Albumine. 5. Globuline. B. Gerüsteiweißkörper (Skleroproteine). 1. Keratine. 2. Kollagene (Elastine, Seide). II. Zusammengesetzte Eiweißkörper oder Proteide. 1. Chromoproteide. 2. Nucleoproteide. 8. Glykoproteide. 4. Phosphorproteide.

72

I. Teü

Ein noch einfacheres Einteilungsprinzip wurde von A b d e r h a l d e n aufgestellt: 1. Proteinoide (Gerüsteiweißstoffe). 2. Proteine (die eigentlichen Plasmaeiweiße). 8. Histone. 4. Protamine. An allen diesen Einteilungen haftet etwas Willkürliches. Die C h a r a k t e r i s i e r u n g der im ersten Schema angeführten Klassen ist die folgende: D i e e i g e n t l i c h e n E i w e i ß k ö r p e r lassen sich bei der Spaltung nur in Aminosäuren zerlegen. Bis auf geringfügige Beimengungen von Substanzen, die als sekundäre Zerfallsprodukte der Aminosäuren zu gelten haben, konnten keine anderen Bausteine nachgewiesen werden. P r o t a m i n e . Sie sind in den Spermatozoen der Fische enthalten und wurden von M i e s c h e r entdeckt. Nach K o s s e i bilden sie die einfachsten, in der Natur vorkommenden Proteine. Sie zeichnen sich durch ihren hohen Gehalt an Arginin, sowie mitunter auch an Lysin und Histidin aus. Durch diesen Gehalt besitzen sie stark basischen Charakter. Die Protamine können auch aus den entfetteten Spermatozoen durch Schütteln mit verdünnten Säuren herausgelöst werden, indem sie mit MineraJsäuren Salze bilden. Sie sind diejenige Gruppe von Eiweißkörpern, die am besten durchforscht ist, und deren Struktur weitgehend geklärt werden konnte. Sie sind schwefelfrei, d. h. sie enthalten kein Cystin. 9 0 % ihres Stickstoffes kann in Form von Arginin in ihnen enthalten sein. Die Bildung der Protamine stellt einen physiologisch höchst wichtigen Vorgang dar, von dem noch öfters gesprochen werden wird. J e nach dem Vorkommen von ein, zwei oder drei Hexonbasen spricht man von Mono-, Di- oder Triprotaminen. Man benennt sie nach der Tierart, die sie bildet. Durch A. K o s s e l s Forschungen hat sich ergeben, daß in den Protaminen doppelt soviel Hexonbasen als Monoaminosäuren vorkommen. Bezeichnet man Arginin mit o, Histidin mit h, Lysin mit l, und allgemein Monoaminosäuren mit m, so ist die allgemeine Formel eines Monoprotamins, das nur Arginin enthält: a 2 m. Ein Diprotamin, das Arginin und Lysin enthält, wird durch die Formel: ( a l ) 2 m , und ein Triprotamin durch (a l h) 2 m 1 ) gekennzeichnet. Die Protamine sind in den Zellen an Nucleinsäuren (s. d.) gebunden. Protamin aus Heringsperma heißt Clupein, aus Karpfensperma Cyprinin, Hechtprotamin Esocin usw. 1 ) Dies • bedeutet, daß die Anzahl aller Hexonbasenmoleküle sich zu den Monoaminosäuremolekülen wie zwei zu eins verhält; (al)tm=la + ll+lm (a l A), m = z. B. 2 a + 11 + 1 h + 2 m usw.

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

73

H i s t o n e . Diese von Kos sei aufgestellte Klasse enthält weit weniger an basischen Aminosäuren als die Protamine. Sie enthalten etwa 30% Hexonbasen. Sie kommen vorzugsweise in den Kernen der Thymusdrüse, außerdem in den Kernen der Vogelerythrocyten, sowie in den Spermien von Echinodermen vor. Auch sie zeigen deutlich basische Natur. P r o l a m i n e . Sie sind nur in Pflanzen gefunden worden. Sie enthalten kein Lysin und sind in verdünntem Alkohol löslich. Der wesentlichste Anteil der Proteine der Cerealien ist auf ihr Vorkommen zurückzuführen. Sie sind wichtige Nahrungsstoffe. A l b u m i n e . Sie bilden neben den Globulinen die wichtigste Klasse der Plasmaeiweißkörper. Alle lebensfähigen Zellen enthalten Albumine. Außerdem finden sie sich im Blut, in der Milch, im Eieralbumin. Sie sind in reinem Wasser löslich im Gegensatz zu den Globulinen und sind durch Halbsättigung mit Ammonsulfat noch nicht fällbar. Sie können auch krystallisiert werden. Sie enthalten nur 10—15°/o Hexonbasen, während das G l y c i n als Baustein nicht vorkommt. G l o b u l i n e . Sie sind in reinem Wasser nicht, jedoch in verdünnten Salzlösungen löslich. Dementsprechend fallen sie beim Verdünnen dieser Lösungen aus. Sie werden durch Halbsättigung mit Ammoniumsulfat gefällt. Dieses Verhalten kann zur Trennung von den Albuminen benutzt werden. Spuren von Säuren oder Alkalien halten manchmal die Globuline in Lösung. Leitet man in eine solche Globulinlösung in sehr verdünnter Lauge Kohlensäure ein, so fällt das Globulin wieder aus. Sie haben den Charakter schwacher Säuren und enthalten Glycin als Baustein. Ihr Vorkommen ist fast dasselbe wie da3 der Albumine. Die G e r ü s t e i w e i ß k ö r p e r oder S k i e r o p r o t e i n e kommen in den Geweben vor, die vorwiegend mechanische Funktionen erfüllen. K e r a t i n e . Diese auch Hornsubstanzen genannten Proteine können bis zu 17% Cystin enthalten; der dadurch bedingte hohe Schwefelgehalt ist ihr markantestes Merkmal. Sie finden sich in den Haaren, der Epidermis, den Hornbildungen. K o l l a g e n e und E l a s t ine. Sie sind die leimgebenden Substanzen, kommen im Bindegewebe und in den Fascien vor. Kollagen quillt mit Wasser sehr stark. Es enthält weder Tyrosin noch Tryptophan. Die S e i d e endlich besteht aus zwei Eiweißkörpern, dem S e r i n (Seidenleim), das zu den Kollagenen zu zählen ist und das der Seide durch siedendes Wasser entzogen wird, und dem F i b r o i n . Dieses hat eine ganz eigentümliche Zusammensetzung. Es besteht aus sehr viel Glycin und Tyrosin und nimmt bezüglich dieser Zusammensetzung eine Ausnahmestellung gegenüber allen anderen Proteinen ein.

74

I . Teil

D i e z u s a m m e n g e s e t z t e n E i w e i ß k ö r p e r oder P r o t e i d e enthalten, an einen typischen Eiweißkörper mehr oder weniger fest gebunden, e i n e n i c h t e i w e i ß a r t i g e G r u p p e , die auch die p r o s t h e t i s c h e Gruppe genannt wird. Diese Gruppe kann bei den C h r o m o p r o t e i d e n ein Farbstoff sein. Der wichtigste Vertreter ist das Hämoglobin, der rote Blutfarbstoff (siehe Abschnitt Blut!). Die N u c l e o p r o t e i d e kommen in den Zellkernen vor. Sie enthalten als prosthetische Gruppe die Nucleinsäuren (s. d.). Die G l y k o p r o t e i d e enthalten eine Kohlehydratgruppe. Albumosen und Peptone Mit diesem Namen werden hochmolekulare Spaltprodukte der Proteine bezeichnet, welche den Eiweißkörpern in vieler Beziehung noch sehr nahe stehen. Aus dem durch P e p s i n (siehe Fermente) erhaltenen Verdauungsgemisch der Eiweißkörper konnte man dieselben durch Ammoniumsulfat nicht mehr oder nur zum geringen Teile ausfällen. Auch lassen sich gewisse andere Fällungsreaktionen mit diesen teilweise zersetzten Eiweißkörpern nicht mehr ausführen. Später fand man dann, daß auch durch milde Hydrolyse derartige Produkte entstehen. K ü h n e faßte die Charakteristik dieser Substanzen in der folgenden Weise: P e p t o n e sind Eiweißspaltprodukte, welche überhaupt nicht mehr aussalzbar sind. Sie lassen sich auch nicht mehr mit Salpetersäure fällen, geben aber ausnahmslos die Biuretreaktion. A l b u m o s e n lassen sich ebenfalls nicht mehr koagulieren, werden aber durch verschiedene Salze wie Ammonsulfat, Zinksulfat ausgesalzen und sind durch Salpetersäure fällbar. Sie werden in Proto-, Deuteround Heteroalbumosen eingeteilt. Diese Einteilung hat nur eine provisorische Bedeutung, auch ist die Grenze zwischen Peptonen und Albumosen durchaus nicht scharf zu ziehen. Vollends ist es wahrscheinlich noch niemals gelungen, einzelne chemisch einheitliche Individuen dieser Gruppen zu isolieren. D i e A n a l y s e der E i w e i ß k ö r p e r Die erfolgreichsten Methoden zur Erschließung der chemischen Struktur der Proteine sind alle als „hydrolytische" Methoden zu bezeichnen. Es sind dies Spaltungsverfahren, durch welche unter Aufnahme von Wasser das Eiweißmolekül in seine Bausteine oder in einfache Bausteinkomplexe, Peptide, zerlegt wird. Im wesentlichen stehen drei Möglichkeiten dafür zur Verfügung: Die Säurespaltung, die Alkalispaltung und die fermentative Spaltung.

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

75

Die Alkalispaltung ist nur in beschränktem Maße anwendbar, da unter der Einwirkung des Spaltungsmittels auch sekundäre Zersetzungsprodukte gebildet werden, welche das Resultat der Analyse trüben. Die Säurespaltung ist die wichtigste chemische Spaltmethode. Der zu untersuchende Eiweißkörper wird mit der mehrfachen Menge seines Gewichtes konz. Salzsäure oder 8 0 % i g e r Schwefelsäure stundenlang (6—16 Stunden) am Rückflußkühler gekocht. Es findet eine vollständige Hydrolyse statt, d. h. es finden sich dann nur mehr Aminosäuren neben dunklen Zersetzungsprodukten in der Flüssigkeit. Zur Aufarbeitung stehen nun verschiedene Verfahren zur Verfügung. E. F i s c h e r führte die Aminosäuren in ihre Äthylester über, welche er einer fraktionierten Destillation unterwarf. Dadurch gelang es, die einfacher gebauten Aminosäuren zu trennen. Diese für die ganze Eiweißchemie hochbedeutende Methode hat aber nur zu einer teilweisen Klärung des Problems geführt, da besonders die basischen Aminosäuren durch sie nicht bestimmt werden können, weil deren Ester nicht flüchtig sind. A. K o s s e i wandte verschiedene Salzfällungen an. So werden die basischen Aminosäuren alle durch das Reagens Phosphorwolframsäure gefällt und dadurch aus dem Hydrolysate entfernt. Nach der Entfernung der Phosphorwolframsäure wird das so erhaltene Gemisch der basischen Aminosäuren (Arginin, Histidin, Lysin) mit Silbersulfat bei bestimmter Alkalität gefällt. Bei ganz schwach alkalischer Reaktion fällt Histidinsilber, bei stark alkalischer fällt dann Argininsilber aus. Im Filtrate dieser Fällungen läßt sich dann die dritte Hexonbase, das Lysin, nach Entfernung des Silbers als Lysinpikrat isolieren. Dieses „Silberbarytverfahren" läßt sich auch zu einer quantitativen Bestimmungsmethode der genannten Aminosäuren gestalten. In Kombination mit dem beschriebenen Fi sc her sehen Verfahren ist es dadurch möglich gewesen, die Bausteinanalyse der Proteine in weitgehender Weise zu vervollkommnen. D a k i n konnte dann weiterhin zeigen, daß sich gewisse Aminosäuren aus dem Hydrolysate durch Butylalkohol extrahieren lassen. Er erreichte dadurch eine Trennung der Monoaminocarbonsäuren von den Dicarbonsäuren und den Hexonbasen. Diese bleiben im wäßrigen Hydrolysate zurück und können nun durch die Estermethode und das K o s s e l s c h e Verfahren noch weiter aufgeteilt werden. Die Ausbildung der hier im Prinzip geschilderten Verfahren konnte so weit getrieben werden, daß eine fast restlose Aufteilung des Eiweißmoleküls ermöglicht wurde. Neben Ammoniak und geringen Spuren von sekundären Zersetzungsprodukten haben sich a u s d e n E i w e i ß k ö r p e r n n u r A m i n o s ä u r e n als B a u s t e i n e i s o l i e r e n l a s s e n . Die fermentative Spaltung wird weiter unten noch erörtert werden.

I. Teil

76

B i n d u n g s m ö g l i c h k e i t e n der A m i n o s ä u r e n Da es einerseits gelungen ist, durch vorsichtige Spaltung der Eiweißkörper Peptide aus ihnen zu erhalten und da andererseits nur Aminosäuren als Bausteine der Proteine erhalten werden, ist die Peptidbindung als die am häufigsten vorkommende anzunehmen: NH, C—C—NH—CO—C—C Peptid- H bindung Auch die nachher zu besprechenden Methoden zur Bestimmung der freien Amino- und Carboxylgruppen haben zur Annahme der Peptidbindung als der am häufigsten vorkommenden geführt. Das Vorkommen der Dioxopiperazinringe im Eiweißmolekül ist nicht erwiesen. Eine dritte Möglichkeit ist die Esterbindung: —C—0—C— Die Oxyaminosäuren, wie Serin oder Oxyglutaminsäure, können event. mit ihrer Hydroxylgruppe an eine Carboxylgruppe verestert sein. An vierter Stelle ist die Disulfidbindung zu nennen. zweifellos im Eiweißmolekül vor:

Sie kommt

C—S—S—C In allen Proteinen, welche das Cystin als Baustein enthalten, ist diese Möglichkeit gegeben und die Entdeckung des Tripeptides, Glutathion, durch H o p k i n s ist ein direkter Beweis für ihre Existenz. Die B e s t i m m u n g

der

f r e i e n A m i n o - und

Carboxylgruppen

Bei der Beschreibung der quantitativen Bestimmungsmethoden der Aminosäuren wurden drei Verfahren genannt, welche es gestatten, die freiwerdenden Amino- oder Carboxylgruppen im Verlaufe einer Eiweißspaltung zu bestimmen. E s sind dies die Formoltitration, die alkoholische Titration und die Einwirkung von salpetriger Säure. Die meisten Eiweißkörper enthalten nur eine geringe Anzahl von freien Amino- oder Carboxylgruppen. Unter dem Einfluß von hydrolytisch wirkenden Agenzien, wie Säuren oder Fermenten, nimmt die Anzahl der freiwerdenden Gruppen zu und zwar im g l e i c h e n V e r hältnisse.

Viertes Kapitel. Die Eiweißkörper

77

W a l d s c h m i d t - L e i t z konnte zeigen, daß immer für je eine NHaGruppe eine COOH-Gruppe freigelegt wird. Dieses Verhalten der Eiweißkörper weist darauf hin, daß es im wesentlichen immer Peptidbindungen sind, welche gelöst werden: • • • CO—NH

t

CO—NH

I

CO—NH- •

t

H,0 H,0 HsO •COjH | HSN—COjH [ HjN- COjH | H,N-

Die Sörensensche Formolmethode bestimmt nicht nur die Aminogruppe, sondern es lassen sich auch die endständigen Aminogruppen der Diaminosäuren, wie z. B. des Lysins, damit bestimmen, während z. B. die Aminogruppen des Guanidinkernes des Arginins nicht mit Formol reagieren und letztere auch nicht mit salpetriger Säure Stickstoff abspalten. In den beiden Formelbildern sind die reagierenden Aminogruppen hervorgehoben: CH 2 NH 2 I = ch 2

/NH, C=NH nnh

CH,

¿H,

CH,

¿H,

CHNHj

CH,

COOH

CH-NH, ¿OOH

Lysin

Arginin

Untersucht man nun intakte Eiweißkörper auf ihren Gehalt an freien Aminogruppen, so findet man, daß Proteine, welche in ihrem Molekül kein Lysin enthalten, auch keine freien Aminogruppen enthalten, welche mit Formol oder salpetriger Säure reagieren. Die Anzahl der freien Aminogruppen steht in Beziehung zum Lysingehalt und beträgt etwa die Hälfte der im Lysin vorhegenden Aminogruppen. Die Proteine Clupein und Gliadin enthalten kein Lysin, daher auch keine freien Aminogruppen. Das Protamin Cyprinin enthält im Gegensatz dazu viel Lysin, daher viel freie Aminogruppen. Daraus haben van Slyke und B i r c h a r d geschlossen, daß das Lysin nur mit seiner Carboxyl- und a-Aminogruppe im Eiweißmolekül gebunden ist, während die endständige Aminogruppe in freier Form vorliegt:

I. Teil

78 CHj—NHa

CH,—NH,

CH,

CH,

CH,

CH,

CH|

CHj

NH—OC—CH—NH—CO Lysin

NH—CO—CH—NH—CO— • Lysin

Diese Anschauung deckt sich vollkommen mit einer schon viel früher von S k r a u p gemachten Beobachtung, daß aus Eiweißkörpern nach Einwirkung von salpetriger Säure bei der Hydrolyse kein Lysin mehr erhalten werden kann. In ganz ähnlicher Weise konnte A. K o s s e i die Bindung des Arginins im Eiweißmolekül ermitteln. Wird Arginin nitriert, so tritt in die Guanidingruppe eine Nitrogruppe ein und man erhält Nitroarginin. Wird diese Nitrierung bei einem Protamin durchgeführt, so kann nach der Hydrolyse daraus ebenfalls Nitroarginin gewonnen werden. Aus dieser Tatsache ergibt sich also für das Arginin auch eine gleiche Bindungsart im Proteinmolekül wie für das Lysin: Nitroarginin

—CO—NH—CH—CO—NH

Nitroarginin

CO—NH—CH—CO—NH •

CH, • 1 CH, 1 CH,

CH, 1 CH, 11 CH,

NH C=NH j

NH j C=NH

NH-(NOj)

NH • (NO,)

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Auch für das Histidin hat sich eine ähnliche Stellung ergeben. Es ist nur mit a-Amino- und Carboxylgruppe intraprotein gebunden. Es ergibt sich aus diesen Forschungen, daß die komplizierten Aminosäuren wahrscheinlich alle nur mit der a-Aminogruppe und der Carboxylgruppe intraprotein gebunden sind. Die charakteristischen Gruppen, wie Guanidinrest, Imidazolrest, Phenolrest, Indolrest usw. sind als Seitenketten an einer Peptidreihe aufgereiht. D a d u r c h w i r d die g r o ß e R e a k t i o n s b e r e i t s c h a f t des E i w e i ß m o l e k ü l s bei d e n v e r s c h i e d e n s t e n p h y s i o l o g i s c h e n B e d ü r f n i s s e n t e i l w e i s e e r k l ä r t (Kossei). Schematisch würde man also eine Peptidkette vielleicht folgendermaßen darstellen können:

Fünftes Kapitel. Nucleinstoffe Guanidin

Arginin

Imidazol

Phenol

HN—C—CO

HN—C—CO

Histidin

Tyrosin

79

usw.

Nun darf man sich das Eiweißmolekül aber nicht als eine einzige lange Kette von peptidartig gebundenen Aminosäuren vorstellen, sondern es müssen hierzu noch andere Vorstellungen herangezogen werden. Durch die Untersuchungen A. K o s s e l s und seiner Mitarbeiter konnte nämlich gezeigt werden, daß es gelingt, die Protamine in sog. P r o t o n e zu spalten, die bei gleicher quantitativer Zusammensetzung ein viel geringeres Molekulargewicht besitzen. Diese Beobachtung beweist, daß im Protamin einzelne Protone in allerdings noch unbekannter Weise zum großen Eiweißmolekül zusammengefügt sind. Ein Proton besteht aus zwei Molekülen einer Hexonbase und einer Monoaminosäure. Im Protamin hätte man diese Formel zu vervielfältigen, indem unter Wasseraustritt das Protaminmolekül gebildet wird. P r o t o n = Arginin-Arginin-Monoaminosäure. P r o t a m i n = (Arginin-Arginin-Monoaminosäure) minus Wasser. Es ist wahrscheinlich, daß ähnliche Verhältnisse auch bei den komplizierten Eiweißkörpern bestehen. Fünftes Kapitel

Nucleinstoffe Allgemeines Die Bedeutung, die den Zellkernen bei allen biologischen Vorgängen zukommt, sowie die große Leichtigkeit, mit der sich die Zellkerne durch sog. „basische" Farbstoffe färben, hat schon früh die Aufmerksamkeit der Forscher zur Erforschung der Zellkernsubstanz bewogen. Da es auch relativ leicht gelingt, größere Mengen von an Zellkernsubstanz reichem Material zu erhalten, wurde dieses besonders von M i e s c h e r und A. K o s s e i eingehend untersucht. Die Hefezellen, der an Leukocyten reiche Eiter und besonders die in reichen Mengen leicht darstellbaren Spermien der Fische bildeten bei diesen Forschungen die wichtigsten Ausgangsstoffe. Auch die Thymusdrüse des Kalbes sowie die Erythrocyten verschiedener Vogelarten wurden zur Darstellung der Nucleinstoffe herangezogen. Es zeigte sich bei diesen Untersuchungen, daß der größte Teil der Spermatozoenköpfe aus einer Verbindung von basischem Protamin und einer Substanz von Säurenatur, einer sog. N u c l e i n s ä u r e bestand.

80

I. Teil

Eine Verallgemeinerung dieser Beobachtung führt zu der Annahme, daß in den Zellkernen Verbindungen zwischen Eiweißkörpern und Nucleinsäuren vorkommen. Man bezeichnet sie als N u c l e o p r o t e i d e . Sie sind aus den verschiedenartigsten Geweben auch dargestellt worden. Diese Nucleoproteide können nun beim Abbau Eiweiß abspalten, wobei eiweißärmere Produkte, Nu d e i n e , gebildet werden, die dann endlich unter neuerlichem Abspalten von Eiweiß in N u c l e i n s ä u r e n übergehen: Nucleoproteid Eiweiß

Nuclein Eiweiß

Nucleinsäuren

Besonders die Eigentümlichkeit des Nucleoproteides der Thymusdrüse führte Kos sei zur Aufstellung dieses Schemas. Es gelingt nämlich nicht durch einfache Extraktion mit verdünnten Säuren oder durch Pepsinverdauung, die Nucleinsäure eiweißfrei zu bekommen, vielmehr muß das als Zwischenprodukt entstandene Nuclein der Einwirkung von T r y p s i n unterworfen werden, bis es zur Bildung von freien Nucleinsäuren kommt. Andererseits kann man durch Mischen von Nucleinsäure und Eiweißlösungen Niederschläge erzeugen, die man als künstliche Nucleine ansprechen kann. Es sei übrigens noch erwähnt, daß die Nucleinsäuren in der Hefe vielleicht teilweise nicht an Eiweiß gebunden sind. Die Nucleinsäuren Sie sind Verbindungen saurer Natur und enthalten P h o s p h o r . Durch die grundlegenden Forschungen von Kos sei und von S t e u d e l konnte festgestellt werden, daß drei Gruppen von Substanzen in ihrem Molekül enthalten sind: 1. Kohlehydrate (Pentosen). 2. Stickstoffreiche Substanzen, die als Purin- oder Pyrimidinkörper bezeichnet werden. 8. Phosphorsäure. Das K o h l e h y d r a t Die Gegenwart eines Kohlehydrates in den Nucleinsäuren wird durch den positiven Ausfall der Molisch sehen Probe angezeigt. Eine Nucleinsäurelösung gibt mit a-Naphthol und konz. Schwefelsäure eine schön kirschrote Färbung. Bei der Zersetzung von tierischer Nucleinsäure mit 80°/0 Schwefelsäure konnte die Bildung von Lävulinsäure festgestellt werden. Da andererseits Hexosen bei gleicher Behandlung dieselbe Säure liefern,

81

Fünftes Kapitel. Nucleinstoffe

schloß Kos sei auf das Vorkommen einer Hexose in den tierischen Nucleinsäuren. Diese Annahme hat sich aber nicht bestätigen lassen. Sowohl in den tierischen als in den pflanzlichen Nucleinsäuren besteht das Kohlehydrat aus Pentosen, und zwar kommt in der Thymus und Spermanucleinsäure die schon bei der Besprechung des Zuckers genannte 2-Ribodesose vor, während in der Hefenucleinsäure die Eibose enthalten ist. Diese kommt auch in tierischen Nucleotiden, z. B. in der Guanyl-, Adenyl- und Inosinsäure vor. Daß es sich tatsächlich um Pentosen handelt, kann ohne Isolierung des Kohlehydrates schon dadurch gezeigt werden, daß beim Kochen der Nucleinsäure mit Salzsäure und Phloroglucin Botfärbung entsteht, was für Pentosen charakteristisch ist. Bringt man Gewebsschnitte zuerst bei 60° in Salzsäure und läßt dann fuchsinschweflige Säure darauf einwirken, so färben sich die Kerne lebhaft rot. Dies ist auf die Gegenwart des Kohlehydrates zurückzuführen. Diese Reaktion tritt nur bei tierischen Geweben ein. Sie wird nach F e u l g e n als Nuclealreaktion bezeichnet. (Siehe Plasmal, Kapitel Fette!) Die Purin- und Pyrimidinkörper A. P u r i n k ö r p e r Die stickstoffhaltigen Bausteine der Nucleinsäuren sind auf das genaueste bekannt. Es liegt dies nicht zum mindesten in dem Krystallisationsvermögen dieser Substanzen begründet. Durch die grundlegenden Arbeiten E m i l F i s c h e r s ist man über die hier in Betracht kommenden Molekularstrukturen weitgehend orientiert. Unter dem P u r i n r i n g versteht man ein Doppelringsystem von folgender Beschaffenheit: 'N—C6

Dieses Ringsystem besteht aus einem sechsgliedrigen Ringe, dem P y r i m i d i n r i n g , und dem fünfgliedrigen I m i d a z o l r i n g . N—O

Um die verschiedenen Substitutionsorte zu bezeichnen, hat man, wie die in dem Schema angeführten Zahlen angeben, die einzelnen Atome numeriert. E d l b a c h e r , Kurzgefaßtes Lehrbuch der physlol. Chemie. 4. Aufl.

6

82

I. Teil

Der Name P u r i n , welcher der Stammverbindung entspricht, wurde von E. Fischer durch Zusammenziehung der Worte Purum uricum gebildet und dadurch angedeutet, daß im Purin die reine, der Harnsäure (Acidum uricum) zugrunde liegende Substanz gefunden wurde, denn, wie jetzt schon erwähnt sein soll, ist die sog. Harnsäure, die ein wichtiges Stoffwechselendprodukt bildet, ebenfalls ein Purinkörper. Teilt man die Atome des Purinkernes in drei Gruppen, was durch die punktierte Linie in der unten angeführten Formel geschehen ist, so ergibt sich das folgende Bild: NH,

N—C

CO

C

NH,

N

I

Harnstoff

¿—N

HSN^C0

3 C-Atome

Harnstoff

I ; >C -C—N C I

Es ist ersichtlich, daß durch Vereinigung von zwei Molekülen H a r n s t o f f mit einer Substanz, die im Molekül drei C-Atome enthält, die Möglichkeit einer Purinsynthese gegeben ist. Tatsächlich kann sich nun auch der Harnstoff mit einer Eeihe von Säuren zu ringförmigen Gebilden, den sog. U r e i d e n , vereinigen. So findet z. B. eine Vereinigung von Harnstoff mit Oxalsäure zu einem Ureid, der sog. Parabansäure, in folgender Weise statt und es wird der Imidazolring gebildet: NH, CO

HO CO +

NH, Harnstoff

NH—CO =

CO

HO CO Oxalsäure

+

2 H,0

NH—CO Parabansäure (Oxalylharnstoff)

In analoger Weise findet eine Vereinigung von Harnstoff mit Mesoxalsäure zu A l l o x a n statt, wobei der Pyrimidinring entsteht: NH, ¿0 NH, Harnstoff

HO CO +

¿0

NH—CO =

HO>•¿0 CO Mesoxalsäure

¿0

¿0 +

2H,0

NH—CO Alloxan

Der Name Alloxan stammt von L i e b i g , der ihn durch Zusammensetzung von Allantoin und Oxalsäure bildete, da er eine Verwandtschaft dieser Stoffe mit dem Alloxan vermutete 1 ). J

) Siehe die Kapitel: Oxydationen (gelbes Ferment) und Vitamine („Flavine").

Fünftes Kapitel. Nucleinstoffe

88

Da nun auch in der Harnsäure dieser Alloxankern vorhanden ist, sowie in den Purinkörpern überhaupt, wurden alle diese Verbindungen von K o s s e i und K r ü g e r als sog. A l l o x u r k ö r p e r bezeichnet, um zugleich auch ihre Verwandtschaft mit dem Harnstoff (Urea) anzudeuten. Die jetzt gebräuchliche Bezeichnungsweise ist die als Purine. In den Nucleinsäuren sind drei Purinderivate enthalten: A d e n i n , Guanin und H y p o x a n t h i n . X a n t h i n ist in den Nucleinsäuren wohl nicht gefunden worden, trotzdem muß es hier als physiologisch wichtig genannt werden. Außer diesen Purinderivaten seien noch die H a r n s ä u r e , das T h e o p h y l l i n und das Coffein erwähnt, welche in dem Kapitel über Harnsäure abgehandelt werden sollen. Das Purin selbst: Wird harnsaures Kalium mit Phosphoroxychlorid erhitzt, so entsteht das Trichlorpurin: N=CC1 I Cl-C

Von diesem Körper ausgehend, konnten die verschiedensten Purinderivate dargestellt werden. Wird es z. B. mit Jodwasserstoff behandelt, so erhält man zuerst ein 2,6-Dijodpurin, das bei Reduktion in Purin selbst übergeht: N=C-C1

N=CJ

I C i—NH + 4HJ = >C-C1

J C ¿—NH + 3HC1 + 2 J || || > C H N—C—N N=CH

J C C—NH II II > C H N—C—N 2,6-Dijodpurin

+

4H

=

HC C—NH + 2HJ || || >CH N—C—N Purin

Durch ähnliche Reaktionen konnten verschiedene —OH- und —NH 2 -Gruppen eingeführt werden, und es sind hier die Formeln der vier für die Nucleinßäuren wichtigen Purine angegeben: 1. Adenin = 6-Aminopurin N=CNHj HC ¿—NH II II >CH N—C—N

2. Hypoxanthin = 6-Oxypurin (Sarkin) HN—C=0 HA C—NH || || >CH N—C—N

I. Teil

84 3. Guanin = 2-Amino-6-Oxypurin HN—C=0

4. Xanthin = 2,6-Dioxypurin HN—C=0

0=C ¿—i -NH >CH N—C—N HN—C—NH Außerdem sei zum Vergleich die Formel der Harnsäure, die ein 2,6,8-Trioxypurin ist, noch angeführt: HN—C:0 I I 0 : C C—NH I II > C : 0 HN—C—NH Die vier angeführten Purinbasen zeigen gewisse chemische Eigentümlichkeiten: Durch Einwirkung von salpetriger Säure wird das Guanin in Xanthin und das Adenin in Hypoxanthin übergeführt: C4H3N40-NHs + HNO, = C6H4N402 + N2 + HtO Guanin Xanthin C6H3N4-NH2 + HNO, = CeH4N40 + Nt + H20 Adenin Hypoxanthin Dieser Übergang, der auch physiologisch bedeutungsvoll ist, wird bei der Besprechung des Stoffwechsels der Purinderivate noch hervorgehoben werden müssen (s. d.). Das A d e n i n wurde 1885 von Kos sei im Gewebe der Pankreasdrüse entdeckt. Bei Fäulnis geht es unter Ammoniakabspaltung in Hypoxanthin über. Es ist eine Base und bildet ein schwer lösliches Pikrat. Das H y p o x a n t h i n wurde 1850 von S c h e r e r im Muskel entdeckt, es findet sich reichlich im Fleischextrakt und kommt in der noch zu besprechenden Inosinsäure (eine Nucleinsäure des Muskels) vor. Das G u a n i n , zuerst von U n g e r 1844 im Guano aufgefunden, ist ebenso wie das Adenin und Hypoxanthin ein Spaltprodukt der Nucleinsäuren. Die Schuppen der Fische verdanken dem Vorkommen von Guaninkrystallen ihren eigentümlichen Glanz. Es findet sich bei der sog. Guaningicht der Schweine als Ablagerung in den Gelenken, ähnlich der Harnsäure bei der menschlichen Gicht. Das X a n t h i n wurde schon 1817 in Harnkonkrementen gefunden. Es kommt nicht in den Nucleinsäuren vor, es bildet sich aber sehr leicht durch Desamidierung des Guanins. Die Purinbasen sind in Wasser schwer löslich und geben mit Säuren krystallisierende Salze. Sie lösen sich leicht in Ammoniak und werden von ammoniakalischer Silberlösung gefällt. Auch aus der salpetersauren Lösung werden sie als krystallisierende Silbernitratverbindungen ausgefällt. Schweflige Säure und Kupfersulfat fällen sie beim Kochen als Cuproverbindungen aus. Sie fallen mit Phosphorwolframsäure.

Fünftes Kapitel. Nucleinstoffe

85

B. P y r i m i d i n k ö r p e r Es sind drei Verbindungen dieser Gruppe von A. Kossei und seinen Mitarbeitern aus den Spaltungsprodukten der Nucleinsäuren isoliert worden: Sie beißen: C y t o s i n , U r a c i l und T h y m i n . Das Cytosin ist ein 2-Oxy-6-aminopyrimidin, das Uracil ein 2,6Dioxypyrimidin, das Thymin ist ein 2,6-Dioxy-5-methylpyrimidin. N=C—NH a oJj

HN—C=0

¿H

0=C

I II

¿H

d

I II

HN-CH Cytosin

HN—C=0

HN—CH Uracil

A •CH.

I II

HN—CH Thymin

Cytosin wurde als Baustein der Thymusnucleinsäure, Uracil als solcher der pflanzlichen Nucleinsäuren und Thymin als konstanter Baustein der tierischen Nucleinsäuren aufgefunden. Das Cytosin geht durch Desaminierung in das Uracil über. Die Bindung der Bausteine in den Nucleinsäuren Kossei und N e u m a n n konnten zeigen, daß es unschwer gelingt, aus den Nucleinsäuren die Purinbasen abzuspalten. In Verfolgung dieser Reaktion gelang es z. B. L e v e n e , durch Erhitzen mit verdünnten Säuren aus der aus Muskelfleisch dargestellten I n o s i n s ä u r e die Purinbase Hypoxanthin abzuspalten und der verbliebene Rest erwies sich nun als eine Esterverbindung eines Kohlehydrates (Ribose) mit Phosphorsäure. Diese Verbindung, die als krystalüsiertes Bariumsalz isoliert werden konnte, zeigte stark reduzierende Eigenschaften. Sie war eine Ribose-Phosphorsäure. Andererseits konnte die Inosinsäure bei Gegenwart von Alkali oder nur durch überhitztes Wasser einer Spaltung unterworfen werden, daß nur die Phosphorsäure abgespalten wurde. Es verblieb dabei ein Komplex von Hypoxanthin-Ribose. Diese erhaltene Substanz zeigte keinerlei reduzierende Eigenschaften, im Gegensatz zu der Hypoxanthinphosphorsäure. Es war also in s a u r e r Lösung die Spaltung so verlaufen, daß aus den drei Bausteinen der Inosinsäure der Komplex: Ribose

Phosphorsäure

bei der anderen Spaltung: Hypoxanthin

Ribose

entstanden waren. Dementsprechend ist also für die Inosinsäure die Gruppierung angenommen worden: Base

Kohlehydrat

Phosphorsäure

I. Teil

86 Es fragt sich nun: A. B. C. erfolgt

an welches C-Atom der Pentose das Hypoxanthin gebunden ist, an welches C-Atom der Pentose die Phosphorsäure gebunden ist, an welcher Stellung des Hypoxanthinmoleküls die Bindung war.

Aus dem Reduktionsvermögen und einer Reihe weiterer Gründe wird nun der Ribosephosphorsäure die Formel zugeschrieben: H °

OHOHOH I I—C-CH, I • O • POjH2 C—C I I I H H H

Aus dieser Formel, bei welcher der besseren Übersicht halber die einfache offene Formel der Pentose eingesetzt wurde, ist ersichtlich, daß die Bindung am C-Atom 5 zustande kommt. Man kann sie also als 5-Ribose-Phosphorsäure bezeichnen. Bei der Ringbildung im Kohlehydrat durch Ausbildung der pyranoiden bzw. furoiden Form (siehe Kohlehydrate) wird am C-Atom 1 eine Hydroxylgruppe entstehen, welche unter Wasseraustritt das Purin bzw. Pyrimidin bindet. (5) (4) (3) (2) (1) HäOäP—O—CH2 • CH • CH • OH • CH • OH • CH— (Purin) I O 1 Die dadurch am Aldehydkohlenstoffatom entstehende Hydroxylgruppe tritt nun in Bindung mit dem Purinkörper und zwar in dem behandelten Beispiel mit dem Hypoxanthin. Man muß also der Inosinsäure eine oder die andere der folgenden Formeln zuschreiben: -OHN—C=0 OH OH I I I H /OH HC C—N C—C—C—C—C—0—P=0 || || > C H H H H H H M)H N—C—N Bindung an Stelle 7 HN—C=0 OOH OH NH I | H /OH || n >C — C—C—C—C—C—0—P^=0 X N-C—N H H H H H 0H Bindung an Stelle 8

i L

Eine derartige Verbindung von: Base Kohlehydrat

Phosphorsäure

Fünftes Kapitel. Nuoleinstoffe

87

wird N u c l e o t i d genannt, während die Verbindung: Base

Kohlehydrat

als Nucleosid bezeichnet wird. Es ist gelungen, aus den Nucleinsäuren verschiedene derartige Nucleoside zu isolieren und zwar sowohl Purin- als auch Pyrimidinverbindungen. A. Purinnucleoside: 1. Guanosin = Guanin-d-ribosid aus Befenucleinsäure: N=C OH

/OH

OH\

NHji i—N-^C——dl i——C—CHj-OH II || >CH H H H N—C—N 2. Adenosin = Adenin-d-ribosid aus Hefenucleinsäure, Adenylsäure. Behandelt man Adenosin und Guanosin mit Natriumnitrit in essigsaurer Lösung, so tritt Desaminierung ein und es entsteht das Hypoxanthin-d-ribosid und das Xanthosin. Das Hypoxanthosin, das von H a i s e r und Wenzel schon früher unter dem Namen Inosin entdeckt worden war, kommt in der einfachen Nucleinsäure, der I n o s i n s ä u r e , vor. Das Xanthosin ist in keiner Nucleinsäure vorgebildet, sondern nur im Laboratorium durch Desaminierung des Guanosins erhalten worden. Harnsäureriboside sind nicht bekannt. B. Pyrimidinnucleoside: 1. Cytidin = Cytosin-d-ribosid: H,N—C=N n 1 HCI CO /OH OH\ IM / I I \ HC—N—C -C— C C—C- OH H H H H H, 2. Uridin = Uracil-d-ribosid: HC—NH n II I HC CO / O H O H \ I I / I I \ OC—N—C C—C C—C- OH H H H H H, Beide wurden von L e v e n e durch ammoniakalische Hydrolyse aus pflanzlichen Nucleinsäuren gewonnen. Sie sind gegen hydrolytische Angriffe beständiger als die Purinnucleoside.

88

I. Teil

Die S t r u k t u r der N u c l e i n s ä u r e n Als einfache Nucleinsäuren bezeichnet man die Verbindungen, die aus Base

Kohlehydrat

Phosphorsäure

bestehen. Es wurde oben dafür die Bezeichnung „Nucleotid" angegeben. Genauer bezeichnet man eine derartige Verbindung als Monon u c l e o t i d . Lagern sich mehrere Mononucleotide zu einer komplizierteren Verbindung zusammen, so entsteht dann ein Di-, Tri- und Polynucleotid. Die in der Natur vorkommenden Nucleinsäuren sind nun solche einfache oder zusammengesetzte Nucleotide. Die Bindung zwischen den einzelnen Mononucleotiden ist noch nicht geklärt und es bestehen darüber mehrere Ansichten. Von den einfachen Nucleinsäuren des tierischen Organismus seien genannt: Die I n o s i n s ä u r e , die von Liebig schon 1847 aus dem Fleischextrakt gewonnen wurde. Über ihre Struktur wurde schon gesprochen. Die Inosinsäure hat in neuester Zeit durch Untersuchungen Embdens große Bedeutung gewonnen, da sie aus der gleich zu nennenden Adenylsäure im Muskel gebildet zu werden scheint. Die G u a n y l s ä u r e (Guanosinphosphorsäure) findet sich in Leber und Milz. Die A d e n y l s ä u r e (Adenosinphosphorsäure). Sie ist von ThannIi auser und von J o n e s unter den Spaltprodukten der Hefenucleinsäure gefunden worden, sowie die schon genannte Guanylsäure. In den Kapiteln über die Oxydationsvorgänge und über den Zuckerabbau werden die Inosinsäure, die Adenylsäure, sowie noch außerdem zwei P y r i d i n n u c l e o t i d e in ihrer Beziehung zu den genannten Stoffwechselvorgängen noch genauer beschrieben werden (S. 161). Die C y t i d i n - P h o s p h o r s ä u r e sowie die U r i d i n - P h o s p h o r s ä u r e wurden ebenfalls als krystallisierende Verbindungen isoliert. Von den pflanzlichen Nucleinsäuren sei die schon mehrmals genannte H e f e n u c l e i n s ä u r e erwähnt. Sie ist ein Tetranucleotid. Adenin Uracil Cytosin Guanin

Ribose Ribose Ribose Ribose

Phosphorsäure Phosphorsäure Phosphorsäure Phosphorsäure

\ l _ qtt 2 o j J

Über die Art der Bindung der einzelnen Nucleotide untereinander gehen die Ansichten auseinander. Möglicherweise handelt es sich um einen Phosphorsäureester.

Fünftes Kapitel. Nucleinstoffe

89

Nucleinsäure aus Thymus: T h y m u s n u c l e i n s ä u r e : Sie enthält die schon genannte E i b o d e s o s e . Sie wurde von Miescher in den Spermatozoen des Lachses gefunden. Nach L e v e n e werden die 4 Nucleotide durch Esterbindungen der Pentose mit der Fhosphorsäure des benachbarten Nucleotides gebunden, so daß dadurch die folgende Formel entstünde: H 2 O S P—O—C S H,0—C 5 H«N 5

HOJP—O—C & H,0—CJHJNJOJ

/

/

(Adenin)

(Thymin)

O

HO,P—O—CJHJO—C4H4NSO (Cytosin)

H203P—0—C5H8OA—CJHJNJO

(Guanin)

Die Nucleinsäure wird aus den Organen durch alkalische Hydrolyse gewonnen. Sie bildet ein weißes Pulver. Mit Eiweißlösungen bilden sich schwer lösliche Niederschläge. Kos sei nimmt in den Spermatozoenköpfen auch eine ähnliche Bindung des Protamins mit der Nucleinsäure an.

II. T e i l

Allgemeine Zustände und Vorgänge Sechstes Kapitel

Osmotischer Druck (anorganische Salze) Die osmotischen Erscheinungen Es gibt Membranen, wie z. B. feinporöse Tonwände, welche für Wasser und Lösungen durchlässig sind und solche, welche zwar Wasser oder eine andere Flüssigkeit durchlassen, nicht aber die in der Flüssigkeit gelösten Stoffe. Diese letzteren sind halbdurchlässig, semip e r m e a b e l . Befindet sich auf einer Seite der semipermeablen Membran Wasser, auf der anderen z. B. eine Zuckerlösung, so findet ein Durchwandern von Wasser durch die Membran statt, die Zuckerlösung wird verdünnt. Dieser Vorgang wird als Osmose bezeichnet. Derartige semipermeable Membranen sind die Zellwände. Daher besitzen die osmotischen Vorgänge für den Stoffaustausch große Bedeutung. Durch Fällung von Kupfersulfat mit Ferrocyankalium kann man künstlich solche semipermeable Membranen herstellen. Das gebildete Kupferferrocyanid kann dadurch z. B. auf eine Tonzelle niedergeschlagen werden und diese Tonzelle ist dann durch die Imprägnierung der Wand mit dem Kupferferrocyanid semipermeabel. Füllt man sie mit Zuckerlösung und verschließt man sie mit einem Steigrohr, so wird beim Eintauchen in reines Wasser dieses in die Zelle einwandern, die Zuckerlösung verdünnen und es muß durch die bedingte Volumvergrößerung die Flüssigkeit im Steigrohr steigen. Der Druck, welcher auf diese Weise entsteht, heißt der o s m o t i s c h e D r u c k . Er ist für verdünnte Rohrzuckerlösungen annähernd proportional der Konzentration und kann durch die Steighöhe der Flüssigkeitssäule ausgedrückt werden. Man kann sich die Entstehung des osmotischen Druckes so vorstellen, daß er durch die Anziehung von Lösungsmittel und gelöster Substanz zueinander entsteht.

Sechstes Kapitel. Osmotischer Druck

91

Die Physik lehrt nun, daß ganz allgemein gelöste Stoffe in einer Lösung denselben osmotischen Druck ausüben, welchen sie, bei gleicher Temperatur und im gleichen Volumen verteilt, als Gase ausüben würden, oder mit anderen Worten ausgedrückt heißt dies, daß die Gesetze, welche für die Gase gelten, auch für die gelösten Stoffe Gültigkeit besitzen: 1. So lehrt die Avogadrosche Hegel für Gase: „Gleiche Volumina besitzen unter sonst gleichen Verhältnissen die gleiche Anzahl von Molekülen." Die analoge Regel gilt für die Lösungen: Gleiche Volumina verdünnter Lösungen von Nichtelektrolyten enthalten bei sonst gleichen Verhältnissen (Druck und Temperatur) die gleiche Zahl von Molekülen. 2. Ein Mol eines Gases (ein Mol = ein Molekulargewicht in g) nimmt bei 0° und einer Atmosphäre Druck den Baum von 22,4 Litern ein. Analog heißt es dann: Löst man ein Mol eines Nichtelektrolyten in 22,4 Litern Wasser bei 0° auf, so besitzt diese Lösung einen osmotischen Druck von einer Atmosphäre. 8. D a l t o n s Gesetz sagt für Gase: Der Druck eines Gasgemisches ist gleich der Summe der Partialdrucke (Einzeldruck) der Gase. Die Analogie: Der osmotische Gesamtdruck ist gleich der Summe der osmotischen Partialdrucke. Da die Bestimmung des osmotischen Druckes für die Erkenntnis vieler biologischer Vorgänge von Wichtigkeit ist, hat man versucht, Methoden zu finden, um diesen gut bestimmen zu können. So könnte man ihn aus den Steighöhen der Ferrocyankupferzelle, welche auch Pfeffersche Zelle genannt wird, messen. Gewöhnlich wird aber eine andere Methode bevorzugt. Es besteht nämlich zwischen der Siedepunktserhöhung einer Lösung gegenüber dem reinen Lösungsmittel und zwischen der Gefrierpunktserniedrigung einer Lösung gegenüber dem reinen Lösungsmittel und dem osmotischen Druck eine Beziehung, welche zur Bestimmung des letzteren verwendet werden kann. Jeder gelöste Stoff wirkt auf das Lösungsmittel so ein, daß seine Moleküle eine Anziehungskraft auf die Moleküle des Lösungsmittels ausüben. Es muß also beim Übergang in den Gaszustand zunächst diese Anziehung überwunden werden, was sich in einer Erhöhung des Siedepunktes auswirkt. Das gleiche gilt auch für den Gefrierpunkt. Einerseits ist nun die Größe des osmotischen Druckes abhängig von der molaren Konzentration. Andererseits zeigen äquimolare Lösungen

92

II. Teil

irgendeines Nichtelektrolyten alle die gleiche Siedepunktserhöhung bzw. Gefrierpunktserniedrigung. Aus diesen beiden Sätzen folgt, daß, wie schon oben gesagt wurde, direkte Beziehungen zwischen Änderungen des Gefrier- und Siedepunktes und osmotischem Druck bestehen. Wird ein Grammolekül irgendeines Nichtelektrolyten in einem Liter Wasser gelöst, so findet eine Gefrierpunktserniedrigung um — 1,84° statt. Diese Größe (auf 100 ccm bezogen = 18,4°) bezeichnet man als die m o l e k u l a r e G e f r i e r p u n k t s d e p r e s s i o n des Wassers. Sie steht in Beziehung zum osmotischen Druck, indem dadurch auch bei 0° ein osmotischer Druck von 22,4 Atmosphären erzielt wird (siehe oben, Satz 2). Daraus ergibt sich: Beobachtet man eine Gefrierpunktserniedrigung (t), so ist der dazu gehörige osmotische Druck bei 0° gleich P J

«

- t1 -



1-84

Die Gefrierpunktserniedrigung eines gelösten Nichtelektrolyten wird ausgedrückt durch: ,

.

.

t = TKonstante

Menge der gelösten Substanz in 100 ccm = m ,, , r-rr ¡7 Molekulargewicht - M

Diese Konstante wurde, wie oben angegeben, für Wasser gleich 18,4 gefunden. Daraus folgt, daß, je größer M (Molekulargewicht) wird, desto kleiner wird der Wert für t werden. Dies steht in voller Übereinstimmung mit den Tatsachen. Eiweißkörper geben als Substanzen mit großem Molekulargewicht in wäßriger Lösung nur minimalen osmotischen Druck. Das gleiche gilt für alle anderen Kolloide. Ist hingegen eine Substanz in wäßriger Lösung in Ionen zerfallen, so wird der osmotische Druck durch die Dissoziation erhöht. Bestimmt man mit dieser Methode der Gefrierpunktserniedrigung den osmotischen Druck des Blutes, so findet man ihn gleich etwa 7,77 Atmosphären bei 88°. Tatsächlich ist er ungefähr gleich acht Atmosphären, da die I o n i s a t i o n der Salze mit steigender Temperatur zunimmt. Der osmotische Druck des Harns schwankt stärker. Die Bestimmung der Gefrierpunktserniedrigung ergibt 0,8—2,7, was einem osmotischen Druck bis zu etwa 80 Atmosphären entsprechen würde. Die Ausscheidung von viel Kochsalz und Harnstoff bildet dafür die Erklärung. Bei Lösungen mit gleichem osmotischen Drucke besteht Isotonie.

Sechstes Kapitel. Osmotischer Druok

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Eine Lösung mit stärkerem osmotischen Drucke besitzt H y p e r t o n i e , gegen eine Lösung mit schwächerem osmotischen Drucke, bei welcher H y p o t o n i e besteht. Eine dem Blute des Menschen isotonische Lösung von Kochsalz hat die Konzentration von 0 , 9 5 ° / o und sie besitzt demnach den gleichen osmotischen Druck und Gefrierpunkt wie Menschenblut. Sie wird als p h y s i o l o g i s c h e K o c h s a l z l ö s u n g bezeichnet. Bei Kaltblütern wie dem Frosch z. B. beträgt die isotonische Konzentration 0,6% NaCl. Die biologische Bedeutung der osmotischen Erscheinungen Manche pflanzliche Zellen zeigen bei der Behandlung mit Salzlösungen ein eigentümliches Verhalten, indem sich das Protoplasma von der Wand zurückzieht und als Klumpen im Innern der Zelle anhäuft. Diese von Nägeli gemachte und P l a s m o l y s e genannte Erscheinung ist durch die osmotischen Verhältnisse bedingt. Die plasmolytisch wirkenden Stoffe können wohl die Zellwand durchdringen, sie durchdringen aber nicht das Protoplasma. Dieses ist bezüglich der angewandten Salze impermeabel, wohl aber für Wasser permeabel. Die Lösungen saugen daher, um Isotonie zu erreichen, das Wasser aus dem Plasma heraus und es findet also eine Schrumpfung desselben statt. Daher wirkt jede gegen Protoplasma hypertonische Lösung plasmolytisch. So kann man auch zeigen, daß Stoffe, welche in das Protoplasma eindringen, keine Plasmolyse hervorrufen. Ganz ähnliche Verhältnisse bestehen nun bei den r o t e n B l u t körperchen. H e w s o n konnte schon 1778 zeigen, daß die Erythrocyten durch Wasser zerstört werden oder andererseits durch geeignete Salzkonzentrationen vor der Zerstörung geschützt werden können. Die Erythrocyten verhalten sich so, als ob sie von einer semipermeablen Membran umgeben wären. Bringt man sie in reines Wasser, so dringt immer mehr Wasser in die Zelle ein, sie quellen zunächst, bis endlich Auflösung stattfindet. Andererseits wird beim Einbringen in hypertonische Salzlösung immer mehr Wasser austreten und dadurch Schrumpfung eintreten. Diese Auflösung von Blutkörperchen in reinem Wasser wird H ä m o lyse genannt. Das Blut, welches vorher auch in dünner Schicht undurchsichtig, d e c k f a r b e n war, wird dadurch durchsichtig, l a c k farben. Bringt man aber die Erythrocyten in die vorhin genannte physiologische Kochsalzlösung (etwa 0 , 9 5 % ) . so herrscht I s o t o n i e und die Zellen bleiben unverändert. Beim Menschen tritt Hämolyse ein, sobald die Kochsalzkonzentration kleiner als 0 , 4 5 ° / 0 wird.

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II. TeD

Ungefähr gleiche osmotische Verhältnisse wie bei den roten Blutzellen wurden für Leukocyten und Spermatozoen gefunden. Die Zellen der Organe sind isotonisch mit dem Blut. Änderungen des osmotischen Druckes des Blutes bedingen schwere Schädigungen. Ein Beispiel dafür ist die sog. U r ä m i e . Bei dieser Erkrankung ist die Ausscheidetätigkeit der Niere gehemmt. Das urämische Serum zeigt dementsprechend eine viel stärkere Gefrierpunktserniedrigung als das normale. Der osmotische Druck des Säugerblutes ist ungefähr konstant. Wirbellose pelagische Tiere haben in den Flüssigkeiten des Körpers den gleichen Druck wie das Meerwasser. Er kann sich mit dem Salzgehalt des Wassers ä n d e r n . Auch die Selachier (niedrigen Fische) verhalten sich in diesem Sinne. Es gibt aber Fische, welche sowohl im Salzwasser als auch im Süßwasser leben. Bei diesen findet man je nach dem Aufenthalt auch ein Schwanken des osmotischen Druckes. Die A u f n a h m e f ä h i g k e i t der Zellen für die verschiedenen Stoffe muß nach all dem auch durch osmotische Vorgänge bedingt sein. Nach T r a u b e muß man sich die Zelloberfläche als M o l e k ü l s i e b vorstellen, durch dessen Poren die aufgenommenen Stoffe wandern. Die Porengröße wäre nach dieser Annahme für die Aufnahmefähigkeit von Bedeutung. O v e r t o n macht die L i p o i d e der Zellwände für die Aufnahmefähigkeit verantwortlich. Fett und Cholesterin sind nach dieser Theorie in den Zellwänden enthalten. Durch Lösung der Stoffe in diesen Lipoiden werden sie aufgenommen. Auch Adsorptionserscheinungen spielen bei der Aufnahme der Stoffe durch die Zellen sicher eine Bolle. Merkwürdig erscheint z. B. in diesem Zusammenhang, daß in höchstem Maße lebenswichtige Substanzen wie Aminosäuren und Zucker nur in geringen Mengen in die Zellen eindringen können. Insofern die dahingehenden Experimente als zu Recht bestehend angenommen werden sollen, müßte man sich diese Erscheinung so erklären, daß diese Nährstoffe in den Zellen eben stetig verbrannt werden, so daß ein ständiges, wenn auch geringes Nachströmen in den Zellen stattfindet. Die anorganischen Bestandteile Durch L i e b i g s Untersuchungen konnte die Bedeutung der anorganischen Salze für das Leben erkannt werden. Diese Bedeutung der Mineralbestandteile für die Lebensvorgänge ist eine mannigfaltige. In erster Linie sind hier die besprochenen osmotischen Verhältnisse zu erwähnen. Es wurde schon an dem Beispiel der Hämolyse die Bedeutung der Salzkonzentration für das Blut erörtert.

Sechstes Kapitel. Osmotischer Druck

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Eine weitere wichtige Bolle erfüllen die Mineralbestandteile bei vielen F e r m e n t v o r g ä n g e n . So wird durch Cl-Ionen die Amylase aktiviert, um dafür ein Beispiel zu nennen. Die vielfältige Beeinflussung der k o l l o i d c h e m i s c h e n Zustände durch anorganische Ionen wird in dem Abschnitt über die Kolloide noch ausführlich erörtert werden. Das Wasser, welches ungefähr zwei Drittel des Gewichtes des tierischen Körpers bildet, muß natürlich auch in diesem Zusammenhange genannt werden. Es ist das allgemeine Lösungsmittel und die Transportflüssigkeit. Untersucht man die Asche von tierischen oder pflanzlichen Geweben, so findet man einige hauptsächliche Mineralbestandteile und außer diesen eine Beihe von Elementen, welche nur in ganz geringen Mengen vorkommen. Die wichtigsten Mineralstoffe sind: Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium, Eisen, Phosphor, Chlor, Schwefel. In geringen Mengen finden sich: Mangan, Silicium, Barium, Zink, Fluor, Brom, Jod und Arsen. In manchen Organismen hat man außerdem Kupfer, Vanadium u. a. Elemente gefunden. Die Verteilung dieser Elemente im Tierkörper ist sehr verschiedenartig. Ganz allgemein findet sich in den Zellen mehr Kalium und in den Säften mehr Natrium. Calcium und Phosphor als Calciumphosphat in den Knochen usw. Es ist nun von Wichtigkeit, daß die einzelnen Salze, wenn sie in Lösung vorhanden sind, auf die Zellen ganz anders einwirken als eine Mischung verschiedener Salzlösungen. Nach den Untersuchungen von B i n g e r und Loeb kann z. B. die Lösung eines einzelnen Salzes stark giftig wirken, trotzdem seine Lösung isotonisch mit den Zellen ist, während eine Mischung sich als ganz ungiftig erweist. Es besteht in dieser Hinsicht also ein A n t a g o n i s m u s für verschiedene Ionen1). So wirken die Chloride von Natrium, Kalium und Calcium allein giftig, in passender Mischung sind sie ganz ungiftig. Loeb konnte diese Wirkungen besonders an einem Fische untersuchen. Dieser „fundulus heteroclitus" genannte Meeresfisch ist vom osmotischen Drucke so weit unabhängig, daß er auch in destilliertem Wasser gehalten werden kann. An ihm können also die Wirkungen der einzelnen Salze besonders gut untersucht werden. Bei der Untersuchung zeigte sich nun die erwähnte Erscheinung, daß Kalium oder Natriumchlorid allein giftig wirken, daß diese Giftwirkung aber durch Zugabe von CaCl2 aufgehoben wird. Dabei stehen *) Siehe bei Wasserstoffionen und Hydratation der Ionen.

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II. Teil

die Mengen der notwendigen Salze durchaus nicht in einem einfachen stöchiometrischen Verhältnisse. Es konnte vielmehr die eigentümliche Tatsache entdeckt werden, daß in einer dem Meerwasser isotonischen Kochsalzlösung die befruchteten Funduluseier sich entwickeln können, wenn man der Lösung ganz geringe Mengen irgendeines beliebigen mehrwertigen Kations zusetzt. So entwickeln sich die Funduluseier nach der folgenden Tabelle: Zusammensetzung der Lösung

% der sich entwickelnden Eier

6 /s s /g s /g e

100 ccm m-NaCl 100 ccm m-NaCl + 1 ccm V«i m-CoCla 100 ccm m-NaCl + 4 ccm >/m m-CoCl2 100 ccm /g m-NaCl + 2 ccm »/, m-CoCl2

0 6 2

88

Aber nicht nur Kobalt, sondern eine große Zahl anderer Elemente ergaben die gleichen Resultate, insoferne es sich um mehrwertige Ionen handelte. Die Erklärung für diese Erscheinung ist mit Sicherheit nicht zu geben. Höchstwahrscheinlich handelt es sich hier um eine Ionenwirkung auf die Kolloide der Eier. In Erkenntnis dieser Erscheinungen sind auch eine Anzahl von verschiedenen Salzmischungen bereitet worden, in denen die einzelnen Ionen in möglichst ausgeglichenem Zustande enthalten sind. So die von Ringer und die von Tyrode. Letztere enthält im Liter: 8,0 g NaCl 0,2 g KCl 0,2 g CaClj 0,1 g MgCl, 1,0 g NaHCOs 0,05 g NaH,PO«

Manchmal setzt man dieser Lösung noch 1 g Traubenzucker zu. Durch solche Versuche ist es auch gelungen, Seeigeleier (Arbaciaeier) zur p a r t h e n o g e n e t i s c h e n E n t w i c k l u n g zu bringen. Die Eier brauchen nur für kurze Zeit in die isotonische Lösung eines Calciumoder Natriumsalzes gebracht zu werden. Überträgt man sie dann in Meerwasser, so beginnen die Furchungsstadien aufzutreten. Es ist in diesem Zusammenhang auch interessant, daß die Hämolyse der Erythrocyten durch isotonische Lösungen verschiedener Salze verschieden rasch erfolgt, wie H ö b e r zeigen konnte. In dieser Hinsicht wirken die verschiedenen Kationen verschieden stark, so daß man sie in die folgende Reihe einordnen konnte: S0 4 < C1 < Br < NOs < SCN < J

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Siebentes Kapitel. Die Kolloide

Es bandelt sich bei allen diesen Vorgängen wahrscheinlich um komplizierte kolloidchemische Vorgänge der Plasmahautkolloide, um Ladungs- und Entladungsvorgänge, welche noch der experimentellen Klärung harren. Ein sog. „ D o n n a n " - G l e i c h g e w i c h t tritt auf, wenn ein leicht diffundierender Elektrolyt auf einer Seite einer Membran und auf der anderen Seite ein nicht diffundierendes Kolloid sich als Elektrolyt befindet, wie z. B. Proteinionen. Es bilden sich nun Konzentrationsdifferenzen von Ionen und daher Potentiale aus. Siebentes K a p i t e l

Die

Kolloide

Der kolloide Zustand

Graham machte 1861 die Beobachtung, daß es Stoffe gibt, welche durch tierische Membranen diffundieren, und solche, welche nicht diffundieren. Wird eine Leimlösung in ein Gefäß gefüllt, welches an Stelle des Bodens mit einer Schweinsblase zugebunden ist und dieses Gefäß dann in Wasser getaucht, so tritt kein Leim aus dem inneren Gefäß durch die Haut in das Wasser. Wird aber an Stelle des Leimes Zucker oder Kochsalzlösung in das innere Gefäß gefüllt, so beobachtet man schon nach kurzer Zeit ein Durchwandern der gelösten Substanz in das umgebende Wasser. Dieses Durchwandern durch eine Membran wird als Dialyse bezeichnet und Graham teilte alle löslichen Stoffe in zwei Gruppen, von denen die einen, als K r y s t a l l o i d e bezeichnet, durch die Membranen durchwandern, während die anderen, welche wie der Leim die Membran nicht passieren können, als „leimartige Stoffe", als Kolloide zu bezeichnen sind. Die Kräfte, welche für dieses Durchwandern verantwortlich zu machen sind, werden die Diffusionskräfte oder die osmotischen Kräfte genannt. Diese ursprüngliche Vorstellung von zwei grundsätzlich verschiedenen Zustandsformen der Materie, dem kolloiden und krystalloiden Zustand, ließ sich aber im Laufe der Entwicklung nicht aufrechterhalten, denn es wurde einerseits gezeigt, daß nicht nur zahlreiche Übergangsformen zwischen den beiden Zuständen vorkommen, sondern es erwies sich auch, daß zahlreiche Stoffe einmal in diesem, einmal in jenem Zustand auftreten können. Man hat daher versucht, eine allgemein gültige Definition der kolloiden Eigenschaft zu finden, welche mit dem ganzen naturwissenschaftlichen System in Einklang zu bringen ist. E d l b a c h e r , Kurzgefaßtes Lehrbuch der physlol. Chemie. 4. Aufl.

7

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II. Teil

Ganz allgemein kann man ein System von zwei oder mehreren Substanzen als ein disperses System bezeichnen, wenn die Substanzen so ineinander verteilt sind, daß die Teilchen der einen Substanz zwischen den Teilchen der andren Substanz eingelagert sind. Überwiegt die Menge der einen Substanz, so bezeichnet man diese als das D i s p e r s i o n s m i t t e l und die darin verteilte Substanz als disperse Phase. Es können von den drei Aggregatzuständen, fest, flüssig, gasförmig nun alle derartigen Kombinationen hergestellt werden. Daraus ergeben sich neun Kombinationen, von denen aber die Dispersion von Gas mit Gas nicht realisierbar ist, da zwei Gasphasen nicht getrennt nebeneinander existenzfähig sind. Als Beispiele der Kombinationen, welche disperse Systeme ergeben, sei nach W. Ostwald die folgende Tabelle angeführt: Disperse Phase fest fest fest flüssig flüssig flüssig gasförmig gasförmig gasförmig

Dispersionsmittel fest flüssig gasförmig fest flüssig gasförmig fest flüssig gasförmig

Beispiele Rubinglas Suspensionen (Lösungen) Bauch KryBtallisationswasser Emulsionen (Milch) Dampf (Wolken) Lava Schaum —

Die für die Kolloidchemie wichtigen dispersen Systeme sind die Kombinationen: flüssig in flüssig fest in flüssig

Es sind dies die Suspensionen, Lösungen und Emulsionen. Kolloide und krystalloide Lösungen verhalten sich gegen seitlich einfallendes Licht ganz verschieden. In der Kolloidlösung hebt sich die Bahn des Lichtstrahles durch trübes Leuchten hervor, in einer krystalloiden Lösung z. B. von Kochsalz, Zucker usw. tritt kein Aufleuchten ein. Dies ist aber noch nicht charakteristisch für die Kolloide, denn in Krystalloiden, deren Lösungen fluorescieren, zeichnet sich auch die Bahn des Lichtstrahles scharf ab. Untersucht man aber das seitlich ausstrahlende Licht, so findet man, daß es p o l a r i s i e r t ist, insofern es sich durch eine kolloide Lösung fortpflanzt, während das seitlich ausgestrahlte Fluorescenzlicht nicht polarisiert ist. Diese Beobachtung wird nach dem Entdecker das T y n d a l l - P h ä n o m e n genannt. Es kommt dadurch zustande, daß die einzelnen Kolloidpartikelchen das seitlich einfallende Licht beugen. Durch eine ähnliche Anordnung können nun kolloide Lösungen auch der mikroskopischen Beobachtung

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Siebentes Kapitel. Die Kolloide

zugänglich gemacht werden. Benützt man ein Mikroskop, welches an Stelle des gewöhnlichen Beleuchtungsapparates einen sog. Dunkelfeldkondensor besitzt, welcher das Licht schräg von unten in das Gesichtsfeld eintreten läßt, so wird dadurch derselbe Effekt erzielt. Eine in dem gewöhnlichen Mikroskop homogene Lösung eines Kolloides erscheint erfüllt von tanzenden Teilchen. Diese eigentümlich tanzende Bewegung heißt nach dem Entdecker die Brownsche Molekularbewegung. Die Teilchen selbst sind in dem Licht des Dunkelfeldkondensors nicht sichtbar; dasjenige, was sichtbar ist, ist das von ihnen reflektierte Licht. Diese Art der Betrachtung im Dunkelfelde heißt U l t r a m i k r o s k o p i e . Aus diesem Versuch ist also zu entnehmen, daß eine kolloide Lösung ein inhomogenes System darstellt. Es lassen sich nun disperse Systeme ganz allgemein durch die Teilchengröße in Gruppen einteilen. Die dazu geeignete Maßeinheit ist das nn = ein Milliontelmillimeter. Man kann drei Hauptgruppen unterscheiden: 1. Grobdisperse Systeme Teilchengröße > 100 fifi, 2. Kolloiddisperse Systeme „ 1—100 fi/i, 8. Molekulardisperse (Ionen-) Systeme . ,, < 1 fifi. Diese Einteilung hat nur Bedeutung für die Größenordnung. Man kann zahlreiche Übergangsstadien zwischen den drei Gruppen feststellen. Grobdisperse Systeme sind z. B. Tierkohle in Wasser, Milch usw. Kolloiddisperse sind: Leimlösung, Glykogenlösung. Molekulardispers sind alle Lösungen einfacher chemischer Salze in Wasser, wie Kochsalz, Kupfervitriol usw. Der Grund, warum eine Abgrenzung in diese drei Gruppen vorgenommen wird, ist der, daß mit s t e t i g e r Abnahme der Teilchengröße eine u n s t e t i g e Änderung verschiedener Eigenschaften auftritt. Der Unterschied zwischen den angeführten verschiedenen Dispersitätsgraden tritt durch die folgenden Eigenschaften deutlich hervor: 1. Grobdisperse Systeme entmischen sich. Kolloiddisperse sind beständig. 2. Grobdisperse Systeme lassen sich durch Filtration trennen; kolloiddisperse nicht. Die Filtrierbarkeit von Teilchen ist die folgende: Teilchengröße 200 /ifi = nicht filtrierbar durch Papier. „ 200—500 ßn = wohl durch Papier, nicht durch Pergament. „ 500—2,5 ft/i = auch durch Pergament. „ 2,5 fift und kleiner = auch durch Membranen.

Es liegt hier ein Mittelbereich der Filtrierbarkeit vor, bei welchem die Teilchen wohl durch Papier, aber nicht durch Membranen filtrieren:. 7*

100

II. Teil

3. Sichtbarkeitsunterschiede. Teilchen, welche kleiner als 250 fi/j, sind, können mikroskopisch nicht mehr sichtbar gemacht werden. Wohl aber sind sie noch im Ultramikroskop zu erkennen. Demnach unterscheidet man: 1. Mikroskopisch sichtbare Teilchen, größer als 250 /ifi = Mikronen. 2. Ultramikroskopisch wahrnehmbare Teilchen 250—5 /i/z = Submikronen. 3. Auch ultramikroskopisch nicht mehr wahrnehmbar < 5 nn = Amikronen. Zusammenfassend kann aber gesagt werden, daß zwischen diesen drei Gruppen von dispersen Systemen und Teilchengrößen nur quantitative Unterschiede bestehen, daß aber innerhalb bestimmter Grenzen einzelne Eigenschaften ein Maximum zeigen. Dadurch ist eine wesentlich allgemeinere Auffassung des kolloiden Zustandes gewonnen als nach der rein empirischen Charakterisierung der Dialysierfähigkeit. Entstehung kolloider

Systeme

Theoretisch kann also j e d e r Stoff in grob-, kolloid- oder molekulardisperser Form auftreten. Metalle können durch den elektrischen Flammenbogen unter Wasser zerstäubt werden, so daß sie als Kolloide in Lösung gehen. Manche chemischen Reaktionen lassen in Wasser unlösliche Stoffe in so feiner Verteilung sich bilden, daß dadurch eine kolloide Lösung gebildet wird. Endlich können kolloide Lösungen natürlich auch durch einfaches Auflösen kolloider Stoffe erhalten werden. Eine allgemeine Eegel läßt sich nicht aufstellen. E i n t e i l u n g der Kolloide Es werden gewöhnlich die folgenden zwei Einteilungen angenommen: Die Einteilungsart nach O s t w a l d berücksichtigt die F o r m a r t der dispersen Phase. Demnach unterscheidet O s t w a l d : 1. Bei Dispersion fester Stoffe = S u s p e n s i o n s k o l l o i d e (Suspensoide). 2. Bei Dispersion flüssiger Stoffe = E m u l s i o n s k o l l o i d e (Emulsoide). Zwischen diesen beiden Arten können jedoch Übergänge stattfinden. Die andere Einteilung wurde von P e r r i n s aufgestellt. Sie unterscheidet : 1. L y o p h o b e K o l l o i d e : Sie sind leicht vom Dispersionsmittel trennbar und fast identisch mit den Ostwaldschen Suspensoiden.

Siebentes Kapitel. Die Kolloide

101

Das Dispersionsmittel erleidet durch die disperse Phase keine wesentliche Änderung der Viscosität. Sie sind i r r e v e r s i b e l durch Elektrolyte fällbar. 2. L y o p h i l e K o l l o i d e : Sie sind viel schwerer abtrennbar. Sie erhöhen die Viscosität des Lösungsmittels und sind r e v e r s i b e l fällbar. Zu dieser Gruppe gehören die meisten Emulsoide. Außerdem muß man bezüglich des Vorkommens der kolloiden Substanzen unterscheiden zwischen: 1. gelöstem Zustand = S o l , 2. ausgeschiedenem Zustand = Gel. (Durch Alkohol ausgefällte Gelatine z. B. ist ein Gel.) Der Vorgang der Abscheidung eines Kolloides kann nun entweder wieder rückgängig gemacht werden wie bei der Gelatine, oder er ist nicht rückgängig zu machen, wie z. B. bei der Fällung von Goldsol. Dementsprechend gibt es: 1. reversibel lösliche Kolloide = r e s o l u b l e K o l l o i d e , 2. irreversibel ausgefällte Kolloide = i r r e s o l u b l e K o l l o i d e . (Koaguliertes Hühnereiweiß ist z. B. ein irresolubles Kolloid.) Unter P e p t i s a t i o n eines Kolloides versteht man den Vorgang der Lösung zum Sol, wenn das Gel nicht spontan, sondern nur durch Zusatz fremder Substanzen dispergiert werden kann. Elektrisches Verhalten der Kolloide Beim Durchgang eines Stromes durch die kolloide Lösung wandern die Teilchen. Die Wanderungsrichtung ist abhängig einmal von der chemischen Natur des Kolloides und außerdem von der Gegenwart von Elektrolyten in der Lösung. J e nach ihrem Ladungssinne wandern Kolloide anodisch oder kathodisch. Dieses Wandern der Kolloide im elektrischen Felde wird K a t a p h o r e s e genannt. Im elektrolytfreien Wasser ist der Sinn der Ladung ausschließlich durch die chemische Natur des Kolloides bedingt. Da sich die gleichsinnigen Ladungen der Kolloidteilchen gegenseitig a b s t o ß e n , wird durch diese Ladung die S t a b i l i t ä t der kolloiden Lösungen erzielt. Nimmt man ihnen die elektrischen Ladungen, dann wirken die Anziehungskräfte der Teilchen, und demnach bedingt eine E n t l a d u n g eine Koagulation, ein Zusammenballen und G e l b i l d u n g . Die Klärung dieser Verhältnisse hat durch die Untersuchungen von W. P a u l i zu weitgehenden Folgerungen geführt, auf welche hier kurz eingegangen werden soll. Ist ein Kolloid positiv geladen, so muß man natürlich im Dispersionsmittel die gleiche Zahl entgegengesetzter Ionen (also negativer) annehmen, da eine Ionenart allein in einer Lösung nicht bestehen kann.

102

IL Teil

1. In einer Lösung können elektrische Ladungen nur an Massenteilchen gebunden als „Ionen" existieren, und zwar gleichviel positive wie negative Ladungen. 2. Kennt man die Konzentration aller Ionen einer kolloiden Lösung und mißt man den Ü b e r s c h u ß an positiven oder negativen Ionen, so ist die Zahl dieser Ladungen gleich der Zahl der Ladungen an den vorhandenen Kolloidteilchen. Wird Eisenchlorid gegen reines Wasser dialysiert, so findet eine hydrolytische Spaltung nach der Gleichung statt: PeClj + 3H,0 = Fe(OH3) + 3HC1 bleibt kolloid diffundiert in Lösung Eisenhydroxyd ist gewöhnlich unlöslich. In diesem Falle bleibt es aber als Kolloid in Lösung. Wird die Dialyse aber sehr lange fortgesetzt, so tritt Gelbildung ein und das Hydroxyd flockt aus. Es wird dieses Verhalten so erklärt, daß noch eine Zwischenreaktion stattfindet: FeClj + H,0 - FeOCl + 2HC1 Die Menge des gebildeten Eisenoxychlorides ist aber im Verhältnis zur Menge des gebildeten Ferrihydroxydes sehr klein. Bei fortgesetzter Dialyse zersetzt sich das Oxychlorid: FeOCl + 2H,0 = Fe(OH), + HCl Das Oxychlorid, F e r r y l c h l o r i d genannt, kann nun aber dissoziieren in: FeOCl *- FeO+ + Cl" Man muß sich nun ein Kolloidteilchen zusammengesetzt vorstellen aus: IX Fe(OH)3-Molekülen\ \y FeOCl -Molekülen/ von den y FeOCl- Molekülen in einem Kolloidteilchen ist eines in Ionen dissoziiert. [xFe(OH)sy - 1 FeOCl FeO]+ + Cl~ Es zeigte sich, daß eine positive Ladung ungefähr 900 A t o m e auf diese Art in Lösung halten kann. Dadurch kann aber die S t r u k t u r eines Kolloidteilchens gegliedert werden: 1. In einen Kern nicht ionogener Moleküle von Fe(OH) 3 . 2. In eine Hülle ionogener Moleküle von FeO+. 3. Aus einer Zahl von Gegenionen in der Flüssigkeit, welche in diesem Falle Cl~-Ionen sind. Es kann aus dieser Vorstellung die Erkenntnis gewonnen werden, daß die wesentliche Eigenart der Kolloidreaktion dadurch gekennzeichnet ist, daß nur ein m i n i m a l e r B r u c h t e i l des K o l l o i d e s bei der F l o c k u n g m i t w i r k t .

Siebentes Kapitel. Die Kolloide

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W. P a u l i bringt dazu den treffenden Vergleich, indem er sagt, „daß die dem winzigen reagierenden Komplex anhängende chemische träge Masse [Fe(0H) 3 ] alle Ausschläge vergrößert, wie ein langer Zeiger die kleinsten Winkelablösungen erkennen läßt". Die Übertragung dieser Anschauung auf die Biokolloide bringt dadurch die Vorstellung, daß die Biokolloide chemische Modelle eines feinen reizaufnehmenden und -übertragenden Apparates sind. Entgegengesetzt geladene Kolloide können sich entladen und ausfällen. Es ist immer der ionogene Teil der Kolloide, welcher in diesem Falle miteinander reagiert. Arsentrisulfid z. B . ist als Sulfarsenit ionisiert anzunehmen und reagiert mit Ferrihydroxyd: [x Ab2Ss • y • As2S4H2 • As2S4H]~ + H+ reagiert mit [x 1 Fe(OH),-y l FeOClFeO]+ + Cl"

Bei rein chemischen Reaktionen finden sich immer feste unv e r ä n d e r l i c h e Gewichtsverhältnisse. Beim Mischen von Arsensulfid mit Eisenhydroxyd besitzt die Flockung w e c h s e l n d e Z u s a m m e n s e t z u n g . Da aber der Gehalt an ionogenen Bestandteilen nur von ihrem Beinheitsgrade abhängt, so ist es klar, daß dementsprechend wechselnde Mengen der beiden Kolloide ausflocken. Es werden die an sich unlöslichen Kolloidanteile eben nur mitgeschleppt. Mithin gelten also auch für diese Verhältnisse die typischen chemischen Reaktionsverhältnisse. Durch diese Untersuchungen gewinnen wir demnach ein Verständnis für die wechselseitige Flockung und Lösung von Kolloiden, welche im Lebensvorgange der Zellen sicher eine wesentliche Bolle spielen. Auch die zahllosen Erscheinungen der serologischen Beaktionen dürften von diesem Standpunkte aus betrachtet, verständlicher werden. Auf ähnliche Vorgänge dürfte auch die Erscheinung der S c h u t z k o l l o i d w i r k u n g zurückzuführen sein. Eine Lösung von kolloidalem Arsensulfid wird z. B . durch Zusatz von Salzsäure ausgeflockt. Wird der Arsensulfidlösung aber vorher ein anderes Kolloid zugesetzt, z. B. eine Gummilösung, so schützt die Gummilösung das Arsensulfid vor der Ausfällung durch Salzsäure, es findet bei deren Zusatz keine Flockung statt. Derartige Schutzwirkungen können vielleicht auch größere biologische Bedeutung haben. Es finden sich vielfach im Organismus Stoffe in Lösung, wie Harnsäure im Blute, Calcium in der Milch, Cholesterin in der Galle, die eventuell als Kolloide durch andere Kolloide vor der Ausflockung geschützt werden. In diesem Sinne wären dann eine Anzahl von pathologischen Veränderungen auf kolloidchemische Ursachen zurückzuführen. (Vgl. dazu das Kapitel über Ampholyte und den isoelektrischen Funkt.)

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II. Teil Gallerten

Gallerten sind disperse Gebilde, welche im Gegensatz zu den kolloiden Lösungen eine gewisse S t a b i l i t ä t der Form besitzen, die selbst bei einem Flüssigkeitsgehalt von über 98°/o noch erhalten bleiben kann. Sie entstehen durch Erstarrung von Solen oder durch Quellung. Fremdstoffe (Ionen) beeinflussen diese Vorgänge sehr stark. Anorganische Stoffe können in Gallerten hineindiffundieren. Dabei entstehen eigentümliche rhythmische Figuren, welche als Liesegangsche R i n g e oder F i g u r e n bezeichnet werden. So scheidet sich in einer mit Bichromat vermischten Gelatinegallerte, welche mit Silbernitrat überschichtet worden ist, das Silberchromat, das durch Einwanderung des Silbers gebildet wird, in scharf abgegrenzten Ringen ab. Die Erklärung dieser rätselhaften Erscheinung steht noch aus. Quellungserscheinungen spielen natürlich bei zahlreichen Lebensvorgängen eine wichtige Rolle. So besitzen die Zellmembranen Gallerteigenschaft und alle die osmotischen Verhältnisse werden durch die Eigenschaften der Membranen beeinflußt. Auch die Wirkung der verschiedenen Narkotika hängt mit diesem kolloidchemischen Phänomen zusammen. Alle diese Vorgänge sind aber noch durchaus ungeklärte Probleme, die aber für das Problem des „ P r o t o p l a s m a s " eminente Bedeutung gewinnen werden. Achtes Kapitel

Die Wasserstoffionenkonzentration Die Gleichgewichtskonstante Es gibt Reaktionen, welche vollständig verlaufen, und solche, welche nur zu einem Gleichgewichtszustand führen. So gibt z. B. die Bildung irgendeines Esters aus Säure und Alkohol einen Fall einer solchen unvollständig verlaufenden Reaktion. Sie führt zu einem G l e i c h g e w i c h t s z u s t a n d , indem am Ende die vier reagierenden Substanzen Säure, Alkohol, Ester und Wasser in einem bestimmten Verhältnisse stehen. Da nach dem Massenwirkungsgesetz nun die Reaktionsgeschwindigkeit in jedem Augenblick proportional der molekularen Konzentration der reagierenden Stoffe ist, so ist dieses Gleichgewicht gegeben durch die Reaktionsgeschwindigkeit der Bildung des Esters und der des Zerfalles des Esters. Ein Gleichgewicht wird eintreten, wenn diese beiden Geschwindigkeiten gleich geworden sind.

Achtes Kapitel. Die Wasserstoffionenkonzentration

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Diese Gleichgewichtskonstante läßt sich also ausdrücken durch die folgende Formel: Konz -Eäter Konz-Wasaer = R Konz 'AlkohoI Konz-Säure Stört man dieses Gleichgewicht in dem Sinne, daß man die Konzentration eines der reagierenden Stoffe ändert, so wird natürlich die ßeaktion in dem einen oder in dem anderen Sinne weitergehen, da K ja eine Konstante ist, welche für die jeweilige Reaktion charakteristisch ist. Man bezeichnet derartige unvollständig verlaufende Reaktionen als umkehrbare Reaktionen, da sie durch Verschiebung der Gleichgewichtslage sowohl in einem als in anderem Sinne verlaufen können. Also sowohl im Sinne von Synthesen, als auch in dem von Zerfall. Man deutet dies an, daß man an Stelle des Gleichheitszeichens das Zeichen y setzt. Es ist nun von eminenter Bedeutung, daß die Mehrzahl der biochemischen Vorgänge derartige umkehrbare Reaktionen zu sein scheinen, welche also zu bestimmten Gleichgewichtslagen führen. Durch die Lebenstätigkeit werden die Gleichgewichte immer gestört, so daß ein ständiger Ablauf stattfinden kann. In diesem Sinne sind alle Fermentvorgänge als umkehrbare Reaktionen aufzufassen, welche zu solchen dynamischen Gleichgewichten führen und sie sind demnach theoretisch sowohl im Sinne von Synthese als in dem von Zerfall zu leiten. Praktisch ist es allerdings erst in einigen Fällen gelungen, diese Vorgänge in umgekehrtem Sinne zu realisieren. Die physikalische Chemie lehrt nun, daß eine ganze Reihe von Substanzen in wäßriger Lösung in elektrisch geladene Teile, Ionen, zerfallen. Die Ionenreaktionen, die sich mit ungemein großer Geschwindigkeit abspielen, sind auch als umkehrbare Reaktionen zu bezeichnen. Der Zerfall eines Salzes in Ionen führt demnach auch zu einem Gleichgewichtszustand und ist durch eine Gleichgewichtskonstante gekennzeichnet: Konz

- +Ionen

Konz

' - Ionen

Konz-uj^t dl3soz Anteil

=

R

Auch die Dissoziation von Säuren und Basen ist ein Spezialfall dieser Anschauung. Überträgt man sie auf die Säuren und Basen, so kann man dementsprechend eine solche Dissoziationskonstante für die Vertreter dieser beiden Körperklassen aufstellen. Dadurch gelangt man zu einer exakten Definition für die „Stärke" von Säuren und Basen. Es wird der Grad der Ionisation ausgedrückt

106

n . Teil

durch diese Konstante und zwar ist eine Säure (Base) um so stärker, je größer ihre Dissoziationskonstante ist. Auch reinstes Wasser ist zu einem minimalen Teile in Ionen zerfallen. Die Dissoziation HjO — > H+ + OHbeträgt pro Liter = 0,8 -10 - 7 g Wasserstoff. Da die Ionen die Träger der elektrischen Ladungen sind, kann man durch Messung der elektrischen Leitfähigkeit den Grad der Ionisation feststellen. Auf derartigen Leitfähigkeitsmessungen fußen alle diese ermittelten Gesetzmäßigkeiten. In reinem Wasser kommen immer gleichviel H- und OH-Ionen vor. Eine Lösung, deren H-Ionenkonzentration größer als 0,8-10 - 7 ist, ist sauer. Eine Lösung mit kleinerer H-Ionenkonzentration ist alkalisch. Nach dem vorhin Gesagten ist H+OH„ = K HaO Nun ist aber die Dissoziation des Wassers im Verhältnis zum nicht dissoziierten Teil so gering, daß bei einer Zunahme derselben die Menge des nicht zerfallenen Teiles kaum abnimmt. Man kann daher annehmen, daß bei konstanter Temperatur H + - O H - konstant ist. Der Wert dieser Konstante ist bei 22° rund 1 0 - u . Es ist daraus zu folgern, daß also in reinem Wasser die Konzentration sowohl für H + als auch für O H - = 10 - 7 , also ein Zehnmilliontel Gramm im Liter ist (da 10 _ 7 < 10 - 7 = 10 - 1 4 ist). Demnach ist eine Lösung definiert durch die Wasserstoffgrammionen pro Liter (also die Normalität!): Eine neutrale durch = 10~7 | Eine saure durch > 10"7 !• bei 22°. Eine alkalische durch < 10 -7 )

Diese Zahl, welche a u s d r ü c k t , wieviel Grammionen W a s s e r s t o f f pro L i t e r v o r h a n d e n s i n d , bezeichnet man a l s W a s s e r s t o f f z a h l . Sie ist der Ausdruck für die „Stärke" einer Säure oder Base, denn keine noch so stark saure Lösung ist ganz frei von Hydroxylionen und keine noch so stark basische Lösung ist frei von Wasserstoffionen. Diese Wasserstoffzahl wird ausgedrückt durch das Symbol : [H] In diesem Sinne könnte man natürlich genau so gut eine „Hydroxylzahl" aufstellen. Sie wäre von [H'] nach der Gleichung abhängig: m

=

m

Achtes Kapitel. Die Wasserstoffionenkonzentration

107

Es ist auch aus dem Gesagten klar, daß die Konzentration der Hydroxylionen durch die Angabe der Wasserstoffionenkonzentration zugleich gegeben ist. Nach Sörensen gebraucht man nun vielfach nicht die Zahl [H']( sondern den Logarithmus der Wasserstoffzahl. Man bezeichnet diesen als den W a s s e r s t o f f i o n e n e x p o n e n t e n mit dem Symbol pH. Wasserstoffzahl [H] = 10 -7 bedeutet Wasserstoffionenexponent = p H = 7. Da der Wasserstoffionenexponent ein Potenzexponent mit negativem Vorzeichen ist, so muß die Größe des dazugehörigen Numerus steigen, wenn sein Wert sinkt und umgekehrt. Dementsprechend bedeutet: PH = kleiner als 7 = sauere Reaktion, PH = gleich 7 = neutrale Reaktion, PH - größer als 7 = alkalische Reaktion.

Durch die Einführung der Begriffe der Wasserstoffzahl bzw. des Wasserstoffionenexponenten gelingt es also, die Reaktion einer Flüssigkeit genau zu definieren. Puffer

Man bezeichnet die in einer Flüssigkeit tatsächlich vorhandenen Ionen als die a k t u e l l e n Ionen. Andererseits können aus dem nicht dissoziierten Anteil der gelösten Stoffe unter geeigneten Bedingungen Ionen neu gebildet werden. Diese Ionen, welche also eventuell auftreten können, bezeichnet man als p o t e n t i e l l e Ionen. Die Wasserstoffionenkonzentration ist durch die in der Lösung befindlichen a k t u e l l e n Ionen bestimmt und man kann sie daher auch als die a k t u e l l e B e a k t i o n der Lösungen bezeichnen. Es ist für zahlreiche biochemische Zustände und Vorgänge von größter Bedeutung, daß die aktuelle Reaktion der Körperflüssigkeiten konstant bleibt. Es gibt nun Substanzen, welche durch ihre Anwesenheit in einer Lösung diese Konstanz in mehr oder weniger ausgeprägtem Maße aufrechterhalten. Man bezeichnet sie als P u f f e r . Die eigentümliche Wirkung dieser Puffersubstanzen soll zunächst an einem einfachen chemischen Modellversuch erläutert werden. Chlorwasserstoff ist in wäßriger Lösung äußerst stark dissoziiert was durch die Größe der besprochenen Dissoziationskonstante ausgedrückt wird. Essigsäure dagegen ist im Verhältnis zur Salzsäure als schwache Säure zu bezeichnen, d. h. ihre Dissoziationskonstante ist klein.

108

II. Teil

Andererseits sind die Alkalisalze der Essigsäure weitestgehend in Natrium und Acetationen dissoziiert. Bringt man nun in eine Lösung von Salzsäure Natriumacetat zur Auflösung, so befinden sich zunächst die folgenden vier Ionen in Lösung: Na+ + Acetat- + H+ + Cl" . Es befinden sich also neben v i e l e n Acetationen viele Wasserstoffionen in Lösung. Dadurch würde aber der Zähler des Bruches H+-Acetat- _ CH, COO]r



Ji

vergrößert werden. Da aber das Verhältnis im Gleichgewichtszustande konstant ist, wird die Dissoziation von H+ und (Acetat) - zurückgedrängt werden und es wird demnach so viel nicht dissoziierte Essigsäure entstehen, bis der Wert für K wieder erreicht ist. Das heißt mit anderen Worten ausgedrückt, daß man durch den Zusatz von Natriumacetat die durch die Salzsäure in die Lösung gebrachten Wasserstoffionen als nicht dissoziierte Essigsäure bindet. Dadurch wird natürlich die aktuelle Reaktion der Flüssigkeit wieder gegen den Neutralpunkt verschoben oder man sagt, der Zusatz von Acetat drängt die Dissoziation der Wasserstoffionen zurück. Man kann dieses Phänomen daher in den allgemein gültigen Satz zusammenfassen: Die Dissoziation einer gelösten Substanz kann durch den Zusatz eines der Dissoziationsprodukte verringert werden. Kehrt man nun diese Verhältnisse um, so ist es offensichtlich möglich, irgendeinen gewollten Dissoziationsgrad dadurch herzustellen. Da der Dissoziationsgrad einer Säure bzw. Base andererseits durch eine bestimmte aktuelle Wasserstoffionenkonzentration gekennzeichnet ist, so besitzt man dadurch auch ein Mittel, solche Wasserstoffzahlen genau festzulegen. Setzt man zu der Lösung des Salzes einer schwachen Säure eine Säure zu, so werden die damit zugesetzten Wasserstoffionen mit dem Anion des Salzes sich zu nicht dissoziierter Säure vereinigen, sie werden also v e r s c h w i n d e n und zwar so lange, als noch genügend Anionen vorhanden sind. Es wird dadurch erreicht, daß nur ein ganz allmähliches Auftreten der sauren Reaktion stattfindet. In diesem Falle wirkt das Salz als P u f f e r , da innerhalb gewisser Grenzen die Wasserstoffionenkonzentration annähernd konstant bleibt.

Achtes Kapitel. Die Wasserstoffionenkonzentration

109

1. In diesem Sinn wirken alle Salze von starken Basen mit schwachen Säuren als Puffer gegen die Änderung nach der sauren Seite. 2. Alle Salze von starken Säuren mit schwachen Basen als Puffer gegen die alkalische Seite. 3. Alle Salze von schwachen Säuren mit schwachen Basen als Puffer gegen sauer und alkalisch, insofern sie als Salz stark dissoziiert sind. 4. Salze von starken Basen mit starken Säuren können keine Pufferwirkung haben. Durch geeignete Mischung von verschiedenen Salzen lassen sich also Lösungen herstellen, welche einem ganz bestimmten pH-Werte entsprechen. Solche P u f f e r g e m i s c h e wird man überall dort anwenden, wo es sich darum handelt, eine bestimmte Wasserstoffionenkonzentration aufrecht zu erhalten. Da die meisten Fermente gegen Änderungen des pH sehr empfindlich sind, können Untersuchungen über ihre Wirkung nur in solchen gepufferten Lösungen vorgenommen werden, also bei konstanter Wasserstoffzahl. Erst seit dieser Erkenntnis ist die Fermentchemie in ein exaktes Stadium der Entwicklung eingetreten. Als Beispiel eines solchen Puffergemisches sei hier eine Mischung von KH 2 P0 4 und Na 2 HP0 4 angeführt, welche von S ö r e n s e n empfohlen wurde. Es werden n/15-Lösungen dieser Salze in der folgenden Weise gemischt: com n/15-NajHPO«

com n/15-KH,PO,

0,25 0,6

1,0

2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0 9,5

Andere Puffergemische sind Glykokoll-NaOH usw.

9,75 9,5 9,0 8,0 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,5

PH 5,288 5,589 5,906 6,239 6,468 6,643 8,813 6,979 7,168 7,381 7,731 8,043

z. B. Acetatmischungen,

Borate,

110

II. Teil

Die Bestimmung der Wasserstoffzahl Die Möglichkeit, Wasserstoffionenkonzentrationen elektrometrisch zu messen, beruht auf der Kenntnis der sog. Konzentrationselemente oder Konzentrationsketten, deren Theorie wir vor allem Nernst verdanken. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen galvanischen Elementen, in denen die elektromotorische Kraft durch den Ablauf einer chemischen Eeaktion erzeugt -wird, ist bei den Konzentrationselementen der Grund für das Auftreten der Potentialdifferenz in Ionenkonzentrationsdifferenzen an den beiden Polen des Elementes zu suchen. Der bekannteste Fall ist die Silberkonzentrationskette, die aus zwei Silberelektroden besteht, welche in verschieden konzentrierte Lösungen des gleichen Silbersalzes (z. B. AgN0 3 ) eintauchen. Eine derartige Kette liefert einen Strom, der im äußeren Teile des Stromkreises von der Elektrode höherer Silberionenkonzentration zu der Elektrode niederer Konzentration fließt. D. h. das in die höhere Ag-Konzentration tauchende Silbermetall ist positiv gegenüber dem in die niedere Ag-Konzentration tauchenden. Das Auftreten dieser Potentiale erklärt sich folgendermaßen. Bekanntlich hat jedes Metall in Berührung mit einer Flüssigkeit, insbesondere mit Wasser, die Tendenz, positive Ionen in die Lösung zu senden. Man bezeichnet diese Tendenz als den elektrolytischen Lösungsdruck des Metalls. Infolge dieser Abgabe positiver Silberionen wird sich im Falle der Ag-Kette das metallische Silber negativ aufladen. Tauchen wir das Silber in eine Lösung, die bereits Ag-Ionen enthält, so wird das metallische Silber um so weniger Ag-Ionen abgeben, sich also um so weniger negativ aufladen, je mehr Ag-Ionen von vornherein in der Lösung vorhanden sind. Taucht man also einen Silberstab in eine n/10-, einen zweiten in eine n/100-AgN03-Lösung, so wird der erstere ein weniger negatives Potential annehmen, wie der zweite, d. h. er wird sich gegen diesen positiv verhalten. Damit ein Strom fließen kann, müssen natürlich die beiden Ag-Lösungen miteinander, z. B. durch einen elektrolytgetränkten Docht, und die beiden Metallelektroden durch einen Draht leitend verbunden sein. Die elektromotorische Kraft einer derartigen Konzentrationskette hängt nun in einfacher Weise ab von dem Verhältnis der Ionenkonzentration auf den beiden Seiten, wobei deren absolute Werte gleichgültig sind. Die Kenntnis dieses Gesetzes erlaubt die Bestimmung der Silberionen in einer Silberlösung unbekannter Konzentration. Man braucht nur aus einer Silbersalzlösung bekannter Konzentration und der zu untersuchenden unbekannten Silberlösung eine Silberkonzentrations-

Achtes Kapitel. Die Wasserstoffionenkonzentration

111

kette herzustellen und deren elektromotorische Kraft mit einem potentialanzeigenden Instrumente (Elektrometer) zu messen, so läßt sich aus der bekannten Silberionenkonzentration und dem gefundenen Potential die unbekannte Silberionenkonzentration in einfachster Weise berechnen. Bei der Messung der Wasserstoffzahl einer Lösung geht man nun ganz analog vor wie bei der Silberionenkonzentration. Da Wasserstoff kein festes Metall ist, kann man aus diesem allerdings nicht ohne •weiteres feste Wasserstoffelektroden herstellen. Jedoch läßt sich zeigen, daß sich ein oberflächlich mit Wasserstoffgas überzogener Platindraht hinsichtlich seiner elektromotorischen Eigenschaften ganz so verhält, als wenn er aus festem Wasserstoff bestände. Man kann daher aus zwei derartigen wasserstoffüberzogenen Platindrähten, die in Lösungen verschiedener Wasserstoffzahl eintauchen, eine Wasserstoffionenkonzentrationskette herstellen, deren Potential man elektrometrisch messen kann. Auch hier kann man aus der Kenntnis der Wasserstoffzahl der einen Elektrode, die man sich willkürlich auf einen bestimmten Wert einstellt, und dem gemessenen Potential der Kette die Wasserstoffzahl der unbekannten Lösung genau wie bei der Silberlösung leicht berechnen. Diese Grundmethode, welche weitgehend ausgebaut ist, hat es ermöglicht, ein anderes Verfahren auszubauen, welches auch ohne Anwendung komplizierter Apparate gestattet, die pn-Werte zu messen. Es hat sich gezeigt, daß eine große Anzahl von Farbstoffen (Teerfarben) bei einer bestimmten Wasserstoffzahl ihre Farbe ändern. So z. B. die drei hier angeführten Farbstoffe: UmechJagspunkt pn Thymolblau . . . . Congorot

Thymolphthalein . .

1—2 3—5 9—10

von rot in gelb, von blau in rot, von farblos in blau

Bereitet man sich nun Pufferlösungen von bestimmter Wasserstoffzahl und setzt einen der Farbstoffe zu, dessen Umschlagspunkt in den Bereich des gewünschten Wertes fällt, so erhält man einen bestimmten Farbton. Man bereitet sich so eine Farbenskala. Andererseits kann man durch Zusatz desselben Farbstoffes zu der zu untersuchenden Lösung eine Färbung erzeugen. Durch Vergleich der Lösung mit den gefärbten Puffergemischen ergibt sich der Wert für die Wasserstoffzahl der untersuchten Flüssigkeit. Umgekehrt kann durch dieses Vergleichsverfahren jederzeit eine Lösung auf eine bestimmte Wasserstoffzahl gebracht werden. Diese Methode läßt sich auch bei gefärbten Flüssigkeiten anwenden, wenn durch die Anwendung eines Komparators die Eigenfarbe der Flüssig-

II. Teil

112

keit ausgeglichen wird, indem hinter die gefärbte Pufferlösung eine Schicht der zu untersuchenden Flüssigkeit gebracht wird, so daß bei der Durchsicht sich die Eigenfarbe mit der Yergleichsfarbe addiert. Es wird dadurch dieselbe Farbnuance erzielt wie in der mit Indicator versetzten Untersuchungsflüssigkeit. Wenn auch diese colorimetrische pH-Bestimmung mit verschiedenen Fehlerquellen behaftet ist, so liefert sie doch für die meisten Fälle zureichende Werte. Nach neueren Anschauungen scheinen Ionen die Fähigkeit zu haben, die sie umgebenden Wassermoleküle anzuziehen, also sich sozusagen mit Wasserhüllen zu umgeben. Man nennt dies H y d r a t a t i o n . Man leitet sie aus der geringen Beweglichkeit der Ionen in einer wäßrigen Salzlösung ab. Je stärker die Hydratation, desto geringer ist die Beweglichkeit. Sie schwankt sehr stark bei verschiedenen Ionen. So bindet z. B. ein H-Ion ein Molekül Wasser, K bindet vier, Na acht, Ca zehn usw. Die verschiedenartige Wirkung der Ionen im Lebensprozesse, die sich in den sog. I o n e n r e i h e n von H o f m e i s t e r ausprägt, sowie der sog. I o n e n a n t a g o n i s m u s zwischen K und Na ist wahrscheinlich auf diese verschiedenartige Hydratation zurückzuführen. Man kann nach dem Gesagten demnach das H-Ion als H+ + H20 = H30+ H y d r o x o n i u m i o n bezeichnen und alles Gesagte gilt also eigentlich nur für das Hydroxoniumion, nicht für das H-Ion. Dies hat aber zunächst für die hier behandelten Probleme nur rein theoretische Bedeutung. Löst man eine Säure, wie z. B. die Benzoesäure, CeH5COOH, einmal in Wasser, das andere Mal in Benzol, so wird die Wirkung der verschiedenen Lösungsmittel auf die sog. hydrophile Carboxylgruppe und die sog. lipophile Phenylgruppe antagonistisch sein. 1. In Wasser ist die Säure zu Doppel- oder Polymolekülen assoziiert : H,0 HjO HOOC— H,0 HjO HaO 2. In Benzol ebenfalls: C.H, C.H,

C.H.

Achtes Kapitel. Die Wasserstoffionenkonzentration

118

3. In Alkohol dagegen, der selbst hydro- und lipophile Gruppen enthält, in Form von Einzelmolekülen: HO-C.H, HO—C,H5

/ < x

x

/

>—COOH

HO—C,HS HO-C,H 5

Das Wasser bzw. das Phenol kann in den beiden ersten Fällen nicht die sog. „Molkohäsion" der Carboxyl- bzw. Phenylgruppen überwinden. Die Wasserstoffzahl der Körperflüssigkeiten Die meisten Flüssigkeiten des Körpers sind annähernd neutral. Nur Magensaft zeichnet sich durch seine stark saure Eeaktion aus. Auch finden in den meisten Körperflüssigkeiten nur geringe Schwankungen der Reaktion statt, was durch die gelösten Puffersubstanzen erklärt wird. Für die wichtigsten fand man die folgenden Werte: PH

Blut und Serum . . . 7,36 Harn ß—7 Magensaft 1,77 Darmsaft 8,00 Speichel 6,9 Milch 6,5—6,9

Die Pufferung des Blutes wird in erster Linie durch die anwesenden Carbonate und Kohlendioxyd herbeigeführt. In zweiter Linie finden sich primäres und sekundäres Phosphat und endlich an dritter Stelle puffern die Eiweißkörper, welche darin gelöst sind. Es findet sich ungefähr zehnmal mehr Carbonat als Phosphat im Blute, daher ist die erstere von viel größerer Bedeutung. Auch das Oxyhämoglobin wirkt als schwache Säure und puffert. Die Pufferung des Blutes gegen sauer ist viel stärker als gegen alkalisch. Die Eiweißkörper, die in Form von Proteinsalzen im Organismus auftreten, wirken, wie gesagt, ebenfalls kräftig puffernd. Bildet sich durch die Muskeltätigkeit viel Milchsäure, so wird dadurch die Pufferung stark in Anspruch genommen. Wird beim Diabetes viel /3-Oxybuttersäure gebildet, so gilt auch dafür das gleiche. Die „ A l k a l i r e s e r v e " des Blutes hat abgenommen. Man spricht von Acidose. Dabei muß die aktuelle Eeaktion des Blutes noch nicht verschoben sein. Normales Blut kann etwa 50 Volumprozent C0 2 binden. Bei Acidosis kann das Blut bei Sättigung mit C02 manchmal nur 10—20°/0 des Gases binden. Im sog. „Coma" kann aber der pH-Wert des Blutes durch Überbeanspruchung der Pufferung bis 7,0 sinken. Diese inkompensierte Acidosis kann tödlich wirken. Die Kohlensäure und Carbonate kommen hauptsächlich als C0 2 und NaHC0 3 vor; die Menge an H 2 C0 3 dürfte gering sein. E d l b s c h e r , Kurzgefaßtes Lehrbuch der phystol. Chemie. 4. Aufl.

8

114

II. Teil

Dies wird durch die Wirkung eines Enzyms, das im Blute vorkommt, erklärt. Es katalysiert sowohl die Hydratbildung des Kohlendioxyds, als auch den Zerfall der Kohlensäure in Wasser und C0 2 . Es wird daher K o h l e n s ä u r e - A n h y d r a s e genannt. (Meldrum, ß o u g h t o n , S t a d i e , O'Brien.) Es findet sich im Blute (Plasma und Erythrocyten) und scheint ein „Häminferment" (s. d.) zu sein. Es spielt wahrscheinlich bei der Abgabe der Kohlensäure eine unterstützende Bolle. Der Harn ist immer schwach sauer. Er enthält Phosphate als Puffer. Der Harn der Pflanzenfresser ist schwach alkalisch. Besonders sei noch auf die stark saure Beaktion des Magensaftes hingewiesen, welche durch die Salzsäureproduktion bedingt ist. Über die Bedeutung der Wasserstoffzahl für die Wirkung der Fermente wird in dem entsprechenden Kapitel hingewiesen. Neuntes Kapitel

Die Ampholyte Einfache Ampholyte In einer Aminosäure ist eine basisch wirkende Aminogruppe und eine saure Carboxylgruppe enthalten. Derartige Verbindungen können daher entweder als Base oder als Säure reagieren. Man bezeichnet alle Verbindungen, welche sowohl die Natur von Basen als auch von Säuren besitzen, als a m p h o t e r e E l e k t r o l y t e oder abgekürzt als A m p h o l y t e . Auch einfache anorganische Verbindungen können die Natur amphoterer Elektrolyte besitzen, so z. B. das Zinkhydroxyd, das Bleihydroxyd u. a. Beim Fällen einer Bleisalz- oder Zinksalzlösung mit schwacher Lauge fällt das Alkali zunächst die Hydroxyde aus. Bei weiterem Zusatz von Lauge lösen sie sich aber wieder auf und bilden Plumbite oder Zinkate, d. h. also bei Überschuß von Alkali verhalten sich die Hydroxyde wie Säuren. Löst man eine Aminosäure in konz. Natronlauge, so findet sich in der Lösung das Natriumsalz der Aminosäure. Löst man sie jedoch in konz. Salzsäure, so befindet sich in der Lösung das Chlorhydrat der Aminosäure: R

freie Aminosäure

COONa Na-Salz

HC—N=H,3 | \C1 COOH Chlorhydrat

115

Neuntes Kapitel. Die Ampholyte

Die Erklärung dieses Verhaltens ist durch die Dissoziationsverhältnisse in den verschiedenen Lösungen zu verstehen. Die Aminogruppe der Aminosäure kann auch als Ammoniumsalz geschrieben werden, wenn die Verbindung sich in Lösung befindet: R

H-A-N=H3 I \OH COOH Es sei nun zunächst der Einfachheit halber angenommen, daß Hydroxyl- und Wasserstoff in gleichem Maße abdissoziieren. Die wäßrige Lösung der Verbindung wird dann absolut n e u t r a l reagieren. Fügt man nun zur wäßrigen Lösung starkes Alkali zu, so wird dadurch die Dissoziation der Aminogruppe zurückgedrängt. Es wird demnach in alkalischer Lösung die Verbindung sich wie eine Säure verhalten. Das Umgekehrte tritt in stark saurer Lösung ein, indem dadurch die Dissoziation der Carboxylgruppe zurückgedrängt wird. Sie verhält sich in saurer Lösung wie eine Base: R

\ -

üd)—NH3- OH • < = COO

I

Dissoziation in alkalischer Lösung

i >

H+ ,

R

\ +

HC—NHS

OH~ .

\ ¿OOH I

Dissoziation in saurer Lösung

Läßt man durch die Lösung der Aminosäure in Alkali, bei welcher die Aminosäure also als negatives Ion vorhanden ist, den elektrischen Strom gehen, so wandert die Aminosäure zur Anode. In saurer Lösung ist die Aminosäure als positives Ion vorhanden, sie wird beim Stromdurchgang also zur K a t h o d e wandern. Es können nun die folgenden drei Fälle eintreten: 1. Die Säure- und Basennatur des Ampholyten seien gleichmäßig stark ausgeprägt. Seine wäßrige Lösung reagiert daher neutral. Beim Durchgang des elektrischen Stromes werden daher gleichviel Aminosäureionen an beide Pole wandern. 2. Die Säurenatur sei stärker. Die wäßrige Lösung wird also mehr H-Ionen abdissoziieren und reagiert daher sauer. Beim Durchgang des elektrischen Stromes werden die Ionen der Aminosäure anodisch wandern. 8. Die Basennatur sei die überwiegende. Die Lösung reagiert alkalisch. Bei der Elektrolyse wandert das Aminosäureion daher kathodisch. Setzt man nun aber der (Fall 2) als Säure wirkenden Aminosäurelösung so viel starke Säure zu, daß man die Dissoziation ihrer Carboxylgruppe zurückdrängt, so wird sich dann die Verbindung in der angesäuerten Lösung wie ein neutraler Körper verhalten und nun beim Durchgang 8*

II. TeU

116

des Stromes ebenfalls sowohl anodisch als kathodiscb wandern. In gleicher Weise kann man bei der im Fall 3 basisch wirkenden Aminosäurelösung so viel Lauge zusetzen, daß dadurch die Dissoziation der Aminogruppe ebenfalls wieder so weit zurückgedrängt wird, daß sich die Verbindung ebenfalls als neutraler Körper verhält und bei der Elektrolyse auch anodisch und kathodisch wandert. Man bezeichnet nun die W a s s e r s t o f f i o n e n k o n z e n t r a t i o n , bei welcher in der Lösung eines a m p h o t e r e n E l e k t r o l y t e n gleich viel Anionen wie K a t i o n e n des A m p h o l y t e n v o r h a n d e n sind, bei der also der Ampholyt sowohl anodisch wie kathodisch w a n d e r t , als den „isoelektrischen P u n k t " (I. P. nach Hardy). Für die vorhin angeführten drei Fälle der Aminosäure ergibt sich demnach: Die Lösung reagiert neutral sauer basisch

Der isoelektrische Punkt liegt beim Neutralpunkt, bei saurer Reaktion, bei alkalischer Reaktion

Die Lösungen der Ampholyte sind in der Nähe des isoelektrischen Punktes am geringsten dissoziiert und neigen daher bei dieser Tieaktion zum Auskrystallisieren. Eiweißkörper

Im Eiweißmolekül finden sich so wie bei den einfachen Aminosäuren freie Carboxyl- und Aminogruppen, welche allerdings in ihrer Zahl je nach der Eiweißart stark variieren können. So wie nun die beiden gegenpoligen Gruppen in den Aminosäuren die Ampholytnatur dieser bedingen, ebenso erteilen Amino- und Carboxylgruppen den Proteinen den Charakter amphoterer Elektrolyte. Es muß daher auch für jede Eiweißart einen eigenen isoelektrischen Punkt geben, bei dem die Proteinionen sowohl anodisch als kathodisch wandern. Der Unterschied zwischen den Lösungen einer Aminosäure und eines Proteins ist der, daß das Protein kolloiddispers, die Aminosäure molekulardispers gelöst sind. Nach P a u l i ist ein gelöstes Kolloidteilchen in Assoziation mit Wassermolekülen getreten. Dieser Vorgang heißt die H y d r a t a t i o n . Beim isoelektrischen Punkt ist nun diese Hydratation am geringsten, d. h. die Kolloidteilchen haben geringe Anziehimg an die umgebenden Wassermoleküle und daher ist die Stabilität der Lösung am geringsten. Sie fallen daher bei diesem Punkte aus oder sind zumindest am leichtesten auszufällen. Der isoelektrische P u n k t ist also die f ü r die Flockung optimale W a s s e r s t o f f i o n e n k o n z e n t r a t i o n .

Neuntes Kapitel. Die Ampholyte

117

Ist die Hydratation noch genügend, am beim I. P. die Teilchen noch gerade in Lösung zu halten, so wirken doch bei dieser Reaktion die eiweißfällenden Mittel am besten. Diese Eigentümlichkeit kann man auch benützen, um dadurch umgekehrt den I. P. zu bestimmen. Fällungen beim I. P. können bei der Eeinigung vieler Substanzen eine große Rolle spielen. Zwischen anorganischen Kolloiden und Eiweißkörpern bestehen gewisse Ähnlichkeiten und Unterschiede: Keine Unterschiede bestehen bezüglich: Teilchengröße, Ladung amphoterer Natur. Unterschiede jedoch bestehen durch das Verhältnis zwischen unlöslichen und ionisierenden Molekülen. Anorganische Kolloide können dadurch in außerordentlich vielen Variationen auftreten, wie im Kapitel über Kolloide gezeigt wurde. Ganz anders verhalten sich Proteine. Sie sind durch ihre Bausteine und die A n o r d n u n g i h r e r B a u s t e i n e charakterisiert. Von den in Serien vereinigten Aminosäuren ist nur eine oder ßind nur wenige in ionogener Form vorhanden. Es liegt also in dieser konstitutionschemischen Variationsmöglichkeit die Grundlage der verschiedenen Organleistungen, der Artspezifität begründet. Die anderen Biokolloide wie die Stärke z. B. sind aus identischen Komplexen aufgebaut, und daher ist hier keine derartige Spezifität möglich. Elektrodialyse W. P a u l i , welcher diese Verhältnisse einer genauen Prüfung unterzog, verwendete für die Darstellung ganz reiner Proteinlösungen das Verfahren der Elektrodialyse. Die gewöhnliche Dialyse genügt nicht, um Proteine weitgehend zu reinigen. Es wird die zwischen zwei Membranen abgegrenzte Kolloidlösung unter Durchgang eines ganz schwachen Stromes gegen Wasser dialysiert. Auf diese Art hergestelltes ganz reines Albumin zeigt nun ganz besondere Eigenschaften. Das Albumin ist eine schwache Säure, d. h. die amphotere Substanz ist als Säure stärker dissoziiert. ProteinCH || J| | u u C—N HOC CH. CH. ( + NH.) I I >I I 2 CH* CH g (+NH 3 ) v CHj *- CH ¿HNH2 COOH Histidin

CH-NH, T

COOH Spaltprodukt

(Histidasewirkung)

¿H-NH, —

COOH ¿OOH T

CH-NHJ + (HCOOH) >-

COOH ¿C Glutaminsäure

(nicht enzymatische Umlagerang)

Die A s p a r a g i n a s e findet sich in keimenden Pflanzen und spaltet die Amidogruppe des Asparagins unter Bildung von Ammoniak und Asparaginsäure:

IL Teil

132 ,NHS C=0

/OH C=0 + H20 =

CH,

+ NHj

Endlich findet sich in vielen tierischen Organen ein Ferment, welches die Hippursäure unter Bildung von Benzoesäure zu spalten vermag. Die Hippursäure ist das Benzoylglykokoll, welches dann nach der Gleichung zerlegt wird: C,H6COOH C6H5—COi-NH CH.COOH Dieses Ferment wird H i s t o z y m genannt, richtiger muß es als H i p p u r a s e bezeichnet werden. Es gehört dem vierten Typus der • • • C—N-lösenden Fermente an und bildet eine gewisse Mittelstellung zwischen dem Asparaginase- und dem Proteasetypus. Die Proteasen Alle Fermente, welche auf Proteine und Aminosäurekomplexe hydrolysierend wirken, fallen unter diese Gruppe. Man kann sie wieder in zwei Untergruppen einteilen: 1. Proteinasen, welche die Eiweißkörper selbst angreifen, 2. Peptidasen, welche nicht auf die nativen Eiweißkörper, sondern nur auf Peptide einwirken. Die P r o t e i n a s e n oder eigentlichen Proteasen sind in der Natur weit verbreitet, sowohl im Pflanzen- als auch im Tierreiche. Sie treten sowohl als Endo- als auch Ektoenzyme auf und es sollen zunächst hier die Ektoenzyme des Magen-Darmkanals als die typischen Verdauungsfermente genannt werden. Die beiden wichtigsten sind das Pepsin und das Trypsin. Das P e p s i n wurde im Jahre 1836 von S c h w a n n im Fundusteil der Magenschleimhaut entdeckt. Seine Sekretion erfolgt gewöhnlich erst nach Verabreichung von Speisen. Da der Magen zugleich beträchtliche Mengen von Salzsäure bildet, ist der Magensaft stark sauer. Dementsprechend liegt auch das pH-Optimum des Pepsins bei stark saurer Beaktion, pH = 1—2. Dieser Punkt kann aber je nach dem isoelektrischen Punkte des zu verdauenden Eiweißkörpers etwas verschoben sein. Es liegt also ein Anpassungsvermögen des Enzymes an das Substrat vor. Der

188

Zehntes Kapitel. Die Fermente

Eeaktionsverlauf der Pepsinspaltung vollzieht sich nach der sog. Schütz sehen Regel, welche lautet: Die vom Ferment gebildeten Mengen von Spaltungsprodukten (Pepton) sind proportional den Quadratwurzeln der angewandten Enzymmengen: Die Pepsinmenge

,,

»»

99

99

1 bildet demnach 10 Teile Pepton

4 1 6



M

20 ,,

t*

99

99

4 0

99

99

Die Wirkung des Pepsins auf die Eiweißkörper ist beschränkt. Es bilden sich P e p t o n e und A l b u m o s e n , also hochmolekulare Spaltprodukte, welche nur bezüglich gewisser Fällungsreaktionen äußerlich von den Proteinen unterscheidbar sind. Die meisten Eiweißkörper werden in diesem Sinn gespalten (Protamine aber z. B. nicht), aber die Spaltung bleibt bald stehen. Die feinere chemische Analyse der Spaltung, welche namentlich durch W a l d s c h m i d t - L e i t z untersucht wurde, hat ergeben, daß es nur Peptidbindungen sind, welche unter der Enzymwirkung unter Wasseraufnahme zerfallen. NH—CO H.0

NH—CO I Y H,0

NH—CO 1 Y H,0

Y

Y

Y

1

Y

NH, + HO CO • • NH, + HOCO- • • NH, + HOCO Aus diesem Schema ist ersichtlich, daß bei der Lösimg jeder Peptidbindung immer auf je eine neu gebildete freie NH2-Gruppe eine Carboxylgruppe neu auftreten muß, d. h., das Verhältnis NH, COOH ~ Dies entspricht nun auch den experimentell ermittelten Werten und gilt nicht nur für die Wirkung des Pepsins, sondern allgemein für alle Proteasen. Die Messung der Amino- und Carboxylgruppen erfolgt nach einer der bei der Beschreibung der Proteine besprochenen Methoden: 1. Die Willstättersche Titration in Alkohol, wobei die Dissoziation der Aminogruppen ganz zurückgedrängt ist, so daß die Spaltstücke wie Säuren reagieren. 2. Die Sörensensche Formoltitration, welche die Aminogruppe durch Einwirkung von Formaldehyd neutralisiert. 8. Das van Slyke-Verfahren, welches den Stickstoff bestimmt, der durch salpetrige Säure aus den freien NH2-Gruppen entwickelt wird. Die Anwendung dieser Methoden auf die Vorgänge der Proteolyse hat es ermöglicht, wesentliche Teile dieses Vorganges zu erkennen. Das L a b f e r m e n t oder Chymosin.

134

II. TeU

Es ist eine umstrittene Frage, ob im Magen des Erwachsenen ein derartiges Enzym vorkommt. Wahrscheinlich aber findet sich ein mit Pepsin nicht identisches Labferment im Magen des Jugendlichen vor. Die Wirkung des Labfermentes besteht in der Bildung von unlöslichem Parakasein aus dem Kasein der Milch. Das gebildete Parakasein fällt dabei als Calciumverbindung aus. Nach Untersuchungen H a m m a r stens scheint es als ob nur beim jugendlichen Tiere ein ausgesprochenes Chymosin vorkommt. Eine sichere Abtrennung vom Pepsin ist beim erwachsenen Tiere noch nicht geglückt. In der Magenschleimhaut (nicht im Sekret!), in den Leukocyten, sowie in den Gewebszellen, findet sich eine von W i l l s t ä t t e r als K a t h e p s i n bezeichnete Proteinase, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie bei pH = 4—5 optimal wirkt. Dieses Enzym scheint ganz allgemein verbreitet zu sein und als Gewebsprotease auch bei dem autolytiBchen Zerfall der Gewebe zu wirken. Je nachdem sich ein Enzym in fester oder lockerer Bindung mit dem Zellplasma befindet, wird es mehr oder weniger leicht abtrennbar sein. In diesem Sinne kann man von L y o - E n z y m e n (löslich) und D e s m o - E n z y m e n (gebundenen) sprechen. Da das genannte Chymosin ebenfalls bei schwach saurer ßeaktion wirkt, wird es manchmal auch der Gruppe der katheptischen Enzyme zugezählt. Die pflanzliche Protease Papain ist möglicherweise mit dem tierischen Kathepsin identisch. Trypsin. Es wurde 1857 von Corvisart entdeckt, indem er fand, daß Pankreassaft Eiweiß löst. K ü h n e erkannte seine Fermentnatur. Das Trypsin ist das wichtigste Ferment der Eiweißverdauung. Es wird durch „äußere" Sekretion des Pankreas in den Darm sezerniert. Diese Sekretion kann durch ein im Darm gebildetes Hormon, das Sekretin, angeregt werden. Die Natur des Sekretins ist unbekannt. Das Trypsin wirkt optimal bei pH = 8,0, also bei alkalischer Reaktion. Die Wirkimg des durch das Adsorptionsverfahren gereinigten Trypsins ist nur eine geringe. Nur die einfachsten Eiweißkörper, wie Protamine, Histone und Peptone werden gespalten. Im Darmsaft aber findet sich ein Aktivator des Trypsins, eine E n t e r o k i n a s e , welche das Ferment kräftig aktiviert. Von derartiger T r y p s i n k i n a s e werden fast alle Eiweißkörper weitgehendst gespalten. Auf diese Tatsache wurde in der allgemeinen Charakteristik der Fermente schon hingewiesen. Es ist auch möglich, das System Trypsinkinase wieder zu trennen. All dies spricht gegen die Annahme eines Trypsinogens. Wird Pankreassaft aufbewahrt, so bildet sich spontan solche Kinase, welche sich als identisch mit Enterokinase erwiesen hat.

Zehntes Kapitel. Die Fermente

135

Es war von größter Bedeutung, daß W a l d s c h m i d t - L e i t z nachweisen konnte, daß sowohl Kinase als auch E r e p s i n im Pankreas enthalten sind. Dadurch werden die meisten älteren Arbeiten über die Trypsinwirkung hinfällig. Die Wirkung des Trypsins besteht in der Hydrolyse von Eiweißkörpern. Einfache Peptide werden auch duroh T r y p s i n k i n a s e n i c h t gespalten. Es werden also die Eiweißkörper h a u p t s ä c h l i c h in P e p t i d e und wahrscheinlich nur zu geringstem Teile in Aminosäuren zerlegt. Auch hier zeigte sich, genau wie bei der Wirkung von Pepsin, daß das Verhältnis freigelegte —NH, _ . . , freigelegte —COOH ~

Daraus ist zu schließen, daß auch durch Trypsin nur Peptidbindungen gelöst werden. Erepsin. Dieses wurde 1901 von Cohnheim in der Darmschleimhaut entdeckt. Es erwies sich als typische Peptidase, d. h. es zeigt keinerlei Wirkung auf Proteine, kann aber alle Dipeptide und viele höhere Peptide spalten. Die hauptsächlichsten Eigenschaften der Proteasen sind in der folgenden Übersicht systematisch zusammengefaßt: I. Es gibt drei Typen von P r o t e i n a s e n . 1. P e p s i n ; im Magensekret; wirkt bei stark saurer Beaktion, spaltet daher nur Eiweißkationen zu Albumosen und Peptonen (opt. bei pH = 1-6). 2. K a t h e p s i n , in den Zellen, wirkt bei schwach saurer Beaktion (pH = 4—6), spaltet daher isoelektrisches Eiweiß. Kathepsin ist das autolytische Enzym fast aller Gewebe und wirkt nur bei Gegenwart von HCN, H 2 S, Cystein oder Glutathion. 3. T r y p s i n , in Pankreas, wirkt bei alkalischer Beaktion, spaltet daher E i w e i ß a n i o n (optimal bei pH = 8). Es wirkt nur bei Anwesenheit von Kinase. II. Es gibt drei Typen von P e p t i d a s e n . 1. D i p e p t i d a s e . Sie spaltet nur Dipeptide. Sie ist im „Erepsin" und im komplexen Trypsin des Pankreas enthalten. 2. A m i n o p o l y p e p t i d a s e . Sie findet sich als Teilenzym des „Erepsins" und im Pankreassafte. Sie spaltet aus Polypeptiden diejenige Aminosäure ab, welche die endständige freie Aminogruppe trägt. 8. C a r b o x y p o l y p e p t i d a s e . Sie findet sich als Teilenzym des Pankreastrypsins und spaltet aus Polypeptiden die Aminogruppe mit der freien Carboxylgruppe ab.

H. Teil

186

Es werden gespalten von:

Pepsin

Keratine . . Alle anderen Proteine . . Protamine1) . Polypeptide . Dipeptide . .

+

Kathepsin (aktiviert)

Trypsin (akti-

+

+

viert)

Carboxypolypeptidase aktiviert

nicht aktiviert

+

+

m m A .

+

+

Es ist diese Unterscheidung noch nicht als endgültig zu bezeichnen. So findet sich z. B. im Pankreas noch eine Protaminase, die spezielle Protamine spaltet. In der Niere kommt nach M. Bergmann eine D e h y d r o d i p e p t i d a s e vor. Dieses Enzym spaltet synthetische Dipeptide, die eine ungesättigte Bindung enthalten unter Bildung von Ammoniak und Ketonsäuren. Die verschiedenen Aktivierungs- und Hemmungserscheinungen der Proteasen sind erst zum Teil geklärt. Die Wirkung der sog. „Komplexbildner" wird in der unten stehenden Zusammenfassung ungefähr darzustellen versucht: HCN, H 2 S, Cystein, Glutathion wirken in der folgenden Weise: 1. Die Peptidasen scheinen durch diese fast immer gehemmt zu werden. 2. Kathepsin, sowie das pflanzliche Papain, werden im Gegensatz dazu aktiviert. 8. Pankreastrypsin wird ebenfalls gehemmt. Sog. Kinase (Enterokinase) und Cystein scheinen also antagonistisch zu wirken. Es sei auch darauf hingewiesen, daß möglicherweise die sog. Aktivierung von Kathepsin (Papain) durch die oben angeführten Stoffe so erklärt wird, daß die in den Enzymlösungen auftretenden hemmenden Schwermetallspuren von den Komplexbildnern ausgeschaltet werden. Dieses Gebiet der Forschung ist zu sehr in Entwicklung begriffen, um bindende Aussagen machen zu können. Es wurde schon gesagt, daß die Wirkung der Proteasen immer in einer Lösung der Peptidbindung besteht. Es handelt sich also immer um die Lösung einer H a u p t v a l e n z b i n d u n g . Eine einfache desaggregierende Wirkung ist niemals zu beobachten gewesen. J

) Diese werden durch eine spezifisch wirkende „Protaminase" zerlegt.

Zehntes Kapitel. Die Fermente

137

Die T r e n n u n g der verschiedenen im Pankreassaft enthaltenen proteolytischen Enzyme durch das Adsorptionsverfahren wurde in der folgenden Weise durchgeführt:

It

I. Proteinase

4. Dipeptidase

Adsorption mit Tonerde bei pH = 4 Restlösung

Adsorbat i Y Elution 3. Aminopolypeptidase 4. Dipeptidase

1. Proteinase 2. Carboxypolypeptidase

Adsorption mit Fe(OH)3 bei pH = 4

Adsorption mit Tonerde bei pH = 7 Restlösung: 1. Proteinase

Adsorbat gibt bei Elution: 2. Carboxypolypeptidase

Restlösung: 3. Aminopolypeptidase

Elution des Adsorbates gibt: 4. Dipeptidase

n . Gruppe: — C — 0 — — lösend a) E s t e r a s e n : Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind die fettspaltenden Lipasen. Lipasen finden sich in Pankreas, Magen und Leber. Auch in zahlreichen Pflanzen, besonders in Samen und Früchten haben sich diese Fermente nachweisen lassen. Die Wirkung der Lipasen besteht darin, daß sie die Esterbindung von Glycerin und Fettsäure hydrolytisch spalten: O O CHj-OH

CH,0—C—R J0 ÖH • O—C—Rj o

-»-

HO—C—R O

CH • OH + HO—C—Rt O

CH • o - A -R,

CHj-OH

HO—C—Ra

+ 3HaO

Glycerin

Fettsäuren

Die Lipasen haben bei der Verdauung der Fette eine wichtige Eolle zu spielen, da ungespaltene Fette nicht resorbiert werden.

II. TeU

188

Über die Aktivierung der Lipasen wurde schon gesprochen. Sie neigen zur Bildung von komplexen Adsorbaten. Die Lipasen sind bei verschiedenem pH wirksam. Das Optimum wird durch die Coadsorbentien sehr beeinflußt. So wirkt Pankreaslipase z. B. bei pH = 8,9, Magenlipase bei saurer ßeaktion. Durch Beinigung wird aber der Optimalpunkt für Magenlipase ebenfalls ins Alkalische verlegt. Durch das Adsorptionsverfahren gelang es, die Lipase so weit zu reinigen, daß sie keine Eiweißreaktion mehr zeigte. Es wurde eine ungefähr SOOOfache Wirkung erzielt. Die Lipasen verschiedener Provenienz erwiesen sich nach Wills t ä t t e r als verschieden bezüglich der Wirkung auf racemische Substrate. Man kann daraus wohl schließen, daß die drei Enzyme aus Magen, Leber und Pankreas verschieden sind. Racemisiertes Substrat Mandelsäureäthylester Phenyl-chloressigsäure-äthylester . . . Phenyl-methoxyessigsäure-methylester . Tropasäure-methylester

Pankreas — —

Ferment aus Magen

+ +

Leber

+ —

+

+ + Als pflanzliche Esterase sei hier speziell noch die ßizinuslipase genannt. Die Wirkung der Lipasen kann durch die Zunahme der sauren Gruppen während der Spaltung gemessen werden. Eine zweite Methode fußt auf der Änderung der Oberflächenspannung des Substrates durch die Spaltung und wird durch Austropfen und Bestimmung der Tropfenzahl ausgeführt. Sie heißt die s t a l a g m o m e t r i s c h e Methode. Hier müssen auch die zahlreichen P h o s p h a t a s e n genannt werden, die aus den Nucleotiden, den Phosphatiden und den Zuckerphosphorsäuren die esterartig gebundene Phosphorsäure abspalten. Auch ähnliche S u l f a t a s e n , welche Schwefelsäure abspalten, sind bekannt. Besonders die Phosphatasen spielen im Stoffwechsel eine große Bolle. Wie dies bei der Besprechung des Stoffwechsels erläutert werden wird, treten beim Auf- und Abbau der Kohlehydrate, der Nucleinstoffe, der Lipoide Ester der Phosphorsäure als Zwischenprodukte auf. Diese werden durch die Phosphatasen hydrolytisch zerlegt. Demnach finden sich in fast allen lebenden Zellen derartige Enzyme. In ganz besonders aktivem Zustande befindet sich auch nach W. K u t s c h e r eine Phosphatase in der P r o s t a t a . Die Phosphatasen finden sich u. a. auch im Knorpel und erfüllen bei den O s s i f i k a t i o n e n eine wichtige Bolle. Man kennt Phosphatasen, die im sauren Gebiet wirken, und solche, die im alkalischen Milieu spalten. Bezüglich der Frage ihrer Spezifität muß gesagt werden, daß dieses Problem zur Zeit noch nicht geklärt ist. —

Zehntes Kapitel. Die Fermente

189

b) Carbohydrasen. (Vergleiche dazu den Abschnitt über die Strukturchemie der Kohlehydrate.) Diese, die Kohlehydrate spaltenden Fermente müssen in drei Gruppen eingeteilt werden. Die eine Gruppe wird als H e x o s i d a s e n bezeichnet. Ihre Wirkung umfaßt die Spaltung von einfachen Sacchariden und Glucosiden. Die zweite Gruppe sind die P o l y a s e n , welche die höheren Kohlehydrate spalten, wie die Stärke und das Glykogen. Hexosidasen Saccharase. Dieses, auch I n v e r t i n genannte Ferment, spaltet den Rohrzucker unter Bildung von Traubenzucker und Fructose (Inversion). Es findet sich im Darm. Die Saccharase ist in ausgedehntester Weise untersucht worden. Sie läßt sich durch Autolyse der Hefe darstellen. Es konnte dieses Ferment hochgradig gereinigt werden, aber trotzdem ist es auch in diesem Falle nicht möglich gewesen, die Natur des Enzyms auf bestimmte chemisch definierbare Bausteine zurückzuführen. Die Wirkung der Carbohydrasen ist nur im engsten Zusammenhang mit der im I. Kapitel dargestellten Strukturchemie der Kohlehydrate zu verstehen. Insbesonders sei hier an die dort beschriebenen Verhältnisse bezüglich der a- und ^-Konfiguration erinnert. «-Glucosidasen: Maltase Sie findet sich sowohl im Tierreich als im Pflanzenreich, kommt im Organismus gewöhnlich in Begleitung der Amylase vor. (Siehe weiter unten). Hauptsächlich findet sie sich in der Leber. Ihre Trennimg von der Saccharase ist W i l l s t ä t t e r gelungen. Ihre Wirkung besteht in der hydrolytischen Spaltung von Maltose in Glucose. /9-Glucosidasen: E m u l s i n In den Mandeln findet sich ein Glykosid, das A m y g d a l i n , welches unter der Einwirkung von Fermenten in zwei Moleküle ß- Glucose, Benzaldehyd und Blausäure zerfällt. Bei dieser Spaltung sind eigentlich drei Fermente beteiligt und es geht die Reaktion in drei Stufen vonstatten. 1. Amygdalin + H 2 0

(Amygdalase) — ^

H

(Mandelsäure nitrilglucosid)

{ { So! IndXLnitrüglucosid

II. Teil

140

H 3. C,H5-C—OH —>• (Oxynitrilase) — v ¿N Mandelsäurenitril

C,H S C< 0 Benzaldehyd HCN Blausäure

Es ist auch gelungen, die einzelnen Stufen dieses Abbaues durch getrennte Fermente zu reproduzieren. So ist die erste Stufe durch ein in der Hefe anwesendes Enzym, die zweite durch eine sog. P r u n a s e , welche sich in den Blättern der Prunaceen findet, durchgeführt worden. Es bietet diese Reaktion der Amygdalinspaltung in zweifacher Richtung theoretisch höchst wichtige Aufschlüsse: Einmal ist sie ein klassisches Beispiel für die Spezifität der Fermentwirkung, zum andern ist es gelungen, eine der Teilreaktionen u m z u k e h r e n , das heißt unter dem E i n f l u ß des F e r m e n t e s eine S y n t h e s e d u r c h z u f ü h r e n : Glucose und Mandelsäurenitrilglucosid sind fermentativ zu Amygdalin synthetisiert worden. Man kennt noch mehrere derartige Fälle von Fermentsynthesen. Es zeigt diese Tatsache, daß es also möglich ist, durch Verschiebung des Reaktionsgleichgewichtes die Umkehrung herbeizuführen. Polyasen Diese Fermente sind für den tierischen Organismus eminent wichtig, da sie Stärke und Glykogen abbauen und so für die Resorption und den Transport geeignet machen. Die A m y l a s e oder D i a s t a s e ist dementsprechend sehr verbreitet und findet sich im Speichel, Pankreas, Leber usw. Auch keimende Gerste enthält dieses Ferment. Die Amylase zerlegt Stärke oder Glykogen unter Wasseraufnahme. Das Ferment wirkt ungemein rasch. Untersucht man nun den Wirkungsvorgang verschiedener Amylasen, so findet man, daß man oc- und ß-Amylasen unterscheiden kann. Es wird das Polysaccharid immer bis zur M a l t o s e gespalten. Wirkt nun Pankreasamylase, so entsteht dabei a-Maltose; wirkt dagegen Malzamylase, so bildet sich ^-Maltose. Aus diesem Verhalten hat man geschlossen, d a ß im S t ä r k e m o l e k ü l (Glykogenmolekül) a b w e c h s e l n d a- u n d / ? - g l u c o s i d i s c h e B i n dungen bestehen. Gegen diese Vorstellung werden jedoch verschiedene chemische und physikalische Einwände gemacht, die sich zu der Anschauung verdichten, daß alle Glucosemoleküle der Stärke a-glucosidisch gebunden sind. Der Abbau der Stärke erfolgt über ein noch nicht entwirrbares Gemisch von Zwischenstufen, welche D e x t r i n e genannt werden.

Elftes Kapitel. Die biologischen Oxydations- und Reduktionsvorgänge

J41

Andere Polyasen finden sich in verschiedenen Bazillen. So baut z. B. der Bacillus macerans die Stärke zu krystallisierbaren Polyamylosen ab. Die Amylase wirkt bei schwach saurer Reaktion, p H = 6,8. Sie wird durch anorganische Ionen, namentlich Cl-Ionen aktiviert. Die übrigen in der Übersichtstabelle angeführten Fermente werden bei der Erörterung der entsprechenden biochemischen Vorgänge besprochen werden. Elftes Kapitel

Die biologischen Oxydationsund Reduktionsvorgänge Die Betrachtung des Chemismus des tierischen Organismus in seiner Gesamtheit ergibt die Tatsache, daß im allgemeinen Substanzen mit mehr oder weniger hohem Sauerstoffgehalt bis zu den Endprodukten Kohlendioxyd und Wasser oxydiert werden. Dabei wird der größte Teil des Stickstoffs als Harnstoff oder Harnsäure, Ammoniak usw. ausgeschieden. Fast alle diese chemischen Reaktionen laufen letzten Endes auf einen Oxydationsvorgang hinaus, bei welchem Energiemengen frei werden, die sich der Organismus dienstbar macht. Der Sauerstoff wird durch das Blut in die Gewebe transportiert und in diesen finden nun die Oxydationsvorgänge statt, wobei sich die genannten Endprodukte bilden. In diesem Sinne dient das Oxyhämoglobin als Transporteur des Sauerstoffs, indem es dabei in Hämoglobin und m o l e k u l a r e n Sauerstoff zerfällt: Hb-0j = H b + 0 2

Die Nährstoffe der Zellen werden durch diesen molekularen Sauerstoff oxydiert und zwar findet hier eine Verbrennung bei Körpertemperatur statt. Nun kann man aber andererseits die als Nährstoffe dienenden Substanzen wie Eiweiß, Aminosäuren, Fette, Kohlehydrate jahrelang der Sauerstoffeinwirkung bei 88° aussetzen, ohne daß eine nennenswerte Oxydation eintritt, während andererseits im Organismus mit größter Leichtigkeit Verbrennung stattfindet. Dies zwingt zu der Annahme von ganz speziellen Verhältnissen in der lebenden Substanz, welche hier in Berücksichtigung der Wichtigkeit dieser Frage auch genauer behandelt werden sollen. Der Begriff der Oxydation

Durch die Untersuchungen von P r i s t l e y und Lavoisier wurde der Begriff der Oxydation als Aufnahme von Sauerstoff definiert. Da

142

II. Teil

aber das Wort Oxydation auch im ü b e r t r a g e n e n Sinne angewandt •wird, sollen zuerst diese verschiedenen Möglichkeiten definiert werden: 1. Aufnahme von Sauerstoff in das Molekül. A + O = AO Es bildet sich ein Oxyd. Der umgekehrte Vorgang heißt dann Reduktion. 2. Im übertragenen Sinne. Abgabe von Wasserstoff. 2HJ + O = HjO + J 2 Das entstehende Produkt (in diesem Falle Jod) enthält weniger Wasserstoff, „Dehydrierung". Wird Jod in Jodwasserstoff verwandelt, so spricht man von Eeduktion. 3. Valenzwechsel, indem z. B. ein zweiwertiges Atom in den dreiwertigen Zustand übergeht. i m ii ii CuCl + FeCl3 = CuCl, + FeCl, Cuprochlorid Femehlorid Cuprichlorid Ferrochlorid 1 11 Cu wird dabei zu Cu = oxydiert FeUI wird dabei zu Fe« = reduziert Man spricht dabei von Oxydation des Kupfers, da dem einwertigen Kupfer das Oxyd Cu20, dem zweiwertigen das sauerstoffreichere Oxyd CuO zuzuordnen ist und analog von Reduktion, da dem Fe« 1 das Oxyd Fe 2 0 3 dem Fe» das Oxyd FeO zugeordnet ist. Dehydrierung und Valenzwechsel sind also Reaktionen, bei denen gar kein Sauerstoff beteiligt sein muß. Im Falle dieses genannten Valenzwechsels wird die Erklärung auch vom Standpunkt des Atombaues in folgender Weise zu geben sein. Das Kupferion enthält 29 (positive) Kernladungen und 28 (negative) Elektronen, demnach eine -(--Ladung mehr. Gibt das Ion aber noch ein Elektron ab, so enthält es bei unveränderter Kernladungszahl nur mehr 27 negative Elektronen, demnach zwei positive Ladungen mehr: Cu1 [(29+) 28-] Cu+ Cu" [(29+) 27-] Cu++ Abgabe eines E l e k t r o n s h e i ß t d e m n a c h O x y d a t i o n . Aufn a h m e eines E l e k t r o n s R e d u k t i o n . Das Symbol für Elektron = ©; dasjenige für H+ (Proton) = ©. Wenn also Ferriion ein Elektron aufnimmt, so wird es zu Ferroion reduziert. Dies kann durch die folgende Schreibart ausgedrückt werden: Fe+++ + © = Fe++ Ferri-Ion Elektron Ferro-Ion Wenn eine Substanz reduzierend wirkt, gibt sie also Elektronen ab (indem sie sich selbst oxydiert) und umgekehrt nehmen oxydierende

Elftes Kapitel.

Die biologischen Oxydations- and Reduktionsvorgänge

I43

Substanzen Elektronen auf. Dieser Austausch der Elektronen kann beim Eintauchen von Elektroden in die Lösung am Auftreten eine» P o t e n t i a l s gemessen werden. Dieses wird in diesem Falle als O x y d o B e d u k t i o n s p o t e n t i a l oder abgekürzt als ß e d o x p o t e n t i a l bezeichnet. Ein derartiges Eedoxpotential stellt nun ein M a ß für die O x y d a t i o n s k r a f t e i n e s S t o f f e s dar. Dieses Potential ist in hohem Grad von der aktuellen Reaktion des Milieus abhängig und wird am besten in Volt ausgedrückt, wozu natürlich der pH-Wert, bei dem es gemessen wird, angegeben werden muß. Es heißt dies also, daß eine Substanz bei verschiedener Acidität der Lösung mehr oder weniger energisch oxydierend oder reduzierend wirken kann. Es wurde auch versucht, solche Eedoxpotentiale auf colorimetrischem Wege mittels Farbstoffen zu bestimmen, die im oxydierten und reduzierten Zustande verschieden gefärbt sind (z. B. Indigo, Methylenblau usw.). Man hat auch den Vorschlag gemacht, in Anlehnung an den Ausdruck PH den Begriff r H als negativen Logarithmus des Druckes des Wasserstoffes zu definieren und dadurch die K r a f t des R e d o x s y s t e m s zu kennzeichnen. Da dies aber bei der Abhängigkeit von der aktuellen Reaktion nur für einen bestimmten pH-Wert gilt, wird der Wert, wie oben erwähnt, besser in Volt beim jeweiligen pH-Wert angegeben. Durch die Strahlungsenergie der Sonne findet in den grünen Pflanzen eine reduktive Synthese von Kohlehydrat statt. Dieser Vorgang verläuft e n d o t h e r m . Fast alle anderen chemischen Vorgänge in den lebenden Organismen sind, im G a n z e n betrachtet, teilweise Umkehrungen dieser reduktiven Synthese und bestehen im oxydativen Abbau. Sie sind e x o t h e r m . Die bei der Oxydation frei werdende Energie wird als Wärme, mechanische Arbeit, kurz als Lebensäußerung wieder manifest. Es ist nun die Frage zu stellen, ob derartige Energien für die Zelle n u t z b a r sind oder nicht. Bei jedem energieliefernden System muß ein Teil der auftretenden Energie in Form von W ä r m e e n e r g i e gebildet werden. Dieser Teil der Energie ist in seinem S c h i c k s a l g e b u n d e n ; man nennt ihn die g e b u n d e n e E n e r g i e . Ein anderer Teil der Energie kann in irgendeiner Form als chemische, Licht- oder kinetische Energie auftreten. Er ist in seinem Schicksal f r e i ; man nennt diesen Teil die f r e i e E n e r g i e des Systems; es hängt nur von der Natur des Systems ab, ob die freie Energie groß oder klein ist. Ist die gebundene Energie eines Systems groß, so heißt das, es entsteht viel Wärme. Gelingt es, ein solches System zu konstruieren, so bildet sich Wärme von h o h e r T e m p e r a t u r . Derartige Wärme kann Arbeit leisten, d. h. ein Teil der Wärme kann in kinetische Energie transformiert werden. Dies ist das Prinzip der c a l o r i s c h e n M a s c h i n e .

144

II. Teil

Ganz anders liegen die Verhältnisse beim A k k u m u l a t o r ; die gebundene Energie des Systems ist klein, die freie groß. Bei der Entladung bildet sich nun minimale Wärme und maximale elektrische Energie. Der Akkumulator ist also eine c h e m o d y n a m i s c h e Mas c h i n e , im Gegensatz zur Dampfmaschine. Betrachtet man ein System, welches teils freie, teils gebundene Energie liefert, so ist das System nur dann als calorische Maschine brauchbar, -wenn Wärme von hoher T e m p e r a t u r entsteht. Wärme von niederer Temperatur ist zur Arbeitsleistung nicht geeignet, sie ist e n t w e r t e t e E n e r g i e . Betrachtet man nun die Zelle und ihre Leistungen von diesem Gesichtspunkte aus, so ergibt sich, daß die Zelle keine c a l o r i s c h e , sondern eine c h e m o d y n a m i s c h e Maschine sein m u ß , denn die für die thermodynamische Maschine postulierte hohe Temperatur kann in der Zelle niemals auftreten. Die Baustoffe der Zelle vertragen solche hohe Temperaturen gar nicht (Eick). Es folgt also daraus, daß die energieliefernden Beaktionen der Zelle, insofern sie nutzbar gemacht werden sollen, Beaktionen sein müssen, die sich durch ihre f r e i e E n e r g i e kennzeichnen. Es werden natürlich immer auch gewisse Energiebeträge in Form von gebundener (also Wärmeenergie) auftreten; diese treten aber in dem ersten Stadium mengenmäßig gegenüber den freien Energiebeträgen ganz zurück. Erst wenn die spezifischen Arbeiten geleistet sind, wird die durch den Abbau der Nahrungsstoffe entstandene Energie in Form von entwerteter Wärme auftreten. Man darf sich also die Energieproduktion der Zelle nicht so vorstellen, daß beim Zerfall der Nährstoffe Wärme gebildet wird, die dann erst in die mannigfachen anderen Energieformen transformiert wird. Die Vielfältigkeit des Chemismus der lebenden Substanz liegt vielmehr darin begründet, daß f ü r j e d e s p e z i f i s c h e Z e l l e i s t u n g eine s p e z i f i s c h e c h e m o d y n a m i s c h e Zellmaschine b e s t e h t , w e l c h e die im A u g e n b l i c k b e n ö t i g t e Menge von f r e i e r E n e r g i e zu p r o d u z i e r e n v e r m a g (Oppenheimer). Die Physiologie mißt nun den „Brennwert" der einzelnen Nährstoffe nach Calorien. Auf Grund der obigen Betrachtungen ist dies theoretisch falsch, denn es ist ja nicht a priori gesagt, daß bei der Dissimilation die Vorgänge nach der Seite der freien Energie verschoben sind. Trotzdem scheint dadurch kein wesentlicher Fehler in die Stoffwechselbilanzen einzugehen, so daß eine Bewertung der Nahrungsstoffe auf Grund ihres Calorienwertes angängig ist. Die Dissimilationsvorgänge verlaufen in der Zelle nun nicht etwa geradlinig, sondern über mannigfache Zwischenreaktionen. In diesen Gang sind nun auch eine Beihe von reduktiven oder endotherm verlaufenden Beaktionen eingeschaltet. Es besitzt demnach

Elftes Kapitel. Die biologischen Oxydations- und Reduktionsvorgänge

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der Organismus für die v e r s c h i e d e n a r t i g e n L e i s t u n g e n bezüglich seiner Energieproduktion v e r s c h i e d e n e c h e m i s c h e Systeme. M i c h a e l i s hat in diesem Sinne den Vergleich gebraucht, daß es z. B. ganz unrationell wäre, durch Bremsung eines Elektromotors statt Arbeit Wärme zu erzeugen. Außer den ständig ablaufenden Vorgängen besteht im Leben aber auch noch eine R e a k t i o n s b e r e i t s c h a f t , d. h. es sind Energiereserven vorhanden, die auf Bedarf sofort transformiert werden können. In diesem Sinne bestehen also Vorrichtungen, welche mit einem Akkumulator vergleichbar sind, und genau so, wie dieser nach der Entladung wieder geladen werden muß, finden im Organismus in der Zelle u m k e h r b a r e R e a k t i o n e n statt, die energiespeichernd wirken. In der Muskelzelle findet sich Glykogen als Energiespeicher. Im Moment der Beanspruchung wird durch seinen Zerfall mechanische Energie gewonnen, o h n e d a ß S a u e r s t o f f d a b e i n ö t i g w ä r e . Erst in der Erholungsphase wird auf o x y d a t i v e m Wege die Muskelzelle wieder aufgeladen, indem die gebildete Milchsäure schwindet und neuerdings Glykogen gespeichert wird. Also genau so wie beim Akkumulator z e i t l i c h u n a b h ä n g i g von der Beanspruchungsphase. E s sind also r e v e r s i b l e R e a k t i o n e n , welche die Energiespeicher des Organismus bilden. Dementsprechend werden eine große Anzahl von Teiloxydationen auch den Charakter von umkehrbaren Reaktionen haben. Wenn eine Substanz Sauerstoff oder Wasserstoff a u f n i m m t , so bezeichnet man sie als „ A c c e p t o r " ; wenn sie Sauerstoff oder Wasserstoff a b g i b t , wird sie „ D o n a t o r " genannt. Insofern eine Substanz direkt mit dem m o l e k u l a r e n Sauerstoff reagieren kann, bezeichnet man sie als „ a u t o x y d a b e l " . Die meisten Zwischenprodukte des oxydativen Stoffwechsels reagieren aber zunächst gar nicht mit dem Sauerstoff direkt, sondern geben ihren Wasserstoff an andere Stoffe oder Katalysatoren weiter und werden auf diese Art in i n d i r e k t e r W e i s e „ o x y d i e r t " , oder richtiger gesagt „ d e h y d r i e r t " . Diese Verschiebungen von H-Atomen zwischen verschiedenen Molekülen ist geradezu als ein Charakteristikum der biochemischen Reaktionen zu bezeichnen. E s müssen demnach bei einer großen Zahl von sog. Oxydationsvorgängen zugleich Reduktionsvorgänge parallel laufen, daher spricht man bei diesen gekoppelten Reaktionen von O x y d o r e d u k t i o n s v o r g ä n g e n . Die Summe aller dieser Reaktionen kommt aber einem ganz allmählichen, vielfach gestuften Oxydationsvorgange gleich. Würde ein Nährsubstratmolekül sofort geradlinig zu den Endprodukten oxydiert werden, so wäre dies eine Reaktion, die viel zu heftig verlaufen würde. E s würde wahrscheinlich auch der größte Teil der gewonnenen Energie in unzweckmäßiger Form auftreten. Man kann daher grundsätzlich feststellen, daß bei dem Zerfall der Zellbausteine EcUbacher, Kurzgefaßtes Lehrbuch der physiol. Chemie. 4. Aufl.

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II. Teil

in den ersten Stufen Stoffe gebildet werden, die innerhalb der Zelle n i c h t a u t o x y d a b e l sind. Es werden dann ganz allmählich immer w a s s e r s t o f f ä r m e r e Moleküle gebildet. Von diesen O x y d o r e d u k t i o n s k e t t e n wird später ausführlich gesprochen werden. Fast alle diese Reaktionen der lebenden Substanz sind nun dadurch gekennzeichnet, daß sie durch E n z y m e vermittelt werden. Es sind dies die O x y d a t i o n s f e r m e n t e auch „ O x y d a s e n " im w e i t e s t e n S i n n e des W o r t e s . O x y d a t i o n s - und R e d u k t i o n s s y s t e m e I.

Porphinsystem: Oxydierende = H ä m i n e , Reduzierende = C h l o r o p h y l l . H ä m i n s y s t e m e der O x y d a t i o n : (Systeme der Eisenatmung. Durch Blausäure hemmbar.) 1. Atmungsferment ( W a r b u r g ) | 2. Cytochrome ( K e i l i n s System) > allgemein gültig. 8. Katalase ] 4. Phenoloxydasen (Mono- und -Polyphenoloxydasen, Histaminase usw.). 5. Peroxydasen.

II.

III.

Dehydrasen: (Enzyme der eisenfreien Atmung. N i c h t durch Blausäure hemmbar.) 1. „Gelbes Atmungsferment" (Flavinenzym). 2. Co-zymase (Diphosphopyridinnucleotidenzym, Co-dehydrase I). 8. Co-ferment (wasserstoffübertragendes Co-ferment, Co-dehydrase I I , Triphosphopyridinnucleotidenzym). 4. Dehydrasen unbekannter Natur. H o r m o n e und V i t a m i n e , deren Wirkung als Redoxkatalysatoren zu deuten ist. 1. Ascorbinsäure (Vitamin C). 2. Aneurin (Vitamin B x als Co-Carboxylase in Form der Pyrophosphorsäure-Verbindung). 3. Adrenalin. 4. Thyroxin.

IV.

Nicht enzymatische Hilfssysteme: 1. Glutathion (S-H-Körper). 2. Fumaratsystem (und ähnliche). 8. Chinonsysteme. 4. Oxyaminosäuren.

Elftes Kapitel. Die biologischen Oxydations- und Reduktionsvorgänge

147

Das Warburgsche A t m u n g s f e r m e n t Nach dieser Theorie bilden zwei Faktoren die wesentlichen Bedingungen: erstens das Eisen und zweitens die Adsorption. Die Aktivierung findet an den eisenhaltigen Oberflächen der festen Zellbestandteile statt und es werden alle reagierenden Moleküle durch die Adsorption in ihrem Gefüge gelockert, d. i. reaktionsfähiger gemacht. Es sind also außer dem Eisen die Formelemente, S t r u k t u r e n , welche bei dem Oxydationsvorgang eine wichtige Rolle spielen. Läßt man z. B. durch Einfrieren Vogelblutkörperchen sich zersetzen, so kann man nach dem Auftauen feststellen, daß die Zelltrümmer noch Sauerstoffatmung zeigen, während die Zellflüssigkeit keine Atmung zeigt. Auch die herabsetzende Wirkung der Narkotica auf die Atmung wird durch die Adsorptionsfähigkeit derselben erklärt. Andererseits hemmt die Blausäure die Atmung schon in minimalsten Konzentrationen, so schon bei V10000 Mol pro Liter, trotzdem sie schlecht adsorbiert wird. Es muß sich hier also um eine andere Wirkung handeln als die der Narkotica. Die Blausäure soll nämlich auf das Zelleisen einwirken. Solches kommt sicher in allen lebenden Zellen vor. Seeigeleier enthalten davon z. B. 0,03 mg pro Gramm. Blausäure soll nun dieses Zelleisen dadurch unwirksam machen, daß dieses entionisiert wird. Das Eisenatom wechselt während der Sauerstoffübertragung seine Valenz. Das zweiwertige Fe geht unter Aufnahme von Sauerstoff in den drei- oder höherwertigen Zustand über; durch Abgabe von Sauerstoff wandelt es sich dann wieder in zweiwertiges Eisen zurück. Fe (zweiwertig) -)- 0 2

>- aktiver O -H Fe (höherwertig)

O-Acceptor

Es gelingt nun tatsächlich im Modellversuch zu zeigen, daß Aminosäuren (wie Cystein), Zucker und Fettsäuren bei Gegenwart von Sauerstoff und Blutkohle oxydierbar sind, daß diese Oxydation aber ausb l e i b t , wenn an Stelle der eisenhaltigen Blutkohle eisenfreie Kohle angewendet wird. Das A t m u n g s f e r m e n t , welches die in der Zelle vorkommenden katalytisch wirksamen Eisenverbindungen darstellt, konnte durch eine sog. W i r k u n g s k u r v e gekennzeichnet werden. Mißt man die Atmungsgrößen von isolierten lebenden Zellen bei Licht von bestimmter Wellenlänge, so erhält man eine Kurve, deren Vergleich mit dem Absorptionsspektrum verschiedener H ä m i n v e r b i n dungen größte Ähnlichkeit zeigt. Die Atmungsgrößen werden mit überlebenden Gewebsschnitten bestimmt, indem Sauerstoffverbrauch und C02-Bildung manometrisch gemessen werden. Aus diesen Ver10*

148

II. Teil

suchen wurde demnach gefolgert, daß das Atmungsferment eine Häminverbindung ist, welche Eisen in ihrem Molekül enthält. Das Verhalten der Zelloxydation gegen Kohlenoxyd, Narkotica, Blausäure und andere sog. „Komplexbildner", wie Cystein, Glutathion, die mit Metallen Komplexe bilden können, ist ganz analog der Wirkung der genannten Substanzen auf Häminkatalysen, so daß diese Anschauung dadurch stark gestützt wird. Wie schon gesagt wurde, werden bei diesen Untersuchungen immer überlebende Zellen (Gewebsschnitte, Hefezellen, Blutzellen usw.) untersucht. Man kann das Atmungsferment nach W a r b u r g auch als „Eiweiß-Zucker-Fettoxydase" bezeichnen. Das Atmungsferment ist also ein H ä m i n , gebunden an einen k o l l o i d e n T r ä g e r . Es läßt sich von der Struktur der Zelle in wirks a m e r Form n i c h t abtrennen. Die unten beschriebene Indophenoloxydase ist wahrscheinlich mit dem Atmungsferment identisch oder mit diesem ganz nahe verwandt. Bei der Zerstörung der Zellstruktur bleibt das Atmungsferment in geschädigter Form an den Zelltrümmern haften und kann noch die Bildung von Indophenol bewirken. K e i l i n konnte nun noch weitere Häminderivate in den Zellen finden. Man nennt sie C y t o c h r o m e . Diese Farbstoffe können durch das Atmungsferment oxydiert werden; daher hat man die Indophenoloxydase auch C y t o c h r o m o x y d a s e genannt. Über ihre Rolle beim Atmungsvorgang siehe weiter unten. Cytochrome sind in allen atmenden Zellen vorhanden. Es fehlt bei Anaerobiern. Es findet sich also in den Zellen eine ganze Anzahl von Derivaten des Blutfarbstoffes, die alle eisenhaltig sind. Diesen Häminen sind zuzuzählen Atmungsferment, Cytochrome, Peroxydasen und Katalase (wahrscheinlich auch die übrigen Phenoloxydasen). Man kann je nach der Lage der Absorptionsbanden zwischen roten, mischfarbenen und grünen Häminen unterscheiden. Das Spektrum des Fer menthämins ist von diesen des Protohämins beträchtlich verschieden. Wie dies bei der Behandlung des Blutfarbstoffes beschrieben ist, kommt in allen Häminen und im Chlorophyll der P o r p h i n r i n g vor. Eisenporphine sind die H ä m i n e , Magnesiumporphin ist das Chlorophyll. Es ist höchst bemerkenswert, daß für die beiden grundsätzlichen Reaktionen der Oxydation und der Reduktion, wie letztere beim Kohlensäureassimilationsvorgang stattfindet, der gleiche organische Grundstoff, das Porphinringsystem, verwendet wird. Dies läßt auf eine tiefere naturgesetzmäßige "Übereinstimmung schließen. Bei der Behandlung des Blutfarbstoffes wird dessen Konstitution ausführlich erörtert werden (S. 258). Hier sei nur daran erinnert, daß im Hämoglobin ein Häminkomplex an ein Kolloid, das G l o b i n , gebunden ist. D e r Auf-

Elftes Kapitel. Die biologischen Oxydations- und Reduktionsvorgänge

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bau des H ä m o g l o b i n s ist also g r u n d s ä t z l i c h dem der H ä m i n f e r m e n t e gleich. Hämoglobin ist ein Sauerstoffüberträger von ganz moderierter Wirksamkeit. Der grundsätzliche Unterschied zwischen der Wirkung des Hämoglobins und derjenigen der Häminfermente ist der, daß beim Blutfarbstoff das Eisen normalerweise keinen Valenzwechsel erleidet. H ä m o g l o b i n und Oxyhämoglobin e n t h a l t e n n u r zweiwertiges Eisen. Durch Änderung der Substituenten am Häminkern und Variationen des Trägerproteins entstehen andererseits die hochwirksamen H ä m i n k a t a l y s a t o r e n der Z e l l a t m u n g , die d u r c h Valenzwechsel des Eisens wirken. Die K a t a l a s e Dieses Enzym zerlegt Wasserstoffsuperoxyd in Wasser und molekularen Sauerstoff. EB gibt wohl kaum ein pflanzliches oder tierisches Gewebe, in dem keine Katalase vorkommt. Die Leber zeigt einen auffallend hohen Gehalt. Katalase wird von Blausäure und Schwefelwasserstoff gehemmt. Nach Zeile ist sie ebenfalls als ein Häminderivat aufzufassen. Demnach gelingt es auch, mit verschiedenen Häminderivaten Katalasewirkung zu erzielen, wenn auch nur in viel schwächerem Maße. Die Katalase hat im Atmungssystem der Zelle eine wichtige Funktion zu erfüllen: Sie zerlegt das bei den D e h y d r i e r u n g e n a u f t r e t e n d e W a s s e r s t o f f s u p e r o x y d , daher auch ihre große Verbreitung. Bei der Besprechung der Atmung als Ganzes wird auf ihre Bedeutung noch hingewiesen werden. Phenoloxydasen Während das Atmungsferment, die Cytochrome und die Katalase eine ganz allgemeine Bedeutung für die Oxydation besitzen, sind die Phenoloxydasen meistens Enzyme, die spezielle Substratoxydationen bewirken. Man teilt diese Gruppe in sog. Monophenoloxydasen, Polyphenoloxydasen ein und zählt ihnen auch die sog. Indophenoloxydase zu. Auch die Peroxydasen gehören dieser Gruppe an. Die Monophenoloxydase oder T y r o s i n a s e Das Nachdunkeln tierischer und pflanzlicher Flüssigkeiten und Gewebe wird darauf zurückgeführt, daß aromatische Bestandteile in dunkle Pigmente übergeführt werden, wenn sie mit dem Sauerstoff in Berührung kommen. Man spricht in diesem Sinne von P h e n o l o x y dasen. Eine spezielle Phenoloxydase ist die Monophenoloxydase oder Tyrosinase. Läßt man pflanzliche oder tierische Extrakte auf

IL Teil

150

Tyrosin bei Gegenwart von Luft einwirken, so bildet sich ein schwarzes Pigment. Man kann nun zeigen, daß nicht nur Tyrosin, sondern ganz allgemein einwertige Phenole unter sog. Chinonbildung oxydiert werden. Die Chinone verwandeln sich dann in die dunkeln Pigmente:

Monophenol

Diphenol

Chinon

Man hat die Monophenoloxydase hauptsächlich bei Pflanzen und niederen Tieren nachgewiesen. Die P o l y p h e n o l o x y d a s e oder Laccase Sie wurde zuerst im Milchsaft des japanischen Lakbaumes (Rhus vernificia) gefunden. Das sog. Chromogen der Lakflüssigkeit besteht aus Polyphenolen, die zu schwarzem Pigment oxydiert werden. Das obengenannte Nachdunkeln von Geweben und Säften ist zu einem großen Teil auf die Tätigkeit der Laccase zurückzuführen. Im tierischen Organismus findet sich die Polyphenolase, hauptsächlich in den Leukocyten. Die Blaufärbung von Guajaktinktur durch Eiterzellen ist z. B. auf diesen Vorgang zurückzuführen (nicht zu verwechseln mit der sog. Peroxydasereaktion; siehe unten!). Das von Bloch in der Haut angenommene D i o x y p h e n y l a l a n i n (Dopa) wird möglicherweise durch die Polyphenoloxydase zu Pigment umgewandelt. Es soll die Ursache der Pigmentierung der menschlichen Haut sein. Die Wirkung der Polyphenoloxydasen ist ebenfalls so zu denken, daß die P o l y p h e n o l e zu Chinonen oxydiert werden, die dann in Pigment übergehen. Die Laccasen sind gegen Blausäure und Kohlenoxyd sehr empfindlich. Sie reagieren mit Wasserstoffsuperoxyd n i c h t , im Gegensatz zu den Peroxydasen. In den verschiedenen Organen, besonders in den Nieren und Nebennieren findet sich ein Enzym, welches das H i s t a m i n (S. 229,270) oxydativ unter Ammoniakbildung abbaut. Diese H i s t a m i n a s e ist durch Blausäurehemmbarkeit gekennzeichnet, sie wird nicht durch Kohlenoxyd beeinflußt wie die unten genannte Indophenoloxydase. Sie vermag Histamin unter Pigmentbildung oxydativ zu desaminieren und ist wahrscheinlich auch als Häminferment anzusprechen. Die I n d o p h e n o l o x y d a s e Alkalisierte Lösungen von a-Naphthol und p-Phenylendiamin färben sich bei Sauerstoffgegenwart allmählich violett. Zerschnittene Musku-

Elftes Kapitel. Die biologischen Oxydations- und Reduktionsvorgänge

J5J

latur, Organpreßsäfte zeigen eine deutliche Beschleunigung dieser ßeaktion.

f

|

I + HjN—/

oc-Naphthol

\ _ N H 2 + 02 = |

p -Phenylendiamin

|

-f- 2HjO

Indophenol

P. E h r l i c h fand diese Eeaktion bereits 1885 durch Injektion der Farbstoffkomponenten, indem die Gewebe des behandelten Tieres blau gefärbt waren. Die Indophenoloxydase erwies sich als das in der Natur wahrscheinlich am weitesten verbreitete Oxydationsferment. Sowohl in den Pflanzen als auch im Tier ist sie vorhanden. Vorgreifend sei bemerkt, daß die Indophenoloxydase wahrscheinlich i d e n t i s c h mit dem Warburgschen A t m u n g s f e r m e n t ist. In diesem Zusammenhang sind die folgenden Eigenschaften des Enzyms von Bedeutung: 1. Indophenoloxydase katalysiert nur die Oxydation von p-Phenylendiamin (nicht o oder m). 2. Das in den Zellen auftretende Hämin, das als Cytochrom bezeichnet wird und das sich allein nicht oxydieren kann, wird durch Indophenoloxydase katalytisch oxydiert. 3. Das Enzym kann von den Zellpartikeln nicht getrennt werden. Es kann also nicht in strukturfreier Lösung erhalten werden. Es ist ein „Oxydon" im Sinne von B a t e i i i und Stern. 4. Das Enzym ist durch Spuren von Blausäure vergiftbar. Kohlenoxyd hemmt ebenfalls, aber nur im Dunkeln, während bei Licht die Enzym-CO-Verbindung dissoziiert. 5. Aus diesen und anderen Eigenschaften folgt, daß die Indophenyloxydase ein sog. Zellhämin ist, daß seinen Sauerstoff auf andere Zellhämine (Cytochrome) übertragen kann, eine Eigenschaft, auf die bei der Besprechung des Atmungsfermentes noch eingegangen werden wird. Die P e r o x y d a s e n Die Peroxydasen sind Enzyme, die den Sauerstoff aus Supero x y d e n auf einen Acceptor übertragen. Im allgemeinen ist das Superoxyd das Wasserstoffsuperoxyd und der Acceptor ein Phenol. In der Geschichte der Fermentchemie spielt die Peroxydase insofern ein bedeutende Bolle, indem W i l l s t ä t t e r an Hand der Meerrettichperoxydase das erste Beispiel einer E n z y m r e i n i g u n g gab.

II. Teil

152

Sie konnten das Enzym ungefähr auf das 20 000fache konzentrieren. Peroxydase oxydiert bei Gegenwart von H 2 0 2 die Gerbsäure zu einem P u r p u r g a l l i n genannten roten Farbstoff. Diese Reaktion wurde zur Bestimmung des Wirkungswertes der Enzympräparate benützt. Derartige hoch wirksame Peroxydaselösungen zeigen nach R . K u h n das gleiche Spektrum wie reduziertes H ä m i n , sog. Protohämin (siehe Blutfarbstoff). Und es ergibt sich also die überraschende Tatsache, daß eine dem Blutfarbstoff nahe verwandte Substanz Enzymeigenschaften besitzt, sowie daß eine e i s e n h a l t i g e Verbindung als Peroxydase anzusprechen ist. Es müssen aber derartige peroxydatisch wirkende Stoffe n i c h t unb e d i n g t Fermentcharakter besitzen. Das Oxyhämoglobin selbst besitzt auch schwache Peroxydasewirkung. Darauf beruht der Blutnachweis: Wird verdünntes Blut oder bluthaltiger Harn mit einer alkoholischen Lösung von Guajacharz und verharztem Terpentinöl geschüttelt, so tritt eine Blaufärbung auf. Die im Harz enthaltene Guajaconsäure wird zu einer blauen Substanz oxydiert, das Terpentinöl bindet beim Verharzen Sauerstoff in superoxydischer Form. (Es kann auch durch Wasserstoffsuperoxyd ersetzt werden.) Das Terpentinöl vertritt also die Stelle der Oxygenase, die Guajaconsäure wirkt als Sauerstoffacceptor: Oxygenase -f[Terpentinöl ( 0 ) ]

Peroxydase -—>• O-Acceptor [Hämoglobin] [Guajaconsäure]

Peroxydasen finden sich in Pflanzen und Tieren. E c h t e (enzvmatische) Peroxydasen finden sich in Leukocyten, in lymphoidem Gewebe wie Knochenmark, Milz und Lymphdrüsen, sowie im Sperma und in der Milch. Man muß dabei nach C z y h l a r z und F ü r t h wohl unterscheiden zwischen der p s e u d o p e r o x y d a t i s c h e n Wirkung des Hämoglobins und derjenigen der echten Enzyme. Wie oben schon erwähnt wurde, spricht man den Peroxydasen als Wirkungsgruppe einen Häminkern zu. Die enorme Empfindlichkeit dieser Enzyme gegen Blausäure und Schwefelwasserstoff (Kohlenoxyd reagiert mit Peroxydasen kaum) spricht neben vielen anderen Tatsachen für diese Annahme. Peroxydaselösungen zeigen auch tatsächlich ein Häminspektrum. Die biologische Rolle der Peroxydase ist nicht klar. Wielands Theorie Alle die besprochenen Anschauungen nahmen eine besonders reaktionsfähige Form des Sauerstoffs an, die dann zur Oxydation führt. Es war für die ganze Entwicklung der Vorstellungen über die biologische Oxydation von grundsätzlicher Bedeutung, als im Jahre 1918 W i e l a n d das Problem von einem neuen Gesichtspunkt aus betrachtete.

Elftes Kapitel. Die biologischen Oxydations- und Reduktionsvorg&nge

153

Es wird nach dieser Anschauung der W a s s e r s t o f f der zu oxydierenden Verbindung katalytisch in eine besondere reaktionsfähige Form gebracht — aktiviert —, daß er nun mit dem molekularen Sauerstoff reagieren kann und H 2 0 2 bildet. Es wird also der Sauerstoff zum Acceptor des aktivierten Wasserstoffs. Daß derartige „Oxydationen im übertragenen Sinne" möglich sind, läßt sich durch zahlreiche Beispiele aus dem Gebiet der anorganischen und der organischen Chemie belegen. Und zwar sind derartige Vorgänge oft gar nicht an das Vorhandensein von Katalysatoren gebunden. So •wird z. B. durch gewisse Oxydationsmittel, wie Kaliumbichromat, Braunstein usw. der Chlorwasserstoff zu Chlor „oxydiert", d. h. richtiger „ d e h y d r o g e n i s i e r t " oder abgekürzt „ d e h y d r i e r t " : 2 HCl -f O = H 2 0 + Cl2

Der Sauerstoff spielt hier seine Bolle lediglich als Wasserstoffacceptor. Er kann auch gänzlich fehlen wie bei der Bildung von Jodwasserstoff aus Schwefelwasserstoff: SH 2 + J 2 = S + 2HJ

Hier fungiert das Jod als Wasserstoffacceptor. Überträgt man diese Anschauung auf biologische Vorgänge, so müßte zunächst eine Fermentwirkung einsetzen, welche den Wasserstoff aktiviert und welcher dann unter der Bildung von Wasserstoffsuperoxyd aus der Verbindung austritt: CHj CH3 I /OH C^H + O, = H 2 0 2 + Alkohol

I 0 C Dehydrasesystem I + Zwischenferment '

y

/

Alkohol zu Essigsäure oxydiert

Der bei der Dehydrierung abgegebene Wasserstoff dürfte demnach in der Weise abgespalten werden, daß er n i c h t d i r e k t m i t dem S a u e r s t o f f S u p e r o x y d b i l d e t , s o n d e r n a u f dem W e g ü b e r ein D e h y d r i e r u n g s e n z y m (welches sicher nicht immer ein Flavinferment sein muß). Etwa in der folgenden Weise: /H (Ferment + H a ) 1. Substrat^ + Dehydrase —>• oxydiertes Substrat reduzierte Dehydrase (Flavin) 2. (Ferment + H,) + O, (aus dem Hämin) — > - H a O x + Dehydrase 3. H J O J wird durch Katalase zerlegt, die Dehydrase greift ein neues Substratmolekül an usw.

Elftes Kapitel. Die biologischen Oxydations- und Reduktionsvorgänge

161

Diese Schemata vermitteln uns eine Vorstellung, wie die einzelnen Faktoren ineinandergreifen. Sie sind, wie gesagt, nur Schemata und es ist sogar wahrscheinlich, daß je nach der Zellart vielfache Variationen auftreten. Die feine Abstufung, die der Oxydationsmechanismus der Zellen zeigt, liegt höchstwahrscheinlich darin begründet, daß der Sauerstoff einmal von einem vor- oder nachgeschalteten Katalysator auf das Substrat übertragen werden kann. In diesem Sinne bietet die Vereinigung der beiden Theorien eine befriedigende Erklärung für die beobachteten Tatsachen. Die Natur der sog. Co-Fermente und Zwischenfermente muß hier noch gekennzeichnet werden. Durch die Untersuchungen von E u l e r , W a r b u r g und deren Mitarbeitern konnten aus Hefe, Erythrocyten und anderem biologischen Material zwei Co-Fermente isoliert werden (s. Kap. Gärung S. 200). Auf Grund von spektroskopischen Untersuchungen ergab sich, daß in beiden eine dem P y r i d i n verwandte Gruppe enthalten sein muß. Dies führte zur präparativen Darstellung dieser Stoffe. Das eine ist ein D i p h o s p h o p y r i d i n n u c l e o t i d und wird auch als Co-Zymase oder Co-Dehydrase I bezeichnet, das andere ist ein T r i p h o s p h o p y r i d i n n u c l e o t i d und wird als Co-Ferment oder Co-Dehydrase II bezeichnet. Die Pyridingruppe erwies sich als das N i c o t i n s ä u r e a m i d : j ^ j N H Pyridin

|^j.COOH N H Nicotinsäure

j^j.CO.NH, N H Nicotinsäureamid

Die Struktur der Nucleotide ist schematisch die folgende: Nicotinsäureamid—Kohlehydrat—Phosphorsäure

6

Adenin

Kohlehydrat—Phosphorsäure

Die sog. „Zwischenfermente" sind Proteine, die aus Hefe und Erythrocyten darstellbar sind. Wenn sich diese Proteine mit den genannten Nucleotiden vereinigen, entstehen O x y d a t i o n s k a t a l y s a t o r e n . Die Pyridingruppe kann in solchen Fermenten dann abwechselnd zwei H-Atome aufnehmen und in die Dihydropyridingruppe übergehen, und die hydrierte Stufe kann sich durch H-Abgabe wieder in die Pyridingruppe zurückverwandeln. Wie schon erwähnt, ist dies nicht etwa nur eine Theorie, sondern es gelang die präparative Darstellung dieser Stoffe. Die Wirkung des Pyridinfermentes liegt nun zwischen der des gelben Fermentes und dem Substrat. Das Flavinferment wird entweder direkt oder auf dem Wege über das Häminsystem dehydriert, wie es E d l b a c h e r , Kurzgefaßtes Lehrbuch der physlol. Chemie. 4. Aull.

11

II. Teil

162

vorhin beschrieben wurde, und nun greift das Pyridinferment in der folgenden Weise ein: TT

1. Flavinenzym- CH3CO + (freies Radikal)

*) Jedesmal Bildung von „freier Energie".

hydriertes Enzym (schaltet aus)

n . Teil

166

2. CHj-CO + CH3-CHO + 0 2 + H20 —>- 2CH3 COOH freies Radikal

3.

OH freies Radikal

Aldehyd

+ CH3-CHO —>Aldehyd

(2 Essigsäure)

CH3-CO

+ OH freies Radikal

+ H20

freies Radikal

Nun reagiert das Radikal wieder nach Gleichung 2. Wenn sich aber nun z. B. Radikal CH3-CO und OH treffen, so bilden sie CH 3 -C -

c h ° > C O

Aceton

x

^CH-COOH

kein Aceton

CH3^

Isobuttersäure

In diesem Zusammenhang wurde auch das Verhalten der Aminos ä u r e n untersucht. Auch bei diesen lassen sich ketogene und nicht

Zwölftes Kapitel. Der Fettstoffwechsel

175

ketogene unterscheiden. Diese Beziehungen sollen erst bei der Abhandlung des Eiweißstoffwechsels dargestellt werden. Der Chemismus der /9-Oxydation Der Frage, auf welche Weise die beiden C-Atome aus den Fettsäuren abgespalten werden, wurde durch eine große Zahl von Untersuchungen nachgegangen. Sie ist nicht restlos geklärt, soll aber hier im Prinzip dargestellt werden: D a k i n verabreichte P h e n y l v a l e r i a n s ä u r e und konnte dabei die folgenden Spaltprodukte isolieren, die in dem Schema nach ihrer vermutlichen Entstehungsweise geordnet sind. C,H5 • CH2 • CH2 • CH2—iCHj • COOH Phenylvaleriansäure I Y CeHä • CHj • CH2—COOH Phenylpropionsäure C,HäCH=CH—COOH vI CSH5-CH- OH—CH2—COOH l Y C6H5 • CO—CH2 COOH I \

Zimtsäure /J-Phenyl-/S-Oxypropionsäure /3-Phenyl-jS-Ketopropionsäure

C,H, • COOH C.H^CO • CH3 Benzoesäure Acetophenon In ganz ähnlicher Weise gibt Krotonsäure bei Leberdurchblutung /S-Oxybuttersäure und Acetessigsäure und die Bernsteinsäure geht über Fumarsäure in Äpfelsäure und Oxalessigsäure über. Man kann daher gemäß dem Sinn von W i e l a n d s D e h y d r i e r u n g s t h e o r i e das folgende Oxydationsschema aufstellen: R R R R CH, I CH,

¿H CH-OH ¿=0 w - (H2) —>• II + ng > 0 —»- T - (H2) — v I CH CH, | CH, I I I COOH COOH COOH j COOH H202 H202 Die gebildete Ketonsäure (z. B. Acetessigsäure) kann nun auf zwei Arten zerfallen: R R1 R R I ¿0 OH ¿OOH ¿0 Ao entweder I + | = + oder: I1 == 1 1 + C02 CHj H CH3 CHj2 CH3 CH, CH ¿OOH Säurespaltung

¿OOH

¿OOH Ketonspaltung

III. Teil

176

Die Ketonspaltung kommt wahrscheinlich nur für die niederen Glieder in Betracht. Aceton selbst ist im Organismus schwer angreifbar, daher wird wahrscheinlich die Säurespaltung überwiegen. Es fragt sich nun, was aus der Essigsäure, welche dabei entsteht, wird. Sie konnte bis jetzt als Abbauprodukt nicht nachgewiesen werden. Möglicherweise wird sie wieder zu Synthesen verwendet. T h u n b e r g nimmt einen Übergang in Bernsteinsäure an, der durch Dehydrierung ermöglicht würde: CHjCOOH

—*•

CH3COOH Essigsäure COCOOH | —> CHS- CÖÖH

CHj-COOH CH 2 COOH H2 + I —v | CHjCOOH COCOOH Bernsteinsäure Oxalessigsäure COj + CH.-COCOH Brenztraubensäure | CH 3 -CH-OH-COOH Milchsäure

Die Milchsäure k ö n n t e in Glykogen ü b e r g e h e n und es wäre hier der Weg g e z e i c h n e t , welcher von den F e t t s ä u r e n zu den K o h l e h y d r a t e n f ü h r t . Vorläufig ist diese Umwandlung aber noch hypothetischer Natur. Die Frage, ob bei der /?-Oxydation zuerst die Oxy-, dann die Ketonsäure entsteht, ist auch noch nicht eindeutig entschieden. Alle die Umwandlungen sind umkehrbare Reaktionen, so daß hier die jeweilige Gleichgewichtslage die Beaktion beeinflussen kann. Eine B i l d u n g von F e t t s ä u r e n aus K o h l e h y d r a t ist ebenfalls möglich. Die bei der Spaltung entstehenden Aldehyde können sich durch „Aldolkondensation" vereinigen und so die langen Kohlenstoffketten der Fettsäuremoleküle bilden: 1.

C,H12Os

1

Glucose

Y

CH3

2. CO Methylglyoxalhydrat (oder eine andere Vorstufe! Nach neueren AnJJschauungen Diozyaceton oder Glycerinaldehyd.) - ¿OH—CH,-CO-CÖÖ H A!ÖOH CÖÖH Brenztraubensäurealdol 2 0 0 ^ CH3• CH• OH -CH,• COH ß- Oxybutyraldehyd

I

CH3-CHj-CHJ-COOH Buttersäure

Zwölftes Kapitel. Der Fettstoffwechsel

177

Dieses Eeaktionsschema gibt eine Vorstellung, wie umgekehrt K o h l e h y d r a t in F e t t s ä u r e übergehen könnte. Betrachtet man die oben entwickelte Anschauung über den Abbau der Fettsäuren in einer summativen Gleichung, so ergibt sich auf Grund der Wieland-Thunbergschen Anschauung z.B. für Buttersäure: CH3 • CH2 • CH, • COOH = 0 , ^ 0 , Die biologische Oxydation vollzieht sich nicht durch einfache Addition von Sauerstoff, sondern durch schrittweise Dehydrierung und Abspaltung von Wasser: Es heißt also nicht: C4Hg0, + 60, = 4 CO, + 4H,0 sondern :

t I t Y C«Hg0, + 6H,0 + 50, = 4 CO, + lÖB^Ö

Der Kohlenstoff wird also indirekt durch intermediäre Hydratbildung zu C02 oxydiert, wie dies für die Oxydation der Kohlehydrate auch anzunehmen ist. In letzter Zeit wurden von V e r k a d e und von F l a s c h e n t r ä g e r weitere Untersuchungen über den Abbau der Fettsäuren durchgeführt. Nach letzterem findet immer dann /3-Oxydation statt, wenn die Carboxylgruppe frei ist. Liegen aber die Fettsäuren in Form von Verbindungen vor, z. B. als Ester- oder Säureamide, so daß die Carboxylgruppe vor dem Angriff der Enzyme geschützt ist und es demnach nicht zur Bildung der Enzym-Substratverbindung kommen kann, dann greifen die Enzyme die e n d s t ä n d i g e Methylgruppe an, was man als co-Oxydation bezeichnet. Es bilden sich dann manchmal Dicarbonsäuren und man kann sehen, daß gewisse schwer spaltbare Fettsäureester oder Fettsäureamide in Form von Dicarbonsäuren ausgeschieden werden. So wird z. B. nach Verabreichung von Methyl-benzol-sulfoaminolaurinsäure Adipinsäure ausgeschieden. Die Bildung von Dicarbonsäuren und die sog. ft>-Oxydation sind also nach diesen Versuchen F l a s c h e n t r ä g e r s ein Beweis, daß das Gesetz der ^-Oxydation das vorherrschende ist und nur bei Sperrung der Carboxylgruppe von der Zelle umgangen wird. Ü b e r g ä n g e von F e t t in E i w e i ß u n d K o h l e h y d r a t e Daß sich aus Eiweiß Fett bilden kann, zeigen zahlreiche Versuche mit reiner Eiweißernährung, ebenso sicher ist der Übergang von Kohlehydrat in Fett, welcher durch Mastversuche bewiesen wird. Der umgekehrte Vorgang, aus Fett Kohlehydrat zu bilden, ist noch nicht als sichergestellt zu betrachten. E d l b a c h e r , Kurzgefaßtes Lehrbuch der physlol. Chemie. 4. Aufl.

12

III. Teil

178

Der Stoffwechsel des Cholesterins und der Gallensäuren Auf Grund von Bilanzversuchen von Menschen und Tieren muß man annehmen, daß das Cholesterin im Organismus s y n t h e t i s i e r t wird. Junge Hunde, die vier Wochen mit einer cholesterinarmen Kost gefüttert worden sind, enthielten ein Vielfaches an Cholesterin als mit der Nahrung zugeführt wurde. Bei der Bebrütung des Hühnereis und auch bei der legenden Henne wurde die Zunahme des Cholesterins bewiesen. Von allen Sterinen ist nur das Cholesterin leicht resorbierbar. Der tierische Organismus kann Sterine p f l a n z l i c h e n Ursprunges n i c h t resorbieren, diese verlassen den Körper unverändert. Der Weg, den das resorbierte Cholesterin nimmt, ist dem der Fette analog. Die Mengen von zugeführtem Cholesterin schwanken je nach dem Fettgehalt der Nahrung. Sie betragen bei gemischter Kost etwa 0,20 g und bei fettreicher Kost können sie über 1 g pro Tag beim Menschen steigen. Die Frage, ob eine absolute Unabhängigkeit von der Cholesterinzufuhr besteht, ist noch nicht eindeutig entschieden. Die Möglichkeit, daß der Mensch rein vegetarisch leben kann, spricht aber dafür. Als Ort der Cholesterinsynthese hat man verschiedene Organe angesprochen, doch ist er noch unbekannt. Nach einer von W i n d a u s aufgestellten Hypothese könnte man die Ö l s ä u r e als Muttersubstanz des Cholesterins ansehen, denn nach Zufuhr derselben findet sich eine Steigerung des Cholesteringehaltes. Wie auf S. 85 gesagt wurde, kann Ölsäure in sogenanntes Z i b e t o n übergehen. Durch Dehydrierung des Zibetons entstünde daraus das Hexadehydrozibeton, das den Sterinring enthält. Durch Einfügen von Methylgruppen und Anlagerung der Seitenketten entstünde dann das Cholesterin: HC—-

Muskel (Organzellen) (verbrannt)

Diese Grundtatsache läßt sich in verschiedenster Art demonstrieren. Untersucht man z. B. die Leber nach reichlicher Zufuhr von Kohlehydrat, so findet man sie reich an Glykogen. Läßt man die Versuchstiere starke Arbeit verrichten, so findet sich hier nur mehr ganz wenig Glykogen in Leber und Muskulatur. Wie schon bei der Besprechung der Fermente erwähnt wurde, findet sich in der Leber eine Diastase, welche diesen Abbau von Glykogen unter Aufnahme von Wasser zu Glucose durchführt. Dabei ist die eigentümliche Erscheinung hervorzuheben, daß der Blutzuckerspiegel weitgehend konstant bleibt. Wird intravenös Traubenzucker eingeführt, so stellt sich nach kürzester Zeit der normale Blutzuckergehalt wieder ein. Es handelt sich hier wahrscheinlich um einen Diffusionsvorgang, durch den der Zucker von den Geweben aufgenommen wird. Durch Verabreichung sehr großer Mengen von Zucker kann nun experimentell ein Zustand herbeigeführt werden, welcher zur Hyperglykämie führt, indem die Leber die zugeführten Zuckermengen nicht mehr bewältigen kann, da ihre Kapazität erreicht ist. Eine derartige a l i m e n t ä r e H y p e r g l y k ä m i e kennzeichnet sich dann dadurch, daß die Nieren, welche normalerweise keinen Zucker in den Harn gelangen lassen, mit einer Zuckerausscheidung beginnen. Es gelangt also Traubenzucker im Harn zur Ausscheidung. Dieses Phänomen heißt Glucosurie.

Dreizehntes Kapitel. Der Kohlehydratstoffwechsel

J88

R e g u l a t i o n des Z u c k e r s t o f f w e c h s e l s Aus dem bis jetzt besprochenen Tatsachenkomplex läßt sich bereits erkennen, daß der Kohlehydratstoffwechsel ein komplizierter Gleichgewichtszustand ist, der von einer Reihe von Faktoren weitgehend beeinflußt werden kann. Tatsächlich hat die Forschung dann auch feststellen können, daß noch die folgenden Organfunktionen hier mitwirken : 1. Ein nervöses Zuckerzentrum. 2. Die innersekretorische Tätigkeit des Pankreas. 3. Die innersekretorische Tätigkeit der Nebennieren. 1. Die nervöse Regulation. Claude B e r n a r d konnte 1855 feststellen, daß im Zentralnervensystem ein Zuckerzentrum existiert. Sticht man einem Kaninchen in eine bestimmte Stelle der Medulla oblongata ein (sog. Piqûre), so beginnt das Tier nach wenigen Stunden im Harn Zucker auszuscheiden. Dieses Ausscheiden von Zucker hält so lange an, als noch genügend Glykogen in der Leber vorhanden ist. Dementsprechend ist der Zuckerstich beim glykogenarmen Tier auch wirkungslos. Daß es sich dabei tatsächlich um eine direkte Beeinflussung der Leber handelt, kann dadurch gezeigt werden, daß ein vorheriges Unterbinden aller die Leber betreffenden Blutgefäße die Piqûre wirkungslos macht. Die Erregung des Zuckerzentrums verläuft durch dén Vagus, während die zentrifugale Bahn durch den N. splanchnicus führt. Der Zuckerstich hat zur Folge, daß die Leberamylase in vermehrter Menge Glykogen abbaut und daß durch diese Aktivierung eine Hyperglykämie herbeigeführt wird, welche dann eben eine Glykosurie zur Folge hat. 2. Die regulierende Wirkung des Pankreas. Durch die grundlegenden Untersuchungen von Minkowski und Mering wurde der Einfluß des Pankreas auf den ZuckerstoffWechsel gezeigt. Totale oder annähernd totale Exstirpation führt zur Glucosurie („Pankreas-Diabetes"). Auch bei vollkommener Kohlehydratkarenz bleibt beim pankreaslosen Tier die Glucosurie bestehen. F o r s c h b a c h konnte durch den Parabioseversuch zeigen, daß bei der Verbindung der Kreislaufsysteme zweier Hunde, von denen der eine entpankreatisiert war, der Stoffwechsel normal blieb. Nach der Trennung trat beim pankreaslosen Tier sofort Diabetes auf. Daraus wurde auf eine hormonale Wirkung des Pankreas geschlossen. Der direkte Beweis dafür wurde von B a n t i n g , Best und Mac Leod geliefert, indem sie Substanzen aus dem Pankreas isolieren konnten, welche in ihrer Wirkung derjenigen der Drüse auf den Zuckerstoffwechsel vollkommen gleichen. Man nimmt daher in den Drüsen die Bildung eines Hormons an, welchem man den

III. Teil

184

Namen „ I n s u l i n " gegeben hat. Dieses Insulin soll von den Zellen der Langer hansseben Inseln gebildet werden. Extraktion der Drüse mit Alkohol und verschiedene Fällungen führen am Schluß zu einem •weißen Pulver, welches das Hormon enthält. Eine Reindarstellung ist bis heute noch n i c h t gelungen. Die chemische Natur des Insulins ist nach F r e u d e n b e r g ein P r o t e i n (S. 268). Die Wirkung des Insulins bei Injektion ist zunächst eine hypoglykämische. Bei genügend starker Dosis treten nach einiger Zeit Krämpfe auf, die auch zum Tode führen können. Diese Erscheinungen können sofort rückgängig gemacht werden, wenn man dem mit Insulin behandelten Organismus viel Zucker per os oder noch besser parenteral verabreicht. Hypoglykämie tritt auch ein, wenn man pankreaslosen Tieren (die also diabetisch sind) oder dem diabetischen Menschen Insulin injiziert. Die Hauptwirkung des Pankreashormons Insulin scheint in einer Beschleunigung der gekoppelten Vorgänge der Glykogens y n t h e s e und Z u c k e r v e r b r e n n u n g zu bestehen. 3. Die regulierende Wirkung der Nebennieren. Die Nebennieren sind lebensnotwendige Organe. Ihre Exstirpation führt zum Tode. In den Nebennieren findet sich eine dem Insulin a n t a g o n i s t i s c h wirkende Substanz, ein Hormon, welches den Namen Adrenalin (Suprarenin) führt. Injiziert man etwas von dieser Substanz, so tritt Hyperglykämie und Glucosurie auf. Es handelt sich also zuerst um die der Insulinwirkung entgegengesetzte Erscheinung. Das Adrenalin, das in die Blutbahn sezerniert wird, wurde 1901 von Takamine in chemisch reiner Form isoliert. Es wurde auch synthetisch dargestellt und ist das erste chemisch charakterisierte Hormon. Es ist krystallisiert erhalten worden. Adrenalin ist ein Derivat des Brenzcatechins: OH

Brenzcatechin

Adrenalin

Man kann das Adrenalin entweder vom Aminoäthylalkohol ableiten, OH

oder von einer Aminosäure, nämlich von Tyrosin: N H 2 (2)

Dreizehntes Kapitel. Der Kohlehydratstoffwechsel

185

Durch Decarboxylierung bei (1), Methylierung bei (2), Oxydation bei (3) und (4) kann aus dem Tyrosin Adrenalin entstehen. Es ist aber noch nicht gelungen, den Beweis für diese Bildungsart im Organismus zu erbringen. Die Synthese wurde durch Stolz durchgeführt. Im Adrenalin findet sich ein asymmetrisches Kohlenstoffatom: H (HO)sC,H3- Ci-CH2 • NHCHS

I

OH

Das synthetische Produkt, welches razemisch war, hat sich bezüglich -verschiedener physiologischer Eigenschaften als viel schwächer wirksam erwiesen. Adrenalin wirkt auch erhöhend auf den Blutdruck (siehe die Lehre von der inneren Sekretion). Die blutzuckererhöhende Wirkimg der Nebennieren, welche also durch die Adrenalinproduktion bewirkt wird, unterliegt der nervösen Regulation: Der Zuckerstich verursacht eine erhöhte Adrenalinproduktion. Exstirpation der Nebennieren bewirkt ein Absinken des Blutzuckers. Zu diesen drei Hauptregulationssystemen: Zuckerzentrum, Insulinund Adrenalinproduktion kommt noch die Niere. Es scheint, daß durch gewisse Gifte die Niere besonders für Zucker durchlässig gemacht wird. Ein derartiges Gift ist das pflanzliche Glucosid Phlorrhizin. Nach seiner Injektion tritt ebenfalls Glucosurie auf und man schreibt diese Wirkung einer Beeinflussimg der Niere zu. Doch ist diese Frage noch durchaus nicht eindeutig entschieden. Auf jeden Fall wirken beim Abbau und der Verwertung der Kohlehydrate also eine ganze Reihe von Organen zusammen. Der Abbau der Kohlehydrate Die G l y k o g e n o l y s e Soweit der in der Zelle eingedrungene Zucker nicht direkt abgebaut wird, wird er als Glykogen gespeichert. Der Abbau des Glykogens erfolgt nun, wie schon mehrmals erwähnt wurde, durch die Amylase (Diastase) und Maltase. Diesen Vorgang bezeichnet man als Glykogenolyse. Es bildet sich schließlich Traubenzucker. Die Leber kann bis 18% Glykogen aufnehmen, während im Muskel nur 20—80°/oo vorkommen. Die Aktivierung der Glykogenspaltung erfolgt durch nervöse oder chemische Reize. Adrenalin und auch das Alkaloid Pilocarpin wirken fördernd; es ist unentschieden, ob diese Substanzen rein chemisch oder durch Reizung des nervösen Endapparates nur mittelbar die Zellen reizen. Auf jeden Fall entsteht dabei Glucose, Traubenzucker, der durch die Blutbahn transportiert wird.

186

III. Teil

Es sind bis jetzt keine bindenden Beweise für die Anschauung geliefert worden, daß eine spezielle „ B i o g l u c o s e " von besonderer Reaktionsfähigkeit existiert. Wenn ein Molekül Hexose zerfällt, so läßt sich dieser Abbau durch die Grundgleichungen darstellen: 1. Der vollkommen oxydative, also aerobe Abbau zu Kohlendioxyd und Wasser: C6H12O0 + 60 2 = 6C0 2 + 6H 2 0 dies ist die A t m u n g s r e a k t i o n . 2. Der partielle Zerfall ohne Aufnahme von Sauerstoff. Dieser a n a e r o b e Zerfall wird als G ä r u n g im weitesten Sinn bezeichnet. a) Die Milchsäuregärung in der Muskulatur oder in anderen tierischen Zellen heißt Glykolyse: C6H1206 = 2C3H603 I Glucose = 2 Milchsäure

b) Der Zuckerzerfall durch Hefezellen ist die Gärung: C• I CO CHO CH,OH I + COOH >- CO, Brenztraubensäuie Acetaldehyd Alkohol

190

III. Teil

Bei der Glykolyse wird die Brenztraubensäure o h n e v o r h e r i g e D e c a r b o x y l i e r u n g durch eine Cannizzaroreaktion reduziert und dadurch entsteht der m i t der C a r b o x y g r u p p e b e l a d e n e A l k o h o l , die M i l c h s ä u r e : _„ nxT tilg tn3 ¿0 ¿OOH Brenztraubensäure

red-

v

CH-OH ¿OOH Milchsäure

Die Isolierung der wichtigen Zwischenprodukte ist, wie vorhin erwähnt wurde, in den meisten Fällen geglückt. Von diesen Produkten seien genannt: Hexosemono- und Hexosediphosphorsäureester, von ihnen wird bei der Besprechung der Bolle der Phosphorsäure noch die Bede sein. Durch Zusatz von Aldehydreagentien zu Gärungsansätzen gelang die Isolierung des Acetaldehydes. Als Beagentien kommen hauptsächlich Salze der schwefeligen Säure und das Dimethyldihydroresorcin „Dimedon" in Betracht. Letzteres liefert mit dem Acetaldehyd eine schwer lösliche Verbindung „Aldomedon" genannt. Die Glycerinsäure konnte als Phosphorsäureverbindung „Phosphoglycerinsäure" von G. E mb d en als krystallisiertes Bariumsalz dargestellt werden und auch die Brenztraubensäure wurde in Form ihres Dinitrophenylhydrazons isoliert. Der Glycerinaldehyd wurde von H. O . L . F i s c h e r zu Glycerinaldehydphosphorsäure synthetisiert und diese Verbindung wird sowohl von Hefesaft als auch von Muskelextrakt zu den normalen Endprodukten vergoren. Aus diesen Tatsachen erhellt wohl, daß der oben beschriebene Abbauweg des Kohlehydratmoleküls zu Alkohol und Milchsäure gut begründet ist. Phosphorsäure und Zerfallsprodukte Die schon mehrfach erwähnte Rolle der Phosphorsäure beim Zuckerabbau wurde bezüglich der Gärung von H a r d e n und Y o u n g entdeckt. Es wird hier zunächst nur von denjenigen Phosphorsäureverbindungen gesprochen, die a u s d e m Z u c k e r selbst stammen. Die phosphorhaltigen Hilfssysteme dieses Abbaues und damit auch die Frage, wie die Phosphorsäure von einem Molekül auf das andere übertragen wird, soll erst später erörtert werden, um die Übersichtlichkeit des Bildes nicht zu stören. Ohne Phosphat findet weder Gärung noch Glykolyse statt. Das Kohlehydrat wird erst zerfallsbereit, wenn es mit Phosphorsäure verestert wird und es sind auch eine Anzahl solcher Ester bekannt. E m b d e n nannte diese Ester den milchsäurebildenden Stoff: „ L a c t a c i d o g e n " . "Wir sprechen aber besser nur von Hexosemono* und Hexosediphosphat. Die Veresterung mit Phosphorsäure wird „Phosphorylierung" genannt. Sowohl bei der Gärung als auch bei der

Dreizehntes Kapitel. Der Kohlehydratstoffwechsel

191

Glykolyse sind das Kohlehydrat und die zuerst entstehenden Zerfallsprodukte alle zuerst phosphoryliert, bis die B r e n z t r a u b e n s ä u r e entstanden ist. D i e s e ist das erste phosphorfreie I n t e r m e d i ä r produkt des K o h l e h y d r a t a b b a u e s . Die Phosphorylierung des intakten Zuckers findet innerhalb der Zellen statt. Untersucht man das Verhalten von phosphorylierten Intermediärprodukten, so müssen zellfreie Enzymlösungen verwendet werden, denn die Phosphorzwischenkörper diffundieren nicht in die Zellen. Die Formeln der phosphorylierten Produkte sind die folgenden: 1. Fructose-1,6-diphosphorsäure (in der Folge immer einfach Hexosediphosphat genannt). 2. Verschiedene Glucosemonophosphorsäureester (nach den Entdeckern benannt. In der Folge wird einfach von Hexosemonophosphat gesprochen werden. Siehe Kap. Kohlehydrate). In den hier folgenden Formulierungen sind nun die oben genannten Verbindungen in phosphorylierter Form wiedergegeben. Das Hexosediphosphat wird zunächst in je 1 Molekül Glycerinaldehydphosphorsäure und Dioxyacetonphosphorsäure gespalten. Es findet nun eine Cannizzaroreaktion statt und es entstehen Glycerinphosphorsäure und Phosphoglycerinsäure. H2C-OPOsH2 CO

CO

H,COH

HOCH

H2

(Glycerinphosphorsäure)

->- HCOH I H2COH

(Dioxyacetonphosphorsäure)

HCOH I HCOH

HC=0 HCOH

H a i0P0 3 H,

Fructosediphosphorsäure

O

COOH I HCOH

(Phosphoglycerinsäure)

H2C0-P03H2

H2C0P03H2

(Glycerinaldehydphosphorsäure)

(wurde von E m b d e n isoliert!)

Die Phosphoglycerinsäure erleidet nun nach Meyerhof und Kiessling eine Umwandlung in B r e n z t r a u b e n s ä u r e und Phosphorsäure. Die Phosphorglycerinsäure kann nun eine eigentümliche Umwandlung erleiden: Die Phosphorsäuregruppe wird umgeestert und es entsteht daraus dann P h o s p h o r b r e n z t r a u b e n s ä u r e , welche in Phosphorsäure und Brenztraubensäure zerfällt. CHjOPOjHj nioH COOH

v

CHj-OH HC0P0 3H2 HC-0-P0.H. COOH

CH, ¿ = o + HsPO, COOH

192

III. Teil

Die bei dieser Reaktion abgespaltene Phosphorsäure wird aber nicht frei, sondern sie wird durch das weiter unten beschriebene, die Phosphorsäure umesternde Hilfssystem an einer anderen Stelle in den Eeaktionsverlauf wieder eingegliedert. Hat sich nun einmal Brenztraubensäure gebildet, so wird bei der alkoholischen Gärung, wie schon oben beschrieben wurde, Decarboxylierung eintreten, wobei Acetaldehyd gebildet wird. Bei der Glykolyse tritt diese Abspaltung von C0 2 nicht ein, sondern Brenztraubensäure wird durch eine Wasserstoffverschiebung mit einem anderen Wasserstoffdonator direkt zu Milchsäure reduziert, während bei der Gärung das Decarboxylierungsprodukt (Acetaldehyd) zu Alkohol reduziert wird: CH, direkte Bed.

f

CH,

-A CH.

COOH

¿ H •( OH I + H.

HO

COOH

CH,

¿H,. OH

Aldehyd

Milchsäure

+ C02

Alkohol

Man muß nun sowohl bei der Gärung als auch bei der Glykolyse zwei Stadien unterscheiden: Das Studium der „Angärung", die sog. „Initialreaktion" und das Stadium des stationären Zerfalls. Im ersten Stadium bildet sich eine ganz geringe Menge Glycerin (als Glycerinphosphat). Tatsächlich ist Glycerin auch in Mengen von höchstens 2°/0 als Nebenprodukt nachgewiesen. Dies ist das Stadium der ersten Cannizzaroreaktion. Diese entstandene Glycerinphosphorsäure kann mit der Brenztraubensäure bzw. dem Acetaldehyd eine Oxydoreduktion eingehen, wobei die Milchsäure bzw. der Alkohol als Eeduktionsprodukt und Triosephosphorsäure als Oxydationsprodukt entstehen und nun würde der Vorgang von neuem beginnen: CHJOPOJH, ¿HÖH

+

Brenztraubensäure oder Acetaldehyd

Bed.

*-

Milchsäure Alkohol

¿H,OH Glycerinphosphat 1 oxydiert

JHOH

-H Glycerinaldehydphosphorsäure

2 Mole Cannizzaro-B.

Oxyd. — y Phosphoglycerinsäure red. — Y Glycerinphosphat usw.

Dreizehntes Kapitel. Der Kohlehydratstoffwechsel

193

Die s t a t i o n ä r e n Vorgänge gehen aber wahrscheinlich einen viel direkteren Weg. Hat sich einmal Acetaldehyd oder Brenztraubensäure in größeren Mengen gebildet, so können diese beiden Stoffe d i r e k t ein neues Molekül Hexosediphosphat auf dem Wege der Oxydoreduktion zerlegen, indem sie sich selbst r e d u z i e r e n , wird die Hexose zu Phosp h o g l y c e r i n s ä u r e oxydiert: CHJ

CH20P08H2 2(1H-OH

2(IH-OH

diOOH

iJOOH A

Toxyd.


• X->- AH2 •XxX

A

A h . NH,

¿HNH 2

COOH Histidin

¿HNHj

¿OOH (Zwischenprodukte)

¿OOH Glutaminsäure

Der physiologische Sinn dieser Reaktion ist noch nicht geklärt worden (siehe bei Desamidasen). Bei Yerfütterung von abundanten Mengen findet sich im Harn der Tiere I m i d a z o l a c r y l s ä u r e , welche auch den Namen Urocaninsäure führt. Bei der Histidasewirkung kommt es zu einer Sprengung des Imidazolringes. Ein Decarboxylierungsprodukt des Histidins ist das im Mutterkorn vorkommende H i s t a m i n , welches pharmakologische Bedeutung besitzt. Das folgende Schema stellt nur die hier genannten Abbaumöglichkeiten dar: HC—NH [I >CH C—N •¡-Ha

Histidin = Imidazolyl-alanin

JH-NHJ ioOH— HC—NH II >CH C N

HC—NH II >CH C N

CH, I

CH II

CHJ-NHJ

CH

Histidasewirkung | + NH3 + X ->• (Glutaminsäure)

COOH Histamin Urocaninsäure (Imidazolacrylsäure) Die Bedeutung der H i s t i d a s e für den Stoffwechsel wird durch Versuche von Kapeller-Adler gekennzeichnet, welche nachweisen konnte, daß dieses Enzym in der Leber der menschlichen Graviden nicht wirkt, während es beim weiblichen graviden Tier in voller Wirksamkeit vorhanden ist. Die gleiche Forscherin konnte demnach auch zeigen, daß während der Dauer der menschlichen Graviditätsperiode

Vierzehntes Kapitel. Der Eiweißstoffwechsel

229

im Harn eine Histidinausscheidung stattfindet, die charakteristisch für die menschliche Schwangerschaftsperiode ist. Das H i s t a m i n wird durch ein der Histidase ähnliches Enzym, namentlich in den Nieren oxydativ desaminiert. Diese H i s t a m i n a s e fehlt z. B. in den Lungen. Injektion von Histidin läßt beim Meerschweinchen den Histidingehalt der Lungen um ein Mehrfaches ansteigen. Es ist dadurch bewiesen, daß das Histamin auch im tierischen Organismus durch Decarboxylierung des Histidins entsteht (Bloch und Pinösch). Die besonders in den Nieren auftretende Histaminase vermag das Histamin oxydativ zu einem hochoxydierten Produkt abzubauen, welches die Muttersubstanz eines Melanins bildet (Edlbacher und Zeller) (S.270). Das Histidin, sowie das Arginin sollen in Beziehung zur Bildung der P u r i n k ö r p e r stehen. Läßt man wachsenden Batten das Histidin aus der Nahrung fort, so sinkt die Allantoinausscheidung. Beim Säugling scheint aber nach den Versuchen von Györgyi das Pehlen des Histidins ohne Einfluß auf die Purinausscheidung zu sein. In der Muskulatur der Säuger findet sich ein Peptid des Histidins mit dem /?-Alanin. Es wird Carnosin genannt. Ein methyliertes Carnosin konnte von A c k e r m a n n zuerst aus dem Gänsefleisch und aus dem der Seefische nachgewiesen werden. Es wird Ans er in genannt. HC—NH HC—N—CH. II >CH II >CH C—N C—N 1 ¿H2 ch2 ¿H • NH • CO • CH2 • CH2 • NH2 CH—NH—COCH. 1 COOH Carnosin ¿OOH Anserin Die Bildung des /?-Alanins könnte etwa so erfolgen, daß Asparaginsäure decarboxyliert wird: HOCO • CHa • C H • COOH

Asparaginsäure I Y /7-Alanin

JiHa

I I

Y H O • CO • C H a C H 2 +

C02

nh2

Über die physiologische Bedeutung von Carnosin und Anserin ist nichts bekannt. Cystin (und Cystein) Die schon bei den Oxydationsprozessen und bei den proteolytischen Spaltungen hervorgehobene Eolle des Cysteins und seines Tripeptides,

i n . Teil

280

d e s G l u t a t h i o n als Aktivierungs- und Hemmungskörper hat in neuerer Zeit das Interesse an dem Stoffwechsel dieser Aminosäure bedeutend gesteigert. Die Fähigkeit des —SH—Gruppe, mit Schwermetallen Komplexverbindungen zu bilden, wurde in diesem Zusammenhange ebenfalls schon erörtert. Ein anderer wichtiger Abbauweg führt zu dem T a u r i n , der Aminoäthansulfosäure, welches als wichtiges Paarungsprodukt der Gallensäuren figuriert, indem sich die Taurocholsäure bildet. Nach den Untersuchungen von F r i e d m a n n geht die Bildung des Taurins wahrscheinlich über die Cyst einsäure oder das Thioäthylamin: CH,S03H

Bei der vollkommenen Oxydation des Cystins wird der darin enthaltene Schwefel als Sulfat im Harn ausgeschieden. Die im Harn vorkommenden Sulfate sind entweder als Sulfationen oder als sog. E s t e r s c h w e f e l s ä u r e n , gebunden an Phenol, Indoxyl usw. Die Bildung dieser gepaarten Schwefelsäuren wird noch bei der Besprechung der bakteriellen Zersetzungen der Aminosäuren erwähnt werden. Eine seltene StoffWechselanomalie ist die C y s t i n u r i e , bei welcher größere Mengen von Cystin im Harn erscheinen. Arginin Durch die streng spezifisch eingestellte A r g i n a s e wird diese Aminosäure in der Leber der Säuger gespalten. Dabei entstehen H a r n s t o f f und O r n i t h i n : -NH. CO< Harnstoff X NH •NH 2 I CH» CHa—NH2 I ch2 + HjO = CH.•2 CH, CH-NH, COOH

Ornithin

Vierzehntes Kapitel. Der Eiweiß stoffwechsel

281

Diese von Kos sei und Dakin entdeckte Spaltung ist ein Vorgang, der in vielfacher Hinsicht biologische Bedeutung hat. Durch ausgedehnte Untersuchungen konnte E d l b a c h e r nachweisen, daß überall dort, wo gesteigerte Wachstumsvorgänge im Organismus stattfinden, diese Spaltung intensiver ist. So spalten alle malignen und benignen Tumoren Arginin in dieser Weise. Auch zeigte es sich, daß alle männlichen Tiere stärker spalten als die weiblichen. Es ist wahrscheinlich, daß diese Vorgänge mit dem Zellkernstoffwechsel in inniger Beziehung stehen, da doch die Zellkerne basische (argininreiche) Eiweißkörper enthalten. Es konnte auch gezeigt werden, daß die Lebern von Vögeln und Reptilien, also von Tieren, die hauptsächlich H a r n s ä u r e und keinen H a r n s t o f f bilden, kaum Arginase enthalten. (Diese Klassen enthalten das Enzym in geringer Menge in den Nieren.) K r e b s konnte erweisen, daß überlebende Leberzellen von Säugern die Fähigkeit haben, bei Gegenwart von Ornithin aus Ammoncarbonat Harnstoff zu bilden. Dieser Weg geht über das Arginin in der Weise, daß 1. Ornithin + C02 + NH3 Carbaminoomithin (Citrullin) bilden. 2. Citrullin + NH3 bildet Arginin. 3. Arginin + Wasser zerfällt durch Arginase in Harnstoff und Ornithin usw. Das O r n i t h i n ist also der V e r m i t t l e r der H a r n s t o f f s y n these im Säuger. (Die Formelgleichung siehe bei Harnstoffbildung.) Der oben angedeutete Gedanke, daß bei Wachstumsvorgängen die basische Aminosäuren und vor allem das Arginin beteiligt sein werden, konnte E d l b a c h e r dadurch zeigen, daß wachsende Gewebe in verstärktem Maße Arginin hydrolytisch spalten. Es könnte nun gegen diese Deutung der Einwand gemacht werden, daß z. B. im Tumor die n e k r o t i s c h e n Vorgänge als allgemeine Zerfallsreaktionen auch die Arginasespaltung in sich schließen. Edlbacher und Koller untersuchten in dieser Hinsicht das J e n s e n Sarkom der Ratte, bei dem sich Tumorgewebe und Nekrose sehr leicht trennen lassen. Diese Untersuchung ergab wohl auch im Nekrosengewebe eine Spaltung, sie zeigte aber, daß das 100% aus Sarkomzellen bestehende Gewebe die Spaltung gab. Die vorhin ausgesprochene Rolle der Arginasereaktion als Wachstumsvorgang wird demnach dadurch voll bestätigt. Nach Versuchen von E d l b a c h e r und Neber vermag überlebendes Sarkomgewebe wohl Arginin zu spalten, es f e h l t ihm aber die Fähigkeit, so wie die Leber aus Ammoniumcarbonat Harnstoff zu bilden. Diese Tatsache liegt auch ganz in der Richtung der hier ausgesprochenen Gedankengänge. Während in der Leber das Arginin mit der Harnstoff-

III. Teil

282

synthese in Beziehung gebracht werden muß, tritt in den übrigen Geweben der hydrolytische Argininabbau nur als Folge von Wachstumserscheinungen, also Zellteilungen, auf. Die Tatsache, daß bei der Heranreifung der Protamine in diesen gerade der Arginingehalt immer mehr zunimmt, liegt ja ebenfalls in gleicher Richtung. Nach den Angaben von A k r o y d und H o p k i n s läßt sich Arginin im Fütterungsversuch durch Histidin ersetzen. Dies wurde durch Scull und R o s e sowie durch Meyer und R o s e in neuester Zeit bestätigt. Sie fanden die Zunahme der Gewebe an Arginin 2—8 mal größer, als der Aufnahme durch die Nahrung entsprach. Es entsteht also im Säuger Arginin und es ist die Möglichkeit einer Umwandlung von Histidin in Arginin demnach zu erwägen. Dies wäre bei der Ähnlichkeit beider Stoffe durchaus denkbar. Nun findet man einerseits tatsächlich, daß bei der Protaminreifung Argininanreicherung und Histidinschwund auftritt. Schüttelt man andererseits Histidin mit überlebenden Leberschnitten, so kommt es statt zur Bildung von Ammoniak zur Entstehung von Harnstoff. Man kann dies am zwanglosesten so erklären, daß das durch die Histidase in Freiheit gesetzte Ammoniak auf dem oben geschilderten Wege über Citrullin in Arginin und dann in Harnstoff durch Arginasespaltung zerfällt. Dabei muß man natürlich annehmen, daß in der Leber a priori die für die Argininsynthese notwendige Ornithinmenge enthalten ist. Man könnte aber diese Tatsachen auch vielleicht so deuten, daß das durch enzymatische Spaltung des Histidins gebildete Produkt sich d i r e k t in A r g i n i n umwandelt. Dies wäre eine Reaktion, die unter gleichzeitiger Hydrierung zustande käme. Es wäre ein Vorgang, der dann vielleicht auch bei der Bildung von Zellproteinen eine Rolle spielen könnte. Seine Formulierung wäre die folgende: HC—NH

Histidin

OC—NH H

H

COOH Citrullin

Arginin

In Fortsetzung dieses Gedankenganges ist es E dl b ach er im Verein mit W. K u t s c h e r und L e u t h a r d t auch gelungen, den Nachweis zu führen, daß die Argininspaltung s a u e r s t o f f e m p f i n d l i c h ist. Bei Anaerobiose ist sie gesteigert, bei Aerobiose wird sie heruntergedrückt.

Vierzehntes Kapitel. Der Eiweißstoffwechsel

288

Die A r g i n a s e s p a l t u n g ist also in b e z u g auf die S a u e r s t o f f e m p f i n d l i c h k e i t ein V o r g a n g , der a n a l o g w i e die P a s t e u r reaktion verläuft. Ein zweiter Abbauweg des Arginins ist der der Decarboxylierung. Er führt zu dem von K o s s e i in den Fischtestikeln gefundenen A g m a t i n . /NH 2 NNH—CH2—CH2—CHA—CHJ • NH2

Endlich wurden viele Versuche darüber angestellt, die evtl. Beziehung zwischen A r g i n i n und K r e a t i n zu klären. Es wäre gut vorstellbar, daß durch oxydativen Abbau der Seitenkette Kreatin gebildet würde: /NHA

Ci=NH

Arginin

\NH—CH2—CHJ—CH2—CH • NH2—COOH /NH2

C^-NH X

Guanidinessigsäure

NH—CH2—COOH

/NH2

Cv^NH ("TTT N C=0 X

NH 2

Vierzehntes Kapitel. Der Eiweißatoffwechsel

241

K r e b s konnte nun in neuester Zeit zeigen, daß überlebende Leberzellen bei Gegenwart von Ornithin aus Ammoniumcarbonat Harnstoff bilden. Es ergab sich, daß geringe Mengen von Ornithin relativ große Mengen Harnstoff entstehen lassen. Dies wird von dem Genannten so gedeutet, daß aus der Aminosäure und dem Ammoniumcarbonat zuerst Arginin entsteht, welches dann durch Arginase wieder in Ornithin und Harnstoff zerlegt wird. Demnach ist das Ornithin gewissermaßen der Katalysator der Harnstoffbildung. CH,-NHj /NH2 I HN=C< CHj \NH (Üh,

+ 2NH3 + CÖ2 =

«JH,),

[•NHj ¿H-

+ 2H20

CHNHj

¿OOH ¿OOH Es würde demnach aller entstandener Harnstoff über Arginin durch Arginasespaltung entstehen. Da auch das Citrullin (Carbaminoornithin) auf Leberzellen bei Gegenwart von Ammoniak unter Harnstoffbildung einwirkt, würde diese Aminosäure evtl. als Zwischenprodukt anzunehmen sein. CO ^NH (JH,), ¿h-nh 2 ¿OOH

Citrulün

/NHJ

C=NH \NH

+ NH, —»- (¿Ht)3

+ HjO

¿hnh2 ¿OOH

Arginin

Diese Theorie der Harnstoffbildung könnte zunächst wohl nur für Säuger gelten. Da aber die Leber der Sauropsiden keine Arginase enthält, kann demnach bei diesen Tierklassen in der Leber gar kein Harnstoff gebildet werden. Der H a r n s t o f f oder das Carbamid wurde 1777 entdeckt und 1828 von Wöhler synthetisch dargestellt. Diese Synthese besteht in einer Umlagerung des cyansauren Ammoniums. NH4OCN = CO(NH,)j Die quantitative Bestimmung des Harnstoffs wird am besten durch die Zerlegung mit Urease (siehe Fermente) ausgeführt, indem das gebildete Ammoniak gemessen wird. Zur Darstellung des Harnstoffs aus Harn wird der eingeengte Harn mit Salpetersäure gefällt. Es kommt zur Bildung von schwer löslichem Harnstoffnitrat, das durch Filtration gewonnen werden kann. E d l b a c h e r , Kurzgefaßtes Lehrbuch der physlol. Chemie. 4. Aufl.

IC

242

III. Teil

Der Harnstoff, welcher in der Leber gebildet wird, gelangt durch das Blut in die Nieren. Ein erwachsener Mensch scheidet täglich bei normaler Ernährung ungefähr 30 g aus. Auch in anderen Sekreten, wie Speichel, Milch und Schweiß wird etwas Harnstoff ausgeschieden. Bei Vögeln und Reptilien ist die ausgeschiedene Harnstoffmenge gering. Bei diesen Tierklassen wird der größte Teil des Stickstoffs in Form von H a r n s ä u r e ausgeschieden. Der im Stoffwechsel gebildete Harnstoff wird dabei in Harnsäure umgewandelt, ein Phänomen, auf welches bei der Besprechung des Purinstoffwechsels noch eingegangen werden wird. Bleibt Harn, der normalerweise sauer reagiert, sich selbst überlassen, so wird er durch Bakterien, welche Urease enthalten, alkalisch, indem der Harnstoff in Kohlensäure und Ammoniak verwandelt wird. Fünfzehntes Kapitel

Der Nucleinstoffwechsel Verdauung und Resorption Die Nucleoproteide sind hauptsächlich in den Zellkernen der zugeführten Nahrung enthalten. Es sind nun zunächst die Proteinasen des Magendarmkanals, welche auf diese Nucleoproteide einwirken. Durch die Pepsinwirkung wird zunächst ein Teil der Eiweißkörper abgespalten. Die vollkommene Aufspaltung unter Bildung von Nucleinsäuren kommt aber erst unter dem Einfluß des Trypsins zustande. Da die Nucleinsäuren Polynucleotide sind, ist zunächst die Frage zu entscheiden, ob diese vor der Resorption noch weiter zerlegt oder im intakten Zustande resorbiert werden. Es scheint nun drei Gruppen von Fermenten zu geben, welche die Nucleinsäuren spalten. 1. N u c l e i n a s e . Ihre Wirkung besteht in der hydrolytischen Aufspaltung der Polynucleotide zu Mononucleotiden. 2. N u c l e o t i d a s e . Sie spaltet aus den einfachen Nucleotiden die Phosphorsäure ab, so daß Nucleoside entstehen. 8. N u c l e o s i d a s e . Sie führt die Spaltung in Zucker und Purin auf hydrolytischem Wege durch.

Fünfzehntes Kapitel. Der Nucleinstoffwechsel

248

Die Nucleinase findet sich in allen Organen, Pankreas und Darmsaft. Die Nucleotidase ist im Preßsaft aller Organe und im Darmsaft, n i c h t im Pankreassaft gefunden worden. Die Nucleosidase ist auch in den Preßsäften der meisten Organe, aber n i c h t im Darmsaft gefunden worden. Die Versuche, zu fermentativ einheitlichen Lösungen zu gelangen, sind bezüglich dieser Fermente noch nicht weit gediehen. Auf Grund dieser verschiedenen Fermentwirkungen ist es wohl wahrscheinlich, daß die Nucleinsäuren im Darm n u r b i s z u d e n M o n o n u c l e o s i d e n aufgespalten werden und daß diese zur Resorption gelangen. Da die einfachen Nucleoside wasserlöslich sind, die Purine dagegen schwer löslich, ist daher die Nucleosidform die leichter resorbierbare. Wie die weitere Spaltung genau verläuft, ist heute noch nicht zu sagen. Auf jeden Fall dürfte eine Spaltung in die einzelnen Bausteine anzunehmen sein. T h a n n h a u s e r konnte in neuerer Zeit durch Einwirkung von Darmschleimhautextrakten auf Nucleinsäuren die Nucleinasewirkung zeigen, daß bei gleichzeitigem Zusatz von arseniger Säure die Phosphatase auf die entstandenen Mononucleotide nicht mehr einwirken kann. Dadurch war es ihm möglich, die tierische Nucleinsäure in Mononucleotide zu zerlegen und diese in chemisch reiner Form zu isolieren. Ein Teil der Nucleinstoffe wird auch durch die Bakterien des Darmkanals zerstört. Die R e s o r p t i o n der so entstandenen Nucleotide erfolgt durch die B l u t b a h n . Es gelangen dadurch die Stoffe in die verschiedenen Organe, an denen sie zum Aufbau der Kernsubstanz verwendet werden. Das weitere Schicksal der Purin- und Pyrimidinkörper Durch die Lebenstätigkeit der Zellen wird ständig ein Teil der so in den Organismus gelangten Substanzen verbraucht. Während nun über das Schicksal der P u r i n e schon gewisse Tatsachen bekannt sind, ist das der P y r i m i d i n e noch ganz in Dunkel gehüllt. Die P u r i n e werden desaminiert und oxydiert, wobei sie in H a r n s ä u r e bzw. A l l a n t o i n übergehen. H o r b a c z e w s k i erhielt beim Digerieren von Milzpulpa unter Luftdurchleitung Harnsäure. E r konnte auch feststellen, daß bei der Verfütterung von Nucleinstoffen die Harnsäureausscheidung anstieg. Es sind nun verschiedene Fermente bekannt, die entweder desaminierend oder auch oxydierend auf die Purine einwirken. Sie kommen in Leber, Darm und Milz vor. Die desaminierenden Fermente sind sog. H y d r o l a s e n , d. h. sie bedürfen zur Entfaltung ihrer Wirkung k e i n e n Sauerstoff. 16»

244

m . Teil

Die Aminopurine Adenin und Guanin werden durch sie in H y p o x a n t h i n und X a n t h i n verwandelt. HN—C=0

HN—C=0

^-x^x +NH 3 H.N(!; ¿—NH + HH„0 . 0 = o0 =JC C—HN (!-: II II >CH J || >CH N—C—N HN—C—N Das Ferment, welches diese Wirkung hat, wird als Guanase bezeichnet. fcC-NH, HN—C=0 HIJ ¿—NH + HjO = II II >CH N—C—N

H^ J—NH + NH3 || || >CH N—C—N

Dieses Ferment, welches also Adenin zu Hypoxanthin desaminiert, heißt demnach Adenase. Diese Purindesamidasen wirken auch schon auf die Nucleoside, also auf die Komplexe. Dabei braucht keine Aufspaltung des Nucleosides stattzufinden, so daß dann Xanthin bzw. Hypoxanthinnucleoside entstehen: Adenin—Kohlehydrat >Hypoxanthin—Kohlehydrat (Adenosin) (Hypoxant hosin) Guanin—Kohlehydrat (Guanosin)

>-

Xanthin—Kohlehydrat (Xanthosin)

Die o x y d a t i v e Phase, welche natürlich nur bei Sauerstoffgegenwart eintritt, besteht dann in einer Umwandlung von Hypoxanthin zu Xanthin und dieses letztere wird dann zu Harnsäure oxydiert. Vereinigt man alle diese Vorgänge zu einem Bilde, so ergibt sich das Schema: N=C—NH2

HN—C=0

HC ¿—NH H2NL-¿—NH II II >CH || || >CH N—C—N N—C—N Adenin Guanin | -CH N—C—N Hypoxanthin

oA C—NH | || >CH HN—C—N Xanthin

HN—CO »- o i ¿—NH J || >CO HN—C—am Harnsäure

Die oxydative Phase findet hauptsächlich in der Leber statt. Die Harnsäure ist also zunächst die Verbindung, in welche alle Purine übergehen.

Fünfzehntes Kapitel. Der Nucleinstoffwechsel

245

Die Harnsäure Sie ist ein Stoffwechselendprodukt, insofern sie nicht in Allantoin umgewandelt wird (siehe unten). Sie ist ein 2,6,8-Trioxypurin. Beim Menschen und den anthropoiden Affen ist sie das hauptsächlichste Endprodukt des Purinstoffwechsels, bei Vögeln und Reptilien das Hauptendprodukt des Stickstoffwechsels. Harnsäure ist äußerst schwer in Wasser löslich. Man kann sie als Keto- oder Enolverbindung auffassen: HN—C=0 N=C—OH o i ¿—NH I II >CO HN—C-NH Ketoform

HO-A ¿—NH II | >COH N—C—N Enolfonn

Im Organismus ist die Harnsäure als primäres Natriumsalz (Natriumurat) gelöst. Bei normaler gemischter Kost scheidet ein normaler Mensch täglich etwa 0,5—1,2 g Harnsäure aus. Die Harnsäure kann durch verschiedene Reaktionen nachgewiesen werden: 1. Murexidreaktion. Beim Erhitzen von Harnsäure und Uraten mit Salpetersäure verbleibt nach dem Verdampfen ein roter Rückstand, welcher durch Ammoniak purpurrot wird. Es bildet sich ein kompliziertes Oxydationsprodukt, welches den Namen Murexid führt (Murex, die Purpurschnecke). 2. Folins Reaktion. Harnsäurelösung wird mit Phosphorwolframsäure und Natriumcarbonat versetzt. Es entsteht eine blaue Färbung. Diese Reaktion wird auch zur kolorimetrischen Bestimmung der Harnsäure verwendet. Die klassischen Arbeiten E. Fischers haben die Chemie der Purinderivate weitgehend erklärt. Es sind auch eine Reihe von Synthesen der Harnsäure durchgeführt worden, welche die Konstitution dieser Verbindung bewiesen haben. Die Harnsäure wird durch ein Ferment, welches als uricolytisches Ferment, Uricase oder Uricooxydase bezeichnet wird, zu Allantoin abgebaut: NH—€0 NH2 O ¿0 ¿-NH + O + H.0 = ¿0 Ii NH + CO. | n >co | i >co NH—C—im NH—CH—NH Harnsäure Allantoin Es wird dabei der Pyrimidinteil des Purinringes geöffnet und das 6-C-Atom als C02 abgespalten.

246

III. Teil

Durch die Untersuchungen von K. F e l i x ist diese Reaktion geklärt worden. Sie verläuft in zwei Phasen. In der ersten wird Sauerstoff und Wasser aufgenommen, sie ist die oxydative. Erst in einer zweiten Phase wird das C0 2 abgespalten. Die Untersuchung der Aktivitätskurve (siehe Fermente) zeigt auch deutlich zwei Maxima, von denen das der ersten Phase bei pH = 8,7, das der zweiten bei pH = 9,7 liegt. Es bildet sich zunächst aus der Harnsäure ein Oxydationsprodukt, die sog. Uroxansäure, welche dann erst in Allantoin übergeht. Diese Oxydation der Harnsäure zu Allantoin ist auch rein chemisch unter Anwendung von Kaliumpermanganat durchführbar. Während die beschriebene Uricolyse mit dem Extrakte zahlreicher Säugerorgane leicht durchführbar ist, besitzen die Organe des Menschen gar keine oder nur minimale u r i c o l y t i s c h e Wirkung. Viele Forscher neigen daher der Ansicht zu, daß der Mensch überhaupt nicht die Fähigkeit besitzt, Harnsäure abzubauen. Wenn diese Fassung auch vielleicht zu extrem ist, so besteht aber dennoch der wichtige Unterschied gegen die andern Säuger. Thannhauser und Bommes injizierten einem Menschen die Nucleoside Adenosin und Guanosin und konnten 82% des so eingeführten Stickstoffes aus dem Harn als Harnsäure wiedergewinnen, was anzeigt, daß keine Uricolyse von größerem Umgange stattgefunden haben kann. Die im Harn ausgeschiedene Harnsäure stammt entweder aus dem beschriebenen Zerfall der als Nahrungsstoffe zugeführten Purine oder sie entsteht durch die Abnützung der Zellkernsubstanz. Wird ein Mensch purinfrei ernährt, so sinkt die Harnausscheidung bis auf ein Minimum, welches nicht zum Verschwinden gebracht werden kann. Diese Minimalmenge beträgt pro Tag 0,5 g. Sie stellt diejenige Harnsäuremenge dar, welche durch den Abbau der Zellkernsubstanz des Organismus gebildet wird. Man bezeichnet sie als endogene Harnsäure im Gegensatz zur e x o g e n e n Harnsäure, welche aus dem Abbau der mit der Nahrung zugeführten Purine entsteht. Die Menge der endogenen Harnsäure ist durch Arbeit stark beeinflußt. Durch die neueren Untersuchungen E m b d e n s über den Chemismus der Muskeltätigkeit wurde auch gezeigt, daß im Muskel wahrscheinlich eine Adenosinphosphorsäure in Hypoxanthinphosphorsäure übergeht. Anderseits haben Durchströmungsversuche mit Hundemuskeln auch einen Zusammenhang zwischen Harnsäurebildung und Muskelarbeit ergeben. Neubildung von Purinen Daß der tierische Organismus die Fähigkeit zur Synthese des Purinringes besitzt, haben Versuche am Hühnerei ergeben, welche

Fünfzehntes Kapitel. Der Nucleinstoffwechsel

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zeigten, daß die Purinmenge des Embryos im Laufe der Entwicklung ansteigt. Auch beim Säuger findet eine solche Synthese statt, denn der Säugling kann aus der purinarmen Milch Purine aufbauen. Ganz besondere Verhältnisse scheinen bei den Vögeln und den Reptilien zu bestehen. Der Vogelharn verdankt dem hohen Gehalt an Harnsäure seine breiige Konsistenz. Die Menge der Harnsäure ist bei diesen Tierklassen so groß, daß man eine Beteiligung der Eiweißspaltprodukte an der Harnsäuresynthese annehmen muß. Verfütterung von Aminosäuren (Glykokoll, Leucin, Asparaginsäure), sowie von Harnstoff oder selbst von Ammoniumsalzen bedingt bei Hühnern eine der zugeführten Stickstoffmenge entsprechende Harnsäureausscheidung. Die Lokalisierung dieser Harnsäuresynthese ist durch die Untersuchungen von M i n k o w s k i ergründet worden. Er unterband bei Gänsen alle die Leber versorgenden Blutgefäße oder führte eine Totalexstirpation der Leber durch. Derartige Tiere, welche natürlich nur kurze Zeit am Leben erhalten werden können, scheiden nunmehr anstatt der H a r n s ä u r e A m m o n i u m l a c t a t aus, bis auf eine geringe Menge Harnsäure, welche nicht zum Verschwinden gebracht werden kann. Betrachtet man in diesem Zusammenhange die Formel der Harnsäure, so kann man diese auch als ein Diureid auffassen, das aus einer 8 C-Atome enthaltenden Substanz und zwei Molekülen Harnstoff entstanden ist:

Werden nun, wie W i e n e r es durchführte, solche Substanzen mit drei C-Atomen injiziert, so tritt keine vermehrte Harnsäureausscheidimg ein. Diese erfolgt aber, wenn die Tiere gleichzeitig Harnstoff zugeführt bekommen. Aus diesen Versuchen W i e n e r s geht also hervor, daß die Gegenwart der drei C-Atomkörper keine Vermehrung des Eiweißzerfalles bedingt, daß aber zweifelsohne die Harnsäuresynthese beim Vogel aus Harnstoff erfolgt. Die wirksamen Drei-C-Atomkörper waren: COOH

COOH

CH2

CH OH

COOH Malonsäure

Tartronsäure

COOH

COOH

Mesoxalsäure

Milchsäure

Unwirksam war die Propionsäure und Säuren mit vier C-Atomen (ausgenommen Oxybuttersäure).

III. Teil

248

Diese drei C-Atomkörper können durch Kohlehydratzerfall leicht entstehen. Auf Grund dieser Tatsachen nimmt Wiener die Entstehung der Harnsäure aus Tartronsäure an. Es wurde schon erwähnt, daß auch die entleberten Gänse noch immer etwas Harnsäure ausscheiden. Diese Hamsäureausscheidung ist die auf dem gewöhnlichen oxydativen Wege gebildete Harnsäure, welche so wie bei den Säugern aus den Purinen der Nucleinstoffe entsteht. In diesem Sinne besitzen also die Säuger und Yögel doch denselben Stoffwechsel. Gegen diese Theorie sind in letzter Zeit schwerwiegende Einwände erhoben worden. Da zu der Harnstoffbildung nach K r e b s ja die Wirkung der Arginase nötig ist, diese in der Vogelleber aber fehlt, kann die Harnsäuresynthese nicht in der oben geschilderten einfachen Form vor sich gehen. Nach Schuler sind Niere und Leber daran beteiligt, indem verschiedene Enzyme auf eine ihrer Natur nach noch unbekannte Vorstufe einwirken müssen. Es konnte gezeigt werden, daß ü b e r l e b e n d e Nierenschnitte vom Vogel Aminosäuren desaminieren, und daß dabei teils Ammoniak, teils Harnsäure auftritt. Die Kohlenstoffquelle für die Harnsäuresynthese ist also eine unbekannte „Vorstufe", die in der Leber fermentativ gebildet wird. Weder die von Wiener angenommenen 8-C-Körper, noch die meisten Substanzen physiologischer Herkunft sind mit dieser „Vorstufe" identisch. Die Niere des Vogels kann diese Vorstufe nicht bilden, sie gelangt vielmehr auf dem Blutwege in die Niere, wo sie zum Aufbau der Harnsäure verwendet wird. Diese Untersuchungen wurden von K r e b s erweitert, indem ermittelt wurde, daß in der Leber als „Vorstufe" zuerst H y p o x a n t h i n gebildet wird. In Niere und Pankreas findet sich das Enzym Xanthinoxydase, welches das Hypoxanthin auf oxydativem Wege in Harnsäure überführt. Es sei hier noch auf eine konstitutionschemische Eigentümlichkeit hingewiesen: Vergleicht man die Formeln von Purin, Arginin und Histidin, so besteht eine Ähnlichkeit im Aufbau dieser Substanzen: COOH COOH

Harnsäure

Arginin

Histidin

Sechzehntes Kapitel. Das Blut

249

A. Kossei wies auf das Vorkommen der Purine und des Arginins in den reifen Spermatozoon der Fische hin. Es sind einerseits die Nucleinsäuren, anderseits die Protamine, bei denen eine Häufung solcher Komplexe zu finden ist. Es wird vielleicht möglich sein, daraus noch wichtige Schlüsse über die physiologische Funktion der Substanzen aus dieser Ähnlichkeit her abzuleiten. Pterine W i e l a n d , Schöpf und B e c k e r untersuchten verschiedene Farbstoffe von Schmetterlingsflügeln, sowie den gelben Farbstoff des Abdomens der Wespe. Es zeigte sich, daß alle diese Substanzen, die P t e r i n e genannt werden, durch Zusammenlagerung von mehreren Purinen (wahrscheinlich drei) entstehen. Die genaue Feststellung der Formeln steht noch aus. Störungen des Purinstoffwechsels Unter A r t h r i t i s u r i c a oder Gicht wird eine Störung des menschlichen Purinstoffwechsels verstanden, bei welcher es zu Ablagerungen von Harnsäure und Mononatriumurat in den Gelenken, den Ohrknorpeln usw. kommt. Ihr Wesen ist trotz eifrigster Forschung noch nicht geklärt. Man hat eine Fermentanomalie oder auch mehr kolloidchemische Ursachen zu ihrer Deutung herangezogen. Auch eine Veränderung der Niere wurde zur Erklärung dieser Krankheit in Betracht gezogen. Beim Schwein kommt eine ähnliche Krankheit vor, bei welcher Ablagerungen von G u a n i n auftreten. Diese Substanz wird normalerweise im Harn der Tiere nicht ausgeschieden, während die an Guaningicht erkrankten dieses tun. Auch hier fehlt eine exakte Deutung der Krankheitsursache. Sechzehntes Kapitel

D a s Blut Eine ausführliche Beschreibung der allgemeinen Eigenschaften des Blutes findet sich in allen Lehrbüchern der Physiologie. Es kann hier davon abgesehen werden und es sollen in dieser Zusammenstellung nur die allgemeine Zusammensetzung, das Phänomen der Blutgerinnung und die Chemie des roten Blutfarbstoffes behandelt werden.

250

III. Teil

Allgemeine Zusammensetzung Das Blut ist eine Flüssigkeit, in welcher zellige Elemente enthalten sind. Erstere heißt das B l u t p l a s m a , letztere werden Erythrocyten, Leukocyten und Thrombocyten genannt. Wenn Blut einer Ader entströmt und einige Zeit sich selbst überlassen wird, so g e r i n n t das Blut. Bei dieser Gerinnung scheidet sich F i b r i n ab. Fibrin ist ein Eiweißkörper, welcher als F i b r i n o g e n im Blutplasma gelöst enthalten ist. Dieses Phänomen der Gerinnung wird im nächsten Abschnitt behandelt werden. Die vom Fibrin abgetrennte Flüssigkeit heißt das B l u t s e r u m oder Serum schlechthin. Bei der Gerinnung werden durch das ausfallende Fibrin die Blutkörperchen miteingeschlossen. Diese Masse, welche also aus Fibrin und Körperchen besteht, ist der B l u t k u c h e n oder Cruor. Blut Flüssigkeit: Plasma (Thrombogen) Serum Fibrinogen (Thrombin) J Fibrin

Zellen rote: Erythrocyten weiße: Leukocyten Plättchen: Thrombocytcn

Da das Blut das Haupttransportmittel des Organismus ist, können die meisten Substanzen oder deren Bausteine und deren Zwischenprodukte in mehr oder weniger großen Konzentrationen darin gefunden werden. Die Menge des Blutes beträgt beim Manne 1 / ia — 1 / 17 des Körpergewichtes. Das Blutplasma enthält Eiweißstoffe und zwar 7—8°j0. Es sind dies A l b u m i n , G l o b u l i n und F i b r i n o g e n . Ferner kommt darin vor: Zucker (Glucose) 0,05—0,1 °/0, Harnstoff, Purine, Aminosäuren und viele andere Substanzen, Fermente, Salze usw. Die E r y t h r o c y t e n enthalten den roten Blutfarbstoff, das H ä m o g l o b i n als wichtigsten Bestandteil. Das Hämoglobin ist das Transportmittel für den Sauerstoff. Über die Beaktion des Blutes, die Gegenwart von Salzen, das Phänomen der H ä m o l y s e siehe die Kapitel über Beaktion und osmotischen Druck. Die Gerinnung des Blutes Die Gerinnung des Blutes kann herbeigeführt werden, wenn dasselbe nach dem Austritt aus den Blutgefäßen mit einem Stab geschlagen wird oder in Glas oder Porzellangefäßen sich selbst überlassen bleibt. Die Gerinnung wird verhindert, wenn die Auffanggefäße mit einer Paraffinschicht überzogen wurden. Beim Gerinnen ohne Schlagen schließt das ausfallende Fibrin alle Formelemente ein und es bleibt über dem Blut-

Sechzehntes Kapitel. Das Blut

251

kuchen (Placenta sanguinis) das gelb gefärbte Serum stehen. Menschliches Blut enthält etwa 60% Serum. Im Plasma sind 0,4% Fibrinogen enthalten. Durch gewisse Zusätze gelingt es, das Blut u n g e r i n n b a r zu machen. So genügt ein Zusatz von 0,1% Natriumoxalat oder 0,8% Natriumfluorid oder Natriumeitrat oder 1 / l Volumen gesättigter Magnesiumsulfatlösung. Außer diesen Salzen wird die Gerinnung durch das aus den Munddrüsen des Blutegels gewonnene H i r u d i n verhindert. Endlich hemmen Peptone und Albumosen bis zu einem gewissen Grade diesen Vorgang. K o w e l l konnte aus der Leber eine, H e p a r i n bezeichnete Substanz isolieren, die in vitro wie in vivo gerinnungshemmend wirkt und in ihrer Wirkung dem Hirudin weit überlegen ist. Fibrinogen Wird derartiges Oxalatplasma mit dem gleichen Volumen gesättigter Kochsalzlösung gefällt, so bildet sich ein Niederschlag von Fibrinogen. In verdünnter Kochsalzlösung ist dieses Fibrinogen wie ein Globulin löslich. Im nativen Blut ist Calcium enthalten. Durch den Zusatz von Oxalaten, Fluoriden oder Citraten wird dieses ausgefällt bzw. entionisiert. Die gerinnungshemmende Wirkung dieser Salze beruht auf ihrem K a l k f ä l l u n g s v e r m ö g e n bzw. beim Citrat auf dem Entionisierungsvermögen des Calciums. Es gelingt auch durch einfache Dialyse das Calcium zu entfernen und dadurch die Gerinnung zu verhindern, wie Wöhlisch feststellte. Würde aber die Gegenwart von löslichen Kalksalzen die alleinige Ursache der Gerinnung sein, so müßte eine nach dem genannten Verfahren hergestellte Fibrinogenlösung bei nachträglichem Zusatz von Kalksalzen sofort unlösliches Fibrin ausfallen lassen. Dies geschieht aber nicht. Daraus muß der Schluß gezogen werden, daß außer der Gegenwart von Fibrinogen und Kalksalzen noch ein d r i t t e r F a k t o r zur Fibrinbildung notwendig ist. Bringt man in eine Fibrinogenlösung etwas Serum hinein, so tritt sofort Gerinnung unter F i b r i n b i l d u n g ein. Diese Fibrinbildung unterscheidet sich von der Ausfällung des Fibrinogens mit Kochsalz dadurch, daß diese r e v e r s i b e l , jene irrev e r s i b e l ist. Man hat den "Übergang von Fibrinogen in Fibrin auch als einen hydrolytischen Fermentprozeß angesehen. Es ist aber auch möglich, daß nur eine Umwandlung eines S o l s in ein Gel vorliegt, also nur ein kolloidchemisches Phänomen. Die Erklärung für den Gerinnungsvorgang dürfte nun in folgender Weise zu geben sein. 1. Im Blute kreist die unwirksame Vorstufe eines Fermentes, das T h r o m b o g e n oder auch P r o t h r o m b i n oder S e r o z y m genannt.

252

III. Teil

2. In den zelligen Elementen des Körpers findet sich ein Aktivator des Thrombogens, eine T h r o m b o k i n a s e , auch T h r o m b o z y m , oder Cytocym genannt. 3. Das Calcium. Die Gerinnung des Blutes ist nach H a m m a r s t e n e i n i n zwei Phasen ablaufender Vorgang: 1. Bildung des wirksamen Thrombins. 2. Umwandlung des Fibrinogens in Fibrin durch das Thrombin. Das Schema bringt diese Tatsachen in übersichtlicher Form: Plasma: Fibrinogen

Thrombogen

Zellen: Calcium Thrombin

Thrombokinaae

jS

Fibrin.

Die Gerinnungsaktivität des frischen S e r u m s , welches also Thrombin enthält, nimmt sehr rasch ab, weil das Thrombin in eine unwirksame Form, das M e t a t h r o m b i n übergeht. Die Entstehung des Prothrombins ist unbekannt. Es ist thermolabil und findet sich im strömenden Blut gelöst und scheint außerdem in den Thrombocyten vorzukommen. Nach Untersuchungen, welche Bor de t anstellte, scheint auch das Prothrombin nicht direkt, sondern in zwei Stufen in das Thrombin umgewandelt zu werden. Das Proserocym geht in Serocym (Thrombin) über. Die Umwandlung des Prothrombins in Thrombin erfolgt bei Gegenwart von Calcium und den vom Blut gelieferten „gerinnungsaktiven Substanzen" (Thrombokinase). Howell konnte nun zeigen, daß das Lipoid K e p h a l i n (siehe Lipoide) in hohem Maße bei Gegenwart von Calcium die Fähigkeit besitzt, das Prothrombin zu Thrombin zu aktivieren. Wässerige Organextrakte enthalten auch Thrombokinase. Sie sind in ihrer Wirkung dem Kephalin überlegen. Aus diesem Grunde nimmt man an, daß die Thrombokinase möglicherweise eine Komplexverbindung aus (Kephalin + Eiweiß)

ist und welcher durch die Eiweißkomponente die WaBserlöslichkeit verliehen wird und dadurch vielleicht auch die gesteigerte Wirksamkeit.

Sechzehntes Kapitel. Das Blut

253

Die Bildung des Kephalins oder seiner wirksamen Eiweißverbindung erfolgt durch den Zerfall der Thrombocyten. Diese sind sehr empfindliche Gebilde und liefern bei ihrem Zerfall die erste Thrombokinasemenge, welche die Gerinnung einleitet, wenn eine Blutung entsteht. Man kann als Ursache dieses Thrombocytenzerfalles vielleicht die geänderten Bedingungen annehmen, unter denen sich das Blut beim Verlassen des Gefäßes befindet. So wird dadurch beispielsweise der Fartialdruck der Kohlensäure vermindert. Strömt bei einer Verletzung das Blut über die Wundfläche, so liefert der Zellinhalt der zerrissenen Zellen die Hauptmenge der Thrombokinase. Hat sich einmal Thrombin gebildet, so wirkt dieses auch bei Abw e s e n h e i t von Kalksalzen fibrinbildend. Normales Blut eines gesunden Individuums gerinnt ungefähr drei Minuten nach dem Ausströmen. Eine verzögerte Blutgerinnung wird als H ä m o p h i l i e oder Bluterkrankheit bezeichnet. Diese Hämophilie ist erblich in gewissen Familien. Unter pathologischen Bedingungen kann das Blut auch in den Gefäßen des Organismus gerinnen. Derartige Gerinnsel werden als T h r o m b e n bezeichnet. Durch plötzliches Loslösen kann ein solcher Thrombus an einer lebenswichtigen Stelle die Blutbahn verstopfen. Eine derartige Verstopfung der Blutbahn wird als E m b o l i e bezeichnet. Der Blutfarbstoff und ähnliche Pigmente Die Ursache der roten Farbe des Blutes ist der in den Erythrocyten vorhandene rote Blutfarbstoff oder H ä m o g l o b i n . Dieses ist ein P r o t e i d , also ein zusammengesetzter Eiweißkörper, welcher sich durch seinen Eisengehalt auszeichnet. Das Hämoglobin bildet etwa 14% des menschlichen Blutes und ist der Hauptbestandteil der intraglobulären Flüssigkeit. Durch Einfluß von Säuren oder Alkalien gelingt die Spaltung des Chromoproteides in seine beiden Komponenten. Aus dem Eisengehalt hat man für das Hämoglobin ein Molekulargewicht von etwa 16000 berechnet. (Siehe das Kapitel über Eiweißkörper.) Das Oxyhämoglobin ist besonders leicht in schönen Krystallen zu erhalten, welche je nach der Tierart verschiedene Krystallform besitzen. Nach den Untersuchungen von H a n s F i s c h e r leitet sich der Farbstoffanteil des Hämoglobins und alle ähnlichen als P o r p h y r i n e bezeichneten Farbstoffe von einer gemeinsamen Muttersubstanz ab, die

lit. Teil

254

als P o r p h i n bezeichnet wird. Dieses Porphin ist aus vier Pyrrolringen aufgebaut, die durch —CH-Gruppen (Methingruppen) vereinigt sind, so daß dadurch die folgende Formel entsteht: (1) (2)

^NH Pyrrol

(8) (7)

Porphin